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Full text of "Durch Asien : Erfahrungen, Forschungen und Sammlungen während der von Amtmann Dr. Holderer unternommenen Reise"

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Siav    3C%o.l 


j^artiaili  College  libtarg 


HENRY   LILLIE    PIERCE. 

OF  BOSTON. 


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Durch  Asien. 


Band  I 


Geographische  Charakter- Bilder. 


Dr.  K.  Futterer. 


v%r^f 


Durcl]  Asien 

Erfahrungen,  Forschun^er)  und  Sammlun^er^ 

während  der  von  Amtmann  Dr.  Holderer  unternommenen  Reise. 


Mit  Unterstützung   des  Grossherzogüch  Badischen  Ministeriums 

der  Justiz,   des  Kultus  und  Unterriclits 

und  des  Naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Karlsruhe  herausgegeben 


Dr.  K.fUTTERER 

der  Grossheri.  Technischen  Hochschule  ii 


Band  I 

Geographische  Charal<ter'5<lder. 

Mit  203  Illustrationen  im  Texte,  40  Tafeln,  Panoramen  und  I'rofileu 

nach  |>hotographiscjiPu  Aufnahmen  des  Verfassers, 

2  bunten  Tafeln,   1   Ücbersichtskarto  von  Asien. 


HERLIN   lyoi 
Verla;;  von  Dietrich    Reimer  (ICr 


S  \  a.v      3  G  "fco.  I 


(       ;-     •     1-;     . 

\ 


Alle  Rechte,   namentlich  das  Recht  der  Uebcrsetzung;  in  fremde  Sprachen  vorbehalten. 


Druck  von   Otto   Eisner,    Berlin  S. 


Vorwort. 


Ms  war  im  Sommer  1896,  als  mein  Ilcidelbert^er  Studien^jcnossc  Dr.  Holderer 
mich  einlud,  an  einer  Reise  teilzunehmen,  die  er  nach  den  zentralen  Teilen 
Asiens  plante,  wohl  wissend,  von  wie  hohem  Interesse  diese  Gebiete  dem  Geo- 
graphen und  Geologen  sind.  Da  er  beschlossen  hatte,  diese  Reise  für  die 
Wissenschaft  fruchtbringend  zu  gestalten,  willigte  er  gern  in  die  Bedingung 
ein,  die  ich  bei  der  Annahme  seiner  hochherzigen  Einladung  machte,  nämlich, 
dass  mir  die  Möglichkeit  wissenschaftlichen  Arbeitens  nach  geographischen  und 
geologischen  Gesichtspunkten  während  der  Reise  gewährt  werden  sollte.  Ganz 
unabhängig  von  Dr.  Holderer,  noch  vor  meiner  Berufung  im  Frühjahre  1895 
nach  Karlsruhe,  hatte  ich  mich  mit  den  neueren  Forschungerf  in  Zentralasien 
befasst  ujid-das  Resultat  dieser  Arbeiten  in  einem  Ergänzungshefte  von  Petermanns 
(j^ographischen  Mitteilungen  unter  dem  Titel  »Die  allgemeineren  geologischen 
Ergebnisse  der  neueren  Forschungen  in  Zentralasien  und  China«  niedergelegt. 
Auch  .iTieirle  Antrittsvorlesung  bei  Uebernahme  des  Lehrstuhls  für  Mineralogie 
und  Geologie  in  Karlsruhe  behandelte  das  Thema  »Die  wissenschaftlichen 
Probleme  Zentralasiens«.  Bei  diesem  Vortrag  war  Dr.  Holderer  anwesend,  und 
nicht  lange  darauf  erfolgte  seine  lunladung  zur  Begleitung  auf  der  Reise. 

Zunächst  wurde  in  gemeinsamen  Besj)rechungen  der  genauere  Reiseplan  für 
die  zu  besuchenden  Länder  festgestellt,  und  als  Hauptziel  der  Expedition  die  P2r- 
forschung  des  oberen  Teiles  des  Laufes  des  Hoang-ho  in  Tibet  ins  Auge  gefasst; 
der  weitere  Weg  zur  Ostküste  Asiens  sollte  dann  direkt  östlich  über  Si-ngan  fu 
nach  Han-k'ou  oder  im  Yang- tzö-kiang- Gebiete  nach  Schanghai  genommen 
werden.  Dr.  Holderer  stellte  reiche  Mittel  für  die  Anschaffung  der  wissenschaft- 
lichen Instrumente  zur  Verfügung,  besorgte  die  ganze  Ausrüstung  der  P^xpedition 
mit  Vorräten,  Tauschartikeln,  Waffen  und  Munition  und  übernahm  während  der 
Reise  das  Anlegen  und  Präparieren  von  zoologischen  Sammlungen,  zu  deren  Kon- 
servierung ein  deutscher  Diener  E.  Ik)ck,  der  im  Präparieren  von  Prellen  und 
Bälgen  geschickt  war,  die  TLxpedition  begleitete.  Bei  der  Bestimmung  meines 
eigenen  Arbeitsprogramms  ging  ich  von  dem  Grund.satze  aus,  dass  der  P'orschungs- 
reisende  durch  eine  Ausrüstung  mit  Instrumenten  aus  allen  möglichen  Zweigen  der 
geologischen  und  geographischen  Wissenschaften  sich  eine  möglichst  breite  Basis 
schaffen  muss,  von  der  aus  alle  Beobachtungen  gemacht  werden  können,  zu  denen 


—  Vi- 
sich Gelegenheit  bietet.  Wie  viel  davon  später  wirklich  ausgeführt  werden  kann, 
hängt  immer  teils  von  äusseren  Umständen,  teils  von  den  inneren  Verhältnissen 
bei  der  ICxpedition,  der  Zweckmässigkeit  der  Führung,  der  Rücksichtnahme  auf 
die  wissenschaftlichen  Erfordernisse  und  der  Wahl  der  Rcisewege  ab,  und  es 
ist  daher  das  wirklich  Erreichbare  und  Erreichte  bei  verschiedenen  Expeditionen 
selbst  in  gleichen  Gebieten  sehr  verschieden;  ich  war  nicht  der  Leiter,  sondern 
der  Begleiter,  der  sich  nach  den  gegebenen  Umständen  richten  musste,  da  die 
Expedition  nicht  ausschliesslich  den  von  mir  verfolgten  Zwecken  diente. 

Im  Vordergrunde  standen  für  meine  Arbeiten  die  Beobachtungen  der 
geologischen  Erscheinungen  längs  des  ganzen  Reiseweges  vom  Beginn  des 
Ueberganges  über  das  Alai-Gebirge  an  bis  zum  Beginne  der  Fahrt  auf  dem  Tan- 
Flusse,  im  Süden  des  Thsin-ling-Gebirges,  und  die  Anlegung  einer  geologischen 
Sammlung,  welche  alle  Vorkommen  des  ganzen  Reiseweges  an  Gesteinen, 
Petrefakten  und  besonderen  Erscheinungen  der  Wüstenerosionskräfte  umfasst. 
Ferner  wurde  grosser  Wert  von  mir  auf  photographische  Aufnahmen  der 
charakteristischen  Landschafts-  und  Bevölkerungstypen,  sowie  der  herrlichen 
geologischen  Erscheinungen  in  den  Ausläufern  des  Thien-schan,  in  der  Wüste 
Gobi  und  in  den  Lössgebieten  Chinas  gelegt.  Ein  stark  gebauter  photographischer 
Apparat  mit  Platten  in  der  Grösse  von  13x18  cm  mit  fünf  verschiedenen  Objektiv- 
Kombinationen  bewährte  sich  ebenso,  wie  die  zur  Verwendung  gekommenen 
Glasplatten  und  Films  bis  zum  Schlüsse,  so  dass  die  Sammlung  von  gegen 
700  Photographien  vom  ganzen  Verlaufe  der  Reise  zu  einem  der  wertvolleren 
Resultate  derselben  gerechnet  werden  kann.  Da  der  Reiseweg  mehrfach  und 
auf  längere  Strecken  durch  topographisch  noch  nicht  aufgenommenes  oder 
überhaupt  noch  ganz  unerforschtes  Gebiet  gehen  sollte  und  ging,  erwuchs  mir 
mehrfach  noch  die  weitere  Aufgabe,  die  topographische  Grundlage  für  meine 
geologischen  Aufzeichnungen  selbst  herzustellen.  So  wurde  eine  Routen -Auf- 
nahme im  Massstabe  von  i  :  500000  auf  dem  Wege  von  Hami  bis  Su-tschou, 
während  fünf  Wochen  über  etwa  500  km,  und  in  Tibet  vom  Küke-nur  bis  Min- 
tschou,  in  3^/2  Monaten  über  800  km,  ausgeführt. 

Dass  es  für  einen  Forscher  nicht  unmöglich  ist,  während  der  Reise  gleich- 
zeitig topographisch  und  geologisch  zu  arbeiten,  beweisen  unter  anderm  in  un- 
übertroffener Weise  v.  Richthofens  Aufnahmen.  Aber  auch* Prschewalskij  sagt: 
»Die  Aufnahme  der  Gegend,  so  leicht  auch  diese  Arbeit  erscheinen  mag,  war 
doch  eine  der  schwierigsten  Aufgaben  der  Expedition,  da,  abgesehen  von  den 
verschiedenen  Listen,  welche  angewendet  werden  mussten,  um  die  Aufmerk- 
samkeit der  Bewohner  auf  einen  andern  Gegenstand  zu  lenken,  das  häufige 
Absteigen  vom  Pferde,  um  den  Abschnittsstrich  zu  machen,  besonders  während 
der  Sommerhitze  sehr  ermüdete.  Aber  ausserdem  konnten  wir  auch  wegen 
dieser  Aufnahme  zum  Marsche  nicht  die  kühlen  Nächte  benutzen  und  mussten 
uns  am  Tage,  häufig  während  der  grössten  Hitze,  vorwärtsschleppen.  Solche 
Märsche    haben    nicht  nur   unsere    Kamele  verdorben,    sondern    haben    endlich 


—     VII     — 

auch  unsere  Kräfte  aufgerieben,  c  Wenn  das  schon  Prschewalskij  empfand,  der 
alle  Reisedispositionen  auf  das  zweckmässigste  einrichtete,  keine  Nachtmärsche 
machte  und  regelmässige  Ruhepausen  und  Mahlzeiten  einhielt,  wird  sich 
niemand  wundern,  wenn  ich  unter  weit  ungünstigeren  Verhältnissen  oft  nur  unter 
Einsetzung  aller  meiner  Kräfte  im  stände  war,  meine  Aufgabe  annähernd  zu 
lösen.  Indessen  beweisen  hoffentlich  meine  lückenlos  geführten  Tagebücher, 
meteorologischen  Journale  und  Routenaufnahmen,  dass  es  mir  durchweg  ge- 
lungen ist,  gegen  diese  erschwerenden  Umstände  erfolgreich  anzukämpfen.  An 
meteorologischen  Beobachtungen  wurden  dreimal  täglich  während  des  ganzen 
Reiseweges  Temperatur  und  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft,  ferner  die  Meereshöhe 
an  drei  Aneroiden  und  des  öfteren  mit  dem  Siedethermometer  bestimmt,  und 
Aufzeichnungen  über  Bedeckung  des  Himmels,  Wind,  Niederschläge  und  be- 
sondere Erscheinungen  gemacht.  Immer  wurde  auch  das  Minimum  der  nächtlichen 
Lufttemperatur  und,  wenn  den  Umständen  nach  möglich,  auch  das  Maximum 
derselben  während  des  Tages  bestimmt.  Hierzu  kamen  noch  Bestimmungen 
der  Bodentemperaturen  in  der  Gobi  und  in  Tibet,  ferner  gelegentlich  und  an 
geeigneten  Punkten  Messungen  der  Sonnenhöhe  um  die  Kulminationszeit  zur 
Bestimmung  der  geographischen  Breite  wichtiger  Punkte,  Messungen  von  Gebirgs- 
höhen  mit  dem  Theodolithen  und  einige  anthropologische  Messungen.  Leider 
zeigte  sich  die  Bevölkerung  in  Nordost-Tibet  dieser  Behandlung  ganz  unzugänglich. 
Auch  die  von  geologischen  Gesichtspunkten  aus  wichtigen  Pflanzen  legte  ich 
in  der  Wüste  Gobi  ein,  später  auch  andere  blühende  Pflanzen,  und  die  im 
III.  Bande  beschriebenen  Pflanzen  sind  fast  alle  von  mir  gesammelt 

Es  mag  scheinen,  als  wäre  ein  solches  Arbeitsprogramm  für  eine  Kraft 
sehr  reichlich  bemessen,  besonders  in  Anbetracht  des  Umstandes,  dass  ich  im 
Verfolg  meiner  geologischen  Untersuchungen  häufig  gezwungen  war,  weit  vom 
Reisewege  abführende  Seitenexkursionen  zu  unternehmen.  Auf  der  andern  Seite 
aber  hatte  ich  für  die  Bedürfnisse,  den  Unterhalt  und  das  Weiterkommen  der 
Karawane  in  keiner  Weise  zu  sorgen,  soweit  nicht  meine  Kenntnis  der  russischen 
Sprache  bei  den  geschäftlichen  Verhandlungen  in  Anspruch  genommen  wurde.  Diese 
Aufgaben  übernahm  Dr.  Holderer  neben  seinen  Sammlungsarbeiten,  und  ich  konnte 
meine  Zeit  fast  ausschliesslich  der  Wissenschaft  widmen.  Die  Reise  ist  trotz 
manchen  Missgeschicks  glücklich  zu  Itnde  geführt  worden.  Mit  Ausnahme  von  zwei 
Kisten  mit  Vogelbälgen,  deren  Verlust  Dr.  Holderer  zu  beklagen  hat,  sind  alle 
Sammlungen  gut  erhalten  in  die  Heimat  gelangt  und  werden,  wie  ich  hoffe, 
auch  fernerhin  wissenschaftliche  Anregungen  geben.  Die  zoologischen  Samm- 
lungen von  Dr.  Holderer  sind  zum  Teil  dem  Museum  für  Naturkunde  in  Berlin, 
die  Doubletten  der  zoologischen  Abteilung  des  Grossherzogl.  NaturaUenkabinetts 
in  Karlsruhe  als  Geschenk  überwiesen  worden.  Ebenso  hat  das  Botanische  Museum 
in  Berlin  für  die  Bearbeitung  des  Herbariums  die  Originale  und  dort  noch  nicht 
vorhandenen  Arten  erhalten.  Meine  geologische  Sammlung  ist  auf  gnädigst  aus- 
gesprochenen Wunsch   Sr.  Kgl.  Hoheit  des  Grossherzogs  Friedrich  von  Baden 


—    VIII     — 

den  Sammlungen  des  Grossherzogl.  badischen  Naturalienkabinetts  in  Karlsruhe 
einverleibt  worden. 

Die  Einteilung  und  Wiedergabe  der  Verarbeitungen  meiner  Hcobachtungs- 
und  Sammlungsmaterialicn  ist  in  folgender  Weise  geschehen.  Der  erste  Band 
enthält  geographische  Schilderungen,  Reise-,  Natur-  und  Völkerbilder,  die  in  all- 
gemein-verständlicher Darstellung  unter  Verwendung  zahlreicher  photographischer 
Abbildungen  die  Charakterzüge  der  bereisten  Gebiete  für  einen  weiteren  Leser- 
kreis geben.  Der  zweite  Band  soll  meine  gesamten  geologischen  Beobachtungen 
während  der  Reise,  ihre  Verbindung  mit  den  Resultaten  anderer  Geologen  und 
die  Behandlung  wichtigerer,  sich  daraus  ergebender,  allgemeinerer  geologischer 
Fragen  enthalten  und  wird  von  mir  selbst  bearbeitet.  Der  dritte  Band 
endlich  enthält  Arbeiten  über  Meteorologie,  Paläontologie,  Geologie,  Zoologie 
und  Botanik  der  bereisten  Länder. 

Durch  das  freundliche  Entgegenkommen  des  Herrn  Geheimrats  Professor 
Dr.  Moebius  bin  ich  in  der  Lage,  die  Arbeiten  der  Herren  P.  Matschie 
»Erkenntnis  der  Säugetiere  Mittelasiens«,  Dr.  II.  Schalow  »Uebersicht 
der  von  Dr.  Holderer  gesammelten  Vögel«  und  Dr.  G.  Tornier  »Liste 
der  von  Herrn  Dr.  Holderer  gesammelten  Reptilien  und  Amphibien«  im 
dritten  Bande  aufzunehmen,  wie  ich  auch  den  genannten  Herren  die 
Bestimmungen  der  im  ersten  Bande  erwähnten  Tierspecies  verdanke.  Für  die 
übrigen  Gebiete  gelang  es  mir  weiter,  die  folgenden  Gelehrten  zu  ge- 
winnen, denen  ich  an  dieser  Stelle  gern  meinen  Dank  für  die  Uebernahme 
der  Bearbeitungen  ausspreche:  Prof.  Dr.  A.  Sauer,  Direktor  der  Kgl.  württem- 
bergischen geologischen  Landesanstalt,  für  die  petrographische  Beschreibung  der 
Gesteine  aus  dem  Alai-Gebirge,  Thien-schan  und  der  Wüste  Gobi;  Dr.  Schwarz- 
mann, Privatdozent  und  Assistent  am  Grossherzoghchen  Naturalienkabinett  in 
Karlsruhe,  für  die  Bearbeitung  der  Gesteine  aus  Inner-China  und  Nordost-Tibet; 
Dr.  Sehe  11  Wien,  Privatdozent  an  der  Universität  in  Königsberg,  für  die 
paläozoischen  Versteinerungen;  Prof.  Dr.  A.  Andreae,  Direktor  des  Römer- 
museums in  Hildesheim,  für  die  lebenden  und  fossilen  Schnecken  und 
Muscheln;  Dr.  Di  eis,  Assistent  am  botanischen  Museum  in  Berlin,  für  die 
botanischen  Sammlungen;  Prof.  Dr.  Leutz  in  Karlsruhe  für  die  astronomischen 
Bestimmungen;  Dr.  v.  Elsaer,  Assistent  am  meteorologischen  Institut  in  Berlin, 
für  das  gesamte  meteorologische  Material  und  die  Höhenbestimmungen.  Die 
Untersuchung  der  zahlreichen  Löss-  und  Lehmproben  und  der  Wüstenphänomene, 
sowie  der  Kreide  und  des  Tertiär  im  Alai-Gebirge  habe  ich  mir  selbst  vor- 
behalten. Meine  topographischen  Aufnahmen  des  Reiseweges  durch  die  Wüste 
Gobi  und  Nordost-Tibet,  die  auch  zur  Grundlage  für  die  geologischen  Arbeiten 
des  zweiten  Bandes  dienen  sollen,  werden  in  der  geographischen  Anstalt  von 
Justus  Perthes  in  Gotha  konstruiert  und  mit  geographischen  Beschreibungen 
dort  erscheinen;  einige  auf  ganz  speziellen  Gebieten  liegende  Unter- 
suchungen   sollen    anderweitig    untergebracht    werden,    soweit    es    nicht    schon 


—      IX      ~ 

p^eschclien  ist.  Es  wäre  vielleicht  im  allgemeinen,  jedenfalls  aber  vom  Stand- 
punkte des  materiellen  Erfolges  aus  vorteilhafter  gewesen,  nach  dem  Beispiel 
anderer  Forschungsreisenden,  wie  Sven  1  ledin,  Nansen,  Obrutschew,  die  für 
einen  grossen  Leserkreis  bestimmten  j> geographischen  l^ilder«,  die  den  ersten 
Band  ausmachen,  für  sich  erscheinen  zu  lassen,  und  die  rein  wissenschaftlichen 
Materialien,  geordnet  je  nach  ihrer  Natur,  selbständig  oder  in  wissenschaft- 
lichen Zeitschriften  zu  veröffentlichen.  Ich  glaubte  aber  der  grossartigen,  mit 
bedeutendem  Aufwände  durchgeführten  Unternehmung  des  Dr.  Holderer  ein 
würdigeres  Denkmal  zu  setzen  und  auch  meinem  Danke  entsprechenden  Ausdruck 
zu  geben,  indem  ich  das  gesamte  Material  vereinigte  und  ihm,  soweit  es  meine 
Kräfte  gestatteten,  einen  ehrenvollen  Platz  in  der  Wissenschaft  zu  sichern  suchte. 
Wenn  meine  Absicht  auch  durch  die  Dispositionen  der  Expeditionsleitung 
manchmal  nicht  unerheblich  gestört  wurde,  so  habe  ich  doch  unentwegt  an 
diesem  Ziele  festgehalten  und  meine  ganze  Arbeitskraft  vor  und  nach  der  Reise, 
wie  noch  auf  Jahre  hinaus,  in  den  Dienst  der  Expedition  gestellt. 

Indem  ich  das  ganze  Unternehmen  überblicke,  fühle  ich  das  Bedürfnis, 
allen  denjenigen  meine  tiefste  Dankbarkeit  auszudrücken,  welche  fördernd  und 
helfend  Dr.  Holderer  und  mir  zur  Seite  gestanden  und  wesentlich  zum  guten 
Gelingen  des  Ganzen  beigetragen  haben.  An  erster  Stelle  darf  ich  hier  unseres 
gnädigen  Landesfürsten,  Sr.  Kgl.  Hoheit  des  Grossherzogs  Friedrich  von 
Baden,  Erwähnung  thun,  durch  dessen  allerhöchste  Verwendung  zu  Gunsten 
der  Expedition  in  zwei  Handschreiben,  die  ich  Ihren  Kaiserlichen  Hoheiten  den 
Grossfürsten  Michael  Nicolaiewitsch  und  Nicolai  Michaielowitsch  von 
Russland  in  St.  Petersburg  und  Tiflis  übergeben  durfte,  S.  M.  der  Zar  bewogen 
wurde,  gnädigst  drei  Kosaken  zur  Begleitung  der  Expedition  zur  Verfügung  zu 
stellen;  überall  auf  russischem  Boden  wurden  der  Expedition  in  Folge  davon 
liebenswürdige  Aufnahme  und  thatkräftige  Unterstützung  zu  teil.  Dr.  Holderer  hat 
seinen  Dank  persönlich  ausgesprochen  und  ich  schliesse  mich  ihm  hier  an.  Ferner 
gebührt  aufrichtiger  Dank  den  höchsten  Vertretern  der  Ministerien  der  Justiz,  des 
Kultus  und  Unterrichts  sowie  des  Innern  für  den  bereitwilligst  erteilten,  langen 
Urlaub,  insbesondere  dem  Minister  des  Grossherzoglichen  Hauses  und  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten,  Sr.  Excellenz  Herrn  von  Brauer,  dessen  Empfehlungen 
an  das  auswärtige  Amt  und  die  deutschen  Reich.sbehörden  im  Auslande  uns  überall 
die  Wege  ebneten  und  namentlich  eine  freundliche  Stellung  der  Kaiserlich 
chinesischen  Regierung  und  ihrer  Organe  während  der  Reise  auf  chinesischem 
Gebiete  sicherten.  Meinen  ganz  besonderen  Dank  möchte  ich  an  dieser 
Stelle  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Staatsminister  Dr.  Nokk  und  dem  Herrn 
Geheimrat  Prof.  Dr.  Engler,  Vorsitzenden  des  naturwissenschaftlichen  Vereins 
in  Karlsruhe,  aussprechen,  welche  es  mir  auf  Empfehlung  des  Vorstandes  des 
naturwissenschaftlichen  Vereins  durch  einen  sehr  ansehnlichen  Zuschuss  aus  der 
vom  hohen  Ministerium  der  Justiz,  des  Kultus  und  des  Unterrichts  zu  ver 
gebenden    v.  Kettnerschen    Stiftung    ermöglicht    haben,     die    Resultate    meiner 


—      X      — 

Forschunfjen  während    der  Reise  mit  Dr.  Holderer    in   der   vorliegenden  Form 
der  Oeffentlichkeit  übergeben  zu   können. 

Bei  den  wissenschaftlichen  und  materiellen  Vorbereitungen  zur  Reise  hatte 
ich  mich  des  vorzüglichen  Rates  meiner  Freunde,  des  Professors  von  Loczy, 
des  Begleiters  des  Grafen  v.  Szechenyi  auf  dessen  grosser  Expedition  in  Ost-  und 
Zentralasien»  den  ich  auf  der  Geographen -Versammlung  in  Jena  1897  traf,  und 
meines  Freundes,  des  Dr.  Sven  Hcdin,  zu  erfreuen,  den  ich  im  gleichen  Jahre 
im  Herbste  in  Stockholm  aufsuchte,  um  mit  ihm  über  die  wissenschaftlichen 
Aufgaben  und  unsere  Ausrüstung  zu  beraten.  Auch  Mr.  Littledale  in  Bracknell, 
England,  war  gern  bereit,  auf  die  von  mir  an  ihn  gerichteten  Fragen  aus- 
führlich zu  antworten.  In  St.  Petersburg  fand  ich  das  liebenswürdigste  F2nt- 
gegenkommen  von  Seiten  der  Kaiserlich  russischen  geographischen  Gesellschaft, 
die  mir  durch  ihren  Präsidenten,  Excellenz  von  Semenow,  ihre  wertvollen 
Publikationen  der  asiatischen  Forschungsreisen  von  Prschewalskij,  Piewzow,  Grum 
Grschimailo  und  Potanin  mit  den  Karten  zur  Verfügung  stellte.  Der  Chef  der 
topographischen  Abteilung  des  Grossen  Generalstabes,  Exe.  von  Stubendorf f, 
Hess  in  entgegenkommendster  Weise  von  noch  nicht  publizierten,  in  Bearbeitung 
befindlichen  Karten  des  nördlichen  Tibet  und  obersten  Hoang-ho- Gebietes  für 
mich  photographische  Abzüge  herstellen,  die  mir  später  nach  Kaschgar  nach- 
gesandt wurden  und  mich  auch  glücklich  erreichten.  Allen  diesen  Herren  sei 
hier  bester  Dank  ausgesprochen,  denn  ihnen  ist  das  zu  verdanken,  was  sich 
später  auf  der  Reise  besonders  von  der  Ausrüstung  bewährt  hat.  Es  wäre  ungerecht, 
wollte  ich  hier  nicht  auch  noch  diejenigen  nennen,  deren  liebenswürdige  Gast- 
freundschaft und  bereitwillige  Hilfe  während  der  Reise  mir  nie  aus  der  Erinnerung 
schwinden  wird.  Wenn  ich  sie  in  der  chronologischen  Reihenfolge  der  Reise 
hier  nennen  darf,  so  möchte  ich  dankend  gedenken  der  Herren:  Hop  man, 
kaiserlich  deutscher  Konsul  in  Tiflis,  jetzt  in  Odessa;  Steppuhn,  kaiserlich 
deutscher  Konsul  in  Baku;  Exe.  Kuropatkin,  damals  General  und  Gouverneur 
der  transkaspischen  Provinz,  jetzt  Kriegsminister  in  St.  Petersburg;  N.  A.  von 
Kaschtalinsky,  Oberst  und  Direktor  des  Kaisergutes  in  BaYram-Ali  bei  Merw; 
Rink,  Vertreter  der  Firma  Ermann  in  Buchara;  Exe.  J.  Fedorow,  General- 
major im  Generalstab  und  Gouverneur  der  Provinz  Samarkand;  A.  Theremin, 
Kapitän,  attachiert  dem  Gouverneur  von  Samarkand;  L.  Chiffron,  Vertreter  des 
Hauses  Dürrschmidt  in  Samarkand;  P2xc.  Baron  von  Wrewsky,  damals  General- 
gouverneur des  Generalgouvernements  Turkestan  in  Taschkent;  Heinzelmann, 
Beamter  für  besondere  Aufträge  beim  Generalgouvernement  in  Taschkent; 
Schubert,  Vertreter  des  Hauses  Dürrschmidt  in  Taschkent;  A.  von  Powalo- 
Schweikowsky,  Generalleutnant  im  Generalstabe  und  Gouverneur  der  Provinz 
Fergana  in  Neu-Margelan;  G.  Ottendorf,  Forstbeamter  in  Neu-Margelan ; 
V.  Koischewsky,  Bezirksvorstand  in  Andischan;  Kolen,  Vertreter  der  Firma 
Dürrschmidt  in  Andischan;  Saizew,  Bezirksvorstand  in  Osch;  Jessen,  Kapitän 
in     Osch;     Petrowsky,     kaiserlich     russischer     Generalkonsul     in     Kaschgar; 


—      XI      -^ 

Macartney,  englischer  diplomatischer  Agent  in  Kaschgar;  Readley,  Missionar 
in  Tan-ka*r  thing;  M.  Schantz  und  Frau,  Missionare  in  Thao-tschou;  Familie 
Simpson,  Missionare  in  Thao-tschou;  Brüder  Eckvvall  und  Frau  Eckwall, 
Missionare  in  Min-tschou;  Törnwall,  Missionar  in  P*ing-liang  fu;  Renius, 
Missionar  in  P'ing-liang  fu;  Anderson,  Missionar  in  Si-ngan  fu;  Banksen, 
Missionar  in  Si-ngan  fu;  Parker  und  P'rau,  Missionare  in  King-tzg  kuan; 
Grunewald,  kaiserlich  deutscher  Konsul  in  Ilan-k^ou;  Cordes,  damals  Dragoman 
beim  Vizekonsulat  in  Han-k'ou,  jetzt  in  Peking  Dragoman  der  kaiserlich 
deutschen  Gesandtschaft;  Mi  che  Hau,  Vertreter  des  Norddeutschen  Lloyd  in 
Han-k*ou;  Knappe,  kaiserlich  deutscher  Generalkonsul  in  Schang-hai;  Korff, 
Vertreter  des  Norddeutscheu  Lloyd  in  Schanghai;  Karbe,  Direktor  der  deutsch- 
ostasiatischen  Bank  in  Schang-hai;  Dr.  Francke,  Dragoman  am  kaiserlich- 
deutschen General-Konsulat. 

Auch  nach  der  Rückkehr  von  der  Reise  und  während  der  Ausarbeitung 
dieses  ersten  Bandes  ist  mir  von  verschiedenen  Seiten  liebenswürdige  Unter- 
stützung zu  teil  geworden,  und  ich  benutze  gerne  die  Gelegenheit,  hier  meinen 
besten  Dank  dafür  auszusprechen  den  Herren  Professoren  Dr.  von  Luschan  und 
Dr.  Grünwedel  am  kgl.  Museum  fiir  Völkerkunde  in  Berlin  und  Herrn  Dr.  Karl 
Himly  in  Wiesbaden,  der  mit  grösster  Bereitwilligkeit  die  mühsame  und 
zeitraubende  Arbeit  übernahm,  die  Identifikation  der  mongolischen,  tibetani- 
schen und  chinesischen  Namen  und  deren  Umschrift  zu  besorgen.  Da  wir 
zuerst  mit  unfähigen  Dolmetschern,  später  ohne  Kenntnis  der  Landessprachen 
und  ohne  Dolmetscher  reisten,  war  es  eine  schwierige  Aufgabe,  die  richtigen 
Namen  zu  erfahren  und  sie  auch  richtig  zu  schreiben.  In  diese  Unsicherheit 
hat  nun  Herr  Dr.  Himly  durch  seine  grosse  Erfahrung,  soweit  es  möglich  ist, 
Ordnung  gebracht,  und  mir  damit  einen  ebenso  wesentlichen  Dienst  erwiesen, 
wie  durch  die  Aufstellung  einer  einheitlichen  Schreibweise  in  Text  und 
Karte,  die  unserm  Schriftgebrauche  entspricht;  dafür  fühle  ich  mich  ihm 
gegenüber  ganz  besonders  verpflichtet.  Ich  darf  zum  Schlüsse  noch  meinem 
Verleger,  Herrn  Konsul  E.  Vohsen,  wärmsten  Dank  sagen  für  das  Entgegen- 
kommen, das  er  für  alle  meine  Vorschläge  und  Wünsche  hatte,  für  die  reiche 
Ausstattung,  die  er  dem  Werke  gegeben  hat,  und  den  freundschaftlichen 
Verkehr,  in  dem  er  alles  Geschäftliche  zu  erledigen  wusste.  Wenn  das  Werk 
einen  Erfolg  hat,  wie  ich  hoffe,  so  hat  er  ein  wesentliches  Verdienst  daran,  das 
ich  dankbar  anerkenne.  Endlich  hat  mir  Fräulein  Estelle  du  Bois-Reymond 
bei  der  Redaktion  des  Manuskripts  zum  ersten  Bande  und  der  Drucklegung 
eine  sehr  angenehme  und  viel  Zeit  ersparende  Beihilfe  geleistet;  auch  ihr  sei 
herzlicher  Dank  gebracht.  Es  haben  viele  direkt  und  indirekt  an  dem  Gelingen 
des  Werkes  mitgearbeitet,  und  ich  schätze  diese  Mitarbeit  hoch;  sie  haben  sich 
alle  ein  Verdienst  um  das  Werk  erworben,  und  ich  schliesse  mit  dem  Wunsche 
und  in  der  Hoffnung,  dass  es  sie  nicht  gereut,  ihre  Kräfte  in  seinen  Dienst 
gestellt  zu  haben.  .^     _ 

K.  Futterer. 


Inhalt. 


Seite 

Kapitkl  I.     Bilder  aus  West-Turkestan i— 37 

Mcrw.  —  Buchara.  Sainarkaiid.  —  Ueberß-anjj  über  den  Syr-darja. 

Kapjtkl  IL     Von    Russland    nach   China.      Im  Winter    über 

den  Terek-Dawan-Pass  im  Alaigebirge 38 — 78 

Taschkent.  —  Neii-Marß^elan.  —  Andischan.  —  Osch.  —  VorbereitunffCMi 
zui-  Ueberschreitunfj  des  Passes.  —  Der  Terek-Dawan-Pass,  —  Irkeschtain.  — 
Die  chinesische  Grenze  Mün-jul. 

Kapitel  III.     Kaschgar  und  Kaschgarien 79 — 104 

Kaschfifar.  —  Physische  und  ii^eofjTaphische  Beschaffenheit  von  KaschjGfarien. 

—  Bevölkerung:  und  Industrie.  —  Geschichte. 

Kapitel  IV.     Das  nördliche  Tarim-Becken 105 — 147 

Das  Tarim-Becken.  —  Vegfetationshüji^el.  —  Schmelzhütte  für  Kupfererze. 

—  Mar;ü-])aschi.  —  Chinesische  Soldaten.  —  Ak-su.  —  Kupferbergwerk.  — 
Bai.  —  Kik-tau,  Kutscha-Gebirpfe.  —  Kutscha.  —  Ausflug^  nach  einem  Kupfer- 
berß-werk.  —  Kurija. 

Kapitel  V.     Der  östliche  Thien-schan       148—173 

Karaschar.  —  Windhöhlunp^en.  —  Die  Thien-schansche  Depression.  — 
Turf  an.  —  Tus-tau.  —  Staubsturm.  —  Wiuderosion.  —  Hami.  —  Tempelanlafje 
in  Hami. 

Kapitel  VI.    DieWüste  »Gobi«  zwischen  Hami  und  Su-tschou     174 — 21 1 

Kies-  und  Schotterflächen.  —  Sturm.  —  Mittlere  fjebirgiß;e  Zone.  — 
WindhöhlunjTcn.  —  Goldi^ruben,  —  Am  Surin-jjol.  —  Südliche  Zone.  —  Be- 
völkerung: und  Ackerbau  in  der  südlichen  Zone.  —  Windschliffe.  —  Temperatur- 
und  Witterung-sverhältnisse.    —  Der   ß^eolo^ische   Charakter   des  Wüsten^Tebietes. 

K.VPITKL  VII.     Das   westliche   Kan-su.     Zwischen   Su-tschou, 

Liang-tschou,  Si-ning  fu   und  dem  Küke-nur-Gebiete    212 — 275 

Geschichtliches.  —  Su-tschou.  —  Bevölkerung  und  Industrie.  —  Unehrlich- 
keit chinesischer  Diener.  —  Die  n-rosse  Mauer.  —  Kan-tschöu.  —  Thonwaren- 
industrie.  —  Tempelanlaq^e  bei  Sho-toi-tze.  —  Liangf-tschou.  --  Der  Wu-so-ling-- 
Pass.    —   P'injj-fan   hsicn.    —    Steiukohlenberj^werk   und   Fähre   am  Ta-thunp-ho. 

—  Das  Si-ninjTf-ho-Th;ü.  —  Si-ninfj  fu.  —  Tan-ka'r  thiu^.  —  Ausflujr  nach  dem 
Kloster  Kum-bum.  —  Schidakuto. 


—    XIV    — 

Srite 

Kapitel  VIII.     Das  Küke-nur-Gebiet 276—328 

Bevölkeninfj  im  Küke-nur-Cjcbiet.  —  Tiinq;^utenzelte.  —  iici-  uml  l'tlanzoD- 
weit  am  Küke-nur,  —  Das  Südufer.  —  Witteninjjsvcrhältnisse  am  Kükc-niir.  — 
Leber  das  Süd-Küke-nur-Gebirije.  —  Charakterzüg^«*  der  Tanq^ten.  —  Das 
Semenow-Oebir^e.  —  fleolonische  Beschaffenheit  des  Semenow-Gebirjjes.  —  Die 
Choka-Xiederuntj.  —  Der  Hr)ancj-ho.  —  Witte ruucrs-  und  TemperatiirTerhähuisse 
am  HoanfT-hr). 

Kapitel  IX.  Das  nordöstliche  Tibet.  Zwischen  dem  Hoang-ho 
am  Dschupar-Gebirge  und  dem  oberen  Thao-Thale 
bis  Min-tschou 329—441 

Das  Dschupar-debirs^e.  —  l'anifutischi's  Sommerla'^er  I,u-za(ni^.  —  Das 
Baa-'lTial.  —  Obos  un<l  Burchane.  —  Der  Sche-tsche-Kluss.  —  Ausfluij  nach  dem 
Oberlauf  »les  Iloanj^-ho.  —  Obus  in  der  Xähe  des  Star-duut,^-tsche-l'lusses.  — 
Kalkjjebirjje,  südlich  vom  Irtia-tsche-Klusse.  —  Das  Wlamt-su-Thal.  —  Das  Sarü- 
Dantrerö-debirLre.   —   Verbältnisse  um  Oberlauf  des  lli)ant»^-ln>,  Xomaden    am 

lloanj^-ho.  ■  Das  W'alru-Oebirui^e.  •-  Der  Tscliünerr-tschenak-Fluss.  —  Beim 
tibetanischen  Fürsten  in  Schc-zaont^.  —  Der  Lö-ische-Fluss.  —  Drr  Tliao-hti.  — 
Das  Kloster  Schin-se.  —  L'ebcrfall  l»eim  Kloster  Schiii-se.  -  -  Rückzuij  nach 
Thao-tschou.  —  I^össlanclschaft.  —  Der  L'rsjjruuu^  des  Lösscs.  —  Die  Stadt 
Thao-tschöu.   —   Das    ITiao-Thal.  -      Min-tscliou. 

Kapitel  X.     Auf  Maultierpfaden   des   inneren    China.      Von 

der  Grenze  Tibets  bis  zum  Stillen  Ocean 442  —  513 

Das  P'elinjj-Oebiri^e.  —    Kuntr-tschanjj  fu.  —   Löss^ebiet.  —   Luni^-tö  hsien. 

—  Lopan-schan.  —  Kinj*;-ho.  -  Kini^-tschou.  -  Schluchtenbildung;-  im  Löss  — 
Lösswohnuntjen.  —     rh.inp^-k'<ui  pu    —   Kaiserjjräber  am  Wei-ho.  —  Der  Wei-ho. 

—  Si-n{^au  fu.  -      Leber  das   Thsin-liii'^-Gebirijc.   —    Tan-Kluss.  Lao-ho-k'ou. 

—  Auf  dem   Hau-Kluss  nach  Ilan-kou. 

AXHANO.  Anthropologische  Messungen.  Nachtrag.  Druck- 
fehler-Verzeichnis.    Namen-  und  Sachregister    .  .     514 — 545 


Verzeichnis  der  Abbilduns:en. 


Sämtliche  Skizzen  und  Photographien  sind  vom  VerfnssHcr  aurgenommen,  mit  Ausnahme  des  Titelhildes  und  der 

Abbildunj[;en  auf  den  Seiten  46,  204,  353,  355,  367,  368. 

Seite 

Ankunft  der  Kxpedition  vor  Kasciisj;»' 38 

'l'öpl frei- Waren  auf  dem  Bazar  in  Osch 46 

Station  Ljanffar  am  Taldüiv-Flusse • 53 

Rir{rise  in  Sufi-Kurj^-an,  Seitenansicht 60 

Derselbe,  ^'orderansicht 60 

Kon^lomerat-Gcbirß^e    auf  der    linken    'ITialsoite    tles  Küsül-su,    unterhalb  von    Irkesehtam  (nach 

Nonlen  jjesehen) 69 

Kussisches  Greuzfort  und  Kosakenstation  Irkeschtam  an  der  chinesischen  Grenze 70 

Kaschfjarische  Festunjj  Naffra-Tschaldü  am  Küsül-su 71 

Konulomerat-Gebirjje  am  Küsül-su,  unterhalb  von  Irkeschtam  (nach  Norden  jjesehen)  ....  73 

Sandsteiu-Gebirije  zwischen  Uksalür  und  Küsül-oi 75 

Gebirg^e  im  Norden  von  Müu-jul,   westlich  von  Kaschcjar  ;^nach  Norden  «jesehen")     .....  77 

Kaschßfarier  in  Kasch^ar 79 

Kaschg-arier,  Seitenansicht 80 

Kaschcrarier,  Vorderansicht 81 

Kirg^ise  in  Kaschgar,  .Seitenansicht 82 

Kirjjise  in  Kisch^ar,  Vorderansicht 83 

Sta<ltmauer  von  Kaschqfar  in  der  Nähe  des   Kaiserlich  russischen  Generalkonsulatt*8       ....  85 

Hirsch  aus  dem  Thien-schau  in  Kaschjjar  hn  Hesitze  des  Herrn  Macartney 87 

Ufer  des  Küsül-su  j^e^renüber  von  Kaschjjar 89 

Oase  von  Dscham,  östlich  von  Ak-su 105 

Lehmsteppe  mit  Vejjfetationshütjeln,  ö.stlich  von  Jauqfiabad  am  Kaschp^ar-darja 108 

Vc^etationshüffel  mit  Tamarix,  östlich  von  Janyiabad  am  Kaschq^ar-darja 1 1 1 

Pappelwabl  bei  Tschadür-kul,  östlich  von  Maral-baschi 1 1 2 

Schmelzhütte  für  Kupfererze  bei  Kara-dschulpan 113 

Pochmühle  bei  Marid-baschi 115 

Hof  eines  Karawanserai  in  Janjjinbad,  östlich  von  Kischfrar I17 

Karawanserai  in  Tschadür-kul,  nordöstlich  von  Maral-baschi 120 

Derwische  in  Ak-su I2i 

Bettler  in  Ak-su 122 

Bevölkerung  bei  Schur-kubuk,  südwestlich  von  Ak-su        123 

Ochsenreiter  in  Ak-su 124 

Kussischer  Aksakal  und  seine  An^jchörig^en  in  Ak-su 125 

Bevölkerung"  von  Ak-su -«     ...  126 

Bewohner  von  Srd-arük,  südwestlich  von  Ak-su 127 

.Südabfall  des  Topa-dawan  bei  Dschurjja,   südwestlich  von  Bai 132 


—    XVI    — 

Seile 

Oase  Sai-liangar,  westlich  von  Bai 134 

Bewohner  von  Bai 135 

Muhamedanische  Grabstätte  bei  Aral,  östlich  tod  Bai 136 

Ruinen  und  Grabstätten  bei  Sairam,  östlich  von  Bai 137 

Station  Kurgak,  nordwestlich  TOn  Kutscha 138 

Ruinen   von  Assar,    nordöstlich  von  Kutscha 140 

Frauen  in  Subasche,  nordöstlich  von  Kutscha 142 

Stution  Otun-kosa^  nordwestlich  von  Haini 148 

Moußfolen-Jurten  bei  Karaschar 149 

Stadt  Karaschar  am  Chaidu-f^ol 151 

Windhöhlunp^en  im  Granit  des  Tasch-kar-Gebirg:e8  bei  Kara-küsül  «'ISS 

Thalschlucht  im  Tschol- tau,  unterhalb  von  Affa-bulak        157 

Moschee  und  Minaret,  östlich  von  Turfan        161 

Gebirg^e  im  Nordosten  von  Kürk-ortun,  zwischen  Tschiktüm  und  Otun-kosn 164 

VVindhöhlungen  im  Konglomerat  bei  Tschoglu-tschai,  nordwestlich  von  Hami 167 

Dungane  in  Hami 169 

Dung^anen  in  Hami 170 

Lager  IV  (Jasütschan),  nördliche  Zone  der  Gobi 174 

Taroarixhügel  auf  Sand-   und   Lcbmfläche.     Nördliche   Zone   der  Gobi,    zwischen   Lager  II  (I)a- 

tschuan-tan)  und  Lager  III  (Dschan-dschausa) 176 

Windhöhlungen  im  Granite  bei  I^ager  \TI.     Gebirge  der  mittleren  Zone  der  Gobi 180 

Lagerplatz  X  in  der  mittleren,  gebirgigen  Zone  der  Wüste  Gobi 185 

Granithügel  zwischen  Liger  X  und  XI.     Mittlere,  bergige  Zone  der  Wüste  Gobi 186 

Gebirge  der  mittleren,  gebirgigen  Zone  der  Gobi  im  Südosten  von  Lager  XI 187 

Gebirge    im    Norden  von  Lager  XIII  und  Trockenthal  auf   der  Schotterfläche  in  der  mittleren, 

gebirgigen  Zone  der  Gobi 189 

Trockenthal  auf  der  Schotterfläche  bei  Lager  XIII.     Mittlere,  gebirgige  Zone  der  Wüste  Gobi  190 
Lagerplatz    XIII    und    altvulkanischt!    Hügel    im    Süden    dav(m.     Mittlere,    gebirgige   Zone    der 

Wüste  Gobi 191 

Das  Lager  der  Karawane  am  Su-lai-ho.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi 193 

Thal  des  Flusses  Su-lai-ho  bei  Lager  XVI.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi 196 

Ochsenkarren  mit  Tamarixgebüsch  und  I)efe8tigtes  Gehöfte  bei  Lager  XIX.     Sütlliche  Zone  der 

Wüste  Gobi 198 

Pflug  und  Walze  bei  Lager  XIX.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi 199 

Pflügender  und  säender  Bauer  bei  Lager  XIX.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi 200 

Vegetationshügel  von  Tamarix  bei  Lager  XIX.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi 201 

Zeugenhügel  aus  Lehm  bei  Lager  XIX.     Südliche  Zone  der  Wüste  Gobi   ...          ....  203 

Durch  Sand  geschliffene  Kieselgerölle,  zwischen  Lager  XX  und  XXI.    Südliche  Zone  der  Wüste 

Gobi 204 

Eintritt  der  Karawane  in  das  Oasengebiet  von  Su-tschou 209 

Stadtmauer  und  Inneres   der  von   den  Dunganen  zerstörten   Stadt  Tsing-pien  yi,    südöstlich   von 

Liang-tschou 212 

Ummauertes  Dorf  Sin-schuei  yi,  östlicli  v(m  Su-tschou 216 

Chinesen  bei  Schuang-tsing  yi,  östlich  von  Su-tschou.    An  der  Mauer  das  mythische  Tier  »Tan«  220 

Dorf  Yen-tschi  yi,  östlich  von  Su-tsch6u,  umgeben  von  Wüste 224 

Das  Gasthaus  in  Wu-schöng  pu,  nordwestlich  von  P'iug-fan  hsien 225 

Stadtthor  von  Kao-thai  hsien,  nordwestlich  von  Kan-tsch6u 226 

Die  grosse  Mauer  bei  Scban-tan  hsien,  südöstlich  von  Kan-tsch6u 227 

Turm  der  grossen  Mauer  (von  der  Innenseite)  in  der  N.ähe  von  Schan-tan  hsien,  südöstlich  von 

Kan-tschou 228 

Freistehende  Särge  ausserhalb  der  Stadtmauer  von  Kan-tschou  fu 230 

Buddhistische  Monumente  auf  einer  Grabstätte  bei  ICan-tschou  fu 231 

Thonomamente  an  den  Giebeln  von  Tempeln  und  Thoren.     Tan-ka'r  thing 232 

Fayence-Ornament  in  einem  Tempel  in  P'ing-fan  hsien 233 


—   XVII    — 

Seile 

Löwe  in  eiuem  Yamea  in  Tan-ka'r  thin^ 234 

ThoDgefässe  in  Tan-ka'r  thing- 235 

Pfluß:  und  Pflugschar  bei  Thunß:-fan  yi  am  Ta-thunß:  ho;  Pflug:  bei  Su-tschou 237 

Buddha-Tempel  bei  Sho-toi-tze,  südöstlich  von  Kan-tsch6u 238 

Chinesische  Meilensteine  an  der  flössen  Strasse,  südöstlich  von  Su-tschou 240 

Eing^angfsthor  in  ein  Vamen   in  Schuang-tsing  yi,    südöstlich  von  Su-tschou 241 

Brücke  über  den  P'ing^-fan-ho,  unterhalb  von  Wu-schönf|f  pu  bei  P'injf-fan  hsien 246 

Tempel  am  Nordende  von  P'ingf-fan  hsien 247 

Wirtshaus  und  Arben  der  Expedition  in  Thung^-yüan  yi 249 

Steinkohlen-Bergwerk  am  Ta-thung-ho,  unterhalb  von  Thung-fau  yi 250 

Fähre  über  den  Ta-thung-ho  bei  Thung-fan  yi 251 

Thal  des  Si-ning-ho,  unterhalb  von  Si-ning  fu 253 

Hauptstrasse  und  Thor  in  Tan-ka'r  thing  " 259 

Mühle  mit  Turbinen  bei  Tan-ka'r  thing 261 

Thal  des  Si-ning-ho,  unterhalb  von  Tan-ka'r  thing .  269 

Befestigter  Bauernhof  in  Golien-tschuo  bei  Tan-ka'r  thing 271 

Dorf  Donkyr-sumo  unterhiüb  von  Schalakuto 273 

Höhlungen  in  Konglomeratfelsen  im  Thale  unterhalb  von  Schalakuto 274 

Die  chinesischen  Führer  der  Expedition  im  Küke-nur-Gebiete    .     .' 276 

Süd-Küke-nur-Gebiet  und  Steppenthal  des  Taotan-ho  am  Küke-uur 280 

Tangutenzelt  am  Küke-nur 281 

Herde  der  Tangutenzelte  am  Sche-tsche-Flusse.     Nordost-Tibet 282 

Tanguten  am  Küke-nur 283 

Tanguten  in  der  Dabassun-Ebene  (Lager  XU) 285 

Tanguten  am  Semenow-Gebirge  (Lager  XIV) 286 

Das  Sadufer  des  Küke-nur 289 

TTial  mit  Tangutenzelten  auf  der  Nordseite  des  Süd-Küke-niir-Gebirges  (unterhalb  von  Lager  X)  291 

Ohrringe  der  Tanguten 294 

Tanguten  in  der  Dabassun-Ebene  bei  I^ger  XU 295 

Südfuss  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  und  Lager  XI  (nach  Norden  gesehen^ 298 

Thal  im  Semenow-Gebirge  bei  Lager  XV 3^1 

Tanguten  und  ein  Lama  im  Semenow-Gebirge  bei  Lager  XV 302 

Amulette  der  Tang^ten  aus  dem  Küke-nur-Gebiete 304 

Thal  im  Semenow-Gebirge,  oberhalb  von  I^iger  XVI 308 

K'ükberge  im  Semenow-Gebirge  bei  Lager  XVI 312 

Lager  XVIl  am  Ausgang  eines  Thaies  aus  dem  Kalkgebirge.     Semenow-Gebirge 313 

Ilauptkamm   des  San-si-bei-Gebirges;    im  Vordergiunde  die  Choka-I'^bene  bei  Lager  X VIII  (nach 

Süden  gesehen) 3*^ 

Choka- Ebene  und  San-sl-bei  bei  I^ger  XX.  ^^Steilgestellie  Schichten,  nach  Süden  gesehen)  .  317 
1  loang-ho-Steppe  mit  der  Thsdschlucht  des  Hoang-ho   und   «lern  Amne-waion  Berge.     Vom  San- 

si-bei  nach  Nordosten  gesehen 3'^ 

Schlucht  zum  Hoang-ho-Bette  in  den  Konglomeraten  der  Steppenfläche,  nördlich  des  Austiiites 

des  Flusses  aus  dem  Dschupar-Gebirge,  nordwestlich  von  Lager  XXIl 319 

Schlucht  des  Iloang-ho  und  Fähre  am  Austritt  aus  dem  Dschupar-Gebirge  bei  Ljiger  XXII  .  .  320 
Fährboot  aus  aufgeblasenen  Yakhäuten  auf  dem  Hoang-ho  bei  Lager  XXU,  am  Austritt  aus  dein 

Dschupar-Gebirge 322 

Hoang-ho  im  Steppenplateau,  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Dschupar-Gebirge  bei  Lager  XXI II  324 

Tanguten  am  Dschupar-Gebirge  bei  Lager  XXIV 3^9 

Steppenebene  am  Nord fusse  des  Dschupar-Gcbirges  und  Thalschlucht  des  Hoang-ho  ....  330 
Die  Hoang-ho  Schlucht  in  der  Steppeneliene;  im  Hintergründe  das  Gebirge  San-si-bei,  Choku- 

Ebcne  und  Amne-waien-Berg  bei  I>ager  XXIV,  nach  Südwesten  gesehen 33' 

Nordfuss  des  Dschupar-Gebirges,  östlich  von  Lager  XXIV.     Nach  Süden  gesehen 332 

Tangutischer  Webstuhl  am  Dschupar-Gebirge,  bei  I-iger  XXIV 333 

rhalschUicht  tles  Hnang-ho  Im  Dschupar-Gebirge;  im  Ilintergrumle  die  Cifltirgskftle  L'^utu      .  334 


»■« 


—  XVIII  — 

Seite 

Schmack^ehänge  einer  Tangntin  bei  I^g-er  XXIV  am  Dschupar-Gebirjje 336 

Südseite  des  Dschupar-Gebirß^es,  vom  Baa-Fluss  aus  bei  l^aß^er  XXV] II 337 

Tangntische  Familie  in  Luzaong  (Lager  XXVII,  nördlich  vom  Baa-Flusse^ 338 

Tangutische  Frauen  in  Luzaong  im  Baa-Thale  (bei  Lager  XXVII) 339 

Rückenschmuck  tangutischer  Frauen.     Luzaong  im  Baa-Thale  (bei  Lager  XXVII) 340 

Haken  zum  Halten  der  Kimer  beim  Melken,  von  den  taugutischen  Frauen  am  Gürtel  getragen  341 
Messinggehänge  mit  Tuchschleifen,  von  den  t:mgutischen  Frauen  an  der  linken  Seite  am  Gürtel 

getragen 341 

Zeltlager  der  Tanguten  bei  Luzaong.     I^ger  XXVII  im  Baa-Thale 342 

Lager  XXIX  der  Expedition  im  Gebirge  bei  Dedun,  südlich  vom  Baa-Flusse 344 

Tangutische  Kopfbedeckungen        346 

Ilochthal  im  Gebirge  südlich  vom  Baa-Thale,  unterhalb  von  Lager  XXX 348 

Tangiiten  bei  Lager  XXIX  {Dedun),  südlich  vom  Baa-Thale 349 

Tangute  auf  zahmem  Yak  bei  Dedun  (I^ger  XXIX) ..352 

Amulette,  am  Halse  getragen  von  einem  Tanguten  am  Baa-Flusse  bei  Lager  XXVIII  .  .  .  ,  353 
Burchan   mit   Bodhisatva   Avalokitegvara,    umgeben    von   BUdem   des   Padmapani,  vom  Obo  auf 

Seite  354 353 

Obo,  nördlich  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse,  zwischen  I*ager  XXXIV — XXXV 354 

Burclian  mit  Buddhas  von  einem  hohen  Berge  bei  I^ger  XXXV.     I^arengo 355 

Lager  von  Wan-saong,  nördlich  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse  (Lager  XXXVI) 357 

Rosenkranz  eines  Lama  vom  Dschupar- Gebirge  bei  I^ger  XXIV 358 

Die  Führer  der  Expedition  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse  zum  lloang-ho 359 

Kalkgebirge    am    Chali-tsche-Fluss    in   der   Nähe   des   oberen   Iloang-ho,  vom   I>ager  A6  nach 

Norden  gesehen 361 

Lager  A8  am  oberen  Iloang-ho 362 

Steppenthid  zwischen  Lager  A2  und  A3,  südlich  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse 364 

Obo  in  der  Nähe  des  Star-dung-tsche-Flusses,  südöstlich  von  Lager  XXXVIII 365 

Obos  am  Wlamt-su-Flusse  bei  Lager  A5  und  südlich  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse  bei  Liger  Ai  366 

Tsa-tsa  v(m  I«iger  XLI  im  Thale  des  Ulan-ser-tsche 367 

Tsa-tsa  (Thonkegelchen  als  Opfergaben)  vom  Lager  XLVIIl  im  oberen  Flussgebiete  des  Thao- 

ho  und  von  I^ager  XLVI  am  Dschiem-tsche-Flusse 36S 

Felsenthor,  aus  Kalkklippen  gebildet,  bei  Lager  A3,  südlich  vom  Urtia-tsche-Flusse    ....  370 

Höhle  im  Kalkgebirge  bei  Lager  A3,  südlich  vom  Urtia-tsche-Flusse 371 

Thal  des  oberen  Iloang-ho,  von  Lager  A8  nach  Westen  gesehen 376 

Ten-asse  des  linken  Hoang-ho-Ufers,  bei  Lager  AS  nach  Süden  gesehen 379 

Ouerschnitt  durch  den  oberen  Hoang-ho  unterhalb  von  L;iger  AS 381 

Zeltlager  in  der  Nähe  des  oberen  Hoang-ho  bei  Lager  A7 3S4 

Berittene  Tanguten  am  grossen  Sche-tsche-Flusse 3S6 

Kalkgebirge    der   südlichen  Thalseite    des  Wlamt-su-Flusses,    zwischen  Lager  A4  um!  A5   nach 

Süden  gesehen 387 

Obo  in  der  Nähe  des   Siar-dung-tsche-Flusses,  zwischen  I^ager  XXXVlll  uml  XXXIX      .     .     .  390 

Steppenthal   des  Tschünere-tschenak-Flusses  bei  Lager  XXXXIII 303 

Kalkgebirge  (Dschawrek-Gebirge)  südlich  vom  Lager  XXXXII 394 

Dschawrek-Gebirge,  von  Lager  XXXXIV  nach  Südwesten  gesehen 396 

Thal  des  Dschiem-tsche-Flusses,  vom  Passe  zwischen  Lager  XXXXV  und  XXXXVl    ....  398 

Lager  XXXXVl  in  der  Nälie  des  Dschiem-tsche-FIusscs 400 

Obo  auf  einem  Berge  in  der  Nähe  des  oberen  Thao-'iTiides  bei  Lager  XXXXVUI       ....  402 

Kloster  Schin-se  im  oberen  Thao-Thal        404 

Schmuckgehänge  einer  Tangutin  bei  Kloster  Schin-se 405 

Postament  mit  Heiligenbildern  bei  Kloster  Schin-se 407 

Halle  mit  Gebetmühlen  bei  Kloster  Schin-se 408 

Buddhistisches  Monument  (Ch'ürten)  bei  Kloster  Schin-se 410 

Das  lliao-Thal  bei  Kloster  Schin-se,    flussabwärts  gesehen.     Platz    tles  Lagers  und  des  lel>er- 

falles  auf  die  Expedition 412 


-    XIX    -- 

Seite 

Holzbrücke  über  den  Thao-ho  bei  Kloster  Schin-se 414 

Chinesischer  Händler  und  Familie  bei  Kloster  Schin-se 418 

(3bo  unterhalb  von  Donj^-linff-do.     Oberes  Thao-Flussgebiet 421 

Bewaldete  Ber^e  im  Thale  des  Dje-thsaugf-Klusses.     Oberes  Thao-Flussg^ebiet 423 

Situationsplan  einer  Tjmputen-Wohnung^  im  Dorfe  I^uwa-nitsche.    Oberes  Flussjjebiet  des  Thao-ho  425 

Dorf  und  Tempel  Dschamen-kuan.     Oberes  Flussji^ebiet  des  Thao-ho 427 

Zollraauer  gejjen  Tibet,  westlich  von  Thao-tschou 432 

Stadt  Thao-tschou,  von  der  Stadtmauer  aus  nach  Nordwesten  fyesehen 433 

Thal  des  Thao-ho  unterhalb  von  Dschoni  im  lliao-Thale 436 

Thao-Thal  bei  Tsingf-kuei  oberhalb  von  Min-tschou,  nach  thalabwärts  gesehen 437 

Dorf  mit  liolzhiitten  im  Thao-Thale,  (»berhalb   von  Miu-tschöu 439 

Stadt  Min-tschou  und  Tempel  am  Herp^e.     Von  der  Stadtmauer  aus  nach  Südosten  gesehen       .  442 

Thal  und  Dorf  im  nordwestlichen  P'clinjj-Gebirfi^e,  unterhalb  vom  Dorfe  Kiu-tien 447 

ITial  von  Jei-tien.     Im  VorderR-rund  I /össterrassen.     Gejjen  Südwesten  gesehen 449 

Lüsslandschaft  und  Thalschlucht  nordöstlich  von  Kung^-thschan^  fu 452 

Typisches  Thal  im  Lüssg^ebiete  mit  tiefer  Schlucht  in  der  Mitte,  südwestlich  von  I-kang:  tschuan  453 

Festung^  auf  dem  Bergkamme  nordöstlich  von  Kung-thschang  fu,  zwischen  Tsi-ma-ling  und  Ma-ing  454 

Gräber  bei  Jei-tien,  südwestlich  von  Kung-thschang  fu 455 

Bauernhof  im  Lössgebiete  nordöstlich  von  Kung-thschang  fu 456 

Anfang'sstadien  der  Schluchtenbildung  im  Lössgehänge.     Lössbrunnen.    Ma-ing,  nordöstlich  von 

Kung-thschang  fu •.     .     .  459 

Schluchtenbildung  im  Lössgehänge  bei  Ngan-ku-tschou,  nordwestlich  von  P'ing-liang  fu  .     .     .  466 

Eingang  in  die  Schlucht  auf  der  Ostseitc  des  Lopan-schan  beim  Aufstiege  zum  Passe      .     .  471 

Dorf  am  Lössgehänge,  oberhtüb  von  P'ing-liang  fu 475 

Löss-Tcrrassen   und    Löss-Dörfer   auf   der  linken   Thalseite  des  King-ho,    unterhidb  von  P'ing- 

liang  fu 478 

Rasthaus  und  Schubkarren-Transport  auf  dem  Lössplateau  bei  Thing-k'ou  pu 481 

Lösslandschaft  mit  Terrassen  und  Schlucht,  südöstlich  von  King-tschou 482 

Wohnungen  in  Lösswänden  bei  Thing-k'ou  pu 485 

Tempel  in  Sandsteinfelsen  unterhalb  von  lliing-k'ou  pu  am  linken  Ufer  des  King-ho       .     .  489 

Kaisergräber  bei  Hien-yang  hsien  am  Wei-ho,  nordwestlich  von  Si-ngan  fu 498 

Brücke  über  den  Wei-ho  und  Stadt  Hien-yang  hsien 499 

Die  nördliche  Kette  des  'ITisin-ling-Gebirges  (von  Lan-k'iao  nach  Süden  gesehen)  ....  501 
Ilochthal   auf  der  Nordseite   der  nördlichsten  Kette  des  Thsin-ling- Gebirges,    südlich  von  I*an- 

thien  hsien 503 

Th;d  im  Thsin-ling- Gebirge,    zwischen   Lan-k'iao   und   dem  Pass  der  Hauptwasserscheide    (vom 

Wege  in  ein  Nebenthal  nach  Süden  gesehen) 5^5 

Felsenwohnungen  auf  der  linken  Thalseite  des  Tan-ho,  oberhalb  von  Ye-thsun 507 

Hafen  von  Lao-ho-k'ou  am  Han-kiang 510 

Hausboot  der  Expedition  auf  dem  Han-kiang 513 


^  Verzeichnis  der  Tafeln. 


'  Titelbild. 
•  Tafel  I. 
^;ifel  II. 

/lafel  111. 
^Tafel  IV. 
,  Tafel  V. 
•Tafel  VI. 


Tafel  VII. 


vTafcl  VIII. 

^Tafcl  IX. 

Tafel  X. 

►Tafel  XI. 

,^  Tafel  XII. 

^ Tafel  XIII. 

•Tafel  XIV. 

^  Tafel  XV. 

--  Tafel  X\'l. 
/Fafel  XVII. 

..  Tafel  XVIII. 

^  Tafel  XIX. 

Tafel  XX. 

.  Tafel  XXI. 
•  Tafel  XXII. 
►Tafel  XXIII. 

"  Tafel  XXIV. 
,  Tafel  XXV. 

..Tafel  XXVI. 

.  Tafel  XXVll. 

Tafel  XXVIII. 


Seite 
Autbruch  der  Expedition  von  Osch  iji  Ferjfima  am  26.  Januar  1898. 

I.  Kirgise  aus  Sufi-Kurgan  im  Alai-Gebirg^e.     2.  Dunjjane  aus  Ak-su       .      .  56 

I.  Kir^rise  aus  Irkeschtain  im  Alai-Gebir^e.     2.  Kirgise  aus  Kan-dschuj^an  im 

Alai-Gcbirpfe 64 

Kir^senfamilien  in  Uksalür  im  Alai-Gebirgfe 72 

Kasch^arier  aus  Kascheur 84 

Buddhistisches  Monument  (St&pa)  bei  Kasch^ai* 90 

Landschaft  in  den  Niederung^en  am  Kaschgfar-darja,  westlich  von  Maral-baschi. 

Vefjetations-Hüfi^el  mit  Pappeln  (Togfrak-Bäumen) 106 

Vegetations-Hügel  mit  Tamarisken.    Niederung^en  am  Kasch^ar-darja,  westlich 

von  Maral-baschi 112 

Karawan-Serai  in  Bai  im  nördlichen  Tarim-Becken 132 

Durchbruclisthal  im  Kutscha- Gebirg^e  bei  Subasche,  nördlich  von  Kutscha  .  140 
Einwehunf^en   von   Flugsand   in   die   Thalschlucht  in  Tschol-tau,   südlich  von 

Toksun 156 

Ankunft  der  Expedition  in  einem  Tempelhof  im  Norden  von  Ilami       ...  168 

Götterbilder  aus  einem  Tempel  in  Hamf 172 

Felsengebirge  und  KieswUste  in  der  Gobi  (P'e-schan),  südöstlich  von  Lager  X  184 

Lagerplatz  XVI  am  Surin-gol  in  der  südlichen  Gobi 192 

Sand-    und  I^hmwüste   der   südlichen  Gobi,   nordwestlich   von  Su-tschuu   bei 

Lager  XVI  bis  XVII 200 

Buddha-Tempel  bei  Sho-toi-tze,  südöstlich  von  Kan-rtschou  fu 230 

Bild    der   Gottheit   Yamäntaka    oder    Vamäri   (tibetanisch   Shin-rje-gshed)    im 

Tempel  von  Sho-toi-tze 238 

Grabstätte  bei  Tan-ka'r  thing 260 

Tibetanische  Lamas  am   Küke-nur 284 

Steppenthal   der  Nordseite   des   Süd-Küke-nur-Gebirges    mit  Tanguten-Liiger, 

oberhalb  von  Lager  IX.     Nach  Süden  gesehen 296 

Ilochthal  im  Semenow-Gebirge  bei  I^iger  XVI  312 

Der  Hoang-ho  im  Dschupar- Gebirge 320 

llialschlucht  des  Hoang-ho  nördlich  von  seinem  Austritt  aus  dem  Dschupar- 

Gebirge.     Nach  Nordwesten  gesehen 3^24 

Schmuckgehänge  der  Frauen  in  Nordost-Tibet 337 

Tangutisches    Zeltlager    südlich    vom    Baa- Flusse,     zwischen    Lager    XXVIII 

und  XXIX 344 

Schrauckgehänge  der  Frauen  in  Nordost-Tibet 352 

Tanguten  in  Lu-zaong  (I^iger  XXVII)  im  Thale  des  Baa- Flusses  ....  360 
Gebirge  Sarü-Dangerö    (Amne-Matschin)    und  Th;d    des  Hoang-ho   an  seinem 

Nordfusse.    Vom  Passe  zwischen  Lager  A  6  und  A  7  nach  Ostsüdosten 

Süden  — Westnonlwesten  gesehen 364 


^'I'afcl  XXIX. 
^Tafel  XXX. 

/Tafel  XXXI. 

-  Tafel   XXXII. 

•  Tafel   XXXIII. 

.<  Tafel   XXXIV. 

j  Tafel  XXXV. 

''Tafel  XXXVI. 

"Tafel  XXXVII. 
•  Tafel  XXXVIU. 

-Tafel  XXXIX. 

'    Tafel   XL. 
/rafcl  XI.I. 

y  Profiltafel 
,  Uebersichtskarte 


—    XXII      - 

•Seite 

Volkstypen  vom  oberen  Hoantf-ho  bei  Laj^'^er  A  8 384 

\Valru-(  lebirjj^e  in  Nordost-Tibet  und  Steppenthal  des  Ulan-ser-Flusses,  zwischen 

I«it:er  XXXIX  uml  XL 392 

Linke  'ITialseite   des  oberen  'ITiao-ho,  oberhalb    vom  Kloster  .Schin-se.     Von 

Laijer  XLIX  nach  Xonlen  f^esehen 403 

Grosser  Tempel  bei  Kloster  Schin-se  im  ob<*ren  Thao-'ITiale 408 

Tempel  mit  (lebetmühlen  uml  Obo  bei  Kloster  Schin-se  im  oberen  Thao-Thale  410 

Thao-Thal,   Brücke  und   Fluss  oberhalb  von  Min-tschou 440 

Dorf  und  Thal  im  Lössi^ebiete,  nordöstlich  von  Kunjj-thschanßf  fu  .  .  .  450 
Lösslandschaft  mit  Loss-Schlucht,  nordöstlich  von  Kun^r-thschani^  fu.  zwischen 

Tsi-ma-linj»^  und  Ma-inji^ 456 

Berj^kette  des  Lopun-schan,  oberhalb  von  Lunji^-tö  hsien.  Nach  Norden  gesehen  472 
Lössschlucht  und  Lösswohnun^en  bei  der  Stadt  TTischang^-wu  hsien,  südöstlich 

von  P*in(T-lianff  fu 486 

Thal  im  Thsin-linfif-Gebirjje,    nördlich   von   der  Wasserscheide,    oberhiüb  von 

Lan-k'iao 504 

Thjü  des  Tan-ho  bei  tler  Stadt  Lunß^-kü-tschai 508 

Thal  des  Tan-ho,    südlich  vom  Thsin-lin^-schan,  zwischen  Lunjj-kü-tschai  uiid 

I/ao-ho-k'ou.     Thidabwärts  preschen 512 

von  Asien  zur  Darstellung  der  Reiseroute  des  Verfassers     j     •     •     •     •    ' 


6inleitung. 


Wenn  der  vor  dem  Leser  liegende  Band  sich  »Geographische  Charakter- 
bilder« betitelt,  so  will  der  Autor  damit  sagen,  dass  er  eine  Anzahl  eigentüm- 
licher Züge  der  Landschaft  und  des  darin  sich  abspielenden  Volkslebens  in 
gemeinverständlicher  Schilderung  in  Wort  und  Bild  wiederzugeben  versucht  hat, 
wie  er  sie  in  bunter  Abwechslung  und  langer  Reihe  im  Verlauf  der  grossen 
Reise  an  seinem  Auge  vorbeiziehen  sah.  Nicht  alles  ist  gleichwertig.  Vieles 
ist  bekannt  und  schon  von  früheren  Reisenden  beschrieben;  aber  auch  in  schon 
bekannten  Ländern  kann  man  auf  lebende  Bilder  treffen,  die  sich  den  Vor- 
gängern nicht  gezeigt,  wie  auch  umgekehrt  jene,  durch  glückliche  Umstände 
begünstigt,  gesehen  haben,  was  sich  heute  dem  Auge  verbirgt  oder  im  Lauf  der 
Zeiten  anders  geworden  ist. 

Die  Reise  führte  von  den  Ufern  des  Rheins  und  der  Donau  an  den  Fuss 
des  Kaukasus,  ins  Land  des  goldenen  Vliesses;  durch  die  Wüsten  der  Turk- 
menen und  die  Metropolen  alten,  muhamedanischen  Kunst-  und  Geisteslebens; 
zur  Winterszeit  über  die  eisigen  Pässe  am  Pamir  und  hinab  nach  Osten  durch 
das  von  alters  her  berühmte  Tarimbecken  mit  seinen  Resten  uralter,  unter  toten 
Sandflächen  begrabenen  Kultur;  durch  die  Felswüste  der  Gobi;  durch  das  vom 
Bürgerkrieg  verwüstete,  westliche  Kan-su;  vom  berühmten  Küke-nur  durch  das 
ungastHche,  hochgelegene  Tibet  —  das  verbotene  Land  —  nach  Osten  hinab 
in  die  ältesten  Ansiedelungsgebiete  sesshaft  gewordener,  chinesischer  Bevölkerung ; 
in  die  alte  Kaiserstadt  im  Thale  des  Wei-ho;  über  die  hohe  Markscheide  zwi- 
schen dem  nördlichen  und  dem  südlichen,  dem  regenarmen  und  dem  regen- 
reichen China:  über  das  Thsin-ling-Gebirge  und  endlich  in  bequemem  Boote 
auf  verkehrsreichem  Strome  hinab  zum  Yang-tzö-kiang  bis  nach  Schang-hai. 

Wenn  ich  es  unternehmen  wollte,  neben  den  Eindrücken  einer  solchen 
Reise  auch  noch  den  Zusammenhang  der  die  Oberfläche  gestaltenden  Kräfte 
und  Wirkungen  mit  den  Ereignissen  der  Geschichte  zu  untersuchen  und  denEinfluss 
der  Vergangenheit  auf  die  Schicksale  der  Völker  und  ihrer  Kulturen  zu  ver- 
folgen, so  würde  das  eine  Aufgabe  sein,  die  in  ihrer  UniversaHtät  über  den 
Rahmen  dieses  Buches  hinausginge.     Eine  Auswahl  ist  geboten;  und  so  sollen 


-    XXIV   - 

denn,  an  Bekanntes  im  Westen  Asiens  anknüpfend,  die  Schilderungen  ausführ- 
licher werden,  je  ferner  das  Land  der  Kenntnis  Europas  steht,  grösseren  Um- 
fang aber  im  unbekannten  Lande  selbst  erhalten.  Was  die  Worte  nicht  sagen, 
erzählen  die  Bilder,  und  ich  hoffe,  dass  es  mir  gelingen  wird,  das  Interesse  des 
Lesers  auch  für  die  öden  Landstrecken  der  Wüsten,  für  die  Steppen  und  die 
unwirtlichen  Hochländer  zu  wecken:  Gebiete,  die  mir  trotz  aller  Gefahren  und 
Entbehrungen  lieb  geworden  sind  durch  die  wissenschaftliche  Anregung,  die  sie 
in  weit  höherem  Masse  bieten,  als  die  schon  lange  bekannten  Kulturländer. 
Ich  beabsichtige  hier  im  wesentlichen  nur  das  zu  geben,  was  zu  meinen  eigenen 
Erlebnissen  und  Erfahrungen'  gehört,  und  nur  insoweit  auf  andere  Quellen 
zurückzugreifen,  als  dies  zum  Verständnis  und  der  Vervollständigung  des  Dar- 
gestellten oder  seiner  Geschichte  unumgänglich  nötig  ist.  Der  Umfang,  den 
eine  erschöpfende  Benutzung  alles  Materials  im  weitesten  Sinne  meinen  Schilde- 
rungen geben  müsste,  verbietet  mir,  mehr  als  das  unbedingt  nötige  aufzunehmen. 
Für  spätere  Zeiten  dürfte  es  aber  eine  lohnende  Aufgabe  sein,  alles  bekannt 
gewordene  aus  jenen  interessanten  Gegenden  zusammenzustellen  und  ein  ab- 
geschlossenes Charakterbild  des  ganzen,  zentralen  Kontinents  zu  geben.  Die 
vorliegenden  Blätter  können  nur  einen  geringen  Beitrag  zu  jenem  vollständigeren 
Werk  darstellen. 

Zum    grösseren    Teil    während    der    Reise    selbst    entstanden,    ist    dieser 
erste    Band    meiner   Arbeiten    nur   ein  Vorläufer   von    zwei    andern,    deren  Be- 
arbeitung auf  Grund   der  auf  der  Expedition  gesammelten  oder  in  der  wissen- 
schaftlichen Litteratur    bereits    niedergelegten   Materialien    naturgemäss   längere 
Zeit   in    Anspruch    nehmen   wird   als   diese  Skizzen,   die    auch  von  einem  ganz 
andern  Gesichtspunkt  der  Kritik  betrachtet  sein  wollen.     Es  wäre  unrichtig,  die 
wissenschaftlichen  Ergebnisse    allein    in    ihrer   abstrakten,    nüchternen    Form   zu 
veröffentlichen.     Der  Leser    hat    auch    ein   Recht,    zu    erfahren,    unter    welchen 
Umständen    sie    gewonnen    wurden,    was    fördernd    oder    hemmend    einwirkte, 
welchen  Einfluss  überhaupt  die  äusseren  Verhältnisse  auf  den  Fortgang  wissen- 
schaftlicher Arbeit    haben.     In    dieser  Beziehung    waren    mm   leider  die  Bedin- 
gungen bei  der  von  Dr.  Holderer  geleiteten  Expedition  nicht  immer  in  wissen- 
schaftlicher Hinsicht  die  günstigsten.     Was  namentlich  die  Regelmässigkcit  und 
Exaktheit  der  wissenschaftlichen  Forschung  störte  und  sehr  empfindliche  Lücken 
in    den    Ergebnissen    verursachte,    war,    bei    unserer    Unkenntnis    der  in  Frage 
kommenden  Sprachen,  der  Mangel  an  Dolmetschern.     Zwischen   Ka.schgar   und 
Si-ning  fu  waren  wir  auf  ungeeignete,  betrügerische  und  widerspenstige  Persönlich- 
keiten   angewiesen,   von   Si-ning  fu  ab  durch  Nordost-Tibet  und  China  fehlte  es 
uns  überhaupt  ganz  an  Dolmetschern. 

Der   erste  Band  leidet   aber  noch   an    einem   andern   Mangel,  den  ich  z« 
meinem   grossen  Bedauern   nicht  mehr   ganz,  beseitigen  konnte.  Rollte  nicht  die 

IT  i_  ^1-  1  -4.  w«..^^«    T^h  Vntte  unterweoTs  schon  mit  der  Nieder- 

Herau.sgabe  wesentlich  verzögert  werden,  icn  naiic  um^       t> 

1     r..    u  I  i\       ii^i.ii.r^r     mitteilte,     dass   er  ein  Reisewerk  zu 

schnft    begonnen,    als    mir    Dr.    Holderer    miucutt, 


~  XXV  — 

schreiben  beabsichtige.  Bis  dahin  war  davon  die  Rede  noch  nicht  gewesen, 
sonst  hätte  ich  wahrscheinlich  auf  die  Ausarbeitung  der  :» Geographischen 
Charakterbilder«  ganz  verzichtet.  Während  der  Hauj)tteil  des  Werkes  unter 
dem  unmittelbaren  Eindruck  des  Gesehenen  und  Erlebten  niedergeschrieben 
war,  fühlte  ich  mich  von  da  ab  gebunden,  die  allgemeinen  Schilderungen 
unserer  persönlichen  ICrlebnisse,  die  für  einen  weiteren  Leserkreis  mit  das 
Hauptinteresse  in  Anspruch  nehmen,  nicht  mehr  in  dem  Masse  hervortreten 
zu  lassen,  wie  ich  dies  zum  Vorteil  des  Werkes  für  wünschenswert  gehalten 
und  von  Anfang  an  beabsichtigt  hatte.  Da  aber  meine  zahlreichen  Skizzen, 
Beobachtungen  und  viele  wertvolle,  photographische  Aufnahmen  nicht  in  den 
Rahmen  der  rein  geologisch-geographischen  und  topographischen  Arbeiten 
hineinpassten  und  sich  bei  diesen  nicht  gut  unterbringen  liessen,  entschloss  ich 
mich  zuletzt  doch,  die  »Geographischen  Bilder«  weiter  auszuarbeiten.  Jetzt  erst, 
ein  Jahr  nach  der  Rückkehr  und  kurz  vor  der  Drucklegung,  teilte  mir  Dr.  Holderer 
mit,  dass  er  aus  Mangel  an  Zeit  sein  beabsichtigtes  Werk  nicht  schreiben 
werde.  Ich  suchte  nun  zwar  das  Fehlende  nach  Möglichkeit  zu  ergänzen;  aber  ich 
musste  mich  in  der  Auswahl  sehr  beschränken,  um  nicht  den  einheitlichen 
Charakter  durch  Einfügungen  zu  empfindlich  zu  stören,  oder  aber  es  wäre  eine 
ganz  neue,  gründliche  Durcharbeitung  nötig  geworden,  die  mich  von  den  mir 
im  Vordergrunde  stehenden,  geologischen  Bearbeitungen  des  II.  Bandes  zu  lange 
fern  gehalten  hätte.  So  blieb  denn  eine  Menge  von  interessanten  Reiseerlebnissen 
unerwähnt,  und  das  Werk  leidet  an  einer  Beengung,  die  nicht  mehr  ganz  gut 
zu  machen  ist.  Unter  diesen  Umständen  vermag  auch  der  grösste  Fleiss  nichts 
Vollkommenes  mehr  zu  bieten,  und  ich  muss  mit  der  Bitte  schliessen,  dass 
meine  Leser  mir  gütige  Nachsicht  gewähren  wollen, 

Karlsruhe,   1901. 

K.  Futterer. 


KAPITEL  I. 


Bilder  aus  West-Turkestan. 

Am  Freitag,  den  19.  November  1897,  trat  die  Expedition,  bestehend  aus 
Dr.  Holderer,  dem  Verfasser  und  dem  Diener  und  Präparator  Bock,  einem  biederen 
Schwaben,  dem  zunächst  die  Aufsicht  über  die  beiden  Jagdhunde  —  einem 
Hühnerhund  und  einem  Dachshund  —  oblag,  die  Reise  an,  welche  ohne  grösseren 
Aufenthalt  über  Wien,  Krakau,  Lemberg  nach  Kiew  ging.  Die  Behandlung  des 
sehr  umfangreichen  Reisegepäcks  an  der  russischen  Grenze  machte  dank  dem 
liebenswürdigen  Entgegenkommen  der  k.  russischen  Regierung  keine  weiteren 
Schwierigkeiten.  Für  die  ganze  Ausrüstung  der  Expedition,  deren  grösserer 
Teil  auf  dem  Land-  und  Seewege  über  Odessa  nach  Batum  und  Tiflis  voraus- 
gesandt war  und  die  aus  Vorräten,  Kleidern,  Instrumenten;  Munition  und  Waffen 
und  andern  Utensilien  bestand,  war  von  der  k.  russischen  Regierung  zollfreie 
Einfuhr  nach  Russland  und  Durchgang  durch  das  gesamte  k.  russische  Gebiet 
bis  an  die  chinesische  Grenze  gewährt  worden. 

Der  Aufenthalt  in  der  »Mutter  aller  Städte  Russlands«,  Kiew,  war  nur 
kurz,  wenn  auch  genügend,  um  die  zahlreichen,  ehrwürdigen  Kirchen  zu  be- 
sichtigen; und  weiter  ging  es  Tag  und  Nacht  über  Charkow  und  Rostow  nach 
Wladikawkas,  der  Kopfstation  und  Garnison  am  Nordausgange  der  berühmten 
grusinischen  Heeresstrasse  aus  dem  Kaukasus. 

Hier  war  es  schon  sehr  Winter  geworden,  und  als  die  Expedition  am 
26.  November  ankam,  wurde  uns  mitgeteilt,  dass  durch  Schneefalle  und  Lawinen- 
stürze die  Poststrasse  über  den  Kaukasus  seit  acht  Tagen  gesperrt  sei  und  mehrere 
Menschen  darauf  verunglückt  wären.  Es  musste  in  Erwägung  gezogen  werden, 
ob  wir  nicht  besser  thäten,  mit  der  Bahn  nach  Petrowsk  am  Kaspiscben  Meere 
zu  fahren,  zu  Schiff  nach  Baku  zu  reisen  und  von  da  mit  der  Bahn  auf  diesem 
grossen  Umwege  Tiflis  zu  erreichen,  wo  die  Zollformalitäten  für  das  voraus- 
gesandte Expeditionsgut  der  Erledigung  harrten. 

Bald  kam  jedoch  die  Nachricht,  dass  es  gelungen  sei,  diese  wichtige 
Heeresstrasse  über  den  Kaukasus  soweit  freizulegen,  dass  es  möglich  sein  würde, 
sie  wieder  zuerst  mit  Postwagen  und  später  im  Gebirge  selbst  mit  Schlitten 
zu  benutzen. 

Futterer,  Durch  Asien.  1 


Da  oben  im  Gebirge  und  auf  der  2432  m  hoch  gelegenen  Uebergangs- 
stelle  grosse  Kälte  und  scharfe  Winde  zu  erwarten  waren,  wurden  in  Wladikawkas 
die  im  Kaukasus  üblichen  Burkas  und  hohe  Pelzstiefel  angeschafft,  die  sich 
sehr  bewährten.  Eine  Burka  ist  am  besten  mit  einem  ärmellosen  Ueberwurf  zu 
vergleichen,  der  weit  über  die  Kniee  herabreicht  und  vorn  zusammengenommen 
wird.  Sie  wird  aus  Fell  hergestellt  und  dient  besonders  zum  Schutz  gegen  die 
schneidenden  Winde  auf  den  Höhen. 

Das  Wetter  während  des  Ueberganges  vom  28.  November  war  nicht  gerade 
günstig.  Die  Schönheiten  der  wildromantischen  Darielschlucht,  der  Sarmaticae 
Portae  der  Alten,  mit  ihren  über  2000  m  hohen,  senkrechten  Felswänden  und 
dem  in  der  Tiefe  tosend  und  schäumend  dahinwirbelnden  Terek-Flusse  blieben 
nicht  verhüllt,  aber  weiter  oben,  gegen  die  Passhöhen  hinauf,  herrschte  feiner 
Regen  und  Schneegestöber,  das  den  Kasbek  unsichtbar  machte. 

Erst  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  wurde  die  stark  verschneite  Passhöhe 
Krestowaia  Gora  (Kreuzberg)  überschritten  und  nach  7  Uhr  die  zweitoberste,  auf 
der  Südseite  des  Passes  gelegene  Station  Mletü  erreicht,  in  deren  behaglichen, 
geheizten  Räumen  ein  gutes  Abendessen  und  alkoholische  Stärkung  die  von  der 
stundenlangen  Fahrt  im  kleinen  Schlitten  erstarrten  Glieder  wieder  gelenkig  machte. 

Schon  früh  morgens  ging  es  in  den  feuchten  Nebel  hinein,  weiter  abwärts, 
der  Aragwa  entlang,  immer  noch  im  Schlitten,  bis  Passanaur,  einer  etwa  20  km 
weiter  unten  gelegenen  Station  im  engen  Felsenthale.  Hier  konnten  wir  den 
Schlitten  zurücklassen  und  zu  Wagen  die  Fahrt  nach  Tiflis  fortsetzen,  das  wir 
erst  abends  erreichten.  Da  gegen  Mittag  das  Wetter  sich  aufgehellt  hatte  und 
herrlicher  Sonnenglanz  über  der  durch  zahlreiche  Dörfer,  alte  Kastells  und 
Warttürme  belebten  Landschaft  lag,  gestaltete  sich  die  Fahrt  sehr  genussreich. 

Ein  Abstecher  von  dem  Reiseweg  nach  Batum  galt  hauptsächlich  der 
Uebernahme  des  grossen  Expeditionsgutes,  das  dort  auf  dem  Zollamte  liegen 
sollte;  aber  bei  der  Nachfrage  in  Batum  stellte  es  sich  heraus,  dass  es  nach  Tiflis 
weitergesandt  worden  war  und  auf  dem  dortigen  Zollamte  der  Auslieferung 
harre.  Die  Tifliser  Zollbehörde  hatte  nicht  genaue  Weisungen  aus  St.  Peters- 
burg erhalten  und  trotz  des  der  Expedition  zugesicherten  freien  Eingangs  der 
Güter  und  Waffen  wurde  alles  geöffnet,  dem  ungefähren  Zollwerte  nach  geschätzt 
und  erst  gegen  Hinterlegung  einer  Summe  von  1010  Rubel  freigegeben.  Erst 
als  später  von  St.  Petersburg  genauere  Weisungen  gekommen  waren,  lange 
nach  der  Weiterreise  von  Tiflis,  wurde  die  deponierte  Summe  wieder  zurück- 
erstattet, aber  es  war  doch  wegen  der  gerade  in  diese  Zeit  fallenden  Feiertage 
eine  Verzögerung  der  Weiterreise  um  mehrere  Tage  dadurch  entstanden.  Auch 
ein  Erlaubnisschein  für  Waffen  und  Munition  musste  noch  vom  Gouvernement 
beschafft  werden,  ehe  das  Gut  der  Transport-Gesellschaft  »Kawkas-Merkur«  zur 
Weiterbeförderung  nach  Baku  und  Krasnowodsk  übergeben  werden  konnte. 

In  Baku,  wo  die  Expedition  am  9.  Dezember  anlangte,  schien  es  neue 
Schwierigkeiten  wegen  der  Verladung  der  Waffen  und  Munition  auf  die  Dampfer 


—     3     — 

geben  zu  wollen,  da  die  Einfuhr  derselben  nach  dem  unter  Kriegsrecht  stehenden 
Transkaspien  und  Turkestan  verboten  ist.  Dem  geschickten  Vorgehen  des 
Agenten  der  Transport-Gesellschaft  gelang  es  indessen,  alles  Reisegut  zur  Ver- 
ladung   zu    bringen,    ohne    Anstoss    zu  erregen. 

Das  Bild  des  Quais  am  Hafen  war  schon  stundenlang  vor  der  Abfahrt 
des  Dampfers  ein  überaus  belebtes  und  ganz  orientalisches;  aber  alles  wickelte 
sich  in  grösster  Ordnung  ab.  Ganz  zuletzt  erst,  nachdem  noch  eine  grosse 
Anzahl  von  Soldaten  eingeschifft  war,  durften  die  Zwischendeck-Passagiere 
an  Bord,  eine  aus  buntestem  Völkergemisch  zusammengesetzte  Menge,  die  alle 
ihre  Habseligkeiten  mit  sich  schleppte.  Koffer,  grosse  Tragsäcke  und  zusammen- 
geschnürte Bündel  enthielten  den  Hauptbestandteil  der  Habe  und  die  Lebens- 
mittel dieser  Leute,  denen  auch  der  Schafpelzmantel  und  die  unvermeidliche 
Theekanne  nicht  fehlte.  Sie  lagerten  sich  am  Boden,  so  gut  es  eben  gehen 
wollte,  dicht  gedrängt  zusammen,  und  fingen  alsbald  an,  ihren  Thee  zu  machen, 
wozu  ihnen  heisses  Wasser  aus  der  Schiffsküche  verabreicht  wurde. 

Die  Ueberfahrt  über  das  Kaspische  Meer  ging  sehr  ruhig  von  statten.  Am 
Morgen  um  g^J2  Uhr  legte  der  Dampfer  nach  17 72 stündiger  Fahrt  am  Quai 
in  Krasnowodsk  an,  und  das  öde,  trostlose  Landschaftsbild  der  asiatischen 
Wüste,  das  so  lange  unser  täglicher  Anblick  sein  sollte,  lag  in  seiner  ab- 
schreckenden Eintönigkeit  und  starren  Ruhe  schon  hier  an  der  Küste  zum 
ersten  Male  vor  unsern  Blicken.  Allerdings  bildeten  die  Anlagen  am  Hafen 
und  die  breiten,  staubigen  Strassen  zwischen  den  für  das  Aussehen  kleiner 
russischer  Städtchen  charakteristischen  niederen,  einstöckigen  Häusern  noch 
einen  Kontrast  gegen  die  absolut  kahlen,  jeder  Vegetation  baren  roten  Berge, 
die  sich  hier  unweit  der  ölbedeckten,  übelriechenden  See  erheben.  Die  An- 
kunft des  Schiffes  hatte  für  einige  Zeit  etwas  Leben  in  die  Strassen  gebracht, 
und  am  Hafen  waren  zahlreiche  Lastträger  mit  Ausladen  beschäftigt.  Aber 
schon  nach  kurzer  Zeit  waren  die  Strassen  wieder  ausgestorben,  und  nur  an  der 
Bahn -Station  vertrieben  sich  die  Reisenden,  die  den  erst  gegen  Abend  ab- 
gehenden Zug  erwarteten,  die  Langeweile  durch  die  bewährten  Mittel:  Essen, 
Trinken  und  Schlafen. 

Die  transkaspische,  vom  General  Kaufmann  angelegte  Militärbahn  ist  schon 
zur  Genüge  beschrieben*),  als  dass  ich  mich  hier  mit  Schilderungen  aufzuhalten 
hätte.  Der  Verkehr  war  sehr  stark,  so  dass  der  mit  Ausnahme  eines  Restau- 
rationswagens und  eines  Wagens  II.  Klasse  nur  aus  Wagen  III.  Klasse  bestehende 
Zug  vollauf  besetzt  war.  Durch  die  Liebenswürdigkeit  des  damaligen  Gouver- 
neurs der  transkaspischen  Provinz,  Excellenz  Kuropatkin,  war  der  Expedition 
ein  Salonwagen  für  die  ganze  Strecke  der  damals  bis  Samarkand  eröffneten 
Bahnstrecke  zur  Verfügung  gestellt.  Er  war  einfach,  aber  sehr  zweckmässig  und 
bequem    eingerichtet.     Er    enthielt    einen    grossen  Salon   mit  Schreibtisch   und 

*)  U.  a.  Dr.  M.  Albrccht;  Russisch -Ceutraliisien,  Reisebilder  aus  Transi<aspien,  Buchara  und 
Turivestan.     Hamburg:  1896. 


—     4     — 

Ruhebett,  einem  Schlafstuhl  und  drei  gepolsterten  Lehnstühlen,  ein  besonderes 
Schlafgemach  mit  Bettgestell  und  einen  Dienerraum.  Ein  Wagenwärter  war  bei- 
gegeben und  stand  so  lange  wie  der  Wagen  selbst  zur  Verfiigimg.  Die  Mahl- 
zeiten konnte  man  im  Speisewagen  einnehmen,  einem  nicht  besonders  komfor- 
tabeln,  ziemlich  holperig  laufenden  Gepäckwagen,  in  dessen  Raum  für  die  Gäste 
ein  langer  Tisch  mit  Stühlen  und  ein  Wandschrank  aufgestellt  waren.  Er  war 
meist  sehr  stark  besucht,  und  die  Speisen  waren  reichlich  und  gut. 

Ein  erster  Aufenthalt  wurde  nach  2 1 Y«  stündiger  Fahrt  in  Aschabad  gemacht, 
der  Hauptstadt  der  transkaspischen  Provinz,  in  welcher  der  Gouverneur  residierte. 
Die  Anlage  der  Stadt  ist  sehr  weit  und  ausgedehnt,  die  Gebäude  aber  sind 
niedrig,  mit  meist  flachen  Dächern,  von  Gärten  und  Bäumen  umgeben,  welche 
in  der  heissen  Jahreszeit  den  Aufenthalt  angenehm  machen.  Eine  grosse  neue 
Kirche  und  Kasernen  heben  sich  besonders  ab,  wenn  man  von  den  im  Süden 
ansteigenden  lehmigen  Anhöhen  die  Stadt  übersieht,  hinter  welcher  im  Norden 
die  öde  Steppe  und  Wüste  sichtbar  wird.  Ein  düster  grau  gefärbter  Himmel 
begrenzte  die  einfache  gerade  Linie  des  Horizontes,  von  welchem  das  Auge 
gerne  auf  die  Baumgruppen  der  Stadt  zurückkehrte.  Unser  Besuch  galt  in  dieser 
Stadt  dem  Gouverneur,  Sr.  Excellenz  General-Leutnant  von  Kuropatkin,  um  ihm 
unsern  Dank  auszusprechen.  In  liebenswürdiger  Weise  war  er  mit  Rat  und 
That  für  das  weitere  Fortkommen  der  Expedition  besorgt. 

Schon  am  nächsten  Tage  ging  es  weiter.  Vereinzelte,  von  Lehmmauern 
umgebene  Ansiedlungen  und  die  Landbevölkerung  an  den  Stationen  brachten 
etwas  Abwechslung  in  die  lange  Fahrt  bei  nebligem  Wetter  durch  eintöniges 
Land.  Erst  um  Mitternacht  kam  der  Zug  in  Merw  an;  um  so  angenehmer  war 
es,  die  Nacht  im  Wagen  zubringen  zu  können.  Am  Morgen  wurde  umgesiedelt 
in  das  Hotel  »Europa«,  in  welchem  wir  während  unseres  dreitägigen  Aufenthaltes 
in  Merw  gut  verpflegt  und  aufgehoben  waren. 

Unvergesslich  wird  mir  der  Besuch  in  Bairam-Ali  und  den  Ruinen  des 
alten  Merw  mit  seiner  Fülle  historischer  Erinnerungen  bleiben,  die  uns  die 
Liebenswürdigkeit  des  Obersten  von  Kaschtalinski  in  angenehmster  Weise  ge- 
niessen  Hess.  Ich  will  mich  nicht  mit  schon  oft  Beschriebenem  hier  aufhalten, 
sondern  lieber  des  folgenden  Tages  in  Merw  selbst  ausführlicher  gedenken, 
weil  er  mir  ein  centralasiatisches  Volksbild  zum  ersten  Male  in  seiner  lebendigen 
Frische  und  bunten  Farbenpracht  vor  Augen  führte. 

Das  westliche  Turkestan,  das  heute  das  russische  General -Gouvernement 
Turkestan,  dem  auch  die  transkaspische  Provinz  neuerdings  unterstellt  worden 
ist,  sowie  die  noch  unabhängigen  Emirate  Buchara  und  Chiwa  umfasst,  wird  der 
Hauptsache  nach  von  Stämmen  der  sogenannten  Turktataren  bewohnt,  von 
denen  ein  Teil  nomadisiert,  ein  anderer  aber  feste  Wohnsitze  innehat.  Vielfach 
haben  Beimengungen  und  Mischungen  den  reinen  Charakter  der  einzelnen 
Stämme  verwischt  und  auch  der  Uebergang  von  ursprünglich  nomadischer  zu 
sesshafter  Lebensweise  bringt  Veränderungen  mit  sich. 


-     5     — 

Auch  weiter  im  Osten  im  Tarimbecken  und  Thien-schan  begegnen  wir 
wieder  andern  Zweigen  desselben  Voiksstammes,  zu  denen  hauptsächlich  die 
Kaschgarier  selbst,  die  Dunganen  und  Kirgisen  gerechnet  werden.  Diese 
letzteren  verbreiten  sich  allerdings  auch  noch  weit  nach  Westen,  und  man 
begegnet  ihnen  ebensowohl  an  den  Ufern  des  Amu-darja,  wie  an  denen  der 
Wolga.  Wir  werden  sie  beim  Uebergang  über  das  Alai-Gebirge,  die  natürliche 
Grenze  zwischen  Ost-  und  West-Turkestan,  noch  näher  kennen  lernen.  Hier 
wollen  wir  uns  nur  kurz  mit  den  Stämmen  beschäftigen,  welche  der  Reiseweg 
uns  aus  eigener  Anschauung  kennen  lehrte.  Es  sind  das  hauptsächlich  die 
Turkmenen  (auch  Turkmanen  oder  Turkomanen  genannt),  die  ihre  Sitze  vom 
Kaspischen  Meere  bis  zum  Amu-darja  und  südlich  noch  über  die  nordpersischen 
Grenzgebirge  ausdehnten,  aber  immer  mehr  dem  Nomadismus  entfremdet  werden, 
und  die  Usbeken  (oder  Osbeken),  die  das  herrschende  Volk  Bucharas,  Chiwas 
und  des  früheren  unabhängigen  Chanats  Kokan  bilden.  Der  Vollständigkeit 
wegen  sei  noch  der  Kiptschaken  gedacht,  welche  ebenfalls  Kokan  bevölkern  und 
als  die  reinsten  Nachkommen  des  alten  Turk -Volkes  angesehen  werden,  und  der 
Karakalpaken,  welche  seit  der  ältesten  Zeit  die  Oasen  am  unteren  Amu-darja 
innehaben. 

Allen  diesen  verschiedenen  Typen  ist  noch  der  mongolische  Charakter 
eigen,  insbesondere  die  mandelförmigen  Augen,  und  je  weiter  östlich  sie  wohnen, 
um  so  mehr  nähern  sie  sich  dem  echten  Mongolentypus:  der  Wuchs  wird 
kleiner,  Gesicht  und  Mund  breiter,  die  Nase  platter,   der  Bartwuchs  spärlicher. 

Die  am  meisten  östlich  wohnenden  Angehörigen  des  Turktataren-Stammes, 
die  Dunganen  aber  sind  durch  chinesische  Beimischung  verändert,  während  im 
Westen  semitische  und  arische  Einflüsse  ebenfalls  starke  Veränderungen  ver- 
ursachten. 

Früher  waren  alle  diese  Turkvölker  Nomaden,  manche  aber,  wie  Kasch- 
garier, Usbeken,  viele  Turkmenen  sind  sesshaft  geworden  und  treiben  Ackerbau 
und  Handel.     Alle  bekennen  sich  noch  zur  muhamedanischen  Religion. 

Das  erste  dieser  Turk -Völker,  das  die  Reise  näher  kennen  zu  lernen 
Gelegenheit  gab,  waren  die  Turkmenen,  die  sich  in  eine  grosse  Menge  von 
Stämmen  gliedern  und  verschieden  benennen.  So  wohnen  in  der  Achal-Oase 
die  Achal-Tekke,  am  unteren  Murgab  die  Merw-Tekke,  die  zumeist  jetzt 
Ackerbau  und  Viehzucht  treiben  und  seit  der  russischen  Okkupation  1884  ganz 
ihr  altes  Räuber-  und  Nomadenleben  aufgegeben  haben.  Sie  gelten  als  die 
volksreichsten,  mächtigsten  und  tapfersten  der  Turkmenenstämme,  von  denen 
Vambirys  Schilderungen  seiner  gefahrvollen  Reise  und  Abenteuer  ein  aus- 
gezeichnetes Bild  geben.  Dieser  berühmte  Forscher  schätzt  die  Stärke  des 
ganzen  Turkmenenvolkes  auf  etwa  i  Million  Köpfe,  während  neuere  Schätzungen 
180000  bis  190000  Kibitken  (Zelte)  oder  900000  bis  950000  Köpfe  angeben. 
Früher  waren  die  Turkmenen  sehr  kriegerische  und  gefährliche  Reiterhorden, 
die  weit  nach  Persien  hinein  ihre  Raubzüge  ausdehnten.    Zwischen  den  einzelnen 


Stämmen  herrschten  blutige  Fehden,  die  aber  unter  dem  russischen  Einflüsse 
allmählich  verschwinden  und  der  Bethätigung  der  Werke  des  Friedens  weichen. 

Ein  solches  Bild  des  Friedens,  der  emsigen  Thätigkeit  und  geordneten 
Verkehrs  ist  es,  das  ich  aus  der  Hauptstadt  der  Merw-Tekke  hier  zu  schildern 
versuchen  will. 

Die  weiten  von  Ulmen  umschatteten  Strassen  der  Hauptstadt  der  Oase  Mer^*' 
bieten  am  Sonntage  und  auch  an  den  Donnerstagen  ein  eigenartiges,  bunt  be- 
wegtes Bild.  Hier  kommen  Reiter  angesprengt,  in  farbige  Gewänder  gehüllt, 
oft  zwei  auf  einem  Pferde  und  Alt  mit  Jung  in  kleinen  Gruppen  vereinigt. 
Dort  führt  ein  silberbärtiger  Greis  mit  grossem  Turban  langsamen  Schrittes  ein 
schwer  beladenes  Kamel,  dem  noch  eine  ganze  Reihe,  eins  hinter  dem  andern 
durch  Seile  verbunden,  nachfolgt.  Eine  Herde  von  dickwolligen  Schafen  wird 
vorbei  getrieben,  und  in  munterem  Trabe  kommt  eine  kleine  Kavalkade  auf 
Eseln  angeritten. 

Warum  dieses  geschäftige  Treiben  auf  den  sonst  so  ruhigen  Strassen? 

Gleichartig  und  einfach  hegen  die  niederen,  einstöckigen  Häuser  unter 
dem  Schutze  der  die  Bürgersteige  gegen  den  breiten  Fahrweg  abgrenzenden, 
aber  im  Dezember  entblätterten  Bäume;  häufig  und  besonders  in  den  neuesten 
Teilen  der  Stadt  sind  die  Häu.ser  im  Villenstil  gebaut  und  von  anmutigen 
Gärten  umgeben,  die  der  Stadt  zur  Frühjahrs-  oder  Herbstzeit  ein  parkähnliches 
Ansehen  verleihen  müssen. 

Nur  eine  Strasse  macht  eine  Ausnahme,  in  deren  eng  an  einander  gereihten 
Läden  und  Magazinen,  Werkstätten  und  Schänken  an  allen  Tagen  reges  Leben 
pulsiert.  Hier  haben  das  Gewerbe  und  der  Klein -Handel  ihren  Sitz  auf- 
geschlagen, und  wie  in  den  kleinen  Städten  Italiens  sieht  man  den  Handwerker 
in  dem  nach  der  Strasse  zu  offenen  Raum,  der  zugleich  Werkstätte  und 
Verkaufsstelle  ist,  seiner  Arbeit  obliegen. 

Einen  Bäcker  sahen  wir  den  Brotteig  reinlich  kneten  und  das  Brot  in 
kleinem  Ofen  backen,  so  dass  von  der  Strasse  alle  seine  Manipulationen  zu  ver- 
folgen waren.  Bei  uns  in  Deutschland  soll  es  im  Bäckergewerbe  nicht  immer 
am  reinlichsten  zugehen;  wenn  das  richtig  ist,  so  könnten  wir  uns  an  dem 
Bäckermeister  in  Merw  ein  Beispiel  nehmen. 

Gleichmütig  und  teilnahmlos  ihren  Tschibuk  rauchend,  sitzen  einige 
armenische  Teppichhändler  in  ihren  kleinen,  am  Boden  mit  guten  Teppichen 
belegten  Gelassen;  bis  an  die  Decke  sind  rings  die  Stoffe,  Tuche,  Teppiche  und 
Seidenwaren  aufgestapelt. 

Zahlreich  sind  auch  die  Verkaufsstellen  für  Lebensmittel,  die  in  Kisten, 
Körben   und   Säcken   offen,  zum  Teil   sogar  vor  der  Thüre,   zur  Schau  stehen. 

Ausser  den  Produkten  des  Landbaues  in  der  Oase,  der  Baumwolle, 
Getreide,  Hülsenfrüchte  und  Gemüse  hervorbringt,  sieht  man  schönes  Obst: 
grosse  süsse  Weintrauben,  Aepfel,  Birnen,  Apfelsinen,  vor  allem  fallen  auch 
die   Wassermelonen    und   Kürbisse   in   die   Augen.     Schöne  Fische    liefern    der 


-     7     — 

Murgab  und  seine  Bewässerungskanäle,  und  an  Fleisch  jeglicher  Tiergattung, 
vom  Kamel  und  Pferd  herab  vielleicht  bis  zu  Hund  und  Katze,  ist  in  den 
zahlreichen  Fleischerläden  kein  Mangel.  Abends  beleuchten  einige  Oellampen 
die  ausgestellten  Waren. 

Auf  diese  Strasse  und  ihre  nähere  Umgebung  konzentriert  sich  der  tägliche 
Verkehr,  der  bis  in  die  Abendstunden  anhält.  Am  Sonntag  aber  war  das  Leben 
und  Treiben   noch  ein  ganz  anderes,   von  dem  gewohnten  Bilde  abweichendes. 

Alle  die  verschiedenen  Reiter  und  Kamelführer,  die  Wagen  und  zwei- 
rädrigen Karren  bewegten  sich  einem  gemeinsamen  Ziele  zu,  und  die  Läden 
der  Hauptstrasse  schienen  wenig  Beachtung  bei  den  aus  entfernten  Punkten  der 
Oase   hereingeeilten  braunen  Wüstensöhnen  zu  finden. 

Der  drängende  Strom  der  Menschen  führt  uns  die  grosse  Hauptstrasse 
hinaus  zu  den  Ufern  eines  Armes  des  Murgab -Flusses,  der  trübe,  schlammige 
Fluten  in  die  Wüste  hinausträgt,  in  welcher  er  schliesslich  versiegt  und  vom 
Sande  verschluckt  wird,  nachdem  seine  Wasser  grossen  Landstrecken  das  die 
Fruchtbarkeit  hier  allein  ermöglichende  flüssige  Labsal  zugeführt  haben. 

Am  Flusse  aufwärts  dehnt  sich  ein  weites,  ebenes  Feld,  auf  welchem 
zweimal  in  der  Woche  grosse  Märkte  stattfinden,  zu  welchen  aus  allen  Teilen 
der  Oase  Merw  Waren  herbeigebracht  und  gegen  andere  vertauscht  oder 
verkauft  werden. 

Dieser  Markttag  war  es,  der  die  Veränderung  des  Strassenbildes  bewirkt 
hatte;  er  war  der  Magnet,  welcher  alle  die  Leute  anzog.  Auch  für  uns  bewies 
er  seine  festhaltende  Kraft;  denn  es  dürfte  nicht  leicht  ein  mannigfaltigeres  und 
für  den  Europäer  interessanteres  Verkehrsbild  geben,  als  es  Merw  an  diesen 
Tagen  darbietet. 

In  ununterbrochenem  Zuge  streben  auch  über  die  Brücke  aus  den*  öst- 
Hchen  Teilen  der  Oase  und  den  südlichsten  vom  Murgabwasser  noch  erreichten 
Bewässerungsgebieten  kleine  Karawanen  mit  Kamelen,  Trupps  von  Reitern 
mit  Turbanen  oder  dunkeln,  grossen,  wolligen  Mützen  dem  Markte  zu,  der 
schon  um  lO  Uhr  von  einer  grossen  Menschenmenge  erfüllt  ist  und  bis  nach 
12  Uhr  fortwährend  noch  weiteren  Zuwachs  erhält. 

Etwa  in  der  Mitte  des  grossen  Feldes  steht  eine  auf  allen  Seiten  offene 
Halle,  die  nur  mit  einem  flachen  Schutzdache  gegen  den  Regen  versehen  ist; 
um  diese  ordnen  sich  in  weitem  Kreise  und  breite  Räume  zwischen  einander 
und  gegen  die  Mittelhalle  hin  freilassend,  zahlreiche  kleinere,  aus  Ziegelsteinen 
aufgebaute,  in  kleine  Zellen  eingeteilte  Hallen,  welche  nach  vorn  offen  stehen. 
Ausserhalb  dieses  Zirkels  von  Verkaufshallen  dehnt  sich  noch  nach  allen  Seiten 
hin  freies  Feld  aus,  auf  welchem  die  Zug-  und  Lasttiere  warten  und  wo  ausserdem 
die  Herden  der  zum  Verkauf  gebrachten  Tiere,  gruppenweise  nach  den  Tier- 
gattungen geordnet,  lagern. 

Hier  waren  zum  Verkauf  feilgeboten:  junge  und  alte  Kamele,  meist  unschöne, 
aber  ausdauernde  kleine  Pferde,  dickwollige  schwarze  und  weisse  Schafe,  die  mit 


—     8     — 

Stricken  an  beiden  Seiten  eines  etwa  7«  ^  über  dem  Erdboden  straff  gespannten 
Seiles  angebunden  waren,  Schweine  und  Herden  von  Rindvieh.  Wir  sahen 
offenbar  nicht  das  beste  auf  dem  Pferdemarkte,  da  die  Turkmenenpferde  be- 
rühmt sind.  Nicht  nur  wegen  ihrer  Ausdauer,  die  sie  befähigt,  ohne  Nahrung 
und  Wasser  mehrere  Tage  lang  hintereinander  80  und  90  km  zurückzulegen, 
sondern  auch  wegen  ihres  schön  gebildeten  Kopfes  und  Halses,  der  leider  der 
Zierde  der  Mähne  oft  beraubt  ist,  des  feinen  glänzenden  Felles,  das  sorgfältig 
durch  Filzdecken  gepflegt  wird,  und  der  edeln  arabischen  Rasseformen.  Nicht 
leicht  ihres  gleichen,  ausser  bei  Turkmenen,  dürfte  die  Leistung  finden,  dass 
ein  Turkmene  auf  einem  und  demselben  Pferde,  mit  einem  Sklaven  hinter 
sich  im  Sattel,  30  Stunden  in  ununterbrochenem  Galopp  zurücklegte.  Der 
Turkmene  ist  auf  sein  Pferd  angewiesen  und  es  erklärt  sich  von  selbst,  dass 
er  ihm  sorgfältige  Pflege  angedeihen  lässt. 

Ausserhalb  der  Verkaufsreihen  befanden  sich  ganze  Hügel  von  Fellen 
und  Pelzen,  die  nur  roh  getrocknet  auf  den  Markt  kamen  und  einen  wenig  an- 
genehmen Geruch  verbreiteten;  die  Schaffelle  spielten  darunter  die  hervor- 
ragendste Rolle. 

Ueberall  hier  und  auch  in  den  freien  Räumen  zwischen  den  Markthallen 
war  ein  emsiges  Treiben,  ein  beständiges  Kommen  und  Gehen,  und  die 
grossen  Lasttiere  bewegten  sich  mitten  unter  den  Menschen,  ohne  sie  im 
geringsten  zu  gefährden. 

In  und  vor  der  centralen  Markthalle  wurden  besonders  Wollwaren,  gewebte 
Stoffe  und  auch  Teppiche  feilgehalten.  Jeder  Verkäufer  hatte  seine  Waren 
vor  sich  ausgebreitet  und  wartete,  dahinter  hockend,  auf  den  Käufer.  Häufig 
verstanden  diese  Leute  aus  der  Oase  kein  Russisch,  so  dass  man  sich  eines 
Dolnietschers  bedienen  musste,  um  den  Preis  der  Waren  zu  erfahren.  Die  zum 
Verkauf  gestellten  Teppiche  waren  meist  neu,  nur  gelegentlich  alt,  alle  aber 
zu  massigen  Preisen.  Als  die  Leute  merkten,  dass  eine  Nachfrage  nach  Teppichen 
sich  zeigte,  holten  sie  auch  noch  andere  Ware  hervor,  die  zuerst  nicht  ausgestellt 
war.  Die  Teppiche  der  Oase  Merw  sind  sehr  geschätzt  und  verdienen  auch  voll- 
kommen diesen  Ruf,  sowohl  was  Güte  als  was  Farbenzusammenstellung  anbelangt. 

Auch  andere  kleinere  Erzeugnisse  weiblicher  Handarbeit  waren  in  Menge 
vertreten,  und  zwar  besonders  in  den  äusseren  Verkaufsbuden.  Dort  waren 
auch  alle  Arten  von  russischen  Waren  aufgestapelt,  deren  die  Bevölkerung  be- 
darf; ganze  Abteilungen  führten  nur  Chalate,  die  langen  Leibmäntel,  sowie 
Decken  und  Tücher,  mit  roten  und  gelben  Mustern  bedruckt.  Seidengestickte 
kleine  Mützen,  niedliche  Schuhe,  Behälter  aus  Leder  fiir  Tassen  und  andere 
zerbrechliche  Gegenstände,  Glocken  für  Kamele  und  für  Pferde,  erstere  mit 
einem  Knochen  an  Stelle  des  Schwengels  versehen,  und  viele  andere  Dinge 
bildeten  das  Inventar  dieser  Läden. 

Während  sich  nun  die  Menge  längs  dieser  Verkaufshallen  und  der  durch 
Händler  gebildeten  Reihen  entlang  schiebt,  findet  sich  immer  noch  Raum  genug 


—     9     — 

für  fliegende  Feldküchen,  die  eigentlich  nur  aus  einem  am  Boden  angemachten 
Feuer  bestehen.  Auf  einem  darüber  gelegten  Blech  wird  gebraten  oder  gekocht 
und  das  Erzeugnis  gleich  ausgeboten  und  aufgegessen.  All  das  geht  unter 
freiem  Himmel  vor  sich,  höchstens  ist  ein  kleiner  Schirm  über  dem  »Restaurant« 
aufgestellt.  Die  Speisekarte  ist  nicht  geschrieben,  sie  steht  vor  Augen:  kleine 
Fleischpasteten,  gebackene  Fische,  Suppen  und  Brot  scheinen  die  begehrtesten 
Speisen  zu  sein,  denen  auch  immerfort  zugesprochen  wurde,  wobei  die  Hände 
häufig  alle  andern  Utensilien  ersetzen  mussten. 

Man  sieht  es  den  Leuten  an,  dass  sie  nicht  verwöhnt  sind,  dass  sie  im 
Kampfe  mit  den  Elementen  nicht  gelernt  haben,  zu  gebrauchen,  was  der  Kultur- 
mensch des  Westens  für  unentbehrlich  ansieht.  Aber  wenn  man  ihnen  ins 
dunkle  Auge  im  tief  gebräunten,  oft  vom  schwarzen  Bart  umwallten  Antlitz 
schaut,  begegnet  man  einem  entschlossenen,  furchtlosen  Blick,  der  vor  nichts 
zurückschreckt.  Unter  den  Männern  befinden  sich  sehr  ausdrucksvolle  Gesichts- 
typen, und  viele  der  Knaben  und  Jünglinge  haben  schöne,  weiche  Züge,  die 
freihch    bald    im  Kampfe  ums  Dasein  verwittern. 

Im  Gegensatze  zu  fast  allen  andern  asiatischen  Völkern  kann  den  Turk- 
menen das  unverbrüchliche  Festhalten  am  einmal  gegebenen  Worte  nach- 
gerühmt werden ;  auch  die  Gastfreundschaft  ist  ihnen  heilig.  Ihre  Freiheitsliebe 
ist  ebenso  gross,  wie  früher  ihre  Raubsucht  war,  die  durch  das  Wort  gekenn- 
zeichnet wird:  »Zu  Pferde  kennt  der  Turkmene  weder  Vater  noch  Mutter.« 
Grosse  verwüstete  Bezirke  im  nördlichen  Persien  erzählen  noch  heute  von  den 
Einfällen  dieser  im  Kampfe  mit  der  Wüste  hart  gewordenen  Söhne  der  Wildnis. 
Ihr  trotziger  Widerstand  hat  den  Russen  trotz  ihrer  weit  überlegenen  Bewaffnung 
und  Taktik  viele  Menschen  gekostet,  und  ihr  Trotz  spricht  sich  aus  in  ihrem 
Spruche:  »Der  echte  Turkmene  bedarf  weder  des  Schattens  der  Bäume,  noch 
des  Schutzes  der  Gewalt.«  Auch  die  Stellung  der  Frauen  ist  freier  und 
geachteter  als  es  sonst  bei  Islamiten  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

Lange  glaubte  man  an  keine  einzige  gute  Eigenschaft  dieser  Wüstenräuber, 
aber  es  scheint  denn  doch,  wenn  man  das  hier  geschilderte  Bild  mit  den 
grausigen  Erzählungen  eines  Vamb^ry,  Bode  u.  a.  vergleicht,  dass  die  Kolo- 
nisation und  die  Macht  der  Russen  auch  gute  Seiten  an  ihnen  entwickelt  haben. 

Auf  dem  Markte  sieht  man  die  verschiedensten  Volksangehörigen;  die 
Russen  sind  nur  in  geringer  Zahl  vertreten,  wie  überhaupt  das  europäisch 
gekleidete  Element.  Armenier  und  Perser  dürften  den  Hauptteil  der  ansässigen 
Kaufmannschaft  bilden,  während  die  Bevölkerung  der  Oase,  die  Turkmenen, 
unstreitig  die  meisten  Marktbesucher  stellen.  Man  kennt  sie  gleich  an  ihrem 
Aufzuge;  sie  kommen  zum  Teil  weit  her  und  sind  meist  irgendwie  beritten, 
wobei  auch  das  Pferd  als  Reittier  für  zwei  Personen  herhalten  muss.  Sie  tragen 
einen  dunklen  Leibrock,  Chalat  genannt,  der  bis  über  die  Kniee  hinabreicht; 
darunter  Beinkleider  und  an  den  Füssen  Tuchlappen,  die  mit  den  von  den 
einfachen  Schuhen  heraufreichenden  Riemen  um  das  Bein  festgebunden  werden, 


—       lO      — 

oder  auch  Sdcfcl.  Auf  dem  Kopfe  sitzt  eine  mächtige,  meist  braune,  auch  weisse 
bienenkorbartige  Mütze  aus  langwolligem  Schafpelz;  sie  erhöht  bedeutend  den 
Umfang  des  Kopfes  und  soll  ein  vorzüglicher  Schutz  gegen  die  heissen  Sonnen- 
strahlen des  Sommers  sein.  Bewaffnung  sieht  man  nur  selten,  ausser  bei  den 
gut  gekleideten  russischen  Soldaten,  die  sich  auch  auf  dem  Markte  herumtreiben. 
Die  Reittiere  tragen  häufig  schöne  gewebte  Decken,  deren  Zeichnung  bei  mancher 
europaischen  Hausfrau  Neid  erwecken  könnte.  Andere  Bevölkerungselemente 
sind  an  ihrer  Kleidung  leicht  zu  erkennen;  ausser  Tekinzen  und  Russen  findet  man 
auch  Perser,   Bucharen,   armenische  Kaufleute  und  Juden  aller  Völker  in  Merw. 

Erst  lange  nach  Mittagszeit  rüstet  man  zum  Aufbruch.  Ueberall  wird 
nieder  eingepackt,  die  Kamele  knieen,  um  ihre  Lasten  zu  übernehmen,  und  bald 
sind  viele  der  Verkaufsstände  leer  und  verlassen.  Es  dauert  lange,  bis  der  Platz 
sich  ganz  entleert  hat,  und  noch  um  5  Uhr  ist  es  auf  ihm  lebhaft. 

Ueber  die  Brücke  aber,  dem  Flusse  entlang  und  durch  die  Hauptstrasse 
geht  derselbe  Zug,  dem  wir  morgens  in  umgekehrter  Richtung  folgten.  Viele 
Tiere  sind  schwer  bepackt,  häufig  sieht  man  Reiter,  welche  die  gekauften 
Hammel  und  Schafe  vor  sich  quer  über  den  Sattel  gelegt  haben,  noch  häufiger 
als  am  Morgen  sitzen  zwei  Gestalten  auf  einem  Tier,  Vater  und  Sohn  oder 
Befreundete.  Frauen  sind  aber  niemals  dabei;  die  Männer  besorgen  allein  den 
Verkauf  und  die  Anschaffung  des  Nötigen;  die  Frauen  müssen  daheim  bleiben, 
in  der  Kibitke  den  Hausgeschäften  obliegen,  die  schönen  Teppiche  weben  oder 
die  langen  Draperien  sticken,  die  als  wertvollste  Erzeugnisse  den  Markt  zieren. 

Beneidenswert  ist  dieses  Los  gerade  nicht,  wenn  man  berücksichtigt,  wie 
primitiv  und  eng  diese  Turkmenen -Wohnungen  sind.  Sie  sind  am  besten  mit 
einem  Bienenkorbe  zu  vergleichen;  rund  wie  dieser,  haben  sie  über  einem  die 
Seiten  bildenden  Rohrgeflecht  oben  eine  gewölbte  Decke,  die  mit  Filzplatten 
besetzt  ist;  der  Innenraum  ist  so  gross  wie  der  eines  mittelgrossen  Zimmers 
und  ausserdem  abgeteilt.  Hierin  muss  sich  die  Familie  einrichten  und  behelfen. 
Teppiche,  Gehänge  und  Doroschken  bringen  aber  bei  den  Wohlhabenderen 
etwas  Behaglichkeit  in  diese  auch  sonst  recht  praktischen  Hütten. 

Obgleich  alle  sichtlich  befriedigt  vom  Markte  heimkehrten,  hörten  wir 
keinen  musikalischen  Laut;  auch  sonst  erinnerte  nichts  auf  dem  Markte  an  Musik. 
Es  fehlten  die  bettelnden  Musikanten,  welche  grosse  Märkte  bei  uns  zu  besuchen 
pflegen.  Wie  die  Leute  gekommen,  so  verschwinden  sie  auch  wieder;  sie  sind 
zufrieden,  der  Himmel  hat  ihnen  einen  schönen  Tag  geschenkt,  und  wenn  auch 
nicht  gerade  die  Sonne  hell  vom  Himmel  lachte,  so  hatten  sie  doch  auch  keine 
Kälte.  Die  Nacht  kommt  hier  rasch  herauf  und  im  Dezember  auch  sehr  früh; 
darum  die  Eile,  nach  Hause  zu  kommen. 

Nur  in  Menv  selbst  erwachte  wieder  das  Leben;  in  den  kleinen,  schmutzigen 
Thee-  und  Wirtsstuben  der  Hauptstrasse  ging  es  noch  laut  her;  daran  war  aber 
nur  der  russische  Sonntag  schuld,  und  am  Montag  hatte  die  Stadt  wieder  ihr 
gewöhnliches  Aussehen. 


—     II     — 

In  der  Oase  von  Merw  werden  Weizen,  Gerste,  Reis,  Baumwolle  und  Hanf 
angebaut  und  in  den  Gärten  Obstbäume  gezogen.  Häufig  schieben  sich  aber 
öde  Lehmflächen  und  Salzfelder  zwischen  das  Kulturland,  und  aufwärts  am 
Murgab  findet  sich  eine  üppige  Schilfvegetation,  wo  zahlreiche  Wasservögel  die 
Ufer  beleben.  Am  Ende  des  besiedelten  Gebietes  stellen  sich  die  Tamarisken- 
sträucher  ein,  die  wilden  Fasanen  Schatten  bieten;  auch  Saxaulwälder  und  die 
schönen  Euphratpappeln  begleiten  die  Ufergebiete.  Durch  Wiederherstellung 
von  früher  angelegten  und  in  Zerfall  geratenen  Irrigationskanälen  könnten  noch 
manche  Landstriche  in  der  Nähe  des  Murgab  der  Bodenkultur  zurückgewonnen 
werden,  bis  hinauf  zu  den  Vorbergen  der  nordpersischen  Grenzgebirge. 

In  der  Nacht  verliessen  wir  Merw,  und  morgens  beim  Erwachen  befand 
sich  der  Zug  in  trostloser  Sandwüste.  Eine  Unterbrechung  bilden  die  ersten 
auftauchenden  Oasen  des  Emirates  von  Buchara  und  der  gewaltige  Amu-darja, 
den  der  Zug  in  langsamer  Fahrt,  die  22  Minuten  dauerte,  auf  hölzerner  Brücke 
überschreitet.  Weite  Strecken  des  Flussbettes  lagen  trocken,  da  um  diese  Jahres- 
zeit (20.  Dezember)  der  Fluss  verhältnismässig  wenig  trübes,  schlammiges  Wasser 
führt,  das  rasch  dahinfliesst. 

Auch  jenseits  des  Amu-darja  dehnt  sich  wieder  ein  Strich  der  Wüste  aus, 
und  es  wird  Abend,  bis  die  Oase  von  Buchara  und  die  Station  Neu-Buchara 
der  langen  Fahrt  (von  Merw  17  Stunden)  ein  Ende  macht.  Neu-Buchara  selbst 
bietet  nichts  Erwähnenswertes,  um  so  interessanter  ist  das  12  km  entfernte  alte 
Buchara. 

An  die  Namen  Buchara,  Samarkand  und  Kokan  knüpfen  sich  unwillkürlich 
Vorstellungen  von  orientalischer  Pracht,  von  reichem  muhamedanischen  Volks- 
leben, von  einer  glanzvollen  Vergangenheit,  die  von  den  wechselnden  Schick- 
salen der  Völker,  ihrem  tiefsten  Niedergang,  dann  wieder  von  dem  Aufblühen 
hoher  Kultur  und  weiser  Regierung  erzählt. 

Meist  sind  die  geschichtlichen  Ereignisse  dieser  uns  so  fernliegenden  und 
bis  vor  ganz  kurzer  Zeit  auch  recht  schwer  erreichbaren  Gebiete  mit  romantischen 
Mythen  durchwoben.  So  verbinden  sich  denn  gelegentliche  Schilderungen  von 
Reiseabenteuern  mit  den  grausamen  Thaten  der  Willkür  der  orientalischen 
Herrscher  zu  einem  phantastischen  Bilde.  Aber  wie  diese  Vorstellungen  auch 
gestaltet  sein  mögen  —  hier  übertrifft  die  Wirklichkeit  die  Schöpfungen  der 
glänzendsten  Phantasie,  ja  die  vielen  altertümlichen  Züge  des  Volkslebens  und 
der  Sitten  treten  zu  den  modernen  russischen  Ansiedlungen  und  Verkehrs- 
einrichtungen in  besonders  wirksamen  Gegensatz.  Fesselt  uns  in  Merw  die  Ver- 
nichtung, die  nach  einander  jede  der  neben  einander  erbauten  Städte,  deren  weit- 
läufige, grossartige  Ruinen  von  ihrer  einstigen  Bedeutung  zeugen,  betroffen  hat, 
so  sind  es  in  Samarkand  besonders  die  noch  zum  Teil  gut  erhaltenen  Bauwerke 
der  Blüteperiode  muhamedanischer  Wissenschaft  und  Kunst,  die  herrlichen  Grab- 
denkmäler grosser  Herrscher  und  erleuchteter,  heiliger  Männer,  welche  unser 
Interesse  in  Anspruch  nehmen.    Buchara  kann  sich  in  dieser  Hinsicht  mit  beiden 


—       12       — 

nicht  messen;  zuar  fehlen  auch  ihm  nicht  historische  Erinnerungen  und  es  besitzt 
einige  bemerkenswerte  Bauten;  aber  das  charakteristische  Wahrzeichen  dieser 
Stadt  liegt  in  ihrem  Handel  und  Verkehr,  der  sich  in  ihrem  ausgedehnten,  viel 
besuchten  Bazare  konzentriert. 

Buchara  ist  auch  die  Hauptstadt  des  Emirates  Buchara,  und  sein  Herrscher 
hat  dort  ein  grosses  Schloss,  das  er  aber  nur  Mährend  eines  geringen  Teiles 
des  Jahres  bewohnt;  die  Eigenschaft  von  Buchara  als  Residenz  tritt  ganz  in 
den  Hintergrund  gegenüber  seinem  Charakter  als  Handelsstadt. 

Die  Bevölkerung  ist  sehr  mannigfaltig  und  enthält  die  verschiedensten 
Elemente.  Die  Urbewohner,  die  iranischen  Tadschiken,  unterlagen  den  türki- 
.schen  Eroberern,  den  Usbeken,  die  seitdem  das  herrschende  Volk  in  Buchara 
wie  in  Chiwa  und  Kokan  bilden.  Im  Laufe  der  Zeit  indessen  mischten  sich  jene 
Tadschiken  mit  den  im  XIIL  Jahrhundert  eingedrungenen  Usbeken,  die  seit 
Timurs  Zeiten  vorherrschen,  und  bilden  einen  Mischt>'pus,  der  mit  dem  Namen 
Sarten  bezeichnet  wird. 

Auch  weiter  nach  Osten,  im  Thale  von  Fergana  und  in  Kaschgarien,  sind 
solche  Sarten  sehr  verbreitet  Häufig  überwiegt  der  iranische  Typus.  Sie  haben 
kluge  offene  Gesichter  mit  grossen  Barten  und  ruhiges  würdiges  Benehmen,  der 
Kopf  ist  glatt  rasiert  und  mit  Käppchen  oder  Turban  bedeckt.  Man  findet 
indes.sen  fast  alle  Völker  Westasiens  hier  vertreten,  und  der  Emir  selbst  ist  ein 
Mischling  aus  der  Dynastie  der  Mangiten,  die  seit  1 737  regieren.  Die  Bedeutung 
Bucharas  als  Mittelpunkt  muhamedanischen  Geisteslebens  datiert  schon  aus 
der  alten  Zeit  der  Herrschaft  des  iranischen  Geschlechtes  der  Salamiden  873  bis 
1004;  aber  der  Einfall  Dschingis-chans  und  die  Ueberschwemmung  mit  seinen 
mongolischen  Horden  zerstörte  die  aufblühenden  Städte  der  Muhamedaner  in 
West-Turkestan,  und  auch  die  Stadt  Buchara  wurde  dem  Erdboden  gleichgemacht. 
Die  Nachfolger  aber  von  Dschingis-chan  brachten  Buchara  von  neuem  in  Blüte, 
die  allerdings  nicht  die  frühere  Höhe  erreichte,  und  erst  als  die  mongolische 
Herrschaft  durch  die  der  Usbeken  abgelöst  und  als  Timur  (Tamerlan)  1370 
Herrscher  wurde,  erhob  sich  neben  Samarkand  auch  Buchara  wieder  zur  alten 
Höhe  seiner  Bedeutung  für  das  islamitische  Geistesleben,  obwohl  die  Hauptstadt 
schon  von  Timur  nach  Samarkand  verlegt  worden  war. 

Buchara  wurde  erst  wieder  Hauptstadt  am  Ende  des  XV.  Jahrhunderts,  als 
die  Dynastie  der  Timuriden,  der  Nachkommen  des  grossen  Herrschers  Timur, 
gestürzt  und  der  Herrschersitz  von  Samarkand  nach  Buchara  zurückverlegt 
wurde.  Während  der  nächstfolgenden  Jahrhunderte  aber  sanken  Wohlstand 
und  geistige  Blüte  ebenso  wie  die  politische  Macht  immer  weiter  herab. 
Seitdem  der  Einfluss  der  Russen  in  Buchara  festen  Fuss  gewann,  hat  es  sich 
noch  mehr  verändert,  und  die  neue,  20  Werst  von  Alt-Buchara  angelegte  Stadt 
an  der  Bahn  wird  sicher  das  alte  Buchara  immer  mehr  in  den  Hintergrund  drängen. 
Heute  aber  bietet  Alt-Buchara  in  seinem  wichtigsten  Teile,  dem  Bazare,  dasselbe 
Bild  orientalischen  Verkehrslebens,  wie  es  seit  Jahrhunderten  bestanden  hat. 


—     13     — 

Wenn  man  von  der  neuen  Stadt  aus,  die  in  ganz  ebenem  Terrain  lieg^, 
Alt-Buchara  einen  Besuch  abstatten  will,  so  hat  man  einen  etwa  12  km  langen 
Weg  zurückzulegen,  der  durch  einige  kleine  Dörfer  und  durch  gut  bebautes 
Land  führt,  aber  meist  in  einem  schrecklichen  Zustande  sich  befindet  Man 
erzählte  uns,  dass  noch  vor  ganz  kurzer  Zeit  Wagen  einfach  zurückgelassen 
werden  mussten,  wenn  die  ermüdeten  Pferde  die  bis  über  die  Achsen  im 
Schmutz  steckenden,  oft  schwer  beladenen  Gefahrte  nicht  mehr  weiter- 
zubringen vermochten.  Es  mussten  offenbar  schon  schwere  Verkehrsstörungen 
vorgekommen  sein,  damit  die  bucharische  Regierung  sich  entschloss,  etwas 
für  diese  Hauptverkehrsader  zu  thun;  an  den  schlimmsten  Stellen  wurde 
die  Strasse  mit  Schotter  von  bei  uns  unerhörter  Grösse  seiner  einzelnen 
Bestandteile  überschüttet  und  die  zahllosen  Löcher  dadurch  ausgefüllt.  Eine 
schwere  Strassen  walze,  mit  12  Pferden  bespannt,  war  damit  beschäftigt,  die 
so  angelegten  Teile  zu  befestigen  und  einzuebnen.  Da  die  meisten  Fuhr- 
werke zur  Abendzeit  ohne  Licht  fahren,  ausserdem  die  Strasse,  auch  wenn 
es  schon  ganz  dunkel  ist,  von  vielen  Reitern  und  vom  Markte  heim- 
kehrenden Leuten  belebt  ist,  gestaltet  sich  eine  Fahrt  darauf  nicht  immer 
ganz  gemütlich. 

Bei  dem  Lustschlosse  des  Emirs  Schir-budun  stehen  einige  Wachen  des 
bucharischen  Militärs;  meist  alte  Kerle  in  irgend  welcher  Uniform,  die  aus 
abgelegten  russischen  Militärbekleidungsstücken  zusammengesetzt  ist.  Entweder 
liegt  die  Wache  am  Boden  und  schläft,  oder  hockt  in  ihrem  kleinen  Wachthäuschen 
beim  Feuer,  die  Gewehre  stehen  meist  weit  davon  und  einen  kriegerischen  Ein- 
druck können  diese  Jünger  des  Mars  in  keiner  Weise  hervorbringen. 

Eine  grössere  Abteilung,  die  gerade  von  der  afghanischen  Grenze  zurück- 
kam, wo  sie  den  Grenzwachtdienst  versehen  hatte,  zeigte  die  bunteste  Abwechslung 
in  den  Uniformen,  die  stark  mitgenommen  waren,  und  auch  in  der  Mannschaft 
selbst;  man  konnte  sie  eher  für  herumziehende  bewaffnete  Zigeuner,  als  für 
reguläre  Truppen  halten.  Indessen  hat  der  Emir  eine  besondere  berittene 
Leibtruppe,  die  besser  aussehen  soll. 

In  den  kleinen  Dörfchen  sind  längs  der  Strasse  überall  Läden,  und  es 
werden  hauptsächlich  Lebensmittel  aller  Art,  auch  fertige  Speisen,  wie  kleine 
Fleischpastetchen  und  am  Spiesse  gebratenes  Hammelfleisch,  feilgeboten.  In 
grösseren  Abständen  finden  sich  am  Wege  vor  einer  Hütte  grosse  Tröge  mit 
Wasser  für  die  Pferde,  und  der  Kutscher  benutzt  in  der  Regel  die  durch  das 
Tränken  der  Pferde  nötig  werdende  Ruhepause,  um  einen  kräftigen  Zug  aus  der 
Wasserpfeife  zu  thun,  die  überall,  wo  Verkehr  ist,  von  Mund  zu  Munde  wandert, 
ohne  irgend  eine  Reinigung  zu  erfahren. 

Die  Strasse  ist  meist  sehr  belebt,  und  da  bieten  die  in  ihren  bunten 
Trachten  auf  Pferden,  Eseln  oder  Kamelen  vorbeireitenden  Muselmanen,  die 
tief  schwarz  verschleierten  Frauen,  die  tausend  verschiedenen  Waren  und 
Karawanen     reiche    Abwechslung;     die    Gegend    selbst    ist    flach,    sogar    am 


—     14     — 

Horizont  sieht  man  keine  Berge,  und  Alt- Buchara  selbst  erkennt  man  erst, 
wenn  man  dicht  vor  seinen  Mauern  steht. 

Das  Land  ist  gut  angebaut,  wo  nicht  sumpfige  Stellen  von  hohem  (bis 
3  m)  Schilfe  bedeckt  sind,  dessen  Erträgnis  der  Regierung  bedeutende  Einnahmen 
bringt;  das  ist  auch  der  Grund,  warum  diese  die  Fieber  ausserordentlich  be- 
günstigenden Stellen,  unmittelbar  vor  den  Mauern  der  Stadt,  nicht  ausgetrocknet 
und  damit  die  gesundheitlichen  Zustände  verbessert  werden;  dem  Fieber  fallen 
in  jedem  Jahre  viele  Tausende  von  Menschenleben  zum  Opfer.  Ueberall  ist  das 
Land  von  Bewässerungskanälen  durchzogen,  an  deren  Rändern  stattliche  Bäume 
stehen;  häufig  sind  sie  auch  von  Weiden  begleitet  und  die  kleinen  Teiche  in 
den  Ortschaften  sind  von  einem  Haine  umgeben,  dessen  Schatten  in  der  heissen 
Jahreszeit  den  Bewohnern  willkommene  Kühlung  spendet. 

Stärkeres  Volksgedränge,  die  Nähe  grosser  Friedhöfe  auf  beiden  Seiten 
der  Strasse  verrät,  dass  die  Stadt  nicht  mehr  fern  sein  kann,  und  da  sind  wir 
auch  schon  an  der  Mauer,  welche  kaum  die  davor  stehenden  Häuser  überragt 
und  hier  ein  Thor  besitzt,  das  abends  für  die  Einheimischen  geschlossen  wird. 
Besonders  imposant  sieht  weder  Thor  noch  Mauer  aus,  die  letztere  soll  auch 
an  manchen  Stellen  eingestürzt  sein. 

Die  Strassen,  welche  zu  dem  weiter  im  Innern  der  Stadt  gelegenen  Bazare 
führen,  sehen  wenig  vorteilhaft  aus.  Oede,  fensterlose  Mauern  aus  braunem 
Lehm,  mit  niederen  Einlassen,  mit  hölzernen,  durch  einfache  Schnitzereien  ver- 
zierten Thüren,  begrenzen  weithin  den  Weg,  und  nur  an  wenig  Stellen  bringt 
ein  kleiner  Laden  etwas  Abwechslung  in  die  eintönige  Strassenflucht.  Die  Haupt- 
verkehrswege sind  kaum  so  breit,  dass  zwei  Wagen  an  einander  vorbeikommen 
können,  und  viele  der  Nebengassen  sind  so  eng,  dass  überhaupt  kein  Wagen- 
verkehr in  denselben  möglich  ist. 

Durch  die  Stadt  fuhren  Kanäle,  deren  schmutziges  Wasser  sowohl  für 
jegliche  Verwendung  im  Haushalte,  wie  auch  zum  Trinken  dient  und  jeden- 
falls viel  zur  Verbreitung  der  ansteckenden  Krankheiten  und  des  Fiebers 
beiträgt  Ueberhaupt  spielen  Schmutz  und  Unsauberkeit  eine  grosse  Rolle 
in  der  äusseren  Erscheinung  wie  der  Städte  und  Häuser,  so  auch  der 
Bewohner.  Besonders  die  Bettler  zeichnen  sich  nach  dieser  Hinsicht  aus, 
und  da  viele  von  ihnen  ausserdem  noch  grauenhafte  Zeichen  von  Krank- 
heiten aufweisen,  ist  ihr  Anblick  meist  mehr  Abscheu  als  Mitleid  erregend. 
Man  sieht  auch  Frauen  unter  ihnen,  und  diese,  die  meist  mit  Lepra  behaftet 
sind,  zeigen  ihr  Antlitz  un verhüllt,  während  für  andere  Frauen  die  Ver- 
schleierung strenge  durchgeführt  ist;  diese  sieht  man  indessen  nur  selten. 
Auf  dem  Bazare  sind  kaum  Frauen,  viel  mehr  schon  auf  den  Strassen,  die 
zur  Stadt  führen,  wenn  ganze  Familien  vom  Markte  zurückkehren  oder  zu 
demselben  hinreiten,  wobei  die  Frauen  meist  hinter  den  Männern  oder 
Brüdern  rittlings  auf  dem  Pferde  oder  Esel  sitzen  und  den  Kopf  schwarz 
verhüllt   tragen.      Häufig    haben   sie   dabei   ihre  kleinen   Kinder   in  Tücher  ein- 


—     15     — 

gebunden  vorn  an  der  Brust,  und  ein  kleiner  Esel  trägt  Vater,  Mutter  und 
drei  Sprössiinge. 

Die  Kleidung  der  Frauen  ist  weniger  farbenprächtig  und  abwechslungsreich 
als  die  der  Männer,  und  die  schwarze  Verhüllung  des  Gesichtes  macht  einen 
unangenehmen  Eindruck  auf  den  Europäer,  der  an  wandelnde  Leichname 
erinnert  wird.  Die  Chalate  der  Männer  —  weite,  faltige,  mantelartige  Ober- 
kleider, die  an  der  Hüfte  durch  einen  Gürtel  festgehalten  werden  —  sind 
sehr  farbenreich  und  je  nach  dem  Reichtum  des  Besitzers  mehr  oder  weniger 
prächtig  und  wertvoll.  Keine  Farbe  ist  zu  grell,  keine  Zusammenstellung  zu 
bunt,  als  dass  sie  nicht  vertreten  wäre,  während  der  Turban  meist  bei  den 
Stadtbewohnern  weiss  ist,  infolge  eines  besonderen  Rechtes,  das  die  Bevölkerung 
der  »heiligen  Stadt«  Buchara  besitzt.  Die  Landleute  tragen  dagegen  Turbane 
in  verschiedenen  Farben. 

Es  ist  ein  schönes  Bild,  die  braunen  stattlichen  Gestalten  in  dieser 
Kleidung  und  silberglänzendem  Gürtel  auf  ihren  Pferden  dahinsprengen  zu  sehen ; 
freilich  ist  bei  dem  grössten  Teil  der  Bevölkerung  die  Farbenpracht  durch 
Schmutz,   das  Gewand  selbst  durch  Löcher  und  Flickwerk  entstellt. 

Die  verschiedenen  Nationalitäten,  die  sich  in  Buchara  zusammenfinden, 
unterscheiden  sich  durch  Einzelheiten  der  Kleidung  wie  der  Kopfbedeckung; 
so  trägt  z.  B.  der  im  übrigen  bei  der  Bevölkerung  als  vollkommen  gleich- 
berechtigt angesehene  Jude  eine  schwarze  Mütze  mit  einem  viereckigen  Ein- 
sätze darauf;  der  Gebrauch  des  Pferdes  als  Reittier  ist  ihm  untersagt,  und 
derartige  Besonderheiten  kommen  noch  vielfach  vor.  Perser,  Araber,  Indier, 
Tataren,  Afghanen  erhöhen  die  Mannigfaltigkeit  der  an  und  für  sich  schon 
vielgestaltigen  Bevölkerungstypen  bis  zu  kaleidoskopartig  wechselndem,  ver- 
wirrend buntem  Bilde. 

Unser  kleiner  Wagen  mit  einheimischem  Kutscher  und  den  unscheinbaren, 
aber  ausdauernden  Pferden  hat  sich  unterdessen  durch  das  Gewirr  enger 
Strassen  durchgearbeitet  und  das  Bild  beginnt  sich  zu  ändern.  Einzelne  Strecken 
des  Weges  sind  überdeckt;  es  liegen  über  hölzernen  Stützen  oben  Quer- 
hölzer mit  einem  Dach  aus  Geflecht  und  Lehm,  um  der  Strasse  Schutz  zu 
gewähren,  weniger  gegen  die  seltenen  Regen,  als  im  Sommer  gegen  die 
glühenden  Strahlen  der  Sonne  und  die  unerträgliche  Hitze. 

An  solchen  Stellen  befindet  sich  ein  Laden  neben  dem  andern,  und 
die  mannigfaltigsten  Waren  werden  hier  neben  einander  feilgeboten,  während 
im  Hauptbazare  gleichartige  Waren  immer  bei  einander  liegen  und  selbständige 
Unterabteilungen  bilden. 

Die  kleinen  Läden  sind  überall  ausserordentlich  einfach.  In  der  Wand 
des  Hauses  befindet  sich  eine  kammerartige  Vertiefung,  nicht  höher,  als  dass  ein 
grosser  Mann  die  Decke  erreichen  kann,  nur  wenige  Meter  lang  und  tief,  ohne 
Thüren  und  Fenster,  die  beide  durch  die  ganz  offene  Strassenseite  ersetzt  werden. 
Vor  der  Häuserwand  läuft  etwa  i  m  über  dem  Strassenniveau   und  in  gleicher 


—     i6     — 

Höhe  mit  dem  Boden  des  Warenraumes  eine  schmale  Galerie,  auf  welcher 
die  Waren  zum  Verkauf  ausgestellt  sind,  während  der  innere  Raum  als  Ma- 
gazin anzusehen  ist;  auf  dem  Boden  und  der  kleinen  Galerie  sind  zum  Teil 
schöne  kleine  Teppiche  ausgebreitet,  auf  welchen  die  Kaufleute  sitzen  und  ihren 
Thee  trinken.  Je  nach  der  Gattung  der  Waren  erheben  sich  im  Innern  auch 
Postamente  mit  Fächern  bis  zur  Decke,  ganz  mit  Waren  vollgestopft;  häufig 
aber  liegen  diese  einfach  längs  der  Wände  am  Boden  aufgestapelt.  Durch  ein- 
fache hölzerne  Läden  werden  diese  Buden  bei  einbrechender  Dunkelheit  und 
dem  damit  verbundenen  Schlüsse  des  Geschäftes  verschlossen. 

Der  grosse  und  verkehrsreiche  Bazar  von  Buchara  besteht  nun  aus  einer 
Anzahl  solcher  Art  überdeckter  Strassenzüge  von  unregelmässigem  Verlaufe, 
aber  ziemlicher  Ausdehnung,  in  denen  sich  Bude  an  Bude  reiht  und  immerfort 
ein  sehr  lebhafter  Tausch-  und  Kaufverkehr  vollzieht.  Die  Mannigfaltigkeit  der 
Produkte,  die  hier  zusammengehäuft  sind,  spottet  der  Beschreibung  und  nur 
dadurch,  dass  gleichartige  Gegenstände  im  allgemeinen  besondere  Abteilungen 
einnehmen,  kommt  etwas  Ordnung  in  das  Chaos. 

Ist  das  Gewühl  der  emsig  dahineilenden  Menge  an  manchen  Stellen  der 
engen  Bazarstrassen  schon  so  gross,  dass  man  nur  langsam  unter  fort- 
währendem Ausweichen  weiterkommt,  so  steigert  sich  das  Gedränge  bis  zur 
vollkommenen  Verkehrsstockung,  wenn  sich  einige  der  grossen,  breiten  zwei- 
rädrigen Wagen  begegnen  oder  eine  grössere  Kamel-Karawane  die  Kreuzungen 
der  engen  Strassen  durchzieht.  Denn  in  Buchara  zieht  alles  durch  den 
Bazar,  der  ja  nur  aus  Strassen  besteht,  und  so  kommt  es  vor,  dass  sich 
viele  Wagen  an  einzelnen  Stellen  ansammeln  und  weder  ein  Vorwärts  noch 
Rückwärts  möglich  ist.  Die  Entwirrung  eines  solchen  Knäuels  geht  natürlich 
nicht  ohne  einiges  Schreien  und  Lärmen  ab,  besonders  wenn  sich  Europäer 
oder  Russen  darunter  befinden.  Die  einheimische  Bevölkerung  erträgt  aber 
dieses  Hin-  und  Herschieben,  das  Warten  und  ewige  Ausweichen  mit  ebenso 
grosser  Geduld,  wie  den  Schmutz  auf  den  Strassen,  in  den  man  hineingedrängt 
wirdi  Besonders  schlimm  ist  es  nach  dieser  Seite  hin  in  den  Strassenteilen 
bestellt,  welche,  ohne  überdeckt  zu  sein,  einzelne  Teile  der  Bazarstrassen  ver- 
binden und  viel  Verkehr  besitzen.  Diese  Wege  sind  meist  so  ausgefahren, 
dass  sie  in  der  Mitte  am  tiefsten  liegen  und  nach  den  Seiten  mitunter  stark 
ansteigen;  der  Boden  ist  lehmig  und  wenn  er  nass  ist  —  im  Winter  der 
gewöhnliche  Zustand  —  so  ist  es  für  den  Fussgänger  unausbleiblich,  dass  er 
an  den  glatten  Seiten  ausrutscht  und  nolens  volens  sich  in  dem  grossen 
Sumpf  der  Mitte  bewegen  muss,  bis  ihn  ein  Wagen  oder  Kamele  wieder  zu 
kühnen  Seitensprüngen  nötigen,  die  aber  zuletzt  doch  wieder  in  der  Mitte 
endigen.  Es  ist  schon  das  beste,  im  Wagen  durch  den  Bazar  zu  fahren  und  ab 
und  zu  halten  zu  lassen ;  will  man  aber  die  einzelnen  Läden  und  ihre  Produkte 
genauer  kennen  lernen,  so  muss  man  sich  doch  zur  F^usspartie  in  das  Gedränge 
und  den  Schmutz  entschliessen. 


—     17     - 

Eine  grosse  Abteilung  des  Bazars  ist  ganz  gefüllt  mit  Tüchern  russischer 
Fabrikation  in  allen  Farben,  häufig  mit  gelben  und  roten  Mustern,  die  bei  der 
Landbevölkerung  viel  Anklang  finden. 

Alle  Arten  von  einheimischen  und  fremden  Materialwaren  und  Lebens- 
mitteln, Gewürze  und  Rauchwaren,  frische  und  getrocknete  Früchte,  grosse 
Mengen  von  Getreide,  Reis  und  Mais  füllen  ganze  Strassenseiten.  Ueberall 
dazwischen  finden  sich  zu  Garküchen  eingerichtete  Läden,  in  welchen  im 
hinteren  Teile  alle  Arten  von  Backwaren,  in  andern  wieder  Fleischpastetchen, 
am  Spiesse  gebratenes  Hammelfleisch  und  Suppen  bereitet  werden.  Alle 
diese  Speisen,  die  vorn  verkauft  und  auch  gleich  verzehrt  werden,  sehen 
sehr  appetitlich  aus  und  schmecken  ganz  vorzüglich.  Auch  Theebuden  sind 
häufig  und  überall  verteilt;  eine  wichtige  Rolle  .spielen  Laden  mit  Zucker- 
werk, das  sehr  beliebt  ist,  sei  es  in  Form  von  überzuckerten  Früchten  oder 
als  zäher  Zuckerteig. 

Eine  kioskartige  Halle  an  der  Kreuzung  mehrerer  Strassen  hat  den  Mützen- 
lagern Unterkunft  gewährt,  die  in  buntem  Wechsel  die  Wände  schmücken. 
Besonders  häufig  sind  bienenkorbartige,  blaue  Mützen  mit  schwarzem  Rande 
unten  oder  weisse  der  gleichen  Art;  auch  grüne  und  ganz  bunte,  mit  roten 
und  gelben  Mustern  versehene   werden  getragen. 

Nicht  weit  von  dieser  Stelle  haben  die  Geldwechsler  ihre  Stände.  Sie 
sitzen  auf  Teppichen  und  haben  vor  sich  ein  oder  mehrere  Häufchen  der  ab- 
gegriflfenen  bucharischen  Kupfer-  und  Messingmünzen  liegen.  Sie  handeln  auch 
mit  Silberarbeiten,  besonders  kleinen  Filigranen;  es  war  aber  nichts  von  Bedeutung 
darunter. 

In  wieder  andern  Reihen  findet  man  Blechwaren,  Handwagen,  Lampen 
europäischer  Herkunft;  Bürsten,  Siebe,  sodann  Lederwaren,  Sattelzeug  und 
zum  Teil  mit  Seide  schön  gestickte  Satteldecken;  Pelze  und  Felle,  darunter 
einige  des  schönen,  weissen,  in  den  Niederungen  am  Amu-darja  vorkommenden 
Irbis;  auch  alte  Waffen  und  kunstvoll  in  Seide  gestickte  Gürtel  mit  reicher 
Türkisbesetzung  fehlen  nicht.  Mit  solchen  Gegenständen  angeblich  alter  Pro- 
venienz, aber  neuer  Fabrikation  wird  ein  schwunghafter  Handel  getrieben,  nament- 
lich .seit  durch  kritiklose  Einkäufe  zu  viel  Geld  besitzender  Europäer  die  Preise 
.sehr  in  die  Höhe  gegangen  sind  und  für  Unechtes  ebensoviel  gegeben  wird  wie 
früher  für  gute  alte  Sachen. 

Plötzlich  schallt  lautes  Geheul  —  odet  soll  es  Gesang  sein?  —  durch  die 
Strassen;  wii  lauschen  aufmerksam  den  sonderbaren  Tönen.  Wir  .sehen  merk- 
würdige Gestalten  zu  je  dreien  auf  jeder  Strassenseite  mit  grossen,  mützenartig 
geformten,  aber  bis  über  die  Schultern  herabhängenden  Pelzen  und  wunderbaren 
Gewändern  einherschreiten  und  dieses  Geheul  ausstossen.  Es  sind  Derwische, 
und  ihre  Gewänder  bestehen  aus  einer  Unmenge  von  einzelnen  Lappen  und 
Stücken,  die  meist  lose  herabhängen,  weil  die  Nähte  wieder  aufgegangen 
sind,  oder  die  Stücke  nie  richtig  zusammengenäht  waren.     Ivs  sind  die  richtigen 

K  u  1 1  e  I  c  r ,    Üurcli  Asien.  2 


-     i8     — 

Landstreicher  und  Vagabunden,  wie  die  schlimmsten  Exemplare,  die  man  bei  uns 
von  Oberländer  oder  Hendschel  gezeichnet  sieht  —  hier  aber  fromme,  von  der 
Menge  verehrte,  fast  heilige  Männer  mit  viel  Ungeziefer. 

In  einer  besonderen  Abteilung,  einer  überwölbten  Halle,  ist  der  Seiden- 
bazar eingerichtet,  in  welchem  besonders  die  Stücke  mit  den  grossblumigen 
bucharischen  Mustern  die  Aufmerksamkeit  erregen.  Leder  in  Häuten  und 
daraus  gefertigte  Gegenstände,  Stiefel,  Schuhe,  Reithosen  mit  schönen  Seiden- 
stickereien füllen  ganze  Gassen,  ebenso  nehmen  Blechwaren,  Kochkessel  und 
Wasser-  sowie  Theekannen  vielen  Raum  ein;  unter  den  letzteren  findet  man 
manches  kunstvoll  gearbeitete  alte  Stück;  neue  VV^are  ist  aber  nicht  so  billig 
und  nicht  so  schön  wie  in  Samarkand  und  Kokan  in  Fergana. 

Es  wäre  ermüdend,  alle  die  Einzelheiten  aufzuzählen,  die  weiterhin  die 
Marktstrassen  erfüllen;  vieles  ist  echt  bucharisch  und  von  sartischer  Arbeit; 
vieles  haben  die  Steppe  und  die  Oasen  in  der  Wüste  geliefert,  selbst  Persien» 
Afghanistan  und  das  ferne  Indien  und  China  sind  durch  schöne  Handarbeiten 
vertreten.  Früher  war  der  Import  aus  Indien  grösser  als  heute,  wo  eine  Zoll- 
schranke gegen  Afghanistan  errichtet  ist  und  dadurch  die  Konkurrenzfähigkeit 
indischer  Waren  gegenüber  russischen  auf  diesem  Markte  aufgehoben  wurde. 

Von  besonders  in  die  Augen  fallenden,  durch  ihre  Menge  oder  ihre 
Originalität  hervortretenden  Handelsprodukten  seien  noch  erwähnt:  Vasen  und 
Teller,  auch  grosse  Schüsseln,  aus  Thon  gebrannt,  mit  einfachen  Strich-  und 
Blumenornamenten;  Ketten  mit  bunten  Glasperlen,  Muschelschalen  oder 
Korallen;  bunte  Strümpfe,  Handtücher  und  Frottierlappen;  eigenartige  cymbal- 
artige  Musikinstrumente;  Messer  in  kunstvoller  Ausführung  und  reich  mit 
Türkisen  besetzten  Griffen;  die  bei  den  Orientalen  so  beliebten  Koffer  aus 
Leder  mit  Messing-  oder  Silberbeschlägen  und  Lackbemalung;  Kerzen  in  allen 
Grössen  und  Fett;  Glocken  für  Kamele;  Wasserpfeifen,  zum  Teil  aus  den 
auch  sonst  sehr  viel  vorhandenen,  bizarr  gestalteten  Kürbissen  hergestellt; 
Zuckerwerk  in  buntem  Papier,  ganz  wie  unsere  Bonbons  oder  Weihnachts- 
konfekt. 

In  dem  Teppichbazare  findet  man  eine  grosse  Auswahl  von  bucharischen, 
chiwe.sischen ,  kirgisischen  Teppichen,  Pallassen,  Decken  und  sehr  langen, 
schmalen,  mit  Wolle  oder  Seide  bestickten  Tuchstreifen,  sogenannten  Do- 
roschken;  aber  so  schöne  Teppiche,  wie  wir  sie  bei  verschiedenen  hohen 
Persönlichkeiten  sahen,  und  die  Geschenke  des  Emirs  waren,  bekommt  man 
auf  dem  Markte  nicht  zu  Gesicht  Dagegen  waren  Tisch-  oder  Bettdecken  mit 
bucharischen  Mustern:  grosse  rote  Blumen  und  dunkelgrüne  Blattguirlanden, 
in  ausgezeichneter  Schönheit  vertreten.  Die  grossen  Abteilungen,  in  welchen 
die  weiten,  faltigen  Leibröcke  oder  Chalate  feilgehalten  werden,  bergen  auch 
viele  wertvolle,  mit  Silber  und  Gold  gestickte  Gewänder,  welche  der  reiche, 
prachtliebende  Buchare  bei  festlichen  Anlässen  mit  edelsteinbesetztem  Gürtel  zu 
tragen  pflegt. 


—  ig- 
ln diesem  Chaos  findet  das  Auge  einen  willkommenen  Ruhepunkt,  wenn 
eine  der  Strassen  an  einem  freien  Platze  vor  Moscheen,  Medressen  oder  einem 
andern  bedeutenderen  Bauwerke  vorbeiführt.  Buchara  ist  arm  an  hervorragenden 
Bauten.  Ein  ca.  60  m  hoher  Turm,  der  Verbrecherturm  genannt,  gehört  als 
Minaret  zu  der  grössten  Moschee  Bucharas  (Kaijan  Moschee),  in  welcher  der 
Emir  täglich  zu  beten  pflegt;  von  diesem  Turme,  der  aus  Ziegelsteinen  mit 
farbigen  Mustern  aufgebaut  ist  und  am  ehesten  mit  einem  Fabrikschornstein 
verglichen  werden  kann,  wurden  jeweils  die  zum  Tode  verurteilten  Verbrecher 
in  einem  Sacke  heruntergeworfen,  noch  bis  in  die  letzten  Jahrzehnte. 

Dieses  Minaret,  Manari  Kaijan  genannt,  liegt  in  der  Nähe  der  Burg  des 
Emirs,  die  sich,  von  einem  der  flachen  Dächer  aus  gesehen,  darstellt  wie  ein 
mächtiges,  festungsartiges  Bollwerk  mit  niederen  Türmen  an  den  vier  Ecken. 
In  architektonischer  Beziehung  bietet  die  Emirburg  durchaus  nichts  Bemerkens- 
wertes und  das  Innere  zu  betreten  war  uns  nicht  möglich.  Bemerkenswerte 
Bauten  besitzt  Buchara  im  Vergleich  mit  Samarkand  überhaupt  nur  wenige; 
meist  sind  es  Moscheen  und  Medressen,  von  denen  einige  durch  ihre  Grösse 
die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen;  aber  an  einzelnen  der  Medressen  findet 
man  sehr  schöne,  alte  Holzschnitzarbeit  an  Thüren  und  Friesen,  sowie  in 
Fenster-  oder  Bogen-Oefinungen  und  an  den  Decken  der  Säle  oder  den  Ge- 
wölben. Bunte  Ziegelmuster  und  Mosaik  als  Belag .  scheint  in  früheren  Zeiten 
reichlicher  vorhanden  gewesen  zu  sein,  ist  aber  jetzt  meist  verschwunden  und 
nur  an  geschützten  Stellen  sind  noch  Reste  davon  erhalten.  Eine  Ausnahme 
macht  die  Sargerjan -Medresse,  deren  Front  nicht  nur  noch  sehr  schönen 
Majolikabelag  führt,  sondern  deren  innere  Räume  durch  prächtige,  wohlerhaltene, 
alte  Kunstwerke  geschmückt  sind. 

Die  Wohnungen  der  wohlhabenderen  Bucharen  entbehren  durchaus  nicht 
einer  angenehmen  Wohnlichkeit,  und  in  manchen  Räumen  ist  sogar  grosser  Reich- 
tum und  Glanz  entfaltet.  Die  Wände  sind  entweder  weiss  oder  in  einer  ganz  hellen 
Farbe,  z.B.  hellblau,  gehalten  und  enthalten  zahlreiche,  oft  zierlich  angeordnete  kleine 
Nischen,  welche  zur  Aufbewahrung  von  Hausgerät,  Spielsachen  oder  Schmuck 
dienen.  Auf  dem  Boden  findet  man  die  schönen,  bucharischen  Teppiche  mit 
rotem  Grundton  und  eingewirkten  Mustern,  wobei  oft  die  gelbe  Farbe  vorherrscht. 
Besonders  häufig  kehrt  ein  grosser,  sich  besonders  abhebender  Stern  in  der 
Mitte  des  Teppichs  wieder,  oder  es  sind  deren  fünf  so  angeordnet,  dass  ein 
grosser  in  der  Mitte  und  vier  kleinere  gegen  die  Ecken  hin  gelegen  sind.  Wenn 
man  in  diesen  Wohnungen  den  silberglänzenden  Hausrat,  z.  B.  die  an  Stelle 
unserer  Schränke  zum  Aufbewahren  von  Kleidern  dienenden,  silberbeschlagenen 
Koffer,  die  schön  geschnitzten,  alten  Truhen  und  die  Bewohner  in  ihren  bunt- 
farbigen Gewändern  und  blitzenden  Gürteln  sieht,  so  vereinigt  sich  alles  zu 
einem  farbenprächtigen  Bilde,  das  in  seiner  vollen  Schönheit  hauptsächlich 
da  zur  Entfaltung  kommt,  wo,  wie  in  dem  Lustschlosse  Schirbudun,  keine 
Kosten  gescheut  werden,  um  die  Ausstattung  der  Gemächer  zu  einer  möglichst 


—      20      — 

glänzenden  zu  gestalten.  In  diesem  herrlichen  Schlosse  pflegte  der  Kmir  die 
Vertreter  der  europäischen  Mächte  zu  empfangen,  auch  bringt  er  einen  Teil  des 
Sommers  hier  zu.  Die  Wände  und  Nischen  zahlreicher  Gemächer  sind  mit  zier- 
licher Schnitzerei  in  orientalischen  Mustern,  die  vielfach  an  maurischen  Stil 
erinnern,  ausgekleidet,  und  feine  Stückarbeit^  sowie  bunte  Malerei  füllen  die 
Zwischenräume  aus.  Von  den  prachtvollen  Teppichen  sind  nur  einige  wenige 
in  dem  Audienz-Saal  zu  sehen,  die  übrigen  werden  während  der  Abwesenheit  des 
Flmirs  fortgelegt.  Die  Wohnräume  sind  im  allgemeinen  recht  klein,  aber  alle 
zierlich,  sie  machen  den  Kindruck  fa«it  kindlich -naiver  Spielerei. 

Die  einzelnen  Gebäude  dieses  Schlo'^ses  sind  durch  Höfe  mit  Brunnen  oder 
Bassins  verbunden  und  liegen  in  einem  herrlichen  alten  Parke,  der  ringsum 
durch  eine  hohe  Lehmmauer  nach  aussen  abgeschlossen  und  ausserdem  noch 
durch  Soldaten  bewacht  wird. 

Obwohl  der  Emir  noch  andere  Schlösser  besitzt,  wird  in  der  neuen  Stadt 
Buchara  ein  Palais  für  ihn  gebaut,  das,  schon  ziemlich  vollendet,  einen 
schmucken  Anblick  gewährt. 

Der  Emir  hat  den  Russen  und  der  europäischen  Kultur  schon  viele  Zu- 
geständnisse gemacht;  wenn  auch  nominell  unabhängig  und  nur  mit  Kussland 
befreundet,  i.st  er  doch  schon  thatsächlich  dessen  Vasall.  Der  Fürst  selbst  ist 
in  St  Petersburg  gewesen  und  fand  grosses  Gefallen  am  Hofleben  im  Winter- 
palais; sein  Sohn  wurde  im  russischen  Pagencorps  erzogen  und  diente  bei  der 
Garde;  wahrscheinlich  aber  um  die  russischen  Einflüsse  in  ihm  nicht  gar  zu 
stark  werden  zu  lassen,  wurde  er  vor  einigen  Jahren  nach  Buchara  zurück- 
gerufen und  zum  Gouverneur  einer  der  Provinzen  gemacht,  in  deren  Haupt- 
stadt er  nun  mit  seinem  schleunigst  angelegten  Harem  residiert. 

Auch  in  der  Rechtspflege  und  vor  allem  in  der  Verhängung  der  Todes- 
strafe zeigt  sich  das  Heraufziehen  einer  neuen  Zeit.  Während  früher  die 
Todesstrafe  häufig  und  oft  wegen  geringer  Verbrechen  in  grausamer  Form 
angewandt  wurde,  ist  deren  Beschränkung  und  vor  allem  die  Abschaffung 
der  grausamen  Todesarten  in  Buchara  selbst  eingetreten.  Man  behauptet 
indessen,  dass  nach  wie  vor  in  den  grösseren  Städten  allwöchentlich  noch 
Hinrichtungen  stattfinden.*)  Noch  vor  einigen  Jahren  wurde  ein  armer  Mensch, 
der  einen  Mullah  beleidigt  hatte,  durch  die  Strassen  zu  Tode  geschleift. 
Der  Emir  wollte  ihn  zwar  begnadigen,  konnte  aber  dem  Drucke  der  Geist- 
lichkeit nicht  widerstehen,  die  ihm  ohnehin  schon  sehr  zürnt  wegen  der 
vielen  eingeführten  Neuerungen,  die  mit  den  althergebrachten  Satzungen  nicht 
übereinstimmen. 


•)  Im  Gefän^is  in  Alt -Buchara  sahen  wir  zwei  niedere  Gehisse  ijanz  q^elullt  mit  Gefanjfenen, 
«lie  zum  Teil  Kettt-n  an  Hals,  Annen  und  Füssen  truijen.  i'Is  sassen  in  jeilem  Räume  etwa 
25  Menschen,  die  I^uft  war  schlecht  und  h«Mss.  Die  Leute  sahen  nicht  uns^Iücklich  aus,  obwohl  manclier 
von  ihnen,  vielleicht  nur  eines  jjerinjjen  Verjijt'hens  wejjen  eing-esperrt,  ji^ewärtijj  sein  muss,  dass  er 
verfressen  winl  und  zeitlebens  hier  sitzen  muss.     Kismet! 


—      21       — 

Die  Toten  werden  mittelst  Bahren,  auf  den  Schultern,  ohne  Sarg,  nur  in 
Tücher  gehüllt,  mit  einem  aus  Männern  und  Frauen  bestehenden  Gefolge  auf  die 
vor  der  Stadt  gelegenen  Kirchhöfe  getragen.  Dort  angelangt,  wird  der  Tote 
nur  leicht  eingescharrt  und  ein  kleines,  gruftartiges  Gewölbe  aus  Ziegelsteinen 
über  ihm  errichtet,  das  mit  einer  kleinen  Oeffnung  versehen  ist,  damit  am 
jüngsten  Tage  seine  Seele  einen  Ausweg  hat.  Oft  wird  die  Oeffnung  aber 
auch  von  Hunden  und  Schakalen  benutzt,  um  nächtlicherweile  zu  den  Toten  zu 
gelangen  und  sie  anzufressen. 

Häufig  sieht  man  auf  den  Gräberfeldern  auch  grössere  Grabdenkmale  und 
meist  bei  ihnen  einige  lange  Stangen,  Tugh-Stangen,  die  oben  Wimpel  und  einen 
grossen  Rossschweif  tragen ;  es  sind  das  die  Zeichen,  dass  hier  Heilige  begraben 
liegen,  und  der  fromme  Muselman  bindet  unten  bunte  Tuchstreifen  und 
Läppchen  an,  um  seine  Heiligen  zu  ehren. 

Es  wären  noch  viele  eigenartige  Gebräuche  und  Volkssitten  anzuführen, 
wenn  das  Bild  von  Stadt  und  Leuten  vollständig  werden  sollte.  Die  wichtigsten 
Züge  des  Volkslebens  aber  und  das,  was  ein  flüchtiger  Besuch  zu  bieten 
vermag,  ist  nach  persönUchen  Eindrücken  dargestellt. 

Die  Eisenbahnstrecke  von  Buchara  bis  Samarkand  wurde  nachts  zurück- 
gelegt; sie  bietet  nichts  Interessantes,  und  somit  geht  durch  die  Nachtfahrt 
nichts  verloren,  in  der  man  dem  Glanzpunkte  der  muhamedanischen  central- 
asiatischen  Welt  entgegeneilt. 

In  der  bilderreichen  Sprache  muhamedanischer  Dichter  heisst  Samarkand 
>das  Paradies  der  Welt«,  und  fast  unerschöpflich  sind  die  überschwänglichen  Ver- 
gleiche, mit  denen  sie  die  Schönheiten  und  Vorzüge  dieser  Stadt  preisen.  Das  gilt 
bei  den  Muselmanen  natürlich  nur  von  dem  alten  Samarkand  und  insbesondere  von 
dem'  Samarkand  Tamerlan's,  der  vor  fünf  Jahrhunderten  diese  Stadt  zum  Mittel- 
punkt der  ganzen  muselmanischen  Welt  machte;  aber  auch  das  neue  Samarkand, 
das  erst  seit  der  Zeit  der  Eroberung  durch  die  Russen  existiert,  1868,  macht  einen 
sehr  vorteilhaften  Eindruck  und  ist  jedenfalls  die  schönste  der  grossen  Städte 
Transkaspiens  und  Turkestans,  wenn  man  die  unmittelbar  vor  ihren  Thoren 
gelegene  alte  Stadt  mit  ihren  herrlichen  Baudenkmälern  mit  hinzurechnet. 

Wie  durch  einen  Park  fährt  man  durch  die  Strassen  von  Russisch- 
oder Neu -Samarkand.  Die  meist  nur  einstöckigen,  aber  sauber  und  hell 
bemalten  Häuser,  die  in  weiten  Zwischenräumen  von  einander  stehen,  sind  von 
hohen  Bäumen  umgeben,  so  dass  zur  Sommerzeit  das  ganze  Haus  im  tiefen 
Schatten  liegt.  Eben.so  sind  die  Fahrdämme  der  Strassen  mit  Bäumen  besetzt, 
meist  breitästigen  Pappeln  und  Ulmen,  und  an  vielen  Stellen  finden  sich  kleine 
Gräben  mit  lebhaft  fliessendem  Wasser.  Wenn  man  die  Strasse  entlang  blickt, 
wird  der  Horizont  häufig  durch  malerische  Ausblicke  auf  Gebirgszüge  geschlossen, 
die  im  Winter  weiss  von  Schnee  und  Eis  herüberglänzen. 

Zur  Zierde  gereicht  der  neuen  Stadt  die  an  einem  grossen,  freien  Platz 
gelegene  russische  Kirche,  sowie  das  Gebäude   des  Militär-Kasino  in  der  Nähe. 


—       22      — 

Das  Palais  des  Gouverneurs  liegt  in  einem  parkartigen  Garten,  und  keine  einzige 
Strasse  entbehrt  des  Baumschmuckes.  Ein  schöner  Stadtpark  bildet  den 
Mittelpunkt.  Der  schöne,  breite  Boulevard  führt  in  seiner  östlichen  Verlänge- 
rung direkt  in  die  alte  Stadt,  deren  kleine  Verkaufsbuden  dicht  am  Ende  des 
Boulevard  beginnen  und  deren  grosse  Monumentalbauten  schon  von  hier  aus 
in  der  Ferne  sichtbar  sind.  Man  gelangt  auf  einer  breiten  Strasse,  deren 
Anfang  mit  sartischen  Verkaufsbuden  besetzt  ist,  bis  zum  Registan,  dem  durch 
seine  Medressen  und  Moscheen  berühmten  Platze.  Nördlich  von  dieser  Strasse 
sieht  man  die  Lehmwälle  einer  Festung,  der  noch  übrigen  Fortifikationswerke, 
die  aber  durchaus  keinen  ernsten  Eindruck  machen.  Mehr  wird  unsere  Auf- 
merksamkeit gefesselt  durch  eigenartige  Kuppelbauten,  die  in  geringer  Ent- 
fernung von  der  rechten  Strassenseite  sichtbar  werden  und  zu  »GurEmir«,  dem 
Grabe   des  Herrschers,  gehören.     Ihnen  galt  unser  erster  Besuch. 

Wer  zum  ersten  Male  die  Wirkung  der  in  lebhaften  Farben  aus  glasierten 
Ziegelsteinen  ausgeführten  Mosaikarbeit  an  grossen  Monumentalbauten  sieht, 
erfreut  sich  eines  starken  Eindruckes.  Obwohl  die  Bauten  und  hauptsächlich 
deren  Belag  an  den  Aussenflächen  vielfach  gelitten  haben,  und  dieser  letztere 
an  vielen  Stellen  nur  in  Resten  noch  vorhanden  ist,  so  ist  doch  überall  die 
Farbenharmonie  der  Komposition  und  die  Kunst,  mit  der  sie  zur  Ornamentik 
verwandt  ist,  im  höchsten  Grade  staunenswert  und  erweckt  Achtung  vor  der 
Höhe  der  künstlerischen  Auffassung,  die  in  Mittelasien  vor  mehr  als  500  Jahren 
geherrscht  haben  muss. 

Das  Grabmal  des  grossen  Tamerlan,  zum  Teil  auch  nur  als  Ruine 
erhalten,  ist  der  älteste  der  in  Samarkand  die  Bewunderung  erregenden  Pracht- 
bauten der  Vergangenheit.  Der  Herrscher  soll  es  noch  selbst  haben  errichten 
lassen.  Jetzt  steht  bloss  der  Hauptbau  mit  einer  gerippten  Kuppel,  von  den 
Flügeln  und  seitlichen  Minarets  sind  nur  Reste  erhalten  geblieben. 

An  den  Wänden  einer  Vorhalle  oder  eines  Thores,  durch  welches  man 
in  den  Hof  vor  dem  Mausoleum  selbst  gelangt,  ist  der  Belag  der  farbigen 
Ziegel  und  die  Ornamentik  noch  gut  erhalten;  ebenso  an  der  Hauptfront 
des  Mausoleums  selbst  und  an  der  Basis  der  Kuppel.  In  dem  unter  dieser 
Kuppel  gelegenen,  grossen,  kapellenartigen,  reich  mit  Marmor  und  Jaspis  aus- 
gekleideten Räume  befinden  sich  neun  Grabsteine;  in  der  Mitte  der  grosse  Nephrit- 
block, welcher  Timurs  Grab  bezeichnet.  Derselbe  ist  mit  Inschriften  versehen, 
die  sich  auf  Traditionen  und  Genealogie  von  Timurs  Geschlecht  beziehen;  die 
übrigen  acht  Grabsteine  gehören  Freunden,  Lehrern  und  Verwandten  Timurs  an, 
und  in  einem  Seitenraume  befinden  sich  noch  weitere  Grabsteine  von  solchen 
Verwandten. 

Diese  Grabkapelle  macht  einen  recht  imponierenden  Eindruck.  Das 
Tageslicht  dringt  nur  gedämpft  herab  bis  zum  Grabsteine  des  grossen  Toten, 
und  der  matte  Glanz  des  Nephrites,  der  Marmorplatten  und  des  Jaspis 
an  dem  Wandbelage  wirkt  melancholisch   ernst.     Die  zierliche  Arbeit  an  einer 


—      23      — 

niederen  Marmorumfriedigung  der  Grabsteine,  die  Ornamentik  der  Nischen 
und  Fensterwölbungen  verleihen  dem  Räume  den  Charakter  vornehm  schlichter 
Einfachheit,  der  durch  die  Kostbarkeit  des  Materials  noch  gehoben  wird. 
Hohe  Stangen,  oben  mit  Fahne  und  Rossschweif  versehen  und  von  Gläubigen 
mit  bunten  Bändern  und  Wimpeln  geschmückt,  bezeichnen  die  Gräber  der 
Heiligen.  Zwei  solcher  Zeichen  befinden  sich  auch  in  der  Grabkapelle  zu 
Seiten  eines  kleinen  Altares  zu  Häupten  des  Grabes  des  »Grossen  Timur«. 
Eine  niedere,  dumpfe  Krypta  unter  dieser  Kapelle  birgt  die  Gebeine  der  Toten. 

Wirken  die  Bauwerke  von  Gur-Emir  durch  ihr  ehrwürdiges  Alter  und 
die  Bedeutung  des  Namens,  dessen  Andenken  sie  dienen,  so  kommt  bei  den 
andern  der  noch  erhaltenen  Prachtbauten  auch  das  architektonische  Element 
und  die  Kunst  der  vorzüglichen  Majolikakomposition  in  hervorragender  Weise 
zur  Geltung. 

Wer  könnte  sich  dem  Eindrucke  verschliessen,  den  der  grosse  Hauptplatz 
von  Samarkand,  der  berühmte  Registan,  mit  seiner  Umgebung,  den  herrlichen 
Medressen  und  Moscheen,  ihrem  bunten  Aussengewande,  den  schiefen  Minarets 
und    dem    überaus    regen  Volksleben    auf   dem    Platze  selbst,  macht? 

Die  Welt  der  prachtschildernden,  orientalischen  Märchen  ist  hier  verwirk- 
licht. Hier  sehen  wir  den  Märchenerzähler  mit  komischen  Gesten  und  unüber- 
troffenem Mienenspiel  sein  anspruchsloses  Publikum  unterhalten;  da  hören  wir  die 
Derwische  in  ihren  buntscheckigen,  zerfetzten  Gewändern  mit  monotonem  Geschrei 
oder  Gesang  herumziehen;  dort  wieder  zeigt  ein  silberhaariger  Greis  die  Kunst- 
stücke einer  grossen  Bergziege,  die  er  gelehrt  hat,  auf  einzelne  runde  Holzstücke 
zu  klettern,  die  er  schliesslich  unter  dem  Tiere  zu  einer  hohen  Säule  aufbaut; 
dabei  begleitet  er  das  allmähliche  Aufsteigen  der  Ziege  mit  einem  fast  beschwörend 
klingenden,  halb  gesungenen,  halb  gemurmelten  Texte;  endlich  die  Geldwechsler 
vor  den  Tempeln,  wie  zu  Christi  Zeiten,  und  die  Menge  der  Kleinkrämer  und 
fliegenden  Geschäfte  aller  Art,  besonders  aber  von  Lebensmitteln  und  Süssig- 
keiten:  Alles  das  vereinigt  sich  zu  einem  belebten  Bilde. 

Und  auf  all  dies  bunte  Treiben,  dessen  tausendfaltige  Seiten  man  nur 
im  Fluge  übersehen,  aber  nicht  im  einzelnen  beschreiben  kann,  blicken  in  ehr- 
würdiger Ruhe  die  alten  Bauten  herab,  die  jedoch  durch  ihr  buntes  Aeussere 
vollkommen  in  diese  heitere  Umgebung  passen.  Alles  atmet  Freude  und  Zu- 
friedenheit; es  fehlt  der  ernste  Zug,  dem  man  in  den  Kulturländern  des  Westens 
so  oft  unter  der  niederen  Bevölkerung  begegnet.  Man  sieht  den  Leuten  die 
Armut  an,  aber  sie  haben  nichts  Verbittertes;  sie  freuen  sich  an  den  harmlosen 
Witzen  ihrer  Erzähler  und  sind  immer  zum  Lachen  geneigt;  Sorgen  kennen  sie 
offenbar  nicht.  Das  »Kismet«  sorgt  schon  für  sie;  und  wenn  nicht,  dann 
ist  es  eben  auch  wieder  »Kismet«. 

Eine  ernstere  Seite  muhamedanischen  Geisteslebens  finden  wir  in  nächster 
Nachbarschaft,  wenn  wir  eine  der  Moscheen  oder  der  meist  mit  ihnen  verbun- 
denen Medressen  oder  »Hohen  Schulen c  betreten.     Um    den  Registan  befinden 


24     - 

sich  nach  drei  Seiten,  mit  Ausnahme  der  Südseite,  an  welcher  die  Strasse 
vorbeiführt,  die  Fronten  grosser  Moscheen.  Die  gegen  Neu-Samarkand  hin 
gelegene  heisst  Ulug-Beg-Moschee,  gegenüber  liegt  die  Schir-Dar-Moschee  und 
auf  der  Nordseite  die  Tillja-Kari-Moschee.  Die  Beschreibungen  dieser  alt- 
ehrwürdigen Hauten  sind  in  neuerer  Zeit  mehrfach  gegeben  worden,  so  dass 
hier  nur  auf  Albrecht,  Rauder,  Skrine  and  Ross  u.  a.  verwiesen  zu  werden 
braucht. 

In  Schir-Dar  besuchten  wir  den  Unterricht  oder  besser  gesagt  das  Kolleg 
eines  berühmten  Mandarissen  (Professor),  der  gerade  bei  unserm  Besuche  eine 
Vorlesung  über  ein  Kapitel  des  Koran  hielt,  in  dem  die  Verpflichtungen  der 
Wohlhabenden  den  Armen  gegenüber  enthalten  waren. 

Vom  Hofe  des  Gebäudes  gelangt  man  durch  eine  offene  Thür  in  das 
Auditorium,  einen  hohen  Raum,  in  den  durch  das  hoch  gelegene,  nicht  sehr 
grosse  Fenster  nur  gedämpftes  Licht  hereindringt.  Am  Boden  sind  Teppiche 
ausgebreitet  und  auf  ihnen  hocken  oder  knieen  die  Studierenden.  Ks  waren  ihrer 
lO  bis  12,  und  jeder  hat  vor  sich  eine  Ausgabe  des  Koran  liegen,  über  die  sie 
sich  beugen  und  mitlesen,  wenn  der  Professor  Stellen  zitiert,  wenn  dieser  aber 
erklärt,  so  sehen  sie  auf  ihn,  ohne  aus  ihrer  gebeugten  Stellung  herauszugehen. 
Häufig  stellen  sie  auch  Fragen  an  den  Lehrer.  Es  sind  Schüler  der  verschie- 
densten Altersstufen  unter  ihnen;  schon  stark  bejahrte  neben  solchen,  denen 
erst  der  Flaum  auf  dem  Kinn  zu  sprossen  beginnt. 

Der  Professor  selbst,  ein  würdig  aussehender  Mann  in  den  besten  Jahren, 
.sass  ebenfalls  auf  Decken  seinen  im  Halbkreis  geordneten  Schülern  gegenüber 
und  drehte  während  seines  Vortrages  fortwährend  eine  Orange  in  seiner  Hand; 
einige  andere  solcher  Früchte  lagen  neben  ihm.  Vor  sich  auf  dem  Boden  hatte 
er  eine  dickleibige,  in  grossen  Lettern  gedruckte  Koranausgabe.  Irgend  welcher 
Schmuck  des  Saales  und  seiner  Wände  fehlte  vollkommen,  wenn  man  nicht 
eine  Anzahl  aufgehängter  gelber  Melonen  dahin  rechnen  will. 

Als  wir  iii  Begleitung  eines  russischen  Offiziers  eintraten,  erhoben  sich 
alle  sehr  höflich,  der  Mandarisse  reichte  uns  die  Hand  und  hicss  uns  willkommen, 
Stühle  wurden  für  uns  hereingebracht  und  dann  der  Unterricht  fortgesetzt. 
Derselbe  trug  ein  sehr  ernstes,  würdiges  Gepräge,  und  selbst  die  Anwesenheit 
von  Europäern  vermochte  nicht  für  einen  Augenblick  die  Aufmerksamkeit  auch 
nur  eines  der  Schüler  abzulenken.  P>agen  und  Gegenerklärungen  folgten  sich 
rasch,  dazwischen  hielt  der  Vortragende  auch  längere  Erläuterungen,  die  ohne 
Unterbrechung    angehört   wurden. 

Wir  hörten  einige  Zeit  zu  und  verabschiedeten  uns  dann  von  dem  freund- 
lichen Lehrer,  der  als  einziger  an  dieser  Mcdresse  unterrichtet  und  uns  noch 
Thee  anbot. 

Die  Wohnungen  der  Studierenden  sind  alle  in  dem  Gebäude  selbst  und  viel 
einfacher,  als  selbst  die  denkbar  ärmlichste  Studentenwohnung  auf  unsern  Hoch- 
schulen.  Man  'Steigt  auf  engen,  hoclistufigcn,  im  Laufe  der  Jahrhunderte  .stark  aus- 


—      25      — 

«getretenen  Treppen  zum  ersten  Stockwerk  in  die  Höhe;  es  kann  immer  nur  je 
einer  hinauf  oder  herunter,  da  ein  Ausweichen  unmöglich  ist,  und  man  muss 
immer  Bedacht  auf  seinen  Kopf  nehmen,  der  mit  allen  möglichen  Balken  und 
Vorsprüngen  in  Berührung  kommen  kann.  Oben  befinden  sich  weite  Galerien 
und  noch  viele  grosse  Hör-  und  Betsäle,  während  die  Zimmer  oder  Gemächer 
für  die  zahlreichen  Studierenden  nur  aus  äusserst  dürftigen  kleinen  Nischen  oder 
Kämmerchen  bestehen,  denen  jedes  Mobiliar  fehlt. 

Wir  sahen  eine  solche  kaum  etwas  mehr  als  mannshohe  Behausung  mit 
kahlen,  nackten  Ziegelwänden,  die  zwei  der  Studierenden  zum  Aufenthalt  und 
Nachtlager  diente.  Ein  bis  zum  Boden  reichendes,  nur  mangelhaft  schliessendes 
Fenster  mit  kleinen  Scheibchen  erhellte  den  Raum,  auf  dessen  Fussbodcn  an 
zwei  Stellen  dünne  Decken  lagen,  auf  denen  das  Nachtlager  hergerichtet  wird. 
Einige  Bücher  und  einige  Früchte,  Kürbisse  und  Wassermelonen,  bildeten  nebst 
einer  Oellampe  die  einzigen  Einrichtungsgegenstände,  die  nichts  an  sich  haben, 
was  ein  gründliches  Koranstudium  zu  stören  vermöchte.  Solcher  Schlafstellen  — 
denn  Wohnungen  kann  man  sie  nicht  nennen  —  sind  mehrere  Hundert  vor- 
handen, und  während  des  Tages  halten  sich  die  Leute  in  den  Hör-  und  Betsälen, 
den  grossen  Galerien  oder  im  Hofe  auf. 

Zur  Glanzzeit  Samarkands  und  in  der  Blüteperiode  der  muhamedanischen 
Wissenschaft  waren  die  zahlreichen  Medressen  von  einer  grossen  Zuhörerschaft 
besucht,  und  die  mächtigen  Bauten  zeugen  von  der  Bedeutung  dieser  Pflanz- 
stätte der  Wissenschaft  und  des  Glaubens. 

Die  grösste  Moschee,  von  der  leider  nur  noch  Trümmer  erhalten  sind, 
liegt  beim  Grabdenkmale  der  Bibi-Chanim,  der  Lieblingsfrau  von  Timur,  und 
wurde  von  ihm  zum  Danke  für  den  glücklichen  Ausgang  eines  indischen  Feld- 
zuges und  zu  Ehren  dieser  seiner  Frau  1399  errichtet.  So  stark  auch  die  Zer- 
störungen sind,  welche  der  Zahn  der  Zeit,  die  Kriegsjahre  und  vor  allem  die 
Erdbeben  hier  angerichtet  haben,  so  ist  doch  die  Grossartigkeit  der  gesamten 
Anlage,  die  einen  grossen  Triumphbogen,  zwei  seitlich  gelegene  kleinere 
Medressen  und  erst  im  Hintergrunde  die  grosse  Moschee  mit  enormer  Kuppel 
umfasst,  sowie  an  vielen  Stellen  die  Schönheit  der  Majolikamosaik  und  die 
Kunstfertigkeit  im  Aufbau  der  Säulen,  Bogen  und  Gewölbe  mit  ihren  tausend- 
fachen Einzelheiten  noch  wohl  zu  erkennen.  P>st  wenn  man  liest,  wie  einst 
die  ganze  Wandfläche  innen  und  zum  Teil  auch  aussen  mit  weissen  Marmor- 
platten, vergoldeten  Reliefs  und  Inschriften  bedeckt,  wie  die  Säulen,  Thür- 
einfassungen  und  Kanzeln  mit  kunstvollen  Arbeiten  geschmückt  waren,  begreift 
man,  wie  viel  von  der  alten  Herrlichkeit  hier  der  Vernichtung  anheimgefallen  ist. 

Von  den  beiden  sechsseitigen  Minarets,  welche  den  Spitzbogen  vor  dem 
Eingang  in  die  eigentliche  Moschee  flankieren,  ist  von  dem  einen  nur  der  obere 
Teil,  von  dem  andern  aber  fast  die  ganze  obere  Hälfte  zerstört,  während  die 
grosse,  mit  blauen  Majolikaplatten  ausgelegte  Kuppel  bedenkliche  Risse  zeigt 
und  mit  baldigem  Einstürze  droht,  falls  neue  l^^rdcrschütterungen  eintreten  sollten. 


—      26      — 

Einen  grossen  wunderwirkenden  Koranständer,  der,  aus  weissen  Marmorplatten 
aufgeführt  fmher  in  der  Moschee  stand,  hat  man  wegen  dieser  Einsturzgefahr 
vor  dieselbe  verbracht  und  den  zu  ihm  gehörigen  Koran  in  der  Moschee 
Schach-Sinda  ven%ahrt. 

Alle  die>e  Bauten,  die  Moschee  sowohl  wie  die  grosse  Kuppel  des  Mau- 
soleums, haben  besonders  durch  ein  Erdbeben  gelitten,  das  im  September  1897 
eintrat  und  so  gefahrliche  Risse  in  die  Gewölbe  und  die  Wandbeläge  brachte, 
dass  bei  einem  grossen  Teil  derselben  ein  Einsturz  und  damit  völlige  Zerstörung 
unvermeidlich  ist.  An  manchen  Säulen  sind  die  herrlichen  Majolika-Bekleidungen 
richon  so  stark  losgelöst,  dass  man  meint,  ein  starker  Wmdstoss  müsse  genügen, 
um  sie  herabzuwerfen.  Wegen  der  fortwährend  drohenden  Gefahr  des  Herab- 
sturzens  einzelner  Steine  sind  die  gefährdeten  Teile  abgesperrt  und  dürfen  nicht 
betreten  werden.  Auch  das  Aufsammeln  der  heruntergefallenen  Mosaikstücke  ist 
verboten,  da  alle  diese  Altertümer  in  einem  Museum  gesammelt  werden  sollen. 

Weniger  durch  ihre  Grösse  in  die  Augen  fallend,  als  durch  die  Schönheit 
ihrer  architektonischen  F'ormen  und  die  aufs  äusserste  entwickelte  Kunst  in  der 
Zusammenstellung  der  Majolikamosaiken,  der  Herstellung  der  Thonreliefs  und 
der  harmonischen  Farben  Wirkungen,  sind  die  Bauten,  welche  unter  dem 
Namen  der  Schach-Sinda- Moschee  zusammengcfasst  werden.  Es  ist  eine  lang- 
gestreckte, etwa  2  km  von  Bibi-Chanim  gelegene  Gruppe  von  zum  Teil  mit 
Kuppeln  überwölbten  Kapellen,  Mausoleen  und  Moscheen.  Der  Name  Schach- 
Sinda  rührt  her  von  der  Moschee,  die  an  der  Ruhestätte  eines  grossen  Heiligen, 
des  Prinzen  Kassim-Ibn-Abbas,  errichtet  wurde,  der  unter  dem  Berge  in  einer 
Höhle  weiterleben  soll  und  daher  Schach-Sinda,  »der  lebende  König«,  ge- 
nannt wird. 

Die  ganze  Anlage  ist  sehr  originell  und  zieht  sich  in  einer  langen  Reihe 
von  aufeinander  folgenden  Gebäuden  am  Bergabhange  hinauf  zur  Höhe  von 
Afrosiab.  Im  Laufe  von  75  Jahren  errichtet,  dienen  diese  mit  herrlichsten, 
bunten  Majolikabelägen  geschmückten  zahlreichen  Räume,  die  zum  Teil  mit 
Kuppeln  versehen  sind,  dem  Prinzen  Kassim  und  seinen  nächsten  Angehörigen 
zur  letzten  Ruhestätte,  und  man  kann  Albrecht  nur  beistimmen,  wenn  er  sagt: 
>Es  überraschen  bei  diesen  märchenhaften  Porzellantempeln  einer  längst  ver- 
gangenen Zeit  nicht  allein  die  Feinheiten  der  kunstvollendeten  Einzelausführung, 
sondern  auch  die  grosse  Menge  der  Kunsterzeugnisse,  die  darauf  schliessen 
lassen,  dass  die  Kunsttöpferei  zur  Zeit  der  Timuriden  weit  verbreitet  gewesen 
und  zahlreiche,  gleichzeitig  lebende,  tüchtige  Meister  gehabt  haben  muss,  die 
Timur  mit  seiner  Macht  und  seinen  Schätzen  zur  Aufführung  seiner  herrlichen 
Bauten  nach  Samarkand  zu  ziehen  wusste.  Auch  die  Haltbarkeit  der  Kacheln 
ist  staunenswert,  da  alle  noch  an  den  Mauern  befindlichen  Majoliken  farbenfrisch 
und  glänzend,  sowie  frei  von  Rissen  sind,  als  wären  sie  gestern  angebracht, 
und  durchaus  nicht  den  Eindruck  machen,  schon  über  500  Jahre  den  zerstörenden 
Einflüssen  der  Atmosphäre  getrotzt  zu  haben.« 


—      27      — 

Zu  dieser  letztgenannten  Eigenschaft  trägt  allerdings  die  Trockenheit  des 
kontinentalen  Klimas  bei,  wenn  auch  die  Gegensätze  zwischen  sommerlicher  Hitze 
und  dem  aus  den  nördlichen  Steppen  kommenden  Winterwinde  recht  be- 
deutend sind. 

Hinter  den  obersten  Bauwerken  von  Schach-Sinda  und  weiterhin  über 
den  von  zahlreichen  Unebenheiten  gebildeten  Berg  dehnen  sich  weite  Gräber- 
felder aus,  deren  Monotonie  unterbrochen  wird  durch  ein  etwas  grösseres 
Bauwerk  zu  Ehren  eines  Heiligen.  Hier  schliesst  sich  das  grosse  Feld  der  Gräber 
und  Trümmer  von  Afrosiab  an,   eine    der   ältesten   menschlichen  Ansiedlungen. 

Schon  als  Hauptstadt  des  alten  Sogdiana  hatte  Samarkand  eine  lange 
Vergangenheit  hinter  sich,  und  die  Zeit  seiner  Gründung  wird  verschieden 
angegeben,  von  1500  bis  4000  Jahre  vor  Christi  Geburt  Alexander  der 
Grosse  eroberte  Samarkand  auf  seinem  Zuge  gegen  Baktrien  und  Sog- 
diana. In  ganz  Mittelasien  stand  nach  der  makedonischen  Zeit  unter  den 
Sassaniden  eine  Kulturperiode  in  hoher  Blüte,  von  der  sich  in  Turkestan  wie 
Afghanistan  noch  zahlreiche  Reste  finden.  Der  buddhistische  Glaube  drang  bis 
hierher  nach  Westen  vor  und  bestand  neben  der  griechischen  und  zoroastri- 
schen  Religion.  Auf  die  arabische  Herrschaft  und  Selbständigkeit  als  Haupt- 
stadt von  Transoxanien  folgte  die  Unterwerfung  durch  die  türkischen  Seid- 
schukken  im  XI.  Jahrhundert,  und  1221  wurde  die  blühende  Stadt  gleich  wie 
Buchara  von  Üschingis-chan  genommen  und  zerstört.  Erst  Timurlan,  der  es  zu 
seiner  Hauptstadt  machte,  verhalf  ihm  zu  neuer  Blüte  und  schmückte  es  in  der 
geschilderten  Weise  mit  hervorragenden  Bauwerken.  Zu  Beginn  des  XVI.  Jahr- 
hunderts kam  Samarkand  zu  Buchara,  das  unter  den  Scheibaniden  Hauptstadt 
wurde,  und  1868  an  Russland. 

Durch  Jahrhunderte,  wenn  nicht  durch  Jahrtausende,  war  das  Trümmerfeld 
von  Afrosiab  eine  bedeutende  Stätte  menschlicher  Geschichte;  allmählich  ver- 
schob sich  der  Schwerpunkt  weiter  nach  Westen  in  die  Stadt  Timurs,  die  sich 
auch  heute  noch  lebhaften  Verkehrs  erfreut,  wenn  auch  das  politische  und 
administrative  Element,  sowie  die  regierenden  Gewalten  wieder  weiter  nach 
Westen  in  das  heutige   russische  Samarkand  vorgerückt  sind. 

Diese  Teile  der  Stadt  sind  vornehm,  ruhig  wie  die  Wilhelmstrasse  in 
Berlin,  aber  in  Alt-Samarkand  wogt  der  Verkehr,  blüht  der  Kleinhandel  und 
das  Handwerk.  Besonders  an  zwei  Tagen  in  der  Woche,  an  welchen  grosser 
Markt  ist,  herrscht  lebhaftes  Treiben  auf  dem  Registan,  auf  der  grossen  Markt- 
strasse, die  von  ihm  nach  Bibi-Chanim  hinausführt,  und  in  deren  Seitenstrassen, 
sowie  auf  dem  weiten  Felde,  das  von  Bibi-Chanim  nach  Schach-Sinda  hinab- 
führt und  hauptsächlich  dem  Schaf-  und  Pferdehandel  dient. 

Viele  der  Marktbesucher  sind  beritten  und  machen  ihre  Einkäufe  ohne 
abzusitzen;  reihenweise  sieht  man  sie  so  hart  an  den  Buden  stehen,  und 
die  Fussgänger  sind  dann  meist  übel  daran,  weil  sie  in  die  Strasse  hinaus  aus- 
weichen   müssen,   die    durch    ihr    lebhaftes    Gewühl    von    Pferden    mit   Wagen, 


—      2S      — 

Keitem  und  Kameien  ebenso  unangenehm  M  uie  durch  den  bei  na-^-iem  Wetter 
fus*>tieren  zähen  Schmutz. 

Kine  Spiezialität  des  Samarkander  Kunstgewerbes,  die  indessen  auch  noch 
weiter  im  Osten  und  besonders  in  Kokan  zu  Hause  i>t.  besteht  in  der  Anfertigung 
von  Kupfer-  und  Messingkannen  für  Thee  von  schöner  Form  und  hautig  aus- 
gezeichnetem Omamentenschmuck.  Auch  alte  derartige  Kannen  werden  viel- 
fach zum  Verkaufe  angeb<.>ten  und  sind  zum  Teil  sehr  ucrtvoU,  besonders 
wenn  sie  mit  den  im  Orient  so  sehr  beliebten  Türkisen  reich  be- 
setzt sind. 

Im  übrigen  ist  der  Bazar  seinen  Produkten  und  Waren  nach  genau  so  viel- 
gestaltig wie  alle  andern  Verkaufshallen  in  den  grösseren  allen  Städten  des 
turkestanischen  und  bucharischen  Gebietes. 

Wenn  ich  nach  dem  Volksleben  auf  dem  Registan  und  auf  dem  Markte 
urteilen  soll,  scheint  die  einheimische  Bevölkerung  noch  wenig  von  den 
europäischen  Gebräuchen  der  Russen  angenommen  zu  haben.  Aber  <ie  hat 
sich  vollkommen  an  den  Anblick  der  Europäer  und  auch  ihrer  Frauen  gewöhnt, 
<«>  dass  man  nur  sehr  selten  noch  sieht,  dass  ein  Muselman  sein  Gesicht  weg- 
wendet, wenn  ein  Europäer  kommt,  eine  Ge^te  de^  Al>scheues  macht  oder  ihn 
gar  belästigt.  Das  strenge  Auftreten  der  russi^hen  Gouverneure  hat  Respekt 
eingeflösst,  und  jeder  Euro]>äer  bewegt  sich  frei  und  ungehindert  im  dichtesten 
Verkehre,  da  alles  auf  die  Seite  tritt  und  Wagen  wie  Reiter  anhalten,  wenn  ein 
Europäer  vorübergehen  will. 

Uebrigens  sind  die  wohlhabenderen  der  Bewohner  europaischen  Ver- 
gnügungen nicht  abhold.  In  einem  verhältnismässig  recht  guten  Cirkus. 
der  gerade  in  Samarkand  —  aber  in  der  neuen  Stadt  -  seine  Pferde 
und  Clowns  produzierte,  waren  mehrere  Logen  von  Sartcn  besetzt,  denen 
die  Handkiisschen  und  feurigen  Blicke  der  hübschen  Reiterinnen  ebenso  zu 
gefallen  schienen  wie  die  Produktionen,  die  von  ganz  kleinen  Madchen  am  Seile 
ausgeführt  wurden. 

Auch  in  andern,  ernsteren  Dinaren  sieben  die  Leute  den  russischen  Ein- 
r.j-^sen  nach  und  verlassen  Institutionen,  die  ihnen  Jahrhunderte  lang  für  heilig 
und  unverletzbar  galten.  Noch  gehen  die  meisten  Frauen  dicht  verschleiert,  und 
der  Muhamedaner  halt  mit  Eifer  an  allen  seinen  reiiiriösen  Einrichtimjjen  fest. 
Aber  er  beginnt  sich  an  den  Genuss  des  guten  Biere>  zu  gewöhnen,  das  nicht  nur 
in  Samarkand.  auch  in  Taschkent,  Marijelan  und  an  andern  Orten  von  Deutschen 
gebraut  wird,  und  dass  er  des  Guten  auch  zuviel  thun  kann,  sieht  man  gelegentlich 
an  den  Folgen.  Wenn  erst  das  weibliche  Element  mehr  für  europaische  Be- 
dürfnisse empfänglich  wird,  dann  werden  die  meisten  der  äusseren  Schranken 
fallen  und  die  Bevölkerung  wird  dem  Eindringen  europäischer  Kultur  weniger 
Widerstand  entgegensetzen,  da  sie  von  deren  Nutzen  und  Zweckmässigkeit 
schon  jetzt  überzeugt  und  nur  durch  altes  Herkommen  und  religiöse  Gesetze 
einstweilen  noch  behindert  ist. 


—      29      — 

Der  Kisenbahnzug  hatte  uns  glücklich  von  Samarkand  bis  an  den  reissenden 
Syr-darja  gebracht;  die  Weiterreise  nach  Taschkent  musste  von  da  ab  zu  Wagen 
bewerkstelligt  werden,  zuvor  aber  hiess  es  die  Frage  lösen:  wie  über  den  Fluss 
kommen.  Schon  die  Fahrt  auf  der  zur  Zeit  (Winter  1897)  noch  nicht  eröffneten 
Militärbahn  bringt  viele  Unsicherheiten  mit  sich.  Die  Züge  verkehren  nicht  regel- 
mässig; sie  dienen  in  erster  Linie  der  Zufuhr  von  Baumaterial  für  die  einzelnen 
Stationen  und  dem  Verkehre  der  Ingenieure  und  Bahnarbeiter;  anderes  Publikum 
wird  nur  mit  besonderer  Erlaubnis  der  Direktion  zugelassen,  und  dafür,  dass 
kein  Reisegeld  bezahlt  wird,  übernimmt  man  auch  das  Risiko,  mit  stunden*  oder 
tagelanger  Verspätung  anzukommen,  wenn  man  überhaupt  sein  Ziel  erreicht 
und  nicht  schon  vorher  irgendwo  zum  Verlassen  des  Zuges  genötigt  wird. 
Da  häufig  grössere  Mengen  von  Baumaterialien  ausgeladen  werden  müssen, 
können  recht  lange  Fahrtunterbrechungen  eintreten.  Unterkunft  oder  überhaupt 
nur  ein  Fuhrwerk  zu  erhalten,  ist  meist  unmöglich.  Unter  solchen  Umständen 
mag  die  Mitteilung,  der  Zug  bleibe  zwei  oder  drei  Tage  liegen,  oder  kehre  über- 
haupt zurück,  nicht  gerade  zu  den  Annehmlichkeiten  gehören.  Unsern  Zug 
geleitete  aber  ein  besonderer  Schutzgeist  mit  einigen  Stunden  Verspätung  glück- 
lich zum  Ziele,  und  sogar  besonderer  Komfort  war  durch  einen  Speisewagen 
mit  je  einem  Küchen-  und  Vorratswagen  geboten,  dessen  Leistungen  alle  An- 
erkennung verdienen. 

Nach  einer  andern  Seite  hin  war  es  für  sehr  viele  der  Mitfahrenden  be- 
deutend schlimmer  bestellt,  nämlich  in  Bezug  auf  das  Nachtlager.  Da  in  den 
meisten  Wagen  der  Verbindungsgang  durch  die  Mitte  geht,  sind  auf  beiden 
Seiten  die  Bänke  zu  kurz,  um  ein  Ausstrecken  des  Körpers  zu  gestatten,  so  dass 
man  mit  angezogenen  Knieen  liegen  muss;  dazu  waren  die  meisten  Wagen  fast 
überfüllt,  und  im  Innern  entwickelte  sich  im  Laufe;  der  Nacht  eine  schreckliche 
Atmosphäre.  Nur  wenige  Wagen  machten  eine  Ausnahme,  darunter  befand 
sich  der  unsrige;  dafür  war  er  aber  wegen  eines  Schadens  am  Ofen  und  eines 
Schadens,  den  sich  der  Wagenwärter  angetrunken  hatte,  schlecht  geheizt.  Wir 
teilten  ihn  mit  dem  Gefolge,  welches  der  in  besonderem  Wagen  fahrende  buclia- 
rische  Finanzminister,  der  als  Gesandter  zum  Generalgouverneur  von  Turkestan 
nach  Taschkent  reiste,  mit  sich  führte.  Dieser  war  wohl  der  Schutzgeist  unseres 
Zuges,  der  sein  Steckenbleiben  in  der  Wüste  und  Steppe  verhinderte. 

Am  Bahnhof  in  Samarkand  war  am  Nachmittage  des  30.  Dezember  leb- 
haftes Treiben;  der  Zug  nach  dem  Syr-darja  geht  nur  alle  acht  Tage  einmal 
und  da  hatten  sich  viele  Reiselustige  gefunden;  vor  Allem  aber  bestand  die 
bucharische  Gesandtschaft  aus  einer  grossen  Anzahl  von  Leuten,  die  enorme 
Ballen,  in  Teppiche  vernäht,  als  Gepäck  mit  sich  führten.  Bis  alles  in  Ordnung 
war,  hatte  der  Zug  schon  eine  Stunde  Verspätung.  Endlich  aber  fuhr  er  in 
melancholischem  Tempo  in  die  allmählich  heraufsteigende,  sich  über  das  weite, 
ebene  Land  legende  Dämmerung,  der  sehr  rasch  völlige  Dunkelheit  folgte. 
Das  Wetter  war  unfreundlich;  es  begann  langsam  zu  schneien. 


—     30     -- 

Am  Morgen  beim  Aufstehen  hatte  der  Zug  den  Gebirgsausläufer  nördlich 
von  Samarkand  den  Nuratanyn-tau  und  das  Thor  des  Tamerlan  schon  lange 
hinter  sich;  eine  unendliche  weisse  Decke  breitete  sich  über  die  ebene  Steppe, 
aus  der  sich  in  weiten  Abständen  die  Wärterhäuschen  für  die  Bahn  oder  in  der 
Entstehung  begriffene  Bahnhofsbauten  abhoben,  meist  in  der  Nachbarschaft 
einiger  aus  braunem  Lehm  gebauten,  mit  Schilf  und  Lehm  gedeckten  Hütten 
der  Eingeborenen.  Ein  düsteres  Bild,  diese  kalte  starre  Einöde,  über  die  sich 
mit  unablässigem  Schneefall  der  strenge  Winter  legte. 

Der  Zug  fuhr  langsam;  oft  hielt  er  an  und  dann  meist  sehr  lange,  viel 
zu  lange  für  die  Ungeduld  der  Reisenden,  welche  wussten,  dass,  wenn  der  Zug 
richtig  um  ii  Uhr  morgens  an  die  Brücke  kam  und  auf  dem  jenseitigen  Ufer 
die  Wege  nicht  gar  zu  schlecht  wären,  am  Abend,  wenn  auch  spät,  Taschkent 
noch  zu  erreichen  sein  würde.  Auch  wir,  die  wir  gegenüber  den  Russen  fühlende 
Herzen  besassen  —  hatten  wir  doch  den  letzten  Tag  des  Jahres  und  Sylvester- 
abend, während  alle  andern  das  russische  Datum  des  19.  Dezember  völlig  gleich- 
giltig  liess  —  nährten  den  schönen  Wahn,  mit  Deutschen  in  Taschkent,  die  uns 
freundlichst  als  ihre  Gäste  eingeladen  hatten,  einen  Sylvesterpunsch  trinken  zu 
können  und  in  traulichem  Gespräche  die  ernste  Stimmung  zu  meistern.  Das 
letztere  gelang  auch;  die  Rührung  ging  verloren  oder  kam  schon  gar  nicht  auf, 
aber  aus  ganz  andern  Gründen,  als  wir  uns  vorgestellt  hatten. 

Als  der  Zug  an  der  Station  tBrückec  ankam,  war  es  schon  4  Uhr  mittags, 
anstatt  11  Uhr  morgens,  und  die  Aussicht,  die  Nacht  im  Wagen  zubringen  zu 
müssen,  daher  ganz  sicher. 

Schon  von  einer  weiter  vom  Flusse  abliegenden  Station  aus  war  der  Zug 
nur  ganz  langsam  von  einer  Lokomotive  geschoben  worden,  bis  er  unweit  des 
Stromes  auf  einem  hohen  Damme  stehen  blieb.  Weithin  dehnte  sich  flaches, 
schneebedecktes  Land,  die  Lage  des  Flusses  war  durch  Bäume  und  Gehölz 
bezeichnet.  Direkt  unter  dem  Damme  waren  einige  kleine  Kibitken  der  Ein- 
geborenen, runde,  aus  Lehm  gebaute,  mit  Schilf  und  Lehm  gedeckte  niedere 
Hütten,  und  unmittelbar  vor  dem  Zuge  ein  dichtes  Gewühl  von  Kutschern 
mit  hochräderigen  Lastwagen,  kleinen  ungedeckten  Tarantassen  und  sartische 
Lasten  träger.  Auch  zwei  Polizisten  hatten  den  Zug  erwartet,  oflfenbar,  um 
Unordnung  bei  der  Landung  des  Bucharen  zu  verhindern. 

Zunächst  mussten  die  meisten  Insassen  des  Zuges  den  hohen  Damm 
mit  ihrem  Gepäck  hinunterbalancieren  und  durch  den  Schnee  waten,  da  eine 
hölzerne,  bewegliche  Treppe  nur  für  die  letzten  Wagen,  unter  denen  sich  auch 
der  des  Gesandten  befand,  aufgestellt  war.  Die  vorhandenen  Wagen  waren  im 
Augenblick  genommen;  die  sämtlichen  Postpferde  waren  für  die  Gesandtschaft 
und  ihren  Tross  bestellt.  Wir  aber  wurden  glücklicherweise  von  einem  Herrn 
aus  Taschkent  mit  Wagen  und  Pferden  erwartet. 

Es  entwickelte  sich  nun  ein  ungemein  lebhaftes  Bild.  Das  Ausladen  und 
Aufladen    der    Gepäckstücke,    das    Hin-   und   Herrennen    des    grossen    Trosses 


—     31     — 

des  Bucharen  und  der  Transport  seiner  enormen  Menge  von  Gepäck  machten, 
verbunden  mit  dem  Geschrei,  ohne  das  es  hier  nun  einmal  nicht  abgeht,  einen 
sinnbetäubenden  Eindruck,  um  so  mehr,  als  wir  uns  selbst  an  dem  Gejage 
beteiligen  mussten.  Der  Buchare  sah  inzwischen  mit  orientalischer  Ruhe  und 
Gleichgiltigkeit  aus  seinem  Wagen  zu  und  wartete,  bis  sein  Gefährt  bereit  war. 

Unterdessen  waren  schon  eine  Anzahl  von  Wagen  abgefahren,  andere 
schickten  sich  dazu  an,  um  ja  die  Fähre  früh  zu  erreichen  und  vor  den  andern 
einen  Vorsprung  zu  gewinnen.  Auch  wir  fuhren  nach  der  etwa  eine  Viertel- 
stunde von  der  Haltestelle  des  Zuges  entfernten  Ueberfahrt,  die  in  der  Regel 
auf  einer  grossen  Fähre  bewerkstelligt  wird. 

Der  Syr-darja  ist  hier  ziemlich  breit  und  reissend,  besonders  am  linken 
Ufer;  er  führte  eine  Menge  grosser  Treibeisschollen,  so  dass  sich  Zweifel 
erhoben,  ob  die  Ueberfahrt  mit  Wagen  und  Pferden  überhaupt  möglich 
sein  würde.  Das  Land  zu  beiden  Seiten  ist  eine  mit  wenig  Sträuchern 
bewachsene  Steppe,  in  der  einige  den  Fährleuten  gehörige,  armselige  Hütten 
stehen,  und  darüber  wölbte  sich  ein  blauer  Himmel,  an  welchem  schon  die 
roten  und  violetten  Töne  der  Abenddämmerung  sich  zu  zeigen  begannen,  als 
wir  die  Fähre  erreichten. 

Hier  erwartete  uns  die  erste  Ueberraschung,  deren  noch  eine  ganze  Reihe 
im  Laufe  des  Abends  folgen  sollte. 

Die  grosse  Fähre  stand  etwas  unterhalb  der  Landungsstelle  am  Ufer  fest 
vertaut,  da  sie  wegen  des  starken  Eisganges  vor  wenigen  Stunden  ausser 
Betrieb  gestellt  worden  war.  Mittags  waren  Reisende  noch  auf  ihr  übergesetzt 
worden.  Der  Verkehr  wurde  nun  durch  ein  kleineres,  freies,  nicht  wie  die 
grosse  Fähre  weit  oberhalb  im  Strome  verankertes  Boot  aufrecht  erhalten, 
welches  für  jede  Fahrt  nur  wenige  Reisende  mit  Wagen  und  Pferden  auf- 
nehmen konnte.  Dieses  Boot  war  bereits  auf  der  andern  Seite  mit  Ausladen 
beschäftigt,  wie  aus  dem  von  dort  herüberdringenden  Geschrei  mit  Sicherheit 
geschlossen  werden  konnte.  Es  hiess  also,  sich  mit  Geduld  wappnen,  und 
es  war  nur  ein  Trost,  dass  es  allen  andern,  die  schon  früher  vom  Zuge 
weggefahren  waren,  genau  ebenso  ging. 

Hier  am  Ufer  des  gurgelnden,  seine  Eisschollen  dahinführenden  Stromes, 
inmitten  trostloser  Umgebung,  standen  sie  alle  da,  die  Lastwagen  mit  ihren 
mannshohen,  ungefügen  Rädern  und  hoher  Bepackung,  die  Reisetarantasse, 
dieses  jedem  Russen  wohlbekannte  Folterwerkzeug,  in  dem  man  Tage  und 
Nächte  lang  über  die  unfahrbarsten  Wege  weggeschleppt  wird,  ohne  dass 
starke  Federn  die  Stösse  milderten  oder  ein  weicher  Sitz  einige  Erleichterung 
brächte;  die  kleinen  Reisewagen  endlich  mit  Federn  und  einem  Schutzdach 
gegen  Wind  und  Regen,  das  auch  oft  den  Tarantassen  fehlt. 

Viele  Reisende  waren  ausgestiegen  und  gingen  am  Flusse  auf  und  ab, 
andere  wollten  ihr  warmes  Plätzchen  auf  dem  Wagen  nicht  verlassen,  wohl  in 
der  Hoffnung,   dass  der  Aufenthalt  nicht  lange  dauern   würde,  einige  erfahrene 


—     32     — 

Kenner  derartiger  Verhältnisse  aber  warfen  ernste  Blicke  auf  die  armseligen 
Hütten  der  Umgebung,  als  suchten  sie  aus,  welche  wohl  zu  einem  unfreiwilligen 
Nachtlager  am  geeignetsten  sein  dürfte,  und  sahen  nach  dem  allmählich  in 
hcrrhcher  Abendfärbung  erp;l übenden  Himmel,  ob  er  wohl  einen  Aufenthalt  im 
Freien  gestatte,  der  immerhin  den  besagten  Hütten  vorzuziehen  gewesen  wäre, 
wo  Menschen  und  Tiere  in  Eintracht  und  fürchterlicher  Atmosphäre  zusammen- 
hausen,  und  wo  jeder,  der  sie  nur  wenige  Minuten  betreten,  Andenken  mitnimmt, 
die  zwar  keine  Freude  bereiten,  aber  sich  noch  sehr  oft  in  Erinnerung  bringen. 

Das  Vernünftigste,  was  man  einstweilen  thun  konnte,  war  abwarten.  Vor 
den  Hütten  aber,  unter  dem  Schutze  des  vorspringenden  Schilfdaches,  wurde 
ein  Samowar  aufgestellt,  aus  den  Wagen  holte  man  das  bei  jeder  Ueber-I^nd- 
Reise  in  Russland  unentbehrliche  Theegeschirr  und  einen  Wodka  oder  Cognak, 
und  mit  flilfe  dieser  Utensilien,  besonders  bei  nachdrücklichem  Gebrauche  der 
letztgenannten,  gewann  die  Situation  bald  ein  erträglicheres  Aussehen.  Die 
verschiedenen  Teile  der  Reisegesellschaft,  die  sich  bislang  gar  nicht  um 
einander  gekümmert  hatten,  kamen  ins  Gespräch,  man  tauschte  seine  Vor- 
räte aus,  und  nach  einiger  Zeit  herrschte  über  die  unfreiwillige  Situation  solche 
Heiterkeit,  dass  sie  sogar  durch  einen  photographischen  Momentapparat  fest- 
gehalten werden  sollte. 

Nun  aber  verbreitete  sich  ein  wenig  erfreuliches  Gerücht.  Wenn  endlich 
das  Boot  zurückgekommen  und  auf  diesem  Ufer  ausgeladen  wäre,  sollte  zuerst 
die  Gesandtschaft  mit  all  ihrem  Tross  eingeschifft  werden,  und  dessen  war 
so  viel,  dass  unmöglich  Alles  auf  dem  einen  Schiff  untergebracht  werden  konnte. 
Es  musste  also  die  Fähre  zweimal  den  Weg  hinüber  und  herüber  machen, 
che  andere  die  Aussicht  hatten,  an  die  Reihe  zu  kommen,  und  da  sich  unter 
diesen  andern  einige  höhere  russische  Beamte  und  Offiziere  befanden,  gestaltete 
sich   die   Lage   für  uns  minder  Hochgestellte  wenig  hoffnungsvoll. 

Etwa  lO  Minuten  weiter  oberhalb  stand  am  Flusse  eine  ärmliche  Hütte; 
mit  der  Hand  konnte  man  das  Dach  erreichen,  doch  war  sie  aus  Ziegelsteinen 
gebaut  und  barg  einen  Wärme  spendenden  Herd  und  längs  der  Wände  auf- 
gestellte Bettstellen  mit  Decken,  die  dem  Besitzer,  einem  Fährmanne,  zum 
Lager  dienten.  Hier  konnten  wir  uns  wärmen;  unsere  ICrwartungen  waren 
übertroffen,  als  sich  sogar  ein  Samowar  vorfand. 

Die  Hütte  füllte  sich  allgemach  und  es  herrschte  eine  gute  Stimmung,  die 
auch  nicht  wich,  als  eine  vorgefundene,  umgekehrt  stehende  Tasse  sich  beim 
Umdrehen  als  mit  Flöhen  besetzt  erwies,  und  diese  Tierchen  sich  auch  sonst 
bemerklich  machten. 

Es  war  lO  Uhr  geworden,  als  einzelne  Kundschafter  meldeten,  dass  das 
Schiff  mit  dem  Gesandten  endlich  vom  Ufer  abstosse.  Mit  einigen  Rudern 
wurde  es  bewegt  und  landete  schliesslich  ziemlich  weit  unterhalb  der  Abfahrts- 
.stelle  am  jenseitigen  Ufer,  wo  es  dann  eine  Anzahl  von  Leuten  eine  grosse  Strecke 
weit  langsam  am  Ufer  hinaufzogen  bis  zur  Landungsstclle,  die  drüben  viel  weiter 


-     33     — 

flussaufwärts  lag.  Unterdessen  wurde  auf  ein  zweites  solches  Boot  die  Bagage 
und  der  Tross  des  Bucharen,  sowie  die  Wagen  der  russischen  Beamten  ver- 
laden; da  gab  es  denn  viel  zu  sehen,  obwohl  die  Beleuchtung  nur  sehr  mangel- 
haft war. 

Das  Ufer  fiel  nicht  hoch,  aber  ziemlich  steil  ab;  drei  schmale  Bretter  wurden 
neben  einander  vom  Ufer  nach  dem  Decke  des  Schiffes  gelegt  und  dienten 
zum  Uebergang  für  Menschen,  Tiere  und  Wagen.  Wenn  nun  die  schweren 
Reisewagen  am  steilen  Abhänge  herab  auf  die  nach  dem  Radabstand  auseinander 
gerückten  Bretter  geschoben  wurden  und  diese,  da  sie  nicht  befestig^  waren, 
auseinander  rutschten,  oder  wenn  gar  das  Schiff,  während  ein  Tarantass  mit  den 
Hinterrädern  noch  auf  den  Brettern  stand,  nach  dem  Flusse  hin  auswich,  und 
wenn  dann  ein  Brett  nach  dem  andern  mit  dem  freien  Ende  ins  Wasser  glitt 
und  der  Wagen  mit  allem  Gepäck  nachfolgen  wollte,  da  gab  es  spannende 
Momente,  in  welchen  sich  aber  die  Unerschrockenheit  der  Fährleute  zeigte, 
welche  immer  noch,  oft  im  letzten  Momente  die  Katastrophe  abzuwenden 
wussten,  ungeachtet  dessen,  dass  sie  selbst  dabei  Gefahr  liefen,  ins  Wasser 
zu  fallen. 

An  der  Abfahrtsstelle  war  unterdessen  die  Menge  sehr  zusammenge- 
schrumpft; die  leeren  Karren,  welche  das  grosse  Gepäck  gebracht  hatten,  waren 
verschwunden,  und  diejenigen  Reisenden,  welche  keine  Aussicht  mehr  hatten, 
heute  über  den  Fluss  zu  kommen,  waren  weggefahren,  um  sich  irgendwo  ein 
noch  so  primitives  Nachtlager  zu  suchen,  wozu  die  Haltestelle  des  Zuges  und 
dieser  selbst  die  meiste  Aussicht  boten.  Es  sollte  nämlich  nur  eines  der  beiden 
eben  abgegangenen  Schiffe  noch  einmal  zurückkommen,  und  der  die  Ordnung 
aufrecht  erhaltende  Polizeibeamte  hatte  bestimmt,  wer  bei  dieser  letzten  Fahrt 
noch  mitgenommen  werden  sollte.  Glücklicherweise  waren  wir  dabei.  Einige 
Frauen  weinten,  weil  sie  zurückbleiben  mussten  und  nicht  wussten,  was  sie  mit 
ihrem  Gepäck  anfangen  sollten.  Später  waren  sie  verschwunden,  vielleicht  haben 
sie  noch  einen  gefalligen  Lastfuhrmann  gefunden. 

Es  wurde  still  an  dem  eben  noch  so  belebten  Platze,  die  Pferde,  des 
Wartens  gewöhnt,  standen  unbeweglich,  die  Fuhrleute  schliefen,  und  unsere 
kleine  Gesellschaft  pilgerte  wieder  flussaufwärts  zur  Hütte. 

Die  Eisschollen  im  Fluss,  deren  Menge  wuchs,  schienen  zu  dampfen,  so 
stark  war  die  Nebelbildung  auf  dem  Wasser,  und  die  bisher  klare  Atmosphäre 
wurde  so  undurchsichtig,  dass  man  kaum  mehr  die  Lichter  am  jenseitigen  Ufer 
unterscheiden  konnte.  Fast  schien  es,  als  sollte  in  der  Nacht  noch  Schnee  vom 
Himmel  herunterkommen.  Man  sah  es  den  skeptischen  Gesichtern  an,  dass  nicht 
alle  in  unserer  Umgebung  davon  überzeugt  waren,  dass  überhaupt  eines  der 
Schiffe  noch  einmal  zurückkommen  würde,  nachdem  es  so  spät  geworden  war. 
Rufen  von  einem  Ufer  zum  andern;  unverständliche  Antworten  in  sartischer 
Sprache  und  wir  sind  so  klug  wie  zuvor.  Der  reisegewohnte  Russe  und  auch 
der  die  Zweckmässigkeit  des  Verfahrens  alsbald  einsehende  Westeuropäer  verfährt 

Futterer,  Durch  Asien.  3 


—     34     — 

:n  v>Ichcr  La^c  nach  dem  Grundsätze:   >Abwarten  und  Theetrinkcn*.  den  auch 
die  Mcriiziner  kennen  and  anwenden,   wenn  sie  vor  einem   >ignoramusc  stehen. 

Wir  tranken  wieder  längere  Zeit  Thee.  Ab  und  zu  wurden  wir  von  draussen 
unterrichtet,  da^ss  das  erste  Schiff  drüben  ausgeladen  werde,  dass  es.  wie  aus  dem 
fortge-^tzten  Schreien,  Rufen  und  Schimpfen  zu  schlie-sen  sei.  neu  beladen  werde, 
cnd  endlich,  dass  es  abgegangen  sei.  Damit  war  eine  Hauptsorge  von  uns 
genommen;  wir  machten  uns  aber  noch  nicht  fertig,  sondern  wollten  das  Aus- 
lade^e^haft  noch  im  Warmen  abwarten. 

Und  das  war  gut.  Denn,  war  das  Schiff  zu  schwer  beladen  worden  oder 
hatten  die  herrschende  Dunkelheit  oder  der  Eisgang  Schuld:  genug,  es  war  hart 
an  der  Landungsstelle  vorbei  weit  flussabwärts  getrieben  und  sass  nun  dort  auf 
einer  Sandbank  ziemlich  weit  vom  Ufer  fest.  Die  Kräfte  der  Fährleute  reichten 
nicht  aus,  es  wieder  abzubringen,  und  der  Fährenbesitzer  wollte  sich  nicht  dazu 
verstehen,  Pferde  herbei  zu  schaffen. 

Man  behauptete,  es  seien  das  Personal  und  die  Requisiten  einer  von  Tasch- 
kent nach  Samarkand  zurückkehrenden  Theatergesellschaft  darauf.  Das  nützte 
un^  nun  nichts,  wohl  aber  eine  andere  Behauptung,  obgleich  sie  sich  später  als 
unrichtig  erwies.  Als  einer  der  ebenfalls  auf  die  Ueberfahrt  wartenden  Beamten 
h^>rte,  dass  der  technische  Direktor  und  Leiter  des  Bahnbaues  Samarkand-Taschkent 
sich  auf  diesem  Unglucksschiffe  befinde  und  auf  Hinüberrufen  nach  dem  andern 
Ufer  eine  Bestätigung  dieser  Nachricht  erfolgt  war,  hatte  er  nichts  eiligeres  zu 
thun,  al-j  von  der  Bahn  Pferde  zu  requirieren,  um  seinen  hohen  Chef  aus  dem 
Wa->er  ziehen  zu  la.ssen. 

Bald  war  das  Schiff  flott  gemacht  und  zur  Landungsstelle  heraufgezogen. 
Den  Ausgeschifften  aber  boten  sich  neue  Schwierigkeiten.  An  der  Landung^- 
stelle  befanden  sich  nur  solche  Personen,  die  nach  dem  andern  Ufer  wollten, 
kein  Kutscher,  kein  Lastträger  war  mehr  zu  finden.  Es  erhob  sich  nun  alsbald 
ein  Rufen  und  Fragen  und  Fluchen,  Jammern  und  Weinen,  als  die  traurige 
I^age  den  Aermsten  klar  wurde.  Die  Theatergesellschaft  hatte  eigene  Wagen, 
die  sie  mit  herüber  brachte;  in  einem  derselben  lag  ein  riesenhafter  Mime 
oder  gar  der  Herr  Theaterdirektor  selbst  in  einen  noch  riesenhafteren  Pelz- 
mantel gehüllt  und  machte  sich  schon  von  weitem  durch  sein  mit  Stentorstimme 
hervorgestosscnes  Schimpfen  bemerkbar.  Kaum  angekommen,  hatte  er  mit 
dem  Polizeiunteroffizier,  als  der  geeignetsten  Persönlichkeit,  einen  Streit  an- 
gefangen^ der  von  seiner  Seite  in  der  oben  geschilderten  Tonart  geführt  wurde 
und  ihm  alsbald  von  der  andern  Seite  die  deutliche  Bezeichnung  Pianiza,  d.  h. 
Säufer  eintrug. 

Frierende  Theaterprinzesschen,  bis  an  die  Naschen  eingehüllt,  standen  am 
Ufer  und  warteten  auf  ihren  Wagen,  der  nicht  heraufgebracht  werden  konnte, 
so  lange  der  Tarantass  mit  dem  schimpfenden  Theaterdirektor  im  Wege  stand. 
Wieder  anderes  Gepäck,  für  das  keine  Wagen  da  waren,  wurde  einfach  auf  den 
Schnee  und  den  Besitzern  zur  Verfügung  gestellt,  denen  es  gänzlich  überlassen 


-     35     — 

blieb,  ob  sie  sich  darauf  setzen  und  so  den  Morgen  und  eine  dienstbereite 
Person  abwarten  wollten,  oder  ob  sie  es  vorzögen,  für  sich  selbst  zu  sorgen 
und  das  Gepäck  im  Stich  zu  lassen,  mit  dem  Vertrauen  zum  Himmel,  dass  er  es 
sie  morgen  an  derselben  Stelle  wiederfinden  lassen  würde. 

Als  endlich  die  Beladung  des  Schiffes  mit  der  letzten  Fracht  begann,  fiel 
gleich  der  erste  Tarantass  mit  seinen  Hinterrädern  in  die  Lücken  zwischen 
den  einzelnen  Brettern  und  damit  beinahe  ins  Wasser,  auch  einem  Pferde 
ging  es  ähnlich.  Auf  das  immerhin  kleine  Schiff  wurden  gestellt:  vier  grössere 
und  kleinere  Reisewagen,  20  Pferde,  eine  Anzahl  kleinerer  Karren,  viel  kleines 
Gepäck  und  endlich  die  dazu  gehörigen  Personen,  die  in  ihren  Wagen  Platz 
nehmen  mussten,  weil  sonst  kein  Raum  war. 

Am  Ufer  hatte  sich  die  lärmende  Gesellschaft  verlaufen,  nur  einige  Fähr- 
leute zogen  unser  Boot  langsam  flussaufwärts,  bis  es  alsbald  mit  seinem  Buge  in 
den  Strom  sich  hinaus  wandte  und  wir  uns  zwischen  den  treibenden  Eisschollen 
auf  dem  weiten  Strome  befanden. 

Das  Ufer  verschwand  rasch.  Ueberall  auf  dem  Wasser  lag  dichter  Nebel, 
krachend  schlugen  die  starken  Ruderstangen  auf  die  mächtigen  Eisschollen, 
scheinbar  ohne  einen  merkbaren  Einfluss  auf  die  Bewegung  des  Schiffes.  Wir 
trieben  schnell  abwärts,  sahen  aber  bald  das  rechte  Ufer,  auf  das  einige  Boots- 
leute hinaussprangen,  um  das  Schiff  heranzuziehen. 

Das  Ufer  war  flach,  dicht  beschneit  und  stellenweise  mit  Eis  bedeckt;  kein 
Weg,  kein  Steg,  keine  Hütte,  erst  eine  halbe  Stunde  Weges  weiter  oberhalb 
war  die  eigentliche  Landestelle  und  wohl  auch  Unterkunft.  Die  wenigen  Leute 
konnten  unmöglich  das  schwere  Boot  stromaufwärts  schleppen,  und  so  ent- 
schlossen sich  denn  einige,  an  Land  zu  gehen,  um  von  der  Landungsstelle  Hilfe 
und,  wenn  möglich,  Pferde  zu  holen. 

Der  Uebergang  an  Land  geschah  auf  zwei  langen  neben  einander  gelegten 
Rudern,  auf  denen  man  sehr  vorsichtig  hinüberturnen  musste,  um  nicht  in  das  eisige 
Wasser  zu  fallen.  Infolge  dieser  schwierigen  Passage  blieben  denn  auch  die  meisten 
der  Reisenden  an  Bord  und  ich  sah  mich  allein  draussen  mit  unser m  Gastfreunde 
aus  Taschkent.  Wir  wanderten  schweigend  an  dem  beschneiten  Ufer  entlang;  vor 
uns  gingen  zwei  Sarten  als  Führer,  ringsum  stille  Nacht,  nur  auf  dem  Flusse  schoben 
sich  Eisschollen  geräuschvoll  über  einander,  oder  zerbarsten  mit  dumpfem  Tone. 

Als  wir  endlich  die  Landestelle  erreicht  hatten,  die  durch  einige  verankerte 
Schiffe  und  eine  nicht  mehr  brennende  Laterne  kenntlich  war,  schien  auch  hier 
alles  Leben  wie  ausgestorben.  Kein  Mensch,  kein  Pferd  war  zu  sehen.  Dunkle 
Stellen  in  einiger  Entfernung  erwiesen  sich  als  Hütten  und  sogar  als  ein  voll- 
ständiges Dorf.  Aber  kaum  ein  Licht  brannte,  denn  Mitternacht  war  längst 
vorbei,  freilich,  ohne  dass  wir  Gelegenheit  gefunden  hatten,  den  Beginn  des 
neuen  Jahres  irgendwie  festlich  zu  begrüssen. 

Einige  misstrauische  Hunde  umkreisten  uns,  während  wir  zwischen  den 
Hütten  herumsuchten  und  eindrangen,  wo  wir  noch  Licht  sahen.    Es  waren  alles 

3« 


-     36     - 

Sartenwohnungen,  und  die  Bewohner,  wenn  sie  einmal  schlafen,  sind  nicht  ge- 
neigt,  selbst  gegen  hohes  Entgelt  noch  etwas  zu  unternehmen.  Es  war  nicht 
schwer  in  die  Hütten  hineinzukommen,  die  aus  Schilfrohr  geflochtene  Thür 
öffnete  sich  leicht,  und  in  dem  niedrigen  Räume,  den  das  gleichfalls  aus  Schilf 
mit  Lehmüberdeckung  hergestellte  Dach  überspannte,  lagen  eng  an  einander 
gedrängt,  in  ihre  Chalate  eingewickelt,  die  Bewohner  am  Boden  und  schliefen. 
Sie  zeigten  keinen  Missmut  über  die  Störung,  wollten  aber  auf  nichts  eingehen, 
erklärten,  keine  verfügbaren  Pferde  zu  haben,  und  als  wir  endlich  nach  längerem 
Herumsuchen  wirklich  Pferde  und  ihre  Besitzer  aufgetrieben  hatten,  weigerten 
sich  diese,  die  Tiere  herzugeben,  weil  sie  vor  kurzem  erst  müde  von  der  Post- 
station zurückgekommen  seien. 

Verstimmt  kehrten  wir  wieder  an  das  Flussufer  zurück.  Hier  wurde 
uns  aber  die  Freude,  dass  wir  vom  Schiffe  Kufe  hörten,  die  sich  immer 
mehr  näherten,  und  binnen  kurzem  sahen  wir  einen  wackeren  Gaul,  unter- 
stützt von  einigen  Leuten,  das  P'ährschiflf  heraufziehen.  Die  Ausladung  war 
sehr  rasch  erledigt.  Es  eilte  aber  auch  jeder;  die  Fährleute  wollten  schlafen, 
sie  hatten  sehr  angestrengt  gearbeitet;  die  vom  Warten  ermüdeten,  durch- 
frorenen, zum  Teil  hungrigen  Reisenden  wollten  möglichst  rasch  die  noch 
einige  Werst  entfernte  Poststation  erreichen,  und  so  sah  man  denn  ohne 
viel  Abschiedszeremonien  einen  Wagen  nach  dem  andern  von  dem  ungast- 
lichen Strome  wegeilen. 

Auch  wir  jagten  dahin  durch  die  helle  Nacht  und  die  schneeglänzenden 
Gefilde;  stundenweit  war  noch  unser  Ziel  entfernt,  und  vor  5  Uhr  morgens- 
mochten wir  es  kaum  erreichen.  Im  Tarantass  sassen  wir  auf  unsern 
ReisekofTern ,  die  durch  einige  darüber  gelegte  Decken  zu  wenig  weichen 
Sitzen  umgewandelt  waren.  Unser  Diener  fuhr  mit  den  Hunden  ebenso 
zwischen  den  durcheinander  kollernden  Gepäckstücken.  Der  Weg  war  holperig 
und  sehr  schlecht;  nichtsdestoweniger  ging  es  in  rasendem  Tempo  vor- 
wärts; schon  in  ganz  geringer  Entfernung  vom  Flusse  hörten  die  Nebel 
auf,  und  die  überschneiten  Bäume  und  Sträucher,  welche  in  parkartiger 
Gruppierung  den  Weg  begleiteten,  boten  in  dem  milden  Sternenglanze 
einen  phantastischen  Anblick.  Es  war  eine  herrliche  Nacht,  und  der 
Wunsch,  sie  ganz  zu  geniessen,  wurde  nur  beeinträchtigt  durch  die  immer 
mehr  überhandnehmende  Müdigkeit  und  die  unbarmherzigen  Stösse  des 
Wagens. 

Halb  im  Schlafe  fuhren  wir  so  durch  die  hohen  überdeckten  Strassen  von 
Alt-Tschinas,  durch  weite  öde  Gegenden  oder  durch  fruchtbare  Strecken,  in  welchen 
schon  der  Rauhreif  der  kalten  Nacht  Bäume  und  Sträucher  mit  silberglänzendem 
Schmucke  überzog.  Wir  sahen  alle  diese  Herrlichkeit  nur  in  blitzartigen  Bildern 
aufleuchten,  wenn  ein  kräftiger  Stoss  des  Wagens  uns  zwang,  die  Augen  zu 
öffnen.  Aber  der  Anblick  dieser  Mondscheinlandschaft  verwob  sich  doch  in 
unsere  Träume, 


—     37     — 

Endlich,  um  5  Uhr  morgens,  wurde  eine  Poststation  erreicht  und  zu  einiger 
Stärkung  benutzt;  aber  bald  ging  es  wieder  weiter  auf  leidlich  gutem  Wege, 
bis  abends  5^/a  Uhr  Taschkent  und  damit  das  Ziel  und  der  Ruhepunkt  für 
einige  Tage  erreicht  war.  Hier  brachte  uns  gastfreundliche  Aufnahme  im  Hause 
des  Herrn  Dürrschmidt,  bei  seinem  dortigen  Stellvertreter  und  Geschäftsführer 
Herrn  Schubert,  noch  nachträglich  die  Feier  des  Beginns  des  neuen  Jahres,  das 
voller  Fragen  und  Rätsel  vor  uns  lag. 


KAPITEL  11. 

Von  Russland  nach  China. 

Im  Winter  Aber  den  Terek-Dawan-Pass  Im  Alalgeblrce. 

»Im  Winter  wollen  Sie  über  den  Thien-schan ?!  Das  ist  ja  ganz  unmöglich, 
die  Pässe  sind  zu  hoch,  die  Kalte  wird  zu  gross;  Sie  werden  mit  Ihrer  ganzen 
Begleitung  erfrierenU  — 

»Der  Terek-Dawan-Pass  ist  12700  niss.  Fuss  =  387  t  m  hoch,  und  wenn 
auch  im  Winter  üher  ihn  eine  mehr  oder  weniger  unregclmässige  Verbindung 
besteht,  so  ist  diese  nur  gelegentlich  und  nur  fiir  einzelne  Kosaken  oder  Kirgisen 
benutzbar,  welche  an  die  Strapazen  der  weiten  Ritte  in  grosser  Kälte  oder  gar  im 
Schneesturm  gewöhnt  sind,  für  eine  grössere  Anzahl  von  Menschen  mit  Gepäcks- 
karawane aber  durchaus  nicht  anzuraten, <    — 

»Es  sind  furchtbare  Abgründe  da  oben,  Lawinen  werden  Sie  in  die  Tiefe 
stürzen,  ungeheure  Schneefälle  versperren  jeden  Weg,  und  Glatteis  bringt  die 
Pferde  zum  Sturze  von  den  Fekenwcgen.«  — 

Derartig,  und  zum  Teil  noch  schlimmer,  lauteten  die  Bescheide,  welche 
wir  erhielten,  als  wir  noch  in  weiter  Feme  von  dem  Gebirge,  welchem  alle 
diese  liebenswürdigen  Eigenschaften  zugeschrieben  wurden,  uns  erkundigten,  ob 
es  wohl  möglich  sei,   mit   grösserem  Gepäck,   wie  es  zu  einer  Expedition  nach 


—     39    — 

dem  unwirtlichen  centralen  Asien  und  dem  den  Europäern  feindlichen  Tibet 
unentbehrlich  ist,  im  Januar  von  Fergana  nach  Kaschgar  zu  gelangen.  Die 
russischen  Transportgesellschaften  lehnten  es  ebenfalls  sämtlich  ab,  unser 
Expeditionsgut,  das  aus  40  schweren  Kisten  bestand,  im  Winter  unter  Ver- 
sicherung der  Lieferungszeit  nach  Kaschgar  zu  befördern. 

Wir  wussten  nur,  dass  schon  andere  Forscher,  wie  z.  B.  LitÜedale,  zur 
kältesten  Jahreszeit  glücklich  über  den  gefiirchteten  Terek-Dawan-Pass  nach 
China  gelangt  waren,  und  so  musste  das  schliesslich  mit  einigem  Glück  auch 
uns  gelingen,  wenn  schon  wir  eines  etwas  grösseren  Transportes  bedurften. 
Schlimmsten  Falles  blieb  immer  noch  der  Ausweg,  einen  ganz  andern  Weg 
einzuschlagen,  und  von  Taschkent  über  Tolmak,  den  Issyk-kul-See  und  über  die 
Thien-schan-Pässe  im  Süden  desselben  Naryn  und  Kaschgar  zu  erreichen:  ein 
bedeutender  Umweg,  der  aber  bis  Tolmak  gute  Poststrassen,  im  Hochgebirge 
selbst  weniger  schwierige  Pässe  bieten  sollte. 

Die  Absicht,  gerade  in  der  Mitte  des  Winters  den  Thien-schan  zu  durch- 
queren, war  nicht  alpiner  Sportlust  oder  jugendlichem  Wagemute  entsprungen, 
sondern  sie  hatte  ihren  triftigen  Grund  darin,  dass  unsere  Zeit  für  die  Aus- 
führung der  ganzen  Reiseroute  durch  Nordost-Tibet  nach  China  sehr  beschränkt 
war,  und  femer,  dass  wir  die  Wüste  Gobi  zwischen  Hami  und  Su-tschoü*)  un- 
bedingt vor  Eintritt  der  heissen  Jahreszeit,  während  welcher  die  Wasserarmut 
dort  ausserordentlich  ist,  passieren  mussten.  Um  das  zu  können,  durfte  man 
Kaschgar  nicht  nach  Ende  Februar  verlassen,  und  in  dieser  Stadt  selbst  war 
ein  längerer  Aufenthalt  geboten,  um  die  Zusammenstellung  der  Karawane  und 
die  letzten  Vorbereitungen  ausfuhren  zu  können.  Es  war  also,  wenn  Zeitverlust 
vermieden  werden  sollte,  unumgänglich  nötig,  im  Januar  das  Grenzgebirge 
zwischen  China  und  Russisch-Central-Asien  zu  überschreiten  und  schon  im  No- 
vember von  Süddeutschland  aufzubrechen. 

Auch  konnten  die  Eulenrufe,  die  wir  unterwegs  zu  hören  bekamen,  unsern 
Entschluss,  es  jedenfalls  auf  dem  einen  oder  andern  Wege  zu  versuchen,  nicht 
wankend  machen.  Der  erste,  der  uns  wieder  begründete  Hoffnungen  machte, 
dass  der  Uebergang  über  den  Terek-Dawan  keine  unüberwindlichen  Schwierig- 


*)  Für  die  Umschreibung  der  Namen  sind  nach  gfUti^em  Vorschlafe  des  Herrn  Himly  in  Wies- 
baden folgende  Re^^eln  f^iltig: 

Alle  Buchstaben  der  fremden  ^geographischen  Bezeichnuncren  sind  wie  im  Deutschen  zu  lesen. 
In  chinesischen  Namen  ist: 

seh  =  sh  der  internationalen  Schreibweise 

hs  der  Wade'schen  Aussprache  ist  entweder  s  oder  h  (d.  h.  ch  in  ich) 
ö  =  Wade's  6 
thsch  =  dem  russischen  <i  (c,  tsch) 
tsch  =  H»  (cz,  dsch) 

y  =r  dem  deutschen  j  und  dem  englischen  y 
j  =  dem  französischen  j,  russischen  m. 
In  der  russischen  Schreibweise  für  chinesische  Nsunen  wird  n,  K,  T  durch  p',  k',  t'  wicdor- 
p^e^eben  und  4«  T«  ^  durch  p,  k,  t. 


—    40    — 

keiten  bereiten  werde»  war  der  Gouverneur  der  transkaspischen  Provinz,  Exe. 
General  Kuropatkin,  der  jetzige  russische  Kriegsminister,  der  selbst  in  den 
Jahren  1876 — 1878  als  Führer  einer  Gesandtschaft  zu  Jakub  Bek  nach  Kasch* 
garien  diese  Gebirge  und  das  Gebiet  von  Kaschgar  bereist  hatte.  Den  sonst 
in  Betracht  kommenden  nördlichen  Weg  kannte  der  General  nicht  aus  eigener 
Erfahrung;  was  er  uns  aber  über  die  Terek-Route  mitteilte,  bestärkte  uns  darin, 
an  unserm  ersten  Plan  festzuhalten,  wenn  uns  nicht  in  Taschkent  von  Seiten 
des  General-Gouverneurs  der  Provinz  Turkestan,  Generalleutnant  Exe.  Wrewski, 
ernstlich  abgeraten  würde. 

Je  weiter  wir  nach  Osten  kamen,  um  so  sicherer  wurde  es,  dass  der  ge- 
fürchtete Pass  gangbar  sein  würde,  und  schon  nach  den  in  Samarkand  erhaltenen 
Nachrichten  konnte  das  grosse  Gepäck  nach  Fergana  vorausgeschickt  werden, 
während  wir  selbst  noch  den  Umweg  über  Taschkent  machten,  um  den  General- 
Gouverneur  dort  aufzusuchen  und  seine  Anordnungen  kennen  zu  lernen. 

Es  zeigte  sich,  dass  er  schon  nach  Margelan,  der  Gouvernementsstadt 
von  Fergana,  Weisungen  hatte  ergehen  lassen  und  dass  in  Gultscha  durch 
Gnade  des  Zaren  Kosaken  zu  unserer  Begleitung  bereit  standen.  Ueberall  war 
uns  die  Hilfe  der  Behörden  zugesichert,  und  wir  hatten  später  reichlich  Gelegen- 
heit, nicht  nur  den  Wert  dieser  Hilfe,  sondern  auch  die  Liebenswürdigkeit,  mit 
der  sie  geboten  wurde,  sehr  hoch  schätzen  zu  lernen. 

Schon  in  Taschkent  fingen  die  Vorbereitungen  für  den  Kampf  mit  der 
Kälte  und  den  im  Hochgebirge  zu  erwartenden  Schneestürmen  an,  und  da  in 
Turkestan,  den  veränderten  klimatischen  Bedingungen  entsprechend,  andere 
Gegenstände  in  Gebrauch  sind  als  bei  uns  in  den  Alpen,  so  lohnt  es  sich  wohl, 
einiges  von  der  Ausrüstung  zu  erzählen. 

Eine  wichtige  Frage  war  die  Beschaffung  von  warmen  Pelzen.  Die 
im  westlichen  Europa  üblichen  sind  für  innerasiatische  Winterkälte  im  Hoch- 
gebirge zu  leicht;  es  kamen  nur  die  mit  Rentierfell  überzogenen  Pelze  in 
Betracht,    wie    sie    in    Moskau    angefertigt   werden,    oder    aber   die    von    den 


Für  die  Uebersetzun^  nichtchiiiesischer  Namen  aus  russischen  Bezeichnun^^en  Ist  folf^endes 
Princip  befolg-t: 

i^  =  ts  3  =  8                     H  =  ü              aä  =  ai 

^  =s  tsch  c  =  BS                     "b  =  je                ö  =  jo  oder 

m  =  8ch  2C  =  sh,  z                 a  =  ja                              auch  ö 

m  ==  schtsch  x  =  ch                     10  =  iu                y  =  u 
Einige  der  häufiger  wiederkehrenden,  meist   chinesischen   Bezeichnungen  mögen  hier  mit  ihrer 

Bedeutung  zusammengestellt  sein,  um  das  Lesen  zu  erleichtem: 

ho  =  h€  =  che   Fluss  ling  Joch,  Pass  tschou  Bezirk  (Stadt)  IL  bis 

fu   Bezirksstadt  L  Ranges  nur,  auch  nor  (mong.)  See                III.  Ranges 

gel  (mong.)  Fluss  pu  Ortschaft  tschong    Mauer,    ummauerte 

hsien   Kreishauptstadt  schan   Berge,  Gebirge                         Stadt 

kou  Bach,  Mündung,  Schlucht,  schuei   Wasser,  Fluss  tzö  Sohn,  Kind,  als  verklei- 

Thalmündung  so    Ort                                                    nemde  Endung  gebraucht, 

i  =  yi  Eilbotenamt  ssö  Kloster  =  süme  (mong.)              Zeichen  ein.  Hauptwortes, 

kuan  Schluss,  Pass,  Zollstätte  thing   Bezirk  IL  Ranges                       Gegenstandes. 


—     41     — 

Bewohnern  dieser  Gebirgsländer,  den  Sarten  und  Kirgisen  selbst  benutzten  Felle, 
nämlich  solche  vom  Wolf  und  vom  einheimischen  Schaf.  In  der  richtigen 
Qualität  sind  diese  nur  in  den  verschiedenen  Städten  Ferganas  selbst  zu  haben, 
und  so  war  denn  die  Erledigung  dieses  Punktes  der  Ausrüstung  bis  zum  Zeit- 
punkt unserer  Anwesenheit  in  Turkestan  aufgeschoben  worden. 

In  Taschkent  selbst  gelang  es  nicht  leicht,  etwas  geeignetes  zu  finden. 
Die  dort  ansässige  Bevölkerung  trägt  wenig  Pelze,  auf  den  Märkten  sind 
meist  nur  die  dickwolligen,  schlecht  gereinigten,  übelriechenden  Schaffelle 
zu  finden,  und  zwar  ohne  jede  Bearbeitung;  sind  sie  aber  schon  zu  einem 
Mantel  oder,  besser  gesagt,  Pelzchalat  zusammengenäht,  so  ist  dessen  Form 
ä  la  Sarte,  d.  h.  vorn  weit  ofTen,  ohne  andern  Verschluss,  als  durch  ein  um  den 
Leib  gewundenes  Tuch  und  mit  Aermeln,  die  doppelt  so  lang  sind,  als  sie  bei 
uns  zu  sein  pflegen.  Man  brachte  uns  einige  solche,  die  zudem  auch  schon 
die  Spuren  des  Gebrauches  an  sich  trugen,  und  man  wird  es  verstehen,  wenn 
wir  nur  geringe  Lust  verspürten,  trotz  der  Notwendigkeit,  gute  Pelze  zu  haben, 
gerade  solche  Erzeugnisse  zu  kaufen.  Am  letzten  Tage  endlich  gelang  es  noch, 
in  der  alten  Stadt  Taschkent,  dem  Sitze  der  sartischen  Bevölkerung,  zwei 
fertige  grosse  Pelze,  und  zwar  einen  von  Wolf-  und  einen  von  Fuchspelz 
aufzutreiben;  sie  hatten  die  langen  Aermel  und  waren  innen  zerrissen,  so 
dass  sie  in  Kokan  genäht  werden  mussten,  entsprachen  auch  sonst  nicht 
ganz  allen  unsem  Anforderungen,  aber  schliesslich  entschlossen  wir  uns  doch, 
sie  für  70  Rubel  zu  kaufen. 

Gleich  am  andern  Tage  hatten  wir  schon  Gelegenheit,  uns  dieser  Er- 
werbung sehr  zu  freuen;  auf  der  Fahrt  von  Taschkent  nach  Chodschent  waren 
wir  die  ganze  erste  Nacht  durchgefahren  und  schon  dadurch  ziemlich  ab- 
gekühlt, als  sich  nach  der  für  diese  Erscheinung  berüchtigten  Station  Mursa 
Rabat  ein  eisig  kalter,  sturmartiger  Wind  erhob,  der  so  stark  wurde,  dass 
bald  die  Wagen  in  Gefahr  gerieten,  umgeworfen  zu  werden.  Es  war  unmöglich, 
gegen  den  Wind  zu  sehen  oder  zu  fahren,  grosse  Kieselsteine  kamen  daher- 
geschossen,  und  die  Haut  schmerzte  empfindlich  an  den  Stellen,  wo  sie  trafen. 
Der  Reisewagen  war  nicht  verschliessbar,  und  ohne  jene  Pelze  hätten  wir 
nur  sehr  schwachen  Schutz  gehabt  gegen  den  eisigen  Orkan,  der  in  Europa 
unerhört  wäre. 

In  einem  Tarantass,  dem  wir  auf  der  sturmgepeitschten,  wüstenähnlichen 
Fläche  begegneten,  hatten  sich  die  Insassen,  in  ihre  Schafpelze  eingewickelt, 
auf  den  Boden  hingelegt  und  Hessen  die  armen  Pferde  allein  ihren  Weg  suchen; 
zum  Glück  sind  die  Tiere  hier  so  an  die  Unbilden  des  Wetters  gewöhnt  und 
kennen  die  Gegend  so  gut,  dass  sie  ruhig  weiter  gehen,  ohne  die  Richtung 
zu  verlieren,  höchstens  bleiben  sie  bei  gar  zu  starken  Windstössen  einige 
Minuten  stehen,  um  den  Anprall  vorübertosen  zu  lassen. 

Dieses  von  Kieswüste  bedeckte  Thal,  in  welchem  der  Weg  über  den 
nordöstlichen  Teil    des   Mogol-tau    zum  Uebergang  in   das  Thal  des   Syr-darja 


—     42     — 

hinaufführt,  ist  berüchtigt  als  Wetterloch,  und  selten  entgeht  hier  ein  Reisender 
dem  Ungestüm  der  Stürme.  Glücklicherweise  Hess  der  Wind,  nachdem  die 
Wasserscheide  zum  Syr-darja-Flusse  erreicht  war,  nach,  und  in  Chodschent  folgte 
abends  schönes  Wetter. 

Die  weitere  Fahrt  nach  Kokan  in  15  Stunden  verlief  gut,  und  nur  auf 
der  viel  kürzeren  Strecke  zwischen  dieser  Stadt  und  Neu-Margelan  traf  uns 
ein  Missgeschick,  das  auf  russischen  Poststationen  keine  Seltenheit  ist.  Unsere 
beiden  Troiken  waren  seit  morgens  8  Uhr  unterwegs  und  glücklich  um  4  Uhr 
mittags  auf  der  letzten  Station  vor  dem  Endziel  angelangt,  als  dort  der  Post- 
halter  erklärte,  er  könne  keine  Pferde  geben,  da  um  9  Uhr  abends  die 
kaiserliche  Post  erwartet  werde  und  für  diese  immer  Pferde  reserviert  werden 
müssten.  Vergeblich  war  das  Vorzeigen  der  vom  General  -  Gouvernement  in 
Taschkent  ausgestellten  Bescheinigung,  dass  wir  mit  Empfehlung  der  Regierung 
reisten  und  uns  Pferde  vor  allen  andern  zu  geben  seien.  Die  Aussicht, 
zunächst  fünf  Stunden  auf  einer  armseligen  Poststation  im  ungeheizten  Warte- 
zimmer sitzen  zu  müssen  und  dann  vielleicht  doch  keine  Pferde  zu  bekommen, 
falls  die  Post  sie  alle  mitnähme,  war  nicht  eben  tröstlich.  Wollte  man  ganz 
pessimistisch  denken,  so  brauchte  man  nur  noch  den  Fall  anzunehmen,  dass 
die  Post  Verspätung  hatte,  und  in  Turkestan  kommen  solche  Verspätungen 
bis  zu  zwei  Tagen  vor.  Vielfach  ist  auf  den  Poststationen  nur  ein  Samowar 
zu  haben;  alles  andere  Zubehör  zur  Abendmahlzeit,  Frühstück  etc.  muss  sich 
der  Reisende  selbst  mitbringen,  oder  er  muss  mit  Thee  und  Brot  fiirlieb 
nehmen.  Unsere  Vorräte  waren  aufgezehrt,  weil  wir  geglaubt  hatten,  das  nur 
noch  vier  Stunden  entfernte  Neu-Margelan  im  Laufe  des  Abends  erreichen 
zu  können,  und  wir  sassen  nun  ziemlich  abgebrannt  da  mit  Diener  und 
Hunden,  die  auch  etwas  haben  wollten. 

Auf  die  Frage,  ob  denn  nicht  aus  dem  in  der  Nähe  liegenden  Sartendorfe 
Pferde  zu  mieten  seien,  erhielten  wir  eine  bejahende  Antwort.  Allerdings  lassen 
sich  diese  Pferde  nicht  in  Troikagespanne  einspannen  und  ein  Tarantass  als 
Ersatz  für  unsern  zweiten,  von  der  Post  gestellten  Wagen  —  der  erste  war  uns 
von  Taschkent  bis  Andischan  zur  Verfiigung  gestellt  —  war  nicht  zu  haben. 
Dafür  aber  sollten  zwei  Pferde  unsern  Tarantass  ziehen,  der  Diener  mit  den 
Hunden  und  den  schwereren  Gepäckstücken  aber  auf  eine  einspännige  Arbe 
verladen  werden  und  so  der  Kreishauptstadt  zusteuern.  Nach  einiger  Beratung 
fanden  sich  Sarten,  welche  zwei  Pferde  für  den  Wagen  zu  sechs  Rubel,  und 
eine  Arbe  mit  Pferd  zu  drei  Rubel  zu  stellen  versprachen.  Die  Arbe  ist  ein 
zweiräderiger  Karren  mit  über  mannshohen  Rädern,  die  weit  von  einander  ab- 
stehen; man  sieht  häufig  in  diesen  Ländern  ganze  Familien  auf  der  Arbe  sitzend 
reisen.  Besonders  feine  Arben  sind  überdacht;  das  war  nun  jene  nicht,  und  dem 
gegen  Abend  beginnenden  Regen,  der  einige  Stunden  anhielt,  waren  Gepäck 
und  Diener  schutzlos  ausgesetzt,  während  das  Dach  des  Tarantasses  doch  etwas 
den  Regen  abhielt. 


—     43     — 

Es  wurde  Nachts  ehe  die  Arbe  expediert  war.  Mein  Reisegefährte  und 
ich  hofften,  ihr  bald  folgen  zu  können,  diese  Hoffnung  verwirklichte  sich  aber 
nicht.  Trotz  dringender  Bitten  erhielten  wir  aus  den  Sartenquartieren  immer 
nur  die  Antwort,  »sogleich  werden  die  Pferde  kommenc,  aber  sie  kamen  nicht. 
Dem  Pferdebesitzer,  einem  wohlhabenden  Manne,  lag  nichts  an  dem  Verdienst, 
den  andern  war  es  unbequem,  in  der  Nacht  auf  schlechten  Wegen  durch  die 
Steppe  zu  fahren,  und  so  Hessen  sie  uns  denn  einfach  sitzen.  Diese  Art  ist 
charakteristisch  für  die  indolente  sartische  Bevölkerung.  Die  Russen,  welche  sie 
zu  Handel  oder  in  industriellen  Betrieben  verwenden  müssen,  können  nicht 
genug  klagen  über  diese  Gleichgiltigkeit  des  Sarten,  der  nur  arbeitet,  wenn  er 
Geld  nötig  hat,  und  seinen  Dienst  verlässt,  sobald  er  ein  paar  Rubel  besitzt,  um 
die  Arbeit  erst  wieder  aufzunehmen,  wenn  ihn  von  Neuem  der  Hunger  treibt. 

Endlich  um  8  Uhr,  nach  schon  elfstündigem  Aufenthalt  auf  der  Station, 
kamen  zwei  Pferde,  die  vor  einander  an  den  Wagen  gespannt  wurden.  Auf 
jedes  der  Tiere  setzte  sich  ein  Sarte,  und  unter  fortwährendem  Antreiben  der 
wahrscheinlich  von  angestrengter  Tagesarbeit  schon  ermüdeten  Pferde  ging  es 
anfangs  in  ziemlich  geschwindem  Schritte  bei  melancholisch  herunterrieselndem 
Regen  durch  die  stockfinstere  Nacht.  Das  war  ein  fortwährendes  Gleiten, 
Rutschen,  Auf-  und  Niedersinken,  Spritzen  des  vom  Wasser  durchweichten 
Lehmbodens,  und  Schreien  und  Rufen  der  Treiber. 

Allmählich  wurde  alles  ruhiger,  das  Tempo  der  Pferde,  das  Lärmen  ihrer 
Reiter  und  das  Stöhnen  und  Quietschen  der  Räder,  allmählich  schlief  alles  ein, 
auch  wir  im  Wagen,  uns  resigniert  in  das  Unabänderliche  fügend;  ich  glaube 
fast,  auch  die  Pferde  schliefen,  während  sie  sich  im  langsamsten  Schritte  vor- 
wärts bewegten,  so  melancholisch -traurig  wie  das  Wetter.  Es  lag  Stimmung 
in  dieser  Lage,  wenn  auch  keine  vergnügte,  und  sie  passte  ausgezeichnet  zur 
Umgebung,  die  sich  aus  einer  reich  bebauten,  fruchtbaren,  stark  besiedelten 
Oase  in  eine  weite,  eintönige  Sandwüste  verwandelt  hatte,  in  welcher  der  Weg  mit 
seinen  beiden  Reihen  von  kümmerlichen  Bäumen  die  einzige  Unterbrechung  bildete. 

Stundenlang  ging  es  so  dahin.  In  Pelze  und  Decken  warm  eingehüllt,  ver- 
folgt man  das  langsame  Weiterrücken  des  Gefährtes  mit  schwer  verhaltenem 
Grimme;  man  könnte  schon  sein  Ziel  erreicht  haben,  wenn  die  Schlingel  auf 
den  Pferden  nicht  schliefen!  Sie  anrufen,  lärmen,  schimpfen,  nützt  nichts;  der 
Treiber  schlägt  ein-  oder  zweimal  auf  seinen  Gaul,  dieser  geht  zehn  oder 
zwanzig  Schritte  etwas  rascher  und  dann  ist  alles  wieder  beim  alten.  Auch 
bei  uns.  Wir  schlafen  ein,  wir  wachen  wieder  auf,  es  scheint  uns,  als  hätten 
wir  Stunden  geschlafen  und  die  Gegend  ist  immer  noch  dieselbe.  Ankommen 
werden  wir  einmal;  aber  mitten  in  der  Nacht;  keine  Aussicht  mehr  auf  ein 
warmes  Abendbrot  oder  ein  geheiztes  Zimmer.  Wieder  senkt  sich  der  Schlummer 
auf  unsere  ermüdeten  Glieder.  »Es  muss  ja  endlich  Margelan  kommen  und 
wenn  es  Morgen  wird,  es  ist  ganz  gleiche,  sind  die  letzten  Gedanken,  die  uns 
ins  Reich  der  Träume  hinüberbegleiten. 


—     44     — 

Was  ist  das?  Traum  oder  Wirklichkeit?  Wir  sind  angerufen  von  zwei 
Reitern;  noch  schlaftrunken  erkennen  ^%n^  kaum  die  Abzeichen  der  Dschigiten 
oder  berittenen  Polizisten,  die  der  freundliche  Gouverneur  uns  zum  Empfange 
entgegensandte.  Lange  haben  sie  warten  müssen  und  um  2  Uhr  nachts  haben 
sie  uns  glucklich  abgefasst.  Schnell  ändert  sich  nun  unsere  Lage.  Die  Sarten 
sind  rasch  ermuntert;  ebenso  die  Pferde,  die  sogar  noch  einen  Trab  laufen, 
wahrend  die  Dschigiten  bald  nebenher,  bald  voraus  sprengen.  Noch  eine 
Viertelstunde,  und  wir  haben  eine  Oase  in  der  Wüste,  das  Hotel  »Wittec, 
erreicht,  weit  im  Lande  berühmt  und  bekannt,  weil  es  gute  Unterkunft  und 
gute  Küche  liefert  und  einigermassen  an  komfortable  europäische  Hotels  erinnert 
In  den  meisten  sogenannten  »Nummernc,  welche  in  vielen  russischen  Städten 
die  Hotels  vertreten,  findet  man  nur  eine  Bettstelle  ohne  Leintücher  und  Kissen 
und  mu^s  sich  sein  Bett  selbst  mitbringen;  auch  die  Ernährung  ist  meist  sehr 
mangelhaft;  in  vielen  Orten  Turkestans  aber  fehlen  selbst  diese  primitiven 
Unterkunftsstellen,   so  dass  man  ganz  auf  Gastfreundschaft  angewiesen  ist. 

Wir  waren  sehr  angenehm  berührt,  als  wir  ein  schönes,  grosses,  warmes 
Zimmer,  gute  Betten  und  noch  einen  kleinen  kalten  Imbiss  vorfanden,  den  unser 
zwei  Stunden   früher  angekommener  Diener  hatte  vorbereiten  lassen. 

Offenbar  hatte  er  eine  ähnliche  Fahrt,  wie  wir  auf  seiner  Arbe  mitgemacht; 
sein  Wagen  geriet  einmal  in  einen  Graben  —  hier  scheint  also  nicht  nur  der 
Fuhrmann,  sondern  auch  der  Gaul  geschlafen  zu  haben  —  und  es  dauerte  eine 
halbe  Stunde  bis  die  schwerfallige  Arbe  nach  Abladen  alles  Gepäckes  wieder  her- 
au.sgezogen  werden  konnte. 

Bei  alledem  haben  wir  noch  Glück  gehabt,  mit  einer  mehrstündigen  Ver- 
spätung weggekommen  zu  sein;  es  hätte  noch  viel  schlimmer  gehen  können. 
Oft  sitzen  Reisende  tagelang  hungernd  und  frierend  und  warten;  sind  endlich 
Pferde  frei,  so  kommen  hohe  Beamte  oder  Offiziere  und  nehmen  sie  vorweg; 
oder  aber  es  muss  eine  Post  abgewartet  werden,  die  sich  um  Tage  verspätet 
Erfahrene  Leute  sagten,  dass  es  häufig  zu  Thränen  und  bitteren  Klagen  auf 
den  Poststationen  komme. 

In  Neu-Margelan  ist  der  Sitz  des  Gouverneurs  von  Fergana,  das  gleich- 
wertig mit  den  Provinzen  Syr-darja  und  Samarkand  dem  General-Gouverneur 
von  Russisch -Turkestan  unterstellt  war;  neuerdings  ist  auch  die  transcaspische 
Provinz  dem  Generalgouvernement  Turkestan  zugeteilt  worden.  Hier  sollten 
wir  näheres  erfahren  über  die  Anordnungen,  die  der  Gouverneur,  Exe.  General- 
Leutnant  von  Powalo-Schweykowski,  für  unsern  Uebergang  nach  Kaschgar 
getroffen  hatte. 

Wir  fanden  in  ihm  einen  Herrn ,  der  den  wissenschaftlichen  Zwecken  unserer 
Expedition  ein  liebenswürdiges  Interesse  entgegenbrachte.  Dasselbe  wurzelte 
in  den  Erinnerungen  an  einen  in  den  Hochgebirgen  der  Pamirs  zur  Grenz- 
regulierung mit  Afghanistan,  beziehungsweise  Indien,  verbrachten  Sommer, 
die  ihm  sehr  lieb  zu  sein  schienen. 


—     45     — 

Da  er  selbst  zur  Besichtigung  der  Grenzdistrikte  des  Gouvernements  die 
Bergländer  längs  der  chinesischen  Grenze  besuchen  muss,  kennt  er  die  Art  und 
Weise  des  Reisens  daselbst  ebensowohl,  wie  die  Ausrüstung,  die  man  nötig  hat, 
und  die  Beschwerden  und  Entbehrungen,  denen  man  trotzdem  im  Winter  in  den 
grossen  Höhen  ausgesetzt  ist,  aufs  Beste.  Sein  Rat  war  daher  ungemein  wichtig 
und  durch  die  väterliche  Güte,  mit  der  er  für  uns  sorgte,  verpflichtete  er  uns 
zu  aufrichtigem  Danke.  Wenn  wir  glücklich  und  wohl  in  Kaschgar  angelangt 
sind,  so  ist  das  der  Voraussicht  und  Zweckmässigkeit  seiner  Anordnungen  zu 
danken  und  der  Erfahrung  der  Offiziere  und  Beamten  im  Gebirge  von  Osch 
ab,   die  durch  ihn  fiir  die  Expedition  sich  verwandten. 

»Ich  habe  Sorge  um  Sie  und  Ihre  Reise«,  hatte  schon  Generalgouverneur 
Baron  von  Wrewski  gesagt,  und  in  Margelan  begegneten  wir  einer  ähnlichen 
Anschauung.  Thatkräftige  und  selbstloseste  Hilfe  fanden  wir  auch  bei  einem 
Beamten  des  Gouverneurs,  Herrn  Ottendorf,  der  als  höherer  Forstbeamter  selbst 
viel  unterwegs  ist,  und  uns  neben  andern  nützlichen  Dingen  vor  allem  Pelz- 
mäntel verschaffte,  die  beim  Reiten  zu  gebrauchen  waren.  Unsere  in  Taschkent 
gekauften,  vorn  offenen  Pelze  mit  den  langen  Aermeln  erwiesen  sich  nämlich 
als  hierzu  ungeeignet. 

Wir  fuhren  eines  Tages  mit  ihm  hinaus  nach  der  zwölf  Werst  nördlich 
von  Neu-Margelan  gelegenen  alten  Stadt  desselben  Namens.  Es  ging  durch 
reich  bebautes,  von  vielen  Bewässerungskanälen  durchzogenes  Land  auf  den 
üblichen  schlechten  Wegen,  auf  welchen  unser  Wagen,  der  kaum  für  drei  Per- 
sonen Platz  bot,  fortwährend  zu  kentern  drohte,  durch  schmutzige  Dörfer  und 
in  die  von  einer  halb  zerfallenen  Lehmmauer  mit  Türmen  umgebene  Stadt,  wo 
die  Strassen  noch  schlechter  wurden  und  breitspurige  Arben  uns  häufig  den  Weg 
versperrten.  So  erreichten  wir  unter  Drangaalen  den  ziemlich  geräumigen  und 
ausgedehnten  Bazar,  der  sich  in  nichts  von  andern  turkestanischen  oder 
bucharischen  Märkten  unterscheidet. 

Wir  suchten  zunächst  die  Wollfell-  und  Pelzhändler  auf  und  fanden  mit 
Hilfe  eines  Dschigiten  und  eines  alten  einflussreichen  Sarten,  der  Herrn  Ottendorf 
bekannt  war,  auch  alsbald  einen  Mann,  der  uns  die  gewünschten  langen  Pelzmäntel 
aus  Wolfsfell  binnen  zwei  Tagen  herzustellen  versprach.  Die  Form  wurde  ihm 
angegeben  und  das  Tuch  in  Neu-Margelan  dazu  besorgt;  wir  wählten  das  vor- 
zügHche,  widerstandsfähige  Tuch  der  russischen  Militärmäntel. 

Einige  Tage  später  besuchten  wir  ebenfalls  in  Alt- Margelan  eine  Tuch- 
weberei mit  sehr  primitiven  Einrichtungen  und  wurden  vom  Besitzer  mit  Thee 
und  Süssigkeiten  bewirtet.  Unter  Führung  einiger  Dschigiten  ging  es  dann 
auf  den  sehr  belebten  Bazar;  diese  Polizeimannschaften  sind  eigentlich  ein  Ehren- 
geleit; die  Sarten  wissen  sofort,  es  kommt  eine  Persönlichkeit  von  Ansehen, 
wenn  solche  Spitzenreiter  vorangehen.  Sie  weichen  dann  alle  ehrfurchtsvoll 
aus,  erheben  sich  von  ihren  Sitzen  oder  steigen  von  den  Pferden,  beim  Vorbei- 
fahren verbeugen   sie  sich  ehrerbietig.     Auf  dem  Bazare  zeigt  sich   aber    auch 


-     46     - 

der  praktische  Nutzen  einer  solchen  Beßleitung;  denn  überall,  wo  ein  Gedränge 
ist  oder  Kamele  und  Reiter  dem  Europäer  den  engen  Weg  versperren,  sind  sie 
es,  deren  Wort  oder  Peitschenhieb  genügt,  um  schleunigst  freie  Bahn  zu  schaficn. 
Es  ist  bewundernswert,  mit  welcher  Gleichmütigkeit  sich  diese  gutmütigen 
Menschen  fortjagen,  zurücktreiben  und  gar  schlagen  lassen. 

In  einer  besonderen  Abteilung  fanden  wir  sehr  scheine  Thonwaren:  Teller, 


lopferci-W^iren  auf  dem  l);iiar  in  Oech. 

Krüge,  Schüsseln  und  ähnliches  mehr,  mit  sehr  originellen,  in  blauer  leuchtender 
Farbe  ausgeführten  Verzierungen. 

Unter  anderm  erstanden  wir  acht  Stück  Jaktane,  d.  h,  kistenartige  Leder- 
koffer, die  gerade  die  richtige  Grösse  haben,  dass  ein  Pferd  zwei  davon  tragen 
kann.  Diese  waren  deshalb  nötig,  weil  bei  dem  grossen  Gepäck  einige  zu 
grosse  und  schwere  Eisenblechkisten  sich  befanden,  die  sich  zum  Transport 
nicht  eigneten.  Ferner  fanden  wir  für  den  bevorstehenden  Winterübergang 
grosse    Pelzmützen ,    die    über    die    Ohren    herabreichen ;    die    Kirgisen    tragen 


—     47     — 

sogar  solche,  deren  Pelzflügel  rechts  und  links  vom  Kopf  bis  auf  die  Schultern 
herabhängen. 

Hohe  bis  weit  über  das  Knie  reichende,  in  schönen  Mustern  gestrickte 
Strümpfe  bildeten  eine  willkommene  Ergänzung  zu  unsern  noch  im  Kaukasus 
gekauften  Pelzstiefeln  und  es  fehlten  nun  nur  noch  pelzgefütterte  Galoschen  oder 
Filzüberzüge,   um   die  Füsse   gegen  Kälte  wie  Nässe  gleichmässig  zu  schützen. 

In  einer  Theebude  des  Bazars  Hessen  wir  uns  ein  Frühstück  bringen,  das 
wir  auf  Teppichen  sitzend  einnahmen  und  das  aus  Reis  mit  Hammelfleisch, 
dem  sogenannten  Saschlück,  einem  Hauptgerichte  der  Sarten,  und  schmack- 
haften Fleischpastetchen  bestand;  die  letzteren  werden  ohne  Besteck  gegessen, 
für  den  Saschlück  ist  jedoch  ein  Löfi^el  aus  Holz  vorhanden. 

Der  Bazar  bietet  des  Interessanten  genug  auf  Schritt  und  Tritt;  erwähnens- 
wert ist  das  Quartier  der  Indier,  die  das  Gewerbe  der  Geldverleiher  und  Wucherer 
betreiben,  sowie  die  vielen  chinesischen  Gegenstände  aller  Art,  die  aus  Kaschgar 
herüberkommen. 

Eine  weitere  Beschreibung  würde  aber  hier  zu  weit  fuhren  und  so  sei  nur 
noch  erwähnt,  dass  wir  in  Neu-Margelan  am  6.  Dezember  russischen  Stils  die 
Truppenparade  ansahen  und  der  Feier,  welche  mit  dem  Eintauchen  des 
Kreuzes  in  das  Wasser  verbunden  ist,  beiwohnten,  und  dann  mit  der  Post 
nach  Andischan  weiterfuhren,  begleitet  von  den  freundlichen  Wünschen  des 
Gouverneurs  und  seiner  liebenswürdigen  Gattin  und  ebenso  von  Herrn 
Ottendorfs  fürsorglichen  Ratschlägen.  Der  Aufenthalt  in  Neu-Margelan  hatte 
sieben  Tage  gewährt  und  wird  uns  immer  in  treuer  Erinnerung  mit  den 
liebenswürdigen  Menschen  verbinden,  die  uns  dort  so  freundlich  aufge- 
nommen haben. 

Von  Andischan,  das  wir  gegen  Abend  erreichten,  gilt  dasselbe.  Schon  hier 
zeigten  sich  die  Anordnungen  des  Gouverneurs  von  Fergana  in  ihrem  vollen 
Werte.  Hotel  oder  Nummer  giebt  es  nicht  in  dieser  Stadt  und  wir  hätten  auf 
der  ungemütlichen  Poststation  hausen  müssen,  wenn  uns  nicht  die  Räume  des 
Militärklub  zur  Verfügung  gestellt  worden  wären.  So  erwartete  uns  ein  prächtiges, 
gut  geheiztes  Zimmer  und  Herr  Oberstleutnant  Michailow,  der  daselbst  wohnt, 
sandte  uns  ein  gutes  Mittagessen,  so  dass  wir  in  jeder  Beziehung  trefTlich  unter- 
gebracht waren.  Der  Kreischef  Herr  Koischewski  erkundigte  sich  persönlich 
nach  unserm  Befinden  und  veranstaltete  am  Mittage  des  nächsten  Tages  einen 
Besuch  des  Bazars  der  alten  Stadt,  die  etwa  zwei  Werst  von  der  neuen  russischen 
Stadt  mit  kleinem  Fort  entfernt  ist.  Berittene  Polizisten  in  Galauniform  jagten 
voraus,  wie  im  Sturme  fuhren  die  Schlitten  dahin,  und  wieder  folgte  eine 
Bedeckung  von  sechs  Mann  im  Galopp. 

So  gelangten  wir  rasch  nach  dem  an  diesem  Tage  sehr  belebten  Markte, 
wo  überall  die  Bevölkerung  ehrfurchtsvoll  den  Kreischef  grüsste.  Wir  sahen 
hier  schöne  von  den  Kirgisen  angefertigte  Teppiche,  die  Muster  und  Figuren 
in  roten  Farben  auf  dunkelblauem  Grundtone  zeigen. 


-     4»     - 

Eine  neue  Medresse  mit  isoliert  in  der  Mitte  des  Hofes  stehendem 
minaretartigem  Turm  war  noch  nicht  ganz  ausgebaut»  aber  in  einzelnen  Teilen 
von  Lehrern  wie  Schülern  schon  bezogen,  die  hier  etwas  komfortabler  ein- 
gerichtet sind,  als  in  der  alten  Schir-Dar-Moschee  in  Samarkand.  Auch  hier 
wurden  wir  reichlich  bewirtet,  und  es  wurden  Aepfel,  Granaten,  Rosinen,  Melonen, 
europäische  Süssigkeiten  und  orientalisches  süsses  Backwerk  aufgetragen. 

Schon  am  nächsten  Tage  verliessen  wir  Andischan,  um  möglichst  bald 
Osch  zu  erreichen,  wo  die  letzten  Reisevorbereitungen  getroffen  und  daher 
voraussichtlich  mehr  Zeit  verwendet  werden  musste.  An  einem  herrlichen 
Wintermorgen  fuhren  wir  in  zwei  als  Troika  bespannten  Schlitten  im  Galopp 
durch  die  tief  verschneite  Landschaft,  immer  zwischen  niederen  Hügeln  bergan. 
Tausende  von  Schneekristallen  blitzten  von  den  sanften  Abhängen  und  am 
fernen  Horizonte  glänzten  im  Frührot  hohe  Schneegebirge  zu  uns  herüber. 

Wer  einmal  in  den  Alpen  bei  Sonnenaufgang  auf  einem  von  Eis  und 
Schnee  starrenden  Gipfel  gestanden,  wer  alle  die  weissen  Zinnen  und  Gipfel 
unter  dem  Kuss  der  ersten  Strahlen  der  Sonne  hat  erglühen  sehen,  wer  mit 
eigenen  Augen  die  wechselnden  Farbenspiele  geschaut  hat,  mit  denen  Gletscher 
und  Firnen  den  Tag  begrüssen,  wer  es  kennt,  das  ätherisch  zarte  Höhenleben 
in  Eis,  Schnee  und  Licht,  der  wird  das  Hochgefühl  ermessen  können,  mit 
dem  wir  einem  mehrtägigen  Ritt  durch  diese  winterlichen  Bergländer  ent- 
gegen sahen. 

Doch  genug  der  Träumerei;  dort  erwarten  uns  in  eine  Reihe  geordnet 
vier  Dschigiten  in  Gala  mit  ihren  Ovationen;  der  Kreischef  hat  sie  uns  zur 
Begrüssung  gesandt;  sie  nehmen  unsere  Schlitten  in  die  Mitte  und  im  sausenden 
Galopp  geht  es  durch  die  sartische  Altstadt  Osch,  durch  das  Gewühl  des 
orientalischen  Marktes  und  die  ehrfurchtsvoll  grüssende  Menge  nach  der  neuen 
russischen  Stadt,  in  welcher  uns  im  Militärklub,  weil  ein  Hotel  nicht  existiert, 
Quartier  bereitet  ist. 

Auch  hier  galten  die  ersten  Sorgen  wieder  den  Reise  Vorbereitungen. 
Das  grosse  Expeditionsgepäck  von  40  Stück  war  angekommen;  es  wurde 
auf  der  gegen  den  Garten  gelegenen  Terrasse  ausgebreitet  und  zum  Teil 
umgepackt,  um  das  Gewicht  für  die  Lastpferde  zweckmässiger  zu  verteilen. 
Die  oben  beschriebenen  Jaktane  waren  schon  von  Neu-Margelan  mit  Arbe 
vorausgeschickt  worden  und  in  diese  verpackten  wir  diejenigen  Gegenstände, 
die  wir  immer  zum  unmittelbaren  Gebrauch  bei  uns  zu  haben  wünschten, 
wie  den  photographischen  Apparat  mit  Platten,  wissenschaftliche,  meteorologische 
und  geologische  Instrumente,  Proviant,  warme  Kleider,  Munition  und  Waffen. 
Es  zeigte  sich,  dass  für  diese  Lasten  allein  etwa  fünf  Pferde  nötig  waren, 
so  dass  mit  den  Reitpferden  für  uns,  den  Diener  und  einen  anzuwerbenden 
Dolmetscher,  sowie  zwei  uns  zunächst  begleitende  Dschigiten,  unsere  Expedition 
beim  Abmärsche  aus  Osch  aus  elf  Pferden  bestand.  Das  grosse  Gepäck  ver- 
langte   noch    weitere  15  Pferde,    da  es  aber  seiner  Schwerfälligkeit  wegen  nur 


—     49     — 

langsam  reist,  wurde  es  für  sich  abgesandt  und  sollte  uns  erst  in  ICaschgar 
wieder  treffen. 

Durch  Vermittlung  der  Regierung  war  dem  Karawan-Baschi,  d.  h.  dem 
obersten  Leiter  der  Karawanen -Angelegenheiten,  gesagt  worden,  dass  er  auf 
alle  Fälle  25  Pferde  in  Reserve  halten  solle,  so  dass  keine  Verlegenheit 
nach  dieser  Seite  hin  für  uns  entstehen  konnte.  Die  Reitpferde  führte  er 
einen  Tag  später  zur  Probe  vor  und  nach  einigem  Hin-  und  Herreiten 
wurden  sie  angenommen. 

Sehr  wesentlich  war  für  uns  die  Frage  nach  einem  guten  und  ge- 
wandten Dolmetscher,  die  hier  in  Osch  eine  gute  Erledigung  fand.  Wir 
merkten  an  Vielem,  dass  wir  dem  Ende  des  Bereiches  der  russischen 
Sprache  schon  sehr  nahe  gekommen  waren;  von  den  Sarten  verstanden 
sehr  viele  nicht  russisch;  die  Verkäufer  auf  den  Bazaren  konnten  meist 
nicht  einmal  den  geforderten  Preis  russisch  angeben  und  dasselbe  gilt  in 
noch  höherem  Masse  von  den  die  Gebirge  bewohnenden  Kirgisen.  Wie 
es  dann  in  dieser  Hinsicht  »drüben«  in  Kaschgar  und  China  aussehen 
würde,  konnte  man  leicht  erraten  und  ziemlich  sicher  sein,  dass  uns  mit 
unsern  westeuropäischen  Sprachen,  selbst  russisch  noch  mit  einbegriffen, 
nur  in  Ausnahmefällen  jemand  aus  dem  Volke  oder  in  kleineren  Orten 
verstehen  würde. 

Schon  in  Neu-Margelan,  Andischan  und  auch  hier  in  Osch  war  eifrig 
Umfrage  gehalten  worden  nach  einem  als  Dolmetscher  für  die  Sprachen 
russisch,  sartisch  (kirgisisch),  mongolisch,  und  wenn  möglich  auch  chinesisch, 
verwendbaren  und  durch  frühere  Reisen  nach  Centralasien,  Tibet  oder  China 
erfahrenen  Manne,  der  auch  bei  der  Karawane  Dienste  zu  leisten  hatte.  Es 
wurden  verschiedene  Persönlichkeiten  zur  Auswahl  präsentiert  und  deren  Ver- 
dienste wie  Sündenliste  mitgeteilt.  Da  war  einer,  ]der  schon  weit  herum- 
gekommen war,  in  verschiedenen  geographischen  Gesellschaften  des  Westens 
sich  hatte  bewundern  lassen  und  nun  als  kleiner  Beamter  ein  Unterkommen 
in  Turkestan  gefunden  hatte.  Aber  er  galt  als  gefährlich  schlauer  Kopf,  dem 
Nichts  heilig  sei,  und  ausserdem  liebte  er  es,  den  andern  Begleitern  der 
Karawane  gegenüber  den  Herrn  zu  spielen. 

Wieder  ein  anderer,  der  Dr.  Swen  Hedin  treue  Dienste  geleistet  und  ihn 
bis  Peking  begleitet  hatte,  auch  die  besten  Empfehlungen  besass,  verstand 
kaum  ein  Wort  russisch,  so  dass  er  für  uns  nicht  in  Frage  kam. 

Ein  dritter  endlich  sollte  alle  Vorzüge  haben,  die  dem  zweiten  nach- 
gerühmt wurden;  er  sprach  russisch  und  sartisch,  sah  energisch  und  gesund 
aus,  war  schon  öfter  auf  den  Pamirs  und  im  westlichen  Tibet  gewesen,  stellte 
massige  Ansprüche,  stand  in  dem  Rufe,  dass  er  es  verstehe,  sich  bei  seinen 
Untergebenen  in  Respekt  zu  setzen,  war  also  eine  sehr  in  Betracht  kommende 
Persönlichkeit,  aber  er  trank,  und  zwar  viel,  sobald  er  in  einer  Stadt  war,  wo 
er  sich  Alkohol  in  irgend  welcher  Form  verschaffen  konnte. 

Futterer,  Durch  Asien.  4 


—     so    — 

Welches  von  den  drei  Uebeln  sollten  wir  wählen.^ 

Als  alten  deutschen  Studenten  war  uns  das  Laster  des  gelegentlichen 
»Sußesc  noch  das  am  wenigsten  unangenehme,  zumal  wir  es  ja  in  der  Hand 
hatten,  während  der  Reise  die  Branntweinflasche  beliebig  hoch  zu  hängen,  und 
in  einer  grossen  Stadt  nach  den  gehabten  Anstrengungen  dem  Manne  eine 
Erholung  zu  gönnen  war. 

Der  dritte  wurde  also  für  den  Preis  von  40  Rubel  monatlich  und  freie 
Rückreise,  nachdem  die  Expedition  im  östlichen  China  angekommen  sein  würde, 
angeworben.  Er  hiess  Asim  Schakirow  und  zeigte  in  der  Folge  Verständnis 
für  die  wissenschaftlichen  Erfordernisse  während  der  Märsche,  da  er  schon 
einmal  einen  Forschungsreisenden  begleitet  hatte.  Wir  waren  um  so  sicherer, 
eine  gute  Wahl  getroffen  zu  haben,  als  der  Betreffende  hier  in  Osch  Frau 
und  Kind  besass.  Er  bat  auch  gleich  um  einen  Vorschuss  von  einigen  Rubel- 
papieren, um  die  Abschiedsthränen  mit  diesem  Löschpapier  leichter  trocknen 
zu  können,  und  verschwand  alsbald,  um  die  Seinigen  auf  die  in  drei  Tagen 
bevorstehende  Trennung  von  etwa  anderthalb  Jahren  schonend  vorzubereiten. 
Wahrscheinlich  war  der  Schmerz  über  diese  unerwartete  Nachricht  so  gross, 
dass  er  nicht  gleich  fortgelassen  wurde;  denn  an  diesem  Tage  sahen  wir  ihn 
nicht  mehr. 

Da  noch  dringende  Besorgungen  auf  dem  Bazar  in  der  alten  Stadt  zu 
machen  waren,  fuhren  wir  in  Begleitung  eines  sehr  gewandten  und  liebens- 
würdigen Herrn,  des  Leiters  der  Filiale  des  Geschäftes  von  Dürrschmidt  in 
Andischan,  Herrn  Kolen,  nach  dem  Markte,  der  an  diesem  Tage  sehr  stark 
belebt  war.  Gegenüber  den  andern  von  uns  besuchten  Bazaren  waren  hier 
besonders  viele  berittene  Kirgisen  zu  sehen:  wetterharte,  gebräunte  Gestalten 
in  langen,  aussen  weissen,  bis  an  die  Fusssohlen  reichenden  Pelzmänteln  und 
grossen  Pelzmützen,  auf  struppigen,  aber  kräftigen  Pferden. 

Wir  kauften  weite,  grosse,  bis  über  die  Knie  reichende  Filz.stiefel,  die 
noch  über  die  kaukasischen  Pelzstiefel  gezogen  werden  können  und  die  wir 
zum  Schutze  gegen  Nässe  unten  mit  Leder  überziehen  Hessen.  Weiter  waren 
grosse  Handschuhe  aus  Schafspelz,  Filzdecken  für  unsere  Hunde  und  die  schön 
gemusterten  Pferdetaschen  nötig,  weiche  zum  Aufbewahren  von  Mundvorrat 
und  solchen  Dingen  dienen,  die  bei  langen  Ritten  immer  zur  Hand  sein  müssen. 
Endlich  bestellten  wir  einige  Leute,  welche  unsere  Jaktane  so  herrichteten, 
dass  man  sie  zu  Bettstellen  benutzen  konnte  und  nicht  gezwungen  war,  sein 
Lager  auf  dem  kalten  und  oft  feuchten  Boden  aufzuschlagen.  Diese  Ein- 
richtung, welche  in  Russland  vielfach  benutzt  wird,  wird  so  getroffen,  dass 
an  die  Seiten  der  Deckel  von  je  zwei  Jaktanen  Schlingen  von  Leder  angenagelt 
werden.  Durch  diese  steckt  man  zwei  lange  Stangen,  welche  ihrerseits  durch 
breite  Gurten  der  Länge  und  Breite  nach  verbunden  sind;  dieses  Gitterwerk  von 
Gurten  dient  als  Unterlage  für  das  Bett,  das  aus  Pelzmänteln,  Wolldecken  und 
Schlafsack  hergerichtet  wird. 


—     51     - 

Am  dritten  Tage  unserer  Anwesenheit  in  Osch  herrschte  bei  uns  reges 
Treiben.  Kisten  und  Jaktane  .wurden  gepackt,  im  Vorräume  nähten  Sarten  die 
Bettunterlagen  zusammen,  unser  Diener  präparierte  einige  von  Dr.  Holderer 
geschossene  V^ögel,  und  ich  machte  meteorologische  Bestimmungen,  die  er- 
gaben, dass  um  ii  Uhr  mittags  die  Lufttemperatur  nur  —  3®  C.  betrug, 
während  das  Insolationsthermometer  in  der  Sonnenwärme  bis  auf  51,5*^  C. 
stieg;  morgens  8  Uhr  war  die  Lufttemperatur  noch  —  12**  C.  Solche  Beob- 
achtungen sollten  während  der  ganzen  Reise  durch  das  Gebirge  bis  Kaschgar 
fortgesetzt  werden,  so  dass  es  schon  hier  von  Interesse  war,  eine  Basis  für 
Vergleiche  zu  gewinnen. 

Die  Besorgung  von  Kirgisen-Sätteln  mit  Zaumzeug  und  Decken  für  unsere 
Reitpferde  hatte  Asim  übernommen,  der  sich  am  zweiten  Tage  wieder  ein- 
gefunden hatte,  und  es  blieb  nur  noch  die  Sorge  um  den  Proviant  übrig. 
Es  ist  durchaus  nicht  leicht,  sich  gut  und  allen  Bedürfnissen  entsprechend 
zu  versehen  in  einer  Stadt  wie  Osch,  wo  nur  zwei  Magazine  existieren,  die 
europäische  Artikel  dieser  Art  führen.  Wir  fanden  Kakao,  Chokolade,  Nudeln, 
Käse,  Wurst -Konserven  zum  Kochen,  Cakes  und  Bisquits,  eingemachte  Erd- 
beeren, Zucker,  Rotwein  und  Wodka,  so  dass  wir  mit  den  von  Europa  und 
schon  von  andern  Städten  mitgenommenen  Vorräten,  wie  kondensierte  Milch 
und  Butter,  Thee,  Kaffee,  Orangenmarmelade,  Räucherwurst,  Bündtner  Fleisch, 
Aleuronat- Gebäck,  kondensierte  Erbswurst  und  Suppen,  schon  hoffen  konnten, 
wenigstens  der  Gefahr  des  Verhungerns  nicht  ausgesetzt  zu  sein.  Indessen  war 
auch  frisches  Fleisch  nötig,  und  dessen  Besorgung  übernahm  Asim,  der  durch 
seine  Kenntnis  des  sartischen  Marktes  und  dessen,  was  sich  auf  Reisen  bewährt, 
billig  und  gut  einzukaufen  im  stände  war. 

Für  unsere  Hunde  hatten  wir  die  Absicht,  Kisten  oder  Körbe  zu  kaufen 
und  die  Tiere  in  Filzdecken  eingewickelt  in  diesen  Behältern  von  einem  Pferde 
tragen  zu  lassen.  Für  den  grösseren  Hund  standen  wir  von  diesem  Plane  ab, 
als  es  sich  zeigte,  dass  er  neben  den  Pferden  herlaufen  konnte.  Der  kleinere 
Dachshund  hingegen  erhielt  einen  Filzsack,  in  welchem  er  bald  von  Dschigiten, 
bald  von  unserm  Diener  Bock  auf  dem  Arm  getragen  wurde.  Das  gab  häufig 
zu  komischen  Scenen  Anlass,  besonders  wenn  der  des  Reitens  noch  unkundige 
Bock  im  Galopp  mit  dem  Hunde  dahersprengte  und  jeden  Augenblick  vom 
Pferde  zu  fallen  drohte,  während  der  Hund  auf  der  andern  Seite  sich  nach 
Kräften  bemühte,  aus  der  ihm  unbequemen  Lage  und  aus  dem  Sacke  sich  zu 
befreien. 

Trotz  unserer  angestrengten  Thätigkeit  war  der  Aufenthalt  in  Osch  ein 
sehr  angenehmer.  Die  neue  Stadt  selbst  ist  klein  und  bietet  nur  wenig;  ihre 
schönen,  geraden,  breiten  Strassen  mit  hohen  Laubbäumen  müssen  im  Sommer 
kühl  und  schattig  sein,  ebenso  wie  die  kleinen,  von  den  Bäumen  weit  überragten 
Häuser.  Auf  einem  grossen,  mit  Anlagen  versehenen  Platze  liegt  die  kleine 
russische  Kirche  mit  dem  von  ihr  getrennten  Glockenturm. 


—     52     - 

Die  Lage  von  Osch  ist  malerisch.  Geradezu  prächtig  ist  der  Blick  von 
der  Terrasse  der  Wohnung  des  Kreischefs,  die  sich  auf  dem  rechten  Flussufer 
etwas  in  der  Höhe  befindet  Man  übersieht  die  g^nze,  mit  Bäumen  stark 
bepflanzte  Niederung  längs  des  Flusses  und  auf  dessen  linker  Seite,  auf  welcher 
der  grössere  Teil  der  neuen  Stadt  liegt;  weiter  flussabwärts  erheben  sich  einige 
schroff  aufragende  Felsen,  auf  deren  gegen  die  alte  Stadt  Osch  am  meisten 
vorragenden  Punkte  ein  muhamedanisches  Heiligtum  sich  befindet.  Zwischen 
den  Lücken  dieses  Felsengebirges  und  auf  seinen  beiden  Seiten  schweift  der 
Blick  ungehindert  hinaus  in  die  fruchtbaren  Ebenen  von  Fergana,  während  nach 
allen  andern  Seiten  das  Panorama  von  grotesken,  jetzt  in  der  Winterzeit  in 
herrlichem   Schneeschmuck  glänzenden  Bergzügen  begrenzt  wird. 

Der  letzte  Tag  in  Osch  war  natürlich  von  morgens  bis  spät  in  die  Nacht 
hinein  mit  Geschäften  aller  Art  voll  besetzt.  Schon  moi^ens  >%i]rden  auf  3  Uhr 
nachmittags  die  Lastpferde  für  das  grosse  Expeditionsgut  bestellt,  aber  vorher 
noch  mussten  alle  Kisten  und  Koffer  gut  gepackt  und  verschlossen  werden;  auch 
starke  Leisten  mussten  um  sie  geschlagen  werden,  da  die  älteren,  noch  aus 
Deutschland  stammenden  sowohl  durch  den  Transport  wie  durch  das  in  Tiflis  nötig 
gewordene  Oeffnen  schadhaft  geworden  waren. 

Für  den  kleinen  Koffer  mit  den  wissenschaftlichen  Apparaten  wurde  ein 
besonderer  Jaktan  eingerichtet,  ebenso  für  die  photographischen  Apparate;  beide 
wurden  auf  ein  Pferd  gebunden,  das  keine  andere  Last  zu  tragen  hatte  und 
stets  in  meiner  Nähe  bleiben  musste. 

Es  waren  im  ganzen  39  Stücke  geworden,  die  auf  16  Pferden  untergebracht 
wurden.  Besonders  die  Karabiner  und  Jagdgewehre,  deren  Munition  und 
die  Zelte  bildeten  schwieriger  zu  behandelnde  Stücke,  die  aber  auch  glücklich 
Platz  fanden;  nach  5  Uhr  zog  diese  erste  Karawane  ab,  die  wir  ihrer  lang- 
samen Gangart  wegen  am  nächsten  Tage  noch  vor  unserm  ersten  Nachtquartier 
einholten. 

Der  Tag  des  Abmarsches,  der  26.  Januar,  war  angebrochen;  pünktlich 
um  8  Uhr  waren  die  Reit-  und  Lastpferde  da;  es  wurde  aber  doch  gegen 
9Y2  Uhr,  bis  wir  abreiten  konnten.  Noch  ein  Händedruck  mit  Herrn  Jessen, 
die  unvermeidliche  photographische  Aufnahme  (Titelbild),  und  im  Trabe  ging 
es  die  schöne  Strasse  hinab  nach  der  alten  Stadt,  über  den  Fluss  und  dann 
in  östlicher  Richtung  durch  flach-welliges,  schneebedecktes  Hügelland  den 
Bergen  zu. 

Der  Weg  bot  wenig  Interessantes:  ab  und  zu  ein  Dorf  oder  einzelne  Gehöfte, 
schlechte  Stellen  mit  Glatteis,  wo  das  Wasser  eines  Bewässerungskanales  weithin 
Strasse  und  Felder  überflutet  hatte,  oder  einzelne  uns  begegnende  Kirgisen  mit 
ihren  Frauen;  diese,  nach  Männerart  zu  Pferde  sitzend,  haben  den  unver- 
schleierten   Kopf   mit    hohem  weissem   Turban  bedeckt. 

Der  Tag  fing  schon  an  zur  Neige  zu  gehen,  als  wir  zu  einigen  kleinen, 
armselig  aussehenden  Hütten  gelangten,   die   für    heute   unser   Ziel  und  Nacht- 


—     53     - 

quartier  bedeuten  sollten.  Wir  Reiter,  ausser  Dr.  Holderer,  mir  und  dem  Diener 
noch  Asim  und  zwei  Dschigiten,  waren  den  fünf  Pferden,  die  unser  Handgepäck 
trugen,  weit  voraus  gekommen,  und  so  traf  es  sich  denn,  dass  wir  in  diesen 
Hütten  zwar  ein  geheiztes  Gemach  und  zwei  schon  vorbereitete  Bettstellen 
fanden,  aber  nichts  zu  essen  hatten,  ausser  was  eben  jeder  in  den  Sattcltaschen 
bei  sich  fiihrte  und  noch  nicht  unterw^s  aufgegessen  hatte.  An  der  all- 
gemeinen Müdigkeit  zeigte  es  sich,  dass  der  Ritt  von  30  Werst  (=  32  km)  für 
den  Anfang  doch  ziemlich  viel  war,  nachdem  wir  beide  längere  Zeit  nicht  im 
Sattel  gewesen  waren.  An  unserm  Nachtquartier,  Ljangar  am  Taldük-Flusse, 
war  auf  Befehl  der  Regierung  auch  eine  Kirgisen -Jurte  aufgeschlagen,  die  für 
mehr  als  10  Mann  Raum  bot;  da  aber  bei  dem  klaren  Sternenhimmel  die  Nacht 


kalt  zu  werden  versprach,   schien  es  besser,   die  niedrige,  aber  wärmere  Lehm- 
hütte zu  beziehen. 

Von  Ljangar  geht  ein  Fahrweg  noch  weiter  das  Thal  des  Taldük-Flusses 
nach  Südosten  hinauf,  biegt  dann  nach  Osten  ab  und  erreicht  über  den  Tschigirt- 
schik-Pass  {2215  m)*)  Gultscha,  während  wir  einen  kürzeren,  aber  schwierigeren 
Saumweg  über  die  Pässe  Taka  (2352  m)  und  Schalbeii  (2112  m)  direkt  nach 
Südost  und  nach  Gultscha  einschlugen. 

*)  Die  Hühenane:"!"!!!  tioA  lumelat  Torh^indenen  Kürten  eDliiommcii;  wo  solcUe  niclit  cxisliereu 
Oller  keine  IIüheiuuie;a1>eii  endialleD,  «fml  <lic  Werte  der  Torläufi^eD  ßerechnunsen  mclucr  lliiheD- 
hestimmuncen  aogeReben;  die  definiäven  Zahlen  aber,  die  erst  berechnet  wi-rden  können,  wenn  die 
Publikation  der  meleoroloK'ischen  Bciibachtuncen  aa(  den  ruasisohcn  Stationeu  eriol:^  Ist,  werden  in 
Tabellen  Im  III.  Bande  dei  Werkes  enthiücen  sein. 


—     54     — 

Am  Morgen  überraschte  vor  allem  die  warme  Temperatur  der  Luft;  der 
Himmel  war  gleichmässig  grau  bezogen,  und  das  während  der  Nacht  ausgesetzte 
Minimumthermometer  zeigte  an,  dass  auch  während  der  Nacht  die  Temperatur 
nicht  unter  —  2,5®  C.  gesunken  war,  trotzdem  abends  der  Himmel  klar  war. 
Das  waren  keine  schönen  Aussichten.  Tüchtige  Kälte  wäre  uns  willkommener 
gewesen  als  diese  föhnartige  Witterung. 

Bis  alles  reisefertig  war,  wurde  es  10  Uhr;  zunächst  wurde  der  Fluss 
Taldük  durchritten  und  dann  ging  es  in  einem  öden  Thale  mehrere  Stunden 
aufwärts,  wobei  nichts  zu  sehen  war,  als  eine  gleichmässige  Schneedecke  über 
massig  zerfurchtem  Terrain.  Vom  Passe  Taka  (2352  m),  den  wir  durch  dieses 
Thal  erreichten,  sah  man  aber  in  wildere  Gebirgslandschaften;  leider  war  durch 
die  über  den  Berggipfeln  lagernden  Nebel  die  Aussicht  stark  beschränkt. 

Sehr  interessant  verlief  der  letzte  Teil  des  Abstieges  zum  Kaplan -Kul- 
See  (1731  m).  Es  geht  durch  eine  enge  steile  Felsschlucht  jäh  einige  hundert 
Meter  hinab;  auf  beiden  Seiten  ragen  senkrechte  Felswände  mit  tiefen  Spalten 
auf,  und  auf  der  engen  Sohle  des  steilen  Abstieges  lag  viel  Schnee  und  Glatteis 
über  den  lockeren  Schuttmassen.  Die  grosse  Gepäckkarawane  legte  gerade 
diesen  gefährlichen  Weg  durch  die  Schlucht  zurück,  als  wir  sie  einholten.  Es 
war  bewundernswürdig,  mit  welcher  Sicherheit  sich  die  schwer  beladenen  Tiere 
den  Weg  suchten.  Da  bei  etwa  20  Lastpferden  nur  vier  Leute  sich  befanden, 
war  von  einer  Führung  keine  Rede  und  es  blieb  jedem  Tier  überlassen,  zu 
sehen,  wie  es  weiterkam;  nur  ganz  hinten  waren  zwei  Treiber,  um  zu  beauf- 
sichtigen, dass  kein  Tier  zurückblieb.  Im  Sattel  hinunter  zu  reiten,  schien 
unter  den  Umständen  sehr  gewagt;  als  ich  aber  fühlte,  wie  sicher  mein  Pferd 
auftrat,  wie  es  klug  die  guten  Stellen  aussuchte  und  ruhig  hinabstieg,  kehrte 
auch  das  Vertrauen  wieder,  und  ich  kam  schneller  und  besser  unten  an,  als 
wenn  ich  es  zu  Fuss  versucht  hätte.  Dass  indessen  nicht  immer  alles  so  glatt 
abgeht,  bewies  ein  ganz  frisch  abgeschlagenes  Pferdebein,  das  am  Wege  lag, 
während  wohl  der  übrige  Kadaver  in  der  Tiefe  liegt  oder  von  Lawinenschnee 
bedeckt  ist 

Während  wir  mitten  in  der  Schlucht  kletterten,  kam  eine  mächtige  Lawine 
über  die  gegenüber  liegende,  an  100  m  hohe  Felswand  mit  zischendem  und 
donnerndem  Getöse  herab.  Keine  50  m  von  der  Stelle,  wo  wir  uns  befanden, 
vollzog  sich  das  grossartige  Schauspiel,  das  einem  mächtigen  Wasserfalle  glich, 
und  doch  blieben  alle  Pferde  so  ruhig,  als  ob  es  sie  gar  nichts  anginge. 

Von  unten  sahen  die  zerklüfteten  Wände  des  Conglomeratgesteines,  das 
die  Felsen  bildet,  imponierend  aus;  in  langer,  gegen  Ost  gewandter  Flucht 
erhoben  sich  die  massigen,  klotzigen,  durch  steilwandige  Schluchten  getrennten 
Köpfe.  Weiter  ging  der  Ritt  zu  dem  einsam  liegenden  Kaplan-Kul-See,  einem 
Wassertümpel,  an  dessen  einem  Ufer  ein  kleines  Grabdenkmal  steht,  während 
unweit  seines  oberen  Endes  die  Kirgisen  einen  grösseren  Aul  als  Winterquartier 
aufgeschlagen  haben,   bei  welchem  Karawanen  zu  nächtigen  pflegen,  wenn  der 


—     55     — 

Weg  bis  nach  Gultscha  zu  weit  ist.  Ein  kleines  Frühstück,  das  heute  das 
Mittagessen  ersetzen  musste,  wurde  im  Sattel  verzehrt  und  schmeckte  prächtig, 
trotz  des  Schaukeins;  hier  das  Menü: 

Cognac  fine  Madeira,  very  old  1824  (?). 

Flügel  von  Wildente. 

Getrocknetes  Bündtner  Fleisch  mit  trockenem  Brot. 

Chokolade  mit  Wodka. 

Es  hatte  begonnen  leicht  zu  regnen,  und  auf  den  Höhen  war  dieser  Regen 
Schnee.  Von  neuem  ging  es  in  die  Höhe  auf  den  Schalbeli-Pass  (21 12  m),  den 
wir  in  dichtem  Schneegestöber  mittags  etwa  um  4  Uhr  erreichten.  Auf  der 
andern  Seite  ging  es  jäh  hinab;  auch  hier  war  der  Weg  an  manchen  Stellen 
durch  Glatteis  sehr  schwierig. 

Von  Gultscha  waren  uns  zwei  Führer  entgegengesandt  worden,  die  uns 
unterhalb  der  Passhöhe  trafen  und  mit  uns  nach  der  kleinen  Kosaken-Garnison 
zurückkehrten.  Als  wir  erst  die  Thalsohle  erreicht  hatten,  ging  es  in  munterem 
Trabe  bis  zum  Gultscha-Flusse,  dessen  verschiedene  Arme  durchritten  wurden. 
Eine  Galoppade  auf  dem  flachen  rechten  Flussufer  bis  zu  dem  noch  etwa  2  km 
weiter  aufwärts  gelegenen  Orte  zeigte,  dass  die  Pferde  durch  den  heutigen 
Tagesmarsch  keineswegs  ermüdet  waren;  sie  sind  noch  ganz  andere  Leistungen 
gewöhnt. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Kommandeurs  der  Kosaken-Abteilung 
von  zwei  Sotnien  fanden  wir  ein  warmes  Zimmer  und  Samowar  fertig  und 
fühlten  uns  bald  behaglich  in  dem  Garnisonement  der  Kosaken,  deren  Ruf  viel 
schlimmer  ist,  als  sie  es  verdienen.  Wir  selbst  erwarteten  in  den  Kosaken 
tüchtige,  allen  Lebenslagen  in  der  Einöde  und  Wildnis  gewachsene  Menschen  zu 
finden,  die  jederzeit  hilfsbereit  einspringen  können  und,  an  absoluten  Gehorsam 
gewöhnt,  keine  andere  Pflicht  kennen,  als  ihren  Herren  treu  zu  folgen,  sei  es 
auch  in  den  Tod.  Hier  in  Gultscha  sollten  wir  diese,  unsere  künftigen  Begleiter 
auf  weiter  Reise,  unsere  Beschützer  in  Gefahr  kennen  lernen.  Man  hatte  uns 
schon  vorher  mehrfach  gesagt:  »Wenn  dem  Kosaken  der  kaiserliche  Befehl  mit- 
geteilt wird,  dass  er  Sie  geleiten  und  schützen  soll,  so  lässt  er  sich  eher  in 
Stücke  hauen,  als  dass  er  Sie  im  Stiche  lässt c  Das  waren  just  die  Leute,  wie 
wir  sie  in  Tibet  und  China  gebrauchten,  und  wir  waren  daher  einigermassen 
gespannt,  wie  sie  aussehen  würden. 

Der  Kommandeur  der  in  Gultscha  liegenden  Kosakenabteilung  des 
Orenburger  Kosakenheeres,  der  auch  die  Posten  an  der  chinesischen  Grenze, 
der  Festung  Irkeschtam  und  die  wichtige  Befestigung  auf  dem  Pamir  besetzt, 
meinte  in  seiner  leutseligen  Art:  »er  gäbe  uns  am  liebsten  die  ganze  Sotnie 
mite,  wahrscheinlich,  weil  er  das  Leben  mit  den  Kerls  in  dem  kleinen  Gultscha 
satt  hatte.  Ausser  ihm  und  noch  einem  untergebenen  Offizier  giebt  es  nur 
noch  einen  Postmeister  dort.  Die  Festung,  d.  h.  der  neue  Teil  des  Ortes, 
besteht    nur    aus   Militärgebäuden;    der    von    den    eingeborenen    Kirgisen    und 


-    56    - 

sartischen  Händlern  bewohnte  alte  Teil  ist  sehr  klein  und  schmutzig  und  hat 
nur  einen  sehr  dürftigen  Bazar,  auf  welchem  selbst  wichtige  Lebensbedürfnisse 
nicht  zu  haben  sind.  Der  kleine  Ort  liegt  unter  schönen  Bäumen  einige 
Minuten  weiter  flussabwärts  als  der  neue  Teil. 

Verschiedener  Umstände  halber,  unter  denen  auch  das  zweifelhafte 
Wetter  eine  Rolle  spielte,  kamen  wir  von  hier  erst  nach  zwei  Tagen  weiter, 
und  diese  Zeit  wurde  weidlich  zu  Ausflügen  in  die  umliegenden  Berge  und 
zur  Jagd  benutzt.  Die  Umgebung  ist  bekannt  durch  ihre  schönen  Fasanen 
(Phasianus  semitorquatus),  die,  ausser  mit  besonderer  Erlaubnis  des  Gouver- 
neurs, nicht  gejagt  werden  dürfen,  und  sich  daher  ganz  dicht  an  den  mensch- 
lichen Wohnungen  und  an  der  Strasse  aufhalten.  Wir  hatten  die  Erlaubnis 
erhalten,  einige  Fasanen  zu  schiessen,  und  zwar  einige  für  die  zoologischen 
Sammlungen  und  einige  zum  Kosten.  Es  zieren  daher  mehrere  dieser  selten 
schönen  Tiere  die  Sammlungen,  und  dass  das  » Kosten  c  auch  nicht  übel  war, 
geht  daraus  hervor,  dass  wir  das  Fleisch  der  zu  Sammlungszwecken  abgebalgten 
Exemplare  brieten  und  unter  unserm  Proviant  weiter  mitnahmen. 

Am  Morgen  des  30.  Januar  herrschte  bei  uns  wieder  dasselbe  lebhafte 
Leben  und  Treiben,  das  mit  dem  Beladen  einer  grösseren  Anzahl  von  Last- 
tieren stets  verbunden  ist. 

Drei  stramme,  flotte  Burschen  hatten  sich  als  unsere  Kosaken  gemeldet. 
Sie  kamen  angeritten  auf  ihren  wilden  struppigen  Pferden,  in  ihrer  Uniform 
mit  blauen  Aufschlägen  und  in  voller  Bewaflhung.  Die  Leute  machten  sofort 
einen  guten  Eindruck;  sie  sahen  unternehmend  aus,  ihr  Benehmen  hielt  sich 
streng  an  die  militärischen  Formen,  und  dass  sie  ausdauernd  und  den 
klimatischen  Schwierigkeiten  gewachsen  seien,  danach  brauchte  man  nicht  erst 
zu  fragen,  dafür  waren  sie  ja  eben  Kosaken. 

Ausser  durch  diesen  sehr  erfreulichen  Zuwachs,  wurde  unsere  Kolonne  noch 
verstärkt  durch  einen  Wolastnoi,  Gemeindeältesten  der  Kirgisen,  der  in  malerischer 
Tracht,  auf  feurigem  Hengste,  mit  noch  einigen  Leuten  als  Gefolge  uns  das  Geleit 
bis  zum  Mittagshaltepunkte  Küsül- Kurgan  gab  und  dort  in  einer  Jurte  mit 
prächtigen  Teppichen  ein  Frühstück  hatte  vorbereiten  lassen. 

Der  Weg  bis  dahin  war  zum  Reiten  sehr  bequem  gewesen;  zuerst  führte 
er  auf  dem  hohen  rechten  Flussufer  in  die  weite  Thalebene,  welche  einige 
Stunden  weit  den  Fluss  begleitet;  dann  windet  er  sich  durch  enge  felsige 
Schluchten  zwischen  hohen  Bergen,  und  hier  bietet  der  Eintritt  in  die  enge 
Schlucht,  wo  der  Fluss  auf  kühn  gespannter  Brücke  überschritten  wird,  ein 
malerisches  Bild. 

Da,  wo  sich  die  engen  Felsenschlünde  wieder  öffnen  und  der  Fluss  in 
ruhigerem  Gange  durch  weiche  Matten  fliesst,  dehnt  sich  ein  weites  Thal- 
becken mit  einem  Kirgisen-Aul  aus,  das  Küsül-Kurgan  heisst,  früher  Zollposten 
war  und  (17  km)  oberhalb  von  Gultscha  liegt.  Wahrscheinlich  giebt  es  Zeiten, 
wo  sich  hier  niemand  befindet,  jedenfalls  verriet  keine  fest  gebaute  Wohnstätte 


US  Sufi-Kurgau   im   Aliii-(5ebirh'f.      i  AnthropoUigi^hc   Messung    Nu. 
.   l>ungaiu'  :iiii   Ak-su.      (Anthropologische   Messung  No.  4.) 


—     57     — 

den  zeitweiligen  Aufenthalt  von  Menschen.  Jetzt  aber  waren  die  wohnlichen, 
geräumigen  Jurten  lediglich  für  Frühstückszwecke  hergerichtet;  viele  Kirgisen 
mit  ihren  Pferden  hatten  sich  eingefunden,  und  unsere  Kosaken,  sowie  die 
zahlreichen  Lasttiere  belebten   noch  die  Grasflächen  am  Flussufer. 

Wenn  oben  die  Jurte  als  »wohnlicht  bezeichnet  wurde,  so  gilt  das  in 
unserm  Sinne  nur  für  wenige  Fälle;  die  Kirgisen  wohnen  allerdings  aus- 
schliesslich in  solchen  mit  grossen  Bienenkörben  zu  vergleichenden  Behausungen 
und  finden  sie  sicher  sowohl  bequem  als  zweckmässig;  aber  fiir  einen  Kultur- 
menschen ist  der  Aufenthalt  darin  nicht  auf  die  Dauer  angenehm.  Sie  be- 
stehen aus  einem  leichten  Rohr-  und  Holzstabgeflecht,  das  mit  Filzplatten  von 
aussen  belegt  wird,  derart,  dass  oben  eine  runde  Oefihung  bleibt,  die  dem 
Rauche  zum  Abzug  dient,  bei  schlechtem  Wetter  aber  auch  durch  Filz  ver- 
schlossen werden  kann.  Die  als  Thür  dienende  Lücke  im  Filzbelage  wird 
durch  leicht  bewegliche  Binsenmatten  ausgefüllt,  und  darüber  hängt  bei  den 
Wohlhabenderen  eine  weisse  Decke,  auf  welche  wenig  kunstvolle,  aber  sehr 
originelle,  grosse  Figuren  mit  roter  Wolle  aufgestickt  sind.  Eine  solche  Jurte 
vom  Durchmesser  von  4 — 6  m  vermag  schon  eine  ganze  Kirgisenfamilie  auf- 
zunehmen und  hat  für  diese  Nomaden  den  Vorzug,  dass  sie  sehr  leicht 
transportabel  ist  und  überall  schnell  aufgeschlagen  werden  kann.  Diese  Hütten 
bieten  im  Innern,  wenn  das  Feuer  brennt  und  sie  mit  schönen  Teppichen 
ausgelegt  sind,  einen  angenehmen  Aufenthaltsort;  wenn  sie  aber  vom  langen 
Gebrauche  russig  und  schmutzig  sind  und  ausser  einer  zahlreichen  Familie 
noch  unzählige  kleine  Mitbewohner  darin  hausen,  so  ist  man  froh,  sie  bald 
wieder  verlassen  zu  können. 

Die  Kara-Kirgisen,  denen  man  hier  im  Gebirge  fast  ausschliesslich  begegnet, 
sind  meist  stark  gebaute  kräftige  Gestalten,  die  in  ihren  grossen,  hellen,  mit 
schwarzen  Besätzen  umsäumten  Pelzmänteln  stattlich  aussehen,  wenn  sie  auf  ihren 
struppigen,  aber  ausdauernden  Pferden  auch  auf  schwierigen  Pfaden  im  Trabe 
daherkommen.  Von  den  Frauen  bekommt  man  nur  selten  etwas  Gutes  zu 
sehen;  die  jungen  werden  versteckt,  und  die  alten  sieht  man  besser  nicht.  Kommt 
man  aber  einmal  unverhofft  in  die  Nähe  eines  Auls,  einer  Ansiedlung  mit  mehreren 
Jurten,  so  kann  man  wohl  ab  und  zu  einer  Frau  mit  lang  herabhängenden,  schwarzen, 
mit  Silber  verzierten  Troddeln  im  Haar,  in  buntfarbiger  Hose  und  mit  Turban 
ansichtig  werden. 

Mittags  um  2  Uhr,  als  wir  nach  kurzer  Rast  von  Küsül-Kurgan  wieder 
ausritten,  war  die  Temperatur  eher  zu  hoch,  als  zu  niedrig.  Es  machen  sich 
hier  im  Gebirge  starke  Temperatur -Gegensätze  geltend,  so  dass  auf  heisse 
Tagesstunden,  in  denen  die  direkte  Strahlungswärme  der  Sonne  auf  über  50®  C. 
steigt,  kalte  Nächte  folgen,  in  welchen  das  Thermometer  weit  unter  den  Null- 
punkt herabsinkt. 

Der  Weg  führte  zunächst  in  einem  breiten  Thale  auf  hohen  Terrassen  und 
ein   Stück  weit  am   Flusse  selbst  hin;  dann   aber  wurde   die  Landschaft  wilder, 


-     58     - 

der  Weg  stieg  steil  an  glatten  Felswänden  entlang  in  die  Höhe,  und  wieder 
in  Abgründe  hinab,  um  den  unten  tosenden  Fluss  auf  schwindelnder  Brücke  zu 
überschreiten.  Eine  eisig  kalte  Luft  wehte  uns  aus  diesen  Schluchten  entgegen, 
die,  von  fast  senkrechten  Felswänden  umstarrt,  nie  vom  Strahl  der  Sonne  erwärmt 
werden.  Hoch  oben,  über  Fels  und  Schlucht  zogen  einige  mächtige  Adler  im 
Sonnenglanze  ihre  Kreise,  aber  unten  schien  kein  lebendes  Wesen  sich  gern 
aufzuhalten. 

Die  Engschlucht  öffnet  sich  bald  etwas,  und  es  folgt  wieder  eine  weitere 
ITialstrecke,  die  das  flinke  Ross  im  Trabe  zurücklegt  Dann  versperren  uns 
wieder  gewaltige  Granitwände  drohend  den  Weg.  Aber  da,  wo  das  Wasser 
strudelnd  und  tosend  sich  einen  Weg  gebahnt,  findet  sich  auch  noch  Raum  fiir 
einen  Saumpfad;  an  vielen  Stellen  ist  sogar  durch  Sprengung  und  Abgraben  nach- 
geholfen, so  dass  eigentlich  gefährliche  Stellen,  selbst  jetzt  im  Winter  bei  Schnee 
und  dem  ab  und  zu  auftretenden  Glatteise,  hier  noch  nicht  vorkamen,  obgleich 
es  ängstlichen  Gemütern  gelegentlich  recht  ungemütlich  werden  konnte. 

Das  Thal  erweiterte  sich  wieder  zu  einem  langgestreckten,  schönen  Thal- 
boden, auf  welchem  einzelne  Strecken  mit  herrlichen  alten  Bäumen,  Pappeln 
und  Birken,  bestanden  waren,  so  dass  man  in  fast  2000  m  Höhe  sich  in 
einen  winterlichen  Park  versetzt  glauben  konnte.  Das  Thal  heisst  Tukai  (Schatten- 
thalV  Am  oberen  Ende  dieses  weiten  Thalabschnittes,  da,  wo  zwei  grosse  Thäler, 
das  eine  von  Süden  kommend,  das  andere  aus  mehr  östlicher  Richtung  mit  dem 
Terek-Dawan-Pass  endigend,  zusammenstossen,  etwa  42  km  oberhalb  von  Gultscha, 
liegt  die  Karawanenstation  Sufi-Kurgan,  durch  einen  grossen,  von  überdeckten, 
offenen  Hallen  umgebenen  Hof  bezeichnet,  neben  dessen  Eingangspforte  zu  beiden 
Seiten  sich  die  beiden  einzigen  geschlossenen  Räume  der  Station  befinden.  Noch 
vor  einem  Jahre  befand  sich  aber  gar  nichts  an  dieser  Stelle,  so  dass  die  Rei- 
senden gezwungen  waren,  Zelte  oder  Jurten  aufzuschlagen,  oder  sich  sonst 
zu  behelfen,  so  gut  oder  schlecht  es  eben  gehen  wollte.  Der  eine  der  beiden 
Räume  war  für  uns  geheizt;  alsbald  wurde  ein  Samowar  gebracht,  und  ein 
köstlicher  Reis  mit  gebratenem  Hammelfleisch  bildete  unser  Abendbrot.  Eine 
mit  Decken  belegte  Bettstelle  fand  sich  vor,  eine  andere  wurde  aus  unsern  Jak* 
tanen  improvisiert,  und  für  unsere  übrigen  Leute,  Diener  und  Kosaken  fand  sich 
Platz  im  andern  Raum,  den  der  Wolastnoi  bewohnte,  und  in  zwei  geräumigen, 
im  Hofe  aufgestellten  Jurten. 

Sufi-Kurgan  ist  der  Knotenpunkt,  an  welchem  sich  vom  Wege  über  den 
Terek-Dawan  eine  andere  wichtige  Verbindungslinie  abzweigt,  die  in  südsüd- 
westlicher Richtung  über  den  hohen  Taldükpass  (3536  m)  ins  grosse  Alai-Thal 
und  von  da  in  östlicher  Richtung  über  den  Taun-murun-Pass  (3414  m)  ins  Thal 
des  Küsül-su  und  nach  Vereinigung  mit  dem  Terekpass-Wege  in  Irkeschtam 
ebenfalls  nach  Kaschgar  führt;  dieser  Weg  galt  zur  Winterzeit  als  unpassier- 
bar, war  ausserdem  aber  auch  viel  länger,  als  die  Verbindung  über  den  Terek- 
Dawan. 


—     59     — 

Schon  unterwegs  hatte  uns  die  Kunde  erreicht,  dass  auch  der  Weg  über  den 
Terek-Dawan-Pass  zur  Zeit  unpassierbar  sei.  Es  lägen  oben  gewaltige  Schnee- 
massen, die  Lawinengefahr  sei  sehr  gross,  und  an  den  abschüssigen  Stellen  der 
Weg  selbst  gefährlich.  Es  war  der  Wolastnoi  des  Postens,  der  uns  persönlich 
diese  traurige  Nachricht  brachte,  die  er  durch  ausgesandte  Dschigiten  erhalten 
hatte.  Er  fügte  aber  zum  Trost  hinzu,  dass  er  gleich  andern  Tages  zwanzig 
Leute  aussenden  wolle,  um  an  den  schwierigsten  Stellen  den  Weg  freizumachen. 

So  vergingen  drei  Tage  mit  Warten,  da  das  Wetter  schlechter  wurde;  es 
schneite  sogar  hier  unten  ziemlich  viel,  und  auf  den  Höhen  noch  mehr.  Ein  am 
zweiten  Tag  gegen  den  Uebergang  entsandter  Dschigit  kam  um  4  Uhr  nach- 
mitt^s  wieder  zurück  und  meldete,  ein  Ueberschreiten  des  Passes  sei  ganz 
ausgeschlossen,  oben  wüte  ein  Sturm,  und  sein  Pferd  sei  bis  an  den  Hals  in 
den  Schnee  geraten.  Am  dritten  Tage  war  das  Wetter  wieder  hell,  kalt,  und 
die  Luft  ruhig,  und  somit  geeignet  zum  Versuchen  der  Tour,  die  wir  aber  noch 
einen  Tag  aufschoben,  obwohl  einige  kühne  Reisende,  die  wie  wir  nach  Irkeschtam 
wollten,  sich  schon  am  Morgen  auf  den  Weg  machten  und  auch  glücklich  den 
gefahrlichen  Pass  überschritten.  Für  uns  war  es  ja  nur  vorteilhaft,  wenn  andere 
Karawanen  den  Weg  etwas  ausgetreten  hatten. 

Man  wusste  auch  von  einer  grossen  Karawane  aus  Kaschgar  zu  erzählen, 
die  auf  der  andern  Seite  des  Terek-Dawan  in  Kok-su  läge  und  wie  wir  auf 
günstigere  Verhältnisse  warte.  Es  erschien  angezeigt,  das  Eintreffen  dieser 
Expedition  abzuwarten,  weil  darin  die  beste  Gewähr  für  das  Gelingen  unseres 
Ueberganges  lag. 

Während  wir  so  in  Sufi-Kurgan  warteten,  kamen  noch  eine  Reihe  von 
Warentransporten  an,  die  teils  vor,  teils  hinter  uns  lagerten  und  unser  Schicksal 
teilen  mussten.  Einige,  darunter  auch  die  zwanzig  Pferde,  welche  unser  grosses 
Gepäck  nach  Kaschgar  zu  transportieren  hatten,  versuchten,  auf  die  kleinere 
Schutzhütte  unterhalb  des  Passes,  Rabat  des  Terek-Dawan,  30  Werst  oberhalb 
von  Sufi-Kurgan,  zu  gelangen;  aber  nicht  mit  gutem  Erfolge,  denn  wir  über- 
holten sie  später  noch  weit  unterhalb  dieser  Station  und  waren  einige  Stunden 
vor  ihnen  dort. 

Für  die  Tage  des  Wartens  gab  es  viel  Zeitvertreib.  Die  ausgezeichnete 
Jagdgelegenheit  auf  Tauben,  Rebhühner  (Perdix  barbata)  und  seltene  Vögel 
fiir  die  zoologischen  Sammlungen,  interessante  geologische  Verhältnisse  und 
die  prachtvolle  Umgebung,  in  die  wir  weite  Ritte  ausführten,  Hessen  uns  fast 
vergessen,  dass  wir  eigentlich  herauf  gekommen  waren,  um  über  das  Gebirge 
nach  China  weiterzuziehen. 

Die  Kirgisen,  welche  in  den  benachbarten  Thälern  ihre  Winterquartiere 
aufgeschlagen  hatten,  gehören  zum  Stamme  der  Sartlar  und  zu  den  schwarzen, 
wilden,  die  Berge  bewohnenden,  sogenannten  Kara-Kirgisen,  die  im  Gebiete  des 
oberen  Amu-darja,  im  Pamir,  Alai-Gebirge  und  am  Naryn  ihre  Wohnsitze  haben. 
Sie  sind  ausschhesslich  Nomaden,   die  aber  meist  im  Winter  und  Sommer  die- 


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selben  Lagerplätze  wieder  beziehen,  also  permanente  Wohnsitze  oder  Auls,  die 
aus  5  bis  15  Jurten  zusammengestellt  ^nd,  besitzen.  Die  Kirgisen  (Kirghiz  == 
Nomade)  im  allgemeinen  sind  Turktataren,  die  in  Centralasien  sehr  verbreitet 
sind  und  sich  in  vielen  Horden  und  Stämmen  von  Südsibirien  bis  zur  Wolga 
und  im  westlichen  Thien- seh  an -System  ausdehnen.  Sie  sind  zumeist  Nomaden. 
Ihr  Reichtum  besteht  in  Schafen,  Rindern,  Ziegen,  Pferden  und  auch  zuweilen 
Kamelen.  Ackerbau  wird  nur  sehr  wenig  getrieben  und  beschränkt  sich  auf 
Weizen,  Hirse,  Ro^en  und  Erbsen.  Sie  sind  gute  Reiter  und  Jäger;  aus  der 
Wolle  fertigen  sie  Filze,  Stoffe  und  auch  schöne  Teppiche.  Einige  Typen  solcher 
Kara-Kirgisen  von  verschiedenen  Orten  sind  auf  den  Abbildungen  auf  Tafel  I, 
II,  III  und  unten  dargestellt.  Die  Eigenschaften  des  Körperbaues  sind  mehr 
die  der  Mongolen  als  der  Arier;  die  Hautfarbe  Ist  besonders  bei  den  Frauen 
fast  weiss,  an  unbedeckten  Stellen  bei  den  Männern  mehr  gelblich  und  gebräunt. 
Die  Frauen,  welche  als  Eigentum  des  Mannes  gelten,  also  eine  niedere 
Stellung  haben,  tragen  vielfarbige,  bunte  Gewänder  und  lieben  es,  Hände,  Arme, 
Ohren  und  Haar  reichlich  mit  Schmuck  zu  behängen  (s.  Tafel  III).  Der  Kirgise 
in  russisch  Turkestan  ist  nicht  arm,  und  man  kann  auf  eine  Jurte  eine  Kuh, 
ein  Pferd  und  40  Schafe  rechnen. 

Der  Charakter  wird   als  brav  und   ehrenhaft  geschildert;   dabei   aber  sind 
sie  feige,  grausam  und  nicht  selten  auch  räuberisch.     In  der  Famihe  hat  allein 


Kit\nsi'  In  Sufi-KiirL^im,  .Seitenansicht 


DerBclbe,  VordernnEichL 


—     6i     — 

das  Oberhaupt  Autorität;  mehrere  Familien  vereinigen  sich  zu  Auls  von  fünf 
bis  fünfzehn  Jurten  oder  Kibitken,  wie  ihre  Zelte  genannt  werden.  Diese  Auls 
oder  Zeltlager  bilden  die  politische  Einheit  innerhalb  der  Stämme  und  Horden. 
Früher  gab  es  auch  mächtigere  Oberhäupter  und  Chane,  sie  sind  aber  jetzt 
ohne  Bedeutung.  Seit  dem  Weitergreifen  des  russischen  Einflusses  in  Central- 
asien  sind  sie  alle  sunnitische  Muhamedaner  geworden,  während  es  vorher 
besonders  unter  den  Berg- Kirgisen  viele  Heiden  gab.  Wir  fanden  sie  überall 
freundlich  und  gastfrei,  wenn  auch  zuweUen  etwas  neugierig  zudringlich,  die 
Frauen  nicht  verschleiert  oder  die  Ungläubigen  meidend ;  es  kostete  z,  B.  keine 
Mühe,  sie  dazu  zu  bringen,  sich  photographieren  zu  lassen,  so  z.  B.  in  Uksalür 
(Tafel  III),  und  trotz  der  Anwesenheit  der  Fremden  gingen  sie  ruhig  und  un- 
geniert allen  ihren  häuslichen  Arbeiten,  die  innerhalb  des  »Hausesc,  d.  h.  der 
Jurte,  nur  den  Frauen  obliegen,  nach. 

Die  von  Kaschgar  erwartete  Karawane  kam  nun  zwar  nicht,  indessen 
meinte  man,  dass  bei  dem  nun  eingetretenen  guten  Wetter  nicht  nur  der 
Rabat  erreicht,  sondern  vielleicht  auch  noch  an  demselben  Tage  der  Pass 
würde  überschritten  und  in  Kok-su  genächtigt  werden  können,  wenn  die 
Umstände,  z.  B.  Verschlechterung  des  Wetters,  es  erforderten.  Wäre  dieser 
Fall  eingetreten,  so  hätte  das  für  Ross  und  Reiter  eine  sehr  grosse  An- 
strengung bedeutet,  denn  60  Werst  (=64  km)  im  Winter,  im  Hochgebirge 
auf  ungebahnten  Wegen,  im  Kampf  mit  Schnee  und  Eis  zurückzulegen,  ist 
keine  Kleinigkeit.  Indessen  musste  mit  dieser  Möglichkeit,  oder  richtiger  gesagt, 
Notwendigkeit  gerechnet  werden,  als  wir  am  Donnerstag,  den  2.  Februar, 
morgens  6  Uhr  die  Pferde  bestiegen. 

Der  Glanz  der  Sterne  war  noch  nicht  verblichen ;  ein  fahler  Lichtschein, 
dem  wir  entgegenritten,  verriet  die  Stelle  des  Aufganges  des  Tagesgestirnes, 
und  die  heitere,  kalte,  reine  Luft,  sowie  das  Fehlen  eines  stärkeren  Windes, 
ausser  Luftströmungen  in  den  engen  Schluchten,  versprachen  einen  schönen 
Reisetag.  Der  einige  Kilometer  lange  Weg  auf  ebener  Thalstrecke  wurde  rasch 
zurückgelegt;  in  der  Nähe  befanden  sich  zahlreiche  Jurten  eines  grossen 
kirgisischen  Winterlagers  mit  ihren  weithin  in  die  Augen  fallenden  bunten 
Thürvorhängen.  Der  scharfe  Ritt  Hess  uns  die  frische  Morgenluft,  deren  Tem- 
peratur nur  o®  C.  betrug,  kaum  unangenehm  empfinden;  erst  als  wir  nach  etwa 
17»  Stunden  in  die  engen,  hohen  Schluchten  eintraten,  zwang  uns  der  aus 
denselben  entgegendringende  eisige  Hauch,  die  Pelzmäntel,  die  vorsichtiger- 
weise hinter  dem  Sattel  auf  die  Pferde  gebunden  waren,  anzuziehen  und  die 
wärmsten  Handschuhe  hervorzusuchen. 

Stundenlang  ging  es  durch  diesen  Schrund,  der  tief  vom  Wasser  in  die 
Berge  gerissen,  deren  Inneres  offenbart;  oft  führte  der  schmale  Steig  zwischen 
den  Felsblöcken  unten  am  Wasser  entlang  und  schwang  sich  von  der  einen 
Thalseite  zur  andern  auf  primitiven,  aus  Holz-  und  Strauchwerk  roh  gefertigten 
schmalen  Brücken,  die,  häufig  genug  von  Sturmesgewalten  und  Wasserflut  stark 


—      62      — 

mitgenommen,  das  Ueberschrciten  lebensgefährlich  erscheinen  lie^isen,  besonders 
wenn  die  Schneedecke  alle  die  Löcher  und  unsicheren  Stellen  nachsichtig 
verdeckte. 

Dann  wieder  mussten  die  Pferde  sich  ihren  Weg  suchen  im  Schnee  der 
steilen  Bergabhänge  hoch  über  dem  Wasser,  wo  ein  Fehltritt  genügte,  um  einen 
verhängnisvollen  Sturz  in  die  Tiefe  herbeizuführen.  Aber  die  Geschicklichkeit 
dieser  Kirgisenpferde  ist  so  gross,  und  sie  sind  mit  den  Besonderheiten  ihrer 
Gebirge  so  vertraut,  dass  man  ihnen  getrost  die  Führung  überlassen  kann. 
Mit  wunderbarem  Instinkte  unterscheiden  die  Tiere  die  tragenden  Stellen  von 
den  weichen,  in  welchen  das  ganze  Pferd  versinken  kann,  und  selbst  an 
Schwindel  erregenden  Stellen  treten  sie  sicher  und  ohne  Zagen  auf. 

Solche  gefahrlichen  Stellen  waren  hauptsächlich  da,  wo  von  den  Seiten- 
wänden grosse  Lawinen  ins  Thal  hinabgegangen  waren,  den  Fluss  gestaut 
und  hohe  Wälle  durch  das  ganze  Thal  aufgeschüttet  hatten.  Man  musste  diese 
ganz  weichen,  aus  staubartig  feinen  Teilchen  zusammengesetzten  Massen  am 
hohen,  steilen  Thalgehänge  umgehen.  Stellenweise  finden  in  der  Schlucht, 
in  kleineren  Erweiterungen  auch  Bäume  und  Sträucher  noch  Platz  und  die 
Vegetation  reicht  in  der  Artscha,  dem  asiatischen  Wachholder  (Juniperus 
chinensis  L.),  sogar  hoch  an  den  Bergen  hinauf.  Es  muss  im  Frühjahr  oder 
Herbst  unvergleichlich  schön  sein,  diesen  Weg  zu  machen,  der  schon  im 
Winter  so  hohen  Reiz  besitzt. 

Ein  freundlicher  mattenbedeckter  Thalgrund  zwischen  Nadelholz  tragenden 
Berghängen  schliesst  nach  oben  die  wilde  Schlucht  ab  und  gleichsam  wie 
ein  gewaltiges  Eingangsthor  zu  den  centralen  Teilen  dieser  Gebirgswelt  drängen 
sich  nochmals  die  Felsen  von  beiden  Seiten  zusammen,  kaum  neben  dem 
Flusse  Raum  gebend  für  einen  schmalen  Pfad.  Riesenhaft  drohend  und  aufrecht 
stehen  sie  da,  diese  Schiefersäulen,  und  ihre  dunkle  F*arbe  kontrastiert  eigen- 
tümlich mit  dem  Blau  des  Himmels  und  dem  weissen  Schnee.  Von  den 
glatten  Wänden  hallen  die  Schritte  der  Pferde  zurück,  wie  Orgelton  rauschen 
die  Wellen  des  F*lusses  und  unterbrechen  die  majestätische  Stille  dieser 
Hochgebirgswelt. 

In  dem  darauf  folgenden  breiteren  Thale  hatten  sich  sehr  grosse  Schnee- 
massen angehäuft,  die  uns  aber  keine  ernstlichen  Schwierigkeiten  bereiteten, 
da  die  voraufziehende  Karawane  den  weichen  Schnee  festgetreten  und  einen 
guten  Pfad  gebahnt  hatte.  So  ging  es  denn  rasch  weiter  bis  zu  einer  Ent- 
fernung von  nur  noch  etwa  8  km  von  der  Schutzhütte  des  Terek-Dawan,  die 
direkt  unter  dem  Passübergange  selbst  liegt.  Es  war  schon  gegen  li  Uhr 
geworden  und  wir  hofften,  etwas  nach  Mittag  jenes  Schutzhaus  zu  erreichen; 
da  trat  aber  eine  unerwartete  Aenderung  der  Lage  dadurch  ein,  dass  wir 
die  grosse  Karawane  einholten,  die  das  Expeditionsgepäck  mit  sich  führte. 

Damit  hatten  wir  niemand  mehr  vor  uns,  der  den  Weg  ebnete,  und 
mussten    diese    im  höchsten  Masse  ermüdende  und  zeitraubende  Arbeit  selbst 


-     63     - 

übernehmen.  Ohne  grössere  und  kleinere  Zwischenfälle  ging  es  nicht  ab; 
ein  ernsterer  Unglücksfall  kam  aber  bei  diesem  schwierigen  Wege  glücklicher- 
weise nicht  vor. 

Wir  trafen  zunächst  die  grosse  Karawane,  als  sie  gerade  damit  be- 
schäftigt war,  den  steil  ansteigenden,  ganz  mit  tiefem,  weichem  Schnee 
bedeckten  Hang  einer  Schlucht  zu  erklimmen;  rechts  und  links  erhoben  sich 
jähe  Thalv^ände,  der  Schnee  war  von  ihnen  nach  der  Mitte  gerutscht  und 
es  gab  somit  keine  andere  Möglichkeit,  als  sich  durch  diese  Schneemassen 
hindurch  zu  arbeiten. 

Als  wir  uns  näherten,  zeigte  es  sich,  dass  die  Karawane  ziemlich  auf- 
gelöst war  und  sich  in  einem  Übeln  Zustande  befand.  Hier  waren  einige  der 
wenigen  Leute  der  Begleitung  bemüht,  ein  schwer  beladenes  Tier,  das  bis  an 
den  Leib  im  Schnee  steckte,  etwas  zu  entlasten,  damit  es  sich  herausarbeiten 
konnte,  dort  lag  ein  anderes  Pferd  regungslos,  wie  tot,  auf  dem  Schnee,  noch 
beladen  mit  den  Sachen,  die  es  zu  Fall  gebracht;  dort  war  ein  eben  frei  gemachtes 
Pferd  so  unruhig  geworden,  dass  es  mit  mächtigen  Sätzen  gegen  den  Abhang  der 
Seitenwände  sprang,  wo  der  Schnee  noch  tiefer  wurde  und  es  schliesslich  bis  an 
den  Hals  versank.  Wir  aber  konnten  nicht  vorbei  und  mussten  warten,  bis  alle 
die  Lasttiere  einzeln  herausgezogen  und  über  die  schwierige  Stelle  hinauf- 
geführt waren. 

Als  es  endlich  gelungen  war,  den  Transport  zu  überholen  und  die  Führung 
zu  übernehmen,  ging  es  uns  aber  durchaus  nicht  besser  als  der  Lastkarawane. 
Waren  wir  vorher  in  der  günstigen  Lage  gewesen,  auf  dem  von  jener  fest- 
getretenen Schnee  relativ  sicher  reiten  zu  können  und  die  Stellen,  wo  Pferde 
eingebrochen  waren,  zu  vermeiden,  so  war  es  jetzt  umgekehrt;  die  gleichmässig 
gewölbte  Schneedecke  verriet  äusserlich  durch  nichts,  ob  sie  dick  oder  dünn, 
tragfähig  oder    nur   lose   zusammengeweht  war. 

Dieses  Hochthal  mit  seinen  weichen,  wannenartigen  Formen  war  angefüllt 
mit  Schnee  der  verschiedensten  Art.  Ueber  dem  zuerst  im  Winter  gefallenen 
alten  Schnee,  der  die  Last  der  Pferde  trug,  weil  er  infolge  mehrfachen  ober- 
flächlichen Schmelzens  und  Wiedergefrierens  eine  harte  Rinde  bekommen  hatte, 
lag  weicher  Neuschnee,  der  noch  keinen  härteren  Ueberzug  besass;  darüber  lagen 
ferner  an  einigen  Stellen  die  Schneemassen  von  Lawinen,  welche  in  den  kleinen 
steilen  Seitenschluchten  herunter  gekommen  waren  und  oft  weit  in  das  Haupt- 
thal hineinreichten.  Von  diesen  wusste  man  nie,  ob  sie  tragen  würden  oder 
nicht;  je  ^nachdem  der  Schnee  stark  zusammengeschoben  war  oder  die  Lawine 
mehr  den  Charakter  einer  sogenannten  Staublawine  gehabt  hatte,  bei  der  nur 
staubförmig  feiner  Schnee  ins  Rutschen  gerät,  bis  er  eine  neue  Ruhestätte  findet, 
war  das  eine  oder  das  andere  der  Fall.  Am  schlimmsten  aber  waren  solche 
Stellen,  an  welchen  nach  Art  der  Dünen  durch  den  Wind  grosse  Schnee- 
verwehungen entstanden  waren,  deren  einzelne  Teile,  nur  ganz  lose  über  ein- 
ander gepackt,  natürlich   gar  keinen  Halt  boten.    Und  gerade  diese  waren  sehr 


-     64     - 

häufig.  Wie  gefürchtet  sind  doch  von  unsern  Alpinisten  die  Schneewächten  und 
solche  waren  hier  an  jeder  nur  einigermassen  vorstehenden  Terrainkante  mit 
den  Pferden  zu  überreiten. 

Es  nützte  nur  wenig,  dass  zwei  Kirgisen  vorausgeschickt  wurden,  die 
mit  langen  Stäben  den  Schnee  auf  seine  Tragfähigkeit  prüften  und  an  geeigneten 
Stellen  festzutreten  versuchten.  Einige  Male  passierte  es  jedem  Reiter,  dass 
er  in  den  tiefen  Schnee  steigen  und  sein  Pferd  erst  wieder  herausziehen  lassen 
musste,  wenn  er  nicht  schon  vorher  von  den  zum  Teil  unruhig  gewordenen 
Tieren  abgeworfen  worden  war. 

Manche  Tiere  benahmen  sich  sehr  vorsichtig  und  ruhig  in  der  fatalen 
Lage;  merkten  sie,  dass  ihre  Anstrengungen  sie  nur  noch  tiefer  in  den  Schnee 
führten,  so  Hessen  sie  sich  ruhig  herausziehen;  andere  aber,  und  das  waren  die 
temperamentvolleren  unter  ihnen,  versuchten  mit  Aufbietung  aller  ihrer  Kräfte 
durch  einige  Galoppsprünge  herauszukommen,  wodurch  sie  sich  natürlich  erst 
recht  einwühlten. 

Wer  Humor  besass,  konnte  über  diese  Zwischenfälle  lachen,  besonders 
da  sich  im  Schnee  niemand  beschädigte  und  unsere  beiden  Hunde,  von  denen 
einer,  ein  kleiner  Dachshund,  auf  einem  Pferde  getragen  wurde,  zu  urkomischen 
Situationen  Anlass  gaben.  Indes  hatte  die  Sache  auch  ihre  ernsten  Seiten. 
Als  ich  einmal  zusammen  mit  dem  Pferde  gestürzt  war  und  mit  einem  Fuss 
unter  dasselbe  geriet,  so  dass  ich  ihn  nicht  hervorziehen  konnte,  lag  die  Gefahr 
sehr  nahe,  von  dem  ungeberdigen  Tiere  geschlagen  zu  werden.  Zwei  Kirgisen 
stemmten  sich  von  der  einen  Seite  gegen  den  Leib  des  Pferdes  und  wälzten 
es  weiter,    so    dass  ich  wieder  frei  wurde. 

So  wurstelten  denn  alle  an  den  wenigen  Kilometern,  die  noch  bis  zum 
Rabat  zurückzulegen  waren,  mehrere  Stunden  im  Schnee  herum,  kamen  aber, 
wiewohl  müde  und  erschöpft,  schliesslich  ohne  Unfall  glücklich  an.  »Nitschewoc, 
sagt  der  Russe  in  solchen  Fällen,  wenn  er  mit  einem  blauen  Auge  davon 
gekommen  ist,  und  diese  Redensart,  zu  deutsch:  »Das  hat  nichts  zu  sagen!« 
ist  ein  ausgezeichneter  Trost. 

Glücklicherweise  kam  die  Hauptmasse  unseres  Gepäckes  bald  nach,  da  es 
sich  auf  den  von  uns  festgetretenen  Wegen  rascher  vorwärts  bewegen  konnte 
als  vorher.  Bis  aber  die  letzten  Nachzügler  das  Unterkunftshaus,  das  in  der 
ansehnlichen  Höhe  von  3745  m  und  nur  375  m  unter  der  Passhöhe  liegt,  erreicht 
hatten,  war  es  längst  dunkel  geworden. 

Durch  die  Ankunft  so  vieler  Menschen  und  Tiere  in  dem  sonst  Wochen 
und  Monate  lang  ganz  verlassen  daliegenden  Rabat  entwickelte  sich  reges  Leben. 
Das  Gebäude  war  sehr  einfach  nach  demselben  Plane  gebaut  wie  alle  solche 
Karawanseraie,  die  wir  schon  von  Sufi-Kurgan  her  kennen  und  auch  in  Kok-su 
wiederfinden. 

Der  kleine  eiserne  Ofen  verbreitete  rasch  eine  wohlthuende  Wärme,  aber 
zugleich  einen  solchen  Rauch,  dass  die  Augen  schmerzten  und  man  überlegte, 


.   Kirgise  aus   Irkeschtain  im  Aliii-Gebirge.      (Anthropologische   Messung    No.  2.) 
.   Kirgise  ms  Kan-dschugan  im  Alai-Gebirge.       Anthropologische  Messung  No.  3.) 


-     6s     - 

ob  der  Aufenthalt  im  Freien  nicht  doch  dieser  abzugslosen  Räucherkammer 
vorzuziehen  sei.  Während  wir  uns  mit  Decken,  Schlafsäcken  und  Jaktanen  so 
häuslich  wie  möglich  einrichteten,  machten  es  sich  die  Leute  in  den  offenen 
Hallen  um  den  Hofraum  bequem. 

Um  ein  Feuer  in  einer  Ecke  hatten  sich  die  Kosaken  gelagert  und  be- 
reiteten sich  Thee,  in  einer  andern  Ecke  hockten  die  muhamedanischen  Sarten 
und  Kirgisen  und  brieten  Hammelfleisch  zum  Piläw  (Reis  mit  gebratenem 
Hammelfleisch);  Die  Pferde  standen,  nur  mit  kleinen  Decken  zugedeckt,  in 
den  noch  freien  Räumen  der  Hallen  oder  einfach  im  Hofe  selbst.  In  der 
Mitte  waren  die  Warenkisten  und  Ballen  so  zusammengestellt,  dass  sie  nach 
drei  Seiten  hin  Wände  bildeten;  der  in  der  Mitte  freibleibende  Raum  wurde 
mit  Segeltuch  überspannt,  das  durch  Stangen  in  der  Mitte  in  die  Höhe  gehalten 
wurde,  während  es  aussen  an  den  Seiten  bis  zum  Boden  reichte  und  durch  die 
darauf  gestellten  Waren  befestigt  wurde.  Dieser  Raum  wurde  mit  Filzdecken 
ausgelegt  und  diente  einer  grösseren  Anzahl  von  Leuten  zum  Nachtquartier. 
Nach  dieser  Methode  ausgeführte  Zelte  oder  Jurten,  wenn  man  sie  so  nennen  will, 
sieht  man  überall  da,  wo  Karawanen  nächtigen  oder  zu  längerem  Aufenthalte 
ein  Lager  aufgeschlagen  haben.  Die  Leute  vermeiden  dadurch  mit  praktischem 
Sinn  das  Mitführen  besonderer,  schwerer  Zelteinrichtungen ;  siebenutzen  einfach 
ihre  Waren  als  Deckungsmittel  gegen  Sturm  und  Kälte. 

Die  Anstrengungen  des  heutigen  Tages  machten  sich  allgemein  bemerk- 
lich und  nachdem  der  Magen  befriedigt  war,  suchten  die  meisten  frühzeitig 
ihr  Lager  auf.  Die  Witterungsaussichten  waren  nicht  schlecht.  Das  Thermo- 
meter zeigte  abends  —  12®  C;  für  die  Höhe  von  3745  m  im  Winter  eine  relativ 
hohe  Temperatur;  die  gefürchteten  Winde  hatten  sich  noch  nicht  eingestellt 
und  die  Nacht  war  klar  und  sternenhell. 

Vor  Tagesgrauen  begann  schon  der  Lärm  der  Leute  im  Hofe,  welche 
sich  Frühstück  bereiteten  und  zum  Abmarsch  rüsteten.  Noch  standen  die 
Sterne  am  klaren  Himmel,  ein  leichter  Wind  wehte  kalt  aus  Südwesten  über 
die  schneebleichen  Gipfel  und  Bergkämme  zu  uns  herüber;  die  Kälte  betrug 
jetzt  —  16®  C,  aber  während  der  Nacht  war  die  Temperatur  auf  —  18^  C. 
gesunken.  Der  Wolastnoi,  welcher  die  Anordnungen  des  Weitermarsches  be- 
sorgte, sprach  die  Befürchtung  aus,  der  Wind  möchte  stärker  werden  und  uns 
den  Passübergang  unerträglich  machen,  und  drängte  zum  Aufbruch. 

Schon  war  eine  grössere  Anzahl  der  Lasttiere  voraus  gegangen,  um  uns 
den  Weg  zu  bahnen;  hinter  einer  kleinen  Felskuppe  in  der  Mitte  eines 
grossen  Felsenzirkus,  dessen  Wand  auf  der  Ostseite  überschritten  werden  sollte, 
waren  sie  verschwunden;  es  schien  demnach  hier  der  Schnee  gut  zu  tragen. 
Aber  noch  ehe  alle  ausgerückt  waren,  wurde  von  der  Stelle,  wo  die  Lasten- 
karawane verschwunden  war,  einiges  in  kirgisischer  Sprache  herüber  gerufen, 
was  den  Wolastnoi  veranlasste,  sofort  alle  noch  in  der  Karawanserai  verfügbaren 
Leute    mit    langen   Stöcken    nach    vorn    abzusenden.    Diese  Massregel  verhiess 

Futiercr,  Durch  Asien.  fi 


—     (j6     — 

nichts  Gutes,  und  als  wir  um  die  Felskuppe  herumritten,  sahen  i^ir  denn  auch 
unsere  gesamten  Lasttiere  dicht  zusammengedrängt  bei  einander  stehen,  während 
die  abgesandten  Leute  und  einige  Dschigiten  weiter  oben  im  Schnee  herum- 
wühlten, um  feste  Stellen  zu  suchen. 

Es  entstand  ein  ziemlich  langer  Aufenthalt,  während  dessen  zehn  Leute 
zu  Fu>s  und  drei  zu  Pferde  langsam  hinter  einander  den  steilen  Abhang  in 
Zickzackwegen  erklommen  und  an  besonders  schwierigen  Stellen  mehrere  Male 
hin  und  her  zogen,  um  den  Schnee  gründlich  festzustampfen;  sie  versanken 
bei  dieser  anstrengenden  Arbeit  oft  bis  über  die  Hüften.  Selbst  diese  grossen 
Vorsichtsmassregeln  konnten  nicht  verhindern,  dass  sich  später  die  Scenen  vom 
gestrigen  Tage  wiederholten. 

Es  konnte  aber  auch  kein  Platz  für  tiefe  Schneeverwehungen  geeigneter 
sein,  als  die  Basis  dieses  Thalzirkus  und  deren  Uebergang  zu  den  steilen  Seiten- 
wänden;  diese  letzteren  boten  relativ  weniger  Schwierigkeiten,  weil  die  Haupt- 
schneemassen nach  der  Mitte  zu  abgerutscht  waren.  Hier  ging  es  daher  zwar 
langsam,  aber  sicherer  in  steilen  Kehren  aufwärts«  bis  in  die  Region  direkt 
unter  der  Passhöhe,  wo  auf  schroffem  Abhänge  noch  wachten  artige,  tiefe  Schnee- 
anwehungen  zu  überwinden  waren.  An  dieser  Stelle  trug  sich  auch  der  einzige 
Unfall  zu,  der  leicht  sehr  schlimme  Folgen  hätte  haben  können.  Ein  Pferd  war 
eingesunken  und  suchte  sich  nach  der  Seite  des  Abhanges  hin  frei  zu  machen, 
sein  Reiter  war  nach  derselben  Seite  hin  herabgefallen.  Das  Pferd  rutschte 
mit  ihm  abwärts,  überschlug  sich  und  stürzte  über  den  Reiter  hinweg  weiter 
hinunter,  wo  es  der  tiefe  Schnee  aufnahm.  Glücklicherweise  war  nichts  weiter 
passiert:  keine  Rippen  eingedrückt,  kein  Bein  gebrochen;  das  Pferd  wurde 
wieder  herausgezogen  und  der  Reiter  erhielt  ein  anderes,  zuverlässigeres. 

Eine  Viertelstunde  später  standen  wir  alle  wohlbehalten  auf  der  4120  m*) 
hohen  Passhöhe  und  sahen  tief  unten  in  den  Schneeverwehungen  die  Lasttiere 
der  Karawane  sich  abmuhen;  sie  hatten  es  noch  immer  schwer  genug,  obwohl 
durch  so  viele  Reiter  und  Leute  der  Weg  schon  einigermassen  befestigt  war. 
Hier  oben  wehte  ein  schwacher,  aber  eisiger  Wind  von  Osten;  die  Temperatur 
war  jedenfalls  weit  unter  dem  Gefrierpunkt;  der  Grat  ist  sehr  schmal,  und  auf 
der  andern  Seite  geht  es  jäh  in  die  Tiefe  in  ein  weit  nach  Süden  sich  aus- 
dehnendes, über  und  über  verschneites  Läng>thal.  Die  Aussicht  von  der 
Passhöhe  ist  nicht  so  grossartig,  wie  man  nach  der  Höhe  des  Punktes  er- 
warten sollte,  oder  wie  sie  Alpen  und  Kaukasus  schon  in  geringeren  Höhen 
bieten.  Eis  fehlt  die  Brandung  wild  sich  drängender  Wellenberge,  die  in 
Reihen  hinter  einander  anzustürmen  scheinen.  Je  eine  Bergkette  im  Norden 
und  Süden,  einige  Gipfel  in  nicht  grosser  Entfernung  und  die  tief  einge- 
schnittenen, geradlinigen  Thaler  vereinigen  sich  zu  einem  ziemlich  einfachen 
Hochgebirgsbild,    das    nur   durch   seine    majestätische   Ruhe,    durch   die  Pracht 

•    l>ie  russisoho  Karte  voa  Fenj.iDa   jjiebt  ;ils  Hoho    12  700  niss.   Kuss  =  5S71   m  an. 


-    6;     - 

von  Eis  und  Schnee  und  die  herrliche,  absolut  reine,  durchsichtige  Luft 
imponierend  wirkt. 

Für  einen  beschaulichen  Naturgenuss  war  es  indessen  hier  oben  zu  kalt 
und  auch  die  Luft  zu  dünn,  obwohl  niemand  über  Bergkrankheit  klagte;  nur 
die  Pferde  waren  auf  der  letzten  Strecke  in  immer  kürzeren  Abständen  stehen 
geblieben,  um  Atem  zu  schöpfen. 

Wer  nicht  auf  der  Passhöhe  mit  meteorologischen  Beobachtungen  oder 
Höhenmessung  durch  das  Hypsobarometer  beschäftigt  war,  kehrte  ihr  so  schnell 
als  möglich  den  Rücken,  nur  wenige  verweilten  etwas  länger.  Trotz  des 
schwachen  Windes  war  die  Kälte  äusserst  empfindlich;  wie  mag  es  erst  sein, 
wenn  man  hier  von  einem  Sturme  betroffen  wird? 

Wider  alles  Hoffen  war  der  Weg  hinab  ins  Thal  verhältnismässig  gut. 
Oben  lag  noch  viel  Schnee,  aber  er  trug,  so  dass  man  leicht  in  Serpentinen 
hinabreiten  konnte,  und  weiterhin  war  er  im  Thale  zwar  tief,  aber  gut  einge- 
treten, so  dass  man  auch  hier  rasch  vorwärts  kam.  Der  letztere  glückliche 
Umstand  war  den  Karawanen  zu  verdanken,  die  versucht  hatten,  von  der  andern, 
südöstlichen  Seite  her  über  den  Terek-Dawan  zu  kommen. 

Es  muss  ihnen  zum  Teil  schlimm  ergangen  sein.  Schon  weit  oben  am 
Passe  fanden  wir  frische  Gerippe  gefallener  Pferde,  auf  deren  gebleichten 
Rippen  die  Filzdecken  noch  hingen;  bei  einem  andern  toten  Pferde,  an 
welchem  Geier  und  Raben  ihr  Werk  noch  nicht  vollendet  hatten,  lagen  noch 
die  beiden  Warenballen  im  Schnee  eingebettet  in  ihrer  ursprünglichen  Stellung; 
man  hatte  offenbar  das  Tier  mit  seiner  Ladung  einfach  im  Schnee  liegen  lassen 
müssen.  Noch  weiter  unten  fanden  wir  endlich  die  sorgfältig  zusammengestellten 
Warenballen  mit  einem  grossen  Tuche  verdeckt.  Es  hiess,  sie  lägen  schon 
lange  da,  die  Leute  seien  mit  den  Pferden  hinab  ins  Thal  gezogen,  um  abzu- 
warten, bis  der  Pass  wieder  gangbar  wäre.  Das  war  also  die  Karawane  aus 
Kaschgar,  von  der  man  uns  schon  in  Sufi-Kurgan  erzählt  hatte,  und  die  uns 
den  Weg  bahnen  sollte.  Das  Umgekehrte  war  eingetreten,  und  noch  ehe  wir 
unser  Nachtquartier  erreicht  hatten,  begegneten  wir  den  Leuten  und  Pferden, 
die  zum  Passe  und  ihren  verlassenen  Waren  zurückkehrten. 

Der  Ritt  durch  das  gleichförmige  Thal  ging  des  Schnees  wegen  meist  im 
Schritt  und  war  sehr  ermüdend.  Er  bot  nichts  Interessantes,  bis  am  späteren 
Nachmittage  sich  wieder,  wie  beim  Aufstiege  zum  Terek-Dawan,  ein  grossartiges 
Felsenthor  erschloss,  durch  das  der  Weg  die  unwirtlichen  Höhen  des  Terek- 
Dawan  verliess.  Gleich  nach  diesem  Engpasse  fuhrt  der  Weg  von  neuem 
bergan  und  bietet  herrliche  Aussicht  auf  wild  gezackte  Berge.  Einem  kleineren 
Passe,  auf  den  wir  noch  gelangten,  gegenüber  dehnte  sich  von  Norden  nach 
Süden,  vom  Abendrot  beleuchtet,  eine  silbern  schimmernde  Kette  von  Bergen 
mit  stolz  und  kühn  aufragenden  Gipfeln,  und  die  Sonne  übergoss  mit  be- 
zaubernder Anmut  die  Berge,  welche  sich  uns  zwar  gnädig  gezeigt,  aber  doch 
viele  Mühe  gemacht  hatten. 

5* 


—     68     - 

Mit  der  Station  Kok-su,  die  um  4  Uhr  mittags  erreicht  wurde,  war  der 
schlimmere  Teil  der  Durchquerung  des  Alai-Gebirges  überstanden,  und  wir 
freuten  uns,  dass  ein  so  schöner  Abend  den  Tag  unserer  so  wohl  gelungenen 
Ueberschreitung  des  höchsten  Passes  beschloss.  Die  Hilfe  der  Bergkirgisen,  die 
in  der  Umgebung  des  Terek-Dawan-Passes  zum  Stamme  Sartlar  gehören,  war 
zum  guten  Gelingen  des  Ueberganges  unbedingt  erforderlich,  wie  denn  auch 
andere  Karawanen  sich  häufig  ihrer  bedienen.  Für  den  Handel  ist  ihrer  Hilfe 
so  wenig  zu  entraten,  dass  die  Kokanschen  Chane  diese  Kirgisen  von  gewissen 
Abgaben  befreiten  und  ihnen  dafür  die  Verpflichtung  auferlegten  den  Weg  und 
Passübergang  frei  von  Verschüttungen  und  in  Ordnung  zu  halten,  mit  ihren 
Yaks,  die  den  Weg  durch  den  Schnee  bahnen,  den  Händlern  beizustehen,  sowie 
die  Brücken  und  gefährliche  Wegstellen  auszubessern. 

Von  Kok-su  bis  zur  chinesisch  russischen  Grenzfestung  Irkeschtam  sind  es 
zwar  nur  etwa  30  km;  aber  der  Weg  führt  über  zwei  steile,  wenn  auch  nicht 
sehr  hohe  Pässe.  Am  andern  Morgen  war  es  zudem  sehr  kalt,  es  war  eine  der 
kältesten  Nächte  ( —  24°)  gewesen,  die  wir  überhaupt  hatten,  und  als  wir  gegen 
9  Uhr  morgens  in  die  Nähe  des  ersten  Ueberganges  (Ekesek-Pass  I  über 
3000  m)  gelangten,  pfiff  uns  der  Wind  eisig  kalt  um  die  Ohren.  Er  hielt  auch 
bis  zum  Abend  an,  so  dass  wir  herzlich  froh  waren,  nicht  an  diesem  Tage  den 
Hauptübergang  gemacht  zu  haben.  Da  oben  in  3500  m  Höhe,  in  dem  endlos 
langen,  dem  aus  Südost  kommenden  Winde  ganz  offen  stehenden  Hochthale, 
wäre  es  sicher  trotz  aller  Schutzmittel  recht  ungemütlich  gewesen,  da  wir  schon 
in   der  bescheideneren  Höhe  von   3350  m  zu   unsern   wärmsten  Sachen  griffen. 

Vom  zweiten  Passe  (Karwankul  oder  Ekesek-Pass  II  über  3350  m)  erlaubte 
uns  ein  freundlicher  Sonnenblick  durch  die  sich  zerteilenden  Schneewolken, 
noch  einmal  zurück  zu  schauen  und  Abschied  zu  nehmen  von  dem  zum  Teil 
von  dichten,  stark  bewegten  Nebelschleiern  verhüllten  Hochgebirge,  das  im 
Terek-Dawan  seine  niederste  Einsenkung  besitzt. 

Andere  Bergformen,  pittoreske  Erosionskegel  und  schroffwandige,  rote 
Konglomeratberge  verkündeten  auch  äusserlich  den  Eintritt  in  ein  neues  Gebiet, 
abgesehen  von  der  immer  geringer  werdenden  Höhe  der  Gebirge.  Weiterhin 
fanden  und  begrüssten  wir  mit  grosser  Freude  eine  Kirgisenniederlassung,  die 
aus  einem  halben  Dutzend  Jurten  bestand  und  unsere  Rückkehr  in  das  besiedelte 
Gebiet  aus  den  P'els-  und  Schneeeinöden  des  Hochgebirges  bezeichnete,  in 
welchem  wir  drei  Tage  und  zwei  Nächte  zugebracht  hatten. 

Die  besseren  Wege  erlaubten  ein  schnelleres  Reiten,  und  schon  am  frühen 
Nachmittage  trafen  wir  in  dem  malerisch  gelegenen  Fort  Irkeschtam  ein.  Die 
russischen  Befestigungen  liegen  über  der  Thalsohle  und  dienen  dem  Komman- 
danten und  seinen  25  Kosaken  zum  Aufenthalt.  Von  festen  Gebäuden  ist  sonst 
nur  noch  eine  Zoll-  und  Finanzwache  vorhanden,  in  welcher  wir  gastfreundlich 
aufgenommen  wurden.  Des  weiteren  giebt  es  in  Irkeschtam  einige  Jurten  von 
Kirgisen,  und  auf  einer  Anhöhe,  schon   auf  der  chinesischen  Seite  des  Thaies, 


-     69     - 

eine  alte  Befestigung,  die  heute  nicht  mehr  besetzt  ist.  Es  ist  demnach  nichts 
weniger  als  ein  Ort  oder  Dorf,  und  wenn  man  weder  bei  dem  Kommandanten, 
noch  bei  der  Zoliwache  aufgenommen  wird,  muss  man  in  einer  Jurte  Unter- 
kunft suchen  oder  Zelte  aufschlagen. 

Das  herrliche  Wetter  zeigte  die  Schönheit  der  Umgebung  von  Irkeschtam  in 
bester  Weise;  gegenüber  der  Festung,  über  dem  ziemlich  breiten  Thalbcttc, 
erheben  sich  grotesk  geformte  Berge  mit  schroffen  Zinnen  und  steilen  Graten, 
die  später  einmal  dem  Alpensport  noch  manches  schwierige  Problem  zu  lösen 
geben  werden.    Sie  bestehen  ganz  aus  Aufschüttungsmassen,  Gerollen  und  Bruch- 


C[>n(;lomi-r:it-Geliir)re  ,-iuf  iler  liukcn  HiiiUcilü  dcri  RUsUl-su   uiilertuilli   von  Irkestht'uu. 
(Nach  Norden  cesehen.) 

Stücken,  die  zu  einem  festen  Gestein  verwachsen  sind,  und  ziehen  sich  noch 
weit  auf  dem  linken  Ufer  hinab.  Nach  der  Südseite  schliesst  ein  hoher,  mit 
viel  Schnee  bedeckter  Höhenzug  das  kleinere  Thälchen  ab,  das  sich  bei  Irkeschtam 
in  den   »roten  Fluss»,  Küsül-su,  ergiesst. 

Dass  das  Leben  für  den  OHizier  und  die  Beamten  in  dieser  Gebirgseinsamkeit 
auf  die  Dauer  recht  eintönig  verläuft,  bedarf  keiner  weiteren  Ausführungen. 
Die  beiden  Zollbeamten  sind  noch  ledig,  nur  der  Kommandant  des  Kosaken- 
postens ist  verheiratet,  so  dass  seine  Frau  die  einzige  am  Platze  ist,  welche  die 
kultivierte  Weibhchkeit  repräsentiert.  Die  Zollbeamten  führt  ihr  Beruf  viel 
hinaus  in  die  Berge,  und  wir  wurden  nicht  müde,  ihren  interessanten  Erzählungen 


—     70    — 

zu  lauschen,  zumal  der  eine  von  ihnen  schon  seit  sechs  Jahren  auf  diesem  Posten 
üich  befindet  und  reiche  Erfahrungen  besitzt. 

Von  Irkeschtam  bis  Kaschgar  sind  noch  etwa  200  Werst  (=213  km)  zurück- 
zulegen, und  der  Weg  (lihrt  zunächst  nicht  am  Küsül-su  abwärts,  sondern  auf 
dessen  linkem  UTer  in  einiger  Entfernung  von  demselben  über  das  bergige, 
von  Zuflüssen  aus  Norden  durchströmte  Gebiet.  Die  Passübei^ange  sind  nicht 
mehr  sonderlich  hoch,  und  irgend  welche  Schwierigkeiten  waren  nicht  zu 
erwarten.  Nach  einem  Ruhetag  in  Irkeschtam  wurde  am  Montag,  den 
7.  Februar,  8'/«  Uhr  morgens,  die  chinesische  Grenze  überschritten. 


KuMischea  ürenzfoct  und    KosakeaslatioD  Iikesohtum  an  der  chinesischen  Greoie, 

Die  ersten  echt  chinesischen  Eindrücke  hatten  «ir  schon  bald  nachher 
in  einem  grösseren  Kir^isen-Aul  Egin,  der  aus  einem  Dutzend  Jurten  bestand, 
die  neben  einem  aus  Lehmmauern  errichteten  Fort  aufgestellt  waren.  Bei 
den  Jurten  zeigten  sich  einige  hübsche  junge  Frauen  mit  ihrem  eigen- 
tümlichen Kopf-  und  Haarschmuck ;  als  wir  den  Wunsch  äusserten,  einige 
von  ihnen  zu  photographieren,  wurde  uns  vom  Aeltesten,  der  sich  im  übrigen 
sehr  gefällig  erwies,  die  Antwort,  dazu  sei  die  Erlaubnis  des  Kommandanten 
des  Forts  nötig,  da  das  Gesetz  nicht  gestatte,  Frauen  zu  photographieren;  wir 
schickten  einen  unserer  Kosaken  zum  Fort,  um  unsere  Bitte  vortragen  zu 
lassen,  aber  wir  wurden  mit  derselben  Begründung  abschlug  beschieden. 
Zopftragende  Chinesen  sahen  wir  hier  noch  nicht;  die  Kirgisen  tragen  dieselben 
Pelzmäntel  und  Chalate  wie  ihre  russischen  Stamme,sgenossen. 


Kasch<^iische  Fesluui;  Mitüra- l'gchaldü  am  Kiiaül-Eu. 

An  alte  Zeiten  erinnert  eine  grosse,  ganz  gut  mit  ihren  Lehmmauern, 
Thoren  und  Zinnen  erhaltene  Festung  an  der  Einmündung  des  Thälchens 
von  Egin  in  den  Küsül-suFluss,  Namens  Nagra-Tschaldü,  die  von  Jakub-Bek 
angelegt  worden  sein  soll.  Wie  etwas  gross  geratenes  Kinderspielzeug  mutet 
diese  Festung  an,  die  heute  mit  einigen  Kanonenschüssen  in  einen  Trümmer- 
haufen zu  verwandeln  wäre  und  keinen  ernsten  Schutz  mehr  gewähren  kann. 
Sie  beherrschte  durch  ihre  Lage  sowohl  den  Weg  zum  Pamir,  wie  die  Wege 
über  Irkeschtam  nach  Fergana. 

Erst  abends  gegen  6  Uhr  hatten  wir  die  kleine  chinesische  Festung 
Uluktschat  erreicht,  die  unser  Endziel  für  diesen  Tag  bildete.  Auch  hier  ist 
die  Festung  oder  das  Fort  aus  Lehmmauern  aufgeführt,  und  ausserhalb  stehen 
eine  Anzahl  niedriger  Lehmhütten  und  Jurten.  In  einem  fensterlosen  Gemache 
der  ersteren  wurde  das  Nachtlager  aufgeschlagen,  während  eine  Menge  von 
Kirgisen  und  chinesischen  Soldaten,  wirklich  bezopften  Söhnen  des  himmlischen 
Reiches,  aussen  herumstanden  und  jeder  Handlung  und  Bewegung  mit  gespann- 
testem Interesse  folgten.  Zudringlichkeiten  aber,  wie  sie  sonst  in  China  häufig 
sind,  erlaubten  sie  sich  nicht. 

Am  folgenden  Tage  giug  es  weiter  im  Thale  des  Küsül-su  hinab, 
bald  auf  dem  linken,  bald  auf  dem  rechten  Ufer  des  zwischen  Schilf  und 
Weidenniederungen  sich  in  Windungen  hinziehenden  Flusses.  Die  Berge  auf 
beiden  Seiten  sind  ganz  aus  roten  Sandsteinen  und  Konglomeraten  gebildet 
und  zeigen  häufig  bizarre  Erosionsformen.  Der  Weg  verlässt  das  Hauptthal 
und  geht  nach  Ost  und  Südost  in  ödem  Thale  zum  Schur- Butak-Passe  (2640  m) 
hinauf  und  dann  ebenfalls  wieder  im  Sandsteingebiete  nach  Südosten  hinab 
nach  Uksalür,  das  wir  um  3  Uhr  erreichten,  nach  kurzer  Rast  aber  wieder 
verliessen,  um   noch  einige  wenige  Kilometer  weiter  thalabwärts  zu  reiten   und 


-     72     — 

in  einer  kleinen  Winterniederlassung  der  Kirgisen  zwischen  den  Felswänden  der 
linken  Thalseite  unsere  Nachtquartiere  zu  nehmen. 

Als  Name  dieser  Ansiedlung  wurde  Oksarül  genannt,  es  scheint  aber 
zweifelhaft,  ob  es  nicht  noch  zu  dem  nur  wenig  entfernten  üksalür  gehört 
und  ein  Irrtum  seitens  des  Dolmetschers  unterlief.  Wir  bezogen  eine  der 
fünf  Jurten,  aus  denen  Oksarül  besteht  und  die  in  einer  steinbruchartigen 
Felsnische  aufgestellt  sind,  um  durch  die  hohen  Felsen  Schutz  gegen  Sturm  und 
Wetter  zu  geniessen. 

Unsere  Ankunft  kam  den  Leuten  ganz  unerwartet,  so  dass  eine  Jurte,  und 
zwar  die  des  Aeltesten  der  Ansiedlung,  erst  für  uns  hergerichtet  werden 
musste.  Einige  Frauen  brachten  aus  verschiedenen  Jurten  Decken  und  Teppiche 
herbei  und  reinigten  sie  durch  einiges  Ausschütteln  von  ganzen  Staubwolken; 
dann  wurden  sie  in  den  für  uns  bestimmten  Raum  gebracht,  und  die  Jurte 
war  zur  Aufnahme  fertig.  Sie  war  sehr  geräumig  und  machte  durch  die  vielen 
schönen  Teppiche  des  wohlhabenden  Besitzers  einen  recht  behaglichen  Ein- 
druck, so  dass  uns  gar  nicht  bange  wurde,  hier  die  Nacht  zubringen  zu 
sollen.  Der  Dorf-  oder  Gemeindeälteste  selbst  war  zum  chinesischen  Neujahrs- 
feste nach  Kaschgar  gereist;  seine  Familie  aber  nahm  uns  sehr  liebenswürdig 
auf  und  bewirtete  uns  sofort  mit  Thee  und  Backwerk. 

Mit  Hilfe  unserer  eigenen  Sachen  hatten  wir  uns  bald  in  der  einen  Hälfte 
der  Jurte  eingerichtet  und  verfolgten  mit  Interesse  das  Treiben  der  kirgisischen 
Familie,  das  sich  in  der  andern  Hälfte  abspielte.  Hs  waren  in  der  Jurte  eine 
ältere  und  eine  ganz  junge  Frau,  deren  Gesicht  für  schön  hätte  gelten  können 
ohne  den  apathischen,  fast  gelangweilten  Zug,  der  allen  diesen  Frauen  eigen 
ist.  Einige  junge  Mädchen  und  Knaben  brachten  das  nötige  Leben  in  die 
Jurte,  obwohl  sich  die  Kinder  im  ganzen  sehr  artig  benahmen.  Von  Verlegen- 
heit oder  lästiger  Zudringlichkeit  war  nichts  zu  bemerken,  und  auch  die  Frauen 
benahmen  sich  ganz  sans  gene,  z.  B.  beim  Stillen  der  kleinen  Kinder,  deren 
Toilette  und  dergleichen  mehr.  Sie  trugen  lange,  wenig  neue  Gewänder,  die 
vom  Halse  bis  auf  den  Boden  herabreichten  und  von  der  Brust  an  geschlossen 
waren.  Auf  dem  Kopf  war  ein  einst  weiss  gewesener,  ganz  eigentümlich 
geknüpfter  Turban,  der  bis  auf  den  Rücken  hinabreichte.  Unter  dem  Turban 
befand  sich  eine  offene  Tuchkappe,  die  über  die  Ohren  herabreichte  und  deren 
Saum  mit  Perlen,  Perlmutter,  Silberstückchen  und  hängenden  Korallenschnüren 
besetzt  war.  Ein  so  geschmücktes  junges  Mädchen  sah  gar  nicht  übel  aus, 
wenn  es  nur  etwas  sauberer  gewesen  wäre.  Warum  waschen  sich  diese  Mädchen 
nicht  oder  nur  selten?  Das  Gefühl  für  Unreinlichkeit  geht  ihnen  nicht  ab,  denn 
als  wir  beim  Handgeben  auf  die  Hände  sahen  und  einmal  auf  deutsch  die  Be- 
merkung fiel:  »Schmutzige  Hände  hast  du  auch,  mein  Kind,«  ging  die  betreffende 
ohne  Verlegenheit  zur  Wasserkanne  und  wusch  sich  die  Finger. 

Lautes  Hundegebell,   das  auch  schon  unsere  Ankunft  begleitet  hatte,  ver- 
kündete   das  Eintreffen   neuer  Reisender,  und    gleich    darauf   trat  der  Aelteste 


-     73     - 

in  seine  Jurte  ein.  Er  musste  wohl  schon  von  unserer  Ankunft  unterrichtet 
worden  sein,  aber  trotzdem  verdient  die  Art  und  Weise,  wie  er  sofort  seinen 
Pflichten  als  Hausherr  nachkam,  unsere  uneingeschränkte  Hochachtung.  Er  liess 
uns  durch  unsern  Dolmetscher  Asim  sagen,  dass  er  sich  freue,  dass  wir  bei 
ihm  eingekehrt  seien,  dass  er  es  sich  zur  Ehre  anrechne,  uns  als  Gäste  bewirten 
zu  dürfen,  und  dass  wir  ganz  über  ihn  verfiigen  möchten. 

Den  Worten  folgte  alsbald  die  That:  ein  vorzüglicher  Piläw,  Thee  und 
Süssigkeiten  wurden  zur  Stelle  geschafft,  und  uns  machte  nur  die  eine  Frage 
Schwierigkeit,  wie  unserni  Danke  in  entsprechender  Form  Ausdruck  zu  geben.' 
Eine  alte  Theebüchse  verfehlte  ihren  Eindruck  auf  den  jüngsten  Sprossen  des 
Hauses  nicht,  ebenso  wenig  wie  ein  Fläschchen  Parfüm  auf  den  weiblichen 
Teil    der    Familie,      Dem  Rate  unseres   erfahrenen    Asim    folgend,    trugen  wir 


CoiiKltJ'ncri't-f'pbirEe  am  Küaül-aa,  unterhalb  vod  Irkeichtain.     (Nach  Nonlen  geschep.) 

unsern  Dahk  an  den  Hausherrn  aber  in  klingender  Münze  ab,  dem  grossen 
Zaubermittel,  das  nicht  in  Europa  allein  Thür  und  Thor  zu  öffnen  vermag. 

Der  Abend  verlief  in  angenehmster  Weise;  in  der  Jurte  der  Kosaken  wurde 
sogar  Musik  gemacht,  und  ein  alter  Kirgise  versuchte  in  der  Fistel  wehmütige 
Lieder  dazu  zu  singen.  Im  übrigen  hört  man  im  Gebirge  bei  langen,  einsamen 
Märschen  häufig  Gesang,  der  nicht  melodisch  klingt,  aber  doch  nach  Art  mancher 
Kärnthner  Lieder  eine  elegische  Stimmung  verrät. 

Als  wir  uns  zum  Schlafen  anschickten,  wurde  die  mittlere  Oeffiiung  oben 
in  der  Jurte  geschlossen  und  das  Feuer  in  der  Mitte  erlosch.  Uns  gegenüber 
machten  die  Frauen  für  sich  und  die  Kinder  auf  Decken  die  Lager  zurecht, 
und  bald  versank  alles  in  friedlichen  Schlummer,  der  nur  dadurch  eine  Störung 
erfuhr,  dass  schon  um  4  Uhr  morgens  das  Feuer  wieder  angemacht  und 
gekocht  wurde,  weil  die  Muhamedaner  zu  dieser  Zeit  (Februar)  nur  des  Nachts 
essen  dürfen,  den  ganzen  Tag  über  aber  sich  jeder  Speisen  zu  enthalten  haben; 
sie   folgen   hier    dieser  religiösen   Vorschrift    mit    grosser  Strenge,    holen   dann 


—     74     — 

aber  abends  und  vor  Tagesanbruch  das  Versäumte  mit  um  so  grösserer  Gründ- 
lichkeit nach. 

Auch  die  Vorschrift  des  Verschleicrns  der  Frauen  wird  hier  ganz  anders 
behandelt  als  in  türkischen  oder  arabischen  Ländern.  In  der  Hütte  und  auch 
gelegentlich  vor  derselben  zeigt  die  Kirgisin  offen  ihr  Gesicht;  auf  der  Reise 
sah  ich  sie  zur  Hälfte  verhüllt,  aber  hier  in  Oksarül  Hessen  sie  sich  am 
Morgen  des  folgenden  Tages  zuerst  mit  ihrem  Familienkreise,  dann  auch  einzeln 
photographisch  aufnehmen,  ohne  dass  um  eine  Erlaubnis  nachgesucht  werden 
musste.     Einige  Silberrubel  halfen  über  alle  Bedenken  hinweg  [s.  Tafel  III]. 

Im  besten  Einvernehmen  schieden  wir  von  den  freundlichen  Leuten,  um 
einen  weiten  Tagesmarsch,  der  über  50  km  nach  Küsül-oi  betrug,  anzutreten. 
Es  waren  malerische  Thäler,  durch  die  wir  zogen.  Die  eigentümlichen  Vegetations- 
formen längs  des  Flusses  in  einem  breiteren  Thale  fesselten  zunächst  unsere 
Aufmerksamkeit;  die  einzelnen  strauchartigen  Pflanzen  standen,  ebenso  wie  die 
Gräser  und  Schilfe,  in  Gruppen  eng  gedrängt  bei  einander,  dazwischen  lagen 
freie,  ganz  kahle  Flächen.  Bald  aber  verschwand  jegliche  Vegetation,  und  das 
Wasser  bahnte  sich  seinen  Weg  durch  sterile,  trostlose  Sandsteinfelsen.  Wildes 
Felsengewirre,  scheinbar  drohende  Abstürze,  Hessen  fast  an  der  MögUchkeit 
des  Weiterkommens  zweifeln,  aber  nach  einigen  Stunden  waren  diese  Fels- 
schluchten überwunden,  und  von  der  Höhe  eines  Passes  bot  die  Uebersicht 
über  die  unzähligen  kleinen  Wasserrisse,  Schluchten  und  über  die  grösseren 
Thäler  einen  sehr  eigenartigen  und  anziehenden  Anblick.  Die  ganze  Gegend 
schien  wie  in  rote  Farbe  getaucht  durch  den  roten  Sandstein,  während  gegen 
den  Horizont  hin  die  hohen,  weissen  Gebirgsketten  des  centraleren  Gebirges  das 
ungemein  malerische,  aber  jeder  Vegetation  entbehrende  Landschaftsbild  ab- 
schlössen. 

Im  allgemeinen  führte  der  weitere  Weg  quer  über  die  von  Norden  aus 
höherem  Gebirge  kommenden,  nach  Süden  in  den  Küsülsu  sich  ergiessenden, 
zum  Teil  recht  ansehnhchen  Flüsse,  die  durch  ihre  breiten,  schuttbedeckten 
Betten  herrliche  Ausblicke  auf  jene  fernen  Gebirge  gewährten,  während  die 
kleinen  Pässe  zwischen  den  einzelnen  Flussthälern  hübsche  Ueberblicke  der 
näheren  Umgebung  gestatteten.  In  den  stellenweise  an  die  Canons  der  nord- 
amerikanischen Gebirge  des  Westens  erinnernden  Thälern  war  oft  mittags  noch 
Glatteis,  so  dass  die  Pferde  beim  steilen  Abwärtsgehen  sehr  vorsichtig  auftreten 
mussten.  Als  aber  diese  etwas  unangenehmen  Stellen  zurückgelegt  waren, 
öffnete  sich  eine  weite  ebene  Fläche,  an  deren  fern  am  Horizont  gelegenem 
Ende  die  Abendstation  liegen  sollte.  Von  den  höheren  Bergen  und  Pässen 
hatten  wir  Abschied  genommen;  es  folgten  nur  noch  Strecken  auf  Plateaus  oder 
in  Flussthälern,  die  meist  im  Trabe  zurückgelegt  werden  konnten.  Auf  der 
oben  erwähnten  Hochebene  brachte  sich  der  Winter  noch  einige  Stunden  vor 
der  Abendstation,  dem  Dorfe  Küsül-oi,  durch  ein  Schneegestöber  in  Erinnerung, 
aber    er    machte    sich    damit    zum   letzten   Male   unangenehm   bemerkbar. 


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Man  hatte  uns  gesagt:  schon  lange  vor  Kaschgar  werden  Sie  keinen  Schnee 
mehr  haben,  und  in  der  Stadt  selbst  werden  Sie  das  Frühjahr  und  grüne  Baume 
finden.  Wenn  sich  dies  nun  auch  nicht  ganz  bewahrheitete,  so  zeigte  doch 
die  Sonne  während  des  Tages  bereits  solche  Kraft,  dass  sie  bald  im  stände  sein 
musste,  die  Vegetation  aus  ihrem  Winterschlafe  zu  erwecken  und  neuem  Leben 
entgegenzuführen . 

Der  südliche  Teil  des  Plateaus  ist  gut  bebaut,  von  vielen  Bewässerungs- 
kanälen durchzogen  und  allenthalben  von  Lehmhütten  und  Jurten  besetzt. 
Um  das  für  uns  zur  Aufnahme  bestimmte  Karawanserai  ausfindig  zu  machen, 
bedurfte  es  noch  in  der  hereinbrechenden  Dämmerung  eines  scharfen  Rittes 
quer  durch  die  Felder,  über  Gräben  und   zur  Regulierung  der  Bewässerung  an- 


SaDdaleio  -  Gebirge   iwischen  UksalUr  und  KüsiU-oi. 

gelegte  Dämme,  wobei  sich  die  Tüchtigkeit  der  Pferde  in  vorzügUcheni  Lichte 
zu  zeigen  Gelegenheit  hatte. 

In  dem  Karawanserai  fand  sich  ein  angenehmes  Quartier  in  der  gewohnten 
Form:  ein  Lehmbau  mit  einem  Raum  ohne  Fenster,  nur  mit  einer  OefTnung 
oben  und  einem  Kamine  zur  Feuerung. 

Am  andern  Morgen  kamen  wir  an  der  verlassenen  chinesischen  Festung 
Kan-Dschugan  vorbei,  deren  einstürzende  Mauern  ihren  Verfall  verraten;  nach 
einigen  Kilometern  Weges  durch  ein  breites  Thal  begegnet  man  wieder  Festungs- 
werken, von  denen  die  am  Wege  hegenden  verlassen  sind,  während  etwas  abseits 
die  gut  erhaltenen  Mauern  des  Forts  Karangiik    sichtbar    werden,    die  offenbar 


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den  Zweck  haben,  den  Weg  nach  Tschakmak  durch  das  von  hier  nach  Norden 
führende  Seitenthal  des  Uriuk-Flusses  zu  schützen.  Der  weitere  Weg  zu  dem 
Zoll-  und  Finanzposten  Mün-jul  fuhrt  wieder  über  steriles,  steiniges  Plateau,  das 
in  ein  Thal  ausläuft,   an  dessen  Eingang  das  üorf  liegt. 

Hier  blieben  wir  in  einem  Karawanserai,  das  vor  dem  Thore  der  das 
ganze  Thal  und  den  Weg  sperrenden  Festungsmauer  lag.  An  dieser  Stelle 
werden  die  Pässe  für  die  nach  Kaschgar  weiter  Reisenden  visitiert,  und 
niemand  wird  ohne  einen  solchen  durchgelassen.  Ks  erschienen  auch  bei  uns 
alsbald  nach  unserer  am  Nachmittage  erfolgten  Ankunft  einige  würdig  aus- 
sehende Beamte  und  baten  um  die  Papiere,  erklärten  aber  alsbald,  unsere 
vom  Tsung-li-yamen,  dem  chinesischen  auswärtigen  Amte  in  Peking,  chinesisch 
ausgestellten  Pässe  nicht  lesen  zu  können,  und  begnügten  sich  mit  der  Auf- 
schreibung der  Namen  und  des  Alters.  Damit  war  die  ganze  Formalität 
der  Passprüfung  erledigt,  und  als  wir  am  andern  Morgen  hoch  zu  Ross  mit 
unserm  Diener,  dem  Dolmetscher  und  den  drei  Kosaken  das  Festungsthor 
passierten,  befanden  sich  alle  Angestellten  der  Wache,  an  ihrer  Spitze  die 
alten  Herren  von  gestern,  vor  ihrem  Kureau  und  machten  uns  ehrfurchtsvolle 
Verbeugungen. 

Erst  mit  dem  Verlassen  dieses  Ortes,  und  nachdem  uns  die  Behörden 
mitsamt  allen  unsern  Waffen,  unserer  Bedeckung  und  unsern  Ausrüstungs- 
gegenständen eingelassen  hatten,  befanden  wir  uns  legitimer  Weise  in  China. 

Der  letzte  Tagemarsch  war  kurz;  nur  noch  35  Werst  (—  37  km)  an 
Entfernung  bis  Kaschgar  waren  zurückzulegen.  Im  gleichen  Masse,  wie  das 
Thal,  dem  der  Weg  abwärts  folgt,  breiter  wurde,  nahmen  die  Berge  an  Höhe 
ab,  und  schon  nach  ganz  kurzer  Zeit  eröffnete  sich  ein  Ausblick  auf  eine 
weite,  endlose  Fläche,  in  der  ein  heller  Silberfaden  glänzte:  das  Tarimbecken 
mit  dem  Küsül-su-Flusse  in  der  Ferne,  an  dessen  Oberlauf,  eh'e  er  sich  in 
unbekannte  und  unzugängliche  Schluchten  verliert,  wir  bei  Irkeschtam  und 
Uluktschat  gewesen  waren. 

Der  Schnee  schwand;  dunkelgrauer  Kiesboden  bedeckte  die  Oberfläche, 
und  jede  Vegetation,  wie  auch  jedes  Tierleben  fehlte.  Die  Sonne  sandte  ihre 
warmen  Strahlen  auf  diese  Steinwüste  herab,  und  schon  der  Februar  Hess 
ahnen,  wie  es  hier  im  Sommer  bestellt  sein  müsse. 

Einige  ausgezeichnete  Ausblicke  durch  von  Norden  kommende  Thäler 
auf  ungemein  schroffe  Zinnen-  und  Zackengipfel  eines  nicht  sehr  ausgedehnten 
Gebirgsstockes  fesselten  durch  ihre  bizarren,  ungewohnt  steilen  P'ormen  das 
Interesse  auf  das  lebhafteste:  wussten  wir  doch  auch,  dass  wir  keine  so  schönen 
Bergformen  mehr  sehen  würden,  so  lange  wir  durch  das  weite  Tarimbecken 
und  die  in  seinem  Schosse  gelegene  Wüste  Gobi  zogen. 

Von  einer  kleinen  Anhöhe  am  Ausgange  des  Thaies  geniesst  man  eine 
schöne  Aussicht  über  das  von  Westen  kommende  weite  Thal  des  Küsül-su  und 
die   Alaiketten  im   Hintergrunde,  wie   auch    über  das  Becken   des   Tarim,  das, 


—     77     — 

weithin  siebtbar,  im  Südwesten  und  Süden  durch  hohe  Gebirgsmauern  umgrenzt 
wird,  von  denen  besonders  mächtig  der  von  ewigem  Eise  bedeckte  Mus-tag-ata, 
der  Vater  der  Eisberge,  aufragt.  Es  ist  ein  fesselnder  Gegensat?,  auf  der 
einen  Seite  die  am  Horizont  mit  dem  Himmel  verschmelzende  Ebene  und  auf 
der  andern  Seite  die  in  die  Wolken  ragenden  Berge  zu  betrachten. 

Von  nun  an  war  der  Weg  eben  und  führte  über  das  breite,  sterile 
Aufschüttungsgebiet  des  Küsül-su- Flusses.  Mitten  in  demselben  Hegt  eine 
Karawanserai  mit  grossem  chinesischen  Eingangsthor,  in  der  ein  sehr  reger 
Karawanen  verkehr  herrscht.  Das  Kopfbild  dieses  Kapitels  zeigt  die  Ankunft 
der  Expedition  hier  vor  Kaschgar. 


GebirRE  im  Norden  von  MUn-juI,   weallich  von  Kaschpir.     Nach  Nonlea  jjesehen. 

Noch  einige  Kilometer  weiter  nach  Osten  durch  Kies-  und  Sandflächen,  und 
man  erreicht  die  vegetationsbedeckte,  gut  bewässerte  Umgebung  von  Kaschgar. 
Lange  Zeit  reitet  man  durch  fruchtbare,  bebaute  Fluren;  mit  reichem  Baum- 
wuchs bestandenes  Land  tr^jt  kleinere  Weiler.  Das  Wetter  war  warm,  indessen 
grünte  es  auch  hier  noch  nicht;  noch  war  der  Winter  Herr,  und  die  Nächte 
brachten  Temperaturerniedrigungen  bis  tief  unter  o". 

Schon  weit  vor  der  Stadt  erreichte  uns  ein  Bote  mit  der  freundlichen 
Einladung  des  kaiserlich  russischen  Generalkonsuls  Petrowsky,  während  des 
Aufenthaltes  in  Kaschgar  seine  Gäste  zu  sein,  der  wir  um  so  lieber  folgten, 
als  wir  in  dem  erfahrenen  und  liebenswürdigen  Diplomaten  auch  einen  guten 
Ratgeber  für  die  Dispositionen  und  Vorbereitungen  zur  weiteren  Reise  zu 
finden  hofften. 


-    7«     - 

Wir  täuschten  uns  darin  nicht,  denn  er  war  in  jeder  Weise  bemüht,  uns 
zu  nützen  und  durch  die  Fülle  seiner  Krfahrungen  und  seines  Einflusses  unser 
Weiterkommen  zu  fördern.  In  anregenden  Unterhaltungen  und  Erzählungen 
wusste  er  uns  die  Zeit  unseres  Aufenthaltes  zu  einem  geistigen  Genüsse  zu 
gestalten,  wie  er  wohl  nur  an  wenigen,  so  weit  von  den  Kulturcentren  entfernten 
Orten  zu  finden  ist.  Wenn  ich  hier  in  der  Erinnerung  wieder  in  sein  Haus 
eintrete,  so  geschieht  es  mit  dem  Gefühle  des  Dankes,  den  ich  iur  die  damals 
genossene  Gastfreundschaft  hier  ausspreche,  und  den  schon  viele  andere  For- 
scher vor  uns  ihm  in  gleicher  Weise  zollen  mussten. 


Kaschguriei  1d  Kaschgar. 


KAPITEL  III. 


Kaschsrar  und  Kaschg:arien. 

Kaschgar  ist  altberuhmt  als  eine  der  bedeutendsten  Städte  in  Ost-Turkestan. 
Als  Hauptstadt  grosser  Reiche,  die  mehrfach  im  Laufe  der  Geschichte  grössere 
Teile  der  Bevölkerung  des  Tarimbeckens  umfassten,  dient  sein  Name  in  der 
Form  Kaschgarien  auch  zur  Bezeichnung  des  Gebietes,  dessen  Grenzen  in  ver- 
schiedenen Zeiten  verschieden  weit  nach  Osten  reichten,  das  aber  zur  Zeit 
des  letzten  selbständigen  Herrschers,  des  Emir  Jakub-Bek,  durch  die  Gebii^- 
■ander  im  Süden,  Westen  und  Norden  und  den  90.  Meridian  im  Osten  be- 
grenzt wurde. 

Ehe  wir  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  Land  und  Leute  und  deren 
Geschichte  der  Schilderung  des  Nordrandes  des  Tarimbeckens  und  des  östlichen 


—     8o     — 

Thien-schanes  vorausschicken,  seien  der  Stadt  Kaschgar  selbst  einige  Worte 
gewidmet,  obwohl  in  den  letzten  25  Jahren  viele  Furopäer  dieselbe  besucht 
und  ausführhch  beschrieben  haben. 

Eigentlich  muss  man  von  zwei  Städten  reden,  die  etwa  12  Kilometer  von 
einander  hegen  und  Kaschgar  bilden. 
Die  eine  ist  die  alte,  historische 
Stadt,  während  die  neue  Stadt  erstt 
1838  erbaut  wurde  und  der  Sit;; 
des  Emir  war.  Man  kann  die  Städte 
auch  nach  der  Verteilung  der  Be- 
völkerung als  chinesische  und  tür- 
kische Stadt  bezeichnen.  Beide  sind 
gleichmässig  umwallt.  Die  neue 
Stadt  dient  als  Garnison  und  Festung 
oder  Citadelle  der  Chinesen;  in  ihr 
befinden  sich  nur  chinesische  Be- 
wohner und  die  Garnison.  Die  alte 
Stadt  ist  der  Sitz  der  alteingesessenen 
Hevölkerung  und  des  Handels.  Die 
Bevölkerung  hat  denselben  Typus  wie 
diejenige    aller    andern    Städte    des  ,.     , 

Oasengürtels  um   das  Tarimbecken. 

Nach  Grenard  besteht  die  heutige  Bevölkerung  von  Ost-Turkestan  aus 
zwei  Rassen,  die  nicht  neben  oder  über  einander  fortbestehen,  sondern  in  enger 
Kombination  verschmolzen  sind.  Die  eine  ist  die  älteste  turanische  Bevölkerung 
von  indogermanischem  Stamme,  die  nicht  in  cinsielne  Elemente  zerlegt  werden 
kann,  die  andere  ist  die  türkische  Rasse,  welche  im  IX.  und  X.  Jahrhundert 
in  jene  erste  eindrang  und  unter  den  Kirgisen,  der  Bevölkerung  der  Gebirge 
im  Westen  und  Norden  des  Tarimbeckens,  sowie  unter  den  Dolanen  in  den 
waldigen  und  schilfbedeckten  Niederungen  längs  des  Tariniflusses  am  stärksten 
vertreten  ist,  während  in  den  Städten  und  bebauten  Oasen  das  ältere  Element  vor- 
wiegt. Die  Einflüsse  türkischer  Stämme  auf  die  arische  Urbevölkerung  Ost- 
Turkestans  sind  aber  schon  viel  früher  nachweisbar.  Der  türkische  Stamm  der 
Uiguren  erschien  schon  im  VI.  Jahrhundert  im  östlichen  Tarimbecken,  wo  er 
der  tibetanischen  Vorherrschaft  ein  Ende  machte.  Die  buddhistische  Religion  war 
damals  noch  die  vorherrschende  Religion  in  Ost-Turkestan,  und  Kaschgar  wie 
Jarkand  waren  buddhistische  Städte,  aber  schon  seit  Ende  des  IX.  Jahrhunderts 
herrschte  in  Kaschgar  eine  türkische  Dynastie,  während  in  den  südlichen  Städten, 
z.  B.  Khotan,    der  Buddhismus   noch  länger  Stand  hielt. 

Diesen  Bevölkerungselementen  gegenüber  sind  vom  ethnologischen  Stand- 
punkte aus  die  Mongolen  und  Chinesen  von  geringerer  Bedeutung,  wenn  auch 
die    politische   Macht    in  den   Händen   der    letzteren   sich   befindet. 


Die  Stärke  der  Ackerbau  treibenden  und  in  den  Stadien  ansässigen  Be- 
völkerung wird  auf  I  500  ooo  berechnet,  soweit  sie  dem  Tarimbecken  angehört, 
über  das  sie  aber  im  Nordosten  in  die  Dsungarei  und  im  Südosten  nach  Kan-su 
hinausgeht.     Trotz   der   ethnographischen    Gleichartigkeit   hat   diese   Mischrasse 

keinen  einheitlichen  ethno- 
graphischen Namen;  man  hat 
sie  rein  geographisch  als  Kasch- 
garier  oder  Ost-Turkestancr  be- 
zeichnet, andere  nannten  sie 
schlechtweg  Türken,  und  die 
Bewohner  des  Tarimbeckens 
bezeichnen  dieses  selbst  als 
iLand  der  Muselmanen«.  Das 
in  Russisch  Turkestan  übliche 
Wort  »Sart«  würde  auch  auf 
diesen,  den  ansässigen  Teil 
der  Bevölkerung  Kaschgariens 
passen,  ist  aber  im  Lande 
selbst  wenig  gebräuchlich. 

Jedenfalls  hat  die  Misch- 
KMthgarier,  VordL-ransicht.  fasse  in  Kaschgarien  einen  ähn- 

lichen Ursprung  wie  die  Sarten 
in  Kussisch  Turkestan,  die  aus  alten  arisch- iranischen  Ureinwohnern  (Tadschiks) 
und  deren  späterer  Vermengung  mit  rein  türkischen  Stämmen,  den  Usbeken 
und  Kiptschaken,  denen  im  Tarimbecken  die  Uiguren  entsprechen,  her- 
vorgegangen sind  [s.  Tafel  IV].  Da  indessen  der  Name  »Sart»  in  Russisch 
Turkestan  nach  Krahmer  >nicht  angewandt  wird,  um  eine  spezielle  Nationalität 
zu  bezeichnen,  sondern  um  eine  Klasse  nach  ihrer  Beschäftigung  und  Sitten  zu 
kennzeichnen!  und  die  Bewohner  von  Städten  und  Dörfern  im  allgemeinen,  mit 
Ausnahme  der  gebildeten  Tadschiks,  Sarten  genannt  werden,  die  im  Gegensatze 
zu  den  Nomaden  Gewerbe,  Handel  und  Ackerbau  treiben,  so  dürfte  es  zulässig 
sein,  auch  fiir  die  türkisch  sprechenden  Teile  der  Bevölkerung  Kaschgariens, 
die  vollkommen  die  Lebensweise  der  Sarten  haben  und  ihnen,  wie  schon  oben 
gesagt  wurde,  ausserordentlich  nahe  stehen,  die  Bezeichnung  Sarten  und  sartisch 
beizubehalten  und  nur  die  andern  Elemente,  wie  Kirgisen,  Mongolen,  Tarant- 
sehen,  Dunganen  etc.  auszuscheiden,  wie  das  denn  auch  im  folgenden  geschehen  soll. 
Die  alte  Stadt  Kaschgar  ist  die  Trägerin  der  kaschgarischen  Geschichte 
und  als  solche  verdient  sie  die  meiste  Beachtung,  während  Neu-Kaschgar  (Jangi- 
schahr,  Neustadt  genannt)  sich  von  andern  neueren  Städten  des  himmlischen 
Reiches  nicht  wesentlich  unterscheidet,  weder  durch  die  Lebensweise  der  Be- 
wohner,  noch  durch  die  Bauart  der  Häuser  und  den   Charakter   der  Strassen. 


—       82  - 

Nähert  man  sich  Alt-Kaschgar  von  der  Westseite  her,  aus  den  Beiden  des 
Alai  und  auf  der  grossen  Handelsstrasse  von  Irkeschtam  und  Fergana,  so  trifft 
man,  lange  ehe  man  die  Mauern  der  Stadt  erreicht,  ausgedehnte  Dörfer  oder 
Vorstädte,  Der  Weg  fuhrt  teils  zwischen  deren  braunen,  einförmigen  Lehm- 
mauern ,  teils  zwischen  weiten 
Friedhöfen  hin ,  die  sich  mit 
ihren  kleinen  Grabdenkmälern  und 
Moscheen  wohl  einige  Kilometer 
lang  an  der  Strasse  hinziehen  und 
bis  direkt  zur  Stadtmauer  selbst 
reichen.  Das  freie  Gelände  ist 
vielerorts  gut  bebaut;  man  sieht 
Ackerbau,  Bewässerungs -Anlagen 
und  auch  kleine  Gärten;  allent 
halben  aber  überwiegt  die  braune 
Farbe  des  Bodens,  der  sich  in 
feinem  Staub  gleichmässig  über 
alles  legt,  su  dass  der  Grundton 
überall  ein  einförmiges  Hell- 
gelblichbraun ist.  Zwar  tragen 
die  Einwohner  gerne  bunte  Ge- 
wänder,   aber    durch    das    Alter, 

den     Schmutz     und     den     Staub  y^^^  ^^  Ku^chc^.r,  sei.^D.-msicht. 

haben   sie    allmählich    sich    ihrer 

Umgebung  angepasst.     Selbst  die  Bäume   sind  grau,   und  das  frische  Grün  des 
Frühjahrs  wird  wohl  nicht  lange  in  den  Sommer  hineinreichen. 

Einzelne  muhamedanische  Moscheen  am  hohen  Ufer  des  Küsülflusses  ragen 
mit  ihren  gewölbten  Kuppeln  weit  über  ihre  Umgebung  hinweg.  Die  in  ihrer 
Nähe  an  langen  Stangen,  sog.  Tugh-stangen,  befestigten  Rossschweife,  Tuchfetzen 
und  Fähnchen,  die  Wahrzeichen  der  Grabstätten  frommer  Männer,  wiegen 
sich  im  leisen  Winde. 

Die  nach  der  Strassenseite  stets  fensterlosen  Lehmmauern  der  Häuser  ver- 
sperren die  Aussicht;  aber  neugierig  eilen  Kinder  und  Frauen  zur  Thür,  um  den 
fremden  Reitertnipp  anzustaunen.  Die  Frauen,  obwohl  fast  alle  Muhamedane- 
rinnen,  verhüllen  ihr  Haupt  nicht,  wenigstens  thun  es  nicht  die  älteren  und 
hässlichen.  Warum  halten  gerade  die  jungen  und  hübschen  ein  Tuch  oder 
die  Hand  vors  Gesicht? 

Das  Benehmen  Fremden  gegenüber  ist  ebenso  wie  im  russischen  Gebiet 
von  Seiten  der  Bevölkerung  durchaus  höflich ;  die  Leute  stehen  auf,  wenn  sie 
vor  ihren  Hütten  sitzen,  und  verneigen  häutig  das  Haupt;  sie  steigen  von  den 
Pferden  und  Eseln,  um  den  Fremden  vorbeireiten  zu  lassen,  oder  weichen  jeden- 
falls weit  zur  Seite.     Die  Gassenjugend  ist   hier  schon  etwas  von  chinesischen 


-     83     - 

Unsitten,  die  sich  bekanntlich  am  schnellsten  Eingang  verschaffen,  beeinflusst  und 
folgt  unserm  Zuge  neugierig.  Ziemlich  erwachsene  Jungen,  braunschwarz  von 
Schmutz  und  ganz  nackt  oder  mit  den  erbärmlichsten  Fetzen  nur  halb  bedeckt, 
abstossende    Erscheinungen,     wie    sie    nur     in    China    möglich     sind,     treiben 

sich  als  Bettler  herum. 
Die  Stadtmauer 
ist  hoch,  stattlich  an- 
zusehen und  mit  den 
Türmen  in  gutem  Er- 
haltungszustand. Sie 
ist  ganz  aus  Lehm  er- 
richtet imd  würde  mo- 
dernen     Sc  huss  wallen 

gegenüber  keinen 
grossen  Schutz  ge- 
währen. VorderMauer 
ist  ein  breiter,  wasser- 
leerer Graben,  und 
Zugänge  zur  Stadt  fin- 
den sich  nur  an  eini- 
gen Stellen  durch  be- 
sondere    Thore ,     die 

mit  Mititärwachen   be- 
Kirgise ia  Kaschgar,  Vorderansicht.  .  .     ,  , ,         , 
setzt     smd.       Abends 

werden   die  Thore  geschlossen    und   der  Zutritt    ist    den    Einheimischen    dann 

verboten. 

Das  russische  Generalkonsulat,  dessen  liebenswürdiger  Chef,  Herr 
Petrowsky,  uns  eingeladen  hatte,  liegt  zwischen  der  westlichen  Stadtmauer  und 
dem  Flussufer  und  besteht  aus  einer  Anzahl  von  einstöckigen  Gebäuden, 
welche  dem  Generalkonsul,  seinem  Dienstpersonal,  seinem  Bureau  und  den 
Kosaken,  die  ihm  zum  Schutze  dort  stationiert  sind,  zur  Unterkunft  dienen. 
Das  Haus  des  englischen  diplomatischen  Agenten  liegt  ganz  in  der  Nähe, 
auf  dem  hoch  gelegenen  Flussufer,  und  bietet  eine  hübsche  Aussicht  auf  den 
Fluss  und  das  gegenüber  liegende  Ufer;  eine  so  freundliche  Wohnung  ist  in 
Kaschgar  eine  Seltenheit. 

Um  das  russische  Konsulatsgebäude  und  seine  Nebenbauten,  in  deren  einem 
wir  Aufnahme  gefunden  hatten,  gruppiert  sich  ein  werdendes  russisches  Viertel. 
Eine  Zollstation  ist  schon  vorhanden,  eine  kleine  russische  Kirche  im  Bau  und 
dafiir,  dass  auch  kleine  Russen  herumlaufen,  haben  die  Kosaken  schon  gesorgt. 

Aeusserlich  ist  aber  an  den  Gebäulichkeiten  alles  centralasiatisch ;  an  euro- 
päische Herrlichkeit  erinnern  nur  im  Innern  die  zahlreichen  Sterne  und  Ordens- 
bänder des  Generalkonsuls,    die  Uniformen  seiner  Beamten   und  Kosaken   und 


-    84    - 

last  not  least  seine  Küche.  Ohne  sie  zu  kennen,  verehren  wir  die  Frau  des 
Generalkonsuls,  welche,  wer  weiss  mit  wie  viel  Mühe,  aus  einem  Sarten  einen 
europäisch  geschulten  Koch  gemacht  hat,  der  es  trefflich  versteht,  aus  den 
feinen  Fischen  des  Flusses  und  den  Landesprodukten  vorzügliche  Speisen  zu 
bereiten.  Nur  die  Getränke  sind  hier  nicht  in  europäischer  Menge  zu  haben; 
ein  Likör  oder  ein  Früchtewein  erinnern  nur  kümmerlich  an  Wodka  und 
Madeira  und  kamen  in  homöopathischen  Dosen  auf  den  Tisch.  Der  Terek- 
Dawan-Pass,  auf  dessen  eisigen  Höhen  alles  tropfbar  Flüssige  gefriert  und 
die  Flaschen  sprengt,  ist  der  Störenfried,  der  dort  die  Freude  an  Bacchus*  und 
Gambrinus'  Gaben  verkümmert. 

Beim  Generalkonsulate  befindet  sich  eine  meteorologische  Beobachtungs- 
station, in  der  schon  seit  längeren  Jahren  wertvolle  Aufzeichnungen  in  um- 
fassender Weise  gemacht  werden;  eine  photographische  Dunkelkammer, 
die  mir  durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Generalkonsul  zur  Ver- 
fügung stand,  ermöglichte  mir  das  Entwickeln  der  im  Alai-Gebirge  auf 
genommenen  Bilder  und  damit  eine  wertvolle  Kontrolle  über  die  verschiedenen 
Glasplatten  und  Films,  die  für  die  weitere  Reise  von  grossem  Werte  sich  erwies. 
Schliesslich  sei  noch  einer  schönen,  reichhaltigen  Bibliothek  asiatischer  Litteralur 
zur  geistigen  und  einer  russischen  Badestube  für  körperliche  Erfrischung  gedacht, 
die  durch  Petrowskys  Verdienste  hier  entstanden   sind. 

Die  Sitte  verlangt  es,  dass  man  alsbald  nach  dem  Eintreffen  in  der  Stadt 
dem  Tao-t*ai,  d.  h.  dem  höchsten  Regierungsbeamten,  den  Pass  vom  chinesischen 
auswärtigen  Amte   und   seine  Visitenkarten    zur    Ankündigung    eines   Besuches 
übersendet.    Am  Tage  nach  unserer  Ankunft  begaben  wir  uns  hoch  zu  Ross,  in 
Begleitung  des  kaiserlich  russischen  Generalkonsuls  und  seines  Sekretärs,  die  beide 
in  einem  kleinen  Wagen  fuhren,  und  eskortiert  von  den  Kosaken,  die  einen  Vor- 
und  Nachtrab  bildeten,  nach  der  Wohnung  des  Tao-t*ai  und  betraten  bei  dieser 
Gelegenheit  zum  ersten  Male  die  innere  Stadt     Gleich    hinter    dem   Stadtthor 
befand    sich    die    chinesische  Wache.     Vor   einer    offenen  Wachtstube  standen 
altertümliche  Hellebarden,  Schwerter  und  ähnliche  Kriegswerkzeuge,  während  die 
dazu  gehörenden  Soldaten  auf  den  Strassen  und  an  den  Häusern  herumlungerten. 
Durch  eine  enge   Gasse,    die  auf  beiden  Seiten    von    den    fensterlosen    Lehm- 
wänden    der  Häuser  eingefasst  wird,   kommt  man  nach   dem   Hauptmarktplatz, 
der  zu  jeder  Tageszeit  ein  sehr  belebtes  Bild  darbietet.     An  der  Südseite  be- 
findet sich  die  einzige  grosse  Moschee  von  Kaschgar;  gegenüber  und   nach  der 
Ostseite  öffnen  sich  die  Strassen  des  Bazars,  aus  welchem  die  Menge  zum  Haupt- 
platze  ab-  und    zuströmt.     Der  Platz  ist  klein   und  bietet  an   Hauptmarkttagen 
(hier  der  Donnerstag)  kaum   Raum  genug  für  die  zahlreiche  Landbevölkerung! 
welche   bei   dieser    Gelegenheit   die  Stadt   aufsucht.     Auf  den    meisten  Seiten 
befinden  sich   offene  Verkaufsbuden,   wie  im   eigentlichen  Bazare.      Ausserdem 
haben  sich  eine  grosse  Anzahl  von  fliegenden  Händlern,  besonders  solche  mit 
Brot  und  Früchten,    in   Reihen    am  Boden  gelagert   und  ihre  Waren  vor  sich 


.    Kasthgarier  aus  Kaschg:ir.      i^AnlhropoloH'sche   Messuiigr  No,  " 
.    Kaschgaiier  atis    Kaschgar.     , An ihropo logische  Mesciinj;   No.  6 


-     Ss    - 

ausgebreitet,  wodurch  gleichsam  Strassen  abgegrenzt  werden,  in  denen  sich 
der  Verkehr  bewegt,  ohne  dass  die  Handelsleute  im  Gedränge  zu  Schaden 
kämen.  Das  Publikum  ist  hier  viel  vorsichtiger  und  rücksichtsvoller  gegen  ein- 
ander als  in  dem  rastlosen  Getriebe  unserer  Grossstädte.  In  den  Lücken 
zwischen  diesen  Strassenzügen  geben  Gaukler  ihre  Vorstellungen,  Märchen- 
erzähler fesseln  eine  eifrig  lauschende  Menge  oder  Derwische  halten  ihre  Gesang- 
oder Gebetvorträge. 

Die  Derwische  sind  originelle  Gestalten.  Gemeinsam  ist  ihnen  allen  das 
struppige  Aussehen,  der  Mangel  an  Verwendung  jeglicher  kosmetischen  Kunst, 
sei  es  auch  der  einfachsten  des  Waschens  an  Gesicht,  Händen  und  Füssen,  sowie 
den   Körperteilen,  welche  die    meist   ungemein   zerlumpte  Gewandung   freilässt 


StmltiDnuer  tod  Knachifni'  in  <ler  Nähe  <los  Kalaerlirh  russischen  Generalkonsulates. 

Auf  dem  Kopfe  tragen  viele  trichterartige,  hohe  Mützen,  die  von  der  andern  Be- 
völkerung nicht  getragen  werden,  und  die  etwa  wie  die  Mützen  unserer  Pierrots 
aussehen;  manche  sind  auch  barhäuptig.  Das  Haupt  einer  solchen  Derwisch- 
gesellschaft, ein  im  Gesicht  fleckig  aussehender  Mann  mit  ungepflegtem  roten 
Barte,  trug  auf  dem  Markte  immer  einen  sonderbar  stufenförmig  -  pyramidal 
gestalteten  Stein  in  den  Händen,  während  er  den  andern  vorsang  oder,  besser 
gesagt,  vorbrummte.  Wenn  sie  von  den  Fremden  ein  Trinkgeld  in  Aussicht 
haben,  schreien  sie  besonders  stark  und  wild,  aber  ihre  lachenden  Gesichter 
zeigen  zur  Genüge,  dass  sie  selbst  nicht  ernst  dabei  sind  und  die  Vorstellung 
nur  zum  Vergnügen  der  Fremden  und  zu  ihrem  eigenen  Vorteil  veranstalten. 
Im  übrigen  scheint  das  Volk,  an  diesen  Unfug  gewöhnt,  sie  ruhig  gewähren 
zu  lassen  und  sich  wenig  um  sie  zu  kümmern. 


—     86     - 

Ausser  dem  lokalen  Handel  mit  Landesprodukten  und  der  Ein-  und  Aus- 
fuhr von  Waren  von  und  nach  Russland  über  die  Gebirgspässe  nach  Norden  und 
Westen,  hat  Kaschgar  einen  blühenden  Handelsverkehr  mit  der  kirgisischen 
Bevölkerung  der  Bergländer,  die  hauptsächlich  Pferde  und  Vieh  für  die  Ver- 
proviantierung der  Stadt,  Häute,  Felle  von  Pelztieren  und  junge  Hirschgeweihe, 
welche  die  Chinesen  als  Medizin  hochschätzen,  nach  Kaschgar  bringen  und  daiiir 
Baumwollenstoffei  Chalate,  Geschirr,  Thee  und  Werkzeuge  eintauschen. 

Die  besten  Hörner  der  Hirsche,  die  am  meisten  geschätzt  werden,  sind 
solche,  die  drei  Enden  haben  und  noch  mit  Blut  gefüllt  sind.  Sie  werden 
besonders  präpariert  und  von  den  Chinesen  als  Reizmittel  gebraucht  Ein 
lebender  Hirsch  aus  dem  Thien-schan,  der  auf  beistehender  Abbildung  wieder- 
gegeben ist,  befand  sich  im  Besitze  des  englischen  diplomatischen  Agenten 
Herrn  Macartney. 

Im  Gegensatz  zu  dem  immer  stark  besuchten  Markte  und  den  Bazargängen, 
ist  das  Viertel,  in  dem  die  Wohnung  des  Stadtoberhauptes  liegt,  ruhig,  fast 
leer,  und  macht  einen  würdigeren  Eindruck;  die  Häuser  haben  gegen  die  Strasse 
offene  Hallen  mit  grossen  Eingängen.  Es  sind  darin  einige  Bureaus  von  Behörden 
untergebracht  und  man  sieht  vielfach  rote  Papierzettel  mit  chinesischen  Inschriften 
angeklebt. 

Zum  Schluss  gelangten  wir  an  ein  hohes,  in  chinesischem  Stil  aus  Holz 
erbautes,  weit  geöffnetes  Thor,  bei  dessen  Passieren  wir  durch  Böllerschüsse  und 
Musik  begrüsst  wurden.  Die  Musikanten  befanden  sich  in  einem  erhöhten, 
freistehenden  Pavillon,  der  ringsum  vergittert  war,  und  die  Instrumente  waren 
flötenartige,  lange  Röhren.  Die  Menschenmenge,  welche  uns  vom  Bazare  her 
das  Geleite  gab,  wurde  hier  von  den  Wachen  zurückgehalten,  während  wir  noch 
durch  einige  Höfe,  die  durch  Holzthore  getrennt  waren,  bis  direkt  vor  die  Wohnungs- 
gebäude des  Tao-t*ai  zogen.  Eines  der  Thore,  die  wir  durchritten,  war  mit 
überlebensgrossen,  schwarzen,  auf  Papier  gedruckten  Figuren  von  ganz  martia- 
lischem Aussehen  geschmückt.  Diese  Gestalten  sollten  die  Schutzgötter  des 
Hauses  symbolisch  darstellen.  Allenthalben  in  Seitengebäuden  sah  man  merk- 
.  würdig  geformte,  hellebardenartige  Waffen,  Wagen  u.  s.  w. 

Der  Tao-t*ai  empfing  uns  an  der  Schwelle  seiner  Gemächer,  und  nach 
einem  mit  beiden  Händen  ausgetauschten  Händedruck  begleiteten  wir,  um 
der  chinesischen  Sitte  zu  entsprechen,  den  Würdenträger,  je  einer  rechts  und 
einer  links,  durch  eine  Reihe  von  Gemächern,  wobei  es  jedesmal  vor  und  nach 
dem  Ueberschreiten  der  Schwellen  erneute  Begrüssung  und  Komplimentieren 
gab.  Im  offenen  Empfangssaale  angekommen,  wurden  wir  beide  auf  besondere, 
etwas  höher  gestellte  Sessel  gesetzt,  während  die  andern  in  zwei  Reihen  ein- 
ander gegenüber  und  vor  uns  Platz  nahmen.  Das  Gemach,  das  trotz  des 
kalten  Tages  nicht  geheizt  war,  hatte  ausser  den  schon  erwähnten  Stühlen 
und  dazwischen  stehenden  kleinen  Tischchen  keine  weitere  Einrichtung;  den 
Boden    bedeckte    ein    schöner    grosser    chinesischer  Teppich.     Der  Tisch,   auf 


welchem   einiges  süsses  Backwerk  zum  Thee   angeboten  wurde,  musste,  ebenso 
wie  die  Stühle,  erst  während  unserer  Anwesenheit  hereingetragen  werden. 

Der  Tao-t'ai  war  sehr  liebenswürdig  und  lud  uns  gleich  zu  einem  Essen 
ein,  das  einige  Tage  später  in  demselben  Räume  stattfand,  in  dem  wir 
empfangen  worden  waren.  Die  Unterhaltung,  welche  auf  dem  Umwege  von 
Kussisch  und  Französisch  in  Sartisch  und  Chinesisch  geführt  wurde,  erstreckte 
sich  hauptsächlich  auf  Zwecke  und  Ziele  unserer  Reise,  den  schon  zurück- 
gelegten Weg  über  den  Terek  -  Dawan  -  Pass  und  auf  den  Austausch  von 
Komplimenten    und    Höflichkeitsphrasen.      Nach    etwa    einer    halben    Stunde 


Hirsch  nus  dem  Thicn-5i;hnD  in  K;ischffar  im  Ttceltze  (!<■»  Herrn  Macartacy. 

verhessen  wir  den  Tao-t'ai,  der  uns  unter  denselben  Zeremonien  bis  zur 
Schwelle  geleitete.  Wieder  krachten  Böller  und  wieder  spielte  die  an  einen 
Dudelsack  erinnernde  Musik,  als  wir  das  grosse  Hoflhor  passierten. 

Gleich  am  andern  Tage  erfolgte  der  Gegenbesuch,  der  durch  einen 
bezopften  Beamten,  der  grosse  rote  Visitenkarten  mit  chinesischen  Schrift- 
seichen überbrachte,  etwa  eine  Stunde  vorher  angekündigt  wurde.  Der 
Generalkonsul  hatte  in  liebenswürdigster  Weise  seinen  Empfangssaal  zur 
Verfugung  gestellt  und  alles  vorbereiten  lassen,  so  dass  auch  bei  uns  dieselben 
Zeremonien  stattfinden  konnten  wie  beim  Tao-t'ai.  Er  kam  in  Begleitung 
zweier    seiner    Beamten,    die    beide    russisch    sprachen    und    als    Dolmetscher 


-     88     — 

fungierten,  ausserdem  war  noch  eine  Anzahl  von  Dienern  zugegen.  Sie  waren 
alle  in  den  kleinen  chinesischen  einspännigen  Wagen  gekommen,  welche 
hier  die  Stelle  unserer  Equipagen  vertreten  und  fast  wie  grosses  Spielzeug 
aussehen;  es  hat  in  jedem  dieser  zweirädrigen  Karren  eine  Person  in  sitzender 
Stellung  mit  untergeschlagenen  Beinen  Platz,  hinten  sind  sie  geschlossen  und 
auch  vorn  ist  ein  Vorhang  zum  Zuziehen;  meist  sind  sie  mit  bunten  Farben 
bemalt  und  die  Führer  laufen  nebenher  oder  sitzen  vom  auf.  Da  Federn  an 
den  Achsen  mangeln,  kann  ein  längeres  Fahren  in  diesen  Wagen  bei  den 
schlechten  Wegen  in  den  Städten  unmöglich  ein  Vergnügen  sein. 

Einige  Tage  später  empfing  der  Generalkonsul  den  Besuch  eines 
chinesischen  Generals,  eines  sehr  jovialen  älteren  Herrn,  der  mit  einem 
grossen  Gefolge  von  Soldaten  mit  Waffen  und  in  roten  Leibröcken,  auf  deren 
Rücken  Schriftzeichen  sich  befanden,  ankam  und  sich  auch  sehr  liebenswürdig 
gegen  uns  Fremde  zeigte. 

Das  Diner  beim  Tao-t'ai,  an  welchem  derselbe  General  teilnahm,  war  auf 
2  Uhr  festgesetzt  und  dauerte  bis  zum  Beginn  der  Nacht.  Es  gab  sehr  viele 
verschiedene  Gänge  und  die  Auswahl  der  Speisen  war  eine  sehr  feine  und  der- 
artige, dass  fast  nur  die  in  Kaschgar  seltensten  und  teuersten  Gerichte  auf  den 
Tisch  kamen,  als  da  sind  Produkte  des  fernen  östlichen  Meeres  und  Früchte  aus 
Indien  oder  entfernten  Provinzen  Chinas.  Meerestang,  in  der  Art  wie  Ochsen- 
maulsalat zubereitet,  Haifischflossen,  Bananen  sind  mir  noch  in  Erinnerung; 
vieles  kannte  ich  auch  nicht.  Der  General,  der  mein  Nachbar  zur  Rechten 
war,  war  so  liebenswürdig,  mich  auf  die  besonders  geschätzten  Delikatessen 
nicht  nur  aufmerksam  zu  machen,  sondern  sie  mir  auch  selbst  vorzulegen,  was 
als  eine  sehr  grosse  Höflichkeit  gilt,  die  auch  der  Gastgeber  vielfach  übte. 
Als  Getränke  gab  es  nur  einen  syrupartigen  dicken  Reisbranntwein  und  Thee; 
den  ersteren  lieben  die  Chinesen  sehr  und  trinken  hin  und  wieder  davon  auch 
weit  über  den  Durst.  Alle  Speisen  wurden  in  zierlichen  Schüsselchen  gereicht; 
jeder  nahm  davon  mit  zwei  Stäbchen  und  führte  dann  die  Speise  direkt  zum 
Munde,  wenn  er  sie  nicht  dem  Nachbar  auf  den  Teller  legte. 

Die  Mäntel  wurden  ebensowenig  wie  die  Kopfbedeckungen  während  des 
originellen  Mahles  abgelegt,  zu  dem  wir  glücklicherweise  nicht  hungrig  gekommen 
waren;  denn  ich  glaube  nicht,  dass  wir,  trotz  der  Menge  der  Gerichte,  an  allen 
diesen  Kleinigkeiten,  die  mehr  auf  den  Gaumen  als  den  Magen  berechnet  waren, 
satt  geworden  wären. 

Die  Kleidung  der  Chinesen  bestand  bei  feierlichen  Anlässen,  wie  diesem 
Mahle  oder  den  Besuchen,  aus  einem  einfachen  blauen  bis  an  die  Knöchel 
reichenden  Rock  und  einem  Ueberwurf  von  dunkler  Seide,  der  vorn  auf  der 
Brust  zugehakt  wurde  und  am  Kragen  sowie  den  Enden  der  Aermel  mit  feinem 
Pelzwerk  besetzt  war.  Die  Füsse  steckten  in  breiten,  dicksohligen  Tuch- 
schuhen, und  auf  dem  Kopfe  wurde  eine  Art  von  Pelzbarett  mit  je  nach 
dem   Range  verschiedener   Farbe   des   Knopfes   oben    in    der   Mitte  und   einer 


etwas  über  die  Kopfbedeckung  selbst    nach   hinten   hinunterreichenden  Pfauen- 
feder getragen. 

Sehenswürdigkeiten  bietet  Kaschgar  in  unserm  Sinne  überhaupt  nicht;  aber 
alles,  was  mit  dem  Volksleben  und  -treiben  zusammenhängt,  ist  dem  Europäer 
neu  und  interessant.  Der  Bazar,  der  sich  durch  mehrere  Strassenzüge  erstreckt, 
unterscheidet  sich  wenig  von  den  Bazaren  in  den  russischen  Städten  sartischer 
Bevölkerung  in  Turkestan  oder  auch  Buchara.  Nur  findet  man  hier  auch 
Läden  mit  ausschliesslich  chinesischen  Produkten,  die,  wie  z.  B.  Porzellan, 
weither    von    Osten    und    von    der    See    gebracht    werden.      Diese    Magazine 


Ufer  lies  KUsQI-iu  (^egcnUlier  roD  Kiuclignr. 

sind  in  Händen  von  Chinesen.  In  der  neuen  Stadt  Kaschgar  ist  der  eigent- 
liche Sitz  des  chinesischen  Handels,  in  der  alten  mehr  der  des  sartisch- 
russischen  Verkehrs. 

Die  sogenannte  neue  Stadt  liegt  etwa  12  km  südostlich  von  Alt-Kaschgar 
und  ist  wie  dieses  von  einer  starken,  gut  gehaltenen  Mauer  mit  Türmen  um- 
geben. Ausserhalb  der  Mauer  liegen  längs  der  Strasse  die  Wohnungen  handel- 
treibender Sarten  und  es  herrscht  hier  das  gewohnte  rege  Getriebe;  im  Innern 
der  Thore  aber  sind  die  Haus-  und  Ladenbesitzer  nur  Chinesen.  Die  Stadt 
macht  nicht  den  Eindruck  lebhaft  pulsierenden  Verkehrs  wie  die  sartischen 
Bazare.  Die  Strassen  sind  breiter  und  nicht  gedeckt;  die  Läden  befinden  sich 
in  grossen,  nach  der  Strasse  offenen  Hallen  mit  Ladentischen,  hinter  welchen  die 
Verkäufer  stehen. 


—     90     — 

Die  höheren  Beamten  und  Militärmandarinen  haben  grosse  Wohnhäuser 
mit  weiten  Höfen  inne.  Bei  manchen  derselben  sind  neben  den  nach  chine- 
sischer Art  gebauten  Holzthoren,  die  von  der  Strasse  in  den  Hof  und  von 
einem  Hofraum  in  den  andern  führen,  aussen  überlebensgrosse  Löwen  aus  Thon 
auf  Postamenten  aufgestellt,  wohl  als  Symbol  der  Macht  Sie  sind  sehr  roh, 
aber  in  origineller  Manier  ausgeführt  und  haben  ein  grimmiges  Aussehen. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  unseres  Führers,  eines  Beamten,  den  uns 
der  Tao-t'ai  zur  Verfügung  gestellt  hatte,  sahen  wir  die  neue  Stadt  von  ihrer 
besten  Seite;  aber  mehr  als  das  oben  Gesagte  ist  kaum  anzuführen.  Unser 
Aufenthalt  währte  somit  kaum  eine  Stunde,  da  wir  darauf  verzichteten,  den  Be- 
hörden selbst  einen  Besuch  zu  machen,  und  wir  ritten  durch  das  reiche  Kulturland 
nach  Alt-Kaschgar  zurück. 

Hier  sind  es  noch  mehrere  Punkte  in  der  näheren  und  ferneren  Umgebung, 
welche  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen  und  einen  Besuch  lohnend  machen. 
Unsere  aufs  äusserste  beschrankte  Zeit  erlaubte  uns  nur  einen  derselben,  den 
uralten  Stüpa,  auf  dem  linken  Ufer  des  Flusses,  gegenüber  von  Kaschgar  gelegen, 
zu  besichtigen  (siehe  Tafel  V). 

Schon  der  Weg  dahin  ist  interessant.  Man  überschreitet  den  Küsül-su- 
Fluss  auf  einigen  roh  aus  Balken  und  Weiden  zusammengezimmerten,  schmalen, 
geländerlosen  Brücken,  die  durch  aus  Thon  aufgeschüttete  und  durch  Weiden- 
faschinen gefestigte  Dämme  verbunden  sind.  Am  andern  Ufer  erheben  sich 
steile  Lehm  wände,  in  welche  zahlreiche  Wohnungen  hineingebaut  sind.  (Ab- 
bildung Seite  89).  Man  geniesst  von  der  Höhe  eine  schöne  Aussicht  über  den 
Fluss  und  das  auf  der  andern  Seite  gelegene  Alt-Kaschgar  mit  seiner  Mauer, 
seinen  Türmen  und  niederen  Lehmbauten.  Nach  der  vom  Flusse  wegführenden 
Richtung  hin  zeigt  das  Lehmhochplateau  starke  Schluchtenbildung,  durch  die 
man  sich  einen  Weg  suchen  muss,  um  zu  einem  hoch  aufragenden,  hügel- 
artigen Bauwerke  zu  gelangen,  das  aus  der  Ferne  wie  ein  steiler  Lösshügcl 
mit  senkrecht  abstürzenden  Wänden  aussieht.  Beim  Näherkommen  erkennt  man 
jedoch,  dass  es  ein  aus  Lehmziegeln  aufgetürmtes,  in  seiner  ehemaligen  äusseren 
Form  freilich  nur  noch  sehr  mangelhaft  erhaltenes  Bauwerk  ist. 

Die  als  Stüpa  bekannten  alt-buddhistischen  Denkmäler  waren  in  Indien 
sehr  häufig,  sind  aber  vielfach  zerstört.  Sie  sind  an  Stellen  errichtet,  die  eine 
Bedeutung  für  das  Leben  und  Wirken  eines  Buddha  hatten,  oder  an  Orten,  an 
welchen  Reliquienstücke  von  Heiligen  aufbewahrt  werden.  Die  älteste  Form 
bestand  aus  einer  einfachen,  massiven  Halbkugel  aus  Mauerwerk,  die  auf  einem 
Unterbau  ruht  und  oben  von  einer  vierseitigen  Terrasse  gekrönt  wird,  auf  der 
als  Symbole  der  Hoheit  Schirme  aufgestellt  waren.  Die  Grösse  der  Stupa  ist 
sehr  verschieden,  von  solchen,  die  gegen  40  m  aufragen,  giebt  es  alle  Ueber- 
gänge  bis  zu  kleinen  Miniaturen,  die  an  Altären  und  heiligen  Orten  aufgestellt 
werden.  Vielfach  waren  sie  mit  Skulpturen  geschmückt;  davon  aber  ist  an  dem 
grossen  Stüpa  bei  Kaschgar  nichts  mehr  gefunden  worden. 


L 


_     91     — 

Da  der  Buddhismus  schon  von  200  v.  Chr.  ab  in  die  Himalaya-Bergländer, 
Kaschmir,  nach  Afghanistan  und  Bactrien  sich  ausdehnte,  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  auch  Kaschgarien  sehr  früh  schon  von  buddhistischen  Missionaren  besucht 
und  dort  die  Lehre  angenommen  wurde.  Der  Stüpa  bei  Kaschgar  ist  der  bei 
weitem  nördlichste  von  den  bis  jetzt  bekannten   grösseren  Bauten  dieser  Art. 

In  dem  Lehm  findet  man  durch  die  immer  weiter  greifenden  Schluchten 
und  Abstürze  freigelegte  Altertümer;  in  den  Lehmwänden  selbst  stösst  man  zu- 
weilen in  ziemlicher  Tiefe  (5  m)  unter  der  Oberfläche  auf  gut  erhaltene,  grosse 
irdene  Töpfe,  wie  sie  noch  heute  bei  der  Bevölkerung  im  Gebrauche  sind. 
Häufig  bergen  diese  wertvollen  Inhalt  aus  alter  Zeit. 

Ueberhaupt  ist  das  Land  von  Kaschgar,  am  Fusse  der  Berge  entlang  bis 
über  Khotan  hinaus,  reich  an  Altertümern,  und  in  heute  von  Wüste  bedecktem 
Lande  finden  sich  noch  die  TKimmer  alter  Städte.  Ausser  wertvollen  Schmuck- 
sachen findet  man  hier  Handschriften,  die  bis  in  die  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr. 
zurückreichen  und  deren  Inhalt  von  hohem  archäologischen  Werte  ist.  Manche 
Handschriften  sind  auch  in  Schriftzeichen  geschrieben,  die  noch  der  Entzifferung 
harren  und  bislang  unbekannt  waren. 

Was  immer  diese  alten,  im  Wüstensande  begrabenen  Handschriften  an 
geschichtlichem  Material  noch  in  sich  bergen  mögen,  das  eine  beweisen  sie 
jedenfalls,  zusammen  mit  den  alten  Resten  ausgedehnter  menschlicher  Wohn- 
stätten, dass  da,  wo  jetzt  die  Wüste  allein  herrscht,  einst  grosse  Städte  sich 
erstreckten  und  ein  auf  hoher  Kulturstufe  stehendes  Volk  wohnte.  Die  Wüste 
breitete  sich  später  über  fruchtbares  Land  aus,  zerstörte  die  Kulturarbeit  und 
zwang  die  Menschen,  die  versandeten  Städte  zu  verlassen.  Nicht  unmöglich  ist 
es,  dass  auch  noch  andere  Strecken  der  Wüste  vor  Jahrhunderten  anbaufähiges 
Land  besassen  und  Ansiedlungen  ermöglichten,  von  denen  aber  bis  heute  noch 
keine  Spuren  an  die  Oberfläche  gekommen  sind. 

Die  physische  und  geographische  Beshafienheit  dieses  westlichsten  Teiles 
des  grossen  Tarimbeckens  bietet  somit  ebenso  viel  Interesse,  wie  das  Studium 
der  grossen  historischen  Wandlungen,  welche  das  Land  Kaschgarien  durchge- 
macht hat  und  in  denen  die  Grausamkeit  und  Willkür  orientalischer  Machthaber, 
Greuelthaten  der  Chinesen  wie  der  Muhamedaner,  Meuchelmord  und  Gift  eine 
grosse  Rolle  spielen.  In  Kaschgar  war  es  auch,  wo  der  grosse  Forscher 
Schlagintweit  als  Gesandter  des  Vicekönigs  von  Indien  an  den  Chan  von  Kokan 
getötet  wurde,  und  wo  heute  noch  die  entfernten  Lagen  und  Befestigungen  der 
jeweils  muhamedanisch-sartischen  und  chinesischen  Städte  auf  den  Gegensatz 
zwischen  der  Mehrzahl  der  Bevölkerung  und  der  kleineren,  regierenden  chinesi- 
schen Partei  hinweisen,  der  auch  weiter  im  Innern  Chinas  immer  wieder  zu 
blutigen  Rebellionen  und  Aufständen  hier  der  Bevölkerung  Kaschgariens,  dort 
der  Dunganen  gegen  die  Chinesen  führt 

Versuchen  wir,  hier  die  wesentlichsten  Züge  der  eigentümlichen  physiogra- 
phischen  Beschaffenheit  dieses  Teiles  von  Innerasien,   von  Chinesisch-  oder  Ost- 


1 


-     92     - 

Turkestan,  welches  das  alte  Kaschgarien  enthält»  und  die  wichtigsten  der 
ausserordentlich  mannigfaltigen  geschichtlichen  Ereignisse,  die  sich  auf  diesem 
Boden  abspielten,  kurz  zusammen  zu  fassen. 

Wohl  eine  der  am  meisten  charakteristischen  Erscheinungen  in  der  Phy- 
siognomie dieses  Landes  ist  die  eigentümliche  Verteilung  von  fruchtbaren, 
Ackerbau  ermöglichenden  Oasen -Gebieten  und  weiten  Strecken  öder  und 
steriler  Wüstenflächen  von  Sand-  oder  Schottermassen  innerhalb  der  hoch  auf- 
ragenden gebirgigen  Umgrenzungen  des  Tarimbeckens,  in  weichen  grasbedeckte 
Thalflächen  zwischen  steilen,  zuweilen  noch  bewaldeten,  vielfach  aber  auch  den 
Charakter  der  Felswüste  tragenden  Hochgebirgsgehängen  der  nomadisierenden 
Bevölkerung  der  Bergkirgisen  und  ihren  Herden  die  Existenz  gestatten.  Die 
Grenzen  des  Gebietes,  das  als  neue  chinesische  Provinz  Sin-chiang  bezeichnet 
wird,  verlaufen  im  Süden  vom  westlichsten  Teile  der  Provinz  Kan-su  bei  dem 
Thore  Kia-yü-kwan,  am  Ende  der  grossen  Mauer,  auf  der  nördlichsten  Gebirgs- 
kette des  Kuen-Iun-Systems  bis  zum  Gebirgsknotenpunkte  und  Hochplateau  des 
Pamir;  an  der  Westgrenze  im  Alai-Gebirge  sind  die  Passübergänge  in  den  Hän- 
den der  Russen;  die  Grenze  im  Norden,  im  Thienschan,  verläuft  südlich  vom 
Tschatür-kul  in  nordöstlicher  Richtung  bis  zum  Gebirgsstock  des  Khan-Tengri 
auf  der  südlichsten  der  höheren  Gebirgsketten,  wendet  sich  aber  dann  quer 
über  das  System  des  Thienschan  nach  Norden  zum  Dsungarischen  Alatau,  folgt 
diesem  nach  Osten  und  erreicht  in  nördlicher  Richtung  den  Tarbagatai,  von 
wo  die  östliche  Begrenzung  der  Provinz  durch  die  Dsungarei  und  die  Gobi  im 
allgemeinen  in  südöstlicher  Richtung  nach  dem  Thore  Kia-yü-kwan  führt. 

Das  ganze  Gebiet  dieser  Provinz  umfasst  i  426  ODO  Quadratkilometer  mit 
einer  Bevölkerungszahl,  die  auf  eine  Million  angegeben  wird,  so  dass  die 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung  nur  0,6  pro  Quadratkilometer  beträgt.  Der  Hauptsitz 
der  chinesischen  Verwaltung  ist  in  Urumtschi  im  östlichen  Thien-schan. 

Der  Teil  dieser  Provinz,  der  nordöstlich  der  Linie,  die  vom  Khan-Tengri 
auf  der  südlichsten  Kette  des  Thienschan  über  den  Kuruk-tag  nach  Ostsüdost 
verläuft,  gelegen  ist,  gehört  nicht  mehr  dem  Tarimbecken  an  und  besteht  zumeist 
aus  weiten  Wüstenflächen  von  Sand  und  Gerollen  zwischen  den  nach  Osten 
verlaufenden  Ketten  des  Thienschan  mit  nur  sehr  wenigen  kleinen  Oasen-Gebieten 
am  Fusse  der  Gebirge,  wo  die  bald  in  der  Wüste  versickernden  Flüsse  austreten, 
z.  B.  bei  Turfan-Toksun  und  an  andern  Punkten,  die  im  Kapitel  über  den 
östlichen  Thien-schan  besprochen  werden  sollen. 

Kehren  wir  zum  Tarimbecken  zurück  und  überblicken  es  aus  der  Vogelschau, 
so  sehen  wir  einen  ungeheuren  Raum  von  annähernd  ovaler  F'orm,  fast  ganz 
von  Wüste  gebildet.  Die  Achse  von  den  Gebirgen  westlich  von  Kaschgar  bis 
zum  90.  Meridian  östlich  vom  Lop-nur-Gebiete  ist  1200  km  lang;  die  grösstc 
Breite  im  Meridian  von  Kutscha  beträgt  600  km.  Nur  am  inneren  Fusse  der 
randlichen  Bergketten  zieht  .sich  eine  in  ihrer  Breite  wechselnde  Kulturzone  hin, 
die  im  Westen  ihre  grösste  Ausdehnung  hat,  nach  Osten  hin  aber  immer  mehr 


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durch  Wüstenstrecken  unterbrochen  wird.  Das  bebaute  Gebiet  reicht  meist  nicht 
unmittelbar  bis  an  den  Gebirgsfuss;  es  schiebt  sich  zwischen  beide  eine  mehr 
oder  weniger  breite  Zone  von  ganz  sterilen  Schottermassen  ein,  über  welche 
die  Gebirgsflüsse  herabkommen  und  in  welchen  sie  häufig  versickern.  Nur  wenige 
grössere  Flüsse  erreichen  die  Hauptwasserader,  den  von  Westen  nach  Osten  den 
nördlichen  Teil  des  Beckens  durchfliessenden  Tarim,  der  im  Osten  in  der 
Seenregion  des  Lop-nur-Gebietes  sein  Ende  findet. 

Der  Tarim-Fluss  setzt  sich  aus  Oberläufen  zusammen,  die  von  Nordwesten, 
Westen  und  Südwesten  kommen  und  mit  den  Namen  Ak-su-,  Kaschgar-,  Jarkand- 
und  Khotan-darja  bezeichnet  werden.  Erst  von  der  Einmündungssteile  des 
Ak-su-darja  ab  heisst  der  vereinigte,  in  mehreren  parallelen  Armen  und  Altwassern 
fliessende  Hauptstrom  Tarim,  dessen  Wassermasse  aber  immer  mehr  gegen 
Osten  durch  Verlust  abnimmt. 

Einige  der  aus  dem  Thien-schan  kommenden  Flüsse  münden  in  abflusslose 
Seen,  die  noch  nördlich  von  der  Hauptwasserader  liegen.  Die  vom  Süden,  aus 
dem  Kuen-lun,  kommenden  Flüsse  erreichen  nur  im  Tschertschen-darja  mit 
Wasserführung  den  untersten  Teil  des  Tarim  am  Lop-nur;  der  Khotan-  und 
Kerija-Fluss  wurden  von  Sven  Hedin  in  ihren  Trockenbetten  durch  die  trostloseste 
Sandwüste  bis  zum  Tarim  verfolgt,  aber  alle  andern  verschwinden  in  einiger 
Entfernung  vom  Gebirgsfusse  in  dem  alles  verschlingenden  Dünensande. 

Die  Hochebene  des  Tarimbeckens  senkt  sich  von  1400  m  westlich  von 
Kaschgar  bis  zu  ihrem  tiefsten  Punkte  im  Lop-nur-Gebiete  (800  m)  um  600  m. 
Die  einzige  Unterbrechung  der  enormen  Wüstenflächen  bilden  die  Erhebungen 
des  Masar-tag,  die  bei  Maral-baschi  und  am  Khotan-darja  nördlich  von  Khotan 
nachgewiesen  wurden,  und  deren  Zusammengehörigkeit  als  einheitliche,  von 
Nordwesten  nach  Südosten  laufende  Kette  noch  nicht  erwiesen,  aber  nach  dem 
geologischen  Schichtstreichen,  das  dem  des  Thien-schans  fremd  ist,  wahrscheinlich 
ist.  Der  Sand  mit  seinen  wandernden  Dünen  spielt  in  den  in  der  Mitte  gelegenen 
Gebieten  die  Hauptrolle.  Die  öden  Flächen  von  grobem  Schotter  und  Trümmer- 
massen sind  mehr  auf  die  Nähe  des  Gebirgsfusses  und  dessen  Thäler  beschränkt. 
Ausser  den  isolierten  Oasenflächen,  die  auf  Lehmboden  liegen  und  durch 
natürliche  oder  künstliche  Berieselung  anbaufähig  werden,  giebt  es  am  Rande 
gegen  die  Schotter-  und  Sandwüsten  Zonen,  deren  lehmiger  Boden  mit  reichlichen 
Salzefflorescenzen  und  wenigen,  weit  von  einander  getrennten  Büschen  von 
salzliebenden  Pflanzen  oder  Sträuchern,  wie  Tamarix,  bedeckt  ist  Infolge  der 
Anhäufung  von  Lehm-  und  Staubmaterial  entstehen  hier  an  den  Pflanzen  eigen- 
tümliche hügelige  Erhebungen,  so  dass  man  von  einer  Zone  der  Vegetationshügel 
sprechen  kann,  die  ganz  allgemein  an  der  Grenze  zwischen  den  absolut  wüsten 
und  den  Vegetation  tragenden  Gebieten  vorkommt  und  auf  die  ich  später  noch 
zurückkommen  werde. 

Noch  einer  andern  Vegetationsform  ist  zu  erwähnen,  die  grössere  Areale, 
besonders    an    den  verschiedenen   Läufen   des   mittleren   Tarim,   den  Trocken- 


~     94     — 

thälem  und  Läufen  des  Khotan-  und  Kerija-darja,  einnimmt  und  Wälder  bildet, 
die  sich  aber  auch  sonst,  besonders  im  Süden  des  Beckens,  in  kleineren 
Beständen  mehrfach  vorfindet  Zumeist  ist  es  der  Tugrak-Bauni  (Populus 
balsamifera),  welcher  die  Wälder  bildet,  aber  auch  verschiedene  Weidenarten 
sind  verbreitet;  grosse  Gebiete  an  den  Flussniederungen  sind  von  Schilf  ein- 
genommen. 

Unter  diesen  ärmlichen  Verhältnissen  ist  natürlich  auch  das  Tierleben 
sehr  spärlich.  Einige  Gazellen,  Hasen,  Füchse  und  auch  den  Irbis  (Panther), 
Tiger  und  Hirsche,  die  letzteren  besonders  in  den  Dschungeln,  sieht  man 
zuweilen;  wilde  Kamele  und  Pferde  halten  sich  in  Herden  in  den  unwirtlichsten 
Wüstengebieten  auf  und  machen  weite  Wege,  um  zu  ihren  Futter-  oder  Wasser- 
plätzen zu  gelangen. 

In  den  Gebirgen  der  westlichen  und  nördlichen  Umrandung  des  Beckens 
leben  die  Nomaden,  meist  Kirgisen,  ganz  von  ihren  Herden,  die  aus  Schafen, 
Pferden,  Ziegen  und  Yaks  bestehen,  und  von  der  Jagd.  Ausser  Hirschen 
und  Gazellen  sind  auch  überall  in  den  Gebirgen  die  Bergschafe  Argali  (Ovis 
Poli)  sehr  häufig.  Anbau  von  Weizen,  Roggen,  Hirse  und  Erbsen  ist  bei  diesen 
Gebirgsbewohnern  sehr  selten. 

Die  Oasen  sind  überall  fruchtbar,  wo  noch  genügend  Wasser  hingeleitet 
werden  kann  und  wo  nicht,  wie  namentlich  im  Süden,  Ueberwehungen  mit 
Flugsand  die  Feldarbeit  vernichten.  Die  richtige,  künstliche  Irrigation  macht 
viele  Arbeit  und  erfordert  viele  Kräfte.  Die  Bewässerungskanäle  müssen  aus- 
gegraben und  durch  Dämme  (Arük)  geschützt  werden,  wenn  im  Sommer  das 
Schmelzwasser  ungestüm  aus  den  Bergen  herabkommt;  die  Kanäle  füllen  sich 
mit  Schlamm  und  müssen  immer  wieder  von  neuem  ausgebaggert  werden;  an 
Kreuzungsstellen  der  vielfach  erhöht  liegenden  Kanäle  mit  tief  eingefahrenen 
Strassen  zieht  das  Wasser  oft  diese  Wege  seinem  eigenen  Bette  vor,  und  es 
entstehen  dadurch  (lir  den  Verkehr  sehr  unzuträgliche  Verhältnisse.  Auch  die 
Konstruktion  der  primitiven  Brücken  bei  tieferen  Kanälen  bedürfte  häufiger  der 
Erneuerung,  wie  überhaupt  die  Pflege  der  Wege  viel  zu  wünschen  übrig  lässt 
und  der  weiche  Lehm  einen  sehr  schlechten  Untergrund  bildet,  wenn  er  im 
Sommer  durchweicht  oder  hoch  mit  Wasser  bedeckt  ist.  Da  es  oft  an  den 
nötigen  Arbeitskräften  fehlt,  ist  die  Irrigation  nicht  immer  so  weit  ausgedehnt, 
als  es  den  Verhältnissen  nach  möglich  wäre  und  früher  zu  besseren  Zeiten  auch 
der  Fall  war. 

Es  werden  eine  Menge  von  Feldfrüchten,  Gemüsen,  Obst  und  andern  Nutz- 
pflanzen angebaut,  und  die  Geschichte  berichtet,  dass  Kaschgarien  Zeiten  hohen 
Wohlstandes  gesehen  hat,  wie  z.  B.  zur  Zeit  der  mongolischen  Herrschaft  nach 
Dschingfis-chan.  Auch  heute  noch  wären  manche  brach  liegende  Flächen  durch 
künstliche  Berieselung  ertragfähig  zu  machen,  und  vielfach  begegnet  man  den 
Spuren  und  Resten  von  früheren  Besiedelungen,  grossen  Dörfern  und  Höfen,  die 
infolge  der  vielen  Kriegszeiten,  der  Aufstände,  der  Massenermordungen  und  der 


—     95      - 

schliesslich  daraus  entstehenden  Verarmung  des  Volkes  verfallen  sind.  Kasch- 
garien  ist  gegenwärtig  selbst  in  den  blühendsten  Oasen  kein  reiches  Land  zu 
nennen;  es  könnte  aber  zu  einem  solchen  gemacht  werden,  wenn  das  Volk  sich 
erholt  von  der  noch  unter  seinem  letzten  selbständigen  Herrscher  von  diesem 
selbst  und  seinen  Beamten  betriebenen  Aussaugung,  die  seinen  Wohlstand  unter- 
grub, und  von  den  fanatischen  Religionskämpfen,  welche  die  Kopfzahl  dezimierten, 
so  dass  es  an  Kräften  für  die  nötigsten  Arbeiten  fehlt. 

Wie  die  späteren  Schilderungen  zeigen  werden,  machen  die  Städte  wie 
die  Dörfer  und  die  Seraie  immer  einen  ärmlichen  Eindruck.  Die  niederen 
Lehmhütten  bieten  kaum  genügend  Raum,  und  auch  ihre  innere  Einrichtung 
ist  die  denkbar  primitivste.  In  den  Läden  ist  alles  aufs  engste  zusammengehäuft; 
nur  die  chinesischen  Verkaufsstellen  sind  besser  gehalten.  Die  Bevölkerung  ist 
sehr  bedürfnislos  und  lebt  einfach:  Thee  und  Reis,  der  Pilaw,  eine  Art  von 
Maccaroni  mit  Fleisch  und  Fett  bilden  neben  Melonen,  Gurken  und  Obst  die 
Hauptnahrungsmittel. 

Auch  die  Kleidung  ist  einfach,  meist  aus  Baumwollengewebe  oder  Wolle 
und  Schaffell  hergestellt;  Seide  sieht  man  nur  sehr  selten,  ebenso  wenig  wert- 
vollen Schmuck,  dafür  aber  sehr  häufig  die  bitterste  Armut  in  Hütten,  an  kleinen 
Orten  und  bei  bettelnd  herumziehenden  Derwischen.  Häufig  sind  diese  Bettler 
mit  ekelerregenden  vernachlässigten  Wunden  und  Krankheitserscheinungen  be- 
haftet; Kropf  ist  sehr,  verbreitet  und  wird  durch  das  schlechte  Trinkwasser 
erworben,  während  die  ebenfalls  häufig  auftretenden  Augenkrankheiten  auf  den 
sehr  reichlich  in  der  Atmosphäre  enthaltenen,  stark  mit  Salz  versetzten  Staub 
zurückzufuhren  sind. 

Der  Volkstypus  im  allgemeinen  ist  sehr  unschön,  gleichviel,  ob  nun  der 
mongolische  oder  türkische  Typus  vorwiegt.  Bei  dem  harten  Leben  zeigen 
sich  schon  früh  die  Spuren  des  Alters  und  zahlreiche  tiefe  Furchen  durchziehen 
das  Gesicht  noch  junger  Leute. 

Die  Bevölkerung  ist  weitaus  zum  grössten  Teile  muhamedanisch.  Der 
letzte  Herrscher  Kaschgariens,  Jakub-Bek  (f  1878),  duldete  keine  andere  Religion, 
und  abgesehen  von  den  später  eingewanderten  Chinesen  sind  nur  in  den  Bergen 
unter  den  Mongolen  noch  Andersgläubige,  Buddhisten  oder  Schamanisten,  zu 
finden.  Von  Fanatismus  merkt  man  auf  der  Reise  wenig,  in  der  Geschichte  aber 
hat  er,  durch  die  Mullahs  geschürt,  eine  bedeutende  und  unselige  Rolle 
gespielt  Die  chinesischen  Behörden  sind  in  religiöser  Beziehung  sehr  tokrant 
Auch  in  Bezug  auf  die  Ehe  bestehen  keine  strengen  Vorschriften;  die  Stellung 
der  Frau  ist  eine  selbständigere  und  sie  geniesst  in  Ost-Turkestan  mehr  Frei- 
heiten als  in  der  Türkei. 

Wird  schon  den  Chinesen  grosse  Neugierde  nachgesagt,  durch  die  sie 
fremden  Reisenden  oft  lästig  fallen,  so  gilt  das  in  noch  viel  höherem  Grade 
von  der  türkischen  Bevölkerung  Ost-Turkestans,  die  uns  wie  nirgends  sonst  auf 
der  ganzen  Reise  durch  freches  Herandrängen  und  Aufdringlichkeiten  belästigte, 


-     9«     - 

SO  dass  mehrfach  Soldaten  von  der  Behörde  beauftragt  werden  mussteo,  die 
Zudringlichen  von  den  Höfen  der  Karawanenseraie,  in  denen  wir  uns  aufhielten, 
abzuhalten. 

Auf  den  Bazaren  mancher  Städte,  wie  z.  I),  Kaschgar,  Ak-su  und  Kutscha, 
herrschte  reges  Leben,  und  es  schien  ein  tüchtiger  Handelsgeist  den  Markt  zu 
beseelen.  Ausser  den  einheimischen  Produkten,  die  ausschliesslich  durch  Haus- 
industrie und  Landbau  gewonnen  werden,  ündet  man  überall  zahlreiche 
russische  Waren,  in  den  chinesischen  Magazinen  Erzeugnisse  des  fernen  Chinas, 
Englands  und  auch  Japans  (Streichhölzer).  Nur  sehr  wenig  kommt  aus  Indien, 
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—     97     — 

in  China,  auch  hier  das  Volk  zu  leiden  hat,  wenn  auch  lange  nicht  in  dem 
Masse,  wie  früher  unter  den  willkürlichen  Erpressungen  der  einheimischen 
Herrscher  in  Kriegsfällen  oder  bei  Reisen  hoher  Würdenträger,  wo  die  ganzen 
Kosten  der  Beförderung,  Unterbringung  und  Ernährung  des  zahlreichen  Gefolges 
von  den  kleinsten  Orten,  die  sie  berührten,  aufgebracht  werden  mussten,  von 
ausserordentlichen  Kontributionen  nicht  zu  sprechen.  Dass  Kaschgarien  hohe 
Blüte  unter  Dschingis-chan  und  der  durch  Frieden  ausgezeichneten  mongolischen 
Herrschaft  erreichte,  beweist  allein  schon  zur  Genüge,  dass  das  Land  eines 
Aufschwunges  fähig  ist  und  grösseren  Wohlstand  erreichen  kann. 

So  wird  auch  unter  einer  einsichtigeren  Regierung,  die  nach  Lage  der 
Dinge  nur  die  russische  sein  könnte,  eine  grosse  Entwicklung  der  Industrie 
im  Lande  ins  Leben  gerufen  werden  können,  die  heute  zum  Teil  nur  durch  den 
Widerstand  der  Behörden  gegen  Neuerungen  in  technischen  Betrieben  und  gegen 
die  Ausbeutung    von  Bergwerken    künstlich    niedergehalten  wird. 

Dass  keine  unüberwindlichen  Verkehrs-Hindernisse  existieren,  zeigen  die 
seit  uralter  Zeit  benutzten  Karawanenstrassen;  ebenso  wenig  steht  ein  Mangel 
an  natürlichen  Hilfsquellen  einem  Aufschwünge  des  Landes  im  Wege.  Die 
Berge  des  Thien-schan  bieten  einen  grossen  Reichtum  an  Erzen,  Gold  kommt 
aus  den  Bergen  des  Kuen-lun,  und  auch  Petroleum  und  Kohle  sind  vorhanden; 
aber  alle  Ausbeutung  ist  noch  in  den  Anfangen  und  bedarf  der  richtigen 
Organisation.  Dagegen  bieten  die  Rohmaterialien  des  Ackerbaues,  die  Cerealien, 
die  Baumwolle  der  Oasen  und  die  Wolle  und  Häute  schon  jetzt  die  Möglichkeit 
einer  gesteigerten  industriellen  Thätigkeit,  da  das  Klima  eine  reichlichere  Pro- 
duktion gestattet  und  viele  Landstrecken  besser  ausgenutzt  werden  könnten. 

Das  Klima  Kaschgariens  ist  nicht  so  extrem,  wie  nach  seiner  zentral- 
kontinentalen Lage  angenommen  werden  müsste.  Der  Winter  ist  nicht  so 
kalt,  wie  z.  B.  in  Hami,  und  ziemlich  trocken;  gegen  die  kalten  und  stark  ab- 
kühlenden Winde  vom  Norden  ist  der  Nordrand  des  Tarim-Beckens  mit  seinen 
Oasen  durch  die  hohen  Thien-schan-Ketten  geschützt.  Allerdings  wird  im 
Sommer  die  Temperatur  der  Luft  wie  des  Bodens  sehr  hoch,  fast  so  hoch  wie 
in  den  Tropen,  und  die  heissesten  Teile  liegen  in  der  Depression  der  Erdober- 
fläche unter  dem  Meeresspiegel,  südlich  von  Turfan,  die  auch  durch  milderen 
Winter  ausgezeichnet  ist. 

Der  Wüstenboden  erhitzt  sich  bis  über  70®  C.  und  die  Luft  bis  zu  45®  C. 
Die  Sommer  im  Tarimbecken  sind  fast  ganz  ohne  Niederschläge;  der  östliche 
Teil  desselben  und  die  Gobi  gelten  als  überhaupt  regenlos,  während  an  den 
Abhängen  des  Thien-schan  und  der  westlichen  und  südlichen  Umrandungen  des 
Beckens  reichlichere  Niederschläge  eintreten  und  das  Vorkommen  von  ewigem 
Eis  und  Schnee  wie  im  Pamir  und  Alai,  so  auch  im  östlichen  Thien-schan, 
im  Karlük-tag,  nordöstlich  von  Hami  und  südlich  vom  Lop-nur  im  Arka-tag 
ermöglichen,  von  denen  im  Sommer  wasserreiche  Flüsse  herabkommen  und  den 
Oasengebieten  die  nötige  Feuchtigkeit  zufuhren. 

Futter  er,  Durch  Asien.  7 


-      9-5      - 

Wie  .«»ich  aus  dieser  kurzen  Uebersicht  ergiebt,  sind  also  die  Bedingungen 
für  Ackerbau  und  Ansiedelungen,  für  Industrie  und  Mandel  zwar  auf  wenige 
kleine  Kulturslrecken  zwischen  ungeheueren  Wußten  beschrankt,  diese  aber  sind 
der  Entwicklung  in  hohem  Masse  fähig  und  im  stände,  eine  grössere  Bevölkerung 
zu  ernähren,  mehr  Produkte  zu  erzeugen  und  einen  lebhafteren  Handelsverkehr 
zu  betreiben  als  gegenwartig. 

Der  russische  Einfluss  macht  sich  überall  am  Nordrande  schon  sehr  stark 
geltend,  und  die  ganze  Entwicklung  von  Handel  und  Verkehr  weist  immer  mehr 
nach  Norden  hin.  Die  Zukunft  wird  es  lehren,  ob  nicht  hier  ein  glücklicheres 
und  wohlhabenderes  Land  entsteht,  wie  unter  der  nissischen  Leitung  schon  das 
westliche  Turkestan  in  friedlicher  Ent^vicklung  hoher  Blüte  entgegengefuhrt 
worden  ist.  Das  heutige  »arme  Kaschgarienc  ist  nur  die  Folge  der  geschicht- 
lichen Vergangenheit,  die  schwer  auf  ihm  lastet  und  deren  Wirkungen  sich 
nicht  so  rasch  verlieren  können. 

Ein  ganz  flüchtiger  Ueberblick  über  den  vielfachen,  meist  mit  grossem  ßlut- 
vergiessen  verbundenen  Wech.sel  der  Herrschaften  verschiedener  Völker,  die 
dazwischen  liegenden  Perioden  innerer  Streitigkeiten  unter  einzelnen  Städten  und 
Di.strikten  um  die  Vorherrschaft  und  endlich  die  Eroberung  des  Landes  durch  Jakub- 
Bek  wird  deutlich  zeigen,  in  welchen  Zustand  das  Land  allmählich  geraten  musste. 
Ost-Turkestan  ist  ein  Gebiet,  das  schon  in  sehr  früher  Zeit  sich  durch 
eine  Kultur  auszeichnete.  Die  Ursitze  der  chinesischen  Rasse  werden  hier  an 
den  Nordgehängen  des  westlichen  Kuen-lun  vermutet,  ehe  diese  schon  2200  Jahre 
vor  Christus  die  besseren  Gebiete  am  Wei-ho  aufsuchte  und  sich  dort  ansiedelte. 
Die  ältesten  Bewohner  in  geschichtlichen  Zeiten  gehörten  der  arischen  Rasse 
und  den  Persern  verwandten  Stämmen  an,  deren  Heimat  auf  dem  Pamir  gelegen 
zu  .sein  scheint.  Nach  Westen  war  das  Land  abgeschlossen,  nach  Osten  aber  den 
räuberischen  Uebergriflen  der  Mongolen  offen,  die  ebenso  wie  gegen  das  himm- 
lische Reich,  auch  nach  Kaschgarien  ihre  Einfalle  machten  und  die  Urbevölkerung 
von  Saken  und  Geten  teils  verdrängten,  teils  sich  mit  ihr  vermengten. 

Als  die  nördlichen  Hunnen  von  den  Chinesen  zur  Zeit  der  Han-Dynastie 
zurückgeschlagen  wurden,  überschwemmten  ihre  Horden  ganz  Turkestan  und 
gelangten  bis  ans  Kaspische  Meer  und  an  die  Wolga;  im  IV.  und  V.  Jahrhundert 
kamen  sie  noch  weiter  nach  W^esten  bis  nach  Deutschland. 

Die  Erbauung  der  grossen  chinesischen  Mauer,  die  schon  250  v.  Chr.  be- 
gonnen wurde,  drängte  die  mongolischen  Stämme  (die  Hunnen)  nach  Westen 
und  gegen  das  schon  um  300  v.  Chr.  bestehende  Reich  von  Stämmen  der 
östlichen  Tataren  (Yüe-tschi),  das  von  Schan-si  bis  Khotan  reichte.  Die  west- 
lichen Tataren  oder  Hunnen  bedrängten  die  Yüe-tschi,  welche  nachgaben  und 
ihrerseits  die  Saken  zum  Teile  aus  dem  Tarimbecken  vertrieben;  die  grössere 
Zahl  der  Saken  aber  blieb  in  dem  Hexapolis  genannten,  westlichen  Oasengebiete 
des  Tarimbeckens  und  vermischte  sich  mit  den  Uiguren,  die  lange  Zeit  hindurch 
Herren  des  Landes  waren. 


—      99      — 

Die  Uiguren  sind  ein  Volk  türkischer  Abstammung  vom  Orkon-Flusse, 
das  sich  wahrscheinlich  schon  sehr  früh  vom  ursprünglich  im  Altai  ansässigen, 
türkischen  Hauptstamme  abgetrennt  hat  und  sich  zu  Beginn  der  christlichen 
Zeitrechnung  ganz  Ost-Turkestans  bemächtigte.  Ein  türkischer  Staat,  der  von 
Kaschgar  bis  zum  Aralsee  reichte,  wurde  später  zur  Zeit  der  Samaniden  (Ende 
des  IX.  Jahrhunderts)  gegründet  und  deren  Hauptstadt  Samarkand  erobert. 

In  der  Zwischenzeit  aber  hatten  die  Uiguren  Streitigkeiten  mit  China,  die 
zu  zeitweiliger,  wenn  auch  nicht  drückender  Unterordnung  derselben  führten, 
aber  fortwährende  Kämpfe  und  Aufstände  zur  Folge  hatten. 

In  Ost-Turkestan  war  bis  zum  VIII,  Jahrhundert  der  Buddhismus,  von 
dem  es  noch  unbestimmt  ist,  wann  er  eindrang,  die  vorherrschende  Religion, 
und  das  Land  besass  zahlreiche  Klöster  und  fromme  Einsiedler. 

Schon  vom  VIII.  Jahrhundert  ab  beginnt  der  Islam  sich  zu  verbreiten.  An- 
fangs des  X.  Jahrhunderts  wurde  ein  kaschgarischer  Fürst,  Satuk-Bogra-chan, 
Muhamedaner  und  verschaffte  aufs  eifrigste  mit  Feuer  und  Schwert  diesem 
Glauben  Eingang.  Seit  dem  Niedergang  der  Samaniden  nahm  der  Islam  in 
Zentral-Asien  überall  einen  grossen  Aufschwung  und  breitete  sich  nach  Norden, 
Osten  und  Süden  bis  Indien  aus.  Mit  ihm  kamen  auch  die  Araber,  deren  Ein- 
fluss  bald  der  vorherrschende  wurde;  alle  andern  Religionen,  unter  denen  die 
der  Nestorianer  stark  vertreten  war,  wurden  verfolgt  und  unterdrückt.  Die  Be- 
wohner von  Khotan  setzten  der  Bekehrung  zum  Islam  besonders  langen  und 
energischen  Widerstand  entgegen;  im  Kampfe  mit  ihnen  fielen  viele  der  arabischen 
Glaubensstreiter,  welche  die  lange  Reihe  der  muhamedanischen  Heiligen  eröffnen. 

Im  XI.  Jahrhundert  umfasste  das  uigurische  Reich  das  ganze  grosse  Gebiet 
vom  Kaspischen  Meere  bis  zur  Gobi;  es  hatte  einen  gewissen  Kulturgrad 
erreicht,  und  die  Bevölkerung  hatte  feste  Sitze  und  Städte  in  den  Oasen;  mon- 
golische Stämme  machten  anfangs  des  XII.  Jahrhunderts  seiner  Selbständigkeit 
ein  Ende.  Im  Jahre  1220  war  Kaschgarien  dem  Reiche  Dschingis-chans  an- 
gegliedert, dessen  Horden  von  mongolischen  Stämmen  China,  Indien,  Syrien, 
Fersien  und  Europa  bis  Ungarn  und  Oesterreich  heimsuchten. 

In  Kaschgar  herrschte  zu  jener  Zeit  Guchluk-chan,  ein  eifriger  Nestorianer 
und  grausamer  Feind  des  Islam;  als  daher  1218  die  Mongolen  mit  200CK)  Mann 
vor  Kaschgar  erschienen,  wurden  sie  vom  Volke,  da  sie  Religionsfreiheit  prokla- 
mierten, freundlich  aufgenommen  und  der  Chan  musste  fliehen.  Buchara  und 
Samarkand  wurden  von  den  Mongolen  genommen  und  nach  allen  Richtungen 
Heerscharen  ausgesandt.  Inmitten  dieser  divergierenden  Eroberungen  starb  1227 
Dschingis-chan  im  64.  Lebensjahr,  nachdem  er  die  ganze  zentral  gelegene  Zone 
Asiens  vom  Gelben  bis  zum  Schwarzen  Meere  erobert  hatte. 

Während  der  Zeit  des  Dschingis-chan  und  der  Glanzperiode  der  mongoli- 
schen Herrschaft  erfreute  sich  auch  Kaschgarien  hoher  Blüte,  die  es  später 
nie  wieder  erreichen  sollte.  Die  muhamedanische  Religion  blieb  erhalten,  verlor 
aber  ihre  Härten,  und  auch  andere  Religionen  wurden  wieder  zugelassen.    Gleich 

7* 


nach  dem  Tode  des  Dschingis-chan,  des  'machtigsten  Königs',  hatten  aber  der 
blühende  Handel  und  das  ganze  Land  von  neuem  unter  L'nruhen  und  Biii^er- 
kriegen  zwischen  den  Nachfolgern  zu  leiden,  bis  im  XIV.  Jahrhundert  ein  weiser 
Herrscher,  Tulguk-Timur-chan,  das  Land  durch  Buchara  vergrössertc  und  ihm 
Erholung  gönnte ;  sein  Sohn ,  der  zum  Herrscher  von  Samarkand  gemacht 
worden  war,  wurde  von  dem  grossen  Timur,  der  ein  Tiirke  von  Abstammung 
und  nicht  ein  Abkömmling  des  Dschingis-chan  ist,  unterworfen,  und  es  begannen 
Kriege  zwischen  Timur  und  Kaschgar,  die  1589  zur  Unterwerfung  der  räuberi- 
schen Thien-schan-Stämme  und  Kaschgariens  führten,  nachdem  ein  sehr  grosses 
Heer  in  fünf  verschiedenen  Abteilungen  auf  verschiedenen  Wegen  bis  zum  juldus- 
Thal  vorgedrungen  war,  wo  ein  glänzendes  Siegesfest  gefeiert  wurde. 

Kaschgarien  selbst  aber  war  durch  Raub  und  Mord  so  verwüstet  und  ver- 
armt, dass  es  sich  kaum  mehr  von  diesem  Unglück  erholte  und  der  ganze 
Wohlstand,  den  Dschingis-chan  fast  zwei  Jahrhunderte  früher  begründet  hatte, 
für  immer  vernichtet  war. 

Die  Geschichte  des  unglücklichen  Landes  zeigt  vom  XV.  bis  XVIII.  Jahr- 
hundert unaufhörliche  Kämpfe,  die  teils  durch  Hinfalle  und  Eroberungen  der 
Chinesen  und  Thien-schan-Völker,  teils  durch  innere  Religiunsstreitigkeiten  herbei- 
geführt wurden. 

Unter  den  Nachfolgern  Dschingis-chans  herrschte  bis  ins  XVL  Jahrhundert 
innerer  Streit,  mehrmals  zerfiel  Kaschgarien  in  zwei  sich  befehdende  Teile 
mit  Kaschgar  und  Ak-su  als  Hauptstädten,  und  oft  geriet  es  in  die  Macht  der 
usbekischen  Herrscher  von  West-Turkestan.  Die  Bei^tämme  des  Thicn-schan 
machten  Einfalle,  plünderten  Kaschgar  und  zogen  gegen  Kokan  und  Ta.schkent, 
so  dass  die  Usbeken-Chane  aus  Samarkand  veranlasst  wurden,  ein  Heer  nach 
Kaschgar  zu  senden,  das  anfangs  des  XV.  Jahrhunderts  die  Stadt  besetzte. 

Zu  dieser  Zeit  beginnt  die  Einwanderung  zahlreicher  Schüler  der  muba- 
medanischen  Propheten  und  Lehrer  aus  dem  Westen;  die  religiöse  Duldsamkeit, 
welche  die  mongolische  Herrschaft  ausgezeichnet  hatte,  hörte  auf,  und  Fanatismus 
gegen  Andersgläubige  brachte  blutigen  Streit  und  Rückgang  des  Wohlstandes, 
um  so  mehr,  als  noch  Kämpfe  mit  den  Chinesen  dazukamen. 

Zwei  Sekten  standen  sich  gegenüber,  die  auch  heute  noch  bestehen,  aber 
nicht  mehr  die  damalige  Bedeutung  haben;  der  zuerst  nur  religiöse  Gegensatz 
■  übertrug  sich  bald  auch  auf  das  politische  Gebiet 

Appak-Chodscha,  das  Haupt  der  einen  Sekte  und  ein  auch  heute  noch  vom 
Volke  sehr  verehrter  Lehrer  und  Heiliger,  hatte  grossen  Einfluss  in  Kaschgar 
gewonnen,  dessen  damaliger  Herrscher  der  andern  Partei  angehörte;  er  wurde 
ausgewiesen  und  sann  auf  Rache,  indem  er  die  Feinde  des  Islam,  die  Dsungaren. 
mongolische  Stämme  im  Ili-  und  Juldus-Thale,  die  sich  in  der  Dsungarei  ei" 
selbständiges  Reich  begründet  hatten,  ins  Land  rief.  Diese  bemächtigten  sich 
1678  Kaschgariens  und  hielten  es  78  Jahre  besetzt,  bis  die  Chinesen  dem 
dsungarischen  Reiche  ein  Ende  machten. 


1^ 


—       lOI       — 

Trotz  vieler  Kämpfe  mit  den  Chinesen  hatten  die  Dsungaren  ihr  Gebiet 
bis  auf  Ost-Turkestan  und  sogar  Nord-Tibet  ausgedehnt^  und  es  galt  als  reich, 
namentlich  durch  den  Besitz  des  Hauptsitzes  der  Chane,  Ili  im  Thien-schan. 
Appak-Chodscha  aber,  der  Statthalter  von  Kaschgarien  geworden  war,  nachdem 
er  aus  egoistischen  Motiven  das  Land  in  die  Abhängigkeit  von  den  Dsungaren 
gebracht  hatte,  veranlasste,  von  der  Geistlichkeit,  die  er  für  sich  gewonnen 
hatte,  unterstützt,  einen  Einfall  in  die  Dsungarei,  bei  dem  zwar  viele  Gefangene 
und  viel  Gut  erbeutet,  das  Land  selbst  jedoch  wieder  zum  Kampfplatze  der 
Parteien  gemacht  wurde. 

Das  Reich  der  Dsungaren  wurde,  ebenfalls  durch  Verrat  von  Amursan, 
dem  Haupte  eines  mongolischen  Stammes,  der  1774  zu  den  Chinesen  überging, 
eine  leichte  Beute  der  Chinesen,  die  fast  ohne  Kampf  sich  des  Landes  be- 
mächtigen konnten. 

Amursan  brachte  es  ferner  zu  stände,  unter  Benutzung  der  beiden  feind- 
lichen Sekten  auch  Kaschgarien  ziemlich  mühelos  unter  chinesische  Oberhoheit 
zu  bringen.  Da  aber  die  chinesischen  Garnisonen  zu  schwach  waren,  kam  es 
schon  bald  in  der  Dsungarei  sowohl  wie  in  Kaschgarien  zu  Aufständen  gegen 
die  Chinesen,  deren  Kaiser  erbittert  1758  drei  grosse  Armeen  dahin  sandte,  mit 
dem  Befehl,  alles  zu  vernichten.  Ein  unerhörtes  Töten  ohne  Schonung  von  Alter 
und  Geschlecht  war  die  Folge,  dem  über  eine  Million  Menschen  zum  Opfer  fiel. 
Die  Stadt  Kuldscha  wurde  gegründet  und  zahlreiche  Ansiedler  aus  der  Mandschurei 
in  das  verödete  Land  gesandt;  es  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  viele  chinesische 
Muhamedaner,  sogenannte  Dunganen,  aus  den  westlichen  Provinzen  nach  der 
Dsungarei  übersiedelten,  wo  wir  sie  100  Jahre  später  im  blutigen  Dunganen- 
Aufstande  wiederfinden. 

Nach  der  Unterwerfung  der  Dsungaren  kam  Kaschgarien  an  die  Reihe. 
Obwohl  die  chinesische  Herrschaft  der  Bevölkerung  verhasst  ist,  so  leistete  sie 
doch,  der  inneren  Bürgerkriege  müde  und  Friedenszeit  erhoffend,  nur  geringen 
Widerstand  gegen  die  chinesische  Invasion,  und  nach  mehreren  kleinen  Miss- 
erfolgen war  1758  das  ganze  Land  wieder  chinesisch.  Die  chinesischen  Ver- 
waltungsmassregeln änderten  wenig  an  Gebräuchen  und  Sitten,  aber  die  Grausam- 
keit der  chinesischen  Beamten  führte  mehrmals  zu  Aufständen,  die  unterdrückt 
und  deren  Hauptschuldige  mit  dem  Tode  bestraft  oder  nach  Ili  als  Landarbeiter 
verbracht  wurden.  Davon  abgesehen  konnten  die  Chinesen  65  Jahre  ungestört 
regieren,  und  das  Land  blühte  auch  infolge  der  toleranten  Regierungsmassregeln 
wieder  etwas  auf.  So  brauchten  z.  B.  die  Abgaben  nur  die  Kosten  der  Ver- 
waltung und  der  Garnisonen  zu  decken;  das  Einziehen  der  Abgaben  geschah 
durch  einheimische  Beamte,  wie  solche  auch  Richter  waren,  allerdings  unter 
Oberaufsicht  der  Chinesen.  Kleidung,  Sitten  und  Religion  blieben  unangetastet, 
und  das  Volk  hätte  sich  des  aufblühenden  Wohlstandes  erfreuen  können,  wenn 
nicht  vom  Jahre  1825  ab  die  Kriegsfackel  innerer  Unruhen  die  Segnungen  des 
Friedens  in  langjährigen  blutigen  Fehden  wieder  zerstört  hätte. 


—       I02       — 

Infolge  der  erwachten  tlroberungslust  versuchten  die  Chinesen  ihre  Grenzen 
weiter  nach  Westen,  nach  Samarkand  und  Taschkent,  vorzuschieben,  und  machten 
sich  dadurch  neue  Feinde.  Die  mittelasiatischen  Herrscher  verbündeten  sich 
mit  Afghanistan,  und  von  Norden  wie  von  Südwesten  erfolgten  Einfalle 
nach  Kaschgarien,  wo  die  Bevölkerung  nur  auf  die  vermeintlichen  Befreier 
wartete. 

Die  Geschichte  des  XIX.  Jahrhunderts  berichtet  hauptsächlich  von  Kam* 
pfen  gegen  die  verhasste  Oberherrschaft  der  Chinesen,  die  immer  von  neuem 
wieder  das  Land  eroberten  und  die  Niedcrmetzelungen  ihrer  Garnisonen  und 
Beamten  in  grausamster  Weise  rächten. 

Einige  Versuche  des  Volkes,  mit  Unterstützung  der  Kirgisen  im  Thicn- 
schan  und  aus  West-Turkestan,  wo  für  den  Glaubenskrieg  durch  Emissäre 
agitiert  worden  war,  die  Chinesen  zu  vertreiben,  missglückten;  aber  1826 
musste  sich  die  chinesische  Festung  bei  Kaschgar  ergeben  und  die  ganze  Garni- 
son von  8—10000  Mann  wurde  getötet.  Schon  im  nächsten  Jahre  kamen  die 
Chinesen  mit  einem  grossen  Heere  zurück;  der  Chodscha  Dschengir,  der  sich 
mit  Hilfe  des  Chans  von  Kokan  zum  Herrscher  in  Kaschgar  aufgeworfen  hatte, 
musste,  nachdem  er  nur  neun  Monate  regiert  hatte,  fliehen,  wurde  gefangen 
und  nach  Peking  gebracht,  wo  er  durch  Gift  wahnsinnig  gemacht,  dem  Kaiser 
vorgeführt,  dann    zerschnitten    und  den  Hunden  vorgeworfen  wurde. 

Die  Chinesen  nahmen  in  Kaschgar  blutige  Rache  und  bedrängten  besonders 
die  in  Kaschgar  anwesenden  Kaufleutc  aus  Kokan,  so  dass  der  Chan  von 
Kokan,  der  den  Handel  bedroht  sah,  den  Krieg  gegen  die  Chinesen,  den 
er  zugleich  als  Glaubenskrieg  proklamierte,  beschloss.  Er  hatte  Erfolg  und 
eroberte  in  rascher  Folge  die  wichtigeren  Städte  in  Westkaschgarien.  Aber  schon 
nach  drei  Monaten  verliess  er  das  Land  wieder  und  mehrere  Zehntausende  von 
Kaschgariern  folgten  ihm  nach  Kokan,  aus  Furcht  vor  den  Repressalien  der 
Chinesen.  Diese  mussten  dem  Chan  von  Kokan  wesentliche  Handelsprivilegien 
und  in  denr  westlichen  Städten  Kaschgariens  eigene  Handelskommissionäre  be- 
willigen, damit  er  nicht  neue  Unternehmungen  gegen  sie  führte.  Infolge 
davon  herrschte  bis  1847  Ruhe.  Kokan  hatte  allmählich  in  Kaschgarien 
grossen  Einfluss  gewonnen,  als  von  Kokan  aus  Unruhen  angestiftet  und,  durch 
Beihilfe  der  einflussreichen  Kokaner  in  Kaschgar,  diese  Stadt  dem  Bunde  der 
sieben  Chodscha  übergeben  wurde. 

Die  Hoffnungen  der  Chodscha,  dass  das  ganze  Land  sich  gegen  die  Chine- 
sen zu  ihren  Gunsten  erheben  würde,  gingen  nicht  in  Erfüllung,  wohl  aber  flohen 
sie  vor  den  anrückenden  Chinesen;  auch  gegen  looooo  kaschgarische  Familien, 
welche  die  Grausamkeiten  der  Chinesen  fürchteten,  folgten  dem  fliehenden 
Heere  und  suchten  über  den  Terek-Dawan-Pass  zu  entkommen.  Hier  ereilte  sie 
ein  schreckliches  Schicksal.  Die  Chodscha  mit  dem  zusammengerafften  Gute 
kamen  noch  gut  über  den  Pa^^s,  dann  aber  trat  schlechte  Witterung  ein  mit 
grossen  Schneefällen,    so   dass    die  Flüchtlinge  jämmerlich  an  Hunger,  an  Kälte 


—     I03     — 

und  an  Erschöpfung  zu  Grunde  gingen.     Sie  wurden    zu  Tausenden    auf  beiden 
Seiten   des  Passes  unter  dem  Schnee  begraben. 

Die  Chinesen  stellten  nun  zum  dritten  Male  in  Kaschgarien  die  Ordnung 
wieder  her;  aber  schon  1857  erneuerte  Walichan-tiura  mit  Erfolg  den  Versuch, 
Kaschgar  zu  nehmen  und  sich  zum  Chan  davon  zu  machen.  Er  war  sehr  blut- 
dürstig und  bedrückte  die  Einwohner  mit  Abgaben  und  durch  grausame 
Strafen.  Er  legte  am  Ufer  des  Küsül-su  eine  Pyramide  von  Menschenschädeln 
an  und  vergrösserte  sie  täglich.  Auch  der  Tod  Schlagintweits  wurde  von 
ihm  veranlasst;  seine  Regierung  war  nur  kurz;  vor  den  heranrückenden  Chine- 
sen floh  er  mit  seinem  Heere  und  auch  dieses  Mal  wanderten  15000  Eamilien 
nach  Kokan  aus,  so  gross  war  die  Furcht  vor  den  Chinesen,  die  in  der  Folge 
ebenso  barbarisch  in  der  Stadt  hausten,  wie  Walichan  selbst.  Die  Hauptschuldigen 
am  Aufstande  wurden  enthauptet  und  die  Köpfe  in  Käfigen  auf  Stangen  in 
langen  Reihen  an  den  aus  Kaschgar  führenden  Strassen  aufgestellt 

Kaum  hatten  die  Chinesen  wieder  die  Oberhand,  als  1861  Ereignisse  ein- 
traten, die,  von  den  westlichen  chinesischen  Provinzen  ausgehend,  sich  nach 
Norden  und  Westen  fortpflanzten  und  in  einem  allgemeinen  Aufstande  der 
muhamedanisch-chinesischen  Bevölkerung,  der  Dunganen,  bestanden.  Auch  die 
Muhamedaner  Kaschgariens,  obwohl  keine  Dunganen,  wurden  1862 — 1863  von 
dem  Aufstande  ergriflfen,  dem  viele  Hunderttausende  von  Chinesen  zum 
Opfer  fielen.  Ganze  Länder  wurden  verwüstet  und  ihre  Bevölkerung  vernichtet, 
während  die  Garnisonen  mancher  Städte  sich  halten  konnten. 

In  Kaschgarien  unterlagen  auch  die  chinesischen  Garnisonen,  da  die  zahl- 
reichen Dunganen  unter  den  Soldaten  sich  gegen  die  Chinesen  wandten.  1863 
hielten  die  Chinesen  nur  noch  die  Zitadellen  oder  Festungen  von  Kaschgar, 
Jangi-hissar  und  Jarkand.  Der  Kommandant  der  letzteren  sprengte  sich  mit  seinen 
Offizieren    in    die  Lufl,   als  er  sah,   dass  kein  Widerstand  mehr  möglich  sei. 

Durch  den  Aufstand  war  Rascheddin  in  die  Höhe  gekommen,  und  1864 
war  er,  mit  Ausnahme  von  Khotan,  in  ganz  Kaschgarien  als  Herrscher  anerkannt. 
Da  er  aber  kein  Chodscha  (Abkömmling  des  Propheten)  war,  gelang  es  leicht, 
ihn  durch  neue  Intriguen  zu  stürzen  und  einen  der  zahlreichen  Nachkommen  des 
Appak-chodscha  zum  Chan  zu  machen,  an  dessen  Stelle  sich  1867  Jakub-Bek 
selbst  stellte,  nachdem  er  die  Städte  des  westlichen  Kaschgarien  genommen 
hatte.  Er  wurde  als  Chan  anerkannt  und  führte  den  Titel  »Badaulet«,  d.  h. 
»Der  Glücklichste«. 

Die  nächsten  Jahre  verwandte  er  zur  Unterwerfung  der  ihn  noch 
nicht  anerkennenden  Städte  Ak-su  und  der  weiter  im  Osten  davon  ge- 
legenen, die  Rascheddin  noch  inne  hatte.  In  perfidester  Weise  wurde 
dieser  von  Jakub-Bek  bei  Kutscha  meuchlings  ermordet,  nachdem  er  ihn  fried- 
licher Absichten  versichert  und  zum  Besuche  seines  Lagers  eingeladen  hatte, 
ein  Mittel,  durch  das  er  sich  auch  .schon  früher  in  Besitz  der  Stadt  Khotan 
gesetzt  hatte. 


—      I04     — 

Die  östliche  Grenze  seines  Reiches  gegen  das  Gebiet  der  erfolgreichen 
Dunganen  in  der  Dsungarei,  wurde  50  km  östlich  von  der  Stadt  Karaschar 
festgelegt,  aber  die  Dunganen  drangen  plündernd  bis  Kutscha  vor,  bis  ihnen 
Jakub-Bek  wieder  entgegenzog  und  sie  schlug.  Sein  Feldzug  gegen  Urumtschi 
führte  zur  Einnahme  dieser  Stadt,  angeblich  mit  chinesischer  Hilfe.  Die  Chinesen 
waren  in  der  Unterwerfung  des  Dunganenaufstandes  zwar  nur  langsam  aber 
energisch  vorgerückt  und  trafen  von  der  Dsungarei  aus  mit  Jakub-Bek  zusammen; 
erst  bediente  er  sich  ihres  Beistandes,  dann  aber  begann  er  sie  zu  bedrücken. 
1872  fand  ein  neuer  Aufstand  der  Dunganen  statt,  infolgedessen  Urumtschi  und 
Manas  vom  ältesten  Sohne  Jakub-Beks,  Bik-Kuli-Bek,  gestürmt  wurden. 

Aber  auch  die  Chinesen  suchten  sich  dieser  Städte  wieder  zu  bemächtigen, 
und  im  Winter  1876/77  standen  sich  die  Streitkräfte  der  Chinesen  und  Jakub- 
Bek*s  bei  Urumtschi  gegenüber.  Die  Truppen  des  letzteren  waren  nur  mit  Mühe 
zusammengebracht,  von  schlechtem  Geiste  beseelt  und  die  Desertionen  nahmen 
grossen  Umfang  an.  Im  Jahre  1877  begann  der  Vormarsch  der  Chinesen  auch 
von  Hami  aus  über  Turfan,  das  sich  ohne  Kampf  ergab»  wie  denn  auch  die 
raschen  Erfolge  der  Chinesen  auf  deren  kluge  Politik  und  freundliche  Be- 
handlung der  Bevölkerung  zurückzuführen  sind. 

Damit  sind  wir  an  der  Schwelle  der  heutigen  Zeit  und  der  gegenwärtig 
bestehenden  Zustände  angelangt.  Jakub-Bek,  auf  dem  Zuge  gegen  die  Chinesen 
begriffen,  starb  an  einem  Schlaganfalle  plötzlich  am  17.  Mai  1877  in  Kurlja. 
Es  kam  zu  Streitigkeiten  zwischen  den  Söhnen  Jakub-Beks  und  zu  dem  Zerfall 
Kaschgariens  in  drei  selbständige,  sich  bekriegende  Teile.  Inswischen  rückten  die 
Chinesen  rasch  vor,  und  ihr  Erscheinen  vor  Kaschgar  erzeugte  eine  solche  Panik, 
dass  nicht  nur  Bik-Kuli-Bek,  der  älteste  Sohn  Jakubs  und  Herrscher  in  Kaschgar, 
sondern  mit  ihm  sein  Heer  und  Tausende  von  Einwohnern  und  Familien  nach 
allen  Richtungen  in  die  Gebirge  und  über  die  Pässe  flüchteten. 

Wieder  erneuerten  sich  im  Dezember  1877  die  schrecklichen  Scenen  am 
Terek-Dawan,  nur  dass  dieses  Mal  die  Russen  nach  Möglichkeit  jenseits  der 
Grenze  Hilfe  zu  bringen  suchten,  während  50  Jahre  früher  der  kokanische 
Herrscher  im  Frühjahr  die  Leichen  der  Unglücklichen  ausgraben  und  berauben  liess. 

Gegen  ihre  sonstige  Gewohnheit  verfuhren  die  Chinesen  dieses  Mal  nicht 
grausam  gegen  die  Bevölkerung  Kaschgariens,  und  es  gelang  ihnen  rasch, 
geordnete  Zustände  herbeizuführen. 

Wenn  auch  die  chinesische  Verwaltung,  besonders  vom  Standpunkte  eines 
europäischen  Staates,  vieles  zu  wünschen  übrig  lässt,  so  dürfte  doch  ein  Blick 
in  die  Geschichte  des  Landes  genügen,  um  zu  zeigen,  dass  das  Volk  unfähig 
ist,  sich  selbst  zu  regieren. 

Die  mongolische  Herrschaft  hat  die  erste  Blütezeit  des  Landes  ermöglicht; 
längere  Perioden  des  Friedens  und  der  Ruhe  unter  chinesischer  Oberhoheit  haben 
ihm  genützt  und  es  bedarf  nur  der  ihm  schon  nahenden,  festen  Hand  einer 
europäischen  Macht,   um  es  wieder  seine  frühere  Höhe  erreichen  zu  lassen. 


t  Dscbnm,  ÖBlIich  v 


KAPITEL  IV. 


Das  nördliche  Tarim -Becken. 

Wie  ein  grüner  Kranz  umziehen  frische  Oasen  am  Rande  und  längs  des 
Fusses  der  hohen  Gebirge  im  Süden,  Westen  und  Norden  des  Tarim-Bcckens 
die  heissen,  staubigen  Wüsten  des  Innern.  Gärten  mit  reicher  Vegetation,  be- 
lebte Dörfer  und  schöne  Kulturanlagen  lassen  nicht  vermuten,  dass  nur  wenige 
Meilen  weiter  nach  der  Mitte  des  Tarim-Beckens  zu  das  lebensfrohe  Bild  sich 
in  eine  tote  Kino  de  ver^t'andelt. 

Im  Frühjahr,  noch  vor  Beginn  der  hohen  Hitzegrade  des  Sommers,  wenn 
junges  Laub  die  Bäume  schmückt,  der  graue  Boden  sich  mit  grüner  Decke 
überzieht  und  die  Leute  hoffnungsvoll  dem  Ertrag  des  Herbstes  entgegen  sehen, 
muss  es  sogar  schön  sein,  dies  reiche  und  fruchtbare  Oasenland  zu  Pferde  zu 
durchstreifen;  aber  auch  in  der  kalten  Jahreszeit,  wenn  ab  und  zu  kleine  Schnee- 
flachen  an  den  heimatlichen  Winter  erinnern,  gefrorene  Wassertümpel  und  Be- 
wässerungsgräben die  Lust  zum  Eislauf  erwecken  und  der  kalt  von  Osten  wehende 
Wüstenwind  uns  zwingt,  die  Mäntel  fester  zu  schliessen,  besitzt  die  Oase  um 
Kaschgar  einen  landschaftlichen  Reiz. 

Gewaltig  aufragend  und  in  bizarren  Formen  über  einander  getürmt,  er- 
heben sich  im  Westen,  Süden  und  Norden  mächtige  Gebirgswälle  und  grüssen 
mit  zum  Teil  von  ewigem  Schnee  bedeckten  Gipfeln  und  blinkenden  Gletschern 
herab  in  die  Ebene,  die  sie  beschützen.  Der  Mus-tag-ata,  der  Koloss,  der 
>Vater  der  Eisbeine«,  der  noch  jedem  Besteigungsversuche  trotzt,  liegt  so  nahe, 
dass  man  glaubt,  in  wenig  Stunden  seinen  Fuss  erreichen  zu  können,  und 
doch  sind  es  Tagereisen,    die  uns  von  ihm  trennen.     Die  infolge    der  Trocken- 


—     io6     — 

heit  wunderbar  klare  Luft  eröffnet  prächtige  Fernsichten  auf  die  wildzackigen 
Höhen  der  Region  der  Pamir,  des  Daches  der  Welt,  und  des  Gebirgszuges, 
der  sich  als  südwestliche  und  südliche  Umgrenzung  des  Tarimbeckens  nach 
Khotan  und  weiter  nach  Osten  hin  ausdehnt  und  das  westliche  Ende  des  Rück- 
grates des  asiatischen  Kontinentes,  des  Kuen-lun,  bildet. 

Die  Höhenzüge  im  Norden,  die  dem  Himmelsgebirge  oder  Thien-schan 
angehören,  leuchten  im  Sonnenglanze  in  blauer  Farbe  herüber,  und  nur  ihre 
höchsten  Spitzen  hat  noch  der  Winter  mit  silbernen  Kronen  geziert. 

An  den  Fuss  der  Berge  angeschmiegt  liegen  die  Oasen,  bald  gösset,  bald 
kleiner,  und  häufig  durch  weite  Strecken  unwirtlichen  Gebietes  getrennt.  In 
den  bedeutenderen  derselben  finden  sich  auch  grössere  Städte,  deren  Namen, 
berühmt  in  der  Geschichte,  weit  über  2^ntralasien  hinausgedrungen  sind.  Diese 
Oasen  heissen,  wenn  wir  im  Süden  beginnen  und  über  Westen  nach  Norden  dem 
Oasengürtel  folgen,  abgesehen  von  kleinen  Siedelungsgebieten  an  Gebirgsflüss- 
chen,  welche  in  die  Ebene  ausmünden,  Tschertschen,  Kerja,  Khotan,  Jarkand, 
Kaschgar,  Ak-su,  Kutscha  und  Kurlja. 

Inmitten  dieses  blühenden  Kranzes,  dessen  Fruchtbarkeit  ausser  durch 
den  Lehmboden  wesentlich  durch  die  aus  den  Bergen  der  Ebene  zuströmenden 
Bäche  und  Flüsse  bedingt  wird,  im  Schosse  der  von  den  Gebirgen  einge- 
schlossenen Ebene  dehnt  sich,  allem  organischen  Leben  feind,  eine  weite  trost- 
lose Sandwüste  aus,  in  der  selbst  die  wasserreichen  Flüsse  des  Schneegebirges 
kläglich  versiegen. 

Sogar  der  grosse  Hauptstrom  des  Beckens,  der  Tarim,  in  seinem  Ober- 
laufe Jarkend-darja  genannt,  in  welchen  der  Kaschgar -darja  von  Westen, 
einige  Zuflüsse  von  Norden  aus  dem  Thien-schan  und  von  Süden  der  in  der 
Wüste  verschmachtende  Khotan-darja  münden,  ist  nicht  wasserreich  genug, 
um  die  ganze  Wüste  zu  durchdringen  und  einen  Ausweg  durch  die  Gebirge 
im  Osten  zu  nehmen.  Eine  Reihe  von  Sümpfen  und  Seen  inmitten  von  Schilf 
und  Waldzonen  bezeichnen  die  Stelle,  wo  er  im  Sande  verendet. 

Das  vielumstrittene  Problem  des  Lop-nur*)  entsprang  aus  der  Unsicherheit 
über  die  Verhältnisse  am  untersten  Tarim.  Es  erscheint  sehr  wahrscheinlich, 
dass  nach  einer  Reihe  feuchterer  Jahre  im  Gebirge  und  grösseren  Wasserreich- 
tums der  Flüsse  das  Seen-  und  Sümpfegebiet  am  untersten  Tarim  anders  aus- 
sieht als  nach  trockenen  Jahren;  im  allgemeinen  aber  ist  eine  Abnahme  der 
Wassermenge  des  Flusses  und  des  Seengebietes  nachweisbar.  Diese  Beobachtung 
würde  mit  der  Thatsache  übereinstimmen,  dass  heutzutage  im  Emirate  Buchara 
viele  ehemalige  Oasen  verlassen  und  öde  sind,  weil  der  Amu-darja  und  die 
andern  Flüsse  weniger  Wasser  führen  als  früher;  eine  Folge  des  Rückganges 
der  Schneefälle  und  Gletscher  der  Pamirregionen,  welche  im  trockenen  Sommer 
die  Flüsse  zu  speisen  haben. 


♦^ 


)  Statt  IvOp-nur  wird  oft  auch  Lob-uoi   geschrieben. 


I  i 


s  i 


—     107     — 

Das  Schicksal  des  Tarim  teilen  noch  eine  Menge  grösserer  und  kleinerer 
Abflüsse  der  südlichen  Umrandungsgebirge,  des  westlichen  Kuen-lun,  von  denen 
hier  nur  der  in  der  Wüste  verlaufende  Kerija-dar}a  und  der  Tschertschen-darja, 
der  sich  mit  dem  untersten  Teile  des  Tarims  in  einer  Seenregion  berührt, 
erwähnt  sein  mögen. 

Die  genannte  Wüstenregion  dehnt  sich  aber  weit  über  dieses  vom  Tarim 
durchflossene  und  nach  ihm  benannte  Gebiet  aus;  unter  dem  Namen  der  Gobi 
reicht  sie  bis  in  die  ferne  östliche  Mongolei  (bis  fast  zum  125.  Längegrad  von 
Greenwich),  während  das  Lop-nur- Gebiet  unter  dem  89.  Grad  der  Länge  zu 
suchen  ist.  Den  westlichen  Teil  dieser  Wüste  und  das  Tarimbeckeh,  soweit 
es  von  der  Wüste  gebildet  wird,  bezeichnet  man  auch  mit  dem  Namen  Takla- 
makan.  Welche  schrecklichen,  wasser-  und  vegetationslosen  Strecken  hier  vor- 
kommen, hat  uns  der  unerschrockene  Forscher  Sven  Hedin  in  der  Beschreibung 
seiner  kühnen  und  gefahrvollen  Reisen  geschildert. 

Schroff  und  unmittelbar  sind  hier  die  Gegensätze  zwischen  Kulturland 
oder  vegetationsbedecktem  Areale  und  dem  salzigen  oder  sandigstaubigen, 
toten  Wüstenboden. 

Man  reitet  von  Kaschgar  auf  dem  Hauptwege  nach  Ak-su  Tage  lang  über 
gut  angebautes,  mit  Bewässerungskanälen  reichlich  versorgtes  Land,  das  eine 
zahlreiche  Bevölkerung  ernährt  und  überall  von  Höfen  und  Dörfern  übersät  ist. 
Eben  noch  herrscht  lebhafter  Verkehr:  es  sind  die  muhamedanischen  Feiertage, 
welche  die  lange  Fastenzeit  des  Monates  Ramasan  beschliessen,  und  auf  den 
Märkten  und  Bazaren  drängt  sich  die  bunte,  festlich  gekleidete  Menge.  Die 
Frauen  zeigen  hier  ihr  Gesicht  unverhüllt,  und  man  hat  Gelegenheit,  manch 
schönen,  dunkeläugigen  Frauenkopf  mit  langen,  schweren  Flechten  zu  sehen. 
Dazwischen  tummeln  sich  die  überall  in  Unzahl  vorhandenen  Kinder,  trotz  der 
Kälte  —  es  ist  Ende  Februar  und  die  Tagestemperatur  erhebt  sich  nur  wenige 
Grade  über  o^  C.  —  oft  ganz  ohne  jede  Bekleidung,  und  alte  Bettler  sind  kaum 
zur  Hälfte  in  zerrissene,  schmutzige  Lumpen  gehüllt.  Auf  den  kleinen  Märkten 
und  in  fliegenden  Buden  werden  meist  Landesprodukte  und  Nahrungsmittel  feil- 
gehalten, und  um  sie  drängt  sich   die  Menge   mit  orientalischer  Lebhaftigkeit. 

Wir  sind  nur  eine  Stunde  weiter  geritten  —  und  welch  anderes  Bild!  Wie 
soll  man  sie  schildern,  die  Wüste,  in  ihrer  Einförmigkeit,  mit  den  Ausdrücken 
einer  Sprache,  in  der  ein  Satz  mehr  Mannigfaltigkeit  enthält,  als  die  Wirklichkeit 
in  meilenweiten  Tagereisen  bietet.^  Die  biblischen  Worte  »die  Erde  war  wüst 
und  leer«  sind  hier  die  einzig  richtigen,  und  es  wäre  dem  nichts  beizufügen, 
wenn  nicht  vom  Standpunkte  des  wissenschaftlichen  Forschers  aus  auch  dem 
»Wüsten  und  Leeren«  viel  Interesse  abgewonnen  werden  könnte,  in  das  einen 
Einblick  zu  geben  hier  versucht  werden  soll. 

Der  fahle  Schein  der  Sonne  dringt  durch  eine  staubbeladene  Atmosphäre, 
deren  matter  Ton  am  scheinbar  nahen  Horizont  mit  dem  Grau  des  eintönigen 
Lehmbodens  ohne  deutliche  Grenze  verschmilzt.    Auch  die  Grundfarbe  der  spar- 


—     io8     — 

liehen  Vegetation,  soweit  eine  solche  überhaupt  noch  fortkommt,  ist  grau,  sei 
es  durch  die  Eigenfarbe  der  Rinde,  sei  es  durch  den  überall  reichlich  aufliegenden 
Staub,  der  in  dieser  frühen  Jahreszeit,  wo  das  frische  Grün  des  Frühlings  ihm 
den  Rang  noch  nicht  streitig  macht,  allein  die  Farben  in  der  Natur,  selbst  an 
und  auf  dem  Menschen  bestimmt.  Er  wirbelt  auf,  wenn  man  das  spärliche 
Strauchwerk  oder  Gras  berührt;  der  flüchtige  Huf  des  Pferdes  entlockt  detn  grau- 
braunen, porösen,  aus  äusserst  feinen  Bestandteilen  ganz  lose  zusammengesetzten 
Boden  wahre  Staubwolken,  die  Ross  und  Reiter  verhüllen  und  durch  ihren  Salz- 
gehalt oft  Anlass  zu  Augenleiden  geben. 

Kein  Vogel,  kein  lebendes  Wesen  ist  zu  erblicken,  soweit  das  Auge  reicht; 
nur  kleine  Hügel  aus  Lehm  und  Sand  bedecken  den  Boden,  oft  nicht  höher 
als  der  Kopf  des  Reiters  und  häufig  mit  Buschwerk,  Tamarix  oder  I'appeln  be- 
wachsen, wo  der  Wüste ncharakter  noch  nicht  voll  entwickelt  ist.  Man  sieht  es 
den  Gewächsen    an,    dass  ihnen  der  Kampf  ums  Dasein  am  Rande  der  Wüste 


l.ehRUtepp«  mJt  Vc^etBlloDibUKetD  iiitlicb  Ton  Jaagiabad  am  KuchKu-daija. 

nicht  leicht  gemacht  wird.  Aengstlich  umhüllen  ihre  dichten  Wurzeln  den  sie 
nährenden  Boden  mit  einem  Schutzmantel,  damit  ihn  der  Wind  nicht  entführe, 
und  bilden  so  gleichsam  natürliche  Staubreservoire.  Und,  so  paradox  es  klingen 
mag,  dies  hat  in  den  Gebieten,  wo  weite  Strecken  von  Salzkrusten  bedeckt  sind, 
seine  guten  Seiten.  Durch  die  Staubstürme  wird  ein  sehr  fruchtbarer  Boden,  der 
alle  für  die  Pflanzen  nötigen  Bestandteile  in  leicht  zugänglicher  Form  enthält, 
durch  die  Luft  getragen,  sammelt  sich  an  dem  Fuss  der  Sträucher  und  Gras- 
büschel und  wird  von  dem  dichten  Gezweige  auf  immer  festgehalten. 

So  kommt  es  denn,  dass  die  Pflanzen  und  in  vegetationsreicheren  Gegenden 
sogar  gewisse  Bäume  immer  auf  kleinen  Hügelchen  sitzen,  die  oft  4 — 6  m  über 
die  allgemeine  Oberfläche  emporragen  und  in  ihrem  Innern  von  einem  dichten 
Flechtwerk  aus  Wurzeln  durchzogen  sind;  denn  in  dem  lehmigsandigen,  der 
Feuchtigkeit  fast  ganz  entbehrenden  Wüstenboden  kann  es  zu  keiner  Humus- 
bildung kommeu,  wie  in  fruchtbaren  Klimaten.  Das  Wurzelwerk  ist  ausser- 
ordentlich widerstandsfähig  gegen  die  Zersetzung,  so  dass  man  in  diesen 
holzarmen  Gegenden  grosse,  von  kräftigen  Sträuchern  bedeckte  Hügel  aufgrabt 
und    die  Wurzeln   alter  Generationen,    über  denen  schon  viele  neue  entstanden 


—     109    — 

und  vergangen  sind,  zu  Brennmaterial  benutzt.  Es  bestehen  diese  Hügel  in  der 
That  nur  aus  dem  vom  Winde  herbeigetragenen  Material,  dem  Löss-Staub 
und  den  Pflanzenresten  von  Wurzeln,  Zweigen  und  Nadeln,  die  ein  lockeres, 
aber  festgefügtes  Haufwerk  bilden,  so  dass  ihm  der  Wind  nichts  anhaben 
kann  [siehe  Tafel  VII].  In  solchen  Teilen  der  Wüste,  die  hinreichend  Feuchtigkeit 
vom  Himmel  (erhalten,  um  stärkerer  Vegetation  zu  genügen,  die  aber  zugleich 
den  Staubstürmen  ausgesetzt  sind,  wachsen  die  Hügel  zu  stattlicher  Grösse  und 
gewähren  mit  ihren  häufig  abgestorbenen,  vom  Winde  übel  zugerichteten  Baum- 
kronen einen  bizarren  Anblick  [siehe  Tafel  VI],  vor  dem  die  Pferde  oft  scheuen. 
Diese  immer  weiter  wachsenden,  sich  selbst  ergänzenden  Holzlager  sind  natürlich 
von  grossem  Wert  für  die  Bevölkerung,  da,  wo  sich  sonst  nichts  findet,  ausser 
Lehm,  Sand  und  Salz.  Die  hauptsächlich  an  der  Hügelbildung  beteiligten 
Pflanzen  sind  die  Tamariske,  die  im  Kampfe  mit  Sand  und  Staub  noch  am 
weitesten  in  die  Wüste  vordringt,  ferner  der  Saxaul- Strauch,  die  Nitraria 
Schoben,  welche  in  grossen  Mengen  kleine  Lehmhügel  bewächst,  und  das 
stachlige  Lycium  ruthenicum. 

Dieselben  Bildungen  beschreibt  Radde  sehr  gut  aus  Transkaspien:  »Alle 
diese  Gebüsche,  deren  Blattbildung  ausserordentlich  reduziert  erscheint,  und 
deren  Verästelung  stets  spirrig,  steif,  während  ihr  saftarmes  Holz  brüchig,  oft 
wie  Glas  ist,  sind  für  die  Befestigung  des  lockeren  Bodens  von  grösster  Wichtig- 
keit, und  zwar  infolge  ihres  mächtig  entwickelten  Wurzellebens.  Bei  einer  Höhe 
über  dem  Boden  von  nur  1,2 — 1,5  m  entsenden  manche  von  ihnen  seitlich  von 
der  Hauptwurzel  20—25  ^^  lange,  horizontal  verlaufende,  reichlich  mit  Absenkern 
versehene  Nebenwurzeln,  welche  schliesslich  in  die  feinsten,  fadenförmigen  Saug- 
wurzeln auslaufen.  Fast  hat  es  den  Anschein,  dass  die  Pflanze  förmlich  in  dem 
Sande  nach  der  geringen  Feuchtigkeit  jagt.  Oberirdisch  hemmt  jeder  Strauch  die 
Macht  der  Orkane,  und  selbst  sein  so  durchsichtiges  Astwerk  bringt  den  vom 
Sturme  getragenen  Staub  und  Sand,  wenn  auch  nur  zum  geringsten  Teile,  zum 
Fallen.  Man  sieht  daher  an  der  Basis  jedes  Strauches  den  Boden  erhöht, 
und  es  steht  sein  Stamm  nicht  selten  bis  über  30  cm  tief  im  angetriebenen 
Flugsande.  €*) 

Die  gegen  die  Wüste  hin  sich  stetig  erweiternden  Bodenflächen  zwischen 
den  Hügeln  sind  absolut  steril  und  zeigen  häufig  die  Spüren  alter  Bedeckung 
mit  Wasser,  das  sich  bei  Regengüssen  oder  den  sommerlichen  Hochwassern  in 
den  Vertiefungen  und  wannenartigen  Einsenkungen  angesammelt  hat;  der  feine 
Lehmstaub  wird  dann  als  ein  zarter  Thon  abgelagert,  und  wenn  das  Wasser 
verdunstet  ist,  erhält  diese  Thonlage  durch  Austrocknen  ein  ganzes  Netz  sich 
kreuzender  Risse.  Auch  die  Eindrücke,  welche  fallende  Regentropfen  in  dem 
noch  weichen  Thon  hervorriefen,  sind  an  manchen  Stellen  wohl  erhalten.  Auf 
diesen  bräunlichen  Thonen  fehlen  Salzablagerungen,  weil  das  Wasser  die  Salze 

•)  Radde:  Expedition  nach  Transkaspien  und  Nord-Choraasan  im  Jahre  1886.  Petemi.  Mitteil. 
1887.     Bd.  33,  paff.  271. 


—        HO      — 

ausgelaugt  hat;  überall  aber  sonst  ist  der  Roden,  wie  mit  frischem  Schnee,  mit 
dünnen  Salzausblühungen  bedeckt,  die  hier  zumeist  aus  Bittersalz  und  besonders 
Glaubersalz  bestehen,  und  durch  die  Verwitterung  des  Bodens  bei  mangelnder 
Auslaugung  der  löslichen  Produkte  durch  Regenwasser  entstanden  sind.  Diese 
Salze  kommen  hier  in  solcher  Menge  vor,  dass  sie  das  Wasser  vieler  Brunnen 
für  Mensch  und  Tier  ungeniessbar  machen. 

Obwohl  solche  Boden  alle  zur  Pflanzenemähning  nötigen  Stoffe  sogar  in 
reicher  Menge  enthalten,  kann  hier  keine  Vegetation  aufkommen  aus  Mangel 
an  Feuchtigkeit.  Sobald  diese  vorhanden  ist  oder  zugeleitet  werden  kann, 
erzeugt  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  dieselbe  Fülle  von  Nutzpflanzen  wie  in 
den  bewässerten  Oasen»  und  die  Salze  verschwinden  von  der  Oberfläche,  obwohl 
sie  nicht  direkt  schädlich  sind  und  sich,  z.  B.  nach  austrocknenden  Winden,  in 
dünnen  Ausblühungen  auch  auf  dem  Kulturland  der  Oasen  vorfinden.  Man 
kann  sie  als  die  »überschüssige  Kraft«  des  Bodens  bezeichnen;  ihr  Vorhandensein 
beweist,  dass  der  Boden  an  Kalk-  und  Alkalisalzen  reich  ist  und  nur  grösserer 
Feuchtigkeit  bedarf,  um  für  die  Landwirtschaft  ausgezeichnet  zu  sein. 

Zur  Winterzeit  finden  sich  wohl  kleine  salzige  Tümpel,  die  aber  im  Aus- 
trocknen begriflen  sind  und  somit  für  die  Vegetation  keine  grosse  Bedeu- 
tung haben  können,  wenn  sie  auch  im  Sommer,  beim  Herabkommen  des  Schmelz- 
wassers aus  dem  Thien-schan,  vorübergehend  wieder  aufgefüllt  werden. 

Wo  die  Wüste  ihren  wahren  Charakter  rein  und  unverfälscht  zeigt,  fehlen 
auch  die  letzten  kümmerlichen  Wachstumsformen  einer  mit  der  Hitze,  der 
Trockenheit  und  dem  Staube  kämpfenden  Vegetation.  Der  reine  Quarzsand, 
der  keine  Pflanzennährstoffe  führt,  gewinnt  hier  die  Oberhand,  und  somit  kommt 
zum  Feuchtigkeitsmangel  noch  ein  weiterer  Grund,  um  die  Vegetation  aller 
Existenzbedingungen  zu  berauben.  Ausserdem  ist  der  Staub  sehr  mobil,  immer 
in  Bewegung. 

So  zeigen  die  Sanddünen  meist  schöne,  wellenartige  Linien,  Erhöhun- 
gen und  Vertiefungen,  die  durch  das  Spiel  des  Windes  mit  dem  leichten 
Materiale  entstanden  sind.  Wo  diese  Gebilde  allein  vorkommen,  oder  solche  von 
gröberem  Saude  in  langen  Zügen  und  Dünen  sich  dazugesellen,  da  herrscht 
die  absoluteste  Einöde,  die  Sandwüste   in  ihrer  abschreckendsten  Gestalt. 

Gänzlicher  Wassermangel  auf  weite  Strecken,  die  leichte  Beweglichkeit 
des  Sandes  im  Winde,  der  sich  häufig  zum  Sturme  steigert,  vereinigen  sich 
dann  im  Sommer  mit  der  unerträglichen  Hitze,  um  so  mancher  Karawane  das 
Grab  zu  bereiten.  Erst  lange  später,  wenn  einmal  der  Wind  den  Sand  wieder 
entfernt  hat,  berichten  die  gebleichten  Knochen  und  die  Reste  der  Waren  von 
dem  traurigen  Geschicke  der  Unglücklichen. 

Solche  schlimmen  Teile  der  Wüste  sind  in  grösserer  Erstreckung  im  Norden 
des  grossen  Tarim-Flusses  fast  nicht  zu  finden,  weil  immer  noch  vom  Thien- 
schan  herab  genug  Feuchtigkeit  zuströmt  und  auch  der  fruchtbare  Lehm 
grossen  Anteil  an  der  Zusammensetzung  des  Bodens  nimmt,  aber  in   der  Wüste 


—      TU      — 

Takla-makan  erreichen  sie  Ausdehnungen,  welche  ein  Durchkreuzen  fast  unmög- 
lich machen. 

hn  Bereiche  der  grossen  Bewässern ngsader  im  Norden  des  Tarim- 
beckens,  schon  vom  Kaschgar-darja  an  und  weiterhin  am  Tarim  entlang,  kann 
sich  natürlich  ein  so  extremer  Wüstencharakter  nicht  ausbilden.  Längs  der 
Flüsse  ist  hier  ein  stellenweise  breites  Bewässerungs-  und  Inundationsgebiet,  das 
zum  Teil  durch  alte  FlussläuTe,  Schlingen  und  Altwasser  des  Flusses  selbst 
gebildet  wird,  zum  Teil  aber  auch  künsthch  hergestellt  ist. 

Der  Wechsel  zwischen  Wüste  und  Oase,  die  Verschiedenheit  der  Befeuch- 
tung   und    der    Zusammensetzung     des    Untergrundes     haben     hier    zu     einer 


VcgetnIionfl-HUfrel  mit  Tamaiix.  östlich  vun  Jan^abiul  am  K»ich)rar-<1nrja. 

Reihe  von  interessanten  Vegetations-  und  Bodenformationen  geführt,  die  den 
I'luss  auf  seinem  Wege  durch  die  Wüste  bis  zu  seinem  Ende  inmitten  schilf- 
reicher Lagunen  und  seichter  Salzseen  begleiten. 

Auf  der  Strecke  der  südlichen  Karawanenstrasse  von  Kaschgar  nach  Ak-su 
über  Maral-baschi,  die  sich  in  ihrer  ersten  Hälfte  im  Bereiche  der  Bewässerungs- 
und Ueberschwemmungszone  des  Kaschgarflusses  hält,  bieten  Land  und  Leute 
aber  noch  ein  anderes  Bild. 

Schon  während  der  zweiten  Tagereise  östlich  von  Kaschgar  wird  die  Aus- 
sicht freier,  die  Bäume  stehen  weniger  dicht  in  Gruppen  zusammen,  und  auch 
die  Ansiedlungen  sind  spärlicher,  erst  einige  Tage  weiter  kommt  man 
durch  Strecken,  auf  welchen  man  während  den  ganzen  Tages  keine  andern 
Spuren    menschlicher  Thätigkeit    findet,    als    die    titf   ausgefahrenen  Geleise  in 


dem  weichen,  staubigen  Untergründe  des  Weges,  die  Stangen  des  transkontinen- 
talen Telegraphen,  deren  endlose  Reihe  schon  von  weitem  die  Richtung  des 
Weges  angiebt,  die  hohen,  vierseitigen  chinesischen  Meilensteine  und  endlich, 
in  vielstündigen  Zwischenräumen,  die  Rasthäuser  oder  Stationen  fiir  die  Kara- 
wanen, neben  denen  oft  noch  einige  sarüsche  Familien  sich  angesiedelt  haben. 
Man  sieht  Tage  lang  nichts  als  die  sich  endlos  wiederholenden  kleinen  Krdhügel 
oder  ganz  kahle  Stellen,  die  meist  mit  Salzausblühungen  weiss  überdeckt  sind. 
Die  Nähe  eines  Kanales  oder  eines  Flussarmes  kündigt  sich  durch  kräftigeren 
Wuchs  und  dichteres  Auftreten  der  Sträucher,  sowie  durch  vereinzelte  Bäume  an, 


Pnppcl-Walil  bei  Tschn^lDr-kul  ösilich  vi>d  Mand-baacU. 

die  an  den  bewässerten  Stellen  stehen  oder,  wo  sich  im  Untergrunde  Wasser  be- 
findet, auch  ganze  Wälder  bilden  können.  Der  Boden  unter  den  Bäumen,  die 
ziemlich  dünn  stehen,  ist  kahl  und  nackt.  Die  Kronen  der  Bäume  sehen 
meist  stark  mitgenommen  aus  und  zeichnen  sich  durch  ihr  eigentümlich 
dichtes,  weit  bis  zum  Boden  herabreichendes  Geäst  aus  [s.  beistehende  Textfigi""!- 

Oestlich  von  Maral-baschi,  bei  Tschadür-kul  ist  ein  sehr  grosser  Holz- 
reichtum vorhanden,  der  von  den  spärlichen  Bewohnern  unter  anderm  da^" 
benutzt  wird,  um  Kupfererze  zu  verhütten,  die  weither  aus  den  kaschgarischen 
Bergen  kommen. 

Die  Einrichtung  eines  solchen  Hüttenwerkes  bei  Kara-dschulgan,  etwa  in  der 
Mitte  zwischen  Kaschgar  und  Maral-baschi,  war  sehr  einfach.  In  der  Ftotii 
eines   niederen    Lehmgebäudes    befinden    sich    eine    Anzahl    von    kaminartige" 


TAFEL  VII. 


I  s 

i  I 


I  s 


—     113     — 

Vertiefungen,  in  welche  von  der  Innenseite,  aus  den  daselbst  gelegenen 
Räumen,  bis  fast  zur  Basis  des  Kamins  hinab,  eine  Thonröhre  für  die  Blase- 
bälge reicht.  Die  Basis  wird  durch  einen  muldenförmigen  Thonkessel  gebildet. 
Hier  werden  die  Kupfererze,  mit  Holzkohlen  zusammen,  bis  über  die  Mün- 
dung der  Thonröhre  angehäuft,  und  dann  wird  der  vordere  Teil  des  Kamines 
mit  Lehm  und  Thon  zugemauert,  so  dass  nur  oben  eine  Abzugsöffnung  für 
den  Rauch  und  den  Luftzug  übrig  bleibt.  Die  Blasebälge  bestehen  aus  Säcken, 
die  aus  Fellen  zusammengenäht  sind.  Sie  sind  an  einem  Ende  offen  und 
können  durch  zwei  Stäbe  auf-  und  zugeklappt  werden.  Hinter  jedem  der 
Schmelztröge  sitzt,  durch  die  Mauer  etwas  vor  der  Hitze  geschützt,  ein  Mann, 
der  zu  gleicher  Zeit  zwei  Blasebälge  bedient,  derart,  dass  er  mit  jeder  Hand  die 
Stäbe  eines  Blasebalges  gefasst  hält  und  zusammendrückt.  Damit  schliesst  er  den 


SchmelzkUtte  fUr  Kupferene  bei  Kara-dschulgas. 
a  [Bluabalg.    b  Luriiuleinutirobr  lon  cwai  BlucbSigco.    c  ScbmeliorcD  in  Beliieb. 

Blasebalg,  wenn  er  nach  vorwärts  stösst,  und  öffnet  ihn,  wenn  er  den  Arm  zurück- 
zieht. Das  geschieht  in  ziemlich  raschem  Tempo  mit  beiden  Händen  abwechselnd, 
so  dass  durch  die  Thonröhre,  welche  an  ihrem  oberen  Ende  zwei  Oeffnungen 
für  die  beiden  Blasebälge  besitzt,  ein  fortwährender  starker  Luftstrom  der  Esse 
zugeführt  wird,  aus  welcher  man  die  bläulichen  Holzkohlenflammen  weit  hinaus- 
schlagen sieht  Die  geschmolzene  Enmasse  mit  den  Schlacken  wird  durch  Zer- 
stossen  des  vorderen  Teiles  des  Lehmtroges  herausgelassen  und  erstarrt  schnell, 
wobei  sich  die  Kupfermasse  von  den  Schlacken  trennt.  Wo  das  Holz  weniger 
reichlich  ist  und  nicht  aus  Wäldern  bezogen  werden  kann,  gewinnen  es  die 
Leute,  indem  sie  aus  den  mit  Strauchwerk  (meist  Tamarix,  Saxaul  oder  Pappeln) 
bestandenen  Hügeln  die  Wurzelstöcke  ausgraben. 

Meilcnweite  Strecken  der  Niederungen  in  der  Nähe  des  Flusses  sind  mit 
Schilf  bewachsen,  und  weithin  blinken  die  Wasserflächen  des  stagnierenden, 
braunen,  salzigen  Wassers.  Meist  sind  auch  hier  die  Ufer  mit  einer  Salzschicht 
überzogen.     Das  Schilf  wird  sehr  hoch  und  dient  zur  Anfertigung  von  Matten. 

FuItCKr,  Duch  Aiiuk.  B 


—     114     — 

In  diesen  Dschungeln  und  den  dazwischen  liegenden  Steppen  halten  sich 
sonst  seltener  vorkommende  Tiere  auf.  Tiger  und  Panther  sind  hier  noch  zu 
Hause,  und  bei  Maral-baschi  zeigen  sich  Hirsche  und  Antilopen;  kleinere  Raub- 
tiere, wie  Luchse,  Füchse  und  Wölfe,  femer  Hasen,  wilde  Gänse,  Enten  und 
Reiher  sind  häufig.  In  den  isolierten  Oasengebieten  aber  findet  man  längs 
des  Thien-schan  eine  reichere  Fauna,  von  der  die  zwischen  Kaschgar  und 
Kurlja  erlegten  Thiere  ein  Bild  geben.  Häufig  sind  Krähen  (Corvus  corone  L. 
C.  corax  L.  und  C.  comix  L.),  Wild-Tauben,  eine  Turteltaube  (Turtur  douraca), 
Haubenlerche  (Galerida  magna),  Alpenlerche  (Otocorys  pallida),  Zwerglerche 
(Alaudula  cheeleensis),  Sperlinge  (Passer  montanus),  Sandsperling  (Passer  ammo 
dendri);  der  Rothfink  (Rhodospiza  obsoleta),  die  Meise  (Parus  cyanus),  die  Dri>ssel 
(Turdus  atrigularis),  das  Blaukehlchen  (Erithacus  suecicus),  der  Wüstenhäher 
(Podoces  bidulphi)  und  die  Bachstelze  (Motacilla  personata)  finden  sich  auf  den 
besiedelten  Oasengebieten,  in  denen  man  gelegentlich  auch  den  Specht  (Picus 
bucopterus)  und  den  Staar  (Sturnus  purphyronotus)  antrifft.  An  sumpfigen  Stellen 
wurde  die  Rostgans  (Casarca  rutila)  getroffen  und  Steinhühner  (Caccabis  chukar) 
waren  nicht  selten  an  den  Bergabhängen. 

Der  weitere  Bezirk  von  Maral-baschi,  das  eine  wichtige  Militärstation  ist, 
von  der  die  Wege  von  Jarkand  und  Kaschgar  sich  vereinigen,  reicht  westlich 
bis  zum  Distrikt  von  Kaschgar,  nach  Osten  aber,  längs  der  Niederungen  am 
Tarim-Fluss,  der  in  mehrere  Arme  zerteilt  ist,  bis  zum  Gebiete  des  Lop-Sees. 
In  dem  Gebiete  von  Maral-baschi,  das  auch  Dolon  heisst,  wohnt  ein  Stamm,  die 
Doloner,  die  in  oblongen,  rohrbedeckten  Erdgruben  leben  und  für  Tataren 
gehalten  werden,  während  Sven  Hedin  keine  grossen  Unterschiede  zu  der 
ostturkestanischen,  muhamedanischen  Bevölkerung  wahrnehmen  konnte.  In  der 
Stadt  selbst  und  um  die  Mauer  sollen  etwa  looo  Familien  leben;  aber  es  finden 
sich  auch  zahlreiche  Ansiedelungen  in  der  Umgebung  am  Kaschgar-darja^  wo 
der  höher  gelegene  Boden  Gartenbau  und  Landwirtschaft  gestattet. 

An  den  Wasserläufen  liegen  kleine  Mühlen  von  einfachster  Konstruktion. 
Ein  kleiner  Wasserstrom  wird  mit  zwei  bis  drei  Meter  Gefälle  auf  ein  Rad  ge- 
leitet, das  aus  mehreren  rechtwinkelig  zu  einander  in  eine  dicke  Welle  ge- 
schlagenen Brettern  besteht  und  durch  das  Wasser  in  Umdrehung  versetzt 
wird.  An  der  Welle  ist  ein  langer,  etwas  gewölbter  Zapfen  angebracht,  der 
bei  seinen  Umdrehungen  einen  grossen,  langstieligen,  hölzernen  Hammer  hebt. 
Dieser  Hammer  fällt  in  einen  Holztrog  und  befreit  dadurch  die  Reiskörner  von 
ihren  Hülsen.  Das  ganze  ist  im  Freien  an  der  Uferböschung  angelegt,  und  nur 
über  dem  Mahltroge  ist  ein  Schutzdach  aus  Schilf  aufgestellt 

Auf  dem  in  einer  Strasse  ausserhalb  der  Stadtmauern,  im  muhamedanischen 
Teile  der  Stadt  gelegenen,  langgestreckten  Bazare  bietet  sich  das  gleiche  BiM 
lebhaften  Verkehrs  und  Treibens  im  Kleinen,  wie  auf  dem  grösseren  Bazare  m 
Kaschgar;  es  sind  auch  im  Wesentlichen  die  gleichen  Produkte  sartischer  und 
auch    russischer  Provenienz,    die    neben    Nahrungsmitteln    feilgehalten    werden, 


—    IIS    — 

und    in    den    wenigen    chinesischen  Verkaufsständen   findet   man  die  Porzellan- 
waren des  fernen  Ostens. 

Die  chinesische  Stadt  ist  mit  einer  starken,  turmgekrönten  Mauer  umgeben, 
durch  die  ein  doppeltes  Thor  in  das  Innere  liihrt.  Hier  ist  es,  im  Gegensatz 
zu  der  lebhaften,  vor  den  Mauern  gelegenen  sartischen  Stadt,  die  fast  den 
ganzen  Handel  in  sich  birgt,  still  und  öde.  Im  Stadtthor  sind  einige  Lanzen 
und  Hellebarden  altertümlicher  Konstruktion  und  sonstige  Kriegsembleme  der 
Thorwache  der  Festung  aufgestellt,  die  aber  kaum  geeignet  sind,  Schrecken 
oder  Furcht  zu  erregen.  Das  Yamen  oder  die  Residenz  des  Amban,  des  Bezirks- 
oberhauptes, ist  etwas  prätentiöser  als  die  übrigen  schmucklosen  chinesischen 
Lehmbuden,  birgt  aber  nichts  Bemerkenswertes,  wie  denn  die  Stadt  auch  sonst 
keine  namhafteren  Bauten  oder  Sehenswürdigkeiten  besitzt. 


PoctuDlihle  bei  Mflral-b.ischi. 

Das  Volk  in  der  Stadt  besteht  zum  weitaus  grösseren  Teile  aus  Muhame- 
danern  (Sarten)  von  demselben  Typus,  wie  er  auch  in  Kaschgar  vertreten 
ist;  Chinesen  sieht  man  verhältnismässig  wenig.  Allen  eigen  ist  aber  die  neu- 
gierige Zudringlichkeit,  mit  der  sie  den  Fremden  belästigen,  der  vor  Handgreif- 
lichkeiten nur  durch  die  Polizeisoldaten  geschützt  wird.  Diese  waren  durch 
den  Amban  vor  dem  Karawanserai  postiert  und  hielten  auch  auf  unsern  Wegen 
durch  die  Stadt  die  Menschenmenge  fern,  die  uns  beständig  umdrängte  und  ein 
sehr  lästiges  Gefolge  bildete.  Aber  trotz  mancher  unangenehmen  Beigaben  ist 
nach  tagelangem,  einsamem  Reisen  die  Abwechslung,  welche  eine  volkreiche 
fremde  Stadt  bietet,  stets  willkommen. 

Uebrigens  war  der  Reiseweg  doch  nicht  immer  ganz  einsam.  Bald  be- 
gegnete man  einer  grossen  Kamelkarawane,  die,  in  mehrere  Abteilungen  getrennt, 
unter  dem  dumpfen,  unmelodischen  Klang  der  grossen  Blechglocken,  welche 
einzelne  der  Kamele  am  Halse  tragen,  dahinzog,  Oder  man  traf  grosse,  schwer 
beladcne  Lastwagen,    chinesische    Reisewagen,    in  welchen    ganze  Familien  mit 


—     Ii6     — 

Hab  und  Gut,  Kind  und  Kegel  untergebracht  waren.  Sind  diese  Reisewagen 
schon  wenig  angenehm,  so  sind  die  Lastwagen  wahre  Marterwerkzeuge,  wenn 
die  Verhältnisse  zwingen,  sie  zum  Vorwärtskommen  zu  benutzen. 

Es  sind  breite  zweirädrige  Holzkarren  mit  mannshohen  plumpen  Holz- 
rädern; vor  dieses  Gefährt,  das  noch  mit  einer  gewölbten,  über  Holzstäbe  ge. 
spannten  Stroh-  oder  Schilfdecke  überzogen  wird,  spannt  man  zunächst  ein 
Pferd  nach  Art  unserer  Einspänner  zwischen  zwei  fest  mit  der  Achse  ver- 
bundene Balken,  und  vor  jenes  drei  oder  vier  weitere  Pferde  neben  einander 
als  Vorspann.  Die  Pferde  werden  von  dem  hoch  auf  der  Arbe  sitzenden  Führer 
mit  Zügeln  und  langer  Peitsche  geleitet  In  dem  weichen,  staubigen  Lössboden 
haben  die  Pferde  meist  harte  Arbeit,  da  die  Chinesen  ausserdem  noch  die 
schwerfälligen  Arben  bis  zur  Grenze  des  Möglichen  belasten.  So  sieht  man 
denn  häufig  die  Arben  feststehen;  die  armen  Tiere  können  nicht  weiter,  sie 
sind  weit  vom  Ziel  schon  aufs  Aeusserste  ermüdet,  und  das  Blut  rinnt  ihnen 
aus  den  heftig  schnaubenden  Nüstern. 

Nicht  für  die  Pferde,  aber  für  die  Reisenden  etwas  erträglicher  gestaltet 
sich  die  Fahrt  mit  den  grossen  Reisewagen.  Diese  besitzen  ein  dichtes  Dach 
und  sind  ausserdem  vorn  und  hinten  durch  Decken  und  Vorhänge  verschliessbar. 
So  gewähren  sie  wenigstens  einigen  Schutz  gegen  die  Hitze  und  den  Staub, 
welcher  von  den  Hufen  der  Pferde  derartig  aufgewühlt  wird,  dass  man  aus  der 
Ferne  sowohl  Wagen  wie  auch  einzelne  Reiter  zuerst  an  einer  mächtigen  Staub- 
wolke bemerkt,  die  über  die  Wüste  dahinzieht.  Die  Wagen  wie  die  Pferde  haben 
meist  Glocken,  die  verschieden  abgestimmt  sind  und  mit  ihrem  Geläut  auf  der 
langen,  monotonen  Fahrt  etwas  Abwechslung  bringen,  wenn  auch  die  Töne 
durchaus  nicht  melodisch  zusammenklingen. 

Eine  Begegnung  auf  dem  Reisewege  war  geeignet,  besonderes  Interesse  zu 
erregen,  obgleich  wir  an  mehreren  Abenden  durch  sie  gestört  wurden.  Der 
neu  ernannte  militärische  Ober-Befehlshaber  von  Kaschgar,  der  sich  von  Peking 
aus  schon  seit  Monaten  auf  der  Reise  befand,  kam  gerade  aus  Maral-baschi,  als 
wir  nach  dieser  Stadt  unterwegs  waren.  Ein  chinesischer  Würdenträger  aus 
Kaschgar,  wie  jener  von  grosser  militärischer  Eskorte  begleitet,  reiste  ihm  zum 
Empfang  entgegen,  und  zwei  Tage,  oder  besser  Nächte  lang  hatten  seine 
Leute  in  den  Karawanseraien  derselben  Stationen  Quartier  genommen,  an 
denen  wir  nächtigten.  Wir  hatten  viel  unter  ihrer  zudringlichen  Neugier  zu 
leiden,  obwohl  sie  sich  dabei  ganz  höflich  und,  nach  ihren  Begriffen,  anständig 
benahmen. 

Natürlich  hatte  der  Chinese,  der  schon  vor  uns  angekommen  war,  die 
besseren  Quartiere  besetzt,  und  wir  mussten  uns  behelfen,  so  gut  es  ging.  D*^ 
Nachtlager  wurden  aus  Decken  und  Pelzmänteln  in  einem  grossen  hohen  Räume 
aufgeschlagen,  der  keine  verschliessbaren  Thüren  und  Fenster  und  zudem  noch 
eine  grosse  Oeffnung  in  der  Decke  besass,  die  zum  Abführen  des  bei  der 
Kaminheizung  sich  verbreitenden  beizenden  Rauches  dient;  wir  schliefen  so  gut 


-     117     - 

wie  im  Freien  bei  einer  Temperatur,  die  Nachts  bis  zu  —  5 "  C,  sank.  Wir  zogen 
später  die  sartischen  Quartiere  den  chinesischen  vor.  Sie  sind  klein,  niedrig, 
schmutzig  und  meist  auch  nicht  gut  verschliessbar,  dafür  aber  mit  ihren  Wänden 
aus  Flechtwerk  und  Lehm  wärmer  und  gemütlicher,  als  die  grossen  chinesischen 
Seraie  mit  ihren  kalten  Mauern. 

In  einem  solchen  sartischen  KarawanseralHofe  wird  häufig  ein  von  der 
Familie  des  Besitzers  eben  noch  benutzter  Raum  ausgeräumt,  etwas  ausgefegt, 
eine  oder  mehrere  Filzdecken  auf  den  Boden  gelegt,  ein  Feuer  im  Kamine  ent- 
facht und  es  dem  Gaste  überlassen,  sich  weiter  bequem  einzurichten.  Zuerst 
schlägt  man  gewöhnlich  einige  Pflöcke  in  die  Wände,  um  seine  Ueberkleider  etc. 


Hof  eines  Kaiawaiiserai  In  Jan^abad,  ögtUch  von  Kaach)^. 

aufhängen  zu  können,  und  breitet  möglichst  warme  Decken  aus,  auf  denen 
gegessen  wird  und  die  auch  zum  Nachtlager  dienen.  Tische  und  Stühle  fehlen 
natürlich  ganz.  Draussen  im  Hofe  bleiben  die  Arben,  und  in  einem  überdeckten 
Teile,  manchmal  auch  ganz  im  Freien  werden  die  Pferde  festgebunden.  Die 
sartischen  Bewohner  halten  sich  meist  im  Freien  auf,  im  Hofe  wird  an  einem 
Feuer  gekocht,  und  die  ganze  Familie  hockt  um  das  Feuer,  um  sich  zu 
wärmen;  selbst  kleine  Kinder  werden  ohne  Scheu  fast  nackt  der  kalten  Morgen- 
und  Abendluft  ausgesetzt. 

Die  offiziellen  chinesischen  Karawanseraie  haben  hier  sehr  grosse  Vorhöfe, 
an  deren  Mauern  innen  gedeckte  Hallen  laufen,  die  für  die  Pferde  bestimmt 
sind.  Gegenüber  dem  Haupteingangsthor  und  jenseits  des  Hofes  betritt  man 
durch  ein  zweites  Thor  einen  kleineren,   inneren  Hof  und  von  diesem   aus  ein 


—     Ii8     — 

Gebäude»  das  die  im  übrigen  jeder  Einrichtung  und  jedes  Komforts  entbehrenden 
Fremdenzimmer  enthält. 

Meist  trifft  man  hier  auch  andere  Reisende,  deren  Nachbarschaft  mindestens 
ebenso  lästig  ist,  wie  diejenige  der  chinesischen  Soldaten  des  Mandarinen. 
Diese  letzteren  prüften  zunächst  die  Zweckmässigkeit  unserer  Reiseanzüge  und 
drückten  ihre  Anerkennung  aus,  indem  sie  uns  die  Faust  mit  ausgestrecktem 
Daumen  vorhielten.  Die  Jagdgewehre  mit  der  ihnen  unverständlichen  Konstruktion, 
ebenso  mein  Zwicker,  erregten  ihre  unverhohlene  Bewunderung.  Unsern  lang- 
haarigen deutschen  Hühnerhund,  sowie  den  Dackel  hielten  sie  offenbar  (lir  Miss- 
geburten  und  amüsierten  sich  sehr  darüber.  Ihre  Bewunderung  stieg  aufs 
höchste,  als  wir  ihnen  die  auf  der  Einstellscheibe  des  photographischen 
Apparates  vom  Objektiv  gezeichneten  Bilder  vorführten,  nachdem  wir  sie  photo- 
graphiert  hatten. 

Sie  selbst  waren  in  der  That  des  Aufnehmens  wert  Mit  ihren  langen 
Zöpfen,  ihren  langweiligen  schlafien  Gesichtszügen  und  der  uns  weibisch  er- 
scheinenden Tracht,  machten  sie  einen  nichts  weniger  als  martialischen  Eindruck; 
ich  glaube  kaum,  dass  sie  im  stände  gewesen  wären,  auch  nur  die  Frauen 
ernstlich  zu  erschrecken. 

Ihre  Kleidung  bestand  aus  unten  engen,  oben  aber  weiten  blauen  Bein- 
kleidern und  einer  Anzahl  Leibröcken  ohne  Schösse,  deren  sie  mehrere  über  ein- 
ander tragen,  so  dass  sie  meist  unnatürlich  beleibt  aussehen.  Als  einziges 
eigentliches  Uniformstück  ziehen  sie  noch  über  alles  andere  eine  hochrote  Jacke, 
die  an  allen  Rändern  mit  ziegelroten  Aufschlägen  versehen  ist  und  auf  der  Brust 
wie  dem  Rücken  grosse  chinesische  Schriftzeichen  trägt.  Die  Füsse  stecken 
in  dicksohligen  Tuchschuhen  und  um  den  Kopf  haben  sie  ein  blaues  Tuch 
gebunden,  das  wie  ein  Käppi  aussieht. 

Zur  Bewaffnung  hatten  sie  teils  Lanzen  von  ungewöhnlicher  Länge,  mit  rot- 
gelben Seidenfahnen,  die  am  ganzen  Schaft  herabhingen,  teils  kurze  plumpe  Gewehre 
mit  Feuersteinschlössern  und  dicken  Eisenröhren  als  Läufe;  es  sind  alte  Vorder- 
lader, und  wenn  die  Soldaten  damit  den  Feind  erschossen  haben,  müssen  sie  hin- 
gehen und  ihn  erst  noch  totschlagen.   So  erzählt  man  sich  wenigstens  hier  zu  Lande. 

Als  wir  später  mit  dem  reisenden  Truppenkommandeur  zusammentrafen, 
begegneten  wir  zuerst  auch  solchen  roten  Vorreitern  mit  Gewehren  und  karmin- 
roten Lanzenfahnen,  auf  denen  grosse  weisse  Inschriften  standen.  Dann  kamen 
nach  einiger  Zeit  wieder  einzelne  Reiter,  endlich  vor  einem  grösseren  Gefolge 
ein  vornehmer,  noch  jung  aussehender  Chinese,  der  grüssend  vorüber  ritt; 
noch  über  eine  halbe  Wegstunde  lang  folgten  ganz  ungeordnet,  in  kleineren 
und  grösseren  Zwischenräumen,  Reiter  der  Eskorte  mit  Fahnen  und  Waffen, 
Wagen  mit  vornehmen  chinesischen  Würdenträgern  und  Bagage,  sowie  einzelne 
zum  Gefolge  gehörige  Personen  ohne  militärische  Kleidung.  Dieses  Fehlen 
jeder  geregelten  Marschordnung  machte  für  ein  militärisch  gebildetes  Auge  einen 
wenig  befriedigenden  —  eben  echt  chinesischen  Eindruck. 


—     119    — 

Die  Einförmigkeit  der  Umgebung  teilt  sich  auch  dem  Leben  und  Treiben 
des  Reisenden  selbst  mit,  soweit  nicht  die  wissenschaftlichen  Forschungen  Ab- 
wechslung bringen.  Gewöhnlich  kommen  die  flinken  Reitpferde  schon  im  Laufe 
des  späteren  Nachmittags  auf  der  Nachtstation  an,  während  die  drei  grossen  und 
schweren  Arben,  die  das  Gepäck  befördern,  unter  Begleitung  eines  Kosaken, 
einige  Stunden  später  oder  erst  in  der  Nacht  das  Ziel  erreichen.  Nach  dem 
Eintreffen  auf  der  Station  wird  Thee  gemacht  und  ein  kleiner  Imbiss  genommen; 
dann  wird  die  Zeit  bis  zur  Ankunft  der  Arben  mit  dem  Ordnen  der  gesammmelten 
Gegenstände,  mit  Notizen  oder  der  Jagd  ausgefüllt  Endlich,  wenn  die  Küchen- 
gerätschaften und  Vorräte  angekommen  sind,  wird  die  Abend-  und  zugleich 
Hauptmahlzeit  hergerichtet.  Es  ist  ein  Glück,  dass  wir  alle  die  Manipulationen, 
welche  unser  Koch  und  Dolmetscher,  ein  im  Verkommen  begriffener  russischer 
Kaufmann,  und  die  Kosaken  mit  den  Speisen  vornehmen,  nicht  mit  ansehen 
müssen;  wie  es  aber  zugegangen  sein  muss,  das  kann  man  sich  oft  nach  dem 
Befund  vorstellen,  wenn  man  riskieren  will,  dabei  seinen  Appetit  zu  verlieren. 

In  unserer  Kücheneinrichtung  herrschte  notgedrungen  grosser  Geschirr- 
mangel. Ein  Essbesteck  pro  Person  und  zwei  Zinn-Teller  mussten  genügen;  Tisch- 
tuch, Servietten,  Gläser  zierten  unsere  Tafel  nicht,  die  häufig  nur  aus  einem  am 
Boden  ausgebreiteten  Teppich,  einem  Koffer  oder  einer  Kiste  bestand.  Aluminium- 
becher ersetzten  die  zerbrechlichen  Tassen  und  Gläser,  und  zum  Kochen 
dienten  einige  grosse  Kessel  und  Bratpfannen,  in  denen  meist  gemeinsam  die 
Mahlzeit  für  alle  zubereitet  wurde. 

Das  Menü  war  oft  sehr  originell.  Ging  es  hoch  her,  so  bildete  eine  Fleisch- 
suppe die  Einleitung.  Dann  war  von  irgend  einer  alten  Kuh  oder  häufiger  von 
einem  Hammel  Fleisch  an  der  Station  aufzutreiben  gewesen,  dieses  wurde  zu- 
sammen mit  Reis  oder  Erbsen  so  weich  wie  möglich  gekocht,  und  wenn  nötig, 
wurde  noch  durch  Fleischextrakt  oder  Konserven  nachgeholfen.  Hierauf  folgte 
ein  Fisch,  da  wenigstens,  wo  wie  in  Kaschgar  und  Maral-baschi  ganz  ausge- 
zeichnete grosse  Fische  in  den  Wasserkanälen  vorkommen,  die  gebraten  ein  sehr 
wohlschmeckendes  Gericht  bilden.  Eine  Eierspeise,  an  Sonn-  und  Feiertagen  mit 
Konfitüren,  bildete  den  Schluss,  und  zum  Thee  kamen  als  Nachtisch  noch  ge- 
trocknete einheimische  Früchte  auf  den  Tisch,  Rosinen,  Birnen,  Oliven  und  vor- 
zügliches süsses  chinesisches  Honigbackwerk  oder  unsere  englischen  Theekuchen. 
Milch  giebt  es  nicht  überall;  morgens  wurde  deshalb  eine  Suppe  gekocht,  zu 
der  es  selten  an  einem  Huhne  oder  auf  der  Jagd  erlegten  Enten,  Rebhühnern, 
Tauben  und  dei^l.  fehlte. 

Tagsüber  pflegten  wir  in  den  Satteltaschen  das  für  solche  Fälle  unüber- 
troffene getrocknete  Bündtner  Fleisch,  Chokolade,  Dürrobst  und  etwas  Brot  mit 
uns  zu  fuhren,  um  den  sich  einstellenden  Hunger  bei  längeren  Aufenthalten  oder 
ausgedehnteren  Ritten  zu  beschwichtigen  —  ein  kleines  Fläschchen  mit  russi- 
schem Wodka  diente  bei  der  Spärlfchkeit,  mit  welcher  dieser  Artikel  hier  ver- 
treten ist,  mehr  zur  moralischen,  denn  zur  physischen  Stärkung. 


Häufig  nahmen  wir  unser  Mahl  frierend,  in  winddurchwehter,  schlecht  ge- 
schlossener Lehmhütte  am  Boden  sitzend  oder  in  engem,  schmutzigem,  dunklem 
Raum  ein,  den  ein  kümmerliches  Licht  mangelhaft  erleuchtete,  und  in  dem 
vom  Kamine  her  ein  die  Augen  beizender  Rauch  sich  verbreitete.  Aber  guter 
Humor  würzt  das  Mahl,  und  hier  zu  Lande  ist  es  einmal  nicht  anders. 

Unser  Gefolge  draussen  hat  es  noch  schlechter  und  ist  doch  recht  ver- 
gnügt dabei.  Sie  machen  sich  im  Hofe  ein  Feuer  an,  setzen  Koffer  und 
Warcnballen  darum  und  haben  dann  gleich  einen  musizierenden  Derwisch  oder 
ein  sonst  musikalisch  veranlagtes  Individuum  herbeigeholt,  an  dessen  rauhem 
Gesang  sie  sich  erfreuen.  Auch  uns  bereitete  es  Kurzweil,  nach  dem  Abendessen 
in  einer  schönen  Mondnacht  uns  zu  den  Leuten  um  das  prasselnde  Feuer  zu 
setzen    und    den    Produktionen    dreier    Derwische    zuzusehen    und    zuzuhören. 


Karawouei^rai  in  TBcbailUr-kul,   norilöstlicb  ron  MnriU-baBcbl. 

Einer  derselben  hatte  eine  Mandoline  mit  langem  Griff  und  drei  Saiten,  die 
alle  so  ziemlich  den  gleichen  Misston  gaben,  wenn  er  mit  sämtlichen  Fingern 
der  rechten  Hand  im  Takt  darauf  herumfuhr;  ein  anderer  hatte  ein  Instrument, 
das  aus  zwei  mit  Eisen  beschlagenen  Stäben  bestand,  über  die  eine  Anzahl 
eiserner  loser  Ringe  lief,  die  beim  Schütteln  ein  klirrendes  und  rasselndes  Ge- 
räusch hervorbrachten.  Damit  begleitete  er  das  Saitenspiel  seines  Kollegen, 
und  beide  sangen  dazu  in  rauher  Weise,  aber  mit  Ueberzeugung  und  grossem 
Ernst.  Sie  rissen  den  Mund  unförmlich  weit  auf  und  brüllten  auf  einander  los 
wie  Besessene,  wobei  sie  immer  die  Musikinstrumente  handhabten;  der  dritte,  ei« 
furchtbar  schäbiger,  in  lauter  Fetzen  gehüllter  Kerl,  mit  nackten,  ungewaschenen 
Beinen  und  einer  Wollmütze  auf  dem  Kopfe,  tanzte  dazu  eine  Art  von  Rundtanz, 
der  aber  nur  aus  Drehungen  und  Bewegungen  der  ausgebreiteten  Arme  bestand- 
Solcher  Art  sind  die  kleinen  Vergnügungen,  die  sich  die  Leute  zu  ihrer 
Unterhaltung  bereiten  und  dabei  sind  sie,  trotz  angestrengter  Tagesarbeit,  immer 
gut  gelaunt  und  nie  verdrossen. 


Bei  unsern  drei  grossen  Arben  waren  drei  Fuhrleute  und  ein  Führer,  der 
sogenannte  Karawan-baschi,  der  entweder  die  Wagen  begleitete  oder  sich  uns 
anschloss;  er  hatte  für  die  richtige  Verpackung  unserer  Sachen  auf  den  Wagen, 
für  den  Unterhalt  und  die  Bedürfnisse  seiner  Leute,  sowie  der  zwölf  Plerde  zu 
sorgen  und  machte  sich  Abends  im  Serai  auch  sonst  nutzlich. 

Wir  bedauerten  es  des  öfteren  ungemein,  dass  wir  gerade  um  diese  Jahres- 
zeit das  Land  durchreiten  mussten,  wo  es  hier  genau  ebenso  winterlich  aussieht, 
wie  in  Süddeutschland  Ende  Februar  und  in  der  ersten  Hälfte  des  März. 


Dervriiche  In  Ak-iu. 

Stellenweise,  wie  z.  B.  zwischen  den  Stationen  Tumschuk  und  Tschadür-kul, 
sowie  weiter  bis  Jakka-kuduk,  führte  der  Weg  durch  weite,  offene  Wälder  mit 
stattlichen  Bäumen  (Pappeln)  oder  durch  geradezu  parkartige,  mit  Sträuchern 
und  Buschwerk  bewachsene  Gebiete,  wo  die  dichte  Verzweigung  der  Aeste 
erraten  Hess,  wie  üppig  sich  'im  Frühjahr  Blätter,  Laub  und  Blüten  entfalten 
mögen.  Hier  durchziehen  auch  kristallklare,  tiefe  Wasser  die  Schilfniederungen; 
eine  alte  Grabstätte  bei  Monastür  mit  einigen  Grabkapellen  liegt  malerisch  am 
steilen  Abhänge  eines  kahlen  Bergrückens  des  Achur-tag,  und  auch  noch  weiter 
am  Wege  nach  Tumschuk  trifft  man  Ruinen  alter  Städte  und  Ansiedlungen. 

Der  fromme  Sinn  der  Muhamedaner,  der  sich  an  den  bei  keinem  Orte 
fehlenden  Gebetsstätten    und  Moscheen    zeigt,    äussert  sich   auch  in    den    zahl- 


—        122       — 

r^.ch  IT.  r.^T'f  orr^-^cr.  ic^  V^r.XiZer^  »:e  Ber^-or>:-r-:i;;eii.  M-^Ia.  ahm  Gebaiiden 
=ryi  bev-r-dc*  ao  den  Grib^talicn  angebrachten  E.inner'jr^  nod  Verehmngs- 
zeiil-.'tn  :-ir  berii^e  Mi-';n<r.  d.e  dort  gelebc  haben  od«-  begraben  sind  Es 
•.-■i  r^r  i;r.v:he:r.ba,'e  lar.^e  Standen  ,T-k;S  Scar.-cn,  d:e  oben  oti  mit  Hörnern 
verviT-cTi  i-.r.d  cr,d  von  P-.I^cm  und  Dcrw-schen  nut  scfamuckktsen  farbigen 
fckT.dchcn    behar.^en    »erden,  ali  '"';fcr|^be  fjr  den  Toten. 

Jec-m  M'jfgen  and  jeden  Abend  h'>rt  man  auf  den  SotioneB  die  veithiD  tooea- 
drr..  ■(che'.r.'^ir  iciagcnden  Rufe  des  sein  Gebet  verrichtenden  Muliafa.  L'oterwegs 
■•n':.':n   »:r  Fra.;en  rjr   Zeit   des    S'nnenuniergang«    vom    Pferde    steigen,    cjne 


iJecke  ausbreiten  und  zum  Gebete  nlederknieen.  Auch  in  der  Gewissenhaftigkeit, 
mit  der  alle,  selbst  die  Niedrigsten,  sich  den  Geboten  des  Fastens  und  dem 
Betuchc  der  öffentlichen  Gottesdienste  an  den  Feiertagen  unterziehen,  drückt  sich 
ein  »itarkes  religiöses  Gefühl  aus. 

DagCf^en  ist  von  religiösem  Fanatismus  oder  Unduldsamkeit  gegen  Anders- 
gläubige in  diesen  Gegenden  nichts  zu  bemerken,  höchstens,  dass  die  FrauM 
ab  und  zu  sich  vor  den  Fremden  verhüllen  oder  wegsehen. 

Die  Frauen  der  sartischen  Karawanseraibesitzer  denken  nicht  daran, 
sich  2ü  entfernen  oder  das  Gesicht  zu  verhüllen.  Sie  zeigen  keine  be 
sondere  Neugier,  verrichten  ihre  Arbeit  ruhig  weiter  und  lassen  sich  selbst 
im    Kindcrstillen    durch    die    Gegenwart    Fremder    nicht    weiter    stören,    aller- 


~     1^3     — 

dings  wollen  sie  sich  meist  nicht  photographieren  lassen,  da  sie  Zauberei  fürchten. 
Merkwürdig  verschieden  verhalten  sich  die  jungen,  hübschen  und  die  alten,  häss- 
Itchen  Frauen,  man  könnte  darüber  allerlei  Betrachtungen  anstellen,  ich  will  mich 
aber  darauf  beschränken,  zu  sagen,  dass  ich  nichts  dj^egen  einzuwenden  hätte, 
wenn  alle  zusammen  strenge  am  Verhüllen  festhielten. 

Auch  lokale  Aenderungen,  mit  Besonderheiten  der  Tracht  verbunden, 
konnten  wir  auf  dem  Wege  beobachten.  So  tragen  in  der  Nähe  von  Ak-su 
viele  Frauen    unter   den   grossen,   weit  über  den  Kopf   abstehenden    Pelzhüten 


BcTÖlkeniD^  bei  Schur-Kubuk,  sUdweBÜich  tod  Ak-su. 

weisse  Tücher,  die  meist  über  den  Hut  zurückgeschlagen  sind,  aber  bei  Ansichtig- 
werden  eines  Ungläubigen  über  Gesicht  und  Brust  heruntergezogen  werden. 
Wieder  andere  reiten,  nach  Männerart  auf  dem  Pferde  sitzend,  frisch  und  flott 
vorbei,  ohne  sich  zu  verhüllen  oder  an  einen  Verstoss  gegen  die  Sittsamkeit 
zu  denken. 

Auf  den  langen,  einsamen  Wegen  hat  überhaupt  jeder  Begegnende  auf 
ein  besonderes  Interesse  Anspruch,  macht  er  doch  der  Monotonie  für  einige 
Augenblicke  ein  Ende;  seien  es  nun  ein  paar  arme  Chinesen,  die,  mit  ihrer 
Habe  auf  dem  Rücken,  den  langen,  staubigen  Weg  zu  Fuss  zurücklegen,  oder 
die  verschiedenen  Arten   der  Gepäck-  und  Reisewagen   oder  Reiter.     Des  Auf- 


zugs  eines  chinesischen  Soldaten  sei  hier,  seiner  Originalität  wegen,  Erwähnung 
gethan.  Ein  Sarte  trieb  einen  Esel,  deV  mit  Gepäck-  und  Kleidungsstücken 
beladen  war;  oben  auf  1^  festgebunden  das  Gewehr  des  Soldaten;  ein  zweiter 
Esel  trug  ebenfalls  Bagage  und  oben  darauf  einige  Waffen;  der  brave  Krieger 
selbst  aber  ritt  voraus,  auch  auf  einem  Esel,  und  trug  in  dem  weiten  faltigen 
Gewand  eine  Katze,  die  offenbar  sein  Lieblingstier  war. 

Auch  Ochsenreiter  sind  nicht  selten  anzutreffen.  Der  Ochse  ist  regelrecht 
gesattelt  und  wird  an  Stricken,  die  ihm  durch  die  Nase  gezogen  sind,  geleitet. 
Trotz  des  schwerfälligen  Ganges  besitzen  die  Tiere  häufig  Gewandtheit  genug, 
um  ihre  Reiter  im  hohen  Bogen  abzuwerfen,  und  zwar  ohne  alle  ersichtliche 
Ursache;    nur  aus  Uebermut  oder  Böswilligkeit. 

Der  Empfang  beim  Stadt oberhaupte  in  Ak-su  ging  unter  denselben  Zere- 
monien vor  sich  wie  in  Kaschgar,  und  es  wurden  dieselben  Höflichkeitsphrasen 
ausgetauscht.  Einladungen  zum  Essen  wurden  unter  Hinweis  auf  die  baldige 
Weiterreise  abgelehnt,  und  die  drei  Tage  in  Ak-su  gestalteten  sich  in  der  That 
zu  Ruhetagen,  an  denen  wir  nur  kleinere  Ausfluge  oder  Spaziergänge,  zum 
Besuche  der  etwa  sieben  Meilen  entfernten  neuen  chinesischen  Stadt,  auf  den 
Bazar  des  alten  Ak-su  und  nach  den  50  m  hoch  über  der  Stadt  gelegenen,  nur 
durch  steile  Schluchten  zugänglichen  Totenstätten  und  Grabdenkmälern  unter- 
nahmen. 


—      125      — 

Der  Aksakal,  Vorstand  der  Kaufmannschaft  und  russischer  Agent,  Muha- 
mcd  Emin,  bei  dem  wir  in  Alt-Ak-su  Gäste  waren,  war  die  Liebenswürdigkeit 
selbst,  und  wir  wurden  mit  Geschenken  an  Obst  und  Siissigkeiten  und  mit 
Aufmerksamkeiten  reich  bedacht 

Eine  schaulustige  Menge,  meist  Kinder  und  halb  erwachsene  Burschen, 
stand  immer  um  den  Hof  des  Hauses  herum  und  folgte  uns,  wenn  wir  aus- 
gingen; belästigt  wurden  wir  aber  nur  in  der  chinesischen  Stadt,  wo  mehrmals 
mit  Steinen  geworfen  wurde. 

Ak-su  gilt  neben  Kaschgar  als  die  heiligste  Stadt  Kaschgariens,  hat  aber 
nur  etwa  die  Hälfte  der  Einwohner  (15000)  von  Kaschgar;  es  hat  einige  Be- 
deutung fiir  den  Weg  nach  Norden  über  den  Mussart-Pass  (3660  m)  nach 
lli  und  Kuldscha.  Auch  nach  Taschkent  werden  Baumwolle,  Häute  und  Wolle 
ausgeluhrt.  Das  weitere  Gebiet  von  Ak-su  (der  Name  bedeutet  iweisses  Wasser«, 
weil  das  Schmelzwasser  des  Flusses,  im  Gegensatz  zum  dunkeln  Quellwasser, 
weiss  aussieht]  ist  längs  des  Bergfusses  und  der  Flüsse  reich  bevölkert  und 
mit  Gärten  bestellt,  in  denen  Gemüse,  Aepfel,  Aprikosen  und  anderes  Obst  ge- 
zogen werden,  während  der  Ackerbau  sich  auf  verschiedene  Getreidearten, 
Reis,  Mais,  Baumwolle  und  Opium  erstreckt.  Die  Weizenernte  findet  Mitte 
Juli  statt. 

Im  Sommer  sind  die  Flüsse  sehr  wasserreich,  überschwemmen  die  Felder 
und  hindern  den  Verkehr  wesentlich. 


—      126      — 

Im  südlichen  Teile  herrscht  ödes  und  wüstenbedecktes  Land  vor  und  Ried- 
flächen mit  Sümpfen  dehnen  sich  längs  den  Wasseradern  aus. 

Bemerkenswerte  Bauten  bietet  weder  die  neue  noch  die  alte  Stadt  Ak-su, 
die  auf  dem  linken  Ufer  des  gleichnamigen  Flusses,  atif  dem  gartenartig  ange- 
bauten Thalboden  am  Fusse  50  m  hoher  Lehmwände  zwischen  Schluchten 
gelegen  ist. 

Unsere  Zeit  in  Ak-su  war  neben  den  nötigen  Besuchen  und  Ausflügen  durch 
die  Vorbereitungen  zur  Weiterreise  reichlich  ausgefüllt.  Es  waren  neue  Verträge 
mit  Arbenfiihrern  abzuschliessen,  unsere  Vorräte  an  Lebensmitteln  zu  ergänzen, 


Ko«k  ChLn<Bi.ch«  Soldaim 

BcTölkening  von  Ak-Bu. 

und  namentlich  hatten  wir  viel  unnötige  Arbeit  dadurch,  dass  einige  unserer 
Kisten  auf  dem  letzten  Tagemarsche  beim  Passieren  einiger  schlechter  Brücken 
ins  Wasser  gefallen  waren.  Einem  kleinen  Handkoffer  mit  Toilettensachen, 
Notizbüchern,  Karten  etc.  war  das  nicht  gerade  förderlich;  die  grösste  Mühe 
aber  machte  das  Trocknen,  Wiederherrichten  und  Frisieren  zahlreicher  Vogel- 
bälge, die  auch  ins  Wasser  gefallen  waren.  Ganz  verdorben,  wenigstens  fiir 
uns,  war  der  Tabak,  von  dem  wir  aber  doch  noch  hofften,  dass  ihn  die  Tanguten 
am  Küke-nui  rauchen  würden,  da  sie  ja  nicht  wissen,  wie  er  wirklich  sein  sollte. 
Am  14.  März  verliesscn  wir  das  gastliche  Haus  des  Aksakals,  um  über 
Bai  und  Kutscha  bis  Kurija  am  Nordrande  des  Tarimbeckens  weiterzuziehen 
und  von  dort  zwischen  die  ö.stlichen  Ketten  des  Thien-schan  einzudringen. 


—      127      — 

Ein  silberglänzendes  Band  schneebedeckter  Hochgebirgsgipfel,  weit  über 
dem  braunen  Wolkenrand  von  der  scheidenden  Sonne  mit  den  zarten  Farben- 
tönen des  Alpenrotes  Übergossen  und  in  die  violetten  Tinten  des  Abendhimmels 
getaucht,  so  erscheinen  die  Berge  des  Himmelsgebirges  dem  Wanderer  aus  den 
Steppen  und  Wüsten  des  Tarimbeckens,  der,  müde  der  Einförmigkeit  und  des 
Staubes,  der  stagnierenden  Gewässer  und  der  Sandbet^e,  sich  nach  dem  klaren 
Bergquell,  dem  munter  sprudelnden  Gebirgsbach,  den  frischen,  freien  Beides- 
höhen  sehnt.  Aber  die  Schnee-Berge  sind  noch  fern  und  nur  in  den  höheren 
und  zentraleren  Teilen  der  grossen  Gebirgsmauer  vertreten,  weiche  das  Tarim- 


Bewohner  vod  Sai-arOk,  BUdwesÜich  tod  Ak-Bn. 

becken  im  Norden  gegen  Sibiriens  Kälte  schützt;  der  breite  Fuss  des  Gebirgs- 
systems  reicht  hinab  bis  in  die  weiten  Niederungen  des  Tarimbeckens,  und  zuerst 
vereinzelt,  dann  aber  zu  langgestreckten  Ketten  zusammengeschlossen  steigen 
aus  der  Wüstenebene  schroffe  Gebirgszinnen  als  Vorketten  schon  weit  südlich 
vom  eigentlichen  Gebilde  auf,  von  dem  sie  durch  meilenbreite  flache  Strecken 
und  Längsthäler  getrennt  sind. 

Wo  der  Weg  zwei  Tagereisen  östlich  von  Ak-su,  bei  Kara-iulgun,  die  kies- 
und  staubbedeckten  Niederungen  verlässt  und  steh  mehr  nach  Norden  wendet, 
um  das  Städtchen  Bai  zu  erreichen,  begegnet  das  Auge  zuerst  schroff  aus  der 
mit  Kulturland  bedeckten  Ebene  in  die  Höhe  starrenden  Bergen,  deren  höchster 
Gipfel,    von    wilden,    tief   eingerissenen    Schluchten    umgeben,    ganz    unnahbar 


—        128       — 

erscheint.  Steil  ist  der  we&tliche  Absturz  der  Berge,  und  die  kurzen  Tbijer 
verlaufen  zwischen  hohen  senkrechten  Abstürzen.  Das  Gebirge  gebt  in  scüer 
Längsrichtung  von  Westnordwest  nach  Ostsüdost  auf  eine  Erstredcung  voo  etwa 

1 5  km  und  ist     '      '  ' '^  '  r>- .  >-  ■  -  .      ■ 

gestaltig,  je  na< 
und  Mei^elmasi 

Gerade  hi 
fliessend  es  Wa 
bringt  ihre  W'irl 
hervor.  Schon 
welche  die  Oba 
Anblick.  Der  ; 
Salzeffloreszenzi 
intercs^ntc  neu 
der  staunend 
bildenden  Krafi 
absolute  Wüste 
Es  mag  sein,  <i 
ist,  einzelne  T 
Namen  gegeb« 
organischen  t^l 
dadurch  nicht 
sehen  werden. 

Auf  der  S 
Flüsse,  die  si< 
Sand-  und  Stau 
findet  sich  da, 
entgegengesetzt 
konkav  gewölb 
staubigen  Luft  ( 
Im  Längsthal, 
Flussbett  mit 
schultungen,  sc 
Schuttmassen, 
räum  der  gen 
darstellt:  zu  i 
von  Menschen 
ganz  von  Plus: 
mit  feinerem  S 

Hier  gieb 
sehen,  und  es  e 
der  Kiesebene 


—      129      — 

Schon  von  weitem  fesselt  an  der  steilen  Gebirgswand  die  feine,  äusserst 
zierliche  Gliederung,  die  an  Meisterwerke  der  Architektur  erinnert  und  hier  her- 
vorgebracht wird  durch  im  horizontalen  Sinn  aneinandergrenzende  härtere  und 
weichere  Teile  der  Schichtfolge  und  im  vertikalen  Sinne  durch  zahllose  kleine 
Thälchen,  die  einen  andern  Charakter  haben,  je  nachdem  sie  in  einer  harten 
Gesteinsschicht  vertikale  Rinnen  erzeugen,  oder  in  weicherem,  darunter  liegendem 
Materiale  kleine,  regelmässige  Schutthügel  zur  Aufschüttung  bringen.  Dabei 
wechselt  noch  die  Farbe  der  einzelnen  Gesteinszonen  zwischen  hellgelblich,  weiss, 
braun  und  rot,  so  dass  bei  der  Regelmässigkeit  der  ganzen  Erscheinung  fast  der 
Eindruck  einer  künstlichen  Beihilfe  entstehen  könnte,  wenn  eben  nicht  das 
Ganze  riesengross  und  ein  Gebirge  wäre. 

Eine  enge  Felsschlucht  nimmt  den  Weg  auf  und  fuhrt  ihn  in  vielfachen 
Windungen  bergan.  Bei  jeder  einzelnen  Felsenkulisse,  um  die  sich  der  oft  enge 
Pfad  windet,  der  zugleich  auch  ein  zur  Zeit  glücklicherweise  trockenes  Bachbett 
ist,  eröffnen  sich  neue  abwechslungsvolle  Ausblicke  auf  die  grossartige  Fels- 
wildnis, deren  steile  Wände  in  hoch  aufragenden  Domen  und  Zinnen  endigen, 
und  deren  Abstürze  senkrecht  über  hundert  Meter  weit  herabreichen.  Da  sieht 
man  die  seltsamsten  Gebilde:  steile  Pyramiden  und  orgelartige  Felsensäulen, 
sowie  am  oberen  Thalausgange  eine  grosse  Sphinx,  die  dadurch  entstanden  sein 
mag,  dass  ein  riesiger  Felsblock  auf  eine  weiche,  nachher  zum  Teil  unter  ihm 
hinweggeführte  Grundlage  gefallen  ist.  Die  Phantasie  kann  alle  diese  Natur- 
spiele mit  Namen  belegen,  aber  einen  Begriff  von  ihrer  Mannigfaltigkeit  vermag 
sie  doch  nicht  zu  geben. 

Am  oberen  Ende  der  Schlucht,  die  ein  im  Verhältnis  zu  seiner  Wirkung 
selbst  bei  Hochwasser  kleiner  Fluss  aus  dem  Sandsteingebirge  ausgewaschen 
hat,  liegt  eine  einfache  Station  Tuga-rakdan,  von  der  ein  interessanter  Weg  zu 
einem  einige  Stunden  entfernten  Bergwerksdorfe  führt,  das  viel  des  Eigen- 
artigen bietet. 

Der  schmale  Saumpfad  führt  am  Nordabhange  des  Gebirges,  durch  das 
der  Engpass  geht,  in  östlicher  Richtung  durch  echte  Steinwüste.  Keine  Spur 
von  Vegetation  ist  zu  sehen,  und  die  gleichmässig  schräg  nach  aufwärts 
gerichteten  Schichten  der  Sandsteine  zwischen  den  weicheren  Mergellagen 
erwecken  den  Eindruck  eines  brandenden  Meeres,  dessen  sich  überschlagende 
Wellen,  plötzlich  erstarrt,  den  Ausdruck  ihres  wilden  Drängens  und  Stürmens 
auch  in  der  Ruhe  beibehalten  haben.  Lange  Reihen  von  Felsklippen,  die 
überhängen,  weil  der  Wind  das  weichere  Sandsteinmaterial  unter  ihnen  weggeführt 
hat,  zeigen  die  bizarrsten  Formen,  und  eine  solche  Reihe  folgt  der  andern  in 
fast  regelmässigen  Zwischenräumen,  bald  höher  und  wilder,  bald  sanfter  und 
niedriger,    wie  die  langgezogenen  Wellenkämme  des  windbewegten  Meeres. 

Der  Eindruck  dieser  starren  Felswände  wird  noch  verstärkt  durch  die  dunkle 
Farbe,  welche  alle  hervorragenden  Stellen  und  besonders  die  Schichtköpfe  des 
härteren,    sonst    helleren   Sandsteines  bedeckt     Mit   einer  zerfressenen,   braun- 

Futterer,   Durch  Asien.  0 


—     I30     — 

schwarzen,  harten  Rinde  haben  sich  die  Gesteine  hier  in  der  Wüste  gepanzert, 
wie  um  der  Zerstörung  durch  Hitze  und  Wind  zu  entgehen.  Wo  diese  »Schutz- 
rindec  fehlt,  ist  der  Sandstein  bis  tief  ins  Innere  ausgehöhlt  und  wird  immer 
noch  weiter  zerstört.  Wo  sie  aber  mächtig  ist,  bietet  sie  einen  wirksamen 
Schutz  gegen  die  feindlichen  Wüstenkräfte,  und  nur  durch  sie  ist  das  Ent- 
stehen so  feiner  und  exponierter  Felsengebilde  möglich.  So  weit  das  Auge 
reicht,  im  Süden  bis  an  das  aufragende  Gebirge,  gegen  Norden  etwas  an- 
steigend und  den  Horizont  begrenzend,  dehnt  sich  das  starre  Wüstenmeer  aus 
Stundenlang  geht  es  so  ohne  Unterbrechung  und  ohne  Aenderung  in  den 
Wellenthälern  bald  in  die  Höhe,  bald  abwärts  und  oftmals  von  einem  kleinen 
Thal  ins  andere. 

Schon  einige  Kilometer  ehe  man  den  ersten  kleinen  Bei^-  und  Hütten- 
ort erreicht,  waren  längs  des  Weges  in  den  weichen,  hier  etwas  schiefrigcn 
Schichten  zwischen  zwei  harten  und  weit  vorspringenden  Sandsteinbänken  recht- 
eckige, senkrechte  Vertiefungen  angelegt,  aus  welchen  ein  grünlicher,  weicher 
Schiefer  herausgeholt  wurde.  Diese  kleinen  Schächte  von  1,50  m  Länge  bei 
nur  I  m  Breite  folgten  dicht  aufeinander.  An  andern  Stellen  war  direkt  die 
ganze  weiche  Schicht  unter  der  oberen  Sandsteinbank  herausgenommen.  Allent- 
halben sah  man  grosse  Anhäufungen  von  schwarzen  Schlackenmassen  mit 
glasigem  Aussehen  und  die  Trümmer  von  Gebäulichkeiten.  Hier  ist  offenbar 
das  für  die  Bergleute  mit  ihren  primitiven  Abbaumethoden  gewinnbare  Erz 
schon  längst  erschöpft  und  der  Bergbau  wurde  in  femer  gelegene  Teile  ver- 
legt, die  noch  weiter  östlich  in  der  Erstreckungsrichtung  der  erzführenden 
weichen  Schicht  liegen.  Dort  findet  man  in  den  grünen  Schiefern  schöne 
Beschläge  von  grünem  Malachit  und  Tropfen  oder  Kügelchen  von  blauer  Kupfer- 
lasur oft  sehr  reichlich  angesiedelt.  Diese  bilden  das  Erz,  aus  welchem 
das    Kupfer  gewonnen  wird.     Die  Art  der  Gewinnung  ist  eine  recht  einfache. 

In  grosser  Anzahl  —  auch  die  oben  erwähnten  Ruinen  gehörten  zum  Teil 
dazu  —  sind  Erzschmelzöfen  bei  den    einzelnen  Gruben    angelegt,   da  offenbar 
jeder  Schachtbesitzer  sein  Erz  gleich  selbst  verhüttet,  um  unnötigen  Transport  m 
vermeiden.     Diese  kleinen   Hüttenwerke  bestehen   aus   einem  etwa  2  m  hohen, 
ebenso  breiten  und  2,50  m  langen,  aus  Lehmziegeln   errichteten  und    mit  Holz- 
stangen und  darüber  gelegtem    Strauchwerk  bedeckten  Gebäude,  das  auf  einer 
der   Querseiten    eine    ins    Innere    führende  Thür    besitzt;    der  Boden  innen  ist 
etwas  erhöht,    und    es    führen    meist  an   zwei   Stellen    Thonröhren    von   innen 
schräg    abwärts    nach    aussen,    die    dort  in  einen  runden  Trog,  die  eigentliche 
Esse,    münden.     In   dieser  wird  das  Erz  mit  Holzkohlen  zusammengehäuft  u«" 
oben  eine  Decke  aus  Lehm  so  hergestellt,  dass  an  der  Aussenwand  des  Gebäudes 
ein    aufwärts    führender    offener    Raum    als    Kamin    bleibt,    der    übrigens    n^^ 
bis  zur  Hälfte  der  Höhe  des  Gebäudes  ganz  geschlossen  ist,   so  dass  oben  die 
Flammen     direkt   an    der   Wand    emporschlagen.      Im     inneren    Raum    sitzen 
ein  oder   zwei  Leute,    welche   die   aus   Felisäcken   bestehenden  Blasebälge  bc- 


—     131     — 

wegen  und  durch  die  nach  aussen  führende  Thonröhre  das  nötige  Luftgebläse 
erzeugen.  Durch  die  Hitze  und  den  Kohlenstoff  der  Holzkohle  wird  das  Kupfer 
aus  seinen  Verbindungen  reduziert  und  setzt  sich  als  geschmolzene  Masse  auf 
dem  Boden  des  Troges  ab.  Natürlich  wird  so  nur  ein  Teil  des  im  Erze  wirklich 
vorhandenen  Kupfergehaltes  gewonnen  und  man  sieht  häufig  in  der  schwarzen 
glasigen  Schlacke  schöne,  grüne  Malachitneubildungen. 

Der  Bergbau  beschäftigt  hier,  nach  dem  Umfang  der  Arbeiten,  der  An- 
zahl der  Hütten  und  der  Grösse  der  in  der  Nähe  der  Gruben  angesiedelten  Dörfer 
zu  urteilen,  einen  recht  ansehnlichen  Teil  der  Bevölkerung.  Wie  aber  Berg- 
leute meist,  so  scheinen  auch  diese  hier  recht  arm  zu  sein;  ihre  Zahl  dürfte 
mehrere  Hundert  betragen.  Die  Leute  an  den  Gruben  waren  mit  den  erbärm- 
lichsten Fetzen  bekleidet.  Das  gewonnene  Erz  wurde  in  Säcken  von  Ziegenfell 
herausgeschleppt,  zum  Hauen  bedienten  sie  sich  langer  Pickel  und  die  aus  den 
Schachten  zu  fördernden  Erze  winden  sie  an  einfach  gebauten  Ha.speln  heraus; 
ohne  gemahlen  oder  fein  zerkleinert  zu  werden,  nur  nach  einem  rohen  Aus- 
suchen der  genügend  Kupfer  enthaltenden  Stücke,  wandern  die  Erze  dann 
direkt  in  den  Schmelzofen. 

Das  Dorf  der  Bergleute  bot  einen  sehr  malerischen  Anblick;  es  war  ganz 
zwischen  die  Gruben  und  in  das  Felsenmeer  eingebaut,  unter  möglichster  Be- 
nutzung günstiger  natürlicher  Verhältnisse;  so  waren  z.  B.  viele  Wohnungen 
unter  den  überhängenden  Felsen  durch  künstliche  Erweiterung  der  schon  von 
Natur  vorhandenen  Höhlungen  und  durch  deren  Abschliessung  mit  einer  Lehm- 
mauer hergestellt.  Auch  die  Schmelzöfen  waren  reihenweise  an  den  steileren 
Abhängen  angebracht,  um  bei  der  Zuleitung  der  Luft  aus  dem  Innern  des 
Baues  zu  der  tiefer  gelegenen  Esse  das  Gefalle  ausnutzen  zu  können.  Da- 
zwischen befanden  sich  Lehmhütten  und  offene  Ställe  für  die  Pferde,  grosse 
Haufen  von  Schlacken,  in  den  Boden  gemauerte  grosse  Oefen  zum  Brot- 
backen, und  das  ganze,  an  sich  schon  bunte  Bild  wurde  durch  eine  sehr 
zahlreiche  Bevölkerung,  die  zusammenlief,  um  den  Fremdling  zu  betrachten, 
wesentlich  belebt. 

Einige  Kilometer  weiter  östlich  liegt  noch  ein  zweites  solches  Dorf,  dessen 
Bewohner  ebenfalls  dem  Bergbau  obliegen  und  aus  den  gleichen  Erzen  Kupfer 
gewinnen. 

Der  Bergpfad,  welcher  in  ziemlich  nördlicher  Richtung  von  hier  wieder 
zur  grossen  Strasse  und  nach  der  Station  Dschurga  führt,  ist  wild  romantisch; 
er  geht  quer  durch  die  beschriebene  Felsenwüste,  über  zwei  Gebirgskämme 
und  durch  ein  dazwischen  gelegenes  Thal,  die  alle  aus  denselben  Sandsteinen, 
Mergeln  und  Kiesbänken  bestehen.  Der  Weg  steigt  über  steile  Klippen  zur 
Höhe  empor  und  folgt  kleinen  Thälchen  hinab  ins  Thal.  Die  wackeren  Pferde 
haben  oft  grosse  Mühe,  nicht  auszugleiten  auf  dem  feuchten,  lehmigen  Boden, 
und  an  abschüssigen  Stellen  ist  wirkliche  Gefahr  vorhanden.  So  geht  es 
durch  die  gigantischen  Felsschluchten  bergauf   und   bergab,    herüber   und    hin- 

9* 


—      132      - 

über,  wo  gerade  die  FeUcn  das  Durchkommen  gestatten,  und  ohne  kundigen 
Führer  wäre  es  unmöglich,  sich  in  dieser  labyrinthischen  Wildnis  zurecht- 
zufinden. 

Die  letzte  Höhe  bot  einen  weiten  Umblick  über  das  im  Süden  liegende,  vom 
Abendrot  beleuchtete  Gebirge  und  eine  breite  flache  Thalniederung,  über  die 
sich  schon  die  Abendschatten  ausbreiteten.  Weit  in  der  Feme,  im  Norden, 
wo  aus  der  Dämmerung  die  dunkeln  Umrisse  eines  neuen  Gebirgszuges  ud' 
deutlich  hervortraten,  lag  die  Station  Dschui^,  welche  die  ermüdeten  Pferde 
noch  erreichen  mussten.      In  raschem  Tempo,   soweit  es  der  rauhe  Gebii^pfad 


SUdabfall  lies  To|):i-dawaD  bei  I)B<'liuri;a,   Blldwestlich   vod  Bai. 

erlaubte,  immer  wieder  durch  endlos  sich  erneuernde  Felsnischen,  um  Thal- 
vorsprünge und  schroffe  Pyramiden,  durch  enge  Pässe  und  über  schwierige 
Felsgesimse,  geht  es  steil  hinab  in  das  breite  Thal,  das  ebenfalls  eine  Wüste 
ist  und  der  Vegetation  fast  ganz  entbehrt;  der  Boden  besteht  aus  weit  aus- 
gebreiteten Kies-  und  Schottermassen,  welche  die  Bäche  aus  den  Bergen  getragen 
und  hier  zur  Ausfüllung  des  einst  tieferen  Thaies  abgelagert  haben. 

Der  strahlende  Morgen  nach  einer  in  schlechtem  Quartier  fast  schlaflos  ver- 
brachten Nacht  —  das  bessere  chinesische  Serai  fanden  wir  bei  unserer  Ankunft 
schon  ganz  mit  Chinesen  besetzt  vor  —  gewährte  den  Ausblick  auf  das  nabe 
gelegene  Gebirge  der  nördlichen  Thalseite,  die  Topa-dawan-Kette,  deren  Umrisse 
schon  am  Abend  von  den  gegenüber  liegenden  Höhen  sichtbar  waren,  und  hier 


—     133     — 

wiederholt  sich  das  Bild  der  mannigfaltigen  und  zierlichen  Modellierung  der 
steilen  Südseite  durch  die  kleinen  Wasserrisse  und  Thälchen.  Die  grosse  Strasse 
nach  Bai  führt  eine  Zeit  lang  am  Fusse  der  von  West  nach  Ost  gehenden  Ge- 
birgskette hin  und  durchquert  sie  dann  in  einer  engen  Schlucht. 

Dieses  nur  nach  der  Südseite  steil  und  schroff  abfallende  Gebirge,  das 
sich  nach  Norden,  wo  der  Weg  es  durchquert,  allmählich  abflacht,  liegt  in  der 
westlichen  Fortsetzung  des  höheren  und  auch  von  Bai  z.  B.  gesehen,  als  selbst- 
ständiger Gebirgszug  hervortretenden  Tschul-tau,  der  sich  noch  viel  weiter  im 
Süden  von  Bai  nach  Osten  erstreckt,  als  die  neue  russische  Generalstabskarte 
(Karte  XX)  angiebt.  Dieser  selbständige  Gebirgszug  des  Tschul-tau,  der  in 
seiner  Fortsetzung  auch  weiter  nach  Westen  reicht,  begrenzt  im  Süden  das  breite, 
vom  Musart-Fluss  und  seinen  Tributären  durchflossene  Längsthal,  dessen  Nord- 
rand an  die  eigentlichen  Thien-schan-Berge  (hier  Chalük-tau  genannt)  angfrenzt 
Die  Strasse  wählt  zu  ihrem  Uebergänge  die  niederste  Stelle  zwischen  Topa- 
dawan  und  Tschul-tau,  wo  wenigstens  auf  der  Nordseite  der  Gebirgscharakter 
des  letzteren  kaum  hervortritt;  die  geologische  Beschaffenheit  ist  aber  dieselbe 
wie  in  dem  ersten  Querthal  südlich  von  Tuga-rakdan.  Nur  hat  hier  das  Thal 
nicht  den  schluchtartigen  Charakter,  und  die  Felsenbildungen  entbehren  der  Gross- 
artigkeit, welche  das  andere  Thal  auszeichnete.  Gegen  das  nördliche  Ende  der 
Schlucht  hin  mehren  sich  auch  immer  mehr  die  lockeren  Kies-  und  Schotter- 
anhäufungen, welche  schon  ihrer  Natur  nach  schroffe  Formen  nicht  erzeugen 
können.  Diese  Kiesmassen  vermitteln  den  Uebergang  in  das  nördlich  sich 
anschliessende,  wasserreiche  und  stark  besiedelte,  fast  ebene  Gebiet,  welches 
vom  Musart-Flusse  durchströmt  wird  und  ausserdem  noch  eine  Reihe  von  Ab- 
flüssen des  Topa-dawan  und  nördlicher  gelegener  Vorberge  des  Thien-schan 
enthält.  Nur  an  manchen  Stellen  verursachen  die  mächtigen  Schotteranhäufungen 
dieser  Flüsse  absolute  Sterilität  und  Wüstenbildung;  meist  liegt  aber  noch  eine 
Lehmschicht  über  dem  Kies,  welche  Anbau  von  Feldfrüchten  ermöglicht.  Der 
grosse  Wasserreichtum  hat  auf  der  andern  Seite  zur  Folge,  dass  ausgedehnte 
Gebiete  ganz  versumpft  und  mit  Schilf  bewachsen  sind. 

Der  schlechte  Zustand  der  künstlich  angelegten  Bewässerungskanäle  führt 
häufig  das  Wasser  direkt  auf  die  stark  ausgefahrenen  Strassen,  deren  Niveau  oft 
viel  tiefer  als  das  des  umgebenden  Landes  und  der  Kanäle  ist,  so  dass  sie  leicht 
unter  Wasser  gesetzt  werden.  Welch  abscheulichen,  schlüpfrigen  und  klebrigen 
Schmutz  die  durchweichten  Lehme  hervorzubringen  vermögen,  davon  kann 
man  sich  nur  dann  einen  richtigen  Begriff  machen,  wenn  man  Tage  lang 
im  Schritt  auf  unsicher  tretendem  Pferde  solche  Strassenstrecken,  die  nur  in 
China  möglich  sind,  durchritten  hat.  Ein  Ausweichen  nach  den  Seiten  auf  die 
Felder  ist  ganz  ausgeschlossen,  weil  auch  diese  meist  unter  Wasser  stehen 
und  noch  grundloser  sind  als  die  Strasse  selbst.  Wie  muss  es  hier  erst  ein 
bis  zwei  Monate  später  aussehen,  wenn  die  Flüsse  durch  das  Schneewasser  der 
Thien-schan-Berge  alle  hoch  angeschwollen  sind! 


-     r34     — 

Die  Bevölkerung  plätschert  indessen  vei^ügt  und  unverdrossen  zu  Pferd, 
Ochs  oder  Esel  in  diesem  Schlamm,  in  den  die  Tiere  tief  einsinken,  henim 
und  scheint  damit  ganz  zufrieden  oder  wenigstens  daran  gewohnt  zu  sein,  denn 
zu  einer  Abhilfe  geschieht  nicht  das  geringste. 

Ungefähr  anderthalb  Tage  dauert  der  Ritt  durch  diese  grundlosen  Wege, 
weniger  der  direkten  Entfernung  als  der  langsamen  Fortbewegung  wegen,  und 
wenn  man  die  Stadt  Bai  erreicht  hat,  ist  es  dort  keineswegs  besser.  Der  Zu- 
stand der  Strassen  auf  dem  dortigen  Bazar  steht  in  nichts  dem  der  Landwege 
nach  und  als  wir  an  einem  Freitage,  dem  Hauptmarkttage,  dort  einritten,  drängte 


Oute  Sai-liaD[^.  westlich  von  Bai. 

sich  noch  dazu  eine  zahlreiche  Landbevölkerung  in  dem  Schmut«  herum.  Der 
Bazar  besteht  hier  aus  einer  langgestreckten  Strasse,  die  beiderseits  von  nach 
vorne  offenen,  überdeckten  Galerien  ohne  alle  Abteilungen  eingefasst  ist  Hief 
sucht  sich  ein  jeder  seinen  Platz,  wo  er  mag,  breitet  seine  Waren  aus,  so 
gut  er  kann,  und  wartet  der  Käufer,  Nur  an  manchen  Stellen,  wo  frisch  gc- 
backenes  Brot,  Fleischpastetchen,  der  beliebte  Piläw  und  andere  warme  Lebens- 
mittel feilgehalten  werden,  sind  einfache  gemauerte  Herde  oder  üefen  vorhanden. 
Wenn  nicht  e^;entlicher  Bazartag,  d.  h.  Freitag,  ist,  stehen  diese  Hallen  öde 
und  verlassen,  und  auch  in  der  Strasse  ist  nur  wenig  Verkehr.  Die  Einkäufe 
werden  dann  auf  einem  andern,  kleineren,  sich  anschliessenden  Bazare  besorg, 
der  aber  aus  einzelnen  Buden  und  Magazinen  besteht.  Diese  sind  von  g^ni 
derselben  Art,    wie   man  sie   auch   sonst  in  den  sartischen  Städten  findet,   <ii<^ 


—     135     — 

enthalten   dieselben  einheimischen  oder  nissischen  Produkte.    Die  chinesischen 
Läden  sind  klein,  und  es  sind  ihrer  verhältnismässig  sehr  wenig. 

Die  Lage  der  nur  aus  einstöckigen  Lehmhäusern  bestehenden  Stadt, 
inmitten  der  grossen  fruchtbaren  Niederungen,  auf  den  erhöhten  Lehmufern  eines 
kleinen  Flusses,  bietet  schöne  Ausblicke  auf  den  schneebedeckten  Thien-schan 
im  Norden  und  den  Tschul-tau  im  Süden;  im  Sommer  dürfte  aber  die 
Hitze  recht  bedeutend  werden  und  der  mit  Feuchtigkeit  durchsetzte  Boden 
und  die  vielen  stagnierenden  Gewässer  Fieber  und  andere  Krankheiten  erregende 
Miasmen  erzeugen. 


Auffallend  viel  verbreitet  ist  hier  wie  auch  in  Ak-su  der  Kropf,  der 
in  mehreren  und  bedeutenden  Exemplaren  an  einem  und  demselben  Indi- 
viduum vorkommt;  übrigens  tritt  er  auch  in  Kaschgar,  Jarkand  und  überhaupt 
in  diesem  Oasengürtel  um  das  westliche  und  nördliche  Tarimgebiet  häufig  auf. 

Die  ausgedehnten,  sumpfigen  und  ganz  mit  Wasser  bedeckten  Stellen, 
welche  schon  im  Westen  der  Stadt  Bai  das  Reisen  erschweren,  sind  auch  weiter- 
hin neben  und  auf  der  Strasse  nach  Kutscha  nicht  selten;  zugleich  sorgte  das 
Mitte  März  regnerische  Wetter  für  die  nötige  Feuchtigkeit  von  oben,  die  bei 
der  niederen  Temperatur  hier  noch  zuweilen  die  Form  eines  leichten  Schnee- 
falls annahm.  Es  gab  Stellen,  wo  man  die  eigentliche  Strasse  verlassen  und 
einen  kilometerweiten  Umweg  quer  durch  Felder  über  Bewässerungskanäle 
und   Dämme    nehmen  musste;  in  den  Boden  gesteckte  Stangen  mit  Strohwischen 


-      136     - 

bezeichneten  die  einzuschlagende  Richtung;  doch  war  dieser  Weg  nur  für  Reiter 
oder  Fussgänger  passierbar;  die  Wagen  mussten  sehen  wie  sie  weiter  kamen. 
Die  feuchte  Luft  gestattete  nur  zeitweise  einen  Ausblick  auf  eine  Gebirgskette, 
welche  in  nicht  allzu  grosser  Entfernung  von  der  Strasse  im  Süden  dicscib« 
in  ostwestlicher  Richtung  begleitet  und  auf  der  Karte  nicht  angegeben  ist;  die 
weiter  im  Norden  gelegenen  Höhen  des  Thien-scban  blieben  überhaupt  un- 
sichtbar. Längs  des  Weges  gab  es  ausser  der  grossen  Totenstätte  von  Tuia- 
masar  nur  wenig  Bemerkenswertes. 

Zwischen  Bai   und  Aral   ist    eine  grosse    Menge    von   alten    Gräbern    und 
zahlreiche  kleinere  Grabkapellen    um   eine   zentral  gelegene   Moschee   angelegt; 


in  dem  mit  niederer  Mauer  umgebenen  Hofe  steht  eine  ungewöhnlich  grosse 
Zahl  von  Tugh-Stangen  mit  oben  befestigten  Rossschweifen,  und  es  liegen  zahl- 
reiche Hörner  von  Bergziegen  als  Widmungen  aufgestapelt.  Mit  Ausnahme 
dieses  Hauptgebäudes  macht  alles  den  Eindruck  grösster  Verwahrlosung,  der 
sich  hier  zu  Lande  so  häu6g,   und  nicht  nur  auf  älteren  Grabstatten,  wiederholt- 

Auch  bei  Sairam,  einem  kleinen  Flecken  weiter  östlich,  liegen  auf  erhöh- 
tem Flussufer  die  Ruinen  eines  solchen  Grabmahls,  deren  Grösse  in  gar  keinem 
Verhältnis  zu  derjenigen  des  kleinen  Ortes  steht.  Offenbar  hat  man  an  diesen 
heiligen  Stätten   die  Toten   aus  einem  grösseren  Umkreise  zusammen  bestattet 

»Auf  Regen  folgt  Sonnenschein«,  und  so  wurden  auch  wir  eines  Morgens 
beim  Aufbruche  aus  Küsül  für  das  während  der  letzten  Tage  herrscheode 
Unwetter  durch  den  klaren  Ausblick  auf  den  herrlich  im  Schneeschmuck 
prangenden   Thienschan  reichlich   entschädigt     Auch  das  viel  niedrigere,  sixt 


—     137     — 

nähere  Gebirge  im  Süden  trat  in  seinen  scharf  markierten,  wild-zackigen, 
felsigen  Umrissen  deutlich  hervor.  Der  Weg  führte  über  trockenen  Kiesboden 
in  dem  breiten  Längsthaie,  das  die  beiden  Gebirgsketten  verbindet  und  vom 
Küsül-3U-Flusse  quer  zu  seiner  Längsrichtung  durchflössen  wird.  Den  schön- 
sten Blick  bietet  die  hoch  gelegene  Station  Rabat  Dawan,  von  wo  sich 
der  Weg  bis  Kutscha  nach  Südosten  wendet  und  noch  das  schroff  ansteigende 
südliche  Gebirge,  das  die  Einheimischen  iGebirge  von  Kutscha«  nennen,  in 
einer  grossartigen  Querschlucht  durchkreuzt.  Diese  Schlucht  entbehrt  heute 
ganz  des  Wassers  oder  eines  grösseren  fliessenden  Gewässers,  obwohl  sie  dereinst 


Ruineo  und  GrabetfitteD  bei  Sairam.  Sstllch  von  Bai. 

durch  ein  solches  gebildet  worden  sein  muss,  und  es  wiederholen  sich  hier  noch 
einmal  alle  die  schönen  Felsgebilde,  die  hohen  Säulen  und  die  jähen  Abstürze, 
die  zierlichen  Produkte  der  Verwitterung  und  des  Windes,  die  in  den  ähnlichen 
Querthälern  bei  Dschui^  und  Tuga-rakdan  ebenso  das  Auge  erfreut,  wie  das 
wissenschaftliche  Interesse  erregt  haben.  Inmitten  der  Felswildnis,  am  Eingang 
zum  engsten  und  von  den  höchsten  Bergen  überragten  Teile  der  Schlucht,* 
li^t  eine  kleine  Station,  Rabat  Kurgak,  die  in  der  gänzlich  vegetationslosen, 
hier  etwas  breiteren  Thalfläche  angelegt  ist. 

Es  war  Abend  geworden,  als  ich  endhch  nach  vielen  Aufenthalten,  welche  die 
'  wechselnden  geologischen  Verhältnisse  und  die  verschiedenen  Gesteine  verur- 
sachten, am  südlichen  Ausgange  des  etwa  vier  Kilometer  langen,  mehrfach 
gewundenen  Durchbruchthales  ankam.    Schon  blinkten   die  Sterne   am   Himmel 


-     .38    - 

und  ein  mahnendes  Wort  meines  Begleiters  trieb  zur  Eile,  da  wir  befurchten 
mussten,  dass  man  die  Thore  der  Stadt  Kutscha  schliessen  und  uns  den  Eintritt 
nach  Einbruch  der  Nacht  versagen  würde.  Und  die  Stadt  war  noch  weit. 
50  Kilometer  hatten  die  Pferde  an  diesem  Tage  schon  hinter  sich,  und  nun 
mussten  sie  noch  in  scharfem  Trabe  fast  zwei  Stunden  Weges  zuriicklcgen.  Zum 
Glück  war  hier  in  der  Kicssteppe  der  Weg  gut;  als  wir  aber  in  die  Nähe  der 
Sudt  kamen,  häuften  sich  Pfützen  und  durchweichte  Stellen,  Bewässerungs- 
gräben zogen  über  die  Strasse,  und  die  Aeste  der  Bäume  sowie  des  stacheligen 
hohen  Strauchwerkes  hingen  von  beiden  Seiten  tief  herab. 


Station  Kurgak.  Dordweitllch  tod  Kuuclm. 

Es  war  auch  schon  so  dunkel  geworden,  dass  man  auf  dem  nassen  Erd- 
reich nichts  mehr  unterscheiden  konnte  und  es  dem  Pferde  überlassen  musste, 
seinen  Weg  zu  suchen,  was  nicht  ohne  vieles  Stolpern,  Ausgleiten  und  nur 
langsam  vor  sich  ging.  Mein  sartisch  sprechender  Begleiter  war  mit  den  übri- 
gen Kosaken  bei  den  wissenschaftlichen  Apparaten  weit  zunick  geblieben, 
während  die  andern  Mitglieder  der  Expedition,  die  sich  in  der  Schlucht  nicht 
«o  lange  aufgehalten  hatten,  schon  längst  in  der  Stadt  sein  mussten,  und  ich 
selbst  wäre  wohl  kaum  mit  meinem  Kosaken  in  dieser  Nacht  noch  ins  Quartier 
gelangt,  wenn  mir  nicht  ein  Führer  aus  Kutscha  entgegengekommen  wäre- 
Dieser  war  der  russische  Aksakal  in  Kutscha,  der  es  sich  nicht  hatte  nehmen 
lassen,  uns  entgegen  zu  reiten  und  uns  nunmehr  persönlich  durch  die  engen 
Strassen  der  sartischen  Stadt  in  der  fast  absoluten  Dunkelheit  zu  unserem  Kara- 
wanserai  zu  geleiten. 


-      139     — 

Dieser  nächtliche  Ritt  durch  die  engen,  winkligen,  schmutzstarrenden  Gassen 
ohne  jede  Beleuchtung  wird  mir  unvergesslich  bleiben.  Platsch,  platsch, 
platsch  —  ging  es  unter  den  Hufen  der  Pferde,  die  Mühe  hatten,  sich  auf  dem 
schmierig-glatten  Boden  aufrecht  zu  halten.  Ganze  Seen  hier,  Wassergräben, 
Buschwerk  oder  niedrige,  vorspringende  Dächer  und  Aushängebalken  dort, 
wurden  in  der  Dunkelheit  gefährlich;  begegnende  Reiter  konnte  man  erst 
unterscheiden,  wenn  sie  schon  halb  vorbei  waren,  und  in  dem  gedeckten,  um 
diese  Abendstunden  ganz  leer  stehenden  Bazare  erkannte  man  die  Richtung  nur 
an  dem  fahlen  Schein  des  Himmels.  So  ging  es  über  eine  halbe  Stunde  lang 
bergauf,  bergab,  um  Ecken  und  über  Brücken,  an  einem  kleinen  Markt  vorbei, 
auf  welchem  die  Verkäufer  noch  bei  Papierwindlichtern  am  Boden  sassen,  und 
endlich  in  erleuchtete,  bessere,  wenn  auch  noch  immer  mit  unergründlichem 
Schlamme  bedeckte  Bazar-Strassen,  bis  wir  zuletzt  unser  Quartier  erreichten  und 
uns  noch  glücklich  schätzen  mussten,  ohne  Unfall  mit  unsern  ermüdeten 
Pferden    durchgekommen  zu  sein. 

Der  erste  Eindruck  von  der  Stadt  war  also  der  eines  fast  unglaublichen 
Schmutzes  auf  den  Strassen  und  sogar  in  den  überdeckten  Bazaren,  wie  er  uns 
noch  in  keiner  Stadt  vorgekommen  war,  obwohl  man  nach  dieser  Richtung  hin 
in  den  sartischen  Städten  diesseits  und  jenseits  des  Alaigebirges  Manches  sehen  kann. 
Dieser  erste  Eindruck  wich  auch  nicht,  als  wir  am  folgenden  Tage  unsern  Besuch 
beim  Amban  abstatteten.  Wir  wurden  indessen  in  aussergewöhnlich  liebenswürdiger 
Weise  aufgenommen.  Wie  immer  begleitete  uns  auf  dem  Wege  eine  neugierige, 
gaffende  Menge,  die  von  drei  Polizisten  nur  mit  Mühe  zurückgedrängt  werden 
konnte.     Beim  Einreiten  in   den  Hof  des  Yamens  krachten  Böllerschüsse. 

Der  Amban  entliess  uns  erst,  als  wir  seinen  speziellen  chinesischen 
Süssigkeiten,  die  er  uns  zu  Ehren  auftragen  Hess,  zugesprochen  hatten,  und 
erwiderte  unsern  Besuch  gleich  eine  Stunde  später.  Da  er  nach  photographischen 
Bildern  gefragt  hatte,  sandten  wir  ihm  als  Gegengabe  fiir  seine  Geschenke  — 
zwei  Hammel,  Reis  und  reichliches  Futter  für  unsere  Pferde  —  ein  schönes 
Stereoskop,  zu  dem  wir  eine  Anzahl  passender  Bilder:  Mondscheinlandschaften 
von  Indien,  Felsengebirge  Nordamerikas,  japanische  Zauberfeste  und  einige 
Damen  vom  Ballett,  ausgesucht  hatten;  auch  egyptische  Zigaretten,  die  seinen 
Beifall  beim  Besuche  gefunden  hatten,  waren  unter  der  Gegengabe,  die  offenbar 
seine  lebhafte  Freude  erregt  haben  muss.  Denn  obgleich  wir  ablehnten,  sandte 
er  zwei  Leute  mit  uns  bis  an  die  Grenze  seines  Bezirkes,  die  uns  überall  auf 
den  Stationen  Quartier  reservierten  und  dasselbe  mit  grossen  Teppichen  und 
Decken  so  bequem  als  möglich  herrichteten. 

Auch  mir,  der  ich  von  Kutscha  aus  einen  geologischen  Ausflug  nach  ver- 
schiedenen Gruben  unternehmen  wollte,  in  denen  Erdpech,  Asphalt  und 
Kupfererze  gewonnen  werden,  stellte  er  einen  wegkundigen  Mann  als  Führer 
und  Hess  am  Wege  in  den  Dörfern  Thee  und  Erfrischungen,  sowie  in  einem 
kleinen  Gehöfte  ein  Zimmer  in  einer  Hütte  zum  Uebernachten  vorbereiten. 


—     MO     — 

Es  war  somit  alles  aufs  beste  geordnet,  und  a)s  ich  mittags  3 '  t  Uhr  mit 
einem  ,  Kosaken,  einem  sartisctien  Diener  und  dem  Führer  ausritt,  ahnte  ich 
nicht,  dass  ich  Erdpech  genug,  aber  in  anderer  als  der  erwarteten  Form  findn 
sollte.  Zunächst  ging  alles  sehr  schön;  wir  erreichten  in  drei  Stunden  in  nord- 
nordöstlicher Richtung  von  der  Stadt  aus  den  Ausgangspunkt  eines  eogen 
Querthaies  durch  das  Kutscha-Gebif^e  und  eine  halbe  Stunde  später  das 
Nachtquartier  Subasche,  einige  kleine  Hütten  direkt  vor  dem  Eingang  in  <be 
enge  Schlucht.  Schon  vorher,  bei  der  Thalausmündung,  kamen  wir  an  Ruinea 
einer  befestigten  alten  Stadt  Assar  vorbei,  von  der  noch  einige  Bauwerke 
von  mächtigen  Dimensionen  und  starken  Mauern  der  Zerstörung  getrotzt  haben. 


RuincD  voD  AsB.ir,  oorclöstlich  Ton  Kuttchn. 

Diese  Bauten  sind  viel  gewaltiger,  als  irgend  welches  Bauwerk  aus  neuerer 
Zeit  in  diesem  Teile  Kaschgariens;  ich  vermochte  aber  nichts  über  die  Geschichte 
Jener  Stadt  und  die  Bedeutung  der  Bauwerke,  von  denen  das  Besterhaltene  noch 
am  ehesten  eine  Moschee  gewesen  sein  könnte,  in  Erfahrung  zu  bringen.  Auch 
auf  den  Höhen  des  gegenüber  liegenden,  etwa  ein  Kilometer  entfernten  Fluss- 
ufers  lagen  zerfallene  Reste  von  grossen  baulichen  Anlagen. 

Im  Nachtquartier  wurde  es  bald  gemütlich;  der  Abend  war  mild,  und  det 
schöne  Ausblick  auf  die  wilden  Formen  des  Thals  und  die  von  der  Abend- 
sonne beleuchteten  Gipfel  hielten  mich  noch  lange  im  Freien. 

Nach  dem  Abendessen  gab  es  noch  eine  kleine,  artige  Ucberraschung.  H^ 
kamen  zwei  Saitenspieler  mit  ihren  Instrumenten,   hockten   sich  auf  den  Boden 


—     141     — 

in  einer  Ecke  nieder  und  fingen  an  zu  musizieren,  wobei  sie  die  eintönigen,  abge- 
rissenen Weisen  mit  lautem  Gesänge  begleiteten.  Ich  lag  dabei  behaglich  auf 
einer  Decke,  gestützt  auf  eine  grosse  Schlummerrolle,  und  verglich  im  Geiste, 
während  ich  den  Ringen  meiner  Zigarette  nachsah,  dieses  lärmende  Geräusch 
mit  unsern  schönen  deutschen  Volksliedern,  als  aus  einem  Nebenzimmer  ein 
kleiner  Junge  hereingeschoben  wurde,  der  dann  zu  tanzen  begann.  Ein  Tanz 
aus  schreitenden  und  wiegenden  Bewegungen  des  Körpers,  begleitet  von  leichtem 
Schwenken  der  Arme.  Der  Junge  war  vielleicht  zehn  Jahre  alt  und  hatte  ein 
bildhübsches,  etwas  mädchenhaftes  Gesicht;  während  des  Tanzes  hielt  er  die 
Augen  scheu,  fast  zaghaft  zu  Boden  geheftet,  was  bekanntlich  bei  den  Tänzen 
der  Badschis  sonst  nicht  immer  der  Fall  ist;  übrigens  war  er  hier  nicht  als 
Badschi,  sondern  er  war  der  Sohn  einer  der  beiden  Musikanten  und  Sänger. 
Hier  sah  der  Tanz  ganz  anders  aus  als  bei  den  berufsmässigen  Badschis  in 
Samarkand,  wo  er  durch  die  wilde  Art  des  Vortrages  und  die  Gesten  der  schon 
zum  Teil  ganz  erwachsenen  Knaben  etwas  abstossendes  hatte. 

Früh  am  Morgen  zogen  wir  bei  herrlichem  Wetter  das  enge  Felsenthal 
hinauf,  durch  das  Kutscha-Gebirge,  das  die  prächtigsten  Landschaftsbilder  gewährt. 
Der  Weg  ist  nur  ein  Saumpfad  und  an  vielen  Stellen  künstlich  dem  hart  an 
das  tosende  Wasser  herantretenden  Fels  abgerungen.  Von  den  hohen  senk- 
rechten Abstürzen  der  Wände  sind  an  vielen  Punkten  mächtige  Felsmassen  herab- 
gerutscht, die  das  enge  Thal  sperren,  so  dass  sich  der  Weg  mühsam  zwischen 
grossen  Felstrümmern  durchfinden  muss,  die  der  Fluss  schäumend  und  tosend 
überwindet   [s.  Tafel  DC]. 

Tritt  man  nach  anderthalbstündigem  Ritte  aus  dem  Dunkel  der  engen 
Schlucht  in  die  nördUche  Weitung  derselben  ein,  so  bietet  sich  plötzlich  und 
unverhofft  ein  herrlicher  Blick  auf  den  hohen  Thien-schan  und  seine  Schnee- 
gipfel im  Hintergrunde.  In  langer  Kette,  soweit  der  nördliche  Horizont  reicht, 
liegen  sie  an  einander  gereiht  da,  die  stolzen,  hohen,  namenlosen  Zinnen  und 
Spitzen,  noch  alle  der  genaueren  Erforschung  harrend.  Weit  unter  ihrer  Höhe 
ziehen  sich  lange  Wolkenschwaden  an  den  felsigen  Abhängen  hin  und  lassen 
erst  die  wahre  Höhe  jener  sie  weit  überragenden  Bergriesen  erkennen. 

Der  Fluss,  Kungei-kok-su,  dessen  Thal  wir  gefolgt  waren,  tritt  in  breitem 
Ausgange  aus  dem  Hauptgebirge  hervor,  ehe  er  sich  in  die  von  uns  zurück- 
gelegte Engschlucht  in  der  Vorkette,  dem  Kutschagebirge,  begiebt  und  unser 
Weg  sollte  ihn  auch  weiter  begleiten.  Vorher  aber  gab  es  noch  einen  Früh- 
stücksaufenthalt in  einem  kleinen  Gebirgfsorte. 

Hier  wurde  mir  die  wenig  erfreuliche  Mitteilung  gemacht,  dass  der  Weg 
zu  den  Kupfergruben  zu  weit  sei,  als  dass  es  möglich  wäre,  am  Abend  wieder 
in  Kutscha  zurück  zu  sein;  dass  der  andere  Weg  zu  dem  Erdöl  wohl  kürzer, 
aber  sehr  schlecht  sei,  und  dass  an  Ort  und  Stelle  so  viel  Schnee  Uege,  dass 
nichts  zu  sehen  sein  würde.  Das  letztere  schien  glaublich,  weil  in  der  That  in 
den  Thälern  der  Nordseite    noch  viel  Neuschnee    aufgehäuft    war,    das    erstere 


—       142       — 

hielt  ich  aber  Tür  eine  Finte  der  Chinesen,  die  ihre  Bei^:werke  Fremden  nicht 
gerne  zeigen.  So  erklärte  ich  denn  doch,  das  Kupferber^rwerk  besuchen  lu 
wollen,  wenn  die  Zeit  reiche,  jedenfalls  aber  einstweilen  ohne  Verzug  auf  dem 
Wege  dahin  vorwärts  reiten  zu  wollen.  Mit  meinen  Leuten,  dem  Führer  and 
dem  Aeltesten  des  Ortes,  der  vom  Amban  in  Kutscha  beauftragt,  sich  mit  noch 
einigen  Reitern  anschloss,  ging  es  dann  in  raschem  Tempo  am  Flusse  aufwärts 
bis  mittags  J2  Uhr.  Dies  war  der  äusserste  Zeitpunkt  zum  Umkehren,  wenn 
man  am  Abende  wieder  in  Kutscha  sein  sollte;  da  aber  die  Berge,  an  welchen 
die  Grube  liegen  sollte,  wiewohl  schon  sichtbar,  noch  über  zwei  Stunden  Wego 


entfernt  lagen,  musste  ich  mich  notgedrungen  zur  Umkehr  entschliessen,  da  der 
Abmarsch  unserer  Karawane  auf  den  andern  Morgen  früh  6  Uhr  festgesetzt  war. 

Ohne  weiteren  Aufenthalt  wurde  der  Rückweg  wieder  durch  dieselbe  Eng- 
schlucht angetreten  und  mittags  4  Uhr  in  unserm  letzten  Nachtquartier  Subasche 
noch  ein  kleiner  Aufenthalt  benutzt,  um  die  sehr  wenig  scheuen  Frauen  d« 
kleinen  Ortes  photographisch  aufzunehmen. 

Meine  Leute  ritten,  zur  Schonung  des  photographischen  und  der  wissen- 
schafthchen  Apparate,  langsam;  ich  aber  mit  einem  alten  Sarten,  der  unser  Führer 
war,  schneller  voraus  und  hoffte  bis  um  7  Uhr  in  Kutscha  angekommen  zu  sein. 

Als  wir  die  Kieswüste  verliessen  und  in  das  bebaute  Land  mit  allen  seinen 
Winkelwegen,  Kanälen,  Dämmen  und  vor  allem  dem  dichten  Baum-  und  Strauch- 
werk einrittcn,  war  die  Dämmerung  schon  vorüber  und  elfte  mondscheinlosc 
Nacht  eingetreten.  Kaum  sah  ich  noch  den  Führer,  das  sehr  ermüdete  Pfe"^> 
welches  seit  6  Uhr  morgens  ununterbrochen,  ohne  Futter,  auf  den  Beinen  wa''' 


—     143     — 

bedurfte  fortwährend  energischen  Aufmunterns,  und  nachdem  wir  so  eine  halbe 
Stunde  geritten  waren,  bemerkte  ich,  dass  mein  Alter  offenbar  den  Weg  verloren 
hatte.  Die  Richtung  wechselte  beständig  und  er  sprach  auch  verschiedene  uns 
in  der  Dunkelheit  begegnende  Personen  an.  Da  er  kein  Russisch  verstand, 
konnte  ich  gar  nichts  von  ihm  erfahren  und  musste  ihm  eben  auf  gut  Glück 
folgen,  wohin  er  wollte. 

Aus  einem  Gehöfte  am  Wege  holte  er  sich  einen  jungen  Menschen  heraus, 
der  auf  einem  Pferde  uns  den  Weg  zeigen,  beziehungsweise  uns  auf  den  rechten 
Weg  zurückführen  sollte.  Der  bisherige  Weg  wurde  verlassen;  es  ging  direkt 
auf  die  ganz  durchnässten  Aecker,  deren  Lehmboden  den  Pferden  das  Fort- 
kommen sehr  erschwerte;  in  immerhin  raschem  Tempo  wurden,  trotz  der 
grossen  Dunkelheit,  Felder,  Dämme,  Wassergräben  durchritten,  so  dass  ich  die 
Geschicklichkeit  bewundern  musste,  mit  welcher  die  Pferde  diese  Hindernisse 
überwanden.  Mehrfach  noch  wurde  die  Richtung  gewechselt,  zuletzt  folgten 
wir  einem  Bache  oder  Bewässerungskanäle,  indem  wir  teils  in  ihm,  teils  auf  seinen 
sumpfigen,  ganz  durchweichten  Ufern  ritten.  Endlich  sahen  wir  Lichter  auf- 
tauchen und  waren  in  dem  am  tiefsten  gelegenen  Stadtviertel,  wo  sich  die 
Mühlen  befinden,  ohne  Unfall  angelangt,  damit  aber  noch  lange  nicht  auf 
das  Trockene  gekommen.  Es  wiederholten  sich  nun,  wenn  das  überhaupt 
möglich  ist,  in  noch  ausgedehnterem  Masse  noch  einmal  all  der  Sumpf 
und  Schmutz,  das  Wasser  und  die  Löcher,  die  wir  abermals  ohne  alle 
Beleuchtung  zu  passieren  hatten.  Da  ich  meinen  Begleiter  absolut  nicht  verstand, 
war  ich  nicht  einmal  sicher,  dass  er  mich  in  das  richtige  Quartier  führte,  zumal 
in  der  Dunkelheit  nichts  zu  erkennen  war  und  alle  die  Lehmbauten  ganz  gleich- 
förmig aussehen.  Erst  nach  8  Uhr  abends  schlössen  sich  die  Thore  unseres 
Karawanserai  hinter  uns,  die  wir  zum  dritten  Male  den  Eindruck  gewonnen 
hatten,  dass  Kutscha  eine  der  schmutzigsten  Städte  Asiens  ist. 

Das  liegt  zum  grössten  Teil  an  den  natürlichen  Verhältnissen,  dem  lehmigen 
Boden,  den  vielen  Bewässerungskanälen  und  der  relativ  niedrigen  Lage  der  Stadt, 
zum  Teile  aber  jedenfalls  auch  an  der  Apathie  der  Bevölkerung,  die  nichts 
thut,  was  zur  Abhilfe  dienen  könnte.  Und  doch  ist  die  Stadt  ein  wichtiger  Platz, 
nicht  nur  für  den  Verkehr  mit  Russland,  sondern  namentlich  auch  für  die  engere 
und  weitere  Umgebung,  wie  wir  bei  unserm  Ausmarsche  zu  beobachten  Ge- 
legenheit hatten.  Von  allen  Seiten,  auf  allen  Wegen  strömte  das  Landvolk  in 
ununterbrochenen  Zügen  die  Strassen  füllend,  zur  Stadt,  um  seine  Erzeugnisse  zu 
Markt  zu  bringen.  Die  Leute  sahen  sauber  und  frisch  aus,  wie  sie  auf  Eseln, 
Ochsen  oder  Pferden  flott  daher  ritten;  auch  viele  Frauen  trabten  so  zu  Markte 
und  hatten  kleine  Kinder  vor  und  hinter  sich  auf  dem  Pferde;  eine  Hess  sich 
sogar  im  Stillen  ihres  Kleinen  durch  die  muntere  Gangart  des  Pferdes  durchaus 
nicht  stören.  Bettler  an  allen  Strassenkreuzungen,  in  Lumpen  gehüllte  Derwische, 
die  singend  oder  heulend  eine  Gabe  erflehen,  vervollständigen  das  Bild,  welches 
die  Vorstadt  eines  grösseren  Ortes  an  solchen  Markttagen  bietet. 


—      144     — 

Unter  den  Bewohnern  Kutschas  und  der  benachbarten  Oasen,  die  zwat 
klein,  aber  auch  sehr  Truchtbar  sind,  befinden  sich  nach  Bell  ausser  Kaschgaricni 
(3050  in  der  Stadt),  auch  Dunganen  (1200)  und  nur  in  geringer  Zahl  sind 
Chinesen  vertreten. 

Schon  unweit  von  der  Stadt  beginnen  aber  wieder  die  grossen  monotonen, 
mit  Riedgras  und  Schilf  bewachsenen  Flächen,  in  denen  nur  zerstreute  und  weit 
auseinander  liegende  trockenere  Stellen  kultiviert  unc 
sich    gegen    den  Gebii^sfuss  ausgedehnte,   jeder  \'^ 
und  Schotterflächen  hinziehen. 

Der  Zustand  der  Wege  übertraf  alles  schon  d 
schied  zwischen  Morast  und  Weg  hörte  hier  überl 
blieben  stecken,  ein  Pferd  lag  direkt  auf  dem  L«Im 
der  zäh-lehmigen  Schmutz-  und  Schlammmasse,  unc 
Räder  der  Arben,  mit  Schaufeln  ausgegraben  werd< 
schweren  Wagen  war  hier  überhaupt  nur  dadurch  m< 
andern  beiden  Arben  vor  die  dritte  gespannt  un< 
Sumpf  gezogen  wurde;  in  gleicher  Weise  folgten 
Zustand  der  Wege  schien  selbst  den  Chinesen  zu  ar 
an  verschiedenen  Stellen  konnte  man  sie  mit  Ausbes 
sehen,  aber  in  einer  Weise,  dass  einem  deutschen 
dem  Anblick  die  Haare  zu  Berge  stehen  würden.  D 
so  tief  eingefahren  sind,  dass  die  über  l  m  hohen  A( 
Boden  hängen  bleiben,  werden  Büschel  von  langem 
man  in  der  Umgebung  schneidet,  quer  über  die  eii 
und  oben  mit  Lehm  oder  Strassenschmutz  zugedecl 
unebene,  aber  doch  anscheinend  gleichmässige  Strass< 
Das  dauert  natürlich  nur  so  lange  bis  der  erste  da 
Grasbündel  und  den  Lehm  wieder  in  die  Vertiefungci 
gedrückt  hat,  und  die  folgenden  Wagen  stellen  ii 
Zustand  wieder  her.  Wenn  das  in  den  Radgelei: 
dunstet,  bildet  sich  an  der  Oberfläche  eine  trockcr 
alles  feucht  und  morastig  bleibt  und  die  kaum  das  C 
tragen  vermag.  Durch  das  Verdunsten  der  stark  salz! 
sieren  zuweilen  direkt  auf  der  Strasse  sehr  schöne  Kr 
salz)  aus,  deren  glänzende  Flächen  das  Licht  der 
wiederspiegeln.  Trotz  des  grossen  Wasserreichtums 
banden,  dass  an  allen  nur  einigermassen  trockenen 
blühungen  den  Boden  bedecken  und  so  weit  das  Ai 
aus  wie  beschneit. 

Der  Lehmboden,  welcher  bei  der  vorhanden« 
Temperatur  sehr  rasch  verwittert,  bringt  neben  ändert 
die  schwefelsauren  Salze  des  Natron  und  der  Magne 


—     145     — 

leicht  löslich  sind  und  an  andern  Orten  vom  fliessenden  Wasser  weggeführt 
werden;  hier  aber,  wo  dieses  fehlt,  beladet  sich  das  stagnierende  Wasser  in 
hohem  Grade  mit  diesen  Salzen  und  an  wasserfreien  Stellen  blühen  sie  an  der 
Oberfläche  aus;  sie  scheinen  den  genügsamen  Steppenpflanzen  nicht  schädlich 
zu  sein,  denn  man  sieht  häufig  die  weiten  Zwischenräume  zwischen  Sträuchern 
und  Büschen  mit  Salzen  überdeckt. 

Es  herrscht  eine  strikte  Gesetzmässigkeit  in  der  Verteilung  von  steriler 
Kiesfläche,  fruchtbarem  Lehmboden  mit  Oasen  und  Ansiedelungen,  sumpfigen, 
für  Kulturzwecke  ungeeigneten  Strecken  und  der  Sandwüste. 

Wo  die  Flüsse  den  Gebirgsabhang  verlassen,  haben  sie  mächtige  Schutt- 
kegel vor  den  Bergen  angehäuft  und  sich  ihres  schweren  Materials  entledigt. 
Diese  Aufschüttungen  bilden  einen  zusammenhängenden  Gürtel  längs  des  Fusses 
der  Berge,  der  ganz  vegetationslos  ist,  wo  sich  nicht  etwas  Lehm  über  dem 
Schotter  abgelagert  hat.  Erst  weiter  draussen  in  der  Ebene,  wo  das  Gefälle 
geringer  wird,  lagern  die  Flüsse  ihre  feineren  Schlammbestandteile  ab,  und  zwar 
vorwiegend  Lehm,  Thon  und  Sande.  In  diesem  Ablagerungsgebiete  hängt  es 
wesentlich  von  der  heutigen  Verteilung,  dem  Zu-  und  Abfluss  des  Wassers 
ab,  ob  kulturfähiges  Land  oder  sumpfige,  wenn  auch  von  reicher  Vegetation 
bestandene  Flächen  entstehen. 

In  noch  grösserer  Entfernung  vom  Gebirgsfusse,  also  ausserhalb  der  Zone 
der  lehmigen  Ablagerungen,  und  im  Süden  derselben,  wo  kein  Wasser  mehr 
hinkommt,  weil  es  entweder  in  den  Kulturgebieten  verbraucht  oder  in  den 
Sümpfen  und  stagnierenden  Wassern  verdunstet  ist,  sind  die  Bedingungen  für 
die  Bildung  der  absoluten,  vegetationslosen  Wüste  gegeben.  Hier,  wo  weder 
Gras  noch  Strauch  die  feinen  Staub-  und  Bodenteile  mehr  festhält,  treibt  der 
Wind  sein  Spiel  und  es  entsteht  die  äusserste  Zone,  die  Sand  wüste,  die 
aber  auch  bei  starken,  konstanten  Windströmungen  ihre  Sandwälle  und  Dünen 
über  bebautes  Land  fortführen,   dieses  zuschütten  und  vernichten  kann. 

So  kämpfen  hier  die  mit  Vegetation  bestandenen  Gebiete  gegen  zweierlei 
Gefahren:  den  Wassermangel  und  die  Sandüberschüttung,  und  es  ist  sehr 
interessant,  am  Südfusse  des  Thien-schan  das  mit  jedem  grösseren  Flusse 
sich  ändernde  Gleichgewichtsverhältnis  zwischen  den  drei  Zonen,  der  Schotter- 
und Kieswüste,  dem  Kulturland  der  Oasen  und  dem  Sandgebiete,  zu 
verfolgen. 

Die  Berge  selbst  sind  am  Südabhange  absolut  kahl  und  vegetationslos.  Aus 
unwirtlichen,  selten  von  Wegen  zugänglich  gemachten  Schluchten  ergiessen  sich 
die  Flüsse  aus  den  Bergen,  und  welche  zerstörenden  Wirkungen  sie  auszuüben 
vermögen,  wenn  im  Gebirge  selbst  einmal  grössere  Regenmassen  gefallen  sind, 
kann  man  an  der  Grösse  der  Rollstücke,  ihrer  wilden  Uebereinanderhäufung 
und  den  zahlreichen  zerstörten  Dämmen  und  Wehren  ermessen,  welche  am  Thal- 
ausgang errichtet  wurden,  um  die  Wildwasser  abzuhalten,  sich  neue  Wege  über 
die  Kiesfläche   zu    suchen    und  in  fruchtbares  Land   verwüstend    einzudringen. 

Futterer,  Durch  Asien.  10 


-     I4S     - 

Die  wild  zerklürieten,  quarzreichen  Gesteine  gewähren  dem  Wasser  raschen  Ab- 
fluss  und  der  Vegetation  keinen  Raum. 

Es  giebt  eine  grosse  Menge  solcher  kleinerer  Thäler,  wie  das  oben  au> 
dem  Gebirge  bei  Ischma,  westlich  von  Kurla,  beschriebene,  deren  Quellgcbiete 
auf  der  ersten  höheren  Bergkette  des  Bugur  ■  tau  liegen,  die  aber  noch  nick 
näher  erforscht  und  auf  Karten  verzeichnet  sind.  Nur  die  grösseren  Thaler, 
welche  die  vorderen,  südlicheren  Ketten  des  Thien-schan  durchbrechen  und  die 
dahinter  liegenden  Gebiete  erschliessen  oder  zu  l'ässen  führen,  welche  die  Vet- 


-     147    — 

durch  F'altung  und  Bruchbildung,  welche  die  letzten  Entstehungsphasen  des 
gewaltigen  Gebirgssystems  des  Thien-schan  bezeichnen.  Die  Gesteine,  welche 
den  Kern  seines  Gefiiges  zusammensetzen,  die  plutonischen  Massen,  die  Gneisse 
und  Schiefer,  die  alten  Sedimente  der  paläozoischen  Perioden  und  der  Trias, 
die  in  den  hohen  zentralen  Ketten  aufgefunden  worden  sind,  nähern  sich  bis  über 
Kutscha  hinaus  nirgends  dem  Rande  der  Ebene,  nur  die  Berge  der  tertiären 
Vorzone  begrenzen  diese  schon  vom  Gebirge  westlich  von  Kaschgar  ab  und  erst 
kurz  vor  Kurlja  tritt  die  hohe,  aus  altem  Gebirge  gebildete  Bergkette  des  Kok- 
teke  -  Gebirges,  die  sich  nach  Osten  im  Kuruk-tau  fortsetzt,  direkt  an  die 
Tarim-Niederung  heran.  Der  Weg  nach  Karaschar  überschreitet  diese  Kette 
und  damit  betreten  wir  ein  neues  Gebiet. 


10* 


KAPITEL  V. 

Der  östliche  Thien-schan. 

Itis  Kurija  liatlc  die  Strasse  weder  für  den  Transport  grosser  Lastwagen, 
noch  für  die  Verpflegung  der  Menschen  und  die  Ernährung  der  Pferde  wesent- 
liche Schwierigkeiten  geboten,  von  kleineren  Stellen  abgesehen,  die  durch 
Ueberschwemmungen  schwer  passierbar  waren.  Mit  dem  Eintritt  zwischen  dif 
Gebirgsketten  des  östlichen  Thien-schan  und  mit  der  Notwendigkeit,  einig* 
der  nach  Ostsüdost  quer  über  den  in  nordöstlicher  Richtung  führenden  ^^'^ 
verlaufenden,  kahlen,  unwirtlichen  Gebirgsketten  zwischen  weiten  Wüstenflächen 
zu  überschreiten,  wuchsen  auch  die  Schwierigkeiten  des  Transportes  und  der  Reise. 

Eine  Andeutung  davon  erhielten  wir  schon  in  Kurija,  als  unser  Karana"^ 
baschi  aus  Kaschgar  sich  weigerte,  weiter  mitzugehen.  Er  kenne  den  Weg  nicht 
genau,  die  Anstrengung  sei  zu  gross  für  seine  Pferde,  es  gäbe  für  diese  kein 
Futter,  und  was  dergleichen  Gründe  mehr  waren,  so  dass  wir  zuerst  meinten. 
er  wolle  nur  einen  höheren  Mietpreis  erpressen.  Ein  solcher  musste  ihm  denn 
auch  zugesagt  werden,  da  es  unmöglich  war,  billigeren  Transport  zu  erhallenl 
aber  die  weitere  Reise  zeigte,  dass  seine  Mehrforderung  nicht  unbegründet  war- 
wenn  auch  wahrscheinlich  seine  Preise  wohl  schon  von  Kaschgar  ab  über  d^ 
sonst  landesübliche  hinausgingen. 

Am  3.  April  verliess  die  Expedition  Kurija  und  folgte  zunächst  der  grosse" 
Strasse,  die  unweit  des  reissenden  Kontschedarja  Flusses  über  Schotterfläche« 
nach  Norden  in  die  Höhe  führt,  bald  aber  in  ein  enges  Felsenthal  eintritt,  hoch 


—     H9    — 

über  dem  Flusse,  der  in  unwegsamem  Felsenbette  weiter  ösdich  fliesst,  einen 
Pass  überschreitet  und  steil  zum  Flusse  hinab  führt,  in  dessen  Thal  es  in  Win- 
dungen  aufwärts  geht,   bis   das  Kok-teke  Gebirge  durchmessen  ist. 

Schon  der  Ausblick  von  dem  kleinen  Passübergange  auf  die  Felsvor- 
sprünge des  Gebirges  ohne  alle  Vegetation,  mit  starren,  wilden  Kamm-  und  Gipfel- 
formen  bot  ein  grossartiges  Schauspiel  trostloser  Felsenwüste.  Längs  des  Durch- 
bruchsthales  des  Flusses  aber  waren  einzelne  mit  Ansiedelungen  und  Bäumen 
besetzte  Erweiterungen  in  dem  sonst  engen  Felsenthal  mit  hohen  steilwandigen 
Seitenabstürzen. 

Vom  höchsten  Punkte  konnte  man  den  im  Nordosten  liegenden  grossen 
See  Bagrasch-kul  nicht  erblicken;  aber  seine  I^age  war  deutlich  an  der  breiten 


MoDj^len  •  Jurten  bei  Karaicbar. 

Unterbrechung  der  vielzackigen  Kammlinien  der  von  Ost  nach  West  laufenden 
Gebirgsketten  zu  erkennen.  Der  See  ist  besonders  an  seinen  südwestlichen 
und  westlichen  Ufern  von  ausgedehnten,  mit  Schilf  und  Riedgräsern  bewachsenen 
Niederungen  umgeben,  welche  grosse  Strecken  ehemaligen  Seegebietes  ein- 
nehmen und  selbst  noch  teilweise  zu  gewissen  Zeiten  unter  Wasser  stehen.  Die 
Strasse  führt,  nachdem  sie  die  Thalschlucht  verlassen  hat,  über  solche  Gebiete 
dem  Kon tsche- Flusse  entlang  und,  in  nördlicher  Richtung  von  ihm  abschwenkend, 
auch  über  einige  Erhebungen,  welche  aus  lehmigen,  geschichteten  Ablagerungen 
eines  alten,  ehemaligen,  noch  viel  ausgedehnteren  Seebeckens,  des  diluvialen 
Vorfahren  des  heutigen  Bagrasch-kul-Sees,  bestehen.  Die  staubschwere  Luft 
verschleierte  die  Gebirgsketten  schon  auf  so  kurze  Entfernungen  hin,  dass  auf 
dem  ganzen  Wege   bis  Karaschar  und  in  dieser  Stadt  selbst  nichts  von    ihnen 


-     ISO    — 

zu  sehen  war  und  man  sich  auf  einer  endlosen  Schilf-  und  Steppengraspnrie 
zu  befinden  wähnte,  obgleich  sich  im  Norden  und  Süden  des  Sees  wie  in  seiner 
westlichen  Furtsetzung  im  breiten  Thale  des  ihm  zufliessenden  Chaidu-gol  hf^f 
Bergzüge  erheben. 

In  diesen  Niederungen  findet  man  schon  zahlreiche  Niederlassuogcn  von 
Mongolen.  Es  sind  einzelne  oder  in  Gruppen  stehende  schwarze  Jurten,  die 
lange  nicht  die  Behaglichkeit  aufweisen  wie  die  Kirgisen  Jurten  und  im  Inocm 
von  Schmutz  starren,  wie  die  Bewohner  selbst  auch.  Für  die  Pferde  odr 
Schafe  sind  in  der  Nähe  der  Jurten  besondere  Umzäunungen  aus  Schilfrohr 
errichtet,  in  welchen  sie  die  Nacht  zubringen.  Die  grossen  Pferde-,  Schaf- 
und  Kamelherden,  die  sich  hier  aufhalten,  las.sen  auf  die  Bedeutung  der  Vieh- 
zucht und  eine  gcwi.sse  Wohlhabenheit  ihrer  Bditzer  schliessen,  denen  mancher 
äusserlich  nichts  davon  anmerkt.  Ausser  Viehzucht  wird  auch  Fischfang  lebha/i 
von  den  Umwohnern  am  See  betrieben.  Im  Winter  werden  die  grossen  Fische 
aus  Löchern,  die  in  die  Eisdecke  des  Sees  geschlagen  werden,  mit  Angel" 
gefangen  und  im  gefrorenen  Zustande  bis  nach  Urumtschi  auf  den  Markt  ge- 
bracht. Sie  sollen  bis  Mannsgrö.sse  erreichen  und  gehören  wahrscheinlich  einer 
Karpfenart  an;  das  Was.'ier  des  Sees,  dessen  Umfang  etwa  224  klm  beträgt 
ist  süss;  vom  November  bis  März  ist  er  mit  Eis  bedeckt. 

Auf  dem  Wege  zur  Stadt  Karaschar  hatten  wir  uns  einer  förmlichen  He- 
gleitung  durch  eine  solche  Mongolenbande  zu  erfreuen,  welche  auf  Pferden,  Ochsen, 
und  Kamelen  reitend,  Männer  wie  Frauen,  einen  malerischen  Anblick  boten. 
Der  Chaidu-Fluss  wird  mittelst  einer  sehr  primitiven  Fähre  übersetzt,  an  ^ 
ein  lebhafter  Verkehr  stattfindet.  Die  durchweichten  Stellen  am  abschüssifeo 
Ufer  und  das  Fehlen  jeglicher  Landungsbrücke  erschweren  den  Pferden  sehr 
das  Besteigen  und  Verlassen  der  Fähre  und  verursachen  viel  Zeitverlust,  ü"" 
F'luss  hat  trübes,  aber  nicht  salzig  schmeckendes  Wasser,  und  ist  nur  wcn'g 
breit  und  tief. 

Was  die  Mongolenjurten  in  der  Steppe  .schon  verkündet  haben,  verwirklich' 
sich  in  Karaschar  .selbst:  ein  neues  Bild  asiatischer  Völker  und  chinesischef 
An.siedelungen;  die  erste  Stadt,  in  der  unter  den  Eingeborenen  nicht  mehr  dct 
Charakter  Kascligariens  vorherrscht.  Die  Ostturkestaner  des  Kreises  von 
Karaschar  und  auch  in  der  Dsungarei  sind  nach  l'iewtsow  in  der  zweiten  Hall*' 
des  XVIII  Jahrhundertr  dahin  verpflanzte  Bewohner  des  westlichen  Kaschgan^"^' 
die  zwar  Sprache  und  Religion  beibehalten  haben,  aber  in  Sitten  und  Gebräuchen 
sowie  der  Kleidung  sich  unterscheiden  von  den  heutigen  Bewohnern  der  *** 
liehen  Gebiete.  Man  hat  sie  Tschantu  genannt,  aber  wie  Rockhill  meint,  ""' 
Unrecht,  weil  das  chinesische  Wort  Chan-tu  kein  Stamm-  oder  Nationen  ■Na'"' 
ist,  .sondern  in  Kan-su  für  alle  Turkestaner  angewandt  wird. 

In  Kara.schar  sind  vorwiegend  Tschantu  und  Dunganen,  weniger  Chinesen 
angesiedelt;  die  Strassen  .sind  breiter,  die  chinesischen  Läden  zahlreich  u" 
gut  eingerichtet  mit  Ladentischen  und  Sitzbänken,  die  Waren    in  Repositonen. 


-    151    — 

die  oflenen  sartischen  Buden  sind  in  der  Minderzahl,  und  unter  dem  Strassen- 
publikum  dominiert  der  Zopf.  Die  Häuser  sind  meist  klein  und  aus  Lehm  auf- 
gebaut; das  kleine  Landstädtchen  dürfte  kaum  mehr  als  5000  Einwohner  zählen. 
Man  hatte  uns  vor  der  Bevölkerung,  die  gegen  Fremde  unduldsam  und 
feindselig  sein  sollte,  gewarnt;  aber  wir  fanden  nur  die  übliche  zudringliche 
Neugier,  die  durch  einen  vom  Amban  an  die  Pforte  unseres  Serai  gestellten 
Polizei  Soldaten  notdürftig  zurückgehalten  wurde,  kein  Uebelwollen.  Da  die  Stadt 
gar  nichts  bietet  —  selbst  der  Bazar  hat  wenig  Sehenswertes  —  verHessen  wir 
sie  schon  nach  einem  halben  Tage  und  zogen  zwischen  dem  Nordwestrande 
des  Sees  und  dem  Südfusse  der  Thien-schan-Berge  entlang,  die  sich  etwa  20  km 
vom  See  entfernt  von  Osten  nach  Westen  erstrecken.  Obgleich  wir  von  beiden 
gar  nicht  sehr  weit  entfernt  sein  konnten,  sahen  wir  weder  Berge,  noch  Wasser; 


StadI   Karagchar  am  Chaiilu-Bol, 

die  Luft  war  ohne  Bewegung,  bleiern  schwer  und  so  wenig  klar,  wie  bei  uns 
an  einem  feuchten  Septembermorgen;  so  waren  es  recht  monotone  Tage,  die 
wir  zwischen  Ried  und  Schilf,  stellenweise  auch  im  Sumpf  oder  in  schönem, 
hohem  Walde  zubrachten,  der  aber  leider  noch  keine  Spuren  von  Friihjahrs- 
grün  aufzuweisen  hatte.  Der  Weg  bietet  in  diesen,  während  der  feuchten  Jahres- 
zeit Mai — Juli  jedenfalls  noch  viel  mehr  von  Wasser  durchsetzten  Niederungen, 
die  früher  wohl  selbst  See  waren,  viele  Schwierigkeiten.  In  grossen  Umwegen 
sucht  er  die  sumpfigen  Stellen  zu  umgehen,  aber  nicht,  ohne  dass  kleinere  und 
grössere  Strecken  genug  übrig  blieben,  die  für  Pferde  wie  Wagen  gleich  ein- 
ladend zum  Steckenbleiben  sind.  Es  ^ebt  Abkürzungswege,  die  aber  nur 
mit  grösster  Vorsicht  zu  benutzen  sind.  In  der  trockensten  Jahreszeit  mögen 
sie  vielleicht  in  besserem  Zustande  sein,  wir  aber  gerieten  auf  einem  derselben 
durch  schlechte  Führung  zwischen  Schilf  in  sumpfige  Stellen;  der  Weg  ver- 
wandelte sich  in  einen  Bach  und  zudem  nahm  er  eine  Richtung  an,  die  zu  dem 


—       152      — 

E.TAr.tl  ncht  mehr  stimmte  Die  S*»nne  brannte  hei>s,  and  liic  Wasserstech- 
m  ^'.ken  bc'i>t.^cn  in  Mas^n  I'fcrd  und  Retter.  Endlich  gelang  es,  e:aca 
r.ch:.'^en,  a-f  g^utem  Terrain  durch  ?ch  -nen,  mcit  otienen  Wald  führenden  Weg 
7,s  erreichen,  der  un<,  i»enn  auch  >pat,  zur  Stdiion  Tauel^j  brachte, 

1j:c  fo!;jenden  Tacje  boten  insofern  eine  Abwechslung,  al<  der  Weg  nnr 
/">er  gänzlich  kahle  und  vegetatior.^Io^  Kie^r'.achen  hinzog,  welche  die  Nahe 
der  IV.—gc  anzf::gten.  wenn  wir  sie  auch  we^en  der  staubigen  Luft  immer 
noch  nicht  zu  sehen  bekamen.  Von  dem  Dorfe  Tschukur  aus  unternahm  ich 
emen  Au-fijg  in  die  etwa  lo  km  entfernten  Ber^e,  längs  dem  sprudelnden,  mit 
eini;^en  An^^iedclungcn  besetzten  Wa^^erlaufe  gleichen  Namens,  der  aus  einem 
en^en  te!>enthale  berabkommt  Die  Gegend  um  die  Seen fer  ist  sehr  ^ildreich. 
At^s-er  Wa-»-ervogeln  aller  Art  sind  Raubvögel,  Gazellen,  hier  Kijik  genannt 
W;Vizicgen  und  schone,  hellgelb  und  schwarz  gezeichnete  Fuchse  in  dem  Riede 
häufig.  Kine  herrliche  Au-^sicht  bot  sich  von  einem  hochgelegenen,  mit  einem 
Temj/el  gekrönten  Punkt  an  dem  Ausgang  der  erwähnten  Bergschlucht  auf  das 
weite  Becken  de^  Bagrasch-Sees,  die  dasselbe  umgebenden  Niederungen  und 
die  fern  im  Süden,  jenseits  des  Sees,  den  Horizont  begrenzenden  Bergketten, 
des  Karateken  ula-  und  Sinbir-Gebirges. 

Die  hell-'>chimmernde  Wasserfläche  nimmt  trotz  ihrer  Grösse  nur  noch  einen 
verhältnismässig  kleinen  Raum  in  dem  grossen,  von  Ost  nach  West  ausgedehnten 
Becken  ein,  das  zum  andern  Teile  von  Ried,  Sumpf  und  Schilf  und  etwas 
bebautem  Kulturlande,  in  grösserer  Entfernung  vom  See  von  Kies-  und  Schotter- 
flachen längs  der  Gebirgsabhänge  und  endlich  von  einer  kleinen  Sandwüste  am 
östlichen  Ufer  des  Sees  eingenommen  wird.  Am  fernen,  südlichen  Seeufer 
zieht  sich  eine  hohe,  gleichmässigc  Bergkette  hin,  der  Kuruk-tag,  welche  die 
Sccniedcrung  gegen  das  weitere  Tarimgebiet  und  die  grosse  Wüstenregion  der 
Gobi  abschliesst.  Die  vegetationslose  und  grau  an  ihrem  Nordfusse  hinge- 
h'jgertc  Sandzone  lässt  schon  hier  auf  der  Nordseite  erraten,  was  jenseits  des 
Sudabhanges  der  Berge  kommt:  Sand  und  Wüste,  Schilf  und  Sumpf  mit  ver- 
siegenden Flüssen  und  alle  die  Schrecken  der  Gobi. 

Der  Kuruk-tag,  der  westlich  der  Kontsche-Schlucht  als  Kok-teke-Kette 
immer  höher  wird,  verbreitert  sich  gegen  Osten  hin  und  zerteilt  sich  in  mehrere 
niedere  Ketten,  die  sich  weit  nach  Südosten  ausdehnen  und  vielleicht  mit  den 
Bergen  des  P*e-schan  im  Norden  von  Sa-tschou  zusammenhängen.  Es  ist  dort 
ein  unwirtliches  Wüstengebirge  und  wilde  Kamele  halten  sich  in  den  menschen- 
leeren ICinödcn  auf.  Grum  Grschimailo  und  Koslow  sind  weiter  im  Osten  von 
LuktHchun  über  eine  Anzahl  von  parallelen  Wüstenbergketten  nach  Süden  bis 
zum  Kuruk-tag  vorgedrungen. 

Der  nächste  Tag  sah  uns  wieder  in  endlosen  Kiesflächen,  ohne  jeden  Schattefli 
den  schon  am  frühen  Morgen  sehr  fühlbaren  Sonnenstrahlen  ausgesetzt,  am 
langem  Tagemarschc,  der  aber  doch  schöne  Landschaftsbilder  der  verschiedenen 
IkTgkctten,    längs    deren    wir    ritten,   entrollte.     Von  Norden  kamen  die  wenig 


—     153     — 

hohen,  felsigen  Bet^e  des  Zagan-tjunge  immer  näher  an  den  Weg,  während 
gegen  Süden  aus  den  einförmigen  Schuttmassen  zackige  Kämme  von  Felsgebirgen 
hervorragten  und  den  Eindruck  erweckten,  als  seien  hier  Bergketten  bis  zur 
Gipfelregion  hinauf  mit  Schutt  verhüllt:  es  sind  das  Bergzüge  die  zum  Ku- 
guschin-tag  gehören,  der  sich  vor  die  hohe  Simbir-Kette  lagert.  Die  Mittagspause 
zum  Aufzeichnen  der  meteorologischen  Beobachtungen  und  zum  Einnehmen 
eines  kleinen  Imbisses  hielten  wir  in  Ermangelung  eines  andern  passenden 
Unterkunftsraumes    unter    einer  Telegraphenstange    ab,    von  der  uns  aber  bald 


WindhöhlunffCD  im  Granu  des  Tasch-kar-Gebiiges  bei  Kara-küsüi, 

die  glühenden  Sonnenstrahlen  weiter  trieben.  Die  dunstige,  heisse  Mittagslufl 
verhüllte  die  niederen  Bergzüge,  welche  sich  nackt  und  kahl  südlich  vom  Wege 
aus  der  Schotterfläche  erhoben,  und  die  Aussicht  auf  den  See  und  die  grosse 
Gebirgskette  im  Süden  desselben  war  längst  verschwunden.  Erst  am  Abend  kam 
wieder  etwas  Abwechslung  in  das  Landschaftsbild  durch  ein  Granitgebiet, 
dessen  Oberfläche  die  merkwürdigsten  Gebilde  zeigte,  wie  sie  in  feuchteren  und 
mit  Vegetation  bedeckten  Ländern  nie  vorkommen. 

Ueberall  waren  die  gerundeten  Hügel  des  Granites,  wo  die  Felsoberfläche 
zu  Tage  trat,  mit  unregelmässigen,  kleinen  und  grossen  Höhlungen  überdeckt, 
zwischen  denen  die  stehengebliebenen  Teile  in  abenteuerUchen  und  grotesken 
Gestaltungen  in  die  Höhe  ragten.     ICs  sind  nicht  Höhlungen  oder  Strudellöcher 


-     154     - 

des  Wassers,  wie  etwa  die  in  den  Klammen  und  engen  Schluchten  der  Alpen 
vielbewunderten  Trichter  und  Hohlen;  hier  ist  kein  lebhaft  fliessendes  Wasser, 
ja  während  des  grösseren  Teiles  des  Jahres  überhaupt  kein  Wasser  vorhanden,  und 
die  vielgestaltigen  Felsgebilde  entwickeln  sich  nur  um  so  schöner,  je  höher  sie 
in  die  Lüfte  ragen,  je  ferner  sie  den  Wasserwegen  liegen. 

Aber   welche    andern  Kräfte    ausser   strudelndem  Wasser  vermögen  den 
harten  Granit  so  auszuhöhlen,  die  bizarrsten  Gebilde:  Orgeln,  Löcher,  Nischen, 
zu  erzeugen?  In  europäischem  Klima  würden  sie  in  der  That  nie  entstehen  können: 
hier  aber  findet  der  Geologe  die  Antwort,  indem  er  auf  die  vereinigten  Wirkungen 
der  hohen  Wärmeausstrahlung  der  Sonne,    der  grossen   Temperaturgegensätzc 
des  Tages  und  der  Nacht    und    der    transportierenden  Thätigkeit  des  Windes 
hinweist.    Zuerst  lösen  sich  infolge  der  ungleichen  Erwärmung  und  des  raschen 
Temperaturwechsels  von  einer  intakten  Felsoberfläche  des  Granites  feine  Schalen 
ab,  die  noch  mit  einer  Seite  befestigt  bleiben,  während  unter  der  Schale  schon 
der  vom  Winde  überall  hin  verwehte  Staub  (Löss),  ebenso  wie  in  Rissen  und 
Kluftflächen  Aufnahme  findet  und  auch   die  F'euchtigkeit  von  Tau   und  Regen 
sich  länger  hält  als  auf  der  Oberfläche.    Durch  den  lössartigen,  sehr  kalkreichen 
Staub  in  diesen  Fugen  und  Ablösungsflächen  wird  die  chemische  Aktion  auf  die 
Bestandteile  des  Granites  energischer  befördert,  als  an  nicht  mit  diesem  Staub 
bedeckten  Stellen,  an  welchen  so  gut  wie  gar  keine  chemische  Zersetzung  und 
Verwitterung  stattfindet.    Sie  ist  dort  so  lebhaft,  dass  es  zur  Bildung  zahlreicher 
Zersetzung-sprodukte    kommt.     So    sind    die  Wände    der  Ilöhlungen   ausser  mit 
Staub  auch  mit  neu  gebildeten  Salzkrusten  und  Mineralüberzügen  bedeckt,  und 
im  Laufe  geologischer  Zeiten  muss  diese  Zersetzung  dahin  führen,  dass  Höhlungen 
und  ganz  unregelmässige,  durch  keine  Eigenschaft  der  Gesteinsstruktur  bedingte 
Vertiefungen   entstehen.     Unendlich  vielfältig   ist  die  Wirkung   der  Kräfte   der 
Natur  und  immer  wechselnd  ihr  Ausdruck  in  den  Gebilden,  nach  den  Umständen, 
unter  welchen  diese  erstanden  sind.     Es  gewährt  einen  unbeschreiblichen  ReiZi 
diesem  Walten  ewiger  Gesetze  auf  noch  unerforschten  Wegen  nachzuspüren  und 
die  beobachteten  Erscheinungen  aus  ihren  Ursachen  zu  erklären. 

Die  Umgebung  des  einsam  in  einer  Thalschlucht  gelegenen  Postens  Kara- 
küsül  bot  zu  derartigen  Studien  das  herrlichste  Material,  so  dass  ein  längerer 
Aufenthalt  sehr  erwünscht  gewesen  wäre;  aber  die  Zeit  drängte  und  uns  envartete 
noch  so  vieles  Neue! 

Gleich  die  Fortsetzung  des  Weges  brachte  eine  Ueberraschung  durch  eine 
schöne  malerische  Schlucht  mit  schwarz-grünen  Serpentingesteinen,  welche  von 
einem  engen,  kein  Was.ser  führenden  Thale  durchbrochen  werden. 

Da  die  grosse  Strasse  nach  Turfan  und  Hami  im  allgemeinen  hier  noch 
einer  nordöstlichen  Richtung  folgt,  durchquert  sie  eine  Reihe  von  Gebirgszügen 
und  dazwischen  liegenden  Längsthälern,  die  alle  mehr  oder  weniger  einen 
west-östlichen  Verlauf  haben.     Es   kehren   dann   auf  diesen  meist    sehr  breiten 


J 


—     155     - 

und  flachen  Thalböden  alle  die  Formen  der  Bodenbildung  und  Vegetation 
wieder,  die  wir  schon  als  charakteristisch  für  den  ganzen  Südabfall  des  Thien- 
schan  kennen  gelernt  haben.  So  ist  zunächst  dem  unterhalb  von  Kara-küsül 
durchwanderten,  kleineren  Gebirgszuge  im  Norden  eine  breite  Zone  mit 
Flusskiesen  und  allen  den  Aufschüttungsmassen  vorgelagert,  welche  die  Flüsse 
dem  Gebirge  entfuhren  und  als  schwerstes  Material  gleich  wieder  absetzen;  in 
einer  Entfernung  von  etwa  7  km  gegen  die  Mitte  des  Längsthaies  hin  trifft  man 
Lehmboden  längs  eines  auch  zu  dieser  Jahreszeit  trockenen  Flusslaufes,  des 
Algoi-Flusses,  der  von  Westen  herkommt  und  mit  seinen  Nebenflüssen  diese 
Lehme  und  Sande  mitgebracht  hat.  Es  findet  sich  hier  infolge  der  Wasserarmut 
nur  eine  sehr  dürftige  Vegetation  von  Sträuchern,  die  auf  kleinen  Hügeln 
stehen;  erst  unterhalb  des  armseligen  Dorfes  Kümüseh  wird  diese  Zone  breiter 
(3  km),  und  zwischen  den  hohen  steilen  Lehmwänden  findet  sich  auch  etwas 
Wasser. 

Gleich  nördlich,  etwa  3  km  vom  Flussbette,  beginnt  aber,  wieder  nach 
Norden  ansteigend,  die  Schotterfläche,  welche  hier  nur  wenigen  kleinen  Büschen 
von  Dodartia  orientalis  L.  und  Calligonium  murex  Bge.  dürftige  Nahrung  längs 
kleinen  trockenen  Wasserläufen  gewährt.  Sie  entstammt  einem  grossen  Gebirgs- 
zuge, dem  Tschol-tau  und  Argü,  die,  von  der  Südseite  gesehen,  lange  nicht  so 
imponierend  hervortreten,  wie  auf  der  nördlichen,  wenn  man  die  tiefen  Thäler 
und  Engpässe  durchzogen  hat. 

Von  der  Station  Kümüseh  aus  erreicht  man  nach  einem  Ritt  von  mehreren 
Stunden  über  die  Kiesflächen  die  ersten  niederen,  fast  hügelartigen  Vorberge, 
zwischen  welchen  der  W^eg  auf-  und  absteigend  zu  der  schon  in  höheren  Rerg- 
regionen  gelegenen,  verlassenen  Station  Usme-dian  führt.  Von  hier  aus  liegt 
die  Passhöhe  (1332  m)  immer  noch  etwa  12  km  entfernt  in  dem  hier  Argü 
genannten  westlichen  Teile  des  Tschol-tau.  Während  der  Fahrweg  grössere 
Umwege  macht  und  breiteren  Thälern  folgt,  gehen  Reitwege  direkter  über 
kleinere  Anhöhen  weg  und  gewähren  schöne  Ausblicke  in  die  hier  ausserordent- 
lich reiche  Gliederung  der  sehr  zahlreichen  kleinen  Längsthäler.  Vegetation 
fehlt  gänzlich;  wenn  Wasser  vorkommt,  ist  es  salzig,  und  so  nimmt  es  nicht 
Wunder,  dass  es  selbst  der  genügsame  Chinese  oder  Sarte  in  dieser  menschen- 
leeren Bergeinöde  nicht  au.shalten  konnte. 

Gegen  Norden  folgen  immer  neue  von  Ost  nach  West  laufende  Bergzüge 
auf  einander,  alle  in  einzelne  Berggruppen  aufgelöst  durch  zahlreiche,  kleine 
Querthälchen,  und  einer  immer  höher  wie  der  andere,  bis  die  Passhöhe  erreicht 
ist;  aber  die  relative  Höhe  der  Berggipfel  über  der  Thalsohle,  der  wir  folgen, 
ist  gering,  sie  beträgt  nur  einige  hundert  Meter.  Auf  der  andern  Seite  senkt 
sich  der  Weg  rasch  hinab,  das  Thal  wird  schluchtartig,  und  steile  Felswände  von 
Schiefern  und  Granit  engen  es  von  beiden  Seiten  ein.  Um  jähe  Felsvorsprünge 
windet  sich  der  Weg,  und  nur  ein  schmaler  Streifen  des  Himmels  ist  sichtbar. 


In  ar.'iem  Geoir;?^*!  e.It  ü  ohi  c.a  sch^-nicr.  icr  Bcgr.-->>  v«  Fall  n:  FaH  u=i 
br.r.;f:  L^b^rt  -srA  Bcu^-^uraj  :n  d.c  I^anisch^^:  h.er  fehlt  dx-  Wa^^^t  vo.-<ir.±r 
usd  rjr  an  den  Sch-ttmi—crj,  »c!chc  den  TnAl^'-dea  a-fj^ef-l.t  hahm,  den  a> 
g^oi.ten,  r-nd^n  K:c^!n  und  gefluteten  Fe'.^kanten  erkennt  man.  da.s»  es 
Jihre^ze.t^n  m.t  stark/:n  Re^en  geben  mu^^,  :n  m riehen  das  \Vas^«r  hier  in:: 
^rr/^-s^T  Cie-Ailt  t'^ber.d  und  /cr^-^rend  hiu-it.  E:n  e-^ent'xhes  Flussbelt  ist  nicht 
vorr.ind'rn;  wenn  e^  rennet  —  in  den  Monaten  Mii.  Juni  und  Jul:  fturzcn  gewaltige 
Wii^erma^-^^n  \on  den  kahlen  Abhanden  in  das  Haupttha]  hinab  —  ist  gleich 
da«»  ^/['-inzc  Thal  in  ^e:ner  vollen  Breite  ttaX  \Va-5»er  erfüllt  und  djc  cf^cn  Steijen 
oi^^-en  dann  ?>ch*\er  zu  pa^^ieren  >c:n.  Man  sieht  d;e  Spuren  von  Rcitcm  bis 
hoch  h:iauf  am  Fel-gchan^e  und  kann  daraus  nur  zu  gut  schliessen,  wie  scfabnuD 
es  unten  aü-ge*>ehen  haben  mu-s.  Wo  das  Thal  breit  ist,  verteilt  sich  die 
Was-^rmenge  und  i'»t  dann  nur  wen:jj  tief;  um  den  Weg  kenntlich  zo  macbea 
sind  in  gennj^en  Abstanden  beiderseits  aus  lose  aufeinander  gelegten  Steinen 
kleine  Pyramiden  aufgerichtet,  fe>t  genug,  um  nicht  von  dem  Wasser  nm- 
geris^en  zu  »erden.  Ferner  sind  an  steilen  Fel>wanden  auffallende  Gerolle  auf 
alle  Vor^prunge  und  Kanten  gelegt,  um  anzuzeigen,  auf  welcher  Seite  sich  der 
Wanderer  zu  halten  hat.  Es  sieht  aus,  als  hatten  hier  Kinder  gezielt  und  ^ch 
Steinmannchen  gebaut,  aber  die>»e  scheinbar  harmlosen  Spielereien  haben  einen 
ernsten  Smn  und  erzählen  von  Ueber>chwemmungen.  wilden  Sturzwassem,  Ln- 
gangbarkeit  der  Wege,  schweren  Entbehrun;;en  und  Lebensgefahr. 

Wenn  die  eine  Station  im  Gebirge,  Usme-dian,  überhaupt  verlassen  ist 
so  lie-steht  die  andere,  25  km  weiter  nordlich  gelegene  Station  Aga-bulak  nur 
auH  emigen  arm'»eligen.  in  wildem  Felsthal  an  einer  kleinen  Quelle  gelegenen 
Hütten,  die  nur  wenigen  Personen  Aufnahme  und  Unterkunft  gewahren  können. 
Etwas  oberhalb  liegen  im  Thale  die  zerfallenden  Uebcrreste  einer  grösseren 
Ansiedelung,  die  gänzlich  verlassen  ist,  und  wie  viele  Opfer  an  Lasttieren  hier 
fallen,  zeigen  zur  Genüge  die  an  zahlreichen  Stellen  des  Weges  zerstreuten 
Skelette  von  Pferden  und  Eseln,  sowie  mancher  noch  frische  Kadaver,  von 
dem  der  vorüberziehende  Reisende  die  Raben  aufscheucht.  Von  Kümüsch  bis 
hierher,  46  km  weit,  war  kein  trinkbares  Wasser  vorhanden. 

Beim  Abstieg  vom  Passe  gegen  die  letztgenannte  Station  hin  wird  die 
Thalhchlucht  immer  enger,  der  Gebirgscharakter  immer  wilder.  Aehnlich  verhält 
es  sich  auch  noch  einige  Kilometer  weit  unterhalb  derselben  bis  zu  einem  Piket 
(  Station)  Subaschi,  die  das  P2nde  der  F*elsschlucht  bezeichnet.  Schon  che 
man  sie  erreicht,  ist  etwas  Wasser  im  Thale  aus  einigen  Quellen  vorhanden, 
und  von  den  westlichen  Thalhängen  sieht  man  grosse  gelbbraune  Flugsandmassen 
in  das  nur  von  dunkeln  Schiefergesteinen  gebildete  Thal  herunterreichen.  Diese 
sehr  auffallende  Erscheinung  lässt  sich  nur  so  erklären,  dass  die  Flugsande  durch 
den  Wind  von  oben  gebracht  und  von  den  Thalgehängen  aufgefangen  werden, 
von  wo  sie  dann  wie  Schneelawinen  in  den  kleinen  Thälchen  und  Furchen  zu 
Thale  rinnen.     (Siehe  Tafel  X.)     In   der  That  beginnt  auch   hier  über  der  tief 


-     157     — 

eingesenkten  Thalschlucht  ein  ausgedehnteres  Flugsandgebiet,   das  weiter  nach 
Westen  hin  reicht. 

Eine  Anhöhe  unterhalb  von  Su-baschi,  die  zu  den  letzten  nördlichen,  zum 
grössten  Teil  von  Fiussschottern  gebildeten  Vorbergen  des  Tschol-tan  gehört, 
gewährt  einen  herrlichen  Rückblick  auf  die  bisher  nur  vom  THale  aus  gesehene 
Gebirgswelt,  und  da  zeigt  sich  denn,  dass  in  weiter  Ferne  nach  Süden  hin  eine 
dominierende  Bergkette  das  Gebirge  beherrscht  und  die  zahlreichen,  nach  Norden 
sich  anreihenden,  parallelen,  auch  Ost-West  ziehenden,  fast  gleichmässig  hohen 
Kämme  bedeutend  überragt. 


Thalschlncbt  im  Tschol-tau,  unterhalb  Ton  Aga-bnlak. 

An  der  Grenze  zwischen  diesen  niederen  Ketten  und  dem  Hauptkamme 
etwa  muss  Aga-bulak  liegen,  und  deutlich  kann  man  den  Austritt  des  Thaies  aus 
der  zentralen  Kette  durch  jene  Verbeiße  verfolgen.  Nach  Osten  wird  aber  der 
Tschol-tau  niedriger  und  hört  südösthch  von  Fitschan  ganz  auf. 

Nach  Norden  zeigt  sich  dem  Auge  wieder  eine  fast  endlose  Ebene. 
Langsam  senkt  sich  die  Kiesfläche  nach  Osten  und  Westen  ohne  Begrenzung 
und  nur  ganz  fern  im  Norden  tauchen  eben  noch  erkennbar  die  verschwommenen 
Umrisse  hoher  Berge  aus  dem  dunstigen  Horizonte  auf  Wir  waren  damit  in 
die  grosse  Depression  der  Erdoberfläche  hinab  gestiegen,  welche  unter  den 
Meeresspiegel  hinabreicht  und  einen  der  eigentümlichsten  Züge  in  der  Physiognomie 
von  Mittelasien  darstellt.  Zuerst  von  den  Gebrüdern  Grum  Grschimailo  nach- 
gewiesen,   wurde   diese    »Thien-schansche    Depression*    mit    alimählichem   An- 


-     is8     - 

Steigen  noch  weit  (500  km)  nach  Osten  im  Süden  von  Hami  und  am  Nordfusse 
des  P*cschan,  der  mittleren  gebirgigen  Erhebung  der  Gobi,  mit  verschiedener 
Breite  (10—15  ^^)  verfolgt.  Die  tiefe  Lage  und  der  Schutz,  den  die  hohen 
Gebirge  der  nördlichen  Umgrenzung  dem  weiten  Gebiete  von  Turfan,  in  welchem 
sich  nur  ein  niederes  Hügelgebirgc  von  Ost  nach  West  erstreckt,  gegen  die 
kalten  Luftströmungen  von  Norden  aus  der  Dsungarei  gewähren,  ist  die  Ursache 
fiir  die  klimatischen  Eigentümlichkeiten  dieser  continentalen  Einsenkung.  in  der 
die  heissesten  Temperaturen  von  ganz  Central-Asien  beobachtet  wurden. 

Im  tiefsten  Teile  der  Depression  liegt  mit  —  1 30  m  Meereshöhe  südwestlich 
von  Luktschun  ( —  17  m)  ein  Seebecken  von  30 — 35  km  Länge.  Die  in  letzt- 
genanntem Orte  seit  einigen  Jahren  angestellten  meteorologischen  Beobachtungen 
haben  ergeben,  dass  grosse  tägliche  Schwankungen  des  Luftdruckes  und  die 
grösste  bekannte  jährliche  Amplitude  desselben  hier  eintritt;  im  Frühjahr  findet 
ein  rascher  Temperaturanstieg  statt  und  die  Frühjahrsmonate  sind  wärmer  als 
die  entsprechenden  Herbstmonate.  Die  Luftfeuchtigkeit  ist  sehr  gering,  ebenso 
die  Niederschlagsmenge,  die  im  Juni  am  höchsten  ist.  Das  Klima  ist  als  ein 
extrem  kontinentales  zu  bezeichnen. 

Im  Herzen  der  weiten  Ebene  und  noch  nicht  sichtbar  liegt  Turfan,  die 
wichtigste  und  volkreichste  Stadt  in  diesem  Gebiete,  umgeben  von  einem  Kranx 
fruchtbarer  Oasen  und  von  zahlreichen  Ansiedelungen.  Wieder  geht  der  er 
müdende  Weg  Stunden  lang  über  die  Schottermassen  am  Nordabhange  des 
Tschol-tau-Gebirges  hinab,  ehe  die  Lehmzone  und  damit  die  Oasen  und  das 
Kulturland  bei  dem  grösseren  Orte  Toksun  (Meereshöhe  —  50  m)  erreicht 
werden,  von  wo  die  Strasse  nach  der  Provinzhauptstadt  Urumtschi  abzweigt. 
Toksun,  das  hauptsächlich  von  Dunganen  (etwa  750  Familien)  bewohnt  wird» 
ist  ein  wichtiger  Punkt  für  den  direkten  Karawanenverkehr  durch  die  Wüste 
nach  dem  inneren  China,  bietet  aber  nichts  Sehenswertes,  ebensowenig  seine  Um- 
gebung, die  bis  in  die  Nähe  des  etwa  50  km  entfernten  Turfan  aus  Ried  und 
sumpfigen  Niederungen  besteht,  innerhalb  welcher  der  Boden  nur  an  wenigen 
Stellen  trocken  genug  ist,  um  kulturfähig  zu  sein. 

Schon  in  Toksun  aber  am  11.  April,  und  noch  viel  auffälliger  in  der  Nähe 
von  Turfan,  konnten  wir  die  Anzeichen  des  angebrochenen  PVühjahres  bemerken. 
Wie  mit  einem  Zauberschlage  war  das  Landschaftsbild  ein  anderes  geworden, 
seitdem  wir  das  Tschol-tau-Gebirge  überschritten  und  zwar  von  Süden  weiter 
nach  Norden,  aber  auch  in  die  am  tiefsten  gelegenen  Gebiete  Asiens  ge- 
kommen waren. 

Die  Luft  war  mild  und  warm;  "abends  trat  keine  bis  nahe  an  den  NuHpun*^ 
reichende  Abkühlung  mehr  ein,  und  über  Mittag  brannte  die  Sonne  schon  sehr 
heiss;  das  Tagesmaximum  der  Luft  betrug  in  diesen  Tagen  28® — 31®  C  Aul 
der  kleinen  Station  Dadun,  zwischen  Toksun  und  Turfan,  war  in  einem  Bache 
das  Wasser  so  warm,  dass  man  beim  Bade  kaum  mehr  Erfrischung  fand,  hatte 
es  doch  eine  Temperatur  von  +  25®  C,  und  das  am  12.  April!    Die  Vegetation 


-     159     - 

prangte  in  allen  Schattierungen  von  frischem  Grün,  und  immer  noch  erschienen 
neue  Nachzügler,  um  das  Frühlingsbild  zu  vervollständigen. 

Es  sind  zwar  nur  zerstreute  Baum-  und  Strauchgruppen,  oder  in  Reihen  längs 
Wegen  und  Gräben  stehende  Bäume,  welche  die  gelbbraune  Grundfarbe  des 
Bodens  nicht  ganz  zu  verdecken  vermögen,  aber  es  bleibt  doch  ein  schöner 
Anblick,  von  den  kleinen,  westlich  von  Turfan  gelegenen  Höhen  auf  die  Stadt 
in  ihrem  Laubwalde  und  die  im  Grünen  ganz  versteckten  Höfe,  Weiler  und 
Dörfer  herabzusehen,  während  hoch  oben  in  den  Wolken  die  schneebedeckten 
Gipfel  des  Thien-schan  thronen.  Ob  ein  im  Nordwesten  liegender,  mächtiger, 
schneeweisser  Gebirgsstock  der  Bogdo-ola  selbst  oder  noch  Vorberge  sind, 
vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Das  dreigipfelige  Haupt  des  heiligen  Berges, 
des  Bogdo-ola  (6918  m)  dient  nach  dem  Glauben  der  chinesischen  Priester  dem 
Gotte  Ta-mo-fu  (Buddha)  zum  ständigen  Aufenthalte,  weil  es  von  dieser  Höhe 
nicht  weit  in  den  Himmel  ist. 

In  der  frischen  Frühjahrsluft,  dem  herrlichen  Sonnenschein  und  bei  dem 
saftigen,  noch  nicht  von  Staub  bedeckten  Vegetationskleide  sieht  hier  alles 
so  hübsch,  adrett  und  sauber  aus,  dass  man  ganz  den  Orient  mit  seinem  Schmutz 
vergessen  könnte.  Auch  Turfau  macht  einen  freundlichen  Eindruck,  sehr  im 
Gegensatze  z.  B.  zu  Karaschar.  Die  Strassen  sind  gut  gehalten;  auch  an  den 
überdeckten  Stellen  sind  die  Matten  in  gutem  Zustande;  man  sieht  sie  nirgends 
in  Fetzen,  mit  Schmutz  beladen  herunterhängen,  wie  das  in  den  rein  muhame- 
danischen  Städten  so  oft  der  Fall  ist.  Nur  einzelne  Stellen  mit  offenen  Läden 
von  Ostturkestanern  sind  überdacht,  der  grössere  Teil  des  Bazars,  der  die  ganze 
Länge  der  Hauptstrasse  einnimmt,  ist  frei,  ein  symbolischer  Ausdruck  für  das 
Verhältnis  von  turkestanischen  und  chinesischen  Kaufleuten  in  der  Stadt. 

Die  warme  Umgebung  vou  Toksun  und  Turfan  ist  durch  ihre  gute  Baum- 
wolle nicht  minder  berühmt,  wie  durch  die  Schmackhaftigkeit  ihrer  Wasser- 
melonen, die  bis  jenseits  der  grossen  Mauer  und  nach  Peking  zum  kaiserlichen 
Hofe  gebracht  werden.  An  ständigen  Einwohnern,  ausser  vielen  Händlern, 
soll  es  in  Turfan  5000  geben,  von  denen  nur  10  pCt.  Chinesen,  die  andern 
aber  Dunganen  und  Tarantschen  sind.  Weberei  und  auch  Töpferei  wird  hier 
betrieben  neben  dem  Ackerbau,  der  bei  dem  warmen  Klima  und  fruchtbaren 
Boden  zwei  Ernten  im  Jahre  ermöglicht.  Die  Meereshöhe  der  Stadt  ist  nur 
etwa  60  m;  infolge  davon  ist  der  Sommer  drückend  heiss,  während  der  Winter 
fast  keinen  Schnee  bringt.  Das  Land  erzeugt  ausser  der  Baumwolle  Weizen,  Mais, 
Gerste,  Tabak,  viele  Obstarten  und  auch  Weinreben,  die  des  Nordwindes 
wegen  liegend  gezogen  werden.  Russische  Waren,  wie  allerlei  Manufakturwaren, 
Eisen,  Zucker  etc.  sind  nicht  selten,  und  die  russischen  Kaufleute  haben  ein 
eigenes  Serai.  Die  Stadt  hatte  früher  eine  höhere  Bedeutung  fiir  den  Handel 
von  West- Asien  mit  China  als  heute ;  die  alte,  vor  400  Jahren  von  den  Mongolen 
zerstörte  Stadt,  die  Kunia-Turfan  hiess,  war  die  Hauptstadt  des  ganzen  Oasen- 
distriktes von  Toksun  bis  über  Luktschun  (—   50  m  Meereshöhe)  und  Tschiktüm 


—     i6o    — 

hinaus;    in    der  ganzen  Provinz,  welche  den  <>^tIichsten  Teil  des  kaschgarisdiea 
Reiches  bildete,  sollen   früher  126000  Ein\\«)hner  gewesen  sein. 

In  Turfan  ist  ein  russischer  Agent  oder  Aksakal,  mit  dessen  Hilfe  *nr 
unsere  verschiedenartigen  Besorgungen  erledigten,  die  sonst  bei  der  chinesischen 
Langsamkeit  noch  mehr  Geduld  und  Zeit  beansprucht  hatten,  als  an  sich  schon 
der  Fall  war.  Als  wir  gleich  am  ersten  Tage  dem  Amban  in  der  eti^'a  zwei  Kilo- 
meter weiter  ostwärts  gelegenen,  auch  mit  Mauern  umgebenen,  chinesischen  Stadt 
unsern  Besuch  machten,  nachdem  er  uns  schon  vorher  Geschenke,  Pferdefutter 
und  einen  Mammel  gesandt  hatte,  wurde  uns  erklärt,  in  der  Stadt  seien  keine 
Arben  zur  Beförderung  unseres  Gepäcks  zu  haben,  da  zwei  hohe  chinesische 
Iteamtc  zur  Zeit  sich  auf  der  Reise  befanden  und  alte  Arben  für  sich  in  Be- 
schlag genommen  hätten;  es  würde  aber  in  die  Dörfer  der  Umgebung  gesandt 
werden  und   bis  zum  andern  Tage  sollten  wir  Arben,  Pferde  und  Leute  haben. 

Zum  Glück  war  das  Uebel  nicht  gross,  da  wir  doch  einen  Ruhetag  in 
Turfan  gemacht  haben  würden,  und  es  sich  hier  recht  gut  leben  Itess.  In  der 
VV^ühnung  des  Aksakal  hatten  wir  einen  Hof  und  mehrere  geräumige,  hohe  Ge- 
mächer zu  unserer  Verfügung,  die  hell,  luftig  und  sauber  waren:  alles  Vorzüge- 
die  man  auf  einer  solchen  Reise  schätzen  lernt. 

Als  die  bestellten  drei  Arben  glücklich  ankamen,  zeigte  es  sich,  dass  sie 
sehr  klein  und  schlecht  waren,  ausserdem  der  Reparatur  bedurften,  und  dass  die 
Pferde  neu  beschlagen  werden  mussten,  so  dass  auch  an  diesem  Tage  an  on 
Weiterkommen  nicht  zu  denken  war.  Ein  Handwerker,  der  vier  Holzkisten 
machen  sollte,  als  Ersatz  für  die  liederlich  gearbeiteten  sartischen  jaktane  aus 
Alt- Margelan,  kam  an  dem  Tage,  an  dem  er  sie  hätte  abliefern  sollen,  um 
noch  einmal  Mass  zu  nehmen;  und  so  geht  hier  alles  langsam,  manchmal  auch 
gar  nicht  voran. 

Der  Aufbruch  war  für  die  Wagen  auf  1 2  Uhr,  für  die  Reiter  etwas  später 
nach  dem  Nachlassen  der  stärksten  Mittagshitze,  festgesetzt,  demzufolge  brach 
auch  ein  Teil  der  Expedition  um  2^2  Uhr  auf;  bis  aber  die  Wagen  soweit 
fertig  waren,  wurde  es  vier  Uhr,  und  auf  der  Abendstation  Astün,  die  30  Werst 
östlich  von  Turfan  liegt,  kamen  sie  erst  am  andern  Morgen  5  Uhr  an,  so  dass 
wir  uns  (lir  das  Abendessen  mit  unsern  kleinen  Taschenvorräten  behelfcn 
mussten  und  eine  wenig  angenehme  Nacht  verbrachten. 

Oestlich  von  Turfan  liegen  auf  der  heissen  Lehmfläche  die  Ruinen  von 
Alt-Turfau  mit  grossen  Bauten,  Moscheen  und  ein  grosses  Minaret,  an  heute 
ganz  verlassenen  und  öden  Stellen;  auch  aus  einigen  frisch  grünen  Oasen  sahen 
Moscheen  und  Grabstätten  heraus,  wie  denn  sehr  zahlreiche,  alte  Friedhöfe  h^^^ 
gelegen  sind.  Der  Oasengürtel  zieht  sich  weiter  im  Süden  am  Fusse  des 
Tus-tan  hin,  und  es  sind  grossartige,  unterirdische  Leitungen  (Karüse)  vöfl 
diesem  niederen,  im  Norden  der  Strasse  gelegenen  Bergzuge  unter  der  letzteren 
hindurch  angelegt,  um  das  Wasser  in  der  Tiefe  auf  dem  Kiesuntergrunde, 
wo    es    nicht    verdunsten    und    nicht   im    Lehme    versickern    kann,    nach  deOJ 


~     i6i     — 

Kulturlande  zu  fuhren.     Die  ganze  Gegend  südlich  bis  zu  der  etwa  50  km  ent- 
fernten Stadt  Luktschun  wird  solcherart  mit  Wasser  versehen. 

Am  Wege  auf  der  Kiesoberfläche  sieht  man  von  diesen  zahlreichen  und 
zum  Teil  schon  aus  alten  Zeiten  stammenden  Leitungen  nur  eine  Unmenge  von 
in  geraden  Reihen  angeordneten,  ringförmigen  Wällen  mit  Vertiefungen  in  der 
Mitte,  ähnlich  der  dem  Bergmanne  wohlbekannten  Erscheinung  der  Mutschächte 
an  der  Oberfläche.  Es  sind  in  ganz  geringen  Entfernungen  von  einander  (etwa 
5 — 8  m)  solche  Löcher  in  die  Tiefe  bis  zu  15  m  angelegt,  um  unten  die  Kanäle 
herstellen  und  vor  Verstopfung  schützen  zu  können.     Ueber  weite  Strecken  ist  der 


Moschee  uod  Mluaiel  östlich  ron  Turian. 

Boden  mit  solchen  kleinen  Hügeln  übersät,  und  es  muss  die  Arbeit  von  Jahr- 
hunderten erfordert  haben,  um  sie  alle  entstehen  zu  lassen.  Auch  wir  sahen 
dort  Leute  an  der  Arbeit,  aber  es  waren  ihrer  nur  wenige,  die  mit  Haspeln 
und  Schöpfeimern  Kies  und  Sand  aus  der  Tiefe  förderten.  Diese  Anlagen  der 
künstlichen  unterirdischen  Bewässerung  werden  hier  schon  seit  alten  Zeiten  ver- 
wandt. Die  Galerien  haben  oft  eine  beträchtliche  Länge  (bis  über  1  Kilometer) 
und  bestehen  aus  der  unterirdischen  Vereinigung  einer  grossen  Anzahl  einzelner 
Brunnen,  die,  vom  unteren  Ende  der  Leitung  beginnend,  von  der  Oberfläche 
bis  auf  einen  Wasser  fuhrenden  Horizont  niedergebracht  werden  und  so  das 
an  vielen  Stellen  zutretende  Wasser  in  einen  Kanal  sammeln.  In  dem  trockenen 
Klima  trägt  sich  die  Decke  des  Kanals  selbst  ohne  jede  Stütze  durch  Balken  oder 
Mauerwerk;  aber  es  sind  doch  auch  Unglücksfälle  durch  Einstürze  nicht  selten. 
Der  Tag,  an  welchem  wir  mittags  den  Weg  von  Turfan  nach  Astün 
zurücklegten,  war,  obwohl  erst  in  der  Mitte  des  April,  drückend  heiss  und  schwül 


—      102      ~ 

und  abends  erhob  sich  von  Südwesten  ein  warmer,  starker  Wind«  der  während 
der  ganzen  Nacht  tobte;  was  er  für  uns  bedeutete,  sollten  wir  aber  erst  am 
folgenden  Tage  richtig  verstehen  lernen,  als  wir  wieder  erst  des  Mittags,  um 
den  erschöpften  Lastpferden  etwas  Ruhe  zu  gönnen,  die  Reise  nach  Osten  bi> 
Chandu  fortsetzten. 

Der  Weg  durchquert  zuerst  das  kleine,  nicht  besonders  hohe  Gebirge 
Tus-tau*)  (--  Salzberge),  das  nördlich  des  Weges  bis  über  die  Gegend  von  Turfan 
nach  Westen  hinaus  reicht,  aber  auch  nach  Osten  sich  noch  weiter  ausdehnt 
und  etwas  an  Höhe  gewinnt  Die  Schichten,  aus  welchen  es  sich  zusammensetzt 
und  die  überall  unbedeckt  zu  Tage  liegen,  sind  fast  ausschliesslich  von  sandiger 
und  lehmig- mergeliger  Beschaflenheit  bei  extremster  Feinheit  der  einzelnen 
Bestandteile,  so  dass  die  Oberfläche  über  das  ganze  Gebirge  hin  und  besonder 
an  den  Abhängen  in  dicken  Massen  mit  einem  feinen,  zarten  Staube  bedeckt 
ist.  Schon  der  Fuss  des  Pferdes  wirbelt  grosse  Staubwolken  auf;  wenn  sich 
aber  erst  starker  Wind  dieses  losen  Materiales  bemächtigt,  so  verdunkelt  sich 
der  Tag,  Augen  und  Ohren  werden  von  Staub  erfüllt,  die  Pferde  verweigern 
das  Weitergehen,    und   das  schleunige   Aufsuchen   eines  Obdaches   ist  geraten. 

Die  niedere,  von  Ost  nach  West  verlaufende  Tus-tau-Kette  teilt  die 
turfanische  Niederung  in  zwei  Hälften,  von  denen  die  südliche  im  allgemeinen 
etwa  400  m  tiefer  als  die  nördliche  liegt  und  den  tiefsten  Teil  Asiens  überhaupt 
bildet;  die  Hitze  wird  im  Sommer  so  stark,  dass  selbst  der  Himmel  Feuer  z« 
strahlen  scheint  und  die  Gegend  als  »das  feurige  Gebiete  bezeichnet  wird. 
Ganz  bedeckt  von  trostloser  Sand-  und  Schotterwüste,  macht  diese  Niederui^ 
einen  bedrückenden  Eindruck. 

Die  Tus-tau-Kette  wird  von  mehreren  Querthälem  durchschnitten,  welche 
aber  nur  sehr  wenig  Wasser  führen.  Am  Fusse  der  hohen  Ketten,  nördlich  der 
Niederung,  versinken  die  Wasser  in  der  Aufschüttungsfläche  und  treten  als  Quellen 
wieder  hervor,  um  die  Bäche  zu  bilden,  welche  den  Tus-tau  durchbrechen.  D^ 
diese  Wassermenge  aber  nur  sehr  ungenügend  ist  für  das  Wasserbedürfnis  der 
Oasen  im  Süden  des  Tus-tau,  so  werden  durch  die  erwähnten  ausgedehnten  unter- 
irdischen Kanalleitungen,  die  unter  der  Oberfläche  zirkulierenden  Wasser  gesammelt 
und  den  Oasen  zugeführt.  Es  sind  grossartige  Anlagen,  welche  die  Bewunderung 
verdienen,  die  der  russische  Forscher  Grum  Grschimailo  für  sie  ausspricht;  ih^^ 
Zahl  ist  unbekannt,  aber  sehr  gross,  kommen  doch  auf  die  kleine  Oase  von 
Chandu  allein  200  Karüse  von  mindestens  3  km  Länge. 

Als  wir  in  einem  Querthale,  das  Tus-tau-Gebirge  durchwandernd,  an  seinem 
Nordfusse  angekommen  waren  und  dort  zuerst  durch  grüne  Oasen  und  zahlreiche 
Ansiedelungen,  bald  aber  auf  kahler  Kies-  und  Lehmfläche  der  Abend-Station 
Chandu  zuritten,  erhoben  sich  im  Südwesten  über  dem  Gebirge  etwa  gcgefl 
4  Uhr    nach    einem    sehr    heissen    Mittage    (Lufttemperatur   im    Schatten  "^ 


*)    Auf    manchen   Karten    trü«jt    das    Gebiri^t'    ilen    öfter    wietlerkehrenden   Namen  TschoM^" 
(Wüsten -Gebir^^'e  =  Tschol- tau). 


—     i63     — 

I  ^  +  34>7®)  braunschwarze  Wolkenmassen,  die  rasch  an  Höhe  gewannen  und 
sich  bald  auch  uns  zur  Seite  im  Süden  über  das  Gebirge  ausdehnten.  Die  Luft 
blieb  schwül  und  dick,  auch  nachdem  sich  ein  immer  stärker  werdender  Wind 
aus  West  und  Südwest  erhoben  hatte.  Bald  begannen  auch  die  Staubwehen; 
wie  aufsteigender  Nebel  vor  dem  Morgenwind  herzieht,  so  entstiegen  dem  Boden 
die  gelbbraunen  Staubschwaden,  und  bald  war  die  Luft  so  trüb,  dass  selbst 
nahegelegene  Bäume  oder  Gebäude  kaum  zu  sehen  waren.  Ein  Stoss  klareren 
Windes  Hess  zuweilen  einiges  aus  der  weiteren  Umgebung  erkennen,  aber  nur 
für  Augenblicke  und  alles  war  wieder  gleichmässig  staubtrüb,  grau  und  braun. 
Ein  Glück  noch,  dass  uns  der  Wind  nur  von  der  Seite  und  vom  Rücken  traf 
während  der  zwei  Stunden,  die  wir  noch  zu  reiten  hatten;  ein  weiteres  Glück, 
dass  wir  in  der  Nähe  des  Zieles,  in  dem  immer  heftiger  werdenden  Sturme  auf 
Nebenwegen  verirrt,  Leute  fanden,  welche  uns  das  Karawanserai  zeigten.  Der 
Wind  drückte  so  stark,  dass  man  im  Sattel  (lihlte,  wie  er  die  Seite  packte,  man 
hörte  das  Zischen  und  Schwirren  am  Boden  hingefegter  grösserer  Körner  von 
Sand  oder  Kies,  und  als  wir  ankamen,  waren  wir  über  und  über  mit  Staub 
bedeckt,  der  sich  nur  mit  Mühe  aus  Augen,  Ohren  und  Mund  entfernen  Hess. 

Unsere  Wagen  aber  irrten  während  der  ganzen  Nacht  im  Staubsturme 
herum  und  trafen,  nachdem  sie  einen  Umweg  von  über  25  km  gemacht  hatten, 
erst  früh  Morgens  auf  der  Station  Chandu  ein.  So  befanden  wir  uns  zum  zweiten 
Male  in  der  unangenehmen  Lage,  eine  kalte,  unfreundliche  Nacht,  halb  im  Freien, 
ohne  alle  Bequemlichkeiten  zubringen  zu  müssen.  Des  Essens  gab  es  wenig,  des 
Schlafens  noch  weniger,  und  als  daher  am  folgenden  Tage  der  Sturm  zwar  nach- 
Hess,  aber  doch  noch  ziemlich  heftig  tobte  und  es  unmöglich  machte,  mit  den 
erschöpften  Pferden  der  Lastwagen  weiter  zu  ziehen,  waren  wir  nicht  unzufrieden, 
doch  wenigstens  Gelegenheit  zu  haben,  wieder  einmal  ordentlich  essen  und  aus- 
schlafen zu  können. 

Bei  der  folgenden  Station  Pitschan,  einem  kleinen,  aber  alten  Städtchen 
mit  einer  Garnison  und  etwa  2000  Einwohnern,  die  nur  wenige  Stunden  von 
Chandu  entfernt  liegt,  beginnt  schon  die  Sandwüste,  die  gegen  Südosten  hin 
grössere  Ausdehnung  besitzt.  Gegen  Nordosten  dehnen  sich  weite  Kies-  und 
Schotterflächen  aus,  in  sehr  breitem  Gürtel  längs  des  Fusses  der  im  Norden 
und  Nordwesten  gelegenen  hohen  Gebirgszüge  der  Bogdo-ola-Kette,  und  bilden 
eine  echte  Kieswüste,  die  von  dem  35  km  langen  Hauptweg  nach  Hami  zwischen 
Kürkortun  und  Jantscbi  durchquert  wird.  Die  Bergzüge  im  Nordwesten  sah 
man  erst  hinter  Kürk-ortun,  als  nach  einigen  Tagen  die  Luft  wieder  klar  ge- 
worden war.  Auch  gegen  Osten  und  gegen  die  Wüste  schliessen  einige  niedere 
Höhenzüge  zwischen  Pitschan  und  Tschiktüm  den  Horizont  ab.  Pitschan  ist 
ein  kleines,  mit  Mauern  umgebenes  Dorf  und  war  die  Grenzstation  Jacub-Beks 
gegen  China;  aber  alle  folgenden  Stationen  fiir  mehrere  Tage  bestehen  nur  aus 
dem  Serai  für  die  Reisenden  und  einigen  Anbauten.  Bei  Tschiktüm,  das  wie 
eine  Festung  aussieht,  liegen  auf  einer  schroff  aus  der  Ebene  steigenden  felsigen 

11* 


-     164       ■ 

Anhöbe  Ruinen  einer  alten  Befestigung,  von  deren  Höhe  sich  eine  gute  Aussiebt 
auf  die  Herge  der  östlichen  Bogdo-ola-Kette  eröffnet  Weiterhin  aber  bieten  dir 
Stationen  gar  nichts  mehr  ausser  schlechten,  schmutzigen  Unterkuoftsraumcn. 
und  man  ist  froh,  wenn  man  wieder  weiterziehen  kann,  trotz  der  Monotonie 
von  Steppe  und  Wüste,  trotz  Sturm  und  Kalte.  Das  ganze  bis  gegen  Huni 
sich  ausdehnende  Land  am  Südfusse  der  Bogdo-ola-Kette  und  der  Barkul-Berge 
ist  ausserordentlich  wasserarm;  kein  grosser  Flosa  kommt  von  den  Käminen 
herab    und   auch  die  Quellen    sind  selten.     Das  Klima  ist  rauh    und   der  Weg 


iwischcn  Tacliikldin  und  Utun-kota. 


beschwerlich.  Der  letztere  macht  einen  grossen  Umweg  nach  Norden,  ""'  ^^ 
Schutz  der  Berge  zu  gemessen,  weil  der  direkte  Weg  von  Tschiktüm  und  Ha"" 
seiner  Stürme  wegen  berüchtigt  und  gefürchtet  ist,  die  im  Frühjahr  und  SofflO'"' 
sogar  Kieselsteine  durch  die  Luft  führen.  Der  zu  Ende  gehende  Monat  Ap" 
wollte  uns  ausserdem  zeigen,  dass  er  hier  im  fernen  Osten  die  gleichen  Lau"'" 
hat  wie  bei  uns  in  Europa. 

Schon  drei  Tage  nach  dem  grossen  Staubsturm  von  Chandu  erhob  sicli 
morgens,  als  wir  uns  von  Kürk-ortun  her  dem  Gebirge  näherten,  ein  stunnartig^ 
Westwind,  der  zwar  frei  von  Staub,  aber  dafür  sehr  kalt  war,  da  er  direkt  vo 
den  schneebedeckten  Höhen  des  liogdo-ola  herabstürzte.  Nach  den  heiss* 
Tagen  waren  wir  mit  warmen  Sachen   wenig   vorgesehen,    und    der  noch  «'" 


-     I6S     - 

vierstündige  Ritt  bis  Jantschi,  dem  Winde  oft  halb,  in  den  Windungen  des 
Gebirgsthales  sogar  direkt  entgegen,  war  recht  unangenehm. 

Einer  unserer  Wagen,  der  unsere  Pelze  und  Decken  und  vor  allem  unser 
ganzes  Küchengerät  mit  den  Vorräten  enthielt,  blieb  wegen  Ermüdung  der 
Pferde  auf  halbem  Wege  im  Sturme  liegen,  was  wir  erst  abends  6  Uhr  durch 
zwei  auf  der  Station  einreitende  Dunganen  erfuhren.  Auf  der  Arbe  befand  sich 
unser  Diener  Bock,  der  sich  einen  Fuss  übertreten  hatte  und  nicht  reiten 
konnte.  Obwohl  es  ihm  dort  an  Lebensmitteln  nicht  fehlte,  so  waren  diese 
ihm  unzugänglich  verpackt,  und  er  wird  an  diesen  Tag,  den  er  schutzlos  auf 
einem  Lastwagen  mit  müden  Pferden,  allen  Unbilden  des  Sturmes  und  der 
Kälte  preisgegeben,  zubringen  musste,  zeitlebens  »mit  Vergnügen«  denken. 

Die  Station  Jantschi  hat  eine  schöne  Lage  in  einem  breiten  Thale,  in  der 
Mitte  hoher  Gebirgsketten  und  am  Eingange  einer  Felsenschlucht.  Die  Nacht 
hier  im  Gebirge  wurde  recht  empfindlich  kalt;  das  Thermometer  sank,  wie 
schon  seit  lange  nicht  mehr,  unter  o®.  Erst  um  3  Uhr  nachts  traf  die  zurück- 
gebliebene Arbe  ein,  d.  h.  sie  gelangte  bis  in  die  Nähe  der  Station  und  fuhr 
sich  dort  in  einem  Sumpfe  fest.  Unser  Diener  kam  halbtot  von  der  20stündigen 
Fahrt  auf  das  Stationshaus  gelaufen,  trotz  seines  übertretenen  Fusses,  und  stürzte 
sich  sofort  auf  das  wenige  Essbare,  das  vorhanden  war,  da  er  den  ganzen  Tag 
über  nur  von  drei  rohen  Eiern  und  Brot  gelebt  hatte.  Er  erzählte  die  erbau- 
lichsten Dinge  von  seiner  Reise,  wie  zum  Beispiel,  dass  die  Pferde  auf  der 
Strecke  zwischen  zwei  Telegraphenstangen  fünfmal  stehen  geblieben  wären,  dass 
die  Fuhrleute,  als  die  Wagen  festsassen,  sich  einfach  davon  gemacht  und  auf 
der  Station  schlafen  gelegt  hätten,  ohne  sich  weiter  um  Wagen,  Pferde  und  In- 
sassen zu  kümmern,  und  dergleichen  mehr. 

Der  nächste  Morgen  brachte  aber  wieder  hellen  Sonnenglanz  und  fast 
vollständige  Windstille  und  gewährte  eine  herrliche  Aussicht  auf  die  mit  Neu- 
schnee bedeckten  Bergketten.  Auch  auf  dem  weiteren  Wege  nach  Otun-kosa, 
der  durch  ein  breites  Längsthal  auf  einen  Pass  und  dann  durch  eine  lange 
malerische  Schlucht  abwärts  führt,  hatten  wir  uns  grossartiger  Ausblicke  auf 
wilde,  zackige  Berghäupter,  weite  Thalniederungen  und  die  aus  der  Ferne  in 
blauen  Farbentönen  herüberschimmernde  Wüste  zu  erfreuen.  So  ging  es 
noch  mehrere  Tage  weiter  in  den  Bergen.  Die  Unterkunftshäuser  waren 
sehr  dürftig,  zu  kaufen  gab  es  gar  nichts,  weder  für  Mensch  noch  für 
Tier,  so  dass  man  sich  öfter  mit  sehr  schmaler  Küche  begnügen  musste, 
da  auch  die  Wagen  infolge  der  schwierigen  Wege  nach  wie  vor  spät  in  der 
Nacht  oder  erst  des  Morgens  ankamen.  Für  diese  Unbequemlichkeiten  ent- 
schädigten uns  aber  reichlich  die  hohen  landschaftlichen  Reize  des  Weges.  Wenn 
auch  die  Vegetation  nur  auf  sehr  wenige  Stellen  in  den  Thalniederungen  be- 
schränkt war  und  noch  ganz  im  Winterkleide  steckte,  so  waren  es  die  Klarheit 
der  Luft,  die  Wildheit  der  Gebirgsformen  und  der  Kontrast  zwischen  der  Mannig- 
faltigkeit der  Felsbildungen  und  der  Einförmigkeit  der  Wüste  im  Süden,  welche 


—     i66     — 

den  Eindruck  des  Grossartigen  hervorriefen.  Auf  der  letzten  Nachtstation  inner- 
halb des  Gebirges,  in  Tschoglu-lschai,  fiel  etwas  Neuschnee,  der  alle  höheren 
Thien-schan -Berge  in  ein  silbernes  Gewand  hüllte. 

An  den  Felswänden  in  nächster  Nähe  der  Station  Tschoglu-tschai  hatte 
das  Spiel  des  Windes  und  der  Stürme  hoch  über  der  Thalfläche  in  wunder- 
lichster Weise  die  dort  anstehenden  Konglomeratschichten  erodiert  und  die 
ganze  Oberfläche  durchlöchert  (siehe  die  gegenüberstehende  Textfigur).  Grosse, 
länglich-ovale  Höhlungen  laufen  der  Schichtung  parallel,  dazwischen  sind  un- 
zählige kleinere,  rundliche  Löcher  von  jeder  Grösse.  Offenbar  sind  die  weicheren 
und  weniger  widerstandsfähigen  Teile  der  sowohl  nach  Geröll material  wie  nach 
Struktur  sehr  heterogen  zusammengesetzten  Konglomerate  durch  die  ausschleifende 
Wirkung  der  vom  Winde  herumgewirbeltcn  Sandkörner  und  vielleicht  auch  durch 
chemische  Wirkungen,  wie  sie  schon  von  Kara-küsül  (pag.  153)  aus  Graniten  be- 
schrieben wurden,  entfernt  worden  und  es  entstanden  an  ihrer  Stelle  zwischen 
den  stehengebliebenen,  härteren  Teilen  Hohlräume,  die  sich  in  Grösse,  Umfang 
und  Verbreitung  nach  der  Zusammensetzung  und  Beschaffenheit  der  Komponenten 
des  Konglomerates  gerichtet  haben. 

In  Tschoglu-tschai  waren  wir  nur  noch  vier  Tagemärsche  von  Hami 
entfernt,  und  während  derselben  ging  der  Weg  über  unabsehbare  Geröll  und 
Trümmerflächen  am  südlichen  Gebirgsabhange,  sich  immer  mehr  von  dem 
Gebirge  selbst  entfernend,  in  südöstlicher  Richtung  der  Stadt  zu.  Zuerst 
und  in  den  höheren  Regionen  umgaben  uns  nur  starre  Steinwüsten,  zerfurcht  von 
wilden,  wasserleeren  Schluchten  mit  enormen  Blockanhäufungen,  ohne  Tier-  oder 
Pflanzenleben;  langsam  milderten  sich  die  schroffen  Formen,  die  Oberfläche  wurde 
ebener,  auf  einzelnen  lehmreicheren  Stellen  hatten  sich  Gräser  und  stachlige 
Büsche  genügsamer  Wüstenpflanzen  angesiedelt,  und  bis  zu  dieser  Höhe  wagten 
sich  auch  die  scheuen  Antilopen  (Kjike).  Erst  von  der  zweiten  Tagereise  ab 
begegneten  wir  grösseren,  mit  Riedgräsern  und  Schilf  bewachsenen  Flächen 
auf  diesem  Steinmeere;  auch  Kulturland  und  Ansiedelungen  mehrten  sich,  je 
weiter  der  Weg  sich  voxn  Gebirge  entfernte  und  in  das  ebene,  .flache  Vorland 
eindrang.  Hier  gab  es  wieder  kleine  Dörfer  und  bessere  Stationen,  einiger 
Verkehr  herrschte  auf  der  Strasse,  und  zahlreiche  Schafherden  waren  auf  der 
Weide.  Zur  Linken  zog  sich  die  ununterbrochene  Gipfelreihe  der  Haupt- 
kette der  Barkul-Berge  nach  Osten,  ohne  sichtbares  Ende;  zur  Rechten  senkte 
sich  das  Land  in  Terrassen  und  langgezogenen,  niederen  Hügelreihen  hinab 
nach  Süden  zur  Wüste,  einem  noch  unerforschten  Meere  von  Stein  und  Sand, 
das  aus  der  Ferne  wie  bewohntes  und  bebautes  Land  herüberschaut.  Aber  die 
Warttürme,  die  wir  zu  erkennen  glauben,  sind  kahle  Felsstöcke,  die  dunkleren 
Flecke  sind  schwarze  Kieswüste,  und  statt  der  Städte,  Festungen  und  Burgen 
ragen  aus  dem  Sande  lange  Reihen  von  phantastisch  geformten  Felsriffen. 

Welche  Geheimnisse  sie  noch  bergen,  diese  unermesslich  sich  ausdehnenden, 

• 

den    ganzen    Horizont    auf  der    Südseite    umfassenden    wüsten    Regionen,    ^^ 


-     i67     - 

denen  kein  Vogel  lebt,  keine  nocli  so  genügsame  Pflanze  gedeiht,  wer  wird 
es  erforschen?  Wohl  führen  die  Pfade  kühner  Expeditionen  durch  einzelne 
Strecken  dieses  Gebietes,  wohl  weiss  man,  dass  es  dort  felsige  Gebirge,  wilde 
Schluchten,  weite  Sandflächen  giebt,  aber  irgend  ein  Nutzen  für  den  Menschen 
ist  aus  ihnen  nicht  zu  erwarten,  und  so  wagt  denn  auch  Niemand  ausser  wissen- 
schaftlichen Forschern,  sie  ohne  zwingenden  Grund  zu  betreten.  Ein  solcher 
aber  ist  an  der  Stelle,  an  der  wir  die  grosse,  Zentralasien  durchziehende  Wüsten- 
zone erreichen,  bei  der  Oase  von  Hami,  vorhanden. 

Zwischen    den    grossen   Ländermassen    im   Norden,    der  Wüstenzone    der 
Gobi   und  dem  inneren  und  südlicheren  China  flndet  seit  Alters  her  ein  lebhafter 


WinilliöhlunR  im  Conßlomeral  bei  Tschoßlu-Ischal,  norilweatlich  von  Hami. 
Verkehl  und  Warenaustausch  statt,  und  diesem  Handelsverkehr  stehen  nur 
wenige  Wege  durch  die  Wüste  zur  Verfügung.  Einer  derselben,  eine  mit  Stationen 
versehene,  fahrbare  Strasse,  geht  von  Hami  aus  nach  An-si-tschöu  und  Su-tschöu 
in  südlicher,  ein  anderer,  etwas  schwierigerer  Saumweg  durch  gebirgiges  Wustcn- 
gebiet  in  südöstlicher  Richtung  direkt  nach  Su-tschou.  Im  fernen  Osten  wird 
in  der  ostlichen  Mongolei  die  Wüste  ebenfalls  von  mehreren  Handelsstrassen 
durchquert,  die  Kiachta  und  Urga  mit  Peking  und  Su-tschöu  verbinden. 

Hami  selbst  liegt  schon  in  ziemlich  beträchtlicher  Entfernung  {42  km)  vom 
Gebirgsfusse  des  Karlük-tag  selbst,  von  dem  es  eine  Kies-  und  Sandwüste 
trennt,  auf  Lehmboden,  und   besteht  aus    drei,    in    geringen  Entfernungen   von 


—     i68     — 

einander  erbauten,  mit  Mauern  umgebenen  Städten.  Von  diesen  ist  die  neue 
chinesische  Stadt  zugleich  Sitz  des  Amban  und  Festung;  die  sartische  und 
Dunganen-Stadt  sieht  aus  wie  ein  umwalltes  grosses  Sartendorf  mit  niederen 
Lehmbauten,  Gärten  und  Bäumen,  ist  aber  ohne  ständigen  Bazar;  die  dritte, 
gleichfalls  chinesische  Stadt  endlich  besteht  in  ihrem  Hauptteil  nur  aus  einem 
Bazar,  der  zwei  lange,>sich  rechtwinklig  schneidende  Strassen  einnimmt  und 
etwa  zu  gleichen  Teilen  aus  chinesischen  Magazinen  und  offenen  saitischen 
Verkaufsbuden  an  der  nur  stellenweise  überdeckten  Strasse  besteht. 

Die  Bewohner  sind  sehr  verschiedenartig.  Am  geringsten  ist  das  chi- 
nesische Element  vertreten,  wenn  man  von  der  wechselnden  Besatzung  absieht; 
es  wird  von  Prschewalskij  auf  nur  1500  von  etwa  10  000  Einwohnern  an- 
gegeben. Den  Hauptteil  der  Bewohner  bilden  die  Tarantschen,  von  denen  man 
annimmt,  dass  sie  mit  Mongolen  und  Turkestanern  vermischte  Nachkommen 
der  alten  Uiguren  sind.  Sie  sind  sämütch  sunnitische  Muhamedaner  und  werden 
daher  von  den  Chinesen,  wie  alle  in  China  lebenden  Muhamedaner,  als  Choi-choi 
bezeichnet.  Dieser  Name  umfasst  auch  die  durch  die  Aufstände  gegen  die 
Chinesen  berüchtigten  Dunganen,  die  ebenfalls  in  Hami  vertreten  sind.  Ihre 
Abstammung  ist  noch  zweifelhaft;  manche  sehen  in  ihnen  echte  Chinesen,  die 
nur  durch  den  Islam  verändert  und  dem  eigentlichen  chinesischen  Volks- 
charakter entfremdet  worden  sind.  Grum  Grschimailo  aber  hält  neuerdings 
die  Anschauung  für  begründet,  dass  die  heutigen  Dunganen  die  Nachkommen 
der  zahlreichen,  muhamedanischen  Westturkestaner  sind,  die  von  Dschingis-chan 
aus  Buchara,  Samarkand  und  Fergana  in  grosser  Menge  nach  dem  Osten  gesandt 
wurden,  dort  fremd  dem  Volke  gegenüberstanden  und  infolge  ihrer  religiösen 
Gegensätze  sich  absonderten,  wenn  sie  sich  auch  nicht  ganz  chinesischen  Ein- 
flüssen entziehen  konnten.  Sie  wären  dann  jedenfalls  die  am  weitesten  nach 
Osten  und  China  vorgedrungenen  Turkstämme.  Noch  heute  leben  sie  in 
grossem  Gegensatze  zu  der  einheimischen,  chinesischen  Bevölkerung,  der  auf 
das  strenge  Festhalten  an  ihrer  althergebrachten  Religion  zurückzufuhren  ist  und 
der  immer  wieder  von  Zeit  zu  Zeit  die  Flammen  inneren  Aufruhrs  auflodern 
lässt,  blühende  Distrikte,  ganze  Städte  und  Ortschaften  vernichtet  und  die  Bc- 
völkeruijg  dezimiert.  Während  der  Reise  in  Kan-su  war  reichlich  Gelegenheit, 
die   traurigen  Spuren  dieser  Dunganenaufstände  überall  zu  bemerken. 

Die  vereinigten  Städte  Hamis  machen  keinen  wohlhabenden  Eindruck;  am 
einladendsten  sieht  noch  die  alte  und  Hauptstadt  »KomuU  aus,  die  ganz  zwischen 
Gärten  und  Bäumen  erbaut  ist  und  nur  wenig  Läden,  dafür  aber  einen  Wochen- 
markt hat.  Die  Hütten  sind  alle  niedrig,  wenig  geräumig,  aus  Lehm  gebaut 
und  mit  flachen  Dächern  gedeckt,  wie  sie  überall  in  Ost-Turkestan  zu  finden 
sind,  während  die  chinesischen  Häuser  und  Läden  geräumiger,  luftiger  und 
auch  etwas  sauberer  sind.  In  der  alten  und  neuen  chinesischen  Stadt  muss 
die  durch  keinen  Schatten  gemilderte  Hitze  im  Sommer  unerträglich  sein.  Die 
Bedeutung  der  Stadt  liegt  in  ihrer  Lage  als  Knotenpunkt  der  grossen  Karawanen- 


TAFEL  Xl. 


-     I69     - 

Strassen,  die  sich  hier  treffen;  aber  der  Verkehr  ist  zumeist  Durchgangsverkehr. 
Ii^endwelche  Waren  oder  Erzeugnisse  des  einheimischen  Gewerbefleisses  fehlen 
ganz.  Russische  Waren  sind  sehr  zahlreich  auf  dem  Bazar,  besonders  solche 
der  Textilindustrie,  aber  auch  Lampen,  Kerzen,  Streichhölzer,  Zucker  u.  a. 

Das  Kulturland  in  der  Umgebung  ist  nicht  sehr  ausgedehnt,  und  es 
berühren  sich  Wüste  und  Oase  in  schroffem  Gegensätze.  Es  werden  Weizen, 
Gerste,  Wassermelonen,  die  wegen  ihres  Wohlgeschmackes  bis  Peking  exportiert 
werden,  Kürbis,  Trauben  und  Opium  angebaut,  abgesehen  von  dem  Obst  der 
zahlreichen  Gärten. 


Dun^ane  In  HamL 

Ausser  diesen  Fcldfrüchten  und  den  schon  genannten  importierten  Waren, 
unter  denen  sich  einzelne  englische,  japanische  und  über  Schang-hai  eingeführte 
deutsche  Artikel  befinden,  kommen  auch  Rohmaterialien  auf  den  Markt, 
wie  Häute,  Leder,  Holz,  Kohle  und  Metalle. 

Der  Sommer  ist  heiss,  der  Winter  aber  erträglich,  weil  die  nördlich  g^e- 
legene  hohe  Thien-schan-Kette  des   Karlük-tag  die  kalten  Winde  abhält. 

Sehr  teuer  ist  hier  das  Eisen,  das  sowohl  schon  verarbeitet,  als  auch  in 
Barrenform  in  den  Handel  kommt.  Feinere  Schmucksachen,  wie  überhaupt 
feinere  Arbeiten  des  Kunstgewerbes  oder  Handarbeiten,  die  man  in  russischen 
Sartenstädten  zu  bewundern  Gelegenheit  hat,  fehlen  fast  ganz  oder  sind  von 
weither  gebracht. 

Hami  ist  demnach  eine  sehr  reizlose  Stadt,  höchstens  erweckt  eine  alte, 
an  der  Hauptfront  mit  glasierten  [Ziegeln  und  Mosaik  geschmückte  Moschee 
flucht^  die  Erinnerung  an  die  Prachtbauten  Samarkands.  Weitere  bemerkens- 
werte Gebäude  giebt  es   nicht;    nur  die  grosse  Anzahl  von  einfachen  schmuck- 


—     170    — 

losen  Grabstätten  aus  der  Zeit  der  Dunganenkriege,  welche  im  Nordosten  der 
Stadt  ein  weites  Feld  bedecken,  und  die  grossen  Familiengriifte  auf  dem 
muhamedani sehen   Kirchhofe  verdienen    noch  der  Erwähnung. 

In  den  ersten  Tagen  des  Mai  herrschten  in  Hami  schon  ganz  sommer- 
liche Temperaturen.  Tags  stiegen  die  Thermometer  im  Schatten  bis  auf  -|-  30'  C. 
und  die  Nacht  brachte  mit  4-  9'C.  als  niedrigster  Temperatur  nur  geringe  Ab- 
kühlung. In  den  staubigen  Lehmstrassen  der  Stadt,  deren  helle  Wände  alle  Hitze 
zurückstrahlen,  ist  es  über  die  Mittagszeit  sehr  ungemütlich  und  man  zieht  sich 
am  besten  in  die  inneren  Gemächer  zurück,  die  man  leidlich  kühl  halten  kann. 


Wir  genossen  den  Vorzug,  durch  das  Entgegenkommen  des  Obermanda- 
rinen ausserhalb  der  Stadt  an  einem  kleinen  schilfbedeckten,  von  hohen 
Bäumen  überschatteten  See  in  einem  Tempel  ein  schönes  Quartier  angewiesen 
zu  erhalten  (siehe  Tafel  XI).  Die  Tempelanlage  inmitten  eines  Haines  an  den 
Ufern  des  kleinen  Teiches,  auf  welchem  sich  bunte  Enten  tummeln,  enthält  hohe 
luftige  Räume,  von  denen  eine  Anzahl,  die  nicht  von  Götterstatuen  besetzt  sind. 
leer  stehen  und  von  reisenden  Mandarinen  benutzt  werden.  Von  Einrichtungs- 
gegenständen ist  nichts  da  als  einige  Tische,  Stühle  und  Bänke  liir  das  Nacht- 
lager; für  alles  andere  muss  man  selbst  sorgen.  Neben  dem  Wohngebäude 
liegen  die  Tempel,  vor  denen  eine  erhöhte  Terrasse  mit  Freitreppe  sich  be- 
findet     Heim   Eintritt  in   das   in    der    Mitte    gelegene    Hauptheiligtum,    an  das 


—   I/I   — 

beiderseits  je  ein  Nebentempel  anstösst,  glaubt  man  sich  in  eine  Kapelle  der 
romanischen,  katholischen  Länder  versetzt  Hinter  einem  Altar,  über  dem  eine 
hängende,  ewige  Lampe  brennt  und  auf  dem  zahlreiche  Weihgefässe  mit  Weih- 
wasser, Opfei^aben  an  Früchten  und  Behälter  von  Räucherkerzen  aufgestellt 
sind,  erhebt  sich  die  Statue  des  Hauptgottes,  dem  allein  die  Ehre  der  ewigen 
Lampe  zukommt.  Umgeben  von  Blumenzweigen,  sitzt  eine  vergoldete  Gestalt 
in  rotseidenem  Gewände  über  dem  Altare,  mit  fast  weiblichen  Zügen  und  ver- 
klärtem Gesichtsausdrucke.  Zu  beiden  Seiten  stehen  mit  betend  gefalteten 
Händen  und  blauer,  roter  und  grüner  fliegender  Gewandung  andere  Gottheiten, 
deren  Haare  in  zwei  Knoten  seitlich  am  Kopfe  geflochten  sind  und  die  Kopfaus- 
wüchse, die  göttliche  Zeichen  sind,  verdecken.  Das  Ganze  ist  von  Draperien 
und  Dekorationen  seitlich  umgeben  und  kann  durch  Flügelthüren  mit  zierlichem 
und  in  Farben  ausgeschlagenem  Gitterwerk  verschlossen  werden. 

Links  von  diesem  Hauptheiligtum  befindet  sich  ein  tiefes,  gruftartiges  Ge- 
wölbe, in  dessen  Hintergrunde  drei  nicht  ganz  lebensgrosse  Göttergestalten 
sitzen,  mit  prachtvoller  Gewandung  unter  den  roten  Ueberwürfen.  Es  sind  weib- 
liche Figuren  mit  grossen,  goldenen  Diademen  auf  dem  Kopfe.  Rings  um  diese 
Gruppe  herum  sind  die  Wände  der  Gruft  mit  zahllosen,  kleinen,  weissen  Figuren 
besetzt,  die  man  mit  den  Engeln  vergleichen  könnte,  welche  die  katholischen 
Heiligenbilder  zu  begleiten  pflegen.  Andere  weibliche  Gestalten  halten  Knaben 
im  Schosse  oder  ein  Kind  sieht  oberhalb  der  linken  Brust  hervor;  wieder  eine 
andere  hält  ein  Schälchen  mit  Samenfrüchten  in  der  Hand  und  ihr  gegenüber 
ist  eine  martialische  Figur  mit  schwarzer  Haut,  der  Farbe  der  Teufel,  und 
einem  Tiger  auf  dem  Kopfe  aufgestellt.  Leider  fehlte  es  an  erklärenden  Führern 
und  ich  konnte  die  Namen  und  Bedeutung  dieser  Götter  nicht  erfahren ;  es  scheint 
aber,  dass  dieser  Raum  mit  Gebeten  um  glückliche  Nachkommenschaft  in  Be- 
ziehung steht.  Manches  wenigstens  in  den  Geberden  und  Beigaben  weist  mit 
realistischer  Deutlichkeit  nach  dieser  Richtung.  Rechts  befindet  sich  eine  ähn- 
liche Gruft,  in  der  drei  vergoldete  Gestalten  in  roten  Ueberwürfen,  je  eine  auf 
einem  Tiger  und  eine  auf  einem  Elefanten  sich  befinden.  Zahlreiche  kleine 
Bronzestatuetten  stehen  an  der  Wand  entlang  in  betender  Stellung  und  mit  ge- 
falteten Händen.  Beim  Eingang  steht  eine  grössere,  weibliche  Figur  in  betender 
Stellung  und  reicher  Gewandung,  zu  ihren  Füssen  eine  kleinere  Figur  und  ihr 
gegenüber  ein  wilder,  kriegsgottähnlicher,  hellblau  bemalter  Heiliger  mit  Flammen 
auf  dem  Haupte,  roten  Augen,  einer  Hellebarde  und  schrecklichem  Gesichte, 
um  die  Gläubigen  mit  Furcht  und  Entsetzen  zu  erfüllen.  Ueberall  in  den  budd- 
histischen Tempeln  sind  solche  wilden  und  mit  schrecklichen  Beigaben  ver- 
sehene Göttergestalten  und  Schauder  erregende  Darstellungen  ihrer  Thaten  zu 
finden. 

Noch  ein  weiteres  Heiligtum  schliesst  sich  an,  in  dessen  Vorhalle 
Steinplatten  mit  Inschriften,  Figuren  und  Drachenbildern  aufgestellt  sind; 
im  Innern    steht    links    eine  bis    an  die  Hüfte    entkleidete  Gottheit    mit  grüner 


—       172      — 

Hautfarbe  und  roter  Beinbekleidung.  Augen,  Lippen  und  Augenbrauen 
sind  intensiv  rot  in  dem  grasgrünen  Gesichte;  die  Figur  ist  bartlos  und  ohne 
Zopf,  in  der  Hand  schwingt  sie  einen  Hammer  wie  einen  Taktstock.  Ein 
anderer  Gott  ist  diesem  gegenüber  aufgestellt  und  ebenfalls  halb  entblösst, 
hat  aber  schwarze  Haut,  aus  der  Rippen  und  Muskulatur  stark  hervor- 
treten, wie  wenn  er  Krankheit  oder  Hungersnot  symbolisiert  darstellen  sollte. 
Die  eine  Hand  hält  er  über  den  Kopf,  wie  wenn  er  wahrsagen  wollte;  die 
andere  schwingt  einen  Hammer.  Hinter  diesen  beiden  Figuren  und  hinter  einer 
portierenartigen  Draperie  stehen  drei  Altäre.  In  der  Mitte  sitzt  ein  Gott  mit 
grosser,  goldener  Krone  auf  dem  Haupte,  in  gesticktem,  gelbseidenem  Gewände; 
seine  Handhaltung  scheint  anzudeuten,  dass  er  belehren  will,  dabei  hat  er  einen 
Zipfel  seines  lang  herunter  hängenden  Schnurrbartes  gefasst.  Ausser  diesem  aber 
hängen  ihm  noch  Bartflechten  von  der  Mitte  des  Kinnes,  je  rechts  und  links 
davon  und  je  wieder  vor  dem  Ohre  herab  bis  zur  Hüfte!  Seine  Hautfarbe  ist 
weiss,  das  2^ichen  eines  guten  Gottes.  Rechts  von  ihm  sitzt  auf  derselben  Bank 
eine  ebenfalls  reich  gekleidete  Gestalt  mit  derselben  Bartmode,  Bronzegesicht 
und  einem  grossen  Haarknoten  auf  dem  Kopfe;  in  der  rechten  Hand  hält  sie 
einen  Fisch ;  die  Figur  mit  braunem  Gesicht  zur  Linken  der  Hauptgottheit  trägt 
einen  Hammer  und  hat  einen  spitzen  Schnabel  als  Mund;  auf  dem  Wirbel  des 
Kopfes  ist  ein  grosser,  nach  hinten  gerichteter  Adlerkopf  mit  mächtigem  Schnabel. 
Zahlreiche  andere  Statuen  sind  noch  in  diesem  Räume  aufgestellt,  darunter  auch 
ein  Mohr  mit  Diadem  und  Schlachtbeil,  der  auf  einem  Tiger  sitzt,  eine  weibliche 
Figur  auf  einem  Wolf  u.  a.  Alle  diese  Figuren  sind  in  Lebensgrösse  aus  Thon 
gebildet  und  bunt  bemalt;  vor  allen  stehen  üpferschalen  und  Räucherkerzen 
und  in  der  Mitte  hängt  ein  ewiges  Licht. 

Ueber  einige  Treppen  steigt  man  zu  einem  weiteren  Tempelsaal  hinauf, 
in  welchem  zu  beiden  Seiten  eines  Altars  zwei  lebensgrösse  Götterbilder  stehen; 
sie  haben  schwarze  Oberkörper,  der  eine  trägt  eine  Hellebarde  in  der  Hand. 
An  den  Wänden  sind  Kohlenzeichnungen  und  Darstellungen  von  Landschaften, 
Pagoden,  Schiffen  u.  a.;  grosse  Tonnen  als  Trommeln  stehen  herum.  Ganz 
oben  im  höchsten  Teil  des  Tempelgebäudes  ist  nochmals  ein  Tempelraum,  mit 
einer  grossen  Trommel  und  einer  fast  i  m  hohen  Glocke  im  Vorraum;  an  den 
vier  Ecken  des  Daches  sind  Glocken  angebracht,  die  der  Wind  bewegt.  Zwei 
mächtige,  3  m  hohe  Göttergestalten  sind  im  Innern  aufgestellt,  deren  naturgetreue 
Reproduktion  die  Tafel  XII  nach  einer  Skizze  wiedergiebt.  Links  steht  die 
Gestalt  mit  schwarzem  Gesicht,  drei  Augen  und  Flammen  auf  dem  Haupte,  in 
reicher,  eigenartiger  Kleidung,  die  einem  Panzerschurze  ähnlich  sieht;  beide 
Göttergestalten  tragen  Hellebarden,  aber  die  rechts  stehende  hat  weisse  Hautfarbe, 
Die  bunten  Darstellungen  an  den  Wänden  enthalten  kriegerische  Vorgänge  und 
festliche  Veranstaltungen   mit  Personen,    die   in  Lebensgrösse  abgebildet  sind. 

Diese  schöne,  überall  gut  erhaltene  und  in  ordentlichem  Zustande  be- 
findliche   Tempelanlage     wurde     absichtlich    so    ausführlich    geschildert,     um 


—     173     — 

das  kaleidoskopartig  bunte  Bild  der  buddhistischen  Götterwelt  zu  charakterisieren; 
wie  diese  Darstellungen  eine  Fülle  von  mythischen  und  phantastischen  Beigaben 
und  Symbolen  zeigen,  so  sind  auch  die  buddhistischen  Lehren  und  Anschauungen 
voll  von  schwer  verständlichen,  mystischen  Vorstellungen.  Der  Buddhismus 
stammt  aus  Indien;  schon  hundert  Jahre  vor  Christi  Geburt  war  er  nach  China 
und  im  VI.  Jahrhundert  über  das  nordöstliche  Asien  bis  Korea  und  Japan  und 
im  Westen  bis  an  die  Grenzen  Europas  ausgebreitet,  wo  sich  noch  heute  an 
der  unteren  Wolga  buddhistische  Kalmüken  befinden,  von  denen  Pilger  nach 
Hla-sa  wallfahrten.  Die  chinesische  Form  des  Buddhismus  ist  etwas  ver- 
schieden von  dem  tibetanischen  Buddhismus,  den  man  richtiger  als  Lamaismus 
bezeichnet.  Der  ursprüngliche,  mystische,  indische  Charakter  ist  in  Tibet,  wo 
die  buddhistische  Lehre  erst  im  VII.  Jahrhundert  eindrang,  in  merkwürdiger 
Weise  mit  Elementen  tibetanischer  Mythologie  und  Geisterverehrung  durch- 
setzt. Dieser  Anpassung  an  den  alten  Volksglauben  verdankt  er  dort  auch 
seinen  Einfluss  und  seine  feste  Begründung.  Dadurch  ist  aber  ebenso  wie 
durch  die  weitere  Entwicklung  die  ursprünglich  einfache  Lehre  des  Gründers  des 
Buddhismus,  Siddharta  Gautama  oder  Säkya-Muni,  im  IV.  bis  V.  Jahrhundert 
vor  Christi  wesentlich  verändert  und  ausgedehnt  worden.  Perioden  der  Ent- 
artung folgten  Reformationen  und  Gründungen  von  Sekten,  von  denen  heute  die 
ibetanische  Sekte  der  Gelug-pa  die  mächtigste  ist.  Alle  Buddhisten  Chinas, 
der  Mongolei,  Tartarei,  Japans  und  der  Himalaya-Staaten  gehören  einer  nörd- 
lichen Schule  an,  die  schon  am  Ende  des  I.  Jahrhunderts  nach  Christus  sich 
von  der  südlichen,  weit  schwächeren  Schule  trennte,  welche  heute  noch  in  Ceylon, 
Siam  und  Birma  Anhänger  besitzt. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  das  Wesen  und  die  Lehre  des  Buddhismus 
und  seiner  zahlreichen  Veränderungen  und  Erweiterungen  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte einzugehen.  Die  Beschreibung  des  Tempels  in  Hami.  hat  die  ausser- 
ordentliche Mannigfaltigkeit  der  Göttergestalten  und  symbolisch-mystischen 
Vorstellungen  schon  genügend  gezeigt,  und  es  wird  noch  mehrfach  weiter  in 
China,  besonders  aber  in  Nordosttibet,  Gelegenheit  sein,  auf  Einzelheiten 
buddhistischen  und  lamaistischen  Wesens  einzugehen. 


Lag^ir  IV  (JasQtBchan),  nördliche  Zone  der  Gobi. 


VI.  KAPITEL. 


Die  Wüste  „Gobi"  zwischen  Harn!  und  Su-tschöu. 

Die  Vorbereitungen  für  einen  längeren  Marsch  durch  die  Wüste  sind  recht 
umständhch  und  sehr  zeitraubend,  wenn  man  sie  an  einem  Orte  wie  Hami  treffen 
muss.  Viele  für  den  Europäer  unentbehrhche  Dinge  sind  gar  nicht  käuflich  und 
müssen  schon  aus  dem  Westen  mitgebracht  werden,  aber  selbst  die  zur  Kara- 
wanenausrüstung nötigsten  Gegenstände,  wie  Proviant,  Seile,  Kisten,  Pack- 
materialien und  dergleichen  mehr  sind  in  guter  Qualität,  hinreichender  Menge 
und  vor  allem  rechtzeitig  oft  nur  schwer  zu  bekommen.  Versprochen  wird  alles, 
aber  wenn  geliefert  werden  soll,  kann  man  Tage  lang  warten.  Auch  hier  sind 
noch  in  dieser  Beziehung  die  muhamedanischen  Feiertage,  an  welchen  die  Sarten 
zu  nichts  zu  haben  sind,  sehr  störend. 

Ausser  europäischen  Konserven  aller  Art,  versahen  wir  uns  mit  dem  ein- 
gesalzenen Fleisch  von  zehn  Hammeln,  mit  einigen  hundert  abgekochten  Eiern, 
sartischem  Brot  und  getrockneten  Früchten  in  grösseren  Mengen.  Die  Pferde 
wurden  neu  beschlagen,  und  Futtererbsen  für  dieselben  auf  25  Tage  in  Ballen 
gepackt,  die  das  für  Kamellasten  richtige  Gewicht  hatten.  Ebenso  mussten  auch 
alle  übrigen  Gepäckstücke   für  die  Reise  hergerichtet  werden,    soweit  sie  nicht 


—     I7S    — 

auf  eine  Arbe,  die  unter  Bedeckung  nach  Su-tschou  auf  dem  grossen  Wege 
über  An-si-tschöu  vorausgesandt  wurde,  verladen  werden  konnten.  Als  nach 
sechs  Tagen  alle  Vorbereitungen  vollendet  waren  und  am  6.  Mai  aus  Hami  auf- 
gebrochen wurde,  bestand  unsere  Karawane  aus  29  Kamelen  und  9  Pferden, 
die  alle  ausser  den  Reitpferden  wohl  beladen  waren. 

Die  Kamele  gehen  sehr  langsam,  und  so  ist  denn  auch  das  Tempo  fiir 
alle  andern  vorgeschrieben,  da  man  nicht  gut  vorausreiten  kann,  wenn  man  die 
Lagerplätze  nicht  kennt  und  keinen  Führer  hat.  Nur  kleinere  Abstecher  zu 
Sammlungs-  und  wissenschaftUchen  Zwecken  waren  möglich.  Da  aber  der 
drückenden  Mittagshitze  wegen  der  Aufbruch  der  Karawane  erst  um  4  Uhr 
erfolgt,  und  der  Marsch  bis  in  die  Nacht  um  10  oder  12  andauert,  so  sind  auch 
während  desselben  nur  wenige  Stunden  für  Beobachtungen  noch  benutzbar.  In- 
folgedessen musste  ich  oft  am  folgenden  Morgen  zurückgehen,  um  das  in  der 
Dunkelheit  durchzogene  Stück  des  Weges  noch  aufnehmen  und  untersuchen 
zu  können. 

Während  der  ersten  Märsche  von  Hami  aus  auf  dem  direkten  Wege  nach 
Su-tsch6u  ist  von  der  eigentlichen  Wüste  noch  wenig  zu  sehen.  Das  Land 
östlich  von  Hami  und  südlich  vom  Fusse  des  hier  Karlük-tag  benannten,  hohen 
Gebirges  des  Thien-schan  ist  Lehmboden  mit  Riedflächen  und  sumpfigen 
Stellen,  in  denen  aber  auch  viele  kulturfähige,  grössere  Plätze  besiedelt  sind. 
Es  sind  noch  Muhamedaner,  Abkömmlinge  der  alten  Uiguren,  vermengt 
mit  Mongolen  und  Ost-Turkestanern,  die  hier  Ackerbau  treiben,  und  sich 
Tarantschen  nennen.  Aus  einem  kleinen  Dorfe,  neben  welchem  unsere  Kara- 
wane ihr  erstes  Lager  aufgeschlagen  hatte,  erhielten  wir  morgens  den  Besuch 
der  weiblichen  Bewohner  des  ganzen  Dorfes,  die  kamen,  um  die  Fremden  und 
ihre  Sachen  zu  bewundern.  Sie  waren  nicht  verschleiert,  auch  durchaus  nicht 
scheu  und  Fremden  gegenüber  zurückhaltend,  wie  das  weiter  westlich  der  Fall 
ist.  Sie  hatten  alle  ihre  bunte  Feiertagskleidung  angelegt  und  trugen  imitierte 
Steine  in  den  Ohrgehängen  und  an  den  Ringen.  Besonders  eine  ältere  Dame 
zeichnete  sich  durch  ihre  glockenförmige,  fein  gestickte  Kopfbedeckung  aus;  sie 
schien  unter  den  andern  die  Rolle  der  »Frau  Bürgermeisterin«  zu  spielen. 

Der  Weitermarsch  brachte  nur  im  Anfange  noch  etwas  vegetations- 
bedecktes Gebiet  und  spärliche  Ansiedelungen,  dann  aber  endlose  Kiesflächen, 
deren  Schotter  die  Flüsse  aus  den  Abhängen  des  Karlük-tag  herunter  geführt 
hatten.  Hätten  wir  nicht  die  schöne  Aussicht  auf  diesen,  mit  frischem  Schnee 
bedeckten,  grossartigen  Gebirgszug  gehabt,  so  wäre  der  lange  Ritt  in  einiger 
Entfernung  von  seinem  Fusse  recht  einförmig  gewesen.  So  brachten  die  ver- 
schiedenen Beleuchtungen  und  besonders  die  schönen  Abendfärbungen  manche 
Abwechselung  in  das  Landschaftsbild. 

Der  Weg  entfernt  sich  allmählich  in  südlicher  Richtung  von  dem  Gebirge 
dessen  schneeglänzende  Gipfel  aber  noch  manche  Tagereise  weit  sichtbar 
bleiben,  und  geht  immer  weiter  in  die  öden  Schotterflächen  hinein.    Es  beginnt 


\ 


—     I/Ö    — 

hier  die  eclite  Kieswiiste  zwischen  den  weit  von  einander  entfernten  Gebir^ 
Zügen,  und  Vegetation  wie  Tierleben  erlöschen  fast  ganz.  An  der  Grenze  der 
Steppengrasflächen  g^en  die  Schotterzone  ist  auch  hier,  wie  im  nördlichen 
Tarimbecken,  die  Zone  der  Vegetationshügel  mit  Tarnanx  laxa  Willd.  stark 
entwickelt,  wie  die  folgende  Abbildung  zeigt 

Es  ist  indessen  kein  unfreundliches  Bild,  das  diese  Kieswiiste  bietet 
Der  Boden  freilich  ist  ganz  steinig  und  schwarz,  er  glänzt  in  der  Sonne,  als 
ob  er  aus  Eisen  wäre,  und  auf  meilenweite  Entfernungen  fehlt  jede  Pflanze.  Nur 
da,    wo    die    zur  Regenzeit   aus    dem  Gebirge  herabkommenden,     sich  auf  der 


Tamarixbllgel  auf  Sand-  und  Lehmflächc. 
NördUcke  Zone  der  Gobi,  zwiichen  La^er  n  (Da-tBcbunn-tan)   und  Lager  III  (Dtchan-dschansa). 

Kiesfläche  vielfach  verzweigenden  und  auch  einsickernden  Wasser  noch  hin- 
reichen, sind  kleine  Büsche,  meist  von  Wüstenpflanzen,  angesiedelt;  hier  fehlt 
auch  das  metallische  Aussehen  des  Bodens,  weil  das  Wasser  die  Bildung  der 
schwarzen  Ueberzüge  über  den  Steinen  verhindert.  Stellenweise  sind  kleinere 
Flächen  mit  Lehm  bedeckt.  Und  wie  weit  ist  es  oft  von  einem  Wasserplati 
bis  zum  andernl  Ueber  50  km  waren  an  einem  Abend  und  in  der  Nacht  mit 
den  Pferden  zurückzulegen,  bis  wir  einen  solchen  und  Lager,  V  (Utun-o-tssü, 
1090  m),  erreichten.  Die  Kamelkarawane  brauchte  dazu  zwei  Tage  und  brachte 
eine  Nacht  ohne  Wasser  auf  der  freien  Kiesfläche  zu,  was  für  die  Pferde  des 
Wassermangels  wegen  nicht  möglich  gewesen  wäre. 

Es  war  gut,  dass  wir  an  den  Wasserplatz  vorausgeeilt  waren;  denn  während 
der  Nacht,   in   der  wir   um  2  Uhr  ankamen,  war  das  Wetter  uns  noch  günstig. 


—   ^n   — 

Am  folgenden  Tage  aber  herrschte  Sturm,  der  sich  gegen  Abend  zum  Orkane 
steigerte  und  uns  befurchten  liess,  dass  die  zurückgebUebene  Karawane  über- 
haupt nicht  werde  aufbrechen  können;  indessen  erschien  sie  doch  noch  spät 
nachts.  Da  der  Sturm  mit  fast  unverminderter  Gewalt  auch  am  folgenden  Tage 
noch  anhielt,  war  ein  Aufbruch  unmöglich  und  wir  blieben  noch  einen  Tag 
Hegen.  Dieser  einsame  Wasserplatz  mitten  auf  der  Kiesfläche  ist  zu  charakteristisch, 
als  dass  er  nicht  einer  kurzen  Beschreibung  wert  wäre.  Trotz  des  mit  einer 
Geschwindigkeit  von  ii  m  in  der  Sekunde  wehenden  Windes  ist  die  Luft  rein 
und  klar,  die  Sonne  lacht  vom  Himmel,  und  im  fernen  Karlük-tag  glänzen  die 
Schneefelder.  Dunkle  Kiesmassen  dehnen  sich  nach  allen  Seiten,  und  gegen 
Nord  und  Nordosten  erheben  sich  kleine,  schwarze  Hügel  von  vulkanischem 
Gestein  aus  der  gleichförmigen  Kiesfläche.  Im  Süden  aber  verfolgt  das  Auge 
die  Niederung  eines  grossen  Flussthals  mit  steilen  Ufern  und  sehr  breitem  Bette, 
das  weiter  im  Westen  am  Wege  von  Hami  nach  An-si-tschou  nördhch  von  der 
Station  Jandun  vorbeizieht  und  den  Namen  Jandun'sches  Trockenthal  trägt. 
Jenseits  dieses  versiegten  Flusses  dehnt  sich  nach  Süden  wieder  über  weite 
Strecken  aus  Kies  und  Schotter  aufgebautes  flaches  Land.  Einige  kleinere  Er- 
hebungen alter  vulkanischer  Gesteine  vermögen  den  allgemeinen  Charakter  der 
Ebene  nicht  zu  stören.  Ganz  im  fernen  Süden,  dem  Auge  eben  noch  erkennbar, 
türmen  sich  wieder  neue,  hohe  Gipfel  empor,  die  zu  langer,  von  Osten  nach 
Westen  an  Höhe  abnehmender  Reihe  geordnet  sind.  Das  ist  ein  fernes,  die 
Wüste  durchziehendes  Gebirge  deren  noch  mehrere  auf  unserm  Wege  liegen, 
die  unter  dem  Namen  P*e-schan  (oft  auch  Beischan  geschrieben)  zusammen- 
gefasst  werden. 

An  unserm  Wasserplatze  herrscht  Leben;  nachts  .kommen  Karawanen 
an,  tags  brechen  solche  auf.  Den  lehmigen  Boden  bedecken  einige  Tamarix- 
sträucher,  Dornenbüsche  und  Gräser.  Ueber  der  kleinen,  sumpfigen  Wasser- 
fläche tummeln  sich  muntere  Gelbköpfchen,  auch  dunkel  befiederte  Wasser- 
vögel und  Steinhühner  kommen  vor;  kurz  vor  unserm  Abmärsche  fielen  fünf 
grosse  schöne  Reiher  ein. 

Fragen  wir  uns  nun,  wie  kommt  das  Wasser  gerade  an  diese  Stelle,  während 
es  sonst  weit  und  breit  nirgends  an  die  Oberfläche  tritt,  selbst  in  dem  grossen 
Flussthale  nicht,  so  ergiebt  sich  folgende  Antwort.  Aus  Norden  kommen 
kleine  Thälchen  herab,  die  in  der  Tiefe  unter  dem  Kiese  Wasser  führen.  Wo 
sie  unten  gegen  das  Flussbett  einmünden,  treffen  sie  auf  die  erwähnten  Thone 
des  Han-hai,  die  kein  Wasser  durchlassen.  An  der  Grenze  dieser  und  der 
Schotter,  die  darüber  lagern,  sammelt  sich  daher  das  Wasser  an,  und  wo  eine 
solche  Stelle  nahe  der  Oberfläche  liegt,  entstehen  die  kleinen  Tümpel  und 
sumpfigen  Stellen,  welche  in  der  Wüste  euphemistisch  »Brunnen«  heissen. 

An  dem  in  geringer  Entfernung  gegen  Süden  von  Osten  nach  Westen  hin 
ziehenden,  grossen  Flussthale  erheben  sich  am  gegenüberliegenden  Ufer  isolierte 
Berge    und    kleine  Plateaus    von    intensiv  roter  Farbe   mit  einer  grauen,  etwas 

Futter  er.  Durch  Asien.  12 


-    178    — 

überstehenden  Decke;  es  sind  nach  dem  geologischen  Sprachgebrauche  »Pilz- 
felsen« und  »Zeugenberge«.  Den  ersteren  Namen  fuhren  sie,  weil  ihre  Form 
an  Pilze  erinnert,  den  zweiten,  weil  sie  Zeugen  dafiir  sind,  dass  die  roten  Schichten 
einst  eine  grössere  Ausdehnung  besassen,  aber  durch  die  abtragende  Thätigkeit 
des  Wassers  und  hier  auch  die  des  Windes  zerstört  wurden,  so  dass  nur  einzelne 
isolierte  Schollen  zurückgeblieben  sind.  In  dem  3,5  km  breiten  Flussbette  ist 
kein  Wasser  zu  finden;  schwarze  metallisch  glänzende  Steinsplitter  und  Gerolle 
bedecken  auf  grosse  Strecken  hin  den  Boden,  und  nur  an  der  südlichen  Seite 
ist  etwas  Lehm  in  den  charakteristischen  Formen  um  die  Sträucher  und  Büsche 
angehäuft.  Hier  finden  sich  auch  im  Schutze  der  grösseren  Sträucher  blüten- 
tragende kleine  Gewächse  (Cistanche  salsa  C.  A.  Mey.),  die  aber  noch  nicht 
gewagt  haben,  ihre  Knospen  zu    entfalten. 

Ein  intensives  Abendrot  übergoss  am  ersten  Abend  mit  einem  fast  blutig 
roten  Scheine  die  im  Süden  liegende  Gebirgskette  und  liess  noch  nichts  ahnen 
von  dem  Sturme,  der  sich  alsbald  nach  Sonnenuntergang  erhob,  um  die  ganze 
Nacht,  sowie  den  folgenden  Tag  anzuhalten.  In  unserm  grossen  Zelte  waren 
wir  zwar  geschützt,  aber  auch  im  Innern  war  die  Luft  in  beständiger  Bewegung 
und  trieb  namentlich  am  Boden  feine  Staubteile  umher,  welche  alle  schützenden 
Hüllen  durchdrangen.  Das  Heulen  des  Sturmes  während  der  Nacht  verscheuchte 
den  Schlaf,  und  besonders  heftige  Stösse  erschütterten  das  Zelt  derart,  dass  die 
Gefahr  des  Umreissens  nicht  ausgeschlossen  schien.  Bei  solchen  Stürmen,  selbst 
im  Innern  der  Wüste,  ist  oft  die  Luft  scheinbar  rein  und  klar,  die  Sterne  glänzen 
vom  Himmel  und  der  Mond  freut  sich  des  Unfugs,  den  der  Windgott  auf  der 
Erde  anrichtet.  Am  andern  Morgen  erst  zeigt  die  feine,  gelbbraune,  dünne 
Schicht,  welche  sich  über  alles  gelegt  hat,  dass  die  Luft  eine  Menge  Staub  mit 
sich  führte  und  überall  hinein  wehte.  Inmitten  dieses  Sturmes  in  der  Nacht 
kam  unsere  Karawane  an,  die,  von  ihm  überrascht,  noch  glücklich  bis  zur  Station 
und  dem  Wasserplatze  gelangt  war.  Durch  das  Heulen  des  Windes  und  Tosen 
der  Luft  drangen  die  dumpfen  Töne  der  grossen,  eisernen  Kamelglocken,  und 
schauerlich  klang  das  Schreien  der  gequälten,  ermüdeten  Tiere.  Obwohl  die 
Karawane  am  nächsten  Tage  wegen  des  Sturmes  nicht  ausrücken  konnte,  war 
es  nicht  kalt,  und  ich  konnte  einen  kleinen  Ausflug  in  die  Umgebung  zu  einem 
kleinen,  altvulkanischen  Gebirge  unternehmen,  das  sich  nördlich  70  Kilometer  von 
der  Station  aus  der  schwarzen  Schottermasse  erhebt  Die  Hügel  haben  das 
t>'pische  Aussehen,  welches  die  Wüste  verleiht,  wenn  keine  Vegetation  sie  in 
ihrem  Wirken  hindert:  die  Berge  sind  alle  kuppenartig  gerundet,  lauter  kleinere 
und  grössere,  ganz  gerundete  Buckel  sind  zusammengereiht  und  ihre  Oberflächen 
mit  Schutt  und  Zersetzungsmaterial  bedeckt;  nur  an  einzelnen  Stellen  kommt 
anstehendes  Gestein  zum  Vorschein,  das  innen  grün,  aussen  aber  glänzend 
schwarz  ist  Vegetation  hat  sich  nur  spärlich  im  Grunde  der  kleinen  Thälchen 
zwischen  den  Hügeln  angesiedelt,  wo  das  Wasser  etwas  Lehm  angeschwemmt 
hat.     In  nördlicher  Richtung,  gegen  den  Karlük-tag  hin,  sieht  man  noch  mehrere 


—     179    — 

Reihen  solcher  vulkanischer  Erhebungen,  die  schwarz,  mit  scharfen  Umrissen, 
aus  der  Ebene  emporsteigen:  ein  Charakterbild  altvulkanischer  Landschaft,  welche 
während  langer  geologischer  Zeiten  von  Kälte,  Hitze  und  Wind  umgeformt  wurde. 

Der  Blick  über  die  Wüste  in  südöstlicher  Richtung,  wohin  wir  unsern  Marsch 
zu  nehmen  hatten,  zeigte  wenig  erfreuliches.  Die  am  Horizonte  sichtbare  hohe 
Gebirgskette  war  sehr  ferne.  Sie  zu  erreichen  kostete  noch  zwei  gute  Tage- 
märsche; dazwischen  aber  war  alles  ödes  Schutt-  und  Schwemmland,  auf  welchem 
vereinzelte  kleinere,  vulkanische  Erhebungen  hervorragten.  Beim  Marsche  zeigten 
sich  auch  unter  der  Schotterbedeckung  stellenweise  anstehende  Schiefer,  aber  das 
meiste  waren  und  blieben  während  der  beiden  Tage  monotone  Kiesflächen  mit 
geringer  Vegetation  oder  etwas  höher  gelegene,  ältere  (diluviale)  Schottermassen 
von  schwarzem,  finsterem  Aussehen  und  ohne  jede  Vegetation. 

Etwa  auf  halbem  Wege  zum  Gebirge  liegt  ein  Lagerplatz  mit  Wasser  in 
einer  muldenförmigen  Vertiefung  im  flachen  Sande.  (Lager  VI,  Jasütschan, 
s.  Kopf  dieses  Kapitels).  Auch  hier  sind  es  wieder  die  roten  Thone,  welche 
das  Wasser,  das  unter  dem  Kiese  rinnt,  festhalten  und  zur  Oberfläche  bringen, 
die  sich  etwas  gegen  Norden  senkt  und  unter  den  Schottern  die  Thone  bloss- 
legt.  Da  giebt  es  dann  reichlicheren  Pflanzenwuchs,  sogar  einige  Bäume,  und 
zahlreich  fanden  sich  die  Spuren  von  wilden  Eseln  (Asinus  hemionus  PalL- 
Dschiggetai). 

Reste  von  Gebäulichkeiten  zeigen,  dass  hier  einst  eine  Ansiedelung  war, 
aber  schon  lange  verlassen  sein  musste;  solche  wegen  versiegenden  Wassers 
aufgegebene  Stellen  birgt  die  Wüste  noch  vielfach.  Kann  man  daraus  auf  ein 
Trockenerwerden  des  Klimas  schliessen  oder  sind  nur  lokale  Ursachen  daran 
schuld? 

Der  Sturm  der  vorhergehenden  Tage  und  der  weite  ermüdende  Marsch  durch 
die  Schotterfläche  hatte  den  Kamelen  so  zugesetzt,  dass  deren  erste  Abteilung 
erst  spät  nachts,  kurz  vor  Mitternacht,  die  andere  einige  Stunden  später  und  einige 
Kamele  überhaupt  nicht  ankamen,  sondern  unterwegs  liegen  geblieben  waren; 
mehrfach  hatte  auf  dem  Marsche  umgeladen  werden  müssen,  und  damit  war  viel 
Zeit  verloren  gegangen.  Für  uns,  die  wir  mit  den  Pferden  rascher  vorwärts 
kamen,  hatte  das  die  Unbequemlichkeit,  dass  wir  ohne  Zelte  und  Thee  in  der 
Nacht  im  Freien  kampieren  mussten,  bis  auch  die  zweite  Abteilung,  welche  die 
Zelte  trug,  eintraf.  Um  den  Tieren  Ruhe  zu  gönnen,  blieben  wir  einen  Tag 
liegen;  das  letzte  der  in  der  Nacht  zurückgebliebenen  Kamele  kam  erst  zu 
Mittag  des  andern  Tages  der  Karawane  nach. 

Der  ermüdende  und  einförmige  weitere  Weg  auf  der  endlosen  Kiesfläche 
brachte  nur  insofern  einige  Abwechselung,  als  sich  wilde  Esel  zeigten,  auf  welche 
unsere  Jäger  Jagd  machten,  obwohl  das  ebene  Terrain  und  die  Vorsicht  der  Tiere 
keine  Aussicht  auf  Erfolg  gewährten.  Die  hohe  Gebirgskette,  der  wir  uns 
endlich  näherten,  beginnt  mit  einer  Reihe  kleinerer,  hügeliger,  aus  alten 
vulkanischen  Gesteinen  (Porphyren)  bestehender  Hügeln,  die  wie  schwarze,  eherne 

12* 


—     i8o    — 

Wächter  den  Eingang  in  das  Gebii^sthal  bewachen.  Ein  grösseres  wasserloses 
Thal  führt  in  die  hier  besonders  aus  krystaUinen,  mit  alten  Eruptivgesteinen 
durchsetzten  Schiefem  bestehende  Gebirgswelt,  deren  höchste  Ketten  aus  Granit 
gebildet  werden.  In  der  Schieferzone  tindet  sich  an  mehreren  Stellen  im  Fluss- 
bette frisches,  gutes  Wasser,  und  eine  derselben  dient  zum  Lagerplatze  Vll. 
Otun-dasutschan  (1770  m). 

Die  hohe  Zentralkette  liegt  gerade  nach  Süden  vor  uns;  die  Aussicht  auf 
dieselbe  und  nach  Ost  und  West  auf  die  Schiefer-  und  altvulkanischen  Berge  ist 
sehr  malerisch.  Der  Ort  liegt  gegen  Winde  geschützt  und  bietet  auch  reichlich 
Futter  für  Pferd  und  Kamel.     In  den  Berten  kommen  schon  zahlreich  die  wilden 


WiDclhöhlungen   im  Graoile  bei  I-aijer  Vli.      Gebirßc  lit-r  mittleren  Zone  der  Gobi, 

Bergschafe  (Argali  =  Ovis  Poli)  mit  grossen,  gewundenen  Hörnern  und  auch  wilde 
Esel  vor,  von  denen  einer  durch  einen  die  Karawane  begleitenden  Mongolen 
angepirscht  und  geschossen  wurde. 

Auch  der  weitere  Weg  durch  das  Gebilde  war  in  jeder  Beziehung  interessant 
und  bei  schönem  Wetter  sehr  angenehm.  Die  Gebirgsthäler  sind  in  ihren 
unteren,  breiten  Teilen  wohl  bewachsen  und  bieten  zahlreichen  wilden  Eseln, 
die  man  in  ganzen  Rudeln  weiden  sah,  Nahrung;  die  dunkeln  vulkanischen  Berge 
glänzen  in  der  Sonne  wie  Erz,  und  ihre  schwarzen  Halden  und  Abhänge,  sowie 
ihre  schroffen  Formen  kontrastieren  lebhaft  mit  den  hell  grau-braunen  Tönen 
und  milderen  Formen  des  Granitgebietes,  das  aber  auch  gänzlich  kahl  und 
vegetationslos  seine  Häupter  erhebt. 


—     i8i     — 

Hier  haben  Wind  und  Wetter  ihr  Spiel  getrieben,  wie  sie  es  ungehinderter 
nirgends  in  der  Wüste  thun  können,  und  die  Oberfläche  des  Granits  trägt  die 
Spuren  davon  (s.  die  Textfigur  auf  der  vorstehenden  Seite).  Die  hohen  Wände 
sind  durchsetzt  von  tiefen  runden  Höhlungen  und  Löchern,  als  hätte  sich  dort 
einst  Wasser  Strudellöcher  geschaffen  oder  als  hätte  eine  Artillerie  mit  schwerstem 
Geschütze  die  Felswände  beschossen.  Man  findet  sie  in  allen  Grössen  und  häufig 
dicht  beisammen;  an  andern  Stellen  sieht  die  Granitoberfläche  aus,  als  wäre 
sie  in  der  Häutung  begriffen;  helle,  rundliche,  bis  handgrosse  Flecken  frischen 
Gesteines  heben  sich  gegen  die  dunkelbraunen  Teile  der  alten  Oberfläche  ab, 
wie  neue  Haut  von  der  alten;  das  scheckige  Aussehen  erinnert  an  die  Zeich- 
nung eines  Leoparden,  nur  dass  hier  die  Flecke  hell  auf  dunkelm  Grunde  er- 
scheinen. Dann  wieder  hat  es  den  Anschein,  als  wären  die  mächtigen  Granit- 
felsen einst  weich  wie  Thon  gewesen  und  als  hätten  die  Finger  eines  Giganten 
sie  geknetet.  Die  seichten  Hohlformen  und  Vertiefungen  sind  dunkel,  fast 
schwarz;  die  Kämme  oder  Grate  zwischen  ihnen  gerundet  und  hell,  so  dass  es 
aus  der  Entfernung  aussieht,  als  ob  grosse  Stücke  eines  bunten  Felles  über  die 
Felswände  herabhingen. 

Ein  enger  Felsenpass  führt  durch  den  Granitkamm  hindurch  auf  die  Südseite, 
und  hier  bietet  sich  ein  Landschaftsbild,  wie  es  für  den  ganzen  mittleren  Teil 
der  Gobi  charakteristisch  ist.  Am  südlichen  Horizonte  dehnt  sich  eine  hohe 
Kette  zackiger  Berge  aus  mit  tiefen  Thaleinschnitten;  vor  ihr  liegen  noch  einige 
niedrigere  Bergzüge;  in  der  weiten  Ebene  oder  Fläche  aber,  die  uns  von  jenen 
Bergen  trennt,  steigen  da  und  dort,  vielfach  in  Reihen  angeordnet,  kleine 
Kuppen  und  Hügel  auf,  welche  der  ganzen  Fläche  ein  unruhiges  Aussehen 
verleihen.  Sie  sind  alle  schwarz  und  bestehen  aus  alten  vulkanischen  Gesteinen; 
zwischen  ihnen  ist  die  Ebene  mit  lehmreichem  Schotter  erfüllt,  auf  welchem 
Pflanzen  gedeihen.  An  einer  besonders  lehmreichen  Stelle,  wo  sich  auch  etwas 
Wasser  auf  dem  granitischen  Untergrunde  findet,  liegt  ein  Halteplatz  für  Kara- 
wanen, etwa  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  hohen  Gebirgen.  {Lager  VIII, 
i960  m).  Charakteristisch  fiir  die  ganze  Gegend  sind  die  kleinen,  dunkeln, 
vulkanischen  Erhebungen  in  der  ebenen  Fläche,  mit  welchen  die  hohen  Gebirge 
im  Norden  und  Süden  durch  ihre  Höhe  und  ihre  Umrissformen  auffallend 
kontrastieren. 

Bei  dem  Lagerplatze  sind  einige  Höhlen  in  dem  mürben  Granitgestein, 
die  ich  benutzte,  um  mir  mit  Decke  und  Mantel  ein  Lager  einzurichten,  bis  spät 
abends  die  Karawane,  der  ich  vorausgeeilt  war,  ankam.  Ein  kleines  Zelt  bot 
bald  alle  in  der  Wüste  erreichbare  Behaglichkeit,  und  obwohl  in  der  Nacht  der 
kalte  Nordostwind  sich  zum  Sturme  steigerte,  konnte  er  unsern  Schlaf  nicht 
weiter  stören.  Die  niederste  Temperatur  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  Mai  war 
+  6^  C.  Am  andern  Tage  hielt  morgens  derselbe  kalte  Wind  aus  NO.  an 
und  hinderte  empfindlich  die  photographische  Aufnahme  der  schönen  Wüsten- 
bildungen im  Granit,  zu  denen  ich  nochmals  zurückkehrte. 


—       l82      — 

Des  Mittags  beim  Weitermarsche  über  die  Kieshochfläche  in  südöstlicher 
Richtung  gegen  das  Ende  der  im  Süden  sichtbaren  Bergkette  wurde  der  Wind 
aus  NO.  immer  heftiger  und  kälter,  so  dass  wir  froh  waren,  unsere  Pelzmäntel 
zur  Hand  zu  haben.  Ich  konnte  mit  erstarrenden  Fingern  kaum  Kompass  und 
Hammer  handhaben;  bei  alledem  war  die  Luft  nicht  trübe  und  es  waren  auch 
bis  Abend  nur  wenige  Wolken  zu  sehen.  Erst  spät  abends,  bei  Einbruch  der 
Dämmerung,  gewährten  die  höheren  Berge  einigen  Schutz;  der  Weg  führt  durch 
eine  breite  Scharte  am  östlichen  Ende  dieser  Gebirg^skette  und  wendet  sich  an 
deren  Südfusse  wieder  etwas  nach  Westen  zurück,  bis  er  ein  grösseres,  von 
diesem  Gebirge  nach  Süden  ziehendes  Thal  erreicht,  an  dessen  lehmigen  Ab- 
hängen Wasser  zu  finden  ist. 

Trotz  des  schlechten,  kalten  Wetters  hatten  wir  sehr  schöne  Ausblicke 
auf  hohe  Gebirgsketten,  welche  im  Osten  des  Gebirges,  durch  das  wir  ge- 
kommen waren,  liegen  und  sich  in  ihren  Fortsetzungen  noch  weiter  nach  Osten 
ausdehnen.  Es  sind  mächtige  Felskolosse,  die  sich  schroff  aus  der  Kiesfläche 
erheben  und  aus  Granit  zu  bestehen  scheinen.  Das  südlich  davon  gelegene 
Gebirge,  an  dessen  Südfuss  wir  unser  Lager  IX  aufschlugen,  hat  einen  andern 
Charakter;  seine  Gipfel  sind  zackiger,  es  fehlt  ihnen  die  imposante  Ruhe  und 
die  Kuppenform  der  Granitberge;  die  Umrisslinien  springen  jäh  und  unvermittelt 
auf  und  ab,  und  das  Gestein  besteht  aus  krystallinem  Schiefer  und  uralten 
(paläozoischen)  Meeresablagerungen,  die  stark  verändert  sind. 

Ein  Ausflug  in  die  Thäler  dieses  Gebirges  eigab  denn  auch  eine  reiche 
geologische  Ausbeute,  besonders  an  den  merkwürdigen  Gebilden,  welche  an 
der  Oberfläche  der  Kalke  durch  den  starken  Temperaturwechsel  zwischen 
Tag  und  Nacht,  chemische  Wirkungen  und  die  mechanisch  polierende  und  ab- 
schleifende Wirkung  des  Windes  erzeugt  werden.  Es  ist  wunderbar,  wie  geringe 
Unterschiede  in  der  Härte  und  Abweichungen  von  absoluter  Homogenität  der 
Gesteine  genügen,  um  die  seltsamsten  traubigen,  schaligen  oder  löcherigen  Ober- 
flächenformen entstehen  zu  lassen.  Alle  nur  um  ein  geringes  härteren  oder 
kompakteren  Gesteinsteile  ragen  als  Erhebungen  an  der  Oberfläche  empor,  die 
weicheren  Teile  sind  dazwischen  gerundet  und  vertieft;  wenn  man  aber  ein  solches 
Gesteinstück  zerschlägt,  kann  das  menschliche  Auge  oder  eine  flüchtige  Härte- 
probe auf  den  frischen  Bruchflächen  häufig  nicht  den  geringsten  Unterschied  in 
der  Härte  oder  Zusammensetzung  entdecken.  So  sind  aus  scheinbar  ganz  ein- 
fachen dunkeln  Kieselkalken  an  der  Oberfläche  gebänderte,  punktierte  und  in  der 
mannigfaltigsten  Weise  ausmodellierte  Formen  entstanden,  die  alle  dunkel  braun- 
schwarz oder  direkt  schwarz  sind  durch  die  Schutzrinde,  mit  der  sie  sich  unter 
dem  Einflüsse  des  Wüstenklimas  umgeben  haben  und  deren  Bildung  im  einzelnen 
noch  der  Aufklänmg  bedarf.  Die  verschiedenartigsten  Gesteine  bedecken  sich 
mit  einer  ganz  gleichartigen  Rinde,  die  durch  reicheren  Gehalt  an  den  oxydischen 
Verbindungen  des  Eisens  und  Mangans  ihre  dunkle  Farbe  und  den  metallischen 
Glanz  erhalten,  selbst  wo  der  Träger  der  Rinde  fast  frei  von  beiden  Stoffen  ist. 


-     183     - 

Besonders  ausdrucksvoll  hat  der  Meissel  des  Windgottes  da  gearbeitet,  wo 
schon  im  Gesteine  selbst  grössere  Härteunterschiede  vorhanden  waren  und 
weiche  Teile  sich  leicht  herausschleifen  und  wegführen  liessen;  das  ist  z.B.  der 
Fall  bei  einzelnen  Lagen  in  den  Kalken,  die  den  Charakter  von  Konglomeraten 
und  Breccien  haben,  also  schon  von  Natur  aus  der  Zersetzung  den  ver- 
schiedensten Widerstand  bieten  müssen. 

Und  wie  die  kleinen  Schichtflächen  im  einzelnen,  so  zeigen  auch  die  hohen 
Berggipfel  besondere  Formen.  Sind  doch  die  Schichten  alle  aus  ihrer  einstigen 
horizontalen  Lagerung  aufgerichtet  und  vertikal  aufgetürmt,  so  dass  die  Schich- 
tung stark  gestört  ist;  es  haben  sich  Risse  und  Spalten  gebildet,  an  welchen 
grosse  Stücke  sich  verschoben  haben;  eckige,  zackige  Reste  stehen  noch  hoch 
oben  in  den  Lüften,  und  ihr  Abfall  ins  Thal  ist  jäh  und  unvermittelt  Die 
Thäler  selbst  sind  ganz  mit  schwarzen  Trümmern  ausgefüllt,  auf  denen  wenige 
Sträucher  nur  kümmerlich  fortkommen.  Alles  ist  starr,  kalt  und  tot,  selbst 
die  Farbe  passt  fiir  ein  Grabgewölbe.  Kein  Tier  regt  sich  und  nur  der  klare 
Himmel  verrät  uns,  dass  wir  uns  nicht  in  den  schwarzen  Felsenhallen  der  Unter- 
welt befinden. 

Am  Ausgange  des  Thaies  bot  sich  eine  weite  Aussicht  über  das  flache 
Land,  das  sich  im  Süden  ausdehnt,  und  auf  ein  neues  Gebirge,  das  sich  viel- 
gipflig  und  zackig  vom  fernen  Horizont  abhebt.  In  der  weiten  Ebene  zu  unsern 
Füssen  gegen  Süden  war  zumeist  nur  wieder  Schotter  und  Flussgeschiebe  von 
grossen,  nach  Westen  fliessenden  Strömen,  deren  Betten  aber  trocken  sind  und 
ganz  leer  stehen;  nur  die  Wüstenpflanzen,  die  auf  den  weiten,  mit  schwarzem 
Schotter  bedeckten  Flächen  kein  Fortkommen  finden,  sind  darin  häufiger,  be- 
sonders Lycium  ruthenicum  Murr  und  Dodartia.  Einzelne  hügelig-wellige  Zonen, 
über  denen  sich  auch  kleine  Bergkuppen  erheben,  sind  aus  vulkanischen  Ge- 
steinen und  Schiefem  zusammengesetzt  und  unterbrechen  etwas  die  Monotonie 
der  fast  an  60  km  breiten  Kiesfläche,  zu  deren  Ueberwindung  die  Kamelkarawane 
zwei  Tagemärsche  nötig  hat  und  ein  Nachtlager  an  einem  Platze  ohne  Wasser 
beziehen  muss. 

Wir  zogen  es  vor,  die  Kamele  einen  Tag  vorausgehen  zu  lassen  und 
mit  den  Pferden  die  beiden  Tagemärsche  der  Karawane,  zusammen  über 
60  km,  an  einem  Tage,  von  morgens  bis  abends,  zurückzulegen.  Vorher  aber 
hatten  wir  noch  eine  unangenehme  Nacht  zu  überstehen.  Als  wir  abends  nach 
schon  eingebrochener  Dunkelheit  den  Lagerplatz  IX  am  Südfusse  des  Gebirges 
glücklich  gefunden  hatten  und  eine  Höhle  im  Tbone  entdeckten,  die  einigen 
Schutz  gewährte,  war  bei  fortwährend  gleich  bleibendem  Nordostwinde  die 
Temperatur  unter  o®  gesunken,  und  in  dem  leichten  Zelte  aus  Segeltuch 
machte  sich  die  Kälte  recht  fühlbar.  Die  Karawane  kam  erst  viel  später, 
wie  gewöhnlich  in  der  Nacht,  an,  so  dass  wir  uns  mit  den  auf  den  Pferden 
mit  vorausgenommenen  Decken,  Mänteln  und  einem  kleinen  Zelte  behelfen 
mussten.     Die    Kosaken  und    unsere    andern   Leute  schliefen  in   der  Erdhöhle 


—     i84    — 

und  hatten  daran  sehr  wohlgethan,  denn  in  der  Nacht  brachte  der  Wind  Schnee, 
den  er  mit  grosser  Wucht  überall  hineinfegte,  so  dass  unsere  Sachen  zum  Teil 
im  Zelte  mit  Schnee  bedeckt  waren.  Am  Morgen  war  zwar  nicht  alles  weiss, 
da  der  Wind  den  Schnee  von  allen  glatten  Stellen  vertrieben  hatte,  aber  an 
geschützten  Plätzen  lag  er  bis  lo  cm  tief.  Die  Temperatur  war  in  der  Nacht 
auf  —  6,25®  C.  gesunken,  und  morgens  noch  war  es  so  kalt,  dass  wir  in  unserm 
grossen  Küchenzelt,  wo  Feuer  aus  Kamelmist  brannte,  Zuflucht  suchen  mussten. 
Nach  den  heissen  Tagen  von  Hami,  mit  Nächten,  in  welchen  die  niederste 
Temperatur  +  17^  betrug,  und  Tagen,  an  denen  sie  im  Schatten  bis  auf  +  30* 
stieg,  ein  grosser  Gegensatz,  und  das  in  der  Mitte  des  Mai! 

Da  bis  nachmittags  die  Kamele  sich  wieder  erholt  hatten,  konnte  deren 
Aufbruch  erfolgen.  Wir  holten  sie  am  andern  Tage  auf  ihrem  Lagerplatz, 
mittags  gegen  i  Uhr,  ein  und  rückten  dann  zusammen  weiter,  immer  über  unab- 
sehbare  Schotterflächen,  die  sich  langsam  nach  Süden  gegen  das  Gebirge 
hin  in  die  Höhe  zogen.  Nur  das  Erscheinen  einiger  wilder  Esel  und  Gazellen 
(Gazella  gutturosa  Fall.)  brachte  etwas  Abwechselung  in  den  langen  Ritt,  der 
bis  abends  8  Uhr  währte  und  hinter  den  ersten  Vorbergen  des  Gebirges  im 
Süden,  auf  einem  mit  Lehm  und  Steppengras  bedeckten  weiten  Flatze,  an 
dem  sich  auch  Wasser  fand,  endete.  (Lager  X.)  Abends  wurde  es  wieder 
empfindlich  kalt,  das  Thermometer  sank  auf  —  4®  C,  und  auch  am  Tage  wurde 
es  nicht  recht  warm;  betrug  doch  auf  der  Mittagsstation  die  Wärme  nur 
|-  13®  C ,  und  am  Tage  zuvor  im  Maximum  nur  +  5,5°  C.  (siehe  umstehende 
Abbildung  und  Tafel  XIII.) 

Der  Lagerplatz  (X.)  lag  im  ganzen  recht  geschützt;  die  hohen  Berge  des 
Südens  waren  ganz  nahe,  und  gegen  Nordwesten  wie  Nordosten  legten  sich 
einige  niedere  Bergzüge  der  Windrichtung  entgegen.  Der  Raum  dazwischen  ist 
eine  Aufschüttungsebene,  die  nur  aus  Gesteinsfragmenten  besteht,  welche  das 
fliessende  Wasser  von  allen  Seiten  von  den  Bergen  heruntergefiihrt  und  in 
den  Niederungen  angesammelt  hat.  Das  gröbere  Material  liegt  mehr  in  der 
Nähe  des  Bergfusses,  das  feinere,  wozu  namentlich  der  Lehm  gehört,  ist  in 
der  Mitte  abgelagert.  Hier  findet  sich  in  einer  flachen,  muldenartigen  Vertiefung 
das  Wasser.  Ringsum  auf  der  Lehmfläche  stehen  auf  Hügeln  kleine  Sträucher, 
besonders  solche  von  Tamarix,  und  hohe  Gräser,  zwischen  deren  alten,  gelben 
Halmen    sich  schon  frische  grüne  Triebe  am  Boden  zeigen. 

Hier  erlag  den  Strapazen  der  letzten  Reisetage  und  den  ungünstigen  Witte- 
rungsverhältnissen ein  kleines,  erst  wenige  Wochen  altes  Kamel,  das  bis  vor 
wenigen  Tagen  von  seiner  Mutter  auf  dem  Rücken  getragen  wurde,  in  den  letzten 
Tagen  aber  hatte  gehen  müssen  und  offenbar  der  Anstrengfung  noch  nicht  ge- 
wachsen war.  Die  Klagelaute  der  Mutter  begleiteten  nun  mehrere  Tage  lang  jeden 
Schritt  der  Karawane  und  raubten  uns  auch  einen  guten  Teil  unserer  Nachtruhe. 

An  diesem  schön  gelegenen  Funkte  war  unseres  Bleibens  nur  kurz; 
schon  mittags  ging  es  weiter,  zwischen  dem  östlichen  Ende  des  hohen  Granit- 


TAFEL  XIII. 


-     iSs     - 

Stockes  im  Süden  und  niederen  Schieferbergen  hindurch  nach  einem  kleinen 
Passe,  und  von  da  hinab  auf  eine  nach  Süden  hinabziehende  Hochfläche, 
wetche  eine  grossartige  Aussicht  bot  auf  eine  noch  ferne,  hohe,  im  Süd- 
westen gelegene  Bergkette  und  altvulkanische  Berge  mit  kuppenartigen  Umriss- 
formen im  Osten.  Die  ganze  grosse  Hochfläche  ist  auch  hier  aus  Schutt  der 
Gebirgsabtn^ng  gebildet  und  es  finden  auf  ihr  zu  Zeiten  einige  kleine  Flüsse 
einen  südlichen  Abfluss;  infolge  davon  ist  überall  etwas  Vegetation  und  nur  die 
Bci^ehängc  sind  kahl,  steinig  und  schwarz. 

Der  Weg  windet  sich  zwischen  den  Hügeln  des  Schiefer-  und  Kalkgebirges 
durch  und  folgt  einem  nach  Ostsüdost  ziehenden  Längsthaie,  auf  dessen  südlicher 


Lagerplati  X  Iti  der  mittleren.  gebiritigeD  Zone  der  Wttite  Gobi. 

Seite  nur  geringere  Berghöhen  liegen,  während  auf  der  Nordseite  höhere  Gipfel 
hinter  der  ersten  niedereren  Bergreihe  aufsteigen.  Diese  massigen  Berge  sind 
Teile  einer  grossen,  aus  Schiefern  und  alten  Sedimentärgesteinen  bestehenden 
Gebirgskette,  die  noch  weit  nach  Osten  hin  die  Gobi  durchzieht  und  recht 
beträchtliche  Höhen  erreicht;  so  erheben  sich  hier  schon  einige  Berge,  deren 
Höhe  mit  700  m  von  der  Thalsohle  aus  nicht  zu  hoch  angenommen  sein  dürfte. 

Abends  erreicht  man  von  neuem  eine  schutterfüllte  Ebene,  auf  welcher  das 
Gefalle  der  trockenen  Bachbetten  nach  Süden  gerichtet  ist.  Etwa  5  km  vom 
Gebirge  liegt  eine  Lehm-  und  Grasfläche  die  auch  Wasser  enthält  und  zum  Lager- 
platze dient.  (Lager  XI,   1960  m.) 

Der  weitere  Weg  am  folgenden  Tage  bot  ähnliche  Landschaftsbilder; 
von  Südwesten   überragten    immer  noch   die  fernen,   hohen  Bei^c  die  niederen 


—     I8ö     — 

Hügel  aus  altvulkanischen  Gesteinen  oder  Schiefern,  welche  da  und  dort  aus 
der  ebenen  Fläche  von  Granitgrus  oder  Schotter  emporstiegen,  und  auch  in 
der  entgegengesetzten  Richtung  lagen  hohe  Gebirgsketten,  die  nach  Osten  höher 
und  mächtiger  wurden.  In  dem  Grani^ebiet,  das  auf  grosse  Strecken  hin  die 
gegen  Ost  ansteigende,  vom  Wege  durchzogene  Flache  bildet,  liegen  kleine, 
flache,  kuppenförmige  Hügel  von  der  roten  Farbe  ihres  Gesteines,  und  weiter 
im  Osten  ebensolche  Hügel  aus  altvulkanischen  Gesteinen.  Zwischen  ihnen 
windet  sich  der  Weg  durch  das  ganz  vegetationslose  Hügelland.  Erst,  wo  er 
einem  kleinen  Längsthal  folgt,  zeigt  sich  wieder  Pflanzenwelt,  und  gelb  blühende, 
pfriemenartige  Sträucher  erfüllen  die  kleinen  Nebenthälchen.  An  solchen  Stellen, 
wo  neben  Caragana  pygmaea.  De.  var.  grandiflora  Max  und  Arnebia  ümbriata 
Max    auch   vielfarbige  Primeln    und   eine    gelbe  Lycium-Art    blühen    und    alles 


GraDlthDKel  urtschen  Lager  X  und  XI.     Mittlere,  berüif^e  Zodc  der  WUste  Gobi. 

grün  i^t,  fällt  es  schwer,  zu  glauben,  dass  man  sich  mitten   in  der  Wüste  Gobi, 
der  gefurchteten,  wasserlosen  Stein-  und  Felseinöde  befindet. 

Dass  in  der  That  hier  die  Bedingungen  für  die  Ermöglichung  von  An- 
siedelungen gegeben  waren,  zeigen  die  zerfallenden  Reste  von  Gebäuden  einer 
grösseren  Station,  die  nicht  weit  von  dem  erwähnten  Thälchen  im  Südosten 
liegen.  Auf  den  nicht  sehr  hohen,  vulkanischen  Bergen  steht  noch  eine  grosse, 
aus  Backsteinen  errichtete  Pyramide  als  Wegsignal,  und  am  Fusse,  wo  sich  in 
breitem,  grasbedecktem  Thale  auch  Wasser  findet,  sind  noch  die  Umrisse  einer 
Anzahl  von  Gebäuden,  fünf  Pfeiler,  das  charakteristische  chinesische  Wegezeichen, 
sowie  auf  einem  kleinen  Hügel  die  Reste  eines  kleinen  Tempels  erhalten. 
Aber  das  Wasser  ist  schlecht  und  salzig,  so  dass  unsere  Karawanenfuhrer 
es  vorzogen,  an  diesem  an  und  für  sich  geeigneten  Platze  nicht  zu  bleiben, 
sondern  noch  einige  Kilometer  weiter  zu  ziehen,  nach  einer  Stelle,  an  welcher 
in   einem   trockenen  Flussbette  sich    besseres  Wasser  findet.      Bis    vor   zwanzig 


-     iS7     - 

Jahren  war  jene  Stelle  bewohnt  und  dauernd  von  Leuten  besetzt;  dann  aber 
versiegte  das  Wasser  oder  wurde  salzig,  so  dass  man  den  Ort  verlassen 
musste. 

Auch  an  manchen  andern  Stellen  6ndet  man  hier  längs  dieses  Weges  in 
der  Wüste  die  Reste  von  Ansiedelungen  und  Stationsgebäuden,  die  längst  aus 
ähnlichen  Gründen  verlassen  sind.  Man  könnte,  wenn  diese  Erscheinung  des 
Versiegens  und  Salzigwerdens  des  Wassers  sich  allgemeiner  in  der  Wüste  nach- 
weisen Hesse,  daraus  schliessen,  dass  das  Klima  trockener  geworden  ist  und  der 
Wüstencharakter  zunimmt,  so  dass  der  siedelungsfähigen  Stellen  immer  weniger 
werden,  wie  dies  an  andern  Stellen  der  Wüste  durch  Flugsande  und  Dünen, 
welche  auf  bebautes  Land  hereinbrechen,  der  Fall  ist. 


Gebirge  der  mitdeieD,  gebirgifren  Zone  der  Gobi  im  SUdosteD  von  Lager  XI. 

Uebrigens  hat  das  ganze  Thal  in  der  Umgebung  jener  alten  Station,  wie 
auch  noch  einige  kleinere,  seitlich  davon  nach  Osten  gelegene  Thäler,  in  deren 
einem  wir  bei  gutem  Wasser  unser  Lager  pCII.)  aufschlugen,  reichlichen  Gras- 
wuchs  und  Sträucher,  so  dass  für  Pferde  wie  Kamele  genügend  Nahrung  vor- 
handen ist.  Der  Fluss,  an  dessen  trockenem  Bette  wir  lagerten,  wird  auf  seinem 
linken  Ufer  von  einem  niederen  Höhenzuge  aus  vulkanischen  Gesteinen  be- 
gleitet, der  absolut  kahl  und  vegetationslos  ist;  jenseits  desselben  liegt  wieder 
ein  sehr  breites  Thal,  das  aus  dem  Nordosten  herabkommt  und  aus  dessen 
Schotterdecke  an  mehreren  Stellen  die  steilgestcllten  Schiefer  des  anstehenden 
Gesteines  zum  Vorschein  kommen;  Wasser  führt  es  an  der  Oberfläche  nicht, 
aber  das  reichliche  Pflanzenleben  zeigt,  dass  es  nicht  zu  allen  Zeiten  gänzlich 
daran   mangeln    kann.     Auf   der    Östlichen  Thalseite  erheben    sich   von   neuem 


—     i88     — 

hohe  Berge,  die  besonders  in  den  nördlichen  Ketten  g^rössere  Höhen  erreichen 
und  sich  durch  schroffe  und  zackige  Umrissformen  auszeichnen. 

Der  Weg  zwischen  diesen  Gebirgen  hindurch  ist  sehr  romantisch.  Auf 
den  schmalen  Thalböden  fehlt  jede  Vegetation,  und  selbstverständlich  ist  auch 
nirgends  Wasser  vorhanden.  Dafür  aber  glänzen  die  schwarzen  Flächen  der 
Berghäupter  und  Felsenspitzen  in  der  Sonne,  wie  wenn  sie  mit  Erz  gepanzert 
wären,  und  die  unheimliche  Ruhe  im  Thale,  in  das  kein  Sonnenstrahl  dringt, 
mahnt  an  ein  steinernes  Grab.  Nach  kaum  einer  Stunde  liegt  diese  Felsen- 
einsamkeit hinter  uns;  der  Weg  tritt  hinaus  auf  eine  sonnige  Thalfläche  und 
eine  grosse  Schotterebene,  welche  dem  Südabhange  der  hohen,  nach  Osten 
ziehenden  Berge  folgt.  Der  Weg  führt  auf  ihr  in  südöstlicher  Richtung  dahin 
und  unvermittelt  steigen  zur  rechten  Seite  aus  dem  flachen  Schuttlande  kegel- 
förmige, isolierte  Bergkuppen  auf,  welche  durch  alte,  vulkanische  Kräfte  erzeugt 
sind.  In  der  Abendbeleuchtung  hoben  sich  die  grossen  Bergketten  im  Norden 
scharf  und  schwarz  vom  Himmel  ab,  und  aus  der  schon  mit  Dunkelheit  über- 
gossenen  Ebene  ragten  die  einzelnen  Vulkanberge  gespenstisch  vergrössert  auf 

So  ist  denn  die  Wüste  keineswegs  immer  so  abschreckend,  wie  man  sie  sich 
vorzustellen  geneigt  ist,  und  wenn  man  sich  gewöhnt,  eine  salzige  Suppe  aus 
drei  Wochen  altem  Hammelfleisch  als  Hauptnahrung  zu  geniessen  und  noch  Ge- 
schmack daran  zu  finden  —  oft  findet  man  mehr  daran  als  dem  Vorräte  entspricht  — , 
so  lernt  man  sich  auch  freuen  an  Landschaftsbildern  ohne  Wasser  und  Bäume. 

Auf  der  Hochfläche  mit  Schottern  liegt  an  einem  kleinen  trockenen 
Wasserlauf,  etwa  lo  km  vom  Gebirgsrande  entfernt,  wie  immer  auf  Lehm- 
boden mit  Gräsern  und  Wasser,  unsere  Station,  die  dreizehnte  seit  Hami. 
(Lager  XIII,  1670  m).  Wenn  die  Zahl  dreizehn  eine  Unglückszahl  ist,  so  hat 
sie  bei  uns  eine  Ausnahme  von  der  Regel  gemacht;  denn  sie  war  eine  der  an- 
genehmsten Stationen  auf  dem  ganzen  Wege  durch  die  Gobi.  Schon  abends 
bei  der  Ankunft  erfreute  unser  Mongole  uns  durch  die  Nachricht,  dass  er  nicht 
weit  entfernt  einen  wilden  Esel  geschossen  habe,  der  abzuholen  und  abzubalgen 
war.  Auch  ich  hatte  am  folgenden  Tage  bei  einem  herrlichen  Ausflug  tief  in 
die  Thäler  der  nördlichen  Bergkette  reiche,  geologische  Ausbeute  und  viel  Ver- 
gnügen an  der  Jagd  auf  wilde  Esel  und  Gazellen,  sowie  an  den  zahlreichen, 
blühenden  Sträuchem  und  dem  Frühjahrsschmucke  der  Thäler.  Zwischen  den 
Vorbergen  und  bis  tief  in  die  Thäler  des  hohen  Gebirges  hinein  fanden  sich 
zahlreiche,  frische  Spuren  der  wilden  Esel  und  auch  solche  von  Bergschafen 
mit  grossen,  gewundenen  Hörnern  (Argali),  auch  viele  Vögel,  Berghühner  und 
Hasen  hielten  sich  hier  auf.  Die  Thäler  sind  gänzlich  unbewohnt,  und  ausser 
Wildpfaden  fuhren  keine  Wege  in  sie  hinein  oder  von  einem  in  das  andere. 
Ueberall  auf  den  Thalböden  wachsen  Sträucher  und  saftige  Gräser,  welche  die 
Tiere  lieben  und  bis  weit  hinein  aufsuchen.  Ich  folgte  einem  solchen  Thale^ 
soweit  noch  überhaupt  eine  Thalsohle  vorhanden  war,  auf  der  man  reiten  konnte. 
Die  Berge    mit    ihren  dunkelbraunen   und    schwarzen  Felsenmassen   hatten    im 


Schf^tne  der  Sonne  am  späteren  Nachmittage  einen  warmen,  braunen  Farbenton, 
der  mit  den  blühenden  Sträuchern  und  dem  dunkeln  Thalboden  harmonisch 
zusammenstimmte.  Die  Luft  war  angenehm  mild  und  der  stete  Wechsel  der 
Landschaft  machte  es  zu  einem  wahren  Genuss,  hier  mehrere  Stunden  umher- 
züstreifen.  Ich  kam  bis  ganz  in  die  Nähe  der  hohen,  zentraler  gelegenen 
Gipfel,  an  welchen  jede  Vegetation  aufhört,  und  deren  von  Wind  und  Wetter 
geglättete  Felsen  jäh  gen  Himmel  ragen;  nur  die  unverwüstlichen  gelben  und 
schwarzen  Steinflechten  gehen  auch  hier  noch  in  den  Fugen  der  Felsen  weiter  in  die 
Höhe  und  trotzen  den,  nach  ihren  Spuren  zu  schliessen,  wild  tobenden  Elementen. 


n«bir);e  im  NorJcD  yod  Ijaßer  XIII  und  Trockenlhnl  auf  der  Scholterflüche 
in  der  mittleren,  g'ebirgtgen  Zone  <ler  GobL 

Diese  Bergkette,  die  vierte,  die  wir  seit  dem  Eintritt  in  den  gebirgigen 
Teil  der  Gobi  passierten,  besteht  zum  grössten  Teile  aus  dichten,  grünen  Gesteinen 
von  altvulkanischem  Ursprünge,  zum  geringeren  aus  krystallinischem  Schiefer; 
sie  erstreckt  sich,  weithin  sichtbar  und  mit  noch  höheren  Gipfeln,  nach  Osten 
und  ist  die  letzte  der  höheren  Ketten,  welche  den  mittleren  Teil  der  Gobi 
durchziehen.  Noch  weit  im  Süden,  wenn  man  schon  mehrere  Tagereisen  von 
ihr  entfernt  ist,  sehen  ihre  hohen  Gipfel  aus  dem  Norden  über  die  niedrigeren 
Höhenzüge  hinweg,  und  mancher  Karawanenkuli,  der  im  Süden  im  Sande  und 
in  der  Hitze  sitzt,  mag  der  kühlen  Bei^luft  und  der  schönen  Reisewege  dort 
gedenken,  wenn  er  überhaupt  Sinn  für  Natur  hat;  sonst  denkt  er  jedenfalls  an 
das  bessere  Wasser  und  die  kürzeren  Tagemärsche,  wobei  es  weniger  Staub 
zu  schlucken  giebt. 


—     J90    — 

Weiter  und  weiter  nach  Südosten  ging  der  Weg  auf  sanft  abfallender  Kies 
fläche  dahin,  durch  die  trockenen  Betten  mehrerer  grosser  Wasseradern,  die  sich 
nach  Südwesten  und  Westen  wenden.  Hier  hat  man  die  beste  Gelegenheit, 
den  richtigen  Charakter  der  Kieswüste  kennen  zu  lernen;  denn  eine  solche 
ist  der  weitaus  grössere  Teil  des  Gebietes.  Die  spärliche  Vegetation  ist  auf 
die  gelegentlich  Wasser  fuhrenden,  zu  dieser  Jahreszeit  trockenen  Thalwege 
beschränkt,  die  lO — 20  m  tiefer  liegen  als  die  übrige  Kiesfläche;  sonst  breitet 
sich  nach  Süden  nur  einförmig  und  gleichmässig  die  dunkle  SchotterAäche 
aus,  der  die  Sonne  an  den  ihr  Licht  reflektierenden  Stellen  metallischen  Glanz 
verleiht  An  der  Oberfläche  liegen  nur  schwarze  Geateinsstücke,  obwohl  darunter 
der    Boden    infolge    starken  Lehmgehalts    weich    ist    und    der  Huf  des  Pferdes 


TrockenÜial  auf  der  Schot terfläche  bei  Lajtcr  Xlll.  —  Mltllece,  gebirgige  Zone  der  Wüste  Gobi. 

oft  einsinkt.  Der  Wind  hat  alle  die  feinen  Lehm-  und  Staubteilchen  von  der 
Oberfläche  weggetragen  und  nur  die  grösseren  Gesteinsstücke  liegen  lassen, 
welche  nun  auf  grosse  Strecken  hin  gleichmässig  den  Boden  bedecken.  An  den 
Abhängen,  gegen  die  jungen  Thalläufe  hin,  kommen  oft  lehmigere  Schichten 
zu  Tage  und  stellenweise  auch  rote  Thone,  wie  sie  den  jüngsten  Bildungen 
des  Tertiär  im  Han-hai  eigen  sind,  wo  noch  in  ganz  junger,  geologischer  Ver- 
gangenheit grössere  Teile  des  Tarimbeckens  imd  der  Gobi  von  Süsswassern 
bedeckt  waren,  von  denen  wohl  manche  Seen,  z.  B.  der  Lop-nur,  noch  Ueber- 
reste  sind. 

Je  weiter  wir  uns  vom  Gebirge  entfernen,  um  so  mehr  verschwinden  die 
kleineren  Vorberge,  und  nur  die  Hauptkette  selbst  im  Norden  liegt  noch  im- 
posant und  majestätisch  vor  Augen. 


—     191     — 

Bei  Beginn  des  Marsches  über  die  Kiesfläche  hatten  wir  eines  jener  Un- 
wetter zu  bestehen,  die,  von  Westen  kommend,  drohende,  unheilschwangere, 
schwarze,  dichte  Wolkenmassen  herbeiführen,  die  Sonne  und  die  Luft  ver- 
finstern und  das  Schlimmste  zu  verheissen  scheinen.  Es  rast  der  Wind,  der 
dichte  Staub  schwirrt  durch  die  Luft  und  der  Reiter  muss  absteigen,  um  in  der 
gänzlich  ebenen  Fläche  wenigstens  hinter  seinem  Pferde  etwas  Deckung  zu 
suchen.  Das  dauert  aber  nur  wenige  Minuten;  nach  dem  ersten  Stosse  lässt 
die  Gewall  des  Windes  so  weit  nach,  dass  man  weiter  reiten  kann,  und  wenn 
er  auch  heult  und  tobt  und  am  Boden  den  Sand  und  Staub  klirrend  dahinfegt, 
so  ist  es  doch  nicht  kalt;  die  Sonne  lacht  zwischen  den  Lücken  der  Wolken 
hervor  und  der  schwere  Wolkenbruch,  den  diese  letzteren  zu  verheissen  schienen, 
ist  mit  einigen  grossen,  aber  spärlichen  Regentropfen  abgethan,  die  nicht  einmal 


LaeerplaU  Xlll  und  allvalkimlBche  Hügel  im  Süden  davon.  —  Mittlere,  Kebirgige  Zone  der  WÜBle  GobL 

genügen,  um  die  Oberfläche  ganz  zu  benetzen.  Es  wird  wieder  heller,  die 
Wolken  jagen  in  wildem  Fluge  vor  uns  dahin,  der  Wind  lässt  nach  und  damit 
ist  der  ganze  Sturm  in  ein  bis  zwei  Stunden  vorüber,  ohne  wesentlichen  Auf- 
enthalt verursacht  zu  haben.  Es  geht  indessen  nicht  überall  so  glimpflich  ab 
wie  hier  auf  der  Kiesfläche,  auf  welcher  der  Wind  nur  wenig  bewegliches 
Staubmaterial  weit  und  breit  findet;  wo  ausgedehnte  Lehmmassen  oder  gar 
Sand  die  Bodenoberfläche  bedecken,  sind  solche  rapiden  Winde  äusserst  un- 
angenehm  und  oft  sogar  den  Karawanen  gefahrhch. 

Unser  nächstes  Lager  (XIV)  wurde  an  einem  Punkte  in  der  Kiesfläche  auf- 
geschlagen, an  welchem  zwei  grössere  Thäler,  eines  von  Nord  und  eines  aus 
Nordost,  zusammenmünden.  An  der  Vereinigungsstelle  gaben  einige  isolierte 
Teile  der  hohen  Thalseiten  Gelegenheit  zu  einem  grösseren  Baue,  der  jetzt  aber 
auch  verlassen  und  im  Zerfalle  ist,  obwohl  sich  auf  der  Lehmdecke  des  west- 
licheren Thaies  gutes  Wasser  findet.  Vielleicht  ist  dies  nicht  zu  jeder  Jahres- 
zeit der  Fall,  und  es  mag  dieser  Umstand  zum  Aufgeben  der  Station  geführt 
haben,  wie  wir  das  schon  einige  Tage  vorher  an  einem  noch  grösseren  Komplexe 


—      192      — 

von  Gebäuden  angetroffen  hatten.  Von  der  Höhe  der  Schotterterrassen  aus 
übersieht  man  nach  Süden  ein  weites,  breites,  trockenes  Flussthal,  in  welches 
die  obengenannten  Flussläufe  einmünden,  und  das  nach  Westen  weiter  geht. 
Auf  seinem  südlichen  Ufer  liegen  einige  unbedeutende,  hügelartige  Erhebungen 
in  grosser  Ferne;  aber  sonst  ist  nur  Kiesfläche  und  Schotter  weit  und  breit 
zu  sehen. 

Unser  Weg  führte  von  da  in  südöstlicher  Richtung  lange  Zeit  fast  nur 
über  ältere  und  jüngere  Kiesflächen;  die  niedere  Granithügel-Landschaft  mit 
ihren  charakteristischen  runden  Buckeln  und  wollsackartigen  Formen  war  bald 
durchzogen.  Manche  der  kleinen  Hügel  sahen  aus,  als  wären  sie  mit  Salz  oder 
Zucker  überstreut;  diese  Erscheinung  rührt  davon  her,  dass  der  weisse  Quarz  im 
Granite  zahlreiche  Gänge  bildet,  die  an  der  Oberfläche  unter  dem  Einfluss  der  Hitze 
und  Abkühlung  aufblättern  und  so  die  Abhänge  mit  ihren  Splittern  überschütten; 
meist  sind  aber  die  kleinen  Berge  dunkel,  teils  von  dunkeln  Ausscheidungen  im 
Granite  selbst,  teils  von  dunkeln  Eruptivgesteinsgängen  und  Schutzrinde. 

Am  südlichen  Ausgange  aus  den  Hügeln  auf  eine  gegen  Süden  hin  ab- 
fallende Fläche,  die  aus  feinem  Zersetzungsmaterial  des  Granits,  sogenanntem 
Granitgrus  und  Gerollen,  besteht,  fanden  sich  die  Spuren  von  alten,  kleinen 
Schachten.  Sie  sind  von  Goldsuchern  angelegt  worden,  die  goldführende 
Gänge  im  Granite  vermuteten.  Lohnend  scheint  ihre  Arbeit  aber  nicht  gewesen 
zu  sein,  denn  eine  kleine  Hütte  war  längst  zerfallen,  die  Bauten  zusammen- 
gerutscht, und  das  Gestein  erwies  sich  als  eine  taube,  gangartige  Masse  mit 
zersetztem  Eisenkiese.  An  andern  Stellen,  weiter  im  Osten,  in  derselben  Kette 
von  granitischen  Gesteinen,  soll  wirklich  Gold  gefunden  werden,  das  nach 
Analogie  mit  diesen  Verhältnissen  hier  aus  goldhaltigen  Pyriten  (Eisenkiesen)  in 
Quarzgängen  des  Granites  stammen  dürfte. 

Der  Weg  von  den  Granithügeln  abwärts  zieht  sich  endlos  dahin;  man 
sieht  von  der  Höhe  herab  in  der  Ferne  einen  Fluss  mit  steilen,  hell  leuchtenden 
Uferwänden  und  auf  seiner  andern  Seite  auch  Baumgruppen  in  grösserer  Zahl 
und  Erstreckung   sich  hinziehen;  ein  ganz  befremdender  Anblick  in  der  Wüste. 

Wir  erreichten  die  Nähe  des  Flusses  erst  abends,  als  schon  wegen  Ein- 
bruches der  Dunkelheit  nichts  mehr  zu  sehen  war;  ehe  wir  aber  unsern  Lager- 
platz erreichten,  hatte  ich  noch  einen  unangenehmen  Zwischenfall  zu  über- 
stehen. Ich  kam  abends  gegen  8  Uhr  mit  meinem  Kosaken  allein  in  der  Nähe 
des  Flusses  an;  vier  Mitglieder  der  Expedition  waren  einige  Stunden  voraus, 
weil  ich  mich  bei  den  Goldgruben  lange  aufgehalten  hatte,  und  die  Karawane 
musste  bei  ihrem  langsamen  Tempo  noch  viele  Stunden  zurück  sein.  Man  hatte 
mir  gesagt,  der  Stationsplatz  sei  nicht  ferne,  etwa  25  Kilometer  weit,  und  wir 
waren  schon  weit  mehr  als  diese  Zahl  geritten,  als  der  Weg  sich  teilte;  ein 
Zweig  ging  gerade  aus,  in  der  bisherigen  Richtung  auf  einige  in  der  Ferne  noch 
sichtbare  Gebäulichkeiten  zu,  die  sich  später  als  Reste  alter  Befestigungen  er- 
wiesen,   der    andere    Zweig    führte    links    in  einiger  Entfernung  vom  Flusse  an 


—     194     — 

Ich  nahm  den  Kosaken  wieder  mit,  und  nach  einer  weiteren  Viertelstunde 
sahen  wir  endlich  einen  Lichtschein  aufblitzen.  Das  war  aber  noch  nicht  der 
eigentliche  Lagerplatz,  sondern  ein  Mongole,  den  man  uns  entgegen  geschickt 
hatte,  damit  wir  den  noch  über  fünf  Kilometer  entfernten  Lagerplatz  fänden. 
Diese  Vorsicht  erwies  sich  als  sehr  nützlich,  denn  so  weit  wären  wir  auf  keinen 
Fall  mehr  geritten.  Die  Station  selbst  lag  in  einer  Vertiefung  des  hohen  Fluss- 
ufers am  Flusse  selbst,  wo  wir  sie  wahrscheinlich  auch  nicht  gefunden  hätten. 
Wir  waren  herzlich  froh,  als  wir  beim  Thee  und  Abendbrot  das  Eintreffen  der 
Karawane,  die  erst  um  Mitternacht  kam,  abwarten  konnten,  statt  ins  Ungewisse 
hinein  in  der  Wüste  umher  zu  irren. 

In  der  Nähe  des  Lagerplatzes  sah  die  Umgebung  am  andern  Morgen  gar 
nicht  so  wüstenartig  aus,  wie  es  am  Abend  den  Anschein  gehabt  hatte.  Der 
Fluss  machte  zwischen  den  20  m  hohen,  senkrechten  Uferwänden,  die  zwischen 
sich  und  ihm  noch  viel  freien  Raum  Hessen,  grosse  Biegungen  und  Schlingen 
und  wir  hatten  bald  eine  zum  Baden  geeignete  Stelle  gefunden.  Wenn  das 
Wasser  auch  ganz  braun  und  trübe  war,  so  gewährte  doch  ein  Bad,  das  mittags 
die  Temperatur  von  +  16®  hatte,  nach  wochcnlanger  Entbehrung  eine  grosse 
Erquickung,  die  wir  jeden  Tag,  so  lange  wir  noch  am  Flusse  entlang  zogen, 
in  vollen  Zügen  genossen. 

Dieser  Charakter  des  Flussthaies  stimmt  nicht  mit  der  Beschreibung,  die 
Grum  Grschimailo  vom  Su-Iai-ho  oder  Bulundsir-gol  giebt,  und  doch  kann  dieser 
Fluss,  dessen  Name  mir  als  Surin-gol  genannt  wurde,  nur  zu  jenem  Flusse  ge- 
hören, beziehungsweise  ein  weiter  nördlich  fliessender  Arm  von  jenem  sein. 
Auf  der  gegenüber  liegenden  Seite  waren  grosse  Haine  mit  grünen  Bäumen  und 
Sträuchern;  auch  Häuser  und  Weiler  mit  Kulturland  sahen  wir  nach  langer 
Zeit  hier  wieder.  Leider  führte  unser  Weg  als  gewissenhafter  Karawanenweg 
nicht  bis  an  die  Bäume  und  Ansiedelungen  heran,  die  ausschliesslich  auf  dem 
linken  Ufer  lagen,  sondern  hielt  sich  auf  der  rechten  Seite,  wo  nur  Lehm  mit 
Gräsern  oder  Sand  vorhanden  war. 

Wir  schlugen  unser  nächstes  Lager  XVI  (1400  m),  siehe  Tafel  XIV,  auf 
einem  hoch  gelegenen  Lehmplateau  auf,  das  eine  gute  Uebersicht  über  den  Fluss 
und  die  Ansiedelungen  des  andern  Ufers  bot.  Der  Fluss  ist  hinreichend  tief, 
um  darin  schwimmen  zu  können,  und  hat  an  seinem  Boden  meist  feinen, 
weichen  Sand  und  Schlamm.  Sein  Bett  schneidet  fast  20  m  tief  in  die  Lehme 
und  Sande  ein  und  ist  viel  breiter  angelegt,  als  es  der  heutigen  Stärke  des 
Flusses  entspricht.  Das  grosse  Thal  mit  den  steil  abstürzenden  Ufern  macht 
Windungen  und  grosse  Schlingen,  wie  sie  der  Fluss  auch  heute  noch  unten  am 
Boden  beschreibt;  aber  die  Windungen  unten  entsprechen  durchaus  nicht  immer 
den  grossen  Ausweitungen  der  Steilufer.  Man  erkennt  daraus,  wie  wechselnd  der 
Lauf  des  Flusses  ist  und  wie  oft  er  sein  Bett  verlegt. 

Wir  machten  an  dieser  Stelle  Halt,  weil  von  hier  aus  eine  kleine  Stadt 
oder,  besser  gesagt,  ein  Wüstendorf,  das  Sado-gu.  heissen  sollte,  in   10  km  Ent- 


—     195     — 

fernung  gut  zu  erreichen  ist  und  wir  unsere  Vorräte  ergänzen  mussten.*)  Vor 
allem  that  frisches  Fleisch  not;  denn  mit  unserer  spartanischen  Hammelsuppe 
war  kein  längeres  Auskommen  mehr;  auch  die  Eier  waren  schon  lange  schlecht 
geworden,  und  unsere  Konserven  mussten  für  Tibet  aufgehoben  werden,  nur  ab 
und  zu  gab  es  Kakao  oder  sonst  etwas  Besseres.  Auch  sollten  einige  erschöpfte 
Kamele  gegen  neue  umgewechselt  werden,  und  da  diese  von  weit  hergetrieben 
werden  mussten,  hatten  wir  zwei  Ruhetage,  die  wir  sehr  nötig  brauchten,  um 
mit  rückständigen  Arbeiten  aufzuräumen. 

Das  Wetter  war  warm  und  im  allgemeinen,  bis  auf  einen  Staubsturm, 
nicht  zu  windig;  aber  die  Luft  war  trübe  und  gestattete  keine  Fernsicht.  Ein 
Staubsturm,  der  am  28.  Mai  sich  erhob,  war  der  schlimmste,  den  wir  in  der 
Gobi  erlebten;  er  kam  ganz  plötzlich  nach  einem  schönen  Morgen,  der  eine 
solche  Tücke  des  Wetters  gar  nicht  ahnen  liess,  gegen  2  Uhr  aus  Nordwesten 
herauf.  Zuerst  war  es  windstill  und  schwül,  und  nur  am  nordwestlichen  Horizonte 
stiegen  Staubwolken  auf,  so  dass  es  aussah,  als  ob  dort  die  Steppe  in  Brand 
stände.  Diese  braunen  Wolken  kamen  näher  und  schon  fegten  in  der  Ent- 
fernung Staubschwaden  mit  Windeseile  am  Lager  vorbei.  Bald  brach  es  auch 
über  uns  los,  und  nun  nützte  kein  Schliessen  der  Thüren  und  Fenster  an  den 
Zelten;  überall  drang  der  feine  Staub  herein  und  legte  sich  wie  ein  Schleier 
über  alle  Gegenstände;  selbst  die  wissenschaftlichen  Instrumente  in  ihren  guten 
Futteralen  waren  vor  ihm  nicht  sicher.  Es  waren  immer  nur  einzelne  Stösse, 
welche  so  kräftig  den  Staub  überall  hineindrängten;  dazwischen  trat  dann  wieder 
verhältnismässige  Ruhe  ein,  bis  zu  einem  neuen  Stosse.  Die  Luft  war  warm, 
vom  Himmel  schien  die  Sonne,  die  zeitweise  ganz  durchdringen  konnte,  und 
freute  sich  des  Spieles  von  Wind  und  Staub,  dessen  gänzlich  wehrlose  Opfer 
wir  und  unsere  Sachen  waren.  Nach  einigen  Stunden  wurde  der  Wind  schwächer 
.  und  hörte  gegen  5  Uhr  ganz  auf;  gleichzeitig  begann  das  Barometer  zu  steigen 
und  als  um  6  Uhr  Ostwind  einsetzte,  wurde  die  Atmosphäre  frischer  und  an- 
genehmer. Dieser  trieb  zunächst  den  noch  von  vorher  aufgewirbelten  Staub 
vor  sich  her  und  in  der  Richtung  zurück,  aus  welcher  er  gekommen  war;  dann 
wurde  es  etwas  kühler,  die  Sterne  erschienen  am  Himmel  und  es  brach  eine 
wunderbar  schöne  Nacht  an,  die  der  Halbmond  erleuchtete,  während  der  Wind 
zu  einem  leisen,  kaum  fühlbaren  Hauch  sich  milderte.  Die  Luft  war  durch 
das  Staubbad,  wie  es  schien,  gereinigt,  denn  sie  war  so  klar  wie  nie  zuvor; 
unten  blinkte  der  gurgelnde  Fluss  im  Mondenscheine,  und  die  dunkeln  Baum- 
gruppen am  jenseitigen  Ufer  hoben  sich  phantastisch  gegen  den  Nachthimmel  ab. 

Der  folgende  Tag,  der  29.  Mai  und  Pfingstsonntag,  brachte  eine  aller- 
liebste   Pfingstüberraschung.     Als    ich    morgens    aus  dem  Zelte  trat,  traute  ich 


Gram  Grschimailo  zitiert  einen  Landstrich  mit  Oasen  im  Süden  des  Su-lai-ho,  der  den  Namen 
Ssan-dao  führt  und  eine  ^gleichnamige  Stadt  enthält;  wahrscheinlich  ist  Ssan-dao  das  Sado-goi  unseres 
Dolmetschers. 

13* 


—     ig6     — 

meinen  Augen  kaum,  als  ich  vor  mir  gegen  Süden,  wo  wir  während  der  vor- 
hei^ehenden  Tage  nur  einen  dunkeln,  massig  hohen  Bergzug  in  verschwommenen 
Umrissen  gesehen  hatten,  ein  hohes  Gebirge  mit  schneeg^änzenden  Häuptern 
aufragen  sah,  das  aus  dem  Westen  bis  in  den  fernen  Osten  in  gleicher  Gross- 
artigkeit reichte  und  uns  eine  ganze  Eis-  und  Schneewelt  vor  Augen  stellte. 

So  näherten  wir  uns  denn  allmählich  dem  Ziele  unserer  langen  Reise,  die 
schon  über  ein  halbes  Jahr  gewährt  hatte;  hier  lag  es  sichtbar  vor  uns,  das 
tibetanische    Hochland    mit    seinen    hohen    schneebedeckten    Wächtern.      Die 


Thal  de«  Floaira  Su-lal-hu  bei  Lager  XVI.     Südliche  Zoae  der  Wiltte  GobL 

niedere,  dunkle,  breite  Fläche  mit  kleinen  Bergketten  im  Vordergrunde,  die  noch 
der  Gobi  angehört,  bildet  einen  wirksamen  Gegensatz  zu  den  entfernten  Hoch- 
gipfeln, die  sich  wie  von  einer  dunkeln  Folie  glänzend  weiss  abheben  und  in 
herrlicher  Farbenharmonie  mit  dem  zarten  Blau  des  Himmels  verschwimmen. 
Sehnsüchtige  Blicke  gehen  hinüber  zu  dem  herrlichen  Alpenlande,  wo  wir  hoffen, 
in  kühler  Luft,  bei  sprudelnden  Gebirgsbächen  und  in  grossartiger  Umgebung 
unsern  Sommer  zuzubringen.  »Glückauf*  denn  ihr  Berge,  in  wenigen  Wochen 
werden  wir  bei  euch  sein! 

Zunächst  aber  führt  noch  die  Wüste  Gobi  das  Regiment,  und  der  am 
Pfingstsonntag  mittags  angetretene  Weitermarsch  war  bei  herrlichem  Wetter 
recht  tropisch  heiss.  In  den  gras-  und  schilfreichen  Niederungen  auf  den  hohen 
Flussufern  aus  heissem  Lehm  und  Staub  ging  es  langsam  vi>rwärts  in  Windungen, 


—     197    — 

immer  hin  und  her,  um  sumpfigen  Stellen  auszuweichen.  Da  wir  zwischen  den 
Sand-  und  Vegetationshügeln  (siehe  Tafel  XV)  den  Weg  ohne  Führer  nicht  er- 
kennen konnten,  mussten  wir  den  Schritt  unserer  Pferde  dem  der  Kamele 
anpassen  und  bei  der  Karawane  bleiben.  Allmählich  entfernten  wir  uns  immer 
weiter  von  dem  Flusse  und  näherten  uns  einem  kleinen,  hügeligen  Höhenzuge 
zu  unserer  Linken,  längs  dessen  wir  in  östlicher  Richtung  weiter  zogen  bis 
wir  um  8  Uhr  abends  einen  kleinen  Fluss  mit  fliessendem  Wasser  erreichten. 
Am  Ufer  standen  Bäume  und  mehrere  Höfe  und  Ansiedelungen.  Doch  war 
hier  trotz  der  sj^äten  Stunde  unseres  Bleibens  noch  nicht;  aus  der  Dunkel- 
heit tauchten  kleine  Hügel  auf,  denen  wir  zuritten,  und  gegen  9  Uhr  erreichten 
wir  die  zerfallenden  Reste  der  Gebäulichkeiten  einer  ehemaligen  Station  mit 
fünf  grossen  Pfeilern  als  Weg-  und  Stationszeichen  auf  dem  weithin  sichtbaren 
Grate  eines  Hügels.  Gleich  östlich  dieser  Hügel  ist  eine  chinesische  Ansiede- 
lung mit  Wasser  und  Bäumen,  und  hier  wurde  unser  Lager  (XVII)  aufge- 
schlagen. Es  zeigte  sich  am  andern  Morgen,  dass  die  Hügel  aus  alten 
Schiefern  und  Quarziten  bestanden,  wie  solche  kleinen  Aufragungen  noch 
häufiger  in  diesem  südlichen  Teile  der  Gobi  sich  finden,  zusammen  mit  solchen 
aus  altvulkanischen  Gesteinen. 

Auch  die  folgende  Station  (XVIII)  lag  am  Fusse  eines  Gebirges  altvulka- 
nischen Ursprungs,  und  auf  der  dazwischen  liegenden,  meist  mit  Gräsern  und 
Ried  bedeckten  Fläche  befindet  sich  etwa  in  der  Mitte  eine  kleinere  Wasser- 
scheide, von  der  das  Wasser  nach  Westen  und  Osten  abfliesst.  Das  herrliche, 
nur  etwas  zu  warme  Wetter  zeigte  während  des  ganzen  Tages  wieder  die 
Höhen  des  Nan-schan  und  die  Eis-  und  Schneeberge  der  nördlichen  Umrandung 
Tibets  in  unvergleichlicher  Schönheit  aus  der  Ferne.  In  der  Nähe  und  bis  zum 
Gebirgsfusse  sah  man  nur  weite,  grau-gelbe  Flächen  mit  Gräsern,  oder  auch 
Stellen  mit  Sand  und  Lehm  und  einige  niedere  dunklere  Hügelzüge  von 
geringer  Ausdehnung,  welche  die  Monotonie  der  Flächen  etwas  unterbrachen. 
Hier  gab  es  schöne  Fasanen  (Phasianus  torquatus),  aber  auch  eine  Unmenge 
von  Bremsen,  welche  Pferde  wie  Reiter  empfindlich  belästigten. 

Von  den  altvulkanischen  Höhen  bei  der  Station  ist  gegen  Norden,  also 
gegen  die  Wüste  hinein,  der  Horizont  von  einer  unregelmässig  welligen  Linie 
begrenzt,  die  aus  den  kleinen  Erhebungen  in  der  östlichen  Fortsetzung  des  schon 
mehrfach  erwähnten,  niederen  Granitgebirges  besteht;  diese  hügelige  Zone 
dehnt  sich  weit  nach  Osten  und  Westen  aus  und  bildet  den  Beginn  der  aus 
anstehendem  Gesteine  bestehenden,  aus  den  Schotter-  und  Kiesmassen  auf- 
ragenden, gebirgigen  Gräte  der  Erdrinde,  deren  wir  seit  Hami  fünf  grössere  auf 
unserm  Wege  gefunden  und  durchquert  haben.  Bei  der  letztgenannten  Station 
(XVIII)  am  Fusse  eines  altvulkanischen  Hügelzuges  war  noch  Gelegenheit  zu 
einer  Exkursion  in  ein  aus  steil  aufgerichteten  Schiefern  aufgebautes,  aus  den 
Kiesen  hervorsehendes,  kleineres  Gebirge.  Damit  waren  die  anstehenden  Gesteine 
und  das  feste  Erdgerüste  in  diesem  Teile  der  Gobi  zu  Ende.     Im  letzten  Teile 


-      lyS     - 

der  Wüste,  an  ihrem  niedrigsten  Punkte,  der  die  Meereshöhe  von  1 260  m  hat, 
giebt  CS  nur  noch  weit  ausgedehnte  Flächen,  die  mit  Kies  und  Schottern,  Sanden 
oder  auch  in  einer  breiten  Zone  mit  Lehm  bedeckt  sind. 

Lange  Strecken  waren  noch  zurückzulegen,  auf  denen  wasseriose  Flussläufe 
breite  Schotterbetten  bilden  und  wo  sich  auf  dem  fruchtbaren  Boden  reiche  Oasen 
und  zahlreiche  Ansiedelungen  6ndcn,  sobald  an  einem  Funkte  Wasser  aus  dem 
Lehm  zum  Vorschein  kommt.  An  einer  solchen  Stelle  wurde  unser  nächstes 
Lager  (XIX)  aufgeschlagen.     Das  Auftreten  des  Wassers  ist  dem  Umstände  zu- 


t  TamariieeblUcli  nud  betetü&t»  Gehbite 
^UiUichi.'  Zone  der  Wüste  Gobi. 


zuschreiben,  dass  hier  das  nördliche  Ende  der  Lehmzone  liegt  und  gleich 
nördlich  die  sandige  Zone  mit  Kies  beginnt.  Hier  kommt  reichlich  Wasser  zum 
Vorschein,  das  offenbar  in  den  Kiesen  von  Norden  her  durchrieselt. 

Schon  ehe  man  dieses  gesegnete  Gebiet  erreicht,  erkennt  man  an  der  üppigen 
Entwicklung  der  Sträucher  und  Büsche  auf  dem  Lehmboden  in  sogenannten 
Vegetationshügeln,  dass  hier  die  Bedingungen  fiir  den  Fflanzenwuchs  günstiger 
sein  müssen,  aber  man  ist  doch  überrascht,  so  herrliche  Baumgruppen,  so  schön 
bestellte  Felder  und  so  grosse  Ansiedelungen  mitten  in  der  Wüste  anzutreffen. 
Der  Umstand,  dass  sich  morgens  während  eines  starken,  staubigen  Windes 
einige  Kamele  der  Karawane  zwischen  den  Tamarixhügeln  verlaufen  hatten 
und  nicht  rechtzeitig  zum  Aufbruche  gefunden  werden  konnten,  gab  uns  einen 
Tag  Aufenthalt  und  damit  die  Gelegenheit,  diese  Oase  etwas  genauer  in  Augen- 


—     199     — 

schein  zu  nehmen.  Ueberall  ist  das  etwa  45  km  lange  (von  Ost  nach  West)  und 
4  km  breite  Gebiet  von  Bewässerungskanälen  durchzogen,  die  den  Feldern  das 
befruchtende  Nass  zufuhren.  Wo  grössere  Baumgruppen  stehen,  sind  die  Häuser 
aus  Lehm  gebaut,  und  auffallend  ist  deren  starke  Befestigung,  wen^tens  bei 
der  Mehrzahl  derselben.  Eine  dicke  hohe  Lehmmauer  umgiebt  Haus  und  Hof 
und  oft  ist  noch  ein  mächtiger  Turm  dabei.  Wieder  andere  dieser  Festungen 
sind  so  angelegt,  dass  eine  starke,  etwa  15  m  hohe  Lehmmauer  einen  grossen 
viereckigen  Raum  mit  einer  Anzahl  von  Wohnhäusern,  Wegen,  freien  Plätzen 
und  Bäume»  umschliesst  und  so  eine  Zufluchtsstätte  bietet.  Derartige  viereckige, 
von  Lehmmauern  umgebene  Stellen  giebt  es  in  der  kleinen  Oase  eine  ganze 
Anzahl,  abgesehen  von  einzelnen  befestigten  Höfen.  Diese  Oase  liegt  noch  im 
Bereiche  der  blutigen  Dunganen-Aufstände  und  erst  vor  drei  Jahren  ist  hier 
zuletzt  Blut  geflossen.  Zahlreiche  verlassene  und  zerfallende  Wohnstätten  zeigen, 
wie  hier  Tod  und  Vernichtung  gehaust  haben. 


Plluß  und  Walie  bei  I-a^r  XIX     SUdUchc  Zone  der  Wüele  Gobi. 

Es  wird  viel  Viehzucht  getrieben;  schon  einige  Tage  vorher  sahen  wir 
am  Surin-gol  starke  Herden  von  dunkeln  Kühen  und  solche  von  Ziegen  und 
Schafen.  Pferde  sind  selten;  es  gelang  uns  nicht,  in  Sado-gu  ein  brauchbares 
Tier  als  Ersatz  für  eines  unserer  krank  gewordenen  Tiere  aufzufinden.  Alle 
ländlichen  Arbeiten  werden  mit  Ochsen  von  kleiner,  aber  gedrungener  Gestalt 
verrichtet,  die  mit  einem  Joche  im  Nacken  vor  Pflug  und  Egge  gespannt  werden. 

Der  Pflug  ist  eigentümlich  gebaut.  Er  hat  drei  schmale  Pflugscharen  und 
trägt  oben  einen  Kasten,  in  welchem  sich  der  Samen  befindet.  Während 
der  Bewegung  des  Pfluges  gleitet  der  Samen  (Hirse)  hinter  den  Scharen  in  die 
Furchen  aus  drei  entsprechenden  Oeffnungen,  auf  welche  er  durch  Stösse  nach 
rechts  und  links  am  hinteren  Ende  des  Pfluges  annähernd  gleichmässig  verteilt 
wird.  Mit  dieser  Einrichtung  kann  ein  Mann  zu  gleicher  Zeit  pflügen  und  säen; 
zum  Einebnen  des  umgepflügten  Feldes  dienen  sechsseitige,  hölzerne  Walzeu, 
deren  Kanten  die  weichen  Lehmschollen  zerdrücken,  während  durch  das  Ge- 
wicht der  Walze  der  Boden  geglättet  wird.  Die  Leute  tragen  meist  nur  ein 
Beinkleid;    der    dunkelbraune    Oberkörper    i,st  nackt,  und   das  schwarze,   strafl^e 


Haar  hängt  oft  wirr  um  den  unbedeckten  Kopf;  so  vemchten  sie  ihre  Arbeit. 
Ueberall  sah  man  sie  fleissig  auf  den  Feldern  an  der  Arbeit,  oder  damit  be- 
schäftigt, Holz  von  Tamarisken  herbeizufahren. 

Wenn  es  nicht  an  Wasser  fehlte,  könnte  das  bebaute  Land  noch  sehr 
viel  weiter  nach  Osten  ausgedehnt  werden;  denn  an  30  km  weit  ritten  wir 
nur  durch  äusserst  fruchtbaren  Staub-  und  Lehmboden,  der  ganz  mit  reich 
bewachsenen  Vegetationshügeln  bedeckt  war  und  wie  ein  Buschwald  aussah;  es 
ist  die  genügsame  Tamariske,  welche  die  Büsche  bildet  und  deren  blasse,  rote, 
neue  Sprossen  eben  zum  Vorschein  kamen. 


Pflügen ili^r  und   iäender  Baai^r  bei  Lugt-r  X1?C     SUillichi;  Zone  der  WUste  Cobl. 

Die  Hügel  erreichen  hier  an  Höhe  und  Umfang  ungewöhnliche  Ausdehnung 
(Höhe  bis  10  m),  wenn  man  bedenkt,  dass  das  ganze  Material  derselben  vom 
Winde  fortgetragener  und  von  den  Sträuchern  festgehaltener  Staub  ist.  Man 
hat  am  Wege  ausgezeichnete  Gelegenheit,  in  kleinen  Anschnitten  die  innere 
Struktur  dieser  der  Lehmzone  eigentümlichen  Gebilde  zu  beobachten,  welche, 
ihrer  Entstehung  entsprechend,  aus  schalig  parallel  der  Oberfläche  gelagerten, 
von  Wurzel  werk  und  abgefallenen  Stamm-  und  Zweigteilchen  durchsetzten 
Schichten  bestehen.  Saxaul-Bäume  mit  mächtigen  Wurzeln,  wie  sie  bei  Maral- 
Baschi  am  Nordrande  des  Tarimbeckens  ausgegraben  und  als  Brennholz  ver- 
wendet werden,  giebt  es  zwar  hier  nicht,  aber  auch  das  Tamariskenholz  wird 
stark  und  von  den  Landleuten  auf  Arben  als  Brennmaterial  eingebracht  (siehe 
Textfigur  auf  Seite   198). 


Von  kleineren,  allgemein  verbreiteten  Pßanzen  innerhalb  der  Zone  der 
Vegetationshügel  ist  auch  hier  ein  Strauch  zu  erwähnen,  der  Hügel,  aber 
nur  von  kleinen  Dimensionen,  bis  '/>  "^  Höhe,  aufbaut,  es  ist  ein  holziger 
Strauch  mit  starken  Dornen  und  kleinen  ßlättchen,  Lycium  ruthenicum  Murr, 
Die  kiesig-sandige  Fläche  im  Süden  der  Lehmzone  ist  auf  weite  Strecken  hin 
ganz  vegetationslos,  oder  nur  an  einzelnen  Plätzen  kümmerlich  bewachsen. 


VetieliilionshüEel  >on  T.imarix  bei  I^ccr  XIX. 
Südliche  Zune  der  WUste  Gobi. 

Von  Wild  war  ausser  Hasen  auf  dem  Kulturland  nichts  zu  bemerken  als 
herrliche  grosse  Fasanen  mit  blauschwarzem  Kopf,  weissem  Kragen,  brauner 
Brust,  grünhchen,  schön  schillernden  Federn  am  Rücken  und  schwarz  ge- 
bänderten grünlichen  Schwanzfedern.  In  der  Lehmzone  mit  den  Hügeln  ist 
die  Tierwelt  auch  auf  einige  genügsame  Vogeiarten  beschrankt;  grössere  Tiere 
kamen   mir  nicht  zu  Gesicht. 

Dass  unter  dem  Lehm  und  über  dem  darunter  befindlichen  Schotter  ein 
wasserführender  Horizont  Hegt,  der  reichlich  Wasser  giebt,  wo  dieses  Niveau 
an  die  Oberfläche  tritt,  zeigt  ein  an  der  Grenze  von  Lehmhügelzone  und  Kies- 
fläche angelegter  Brunnen  von  etwa  4  m  Tiefe,  der  ein  gutes  Wasser  von 
-f  9"  C.  fuhrt.     Dieser  Brunnen    ist    eine   wichtige  Station   für  die  Karawanen, 


—      202       — 

weil  nun  eine  absolut  wasserlose  Kiesfläche  in  einer  Ausdehnung  von  etwa 
50  km  folgt,  die  mit  den  Pferden  an  einem  Tage  durchritten  werden  musste, 
nachdem  wir  eine  Nacht  an  dem  Brunnen  (Lager  XX,  1260  m)  zugebracht 
hatten.  Von  10  Uhr  morgens  waren  wir,  mit  Ausnahme  einer  einstündigen  Mittags- 
pause auf  freier  Fläche  ohne  Wasser,  unterwegs  bis  abends  8  Uhr,  wo  wh*  wieder 
Hügelzüge  mit  Thälern  und  Wasser  erreichten.  Unsere  Pferde  hat  dieser  Tag 
sehr  mitgenommen  infolge  der  Hitze  und  des  Wassermangels. 

Wie  der  Eingang  in  die  eigentliche  Felswüste  der  Gobi  von  Norden,  so 
besteht  auch  deren  Ausgang  nach  Süden  aus  enormen  Schutt-  und  Kiesmassen, 
welche  im  Laufe  der  Zeiten  durch  die  Flüsse  aus  dem  Thien-schan  (Karlük-tag) 
im  Norden  und  vom  mittleren  Kuen-lun  (Nan-schan)  im  Süden  herabgefiihrt 
worden  sind.  Auf  grosse  Entfernungen  hin  tragen  diese  Flächen  keine  Vege- 
tation, das  braune  und  geschwärzte  Gestein  liegt  zu  Tage  und  nur  an  Stellen, 
an  welche  bei  reicher  Wasserführung  der  Flüsse  Wasser  hinkommt,  stehen 
einzelne  Büsche  von  Dornengewächsen.  Erbarmungslos  reflektiert  der  nackte 
Boden  die  glühenden  Sonnenstrahlen  und  erhitzt  sich  schon  im  Mai  an  der 
Oberfläche  bis  über  50^  C,  so  dass  sich  Sand  und  Steine  heiss  anfühlen  und 
es  unerträglich  ist,  auf  dem  Sand  zu  liegen.  Die  Luft  war  unbewegt  dick  und 
noch  trübe  vom  Staube,  den  der  Wind  am  vorhergehenden  Tage  aufgewühlt 
hatte.  Die  Hitze  drückte  auf  Ross  und  Reiter  und  nur  langsam  kamen  die 
Pferde  vorwärts. 

Von  der  Brunnenstation  an  ging  es  noch  einige  Stunden  über  eine 
stark  von  Lehm  durchsetzte  Schotterfläche,  eine  Art  von  Uebergangszone 
zwischen  ausschliesslichem  Lehmgebiet  und  Schotter.  Hier  waren  auch  noch 
die  kleinen  Vegetationsbüsche  häufiger.  Gegen  Mittag  kamen  wir  an  das 
flache,  breite  Kiesbett  eines  Flusses,  in  welchem  mehrere  Meter  hohe  Lehm- 
schollen und  Hügel,  die  einstige  grössere  Verbreitung  des  Lehmes  und  die 
weitere  Ausdehnung  der  Lehmzone  anzeigten,  wie  das  schon  am  Surin-gol 
der  Fall  war.  Nachdem  aber  dieses  Flussbett  passiert  war,  stieg  der  Weg 
allmählich  und  eintönig  stundenlang  eine  fast  ganz  vegetationslose  Schotterfläche 
hinauf,  und  erst  der  Abend  brachte  uns  in  die  Nähe  von  Sanddünen  und 
Kiesterrassen;  die  Vorberge  des  Nan-schan-Gebirges  selbst  lagen  noch  viel 
weiter  im  Süden  und  waren  bei  der  dicken  Luft  kaum  in  den  Umrissen  er- 
kennbar, von  den  Schneegipfeln  war  überhaupt  nichts  zu  sehen. 

Während  diese  eintönige,  heisse,  meilenlange  Strecke  von  den  Reisenden 
im  allgemeinen  als  das  am  wenigsten  angenehme  Gebiet  angesehen  wird,  war 
hier  für  den  Geologen  die  interessanteste  Arbeit  in  reichem  Masse,  und  ich 
konnte  darüber  Hitze  und  Durst,  weite  Entfernung  und  Ermüdung  vergessen. 
Galt  es  doch,  die  schönsten  Gebilde  der  Wüste  aufzusammeln,  welche  die 
mechanische  Thätigkeit  des  allezeit  vorhandenen  Windes  in  Verbindung  mit 
dem  dahinfegenden  Staub  und  Sand,  hervorbringt.  Schon  in  der  Gobi  waren 
diese  Erscheinungen  mehrfach  herrlich  aufgetreten,  aber  nur  an  einer  kleineren 


-      203      — 

Gruppe  von  Gesteinen,  nämlich  an  den  Graniten  und  verwandten  Gesteinen, 
an  Schiefern  und  Grauwacken,  sowie  an  den  älteren  vulkanischen  Gesteinen,  wie 
Diabasen,  Porphyren,  Melaphyren,  Porphyriten  etc.  Andere  recht  heterogene 
Gesteine,  wie  sie  viele  sedimentäre  Formationen  enthalten,  fshlen  in  der  Gobi 
vollständig,  und  somit  auch  ihre  Formenveränderung  durch  Wind  und  Staub. 
Auf  dieser  weit  ausgedehnten  Kies-  und  Schotterfläche  nun  aber,  im  Norden 
des  Nan-schan,  kommen  alle  die  mannigfaltigen  Gesteine,  welche  am  Aufbau 
dieses  Gebirges  teilnehmen,  natürlich  auch  als  Gerolle  in  den  Schottern  vor,  und 
die  Kräfte  der  Wiiste  linden  das  verschiedenartigste  Material  vor,    an    dem  sie 


Zeugen- Hiii^el  aus  Lehm  bei  Luger  XIX.     Südliche  Zone  dtr  Wüste  Gobi. 

sich  messen  können  und  das  sie  je  nach  der  speziellen  Natur  des  einzelnen 
Gesteines  in  besonderer  Art  formen  und  modellieren.  Im  Grunde  beruht  die 
ganze  schleifende  und  polierende  Thätigkeit,  welche  Wind,  Sand  und  Staub 
ausüben,  nur  auf  den  Härteunterschieden;  es  ist  aber  ganz  erstaunlich,  wie 
selbst  an  Gesteinen,  die  ihrer  Struktur  nach  ganz  gleichmässig  aussehen,  und 
deren  einzelnen  Teilen  man  keine  Härteunterschiede  anmerken  kann,  die  Ober- 
fläche umgestaltet  und  mit  Runzeln  und  Höckern,  Rinnen  und  Vorsprüngen, 
Zacken  und  Gräten  in  den  vielfachsten  Kombinationen  bedeckt  wird.  Besonders 
schön  sind  Kiesel,  Chalcedone  und  Hornsteine  präpariert,  deren  wechselnde 
L^en  mit  verschiedener  Härte  auch  sich  durch  die  Farben  unterscheiden;  hier 
scheint  es  fast,  als  wären  sie  künstliche  Gebilde,  bei  welchen  die  vorspringenden 


—      204      — 

Teile  mit  einer  besonderen  Farbe  angestrichen  worden  sind.  Manche  kompakte, 
weisse,  dichte  Quarz-Gesteine  sind  schaumig  und  porös  geworden  wie  Schwämme, 
und  wieder  andere  haben  eine  Oberfläche  wie  die  zerplatzten,  splittrigen  Laven, 
die  aus  feuerflüssigem  Zustande  erstarrt  sind  und  deren  Gase  die  Oberfläche 
zerrissen  haben,  jede  Art  von  Schichtung  an  den  Sedimentgesteinen  ist  heraus- 
präpariert. Jede  Form  der  Absonderung  oder  inneren  Struktur,  wie  Kugeln 
oder  Stengel,  kräftig  herausgehoben.  Es  kommt  häufig  ein  bläuliches,  kieseliges 
Gestein  vor,  das  Brocken  eines  weissen  Quarzes  umschlossen  hält;  hier  sind  die 


I>urch  Sand  geichllfFese  KieaelgeroUe,  iwischen  l.ager  XX  und  XXI,  Büdliehc  Zone  der  Gobi. 

blauen  Teile,  als  die  weicheren,  entfernt  und  die  hellen  Quarze  sitzen  nur  noch 
auf  Stielen  der  blauen  Masse,  eine  sehr  zierliche  Erscheinung,  welche  im  Kleinen 
mit  den  bekannten  Erdpyramiden  von  Bozen  verglichen  werden  kann.  Aus 
andern  dunkeln  Quarzen  sind  traubige,  nierenformige  Knollen  entstanden,  welche 
fast  wie  Schlacken  aussehen  und  den  Anschein  haben,  als  wären  sie  ange- 
schmolzen. Aus  Konglomeraten  sind  die  weicheren  Teile  entfernt,  die  härteren 
hängen  noch  zusammen  und  umschliessen  grosse  Lücken.  Körnige  Gesteine,  die 
zugleich  schiefrig  sind,  wie  manche  Gneisse  und  Amphibolschiefer,  zeigen  auf 
einer  Seite  runde  Löcher,  auf  einer  andern,  die  senkrecht  zur  ersten  liegt, 
lange  Rinnen;  eruptive  Gesteine  mit  grossen  Einsprengungen  und  Kristallen 
ohne  besondere  Härte  sind  zelHg  und  wabenartig  geworden  und  selbst  bej  ganz 


—      205      — 

harten  Gesteinen,  wie  Graniten,  sind  die  weicheren  Feldspate  gegenüber  den 
Quarzen  an  der  Oberfläche  vertieft,  und  haben  infolge  der  Staubpolitur  einen 
fettigen  Glanz  angenommen.  Hier  ist  im  allgemeinen  die  Bildung  der  schwarzen 
Schutzrinde,  die  so  ausgezeichnet  auf  den  hervorragenden  Felsen  der  inneren 
Gobi  und  deren  Schotterflächen  vorhanden  war,  nicht  zu  bemerken,  wenn 
auch  einzelne  Gesteine  infolge  der  Wüsteneinflüsse  an  der  Oberfläche 
dunkler  erscheinen.  Aber  die  weissen  Kieselgerölle  sind  trotz  der  Ver- 
änderungen der  äusseren  Form  ganz  weiss  geblieben  und  ebenso  auch  andere 
helle  Gesteine. 

So  bietet  fast  ein  jedes  Stück  auf  dieser  Kiesfläche  ein  besonderes  Interesse,- 
und  man  könnte  mehrere  Tage  hier  zubringen,  um  die  schönsten  unter  den 
schönen  auszusuchen  und  möglichst  viele  verschiedene  Gesteine  aufzusammeln. 
Der  Geologe  ist  zu  bedauern,  der  hier  am  reich  gedeckten  Tisch  im  Fluge 
vorbeieilen  muss  und  nur  aufraffen  kann,  was  er  gerade  am  Wege  findet.  So 
ging  es  mir.  In  glühender  Hitze  und  im  gleichen  Tempo  wie  die  Pferde  ging 
ich  über  die  Steinebene,  da  kein  längerer  Aufenthalt  möglich  war,  wollte  man 
abends  die  Station  erreichen,  was  bei  dem  erschöpften  Zustande  der  Pferde 
dringend  nötig  erschien.  Indessen  brachte  ich  doch  eine  reiche  Sammlung 
schöner  Belegstücke  zusammen  und  hatte  am  andern  Morgen  noch  zur  Ergänzung 
Gelegenheit. 

Wir  blieben  am  Nachmittage  doch  mehrere  Stunden  hinter  den  andern 
Expeditionsmitgliedern  zurück,  und  es  ging  mit  den  durch  die  reiche  geologische 
Ausbeute  nicht  wenig  belasteten  Pferden  nur  langsam  weiter,  immer  und  immer 
über  Kies  und  Schotter,  Schutt  und  Steine.  Erst  gegen  Abend  erreichten  wir 
einige  kleine  Sandhügel,  die  etwas  höheren  Hügelzügen  vorgelagert  sind,  auf 
diesen  letzteren  erhoben  sich  mehrere  grosse  Wegzeichen  und  meldeten  die  Nähe 
einer  Station  oder  eines  Wasserplatzes.  In  der  That  fanden  wir  auch  hinter 
dem  ersten  Höhenzuge,  der  im  wesentlichen  aus  Schottern  und  darunter 
liegenden  schräg  gestellten  Sandsteinen  mit  Konglomeraten  besteht,  fliessendes 
Wasser  in  einem  wirklichen  Bach  und  einen  grünen  Rasenplatz,  der  wie  für 
das  Lager  XXI  geschaffen  war.  Ein  grösseres  Flussthal  kommt  hier  aus  Süd- 
westen vom  Nan-schan  herab,  diesem  ist  das  Wasser  und  die  Fruchtbarkeit 
der  einige  Kilometer  von  der  Station  XXI  beginnenden  Lehmzone  zuzu- 
schreiben. Unten  im  Thale  an  den  tiefen  Stellen,  wo  Wasser  hinkommen 
kann,  herrscht  Leben  und  Vegetation,  oben  auf  den  Höhen  aber  bearbeiten 
die  Wüstenkräfte  noch  die  alten  Gerolle,  und  beide  Extreme  liegen  hier  kaum 
ICO  m  von  einander  entfernt! 

Aber  hier  ist  doch  das  Ende  der  Wüste  Gobi.  Die  von  dieser  letzten 
Station  aus  schon  sichtbaren  Bäume  und  das  Kulturland  ziehen  sich  fast  ununter- 
brochen weiter  bis  nach  Su-tschou,  das  etwa  35  km  entfernt  liegt  und  den  Ab- 
schluss  unserer  Reise  durch  die  Gobi  bildet.  Das  ganze  letzte  Stück  des  Weges 
ist    bebaut,    trägt    viele    Ansiedelungen    und    eine    Menge    grosser,    viereckiger 


—     2o6     — 

Festungsmauern,  wie  wir  sie  schon  in  der  Oase  der  Wüste  als  Schutzbauten 
angetroffen  hatten.  Hier  wird  die  Kulturzone  nur  auf  kürzere  Strecken  durch 
die  Schotterbetten  der  vom  Gebirge  kommenden,  reichlich  Wasser  fuhrenden 
Flüsse  unterbrochen,  und  auf  einer  solchen,  ganz  jungen  Flussanschwemmung 
liegt  auch  die  starke,  umwallte  Stadt  Su-tschou,  Ucberall  standen  die  Bäume 
hier  schon  voll  im  Laube,  und  der  Boden  an  den  Rainen  und  längs  des  Weges 
war  bedeckt  von  Blumen,  wie  Löwenzahn,  violetten  Schwertlilien,  gelbem 
Löwenmaul  u.  a.  Ich  bemerkte  Bäume  mit  hellgelben  Blüten,  die  einen  herr- 
lichen, nelkenartigen  Geruch  ausströmten,  aber  keine  blühenden  Obstbäume 
oder  überhaupt  Obstbäume  unserer  Arten,  wie  Aepfel,  Kirschen,  Birnen;  in 
der  Stadt  Su-tschou  fanden  wir  aber  später  auf  dem  Markte  verschiedene 
europäische  Salat-  und  Gemüsesorten,  sowie  vorzügliche  Rettige  und  Radieschen 
in  grosser  Menge.  Wir  freuten  uns  auf  die  Abwechslung,  die  wieder  in  unsern 
etwas  monotonen  Speisezettel  kommen  sollte,  und  der  Ruhe,  die  wir  reichlich 
verdient  hatten. 

Den  Mitgliedern  der  Expedition  war  die  Reise  gut  bekommen,  trotz 
spartanischer  Suppen,  Fasten,  Anstrengungen,  Hitze  und  Kälte.  Nur  unsere 
Pferde  machten  einen  bedauernswerten  Eindruck.  Mein  Pferd  »Durakc,  das 
wegen  der  geologischen  Seitenexkursionen  und  raschen  Ritte  viel  mehr  hatte 
leisten  müssen  als  alle  die  übrigen,  konnte  schon  in  den  beiden  letzten  Tagen 
nicht  mehr  geritten  werden;  die  ungenügende  Nahrung,  welche  die  Tiere  bei 
den  Lagerplätzen  fanden,  und  die  Erbsen,  die  wir  für  sie  mitfiihrten,  genügten 
nicht,  sie  bei  Kräften  zu  erhalten.  Dazu  kam  noch  der  Wassermangel  und 
gerade  in  den  letzten  Tagen,  als  sie  schon  sehr  ermattet  waren,  die  weiten 
Märsche  und  die  besonders  warmen  Tage.  »Durakc  starb  am  zweiten  Tage 
nach  der  Ankunft  in  Su-tschou,  ein  anderes  Pferd  folgte  in  den  nächsten  Tagen. 
Zwei  weitere  mussten  wegen  Satteldruckes  und  eiternder  Wunden  am  Rücken 
weggegeben  und  durch  neue  ersetzt  werden.  Auch  die  übrigen  bedurften  noch 
Wochen  lang  der  Schonung  und  reichlicher  Nahrung.  Von  neun  Pferden,  die 
wir  aus  Hami  mitgenommen  hatten,  konnten  wir  nur  sechs  für  die  weitere 
Reise  noch  gebrauchen. 

Der  von  uns  genommene  Weg  berührt  sich  am  Anfang  in  der  nördlichen 
und  am  Su-lai-ho  in  der  südlichen  Zone  mit  den  von  Grum  Grschimailo  und 
später  auch  von  Obrutschew  zurückgelegten  Reiserouten,  aber  innerhalb  des 
Gebirges  des  P*e-schan  liegt  unser  Weg  weiter  westlich  als  der  gemeinsame 
Weg  der  beiden  genannten  Forscher.  Die  allgemeinen  Züge  des  Wüstengebirges 
sind  im  wesentlichen  dieselben;  aber  im  einzelnen  zeigen  die  Gebirgszüge  viele 
Wechsel  in  Ausdehnung  und  Höhe  in  dem  komplizierten  Bau  und  in  der 
geologischen  Zusammensetzung,  soweit  das  an  den  bis  jetzt  vorliegenden 
Beobachtungen  ersichtUch  ist. 

Vergleichen  wir  mit  dem  hier  gegebenen  Bilde  die  Verhältnisse  in  der 
zentralen   Mongolei,    so   finden  wir  dort  nur   noch  viel  niedrigere  und  breitere 


—      207      — 

Gobigebirgskämme  sowie  felsige  Hügel;  dazwischen  liegen  auch  breite  flache  Thal- 
kessel und  Mulden  mit  wenig  Leben  und  spärlicher  Vegetation,  aber  ohne 
grössere  Massen  von  Flugsanden.  Die  Oberfläche  der  Gesteine  ist  tief  ver- 
wittert, eine  dichte  Schicht  von  gröberen  Aufschüttungsmassen  bedeckt  die 
flachen  Teile  und  zieht  sich  hoch  an  den  Bergen  empor,  das  feinere  Material 
aber,  Lehm  und  Sand  wird  weggetragen;  im  südlichen  Ordos  erscheinen  erst 
die  Sandwüsten,  die,  wie  auch  im  südlichen  Tarimbecken,  ganze  Städte  über- 
schüttet haben,  und  noch  weiter  nach  Süden  und  Südosten  ist  der  Verwitte- 
rungslehm als  Löss  nach  den  Provinzen  Schen-si  und  Schan-si  getragen  worden. 
Auch  in  der  zentralen  Mongolei  pflegen  die  Staubstürme  von  Nordwesten  zu 
kommen,  wie  wir  das  selbst  erfahren  haben. 

So  war  denn  die  Durchquerung  der  grossen  Wüste  Zentralasiens  auf  einem 
besonderen  Wege  durch  die  Gebirge  derselben  glücklich  zu  Ende  geführt. 
Grosser  Hitze  begegneten  wir  am  Anfang  und  gegen  Ende,  am  Nordfusse  und 
südlich  von  den  vier  grösseren  Gobi-Gebirgen,  auf  den  relativ  niedrig  gelegenen 
Kiesflächen  mit  900 — 1400  m  Höhe  im  Norden  und  1240 — 1500  m  Höhe  im 
Süden;  in  der  Mitte  aber  und  besonders  in  den  beiden  nördlichen  Gebirgszügen 
traten  bei  grosser  Höhe  (bis  zu  2300  m)  bedeutenden  Temperaturerniedrigungen 
bis  unter  den  Gefrierpunkt  ein. 

Die  höchsten  Tagestemperaturen  im  Schatten  waren  +32®  am  31.  Mai  und 
mehrfach  30®  und  31®  im  südlichen  Teile  der  Wüste.  Im  Boden  wurden  i  cm 
unter  der  Oberfläche  als  höchste  Temperaturen  am  Tage  gemessen  -f  53®,  im 
Sande  der  südlichen  Kies-  und  Lehmzone  am  3.  Juni,  bei  gleichzeitiger  Ab- 
kühlung Nachts  auf  13,75®,  so  dass  eine  Wärmeschwankung  von  +  39,25®  in 
der  Bodenoberfläche  eintrat. 

Die  Intensität  der  Sonnenstrahlung  erreichte  ihre  höchsten  Beträge  mit 
56®  C.  bis  59®  C;  einmal  sogar,  am  31.  Mai,  wurden  in  den  grossen  freien 
Lehm-  und  Schottergebieten  der  südlichen  Zone  +60®  gemessen.  Der  grösste 
Gegensatz  vom  Tagesmaximum  und  Nachtminimum  der  Lufttemperatur  war  32^  C. 
am  30.  Mai  in  denselben  Regionen. 

Die  Winde  gingen  fast  beständig;  ganz  windstille  Tage  gab  es  über- 
haupt nicht,  höchstens  einige  Stunden  waren  windfrei.  Die  beiden  vorherr- 
schenden Richtungen  waren  aus  Nordost  und  aus  Nordwest  Die  letzteren 
brachten  die  Staubstürme  und  waren  warm,  die  andern  kühlten  ab  und  klärten 
die  Luft.  Der  grosse  Schneesturm  in  der  Nacht  vom  17. — 18.  Mai  kam 
aus  NO.,  und  der  Sturmwind  am  Tage  vorher  ebenfalls.  Nur  nachdem 
auf  den  Staubsturm  am  Nachmittage  des  28.  Mai  wieder  einige  Zeit 
(10 — 12  Stunden)  östliche  Winde  geherrscht  hatten,  war  am  Pfingstsonntage 
(29.  Mai)  die  Luft  so  klar,  dass  wir  die  Schneeketten  des  mittleren  Kuen-lun 
(Nan-schan)  aufs  Herrlichste  sehen  konnten,  von  denen  wir  auch  in  Su-tschou 
noch  ziemlich  weit  entfernt  waren.  Bemerkenswert  ist,  dass,  auch  wenn  an 
der  Oberfläche  östliche  Winde  herrschten,  in  der  Höhe  die  Cirrus-  und  Stratus- 


—        2IO      — 

Zone    der    Gobi    die    kleinen    Schiefer-    und    altvuikanischen    Hügel    aus    der 
Schotterfläche  auf. 

Die  niederen,  aber  breiten  Zonen  im  Norden  und  Süden  der  altersgefügten, 
von  granitischen  und  altvulkanischen  Gesteinen  durchzogenen  Feste  der  Gobi 
mit  ihren  hochragenden  Kettengebirgen,  unterliegen  schon  seit  langen  geologischen 
Zeiträumen  der  Aufschüttung  und  Einebnung.  Wie  von  Norden  vom  Karlük-tag, 
so  ergiessen  sich  auch  vom  mittleren  Kuen-lun  und  Nan-schan  mächtige  Ströme 
von  Schotter  und  Kies  und  den  feineren  Zermahlungsprodukten  der  Gesteine, 
von  Lehm  und  Sand  in  die  niedriger  gelegenen  Teile  und  füllen  sie  langsam  aus, 
unterstützt  durch  die  Gebirge  der  Wüste  selbst,  deren  Abtragungsmaterial  eben- 
falls jenen  niederen  Teilen  zugeführt  wird.  Welchen  Betrag  die  Mächtigkeit 
dieser  Aufschüttungsmassen  erreicht,  ist  nicht  bekannt  und  wird  sich  wohl  immer 
der  Beobachtung  entziehen.  In  den  Thälern  und  auf  den  weiten,  flachen  Ebenen 
zwischen  den  Gobigebirgen  ist  ihre  Mächtigkeit  aber  nicht  bedeutend;  denn 
häufig  sieht  man  anstehenden  Granit  oder  Schiefer  und  alte,  vulkanische  Gesteine 
unter  der  nur  dünnen  Schotter-  oder  Lehmdecke  auftauchen. 

In  den  Depressionen  im  Norden  und  Süden  des  Gebirgssockels  des  P*e-schan 
sind  die  Ablagerungen  der  tertiären  Seen  des  Han-hai  vorhanden;  in  den  hoch- 
gelegenen Thalböden  aber  zwischen  der  nördlichen  Kette  des  P*e-schan  und 
der  als  4  bezeichneten,  also  über  den  Meereshöhen  von  etwa  1750  m  und  1700  m, 
waren  sie  nirgends  nachzuweisen  und  es  scheint  somit  wahrscheinlich,  dass  der 
zentrale  Teil  der  Gobi  keine  grösseren  Seebtcken  in  jüngerer  geologischer  Zeit  trug. 
Es  sind  somit  drei  Teile  der  Wüste  scharf  unterschieden,  sowohl  nach 
physiognomischem  Charakter  an  der  Oberfläche  als  nach  Entstehung  oder  geolo- 
gischem Bau  im  Innern.  Die  breiten  nördlichen  und  südlichen  Zonen  sind  ein- 
ander gleichwertig,  sie  bestehen  aus  denselben  Gesteinsgattungen  und  haben 
an  der  Oberfläche  dieselben  Kieseinöden  und  Lehmablagerungen  mit  kultur- 
fähigem Boden,  da  wo  Wasser  hinkommt.  Die  südliche  Zone  hat  aber  eine 
im  Mittel  etwas  höhere  Lage  als  die  nördliche  Niederung.  In  der  Mitte  erhebt 
sich  aus  den  Wüsten  des  Aufschüttungslandes  das  feste  Felsgerüste,  gekrönt 
durch  vier  höhere  Gebirgskämme  mit  kompliziertem  geologischen  Bau,  welche 
auf  grosse  Entfernungen  hin  von  Westnordwest  nach  Ostsüdost  dahinziehen  als 
der  steinerne  Kern  und  das  feste  Gerippe  der  Felswüste  Gobi,  die  in  dieser 
ihrer  Eigenart  unter  den  Wüstengebieten  der  Erde  einzig  dasteht. 

Heute  ist  der  P*e-schan  von  ständigen  Ansiedlern  so  gut  wie  verlassen, 
nicht  einmal  zeitweise  hier  nomadisierenden  Mongolen  begegneten  wir  während 
unserer  zehntägigen  Reise  durch  das  Gebirge;  nur  die  Spuren  von  Nieder- 
lassungen trafen  wir  mehrfach  an.  Es  ist  daher  von  grossem  Interesse,  zu  welchen 
Resultaten  Grum  Grschimailo  auf  Grund  einer  historischen  Untersuchung  über 
diese  Gegenden  kommt.     Lassen  wir  ihn  selbst  sprechen:*) 


*)  r.  E.  rpyMi-FpacHuaMjio:  OnncaHie  nyTeniecTBifl  bt»  aana^BuM  KuTaä.    Toni»  II. 
Cr.-neTepöypn.  1899,  pg.  127. 


—       211       — 

»Von  hier  gingen  die  Yüe-tschi  und  die  Schcnschani  aus;  hier  schöpften 
die  Hunnen  ihre  Kräfte,  die  Tukiu,  die  uigurischen  Stämme  und  die  Herrscher 
des  tangutischen  Reiches.  Die  Epoche  des  Dschingis-chan  hatte  einen  tiefen 
Einfluss  auf  das  weitere  Schicksal  des  Bei-schan  (=  P'e-schan).  Die  von  diesem 
grossen  Heerführer  in  seinem  Bestreben,  die  ganze  Welt  zu  erobern,  von  hier 
weggeführten  Nomadenströme  kehrten  nicht  mehr  zurück;  der  Bei-schan 
wurde  öde.  Seine  Quellen  fliessenden  Wassers  verschütteten  die  Hufe  der 
wilden  Tiere;  sie  versiegten  oder  bildeten  salzige  Tümpel.  Und  so  wurde  er 
allmählich  immer  unzugänglicher,  immer  wüster  ....  Aber  nicht  für  immer 
wird  er  so  bleiben.  Der  menschliche  Geist  wird  sich  bemühen,  ihn  zu  neuem 
Leben  zu  erwecken  und  die  Grundlage  dafür  bildet  sein  Erzreichtum:  Sein  Gold, 
Eisen,  Blei  und  seine  Steinkohle.  Aber  freilich,  weder  uns  noch  unsern  Nach- 
kommen wird  es  beschieden  sein,  neues  Leben  im  Bei-schan  erwachen  zu  sehen.« 
Wer  wird  es  erleben? 


14' 


KAPITEL  VII. 


Das  westliche  Kan-su. 

Zwischen  Su-tschöu,  Lisng-tschöu,  Sl-ning  fu  und  dem 
Köke-nur-Oebiete. 

Die  reich  bevölkerten,  inmitten  herrlicher,  Feldfrüchte  und  Obst  in  Fülle 
erzeugender,  bäum-  und  wasserreicher  Ländereien  gelegenen  grossen  Städte  des 
Innern  Chinas,  die  sich  an  die  Nordostabhänge  des  Nan-schan  und  die  grossen, 
vom  Küke-nur-Gebiet  nach  Osten  ziehenden  Thäler  anreihen  und  in  den  Natnen 
SutschiMi,  Kan-tschöu,  Liang-tschöu,  Lantschöu  und  Si-ning  fu  ihre  wichtigsten 
Repräsentanten  haben,  rechtfertigen  sowohl  gegenüber  den  nordwestlichsten 
Städten  Chinas  von  Kaschgar  bis  Hami,  wie  gegenüber  den  ostchinesischen 
Städtebildern  eine  besondere  Schilderung. 

Die  besonderen  geographischen  Bedingungen,  unter  denen  sich  die  ge- 
nannten Städte  befinden:  am  Rande  der  grossen  Wüstenzone  und  des  unwegsamen 
Gebirges  oder,  wie  Si-ning  fu,  mitten  zwischen  grossartigen  Bergketten,  in  Be- 
rührung mit  den  verschiedensten  Völkerschaften,  welche  als  Nomaden  die  Wüste 
durchziehen  oder  auf  den  hochgelegenen  Steppengebieten  Tibets  hausen,  haben 
diesen  Städten  ein  eigenartiges  Gepräge  verUehen.  Ihre  geschichtliche  Ver- 
gangenheit zeigt  die  grosse  Bedeutung,  welche  die  alte  Kulturlandzone,  die  das 
Bergland  des  Nanschan  im  Osten  umzieht  und  in  den  grösseren  Thälern  auch 
nach  Westen  zwischen  die  Gebirgsketten  eindringt,  besitzt,  obwohl  sie  vielfach 
nur  aus  isolierten  Oasen  besteht. 

In  den  Oasen  am  Fusse  des  Nan-schan-Berglandes  ernährt  sich  die 
chinesische,  ansässige  Bevölkerung,  von  der  etwa  ein  Viertel  Muhamedaner 
sind,    von    Handel,    Viehzucht   und   Ackerbau,   während   im   Gebirge  selbst  die 


—     213     — 

Nomaden-Stämme  der  Tanguten  (d.  h.  wilde  Räuber),  Stammverwandte  der 
Tibetaner,  nur  von  Viehzucht  leben  und  nicht  selten  Einfälle  in  die  Kultur- 
gebiete machen. 

Die  Berggehänge  am  Wege  und  zunächst  den  besiedelten  Gebieten  sind 
längst  ihres  Waldschmuckes  beraubt,  während  weiter  im  Gebirge  noch  grosse 
Bestände  von  Laub-  und  Nadelhölzern  die  Gehänge  bedecken.  An  einer 
grösseren  Anzahl  von  Punkten  ist  das  Vorkommen  von  Steinkohlen  bekannt; 
ihre  Ausbeutung  ist  aber  eine  sehr  primitive  und  versorgt  nur  die  nächst- 
gelegenen Bezirke  mit  Brennmaterial.  Die  Haupthandelsartikel  auf  den  Märkten 
der  Städte  sind  Feldfrüchte  aller  Art,  Obst,  Gemüse;  im  Bezirke  von  der 
Provinzhauptstadt  Lan-tschou  am  Hoang-ho  spielt  auch  der  Tabakbau  eine 
wichtige  Rolle.  Opium,  Thee,  Seiden-  und  Wollstoffe,  Eisen-  und  Messing- 
geräte, Steinschnitzereien,  Silber-  und  Nephrit-Schmuck  findet  man  ebenfalls  in 
den  Städten  überall. 

In  diesen  Zentren  der  Bevölkerung  und  des  grossen  Verkehrs,  der  das 
südliche  China  über  Singan  fu  und  die  fruchtbaren  Lössgebiete  des  Wei-ho- 
Thales  über  Lan-tschou,  Su-tschou  nach  Hami  mit  dem  weiten  Nordwesten  des 
chinesischen  Reiches,  den  Thien-schan-Ländern  und  Russland  verbindet,  hat  sich 
ein  bedeutender  Teil  chinesischer  Geschichte  abgespielt. 

Die  Gebiete,  welche  die  Chinesen  nach  dem  Verlassen  ihrer  Ursitze  am 
Südrande  des  westlichen  Tarim-Beckens  zuerst  besiedelten,  sind  die  fruchtbaren 
LändÄreien  zwischen  dem  östlichen  Nan-schan  und  den  im  Norden  und  Osten 
sich  ausdehnenden  Wüsten  der  Gobi  und  des  Ala-schan,  die  Oasen  und  frucht- 
baren Thäler  längs  der  Yü-mön- Passage  von  An-si-tschou  über  Su-tschou, 
Kan-tschou  und  Liang-tschou.  Von  da  fand  ein  weiteres  Vordringen  über 
Lan-tschou  in  das  Thal  des  Wei-ho  statt,  noch  vor  der  Zeit  des  Kaisers  Yau 
(2357 — 2256  V.  Chr.).  Damals  gehörten  jene  Länder  noch  zum  chinesischen 
Reiche,  gingen  ihm  aber  dann  auf  mehr  als  zwei  Jahrtausende  wieder  verloren, 
infolge  des  Andrängens  der  Nomadenstämme  der  nördlich  davon  gelegenen 
Wüsten,  welche  in  die  von  der  Natur  mehr  begünstigten  Nachbargebiete  ein- 
fielen und  sie  zeitweise  besetzt  hielten,  bis  die  Errichtung  der  grossen  Mauer 
diese  Nomadenhorden  abwies  und  sie  zwang,  nach  Westen  hin  Auswege  zu 
suchen.  Die  grosse  Mauer  wurde  in  der  Folge  von  dem  grössten  Einfluss  auf 
die  Geschicke  der  in  Zentralasien  ansässigen  Völker,  die  allmählich  immer  weiter 
nach  Westen  gedrängt  wurden,  nicht  ohne  dass  Reste  der  verdrängten  Stämme 
zurückblieben,  sich  mit  den  mongolischen  Eindringlingen  mengten  und  so  das 
bunte  Völkergemisch  erzeugten,  das  für  dasTarim-Becken  charakteristisch  ist  und  in 
welchem  arische,  türkische,  mongolische  und  tibetanische  Elemente  vertreten  sind. 

Die  ältesten  Einwanderer  waren  Ackerbauer  und  suchten  die  Gegenden 
auf,  welche  dafür  die  günstigsten  Vorbedingungen  boten;  sie  zogen  sich  am 
Wei-ho  und  Hoangho  hinab  und  in  die  grosse  Ebene,  sowie  nach  Schan-si  und 
Schan-tung.     Schon    zu  Yaus  Zeiten   waren  sie  am  unteren  Yang-ts^-kiang  und 


—       214      — 

in  Ss^-thschuan.  Aber  infolge  der  Einfälle  der  Nomaden  gingen  die  Gebiete 
nordwestlich  von  Lan-tschou  wieder  verloren  und  die  Kämpfe  mit  den 
Ureinwohnern  schwächten  die  Macht  des  Reiches. 

Erst  die  Errichtung  der  grossen  Mauer,  die  bei  Min-tschou  beginnt  und 
deren  innerer  Teil  vom  Kaiser  Thsin-ScM-huang-ti  bis  zum  östlichen  Schan-si 
errichtet  wurde,  hielt  die  Hiung-nu,  die  neuerdings  wieder  mit  den  Hunnen  für 
identisch  gehalten  werden,  fern,  sicherte  den  Bestand  des  Reiches  und  brachte 
besonders  dem  westlichen  Kan-su  Schutz  und  infolgedessen  auch  Aufblühen. 
Chinas  innere  Macht  stärkte  sich  trotz  mancherlei  Wechselfällen  und  Vordringens 
der  Hiung-nu  über  die  grosse  Mauer,  und  im  ersten  Jahrhundert  nach  Chr. 
kommen  schon  chinesische  Streitkräfte  bis  an  das  Kaspische  Meer.  Die  Yüe-tschi, 
welche  die  Gebiete  von  Su-tschou  bis  Liang-tschöu  am  Gebirgsfusse  des  Nan- 
schan  inne  hatten  und  am  meisten  unter  den  Hiung-nu  litten,  verliessen  ihr 
Land  und  zogen  bis  nach  West-Turkestan.  Auch  die  immer  unruhigen  Hiung-nu 
wurden  gezwungen,  ihre  Wohnsitze  von  der  Grenze  und  der  Nachbarschaft  der 
Chinesen  weg  zu  verlegen. 

So  lange  die  Chinesen  noch  Herren  des  Tarim-Beckens  waren,  konnten 
die  Hiung-nu  keine  weiteren  Einfalle  machen,  aber  mit  dem  Zurückgang  des 
-chinesischen  Einflusses  im  Westen  drangen  auch  jene  wieder  vor  und  fielen 
46  n.  Chr.  in  \Vest-Kan-su  und  Schen-si  wieder  ein.  Sie  wurden  aber  leicht  zurück- 
geworfen und  auch  das  Tarim-Becken  wurde  zurückerobert,  bis  im  Jahre  95  das 
ganze  Land  bis  zum  Kaspischen  Meere  in  der  Hand  der  Chinesen  war.*  Diese 
grosse  Ausdehnung  des  Reiches  dauerte  aber  nur  kurze  Zeit;  Ost-Turkestan 
wurde  wieder  unsicher  und  musste  noch  unter  der  Han-Dynastie  aufgegeben 
werden.  Innere  Kriege,  Zerfall  des  Reiches  und  Wiedervereinigung  der  drei 
Teile,  Auftreten  von  Gegenkaisern  verhinderten  dann  lange  Zeit  hindurch  eine 
neue  Ausdehnung  der  chinesischen  Macht  nach  Zentral-Asien  hin  über  die 
Yü-mön-Passage  hinaus,  die  bei  China  geblieben  war.  Kan-tschou  war  während 
dieser  Zeit  ein  wichtiger  Handelsplatz  geworden,  aber  bis  zum  Jahre  400  waren 
die  direkten  Verbindungen  mit  dem  Tarim-Becken  unterbrochen.  Im  sechsten 
Jahrhundert  brachen  die  Kaiser  der  Wei-Dynastie  die  Macht  der  Shuan-Shuan, 
eines  aus  der  Mandschurei  vorgedrungenen  Volkes,  das  alles  Land  vom  Bagrasch- 
kul  bis  zum  östlichen  Meere  in  seine  Gewalt  gebracht  hatte;  ihre  Nachfolger 
wurden  die  Tukü^,  die  in  der  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  ihr  Reich  bis 
zum  Kaspischen  Meere  nach  Westen  hin  ausdehnten,  an  die  grosse  Mauer 
direkt  angrenzten  und  den  Chinesen  gefährlich  wurden.  Erst  mit  der  Einigung 
des  Reiches  begann  wieder  eine  Zeit  der  Vergrösserung,  und  unter  Thang- 
Thai-tsung  (627 — 650)  reichte  der  chinesische  Einfluss  von  neuem  bis  West- 
Turkestan,  nachdem  das  Tarim-Becken  durch  die  Unterwerfung  der  Tuküö 
wieder  den  Chinesen  zugefallen  war. 

Bis  zur  Mitte  des  achten  Jahrhunderts  dauerte  die  chinesische  Macht  im 
Westen,  aber  innere  Unruhen  in  China  selbst  und  eine  Revolution  veranlassten 


—      215      — 

die  Niederlassung  des  türkischen  Nomadenvolkes  der  Huei-h^  in  Kan-su,  der 
ersten  Türken  in  China.  Da  sie  nie  ganz  mit  der  chinesischen  Bevölkerung 
verschmolzen  und  sich  auch  durch  religiöse  Gegensätze  unterschieden,  bildeten  sie 
immer  ein  eigenes  Element  mit  noch  andern  türkischen  und  muhamedanischen 
Stammesgenossen  zusammen  und  verursachten  in  der  Folge  die  schrecklichen  Auf- 
stände und  Bürgerkriege,  welche  wie  keine  andern  die  Provinz  Kan-su  verwüstet  haben. 
Für  die  Geschichte  der  Länder  an  der  Yü-mön-Passage,  die  hier  kurz  skizziert 
werden  sollte,  sind  von  den  in  der  späteren  Zeit  über  China  hingegangenen 
Ereignissen  nur  die  folgenden  noch  zu  erwähnen,  die  nach  der  Einwanderung 
der  Huei-hS  sich  zutrugen.  Die  grossen  Bewegungen  der  Völker  in  Zentral- 
Asien,  die  der  Mongolenhcrrschaft  unter  Dschingis-chan  vorausgingen,  und  der 
Zerfall  im  Innern  des  Reiches  gegen  Ende  der  Periode  der  Thang'schen  Kaiser 
reduzierten  das  Reich,    das    nur  noch  Ho-nan  und  Schan-tung  umfasste. 

Gegen  Ende    des  zehnten  Jahrhunderts  war  Kan-tschou  fu  die  Hauptstadt 
eines    grossen  Reiches    der    türkischen  Huei-hS.     Den  Arabern    war    das  Land 
von  Su-tschou    bis  über  Liang-tschöu  als  Taghnazagh   bekannt.      Die  Huei-hÖ 
mussten  den  mongolischen  Kitan  weichen,  die  am  Anfange  des    zehnten    Jahr- 
hunderts   schon    das    ganze  Land  von   der  Ostküste   bis    zum   Lop-nur-Gebiet 
erobert   hatten;    später    dehnten    sie    ihr   Reich    Kara-Kitan    bis    nach    West- 
Turkestan    aus  (1125).      Dieses  Reich    bestand    aber    nur    80   Jahre,    bis    sich 
Temudschin    zum   Führer    aller    mongolischen    und    türkischen    Stämme    Inner- 
asiens machte  und  als  Dschingis-chan  seine  Heerscharen  nach  allen  Seiten   von 
Zentralasien   aus  zur  Eroberung    entsandte.     In   China  hatte   er  alles   Land  bis 
zum  Kwön-lun  und  Hoang-ho  erobert  und  verwüstet.     Später  reichte  die  Grenze 
des    Mongolenreiches  sogar  südlich  bis    an   den   Yang-tz^-kiang   und    Tonking, 
fast  zu    gleicher  Zeit    als    seine  Horden  1241   bei  Liegnitz  geschlagen  wurden. 
Die  mongolische  Herrschaft  in  China  war  zwar  von  grossem  Nutzen  für  das  Land, 
aber  nach  88  Jahren   der  Fremdherrschaft  befreite  sich  dieses  (1368)   von   der- 
selben;   die  Grenzen  des  Reiches  reichten  indessen  nur  noch  bis  zur  Yü-mön- 
Passage  und  zur  grossen  Mauer. 

Zur  Zeit  Dschingis-chans  war  Kan-tschou  Hauptstadt  eines  Reiches  der 
tibetanischen  Tanguten,  das  jener  eroberte  (1227);  ausser  Buddhisten  waren  auch 
christliche  Gemeinden  im  Lande,  in  Su-tschöu  und  Kan-tschou.  Damals  hatte 
Kan-su  auch  viele  Bewohner  von   tibetanischer  Abstammung. 

1368  wurden  die  Mongolen  wieder  vertrieben  durch  eine  von  einem  Priester 
veranlasste  Revolution;  aber  bald  begannen  die  Kämpfe  mit  den  Mandschu, 
welche  in  die  nordöstlichen  Teile  des  Reiches  einfielen  und  sich,  durch  die 
Umstände  begünstigt,  zu  Herrschern  Chinas  machten  (1644);  die  nördlichen  und 
zentralen  Provinzen  waren  bald  unterworfen,  aber  die  See-  und  Südprovinzen 
leisteten  Widerstand,  bis  1650  Kanton  von  den  Mandschu  genommen  war. 
Eine  Ausdehnung  des  Reiches  nach  dem  Westen,  die  ftir  die  Handels- 
beziehungen wichtig    war,  erfolgte  in   der  zweiten  Hälfte    des  siebzehnten  Jahr- 


—      2l6      — 

hunderte,  und  da  die  allgemeine  Regierung  der  Mandschu-Kaiser  besser  war  als 
die  der  früheren  Dynastien,  so  gestalteten  sich  seit  dieser  Zeit  auch  die  Ver- 
hältnisse im  Reiche  günstiger;  es  entwickelte  sich  Handel  und  Industrie,  die 
natürlichen  Hilfsquellen  des  ungeheueren  Landes  wurden  besser  ausgenutzt  und 
das  Volk  konnte  wieder  aufatmen. 

Es  waren  seit  dieser  Zeit  nur  die  schrecklichen,  religiösen,  inneren 
Streitigkeiten,  die  Dunganen-Aufstände,  welche  ganze  Provinzen,  darunter  Kan- 
SU.  verwüsteten  und  Tausende  von  Menschenleben  und  den  Wohlstand  ver- 
nichteten. Die  Spuren  dieser  Ereignisse  sind  dem  Lande  noch  für  lange  Zeit  in 
sichtbarer  und  empfindlichster  Weise  aufgeprägt. 


Dorf  Sia-»chuei  yi,   ästlich  von  Su-tschüu. 

Wenn  man  sich  der  Stadt  Su-tschöu  aus  der  Wüste  nähert,  sind  frucht- 
bare Oasen,  wasserreiche  Kulturgebiete  und  grosse,  ummauerte  Ansiedelungen 
die  ersten  Anzeichen,  dass  man  aus  der  menschenleeren  Wüste  wieder  auf 
grösseres  und  zusammenhängendes  Vegetations-  und  Besiedelungsgebiet  gelangt. 
Eine  eigenartige  Erscheinung  sind  die  gelbbraunen,  hohen,  kahlen  Mauern, 
über  welche  nur  die  obersten  Baumspitzen  heraussehen,  inmitten  des  grünen 
Laubes  und  der  sprossenden  Fruchtfelder.  In  manchen  dieser  ummauerten  Plätze 
stehen  niedere,  schlechte  Lehmhütten,  welche  bewohnt  sind;  es  giebt  aber  deren 
auch  ganz  leer  stehende,  die  oflenbar  nur  zu  Kriegszeiten  als  Zufluchtsort  benutzt 
werden  und  den  Bewohnern  der  Höfe  eines  grösseren  Umkreises  Schutz  gewähren. 
Eine  grössere  Anzahl  solcher  mächtiger,  im  Landschaftsbilde  ganz  fremdartig 
sich  ausnehmender  Festungsbauten  liegen  unweit  der  grossen  Strasse  .nach 
An-si-tschöu,  welche  die  Hauptverkehrsader  für  das  nordwestliche  China  bildet 
imd   \'on  der  Telegraphenlinie  begleitet  ist. 


—      '217      — 

Wiesenbedeckte,  niedrig  liegende  Flächen  bieten  grossen  Herden  einer 
kleinen,  minderwertigen  Rinderart  günstige  Weideplätze.  Die  zahlreichen,  kleinen, 
vom  Gebirge  herunterströmenden,  durch  Irrigation  vielfach  künstlich  verteilten 
Wasseradern  führen  in  dieser  Jahreszeit  (Juni)  nur  wenig  Wasser,  das  lange 
nicht  ihre  breiten,  oft  zwischen  steil  abfallenden  Lehmwänden  liegenden 
Betten  ganz  zu  überfluten  im  stände  ist.  In  einzelnen  seichten,  ihre  Lage 
oft  verändernden  Rinnen,  die  überall  leicht  durchschritten  werden  können,  sucht 
das  Wasser  seinen  Weg,  denn  ein  eigentlicher  Thalweg  des  Wassers  ist  im 
Flussbette  selbst  oft  nicht  vorhanden. 

Breite  Kiesflächen,  auch  zuweilen  Sandanhäufungen,  sind  hier  der  Vege- 
tation oft  hinderlich;  aber  auf  dem  Lehmgebiet  ist  jedes  Fleckchen  Erde 
bewachsen  oder  bepflanzt.  Herrliche  Blumen  blühen  am  Wege;  eine  violette 
Schwertlilie  und  ein  kleines  gelbes  Löwenmaul  sind  förmlich  wie  Unkraut 
verbreitet,  und  die  Blüten  der  Bäume  erfüllen  die  Luft  mit  würzigem 
Gerüche.  Es  war  ein  wonniges  Gefühl,  nach  der  monotonen  Wüste  durch  die 
weiche  Luft  und  die  im  Abendschimmer  liegende,  herrliche  Landschaft  zu  reiten, 
über  welche  Mutter  Natur  so  reichen  Segen  ausgegossen.  Und  es  scheinen  die 
Menschen  auch  glücklich  zu  sein;  denn  manchen  sahen  wir,  heiter  vor  sich 
hinsummend,  mit  der  Hacke  auf  dem  Rücken  von  der  heissen  Tagesarbeit 
heimkehren.  Besonders  abends,  wenn  die  Landbewohner  in  den  Dörfchen,  vor 
den  Hütten  auf  dem  Boden  liegend  oder  auf  Holzbänken  sitzend,  ihre  kleinen 
Pfeifen  rauchten,  machten  sie  trotz  der  einfachen  Lebensweise,  mit  der  sie  sich 
begnügen,  einen  durchaus  zufriedenen  Eindruck.  Die  Kinder  in  den  Strassen,  meist 
im  Gewände  der  Unschuld  oder  nur  mit  einem  kleinen  Jäckchen  bekleidet,  ver- 
kehren mit  ihren  Hausgenossen,  den  Hunden  und  Schweinen,  mit  rührender  Un- 
gebundenheit.  Kleine  Mädchen  werden  etwas  sorgfältiger  gekleidet,  wenn  sie 
über  die  ersten  Lebensjahre  hinaus  sind;  sie  tragen  dann  schon  einfachen  Schmuck 
an  den  Ohren  und  den  Armen  und  lange,  ins  Haar  geflochtene  Schnüre  mit 
kupfernen  Münzen  am  unteren  Ende.  Die  Frauen  sieht  man  nur  selten  einen  Gang 
besorgen  oder  vor  dem  Hause  mit  einer  Näh-  oder  Spinnarbeit  beschäftigt.  Männer 
und  Kinder  sitzen,  mit  grossen  breitrandigen  Strohhüten  bedeckt,  in  Gruppen  auf 
den  Feldern,  mit  Ausreissen  von  Unkraut  und   andern  Feldarbeiten  beschäftigt. 

Obwohl  schön  blühende  Gewächse  hier  durchaus  nicht  fehlen,  war  keine 
eigentliche  Blumenzucht  zu  sehen.  •  Angebaut  werden  in  grossen  Mengen  auf  den 
Feldern:  Getreide,  Reis,  Bohnen,  Hirse,  sowie  hier  besonders  wohlschmeckende 
Radieschen,  Rettiche  und  Salat,  Gemüse  und  verschiedene  Obstsorten. 

Inmitten  dieses  reichen  Oasen-Landes,  das  sich,  allerdings  mit  Unter- 
brechungen, weit  nach  Südosten  hin  fern  vom  Gebirgsfusse  erstreckt,  liegt  Su- 
tschou,  das  als  Stadt  in  mehrere  mit  besonderen  Mauern  umgebene  Teile  zer- 
fallt,   und    dessen  Einwohnerzahl    auf  loooo  geschätzt    wird.*)      Die    Stadt    ist 

*)  Nach  Griiin  Grschimailo  wohuen  ausser  looo  chinesischen  Familien  noch  etwa  hundert 
Familien  von  Dun^anen  und  Tang^uten  in  der  Stadt. 


—       2l8      — 

schon  121  V.  Chr.  gegründet  worden.  Dschingis-chan  zerstörte  sie  1226  gründlich, 
als  er  der  zweihundertjährigen  Tangutenherrschaft  ein  Ende  machte.  Auch  in 
diesem  Jahrhundert  hatte  die  Stadt  schwer  zu  leiden,  als  die  Dunganen  sie 
zuerst  Ende  der  sechziger  Jahre  nahmen  und  1872  die  Chinesen  sie  wieder 
zurückeroberten  und  ganz  und  gar  zerstörten.  Hinter  langen,  öden  Festungs- 
mauern liegen  voiksreiche  Strassen,  von  denen  eine  zahlreiche,  schöne  Ver- 
kaufsmagazine  enthält  und  auch  als  Markt  dient.  Eine  grosse  Anzahl  von 
Waren  sind  englischer  und  anderweitiger  europäischer  Herkunft  und  über 
Schang-hai  hierher  gebracht.  Einheimische  Erzeugnisse  von  Industrie  oder  Ge- 
werbe sind  nicht  bedeutend  vertreten,  wohl  aber  füllen  einen  grossen  Teil  des 
Marktes  die  Produkte  des  Feld-,  Obst-  und  Gemüsebaues,  unter  welchen,  ent- 
sprechend der  Jahreszeit,  Gemüse  einen  hervorragenden  Platz  einnahmen.  In 
späterer  Jahreszeit  giebt  es  ebenso  ausgezeichnete  Hülsenfrüchte  und  auch  Obst. 

Schöne,  grosse  Magazine,  welche  sich  durch  den  ornamentalen  Holzausputz 
ihrer  Vorderseiten  und  ihre  bunte  Bemalung  auszeichnen,  vertreten  unsere 
Apotheken,  die  auch  hier  zu  Lande  nicht  nur  ihre  Besitzer  ernähren,  sondern 
zu  reichen  Leuten  machen.  Es  wird  in  diesen  wenig  wissenschaftlich  betrie- 
benen Arzneiverkaufsstellen  ausser  andern  Waren  alles  mögliche  als  Heilmittel 
verabreicht,  was  der  Volksaberglaube  und  die  Tradition  eben  (lir  ein  solches 
erklärt.  Ausser  vielen  Geheimmitteln,  deren  Zusammensetzung  sich  der  Be- 
obachtung entzieht,  spielen  die  Geweihe  von  jungen  Hirschen,  die  Flossen  von 
Rochen  und  Haifischen,  sowie  viele  Pflanzen  eine  Rolle.  Auch  die  Panzer  von 
Gürteltieren  und  Schildkröten  hingen  mit  andern  Merkwürdigkeiten  von  der 
Decke  herab.  Die  Besitzer  sahen  etwas  gelehrter  aus  als  die  übrigen  Handels- 
leute und  trugen  meist  grosse  Brillen  von  geschliffenem  Glase;  doch  sah  man 
ihnen  allen  die  Spuren  von  starkem  Opiumgenusse  an,  das  sie  offenbar  nicht 
nur  als  Heilmittel,  sondern  auch  zu  ihrem  Gebrauche  reichlich  verwenden.  Auch 
Steine  und  amulettartige  Gegenstände,  denen  heilsame  Wirkungen  zugeschrieben 
werden,  verkauft  man  hier. 

Solche  hervorragenderen  Magazine,  die  schönen  Fronten  und  Eingangs- 
thore  einiger  Tempel  und  Amtsgebäude  verleihen  den  breiten  Strassen,  trotz 
des  Staubes,  der  fast  fusshoch  auf  ihnen  liegt,  ein  ziemlich  vorteilhaftes  Aussehen. 
Das  bunte  Bild,  das  die  sartischen  Bazare  durch  ihren  lebhaften  Verkehr  und 
durch  die  grosse  Menge  der  grellfarbigen,  aus  Russland  kommenden  StofTe  und 
Tücher  boten,  fehlt  allerdings,  da  nur  wenig  Gegenstände  ausserhalb  der  Maga- 
zine aushängen  und  jene  Tücher  von  mehr  sartisch-kirgisischem  als  chinesischem 
Geschmack  hier  keinen  Absatz  mehr  finden.  Es  giebt  Kleidermagazine  mit 
Stoffen  und  ganzen  fertigen  Anzügen  in  grosser  Zahl;  aber  die  vorherrschenden 
Farben  sind  Blau,  Dunkelgrau  und  Schwarz. 

Meist  sind  in  den  Magazinen  die  Waren  auf  einigen  Seitentischen  offen 
und  hinter  dem  Ladentisch,  der  den  hinteren  Raum  abgrenzt,  in  grossen  Fächer- 
gestellen    längs    der    Wand    aufgestapelt,     viele    auch     unter     Glasbedeckung. 


—      219      — 

Eigentliche  Schubfächer,  wie  in  unsern  Materialwaren-Handlungen,  sind  nur  in 
den  Apotheken  gebräuchlich.  Dort  finden  sich  auch  allerlei  feine  Wagen  zum 
Abmessen  von  geringer  Dosis. 

Hierher  kommt  das  Eisen  noch  aus  Russland,  und  zwar  in  Barrenform; 
es  wird  dem  einheimischen  chinesischen  Eisen,  das  aber  auch  erst  von  den 
östlichen  Provinzen,  Schen-si  und  Schan-si,  gebracht  werden  muss,  vorgezogen, 
weil  es  besser  zu  bearbeiten  ist. 

Von  Mineralprodukten  waren  neben  Kohle  nur  reine  und  unreine  Salze 
zu  sehen.  Als  Merkwürdigkeit  und  bedeutsames  Zeichen  für  die  Entwicklung 
des  japanischen  Handels  verdient  angeführt  zu  werden,  dass  Streichhölzer  von 
japanischer  Herkunft  ebenfalls  in  Magazinen  neben  solchen  aus  England  und 
Oesterreich  feilgehalten  werden. 

Kleine  Gebrauchsgegenstände,  wie  Spiegel  mit  Bildern  chinesischer,  ge- 
schmückter Damen,  Holzkämme,  Büchschen,  Spielkarten,  Rauchpfeifen,  Streich- 
hölzer, bunte  Armringe  und  Perlen  aus  Glas,  sowie  runde  oder  geschnitzte  Steine 
u.  s.  w.,  findet  man  auf  den  Tischen  der  meisten  Läden;  in  einigen  wird  auch 
feineres  Porzellan,  das  aus  Ost-China  stammt,  feilgeboten. 

Die  Schmuckgegenstände,  Ringe  und  Ohrschmuck,  sind  aus  Silber  oder 
Messing  und  wenig  kunstvoll  gefertigt;  auch  kleine  Buddhastatuen  und  plumpe 
Heiligenbilder  in  Miniatur  sieht  man  zuweilen. 

Die  kleinen  Garküchen,  in  welchen  Pastetchen  oder  Reisspeisen  mit  ver- 
schiedenen roten,  grünen  und  gelben,  scharfen  und  würzigen  Saucen  zubereitet 
werden,  machen  keinen  unsauberen  Eindruck,  und  auch  die  »fliegenden  Küchen« 
sind  meist  nicht  unreinlich.  Diese  bestehen  aus  zwei  etwa  i  m  hohen  Auf- 
sätzen, welche  das  Hauptgericht  als  grossen  Teig  in  der  Mitte  und  auf  Schälchen 
rings  herum  gruppiert  die  verschiedenen  Saucen  und  andern  Gerichte  tragen. 
Diese  Aufsätze  sind  an  den  beiden  Enden  einer  Stange  befestigt,  welche  auf 
der  Schulter  getragen  und  bei  Erscheinen  eines  Kunden  abgesetzt  wird. 

Es  wird  hier  sehr  gutes  Brot  gebacken;  Spezialität  ist  ein  Fruchtbrot  in 
der  Art  der  in  Süddeutschland  bekannten  Fruchtbrote;  auch  kleine,  gelbe  in 
Fett  bereitete  Kuchen  werden  gerne  verzehrt.  Dagegen  sieht  man  sehr  wenig 
Fleisch  auf  dem  Markte  und  keine  Butter,  Käse  oder  Eier. 

Von  sehr  zweckmässigen  und  von  der  Bevölkerung  sehr  viel  benutzten 
zur  Kleidung  gehörigen  Gegenständen  sind  noch  sehr  grosse  und  breitrandige 
Hüte  aus  Strohgeflecht  zu  erwähnen,  welche  den  ganzen  Kopf  in  Schatten  halten 
und  je  nach  dem  Stand  der  Sonne  vorn  und  hinten  oder  an  den  Seiten  auf- 
geschlagen werden.  Der  Umfang  eines  solchen  grossen  Hutes  ist  70  cm  und 
der  Rand  allein  ist  25  cm  breit.  Oft  sieht  man  diese  Hüte,  der  blauen 
Kleidung  entsprechend,  innen  mit  blauem  Stoflie  ausgefuttert.  Die  allgemein 
übliche  Kopfbedeckung,  wenn  nicht  barhäuptig  gegangen  wird,  sind  die  schwarzen, 
mützenartigen,  am  Kopfe  überall  anliegenden  Bedeckungen  oder  auch  tellerartige 
Strohgeflechte  mit  roten  Troddeln  an  der  Spitze. 


Die  Bevölkerurtg  zeigte  uns  Fremden  gegenüber  zwar  die  gewöhnliche 
Neugier,  aber  sie  belästigte  uns  in  keiner  Weise,  und  es  ist  fraglich,  ob  mit 
grossem  Trosse  in  Originalkieidung  reisende  Chinesen  bei  uns  nicht  mehr  zu 
leiden  haben  würden  als  wir  dort. 

Die  Kleidung  der  Krämer  und  KauTleute  in  den  Magazinen  und  der  An- 
gehörigen der  besseren  Stände,  denen  man  auf  der  Strasse  begegnet,  ist  meist 
rein  und  sorgfältig  gehalten  und  unterscheidet  sich  dadurch  wesentlich  von 
derjenigen  der  arbeitenden  Klasse,  welche  häufig  nur  die  nötigsten  Kleidungs- 
stücke und  diese   in  zerfetztem,  schmutzigem   Zustande   trägt    und  Körperpflege 


Chlavacu   \>ei   Si:hiiiiii^-l»in)<:  yi.   üsilich  von   Su-tsthüu.      An  ilor  Miiui-r  ilns  mylhische  Tk-r  iTuii«. 

überhaupt  nicht  zu  kennen  scheint.  Häufig  sieht  man  den  Oberkörper  bis  zur 
Hüfte  bei  Männern  ganz  nackt  und  Kinder  der  ärmeren  Klassen  laufen  über- 
haupt meist  ohne  Kleidung  auf  der  Strasse  herum.  Die  zerlumpteste  und  ganz 
in  Fetzen  hängende  Kleidung  haben  aber  die  Bettler  beiderlei  Geschlechts,  die 
unter  den  Thorbogen  der  Stadtmauern  sitzen  und  meist  einen  abschreckenden 
Anblick  gewähren,  da  sie  häufig  mit  sichtbaren  Zeichen  der  widerlichsten 
Krankheiten  bedeckt  sind.  Aber  Belästigung  durch  zudringliches  Verfolgen 
erfährt  man  auch  durch   diese  Bettler  nicht. 

Obwohl  das  reiche  Oasen -Land  in  der  Umgebung  von  Su-tschöu  den 
Eindruck  macht,  als  müsse  es  hier  auch  wohlhabende  Leute  geben,  sieht  man 
in  der  Stadt  wenig  oder  nichts  von  Reichtum  oder  äusserlichem  Luxus.  Einige 
Tempel    haben    schön    verzierte,  aus    Lehm-   oder   Holzschnitz  werk    hergestellte 


—       221       -- 

Fagaden  mit  besonders  reich  geschmückten  Eingangsthoren,  und  vor  den 
Wohnungen  höherer  Mandarinen  sind  unförmige,  als  Löwen  modellierte  Thon- 
klötze  aufgestellt,  die  aber  meist  ein  sehr  unglückliches  Aussehen  haben.  Aber 
im  Innern  der  Wohnungen  und  Empfangsräumlichkeiten  sah  es,  wenigstens  bei 
dem  niederen  Beamten,  dem  wir  unsern  Besuch  machten,  weil  er  uns  die 
Wagen  zur  Weiterreise  vermitteln  sollte,  nicht  freundlich  oder  wohnlich  aus, 
und  irgendwelche  Luxusgegenstände,  ausser  einem  abgetretenen  Teppich  auf 
dem  Boden,  fehlten  ganz. 

Der  Beamte  selbst,  ein  kleines  schmächtiges  Männchen,  dessen  auffallend 
bleiche  Gesichtsfarbe  den  Opiumraucher  verriet,  kam  zwar  unsern  Wünschen 
nach,  verzichtete  aber  auf  alle  weiteren  Höflichkeiten.  So  Hess  er  uns  zuerst 
lange  warten,  dann  trank  er  uns  beim  Thee  nicht  zu  und  erwiderte  auch 
unsern  Besuch  nicht,  was  bisher  immer  geschehen  war.  Doch  besorgte  er 
richtig  unsere  Wagen  und  gab  uns  auch  einen  Mann  mit,  der  uns  angeblich 
das  Quartier  jeweils  vorbereiten,  nach  unserer  Auffassung  aber  uns  überwachen 
sollte,  um  später  zu  berichten,  was  wir  während  der  Reise  gethan  hatten. 

Bis  die  Arben  in  Stand  gesetzt,  fertig  gepackt  und  auch  die  Pferde  be- 
schlagen waren,  gingen  einige  Tage  dahin,  während  welcher  im  allgemeinen 
sehr  warmes  Wetter,  an  einigen  Nachmittagen  sogar  mit  leichten  Regenfallen 
herrschte.  Im  Serai  ging  es  immer  sehr  lebhaft  zu;  ausser  uns  waren  noch 
einheimische  Reisende  da,  die  aber  im  Gegensatze  zu  uns  meist  nachts  reisten, 
mitten  in  der  Nacht  ankamen  oder  mit  Sonnenaufgang  abrückten.,  so  dass  es  in 
der  Nacht  mitunter  ebenso  geräuschvoll  war  wie  am  Tage. 

Auch  hier  litten  wir  noch  sehr  unter  dem  feinen  Staub,  da  wir  der  Hitze 
wegen  bei  offenen  Thüren  schhefen  und  auch  die  Fenster  mit  einer  meist  stark 
zerrissenen  Papierausfüllung  den  Staub  ungehindert  in  den  Raum  Hessen. 

Die  Chinesen,  die  in  unsere  Nälie  kamen,  interessierten  sich  immer,  oft 
in  liebenswürdiger  Form,  für  unsere  Herkunft,  unsere  Reise  und  die  vielen 
europäischen  Gebrauchsgegenstände,  die  meist  ihre  unverhohlene  Bewunderung 
erregten,  wenn  man  sie  ihnen  zeigte  und  deren  Gebrauch  oder  die  Zweckmässig- 
keit erläuterte.  Die  Thermometer,  welche  immer  zur  Messung  der  Lufttemperatur 
ausgehängt  wurden,  erregten  ihre  lebhafte  Neugier.  Sie  umstanden  sie  in  Gruppen 
in  andachtsvollem  Schweigen,  wagten  aber  nicht  sie  zu  berühren,  und  wenn  sie 
schUesslich  am  Instrumente  keine  Veränderungen  sahen,  wurde  ihnen  die  Sache 
zu  langweilig  und  sie  gingen  weg.  Nur  einmal  fanden  ein  Paar  Müllerburschen 
in  Su-tschou  an  meinem  über  Nacht  ausgehängten  Thermometer  solches  Gefallen, 
dass  sie  es  früh  morgens  beseitigten  und  versteckten.  Der  Wirt  des  Serai  aber 
hatte  sie  sofort  als  die  Thäter  im  Verdachte,  und  durch  Versprechen  von  Straf- 
freiheit waren  sie  leicht  zu  bewegen,  das  gestohlene  Gut  wieder  herauszugeben. 
Sonst  blieben  die  Instrumente  glücklicherweise  immer  unangetastet. 

In  Su-tschou  wurde  der  bisherige  Dolmetscher  der  Expedition,  ein  ver- 
kommener, dem  Trünke  ergebener  russischer  Kaufmann,   entlassen,  da  sein  un- 


—       222      — 

verschämtes  Wesen  und  offenkundige  Betrügereien  Dr.  Holderer  endlich  doch 
zu  viel  wurden.  Ausserdem  war  er  träge,  lässig  und  verstand  es,  immer 
die  Einteilung  der  Märsche  so  anzuordnen,  dass  ein  zusammenhängendes,  wissen- 
schaftliches Arbeiten  meinerseits  fast  unmöglich  wurde,  so  z.  B.  während  der 
Reise  durch  die  Gobi.  Dort  blieb  mir,  trotz  aller  Vorstellungen,  nichts  übrig, 
als  oft  um  die  heisse  Mittagszeit  ohne  Führer  so  weit  wie  möglich  voraus- 
zurücken und  dann  bis  Mitternacht  oder  länger  auf  kahlem  Wüstenboden  ohne 
Zelt  und  Nahrung  zu  warten,  bis  die  erst  am  Abend  aufgebrochene  Kara- 
wane gegen  Mitternacht  nachkam.  Am  Morgen,  während  alle  ausruhten,  musste 
dann  das  in  der  Dunkelheit  zurückgelegte  Stück  des  Weges  in  geologischer 
und  topographischer  Aufnahme  nachgeholt  werden  und  schon  mittags  ging  es 
wieder  weiter  bei  glühender  Hitze.  Ihm  war  es  Hauptsache,  dass  er  bequem 
reiste,  und  er  wusste  das  auch  stets  so  einzurichten;  nur  für  das  Essen  sorgte 
er  schlecht,  weil  es  ihm  zu  viel  Mühe  machte.  Hätte  er  einen  Auftrag  gehabt, 
die  wissenschaftliche  Arbeit  zu  vereiteln  oder  zu  erschweren:  er  hätte  ihn  nicht 
besser  ausführen  können.  Seine  Hauptgaunerei,  die  zeigt,  dass  er  bei  den  Chinesen 
doch    noch   etwas  gelernt  hatte,  kam   übrigens   erst  viel  später  ans  Tageslicht. 

Die  Betrügereien  der  als  Dolmetscher,  Köche  oder  Diener  angestellten 
und  gemieteten  Chinesen  spielen  fast  bei  allen  Reisenden  eine  bezeichnende 
Rolle.  Ein  solches  Genie  brachte  es  fertig,  seinem  Herrn  einen  hohen  Miets- 
preis für  Wagen  und  Transporttiere  abzunehmen,  während  er  selbst  dieselben 
von  ihrem  Besitzer  um  einen  bedeutend  geringeren  Preis  für  sich  gekauft 
hatte.  Der  Dolmetscher  des  Grafen  Szechenyi  rechnete  diesem  während  seiner 
ganzen,  langen  Dienstzeit  überall  die  Miete  der  benutzten  Mandarinen-Gast- 
häuser und  der  Verpflegung  an,  während  die  Regierung,  welche  die  Expedition 
des  Grafen  als  Gäste  zu  behandeln  wünschte,  dafür  bezahlte,  so  dass  er  mehrere 
Tausend  Taels  bei  diesem  »Geschäft«  verdiente;  ausserdem  unterschlug  er 
eine  grössere  Summe,  welche  der  Vizekönig  von  Ss^-thschuan  dem  Grafen  als 
Geschenk  und  Zeichen  seiner  Zuneigung  übersenden  wollte.  Einen  weiteren 
interessanten  Beitrag  zu  dieser  Statistik  lieferte  nun  unser  Dolmetscher  Sobolew-, 
der  vom  Tage  der  Abreise  von  Kaschgar  bis  zu  seiner  Entlassung  in  Su-tschou 
die  grossen  Silberbarren  von  12  Taels  Wert  (i  Tael  ^  ca.  3  Mark)  seinem  Herrn 
gegenüber  als  10  Taelsstücke  berechnete  und  während  drei  Monaten  damit 
eine  bedeutende  Summe  unterschlug;  ausserdem  weihte  er  auch  seinen  Nach- 
folger in  dieses  Geschäftsgeheimnis  ein,  der  es  mit  gleichem  Erfolge  noch  zwei 
Monate  weiter  bis  Si-ning  fu  fortsetzte,  abgesehen  von  den  son.stigen  unkontrol- 
lierbaren Betrügereien  durch  Ansetzen  höherer  als  der  üblichen  Preise  und 
Teilung  des  Gewinnes  mit  dem  Verkäufer,  welche  die  beiden  Dolmetscher  in 
gleicher  Weise  betrieben.  Obwohl  eine  chinesische  Wage  immer  zur  Hand 
war,  wurde  erst  in  Si-ning  fu  durch  einen  Missionar  der  Betrug  aufgedeckt. 

Sein  Nachfolger  war  ein  muhamedanischer  Kaufmann  aus  Su-tschou,  der 
bei  seinem  Eintritt  in  den  Dienst  sich  seine  Ehrlichkeit  durch  eine  Anzahl  mit- 


—      223      — 

gebrachter  Zeugen  bestätigen  Hess,  was  ihn  aber  nicht  hinderte,  Sobolew  in 
allen  Übeln  Eigenschaften  noch  zu  übertreffen,  wenn  das  überhaupt  möglich  ist. 
Er  sprach  nur  mangelhaft  russisch,  gab  fast  gar  keine  Auskunft  und  nützte 
für  meine  Studienzwecke  so  gut  wie  nichts;  nicht  einmal  die  Ortsnamen  waren 
von  ihm  zu  erfahren.  Obwohl  er  sich  verpflichtet  hatte,  auch  nach  Tibet  mit- 
zugehen, weigerte  er  sich  doch  in  Sining  fu,  die  Expedition  weiter  zu  begleiten. 
Er  wurde  ohne  Bedauern  entlassen  und  die  weitere  Reise  überhaupt  ohne 
Dolmetscher,  oft  unter  grossen  Schwierigkeiten  und  nur  mit  gelegentlicher  Hilfe 
durch  Missionare  zurückgelegt 

Die  Reise  von  Su-tschou  nach  Kan-tschou  und  Liang-tschou  auf  dem 
Hauptwege,  bei  strahlend  schönem  Wetter,  mit  herrlicher  Aussicht  auf  das  im 
Juni  noch  stark  mit  Schnee  bedeckte  Nan-schan-Gebirge,  durch  die  reich  bebauten 
Kulturländer,  zahlreiche  Dörfer  und  grünes  Weideland,  auf  dem  grosse  Herden 
von  Pferden,  Rindern  und  Schafen  grasten,  war  ein  wirklicher  Genuss.  Und 
solcher  schönen  Stellen  bietet  der  Weg  viele;  es  fehlt  aber  auch  nicht  an 
weiten  Flächen,  die  nach  Südosten  immer  zahlreicher  und  ausgedehnter  werden 
und  mit  dem  jeder  Vegetation  feindlichen  Flugsand  oder  mit  grobem  Geröll 
bedeckt  sind,  welches  die  Flüsse  aus  dem  Gebirge  herabbringen  und  womit  sie 
häufig  das  Kulturland  weithin  überschütten.  Hier  dehnt  sich  der  Weg  bei  der 
Langsamkeit  des  zwischen  dem  Geröll  mühsam  Halt  suchenden  Pferdes  endlos, 
und  meist  sieht  man,  wie  zum  Hohne,  ganz  in  der  Nähe  seitlich  vom  Wege 
Schatten  spendende  Baumgruppen,  schönbestelltes  Ackerland  oder  saftige 
Weideflächen  mit  Viehherden. 

Auf  den  sandigen  Flächen  erinnern  die  Wüstenpflanzen  Nitraria  Schoben  L., 
Dodartia  orientalis  L.,  Calligonium  murex,  Bge.  und  Tamarix-Sträucher  an  die 
Wüste,  die  in  nur  geringer  Entfernung  im  Osten  sich  ausdehnt  und  oft  sich 
zwischen  das  Oasenland  einschiebt.  Die  zoologischen  Sammlungen  enthalten 
von  hier  nur  wenige  Formen  von  höheren  Tieren,  darunter  Gazella  Prschewalskiji, 
Emberiza  godlewskii,  Cyanopolius  cyanus  (Blaurabe),  Carpodaeus  erythrimus, 
Cuculus  canorus,  Hirundo  nipalensis  und  einige  Eidechsen. 

.  Die  Geröllflächen  sind  nicht  nur  da,  wo  die  aus  dem  Gebirge  kommenden 
Wasseradern  nach  starkem  Regen  grosse  Wasser-  und  Geröllmassen  herab  auf 
die  Thalfläche  bringen  und  weithin  ausbreiten,  so  dass  oft  solche  zur  normalen 
Zeit  nur  einen  kleinen  Bach  mit  wenig  Wasser  führenden  Schotterbetten  mehrere 
Kilometer  breit  sein  können,  sondern  der  Weg  ist  auch  da  ganz  mit  groben 
Gerollen  bedeckt,  wo  er  durch  das  Lehmgebiet  selbst  geht,  in  kleinen  Ein- 
schnitten  oder  tieferen  Hohlwegen  mit  mehreren  Meter  hohen  Wänden  von 
feinem,  weichem,  staubartigem,  aus  Löss  hervorgegangenem  Lehme.  Dieses 
massenhafte  Vorkommen  von  groben  Gerollen  auf  der  Wegsohle  im  Lehmgebiet 
rührt  daher,  dass  unter  dem  Lehm  mächtige  Kies-  und  Schotterlagen  in  2  bis 
4  m  Tiefe  beginnen  und  auch  stellenweise  im  Lehme  selbst  dünnere  Schotter- 
schichten sich  befinden. 


~     224     — 

Ganz  aligemein  nun  werden  die  Wege  hier  zu  Lande  in  dem  Lehm-  und 
Lössgebiet  durch  den  starken  Gebrauch  im  Laufe  vieler  Jahre  vertieft;  der 
durch  die  Stösse  und  die  Reibung  der  Rader,  den  Tritt  der  Pferde-  und  Maul- 
tierhufe aufgelockerte  feine  Staub  des  Lehmes  wird  vom  Winde  entführt  und 
langsam  sinkt  das  Niveau  des  Weges,  der  ursprünglich  auf  der  Oberfläche  der 
Lehmfläche  ging,  immer  tiefer,  bis  es  zuerst  die  einzelnen  Kieslagen  im  Lehme 
erreicht  und  beginnt  steinig  zu  werden,  und  noch  weiter,  bis  es  auf  die 
mächtigen,  kompakten  Massen  des  groben  Kieses  im  Untergrund  gelangt  und 
dort  stabil  bleibt,  aber  ganz  im  Schotter  liegt.  Da  es  in  tieferen  derartigen 
Lössschluchten  wegen  des  mangelnden  Luftzuges  sehr  heiss  zu  werden  pflegt 
und  auch  das  Gehen  auf  dem  Gerolle  kein  Vergnügen  ist,  sind  von  den  Fuss- 


Di)rf  Ven-lhschi  yi,  östlioh  vom  Su-tsehöu,  uinjrcbcn  vtin  Wiiale. 

Wanderern  kleine  Wege  oben  an  den  Kanten  des  Hohlweges  zwischen  diesem 
und  dem  bebauten  Lande  angelegt,  die  ausser  bequemem  Gehen  auch  frische 
Luft  und  Aussiebt  bieten;  aber  für  den  Reiter  sind  diese  nur  sehr  schmalen 
und   häufig  durch  Wasserrisse  unterbrochenen  Pfade  nicht  benutzbar. 

Unter  solchen,  bald  mehr,  bald  weniger  angenehmen  Umständen  wurde 
der  Weg  von  Sutschöu  bis  Kan-tschöu  in  sieben  Tagen,  von  da  bis  Liang- 
tschöu  in  acht  Tagen  zurückgelegt.  Die  Umgebung  ist  im  ganzen  monoton, 
und  das  wenige,  das  Interesse  beanspruchen  kann,  ist  bald  aufgezählt 

Im  allgemeinen  hält  sich  die  grosse  Strasse  recht  weit  vom  Fusse  des 
Nan-schan-Gebirges.  Gegen  Nordosten  liegt  zunächst  bei  Sutschöu  und  weiter 
nach  Osten  eine  Niederung  mit  Seen  und  Ried,  durch  welche  der  Hei-ho 
(Etschingol)  seinen  Weg  in  die  Wüste  nimmt,  und  jenseits  sind  erst  niedere,  nach 
Osten  aber  immer  mehr  an  Höhe  gewinnende,  ganz  vegetationslose  Bergzüge,  die 
noch  dem  uns  aus  der  Gobi  bekannten  Gebirgssysteme  des  P'e-schan  angehören. 


-      225      — 

In  der  niedrig  gelegenen  Region  ist  stellenweise  schönes  Weideland,  und 
man  begegnet  da  grossen  und  zahlreichen  Herden  von  schönem  Rindvieh, 
Schafen,  Ziegen,  Schweinen,  Eseln,  Maultieren  und  auch  Pferden.  An  andern 
Stellen  aber  wieder  ist  die  ganze  Oberfläche  mit  Salzefflorescenzen  bedeckt, 
neben  denen  nur  kümmerlicher  Graswuchs  gedeiht. 

Bei  dem  Dorfe  Yen-thscM  yi  liegen  mehrere  Salzseen,  die  zum  Teil  fast 
ausgetrocknet  sind;  eine  dicke  Kruste  von  Kochsalz  bedeckt  die  ganze  Ober- 
fläche. Das  Salz,  reines  Kochsalz,  wird  gewonnen,  indem  die  körnigen,  lockeren 
Massen  desselben  an  der  Oberfläche  mit  flachen  Holzschaufeln  abgeschöpft  und 


Das  GaaChaDa  In  Wu-schöD|;  pu.  Dordwestllch  von  P'iiiE:-faii  hsien. 

dann  zum  Trocknen  zu  grossen,  kegelförmigen  Haufen  aufgeschüttet  werden. 
Die  Ufer  der  verschiedenen,  kleinen  Seen  sind  ganz  bedeckt  mit  solchen 
kristallklaren  Salzpyramiden,  die  weithin  in  der  Sonne  wie  Schnee  leuchten. 
Am  Ufer,  wo  Riedgras  und  Schilf  wächst,  sind  häufig  Pflanzenteile,  besonders 
kleinere  Moose,  mit  zierlichen  Salzkrusten  überzogen,  in  derselben  Art,  wie  der 
Karlsbader  Sprudel  Blumen  und  Zweige  mit  Arragonit  überzieht. 

Die  Nähe  der  Wüste,  die  schon  auf  und  gleich  jenseits  der  Berge  im 
Norden  und  Nordosten  beginnt,  macht  sich  längs  der  grossen  Strasse  in  Flug- 
sanden von  grösserer  Ausdehnung  bemerkbar,  welche  der  Weg  umgehen  muss, 
und  hohe  Sandberge  und  Dünen  begleiten  Stunden  lang  die  Strasse.  Hier 
liegen  mitten  in  der  Sandwüste  armselige  Dörfer,  wie  die  Abbildung  von 
Yenthscht  yi  (pg.  224}  zeigt,   und  auch  die  Verpflegung  und  Unterkunft  lassen 


SladtlhOT  von  lOio-thiii  hsieo,  ntird  wüst  lieb  von  K.iD-tschüu. 

oft  viel  zu  wünschen  übrig.  Ueberhaupt  sind  die  Wirtshäuser  auch  in  den  grossen 
Städten  meist  sehr  wenig  angenehm,  häufig  muss  man  mit  einer  stallartigen, 
kleinen  Lehmhütte  fürlicb  nehmen. 

Westlich  von  dem  Städtchen  Kao-thai  hsien,  das  von  einer  gut  erhaltenen 
Stadtmauer  mit  schönen  Türmen  über  den  Thoren  umwallt  ist,  beobachtet  man 
an  dem  Gerolle  der  vegetationslosen  Schotterhügel  wieder  die  Spuren  der  Ein- 
wirkung von  Klima,  Wind  und  Sand,  allerdings  in  geringerem  Masse  als  am 
Südrande  der  Gobi,  Aber  auch  hier  fehlen  nicht  die  kantigen,  streifigen  Sand- 
steine und  die  Kieselgerölle  mit  den  mäandrischen  Relicfzeichnungen  an  der 
Oberfläche.  Besonders  schöne  Erscheinungen  hat  der  Wind  an  weichen  Ziegel- 
steinen eines  grossen  Gräberfeldes  westlich  von  Kantschöu  hervorgebracht.  Die 
Ziegelsteine  waren  zum  Schmuck  der  Gräber  in  vier  Reihen  nach  vier  Rich- 
tungen über  dem  Erdhügel  angeordnet  und  sind  mit  Zapfen  in  einander  ge- 
fügt. Die  nach  Nordwesten  gerichteten  Seiten  und  Kanten  sind  nun  ganz  durch- 
löchert und  zernagt,  die  gegen  Südosten  gerichteten  aber  sind  fast  unversehrt,  ein 
Beweis,  dass  auch  hier  die  West-  und  Nordwestwinde  vorherrschen  und  häufige 
Staubstürme  bringen. 

Hervorragendes  Interesse  erwecken  schon  lange  vor  Kan-tschöu  die 
Reste  der  grossen  chinesischen  Mauer,  die  sich  bald  im  Osten  von  Su-tschöu 
vereinzelt  verfolgen  lassen.  Aber  erst  etwa  von  der  Mitte  des  Weges  zwischen 
Su-tschnu  und  Kan-tschöu  an  trifft  man  grö.ssere,  zusammenhängend  erhaltene 
Stücke  der  Mauer  mit  ihren  in  regelmässigen  Abständen  stehenden  Türmen, 
Von  Hua-thsiang  pu  aus,  vier  Tagereisen  westlich  von  Kan-tschöu  [=  Khoa 
tziantzl,  Kreitner],  konnte  ich  einen  Ritt  hinüber  zur  Mauer  machen.  Es  stand 
dort   an    der    Grenze  von  Kulturland  und  Sandwüste  ein  mächtiger,  vierseitiger 


—        227        - 

Turm,  an  dessen  Seiten  noch  die  Ansätze  von  Mauerwerk  sichtbar  waren. 
Etwa  500  m  entfernt  lag  wieder  eine  solche  Lehmpyramide  schon  sehr  im  Zer- 
fall, und  in  der  Verbindung  der  beiden  Türme  waren  deutliche  Ueberreste 
einer  starken  Lehmmauer  am  Boden  zu  verfolgen.  Auch  deren  weitere  Fort- 
setzung war  weithin  sichtbar.  Hier  ist  nur  sehr  wenig  von  dem  monumentalen, 
riesigen  Bauwerke  übrig,  aber  auf  dem  weiteren  Wege  nach  Südosten  sind  noch 
gut  erhaltene  Mauerreste  auf  weite  Strecken  hin  vorhanden.  An  einer  solchen 
Stelle  bei  Schantan  hsien,  südöstlich  von  Kan-tschou,  wo  die  Mauer  fast  unverletzt 
erbalten  war,  bot  sie  das  folgende  Bild.  So  weit  das  Auge  reicht,  bis  an  den 
fernen  Horizont,  zieht  sich  die  graue  Lehmwand  mit  vielen  Unterbrechungen  und 
zahllosen,  grösseren  oder  kleineren  Türmen  durch  die  flache  Grassteppe.  Die 
kleineren  Türme  von  viereckiger,  nach  oben  etwas  zugespitzter  Form  sind  in 
un regelmässigen  Abständen  sehr  häufig  in  der  Mauer  verteilt,  offenbar  in  der 
Absicht,  ihr  mehr  Halt  zu  geben,  denn  sie  enthalten  weder  Thore,  noch 
Innenräume  und  ragen  nur  wenige  Meter  über  das  Niveau  der  Mauer  selbst 
empor.  Die  grossen  Türme  dagegen  sind  teils  als  Thore  angelegt,  teils  befinden 
sie  sich  an  Stellen,  wo  Flüsse  durch  die  Mauer  gehen  oder  wo  sonst  besondere 
Schutzvorkehrungen  nötig  sind. 

Diese  grösseren  Türme  haben  ebenfalls  einen  quadratischen  Querschnitt 
von  etwa  12  m  Seitenlänge  unten  und  verjüngen  sich  pyramidal  nach  oben 
zur  Höhe  von  etwa  10  m.  Sie  sind,  wie  die  Mauer  selbst,  ganz  aus  unge- 
brannten, nur  an  der  Sonne  getrockneten  Ziegelsteinen  aufgebaut  und  haben 
im  Innern  grosse  Räume  für  Mannschaften  und  ein  Treppenhaus  in  der  inneren 
Lehmwand  mit  Ziegelstufen,  auf  der  man  auf  die  Plattform  gelangen  kann. 
Auf  dieser  sind  Brustwehren  und  auch  erkerartige  Vorsprünge  zuweilen  noch 
erhalten;  meist  aber  sind  besonders  von  den  oberen  Teilen  der  Türme  grosse 
Stücke    des  Mauenverkes    herabgefallen   und  der  Rest    ist    dann    durch    Regen 


i  Schnn-tiiD  hsi<^ii,  sü<li>stlich  \ 


—       228       — 

und  Wind  so  zugerundet,  dass  viele  solcher  ehemaligen  Türme  nur  wie  grosse, 
nach  oben  sich  verjüngende  Erdhaufen  aussehen.  Gelegentlich  sind  ausgedehn- 
tere Bollwerke  mit  grösseren  Anlagen  zur  Unterbringung  von  Soldaten  und 
zur  Verteidigung  an  der  Innenseite  angebracht. 

Die  Mauer  legt  sich  an  die  Türme  am  inneren  Teil  ihrer  Seitenflächen 
an,  so  dass  jene  vor  die  Mauer  bedeutend  vorspringen;  sie  ist  4  m  hoch  bei 
einer  Breite  von  3,5  m  unten  und  verjüngt  sich  etwas  nach  oben  auf  der  Innen- 
und  auf  der  Aussenseite.  In  der  Höhe  von  4  m  über  dem  Boden  beginnt  an 
der  Aussenseite  eine  etwa  l  m  breite  Brustwehr,  die  noch  über  1  m  hoch  ist, 
so    dass    von    aussen    gesehen    die    Mauer  etwa   4,5   m    hoch  erscheint     Am 


'i'urm  ilcr  grosspn  Mauer  (ton  der  InncuBeitp)  in  der  Nähe  von  Schnn-tan  hsicn. 
südöstlich  von  Kaa-tschöu. 

Boden  war  ihre  Breite  wohl  auch  ursprünglich  4  m,  aber  durch  die  vom 
Boden  ausgehende  Feuchtigkeit  sind  die  unteren  Teile  derselben  verwittert 
und  nur  noch  3,5  m  dick,  wie  die  obenstehende  Abbildung  zeigt.  Diese  all- 
mähliche Unterhöhlung  der  Mauer  fuhrt  häutig  zu  ihrem  völligen  Zusammen- 
sturz, wenn  der  Fuss  gar  zu  dünn  geworden  ist. 

In  der  That  sieht  man  häufig  an  Umfassungsmauern  von  Gärten  und  Feldern 
vom  Winde  umgeworfene  Stücke,  oder  andere  noch  stehende,  die  bei  dem  geringsten 
Stosse  umfallen  müssen,  da  sie  nur  noch  auf  millimeterdünnen  Piedestalen  aufsitzen. 
So  genügte  es  z,  B.  in  dem  Wirtshause  eines  Dorfes,  dass  die  in  der  Nacht  an 
einer  Stützstange  des  Daches  angebundenen  Pferde  an  derselben  zerrten,  um 
nicht  nur  das  Dach,  sondern  auch  eine  Seitenmauer  des  Pferdestalles  einzu- 
reissen,  was  mitten  in  der  Nacht  mit  grossem  Getöse  und  so  starker  Staub- 
entwicklung eintrat,  dass  man  zunächst  gar  nicht  erkennen  konnte,  was  eigent- 
lich   passiert    war.     Das    Hin-    und    Herrennen    der    geängstigten    Pferde,    von 


—      229      — 

denen  einige  zuerst  mit  unter  den  Trümmern  gesteckt  hatten,  die  Bemühungen 
der  herbeigeeilten,  halb  angekleideten  Leute,  die  Gefahr  weiteren  Einbruchs 
zu  beseitigen,  boten  ein  Bild  des  Wirrwarrs  wie  auf  einer  Brandstätte,  wobei 
der  dicke  Staub  die  Rolle  des  Rauches  vertrat.  Noch  Tage  lang  nachher 
machte  sich  an  allen  unsern  Sachen  der  Staub  bemerklich,  der  sich,  da  weder 
Thüren  noch  Fenster  an  den  Quartieren  verschliessbar  sind,  unbehindert  überall 
hin  ausdehnen  und  in  dicker  Schicht  ablagern  konnte. 

Uebrigens  wird  man  bei  einer  längeren  Reise  in  diesen  an  Lehm,  Löss  und 
Staub  reichen  Gebieten  gegen  den  Staub  unempfindlich,  man  sieht  ihn  kaum 
mehr,  da  alles  dieselbe  braungelbe  Farbe  trägt.  Braungelb  ist  der  Boden  selbst 
zwischen  den  grünen  staubbedeckten  Gewächsen  der  Felder  und  Gärten.  Braun- 
gelb sind  die  Häuser,  die  Türme  und  Mauern,  die  flachen  Dächer  der  Ge- 
bäude, der  Fussboden  der  Gemächer,  wie  der  offenen  Pferdeställe.  Braungelb 
ist  das  Holz  der  Balken,  Säulen,  Fenstergitter  und  Thüren  und  dieselbe  Farbe 
ist  den  Strohmatten  eigen,  die  oft  das  einzige  Inventarstück  der  Quartiere  bilden. 
Diese  braungelbe  Monotonie  dehnt  sich  in  den  östlichen  Teilen  des  Nan- 
schan- Gebirges  und  auch  im  Thale  des  Si-ning-ho  unterhalb  der  gleichnamigen 
Stadt  auf  die  weitere  Umgebung.  Berge,  Thäler  und  Flüsse  mit  einbegriffen, 
aus,  so  dass  das  ganze  Landschaftsbild  unter  dem  blauen  Himmel  einen 
einzigen    Grundton    aufweist,    dem    sich  auch    die  grosse  Mauer  einordnet. 

Kleinere  Stücke  solcher  Schutzmauern  über  kürzere  Entfernungen  findet 
man  mehrfach  innerhalb  der  grossen  Mauer,  zwischen  Liang-tscbou  und  Lan- 
tschou.  Auch  sie  laufen  über  Bergrücken  und  Berggipfel  und  hinab  in  tiefe 
Thaleinschnitte,  wie  es  eben  die  Oberflächenform  der  Gegend  verlangt.  Derartige 
Zweige,  die  sowohl  an  Dicke '  der  Mauer,  wie  Höhe  und  Stärke  der  Türme 
hinter  der  äusseren  und  eigentlichen  grossen  Mauer  etwas  zurückstehen,  gehen 
z.  B.  von  Ku-lang  hsien  südöstlich  von  Liang-tschou  ins  Thal  des  P'ing-fan-ho 
und  nach  Lan-tschou.  Eine  andere  Mauer  ist  in  ihren  Trümmern  vom  Thale 
des  Si-ning-ho  oberhalb  von  Si-ning  fu  längs  der  Grenze  von  Tibet  in  süd- 
licher Richtung  bis  ins  Thao-Thal  oberhalb  von  Thao-tschou  zu  verfolgen. 

Einzelne  Strecken  der  Mauer  sind  schon  älteren  Datums;  erst  245  v.  Chr. 
wurden  sie  vom  Kaiser  Tsin-Schi-huang-ti  vereinigt;  ihr  Zweck  bestand  in  der 
Abwehr  der  Einfälle  der  mongolischen  Nomadenstämme  nach  China  und  in 
der  Folge  erwies  sich  die  Bedeutung  dieses  Bollwerks  für  die  Wanderungen 
der  Nomaden  von  grosser  Bedeutung,  da  diese  Völker  nach  Westen  gedrängt 
wurden,  in  andere  Reiche  eindrangen  und  ganz  West-Asien  in  Mitleidenschaft 
zogen. 

So  läuft  die  grosse  Mauer  in  ihrer  gewaltigen  Ausdehnung,  das  gross- 
artigste Baudenkmal,  das  je  Zeiten  und  Völker  hervorgebracht  haben,  durch  die 
Thalflächen  dahin,  über  Bergabhänge  und  Kämme;  hier  trennt  sie  fruchtbares 
Land  von  Sandflächen,  dort  durchschneidet  sie  meilenweite  Stein-  und  Geröll- 
wüste.    Bald  ist  sie  im  Thale  oder  in  der  Ebene  geradlinig,  bald  folgt  sie  den 


-      330      - 

Gipfeln  des  Gebirges  in  vielgewundenem  Verlaufe.  Trotz  der  Einfachheit  und 
gänzlichen  Schmucklosigkeit  dieses  lediglich  zu  Verteidigungszwecken  aufge- 
führten Bauwerks  macht  es  den  Eindruck  der  Grossartigkeit,  wenn  man  die 
dunkle  Linie  unbekümmert  um  alle  Hindemisse  bis  zum  Horizonte  wie  ins 
Unendliche  dahinziehen  sieht. 

Wie  bereits  oben  erwähnt  wurde,  führt  der  Weg  einige  Meilen  nordwest- 
lich von  der  grossen  Stadt  Kan-tschöu  durch  weite  Lehmflächen,  die  ganz  mit 
einer  Unzahl  von  alten  Grabstellen  erfüllt  sind.  Nur  in  der  Nähe  des  kleinen 
Ortes  Tsing-ho-ten  befinden  sich  einige  neuere,  gut  erhaltene  und  geschmückte 


Freisteheade  Sär^  ausserhalb  der  Stadtmauer  Ton  Kan-tscbfiu  (u. 

Grabhügel,  alle  andern  aber  gehören  einer  älteren  Zeit  an,  sie  sind  zum 
grössten  Teile  nur  noch  kleine  Erdhaufen  ohne  bestimmte  Form,  und  die 
Ziegel,  die  ihnen  einst  in  mehreren  Reihen  nach  verschiedenen  Seiten  hin 
aufgelegt  waren,  sind  überall  zerstreut  Ausserdem  liegen  auch  die  Scherben 
von  grossen  Thonkrügen  in  Massen  herum.  Diese  Ruinen  gehören  einer  alten 
Stadt  Kan-t.schöu  an,  die  nach  einer  Sage,  von  der  Grum  Grschimailo  berichtet, 
sehr  mächtig  und  reich  war;  sie  empörte  sich  aber  gegen  den  Kaiser,  der  sie 
einnahm,  zerstörte  und  einen  Sandsturm  sandte,  der  alles  bedeckte. 

Diese  grosse  Grabstätte  ist  von  Kantschöu  immerhin  noch  recht  weit  ent- 
fernt und  in  ihrer  Nähe  liegen  nur  unbedeutende  Dörfer,  so  dass  man  unmög- 
hch  diesen  allein  die  grosse  Anzahl  der  Gräber  zuschreiben  kann.  Es  scheint 
eher  berechtigt,  anzunehmen,  dass  die  weiten  Lehm  flächen  als  geeigneter 
Untergrund    für    die  letzte  Ruhestätte  der  Toten    angesehen  und    deshalb    vor 


—      231      — 

den  KJesböden  bevorzugt  wurden,  auf  welchen  ein  Grabhügel  nach  kurzer  Zeit 
infolge  der  Frühjahrsüberschwemmungen  gänzlich  verschwinden  würde.  Indessen 
sieht  man  häufig  auch  in  den  Hochwasserbetten  neben  den  Flüssen  Gräber  an- 
gelegt, die  aus  einer  kegelförmigen,  etwa  i  — 1,5  m  hohen  Aufhäufung  von  grossen 
Rollstücken  bestehen,  bei  denen  als  einziger  Schmuck  nach  vier  Richtungen 
besonders  grosse  Steine  in  Reihen  angeordnet  sind.  In  kleinen  Gruppen  von 
sechs  bis  zehn  stehen  solche  Tumuli  beisammen  und  das  erste  Hochwasser 
muss  sie  vernichten  und  alles  auseinander  streuen.  Es  wird  aber  auf  viele 
Gräber  von  vornherein   keine  Soi^falt  verwandt,  wie  man   daraus   ersieht,   dass 


Budillilstiache   Monumente  auf  einer  Grabglätle  bei  KuD-tscliöu  fu. 

des  öfteren  noch   frische  Särge    aus    der   zu    mangelhaften  Bedeckung    heraus- 
ragen und  frei  liegen. 

Die  chinesischen  Särge  sind  recht  geräumig,  viel  grösser,  als  unsere  auf 
das  Körpermass  angefertigten,  ausserdem  aus  ganz  dicken  Holzbohlen  ge- 
zimmert und  bei  Wohlhabenden  aussen  mit  bunter  Malerei  bedeckt.  Auf  Grab- 
stätten bei  grösseren  Orten  sieht  man  denn  auch  gelegentlich  gut  gepflegte 
Gräber  mit  zierlichen  Steinsetzungen  unter  Bäumen  und  mit  Grabtempelchen. 
Auch  fehlt  es  zuweilen  wie  z.  B,  in  Kan-tschöu  nicht  an  grossen  Grabmonumenten 
mit  eigentumlich  gestalteten  Kuppeln  und  Pyramiden,  die  aus  Lehm  errichtet  sind. 
Eigentlichen  Gräberschmuck  mit  Statuen  oder  Bildern  giebt  es  nicht,  höchstens, 
dass  in  kleinen  Schutzhäuschen  grosse  Tafeln  mit  Inschriften  angebracht  sind. 
Für  die  grosse  Mehrzahl  der  Gräber  trifft  das  aber  nicht  zu,  imd  die  Gräber- 
felder,  welche   die  Stellen  von  Schlachten   während   der  Dunganenaufstände   be- 


—      233      - 

zeichnen,  haben  meist  nur  einfache  Erd-  oder  Schotterhügel.  In  enormen 
Mengen  liegen  sie  so  zerstreut  über  ganze  Thaler  im  Nordwesten  von  Liang- 
tschöu,  offenbar  da,  wo  die  unglücklichen  Opfer  gerade  gefallen  oder  in 
grösseren  Gruppen  getötet  worden  sind,  und  die  weite  Ausdehnung  dieser 
traurigen  Hügel  lässt  crmessen,  welche  reiche  Ernte  hier  der  Tod  gehalten. 

Die  grossen  und  für  die  Herstellung  von  Thonwaren  geeigneten  Lehmlager 
haben  an  vielen  Orten  zum  Entstehen  einer  Thonwaren  Industrie  geführt.  Die 
Fabrikation  von  Ziegeln  und  Lehmplatten  für  Mauern  und  Gebäude  braucht 
nicht  besonders  erwähnt  zu  werden,  denn  sie  ist  ganz  allgemein  verbreitet  und 
einfach  genug.  Rechteckige  Ziegelsteine,  wie  sie  am  meisten  zu  Bauten  ge- 
braucht werden,  sieht  man  so  herstellen,  dass  breite  Bänder  von  befeuchtetem 
und  roh  geknetetem  Lehme  in  der  erforderlichen  Dicke  einfach  auf  den  Boden 


TlionomameDle  aa  den  Giebeln  von  'i'tmpcln  und  Thoren.     Tan-ka'r  thin^. 

aufgetragen  und  dann  mit  einem  Metallblattc  in  die  nötige  Stückzahl  abgeteilt 
werden;  das  übrige  besorgt  die  Sonne.  Das  Brennen  der  Steine  hält  man 
hier  für  überflüssig  und  wäre  wohl  auch  bei  dem  Mangel  an  Brennmaterial  zu 
kostspielig.  Die  feineren  Porzellanarbeiten  kommen  aus  dem  östlichen  und 
südlichen  China.  Nur  an  Tempeln,  Thorbogen  und  gelegentlich  auch  an  besseren 
Privathäusern  sind  reicher  ornamentierte  und  zum  Teil  auch  gebrannte  und  glasierte, 
mit  Farben  versehene  Ziegel  zur  Verwendung  gebracht.  Zu  den  alltäglich  und 
allgemein  wiederkehrenden  Thonornamenten  gehören  runde  Ziegelsteine  von 
etwa  6  cm  Durchmesser,  welche  an  den  Dächern  da  angebracht  sind,  wo  die 
das  Dach  tragenden,  schräg  vom  Giebel  nach  der  Traufe  laufenden,  runden 
Balken  ihr  unteres  Ende  haben.  Sie  sind  dort  in  Reihen  zur  Verzierung 
angeordnet  und  verdecken  die  Balkenenden.  Sehr  häufig  an  den  Firsten 
von  Thorbogen    und    Tempeln    ist    ein    drachenartiges    Stück,    das    die    Text- 


-      233     — 

figuren   auf  der  vorstehenden    Seite  von    einem  Tempelchen  in    Tan-ka'r  thing 
veranschaulichen. 

Auch  schlangenartige  Tiere  werden  oft  zur  Dekoration  von  Giebeln  aut 
Tempeln  verwendet,  sowie  andere  aus  Thon  modellierte  Tiere,  Löwen, 
Pferde  u.  s.  w.  ZieHichen  Mosaikarbeiten  aus  gefärbten  Ziegeln  begegnet  man 
in  diesen  Landesteilen  seltener,  doch  findet  man  farbig  zusammengesetzte 
Friese  der  Tempel  und  in  Ping-fan  hsien  sogar  einen  kleinen  bunten  Pagoden 
bei    einem    Tempel,    in    dem    sich    als   Wandverzierung    die    oben    abgebildete, 


Fuyeiice-f>rDiunenl  iL  einem  Tempel  In  f'mg-laa  hsien. 

harmonisch  gefärbte  Drachenfigur  befindet.  Er^väh^t  wurden  bereits  die  roh 
aus  Thon  modellierten  oder  aus  Eisen  gegossenen,  grossen  Löwen,  die  als 
Symbole  der  Kraft  und  Stärke  vor  den  Dienstwohnungen  der  höheren  Beamten 
aufgestellt  sind;  sie  fallen  durch  ihren  grimmigen  Ausdruck  und  ihre  plumpen 
Formen  in  die  Augen,  besitzen  aber  keinen  hohen  Wert  als  Kunstwerke  und 
entbehren  aller  feineren  Ausführung. 

Naturgemäss  finden  die  reichen  Thonlager  auch  grosse  Verwendung  zur 
Herstellung  von  Töpfen  und  Geschirr,  das  in  den  verschiedensten  Formen 
angefertigt    wird.     Am    bemerkenswertesten    sind    etwa    '/*  i"    hohe  Töpfe   mit 


—      234      - 

dicken  Wandungen  und  einfacher  Kreisornamentik  am  unteren  Ende,  die  häufig 
zum  Aufbewahren  von  Trinkwasser  dienen,  sowie  Kochgefässe  und  Trinkgeschirre 
der  verschiedensten  Art.  Die  untenstehende  Abbildung  stellt  solche  aus  der 
Gegend  von  Si-ning  fu  dar.  Aus  Thon  endlich  sind  zumeist  die  grossen  Stand- 
bilder der  Gottheiten  in  den  Tempeln  und  Etngangsthoren  hergestellt,  die  mit 
bunter  Bemalung  und  oft  auch  mit  reicher  Vergoldung  geschmückt  sind.  Be- 
sonders grosse  und  zahlreiche  Brennöfen  für  Töpferwaren  stehen  im  Süden  von 
Schantan  hsien  im  Südosten  von  Kan-tschöu.  Es  sind  grosse,  etwa  10  m  hohe, 
quadratische,  oben  von  einer  Kuppel  überwölbte  Kammern,  an  deren  Seite  sich 
ein    grosser  Schlot    erhebt.     Eine   vielgestaltige  Menge  von  Schüsseln,  Krügen, 


lAve  in  einem  Vamea  in  Tan-ku'r  thini;. 

Töpfen  und  grossen  Thoneimern  wird  hier  hergestellt.  Das  Rohmaterial  ist  in 
Gestalt  ausgedehnter  und  mächtiger  Lehmlager  in  nächster  Nähe  der  Fabriken 
und  zum  Teil  in  deren  Untergrunde  anstehend,  während  als  Brennmaterial 
gute  Steinkohle  aus  nur  etwa  i'jt  Stunden  entfernten  Bei^werken  dient. 

Bei  diesen  Gruben  sind  grosse  Dörfer  mit  einer  vom  Kohlenstaub  ganz 
schwarzen  Bergwerksbevölkerung  angesiedelt.  Die  Schächte  sind  nicht  tief  und 
besondere  Anlagen  sind  nicht  vorhanden.  Die  zu  Tage  ausgehenden,  nicht  steil 
einfallenden  Flötze  werden,  soweit  das  mit  den  einfachen  Hilfsmitteln  von 
Hacke  und  Schaufel  möglich  ist,  in  die  Tiefe  von  einigen  30  m  verfolgt. 

Andere,  noch  primitivere  Kohlenbergwerke  sind  an  dem  Abhänge  des 
Gebildes    angelegt,    das  sich  zwischen  dem  grossen  Längsthal,  in  welchem  die 


-     235     - 

Strasse  dem  Flusse  nach  Südost  aufwärts  folgt,  und  der  Wüstenregion  des 
Ala-schan  parallel  mit  den  Ketten  des  Nan-schan  hinzieht  und  von  Kreitner  Hoi- 
yen-san  genannt  wird.  Sie  liegen  ausserhalb  der  hier  relativ  gut  erhaltenen  grossen 
Mauer  nordöstlich  von  Sin-ho  yi,  einem  kleinen  Orte  im  Südosten  von  Schan- 
tan  hsien,  und  bestehen  aus  einfachen,  brunnenartigen  Vertiefungen,  aus  denen 
je  zwei  oder  drei  schwarze,  fast  ganz  nackte,  abschreckend  aussehende  Arbeiter 
eine  schlechte,  erdige  Kohle  fördern.  An  den  Arbeitern  ist  die  Haut  von  oben 
bis  unten  schwarz  wie  bei  Negern,  nur  das  Weiss  der  Augen  und  der  Zähne, 
sowie  das  Rot  der  Lippen  heben  sich  grell  davon  ab. 

Noch  ein  weiterer  Ausflug  führte  mich  in  die  Kohlenbergwerke  im  Süden 
von  Hsia-k'ou  yi,  das  noch  weiter  gegen  Liang-tschou  zu  gelegen  ist.  Hier 
liegen  die  Gruben,  einfache,  wenig  tiefe  Schächte,  hoch  an  den  Abhängen  des 
Nan-schan,  die  in  den  niedriger  gelegenen  Teilen  mit  fruchtbarem  Weideland 
bedeckt  sind,  das  zahlreichen  Herden  von  Kühen,  Schafen  und  Pferden  Futter 
bietet,  während  auf  den  höheren  Bergen  ein  buschiger  Laubwald  grosse  Flächen 


Thongefässe  aus  Tan-ka'r  thinjj. 
Vio  natürlicher  Grüste. 

bedeckt;  die  höchsten  Regionen  aber  sind  kahl.  Die  Leute  in  den  Bergwerken, 
denen  selten  ein  Fremder  zu  Gesicht  kommt,  waren  natürlich  alle  sehr  neu- 
gierig und  staunten  über  meine  Sachen,  vor  allem  die  europäische  Kleidung  und 
den  Zwicker;  am  wunderlichsten  schien  ihnen  die  Thätigkeit  des  Geologen,  der 
Steine  zerschlägt,  um  Versteinerungen  herauszuklopfen.  Aber  sie  halfen  freund- 
lich mit,  schleppten  alsbald  die  richtigen  Gesteinsstücke  herbei  und  freuten  sich, 
wenn  etwas  Schönes  zum  Vorschein  kam. 

Doch  kehren  wir  nach  diesen  Exkursen  wieder  zurück  zur  grossen  Strasse. 
Von  Kan-tschou,  der  ersten  grösseren  Stadt,  die  man  von  Su-tschou  aus  in 
sieben  Tagen  erreicht,  ist  nach  dem  schon  von  Su-tschou  Gesagten  wenig 
Neues  zu  berichten.  Das  Oasen-Gebiet  von  Kan-tschou  liegt  zwischen  den 
vielverzweigten  und  verschieden  benannten  oberen  Zuflüssen  des  Hei  ho  (schwarzen 
Flusses),  der  nach  Nordwesten  fliesst  und  als  Etschin-gol  sich  mit  dem  Tao-lai 
vereinigt  und  weit  im  Norden  in  den  abflusslosen  Gaschiun-nur  einmündet.  Die 
Stadt  selbst  spielte  früher  eine  grosse  Rolle  als  Hauptstadt  des  Reiches 
der    Huei-he'    (Uiguren)   850 — 1028.     Während    des    Bestehens    des    Tanguten- 


—    236    — 

Reiches  war  sie  ebenfalls,  wie  Marco  Polo  berichtet,  eine  bedeutende  und  reiche 
Stadt.  Von  Dschingis-chan  erstürmt  und  zerstört,  hatte  sie  im  späteren  Mittel 
alter  ihre  frühere  Bedeutung  wieder  gewonnen,  steht  aber  heutigen  Tags 
hinter  Lan-tschou  fu,  der  Hauptstadt  der  Provinz  Kan-su,  zurück.  Sie  ist  be- 
deutend grösser  als  Su-tschou  (Kreitner  schätzt  die  Einwohnerzahl  auf  150000, 
Rockhill  auf  70 — 80000  und  Grum  Grschimailo  nur  auf  30000)  und  hat  auch 
reichere  Thorbögen  und  Magazine  als  jenes;  einzelne  Privathäuser,  und  viele 
Magazine  sind  aussen  bunt  verziert  und  mit  Holzornamentik  geschmückt.  Am 
Ende  der  langen  breiten  Hauptstrasse,  in  der  vereinzelte  hohe,  schöne  Bäume 
Schatten  spenden,  ist  ein  grosses,  reich  verziertes  Thor,  vor  welchem  ein 
kleinerer,  bunt  verzierter  und  stark  verschnörkelter  Thorbogen  steht. 

Das  Fremdenquartier  liegt  vor  der  hohen  und  starken  Stadtmauer,  deren 
Thore  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  geschlossen  werden.  Hier  kamen  die 
Leichenzüge  vorbei,  welche  zur  Begräbnisstätte  zogen.  Eine  Musik,  oder  viel- 
mehr eine  Dudelei  von  Flöten  leitete  den  Zug  ein,  in  welchem  der  Tote  in 
seinem  grossen,  reich  verzierten  Sarge  unter  einem  Baldachine  getragen  wurde; 
die  Leidtragenden  folgten  in  weisser,  baumwollener  Kleidung  zu  Fuss  oder  auch 
zu  Wagen,  d.  h.  hier  in  einer  Arbe,  einem  zweirädrigen  Lastkarren,  auf  welchem 
meist  Frauen  sassen. 

Die  Umgebung  der  Stadt  ist  reich  bevölkert  und  besteht  aus  ausgezeichnetem 
Kulturlande.  Zahlreiche,  gut  mit  Mauern  und  Thoren  befestigte  Dörfer  liegen 
an  den  Bewässerungskanälen,  und  überall  waren  die  Bewohner  mit  Feldarbeiten 
beschäftigt,  wobei  die  Frauen,  trotz  ihrer  Behinderung  durch  den  schwerfälligen 
Gang,  und  auch  die  Kinder  wacker  mithelfen.  Ganze  Familien  sitzen  so  mit 
ihren  breitrandigen  Hüten  draussen  von  morgens  bis  abends  auf  dem  Felde  und 
säubern  die  Saaten  von  Unkraut  oder  sind  mit  Einsetzen  beschäftigt.  Die 
Hauptprodukte  sind  auch  hier  Hülsenfrüchte  und  Getreidearten,  daneben  Hanf, 
Mohn,  Raps,  Flachs,  Mais,  Zwiebeln  und  Lauch,  Salat,  Gurken,  Wassermelonen 
und  auch  Kartoffeln.  Diesen  letzteren  wird  besondere  Sorgfalt  zu  Teil.  Man 
steckt  sie  nicht  wie  bei  uns  über  ganze  Aecker  aus,  sondern  es  werden  dem 
Rande  des  Ackerfeldes  parallele  Wälle  aufgeschüttet  und  nur  auf  diesen  wird 
die  Kartoffel  angepflanzt,  und  zwar  nach  der  äusseren  Seite  hin.  Die  Landleute 
bedienen  sich  hier  eines  sehr  einfach  konstruierten  Pfluges  mit  einer  breiten, 
schildartigen  Pflugschar,  der  mit  ein  oder  zwei  Ochsen  bespannt  wird.  Zum 
Ausdreschea  dienen  sechs-  oder  achtseitige  Steinwalzen.  Weiter  gegen  das 
Gebirge  hin  scheint  das  Land  steiniger  zu  werden  und  dadurch  den  Feldbau 
zurückzudrängen;  die  Gebirgshänge  selbst  sehen  ganz  kahl  aus. 

Es  herrschte  hier  in  der  Nähe  der  grossen  Stadt  auf  der  Strasse  lebhafter 
Verkehr.  Ganze  Wagenzüge  bringen  aus  den  nicht  fern  im  Südosten  gelegenen 
Gruben  die  Steinkohle  nach  der  Stadt.  Vornehme  Reisewagen  mit  bequemer 
Ausstattung  und  begleitet  von  einem  Tross  von  Dienern  und  grossen  Gepäck- 
arben,  ebenso  wie  ärmliche  Fusswanderer,  die  ihre  ganze  Habe  in  zwei  Bündeln 


—     237     — 

an  den  Enden  einer  Stange  über  der  Schulter  tragen  und  dabei  rüstig  ihres 
Weges  ziehen,  sind  häufige  Erscheinungen.  Das  Land  und  die  Orte  längs  der 
Strasse  von  Kan-tschou  bis  Liang-tschou  bieten  aber  sonst  des  Bemerkenswerten 
wenig.  Eine  Ausnahme  macht  der  kleine,  am  Fusse  einer  Graniterhebung 
gelegene  Ort  Sho-toi-tze  (Kreitner),  südöstlich  von  Kan-tschou,  in  dessen  Nähe, 
hoch  am  Bergabhange  hinaufgebaut,  sich  eine  ausgedehnte  Tempelanlage  be- 
findet, in  welcher  eine  grosse  Statue  des  Buddha  in  sitzender  Stellung  thront. 
Der  Haupttempel  besteht  aus  einer  Anzahl  von  Stockwerken,  die  terrassen- 
artig hinter  und  über  einander  am  Bergabhange  ansteigen  und  die  Kolossalstatue, 


a  Pflujj  bei  ITiungf-fan  yi  am  Ta-thung-ho.     c  Pflugschar  des  Pfluges  a. 

b  Pflug-  bei  Su-tsch6u. 


welche  darunter  am  Berggehänge  sitzt,  überdecken  (Tafel  XVI).  Wenn  man 
den  untersten  Raum  betritt,  sieht  man  nur  die  Füsse  der  Gottheit  und  die 
Beine  bis  etwa  zur  Kniehöhe;  die  Füsse  sind  so  gross,  dass  die  Breite  jeder 
Zehe  0,5  m  beträgt  und  die  Höhe  der  ganzen  Figur  dürfte  25 — 30  m  erreichen. 
Die  Gewandung  ist  bunt  bemalt;  alle  unbedeckten  Körperteile  aber  sind  vergoldet. 
Auf  dem  allein  etwa  3  m  hohen  Kopfe  sitzt  eine  blaue,  haubenartige  Bedeckung. 
Auf  engen  Treppen  klimmt  man  an  den  Seiten  des  Kolosses  im  Innern  der 
Terrassentempel  empor  und  sieht  das  Gesamtstandbild  immer  nur  in  einzelnen 
Partien  von  den  Füssen  bis  zum  Knie,  von  da  bis  zum  Leibe,  endlich  das 
Bruststück,  Hals  und  Kopf;  infolgedessen  kann  von  einem  Gesamteindruck 
auch  keine  Rede  sein,  und  das  Ganze  erscheint  mehr  wie  eine  grosse  Spielerei, 
denn  wie  ein  würdiges,  erhabenes  Monument. 


-     238     - 

Der  Tempel  hat  noch  eine  Reihe  von  Seitetiräumen,  die  alle  reich  dekoriert, 
bunt  bemalt  und  mit  schön  und  harmonisch  wirkenden  Holzarbeiten  geziert 
sind.  In  einigen  derselben  sind  kleinere  Gottheiten  in  phantastischen  Stellungen 
und  bunter  Bemalung  aufgestellt,  aus  deren  Geberden  indessen  nur  ein  Buddhist 
entnehmen  kann,  was  sie  symbolisieren  sollen.  Nur  die  Teufel  und  die  bösen, 
feindlichen  Mächte  sind  leicht  erkennbar  an  ihren  drohenden  Stellungen  und 
Furcht  erregenden  Beigaben. 

Der  auf  dem  Bilde  (Taf.  XVII)  dargestellte  Gott  ist  nach  gütiger  Bestimmung 
durch  Herrn  Professor  Griinwedcl  die  Schutzgottheit  (ly-dam)  Yamantäka  (oder 


Bu.ldha-Tempcl  bei  Sho-loi-lze,  BÜdoBtllch  von  Kan-tschöu. 

Yamäri  oder  Bhairava,  tibetanisch  g'Shin-rje-gshed),  die  zur  Gruppe  der  acht 
schrecklichen  Götter  gehört,  welche  die  Feinde  der  buddhistischen  Religion 
mit  Energie  verfolgen.  Yamantäka  hat  den  Rang  eines  Buddha.  Es  ist  die 
komphzierteste  und  furchtbarste  Gestalt  unter  den  Jy-dam  und  nach  Grünwedels 
genauer  Beschreibung  ist  über  die  Art  der  Darstellung  das  Folgende  von  all- 
gemeinerem Interesse:  Das  Bild  hat  i6  Füsse,  34  Hände,  9  Häupter;  der  Körper 
ist  schwarz  und  unbedeckt.  Der  Kopf  ist  der  eines  Stieres  mit  drei  Ange- 
sichtern neben  dem  rechten  Hörn  von  blauer,  roter  und  gelber  Farbe  und  zornig 
entstellt;  neben  dem  linken  Hörne  sind  ebenfalls  drei  Gesichter,  aber  von  weisser, 
grauer  und  schwarzer  Farbe.  Zwischen  den  beiden  Hörnern  ist  das  furchtbar 
erzürnte,  rote  Gesicht  und  darüber  das  weniger  schreckliche,  gelbe  Gesicht  des 


—     239     — 

Manjugri.  Die  rechten  Hände  halten  Messer,  eine  spitze  Waffe,  Mörserkeule, 
Donnerkeildolch,  Axt,  eine  Schnecke,  Pfeil,  Haken,  Schleuderstein,  Keule,  ein 
Rad,  Donnerkeil,  Steinhammer,  Schwert  und  Trommel.  In  den  linken  Händen 
befinden  sich  Schädel,  Kopl,  Schild,  Bein,  Fangschlinge",  Bogen,  Eingeweide, 
Glocke,  eine  Hand,  Linnen  vom  Leichenacker,  ein  Mann  am  Spiesse  baumelnd, 
ein  Ofen,  Stück  eines  Schädels,  drohender  Finger,  Dreizack  mit  Flatterbändern, 
vom  Wind  gepeitschte  Leinwand.  In  zwei  Händen  wird  ein  Elefantenfell  ge- 
halten. Unter  den  Füssen  befinden  sich  rechts  ein  Mann,  Stier,  Elefant,  Esel, 
Kamel,  Hund,  Schaf  und  Fuchs,  links  ein  Habicht,  Ente,  Rabe,  Papagei,  Falke, 
Pfau,  Wasserhuhn  und  Schwan.  Nach  den  Vorschriften  über  die  Darstellung 
dieser  Gottheit  müssen  unter  den  Attributen  noch  Leichenstätten  mit  gespiessten, 
gehängten  und  gequälten  Menschen,  Scharen  von  Hunden,  Geiern,  Schakalen  und 
eine  Schar  von  Bittflehenden  sein.  Die  Vorschriften  besagen  ferner,  dass  vor 
dem  Bilde  mit  dem  aus  Schneckenperlen  bestehenden  Rosenkranze  gebetet 
werden  soll,  dass  ihm  Opfer  aus  Wohlgerüchen  gebühren,  und  dass  es  vor 
Fremden  zu  verbergen  sei.  Die  Attribute  sind  auf  dem  Bilde  nur  sehr  undeut- 
lich zu  erkennen;  aber  es  giebt  eine  Vorstellung  von  dem  Reichtum  der  Phantasie, 
der  in  dieser  Darstellung  verkörpert  ist.  Man  kann  den  Teufel  ungestört  be- 
sichtigen, und  wenn  man  für  Buddha  einige  Räucherkerzen  anzünden  lässt,  er- 
regt man  nicht  nur  das  Gefallen  der  grossen  Gottheit,  sondern  auch  des  führenden 
Tempeldieners. 

Tempel  sind  in  dieser  Gegend  und  längs  der  grossen  Strasse  in  Hainen 
und  bei  Dörfern  nicht  selten;  sie  haben  oft  ein  sehr  gefalliges  Aussehen  durch 
die  geschmückten  Giebel,  Dächer  und  Thorbogen  am  Eingange,  bieten  aber  im 
Innern  wenig  Bemerkenswertes. 

Während  der  letzten  drei  Reisetage  vor  Liang-tschou  ist  die  landschaft- 
liche Umgebung  besonders  hübsch;  der  Weg  folgt  von  dem  kleinen  Orte  Schuei- 
thsuan  yi  in  fast  östlicher  Richtung  einem  grösseren,  aus  dem  Gebirge  aus- 
tretenden Thale,  und  man  hat  auf  die  bewaldeten  Höhenzüge,  die  an  Schwarz- 
waldlandschaft erinnern,  schöne  Ausblicke.  Das  Thal  selbst  ist  sehr  fruchtbar 
und  gut  bebaut,  aber  die  meisten  Dörfer  liegen  zum  grössten  Theile  in  Trümmern 
und  man  trifft  viele  Grabstätten  auf  den  Kiesflächen.  Das  kleine  Städtchen 
Yung-thschang  hsien  liegt  sehr  malerisch  am  Fusse  eines  dunkeln,  gipfelreichen 
Höhenzuges,  der  in  nordöstlicher  Richtung  noch  weit  in  die  unerforschte  Wüste 
hinausgeht.  An  dem  Gebirgsabhange  sind  die  kleinen  Heiligtümer  einer 
grösseren  Tempelanlage  hoch  hinauf  bis  zum  Gipfel  nach  Art  eines  Calvarien- 
berges  angelegt.  Gleich  östlich  von  dieser  kleinen  Stadt  haben  noch  beim 
letzten  Dunganenaufstande  blutige  Kämpfe  getobt;  der  Thalgrund  und  die 
flachen  Berglehnen  sind  mit  zahllosen,  einfach  aufgeschütteten  und  mit  vier 
Steinreihen  belegten  Gräbern,  die  oft  auf  grossen  Feldern  beisammen  liegen, 
bedeckt;  hier  sind  auch  einige  grössere  Grabmonumente  aufgerichtet  und 
Steine    mit  Inschriften  erinnern    an  das  Geschehene.     Auf  dem   weiteren  Wege 


—      240      — 

nach  Liang-tschöu  muss  furchtbar  gewütet  worden  sein;  er  fuhrt  nur  über 
Trümmer,  Gräber  und  verwahrlostes,  einst  bebautes  Land,  und  das  sonst  so 
fruchtbare,  wasser-  und  vegetationsreiche  Thal  am  Fusse  der  weiden-  und  wald- 
bedecktcn  Höhen  bietet  einen  traurigen  Anblick.  Auch  die  Strasse  selbst 
mit  ihren  endlosen  Geröllstrecken  und  mangelhaften  Brücken  trägt  Spuren 
von  Vernachlässigung,  wie  die  überall  zerfallenden  Pyramiden  der  Wegezeichen 
und  die  einstürzenden,  verlassenen  Gebäude  der  Rasthäuser  beweisen. 

Gerade  diese  Wegezeichen,  welche  zwischen  Kaschgar  und  Hami  nur  aus 
einfachen  Thonpyramiden  (türkisch  Tasch)  bestanden,  zeichnen  sich  von  Su- 
tschöu  ab  längs  der  grossen  Strasse  durch  schöne  Bemalungen  und  Grösse  aus; 


Cliiaeslsche  MHlenEteine  na  iler  )>rosscn  Strasse  südöstlich  too  Su-tsch6u 

auf  der  erwähnten  Strecke  nordwestlich  von  Liang-tschöu  aber  ist  alles  in 
Zerfall.  Auch  die  Thore  zu  den  Eingängen  in  die  Yamen  oder  Amtsgebäude 
sind  selbst  an  ganz  kleinen  Orten  mit  symbolischen  Figuren  von  wilden  Krie- 
gern, den  Schutzgöttern  des  Hauses,  geschmückt  und  die  anschliessenden 
Wände  tragen  vielfach  groteske  Zeichnungen  von  Drachen  und  andern  Unge- 
heuern; aber  diese  Gemälde  sind  oft  zerstört  und  werden  nicht  ausgebessert, 
so  da.ss  man  sie  selten  so  gut  erhalten  findet,  wie  sie  die  nebenstehende  Repro- 
duktion von  dem  kleinen  Dorf  Schuang-tsing  yi  südöstlich  von  Su-tschöu  zeigt. 
Hier  liegt  das  Wüstengebiet  des  Ala-schan  nicht  mehr  fern,  und  von  der 
Strasse  aus  übersieht  man  grosse  Flächen  gelbbraunen  Sandes,  die  gegen 
den  nordöstlichen  Horizont  hin  anwachsen,  während  die  grünen  Oasen  immer 
spärlicher    werden.      Die    wasserreichen    Flüsse    aus    dem   Nan-schan    nehmen 


~    241    — 

da  hinaus  ihren  Weg  und  längs  desselben  dringen  noch  ein  Stück  weit  die 
bewachsenen  und  bebauten  Landflächen  vor,  bis  sie  der  Hitze,  dem  Staube 
und  der  Trockenheit  der  Wüste  erliegen;  die  Flüsse  gehen  noch  weiter  in 
das  Unbekannte;  von  einigen  weiss  man,  dass  sie  weit  draussen  im  Ala-schan 
in  einsame  Wüstenseen  oder  Sümpfe  münden,  nachdem  sie  schon  viel  Wasser 
durch  Versickern  und  Verdunsten  verloren  haben;  manche,  die  kleineren,  gehen 
auch  einfach  im  Sande  unter,  ohne  noch  Seen  zu  erreichen  oder  zu  bilden. 

Die  Nähe  der  Wüste  macht  sich  auf  der  Strasse  durch  die  grosse  Hitze, 
die  Trockenheit  der  Luft  und  die  Seltenheit  der  Ansiedelungen  bei  dem 
schlechten  Zustande  der  Wege  doppelt  fühlbar.  Die  aus  dem  Gebirge  kommenden 


KlDgangstbor  in  ein  Vamea  In  Schunng-tting  ji,  sUdögtlicli  loa  Su-tsch6u. 

Flüsse  haben  ganz  enorme  Schottermassen  über  das  flache  Land  ausgeschüttet, 
und  man  kann  stundenlang  reiten,  um  über  solche  Ueberschwemmungszonen 
wegzukommen,  da  das  Pferd  nur  sehr  langsam  von  der  Stelle  kommt;  man 
zieht  gleichsam  in  einem  einzigen,  breiten  Flussschotterbette  zu  der  grossen 
Ebene  hinab,  auf  der  man  die  langen,  hohen  Mauern  von  Liang-tschöu  schon 
von  Weitem  erblickt.  Auch  die  nächste  Umgebung  der  Stadt  ist  über  und 
über  mit  grobem  Schotter  überdeckt,  und  auf  diesen  Flächen  sind  ausgedehnte 
Gräberfelder  mit  kleinen,  aus  Steinen  aufgebauten  Hügeln  rings  um  die  Stadt 
angelegt  Wo  längs  der  kleineren  Ftussbetten  und  den  Wasserkanälen  in  der 
Umgebung  der  Stadt  Lehm  abgelagert  ist,  liegen  fruchtbare  Felder,  schöne 
Gärten  und  herrliche,  mit  Tempeln  geschmückte  schattige  Haine.  Denn  an 
Wasser  fehlt  es  hier  nicht;  wo  es  nicht  direkt  von  den  Flüssen  aus  den  Bergen 


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hergeleitet  werden  kann,  wird  es  aus  dem  Boden  entnommen,  indem  durch  die 
höchstens  lO — 15  m  tiefe  Lehmschicht  an  der  Oberfläche  Brunnen  gebohrt 
werden;  das  Geröll  unter  dem  Lehme  ist  wasserführend  und  mittelst  einfacher 
Schöpfwerke  wird  das  Wasser  heraufgehoben,  in  Tröge  oder  Bassins  gefüllt  und 
aus  diesen  durch  Gräben  auf  die  Felder  geleitet. 

Auf  beiden  Seiten  der  Strasse  im  Südosten  von  Liang-tschou,  wo  zwischen 
Schotterflächen  der  Wasseradern  erhöhte  Lehmflächen  liegen,  auf  die  kein  Wasser 
geleitet  werden  kann,  stehen  diese  Brunnen  fast  auf  jedem  Felde.  Nach  Art  der 
auch  in  Deutschland  üblichen  Ziehbrunnen  ist  an  einem  Gestelle  ein  Querbalken 
in  der  Mitte  aufgehängt,  der  an  dem  einen  Ende  den  Schöpfeimer,  am  andern 
das  entsprechende  Gewicht  trägt.  Meist  sind  sie  zweiteilig,  d.  h.  an  dem  Trage- 
gestelle sind  oben  zwei  Schwebebalken  angebracht  und  gewöhnlich  schöpfen  zwei 
Leute  zu  gleicher  Zeit  mit  zwei  Kübeln.  Auf  diese  Art  werden  hier  grosse  Flächen 
des  an  und  für  sich  sehr  fruchtbaren  Lehmbodens  noch  nutzbar  gemacht,  denen 
wegen  ihrer  hohen  Lage  anderes  Wasser  versagt  ist,  und  die  sonst  brach  liegen 
müssten,  wie  man  dies  vielfach  da  sieht,  wo  keine  reichen  Wasseradern  in  der 
Nähe  sind  und  infolge  dessen  in  geringer  Tiefe  kein  Wasser  zu  finden  ist. 

Liang-tschou  selbst,  das  100  000  Einwohner  haben  soll,  macht  schon  aus 
der  Ferne  gesehen  den  Eindruck  einer  grossen  und  wohlhabenden  Stadt. 
Die  weit  ausgedehnten,  hohen  Mauern  sind  sehr  gut  gehalten  und  oben  mit 
zierlichen  Warttürmchen  an  den  Ecken  und  jeweils  in  der  Mitte  gekrönt.  In 
der  Nähe  der  nördlichen  Stadtmauer  überragen  zwei  sehr  schlanke,  hohe, 
pagodenartige  Türme  weit  alle  andern  Bauwerke  und  bilden  ein  von  weitem 
schon  kenntliches  Wahrzeichen  der  Stadt.  Das  Innere  mit  seinen  verkehrs- 
reichen Strassen  machte  von  allen  den  chinesischen  Städten  der  Provinz  Kan- 
su  den  saubersten  und  wohlhabendsten  Eindruck;  die  Strassen  sind  reich  an 
schönen  Thorbogen,  von  denen  einige  mit  bunten  Malereien  geschmückt  sind, 
an  Tempeln  und  schön  ausgestatteten  Magazinen. 

Zu  diesem  vorteilhaften  Eindruck  trug  vielleicht  der  Umstand  bei,  dass 
die  Tage  vom  24.  bis  27.  Juni  gerade  Festtagewaren  und  alle  Leute  im  Festtags- 
schmucke sich  auf  den  Strassen  zeigten.  Bei  dieser  Gelegenheit  sah  man  auch 
viele  Frauen  in  schönen,  bunten  Gewändern  und  reichem  Schmucke,  alle 
geschminkt  und  bemalt.  Es  waren  sehr  niedliche  Erscheinungen  darunter, 
besonders  unter  den  jüngeren  Mädchen  und  Frauen.  Wenn  sie  auf  den  Drosch- 
ken, den  kleinen  überdeckten  von  einem  Maultiere  gezogenen  Wagen  der 
Stadt,  häufig  zu  zweien  oder  vieren  sitzen,  haben  sie  nichts  weiter  auffälli- 
ges an  sich;  aber  wenn  sie  zu  Fuss  sind,  stört  den  Europäer  der  unbeholfene 
schwerfallige  Gang,  eine  Folge  der  unnatürlichen  Einschnürung  des  Fusses,  die 
zu  einer  Verkümmerung  der  ganzen  Muskulatur  an  den  Beinen  führt.  Häufig 
müssen  sie  sich  an  den  Häuserwänden  festhalten  und  ein  Strassenübergang  bei 
feuchtem  Wetter  und  schlüpfrigem  Boden  hat  für  sie  grosse  Schwierigkeiten, 
lieber  der  in  einen  Knoten  aufgebundenen  Frisur  mit  Blumenschmuck  über  dem 


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Ohre  tragen  die  Frauen  gewöhnlich  keine  Kopfbedeckung.  Die  Bemalung  mit 
grellen  roten,  orange  und  dunkeln  Farben  wird  an  den  Augenbrauen,  Wangen, 
Lippen  und  Fingernägeln  angebracht,  ohne  dass  jedoch  eine  unschöne  Ent- 
stellung eintritt. 

Das  Innere  eines  grossen  Kauf-  oder  Bankhauses,  in  welchem  Dr.  Holderer 
ein  grösseres  Gelddeposit  zu  erheben  hatte,  war  sehr  geschmackvoll  und  elegant 
eingerichtet  und  machte  einen  wohnlichen  Eindruck.  Im  Hofe,  um  dessen 
Wände  unten  Täfelung  und  im  zweiten  Stockwerk  eine  Galerie  lief,  waren  kühle 
Wasserbassins  mit  Goldfischen  und  Blumen  aufgestellt;  in  dem  Empfangs-  und 
Geschäftszimmer  der  Bank  befanden  sich  auf  den  Tischen  richtig  gehende, 
europäische  Standuhren,  an  den  Wänden  Hängeuhren  und  zierliche  Gemälde, 
die  chinesische  Mädchen  darstellten.  Das  Geldgeschäft,  die  Uebergabe  der  für 
gewöhnliche  Verhältnisse  sehr  hohen  Summe  von  loooo  Taels,  vollzog  sich  so 
ruhig  und  vollkommen  geschäftsmässig  wie  in  einem  grossen  europäischen  Bank- 
hause, und  der  höfliche  Inhaber  der  Firma  Hess  es  auch  nicht  an  einem  Besuch 
in  Galakleidung  fehlen. 

Zur  Vervollständigung  des  lebhaften  Strassenbildes  gehören  noch  die  meist 
ganz  nackt  herumlaufenden  Strassenjungen,  die  zerlumpten  und  schmutzigen, 
mit  Krankheiten  behafteten  Bettler  und  Bettlerinnen  unter  den  Stadtthoren, 
sowie  gelegentlich  auch  Verbrecher  mit  grossen  Halseisen,  Ketten  an  den 
Fussgelenken  oder  grossen  viereckigen  Brettern,  die  um  den  Hals  gelegt  sind; 
man  trifft  sie  besonders  in  den  Vorhöfen  der  Magistrate  und  der  Beamten. 
Auch  fahrendes  Volk,  wie  Gaukler,  Sänger  und  musizierende  Künstler,  die  von 
Haus  zu  Haus  ziehen  und  ihre  Aufführungen  produzieren,  bis  sie  etwas  erhalten, 
und  Leute,  die  kleine  Affen  mit  sich  führen,  kann  man  in  den  Städten  sowohl 
wie  draussen  auf  dem  Wege  und  in  den  Dörfern  finden.  Ueberall  in  den  zahl- 
reichen Werkstätten,  die  nach  der  Strasse  hin  offen  sind,  wird  fleissig  ge- 
arbeitet und  müssiges  Volk  ist  auch  auf  der  Strasse  selten.  Da  die  Bevölkerung 
uns  zwar  neugierig  betrachtete,  aber  in  keiner  Weise  belästigte,  wie  das  im 
Nordwesten  Chinas  in  den  Städten  zwischen  Kaschgar  und  Hami  der  Fall  war, 
so  beeinträchtigte  nur  die  grosse  Hitze  und  der  Staub  der  Strassen  in  etwas  den 
guten  Eindruck,  den  wir  von  Liang-tschou  mitnahmen. 

Der  Weg  führt  von  hier  noch  zwei  Tagemärsche  weit  in  südöstlicher 
Richtung  durch  gut  bebautes,  ebenes  Kulturland,  ist  selbst  aber  häufig  mit 
groben  Steinmassen  und  Schottern  überschüttet,  so  dass  er  eher  einem  Bach- 
bette als  einer  Heeresstrasse  gleicht.  Zahlreiche  Dörfer  liegen  in  Ruinen  längs 
des  Weges.  Den  Fuss  des  Gebirges  erreicht  er  bei  dem  malerisch  an  einem 
Thalausgange  gelegenen  Städtchen  Ku-lang  hsien,  nachdem  seine  letzten  Strecken 
durch  tiefe  Schluchten  im  Lehm  geführt  haben,  der  hier,  vor  dem  Austritte 
des  kleinen  Flusses  von  Ku-lang  hsien  aus  dem  Gebirge,  besonders  reichlich 
angehäuft  erscheint.  Die  Berge  sind  hier  teils  kahl,  teils  mit  grauem  ver- 
trockneten Gras  überzogen  und  bis  weit  hinauf  mit    Löss  bedeckt,    der  keine 

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scharfen  und  eckigen  Umrissformen  entstehen  lässt.  Die  Bergformen  wie  die 
Kammlinien  und  Thaleinschnitte  sind  infolge  davon  gerundet,  nie  schroff  oder 
steil  abfallend,  und  bis  weit  hinauf  an  den  Gehängen  wird  der  fruchtbare 
Lössboden  zu  Ackerland  benutzt  Manche  Teile  dieses  hügelig-bergigen  Löss- 
landes  erinnern  an  die  reichen  Weizenfluren  im  Kraichgauer  Hügellande 
Badens;  auch  dort  reichen  die  Felder  auf  dem  fruchtbaren  Lösse  bis  hoch 
an  den  Bergen  hinauf. 

Der  romantische  Eindruck,  den  das  Städtchen  Ku-lang  hsien  mit  seinen 
Mauern  und  Türmen  und  grossen,  weitgiebeligen  Thoren  macht,  wird  noch 
erhöht  durch  die  zahlreichen  Trümmer  einer  alten  Mauer  und  die  Ruinen  von 
deren  Türmen,  die  im  Thal  und  auf  den  Bergen  sich  erheben  als  Zeugen  einer 
alten  Zeit,  in  der  das  ganze  Land  von  gewaltiger  Mauer  umzogen  und  ge- 
schützt war.  Es  geht  aus  der  Gegend  im  Nordosten  von  Ku-lang  hsien  eine  in 
geringeren  Dimensionen  ausgeführte  Zweiglinie  der  direkt  nach  Osten  weiter- 
führenden, grossen  Mauer  nach  Süden  und  Südosten,  entlang  der  grossen 
Strasse,  über  P4ng-fan  hsien  hinaus  nach  Lan-tschou,  die  offenbar  zum  Schutze 
dieses  wichtigen  Verkehrsweges  nach  dem  Nordwesten  des  grossen  Reiches 
angelegt  wurde.  Die  mit  reicher  Holzornamentik  versehenen,  z.  T.  in  zwei  Stock- 
werken errichteten,  vom  Rauch  und  Alter  gebräunten  Holzhäuser  machen  einen 
ähnlichen  Eindruck  wie  Tiroler  Häuser.  Man  denkt  an  das  gleichfalls  von  alten 
Mauern  gekrönte  Sterzing,  dem  auch  die  Bedeutung  Ku-lang  hsiens  für  den  Ver- 
kehr entspricht.  Der  Ort  selbst  ist  durch  Mauern  in  verschiedene  Teile  getrennt, 
welche  reich  geschmückte  Thore  verbinden.  In  der  Hauptstrasse  befinden  sich 
kleine  Läden  und  Magazine  mit  den  üblichen  Waren,  und  ausserhalb  der  Stadt- 
mauer, an  einem  kleinen  Gebirgsbache,  sind  zahlreiche  Mühlen,  die  teils  durch 
oberschlächtige  Wasserräder,  teils  durch  Turbinen  getrieben  werden.  Ein  Teil 
der  Bevölkerung  macht  hier  nach  Aeusserem  und  Kleidung  schon  den  Eindruck 
von  Gebirgsbewohnern  gegenüber  den  besser  gekleideten  und  weniger  rauh 
aussehenden  Kaufleuten  der  Stadt. 

Das  Flussthal,  welchem  der  Weg  zum  Passe  Wu-so-ling  (Kreitner)  auf- 
wärts folgt,  bietet  schöne,  abwechslungsvolle  Blicke,  und  im  Hintergrunde 
erscheinen  hohe,  mit  dunkelm  Buschwalde  bedeckte  Höhen.  In  den  Thal- 
erweiterungen sind  an  den  Gehängen  wie  Schwalbennester  die  einfachen  Lehm- 
hütten der  Gebirgsbewohner  angeklebt,  und  häufig  sind  es  grosse  Höhlen  im 
Lösse,  die,  vorn  vermauert,  als  Wohnstätten  oder  Vorratsräume  dienen.  Viele 
Wohnungen  und  grosse  Ansiedelungen  liegen  in  Trümmern  und  sind  ganz  oder 
grösstenteils  verlassen;  selbst  der  grössere  Ort  und  das  Kastell  Chin-chao-ye 
(Kreitner),  das  schon  jenseits  des  Passüberganges  gelegen  ist,  machen  einen 
sehr  ärmlichen  und  trostlosen  Eindruck.  Man  erkennt  überall  die  verheerenden 
Wirkungen  des  Bürgerkrieges,  dessen  Schäden  noch  nicht  überwunden  sind. 

Trotzdem  der  Weg  durch  das  Thal  von  Ku-lang  hsien  über  den  Wu-so-ling- 
Pass  in  das  Thal  des  P4ng-fan-ho  zu   den  wichtigsten  Verkehrsstrassen  gehört, 


—     245     — 

ist  er  in  keiner  Weise  ordentlich  reguliert  oder  rationell  angelegt.  Bergvor- 
sprünge werden  nicht  umgangen,  steil  geht  es  auf  der  einen  Seite  hinauf,  ebenso 
steil  auf  der  andern  Seite  hinab,  wie  bei  allen  Gebirgspfaden,  an  denen  nicht 
künstliche  Arbeiten,  wie  Felssprengungen,  Stützmauern  und  Aufschüttungen 
ausgeführt  sind.  Auf  der  östlichen  Thalseite  läuft  die  stellenweise  noch  gut  er- 
haltene Lehmmauer  bergauf,  bergab,  über  Gipfel  und  durch  Thäler,  wie  es 
gerade  die  Form  der  Landschaft  mit  sich  bringt.  Der  kleine  Ort  Chin-chao-ye 
liegt  schon  etwa  2700  m  hoch,  und  unter  den  Pflanzen  von  alpinem  Charakter, 
welche  die  Höhen  in  der  Umgebung  schmücken,  ist  auch  das  Edelweiss  der 
Alpen  (Leontopodium  sibiricum  Cass.). 

Ueberall  befindet  sich  hier  noch  Löss  in  den  Vertiefungen  und  Ausweitungen 
der  Berge,  auch  die  Umrissformen  sind  sanft,  und  die  anstehenden  Gesteine 
unter  dem  Löss  und  den  Thonen  oder  roten  Sandsteinen  einer  jungtertiären 
Seenablagerung,  die  Schiefer  und  grauen  Sandsteine  der  Kohlenformation,  welche 
den  Gebirgskern  bilden,  sind  alle  weich  und  nicht  geeignet,  schroffe  Gebirgs- 
formen  zu  erzeugen.  Infolge  davon  sind  überall  die  Abhänge  selbst  weit  oben 
mit  Weizen  angebaut  oder  bilden  reiche  Weideplätze  für  zahlreiche  Herden 
von  Rindern  und  Pferden.  In  noch  höheren  Regionen  —  die  Berge  reichen 
hier  bis  über  3500  m  —  beginnt  der  Buschwald  grössere  Verbreitung  zu 
gewinnen. 

In  schroffem  Gegensatze  zu  dem  lieblichen  Landschaftsbilde,  das  sich  dem 
Blicke  von  einer  der  Höhen  am  Wu-so-ling-Passe  zeigt,  stehen  im  Süden  die 
Berge  der  Ma-ya-schan-Kette,  die  als  gewaltige  Felskolosse  mit  wilden,  senk- 
rechten, hunderte  von  Metern  hohen  Abstürzen  den  Gesichtskreis  von  Ost  nach 
West  begrenzen.  Der  Schnee  glänzt  von  ihren  über  4400  m  hohen  Gipfeln, 
und  von  irgend  welcher  Vegetation  ist  in  ihrem  Bereiche  nichts  zu  erblicken. 
Wie  die  Felsen  der  Dolomiten  über  den  milden,  weide-  und  waldbedeckten 
Thalgrund  des  Ampezzothales,  so  ragt  der  Ma-ya-schan,  der  auch  aus  Kalkfelsen 
besteht,  imponierend  über  seine  Umgebung  auf.  Der  höchste  Punkt  des  Weges 
auf  dem  2714  m  hohen  Passe  Wu-so-ling,  der  zum  Thale  des  P*ing-fan-ho  hin- 
überfuhrt, bietet  fast  dieselbe  schöne  Aussicht  auf  den  Ma-ya-schan  und  auf 
die  mit  reicher  subalpiner  Flora  bedeckten  Weidelandflächen  im  Vordergrunde. 
Reichliches  Edelweiss  und  blaue  Enziane,  gelber  Löwenzahn  und  Himmels- 
schlüsselchen, eine  grosse,  schwarz  blühende  Niesswurzart  und  andere  alpine 
Pflanzen  schmücken  die  grasbedeckten  Berggehänge.  Auch  die  zahlreichen 
Murmeltierchen,  die  sich  auf  der  Südseite  des  Passes  grosse  Löcher  als  Be- 
hausungen im  Lösse  angelegt  hatten,  erinnern  an  die  Alpen.  Auf  der  Höhe 
des  Passes  mit  einer  prachtvollen  Aussicht  auf  das  Bergland  steht  eine  einfache 
Lehmhütte,  die  nach  der  Seite  des  P*ing-fan-ho  hin  eine  Veranda  besitzt. 
Hungrige  und  durstige  Wanderer  werden  hier  erquickt,  und  eine  sichere  Vor- 
ahnung besagt,  dass  sich  hier  einst  ein  Luftkurhotel  erheben  wird,  wenn  erst 
in  China  das  europäische  Kur-  und  Reiseleben  modern  geworden  ist. 


—      246     — 

Nach  einem  steilen  Abstiege  durch  ein  kleines,  zum  P'ing-fan-Flusse 
gehendes  Thälchen  neben  der  alten  Mauer  her  erreicht  man  das  breite  Schotter- 
bett dieses  Flusses,  der  aber  mit  seinen  verschiedenen,  schwachen  Adern  das- 
selbe nur  zu  einem  so  geringen  Teile  ausfüllt  und  dabei  so  seicht  ist,  dass 
er  bequem  durchritten  werden  kann.  Eine  alte  Befestigung  liegt  hier  am  Ende 
der  Mauer,  die  sich  auf  der  andern  Seite  direkt  am  Berg  hinauf  und  über 
seinen  Kamm  weiterzieht.  Dieser  Teil  des  Flussthaies  ist  breit;  neben  dem 
Schotterbett  des  Flusses  laufen  beiderseits  etwa  lO  m  hohe  Terrassen,  die  reiche 
Lehmbedeckung  und  daher  gutes  Ackerl.md  nebst  vielen  Ansiedelungen  tragen; 


Brücke  über  den  P'ing-fan-ho,  unterhalb  von  Wu-Bchöng  p'u  bei  P'ing-fan  hsien, 

denn   an  Wasser   fehlt   es  hier  nicht,   wo  beiderseits  vor   den    höheren  Bergen 
zahlreiche  Thäier  herunterfuhren. 

Aber  auch  im  P'ing-fan  ho-Thale  erkennt  man  die  Spuren  der  letzten  Ver- 
wüstungen an  den  vielfach  zerstörten  und  verlassenen  Ortschaften  am  Wege 
und  auch  oben  an  den  Lössgehängen  der  Berge.  Wo  heute  noch  bewohnte 
Teile  in  diesen  Dörfern  sind,  hegen  diese  längs  der  Strasse  und  sind  äusserst 
dürftig  und  armselig;  oft  ist  kaum  das  Nötigste  an  Lebensmitteln  zu  kaufen, 
und  die  Nachtquartiere  sind  besonders  in  weniger  guten  Serai,  die  man  auf- 
suchen muss,  wenn  die  besseren  schon  besetzt  sind,  ganz  schlecht,  schmutzig, 
voll  Ungeziefer,  rauchig  und  niedrig,  mit  mangelhaften  Verschlüssen  von  Thür 
und  Fenster  und  häufig  auch  mit  mehr  oder  weniger  defektem  Dache.      Es  ist 


-     247     — 

überhaupt  auffallend,  dass  auf  dieser  Hauptroute  von  Lan-tschöu  nach  dem 
Nordwesten  noch  solche  Verhältnisse  möglich  sind,  wo  sich  doch  keine  natür- 
hchen  Schwierigkeiten  einer  Verbesserung  entgegenstellen.  Es  scheint,  nach 
den  grossen,  zum  Teil  noch  erhaltenen  Bauwerken  zu  schliessen,  dass  dem 
früher  nicht  so  war  und  auch  hierin  noch  eine  Folge  der  furchtbaren  Aufstände 
der  Dunganen  zu  sehen  ist. 

Hier  lauft  die  alte  Mauer  mit  vielen  Warttürmen  und  einzelnen,  zum  Teil 
noch  gut  erhaltenen  Kastellen  zwischen  FIuss  und  Strasse  entlang,  und  erst 
bei  Wuschöng  p'u,  wo  das  Thal  sich  verengt  und  steile,  hohe  Felsklippen  von 
Obercarbon-Schichten  der  östlichen  Ausläufer  des  Ma-ya-schan  bis  hart  an  den 


Fluss  herantreten,  setzt  sie  auf  die  linke  Thalseite  hinüber.  Die  Berge  selbst 
am  engeren  Teil  des  Thaies  haben  nur  die  geringen  Höhen  von  etwa  600  bis 
800  m  über  dem  Thalboden.  Ihre  Abhänge  sind  bis  dahinauf  meist  mit  Löss 
bedeckt  und  das  Gesteinsgefüge  des  Gebirgsbaues  ist  verhüllt.  Schönes,  gut 
bebautes  Land  und  Ansiedelungen  mit  Baumwuchs  und  ganzen  Baumalleen  be- 
gleiten den  Weg,  auch  in  Erweiterungen  der  kurzen  engeren  Teile  des  Thaies, 
wo  unterhalb  des  Dorfes  Wuschöng  p'u  der  Weg  auf  einer  Holzbrücke  den 
Fluss  überschreitet.  (Siehe  Abbildung  auf  Seite  246.)  Weit  oberhalb  der  Stadt 
P'ing-fan  hsien  erweitert  sich  das  Thal  wieder,  die  Mauer  und  der  Weg  laufen 
auf  der  linken  Thalseite  hart  neben  einander  und  der  letztere  fuhrt  stundenlang 
durch  enge  Lössschluchten,  die  keine  Aussicht  gestatten. 


—     248     — 

Ein  schöner,  mit  reicher  Holz-  und  Thonornamentik  geschmückter  Tempel 
steht  vor  der  Stadt  P'ing-fan  hsien,  die  mit  einer  stattlichen  Mauer  umgeben 
und  unweit  des  Flusses  auf  seinem  linken  Ufer  erbaut  ist.  Das  Städtchen  macht 
einen  freundlichen  Eindruck;  gleich  beim  nördlichen  Eingangsthor  steht  im 
Innern  ein  von  grossen  Laubbäumen  von  beiden  Seiten  beschattetes,  schönes 
Holzthor  mit  reicher  Ornamentik;  noch  mehr  solcher  Holzthore  befinden  sich 
in  der  breiten,  von  einfachen  Läden  gebildeten  Hauptstrasse,  die  aber  nur 
wenig  belebt  war.  In  einem  der  Tempel  vor  dem  Südthor  sind  schöne  Deko- 
rationen von  farbigen  Ziegeln  und  ein  zierlicher,  pagodenartiger  Turm  mit 
Schmuck    von    farbiger  Fayence. 

Hier  hatten  wir  auch  wieder  einmal  ein  gutes,  wohnliches  Quartier,  in 
dem  wir  uns  aber  nur  eine  Nacht  und  einen  halben  Tag  aufhielten.  Die  Stadt 
ist  mit  gut  gepflegten  Gärten  umgeben,  die  reiche  Erträge  an  Hülsenfrüchten, 
Kartoffeln,  Obst,  Gemüsen  und  Gewürzkräutern  geben  und  auch  mit  Blumen 
geschmückt  sind.  Vor  der  Stadt  hat  man  einen  schönen  Blick  auf  das  Gebirge 
Pei-ta-schan  im  Osten  und  den  Schi-schan  im  Westen  mit  Gipfeln  bis  über 
3000  m.  Hoch  oben  auf  den  felsigen  Bergspitzen  des  westlichen  Gebirges 
liegen  Tempelbauten,  die  kühn  auf  die  steil  abfallenden  Gipfel  aufgesetzt  sind. 

Der  Weg  nach  Si-ning  fu  verlässt  hier  in  P^ing-fan  hsien  die  grosse  Strasse 
und  geht  in  südwestlicher  Richtung  über  das  Gebirge  zunächst  in  das  Thal  des 
Tathung-ho  und  dann  in  neuem  Passübergange  in  das  des  Si-ning-ho,  wo  er 
den  Saumweg  von  Lan-tschou — Si-ning  fu  erreicht,  der  am  linken  Ufer  des 
Ta-thung-ho  beschwerlich  aufwärts  führt.  Das  Gebirge  Schi-schan  zwischen 
P*ing-fan  hsien  (2096  m)  und  dem  Ta-thung-ho  bei  Tung-fan  yi  (1862  m)  wird 
in  einem  2525  m  hohen  Passe  überschritten,  der  aber  ganz  im  Lössgebiete 
liegt,  wie  überhaupt  dieser  ganze  Teil  der  Nanschan-Berge  von  mächtigen 
Löss-  und  in  den  Thälern  Lehmdecken  überzogen  ist,  welche  alle  schroffen  Gipfel- 
formen oder  steil  abfallenden,  scharfen  Gräte  verhüllen.  An  den  Berggipfeln 
herrscht  die  Kuppenform  vor  und  langgezogene,  wellige  Kammlinien  verbinden 
die  gerundeten  Gipfel.  Nur  gegen  die  tieferen  Teile  der  Thäler  bildet  der 
Löss  zuweilen  senkrechte,  hohe  Abstürze  oder  es  kommen  auch  in  der  Tiefe 
des  Thaies  Teile  des  den  Untergrund  bildenden  Gesteines,  das  hier  der  Stein- 
kohlenformation angehört,  in  einzelnen  Klippen  zu  Tage. 

Auf  beiden  Seiten  des  Passes  und  auch  sonst  noch  weiter  verbreitet  in 
diesem  Teile  des  Gebirges  liegen  an  den  tieferen  Stellen  der  Thäler  unter 
der  Löss-  oder  Lehmdecke  noch  sandige  und  schotterige,  sehr  mächtige  Ab- 
lagerungen, und  alles  weist  darauf  hin,  dass  noch  vor  der  Periode  der  Löss- 
bildung  grosse  Süsswasserseen  die  schon  vorhandenen,  grossen  Thäler  einnahmen 
und  mit  ihren  Ablagerungen,  wie  Sauden,  Gerollen  und  Thonen,  ausfüllten. 
Auch  in  den  Thälern  des  Ta-thung-ho  und  Si-ning-ho  haben  diese  Seeablage- 
rungen, die  nach  v.  Soczy  Quetae-Schichten  heissen,  grosse  Verbreitung.  Auf 
der    Südwestseite    des    erwähnten   Passes    ist    die    Erosion    besonders    wirksam 


—    24y    - 

gewesen,  und  in  den  Lössmassen  sind  bedeutende  Steilabstürze  und  Einbruchs- 
kessel, an  denen  der  Weg  oft  in  beängstigender  Nähe  vorbeifuhrt  und  häufig 
verlegt  werden  muss,  wenn  neue  Einstürze  und  Abbruche  an  den  senkrechten 
Wänden  erfolgt  sind. 

Die  aus  Löss  gebildeten  Bergabhänge  sind  nicht  kahl,  es  wachsen  überall 
Gräser  in  Büschen,  welche  Reihen  bilden  und  nicht  so  dicht  bei  einander 
sitzen,  dass  nicht  überall  der  gelbe  Lehm  durchschimmerte;  das  Leontopodium 
sibiricum  schmückt  die  höheren  Theile.  An  den  sonnigen  Rainen  und  Ab- 
hängen, sowie  im  Lösse  selbst  finden  sich  zahlreiche  Schnecken,  aber  von 
grösseren  Tieren  wurden  nur  Steinhühner  beobachtet. 


Wirtshau»  und  Arben  Jer  Eipediüon  io   Thuiig-yllan  yl. 

Die  Ansiedelungen  sind  am  Östlichen  Teile  des  Weges  seltener  als  auf  der 
Westseite,  auf  der  es  hinab  zum  Ta-thung-ho  geht;  auch  hier  sind  viele  Höfe 
verfallen  und  zerstört,  und  das,  was  noch  da  ist,  macht  einen  recht  kümmerlichen 
Eindruck.  Ganz  oben  auf  der  Ostseite,  unweit  der  Passhöhe,  liegen  einige  Weiler 
und  Höfe;  aber  es  giebt  dort  weder  Futter  für  Pferde,  noch  ein  gutes  Wasser,  Das 
schon  auf  der  Westseite  gelegene  Dörfchen  Thung-yüan  yi  hat  zwar  beides,  aber 
dafiir  äusserst  dürftige  Unterkunftsräumlichkeiten.  Wo  für  Personen  ein  leidlicher 
Raum  gewesen  wäre,  fehlte  er  für  die  Arben  und  Pferde,  und  da,  wo  diese  Unter- 
kunft fanden,  war  für  uns  nur  mehr  ein  offener  Stall  zu  haben,  in  dem  wir  so  gut 
wie  im  Freien  schliefen,  was  allerdings  Anfangs  Juli  keine  schlimme  Sache  war. 

Einen  ganzen  Tag  zieht  man  im  Thale  zwischen  den  einförmigen,  gerundeten 
Lössbergen  im  wasserlosen  Thale  hinab,  bis  man  das  schone  Thal  des  Ta-thung-ho 
erreicht  Der  Fluss  hat  hier  eine  ansehnliche  Breite  und  Wassermenge;  bei 
Thung-fan  yi,  wo  der  Weg  von  P'ing-fan  hsien  ihn  erreicht,  ist  auf  seiner  linken 


~   250   - 

Seite  eine  weit  au^edehnte,  10  m  über  das  Flussniveau  erhöhte  Lehmfläche  vor- 
handen, die  reiche  Kulturböden,  Aecker,  Gärten  und  Dörfer  trägt.  Die  Thal- 
Umrandung  ist  sehr  malerisch  und  abwechslungsreich.  Gegen  Norden  schliessen 
die  hohen  und  steilen  Felsen  des  Ma-ya-schan,  aui  dieser  Seite  vielfach  mit 
dunkelm  Walde  bestanden,  das  Landschaftsbild;  im  Süden  sind  weniger  hohe, 
aber  formenreiche  Berge,  die  der  Fluss  in  engem  Thaldurchgange  durchbricht, 
und  zwischen  den  hohen  Bergen  erheben  sich  die  gerundeten  Linien  des  vom 
Löss  überdeckten  Gebirgsreliefs.    Die  breite  Thalfläche  ist  gut  bebaut  und  stark 


Steinkohlen- Berg  werk  am  Ta-lhuug-ho,  iinlerhalb  von  Tbuat;-faD  yi. 

bevölkert;  aber  auch  in  den  Bergen  müssen  zahlreiche  Dörfer  liegen,  wie  die 
vielfach  über  die  niederen  Stellen  der  Bergkämme  führenden  Wege  andeuten. 
Die  Berge  gegen  Süden  auf  der  linken  Flussseite  beiden  einen  -  kostbaren 
Schatz  in  ihrem  Schosse.  Hoch  oben  an  der  Berghalde,  weit  über  dem  Thale, 
steigt  der  Bergmann  in  den  finsteren,  steil  angelegten  Stollen  hinab  und  fördert 
eine  sehr  gute  Kohle  in  grossen  Stücken,  die  weithin  im  Thale  mit  kleinen 
Arben  verbreitet  wird.  Es  sind  eine  Reihe  von  Gruben  in  verschiedenen  Höhen 
am  Bet^e  angelegt  und  auch  auf  der  andern  Thalseite  sieht  man  schwächere  Kohlen- 
flötze  ausstreichen.  Die  Gruben  waren  zur  Zeit  wegen  übler  Gase  nicht  zu  be- 
fahren, aber  die  Anlage,  soweit  sie  zu  sehen  war,  verdient  alles  Lob  für  die 
einfachen  Gebirgsbewohner  im  Nan-schan.  Die  Stollen  sind  so  hoch,  dass 
man  bequem   darin    aufrecht    gehen    kann,    ziemlich    breit    und  innen  gut  ver- 


—       251       — 

zimmert  und  verschalt.     Solche  guten   Anlagen   würde    man  nimmer  im  Innern 
Chinas  vermutet  haben. 

Auch  die  Konstruktion  der  Fähre  über  den  reissenden  und  tiefen  Ta-thung-ho, 
der  an  dieser  Stelle  unterhalb  von  Thung-fan  yi  zu  Hochwasserzeiten  eine  ganz  ge- 
waltige Strömung  besitzen  muss,  verdient  alle  Anerkennung.  Es  sind  über  faust- 
dicke Seile  an  starken  in  den  Kies  eingerammten  Baumstämmen  befestigt  und 
etwas  unter  Mannshöhe  über  dem  Wasserspiegel  in  einer  Spannweite  von  etwa 
30  m  stratf  gezogen ;  für  zwei  Fähren  sind  zwei  solcher  Seile  in  genügenden 
Abständen  von  einander  befestigt.  Auf  dem  Seil  läuft  ein  breiter  eiserner  Ring, 
an  welchem  das  Fährboot  mittelst  starker  Taue  in  so  geringer  Entfernung  fest- 


Fälire  über  den  Ta-thuD|;-ho  bei  Thung-fan  ;l. 

gehalten  wird,  dass  vorn  in  demselben  stehende  Fährleute  den  Ring  am  Fähr- 
seile während  der  Bewegung  des  Schiffes  mit  den  Händen  weiter  schieben 
können.  Ein  Mann  am  Steuer  bringt  das  Schiff  in  die  entsprechende  Stelluug 
zur  Wasserströmung,    damit  sie  dasselbe  herüber    oder  hinüber  treibt 

Die  Kähne  selbst  sind  flache,  wannenartige  und  vierseitige  Kästen,  die 
roh  aus  Brettern  zusammengezimmert  sind.  Durch  einige  oben  über  die  Ver- 
bindungsbalken der  Rippen  gelegte  Bretter  ist  eine  Art  von  Verdeck  hergestellt, 
auf  welchem  ohne  Geländer  oder  Brustwehr  Wagen,  Pferde  und  Menschen  unter- 
gebracht werden,  so  viel  als  der  Raum  gestattet.  Drei  Mann  sind  vorn  bei 
dem  Ringe  am  Fährseile,  die  beim  Beginne  der  Fahrt  durch  Ziehen  am  Seile 
nachhelfen,  bis  die  Strömung  das  Schiff  richtig  erfasst  hat;  dann  geht  es  rasch 
hinjiber.  Bei  dem  Mangel  an  guten  Landungsbrücken  macht  das  Aus-  und 
Einschiffen   der  schwer   beladenen  Lastwagen   viele  Umstände  und  den  Pferden 


—      252      — 

grosse  Mühe;  es  scheint  aber  trotzdem  selten  ein  Unglücksfall  vorzukommen, 
obwohl  dieser  Weg  nach  Si-ning  fu  sich  einer  starken  Frequenz  erfreut. 
Es  sollten  z.  B.  gerade  in  diesen  Tagen  200  Arben  unterwegs  sein,  so  dass 
wir  genötigt  waren,  rechtzeitig  nach  den  Abendstationen  Jemanden  voraus- 
zusenden, der  ein  Quartier  belegte;  sonst  hätten  wir  leicht  in  die  Lage  kommen 
können,  in  dem  kleinen  Gebirgsorte  P*ing-kou  yi,  der  noch  etwas  unterhalb  der 
Passhöhe  des  P4ngkou-ling  gegen  das  Thal  des  Si-ning-ho  hin  liegt,  im  Freien 
kampieren  zu  müssen. 

Dieser  kleine  Ort  liegt  zwischen  steilen  Thalwänden  und  wird  weit  überragt 
von  gerundeten  Lösskuppen,  die  oben  an  ihren  flachen  Teilen  Ackerfelder 
tragen.  Im  Thälchen,  das  vom  Ta-thung-ho  hinanfuhrt,  ist  nur  sehr  wenig 
Wasser,  und  auf  der  ganzen  Strecke  bildet  meist  roter  Lehm  und  Sandstein 
der  oben  schon  erwähnten  Süsswassersee-Formation  oder  Löss  die  unteren  Teile 
der  Thalgehänge.  Nur  einmal  ist  auf  eine  kurze  Strecke  das  Thal  felsig  und 
bildet  eine  enge  Schlucht,  in  der  kristallines  Schiefergebirge  unter  den  jungen 
Lehmbedeckungen  hervorbricht.  Die  Julisonne  brachte  in  diesem  Gebirgsthale 
schon  vor  Mittag  eine  für  das  Reisen  unangenehm  hohe  Temperatur  hervor, 
und  über  Mittag  erreichte  in  dem  Dorfe  P'ing-kou  yi  die  Lufttemperatur  im 
Schatten   +  3 1  ®  C. 

Die  Gewitter,  welche  sich  fast  täglich  um  die  Mittagszeit  einstellen,  bringen 
meist  nur  wenig  Regen  und  somit  auch  keine  bedeutende  Abkühlung,  während 
ihnen  gewöhnlich  ein  drückend  heisser,  schwüler  Luftzustand  vorangeht.  Im 
Westen  standen  abends  über  den  fernen  Bergen  auf  dem  linken  Ufer  des 
Ta-thung-ho  schwere,  schwarze  Regenwolken,  und  während  der  Nacht  kam  es 
auch  zu  einem  ergiebigeren  Regen,  der  aber  nur  wenig  in  den  Lössboden 
eindrang,  so  dass  am  andern  Tage  die  grossen  Lösshohlwege,  die  zum  P*ing- 
kou-ling-Passe  gegen  das  Si-ning-ho-Thal  führen,  schon  wieder  ganz  trocken  waren. 

Diese  2417  m  hohe  Passhöhe  liegt  völlig  im  Lössgebiet  und  ganz  oben  sind 
noch  10 — 15  m  hohe,  steile  Wände  davon  zu  sehen.  Ein  sehr  schöner  Ausblick  auf 
das  umliegende  Gebirgsland  zeigt,  dass  dieselben  Verhältnisse  überall  vorwalten. 
Die  Höhen  selbst  sind  schwach  gewölbt  und  breit,  ebenso  die  Kämme  und 
tragen  fruchtbare  Weizenfelder  noch  in  Höhen  von  über  2500  m.  Der  Ueber- 
gang  zur  Thalböschung  ist  ein  allmählicher,  und  hier  sind  die  Aecker  überall 
an  der  nieder  gelegenen  Seite  durch  Raine  erhöht,  so  dass  sie  Stufen  und 
Terrassen  bilden:  ein  für  die  Lösslandschaften  überall  charakteristischer  Zug. 
Erst  unterhalb  der  Terrassen  kommt  nach  abwärts  eine  Zone  der  steilen  Löss- 
abstürze  und  kesselartigen  Einbrüche  mit  oft  bedeutender  Höhe  bis  hinab  zur 
meist  sehr  engen,  oft  schluchtartigen  Thalsohle  mit  sprungweisem  Gefälle.  Auf 
den  breiten  Kämmen  und  in  den  weiten  Sattelflächen  sind  die  kleinen  Dörfer  an- 
gesiedelt und  es  bieten  so  hier  die  höchsten  Teile  des  Berglandes  dasselbe 
Bild  fruchtbarer  Kultur,  wie  man  es  sonst  nur  im  Grunde  der  Thäler  oder  auf 
weiten  Ebenen  zu  finden  gewohnt  ist. 


-     2S3     — 

Der  Abstieg  zum  Si-ning-Fiuss  ist  recht  steil  und  geht  meist  auch  durch 
Schluchten  und  Hohlwege  von  Löss  und  rotem  Thone  mit  Sandstein  in  den 
unteren  Teilen.  Im  engen,  stetlwandigen  Thale  ist  nur  wenig  Wasser  und  an 
den  Thalabhängen  nur  die  dürftige  Grasvegetation  der  Lössgehänge;  der  Thal- 
boden besteht  vorwiegend  aus  BachgeröUen.  Bei  diesen  ungünstigen  Verhält- 
nissen fehlen  im  Thalc  auch  die  Ansiedelungen;  ausser  einem  kleinen  Tempel 
hoch  oben  unterhalb  der  Passhöhe  an  aussichtsreicher  Stelle,  von  der  aiTs  man 
die  hohen  Berge  auf  der  Nordseite  des  Hoangho  wie  eine  dunkle  Mauer  jenseits 
des  Si-ning-ho  und  seines  Thaies  vor  sich  hat,  ist  im  Thale  kein  Gebäude,  und 


Thal  des  Si-nlng-bo  uoterhalb  vod  Sl-nlng  lu. 

erst  beim  Eintritt  in  das  Si-ning-ho-Thal  sieht  man  wieder  grüne  Baumgruppen 
und  kleine  Dörfer. 

Das  Dörfchen  Lao-ya  yi,  zu  dem  der  Weg  alsbald  führt,  bildet  den 
letzten,  untersten  Ort  der  stark  bevölkerten  Thalweitungen  des  Flusses,  die  mit 
einzelnen,  engeren  Stellen  bis  Si-ning  fu  hinaufreichen.  Denn  gleich  unterhalb  des 
Dorfes  verengt  sich  das  Flussthal  des  Si-ning-ho  so  stark,  dass  längs  des  Granit 
und  Schiefe i^este ine  durchbrechenden  Flusses  nur  ein  spärlicher  Raum  übrig 
bleibt,   den  der  nach  Lan-tschüu   von  Si-ning  fu  führende  Saumweg  benutzt. 

Ueberall  ündet  man  in  diesem  von  der  Natur  reich  gesegneten  Thale  die 
Spuren  der  Verwüstung,  welche  die  hier  in  kurzen  Intervallen  von  fünf  Jahren 
und  in  grösserem  Umfange  etwa  alle  zwanzig  Jahre  sich  wiederholenden  Auf- 
stande und  Kriege  der  Dunganen  gegen   die  Chinesen  über  das  Land  gebracht 


—     254    — 

haben.  Voä  ehemals  grossen  Dörfern  stehen  nur  noch  die  Lehmwände,  und 
kaum  ein  halbes  Dutzend  der  ärmlichen  Hütten  sind  bewohnt. 

Da  Wasser  in  den  tiefer  gelegenen  Teilen  der  breiten  Thalerweiterung 
überall  auf  den  fruchtbaren  Lehmboden  gefuhrt  werden  kann,  ist  das  Thal,  wo 
es  angebaut  ist,  auch  ausserordentlich  fruchtbar.  Anfangs  Juli  fing  hier  das 
Getreide  schon  an  zu  reifen,  und  auf  den  kurzen  Halmen  (30 — 50  cm  Höhe) 
wiegten  sich  ßchwere  Aehren.  Ausser  verschiedenem  Getreide  wird  Mais,  viel 
Mohn  und  Hafer,  Hülsenfrüchte,  Klee  und  Flachs  angepflanzt.  Auf  den  Märkten 
sahen  wir  kleine  Aprikosen  von  der  Grösse  einer  Walnuss,  die  aber  nicht  so 
saftig  und  so  gewürzig  waren  wie  die  im  südlichen  Deutschland  reif  gewordenen 
Früchte.  Jedoch  herrscht  an  vielen  Stellen,  die  früher  der  Agrikultur  dienten, 
heute  Verwahrlosung,  und  besonders  weiter  thalaufwärts  könnten  noch  grosse 
Strecken  nutzbar  gemacht  werden,  wenn  die  nötigen  Hände  und  Mittel  dazu 
vorhanden  wären. 

Das  Thal  wird  in  seinem  Grunde,  abgesehen  von  dem  nicht  sehr  breiten, 
mit  Geröll  erfüllten  Flussbette,  von  einer  etwa  10  m  über  denselben  sich  er- 
hebenden Lehmterrasse  gebildet,  auf  der  alle  die  Ansiedelungen  und  die  frucht- 
barsten Felder  liegen.  Gegen  den  Abhang  der  hohen  Thalberge  liegt  noch 
eine  weitere,  etwa  50  m  hohe  Terrasse,  die  unten  aus  Kiesen,  darüber  aus 
Lehm  besteht,  aber  kahl  oder  nur  mit  dürftigen  Grasbüschen  bewachsen  ist, 
da  das  Flusswasser  nicht  bis  dort  hinauf  geleitet  werden  kann.  Da  die  beider- 
seitigen, höchsten,  die  Thalseiten  bildenden  Gebirge  an  ihren  Abhängen  ebenfalls 
mit  einer  mächtigen  Lössdecke  überzogen  sind,  bieten  sie  dasselbe  kahle  Bild 
und  nur  da,  wo  Seitenthäler  austreten,  sind  grössere  Entblössungen  und  gelegent- 
liche Steilabstürze,  welche  die  intensiv  rot  gefärbten  Thone  und  Sandsteine  der 
tertiären  Formation  zu  Tage  treten  lassen.  Die  rote  Farbe  ist  daher  neben 
dem  Gelbbraun  des  Lösses  an  den  Gebirgen  vorherrschend,  während  auf  der 
Thalterrasse  über  dem  Flussbette  das  Grün  überwiegt. 

In  dem  erweiterten  Thalbecken,  das  sich  bis  über  Si-ning  fu  hinaus  ausdehnt, 
herrschte  in  der  ersten  Hälfte  des  Juli  eine  drückend  heisse,  schwüle  Witterung, 
in  die  weder  die  häufigen,  von  Westen  kommenden  Gewitter  mit  starken 
Niederschlägen,  noch  die  nächtliche  Abkühlung  eine  wesentliche  Aenderung 
brachten,  trotz  der  grossen  relativen  Höhenlage  von  1880 — 2300  m  über  dem 
Meeresspiegel.  Die  hohen  Gebirge  auf  der  Nordseite  des  Thaies  haben  Gipfel 
von  über  4000  m  Höhe,  und  auf  der  Südseite  besitzen  die  Gipfel  auf  dem  die 
Wasserscheide  gegen  den  Hoang-ho  bildenden  Kamme  auch  über  30CX)  m  Höhe; 
aber  es  fehlt  oben  der  Schnee  und  das  Eis,  die  eine  Abkühlung  der  Luft  in 
den  Höhen  und  dadurch  auch  kühle  Abend  winde  erzeugen  könnten;  in  dem 
Thale  selbst  waren  nur  sehr  geringe  Luftbewegungen  bei  Tag  und  Nacht,  selbst 
wenn  der  Gang  der  Wolken  oben  starke  Strömungen  verriet.  Das  Thalbecken 
liegt  zwar  hoch,  aber  ganz  geschützt  in  den  Bergen,  und  das  ist  wohl  mit  der 
Grund  fiir  die  grosse  Fruchtbarkeit  bei  solcher  Höhenlage. 


—     255     - 

Trotzdem  die  grossen  Strassen  nach  Liang-tschöu  und  Lan-tschou  durch 
dieses  Thal  führen,  sind  die  Verkehrsverhältnisse  im  allgemeinen  schlecht.  Der 
Weg  geht  vielfach  in  den  Schluchten  der  unteren  fruchtbaren  Terrasse  oder  im 
Kulturgebiete;  aber  an  manchen  Stellen  wird  er  durch  den  Fluss  oder  die 
beiden  Thalverengungen,  welche  unterhalb  von  Si-ning  fu  liegen,  auf  die  zweite 
Terrasse  oder  in  das  anstehende  Gestein,  Schiefer  und  Granit,  gedrängt,  und 
diese  Stellen  verursachen  den  armen  Lasttieren  und  Arbenpferden  wahre 
Martern.  Es  geht  jäh  hinauf,  abschüssig  hinab  und  häufig  ist  der  Boden  glatt 
oder  mit  kopfgrossen  Geröllstücken  übersäet;  auch  die  Passage  durch  die  von 
Süden  kommenden  Seitenthäler  —  der  Weg  nach  Si-ning  fu  geht  von  Lao-ya  yi 
bis  zu  dem  Städtchen  Tschan-pfe  hsien  (=  Chung-pe-shien,  Kreitner)  auf  der  linken, 
von  da  ab  aber  auf  der  rechten  Thalseite  —  mit  ihren  steilen  Ufern,  den 
Geröllbetten  und  oft  hohem  Wasserstande  ist  bei  dem  Mangel  an  Brücken  nicht 
immer  leicht.  Kurz  unterhalb  von  Si-ning  fu  fehlen  auch  nicht  Strecken  mit 
gänzlicher  Versumpfung  des  Weges  und  grossen  Flächen  stagnierenden  Wassers 
auf  demselben. 

Ebenso  unbefriedigend  steht  es  mit  den  Unterkunftshäusern  für  Mensch 
und  Tier.  Kleine,  niedrige,  schmutzige,  rauchige  Lehmhütten,  meist  unver- 
schliessbare  Thüren  und  Fenster,  keine  Decken  oder  Matten  auf  den  löcherigen 
Lehmpostamenten,  die  im  Innern  zum  Sitzen  und  zum  Lager  dienen;  damit 
muss  sich  der  Reisende  begnügen.  Für  die  Pferde  ist  oft  nur  durch  eine  längs 
der  Hofmauer  laufende  Krippe  ohne  Dach  und  ohne  Streu  gesorgt.  Meist 
treiben  sich  die  Tiere  die  ganze  Nacht  im  Hofe  herum,  da  sie  nicht  angebunden 
werden  können,  und  stören  den  trotz  Ungeziefer,  Hitze  und  schlechter  Luft 
mühsam  gefundenen  Schlaf;  dazu  dringt  ab  und  zu  ein  Schwein  oder  ein  Hofhund 
in  die  unverschlossenen  Kammern  der  Reisenden  und  wühlt  in  den  Kochkesseln, 
oder  aber  es  halten  sich  mit  Schellen  behangene  Maultiere  im  Hofe  auf  und 
erfüllen  den  Ort  mit  unaufhörlichem  Geklingel,  wenn  sie  sich  nicht  schlagen  oder 
herumjagen.  Kein  Mensch  kümmert  sich  darum,  niemand  schafft  Ruhe  oder 
Ordnung  und  es  ist  immer  in  den  schlechten,  kleinen,  oft  überfüllten  Rasthäusern 
der  gleiche  Lärm,  den  die  zankenden  und  streitenden  Chinesen  oft  mitten  in 
der  Nacht  noch  vermehren.  Vorräte,  wie  Eier  und  Fleisch,  muss  man  bei  sich 
führen,  denn  man  kann  nicht  auf  jeder  Station  darauf,  rechnen,  auch  nur  Brot, 
Eier  oder  Milch  zu  erhalten.  Selbst  in  kleineren  Städtchen  wie  Tschan- 
pS  hsien  ist  es  nicht  viel  besser,  und  auch  Si-ning  fu  bildet  nur,  was  Vorräte  und 
Lebensmittel,  nicht  aber  was  Unterkunft  anbelangt,  eine  Ausnahme. 

In  das  grosse  Si-ning-ho-Thal  münden  an  verschiedenen  Stellen  aus  dem 
nördlichen  wie  südlichen  Gebirge  grössere  Thäler  ein,  die  an  ihrer  Sohle  auch 
mit  Feldern  und  Bäumen  bestanden  sind;  primitive  Fähren  an  solchen  Stellen 
übersetzen  den  Fluss  und  es  führen  Strassen  nach  Ansiedelungen  im  Gebirge 
längs  dieser  Thäler  hinauf.  Das  mit  starkem  Gefälle  fliessende  Wasser  der 
Seitenthäler  wird  besonders  bei  dem  altertümlich  aussehenden  Städtchen  Tschan- 


—     256    — 

p^  hsien  ausgenutzt,  um  zahlreiche  Wasserräder  und  Turbinen  der  Mühlen  zu 
treiben,  und  auf  dem  grossen  Flusse  wird  Holz  in  kleinen  Flössen  von  je  einer 
Stammlänge  zu  Thale  geführt,  wobei  zwei  Leute  am  vorderen  und  hinteren  Ende 
ein  Steuerruder  bedienen.  Bei  derartig  vernachlässigten  Verkehrsverhältnissen, 
wie  sie  oben  geschildert  wurden,  fällt  die  gute  feste  Brücke  auf,  welche  einige 
Meilen  unterhalb  Si-ning  fu  an  einer  Felsenge  über  den  Fluss  führt.  Sie  beweist, 
dass  man  es  wohl  verstehen  würde,  fiir  Brücken  und  Wege  zu  sorgen,  wenn 
man  es  sich  angelegen  sein  liesse,  etwas  für  den  immerhin  lebhaften  Verkehr, 
der  von  Si-ning  fu  ausgeht,  zu  thun. 

Noch  schlimmere  Zustände  entstehen,  wenn  durch  starke  Regen,  die  keinen 
Abfluss  finden,  der  weiche  Boden  ganz  von  Wasser  durchsetzt  ist  und  in  den 
Lehmhohlwegen  grundlos  wird.  Die  Arben  sinken  dann  bis  über  die  Achsen 
ein  und  bleiben  stecken,  während  der  an  den  seitlichen  Abhängen  entlang  seinen 
Weg  suchende  Reiter  durch  das  fortwährende  Ausrutschen  des  Pferdes  in  be- 
ständiger Gefahr  ist,  zu  stürzen.  An  den  abschüssigen  Stellen  der  Lehmhohl- 
wege wieder,  wo  das  Regenwasser  Abfluss  findet,  spült  es  tiefe  Gräben  und 
Strudellöcher  in  den  Weg,  die  über  metertief  werden  können  und  bei  der  Glätte 
des  Weges  für  Wagen  und  Reiter  gleich  verderblich  werden.  Am  schlimmsten 
in  dieser  Hinsicht  sah  es  westlich  von  Si-ning  fu  auf  dem  Wege  nach  Tan-ka*r 
thing  nach  einigen  starken  Gewittern  und  mehreren  Regennächten  aus,  wo  ausser- 
dem noch  an  steilen  Abfällen  der  Lehmwände  gegen  das  tiefe  Bett  eines  vom 
südlichen  Gebirge  kommenden  Nebenflusses  Abrutschungen  stattgefunden  und 
die  Hälfte  des  Weges  mit  in  die  Tiefe  genommen  hatten,  so  dass  eine  schon 
für  Reiter  sehr  gefährliche,  für  Wagen  aber  ganz  unpassierbare  Stelle  ent- 
standen war.  Das  Hochwasser,  das  die  starken  Regen  um  die  Mitte  des  Juli 
im  Si-ning-ho-Thale  zur  Folge  hatten,  nahm  auch  zwischen  Si-ning  fu  und  Tan- 
ka*r  thing  zwei  Brücken  weg,  so  dass  der  Wagenverkehr  zwischen  diesen 
beiden  Städten  überhaupt  für  längere  Zeit  ganz  unterbrochen  war. 

Die  grosse  Hitze,  welche  vor  Mitte  Juni  fast  acht  Tage  lang  über  den 
Thälern  des  Ta-thung-ho  und  des  Si-ning-ho  gelegen  hatte,  musste  natürlich  einen 
Rückschlag  zur  Folge  haben,  der  sich  in  feuchter,  regnerischer,  aber  doch  auch 
warmer  Witterung  äusserte,  die  in  Si-ning  fu  vom  12.  bis  17.  Juli  und  wohl 
noch  länger  andauerte.  Es  waren  hier  von  Osten  das  Thal  heraufziehende 
Winde,  welche  den  Regen  brachten,  und  der  morgens  auf  den  Höhen  lagernde, 
aufsteigende  Nebel  verhinderte  jede  Fernsicht.  In  Si-ning  fu  hatte  der  Regen 
den  Strassen  das  nur  den  chinesischen  Städten  des  Lössgebietes  eigene,  äusserst 
schmutzige  Aussehen  verliehen,  und  die  niedrigen,  kleinen,  braunen  und  dunkeln, 
meist  einstöckigen  Häuser  und  Magazine  in  den  engen,  schlecht  gehaltenen 
Strassen  machten  einen  trüben,  düsteren  Eindruck. 

Schon  mehrere  Stunden  weit  unterhalb  der  Stadt  sah  man  die  lange,  ein- 
förmige Umwallungsmauer  mit  einigen  in  der  Mitte  über  den  Thoren  und  an 
den   Ecken    aufgesetzten   Giebeltürmchen.     Nachdem    man    diese    erste    Mauer 


-     257     - 

passiert  hat,  betritt  man  den  weiten  Raum  einer  Vorstadt,  der  grösstenteils  von 
Trümmern  von  Häusern  und  Gebäuden  eingenommen  wird;  längs  der  durch 
die  Mitte  führenden  Strasse  stehen  einige  Häuser,  welche  zumeist  von  Muha- 
medanern  bewohnt  sind.  Hier  befand  sich  auch  unser  enges  Quartier  am  Ende 
eines  grossen  Hofes.  Durch  eine  weitere,  starke  Mauer  gelangt  man  aus  dieser 
dunganischen  Stadt  in  die  innere,  eigentliche  Chinesenstadt,  in  der  den  Muha- 
medanern  zu  wohnen  untersagt  ist  Beim  Dunganen- Aufstand,  der  Ende  1 894  die 
Stadt  erreichte,  hatte  sie  Schweres  durchzumachen;  eine  Eroberung  durch  die 
Muhamedaner  blieb  ihr  zwar  erspart,  aber  die  Verluste  in  den  Kämpfen  kosteten 
beiden  Seiten  Zehntausende  von  Menschenleben.  Von  Chinesen  wie  Dunganen 
wurden  an  Gefangenen  die  grössten  Grausamkeiten  verübt  und  kein  Leben  geschont. 

Die  Stadt  hat  in  ihrem  Aussehen  etwas  Rauhes,  wie  es  häufig  Gebirgs- 
städten  eigen  ist,  und  unterscheidet  sich  dadurch,  sowohl  was  die  Leute  wie  die 
Gebäude  anbelangt,  wesentlich  von  dem  mehr  Wohlhabenheit  verratenden  Liang- 
tschou.  Man  sieht  auch  auf  den  Strassen  und  an  den  Thoren  mehr  Bettler 
als  sonst;  sie  sitzen  in  Reihen  da,  singend  und  bettelnd  oder  aber  mit 
stumpfem  Gesichtsausdruck  und  stumm  vor  sich  hingehaltenem,  irdenen  Napf 
zum  Empfange  der  Gaben.  Viele  haben  augenscheinliche  Gebrechen,  Geistes- 
krankheiten oder  Blindheit,  aber  belästigt  wird  man  auch  hier  nicht  von  ihnen. 
Wesentlich  zu  dem  veränderten  Bilde  des  Strassenlebens  tragen  die  zahlreichen 
Bewohner  der  weiteren  Umgebung  der  Hauptstadt  bei,  die  hierher  aus  den 
Bergen  auf  den  Markt  kommen.  Sie  tragen  eine  kurze,  weite,  bis  ans  Knie 
reichende  Hose,  ein  schuhartiges  Bastgeflecht  an  den  Füssen  und  über  einer 
losen,  weiten,  meist  blauen  Jacke  einen  Fell-  oder  Filzüberwurf,  der  bis  über 
den  Leib  herabreicht;  als  Kopfbedeckung  dient  ein  runder,  oben  spitzer 
Strohhut.     Ihre  Maultiere  und  Esel  leiten  sie  mit  langen  Stöcken. 

Die  Waren  in  den  Magazinen  sind  zumeist  dieselben  wie  in  den  andern  grossen 
Städten;  es  fehlt  auch  nicht  an  europäischen  Erzeugnissen  englischer  und  deutscher 
Herkunft.  Dagegen  bemerkten  wir  keine  Fabrikate  oder  Industrieerzeugnisse  aus 
der  Umgebung  oder  dem  Gebirge,  wenn  man  von  Töpferwaren  absieht 

Die  Stadt  ist  Sitz  eines  Gouverneurs,  und  hat  etwa  60000  Einwohner. 
Der  in  Si-ning  fu  befindliche  Ministerresident  für  Tibet  hat  die  Administration 
über  alle  nicht  chinesischen  Einwohner  der  Distrikte  des  Küke-nur,  des  Tsai-dam, 
von  Am-do  und  Nordost-Tibet  bis  zum  oberen  Laufe  des  Hoangho  und 
des  Yang-tz^-kiang.  Er  sendet  Beamte  aus,  welche  bei  den  einzelnen  Stämmen 
herumreisen  und  die  Abgaben  einsammeln,  dabei  aber  auch  sehr  viel  für  die 
eigene  Tasche  auf  die  Seite  bringen.  Alle  Händler  müssen  einen  Pass  oder 
Erlaubnisschein  lösen,  der  nur  für  kurze  Zeit  Giltigkeit  hat  und  immer  wieder 
erneuert  werden  muss.  Wenn  ein  solcher  Händler  durch  ungünstige  Umstände 
gezwungen  ist,  länger  unterwegs  zu  bleiben,  als  die  auf  seinem  Passe  angegebene 
Giltigkeitsdauer  beträgt,  so  werden  grosse  Strafen  erhoben.  Es  erwachsen  da- 
durch bedeutende  Einnahmen,    aber   der  Handel    wird    sehr    behindert.     Auch 

Futterer,  Durch  Asien.  17 


—    258    — 

die  Klöster  senden  eigene  Emissäre  aus,  welche  oft  sehr  gewaltthätig  Kontri- 
butionen eintreiben  und  mit  reicher  Ernte  zurückkehren.  In  Si-ning  fu  bestand 
auch  eine  englische  Mission,  die  aber  im  Laufe  des  Sommers  1898  iiir  längere 
Zeit  geschlossen  wurde,  da  der  eine  hier  stationierte  Missionar  sich  nach  England 
zurückbegab  und  ein  Ersatz  zunächst  nicht  vorgesehen  war.  Zwei  Tagereisen 
weiter  westlich  gegen  den  Küke-nur  hin,  in  Tan-ka*r  thing  ist  ebenfalls  eine 
Station  derselben  China  Inland  Mission  mit  einem  Missionär  und  seiner 
Frau,  der  aber  auch  im  Sommer  nach  England  zurückkehrte. 

Von  Si-ning  fu  aus  hatten  wir  zum  letzten  Male  vor  dem  Betreten  Tibets 
Gelegenheit,  Nachrichten  nach  Europa  zu  senden  und  auch  die  bisher  gemachten 
Sammlungen  nach  Han-k'ou  vorauszuschicken,  um  die  Karawane  in  Tibet  nicht 
gar  zu  sehr  zu  belasten.  Ausserdem  kam  noch  als  sehr  wesentlicher  Grund 
iiir  die  Absendung  hinzu,  dass  einer  unserer  Kosaken  sich  ein  Leiden  zugezogen 
und  längere  Zeit  verheimlicht  hatte,  so  dass  es  ganz  ausgeschlossen  war,  ihn  zu 
heilen,  als  nach  achttägiger  Behandlung  des  Kranken  die  richtige  Natur  seiner 
Krankheit  erkannt  war.  Da  er  unter  diesen  Umständen  die  Expedition  nicht 
weiter  begleiten  konnte,  blieb  Dr.  Holderer  nichts  übrig  als  ihm  einen  Wagen 
und  chinesischen  Diener  zu  mieten  und  ihn  mit  Mitteln  zur  Reise  bis  Han-k*ou 
zu  versehen,  wo  ein  Kosakenposten  bei  dem  dortigen  russischen  General-Konsul 
und  auch  Hilfe  durch  europäische  Aerzte  zu  finden  waren.  Die  Folge  zeigte, 
dass  dieser  Weg  der  richtige  gewesen  war,  und  wenn  auch  die  Reise  bis  Han- 
k*ou  lange  währte  und  dem  Kranken  manche  Unannehmlichkeiten  gebracht  haben 
mag,  so  fanden  wir  ihn  doch  bei  unserer  Ankunft  dort  über  ein  halbes  Jahr 
später  wieder  hergestellt  vor. 

Die  Lage  von  Si-ning  fu  und  seine  Umgebung  erinnern  etwas  an  Innsbruck, 
nur  fehlt  der  alpine  Charakter,  der  dieser  Stadt  eigen  ist.  Die  Bergwände  im 
Süden  und  Norden  erheben  sich  etwa  500  m  über  die  Thalsohle,  haben  auch 
einige  steil  abfallende  Felspartien,  sind  aber  sonst  rundlich  -  buckelig  in  Formen 
und  Umrissen  infolge  der  Lössbedeckung  über  dem  Grundgesteine.  Die  Berge 
sind  bis  oben  hin  von  einer  spärlichen  Grasnarbe  bedeckt;  gegen  Nordwesten 
sind  bedeutend  höhere  Bergketten  des  Nan-schan  sichtbar  durch  die  Thalein- 
schnitte; aber  Schnee  war  auch  dort  Mitte  Juli  nicht  mehr  zu  sehen,  obwohl 
die  Höhe  der  Berge  über  4000  m  beträgt.  Etwas  westlich  von  der  Stadt  Si-ning  fu 
münden  von  Norden  und  Süden  grosse  Seitenthäler  in  das  Thal  des  Si-ning-ho. 
In  dem  von  Süden  kommenden  geht  ein  grosser  Saumpfad  nach  dem  berühmten 
Kloster  Kum-bum  und  an  den  Hoang-ho  nach  Kuei-tö  hsien  (=  Quetae).  Durch 
das  von  Norden  kommende  Thal  erreicht  man  das  Kloster  Altin  und  weiterhin 
über  das  Ta-thung-ho-Thal  den  Nordrand  des  Nanschan-Gebirges  bei  Su-tschou 
oder  Kan-tschou.  Si-ning  fu  ist  auch  der  Ausgangspunkt  vieler  Pilger  und 
Karawanen,   die  nach  Hla-sa  gehen  wollen. 

Das  Thal  des  Si-ning-ho  zieht  sich  mit  breiter  Thalfläche  noch  weiter  gegen 
Westen    in  die  Höhe    und    ist    von    vielen  kleineren,    meist  aber  halb  oder  zu 


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drei  Vierteln  zerstörten  Ortschaften  besetzt.  Der  Weg  durch  das  Thal  soll  bis 
Tan-ka'r  thing  zwei  kleine  Tagereisen  westlich  von  Si-ning  fu  noch  für  Arben 
fahrbar  sein;  er  war  aber  infolge  von  einigen  starken  Gewitterregen  in  dem 
schon  oben  beschriebenen  Zustande.  So  kam  die  Karawane  am  ersten  Tage 
nur  bis  zu  einem  kleinen,  am  oberen  Ende  der  Thalerweiterung  des  Si-ning-ho 


Hauptstraase  und  Thor  In  Tan-ka'r  tUag. 

gelegenen  Orte  TschÖn-hai  p'u  und  erst  am  zweiten  Tage  mittags  nach  Tan- 
ka'r  thing,  da  infolge  anhaltender,  fast  tropischer  Gewitterr^en  während  der 
Nacht  die  Flüsse  stark  angeschwollen  und  die  Wege  stellenweise  fast  un- 
gangbar waren. 

Der  Weg  von  Tschan-hai  p'u  führt  durch  ein  enges  Felsenthal  mehrere 
Stunden  lang  aufwärts  bis  sich  das  Thal  wieder  erweitert;  dort  liegt  am  Ver- 
einigungspunkt zweier  Flüsse  in  grossartiger  Gebirgsumgebung  das  kleine 
Städtchen  Tan-ka'r  thing,  der  letzte  grössere  Ort  der  Provinz  Kan-su  gegen  den 
Küke-nur.  Die  Schlucht  selbst  wird  von  malerischen  Felspartien  aus  hohen 
Granitklippen  und  stark  gefalteten  Schiefermassen  im  Wechsel  mit  bewaldeten, 
sanfteren  Berggehängen  gebildet.    Im  breiteren  Thale  mit  grünen  Thalböden  sind 


—     26o     — 

Mühlen,  kleinere  Ansiedelungen  und  Dörfer  in  und  an  den  Lehmhügeln  angelegt. 
Ganze  Reihe  von  Wohnungen  sind  in  Höhlen  des  Lehmes  hineingebaut  und 
auch  zum  Teil  noch  bewohnt.  An  einer  besonders  hohen  und  steilen  Fels- 
wand in  der  Schlucht  sind  Felsentempel  geschaffen,  Heiligenbilder  in  Farben 
an  eine  geschützte  Felsenfläche  gemalt  und  Inschriften  sowie  ein  Opferaltar 
angebracht.  Man  wird  durch  diese  Art  der  Heiligenverehrung  unwillkürlich  an 
die  Marienaltäre  und  Muttergottesbilder  im  Tiroler  Gebirge  erinnert. 

Am  unteren  Eingang  der  Schlucht  liegt  eine  hohe  Brücke,  welche  sich 
zur  Zeit  unseres  Ueberganges  gerade  in  Reparatur  befand.  Sie  führt  den  Weg 
von  der  rechten  Thalseite  auf  die  linke  über,  auf  der  er  bleibt  und  wo  auch  Tan- 
ka*r  thing  liegt;  nach  einigen  Tagen  aber  war  die  Brücke  wieder  ganz  vom 
Hochwasser  weggerissen.  Das  Städtchen  liegt  an  den  nördlichen  Bergabhang 
angebaut  und  ist  von  einem  Tempel  überragt.  Es  ist,  wenn  möglich,  noch 
schmutziger  als  Si-ning  fu,  und  seine  engen  Strassen  gehen  steil  auf  und  ab. 
Von  den  höher  gelegenen  Teilen  der  Stadt  hat  man  einen  schönen  Blick  auf 
die  erweiterte,  fruchtbare  Thalfläche  des  von  West-Nord- West  kommenden 
Si  ningho  und  eines  kleineren,  von  Süden  her  einmündenden  Flüsschens.  Die 
hohen  Bergzüge  im  Südosten,  welche  den  Horizont  begrenzen,  bilden  die 
Wasserscheide  gegen  den  »Gelben  Fluss«.  In  westlicher  Richtung,  noch  durch 
Bergland  verdeckt,  liegt  der  grosse  See  Küke-nur  in  der  Entfernung  von  einigen 
Tagemärschen. 

Die  Stadt  hatte  früher  eine  grosse  Bedeutung-  für  den  Handel  von  und 
nach  Tibet;  aber  seit  ihrer  Zerstörung  im  Dunganenaufstande,  wobei  hier  allein 
loooo  Menschen  getötet  worden  sein  sollen,  liegt  der  Handel  darnieder  oder 
ist  nach  Si-ning  fu  verlegt.  Nur  durch  die  liebenswürdige  Unterstützung  eines 
dortigen  Missionars  der  China  Inland  Mission  gelang  es  Dr.  Holderer,  eine  Yak- 
Karawane  und  Vorräte  in  genügender  Menge  für  die  Reise  in  Tibet  mit 
grossem  Zeitverluste  zusammen  zu  bringen. 

Von  Tibet  kommen  Händler  mit  Wolle,  Häuten  von  Schafen  und  Yaks,  Salz, 
Moschus,  Heilkräutern,  Rhabarber  und  auch  Gold  und  tauschen  dafür  Baumwoll- 
und  Wollstoffe,  vielerlei  Geräte,  Gewebe,  Schuhe,  Mehl  und  Gerste,  Thee  und 
Tabak  ein.  Es  soll  aber  der  Handel  mit  Süd-China  über  Sung-p'an  thing  grössere 
Ausdehnung  angenommen  haben  und  denjenigen  mit  den  westlichen  Städten  der 
Provinz  Kan-su  sehr  schädigen. 

An  einem  Festtage,  an  welchem  die  ganze  Bevölkerung  der  Stadt  zu  den 
Tempeln  auf  den  Anhöhen  strömte,  waren  auch  tibetanische  Frauentrachten  mit 
den  Schmuckgehängen  auf  dem  Rücken  zu  sehen,  aber  nur  sehr  vereinzelt;  es 
wohnen  indessen  noch  innerhalb  der  Grenzen  von  Kan-su  Tibetaner,  die  Am- 
do-wa  und  Rong-wa  genannt  werden,  und  nicht  nomadisieren,  sondern  feste 
Wohnsitze  haben.  In  der  Nähe  dieser  Tempel  befinden  sich  auch  die  auc 
Tafel  XVIII  dargestellten  Grabstätten ,  aufweichen  die  gruppenweise  beisammen 
liegenden   Grabhügel    mit  Gedenksäulen  und  kleinen  Monumenten  geziert  sind. 


TAl'T.I.  XVIIT. 


—      26l       - 

Die  «weite  Hälfte  des  Juli  war  hier  ausgezeichnet  durch  häufige,  ausser- 
ordentlich starke  Gewitterregen,  die  meist  am  spateren  Nachmittag  oder  Ah>end, 
häufig  auch  nachts  eintraten  und  in  leichteren  Sprühregen,  die  zuweilen  bis  zum 
Mitt<^  des  folgenden  Tages  andauerten,  ausliefen.  Es  kamen  z-  B.  in  der  Nacht 
vom  19. — 20.  Juli,  während  eines  sehr  starken,  etwa  drei  Stunden  andauernden 
Gewitters  nach  Art  der  tropischen  Regen,  so  gewaltige  Wassermassen  auf  die 
Berge  in  der  nächsten  Umgebung  von  Tan-ka'r  thing  herunter,  dass  die  kleinen 
Wasserläufe  in  wilde  Bei^tröme  und  Wildwasser  sich  verwandelten,  eine  Brücke 


Mühle  mit  TurbioeD  bei  TsD-ka'i  Ihins. 

zerstörten,  an  vielen  Häusern  die  ihnen  zugewendeten  Lehmwände  einrissen  und 
sieben  Menschenleben  vernichteten.  In  dem  Wirtshaus,  das  uns  zum  Auf- 
enthalte diente,  musste  in  der  Nacht  während  des  stromenden  Regens  die  eine 
Seite  des  Hofes  geräumt  werden,  und  ein  Magazin  sowie  ein  grosser  Teil  der 
Pferdestände  wurde  von  der  wilden  Flut  verschlungen.  Zum  Glück  ging  es 
hier  ohne  Verluste  an  Menschen-  und  Tierleben  ab.  Das  Bild  der  Zerstörung  aber 
am  andern  Tage  war  schrecklich.  Ein  felsiges  Flussbett  bezeichnete  den  Weg, 
den  die  Flut  genommen  hatte;  überall  lagen  Balken  und  Trümmer,  unter  ihnen 
noch  die  Leichen  der  vom  Unglück  betrogenen  Menschen;  in  der  Mitte  aus- 
einander gerissene  Häuser,  deren  Inneres  ganz  frei  lag,  standen  am  Ufer,  und 
gestern  noch  blühende  Gärten  und  grüne  P'elder  waren  mit  wüsten,  kopfgrossen 
Gerollen  und  Steinmassen  überschüttet. 

Eine  derartige  Regenzeit    tritt  nach  der  Mitteilung  des  seit  sieben  Jahren 
ansässigen  Missionars  der  China  Inland   Mission,   Mr.  Readley,    hier  jedes  Jahr 


—      202      — 

im  Juli  ein  und  dauert  bis  Mitte  August;  die  mittlere  Tagestemperatur  ist  aber 
dabei,  trotz  der  hohen  Lage  der  Stadt  (2751  m),  nicht  niedrig,  in  den  Nächten 
geht  das  Thermometer  nur  selten  bis  -|-  1 5®  C.  herab  und  Tags  kommen  Maximal- 
temperaturen im  Schatten  bis  zu  +  24°  C.  vor,  trotz  vorhergegangenem  ausgiebigem 
Regen.  Es  sind  hier  die  Ostwinde,  welche  die  Regenwolken  das  Thal  herauf- 
bringen, aber  die  Gewitter  scheinen  häufiger  von  Westen  zu  kommen  und  man 
kann  oft  zwei  Wolkenschichten  über  einander  mit  entgegengesetzter  Bewegungs- 
richtung beobachten.  Niedrig  hängende,  dunkle  Regenwolken  kommen  von 
Ost  und  in  deren  Zwischenräumen  sieht  man  viel  höher  in  der  Atmosphäre 
silberweisse  Cirruswolken,  die  von  Westen  nach  Osten  gehen.  Die  vorherr- 
schenden Winde  an  der  Oberfläche  kommen  von  Osten,  in  der  Höhe  aber 
von  Westen.  Infolge  dieser  Witterungslage  herrscht  in  dieser  Jahreszeit  eine 
sehr  feuchte  und  warme  Atmosphäre,  die  der  Vegetation  ausserordentlich  günstig 
ist.  Es  gehen  auch  bei  Tan-ka'rthing  (2751  m)  an  den  lössbedeckten  Abhängen 
noch  Getreidefelder  hoch  hinauf,  und  über  der  engen  Schlucht  des  Si-ning-ho 
blühen  der  blaue  Enzian  und  Edelweiss  neben  andern  Formen  einer  Hoch- 
gebirgsflora. Die  breiten  Thalböden  der  Seitenthäler  auf  beiden  Seiten  des 
Si-ning-ho  sind  überall  mit  grünenden  Fluren  bedeckt  und  reich  an  Ansiede- 
lungen, von  denen  auch  hier  viele  mehr  oder  weniger  stark  zerstört  sind.  AUer- 
wärts  fuhren  Wege  durch  die  Thäler  und  zu  den  Weiden  auf  den  Höhen,  und 
das  Gebirge  hat  durchaus  keinen  ungangbaren  Charakter. 

Zahlreich  sind  auch  die  Tempel  und  Klöster  in  diesen  Gebirgsthälern,  von 
denen  Kum-bum,  der  Tempel  der  loooo  Bilder,  einige  Meilen  süd-südwestlich 
von  Si-ning  fu,  zu  den  berühmtesten  und  grössten  Stätten  lamaistischen  Kultus, 
mit  etwa  3000  Lamas  als  Insassen,  gehört.  In  den  Grenzgebieten  des  nord- 
östlichen Tibet,  wo  sich  die  Regionen  der  Hochsteppen  mit  den  Gebieten  des 
Ackerbaues  berühren,  befinden  sich  die  meisten  Klöster,  weil  dort  die  Er- 
nährungs-  und  Erhaltungsbedingungen  die  günstigsten  sind.  Auch  die  mittel- 
alterUchen  Klöster  der  katholischen  Kirche  sind  zumeist  an  den  von  der  Natur 
bevorzugten  Stellen  angelegt  Im  Bezirke  Am-do*)  allein  werden  22  solcher 
Klöster  gezählt  mit  zusammen  25000  bis  30000  Menschen,  deren  grösstes, 
La-brang  mit  5000  Lamas,  südöstlich  von  Kum-bum  liegt,  und  die  je  200  bis 
1000  Mönche  haben. 

Kum-bum  selbst  soll  noch  vor  dem  letzten  Muhamedaner- Aufstand,  bei  welchem 
aber  die  Tempel  von  Zerstörung  und  Plünderung  verschont  blieben,  7000  Lamas 
besessen  haben.  Die  Gründung  dieses  Klosters  erfolgte  durch  den  Gründer  der 
Gelupa-Sekte  oder  »Gelben  Sekte«,   der  in  der  Nähe  dieses  Klosters  1360  geboren 


•)  Unter  Am-do  versteht  man  das  berj^ige  Land  am  Ostabfalle  des  tibetischen  Hochlandes. 
Die  Grenzen  gegen  Westen  sind  geographisch  nicht  genauer  bestimmt;  das  Gebiet  erstreckt  sich 
aber  längs  der  Ostgrenze  Tibets  vom  Hoang-ho  im  Westen  bis  über  den  Meridian  von  I^-brang 
im  Osten,  und  von  der  Wasserscheide  zwischen  dem  Ta-thung-ho-  und  Si-ning-ho -Gebiete  bis  süd- 
lich zur  Wasserscheide  zwischen  Thao-ho  und  Yang-tz6-kiaug. 


—     263     — 

und  nach  Tsong,  seinem  Geburtsorte,  Tsong-ka-pa  genannt  wurde.  Er  reorganisierte 
den  Klerus  und  gewann  bald  sehr  viele  Anhänger,  wie  denn  auch  die  Gelupa-Sekte 
im  Norden  und  Nordosten  Tibets  weitaus  am  verbreitetsten  ist  und  das  Kloster 
Kum-bum  eines  der  berühmtesten  und  reichsten  Klöster  wurde,  in  dem  zu  Zeiten 
sogar  der  Dalai-Lama  residierte.  Ausser  der  gelben  Sekte  giebt  es  noch  drei 
andere,  die  sich  aber  nicht  wesentlich  durch  ihre  Dogmen  unterscheiden. 

Beschreibungen  dieser  Stätte  buddhistischen  Kultus'  sind  in  älterer  und 
neuerer  Zeit  mehrfach  und  ausfuhrlich  gegeben  worden,  so  dass  in  der  Haupt- 
sache wenig  Neues  zu  bringen  ist;  eine  kurze  Schilderung  möge  indessen 
doch  hier  Platz  finden,  obwohl  mir  das  wertvollste  Ergebnis  unseres  Besuches 
in  Kum-bum,  die  aufgenommenen  Photographieen,  verloren  gegangen  sind.  Bis- 
her waren  von  hier  nur  wenige  photographische  Aufnahmen  von  Potanin, 
Grum  Grschimailo  und  Skizzen  von  Sven  Hedin  bekannt  gemacht  worden,  und 
die  Lamas  hätten  sogar  das  Zeichnen  und  Skizzieren  untersagt;  mir  wurde  aber 
erlaubt,  mit  Ausnahme  des  Innern  der  Tempel  alles  aufzunehmen,  was  ich  wollte, 
und  ich  wurde  dabei  in  keiner  Weise  belästigt.  Es  ist  nun  merkwürdig,  dass 
gerade  das  Packet  der  photographischen  Platten,  welches  die  Aufnahmen  von 
Kum-bum  enthielt,  fehlte,  als  die  Photographien  zur  Entwicklung  in  Europa 
ausgepackt  wurden.  Bei  der  Sorgfalt,  mit  welcher  die  Platten  jeweils  umge- 
packt und  versorgt  wurden,  kann  ich  es  mir  nicht  anders  erklären,  als  dass 
jenes  eine  Packet,  nachdem  es  dem  Diener  zum  Einpacken  übergeben  worden 
war,  gestohlen  wurde,  vielleicht  auf  Veranlassung  der  Lamas.  Jedenfalls  ist  mir 
während  der  ganzen  Reise  kein  anderes  Packet  mit  Platten  verloren  gegangen 
als  gerade  dieses,  das  allerdings  bis  zur  Rückkehr  nach  Tan-ka'r  thing  einem 
chinesischen  Diener  anvertraut  werden  musste,  der  von  den  Lamas  beeinflusst 
gewesen  sein  dürfte. 

In  einer  Lössschlucht  des  hügeligen  Landes,  das  im  Vordergrunde  der 
steilen  und  zackigen  hohen  Gebirgskämme  liegt,  welche  das  Thal  des  grossen 
Gelben  Russes  auf  der  Nordseite  begleiten,  erheben  sich,  terrassenförmig  an- 
steigend und  den  ganzen  Bergabhang  einnehmend,  eine  grosse  Anzahl  von 
Gebäuden  mit  meist  flachen  Dächern,  von  denen  einige  grössere  und  reich 
geschmückte  Tempel,  die  Mehrzahl  aber  Wohnstätten  für  die  zahlreichen  Mönche 
oder  Priester  sind.  Das  Kloster  Kum-bum  bildet  so  eine  eigene  kleine  Stadt 
für  sich,  die  etwa  lo  Minuten  entfernt  liegt  von  dem  Dorfe  Lu-ssa  mit  800  Ein- 
wohnern, das  tiefer  unten  im  Thale  auf  der  linken  Seite  des  Baches  an  den 
steilen  Berghängen  erbaut  ist.  Von  den  umgebenden,  mit  kleinen  Tempelchen 
und  Wegzeichen  gezierten  Höhen,  die  sich  etwas  über  100  m  über  den  Thal- 
grund erheben,  übersieht  man  vorzüglich  Kloster  und  Dorf  und  erfreut  sich 
ausserdem  einer  grossartigen  Fernsicht  über  das  Nan-schan-Gebirge. 

Aeusserlich  und  von  weitem  gesehen  macht  das  Kloster  nicht  den  Eindruck 
eines  grossartigen  Heiligtums,  das  durch  die  architektonische  Anlage  und  die 
Schönheit  seiner  Formen  imponierte;  eine  kleine,  gotische  Kirche  sieht  würde- 


—      204      — 

voller  aus,  als  diese  Zusammenstellung  von  Lehmhäusem.  In  der  Nähe  bemerkt 
man  allerdings,  dass  viel  Mühe  und  Sorgfalt  auf  die  Verzierung  und  den  Schmuck 
der  Tempelgebäude  verwandt  ist;  aber  etwas  der  Bedeutung  dieser  Stätte  auch 
in  äusserer  Beziehung  Entsprechendes  fehlt  ihnen  durchaus,  und  das  reich 
ausgestattete  Innere  selbst  des  Hauptheiligtums,  des  goldenen  Tempels,  wirkt 
nicht  viel  besser. 

Die  Mönche,  darunter  viele  lo  bis  15jährige  Burschen,  machen  keinen 
vorteilhaften  Eindruck.  Man  sieht  sie  barhäuptig,  mit  kurz  geschorenem  Haar 
und  bartlosem  Gesichte  müssig  herumsitzen  oder  in  Gruppen  umherlungem, 
wenn  sie  nicht  gerade  durch  die  gemeinschaftlichen  Gebetsübungen  in  einem 
Tempel  festgehalten  sind.  Einige  niedere  Lamas  besserten  mit  Schaufeln  und 
Aufschüttungen  die  Schäden  aus,  welche  der  tief  eingeschnittene  Bach,  der  die 
Klosterantage.  durchfliesst,  durch  Hochwasser  verursacht  hatte.  Die  Kleidung 
der  niederen  Lamas  besteht  aus  rotbraunen  Gewändern»  über  welchen  ein  toga- 
artiger Ueberwurf  getragen  wird,  der  den  rechten  Arm  frei  lässt  Unterkleidung 
fehlt,  und  die  braune  Haut  sieht  nicht  aus,  als  würde  sie  oft  gereinigt.  Der 
Gesichtsausdruck  der  Mönche  ist  nicht  intelligent,  im  allgemeinen  gleichgiltig  und 
abgestumpft;  nur  den  Fremden  mustern  sie  mit  misstrauischer  Neugierde. 
Bei  Zeremonien  und  feierlichen  Gottesdiensten  tragen  die  höheren  Lamas  hohe, 
mit  raupenartigen  Kämmen  versehene  gelbe  Kopfbedeckungen,  die  bei  der 
roten  Lama-Sekte,  die  im  südlichen  Tibet  häutiger  ist,  rot  sind.  Selten  sieht 
man  die  Mönche  ohne  Rosenkranz  in  der  Hand. 

Ihre  Wohnungen  sind  einfache,  weiss  getünchte,  mit  ebenem  Dache  be- 
deckte Lehmhäuser,  die  sich  in  grosser  Zahl  über  den  Tempeln  an  Abhängen 
hinaufziehen.  Die  höheren  Lamas  haben  bessere  Wohnungen,  die  oft  mit 
Heiligenbildern  geschmückt  sind.  Ein  solcher  Lama,  der  uns  in  seiner  im 
zweiten  Stockwerke  eines  grossen,  bei  den  Tempeln  liegenden  Gebäudes  empfing, 
hatte  sehr  wohlwollende  und  intelligente  Züge;  er  beschenkte  uns  mit  chinesischen 
Süssigkeiten  und  erteilte  die  Erlaubnis  zum  Photographieren.  Ueber  eine  blaue 
Brille,  die  ihm  Dr.  Holderer  schenkte,  zeigte  er  sich  sehr  erfreut.  Den  Prior 
des  Klosters,  der  eine  Inkarnation  des  Buddha  oder  ein  lebender  Buddha  ist, 
bekamen  wir  aber  nicht  zu  sehen. 

Die  grösseren  Tempel  liegen  in  Gruppen  beisammen  und  sind  durch 
Höfe  oder  Durchgänge  von  einander  getrennt.  Sie  sind  zumeist  aus  Lehmmauern 
mit  Holzeinlagen  an  den  Thüren  und  flachen  Dächern  erbaut  und  oben  unter 
dem  Dache  ist  eine  breite  Lage  von  Zweigen  eingelegt,  die  rings  um  den  Bau 
herumläuft.  Diese  Eigentümlichkeit  haben  auch  die  später  zu  beschreibenden, 
ganz  ähnlichen  grossen  Tempel  bei  Kloster  Schin-se,  wie  die  Abbildung  auf 
Tafel  XXXII.  zeigt. 

Wir  hatten  unter  Führung  eines  Lamas  in  die  meisten  Tempel  Zutritt 
und  sahen  auch  den  grossen  Versammlungsraum,  in  welchem  die  gemeinschaft- 
lichen Gebete    und  Mahlzeiten  abgehalten  werden.     Es  sind  keine  Stühle  oder 


—    265    — 

Bänke  darin,  sondern  am  Boden  liegen  in  langen  Reihen  Kissen,  die  zum  Sitzen 
dienen.  Von  der  Decke  hängen  eine  grosse  Menge  langer,  bunter  Fahnen 
herab,  die  das  geringe  Licht  noch  mehr  abhalten,  so  dass  im  Räume  ein 
Halbdunkel  herrscht.  Die  grossen  Holzsäulen,  welche  die  Decke  stützen,  sind 
ebenfalls  reich  mit  Fahnen  und  Fellen  behangen.  Auch  in  den  Tempeln  ist  es 
so  dunkel,  dass  man  nur  mit  Mühe  die  Bilder  und  Darstellungen  erkennen 
kann,  und  die  kleinen,  vor  den  Götterbildern  brennenden  Lämpchen  vermögen 
nicht  genügend  die  grossen  Räume  zu  erhellen. 

An  einem  Tempel  stehen  in  Galerien  grosse  Gebetmühlen,  d.  h.  vertikale 
Cylinder,  die  um  ihre  Achse  drehbar  sind  und  goldene,  tibetanische  Buchstaben 
auf  farbigem  Grunde  tragen.  Einige  davon  stehen  für  sich  in  besonderen 
Häuschen  und  sind  wahre  Riesenexemplare  von  mehreren  Metern  Umfang 
und  Höhe.  Solche  Gebetmühlen  sind  überall  in  buddhistischen  Ländern  zu 
finden.  Oft  sind  sie  so  eingerichtet,  dass  nicht  der  Mensch,  der  betet,  sie  in 
Umdrehung  versetzt,  sondern  der  Wind  oder  das  Wasser,  so  dass  solcherart 
fortwährend  das  Gebet  zum  Himmel  emporsteigt.  Nach  Rockhill  befindet  sich 
im  Innern  des  Cylinders  auf  der  Achse  ein  langer  Papierstreifen  aufgerollt  in 
der  Weise,  dass  er  von  oben  links  nach  unten  rechts  geht.  Wenn  dann  der 
Cylinder,  wie  das  der  Gebrauch  ist,  umgekehrt  von  rechts  nach  links  gedreht 
wird,  so  folgen  sich  die  Worte  des  auf  dem  Papier  unzälilige  Male  wiederholten, 
tibetanischen  Hauptgebetes:  »Om  mani  padme  hum<  (»Oh!  das  Kleinod  im 
Lotos«)  in  der  richtigen  Reihenfolge  von  links  nach  rechts.  Es  gilt  als 
Sakrilegium,  in  umgekehrter  Weise  die  Mühle  zu  drehen,  wie  man  auch  immer 
um  die  Tempel  so  herumgehen  muss,  dass  sie  zur  rechten  Seite  bleiben. 

Die  allgemeinste  Gebetsformel  »Om  mani  padme  hum<  richtet  sich  an 
den  eigentlichen  Schutzgott  Tibets,  den  Bodhisatva  Padmapäni.  Lamas  sowohl 
wie  Laien  wiederholen  diese  ewig  gleiche  Formel  unzählige  Male  und  überall 
ist  sie  auf  den  Inschriftsteinen  der  Obo,  auf  den  Tüchern  der  Gebetflaggen  und 
in  den  Gebetmühlen  zu  finden.  Ihre  unendliche  Wiederholung  verstärkt  die 
Wirkung,  wie  auch  im  altindischen  Kultus  der  ewigen  Wiederholung  eine 
magische  Macht  zugeschrieben  wird.  Nach  der  buddhistischen  Metaphysik 
macht  das  kontinuierliche  Leben  durch  den  Tod  nur  Wandlungen  durch,  die 
sich  immerwährend  wiederholen  und  deren  Lebensverhältnisse  bei  der  Neu- 
geburt durch  die  Thaten  in  der  Vorexistenz  bestimmt  werden;  diese  sind  ent- 
scheidend für  die  Erhebung  in  einen  Himmel  oder  die  Verurteilung  zur  Hölle. 
Die  Existenz  in  den  Regionen  der  Wiedergeburt  der  Götter,  Titanen  und 
Menschen  ist  gut,  die  in  den  andern  drei  Regionen  aber  schlecht;  auch  schon 
die  menschliche  Welt  wird  in  den  Darstellungen  sehr  pessimistisch  aufgefasst, 
um  auf  den  Wert  einer  Verbesserung  hinzuweisen,  die  durch  ein  frommes 
Leben  und  die  Erfüllung  der  zahlreichen  Pflichten  gegen  die  Götter  erreicht 
werden  kann.  Die  Mani-Formel  hat  nun  nach  der  Lehre  und  dem  Glauben  der 
Lamas  die  Wirkung,  dass  sie  den  Cyclus  der  Wiedergeburten  anhalten  und  direkt 


—     266     — 

zum  Paradies  führen  kann.  Sie  ist  das  grosse  Mittel  zur  Erlösung  und  die  Quelle 
aller  Glückseligkeit,  da  jede  ihrer  sechs  Silben  eine  der  sechs  Regionen  der 
Wiedergeburt  ausschliesst.  Om  oder  »Juwel  im  Lotosc  hat  die  Wirkung  des 
Ausschliessens  der  Wiedergeburt  unter  den  Göttern,  die  nächsten  Silben 
schliessen  der  Reihe  nach  die  Welten  der  Titanen  oder  ungöttlichen  Geister, 
der  Menschen,  der  Tiere,  des  Tantalus  oder  der  gequälten  Geister  und  der 
Hölle  aus. 

In  wieder  andern  Galerien  waren  lange  Reihen  von  Darstellungen  von 
Göttern  mit  symbolischen  Attributen;  viele  hatten  schwarze  Gesichter  und  schreck- 
liche Gestalten,  denen  Menschenköpfe  auf  Spiessen  und  Reihen  von  Toten- 
köpfen beigegeben  waren.  Im  obersten  Tempel  wird  nach  Potanin  der 
Schädel  der  Mutter  des  Tson-ka-pa  als  heilige  Reliquie  aufbewahrt  und  verehrt 
Eine  Schatzkammer,  die  Rockhill  beschreibt,  wurde  uns  nicht  gezeigt.  Es 
sind  im  ganzen  etwa  acht  bis  zehn  solcher  Tempel  mit  einer  grossen  Anzahl 
von  Gottheiten  und  verschiedener  Bestimmung  um  den  Haupttempel  gruppiert. 
Dieser  zeichnet  sich  durch  sein  spitz  zulaufendes,  vergoldetes  Dach  aus  und 
nimmt  das  Hauptinteresse  in  Anspruch.  An  seiner  Front  ist  eine  breite, 
verandaartige  Galerie  angebracht,  von  der  aus  drei  grosse,  verschliessbare 
Thüröffnungen  in  den  Tempel  fuhren.  Das  Innere  ist  reich  geschmückt  und 
enthält  unter  andern  Götterbildern  eine  grosse,  vergoldete  Bronzestatue  von 
Tsong-ka-pa.  Däneben  befindet  sich  noch  ein  besonderer  Tempel  desselben 
Gottes,  dessen  Statue  von  3  Fuss  Höhe  auf  einem  grossen  Throne  ganz 
aus  Gold  bestehen  soll.  Vor  den  Bildern  sind  Opfergaben  in  Messing- 
schalen und  brennende  Butterlampen  aufgestellt.  Lange  Tempelfahnen  (Chadak) 
hängen  im  Innern  von  der  Decke  herab  und  sind  auch  an  den  Armen  der 
Götterstatuen  befestigt. 

Auf  der  Veranda  unter  dem  vorspringenden  Dachrande  des  vergoldeten 
und  eines  andern  Haupttempels  befinden  sich  Holzbretter,  auf  welchen  Pilger 
und  Lamas  ihre  Andachtsübungen  derart  verrichten,  dass  sie  sich  auf  die  Kniee 
auf  ein  Kissen  niederlassen  und,  die  Hände  auf  kleinen  Wollstücken  vor  sich 
herschiebend,  sich  auf  den  Boden  legen,  mit  der  Stirn  den  Boden  berühren 
und  dann  wieder  in  die  knieende  und  stehende  Stellung  zurückkehren,  um 
sofort  wieder  niederzuknieen,  sich  hinzulegen  und  aufzurichten.  So  geht  das 
endlos  weiter,  bis  dem  Pilger  die  Kräfte  versagen  oder  er  keine  Lust  mehr 
hat,  die  etwas  langweilige  und  sehr  ermüdende  Andachtsübung  fortzusetzen, 
was  wir  aber  nicht  abwarteten.  In  den  harten  Brettern  der  Unterlage  ist 
durch  das  seit  Jahrhunderten  unaufhörlich  fortgesetzte  Vor-  und  Zurückschieben 
der  Wollestückchen  unter  den  Händen  der  Betenden  eine  Furche  entstanden, 
die  über  5  cm  tief  ist,  der  Breite  der  Hand  entspricht  und  sich  so  weit  auf 
dem  Brett  hinzieht,  wie  ein  liegender  Mann  mit  ausgestreckten  Händen  reichen 
kann.  Solcher  ausgefurchter  Bretter  liegen  eine  ganze  Anzahl  nebeneinander 
und  unaufhörlich  sieht  man  Pilger  daran  ihr  Gebet  verrichten. 


—    267    — 

Vor  dem  Haupttempel  wurde  uns  der  heilige  Baum  gezeigt,  auf  dessen 
Blättern  früher  Schriftzeichen  und  später  Bildnisse  des  Tsong-ka-pa  von  selbst 
entstanden  sein  sollen.  Es  besteht  wohl  kein  Zweifel,  dass  diese  Zeichen  von 
den  Mönchen  auf  die  Blätter  übertragen  worden  sind,  die  aber  auch  ohne  solche 
Zeichen  an  die  Pilger  als  wunderwirkende  Mittel  verkauft  werden.  Einige  ab- 
gefallene Blätter,  die  wir  mitnehmen  durften,  zeigen  nichts  Besonderes  und  waren 
nicht  genauer  bestimmbar;  der  Baum  gehört  nach  Kreitner  einer  Syringaart  an. 
Hinsichtlich  des  heiligen  Baumes  bemerkt  Potanin,  dass  er  einen  frischen 
Zweig  bekommen  habe,  auf  dessen  Blättern  in  der  That  zerstreute  Flecken 
waren,  die  Buchstaben  ähnlich  sahen;  durch  einen  Farbstoff  waren  diese  Teile 
der  Epidermis  gelb  geförbt  und  hoben  sich  in  unregelmässigen  Umrissen  von 
dem  dunklen  Grunde  ab. 

Im  Kloster  Kum-bum  werden  an  folgenden  Tagen  hohe  Feiertage  gefeiert: 
im  ersten  und  vierten  Monat  am  14.  und  15.,  im  sechsten  Monat  am  6.,  im 
neunten  Monat  am  21.  und  im  zwölften  Monat  am  29. 

Erwähnenswert  sind  auch  die  eigenartigen  Opferteller  in  den  Tempeln, 
grosse  Steine,,  deren  Oberfläche  mit  Butter  überzogen  ibt  Die  Münzen,  die  als 
Opfergaben  bestimmt  sind,  werden  von  den  Pilgern  auf  die  Steine  aufgedrückt 
und  später  von  den  Mönchen  abgenommen.  Wir  sahen  einige  50  Münzen 
daran  kleben  und  zu  Zeiten  der  Feste  dürften  die  über  0,50  m  hohen  Steine 
ganz  damit  bedeckt  sein. 

Zur  Entgegennahme  der  Opfei^aben  an  Butter  dienen  ebenfalls  in  den 
Tempeln  aufgestellte  grosse  Gefässe  und  zahllose,  kleinere  Schälchen,  in  denen 
bei  festlichen  Gelegenheiten  unzählige  Lichter  brennen.  Rockhill  beschreibt 
auch  die  Ausstellung  eines  grossen  Reliefbildes,  das  sehr  kunstvoll  aus  Butter 
hergestellt  wird  und  bei  20  Fuss  Länge  und  10  Fuss  Breite  hunderte  von 
Figuren  enthält;  jedes  Jahr  wird  zum  Butterfeste,  das  in  jedem  Kloster,  am 
grossartigsten  aber  in  Kumbum  gefeiert  wird,  ein  neues  solches  Basrelief  her- 
gestellt, dessen  Vollendung  drei  Monate  in  Anspruch  nimmt. 

Bei  Alledem  kann  ich  doch  nur  wiederholen,  dass  der  Gesamteindruck 
nirgends  ein  so  erhebender  ist,  wie  derjenige  vieler  alten  Kathedralen  des 
westlichen  Europa,  deren  vollendete  Harmonie  der  Formen  im  schroffsten 
Gegensatze  zu  dem  bunten  Wirrwarr  buddhistischer  Tempel  steht.  Sven 
Hedin  hat  fast  mit  denselben  Worten  seinen  Gedanken  Ausdruck  gegeben, 
die  ich  in  meinem  Tagebuche  unter  dem  direkten  Eindruck  des  in  Kum-bum 
Gesehenen  niederschrieb,  und  die  sich  dahin  zusammenfassen  lassen.  Es  fehlt  diesem 
Göttertempel  der  weihevolle  Ernst,  und  trotz  allen  Reichtums  und  aller  Prachtent- 
faltung wird  man  .schon  durch  den  Fettgeruch,  die  oft  nur  schlecht  verdeckten, 
schmierigen  und  russigen  Bretterwände  und  insbesondere  durch  die  unerfreuliche 
äussere  Erscheinung  der  Priester  dieser  Götter  aus  jeder  Illusion  herausgerissen. 

Auch  der  Markt  und  das  Treiben  vor  dem  mit  Löwen  geschmückten 
Eingangsthor   zu    dem  Kloster-Gebäudekomplex,    wo  ein  schwunghafter  Handel 


—     268     — 

mit  allerlei  Gerätschaften,  die  beim  Gottesdienst  gebraucht  werden,  Rosenkränzen, 
Seidengeweben  (Chadaks),  aber  auch  Tabak,  Thee,  Pfeifen  u.  a.,  getrieben  wird, 
macht  einen  durchaus  weltlichen  Eindruck.  Ueberhaupt  wird  die  Ausübung  der 
religiösen  Vorschriften  nur  als  lukratives  Geschäft  betrieben.  Wenn  auch 
manche  grössere  Klöster  eine  Unterstützung  vom  Kaiser  in  Peking  erhalten,  an 
der  alle  graduierten  Lamas  teilnehmen,  so  reicht  das  doch  lange  nicht  aus, 
und  die  Bezahlung  fiir  Gebete,  Opfergaben  und  Vermächtnisse  müssen  das  übrige 
einbringen.  Die  Lamas  vermieten  ausserdem  Wohnungen  an  Pilger  und  fremde 
Besucher,  treiben  Handel  und  vermitteln  Geldanleihen,  wodurch  sie  besonders 
im  südlichen  Tibet  zu  einer  Geissei  des  Volkes  werden.  Sind  doch  ähnliche 
Verhältnisse  auch  in  andern  Ländern  von  seiten  der  Klöster  und  Mönche  nichts 
ungewöhnliches.     Die  Klöster  sind  reich  und  das  Volk  ist  arm. 

Ueberall  in  den  Jurtendörfern  halten  sich  zahlreiche  Lamas  auf,  die  mit  der 
FamiÜe  auf  deren  Kosten  in  deren  Zelte  leben  und  nichts  thun,  als  für  sie  die  Gebete 
verrichten.  Sie  ziehen  auch  mit  Trommel,  Buch  und  Schelle  wie  Hausierer  herum, 
um  Gebetsbedürftigen  beizustehen  und  Fleisch,  Tsam-ba  oder  Butter  in  Schaf- 
magen dafür  einzuhandeln.  Im  südöstlichen  Tibet  rechnet  Rockhill  drei  Lamas 
auf  jede   tibetanische    Familie,    und   jedes    dritte  männliche  Kind  wird  Mönch. 

Die  niederen  Lamas,  die  nur  die  fünf  niederen  Gelübde  abgelegt  haben, 
sind  nicht  an  das  Cölibat  gebunden,  dürfen  aber  im  Kloster  keine  Frauen  haben. 
Dagegen  dürfen  sie  deren  Besuch  empfangen,  z.  B.  beim  »Fest  der  Hutwahlc, 
das  zwei  bis  drei  Tage  dauert  und  selbst  ohne  lex  Heinze  als  recht  unsittlich 
bezeichnet  werden  muss.  Sie  haben  in  den  Klöstern,  wo  die  Hausregeln  strenge 
befolgt  werden,  auch  niedere  Dienste  zu  verrichten,  wie  Kochen,  Instandhalten 
der  Tempel  und  Lampen,  Besorgung  der  Pferde  u.  a.  Die  höheren  Lamas 
werden  ordiniert,  nachdem  sie  die  heiligen  Bücher  gelesen  haben,  und  geben 
Gelübde  der  Keuschheit,  Armut  und  Enthaltsamkeit  von  Spiel,  Alkohol  und 
Tabak  ab,  aber  nur  wenige  erreichen  darin  eine  gewisse  Vollkommenheit.  Aus 
der  Zahl  dieser  werden  die  Funktionäre  für  besondere  und  die  höheren  Kloster- 
würden gewählt.  Der  Prior  hat  Macht  über  Leben  und  Tod  seiner  Mönche. 
Ausser  dem  Stabe  der  Beamten  im  Kloster,  deren  Prior  entweder  von  Hia-sa 
oder  einem  andern  grossen  Kloster  den  kleineren  zugesandt  oder  von  den 
Mönchen  gewählt  wird,  sind  in  reichen  Klöstern  noch  heilige  Lamas,  die 
den  Ruf  des  Klosters  durch  ihre  Gegenwart  und  Heiligkeit  erhöhen,  ebenso 
wie  auch  die  Opfergaben  der  zu  ihnen  von  weither  wallfahrenden  Pilger. 
Ueber  80  solcher  lebender  Heiligen,  die  als  Inkarnationen  Buddhas  bezeichnet 
werden,  halten  sich  in  den  Klöstern  Am-dos,  des  Kükenur-Gebietes  und  des 
Tsai-dam  auf  und  zerfallen  wieder  in  mehrere  Rangstufen.  Den  höchsten  Grad 
aber  buddhistischer  Heiligkeit  besitzt  nur  der  Dalai-Lama  in  Hla-sa,  wo  nicht 
weniger  als  32  000  Lamas  in  verschiedenen  Klöstern  sich  aufhalten. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  zahlreichen  Einzelheiten  der  buddhistischen 
Religion,  ihre  Gebräuche  und  deren  Aehnlichkeit  mit  Einrichtungen  der  katho- 


—     269    — 

lischen  Kirche  einzugehen,  um  so  mehr,  als  ich  später  noch  Gelegenheit  haben 
werde,  ein  anderes  grosses  Kloster  zu  beschreiben,  von  dem  auch  Abbildungen 
gegeben  werden  können. 

So  interessant  und  lohnend  der  Besuch  des  Klosters  Kum-bum  war,  so 
wenig  lockte  die  Stätte  zu  einem  längeren  Aufenthalt,  und  schon  der  nächste 
Tag  sah  uns  auf  dem  Rückwege  nach  Tan-ka'r  thing.  Der  Saumpfad  fuhrt  einige 
Kilometer  vom  Hauptthale  des  Si-ning-ho  entfernt,  diesem  parallel,  quer  über 
alle  die  Thälcr,  die  von  der  Wasserscheide  gegen  den  Hoang-ho  herabkommen, 
und  die  Bei^e  zwischen  ihnen   und  bietet  eine  Fülle  wechselnder  Landschafts- 


Thnl  lies  Sl-nins-ha.  unterhalb  von  Tnn-kaT  thinR. 

bilder.  Erst  auf  den  über  3000  m  erreichenden  Höhen  im  Osten  von  Tan-ka'r 
thing  nähert  er  sich  dem  Si-ning-ho-Thale  und  steigt  jäh  in  dasselbe  hinab. 
Von  diesem  Wege  aus  übersteht  man  schon  das  Gebiet  des  Küke-nur  und 
erkennt  seine  Lage  an  der  Unterbrechung  der  Bergzüge,  wenn  auch  seine 
Wasserfläche  noch  nicht  sichtbar  ist.  Die  Höhen  zwischen  Tan-ka'r  thing  und 
Kum-bum  sind  an  geeigneten  Stellen  bis  ganz  oben  hin  mit  Ackerfeldern  be- 
deckt, und  kleinere  Dörfer  liegen  überall  hoch  über  den  Thalflächen  zerstreut  im 
Berglande.  Eine  herrliche,  alpine  Flora  schmückt  die  Raine  und  Grasflächen, 
deren  Weideplätze  einen  zahlreichen  Viehstand  erhalten.  Das  Edelweiss  ist  hier 
grösser  und  schöner,  als  es  in  den  Alpen  zu  werden  pflegt  und  bedeckt  in 
kleinen  Büschen  ganze  Halden.  In  den  Thälern  liegen  inmitten  blühender  Fluren 
viele  Dorfer  mit  ihren  nie  fehlenden  Festungen  aus  Lehmmauern,  sowie 
zahlreiche  Mühlen  an  den  Wasserarmen.    Es  ist  ein  reiches  und  gesegnetes  Land, 


—      270      — 

das  hier  mitten  in  der  Bergwelt  des  Ku^n-lun  liegt,  in  Höhen,  in  denen  in  Europa 
schon  ansehnliche  Alpengipfel  thronen,  an  deren  Abhängen  nur  noch  für  kleine 
Sennereien  Raum  übrig  bleibt. 

Es  sind  hier  eben  überall  noch  tertiäre  Sandsteine  und  die  darüber 
lagernden,  mächtigen  Lösse,  der  vom  Winde  herbeigeführte,  fruchtbare 
Staub,  welche,  fast  alle  schroffen  Stellen  der  Bergseiten  und  deren  festes 
Felsgerüst  verhüllend,  sanfte,  gerundete  Bergformen  erzeugen,  die  der  Agri- 
kultur günstig  sind  und  einen  Anbau  bis  hoch  hinauf  ermöglichen.  Nur  in 
den  tieferen  Teilen  der  Gehänge  hat  zuweilen  ein  Fluss  die  verdeckten  Granite 
und  Schiefer  des  Innern  freigelegt.  Auch  in  den  hohen  Gebirgsteilen  bei 
Tan-ka'r  thing  giebt  es  enge  Felsschluchten  mit  wild  schäumenden  Wassern, 
die  allen  Löss,  soweit  er  überhaupt  da  war,  wieder  entfernten.  Hierher 
gehört  die  enge  Schlucht  des  Si-ning-ho  unterhalb  jener  Stadt;  in  derselben 
fehlen  aber  nicht  Löss-  und  Lehmablagerungen  an  geschützten  Stellen,  wo  das 
Wasser  sie  nicht  erreichen  kann. 

In  dem  breiten  Hochthale  oberhalb  von  Tan-ka*r  thing  ist  ebenso  wie  auch 
in  dem  grösseren  Seitenthale,  das  sich  dort  nach  Süden  und  Südwesten  öffnet 
der  Ackerbau  noch  vorherrschend  über  das  Wiesenland  der  Thalböden  und 
die  hoch  gelegenen  Grasflächen  auf  den  breiten  und  gerundeten  Bergrücken.  Es 
sind  überall  noch  reichlich  feste  Ansiedelungen  aus  Lehmhütten  und  starke 
Mauern  zum  Schutze  der  Dörfer  errichtet;  den  Zelten  der  Nomaden  begegnet 
man  nur  da,  wo  Karawanen  mit  Yaks  aus  dem  Gebiete  des  Küke-nur  oder 
noch  weiter  gelegenen  Teilen  Tibets,  wie  z.  B.  aus  dem  Tsai-dam,  zum  Verkaufe 
von  Fellen  und  Wolle  heruntergezogen  sind.  Grosse  Herden  von  über  300 
Stück  Vieh  kommen  so  an,  mit  etwa  20  Mann  Begleitung,  die  nach  voll- 
zogenem Verkaufe  und  Eintausch  von  Thee,  Gerste  und  Geräten  wieder  in  die 
Heimat  zurückkehren. 

Dass  diese  Söhne  der  wilden  Hochflächen  an  Verschlagenheit  und  Betrügerei 
ihren  chinesischen  Nachbarn  in  Nichts  nachstehen,  kann  man  beim  Ankauf 
der  Yaks  sehr  wohl  erfahren.  Nicht  nur  treiben  sie  die  guten,  starken  Tiere 
weg  und  zeigen  nur  die  schlechten,  um  diese  zuerst  loszuschlagen,  sondern 
sie  überkleben  auch  wunde,  eiternde  Stellen  auf  dem  Rücken  so  geschickt 
mit  Wolle  desselben  Tieres,  dass  erst  Tage  nach  dem  Ankauf  der  Betrug 
entdeckt  wird. 

Durch  das  oben  schon  erwähnte,  südlichfe  Seitenthal  des  Si-ning-ho  fuhrt 
der  grosse  Weg  zum  Küke-nur.  Bis  zum  Passe,  der  dieses  Thal  mit  dem  schon 
zu  diesem  See  sich  wendenden  Taotan-ho  (=  Ara-gol)  verbindet,  hat  das  Land, 
was  Besiedelung  und  Bodenkultur  anbelangt,  denselben  Charakter  wie  das 
Thal  des  Si-ning-ho.  Im  unteren  Teil  liegen  zahlreiche  Ortschaften  und  Tempel, 
an  den  Bergen  sind  Weizen  und  Hafer  angebaut,  und  längs  des  Flusses  und  der 
Seitenarme  stehen  grüne  Alleen  von  Pappeln.  Die  Wasserkraft  wird  von  zahl- 
reichen Mühlen    ausgenutzt. 


—     271      — 

Die  Anlage  einer  solchen  Mühle  an  der  Gren2e  der  Kultur  und  des  unwirt- 
lichen Tibet  ist  so  einfach  und  doch  sinnreich,  dass  es  lohnend  erscheint,  sie 
näher  zu  betrachten.  Das  Aeussere  ist  immer  dasselbe  wie  das  der  von 
Tan-ka'r  thing  abgebildeten  Mühle  (siehe  Seite  261,  mit  dem  Unterschiede,  dass 
meist  nur  liir  ein  Rad  genügend  Wasser  vorhanden  ist.  Im  Innern  ist  in  Tisch- 
höhe  über  dem  Boden  ein  grosser  runder  Mahlstein  auf  die  vertikale  Welle  des 
Turbinenrades  aufgesetzt,  der  sich  mit  dieser  dreht  Ein  zweiter,  ebenso  grosser 
Stein,  der  in  der  Mitte  eine  grosse  Durchbohrung  besitzt,  ist  vermittelst  Seilen 
und  Stäben  an  der  Decke  des  niederen  Raumes  so  befestigt,  dass  er  sich  genau 
horizontal  und  in  der  nötigen,  kleinen  Entfernung  über  dem  unteren,  sich  drehenden 
Mahlstein  befindet.  Durch  seitliche  Verbindung  ist  er  so  festgehalten,  dass  er 
nicht  durch  die  Rotation  des  unteren  Mahlsteines  aus  seiner  Lage  bewegt  werden 
kann.  Die  zu  mahlende  Frucht  (Weizen  oder  Erbsen)  befindet  sich  in  einem  aus 
Fellen  genähten,  trichterförmigen  Sacke  über  der  zentralen  Oeffnung  des 
oberen  Steines  und  fallt  durch  diese  auf  den  unteren  Stein  und  auf  die  Mahl- 
fläche.    In    Ledersäcken    wird    das    fertige    Mehl    aufgefangen     und    bewahrt. 

In  fast  allen  Ortschaften  sieht  man  auch  hier  noch  die  Spuren  der  Dun- 
ganen-Aufständc;  manche  Dörfer  sind  nur  verlassene  Trümmerstätten.  Einzelne 
Höfe  sind  mit  starken  Schutzmauern  umgeben,  und  öfter  haben  sich  mehrere 
Familien  zusammengcthan,  ihre  Wohnhäuser  dicht  neben  einander  gebaut  und 
eine  gemeinsame  Schutzmauer  errichtet,  wo  die  exponierte,  vom  Dorfe  entfernte 
Lage  dies  nötig  machte.  Die  Einrichtung  im  Innern  ist  dann  folgende,  wenn  wir 
einen  solchen  geschützten  Bauernhof  bei  Golien-tschuo,  noch  im  unteren  Teile 
des  Seitenthaies,  etwa  7  km  von  der  Stadt  Tan-ka'r  thing,   als  Beispiel  nehmen. 


T  Bnuemhof  la  Golim-Ischuo  bei  TaD-kH'r  (hinf;. 
1  b  Wohnräume    t  Stall    d  Vornliraum    «  KUcha    g  o 


—      2/2      — 

Die  Gebrauchsgegenstände  und  Geräte  unterscheiden  sich  nicht  von  den  in  Tan- 
ka'r  thing  und  sonst  aus  dem  Nan-schan  beschriebenen. 

Oberhalb  des  erwähnten  kleinen  Ortes  Golien-tschuo  verengt  sich  das 
Flussbett  zu  einer  schmalen,  malerischen,  etwa  5  km  langen,  mehrfach  gewun- 
denen Schlucht  im  Granit-  und  Schiefergebirge.  Besonders  die  von  grellfarbigen 
Flechten  überzogenen,  oft  ausgehöhlten,  mächtigen  Granitblöcke  und  ganze 
aus  solchen  Quadern  aufgebaute  Thalvorsprünge  und  Bergkuppen  geben  dem 
Thale  mit  seinem  wasserreichen,  schäumend  zwischen  und  über  gewaltigen 
Granitblöcken  seinen  Weg  suchenden  Flusse  einen  pittoresken  Reiz.  Der  Weg 
findet  nur  mit  Mühe,  bald  unten  am  Ufer,  bald  an  den  seitlichen  Abhängen,  Raum 
genug,  und  an  manchen  Stellen  können  nicht  zwei  beladene  Lasttiere  neben 
einander  passieren.  Uebrigens  herrscht  ein  sehr  lebhafter  Verkehr  durch  dieses 
Thal.  Es  sind  besonders  Schaffelle  und  Rinder-(Yak-)häute,  die  vom  Küke-nur- 
Gebiet  und  Tibet  hier  herabgebracht  werden  und  nach  dem  Osten  Chinas,  ja 
bis  nach  Europa  gehen.  Wie  stark  der  Export  aus  Tibet  sein  muss,  geht  da- 
raus hervor,  dass  im  Laufe  von  vier  Stunden  nicht  weniger  als  44  über  und 
über  mit  Fellen  beladene  Esel,  Maultiere  oder  Pferde  vorbeikamen  und  jedes 
dieser  Tiere  dürfte  40 — 50  Felle  getragen  haben.  Rockhill  sagt,  dass  die 
Yaks  dieselbe  Last  tragen  wie  die  Esel  (160  Pfund).  Die  Esel  aber  gingen 
rascher  und  betrügen  sich  auf  dem  Wege  würdiger  als  die  Yaks,  die  wilde 
Tiere  seien,  gerade  so  wie  ihre  Herren.  Damit  hat  er  sehr  recht.  Unsere  Yak- 
karawane machte  Dr.  Holderer  fortwährend  zu  schaffen.  Bald  waren 
Tiere  auf  dem  Marsche  wegen  Erschöpfung  zurückgeblieben,  bald  konnten  sie 
wegen  tiefer  Druckwunden  auf  dem  Rücken  nicht  mehr  beladen  werden,  und 
der  Ersatz  war  kostspielig  und  nicht  immer  leicht.  An  den  Druckwunden 
waren  zumeist  die  eisernen  Kisten  schuld,  die  eine  den  Tieren  ungewohnte 
Last  waren  und  nicht  zu  den  kleinen  Bocksätteln  passten.  Sie  sind  sonst  nur 
gewohnt,  weiche  Ledersäcke  oder  Häute  zu  tragen. 

Das  Beladen  der  Karawane  morgens  nahm  immer  mehrere  Stunden  in 
Anspruch,  so  dass  sie  häufig  erst  um  9  oder  10  Uhr  zum  Abmarsch  kam  und 
dann  je  nach  den  Entfernungen  der  geeigneten  Lagerplätze  bis  in  den  Nach- 
mittag hinein  unterwegs  war.  Die  noch  übrige  Zeit  des  Tages  blieben  die 
Yaks  und  Pferde  auf  den  Weideplätzen.  Bei  Einbruch  der  Dunkelheit  wurden 
sie  zum  Lager  zurückgetrieben  und  an  einem  um  dasselbe  gezogenen  und  am 
Boden  mit  eingeschlagenen  Haken  befestigten  Seile  während  der  Nacht  an- 
gebunden. Sie  benahmen  sich  oft  sehr  unruhig,  rissen  sich  los,  liefen  umher 
und  stolperten  dabei  über  die  Seile,  mit  welchen  unser  Zelt  am  Boden 
verankert  war. 

Im  Interesse  regelmässiger,  meteorologischer  Beobachtungen  suchte  ich 
möglichst  um  die  Mittagszeit  mit  Hilfe  der  Führer  den  neuen  Lagerplatz  zu 
erreichen,  um  auch  am  Nachmittage  noch  Ausflüge  auf  Berge  und  geologische 
Studien  in  der  Umgebung  machen  zu  können.     Häufig  aber  gelang  das  leider 


—     273     — 

nicht,  weil  mein  Kosake,  der  einzige,  der  noch  zur  Hilfe  bei  den  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  mir  zur  Verfugung  stand  —  der  andere  hatte  die  Karawane  zu 
begleiten  und  zu  beaufsichtigen  —  beim  Aufbnich  mit  allen  möglichen  andern 
Sachen  beschäftigt  war  und  mich  stundenlang  warten  Hess.  Dadurch  wurde 
eine  störende  Unregelmässigkeit  der  meteorologischen  Aufzeichnungen  der 
Mittagszeit  bedingt,  während  die  Morgen-  und  Abendlesungen  pünktlich  erledigt 
werden  konnten. 

Oberhalb  der  Engschlucht  wird  das  Thal  wieder  weiter,  hat  eine  mehr 
nach  Westen  gerichtete  Erstreckung  und  trägt  wieder  teils  besiedelte,  teils 
verlassene  Ansiedelungen    am   Ausgange  von  Neben thälchen.     Hier  reicht  aber 


Dorf  Uonkjr-siLmo  uulcrhnlb  vnn  Schiilnkiito. 

das  Ackerland  nicht  mehr  hoch  an  den  Berggehängen  empor,  das  Weideland 
überwiegt,  und  eine>  Grasdecke  überzieht  das  sanfte  Berggehänge  auf  der 
Nordseite. 

Auf  der  südlichen  Thalseite  kommen  auch  in  jähen  Klippen  die  Gesteine 
des  Grundgerüstes,  Konglomerate  der  Steinkohlenformation,  an  die  Oberfläche 
und  unterhalb  des  Dorfes  Schalakuto  bilden  sie  mit  zahlreichen  Windhöhlungen 
und  Erosinnserscheinungen  eigentümliche,  fremdartig  anmutende  Felswände  und 
merkwürdig  gestaltete  Nischen  und  Wirbcilöcher  an  den  ins  Thal  herabsteigenden 
Bergkämmen.  Im  breiten  Thale  selbst  und  an  den  westlichen  Abhängen  ver- 
ursacht immer  noch  eine  starke  Lehmbedeckung  sanftere  Gehängebildung  und 
giebt  die  Bedingungen  für  Ackerbau.  Für  diesen  ist  aber  die  obere  Grenze 
durch  das  3375  m  hoch  gelegene  Dorf  Schalakuto  bestimmt.    Das  Thal   macht 


—    274    — 

hier  eine  scharfe  Umbiegung  nach  Osten  und  ist,  wie  auch  ein  aus  südwestlicher 
Richtung  herabluhrender  Thalzweig,  dem  von  nun  an  der  Weg  auf  den  Pass 
zum  Küke-nur-Gebiet  folgt,  fast  ausschliesslich  von  üppigem  grünem  Weide- 
land eingenommen. 

Das  Dorf  Schalakuto  ist  die  letzte  bewohnte,  feste  Ansiedelung  mit  nur 
einer  Strasse,  in  der  einige  armselige,  chinesische  Kaufläden  sich  befinden,  und 
einer  an  einem  isolierten  Hügel  sich  hinaufziehenden  Tempelanlage,  von  deren 
verschiedenen  Gebäuden  das  am  höchsten  gelegene  dem  liebenswürdigen  Stadt- 
oberhaupte zur  Wohnung  dient  Aber  ein  Serai  für  Fremde  besitzt  der  Ort 
schon    nicht    mehr  und  wir  bUeben  bei  der  Yakkarawane  in  einem  nach   vorn 


Höhlungen  in  Konglomeratfelien  im  Thale  unterhalb  tod  Schalakuto. 

offenen,  kleinen  Raum  an  einer  Seite  des  mauerumgebenen  Hofes,  in  welchem 
die  42  Lasttiere  und  das  Reisegepäck  sowie  unsere  Pferde  leerten. 

Die  Bevölkerung  umstand  uns  neugierig  und  staunend.  Fast  ebenso  zahl- 
reich wie  echte  Chinesen  waren  unter  der  Menge  die  Tibetaner  vertreten,  mit 
gebräunten  Gesichtszügen,  spitzen,  dreieckigen,  trichterartigen  Hüten,  grossen, 
als  Amulette  um  den  Hals  gehängten  Bronzebüchsen  und  weiten  Filz-  oder  Tuch- 
überwürfen. Manche  verwitterte,  wetterharte  Gestalt  stach  vorteilhaft  gegen  die 
bleich  und  schwächlich  aussehenden  Chinesen  ab. 

Schon  von  der  Engschlucht  an  hat  sich  die  alpine  Flora  gemehrt.  Herrhche 
violette  Enziane  und  ganze  Büsche  von  Edelweiss  mit  grossen  Blütensternen 
erfreuen  das  Auge.  Die  Leontopodium  sibiricum  Cass.,  L.  Futteren  Diels, 
Bupleurum  longicaule  Wall,  die  sehr  häufige  weisse  Anthenaria  lactea  Max  und 


-     275    — 

Pleurogyne  tnacracantha  Diels  und  Gilg  waren  alle  später  auch  in  den  Steppen- 
gehängen der  tibetanischen  Hochflächen  zu  finden.  Bäume  oder  Sträucher  sind 
im  oberen  Teil  des  Thaies  verschwunden,  ebenso  die  Erzeugnisse  des  Ackerbaus. 
In  den  Lüften  ziehen  gfrosse  Adler  ihre  Kreise,  Schwärme  von  Stechmücken 
belästigen  auf  dem  feuchten  Grasboden  Mensch  wie  Tier,  und  der  flüchtige  Fuss 
der  Gazelle  eilt  über  die  weiten  Flächen.  Aus  dem  oberen  Thale  des  Si-ning-ho 
und  den  Grenzgebieten  gegen  den  Küke-nur  hin  befinden  sich  in  den  zoolo- 
gischen Sammlungen  von  Vögeln  Hirundo  nipalensis,  Charpodaeus  erythrinus, 
Charadrius  dubius,  Anthus  Richardi,  sowie  ein  Wiesel  Putorius  astutus.  Hier 
begegnet  man  schon  zahlreichen  Yakherden,  neben  Rindern,  Schafen  und 
Pferden,  und  die  in  dem  Thälchen  gegen  den  Pass  hinauf  häufigen,  dunkeln 
Jurten  oder  Zelte  der  Tanguten  inmitten  der  grossen  Herden  künden  den 
Ueberg^ng  zu  einem  neuen  Kultur-  und  Vegetationsgebiet  an,  zu  dem  der 
Steppe  und  der  Nomaden. 


18» 


l>le  chiDcalschcn  Führer  der  Bxpeililion  Im  KUkc-n 


KAPITEL  VIII. 


Das  Küke-nur-Qebiet. 

So  haben  wir  ihn  denn  glücklich  erreicht,  den  grossen,  hochgelegenen 
tibetanischen  See,  nach  dem  wir  uns  so  lange  gesehnt,  der  uns  auf  meilenweiten 
Tagesritten,  auf  anstrengendem  Wüstenmarsche  und  in  den  sonnendurchglühten 
Thälern  des  Nan-schan  als  vcrheissungsvollcs  Ziel  vorgeschwebt  hatte.  Sein 
Anblick  und  der  Aufenthalt  in  seiner  Umgebung  sollte  der  Preis  sein  für 
die  nun  schon  dreiviertel  Jahre  dauernde  Reise,  für  alle  die  Mühen,  Wider- 
wärtigkeiten und  Gefahren,   die  sie  uns  gebracht  hatte. 

Es  ist  schwer  zu  beschreiben,  mit  welchen  Gefühlen  man  den  eigenartigen 
See  nach  so  langer  Zeit  der  Erwartung  vor  sich  liegen  sieht.  Nicht  landschaft- 
licher Reiz,  nicht  die  romantische  Umgebung,  die  wir  an  den  Schweizer  und 
italienischen  Gebirgsseen  bewundern,  auch  nicht  die  hohe  Lage  über  dem  Meer, 
von  der  man  kaum  etwas  wahrnimmt,  wenn  man  von  einer  Anhöhe  herab  auf 
seinen  blauen  Spiegel  herniederblickt,  sind  es,  welche  diesen  See  so  anziehend 
machen.  Es  ist  die  Gesamtheit  des  Bildes,  von  den  Formen  der  Erdoberfläche 
und  deren  Gebirgscharakter  an  bis  zu  den  Eigentümlichkeiten  der  Tier-  und 
Pflanzenwelt,  den  Lebensbedingungen,  welche  die  Menschen  hier  flnden  und 
den  Sagen,  die  sich  mit  ihm  verknüpfen,  welche  in  Jeder  Weise  unser  Interesse 
erregen  und  festhalten. 


—     277     — 

Die  buddhistischen  Bewohner  des  Küke-nur-Distriktes  schreiben  dem  See 
einen  überirdischen  Ursprung  zu.  Vor  sehr  langer  Zeit  sollte  in  Hla-sa  ein  Tempel 
zu  Ehren  Buddhas  gebaut  werden,  der  aber  immer  wieder,  wenn  er  fast  seiner 
Vollendung  entgegengeführt  war,  zusammenstürzte.  Ein  prophetischer  Lama 
erklärte,  dass  ein  Heiliger,  der  im  fernen  Osten  lebe,  allein  um  die  Ursache 
dieser  Erscheinung  wisse,  und  dass  die  Errichtung  des  Tempels  nicht  eher 
möglich  sei,  als  bis  man  das  Geheimnis  von  ihm  erfahren  habe.  Ein  ausge- 
sandter Lama  bereiste  jahrelang  alle  buddhistischen  Klöster  und  heiligen  Stätten, 
bis  er  endlich  in  den  Steppen  an  der  Grenze  von  China  und  Tibet  einen 
alten,  blinden,  frommen  Mann  fand,  der  aus  Zufall  ihm  erzählte,  welche  Be- 
wandtnis es  mit  dem  Tempel  habe.  Unter  dem  Platze,  wo  der  Tempel  gebaut 
werden  solle,  befinde  sich  nämlich  ein  unterirdischer  See.  Dieser  aber  würde 
verschwinden  und  die  Gegend,  wo  der  Greis  wohnte,  überschwemmen,  sobald 
ein  tibetanischer  Lama  das  Geheimnis  erführe.  Der  tibetanische  Lama  entfloh 
und  in  der  That  öffnete  sich  in  der  Nacht  die  Erde  und  unter  Beben  und 
unterirdischem  Donner  strömte  Wasser  hervor,  das  die  ganze  Ebene  überflutete. 
Dann  schickte  Gott  einen  grossen  Wundervogel,  der  mit  einem  aus  dem  Nan- 
schan-Gebirge  gerissenen  grossen  Felsblock  die  Oeffnung  verschloss;  dieser  ist 
heute  noch  sichtbar  als  Insel  im  See. 

Obwohl  der  See  von  allen  Seiten  her  Zuflüsse  erhält,  hat  er  keinen  Ab- 
fluss  nach  den  benachbarten  Flusssystemen  des  Si-ning-ho  und  des  oberen  Hoang- 
ho,  von  welch'  letzterem  er  nur  durch  eine  sehr  niedere  Landverbindung  in 
südöstlicher  Richtung  getrennt  ist;  würde  der  Seespiegel  nur  um  etwa  loo  m 
steigen,  so  müsste  das  schwach  salzige  Wasser  nach  dorthin  abfliessen. 

Die  Bevölkerung  im  ganzen  Küke-nur-Gebiete,  aber  auch  noch  darüber 
hinaus  bis  südlich  zum  oberen  Hoang-ho  und  seinen  Quellgebieten  im  Westen 
bis  zum  Tsai-dam,  besteht  vorwiegend  aus  Kara- Tanguten  oder  »schwarzen  Tan- 
guten c,  ein  Name,  der  wahrscheinlich  von  ihren  schwarzen  Zelten  abgeleitet  ist. 
Tangutische  Stämme,  die  aber  ansässig  sind,  bevölkern  noch  Teile  des  Nan- 
schan  und  auch  das  westliche  Kan-su  im  Distrikte  von  Si-ning  fu  und  südlich 
davon,  das  als  Am-do  bekannte  Grenzgebiet;  nach  Prschewalskij  sind  sie  ein 
tibetanischer  Volksstamm.  Kräftige  mittelgrosse  Gestalt  mit  breiten  Schultern, 
dunkle  Hautfarbe,  gerade,  etwas  breite,  stumpfe  Nase,  vorstehende  Backen- 
knochen und  wenig  schräg  gerichtete  Augen,  schwarzes  Haupt-  und  Barthaar, 
welch  letzteres  aber  meist  rasiert  ist,  und  grosse  aufgeworfene  Lippen  charak- 
terisieren dieses  Volk,  das  aber  in  sich  wieder  Unterschiede  besitzt.  So  stehen 
die  Kara-Tanguten  dem  mongolischen  Typus  näher;  sie  sind  kräftiger  gebaut 
und  dunkler,  unterscheiden  sich  aber  von  den  Tibetanern,  nach  Prschewalskij 
durch  breites  Gesicht,  abstehende  Ohren  und  etwas  schiefstehende  Augen. 

Im  Küke-nur-Gebiete  und  weiter  im  Süden  haben  sie  nur  Zeltlager,  die 
sie  entweder  in  langen  Reihen  an  den  Bergabhängen,  an  den  Eingängen  in 
schützende  Nebenthäler  oder  aber  auch  in  kreisförmiger  Anordnung  auf  ebenen 


—    278    — 

Thalflächen  aufstellen;  solche  Anordnungen  zeigen  verschiedene  der  Ab- 
bildungen. 

Tanguten  ist  ein  mongolischer  Name.  Die  Chine3en  nennen  sie  Fan-tzß 
(Barbaren)  und  sie  selbst  nennen  sich  innerhalb  des  noch  zur  Provinz  Kan-su 
gehörigen  Gebietes  Am-do,  Am-do-wa.  Sie  haben  hier  fruchtbare  Thäler  inne 
und  treiben  auch  Ackerbau;  weiter  im  Westen  aber  sind  sie  ausschliesslich 
Nomaden  und  nennen  sich  Panak'a.  Diese  letzteren  haben  zwei  Hauptfiirsten, 
einen  im  Norden  des  Küke-nur  und  einen  andern  fast  ganz  unabhängigen  im 
Süden  desselben.  Ihr  Hauptreichtum  sind  Schafe,  Vieh,  Yaks  und  Pferde,  Ka- 
mele sind  sehr  selten.  Ihre  Lebensweise,  Sitten  und  Charakter  werden  im 
Folgenden  an  verschiedenen  Stellen  zu  beschreiben  sein,  da  die  Reise  vom 
Küke-nur  bis  ins  obere  Thao-Thal  durch  hauptsächlich  von  diesen  schwarzen 
Tanguten  bevölkertes  Land  ging. 

Ausser  diesen  Kara-Tanguten  leben  im  Küke-nur-Gebiete  Mongolen,  die 
zu  dem  im  Ala-schan  verbreiteten  Stamme  der  Olüten  gehören,  und  auch  in 
geringer  Zahl  Chinesen,  die  sich  mit  den  Kara-Tanguten  assimiliert  haben. 

« 

Die  Kara-Tanguten'  gelten  als  sehr  räuberisch  und  werden  ebenso  wie 
von  den  Pilgerkarawanen,  die  den  Weg  von  Si-ning  fu  nach  Hla-sa  durch  das 
Küke-nur-Gebiet  nehmen,  wie  von  den  Forschungsreisenden  gefürchtet,  da 
sie  zugleich  mutig  und  energisch  sind.  Sie  sind  nicht  so  gastfreundlich  wie  die 
Mongolen,  aber  mutiger  und  auch  räuberischer  als  diese.  Ihre  Bewaffnung, 
die  aus  Gabelgewehren  mit  Zündschnur,  Handschwertern  und  Lanzen  be- 
steht, ist  jedenfalls  besser  als  die  vieler  chinesischer  Soldaten,  die  wir  sahen, 
und  durch  die  Unbilden  des  Klimas,  den  harten  Winter  und  die  primitiven 
Zeltwohnungen  sind  sie  ebenso  sehr  abgehärtet  wie  ihre  Pferde.  Sie  sind  alle 
Buddhisten  und  stellen  ein  grosses  Kontingent  der  Lamas  in  den  Klöstern  an 
den  Grenzgebieten  gegen  Kan-su  und  Ssä-thschuan.  Monogamie  ist  die  Regel, 
doch  werden  auch  Nebenfrauen   noch  gehalten. 

Nicht  nur  die  im  Tangutenlande  lebenden  Mongolen,  auch  die  Bevölkerung 
der  Grenzdistrikte  stehen  unter  dem  Drucke  der  Kara-Tanguten,  die  sich  auch 
nicht  den  mongolischen  kleinen  Fürsten,  Wan,  deren  mehrere  im  Küke-nur- 
Gebiete  sind,  unterordnen.  Die  Mongolen  leben  mehr  für  sich  und  isoUert;  sie 
sind  gutmütig,  aber  geistlos,  energielos  und  gleichgiltig;  dabei  sind  sie  sehr 
fromm  und  murmeln  unaufhörlich  Gebete  vor  sich  hin.  Infolge  der  Bedrückung 
durch  die  Tanguten  werden  ihrer  immer  weniger. 

Noch  ein  weiteres  Bevölkerungselement,  das  ebenso  im  Distrikte  von 
Sining  fu  wie  am  Küke-nur  in  Nordost-Tibet  und  am  oberen  Hoang-ho  in 
zerstreuten  Ansiedelungen  verbreitet  ist,  sind  die  Salären  (Salyren).  Sie  sind 
muhamedanisch  und  Hessen  sich  zur  Zeit  der  Mingdynastie  in  den  Gebieten 
zwischen  Si-ning  fu  bis  gegen  Thao-tschöu  und  Min-tschou  und  dem  Hoang-ho 
nieder.  Prschewalskij  hält  sie  für  Verwandte  der  Kara-Tanguten;  Rockhill  aber 
zählt  sie  ihrer  Sprache  nach  zu  den  türkischen  Stämmen. 


—     279    — 

Andere  Muhamedaner,  die  Scharba  genannt  werden  und  unternehmender 
sind  als  die  Chinesen,  kommen  als  Händler  aus  Sung-p'an  thing,  bereisen  das 
Grenzgebiet  von  Tibet  zu  Handelszwecken  und  haben  Niederlassungen  an  weit 
vorgeschobenen  Posten  innerhalb  der  tibetanischen  Grenzen.  Sung-p*an  thing 
ist  ein  wichtiger  Handelsplatz  und  hat  fiir  Ost-Tibet  eine  ähnliche  Bedeutung 
wie  Tan-ka*r  thing.  Von  hier  gehen  als  Waren  in  Karawanen  nach  Tibet  Thee, 
Tassen,  Stoffe,  Leinenwaren  und  Schmucksachen  (Korallen),  während  die  Tan- 
guten, die  hier  schon  vielfach  sich  zum  Bönbo-Glauben  bekennen,  Holz,  Hühner, 
Eier,  Heu  nach  der  Stadt  verkaufen. 

Von  dem  Passe  aus,  der  das  Flussgebiet  des  Si-ning-ho  über  Schalakuto 
mit  dem  des  abflusslosen  Küke-nur  verbindet,  hat  man  einen  ausgedehnten 
Ueberblick  auf  das  breite  Thal  des  Taotan-ho,  der,  unweit  des  Passes  ent- 
springend, nach  Westen  dem  See  zufliesst,  und  auf  das  Gebirge  im  Süden  des- 
selben, das  nach  Osten  gegen  das  Thal  des  gelben  Stromes  hinzieht.  Ein 
mächtiges  Bergmassiv  liegt  da,  wo  der  Ursprung  des  Flusses  zu  suchen  ist, 
zwischen  den  Bergen  des  Passes  und  jenen  südlichen  Bergen,  die  als  östliche 
Ausläufer  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  anzusehen  sind.  Das  weite  Thal,  die  sanft 
ansteigenden  Abhänge  sind  bis  über  die  Höhe  dieses  Passes  (3599  m)  mit  Gras- 
wuchs bedeckt,  und  über  dem  ganzen  Landschaftsbilde  liegt  der  graugrüne 
Farbenton  der  Grassteppe.  Nur  in  dem  erwähnten  Bergmassiv  und  an  ein- 
zelnen der  Berge,  welche  das  Taotan-ho- Thal  vom  Flussgebiete  des  Si-ning-ho 
trennen,  treten  Gesteinsklippen  in  den  höheren  Teilen  zu  Tage.  Hier  lag  auch 
noch  etwas  Neuschnee,  der  in  den  letzten  Tagen  gefallen  und  nur  von  sehr 
kurzem  Bestände  war.  Die  Berge  erreichen  hier  zwar  die  stattlichen  Höhen 
von  4600  m  und  mehr,  tragen  aber  doch  nicht  ewigen  Schnee  oder  gar  Glet- 
scher, während  in  den  Alpen  z.  B.  die  Gletscher  bis  zur  Meereshöhe  von  983  m 
herabgehen  und  die  Schneegrenze  in  2700 — 2800  m  liegt.  Im  Küke-nur-Gebiet 
ist  dieselbe  bis  zu  5200  m  hinaufgerückt,  und  nur  im  fernen  Nordwesten  sieht 
man  vom  Seeufer  aus  über  den  See  hinweg  einige  steile,  weisse  Berggipfel  auf- 
ragen, deren  Schnee  wohl  ewiger  Schnee  sein  dürfte  und  die  dem  westlichen 
hohen  Teile  des  Nan-schan  angehören. 

Von  Eis  oder  Schnee  in  grösserer  Masse  und  von  längerer  Dauer  ist  in 
den  Umgebungen  des  Küke-nur  im  Sommer  keine  Rede,  und  das  einzige,  was 
den  gleichmässigen  Steppencharakter  des  Hochthaies  des  Taotan-ho  an  einigen 
wenig  ausgedehnten  Stellen  unterbricht,  sind  gelbbraune  Flächen  und  Hügel 
von  Flugsand,  welche  am  Nordfusse  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  in  der  daselbst 
gegen  das  Hoang-ho-Thal  verlaufenden  Depression  vom  Winde  angehäuft  sind 
und  durch  ihre  helle  Farbe  sich  scharf  von  dem  dunkeln  Graugrün  der  ganzen 
Umgebung  abheben. 

Von  dem  Pass  aus,  den  wir  als  Eintrittsstelle  in  das  Küke-nur-Gebiet 
wählten,  kann  man  den  See  selbst  noch  nicht  sehen;  es  schieben  sich  von  der 
Wasserscheide  gegen  das  Si-ning-ho-Thal  hin  Bergausläufer  zwischen  den  kleinen 


—     28o     — 

Abflüssen  zum  Taotan-ho  nach  Süden  gegen  die  Thalebene  dieses  Flusses  vor, 
so  dass  sie  eine  Aussicht  nach  Westen  verdecken. 

Längs  der  Abhänge  dieser  kleinen,  ganz  mit  Steppe  überzogenen  Gebirgs- 
ausläufer steigt  der  Weg  allmählich  abwärts,  nicht  direkt  auf  die  breite  Thal- 
sohle, sondern  immer  in  einer  gewissen  Höhe  über  derselben,  wo  noch  das 
Wasser  der  kleinen  Gebirgsbäche  in  den  Seitenthälchen  munter  sprudelt  und 
die  saftigsten,  mit  herrlichen  Blumen  übersäten  Weide  flächen  den  Lasttieren  der 
Karawane,  den  Pferden  und  Schafen  das  willkommenste  Futter  bieten.  Weiter 
unten  gegen  die  ebene  Thalfläche  des  Taotan-ho  werden  die  Grasflächen  sumpfig 
und    für    Lagerplätze    ungeeignet.      Im    weiten,    5—6  km    breiten    Thale    des 


Süd-KUkc-Dur-Geblet  imil  SteppeDthäl  dea  TiotaD-ho  um  Küke-Dur. 

Taotan-ho  sieht  man  keine  Herden  oder  Jurten  um  diese  Jahreszeit;  viele  Stellen 
sind  zu  sumpfig,  andere  wieder  sandig  und  tragen  schlechtes  Futter;  dagegen 
sind  in  den  kleinen  Seitenthälchen  der  Nordseite  die  Jurten  bis  hoch  hinauf 
zerstreut,  und  grosse  Herden  von  Schafen,  Kühen  und  Yaks  beweiden  die 
saftigen  Grasflächen  der  Thäler  und  sanft  gerundeten  Bergabhänge. 

Die  grossen  Karawanen  lagern  meist  etwas  weiter  unten,  und  an  mehreren 
Stellen  bezeichnen  grosse,  ein  Viereck  umfassende  Mauern  mit  Eingangsthoren 
solche  Lagerplätze.  Die  Yaks  werden  während  der  Nacht  in  die  Umfassung 
hineingetrieben  und  gutes  Trinkwasser  für  Mensch  und  Tier  ist  immer  in 
der  Nähe.  Irgend  welches  Obdach  für  den  Menschen  oder  Schutz  gegen  Sturm 
und  Regen  bieten  aber  diese  Viehhöfe  in  keiner  Weise,  und  man  ist  auch  da 
auf  seine  Zelte  angewiesen. 

Früher  hat  sich  noch  eine  grössere,  fest  bewohnte  Ansiedelung  etwa  in 
der  Mitte  der  Entfernung  vom  Passe  bis  zum  Ufer  des  Sees,  ziemlich  weit 
unten    gegen   die  Thaiebene  des  Taotan-ho   zu    befunden.      Stattliche    Mauern 


umgeben  einen  weiten,  rechteckigen  Raum,  in  welchem  die  Trümmer  der 
einstigen  Wohngebäude  öde  und  verlassen  in  die  Lüfte  ragen.  Nicht  ein 
Winkelchen  ist  zu  6nden,  das  noch  ein  Dach  hätte,  und  nur  Adler  und  Krähen 
hausen  auf  dieser  Stätte  der  Zerstörung.  Die  Strassen  sind  durch  Trümmer- 
massen derart  verschüttet,  dass  sie  ganz  ungangbar  sind,  und  die  Karawanen 
um  die  Mauern  herum,  aber  nicht  in  den  Ort  hinein  oder  hindurch  ziehen. 
Diese  Ansiedelung  war  die  letzte  auf  weite  Strecken  und  erst  im  Thao-Thale 
begegneten  wir  wieder  Mauern  und  Häusern.  Im  ganzen,  dazwischen  liegenden, 
grossen  Gebirgslande  und  noch  weit  über  die  durchzogenen  Teile  hinaus  sind 
nur  fliegende  Nomadenzelte  zu  sehen;  im  Westen  des  KUke-nur  und  im  Tsai-dam 
sind  aber-  wieder  einige  armselige,  feste  Ansiedelungen. 


TsDgutun-Zelt  am  Kuki^-nur. 

In  Gebii^sthälchen  in  geschützter  Lage,  an  wasser-und  futterreichen  Plätzen 
stehen  einzeln  oder  in  Gruppen  die  niederen,  schwarzen  Jurten  der  Tanguten, 
gut  bewacht  von  grossen,  bissigen,  langhaarigen  und  meist  schwarzen  Hunden,  die 
keinem  Fremden  den  Zutritt  zum  Zelte  gestatten,  wenn  nicht  die  Bewohner  des- 
selben sie  zurückjagen.  Schon  für  den  nur  in  der  Nähe  vorbeireitenden  Reisenden 
können  sie  unangenehm  werden,  da  sie  mit  grosser  Wut  zu  dreien  oder  vieren, 
oft  auch  noch   mehr,  die  Pferde    anfallen  und  ihnen  nach  dem  Halse  springen. 

Als  wir  nach  zweitägigem  Marsch  am  Berggehänge  entlang  unser  Lager 
unten  im  Thale  auf  dem  erhöhten,  rechten  Ufer  des  hier  kurz  vor  seiner  Ein- 
mündung in  den  Küke-nur  seeartig  erweiterten  Taotan-Flusses  aufgeschlagen 
hatten,  waren  in  der  Nähe  sowie  auch  auf  der  andern  Seite  des  Flusses  oder 
besser  gesagt  des  seichten  Sumpfes  eine  Menge  von  Jurten  an  allen  geeigneten 
Plätzen  aufgestellt.  Das  zu  einer  jeden  gehörige  Vieh  weidete  in  der  Nähe  und 
wurde  des  Nachts  ganz  nahe  zum  Zelte  getrieben  und  dort  festgebunden. 

Die  äussere  Gestalt  dieser  charakteristischen  Zelte  zeigt  das  obenstehende 
Bild.      Die    Jurte     besteht    aus    zwei     starken,     über    Stangen     aufgespannten 


—       282       — 

Tüchern,  welche  von  Stricken  gehalten  werden,  die  ihrerseits  wieder  über  leichte 
dünne  Stäbe  laufen  und  in  der  richtigen  Lage  durch  diese  gestützt  sind.  Die 
Stricke  laufen  nach  aussen  weiter  und  sind  am  Boden  in  geeigneter  Weise 
befestigt.  In  der  Mitte  des  Zeltes,  wo  die  beiden  von  den  Seiten  aufgeschla- 
genen Tücher  oben  zusammenkommen,  ist  ein  Riss,  und  hier  ist  das  Zelt  nicht 
volbtändig  geschlossen,  so  dass  der  Rauch  entweichen,  unter  Umständen  aber 
auch  Wind  und  Regen  eindringen'  kann.  Längs  dieser  Mittellinie  sind  im 
Innern  drei  Stangen  aufgestellt  und  vier  weitere  in  je  einer  Ecke  des  Zeltes. 
Die  Höhe  des  Zeltes  im  Innern  ist  nicht  immer  so  gross,  dass  man  darin  auf- 
recht stehen  kann.  Meist  muss  man  sich  in  gebeugter  Stellung  oder  hockend 
und  kriechend  darin  bewegen.  An  den  Seiten  hängen  viele,  kleine  Fahnen  und 
Tuchfetzen,  sogenannte  Gebetswimpel,  die  oft  auch  Gebete  in  tibetanischen 
Buchstaben  tragen.  Auch  an  den  Seiten  ausserhalb  des  Zeltes  sind  zahlreiche 
solche  Lappen  aufgehängt.  Eine  solche  Jurte  ist  schnell  aufgeschlagen,  schnell 
zum   Weitermarsche    eingepackt    und    wiegt    nicht    viel,    denn   die   Stäbe    sind 


Herde  der  Tansuien-Zclte  am  Sehe- wehe -FIusm.     Nordost  Tibet 


dünn    und    leicht,    nicht  wie    unsere    europäischen    Zeltstangen,    die  schon  fast 
Balken  sind. 

Die  Einrichtung  des  Innern  ist  äusserst  primitiv.  In  der  Mitte  befindet 
sich  eine  grössere,  von  hinten  nach  vorn  laufende,  aus  Steingeröllen  und  Lehm 
zusammengemauerte  Feuerstelle,  welche  einen  bedeutenden  Raum  des  Zeltes 
beansprucht.  Sie  hat  die  Form  eines  abgestumpften,  spitzen  Dreieckes  und 
die  Spitze  ist  gegen  den  Eingang  gerichtet.  Vorn  befinden  sich  Fcuerstellen  für 
einen  oder  mehrere  Kochkessel  und  an  den  Seiten  des  Feuerungsraumes  sind 
oft  kleine  Bassins  zum  Abziehen  der  Asche  angebracht.  Der  grosse,  hintere 
Raum  dient  zur  Aufbewahrung  und  Trocknung  des  Heizmateriales.  Als  solches 
dient  an  bestimmten  Plätzen  trockenes  Buschwerk,  ganz  allgemein  aber  der 
Mist  der  Haus-  und  Herdentiere,  besonders  der  Yaks,  Pferde  und  Kühe.  Mit 
grossen  Säcken  ziehen  die  Leute  auf  die  Weide-  und  Lagerplätze  aus,  um  den 
unentbehrlichen  und  hier  durch  nichts  anderes  zu  ersetzenden  Brennstoff  zu 
sammeln.  Bei  feuchter  Witterung  ist  es  oft  schwer  damit  das  Wasser  zum 
Kochen  zu  bringen,  wenn  nicht  trockenes  Brennmaterial  noch  vorrätig  ist,  und 
selbst  wenn  mehrere  Leute  mit  grossen  Blasebälgen  aus  Schaffellen  unaufhör- 
lich am  Feuer  arbeiten,  will  die  Suppe  stundenlang  nicht  gar  werden,  sehr  zum 


-     283     - 

Verdrusse  des  ungeduldigen  Magens.  Diese  Feuerstellen  sind  vielfach  an 
Wasser-  und  Weideplätzen  im  Freien  zu  sehen,  wo  einst  Jurten  standen;  sie 
bleiben  zurück,  wenn  das  Zelt  und  der  zeitweilige  Wohnungsort  irgendwo 
anders  hin  verlegt  wird.  Zur  inneren  Einrichtung  der  Jurte  gehören  noch 
einige  kleine  Filzdecken  und  Schaffelle,  die  auf  dem  Boden  liegen  und  zum 
Sitzen  und  Schlafen  dienen.  Einige  Säcke  an  den  Seitenwänden  mit  Kleidern 
und  Vorräten,  zusammengerollte  Decken,  ein  kleines  Holzkistchen  zum  Auf- 
bewahren der    wenigen  Schmucksachen  oder  Wertgegenstände    vervollständigen 


Tangulen  am  Koke-iiur. 

das  Mobiliar.  Einige  wenige  Holz-  oder  Porzellanschalen,  Holzlöffel  und  grosse 
hölzerne  Milchbehälter,  nebst  eisernen  Kochkesseln  bilden  das  einfache  Küchen- 
gerät. Ein  kleines  eisernes  Schälchen,  mit  eisernen  Kettchen  an  der  Decke  in 
der  Mitte  oben  befestigt,  enthält  Kohlen  und  scheint  rituellen  Räucherzwecken 
zu  dienen,  ebenso  eine  etwa  0,50  m  im  Durchmesser  haltende,  braune,  lederne 
Trommel,  die  nirgends  fehlt  und  beim  Gebet  vom  Hauslama  geschlagen  wird.  Die 
dumpfen  Tone  hört  man  überalt  weithin  über  die  Steppe  schallen,  denn  zu  Jeder 
Zeit,  bei  Tag  und  Nacht,  wird  gebetet.  Ein  solcherart  zusammengestelltes  Zelt 
(von  etwa  4  m  X  4  —  S  •")  bietet  bequem  einer  Familie  von  vier  bis  sechs  Personen 
Raum,  und  sollte  er  nicht  ausreichen,  so  wird  noch  ein  Zelt  nebenan  aufgeschlagen. 


—     284     — 

Besucht  man  eines  der  Zelte  und  wird  man  gut  aufgenommen,  was  aber 
nicht  immer  der  Fall  ist,  so  muss  man  eine  Tsam-ba  annehmen.  Der  freundliche 
Wirt  breitet  ein  Fell  auf  dem  Boden  aus,  auf  welchem  man  sich  mit  ver- 
schränkten Beinen  niederlässt  Seine  Frau  macht  mit  Yakmist  ein  Feuer  an, 
bereitet  in  einem  Kessel  Thee,  der  mit  gerösteter  Gerste  und  Fett  und  schmack- 
hafter Butter  gemischt  wird,  und  bietet  das  Gericht  dem  Besucher  an. 

Die  Tsam-ba  mit  ihren  Beimengungen  von  Butter  und  getrocknetem  Käse- 
quark (Tschur-ma),  die  in  eine  halb  gefüllte  Theetasse  eingeschüttet  und  mit 
der  Hand  zu  einem  mehr  oder  weniger  festen  Teig  geknetet  werden,  nennt 
Prschewalskij  ein  Ekel  erregendes  Gemisch.  Sie  bildet  aber  die  Hauptnahrung 
nicht  nur  der  Tanguten,  sondern  auch  der  im  Küke-nur-Gebiet  und  im  Tsai-dam 
lebenden  Mongolen.  Selbst  wo  durch  den  Reichtum  an  Schafherden  Fleisch 
in  Menge  zu  haben  wäre,  zieht  die  Bevölkerung  dieses  Nahrungsmittel  vor,  und 
auch  wir  waren  des  öfteren  darauf  angewiesen.  Prschewalskij  denkt  bei  seiner 
Kritik  wohl  hauptsächlich  an  die  unsaubere  Art  der  Zubereitung,  da  weder 
Hände  noch  Gefasse  vorher  gereinigt  zu  werden  pflegen.  Im  Grunde  genommen 
ist  das  Gebräu  nicht  unschmackhaft  und  jedenfalls  sehr  nahrhaft,  wenn  sich 
auch  der  europäische  Gaumen  erst  daran  gewöhnen  muss;  auf  die  Dauer  aber 
ist  es  spartanische  Kost,  wie  auch  Rockhill  bemerkt.  In  grösserer  Menge  ge- 
nossen liegt  die  Tsam-ba  schwer  verdaulich  und  fest  wie  ein  grosser  Stein  im 
Magen  und  macht  träge  und  faul,  eine  Eigenschaft,  die  sich  nicht  nur  bei  den 
Tanguten  bemerkbar  machte. 

Die  Frauen  tragen  verschiedene  Schmucksachen.  Ihr  Gewand  besteht 
aus  einem  von  der  Schulter  bis  zum  Knöchel  reichenden  Rock  aus  Schaffell, 
dessen  Haarseite  nach  innen  gekehrt  ist.  Er  ist  oben  an  der  Brust  offen  und 
wird  an  der  Hüfte  festgehalten.  Ueber  den  Rücken  und  an  der  Seite  am  Gürtel 
hängen  breite,  mit  Perlen,  farbigen  Steinen,  Korallen  und  Messingschmucksachen 
besetzte  Bänder  herab.  Die  Haare  sind  zu  einer  sehr  grossen  Menge  dünner 
Zöpfchen  geflochten,  die  um  den  ganzen  Kopf  nach  allen  Seiten  herunterhängen; 
die  Herrichtung  einer  solchen  Frisur  muss  sehr  zeitraubend  sein,  und  sie  wird 
daher  nur  selten  erneuert.  Um  den  einen  Arm  tragen  die  Frauen  perlschnur- 
artige Gewinde  und  an  den  Ohren  Silberschmuck  mit  Korallen  und  bunten 
Steinen. 

Die  Kleidung  der  Männer  ist  ganz  ähnlich.  Ein  langer  Rock  aus  Schafpelz 
reicht  bis  herab  zum  Knöchel.  Beim  Reiten  wird  er  in  die  Höhe  genommen 
und  durch  den  Gürtel  so  festgehalten,  dass  auf  dem  Rücken  ein  grosser  Wulst 
entsteht.  (Siehe  Abbildung  auf  Seite  386.)  Je  nach  dem  Reichtum  sind 
der  Kragen  und  die  unteren  Ränder  des  Leibrockes  mit  wertvollem  Pelzwerke, 
besonders  von  Panthern,  die  aus  Südchina  heraufgebracht  werden,  verbrämt. 
Tuchkleider  tragen  fast  nur  die  Lamas.  Stiefel  von  eigener  oder  chinesischer 
Fabrikation  und  Filz-  oder  Pelzmützen  von  trichterartiger  Form*  oder  auch 
solche  von  Tuch  mit  farbigen  Streifen  und  weissem  Pelzbesatz  vervollständigen 


TAFEL  X[X. 


Tibetanische  Lamas  s 


■1 


-     285     - 

die  Kleidung.  Am  Gürtel  fehlt  nie  das  Handschwert,  dessen  Griff  oft  mit 
Steinen  besetzt  und  kunstvoll  verziert,  und  dessen  breite  Klinge  gegen  60  cm 
lang  ist.  Ein  Ledertäschchen  mit  Feuerzeug,  ein  anderes  mit  der  Pfeife  und 
Hörner  mit  Tabak  oder  Schnupfpulver  hängen  ebenfalls  am  Gürtel.  Als 
Schmuck  wird  meist  ein  grosser  Ring  mit  imitierten  Steinen  in  Silberfassung 
getragen;  oft  sind  auch  beide  Ohren  damit  behängt.  Auch  die  Frauen  tragen 
diese    Ringe,  von  denen  eine  Anzahl  auf  Seite  294  abgebildet  ist. 

Zum  vollständigen  Anzug,  selbst  wenn  er  sonst  nur  aus  einem  Pelzrock 
besteht,  gehört  ein  Amulett,  das  von  Männern  wie  Frauen  in  den  verschiedensten 
Formen  um  den  Hals  oder  auf  der  Brust  getragen  wird.    Das  einfachste  Amulett 


Tan^len  in  ilcr  Dnbnssu- Ebene  (I^ger  XII). 

besteht  aus  einem  Papierröllchen,  auf  dem  Beschwörungsformeln  oder  Gebete 
aufgeschrieben  sind  und  das  in  Täschchen  aus  Tuch  oder  Leder  oder  in 
Metallhülsen  aufbewahrt  wird.  Oft  sind  deren  viele  noch  mit  Messingglocken, 
Kupferknöpfen,  Lederbeutelchen,  Malachit-,  Türkis-,  Nephrit-  oder  Achatstücken 
zu  einem  Halsbande  vereinigt,  das  grossen  Umfang  erreichen  kann.  Am  kost- 
barsten sind  grosse,  silberne  Büchsen  (Ga-wo),  sehr  reizvoll  verziert  mit  Buckeln, 
eingesetzten  Steinen  und  zu  Figuren  verschlungenem,  feinen  Silberdraht.  Sie 
werden  in  Hla-sa  angefertigt  und  bergen  im  Innern  eine  Buddhanachbildung 
oder  ein  Heihgenbild  (Burchan)  aus  Thon  oder  andere  mit  magischer  Kraft 
begabte  Gegenstände.  Sie  kommen  in  den  verschiedensten  Formen  vor  und 
werden  oft  noch  mit  andern  Amuletten  zusammen  getragen.  Auf  Tafel  XXIV 
Fig.  3  ist  eine  solche  Amulett-Büchse  abgebildet,   die   von  einem  Tanguten  am 


—     286     — 

Baa-FIusse  am  Halse  getragen  wurde.  Im  allgemeinen  sind  die  Amulette  Talis- 
mane fiir  alles  und  bringen  ihren  Trägern  Glück;  fiir  besondere  Fälle  von 
Missgeschick  und  Unglück  giebt  es  aber  auch  besonders  wirksame  Amulette  von 
bestimmten  Formen.  Der  Glaube  an  die  guten  Einflüsse  solcher  Art  getragenen 
Zauberformeln  geht  so  weit,  dass  sogar  das  innerliche  Einnehmen  des  mit  ihnen 
beschriebenen  Papiers  für  wirksam  gehalten  wird. 

Ebenso  allgemein  findet  man  bei  den  Laien  wie  Mönchen  in  Tibet  die 
Rosenkränze,  die  je  nach  Form  und  Material  auch  verschiedene  Bedeutung 
haben.  Ich  sah  nur  solche,  die  ans  vielen,  gelben  Holz-  und  weissen  oder 
roten   Steinperlen    bestanden,    zwischen    denen    in    unregelmässigen    Abstanden 


TaDKulen  am  .Semenow-Geblrge   (Laßer  XIV). 

kleine  Lederschleifen  mit  Holz-  und  Kupferringen  oder  kugelförmigen  Knöpfen 
angebracht  waren.  An  einer  Stelle  befanden  sich  zehn  aufgereihte  Messing- 
ringe auf  einer  mit  einem  Messingknopf  abgeschlossenen  Schleife,  die  zum 
Zählen  der  abgebeteten  Touren  dienen.  Die  daneben  befindlichen,  ebenfalls 
aufgereihten,  gelben,  bernsteinartigen  Harzperlen,  ein  dicker  brauner  Steinring, 
ein  konischer  weisser  Stein  und  eine  grosse  braune  Kugel  dürften  den  Anfang 
des  Rosenkranzes  bezeichnen,  der  auf  Seite  358  mit  genauer  Beachtung  der 
Anzahl,  der  Form  und  des  Materials  der  Perlen  dargestellt  ist.  Die  gewöhnlichen 
Rosenkränze  sind  für  alle  Gebete  brauchbar;  andere  aus  websen  Muscheln  oder 
weissen  Glasperlen  werden  beim  Gebete  zu  Avalokita,  der  populärsten  der 
Göttergestalten,  verwendet.  Auch  Knochenstückchen  von  Menschenschädel- 
knochen,   Korallen,    Schlangenwirbel,    Sandelholz    werden   zu   Rosenkrä 


—     287     — 

sammengestellt  und  zu  Zwecken  des  Gebetes,  aber  auch  der  Beschwörung  und 
Weissagung  benutzt  Die  Toten  werden  entweder  verbrannt  oder  wilden  Tieren 
ausgesetzt. 

Am  unteren  Taotan-ho  hatten  sich  eine  ganze  Menge  von  Tanguten  zu- 
sammengefunden, offenbar  der  günstigen  Lebensbedingungen  wegen,  welche 
hier  geboten  sind.  Das  Thal  ist  hier  eine  über  lo  km  breite,  etwas  wellige  Fläche 
mit  kleineren  Seebecken,  deren  Wasser  allerdings  nicht  immer  geniessbar  ist. 
Dafür  aber  ist  das  Wasser  der  grossen  und  langgestreckten,  seeartigen  Er- 
weiterung des  Hauptflusses  selbst  sehr  gut  und  überall  in  der  Ebene  ist  gutes 
Futter  für  die  Tiere.  Wo  von  Süden  vom  Süd-Küke-nur-Gebirge  kleine  wasser- 
führende Thälchen  herabkommen,  sieht  man  auch  zerstreute  Nomadenzelte, 
aber  die  meisten  waren  am  unteren  Taotan-ho,  in  Entfernungen  von  3 — 10  km 
vom  Ufer  des  Sees  selbst,  zu  beiden  Seiten  des  Flusses,  die  sich  etwa  10  bis 
15  m  über  seinen  Wasserspiegel  erheben,  aus  Lehm  bestehen  und  mit  sanftem 
Gehänge  zum  Wasser  abfallen.  Die  weiten,  zumeist  mit  Schilf,  Ried-  und 
Wassergräsern  bedeckten  Flächen  des  seeartig  erweiterten  Flusses  sind  so  seicht, 
dass  man  zu  Pferde  von  einer  Seite  zur  andern  gelangen  und  an  den  meisten 
Stellen  auch  herum  waten  kann;  nur  einige  Stellen  mit  den  Wegen  des 
fliessenden  Wassers  sind  etwas  tiefer,  aber  auch  nicht  mehr  als  1,5  m. 

Auf  dieser  schilf-  und  grasbedeckten  Wasserfläche  tummeln  sich  zahl- 
reiche Wasservögel.  Abgesehen  von  kleinen  Tauchern  und  Möven,  sowie 
spatzenartigen  gelben  Vögelchen,  kommen  besonders  Wildenten  und  -Gänse  vor, 
letztere  in  mehreren  Arten  und  grossen  Schwärmen.  Reiher  sind  in  grauen, 
schwarzen  und  schwarzweissen  Arten  vertreten,  und  an  den  Ufern  waren  grosse 
Seeadler  mit  braunem  Gefieder  und  weissem  Kopf  und  Hals  häufig;  trotzdem 
gilt  die  Fauna  des  Küke-nur  für  arm  an  Sumpf-  und  Schwimmvögeln.  Die  Vögel 
werden  offenbar  von  den  Tibetanern  eifrig  beschossen  und  sind  infolgedessen 
sehr  scheu.  Dr.  Holderers  Sammlungen  enthalten  von  hier  und  aus  dem  Taotan- 
Thale:  Buteo  bemilasius,  Larus  sp.  und  Alauida  sp.  Noch  viel  grösser  ist  der 
Reichtum  an  Wasservögeln  auch  anderer  Arten  draussen  an  den  sandigen 
Ufern  des  Sees  selbst,  dessen  Fläche  man  vom  Hochufer  aus  als  blauen  Streifen 
in  der  Ferne  erblickt. 

Wie  ein  bunter  Teppich  zogen  sich  die  blumengeschmückten  Grasflächen 
an  den  Thalgehängen  hin.  Es  waren  hauptsächlich  die  folgenden  Arten  von 
Blütenpflanzen  vertreten:  Allium  tanguticum  Reg.,  A.  Przewalskianum  Reg., 
Silene  repens  Patr.,  Delphinium  grandiflorum  L.,  var.  Gmelini  Rehb.,  Ranun- 
culus  tricuspis  Max,  Sisymbrium  humile  C.  A.  Mey,  Potentilla  fruticosa  L., 
P.  anserina  L.,  Medicago  ruthenica  (L.)  Ledeb.,  Astragalus  suberulus  Ledeb., 
Stellera  chamaejasme  L.,  Androsace  semperoiroides  Jacqu.,  var.  tibetica  Max. 
Sehr  verbreitet  ist  Statice  aurea  L.  und  viele  Arten  von  Enzianen,  unter  denen 
Dr.  Diels,  dem  ich  die  Bestimmungen  der  gesammelten  Pflanzen  verdanke, 
auch  mehrere  neue  Arten  auffand.  Gentiana  siphonata  Max,  G.  straminea  Maxim, 


—     288     — 

G.  pudica  Max,  G.  squarrosa  Ledeb.,  G  cordisepala  Murb.  sind  die  schon  bekannten 
Arten.  Ferner  sind  zu  nennen:  Pleurogyna  macrantha  Diels  und  Gilg,  Swertia 
bifolia  Bat.|  Dracocephalum  tanguticum  Max  und  Dr.  heterophyllum  Benth.,  Salvia 
Roborowskii  Max,  Pedicularis  chinensis,  P.  alaschanica  Max,  P.  kansuensis  Max, 
Aster  heterochaete  Benth.,  A.  altoicus  Willd.,  Anaphalis  lactea  Max,  Leonto- 
podium sibiricum  Max,  Tanacetum  tenuifolium  Jacqu.,  Artemisia  rhodontha  Rupr., 
Senecio  thianschanensis  Reg.  et  Schmalh.,  S.  virgaurea  Max,  Cricus  arvensis 
Hoffm.,  Saussurea  Thoroldii  Hemsl.,  Taraxacum  officinale  Wigg.,  Lactuca  ver- 
sicolor  Schulz-Bip.  Dieses  Verzeichnis  enthält  nur  einen  Teil  und  die  wichtigeren 
der  im  Herbarium  enthaltenen  Pflanzen;  die  neuen  Arten  und  die  vollständige 
Liste  werden  von  Dr.  Diels    im  dritten  Bande  dieses  Werkes  gegeben   werden. 

Die  Aussicht  vom  Lehmhochufer  inmitten  des  weiten  Flussthaies  ist 
überhaupt  für  die  Küke- nur- Landschaft  charakteristisch.  Im  Norden  und 
Süden  erheben  sich  bis  über  looo  m  ansteigende  Gebirgskämme,  deren  Ab- 
hänge durch  zahlreiche  Thälchen  gegliedert  sind;  bis  hoch  hinauf  sind  sie 
grün,  und  nur  die  höchsten  Regionen  zeigen  an  steileren  Gehängen  graues, 
kahles  Gestein.  Die  KammUnie  selbst  ist  wellig  gebogen  und  auf  grosse 
Strecken  hin  sanft  geschwungen.  Die  Gipfel  ragen  als  Kuppen  nur  wenig 
über  das  allgemeine  Niveau  des  Kammes  hinaus,  wie  das  in  vorwiegend 
aus  granitischen  Gesteinen  gebildeten  Gebirgen  die  Regel  zu  sein  pflegt.  Im 
Osten  schliesst  über  die  weite,  monotone  Steppenfläche  des  Taotan-ho-Thales 
hinaus  ein  höherer,  schon  im  August  mit  Neuschnee  bedeckter  Bergstock  mit 
steilerem  Gehänge  das  Bild.  Noch  zwischen  dem  Beschauer  und  dem  See  von 
der  bezeichneten  Stelle  aus  liegen  grosse,  lagunenartige  Wasserflächen,  die  vom 
See  selbst  durch  eine  schmale,  von  Flug-  und  Dünensanden  mit  nur  dürftiger 
Vegetation  gebildete  Zone  getrennt  werden.  Im  Westen  endlich  erstreckt  sich 
im  goldenen  Sonnenglanze  vor  dem  freudetrunkenen  Auge  der  in  Alpenhöhen 
thronende  See  wie  ein  gewaltiges  Meer. 

Brausend  branden  die  schaumgekrönten  Wellenkämme  am  flachen  Sand- 
strande zu  unsern  Füssen.  Unermesslich  scheint  sich  die  azurblaue  Fläche  aus- 
zudehnen, und  gegen  Westen  vermag  das  Auge  nichts  als  Wasser  und  Himmel 
zu  unterscheiden.  Erst  gegen  Norden  erheben  sich,  inselartig  aus  der  Wasser- 
fläche auftauchend,  isolierte  hohe  Berge,  und  je  weiter  der  Blick  von  Norden 
gegen  Nordosten  schweift,  um  so  mehr  schliessen  sie  sich  zusammen  zu  einer 
Gebirgskette,  deren  Grossartigkeit,  Höhe,  Schroff'heit  und  wilden  Charakter  man 
selbst  aus  der  grossen  Ferne  an  den  Kammformen,  den  tiefen  Unterbrechungen 
und  der  häufigen,  ausgedehnten  Schneebedeckung  zu  erkennen  vermag.  Es  sind 
die  stolzen  Bergriesen  des  hohen,  westlichen  Nan-schan,  die  aus  Höhen  von  über 
5000  m  herübersehen. 

Direkt  zur  Linken  des  nach  Westen  sehenden  Beschauers  ziehen  die 
Bergketten  des  südlichen  Taotan-ho-Thales  mit  ihren  grünen  Abhängen  und 
sanften  Formen  im  Süden  längs  des  ganzen  Seeufers  entlang,  mit  breiter,  unten 


schwach  geneigter  Fläche,  über  welche  zahlreiche  kleine  Bäche  dem  See  zueilen 
und  saftigen  Weiden  die  nötige  Feuchtigkeit  zuführen.  Die  nördliche  Bergkette 
des  Taotanho-Tbäles  tritt  nicht  so  unmittelbar  an  den  See  heran,  es  ghedern 
sich  ihr  nach  Norden  immer  mehr  und  höher  werdende,  von  West  nach  Ost 
ziehende  Gebirgszüge  an,  bis  sie  sich  mit  den  im  Norden  des  Sees  verlaufenden 
höchsten  Nan-schan-Bergen  vereinigen. 

Längs  der  Küste  dagegen  erhebt  sich  am  nordöstlichen  Ufer  des  Sees  ein 
auffallendes,  hügeliges  Gebiet,  dessen  gelbbraune  Farbe  von  den  dahinter 
liegenden,  grauen    und  bläulichen  Bergen  ebenso  scharf  absticht,  wie  von  dem 


herrlichen  Blau  des  Sees.  Aber  auch  die  Formen  der  Oberfläche  sind  eigenartig. 
Scharfe,  kantige,  wie  mit  dem  Messer  geschnittene  Gräte  ziehen  von  den 
spitzen  Gipfeln  nach  Süden  herab;  der  östliche  Teil  des  Abfalles  ist  weniger 
steil  als  der  westliche,  der  im  Böschungswinkel  von  40°  abfällt.  Die  Berggipfel 
sind  von  Süden  gesehen  spitz  trichter-  oder  kegelförmig,  während  sie  sich  von 
Osten  oder  Westen  als  langgezogene,  oft  hufeisenförmig  verlaufende  Grätp 
darstellen.  Die  Höhen  sind  nicht  bedeutend,  sie  betragen  etwa  25  m.  Diese 
so  merkwürdig  als  fremdes  Element  sich  in  das  Landschaftsbild  einschiebenden 
Berge  sind  lediglich  aus  feinem  Trieb-  und  Flugsand  zusammengesetzt  und 
zeigen  alle  die  dem  Geologen  so  gut  bekannten  Eigentümlichkeiten  der  Sand- 
wüsten und  der  Dunenzonen.  Sie  sind  an  der  Oberfläche  fast  ganz  kahl,  nur 
am    breiten    und    weniger  stark  geneigten  Fusse,   wo  eine  Verflachung  eintritt, 


—      290      — 

kann  sich  eine  kümmerliche  Vegetation  auf  dem  leicht  bewejglichen  Boden 
halten.  Diese  Sandzone  reicht  weithin  am  Nordost-  und  Nord-Ufer  des  Sees 
und  vom  Strande  aus  sehen  manche  isolierte  Teile  derselben  in  der  Ferne  am 
Horizonte  wie  hohe  und  steile  Sandinseln  im  Wasser  aus.  Selbstverständlich 
können  sich  solche  im  Wasser  weder  bilden  noch  Bestand  haben  und  es  kann 
sich  daher  nur  um  Teile  der  zusammenhängenden  Sandzone  handeln,  die 
inselartig  erscheinen,  wie  das  bei  vom  Meeresstrande  aus  gesehenen  Bergen 
entfernter  Vorgebirge  eine  gewohnte  Erscheinung  ist. 

Am  Westufer  ist  der  Strand  ganz  flach;  der  magere  Sandboden  trägt  nur 
eine  spärliche  Vegetation  und  in  seinen  Vertiefungen  sind  Sümpfe  und  Salz- 
wasser-Pfützen, welche  den  äussersten  Landrand,  der  mit  seinem  zarten,  feinen 
Sande  und  ganz  allmählichen  Abfall  zur  Seetiefe  einen  herrlichen  Badestrand 
bildet,  von  dem  wiesen-  und  wasserreichen  Teile  des  untersten  Taotan-ho-Thales 
trennen.  Genügsame  Hammelherden  werden  auch  noch  auf  diese  dürftigen 
Landstrecken  am  See  getrieben,  aber  längere  Zeit  ständige  Jurten  fehlen.  Da- 
gegen sind  die  weiten  Landzungen  und  Landstränge  zwischen  dem  See  und 
den  kleineren,  lagunenartigen  Wassertümpeln  von  einer  Unmasse  von  grossen 
Wasservögeln  aller  Art  belebt.  In  langen  Reihen  sitzen  sie  am  Strande  in  der 
Sonne,  schlafend  oder  abwartend,  was  der  See  ihnen  auswerfen  wird.  Die 
Ueberreste  früherer  Mahlzeiten,  Schuppen  und  halb  vertrocknete  Fische  liegen 
im  Sande.  Weiss  aufschäumend  rollen  die  blauen  Wogen  langsam  am  Strande 
herauf  und  laden  ein  zum  erquickenden  Bade  in  dem  kristallklaren  Wasser  nach  all 
der  Trockenheit,  dem  Staub  und  der  Hitze  auf  den  chinesischen  Strassen.  Die 
Phantasie  kehrt  nach  Hause  zurück  zu  den  Gestaden  der  heimatlichen  Seen, 
namentlich  zum  Bodensee,  der  in  vielem  Aehnlichkeit  mit  dem  tibetanischen 
Meer  hat  Aber  es  fehlt  hier  das  weisse  Segel  auf  der  Wasserfläche,  der  stolze 
Dampfer,  die  kleinen  Barken  mit  fröhlichen  Menschen,  und  der  lebhafte  Puls- 
schlag des  Verkehrs  auf  dem  Wasser.  Kein  Fahrzeug  durchschneidet  die 
monotone  Fläche,  deren  melancholisches  Brausen  sich  in  tiefe  Stille  verliert. 
Melancholisch  ist  auch  der  Charakter  der  Umgebung.  Alles  stimmt  ein  in  den 
gewaltigen  Akkord  der  Einöde  und  der  Steppe. 

Hatte  sich  der  See  zuerst  von  seiner  liebenswürdigen  Seite  gezeigt,  so 
mussten  wir  doch  im  Laufe  des  Monats  August  auch  die  Erfahrung  machen, 
dass  es  in  seinem  Gebiete  trotz  der  heissen  Jahreszeit  recht  unfreundlich  aus- 
sehen kann.  Im  allgemeinen  sollen  nur  die  zweite  Hälfte  des  Juli  und  die 
erste  des  August  im  Gebiete  von  Si-ning  fu  bis  zum  Küke-nur  niederschlagsreich 
und  dadurch  feucht  und  kühl  sein.  Im  Jahre  1 898  aber  hielten  niedere  Tempe- 
raturen am  Tage  und  feuchte,  niederschlagsreiche  Witterung  während  unseres 
zweiwöchentlichen  Aufenthaltes  in  der  Nähe  des  Sees  vom  15. — 28.  August 
an.  Insbesondere  zeichneten  sich  die  Nachmittage  und  Nächte  durch  Gewitter 
von  ungewöhnlicher  Heftigkeit  aus,  die  alle  aus  dem  Nordwesten  über  den 
See    herüberzogen     und    zum    Teil    von    starkem     Hagel     mit    Körnern     von 


—      291      — 

über  Erbsengrösse  begleitet  waren.  Solche  Regen  pflegten  meist  mittags, 
abends  und  auch  nachts  sich  einzustellen  und  störten  sehr  die  Märsche;  auch 
kamen  Tage  vor,  an  denen  es  mit  geringen  Unterbrechungen  vom  Morgen 
bis  zum  Abend,  die  ganze  Nacht  hindurch  und  noch  in  den  folgenden  Tag 
hinein  zu  regnen  nicht  nachliess,  so  dass  wir  nur  auf  Augenblicke  das 
schützende  Zelt  verlassen  konnten.  Die  Abkühlung  nach  den  Gewittern  war 
eine  recht  bedeutende.  Die  Minima  der  Lufttemperatur  in  der  Nacht  lagen 
meist  zwischen  O  und  +  5"  C,  und  die  höchste  Temperatur-Differenz  zwischen 
Tagesmaximum  und  -Minimum  in  der  Nacht  wurde  mit  22,7°  C.  beim  Aufstieg 
in  das  Süd-Küke-nur-Gebirge  gemessen.  An  den  heissesten  Tagen  stieg  das 
Thermontcter  auf   h  24"  C.  und  sank  nachts  auf  +  10,5"  C. 


'|■h.^l  mit    rnngatrii-Zfllcii  .luf  der  Norilseite  .ics  SUil-KUke-nur-GcliirgeB  (uwerbalb  von  Lager  X.) 

An  Regentagen,  wenn  der  Wind  die  Wogen  des  Sees  aufwühlte  und  die 
grauen  Wolken  mit  silberweissen  Säumen  vom  Sturme  gepeitscht  dahinflogen, 
hatte  der  See  ein  gänzlich  verändertes  Aussehen.  Sein  Wasser  bekam  eine 
intensiv  blaugrüne  Farbe,  die  am  flachen  Strande  durch  den  vom  seichten 
Boden  aufgewirbelten  Sand  bis  zur  hoben  Brandung  hinaus  in  Braun  überging. 
Die  Temperatur  des  Wassers,  die  an  schönen  Tagen  am  Nachmittage  noch 
+  18*  C.  betrug,  sank  bedeutend,  und  die  feuchtkalte,  durch  den  starken  Wind 
bewegte  Luft  erlaubte  kein  Bad  mehr.  Solche  Klimaverhältnisse  sind  mit 
eine  Folge  der  hohen  Lage  des  Gebietes,  dessen  Seespiegel  3347  m  über 
dem  Meere  liegt,  während  nicht  fern  vom  Ufer  Berggipfel  bis  zu  über  4000  m 
ansteigen.  Die  starken  Gewitter  pflegen,  wie  gesagt,  meist  von  Westen  und  Nord- 
westen zu  kommen  und  an  den  Gebirgen  entlang  nach  Osten  zu  ziehen;  über 
die  Abhänge  der  letzteren  entladen  sich  dann  ganz  erstaunliche  Wassermassen, 
und  manches  kleine,  wasserlose  Thälchen    füllt    sich  für  kurze  Zeit  mit  einem 


—      292      — 

tosenden  Sturzbache,  da  von  den  oberen,  unbedeckten  Bergreg^onen  die 
Wasser  sehr  rasch  Abfluss  finden.  Die  mittleren  Teile  der  breiten  Flussthäler, 
wie  des  Taotan-ho,  bleiben  ganz  verschont  oder  erhalten  nur  seitliche  Güsse 
von  geringerer  Dauer  und  Stärke.  Dieselbe  Beobachtung  war  später  noch 
im  Thale  des  Dabassu-Sees  zu  machen,  südlich  vom  Süd-Küke-nur-Gebirge,  wo 
ebenfalls  zahlreiche  Gewitter  hinter  einander  am  Kamme  des  Gebildes  hingen 
und  nach  Osten  weiter  zogen,  während  in  der  breiten  Steppe  der  Mond  schien 
und  keine  Spur  von  Regen  fiel.  Die  südlichen  Ufer  des  Sees  bieten  im  grrossen 
ganzen  an  manchen  Stellen  dasselbe  Bild  wie  es  vom  unteren  Taotan  zu 
schildern  versucht  wurde.  Die  Bergabhänge  des  Süd-Kükc-nur-Gebirges  fallen 
gegen  den  See  ganz  allmählich  ab;  in  ihren  unteren  Teilen  und  in  der  Mitte 
der  so  geschaffenen,  wenig  geneigten,  etwa  6 — lo  km  breiten  Fläche  läuft 
der  durch  die  Spuren  zahlreicher  Karawanen  deutlich  bezeichnete  grosse,  süd- 
liche Weg  nach  dem  Tsai-dam.  Ein  anderer  Weg  von  Si-ning  fu  nach  dem 
Tsai-dam  geht  an  der  Nordseite  des  Sees  entlang.  Die  vielen  kleinen  Thäl- 
chen,  die  vom  Gebirge  herunter  kommen,  sind  meist  trocken,  trotz  der  feuchten 
Witterung,  und  das  mag  auch  der  Grund  sein,  warum  auf  den  Steppenflächen, 
welche  vom  See  an  bis  hoch  am  Gebirge  hinauf  gehen,  keine  Jurten  und  Her- 
den während  zweier  Tagereisen  zu  sehen  waren,  obwohl  es  an  Spuren  ihrer 
Anwesenheit  zu  andern  Zeiten  in  Form  der  gemauerten  Feuerstellen  nicht  fehlte. 

Die  kleinen  temporären  Gebirgsbäche  fliessen  in  etwas  vertieften  Betten, 
an  deren  senkrechten,  5 — 10  m  hohen  Wänden  man  die  Zusammensetzung  im 
Untergrunde  der  ganz  gleichmässig  mit  Gras  bedeckten  Steppenfläche  kennen 
lernen  kann.  Die  Unterlage  bilden  Schottermassen,  welche  von  den  Flüssen  aus 
den  Bergen  herabtransportiert  und  in  Schichten,  die  gegen  den  See  hin  etwas 
geneigt  sind,  abgelagert  wurden.  Darüber  liegt  in  verschiedener,  oft  über 
2  m  erreichender  Mächtigkeit  der  feine,  aus  Löss  hervorgegangene  Lehm,  der 
aber  hier  seinen  Ursprung  als  Absatz  aus  Wasser  dadurch  deutlich  dokumen- 
tiert, dass  er  feinere  Lagen  von  Sand  oder  gröbere  von  Schottern  eingelagert 
enthält.  Der  Löss  geht  hoch  an  den  Bergabhängen  hinauf  und  ermöglicht  die 
Existenz  der  überall  hier  vorhandenen  Gras-  und  Steppendecke,  die  nur  an  den 
Stellen  dürftig  ist  oder  fehlt,  wo  das  anstehende  Gestein  des  Gebirges  in 
Felsklippen  und  an  schroffen  Abhängen  zu  Tage  tritt.  Selbst  die  Stellen, 
welche  keine  Lehmbedeckung  mehr  haben  und  an  denen  die  Schottermassen 
direkt  an  die  Oberfläche  treten,  tragen  vereinzelt  Grasbüsche,  da  die  Geröll- 
schichten mehr  oder  weniger  stark  mit  demselben  Lehme  durchsetzt  sind,  der 
guten  Nährboden  für  die  Vegetation  zwischen  den  Steinen  bietet 

Obgleich  ausser  den  die  Karawane  führenden  und  begleitenden  Tan- 
guten zunächst  nichts  von  der  am  See  ansässigen  Bevölkerung  zu  sehen  war, 
herrschte  doch  ein  sehr  grosser  Verkehr  von  Karawanen,  die  Wolle  und  Häute 
transportierten  und  die  aus  dem  Tsai-dam  kamen.  Viele  Hunderte  von  Yaks 
wurden    in  Gruppen  von  40 — 60  Stück    staffelweise  dahergetrieben    und  grosse 


—    293    — 

Schafherden  begleiteten  die  Karawanen,  um  als  lebend  mitgeführter  Proviant 
zu  dienen  für  die  im  Verhältnis  zur  Anzahl  der  Tiere  und  dem  Werte  des 
ganzen  Transportes  nicht  sehr  zahlreiche  Mannschaft.  Bei  jeder  Truppe  von 
Yaks  ritten  einige  mit  grossen,  langen  Lanzen  oder  Gabclgewehren  bewaffnete 
Begleiter;  es  fehlt  auch  selten  ein  an  seiner  Kleidung  und  an  der  Charakteristik 
sehen  Kopfbedeckung  kenntlicher  Lama;  seltener  sind  Frauen  bei  diesen  Trans- 
porten. Als  Lasttiere  dienen  meist  Yaks;  es  sind  aber  auch  Ochsen,  Maultiere 
und  Pferde   dabei  und  die  Begleitung  bedient  sich  ausschliesslich  der  letzteren. 

Im  übrigen  wird  die  Einförmigkeit  der  Landschaftsbilder  gemildert  durch 
die  wechselnden  Beleuchtungen  auf  dem  See,  dem  die  Chinesen  wegen  seiner 
Farbe  die  Bezeichnung  Thsing-hai,  d.  h.  »dunkelblaues  Meer«,  gegeben  haben. 
Bei  dem  regnerischen  Wetter,  das  wir  dort  erlebten,  waren  allerdings  die  Bedin- 
gungen für  das  Erscheinen  der  grünen  Wasserfarbe  häufiger  als  die  für  das 
Erscheinen  der  blauen,  die  nur  bei  heiterem  und  klarem  Wetter  auftritt. 

Ein  ganz  allerliebstes  Bild  bieten  auf  der  östlichen  Hälfte  des  südlichen 
Seeufers  einige  schneeweisse  Felsklippen  und  kleine  Inselchen,  welche  in  gerader 
Reihe  hinter  einander  aus  der  grünen  Flut  schroff  und  zackig  aufragen.  Wenn 
sie,  von  der  Sonne  beschienen,  blendend  weiss  herüber  glänzen,  erinnern  sie 
an  die  berühmten  Needles  der  Isle  of  Wight  und  deren  schöne  Farbenharmonie 
von  blauem  Himmel,  weissem  Fels  und  grünem  Wasser.  Eine  grössere,  bergige 
Insel,  die  auch  ein  kleines  Kloster  trägt,  liegt  weit  draussen  im  See,  vom  Süd- 
ufer deutlich  sichtbar,  während  die  übrigen  Inseln  des  Sees  den  nördlichen  und 
östlichen  Ufern  so  genähert  liegen,  dass  sie  sich  von  der  Südseite  gesehen 
nicht  von  den  Gebirgen  unterscheiden  lassen.  Die  wenigen  Lamas  auf  der  Insel 
sind  von  allem  Verkehre  abgeschnitten,  wenn  das  Eis  des  Sees  Mitte  Mai  weg- 
geschmolzen ist;  im  Winter  aber,  wenn  die  Eisdecke  von  Mitte  November  ab 
den  Verkehr  mit  dem  Ufer  ermöglicht,  erhalten  sie  Besuch  und  auch  Opfer- 
gaben und  Nahrungsmittel  für  die  Zeit  ihrer  Abgeschlossenheit. 

Die  Karte  zeigt  am  südlichen  Ufer  des  Sees  einen  Landvorsprung  gegen 
den  See  hinaus  und  ebenda  tritt  auch  das  Süd-Küke-nur-Gebirge  vom  Ufer  weiter 
nach  Süden  zurück,  so  dass  eine  weite,  fast  ebene  Fläche  entsteht,  durch  welche 
einige,  auch  im  Sommer  Wasser  führende  Flüsse  vom  Gebirge  kommen  und  sie  zu 
einem  von  den  Tanguten  mit  ihren  Herden  viel  besuchten  Weideplatze  machen. 
Längs  des  Ufers  des  Sees  und  bis  weit  gegen  das  Gebirge  hin,  sieht  man 
die  schwarzen  Zelte  und  das  weidende  Vieh,  meist  Yaks  und  Kühe,  aber  auch 
viele  Schafe,  Ziegen  und  Pferde.  Auch  in  diesem  Tieflande,  das  sich  nur  ganz 
allmählich  vom  See  ansteigend  erhebt,  besteht  der  Boden  zunächst  unter  der 
Oberfläche  aus  dem  fruchtbaren  Lehme,  der  di^  schöne  Weidefläche  hervor- 
bringt. Dafiir  ist  aber  das  Wasser  der  Flüsse  in  den  Lehmbetten  sehr  unrein, 
trübe  und  zum  Trinken  oder  Kochen  nur  eben  noch  verwendbar.  Diese  wenig 
Gefalle  besitzenden  Flächen  gehören  nicht  mehr  zum  Berggehänge  selbst,  sondern 
bestehen  nur  aus  Schwemmlandmassen,  welche  durch  die  Flüsse  von  den  Thal- 


—     294     — 

au^ängen  aus  gegen  den  See  voi^eschoben  werden  und  mit  Deltabildungen 
viele  Aebnlichkeit  haben.  Die  Flüsse  nehmen  darin  einen  vielfach  gewundenen, 
an  Schlingen  und  Biegungen  reichen  Lauf  an,  während  sie  zwischen  Bergen 
und  Hügeln  mehr  geradlinig  einer  Richtung  folgen. 

Durch  dieselbe  charakteristische  Eigenschaft  des  gewundenen  Laufes 
zeichnen  sich  auch  noch  einige  andere  Flusse  aus,  von  der  Stelle  an,  wo  sie 
das  anstehende  Gestein  des  Gebirges  verlassen,  bis  zur  Einmündung  in  den 
See.  Dieselben  liegen  in  der  Nähe  des  Flusses  Kara-Moritschc  der  russischen 
Karte;  vor  allem  hat  dieser  letztgenannte  Fluss  selbst  in  seinem  Laufe  an  den 
bb  nahe  an  den  See  herantretenden  Granithügeln  entlang  die  ausgezeichnetsten, 
mäandrischen  Biegungen,  die  auf  geringen  Raum  zusammengedrängt  sind.    Diese 


Ohrringe  ilei-    Tiu 

INiiUilich«  Giä, 

D  De-dun  in  Bin-Tlule.  -  5  van  Laingo,  Lager  U 


Eigentümlichkeit  ist  Flüssen  nur  eigen,  wenn  sie  auf  Schwemmland  fliessen.  Man 
findet  sie  auch  häufig  an  kleinen  Flüssen  mit  grossem  Schwemmlandbette,  wo 
innerhalb  des  Bettes  mäandrische  Windungen  bald  da,  bald  dort  entstehen  und 
häufig  auch  ihre  Lage  verändern. 

Während  der  Reise  am  Südufer  des  Sees  entlang  nach  Westen  fand  sich 
im  östlichen  Teile  desselben  Gelegenheit,  die  schon  mehrfach  erörterte  Frage  zu 
prüfen,  ob  der  See  »Ebbe  und  Flut<  besitzt  oder  nicht.  Prschewalskijs  Messungen 
fielen  negativ  aus  und  auch  meine  mehrere  Tage  fortgesetzten  Beobachtungen 
ergaben  kein  positives  Resultat,  da  der  See  sehr  bewegt  war. 

Die  Bevölkerung  verhielt  sich  hier  überall  sehr  ruhig.  Die  chinesischen 
Führer  requirierten  für  sich  Hammel  und  Leute  zur  Begleitung,  die  oft  in  grosser 
Zahl  ankamen.  Ueberall  konnte  man  auch  Fleisch,  Butter  und  des  öfteren  Milch 
kaufen  oder  eintauschen  gegen  allerlei  Kleinigkeiten,  die  aus  Europa  mitgebracht 


—     295     - 

waren,  wie  Nähnadeln,  Ringe  mit  imitierten  Korallen  und  anderes.  Nur  die 
chinesischen  Diener  suchten  uns  Angst  vor  Tibet  zu  machen  und  uns  zur  Um- 
kehr zu  bewegen,  indem  sie  einmal  nachts  einen  Ueberfall  durch  Kauber 
fingierten.  Sie  fingen  an  zu  schreien:  iFan-tzS,  Fan-tz£<,  d.  h.  Räuber,  zu  lärmen 
und  zu  schiessen;  als  wir  aber  aus  dem  Zelte  kamen,  war  niemand  zu  sehen. 
Am  andern  Morgen  fand  sich  eine  unserer  Eisenkisten  in  einiger  Entfernung 
vum  Lager  im  Gras  mit  einem  grossen  Einschnitt,  der  mit  einer  Säbelklinge 
hervorgebracht  war, 'um  die  Kiste  zu  erbrechen.  Das  war  aber  nicht  gelungen, 
und  es  stellte  sich  heraus,  dass  unsere  eigenen  Leute  die  Kiste  in  der  Nacht 
dorthin  geschleppt  hatten,  um  den  Thatbestand  des  Raubes  nachweisen  zu  können. 


TiiDKUtcn  in  der  llabiissu-Ebeoc  bei  La^er  XJ1, 

Um  das  Bild  vum  Südufer  des  Sees  zu  vervollständigen,  sei  noch  an- 
geführt, dass  ausser  den  schon  erwähnten  Haus-  und  Herdentieren  der  TangutCn 
auf  den  Sandbänken  am  See  auch  hier  die  grossen  Wasservögel,  Möven,  Seeadler 
und  Fischreiher,  an  den  kleineren  Seen  und  Lagunen  Wildenten  und  wilde 
Gänse  häufig  sind.  In  den  Bergen  hausen  grosse,  schöne  Adler  und  Geier, 
von  denen  besonders  der  Lämmergeier,  Gypaetus  barbatus,  mit  gelblicher  Brust 
und  schwarzen  Federn  und  der  Gänsegeier,  Gyps  himalayensis,  auffällt,  sowie 
kleinere  Raubvögel  in  Menge;  grosse  Raben  lauern  des  Morgens  auf  den  Auf- 
bruch des  Lagers,  um  sich  auf  die  hintcriassenen  Fleisch-  und  Speisereste  zu 
stürzen.  Auf  den  Steppenflächen  giebt  es  Antilopen,  zahlreiche  Mäuse  und 
die  kleinen  Pfeifhasen,  die  den  Boden  unterminieren,  sowie  Steppenvögel,  in 
den  Bergen  Steinhühner;  auch  einer  Schlange  begegnete  ich,  die  sich  auf  dem 
Granitfelsen  sonnte.     Ausser  Füchsen,  Wolfen  und   Mardern   scheinen  sich  hier 


—     296     — 

nur  selten  grössere  Raubtiere  zu  zeigen ;  erst  jenseits  der  Berge  des  Süd-Küke-nur- 
Gebirges  herrschen  die  echten  Verhältnisse  der  wilden  Steppe.  Dort  sind  die 
Tanguten  mit  ihren  Jurten  und  Herden  nur  gelegentlich,  nicht  ständig,  wie  an 
der  grossen  Strasse,  und  die  Tiere  der  Steppe,  die  wilden  Esel  und  die  grossen 
Rudel  von  Dseren-Antilopen  halten  sich  hier  auf. 

Der  Weg  über  das  Süd-Küke-nur-Gebirge  nach  dem  Thale  des  grossen 
Salzsees  Dalai-dabassu  (Dalai=Meer,  dabussun=Salz),  der  in  dem  breiten  Steppen- 
thal liegt,  das  sich  längs  des  Südfusses  des  Süd-Küke-nur-Gebit^es  nach  Osten 
ausdehnt  und  auf  der  Karte  von  Prschewalskij  den  Namen  Dabassun-Gobi  trägt, 
verlässt  das  Seeufer  bei  dem  Kara-Moritsche-Fluss  und  steigt  auf  dessen  linkem 
Ufer  über  Steppenland  allmählich  an  bis  zur  Höhe  von  etwa  3600  m  zu  einem 
kleinen  Passe  im  paläozoischen  Kalkgebirge;  dann  geht  er  steil  hinab  durch 
ein  Seitenthälchen  mit  malerischen  Felsgruppen  an  den  Berggehängen  in  ein 
grosses  Thal,  dessen  Fluss  östlich  von  dem  Vorgebirge,  das  im  Westen  des 
Kara-Moritsche  in  den  See  nach  Norden  vorspringt,  einmündet.  Das  breite  mit 
saftigem  Grase  bis  weit  an  den  Abhängen  hinauf  bedeckte  Thal,  überragt  von 
Bergkuppen  und  Felsköpfen,  ist  mit  seinem  frisch  sprudelnden  Bache  und  den 
zahlreichen  Viehherden  einem  Schwarzwaldthale  nicht  unähnlich,  nur  fehlen 
die  Wälder  auf  den  mit  Berggräsern  überdeckten  Höhen.  Zahlreiche  Jurten 
waren  hier  aufgeschlagen  längs  des  Flusses  und  des  Weges,  der  dem  Thale  in 
südlicher  Richtung  aufwärts  folgt  (siehe  Tafel  XX). 

Immer  weiter  geht  es  gegen  die  hohe  Kammkette  nach  Süden  in  die 
Höhe,  steiler  und  steiniger  wird  der  Weg,  es  mehren  sich  die  Felsklippen 
und  Abhänge  mit  kahlen  Felsflächen  oder  jäh  abstürzenden  Felswänden. 
Sanftere  Berggehänge  sind  mit  Gesträuchern  bewachsen  und  auf  den  Berges- 
höhen selbst  sind  Hochsteppen.  Ausser  Edelweiss  schmücken  blaue  Enziane  und 
weisse  Glockenblumen  die  grünen  Hochflächen  und  stachelige,  stengelige  Pflanzen 
bilden  ganze  Gruppen  eines  niederen,-  eigenartigen  Buschwerkes.  Das  letzte 
Stück  des  Weges  auf  die  Passhöhe  ist  für  Reiter  und  Lasttiere  gleich  beschwerlich; 
der  steile  Aufstieg  wird  in  einem  wasserloseh  steinigen  Nebenthälchen  in  west- 
licher'Richtung  über  loses  Felsgeröll  und  schlüpfrige  Schieferplatten  bewerk- 
stelligt. Eine  flach  gewölbte  Hochfläche  bildet  den  höchsten  Teil  des  Ueber- 
ganges  und  erhebt  sich  3780  m  über  den  Meeresspiegel,  430  m  über  das 
Niveau  des  Küke-nur. 

Auf  dem  höchsten  Punkte  dieser  mit  hohen  Gräsern  bedeckten  Hochfläche 
ist  eine  Steinpyramide  errichtet  und  die  Fernsicht,  die  man  von  hier  aus 
geniesst,  ist  sehr  umfassend.  Es  liegt  nicht  nur  der  Küke-nur  mit  seinen  Inseln 
und  Ufergebirgen  fast  ganz  frei  vor  dem  Auge,  auch  das  Süd-Küke-nur-Gebirge 
selbst,  die  in  ihm  nach  Süden  gehenden  Thäler,  die  weite  Thalfläche  des 
Dabassu-Sees  und  ihre  blauen,  südlichen  Grenzgebirge  sind  vorzüglich  zu  über- 
sehen* Vor  allem  fällt  der  Gegensatz  ins  Auge,  der  zwischen  den  flachen, 
langgezogenen    und    geschwungenen   Linien   der  .Gebirgskämme    und  grösseren 


^  ] 


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•TTiertziler  lu-s.  •v-±:.irie  n  :I:ri3   rctir^rt  Tüieü  r^rrrc  Jtrca  'ie;£^!i  irre,  -r'i-  *%  irr.s^ 

die   H  zea    ocr   xetitrsleü  Kimrrsc  crc   Kirrcea   und  krcmea  sccic   aicrrc  viert 


aÄ2>iTe,    5.:-^:e  Ofreisje   u-rc 


a-f  <fer  H:c-.ra*:E:ri  ces  riT.-*\.ber£iZ^e:?  i:i  5":c  =  H  ze   vrrr.iriene  =^rd  i-:c>. 
b-icer  re:i2:eti :fe   Lee*:*  v.c  Li'r-*.    xe'zJre    n':«ih   über  i  zi  rro-ccr-^    i>t.      M-in 

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T,iL-n^ 


^"^"H**  " 


est?  Vje>ce  :i 


bedcck-ni«^    ind  :fl*  •>^?rjirbe  tn^-n^ie  LfsidecVc  c-rrh  hen-i-ro^et^ie  Fe'<- 


^    - — --.    ^  ..o.-    - — •—    «w. —  *  V- e 

L:*  h■:ch2^etI  :ü  c-rrNih-i  c^  r«--7*':  he  ber.zdl:rr:e:i  Gicrel  erreuhe::  cr-fci 
4r>x  21    -'er  -i-^im  ?'reer^:  xe'ter  ^ith  "^^ten  aber  krmrner:  ::'>rh  ers^^  b.^.ere 

im  W-rrr-rr.  iber  r^t  -f^*  .^-d  K-'<c-n-r-'Sr:b:r^-e  e.r.er:  anie-en  Charakter,     Am 

ThsTo^-hi:  Ttin-  d-*  r  j'rt^n  de*  K ->e  ::  jr J jeb.ete^.  sird  Tirrren^Äa'.ier  Ab  e> 
Scbrer-;::ar.%  -rd  V,V,hh  .: der -r:j?-:r-* alier  Juni-e^js  ^^<f  ji?-Sab-a  -:.h: 
It«:   die  -r-tere  ^^^nt  dts  ra-ni-^-rh^^  he^  nirh  K^sc-v  i-  j^c;  —    ce 


—    298    — 

obere  in  4960  m  Meereshöhe,  und  darüber  folgen  alpine  Rasenflächen.  Ein 
zwischen  Dulan-kit  und  unserem  Uebergangc  gelegener,  von  Prschcwalskij  zuerst 
überschrittener  Pass,  der  unweit  des  Westendes  des  Küke-nur  siidwesüich  von 
demselben  liegt,  hat  die  Meereshöhe  von  4200  m,  ist  also  bedeutend  (530  m) 
höher  als  der  von  uns  zurückgelegte  Passübei^ang.  Von  der  Fasshochfläche 
steigt  der  Weg  in  einem  nach  Südwesten  sich  wendenden  Querthälchen  mit  ge- 
ringem Gefälle  und  breiter  Wiesenfläche  im  Grunde  allmählich  zur  Dabassu- 
Ebene  hinab.  Er  erreicht  dieselbe  an  einem  grösseren  Flusse,  der  aus  einem 
von  Westen  sich  hier  Öffnenden  Längsthal  des  Gebildes  kommt.  Die  durch 
dieses  Längsthal  von  der  Hauptkette  gegen  den  Dabassu-See  hin  abgetrennte 
südliche  Seitenkette   hat  noch  Berge  von  400  m  Höhe..  Einige   niedr^ere  Vor- 


SüdiuBS  lies  Süii-Kükc-Bur  GebirKtfl  un.i  Ijifier  M.     (iiiich  Nordcu  gesehen.) 

berge  und  Hügel,  ganz  aus  jungen  Gerollen  und  Anschwemmungsmassen  der 
Flüsse  bestehend,  bilden  den  Uebergang  zu  der  hier  breiten  Ebene,  in  welcher 
etwas  weiter  im  Westen  inmitten  sumpfiger  Niederungen  der  salzige,  abflusslose 
See  Dalai-Dabassu  liegt. 

Längs  der  Flussläufe  ziehen  sich  lan^edehnte,  terrassenartige  Erhebungen 
mit  leichter  Neigung  nach  Süden  noch  weit  in  die  Ebene  hinaus.  Diese  ist 
durch  die  Schwemmland -Anhäufungen  der  Flüsse  längs  des  nördlichen  wie 
südlichen  Gebirgsfusses  hoch  aufgeschüttet,  im  Gegensatz  zu  der  noch  tief 
liegenden  Mitte  mit  sumpfigen  Niederungen  längs  eines  oft  in  Tümpeln  und 
kleinen  Seen  stagnierenden  Flusses.  Heträgt  doch  der  Unterschied  der  Höhe 
der  Ebene  am  Gebirgsfusse  (bei  Lager  XI  3450  m  und  am  tiefsten  Punkte  in 
der  Mitte  südlich  von  Lager  XII  31 10  m)  340  m. 

Auf  diesen  von  beiden  Seiten  gegen  die  Mitte  hingeführten  Aufschüttungs- 
flächen, die  ganz  aus  Schotter-  und  Geschiebemassen  fluviatilen  Ursprunges  mit 


—     299     — 

starker  Lehmdurchsetzung  bestehen  und  zunächst  der  Oberfläche  noch  eine 
mächtige  Decke  geschichteten  Lehmes  tragen,  versiegen  die  vom  Gebirge 
herunterkommenden,  selbst  sehr  wasserreichen  Flüsse  rasch,  und  man  kann 
allenthalben  ihre  trockenen  Geröllbetten,  gar  nicht  mehr  vertieft  gegen  das 
allgemeine  Niveau  der  Fläche,  konstatieren.  Offenbar  dringt  nur  bei  ganz 
besonders  hohen  Wasserständen  noch  fliessendes  und  Geröll  transportierendes 
Wasser  so  weit  in  die  Ebene  vor,  wo  es  sich  nach  allen  Seiten  verteilt,  da 
keine  festen  Uferwände  hier  mehr  vorhanden  sind.  Es  sind  daher  an  solchen 
Stellen  auch  fächerförmig  ausgebreitete  Schotterbedeckungen,  allerdings  nur  in 
kleinerem  Massstab  über  dem  Lehm  zerstreut,  während  die  übrigen  Flächen 
ausschliesslich  mit  Lehm  bedeckt  sind,  der  auch  an  entblössten  Stellen  zwischen 
isolierten  Grasbüschen  häufig  zu  Tage  steht. 

In  der  Nähe  des  Gebirgsfusses,  wo  die  Flüsse  noch  genug  Gefalle  und 
Wasser  haben,  um  erodierend  wirken  zu  können,  und  wo  sie  infolge  davon 
noch  gegen  das  allgemeine  Niveau  vertiefte  Betten  mit  Wänden  von  lo  m  Höhe 
besitzen,  kann  man  recht  bedeutende  Mächtigkeiten  konstatieren,  die  der  auf 
Geröllschichten  lagernde,  geschichtete  Lehm  oder  Thallöss  erreicht.  Meist  ist 
die  Bedeckung  nur  0,5 — 3  m  stark;  es  kommen  aber  an  solchen  Ufern  Steilwände 
von  5 — 6  m  Höhe  vor,  ohne  dass  zwischen  der  kompakten  Lehmmasse  noch 
Kies-  und  Schotterschichten  zwischenlagerten. 

In  diesen  Lehmen  und  Thallössen  gelang  es  nicht,  irgend  welche  Spuren 
von  Schnecken,  Wirbeltierknochen  oder  andern  organischen  Resten  nachzuweisen. 
Dagegen  lagern  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Gebirge,  fast  in  der  Mitte  und 
nahe  der  tiefsten  Stelle  der  weiten  Thalfläche,  sandige  und  lehmige  Schichten, 
die  sich  im  Süsswasser  gebildet  haben  und  die  voll  von  Schnecken  und  Muschel- 
schalen diluvialen  Charakters  sind.  Die  Schichtung  ist  sehr  gleichmässig  und 
die  Korngrösse  der  einzelnen  Sedimente  sehr  fein,  so  dass  alles  darauf  hin- 
weist, dass  diese  Ablagerungen  in  kleineren  Seebecken  ruhig  und  ungestört 
entstanden  sind.  Die  Ausdehnung  dieser  Süsswasserablagerungen  ist  eine  nicht 
unbeträchtliche.  Weit  draussen  in  der  Ebene  bilden  die  Schuttmassen  der  Fluss- 
alluvien  einen  terassenartig  aus  dem  am  niedersten  gelegenen  Steppengebiete 
aufsteigenden  Rand  von  etwa  15  m  Höhe  und  an  diesem  Rande  stehen  auch 
die  Süsswassersande  und  fossilführenden  Lehme  an;  sie  zeichnen  sich  durch 
ihre  helle  weiss-gelbliche  Farbe  schon  von  weitem  von  den  Schottern,  welche 
an  andern  Stellen  die  Terrassenränder  bilden,  ab  und  sehen  aus  der  Ferne 
aus  wie  Sanddünen.  Sie  liegen  östlich  von  dem  Wege,  der  an  dieser  Stelle 
die  Ebene  zum  südlichen  Gebirge  hin  durchquert. 

Diese  Terrassenränder  haben  ausserdem  eine  grosse  Bedeutung  für  die 
Entstehung  von  Wasserplätzen  in  der  Steppe  der  mittleren  Teile  des  Thaies. 
Schon  nahe  am  Gebirgsrande  versiegt,  wie  oben  auseinandergesetzt  wurde,  das 
Wasser  der  Flüsse  und  Bäche;  es  versickert  in  den  locker  aufgeschütteten 
Schottermassen    und    nimmt    dort    unterirdische  Wege,    soweit  es  nicht  an  der 


—     300    — 

Oberfläche  verdunstet  oder  in  der  Tiefe  in  chemischen  Prozessen  sich  verbindet. 
Unterhalb  des  Steilabfalles  der  Terrassen  nun  kommen  solche  oben  versunkenen 
Wasser  als  Quellen  in  dem  das  Thaltiefste  bildenden,  mit  Grassteppe  bedeckten, 
geschichteten  Lehme  zum  Vorschein  und  fliessen  als  kleine  Wasserläufe  zwischen 
grasbedeckten  Ufern  nach  Osten.  Sumpfige  Stellen  mit  stagnierendem  W^asser 
in  Löchern,  oder  kleine  Bäche  mit  ringsum  bis  in  geringe  Entfernungen  reich- 
licher gedeihendem  Graswuchse  bezeichnen  solche  von  den  Herden  und  Tanguten 
gesuchten  Stellen.  Die  frischgrüne  Farbe  der  Vegetation  giebt  in  dem  ein- 
förmigen Graugelb  der  Steppe  schon  von  weitem  einen  Anhaltspunkt,  wo  gutes, 
frisches  und  vor  allem  süsses  Wasser  zu  finden  ist. 

Auch  die  Lehme  in  der  Umgebung  dieser  Wasserquellen  der  Steppe  führen 
die  Spuren  von  reichem  organischem  Leben,  das  an  diesen  feuchten  Orten 
gedieh.  Diese  Lehme  sind  wohl  in  kleinen  Wassertümpeln,  analog  denen, 
in  deren  Nähe  sie  sich  heute  befinden,  aus  Staubmaterial  der  Luft  gebildet 
worden.  Sie  bergen  zahlreiche  Schälchen  und  Gehäuse  von  Süsswasserschnecken, 
während  die  Oberfläche  mit  dichten  Büschen  von  Riedgräsern  übersät  ist.  In 
grösserer  Entfernung  von  den  Wasserstellen  ist  der  Boden  der  Steppe  in  den 
mittleren,  tiefsten  Teilen  nur  dürftig  bewachsen;  ausgedehnte  Flächen  kahlen 
Lehmes  mit  weissen  Salzkrusten  und  zahlreichen  kleinen,  ausgetrockneten,  flachen 
Wannen,  die  sich  bei  Regen  temporär  mit  Wasser  füllen,  das  aber  am  ersten 
warmen  Tage  wieder  verdunstet,  tragen  nur  in  grösseren  Zwischenräumen  noch 
Grasbüsche  eines  sehr  hohen  Riedgrases,  das  Dyrisun  (Lasiagrostis  splendeus)  heisst. 

Dieser  Charakter  der  Steppe  ändert  sich  nur  da,  wo  in  den  tiefsten  Teilen 
der  mäandrische  Lauf  eines  kleinen,  nicht  sehr  wasserreichen  Flüsschens  wieder 
grüne  Matten,  reicheren  Graswuchs  und  Weideplätze  längs  seiner  Ufer  entstehen 
lässt.  Auf  grosse  Strecken  hin  ist  er  auch  von  sumpfigen  Niederungen  begleitet, 
so  dass  der  Uebergang  zur  allmählich  ansteigenden,  südlichen  Thalseite  nicht 
leicht  zu  finden  ist.  Es  giebt  nur  eine  dafür  geeignete  Stelle,  wo  hohe  Gras- 
ränder auf  festem  Boden  an  das  Flüsschen  herantreten,  das  kein  Geröllbett  hat, 
sondern  nur  feinen  Sand  und  tiefen  Schlamm  träge  dahinschleppt 

In  ganz  gleicher  Weise  wie  auf  der  nördlichen  Thalhälfte  wiederholen 
sich  die  Verhältnisse  und  Ablagerungstypen  auf  der  südlichen  Seite;  nur  ist 
der  Terrassenrand  der  Thalschotter  nicht  so  ausgeprägt  wie  gerade  an  der 
zum  Durchqueren  des  nördlichen  Abfalles  gewählten  Stelle.  Längs  der  wasser- 
führenden Niederungen  liegen  grüne  Grasflächen,  während  im  übrigen  nur 
dürftige  Vegetation  auf  den  Kies-  und  Schotterflächen  ein  kümmerliches  Dasein 
fristet  Auch  hier  erzählen  trockene  Schotterbetten,  sogar  von  grösserem 
Umfange,  von  gelegentlichem  Wasserreichtum  und  übermütigem  Gerölletransport 
in  den  wüsten  Betten,  in  deren  einem  sogar  ein  alter,  isolierter  Baum,  eine 
Pappel  (Populus  balsamiferal),  mit  grünen  Blättern  steht,  weithin  das  einzige 
Exemplar  eines  Baumes  im  Bereiche  der  Steppe.  Man  zieht  stundenlang  an 
solchen    trockenen    Wasserläufen    aufwärts    und    kommt    dem    Gebirgsfuss    des 


Semenow ■  Gebirges  bis  auf  wenige  Kilometer  nahe,  ehe  man  dem  frisch 
sprudelnden  Wasser  der  Berge  beg^^et  und  das  Lager  aufschlagen  kann  an 
einer  Stelle,  wo  in  der  Schotterdecke  des  Bodens  etwas  reichlicher  Gras  und 
Kräuter  grünen  und  auch  die  Lasttiere  und  Pferde  zu  ihrem  Rechte  kommen 
können;  sehr  oft  ist  es  recht  kümmerlich,  was  sie  sich  auf  den  ärmeren  Steppen- 
flächen zusammensuchen  müssen. 

Die  besten  Plätze  freilich  sind  noch  weiter  oben,  wo  die  Flüsse  aus  den 
Bergen  treten  und  das  üppigste  Weideland  vom  Thalboden  weit  an  den 
blumengeschmückten  Abhängen  hinaufreicht.      Aber  diese  Stellen  liegen   schon 


'IIihI  im  Semenow -Geblrije  bei  L:ig-er  XV. 

zu  weit  ab  von  den  Wegen  der  schweren  Karawanen,  und  ausserdem  hat  dort 
der  Tangute  zahlreiche  Jurten  aufgeschlagen  und  ebenso  zahlreiche  Herden 
auf  die  Weiden  getrieben.  Man  thut  daher  besser,  ihm  nicht  ins  Gehege  zu  kommen. 
In  den  Thälern  dieses  südlich  von  der  Ebene  mit  dem  grossen  Dabassu- 
See  gelegenen  Gebirges  waren  die  Tanguten  weniger  zahlreich  als  am  Süd- 
Küke- nur- Gebirge.  Dort  waren  immer  einige,  oft  auch  viele  am  Lager  und 
kamen  oft  weit  her;  sie  machten  sich  ab  Führer  nützlich,  zeigten  die  Wege, 
brachten  auch  Schafe  zum  Verkauf  und  benahmen  sich  immer  recht  ordentlich. 
Gelegentlich  waren  sie  etwas  neugierig  oder  gutmütig-zudringlich  —  was  beson- 
ders von  den  Lamas  gilt  —  aber  unverschämt  oder  direkt  belästigend  traten 
sie  nirgends  auf.  Diese  so  sehr  gefürchteten  und  andern  Reisenden  lästigen 
Tanguten   freuten   sich  über  etwas  Watte,   die  am  Lagerplatz    liegen    geblieben 


—      302      - 

war,  oder  über  einige  Papierfetzen,  und  der  Verkehr  mit  ihnen  gestaltete  sich 
mit  Hilfe  wertloser  Talmischmucksachen  und  kleiner  Korallenkettchen  noch 
freundlicher. 

Die  Leute  wurden  von  den  die  Expedition  begleitenden,  von  den  chine- 
sischen Behörden  gestellten  beiden  Dolmetschern  und  Führern  einfach  requi- 
riert und  blieben  ein  oder  zwei  Tage  bei  der  Karawane,  bis  wieder  andere 
sie  ablösten.  Sic  kamen  auf  ihren  ausdauernden,  kleinen  Pferdchen,  mit 
Spiessen  und  Gabelflinten  bewaffnet  an    und  lagerten   immer   im  Freien,  wobei 


Tiuiüiilcn  und  ein  Ijima  im  Semenow-GebirRe  bei  I-nger  X\'. 

sie  sich  sehr  geschickt    aus    ihren  Satteldecken    aus  Filz,  ihren  Gewehren  und 
einigen  Schnüren  kleine  Schutzzelte  zusammenbauten. 

Nahrungsmittel  für  einen  oder  mehrere  Tage  trugen  sie  in  Form  von  ge- 
röstetem Gerstenmehl  und  Butter  bei  sich,  die  dann  mit  Thee  zu  der  fade 
.schmeckenden  Tsam-ba  zusammengemengt  wurden,  wobei  noch  eine  beson- 
dere Zuthat  von  Fett  den  Wohlgeschmack  erhöhen  soll.  Es  waren  meist 
nur  junge  Leute,  welche  uns  begleiteten,  durchweg  kräftig  gebaut  und  tief 
gebräunt  über  den  ganzen  Körper;  sie  ynd  von  mittlerer  Grösse,  sogar  klein 
und  haben  sehr  intelligente  Gesichtszüge;  manche  könnten  direkt  hübsch 
genannt  werden,  wie  denn  auch  unter  den  Frauen  schöne  Gestalten  und  hübsche 
Gesichter  angetroffen  werden.  Leider  sieht  man  wenig  von  diesen,  da  sie  sehr 
scheu  und  zurückhaltend  sind  und  bei  Anwesenheit  von  Fremden  sich  in 
ihre  Jurten    zurückziehen;    nur  wenn  man    länger  an  einem  Orte   weilt,  werden 


—     303     — 

sie  zutraulicher  und  bringen  Milch  und  Butter  zum  Austausch  gegen  andere 
Dinge,  wobei  besonders  Nähnadeln  und  Korallenschmucksachen  sich  ihrer  Wert- 
schätzung erfreuen.  Trotz  ihrer  primitiven  Lebensweise  sind  sie  doch  beim  Handel 
sehr  gerissen  und  suchen  auf  jede  Art  den  Käufer  zu  übervorteilen;  so  preisen 
sie  z.  B.  gerne  Milch  als  Vollmilch  an,  von  der  der  grösste  Teil  schon 
abgebuttert  ist  und  die  sie  nur  mit  einem  kleinen  Rest  frischer  Milch  versetzt 
haben.  Dagegen  sind  sie  auch  empfänglich  für  allerlei  wertlose  Gegenstände. 
So  erfreute  ich  einen  dicken  alten  Lama,  der  eine  Brille  haben  wollte,  mit 
einer  photographischen  Platte,  die  unbrauchbar  geworden  war.  Was  er  wohl 
damit  anfängt,  ob  er  sie  vielleicht  als  Fenster  in  ein  Loch  des  Jurtendaches  ein- 
setzt und  so  der  Urheber  einer  bahnbrechenden  Neuerung  bei  seinem  Volke  wird? 

Auch  liebenswürdige  Züge  sind  den  Leuten  eigen.  Davon  nur  ein  Bei- 
spiel. Eines  abends  kam  ich  schon  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  zu  dem 
kleinen  aus  Gewehren  und  Filzdecken  aufgebauten  Zeltlager,  das  sie  sich  in 
der  Nähe  unserer  Zelte  aufgeschlagen  hatten;  es  war  kalt,  ich  fror,  indem  ich 
auf  das  Nachtessen  wartete,  das,  wie  gewöhnlich  bei  uns,  nicht  zur  Zeit  fertig 
wurde.  Es  interessierte  mich,  zu  sehen,  wie  sich  die  Leute  mit  den  wenigen 
Sachen,  die  sie  zu  Pferde  bei  sich  führen  können,  eingerichtet  hatten,  und  ich 
trat  näher  heran.  Eine  Gesellschaft  von  vier  jüngeren  Leuten  sass  auf  Filz- 
decken um  das  Feuer,  auf  welchem  heisses  Wasser  zum  Thee  in  einem  kleinen, 
eisernen  Kessel  brodelte.  Andere  Decken  waren  an  den  Gewehren  aufgehängt, 
um  Schutz  gegen  den  Wind  zu  geben;  so  hatten  sie  sich  im  hohen  Grase,  das 
auch  die  kalte  Bergluft  etwas  abhielt,  ein  ganz  gemütliches  Nestchen  einge- 
richtet, in  dem  ich  sofort  eingeladen  wurde,  mit  Platz  zu  nehmen.  Alsbald 
sass  auch  ich  auf  einer  Filzdecke,  und  einer  war  geschäftig,  mir  Tsam-ba  zu 
bereiten.  In  einer  kleinen  hölzernen  Schale  wurde  zu  Thee  ein  grosses  Stück 
Butter  gegeben,  noch  eine  Zuthat  von  Fett  beigemengt  und  mir  die  Schale 
mit  freundlicher  Geberde  überreicht.  Ich  trank  dem  gütigen  Geber  den  ersten 
Schluck  zu,  dann  auch  den  andern,  welche  alle  in  derselben  freundlichen 
Weise  Bescheid  thaten.  Ich  fühlte  mich  sehr  behaglich  am  warmen  Feuer  in 
der  romantischen  Umgebung  und  bedauerte  nur,  dass  infolge  absoluter  Un- 
kenntnis der  Sprache  auf  beiden  Seiten  keine  lebhafte  Unterhaltung  sich  ent- 
wickeln konnte. 

Es  waren  dieselben  Leute,  welche  mich  später  mit  noch  über  einem 
Dutzend  anderer  freiwillig  bei  wildem,  nächtlichem  Ritte  durch  die  Steppe  be- 
gleiteten. Mein  Reisegefährte  war  bis  spät  nachts  von  der  Jagd  nicht  zum 
Lager  zurückgekehrt,  und  da  er  mit  seinen  Begleitern,  einem  Chinesen  und 
einem  Tanguten,  weder  Zelte  und  Decken,  noch  Essvorräte  bei  sich  hatte,  galt 
es,  ihn  zu  suchen,  um  so  mehr,  als  er  nicht  genau  wissen  konnte,  wo  nach  dem 
langen  Tagesmarsche  das  Lager  aufgeschlagen  worden  war  und  somit  Mühe 
gehabt  hätte,  es  in  der  Dunkelheit  aufzufinden.  Es  war  lo  Uhr  abends,  als 
wir  bei  hellstem  Mondenscheine  in  wildem  Galopp  über  die  Steppe  dahinjagten. 


304 


den  Jagdgninden  zu,  wo  er  sich  wahrscheinlich  bei  der 
Jagd  auf  die  zahlreichen  wilden  Esel  zu  lange  aufge- 
halten oder  verirrt  hatte. 

Es  war  ein  malerisches,  mir  unvergessliches  Bild, 
diese  wilden  Söhne  der  Steppe  mit  ihren  Gabelgewehren, 
die  sich  im  Mondschein  phantastisch  von  den  dunkeln 
Gestalten  abhoben,  dahinstürmen  zu  sehen  über  Stock 
und  Stein  durch  dichtes  hohes  Gras  und  über  kahle 
Lehm-  und  Kiesflächen,  unter  fortwährendem  Rufen  und 
Geschrei,  um  den  Vermissten  Zeichen  zu  geben.  Von 
Zeit  zu  Zeit  wurden  Schüsse  abgefeuert  und  minuten- 
lang auf  eine  Antwort  gewartet;  von  einzeln  verteilten 
Rotten  wurde  die  Gegend  abgesucht  und  stundenlang 
die  Steppe  bis  an  den  Gebii^sfuss  zurück  durchstreift. 
Als  schliesslich  dunkle,  vielfach  gewundene  Schluchten 
aus  der  Ebene  auftauchten,  gaben  wir  es  auf,  noch 
weiter  zu  suchen,  da  man  nichts  mehr  sehen  und  auch 
keine  Richtung  mehr  beibehalten  konnte.  Noch  einmal 
ein  vielstimmiges,  lautes  Rufen,  noch  einmal  Abfeuern 
der  Karabiner  und  Revolver:  Nichts  rührte  sich,  nichts 
war  zu  sehen  oder  zu  hören;  nur  leiser  Donner  ant- 
wortete grollend  und  der  gespenstische  Schein  fernen 
Wetterleuchtens  erhellte  auf  Sekunden  die  wilde  Um- 
gebung. 

Der  Mond  hatte  sich  versteckt,  aber  in  der  Ferne 
zeigte  uns  sein  Schein  die  Steppe  und  das  Gebirge  in 
wundersamer,  greller  Beleuchtung;  von  Westen  kamen 
schwarze  Wolkenschwaden  mit  beängstigender  Ge- 
schwindigkeit herauf;  schon  waren  die  Bei^kämme  und 
Spitzen  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  in  feuchte  Nebel 
gehüllt,  und  immer  häufiger  zuckten  die  Blitze,  immer 
unmittelbarer  und  dröhnender  folgten  ihnen  die  Donner- 
schläge. Mit  dem  Wetter  um  die  Wette  ging  es  durch 
die  Steppe  zurück,  jetzt  abwärts  der  Mitte  der  Ebene 
zu.  Dumpf  tönte  der  Boden  unter  dem  Schlage  der 
Hufe,  wie  Gespenster  flogen  die  einzelnen  Reitergestalten 
in  dem  fahlen  Lichte  dahin.  In  unglaublich  kurzer  Zeit 
waren  wir  dem  Bereiche  des  den  Bergen  entlang  ziehen- 
den Gewitters  entflohen  und  wieder  draussen  in  der 
Steppe  im  Mondenschein.  Die  Küke-nur-Pferde  sind 
berühmt  für  Ausdauer  und  Schnelligkeit  und  dabei  sehr 
genügsam  und  nicht  verwöhnt 


—     305     — 

Wie  sich  am  andern  Morgen  zeigte,  hatten  die  Jäger  eine  ganz  falsche 
Richtung  genommen,  die  Nacht  im  Freien  kampiert  und  erst  morgens  die 
richtige  Lage  des  Lagers  am  aufsteigenden  Rauche  erkannt,  zu  dem  sie  dann 
hungrig  und  durstig  mit  müden  Pferden  noch  einen  stundenlangen  Weg  zurück- 
zulegen hatten. 

Auch  bei  andern  Exkursionen,  die  von  der  Hauptroute  der  Karawane  ab- 
führten und  geologischen  oder  geographischen  Zwecken  dienten,  hatte  ich  zu- 
weilen in  diesen  Tanguten  willige  Begleiter.  Ihr  Interesse  ging  so  weit,  dass 
sie  mir  Versteinerungen  suchen  halfen  und  auch  ganz  brauchbare  Exemplare 
fanden,  einmal  sogar  von  einem  Punkte,  wo  es  mir  selbst  nicht  geglückt  war, 
etwas  zu  finden.  Wie  könnte  man  mit  Kenntnis  der  Sprache  und  Benutzung 
dieser  Leute  die  Gebirge  und  das  Land  bis  weit  nach  Süden  durchstreifen, 
die  verborgensten  Winkel  aufsuchen  und  durchforschen  und  die  schönsten 
Sammlungen  anlegen,  wo  wir  gezwungen  waren,  in  der  Ebene  weiter  zu 
ziehen  und  die  interessantesten  Teile  nur  von  Feme  sehnsüchtig  zu  betrachten. 
Die  Führung  dieser  einheimischen,  mit  Wegen  und  Stegen  vorzüglich  ver- 
trauten Leute  war  auf  dem  weiteren  Marsche  zum  Hoang-ho  von  grossem 
Werte,  da  die  Wege  durch  das  Gebirge  an  manchen  Punkten  schwierig  zu 
finden  sind  und  verschiedene  hohe  Pässe  von  nördlichen  Ausläufern  überschritten 
werden  müssen. 

Das  Semenow- Gebirge  im  Süden  der  grossen,  von  Westnordwest  nach 
Ostsüdost  verlaufenden  Depression,  in  deren  westlichem  Teile  sich  der  Dalai- 
Dabassu-See  befindet,  hat  verschiedene  Namen  in  seinen  verschiedenen  Teilen. 
Auf  der  russischen  Generalstabskarte  Bl.  XXII  ist  nur  die  Ebene  des  Sees  als 
Dabassun-Gobi  bezeichnet,  das  Gebirge  selbst  aber  ohne  Benennung  bis  zu  seinem 
östlichsten  Teile  am  Hoang-ho,  der  nach  dem  gleichnamigen  Orte  Gebirge  von 
Balekun-gomi  genannt  wird.  Ein  anderer  Name  San-si-bei  findet  sich  im  Osten 
am  Hoang-ho,  südwestlich  von  Balekun-gomi  auf  Prschewalskijs  Karte,  als  west- 
liche Fortsetzimg  des  Dschupar-Gebirges.  Der  Verlauf  des  Reiseweges  vom 
Süd-Küke-nur-Gebirge  ab  nach  Süden  durch  die  Dabassu-Ebene  und  am  Nord- 
fusse  des  Gebirges  entlang  nach  Südosten  bis  zum  Hoang-ho  hat  nun  gezeigt, 
dass  die  Hauptkette  dieselbe  Richtung  hat,  während  eine  niedrigere  Kette  in 
mehr  östlicher  Richtung  im  Osten  abzweigt  und  das  niedere  Gebirge  bildet, 
das  im  heiligen  Amne-waien-Berge  endigt  und  auf  Prschewalskijs  Karte  nördlich 
vom  Dsurge-gol  richtig  dargestellt  ist.  Südlich  davon  liegt  die  Kette  des  San- 
si-bei,  die  er  in  3780  m  hohem  Passe  überschritt  und  deren  Gipfel-Höhen  er  auf 
5230  m  schätzt.  Dieser  San-si-bei  verläuft  vom  Hoang-ho  zuerst  in  nordwest- 
licher, dann  westlicher  Richtung  und  lässt  den  Dabassu-See  weit  im  Norden, 
ebenso  wie  das  im  Süden  des  Sees  von  Prschewalskij  gezeichnete  Gebirge. 
Das  Gebit^sstück  zwischen  Dalai-Dabassu  und  dem  westlich  davon  gelegenen 
Dschulan-nor  verläuft  in  der  Richtung  von  Nordwest  nach  Südost  und  würde 
in    seiner  Verlängerung    nach  Südosten,   die    der  Wirklichkeit   auch    entspricht, 

Flitterer,  Durch  Asien.  20 


—     3o6     — 

den  Hoang-ho  genau  an  seiner  Austrittsstelle  aus  dem  Dschupar-Gebiige  treffen. 
Auf  den  bisherigen  Karten  aber  zeigt  jenes  Gebirge  im  Süden  des  Dalai- 
Dabassu  eine  Schwenkung  nach  Ost  und  sogar  nach  Nordost,  die  es  im  Osten 
mit  der  Süd-Küke-nur-Kette  vereinigen  würde,  was  den  thatsächlichen  Verhält- 
nissen nicht  entspricht.  Das  Gebirge  südlich  des  Dalai-Dabassu  bis  zum 
Hoang-ho,  das  als  Scmenow  Gebirge  bezeichnet  worden  ist,  verläuft  in  seiner 
Hauptkette  zum  Hoang-ho  am  Dschupar-Gebirge  und  bildet  somit  dessen  Fort- 
setzung nach  Nordwesten;  der  östliche  Teil  trägt  den  Namen  San-si-bei,  wie 
es  weiter  westlich  bei  den  Eingeborenen  heisst,  ist  nicht  bekannt.  Ob  ein 
gegen  Ost  abzweigender  Höhenzug  des  Semenow-Gebirges,  von  dem  später  die 
Rede  sein  wird  und  der,  in  östlicher  Richtung  verlaufend,  das  sogenannte 
Balekun-gomi- Gebirge  erreichen  würde,  mit  diesem  wirklich  zusammenhängt, 
halte  ich  für  sehr  zweifelhaft,  und  jedenfalls  könnte  es  sich  nur  um  eine^sehr 
geringe  Erhebung  handeln,  da  bei  der  ganzen  Reise  weiter  nach  Osten  bis 
zum  Hoang-ho  keine  solche  Kette  mehr  gegen  Norden  sichtbar  war.  Es  er- 
scheint mir  wahrscheinlich,  dass  sich  die  Hoang-ho -Steppe  zuerst  in  ihrer 
ganzen  Breite,  die  auf  dem  linken  Flussufer  zwischen  Balekun-gomi  und  dem 
Nordfusse  des  San-si-bei-Gebirges  etwa  55  km  beträgt,  und  dann  allmählich 
abnehmend  nach  Westen  zwischen  Semenow-Gebirge  und  Süd-Küke-nur-Gebirge 
ausdehnt  und  mit  der  Ebene  des  Dalai-Dabassu  zusammenhängt.  Ein  aus  Porphyr- 
Bergen  bestehender  Ausläufer  des  Semenow-Gebirges  engt  sie  etwas  ein,  aber 
auch  schon  westlich  davon  ist  der  Lauf  des  Wassers  im  tiefsten  Teile  und 
in  der  Mitte  der  Ebene  nach  Osten,  also  gegen  den  Hoang-ho  hin  gerichtet, 
nicht  nach  Westen,  wie  auf  der  russischen  Karte  als  wahrscheinlich  an- 
gegeben ist 

Rockhills  Kartenskizze  des  Reiseweges  von  Schalakuto  am  Südfusse  des 
Süd-Küke-nur-Gebirges  entlang  und  dann  noch  östlich  vom  Dalai-Dabassu  über 
eine  weite  Ebene,  die  er  Ch'emar  fang  nennt,  zum  Nordfusse  des  Semenow- 
Gebirges  lässt  vermuten,  dass  auch  das  Süd-Küke-nur-Gebirge  im  Osten  breiter 
ist,  als  an  der  von  uns  überschrittenen  Stelle,  die  nicht  weit  östlich  vom 
Meridiane  des  Dabassu-Sees  liegt.  Sein  Weg  ging  vielfach  zwischen  den  Vor- 
bergen des  Süd-Küke-nur-Gebirges,  so  dass  die  Uebersicht  der  Ebene  im  Süden 
verhindert  war;  er  traf  aber  nach  Osten  fliessende,  zum  Hoang-ho-Flussgebiet 
gehörige  Abflüsse  und  auch  Seen,  wie  den  Gunga-nor,  von  denen  die  Möglich- 
keit besteht,  dass  sie  ebenfalls  Abflüsse  nach  dorthin  haben.  Er  schreibt,  dass 
das  Land  im  Süden  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  sich  meilenweit  als  ein  welliges 
Plateau  ausdehnt,  dessen  niedere  Ketten  im  allgemeinen  in  südwestlicher  Richtung 
verlaufen,  und,  dass  darüber  hinaus,  in  einigen  40  Meilen  Entfernung  im  Süden 
eine  nicht  sehr  hoch  aufragende  Bergkette  zu  unterscheiden  war,  von  der  er 
glaubte,  dass  sie  schon  jenseits  des  Hoang-ho  gelegen  sei.  Das  spricht  dafür, 
dass  die  grosse  Ebene  im  Süden  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  sich  kontinuierlich 
bis  zum  Dalai-Dabassu  hinzieht  und  nur  in  ihrer  Breite  sowohl  durch  Vorberge 


—     307     — 

des  Süd-Küke-nur-Gebirges  wie  solche  des  Semenow-Gebirges  stellenweise  ein- 
geengt wird.  Der  Huyuyung-Fluss  soll  ganz  in  der  Nähe  des  Dalai-Dabassu  ent- 
springen und  fliesst  nach  Osten  in  einen  See  —  Gunga-nor  —  von  dem  es  zweifel- 
haft ist,  ob  ein  Abfluss  noch  weiter  nach  Osten  zum  Hoang-ho  geht.  Es  ist  immer- 
hin leicht  möglich,  dass  er,  ebenso  wie  der  Dalai-DabaSsu,  abflusslos  ist.  Es  sind 
durch  die  neueren  Forschungen  im  nördlichen  Tibet  viele  solcher  Längs- 
depressionen zwischen  den  Gebirgsketten  nachgewiesen  worden,  welche  nur 
abflusslose  Seen  in  Reihen  hintereinander  enthielten.  Südlich  vom  Gunga-aor 
verläuft  eine  Bergkette  nach  Südosten,  die  sich  westlich  von  diesem  See 
dem  Süd-Küke-nur-Gebirge  anschliesst  und  ihm  parallel  läuft;  dadurch  ist  das 
Abzweigen  von  Gebirgszügen  vom  Hauptkamme  des  letzteren  Gebirges  dar- 
gethan  und  auch  das  Gebirge  von  Balekun-gomi  dürfte  sich  an  dasselbe 
angliedern. 

Unter  dem  Semenow-Gebirge  wird  hier  das  ganze  Gebirge  mit  seinen  ver- 
schiedenen Vorbergen  und  noch  abzweigenden  Ketten  verstanden,  das  im  Westen 
des  Hoang-ho-Thales  die  Fortsetzung  des  Dschupar-Gebirges  auf  dessen  West- 
seite bildet  und  in  nordwestlicher  Erstreckung  südlich  vom  Dalai-Dabassu  vorbei 
und  gegen  die  Ketten  des  nördlichen  Tsai-dam  verläuft.  Die  Bergkette  scheint 
gegen  Westen  an  Höhe  zuzunehmen.  Rockkill  hat  sie  südlich  vom  Dalai- 
Dabassu  in  einem  16500  Fuss  =  5166m  hohen,  schwierigen  Passe  überschritten 
und  aus  Granit  bestehend  gefunden;  er  nennt  den  Pass  Wa-hon-la,  nach  dem 
Flusse,  der  an  ihm  entspringt  und  noch  zur  Dabassu-Ebene  fliesst;  auf  der 
Westseite  nehmen  die  Flüsse  schon  ihren  Abfluss  nach  dem  Tsai-dam  hin.  Die 
Kette  des  Gebirges  erhebt  sich  dort  700 — 1000  m  über  die  Steppenebenen  und 
hat  eine  Erstreckung  von  Westnordwest  nach  Ostsüdost. 

Der  östliche  Teil  des  Semenow-Gebirges  unterscheidet  sich  dadurch  von 
dem  mittleren,  dass  er  gegen  Norden  hin  breiter  wird.  Die  Dabassu-Ebene 
wird  infolge  davon  enger  und  in  diesen  Teil  reicht  von  Osten  her  das  breite 
Längsthal  des  Dsurge-gol  hinein,  das  eine  niederere  Vorkette  von  dem  Haupt- 
kamme abschliesst,  während  der  mittlere  Teil  aus  einer  einheitlichen  Bergkette 
mit  tief  einschneidenden  Querthälern  besteht.  Die  höchsten  Gipfel,  die  Höhen 
bis  5000  m  erreichen,  liegen  dort  zentral  und  ziemlich  entfernt  südlich  vom 
Gebirgsfusse;  die  Berge,  welche  diesem  näher  liegen,  haben  viel  geringere 
Höhen.  Die  grossen  Thäler  nehmen  ihren  Ursprung  von  den  Gipfeln  der 
zentralen  Kette  und  gehen  direkt  als  Querthäler  zwischen  niederen  Bergen 
hindurch  nach  Norden  in  die  Ebene;  von  diesen  letzteren  gehen  wieder  andere, 
kleinere  Querthäler  aus  und  durch  die  beiden  Typen  von  Thalsystemen  wird 
der  Oberflächen  Charakter  des  Gebirges  und  seiner  Kammlinie  bedingt;  es  drängen 
sich  in  dieser  die  Gegensätze  von  hohen  Gipfeln  und  tiefen  Scharten  dazwischen 
eng  zusammen  und  die  Kammlinien  haben  einen  wechselnd  auf-  und  abspringenden 
Verlauf  Sieht  man  die  zentrale  Kette  sich  gegen  den  Himmel  abzeichnen, 
so    gewähren    die  mannigfaltigen,  schroffen  Formen  und  der  vielfache  Wechsel 

20* 


in  Gestalt  und  Grösse  der  Gipfel  ein  abwechselungsreiches  Bild,  im  Gegensatze 
EU  den  nach  Norden  hin  den  Horizont  begrenzenden,  eintönigen  Umrisslinien 
des  Süd-Küke- nur- Gebirges. 

Der  mittlere  Teil  des  Semenow-Gebirges  besteht  vorwiegend  aus  kristal- 
linem Schiefer  und  stark  umgewandelten,  altpaläozoischen  Sedimentgesteinen, 
die  sich  «ohl  in  den  zentralen  Ketten,  nach  den  überall  in  den  Geröllbetten 
zahlreich  vertretenen  Granitblöcken  zu  schltessen,  um  einen  Kern  von  granitischen 
Gesteinen  legen. 


Thal  im  Semenow-Gelilree.  oberhiüb  von  I.ai;cr  X\l. 

Der  östlicheTeil  weist  diesen  Verhältnissen  gegenüber  wichtige  Unterschiede 
auf,  die  weiter  unten  zu  erörtern  sein  werden. 

Wir  erreichten  den  Südfuss  des  Semenow-Gebirges  an  einem  sehr  breiten 
und  schotterreichen,  aber  nur  wenig  Wasser  führenden  Flusse,  auf  dessen  etwa 
lo  m  hohem,  steil  abfallendem  Ufer  unser  Lager  XIII  aufgeschlagen  wurde. 
Dieser  Ufercharakter  ist  auch  sonst  den  aus  dem  Gebirge  auf  die  Aufschüttungs- 
flächen heraustretenden  Flüssen  eigen,  und  je  weiter  sie  in  die  Ebene  hinaus- 
kommen, um  so  geringer  wird  ihre  Wasserführung.  Es  ist  dieser  Fluss  jeden- 
falls nicht  weit  entfernt  von,  wenn  nicht  identisch  mit  Rockhills  Muri-ch'u,  dem 
er  ein  breites,  felsiges  Bett  mit  hohen  Uferrändern  und  nordnordöstlichem  Laufe 
zu.schreibt.  Westlich  davon  beschreibt  Rockhill  den  Vorsprung  der  Porphyrbei^e 
nach  Norden  hin  gegen  die  Ebene,    und   noch   weiter  östlich   kommt    der  Tsa- 


—     309     — 

tsa-ch*u-Fluss  aus  dem  Semenow-Gebirge,  dessen  Umgebung  durch  vorzügliche 
Weideplätze  ausgezeichnet  war  und  der  einem  der  grösseren  Thäler  im  Osten 
des  Porphyr-Gebietes  bei  Lager  XVI  oder  XVII  entsprechen  muss.  Der  tiefste 
Punkt  in  der  Dabassu-Ebene,  den  Rockhill  am  Huyuyung-Flusse  bei  T'so-kadri 
fand,  hat  die  Meereshöhe  von  9,797  englischen  Fuss  =  2,939  m,  während  der 
tiefste  Punkt,  den  ich  in  der  Dabassu-Ebene  und  am  Flusse  weiter  westlich 
gemessen  habe,  in  3,110  m  Meereshöhe  lag.  Es  befand  sich  in  seiner  Nähe 
das  Lager  XII,  dessen  geographische  Breite  zu  36^8'  51"  gemessen  wurde. 
Rockhill  fand  den  Fluss  breiter  und  tiefer  als  es  weiter  östlich  der  Fall  war, 
und  schwer  oder  gar  nicht  passierbar,  wenn  das  Wasser  nicht,  wie  bei  Rockhills 
Uebergang  am  23.  März,  gefroren  ist.  In  der  Umgebung  beobachtete  auch 
er  viele  Salzeffloreszenzen. 

In  der  breiten  Steppenebene  des  Dalai-Dabassu,  in  deren  Mitte  nahe  dem 
tiefsten  Punkte  unser  Lager  XII  lag,  hielten  sich  viele  wilde  Esel  (Asinus  Kiang, 
Moorkr.)  auf;  auch  Gazellen  waren  nicht  selten.  In  der  Nähe  des  Lagers  wuchs 
reichlich  Dyrisun  und  auf  spärlicher  bewachsenen  Flächen  war  Dracocephalum 
heterophyllum  Bth.  und  mehr  gegen  den  Gebirgsfuss  hin  Anaphalis  lactea 
Max.  zu  finden. 

In  dem  Thälchen  von  Lager  XIII,  das  von  weit  hinten  aus  der  hohen  Region 
der  zentralen  Kette  des  Semenow-Gebirges  kommt,  waren  an  den  Gehängen 
der  niedereren  Berge  des  Thalausganges  sehr  schöne  Granitfelswände  anstehend 
zu  sehen.  Die  Erosion  hatte  die  Felsen  in  mannigfaltigster  Weise  aus- 
gehöhlt und  modelliert,  so  dass  in  dem  harten  Granite  weiche,  sanfte  Ver- 
tiefungen mit  gerundeten,  flachen  Ecken  und  Kanten  entstanden  waren,  wie  sie 
aus  Thon  oder  Wachs  modelliert  werden  können.  Noch  eine  weitere  Merk- 
würdigkeit bieten  diese  Granite:  sie  haben  eine  ausgezeichnete  Zerklüftung,  und 
die  einzelnen  Flügen  und  Spalten  derselben  folgen  sich  so  dicht  und  regel- 
mässig, dass  die  Oberfläche  der  Granitwände  vollkommen  wie  diejenige  eines 
Schichtgesteins  aussieht. 

Zahlreiche,  bunte  Flechten,  welche  besonders  alle  hervorragenden  Teile 
dieser  Felsenklippen  überziehen,  lassen  die  einzelnen  Vorsprünge  rot,  gelb, 
grau  oder  weiss  erscheinen,  so  dass  ein  farbenreiches,  herbstliches  Bild  ent- 
steht. In  den  grünen  Rasen,  die  sich  vom  Thalboden  an  den  sanfteren 
Abhängen  hinaufziehen,  blühen  in  grosser  Menge  blaue  Enziane,  Edelweiss  und 
weisse  Glockenblumen.  Von  den  in  den  Thalabhängen  des  Semenow-Gebirges 
gesammelten  Pflanzenarten  seien  die  folgenden  angeführt.  Unter  den  in  zahl- 
reichen Arten  und  Exemplaren  auftretenden  Enzianen  ist  eine  Form  mit  grossen, 
weissen  Blütenkelchen,  die  hart  am  Boden  stehen,  bemerkenswert;  sie  ist  eine 
neue  Art  und  wurde  Gentiana  callicantha  Diels  u.  Gilg  genannt.  Auch  H. 
polyclada  ist  eine  neue  Art;  ausserdem  wurden  Delphinium  grandiflorum  L.  var. 
Gmelini  Rehb.,  Tanacetum  tenuifolium  Jacqu.  und  Senecio  thianschanensis  Reg. 
und  Schmalh.,  Pedicularis  Futtereri  Diels,  Aster  altaicus  Willd.,  Anaphalis  lactea 


—     3IO    — 

Maxim,  u.  a.  gesammelt.    Darüber  thronen  die  schroffen  Felsengipfel,  und  auch 
in  der  heissen  Jahreszeit  glänzen  weisse  Firne  und  Schneeflächen  herab. 

Zahlreiche  Berghasen  und  Steinhühner  beleben  die  Thäler  und  die  Berg- 
abhänge und  in  den  Felsen  nisten  wilde  Tauben.  Die  Jagd  ergab  Syrrhaptes 
tibetanus,  Gypaetus  barbatus,  Haliaetus  leucoryphus,  Melanocorypha  maxima 
(Riesenlerche)  und  Pratincola  maure. 

Solcherart  ist  der  Charakter  von  Gebirge  und  Thal  im  mittleren  Teile 
des  Semenow-Gebirges,  an  dessen  Fuss  der  Weg  unserer  Expedition  nach  Osten 
ging,  in  einiger  Entfernung  (5  km)  vom  Gebirge  selbst  über  steinige  Schotter- 
betten der  Flüsse  und  den  von  Schotter  und  Lehm  aufgefüllten,  nördlichen 
Abfall  des  Gebirgsfusses.  Die  Berge  haben  hier  Höhen,  die  zunächst  an  der 
Ebene  500  bis  600  m  über  diese  emporragen,  in  den  zentralen  Teilen  aber 
wurden  Höhen  von  800  m  über  dem  Gebirgsfusse  und  gegen  5000  m  über  dem 
Meere  gesehen. 

Gegen  Osten  hin  ändert  sich  aber  plötzlich  das  Bild.  Schon  aus  grosser 
Ferne  sieht  man,  dass  Gebirgsausläufer  nach  Nordost  gehen  und  die  breite 
Ebene  einengen,  so  dass  die  Entfernung  vom  Fusse  der  südlichen  Berge  bis 
zum  Fusse  des  Süd-Küke-nur-Gebirges  um  etwa  ein  Drittel  verkürzt  wird.  Iso- 
lierte, steil  aufragende,  kleine  Berge  erheben  sich  an  dieser  Stelle  aus  der  Ebene 
und  reichen  bis  zu  deren  Mitte.  Nach  einem  starken  Tagemarsche  nach  Ost- 
südost (etwa  20  km)  hat  man  die  in  die  Ebene  vorspringenden  Berge  erreicht 
und  sieht  sich  einem  ganz  veränderten  Charakter  des  Gebirges  gegenüber,  so- 
wohl was  morphologisches  Aeusseres  wie  innere  Zusammensetzung  anbelangt. 
Kleine  isolierte  Bergkuppen  ohne  Zusammenhang  erheben  sich  bis  zu  300  m 
und  bilden  einzelne  Gruppen  mit  flachen,  muldenartigen  Thälern  zwischen  den 
grasbewachsenen  Höhen,  oder  sie  stehen  unvermittelt  in  der  ringsum  ebenen 
Grasfläche,  die  mit  sehr  geringem  Gefalle  nach  Norden  hin  abfallt.  An  den 
Thalgehängen  eines  kleinen,  aus  den  zentralen  Teilen  kommenden  Flüsschens, 
das  eine  grössere  Gruppe  jener  Berge  durchbricht,  erscheinen  die  steilen  Fels 
klippen  an  der  Oberfläche  schwarz  und  metallisch  wie  Stahl ;  auch  von  höheren, 
felsigen  Bergspitzen  glänzen  solche  Felsklippen  wie  Spiegel  herunter. 

Die  geologische  Untersuchung  zeigt,  dass  diese  ganzen  nach  Norden  vor- 
springenden, schon  durch  ihre  äussere  Erscheinungsform  vom  andern  Gebirge 
sich  abscheidenden  Berge  aus  einem  harten  Quarzporphyr  bestehen,  der  nörd- 
lich der  hier  aus  alten  Schiefern  und  Sandsteinen  bestehenden,  gegen  die 
Gebirgsmitte  zu  liegenden  Berge  ein  grösseres  Areal  einnimmt,  zu  dem  auch 
wohl  die  isolierten,  weit  in  die  Ebene  hinausreichenden  Berge  gehören.  Diese 
Porphyrberge,  die  durch  Eruptionen  feuerflüssigen  Materiales  in  uralten,  geolo- 
gischen Zeiten  entstanden  sind,  erreichen  vor  dem  Hauptkamme  des  Gebirges 
bedeutende  Höhen,  z.  B.  in  einem  hohen,  breitkuppigen  Berge  von  4300  m, 
nahe  einem  im  folgenden  zu  erwähnenden  Passübergang  zu  einem  Längsthal, 
das  nach  Osten  zum  Hoang-ho  führt. 


—     311     — 

Die  sanften  Abhänge  und  selbst  die  höchsten,  kuppenartig  gewölbten  Berg- 
gipfel sind  mit  Steppengräsern  und  an  steileren  Abhängen  auch  mit  Sträuchern 
und  Gebüschen  bewachsen;  selbst  auf  dem  4300  m  hohen  Berge  fand  ich 
ganz  oben  noch  Grasflächen  und  kleine  sumpfige  Wassertümpel.  In  der  Ge- 
birgshauptkette  dagegen,  die  in  geringer,  südlicher  Entfernung  von  jenem 
hohen  Porphyrberge  vorüberzieht,  sind  ähnlich  hoch  gelegene  Teile  kahl  und 
von  Felsgraten  und  Klippen  oder  schieferigen  Schutthalden  eingenommen. 
Im  Porphyrgebiet  haben  die  Kräfte  der  Erosion  des  wüstenartigen  Klimas 
die  Oberflächen  der  auf  einzelnen  Gipfeln  oder  an  Thalwänden  anstehenden 
Felsklippen  geschwärzt,  geglättet  und  ihnen  das  oben  geschilderte,  metallische 
Aussehen  verliehen,  das  in  der  Wüste  zu  den  am  allgemeinsten  verbreiteten 
Erscheinungen  gehört  Je  höher  oben  die  Felsklippen  liegen,  um  so  schöner 
sind  diese  oberflächlichen  Veränderungen  der  Gesteine,  die  den  Namen  Schutz- 
rinden führen.  An  klaren  Tagen,  bei  Sonnenschein  ist  das  Blinken  und  Glänzen 
auf  den  Höhen  und  schroffen  Seiten  der  Porphjn-berge  ausserordentlich  cha- 
rakteristisch; es  fehlt  aber  den  übrigen  Gesteinen  des  Gebirges,  wie  Sandsteinen, 
Grauwacken,  Schiefern  und  auch  den  granitischen  Gesteinen  fast  völlig. 

Ist  durch  das  verbreitete  Auftreten  dieser  Porphyre  schon  ein  besonderer 
Zug  im  östlichen  Teile  des  Semenow-Gebirges  in  morphologischer  und  geolo- 
gischer Beziehung  dargestellt,  so  gesellt  sich  hierzu  eine  weitere  Besonderheit 
gegenüber  dem  mittleren  Teile  durch  das  Einschieben  eines  weiten  Längsthaies, 
das  sich  nach  Ostsüdosten  zum  Hoang-ho  erstreckt  und  das  Gebirge  der  Länge 
nach  in  zwei  annähernd  parallel  verlaufende  Aeste  spaltet,  einen  niedrigeren, 
nördlichen  Zweig,  welcher  den  östlichen  Teil  der  Dabassu-Ebene  im  Süden 
begrenzt,  und  einen  höheren,  den  Hauptkamm  fortsetzenden  Teil,  zwischen 
welchem  und  dem  ersteren  die  nach  Osten  breiter  werdende  Thalfläche  des 
Längsthaies,  das  Choka-Ebene  genannt  wird,  sich  erstreckt.  Möglicherweise 
hängt  nach  gütiger  Mitteilung  von  Herrn  Himly  der  Name  mit  dem  chinesischen 
Worte  hok*ai  zusammen,  das  »Oeffnung  des  (gelben)  Flusses«  bedeutet. 

Der  Reiseweg  geht  nicht  in  der  Ebene  um  das  vorspringende  Porphyr- 
gebiet herum,  sondern  in  südöstlicher  Richtung  zwischen  demselben  und  den 
Hauptketten  über  einen  4030  m  hohen  Pass  und  in  derselben  Richtung  weiter 
in  die  Zone  niederer  Vorberge  zwischen  Querthälern,  durch  die  man  hinaus 
auf  die  Steppenebene  im  Norden  sehen  kann ;  nach  einigen  Tagemärschen  wird 
die  nördlich  die  Choka-Ebene  begleitende,  sich  abzweigende  Bergkette  in 
3790  m  Höhe  überschritten,  und  nach  vier  weiteren  Tagemärschen  am  Nord- 
fusse  des  San-si-bei  der  Hoang-ho  erreicht. 

Im  Gegensatze  zu  der  Porphyrlandschaft  mit  ihren  sanften,  gras-  und  weide- 
bedeckten Formen  und  dem  unvermittelten,  an  Vulkane  erinnernden  Auftreten 
in  der  Ebene,  ist  der  Charakter  des  Gebirges  weiter  im  Osten  felsig  und  wild. 
Die  Sandsteine  bilden  auf  den  Bergen  und  an  den  steilen  Thalgehängen 
schroffe  Felsköpfe,  die  durch  die  Erosion  aus  den  weichen  Schiefern,  mit  denen 


—     3"2     — 

die  Sandsteine  wechsellagern,  in  grotesken  Formen  hentusmodelliert  sind.  Un- 
gemein wild  und  öde  ist  das  Aussehen  der  höheren  Teile  dieses  unwirtlichen, 
kahlen,  steinigen  Sandstein-  und  Schiefergebietes;  vielfach  lag  Schnee  über 
den  hohen  Gipfeln  des  Gebirgskammes,  der  sich  tief  hinab  in  die  schwarzen 
Abgrunde  der  Schieferregionen  senkte  und  wieder  steil  zu  den  Höhen  hinauf- 
stieg. In  den  tieferen  Teilen  des  Gebirges  und  besonders  gegen  die  Thalaus- 
gänge hin  liegt  ziemlich  mächtiger  Gehängelehm  und  dort  sind  auch  Weide- 
plätze  auf  weiten,    grasbewachsenen    Halden.    Das  Längsthal,    das  vom    oben 


Kalkber^e  im  ^emenuw-Gebirge  bei  LaRer  XVI. 

genannten  Fasse  hinabgeht,   ist  in  seinem  oberen  Teile  typisch  fiir  diesen  Ge- 
birgscharakter,  den  die  Tafel  XXI  veranschaulicht. 

Von  hier  ab  und  weiter  nach  Osten  tritt  als  Form  gebendes  Element  fiir 
die  malerische  Gestaltung  der  Berge  ein  massiger,  grosse  Stocke  bildender 
Kalk  hervor,  deren  imposante  Febkolossc  etwas  an  den  Landschaftstypus  der 
Kalkalpen  in  Süd-Tirol  erinnern,  ohne  aber  dessen  Grossartigkeit  zu  erreichen. 
Hohe,  wild  aufragende  Gipfel  bilden  überall  den  Hintergrund  der  kleinen  Thäl- 
chen,  welche  der  immer  noch  südöstlich  führende  Weg  am  Nordabhange  des 
Gebirges  überschreitet  und  zwischen  welche  sich  hier  in  der  Zone  der  Vor- 
berge über  und  über  mit  Löss  bedeckte,  grasbewachsene  Hügel  legen,  die, 
sich  verflachend,  noch  einige  Kilometer  weit  zur  Ebene  hinabziehen.  Die 
plumpen,  mächtigen  Massen  von  Korallenkalken  der  paläozoischen  Zeit  sind  hier 


—     313     — 

zwischen  Schiefer  und  Sandsteine  eingelagert,  welche  der  Erosion  wenig  Wider- 
stand entgegensetzen,  weiche  Formen  annehmen  und  Gras  und  Sträucher  tragen. 
Um  so  unvermittelter  und  grossartiger  wirken  daher  die  jäh  aufsteigenden, 
wild  zerrissene  und  jäh  abfallende  Berg-  und  Felsgruppen  bildenden  Kalke, 
die  ohne  jede  Vegetation  in  der  auch  den  Dolomiten  eigenen,  weiss-rötlichen 
Farbe  in  der  Abendsonne  glänzen. 

An  einem  von  Süden  aus  dem  Granitgebiete  kommenden  Flüsschen  erwies 
sich  eine  hohe  Kalkfelswand,  einem  Riffe  vergleichbar,  als  ganz  und  gar  auf- 
gebaut von  Korallenresten,  und  an  andern  Stellen  von  Schälchen  kleiner  Orga- 


Lager  WIl  am  AuBguD);  einei  Thaies  aus  dem  Külkgebirge.     ^^pme^ow-GfbiT}■e. 

i  der  Fusulinen,  die  zur  Familie  der  Foraminiferen  und  Klasse  der  Urtiere 
gehören.  In  vielen  Tausenden  und  Abertausenden  setzen  die  kleinen,  gersten- 
Ibrmig-ovalen  Gehäuse  dieser  längst  ausgestorbenen  Tierchen  die  Felsen  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  und  über  weite  Räume  zusammen.  Die  Verwitterung 
zeigt  die  zierliche  Struktur  des  Innern  an  der  Oberfläche  und  viele  Stücke 
des  Gesteins  erscheinen  aus  lauter  gitterförmig  gebauten  Kömchen  zusammen- 
gesetzt. Auch  andere  Tierformen  fehlen  in  diesen  Kalken  nicht,  wenn  sie 
sich  auch  nach  Häufigkeit  des  Auftretens  nicht  mit  den  Fusuhnen  messen  können. 
Für  den  Geologen  sind  gerade  die  kleinen  Fusulinen  von  sehr  grosser  Wichtig- 
keit, da  sie  eine  genaue  Altersbestimmung  der  Kalke  ermöglichen,  die  hier  dem 
Ober-Carbon  oder  Permo-Carbon  angehören.  Bemerkenswert  ist,  dass  auch 
hier  in  der  nächsten  Nähe  der  Korallenbildungen  und  mit  diesen  in  Be- 
rührung  und  Ueberlagerung  vulkanische  Gesteine   der  alten,  basischen  Effusiv- 


—     314     — 

gcsteine,  wie  Melaphyre,  auftreten,  genau  ebenso  wie  in  den  Dolomiten 
Südtirols. 

Hier  ist  es  schön  zu  weilen.  Das  frische  Bergwasser  des  Flusses  rauscht 
im  breiten  Geröllbette  am  Lager  vorbei  und  verbreitet  Kühlung  am  heissen 
Mittage;  die  milden  Höhenzüge  von  Hügeln  längs  des  Thalausganges  sind  mit 
grünem  Grasteppich  überkleidet,  und  draussen  auf  der  freien  Steppe  bieten 
zahlreiche  Rudel  von  wilden  Eseln,  die  hier  selten  gejagt  werden  und  daher 
wenig  scheu  sind,  willkommene  Gelegenheit  zur  Jagd.  Seltener  zeigen  sich 
die  flüchtigen  Antilopen  in  erreichbarer  Nähe,  aber  grosse,  schöne  Adler  und 
Lämmergeier  sind  immer  um  den  Lagerplatz  versammelt  und  spähen  nach 
Abfallen  und  Beute  aus;  auch  kleineres  Wild,  Berghasen  und  Steinhühner,  sind 
hier  nichts  seltenes. 

Nur  die  Witterung  Hess  zu  wünschen  übrig;  nach  einigen  regnerischen 
Tagen  und  vom  Weststurm  durchheulten  Nächten,  war  am  1 1.  September  morgens 
das  Gebirge  bis  weit  herab  mit  centimeterhohem,  frisch  gefallenem  Schnee 
bedeckt,  wie  eine  echte  Winterlandschaft.  Auch  die  Berge  des  fernen  Süd- 
Küke-nur-Gebirges  waren  über  und  über  weiss,  und  wenn  auch  in  den  Zonen 
der  Vorberge  und  den  Thälern  der  Schnee  bald  wieder  weichen  musste,  so 
Wieb  er  doch  dauernd  schon  auf  den  hohen  Bergen,  wo  er  sich  immer  von 
neuem  verstärkte  und  vor  dem  Frühjahr  und  Sommer  nicht  mehr  ver- 
schwunden ist. 

Als  bemerkenswert  verdient  noch  eine  atmosphärische  Erscheinung  aus 
der  Dabassu-Ebene  und  vom  Gebirgsabhange  im  Süden  derselben  hervorgehoben 
zu  werden.  An  klaren,  warmen  Tagen  erhebt  sich  einige  Stunden  nach  Mittag 
ein  starker  Wind  aus  Nordwesten,  der  mit  gleichbleibender  Stärke  bis  gegen 
Abend  anhält;  der  Horizont  im  Westen  verfinstert  sich  und  lässt  baldigen  Regen 
befürchten;  es  regnet  aber  nicht,  denn  die  Lufttrübung  ist  nur  durch  mit- 
geführten Staub  verursacht.  Die  Geschwindigkeit  der  Luftbewegung,  welche 
während  einer  Reihe  von  Tagen  mit  grosser  Regelmässigkeit  auftrat,  wurde 
zu  4,86  m  in  der  Sekunde  gemessen. 

Der  Uebergang  über  den  Kamm  einer  gegen  Osten  abzweigenden,  niederen 
Vorkette  zur  Choka-Niederung  vollzog  sich  am  ii.  September  schon  in  ganz 
winterlichen  Verhältnissen.  Das  ganze  Thal,  das  sich  oben  unter  dem  3790  m 
hohen  Joche  zu  einem  breiten,  auf  der  Südseite  von  grotesken  Dolomitfelsen 
begrenzten  Thalkessel  ausweitet,  und  sodann  in  enger  Schlucht  in  die  Höhe 
führt,  war  völlig  verschneit  und  auf  dem  Pass  selbst  lag  der  Schnee  mehrere 
Centimeter  hoch.  Die  Aussicht  von  oben  über  die  wilden,  aus  Eruptivgestein 
und  Korallenfelsen  gebildeten  Felsscenerien  der  näheren  Umgebung  durch  das 
nach  Osten  abwärts  auf  die  Choka-Ebene  führende  Thal  und  das  hohe,  im  Schnee 
glänzende  Gebirge  im  Süden  derselben  ist  sehr  umfassend.  Weithin  zieht  sich 
die  graugelbe  Steppenfläche  der  Choka-Ebene  nach  Westen  hinaus  und  ver- 
schmilzt schliesslich  mit  der  Hoang-ho-Steppe.    Wie  ein  ewiger  Wächter  an  dem 


—     31$     — 

gewaltigen  Strom  erhebt  sich  dort  mächtig  über  die  beiden  Ebenen  und  die  sie 
trennende,  niedere  Vorbergkette  ein  grosser,  isolierter  Felsenberg.  Dieser  Berg, 
der  nach  Prschewalskij  Amne-waien-Berg  heisst  und  heilig  ist,  dient  als  Wallfahrts- 
ort, da  dort  Heilige  gelebt  haben  sollen,  und  von  der  Spitze  ein  direkter  Zugang 
zum  Himmel  führt  Unter  den  Tanguten  geht  die  Sage,  dass  es  unmöglich  ist, 
ungestraft  den  kleinsten  Stein  von  diesem  Berge  wegzunehmen.  Für  die  Geo- 
logen hat  die  felsige,  isolierte  Erhebung  einen  grossen  Reiz,  aber  ich  konnte 
keinen  Ausflug  dahin  machen,  weil  die  Chinesen  vor  dem  Besuch  warnten  und 
sich  keine  Begleiter  dafür  gefunden  hätten.  An  dem  östlichen  Fusse  des  Berges 
fliesst  in  tiefem  Bett,  in  der  Steppe  eingeschlossen  und  daher  von  der  Höhe 
nicht  sichtbar,  der  auch  hier  schon  mächtige  Hoang-ho,  noch  in  nördlich  ge- 
richtetem Laufe  eben  aus  der  Gebirgswelt  Tibets  kommend,  ehe  er  seinen  Weg 
in  östlicher  Richtung  fortsetzt  und  von  neuem  in  Gebirge  eindringt. 

Von  dem  Passe  führt  das  Thälchen,  in  dem  ein  herrlicher  Teppich  von 
Enzianen  und  weissen  Glockenblumen  zwischen  grünen  Matten  und  Schnee- 
flächen das  Auge  erfreut,  direkt  hinab  zur  Choka-Ebene  und  erreicht  sie .  an 
einem  nach  Norden  fliessenden,  grösseren  Fluss,  in  den  es  als  linkes  Neben- 
thal einmündet.  Dieser  Punkt,  an  dem  das  Längsthälchen  die  grosse  Thal- 
fläche erreicht,  ist  der  Beginn  eines  Querthaies  oder  echten  Thaldurchbruchs, 
wo  ein  von  der  Hauptkette  im  Süden  quer  durch  die  weite  Fläche  kommender 
Fluss,  der  unterwegs  Wasseradern  von  Ost  und  West  aufnimmt,  die  500  m 
hohe  Vorkette  des  Semenow-Gebirges  durchbricht  und  sich  hinaus  gegen 
Balekun-gomi  hinwendet.  Es  ist  ein  steilwandiges,  aus  Sandsteinen  und  auch 
massigen  Kalken  (Carbon)  gebildetes  Thal.  Die  grosse  Choka-Fläche  ist  dem- 
zufolge kein  einheitliches,  von  einem  Flusse  nach  Osten  durchflossenes  Längsthal 
mehr,  sondern  ihr  Gebiet  gehört  verschiedenen  Wasseradern  an.  So  wird  der 
westliche  Teil  entwässert  durch  das  erwähnte  Durchbruchsthal ;  dagegen  trennt 
eine  nicht  sehr  hohe  Wasserscheide,  welche  orographisch  kaum  bemerkbar  ist, 
den  östlichen  Teil,  etwa  10  km  östlich  von  dem  Durchbruchsthale  ab,  und  alle 
von  hier  ab  weiter  nach  Osten  aus  den  Bergen  der  Hauptkette  kommenden 
Flüsse  senden  ihr  Wasser  im  Flüsschen  Dsurge-gol  durch  die  sumpfigen  Niede- 
rungen am  Südfusse  der  Vorkette  nach  Osten  dem  Hoang-ho  zu,  ohne  ihn 
aber  zu  erreichen;  sie  bleiben  in  Sumpfniederungen  stecken. 

Das  weite  Flächengebiet  der  orographisch  ganz  einheitlichen  und  als  echtes 
Längsthal  zwischen  zwei  parallelen  Gebirgsketten  verlaufenden  Choka-Depression 
gehört  demnach  zu  zwei  Flusssystemen,  von  denen  das  westlichere  seinen  Ausgang 
nach  Norden  und  Nordosten  nimmt,  während  das  östliche  nach  Osten  ab- 
fliesst.  Es  dürfte  ein  interessantes  Problem  sein,  die  Entstehung  des  Durch- 
bruchthales  durch  das  500  m  hohe,  aus  harten  Sandsteinen  und  Grauwacken 
mit  festen  Bänken  von  Korallenkalken  bestehende  Gebirge  zu  erklären,  wo  doch 
in  dem  Längsthaie  gegen  Osten  hin  nur  eine  niedere,  heute  ganz  von  Lehm 
überdeckte  Scheide  von  etwa  nur  20  m  Höhe  zu  überwinden  gewesen  wäre. 


-     3l6    - 

Die  Vorkette,  deren  Südfuss  der  Weg  noch  zwei  Tagemärsche  lang  folgt, 
ehe  er  sich  durch  die  Thalfläche  zum  Hauptgebirge  wendet,  nimmt  an  Höhe 
nach  Osten  bedeutend  ab  und  ist  nur  noch  als  Hügelzug  zu  bezeichnen,  aber 
morphologisch  doch  noch  gut  erkennbar;  die  Korallenkalke  sind  verschwunden, 
infolge  davon  auch  die  schroffen  Formen,  bis  an  ihrem  östlichen  Ende,  nahe 
am  Hoang-ho,  plötzlich  wieder  solche  auftauchenden  Kalke  den  fast  isolierten 
»heiligen  Bei^«  zwischen  den  beiden  Ebenen  bilden.  Weitere  Durchbruchs thäler 
durch    diese    Vorkette    sind    nicht    vorhanden,    die    in    ihren    niederen    Teilen 


Haupikainra  di's  Siin-si-bei-Gcbiiges,  im  VoriliTgruadc  die  Cliokn-libene  bei  Lii^fr  Will. 
(,Nach  Süden  cc»elicQ.) 

vollkommen  Steppen  Charakter  zeigt,  und  auch  hier  noch  von  zahlreichen  wilden 
Eseln  und  Antilopen  besucht  ist. 

Hat  man  die  sumpfigen  Niederungen,  welche  längs  unbedeutender,  nach 
Osten  gehender  Wasserläufe,  besonders  im  nördlichen  und  mittleren  Teile  der 
Choka-Ebene  sich  ausdehnen  und  gegen  den  iheiligen  Berg»  hin  auch  kleinere 
offene  Wasserflächen  bilden,  hinter  sich,  so  findet  man  am  Fusse  der  Hauptkette 
wieder  dieselben  Verhältnisse,  welche  weiter  westlich,  vor  der  Abgliederung 
der  Vorkette  und  dem  Auftreten  des  altvulkanischen  Massives,  diese  Kette 
ausgezeichnet  hatten.  Die  Höhen  sind  noch  recht  bedeutend  und  gehen  bis 
über  800  m  über  die  Choka-Ebene.  Von  Süden  kommende  Querthäler  bringen 
tiefe  Einschnitte  hervor  und  die  Kammlinie  verläuft  stark  auf-  und  abspringend. 
Durch  diese  Thäler  führen  Wege  nach  der  Südseite  des  Hauptkammes  und  es 
wurden  auch  wirklich  Tanguten  mit  einer  Yakkarawane  aus  einem  dieser  Thäler 


—     3'?     — 

kommend  gesehen.     Auch  Prschewalskij   hat   diese  Kette   des  San-si-bei  unweit 
des  Hoang-ho  auf  seiner  vierten  Reise  überschritten. 

Die  der  Ebene  zunächst  liegenden  Höhen  des  Gebirges  bestehen  aus- 
schliesslich aus  kristallinen  Schiefern  und  aus  alten  Sedimenten  mit  zwischen- 
gelagerten, harten,  grauwackeartigen  Sandsteinen  und  groben  Konglomeraten 
ohne  jede  Spur  von  organischen  Resten.  Die  Felskhppen  und  Abstürze  werden 
von  diesen  Sandsteinen  gebildet,  deren  Oberfläche  immer  durch  die  rasenartige 
Ueberwachsung  mit  Flechten  ein  buntes  Aussehen  erhalten  hat.  Alle  diese 
Schichten    sind    steil    aufgerichtet    oder   stehen   ganz   vertical   und  ihre  Streich- 


Chokü-libfiie  un.l   Sini-si-lici  b.i  l^^i-r  \X.      (Steiljrost eilte  Sitiitht™,   iiiich  Süllen  KPSfheii.) 

richtung  ist  eine  ost-westliche;  weiter  nach  Süden,  wo  die  höchsten  Berge  dieser 
Hauptkette  liegen,  müssen  auch  mächtige  Granitstöcke  mit  zahlreichen  Gang- 
gesteinen auftreten,  nach  der  ausserordentlichen  Häufigkeit  dieser  Gesteine  als 
Gerolle   in   den  von  dort  ihren  Ursprung  nehmenden  Bachbetten  zu  schliessen. 

Auch  hier  geht  die  Lehmdecke  ziemlich  hoch  an  den  Bergabhängen  hinauf 
und  noch  in  300  m  über  dem  Lagerplatz  in  der  Ebene  von  etwa  3450  m  Höhe 
wurden  in  dem  Gehängelösse  zahlreiche  Landschnecken  aufgefunden,  die  an  den 
sonnigen  Felsgehängen  lebten.  Längs  des  Gebirgsfusses  und  an  den  Flussufern 
erreichen  die  Lehme  grössere  Mächtigkeiten,  Sie  verdecken  überall  die  Schotter- 
massen der  Flüsse  und  bedingen  auch  hier  die  gleichmässige  Steppengrasdecke, 
welche  aus  der  Niederung  an  die  Gebirgsabhänge  hinaufreicht. 

Von  den  Höhen  aus  kann  man  schon  deutlich  das  Strombett  des  Hoang-ho 
in  seinem  Laufe  durch  die  Hochsteppe  an  der  steilen  Böschung  der  Uferwände 
erkennen;    ein    langer    dunkler  Strich  unterbricht  das  einförmige  Gelbgrau  der 


-     318     - 

ebenen  Steppenfläche  und  zieht  sich  weit  nach  Norden  hinaus,  vorbei  am 
Ostabfall  des  »heiligen  Berges«.  (Siehe  die  untenstehende  Textfigur.)  Gegen 
den  Fluss  hin  werden  die  Berge  dieser  Hauptkette  des  Semenow-Gebirges  immer 
niedriger;  die  grösseren  Höhen  erscheinen  erst  weiter  im  Süden  und  längs  des 
nördlichen  Gebii^fusses  zur  Ebene  sind  bald  nur  noch  Hügel,  die  auch  ver- 
schwinden, lange  ehe  man  den  Hoang-ho  erreicht. 

Es  zieht  sich  somit  hier  die  Steppenftäche  längs  des  Flusses  weiter  nach 
Süden  vor  und  ein  weiteres,  grosses  Langsthal  mit  hohen  Bergen  im  Hintergründe 
und  auf  der  südlichen  Seite  kommt  aus  westlicher  Richtung  zum  Flusse  hinab. 
Diese  Berge  der  Südseite  des  Längsthaies  treten  mit  östlichem  Streichen  an 
den  Hoang-ho  heran,  setzen  auch  auf  dessen  rechter  Seite  fort  und  bilden  das 


HoHUK-ho-Steppe  mit  der  Hial-Schlucht  des  Haang-ho  und  dem  Atnoe-wnicn-Ber^  (d). 
Vom  San-sl-bel  nach  Nordoiten  geieheD. 

eigentliche  Felsenthor  in  den  Bergen,  durch  welches  er  die  tibetische  Gebirgs- 
welt  verlässt.  Hier  tritt  er  in  die  ebene  Steppe  und  sein  Bett  verläuft  zumeist 
in  groben  Schottermassen  und  Kiesen,  sowie  in  den  roten  Sandsteinen  und 
Konglomeraten  der  tertiären  Quetae-Formation,  die  aus  alten  Seeablagerungen 
besteht.  Da,  wo  noch  anstehende  Gesteine  der  alten  Schieferformation  im  Fluss- 
bette Klippen  bilden  und  dasselbe  einengen,  treten  sie  doch  nicht  aus  der  mächtigen 
Schotter-  und  Geschiebedecke  hervor,  deren  Oberfläche  die  ebene  Steppe  trägt. 
Von  seinem  Austritt  aus  den  hohen  Gebirgen  gehört  der  Hoang-ho  dem 
Steppengebiete  an,  bis  er  von  neuem  in  engem  Gebirgskanale  seinen  weiteren 
Weg  nach  Osten  nimmt.  Somit  fallt  die  Schilderung  seines  Laufes  auf  der 
Strecke  von  oberhalb  Balekun-gomi,  wo  er  überschritten  wurde,  bis  Kuei-tö  hsien 
(=  Quetae  oder  Guidui]  noch  in  den  Kreis  der  süd-küke-nurischen  Hochplateaus 
und  Steppen. 

Nähert  man  sich  dem  Flusse  von  Westen  aus  der  in  der  Nähe  desselben 
besonders  dürftig  aussehenden  Steppe,  so  sieht  man  sich  plötzlich  einem  Steil- 


—     319     - 

randc  gegenüber,  durch  den  jäh  abfallende  Schluchten  in  die  Tiefe  hinabführen, 
in  welcher  zunächst  noch  kleinere  Hügel  und  Vorsprünge  der  Schotterterrassen 
das  eigentliche  Flussbett  selbst  verdecken.  Die  Breite  des  ganzen  Thal- 
einschnittes in  der  Steppenebene  ist  sehr  wechselnd;  bei  Balekun-gomi  sind  die 
Thalwände  2—3  km  auseinander,  während  am  Dschupar- Gebirge  die  obersten 
Terrassenränder  sich  in  5  km  Entfernung  gegenüber  stehen.  Der  Absturz  des 
Steppenplateaus  zu  der  nicht  überall  entwickelten  Fläche  der  zweiten  Terrasse 
beträgt  etwa  430  m;    von  dieser  Terrasse    zu    einer    dritten  Terrasse,   die  sich 


Schlucht  zum  Hoang-ho- Bette  io  den  CoDa;laineraten  iler  Steppenfläche. 
nördlich  ilct  Austrittes  des  Flusses  aus  ilem  Dschupar-Gebirfre,  Dordwestlich  von  Lager  XXII. 

30  m  über  dem  Flusse  befindet  und  mit  steiler  Wand  gegen  diesen  abstürzt, 
ist  die  vertikale  Differenz  45  m.  so  dass  der  Wasserspiegel  525  m  unter  der 
Steppenfläche  liegt.  Die  oberen  Thalränder  sind  vielfach  tief  eingeschnitten 
durch  kleinere  und  auf  der  rechten  Seite  des  Hoang-ho  auch  grössere  Neben- 
thäler,  die  sich  tiefe  Schluchten  in  das  Steppenplateau  eingegraben  haben. 

Wo  die  untere  Thalfläche  am  Flusse  breit  genug  ist,  wie  bei  Balekun- 
gomi  und  Kuei-tÖ  hsien  (=  Quetae),  sind  Ansiedelungen  und  wird  Ackerbau 
getrieben;  an  andern  Stellen  aber  wieder  verengt  sich  die  ganze  Thalschlucht 
auf  geringe  Breite  und  neben  dem  wirbelnd  dahineilenden  Fluss  ist  kein  Platz 
für  den  Menschen. 

Die  Steppe  hat  als  Untergrund  zunächst  eine  Lehmdecke  von  einigen 
Metern  Mächtigkeit    und    unter  dieser    liegen  in  sehr  grosser,  vertikaler  Stärke 


-     320     - 

grobe  Kiese  und  Schotter,  deren  Schichten  ein  leichtes  Einfallen  von  lO*  nach 
Norden  zeigen.  Die  Erosion  hat  überall  in  dem  Steürand  der  Schotterablage- 
rung steilwandige  Schluchten  geschaffen,  deren  Wände  mit  grünen  Büschen 
bekleidet  sind,  und  in  denen  sich  als  Seltenheiten  auch  Laubbäume  be- 
finden. Es  sind  an  exponierten  Stellen  wunderbare  Höhlungen  und  vor- 
springende Pfeiler  und  Erker  entstanden  und  in  den  groben,  konglomeratischen 
Schichten  sind  ganze  Bergabhänge  mit  Säulen  und  Erdpyramiden  versehen. 
Kaskadenartig  steigt  der  steile  Bei^bhang  zur  Tiefe,  und  wo  Steinplatten  oder 


Schlucht  des  Hoaoe-ho  und  PiUire  am  Aosiritt  aus  den  Dachapar-GebirKc  bei  Lager  XXII. 

Gerolle  im  Lehme  die  direkte  Wirkung  des  Regens  aut  die  Wegführung  des- 
selben verhinderten,  während  die  benachbarten  Lehmtetlchen  ohne  Stein- 
bedeckung weggeschwemmt  wurden,  erheben  sich  die  solcherart  geschützten 
Teile  zu  beträchtlicher  Länge.  Ganze  Kämme  zwischen  den  Wasserrissen  am 
Bergabhänge  tragen  solche  Gebilde,  die  oben  alle  mit  dem  schützenden  Stein 
wie  mit  einem  Hut  bedeckt  sind. 

Unter  dem  Steilabsturze  fuhrt  sanfteres  Thalgehänge  mit  Matten  und 
Wiesen  zum  Bette  des  Flusses  selbst,  der  in  engem,  felsigem  Kanäle,  dessen 
Uferwände  hier  30  m  hoch  senkrecht  sich  erheben,  seinen  Weg  findet  Man 
erreicht  den  FIuss  an  einer  Stelle,  wo  er,  durch  Schiefergesteine  eingeengt,  sich 
durch  ein  Felsenthor  zwängt  und  unterhalb  desselben  quirlend  und  gui^elnd 
sich  in  weiterem  Bette  ausdehnt,   nm  nach  kurzem  Laufe    wieder  in  Felsengen 


TAFEL  XXII, 


—     321     — 

und  Schluchten  zu  treten.  An  dieser  Stelle  des  etwas  breiteren  Flussbettes  mit 
ruhiger  fliessendem  Wasser  wagen  es  auch  die  Tibetaner,  mit  Fahrzeugen  den 
immer  noch  reissenden  Strom  zu  übersetzen.  Bei  den  einengenden  Felsen  ober- 
halb der  Ueberfahrtsstelle  macht  der  Fluss  einen  imponierenden  Eindruck,  der 
beim  ersten  Anblick  von  der  Höhe  des  Ufers  aus  sich  nicht  einstellen  wollte. 
(Siehe  Tafel  XXII.)  Ruhig,  wenig  rauschend  drängen  sich  die  Wassermassen 
unaufhörlich  wirbelnd  vorbei;  hier  dringt  aufsteigendes  Wasser  im  Strudel  in 
die  Höhe,  gleich  daneben  zieht  ein  quirlender  Trichter  das  Wasser  in  die 
Tiefe  hinab.  Es  sind  keine  Wellen  an  der  Oberfläche  und  die  Macht  des 
dahinschiessenden  Stromes  lässt  auf  grosse  Tiefe  schliessen. 

Versuche,  in  diesen  kochenden  Wassern,  direkt  unter  der  Felsenenge  die 
Tiefe  zu  bestimmen,  misslangen  infolge  der  zu  grossen  Gewalt  der  Strömung; 
aber  das  ist  sicher,  dass  mit  12  m  der  Boden  noch  nicht  erreicht  war.  An 
den  Ufern,  wo  die  Fahrzeuge  am  nächsten  zu  der  engen  Stelle  hinkommen, 
beträgt  die  Tiefe  schon  6  m  und  8  m;  aber  das  ist  im  Rückstrom,  der  von 
den  gewaltigen  Wirbeln  erzeugt  wird  und  an  den  beiderseitigen  Ufern  mit 
ziemlicher  Stärke  nach  aufwärts  zieht;  hier  ist  jedenfalls  die  Wassertiefe  um 
ein  Bedeutendes  geringer  als  in  der  strömenden  Mitte. 

Aus  dem  Umstände,  dass  diese  beiderseitigen  Rückströmungen  nach  auf- 
wärts bis  direkt  unter  die  einengenden  Felsen  hinführen,  ziehen  die  Tibetaner 
Nutzen,  indem  sie  in  ihren  gebrechlichen  Fahrzeugen  dem  Rückstrom  nach 
oben  folgen  bis  an  die  äusserste  Felsspitze,  an  welcher  die  wilde  Strömung 
und  die  Wirbel  beginnen,  und  dann  mit  Aufbietung  aller  Kräfte  auf  die  Ruder 
wirken,  um  möglichst  rasch  die  stark  strömenden  Stellen  zu  überwinden  und  in 
das  ruhigere  Wasser  der  andern  Seite  zu  gelangen.  Je  nachdem  ihnen  das  schneller 
oder  langsamer  gelingt,  werden  sie  einige  hundert  Meter  bis  fast  i  km  nach 
abwärts  getrieben,  ehe  sie  das  Ufer  erreichen.  Es  muss  dann  mühsam  das  Fahr- 
zeug am  Seil  dem  Ufer  entlang  hinaufgezogen  werden,  bis  auch  hier  auf  dem 
rechten  Ufer  an  der  einengenden  Stelle  der  Rückstrom  in  derselben  Weise  benutzt 
werden  kann.  Insofern  ist  ein  Unterschied  zwischen  den  Strömungsverhält- 
nissen, als  bei  der  Fahrt  vom  rechten  izum  linken  Ufer  das  starke  Abtreiben 
nicht  erfolgt  und  das  gegenüberliegende  Ufer  schneller  und  weiter  oben  erreicht 
wird.  Der  Grund  dafür  liegt  darin,  dass  der  Fluss  eine  schwache,  nach  Westen 
konvexe  Biegung  macht  und  das  Wasser  unterhalb  der  Felsenge  stark  nach 
der  Westseite  drängt,  so  dass  die  Schiffsleute  durch  ihre  Ruderarbeit  auch 
diese  Strömung  noch  zu  überwinden  haben. 

Die  Fahrzeuge  sind  sehr  primitiv  und  nach  dem  schon  seit  uralten  Zeiten 
angewandten  Prinzipe  konstruiert,  dass  man  mit  Luft  aufgeblasene  Häute  als 
schwimmende  und  tragende  Kraft  benutzt  Die  auf  der  folgenden  Seite 
stehende  Abbildung  zeigt  ein  solches  Fahrzeug.  Auf  sechs  oder  acht  grossen, 
mit  dem  Munde  aufgeblasenen  Säcken  aus  Yakhäuten  ruht  ein  aus  Balken 
zusammengesetztes  Gestell  von  vierseitiger,    nach   vorn   verjüngter  Form;   vorn 

Futterer,  Durch  Asien.  21 


—      322      — 

ist  nochmals  ein  zweiter  derartiger,  gitterförmiger  Aufsatz.  An  kräftigen  Pfosten 
bewegen  sich,  die  breiten  Ruder,  die  zu  je  zwei  vom  und  hinten  angebracht 
sind.  Auf  dem  Balken  -  Gitterwerk  werden  die  Gepäckstücke  verstaut  und  auf 
diesen  nimmt  man  Platz.  Ein  oder  zwei  Fährleute  stehen  vorn,  einer  hinten, 
und  bewegen  mit  grosser  Geschicklichkeit  ihr  ungefüges  Fahrzeug  an  den 
Felsen  entlang  vorwärts  und  schliesslich  über  die  StrudeL 

Pferde  und  Yaks  werden  derart  befördert,  dass  sie  an  kurzem  Stricke 
hinter  dem  schwankenden  Fahrzeug  durch  den  Fluss  geschleppt  werden.  Ein 
kritischer  Moment  war  es,  als  bei  einer  meiner  Ueberfahrten  ein  solches  nach- 
geführtes  Pferd  In  Angst  vor  dem  kochenden,  wirbelnden  Wasser  mitten  auf  der 
schlimmsten  Stelle  den  Versuch  machte,  mit  den  Vorderfussen  auf  das  Fahrzeug 


Fährboot  nus  nufE^blaEenen  V'ak-Häut«n  auf  dem  HoaDg-ho  bei  La^cr  XXII 
.-un  AuBttitt  aus  dem  DBchopar-Gebirije. 

ZU  gelangen,  das  ausser  den  SchifTsleuten  und  mir  noch  einen  Mongolen  und 
eine  Mongolin  führte.  Unfehlbares  Hinabgleiten  ins  Wasser  wäre  die  Folge 
gewesen,  wenn  es  uns  nicht  gelungen  wäre,  das  Pferd  so  nahe  heranzuziehen, 
dass  es  mit  der  Nase  den  letzten  Balken  berührte.  So  war  kein  Raum  mehr 
für  das  aufgeregte  Tier,  die  Füsse  wirWich  heraufbrit^en  zu  können.  Hals- 
brecherisch sehen  diese  Fahrten  aber  immer  aus,  sowohl  vom  Ufer  wie  auf 
dem  Schiffe  selbst,  besonders  wenn  drei  Yaks  auf  einmal  mitgenommen  werden. 
Diese  Tiere  schwimmen  recht  gut  und  gehen  auch  gerne  ins  Wasser;  st^ar 
ins  tiefe  Wasser,  sehr  zum  Nachteil  der  Lasten,  die  sie  tragen,  wie  unsere  Ex- 
pedition gleich  am  ersten  Marschtage  beim  Uebersch  reiten  des  durch  Regen 
angeschwollenen  Si-ning-Flusses  zu  ihrem  Schaden  erfahren  musste.  Aber 
hier  hatten  sie  doch  Angst.  Die  Pferde  durchschwammen  frei  und  allein, 
ohne  Führung,  den  Fluss,  als  man  sie  erst  in  das  Wasser  getrieben  hatte; 
als  aber  die  unetfahreiieii  Chinesen  unserer  Karawane  denselben  Versuch  mit  den 


—     323     — 

42  Yaks  machten,  scheuten  sich  die  Tiere,  in  das  offene  Wasser  hinauszu- 
schwimmen,  und  drängten  am  Ufer  entlang;  dabei  kamen  sie  nach  aufwärts 
in  die  Rückströmung  am  felsigen  Ufer,  das  keinen  Ausweg  bietet;  die  vordersten 
drängten  zurück,  die  hinten  befindUchen  konnten  nicht  ausweichen  und  so 
ertranken  hier  lO  Stück.  Die  andern  wurden  nur  mit  Mühe  gerettet,  da  man 
von  dem  hohen,  senkrecht  abfallenden  Felsufer  die  Tiere  vom  Lande  aus 
nicht  zurücktreiben  konnte.  Da  zeichneten  sich  durch  werkthätige  Hilfe  die 
Fährleute  aus,  die  leider  nur  zu  spät  für  viele  der  Yaks  zur  Stelle  kamen.  — 
Besonders  ein  Mann  machte  sich  verdient,  indem  er  einen  grossen  aufgeblasenen 
Sack  vor  die  Brust  band  und  so  schwimmend  eine  Anzahl  von  Yaks  aus  der 
gefahrlichen  Nähe  der  Wirbel  wegzog.  Man  sah,  dass  es  keine  Kleinigkeit  für 
ihn  war,  mit  dem  strudelnden  Wasser  fertig  zu  werden,  und  oft  wurde  er, 
nahe  am  Ziel,  zurückgeworfen. 

Der  Verkehr  über  den  Fluss  an  dieser  Stelle  ist  ziemlich  rege.  Während 
der  zwei  Tage,  die  wir  am  Flusse  zubrachten,  kamen  des  öfteren  reisende 
Tibetaner  mit  ihren  Tieren  oder   auch    Lamas    und  Hessen  sich  hinüberfahren. 

Was  die  Wasser  menge  des  Flusses  anbelangt,  so  sind  für  deren  Beurteilung 
folgende  Beobachtungen  vorhanden.  Die  Geschwindigkeit  des  Wassers  wurde 
viermal  gemessen,  nachdem  am  Ufer  eine  Strecke  von  121,7  m  abgesteckt 
worden  war;  die  vorbeitreibenden  Fährboote  wurden  als  Marke  benutzt,  und 
es  ergab  sich  als  Mittel  dieser  vier  Bestimmungen  die  Geschwindigkeit  des 
Wassers  als  2,76  m  in  der  Sekunde.  Demnach  hat  der  Fluss  hier  eine  bedeu- 
tend raschere  Bewegung  als  in  dem  auch  breiteren  Thale  bei  Balekun-gomi, 
wo  Prschewalskij  die  Geschwindigkeit  zu  1,5  m  in  der  Sekunde  ermittelte. 
Dort  friert  auch  im  Winter  vom  November  bis  in  den  Februar  das  Wasser 
zu,  was  bei  der  stärkeren  Strömung  am  Austrittspunkte  aus  dem  Dschupar- 
Gebirge  als  unwahrscheinlich  erscheinen  muss.  Die  Breite  wurde  an  zwei 
Stellen  unterhalb  des  engen  Durchbruchthores  trigometrisch  gemessen  und  zu 
129  m  und  136  m  berechnet.  Legt  man  zur  Berechnung  der  Wassermasse  des 
Flusses  einen  Querschnitt  zu  Grunde,  der  bei  130  m  Breite  und  durchschnitt- 
licher Tiefe  von  10  m  den  thatsächlichen -Verhältnissen  am  nächsten  kommen 
dürfte,  so  ergiebt  das  einen  Querschnitt  des  Wassers  von  1300  Quadratmeter 
und  bei  der  Geschwindigkeit  der  Bewegung  des  Wassers  von  2,8  m  in  der 
Sekunde  die  Wassermasse  von  3640  Kubikmeter,  die  in  einer  Sekunde  vorbei- 
fliesst.  Das  würde  der  Wasserstärke  der  Donau  am  Eisernen  Thor  entsprechen, 
die  etwa  3600  Kubikmeter  Wasser  in  der  Sekunde  im  Jahresmittel  vorbeiführt. 
Da  der  Hoang-ho  etwas  weiter  unterhalb  bei  Kuei-tö  hsien  seinen  Hoch- 
wasserstand im  Juli  und  August  hat,  während  meine  Messungen  am  17.  Sep- 
tember vorgenommen  wurden,  so  dürfte  beim  höchsten  Hochwasser  die  Wasser- 
menge des  Flusses  noch  höher  anzusetzen  sein. 

An  der  Ueberfahrtsstelle  besteht  das  linke,  steile  Flussufer  hauptsächlich  aus 
Sandsteinen  und  Thonen,  über  welchen  bei  ihrer  etwas  nach  Norden  geneigten 

21* 


—     324    - 

Stellung  die  horizontalen  Flussschotter  in  grosser  Mächtigkeit  von  über  500  m 
honzontal  und  somit  diskordant  lagern.  Das  rechte  Flussufer  ist,  zunächst  am 
Flusse  sanft  ansteigend,  aus  FlussgeroU  und  Sand  gebildet,  und  erst  in 
einiger  Entfernung  kommen  auch  hier  steilere  Böschui^n  mit  den  Schichten 
der  Conglomerate  und  Flussgerölle.  Das  gilt  aber  nur  für  eine  etwa  i'/»  km 
lange  Strecke  bei  der  Ueberfahrtsstelle ;  gleich  weiter  unten  tritt  der  Fluss  wieder 
in  eine  steilwandige,  enge  Schlucht  im  Steppenplateau,  von  dem  sich  steile 
Runsen  und  gelegentlich  auch  steile  Thaleinschnitte  zum  tief  liegenden  Fluss- 
bette hinabziehen.    (Siehe  Panorama  auf  Tafel  XXIII). 

So  ist  der  mächtige  Strom  nach  seinem  Gebirgsaustritte  in  der  Steppe  förm- 
lich begraben  und  an  der  Oberfläche    nicht    sichtbar,  wie  etwa  der  Rhein  von 


HoniiK-lio  Im  Sleppenplatenu  nach  seinem  Austritt  aixt  dem  Dwlmpar-Gehitce  bei  l^er  XXIII. 

Schwarzwald  und  Vogescn  aus.  Nur  ein  dunkles  Band  des  oberen  Teiles  der 
hohen  Uferböschungen  zeigt  an,  dass  er  sich  zunächst  nach  Norden  wendet 
und  dann  in  grossem  Bogen  nach  Osten  wieder  einem  engen  Gebirgsthale 
zustrebt.  Das  Panorama  auf  Tafel  XXIII  ist  von  einem  Vorsprunge  auf  dem 
östlichen  Plateau-Rande  aufgenommen.  Es  zeigt  rechts  deutlich  die  ebene 
Steppen-Plateau-Fläche  mit  dem  Amne-waien-Berge  im  Hintei^frunde,  während 
links  die  an  den  Hoang-ho  herantretenden  Berge  des  San-si-bei  sichtbar  sind. 
Gegen  die  oberen  Teile  des  Laufes  vermag  der  Blick  von  hier  nur  wenig 
weit  zu  dringen.  Wie  ein  Riegel  von  Bergen  legen  sich  die  hohen  Kämme 
von  Osten  nach  Westen  über  den  Fluss,  und  nur  von  hohen  Bergen  aus 
sieht  man,  dass,  getrennt  durch  eine  niedrigere  Fläche,  noch  weiter  im  Süden 
sich  wiede/  eine  gewaltige  Bergkette,  das  Ugutu-Gebirge,  mit  zackigen,  hohen 
Schneegipfeln  erhebt.  Dort  beginnen  die  grossartigsten  Thalstrecken  des 
gros.sen  Stromes,  wo  er  unbezwungen  die  felsigen  Festen  einer  hohen  Gebirgs- 


.4^*> 


—    325     — 

weit  in  engem  Thale  durchbricht,  dessen  Wände  sich  zu  Felsendomen  von 
500  m  Höhe  und  mehr  erheben. 

An  einer  Stelle  noch  hat  ihn  Prschewalskij  etwas  weiter  oberhalb  gesehen, 
als  er  den  San-si-bei  überschritten  hatte  und  seinem  linken  Ufer  in  einiger 
Entfernung  bis  zum  Tschurmün-Flusse  folgte;  die  Einmündung  dieses  Flusses  ist 
zwischen  500  m  hohen  Wänden  des  Thalplateaus,  das  also  ebenso  hoch  ist  wie 
die  vertikale  Distanz  vom  obersten  Terrassenplateau  bis  zum  Wasserspiegel  an 
der  Austrittstelle  am  Dschupar-Gebirge.  Die  unterste  Terrasse  erhebt  sich 
60 — 70  m  über  den  Hoang-ho,  dessen  Thal  dort  160 — 180  m  breit  ist,  und 
der  in  sehr  heftiger  Strömung  dahinschiesst;  etwas  weiter  unten,  an  der 
Einmündung  des  Bagha-Gorgi  im  Süden  der  San-si-bei-Kette,  ist  seine  Breite 
nur  75 — 90  m.  Auch  weiter  oberhalb  hat  die  Engschlucht  einen  ähnlich  wilden 
Charakter.  Dort  hinein  kann  sich  der  Fuss  des  Forschers  nicht  wagen  und  von 
hier   ab  legt  sich  das  Dunkel  des  Geheimnisses  über  den  rätselreichen  Strom. 

Zur  Vervollständigung  des  geographischen  Bildes  des  weiteren  Küke-nur- 
Gebietes  und  der  Dabassu-Ebene  bis  zum  Hoang-ho  darf  eine  Uebersicht  über 
die  allgemeinen  Witterungsverhältnisse  wie  sie  zur  Zeit  der  Reise  —  Anfang 
August  bis  Mitte  September  —  hier  geherrscht  haben,  nicht  fehlen,  um  so 
mehr  als  sie  nicht  ganz  den  Vorstellungen  entsprachen,  die  wir  uns  von  den 
Herbstmonaten  auf  der  tibetanischen  Hochfläche  gemacht  hatten.  Hatte  man 
heisse  Hochsteppen,  grosse  Trockenheit  und  Wasserarmut  erwartet,  die  leichtesten 
Sommerkleider  in  Bereitschaft  und  auf  die  Häufigkeit  starker,  stürmender  Winde 
gerechnet,  so  zeigte  wenigstens  die  angegebene  Zeitspanne  davon  so  gut 
wie  nichts. 

Im  allgemeinen  war  das  Wetter  sehr  feucht,  regnerisch  und  kühl,  die 
Nächte  in  den  höheren  Regionen  von  3500 — 4000  m  direkt  kalt,  und  seit 
Ende  August  verschwand  der  Schnee  nicht  mehr  von  den  Bergeshöhen  über 
4000  m.  Infolge  der  regnerischen  Wetterlage  fehlte  es  nirgends,  auch  nicht  in 
der  Steppe  an  Wasser,  wenn  auch  nicht  alle  Geröllbetten  von  Wasserläufen  solches 
führten.  Es  war  auffallend,  welcher  Wechsel  in  der  Vegetation  sich  einstellte, 
als  wir  aus  den  einförmigen  Gehängen  des  östlichen  Semenow-Gebirges  in  die 
Schluchten  am  Hoang-ho  eintraten,  die  mit  Sträuchem  dicht  bewachsen  waren 
und  selbst  Bäume  enthielten,  während  dort  nur  eine  dürftige  Grassteppendecke 
ausschliesslich  Berg  und  Thal  überzog.  Die  Bäume  in  den  engen  Schluchten 
waren  Populus  Przewalskij  Max.  und  die  Mitte  September  noch  blühenden 
Sträucher  Carragana  pygmaea  var.  grandiflora  Max.  und  das  milde  Klima 
Hess  hier  viele  Blüthen  die  Grasflächen  am  Flusse  schmücken.  Ich  erwähne 
nur:  Allium  Przewalskianum  Bey,  Salsola  Kali  L.,  S.  arbuscula  Fall,  Eurotica 
ceratoides  Schreb.  Delphinium  g^andiflorum  L.  var.  Gmelini  Rehb.,  Clematis 
Orientalis  L.  var.  tangutica  Max.,  Berberis  integerrima  Bge.  var.  stenophylla  Max., 
Potentilla  fruticosa  L.,  Gentiana  Kurroi  Royle,  G.  straminea  Max.,  Dracoce- 
phalum  tanguticum  Max.,  Lycium  ruthenicum  Murr.,  Adenophora  Gmelini  Fisch., 


—     326    — 

Aster  altaicus  Willd.,  Anaphalis  lactea  Max.,  Leontopodium  Futtereri  Diels, 
Tanacetum  tenuifolium  Jacq.,  Picris  hieracisides  L.  Von  Tieren  wurden  hier 
eine  Turteltaube  (Turtur  orientalis)  und  ein  Gänsegeier  (Gyps  himalayensis)  den 
Sammlungen  einverleibt.  Dem  Schutze  der  Hoang-ho-Schlucht  verdanken  auch 
die  weiter  flussabwärts  gelegenen,  kleinen  Oasen  von  Balekun-gomi  und  dem 
Städtchen  Kuei-tö  hsien  ihre  Fruchtbarkeit  und  reiche  Vegetation  gegenüber 
den  sie  umgebenden,  über  der  Hoang-ho-Schlucht  gelegenen  Steppen  und 
Wüstenflächen.  Reiche  Vegetation  fand  Prschewalskij  ferner  weiter  oberhalb, 
an  der  Schlucht  der  Einmündung  des  Tschurmün,  eines  linken  Nebenflusses  des 
Hoang-ho  im  Süden  des  San-si-bei-Gebirges.  Auch  dort  fuhren  Schluchten  zum 
Flusse  hinab,  der  auf  450  m  tiefer  gelegener,  2 — 3  km  breiter  Ebene  mit  Wald- 
bedeckung in  Windungen  dem  Hoang-ho  zufliesst. 

Die  Tagestemperaturen  der  Luft  im  Schatten  hielten  sich  im  Mittel 
zwischen  +  15®  C.  und  20®  C;  nur  ausnahmsweise  kamen  höhere  Temperaturgrade 
von  über  +  20^  C.  vor.  So  waren  durch  höhere  Wärme  der  16.  und  18.  August 
am  Küke-nur.mit  +  22,75®  C.  und  +  24,0®  C.  ausgezeichnet;  auch  die  Tage 
vom  30.  August  bis  4.  September  waren  etwas  wärmer.  In  der  Dabassu-Ebene 
und  der  im  tiefen  Thal  gelegenen  Station  XXII  am  Hoang-ho  stieg  das  Maximum 
der  Lufttemperatur  im  Schatten  sogar  noch  auf  +  28,75®  C.  am  15.  September, 
und  ebenso  war  hier  der  folgende  Tag  mit  +  27,5®  C.  als  Maximum  recht 
warm.  Auf  der  freien  Steppe  aber  war  das  höchste  Maximum  der  Lufttemperatur 
im  Schalten  am  Nordfusse  des  mittleren  Semenow-Gebirges  am  3.  September 
nur  +  25,75®  C.  Prschewalskij  berichtet  gleichfalls  über  trockene,  warme  Luft  im 
tiefen  Thale  des  Hoang-ho  in  der  Steppenebene,  wo  Ende  März  das  Thermomter 
zur  Mittagszeit  schon  +  25,3®  C.  zeigte,  während  auf  der  Steppenhochebene 
am  II.  Mai  in  der  Nacht  die  Temperatur  auf  —  ii,5®  C.  sank.  Die  niederste 
Tagestemperatur  der  Luft  weist  der  7.  September  mit  -|-i3,o®C.  ebenfalls  am 
Nordfusse  des  Semenow-Gebirges  an  hochgelegener  Station  XV  (3860  m)  des 
Porphyrgebietes  im  Gebirge  auf 

Die  Nachttemperaturen  der  Luft  sanken  schon  vom  23. — 25.  August  unter 
o®  C.  und  lagen  auch  sonst  meist  unter  +  10®  C,  zum  Teil  schon  nahe  an  o®  C. 
In  der  ersten  Hälfte  des  September  lag  mehr  als  die  Hälfte  der  Nacht- 
minima  der  Lufttemperatur  unter  o®  C.  bis  zu  —  3,5®  C.  und  die  andern  meist 
nur  wenig,  im  Maximum  aber  +  6,5®  über  o®  C. 

Die  höchsten  Unterschiede  von  Tag-  und  Nacht-Lufttemperatur  betrugen 
25,72  ®C.  und  wurden  am  3.  September  am  Nordfuss  des  mittleren  Teiles  des 
Semenow-Gebirges  gemessen;  ähnlich  hohe  Unterschiede  waren  auch  noch  später 
im  September  in  der  Nähe  des  Hoang-ho  zu  verzeichnen,  im  August  aber  er- 
reichten sie  nur  zwei  mal  am  17.  August  mit  +  20,5®  C.  im  Taotan-ho-Thale 
und  am  30.  August  mit  +  22,75®  C.  mitten  in  der  Dabassu-Ebene  ähnliche  Höhe. 

Die  stärkste  Sonnenstrahlung  und  höchste  Intensität  ihrer  Stärke  wurde 
am  17.  August  noch    im  Taötan-ho-Thal   mit  -f  5^,75^  C.  gemessen.     Aehnlich 


—     327     — 

stark  war  sie  auch  in  dem  tief  liegenden  Lager  am  Hoang-ho  am  15.  September 
mit  +  48,5®  C.  und  16.  September  mit  +  50,S®  C.  während  sie  sonst  meist 
nur  Grade  zwischen  +  35®  und  +  45^  erreichte. 

Der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  war  im  Küke-nur-Gebiet  um  diese  Zeit 
ganz  allgemein  ein  hoher;  aus  der  Höhe  der  Differenzen  der  Temperaturangaben 
eines  trockenen  und  eines  feuchten  Verdunstungs-Thermometers  wird  der  Gehalt 
der  Luft  an  Wasserdampf  berechnet,  und  je  geringer  diese  Differenz,  um  so  höher 
ist  im  allgemeinen  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft.  Hohe  Differenzen  von 
IG®  C.  und  etwas  mehr  kamen  nur  am  2.  und  3.  September,  den  schon 
mehrfach  erwähnten  Tagen  am  Nordfusse  des  mittleren  Semenow- Gebirges, 
und  im  Lager  am  Hoang-ho  am  15.  September  um  die  Mittagszeit  vor.  In 
andern  Jahren  mögen  die  trockenen  Tage  häufiger  und  bei  starker  Hitze 
auch  ärmer  an  Feuchtigkeit  sein,  obwohl  das  Klima  als  feucht  im  Sommer 
gilt;  aber  im  Jahre  1898  waren  vom  11.  August  bis  15.  September,  also  von 
36  Tagen  nicht  weniger  als  fünf,  absolute  Regentage  und  15  solche,  an  denen 
es  wenigstens  morgens,  mittags  oder  spät  abends  noch  regnete.  Häufig  waren 
auch  starke  Gewitter,  die  zumeist  aus  dem  Nordwesten  kamen  und  oft  von 
heftigen,  fast  tropischen  Niederschlägen  und  Hagel  von  Erbsengrösse  begleitet 
waren.  Meist  kamen  sie  am  Nachmittage,  aber  keine  Tageszeit,  weder  Morgen 
noch  Nacht  war  ganz  sicher  vor  ihnen. 

Die  vorherrschenden  Winde  kamen  zumeist  mit  Wolken  aus  Nordwest 
und  Westnordwest  über  den  See  gezogen.  Wolkenrichtungen  direkt  aus  West 
und  bis  zu  W.  45®  S.  wurden  auch  gelegentlich  und  vereinzelt  beobachtet;  sehr 
häufig  dagegen  waren  auch  die  Winde  aus  Südost,  die  ebenfalls  Regenwolken 
brachten.  Letztere  waren  stets  niedrig,  während  immer  die  Cirrus-  und  Stratus- 
wolken aus  westlicher  Richtung  hoch  über  jenen  zu  schweben  pflegten.  An  der 
Oberfläche  herrschte  dasselbe  Verhältnis;  Winde  von  Nordwesten  mit  starker 
Annäherung  an  westliche  Richtung  waren  am  häufigsten,  sodann  kamen  die 
Winde  aus  SO.;  aus  Südwestrichtung  traten  auch  vereinzelt  Winde,  ebenso  wie 
etwas  häufiger  aus  Nordosten  auf.  Der  in  der  Dabassu-Ebene  und  Dabassu-Gobi 
an  klaren  Tagen  aus  Westnordwest  auftretenden  Winde,  die  am  Nachmittag  von 
2  h — 6  h  wehen  und  nur  die  Luft  trüben,  ist  schon  oben  gedacht  worden.  Ganz 
dieselben  Beobachtungen  machte  Prschewalskij,  der  am  oberen  Hoang-ho  und 
Küke-nur  feststellte,  dass  der  Regen  fast  immer  von  Westen  und  nur  in  den 
seltensten  Fällen  von  Osten  kam;  im  Nan-schan  dagegen  bringen  Südostwinde 
zumeist  den  Regen.  Auch  in  der  Wüste  Gobi,  für  die  starke  Frühjahrs-  und 
Winterstürme  charakteristisch  sind,  kommen  diese  immer  von  Nordwesten. 
Die  Geschwindigkeit  eines  Gewittersturmes  am  24.  August,  ebenfalls  aus 
Nordwesten,  betrug  in  einer  seiner  schwächeren  Phasen  noch  10,075  m  in  der 
Sekunde  und  die  Gewalt  des  Hagelschlages  war  ebenfalls  sehr  stark.  Gewöhnlich 
gehen  die  Gewitter  rasch  vorüber  und  nach  i — 2  Stunden  ist  der  Regen  vorbei. 
Es  giebt  aber   auch   zahlreiche  Tage,    an  welchen    sich    die  Wolkendecke    am 


-     328     - 

Himmel  nicht  lüftet,  an  denen  es  mit  kurzen  Unterbrechungen  immerfort  leise 
regnet  und  auch  die  Nacht  nichts  besseres  vom  folgenden  Tage  erhoffen  lässt 
Solche  Landregentage  waren  der  ii.  bis  i6.  August,  der  21.  und  22.  desselben 
Monats  und  ebenso  auch  die  Tage  vom  8.  bis  11.  September. 

Die  kräftigen  Gewittergüsse,  die  der  Küke-nur  herüber  sendet,  erträgt  der 
Reisende  gerne;  aber  die  trüben  Tage,  an  denen  sofort  der  kalte  Regen 
sich  in  die  Kleider  hängt,  jeder  Stein,  jede  Pflanze  von  Wasser  trieft,  Aus- 
sicht nur  auf  die  schleichenden  Nebel  und  Wolkenzüge  ist  und  nichts  übrig 
bleibt,  als  im  Zelte  zu  sitzen  und  abzuwarten,  solche  Tage  sind  eine  Gedulds- 
probe, und  die  Reise  im  Küke-nur- Gebiet  war  verhältnismässig  reich  an  solchen. 


TaoguleD  tun  Dschnpar-Gebir^  bei  Lager  XXfV. 


IX.   KAPITEL. 


Das  nordöstliche  Tibet. 

Zwischen  dem  Hoang-ho  am  Dschupar-Qebirge  und  dem  oberen 
Tbao-Thale  bis  Mln-tsch&u. 

Bei  seinem  Austritte  aus  der  tibetanischen  Gebirgswelt  und  vom  Nordfusse 
des  Dschupar-Gebirges,  dessen  Fortsetzung  westlich  des  Hoang-ho  wir  unter 
dem  Namen  Sansi-bei  und  Semenow-Gebirge  kennen  gelernt  haben,  durchfliesst 
der  mächtige  Strom  ein  ausgedehntes  Steppenhochplateau,  das  sieb  weit  nach 
Westen  gegen  das  wild-  und  viehreiche  Tsai-dam  erstreckt,  nördlich  bis  zum 
Süd-Küke-nur-Gebirge  und  im  Osten  bis  zu  den  hohen  Gebirgen  reicht,  welche 
südlich  von  Kuei-tö  hsien  (Quetae)  liegen  und  Ausläufer  des  4900  m  hohen 
Dschachar-Gebirges  bilden.  Die  Ausdehnung  der  Steppenflächen  nach  dieser 
Seite  hin  ist  indessen  nicht  mehr  bedeutend,  da  das  feuchtere  Klima  und  die 
regenreichen  Winde  von  Osten  die  Hochplateaus  aufgelöst  und  in  reichen 
Wechsel  von  Thälem  und  Bergen  zerlegt  haben.  Schon  der  Weg,  den  Potanin 
zuerst  bereiste  und  beschrieb,  der  von  Kuei-tö  hsien  In  Südostrichtung 
nach  Min-tschöu  und  weiter  in  die  Provinz  SsS-thschuan  aus  dem  Stromgebiet 
des  Hoang-ho  in  das  des  Yang-tz«-kiang  führt,  hat  hohe  Pässe  in  dicht  gedrängten 
Gebirgskämmen  und  tiefe,  nach  Osten  gehende,  von  den  tibetanischen  Grenz- 
gebirgen und  der  Wasserscheide  zum  oberen  Hoang-ho  herabkommende  Thäler 
zu   überschreiten   und  die  Gliederung  des  tibetanischen  Hochlandes   durch  den 


—     330     — 

nach  Osten  und  Südosten  gehenden  Wasserabfluss  beginnt  schon  bedeutend 
weiter  westHch  als  jener  Weg  Uegt. 

Die  Möglichkeit,  näher  am  Hoang-ho  und  höher  oben  den  tibetanischen 
Gebirgsabfall  von  Norden  nach  Süden  erforschen  zu  können,  erschien  daher 
von  sehr  hohem  geographischem  und  geologischem  Interesse.  Es  glückte  in  der 
That  auch,  einen  direkten  neuen  Weg  vom  Hoang-ho  im  Süden  des  Küke-nur 
bis  Sung-p'an  thing  ausfindig  zu  machen  und  in  den  Monaten  Oktober  und 
November  zurückzulegen,  mit  einer  teils  aus  Yaks  (42),  teils  aus  Pferden  (18) 
bestehenden  Karawane. 

Von  der  Schlucht  des  Hoang-ho  aus  folgt  der  Weg  zunächst  dem  Rande 
der  nördlichsten  hügeligen  Vorketten  des  Dschupar-Gebirges  in  ostsüdöstlicher 
Richtung    mehrere    Tagemärsche    weit     Das    höhere  Gebirge    liegt   weiter    im 


SleppeDcbene  am  Nordfusse  des  DscImpBr- Gebirges  UDi  ThaltcUucbt  des  Hoang-ho. 

Süden  und  die  einzelnen  Ketten  sind  durch  Längsthäler,  die  noch  nach  Westen 
zum  Hoang-ho  gehen  von  einander  getrennt  Auf  der  westlich  vom  Hoang-ho 
gelegenen  Gebirgsentwicklung  ist  zwischen  die  westliche  Fortsetzung  des  Dschupar- 
gebirges,  den  San-si-bei  und  die  südlich  folgenden  hohen  Ketten  des  Ugutu 
eine  breite  Depression  und  Thalsteppenfläche  eingeschoben,  für  die  es  auf 
der  östlichen  Seite  vom  Hoang-ho  an  einer  Fortsetzung  fehlt;  dort  drängen  sich 
die  Gebirgsketten  enger  zusammen  und  es  entsteht  die  grossartige,  himmel- 
anstrebende Hoch-Gebirgswelt,  welche  der  Hoang-ho  in  unzugänglichen  Felsen- 
thälern  durchbricht.  Noch  weiter  im  Süden  müssen  auch  die  gewaltigen  Gebirgs- 
ketten und  östlichsten  Ausläufer  der  zentraleren,  tibetischen  Gebirge  die  Wasser- 
scheide zwischen  Hoang-ho  und  Yaug-tzö- klang  in  unersteiglichen,  ebenfalls 
noch  unerforschten  Höhen  bilden.  Die  nördlichsten  Teile  dieser  eben  skizzierten 
Gebtrgswelt  sind  die  mit  Steppengras  bedeckten,  in  allmählichem  Abfalle  und 
mit  niederen  Terrainwellen  zur  grossen  Steppe  am  Hoang-ho  und  östlich  davon 
übergehenden  Hügel   und  Vorbergzonen  am  Nordfusse  des  Dschupar-Gebirges. 


1 


& 


—     ?3 1      - 

Sie  bestehen  ganz  und  gar  aus  sehr  sterilem  Boden;  häufig 
sind  in  den  Thälchen  und  auf  den  Bergspitzen  schrofTe 
Abstürze  und  Felsklippen  bildende  Sandsteine,  zwischen 
welchen  auch  dunklere,  weichere  Thonschiefer  eingelagert 

sind.     Ueber  das  ganze  aber   legt  sich   bis  zu  einer  sehr  ••  •■    

beträchtlichen  Höhe  an  den  Bergen  hinaufreichend  eine 
LÖSS-  und  Lehmdecke,  die  in  den  Thaleinschnitten 
noch  bis  i,o  und  i,S  m,  in  Wechsellagerung  mit  Schottern 
auch  noch  grössere  Mächtigkeiten  erreicht  und  selbst  in 
Bergeshöhen  von  über  4000  m  nicht  ganz  fehlt,  obwohl 
sie  dort  schon  stark  mit  losgelösten  Teilen  des  anstehenden 
Gesteins  vermengt  ist.  ,j      § 

Sie  ist  die  Trägerin  und  Ernährerin  der  Gräser  und  I'-    " 

sonstigen  Pflanzen,  welche    sich   auf  dem  Steppenboden  ;  t   i 

in  zusammenhängender,  jetzt  im  Herbste  gelblich  gefärbter  .     _, 

Decke  in  die  Thäler  und  an   den  Bergen  hinaufziehen.  ^ 

Auch  Wasser  ist  in  den  kleineren  und  grösseren,  aus  dem  i     g 

Süden  kommenden  Thälchen  in  dieser  regnerischen  Jahres-  '     «  _ 

zeit    reichlich   vorhanden,    und  so   kann    es    nicht   fehlen,  'v'j     §  g 

dass  längs  dieses  hügeligen  Gebirgsvorlandes  in  den  Thal-  j  ^     ^5 

chen   zahlreiche    Tanguten    mit    ihren    Herden     sich    auf-  V   ti  j 

halten.     Kein  Tag  vergeht,  ohne  dass    man    ihren   Zelten  '.J    -g  o 

begegnet,    oder   sie   in  der    Ferne    erblickt,    wo    sie    wie  ;     |  ^ 

schwarze  Flecken  auf  der  grünen  Fläche  erscheinen.     An  1  J''     a  ^ 

etwas  feuchten  Stellen  ist  diese   Steppenoberfläche  durch  I  { '     ^ 

einen   herrUchen   Flor   von    bunt    blühenden   Blumen   ge-  jjf    V.  ^ 

schmückt.      Zu   tausenden   erheben   sich    die    blassblauen  ji  '    .S 

Stemenköpfchen    einer    neuen    Art    von    Pleurogj-na  (PI.  '  ■' ,      § 

macrantha  Diels  u.  Gilg),   ganze  Gruppen  bilden  die  tief-  i'r    S* 

blauen,   grossen  Kelche  einer  ebenfalls  neuen  Enzian-Art;  ' '    i, 

vereinzeltes  Edelweiss  und  ein  Rasen  von  weissen,  stroh-  .  ('  Z 

blumenartigen  Anaphalis  lactea  Max.  vervollständigen  das  '  s   ^ 

bunte  Bild,  das  der  morphologisch  monotonen  Steppe  hohen  \^    ^ 

Reiz    verleiht.    Von   andern   Pflanzen,    die    im   Dschupar-  \    " 

Gebirge  und  dem  südhch  davon  gelegenen  Berglande  bis  ''    ■? 

zum    Hoang-ho    gesammelt    wurden,    seien    hier  noch  als  i  ;     | 

wichtigere    genannt:   Gesträuche   von  Berberis,    die  leider  ',:•       ^ 

unbestimmbar    waren,  kommen  nicht    selten    an    steileren  ( ':     ^ 

Thalgehängen  vor.    PotentiUa  frutuosa  L.  ist  vielfach  ver- 
breitet; die  Wurzelknollen  w.erden  im  Herbste  eingesammelt  * , 
und  gekocht  von  den  Tanguten  gegessen  (Dschuma).    Auch 
PotentiUa    ansertna    dient    diesem    Zwecke.      Die    gelben 


—     332     — 

Stengel  mit  den  weissen  Haaren  von  Senecio  altaicus  Schultz-Btp  bedecken 
stellenweise  grosse  Flächen  auf  der  Steppe.  Erst  gegen  Norden  hin  ändert 
sich  ihr  Charakter.  Vom  hochgelegenen  Wege  aus  i.st  zu  erkennen,  wie  vom 
Gebirgsrande  weg  in  dieser  Richtung  die  Grasdecke  dürftiger  wird,  Zelte  und 
Viehherden  verschwinden,  und  jenseits  der  tiefen,  engen  Thatschlucht  eines 
grösseren  Flusses,  der  von  Ost  und  Südost  her  die  ebene  Steppenfläche  dem 
Hoang-ho  zu  durchströmt,  erscheinen  die  eigentümlich  scharfkantigen  kleinen, 
gelben  Hügel-  und  Dünenformen  der  Sandwüste. 

Weithin  sichtbar  durchzieht  die  Schlucht,  mit  ihren  steilen,  über  50  m  tiet 
abfallenden  Thal  wänden  sich  dunkel  abhebend,  die  gegen  sie  hin  leicht  geneigte 
Steppenfläche,    und    weit    draussen    im  Nordwesten    mündet    sie    in    das  noch 


NordtuM  des  Dschapar-Geblr^es,  östlich  von  Lager  XXIV.     Nach  SiidcD  g«««hen. 

tiefer  gelegene  Hoang-ho-Bett,  das  man  erst  am  fernen  Horizont  der  Steppe  als 
einen  dunklen  Strich  auf  der  hellgelblichen  Fläche  verschwinden  sieht  Das 
schluchtartige  Flussbett  nähert  sich  weiter  nach  Osten  mehr  dem  Gebii^rande; 
seine  Thalwände  werden  niedriger  und  das  Bett  selbst  viel  breiter;  die  oberen 
Teile  setzen  sich  aus  weiten,  welligen  Steppenflächen  zusammen  an  der  Ver- 
einigung der  aus  Nordost,  Ost  und  Süd  kommenden  Oberläufe,  welche  den 
Fluss  selbst  bilden.  Jenseits  der  ausgedehnten,  gras-  und  wasserreichen  Thal- 
weitungen erheben  sich  In  Nordost  und  Ost  hohe,  schneeglänzende  Gebirge; 
sie  erstrecken  sich  in  nordwest -südöstlicher  Richtung.  Das  westlichere  davon 
nimmt  allmählich  an  Höhe  gegen  die  Hoang-ho-Steppe  hinaus  ab  und  verläuft 
sich  in  dem  seinen  Fuss  umspülenden  Sandmeere  lange  ehe  es  den  Hoang-ho 
erreicht  Die  weitere,  noch  höhere  Bergkette,  deren  Gipfel  sich  über  4000  m 
erheben,  scheint  von  Westen  gesehen  hinter  der  ersten  zu  liegen;  auch  hat  sie 
eine  mehr  nach  Norden   orientierte  Erstreckung.     Sie  gehört  zu  einem  hohen, 


—     333     — 

vom  Östlichen  Teile  des  Dschupar-Gebirges  nach  Norden  verlaufenden  Gebirgs- 
stocke,  der  die  Wasserscheide  bildet  zwischen  den  westlichen  Abflüssen  direkt 
zum  Hoang-ho  und  solchen,  die  nach  Osten  gehen  und  ihn  erst  später  er- 
reichen. Prschewalskij  hat  den  nördlichen  Teil  davon,  das  Dschachar-Gebirge 
besucht,  aber  diese  Höhen  sind  noch  nicht  genauer  erforscht  Der  wilde 
Charakter  der  Umrisslinien,  die  bedeutende  Höhe,  die  grossen  Schneeflächen 
und  senkrechten  Bergwände,  lassen  aus  der  Ferne  schon  die  orographische 
Bedeutung  dieses  Gebirgsstockes  erkennen.  Eine  Bergspitze  des  ersteren  dieser 
beiden  hohen  Bergkämme  ist  auf  der  russischen  Karte  mit  der  Höhe  12380  r. 
F.  =  3773  m   bezeichnet,    aber  die   Gipfel   der  zweiten  Kette    übertreffen   diese 


Tanguttocher  Webstuhl  am  Dechupar-GebirEe  bei  Laffer  XXIV. 

noch  bedeutend.  Von  den  Bergen  der  Hauptkette  des  Dschupar-Gebirges  ist 
vom  Wege  längs  des  Bergfusses  nach  Osten  wenig  zu  sehen,  da  die  Vor- 
bei^ sie  meist  verdecken  und  die  kleinen  Querthäler  nicht  so  weit  nach  Süden 
reichen. 

Einen  Tagemarsch  entfernt  vom  Hoang-ho  wurde  an  einem  kleinen,  aus  dem 
Dschupai^ebirge  kommenden  Flüsschen  ein  Lager  (XXIV)  dir  längere  Zeit  auf- 
geschlagen, weil  ein  Teil  der  Vorräte  zu  ergänzen  war  und  Dr.  Holderer  zu 
diesem  Zwecke  nach  Kuei-tÖ  hsien  reiten  musste.  Die  bisherigen  chinesischen 
Führer  verliessen  hier  die  Expedition,  um  nach  Si-ning  fu  zurückzukehren,  nach- 
dem sie  uns  auf  den  Weg  der  südchinesischen  Händler  von  Sung-p'an  thing 
ins  Küke-Qur-Gebiet  gebracht  hatten.  Von  nun  an  waren  wir  ganz  auf  uns 
selbst  und  die  tangutische  Führung  angewiesen,  die  aber  sehr  häufig  wechselte 
und,  je  weiter  gegen  Süden,  immer  schwerer  zu  erlangen  war. 


-      334     — 

In  der  Nähe  des  Lagerplatzes  befand  sich  ein  Tangutenlager,  von  dessen 
Bewohnern  Schafe,  Milch  und  Butter  zu  erhalten  waren.  Wir  wurden  während 
des  ganzen,  zehntägigen  Aufenthaltes  nie  belästigt  und  auch  die  Neugierde  der 
Tanguten  war  kaum  störend.  Ein  alter  dicker  Lama  brachte  mir  Birnen  zum 
Geschenke  und  tauschte  seinen  Rosenkranz  gegen  eine  Brille  ein.  Hier  sah  ich 
auch  Tangutinnen  mit  Weben  der  WoUenföden  zu  Tuchatreifen  beschäftigt,  die 
zusammengenäht  die  Zeltdecken  bilden.  Die  Figur  auf  vorstehender  Seite  zeigt 
die  einfache  und  sinnreiche  Konstruktion  des  am  Boden  aufgeschlagenen  Web- 
stuhles. Die  aus  Yakwolle  gedrehten  dicken  Fäden  werden  mittelst  einer  Spindel 
durch  die  längsgespannten,  sich  durchkreuzenden  Fäden  durchgeschoben  und 
mit  einem  Brette  der  durchgezogene  Faden  fest  an  das  schon  fertige  Gewebe 
angeschlagen,    sodann    durch    Herausnehmen    des    Brettes    zwischen    den    sich 


Thiilschlucbl  {a- at)  ilea  HoaDg-ho  im  Dschnpar-Gebirce;  im  Hiateri^unde  die  Gebirgskette  URiito. 
Von  einem  Berge  des  Dscliupar-Gehirge»  bei  lag-er  XXIV  au»  nach  SUdwegten  Reaehen. 

kreuzenden  Fäden  die  andere  Kreuzung  herbeigeführt  und  ein  neuer  Faden 
durchgezogen.     Das  Gewebe  wird  sehr  fest  und  dicht  hergestellt. 

Ich  benutzte  die  Zeit  hier  zu  Ausflügen  zurück  zum  Hoang-ho  und  ins 
Dschupar- Gebirge.  Von  den  Bei^höhen  aus  kann  man  einen  Einblick  in  die 
Anordnung  von  Berg  und  Thal  am  Hoang-ho  gewinnen. 

Die  auf  einem  Berge  des  Dschupar-Gebirges,  einen  Tagemarsch  östlich 
vom  Hoang-ho  aufgenommene,  obenstehende  Skizze  zeigt  das  Thal  des  Hoang-ho 
vor  seinem  Austritte  aus  dem  Gebirge  als  tiefe,  quer  durch  die  Bergzüge  ver- 
laufende Schlucht,  die  hohen  Berge  der  Vorkette  und  durch  einen  weiten 
Zwischenraum  getrennt,  die  Schneeberge  des  Ugutu  im  Süden.  In  den  zum 
Hoang-ho  hinabfiihrenden  Seitenthälern  sind  an  den  Thalgehängen  mehrfach 
noch  grössere  Bestände  von  Nadelholzwaldungen  zu  sehen.  Es  liegen  alte,  vom 
Sturme  umgerissene,  vermodernde  Stämme  in  Kreuz  und  Quer  zwischen  kräftigen 
und  hohen  Bäumen  über  den  Felsen  der  steilen  Thalgehänge.     Erst  oben,   wo 


—     335     — 

sich  die  Berge  zur  flachen  Kuppel  wölben,  macht  der  Wald  der  Grasfläche  Platz. 
In  den  vom  Hoang-ho  entfernten  Thälchen  waren  längs  des  Reiseweges  weitere 
Waldbestände  nicht  vorhanden;  immer  sind  Grassteppe  und  Fels  die  ständig 
wiederkehrenden  Erscheinungen.  Das  ändert  sich  auch  noch  nicht,  wenn  man 
das  Dschupar-Gebirge  überschritten  und  nach  dem  Abstiege  gegen  Süden  von 
einem  3600  m  hohen  Passe  die  weite  Thalebene  des  Baa-Flusses  erreicht  hat, 
die  bei  im  allgemeinen  Westsüdwest- ostnordöstlichem  Verlaufe  auf  der  Süd- 
seite von  einem  Gebirge  mit  hohen,   aber  flachen  Bergen  begrenzt  wird. 

Der  Weg  durch  die  Hauptkette  des  Dschupar-Gebirges  folgt  zuerst  einem 
von  Süden  kommenden  Flusse,  der  am  Ende  eines  grossen,  von  Westen 
kommenden  Längsthaies,  das  eine  felsige,  zerklüftete  Parallelkette  abgliedert, 
entspringt  und  hier  auf  die  grosse  Ebene  ausmündet.  Dann  windet  sich  der 
Weg  nach  Süden  durch  ein  kleines  Thälchen  im  Sandsteingebirge  zwischen 
Hügeln  hinauf  zum  Passe  und  wieder  südlich  hinab,  und  erreicht  hier  einen 
grossen,  breiten,  von  Grasflächen  bedeckten  Thalgrund.  Das  Dschupar-Gebirge 
ist  an  der  Stelle,  wo  es  überschritten  wird,  am  niedrigsten;  sowohl  im  Osten, 
als  auch  insbesondere  im  Westen,  sind  bedeutend  höhere  Teile;  die  östlich 
vom  Passe  gelegenen  Berge,  ebenso  auch  die  zunächst  westlich  gelegenen,  haben 
alle  denselben  Charakter:  die  Bergformen  sind  oben  flach  und  gerundet,  die 
Thalgehänge  sanft  und  nur  stellenweise  sehen  Felsklippen  aus  der  Steppen- 
grasdecke hervor,  deren  braungelber,  herbstlicher  Schimmer  der  ganzen  Gebirgs- 
landschaft einen  eintönigen  Charakter  verleiht.  Die  Thäler  steigen  hier  allmäh- 
lich an  und  sind  vielfach  ganz  trocken  und  ohne  jede  Spur  von  Geröllbett 
oder  sichtbaren  Wasserwegen.  Das  Wasser  sucht  seinen  Weg  unter  der  Lehm- 
decke, welche  alle  Thalgehänge  und  Thalböden  überzieht  und  tritt  erst  an  tiefer 
gelegenen  Punkten  zu  Tage.  Durch  besonderen  Gebirgscharakter  ausgezeichnet 
sind  nur  die  westlichsten  Teile  des  Gebirges  am  Hoang-ho,  die  in  schroff- 
felsigen Formen  bedeutendere  Höhe  erreichen,  und  besonders  steil  gegen  die 
Südseite  hin  abfallen.  Derselbe  Charakter  ist  auch  der  Parallelkette  eigen,  die 
durch  das  grosse,  oben  erwähnte  Längsthal  auf  der  Nordseite  der  Hauptkette 
von  dieser  abgetrennt  ist. 

Dem  geologischen  Aufbaue  nach  sind  die  Hauptkette  beim  Passe,  sowie 
weiter  östlich,  und  die  nördlichen  Vorberge  aus  Sandsteinen  gebildet,  die  mit 
weichen,  dunkeln  Thonschiefem  wechsellagern  und  sehr  alten  geologischen 
Formationsgliedern  angehören.  Von  Versteinerungen  Anden  sich  nur  selten 
problematische  Gebilde  in  den  Schiefern,  wie  man  sie  auch  von  anderwärts  aus 
den  ältesten,  sedimentären  Bildungen  kennt,  und  von  denen  es  zweifelhaft 
ist,  ob  sie  vegetabilischer  oder  animalischer  Natur  und  in  vielen  Fällen,  ob 
sie  überhaupt  organischer  Natur  sind,  oder  ob  sie  vielleicht  durch  mechanische 
Wirkungen  auf  die  noch  nicht  verhärteten  Thonschichten  und  deren  Umbildung 
zu  Schiefem  entstanden  sind.  Ob  die  morphologisch  verschiedenen  Teile  des 
Gebirges  im  Westen  und  in  der  nördlichen   Parallelkette    eine  andere  geologi- 


Schmuckgehänge  einer  Taii|^Üii  bei  L^er  XXIV  am  Dschupar- Gebirge. 

sehe  Zusammensetzung  besitzen,  muss  dahingestellt  bleiben.  Es  ist  aber  un- 
wahrscheinlich, da  unter  den  Gerollen  der  Flüsse,  welche  aus  der  letztgenannten 
Kette  herabkamen  und  den  Weg  kreuzten,  nichts  anderes  vorkam  als  Sand- 
steine neben  dichten,  grünen,  harten  Schiefergesteinen,  wie  solche  als  Ein- 
lagerungen in  den  weichen  Thonschiefermassen  vielfach  auch  sonst  im  Gebilde 
verbreitet  sind. 

Von  der  Passhöhe  hat  man  einen  weiten  Ueberblick,  sowohl  auf  das 
Thalsystem  des  Hoang-ho  im  Norden  und  bis  zu  den  fernen  Gebirgen  von 
Kuei-tÖ  hsien  und  Si-ning  fu,  wie  auch  nach  Süden  auf  die  weite  Ebene  des 
Baa-Flusses  und  der  sich  weit  südlich  von  ihr  auftürmenden,  riesigen  Schnee- 
berge. Eine  weite  Thatfläche  kommt  aus  Ost-Nord-Ost  und  wird  auf  ihrer 
rechten,  nördlichen  Seite  von  den  Dschupar-Bei^en  begrenzt.  Eine  andere,  breite 
Thalfläche  kommt  aus  einem  niedrigeren,  ebenfalls  in  seinen  Formen  flachwelligen 
Gebirge  aus  Osten,  und  die  Gewässer  der  beiden  vereinigen  sich,  um  gemein- 
schaftlich nach  Westen  zum  Hoang-ho  zu  gehen.  Es  ist  das  Thalsystcm  des 
Baa-Flusses,  das  wir  so  übersehen.  In  dem  unteren  Teile  des  weiten  Steppen- 
thales  fitesst  der  Baa-Fluss  in  einer  in  die  Steppenfläche  eingegrabenen,  gegen 
den  Hoang-ho  tiefer  werdenden  Schlucht 

Das  die  beiden  Thäler  der  Oberläufe  trennende  Gebirge  hat  flache  Gipfel 
bis  zu  300  m  Höhe  und  nur  kurze  Längserstreckung;  von  den  Höhen  des 
linken  Baa-Ufers  erkennt  man,  dass  es  nach  Osten  hin  bald  niedriger  wird,  und 
dass  sich  die  niedrig  gelegenen,  oberen  Gebiete  der  beiden  Flüsse  vereinigen 
und  noch  weiter  nach  Osten  reichen  bis  zum  Fusse  sehr  hoher  Schneeberge. 
Diese  scheinen  zu  der  Wasserscheide  der  nach  Ost  und  nach  West  gerichteten 


TAFEL  XXIV. 


Schmuck^ehSn^e  der  Frauen  in  Nordost-Tibet. 

1.  Schmuckiidiätigc  einer  TanKUtin  bei  Lager  XXIV  am  Nordfusse  des  Dschupar-Gebirges. 

2.  Dasselbe  vom  grossen  S(.iie-tsi:he-Flus:-e. 

3.  Silbcr-Amukn  ((lano)  von    Hla-sa.  bei   Lager  XXVIII   am   Baa-Flusse. 
4  —  0.   Ohrringe  der  Taii^ulen   am   Üsi;hupar-Gcbir;;e  und  Baa-Flusse. 

7,  Silberbud;el  von  Kij,'.   I,  ^■ergrös^e^t. 


-     337     - 

Fluäsläufe  zu  gehören,  von  der  schon  oben  die  Rede  war,  und  die  auf  den 
Karten  den  Namen  Mürgüma  trägt  Sie  liegen  in  beträchtlicher  Entfernung, 
überragen  aber  bei  weitem  die  Dschupar-  und  die  zwischen  den  Oberläufen  des 
Baa-Flusses  gelegenen  Berge.  Die  beiden  je  5  km  breiten  Thalflächen  der 
beiden  Baa-Oberläufe  enthalten  gutes  Weideland  mit  zahlreichen  Jurten  und 
Herden  der  Tanguten;  überall  längs  der  Bei^gehänge,  wo  das  Quellwasser 
der  trockenen  Thäler  zu  Tage  kommt,  sieht  man  die  viereckigen  schwarzen 
Zelte  und  ein  reicher  Viehstand  an  Schafen,  Ziegen,  Yaks  und  Pferden  lässt 
auf  die  Wohlhabenheit  der  Nomaden  hier  schtiessen. 

Die  geographische  Breite  des  grossen  Sommerlagers  Luzaong*)  in  7  km 
Entfernung  nach  Norden  vom  Baa-Flusse  wurde  durch  Sonnenhöbebeobachtung 
zu  35"  3'  46"  nördlicher  Breite  gefunden;  also  südlicher  als  die  bisherigen 
Karten  fiir  das  Baa-Thal  angeben. 


SUJselte  des  Dschupar-Gebirgcs  vom  B.-ui-Flua»  aus,  bei  L^er  XXVUI. 

Bei  der  aus  etwa  I03  Jurten  bestehenden  Hauptansiedelling  des  nörd- 
lichen Baa-Oberlaufes  residierte  ein  alter  und  wohlbegüterter  Stammeshäuptling, 
dessen  äusseres  Rangabzeichen  eine  Pfauenfeder  auf  der  Kopfbedeckung  war. 
Seine  Leute  waren  uns  schon  einige  Tage,  ehe  wir  den  Platz,  bei  dem  sich 
unser  Lager  XXVII  befand,  erreichten,  zu  der  Führung  der  Expedition  be- 
hilflich, ebenso  nachher  beim  Weitermarsche.  Der  Alte  war  aber  recht  an- 
spruchsvoll, auch  ziemlich  impertinent  neugierig  und  liess  sich  seine  Dienste 
durch  einen  Repetierkarabiner  mit  50  Patronen  und  einen  Revolver  lohnen. 
Indessen  war  die  Aufnahme  in  seiner  Jurte  und  denjenigen  seiner  Anverwandten 
in  der  Nähe  eine  sehr  liebenswürdige.  Thee  und  Tsam-ba  war  immer  gleich 
fiir  die  Gäste  bereitet,  die  ausserdem  mit  den  als  weither  importiertes  Obst 
hier  wertvollen  Birnen   beschenkt  wurden.     Die  Frau  des  Alten,   eine  würdige, 

*)  Die  lan^uäachea  Nameo  bIdiI  hier  lo  G:escliileb«D,  wie  icli  sie  mit  dem  Gehör  auffasile 
und  In  den  Notizbüchero  notierte.  Bei  dem  Mangel  aa  Dolmetschern  war  über  die  Bedeutung  der- 
selben nichts  zu  erfahren,  und  vicUnch  l>ln  Ich  unsicher,  ob  die  Namen  richtig  siod,  uad  ob  die 
licfragtcD  Leute  richlii;  Terstanden,  was  (gemeint  war.  N:u:h  llerm  HImlj's  (cUdger  Mitteilung  künnte 
der  Marne  ljir.:ntne  mit  ilcin  tilx'IanischeD  Lu-thsaUK  (=t  Dracbeiibülile)  möglicherweise  zusamuieahängea. 


-     338     - 

alte  Matrone  und  fleisstges  Jurtenmütterchen,  war  den  Fremden  gegenüber  durch- 
aus nicht,  wie  sonst  die  Tibetanerinnen,  scheu  und  zurückhaltend;  als  sie  mir 
erlaubte,  ihre  Schmuckgehänge  auf  dem  Rücken  zu  photographieren,  hessen  sich 
auch  die  andern  Frauen  und  Mädchen  dazu  bewegen,  und  einige  der  Abbil- 
dungen der  Frauen  und  ihrer  Schmucktücber  stammen  von  hier.  (Siehe  auch 
Tafeln  XXVI  und  XXVII,  Fig.  3.)  Eifersucht  kennt  aber  auch  der  Tai^ute, 
und  ein  junger  Ehegatte  Hess  seine  hübsche  und  reich  gekleidete  Frau  nur 
photographieren,  als  er  selbst  neben  ihr  aufgestellt  wurde.  Das  freundliche 
Wesen    dieser  Leute    entschädigte    einigermassen   für  die  Zudringlichkeit  vieler 


TaDguliBcUe  Familie  in  Luiaone.     (Lagei  XXMI  nördlich  yom  Baa-Fluase,) 

andern,  die  aus  den  Jurten  von  weit  und  breit  herkamen,  um  die  fremde 
Karawane  anzustaunen.  Es  wurden  Pferde  gekauft,  schlecht  gewordene  Yaks  um- 
getauscht und  der  Verkehr  mit  den  Leuten  ging  zu  aller  Zufriedenheit  vor  sich. 

Ein  anderes  Zeltlager  am  Baa-Flusse  selbst,  etwas  oberhalb  der  Ein- 
mündung des  südlichen  Zweiges  wurde  Churr^  genannt;  dort  war  unser  Lager 
XXVIII  aufgeschlagen.  Indessen  war  bei  dem  Mangel  eines  Dolmetschers 
Sicherheit  über  die  Richtigkeit  dieses  Namens  nicht  zu  gewinnen. 

Wie  ich  bereits  erwähnte,  war  es  hier  im  Baa-Thale  möglich,  eine  An- 
zahl von  Photographien  vom  weiblichen  Teile  der  Bevölkerung  zu  erhalten, 
was  später  nicht  mehr  gelang,  verboten  doch  sogar  die  Männer  am  Sche-tsche- 
flusse  das  Abzeichnen  der  Rückengehänge  ihrer  Frauen.  Diese  Gehänge  zeigen 
Unterschiede    sowohl    nach    Stämmen    wie    nach    dem  Wohlstand    der    Eigen- 


—     339     — 

tümerinnen.  Die  Gehänge,  die  auf  den  vor-  und  nachstehenden  Textfiguren 
und  den  Tafeln  XXIV  und  XXVI  abgebildet  sind,  bestehen  aus  zwei  oder  drei 
breiten  Streifen  eines  dunkel-  bis  karminroten  Tuches  mit  schwarzen  Rändern, 
auf  denen  in  mannigfaltiger  Anordnung  grosse  Silberbuckel  oder  auch  Gehäuse 
von  Meeresschnecken  {Cypraea-  und  Ficutaartigen  Formen),  die  von  der  Küste 
aus  Südostchina  stammen  müssen,  vielerlei  bunte  Steine  (Cameol,  Malachit, 
Türkis,  Lasurstein)  und  ein  braunrotes,  siegellackartiges  Harz,  das  zu  wickel- 
artigen Formen  gestaltet  ist,   zusammengestellt  und  angenäht  sind;   dazwischen 


'raDButiBche  Frauen  in  Luzaong  im  Baa-Th-ile  (bei  hnger  XX\11). 


laufen  Reihen  von  kleineren,  weissen  und  farbigen  Glas-  und  Porzellan-,  seltener 
Korallenperlen,  und  am  unteren  Ende  sind  rotbraune,  lange  Fransen  angebracht, 
die  den  Boden  berühren.  Das  Gehänge,  das  von  der  Hüfte  ab  herunterreicht, 
wird  an  zwei,  oft  mit  Perlenreihen  oder  Messingknöpfen  besetzten  Bändern,  die 
über  die  Schultern  und  vorn  zusammenlaufen,  getragen.  Ein  mittleres  solches 
Band  aber  ist  locker  an  den  Haaren  befestigt,  die  in  zahlreiche,  dünne,  lange 
Zöpfe  geflochten  sind  und  nach  allen  Seiten  herunterhängen.  Es  ist  das  eine 
sehr  originelle  und  nicht  unschöne  Tracht,  die  den  Schmutz  der  Leibröcke  ver- 
deckt. Die  komphzierte  Frisur  dürfte  selten  erneut  werden,  wie  auch  die  Be- 
rührung des  Gesichtes  und  der  Haut  mit  Wasser  allem  Anscheine  nach  zu  den 


—     340     — 

Seltenheiten  gehört.  Dieses  Kücken-Kieidungsstück  findet  man  zuweilen  ganz 
allein  getragen;  trotz  der  niederen  Temperatur  {+  7*)  sah  ich  in  den  Beiden 
südlich  vom  Baa-Flusse  die  männlichen  Kinder  überhaupt  ohne  Kleidung  und 
die  Mädchen  trugen  nur  eine  Binde  um  den  Hals,  welche  hinten  ein  langes, 
breites  über  den  Rücken  herabreichendes  Band  hielt,  das  mit  roten  Steinen  oder 
Harzwickeln  in  derselben  Art  besetzt  war,  wie  es  die  Abbildungen  auf  Tafel  XXVI 
zeigen;    alle    andere    Kleidung   fehlte,    wie    überhaupt    die    Bevölkerung   einen 


RUchcnschinuck  laaguÜBcher  FniueD.     l.uiaong  im  Baa-Thule  (bei  LAger  XXVll). 

viel  ärmeren  Eindruck    machte,  als  z.   B.   am  Küke-nur  oder  bei   Luzaong    im 
Baa-Thale. 

Manche  der  Frauen  tr^en  am  Gürtel  an  der  linken  Seite  mit  Lederbändem 
angehängte  Doppelhaken  aus  Messing,  die  mit  eingravierter  Ornamentik, 
aufgesetzten  Kupferknöpfen  und  Buckeln  oft  reich  verziert  sind;  die  Lange 
des  Hakens  ist  etwa  15  cm.  Der  Zweck,  dem  sie  dienen,  ist  nach  Potanin  ein 
praktischer;  sie  werden  zum  Halten  der  Eimer  beim  Melken  benutzt.  Aber  bei 
andern,  ebenfalls  an  der  linken  Hüfte  vom  Gürtel  herabhängenden,  auch  reich 
verzierten  Messingringen  ist  ein  religiöser  Zweck  wahrscheinlicher,  da  diese  Ge- 
hänge zu  praktischem  Gebrauche  ganz  untauglich  sind  und  höchstens  als 
Schmuck  getragen  werden  könnten.  Von  den  Ringen  hängen  lange,  rote  Tuch- 
streifen  und  Händer  herab  bis  zum  Boden;  bei  der  Tangutin   auf  der  Textfigur 


illii 


Sir 


I  I; 


—     343     — 

Seite  339   ist  ein  solches  Gehänge  in  situ    zu   sehen.     Siehe   auch  die  folgende 
Textfigur. 

Bei  dem  Zeltlager  des  Häuptlings  in  Luzaong  gab  es  eine  grosse  Menge 
ungewöhnlich  stattlicher,  tibetanischer  Hunde.  Sie  hatten  schöne  gro.sse  Köpfe 
und  langes  Haar,  das  am  Halse  besonders  reich,  lang  und  etwas  gekräuselt 
war,  fast  wie  eine  Mähne.  Es  waren  starke,  grosse  Tiere  von  meist  dunkel- 
brauner, schwarzer,  seltener  auch  hellbrauner  Farbe,  und  erinnerten  am  meisten 
an  die  sogenannten  Leonbergcr  und  Bernhardiner-Hunde.  Sie  waren  gut- 
mütig und  Hessen  sich  streicheln,  ganz  im  Gegensatze  zu  den  übrigen  Hunden 
in  den  tibetanischen  Dörfern.  Man  kann  an  keinem  Zeltlager  vorbeireiten, 
geschweige  denn  sich  in  ein  solches  begeben,  ohne  dass  von  allen  Seiten 
die    bissigen    Hunde     sich    auf    die    Fremden    stürzen    und    an    den     Pferden 


Zeltlager  der  Tanguten  bei  I.uzaoog,   Lager  XX\'II  im  Boa-Thale. 

hinaufspringen.  Meist  genügt  es  aber,  die  Reitpeitsche  zu  erheben,  um  sie  in 
einiger  Entfernung  zu  halten.  Die  Bevölkerung  selbst  vertreibt  sie  durch  Würfe 
mit  Steinen  oder  Erdschollen.  Diese  Hunde  sind  von  ganz  verschiedenen  Typen 
und  meist  unschön.  Es  schlössen  sich  zuweilen  fremde,  nomadisierende  Hunde 
unserer  Karawane  an  und  begleiteten  sie  einige  Zeit,  um  dann  plötzlich,  wie  sie 
gekommen,  auch  wieder  zu  verschwinden.  Sie  waren  sehr  wachsam  und  fielen 
dadurch  lästig,  weil  sie  stundenlang  nachts  einen  unruhig  gewordenen  Yak  mit 
ihrem  durchdringenden  Gekläff  verfolgen  konnten.  Namentlich  in  den  Dörfern, 
in  welchen  bei  jedem  Zelt  immer  mehrere  Hunde  sind,  werden  sie  zur  Plage. 

Nach  einigen  Tagen  Aufenthalts  in  Luzaong  ging  die  weitere  Reise  \lurch 
das  Thal  des  nördlichen  Baaflusses,  der  auf  der  südlichen  Seite  als  ein  3  m 
breiter  und  0,5  m  tiefer  Fluss  in  mäandrischen  Windungen  die  Steppe  durch- 
zieht, um  das  Ende  des  die  Baa-Thaler  trennenden,  auch  aus  Sandsteinen  und 
Schiefern  bestehenden  Gebirges  herum  und  in  dem  südlichen  Baa-Thale  an  dem 
Flusse,  der  4  m  breit  ist  und  0,75  m   tiefes,   ziemlich  rasch  fliessendes  Wasser 


—     343     — 

führt  (Wassergeschwindigkeit  r,9  m  in  einer  Sekunde),  etwas  aufwärts,  wo  dann 
auf  freier  Grassteppe  das  Lager  XXVIII  bei  Churr^  aufgeschlagen  wurde.  Auch 
hier  sind  die  Thalgehänge  beider  Seiten  und  die  Nähe  des  Flusses  reich  be- 
völkert. Im  Umkreise  waren  über  200  Jurten  zu  zählen  und  besonders  auf 
der  linken  Thalseite  gehen  sie  in  die  zahlreichen,  Wasser  führenden  Neben- 
thälchen  des  Gebirges  hinein  und  hoch  hinauf.  Gewisse  Eigentümlichkeiten 
unterscheiden  den  hier  wohnenden  Tangutenstamm  von  den  übrigen  bis  dahin 
besuchten  Tanguten.  So  stellen  sie  z.  B.  ihre  Jurten  in  der  Zahl  von  acht 
bis  zwölf  im  grossen  Kreise  auf,  unter  Benutzung  des  Schutzes,  den  die  ver- 
tieften, jetzt  trockenen  Windungen  alter,  mäandrischer  Flussläufe  in  Menge 
bieten.  (Siehe  Tafel  XXV.)  Die  Mützenform  ist  spitzer  und  die'  Frauen  tragen 
statt  des  reichen  Korallen-  und  Steinschmuckes  auf  dem  Rückengehänge  flache 
Knöpfe  aus  Messing;  dafür  sind  aber  die  Bänder  zum  Teil  schön  und  reich 
gestickt  und  von  dunkelroter  oder  Karmin-Farbe.  Die  Bevölkerung  macht 
einen  ärmeren  Eindruck;  die  meisten  gingen  barfuss  und  waren  in  zerrissene 
Lappen  gekleidet.  Schmucksachen  und  Amulette  von  Wert  waren  selten  und 
wurden  durch  wertloses  Zeug,  wie  Ledertäschchen,  Holzstückchen,  Tuchrollen 
etc.,  ersetzt.  Die  Zudringlichkeit  war  grösser  und  grenzte  in  manchen  Fällen 
direkt  an  Unverschämtheit.  Auch  der  hier  hausende  Häuptling  machte  keinen 
guten  Eindruck.  Seine  Forderung  für  die  verlangten  Führer  war  viel  zu  hoch, 
und  als  sie  ihm  verweigert  wurde,  stellte  er  keine  Leute,  so  dass  uns  die 
Führer  vom  Tage  vorher,  darunter  der  Alte  von  Luzaong  selbst,  auf  dem  schwer 
zu  findenden,  in  den  Thälern  gar  nicht  erkennbaren  Wege  zu  dem  Orte  Dedun 
(Lager  XXIX)  weiter  geleiten  mussten. 

Wir  überschritten  das  südliche  eigentliche  Baa-Thal,  eine  über  5  km  breite 
Steppenfläche  mit  einzelnen,  niederen,  langgestreckten,  hügeligen  Erhöhungen, 
Resten  der  Ufer  alter  Flussterrassen,  und  erstiegen  auf  allmählich  ansteigendem 
Thalgrunde  ebenfalls  ganz  mit  Gras  bewachsener,  wasserloser  Thälchen  die  Höhen 
des  ersten  Gebirgszuges,  welche  südlich  von  der  grossen  Baa-Ebene  das  Ge- 
birgsland  zusammensetzen.  Die  Berge  in  der  Nähe  der  ersten  Passhöhe 
bei  Lager  XXIX  sind  nur  wenig  über  3900  m  hoch  und  haben  breite, 
flache,  ganz  mit  Steppengras  und  an  den  Gehängen  mit  niedrigem  Gestrüpp 
bedeckte  Rücken.  Die  Thäler  sind  wenig  steil  und  zeigen  ab  und  zu  das  an- 
stehende Gestein  —  immer  noch  Thonschiefer  und  Sandsteine  in  steiler  Schicht- 
stellung —  an  den  Thalseiten. 

Das  Lager  befand  sich  an  einem  Wasserplatze  in  einer  breiten,  oberen 
Thalmulde;  nicht  weit  davon  waren  Tangutenzelte  und  grosse  Herden  von  Yaks 
und  Schafen.  Ein  hochgelegener,  breiter  Bergrücken  versprach  eine  schöne  Aus- 
sicht und  gute  Orientierung  über  das  nunmehr  betretene  Gebirgsland  im  Süden 
des  Baa-Thales,  so  dass  ich  den  Mittag  zu  einem  Aufstieg  benutzte,  dessen 
Resultat  meine  Erwartungen  weit  übertraf  und  im  Folgenden  noch  zu  be- 
sprechen sein  wird. 


—     344     - 

Als  ich  gegen  Abend  zurückkehrte  —  ich  hatte  den  Ausflug  wie  gewöhn- 
lich ohne  Jede  Begleitung,  nur  mit  meinem  geologischen  Hammer  bewaffnet, 
gemacht  —  fand  ich  zu  meiner  Bestürzung,  dass  die  beiden  uns  noch  ge- 
bliebenen Kosaken  Vorbereitungen  trafen,  um  uns  zu  verlassen.  Dr.  Hol- 
derer teilte  mir  mit,  dass  er  den  einen  derselben,  Nicolai,  der  die  Aufsicht  über 
die  Yak-Karawane  hatte,  für  ein  verloren  gegangenes  Gewehr  verantwortlich 
gemacht  habe.  Hierauf  habe  Nicolai  sich  mit  seinem  Gefährten  besprochen 
und  beide  hätten  erklärt,  zurückkehren  und  die  Expedition  nicht  mehr  weiter 
begleiten  zu  wollen.  Ich  versuchte  alles,  um  sie  umzustimmen,  indem  ich  auf 
die  Folgen    hinwies,    die    ihr  eigenmächtiger  Schritt  für  sie  haben    müsste,    da 


Lager  XXIX  der  Expedition  im  Gebirße  bei  UeduD,  südlicli  toui  B»a-Flussc. 

sie  als  Soldaten  zu  diesem  Dienste,  dem  Schutze  der  Expedition  und  der 
Hilfeleistung  bei  wissenschaftlichen  Arbeiten,  kommandiert  seien.  Sie  erklärten 
auch,  mit  mir  weiter  gehen  zu  wollen,  dagegen  nicht  mit  Herrn  Dr.  Holderer; 
dieser  aber  war  der  Leiter  und  Führer  der  Expedition.  Er  seinerseits  weigerte 
sich,  den  beiden  Kosaken  durch  Auszahlung  von  Mitteln  die  Möglichkeit  zu 
geben,  die  Expedition  zu  verlassen  und  einen  so  gefährlichen  Rückweg  anzu- 
treten, für  welchen  er  unmöglich  die  Verantwortung  übernehmen  konnte. 
Sie  verlangten  darauf  ein  kleines  Gelddeposit,  das  ihnen  gehörte,  zurück, 
sowie  Ersatz  für  einige  persönliche  Besitztümer,  die  ihnen  im  Lauf  der 
Reise  verloren  gegangen  waren.  Beides  wurde  ihnen  ausgefolgt  und  damit 
waren  sie  mit  der  Expedition  fertig.     Sie  blieben    zwar    noch  bis  zum  Moi^en 


—     345     — 

da,  erfüllten  aber  nicht  mehr  die  ihnen  obliegenden  Dienste,  waren  taub 
gegen  alle  Vorstellungen,  die  ich  ihnen  machte,  und  jede  Vermittlung  scheiterte. 

Ich  sah  sie  sehr  ungern  scheiden.  Der  jüngere,  der  mich  bisher  zu  be- 
gleiten hatte,  war  gut  eingeschult  auf  die  Handhabung  und  Hilfeleistung  bei  den 
Instrumenten  und  dem  photographischen  Apparat.  Ich  hatte  in  der  That  bis 
dahin  noch  keine  zerbrochenen  oder  beschädigten  Instrumente  zu  beklagen  ge- 
habt; er  hatte  mit  mir  getreulich  die  Anstrengungen  der  Gobi  geteilt,  hatte 
ohne  Murren  in  der  Hitze  des  Tages  mit  mir  das  Lager  verlassen  und  auf 
hartem  Steinboden  ohne  Nahrung  bis  tief  in  die  Nacht  auf  das  Eintreffen  der 
Karawane  gewartet,  während  seine  Gefährten  es  bequem  hatten,  über  die  heisse 
Tageszeit  schliefen  und  erst  des  Abends  in  der  kühlen  Luft  im  langsamsten 
Tempo  der  Kamelkarawane  folgen  konnten.  Wie  oft  teilte  ich  meine  Zigarre 
mit  ihm,  wenn  die  grün  und  blau  gewordenen  Eier  ungeniessbar  waren,  und 
nie  hörte  ich  eine  Klage,  wenn  er  sah,  dass  sein  Herr  es  nicht  besser  hatte  als 
er.  Das  änderte  sich  erst,  als  nach  dem  Wegschicken  des  erkrankten  Kosaken 
er  auch  bei  vielen  andern  Arbeiten  im  Lager  aushelfen  sollte  und  zwei  Herren 
dienen  musste.  »Wer  zwei  Herren  hat,  dient  keinem, c  so  kam  es  auch  hier, 
und  der  unzufriedene  Nicolai  wusste  ihn  zu  bereden,  sich  dem  folgeschweren 
Schritte  anzuschliessen. 

Sie  ritten  ab;  der  Winter  stand  vor  der  Thür;  die  Gobi  mit  ihren  Schreck- 
nissen lag  auf  ihrem  Wege.  Ich  konnte  nicht  umhin,  ihren  Mut  zu  bewundern, 
und  wünschte  nur,  derselbe  hätte  uns  auf  der  Reise  in  Tibet  zur  Seite  gestanden, 
dann  hätten  wir  wohl  auch  unbelästigt  Sung-p'an  thing  und  unser  Ziel  am  Hoang-ho 
erreicht.  Erst  nach  der  Rückkehr  in  die  Heimat  hörten  wir  wieder  von  den 
beiden  Kosaken.  Sie  hatten  die  Unterstützung  der  chinesischen  Behörden  in 
Anspruch  genommen,  und  diese  hatten  sie  bis  Urumtschi,  wo  sich  ein  russisches 
Generalkonsulat  befindet,  geschafft.  Dort  gaben  sie  als  Grund  für  ihre  Desertion 
die  schlechte  Behandlung  an,  die  sie  erfahren  hätten.  Davon  war  nun  allerdings 
keine  Rede,  und  der  krank  von  Si-ning  fu  nach  Han-k*ou  gesandte  dritte  Kosak 
stellte  dort  das  Zeugnis  aus,  dass  die  Kosaken  nie  einen  Grund  zur  Klage 
gehabt  hätten,  so  lange  er  bei  der  Expedition  gewesen  sei.  In  Wirklichkeit 
hatte  die  Furcht  vor  Tibet,  die  Nachwirkung  des  schlechten  Geistes  eines  Sobolew, 
der  sie  gegen  uns  Deutsche  aufhetzte  und  ihnen  durch  Schauergeschichten  vor 
Tibet  Angst  einflösste,  die  Desertion  der  Kosaken  veranlasst,  und  es  bedurfte 
nur  eines  unbedeutenden  Anlasses,  um  die  Entscheidung  zur  Rückkehr  herbei- 
zuführen. 

Zum  Verständnis  der  gegenseitigen  Stellung  der  verschiedenen,  im  Süden 
des  grossen  Baa-Thales  gelegenen  Gebirge  erscheint  es  geboten,  hier  einen 
Ueberblick  der  orographischen  Verhältnisse  zu  geben,  wie  ihn  eine  der  Höhen 
von  fast  4000  m  unweit  des  Gebirgsfusses  am  Baa-Thale  beim  Lager  XXIX 
über  das  Thal  selbst  und  die  Gebirgswelt  im  Süden  und  gegen  das  in  der 
Ferne  deutlich    erkennbare  Hoang-ho-Thal  darbietet     Die  dort  aufgenommene 


—     346     — 

Skizze  dient  zur  Erläuterung  und  ist  auf  der  Profil-Tafel  XLII  als  No.  i  wieder- 
gegeben. Im  Westen  fesselt  zunächst  in  der  Entfernung  von  etwa  50  km  das 
deutlich  sichtbare  grosse  Thal  des  Hoang-ho  die  Aufmerksamkeit  Weit  draussen 
in  der  grossen  Niederung  des  Baa-Thales  sieht  man  diesen  Fluss  sein  Bett  all- 
mählich unter  das  allgemeine  Niveau  in  das  Steppenland  vertiefen  und  schliesslich 
in  enger  Schlucht  mit  steil  abfallenden  Wänden  in  eine  andere,  breitere,  sich 
quer  vor  seinen  Lauf  legende  Schlucht  einmünden,  in  das  Bett  des  Hoang-ho, 
an  dessen  Ufern  sich  hier  weniger  ausgedehnte  Steppenplateaus  von  gleicher 
Höhe  wie  das  des  Baa-Thales  ausdehnen.  Nur  eine  geringe  Strecke  weiter 
oberhalb  treten  die  Berge  wieder  so  nahe  an  den  Fluss  heran  und  ebenso 
weiter  im  Norden  die  Dschupar-Kette,  dass  der  Hoang-ho  sich  nicht  mehr  in 
eine  ebene  Thalfläche  eingräbt,  sondern  ein  enges  Durchbruchsthal  bildet,  das 
unwegsam  nur  dem  tosenden  Flusse  den  Durchgang  gewährt  und  mit  den  senk- 


Figur  1 


Figur  2 


Figur  3  Figur  4  Figur  5 

Tangutische  Kopfbedeckungen. 

Figur  1:   Tuchmütze  mit  Fdlbesatz,  Lager  XXVIII  am  Baa-Flusic. 
Figur  2:  FilzhuL    Figur  3:  Tuchkappe   mit  pelzbesetsten  Ohrlappen.    Figur  4:  Braune  Tuchhaube  mit 
Figur  5:  Pelzmütze  von  weissem  Pelze  mit  schwarzen  Fransen.    Figur  6:  Tuchhut  mit  schwarzem  Busch 

Figur  2-6  am  grossen  Sche-tsche-Flnsse,  Lager  XXXV-XXXVII. 


rotem  Rande, 
und  Pelzrand. 


recht  abstürzenden,  mehrere  hundert  Meter  hohen  Wänden  einer  Felsenschlucht 
vergleichbar  ist. 

Bis  hierhin  an  den  Tschurmün-Fluss,  der  dem  Baa-Flusse  gegenüber  in 
den  Hoang-ho  mündet,  war  es  Prschewalskij  gelungen,  vorzudringen,  aber  angesichts 
der  wilden  Thalverhältnisse,  die  den  oberhalb  liegenden  Flusslauf  absolut  un- 
zugänglich machen,  musste  er  seinen  Rückweg  antreten.  In  der  That  sieht  man 
gegen  Südwesten  hin  hohe  Gebirgsketten  sich  hinter  einander  auftürmen,  das 
Flussthal  in  ihre  Mitte  nehmen  und  mit  einer  Felswildnis  und  Bergwällen  um- 
geben, die  wohl  längs  des  Flusses  nie  zu  durchdringen  sein  werden.  Die  auf 
der  linken  Seite  des  Hoang-ho  nach  Westen  weiter  fortziehenden  Bergketten 
sind  schon  zu  ferne,  als  dass  eine  scharfe  Unterscheidung  ihrer  charakteristischen 
Merkmale  möglich  wäre;  es  ist  nur  zu  konstatieren,  dass  mehrere  Gebirgsketten 
in  südlicher  Richtung  hinter  einander  liegen,  dass  die  erste  derselben  wohl  der 
Ugutu  sein  muss,  und  dass  die  weiter  südlich  folgenden  immer  die  vorher- 
gehenden an  Höhe  übertreffen.  Ganz  schattenhaft  ragen  noch  im  letzten 
Hintergrund  gewaltige  Bergkolosse  in  die  Wolken  auf,  die  von  hier  aus  nur 
isoliert,  nicht  als  Kette  verfolgbar  sind,  die  aber  an  Höhe  wohl  zu  den  Riesen 
der  tibetanischen  Gebirgswelt  zu  rechnen  sind. 


--     347     — 

Eine  ferne,  hohe  Gebirgskette,  deren  Gipfel  vom  ewigen  Schnee  erglänzen, 
verläuft  vom  Hoang  ho-Thale  weit  im  Süden  vom  Aussichtspunkte  in  östlicher 
Richtung.  Ihre  Bergformen  sind  stark  gegliedert,  sie  zeigen  steile  und  senkrechte 
mächtige  Abstürze  und  in  den  Firnbecken  gewaltige  Schneefelder.  Vor  dieser 
hohen  Gebirgskette  liegt  in  paralleler  Richtung  eine  minder  hohe,  nicht  mit 
Schnee  bedeckte  andere  Kammlinie,  die  auch  die  tiefen  Thaleinschnitte  und  die 
Steilheit  der  Gipfelregion  besitzt  und  aus  der  Ferne  gesehen  dunkel  erscheint; 
auch  sie  hat  westliche  Fortsetzung  auf  dem  linken  Hoang-ho-Ufer. 

Die  breite  Zone  des  Berglandes,  das  sich  zwischen  unser m  3800  m  hohen 
Aussichtspunkte  und  jener  Bergkette  zu  annähernd  gleicher  Höhe  in  allen  Berg- 
kuppen erhebt,  hat  einen  ganz  andern  Charakter,  als  die  eben  erwähnten  Felsen- 
gebirge. Zunächst  fällt  die  gleichmässige  Höhe  fast  aller  Erhebungen  auf,  die  stets 
flache,  weit  hingezogene,  breite  Kämme  und  Gipfel  haben  und  deren  Thalabhänge 
auch  nur  gelegentlich  Felsklippen  zeigen.  Das  ganze  Gebiet  hat  die  gelbbraune 
Farbe  der  Steppe  und  die  Grasbedeckung  geht  ohne  Unterbrechung  über  die 
höchsten  Höhen,  wie  über  Seitenwände  der  Thäler  und  deren  meist  trockene 
Thalböden.  Es  ist  derselbe  Charakter,  der  den  Hauptteil  des  Dschupar-Gebirges 
auszeichnete,  und  es  bestehen  auch  hier,  wie  dort,  die  Berge  unter  der  an  ge- 
schützten Stellen  selbst  in  Höhen  von  fast  4000  m  noch  vorhandenen  Lehm- 
bedeckung aus  dunkeln  Thonschiefern  und  Sandsteinen,  die  sich  immer  in  stark 
gefalteten  und  steil  aufgerichteten  Stellungen  befinden.  Es  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  die  beiden  hohen  Gebirgsketten  im  Süden  von  anderer  geologischer 
Beschaffenheit  sind,  als  diese  zuletzt  genannten  Regionen,  die  bei  gleicher  geo- 
logischer Beschaffenheit  auch  denselben  morphologischen  Charakter  besitzen. 
Wir  werden  später  sehen,  dass  die  nördlichere  aus  Kalkmassiven,  die  südlichere 
wahrscheinlich  aus  Urgebirgsgesteinen  besteht. 

Zu  unsern  Füssen  liegt  das  weite  Steppengebiet  des  Baa  und  seiner  Neben- 
flüsse ;  grosse,  sanft  geneigte  Aufschüttungsflächen  ziehen  nach  der  Thaltiefe,  die 
an  der  Vereinigungsstelle  der  beiden  Baa -Oberläufe  etwa  3350  m  hoch  liegt, 
von  dem  Fusse  der  Berge  herab.  Die  ganze  südliche  Bergkette  des  Thal- 
systems bis  weit  nach  Osten  wird  von  dem  orographischen  Charakter  der 
zuletzt  beschriebenen  Sandstein-  und  Schieferzone  beherrscht  und  dieselben 
Gesteine  dürften  durchweg  ihren  Aufbau  zusammensetzen.  Nur  lokal  und 
untergeordnet  kommen  kleinere  Granitmassive  vor,  wie  z.  B.  an  der  Stelle, 
wo  der  Reiseweg  aus  der  Baa-Thalebene  in  die  Hügel  eintritt.  Im  Osten  do- 
minieren über  diesen  breiten,  flachen  Kuppen- Gebirgen  wieder  hohe  Schnee- 
berge von  tief  zerschluchtetem  und  steil  abstürzendem  Aeussern,  die  zu  den 
Bergen  der  schon  öfter  erwähnten  Wasserscheide  zwischen  östlichen  und  west- 
lichen Wasserabflüssen  gehören  und  hier  die  Flussgebiete  des  Baa -Flusses 
im  Westen  und  des  zum  Kloster  La-brang  hinabgehenden  Tu-mun-guan  und 
Ta-hia-ho  im  Osten  trennen.  Sie  sehen  sehr  zerrissen  und  unwegsam  aus, 
erreichen  Höhen  von  etwa  5000  m  und  hier  dürfte  wohl  nirgends  ein  Uebergang 


-      34«     - 

von  Osten  nach  Westen  zum  Hoang-ho  zu  finden  sein,  der  für  Reit-  oder  Last- 
tiere gangbar  wäre.  Unser  Aussichtspunkt  zeigt  uns  diese  Wasserscheide  in 
weitem,  nach  Nordwest  gerichteten  Verlaufe  mit  allmählich  abnehmenden  Höhen; 
er  lässt  uns  ferner  zum  Abschied  die  fernen,  schneebedeckten  Berge  südlich 
vom  Küke-nur  und  vom  ostwärts  gerichtetem  Felsenthal  des  Hoang-ho  wie 
weisse  Wolkengebilde  am  fernsten  Horizont  erscheinen.  Das  Ganze  ist  ein  Ge- 
birgspanorama,  wie  es  grossartiger  und  eigenartiger  in  der  Vereinigung  der 
Kontraste  von  flachen  Thalebenen  und  wildem  Hochgebirge,  tiefen  Schluchten 
und  weiter  Steppe,  Thaldurchbrüchen  durch  hohe  Gebirge  und  dahinschwindenden. 


Hochttiul  im  Gebirge  süillich  vom   Bau -lIiHle,   uiilcrhiilb   von    I^^iger  X>:X. 

austrocknenden  Flüssen  der  Steppe  nicht  leicht  irgendwo  anders  auf  der  Erde 
gefunden  werden  dürfte. 

Um  so  beschränkter  an  Femsichten  und  weiter  Orientierung  sind  aber  die 
nun  folgenden  Reisetage,  welche  im  Gebiete  der  typischen  Sandstein-Schiefer- 
Formation  in  südöstlicher  Richtung,  im  allgemeinen  in  flachen  Thälern  zwischen 
wenig  hohen,  sanft  abfallenden  Bergformen  verliefen. 

Für  diese  hochgelegenen  Steppenflächen  in  weiten  Muldenthälern,  die  nur 
mit  Weideflächen  und  Gräsern  bedeckt  sind,  hin  und  wieder  auch  sumpfige 
Stellen  enthalten,  haben  die  Tanguten  die  Bezeichnung  »Tan«. 

Die  Thäler  mit  ihren  breiten  Wiesenböden  und  die  rauschenden  Bächlein - 
mit  ihren  mäandrischen  Windungen  sind  um  diese  Jahreszeit,  anfangs  Oktober, 
schon  verlassen  von  den  Nomaden;  die  zahlreichen  Feuerstellen  an  geschützten 
oder  futterreichen  Stellen  aber  zeigen   zur  Genüge,    dass  in  besserer  Jahreszeit 


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auch  hier  reges  Leben  und  Treiben  herrschen  muss.  So  ziehen  wir  thalauf  — 
thalab  dahin,  über  niedere  Bergpässe,  bis  wir  ein  grösseres  Thal  erreichen,  das  als 
typisches  Längsthal  in  westnordwestÜcher  Richtung  von  Ostüdosten  herabkommt. 
In  den  unteren  Teilen  sind  die  Berge  zu  beiden  Thalsciten  noch  relativ 
hoch;  sie  erreichen  noch  250 — 300  m  über  der  Thalsohle  und  an  den  steileren 
Abhängen  gegen  Seitenthälchen  oder  auch  gegen  das  Hauptthal  bilden  die 
harten,   zwischen   die  Schiefer  eingebetteten  Sandsteine  häufig  malerische  Fels- 


Tancutcu  bei   I.iiL'cr  XXIX  (Dcilun),  südlich  vom  Baa-Thale. 

Partien.  Doch  je  weiter  man  in  dem  Thale  hinaufkommt,  um  so  einfacher 
und  öder  wird  sein  Charakter.  Die  nebenstehende  Abbildung  veranschaulicht 
das  noch  felsige  und  wildere,  untere  Thal  im  Gegensatz  zu  dem  einsamen, 
öden  Charakter  des  oberen  Teils.  Selbst  das  Tierleben  versagt  in  den  Höhen 
von  3710  m,  zu  denen  das  Thal  allmählich  emporsteigt.  Hier  ist  die  monotone, 
braungelbe  Steppendecke,  die  sich  gleichmässig  über  Berg  und  Thal  legt,  nur 
selten  noch  von  einem  scharfen  Zahne  des  Gesteins  durchnagt,  und  auch  von 
den  niedrigen  Höhen,  die  man,  um  Umschau  zu  halten,  ersteigt,  bietet  sich 
kein  anderes  Bild,  als  die  braunen,  in  geschwungenen  Umrisslinien  auf-  und  ab- 


—     350    — 

steigenden  Berge,  die  als  Dsun-mo-lun  auf  den  Karten  bezeichnet  sind.  Das 
Thal  mit  seiner  ostsüdöstlichen  Richtung  verläuft  im  Streichen  der  Schichten 
und  ist  ein  typisches  Längsthal  im  Gebirge,  infolge  davon  ist  auch  keine  Ab- 
wechselung in  der  geologischen  Zusammensetzung,  ebensowenig  wie  in  dem  geogra- 
phischen Charakter,  erst    ganz  oben  nimmt  es  eine  südöstlichere  Richtung  an. 

Noch  über  20  km  geht  es  so  das  einsame  Thal  hinauf,  und  erst  die  dem 
oberen  Ende  naheliegenden  Gipfel  gewähren  schöne  Aussicht  auf  das  hohe 
Schneegebirge  der  Wasserscheide  im  Osten,  das  hoch  über  das  niedrige, 
wellige,  bergige  Vorland  emporragt.  Die  Berge  in  der  Nähe  des  oberen  Thal- 
endes sind  höchstens  200 — 250  m  über  der  Thalsohle  erhaben,  und  ihre  breiten 
Rücken  und  Joche  bilden  weit  ausgedehnte,  gewölbte  Hochflächen.  Auf  diesen 
scheint  kein  Wild  mehr  sich  aufzuhalten;  auf  den  untersten  Thalböden  waren 
die  Antilopen  noch  zahlreich,  auch  Berghasen  und  Steinhühner  fehlten  nicht; 
hier  oben  aber  sieht  man  nur  noch  Raben  und  grosse  Raubvögel,  die  sich 
beim  Abzug  der  Karawane  ungestüm  auf  die  liegen  gebliebenen  Reste  stürzen 
und  in  ihrer  wilden  Gier  leicht  eine  Beute  des  Jägers  werden. 

Der  Passübergang  liegt  auf  einem  gegen  4000  m  hohen,  steppenbedeckten 
Joche,  und  die  umgebenden,  flachen  Höhenrücken  übertreffen  dasselbe  nur  wenig  an 
Höhe.  Ein  breites,  sanft  absteigendes  Steppenthälchen  mit  allseitig  gras- 
bedeckten Abhängen  führt  in  südöstlicher  Richtung  hinab  zu  einem  grösseren, 
aus  Westsüdwest  von  einer  höheren  Bergkette  herabkommenden,  nicht  un- 
bedeutenden Flusse,  der  Dschia-tschang-tsche*)  heissen  soll,  und  bei  einer  Breite 
von  12  m  0,10  m  tiefes  Wasser  auf  steinigem  Untergrunde  besitzt  Das  Fluss- 
thal ist  breit  und  steppenbedeckt,  wie  auch  die  nicht  über  200  m  erreichenden 
Sandstein-  und  Schieferhöhen  des  unteren  Thaies,  dessen  mäandrischen  Fluss- 
windungen der  Weg  folgt.  Nach  Osten  sieht  man  weit  auf  niederes  Steppenhügel- 
land dem  Thale  entlang  hinaus,  und  am  fernen  Horizont  zieht  in  südöstlicher 
eine  hohe,  teilweise  mit  Schnee  bedeckte  Gebirgskette,  welche  in  der  südöst- 
lichen Fortsetzung  der  schon  früher  besprochenen,  grossen  Wasserscheide  liegt; 
nur  sind  hier  die  Berge  nicht  mehr  so  hoch  als  weiter  im  Norden. 

In  den  Dschia-tschang-tsche  mündet  nach  kurzer,  östlich,  zurückgelegter 
Strecke  ein  anderer,  ebenso  grosser  und  wasserreicher  Fluss,  der  aus  SW. 
kommt;  das  Thal  wird  von  nun  an  weiter  nach  Osten  sehr  breit,  die  Berge  auf 
beiden  Seiten  sind  nur  niedrig  und  man  übersieht  eine  weite,  hügelige  Steppen- 
fläche, deren  Mitte  von  grossen  Sumpfflächen  eingenommen  wird  und  auf  die 
sich  von  fast  allen  Seiten  kleine  Thälchen  öffnen;  die  vereinigten  Wassermassen 
sollen  als  Fluss  unter  dem  Namen  Sche-tsche  weit  im  Osten  nach  Süden,  dann 
wieder  nach  Westen  zurück  und  zum  Hoang-ho  gehen;  da  der  Weg  direkt  in 
südöstlicher  Richtung  durch  das  Berg-  und  Hügelland  geht,  trafen  wir  nach  einigen 
Tagen  wieder  nach  Aussage    der  Leute   auf  denselben,   inzwischen   bedeutend 

*)  Bei  allen  Flussn.imen  kehrt  hinten  das    »tsche«  wieder;    es   ist  wahrscheinlich,    dass  es  das 
tibetanische  thschu  =  Wasser  in  tanjTutischem  Dialekte   ist. 


—     351     — 

vei^rösserten  Sche-tsche-Fluss,  der  den  grossen  Umweg  über  Ost  nach  Süd 
und  zuletzt  nach  Westen  gemacht  hatte. 

Zunächst  fuhrt  vom  oberen  Sche-tsche-Flusse  aus  der  Weg  vom  Flusse  ab, 
ein  von  Süden  kommendes  Seitenthal  empor  zu  einer  Passhöhe  von  über 
4000  m.  Die  Aussicht  vom  Passe  ist  sehr  geeignet,  eine  weitere  Orientierung 
über  den  Verlauf  der  Gebirgsketten  und  deren  Charakter  zu  bieten.  Das  Profil 
No.  I  auf  Tafel  XLII  ist  von  einem  Berge  bei  Lager  XXXIII,  im  Nordwesten 
des  Passes  aufgenommen.  Man  sieht  zunächst  gegen  Ost  das  hohe,  NNW. — SSO. 
laufende  Gebirge  der  Wasserscheide  weiter  nach  Süden,  wenn  auch  in  weniger 
hohen  Gipfeln  fortsetzen.  Ferner  ist  zu  erkennen,  dass  die  breite  Thal-Depression 
am  westlichen  Fusse  desselben  ihr  Gefalle  parallel  dem  Gebirge  selbst  hat  und 
die  ihr  zufliessenden  Wasser  nach  Nordwesten  hinausführt.  Ueber  den  Lauf 
des  Sche-tsche  aber  ist  genaueres  auch  hier  nicht  zu  sehen,  da  die  weiten  Nie- 
derungen stellenweise  durch  Hügel  verdeckt  sind  und  man  oft  nicht  sicher 
entscheiden  kann,  ob  ein  Wasserlauf  in  diesen  fast  ebenen  Flächen  durch 
diesen  oder  jenen  Zwischenraum  der  zahlreichen  Hügel  geht.  Jedenfalls  ist 
hier  nach  Osten  kein  Weg  offen,  denn  ununterbrochen  erhebt  sich  die  lange 
Reihe  der  Gipfel  auf  dem  von  Nordnordwest  nach  Südsüdost  streichenden 
Kamme  und  reicht  noch  weit  nach  Südosten  weiter.  Diese  Gebirge  der  Wasser- 
scheide sollen  in  ihrem  nordwestlichen  Teile  Schamba-chamu  und  im  südöst- 
lichen Namo-schan  heissen. 

Gegen  Süden  zeigen  sich  noch  mehrere,  parallele  Ketten  vom  Typus  der 
Sandstein-Schiefer-Berge,  die  um  so  höher  sind,  je  weiter  sie  nach  Süden 
liegen.  Ganz  am  südlichen  Horizonte  und  auch  nach  SO.  und  SW.  mit  Unter- 
brechungen zu  verfolgen  sind  hohe,  schneeglänzende,  schroff  felsige  Gipfel,  die 
sich  schon  durch  ihren  Charakter  und  ihre  Formen  durchaus  von  den  immer 
gerundeten,  breiten  Höhen  der  Sandstein-Schieferzone  unterscheiden  und  auch  die 
höheren,  südlicheren  Ketten  dieser  an  Höhe  bedeutend  übertreflfen.  Diese  Ansicht 
ist  ganz  ähnlich  der,  die  von  einem  andern,  südöstlicher  gelegenen  hohen 
Punkte  skizziert  wurde  und  in  Profil  No.  III  der  Tafel  XLII  wiedergegeben  ist. 

Wir  werden  später  erfahren  —  es  sei  aber  schon  hier  des  besseren  Ver- 
ständnisses des  Landschaftscharakters  wegen  vorausbemerkt  — ,  dass  jene  hoch- 
ragenden Felsengipfel  mit  ihren  Unterbrechungen  durch  ebener  begrenzte,  aber 
auch  hohe  Gebirgsstrecken  einem  Kalkgebirge  angehören,  das  jene  mächtigen 
Berge  als  isolierte,  grosse,  stockartige  Massen  wie  RifTe  oder  Klippen  enthält 
und  eine  von  OSO.  —  WNW.  verlaufende  Kette  bildet,  jenseits  welcher  im 
Süden  der  Lauf  des  Hoang-ho  in  derselben  und  streckenweise  in  ostwestlicher 
Richtung  geht  Nach  Westen  und  Nordwesten  sieht  man  die  in  Westnordwest 
streichenden,  parallelen  Ketten  der  Sandstein- Schieferzone  verlaufen  mit  Längs- 
thälern  in  den  Zwischenräumen;  es  ist  die  Region,  durch  welche  in  den  letzten 
Tagen  unser  Weg  geführt  hat.  Die  Berge  in  der  Umgebung  des  Passes  sind 
wie  dieser  selbst  steppenbedeckt,  überragen  ihn  nur  wenig  an  Höhe  und  haben 


-     352     - 

breite,  meist  sanft  abfallende  Gehänge.  Die  Thalböden  sind  breit  und  gegen 
Südost  sind  weite,  sumpfige  Steppen niederungen  sichtbar.  Ihnen  fliessen  durch 
die  sumpfigen  Thälchen  die  Wasser  vom  Südostabhang  der  Berge  des  Passes  und 
seiner  Kette  zu;  durch  sie  geht  auch  der  weitere  Reiseweg  zunächst  in  einem  vom 
Pass  herabführenden  Thälchen  und  dann  über  die  wellige,  zum  Teil  sumpfige  Fläche. 
Diese  empfängt  Zuflüsse  aus  Nordwest,  Nord  und  Nordost,  die  durch  ein 
Thälchen  im  niederen  Sandsteingcbirge  gegen  Südost  hinaus  gehen,  wo  sie  nach 
kurzem  Lauf  den  Sche-tsche-Fluss  erreichen.  Auch  unser  Weg  führte  zu  diesem 
Flusse,  aber  in  etwas  mehr  östlicher  Richtung,  und  da,  wo  wir  ihn  erreichten,  kam  er 


Tanguleu  aui  iiihmem  Yak  bei  Utdun  (Ijger  XXIX), 

in  vielfach  gewundenem  Laufe  aus  Nordwest;  aui  der  Thalfläche  an  seinem  Laufe 
befanden  sich  im  breiten  Thal  viele  Jurten,  die  zumeist  an  den  Eingängen  von 
Seitenthälchen  angelegt  sind.  Das  Flussthal  geht  nach  SO.  weiter  und  ist  überall 
von  zahlreichen  Viehherden   beweidet,  die  zu  den  Jurtendörfern  gehören. 

Schon  unterwegs  am  letzten  Tage,  ehe  die  sumpfigen,  schwer  zu  durch- 
reitenden Niederungen  mit  den  schwachen  Grasbrücken  zwischen  tiefen,  morasti- 
gen Wasserlöchern  kamen,  zeigte  ein  >Obo*  die  Nähe  von  Lagerplätzen  an. 
Auf  der  freien  Steppenfläche  am  Ausgang  des  breiten  Thaies ,  durch  das 
der  Weg  führte,  und  dessen  weit  auseinander  liegende  Thalseiten  von  50  bis 
75  m  hohen  Hügeln  gebildet  werden,  steht  weithin  sichtbar  ein  Steinpostament 
von  etwas  über  i   m  Höhe,  derselben  Breite  und  etwa  2  m  Länge,     Am  einen 


TAFEL  XXVI. 


SchmuckKehiiiKe  der  Frauen  in  Nordost- Tibet. 

1.  bei  Lager  XLIJ  nahe  am  Ulan-ser-tsche-Flusse. 

2.  bei  La^er  XXXVir  am  groasen  Sehe- is che -RusRe 

3.  bei  Lu-th»ang,  Lager  XXVII  im  Baa  Ihale. 

4.  bei   Lager  XXIV  am   Nordfusse  des   L)SLhupar-( ieliirgos. 


«  1 


tn  Halse  irclmi^eD  vuu  i'liicin   Tiiiit^uteii 
1  Bau-tlusSL-  bei  Ugcr  KXVllI, 
'/,  nuUcIich«  Crüiie. 


Ende  ist  eine  Stange  auTgerichtet, 
die  wahrscheinlich  einst  eine  Fahne 
trug,  wenigstens  bemerkten  wir  solche 
später  bei  andern  ähnlichen  Grab- 
denkmälern ,  die  den  verstorbenen 
Fürsten  der  Mongolen  immer  an 
weithin  sichtbaren  Punkten,  z.  B.  den 
Gipfeln  isolierter  Berge,  errichtet  zu 
werden  pflegen. 

Auf  dem  Unterbau,  am  Kusse 
der  Stange,  lagen  eine  Menge  von 
Täfelchen  aus  gelbem,  feinem  Thone 
mit  aufgeprägten  Heiligenbildchen, 
welche  die  untenstehende  Textfigur 
zeigt.  Alle  waren  ganz  gleich,  und 
jeder  andere  Schmuck,  wie  Inschriften 
oder  dergleichen,  fehlte  ganz. 

Die  Thontafel  enthält  in  der 
Mitte,  nach  gütiger  Bestimmung 
durch    Herrn    Prof.   Grünwedel,    die 


stehende  Figur  des  clfköpfi- 
gen  Bodhisatva  {Präexistenz 
eines  Buddha)  Avalokitegvara, 
die  umgeben  ist  von  Wieder- 
holungen derselben,  als  Dalai- 
Lama  wiedergeborenen  Form, 
die  gewöhnlich  mit  vier  Hän- 
den in  sitzender  Stellung  dar- 
gestellt und  Padmapäni  ge- 
nannt wird.  Zwei  Hände  sind 
betend  über  der  Brust  zu- 
sammengelegt, die  andern 
halten  einen  Rosenkranz  und 
eine  Lotosblume.  In  der 
elfköpßgen  Darstellung  sind 
dreimal  über  einander  je  drei 
Köpfe  und  dann  je  einer 
über  dem  andern.  Avaloki- 
tegvara ist  eine  alle,  my- 
thische ,  buddhistische  Gott- 
heit, von  der  schon  aus  dem 


—     354     - 

VI.  Jahrhundert  vor  Christus  Bilder  bekannt  sind,  aber  erst  i6;o,  seit  der 
Hcgründung  des  höchsten  kirchlichen  Ranges  des  Dalai-Lama,  des  Hauptes 
der  iamaistischen  Religion,  wurde  dieser  als  eine  Inkarnation  jener  mächtigen 
Gottheit  anerkannt. 

Es  ist  nicht  zu  entscheiden,  ob  es  sich  um  ein  Grabdenkmal  oder  sonst 
einen  heiligen  Ort  handelt.  Bei  andern  »Obo«  oder  Stein pyramiden,  die  an 
Jieiligen  Orten  lagen,  waren  nie  solche  Heiligenbilder  oder  Burchane  zu  finden, 
nur  hier  allein  und  auf  einem  hohen  Berge  unweit  davon,  wo  sie  ohne 
andere    äussere    Zeichen    im    roten    Thone    eingebettet    in    dem    Boden    lagen. 


l)l.o,  nöiiilich  vom  Crossen  bche-tsche-nussL-  zwischcD  Laeer  XXXIV -XXXV. 

Gegen  ein  Grabdenkmal  spricht  der  Umstand,  dass  die  Tibetaner  und  Tan- 
guten mit  ihren  Toten,  selbst  hohe  Lamas  und  Fürsten  nicht  ausgenommen, 
höchst  pietätlos  verfahren.  Entweder  werden  sie  einfach  ausgesetzt,  den  Hun 
den,  Wölfen  oder  Raubvögeln  zum  Frass,  oder  sie  werden  ins  Wasser  ge- 
worfen. Wenn  ein  Toter  bald  und  rasch  von  den  Tieren  aufgezehrt  wird,  gilt 
das  für  ein  Zeichen,  dass  er  im  Leben  kein  Bösewicht  war;  wenn  er  aber  lange 
liegen  bleibt,  so  hat  er  kein  gutes  Leben  geführt.  Dieses  Nfonument  weicht 
auch  von  der  sonst  allgemein  verbreiteten  Form  der  echten  »Obo«  ab,  die  wir 
später  noch  kennen  lernen  werden.  Unter  den  Tanguten  im  Küke-nur- 
Gebiet,  obwohl  sie  gläubige  Buddhisten  sind,  waren  keine  solche  frommen 
Zeichen  errichtet,  wie  auch  die  Lama  weniger  zahlreich  in  den  Zeltlagern 
waren,  als  weiter  im  Südosten. 

Nicht  weit  von  dem  geschilderten  Obo  traf  ich  auf  ein  anderes  Heilig*"* 
zeichen  auf  einem  250  m  hohen  Berge  am  Sche-tsche-Fluase  bei  Lager  XXXV. 


-     355     — 

Auf  dem  aus  Sandsteinen  bestehenden  Berge  fand  ich  ganz  oben  aur  dem 
höchsten  Teile  eine  Anhäufung  von  intensiv  rotem  Thone,  dessen  Oberfläche 
durch  Regen  ganz  verwaschen  war  und  keine  Struktur  erkennen  liess.  Da 
mich  der  Fund  in  dieser  Höhe  überraschte,  grub  ich  mit  dem  Steinhammer 
etwas  auf  und  fand  unter  der  dünnen  Thondecke  der  Oberfläche  eine  grosse 
Anzahl  regelmässig  neben-  und  in  Lagen  übereinander  gelegter,  roter  Thontäfel- 
eben,  die  auf  untenstehender  Textfigur  abgebildet  sind.  Aucii  sie  tragen  ein 
Buddhabildnis  und  dienten  dort  jedenfalls  irgend  einem  Kultzweck,  den 
ich  nicht  näher  anzugeben 
vermag. 

Ein  weiterer  kleiner  Tage- 
marsch führte  uns  von  diesem 
Orte  Larengo  (Lager  XXXV), 
der  etwa  120,  in  mehreren 
Kreisen  aufgestellte  Jurten 
zählte,  in  nordöstlicher  Rich- 
tung über  einen  3775  m 
hohen  Fass  an  ein  kleines 
Flüsschen  in  einem  breiten 
Stcppenthal,  das  sich  nach 
Süden  in  das  grosse  Thal 
des  Grossen  Sche-tsche- 
Flusses  öffnet.  Am  Flüss- 
chen, das  Otto-morgo  ge- 
nannt wurde,  war  ein  grosses 
Zeltlager,  hauptsächlich  von 
grossen,  runden  Zelten  des 
mongolischen  Typus  aufge- 
schlagen und  als  Name  dieses 

Lagers  eines  Fürsten  wurde  ^"'"^^  ""'  ^f^^"^^^"-  "'"""en"»™  ^""^  ^" 

uns  Wan-saong  angegeben; 

vielleicht  hängt  der  Name  mit  dem  tibetanischen  Wa-thsang  {  =  Fuchshöhle) 
zusammen.  Dieses  grosse  Jiirtenlagcr  befand  sich  4  km  nördlich  vom  grossen 
Sche-tsche-Fluss  und  die  geographische  Breite  wurde  zu  34"  26'  25"  gemessen. 
Die  Bevölkerung  hier  sowohl,  wie  auch  schon  in  Larengo  und  des  weiteren 
bis  ins  Thao-Tha!  enthält  viele  mongolische  Elemente;  in  manchen  Zeltlagern 
ist  die  runde  Jurtenform  der  weissen  Mongolenzelte  häufiger  als  die  schwane,  vier- 
eckige der  Tangutenzelte.  Unsere  Chinesen  benannten  auch  die  Bevölkerung 
als  iTa-tzft«,  während  sie  die  Tanguten  mit  »Fan-tzgt  bezeichnet  hatten.  Ich 
vermag  nicht  zu  entscheiden,  ob  der  nichtmongolische  Teil  der  Bevölkerung 
noch  den  Tanguten  angehört,  die  sich  ja  bis  zu  den  Quellgebieten  des  Hoang-ho 
ausdehnen,  oder  ob  derselbe  zu  andern  Stämmen   tibetanischer  Herkunft  zählt, 


-    SS'i    - 

ich  halte  aber  das  er^tere  für  wahrscheinlicher;  dagegen  spricht  allerdings,  dass 
die  Tanguten  sich  mit  ihren  Nachbaren  immer  schlecht  vertragen  und  von 
diesen  gemieden  werden;  nur  im  westlichen  Kan  su  leben  sie  auch  zwischen 
chinesischen  und  andern  Bevölkeningselementen. 

In  der  äusseren  Erscheinung  der  Bevölkerung  ist  wenig  Unterschied;    die 
meist  scharf  geschnittenen,   bartlosen  Gesichter  dürften  nicht  immer  leicht  von 
solchen  echter  Tibetaner  zu  unterscheiden  sein,   im  allgemeinen  sehen  sie  ärm- 
licher   und    schmutziger    aus.     Die  Kleidung  bietet   nichts  neues,  nur  die  Pelz- 
mütze   hat    zuweilen    eine    andere   Form.     Sehr  viele   reiten   auf   ungesattelten 
Yaks  und  neben  den  Handschwertem  und  Spiessen  sieht  man   seltener   Gabel- 
gewehre.    Sie  sind  sehr  zudringlich    und    haben  einen  entschiedenen  Hang  zur 
Dieberei.    Auf  alle  ausserhalb  der  Zelte  herumliegende  Geräte  musste  sorgfältig 
acht  gegeben  werden  und  trotzdem  verschwand  so  mancher  wertvolle   und  un- 
ersetzliche Gegenstand;    alles   war    ihnen    recht,    alles  konnten   sie  gebrauchen. 
Durch  besondere  Aufsässigkeit  zeichneten  sich  aus  und   waren   gar  nicht  vom 
Lager  wegzubringen    die    im  Lager  beim  Fürsten   überaus  zahlreichen  Lamas, 
die    sich    alsbald    nach    der  Ankunft  unserer  Karawane   in  grosser  Menge  aus 
Neugier    einfanden    und    sehr    aufdringlich    benahmen.      Unweit    davon,    beim 
Lager  XXXVII    am    grossen  Sche-tsche-Fluss,    wo    unsere  Karawane  über  eine 
Woche  rastete,  versuchten  sie  während  einer  Exkursion  an  den   Hoang-ho,  am 
hellen  Tage  einige  von  den  Pferden  und  Yaks  wegzutreiben,   und   von   andern 
räuberischen  Gelüsten    wird    später    noch   die  Rede   sein.     Ihre  Jurten   sind  zu- 
meist dieselben  gp-ossen,  viereckigen,  schwarzen  Tuchzelte,  wie  sie  schon  oben 
vom  Küke-nur  beschrieben  wurden,  aber  viele,  und  auch  die  Fürsten  und  hohen 
Lamas,  besitzen  runde,  weisse  Jurten  aus  Filzdecken,  die  nach  Art  der  Kirgisen- 
Jurten  nicht  aussen,  sondern  innen  durch  Stäbe  gestützt  werden   und  ein  Dach 
aus  Filzdecken  tragen.     Gelegentlich  sieht  man   auch   weisse,    kleine  Tuchzeltc, 
zumeist  von  amerikanischer  Herkunft.    Zu  den  runden  Jurten  gehört  eine  andere 
Form  von  Feuerherden,  die  sich  von  den  gewöhnlichen  durch  ihre  kleinere  und 
gedrungene  Gestalt  unterscheiden. 

Eine  solche  runde  Jurte  kann  recht  behaglich  eingerichtet  werden,  wie  wir 
uns  selbst  überzeugen  durften.  Beim  Besuche  wurden  wir  nicht  vom  Fürsten 
selbst,  sondern  von  einem  hohen  Lama  aus  dem  nur  einige  Tagereisen  weit 
entfernten  Kloster  La-brang,  einer  im  Range  über  dem  Fürsten  stehenden 
Persönlichkeit,  in  einer  solchen  runden  Jurte  empfangen.  Der  Eingang  war 
durch  seitlich  aufgespannte  Tücher  geschützt  und  zahlreiche  Wimpel  waren  in 
mehreren  Reihen  über  einander  im  Viereck  über  der  Jurte  aufgehängt.  Diese 
Wimpel  und  Tuchstreifen  sind  bei  manchen  Zelten  an  vier  hohen  Stangen  in 
mehreren  Reihen  übereinander  befestigt,  so  dass  sie  ein  Viereck  bilden,  in 
dessen  Mitte  die  Jurte  selbst  steht.  Sie  vertreten  die  an  den  Zeltschnüren  bei 
den  Tang^ten  angebrachten  WoUeflöckchen  und  Zeugstückchen,  welche  Lungta 
(Windpferde)  heissen  und  den  Zweck  haben,   Unheil   und  böse  Geister  von  der 


-    357     — 

Wohnung  abzuhalten.  Sie  crrüllen  also  einen  ähnlichen  Zweck  wie  die  Geisler- 
mauer vor  den  Eingängen  chinesischer  Häuser.  Bei  andern  Zelten  waren  von 
der  Spitze  einer  hohen  Stange  nach  sechs  Richtungen  Seile  nach  dem  Boden 
herabgeführt,  die  auch  zahlreiche,  dreiseitige  Wimpel  tnigen;  eine  Aufschrift 
aber  war  nit^ends  zu  bemerken. 

Bei  unserm  Eintritt  erhob  sich  der  hohe  Lama  nicht  von  seinem  Sitz  auf 
einer  Decke  am  Boden  hinter  einem  niederen,  pultartigen  Gestell  oder  Tisch, 
sondern  lud  uns  nur  mit  einer  Handbewegung  ein,  zur  Seite  Platz  zu  nehmen 
und  schenkte  jedem  einen  Chadak,  eine  aus  dünnem,  lockeren  Seidengewebe  be- 
stehende Binde,  die  Göttern,  auch  vornehmen  Personen  zum  Geschenk  gemacht 
wird.  Hinten  drängten  viele  Leute  nach,  welche,  soweit  der  Platz  reichte,  in 
hockender  Stellung  und  die  hintersten  stehend  sich  gruppierten.  Es  fand  die 
übliche  Zeremonie  der  L^ebergabe  der  Geschenke  statt,  die  in  einem  Leibgürtel 


l.nger  TOn  Wan-sacnp,  nördlich  vom  (gössen  Sehe- lach e-Fluase  (Lüiier  XXX\'I), 

mit  imitierter  Silberstickerei  und  einer  grossen  Spieldose  bestanden.  Darauf 
brachten  wir  unser  Verlangen  nach  einem  Führer  für  eine  Exkursion  zum 
Hoang-ho-Thale  und  des  weiteren  für  den  Weg  nach  Süng-p'an  thing  vor,  und 
erhielten  beides  zuges^.  Der  Lama  war  ein  Mann  in  den  besten  Jahren,  von 
schmächtiger  Gestalt,  mittlerer  Grösse  und  feingeschnittenem,  durchgeistigtem 
Gesicht  und  schien  von  wohlwollender  Gesinnung  zu  sein.  Seine  Hautfarbe 
war  blassbraun  und  viel  heller  als  die  der  stark  gebräunten  übrigen  I^ute. 
Er  machte  einen  sympathischen,  aber  sehr  stillen  Eindruck.  Nur  ak  die  Musik 
ertönte,  glitt  ein  flüchtiges  Lächeln  über  seine  sonst  unbeweglichen  Züge.  Seine 
Kleidung  war  die  denkbar  einfachste.  Nichts  zeichnete  auf  dem  dunkelroten 
Priesterrock  den  hohen  Rang  des  Trägers  aus,  und  eine  Kopfbedeckung  trug 
er  in  der  Jurte  nicht.  Beim  Empfange  war  auch  eine  Frau  anwesend,  die 
reiches,  silbernes  Gehänge  trug;  sie  hielt  sich  aber  immer  sehr  im  Hintergrunde. 
Die  Jurte  war  nach  der  Art  eines  kleinen  Tempelchen.s  eingerichtet.  In 
einem  mit  P'ächern  versehenen,  einem  Apothekerregal  ähnlichen  Holzgestcll 
waren  zahlreiche  Heiligenfiguren  als  Puppen  aufgestellt.  Jede  sah  für  sich  ge- 
sondert aus  einem  Fache  heraus.  Sie  trugen  den  Strahlenkranz  der  Heiligen 
um  den  Kopf  und  waren  zumeist  mit  weisser  Gewandung  und  reichem  Schmuck 


-     358 


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aus  künstlichen  Blumen  versehen.  Ausserdem  hin- 
gen kleine  Bilder  von  Heiligen  an  den  Wänden. 
Der  überreichte  Musikapparat  spielte  eine 
Weile  und  dann  wurden  wir  eingeladen,  Thee 
zu  trinken,  zu  welchem  Zwecke  wir  uns  in  ein 
anderes  Zelt  begaben,  nachdem  wir  uns  vom 
Lama,  der  während  des  ganzen  Empfanges  kein 
Wort  gesprochen  hatte,  verabschiedet  hatten.  In 
der  zweiten  Jurte,  in  die  man  uns  führte,  nahm 
den  ersten  Platz  ein  grosser  Feuerherd  ein,  von 
derselben  Art  wie  er  sonst  in  den  runden  Jurten 
zu  finden  ist,  aber  von  bedeutend  grösseren  Di- 
mensionen als  sie  sonst  üblich  sind.  Auf  dem 
Herde  standen  zwei  sehr  grosse  Kupferkessel,  in 
denen  Thee  und  Tsam  ba  von  einigen  Frauen 
bereitet  und  von  den  Männern  herumgereicht 
wurden.  Man  nahm  auf  Decken  um  den  Herd 
herum  Platz.  Im  Hintergrunde,  dem  Jurteneingang 
gegenüber,  sassen  einige  Lamas  mit  grossem  reli- 
giösem Apparat,  wie  Pauken,  Ledertrommeln, 
Schellen  und  kleinen  Opferschalen.  An  den  Wänden 
standen  bis  über  Mannshöhe  aufgestapelt  Leder- 
säcke mit  Vorräten  herum  und  auf  einem  Holzgestell 


•*  ^  m 


%i.irV.^,.#-.*  "**.»i* 


Rosenkranz  eines  Lama  vom  Dschupar-Gebiige  bei  Lager  XXIV. 


—     359     - 

einige  sehr  schöne,  grosse  Kolzkannen  mit  Messingbeschiägen,  die  aus  dem  Kloster 
La-brang  stammen  sollten.  DerThee  war  bald  getrunken,  während  unser  Dolmetscher 
sich  mit  den  ebenfalls  noch  in  der  Jurte  anwesenden  Leuten  und  Lamas  unterhielt, 
I  und  damit  war  unser  Besuch  beendet.    Als  Gegengeschenk  sandte  der  Lama  uns 

I  einen  Hammel  und  versprach  die  Führer  zum  Hoang-ho  Tür  den  folgenden  Tag. 

I  Wir    zogen    bald  weiter    in    einem    ganz  kurzen  Tagemarsche  bis  an  den 

I  grossen  Sche-tsche-Fluss,  dessen  grosse  Wassermenge   ein  Umladen  der  Lasten 

I  von   den  Yaks   auf  die  Pferde   nötig   machte.     Auf  dem  linken  Ufer  desselben 

'  wurde  für  längere  Zeit,  vom   15.  bis  26.  Oktober,  das  Lager  fiir  die  Karawane 

I 
I 

I 


l)lc  Führer  der  Kipeililion  vom  ßrosaeD  Si'he-tsche-Flusse  mm  lloane-lio. 

aufgeschlagen,  während  Dr.  Holderer  und  ich  mit  zwei  Chinesen  und  den  beiden 
uns  gestellten  einheimischen  Führern  einen  neuntägigen  Abstecher  direkt  nach 
Süden  zum  Hoang-ho  unternahmen.  Der  Landschaftscharakter  am  grossen 
Sche-tsche-Fluss  ist  ein  ausgeprägt  hügeliger  Steppentypus.  Am  Flusse  selbst 
erheben  sich  auf  dem  rechten  Ufer  in  der  Entfernung  von  etwa  1  km  flach  ge- 
wölbte Hügel,  deren  Höhe  150  m  nicht  übersteigt  und  die  ganz,  aus  Sandsteinen 
und  Konglomeraten  gebildet  sind;  am  Flusse  entlang  nach  Westen  zieht  sich 
eine  an  vielen  Stellen  sehr  sumpfige  Steppenniederung,  die  im  Südwesten  in  die 
weiten  Sumpfgebiete  am  unteren  Teile  eines  hnken  Nebenflusses  des  grossen 
Sche-tsche-Flusses  übergehen.  Noch  weiter  westlich  verengt  sich  das  Flussthal 
und  der  weitere  Lauf  des  Flusses  bis  zum  Hoang-ho  liegt  in  einer  Schlucht  des 


—     36o    "- 

Sandstelnschiefer-Gebirges,  dessen  Herge  hier  schon  bedeutendere  Höhen  (bis 
350  m)  erreichen.  Ein  Weg  führt  hier  nicht  mehr  am  Flusse  entlang.  In  der 
Richtung  flussaufwärts  hat  die  Steppenfläche  auch  nur  eine  massige  Ausdehnung. 
Ein  Zug  von  Bergen  der  Sandsteinschiefer-Formation  legt  sich  in  nordwest- 
südöstlicher Richtung  quer  über  den  Fluss  und  diesem  ist  nur  im  engeren 
Thale  der  Weg  gestattet.  V^on  beiden  Seiten  ziehen  breite  flache  Thalböden 
zum  grossen  Flusse  herab;  in  allen  befanden  sich  zur  Zeit  zahlreiche  Jurten  und 
Herden,  besonders  aber  auf  der  rechten  Flussseite.  Es  waren  im  ganzen  Um- 
kreise über  100  Jurten  zu  zählen. 

Ist  dies  der  Charakter  der  Landschaft  in  der  näheren  Umgebung  unseres  ! 

Lagerplatzes,  so  wird  er  durch  den  Ausblick  ergänzt,  welchen  ein  250  m  hoher, 
östlich  von  dem  Jurtendorfe  Wan-saong  sich  erhebender  Berg  darbietet,  dessen 
Abhänge  und  breiter  Rücken  ganz  mit  Steppengras  bedeckt  sind;  die  Ansicht 
ist  als  Profil  No.  III  auf  der  Profiltafel  XLII  wiedergegeben.  Ueber  das  nach 
Südwest  und  Süd  gelegene,  sanft  abfallende  und  durch  seine  gerundeten  Um- 
risslinien, die  langen  Höhenrücken  und  das  Fehlen  scharfer  Einschnitte  und  hoch 
aufragender  Gipfel  ausgezeichnete  Hügel-  und  Bergland,  dessen  in  WNW.- 
Richtung  parallele  Höhenzüge  weiter  gegen  Südwesten  immer  höher,  bis  über 
400  m  werden,  ragen  am  fernen  Horizonte,  wie  Riesen  im  Vergleich  mit  dem 
davorgelegenen  Berglande,  mächtige  Gebirgsstöcke  in  isolierten  Massiven  zu 
grossen  Höhen  und  in  wilden,  vielfach  zerzackten  Formen  auf,  mit  senkrechten  | 

Abstürzen,  Felsentürmen  und  tief  eingeschnittenen  Thälern. 

Die  Skizze  zeigt  solche  Felsengebirge  im  Süden  und  Südosten,  während 
ihre  westlichen  Fortsetzungen  durch  die  dort  ebenfalls  hoch  aufragenden  Ketten 
der  Schiefer-Sandstein-Region  verdeckt  werden,  aber  jedenfalls  noch  weiter  fort- 
setzen. Es  ist  schon  aus  der  weiten  Ferne  zu  erkennen,  dass  diese  im  allge- 
meinen von  OSO.  nach  WNW.  streichenden,  mauerartigen  Berge  eine  ganz  andere 
geologische  Zusammensetzung  zur  Grundlage  haben  müssen,  als  die  Schiefer 
und  Sandsteine,  in  deren  Bereich  noch  der  grosse  Sche-tsche-Fluschs  liegt  Jene 
Berge  bestehen,  wie  die  zum  Hoang-ho  unternommene  Exkursion  zeigte,  zum 
Teil  aus  Riffen  und  Klippen  von  Kalken,  welche  zwischen  Schiefer  in  Stöcken  ein- 
gelagert sind  und  durch  die  Erosion  in  ihren  einzelnen  Gruppen  freigelegt  wurden, 
und  gehören  in  den  fernen  Teilen  (c — f  im  Profile)  dem  Gebirge  Sarü-Dangerö 
an.  Darauf  des  Näheren  zurückzukommen,  wird  später  noch  Gelegenheit  sein. 
Hier  auf  unserm  Aussichtspunkte  ist  noch  die  geographische  Beschaffen- 
heit des  Landes  im  Gebiete  des  oberen  Laufes  des  grossen  Sche-tsche-Flusses 
von  Interesse.  Zunächst  gelegen  sind  die  gleichförmigen,  ganz  mit  Steppendecke 
überzogenen,    wenig    emporragenden    Höhen    der   Schiefer-Sandstein-Formation,  •' 

deren  breite  Zone  nach  Südost  hinzieht  und  bis  fast  zum  Horizont  einzig  und 
ausschliesslich  das  Land  zusammensetzt.  Weite  Thalniederungen  und  grosse, 
sumpfige  Steppenflächen  erscheinen  zwischen  den  niederen  Bergzügen  und  erst 
am  Horizonte  steigen  höhere  Berge    auf,    von    denen  die  Wasser  nach  Westen 


'lAFEL  \XV1I. 


abtliessen  und  in  denen  anch  die  Quellgebiete  des  grossen  Sclie-tsche- Flusses  und 
seiner  oberen  Nebenflüsse  liegen.  Man  kann  erkennen,  dass  eine  weite  Thal- 
niederung am  Westfusse  dieser  Berge  entlang  zieht,  welche  die  aus  dem  Ge- 
birge austretenden  Flüsse  aufnimmt  und  wohl  dem  grossen  Sche-tsche-Flusse  zu- 
fuhrt, denn  das  Gefälle  scheint  am  Fusse  der  Berge  nach  Süden  und  Westen 
gerichtet  zu  sein,  also  umgekehrt  wie  in  der  nördhchen  Fortsetzung  dieser 
Berge,  der  Wasserscheide  zwischen  oberem  und  mittlerem  Hoang-ho-Gebiet, 
die  oben  mehrfach  erwähnt  wurde,  wo  die  Wasser  nach  Norden  und  Nordwesten 
abflössen.    Jene   grosse  Wasserscheide   ist   also  auch  hier  noch  zu  konstatieren, 


Kulk-nphirsTP  iim  Cliali-tsdie-Fluss  iu  ilpr  Xähe  iles  ohprpn  Ho.iucr-ho, 
Vom  I.acer  .\6")  nacli   Norden  Resehen. 

wenn  auch  mit  geringeren  Höhen  und    im  allgemeinen  nord-südlich   oder  nord- 
West-südöstlich  gerichtetem  Verlaufe. 

Das  ist  festzustellen,  dass  im  Osten  unseres  Reiseweges  noch  höhere 
Gebirgserhebungen  liegen,  welche  die  von  Nordnordwesten  nach  Südsüdosten 
taufende  Wasserscheide  tragen;  es  ist  aber  sehr  wahrscheinlich,  dass  das  längs 
des  Reiseweges  überall  und  konstant  vonviegende  Streichen  der  steil  gestellten 
Schichten  in  der  allgemeinen  Richtung  des  Kuen-lun-Streichens  von  West  zu 
Nord  nach  Ost  zu  Süd  auch  dort  den  Gebirgsbau  beherrscht,  und  die  höhere 
Erhebung  längs  der  Wasserscheide  nicht  einer  tektonisch  selbständigen  Gebirgs- 
kette entspricht.  Man  kann  diese  Wasserscheide   noch  weiter  gegen  Südost  hin 

*)  Die  I-Tcerplätze  während  der  ICvrurtion  von  IJlKer  XXXVII  bU  lui  Aen  Ilanaff-ho  und 
iiiriick  Bin.1  mil  A  i  —  .\  8  bezeichnet. 


36=     - 

verfolgen,  aber  sie  tritt  immer  weniger  an  Höhe  über  das  umgebende  und  nach 
Westen  davorliegende  Gebirge  hervor.  Im  Südosten  liegt  auch  die  lieber- 
gangsstcUe,  welche  der  direkte  Weg  nach  Sung-p'an  thing,  östlich  vom  Hoang-ho, 
wählt,  um  ins  obere  Thal  des  Thao-Flusses  zu  gelangen.  Unter  den  Fluss- 
geröUen  des  grossen  Schetsche-Flusses  sind  besonders  verbreitet  Sandsteine  und 
Schiefergesteine;  es  finden  sich  aber  auch  Kalke  ohne  Versteinerungen  und 
körnige  Kalke,   während   granitische   und  gneissartige  Gesteine  fehlen. 

Vom  Lager  am  grossen  Sche-tsche-Flusse  sollte  der  Hoang-ho  in  drei  Tagen 
auf  Pferden  zu  erreichen  sein,  und  da  über  den  Lauf  dieses  Flusses  oberhalb 
der  Einmündung  des  Baa-Flusses  zuverlässiges  nicht  bekannt  war,  so  erschien  es 


von  hohem  Werte,  den  Abstecher  dahin  zu  miternehmen.  Als  die  gestellten 
zwei  Führer  kamen,  brach  eine  kleine  Abteilung,  bestehend  aus  Dr.  Holderer 
und  dem  Verfasser,  sowie  zwei  Chinesen  mit  zwei  Lastpferden,  die  Zelte,  Decken, 
Küche  Lind  Instrumente  trugen,  am  i6.  Oktober  in  südlicher  Richtung  zunj 
Hoang-ho  auf 

Die  Führer,  welche  einen  ziemlich  heruntergekommenen  Eindruck  machten, 
murmelten  während  des  Mansches  fortwährend  Gebete.  Eine  Unterhaltung  war 
wegen  Unkenntnis  der  Sprache  unmöglich.  Auch  wenn  ich  zum  Zwecke  der 
Routenaufnahme  vom  Pferde  stieg,  was  bei  jeder  neuen  Wegbiegimg,  bei  jeder 
Peilung  auf  entfernte  Herge,  die  sichtbar  wurden,  und  jedem  Thal,  das  wir 
kreuzten,  nötig  wurde,  hielt  der  Führer  mir  das  Pferd,  ohne  dabei  seine  Gebete 
zu  unterbrechen.  Andere  Führer,  wie  zum  Beispiel  der  schlechte  Kerl,  den 
uns  der  obstinate  Lama  in  Sche-zaong  (Lager  XLIV)  gegen  Vorausbezahlung 
gegeben  hatte,  und    der    uns    über  den   Pass    zum  Thao-Flussgebiet   begleitete. 


—     3^3     — 

dann  aber  plötzlich  verschwunden  war,  beteten  in  derselben  Weise  unaufhörlich, 
so  lange  sie  uns  begleiteten.  Es  besteht  die  Vermutung,  dass  es  die  Leute 
dieses  Dorfes  waren,  die  uns  einige  Tage  später  beim  Kloster  Schin-se  über- 
fielen. Denn  die  beim  Kloster  Ansässigen  waren  bei  dem  Angriff  nicht  beteiligt, 
sondern  andere  Stämme,  die  unserer  Expedition  mehrere  Tage  gefolgt  waren,  um 
eine  günstige  Gelegenheit  zum  Ueberfall  zu  erspähen.  Die  Nähe  des  frommen 
Klosters  erweckte  ihnen  dabei  keine  Skrupel,  und  wahrscheinlich  haben  sie  auch 
unterwegs  für  gutes  Gelingen  ihrer  Absichten  gebetet,  wie  die  Räuber  in  Süd-Italien 
vor  einem  Morde  die  Heiligen  anzurufen  pflegen.  Auch  an  andern  Zeichen  gab 
sich  ihre  äussere  Frömmigkeit  kund;  so  wurde  z.  B.  jedesmal  mit  dem  Finger 
etwas  Thee  oder  Tsam-ba  aus  der  Schüssel  herausgeworfen  und  dann  erst  davon 
getrunken;  das  sollte  offenbar  eine  kleine  Libation  sein,  in  derselben  Art,  wie 
jeder  Wanderer  zu  einem  Obo  einen  Stein  oder  ein  Wollen flöckchcn  hinzufügt. 

Hatten  wir  geglaubt,  unsere  Führer  würden  entweder  dem  Thale  des 
grossen  Sche-tsche  nach  Westen  oder  dem  eines  andern,  weiter  südlich  dem 
Hoang-ho  zuströmenden  Flusses  folgen,  so  zeigte  schon  der  erste  Reisetag, 
dass  wir  vorwiegend  eine  südliche  Richtung  verfolgten  mit  nur  sehr  geringen 
Abweichungen  nach  Westen  und  auch  die  folgenden  Märsche  blieben  dieser 
Richtung  treu,  es  sei  denn,  dass  Passübergänge  und  sumpfige  Stellen  in  den 
Thälern  vorübergehend  Abweichungen  nötig  machten.  Wir  folgten  keinem  der 
nach  Westen  führenden  Flüsse,  sondern  durchquerten  ihre  Thäler  und  über- 
stiegen, von  einem  Thal  in  das  nach  Süden  nächstfolgende  übergehend,  zum 
Teil  hohe  Pässe  in  geologisch  verschieden  zusammengesetzten,  im  allgemeinen 
von  OSO.  nach  WNW.  streichenden  Gebirgszügen,  zwischen  denen  die  Flü.sse 
in  typischen  Längsthälern  ihren  Weg  zum  Hoang-ho  nehmen. 

Je  näher  wir  dem  Hoang-ho  kamen,  um  so  höher  wurden  Berge  und  Päs.se. 
Jenseits  des  grossen  Flusses  selbst  zieht  das  aus  hohen,  schneebedeckten, 
schroffen  Felsgipfeln  bestehende  Gebirge  des  Sarü-Dangerö,  eines  Teiles  der 
Amnematschin-Kette,  ebenfalls  in  OSO. — WNW.-Richtung  und  begrenzt  von  Süd- 
osten bis  fast  nach  Westen  den  ganzen  Horizont.  An  seinem  nordöstlichen  Fusse 
fliesst  der  Hoang-ho  in  breitem  Bette  am  Fusse  einer  Terrasse  seiner  alten  An- 
schwemmungen, die  im  5 — 7  km  breiten  Thale  liegen,  und  in  die  er  sich  sein 
heutiges  Flussbett  eingegraben  hat  (siehe  Panorama  auf  Tafel  XXVIII).  Wir 
erreichten  ihn  an  einer  Stelle,  wo  sein  Thal  nach  aufwärts  in  direkt  östlicher 
Richtung  und  weiter  oben  in  Ost  10®  Süd,  nach  abwärts  in  westlicher  Richtung 
mit  IG®  nördlicher  Abbiegung  viele  Kilometer  weit  zwischen  den  beiderseitigen 
Bergen  als  breite  Einsenkung  zu  verfolgen  ist,  während  der  Fluss  selbst  in  viel- 
fachen, mäandrischen  Windungen  bald  näher  dem  südwestlichen,-  bald  näher 
dem  nordöstlichen  Gebirgsrande  seinen  Lauf  nimmt.  Wir  kamen  also  noch 
unterhalb  der  Stelle  an  den  Fluss,  wo  derselbe  von  Süden  aus  den  Bergen  bricht 
und  sein  berühmtes  Knie  aus  östlicher  zu  nördlicher  und  zurück  nach  west- 
licher und  nordwestlicher  Richtung  des  Laufes  bildet,  über  dessen  geographische 


-     3f'4        - 

Lage  wie  allgemeinen  Charakter  noch  grosse  Unsicherheit  herrscht.  Unterscheiden 
sich  doch  auTden  Karten  nicht  nur  die  Darstellung  des  Laufes  des  Flusses  vor 
und  nach  der  Biegung,  sondern  auch  die  I^ge  der  östlichsten  Stellen,  welche 
die  knieförmige  Biegung  des  Flusses  erreicht,  um  ganze  Längegrade.  Auch  in 
der  geographischen  Breite  derselben  herrscht  nicht  die  Uebereinstimmung  wissen- 
schaftlicher Sicherheit. 

Diese  Fragen  aufzuklären,  war  nun  unsere  Exkursion  nicht  geeignet,  und 
ihre  Lösung  musste  zunächst  auf  einen  neuen  Abstecher  von  der  Hauptroute 
von  einem  südlicher  gelegenen  Punkte  verschoben  werden;  aber  schon  das,  was 
die  Exkursion  ergab,    der  Weg  vom  Schc-tschc-Fluss  an  den  Hoang-ho   bis   zu 


Stv|ipen(hal  zwischen  L;<c;er  A  2  uii<!  A  3.  siliUltli  vcmi  irroiBeii  Schc-tschc-KlDMC. 

einer  Stelle  unterhalb  des  Knies,  wo  er  schon  die  ost-westliche  Richtung  an- 
genommen hat,  trug  dazu  bei,  die  bisherigen  Vorstellungen  über  den  Charakter 
des  Flussthaies  wesentlich  zu  ändern.  Die  nachfolgenden  Zeilen  werden  daher 
manches  in  geologischer  wie  geographischer  Beziehung  neue  bringen. 

Am  ersten  Reisetage  unterschied  sich  der  orographische  und  landschaft- 
liche Typus  noch  wenig  von  dem  schon  oben  vom  grossen  Sche-tsche-Fluss  be- 
schriebenen. Zunächst  ging  es  eine  kurze  Strecke  zwischen  dem  Fluss  und  den 
I  km  von  seinem  Ufer  entfernten  niederen,  aus  intensiv  roten,  thonigen  Sand- 
stein- und  Konglomeratbilduugen  zusammengesetzten  Hügeln  auf  Steppe  dahin, 
und  dann  in  vielen  Windungen  durch  eine  meilenweit  ausgedehnte,  sumpfige 
Fläche,  die  von  dem  aus  Südosten  kommenden  P'lüsschen  Tschünere-ramid 
vor  seiner  Einmündung  in  den  Sche-tsche-Fluss  gebildet  wird.  Ohne  sehr  kun- 
dige Führer    ist    es  unmöglich,  diesen   Sumpf   zu  überwinden,    und    selbst    mit 


TAFF.L  XXVIII. 


Wcslnordwcst. 


latschin)  und  Thal  des  Hoan) 

ind  A7  nach  Ostsüdosten  —  Süden - 
:.    La^er  A8    der   Expedition    in    33 


-■365 

solchen  ist  man  oft  gezwungen  umzukehren  und  einen  neuen  Uebergang  zu 
suchen.  Bis  zum  kleinen  Tschünere-ramid-Flusse,  der  aus  Süden  und  Südwesten 
durch  kleinere  Gewässer  mit  breiten,  ebenfalls  sumpfigen  Ufergebieten  verstärkt 
wird,  gelangt  man  noch  leidlich  gut  und  durch  das  kleine  Flüsschen  von  3  m 
Breite  und  0,5  m  durchschnittlicher  Wassertiefe  führt  eine  dem  Führer  genau  be- 
kannte Furt,  während  es  oberhalb  wie  unterhalb  derselben  unmöglich  ist,  der 
tiefen  Schlamm-  und  Sumpfregionen  wegen,  auch  nur  sein  Ufer  zu  erreichen. 
Auf  der  andern  Seite  dagegen  führt  der  Weg  über  schmale,  locker  ge- 
fügte Grasbrücken,  die  häutig  unter  dem  Schritte  des  Pferdes  nachgeben,  zwischen 


ni.o  in  duL-  Nähe  ili-s  SUir-dunir-lsrhe-tlusses.  sil.lüstlk'h  von  Ijiccr  XXX\'III. 

tiefen,  w asse rar (li Uten  und  mit  weichem  Schlamm  am  Boden  bedeckten  Löchern 
und  Vertiefungen  hindurch.  Auf  dem  Hin-  wie  auf  dem  Rückwege  brachen 
hier  die  Pferde  bis  zum  Leibe  ein,  so  dass  sie  abgeladen  und  die  Lasten  weit 
zurück  getragen  werden  mussten,  bis  man  die  Pferde  aus  der  schlammigen 
Umstrickung  befreien  konnte.  Dieser  Art  nahm  das  Uebersch reiten  der  Sumpf- 
strecke, auf  der  übrigent^  schöne  Wasservögel,  Reiher,  Möven  etc.,  und  in  den 
Sumpflöchern  zahllose  Süsswassersch necken  und  kleine  Schalcnkrebse  nebst 
reichlichen  Wasseralgen  zu  finden  waren,  mehrere  Stunden  in  Anspruch  und 
erst  der  allmählich  zu  niederen  Höhen  ansteigende,  festere  Steppenboden  brachte 
Erlösung  aus  diesen  Mühsalen.  Hier  war  erste  Rast  und  Mittagsstation  A  i  zur 
Vornahme  der  meteorologischen  Beobachtungen. 

Der  weitere  Weg  ist  angenehmer;  es  geht  bis  zu  der  am  Urtia-tsche-Flusse 
gelegenen  Abendstation  (A  2)  über  niedere  Hügel  und  breite  Thäler  mit  sanften 


-     366     - 

Abhängen,  die,  wie  auch  die  Berge  selbst,  mit  Steppengras  bedeckt  sind.  Einem 
kleinen  Thälchen  folgt  man  nach  Süden  auf  einen  wenig  hohen,  breitrückigen 
Pass,  der  etwa  1 50  m  über  der  Sumpffläche  liegt  und  auf  dessen  Ostseitc  ein 
Berg  noch  etwa  50  m  ansteigt,  dessen  Gipfel  mit  einem  iObo<,  einem  Stein- 
sockel mit  Stangen  und  Buschwerk  darauf,  gekrönt  ist.  Es  ist  sehr  originell  in 
seiner  Art  und  weithin  über  die  Flussniederungen  von  seiner  dominierenden 
Stelle  aus  sichtbar:  ein  ausgezeichneter  Fixpunkt  ttir  die  topographische  Routen- 
aufnahme. Es  besteht  aus  einem  von  rotem  Sandstein  aufgebauten  Postamente, 
auf  welchem  zu  einem  grossen  Kegel  zusammengebundene,  lange  Reisigzweige, 
Stangen  und  Ruten  mit  Stricken  befestigt  und  vor  dem  Umwehen  geschützt 
sind.  Solche  Halt  gebende  Stricke  laufen  nach  allen  Seiten  und  sind  durch 
kleine  Wimpelchen  und  Wolleflöckchen  geziert.  In  der  Nähe  dieses  Haupl- 
denkmales  sind  noch  einige  kleine  Fähnchen  mit  schmucklosen  Tuchlappen  auf- 


Obu. 
a   am   Wlamt-su-FluBiic  bi-i   Lu^ur  A  5;   6    aUdlich   vom   i.tos»<-ii   SL-hp-tsohr-FluBSi.'  bi-i  l.at;er  A. 

gestellt.  Die  Obos  sind  deshalb  auf  besonders  hohen  oder  auffallenden  Punkten 
errichtet,  weil  das  Volk  glaubt,  dass  die  Schutzgeistcr  des  Ortes,  zu  deren 
Ehren  die  Obos  errichtet  werden,  an  erhabenen  Orten  wohnen.  Sie  sind 
aber  auch  an  Pügerwegen,  damit  die  Pilger  Opfergaben,  wie  Tuchlappen,  Steine 
oder  Wolleflöckchen,  hinzufügen,  um  so  sich  des  Schutzes  des  Genius  loci  zu 
versichern.  Auch  Papier-  und  Tuchstücke  mit  tibetanischen  Inschriften  werden 
zugefugt.  Die  Errichtung  solcher  Altäre  datiert  schon  aus  vorbuddhistischer  Zeit, 
wo  an  ihnen  auch  Opfer  von  Tieren  den  Göttern  dargebracht  wurden.  Manche 
der  Postamente  der  Obo  sehen  wie  Altäre  aus.  Von  einer  photographischen 
Aufnahme  wurde  uns  von  den  Chinesen  abgeraten  aus  Angst  vor  den  zahlreich 
in  der  Umgebung  befindhchen  Tanguten  oder  Mongolen,  die  auf  dem  weithin 
sichtbaren  Punkte  unser  Vorhaben  sicher  bemerkt  und  wahrscheinlich  miss- 
deutet hätten;  so  giebt  nur  die  beistehende,  flüchtige  Bleistiftskizze  (b)  eine 
Vorstellung  von  diesem  originellen  >Memento<  für  die  Pilger,  dem  man  übrigens 
hier  noch  nicht  häufig  begegnet. 


—     36S     - 

Eine  andere  Art  von  frommen  Zwecken  haben  die  Tsa-tsa,  die  man  so- 
wohl an  den  verlassenen  Lagerplatzen  findet,  wo  sie  wohl  auf  den  Hausaltaren 
standen,  als  auch  in  Felsennischen  und  an  Obos.  Meist  sind  es  aus  Thon  ge- 
formte Kegelchen  mit  Verzierungen  wie  sie  in  den  vor-  und  untenstehenden 
Textfiguren  von  verschiedenen  Fundorten  dargestellt  sind.  Oder  es  werden  zahl- 
reiche Thonkugeln,  die  eine  einfache  Verzierung  aussen  an  der  Oberfläche  tragen, 
in  einer  Höhle  oder  direkt  auf  dem  Steppenboden  im  Schutze  einiger  Stein- 
platten zusammengehäuft  und  eine  einfache  Tuchfahne  daneben  aufgestellt.  Die 
Abbildung  (Textfigur  auf  Seite  366)  zeigt  ein  solches  Monument,  das  wir  am 
Wlamt  SU-Flusse,  bei  der  Mittagsstation  am  dritten  Reisetage,  in  der  Nahe  eines 
Lagerplatzes  antrafen,  mit  den  zugehörigen  Thonkugeln. 


Tsii-tsa  (riioakegekheD  als  Oplereabea). 
Vqb  Iji«er  XI.VUI  im  oberen  Von  Laßer  .Xi.VI 

FluEBgehiele  des  Thuo-ho.  :im    I>9chiem -Ische. 

Die  Berge  in  dieser  Gegend  haben  in  der  That  etwas,  was  zur  Errichtung 
eines  weithin  sichtbaren  Denkmals  auffordert.  Trotz  ihrer  einfachen,  langge- 
zogenen Kuppenformen  überragen  sie  weit  ihre  Umgebung,  und  häufig  sind  ihre 
oberen  Teile  noch  besonders  auffallend  durch  die  intensiv  rote  Farbe,  welche 
unter  der  Grasdecke  an  kleinen  Aufschürfungen  hervortritt  und  von  der  hier 
und  noch  weiter  gegen  Süden  und  Südosten  verbreiteten  Quetae-Formation  her- 
rührt, die  wir  schon  früher  im  Thale  des  Sining-ho  kennen  lernten.  Auch 
das  Postament  des  Obo  ist  aus  Sandsteinen  derselben  Formation  gebaut.  Ebenso 
weisen  die  niederen  Höhenzüge,  welche  die  Wasserscheide  bilden  zwischen  dem 
Sumpfgebiet  am  Tschünere - ramid  und  dem  Urtia-tsche,  einem  kleinen,  nach 
Westen  fliessenden,  noch  zum  Flussgebiet  des  Sche-tsche  gehörenden  Flüss- 
chen,   das    ausgedehnte    Steppenniederungen  in    seinen    oberen,    südlich    von 


—    369   — 

jenen  Sumpfflächen  gelegenen  Thalgebieten  besitzt,  an  ihren  nach  Süd  und 
Südwest  gerichteten,  steileren  Abhängen  die  roten  Felswände  der  Sandsteine 
und  Konglomerate  dieser  Formation  auf,  ohne  aber  das  allgemeine  Landschafts- 
bild der  einfachen,  wenig  hohen  Bergzüge  und  fast  ununterbrochenen  Steppen- 
bedeckung der  grossen,  oberen  Thalweitungen  und  sanften  Flussgefalle  mit 
mäandrisch  sich  windenden  Flüsschen  wesentlich  modifizieren  zu  können.  Das 
nähere  Studium  der  Konglomerate  der  Quetae-Formation  bietet  einige  Punkte  von 
besonderem  Interesse. 

Zunächst  bestehen  die  groben,  bis  faustgrossen  GeröUe  der  Konglomerate 
vorwiegend  aus  harten,  blauen,  meist  von  weissen  Kalkspatadern  durchzogenen 
Kalken,  in  denen  sich  keine  Versteinerungen  finden,  die  aber  nach  petrographi- 
schen  Kennzeichen  identisch  sind  mit  Kalken,  denen  man  weiter  im  Süden  auf 
dem  Wege  zum  Hoang-ho  in  grossen,  malerischen  Klippen  begegnet.  Das  be- 
weist, dass  sich  diese  Schichten  aus  Material  gebildet  haben,  das  ganz  aus 
der  Nähe  von  jenen  Gebirgen  im  Süden  stammt,  und  es  erklärt  sich  daraus 
auch  die  intensiv  rote  Färbung  der  Formation.  Dieselbe  stammt  von  den  roten 
Thonen,  der  sogenannten  Terra  rossa,  welche  als  Verwitterungsrück5tand  ähn- 
licher Klippenkalke  von  häufig  koralligenem  Ursprung  z.  B.  im  Karste  und  auch 
anderwärts  keine  seltene  Erscheinung  ist  und  von  der  verwitternden  Oberfläche 
jener  höheren  Kalkgebirge  im  Süden  gegen  den  Hoang-ho  hin  eingewaschen  wurden. 

Aber  noch  andere  Erscheinungen  an  diesen  Gerollen  fesseln  die  Auf- 
merksamkeit des  Geologen:  An  den  Wetter  und  Wind  exponierten  Felsklippen, 
wie  sie  am  Urtia-tsche  bei  unserm  ersten  Nachtquartier  in  der  Höhe  von  etwa  30  m 
anstanden,  findet  man  Riefungen  und  unregelmässige  Rinnen  an  der  Oberfläche 
der  hervorstehenden  Kalkgerölle,  welche  an  die  schönen,  aus  der  Gobi  schon 
früher  beschriebenen,  an  der  Oberfläche  erodierten  Gerolle  erinnern.  In  der 
That  stellen  sie  auch  dieselbe  Erscheinung  dar,  nur  mehr  im  Anfangsstadium 
und  noch  nicht  so  vollkommen  entwickelt  wie  dort,  ein  Beweis,  dass  dieselben 
Kräfte  wie  in  der  Wüste  in  geringerem  Grade  auch  in  der  bergigen  Steppe 
thätig  sind  und  an  gleichem  Materiale  gleiche  Erscheinungen  hervorrufen.  Nur 
fehlt  hier  der  Sand,  der  in  der  Wüste  eine  grosse  Rolle  spielt,  gänzlich.  Noch 
eine  weitere,  ihrem  Wesen  nach  ganz  andere  Erosionserscheinung,  die  auf 
vegetabilischen  Ursprung  zurückzuführen  ist,  zeigt  sich  an  der  Oberfläche  der 
Kalkgerölle.  Es  sind  kleine,  runde,  scharf  umgrenzte,  ebenso  tiefe  wie  breite, 
dicht  an  einander  gereihte  Löcher.  In  manchen  derselben  sitzt  noch  die 
Erzeugerin  der  Höhlung,  eine  Flechte,  welche  sich  in  den  Kalk  eingefressen 
hat;  es  giebt  auch  Beispiele,  wo  mäandrisch  gewundene  Linien  durch  solche 
Flechten  auf  dem  Kalke  durch  die  auflösende  Wirkung  der  organischen  Säfte 
dieser  Pflanzen  hervorgebracht  wurden.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  nochmals 
darauf  hingewiesen,  in  welch  ausserordentlicher  Weise  überall  in  den  Gebirgen 
des  Süd-Küke-nur- Gebietes  und  des  nordöstlichen  Tibets  die  Felsen  mit  einer 
Decke  von  Flechten  überkleidet  sind,  die  ihnen  nicht  nur  ein  buntes  Aussehen 

Futter  er.  Durch  Asieo.  24 


—     370    — 

verleiht,  sondern  auch,  wie  die  oben  angeführten  Beispiele  zeigen,  auf  die  Ober- 
fläche der  kalkigen  Gesteine  einen  verändernden  Einfluss  ausübt. 

Doch  kehren  wir  nach  diesen  Exkursen  auf  geologisches  Gebiet  wieder 
zurück  zum  Ufer  des  Urlia-tsche,  den  wir  am  Abend  des  ersten  Marschtages 
erreicht  haben.  Das  Flüsschen  ist  bei  Lager  A  2  nicht  sehr  bedeutend  und  hat, 
nachdem  es  direkt  vorher  von  Südosten  her  noch  einen  kleinen  Nebenfluss  auf- 
genommen, die  Breite  von  4,0  m  und  die  durchschnittliche  Tiefe  von  0,3  m.  Es 
führt  klares,  helles,  süsses  Wasser  und  fliesst  ziemlich  rasch  (1,2  m  pro  Sekunde) 
zwischen  Steppenflächen  in  dem  nicht  breiten  Thale  in  westnordwestlicher  Rieh- 


FeUeDthor  aus  Kalkklippcn  ;;ebildct,  bei  Lat;er  A  3,  südlich  vom  ürtla-Uche-FluBse. 

tung,  erreicht  aber  nicht  den  Hoang-ho  direkt,  sondern  mündet  schon  vorher  in 
den  Sche-tsche-Fluss  ein.  Vorher  erhält  es  noch  auf  der  rechten  Seite  einen 
kleinen  Zufluss,  den  der  Weg  überquert,  ehe  er  den  ganz  niederen  Hügelnicken 
zwischen  den  beiden  Flüsschen  überschreitet.  Die  oberen  Teile  aller  dieser 
Flüsschen  sind  noch  tj'pisches  Steppenland:  niedere,  langgezogene  Höhenrücken 
aus  Quetae-Schichten  mit  dünner  Lössdecke,  breite,  weite  Thalniederungen  mit 
geringen  Böschungswinkeln  der  Abhänge  und  in  den  Depressionstiefen  oft  im 
Grase  als  Sümpfe  stagnierendem  Wasser.  Gegen  den  Hoang-ho  hin  aber  wird 
das  Thal  der  vereinigten  Gewässer  enger;  die  Berge  zu  beiden  Seiten  werden 
bei  sonst  gleichbleibendem  Charakter  höher,  bis  zu  250  und  300  m  über  dem 
Thale,  und  es  scheint  an  der  Einmündungsstelle  in  den  Sche-tsche  sowohl  dieser 
wie  der  Urtia-tsche-Fluss  in  schluchtenartigen  Thälern  zu   fliessen,  welche  sich 


-     371     — 

stetig  vefengend,  ohne  begleitenden  Weg  dem  Hoang-ho  zugehen.  Das  ist  wohl 
auch  der  Grund,  warum  man  nicht  direkt  dem  Sche-tsche,  dem  Urtia-tsche  oder 
noch  weiter  im  Süden  dem  Wlamt-su-tsche  folgend  den  Hoang-ho  näher  erreichen 
kann,  sondern  ihn  erst  quer  über  die  ihm  zufliessenden  Gewässer  und  die 
Gebirgsketten  viel  weiter  im  Süden  aufsucht. 

Schon  der  zweite  Tag  führt  in  geologisch  anders  zusammengesetztes  Ge- 
birge und  damit  ändert  sich  auch  der  Landschaftscharakter  ganz  wesentlich. 
Zunächst  noch  hat  man  einen  niederen,  von  Steppengras  bedeckten  Pass  zu 
überschreiten,  auf  dessen  westlicher  Seite  sich  der  letzte  Berg  aus  Quetae-Schichten 


Höhle  Im  Kalkgebirge  bei  Lager  A  3,  südlich  vom  L'rda- Ische-Flusse. 

mit  breiter,  nach  WNW,  gestreckter  Kuppe  um  150  m  über  die  Passhöhe 
erhebt.  Vom  Passe  sieht  man  über  ein  nicht  sehr  breites  Steppenthal,  das  in 
westnordwestlicher  Richtung  zum  Urtia-tsche-Flusse  geht,  nach  Süden  höhere  Berge, 
deren  Gehänge  und  Gipfel  mit  zahlreichen,  in  Reihen  angeordneten  Felskhppen 
besetzt  sind;  an  solchen  Stellen  fehlt  die  Steppengrasdecke  und  ganze  Gehänge 
sind  nur  durch  Felsen  und  deren  Schutt  gebildet.  Die  Böschungswinkel  sind 
steiler,  die  Gipfel  und  Kammlinien  sehr  ausgezackt,  vielfach  steil  auf  und  ab- 
gehend. Die  zwischen  den  Felsgräten  hegenden  Gebirgsteile  dagegen  haben 
sanftere,  wenn  auch  steile  Gehänge  und  sind  mit  der  Steppengrasdecke  über- 
zogen. Durch  ein  Querthal  sieht  man  quer  in  diese  felsigen  Gebirgszüge  hinein. 
In  schroff  ansteigenden,    zum  Teil   sehr    hohen    und   malerischen   Klippen   und 


—    372    — 

Pyramiden  steigen  die  Kalkklippen  an  den  Abhängen  herab,  engen  das  sonst 
breite  Steppenthal  ein  und  bilden  Felsenthore  und  Durchlässe  fiir  den  kleinen 
Fluss.  Bei  grossartigen  Felspyramiden  dieser  Art,  welche  in  einer  von  OSO. — 
WNW.  streichenden  Reihe  isoliert  hinter  einander  lagen  und  vom  Gehänge 
beider  Thalseiten  durch  das  Thal  gingen,  waren  die  mächtigen  Bänke  der  Kalke 
in  ausgezeichneter  Weise  durch  den  faltenden  Gebirgsdruck  zu  einem  grossen 
GeröUe  emporgestaut,  dessen  unterer,  durch  Erosion  stark  vertiefter  Teil  eine 
gewaltige  Felsenhöhle  bildet.  Die  beiden  auf  Seite  370  und  371  stehenden  Ab- 
bildungen zeigen  Felsenthor  und  Felsenhöhle  in  dem  Thale,  die  noch  etwa 
2  km  von  dem  im  Süden  gelegenen  Passe  über  das  Gebirge  entfernt  sind. 

Charakteristisch  für  die  orographische  Beschaffenheit  dieses  Gebirges  ist 
—  und  das  gilt  auch  weiter  nach  Süden,  so  weit  dieses  Gebirge  in  seiner  Breite 
reicht,  bis  fast  an  den  Hoang-ho  — ,  dass  es  immer  nur  einzelne  solcher  felsigen, 
mehr  oder  weniger  mächtigen  Klippenzonen  sind,  die  streng  parallel  zu  einander 
alle  in  OSO. — WNW.-Richtung  Berg  und  Thal  durchsetzen.  Es  entstehen  so 
Klippen  und  Felsgräte  auf  sonst  sanftem  Steppengehänge,  das  die  oft  kilometer- 
breiten Zwischenräume  ausfüllt  und  weit  mehr  Areal  in  Anspruch  nimmt  als 
die  felsigen  Zonen,  die  natürlich  infolge  ihrer  grossen  Widerstandsfähigkeit 
gegen  die  Erosion  die  besonders  hervorragenden  Teile,  wie  Gipfel,  Kämme  und 
isolierte  Klippen,  bilden. 

Auch  hier  finden  diese  morphologischen  Eigentümlichkeiten  in  einfachster 
Weise  ihre  Erklärung  durch  die  geologische  Zusammensetzung  dieses  in  seiner 
Breitenatrsdehnung  südlich  vom  Urtia-tsche-Flusse  bis  an  das  Thal  des  Hoang-ho 
reichenden  Gebirgsteiles.    Die  Schichten  bestehen  der  Hauptsache  nach  aus  grün- 
grauen und  braunen,  weichen  Schiefern,  Sandsteinen  und  grauwackenartigen  Ge- 
steinen, die  alle  von  geringer  Widerstandsfähigkeit  gegen  die  erodierenden  Kräfte 
des  fliessenden  und  thalbildenden  Wassers  sind.    In  diese  Schichtserie  sind  nun 
Kalkkomplexe  von  verschiedener,  in  der  mittleren  Zone  des  Gebirges  am  Wlamt-su- 
Flusse  recht  bedeutender  Mächtigkeit  eingelagert,  die  dichte  Beschaffenheit  und 
grosse  Widerstandsfähigkeit  besitzen.   Im  inneren  Gefüge  zerborsten,  gefaltet,  zer- 
rissen und  tausendfach  zerklüftet,  haben  diese  Kalke  zumeist  eine  Breccienstruktur, 
und  zahllos  sind  die  mit  weissem  Kalkspat  ausgefüllten  Risse  im  dunkelblauen  Ge- 
stein.    Aber  die  Felsenmasse  ist  deshalb  nicht  mürbe  oder  bröckelig,  sondern 
die  innere  Zertrümmerung   und  Ausheilung    der  Lücken    und  Risse  durch  den 
Kalkspat    hat    eher    zur   Verfestigung    beigetragen.      Diese  Erscheinungen  sind 
Folgen  der  Aktion  der  gewaltigen,    faltenden,  gebirgsbildenden  Kräfte,  welcher 
dieses  Gebirge  unterliegen  musste,  und    die  sich  überall  in  Faltungen,   wie  die 
schon   erwähnten,    und    noch    mehr   in    der    durchgehend    überall    im   Gebirge 
vorhandenen,  steilen  Aufrichtung  der  Schichten,  die  nur  selten  von  direkt  senk- 
rechter Stellung  um  mehr  als  20^  nach  Süden  oder  Norden  abweicht,  äussert. 
Es    stehen    somit    die    Sandsteine    und  Schiefer    und  in  ihnen    die    eingelager- 
ten, von  25—150  m  und  mehr  mächtigen  Kalke  senkrecht  und  auf  dem  Kopfe 


—     373     — 

im  ganzen  Gebirge,  bis  zum  Hoang-ho  vom  Wlamt-su- Gebiete  an,  in  einer 
Faltungszone  von  20  km  Breite.  Hier  hat  nun  die  Erosion  im  Laufe  der  Jahr- 
tausende die  harten  Teile  aus  dem  weicheren  Zwischenmaterial  herauspräpariert. 
Die  fest  verkitteten,  strukturlosen  Kalkmassive  stehen  in  ihrer  Streichrichtung 
als  Mauern,  Türme  und  Pyramiden  auf  den  Bergen  und  in  den  Thälern  —  aere 
perennius  —  und  trotzen  der  Gewalt  der  zerstörenden  und  abtragenden  Kräfte, 
die  aus  dem  durch  Schiefer  und  Sandstein  gebildeten,  mehr  Raum  einnehmen- 
den Zwischengebiete  die  weicheren  Formen  der  mit  Steppe  überzogenen  Abhänge, 
die  breiteren  Thalböden  und  geringeren  Höhen  geschaffen  haben.  Wären  in 
der  Zusammensetzung  die  Kalke  überwiegend  —  im  mittleren  Teile  des  Gebirges 
ist  das  stellenweise  der  Fall  — ,  so  wäre  eine  wilde  Felslandschaft  mit  zackigen, 
zerrissenen  Gipfelregionen,  steilen  Felsabstürzen,  schroff  abfallenden  Thälern  mit 
Kaskaden  und  Wasserfällen  und  gänzlicher  Mangel  der  Vegetationsdecke  die  Folge; 
südlich  vom  Wlamt-su-Flusse  sind  herrliche  Felsgebilde  von  diesem  Charakter  in 
den  hohen  Bergen,  welche  sein  Thal  von  dem  des  Chali-tsche-Flusses  trennen. 
Wie  aber  die  einzelnen  Klippen  und  Felstürme  isoliert  in  Reihen  stehen,  so  ist 
auch  jene  mächtigere  Entwicklung  der  Kalkmassive  nicht  konstant  in  dem  Streichen 
der  Schichten,  sondern  riffartig  stärker  und  vermindert  sich  dann  wieder,  sowohl 
nach  WNW.  wie  OSO.,  so  dass  jene  Felsenberge  wie  Inseln  aus  dem  milderen, 
steppenbedeckten  Schiefer-  und  Sandsteingebirge  hervorragen.  Dieses  letztere 
bildet  den  Grundzug  im  Charakter  des  Gebirges,  und  die  Felsenthore  und 
Klippen,  Zinnen  und  Felsabstürze  sind  sein  ornamentaler  Schmuck. 

Es  fehlt  nicht  an  Beweisen,  dass  am  Ende  der  Tertiärzeit  diese  Erosion 
noch  im  vollen  Gange  war.  Die  Konglomerate  der  Quetae-Formation,  die  nicht 
in  die  Thäler  dieses  Gebirges  hineinreicht  und  sich  auch  nicht  mehr  im  Süden 
desselben  am  Hoang-ho  findet,  bestehen  zum  weitaus  grössten  Teil  aus  Gerollen 
der  harten  Kalke  dieses  Gebirges,  die  leicht  zu  erkennen  sind.  Die  Quetae- 
Formation  hat  somit  einen  grossen  Teil  ihrer  Bestandmassen  am  Nordfusse 
dieses  Gebirges  aus  ihm  zugeführt  erhalten.  Es  bildet  hier  die  Grenze 
der  Süsswasserseen  oder  Flussbildungen  der  jungtertiären  Periode.  Da  die 
Ablagerungen  derselben  meist  horizontal  liegen  oder  nur  geringe  Neigungen 
zeigen,  die  auf  kleinen,  lokalen  Verzweigungen  beruhen,  ist  auch  erwiesen,  dass 
in  nachtertiärer  Zeit  bedeutendere  tektonische  Vorgänge  und  Veränderungen 
hier  nicht  eingetreten  sind.  So  haben  wir  hier  einen  Blick  gethan  in  die 
älteste  Geschichte  des  Werdens  und  Vergehens  eines  Gebirges,  und  in  seiner 
heutigen  Höhe  und  Gestalt  die  kümmerlichen  Ruinen  einstiger  Grösse  erkannt. 
Auch  die  grossen  Wasserbecken  am  Nordfusse,  die  sich  weit  am  Hoang-ho 
und  im  Nan-schan  zwischen  den  Bergen  ausgedehnt  haben,  sind  verschwunden, 
und  nur  ihre  hoch  hinaufreichenden  Thon-,  Sandstein-  und  Geröllablagerungen 
geben  Zeugnis  von  der  grossen,  ehemaligen  Verbreitung  jener. 

Man  überschreitet  das  Sandstein-Schiefer-Gebirge  mit  den  Kalkklippen  in  zwei 
Pässen;  der  erste,  nördlichere,  ist  steil;  er  liegt  zwischen  dem  Urtia-tsche-  und 


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Wlamt-su-Flussgebiete;  der  zweite,  südlichere,  ist  höher,  liegt  in  der  Mitte  der 
stärksten  Kalkentwicklung  und  bildet  denUebergangvomWlamtsu-  zumChali-tsche* 
Thal.  Beim  Aufstieg  zum  ersten  der  genannten  Pässe  vom  Flussgebietc  des  Urtia- 
tsche  aus  trifft  man  eine  Felsenge  und  2  km  weiter  oben  das  oben  erwähnte,  schöne 
Felsen thor;  vom  Passe  selbst,  der  nur  wenig  an  Höhe  den  ihn  umgebenden, 
flachen  Höhen  nachsteht,  eröffnet  sich  die  Aussicht  auf  ein  nach  Süden  zum 
Wlamt-su  fliessendes,  in  seinen  oberen  Teilen  breites  und  flaches  Seitenthälchen, 
das  in  seinem  mittleren  Teile  von  zwei  hohen  Klippenzonen  durchquert  wird. 
Auf  dem  Gebirgskamme  auf  der  linken  Seite  des  Wlamt-su-Flusses  sieht  man 
dieselben  Felsgebilde,  nur  in  stärkerer  Entwickelung,  und  der  Gebirgsrücken  ist 
um  ein  geringes  höher. 

Das  VVlamt-su-Thal  ist  etwa  i  km  breit  und  der  Fluss  selbst  ist  2  m  breit 
und  o,5  m  tief  an  seiner  tiefsten  Stelle.  Gegen  Westen  wird  das  Thai  noch 
enger,  schluchtartig,  und  öffnet  sich  direkt  zum  Hoang-ho,  dessen  hohes,  auf 
der  linken  Seite  gelegenes  Gebirge  schon  in  der  Lücke  der  Thalschlucht  am 
westlichen  Horizonte  als  hohe  Schneegipfel  sichtbar  wird.  Der  Weg  zum 
Hoang-ho  folgt  hier  einige  Kilometer  dem  oben  noch  breiten,  stellenweise  etwas 
sumpfigen  Fiussbette,  das  an  der  Nordseite  hohe  Geröll-  und  Lehmterrassen 
hat.  Auf  der  südlichen  Thalseite  sind  die  schönsten  Kalkklippenberge,  die 
sich  in  wirksamem  Kontrast  von  dem  steppenbedeckten  Vorhügellande  mit 
seinen  einfachen,  geschwungenen  Linien  abheben.  Die  kleinen,  von  ihnen 
herabkommenden  Thälchen  geben  hübsche  Einblicke  in  malerische,  enge  Fels- 
schluchten. 

Ein  solches  grösseres  Querthal  mit  dem  Mongol-tsam-tsche-Fluss  führt  im 
Westen  der  grossen  Felsenberge  nach  Süden  hinauf  auf  den  Pass  und  die  Wasser- 
scheide zwischen  Wlamt-su-tsche-  und  Chali-tsche-Fluss,  und  hier  sowohl  wie  auch 
beim  Abstieg  nach  Süden  zum  breiten  Flussthale  des  letzteren  Flusses  treten  die 
Klippenzonen  fast  ganz  zurück.  Das  Thal  des  Chali-tsche-Flusses  ist  eine  sehr  breite 
(3  km)  ebene  Steppenfläche,  in  welcher  der  Fluss  in  einer  Breite  von  6  m  und 
durchschnittlichen  Tiefe  von  0,3  m  mit  der  Geschwindigkeit  von  0,75  m  in 
einer  Sekunde  nahe  der  südlichen  Thalseite  dahinfliesst  und  mit  vielfachen 
Krümmungen  in  westlicher  Richtung  den  nicht  mehr  fernen  Hoang-ho  erreicht 
Die  Klippenberge,  welche  vom  Lager  am  Flusse  aus  einen  herrlichen  Anblick 
gewährten,  hören  nach  Westen  schon  am  Passe  und  in  östlicher  Richtung  nach 
einigen  Kilometern  auf,  und  der  obere  Teil  des  Thaies,  so  weit  man  ihn  zu 
übersehen  vermag,  ist  flachhügelig  mit  dem  Typus  der  ausschliesslich  herr- 
schenden Schiefer-  und  Sandsteinformation,  deren  Gesteine  mit  nur  sehr  wenig 
Kalk  die  GeröUe  des  Chali-tsche-Flusses  bilden.  Hier  ist  der  hohe,  zentrale 
Teil  des  Kalkgebirges  mit  Höhen  von  300  bis  400  m  über  dem  Thale  schon 
überschritten,  und  wie  im  Norden  desselben,  so  haben  auch  im  südlichen  Flügel 
bis  zum  Hoang-ho-Thale  von  nun  an  die  einfacheren  Formen  und  niederen, 
ganz   bewachsenen    Höhen    der    Thonschiefer-    und    Grauwackenbildungen    den 


—     375     — 

Hauptanteil  an  der  Gebirgszusammensetzung,  wenn  auch  ab  und  zu  noch  Kalk- 
oder häufiger  auch  Sandsteinköpfe  aus  der  Steppendecke  hervorsehen. 

Vom  Chali-tsche  aus  ist  in  südlicher  Wegrichtung  noch  ein  niedrigerer, 
3500  m  hoher  Pass  über  die  letzte  Bergkette  von  etwa  4000  m  hohen  Gipfeln  zu 
überwinden  und  es  führt  dann  ein  Querthälchen  direkt  zum  Hoang-ho  hinab. 
Vom  Passe  selbst  aus  aber  hat  man  eine  herrliche  Uebersicht  über  das  breite 
Hoang-ho-Thal,  das  nur  noch  etwa  4  km  entfernt  ist,  und  die  majestätische 
Kette  von  hohen,  schneebedeckten  Gipfeln  auf  seinem  linken  Ufer.  Von  hier 
ist  das  Panorama  auf  Tafel  XXVIII  aufgenommen.  In  ununterbrochener  Reihe 
kann  man  diese  Hochgebirgskette  von  Südost  über  Süden  bis  weit  nach  Westen 
verfolgen,  wie  sie  das  Panorama  zeigt.  Die  Richtung  dieser  dominierenden 
Kette  des  Sarü-Dangerö-Gebirges  geht  aus  Ostsüdost  nach  Westnordwest  und 
die  bedeutendsten  Höhen  liegen  gerade  vor  dem  Beschauer  vom  Passe  aus 
nach  Süden.  Von  der  dem  Matterhorn  vergleichbaren  Spitze  im  Panorama 
(Sp.)  an  gegen  Osten  wird  das  Gebirge  niedriger  und  die  Regionen  der  Hochgipfel 
hören  auf,  gegen  Westen  hin  behält  es  die  Kammhöhe  des  mittleren  Teiles, 
aber  es  finden  sich  nicht  mehr  so  grosse  Unterschiede  zwischen  Scharte  und 
Gipfel  als  im  schönen,  mittleren  Teil,  mit  andern  Worten,  die  Kammlinie  hat 
einen  gleich  massigeren  Verlauf.  Gewaltig  erheben  sich  die  felsigen  Gipfel  des 
Hauptkammes  aus  der  Vorzone  mit  ihren  einfachen,  gerundeten  Formen  und 
der  braunen  Steppengrasdecke.  Wie  von  Künstlerhand  mit  bewusster  Absicht 
geschaffen,  steigen  die  Felsmonumente  über  den  einfachen  Sockel  in  wirkungs- 
vollem Gegensatze  auf  Spitze,  dreikantige  Pyramiden,  breite  Massive  mit 
mehreren  Klippenhäuptern  und  zierliche  Felsnadeln  erreichen  bis  über  1000  m 
Höhe  über  der  breiten  Hoang-ho-Ebene.  Lange,  scharfe  Gräte  ziehen  aus  der 
Gipfelregion  in  nördlicher  und  nordöstlicher  Richtung  hinab,  und  ihre  steil  ab- 
fallenden Seiten  sind  durch  kleine  Firsten  und  Gräte  vielfach  gegliedert.  Als  eine 
weite  Niederung  zieht  am  Nordfusse  des  Gebirges  das  breite  Flussthal  des  Hoang-ho 
entlang  und  bildet  im  Osten  wie  im  Westen  eine  grosse  Lücke  in  der  bergigen 
Umgebung.  Noch  ist  der  Fluss  selbst  nicht  zu  sehen,  aber  ein  steiler  Uferabsturz 
in  der  steppenbedeckten  Ebene  verrät  die  Lage  des  vertieften  Flussbettes. 

Der  Weg  vom  Passe  durch  das  Steppenthälchen  ist  bald  zurückgelegt  und 
vom  Schotterdeita  und  Aufschüttungskegel  aus,  den  dieser  kleine  Fluss  gegen  die 
noch  tiefer  liegende  Ebene  des  Hoang-ho  vorgeschoben  hat,  geniesst  man  eine 
grossartige  Aussicht  auf  die  weiten  F'lussniederungen,  die  Terrasse  des  tiefen 
Flussbettes,  die  sanft  ansteigenden  Höhen  und  gerundeten,  einfachen  Berge  des 
Gebirgsfusses  des  Sarü-Dangerö  und  seine  felsigen  und  schneebedeckten  Hoch- 
gipfel. Zahlreiche  Flüsschen  kommen  aus  dem  Hochgebirge  zum  Teil  aus  tief  ein 
geschnittenen  Querthälern  hervor  und  durchziehen  die  ebene  Fläche.  In 
ihrer  Mitte  fliesst  an  dieser  Stelle  der  grosse  Strom  in  einem  Bette,  dessen 
linker  Uferrand  über  50  m  hoch  steil  abfällt,  während  auf  der  rechten  Uferseite 
die  Böschung  vom  Grebirge  zuerst  stufenweise  in  einzelnen  Terrassen  und  dann 


—   3r'5   — 

in  »e;t«r  .Sttr^pcnnicdcTung  gan7  a'Jniah^Jch  zam  Wasserepiegel  des  FTasses  ab' 
'^'.'T/^.  Ir.ic-scn  ^ind  diese  Verba^tniäse  nicht  überall  ganz  g'.eidi.  So  tritt  der 
Flui*  k-jrz  unterhalb  der  Steüe.  wo  wir  ihn  erreichten  und  fiir  die  meine 
5ch;;derung  gilt,  so  hart  an  die  nordliche  Bergäeite.  dass  Steilafer  dort  entstebcn 
und  die  Schiefer  des  Gebirges  entblosst  werden.  Er  folgt  durcfaaas  nicht  immer 
6tm  .Steürand  der  ;o  m  h'>hen  Terrasse,  weiche  auf  der  hnkea  Flussseite  die 
gr'/-se  Stejipenflache  bis  zum  3—4  km  entfernten  Gebirgäfusae  des  Sarü-Dangerö 
bildet  sondern  ändert  häufig  in  grossen  Schiingen  und  Windungen  seine  Rich- 
tung, wahrend  der  Terrassen  ran  d,  so  weit  man  sehen  konnte,  zieinlich  in  der 
Mitte  der  grossen  Thaleinsenkutig  bleibt 


Tb:J  des  iibcrcD  HoauT-ho  von  l^-^ti  A  S  nach  Westen  (;eseheii. 

Auf  dem  rechten  Flussufer  erstreckt  sich  tiefer  gelegenes  Steppenland  in 
weiter  Ausdehnung  nach  Osten  flussaufwärts.  Reste  der  erodierten  und  vom 
Flusse  wieder  entfernten  Terrassenschotter  sind  hier  nur  noch  in  geringer  Aus- 
dehnung und  mit  vielen  Unterbrechungen  längs  der  Berge  erhalten.  Dort  ^nd 
in  gleicher  Weise  die  Spuren  anderer  Terrassen  in  verschiedener  Höhe,  zum 
Teil  in  höherem,  zum  Teil  in  niedrigerem  Niveau  als  die  grosse  Terrasse  der 
linken  Flussseite  nachzuweisen,  die  der  zweiten  Stufe  am  Gebirge  auf  der  Nord- 
scite  entspricht.  Abgesehen  von  kleinen,  durch  Flussläufe  und  die  Schotterkegel 
der  aus  dem  Gebirge  austretenden,  kleinen  Flüsse  erzeugten  Unebenheiten  in  der 
P'lussniederungsebene  sind  an  den  Bergabhängen  drei  grössere  und  bedeutendere 
Terrassenstufen,  deren  Bildung  unzweifelhaft  dem  Hoang-ho  selbst  angehört,  zu 
unterscheiden.  Auf  jeder  Terrasse  liegt  eine  Lössdecke.  Sie  ist  tmgeschichtet 
vertikal  abgesondert  und  birgt  die  Bruchstücke  zahlreicher  Landschnecken; 
doch  sind  ganze  Exemplare  selten.    Bemerkenswert  ist  in  dem  breiten  Thale  das 


—     377     — 

gänzliche  Fehlen  der  leicht  kenntlichen  Quetae-Bildungen.  Nirgends  waren 
Spuren  von  ihnen  zu  entdecken,  sie  scheinen  das  Thal  ganz  zu  meiden,  es 
müsste  denn  sein,  dass  sie  überall  von  den  Terrassenschottern  überdeckt  und 
nirgends  von  der  Erosion  zu  Tage  gefördert  worden  wären.  Erst  zwei  Tage- 
reisen nördlich  vom  Fluss  beginnen  sie  und  sind  im  Stromgebiet  des  Sche-tsche- 
Flusses  weit  verbreitet.  Beim  Austritt  des  Hoang-ho  aus  dem  Dschupar-Gebirge 
folgten  ihre  mächtigen  Ablagerungen  in  hohen  Bergen  seinem  Lauf  nach  aufwärts, 
vielleicht  noch  über  den  Baa-Fluss  hinaus;  um  so  merkwürdiger  ist  ihr  gänzliches 
Fehlen  an  der  von  uns  besuchten  Stelle. 

Das  geologische  Bild  der  Thalseiten  wird  noch  mannigfaltiger  durch  die 
Schotterkegel  und  Delta,  welche  die  aus  dem  Gebirge  des  Nordufers  austretenden 
Flüsschen  in  die  Niederungen  vorgeschoben  haben,  sowie  durch  die  an  entblössten 
Stellen  sichtbaren  Schichtköpfe  der  gefalteten  Schiefer  und  Kalke  des  Gebirges. 
Der  allgemeine  Thalcharakter  wird  auch  hier,  so  weit  man  sehen  kann,  durch 
Steppe  und  die  sanften  Formen  des  Sandstein -Schiefergebirges,  dessen  Berge 
auf  der  nördlichen  Seite  bis  zu  500  m  über  den  Hoang-ho  ansteigen,  ohne 
schroffe  Abhänge  oder  stark  auf-  und  abspringende  Kammlinien  zu  zeigen,  gebildet. 

Dieselben  geologischen  Verhältnisse  scheinen  auch  im  Sockel  des  Sarü- 
Dangerö  vorzuherrschen,  denn  in  der  äusseren  Erscheinungsform  besteht  die 
grösste  Uebereinstimmung  mit  dem  nördlichen  Gebirge,  und  auch  die  Höhe,  die 
beide  erreichen,  stimmt  überein.  Eine  ganz  andere  Zusammensetzung  aber 
muss  der  zerklüftete,  vegetationslose  Felsenteil  des  Schneegebirges  besitzen,  der 
die  oberen  zwei  Drittel  des  Gebirges  ausmacht. 

Es  erhebt  sich  hier  die  Frage,  ob  die  Firnmulden  des  Sarü-Dangerö  Gletscher 
tragen  und  seine  Gipfel  mit  ewigem,  auch  im  heissesten  Sommer  nie  verschwinden- 
dem Schnee  bedeckt  sind.  Es  scheint,  dass  der  erste  Teil  der  Frage  für  die  jetzige 
Zeit  zu  verneinen  ist.  Die  sorgfältige  Durchmusterung  der  Hochthäler  und  breiten 
Firnflächen  ergab  in  keinem  Fall  die  Existenz  fester  Eismassen  mit  Spalten  oder 
einer  Moränenbildung.  Indessen  sind  Einzelheiten  der  oberen  Thalformen,  z.  B. 
am  breiten  Stock  des  Berges  M  auf  dem  Panorama,  derart,  dass  die  frühere 
Anwesenheit  eines  Gletschers  in  der  grossen  Mulde  links  unterhalb  des  Gipfels 
als  wahrscheinlich  bezeichnet  werden  muss;  es  geht  nämlich  durch  den  unteren 
Teil  dieser  heute  noch  mit  Schnee  bedeckten  grossen  Mulde  mit  steil  ansteigen- 
den Felsenwänden  barrikadenartig  ein  horizontaler  Wall  von  der  einen  Seite 
zur  andern,  der  unten  den  Abschluss  des  grossen  Schneefeldes  bildet.  Wie  ist 
dieser  Wall  nun  dort  oben  in  der  Höhe,  wo  von  fliessendem  Wasser  keine 
Rede  sein  kann,  entstanden? 

Man  kennt  ähnliche  Erscheinungen  aus  Gebirgen,  die  heutzutage  noch 
Gletscher  tragen  oder  nachweislich  in  der  jüngsten  geologischen  Vergangenheit, 
der  Diluvialzeit  oder  Eisperiode,  solche  besessen  haben.  Häufig  schieben  die 
Gletscher  grosse  Massen  von  Gehängeschutt  und  Moränenmaterial  vor  sich  her. 
.Wenn  sie  nun  längere  Zeit  mit  ihrem  unteren  Ende  an  ein  und  demselben  Orte 


-     378     - 

konstant  verbleiben,  häufen  sich  diese  Massen  der  sogenannten  End*  oder  Stirn- 
moranen  zu  grossen  Dämmen  auf,  die  sich  quer  durch  das  ganze  Thal  erstrecken 
und  vom  Gletscherbach  an  einer  Stelle  durchbrochen  sind.  Diese  Endmoränen 
bleiben  als  Wälle  bestehen,  wenn  auch  der  Gletscher  sich  zurückzieht  oder  ganz 
verschwindet,  und  bilden  eine  ähnliche  Erscheinung  wie  der  Muldenabschluss  an 
jenem  Berge  im  SarüDangerö.  Auch  die  darüber  liegende  Flmfläche  mit  relativ 
wenig  geneigtem  Boden,  dagegen  nach  drei  Seiten  hin  hoch  und  steil  empor- 
ragenden  Seitenwänden  entspricht  vollkommen  den  Bedingungen,  welche  zur 
Entstehung  eines  Gletschers  erforderlich  sind,  sofern  die  erste  derselben,  der 
ewig  perennierende  Schnee,  gegeben  ist. 

Dieser  letztere  Punkt  dürfte  für  den  Sarü-Dangerö  und  die  heisse  Sommer- 
zeit im  Juli  und  August  im  allgemeinen  zu  verneinen   sein.     Zur  Zeit  unserer 
Anwesenheit  am  Hoang-ho,  m  der  zweiten  Hälfte  des  Oktober,  trug  das  Gebirge 
in  seinem  oberen  Drittel  überall  Schnee  in  reicher  Menge,  während  er  auf  allen 
niedereren  Gebirgen  des  rechten  Flussufers  alsbald  wieder  verschwand,  wenn  er 
einmal  eine  schwache  Decke  gebildet  hatte.     Im  Sommer  aber  dürfte  ewiger 
Schnee    durchaus    nicht    überall    und    vielleicht  nur  in  geringer  Menge  in  ge- 
schützten Winkeln  an  Nordabhängen  sich  halten  können.    Solche  überdauernden 
Schneemassen  pflegen  je  nach  den  klimatischen  Verhältnissen  des  betreffenden 
Sommers  und  vorangegangenen  Winters  grösser  oder  geringer  an  Quantität  und 
Verbreitung  zu  sein,  aber  zur  Bildung  beständiger  Eismassen,  wie  Gletscher  es 
sind,   reichen  sie  nicht   aus.     Dies  scheint  die  gegenwärtige  Lage  der  Schnee- 
und  Eisverhältnisse  hier  zu  sein :  Lange  Andauer  der  winterlichen  Schneebedeckung 
bis  weit  in  den  Sommer,  Verschwinden  der  allgemeinen  Schneedecke  mit  Aus- 
nahme besonders  geschützter  Stellen,  und  früher  Eintritt  der  Wiederbeschneiung. 
In  früheren  geologischen  Zeiten  mögen  Gletscher  vorhanden  gewesen  sein,  heute 
aber  sucht  man  sie,  wenigstens  auf  dem  Nordostabhang  des  Gebirges,  vergeblich. 
Auch  Prschewalskij  bezweifelt,   dass  grössere  Schneeflächen  am  Oberiaufc  des 
Hoang-ho,  also  auch  im  Amne-matschin-Gebirge,  zu  dem  der  SarüDangerö  ge- 
hört und  von  dem    nach  Norden  wie   nach  Süden  die  Abflüsse  zum  Hoang-ho 
gehen,  vorhanden  sind.     Er  schliesst  das  daraus,  dass  der  Hoang-ho  am  Dschu- 
par-Gebirge  im  Juni,  wo  doch  die  Schneeschmelze  stattfinden   müsste,   ziemlich 
seicht  ist,  und  dass  er  erst  nach  anhaltenderen  Regengüssen  stärker  anschwillt. 
Durch  Roborowskijs  und  Koslows  kühnen  Zug  in  das  Amne-matschin-Gebirge 
vom   oberen  Tschurmün-Flusse  aus  ist  aber  festgestellt  worden,   dass  weiter  im 
Westen  in  diesem  Gebirge  grosse  Gletscher  vorkommen  und  von  der  zentralen 
Kette  bis  zur  Meereshöhe  von  4570  m  herabreichen.    Die  Gletscherbäche  fliessen 
durch  steilwandige,  enge  Schluchten  ab  und  auf  Erweiterungen  des  Thalbodens 
sind  Wälder  von  Juniperus,  einzelne  Weiden  und  hoch  am  Berggehänge  hinauf- 
reichende Sträucher.     Das  Gebirge  bietet  dort  schöne  Landschaftsbilder.     Die 
Wege  führen  häufig  auf  schwindelerregenden  Gesimsen  an  steilen  Felswänden 
hoch  über  dem  Thalboden   hin  und  jäh  geht  es  wieder  auf  denselben  hinab. 


-     179    - 

Wilde  Felsscenerien  mit  Wasserrällen  wechseln  mit  Grasfiächen  und  Wald,  und 
aus  den  Höhen  sehen  grosse  Schneefelder  und  schroffe,  wildgeformte  Bei^- 
kämtne  herab;  zahlreiche  Vögel,  darunter  Fasanen  und  Tauben,  beleben  die 
schönen  Thälcr.  Hier,  an  einem  solchen  durch  die  Reize  der  Natur  in  der  Einöde 
Tibets  ausgezeichneten  Orte,  traf  Roborowskij  sein  schweres  Geschick,  das  seinem 
so  erfolgreichen  Vordringen  ein  jähes  Ende  bereitete. 

Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  dieser  Charakter  der  Gebirgsthaler  auch 
dem  Sarü-Dangerö  eigen  ist,  aber  aus  der  grossen  Entfernung  war  es  nicht 
thunlich,  darüber  genaueres  festzustellen.  Die  Höhe  der  Gipfel  des  Panoramas 
wurde  von  dem  3610  m  hohen  Lager  A^   am  Rande  des  Hoang-ho-Thales  aus 


Temiaie  dei  linken  Hoang-bo-UfcrB  bd  Lager  A  8,  nacb  SUden  gesehen. 

mit  dem  Theodolithen  gemessen,  und  ergab  fiir  die  Spitze  Sp  —  4671  m; 
M  =  4279  m;  und  einen  westlicher  gelegenen  Berg  Dr  =  47S6  m.  Im  Dschachar- 
Gebirge  liegt  nach  Prschewalskij  die  Schneelinie  in  4650  m,  so  dass  also,  wenn 
dieselben  Verhältnisse  auch  hier  gelten,  nur  die  höchsten  Gipfel  die  Regionen 
des  ewigen  Schnees  erreichen  würden. 

Der  allgemeine  Charakter  der  Gebirgslinie  ist  demjenigen  des  Monte  Rosa 
und  Matterhorn  nicht  unähnlich.  Wenn  es  erlaubt  ist,  daraus  einen  Schluss  auf 
die  geologische  Zusammensetzung  der  höchsten  und  zentralen  Teile  des  Sarü- 
Dangerö  zu  ziehen,  so  müsste  der  Aufbau  desselben  aus  kristallinen  Schiefern 
in  Verbindung  mit  grossen  Granitmassiven  oder  andern  schiefrigen  und 
massigen  Gesteinen  als  nicht  unwahrscheinlich  angenommen  werden.  Die  Nähe 
der  paläozoischen  Schiefer    und  Sandsteine    in    der    Region    des   Gebirgsfusses 


~    380   — 

könnte  noch  zur  Bestärkung  dieser  Auffassung  dienen.  Aber  leider  gelang  es 
nicht,  auch  nur  ein  Gesteinstück  zu  finden,  das  seinem  Ursprünge  nach  mit 
Sicherheit  auf  den  Sarü-Dangerö  zurückzuführen  gewesen  und  somit  einen  posi- 
tiven Beweis  zu  liefern  im  stände  gewesen  wäre.  Unter  den  weiter  im  Westen 
am  Amne-matschin-Gebirge  von  Roborowskij  gesammelten  Gesteinen  befinden 
sich  hauptsächlich  alte  kristalline  Schiefer,  metamorphe  Schiefer,  Phyllite  und 
Kalkthonschiefer,  die  aber  keine  Versteinerungen  geliefert  haben. 

Das  bestätigt  den  oben  gezogenen  Schluss  aui  die  geologische  Zusammen- 
setzung, die  hauptsächlich  aus  alten  kristallinen  Schiefern  gebildet  wird.  Die  am 
Hoang-ho  untersuchten  FlussgeröUe  bestehen  zum  weitaus  grössten  Teil  aus  Grau- 
wacken  und  schieferigen  Sandsteinen  derselben  Formation,  die  wir  im  Gebirge  auf 
der  Nordseite  kennen  gelernt  haben  und  die,  danach  zu  schliessen,  noch  grosse 
Verbreitung  am  oberen  Hoang-ho  haben  müssen.  Daneben  sind  harte  blaug^ue 
Kieselkalke  mit  weissen  Kalkspatadern  häufig  und  es  fehlt  auch  nicht  an  Kiesel- 
schiefern, Hornsteinen  und  weissen  Quarzen.  Dagegen  treten  an  Menge  die  Eruptiv- 
gesteine sehr  zurück  und  man  muss  lange  suchen,  um  ein  porphyritisches  Gestein 
zu  finden.  Am  häufigsten  sind  noch  helle  Granite  in  verschiedenen  Varietäten, 
aber  jüngere  Eruptivgesteine  oder  Gneisse,  Glimmerschiefer  etc.  fehlen  vollständig. 
Es  ist  nun,  wie  gesagt,  nicht  zu  erweisen,  dass  ein  Teil  dieser  Gesteine, 
die  am  rechten  Flussufer  aufgesammelt  wurden,  wirklich  aus  dem  Sarü-Dangerö 
stammen  und  nicht  weither  aus  dem  Oberlaufe  des  Flusses  herabgeführt  wurden. 
Auf  der  andern  Seite  aber  giebt  das  starke  Vorherrschen  der  Schiefer,  Sand- 
steine und  Grauwacken,  sowie  die  relative  Häufigkeit  der  Granite  beim  Fehlen 
der  andern  Gesteine  einen  Hinweis  auf  die  Wahrscheinlichkeit  der  oben  an- 
geführten Schlüsse  über  die  geologische  Zusammensetzung  des  Gebirges  auf 
dem  Südufer  des  Hoang-ho  aus  alten  Schiefergesteinen  und  granitischen  Kernen. 

Um  Gewissheit  zu  erlangen,  müsste  man  den  Fluss  überschreiten,  und  das 
ist  an  dieser  Stelle  und  in  dieser  Jahreszeit  —  wir  kamen  am  19.  Oktober  am 
Hoang-ho  an  —  nicht  wohl  möglich.  Auf  Befragen  erklärten  die  einheimischen 
Führer,  dass  es  keine  andere  Art  und  Weise  gäbe,  über  den  wasserreichen  und 
reissenden  Strom  zu  gelangen,  als,  an  die  Mähne  seines  Pferdes  festgeklammert, 
mit  einem  aufgeblasenen  Sack  aus  Yakhaut  vor  der  Brust,  hinüberzuschwimmen; 
weder  flussabwärts  noch  aufwärts  sei  hier  eine  Furt  oder  Ueberfahrt.  Da  das 
Wasser  eine  Temperatur  von  nur  -f  6®  C.  hatte,  schien  es  nicht  ratsam,  das 
Hinüberschwimmen  über  den  hier  1 70  m  breiten  Fluss  zu  wagen,  um  so  mehr, 
als  man  drüben,  entblösst  von  allen  Decken,  Zelten  und  Mundvorräten,  doch 
keinen  längeren  Ausflug  in  ein  Thal  des  Sarü-Dangerö  hätte  machen  können. 
Es  soll,  rasch  zu  reiten,  20  Tagereisen  weit  am  Hoang-ho  aufwärts  erst  eine  Furt  zu 
finden  sein,  in  welcher  der  Wasserstand  erlaubt,  durchzureiten.  Man  soll  aber  dem 
Lauf  des  Flusses  selbst  nicht  folgen  können,  wegen  ausgedehnter  sumpfiger  Stellen 
und  nah  an  ihn  herantretender  steiler  Bergvorsprünge.  So  lauteten  wenigstens 
die  Mitteilungen  ansässiger  Leute,  falls  wir  sie  richtig  verstanden  haben. 


-     381     - 


Wir  hatten  den  Fluss  an  einer  leicht  wieder  zu  findenden  Stelle  erreicht 
und  dort  das  Lager  A  8  aufgeschlagen,  um  Untersuchungen  am  Strom  und 
Bestimmungen  der  Höhenlage  und  geographischen  Breite  vornehmen  zu  können. 
Der  Beobachtungspunkt  lag  am  rechten  Flussufer  auf 
einer  grasbewachsenen  Düne  von  feinem,  weichem  Fluss- 
sand, in  der  Höhe  von  3  m  über  dem  derzeitigen  Wasser- 
spiegel, der  nach  der  Trockenheit  der  kleinen  Lagunen 
am  Ufer,  die  bei  Hochwasser  ebenso  wie  kleinere  Neben- 
läufe unter  Wasser  stehen  und  deutliche  Spuren  davon 
aufweisen,  einem  niederen  Wasserstande  angehörte. 
Ferner  ist  der  Punkt  dadurch  näher  bestimmt,  dass  an 
der  gegenüberliegenden,  steilen  Uferseite,  einige  hundert 
Schritte  weiter  oberhalb  sich  tiefe  Erosionshöhlungen 
in  den  Schotterablagerungen  finden,  die  vom  Wasser- 
spiegel bis  25  m  in  die  Höhe  reichen  und  sich  an  andern 
Stellen  wiederholen;  des  weiteren  beginnt  der  Fluss  gleich 
unterhalb  des  Lagerplatzes  das  Steilufer  der  linken  Seite, 
das  geradlinig  nach  Westen  weitergeht,  zu  verlassen 
und  in  grossem  Bogen  in  nordwestlicher  Richtung  sich 
hart  an  das  Berggehänge  der  rechten  Thalseite  zu 
drängen,  während  dort  zwischen  seinem  Laufe  und 
der  Terrassensteilwand  auf  der  südlichen  Thalseite 
Schotter-  und  Kiesbänke,  sowie  die  breiten  Umrisse  ver- 
lassener Strombetten,  die  jetzt  mit  grobem  Schotter 
aufgefüllt  sind,  sichtbar  werden.  Vor  der  Sanddüne 
mit  dem  Lagerplatz  A  8  am  Hoang-ho  liegt,  durch 
eine  seichte  Lagune,  über  die  man,  auf  grössere 
Geröllblöcke  springend,  gelangen  kann,  getrennt,  gegen 
den  Fluss  hin  noch  eine  gfrössere  Kies-  und  Schotter- 
bank mit  feinen  Flusssanden.  Es  wachsen  dort  über 
mannshohe  Sträucher  und  Gebüsche,  die  auch  an  andern 
Stellen  des  Ufers  sehr  verbreitet  und  häufig  mit 
Schlingpflanzen  überzogen  sind.  An  andern  Stellen,  wo 
nicht  Steilufer  des  Gebirges  oder  der  linksseitigen  Terras- 
sen den  Fluss  begrenzen,  fliesst  er  zwischen  niederen 
Ufern,  die  von  seinen  Anschwemmungsmassen  mit 
Sand  oder  Lehm  darüber  gebildet  werden;  an  den  kon- 
kaven Seiten  der  Biegungen  liegen  breite  Sand-  und 
Kiesflächen  von  Hochwasserläufen  und  an  solchen  besonders  breiten  Stellen  ragen 
auch  in  der  Nähe  der  Ufer  inselartige  Kiesbänke  über  den  Wasserspiegel  empor. 

Die  Wassermenge  des  Flusses  ist  sehr  beträchtlich  und  nur  um  weniges 
geringer  als  an  der  nördlicher  gelegenen  Stelle,    wo  wir    ihn    am  Dschupar-Ge- 


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birge  überschritten.  Wenn  man  vom  erhöhten  Ufer  auf  die  graugrüne,  trübe 
Oberfläche  der  ruhig,  aber  rasch  und  unaufhaltsam  in  stetem  Zuge  drängenden 
und  vielfach  quirlenden  Wassermasse  hinabblickt,  erhält  man  einen  mächtigen 
Eindruck  von  der  Gewalt  des  Stromes.  Die  Breite  wurde  an  zwei  Stellen  des 
einheitlichen,  nicht  durch  Sand-  oder  Kiesbänke  unterbrochenen  Laufes  gemessen 
und  betrug  beim  Lager  A  8  selbst  170  m,  einen  halben  Kilometer  weiter  unter- 
halb 234  m;  die  Stromgeschwindigkeit  beim  Lc^er  wurde  zu  2,44  m  in  einer 
Sekunde  gefunden.  Ueber  die  Tiefe  ist  es  schwer,  sichere  Angaben  zu  gewinnen, 
wenn  man  nicht  auf  das  Wasser  selbst  hinausgelangen  kann.  Es  macht  den 
Eindruck  grosser  Tiefe.  In  der  Nähe  der  Kiesbänke  künden  sich  die  seichteren 
Stellen  durch  eine  wellige  Kräuselung  des  Wassers  an;  auch  ist  die  Wasser- 
geschwindigkeit zwischen  Kiesbank  und  Ufer  eine  geringere. 

Unter  Beachtung  dieser  Verhältnisse  wurde  der  vorstehende  Durchschnitt 
durch  das  Flussbett  an  einer  Stelle  unterhalb  des  Lagers  entworfen,  der  wahr- 
scheinlich den  richtigen  Verhältnissen  entsprechen  oder  nahekommen  dürfte. 
Danach  berechnet  sich  das  in  der  Sekunde  durch  den  Querschnitt  fliessende 
Wasservolumen  auf  1980  cbm  Wasser,  während  es  an  der  Ueberfahrtstelle  weiter 
im  Norden  am  Dschupar-Gebirge  3640  cbm  betrug.  Die  bedeutende  Zunahme  ist 
auf  Rechnung  des  Baa,  Sche-tsche,  Wlamt-su,  Chali-tsche,  Tschurmün  und  anderer 
kleinerer  Nebenflüsse  von  der  rechten,  sowie  der  noch  unbekannten,  auf  der 
linken  Seite  vom  Sarü-Dangerö  herabkommenden  Gewässer  zu  setzen.  Das  Fluss- 
wasser ist  gelblich-grün  und  trüb;  schon  in  20  cm  Tiefe  sind  Gerolle  am 
Boden  nicht  mehr  sichtbar;  die  Temperatur  desselben  betrug  am  21.  Oktober 
morgens  9  Uhr  +  6®  C,  nachdem  der  Tag  vorher  warm  (Maximum  der  Luft- 
temperatur im  Schatten  +  17,5^0.)  und  die  Nacht  kalt  (Minimum  der  Luft- 
temperatur —  9^  C.)  gewesen  waren. 

Die  Vorstellungen  von  der  tiefen,  canonartigen  Schlucht,  in  welcher  der 
Hoang-ho  von  seinem  Knie  an  bis  zu  seinem  Austritt  aus  der  tibetanischen 
Gebirgswelt  dahinströmen  sollte,  haben  sich  hier  nicht  bestätigt;  so  weit  man 
von  den  hochgelegenen  Punkten  das  Hoang-ho -Thal  nach  Osten  und  Westen 
übersehen  kann,  ist  es  dieselbe,  breite  Thalvertiefung  zwischen  den  Bergen  wie 
auch  hier.  An  den  Einmündungssteilen  zweier  weiterer,  grösserer,  von  Osten 
kommender  Nebenflüsse  sieht  man  weit  oben  am  oberen  Laufe  ferne  Bergvorsprünge 
gegen  das  Flussbett  heranreichen.  Die  Mitte  der  Thalniederung  im  fernsten  Osten, 
in  dem  sie  noch  sichtbar  ist,  liegt  von  einem  erhöhten  Punkte  auf  der  obersten 
Terrasse  an  der  rechten  Bergseite  aus  gesehen  in  der  Richtung  Ost  1 5  ^  Süd.  Von 
demselben  nördlich  vom  Lager  A  8  gelegenen  Punkte  aus  liegt  die  Mitte  des  west- 
lichen Endes  in  der  Richtung  West  10®  Nord.  Der  Fluss  hat  also  hier  einen  vor- 
wiegend ost-westlich  gerichteten  Lauf  und  von  einer  Biegung  des  unterhalb  unseres 
Punktes  liegenden  Thalstrecke  nach  Norden  ist  ebensowenig  zu  bemerken,  als  von 
einer  Einschwenkung  der  oberen  Thalstrecke  in  meridionale  Richtung,  wie  sie  am 
Knie  nach  den  Karten  auf  eine  grössere  Strecke  hin  vorhanden  sein  soll. 


~   383   - 

Die  geographische  Breite  des  Beobachtungspunktes,  3  m  über  dem  3350  m 
über  dem  Meere  gelegenen  Wasserspiegel  des  Hoang-ho,  ist  nach  den  am 
20.  Oktober  mit  dem  Theodolithen  angestellten  Sonnenhöhenbeobachtungen 
=  33®  52'  36".  Hier  hat  der  Flusslauf  die  ost-westliche  Richtung,  Ver- 
glichen mit  den  hypothetischen  Eintragungen  des  Hoang-ho-Laufes  auf  den 
bis  jetzt  publizierten  Karten,  ergiebt  dieses  Resultat  der  Breitebeobachtung, 
dass  die  ost-westliche  Strecke  des  Hoang-ho-Laufes  6g — 82  km,  je.  nach  der  bis- 
herigen Einzeichnung,  weiter  nach  Süden  zu  verlegen  und  dort  mit  fast  genau 
ost-westlichem  Verlaufe  zu  zeichnen  ist,  während  bisher  die  Strecke  meist  von 
Südost  nach  Nordwest  und  ein  bedeutendes  Stück  weiter  nördlich  verlief.  Die 
geographische  Länge  konnte  wegen  Mangels  richtig  gehender  Uhren,  die 
sämtlich  durch  den  Staub  der  Gobi  oder  die  beim  Transport  unvermeid- 
lichen Stösse  unbrauchbar  geworden  waren,  auf  astronomischem  Wege  nicht  be- 
stimmt werden;  aber  die  topographische  Aufnahme  des  Hauptweges  der  Ex- 
pedition, an  welche  auch  die  Hoang-ho-Exkursion  angeschlossen  wurde,  und 
deren  leidlich  bestimmte  Anschlusspunkte  an  das  Gradnetz  in  der  Ostecke  des 
Küke-nur  und  in  Min-tschou  liegen,  wird  eine  Bestimmung  ermöglichen. 

Es  erübrigt  noch  nach  der  Schilderung  der  Physiognomie  der  Flüsse 
und  Gebirge  dieses  Teiles  des  nordöstlichen,  tibetanischen  Hochlandes,  auch 
seiner  Bewohner,  seiner  Pflanzen-  und  Tierwelt  kurz  zu  gedenken.  Auf  dem 
vier  Tage  in  Anspruch  nehmenden  Wege  vom  Lager  am  grossen  Sche-tsche 
Fluss  trafen  wir  ausser  in  der  Nähe  des  Hoang-ho  nur  einmal  die  schwarzen 
Zelte  an,  und  zwar  am  Wlamt-su-Flusse,  wo  das  südliche,  zum  höchsten  Passe 
führende  Nebenthälchen  des  Mongol-tsam  in  den  Wlamt-su-Fluss  einmündet  und 
die  Thalerweiterung  bald  ihr  westliches  Ende  erreicht.  Die  Leute  waren  die- 
selben, wie  sie  bei  ihrem  Fürstenlager  Wan-saong  am  grossen  Sche-tsche-Flusse 
geschildert  wurden.  Die  Zelte  waren  etwa  30  an  der  Zahl  und  die  Herden 
bestanden  zumeist  aus  Schafen,  Ziegen  und  Yaks;  Pferde  waren  selten,  die 
meisten  Reiter  sassen  auf  Yaks  und  hatten  als  Waffen  ausser  dem  nie  fehlenden 
Handschwert  die  langen  Lanzen  oder  auch  Bogen  und  Pfeile.  Das  kostspieligere 
Gabelgewehr  war  selten  zu  sehen. 

Zwischen  den  schützenden  Abhängen  aber  des  vom  südlichsten  Passe  zum 
Hoang-ho  führenden  Thälchens,  befanden  sich  eine  Menge  von  runden  Mongolen- 
zelten angesiedelt.  Die  viereckigen,  oft  auch  runden,  hellen,  in  grossen  Kreisen  auf- 
gestellten Jurten  waren  bis  hinaus  in  das  Hoang-ho-Thal  zahlreich  und  allenthalben 
auf  den  erhöhten  Terrassenflächen  oder  auch  in  der  tiefen  Flussebene,  z.  B.  in  der 
Nähe  unserer  Station  häufig.  Auf  der  linken  Thalseite  des  Flusses  dagegen, 
auf  den  dortigen  weiten  Steppenflächen  oder  an  dem  Beginne  des  Bergfusses 
des  Sarü-Dangerö  war  kein  menschliches  Wesen  und  keine  Viehherde  irgend 
welcher  Art  zu  erblicken.  Einsam  und  öde  dehnten  sich  die  weiten  Flächen, 
und  spiegelten  die  starre  Ruhe  wieder,  die  in  so  grossartiger  Weise  über  den 
hohen  Felsgipfeln    des  Gebirges    ausgebreitet    liegt.     Auch  hier  am  Flusse  war 


-     384     - 

die  Bevölkerung  freundlich;  die  Leute  kamen  neugierig  an  unser  Lager  und 
verkauften  uns  auf  unsem  Wunsch  Schafe.  Von  hier  stammen  die  auf  Tafel 
XXIX  dargestellten  Typen.  In  dem  kleinen  Thälchen,  durch  das  der  Weg  vom 
letzten  Passe  herabführte,  hatte  ein  kleiner  Häuptling  seinen  Sitz.  Derselbe 
erwies  sich  gegen  das  Geschenk  eines  Taschenmessers  sehr  entgegenkommend, 
sandte  neue  Führer  für  den  Rückweg  zum  grossen  Sche-tsche-Fluss,  als  die 
unsrigen  einen  Tag  früher  als  wir  zurückkehrten,  und  schenkte  uns  noch  ot>en- 
drein  einen  feisten  Hammel.  Auch  unter  der  Zudringlichkeit  der  Leute  hatten 
wir  nicht  zu  leiden.     Das  Interesse,   das   beide  Teile  an  einander  nahmen,    war 


Zeltlager  in  der  Kühe  des  obeten  lloang-ho  bei  Lager  A  7. 

gross,  wurde  aber  ohne  Belästigung  befriedigt.  Im  ganzen  waren  hier  am 
Hoang-ho  und  in  dem  einen  Seitenthale  über  1 50  Jurten  mit  einer  Bevölkerung 
von  wohl  über  500  Seelen.  Man  sagte  uns  jedoch,  dass  sowohl  auf-  wie  ab- 
wärts am  Hoang-ho  keine  Bewohner  mehr  seien  und  dieselbe  Ruhe  herrsche 
wie  hier  auf  seinem  linken  Ufer,  Die  vielen,  einladenden,  breiten  Stcppen- 
thäler,  welche  der  Weg  vom  grossen  Sche-tsche-Fluss  bis  zum  Hoang-ho 
passierte,  sind  zu  anderer  Jahreszeit  an  zahlreichen  Stellen  bewohnt  und  von 
Herden  beweidet,  wie  uns  die  überall  in  Menge  in  der  Nähe  von  trinkbarem 
Wasser  errichteten  Feuerstellen  verrieten.  Auf  dem  Rückwege  trafen  wir  viele 
Trupps  von  Tibetanern,  wohl  Tanguten,  mit  all  ihrer  Habe  und  ihrem  Gute 
auf  der  Wanderschaft  zur  Verlegung  ihres  Wohnsitzes  in  bis  dahin  unbewohnte 
Thäler. 


TAFEL  XXIX. 


1  Oberen  Hoang-ho  l»ei  Lager  A.  8 


-     38s     - 

Wenn  man  von  den  Herden  der  Nomaden  absieht,  ist  in  den  Bergen  und 
Steppenthälern  zwischen  Sche-tsche-Fluss  und  Hoang-ho  und  im  Hoang-ho-Thale 
selbst  wenig  Lebendes  zu  finden;  stundenlang  durchreitet  man  die  Steppe,  ohne  nur 
auch  den  geringsten  Vogel  zu  sehen;  nur  morgens  beim  Aufbruch  vom 
Lager  finden  sich  zahlreich  die  grossen,  schwarzen  Raben  sowie  schöne  Adler 
und  Geier  ein,  die  hungrig  über  die  Ueberreste  herfallen.  Vereinzelte  Hasen 
und  Antilopen  genügten  nicht,  um  das  Landschaftsbild  zu  beleben,  und  die 
Wölfe,  deren  Geheul  in  der  Dämmerung  am  Wlamt-su-Flusse  in  der  Nähe  unseres 
Lagers  hörbar  war,  zeigten  sich  nicht  am  Tage.  Dr.  Holderer  sammelte  während 
der  Hoangho-Excursion  ein  Rotschwänzchen  (Ruticilla  crypthogastra)  und  eine 
Braunelle  (Accentor  strophictus).  Am  Hoang-ho  giebt  es  etwas  reichlicher 
grosse  Wasservögel,  wie  Reiher,  Gänse  und  Wildenten,  sowie  Berghühner  an 
den  Thalgehängen;  von  anderm  Wild  aber  war  nichts  zu  bemerken. 

Einen  ebenso  einfachen  Charakter  zeigt  die  Vegetation.  Ueberall  herrscht 
dieselbe  monotone,  herbstliche  Farbe  der  Gräserdecke;  nur  in  den  Uferabstürzen 
am  Hoang-ho  und  auf  seinen  nicht  zu  oft  überfluteten  Kies-  und  Sandbänken 
waren  grössere  Bestände  von  Sträuchern  (Hippophae  rhammoides  L.  und 
Berberis  sp.)  und  Buschwerk  mit  Schlingpflanzen.  Einige  Abwechslung  ge- 
währte auf  der  Grasfläche  Edelweiss,  das  im  Oktober  leider  schon  verblüht 
war,  Enziane  mit  hellen  und  dunkelblauen  Blütenglocken  und  andere  Blumen. 
Wälder,  die  in  den  Thälern  des  Dschupar-Gebirges  am  Hoang-ho  vorkamen, 
fehlen  gänzlich,  die  Strauch-  und  Buschvegetation  ist  auf  den  Berggehängen  der 
Schiefer-  und  Sandstein-Formation  der  Steppendecke  gewichen  und  die  Kalkfelsen 
tragen  überhaupt  keinen  andern  Pflanzenwuchs  als  die  sie  mit  buntfarbigem 
Kleide  schmückenden,  roten,  grünen,  grauen  und  gelben  Flechten,  welche  alle 
Felsklippen  überziehen.  An  den  Felsen  und  von  diesen  in  die  wenig  starken 
Lehmablagerungen  an  den  Flüssen  gelangt,  leben  zahlreiche  Schnecken  der 
Gattungen  Helix  und  Pupa;  die  sumpfigen  Stellen  sind  reich  an  Wasserschnecken 
und  kleinen  Schalenkrebsen. 

Ein  herrliches,  aber  schon  sehr  winterliches  Oktoberwetter  hatte  unsere 
neuntägige  Exkursion  an  den  Hoang-ho  begünstigt;  meist  wölbte  sich  azurblauer 
Himmel  mit  strahlendem  Sonnenglanze  über  den  funkelnden  und  blitzenden 
Schneefeldem  des  Sarü-Dangerö,  während  die  sternklaren  Nächte  grosse  Ab- 
kühlung und  tiefes  Sinken  der  Thermometer  brachten.  Die  kälteste  Nacht  war 
am  Ufer  des  Flusses  selbst  vom  21./22.  Oktober  mit  —  17®  C;  am  Chali-tsche- 
Flusse  auf  dem  Rückwege  sank  die  Temperatur  in  der  Nacht  vom  22/23.  Oktober 
auf —  14®  C.  und  hielt  sich  in  den  meisten  Nächten  um  —  10®  C.  Andererseits 
wärmte  die  Sonne  an  den  meist  klaren  Tagen  so  bedeutend,  dass  Maximal- 
temperaturen der  Luft  um  die  Mittagszeit  im  Schatten  bis  zu  -f  17,5'*  C.  ent- 
standen, und  zwar  auch  am  Hoang-ho  selbst  am  20.  Oktober.  Aehnlich  hohe 
Tagestemperatur  mit  +  16,0^  C.  hatte  der  24.  Oktober  in  dem  Steppenthälchen 
bei    dem  Berge    mit    dem  Obo   bei  Lager  A.     In  der  Mehrzahl  der  Tage  vom 

Flitterer,  Durch  Asien.  25 


l6.— 25-  Oktober  hielt  sich  die  höchste  Tageslufttemperatur  in  den  Grenzen 
von  +  10°  C.  bis  +  'S"  C.,  einer  zum  Reiten  sehr  angenehmen  Temperatur; 
nur  ein  Mal,  am  17.  Oktober,  an  welchem  Tage  gerade  um  die  Mittagszeit  ein 
kalter  Sturm  aus  Nordwesten  leichten  Schneefall  brachte,  erhob  sich  die  Luft- 
Temperatur  zwischen   12''  und  2^  nicht  über  +  i*  C. 

Mehrfach  waren  des  Morgens  nach  kalten  Nächten  in  den  Flussniedeningen 
dichte  Nebel,  die  aber   mit    dem  Höhersteigen  der  Sonne  bald  wieder  wichen; 


Berittene  Taog'uteD  nm  ^roeBen  Sche-tiche-Fluaie. 

das  war  so  am  Wlamt-su- Flusse,  während  am  Hoang-ho  selbst  an  beiden  Motten 
des  20.  und  2i.  Oktober  die  Luft  schön  klar  war  und  nur  am  zweiten  Tage 
Cum ulus- Wolken  von  Nordwest  auftauchten. 

Eine  auch  hier  ganz  regelmässig  sich  einstellende  Erscheinung  war  das  Ein- 
treten starker  oder  mittelstarker  Winde  aus  westlichen,  mitunter  auch  südwest- 
hchen  Richtungen  um  die  Mittagszeit,  die  meist  bis  gegen  den  Abend  anhielten; 
des  öfteren  aber  auch  in  der  Nacht  noch  stark  wehten.  Der  Himmel  verfinsterte 
sich,  wenn  der  Wind  eine  Zeit  lang  geweht  hatte  und  sah  regen-,  schnee-  oder 
gewitterdrohend  aus;  häufig  klarte  er  sich  aber  wieder,  und  abends  funkelten 
die  Sterne.  Am  17.  Oktober  dagegen  brachte  der  Wind  Wolken  und  Schnee 
aus  SSW.  von  11'' — 3''  und  am  19.  Oktober  abends  6^  noch  leichten  Regen 
aus  derselben  Richtung;  am  21.  Oktober  kam  am  Chali-tsche-Flusse  sogar  ein 
Gewitter  mit  Blitz  und  Donner  um  5 ''  30  "■'■■  abends,  dem  ein  Schneegestöber 
folgte.     Ein  stärkerer  Schneesturm  begleitete  uns  von  4 — 6  Uhr  am  24.  Oktober 


-     387     - 

zum  Lager  am  Sche-tsche-Fluss  zurück  und  bis  abends  lO*"  dauerte  der  scharfe, 
kalte  Wind  an.  Der  Schnee  blieb  vorübergehend  liegen,  musste  aber  den 
Strahlen  der  Sonne  am  folgenden  Tage  überall,  selbst  auf  den  höheren  Bergen, 
den  SarüDangerÖ  natürlich  ausgenommen,  weichen,  und  abends  war  kaum  mehr 
Schnee  zu  sehen,  selbst  wenn  er  am  Morgen  über  i  cm  hoch  gelegen  hatte. 
Infolge  dieser  günstigen  Witterungsverhältnisse  gelang  es  der  Exkursion,  alle 
ihre  Ziele  zu  erreichen.  Gegen  die  kalten  Nächte  vermochte  man  sich  zu  schützen, 
wenn  nur  am  Tage  der  Himmel  günstig  war. 

Mit  einheimischen  Führern,  die  von  ihren  Häuptlingen  beauftragt  sind,  den 
Reisenden  zu  geleiten,  kann  man  hier  ungefährdet  überall  hingelangen,  obwohl 


Kalk-Gcbirgc  der  sUillicheD  Thnlieitc  des  Wlamt-su-FIuBses  zwischen  Lnjrer  A4  und  A  5. 
Nach  SUden  BeaeUen. 

Tanguten  wie  andere  Tibetaner  sich  schon  vielfach  feindselig  und  sogar  ag^essiv 
gegen  de  fremden  Eindringlinge  verhalten.  Der  Einfluss  der  Stammeshäupter, 
deren  Gunst  man  sich  durch  passende  Geschenke  erwirbt,  bewirkt,  dass  man 
selbst  durch  dicht  bevölkertes  Gebiet  unbelästigt  ziehen  kann  und  oft  sogar  an 
den  Lagerplätzen  ein  freundlicher  Verkehr  mit  den  gefürchteten  Tanguten  ent- 
steht. Allerdings  sind  sie  räuberisch  und  zu  Gewaltthaten  aufgelegt,  wo  sie 
sich  in  der  Uebermacht  glauben  oder  keine  Ahndung  fürchten.  Wenn  sie  ins 
Lager  zu  Besuch  kommen  und  ihrer  viele  herumstehen,  i,st  ein  wachsames  Auge 
nötig,  sollen  nicht  herumliegende  Gegenstände  verschwinden.  Alles  findet  Gnade 
vor  ihren  Augen,  selbst  Watte  oder  Papierabfalle  eignen  sie  sich  begierig  an. 
Glauben  sie  sich  unbeachtet,  so  versuchen  sie  wohl  auch,  einige  der  in  der 
Umgebung  des  Lagers  weidenden  Pferde  oder  Yaks  wegzutreiben,  was  ihnen 
an  unserm  Lager  am  grossen  Sche-tsche-Flusse  während  der  Abwesenheit  von 
vier  Mitgliedern  der  Expedition  auch  gelang.  Um  die  Insassen  des  Zeltes  und 
besonders  die  furchtsamen  Chinesen  zu  ängstigen,  wurde  in  mehreren  Nächten 
während    der    Hoang-ho-Exkursion    das    Lager    am    grossen    Sche-tsche-Flusse 


-     3«8     - 

beschossen  und  sonst  Beunruhigung  hervorgebracht.  Mit  der  Rückkehr  der 
Hoang-ho-Expedition  hörte  das  aber  auf,  und  als  einmal  am  Tage  versucht 
wurde,  Yaks  und  Pferde  wegzutreiben,  genügte  eine  kurze  Verfolgung,  um  die 
Räuber  zu  verjagen. 

Die  Chinesen  leben  in  beständiger  Furcht  vor  den  Fan-tz^  und  Ta-tzö, 
wie  bei  ihnen  Tibetaner  (Tanguten)  und  Mongolen  heissen.  So  stürzten  auf 
der  Mittagsstation  am  zweiten  Tage  unserer  Exkursion  zum  Hoang-ho  plötzlich 
die  beiden  uns  begleitenden  Chinesen  zum  Zelte  und  schrieen  nach  Waffen  mit 
dem  Angstrufe  »Fan-tzö,  Fan-tzöl«  Es  kamen  in  der  That  eine  grössere 
Anzahl  dieser  gefürchteten  Gestalten,  bewaffnet  wie  immer,  das  Thal  herauf 
auf  uns  zugeritten;  es  stellte  sich  aber  bald  heraus,  dass  sie  einfach  denselben 
Weg  hatten  wie  wir,  und  sie  ritten  vorbei  ohne  die  geringsten  feindseligen 
Absichten  zu  bekunden.  Dem  Chinesen  ist  einmal  die  Furcht  vor  den  Nomaden 
Tibets  von  Jugend  auf  eingeprägt  und  nichts  vermag  ihn  davon  abzubringen. 
Daher  ist  es  auch  gar  nicht  leicht,  Leute  zu  finden,  die  bereit  sind,  sich  (lir  eine 
Reise  nach  Tibet  anwerben  zu  lassen.  Diese  ängstlichen  Gemüter  schreckte 
schon  das  nächtliche  Geheul  der  Wölfe  und  sie  ruhten  am  Wlamt-su-Flussc 
nicht  eher,  als  bis  die  Revolver  abgefeuert  wurden,  um  die  Wölfe,  die  übrigens 
gar  nicht  in  der  nächsten  Nähe  waren,  zu  verscheuchen. 

Schlimmer  als  die  bisher  erwähnten  Uebelthaten  der  Fan-tz6  war  ein 
anderer  Vorfall,  der  sich  im  Lager  am  grossen  Sche-tsche-Flusse  während  der 
Hoang-ho-Expedition  ereignete,  und  der  sich  als  ein  von  Lamas  angestellter 
Vergiftungsversuch  erwies. 

Eines  Tages  kamen  zwei  Lamas  ins  Lager  und  brachten  Milch  und  Mist, 
die  sie  zum  Verkauf  anboten.  Als  der  Kauf  abgelehnt  wurde,  weil  unser 
Diener  und  Präparator  Bock  gleich  Verdacht  schöpfte,  gössen  sie  die  Milch  in 
einen  Kessel,  der  am  Feuer  stand,  warfen  den  Mist  zu  dem  übrigen  dort 
liegenden  Brennmaterial  und  entfernten  sich.  Es  wurde  aber  beobachtet,  dass 
sie  sich  noch  über  eine  Stunde  in  der  Nähe  herumtrieben  und  auf  die  Vor- 
gänge im  Lager  achteten.  Das  bestärkte  Bock  in  dem  gehegten  Verdacht  und 
er  gab  die  Milch  einem  herrenlos  sich  herumtreibenden  Hunde  zu  geniessen, 
der  fünf  Minuten  später  verendete.  Glücklicherweise  kommen  solche  Fälle  nicht 
häufiger  vor,  und  als  dem  Fürsten  Mitteilung  von  den  Diebstählen  gemacht 
wurde,  sorgte  er  dafür,  dass  wir  das  Geraubte  zurück  erhielten  und  stellte  sogar 
für  einen  Yak,  der  nicht  aufzutreiben  war,  Ersatz;  eine  hier  fürwahr  ganz  un- 
erwartete Grossmut  und  Noblesse. 

Während  der  beiden  letzten  Tage  am  grossen  Sche-tsche-Flusse  nach  unserer 
Rückkehr  vom  Hoang-ho,  bot  sich  ein  eigenartiges,  reizvolles  Bild:  der  Umzug 
und  das  Wandern  von  Hunderten  von  Familien  der  Nomaden  mit  Sack  und 
Pack,  Hausgerät  und  Jurten,  Kindern,  Frauen  und  Herden.  In  einzelnen  Gruppen 
kamen  sie  aus  den  Thälern  des  Nordens  über  den  Fluss  gezogen,  alle  an  der- 
selben Stelle,   da  der  grosse  Fluss   in   dieser  Gegend   nur    die    eine    Furt    7M 


--H 


-     3«9     - 

besitzen  scheint.  So  weit  man  die  breiten  Flussniederungen  und  Thalflächen 
übersehen  konnte,  war  alles  schwarz  von  den  wandernden  Scharen,  und  ihren 
Yakherden,  während  die  Schafherden  sich  hell  von  dem  braunen  Ton  der  Steppe 
abzeichneten.  Der  Marsch  geht  rasch;  die  mit  den  zusammengelegten  Jurten 
beladenen  Yaks,  Pferde  mit  den  in  Lederballen  und  Kisten  verpackten  Wirt- 
schaftsgeräten und  Vorräten  eilen  vorbei;  die  Frauen  nach  Männerart  zu  Pferde 
sitzend,  sehen  in  ihren  rotbesetzten  Pelzmänteln  und  weissen  Pelzmützen  mit 
farbigem,  hoch  aufragendem  Tucheinsatze  und  den  messingglänzenden,  wie 
Schärpen  zur  Seite  des  Pferdes  herabhängenden  Rückengehängen  beinahe  kokett 
aus.  Meist  begleiten  die  Männer  eifersüchtig  ihre  Frauen,  wenn  diese  zu  nahe 
an  das  fremde  Lager  hcranreiten.  Die  kleinen  Kinder,  die  noch  nicht  zu  reiten 
verstehen,  werden  von  Vater  oder  Mutter  vorn  in  den  Bausch  des  Pelzmantels 
gesteckt,  grössere  werden  vorn  oder  hinten  aufs  Pferd  oder  den  Yak  gesetzt. 
Nicht  selten  hat  eine  Mutter  das  kleinste  Kind  im  Pelzmantel,  ein  zweites  vor 
sich  und  ein  drittes  hinter  sich  auf  dem  Reittiere.  Zahlreiche  schöne,  aber 
bissige  Hunde  begleiten  die  einzelnen  Horden,  die  familienweise  zusammenhalten. 
Die  Bewohner  einer  ganzen,  weiten  Landschaft  befanden  sich  gleichzeitig 
in  Bewegung,  und  wenn  sie  auch  nicht  weit  zogen,  so  wirkte  doch  die  Menge, 
die  an  einem  Tage  auf  über  500  Menschen  mit  der  zehnfachen  Zahl  von  Haus- 
und Herdentieren  geschätzt  werden  kann,  wie  eine  kleine  Völkerwanderung. 
Viel  anders  werden  sich  die  Hunnen  auch  nicht  fortbewegt  haben,  nur  dass 
sie  dabei  sengten,  brannten,  mordeten  und  plünderten.  Das  aber  würden  diese 
Leute  im  Kriegsfalle  genau  ebenso  machen,  und  bewaffnet  sind  die  Jünglinge 
und  Männer  stets,  sei  es  mit  Gabelgewehr,  langer  Lanze  oder  nur  mit  dem  ein- 
fachen Handschwerte. 

Drei  Tage  lang  am  Ende  des  Oktobers  konnten  wir  den  Zug,  zuletzt  in 
etwas  abnehmender  Stärke,  am  Flusse  beobachten;  dann  mussten  auch  wir 
unsern  Weg  in  südöstlicher  Richtung  zu  dem  noch  fernen  Ziele  fortsetzen. 
Dabei  stand  der  tibetanische  Winter  vor  der  Thür  mit  seinen  Härten  in  der 
Höhe  von  3000 — 4000  m,  in  der  wir  uns  noch  wochenlang  zu  bewegen  hatten. 
Während  der  nächsten  Tage  vom  grossen  Sche-tsche-Flusse  ab  ging  es  in  südöst- 
licher Richtung  weiter,  in  monotonem,  aus  Hügeln  der  Quelae-Formation  gebil- 
detem Lande,  dessen  Wasserläufe  noch  jenem  Flusse  zugehören.  Gegen  Süden 
sieht  man  im  Hintergrunde  höhere,  langgezogene  Bergrücken  mit  einzelnen 
Kalkklippen  im  Hintergrunde  der  Thaleinschnitte.  Das  Flussthal  des  Schtiamer- 
nuri,  eines  linken  Nebenflusses  des  grossen  Sche-tsche,  war  stark  mit  Jurten  besetzt, 
deren  vier  Kreise  mit  zusammen  über  80  Jurten  zu  zählen  waren.  Der  einfache, 
wellige  Charakter  der  Hügel  und  breiten  Thäler  bleibt  auch  derselbe,  wenn 
man  über  niedere  Pässe  in  das  grosse  Thal  des  ebenfalls  noch  zum  grossen 
Sche-tsche-Fluss    gehörenden    Star-dung-tsche-Flusses    gelangt   ist. 

Ein  auf  einem  weithin  sichtbaren  Berge  errichtetes  Obo  fallt  besonders 
durch  seine  Grösse  und  die  Menge  der  dabei  befindlichen  Wimpel  und  Fähnchen 


-     39°      - 

auf.  Die  untenstehende  Abbildung  zeigt  auf  einem  Steinuntersatz  eine  grosse  aus 
Stäben,  Rutenbündeln  und  Reisig  zusammengebundene  und  befestigte  Pyramide. 
Von  diesem  Hauptmonument  laufen  über  Stäben  eine  Anzahl  Stricke  auf  dem 
Berggipfel  hin,  die  vollständig  mit  Schaf wolleflöck eben  besetzt  sind.  Von  den 
Spitzen  der  Stangen  laufen  nach  allen  Seiten  Seile  herunter,  welche  zahlreiche 
weisse  Tuchlappen,  seltener  rote  oder  blaue,  mit  ausgeschnittenen  Zipfeln 
tragen.  Etwa  20  m  vom  Hauptdenkmal,  so  weit  die  Schnüre  reichen,  steht  noch 
ein  besonderer,  isolierter  Mast,  dessen  Seitenstricke  ebenlalls  mit  vielen  weissen 
Fähnchen  geschmückt  sind. 

Vom  linken  Ufer  des  Star-dung-tsche-Flusses,  an  dem  der  Weg  in  südöst- 
licher Richtung  hinauffuhrt,  hat  man  einen  schönen  Bhck  auf  eine  in  mittlerer 


Obo  iu  der  Nähe  des  Siar-duDg-tsclie-Fluasea  zwischen  Lager  XXXVlll  und  XXXIX. 

Kammhöhe  etwa  300  m  hohe  Gebirgskette,  die  annähernd  der  Richtung  des 
Thaies  parallel  geht  Das  Gebirge  heisst  Walru-Gebirge  und  zeigt  Steppengras- 
bedeckung bis  zu  seinen  höchsten  Gipfeln.  Stärkere  Felsbildungen  fehlen  an 
der  Oberfläche.  Eine  Skizze  ist  als  Profil  No.  4  der  Profiltafel  XLU  und  auf 
Tafel  XXX  wiedergegeben.  Die  etwa  2  km  breite  Thalfläche  des  Flusses  zieht 
sich  allmähHch  gegen  denBei^fuss  hinan,  von  dem  zahlreiche  Thälchen  mit  sanft 
geformten  Abhängen  herabkommen.  Nur  wenige  Gipfel  ragen  etwas  über  die 
allgemeine  mittlere  Höhe  hinaus  und  auch  diese  tragen  in  dieser  Jahreszeit,  der 
zweiten  Hälfte  des  Oktober,  sehr  wenig  Schnee.  Von  Süden  kommende  Tbälchcn 
zeigen  wiederholt  Ausblicke  auf  hohe  Gebirgsketten  in  ostwestlichen  Streich- 
richtungen mit  Felsklippen,  welche  offenbar  dem  dort  dahinter  liegenden  Thal 
des  Hoang-ho  parallel  laufen.  Die  Wasserscheide  zwischen  dem  Star-dung-tsche 
und  dem  nach  Südost  sich  wendenden  Ulan-ser-tsche  Hegt  in  etwa  3600  m  Meeres- 


—     391     — 

höhe  als  ein  ganz  flacher  Hügelrücken  aus  Schichten  der  Quetac-Formation, 
deren  Hügel  sich  im  Gebiete  der  Wasserscheide  und  weiter  abwärts  im  Thale 
des  Ulan-ser-tsche  zwischen  den  Weg  und  das  Walru-Gebirge  einschieben,  ohne 
jedoch    die  Aussicht  auf  dasselbe  zu  verdecken. 

Diese  breite  Steppenfläche  in  der  weiten  Thaldepression  im  Süd- 
westen des  Walru-Gebirges  hat  eine  grosse  Bedeutung.  Der  Star-dung-tsche-Fluss 
gehört  noch  zum  Flussgebiete  des  grossen  Sche-tsche-Flusses  und  somit  zu  den 
nach  Westen  hin  den  oberen  Hoang-ho  erreichenden  Flüssen.  Der  Ulan-ser-tsche 
aber,  dessen  oberes  flaches  Steppenthal  wir  nun  betreten,  vertieft  sich  alsbald 
unterhalb  des  Lagerplatzes  XLI  in  enger  Thalschlucht  in  das  Gebirgsland,  das 
der  von  Westen  kommende  grössere  Lö-tsche-Fluss,  der  auch  jenen  aufnimmt, 
in  nordöstlicher  und  östlicher  Richtung  durchbricht,  um  gegen  das  Kloster 
La-brang  hin  zum  Ta-hia-Flusse  zu  fliessen  und  mit  diesem  erst  unterhalb  der 
Stadt  Ho  in  den  Hoang-ho  oberhalb  von  Lan-tschou  einzumünden.  Das  Quell- 
gebiet dieser  nach  Osten  und  Nordosten  den  Hoang-ho  erreichenden  Flüsse 
nördlich  vom  Thao-ho  liegt  sehr  nahe  am  oberen  Laufe  des  Hoang-ho  selbst. 

Wahrscheinlich  ist  die  schon  öfter  erwähnte  hohe  Kalkkette  die  Trägerin 
der  Wasserscheide;  auf  ihrer  Südseite  fliesst  der  Hoang-ho  selbst;  auf  ihrer 
Nordseite  entspringt  der  Lö-tsche-Fluss  in  ganz  geringer  Entfernung  vom  oberen 
Hoang-ho,  den  sein  Wasser  aber  erst  in  dem  mittleren  Laufe  bei  Lan-tschou 
erreicht.  Das  Kalkgebirge  (Dschawrek-Gebirge)  setzt  im  Min-schan  nach  Osten 
fort  und  hat  hier  ebenfalls  hohe  Bedeutung  als  Wasserscheide  zwischen  dem  Fluss- 
gebiete des  Thao-ho  und  dem  nach  Süden  nach  Sung-p'an  thing  und  Hau-ning 
gehenden  Flusse,  also  zwischen  den  gewaltigen  Flusssystemen  des  Hoang-ho  auf 
der  Nordseite  und  dem  Yang-tz8-kiang  nach  Süden. 

Das  Panorama  auf  Tafel  XXX  giebt  eine  Ansicht  des  ganz  aus  Schiefern  und 
Sandsteinen  bestehenden  Walru-Gebirges,  das  auf  der  jenseits  der  Wasserscheide 
wieder  absteigenden  Seite  längs  des  oberen  Ulan-ser-tsche  weiter  vom  Thal  zu- 
rücktritt, in  das  sich  die  Hügel  der  Quetae-Formation  eingliedern.  Eine  Reihe 
von  kleinen  Thälchen  kommt  auch  hier  in  südlicher  Richtung  von  seinen  Ab- 
hängen und  aus  den  einfachen,  geradlinigen  Thälern  herab  und  der  Ulan-ser-tsche- 
Fluss  ist  schon  einen  Tagemarsch  unterhalb  seines  Quellgebietes  auf  der  Wasser- 
scheide ein  recht  stattlicher  F*luss.  Die  Quetae-Schichten,  welche  Berge  bis  zu 
150  m  Höhe  zusammensetzen,  liegen  nicht  horizontal,  sondern  haben  leichte 
Einfallswinkel  nach  Norden  (15^)  bei  westnordwestlicher  Streichrichtung,  ohne 
aber  gefaltet  zu  sein;  es  sind  nur  lokale,  untergeordnete,  tektonische  Störungen, 
welche  sie  an  Verwerfungen  in  geringem  Grade  aus  ihrer  horizontalen  Lage 
brachten.  Da,  wo  das  Walru-Gebirge  in  östlicher  Richtung  von  dem  südöstlich 
verlaufenden  Flusse  zurücktritt,  sind  an  diesem  beiderseits  nur  Sandsteine  und 
Schiefer  an  der  Zusammensetzung  der  bis  300  m  hohen  Berge  beteiligt;  aber 
die  Quetae-Formation  zieht  sich  mit  stark  abnehmender  Höhe  ihrer  Hügel  am 
Fusse  des  Walru-Gebirges  in  den  Thälern  ebenfalls  nach  Osten,  und  wir  werden 


dort  noch  Resten  ihrer  Ablagerungen  begegnen.  Ueberhaupt  ist  hier  diese 
Formation  nur  längs  der  Thäler,  z.  B.  auch  noch  weiter  unten  am  Ulan-ser-tsche, 
auch  in  etwas  geneigter  Schichtstellung  zu  finden;  das  beweist,  dass  sie  in  schon 
vor  ihrer  Bildung  vorhandenen,  weiten  Thalbecken  und  Bassins  des  alten  Sand- 
stein-Schiefergebirges, an  dessen  intensiver,  alter  Faltung  sie  durchaus  keinen 
Anteil  hat,  abgelagert  wurde.  Es  sind  somit  hier  genau  dieselben  Verhältnisse, 
die  wir  beim  ersten  Ausflug  zum  Hoang-ho  kennen  gelernt  und  auf  Seite  369  ff. 
des  ausführlicheren  erörtert  haben.  Wo  sich  Nebenthälchen  weit  genug  von 
Süden  her  (5 — 6  km)  zum  Ulan-ser-tsche  ergiessen,  sieht  man  in  deren  Hinter- 
grunde, ganz  in  Uebereinstimmung  mit  jenen  Verhältnissen  am  Hoang-ho, 
höhere,  in  Westnordwest  verlaufende  Gebirgsrücken  mit  vielfach  unterbrochenen 
Felsgräten  und  Klippenzonen.  Im  Gerolle  dieser  Flüsschen  finden  sich  denn 
auch  die  Gerolle  des  weissen  und  blauen,  splittrigen  Kalkes,  die  den  Flüsschen 
von  Norden  aus  dem  Walru-Gebirge  gänzlich  fehlen. 

Die  Wegrichtung  liegt  hier  im  allgemeinen  in  der  Richtung  des  Streichens 
der  geologischen  Formationen.  Sie  läuft  parallel  zu  jenem  wilderen  und  nicht 
überall  passierbaren  Kalkgebirge  und  dem  jenseits  desselben  liegenden  Laufe 
des  Hoang-ho,  der  von  jedem  Punkte  aus  in  zwei  bis  drei  Tagen  zu  erreichen  ist, 
im  Sandstein-Schiefergebiete,  das  mit  seinen  niederen,  breiten  Wasserscheiden 
und  Pässen,  den  weiten  Steppenthälern  und  den  geringen  Gefällen  in  den 
Thälern  überall  die  Bedingungen  für  leichten  Verkehr  der  Karawanen  und  ge- 
eignete Plätze  für  die  Siedelung  selbst  grösserer  Bevölkerungsmengen  mit  ihren 
Herden  c^arbietet.  So  trafen  wir  an  einem  kleinen  Nebenfluss  des  unteren  Uian- 
sertsche  wieder  einen  kleinen  Fürsten  und  in  der  Umgebung  seines  20  Jurten  starken 
Lagers  noch  viele  Ansiedelungen.  Hier  wurde  uns  gesagt,  dass  es  bis  zum  Hoang-ho 
in  südlicher  Richtung  durch  das  Gebirge  zwei  Tagereisen  zu  Pferde  weit  sei, 
und  dass  dort  am  Flusse,  wie  auch  unterwegs,  keine  Ansiedelungen  zu  finden 
seien;  andererseits  trafen  wir  auf  dem  weiteren,  östlich  führenden  Wege  längs 
des  Südfusses  des  Walru- Gebirges  in  den  Thälern  der  Schiefer-Sandstein- 
Formation  und  zwischen  den  niederen  Hügeln  der  Quetae-Bildungen  überall 
Nomadenlager  in  grosser  Zahl. 

Wir  zogen  am  Ulan-ser-tsche  weiter  nach  Süden,  um  jenen  kleinen  Häupt- 
ling aufzusuchen  und  neue  Führer  zu  erhalten;  dann  mussten  wir  wieder  einen 
halben  Tagemarsch  an  diesem  Flusse  hinaufgehen,  bis  wir  das  am  Südfusse  des 
Walru-Gebirges  von  Osten  kommende  Längsthal  erreichten  und  diesem  nach 
Osten  folgen  konnten.  Der  Ulan-ser-tsche  selbst  geht  in  Büdsüdöstlicher  Rich- 
tung weiter  und  sucht  seinen  Lauf  durch  das  höhere,  felsige  Gebirge  zum  Lö- 
tsche-Fluss  und  Ta-hia-ho  in  noch  nicht  näher  bekanntem  Querthale.  Wie  wir 
erfuhren,  ist  es  nicht  möglich,  ihm  mit  einer  Yak-Karawane  zu  folgen,  jedoch 
sei  ein  schlechter  Pfad  mit  Pferden  dem  Flusse  entlang  passierbar. 

Der  Ort,  an  welchem  wir  den  Fürsten  antrafen,  in  einem  kleinen,  von  Süden 
kommenden  Seitenthälchen  des  Ulan-ser-tsche,  heisst  Datsen-zasek.     Der  Lao-y^ 


Walru-Qebirge  in  Nordost-Tibet  und  Steppentlul' 

Nach  M 


TAFEL  XXX. 


Ulan-ser-Flusses,  zwischen  Lager  XXXIX  und  XL, 


—     393     — 

oder  Herr,  wie  ihn  unsere  Chinesen  benannten,  bewohnte  eine  grosse, 
weisse,  runde  Jurte.  Er  selbst  sass  bei  unserm  Besuche  hinter  der  Feuerstelle 
auf  einem  Filzläufer  und  lud  uns  ein,  neben  ihm  niederzusitzen,  worauf  die 
übliche  Tsam-ba  in  hölzernen  Schalen  gereicht  wurde.  Die  ihm  als  Geschenk 
bestimmte  Spieldose  wurde  von  unserm  Dolmetscher  überreicht  und  schien  ihm 
sichtlich  Freude  zu  machen.  Unsere  in  tibetanischer  und  mongolischer  Sprache 
abgefassten  Empfehlungsschreiben  und  Pässe  wurden  ihm  vorgelegt,  er  beachtete 
sie  aber  kaum,  da  er  wohl  des  Lesens  unkundig  war.  Erst  ein  Lama,  der 
hinzu  kam,  unterwarf  sie  einer  genauen  Durchsicht  und  erstattete  dann  dem 
Herrn  Bericht.    Derselbe  muss  wohl  günstig  gewesen  sein,  denn  der  Fürst  sagte 


Sleppenthal  des  TschUnere-tschcaak-Vluwes  bei  Lii»er  XX>k>ül]. 

uns  bereitwillig  Führer  zu  bis  zu  einem  andern  kleinen  Fürsten,  der  allerdings 
nur  zwei  Tagereisen  entfernt  wohnte,  und  gab  uns  anstatt  der  erbetenen  zwei 
Führer  fünf  Leute  mit. 

Der  Lao-yü  selbst  war  ein  intelligent  aussehender  Mann  mittleren  Alters  mit 
völlig  bartlosem  Gesicht;  er  schien  aber  wenig  energisch,  und  sein  Hauslama, 
der  einen  sehr  bestimmten,  unsympathischen  Gesichtsausdruck  hatte,  schien  hier 
das  Heft  in  Händen  zu  haben.  Die  innere  Einrichtung  der  Jurte  war  sehr  ein- 
fach, sie  bestand  aus  den  übhchen  Wirtschaftsgeräten,  und  in  Säcken  und  Ballen 
an  den  Filzwänden  aufgestapelten  Vorräten.  Zwei  Holzgestelle,  eines  davon 
mit  zwei  Schubladen,  offenbar  chinesischen  Ursprunges,  mit  einigen  Porzellan- 
tassen und  andern  Kleinigkeiten  vervollständigten  die  Einrichtung.  Auf  dem 
andern  Gestelle  standen  in  Reihen  über  einander  quadratische,  grosse  Leder- 
kisten. Grösseren  Reichtum  verrieten  zwei  Frauen;  eine  davon  war  jung  und  von 
grosser  Schönheit,  und  beide  trugen  besonders  grosse  und  kostbare  Ohrringe 
und  Rückengehänge.    An  den  Ohrringen  waren  die  Korallen  in  breite,  vertiefte, 


~     394     - 

silberne  Scheiben  gefasst,  ausserdem  standen  sie  durch  Koratlenschnüre  mit  den 
Zöpfchen  in  Verbindung.  Am  Riickengehänge  war  ein  schmales  Mittelstück 
mit  Messingknöpfen  versehen,  während  die  beiden  breiteren  Seitenteile  auf 
rotem  Grunde  kunstvolle  Stickereien  aus  Messingdraht  trugen.  Die  einfachen 
Muster  dieser  Stickereien  sind  auf  der  Abbildung  No.  i  auf  Tafel  XXVI  nur  ganz 
schematisch  wiedergegeben,  da  sich  ein  genaues  Abzeichnen  verbot.  Die  Band- 
stücke zwischen  den  Stickereien  waren  schwarz  und  das  Ganze  harmonierte 
schön  mit  den  zahlreichen,  rabenschwarzen  HaarzÖpfchen,  dem  dunkeln  Leibrock 
und  der  braunen,  ungewaschenen  Hautfarbe  des  Gesichts,  des  Halses  und  der 
entblössten  Schultern.  Die  beiden  Frauen  bereiteten  den  Thee,  hielten  sich  aber 
meist  scheu  im  Hintei^runde  und  verdeckten  das  Gesicht  vor  den  Fremden 
mit  den  Händen. 


Kalk-Gebirgre  (ütchawrek- Gebirge),  sUdUch  vom  Lat^er  XXXXJI. 
Nach  Süden  geßen  den  Hoang-ho  hin  gesehen. 

Die  Bevölkerung  machte  einen  recht  ärmlichen  Eindruck,  erwies  sich  auch 
später  als  Gesindel.  Nur  wenige  der  Zelte  hatten  hölzerne  Thüren;  meist  ritten 
die  Männer  auf  Yaks,  Pferde  waren  seltener  und  auch  die  langen  Gabelgewehre 
sah  man  nur  wenig;  die  Handschwerter  waren  einfach,  und  Schmuck  wurde  wenig 
getragen.  Einige  andere  Tibetaner,  welche  von  ausserhalb  zum  Besuch  beim 
Fürsten  gekommen  waren,  offenbar  Aelteste  von  Stämmen,  sahen  besser  aus; 
alle  waren  gut  bewaffnet  und  trugen  schöne,  mit  Farben  besetzte  Mäntel  und 
stattliche  Pelzmützen  aus  hellbraunem  Fuchsfell.  Sie  lagerten  trotz  der  kalten 
Nächte  ohne  Zelte  dicht  bei  unserm  Lager  und  beunruhigten  uns  durch  ihre 
Nähe,  da  wir  ihnen  nichts  Gutes  zutrauten.  Dass  Vorsicht  geboten  war,  erwies 
sich  als  begründet,  denn  unsere  Führer  stahlen  wie  die  Raben.  Zwei  grosse 
schöne  Hämmer,  unentbehrlich  beim  Aufschlagen  der  Zelte,  fielen  ihnen  zum 
Opfer,  und  noch  spät  abends  sah  man  sie  in  der  Dunkelheit  die  Zelte  um- 
schleichen. 

Von  einem  der  Berge  bei  Dat^en-zasek,  den  ich  bestieg,  hatte  man  aus 
etwa  200  m  Höhe  über  dem  Thale  einen  sehr  schönen  Blick  nach  Süden  auf 
ein  felsiges  Gebirge,  das  sich  hier  besonders  wirkungsvoll  aus  dem  Thalgrunde 


—     395     — 

mit  seiner  Steppengrasdecke  und  seinen  gerundeten,  weichen  P'ormen  abhebt. 
Diese  Gruppe  ist  in  der  obenstehenden  Textfigur  wiedergegeben  und  kann  als 
Typus  für  den  Landschaftscharakter  am  rechten  Hoang-ho-Ufer  gelten.  Ins- 
besondere ist  das  plötzliche  Absetzen  der  jähen  Felsengruppen  und  der  Ueber- 
gang  in  hohe,  gerundete  Bergrücken,  wie  er  hier  an  der  Westseite  sichtbar  ist, 
charakteristisch.  Leider  führte  der  Weg  nicht  nach  Süden  nach  dieser  jedenfalls 
auch  geologisch  interessanten  Gebirgsgruppe;  wir  mussten  von  Datsen-zasek 
zurück  zum  Ulan-ser-tsche  und  an  dessen  östlichem  Nebenflüsschen  im  gleich- 
förmigen Sandstein-  und  Schiefergebiete  nach  Osten  weiter. 

Man  überschreitet  zwischen  niederen  Schieferhügeln,  über  die  von  Norden 
die  höheren  Gipfel  des  östlichen  Teiles  des  Walru-Gebirges  herübersehen,  einen 
breiten  Pass  von  3630  m  Höhe,  zwischen  dem  Seitenthale  des  Ulan-ser-tsche  und 
dem  ebenfalls  in  vorwiegend  östlicher  Richtung  gehenden  Thale  des  Tschünere- 
tschenak-tsche,  dessem  Laufe  wir  fast  zwei  Tage  lang  zu  folgen  hatten.  Der 
Thalcharakter  ist  auf  der  Ostseite  des  Passes  derselbe  wie  im  Thal  des  Ulan- 
ser-tsche-Flusses.  Die  östlichen  Ausläufer  des  Walru-Gebirges  und  die  bis  150  m 
und  weiter  thalabwärts  bis  200  m  hohen  Berge  auf  der  Südseite  des  Thaies  haben 
dieselben  einfachen,  gerundeten  Formen  und  sind  bis  auf  die  Gipfel  mit  Steppen- 
gras bewachsen;  die  Quetae-Formation  kommt  im  oberen  Teil  des  Thaies  nur  in 
geringer  Verbreitung  an  den  Einmündungsstellen  von  Nebenthälchen  der  linken 
Thalseite  vor  und  ist  zu  geringfügig,  um  als  formgebendes  Element  hier  schon 
eine  Rolle  zu  spielen,  was  allerdings  einen  Tagemarsch  weiter  unten  im  Thale, 
ehe  der  Fluss  in  das  höhere  Sandstein-Schiefer-Gebirge  gegen  den  Hoang-ho 
hin  eintritt,  der  Fall  ist. 

In  dem  breiten  Steppenthaie  des  Tschünere-tschenak  sind  im  mittleren  und 
unteren  Teile  des  Thaies  zahlreiche  Zeltlager  angesiedelt.  Es  waren  ihrer  in  mehreren 
Kreisen  im  Hauptthal  und  besonders  den  Eingängen  der  nördlichen  Nebenthälchen 
während  eines  halben  Tagemarsches  iio  Stück  zu  zählen.  Auf  der  rechten  Thal- 
seite ganz  unten,  wo  der  Fluss  eine  mehr  südliche  Richtung  einschlägt,  ist  wieder 
ein  200  m  hoher  Berg  mit  Steinzeichen  und  Stangen  versehen.  Das  Obo  ist  aber 
viel  einfacher  als  die  früher  beschriebenen  und  besteht  im  wesentlichen  ausser 
den  Stangen  nur  aus  zwei  spitzen  Steinrypamiden.  Gegenüber,  am  Eingang 
zu  einem  von  Osten  herabkommenden  Nebenthälchen,  standen  wiederum 
20  Jurten,  und  im  nach  Süden  nächstfolgenden  Thälchen  deren  24,  ein  Beweis, 
wie  volkreich  das  Gebiet  hier  ist.  Einige  Kilometer  weiter  liegt  der  Wohnplatz 
eines  kleinen  Fürsten,  zu  dem  unsere  Führer  uns  geleiteten,  mit  ebenfalls 
mehreren  Jurtenkreisen  von  zusammen  44  Jurten. 

Während  des  Marsches  das  Thal  des  Tschünere-tschenak-Flusses  hinab 
nach  Sche-zaong  (Lager  XLIV)  waren  gegen  Südwesten  gute  Ausblicke  gegen  das 
Hoang-ho-Thal  und  die  es  begleitenden  Berge  zu  gewinnen.  Man  sah  im 
Hintergrunde  das  hohe,  wild  zerrissene  Kalk-Gebirge,  dem  der  Name  Dschawrek- 
Gebirge  gegeben  wurde,  dessen  westliche  Fortsetzungen  schon  mehrfach  unter- 


"     396     - 

Wegs  und  auf  der  Hoangho-Exkursion  zu  konstatieren  waren.  Die  untenstehende 
Abbildung  zeigt  schon  den  Gegensatz  zwischen  den  Vorheizen  mit  sanften 
Formen  und  dem  schroffen  Charakter  der  Kalkkette,  hinter  welcher  das  Thal  des 
Hoang-ho  verläuft.  Die  Erstreckung  des  Kalkgebirges  geht  von  Ostsüdost  nach 
Westnordwest  wie  auch  weiter  im  Westen. 

Bei  Sche-zaong,  dem  Aufenthalte  des  Fürsten,  das  i,S  km  Östlich  vom 
Tschünere-tschenak-Fluss  liegt,  ist  der  Landschaftscharakter  durch  eine  Kette 
300—400  m  hoher  Sandstein-  und  Schieferberge  bedingt,  die  mit  im  allgemeinen 
ost  -  westhcher  Richtung  sich  nach  Süden  vor  das  Flussthal  des  Hoang-ho 
legen.  Vom  Norden  ragen  die  östlichsten  Ausläufer  des  Walru-Gebirges 
herüber  und  in  der  Mitte  zwischen  beiden  sind  hier  Hügel  der  Quetae-Formation 


Uschawrek-Ucbirge,  vou  Liijjer  XXXXIV  iiuch  .Süilweslen  gesehen. 

bis  zu  150  m  Höhe  von  sehr  mannigfaltigen,  aber  immer  runden  Umrissen. 
Die  Abhänge  der  Hügel  sind  wieder  mit  kleinen  Hügelchen  und  gerundeten 
Köpfen  besetzt,  so  dass  sie  vielfach  gegliedert  erscheinen  als  eine  Folge  der 
leichten  Erodierbarkeit  des  hier  weichen,  thonigen  Materials  dieser  Formation. 
Der  Tschünere-tschenak-Fluss  macht  eine  grosse  Biegung  nach  Süden,  nachdem 
er  den  Höhenzug  des  Sandstein-Schiefer-Gebirges  auf  seiner  bisherigen  Südseite 
durchbrochen  hat  und  wendet  sich  alsbald  wieder  mit  südöstlichem  Lauf  der 
bereits  erwähnten,  hohen  Gebirgskette  zu,  welche  hier  gegen  den  Hoang-ho 
hin  das  Gebirgsland  begrenzt.  Er  tritt  in  ein  enges,  schluchtartiges  Thal  dieses 
Gebirges  ein  und  vereinigt  sich  mit  dem  Lö-tsche-Fluss,  der  von  Westen  kommt 
und  auch  den  Ulan-ser-tsche  aufgenommen  hat. 

Beim  Fürsten  in  Sche-zaong  waren  eigentümliche  neue  Erfahrungen  zu 
sammeln.  Er  geleitete  uns  zwar  in  seine  grosse,  12  m  im  Quadrat  messende, 
schwarze  Jurte  und  bot  auch  Tsam-ba  an;  auch  über  das  Geschenk,  ein  Stereoskop 
mit  zahlreichen  Photographien,  zeigte  er  sich  sehr  erfreut;  aber  mit  der  Stellung 


—     397     - 

von  Führern  machte  er  Schwierigkeiten.  Unsere  Pässe  und  Papiere,  die  wir 
ihm  vorlegten,  konnte  er  nicht  lesen.  Endlich  willigte  er  ein,  uns  einen  Führer 
zu  geben,  nahm  aber  am  andern  Morgen  das  Versprechen  zurück.  Erst  die 
persönliche  Intervention  von  Dr.  Holderer  und  das  Anerbieten  von  Geld  ver- 
mochten ihn  umzustimmen;  er  vertröstete  uns  aber  auf  den  folgenden  Tag,  da 
er  selbst  erst  nach  Leuten  schicken  müsse,  die  den  Weg  kennten.  Der  Lao-y^ 
war  in  der  Lamakleidung,  d.  h.  er  trug  den  dunkeln,  roten  Tuchrock  der- 
selben und  eine  ähnlich  gefärbte,  kurze  Jacke;  sein  bartloses  Gesicht  zeigte 
einen  noch  jugendlichen  Ausdruck;  im  Sprechen  war  er  langsam  und  kurz 
angebunden.  Schmuck  und  Kopfbedeckung  trug  er  nicht;  aber  ein  sehr  grosses, 
kupfernes,  mit  einem  Schriftzeichen  geziertes  Amulett  hing  mit  mehreren  Rosen- 
kränzen an  einem  der  Stützstäbe  der  Jurte. 

Während  unseres  etwa  eine  halbe  Stunde  dauernden  Besuches  wurde  im 
Hintergrunde  der  Jurte  fortwährend  von  einem  alten  Weibe,  die  ihr  Gesicht 
mit  der  einen  Hand  verdeckte,  an  einer  Gebetmühle  gedreht.  Diese  bestand 
aus  einem  etwa  0,5  m  hohen  Stabe,  dessen  oberer  Teil  die  Achse  einer  grossen, 
drehbaren  Messingkugel  bildete.  Diese  hohle  Kugel  wird  durch  Anstossen  eines 
an  ihrem  Umfange  befindlichen  Messingknopfes  in  fortwährender,  drehender  Be- 
wegung erhalten  und  dazu  werden  ebenso  fortwährend  Gebete  gemurmelt.  Die 
Frauen  trugen  hier  auch  Stickereien  und  Messingbeschläge  am  vorderen  Teile 
der  Bänder,  die  vom  Rückengehänge  über  die  Schultern  auf  der  Brust  zusammen- 
laufen; eine  Besonderheit,  die  wir  anderwärts  noch  nicht  beobachtet  hatten. 

Es  fehlten  hier  die  weissen,  runden  Jurten.  Ausser  den  geräumigen, 
überall  in  der  Mehrzahl  vorhandenen,  schwarzen  Jurten  waren  nur  wenige  weisse 
Tuchzelte  zu  sehen;  die  meisten  Reiter  sassen  auf  Yaks,  und  Kleidung  wie 
Schmuck  und  Waffen  waren  ärmlich.  Im  übrigen  benahmen  sich  während  des 
unfreiwilligen  Ruhetages  die  Leute  recht  zudringlich  am  Lager,  versuchten  am 
hellen  Tage  Pferde  und  Yaks  wegzutreiben  und  waren  nur  schwer  wegzubringen. 
Es  scheint,  dass  der  Charakter  der  Bevölkerung  mit  weiterem  Vordringen  nach 
Süden  immer  unfreundlicher  und  feindlicher  gegen  Fremde  wird,  trotz  Führern 
und  besten  Empfehlungen  an  ihre  Häupter.  Schon  am  Küke-nur  waren  wir  vor 
den  bösen  Ssö-thschuan-Fan-tzö  eindringlich  gewarnt  worden;  auch  andere 
Reisende  hatten,  allerdings  weiter  westlich  in  Tibet,  schlechte  Erfahrungen 
gemacht.  Im  Vergleiche  dazu  waren  wir  in  Sche-zaong  noch  in  einer  verhält- 
nismässig günstigen  Lage,  von  der  wir  nur  wünschen  konnten,  dass  sie  sich 
während  der  dreissig  Tage,  welche  die  Reise  bis  Sung-p'an  thing  noch  dauern 
sollte,  nicht  weiter  verschlechtere.  Zunächst  hatte  es  allerdings  einen  andern 
Anschein.  Es  waren  am  folgenden  Tage  wieder  keine  Führer  da,  dagegen 
versammelten  sich  oben  auf  dem  Hügel  beim  Dorfe  die  Bewohner,  beritten, 
in  Gruppen  und  hielten  Beratung.  Auf  eine  nochmalige  Anfrage  stellte  sich 
endlich  ein  alter,  sehr  wenig  vertrauenerweckend  aussehender  Führer  ein,  der 
das  Geld,   einen  Tael,    für  die  Führung  vorausbezahlt  haben   wollte.     Es  blieb 


nichts  übrig,  als  es  ihm  auf  Treu  und  Glauben  zu  geben,  worauf  er  sofort 
zurückritt  und  das  Geld  dem  Lao-yS  ablieferte.  Er  kam  aber  wieder  zurück  und 
so  konnten  wir  endlich  aufbrechen. 

Es  ging  in  südlicher  und  südöstlicher  Richtung  zunächst  durch  ein  kleines 
Querthäichen  und  dann  in  eine  grössere  Niederung,  von  welcher  aus  der  grosse 
Lö-tsche-Fluss,  nachdem  er  den  Tschünere-tschenak  aufgenommen  hat,  in  einer 
engen  SchUicht  nach  Süden  die  erste,  höhere  Gebirgskette  durchbricht,  dann 
aber  nach  kurzem  Durchbruchsthal  wieder  östliche  Laufrichtung  annimmt. 
Der  Weg  folgt  nicht  diesem  Flussthale,  sondern  geht  von  der  steppen- 
bedeckten und  Lehmterrassen  führenden  Thalebene  auf  einen  niederen  Pass  in 


Tliil  des  DBcWem-tschc-F  lusscE.     Vom  Passe  zwischen  Lager  XXXXV  un.l  XXXXVI. 

Hügeln  der  Quetae-Formation,  die  mit  wenig  mächtigem  Lehm  bedeckt  sind, 
nach  Osten  hinüber  in  ein  von  Norden  kommendes  Nebenthälchen  des  Lö-tsche- 
Flusses  und  erst  an  dessen  Lauf  entlang  durch  einen  aus  Sandsteinfelsen  ge- 
bildeten, kleinen  Thaldurchbruch  zu  dem  Lo-tsche-Fluss,  der  hier  in  engem,  von 
hohen,  felsigen  Bergen  gebildetem,  vielfach  gewundenem  Thale  zuerst  nach  Osten 
und  dann  in  nordöstlicher  Richtung  immer  zwischen  hohen  (350—  500  m),  schroff 
abfallenden  und  felsigen  Thalgehängen  dahinfliesst.  Der  Uebergang  über  den 
hier  40  m  breiten  und  fast  einen  Meter  tiefen  Fluss  macht  für  die  Yakkarawane 
einige  Schwierigkeiten.  Alle  Lasten  mussten  von  den  Leuten  auf  die  Pferde 
genommen  und  hinübei^etragen  werden,  so  dass  eine  F'ortsetzung  des  Marsches 
an  diesem  Tage  trotz  der  geringen  zurückgelegten  Entfernung  unmöglich  wurde. 
Nachdem  am  folgenden  Tage  zuerst  ein  Stück  weit  auf  dem  rechten 
Flussufer  in  Südost  geritten  worden  war,  machte  der  Fluss  eine  grosse  Biegung 
nach   Nord   um   einen   steilwandigen    Sandsteinberg   herum,    kam    aber    weiter 


—     399    — 

östlich  nach  Süden  zurück,  und  der  Weg  traf  ihn  wieder,  nachdem  er  in  öst- 
licher Richtung  ein  niederes  Joch,  das  ebenfalls  Quetae-Sandstein  und  eine 
Lehmdecke  trägt,  überschritten  hatte.  Die  Wege  benützen  immer  die  niederen 
Stellen  im  Quetae-Hügelland,  wo  solches  vorhanden,  zwischen  den  hohen  und 
steilen,  schwer  passierbaren  Schiefer-Sandsteinketten. 

Von  neuem  wendet  sich  der  Lö-tsche-Fluss  nach  Nord  und  Nordost.  Sein 
enges  Thal  lässt  keinen  Raum  für  einen  Weg  und  man  ist  gezwungen,  in  öst- 
licher Richtung  auf  einen  hohen  (3720  m)  Pass  im  Sandstein-Schiefergebirge 
zu  steigen.  Die  der  Passhöhe  benachbarten  Berge  überragen  diese  noch  um 
1 50 — 200  m  und  sind  meist  felsig  und  steil.  Die  Steppengrasbedeckung,  die  im 
Thale  und  an  den  sanfteren  Abhängen  noch  überall  vorhanden  war,  fehlt  an  solchen 
Stellen,  wie  denn  überhaupt  in  der  Gipfelregion  die  Vegetation  nur  eine  sehr 
dürftige  und  spärliche  ist.  Vom  Passe  sieht  man  hinab  ins  enge,  von  steilwandigen, 
400 — 500  m  hohen  Bergen  begleitete  Thal  des  Dschiem-tsche- Flusses.  (Siehe 
die  gegenüber  stehende  Abbildung  auf  Seite  398).  Es  geht  steil  abwärts;  glatte 
Flächen  trockenen  Grases,  und  weiter  unten  enge  Felspfade  an  Sandsteinklippen, 
sowie  eine  durch  Feuchtigkeit  weiche  und  schlüpfrige  Lössbedeckung  der  untersten 
Teile  der  Abhänge  machen  den  Abstieg  den  Pferden,  die  keine  Eisen  mehr  au 
den  Hufen  haben,  recht  schwierig  und  führen  stellenweise  zu  kleinen  Rutschpartien. 

Der  Dschiem-tsche  Fluss  ist  hier  schon  ein  nicht  unbedeutendes  Wasser;  bei 
einer  Breite  von  18  m  erreicht  er  Tiefen  von  fast  i  m.  Sein  Wasser  ist  klar 
und  grünlich.  Er  kommt  hier  aus  südlicher  und  südöstlicher  Richtung,  und 
seine  Oberläufe  müssen  bis  in  die  Zone  des  gegen  den  Hoang-ho  hin  gelegenen 
Kalkklippen-Gebirges  reichen,  da  sich  unter  den  Flussgeröllen,  allerdings  selten 
zwischen  den  vorherrschenden  Schiefer-  und  Sandstein-GeröUen,  wohlgerundete 
Stücke  von  grauen  und  weissen  Kalken,  darunter  eines  mit  Korallenresten, 
fanden.  In  der  Umgebung  des  Flusses  selbst  aber,  sowohl  aufwärts  wie  ab- 
wärts nach  Nordnordost,  bestehen  die  Berge  lediglich  aus  Ost  zu  Nord  nach 
West  zu  Süd  streichenden,  steil  aufgestellten  Sandsteinen,  zwischen  die  dunkle 
Thonschiefer  eingelagert  sind.  Unweit  von  dem  Punkte,  an  welchen  der 
Weg  den  Dschiem-tsche  überschreitet,  mündet  dieser  nach  Angabe  des  Führers 
in  den  Lö-tscheFluss  ein.  Die  Umgebung  des  Dschiem-tsche-Flusses  und  des 
zum  Passe  zum  Thao-Flussgebiete  hinaufführenden  Nebenthaies  zeigt  die  auf  der 
folgenden  Seite  stehende  Abbildung  mit  unserm  Lager  XXXXVI. 

Weiter  geht  von  hier  der  Weg  in  ausschliesslichem  Sandstein-Schiefer- 
Gebiet  in  einem  von  Südost  kommenden,  rechten  Nebenthälchen  des  Dschiem-tsche 
aufwärts,  das  einige  Minuten  oberhalb  der  Uebergangsstelle  einmündet,  und  an 
dessen  unterer  Thalerweiterung  sich  ein  grosser  Lagerplatz  mit  vielen  Feuer- 
herden in  malerischer  Umgebung  von  Bergen  und  Felspartien  befindet.  Man 
hat  Gelegenheit,  während  des  stundenlangen  Weges  an  den  auf  beiden  Thal- 
seiten zahlreichen  Felsklippen  den  Wechsel  im  Fallen  der  von  Südosten  nach 
Nordwesten    streichenden    Sandsteinschichten    und    die    Faltung    zu    gewaltigen 


.Satteln  -jrd  MjMen  r::  ^yi^'r.'.err.-  bia  ü.-.f:  A.".>;c:^^=-ic  Thal  ia:  cr-^'  g5=^ 
'^Jxm  t,-,ttr  d«-  V^r:'/:.  h-  -itil^re  St^;;«:!  -j^d  iA  neöe::  der  S:ct.c-i;=£Ta.-b';- 
d^:-:«:-:::-^  C-rch  sehr  v"-!  r.:-icr-es  Strii-^b-  j^d  B-jch^cri  au--^ac:;==*t.  di? 
a-ch  an  c«i  Gehä.-.'^^s  der  ij<r::er.thalrhen  g--"-  Nieder» ilibcsci=is  b.lie- 
bat  'a.'.'.ir.ir.:i'rte  '.'-«rrj^kea  r.ich  .S;den  nta:h:  i:rh  :a  c:e*ea  Er?che~^=.re:: 
berr.er'iiO^r.  so  waren  a.;;h  i:.-:r.e.  b-jr.te  V  ^cl  :T::t  scb'Airz  ■»e'.iä-rot  ^eiir.zhn«- 
t-.m  Gtf.ediT  i-j  lehen.  d;-  »:r  bi-her  n:rger.i>  a^gctroaeo  hanea. 

\jtr  Marsch  am  6.  Nov-rr-.ber   a,:l    den    3720  m  hohen  Fai5-    der  z-*"i5ci:c3 
n'>:h    100  —  150  m  h./r.»ren   P-er^en  l;e^.    war  h  .rjh-;  unan^enehni  infoUre  c:r.es 


Lj^.;r  XXXXM  in  .itr  Nabe  dfn  Üschiem-tsche-Flussea. 

entgegenkommenden  Windes  aus  Südost,  der  von  feinem  Schneefall  begleite! 
war.  Auch  die  Aussicht  von  oben,  die  sehr  wichtig  und  umfassend  hätte  sein 
können,  da  der  l'unkt  besonders  nach  Süd  und  Südwest  ziemlich  frei  liegt,  war 
daher  auf  die  nächste  Umgebung  beschränkt.  Es  sind  zwei  annähernd  gleich 
hohe,  zehn  Minuten  von  einander  entfernte  Stellen,  welche  den  Passübergang 
bilden.  Von  der  ersten  derselben  geht  ein  steppen  bedecktes  Thälchen  steil 
niich  Osten  hinab,  biegt  aber  alsbald  in  nördlicher  Richtung  ab,  die  es  in  engem 
Felsenthale  weiter  verfolgt.  Auf  dem  ost-westlich  ziehenden  Grate  über  diesem 
Thale  gelangt  man  zu  der  zweiten  Höhe  des  Passes,  die  um  10  m  höher  als  die 
andere  ist,  und  sieht  hinab  auf  ein  grösseres  Thalsystem,  das  in  nordöstlicher  Rich- 
tung .seinen  unteren  Ausgang  hat;  auf  .seiner  nördlichen  Seite  sind  nur  Nebenflüsse 
von  geringer  Länge  und  Bedeutung,  im  oberen  Teile  kommt  aber  eine  grössere 


—    40I     — 

Thaleinsenkung  aus  Westsüdwest  und  in  dieser  verläuft  auch  ein  grosser  Weg, 
der  an  den  Hoang-ho  führen  dürfte.  Das  Thal  selbst  ist  wieder  ein  typisches 
Steppenthal  des  Schiefer-Sandstein-Gebirges,  in  welchem  besonders  im  oberen 
Teile  weite,  flache  Abhänge  und  nur  wenig  in  Felsklippen  anstehendes  Gestein 
zu  sehen  ist.  Diese  finden  sich  häufiger  in  den  steileren,  kleinen  Nebenthälchen 
des  mittleren  und  unteren  Teiles  des  sehr  langen  Thaies,  wo  ihr  Streichen 
immer  der  Ost-West-Richtung  folgt.  Auch  die  rechte  Thalseite  hat  einige 
schroffe  und  steile  Felsenbildungen  aufzuweisen,  aber  der  typische  Charakter 
der  Sandstein-Schiefer-Formation  wird  dadurch  nicht  verwischt. 

Im  Thale  sind  verschiedentlich  Reste  mächtiger  Lehmterrassen  erhalten, 
und  Lehme  mit  Gehängeschutt  vermengt,  ziehen  sich  auch  an  den  Halden  in 
die  Nebenthälchen  hinauf.  Der  Thalboden  ist  vielfach  sumpfig  und  der  Weg 
geht  zumeist  auf  der  nördlichen  Seite  auf  der  Lehmterrasse.  Das  Thal  ist 
ganz  öde  und  leer  und  trägt  keine  Anzeichen  von  verlassenen  Lagerplätzen 
oder  der  zeitweiligen  Anwesenheit  von  Menschen.  Auf  der  weiten  Schnee- 
fläche, die  der  einsame  Weg  durchzieht,  bemerkt  man  nur  die  Spuren  der 
Wölfe,  die  unser  Lager  des  Nachts  umheulen.  Das  Futter  für  die  Lasttiere  ist 
hier  schlecht;  es  besteht  nur  aus  langen,  schon  gelben  Riedgräsern  und  das 
frische,  grüne  Bodengras  fehlt  gänzlich.  Viele  Kilometer  weit  zieht  man  dahin, 
ohne  dass  sich  das  Bild  verändert.  Erst  einige  Stunden,  ehe  das  kleine 
Flüsschen  des  Thaies,  dessen  Name  nicht  zu  erfahren  war,  weil  uns  der  Führer 
gleich  nach  dem  Passübergange  verlassen  hatte,  in  den  Thao-Fluss  einmündet, 
fanden  sich  die  Reste  eines  alten  Lagerplatzes,  sowie  auf  einem  Berge  der 
nördlichen  Thalseite  ein  schönes  Obo  als  Spuren  der  vorübergehenden  Anwesen- 
heit von  Menschen  auch  in  diesem  Erdenwinkel. 

Je  weiter  das  Thal  hinabgeht,  um  so  höher  und  steiler  werden  auf  beiden 
Seiten  die  Bergformen,  die  bis  300  m  Höhe  über  Thal  erreichen.  Die 
Berge  der  südlichen  Seite  zeigen  die  eigentümliche  Erscheinung,  dass  ihre 
steilen  Abhänge  bei  sonst  dürftiger  Vegetation  mit  zahlreichen,  in  regel- 
mässigen Abständen  stehenden,  dunkeln  Flecken  besetzt  sind.  Diese  dunkeln 
Stellen  rühren  von  ganz  kleinen  Sträuchern  her,  die  gruppenweise  zusammen- 
stehen und  sich  als  dunkle  Stelle  von  dem  hell  gelblichen  Steppengras  ab- 
heben. Warum  sie  aber  in  solchen  runden  Gruppen  wachsen  und,  statt  sich 
unregelmässig  am  Abhänge  zu  verbreiten,  regelmässige  Zwischenräume  einhalten, 
bedarf  noch  der  Untersuchung  und  Erklärung  durch  einen  Botaniker.  Auf  den 
nach  Süden  gerichteten  Abhängen  des  nördlichen  Thalgehänges  fehlt  bei  sonst 
gleichem  Charakter  der  geologischen  Zusammensetzung  und  Bodenbildung  diese 
Erscheinung,  die  auf  der  Südseite  des  Thaies  überall  an  allen  Berggehängen, 
und  zwar  mit  am  schönsten  in  den  Gipfelregionen  auftrat. 

Das  Obo  (siehe  die  umstehende  Textfigur)  besteht  in  einer  Reihe  hinter  ein- 
ander auf  dem  Berggrate  aufgestellten  Zeichen,  zunächst  aus  zwei  mit  Steinsätzen 
festgehaltenen  Stangen,  deren  eine  eine  lange  Schnur  mit  Wollwimpeln,  die  andere 

Futterer,   Durch  Asien.  26 


—     402      — 

eine  weisse,  mit  schwarzen,  verwaschenen  Schriftzeichen  bedeckte  Fahne  mit  au^- 
zacktem  Rande  tr^.  Diese  Stangen  sind  unter  sich  und  mit  dem  Hauptpostament 
durch  Schnure  verbunden.  Das  letztere  besteht  aus  einem  runden  Steinunterl>au 
von  1  m  Höhe  und  4  m  Durchmesser,  auf  welchem  eine  Anzahl  mit  Seilen  m- 
sammengebundener  Reisigbündel  aufgehäuft  sind.  Durch  das  Reisig  sind  lange, 
weit  herausragende  Stangen  gesteckt,  von  denen  einzelne  mit  weissen  Woll- 
wimpeln geschmückt  sind.  Die  Höhe  dieses  Reisigkegels  beträgt  etwa  2,5  m. 
Nach  der  andern  Richtung  vom  Denkmal  aus  befindet  sich  in  einigen 
Metern  Entfernung  auf  der  vordersten  Bergspitze  ebenfalls  ein  runder  Stein- 
unterbau, der,  wie  die  darauf  sichtbaren  Kohlenreste  zeigen,  zum  Abbrennen 
von  Opferfeuem,  vielleicht  auch  zum  Verbrennen  von  Leichen  benutzt  wird. 
Es  ist  dies  eines  der  vollständigsten  Denkmale  dieser  Art,  dem  wir  in  Tibet 
begegnet  sind. 


Gegen  den  unteren  Thalausgang  hin,  der  schon  zum  Thal  des  oberen 
Thao-ho  geht,  treten  wieder  in  dem  erweiterten  Zwischenräume  der  hohen 
seitlichen  Thalgebirge  niedere  Hügel  der  roten  Quetae-Formation  unter  der 
über  3  m  mächtigen  Lössdccke  hervor.  Auch  an  der  Einmündungssteile  am 
Thao-ho  und  seinem  nordöstlichen  Ufer  haben  sie  einige  Verbreitung. 

Durch  den  Uebergang  über  den  letzten  3720  m  hohen  Pass  sind  wir 
aus  dem  Gebiete  der  zuerst  östlich  und  nordöstlich,  und  weiter  am  Unterlaufe 
nördhch  zum  Hoang-ho  auf  der  Strecke  seines  Laufes  oberhalb  von  Lan-tschöu 
ßiessenden  Gewässer,  wie  Lö-tsche-Fluss  und  Tahia-ho,  in  ein  neues  Stromgebiet 
gelangt,  das  vom  Thao-ho-Fluss  als  Hauptfluss  eingenommen  wird.  Diese  wich- 
tige Wasserscheide,  welcher  der  Pass  angehört,  liegt  also  innerhalb  der  höheren 
Ketten  des  Sandstein-Schiefer-Gebirges  und  die  Wasserscheide  zum  oberen  Laufe 
des  Hoang-ho,  unterhalb  seines  Knies,  muss  weiter  im  Süden  und  Südwesten 
liegen,  wahrscheinlich  in  dem  Kalkklippen-Gebirge,  da  die  Flüsse  Lö-tsche  und 
Dschiem-tsche  Kalkgeröllc  führen,  die  nur  aus  jenen  Bergen  stammen  können. 
Da  der  Lauf  des  Hoang-ho  am  Südfusse  dieser  Kalkmassive  li^,  oder  jeden- 


1 1 


Linke  Tbalselte  des  Dbtnn  Tb* 

Von  Lager  XUX« 


TAFEL  XXXI. 


beriialb  von  Kloster  Schlti-se. 

rdosten  gesehen. 


—    403     — 

falls  nicht  weit  davon  entfernt  ist,  so  ergiebt  sich  daraus^  dass  er  hier  keine 
grösseren  Nebenflüsse  auf  der  rechten,  nördlichen  Thalseite  besitzt  und  nur 
kleinere  Thälchen,  wie  wir  sie  auf  der  Hoang-ho-Exkursion  getroffen  hatten,  in 
ihn  einmünden.  Alle  Gewässer  am  Nord-  und  Nordostfusse  des  Kalkklippen - 
Gebirges  (Dschawreck-Gebirge),  wenn  man  einmal  nach  Südost  über  die  Wasser- 
scheide des  grossen  Sche-tsche-Flussgebietes  herüber  gekommen  ist,  gehen  nach 
Ost  und  Nordost  zum  Ta-hia-ho  oder  aber  zum  Thao-ho.  Dem  Hoang-ho  selbst, 
im  Westen  davon,  fallt  nur  ein  kleiner  Teil  der  Gewässer  dieses  Gebietes  zu. 

Der  Thao-ho  ist  an  dem  Punkt,  wo  wir  ihn  trafen  und  das  Lager  XLDC 
aufschlugen,  schon  ein  recht  stattlicher  Fluss.  Aus  engem  Thale  zwischen  hohen 
Sandsteinbergen  mit  spitzen  Felsgipfeln  im  Nordost,  windet  er  sich  in  grossem 
Bogen  nach  Osten  und  tritt  nach  Südost  wieder  in  ein  engeres  Thal,  nachdem 
er  in  einer  ausgedehnten  Thalweitung  eine  grosse  Schlinge  ausgeführt  hat.  (Siehe 
das  Panorama  auf  Tafel  XXXI.)  Die  hohen  Sandsteinberge  treten  dort  gegen 
Norden  und  Osten  weiter  vom  Fluss  zurück,  und  das  so  gebildete  grosse  Becken 
enthält  zahlreiche  Hügel  der  Quetae-Formation,  sowie  längs  der  breiten  Fluss- 
niederung an  den  Seitengehängen  Terrassen  alten  Flussschotters  mit  einer  ziem- 
lich mächtigen  Lehmdecke.  In  der  Flussniederung  selbst  nimmt  das  Bett  des 
Flusses  einen  verhältnismässig  geringen  Raum  ein.  An  manchen  Stellen  ist 
es  verzweigt  und  die  Schottermassen  bilden  mit  Bäumen  bedeckte  Inseln.  Kahle 
Geröllbänke  stehen  auch  des  öfteren  im  Flussbette  zu  Tage;  aber  an  solchen 
Strecken  des  Laufes,  wo  die  ganze  Wassermasse  einheitlich  in  ein  Bett  zusammen- 
gedrängt dahinfliesst,  wurde  die  Flussbreite  zu  36  m  und  die  Geschwindigkeit 
zu  1,66  m  in  einer  Sekunde  gemessen.  Die  Tiefe  konnte  nur  nach  dem  Augen- 
schein bestimmt  werden,  da  man  den  Fluss  nicht  überschreiten  kann;  aber  sie 
dürfte  auf  25  m  jener  36  m  Breite  i  m  und  mehr  betragen,  was  mit  weiter 
unterhalb  bei  Kloster  Schin-se  angestellten  Messungen  übereinstimmt.  Hier 
wurde  das  in  einer  Sekunde  vorbeifliessende  Wasservolumen  zu  47,0  Kubikmeter 
berechnet  Das  Flusswasser  ist  ziemlich  klar  bis  zur  Tiefe  von  30  cm  und  von 
grünlicher  Farbe.  Die  FlussgeröUe  sind  fast  ausschliesslich  Sandstein,  seltener 
Schiefer  und  nur  sehr  vereinzelt  treten  weisse,  splittrige  Kalke  in  gut  gerundeten, 
oft  kugeligen  Stücken  auf,  während  die  Sandsteine  immer  eine  mehr  plattige, 
nur  an  Ecken  und  Kanten  einigermassen  gerundete  Form  besitzen. 

Da  sich  die  Lössterrassen  bis  gegen  100  m  hoch  am  Bet^gehänge  hinauf- 
ziehen und  die  Hügel  der  Quetae-Formation  ganz  bedecken,  sind  überall  Aecker 
angelegt.  Die  klimatischen  Verhältnisse  gestatten  hier  oben  den  Anbau  von 
Hafer,  Korn  und  Weizen.  Die  horizontal  angelegten  Aecker  gehen  in  Staffeln 
oder  Terrassen  in  die  Höhe,  wie  in  den  echten  Lössgebieten.  Ein  ganz  aus 
Lehmmauern  gebautes  Dorf  Mane  liegt  etwas  entfernt  vom  linken  Flussufer  am 
leicht  ansteigenden  Berggehänge.  Sehr  gross  sind  dort  die  Vorräte  an  Stroh 
und  Hafer,  die  an  hohen  Holzgerüsten,  den  Scheunen  der  Bewohner,  getrocknet 
und  aufbewahrt  werden.     Zur  Zeit  unserer  Reise  waren  vielfach  die  Bauern  am 

26* 


—    404    — 

Thao-ho-Thal,  Männer  wie  Frauen,  mit  Dreschen  beschäftigt,  wobei  sie  sich  eines 
dem  unsrigen  ganz  ähnlichen  Dreschilegeb  bedienten  und  in  Gruppen,  aber  nicht 
im  Takte,  auf  dem  gefrorenen  oder  auch  har^estampften  Boden  darauf  losschlugen. 
Nur  wenige  Kilometer  unterhalb  des  Ortes  Mane  liegt  auf  derselben  Fluss- 
seite wie  dieser  das  grosse  Kloster  Schin-se.  Der  Name  dürfte  chinesisch  sein 
und  »Neues  Klosterc  (SinssS)  bedeuten.  Der  Weg  folgt  dem  rechten  Ufer 
des  im  allgemeinen  nach  Südosten  gehenden  Flusses;  aber  er  (lihrt  zumeist 
nicht  in  dessen  Niederung,  sondern  in  einiger  Höhe  darüber  auf  den  lehm- 
bcdeckten  alten  Flussterrassen,   die  sich  an  die  bis  350  m   aufsteigenden  Sand- 


steinberge anlegen.  Hier  sind  schon  Tannenwälder  an  den  Ber^ehängen, 
dichte  Busch  Vegetation  und  auf  den  Flussinseln  Waldbestände  von  Weidenarten. 
Am  Wege  gab  es  viele  schöne  Fasanen  (Phastanus  elegans);  es  hiess  aber, 
es  sei  wegen  der  Nähe  des  Tempels  verboten,  auf  sie  Jagd  zu  machen,  da  die 
Lama  es  für  unerlaubt  halten,  in  der  Umgebung  der  heiligen  Orte  Tiere  zu 
töten.  Auch  das  Erlegen  der  grossen  Raubvögel  ist  ihnen  unangenehm,  wenn 
es  bei  den  Klöstern  geschieht,  weil,  wie  Rockhill  vermutet,  diese  Vögel  manchem 
Lama  zum  vorübergehenden  Aufenthalte  nach  dem  Tode  gedient  haben.  Von 
Haustieren  finden  sich  bei  den  am  Kloster  ansässigen  Chinesen  wieder  Hühner 
und  Schweine,  die  sonst  bei  den  Tanguten  fehlen.  Beim  Kloster,  und 
zwar  flussabwarts,  sind  feste,  aus  Lehmmauern  errichtete  Hütten  von  Tan- 
guten,  sowie  grosse  Viehhöfe   und   die   hohen   Holzgestelle,    welche   die  Stelle 


40S 


der  Scheunen  vertreten.  Das  Volk,  und  besonders  die  Frauen,  sind  hier  sehr 
unsauber  und  recht  zudrüiglich.  Von  andern 
schlechten  Eigenschaften  geben  die  später  zu 
schildernden  Ereignisse,  die  sich  während  un- 
seres unfreiwilligen,  längeren  Aufenthaltes  bei 
Kloster  Schin-se  abspielten,  Zeugnis.  Die  Be- 
völkerung bei  Schin-se  scheidet  sich  in  zwei 
Teile:  die  Mönche  des  Klosters,  die  aus  allen 
möglichen  Teilen  des  nordöstlichen  Tibet  und 
Am-do  zusammengekommen  sein  mögen,  und 
die  in  armseligen  Lehmhütten  ansässigen,  Acker- 
bau treibenden  Tanguten,  sofern  sie  nämlich 
nicht  auch  Mongolen  sind.  Unsere  Leute 
nannten  zwar  den  Häuptling  derselben  »Tat- 
zg-lao-yS«,  damit  ist  aber  noch  nichts  bewiesen. 
Ich  möchte  eher  an  tangutische  Stämme  denken, 
die  auch  in  den  Dörfern  weiter  im  Thao-Thale 
hinab  wohnen,  das  Nomadenleben  aufgegeben 
haben  und  sich  den  Chinesen  assimilierten. 
Potanin  hat  weiter  im  Osten  überall  derartig 
ansässig  gewordene  Tanguten  gefunden.  Die 
Kleidung  war  noch  mit  wenig  Unterschieden 
die  der  nomadischen  Tanguten,  nur  die  Woh- 
nungen und  ihre  Einrichtungen  boten  die  Ver- 
schiedenheiten, welche  durch  den  Uebergang 
vom  Nomadenleben  zur  ansässigen  Lebensweise 
bedingt  sind. 

Die  Schmuckgehänge  dieser  Tangutinnen, 
die  ich  nur  mit  Vorbehalt  so  nennen  darf, 
haben  hier  wieder  einen  andern  Charakter.  Alle 
drei  Stücke  sind  mit  den  Haarzöpfchen  am 
Hinterhaupte  verbunden,  an  das  mit  Silber- 
knöpfen  verzierte  Kämme  eingesteckt  wurden.  Mit 
den  Haaren  sind  schwarze  Fäden  aus  Vakhaaren 
verwoben  und  bilden  die  Befestigung  zwischen 
dem  Haar  und  dem  Rückenhang.  Dieser  besteht 
aus  drei  karminroten,  aussen  schwarz  gesäumten 
■  Tuchstreifen,  von  denen  der  mittlere  nur  unten, 
die  seitlichen  aber  oben  und  unten  Stickerei  aus 
gelbem  Messingdraht  und  Messingknöpfe  tragen. 

Unten  hängen  an  Messingringen  Schnure,  auf  die  weisse  und  grüne  Perlen  sowie 
Koralten  aufgereiht  sind,   und  erst  dann  kommen   die  roten  Schnüre  am  Ende. 


Schmuckgebänge  einer  Tanßiilin 

bei  Kloster  Scbin-Be. 

fr  BrUElBtück  desaelbeD  RUckeiij:!:ebänt;ei, 


—     4o6     — 

In  der  Mitte  der  Seitenteile  sind  zwölf  Reihen  von  weissen  Muschelschalen 
auf  rotem  Tuche  aufgenäht;  vorn  laufen  die  Bänder  der  Seitenteile,  mit  Korallen- 
schnüren  geschmückt,  auf  einem  Bruststucke  zusammen,  das  grosse  Messing- 
knöpfe, mit  Kupferbuckeln  verzierte  Messingspangen  und  unten  einen  ovalen 
eisernen  Ring  trägt,  wie  ihn  die  obenstehende  Textfigur  zeigt.  Ein  derartieres 
Schmuckgehänge  ist  ein  sehr  reiches,  meist  waren  sie  viel  einfacher  i 
Bewohner  machten  keinen  wohlhabenden  Eindruck.  Ihre  Kinder  liefen 
trotz  der  Kälte  ohne  alle  Kleidung  herum. 

Ueber  den  Thao-Fluss  führt  unterhalb  des  Klosters  Schin-se  eine 
(siehe  die  Textfigur  auf  Seite  414),  die  von  chinesischen  Baumeistern  geb: 
muss,  denn  ihre  Konstruktion  ist  dieselbe,  wie  man  sie  auch  in  Kan-su 
Sie  ist  nur  für  Fus^nger  benutzbar,  nicht  ftir  beladene  Lasttiere,  ho 
kann  man  ein  Pferd  am  Zügel  hinüberführen.  Der  Fluss  hat  eine  Brc 
36  m  und  fliesst  ziemlich  rasch;  seine  Geschwindigkeit  wurde  zu  i, 
einer  Sekunde  und  seine  Tiefe  auf  1  m  über  16  m  von  den  $6  m  dei 
gemessen.  Das  Volumen  des  in  einer  Sekunde  vorbeiströmenden  1 
wurde  auf  Grund  der  genauen  Tiefenmessungen  auf  48,7  Kubikmeter  bei 

Eine  geographische  Positionsbestimmung  der  Breite  aus  der  Sonr 
ergab,  dass  das  Kloster  Schinsc  in  34*  10'  9"  nördlicher  Breite  liegt. 

Die  Klosteranlage  (siehe  die  Textfigur  auf  Seite  404)  nimmt  ein 
Areal  auf  der  linken  Flussseite  zwischen  dem  Fluss  und  dem  Berggehär 
an  welchem  eine  Anzahl  von  Gebäuden  noch  erhöht  aufgebaut  ist.  Die 
Gebäulichkeiten  dienen  den  300  Lamas,  die  sich  hier  aufhalten,  zur  W 
und  bestehen  aus  grossen,  mit  etwas  über  mannshohen,  weiss  getünchten  ^ 
umgebenen  Höfen,  in  denen  die  einfachen  Zellen  an  den  Mauern  in 
eingebaut  sind.  Eine  Holzthür  verschliesst  den  Eingang  zum  Hofe.  W' 
Bewohner  ausgehen,  wird  das  Thor  mit  Messingschlössern  verwahrt 
Tracht  und  das  Aussehen  der  Mönche  ist  dasselbe,  wie  es  schon  vom 
Kum-bum  beschrieben  wurde.  Nur  trugen  hier  einige  der  Lamas  schwa 
wickelte,  schwarze  Vollbarte  und  einer  hatte  einen  starken  Schnurr-  und 
bart,  alle  übrigen  Mönche  waren  glatt  rasiert.  Die  meisten  trugen  dun 
braune  Unterkleider  und  darunter  etwas  hellere,  auch  rot  gefärbte  überwt 
Oberkteider;  andere  aber,  besonders  ältere  und  wahrscheinlich  im  Rang 
stehende  Lamas  der  Klostergeistlichkeit,  hatten  dunkel  violette  Ueberwi 
roten  oder  ebenfalls  violetten  Unterkleidern.  Zahlreich  sind  im  Kloster  '. 
Gebäude  mit  Gebetmühlen  und  farbig  gemalten  Heiligenbildern  auf  £ 
tafeln  oder  Steinplatten,  die  mit  ihren  breiten  Glorienscheinen  und 
ganzen  Farbengebung  an  die  Darstellungen  in  kleinen  Kapellen  kath 
Länder,  z.  B.  Tirols,  lebhaft  erinnern.  Die  Gebetmühlen  (siehe  die  T 
auf  Seite  408  und  Tafel  XXXIII)  sind  zum  Teil  gänzlich  bemalt  u 
Schriftzeichen  geschmückt;  andere  sind  einfache,  sehr  abgenützte  und  seh 
Leder-  oder  Holzrollen.    Von  letzteren  besass  eine  besonders  grosse  vor 


—     407      - 

Höhe  und  1,5  m  Durchmesser  ein  eigenes,  kleines  Häuschen.  Zuweilen  befinden 
sich  zwei  Rollen  übereinander  an  derselben  Achse  und  es  scheint  das  Gebet 
an  diesen  besonders  wirksam  zu  sein.  Beständig  sieht  man  Tanguten,  Männer 
wie  Frauen,  den  Reihen  der  Gebetrollen  entlang  laufen  und  diese  in  drehende 
Bewegung  setzen,  wobei  sie  stets  so  gehen,  dass  sich  das  Gebäude  zu  ihrer 
Rechten  beßndet. 

Ein%e  durch  Höhe  und  äussere  Ausstattung  besonders  hervorragende  Ge- 
bäude dienen  als  Tempel  und  tragen  vei^oldete  Spitzen  und  Metallornamente 
auf  dem  Dach.  Das  Innere  wurde  uns  nicht  geöffnet,  doch  sahen  wir  in  den 
Vorhallen    eines    der    grösseren  Tempel   Gemälde   auf    Leinwand,    von    denen 


PoBUmcDt  mll  Heiligen-Bildern  bei  Kloster  Schln-M. 

eines  ein  sogenanntes  Lebensrad  darstellte.  Das  etwa  5  m  hohe  und  2  m 
breite  Bild  veranschaulicht  die  Aufeinanderfolge  und  die  Regionen  der  Wieder- 
geburten, die  endlose  Folge  und  Kontinuität  des  Lebens,  dessen  Form  durch 
immerwährende  Wandlungen  verändert  wird.  Das  Rad  ohne  Anfang  und  ohne 
Ende  ist  das  symbolische  Zeichen  der  Quintessenz  der  buddhistischen  Lehre, 
dass  der  Tod  nur  die  Form  verändert,  das  Leben  aber  kontinuierlich  weiter 
dauert  bis  zum  Untergange  des  Universums.  Die  Darstellung  besteht  aus  einem 
grossen  Kreis,  der  von  einem  Götzen  mit  Händen  und  Füssen  umklammert 
wird.  In  der  Mitte  ist  ein  runder  Raum  ausgespart,  der  ein  schwarzes  Un- 
geheuer mit  langem  Schwänze,  am  ehesten  noch  einem  Schwein  vergleichbar, 
einen  rot-  und  grünbefiederten,  papageiartigen  Vogel  und  eine  geringelte,  am  Bauche 
rot  und  grün  gefleckte  Schlange  enthält,  in  der  Art,  dass  sich  die  Tiere  im 
Kreise  folgen  und  eines  das  andere  am  Schwänze  gepackt  hält.     Das  Monstrum, 


—    408     — 

welches  die  Bildscheibe  umfasst,  symbolisiert  die  Scheusslichkeit  des  Klammems 
am  Leben.  Die  drei  Tiere  im  Mittelfeld,  die  Taube,  die  Schlange  und  das 
Schwein,  versinnbildlichen  die  drei  Versuchungen  »Begierde,  UebelwoUen  und 
Thorheit«,  die  am  Grunde  jeder  Wiedergeburt  hegen.  Der  innere  Raum  des 
Kreises,  auf  dessen  breitem,  grünen  Rande  die  Entwicklungsstadien  des  mensch- 
lichen Lebens  in  zwölf  Figuren  und  Gruppen  dargestellt  sind,  enthält  sechs 
fast  gleich  grosse,  durch  Radien  geteilte  Felder,  von  denen  die  oben  liegenden 
den  Himmel,  die  entgegengesetzt  unten  liegenden  die  Hölle  in  realistischen 
Darstellungen  enthalten.  Bei  unserm  Lebensrade  folgen  sich  die  Regionen 
der  Wiedergeburt    im    entgegengesetzten    Sinne   des   Uhrzeigers,  so  dass   links 


Halle  mit  Gebelmühlea  bei  Kloster  Schln-se. 

vom  Himmel  die  Titanenwelt,  unter  dieser  die  Tierwelt,  dann  die  Hölle,  die 
Region  des  Tantalus  und  die  menschliche  Welt  folgen,  während  auf  andern  Dar- 
stellungen des  Lebensrades  eine  umgekehrte  Reihenfolge  im  Sinne  des  Uhr- 
zeigers gewählt  ist,  dass  also  die  Titaaenwelt  nicht  links,  sondern  rechts 
vom  Himmel  liegt,  und  die  andern  Regionen  in  derselben  Reihenfolge  sich  an- 
schli  essen. 

Es  giebt  zwei  Arten  dieser  Lebensdarstellung  in  Tibet,  die  sich  dadurch 
unterscheiden,  da-ss  bei  der  neueren  Art  in  jeder  der  sechs  Regionen  der 
Wiedergeburt  eine  Figur  des  Avalokitegvara  eingetragen  ist,  während  in  den 
älteren  Darstellungen,  zu  denen  das  in  Schin-se  befindliche  Lebensrad  gehört 
diese  Figur  fehlt.  Da  sich  auch  sonst  in  der  Einzeldarstellung  der  Regionen  Unter- 
schiede gegenüber  dem  von  A.  Waddell  abgebildeten  und  beschriebenen  Lebensrade 
wahrnehmen  lassen,  dürfte  eine  Wiedergabe  meiner  Bemerkungen  nicht  unnötig 


TAFEL  XXXd. 


—     409     — 

erscheinen,  obwohl  sie  nicht  vollständig  sind,  da  die  Mönche  des  Klosters  ein 
genaues  Abzeichnen  nicht  erlauben  wollten.  Am  besten  gelang  mir  noch  die 
Skizze  von  der  Hölle,  deren  Raum  in  acht  konzentrische  Ringe  geteilt  ist.  Die 
dem  Zentrum  des  Rades  am  nächsten  sitzende,  grosse  Figur  ist  von  andern 
Figuren  umgeben,  welche  Gruppe  das  letzte  Gericht  bedeuten  könnte;  rechts  zu 
den  Füssen  der  Hauptfigur  sitzt  ein  Teufel,  links  ein  Hund  und  ein  mystisches 
Tier  mit  grosser  Nase,  das  eine  Schale  hält.  In  den  gegen  die  Peripherie  hin 
nun  folgenden  Ringen  sind  die  Qualen  der  Hölle  dargestellt  Blaue  und  grüne 
Teufel  strecken  weisse  Menschen  auf  Streckbänke;  in  andern  Ringen  sitzen  die 
Opfer  in  Wannen  mit  siedender  Flüssigkeit  oder  braten  ganz  nackt  im  Feuer; 
andere  sind  mit  dem  Kopf  nach  unten  ans  Kreuz  gebunden  und  werden  von 
Teufeln  mit  Stangen  gepeinigt;  in  einem  besonderen  Segment,  das  gegen  die 
Region  der  gequälten  Geister  hin  liegt,  sind  acht  konzentrische  Ringe  ganz 
gleichmässig  niit  Brustbildern  auf  weissem  Grunde  ausgefüllt,  die  von  flammen- 
artigen Zeichnungen  umgeben  sind.  Die  nach  rechts  folgende  Region  der  ge- 
quälten Geister  enthält  auf  braunem  Grunde  nackte  Gestalten  mit  dicken  Leibern, 
in  springender  und  fliegender  Pose,  manche  haben  Schlangen  als  Brüste.  Es 
können  diese  Attribute  sehr  wohl  die  Qualen  des  Hungers  und  Durstes  und 
die  dem  Essen  folgenden  Schmerzen,  denen  die  gequälten  Geister  ausgesetzt 
sind,  versinnbildlichen.  Die  Darstellung  der  Region  der  Tierwelt,  die  nach  links 
von  der  Hölle  folgt,  zeigt  monströse  Geschöpfe  und  drachenartige  Tiere  aller 
Art  auf  blauem  Grunde;  manche  haben  lange  Flügel  mit  Krallen,  sind  meist  rot 
und  grün  dargestellt  und  scheinen  Feuer  zu  speien.  Auch  hirsch-  und  kamel- 
artige Typen  sind  darunter,  aber  keine  Wassertiere.  Es  folgt  dann  die  Titanen- 
welt, Tempelchen  mit  Personen  (entsprechen  wohl  Asuras  Seligkeit  und  häus- 
lichem Leben)  und  auf  hellg^nem  Grunde  kämpfende  Reiter  und  Lanzenträger, 
die  gegen  den  Himmel  ankämpfen.  Ein  Heerführer  leitet  die  Schlacht  und 
ganz  links  im  Felde  stehen  fünf  weibliche  Figuren  in  einer  Reihe  neben  einander. 
Die  menschliche  Welt  zeigt  rechts  vom  Himmel  Darstellungen  aus  dem  Leben 
der  Menschen,  Tempel  und  Fromme,  die  Gaben  darbringen.  Im  Himmel  treten 
besonders  grosse  Heiligtümer  und  Göttergestalten  hervor.  Die  Stilart  der  Tempel 
ist  aber  nicht  tibetanisch. 

Die  Wege  zwischen  den  Gebäuden  des  Klosters  Schin-se  sind  breit;  kleinere 
Tempelchen  und  Steinpyramiden  mit  Tsa-tsa  und  grosse  Plätze  mit  Obo  aus 
Steinplatten,  die  Inschriften  in  tibetanischer  Schrift  tragen,  liegen  zwischen  den 
grossen  Tempeln  und  Hallen  mit  Gebetmühlen,  deren  ich  sechs  zählte.  Ein 
kleiner,  künstlich  zu  Erholungszwecken  angelegter  Park  beim  Kloster  enthielt 
schöne,  grosse  Exemplare  von  Picea  obovata  Ledeb.  var.  Schrenckiana  Ant.  und 
einen  kleinen  Teich.  Der  stattliche  Haupttempel  (siehe  Tafel  XXXII)  ist  in  seiner 
Bauart  den  Tempelgebäuden  Kum-bums  ganz  ähnlich  und  auch  hier  findet  sich 
unter  dem  Dache  in  den  Wänden  eine  horizontale  Lage  von  Holzzweigen  und 
Aesten.     Die  Spitze  in  der  Mitte  auf  der  Frontseite  ist  vergoldet,  ebenso  die 


—     4'o     — 

beiden  Tiere  und  das  Tempelemblem  in  der  Mitte  derselben.  Ein  grosser 
Vorhang  verschliesst  die  Nische  im  mittleren  Teil  des  Tempels.  Die  Tafel 
XXXIU  zeigt  einen  Tempel  von  derselben  Bauart,  der  ringsum  Galerien 
mit  Gebetmühlen  hat;  zu  seiner  rechten  Seite  steht  gegen  den  Fluss  hin  ein 
Obo  aus  Schieferplatten  mit  Inschriften. 

Ein  eigentümliches  Monument  ist  auf  der  umstehenden  Tejctfigur  abgebildet 
B<^i  demselben  befindet  sich  auch  die  bunte  Darstellung  des  Brustbildes  eines 
Buddhaheiligen;  auch  in  Kum-bum  waren  derartige  Thschörten  (auch  Ch'ürten 
oder  Suwürghan  [mongolisch])  am  Klostereingange.  Sie  stellen  eigentlich  Auf- 
nahmestellen für  Opfergaben  und  Weihegeschenke  dar  und  werden  errichtet  zur 


BudübisUscheB  Monumenl  (Ch'Uitea)  bei  KloBler  ächio-se. 

Erinnerung  an  einen  Buddha  oder  an  kanonisierte  Heilige;  manche  erinnern  auch 
an  Besuche  von  solchen.  In  ihrer  Bauart  repräsentieren  sie  die  fünf  Elemente, 
in  welche  sich  der  Körper  nach  dem  Tode  auflöst.  Nach  A.  Waddell  entspricht 
der  untere,  vierseitig  nach  oben  abgestufte  Sockel  der  Erde,  der  darüber  folgende, 
cylindrische  Teil  dem  Wasser,  die  segmentierte  Pyramide  darüber  dem  Feuer; 
die  Zahl  der  13  Segmente  symbolisiert  die  Zahl  der  Götterhimmel;  darüber 
folgen  ein  Halbmond,  der  die  Luft,  und  eine  Kugel,  die  den  Aether  repräsentiert 
Häufig  schliesst  eine  zungenartige  Spitze,  das  Symbol  des  heiligen  Lichtes  des 
Buddha,  nach  oben  ab.  Das  ganze  Monument  war  weiss  bestrichen,  aber  ohne 
Bilderdarstellungen  oder  andere  symbolische  Zeichen.  Nur  vorn  in  einem  be- 
sonderen, kleinen,  auf  der  Abbildung  sichtbaren  Aufbau  war  ein  in  Farben 
ausgeführtes  Buddhabild.     Die  Höhe  dieses  Monumentes  betrug  etwa   15  m. 

Noch    einige  grössere  Gebäulichkeiten,   die  mehr  gegen  den  Fluss  li^eo, 
während  die  Tempel  sich  an  der  Bergseite  befinden,    scheinen   die  Wohnungen 


TAFEL  XXXin. 


—     411     — 

der  Oberlamas  zu  enthalten.  Doch  wurden  wir  bei  unserm  Besuche  bei  einem 
der  obersten,  anwesenden  Lamas  —  der  Ta-Lama  oder  Prior  war  weggereist  — 
in  ein  sehr  dürftiges  Gebäude  und  in  die  Holzzelle  eines  alten  Klostergeistlichen 
geführt,  wo  dann  nach  einigem  Warten,  während  dessen  Thee  angeboten  wurde, 
der  zu  besuchende  Lama  erschien.  In  die  besagte  Zelle  gelangte  man  durch 
einen  Vorraum,  der,  wie  es  schien,  auch  als  Betsaal  benutzt  werden  konnte,  und 
in  welchem  Säcke  aller  Art,  Gerätschaften  und  Gefösse  herumstanden.  Die  Zelle 
des  Alten  war  ganz  aus  Holz,  das  durch  Rauch  und  Alter  geschwärzt  war;  ihre 
Länge  betrug  etwa  lom;  die  Breite  5  m  und  die  Höhe  3  m.  An  der  Seite  des 
mit  Stäben  vergitterten  und  mit  weissem  Papier  beklebten  Fensters  befand  sich 
ein  niederer  Aufsatz  auf  dem  mit  Dielen  belegten  Boden,  und  auf  diesem  wieder 
standen  in  der  Mitte  hinter  einander  in  einer  Reihe  vier  niedere  Tischchen,  zu 
deren  Seiten  bis  zu  den  Wänden  Decken  zum  Niedersitzen  auf  dem  Boden  lagen. 
Auf  zweien  der  beiden  Tischchen  waren  grosse  Messingschalen  eingelassen; 
in  ihnen  brannten  Holzkohlen  zum  Heizen  und  darüber  standen  eiserne  Dreifüsse. 
Ein  kleines,  hölzernes  Gestell  mit  zwei  horizontalen  Fächern  befand  sich  am 
Fenster,  und  an  einer  Längswand  waren  hohe  Holzgestelle  mit  einzelnen,  etwas 
verzierten  und  durch  Thüren  verschliessbaren  Fächern  aufgestellt  Es  standen 
einige  Tassen,  kleine  Gerätschaften  und  in  Tücher  eingewickelte  Gebetbücher 
herum;  das  war  die  ganze  Einrichtung.   . 

Der  alte  Geistliche,  mit  grauen  Haaren  und  sehr  verwittertem  Gesichte,  sass 
in  einem  Winkel  am  Fenster  auf  einer  Decke  hinter  den  Tischchen  und  lud 
durch  eine  Handbewegung  ein,  gegenüber  Platz  zu  nehmen.  Er  war  ganz  dunkel- 
rot gekleidet;  seine  Oberarme  waren  frei,  aber  um  die  Unterarme  trug  er  ein 
Paar  stulpenartige,  rote  Aermel,  welche  die  mageren,  verknöcherten  Finger  frei 
Hessen.  Vor  sich  hatte  er  eine  sehr  schöne,  reich  o/'namentierte,  kupferne 
Gebetmühle  von  10  cm  Höhe  stehen,  aus  der  oben  in  der  Mitte  ein  Holz- 
stäbchen herausragte,  mittelst  dessen  eine  rotierende  Scheibe  im  Innern  in  Be- 
wegung gesetzt  werden  konnte.  Der  Alte  liess  sich  in  der  Ausübung  seiner 
Morgenandacht  durch  unsere  Anwesenheit  nicht  lange  stören.  Mit  grosser  Be- 
dächtigkeit holte  er  ein  hölzernes  Etui  vom  Fenstergestell  herunter  und  daraus 
eine  riesige,  schwarze  Hornbrille  mit  runden  Gläsern,  die  er  sich  mit  Schnur- 
schleifen hinter  den  Ohren  festhängte.  Dann  griff  er  nach  einem  in  einem  Tuch- 
umschlag verwahrten  Buche,  das  er  auf  seinem  Schosse  auswickelte  und  der 
Breitseite  nach  vor  sich  legte.  Die  kleine  Gebetmühle  wurde  auf  dem  Schosse 
mit  der  einen  Hand  in  Gang  gesetzt,  mit  der  andern  ergriff  er  eine  Leder- 
schlinge an  langem  Riemen,  der  zu  einer  grösseren  im  Gestell  an  der  gegen- 
über liegenden  Wand  angebrachten  Gebetmühle  führte,  und  brachte  dadurch 
auch  diese  in  Bewegung.  So  von  zwei  Gebetmühlen  und  dem  Gebetbuche  unter- 
stützt, murmelte  er  seine  Gebete,  indem  er  von  Zeit  zu  Zeit  die  mit  schwarzen 
Schriftzeichen  bemalten,  weissen  Blätter  umwandte.  Nichts  anderes  existierte 
mehr  für  ihn,  als  seine  Andachtsübung.    Wir  bekamen  Thee  gereicht  und  folgten 


—      412      — 

dann,  nachdem  der  Lama,  der  mit  uns  verhandeln  sollte,  gekommen  und  unser 
Geschenk  —  eine  Weckeruhr  mit  Spielwerk  —  ihm  übei^ben  war,  diesem  in 
eine  andere  Abteilung  des  Gebäudes,  in  der  wir  halb  im  Freien  unter  einer  Art 
von  Veranda  unsere  Unterredung  hatten. 

Dieser  Lama,  ein  noch  junger  Mann,  hatte  sich  freundlich  gezeigt,  indem 
er  zwei  Abende  vor  unserm  Besuche,  als  wir  uns  in  grossen  Schwierigkeiten 
mit  den  Tanguten  befanden,  in  unser  Lager  kam  und  seine  Hilfe  zusagte.  Doch 
das  erfordert  zunächst  eine  kurze  Darstellung  der  Ereignisse,  die  sich  nach 
unserer  Ankunft   beim  Kloster  Schin-se   zugetragen    hatten,    und    die    für  den 


DuE  Thao-Thal  bei  Kloster  Schin-Be,  flnssabwürtB  gEsehen.     Platz  des  Lagen  L 
und  des  Ueberfalla  auf  die  Expedicioii. 

weiteren  Verlauf  der  Reise  nach  dem  Hoang-ho  und  Sung-p'an  thing  ver- 
hängnisvoll wurden,  indem  sie  uns  zwangen,  schon  hier  Tibet  zu  verlassen  und 
über  Thao-tschöu — Min-tschöu  das  eigentliche  China  wieder  zu  erreichen.  Das 
Lager  war  am  rechten  Flussufer  unterhalb  der  Brücke,  die  beim  Kloster 
über  den  Thao-Fluss  führt,  aufgeschlagen  worden,  unweit  der  letzten  Tanguten- 
Hutten,  die  auf  der  obenstehenden  Abbildung  sichtbar  sind,  und  in  der  Nähe 
des  Bergabhanges,  der  einen  hügeligen  Vorsprung  gegen  die  Flussebene  vor- 
sendet. Gleich  hinter  diesem  Hügel  geht  ein  Thälchen  in  südlicher  Richtung 
in  die  Berge,  durch  welches  ein  Weg  zu  benachbarten  Tanguten-Ansiede- 
lungen  führt.  Gegen  den  Fluss  hin  war  eine  weite,  freie  Fläche,  auf  der  die  Pferde 
und  Yaks  der  Karawane  gutes  Futter  fanden.  Flussabwärts  kommt  bald  ein  Berg- 


—     413     — 

vorijprung,  um  welchen  das  Flussthal  umbiegt,  so  dass  vom  Lager  (auf  der 
Abbildung  ist  an  der  betreffenden  Stelle  ein  f)  aus  der  untere  Teil  des  Thaies 
nicht  zu  übersehen  war.  Der  Platz  war  schlecht  geschützt,  wenn  man  Feind- 
seligkeiten fürchtete,  wozu  aber  hier  in  der  nächsten  Nähe  des  grossen  Klosters, 
dessen  Oberlama  uns  weitere  Führer  zugesagt  hatte,  kein  Grund  vorlag. 

Das  Ungewitter  kam  voA  einer  ganz  andern  Seite.  Der  erste  Tag,  an 
welchem  wir  mittags  angekommen  waren,  verlief  ruhig,  und  auch  am  zweiten 
ahnte  niemand  böses.  Die  vielen  Lamas  und  Tanguten,  welche  ans  Lager 
kamen,  waren  zwar  unangenehm  zudringlich  und  einer  unserer  Chinesen  hatte 
einen  Wortwechsel  mit  einem  Tanguten,  der  sich  nicht  entfernen  wollte,  wobei 
dieser  nach  seinem  Schwerte  griff  und  der  Chinese  mit  dem  Revolver  drohte, 
aber  schliesslich  lief  alles  gut  ab,  und  die  Tanguten  entfernten  sich  wirklich. 
Mittags  waren  wir  noch  der  Einladung  eines  hier  ansässigen,  chinesischen 
Händlers  zum  Essen  gefolgt,  bei  dem  wir  mit  trefflich  zubereiteten  Speisen  be- 
wirtet wurden,  und  nichts  deutete  auf  Aussergewöhnliches  hin.  Inzwischen  war 
es  etwa  5  Uhr  abends  geworden.  Ich  war  einige  hundert  Schritte  vom  Lager, 
ohne  Waffen,  nur  mit  meinem  Steinhammer  versehen,  gegen  jenen  Bergvorsprung 
gegangen,  um  welchen  das  Flussthal  umbiegt,  als  ich  plötzlich  einen  Trupp  mit 
Gewehren  und  Lanzen  bewaffneter  Reiter,  etwa  zwölf  an  Zahl,  in  schärfster 
Gangart  um  die  Ecke  biegen  und  direkt  nahe  an  meinem  Standort  vorbeireiten 
sah.  In  einem  Augenblick  hatten  sie  unsere  Pferde  und  Yaks,  die  in  der  Nähe 
des  Flusses  weideten  und  gerade  von  zwei  Chinesen  zusammengetrieben  wurden, 
umringt  und,  um  den  Tieren  Schrecken  einzujagen,  Schüsse  nach  der  gegen  das 
Lager  gerichteten  Seite  abgefeuert.  Unsere  Chinesen  ergriffen  die  Flucht  und 
eilten  zum  Lager,  um  Waffen  zu  holen.  Unterdessen  war  auch  von  dem  Hügel 
hinter  dem  Lager  das  Feuern  losgegangen,  wohl  um  die  Aufmerksamkeit  der 
Besatzung  von  den  Pferden  abzuwenden.  Dr.  Holderer  und  einige  der  Chinesen 
eilten  davon,  um  wenigstens  die  Pferde  zu  retten,  und  schössen  mit  den  weit- 
tragenden Repetierkarabinern  nach  den  Räubern,  während  ich  mit  dem  Diener 
Bock  das  Lager  schützte.  Die  Chinesen  benahmen  sich  ganz  sinnlos  vor  Angst. 
Sie  feuerten  sämtliche  Läufe  ihrer  Revolver  gegen  den  Hügel  ab,  selbst  wenn 
niemand  zu  sehen  war,  und  schrieen  und  lärmten,  als  wenn  sie  schon  tödlich 
getroffen  wären.  Auch  konnten  sie  in  der  Verwirrung  mit  ihren  Waffen  nicht 
umgehen,  brachten  die  abgeschossenen  Patronen  nicht  heraus,  und  stürzten  nun 
alle  zu  Bock,  damit  er  ihre  Gewehre  in  Ordnung  bringe.  Jeder  verlangte  etwas 
anderes  und  alle  zur  gleichen  Zeit,  so  dass  auch  Bock  den  Kopf  verlor  und 
schrie  und  lärmte. 

Dies  trug  sich  beim  Hauptlager  mit  dem  grossen  Gepäck  zu,  das  wie  immer  im 
Viereck  aufgestapelt  und  mit  einem  grossen  Tuche  bedeckt  war;  abseits  davon, 
etwa  zwanzig  Schritte  entfernt,  stand  das  grosse  Zelt  aus  wasserdichtem  Stoffe, 
das  Dr.  Holderer  und  mir  zum  Aufenthalte  diente,  und  hier  hielt  ich  mich  auf, 
ab    und    zu    nach   der   Höhe   feuernd,  wenn  ich  einen   der  Angreifer   erblickte. 


—     414     — 

Diese  beschossen  das  Zelt  ganz  regelrecht;  ich  sah  sie  auf  der  Höhe  anspringen 
und  sich  niederwerfen;  dann  waren  sie  in  dem  Gestrüppe  nicht  mehr  zu  sehen, 
während  sie  ihr  Gewehr  aufstellten  und  zielten.  Erst  wenn  sie  gefeuert  hatten 
und  aufstanden,  um  ihr  Gewehr  wieder  zu  laden,  war  der  Moment  gekommen, 
meinerseits  nachzuschiessen.  So  ging  das  Feuern  hin  und  her  und  mehrfach 
pfiffen  mir  die  Kugeln  direkt  am  Kopf  vorbei.  Der  Aufenthalt  war  höchst 
unbehaglich,  denn  wenn  das  Zelt  auch  wasserdicht  war,  so  war  es  doch  nicht 
kugelsicher,  selbst  den  Kugeln  der  tibetanischen  Gabelflinten  gegenüber.  Es 
wurde  an  zwei  Stellen  durchlöchert,  einmal  in  der  Mitte  und  einmal  am  einen 
Ende,  wo  sie  mich  vermuteten.    Ich  war   froh,    als    sie    nach    kurzer  Zeit  von 


HolibrUcke  Über  den  Thao-ho  bei  KJosIer  .Schio-se. 

der  Höhe  weggetrieben  waren,  und  keine  Schüsse  von  hier  mehr  fielen. 
Unterdessen  dauerte  das  Schiessen  unten  am  Fluss  auf  die  mit  ihrer  Beute 
—  17  Pferden  —  flüchtigen  Räuber  fort;  aber  diese  hatten  durch  ihre  Schnelligkeit 
schon  einen  zu  grossen  Vorsprung,  die  Verfolger  hatten  keine  Reittiere  und  so 
gelang  es  ihnen  denn,  mit  den  geraubten  Pferden  zu  entrinnen,  die  sie  zunächst 
über  den  für  Unberittene  unpassierbaren  Thao-Fluss  getrieben  hatten.  Es  war 
unterdessen  dunkel  geworden  und  wir  mussten  uns  auf  einen  zweiten  Ueberfall 
zum  Zwecke  der  gänzlichen  Beraubung  während  der  Nacht  gefasst  machen. 
Der  Kerle  waren  in  der  That  genug,  um  bei  der  Kopflosigkeit  unserer  Chinesen 
die  Aussicht  auf  das  Gelingen  einer  solchen  Attacke  zu  rechtfertigen.  Es 
wurde  die  ganze  Nacht  unter  Watfen  gewacht,  und  Dr.  Holderer  mit  einer 
Patrouille  verjagte  noch  drei  Angreifer  von  der  Höhe  hinter  dem  Lager,  auf 
der  sie  sich  aufhielten.  Ruhig  war  es  in  der  Nacht  nicht,  aber  es  erfolgte 
doch  kein  Ueberfall,  und  am  andern  Morgen  war    eine    der  ersten  Sorgen  die, 


-     4t5     — 

das  Lager  an  einen  andern,  weniger  exponierten  Platz  zu  verlegen,  da  eine 
Wiederkehr  der  Räuber  dringend  zu  befürchten  stand.  Auf  der  linken  Seite 
des  Flusses,  gleich  unterhalb  des  Klosters,  befand  sich  im  Anschluss  an  die 
Wohnungen  einiger  dort  ansässiger,  chinesischer  Händler  ein  grosser,  mit  einer 
niedrigen  Mauer  umfriedigter  Hof  fiir  Vieh,  dessen  Benutzung  zur  Unter- 
bringung unseres  Gepäckes  und  Aufschlagen  unserer  kleinen  Zelte  vom  Stammes- 
ältesten der  Tanguten  beim  Kloster  gegen  ein  hohes  Entgelt  gestattet  wurde. 
Die  Brücke  über  den  Fluss  ist  für  bepackte  Lasttiere  nicht  passierbar  und 
so  musste  denn  das  ganze  Gepäck  hinüber  getragen  werden,  was  geraume  Zeit 
in  Anspruch  nahm.  Auch  dabei  kam  es  zu  Diebereien  der  schon  von  morgens 
an  unser  Lager  in  dichten  Massen  umdrängenden  Räuber,  die  im  Laufe  des 
Vormittags  immer  mehr  verstärkt  wurden  durch  neue  bewaffnete  Banden,  die 
aus  den  Seitenthälem  herabzogen.  Die  bei  Schin-se  ansässigen  Tanguten  ver- 
hielten sich  nicht  feindlich.  Den  Trägern  —  ausser  unsern  Chinesen  noch 
einigen  Tanguten  und  ihren  Frauen  aus  Schin-se  —  wurden,  während  sie  vom 
alten  zum  neuen  Lagerplatze  unterwegs  waren,  Gegenstände  weggerissen,  ohne 
dass  sie  sich  wehren  konnten.  So  ging  eine  Menge  von  Gegenständen  noch 
verloren  und  die  Haltung  der  Menge  wurde  immer  drohender;  als  die  letzten 
Lasten  über  den  Fluss  getragen  wurden,  gegen  2  Uhr  mittags,  machten  einige 
der  Räuber  ihre  Gewehre  schussfertig,  und  eine  andere  Bande  ganz  in  der  Nähe 
des  neuen  Lagerplatzes  schien  jeden  Augenblick  einen  Angriff  unternehmen 
zu  wollen. 

Unsere  Lage  war  äusserst  schwierig;  unsere  Chinesen  zeigten  solche  Angst, 
dass  sie  bei  einem  feindlichen  Zusammenstosse  sofort  geflohen  wären,  und  wir 
drei  Europäer  hatten  zwar  gute  Waffen,  wären  aber  sicher  der  grossen  Ueber- 
zahl  und  dem  von  allen  Seiten  gleichzeitig  erfolgenden  Angriffe  erlegen.  — 
Es  waren  bange  Stunden,  die  wir  am  Nachmittage  des  ii.  November,  mit 
dem  schussfertigen  Gewehre  in  der  Hand  auf  und  abgehend,  in  steter  Erwartung 
des  Angriffes  verbrachten.  Vom  niederen  Dache  einer  der  Chinesenwohnungen, 
auf  das  man  von  unserm  Lagerhofe  hinaufsteigen  konnte,  waren  die  Bewegungen 
der  Belagerer  zu  beobachten.  Sie  führten  ihre  Pferde  in  einen  der  grossen 
Höfe  beim  Kloster  und  versammelten  sich  dort  alle;  eine  Weile  blieb  alles 
ruhig.  Dann  wurden  den  zahlreich  auf  der  Anhöhe  hinter  unserm  Lagerhofe 
versammelten  Zuschauern  und  Mönchen  des  Klosters  Zeichen  gegeben,  sich  von 
dort  zu  entfernen,  offenbar,  weil  diese  Höhe  bei  einem  Gefecht  von  den  Kugeln 
bestrichen  worden  wäre.  Das  war  ein  kritischer  Moment.  »Jetzt  geht  es  lose, 
dachten  wir  und  waren  auf  das  Schlimmste  gefasst  Unsere  Chinesen  hockten 
in  finsterer  Ruhe  in  einer  Ecke;  an  einen  Widerstand  dachte  offenbar  keiner 
von  ihnen;  sie  hofften  ihr  Leben  dadurch  zu  retten,  dass  sie  sich  willenlos 
fügten.  Im  übrigen  dachten  sie  wohl,  dass  sie  durchaus  keine  Veranlassung 
hätten,  sich  für  uns  und  unsere  Sachen  die  Hälse  abschneiden  zu  lassen.  Die 
langen  Stunden  gingen  qualvoll  langsam  vorüber;    kein  Angriff  erfolgte,   gegen 


—    4i6     — 

Abend  sah  man  vom  Dache  aus  einzelne  der  Bande  ihre  Pferde  über  die  Brücke 
fuhren  und  abziehen;  die  grosse  Mehrzahl  aber  befand  sich  noch  in  dem  Kloster- 
hofe.    Planten  sie  einen  nächtlichen  Uebcrfall? 

Vielleicht,  so  hofften  wir,  gelang  es  noch  dem  Einfluss  eines  hohen  Kloster- 
Lamas,  der  die  Folgen  für  sich  und  sein  Kloster  zu  furchten  Ursache  hatte, 
wenn  wir  erschlagen  wurden,  die  Feinde  von  einem  erneuten  Ueberfalle  unseres 
Lagers  abzuhalten,  und  sie  zu  bewegen,  sich  mit  den  weggetriebenen  Pferden, 
den  während  des  Transportes  gestohlenen  Gegenständen,  unter  denen  sich  auch 
wertvolle  Waffen  befanden,  und  den  Yaks  unserer  Expedition  zu  begnügen. 
Diese  letzteren  waren  ganz  in  ihren  Händen,  da  sie  schon  am  Abend  vorher 
nach  einem  entfernteren  Viehhofe  geschafft  worden  waren,  und  wir  sie  nicht 
bewachen  lassen  konnten,  während  wir  unser  Lager  zu  schützen  hatten.  Wir 
hörten  denn  auch  von  den  Chinesen  in  Schinse,  dass  im  Laufe  des  kritischen 
Nachmittages,  als  unser  neues  Lager  bedroht  war,  die  Yaks  von  einer  andern 
Abteilung  fortgetrieben  worden  seien.  Vielleicht  hatten  sie  nur  deshalb  den 
ganzen  Nachmittag  über  das  Lager  bedroht,  um  uns  zu  verhindern,  etwas  zum 
Schutze  der  Yaks  zu  thun.  Ich  werde  nie  vergessen,  mit  welchen  Blicken  ein 
Stammeshäuptling,  ein  noch  junger,  hochaufgeschossener  Mann  mit  tief  ge- 
bräunter Hautfarbe,  kühner  Adlernase  und  herkulischem  Körperbau,  unsem 
grossen  Warenvorrat  im  Lager  musterte,  nachdem  er  vor  dem  Thore  sein  Pferd 
abgegeben  hatte  und,  nur  mit  seinem  reichverzierten  Handschwerte  bewaffnet, 
in  den  Hof  hereingekommen  war.  Er  entfernte  sich  bald  wieder  und  am  Aus- 
gang musste  er  an  mir  vorbei.  Unsere  Blicke  trafen  sich  und  wir  beide  wussten: 
begegnen  wir  uns  noch  einmal,  dann  gilt  es  Leben  und  Tod. 

Die  Chinesen  von  Schin-se  suchten  fortwährend  zu  unsern  Gunsten  zu 
intervenieren  und  durch  sie  erhielten  wir  auch  laufende  Berichte,  soweit  Ver- 
ständigung möglich  war,  über  den  Stand  der  Dinge  und  die  Absichten  der 
Räuberbande.  Der  Nachmittag,  der  Abend  und  schliesslich  die  Nacht  des  ii.  No- 
vember vergingen,  ohne  einen  neuen  Ueberfall  zu  bringen,  indessen  konnte  ein 
solcher  jeden  Tag  erfolgen.  Auch  konnten  wir  nicht  weiterziehen,  da  wir  keine 
Pferde  und  Yaks  mehr  hatten  und  ausserdem  Gefahr  liefen,  auf  dem  Wege 
nach  Thao-tschou,  der  die  nächste  und  kürzeste  Rückzugslinie  aus  Tibet  war, 
bei  erster  Gelegenheit  von  den  überall  in  den  Thälern  herumstreifenden 
Räubern  von  neuem  überfallen  und  dann  erst  recht  gründlich  ausgeraubt  zu 
werden.  Die  nächsten  Tage  bis  zum  17.  November  verliefen  in  ängsüicher  Un- 
gewissheit,  aber  ohne  Feindseligkeiten.  Es  war  eine  Art  von  Gefangenschaft, 
in  der  wir  uns  befanden,  denn  man  hatte  uns  davor  gewarnt,  den  Lagerhof 
zu  verlassen,  da  sich  immer  feindliche  Horden  in  der  Nähe  befanden,  die 
unsere  Schritte  beobachteten.  —  Endlich  war  Dr.  Holderer  nach  langen, 
mühseligen  Verhandlungen  so  weit,  dass,  natürlich  nur  gegen  wucherhaft 
hohes  Entgelt  und  unter  Benutzung  unserer  hilflosen  Lage  zu  förmlicher  Er- 
pressung,   die    Chinesen    in    Schin-se    sich    bereit    erklärten,    neue  Pferde    und 


—    417     - 

Yaks  bis  Thao-tschou  zu  vermieten.  Der  Häuptling  der  dort  ansässigen 
Tanguten  stellte  ebenfalls  für  teures  Geld  20  Mann  Bewaffnete  zu  unserm 
Schutze.  Es  war  nur  eine  Schwierigkeit  noch  zu  überwinden:  einige  von 
den  Angreifern  waren  beim  Ueberfall  am  10.  November  abends  durch  unsere 
Kugeln  schwer  verwundet  worden,  und  einer  befand  sich  in  Todesgefahr.  Es 
wurde  nun  ein  sehr  hohes  Schmerzensgeld  verlangt  und  man  drohte,  im  Falle, 
dass  jener  sterben  würde,  mit  erneutem  Ueberfalle  und  Ermordung  der  Europäer 
als  Sühne.  Die  Besserung  im  Befinden  des  Verwundeten  änderte  auch  unsere 
Lage,  indem  die  Tibetaner  mit  den  geraubten  Pferden  und  Yaks  sich  zufrieden 
erklärten,  und  ihre  Beute  auch  als  Schmerzensgeld  für  die  Kranken  ansahen. 
Auch  einige  Pferde  wurden  zurückgebracht. 

Am  17.  November  stand  unserm  Aufbruche  mit  grosser  Bedeckung  nichts 
mehr  im  Wege.  In  grossen  beschleunigten  Märschen  wurde  der  Weg  durch 
das  gebirgige  Gebiet  auf  dem  nördlichen  Ufer  des  Thao-ho  in  einiger  Ent- 
fernung vom  Flusse  angetreten  und  in  vier  Tagen  bis  Thao-tschou  zurückgelegt. 
Schon  am  i  f.  November,  am  Tage  nach  dem  Ueberfall,  war  ein  Brief  durch 
reitenden  Eilboten  unter  Eskorte  von  Leuten  aus  Schin-se  nach  Thao-tschou 
an  die  dortigen  Missionare  gesandt  worden,  in  welchem  unsere  Lage  dargestellt 
und  um  Benachrichtigung  der  Behörden  in  Neu-Thao-tschou  und  schleunige 
Hilfe  gebeten  wurde.  Bei  den  grossen  Entfernungen  konnte  der  Eilbote,  selbst 
wenn  er  mit  frischen  Pferden  auch  die  Nächte  durchritt,  doch  erst  nach  2  ^a  Tagen 
dort  eintreffen,  und  bis  er  wieder  nach  Erledigung  seiner  Aufträge  zurückkehren 
und  Nachricht  bringen  konnte,  mussten  ebenfalls  noch  ein  bis  zwei  Tage  vorüber 
gehen.  In  der  That  erreichte  er  uns  auch  erst  wieder  an  dem  ersten  Tage  des 
Marsches  nach  Thao-tschou,  begleitet  von  Rev,  Schanz,  der  herbei  geeilt  war,  um 
uns  wo  möglich  noch  in  Schin-se  selbst  zur  Rückkehr  behilflich  sein  zu  können. 

Während  der  letzten  sechs  Ta^e  in  Schin-se,  die  mit  den  ermüdenden  und 
langwierigen  Verhandlungen  mit  Chinesen,  dem  Tangutenhäuptling  und  ver- 
schiedenen Lamas  und  durch  diese  mit  den  Tanguten  ausgefüllt  waren,  herrschte 
ein  herrliches,  warmes  Herbstwetter,  das  leider  nicht  zu  Tagesausflügen  und  Ex- 
kursionen benutzt  werden  konnte.  Aber  es  bot  sich  Gelegenheit,  die  Lebens- 
weise der  auf  diesem  weit  nach  Tibet  vorgeschobenen  Posten  lebenden  Chinesen 
etwas  näher  kennen  zu  lernen.  Es  sind  hier  vier  oder  fünf  Familien  ansässig, 
und  sie  sind  alle  Muhamedaner;  ganz  im  allgemeinen  zeichnen  sich  die  muha- 
medanischen  Chinesen  vor  denjenigen,  welche  Konfucianer,  Buddhisten  oder 
Taoisten  sind,  durch  höheren  Mut  und  grösseren  Unternehmungsgeist  aus.  Es 
sind  ausschliesslich  solche,  welche  nach  Tibet  vorzudringen  und  dort  Handels- 
beziehungen anzuknüpfen  wagen.  Die  Wohnungen  sind  der  Bauart  nach  die- 
selben, wie  die  der  ebenfalls  in  Schin-se  lebenden,  nicht  nomadisierenden  Tanguten, 
nur  sind  sie  etwas  geräumiger  und  besser  eingerichtet.  In  dem  niederen  Lehm- 
hause mit  ebenem  Dache  ist  ein  Raum  als  Warenmagazin  eingerichtet  und  durch 
eine  Barre,  die  zugleich  als  Verkaufstisch  dient,  gegen  den  Hof  abgeschlossen, 

Fiiiterer,  Durch  Asien.  27 


~  418  - 

in  dem  ein  jeder,  der  kaufen  will,  Zutritt  findet.  Die  Waren  bestehen  grössten- 
teils aus  den  in  Tibet  gebräuchlichen  Gegenständen:  Stoffen,  Thee  und  Tabak, 
Feuerzeugen  mit  Stahl  und  Feuerstein,  kleinen  Pfeifen  zum  Rauchen,  bunten 
Bändern  und  Schnüren,  Tüchern;  aber  auch  die  langen  Gabel-Gewehre  und  von 
SsS-thschuan  eingeführte  Pantherfelle,  welche  die  Schafsmäntel  der  Tibetaner  und 
Tanguten  als  Besatz  zieren,  und  dergleichen  mehr  wird  feil  gehalten.  Gewöhnlich 
schhesst  sich  ein  Küchenraum  an  mit  einem  Herde  für  zwei  grosse  Kessel  und 
dann  ein  kleiner  Wohnraum  mit  einem  grossen  Holztisch  in  der  Mitte.  Um 
den  Tisch  laufen  auf  drei  Seiten  mit  Decken  belegte,  breite  Bänke,  welche  tags 


CbiDCBiacher  Häodler  und  Familie  bei  KluBler  Schin-Bc. 

zum  Sitzen  und  Liegen,  nachts  zum  Schlafen  dienen;  an  den  Wänden  sind  einige 
chinesische,  bunte  Bilder  mit  Blumen  angeklebt.  Längs  der  andern,  inneren 
Seiten  der  Hofmaucr  sind  Räume  für  Stallungen  und  Vorräte  von  Stroh  und 
Getreide  untergebracht,  soweit  nicht  Stroh  und  Viehfutter,  sowie  reichliche  Holz* 
und  Reisigbestände  auf  den  flachen  Dächern  aufgestapelt  sind. 

Diese  Chinesen  suchten  uns  mit  Erfolg  den  erzwungenen  Aufenthalt  im 
Lager  zu  Schin-se  dadurch  etwas  angenehmer  zu  gestalten,  dass  sie,  und  zwar 
alle  Familien  der  Reihe  nach,  uns  zum  Mittagessen  einluden.  Da  gab  es  ganz 
gute  Gerichte,  wenn  auch  die  Zubereitung  mit  vielen,  starken  und  scharfen 
Gewürzen  nicht  immer  dem  europäischen  Geschmacke  entsprach.  Gekochtes 
und    gebratenes  Hammelfleisch    in    einer  Art   Suppe    mit  Reis    war   meist  das 


—    419    — 

Häuptgericht;  ausserdem  hatten  sie  feine,  kleine  KartöfTeichen  und  kleine 
WurzelknoUen,  welche  man  auch  bei  den  Tanguten  vielfach  als  Speise  findet, 
die  tDschumac  heissen  und  einen  Bataten  ähnlichen  Geschmack  besitzen,  wenn 
man  sie  gedämpft  isst.  Es  sind  die  Wurzelknöllchen  von  Potentilla  anserina, 
die  ausgegp-aben  und  gesammelt  werden.  Frische,  ungesäuerte,  den  Mazzen  ähn- 
liche Kuchen  und  in  ganz  kleinen,  kaum  über  Fingerhut  grossen  Forzellannäpfchen 
aufgetragener,  warmer  Reisschnaps  vervollständigten  die  Mahlzeiten,  die  als  Ab- 
wechslung zwischen  den  gleichförmigen  Konservensuppen  recht  angenehm  waren. 

Nichtsdestoweniger  war  die  Freude  sehr  gross,  als  wir  nach  sechs  Tagen 
unfreiwilligen  Aufenthaltes  Schin-se  verlassen  und  am  17.  November  früh  morgens 
den  Weg  nach  Thao-tsch6u  antreten  konnten.  Von  einer  programmmässigen 
Fortsetzung  der  Reise  nochmals  an  den  Hoang-ho  bei  seinem  Knie,  und  von 
da  nach  Sung-p'an  thing,  konnte  nach  den  letzten  Ereignissen  keine  Rede  mehr 
sein.  Wir  konnten  keine  eigenen  Pferde  und  Yaks  mehr  erhalten  —  für  den 
Weg  nach  Thao-tschou  waren  sie  uns  nur  mietweise  überlassen  —  und  die 
Feindseligkeit  und  Raublust  der  von  Schin-se  weiter  entfernt  wohnenden  Stämme, 
die  jedenfalls  von  dem  Erfolge  des  ersten  Angriffes  auf  die  Expedition  und 
deren  schwacher  Verteidigungskraft  gehört  hatten,  würde  sicher,  selbst  wenn  es 
möglich  gewesen  wäre,  den  alten  Weg  fortzusetzen,  zu  neuen  Ueberfällen  gefuhrt 
haben.  So  brachen  wir  denn  auf,  schweren  Herzens,  so  nahe  am  grossen  Ziel 
der  Erforschung  des  oberen  Hoang-ho-Laufes  und  der  Geologie  seiner  Gebirge, 
sowie  des  sicher  sehr  interessanten  Weges  bis  Sung-p*an  thing,  verzichten  zu 
müssen,  aber  doch  wieder  dankbar  gestimmt,  aus  grosser  Gefahr  glücklich 
entronnen  zu  sein. 

Von  Kloster  Schin-se  bis  Thao-tschou,  das  nur  wenige  Kilometer  in  nörd- 
licher Richtung  von  dem  Thao-Flusse  entfernt  liegt,  geht  es  nicht  am  Flusse 
entlang,  sondern  quer  über  die  zahlreichen,  von  Norden  dem  Thao-ho  zu- 
strömenden, mehr  oder  weniger  grossen  Seitenflüsse  und  über  die  hohen  Gebirgs- 
rücken, welche  zwischen  diesen  Seitenthälern  liegen,  fortwährend  steil  hinauf  und 
dann  wieder  jäh  hinab  auf  oft  sehr  schwierigem  Wege.  Da  das  obere  Thao- 
Thal  und  auch  unser  Weg  geographisch  noch  nicht  beschrieben  und  erforscht 
sind,  rechtfertigt  sich  hier  die  nachstehende,  etwas  ausführlichere  Schilderung 
im  Anschluss  an  die  beigegebenen  Illustrationen,  und  zwar  um  so  mehr,  als 
auf  diesem  letzten  Stücke  der  Reise  aus  Tibet  noch  einige  neue,  bisher  nicht 
bekannte  Züge  zu  erwähnen  sein  werden.  Von  Kloster  Schin-se  folgt  der  Weg 
ein  kurzes  Stück  dem  Thao-ho  auf  seinem  linken,  felsigen  und  steil  abfallenden 
Ufer,  hoch  über  dem  Wasser  auf  schmalem  Felsenpfade  und  biegt  dann  in  ein 
linkes  Seitenthal  ein,  in  welchem  er  in  nordöstlicher  Richtung  hinauf  fuhrt  Der 
Thao-Fluss  selbst  geht  nach  Süden  weiter  zwischen  steilen,  500  m  hohen  Bergen, 
deren  felsige  Abhänge  vielfach  Tannenwälder  tragen,  und  in  engen,  unwegsamen 
Felsenschluchten.  Der  Charakter  des  Thaies,  in  dem  der  Weg  hinauf  führt,  ist 
noch  ganz  derjenige  der  tibetanischen  Steppen;  die  Grasbedeckung  reicht  bis 

27* 


—      420      — 

hinauf  auf  die  gegen  300  m  hohen  Berge  mit  sanften,  geneigten  Abhängen,  der 
Thalboden  ist  breit,  und  nur  ab  und  zu  kommen  Felsklippen  von  Sandsteinen 
zum  Vorschein.  Das  Thal  führt  hinauf  zu  einem  Passübergang,  und  unterwegs 
steht  auf  der  linken  Thalseite  auf  einem  erhöhten  Platze  an  einem  Bergvorsprunge 
noch  ein  viereckiger  Steinuntersatz  mit  darauf  aufgestellten,  divergierenden 
Stangen  als  Obo  und  Wegweiser  zum  Kloster. 

Der  Passübergang  ist  flach  und  breit  und  wird  von  den  benachbarten 
Bergen  nur  wenig  mehr  als  100  m  überragt.  Seine  Höhe  ist  3720  m; 
von  ihm  eröffnet  sich  eine  weite  Aussicht  gegen  Osten  auf  ein  Bergland  mit 
einfachen,  wenig  gegliederten  KammUnien,  die  in  nord-südlicher  Richtung  ver- 
laufen und  gegen  Osten  an  Höhe  abnehmen.  Quer  über  diese  Kämme  führt 
der  Weg  nach  Thao-tschou  in  wechselnder  Entfernung  vom  Thao-Flusse,  dessen 
Thal  als  eine  grosse,  von  West  nach  Ost  gehende  Depression  sich  vor  Nord- 
Süd  laufenden  Gebirgszügen  legt.  Vom  Passe  fuhrt  ein  langes,  breites  Steppen- 
thal nach  Nordosten  hinab,  das  in  seinem  unteren  Teile  sich  erweitert  und  in 
der  Mitte  vielfach  sumpfige  Stellen  hat  Es  öffnet  sich  und  mündet  in  das 
Thal  eines  grösseren  Flusses,  des  Dje-thsang-Flusses,  der  aus  westlicher  Rich- 
tung kommt  und  hier  zunächst  nach  Osten  weiterfliesst.  Im  Thale  vom  Pass 
herab  waren  überall  nur  Sandsteine  und  zwischengelagerte  Schiefer  anstehend 
an  vereinzelten  Felsklippen  zu  sehen;  am  Ausgange  des  Thaies  aber,  und 
besonders  auf  der  linken  Uferseite  des  grösseren  Dje-thsang-Flusses  zeigten  die 
Berge  die  intensiv  roten  Färbungen  und  die  horizontal  lagernden  Schichten 
der  Quetae  -  Formation  mit  hohen  Lehmzonen  am  Bergfusse  auf  beiden 
Thalseiten. 

.  An  die  Steilwände  dieser  vom  Flusse  abgelagerten  Lehme  ist  das  grosse 
Dorf  Dong-ling-do  angebaut,  das  am  Abend  des  17.  November  das  Nachtquartier 
bildete.  Es  sind  hier  noch  Tanguten  ansässig,  die  dem  Lao-yS  von  Schin-se 
unterstehen.  Wir  waren  daher  gut  aufgenommen  und  konnten  seit  Schalakuto 
(ig.  August)  zum  ersten  Male  wieder  in  einem  Hause  und  unter  Dach  schlafen, 
während  wir  in  der  ganzen  Zwischenzeit  nur  im  Zelte  gewohnt  hatten,  das  be- 
sonders in  der  letzten  Zeit  in  Tibet  gegen  die  Kälte  der  Nächte  nur  sehr  wenig 
Schutz  bot  Die  Wohnungen  dieser  ansässigen  Tanguten  haben  eine  ganz 
eigene  Bauart  und  besondere  Anordnung  der  Räume.  Durch  die  Eingangsthür 
tritt  man  in  einen  langen,  schmalen,  niederen  und  finsteren  Gang.  Zu  beiden 
Seiten  liegen  kleine,  niedere,  dunkle  Räume  ohne  jedes  Fenster  als  Stallungen  für 
Vieh  jeder  Art:  Pferde,  Kühe,  Schweine  u.  s.  w.;  die  meisten  sind  gedeckt,  und 
auf  dem  Dache  sind  Futter-  und  Strohvorräte  in  grossen  Haufen  aufgestapelt. 
Em  Ende  des  langen  Ganges  gelangt  man  in  das  Wohn-  und  Schlafgemach 
der  Familie,  das  aus  zwei  Abteilungen  besteht  und  sehr  hoch  ist,  da  es  durch 
zwei  Stockwerke  hindurch  reicht.  Es  ist  ganz  mit  Holz  ausgeschlagen;  mächtige 
Holzpfeiler  tragen  das  Dach  und  auf  einer  Seite  ist  oben  eine  weite  Oeffnung 
für  den  Abzug  des  Rauches  und  zugleich  zur  Ventilation.    In  einem  der  beiden. 


—      421       - 

durch  eine  niedere  Holzschranke  getrennten  Räume  ist  eine  grosse,  aus  Lehm  mit 
Steinen  gemauerte  Feuerstelle,  auf  welcher  in  grossen  Eisenkesseln  gekocht 
wird.  Einer  dieser  Räume  war  fiir  uns  ausgeräumt  und  hergerichtet,  und  wir 
fühlten  uns  bei  dem  kalten  Wetter  hier  recht  warm  und  behaglich,  wobei  es 
nicht  störte,  dass  nebenan,  nur  durch  einen  etwa  mannshohen  Bretterverschlag 
getrennt,  sich  ein  Pferdestall  und  fünf  Pferde  befanden.  Zum  Aufgange  auf  die 
flachen  Dächer  der  Ställe  dienten  Baumstämme  mit  eingeschnittenen,  grossen 
Kerben,  an  welchen  man  empor  steigt.     Diese  Wohnungen  sind  sehr  warm,  mit 


Ubo  unlerbalb  von  DoDK-UnK-do.     Oberes  'lIiao-FluMj^ebiet. 

einem  grossen  Aufwand  von  Holz  zu  Vertäfelung  und  Bodenbedeckung  der 
Wohnräume,  sowie  zur  Verkleidung  der  Wände  hergerichtet  und  bieten  in  der 
harten  Winterszeit  auch  dem  Vieh  ausreichend  Schutz  und  Wärme,  da  nur  einige 
wenige  der  Räume  neben  dem  langen  Gange  ungedeckt  sind.  Von  aussen 
sieht  man  von  einer  solchen  Behausung,  die  sich  mit  ihren  hinten  gelegenen 
Wohnräumen  an  die  steilen  Lösswande  anschliesst,  nur  die  niederen,  vorderen 
Mauern  mit  dem  Eingangsthor  und  die  oben  mächtig  aufgehäuften  Strohlager. 
Denselben  Typus  voD  Wohnungen  fanden  wir  auch  in  den  zahlreichen  Dörfern, 
die  am  Wege  liegen. 

Am  nächsten  Tage  folgte  der  Weg  meist  in  östlicher  Richtung  durch  sehr 
malerische  Felspartieen  mit  dunkeln  Tannenbeständen  dem  Thale  des  Dje-thsang- 


—      422      — 

Flusses*),  bis  zu  der  Stelle,  wo  derselbe  sich  in  den  Nen-pan-FIuss  ergiesst. 
Gleich  am  Beginne  des  Marsches  sah  man  auf  der  linken  Thalseite  nahe  am 
Wege  groteske,  durch  Erosion  aus  den  weichen,  roten  Sandsteinen  und  Kong- 
lomeraten der  Quetae-Formation  ausgehöhlte  und  isolierte,  hohe  Felsenbildungen, 
wie  schroff  aufragende  Säulen  und  Bergpyramiden. 

Eine  besonders  steile  und  hervorragende  Felsklippe  war  zur  Errichtung 
eines  schönen  Obo  benutzt;  oben  auf  dem  Berge  standen  Stangen  mit  weissen 
Fahnen,  unten  am  Fusse  ein  kleines,  tempelartiges  Gebäude  und  vor  demselben 
zur  Rechten  und  Linken  Steinuntersätze  mit  divergierenden  Stangen  darauf. 
Hinter  einem  Bergvorsprunge,  etwas  weiter  Aussah wärts,  liegt  ein  grosser, 
schöner  Tempel  mit  vergoldeten  Dachaufsätzen  und  grossen  Bildern  auf  der 
Vorderseite;  er  liegt  etwas  vom  Wege  ab  und  über  das  dabei  befindliche  Dorf 
erhöht;  am  Wege  selbst  aber  sind  kleine  Gebäude  errichtet,  welche  zahlreiche 
Gebetmühlen  in  allen  Grössen  und  den  schon  vom  Kloster  Schin-se  her  bekannten 
Formen  enthalten.  Die  ganze  Tempelanlage  hat  einen  bedeutenden  Umfang 
und  es  scheinen  zahlreiche  Lamas  hier  zu  sein;  es  standen  wenigstens  sehr 
viele  von  ihnen  längs  des  Weges  und  benahmen  sich  recht  zudringlich  und  unver- 
schämt. Die  Bevölkerung  in  diesem  Thale  ist  auch  als  übel  gesinnt  bekannt,  und 
weiter  unten  wird  es  noch  schlimmer;  aber  nirgends  sieht  man  so  viele  fromme 
und  religiöse  Zeichen  und  Denkmale  als  gerade  hier  in  diesen  bösen  Thälern. 
Ueberall  auf  besonders  sichtbaren  Punkten  sind  Stangen  oder  Fahnen  ange- 
bracht; am  Wege,  besonders  an  Flussübergängen,  stehen  kleine  Steinpyra- 
miden mit  Votivinschriften  in  tibetanischen  Buchstaben  oder  auch  höhere,  aus 
Steinen  aufgebaute  Denkmale,  an  welchen  sich  nicht  selten  Heiligenbilder 
auf  Thontäfelchen  oder  die  konischen  Thongebilde  (Tsa-tsa)  befinden,  die  schon 
mehrfach  bei  religiösen  Steindenkmalen  in  Tibet  Erwähnung  gefunden  haben.  Die 
Abbildung  auf  der  vorstehenden  Seite  zeigt  einen  grossen  derartigen  Stein- 
aufbau an  einem  Flussübergange  aus  der  Nähe  des  oben  erwähnten  Klosters. 

Die  roten  Sandstein-  und  Konglomeratfelsen  haben  hier  beim  Kloster  schon 
aufgehört;  die  Berggehänge  und  steilen  Klippen  unten  am  Flusse  werden  wieder 
von  Sandsteinen  und  zwischen  sie  eingelagerten  Schiefern  in  steilen  Schicht- 
stellungen und  ost-westlichem  Streichen  gebildet.  Eine  Reihe  von  schluchtartigen 
Thalverengungen  entstehen  durch  das  nähere  Zusammentreten  der  300 — 400  m 
hohen  Berge  mit  ihren  steilen,  dunkel  bewaldeten  Gehängen.  Kurz  ehe  der  Djc- 
thsang-Fluss  das  Thal  des  Nen-pan  erreicht,  durchbricht  er  in  enger,  felsiger 
Schlucht  eine  hohe,  klippenreiche  Berggruppe,  die  in  nachstehender  Abbildung 
wiedergegeben  ist.  Diese  Felspartie  mit  ihren  schönen  Tannenbeständen  ist  wild 
romantisch,  aber  nicht  sehr  ausgedehnt.  Bald  öffnet  sich  nach  einer  grossen 
Biegung  gegen  Norden  das  Thal  und  man  übersieht  das  grosse  Thal  des  Nen- 
pan-Flusses,  der  hier  von  Westnordwest  kommt  und  nach  Vereinigung  mit  dem 

•)  Zur  Ermittelung  der  Orts-  und  Flussnamen  war  mir  wälirend  des  Weges  bis  ITiao-tschou  der 
des  Chinesischen  kundige  Missionar  Rev.  Schanz  aus  Thao-tsch6u  in  dankenswerter  Weise  behilflich. 


—    423     — 

Dje-thsang  nach  Osten  weiterfliesst.  In  seinem  Oberlaufe  sieht  man  schön 
geformte  Gebirgszüge,  die  500  m  Höhe  erreichen  dürften  und  noch  den  Typus 
des  Sandstein-Schiefergebirges  in  ihren  Kammlinien  erkennen  lassen;  sie  besitzen 
noch  eine  ost-westliche  Richtung,  Da,  wo  der  Weg  den  Nen-pan-Fluss  erreicht 
und  in  einer  breiten  Furt  überschreitet,  begleitet  den  Fuss  der  etwa  350 — 400  m 
hohen  Berge  eine  hohe  Lehmstufe,  auf  welcher  die  Ansiedelungen  liegen. 

Die  zumeist  an  den  Ausmündungen  von  Nebenthälem  in  das  Hauptthal 
gel^enen  Dörfer  sind  alle  ausgezeichnet  durch  hohe,  lange  Stangengerüste,  die 


Bewaldete  Becge  Im  Thale  des  Üje-thsiuig-Flaesea.     Oberes  Thao-Flusagebiet. 

bei  jedem  Hause  stehen,  und  an  welchen  das  Futter  und  Stroh  zum  Trocknen 
und  Aufbewahren  befestigt  wird.  Aehnliche  Stangengerüste  sind  zu  demselben 
Zwecke  auch  in  manchen  Thalern  der  Tiroler  Alpen  zu  finden.  Ausserdem 
aber  stehen  mehr  oder  weniger  zahlreich  bei  einem  Jeden  Hofe  Gebetsstangen ;  es 
sind  sehr  lange,  hohe  Masten,  die  von  oben  bis  in  die  Mitte  oder  auch  bis  unten 
mit  weissen  und  bunten  Tüchern  besetzt  sind,  die  als  Wimpel  oder  Fahnen 
lustig  im  Winde  flattern.  Ausser  den  am  meisten  gebräuchlichen,  weissen 
Tüchern  sind  häufig  auch  rote  und  grüne  in  bunter  Reihe  mit  den  ersteren 
angeordnet,  und  meist  stehen  deren  mehrere  von  verschiedener  Grösse  bei  einem 
Hause.  Das  Aufstellen  von  Gebetfahnen,  die  nicht  nur  die  Wohnung,  bei  der 
sie  sich  befinden,  sondern  auch  die  weitere  Umgebung  vor  dem  Einfluss  böser 


—     4^4     — 

Geister  beschützen  sollen,  findet  unter  Verrichtung  besonderer  Gebete  statt;  ihre 
Errichtung  gilt  als  gp-osses  Verdienst  Häufig  sind  die  Fahnen  mit  Gebeten, 
frommen  Sprüchen  und  Beschwörungsformeln  beschrieben;  auf  grösseren  Flaggen 
sind  auch  heilige  Symbole  und  göttliche  Bildnisse  dargestellt.  Es  werden  nach 
den  verschiedenen  Attributen  und  S>'mbolen  mehrere  Arten  solcher  Gebetsfahnen 
unterschieden;  am  meisten  im  Gebrauche  sind  die  sogenannten  »Windpferde«, 
Flaggen  mit  Inschriften  und  einer  Abbildung  oder  auch  einfach  bedruckte  oder 
beschriebene  Streifen  von  Tuch  oder  Papier.  Besonders  die  Dörfer  im  oberen 
Thao-Thale  unterhalb  von  Kloster  Schin-se  und  oberhalb  %'on  Thao-tschöu  zeich- 
neten sich  durch  förmliche  Mastenwälder  mit  bunten  Flaggentüchem  aller 
Farben  aus,  in  denen  die  niedrigen  Hütten  fast  ganz  verschwanden«  Potanin 
hat  ähnliche  Dörfer  auf  seinem  Wege  nach  Labrang  angetroffen. 

An  der  linken  Seite  des  Nen-pan- Flusses,  etwas  unterhalb  der  Einmündung 
des  Dje-thsang  in  denselben,  liegt  das  Dorf  Go-sa,  dessen  Bewohner  sehr  gefurchtet 
sind,  da  sie  alle  Kaufleute,  Karawanen  und  Lastenträger  anhalten  und  erst  nach 
Entrichtung  einer  Abgabe  von  Tuch  weiterziehen  lassen.  Sie  haben  dazu 
absolut  kein  Recht,  aber  diese  Erpressung  wird  ausser  hier  noch  in  drei  andern 
Dörfern  desselben  Thaies  ausgeübt  und  geht  von  den  allein  hier  die  Macht 
in  Händen  habenden  Lamas  aus.  Auch  unsere  Yaks  und  Pferde  wurden  von 
der  frechen,  aus  dem  Dorfe  an  den  Weg  herabgeströmten  Menge  angehalten, 
und  erst  auf  energisches  Zureden  unserer  Begleiter  gelang  es,  durchzukommen, 
ohne  Tribut  zu  entrichten,  aber  sie  schimpften  und  warfen  mit  Steinen« 

Nur  wenige  Kilometer  unterhalb  dieses  unfreundlichen  Dorfes  erreicht  der 
Nen-pan-Fluss ,  an  dessen  Ufern  sich  unterhalb  mehrere  Mühlen  mit  Turbinen 
befinden,  das  grosse  Flussthal  des  Dodi-FIusses,  eines  bedeutenden,  aus  Nord- 
west kommenden  und  in  enger  Felsenschlucht  nach  Südsüdost  zum  Thao-ho 
gehenden  Wassers.  Auf  der  rechten  Thalseite  desselben  stehen  noch  Sand- 
steine und  Schiefer  an,  aber  die  steilen,  300  m  hohen  Bei^e  des  linken  Ufers 
gegenüber  der  Einmündung  des  Nen-pan-Flusses  werden  wieder  von  den  roten 
Quetae-Schichten  gebildet,  und  der  Fuss  der  Berge  gegen  die  Nebenthäler  hin 
steckt  in  einem  mächtigen  Mantel  von  Thallehmen  und  Löss,  der  bis  hoch 
hinauf  diese  Seitenthäler  ausfüllt  Der  Weg  überschreitet  den  grossen  Dodi-Fluss 
an  einer  Stelle,  wo  derselbe  in  mehrere  mächtige  Arme  zerteilt  im  breiten  Schotter- 
bette fliesst,  und  geht  dann  in  nordöstlicher  Richtung  in  einem,  lösserfiillten, 
linken  Seitenthale  in  die  Höhe  auf  einen  3260  m  hohen  Passübergang.  Der 
zunächst  gelegene  Teil  des  Oberlaufes  des  Dodi-FIusses  hat  ein  breites  Bett,  in 
welchem  sich  weiter  oberhalb  von  der  Furt  Ansiedelungen  befinden;  hohe 
Gebirgsketten  waren  im  Hintergrunde  in  der  hereinbrechenden  Dämmerung  eben 
noch  erkennbar.  Der  Aufstieg  durch  das  Lössthal  zum  Passe  war  steil  und  sehr 
schwierig,  da  durch  die  abfliessenden  Regenwasscr  tiefe  Risse  in  den  Weg  ein- 
gewaschen waren  und  ein  Ausbiegen  auf  die  steilen,  mit  Gestrüpp  bedeckten  Seiten- 
gehänge nicht    möglich    war.     Stellenweise  waren    die   g^angbaren   Stellen   und 


-     425     — 

Briickea  zwischen  den  metertiefen  Erosionsrissen  im  Löss  nur  wenige  Dezimeter 
breit,  und  nur  auf  den  daran  gewöhnten  und  gewandten,  tibetanischen  Pferden 
ist  es  möglich,  reitend  den  Aufsti^  zu  machen,  dazu  noch  bei  hereinbrechender 
Dunkelheit  Auch  die  schwer  beladenen  Yacks  hatten  böse  Arbeit,  und  der 
Abstieg  auf  der  andern  Seite  des  Passes,  durch  eine  Lössschlucht,  bei  nunmehr 
vollständiger  Dunkelheit  und  schlechtem  Wetter  mit  bedecktem  Himmel,  das 
den  schönen  und  sonnigen  Tag  beschloss,  war  ■ 

noch  schlimmer.  '  T 

Der  Passubei^ang  selbst  ist  ein  Hohlw^ 
in  den  Konglomeraten  der  Quetae-Schichten, 
die  flach  lagern.  Auf  der  Ostseite  geht  es  ein 
kurzes  Stück  im  Zickzack  jäh  hinab  bis  zum 
Beginn  der  Lössschlucht.  Ein  Teil  der  Yak- 
karawane verfehlte  den  Eingang  in  den  Löss- 
hohlweg  und  geriet  seitlich  auf  die  in  steilen 
Terrassen  über  einander  liegenden  Aecker,  wo 
ein  Weiterkommen  (ur  sie  unmöglich  war,  und 
es  wurde  spat  abends,  bis  die  ganze  Karawane 
sich  glücklich  wieder  in  einem  Hofe  des  am 
unteren  Steilabsturz  der  Lössdecke  gegen  das 
Flussthal  gelegenen  Dorfes  Luwa-nitsche  ver- 
einigte. Die  grosse  Ermüdung  der  Lasttiere 
nach  den  langen  Märschen  der  beiden  Tc^e 
und  das  schlechte  Wetter,  das  am  19,  No- 
vember den  ganzen  Tag  über  in  heftigem 
Schneegestöber  mit  kaltem  Winde  aus  Ost- 
südost bestand,  machten  einen  Weitermarsch 
an  diesem  Tage  unmöglich. 

Das  Dorf  Luwa-nitsche  liegt  in  einem  typi- 
schen Lössthale,  das  nach  Süden  zur  Schlucht 
sich  verengt,  in  seinem  aus  Nordwesten  kom- 
menden Oberlaufe  aber,  ebenso  wie  beim  Dorfe 
selbst,  überall  an  den  sanft  abfallenden  Ge- 
hängen Terrassen  und  auf  diesen  fruchtbares  Ackerland  besitzt  Der  Fluss  ist 
nur  sehr  unbedeutend  und  scheint  noch  ein  linker  Nebenfluss  des  Dodi  zu  sein. 
Die  Bergeshöhen  sind  nur  wenig  höher  als  der  1 10  m  über  dem  Dorfe  gelegene 
Passübergang  zum  Dodi-Flusse.  Vielfach  sind  an  ihren  steileren,  oberen  Gehängen 
oder  an  Entblössungen  gegen  die  Thäler  hinab  die  roten,  thonigen  und  kong- 
lomeratischen Schichten  der  Quetae-Formation  sichtbar,  welche  hier  überall  unter 
der  mächtigen  Lössdecke,  die  nur  auf  den  Bergeshöhen  dünner  wird,  den  Kern 
der  Berge  zusammensetzen.  Das  Dorf  ist  am  Löss-Tenassen-Gchänge  der 
rechten  Thalseite  hinaufgebaut,    so  dass  auch   die  Häuser  und  Höfe  staffelartig 


SituaUoDsplan  einer  Tangutea-WohDimg 

im  Dorfe  Luwa-nitBche. 

Oberes  Hussgebiet  des  Thao-ho. 

a  Kwh-  und  WohnuDm   H  Hcnl    b  SchlaTruuni 

"  "      ■    dgedoekuSoiUiäuiBe 


hindurch,   nur  d«n 


:i  Siocliwe 
n  Dflchern  Ton  d  • 

rrtlli  Burgoupalt. 


—     426     — 

übereinander  liegen.  Unser  Quartier  war  wie  in  Donglin  do  in  einem  an 
die  steile  Lös^steüwand  angelehnten  Bauernhause,  dessen  Anlage  in  bei- 
stehender Figur  dargestellt  wird.  Die  von  Potanin  beschriebenen  Wohnungen  von 
an-jassigen  Tanguten  sind  den  chinesischen  Hütten  ähnlicher;  eine  bis  6  m  hohe 
Mauer  umschliesst  einen  \iereck:gen  Hof,  an  dessen  Wanden  innen  die  niederen 
Wohngebaude  mit  flachem  Dache  meist  auf  drei  Seiten  liegen;  auf  der  \-ierten 
i%t  ein  grosses  Eingangsthor,  über  welchem  sich  haung  ein  Holzgerüst  für  Heu 
befindet  Neben  den  niederen  Lehmhausem  stehen  auch  hier  iibcrall  die  hoben 
Gebet^tangen  mit  zahlreichen  Fahnentüchern;  es  scheint,  dass  Zahl  und  Grösse 
dieser  Gebetstangen  bei  einem  Hause  zugleich  ein  Zeichen  fiir  den  geringeren 
oder  grösseren  Wohlstand  des  Besitzers  sind.  Der  Besitzer  des  oben  dargestellten 
Haases  schien  sich  eines  grossen  Reichtumes  zu  erfreuen;  dafür  sprach  nicht 
nur  die  Einrichtung  der  Wohn-  und  Schlafgcmächer  mit  Holzetageren,  Tischen 
und  die  HoIz\'erkleidung  der  Wände,  sondern  auch  die  reich  geschmückten 
Rückeiigehänge  der  Frauen,  die  \äelen  Korallenschnüre,  welche  bei  einer  der 
Frauen  den  ganzen  Kopf  umhingen  und,  in  die  Haare  geflochten,  sowohl  zum 
Rückengehänge  wie  bis  zur  Brust  herabreichten.  In  der  Wohnung  waren  auch 
mehrere  der  tibetanischen  Gabelflinten  vorhanden,  deren  Preis  hier  immerbin  SoTaels 
für  das  Stück  beträgt,  so  dass  ein  solches  ein  ganz  wertvolles  Objekt  vorstellt 

Am  Nachmittage  des  Rasttages  in  Luwa-nitsche  erreichten  uns  zwei 
chinesische  Beamte,  welche  mit  etwa  25  Soldaten  von  Thao-tschöu  gesandt 
worden  waren,  um,  wenn  nötig,  Hilfe  zu  bringen  und  die  Räuber  zur  Heraus- 
gabe der  gestohlenen  Pferde,  Yaks  und  sonstigen  Gegenstände  zu  veranlassen. 
Die  Soldaten  machten  an  sich  keinen  schlechten  Eindruck.  Ihre  dunkelblauen 
Uniformen  mit  roten  Aufschlägen  und  Abzeichen  darauf,  sahen  nicht  übel  aus; 
um  den  Kopf  hatten  sie  ein  blaues  Tuch  geschlungen  und  die  Füsse  steckten 
in  eigenartig  gebundenen  Tuchschuhen.  Nur  wenige  von  ihnen  hatten  Gewehre, 
und  sie  befanden  sich  in  einer  traurigen  Lage,  da  die  tibetanische  Bevölkerung 
ihnen  keine  Nahrungsmittel  verkaufte  und  auch  keine  Quartiere  für  die  Nacht 
gab.  Wir  erlaubten  ihnen,  bei  unsern  Leuten  in  unsem  Zelten  zu  schlafen,  so 
dass  sie  doch  nicht  ganz  im  Freien  kampieren  mussten;  aber  auszurichten  hätten 
sie  gegen  die  räuberischen  Tanguten,  die  ihnen  in  jeder  Hinsicht  weit  überlegen 
sind,  nichts  vermocht  Ihre  Führer  beschlossen,  als  sie  uns  in  Luwa-nitsche 
trafen,  da  zu  bleiben  und  weitere  Weisungen  aus  Thao-tschou  abzuwarten,  denn 
dass  sie  im  stände  seien,  die  Herausgabe  der  geraubten  Gegenstände  und 
Lasttiere  mit  Waffengewalt  zu  erzwingen,  glaubten  sie  wohl  selbst  nicht  Wir 
sahen  aber  in  ihrer  Entsendung  ein  Zeichen  des  guten  Willens  der  chinesischen 
Behörden  in  Thao-tschou,  wenn  auch  die  Ohnmacht  dieser  Bemühungen  gegen- 
über den  sich  ganz  unabhängig  fühlenden,  wilden  Stämmen  des  tibetanischen 
Hochlandes  klar  zu  Tage  trat. 

Der  Schneesturm  hatte  sich  am   19.  November  ausgetobt  und  früh  am  20. 
konnte  der  Weitermarsch  bei  freundlicherem  Wetter  fortgesetzt  werden;    allein 


-     427     - 

mittags  kam  auch  an  diesem  Tage  ein  kalter  Wind  aus  Südosten,  und  die  von 
Westen  heraufziehenden  Wolken  brachten  am  Abend  wieder  Schnee.  Es  ging 
zunächst  über  zwei  niedere  Lössrücken,  zwischen  weichen  ein  kleines  Thälchen 
nach  Sudsüdost  geht,  in  ein  grösseres  von  Nordnordwesten  herabkommendes 
und  nach  Süden  zum  Thao-Flusse,  der  nur  S  km  weiter  südlich  fliesen  soll, 
weitergehendes  Thal  mit  einem  grossen  Dorfe  nördlich  vom  Wege.  Nach 
Uurchquerung  dieses  Thaies  führt  der  Weg  von  neuem  in  die  Höhe  und 
alsbald  wieder  hinab  in  ein  anderes  Nebenthal  des  Thao-ho,  das  von  Nordnord- 
westen kommt  und  in  SUdsüdosten  nach  abwärts  geht;  der  Weg  folgt  ihm  ein 


Dort  und  Tempel  Dechamen-kuan.     Oberes  Fluaageblet  deg  'i1iao-ho. 

kurzes  Stück  abwärts,  bis  eine  schroff-  und  steilwandige,  unwegsame  Schlucht 
im  Sandstein-Schiefergebirge  den  Fluss  aufnimmt  und  den  Weg  zwingt,  von 
neuem  in  einem  von  Osten  kommenden  Seitenthale  zwischen  engen  Fels- 
wänden und  mehrfachen,  scharfen  Windungen  hinaufzusteigen  und  oberhalb 
eines  grossen  Dorfes,  Dschamen-kuan,  mit  stattlichem  Tempel  in  einem  ■  von  Süd- 
osten kommenden,  linken  Seitenthälchen  einen  3300  m  hohen  Pass  zu  gewinnen. 
Der  erste  Teil  des  Weges  von  der  Ausgangsstation  bis  zu  dem  Nebenfluss 
des  Thao,  dem  der  Weg  ein  kurzes  Stück  abwärts  folgte,  führte  nur  über  Löss- 
gebiet.  An  steileren  Ber^ehängen  kamen  vielfach  die  roten  Quetae-Schichten 
unter  der  Lössdecke  zum  Vorschein.  An  den  Gehängen  der  Thäler  waren 
überall  Aecker  auf  den  Terrassen  angelegt,  auch  allenthalben  Ansiedelungen! 
Aber  Von  dem  Punkte  ab,  wo  der  Weg  wieder  das  Thal  des  Nebenflusses  des 


—     428     — 

Thao-ho  verliess,  um  zum  Passe  anzusteigen,  führte  er  nur  durch  wilde  schlucht- 
artige Thalstrecken  im  Sandstein-Schiefei^ebii^e,  das  auch  den  ganzen  oberen 
Teil  des  Thaies  im  Nordosten  des  Dorfes  Dschamen-kuan  zusammmensetzt.  Auf 
dem  Passe  selbst  stehen  schiefrige  Sandsteine  und  Schiefer  an,  und  ebenso  beim 
Abstiege  nach  Südosten  bis  weit  hinab;  aber  in  nur  geringer,  nördlicher  Entfernung 
erkennt  man  an  der  roten  Färbung  der  Gehänge  wieder  die  Quetae-Schichten. 
Vom  Passe,  der  mit  3  cm  tiefem  Schnee  bedeckt  war,  hat  man  eine  um« 
fassende  Aussicht.  Man  sieht  im  Norden  die  hohe,  sehr  gegliederte  Bergkette 
des  Tasur-chai-Gebirges  in  ost- westlicher  Richtung  verlaufen  mit  einigen  be- 
sonders hervorragenden  Bergmassiven.  Von  ihr  kommen  alle  die  zahlreichen 
Thälchen  herab,  deren  Gewässer  dem  Thao-Flusse  zuströmen  und  zwischen  denen 
viele,  annähernd  meridional  verlaufende,  gleichmässig  hohe  Beifüge  mit  weliig- 
ebenen,  nur  sehr  wenig  gegliederten  Kammlinien  liegen.  Weiter  im  Westen  ist 
die  Richtung  derselben  eine  mehr  von  Westnordwest  und  Nordwesten  gegen 
Südosten  gerichtete,  aber  schon  in  der  Höhe  des  Passes  laufen  sie  mehr 
meridional  und  ebenso  auch  weiter  im  Osten,  wo  sie  aber  an  Höhe  abnehmen. 
Jene  hohe  Bergkette  im  Norden,  welche  um  200 — 300  m  die  nord-südlich  gerichteten 
Bergzüge  zwischen  den  von  Norden  kommenden  Zuflüssen  des  Thao-ho  überragt, 
bildet  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Flussgebiet  dieses  letzteren  Stromes 
und  den  nach  Nord  und  Nordosten  in  der  Richtung  gegen  das  Kloster  La-brang 
abfliessenden,  den  Hoang-ho  oberhalb  der  Einmündung  des  Thao-ho  erreichenden 
Gewässern.  Die  Thäler  der  nördlichen  Nebenflüsse  des  Thao  sind  im  obersten  Teile 
in  der  Nähe  des  Tasur-chai-Gebirges  eng  und  felsig;  das  gleiche  ist  an  ihrem 
unteren  Laufe  in  der  Nähe  ihrer  Einmündungen  in  den  Thao-ho  der  Fall,  wo 
sie  meist  ganz  unwegsame  Schluchten  im  Sandstein-Schiefergebirge  mit  hohen, 
steilen  Gehängen  bilden.  Nur  im  mittleren  Teile  ihres  Laufes  legt  sich  von 
West  nach  Ost  quer  zu  ihrem  Verlaufe  eine  Zone  von  Quetae-Bildungen  und 
eine  mächtige  Auffüllung  von  Löss,  welche  eine  hohe  Kulturfahigkeit  des  Bodens 
und  zahlreiche  Ansiedelungen  bedingt  und  im  oberen  und  unteren  Drittel 
der  Läufe  der  Nebenflüsse  fehlt.  Dieser  Zone  mit  sanften  Gehängen,  relativ 
niederen  Höhen  und  Ansiedelungen  folgt  auch  der  Weg  nach  Thao-tschöu. 
G^en  Süden  liegt  in  nicht  grosser  Entfernung  das  Thal  des  Thao-ho  zwischen 
steilen,  felsigen  Gehängen  in  einer  wohl  erkennbaren,  von  West  nach  Osten 
gehenden,  tiefen  Depression.  Auf  der  rechten  Seite  des  Thao-Thales  ist  ein 
ähnliches,  nur  höheres  und  stärker  gegliedertes  System  von  Bergketten 
zwischen  den  von  Süd  kommenden  Nebenthälem,  in  deren  Hintergrunde  die 
hohen,  stark  gezackten  Linien  der  Berge  des  Min-schan  sich  erheben  mit  ost- 
westlichen Strichen.  Gegen  Osten  aber  dehnt  sich  ein  in  den  Kammlinien 
flachwellig  bis  eben  erscheinendes  Bergland  aus,  ohne  besonders  hervortretende 
Gipfel  und  ohne  tiefere  Einschnitte  aus3er  dem  des  Thao-Thales  selbst  Es 
ist  das  Bergland,  welches  gegen  Min-tschou  hinabzieht  und  sich  jenseits 
des  nach  Norden  umbiegenden  Thao-Flusses  noch  weit  nach  Osten  verfolgen  lässt 


—     429    — 

Vom  Passe,  der  unter  dem  Schnee  wie  auch  die  benachbarten  Höhen  von 
niederem  Gestrüpp  und  Haidekräutern  bedeckt  ist,  geht  es  steil  noch  im  Sand- 
steinschiefergebiet in  südöstlicher  Richtung  hinab,  bis  man  wieder  auf  die  Löss- 
decke  kommt,  über  welche  der  Weg  in  Ostrichtung  noch  über  zwei  kleinere 
Thälchen  von  Nord  und  den  sie  trennenden  Höhenrücken  geht  Hier  fehlen 
auch  nicht  die  roten  Quetae-Schichten  an  den  Höhen  auf  der  Nordseite  des 
Weges,  der  in  östlicher  Richtung  nochmals  einen  Bergrücken  aus  Quetae- 
Schichten  mit  Lössdecke  überschreitet  und  in  ein  kleines,  ostwärts  gehendes 
Thälchen  hinabsteigt,  in  welchem  bald  hinter  dem  Uebergange  (3110  m)  das 
Dörfchen  Tieh-ka-na  auf  der  nördlichen  Thalseite  zwischen  schrofTwandigen, 
roten  Konglomeratfelse^  liegt. 

Als  wir  das  Dorf,  unser  Nachtquartier,  erreichten,  begann  wieder  das 
Schneegestöber,  das  den  Tag  über  glücklicherweise  geruht  hatte.  Das  Dorf  ist 
noch  von  Tanguten  bewohnt  und  gehört  seiner  Bauart  nach  demselben  Typus 
an,  der  von  den  letzten  Aufenthaltsorten  beschrieben  und  auch  sonst  an  allen 
Dörfern  während  des  Tagemarsches  gefunden  wurde.  Längs  *des  Weges  und  der 
fruchtbaren  Lehmzone  sind  die  Thäler  stark  bevölkert  und  man  sieht  überall 
an  den  Abhängen  die  Gebetstangen  mit  den  Fahnen  und  die  grossen  Stroh- 
gerüste. 

Der  Marsch  des  folgenden  Tages  bis  Thao-tschou  wurde  bei  noch  an- 
haltendem, leichtem  Schneefalle  angetreten,  der  aber  bald  dem  warmen  Sonnen- 
scheine wich.  Man  folgt  zunächst  einer  tiefen  Lehmschlucht  in  östlicher  Richtung 
uhd  steigt  später  zwischen  die  15m  hohen,  senkrechten  Wände  auf  den  wasser- 
losen Boden  derselben  hinab,  bis  man  nach  einigen  Kilometern  ein  breites, 
aus  Norden  kommendes  Thal  erreicht,  in  welchem  etwas  oberhalb  des  Weges 
ein  grösseres  Dorf  liegt  und  das  nach  Südosten  bis  zum  Thao-ho  weitergeht 
—  Auch  hier  sind  die  Seitengehänge  mit  Lössterrassen  bis  hoch  hinauf 
besetzt  und  nur  gegen  Süden  geht  das  Thal  zwischen  steileren  Felsgehängen, 
die  keine*  Lössbedeckung  tragen,  weiter.  Der  Weg  überschreitet  das  Thal,  in 
welchem  Schiefer  mit  ost-westlichem  Streichen  unten  aus  dem  Löss  hervorsehen, 
steigt  in  östlicher  Richtung  durch  ein  mit  Löss  erfülltes  linkes  Nebenthal  zu 
einem  3010  m  hohen  Uebergang  hinauf  und  dann  steil  in  Zickzackwindungen 
auf  der  andern  Seite  über  Löss  wieder  hinab  zu  einem  ebenfalls  zum  Thao-ho 
gehenden  und  aus  Nord-nordwesten  kommenden  Flüsschen.  Längs  des  Weges 
und  an  benachbarten  Höhen  kommen  mehrfach  die  flach  lagernden^  roten  Quetae- 
Schichten  zum  Vorschein.  Es  geht  in  dem  Thälchen  auf  der  linken  Seite  etwas 
abwärts  und  dann  zwischen  Sandsteinfelsen  in  ein  von  Nord  kommendes  Seiten- 
thal und  nach  kurzer  Strecke  in  einem  kleinen  Seitenthälchen  der  linken  Thal- 
seite in  südöstlicher  Richtung  über  Löss  hinauf  zu  einem  3090  m  hohen  Ueber- 
gang, auf  welchem  auch  wieder  die  roten  Schichten  anstehen. 

Von  der  Höhe  des  Passes  sind  die  steilen  Berggehänge  der  rechten  Seite 
der  ThaoSchlucht  und  der  Verlauf  des  tief  eingeschnittenen  Thaies  zwischen  den 


—     430    — 

an  vielen  Stellen  bewaldeten,  felsigen  Höhen  gut  zu  übersehen.  Das  von  der 
Nähe  des  Passüberganges  gegen  Thao-tschöu  hin  sich  erstreckende  Bergland 
hat  flache,  breite,  gerundete  Rücken,  die  ganz  mit  Löss  und  Ackerland  bedeckt 
sind;  auch  die  Gehänge  gegen  die  nicht  tief  eingeschnittenen,  breiten  Thäler 
sind  sanft-wellig.  Erst  gegen  das  Thao-Thal  hin  ändert  sich  dieser  Charakter,  und 
es  beginnen  engere  Thalschluchten  und  steilere  Berghänge.  Vom  Passe  geht 
es  wieder  steil  abwärts  in  südöstlicher  Richtung  über  Löss  und  Quetae-Schichten 
und  ganz  unten  kommt  auch  in  Klippen  das  stark  gefaltete  Schiefersandstein- 
gebirge mit  der  Streichrichtung  West  zu  Nord  nach  Ost  zu  Süd  zu  Tage.  Das 
Thälchen,  dem  der  Weg  vom  Pass  herab  folgte,  biegt  weiter  unten  nach  Süden 
zum  Thao-ho  hin  ab,  der  Weg  geht  aber  über  einen  flachen  Lössrücken  in  ein 
nach  Ostsüdost  führendes,  breites  Lehm-  und  Lössthal  mit  mehreren  Dörfern 
an  den  Steilabfällen  der  linken  Thalseite. 

In  diesem  lang  sich  hinziehenden  Thale  ist  eine  Erscheinung  ausgezeichnet 
zu  beobachten,  die  auch  in  andern  Thälern,  welche  der  west-östlichen  Richtung 
folgen,  vorhanden  ist.  Es  besteht  nämlich  ein  grosser  Unterschied  zwischen 
dem  geologischen  und  auch  agronomischen  Charakter  der  rechten  Thalseite, 
deren  Gehänge  nach  Norden  schaut,  und  der  linken  mit  nach  Süden  gerichtetem 
Gefälle  der  Abhänge,  ein  Unterschied  der  in  der  Mächtigkeit  und  Stärke  der 
Lössdecke  seinen  Grund  hat.  Die  Höhen  auf  der  Südseite  des  Thaies,  mit 
I  so — 200  m  Erhebung  über  dem  Thalboden,  sind  breite  flache  Rücken,  deren 
Abhänge  über  und  über  mit  Lössterrassen  in  fast  ganz  regelmässigen  Abständen 
bedeckt  sind  und  das  typische  Bild  einer  Lössterrassen-Landschaft  mit  fruchtbarem 
Ackerlande  darbieten.  Von  den  fast  ebenen  Rücken  (lihren  ab  und  zu  tiefe 
Schluchten  im  Lösse  mit  senkrechten  Wänden  zum  Thalboden  herab,  der 
eine  breite,  flache  Ebene  aus  zusammengeschwemmten  Lehmen,  untermischt 
mit  Schotterlagen,  bildet,  in  welche  der  Bach  des  Thälchens  eine  10  m  tiefe 
und  ebenfalls  steilwandige  Erosionsschlucht  eingenagt  hat.  Auf  der  linken, 
nördlichen  Thalseite  herrschen  dagegen  ganz  andere  Verhältnisse;  die  Berge 
sind  hier  um  etwa  100  m  höher  als  auf  der  rechten  Seite,  aber  ihre  Gehänge 
sind  steil,  tragen  nur  sehr  wenige  Lössterrassen  unten  am  Fusse,  oder  über- 
haupt keine;  breite,  steile  Thäler  kommen  von  den  Höhen  herunter  und 
vielfach  am  Gehänge  stehen  steil  abfallende,  rote  Konglomeratfelsen  an,  oder 
die  rote  Färbung  der  Gehänge  zeigt  an,  dass  hier  keine  Lössdecke  über  diesen 
Quetae-Bildungen  liegt.  In  Folge  davon  ist  auch  kein  Ackerland  möglich,  und 
dürftiges  Gestrüpp  oder  Grasdecke  überzieht  stellenweise  die  vielfach  kahlen 
Gehänge. 

Dieser  bedeutende  Unterschied  der  beiden  Thalseiten,  der  am  stärksten 
in  den  von  West  und  Ost  oder  umgekehrt  verlaufenden  Thälern,  weniger  deutlich 
in  den  nach  Südost  oder  Südwest  gerichteten  Thaleinschnitten  auftritt,  ist  von 
grosser  Wichtigkeit  für  die  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  Lösses,  der  hier 
schon   und   noch   viel   mehr  im   östlichen  China  das  ältere  Gebirge  und  dessen 


—     431     — 

Vertiefungen  überdeckt.  Der  Löss  und  die  von  demselben  abstammenden, 
durch  die  Regenwässer  in  die  Thäler  zusammengeschwemmten  Lehmmassen 
sind  ursprünglich  vom  Wind  herbeigetragene,  staubartige  Materialien.  An  ihrer 
Verteilung  in  den  Vertiefungen  und  Höhen  des  älteren  Gebirges,  welche  fiir 
den  Lauf  und  die  Richtung  der  heutigen  Thäler  bestimmend  sind,  muss  man 
erkennen  können,  aus  welcher  Himmelsrichtung  die  Winde  diese  staubartigen 
Materialien  gebracht  haben.  Da  zeigt  nun  die  oben  geschilderte  Verteilung 
des  Lösses  und  die  konstante,  gesetzmässige  Anhäufung  desselben  an  den  nach 
Norden  gerichteten  Südgehängen  der  West-Ost-Thäler  zur  Evidenz,  dass  es  von 
Norden  und  speziell  in  dieser  Gegend  von  Nordnordwesten  kommende  Wind- 
strömungen gewesen  sind,  welche  in  langen  Zeiträumen  und  auch  heutzutage 
noch  diese  Lössakkumulation,  die  Ueberdeckung  der  älteren  Reliefformen  des 
Landes  und  die  teilweise  Ausfüllung  der  Thäler  herbeigeführt  haben. 

Es  wäre  der  Vollständigkeit  wegen  noch  die  Frage  kurz  zu  berühren, 
woher  denn  aus  dem  Norden  und  Nordwesten  die  Winde  diese  Löss-Staubmassen 
entnahmen  und  wie  weit  sie  dieselben  transportierten.  Ein  Blick  auf  die  Karten 
des  zentralen  Asien  zeigt  ohne  Schwierigkeiten  die  Heimat  dieser  äolischen 
Aufschüttungsmassen,  die  im  Süden  nicht  viel  weiter  gehen  als  bis  zum  Aus- 
gange des  Thao-Thales,  aber  in  Schen-si  und  Kan-su,  im  östlichen  Nan-schan 
bis  zum  Thsin-ling-Gebirge  sehr  verbreitet  sind.  Der  grosse  Wüstengürtel,  in 
welchem  die  ihm  eigentümlichen  klimatischen  Verhältnisse  aus  der  mechanischen 
Zersetzung  der  Gesteine  Sand  und  Staub  produzieren,  ist  die  Heimat  der  fein- 
staubigen Lösse,  und  die  auch  heute  noch  vorherrschenden,  von  Nord  und 
Nordwest  kommenden,  als  Staubträger  berüchtigten  Luftströmungen  sorgen 
für  die  Ausbreitung  des  in  der  Wüste  entstandenen,  feinsten  Zersetzungsmaterials 
der  verschiedensten  Gesteine.  Im  Süden  und  Südosten  des  asiatischen  Konti- 
nentes sind  keine  ariden  Wüsten  oder  sand-  und  stauberzeugende  Gebiete  vor- 
handen; daher  ist  die  zweite  der  heute  vorherrschenden  Windrichtungen,  die 
von  Südost  und  Ost-südost  kommende,  durchaus  staubfrei,  und  nur  die  gegen 
Nord  und  Nordwest  gerichteten  Abhänge  der  Thalseiten  fangen  den  Staub  des 
aus  jenen  Richtungen  kommenden  Windes  auf,  während  die  gegenüber  liegenden 
Gehänge  davon  nahezu  frei  bleiben;  andererseits  erhalten  sie  auch  von  den  mit 
Feuchtigkeit  beladenen  Winden  des  Südostens  als  Wetterseite  mehr  Nieder- 
schläge, welche  wohl  geeignet  sind,  geringere  Lössabsätze,  die  sich  gebildet 
haben  könnten,  in  die  Thäler  hinabzuspülen  und  als  Lehme  abzusetzen. 

Die  Verändei-ungen,  welche  die  nach  Osten  immer  stärker  werdende,  das 
alte  Gebirgsgerüste  überziehende  Löss-  und  Lehmdecke  im  geographischen 
Charakter  des  Thao-Thales  bei  Thao-tschou  und  bis  gegen  Min-tschou  hervorbringt, 
zeigen,  dass  wir  im  geologischen  Sinne  das  tibetanische  Hochland  verlassen 
und  an  der  Grenze  zu  den  Lössgebieten  des  inneren  China,  in  einer  Ueber- 
gangszone  uns  befinden.  Auch  andere  deutliche  Anzeichen  sind  vorhanden, 
dass  wir  Tibet  verlassen«     Im  Hintergrunde  des    nach  Osten  führenden  langen 


—     432      — 

Thaies,  von  dem  zuletzt  oben  die  Rede  war  und  in  dessen  steilwandiger,  in  den 
breiten  Thalbodcn  cingenagter  Schlucht  der  Weg  weiterfuhrt,  auf  den  Höhen  der 
Wasserscheide  zum  nächsten,  weiter  gegen  Osten  liegenden  Nebenfluss  des 
Thao,  liegen  die  Reste  einer  starken  Mauer,  welche  einst  die  Zollgrenze  für 
Waren  zwischen  China  und  Tibet  bildete.  Dieser  alte  Grenzwaü,  der  aus  Lehm- 
mauern besteht  und  in  grösseren  Zwischenräumen  mit  massiven,  pyramiden- 
artigen  Türmen  besetzt  ist,  reicht  vom  Nan-schan  bis  zum  Thao-Thale,  und 
seine  Trümmer  sind  vielfach  noch  erhalten.  So  begegnet  man  seinen  nörd- 
lichsten Spuren    im  Thale   des   St-ning-ho  unterhalb  von  Tan-ka'r  thing,  auch 


Zollmauer  ßegon  Tlbel,  westlich  von  Ttiao-t»ch6u. 

sind  die  massiven  Turm-Pyramiden  auf  Bergeshöhen  vielfach  sichtbar,  während 
die  Mauer  selbst  meist  ganz  zerstört  und  verschwunden  ist.  Ein  Stück  dieses 
grossen  Bauwerkes  ist  an  unserm  Wege  noch  erhalten  und  in  obenstehender 
Abbildung  wiedergegeben.  Noch  deutlicher  zeigt  sich  der  Eintritt  in  das  eigent- 
liche China  am  Ausgange  des  nach  Osten  führenden  Thaies,  wo  an  seiner  Ein- 
mündung in  einen  grossen,  aus  Nordnordwesten  kommenden  Nebenfluss  des  Thao-ho 
das  Dorf  Gude  liegt  Es  war  das  erste,  rein  chinesische  Dorf,  das  wir  seit  Scha- 
lakuto,  am  lO.  August,  nun  am  21.  November  wiedersahen.  Hier  sind  wieder 
die  hohen  Mauern  der  Festung,  die  nach  der  Strasse  offenen  Läden  und  Magazine 
und  der  schmutzige,  zopftragende  und  Opium  rauchende  Chinese,  ein  seit  über 
einem  Vierteljahr  entbehrter  Anblick.  Nun  ist  auch  Thao-tschöu  nicht  mehr  ferne. 
Der  Weg  überschreitet  hinter  dem  Dorfc  den  grossen  Nebenfluss  des  Thao. 
der  diesem  letzteren   in   südlicher   Richtung  in   enger  Felsenschlucht  unterhalb 


—     433     — 

von  Gude  zufliesst,  geht  zum  letzten  Male  wieder  Über  einen  Lehmrücken 
und  steile  Lösshohlwege  auf  der  rechten  Seite  eines  von  Osten  kommenden 
Lössthales,  das  in  ausgezeichneter  Weise  die  Unterschiede  der  Lössbedcckung 
der  nördlichen  und  südlichen  Thalseite  erkennen  lässt,  hinauf  zu  einem 
2950  m  hohen,  in  roten  Quetac-Schichten  gelegenen,  aus  einem  Hohlweg 
bestehenden  Passübei^nge  und  dann  am  steilen  Lebmgehänge  in  Hohlwegen 
nach  Osten  in  ein  Thal  hinab,  das  direkt  nach  dem  nur  noch  4  km  entfernten 
Thao-tschöu  fuhrt.  Auch  hier  sind  wieder  die  Gehänge  auf  der  Südseite 
des    Thaies    von    unten    bis    oben    (200  m)    mit    dicht    aufeinander    folgenden 


Stiidl  Tbao-tichöu,  vod  der  Stadtmauer  aus  nach  Nordwetteo  geaehen. 

Lössterrassen  besetzt,  während  sie  auf  der  nördlichen  Thalseite  fast  vollständig 
fehlen. 

Einige  Tage  Ruhe  im  gastlichen  Hatise  der  American  China  Mission  be- 
schlossen die  an  Anstrengungen  reichen  Tage  des  beschleunigten  Marsches  vom 
Kloster  Schin-se.  Hier  erfuhr  ich  durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Missionars 
Simpson  das  Folgende  über  die  klimatischen  Verhältnisse  in  Thao-tschöu  und  Um- 
gebung, das  geeignet  ist,  die  oben  gegebenen  Beobachtungen  zu  erganzen. 

Längere  Zeit  bestandiger  Schnee  kommt  während  der  Wintermonate,  trotz 
der  Höhenlage  (Thao-tschöu  =  2740  m),  nicht  vor,  die  Sonnenwärmc  der  von 
November  bis  März  meist  ganz  klaren  Tage  schmilzt  ihn  rasch  hinweg,  wenn 
er  einmal  gefallen.  In  der  That  sahen  auch  wir  auf  unserm  Marsche  nur  sehr 
wenig  liegen  gebliebenen  Schnee,  trotz  der  verschiedenen  Schneegestöber,  und 
diesen  nur  auf  den  Nordsetten  und  an  den  höchsten  Pässen.     Im  Winter  ist  im 


—     434     — 

allgemeinen  beständig  schönes  Wetter,  und  nur  im  Sommer  sind  die  Monate 
Juni  bis  September  reich  an  Niederschlägen.  Besonders  in  diesem  Jahre  waren 
der  Juli  und  August  sehr  regenreich.  Schnee  pflegt  am  meisten  im  September  bis 
November  und  wieder  im  März  zu  fallen,  bleibt  aber  selten  länger  als  2 — 3  Tage 
liegen.  Im  Winter  sind  sehr  häufig  die  Nächte  kalt,  die  Ts^e  aber  bei  dem  klaren 
Wetter  doch  warm.  Die  vorherrschenden  Winde  kommen  aus  Norden  und  Nord- 
westen, und  sie  bringen  im  Sommer  auch  die  schweren  Regen.  Die  Umgebung 
ist  sehr  fruchtbar  auf  dem  Lössgebiete  und  das  Frühjahr  erzeugt  einen  reichen 
Blumenflor  und  viele  heilkräftige  Blüten,  die  von  den  Chinesen  gesammelt  werden. 

Die  alte  Stadt  Thao-tschou*)  lieg^  in  der  geographischen  Breite  von  34* 
34'  38"  zwischen  250 — 300  m  hohen  Bergen,  die  meist  mit  Löss  bedeckt  sind, 
aber  an  steilen  Gehängen  auch  die  roten  Quetae-Schichten  hervorsehen  lassen, 
an  einem  kleinen  Flüsschen,  das  in  südlicher  Richtung  zu  dem  nur  4  englische 
Meilen  —  6,4  km  entfernten  Thao-Flusse  geht.  Die  Stadt  ist  von  einer  hohen 
Mauer  umgeben,  vor  der  noch  nach  mehreren  Seiten  hin  Vorstädte  liegen;  alle 
zusammen  sollen  12 — 1 3  000  Einwohner  haben.  In  der  Stadt  sind  mehrere 
grosse,  schöne  Tempel,  darunter  einer  in  der  Mitte  der  Stadt,  welcher  dem 
»Gotte  der  Drachen c  geweiht  ist  Als  wir  den  Tempel  besuchten,  waren  gerade 
einige  Körbe  voll  appetitlicher,  kleiner  Kuchen  dem  Gotte  geweiht  worden; 
seine  Priester  werden  sich  dieselben  wohl  gut  schmecken  lassen.  Eine  grosse, 
schöne  Moschee  ist  im  Stile  der  chinesischen  Tempel  erbaut  Wir  fanden  darin 
eine  Anzahl  von  Knaben  mit  dem  Erlernen  der  arabischen  Schriftzeichen 
beschäftigt;  es  sollen  in  den  Vorstädten  der  Stadt  eine  grössere  Anzahl  von 
Muhamedanern  leben.  Schöne  Tempel  mit  Hainen  von  Nadelhölzern  sind  in 
der  Umgebung  auf  mehreren  Bergvorsprüngen  vorhanden.  Sonst  bietet  die 
Stadt  wenig  Bemerkenswertes;  die  Strassen  sind  eng  und  die  Lehmhäuser 
niedrig,  mit  vielen  nach  der  Strasse  offenen  Läden  und  Magazinen. 

Thao-tschöu  hat  lebhaften  Handel  mit  Tibet,  dem  es  besonders  Tuche,  die 
aus  China  und  auch  aus  Amerika  kommen,  Thee,  Gerste,  Gerätschaften,  sowie 
die  eisernen  Kessel  von  rohem  Gusse,  die  in  Schen-si  fabriziert  werden,  liefert. 
Hier  ist  auch  ein  grosser  Markt  für  Felle  und  Häute,  besonders  von  Fuchs  und 
Wolf,  sowie  schöne,  weiche  Hundefelle;  seltener  kommen  Luchs-  und  Steppenhund- 
pelze aus  Tibet,  während  die  bei  den  Tibetanern  sehr  geschätzten  Pantherfelle 
von  Ssö-thschuan  über  Sung-p'an  thing  und  über  Thao-tschou  nach  Tibet  zahlreich 
eingefiihrt  werden.  In  den  Umgebungen  der  Stadt  wohnen  nocJi  Tibetaner,  und 
man  sieht  sie  auch  auf  der  Strasse,  wo  sie  sich  durch  die  mit  Farben  verzierten 
spitzen  Filzhüte  auszeichnen;  auch  Lamas  waren  in  der  Stadt  zu  sehen.  Auf 
dem  Wege  nach  Min-tschou  trafen  wir  indessen  in  den  Dörfern  am  Thao-ho 
weniger  Tibetaner  oder  Tanguten  als  Chinesen   an.     Das  Aeusserc  der  Dörfer 


•^   Kine  nt»ue   grosse  St.uU   desselben  Namens  mit   tlem  Sitxe  der  Behönlen  begt  etwa  25  bi« 
XO  km  weiter  nonilich. 


—    435     — 

war  dasjenige  der  chinesischen  Ansiedelungen,  und  nirgends  mehr  waren  die 
hohen  Gerüste  für  Stroh  und  zahlreichen  Gebetstangen  zu  sehen. 

Der  Weg  von  Thao-tsch6u  bis  Min-tsch6u  ist  in  zwei,  bequemer  in  drei 
Tagen  zurückzulegen.  Er  fuhrt  in  den  letzten  beiden  Tagen  im  Thao-Thale 
entlang,  und  da  dieser  untere  Teil  des  grossen  Thalsystems  mit  dem  oberen 
eng  zusammengehört,  so  mag  die  Beschreibung  desselben  hier  noch  am  Schlüsse 
der  tibetanischen  Darstellungen  folgen.  Unterhalb  Min-tschou  nimmt  der  Thao-ho 
eine  andere  Richtung  an;  er  geht  nach  Norden  zum  Hoang-ho,  und  sein 
Thal  erhält  einen  veränderten  Charakter  da,  wo  er  in  enger  Schlucht  die  Ge- 
birgsketten des  östlichen  Kuön-lun  durchbricht,  auf  der  Strecke  von  Min-tschou 
bis  zum  Hoang-ho  oberhalb  von  Lan-tschou.  Am  26.  November  verliessen  wir 
Thao-tschou  zu  Pferde  mit  leichtem  Gepäcke,  nachdem  das  grosse  Expeditions- 
gut und  die  wissenschaftUchen  Sammlungen  mit  Maultieren  nach  Min-tschou 
vorausgeschickt  worden  waren;  bei  gutem  Wetter  ging  es  einige  Male  bergauf 
und  bergab  in  südöstlicher  Richtung  über  einige  kleine,  mit  Löss  erfüllte 
Thälchen,  die  zu  Nebenflüssen  des  Thao-ho  gehören,  und  schliesslich  nach 
einem  2950  m  hohen  Passübergang  zum  Thao-Flusse  selbst  hinab  und  in  seinem 
vielfach  gewundenen  Thale  abwärts  in  südöstlicher  Richtung  weiter  bis  zum 
Dorfe  Dschoni. 

In  der  Nähe  des  Thao -Thaies  hören  die  ausgedehnten  Lössbedeckungen 
auf,  nur  die  Sandsteine  und  Schieferfelsen  bilden  mit  dunkler  Bewaldung  sehr 
malerische  Felslandschaften  an  den  hohen,  steilen  Gehängen  des  hier  schon 
grossen  Flusses  mit  schönem,  klarem,  grünem  Wasser.  Die  aus  dem  Lössgebiete 
von  Norden  kommenden  Nebenflüsse  haben  alle  trübes,  braunes  Wasser.  — 
Auch  hier  kann  man  an  vereinzelten,  kleineren  Lössvorkommen,  besonders 
am  Fusse  der  Berge  das  Verbreitungpgesetz  bestätigt  finden,  dass  es  immer  die 
nach  Norden  geneigten  Abhänge  sind,  welche  den  Löss  führen  und  zur  Anlage 
von  Ackerterrassen  benutzt  sind.  Die  Bewaldung  zwischen  den  Felsklippen, 
die  zahlreichen  Stromschnellen  mit  schäumendem  Wasser  und  die  vielen 
Tempel  auf  besonders  hervorragenden  und  weithin  sichtbaren  Felsklippen 
machen  das  Landschaftsbild  sehr  abwechslungsreich  und  anziehend. 

Das  Dorf  Dschoni  liegt  am  Ausgange  einer  engen  Thalschlucht  von 
Norden  zum  Thao-Thale,  und  der  Weg,  der  durch  das  Dorf  an  der  Bachschlucht 
steil  in  die  Höhe  führt,  ist  vielfach  durch  Holzstützen  und  Zimmerwerk  gehalten; 
trotzdem  sind  viele  Stellen  so  schlecht,  dass  man  jeden  Augenblick  ein  Hinab- 
rutschen in  den  tiefliegenden  Bach  befürchten  muss.  Oben  im  Dorfe  ist  eine 
Tempelanlage,  deren  zahlreiche  Lamas  sich  sehr  aufdringlich  benahmen,  während 
sonst  die  Bevölkerung  nicht  lästig  fiel.  In  Dschoni  trafen  wir  auf  den  Reise- 
weg Potanins,  der,  von  La-brang  kommend,  hier  das  Thao-Thal  erreichte,  nach- 
dem er  durch  zahlreiche  Tanguten -Dörfer  gekommen  war.  Er  berichtet,  dass 
hier  ein  Fürst  seinen  Sitz  hat,  der  über  zwei  Tangutenstämme  des  Thao-Thales 
herrscht.     Der  Ort    selbst    ist  in    chinesischem  Stile    gebaut,    aber    die  Frauen 

28* 


—     43Ö     — 

tragen  noch  die  tangutische  Haartracht  und  schwere  Gehänge  an  den  Haaren, 
die  aber  hier  wieder  anders  geformt  sind  als  die  der  Frauen  weiter  oben  im 
Thao- Flussgebiete,  und  nicht  bis  an  den  Boden  reichen. 

Der  zweite  Reisetag,  immer  am  Flusse  entlang  oder  in  der  Nähe  desselben, 
war  hochinteressant,  er  ging  von  Dschoni  bis  Tsing-kuei.  Bei  schönem,  aber 
kaltem  Wetter  zogen  wir  am  Flusse  hinab,  oft  hoch  an  steilen  Felswänden 
über  dem  tosenden  Wasser  und  mit  herrUchen  Ausblicken  auf  die  schroffen, 
felsigen,  mit  dunkelm  Tannenwald  oder  Busch  bedeckten,  schönen  Ber^c,  die 
sich  bis  400  m  über  das  Thal  jäh  erheben.     Wo  durch  die  zahlreichen  Fluss- 


Thal  des  Thao-ho  UDterhaJb  tod  Dichoiil  im  Thao-Thale. 

biegungen  etwas  Raum  im  Thal  ausgespart  wird,  befinden  sich  Ansiedelungen 
auf  Lehmboden  und  terrassiertes  Ackerland,  das  aber  nirgends  weiter  als  bis  auf 
ein  Drittel  der  Bergeshöhe  hinaufreicht.  Eine  Brücke  fuhrt  unterhalb  von  Dschoni 
über  den  Strom;  ihre  Widerlager  bestehen  auf  beiden  Seiten  aus  mächtigen 
Holzböcken,  die  durch  grosse  GeröUe  verfestigt  und  gestützt  sind;  über  sie 
geht  ein  Weg  auf  der  rechten  Thalseite  des  Thao-ho  nach  Min-tschöu.  Zahl- 
reiche enge  Thalschluchten  mit  wildem,  felsigem  Charakter  kommen  von  der 
linken  Thalseite  in  das  meist  sehr  enge  Flussthal  herab.  Gegen  Ende  des  Tage- 
marsches und  oberhalb  des  Dorfes  Tsing-kuei,  das  die  Abendstation  am  27.  No- 
vember bildete,  macht  der  Fluss  eine  sehr  grosse  Biegung  nach  Südwest,  die 
der  Saumpfad  abschneidet,  indem  er  auf  der  linken  Flussseite  steil  über  Schiefcr- 
felsen  in   die  Höhe    geht  und    einen   2630  m   hohen    Felsrücken    überschreitet. 


—    437     - 

um  in  vielfachen  Windungen  auf  der  andern,  östlichen  Seite  hinab  das  aus 
Südwest  zurückkommende  Flussthal  wieder  zu  erreichen.  Von  der  Passhöhe 
hat  man  eine  schöne  Aussicht  auf  das  Thao-Thal  und  dessen  wilde  Schluchten 
und  Felsenwildnis.  Der  Weg  geht  hoch  über  dem  wieder  nach  Osten  um- 
biegenden Flusse  am  stellen  Felsgehänge  dahin  und  zuletzt  auf  Lehmstufen 
mit  Terrassen  bb  zum  Dorfe  Tsing-kuei  am  linken  Ufer  des  Thao-ho.  Beim 
Dorfe  liegt  eine  kleine  Felseninsel,  gekrönt  von  einem  Pavillon,  in  dem  reissenden 
Strome,  der  gerade  hier  wieder  eine  Biegung  nach  Südosten  macht. 

Auch  der  letzte,  etwas  sehr  lange  Reisetag  bis  Min-tschdu  bietet  besonders 
in  seiner  ersten  Hälfte,  bis  der  Weg  auf  einer  Brücke  auf  die  rechte  Thalseite 


Thao-llial  bei  Tsing-koel  oberhalb  tod  Mln-tBchön.  Dach  thakbwürta  gesehen. 

Übergeht,  sehr  viel  des  Interessanten.  Gleich  unterhalb  des  Dorfes  Tsing-kuei 
treten  von  beiden  Thalseiten  kulissenartig  steile,  felsige,  zum  Teil  mit  Tempeln 
geschmückte  Beigvorsprünge  der  hinter  einander  liegenden,  in  ost-westlicher 
Richtung  verlaufenden  Bergketten  in  steilen  Abstürzen  an  den  Fluss  heran; 
die  entfernteren  überragen  die  näheren  an  Höhe,  und  in  der  wechselnden  Morgen- 
beleuchtung, welche  einzelne  Bergkämme  noch  in  tiefem  Schatten  liess,  war  das 
Landschaft'ibild  sehr  wirkungsvoll.  Auch  hier  tragen  vielfach  die  bis  500  m 
hohen,  steilen  und  felsigen  Gehänge  schönen  Tannenwald  oder  doch  Büsche 
und  um  den  Fuss  derselben  zieht  sich  in  dem  allmählich  breiter  werdenden 
Thale  ein  Gürtel  von  Aeckern  mit  Bäumen  und  Ansiedelungen,  die  bis  zu 
etwa  ein  Drittel  der  Bergeshöhe  hinanreichen.  Darüber  ist  dann,  wo  der  Wald- 
bestand fehlt,  die  Vegetation  zwischen  den  Felsenhängen  eine  nur  recht  dürftige. 
Während  die  meisten  Dörfer  im  Thale  oberhalb  und  auch  wieder  weiter  unter- 


—     43^     — 

halb  NLn-tschou  zu  nur  aus  armiichen.  flach  gedeckten  Lehmhütten  bestehen, 
fallen  einige  Doffer,  die  sich  dicht  bei  einander  auf  der  rechten  Thalseitc  an 
Ausgangen  von  Xebenthalchen  befinden,  durch  ihre  ganz  besondere  Bauart, 
die  an  Schweizerdorfer  erinnert,  auf.  Die  Hütten  sind  ganz  aus  gebräuntem 
Holze  gebaut,  haben  nach  zwei  Seiten  hin  schräg  abfallende  Dächer  von  Brettern 
und  nach  aussen  gerichtete  Fensteröffnungen,  alles  Eigenschaften,  die  den  Lehm- 
dorfem  gänzlich  fehlen;  die  auf  Seite  439  stehende  Abbildung  zeigt  ein  solches 
i  Seh  *-eizerdorf <  im  Thao-Thale.  Es  scheint,  dass  hier  ein  besonderer  Stamm 
der  Bevölkerung  mit  dieser  abweichenden  Anlage  seiner  Häuser  und  Dörfer 
wohnt.  Leider  waren  am  Wege  und  auf  der  linken  Thalseite  keine  dieser 
interessanten  Wohnungen  zu  sehen^  und  sie  waren  auch  auf  der  rechten  Thal- 
seite auf  verhältnisma'^sig  engen  Raum  beschränkt.  Prschewalskij  beschreibt  aus 
der  waldreichen  Gebirgsgegend  des  westlichen  Kan-su  ebenfalls  Holzwohnongen 
von  Tanguten,  die  dort  z\%'ischen  Chinesen  leben  und  Ackerbau  treiben.  Die 
hölzernen  Hauschen  sind  aus  rohen,  unbehauenen  Baumstämmen  aufgeführt, 
deren  Zwischenräume  mit  Lehm  verstopft  sind,  ein  Bretterboden  im  Innern  fehlt, 
und  das  I>ach  ist  aus  neben  einander  gelegten,  mit  Lehm  bedeckten  Stangen 
hergestellt;  in  der  Mitte  desselben  dient  ein  viereckiges  Loch  als  Rauchfang. 
Im  Vergleich  mit  diesen  Hütten  sind  die  im  Thao-Thale  bedeutend  besser  gebaut 
und  bieten  mehr  Bequemlichkeit  als  jene,  die  der  Fenster  ganz  entbehren. 

Auf  dem  damals  mit  Treibeis  bedeckten  Strome  werden  Flösse  von 
Tannenholz,  in  welchem  8 — 10  Stämme  vereinigt  sind,  hinab  gefuhrt.  Der  W^ 
ist  auch  auf  dieser  Strecke  \nelfach  künstlich  am  steilen  Felsgehänge  über  dem 
Wasser  dahin  geführt  und  an  einer  Stelle,  wo  der  Fluss  in  engem  Felsenbette 
fliesst,  ist  eine  hölzerne  Brücke  von  10  m  Breite  über  denselben  geschlagen. 
In  dem  engen  Felsenbette  mit  grossen  Strudellöchem,  das  viele  Aehnlichkeit 
mit  den  Imatra  -  Stromschnellen  in  Finnland  hat,  hatte  sich  das  Treibeis 
gestaut  und  unter  der  aus  wild  übereinander  gehäuften  Eisschollen  bestehenden 
Decke  hörte  man  das  tobende  Wasser  strudeln  und  brausen.  Tafel  XXXIV 
zeigt  die  Brücke  und  deren  Umgebung. 

Von  da  ab  verbreitert  sich  das  Thal  bedeutend;  eine  grosse  Thalerweiterung 
auf  der  linken  Seite  geht  im  Halbkreise  nach  Nord  und  Nordost  und  der  Fluss 
durchzieht  den  aus  Lehmen  gebildeten,  weiten,  ebenen  Thalboden  in  grossen 
Windungen  in  einer  etwa  30  m  tiefen,  in  das  unter  der  Lehmdecke  befindliche 
Schiefergebirge  erodierten,  steilwandigen  Thalschlucht.  Man  kann  an  den  Seiten 
derselben  konstatieren,  dass  die  Lehmdecke  der  breiten  Thalfläche  nur  wenige 
Meter  mächtig  ist,  und  dass  dann  alsbald  das  steil  aufgerichtete  und  gefaltete 
Schiefergebirge  nach  unten  folgt.  Die  Berge  sind  noch  bis  500  m  hoch  und 
an  ihrem  Fusse  liegt  eine  breite  Lösszone  mit  Acker -Terrassen  und  vielen 
Dörfern  auf  der  linken  Thalseite.  Der  flache  Thalboden  ist  über  2  km  breit 
und  erweitert  sich  weiter  unten  gegen  Min-tschou  zu  noch  mehr.  Der  Weg 
vcrlässt  das  Gehänge  der  Berge  auf  der  rechten  Thalseite  und  geht  mehr  in  der 


—     439     - 

Mitte  der  ebenen  Fläche,  oft  in  der  Nähe  der  allmählich  niedriger  werdenden 
Schlucht  des  Thao-ho,  zuletzt  in  ostnordöstlicher  Richtung  bb  Min-tscböu.  Hoch 
oben  auf  einem  Berg  der  Unken  Thalseite  liegt  ein  Dorf,  und  ateilwandige  Berge 
dahinter  reichen  bis  über  500  m  in  die  Höhe.  Auf  der  rechten  Thalseite  sind 
zunächst,  nachdem  das  grosse  Thal  in  östlicher  Richtung  umgebogen  ist,  nur 
niedere,  stellenweise  schön  bewaldete  Höhen,  aber  weiter  hinten,  zurückliegend 
vom  Thao-Thale  und  höher  oben,  etwa  an  der  Brücke  und  von  da  ab  weiter 
aufwärts  an  dasselbe  herantretend,  zieht  eine  Kette  hoher  Gipfel  in  westnord- 
westlicher Richtung  in  langem  Zuge  von  weit  aus  Ostsüdost  her  über  den  Fluss. 


Dorl  mit  HohhUtWn  Im  Iliao-Thale.  oberhalb  roo  Min-tschüu. 

Im  Thale  selbst  erkennt  man  diese  Bergkette  nur  schwer,  aber  von  der  Stadt- 
mauer von  Min-tschöu  aus  stellt  sie  sich  in  ihrer  ganzen  imponierenden  Aus- 
dehnung und  Höhe  mit  schneebedeckten,  vielfach  gegliederten  Kammlinien  und 
Gipfeln  dar.  Der  letzte  Teil  des  Thaies  oberhalb  von  Min-tschöu  ist  3 — 4  km 
breit;  auf  der  rechten  ThaLseite  sind  nur  noch  niedere,  mit  Lehm-Terrassen  be- 
deckte Höhen  mit  vielen  Dörfern  an  den  Thalausgängen;  erst  bei  der  Stadt 
selbst  und  weiter  unterhalb,  wo  das  Thao-Thal  nach  Norden  umbiegt,  liegen 
wieder  höhere  Schieferberge  auf  der  rechten  Seite  des  Flusses.  Auf  dem  linken 
Ufer  aber  sind  auch  oberhalb  der  Stadt  höhere,  steil  gegen  den  Fluss  abfallende 
Berge,  die  oberhalb  der  Stadt  aus  roten,  horizontalen  Quetae-Bildungen,  bei 
dieser  selbst  aus  Schiefer  bestehen,  welche  von  West  zu  Nord  nach  Ost  zu  Süd 
streichen.     Der  Thao  fliesst  hier  nicht  mehr  in  einer  Schlucht,  sondern  zwischen 


'i-f:  'vt:  -f/jr  \^jSjt%  P.^t^-.-^s  lor  dre:  lar^ca  xersCt^t  «-zric  -h'^  deaa  die 
rjr',-^sfe  ür;iCt  ä^lj^^  nicht  a>thr  Cic  Bcde-rr::::^  rat,,  cjc  ihr  var  ejcacm  Asf- 
k?ur^<^,  '4i'.\  *.e  f-r  <i«  siithtir§tc  Sract  in  S-d  Kar-sc  g*lt.  cigc«  war.  Danxais 
»ir  *x  av:r.  r»:h  S.tz  circs  bohcn  Rcg5cr=rg*bcaa:tKi.  der  jetzt  ia  Tschi  in 
r^.'f-^rt,  K>cr  crfrc-tcn  »;r  tins  der  licbcxüTi'iirdix^tes  Gastfrermdschaft  nnd 
!>^:ttrr  A:.fr^^.a:€  bti  d^t:  beulen  Bradem  Ecnaü  und  Frau  Exkvall.  MissioBaTCD 
4^  Ch,na  Ir.Iitnd  yi^shion.  In  ihrem  hinter  dem  Haiise  gcleg^ctaen  Garten  konnte 
x.r»  eine  B«*;n;n;::ng  der  geographischen  Breite  der  Stadt  machen,  <fie  zwar 
d-.rch  V/orker.bcdeckung  der  Sonne  gerade  nn*  Zeit  der  Kclmmation  etwas  ge- 
vt/^rt  » 'jrde,  die  aber  aiis  den  korrespondierenden  Werten  gleicher  Sonnenhohen 
v^>r  lind  nach  dei^clben  den  Wert  von  34t  16*  17*  nordlicher  Breite  doch  nodi 
berechnen  he»s.  Dass  Min-tschöa  keine  grosse  Bedetitong  oder  grosse,  rcidie 
\jkdcn  mehr  hat,  zeigt  ein  Gang  durch  seine  Strassen  mit  den  kleinen  Ldun- 
häu^ern:  es  fehlen  schöne  Tempelbauten,  und  der  Raum  innerhalb  der  sehr 
%tark'm  und  ausgedehnten  Stadtmauer  ist  nur  zum  kleinen  Teil  mit  Wohnstatten 
b^b^'jt;  da^  übrige  Land  llq;t  öde  da.  Die  Zahl  der  Einwohner  soll  —  die 
Mühamedaner  in  den  Vorstädten,  die  ein  Viertel  der  Bevölkerung  ausmachen,  mit- 
gerechnet —  15000  betragen,  aber  die  Stadt  steht  noch  unter  dem  Eindnick  der 
erlittenen  V^'erwüstungen.  Es  hat  nicht  den  Anschein,  als  würde  sie  sidi  bald 
von  die^iem  5>chldge  erholen  oder  wieder  zu  ihrer  früheren  Bedeutung  gelangen, 
nachdem  ihr  Handel  an  das  aufblühende  Thao-tschou  übergegangen  und  der 
Sitz  der  Behörden  verlegt  ist.  Nur  die  mächtigen  Reste  der  alten  Umwallung 
erinnern  noch  an  die  vergangene  Grösse  der  Stadt 

Die  Bevölkerung  ist  durchweg  chinesisch,  Tibetaner  kommen  nur  gele- 
gentlich und  selten  hierher.  Die  letzten  waren  im  Thao-Thal  unterhalb  von 
ThaO'tHchou  zu  sehen;  aber  sie  unterscheiden  sich  von  den  Tibetanern  des 
Hochlandes  wesentlich  in  Kleidung,  Schmuck  und  Gesichtszügen.  Sie  tragen 
Gewänder  mit  bunten  Aufschlägen»  trichterförmige,  farbige  Kopfbedeckungen 
von  Filz,  und  bei  den  Frauen  treten  an  Stelle  der  sonst  üblichen,  zahlreichen, 
dünnen  Zöpfchen  und  des  damit  verbundenen  Rückengehänges  vom  Kopf  bis 
zu  den  Füssen  reichende,  mit  glänzenden  Messing-Kugeln  besetzte  Schnüre. 
Wir  bekamen  nur  sehr  wenige  zu  Gesicht,  und  eine  g^ndlichere  Kenntnis  dieser 
Bevölkerung  wird  auch  noch  andere,  wichtigere  Unterschiede  kennen  lehren. 
Uebcr  Min-tsch6u  führt  die  wichtige  Handelsstrasse  von  Lan-tschou  nach  Süd- 
China,  die  über  den  nur  etwa    32  km  südlich   vom  Thao-ho  gelegenen  2755  m 


TAP^L  XXXIV. 


—     441     — 

hohen  Ja-li-schan-Pass  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Hoang-ho-Gebiet  und  dem 
des  Yang-tzS-kiang  überschreitet  Potanin  hat  den  Weg  über  diesen  Pass  und 
dann  nach  Südwesten  nach  Sung-p'an  thing  zurückgelegt  und  überall  noch  tibeta- 
nische, ansässige  Tangutenstämme  angetroffen. 

Zur  Uebersicht  der  geologischen  Verhältnisse  des  Thao-Thales  ist  hier 
noch  anzuführen,  dass  das  alte,  wahrscheinlich  dem  Devon  angehörige,  gefaltete 
Sandstein-Schiefergebirge,  das  überall  am  Thao  selbst  ansteht  und  das  Liegende 
der  darüber  unkonform  lagernden  Quetae-Schichten  bildet,  ausschliesslich  von 
Streichrichtungen  beherrscht  wird,  die  von  Ost  nach  West  oder  Ost  zu  Süd 
nach  West  zu  Nord  streichen  und  dadurch  ihre  Zugehörigkeit  zum  KuSn-lun- 
System  erweisen.  Das  Wasserscheide-Gebirge  des  Min-schan  besteht  aus  den 
wahrscheinlich  silurischen,  kristallinen  Kalken,  die  auch  südlich  vom  Ja-li-schan- 
Passe  gefunden  wurden,  während  das  Tasur-chai-Gebirge  im  Norden  ebenfalls 
der  mächtigen  Zone  der  devonischen  Sandstein  -  Schieferbildungen  zufallt, 
die  vom  Dschupar-Gebirge  an  bis  ins  Thao -Thal  mit  West  zu  Nord  nach  Ost 
zu  Süd  Streichrichtungen  auftraten.  Die  Zone  der  Fusalinenkalke  des  Semenow- 
Gebirges  finden  wir  wieder  im  P'e-ling- Gebirge  im  Nordosten  von  Min-tschou. 


Stallt  Mia-Uchüa  and  Tempel  am  Beri;e.      Von  iler  Stiwitiiiauer  nus  u^ch  SUdoMcD  eeseheo. 


KAPITEL  X. 

Auf  Maultierpfaden  des  inneren  China. 

Von  der  Qrenze  Tibets  bis  zum  Stillen  Oceaa. 

Nach  der  glücklichen  Rückkehr  aus  Tibet  kam  es  bei  der  schon  recht 
vorgerückten  Jahreszeit  für  die  Expedition  hauptsächhch  darauf  an,  mit  möglichst 
geringem  Zeitaufwande  die  Küste  zu  erreichen.  Abgesehen  von  den  noch  fort- 
zusetzenden meteorologischen  Beobachtungen,  schien  in  dem  durch  andere 
Forschungsreisen  schon  hinlänglich  bekannten  Lande  wenig  Neues  aufzufinden 
zu  sein,  wenn  nicht  noch  unerforschte  Gegenden  durchzogen  werden  konnten, 
aber  längere  Aufenthalte  waren  nicht  mehr  möglich. 

Von  Min-tschöu  führt  ein  grosser  Maultierweg  über  Tlisin-tschöu  und  Föng- 
siang  fu  nach  Si-ngan  fu;  von  da  überschreitet  man  das  Thsin-ling-Gebirge  und 
erreicht  bei  einem  Städtchen,  Lung-kü-tschai,  den  schiffbaren  Teil  des  Tan-Flusses, 
der  bei  Lao-ho  k'ou  in  den  grösseren  Han-Fluss  mündet  und  eine  Hauptverkehrs- 
ader von  der  Küste  Schanghai  und  Han-k'ou  nach  dem  Innern  Chinas  bildet. 
Schon  vor  Si-ngan  fu  folgten  auch  wir  der  Hauptroute  für  Maultiere  über 
den  Thsin-ling-schan  und  benutzten  dann  die  Wasserstrassen  des  Tan-  und  Han- 
Flusses.  Aber  für  den  Weg  von  Min-tschöu  bis  Si-ngan  fu  schlugen  unsere  Maultier- 
treiber nicht  den  Haupt-Weg  ein,  der  über  die  oben  genannten  Städte  fuhrt, 
sondern  machten  gegen  unsern  Willen,   in  Verfolgung  von  privaten   Interessen, 


—     443     — 

einen  grossen  Umweg  gegen  Norden  hin,  der  über  Kung-thschang  fu  und  P'ing- 
liang  fu  führte,  und  bei  Tsing-ning-tschou  auf  die  grosse  Strasse  von  Lan- 
tschöu  nach  Si-ngan  fu  traf.  So  unangenehm  der  durch  diesen  Umweg  verursachte 
grössere  Zeitaufwand  war,  so  führten  diese  Wege  durch  sehr  interessante  Ge- 
birgsteile,  zum  Teil  auf  sehr  schwierigen  und  wenig  begangenen  Pfaden,  die 
jedenfalls  in  geologischer  Hinsicht  viel  lohnender  waren,  als  der  grosse,  meist 
in  breiten  Thälern  entlang  ziehende  Hauptweg,  auf  welchem  man  nur  sehr  wenig 
Gelegenheit  zu  geologischen  Beobachtungen  findet.  Wider  alles  Erwarten  gestaltete 
sich  der  häufig  sehr  beschwerliche  Weg  trotz  der  langen,  vom  frühen  Morgen 
bis  zum  Einbruch  der  Dunkelheit  ohne  Unterbrechung  fortgesetzten  Märsche 
zu  einer  sehr  interessanten  Reise  durch  die  berg^igen,  nördlichen  Vorlagen  der 
Gebirgsketten  des  westlichen  Teiles  des  östlichen  Kw^n-lun-  oder  des  Thsin- 
ling-Grebirges.  Der  letzte  Teil  des  Weges  von  P*ing-liang  fu  an  ging  über  aus- 
gedehnte Lössgebiete,  die  von  dem  Grenzgebiete  der  Provinzen  Kan-su  und 
Schen-si  weiter  nach  Osten  noch  grössere  Ausdehnung  und  Mächtigkeit  er- 
langen. Von  den  namhaft  gemachten  Gesichtspunkten  aus  bietet  unser  Reiseweg 
manches  Neue,  und  eine  Schilderung  rechtfertigt  sich  da,  wo  dieser  Weg  und 
die  darauf  gemachten  Wahrnehmungen  und  Beobachtungen  zur  Vervollständigung 
unserer  geographischen  und  geologischen  Kenntnisse  dieser  Teile  Chinas  einen 
kleinen  Beitrag  bilden  könnten. 

Schon  in  Thao-tschou  waren  die  Maultiere  für  den  ganzen  Weg  über  Min- 
tschou  bis  nach  Si-ngan  fu  gemietet  worden,  so  dass  wir  in  Min-tschou  nach  nur 
zwei  Tagen  Aufenthaltes,  am  i.  Dezember,  den  Weitermarsch  antreten  konnten. 
Gewöhnlich  brach  die  aus  20  Maultieren  bestehende  Karawane  schon  bei  Tages- 
anbruch auf;  wir  folgten  zu  Pferde  etwas  später  und  erreichten  meist  bei  Ein- 
bruch der  Nacht  das  Abendquartier,  nach  Zurücklegung  von  Wegen,  die 
40 — 45  km  pro  Tag  zu  betragen  pflegten.  Von  Min-tschou  aus  folgt  man  zu- 
nächst 5 — 6  km  weit  dem  Laufe  des  Thao  auf  seiner  rechten  Seite,  zuerst 
über  Löss-Gebiet  und  dann  hoch  am  steilen  Schiefergehänge  hin  auf  vielfach 
schwierigem,  durch  Eisbedeckung  schlüpfrigem  Pfade,  da  wo  der  Fluss  in  enger, 
steilwandiger  Schieferschlucht  mit  400  m  hohen  Bergen  auf  beiden  Thalseiten 
einen  grossen  Bogen  macht,  um  von  nun  an  in  nördlicher  Richtung  in  enger 
Schlucht  und  romantischem  Durchbruchsthale  dem  Hoang-ho  zuzufliessen,  den 
er  mit  einer  Biegung  nach  Nordwest  oberhalb  von  Lan-tschou  erreicht.  Unter- 
halb der  Umbiegung  des  Thaies  nach  Nord  kommt  eine  Thalerweitening; 
Lehmgehänge  bilden  den  Fuss  der  Berge,  Bäume  und  Ansiedelungen  sind  zahl- 
reich am  Ausgange  von  Seitenthälern  auf  beiden  Seiten  des  Thao,  und  dieser 
fliesst  auf  breitem  Thalboden  zwischen  Ufern,  die  von  einer  3  m  hohen,  senk- 
rechten Lehmwand  eingeschlossen  werden.  Aber  nur  wenige  Kilometer  weit 
reicht  diese  Thalerweiterung  am  Flusse  gegen  Norden;  ein  Bergvorsprung  tritt 
von  den  Bergen  der  rechten  Thalseite  bis  an  den  Fluss  heran  und  engt  das 
Thal  wieder   ein.     Unter  dem  Lehme   auf  der  Höhe,    die   eine   festungsartige 


—     444     — 

Mauer  trägt,  sind  die  roten  Färbungen  der  Quetae-Bildungen  sichtbar  und  an 
seinem  Südfusse  kommt  ein  Thal  aus  den  Bergen  von  Osten  zum  Thao  herab. 
Der  Weg  hat  in  der  Thalerweiterung  einige  Dörfer  zwischen  Lössgehängen 
und  die  Bäche  mehrerer  Seitenthälchen  passiert  und  verlässt  nun  das  Thao-Thal, 
um  in  jenem  Seitenthale  am  Bergvorsprunge  in  Nordostrichtung  hinaufzusteigen. 

Im  unteren  Teile  dieses  Thaies  sind  die  Gehänge  noch  mit  mächtiger 
und  schneckenreicher  Lössdecke  überzogen,  und  unten  am  Thalboden  ist  eine 
starke,  mehrere  Meter  hohe  Auffüllung  von  herabgeschwemmten,  horizontale 
Schichtung  zeigenden  Lehmen,  untermischt  mit  dünnen  Gerölllagen,  in  welcher 
das  Flüsschen  in  einer  steilwandigen  Schlucht  fliesst  Eine  Reihe  kleinerer  Dörfer 
reicht  noch  im  Thale  hinauf,  soweit  der  Löss  und  damit  auch  fruchtbares  Land 
geht.  Grosse,  runde  Aufhäufungen  von  Stroh,  die  mit  einem  Reisigdache 
bedeckt  sind  und  grossen  Bienenkörben  gleichen,  geben  Zeugnis  von  den 
Feldfrüchten,  die  hier  der  Lössboden  erzeugt  Aber  weiter  oben  ändert  sich 
der  Thalcharakter.  Schieferklippen  und  quarzitische  Gesteine  stehen  an  den 
steileren,  nur  mit  dürftigem  Graswuchse  und  niederem  Gestrüppe  bedeckten 
Gehängen  der  etwa  350  m  hohen  Berge  an,  das  Thal  wird  enger,  und  wilder 
schäumt  der  Bach  im  engen  Felsenbette.  Der  Aufstieg  zum  3040  m  hohen 
Passe,  zuletzt  in  Windungen,  nimmt  vom  Thalausgang  ab  3\.s  Stunden  in 
Anspruch  und  der  letzte  Theil  liegt  ganz  in  glimmerigen  Schiefem  und  sand- 
steinähnlichen Bildungen,  die  unter  dem  Passe  das  Streichen  von  Njo^W  bei 
senkrechter  Schichtstellung  zeigen.  Noch  im  letzten  Drittel  des  Weges  liegt 
an  einer  Thalverzweigung  ein  ärmliches  Dorf  mit  niederen  Lehmhütten,  dann 
aber  hört  für  eine  lange  Strecke  auch  jenseits  des  hohen  Passes  jede  Ansiede- 
lung auf 

Wir  erreichten  die  Passhöhe  im  nordwestlichen  P*e-ling-Gebirge  (Kreitner) 
etwa  eine  Stunde  vor  Sonnenuntergang  und  hatten  eine  grossartige  Aussicht 
von  oben  von  Südwest  bis  Nordwest  auf  das  Gebirgsland  von  Hoch- 
Tibet.  Zunächst  unter  dem  Pass  in  südwestlicher  Richtung  li^  das  hohe 
Gebirgsland  des  oberen  Thao-Thales  mit  einer  Anzahl  von  annähernd  gleich 
hohen,  hinter  einander  sich  folgenden  und  in  westnordwestlicher  Richtung 
verlaufenden  Bergketten;  die  Kammlinien  sind  gezackt,  aber  nicht  durch 
besondere  Erhebungen  ausgezeichnet  und  der  Verlauf  des  Thao-Thales  selbst 
ist  nur  schwer  an  den  etwas  stärkeren  und  breiteren  Einschnitten  zu  er- 
kennen. Aber  hoch  diese  Gebirgsketten  überragend,  zeichnet  sich  in  wunderbarer 
Schönheit  in  der  Abendbeleuchtung  scharf  und  klar  vom  Abendhimmel  eine 
gewaltige,  riesenhafte  Kette  von  Felsgipfeln  ab,  deren  Kammlinie  einer  aus- 
gebrochenen Säge  noch  am  ehesten  zu  vergleichen  ist.  Ganz  im  Gegensatze 
zu  den  Linien  des  Thao-Berglandes  erheben  sich  mit  senkrechten  Seiten  hohe 
Felsentürme,  pyramidenartige  Gipfelformen  überragen  weit  das  mittlere  Niveau 
der  Kammlinie  und  die  schroffen  Zacken,  Felsennadeln  und  Türme  folgen  sich, 
durch    tiefe,    enge,    oft    senkrechte    Einschnitte    getrennt,    in   ununterbrochener 


._     445     — 

Reihe  von  einem  Punkte,  der  in  Süd  30*^  West  vom  Passe  liegt,  bis  weit  nach 
Westen  hin.  Das  Streichen  dieser  gewaltigen  Felskolosse,  die  dem  Charakter 
ihrer  Gipfel-  und  Kammlinien  nach  aus  einem  kristallinen  oder  massigen  Kalke 
bestehen,  wie  wir  solchen  schon  in  Tibet  in  mächtigen  Stöcken  auf  dem  rechten 
Hoang-ho-Ufer  in  westnordwestlicher  Richtung  verlaufend  gefunden  haben,  geht, 
so  weit  es  aus  der  grossen  Entfernung  zu  bestimmen  ist,  auch  in  dieser  Kette 
in  der  Richtung  West  20®  Nord.  Das  Gebirge  ist  der  Min-schan,  und  es  muss 
sich  hier  um  eine  Fortsetzung  jener  Kalkzone  mit  gewaltigen  Stöcken  von 
Riff-  und  Korallenkalken  paläozoischen  Alters  handeln,  die  in  isolierten  Massen, 
aber  im  gleichen  Streichen  hinter  einander  liegend,  das  rechte  Ufer  dort,  wo 
wir  den  in  ost-westlicher  Richtung  verlaufenden  Hoang-ho  unterhalb  seines 
Knies  erreichten,  begleiten.  Diese  Kalkkette  muss  im  Gebiete  der  von  Süden 
kommenden  Nebenflüsse  des  Thao  in  ostsüdöstlicher  Richtung  weiter  ziehen, 
und  in  der  That  sieht  man  auch  von  Thao-tschou  aus  gegen  Süden  schroffe 
Berge  mit  senkrechten  Einsenkungen  im  Süden  jenseits  des  Thao-Thales  liegen. 
Der  Kontrast  der  Bergformen  des  Kalkgebirges  ist  dort  gerade  so  in  die  Augen 
fallend,  wie  hier  vom  Passe  aus.  Der  Volksmund  hat  eine  tiefe,  auffallende 
Scharte,  die  von  Thao-tschou  in  dem  Kalkgebirge  sichtbar  ist,  mit  einem 
eigenen  Namen,  »Das  Thor«,  belegt,  wie  ich  durch  gütige  Mitteilung  des 
Rev.  Missionar  Simpson  in  Thao-tschou,  der  mich  besonders  auf  diese  Stelle 
aufmerksam  machte,  erfuhr. 

Diese  Kette  bildet  die  Wasserscheide  zwischen  den  nur  unbedeutenden 
und  nicht  von  weit  herkommenden,  rechten  Nebenflüssen  des  Thao  und  den 
nach  Süden  gegen  Sung-p'an  thing  und  SsS-thschuan,  also  schon  zum  Strom- 
gebiet des  Yang-tz^-kiang  abfliessenden  Gewässern.  Während  des  Marsches 
am  Thao-Flusse,  zwischen  Thao-tschou  und  Min-tschou,  fand  ich  wiederholt  in 
den  Flussgeröllen  des  Thao  GeröUe  von  Korallenkalken,  die  nur  aus  den  süd- 
lichen Thalgebieten  stammen  können,  da  auf  der  ganzen  Nordseite  nur  Sand- 
steine und  Schiefer  anstehend  zu  sehen  waren,  und  auch  unter  den  Gerollen 
der  zahlreichen,  von  der  Wasserscheide  im  Norden  herkommenden,  zum  Teil 
bedeutenden  Nebenflüsse  Kalke  durchaus  fehlten.  Es  müssen  also  die  von 
Süden  kommenden  Nebenflüsse  aus  jener  hohen  Kalkkette,  die  das  Thao-Berg- 
land  um  mindestens  1000  m  zu  überragen  scheint,  ihren  Ursprung  nehmen  und 
GeröUe  des  Korallenkalkes  in  den  Thao  bringen.  Andererseits  fehlt  in  dem 
Verlaufe  der  ununterbrochenen  Gipfelkette  und  Kammlinie  jenes  Kalkgebirges 
jedes  Indicium,  dass  ein  grösseres  Thal  dieselbe  durchbricht,  wie  denn  über- 
haupt grössere  Nebenthäler  auf  der  rechten  Seite  des  Thao  nicht  vorhanden 
zu  sein  scheinen,  so  dass  die  Wahrscheinlichkeit  eine  sehr  grosse  ist,  dass 
dieses  vom  Pass  aus  in  Süd  30®  West  jäh  abbrechende,  hohe  Kalkgebirge  die 
vom  Hoangho  in  Ostsüdost  verlaufende  Wasserscheide  zwischen  dem  Thao- 
Thal  und  den  nach  Süden  gerichteten  Flussläufen  der  Gegend  westlich  von 
Sung-p*an  thing  in  SsS-thschuan  ist  und  die  hohe  Bedeutung  eines  die  grossen 


—     44^'     — 

Abflussgebiete  des  Hoangho  auf  der  nördlichen  und  des  Yang-tz£-kiaii|^  aui  der 
südlichen  Seite  trennenden  Gebirges  hat. 

Nach  Osten  ist  die  Aussicht  von  der  Passhöhe  beschränkt  Einige  Berge 
der  näheren  Umgebung  überragen  den  Pass  nur  um  etwa  lOO  m  und  haben 
steile,  aus  Schiefer  gebildete  Abhänge.  Ein  ThaL  durch  das  der  auf  ganz  ver- 
eistem, in  vielen  Windungen  abwärts  führende,  sch^vierige  Abstieg  vom  Passe 
genommen  wird,  geht  in  nordöstlicher  Richtung  und  besteht  in  seinem  oberen 
Teil  aus  öden  Felsen  mit  dürftiger  Gestrüpp- Vegetation,  über  welcher  auf  den 
steilen  Nordgehängen  der  Berge  eine  ziemhch  starke  Schneedecke  lag.  Weiter 
unten  kommen  ausgedehnte  W^aldbestände  auf  beiden  Seiten  des  Thaies, 
zwischen  welchen  aber  immer  noch  Klippen  von  harten,  quandtischen  Gesteinen 
her\'orsehen ;  in  den  glimmerigen  Schiefem  direkt  unter  der  Passhöhe  war  das 
Streichen  Nord  8o^  West  bei  einem   nach  Nord  gerichteten  Einfallen  von  8o*. 

Man  folgt  über  i  '/t  Stunden  lang  dem  Thale  abwärts,  ehe  man  die  ersten 
armseligen  Hütten  von  Holzfällern  trifft,  die  an  der  steilen  linken  Thal5>eite 
über  dem  rauschenden  Wildbache  stehen,  und  es  geht  nochmals  eine  halbe 
Stunde  auf  schmalem  Bergpfade  am  Gehänge,  und  dann  auf  dem  engen  Thal- 
boden mehrfach  über  den  Bach,  bis  man  das  im  engen  Thale  lang^u^edehnte, 
2500  m  hoch  gelegene  Dorf  Kiu-tien*)  erreicht.  Die  Unterkunflsverhältnisse 
und  die  Kost,  die  man  in  derartigen  Gebirgsdörfem  findet,  sind  recht  primitiv. 
In  einer  niederen  Hütte  mit  vergitterten,  sonst  unverschlossenen  Fensteröf&ungen 
musste  ein  einziger  Raum  den  Bewohnern,  ihren  Haustieren,  uns  und  unsem 
Pferden  und  Leuten  Obdach  gewähren.  W^ir  kampierten  auf  einer  breiten 
Lehmbank  unter  dem  Fenster,  rechts  von  der  Thür;  die  Wirtsleute  und  unsere 
Leute  waren  entsprechend  links  von  der  Thür  untergebracht,  und  längs  der 
gegenüberliegenden  Wand  waren  die  Pferde  angebunden.  Ausser  dem,  was 
•man  mitgebracht  hatte,  gab  es  nur  heisses  Wasser  zum  Theemachen,  sonst  war 
nichts  zu  haben.  Die  Anwesenheit  der  Pferde  hatte  wenigstens  das  Ange- 
nehme, dass  sich  die  Kälte  der  Nacht  vom  i.  auf  den  2.  Dezember,  in  welcher 
das  Thermometer  auf  —  16®  C.  sank,  in  dem  grossen  Räume  weniger  fühlbar 
machte,  wenn  auch  eine  richtige  Nachtruhe  unter  den  Umständen  unmöglich  war. 

Von  Kiu-tien  folgt  der  Weg  dem  zunächst  noch  schön  bewaldeten,  engen 
Felsenthale  zwischen  felsigen  Gehängen  von  Schiefern  und  harten,  quarzitischen 
Gesteinen,  die  hohe  Bergvorsprünge  gegen  das  Thal  hin  bilden  und  deren 
Schichten  in  Nord  70®  West  streichen  und  bald  nach  Süd,  bald  nach  Nord  ein- 
fallen oder  ganz  senkrecht  stehen.  Das  Thal  geht  gegen  Nordost,  und  auf  dem 
buschbedeckten  Thalboden  waren  zahlreiche,  schöne  Fasanen.  Stellenweise  er- 
weitert sich  das  Thal  und  hier  pflegen  an  Lössgehängen  mit  Ackerterrassen  Dörfer 
oder  kleinere  Höfe  zu  liegen;  eine  grössere  Ausdehnung  erlangt  der  Löss  aber 
erst  weiter  unten  im  Thale;  hier  oben  herrschen  noch  die  Schiefer  und  glimmerigen 

•)  Der  Name,  ebenso  wie  der  des  folfjenden  Nachtquartieres  Jei-tien,  ist  nicht  genauer  to  identi- 
fizieren, das  erstere  ist  möglicherweise  Tsin-tien  yi. 


—     447     — 

Sandsteine  vor.  Die  Hütten  der  Dörfer  sind  aus  Lehm  gebaut  und  auffallend 
klein;  eine  Thür,  zwei  Fensteröffnungen  und  ein  niederes,  mit  der  Hand  er- 
reichbares Strohdach,  das  ist  alles;  die  Wohnungen  sehen  aus,  als  wären  sie  für 
Zwerge  errichtet,  und  doch  haben  die  Bewohner  die  mittlere  Grösse  des  Menschen. 
Gegen  Mittag  erschienen  auf  der  rechten  Thalseite  hohe  Kalkberge  mit 
sehr  steilen  und  zerzackten  Gipfeln  und  Bei^formen,  nachdem  schon  vorher 
grobe  Konglomerate  und  grüne,  quarzttische  Gesteine  einen  Wechsel  in  der  Ge- 
steinszusammensctzung  der  Berge  angekündigt  hatten.  Das  Thal  kommt  nahe 
an   die   fast   senkrecht    abfallenden,    über  400  m  hohen  Kalkberge  heran,  deren 


Tbal  und  Dorf  im  aordweitUclieD  P'e-Ilne:- Gebirge,  unterhalb  Tom  Dorf  ICiu-tleo. 

Steilabfall  in  der  Richtung  Nord  70"  Ost^Süd  70*  West  verläuft;  mehrere  tiefe 
und  enge  Thalschluchten  durchbrechen  diese  Kalkkette,  in  deren  dunkeln  Gesteinen 
eine  reiche  Fauna  von  Fossilien,  Brachiopoden  und  Korallen  gefunden  wurden, 
welche  das  geologische  Alter  dieser  Korallenriffe  als  der  jüngeren  Steinkohlen- 
formation oder  dem  Permocarbon  angehörig  erweisen.  Kalkige  Gesteine  von 
mehr  geschichtetem  Charakter,  mit  der  Streichrichtung  Nord  75°  West  und  dem 
Einfallen  von  30"  nach  Süden,  stehen  noch  vielfach  weiter  unterhalb  in  dem 
nach  Nordnordost  verlaufenden  Thale  an,  das  durch  isolierte,  riffartig  hervor- 
tretende, mächtige  Kalkmassen  mit  senkrechten  Abschnitten  einen  hochroman- 
tischen Charakter  erhält.  Der  Weg  ist  vielfach  nur  durch  künsüiche  Felsen- 
sprengungen  hoch  über  dem    wildschäumenden  Bache    am    linken  Thalgehänge 


—     44-^     — 

entlang  gefuhrt,  dann  geht  er  hinab  auf  die  Thalsohlc,  an  Dörfern  vorbei  und 
in  steilen  Loss-Hohlwegen  wieder  in  die  Höhe,  über  das  Thal  einengende 
Felsvorsprünge  hinweg.  In  den  Kaikfelsen,  wo  sie  nicht  ritfartig  und  massig 
sind,  ist  vielfach  eine  ausgezeichnete  Zusammenstauung  und  intensive  Faltung 
bemerkbar. 

Nach  dieser  einige  Kilometer  weit  sidi  erstreckenden,  schönen  und  engen 
Felsenthalstrecke  erweitert  sich  das  Thal  etwas  und  auf  seiner  Unken  Seite  wer- 
den die  Lössablagerungen  mächtiger,  während  rechts  die  Kalkklippen,  allerdings 
in  geringerer  Höhe  und  Stärke,  noch  weiter  flussabwärts  fortsetzen.  Ein  grosses 
Thal  mit  über  500  m  hohen  Bergen  im  Hintergrunde  mündet  von  Westen  her 
ein  und  der  Weg  geht  auf  einer  kühnen  Holzbrücke  auf  die  rechte  Thalseite 
hinüber,  auf  der  er  bleibt  bis  zum  Dorfe  Jei-tien,  unserm  Nachtquartier  am 
2.  Dezember.  Unterhalb  jener  Thaleinmündung  versdiwinden  allmählich  die 
Kalkklippen  aus  dem  Thale,  das  aus  seiner  Nordost-Richtung  in  eine  mdir  östliche 
Richtung  umbiegt;  der  Fluss  hat  in  dem  breiten  Thalboden  eine  30  m  hohe 
Terrasse  aus  groben  Gerollen,  auf  welcher  der  Weg  hinfuhrt  Das  hohe  Kalk- 
gebirge der  rechten  Thalseite  entfernt  sich  flussabwärts  immer  weiter  vom  Thale, 
in  welchem  sich  bis  hoch  an  den  Berggehängen  hinauf  Löss  und  Lehmstufen 
einstellen;  zunächst  am  Wege  ist  eine  etwa  30  m  hohe  Lehmterrasse,  die  auch 
auf  der  linken  Thalseite  zu  verfolgen  ist,  und  hinter  derselben  rocht  eine 
höhere  und  mächtigere  Lössstufe  mit  Terrassen  bis  zur  Höhe  von  200  m  am 
Bergfusse  der  schon  weit  entfernt  vom  Thale  liegenden  Kalkberge  hinauf;  da 
das  Thal  hier  eine  ösdiche  Richtung  verfolgt,  hat  die  sidi  von  demselben 
immer  mehr  entfernende  und  auch  gegen  Osten  niedriger  werdende  Kette  der 
Kalkberge  in  ihrem  Verlaufe  eine  ostsüdöstliche  Richtung.  Auf  der  linken  Thal- 
seite reicht  die  Lössbedeckung  bis  auf  die  etwa  300  m  erreichenden  Höben 
hinauf.  Dort  sowohl  wie  am  Wege  sind  zahlreiche  Dörfer,  manche  davon  noch 
ganz  zerstört  von  den  letzten  Unruhen  und  Aufständen  der  Dunganen  her,  welche 
ihr  Vemichtungswerk  bis  in  diese  abgelegenen  Gebirgsthäler  hineingetragen 
haben.  Auf  der  Lehmterrasse  ungefähr  30  m  rechts  vom  Wege  steht  etwa  eine 
Stunde  oberhalb  von  Jei-tien  ein  Tempel,  und  von  da  ab  geht  das  Thal  in 
Ostsüdost-Richtung  mit  gleichbleibendem  Charakter  weiter. 

Ueberall  auf  dem  Lössgebiete  wird  intensiver  Ackerbau  getrieben.  An 
den  Berggehängen  sieht  man  nur  vereinzelt  noch  Reste  von  Wald;  wo  über- 
haupt Löss  da  ist,  wird  derselbe  zur  Anlage  von  Terrassen  und  Aeckem  be- 
nutzt Ueberall  in  den  von  vielen  Bäumen  umgebenen  Dörfern  sah  man  die 
Leute  damit  beschäftigt,  das  Kom  zu  dreschen  oder  es  auszusieben,  indem  sie 
es  in  die  Luft  warfen;  vielfach  wurden  auch  sechs-  oder  achteddge  Stein- 
walzen mit  Ochsen  bespannt  über  das  Getreide  gefahren,  um  Kom  und  Stroh 
zu  trennen. 

Der  Tag  war  schön  und  von  strahlendem  Sonnenschein  begünstigt  ge- 
wesen; in  den  Bergen  lagen  nur  noch  auf  den  Nordgehängen  schwache  Schnee- 


-     449    — 

reste,  während  über  zwei  Drittel  der  Gebii^sfläche  keine  Schneebedeckung 
trugen.  Jei-tien  ist  ein  grösserer  Ort  an  der  Einmündung  eines  Nebenthaies 
von  Südwest  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses,  der  weiter  in  Ostsüdost-Richtung 
gegen  Ning-yüan  hsien  hinabfliesst  und  zum  oberen  Flussgebiet  des  Wei-ho  gehört. 
Der  Maultierweg  verlässt  hier  den  Fluss,  und  der  Marsch  des  3.  Dezember 
ging  zunächst  an  einem  von  Norden  kommenden,  kleinen  Thalchen  sehr  steil 
in  die  Höhe  durch  Lössschichten  und  über  rote  Quetae-Konglomerate,  die  in 
weiterer  Verbreitung  auch  in  den  Schluchten  der  meisten  Seitenthäler  der 
linken  Flussseite  anstehen,  und  auf  der  Höhe  zwischen  zwei  Thalchen  immer 
noch  ansteigend  in  Nordrichtung  weiter   bis  zu    einem  400  m  hohen  Passüber- 


Thal  ron  Jei-tien.     Im  VordergniDiI  LössterrasgeD,     Geg^n  SiidweBten  gesehea. 

gang,  der  in  ein  zunächst  nach  Nordost  hinabgehendes,  ganz  von  Löss  bedecktes 
und  damit  erfülltes  Thalchen  hinüberführt.  Unten  am  Flusse  bei  Jei-tien  ist  die 
Schotterterrasse  nur  noch  10  m  hoch  und  auf  beiden  Seiten  wohl  entwickelt. 
Während  des  Aufstieges  hat  man  einen  weiten  Ueberblick  über  das  Flussthal 
oberhalb  von  Jei-tien  und  die  flach  und  niedriger  gewordene,  hohe  Kette  in 
einiger  Entfernung  vom  rechten  Ufer,  deren  Streichungsrichtung  von  oben  zu 
Nord  70"  West  bestimmt  werden  konnte.  Uebrigens  ist  bis  zur  Höhe  des  Passes 
von  400  m  noch  Löss  vorhanden,  und  auf  Terrassen  desselben  liegen  in  den 
Thalkesseln  im  Hintergrunde  der  Schluchten  hoch  oben  noch  Dörfer. 

Vom  Passe  aus  hat  man  sowohl  nach  Sud  und  Südwest,  wie  nach  Norden 
und  Nordost  sehr  umfassende  Aussichten.  Man  bemerkt  in  allen  Richtungen 
parallele,  annähernd  gleich  hohe,  fast  wellige  Höhenzüge  ohne  besonders  her- 
vorragende Gipfel    oder  Bergmassive    mit    steilen  Abhängen    zu    den    tief   ein- 


^    450    - 

geschnittenen  Längsthälern ;  im  Süden  sind  die  mittleren  Höhen  der  Kammlinie 
etwa  5CX)  m  hoch  und  verlaufen  annähernd  in  der  Richtung  Westnordwest;  im 
Norden  und  Nordosten  dagegen  sind  sie  um  et\%'a  loo  m  niedriger  und  da  er- 
hebt sich  auch  eine  hohe,  langgezogene  Bergkuppe  über  das  allgemeine,  mittlere 
Niveau  von  400  m;  ihr  Verlauf  ist  von  hier  gesehen  in  Nord  70®  West. 

Der  Abstieg  vom  Passe  geht  steil  an  Lehmgehängen  hinab  und  auch  der 
weitere  Verlauf  des  Thaies  bietet  nichts  anderes  als  gelegentliche  Entblössungen 
von  Konglomeraten,  die  an  einer  Klippe,  kurz  ehe  der  Weg  das  Thal  verlässt, 
in  Nord  70®  West  streichen  und  20^  nördlich  einfallen.  Einige  Dörfer  mit  Stroh- 
dächern liegen  am  Ausgange  kleiner  Seitenthälchen  mit  Lössterrassen,  und  der 
Thalboden  ist  vielfach  mit  dichtem  Buschwerke  bestanden;  die  Thalseiten  sind 
nur  200 — 250  m  hoch  und  tragen  bis  oben  hin  Ackerland  auf  den  Terrassen. 
Die  Dörfer  sind  vielfach  ganz  in  die  Lösssteilwände  hineingebaut,  und  durch 
künstliche  Aushöhlungen  in  dem  weichen  Materiale  sind  Wohnungen  und  Vorrats- 
räume geschaffen.  Stellenweise  sind  die  Abhänge  auch  kahl  oder  nur  dürftig 
bewachsen.  Eine  Seltenheit  bildet  ein  kleiner  Bestand  von  Birkenwald  an  einer 
Stelle  auf  der  rechten  Thalseite.  Nach  einer  Strecke  von  etwa  4  km  in  dem 
zuletzt  nach  Nord  und  Nordnordwest  abbiegenden  Thale  übersteigt  der  Weg 
die  niederen  Höhen  der  rechten  Thalseite  und  geht  in  nordöstlicher  Richtung 
in  ein  ebenfalls  mit  Löss  erfülltes,  flaches  Thal  zwischen  nur  200  m  hohen  Höhen 
hinab;  in  den  Seitenschluchten  sind  hier  vielfach  die  roten  Konglomerate  in 
horizontaler  Lagerung  unter  dem  Lösse  aufgeschlossen.  Unten  am  Thalausgange 
sind  sie  an  250  m  hohen  Bergen  in  grösserer  Mächtigkeit  und  ebenfalls  hori- 
zontaler Lagerung  vorhanden.  Das  Thal  hat  unten  einen  breiten  Thalboden 
mit  einer  15  m  hohen  Terrasse  aus  Lehm  und  Flussschottern ;  das  unbedeutende 
Flüsschen  führt  rotbraunes,  undurchsichtiges  Wasser  und  geht  nach  etwa  drei 
Kilometern  in  ostnordöstlicher  Richtung  auf  eine  weite  Thalebene  hinaus,  in 
welcher  in  geringer  Entfernung  vom  Thalausgange  die  grosse  Stadtmauer  der 
Stadt  Kung-thschang  fu  sichtbar  ist. 

Die  Stadt  hat  etwa  50-  bis  55000  Einwohner  und  liegt  in  breitem,  sehr 
fruchtbarem  Thale,  das  zahlreiche  Obst-  und  Gemüsegärten  trägt;  ausserdem 
werden  vielfach  Hirse,  Mais,  Gerste  und  Weizen  angebaut.  Unser  Quartier  lag 
jenseits  der  Stadt  in  einem  Vororte.  Die  Stadt  machte  beim  Durchreiten  einen 
sehr  schmutzigen  Eindruck;  das  Volk  verhielt  sich  neugierig-zudringlich  gegen 
die  Fremden,  und  ausser  einem  grossen  Tempel  und  einigen  mit  Holzwerk 
verzierten  Thoren  war  nichts  Bemerkenswertes  zu  sehen.  Auch  diese  Stadt  war 
in  den  letzten  Dunganen-Aufständen  zerstört  worden.  Das  Abendquartier  in 
dem  kleinen  Vororte  liess  recht  viel  zu  wünschen  übrig;  wir  mussten  den  einzigen 
zum  Schlafen  benutzbaren  Raum  mit  einigen  Maultiertreibern  teilen,  die  ihn 
schon  vor  uns  besetzt  hatten.  Im  ganzen  schliefen  zehn  Personen  in  dem  kleinen 
Raum  von  3  m  im  Quadrat;  man  kann  also  leicht  ermessen,  in  welchem  Zustande 
sich  alsbald  die  Luft  befand. 


Dorf  und  Thal  Im  L5ss;ebiete  no 


TAFEL  XXXV. 


stilch  von  Kung-thschang  fit. 


—     451     — 

Die  grosse  Ebene  liegt  an  einem  bedeutenderen  Flusse,  der  ganz  nahe 
am  Bergfusse  der  linken  Thalseite  fliesst  und  nach  Südosten  weitergeht;  es  ist 
der  Oberlauf  des  Wei-ho,  der  unterhalb  und  östlich  von  Si-ngan  fu  in  den 
Hoang-ho  sich  ergiesst.  Bei  Kung-thschang  fu  fliesst  er  in  einem  breiten,  von 
Flussschotter  und  Sand  gebildeten  Bette  als  etwa  lom  breiter  und  o,S  m  tiefer, 
braunes  Wasser  führender  Fluss.  Nach  Südosten,  seinem  breiten  Thale  quer 
vorgelagert,  sind  die  hohen  Berge  des  westlichen  Thsin-ling-schan,  die  noch 
Schneebedeckung  tragen,  als  lange  Bergkette  mit  westnordwestlicher  Richtung 
sichtbar.  An  den  Thalgehängen  zu  beiden  Seiten  sind  bis  ganz  hinauf  Löss- 
terrassen  und  auf  den  rechten  Thalseiten  in  den  Thaleinschnitten  rote  Quetae- 
Schichten.  Auf  der  Nordostseite  des  Thaies  geht  der  Weg  steil  durch  eine  enge 
und  tiefe  Lössschlucht  in  die  Höhe;  auf  einem  hoch  aufragenden  Lössvorsprunge 
in  derselben  steht  ein  Tempel,  und  verschiedene,  enge  Seitenschluchten  münden 
in  die  Hauptschlucht  ein.  Unten,  nahe  dem  Thalboden,  haben  die  steilwandigen 
Lehme  eine  deutliche,  fluviatile  Schichtung,  einzelne  Gerolle  oder  Nester  von 
solchen  sind  eingelagert,  und  auch  verschieden  gefärbte,  dunklere  und  hellere 
Lehmschichten  wechseln  mit  einander  ab;  in  der  Nähe  des  Wassers  der  Schlucht 
sind  häufig  Salze  an  den  Seitenwänden  ausgeblüht. 

Weiter  oben,  nahe  der  Höhe,  ändert  sich  dieser  Charakter  der  Lehm- 
ablagerungen, und  es  bilden  hier  typische,  echte  Lösse  mit  Landschnecken  die 
Gehänge  und  den  Hohlweg  des  Maultierpfades.  Die  Unterschiede  sind  sehr 
deutlich  und  charakteristisch:  Die  Lösse  oben  sind  zunächst  heller  strohgelb 
als  die  mehr  dunkel  bräunlich  oder  rötlich  gefärbten  Lehme;  es  fehlt  ihnen  jede 
Spur  einer  Schichtung  oder  Lagenstruktur  und  es  finden  sich  keine  Gerolle,  weder 
einzeln  noch  in  Nestern,  dagegen  zahlreiche  l^andschnecken,  die  wiederum  unten 
in  den  Lehmen  gänzlich  fehlten.  Ferner  ist  die  vertikale  Spalten-  und  Kluft- 
bildung, mit  welcher  auch  die  Entstehung  der  als  geologische  Orgeln  bekannten, 
cylindrischen,  vertikalen  Höhlungen  und  Röhren  zusammenhängt,  im  echten  Löss 
typischer  und  häufiger  als  in  den  Lehmen,  welche  mehr  einfache,  senkrechte 
Abstürze  zeigen.  Von  der  Höhe  aus  hat  man  eine  weite  Aussicht  über  ein 
flach  welliges,  ausgedehntes  Lössterrassen-Gebiet,  das  von  tiefen,  steilwandigen 
Schluchten  an  den  Thalgehängen  und  auf  dem  breiten,  ebenen  Thalgrunde  durch- 
setzt ist.  Nichts  ist  frappanter  in  dieser  typischen  Lösslandschaft,  als  der  Gegensatz 
zwischen  dem  sanft  abfallenden,  terrassierten  Gehänge,  breiten,  flachen  Berg- 
rücken und  ebenen  Thalböden  und  diesen  tiefen,  wild  zerrissenen  Schluchten 
mit  ihren  senkrechten  Wänden,  isolierten,  hohen  Säulen,  Pyramiden  und  zackigen 
Gräten.     (Siehe  Panoramen  auf  Tafel  XXXV  und  XXXVI.) 

Der  Weg  fuhrt  in  nordöstlicher  Richtung  quer  durch  ein  breites  Thälchen, 
dessen  Querschnitt  der  einer  flachen  Wanne  wäre,  wenn  nicht  plötzlich  in  der 
Mitte  ein  tiefer  Spalt  mit  70 — 80  m  hohen  senkrechten  Wänden  klaffend  sich 
öffnete.  Die  Wege  führen  schwierig  und  steil  unter  Benutzung  von  Seiten- 
schluchten an   den  senkrechten  Wänden    hinab    auf   den    in    den  Nebenthälern 

29* 


-    452     — 

meist  ganz  trockenen,  schmalen  Boden  der  Schlucht  und  auf  der  andern  Seite 
in  derselben  Weise  wieder  hinauf  zur  Höhe  des  breiten  Thalbodens.  Solche 
Uebergänge  durch  Schluchten  mit  Tiefen  bis  zu  [00  m  waren  häufig  auf  unserm 
Wege  und  bildeten  immer  schwierig  zu  passierende  Stellen,  da  die  Pfade  an  den 
Lösswänden  nicht  nur  sehr  abschüssig,  schmal  und  ausgetreten  sind,  sondern 
häufig  in  schwindelerregender  Weise  an  tiefen,  senkrechten  Abstürzen  hinfuhren, 
wo  es  den  Anschein  hat,  als  müsse  das  weiche  Material  nachgeben  und  Ross 
wie  Reiter  in  die  Tiefe  stürzen. 

Die  oben  erwähnte,  beistehend  abgebildete  Schlucht  gehört  zu  einem  linken 
Ncbenthale  eines  grösseren,  breiten  Lössthales  (siehe  Panorama  auf  Tafel  XXXV). 
dem  der  Weg,  nachdem  er  in  die  tiefe  Schlucht  in  der  Mitte  des  Thalbodens  hinab- 


I.ÜBslani tschaft  uml  'llvilEchlucbl  nonliiEllich  von  Kudk-IIucIihdi!:  lu. 

gestiegen  ist,  in  nordöstlicher  Richtung  zuerst  auf  dem  sandig-lehmigen,  ebenen, 
aber  schmalen  Boden  der  Schlucht,  dann  auf  deren  rechtem  Steilgehänge  auf- 
wärts folgt.  Die  Seitenwände  der  Schlucht  zeigen  überall  im  Lehme,  der  in  3 — 4  m 
mächtigen  Bänken  abgelagert  ist,  Schichtung  oder  Lagen  struktur,  und  bis  oben 
hin  finden  sich  kleinere,  horizontale  Einlagerungen  von  Sanden  und  feinkörnigen 
Schottern.  Durch  zahlreiche  Seitenschluchten  und  kleinere,  vom  Thalboden  herab- 
kommende Wasserrisse  sind  die  Seitenwände  der  Schlucht  aufgelöst  in  ein 
Labyrinth  von  hohen  Lehmsäulen  und  Pyramiden,  getrennt  durch  tiefe,  enge 
Spalten  und  Einschnitte,  die  mit  jedem  Schritte  andere,  abwechslungsvolle  Ein- 
blicke in  das  Schluchtengewirr  gewähren.  Noch  imposanter  gestaltet  sich  das 
Bild,  wenn  zwei  solcher  zerrissener  und  zerschnittener  Schluchten  ineinander 
münden,  und  man  von  oben,  wie  das  an  unserm  Wege  der  Fall  ist,  hinein- 
sehen kann.     Das  Panorama  auf  Tafel  XXXV  zeigt  das  enge  Schluchtensystem 


-     453     — 

mit  seinen  Pfeilern,  Erkern,   Säulen  und  Pyramiden.     Darüber,    auf  dem  Thal- 
boden, ist  ein  Dorf  in  nächster  Nähe  der  Schluchtwände  angelegt. 

Der  Weg  geht  in  Nordost-Richtung  quer  durch  mehrere  von  Nord  und 
Nordwest  kommende  Schluchten  von  Seitenthälern  und  an  andern  Schkicht- 
wänden  hoch  oben  hin  bis  er  das  ganze  Schluchtensystem  überschritten  hat, 
das  aus  drei  solchen  tiefen  Einrissen  auf  breiten  Thalböden  bestehL  Am 
Boden  der  Schluchten,  von  denen  nur  die  Hauptschlucht  einen  kleinen  Bach 
führt,  finden  sich  grosse  Blöcke  schieferiger,  harter  Gesteine,  die  man  aber 
nirgends  an  den  Thalwänden  anstehend  sieht.  Sie  werden  in  dieser  steinarmen 
Gegend  von  den  Leuten    gesucht    und  zu  Mühlsteinen  und  Strohwalzen,    sowie 


TypischeB  'JTi.-il  im  I^issgcbiete  nüt  lit-fcr  Schluchl  lu  .Icr  MUlo.  süilwosllith  vim  1-kiiiig  thsthuiin. 

ZU  Bauten  verwendet.  Die  breiten  Thäler  und  ihre  sanft  abfallenden  Gehänge  sehen 
in  der  beginnenden  Winterszeit  sehr  öde  und  kahl  aus.  Ueberall  auf  den  Terrassen 
liegt  umgepflügtes  Ackerland,  braune,  leere  Flächen,  auf  denen  kein  Baum,  kein 
Strauch  zu  sehen  ist,  und  denen  auch  jede  Grasbedeckung  fehlt;  nur  in  der 
Nähe  der  zumeist  an  Ausgängen  von  Seitenthälern,  hoch  über  deren  Schluchten 
gelegenen  Dörfer  pflegen  einige  Bäume  zu  stehen.  Der  Charakter  der  Seiten- 
thäler  ist  derselbe  wie  im  Hauptthale:  auf  dem  eine  flache  Wanne  bildenden 
Thalboden  ist  eine  tief  eingerissene  Schlucht  im  Lehme,  die  sich  nach  oben 
hin  vielfach  und  radial  verzweigt,  wobei  aber  selbst  die  kleinen  Seitenzweige 
nicht  allmählich  flach  nach  oben  auslaufen,  sondern  sofort  im  flachen  Gehänge  als 
zehn  und  mehr  Meter  tiefe  Schluchten  mit  senkrechten  Wänden  beginnen.  Wir 
werden  später  noch  auf  diese  Eigentümlichkeit  der  Schluchtenbildung  und  deren 
Entstehung  etwas  näher  einzugehen   haben.     So   weit    man    dieses  weite  Thal- 


-     454     - 

System  übersehen  kann,  ist  alles  Löss  mit  Terrassen  oder  Schluchten;  nur 
gegen  Norden  zeigen  in  einigen  Scbluchteinschnitten  noch  hoch  oben  an  den 
300  m  hohen  Bergen  die  roten  Gehänge,  dass  unter  der  mächtigen  Lössdecke 
hier  zunächst  auch  die  Quetae-Bildungen  lagern;  aber  Gesteine  der  älteren 
Formationen  und  der  Schiefer,  die  sich  am  Boden  der  Thalschluchten  finden, 
sind  überall  verdeckt  und  vergraben  unter  den  roten  Konglomeraten,  dem  Lehme 
oder  dem  Lösse. 

Es  war  Mitlag  geworden  bis  die  letzte  Schlucht  gegen  die  linke  Thalwite 
hin  überwunden  war,    und    es  ging  nun  in  Windungen    über  Lössgehänge  und 


Festung  au(  Jera  BergkamuiL-  nonlöBÜich  von  Kunu-ihgchang  fu,  zwischen  Tsi-ina-Uiig  und  Ma-in^. 

Terrassen  auf  die  400  m  hohen  Bei^e  dieser  Thalseite  an  der  rechten  Seite 
einer  von  oben  herabflihrenden  Schlucht  hinauf,  bis  mit  2140  m  die  Höhe  er- 
reicht war;  der  Boden  der  Hauptschlucht  im  Thale  lag  in  der  Höhe  von  1690  m 
und  der  breite  Thalboden  in  1730  m  Meereshöhe.  Die  nun  folgende  Weg- 
strecke war  sehr  interessant.  Es  ging  auf  der  Kammhöhe  in  Nordostrichtung, 
im  allgemeinen  noch  etwas  ansteigend,  über  Lössdecke  weiter.  Zur  Rechten 
zog  parallel  mit  dem  Kamme  ein  grosses  Thal  nach  Südwesten  hinab,  das  von 
der  linken  Seite,  wie  auch  von  dem  Kamme  des  Weges  zahlreiche  Seitenthäler 
erhielt;  die  Thäler  waren  alle  breit  wannenförmig  in  den  Querschnitten  und  die 
Berge  erhoben  sich  bis  350  m  hoch  über  dem  Thalboden.  Im  grossen  Thale 
sowohl  wie  in  jedem  der  Seitenthäler  waren  in  der  Mitte  der  Thalböden  die 
tiefen,  nach  oben  ästig  verzweigten,   engen  Schluchten  in  schönster  und  regel- 


—    45S     — 

massigster  Weise  entwickelt,  und  an  der  Hauptschlucht  traten  an  den  Ein- 
miindungsstellen  der  Nebenthäler  wieder  die  isolierten,  hohen  Lehmpfeiler,  -Säulen 
und  -Nadeln  in  wirren  Massen  auf,  (Siehe  das  Panorama  auf  Tafel  XXXVl.) 
Auf  der  linken  Seite  des  Weges  führte  eine  Reihe  von  Thälern  von 
genau  demselben  Charakter  gegen  Nordwesten  hinab,  und  in  jedem  derselben 
befanden  sich  auf  den  Lössterrassen  über  den  Schluchten  zahlreiche  Dörfer 
oder  einzelne  Höfe.  Auf  den  Bei^kämmen  zwischen  den  Thälern  sind  in 
der  Nähe  der  Dörfer  auf  den  hervorragendsten  Punkten  überall  grosse,  einen 
vierseitigen  Raum  umschli essende  Lehmmauem  errichtet,   die   der  Bevölkerung 


Gräber  bei  Jei-tlen.  Südwest  lieh  von  KuDg-thschang  fu. 

in  Zeiten  der  Aufstände  und  des  Krieges  als  Zufluchtsstätten  dienen,  wenn 
sie  die  Dörfer  zu  verlassen  gezwungen  sind,  die  ihnen  keinen  Schutz  zu 
bieten  vermögen.  Ueberall  sieht  man  diese  befestigten,  hohen  Funkte  auf 
den  Bergkämmen.  Manche  von  ihnen  sind  auch  nach  Art  der  Ringwalle 
angelegt. 

Ein  Dörfchen  mit  seiner  Lehmbui^  auf  der  Kammhöhe,  etwas  über  dem 
Wege,  zeigt  die  Abbildung  auf  Seite  454.  Der  Weg  folgt  diesem  Kamme,  der 
allmählich  die  Höhe  von  2000  m  und  mehr  erreicht,  bis  zum  Abend  und  bietet 
eine  weite  Aussicht,  besonders  gegen  Norden  und  Süden.  In  letzterer  Richtung 
dehnt  sich  ein  Bergland  mit  ost-westlich  verlaufenden,  etwa  500  m  hohen  wellig- 
ebenen Kammlinien  weithin  aus.  Tiefe  Querthäler  fehlen  und  die  Langsthäler 
liegen  zwischen  steilen  Berg^ehängen.  Auch  gegen  Norden  sind  nur  gleich- 
massig    hohe  Bergzüge  von  400  m  Höhe,   ebenfalls    in  Ost- West-Richtung  ver- 


—     456     — 

laufend,  sichtbar,  und  auch  hier  fehlen  besonders  an  Höhe  hervorragende 
Gipfel,  ebenso  wie  tiefe  Einschnitte  quer  zu  den  Bergzügen.  Der  Weg  geht 
oben  auf  dem  Kamme  bald  auf  der  nach  Norden  und  dann  wieder  auf  der 
nach  Süden  fallenden  Seite  an  schneckenreichen  Lössgehängen  etwa  200  m 
über  dem  Thalboden  des  grossen  parallelen  Thaies  im  Süden  dahin.  Bis  herauf 
zum  Wege  reichen  die  Aecker  und  Terrassen.  Sogar  die  schmucklosen,  ein- 
fachen Grabhügel  von  kegelförmiger  Gestalt  und  i  m  Höhe  sind  noch  in  der 
Nähe  von  unten  im  Thale  liegenden  Dörfern  bis  in  diese  Höhe  herauf  angelegt; 
eine  eigentümliche  Sitte,  die  Toten  hoch  oben  auf  den  Bergen  zur  letzten  Ruhe 
zu  betten.     Auch    an    einzelnen    Höfen    führt    der  Weg   an    seinen    höchsten 


fO 


i 


Bauernhof  im  I^ssgebiete,  nordöstlich  von  Kung-thschang  fu. 

/  Tenne;    2,3  Misthaufen;    4  Vorräte  an  Stroh  nnd  Getreide,  3—4  m  hoch  aufsrehäuft 
und  mit  Strohdach  bedeckt;    5  Stallung;    0,  7  Wohngebäude. 


Stellen  vorüber,  und  meist  ist  da  etwas  Gebäck  oder  Brot  zum  Verkaufe  aus- 
gestellt. Der  Verkehr  von  Maultierkarawanen  und  einzelnen  Gruppen  von 
Reitern  und  Lastenträgern  war  recht  lebhaft. 

Das  ganze  weite  Land  ist  dem  Ackerbau  dienstbar  gemacht;  Viehzucht 
ist  unmöglich  und  man  sieht  auch  keine  Herden,  nur  gelegentlich  sind  einige 
Schafe  oder  Schweine  bei  den  Dörfern  zu  finden.  Eier,  Milch  oder  auch  nur 
frisches  Fleisch  sind  nirgends  zu  bekommen ;  man  ist  gezwungen,  nur  von  Mehl 
und  den  daraus  hergestellten  Speisen  und  Gebacken  zu  leben. 

Die  einzelnen  Höfe  auf  den  hochgelegenen  Terrassen  haben  meist  die  aut 
obenstehender  Abbildung  skizzierte  Anlage,  wobei  ein  besonders  grosser  Raum 
für  die  Tenne  und  die  Aufbewahrung  des  Strohes  und  des  noch  nicht  aus- 
gewalzten Getreides  bestimmt  ist;  die  Lehmhütten  daneben  sind  nur  sehr  klein 
und  niedrig  mit  flachen  Dächern. 

Am  Ende  des  Tagemarsches  verliess  der  Weg  die  Kammhöhe  und  ging 
in  einem  nach  Norden  hinabführenden  Lössthale  mit  tiefer  Schlucht    hinab  zu 


~     457     - 

dem  Dorfe  Tsi-ma-ling,  unserm  Nachtquartier;  am  folgenden  Tage  aber  kehrte  er 
am  rechten  Gehänge  desselben  Thaies  wieder  in  südlicher  Richtung  auf  die 
Kammhöhe  zurück,  auf  der  er  wieder  in  Nordost,  etwa  zwei  Drittel  des  Tage- 
marsches entlang  zog.  Das  Dorf  Tsi  ma-ling  liegt  auf  der  rechten  Seite  der 
Thalschlucht  und  hat  viele  zerfallene,  verlassene,  schlechte  Lehmhäuser;  die 
Herberge  war  recht  primitiv  und  bestand  aus  einem  kleinen  Lehmhause  in  einem 
schmutzigen  Hofe,  in  welchem  sich  Schweine  herumtrieben,  die  auch  des  Nachts 
durch  die  schlecht  verschliessbare  Thür  in  unsern  Schlafraum  eindrangen,  um 
nach  Speiseresten  zu  suchen;  da  dieser  Raum  zugleich  zum  Aufbewahren  von 
Futtervorräten  für  die  Pferde  diente,  mussten  wir  uns  auch  die  Störungen  ge- 
fallen lassen,  welche  die  zweimal  in  der  Nacht  Futter  holenden  Chinesen  ver- 
ursachten.    So  reist  man  in  China! 

Am  nächsten  Tag  bot  der  über  die  nach  Nordosten  ziehende  Kammhöhe 
fortgesetzte  Weg  dasselbe  Landschaftsbild  wie  am  Tage  vorher.  Zur  Rechten 
führten  Thäler  mit  tief  eingerissenen  Schluchten  zuerst  parallel  der  Höhe  nach 
Südwesten  und  dann  in  Biegung  nach  Osten  hinaus;  links  gingen  die  Thäler, 
wie  auch  das  von  Tsi-ma-ling,  zuerst  nach  Nordwest  und  bogen  in  weiterer  Ent- 
fernung nach  Südwest  um.  Der  Weg  lag  etwa  150  m  über  den  Thalböden  und 
hielt  sich  bald  links,  bald  rechts  von  den  ihn  noch  um  etwa  50  m  überragenden, 
dem  Kamme  aufgesetzten  Höhen;  diese  hatten  keine  Lössterrassen  mehr,  die  nicht 
über  die  Höhe  des  Weges  hinaus  angelegt  werden,  wohl  deshalb,  weil  die  hohe 
Lage  den  Feldfrüchten  nicht  mehr  günstig  ist;  die  Gehänge  sind  auch  steiler 
und  haben  Böschungswinkel  von  15®  bis  18 ^  Lössterrassen  finden  sich  aber 
auch  an  Gehängen  mit  Neigungen  von  15®  bis  24®,  daran  kann  es  also  nicht 
liegen,  dass  da  oben  keine  Aecker  mehr  sind.  Die  Vegetation  ist  nur  sehr 
dürftig  an  diesen  einfachen,  oberen  Gehängen  und  überall  sieht  zwischen  den 
Grasbüschen  der  gelbe  Lössboden  durch. 

Die  Thäler  zur  Rechten  sind  durch  besonders  tiefe  Schluchten  ausge- 
zeichnet, darüber  kommen  bis  zu  zwei  Drittel  der  Höhe  der  250 — 300  m  er- 
reichenden Berge  die  Lössterrassen  und  dann  die  einfachen,  grasbedeckten 
Gehänge.  Die  Abbildung  (Tafel  XXXVI)  zeigt  diesen  IJebergang  der  ver- 
schiedenen Gehängeformen;  in  den  oberen  Teilen  sind  auch  keine  Schluchten 
mehr,  nur  noch  einfache  Wasserrisse.  Auch  auf  der  Nordwestseite  des  Weges 
sind  in  den  Thälern  die  Terrassen  seltener;  hier  zeigen  aber  die  an  den  Ge- 
hängen auftretenden,  roten  Färbungen,  dass  die  direkt  an  die  Oberfläche  tretenden, 
nicht  von  Löss  bedeckten  Konglomerate  und  Sandsteine  der  Quetae-Formation 
die  Unfruchtbarkeit  bedingen  und  die  Anlage  von  Terrassen  verhindern. 

Von  der  letzten  Anhöhe  auf  dem  Kamme  von  2290  m  geht  es  dann  in 
ein  Thal  mit  tief  eingerissener  Lehmschlucht  in  Nordost  hinab,  lieber  der 
20  m  tiefen  Schlucht  in  der  Mitte  des  Thaies  liegen  mehrere  Dörfer  an  Löss- 
gehängen  mit  in  die  Steilwände  eingehöhlten  Wohnungen  und  richtigen  Troglo- 
dytenlöchern.     Die  Berghöhe  zu  beiden  Seiten  dieses  Thaies  beträgt  nur  noch 


—     458     - 

etwa  250m;  aber  weiter  unten,  an  seiner  Einmündung  in  ein  anderes,  grösseres, 
aus  Westen  kommendes  Thal,  sind  auf  dessen  linkem  Ufer  Berge  bis  zu  400  m 
mit  steilen  Gehängen  und  roten  Quetae-Bildungen.  Infolge  davon  sind  auch  nur 
wenige  Terrassen  auf  der  linken  Thalseitc  vorhanden  und  erst  weiter  unten  bei 
Ma-ing  werden  diese  wieder  auf  beiden  Thalseiten  gleich  häufig.  Das  Thal  ist 
bis  zu  dem  einige  Kilometer  weiter  thalabwärts  und  östlich  gelegenen,  grösseren 
Orte  Ma-ing  breit  und  der  ursprüngliche  Schluchtencharaktcr  ist  ganz  verloren  ge- 
gangen. Der  Fluss  liegt  in  einem  breiten  Sand-  und  Lehmbette,  dessen  Ufer  durch 
steile  Wände  von  6 — lo  m  Höhe  gebildet  werden.  Auf  dem  linken  Ufer  liegt 
der  Ort  und  die  mit  hoher  Mauer  umgebene  Festung  desselben;  auf  der 
rechten  Thalseite  sind  nur  einige  wenige  Häuser.  Irgend  etwas  Bemerkens- 
wertes bietet  der  Ort,  in  dem  wir  leidliches  Quartier  fanden,  nicht. 

Am  folgenden  Tage  führte  der  Weg  am  grossen  Kirchhofe  von  Ma-ing 
vorbei  in  ein  von  Norden  kommendes  Seitcnthal  und  durch  dessen  tiefe 
Lehmschlucht  auf  die  Höhe  der  linken  Thalseite  hinauf  immer  über  Löss- 
gehänge.  Im  Hauptthale,  das  ostsüdöstlich  abwärts  geht,  sind  auf  der  rechten 
Thalseite  die  Gehänge  sehr  flach  abfallend  (Böschungswinkel  3®  bis  S%  so  dass 
die  Aecker  fast  ohne  oder  nur  mit  sehr  niederen  Terrassen  in  grossen  Ab- 
ständen angelegt  sind;  die  Berge  zu  beiden  Seiten  des  Nebenthaies  sind  etwa 
250  m  hoch,  auch  flach  und  fast  ganz  ohne  Terrassen,  die  Schlucht  des  Thal- 
bodens ist  aber  tief  und  nach  oben  stark  verzweigt. 

Von  der  Höhe  geht  es  in  Ostrichtung  hinab  in  die  tiefe  Lehmschlucht 
eines  Thaies  aus  Nordnordwest,  durch  diese  hindurch  und  in  Nordostrichtung 
an  der  tiefen  Lehmschlucht  eines  andern,  zunächst  aus  Nordosten  und  weiter 
oben  aus  Norden  kommenden  Lehmthaies  entlang,  das  sich  unterhalb  des  Weges 
mit  dem  vorher  erwähnten  Thale  vereinigt.  Beide  zusammen  gehen  zwischen 
terrassierten  Bergen  hinab  in  südlicher  Richtung  und  münden  in  den  grösseren 
von  Ma-ing  herabkommenden  Fluss,  dem  wir  am  Tage  vorher  eine  Strecke  weit 
gefolgt  waren.  An  den  Berggehängen  links  sind  die  Anfangsstadien  der 
Schluchtenbildung  im  Lehmgehänge  sehr  schön  zu  verfolgen,  wie  sie  in  der 
Abbildung  auf  der  folgenden  Seite  wieder  gegeben  sind. 

An  der  Stelle,  wo  das  Thal  nach  Nord  oben  umbiegt,  wird  seine  zwischen 
15  m  hohen  Wänden  liegende  Thalschlucht,  deren  Boden  mit  Blöcken  eines 
schönen,  hellen  Granites  bedeckt  ist,  überschritten  und  durch  ein  Seitenthälchen 
in  Nordöstrichtung  die  Höhe  der  linken  Thalseite  (2260  m)  in  steilen  Windungen 
erstiegen.  Im  unteren  Teile  dieses  Seitenthälchens  liegt  ein  kleines  Dorf,  und 
oberhalb  desselben  kommen  die  Granite  anstehend  in  gerundeten  Felskuppen 
auf  beiden  Thalseiten  zum  Vorschein.  Auch  im  grösseren  Thale  konnte  man 
in  der  Tiefe  der  Lehmschlucht  grosse,  gerundete,  höckerartige  Granitmassen 
anstehend  bemerken,  und  von  der  Höhe  der  linken  Thalseite  sieht  man,  dass 
auch  weiter  oben  in  dem  Thale  grosse  Granitkuppen  aus  der  Lössdecke  im 
Thalgrunde  herausragen.     Das  Thal    hat   in    seinem  oberen  Teile  flache  Löss- 


—     459     ~ 

gehänge  und  nur  sehr  wenig  Terrassen.  Auf  den  Höhen  ist  das  Grundgestein, 
der  Granit,  überall  durch  den  mächtigen  Löss  überdeckt.  Im  Hauptthale  wie 
in  dem  auf  die  Höhe  heraufiiihrenden  Nebenthaie  ist  über  dem  Granit  eine 
schmale,  rote  Zone  von  Quetae-Bildungen,  die  hier  nur  sehr  schwach  entwickelt 
sind,  aber  doch  nicht  ganz  fehlen. 

Ist  der  untere  Teil  des  Nebenthälchens  oberhalb  des  Dorfes  direkt  als 
Granitthal  zu  bezeichnen,  so  sind  oben  wieder  mächtige  Lösse,  in  denen  der 
Weg  zwischen    hohen    Hohlwänden,    in    denen    vielfach   Salzefflorescenzen  sich 


AiifitD^sUilleii  der  Schluchtenbllduii);  im  LösB-Gehfinge.     LÖBsbruDoeu, 
Ma-iog.  norilÖEllich  lou  Kune-thactiiiDf;  fu. 

fmden,  zum  Kamme  hinaufführt.  Er  geht  auf  diesem,  bis  zu  2330  m  an- 
steigend, zuerst  nördlich  und  dann  im  grossen  Bogen  nach  Osten  um  die 
breiten,  halbkreisförmigen,  oberen  Thalerweiterungen  mehrerer  Zweige  eines 
grossen,  nach  Südsüdost  hinabführenden  Thaies  mit  tiefer  Lehmschlucht  herum. 
Auf  der  Nordseite  des  Kammes  geht  ein  Thal  von  gleichem  Charakter  nach 
Nord  und  weiterhin  in  Nordost,  während  noch  ein  weiteres  Schluchtenthal 
nach  Süden  sich  mit  dem  ersten  in  der  Ferne  vereinigt  und  wohl  auch  noch 
zum  Thalsysteme  des  grossen  Flusses  von  Ma-ing  gehört. 

Weit  über  diese  Thäler  und  ihre  Lössgehänge  hinaus,  sieht  man  von  der 
hier  2330  m  hohen  Kammhöhe  im  Süden  langes  treckte,  in  Ost- Westrichtung  ver- 
laufende, etwa  500  m  hohe  Gebirgszüge  von  gleichmässigem  Charakter  der 
Kammlinie  hinziehen,  die  ein  ausgedehntes  Bergland  mit  ausgesprochenen  Längs- 


—    4Ö0     — 

thälern  und  ohne  tiefer  reichende  Querschluchten  oder  sich  besonders  hervor- 
hebende Gipfel  bilden;  sie  dürften  Höhen  des  P*e-Iing-schan  sein.  —  Der 
Kamm  dehnt  sich  dann  in  östlicher  Richtung  bis  zur  2240  m  betragenden 
Höhe  eines  Joches  mit  Lehmhohlweg  zwischen  einem  nach  Südsüdost  und 
weiter  unten  nach  Süden  und  einem  nach  Nordnordost  gehenden  Thale  aus. 
Beide  haben  gleichen  Charakter  mit  schon  hoch  oben,  unweit  der  Sattel- 
höhe beginnenden  Lehmschluchten  und  in  dem  letzteren  Thale  steigt  der 
Weg  zuerst  sehr  steil  über  Lössgehänge  hinab.  Im  weiteren  Verlaufe  des 
Thaies  sind  auf  der  linken  Seite,  besonders  weiter  unten  auch  in  der  Lehm- 
schlucht des  Thalbodens,  anstehende  Granitklippen  unter  der  Lössdecke  ent- 
blösst  Auch  der  Boden  der  Schlucht  ist  ganz  erfüllt  von  einem  Meer  solcher 
wild  übereinander  geworfenen,  grossen  Granitblöcke.  Im  Thale  ist  ganz  oben 
am  Beginn  der  Schlucht  ein  Dorf  und  weiter  unten  verliert  es  bald  den 
Lössschluchtencharakter,  da  an  Bach  und  Weg  grössere  Granitkuppen  an- 
stehen. Es  nimmt  bald  eine  ostnordöstliche  Richtung  an,  und  die  anstehenden 
Granitklippen  hören  auf,  während  dafiir  in  kleinen,  steilen  Wasserrissen  der 
rechten  Thalseitc  unter  dem  Lösse  wieder  rote  Quetae-Schichten  zum  Vorschein 
kommen.  Die  Berge  der  beiden  Thalseiten  sind  hier  nur  noch  200  m  hoch 
und  nur  die  rechte,  südliche  Thalseite  mit  stärkerer  Lössbedeckung  trägt 
Terrassen  und  Aecker,  während  links  bis  an  die  Oberfläche  reichende  Quetae- 
Schichten  steile,  einfache,  mit  dürftiger  Grasvegetation  bedeckte,  unfruchtbare 
Abhänge  erzeugen. 

Weiter  unten  mündet  ein  grösseres  Thal  aus  Westen  ein,  auf  dessen 
ebenfalls  mit  Granitblöcken  bedecktem  Boden  der  Weg  einer  15  m  tiefen 
Schlucht  in  fast  östlicher  Richtung  folgt.  Am  Boden  dieser  Schlucht,  so- 
weit die  Lehme  von  der  Feuchtigkeit  durchdrungen  sind,  überziehen  Salze 
die  Lehmoberfläche  der  Steilwände  und  der  herabgestürzten  Halden.  Der 
Thalcharakter  ist  öde,  Bäume  wachsen  nur  in  der  Nähe  der  zahlreichen, 
aber  kleinen  Lehmdörfer,  und  wo  kein  Acker-  und  Terrassenland  ist,  über- 
zieht nur  sehr  dürftige  Grasvegetation  die  Berggehänge;  Buschwerk  oder 
Wald  fehlen  gänzlich;  auf  den  Höhen  sieht  man  vielfach  die  vierseitigen  Lehm- 
festungen in  der  Nähe  der  Dörfer.  Die  Lehmschlucht  hat  als  solche  aufgehört, 
der  Bach  fliesst  in  breitem  Sand-,  Lehm-  und  Schotterbette  zwischen  nur  noch 
5  m  hohen,  aus  Lehm  und  Schotter  zusammengesetzten  Terrassenwänden. 
Bald  aber  ändert  sich  das  wieder;  die  Berge  treten  nahe  zusammen,  und  der 
Fluss  hat  in  ostnordöstlicher  Richtung  mit  vielfachen  Windungen  eine  tiefe 
Felsenschlucht  in  den  Granitstock  der  Berge  eingenagt.  Der  Weg  folgt  zuerst 
noch  eine  kurze  Strecke  weit  am  steilen  Granitgehänge  hoch  über  dem  Wasser 
in  die  Felsen  eingesprengt  dem  Thale,  ist  aber  dann  durch  den  gänzlich  un- 
wegsamen Charakter  dieser  engen  Granitschlucht  gezwungen,  nach  Norden  in 
sehr  steilem,  unten  aus  Granit,  oben  aus  hohen,  senkrechten  Lehmwänden  ge- 
bildetem, canonartigen  Seitenthale  hoch  auf  die  Berge  bis  2020  m  hinaufzusteigen 


—     401     — 

und  dort,  wo  die  Gehänge  wieder  weniger  steil  und  schwierig  sind  und  eine 
Lössdecke  tragen,  in  ostnordöstlicher  Richtung  dem  Flussthale  zu  folgen.  Von 
der  Höhe  aus  übersieht  man  Schlucht  und  Flussthal,  das  bald  wieder  breiter 
wird  und  in  ein  anderes  grösseres  Flussthal,  das  von  Nordwesten  kommt  und 
nach  Ostsüdost  weitergeht,  einmündet.  Es  ist  das  der  obere  Teil  des  Thaies, 
welches  bei  Fuk'iang  hsien  von  Norden  auf  den  Wei-ho  trifft. 

Da  wo  der  Fluss  noch  in  kurzen  Windungen  im  engen  Felsenbette  fliesst, 
kommen  aus  südlicher  Richtung  zwei  kleinere  Thälchen  zu  ihm  herab,  die  aber 
nur  in  ihrem  unteren  Teile  den  Charakter  von  Felsschluchten  im  Granite  haben; 
oben  sind  sie  halbkreisförmig  erweitert  und  tragen  eine  mächtige  Lössdecke 
mit  Terrassen,  auf  denen  zwei  Dörfer  hoch  oben  angesiedelt  sind.  Der  Weg 
geht  oben  in  der  Höhe  dem  Flussthale  entlang,  bis  er  einen  lössbedeckten  Grat 
erreicht,  der  zwischen  dem  Thale  des  Flusses  und  einem  andern  von  Westen 
kommenden  Thale  nach  Nordosten  sich  allmählich  hinabsenkt.  Der  Weg  folgt 
dem  Grate  und  erreicht  den  Boden  des  von  Westen  kommenden  Thaies  kurz 
oberhalb  der  Stelle,  wo  dieses  letztere  in  das  Thal  des  grossen,  aus  Nordwest 
kommenden  Flusses  einmündet,  in  welchen  auch  der  Fluss  aus  der  Granit- 
schlucht weiter  südlich  thalabwärts  fliesst.  Längs  des  Kammes  und  am  Ge- 
hänge der  südlichen  Thalseite  des  von  Westen  kommenden  Thaies  sind  Löss- 
terrassen  und  oben  liegt  auch  ein  Dorf  auf  der  Höhe;  auf  der  nördlichen,  linken 
Thalseite  sind  aber  steile,  einfache  Gehänge  und  an  der  Thalausmündung  stehen 
dort  auch  rote  Quetae-Schichten  an.  Der  Thalboden,  welcher  keine  hohe  Lehm- 
schlucht am  Ausgange  besitzt,  ist  bedeckt  mit  Granitblöcken,  ein  Beweis,  dass 
das  Thal  in  seinem  oberen  Teile  in  das  Granitgebiet  reichen  muss,  das  offenbar 
unter  der  Lössdecke  verhüllt  ein  grösseres  Areal  im  Oberlauf  der  von  Westen 
und  Südwesten  kommenden  Flüsse  einnimmt.  Das  grosse  Nebenthal  des  Wei-ho 
ist  fast  einen  Kilometer  breit  und  nahe  seiner  linken  Thalseite  liegt  an  der 
Ausmündung  eines  grösseren  Nebenthaies  von  Ostnordost  der  bedeutendere 
Ort  I-kang  thschuan,  wo  den  Lasttieren  ein  Ruhetag  gegönnt  wurde. 

Der  Fluss  kommt  aus  Nordwest  und  weiter  oben  aus  Westnordwest  und 
hat  hier  nur  mehr  eine  niedere  Terrasse  aus  Lehm  und  feinem  Schotter  aufge- 
schichtet, mit  weit  auseinander  stehenden,  nur  5  m  hohen  Steilwänden,  zwischen 
welchen  er  in  mäandrischen  Windungen  verläuft.  Thalaufwärts  sind  auf  der  linken 
Flussseite  nur  Löss-  und  Terrassengehänge,  rechts  aber  stehen  an  steilen  Berg- 
wänden (bis  55®  Neigung!)  vielfach  die  roten  Quetae-Schichten  zu  Tage. 

Der  Ort  I-kang  thschuan  scheint  ein  grösserer  Marktflecken  zu  sein;  es 
herrschte  lebhafter  Verkehr  und  in  der  Hauptstrasse  des  Ortes  waren  eine  Reihe 
grösserer  Magazine,  in  denen  u.  a.  auch  japanische  Zündhölzchen,  deutsche  Näh- 
nadeln, amerikanische  Stoffe  und  sehr  viele  einheimische  Töpfereiwaren  zu 
finden  waren.  Die  Bevölkerung  zeigte  sich  den  Fremden  gegenüber  neugierig, 
wie  überall  in  China,  aber  nicht  zudringlich  frech,  und  auch  das  Quartier  war 
in  diesem  Orte  besser,  als  an  vielen  der  vorhergegangenen  Nachtstationen. 


—     462    — 

Hier  verdient  noch  eine  Ersch^nung^  ermahnt  zu  werden«  die  sich  gerade 
am  6.  Dezember  in  besonderer  Schönheit,  aber  auch  schon  an  andern  Tagen 
von  den  Höhen  aus  gleich  nach  Sonnenuntergang  am  Abendhimmel  gezeigt 
hatte.  Die  Dämmerung  dauerte  etwas  über  eine  halbe  Stunde,  aber  gleich  bei 
Beginn  derselben  war  der  westliche  Himmel  in  breiter  Zone  intensiv  gelb 
gefärbt  und  gegen  den  Horizont  hin  ging  diese  Farbe  in  dunkelorange  über; 
gleichzeitig  war  im  Osten  eine  unten  \iolette,  weiter  gegen  den  Zenith  hin 
intensiv  blaue  Färbung  vorhanden,  die  gegen  den  dunkel  erscheinenden  Himmel 
der  Zenithhöhe  hin  einen  schmalen  gelblichen  Saum  hatte.  Die  Erscheinung 
hielt  mit  abnehmender  Deutlichkeit  etwa  20  Minuten  lang  an  und  bot  in  ihrem 
Beginne  ein  prächtiges  Schauspiel,  das  aber  nur  von  den  Höhen  aus  mit  freier 
Umsicht  in  ganzer  Schönheit  zu  übersehen  war.  Die  Witterung  war  während 
dieser  Tage  und  speziell  am  6.  Dezember  sehr  schön.  Auf  kalte,  sternklare 
Nächte  mit  Minima  von  —  13*  C,  —  I3*25*  C,  —  ii,257*  C.  folgten  klare  Tage, 
während  welcher  die  Temperatur  um  i  Uhr  im  Schatten  nur  —  1,75 *  C,  am 
5.  Dezember,  — 0,75*  C,  am  6.  Dezember  und  +3,25'C.  am  7.  Dezember 
betrug.  Keine  Wolke  war  am  Himmel  zu  sehen,  und  die  nur  schwachen  Winde, 
welche  abends  überhaupt  aufhörten,  kamen  von  Nordwest.  Der  Feuchtigkeits- 
gehalt der  Luft  war  um  die  Abendzeit  ein  relativ  geringer.  Am  6.  Dezember 
war  in  I-kang  thschuan  abends  7  Uhr  die  Differenz  zwischen  dem  trockenen  und 
feuchten  Thermometer  des  Schleuder-Psychrometers  nur  1,5*  C,  die  bei  einer 
Lufttemperatur  von  o®  C.  einem  relativen  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  von  72  pCt. 
entspricht;  am  vorhergegangenen  wie  am  folgenden  Tage  war  um  dieselbe 
Abendzeit  die  Differenz  nur  0,5®  C. 

Der  folgende  Marsch  am  8.  Dezember  ging  durch  das  im  Osten  von 
I-kang  thschuan  gegen  Ostnordost  hinaufführende  Thal,  auf  dessen  Grunde  sehr 
reiche  Busch-  und  Baumvegetation  gedeiht,  die  aber  nicht  weit  an  den  Seiten- 
gehängen hinaufreicht  In  den  Gebüschen  und  den  grasbewachsenen  Abhängen 
halten  sich  viele,  schöne  Fasanen  auf,  auch  bunte  Finken  und  grosse,  gelbe 
Vögel  beleben  das  Thal,  das  sehr  wenig  bewohnt  ist  Die  Thalseiten  zeigen 
grosse  Verschiedenheiten,  die  auf  der  Verteilung  der  Lössdecke  beruhen.  Auf 
der  nördlichen  Thalseite  ist  durch  das  ganze,  lange  Thal  Löss  nur  ganz  oben 
auf  den  bis  400  m  hohen  Bergen  abgelagert,  wo  die  Gehänge  flacher  werden 
und  wo  auch  Terrassen  angelegt  sind.  In  den  unteren  zwei  Dritteln  der  Berge 
sind  die  Seiten  sehr  steil,  und  überall  kommen  die  roten,  konglomeratischen 
Schichten  der  bis  über  300  m  hinaufreichenden  Quetae-Formation  zum  Vorschein, 
die  auch  in  den  tief  eingerissenen  Schluchten  vielfach  in  senkrechten  Wänden 
entblösst  sind;  die  Schichten  zeigen  hier  zumeist  schwaches,  nördliches  Einfallen 
und  Streichen  in  Ost- West-Richtung;  weiter  oben  im  Thale  kommen  sie  auch  in 
horizontaler  Lagerung  vor.  Auf  der  linken,  südlichen  Thalseite  dagegen  sind 
Lössterrassen  bis  weit  herunter  angelegt,  die  von  dort  kommenden  Seitenthäler 
haben  tiefe,  zerrissene  Lössschluchten,  in  deren  Grunde  auch  vielfach  die  Quetae- 


—   463   — 

Bildungen  erscheinen.  Unter  den  Gerollen  der  von  Norden  kommenden  Seiten- 
thäler  sind  grosse  Granitblöcke  häufig,  die  nicht  aus  den  kleineren  Gerollen 
der  Quetae-Konglomerate  zu  stammen  scheinen,  sondern  darauf  hindeuten,  dass 
hier  unter  den  mächtigen  Quetae-Schichten  Granit  ansteht  und  den  Kern  des 
alten   Gebirgsmassives  bildet,  wie  auch  im  Südwesten  von  I-kang  thschuan. 

Das  Thal  wird  weiter  oben  enger,  die  steilen,  grasbedeckten  und  stellen- 
weise felsigen  Gehänge  reichen  höher  hinauf,  und  im  Hintergrunde  der  engen 
Schluchten  von  Norden  sind  450  m  hohe  Berge  sichtbar,  die  oben  einfache 
Lössgehänge  besitzen;  die  Quetae-Bildungen  reichen  in  den  Schluchten  bis  über 
300  m  hinauf.  Das  Thal  verzweigt  sich  weiter  oben;  ein  Teil  kommt  aus  Nord- 
nordwesten, in  dem  andern  geht  der  Weg  in  Ostnordost  weiter  über  Lehm  und 
gelbliche  oder  grünliche,  weiche  Mergel  und  Sande  einer  Süsswasserablagerung 
mit  horizontaler  Lagerung  und  zahlreichen  Schnecken.  Bald  zerteilt  sich  das 
Thal  von  neuem  und  drei  tiefe  Schluchten,  unten  in  steilen  Quetae-Konglomerat- 
felsen,  oben  mit  breiten  von  Lössterrassen  erfüllten  Eru'eiterungen,  münden 
zusammen;  der  Weg  führt  in  einer  grossen  Windung  durch  die  am  meisten  links 
liegende,  von  Nordnordwest  herabkommende  Schlucht  an  einem  Dorfe  hoch 
oben  im  Lössgehänge  vorbei,  in  nordöstlicher  Richtung  hinauf  zu  einem  2200  m 
hohen  Passübergang  und  in  derselben  Richtung  über  Löss  auf  einem  Grate  steil 
zu  einem  grossen,  von  Westen  kommenden  Thale  zwischen  500  m  hohen 
Bergen  hinab,  dessen  Thalsohle  in  der  Meereshöhe  von  1990  m  erreicht  wird. 
Unterwegs  fuhren  vom  Grate  mehrere  kurze  Thälchen  in  nördlicher  Richtung 
zu  diesem  grösseren  Thale  hinab;  auf  ihrem  breiten,  lehmbedeckten  Thalboden 
sind  in  der  Mitte  enge,  felsige  Schluchten,  welche  in  die  von  nur  geringer 
Lehmdecke  überzogenen  Quetae-Bildungen  eingeschnitten  sind.  Die  Gehänge 
der  südlichen  Thalseiten  tragen  Aecker  und  Terrassen,  die  der  nördlichen  sind 
einfach  und  mit  Gras  oder  niederem  Gestrüppe  bedeckt. 

Der  Charakter  der  Berge  des  grossen,  aus  Westen  kommenden  Thaies 
ist  ebenfalls  auf  den  beiden  Thalseiten  ein  verschiedener.  Im  Oberlaufe,  soweit 
er  zu  übersehen  ist,  überwiegen  die  steilen  Gehänge  mit  vielfachen  Entblössun- 
gen  der  roten  Schichten  an  den  bis  500  m  Höhe  erreichenden  Bergen;  dasselbe 
ist  auf  der  linken,  nördlichen  Thalseite  auch  weiter  thalabwärts  der  Fall,  und 
Terrassen  befinden  sich  nur  ganz  unten  am  Fusse  der  Berge.  Rechts,  auf  der 
Südseite  aber  sind  nur  Lehmterrassen  von  unten  an  bis  auf  die  Berge  hinauf; 
Lehmschluchten  münden  in  das  grössere  Thal  von  dieser  Seite  und  kleinere 
Dörfer  sind  in  die  Lösssteilwände  eingebaut.  Der  Fluss  selbst  fliesst  nach  Ost 
zwischen  10  m  hohen,  aus  Lehmen  und  Schotter  gebildeten  Terrassen  wänden, 
die  ziemlich  weit  von  einander  entfernt  sind,  und  der  Weg  folgt  neben  dem 
braunen  Wasser  auf  dem  Thalboden  dem  Flusse  abwärts  nach  Osten. 

Weiter  gegen  Osten  verschwindet  diese  Thalterrasse  allmählich  und  das 
Thalgehänge  wird  beiderseits  von  Schieferklippen  gebildet,  die  unter  den  Resten 
einer  schwachen  Lehm-    und    Lössbedeckung  vom  Flus.se  freigelegt  .sind.     Die 


—    464   — 

auf  der  rechten  250 — 300  m,  auf  der  linken  Thalseite  400  m  hoben  Berge  haben 
steile  Gehänge  gegen  das  Thal,  die  besonders  links  von  vielen  Schieferklippen 
durchsetzt  sind,  während  auf  der  südlichen,  rechten  Thalseite  über  den  Schiefer- 
klippen noch  eine  genügend  starke  Lehmdecke  vorhanden  ist,  um  die  Anlage 
vcfn  Terrassen  und  Ackerbau  an  den  oberen  Teilen  der  Berggehänge  zu  er- 
möglichen. Die  schiefrigen  Gesteine  sind  meist  stark  zersetzte  Glimmer-  und 
Chloritschiefer,  die  auch  knotenschieferartige  Lagen  enthalten;  ihr  Streichen  geht 
nach  Westnordwesten  und  das  Einfallen  schwach  (10^  bis  15^)  nach  Süden 
gerichtet. 

Ueberall  bisher,  wo  unter  der  Decke  von  Löss,  Lehm  und  Quetae-Schichten 
das  ältere  Gebirge  mit  geschichteten  oder  schiefrigen  Gesteinen  zum  Vorschein 
kam,  zeigte  es  gleichmässig  dieselbe  Streichrichtung  in  Westnordwest  bis  Ost- 
südost, die  offenbar  das  ganze  Gebirgsland  beherrscht  und  nur  in  hohem,  nach 
Osten  steigenden  Grade  von  jenen  jüngeren  Bildungen  überdeckt  und  ver- 
hüllt wird.  Aber  bis  zu  dem  Dorfe  Hong-scha,  wo  der  Marsch  des  8.  Dezember 
sein  Ende  hatte,  blieb  der  Thalcharakter  der  Unken  Thalseite  steiler,  einfacher 
und  frei  von  Terrassen,  während  rechts  diese  letzteren  wieder  die  Gehänge  fast 
ganz  bedeckten.  Diese  Unterschiede  waren  im  Laufe  der  letzten  Marschtage  des 
öfteren  hervoi^etreten  und  sie  sind  auch  in  diesem  Berglande  ganz  allgemein 
vorhanden;  sie  beruhen  auf  denselben  Ursachen,  die  schon  beim  ersten  Auftreten 
mächtigerer  Lössdecken  im  Thao-Thale  oberhalb  von  Min-tschou  erörtert  wurden 
(Seite  430)  und  beweisen  somit,  dass  (lir  die  Lössverteilung  und  den  Löss- 
transport  hier  dieselben  Ursachen  wirksam  gewesen  sein  müssen,  wie  weiter 
im  Westen  am  Ostabfalle  des  tibetanischen  Hochlandes.  Einen  Tagemarsch  von 
Hong-scha  erreichte  unser  Maultierweg  die  grosse  von  Si-ngan  fu  nach  Lan- 
tschou  fu  fuhrende  Strasse,  welche  in  ihren  nordöstlichen  und  nordwestlichen 
Fortsetzungen  die  grosse  Verbindung  durch  das  ganze  chinesische  Reich  von 
Kaschgar  bis  Peking  bildet.  Der  Marsch  am  9.  Dezember  ging  auf  der  linken 
Thalseite  auf  der  hohen  Flussterrasse  am  Gebirgsfusse  zuerst  in  südöstlicher, 
dann  östlicher  Richtung  vier  Stunden  lang  hinab,  bis  das  Thal  bei  einem  be- 
deutenderen Dorfe  in  ein  grösseres,  aus  Nordwest  kommendes  Flussthal  ein- 
mündet. Auf  beiden  Thalseiten  sind  viele,  elende  Dörfer,  die  zum  Teil  aus 
Wohnungen  in  den  Lösssteilwänden  bestehen.  Der  */>  ^^^  breite  Thalboden,  in 
welchem  der  Fluss  in  breiter  Schlucht  zwischen  30  m  hohen  Steilwänden  auf 
breitem,  lehmig-sandigem,  absolut  kahlem  Grunde  fliesst,  ist  ganz  ödes  Acker- 
land, ohne  Baum  und  Strauch.  Die  Berge  der  rechten  Thalseite  sind  nur  noch 
250  m  hoch  und  haben  besonders  oben  ganz  flache  Gehänge  mit  Ackerland 
und  nur  niedere,  weit  von  einander  abstehende  Terrassen,  die  auch  in  die  von 
der  Südseite  kommenden,  meist  mit  Löss  erfüllten  Nebenthäler  hineingehen;  die 
Berge  im  Hintergrunde  dieser  letzteren  sind  bis  400  m  hoch  und  haben  oben 
einfache  Lehmgehänge.  Auf  der  linken  Thalseite  sind  die  etwas  höheren  Beige 
ohne  Terrassen,  und  an  ihren  steilen  Gehängen  ist  nur  oben  eine  schwache  Löss- 


—    4^5     — 

decke,  während  an  den  Thalwänden  vielfach  rote  und  braunrot  gefärbte  Thone 
auf  die  Nähe  der  Quetae-Schichten  unter  der  Oberfläche  schliessen  lassen.  Der 
Fluss  des  Thaies  von  Hong-scha  hat  ein  ganz  kahles,  leeres,  mehrere  hundert 
Meter  breites  Bett  aus  feinem  Sand  und  Lehm,  das  sich  in  mäandrischer 
Windung  bald  der  linken,  bald  der  rechten  Thalseite  nähert;  die  Wände  der 
Thalterrasse  sind  30  m  hoch  und  an  manchen  Stellen  durch  Seitenschluchten 
in  Säulen  und  Pyramiden  tragende  Gräte  von  geschichteten  Lehmen  und  feinen 
Flusskiesen  im  unteren  Teile  der  Steilwände  aufgelöst. 

Nachdem  auf  der  linken  Thalseite  auf  lange  Strecken  hin  nur  unbedeutende 
Schluchten  herabgekommen  sind,  mündet  etwa  vier  Stunden  unterhalb  von 
Hong-scha  jenes  grössere  Nebenthal  aus  Nordwesten  von  dieser  Seite  her  ein, 
in  dessen  oberem  Teile  bis  500  m  hohe  Berge  sichtbar  sind.  Im  Thalboden 
ist  eine  tiefe  Schlucht,  deren  untere  Teile  in  der  Nähe  des  kleinen  Flusses 
durch  weisse  Salzausblühungen  ausgezeichnet  sind;  der  Weg  führt  an  senk- 
rechten Lehmwänden  zu  dieser  Schlucht  hinab  und  wieder  auf  der  andern  Seite 
hinauf.  Die  Berge  der  rechten  Thalseite  sind  hier  im  unteren  Teile  des  Thaies 
etwa  350  m  hoch  und  haben  immer  noch  flache  Lössgehänge  mit  weiten 
Terrassen,  während  links  unten  steileres  Gehänge  anhält  und  Terrassen  nur 
ganz  oben  zu  finden  sind,  wo  die  Lössdecke  beginnt;  am  Steilgehänge  in  den 
dunkeln,  rotbraunen,  thonig-lehmigen  Lagen  längs  des  Weges  befinden  sich  die 
Salzüberzüge,  die  durch  Auslaugung  der  Zersetzungsprodukte  im  Löss  und  Aus- 
kristallisierung der  Salze  bei  Verdunstung  des  an  die  Oberfläche  heraustretenden 
Wassers  entstehen,  eine  Erscheinung,  die  in  ariden  Regionen  nicht  selten  zu  sein 
pflegt.  Das  grosse  Thal  aus  Nordnordwest,  in  welches  unser  bisher  verfolgtes 
Thal  einmündet,  hat  ebenfalls  eine  20  m  tiefe  Schlucht  im  Thalboden  zwischen 
lehmigen  und  fein-kiesigen  Steilgehängen;  die  Sohle  liegt  an  der  Uebergangs- 
stelle  des  Weges   1700  m  hoch  und  trägt  auch  viele  Salzefflorescenzen. 

Der  Weg  geht  nach  Durchquerung  des  breiten  Thalbodens,  auf  welchem 
etwas  unterhalb  auf  der  Unken  Thalseite  am  zerschluchteten  Berggehänge  ein 
grösserer  Ort  liegt,  an  der  Seite  einer  tiefen  Lössschlucht,  in  Hohlwegen  und 
an  tiefen  Steilabstürzen  in  südöstlicher  und  weiter  oben  östlicher  Richtung 
hinauf  zur  Höhe  der  linken  Thalseite,  auf  welcher  das  Sing-po-schan-Gebirge 
liegt  In  die  Lehmschlucht  münden  vor  ihrem  Ausgange  zum  grossen  Thale 
noch  zwei  andere,  ähnlich  tiefe  und  zerissene  Schluchten  aus  Osten  und  Norden 
ein.  In  allen  dreien  liegen  über  den  Schluchtenden  in  den  halbkreisförmigen 
Thalerweiterungen  oben  auf  der  Lössdecke  Aecker  auf  Terrassen  und  am  Wege 
auch  ein  elendes,  in  die  Lössabstürze  eingebautes  Dörfchen  unter  der  Passhöhe. 
In  diesen  Schluchten,  die  an  ihrem  Zusammenflusse,  wo  dunklere,  feuchte 
Lehme,  am  Boden  vorhanden  sind,  auch  wieder  schöne,  weisse  Salzefflorescenzen 
besitzen,  sind  alle  die  Erscheinungen  der  Schluchtenbildung  mit  den  runden 
Einbrüchen  am  oberen  Ende  und  insbesonders  schön  die  grossen,  4 — 6  m 
weiten  und  tiefen  Kesseleinbrüche  auf  dem  Boden  der  Schluchten  zu  beobachten, 

Futterer,   Durch  Asien.  30 


-     4«     - 

deren  Wände  70— Ro  m  senkrecht  ab;.turzen.  Die  Losshohlwege  am  Wege  sind 
durch  Reichtum  an  Land>chnecken,  die  auch  heute  noch  an  den  Gehängen 
leben,  ausgezeichnet.  N'nch  ganz  oben,  direkt  unter  der  Höhe  des  i960  m 
hohen  Pa=ses.   sind  in  den  Hohlwegen  Sal^e  auä  dem  Lösse  effloresciert 

Von  der  H'ihe  bietet  sich  eine  umfassende  Aufsicht  auf  die  im  Osten  und 
gCj^en  Nordo-iten  sich  ausdehnende,  vom  steil  abfallenden  Bei^e  der  Passhöhe 
beginnende,  kahle  Kbene,  in  deren  Mitte  die  grosse  Stadt  Tsing-ning-tschöu  mit 
grosser  L'mfassun^jsmauer    liegt.      Die    ganz   flache  und  ebene  Thaltläche  ist  auf 


Sfhluihir'Qlijl.liinL;  im   I,riss-ürh:ins<-  l'fi   N^.in-ku-(sih''pu.  iioiilw<^tluh   ron  P-inc-Uiuii;  fu. 

allen  Seiten  von  Bergen  umgeben,  die  mit  steilen,  rote  Färbungen  der  Quetac- 
Formation  zeigenden  Gehängen  gegen  die  Ebene  abfallen;  auf  der  Höhe  aber 
ist  eine  starke  Lössdecke,  die  besonders  auf  der  Ost-  und  Südostseite  zahl- 
reiche Terrassen  und  Ackerland  besitzt.  Nach  den  nördlichen  und  westlichen 
Seiten  hin  reichen  die  steileren  Gehänge  weiter  hinauf  und  die  Terrassen  fehlen 
oben  fast  ganz.  Die  iCbene  durchzieht,  von  Nordosten  kommend  und  im  Bogen 
nach  Süden  verlaufend,  der  I'ei-ho,  der  nach  Südsüdost  wieder  zwischen  enger  zu- 
sammentretenden Bergen  als  ein  linker  Nebenfluss  zum  oberen  Wei-ho  fliesst. 
Andere  grössere  Thäler  münden  auf  die  Kbene  von  Tsing-ning-tschöu  und  senden 
ihre  Flüsse  zum  Pei-ho  (—  Chu  sui,  Kreitner)  aus  Nordwest  und  im  Norden  von  der 
grossen  Stadt  aus  Ost;  dem  ersteren  folgt  die  Strasse  nach  Lan-tschöu  fu.  Längs 
der  Hergabhange  sind  zahlreiche  Dörfer  auf  der  Ebene  verstreut.     In  ihrer  Um- 


—    46;    — 

gebung  wachsen  auch  Bäume,  die  sonst  der  Ebene  fehlen,  in  deren  Mitte  in 
einiger  Entfernung  vom  Pei-ho-Fluss  die  Stadt  liegt. 

Vom  Passe  des  Sing-po-schan  führt  der  Weg  steil  zuerst  über  Lehm- 
gehänge, dann  weiter  unten  in  einer  steilwandigen  Lehmschlucht,  in  deren  Tiefe 
die  Quetae-Bildungen  zum  Vorschein  kommen,  und  zuletzt  an  dem  von  ihnen 
gebildeten,  steilen  Gehänge  östlich  von  dieser  Schlucht  zum  Fluss  hinab,  dessen 
Wasserspiegel  hier,  wo  der  Weg  ihn  überschreitet,  in  der  Meereshöhe  von 
1690  m  liegt.  Der  breite,  aber  wenig  tiefe  Fluss  mit  braungelbem  Wasser  fliesst  an 
einer  10  m  hohen,  aus  Lehmen  oben  und  ganz  feinen  Kieslagen  unten  ge- 
bildeten Steilwand  der  linken  Thalseite  entlang,  ehe  er  sich  mit  dem  Pei-ho 
vereinigt. 

Die  Strasse  erreicht  vom  Flusse  aus  in  nordöstlicher  Richtung,  an  vielen 
Gräberfeldern  vorbeiführend,  vom  Flusse  an  in  3  km  die  Stadt,  welche  gar 
nichts  besonderes  bietet,  ausser  dass  sie  einen  grossen  Durchgangsverkehr  hat. 

■ 

Auf  dem  weiteren  Wege  aber,  nach  Si-ngan  fu,  der  grossen  Verkehrsader  nach 
Lan-tschou  fu,  herrschte  ein  sehr  lebhafter,  auf  den  kleinen  Nebenpfaden  im 
Gebirge,  denen  wir  von  Min-tschou  an  gefolgt  waren,  ganz  ungewohnter  Ver- 
kehr. Nicht  enden  wollende  Maultierkarawanen  zogen  vorbei,  Gruppen  von 
Reitern  mit  beladenen  Lastpferden  und  zahlreichen  Lastenträgern,  welche  ihre 
schweren  Bürden  an  elastisch,  biegsamen,  langen  Stangen  auf  den  Schultern 
trugen,  begegnete  man  fortwährend.  Die  hauptsächlich  mitgefiihrten  Waren 
waren  bei  den  Lastenträgern  Früchte  und  kleinere  Pakete  mit  Industrieartikeln, 
Papier,  Bändern,  Streichhölzern  etc.,  während  die  grossen  Maultierkarawanen 
schwere,  grosse  Ballen  von  Tuchen,  vielfach  für  Tibet  bestimmt,  und  Baumwolle 
transportierten ;  auch  viele  Esel,  welche  Salz,  Holzkohlen  und  Steinkohlen  trugen, 
zogen  des  Weges.  Gutes  Brennmaterial  ist  in  diesen  weiten,  nur  mit  Acker- 
land bedeckten  Gebieten,  wo  weder  in  den  Thälern  noch  auf  den  Bergen  Busch- 
Vegetation  oder  Wald  zu  finden  ist,  ein  seltener  und  sehr  geschätzter  Artikel. 
Meist  wird  mit  Stroh  geheizt  und  man  sieht  die  Leute  im  Winter,  wenn  das 
ganz  niedere  Gestrüpp  und  die  Stengel  der  spärlichen,  grösseren  Pflanzen  und 
Gräser  an  den  Gehängen  abgestorben  sind,  dieselben  mit  Stangen  flach  am 
Boden  hin  abschlagen,  und  die  so  gewonnenen,  kleinen,  dürren  Pflanzenteile 
mit  Besen  zu  Haufen  zusammenkehren,  die  dann  auch  als  ein  allerdings  sehr 
minderwertiges  Brennmaterial  Verwendung  finden.  Es  geschah  öfter,  dass  wir 
abends  zum  Kochen  kein  Holz  im  Orte  bekommen  konnten  und  mit  Stroh- 
feuer kochen,  ja  sogar  heizen  mussten,  was  wegen  des  dabei  ganz  unver- 
meidlichen Rauches  noch  schlimmer  war.  Der  stark  die  Augen  beizende 
Rauch  machte  den  Aufenthalt  in  den  kleinen,  abzugslosen  Räumen  zur  Qual 
und  draussen  war  es  an  den  Dezemberabenden  kalt,  so  dass  nichts  übrig 
blieb,  als  mit  Geduld  und  Pein  zu  warten,  bis  das  Feuer  wieder  ausgegangen 
war.  In  den  Dörfern  der  Lössgebiete  findet  man  vielfach  grosse  Lager  von 
Töpferwaren,  die  «luch  auf  der  Stra.sse  häufig  neben    den    von  Osten  kommen- 

30* 


—    468     — 

den,  roh  gegossenen  Eisenkesseln  transportiert  werden.  Alle  Arten  von  Geschirr, 
grosse,  bis  meterhohe  Töpfe,  Teller,  Krüge,  in  den  mannigfachsten  Formen 
und  Grössen,  in  einfacher,  kunstloser  Weise  bemalt,  werden  in  den  Handel 
gebracht 

Ebenfalls  eine  neue  Erscheinung  sind  die  auf  dem  grossen  Wege  im 
Gegensatz  zu  den  kleinen  Gebirgspfaden  häufigen  Bettler,  welche  bisher  nur  in 
grösseren  Städten  in  bemerkenswerter  Menge  auftraten.  Hier  sieht  man  sie 
auch  auf  der  grossen  Strasse  entlang  ziehen  in  meist  erbarmungswürdigstem 
Zustande.  In  dem  kalten  Ostwinde,  der  die  Tagestemperatur  kaum  über  den 
Nullpunkt  des  Thermometers  steigen  lässt,  ohne  Kopfbedeckung,  ohne  Schuhe 
und  Strümpfe,  ein  Bein  in  einem  Stück  einer  Hose,  das  andere  mit  einem 
Leinenbande  umwickelt,  zwischen  dem  die  nackte  Haut  hindurchscheint,  und 
den  Leib  in  einen  zerfetzten,  aus  hundert  verschiedenen  Lappen  zusammen- 
gesetzten, formlosen  Rock  gehüllt,  dessen  Aermel  nur  bis  zum  Ellenbogen 
reichen;  mit  einem  derben  Knotenstock  bewaffnet,  der  sie  vor  den  bissigen 
Hunden  schützt,  ohne  jedes  Gepäck  oder  auch  nur  eine  Tasche  für  Mund- 
vorrat, so  zieht  der  Bettler  seines  Weges,  allen  Unbilden  der  Witterung  schutzlos 
preisgegeben  und  schlimmer  daran,  als  der  Hofhund  im  Dorfe,  der  wenigstens 
eine  Stelle  hat,  wo  er  schlafen  kann  und  Schutz  gegen  Wind  und  Wetter  findet. 
In  den  grossen  Städten  ist  dieses  Bettlerelend  noch  viel  häufiger  zu  sehen  als  auf 
der  Strasse,  und  je  weiter  man  gegen  Osten  und  in  die  Nähe  der  Küste  kommt, 
um  so  schlimmer  wird  es  damit. 

Die  Stadt  Tsing-ning-tschou  bietet  keinen  Anlass  zu  einem  Aufenthalte  und 
so  wurde  am  ii.  Dezember  der  Marsch  bis  zu  dem  45  km  entfernten  Lung-tö 
hsien  (=  Longtyi  shien,  Kreitner)  fortgesetzt  auf  der  grossen  Strasse,  die  hier  in 
der  That  den  Namen  »grosse«  Strasse  verdient.  Gleich  vor  den  Thoren  der 
Stadt  und  weiter  oben,  nachdem  sie  durch  eine  Engschlucht  hinaufgegangen  ist, 
wird  die  über  30  m  breite  Strasse  von  Bäumen  eingefasst,  wie  es  scheint,  einer 
Pappelart,  welche  im  Sommer  Schatten  spenden.  Auf  der  breiten  Strassenfläche 
sind  fünf  oder  sechs  Wagengeleise  neben  einander  eingefahren  und  werden 
abwechselnd  von  den  zahlreichen,  meist  vierspännigen  Lastwagen  benutzt. 
Ist  eine  Spur  zu  sehr  ausgefahren,  so  geht  der  Wagenverkehr  in  einer  andern 
oder  fährt  ein  neues  Geleise  ein.  Nach  europäischen  Begriffen  ist  aber  der 
Zustand  der  Strasse  ein  sehr  schlechter.  Sie  führt  meist  über  weichen  Lehm- 
boden, der  bei  Regenwetter  ganz  durchweicht  wh-d;  es  fehlt  jeder  Unterbau 
von  Steinen  oder  jede  Beschotterung,  und  bei  schlechtem  Wetter,  wenn  sich  die 
ganze  Strasse  in  einen  tiefen  Morast  verwandelt  hat,  bleibt  es  den  Wagenführern 
überlassen,  zu  sehen,  wie  sie  hindurch  kommen.  Da  die  Strasse  infolge  der  starken 
Abnutzung  durch  den  Verkehr  etwas  unter  dem  Niveau  der  benachbarten 
Ackerflächen  liegt,  bleiben  die  Regenwasser  lange  auf  derselben  stehen  und 
tragen  zur  vollständigen  und  schwer  wieder  austrocknenden  Durchweichung  in 
hohem    Grade    bei.     Abgesehen    davon    laufen    auch    Bewässerungskanäle    der 


1 


—    409     — 

Felder  gelegentlich  über  und  in  die  Strasse,  so  dass  es  selbst  in  der  heissen 
Jahreszeit,  wo  unerträglicher  Staub  die  Hitze  zurückstrahlt,  an  unter  Wasser 
stehenden  Strecken  nicht  fehlt;  auch  wir  fanden,  obwohl  schon  lange  kein  Regen 
mehr  gefallen  war,  zahlreiche,  durch  Löcherbildung  und  Einweichung  für  Pferde 
wie  Wagen  gleich  schwer  passierbare  Stellen.  Und  doch  geschieht  etwas  für 
die  Strassen!  Der  Mandarin  lässt  abgestorbene  Bäume  wieder  ersetzen  und 
man  sieht  auf  grosse  Strecken  hin  jung  angepflanzte  Bäumchen;  aber  es  wird 
lange  dauern,  bis  wieder  eine  geschlossene  Allee  hoher  Bäume  entstanden  ist, 
da  die  Bevölkerung,  speziell  die  Wagenführer  und  Maultiertreiber,  die  jungen 
Pflanzen  nicht  schonen  und  die  Stämme  rücksichtslos  herausreissen  oder  ab- 
schneiden, wenn  sie  einen  Stock  oder  Brennmaterial  brauchen.  Fast  die  Hälfte 
der  neu  angepflanzten  Stämmchen  ist  zerstört,  ohne  wieder  ersetzt  zu  sein. 

Nicht  weit  hinter  Tsing-ning-tschou  in  nordöstlicher  Richtung  erreicht  der 
Weg  eine  enge  Schlucht,  in  der  er  auf  der  rechten  Thalseite  hoch  über 
dem  im  Felsenbette  schäumenden  Flusse  an  Felsen  von  grünlichen  und  röt- 
lichen, harten,  quarzitischen  Felsen  huronisch-cambrischer  Schichten  der  so- 
genannten Wutai-Formation  hinaufführt.  Das  Streichen  geht  in  Nord  80®  West 
und  das  Fallen  ist  35®  nach  Norden.  Auf  beiden  Thalseiten  reicht  diese  Felsen- 
zone, um  deren  steile  Klippen  unten  der  FIuss  sich  windet,  bis  zur  Höhe 
von  etwa  100  m  am  Gehänge  hinauf;  dann  kommt  eine  nur  sehr  schwach 
entwickelte,  rote  Konglomeratlage  der  Quetae-Schichten  und  darüber  eine  mit 
steilen  Gehängen  und  tiefen  Seitenschluchten  1 50  m  über  das  Niveau  des  Weges, 
der  an  der  Grenze  von  Löss  und  quarzitischen  Gesteinen  hinfuhrt,  reichende, 
mächtige  Lössbedeckung.  In  den  geologisch  sehr  alten  Quarziten  läuft  eine 
ausgezeichnete  Zerklüftung,  die  fast  den  Charakter  von  Schichtung  hat,  in  Nord- 
Süd-Richtung  bei  steilem,  westlichem  Einfallen,  während  an  den  Steilwänden  des 
Lösses  an  der  Strasse  eine  Art  von  Blockstruktur  zu  erkennen  ist,  die  nur 
in  den  echten,  äolischen  Gehängelössen,  nie  in  den  zusammengeschwemmten 
Thallehmen,  vorkommt.  Der  künstlich  am  Gehänge  entlang  geführte  Weg  geht 
in  gleicher  Höhe  über  dem  Flusse  in  Windungen,  indem  er  tief  in  die  Seiten- 
schluchten einbiegt,  etwa  1,5  km  in  der  Schlucht  in  Ostnordost-Richtung  hinauf 
und  oben  am  Ende  auf  den  dort  beginnenden,  sehr  breiten  Thalboden  hinab, 
den  er  in  der  Höhe  von  1700  m  erreicht,  während  der  untere  Ausgang  der 
Schlucht  etwas  über  der  Höhe  von  Tsing-ning-tschou  mit  1680  m  gelegen  war. 

Der  Weg  führt  in  dem  langen,  sehr  wenig  Abwechslung  bietenden  Thale 
in  ostnordöstlicher  Richtung,  dann  eine  Strecke  weit  rein  östlich  und  am  Schlüsse 
kurz  unterhalb  von  Lung-tö  hsien  wieder  in  ostnordöstlicher  Richtung  in  der  Mitte 
des  Thalbodens  hinauf.  Rechts  sind  die  Berge  bis  200  m  hoch  und  mit  Ausnahme 
einer  kurzen  Strecke  in  der  Mitte  der  Wegstrecke,  wo  an  steileren  Gehängen 
Quetae-Bildungen  bis  zu  100  m  hoch  hinaufreichen,  ganz  mit  Löss  überzogen 
und  mit  Terra.ssen  bedeckt.  Auf  der  rechten,  nördlichen  Thalseite  dagegen,  links 
vom  Wege,  herrschen  steile  Gehänge   mit  rotbraunen,  thonigen  Schichten    und 


—     470     — 

vielfach  auftretenden,  wci-^scn  Salzuberzu^en  vor,  und  Löss  mit  Terrassen  i^t 
nur  <(anz  oben  oder  unten  am  Fusse  der  im  unteren  Teile  des  Thaies  ncKrh  300  ni 
hohen  Berjje. 

zahlreiche  Dürfer  sind  am  Berjjfussc  in  die  Lö>ssten wände  ah  Erdwohnun- 
j;en  eingebaut;  aber  lange  Reihen  von  gähnenden  Höhlen  mit  Einstürzen,  die 
ganz  verlassen  sind,  zeigen  die  Vergänglichkeit  dieser  Wohnstätten.  Bessere 
Dörfer  liegen  längs  des  Weges,  und  in  manchen  davon  sieht  man  Häuschen  aus 
I^hm  mit  erhöhtem  Mittelbau,  Tiirmchen  an  der  Seite,  einer  Art  von  Veranda 
vor  dem  Hause  und  skulpluriertcn  Ziegeln  auf  dem  Dache,  last  vilienartige 
Spielereien  der  chinesischen  Baukunst.  Von  der  Fiinmiindung  eines  grösseren 
Thaies  aus  Nordosten  an  nimmt  der  Weg  und  das  Thal  die  östliche  Richtung 
auf,  und  von  da  ab  sind  auch  auf  der  rechten  Thalseite  terrassenbedeckte 
I^hmgchänge,  die  gegen  Lung-tö  hsien  hin  eine  etwa  100  m  hohe  Hugelvorstufe 
bilden,  über  der  ein  terrassenbedeckter  Abhang  allmählich  gegen  den  Fuss  der 
weiter  vom  Thale  zurückliegenden  300  m  hohen  Berge  mit  einfachen,  steilen 
Lehmgehängen,  parallel  mit  dem  Thale,  sich  hinzieht.  Auch  hier  sind  in 
den  Lehmvorhügcln  zahlreiche  Höhlendürfer  und  verlassene  Höhlen  zu  sehen. 
Durch  die  Nebenthalchen  von  Süden  werden  ferner  hohe,  mit  Schnee  bedeckte 
Berge  sichtbar,  die  eine  lange,  stark  gegliederte  Kette  bilden;  die  steilen  Berg- 
wände erscheinen  dunkel  und  tragen  keine  Lössbedeckung;  der  Weg  nähert 
sich  dem  nach  Nordost  liegenden  Teile  dieser  Bergkette,  die  aus  Nordost  nach 
Südwest  zu  verlaufen  scheint  und  ist  bei  Lung-tö  hsien  nicht  mehr  weit  von 
derselben  entfernt. 

Die  Stadtmauer  dieses  Ortes,  an  der  Einmündung  eines  grösseren  Thaies 
in  das  vom  Wege  benutzte  Thal,  sieht  aus,  als  ob  sich  hinter  ihr  eine  grosse 
Stadt  befinden  müsse;  im  Innern  aber  ist  alles  auf  eine  lange,  von  West  nach 
Ost  führende  Strasse  beschränkt  Der  weite  übrige  Raum  ist  leer  oder  mit 
Resten  zerstörter  Wohngebäude  erfüllt ;  es  macht  den  Eindruck  einer  ver- 
wüsteten, ehemals  bedeutenderen  Stadt,  die  sich  nicht  wieder  erholen  kann. 
Die  Quartiere  sind  schlecht;  man  erhält  weder  Fleisch,  Eier  Milch,  Obst  noch 
sonstige  Speisen;  immer  nur  das  unvermeidliche  »Mien-fönc,  eine  Art  von  Nudeln 
oder  Makkaroni  und  Brot.  Und  doch  herrscht  auf  der  Strasse  lebhafter  Verkehr; 
wir  begegneten  vielen  Karawanen,  darunter  auch  solchen  von  Kamelen.  Diese 
Tiere  sahen  hier  viel  grösser  und  stattlicher  aus,  als  die  schwächlicheren  und 
kleineren  Kamele,  welche  man  in  der  Gobi  zu  sehen  gewohnt  ist;  ihre  Farbe 
ist  auch  heller.  Während  der  folgenden  Tage  begegneten  wir  noch  vielen  solcher, 
oft  nach  Hunderten  von  Tieren  zählenden  Karawanen,  die  meist  des  Abends  auf- 
brechen und  bis  spät  in  die  Nacht  hinein  unterwegs  sind.  Sie  waren  haupt- 
sächlich mit  Stoffen  und  Tuch  beladen. 

Die  Bevölkerung  ist  hier  neugieriger,  als  dies  sonst  der  Fall  zu  sein  pflegte; 
die  Leute  Hessen  ihre  Arbeit  auf  dem  Felde  liegen  und  rannten  zum  Wege, 
um  den  vorüberreitenden  Fremden  besser  zu  sehen;  sie  riefen  uns  häufig  Worte 


_     471      - 

zu,  die  wir  nicht  verstanden  und  äusserten  auch  sonst  ihr  Vergnügen  über  den 
Anblick  der  Fremden.  In  den  ohnehin  schlechten  Quartieren  ist  die  Nachbar- 
schaft anderer  Gäste  und  ebenlalls  auf  der  Reise  befindUcher  Chinesen  sehr  oft 
Tür  die  Nachtruhe  gefahrlich.  Gewöhnlich  haben  sie  abends  gespielt  und  dazu 
Opium  geraucht  und  geraten  dann  in  der  Nacht  in  bösen  Streit,  den  sie  unter 
lautestem  Schreien  auf  dem  Hofe  ausfechten.  Ich  habe  noch  nie  in  einem  Lande 
so  viel  Zank,  Geschrei  und  unanständiges  Benehmen  bei  der  Abwickelung  von 
Geschäften  oder  Erledigung  kleiner  Meinungsverschiedenheiten  erlebt,  als  in 
China.     Gerade  in  der  in  Lung-tÖ  hsien  verbrachten  Nacht  dauerte  ein  solcher 


liinif.inE'  in  dif  Schlucht  auf  der  Oslseite  des  l.opan-schan  beim  AufsticKC  zum  Piissc. 

mitten  in  der  Nacht  ausgebrochener  Skandal  geraume  Zeit;  solche  Umstände, 
verbunden  mit  schlechter  Verpflegung  und  miserablem  Quartier,  muss  man  auf 
den  Landwegen  des  inneren  China  mit  in  den  Kauf  nehmen,  ohne  die  gute 
Laune  zu  verlieren,  die  sonst  für  immer  dahin  wäre. 

Vor  Lungtö  hsien  begegneten  wir  einem  sonderbaren  Zuge,  Ein  in  lang- 
samem Tempo  herankommender  Reiter  streute  runde,  weisse  Papierscheiben  und 
in  grösseren  Zwischenräumen  ebensolche  gelbe  auf  den  Weg;  nach  einigen 
Mi'nuten  kamen  zwei  von  Leuten  geführte  Maultiere,  welche  auf  zwei  an  ihren 
Seiten  befestigten,  langen  Stangen  einen  der  in  China  üblichen  grossen  und 
reich  geschmückten  Särge  trugen.  Irgendwelche  andere  Begleiter  oder  Leid- 
tragende waren  nicht  bei  dem  Transporte  der  Leiche,  vor  deren  Weg  die  Papier- 
Schnitzel  ausgestreut  wurden,  wohl  um  die  bösen  Geister  vom  Wege  zu  bannen. 


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Der  folgende,  am  1 1 .  Dezember  zurückgelegte  Marsch  war  in  geologischer 
und  landschaftlicher  Hinsicht    vielleicht  der  interessanteste  während  des  ganzen 
Weges  von  Min-tschou  bis  Si-ngan  fu.     Er  führte  über  einen  hohen  Pass  der 
grossen    vielgipfeligen  Gebirgskette,    die    wir  schon  am  Tage  vorher  immer  im 
Osten  vor  uns  gesehen  hatten,  und  sodann  in  Ost-  und  Südost>Richtung  durch 
ein  Thal  zwischen    hohen,  felsigen  Bergen    mit  enger,  malerischer  Schlucht  am 
Ende  auf  der  Ostseite  hinab.    Trotz  des  trüben,  ungünstigen  Wetters,  das  vom 
hohen  Passübergang  keine  klar«  Fernsicht  bot,  war  der  Tag  reich  an  roman- 
tischen, schönen  Landschaftsbildern.     Von  Lung-tö  hsien  ging  der  Weg  zunächst 
in  ostnordöstlicher  und  dann  in  nordöstlicher  Richtung  auf  der  Schotterterrasse 
des  Thaies  weiter  hinauf  und  auf  die  hohe  Bergkette  zu,  die  den  Lopan-schan 
(Kreitner)  im  Nordosten  mit  dem  Tai-hin-schan  (Kreitner)  im  Südwesten  verbindet. 
(Siehe  Panorama  auf  Tafel  XXXVII.)  Am  Thalgehänge  links,  auf  der  Nordseite,  be- 
standen die  300  m  hohen  Berge  ganz  aus  Quetae-Schichten  mit  horizontaler  Lagerung; 
einzelne  härtere,  gelblich  und  grünlich  gefärbte  Bänke  hoben  sich  aus  den  sonst  roten 
Sedimenten  hervor;  auch  auf  der  rechten  Wegseite  bildeten  dieselben  Schichten 
das  Bergland  bis  zum  Fusse  der  hohen  Kette.     Geringe  Lössdecken  längs  des 
Thaies  und  des  Weges  tragen  noch  Terrassen  mit  Ackerland  und  zur  rechten 
auch  ein  Lösshöhlendorf;  sonst  sind  die  steilen  Berggehänge  beiderseits  des  Thaies 
und  auch  in  den  von  der  hohen  Kette  herabkommenden  Seitenthälern  steil,  und 
häufig  steht  das  blosse  Gestein  ohne  Vegetation  an.    Der  Weg  geht  dem  Ausgang 
eines  Thaies   aus  der  hohen  Bergkette  zu  und  dann  in  vielen  Windungen  und 
Einbiegungen  in  ein  von  Nord  kommendes,  steiles  Seitenthal  der  Schlucht  auf 
den  2610  m  hohen  Pass,  den  wir  gerade  zur  Mittagszeit  erstiegen  hatten.    Unter- 
wegs setzten  zuerst  noch  grünliche,  knollige  und  an  der  Oberfläche  zerbröckelnde 
Mergelkalke  des  oberen  Carbon  die  steilen  Gehänge  am  Wege  zusammen,  mit 
nach   Osten    immer  steiler  werdendem   Einfallen,   bis  sie  schliesslich  senkrecht 
standen   und   weiter  gegen  den  Pass  hin  wieder  westliche,  steile  Fallrichtungen 
zeigten;  oben  in  zwei  Drittel  der  Höhe  schoben  sich  auch  karminrote  Bänke  von 
derselben  Beschaffenheit  zuerst  lagenweise  ein,  bis  sie  schliesslich  auf  der  Pass- 
höhe und  östlich  von  derselben  allein  vorherrschten.     Der  Weg  geht  trotz  der 
grossen  Windungen  sehr  steil  hinauf,  oft  in  tief  eingeschnittenen  Hohlwegen  in 
den  harten  Mergelkalken.     Der  Boden  war  vielfach  in  für  die  Pferde  gefahrlicher 
Weise  mit  Eis  überzogen,   das  von  den  Schmelzwassern  des  Schnees  herrührte, 
welche  in  den  kalten  Nächten  am  Boden  der  Hohlwege  wieder  gefroren.     Die 
sehr  steilen  Berggehänge  der  Schlucht  haben   nur  einen   dürftigen  Vegetations- 
überzug von  kleinem   Gestrüpp,   und  die   Höhe   des  Passes,    auf  dem  sich  ein 
Kloster  befindet,  wird  von  den  Berggipfeln  nur  noch  um  etwa  200  m  überrag^. 
Man  übersieht  von  oben  nach  Westen  das  Bergland,  durch  welches  in  den 
letzten  Tagen    die    Märsche    geführt  hatten,    und    das  sich  als  parallele,  gleich- 
massig    hohe    Bergzüge    darstellt,    ohne    besonders    hervorragende    Gipfel    zu 
besitzen.     Nach  Südosten  führt  eine  ebenfalls  sehr  steilwandige  Schlucht  hinab 


\ 


Bergkette  de»  Lopan-wh«' 

Nach  N'oK 


TAFEL  XXXVIl. 


iberhalb  vo 

xa  gesehen. 


—     473     - 

zu  einem  Dorfe  und  der  Weg  nimmt  ihr  linkes  Gehänge,  um  über  harte,  karminrote 
Mergelkalke  in  zahlreichen  Serpentinen  zu  dem  Dorfe  hinabzusteigen.     Etwa  in 
halber  Höhe  unter  dem  Passe  ist  am  Wege  am  linken  Gehänge  ein  Hof  mit  Wirtschaft, 
bei  welchem  die  roten  Mergelkalke  der  oberen  Steinkohlen-Formation  Nord  20® 
West  streichen  und  30**  nach  Südwest  hin  einfallen.  An  den  Steilgehängen  sind 
mächtige  Schutthalden  der  verwitternden  und  abbröckelnden,   roten  Mergelkalke, 
und    in  diese  Halden  hat    die  Erosion    der  an    den  Gehängen  hinabfliessenden 
Regenwasser  tiefe  Erosionsschluchten  geschaffen  mit  scharfen  Gräten  und  Kämmen. 
Der  Abstieg  bietet  durch  Vereisung  an  abschüssigen  und  tief  eingehöhlten 
Stellen  womöglich    noch    grössere   Schwierigkeiten  als  der  Anstieg.     Erst  beim 
Dorfe  am  Fusse  der  Ostseite  wird  das  Thal  breiter  und  verläuft  in  Ostnordost- 
Richtung  zwischen  flachen,  niederen  Hügeln.    Der  Schluchtausgang  an  der  Brücke 
beim  Dorfe  liegt  in  der  Meereshöhe  von  2160  m.     Eine  Reihe  isolierter,  bizarr 
in  Form  von  Rechtecken,  Trapezen  oder  Kasten  ähnlichen  Gestalten  gebildeter, 
über  3000  m  hoher  Gipfel    machen  die  Kammlinie  des    Lopan-schan  und  Tai- 
hin-schan    von    der    Ostseite    gesehen,    sehr    abwechslungsreich   und  auffallend. 
Auch  auf  dieser  Seite  sind  die  Gehänge  der  hohen  Berge  nicht  bewaldet,    fast 
ganz  kahl  und  sehr  steil.   Das  kleine  Thälchen  mit  dem  Wege  führt  etwa  1  km 
unterhalb    des    Dorfes    am  Schluchtausgang    in    Ostnordost-Richtung    zu  einem 
grösseren    Flussthal,    an    dem    ein    grösserer  Ort  Oa-ting-ye  (Kreitner)  der  Ein- 
mündungssteile   gegenüber    liegt.     Der  Weg   folgt  nun  diesem  grösseren  Thale 
auf   seiner  linken  Seite  in  Südost-  und  später  östlicher  Richtung  nach  abwärts. 
Das  Thal  geht  in  vielfachen  Windungen  um  steile  Felsenklippen  zwischen  4CXD  m 
hohen,   schroff  abfallenden   Bergen  hinab  und   erhält  eine  Reihe  von  kleineren 
Nebenflüsschen    von    beiden  Seiten,    in  deren  Hintergrunde    noch  höhere,  steil- 
wandige Berge  sichtbar  werden.     Am  Wege,   der  schöne,   malerische  Ausblicke 
eröffnet,   stehen  vielfach  Felsklippen  an,   die   oben  im  engen  Thale  aus  grauen 
und  dunkeln,    harten  Kalkmergeln    mit  westnordwestlichem  Streichen  bestehen. 
Bei    einer  erneuten  Biegung    des  Thaies    aus  der  Ost-Richtung    in   solche  nach 
Südost,    wo    ein  Felsenthal    aus  Nordnordosten  von    über  600  m  hohen,    spitz- 
gipfeligen  Bergen  herab  kommt,  verengt  sich  das  Thal  zur  Felsenschlucht,  deren 
senkrechte  Wände    über    100  m    hoch    über    den    wild  schäumenden   und  über 
Felsblöcke    dahinstürzenden    Fluss     sich    erheben.      Busch    und    Wald    in    den 
steilen  Felsengehängen  über  den  engen  Schluchten  machen  das  Landschaftsbild 
zu    einem    hochromantischen,    dem    auch  Tempel  auf  steiler  Klippe  und  einige 
Heiligenstatuen    in    Felsnischen  am  Schluchtausgange  nicht    fehlen.     (Siehe  die 
Textfigur  auf  Seite  471).   Der  Weg  ist  nur  durch  künstliches  Einsprengen  in  die 
Felswände  längs  dem  Flusse  entlang  gefuhrt  und  geht  etwa  30  Minuten  in  so  enger 
Felsenschlucht,  dass  nur  ein  schmaler  Streifen  vom  Firmamente  sichtbar  bleibt, 
und  den  Sonnenstrahlen  ausser  am  frühen  Morgen  jeder  Eintritt  in  die  Tiefe  der 
Schlucht    versagt    bleibt.     Ein    eisig    kalter  Wind    durchzog    sie,   als  wir  schon 
gegen  Abend    hindurchritten,    und    überall  waren   noch  Reste   von  Schnee  und 


—     474     — 

Eiszapfen  vorhanden.  Es  muss  ein  tiefer  Zug  von  Religiosität  in  dem  Volke  ge- 
wohnt haben,  das  seine  Tempel  an  solchen  von  der  Natur  bevorzugten  Stellen, 
die  dem  Menschen  die  Macht  überirdischer  Kräfte  zum  unmittelbaren  Bewusstsein 
bringen,  errichtete.  Es  scheint  aber,  dass  diese  Religiosität  sehr  im  Rückgang  be- 
griffen ist,  denn  vielfach  zerfallen  die  Tempel,  die  Figuren  der  Heiligen  sind  umge- 
stürzt, und  nichts  geschieht,  um  sie  wieder  in  Stand  zu  setzen.  Das  kann  man 
ganz  allgemein  auch  in  und  bei  den  Dörfern  beobachten.  Vielleicht  hängt  aber 
diese  auffallende  Vernachlässigung  der  in  früheren  Zeiten  errichteten  Heilig- 
tümer mit  der  zunehmenden  Verarmung  des  Volkes  zusammen,  von  der  mir 
ein  seit  langen  Jahren  chinesische  Zustände  genau  verfolgender  Missionar,  Herr 
Törnwall  in  P*ing-liang  fu,  erzählte  und  zahlreiche  Beispiele  anführte. 

Von  dem  Schluchtausgange,  in  1620  m  Meereshöhe,  ist  es  nur  noch  etwa 
3  km  in  Ost-Richtung  am  Flusse  in  l  km  breitem  Thale  hinab  bis  Hao-lien*),  einem 
grösseren  Dorfe  und  unserm  Abendquartier.  Auf  dieser  letzten  Strecke  sind  die 
Berggehänge  der  rechten  Thalseite  noch  etwa  300  m  hoch  mit  Buschwald  über- 
zogen, aus  welchem  man  ab  und  zu  die  roten,  knolligen  Mergelkalke  hervortreten 
sieht.  Die  linke  Thalseite  besteht  auch  zuerst  aus  solchen  roten  Mergelkalken, 
denen  aber  an  einer  Verwerfung  plötzlich  hell  grünliche,  in  dünnen  Bänken 
geschichtete  Sedimente  angelagert  sind,  die  mit  stellenweise  geringer  Lössbe- 
deckung  auf  der  Bergeshöhe  von  350  m  bis  weit  unter  Hao-tien  anhalten.  Links 
ist  das  Gehänge  gegen  den  Fluss  herab  steil,  meist  ganz  kahl  und  von  Gestein- 
schutt gebildet  Der  Fluss  fliesst  in  breitem  Bette,  auf  dessen  5  m  hoher  Thal- 
terrasse Hao-tien  liegt;  die  Steilwände  dieser  Terrasse  bestehen  ganz  vorwiegend 
aus  eckigen  Bruchstücken  und  Scherben  der  Mergelkalke.  In  einzelnen  Lagen  mit 
gröberen  Gerollen  sind  Sandsteine,  härtere  Mergelkalke  und  seltener  die  blau- 
schwarzen, dichten,  massigen  Kalke  zu  finden. 

Die  Unterkunftsverhältnisse  waren  auch  in  Hao-tien  nicht  gut;  ein  kleiner 
Raum  bot  kaum  den  nötigen  Platz,  um  zwei  Betten  zurechtmachen  zu  können, 
die  aus  den  Angeln  gerissene  Holzthür  konnte  nur  angelehnt,  nicht  richtig 
geschlossen  werden,  und  die  Papierverklebung  des  Fenstergitters  war  in  Fetzen 
zerrissen;  wir  schliefen  so  gut  wie  im  Freien  in  der  Nacht  zum  12.  Dezember, 
in  welcher  die  Temperatur  auf  —  1 5®  C.  sank.  Auch  auf  dieser,  zu  beiden  Seiten 
des  Passes  sehr  schwierigen  Wegstrecke,  herrschte  lebhafter  Verkehr;  ich  zählte 
an  Kamelen  der  Karawanen  allein  über  800  Stück,  und  ihre  Zahl  dürfte  iocx> 
übertroffen  haben;  sie  transportierten  hauptsächlich  Stoffe  von  der  Küste  und 
Eisenwaren.  Daneben  sah  man  zahlreiche  Maultier- Karawanen  und  Lasten- 
träger. Die  wenigen  Dörfer,  durch  welche  der  Weg  im  Laufe  des  Tages 
führte,  machten  einen  sehr  armseligen  Eindruck;  an  der  Strasse  war  gewöhn- 
lich nur  Brot  und  Thee,  ausser  einigen  in  Fett  getauchten  Gebacken,  zu  haben. 


*)  Die  hier  und  weiterhin  bis  Si>n^an  fu  gebrauchten  Ortsnamen,  die  noch  nicht  auf  andern 
KiU'ten  enthalten  sind,  verdanke  ich  Herrn  Rev.  Törnwall,  der  sie  durch  Befraf^en  unserer  chinesischen 
Diener  genau  feststellte.     Hao-tien  ist  wahrscheinlich  nach  Dr.  Himly  =  Wa-thing  yi. 


-    475     — 

Ucr  Weg  von  hier  nach  r'ing-liang  fu  kann  am  Wathing-ho  (==  Oa-ling-ho, 
Krcitner)  hinab  in  einem  Tagemarsch  zurückgelegt  werden;  die  Expedition  ver- 
wendete aber  zwei  Tage  darauf,  da  die  Tagemärsche  der  vorangegangenen  Tage 
sehr  lang  und  ermüdend  gewesen  waren;  es  wurde  in  einem  etwa  in  der  Mitte 
zwischen  Haotien  und  der  grossen  Stadt  P'ing-liang  fu  gelegenen  Dorf  am  Abend 
des  12.  Dezember  Halt  gemacht  und  jene  Stadt  erst  um  Mittag  des  13.  De- 
zember erreicht.  Von  Hao-tlen  geht  der  Weg  auf  der  Flussterrasse  der  rechten 
Thalseite  hinab;  der  Buschwatd  der  steilen  Bei^gehänge  rechts  reicht  mehrfach 
in  Seitenthälern  bis  an  den  Weg  heran  und  bildet  den  Aufenthaltsort  zahlreicher 


Dorf  am  T.ÜBSg;cliäDce,  oberhall)  vou  f-inji-liaiiR  fu, 

schöner  Fasanen.  Die  vielfach  zu  Tage  tretenden  Felsklippen  bestehen  aus 
grünen  Mergelkalken.  Auf  der  linken  Thalseite  sind  die  Berge  300  m  hoch 
und  haben  am  steilen  Thalgehänge  grosse  Flächen  von  kahlem  Gehängesehutt 
der  grünen  Mergelkalke,  zwischen  welche  man  auch  mächtige,  rote  Lagen  einge- 
schaltet sehen  kann.  Das  Thal  verläuft  in  östlicher  Richtung,  und  im  Hinter- 
grunde seiner  von  Norden  kommenden  Seitenthäler  erscheinen  höhere  Berge. 
Der  Weg  geht  auf  eine  kurze  Strecke  auf  die  linke  Flussseite  hinüber, 
und  von  da  ab  werden  auf  beiden  Thalseiten  die  Höhen  niedriger.  Links  be- 
ginnt eine  stärkere  Lössbedeckung  der  Berge  und  ihrer  Gehänge,  an  deren 
Fusse  Höhlenwohnungen  und  Dörfer  in  fast  ununterbrochener  Reihe  am  unteren 
Thalgehänge  bis  P'ing-liang  fu  hin  überall  angelegt  sind,  teils  noch  bewohnt, 
teils  verlassen.     Rechts  hält  noch  das  steilere  Gehänge   mit  Buschwald  an,  und 


—     476     — 

auch  grüne  und  rote  Mergelkalke,  unterlagert  von  30  m  starken,  massigen  Kalken, 
sind  noch  anstehend.  Bald  aber  beginnt  auch  hier  der  Löss  mächtiger  aufzutreten 
und  bildet  am  Wege  auf  der  Schotterterrasse  des  Flusses  über  80  m  hohe  Steilwände, 
in  welche  Dörfer,  darunter  auch  unsere  Abendstation,  Ngan-ku-tschou  eingebaut 
sind;  die  Lössterrassen-Berge  der  linken  Thalseite  sind  nur  noch  150  m  hoch, 
während  auf  der  rechten  Seite  in  weiterer  Entfernung  vom  Thale  hinter  der 
breiten  Lössstufe,  die  bis  150  m  hoch  an  dem  Bergfusse  hinaufreicht,  im 
Hintergrunde    von  Seitenthälern    noch    über  400  m  hohe  Berge    sichtbar   sind. 

In  der  Fortsetzung  des  Weges  von  hier  nach  P'ing-liang  fu  in  südöstlicher 
Richtung  ändern  sich  die  Verhältnisse  auf  beiden  Thalseiten  nicht  wesent- 
lich. Auf  dem  1,25  km  breiten  Thalboden,  der  nur  noch  eine  rudimentäre, 
niedere  Flussterrasse  besitzt,  ist  nur  Ackerland,  kein  Strauch,  kein  Wald. 
Bäume  sind  nur  spärlich  bei  den  Ortschaften  am  Ausgange  von  Seitenthälern 
zu  sehen.  Beiderseits  an  den  Berggehängen  ist  typische  Lössterrassenlandschaft 
mit  schöner  Schluchtenbildung  auf  der  nördlichen  Seite,  wo  weiter  unten  am 
Thalausgange  steilere  Gehänge  ohne  Terrassen  und  nur  am  Fusse  noch  mäch- 
tige Lösse  mit  Höhlendörfern  vorhanden  sind.  Am  Ausgange  des  Thaies  gegen 
das  grosse  Thal  des  King-ho,  2  Kilometer  oberhalb  von  P'ing-liang  fu,  liegt  auf 
der  rechten  Seite  des  Thaies  ein  kleiner  Tempel  und  auf  der  vordersten  Berg- 
höhe gegen  das  King-ho  Thal  hin  ein  Wegesignal  auf  nur  noch  100  m 
hohen,  ganz  von  Lössterrassen  bedeckten  Höhen,  während  auf  der  linken  Seite 
noch  250  m  hohe  Berge  die  Thalgehänge  bilden.  Das  grosse,  3 — 4  Kilometer 
breite  Thal  des  King-ho  kommt  aus  westlicher  Richtung  und  hat  auf  seiner  rechten 
Seite  ganz  flach  ansteigende  Lehmhöhen;  etwa  5  Kilometer  weiter  oberhalb  tritt 
das  Thal  aus  enger  Felsenschlucht  der  hohen  Gebirgskette  des  Tai-hin-schan, 
der  waldbewachsene,  steile  Abhänge  und  schöne,  spitze  Gipfel  zwischen  tiefen 
Thaleinschnitten  hat.  Der  Verlauf  dieser  malerischen,  hohen  Gebirgskette  ist 
nach  Südosten  gerichtet  Nach  Beschreibung  des  Rev.  Missionär  Törnwall  in 
P*ing-Iiang  fu,  sollen  in  der  hohen  Gebirgskette  im  Westen  der  Stadt  vielfach 
landschaftlich  sehr  schöne  Wälder  mit  Tannen,  Fichten,  Zedern,  Birken  und 
Eichen,  grossartigen  Felspartien  und  tiefen,  engen  Thalschluchten  vorkommen, 
auch  seien  die  schön  gelegenen  Punkte  mit  vielen  Tempeln  geschmückt.  Die 
geologische  Zusammensetzung  scheint  nach  den  im  Flussbette  des  King*  ho 
verbreitetsten  Gerollen  hauptsächlich  aus  Konglomeraten  und  Breccien,  roten, 
grauen  und  braunen  Sandsteinen  und  harten,  dunkeln  Kalken  gebildet  zu 
werden,  während  Granit  oder  andere  massige  Gesteine  unter  den  FlussgeröUen 
vollständig  fehlen. 

Das  Thal  des  King-ho  geht  von  der  auf  seinem  rechten  Ufer  gelegenen 
Stadt  P*ing-liang  fu  zwischen  niedriger  werdenden  Bergen  der  beiden  Thalseiten 
in  Ostsüdost-Richtung  weiter  und  mündet,  zuletzt  in  Südost  Richtung  verlaufend, 
nördlich  von  Si-ngan  fu  in  den  Wei-ho.  Wie  alle  grösseren  chinesischen  Flüsse 
hat  er  in   verschiedenen  Teilen  seines  Laufes  verschiedene  Namen.     Oberhalb 


—    477     — 

von  P*ing-liang  fu,  wo  der  schwächere  Wa-thing-ho  in  ihn  mündet,  heisst  der 
Fluss  Ning-ho;  unterhalb  dieser  Stadt  giebt  Kreitner  den  Namen  Ting-ho  an  bis 
Pin-tschou,  und  oberhalb  seiner  Einmündung  in  den  Wei-ho  heisst  er  Tsin-ho. 
Die  Missionare  in  P*ing-liang  fu  bezeichneten  aber  den  Fluss  in  seiner  ganzen 
Erstreckung  unterhalb  dieser  Stadt  als  King-ho  nach  der  an  ihm  gelegenen 
grösseren  Stadt  King-tschöu,  was  auch  Dr.  Himly  bestätigt. 

Der  Weg  überschreitet  nordwestlich  von  von  P*ing-liang  fu  den  breiten, 
aber  seichten  King-ho  auf  einer  primitiven  Brücke  und  steigt  auf  dem  rechten 
Ufer  über  Lehmgehänge  noch  etwas  zur  Stadt  an,  die  von  einer  sehr  langen 
Mauer  umfasst  wird.  Innerhalb  der  Mauer  zeigt  sich  aber  ein  trauriges  Bild 
der  Zerstörung.  Zwei  Drittel  des  von  der  Stadtmauer  eingeschlossenen  Raumes 
ist  mit  Trümmern  bedeckt.  In  der  grossen  und  bedeutendsten,  von  West  nach 
Ost  die  Stadt  durchziehenden  Strasse  herrscht  nicht  das  rege  Leben  wie  in  den 
östlich  gelegenen,  hauptsächlich  von  Muhamedanern  bewohnten  Vorstädten,  wo 
sich  eine  dichte  Menschenmenge  drängt,  und  Magazine,  Werkstätten,  Läden 
und  Wirtsstuben  sich  in  bunter  Reihe  folgen.  Die  Zeit  der  Zerstörung  der 
Stadt  liegt  schon  30  Jahre  zurück  und  erfolgte  in  'einer  der  Dunganen-  oder 
Muhamedaner-Rebellionen,  die  im  Innern  Chinas  überall  so  viel  Unheil  anrichten 
und  auf  Jahrzehnte  hinaus  ihre  Spuren  hinterlassen.  Die  Einwohnerschaft  der 
Stadt  mit  den  Vorstädten  wird  jetzt  auf  20  000  geschätzt,  wovon  die  Hälfte 
Muhamedaner  sind.  Auch  im  weiteren  Bezirke  und  Umkreis  der  Stadt  mit 
60000  Einwohnern  soll  das  Verhältnis  zwischen  der  Zahl  der  Muhamedaner 
und  der  andern  Konfessionen  angehörenden  Chinesen  dasselbe  sein.  Der 
lebhafte  Handel  der  Stadt  zeigte  sich  schon  lange  vor  derselben  durch  den 
gesteigerten  Verkehr  auf  der  grossen  Strasse;  aber  die  Unterkunftsverhältni.sse 
sind  auch  in  der  Stadt  schlecht,  und  in  einem  grossen  Hofe  für  Maultier- 
karawanen konnten  wir  als  Quartier  nur  einen  Raum  erhalten,  der  als  Pferde- 
stall eingerichtet  war,  ja  wir  durften  noch  froh  sein,  dass  nicht  auch  diese 
Tiere,  wie  schon  an  andern  Orten,  zu  den  Mitbewohnern  gehörten.  Von  selten 
der  Bevölkerung  kamen  keine  Belästigungen  vor,  selbst  im  Hofe  unseres  Unter- 
kunftshauses waren  der  Neugierigen  nicht  zu  viQle.  In  dieser  Stadt  fiel  uns 
zum  ersten  Male  die  grosse  Zahl  der  Bettler  auf,  aber  auch  sie  zeigten  noch  nicht 
die  Zudringlichkeit,  welche  weiter  im  Osten  und  in  den  Küstenstädten  Fremde 
und  Reisende  so  sehr  belästigt.  Das  Aussehen  dieser  Aermsten  der  Armen 
ist  immer  über  alle  europäischen  Begriffe  traurig;  viele  sind  noch  dazu  mit 
abstossenden  Krankheitserscheinungen  behaftet.  Von  erwähnenswerten  Bau- 
werken bietet  die  Stadt  nur  eine  hohe,  achtstöckige  Pagode,  deren  Wände  mit 
farbigen  Ziegeln  geschmückt  sind,  und  die  am  Ostende  der  Vorstädte  liegt. 
Unseres  Bleibens  war  hier  nicht  lange,  schon  am  15.  Dezember  wurde  der  Weiter- 
marsch nach  Si-ngan  fu  angetreten. 

Der  Weg  geht  während  zweier  langer  Marschtage  auf  der  rechten  Seite 
des  King-ho  hinab,  zumeist  in  südöstlicher  Richtung.     Auf  der  linken  Thalseite 


-     47«     - 

sind  die  Berge  noch  300  m  hoch,  haben  steiles,  zerschluchtetes  Gehänge  gegen 
das  Flussthal  und  tragen  oben,  wo  sie  flacher  werden,  Lössterrassen ;  rechts 
ist  neben  dem  Wege  eine  Lehmstufe  und  Terrassenlandschaft,  die  bis  zu  den 
Höhen  von  200  m  hinaufreicht.  Auf  der  linken  Thalseite  tritt  kein  grösseres 
Tha!  während  des  ersten,  25  km  betragenden  Tagemarsches  aus,  nur  kleine 
Schluchten  kommen  an  dem  thalabwärts  immer  niedriger  werdenden  Gehänge 
herunter;  die  Höhen  sind  oben  auch  eben  und  überall  im  gleichen  Niveau, 
so  dass  oben  eine  l'lateau-Flächc  gebildet  wird,  auf  der  Dörfer  und  Bäume  zu 
sehen  sind. 


IxiistermHea  und  I^M-Dörior  iiuf  der  Unken  Thnlaeiie  des  Klng-ho,  unrcrliiilb  tan  P'in);-Iiniig  (u. 

Das  Flussthal  ist  im  Durchschnitt  etwa  3  Kilometer  breit  und  der  Fluss  fliesst 
an  einer  6  m  hohen,  aus  Geröll  und  Lehm  gebildeten  Terrasse  auf  der  linken  Ufer- 
seite entlang.  Die  Lehmstufe  zur  Rechten  des  Weges,  aus  der  viele  kleinere,  tief 
eingerissene  Lehmschluchten  und  auch  einige  grössere  Thäler  austreten,  ist  etwa 
50  m  hoch.  Sie  steigt  gegen  Süden  allmählich  an,  und  etwa  '/e  Kilometer 
vom  Wege  entfernt  sind  150  m  hohe,  von  Lehm  und  Terrassen  bedeckte  Berge, 
die  alle  auch  plateauartig  gleich  hoch  und  oben  eben  sind.  Sie  sind  etwas 
niedriger  als  die  entsprechende  Plateaufläche  der  linken  Thalseite,,  auf  welcher 
aber  ein  Absatz  im  Gehänge  mit  horizontaler  Fläche  dem  Plateau  der  rechten 
Seite  zu  entsprechen  scheint  Der  Bergfuss  beiderseits  des  Thaies  ist  von  zahl- 
reichen Dörfern  eingefasst,  welche  zwischen  ganzen  Wäldern  von  Bäumen  ver- 
borgen liegen,  während  sonst  der  3  km  breite  Thalboden  ohne  Baum  und  Strauch 


—    479    — 

nur  einförmiges,  im  Winter  öde  daliegendes  Ackerland  trägt,  das  mit  Korn,  Weizen 
und  Gerste  bebaut  wird.  Der  Weg  steigt  vorübergehend  einmal  zur  Höhe  der 
rechts  gelegenen  Lehmstufe  hinauf.  In  dem  Einschnitte  des  hinaufiuhrenden 
Hohlweges  sind  zwischen  die  Lehmschichten  dünne  Lager  feiner  Flussschotter 
eingelagert,  ein  Beweis,  dass  diese  Stufe  noch  eine  Ablagerung  des  Flusses  ist 
und  noch  nicht  rein  äolische  Lösse  trägt,,  welche  erst  in  grösseren  Höhen 
auftreten.  Auf  dem  Wege  war  wieder  sehr  viel  Verkehr,  darunter  auch  Kamel- 
karawanen mit  sehr  viel  Lasttieren.  ^ 

Von  dem  unbedeutenden  Dorfe  Pai-schuei  yi  wurde  bei  herrlichem,  klarem 
Winter wetter  am  16.  Dezember  der  Marsch  30  km  weit  immer  in  ostsüdöstlicher 
Richtung  und  ganz  gleichbleibendem  Thalcharakter  bis  zur  Stadt  King-tschou 
fortgesetzt.  Auf  der  linken  Thalseite  fallen  besonders  die  am  unteren  Lösssteil- 
gehänge  in  ununterbrochener  Reihe  angelegten  Höhlenwohnungen  und  Höhlen- 
dörfer, die  aber  zum  Teil  wegen  Einsturzes  verlassen  sind,  in  die  Augen;  das 
hier  fast  3  km  breite  Thal,  bietet  denselben  öden  Anblick  kahler  Felder,  auf 
denen  hauptsächlich  Getreide  und  Hafer  angebaut  wird.  Der  letztere  dient 
nicht  nur  den  Pferden,  sondern  auch  den  Menschen  zur  Nahrung.  Wie  schon 
von  P4ng-liang  fu  an,  so  begleitet  den  Weg  auch  weiter  thalabwärts  rechts  eine 
Lehmstufe,  und  die  höheren  Berge  liegen  weiter  vom  Thal  zurück.  Das  ganze 
Gehänge  ist  von  Ackerland  und  Terrassen  bedeckt.  Auf  der  linken  Thalseite 
ist  die  Höhenlage  der  fortsetzenden,  ebenen  Plateaus  200  m ;  vom  Gehänge  tragen 
die  oberen  50  m,  die  flacher  sind,  noch  Lössterrassen,  darunter  aber  ist  steileres 
Gehänge  mit  kleineren  Erosionsschluchten.  An  dem  rechts  neben  dem  Wege 
gelegenen  Steilabfall  der  Lehmstufe,  dem  auch  auf  der  linken  Thalseite  ein 
Absatz  im  Gehänge  entspricht,  liegen  die  Dörfer  an-  und  teilweise  eingebaut; 
auf  der  Höhe  sind  Tempel,  und  der  Absturz  der  Stufe  ist  vielfach  durch 
Schluchten  in  schmale  Pfeiler  und  Vorsprünge  zwischen  den  Dörfern  aufgelöst. 
Noch  weiter  unten  im  Thale  reichen  links  die  Terrassen  -  Gehänge  immer 
weiter  gegen  das  Thal  herab  und  die  Berge  sind  nur  noch  150  m  hoch,  rechts 
bleiben  sie  entfernter  vom  Thale  noch  150—300  m  hoch;  das  Thal  selbst  ist 
enger  geworden  und  seine  Breite  beträgt  nur  noch  etwa  1,5  Kilometer.  Die 
IG  m  hohe  Schotter-  und  Lehmterrasse  am  Flusse  ist  nur  auf  dem  linken  Ufer 
noch  vorhanden,  rechts  steigt  vom  Niveau  des  Wassers  das  Lehmgehänge  ganz 
allmählich  bis  zur  Höhe  des  Weges  und  des  Fusses  der  rechtsseitigen  Löss- 
steilwände.  Gegen  die  Stadt  King-tschou  hin  wird  der  Thalboden  noch  schmaler, 
auf  der  rechten  Thalscite  beginnen  an  steilen  Gehängen  horizontale,  dünne  Lagen 
bildende  Schichten  von  graugrünen  und  gelblichen  Kalkmergeln  und  mürben 
Sandsteinen,  über  denen  weiter  oben  am  Gehänge  Löss  liegt. 

Da  der  Fluss  hart  an  die  rechte  Thalseite,  an  welcher  rote  Thone  und 
Mergel  bis  zu  20  m  Höhe  anstehen,  herantritt,  ist  der  Weg  gezwungen,  am 
steilen  Berggehänge  eingesprengt,  an  Steilwänden  von  roten  und  grauen  Kalk- 
mergelbänken und  sandsteinartigen  Mergeln,  hart  über  dem  Flusse  weiterzugehen 


—    48o     — 

bis  zur  Einmündung  des  grossen,  aus  Westsüdwest  kommenden  Thaies  des 
Tsing-schuei  bei  King-tschou.  Der  Weg  steigt  an  der  nach  Osten  gerichteten 
Bergkante  zwischen  dem  King-ho-Thale  und  dem  Tsing-schuei-Thale  auf  die 
breite  Thalebene  des  letzteren  hinab  und  erreicht,  über  den  Fluss  setzend,  die 
auf  dem  rechten  Ufer  am  Lössgehänge  hinaufgebaute  Stadt  King-tschou.  An  der 
genannten  Bergkante  ist  ein  Felsentempel  am  Wege  gelegen  mit  Heiligen- 
Statuen;  am  Berggehänge,  das  gegen  Süden  gerichtet  ist,  liegt  hoch  oben 
über  Lössterrassen  ein  Dorf.  In  der  Umgebung  der  Stadt  und  in  dem  Thale 
des  Tsing-schuei  spielen  mächtige  Lehmdecken  eine  grosse  Rolle.  Die  beiden 
letzten  Marschtage  von  P*ing -hang  fu  wurden  bei  herrlichem,  sonnigem,  aber 
kaltem  Wetter  zurückgelegt;  dass  die  Lufttemperatur  auch  um  die  Mittagszeit 
nicht  viel  über  den  Nullpunkt  stieg,  kommt  daher,  dass  mit  grosser  Regel- 
mässigkeit zwischen  lo  und  12  Uhr,  mitunter  auch  schon  früher,  leichte  Winde 
aus  Südosten  sich  erheben,  die  empfindlich  kalt  sind;  sie  halten  bis  zum  späteren 
Nachmittag  an;    aber  der  Abend  ist  wieder  windstill,   die  Nacht  klar  und  kalt. 

In  King-tschou  (1060  m)  verlässt  der  Maultierweg  das  Thal  des  King-ho  und 
steigt  durch  eine  Löss-Schlucht  steil  hinauf  in  südsüdöstlicher  Richtung  auf  eine 
ganz  aus  mächtigem  Löss  gebildete,  von  engen  und  bis  300  m  tiefen  Schluchten 
durchzogene  Hochfläche,  die  einen  ganz  besonderen,  geographischen  Landschafts- 
typus darstellen,  der  bisher  noch  nirgends  auf  der  ganzen  Reise  in  dieser  Art 
vorgekommen  war.  Auf  der  Höhe  der  wellig-ebenen,  etwa  300  m  über  dem  Niveau 
des  King-ho  bei  King-tschou  gelegenen  Plateaufläche  gelit  der  Weg  mit  manchen 
Ausbiegungen  um  heraufreichende  Schluchtenden,  gegen  solche  Schluchten  hin 
etwas  fallend,  dann  wieder  etwas  ansteigend,  oft  in  Hohlwegen,  die  durch  den 
starken  Verkehr  und  die  Abnutzung  des  Weges  entstanden  sein  müssen,  im 
grossen  ganzen  in  ostsüdöstlicher  Richtung  bis  zu  dem  auf  der  Höhe  des 
Plateaus  gelegenen  Dorfes  Jao-tien,  dessen  Entfernung  von  King-tschou  25  Kilo- 
meter beträgt. 

Schon  der  Aufstieg  zur  Höhe  des  Plateaus  bietet  eine  Fülle  interessanter 
geologischer  Erscheinungen,  entbehrt  aber  auch  in  landschaftlicher  Hinsicht  nicht 
eines  hohen  Reizes.  Zwischen  vielen  Meter  hohen,  senkrechten  Wänden  von 
Löss  geht  der  enge  Saumpfad,  auf  dem  sich  begegnende  Wagen  nur  an  be- 
stimmten Stellen  ausweichen  können,  steil  in  die  Höhe,  von  King-tschou  aus 
zunächst  in  südsüdöstlicher  Richtung,  am  rechten  Gehänge  und  um  die  nach 
der  Ostseite  liegenden,  vielfach  zerzackten  Ausläufer  einer  grossen  Schlucht  hin, 
die  von  Süden  sich  westlich  der  Stadt  zum  Thal  hinaus  öfi^net  Die  Steilwand 
des  Lösses  zur  Rechten  des  Weges,  also  auf  der  gegen  die  Schlucht  ge- 
richteten Seite,  hat  viele  Unterbrechungen,  wo  sie  durch  Absturz  in  die  über 
100  m  an  Tiefe  erreichenden,  einzelnen  Enden  von  Seitenzweigen  der  Haupt- 
schlucht hinabgesunken  ist  Nicht  ohne  Besorgnis  passiert  man  solche  Stellen 
auf  dem  schmalen  Wege,  auf  welchem  fortwährend  begegnende  Leute,  die 
Waren  auf  Schubkarren  transportieren,  zu  oft  schwierigem  Ausweichen  zwingen. 


-     48i     - 

Mein  l'fcrd,  das  noch  aus  Tibet  stammte,  hatte  nie  solche  Schubkarren,  die 
hier  ein  Haupttransportmittel  bilden  und  in  langen  Kolonnen  hinter  einander 
herfahren,  gesehen  und  scheute  während  der  ersten  Tage  an  gefährlichen  Stellen 
so  sehr,  dass  nichts  übrig  blieb,  als  abzusteigen.  Selbst  dann  kostete  es  noch 
Mühe,  das  erregte  Tier  an  den  ihm  schreckhaften  Karren  vorbei  zu  führen. 

Auf  halber  Höhe  des  Anstieges  zum  Plateau  war  die  Aussicht  auf  das 
Schluchtengewirr  der  vielfach  verzweigten  Hauptschlucht  besonders  imposant. 
Der  Boden  der  Schlucht  ist  ein  enger,  in  der  trockenen  Jahreszeit  wasserloser, 
oft  verstürzter  Kanal  ohne  jede  Vegetation.     In  der  Tiefe  stehen   bis  zur  Höhe 


k:islhaus   und   Sohubkari Pii-Ttim8()Oil  iiuf  ilem  I.üsspliUCiiii   [■fi  ThinE-k'ini  pu. 

von  etwa  75  m  rote  Konglomerate  des  Obercarbon  an  und  färben  die  aufwärts 
führenden  steilen  Gehänge  rot.  Dann  beginnen  bei  75  m  die  senkrechten,  gelben 
Lehm-  und  Lösswände,  deren  Höhe  50  bis  70  m  ohne  jede  Unterbrechung  betragen 
kann.  Fast  ebenso  hohe  Lösspfeiler,  Orgeln,  Säuleu  und  Pyramiden  stehen 
überall  in  der  Tiefe  auf  den  langen,  schmalen  Gräten,  welche  an  dem  Zusammen- 
fluss  zweier  benachbarten  Schluchten  entstehen.  Durch  den  Farbenwechsel  der 
tieferen  Ablagerungen  wird  der  Effekt  dieser  Abgründe  noch  erhöht. 

Ueber  den  astartig  nach  oben  in  die  oft  halbkreisförmige,  flache,  nach 
der  Mitte  konkave,  obere  Thalerweiterung  verzweigten  Schluchten,  sind  überall 
Terrassen  angelegt  und  der  fruchtbare  Lössboden  ist  mit  Aeckern  bestellt; 
.selbst  schwer  zugängliche,  isoherte  Lösspartien  sind  nutzbar  gemacht.  Auf  dem 
flacheren  Gehänge  über  den  Schluchten  und  in  nächster  Nähe  derselben  .sind 
in  die-ser  Schlucht  bei  Kingtschöu  Bauernhöfe,  in  andern  ganze  Dörfer  angelegt 


—      4-82      — 

und  in  die  Losssteil  wände  eingebaut.    Die  untenstehende  Abbildung  zeigt  diese 
aufs  äusserste  getriebene  Ausnutzung  des  Lössgehänges  zu  Ackerland. 

Wälirend  des  Aufstieges  zum  Flateau  kommt  der  Weg  schon  ziemlich 
weit  oben  auf  das  Gehänge  einer  andern,  ähnlichen  Schlucht  hinüber,  die  öst- 
hch  von  King-tschöu  das  Thal  des  King-ho  erreicht.  Hier  herrschen  genau  die- 
selben Verhältnisse:  Schluchten,  welche  wie  die  gespreizten  Finger  einer  Hand 
in  die  obere  Thalerweitcrung  eingeschnitten  sind,  oben  auf  den  flacheren  Ge- 
hängen Terrassen  im  Löss  und  in  den  Schluchtentiefen  die  roten  Ablagerungen. 
Der  Weg  benutzt  den  zwischen  diesen  beiden  Schluchten  gelegenen,  nach  oben 


I.;-.ssl«iiclBchaft  mit  Terrassen  und  Schlucht,   »U.liistlich  vcii  Kine-lBch&u. 

infolge  des  näheren  Herantretens  von  Schluchtenendungen  der  beiden  Haupt- 
schluchtensysteme immer  enger  werdenden  Grat,  um  die  Höhe  des  Lössplateaus 
zu  gewinnen;  zuletzt  führt  er  in  ostsüdöstlicher  Richtung  über  den  Schluchten 
der  östlicheren  der  beiden  Hauptschluchten  zu  einem  kleinen,  am  Rande  des 
Plateaus  gelegenen  Dörfchen  in  der  Meereshöhe  von  1360  m  und  300  m  über 
King-tschöu,  das  etwa  50  m  über  dem  Niveau  des  King-ho  liegt. 

In  den  zur  Höhe  liihrenden  Lösshohlwegen  fanden  sich  zahlreiche  Land- 
schnecken in  den  Löss  eingebettet.  Salze  überzogen  vielfach  seine  Steilwände 
am  Wege,  und  auch  die  als  *Lösskindel«  bekannten  Kalkkonkretionen  kamen 
in  diesen  mächtigen,  etwa  200  m  starken  Lössaufhäufungen  nicht  selten  vor. 
In  besonderer  Schönheit  waren  in  den  Hohlwegen,  an  den  Steilwänden  und 
in  kleineren  Seitenschluchten  alle  die  dem  Lösse  eigentümlichen  geologischen 
Erscheinungen,    wie    die  senkrechten    Zerklüftungen    und    Säulenbildungen,    die 


—     483     — 

Absonderung  nach  horizontalen  Bänken  von  sehr  grosser  Mächtigkeit  und  die 
Entstehung  von  Röhren  und  vertikalen,  zylindrischen  Hohlräumen,  sogenannten 
geologischen  Oi^eln,  zu  verfolgen.  Von  der  Höhe  aus  hat  man  eine  umfassende 
Aussicht  über  die  zum  Thale  des  King-ho  hinabziehenden  Schluchten  und  das 
ausgedehnte  Plateau  auf  seiner  linken  Thalseite,  das  denselben  Charakter  besitzt, 
wie  die  von  uns  bei  diesem  Dorfe  betretene  Hochfläche. 

Der  Weg  macht  auf  derselben  in  ostsüdöstlicher  Richtung  weite  Schlangen- 
biegungen und  führt  so  um  die  auf  die  Höhe  und  bis  an  den  Weg  heran- 
reichenden, tiefen  Endigungen  der  Schluchten  herum.  Diese  gehen  auf  der 
nördlichen  Seite  zum  King-ho  hinab,  während  sie  sich  auf  der  südlichen  in 
einer  in  der  Ferne  sichtbaren  Thaldepression  von  westöstlicher  Richtung  ver- 
einigen, die  ebenfalls  zum  King-ho  fuhrt  und  von  unserem  Wege  am  folgenden 
Tage  abends  bei  Thing-k*ou  pu  als  grosses,  von  Westen  kommendes  Längsthal 
erreicht  wird.  Auf  der  Höhe  dehnt  sich  im  Winter  kahles  Ackerland  aus;  Bäume 
sind  nur  bei  den  zahlreichen  Dörfern,  die  meist  an  Schluchtenrändern  stehen,  sowie 
auch  in  geschlossener  Allee  längs  des  Maultierweges  zu  sehen.  Auf  der  Hoch- 
fläche wird  Weizen,  Hafer  und  Mais  angebaut,  und  die  Dörfer  machen  keinen 
ärmlichen  Eindruck;  um  die  Mittagszeit  zogen  wir  durch  den  grösseren  um- 
mauerten  Ort  Or-schi-wu-li  pu  mit  sehr  belebtem  Markte,  auch  lagen  vielfach 
einzelne  Höfe  am  Wege.  Manche  der  Dörfer  zeigen  Trümmer  und  andere 
Spuren  einer  gewaltsamen  Zerstörung,  die  wohl  auch  auf  die  Dunganen-Aufstände 
zurückzufuhren  sein  dürfte.  Gegen  Süden  sieht  man  noch  mehrere  durch  west- 
östlich gehende  Längsthäler  getrennte  Abschnitte  dieser  wellig  ebenen  Löss- 
flächen,  die,  wie  es  scheint,  bis  zum  Thale  des  Wei-ho  nach  Süden  reichen. 
Da  wo  die  schmalen,  engen,  gleich  sehr  tief  (50  m  und  mehr)  beginnenden 
Schluchtenendigungen  an  den  Weg  heranreichen,  was  bald  von  der  einen,  bald 
von  der  andern  Seite  her  der  Fall  ist,  hat  der  Weg  schon  des  öfteren  weiter 
nach  aufwärts,  immer  weiter  zurück  verlegt  werden  müssen,  da  sich  die 
Schluchten  infolge  der  immer  wirksamen  Kräfte  der  Erosion  in  das  Löss- 
plateau  einnagen  und  den  Weg  durchschneiden.  Neben  dem  Wege  sieht  man 
mehrere  eingefahrene  Wegetracen  auf  der  Lössoberfläche,  welche  heute  an  den 
tiefen  Abstürzen  des  Schluchtönrandes  endigen,  früher  aber  dort  auf  ebener 
Fläche  durchführten,  wie  es  heute  der  weiter  von  der  Schlucht  entfernte 
Weg  thut. 

Auf  der  Fläche  ziehen  ganz  schwache  Depressionen  gegen  die  Anfänge 
der  Schluchten  hin  und  die  Höhenunterschiede  zwischen  Rücken  und  Depression, 
die  weiterhin  zu  einer  Schlucht  führt,  betragen  noch  nicht  30  m.  Infolge  der 
mangelnden  Thalbildung  fehlt  es  oben  auch  an  allem  fliessenden  Wasser  und 
bei  jedem  Dorfe  sind  teichartige  Wassertümpel  angelegt,  welche  einen  Vorrat 
von  Wasser  enthalten,  der  selbst  in  der  Sommerzeit  auszureichen  scheint,  wenn 
auch  die  Qualität  dieser  offenstehenden,  häufig  verunreinigten  Wasser  eine  sehr 
zweifelhafte  sein  dürfte.     Kreitner  berichtet,  dass  Brunnen  im  Lösse  bis  zu  60  m 

31* 


-     484     - 

Tiefe  angelegt  werden,  ehe  sie  Wasser  erreichen.  In  der  Nähe  der  beginnenden 
Schluchten  waren  auch  grosse,  kesseiförmige  Einbrüche  zu  sehen  von  erheblicher 
Tiefe  und  einem  so  grossen  Umfange,  dass  an  den  abgestürzten  Steilwänden 
derselben  mehrere  Wohnungen  und  Hütten  eingebaut  werden  konnten.  Es  ist 
das  dieselbe  Erscheinung  im  Grossen,  die  oben  schon  S.  466  in  der  Nähe  von 
Erosionsschluchten  im  Lössgehänge  beschrieben  wurde  und  nur  durch  Aus- 
waschungen und  Wegführung  von  Material  durch  unterirdisch  zirkulierende 
Wasser  entstehen  kann.  Hier  sind  die  Kessel  entsprechend  grösser  und  erreichen 
Tiefen  von  30  m  und  mehr.  Die  konstante  Nähe  einer  Schlucht  zeigt,  wohin 
die  unter  der  Oberfläche  fliessenden  Wasser  von  jedenfalls  atmosphärischem 
Ursprünge  ihren  Weg  genommen  haben,  und  die  vertikal  im  Lösse  immer 
vorhandene  Zerklüftung  giebt  die  Möglichkeit  zur  Bildung  dieser  Riesenkessel, 
wenn  unten  im  Laufe  der  Zeit  erhebliche  Auswaschungen  stattfinden.  Die 
Tiefen  der  Schluchten  sind  überall,  wie  in  der  Schlucht  bei  King-tschou,  unweg- 
same, enge  Wasserwege  ohne  jede  Vegetation  und  ohne  breites  Bett;  erst 
gegen  den  Ausgang  hin  findet  sich  zuweilen  eine  Erweiterung.  In  den  oft 
halbkreisförmig  oder  oval  erweiterten  Depressionen,  in  deren  Mitte  die  Schlucht 
zu  beginnen  pflegt,  sind  mit  Vorliebe  auf  dem  terrassierten  Gehänge  die  Dörfer 
angesiedelt.  Es  sind  dort  künstliche  Terrassen  und  Steilwände  angelegt,  um 
Wohnungen  hineinbauen  zu  können,  und  die  Dörfer  steigen  so  in  hohen  Stufen 
amphitheatralisch  auf.  In  den  sanften  Gehängen  ist  deutlich  der  Ausschnitt 
zu  erkennen,  der  durch  die  Dorfanlage  entstanden  ist.  Gegen  Nordosten  sieht 
man  die  Depression  des  King-ho-Thales  in  immer  grösser  werdender  Entfernung 
in  östlicher  Richtung  verlaufen  und  jenseits  derselben  die  bis  an  den  Horizont 
fortsetzenden  Plateauflächen.  Kein  Berg,  der  sie  überragt,  keine  Erhebungen 
am  fernen  Horizonte;  alles  flachwellig  und  eben,  von  tiefen  Furchen  in  grossen 
Zwischenräumen  durchzogen:  das  ist  der  Charakter  dieser  Lösshochebenen. 

Der  Verkehr  auf  der  Strasse  war  wieder  sehr  lebhaft;  doch  fehlten  hier 
oben  die  Kamelkarawanen,  die  wohl  andere  bequemere,  wenn  auch  weitere 
Wege  einschlagen  müssen,  da  die  Aufstiege  an  den  Lösssteilwänden  für  Kamele 
mit  Lasten  nicht  gangbar  sind;  dafür  sah  man  aber  die  grossen  Schubkarren 
in  ausgiebigster  Weise  für  den  Transport  von  Waren  der  verschiedensten  Art 
dienstbar  gemacht  und  viele  davon  waren  hoch  beladen.  Lastwagen,  Maultiere  und 
Reiter  belebten  neben  den  zahlreichen  Lastenträgern  während  des  ganzen 
Weges  die  sonst  öde  Fläche,  auf  der  kein  Vogel  und  noch  viel  weniger  ein 
Wild  zu  sehen  ist.  In  der  Abendstation  des  17.  Dezember,  Jao-tien,  einem 
kleinen  Dorfe,  bestand  unser  Nachtquartier  zum  ersten  Male  aus  einer  Höhle 
in  der  Lösswand,  und  der  Aufenthalt  darin  war  gar  nicht  so  unangenehm,  wie 
schon  oft  in  andern  Quartieren  auf  diesem  Maultierwege  von  Min-tschou.  Die 
Höhle  war  hoch,  hatte  eine  hölzerne,  mit  Angeln  in  kleinen  Vertiefungen  der 
Lösswände  bewegbare  Thür  und  über  derselben  ein  grosses  Luftloch.  Ein 
Fenster    gab    es    nicht,    obwohl    auch   Lösshöhlenwohnungen    mit    solchen    aus 


—     48s     — 

Papier  nicht  selten  sind.  Aber  an  der  einen  Seitenwand  war  ein  tischartiges, 
vierseitiges  Postament  aus  der  Lösswand  herausgearbeitet,  und  im  Hinter- 
grunde des  für  zwei  Personen  ausreichend  grossen  Raumes  war  eine  breite  und 
tiefe,  bankartige  Erhöhung  zur  Unterlage  Tür  die  Betten  ebenfalls  aus  dem  festen 
Löss  hergestellt,  unten  ausgehöhlt  und  zum  Einheizen  eingerichtet.  Davon 
konnte  allerdings  kein  Gebrauch  gemacht  werden,  da  es  keinen  andern  Abzug 
für  den  Rauch  gab,  als  durch  die  Luftöffnung  über  der  Thür.  Unter  diesen 
Umständen  war  es  schon  besser,  auf  Heizung  zu  verzichten,  die  ohnehin  nur 
mit  Stroh  hätte  geschehen  können.  Uebrigens  sind  solche  Höhlenwohnungen 
im  Winter    verhältnismässig    warm,    da  sie  viel  mehr  Schutz  gegen  den  kalten 


WuhpunifPii  in   r^ggwänilen  bei  ThinK'-k'ou  pu. 

Wind  bieten  als  die  dünnen  Lehmwände  der  Häuser.  Im  heissen  Sommer 
muss  es  hinwiederum  angenehm  kühl  in  diesen  Kellerräumen  sein,  und  selbst 
in  der  nassen  Jahreszeit  leiden  die  Lösshöhlen  nicht  an  Feuchtigkeit.  Die 
meisten  Dörfer  auf  dem  Plateau  bestehen  nur  aus  solchen  Höhlenwohnungen 
und  freistehende  Häuser  mit  Lehmwänden  sind  in  der  Minderzahl. 

Von  Jao-tien  ging  es  noch  einen  Tagemarsch  in  O.stsüdost-Richtung  auf 
dem  Plateau,  dessen  Charakter  derselbe  bleibt,  weiter,  und  zum  Schluss  in  Süd- 
ost-Richtung hinab  nach  Thing-k'ou  pu.  Hier  mündet  ein  grosser  Fluss  aus 
Westnordwest,  dessen  Thaldepression  schon  aus  der  Ferne  von  der  Hochfläche 
aus  sichtbar  war,  in  den  King-ho  ein,  der  einen  grossen  Umweg  gegen 
Nordost  gemacht  hat  und  hier  wieder  vom  Wege  erreicht  wird.  Der  Weg  auf 
der  Höhe  bietet  genau  dasselbe  Landschaftsbild,  wie  derjenige  des  Tags  vorher; 
das   flachwellige  Hochplateau   der  Lössfläche   hat  nur  sehr  geringe  Höhenunter- 


._     486     — 

schiede  und  ist  ganz  kahles  Ackerland;  in  der  Ferne  sieht  man  die  Thaldepression 
des  King-ho  und  eine  andere  im  Süden  von  Nordwesten  gegen  Osten  gehende» 
zu  der  mehrfach  auf  der  rechten  Seite  des  Weges  Schluchten  hinabführen. 

Zur  Linken  beginnt,  bald  nachdem  man  Jao-tien  verlassen  hat,  in  einiger 
Entfernung  vom  Wege  eine  grosse  Schlucht,  die  in  Nordost-Richtung  zum 
King-ho  hinausführt;  einer  ihrer  Seitenzweige  geht  parallel  dem  Wege  nach 
Ostsüdost  und  führt  als  Depression  bis  zum  King-ho  weiter  mit  einer  neuen 
Schlucht,  die  nach  Ostsüdost  läuft,  und  deren  Wasserscheide  gegen  das  erstge- 
nannte Schluchtensystem  nach  Nordost  innerhalb  der  Depression  selbst  liegen 
muss.  Solche  tiefgelegenen  Wasserscheiden  kommen  auch  am  Wege  selbst  vor, 
der  dann  zwischen  steilwandigen  Lössabstürzen  auf  eine  dammartige,  sehr 
schmale  Lehmbrücke  hinabführt,  die  zwischen  zwei  tiefen,  nach  Süden  und 
Norden  hinabgehenden  Schluchten  die  einzige  Möglichkeit  zur  Uebersch reitung 
der  Schluchten  bietet;  aber  schon  hat  die  Erosion  begonnen,  von  den  Seiten 
her  die  steilen  Dammwände  zu  unterminieren,  und  es  ist  schwindelerregend,  zu 
sehen,  wie  der  Weg  auf  dem  Lösse  des  oben  wieder  breiteren  Dammes  stellen- 
weise in  der  Luft  hängt.  Der  Querschnitt  durch  die  Lehmbrücke  ist  oft  schon 
der  einer  Eisenbahnschiene.  Es  ist  nur  eine  Frage  der  Zeit,  wann  ein  neuer 
Abbruch,  der  Teile  des  Weges  mit  in  die  Tiefe  reissen  muss,  erfolgt,  und  eine 
Frage  des  persönlichen  Peches,  wer  dann  dabei  verunglückt.  Zur  Sicherung 
geschieht  nichts,  und  es  ist  auch  hier  bei  dem  Mangel  an  Bausteinen  nicht 
möglich,  Stützmauern  zu  bauen.  Um  aber  die  Gefahr  zu  verbergen,  sind  beider- 
seits des  Weges  auf  dem  Damme  hohe  Lehmmauern  aufgeführt,  welche  die 
Wahrnehmung  der  unterhöhlten  Stellen  verhindern,  die  man  nur  sehen  kann, 
wenn  man  sich  abseits  vom  Wege  befindet.  Und  doch  herrscht  auch  hier 
lebhafter  Verkehr.  Ganze  Karawanen  von  Maultieren  und  Schubkarrenschiebern 
wechseln  mit  zahlreichen  Reise-  und  Lastwagen,  und  für  diese  letzteren  bietet 
die  beschriebene  Stelle  besondere  Gefahr.  In  dieser  holzarmen  Gegend  sieht 
man  zahlreiche  Transporte  von  Steinkohlen  und  auch  Holzkohlen,  welch  letztere 
hoch  auf  die  Schubkarren  aufgebaut  werden;  ausser  Früchten,  Gewürzen,  Gemüsen 
und  andern  Nahrungsmitteln,  werden  viele  Töpfereiwaren  nach  den  Marktplätzen 
gefuhrt.  Auch  an  diesem  Marschtage  lag  ein  grosser,  sehr  verkehrsreicher 
Marktort  etwa  in  der  Mitte  des  Weges,  und  an  den  Steilgehängen  einer  nach 
Nord  hinausziehenden,  kleineren  Seitenschlucht  die  Stadt  Thschang-wu  hsien. 
(Siehe  Tafel  XXXVIII.)  An  der  Seitenschlucht  zur  Linken  liegen  mehrere 
Dörfer  in  künstlich  aus  dem  flacheren  Gehänge  über  den  Schluchten  heraus- 
gearbeiteten Terrassen  und  dabei  stehen  in  der  Regel  auch  einige  Bäume,  die 
sonst  dem  Hochplateau  hier  fehlen;  nur  dass  längs  des  Weges  überall  ganz 
junge  Bäumchen  angepflanzt,   vielfach  aber  ausgerissen  oder  abgebrochen  sind. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Weges  senkt  sich  das  Plateau  allmählich  und 
wird  durch  das  von  links  her  wieder  näher  kommende  Thal  des  King-ho  und 
rechts  durch  die  schon  erwähnte,    von  West  nach  Ost  gehende,    grosse    Thal- 


TAFEL  XXXVIII. 


-    48;    -- 

depression  und  deren  Nebenschluchten  allmählich  in  seiner  Breite  eingeschränkt 
und  auf  einen  Lehmrücken  reduziert,  dessen  Oberfläche  gegen  die  Vereinigung 
der  beiden  Thalsysteme  immer  enger  und  niedriger  wird.  Der  Weg  geht  auf 
der  Mitte  dieses  Rückens  in  südöstlicher  Richtung  allmählich  absteigend  hinab 
bis  zu  einem  kleinen  Dorfe  in  der  Höhe  von  1080  m,  das  nahe  an  der  Kante 
und  dem  steilen  Abstürze  des  Bergrückens,  gegen  die  Vereinigungsstelle  der 
beiden  Flüsse  liegt.  Unterwegs  hat  man  schöne  Ausblicke  sowohl  in  das  breite 
Thal  des  King-ho  links  wie  nach  rechts.  Die  Höhenränder  der  Seiten  beider 
Thäler  sind  gleich  hoch  und  von  der  wellig  ebenen  Oberfläche  des  Plateaus 
reichen  die  Lössterassen  bis  fast  zur  Hälfte  der  Thalseiten  herab ;  erst  unterhalb 
davon  beginnt  das  steilere  Gehänge  mit  vielen  Erosionsrissen  und  ohne  Terrassen. 
Die  Landschaft  ist  hier  einer  grossen  Reliefkarte  ganz  ähnlich,  deren  Höhen- 
kurven und  Höhenstufen  durch  Lagen  von  Holz  oder  dicker  Pappe  hergestellt 
sind,  und  bei  welchen  die  Gehänge  durch  ansteigende  Treppenstufen  gebildet 
werden.  An  der  vorderen,  nach  Südosten  gerichteten  Kante  des  Bergrückens  führen 
zum  King-ho-Thale  wie  zu  dem  von  Westen  kommenden  Thale  steile  Löss- 
schluchten  hinab  und  der  Weg  geht  an  hohen  Lösssteilwänden  und  am  Rande 
von  senkrechten  Abstürzen,  an  andern  Stellen  wieder  im  tief  eingefahrenen 
Hohlwege  steil  und  in  schwindelerregender  Weise  in  die  Tiefe  hinab.  Die 
Höhendifferenz  vom  Beginn  der  Schlucht  bis  zum  Thalboden  hinab  beträgt 
210  m,  die  der  Weg  in  vielfachen  Windungen  und  Biegungen  überwindet. 

In  den  Steilwänden  der  verschiedenen  kleineren,  aber  auch  noch  sehr 
tiefen  Seitenzweige  der  Hauptschlucht  sind  weit  unter  der  Oberfläche  und 
näher  am  Boden  der  Schlucht  gelegene,  weite,  grosse  Höhlen  oder  Kessel  im 
ganz  homogenen  Lösse,  die  ebenso  wie  schon  früher  beschriebene  Erscheinungen 
ähnlicher  Art  an  der  Oberfläche  (pag.  466  u.  484)  und  die  von  einem  gewissen 
Niveau  in  der  Tiefe  beginnende  Orgelbildung  im  Lösse,  nur  durch  Auswaschungen 
nach  und  von  unten  erklärt  werden  können.  Die  mächtige  Lössmasse  ruht 
über  horizontal  gelagerten,  roten,  groben  Konglomeraten  der  oberen  Kohlen- 
formation, die  vom  Thalboden  etwa  50  m  weit  hinauf  an  den  Bergen  steil  ab- 
fallende Felswände  bilden;  man  sieht  sie  nicht  nur  zu  beiden  Seiten  des  grossen 
Thaies  aus  Westen,  sondern  auch  am  linken  Ufer  des  King-ho  in  derselben 
Höhe  überall  als  die  Basis  des  Lösses.  Am  unteren  Ende  der  Löss.schlucht 
liegt  ein  kleines  Dorf,  durch  welches  man  zum  Flusse  gelangt,  der  aus  Nord- 
westen kommt  und  braungelbes  Lehmwasser  führt  und  bei  einer  Breite  von  etwa 
20  m  die  grösste  Tiefe  mit  i  m  besitzt.  Auf  seinem  rechten  Ufer,  etwa  in  der 
Höhe  auf  den  Konglomeraten,  liegt  an  der  Einmündung  ins  Thal  des  King-ho 
der  grössere  Ort  Thing-k*ou  pu.  Von  hier  ab  geht  der  Maultierweg  25  km  auf 
der  rechten  Seite  des  King-ho  in  südöstlicher  Richtung  bis  zu  einer  ehemals 
grossen,  jetzt  grösstenteils  in  Trümmern  liegenden  Stadt  Pin-tschou.  Das  etwa 
2  km  breite  Flussthal  ist  mit  Ackerland  bedeckt.  Bäume  sind  nur  in  der  Nähe 
der  an   dem   Fusse   der  Berggehänge   beider  ThaLseiten   gelegenen,    zahlreichen 


—     438     — 

Dörfer  vorhanden.  Auf  den  bis  über  250  m  hohen,  oben  flachen  Höhen  ist 
ausgesprochene  Lössterrassenlandschaft.  Der  Weg  geht  im  Thal  hinab  um  eine 
Anzahl  von  felsigen  Bergvorsprüngen  und  durch  die  dazwischen  liegenden  flachen 
Thalstrecken  und  bietet  mehrfach  sehr  Interessantes. 

Dadurch,  dass  die  unteren  Teile  der  Berggehänge  stellenweise  bis  zu 
einer  Höhe  von  über  100  m  von  Konglomeraten  und  darüberliegenden  Sand- 
steinen besonders  an  den  Bergvorsprüngen  mit  fast  senkrechtem  Abfalle  ge- 
bildet werden,  und  dadurch  dass  an  diesen  Stellen  der  in  weiten  Windungen 
den  breiten  Thalboden  durchströmende  Fluss  hart  an  den  Bergfuss  herankommt, 
ist  für  den  Weg  mehrfach  nur  durch  künstliche  Absprengung  und  Einschnitte 
in  die  Felswände  hoch  über  dem  Flusse  Raum  zu  gewinnen.  In  den  senk- 
rechten Felswänden  sind  hoch  oben,  wo  über  den  Konglomeraten  die  weicheren 
Sandsteine  beginnen,  an  von  aussen  her  ganz  unzugänglichen  Stellen  zahlreiche 
Oeffhungen  von  Felsenwohnungen,  deren  Zugänge  von  irgendwo  weiter  zurück- 
gelegenen Stellen  im  weichen  Sandsteine  unterirdisch  gefuhrt  sein  müssen.  Auch 
auf  der  linken  Thalseite  sieht  man  hoch  oben  solche  Felsenwohnungen,  die 
offenbar  als  Zufluchtsstätten  in  Zeiten  der  Rebellion  und  Gefahr  dienen,  in 
ruhigen  Zeiten  aber  verlassen  sind.  Am  dritten  Bergvorsprunge  unterhalb  von 
Thing-k*ou  pu  sind  diese  Felsenwohnungen  vom  Wege  aus  ganz  unzugänglich, 
und  der  Weg  selbst  hat  sehr  gefährliche  Stellen,  weil  von  den  steilen  Fels- 
wänden des  stark  von  Klüften  durchsetzten  Sandsteines  immerfort  Abstürze 
grosser  Felsmassen  erfolgen.  Erst  vor  wenigen  Tagen  waren  mehrere  Stellen 
am  Wege  verschüttet  worden,  und  Felsblöcke  von  enormer  Grösse  waren  von 
oben  herabgestürzt.  Auf  dem  Eise  des  Flusses  lagen  ebenfalls  zahlreiche 
Trümmer,  und  der  Weg  war  nur  unvollständig  wieder  freigelegt,  so  dass  der 
starke  Verkehr  von  Wagen  und  Rfaultierkarawanen  vielfach  stockte,  und  viele 
Zeit  durch  Warten  verloren  ging.  Auf  der  südlichen  Seite  dieses  grossen 
Vorsprunges  sind  die  weichen  Sandsteine  benutzt,  um  in  den  senkrechten 
Wänden  Tempel  anzulegen.  Eine  grosse  Kolossalstatue  eines  Buddha,  die  als 
die  grösste  in  China  gilt,  ist  in  einer  Nische  aus  dem  Sandstein  heraus- 
gemeisselt  und  mit  Gold  und  Farben  überzogen;  zwei  kleinere,  nischenartige 
Einhöhlungen  bergen  je  eine  auf  weissem  Pferd  und  Panther  sitzende,  ebenfalls 
aus  dem  Fels  herausgemeisselte  und  mit  Farben  bemalte  Götterstatue  in  etwas 
unter  Lebensgrösse.  Einige  Minuten  weiter  thalabwärts  ist  dann  bei  einem 
Dorfe  ein  grosser,  reich  geschmückter  und  Verzierter  Tempel  an  die  Felswand 
angelehnt,  die  ganz  durchbrochen  ist  von  vielen  Fensteröffnungen  für  kleinere 
Tempelräume,  Nischen  mit  kleinen  Heiligen-Figuren  und  links  von  den  Tempel- 
räumen auch  von  noch  bewohnten  Felsenwohnungen.  In  den  Sandstein  ge- 
meisselte  Treppen  führen  an  der  Wand  hinauf  und  ganze  Galerien  sind  mit 
kleinen  Steinfiguren  ausgefüllt. 

Aber  auch  in  geologischer  Hinsicht  bieten  die  Felsen  der  Bergvorsprünge 
vieles  Interessante.     Zunächst  ist  in    den   mächtigen,   weichen  Sandsteinen  über 


-     4^9     - 

den  Konglomeraten  und  den  dünneren,  diesen  letzteren  eingelagerten  Sandstein- 
bänken eine  ausgezeichnete,  diskordante  Parallelstruktur  von  seltener  Schönheit 
überall  zu  beobachten.  Wie  in  den  von  reissenden  Flüssen  angehäuften  Sand- 
massen  oder  dem  vom  Winde  zusammengewehten  Sande  der  Dünen  an  Küsten 
und  in  Wüsten,  so  wechselt  auch  in  diesen  Sandsteinen  die  feine  Schichtung 
häuhg  ihre  Richtung  und  den  Grad  ihrer  Neigung,  setzt  plötzlich  ab,  und  oft 
werden  die  Lagen  immer  dunner  bis  sie  ganz  verschwinden  und  andere  mit  ver- 
änderter Schichtung  oder  Struktur  ihre  Stelle  einnehmen.  Noch  schöner  sind 
die  vom  Winde  in  den  gröberen  Sandsteinen  und  besonders  in  den  Konglo- 
meratbänken erzeugten  Höhlungen,  die  von  geringer  Grösse  bis  zu  Hohlräumen 


TemiH-l  in  Siiuclstfliid-lseii  unti-rhalli   v..n  'l'hiiic-k-iiii  pu  am  linken   Llcr  ilea  Kliic-li-i, 

von  mehreren  Metern  Durchmesser  und  Höhe  vorkommen,  je  nach  der  Mächtig- 
keit der  Schichten,  in  denen  sie  entstanden  sind.  Diese  Wind-Erosionshöhlen 
sind  um  so  schöner,  je  höher  oben  an  den  Steilwänden  sie  auftreten,  wo  der 
Wind  viel  stärker  weht  und  freieren  Zutritt  hat,  als  in  der  Nähe  der  Boden- 
fläche. Die  grössten  derselben  sind  auf  der  linken  Thalseite  über  den  Höhlen- 
wohnungen, etwa  7S   ■"  über  dem  Flusse. 

An  den  Felswänden  und  besonders  auch  in  der  Nähe  des  erwähnten 
Felsentempels  kann  man  ferner  beobachten,  dass  an  den  vom  Wind  erodierten 
Felswänden,  in  welchen  Lagen  von  härterem  und  weicherem,  sowie  gröberem 
und  feinerem  Materiale  vielfach  wechseln,  vertikale  Säulen  mit  Verdickungen 
und  Knoten  von  ganz  oben  bis  unten  hin  reichen,  wobei  die  Knoten  und  Ver- 
dickungen an  sämtlichen  der  in  Zwischenräumen  nebeneinander  stehenden, 
säulenartigen  Vorsprünge  immer  der  horizontalen  Schichtung  entsprechend  in 
gleicher    Höhe    und    gleicher    Stärke    der  Ausbildung    auftreten.     Diese    merk- 


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würdige  Erscheinung^,  die  in  obenstehender  Abbildung  zum  Ausdruck  kommt, 
kann  nur  durch  Erosion  entstanden  sein,  indem  die  zwischen  den  Säulen 
liegenden  Teile  des  Sandsteins  durch  die  Erosionskräfte  vertieft,  diese 
Säulen  dagegen  verschont  wurden,  und  zwar  so,  dass  die  härteren  Schichten 
entsprechenden  Teile  der  Säulen  weniger,  die  weicheren  Gesteinstellen  ent- 
sprechenden Teile  mehr,  die  Gesamtheit  der  Säulen  aber  weniger  als  die 
zwischenliegenden  Vertiefungen  von  der  Erosion  bearbeitet  wurden.  Woher 
kommt  es  aber  nun,  dass  vertikal  von  oben  bis  unten  quer  über  ganz 
verschieden  harte  und  verschieden  widerstandsfähige  Schichten  Stellen  ver- 
teilt sein  können  mit  höherem  Schutze  gegen  die  erodierenden  Kräfte  des 
Windes,  die  doch  sonst  nur  in  horizontalen  Schichten  horizontal  laufende  Ver- 
tiefungen und  Rinnen  in  den  am  wenigsten  harten  Schichten  herzustellen  ver- 
mögen? In  der  Beschaflenheit  der  einzelnen  Sandsteinlagen  ist  kein  Grund  für 
diese  Erscheinungen  zu  finden,  sie  haben  in  derselben  Schicht,  rechts  wie  links 
in  den  Vertiefungen  neben  der  säulenartigen  Hervorragung  genau  dieselbe  Be- 
schaffenheit .wie  in  dieser  selbst,  und  zwar  ebenso  wohl  in  den  härteren, 
gröberen,  wie  in  den  weicheren,  feineren  Schichtlagen;  nur  in  der  Stärke  der 
Hervorragung,  der  Dicke  der  Säule  liegen  die  Unterschiede  entsprechend  der 
verschiedenen  Härte  der  Schichtlagen;  aber  ganz  gemeinsam  ist  allen  Schichten, 
dass  die  Stellen  geringerer  Erosion  oder  stärkeren  Widerstandes  gegen  die- 
selbe sich  vertikal  untereinander  befinden,  so  dass  Säulen  entstehen.  Allen- 
falk  könnte  an  den  senkrechten  Wänden  herabfliessendes  Wasser  Vertiefungen 
und  vertikale  Rinnen  erzeugen  zwischen  solchen  Stellen,  an  denen  kein  Wasser 
herabkommt,  die  dann  als  Hervorragungen  und  Säulen  übrig  bleiben  würden; 
diese  Erklärung  ist  aber  hier  nicht  anwendbar  aus  folgenden  Gründen.  — 
Die  Vertiefungen  zwischen  den  Säulen  sind  durch  den  Wind  gebildet,  nicht 
durch  Wasser;  sie  liegen  durchaus  nicht  so  untereinander,  dass  sie  kon- 
tinuierlichen Wasserrinnen  entsprechen  könnten,  sondern  sind  gleichmässig  an 
Tiefe,  Formcharakter  und  Gestaltung  in  horizontaler  Richtung  und  in  jeder 
Schicht  etwas  verschieden  an  Höhe,  Tiefe  etc.,  wie  dies  nur  durch  den  in 
horizontaler  Richtung  gleichmässig  auf  eine  Schicht  von  aussen  einwirkenden 
Wind  entstehen  kann.  Die  Hohlräume  und  Vertiefungen  zwischen  den  Säulen 
sind  sogar  die  trockeneren  Stellen,  da  die  Feuchtigkeit,  welche  etwa  von  oben 
herabfliesst,  auf  den  säulenartigen  Vorsprüngen  hinabgeht,  wie  klar  zu  beweisen 
ist  Ueber  den  Felswänden  liegt  überall  eine  mächtige  Lössdecke  und  die 
geringen  Abflüsse  dieser  regenarmen  Gebiete  haben  alle  dickes,  gelb  gefärbtes 
Wasser  durch  die  Beimengung  der  feinen  Lössbestandteile.  Uebcrall,  wo 
solches  Wasser  gelegentlich  über  Felswände  fliesst  und  dann  wieder  versiegt, 
wie  das  an  jenen  Felswänden  mit  den  Säulen  der  Fall  ist,  zeigt  ein  zurückge- 
bliebener, mehr  oder  weniger  starker  Ueberzug  von  gelbem  Lössmateriale  auf 
der  Felsenoberfläche  an,  wo  das  von  oben  aus  dem  Lösse  kommende  Wasser 
seinen  Weg  genommen   hat,    nach   dem   Regen    selbst,    dessen    direkt  auf  die 


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Felsfläche  niederfallende  Tröpfchen  diese  noch  von  Lössmaterial,  das  der  Wind 
herbeigetragen  haben  könnte,  reinigen  würden.  Man  sieht  nun  von  oben  an 
der  Lössdecke  beginnende,  breitere  und  schmalere  solcher  Lehmstreifen  auf 
den  gelegentlich  Wasser  führenden  Stellen  vertikal  an  der  Felswand  herablaufen. 
Die  Sandsteine  und  Konglomerate  haben  eine  intensiv  karminrote  Färbung  und 
um  so  schärfer  heben  sich  jene  strohgelben  Lehmabsätze  von  ihrer  Unterlage 
ab,  so  dass  jeder  Zweifel  unmöglich  wird.  Die  Verteilung  dieser  vertikalen, 
an  dem  gelben  Lehmabsatz  kenntlichen  Wasserwege  ist  nun  ganz  konstant  so, 
dass  sie  vorn  über  die  am  meisten  hervorragenden  Säulenflächen  kontinuierlich 
von  oben  bis  unten  gehen,  so  weit  das  Wasser  herabfloss.  Die  Windver- 
tiefungen zwischen  den  Säulen  sind  dagegen  frisch  rot  und  haben  nirgends 
den  Lehmüberzug;  sie  sehen  aus  wie  frische  Wunden,  die  der  Wind  in  der 
Gesteinsoberfläche  stets  erneuert  und  vertieft,  während  die  Säulen  vorn  noch 
eine  Art  von  Haut  besitzen,  die  sie  schützt:  eben  diesen  gelben  Lehmüberzug. 
Die  oben  näher  geschilderte  charakteristische  Verteilung  der  Lehmüberzüge,  ver- 
bunden mit  der  Anordnung  der  Vertiefungen  und  dem  Charakter  der  Säulen, 
drängt  also  die  Ueberzeugung  auf,  dass  gegenüber  der  allgemein  an  der  Felsen- 
oberfläche vorhandenen  Erosion  des  Windes  die  durch  vertikale  Säulen  aus- 
gezeichneten Stellen  eines  besonderen  Schutzes  sich  erfreuen,  der  durch  die 
Lehmdecke  gebildet  wird.  Die  Art  der  mechanischen  Wirkung  des  Windes, 
der  hier  nur  durch  mitgeführtes,  bewegtes  Schleifmaterial  von  lockersten  Sand- 
körnchen des  Sandsteines  selbst  erodierend  wirken  kann,  lässt  auch  vollkommen 
diese  Erklärung  zu.  Gegenüber  den  anprallenden  und  vorbeistreifenden,  vom 
Winde  getriebenen  Sandteilchen  stellt  eine  auch  noch  so  dünne  Lehmdecke 
ein  Polster  dar,  das  den  Anprall  aufhält  und  das  Abfallen  und  Verwehen  der 
lockeren  Sandteilchen  der  Felsoberfläche  verhindert.  Wenn  diese  Lehmdecke 
auch  selbst  vom  Winde  stark  angegriffen  wird,  so  erfahrt  sie  doch  immer  von 
Zeit  zu  Zeit  wieder  bei  Regen  eine  Erneuerung,  und  die  unter  ihr  liegende 
Oberfläche  wird  in  bedeutend  geringerem  Grade  den  Angriffien  des  Windes 
ausgesetzt  sein,  als  die  nicht  mit  Lehm  überzogenen  Stellen.  Damit  ist  auch 
die  vertikale  Stellung  der  Säulen  erklärt,  sowie  ihre  Knoten  und  Verdickungen 
in  solchen  Schichtlagen,  wo  seitlich  von  ihnen  der  Wind  nicht  so  starke 
Wirkungen  erzeugen  konnte,  wie  in  Lagen  direkt  darüber  oder  darunter,  die 
geringere  Härte  und  Kohäsion  ihrer  einzelnen  Teilchen  besitzen.  Gewiss  sind 
auch  die  Säulen  der  Erosion  unterworfen,  und  diese  wird  an  ihnen  ausser  vom 
Winde  auch  wohl  etwas  vom  herabfliessenden  Wasser  ausgeübt,  aber  der 
letztere  Faktor  ist  nur  von  sehr  geringer  Bedeutung  gegenüber  der  Thätigkeit 
des  Windes,  und  gegen  diese  stellt  der  Lehmüberzug  einen  wirksamen  Schutz 
dar.  Die  Erosion  der  Säulen  ist  jedenfalls  ausserordentlich  verlangsamt  gegen- 
über derjenigen  der  dazwischen  liegenden  Stellen.  Die  interessante  Erschei- 
nung ist  ganz  konstant  an  den  Felsenwänden  der  beiden  Thalseiten  zu  beob- 
achten.    Offenbar  spielt  auch  die  Trockenheit  des  Klimas  bei  ihrer  Entstehung 


—     49^     — 

mit,  indem  durch  die  seltenen  und  nur  geringen  Wassermcngen ,  die  aus 
der  I>os!»decke  über  die  Felswände  hcrabrieseln,  wohl  die  Lehmschutzrinden 
gebildet,  nicht  aber  durch  Wasser-Erosion  Rinnen  eingehöhit  werden  können. 
Für  die  Trockenheit  des  Klimas  sprechen  auch  die  zahlreichen  Stellen  mit 
weissen  Salzüberzügen,  welche  besonders  in  den  oberen,  der  Lössdecke  zu- 
nächst liegenden  Schichten  des  Sandsteines  die  Oberfläche  bedecken  und  auf 
der  linken  Thalseite  kontinuierliche  Flächen  bilden. 

Zwischen  den  Sandsteinvorsprüngen  liegen  breite  Stellen  mit  ebenem  Thal- 
boden und  weiter  weg  vom  Flusse  steigen  die  Gehänge  steil  an;  es  treten  viel- 
fach wild  zerrissene  Schluchten  auf,  an  deren  Steilwänden  und  isolierten  Pfeilern 
man  unten  zuerst  einen  rötlichen  Thon  mit  deutlicher  horizontaler  Schichtung 
und  darüber  erst  die  gelben,  ungeschichteten  Lösse  mit  Terrassen  an  der  Ober- 
fläche wahrnehmen  kann.  An  den  unteren  Schluchtenden  sind  Dörfer  bis  hoch 
hinauf  an  und  in  den  steilen  Wänden  angebaut  und  meist  zi^ischen  ganzen 
Wäldern  von  Bäumen  versteckt.  Bis  gegen  Pin-tschou  hin  geht  der  Weg  noch 
um  mehrere  solcher  Bergvorsprünge  bald  in  der  Höhe  am  Gehänge,  bald  unten 
auf  dem  ebenen  Thalboden  hin,  im  wesentlichen  in  südöstlicher  Richtung.  Die 
zuerst  über  250  m  hohen  Berghöhen  beiderseits  werden  allmählich  niedriger 
und  die  flachen  Gehänge  mit  Lössterrassen  reichen  von  oben  bis  zu  75  m  über 
dem  Thalboden  herab.  Erst  unter  dieser  Höhe  ist  steileres  Gehänge  mit  kleinen 
Schluchten  in  Sandsteinen  oder  Konglomeraten.  Die  Stadtmauer  von  Pin-tschou 
ist  sehr  ausgedehnt  und  reicht  auf  die  vordere  Kante  der  niederen  Höhen 
am  rechten  Flussufer  hinauf;  der  innere  Raum  aber  ist  zu  neun  Zehnteln 
verödet,  verwüstet  und  von  Ruinen  bedeckt  und  nur  längs  der  Strasse  und  in 
ihrer  Nähe  sind  noch  bewohnte  Häuser  angebaut.  In  der  Strasse  herrschte  um 
die  Mittagszeit  lebhafter  Verkehr;  auch  ausserhalb  der  Stadt  war  im  King-ho- 
Thale  die  Strasse  sehr  belebt;  dagegen  nahm  er  auf  der  nun  folgenden  Weg- 
strecke bis  zum  Dorfe  Ta-yü  ab,  obwohl  wir  auch  vielen  Reise-  und  LastA^'agen 
begegneten. 

Bei  Pin-tschou  verlässt  der  Maultierweg  das  Thal  des  King-ho  von  neuem, 
geht  gleich  hinter  der  Stadt  in  einem  Nebenthälchen  nach  Südwest  etwas  in  die 
Höhe  und  dann  bald  in  südsüdwestlicher  Richtung  am  rechten  Gehänge  einer 
tiefen  und  zerrissenen  Lössschlucht  hinauf  zur  Höhe  des  Lössplateaus,  in  der- 
selben Richtung  über  dieses  10  km  weit  hin  und  hinab  zu  dem  Dorfe  Ta-yü, 
das  an  einem  von  Westsüdwest  kommenden,  dem  King-ho  zuströmenden 
Flüsschen  liegt.  Der  Aufstieg  auf  das  Lössplateau  geht  zumeist  in  Hohlwegen 
mit  hohen,  steilen  Wänden  vor  sich;  ganz  unten,  von  der  Stadt  bis  zum  Schlucht- 
eingang, sind  die  Sandsteine  noch  vielfach  sichtbar,  dann  kommen  aber  über  ihnen 
rötliche  Lehme  mit  einzelnen  Lagen  von  groben  Schottern  in  ihrem  unteren 
Teile  und  deutlich  erkennbarer  horizontaler  Schichtung  ohne  alle  Versteine- 
rungen. Erst  über  der  Höhe  von  940  m  erscheinen  die  echten,  hellgelben  Lösse 
ohne   jede  Schichtung  oder  Einlagerung    und    mit    zahlreichen  Landschnecken. 


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In  den  unteren,  geschichteten  Lehmen  findet  man  nicht  selten  in  unregel- 
mässiger, bankiger  Anordnung  rundliche  Brocken  von  Kalkkonkretionen,  die 
aber  nicht  die  Formen  der  Lösskonkretionen  besitzen;  im  echten  Lösse  fehlen 
sie.  Durch  tief  eingefahrenen  Lösshohlweg  erreicht  der  Weg  die  obere  Kante 
der  Schlucht  bei  1090  m.  Am  Wege  selbst  sind  alle  die  schon  beschriebenen 
Erscheinungen  im  Lösse,  wie  Orgeln  mit  Verengerungen  und  Erweiterungen, 
vertikale  Zerklüftung  und  Lehmüberzüge  an  der  Oberfläche  der  Wände  zu 
beobachten  und  zahlreiche  Landschnecken  zu  sammeln.  Auf  der  Plateauhöhe 
geht  der  Weg,  zumeist  im  Lösse  eingehöhlt,  noch  langsam  ansteigend  in  die 
Höhe  bis  zum  höchsten  Punkte  mit  1190  m  und  senkt  sich  dann  wieder  all- 
mählich bis  zu  einem  Dorfe  am  oberen  Ende  von  beginnenden  Lössschluchten, 
die  zum  Thale  von  Ta-yü  hinabfuhren. 

Unterwegs,  noch  ehe  der  höchste  Punkt  erreicht  ist,  tritt  von  Nordost  vom 
King-ho-Thal  und  von  Nordwest  von  der  Schlucht,  an  deren  rechter  Seite  der 
Weg  auf  das  Plateau  gelangte,  ein  Seitenzweig  so  dicht  an  den  Weg  heran, 
dass  dieser  nur  auf  einem  schmalen  Damme  zwischen  Lehmmauern  diese  Stelle 
überschreiten  kann. 

Von  der  Höhe  sieht  man  gegen  Süden  und  Südwesten  in  weiter  Ferne 
Gebirgszüge,  die  um  200 — 300  m  die  Plateauhöhe  übersteigen  dürften.  Vor 
uns  in  der  Verlängerung  des  Weges  ist  schon  die  von  Westen  kommende,  zum 
King-ho  führende  Thaldepression  erkennbar,  in  welcher  Ta-yü  liegt. 

Ein  armseliges  Dorf  bezeichnet  das  obere  Ende  einer  Lössschlucht,  durch 
die  der  Weg  zwischen  50  m  hohen  Lösssteilwänden  und  tiefen,  senkrechten 
Abstürzen  steil  hinabführt.  Es  liegen  mehrere  sehr  zerschnittene  Schluchten 
neben  einander  und  der  Weg  geht  bald  in  eine  westlich  von  der  zuerst  benutzten 
gelegene  Schlucht  hinüber.  Säulenbildung,  Orgeln,  Kesseleinbrüche,  Lehmüber- 
züge auf  den  Steilwänden  des  Hohlweges  sind  auch  hier  ausgezeichnet  zu  stu- 
dieren ;  im  oberen  Teile  sind  aus  dem  Lösse  an  vielen  Stellen  Salze  ausgeblüht, 
weiter  unten,  wo  ebenso  wie  beim  Aufstieg  zum  Plateau  rötliche  Lehme  unter 
dem  Lösse  liegen,  treten  auch  wieder  Bänke  von  kugeligen,  kalkigen  Konkretionen 
auf  und  die  Salze  fehlen.  Etwas  oberhalb  des  unteren  Endes  der  Lössschlucht 
liegt  das  aus  einer  lang  hingezogenen  Reihe  von  Wohnungen  zu  beiden  Seiten 
der  Strasse  bestehende  Dorf  Ta-yü  im  engen  Thale.  Im  Thale  selbst  ist  sowohl 
oberhalb  wie  unterhalb  des  Ortes  Lössterrassen-Landschaft,  deren  Terrassen  bis 
zum  schmalen  Thalboden  herabreichen.  Der  kleine  Ort  war  ganz  überfüllt  mit 
Karawanen  von  Maultieren  und  Lastwagen,  so  dass  wir  nur  mit  Mühe  eine  recht 
mangelhafte  Unterkunft  fanden.  Ausser  gekochten  Nudeln  und  Brot  war  an 
Lebensmitteln  nichts  zu  erhalten. 

Der  am  folgenden  Tage,  am  20.  Dezember,  zurückgelegte  Weg  führte 
zuerst  auch  wieder  hinauf  zur  Höhe  des  Plateaus  in  südlicher  Richtung  und 
dann  auf  dem  Kamme  zwischen  zwei  Thalsystemen  in  südsüdöstlicher  Richtung 
ganz  allmählich  absteigend    über    weite,    wellige  Plateauflächen,    in    denen    nur 


-        494     — 

schwache  Depressionen,  die  auf  ihrem  Grunde  schluchtartige  Thäler  enthielten, 
erkennbar  waren.  Zunächst  bei  Ta-yü,  in  dem  grösseren  aus  WSW  kommenden 
Thale,  war  die  Lössterrassenlandschaft  mit  Höhlenwohnungen  noch  ausgezeichnet 
entwickelt.  Sowohl  oberhalb  wie  unterhalb  des  Ortes  und  am  Flusse  kommen 
graugrüne  Sandsteinbänke  und  darüber  Konglomerate  in  anscheinend  horizontaler 
Lage  zum  Vorschein.  Im  Flussschotter  finden  sich  aber  ausser  diesen  Gesteinen 
auch  zahlreich  Gerolle  von  rotem  Granite,  der  irgendwo  weiter  oben  im  Thale 
den  Untergrund  unter  der  Lössdecke  bilden  muss.  Der  Weg  folgt  einem  aus 
Süden  herabkommenden  Seitenthal  in  die  Höhe;  unten  stehen  auch  hier  viel- 
fach die  Sandsteine  in  mächtigen  Bänken  an,  sowohl  am  Bache  in  Klippen  und 
stellenweise  ein  Felsenbett  bildend,  wie  auch  am  Wege,  der  in  die  Sandsteine 
cingehauen  ist.  Oberhalb  eines  Dorfes  nimmt  das  Thal  eine  westsüdwestliche 
Richtung  an,  und  vielfach  sind  in  demselben  auf  beiden  Thalseiten  bis  weit 
hinauf  die  steilen  Gehänge  rot  gefärbt,  während  die  Lössbedeckung  hier  schon 
sehr  zurücktritt.  Der  Weg  verlässt  das  Thal  und  geht  in  einem  rechten  Seiten- 
thale  desselben  ein  kurzes  Stück  hinauf  und  dann  am  linken  Gehänge  einer 
auf  der  linken  Seite  dieses  Seitenthaies  aus  Südsüdwest  herabkommenden 
Schlucht  zumeist  als  Hohlweg  zwischen  hohen  Wänden  weiter  bis  zur  Höhe  des 
Kammes.  Ziemlich  nahe  der  Kammhöhe  liegt  ein  kleines  Dörfchen,  in  die  röt- 
liehen  Lehm  wände  am  Wege  eingebaut,  am  steilen  Berggehänge,  während  das 
schluchtartige  Thal  zur  Linken  weder  einen  Weg,  noch  eine  Ansiedelung  bii^t. 
Von  einem  kleinen,  an  der  Kante  der  Kammhöhe  gelegenen  Dorfe  geht  der 
Weg  immer  noch  etwas  ansteigend  in  südlichet  Richtung  auf  der  Kammhöhe 
zwischen  dem  Thal  im  Osten  und  einem  ebenfalls  grossen  Thale  im  Westen,  das 
parallel  zum  Wege  verläuft,  entlang.  In  diesem  Thal  zur  Rechten  ist  der 
Unterschied  der  beiden  Thalseiten  hinsichtlich  der  Verteilung  der  Lössdecke 
sehr  auffallend;  das  linke  nördliche  Thalgehänge  hat  nur  ganz  oben  Lössdecke 
und  dort  auch  Terrassen,  darunter  und  über  drei  Viertel  der  Bergeshöhe  von 
unten  einnehmend,  ist  einfaches,  dürftig  mit  Gras  überkleidetes  Lehm-  oder 
Thongehänge;  auf  der  südlichen  Thalseite  dagegen  reichen  Lössdecke  und 
Terrassen  weit  hinab. 

Der  Weg  erreicht  seine  höchste  Stelle  auf  diesem  Kamme  mit  1410  m  und 
die  höchsten  Berggipfel  der  in  der  Umgebung  liegenden  Höhen  überragen  sie 
kaum  um  mehr  als  100  m.  Auch  die  beiden  Thäler  zur  Rechten  und  Linken 
haben  hier  ihr  Ende,  und  jenseits  der  Wasserscheide  gehen  andere  Thäler  nach 
Südost  und  Südsüdwest  hinab;  während  der  Weg  am  rechten  Thalgehänge  nicht 
weit  unter  der  Kammhöhe  in  südöstlicher  Richtung  verläuft.  Das  Thal  fuhrt 
nach  Südost  hinab  und  hat  weiter  unten  noch  etwa  5  km  von  der  Stadt 
Yung-schou  hsien  ab  Lössterrassen,  während  sein  oberer  Teil  steile,  nur  dürftig 
bewachsene  Lehmgehänge  besitzt.  Der  Weg  geht  an  dem  immer  niedriger  und 
breiter  werdenden  Rücken  entlang  bis  zu  jener  Stadt,  die  auf  dem  Kamme 
selbst  liegt  und  durch   eine  hohe,   alte  Pagode  mit  sechs  Stockwerken  von  un- 


—     495     — 

gleicher  Höhe  ausgezeichnet  ist.  Unterhalb  der  Stadt  folgt  er  wieder  der  Mitte 
des  Rückens  zwischen  den  immer  weiter  auseinander  tretenden  Thälern  zur 
Rechten  und  zur  Linken,  bis  er  allmählich  auf  eine  weite»  wellige,  plateauartige 
Ebene  herabsteigt,  die  ganz  mit  Löss  überzogen  ist.  Die  breite,  mit  ebenem 
Ackerlande  bedeckte,  wellige  Plateaufläche  mit  leichtem  Abfalle  nach  Süden, 
lässt  in  immer  steigender  Entfernung  vom  Wege  schwache  Depressionen  er- 
kennen, in  deren  Mitte  in  Schluchten  Bäche  fliessen.  Derartiges  Plateauland 
dehnt  sich  von  Osten  über  Süden  und  WeSsten  bis  weit  nach  Nordwesten  aus,  und 
wenn  wir  nach  Norden  auf  die  hinter  uns  liegenden  Höhen,  die  nach  Kreitner 
Tu-sai  heissen,  zurückblicken,  so  stellen  sie  sich  als  ein  langgezogener  Gebirgs- 
rücken dar,  mit  einfachen,  ebenen  Kammlinien,  breiten  Bergkuppen  und  ge- 
rundeten Formen,  ohne  besondere  Einschnitte  und  auch  ohne  hervorragende 
Erhebungen.  Diese  liegen  nur  etwa  300  m  höher  als  das  Plateau,  auf  welchem 
der  Weg  durch  mehrere  Dörfer  in  südsüdöstlicher  Richtung  allmählich  hinab 
geht.  Gegen  Süden  und  Südwesten  erscheinen  in  weiter  Ferne  Gebirgszüge,  die 
das  Plateau  weit  überragen  und  einfache,  gleichmässige  Kammlinien  zeigen,  deren 
Verlauf  annähernd  in  der  Richtung  Westnordwest  ist.  Auch  gegen  Osten  ist  in 
etwa  IOC  km  Entfernung  ein  wenig  ausgedehnter  Gebirgsstock  sichtbar,  der  sich 
ebenfalls  etwa  400  m  über  das  Plateau  erhebt;  auf  seiner  westlichen  Seite  geht 
eine  sehr  zerschnittene  Lössschlucht  herab. 

Die  Dörfer  am  Wege  machen  hier  einen  sehr  armseligen  Eindruck  und 
überall  begegnet  man  nur  zu  deutlichen  Zeichen  des  Zerfalles  und  Rückganges. 
So  sahen  wir  einen  Tempel,  dessen  Rückwand  eingestürzt  war,  ohne  dass  sie 
seit  langer  Zeit  eine  Reparatur  erfahren  hatte.  Die  armen  Heiligen  im  Innern 
waren  schutzlos  allen  Unbilden  der  Witterung  ausgesetzt;  damit  sie  nicht  vor 
Schreck  umfielen,  hatte  man  sie  wenigstens  etwas  gestützt.  Die  schönen  Weg- 
zeichen und  Pyramiden,  welche  in  einer  besseren  Zeit  errichtet  wurden,  sind 
zerfallen  und  viele  Häuser  ebenfalls.  Manche  Dörfer  liegen  direkt  unter  der 
Erde  und  unter  dem  Niveau  des  Weges.  Es  sind  künstlich  tiefe  Löcher  aus- 
gegraben und  in  die  dadurch  geschaffenen  Lösswände  die  Wohnungen  ein- 
gehöhlt. Diese  Häuser  haben  nur  wenig  Licht,  in  den  Tiefen  ihrer  Höfe  häuft 
sich  Abfall  und  Unrat  an,  und  jeder  Regen  verwandelt  deren  Boden  in 
morastigen  Sumpf.  Es  sind  die  reinen  Pesthöhlen  und  die  traurigsten 
menschlichen  Wohnstätten,  die  ich  auf  der  ganzen  Reise  sah.  Das  Dorf  Yang- 
kia  thschuang  liegt  auf  dieser  welligen  Plateaufläche  in  einer  leichten  Depression, 
und  obwohl  der  Ort  grössere  Ausdehnung  hat,  so  ist  auch  dort  nicht  viel  zu 
bekommen.  So  konnten  wir  z.  B.  nicht  kochen,  weil  es  kein  Holz  gab,  und 
mussten  uns  mit  der  üblichen  Nudelsuppe,  >Mien-fön«  genannt,  begnügen.  Holz 
ist  überhaupt  hier  selten.  Wälder  giebt  es  nicht,  auch  kaum  Sträucher  oder 
anderes  brennbares  Gestrüpp;  nur  in  der  Nähe  der  Ortschaften  sieht  man  einige 
Bäume.  Die  nicht  mit  Lö.ss  und  Aeckern  bedeckten  Abhänge  sind  nur  dürftig 
mit  spärlichem  Grase  bewachsen  und  überall  sieht  der  gelbliche  und  rötliche  Lehm 


~    496    — 

durch.  Dafür  sind  aber  auf  der  Strasse  zahlreiche  Schubkarrenkarawanen  mit 
Holz,  Stein-  und  Holzkohlen,  welche  etwas  dem  Mangel  an  Brennmaterial  abzu- 
helfen suchen;  der  Weg  war  sehr  belebt  während  des  ganzen  Tages;  abends  waren 
auch  Kamele  mit  Tuchballen  beladen  nach  Westen  unterwegs.  Aber  trotz  des 
starken  Verkehrs  waren  auch  hier  die  Quartiere  wieder  schlecht;  ein  kleiner 
Kaum  mit  übler  Luft  musste  für  unsere  Leute,    wie  für    uns  selbst   ausreichen. 

Von  hier  ab  dehnt  sich  flaches  Land  weithin  nach  Süd,  Südost  und  Süd- 
west zum  Wei-ho  aus,  und  erst  die  in  weiter  Ferne  sichtbaren  Abhänge  des 
Thsin-ling-Gebirges  bilden  eine  Grenze.  Das  wellige,  von  Löss  bedeckte  Plateau 
senkt  sich  noch  mit  einigen  stufenartigen  Absenkungen  bis  zum  Thale  des  Wei-ho, 
den  wir  nach  zwei  Tagemärschen  bei  der  grossen  Stadt  Hien-yang  hsien  er- 
reichten; jenseits  der  breiten  Thalebene  dieses  Flusses  steigt  das  Lössland 
wieder  langsam  an  bis  zum  Fusse  des  Thsin-ling-Gebirges.  Unterwegs  bietet 
sich  wenig  Interessantes  auf  der  monotonen,  nur  von  Ackerland  gebildeten 
Ebene,  in  der  ganz  flache,  breite  Depressionen  mit  niederen  Erhebungen 
wechseln,  deren  Höhenunterschiede  aber  kaum  100  m  betragen.  Die  Gefälle 
auf  der  Lössplateaufläche  selbst  sind  sehr  gering,  Ackerterrassen  liegen 
nur  in  sehr  weiten  Abständen  von  einander  an  den  Höhenrücken  und 
sind  nur  wenige  Fuss  hoch.  Es  wird  meist  nur  Weizen  und  Hafer  angebaut; 
Bäume  sind  in  der  Nähe  der  Dörfer  nur  wenige,  auf  der  Plateaufläche 
selbst  gar  nicht  zu  finden.  In  den  Depressionen  ist  kein  Wasserlauf  im 
oberen  Teile,  bis  ganz  unvermittelt  eine  tiefe  Schlucht  weiter  unten  beginnt. 
Die  von  Norden  und  Nordwesten  kommenden  Wasser,  die  in  den  Thälern 
rechts  und  links  des  in  den  letzten  Tagen  zurückgelegten  Weges  flössen,  sind 
auch  hier  noch  in  grösserer  Entfernung  vom  Wege  in  schluchtenartigen  Thälern 
in  der  Mitte  seichter  Depressionen  verfolgbar  und  zahlreiche,  kleinere  und  kurze 
Nebenschluchten  führen  zu  ihnen  hinab.  Am  Wege  liegen  nicht  selten  arm- 
selige Dörfer  mit  Lehmwohnungen  und  häufig  unter  der  Oberfläche  angelegten 
Höhlen. 

Alsbald  siebt  man  auf  eine  grosse  Ebene  hinab,  die  ganz  platt  mit  nur 
sehr  wenigen  Thalschluchten  sich  weithin  ausdehnt.  Es  liegen  auf  ihr  sehr 
viele  Dörfer  und  Höfe,  die  hier  wieder  mit  den  vierseitigen  Lehmmauern  be- 
festigt sind,  welche  wir  schon  früher  auf  den  Bergen  angetrofTen  haben.  Das 
grosse  Thal  zur  Linken  geht  auch  auf  dieser  Ebene  als  schluchtartige  Vertiefung 
in  ostsüdöstlicher  Richtung  weiter,  aber  sonst  ist  die  Ebene,  soweit  man  sie 
zu  übersehen  vermag,  nicht  von  Einschnitten  oder  Wasserläufen  durchfurcht. 
Der  Weg  geht  in  einer  Lössschlucht  von  der  Plateaufläche  (Stufe  I)  über  den 
deutlich  markierten  Abfall  hinab  auf  eine  ebenfalls  von  Löss  gebildete  Vorstufe 
(II),  die  ganz  allmählich  sich  mit  einer  Breite  von  2  km  zur  grossen  Ebene  hin- 
absenkt. Zwischen  dieser  schmalenStufell  und  der  grossen,  ebenenFläche  (Stufelll) 
ist  keine  scharfe  Grenze,  aber  der  Uebergang  ist  parallel  dem  deutlich  markierten 
Abfalle    des    weiten   wellig-ebenen  Plateaus  (Stufe  I),    über    das    der  Weg    der 


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letzten  Tage  geführt  hatte,  und  dieser  Abfall  verläuft  nach  Ostnordosten.  Auch 
die  grosse  Ebene  besteht  aus  monotonem  Ackerland ;  Bäume,  Busch  oder  Wald 
fehlen  vollständig.  Der  Weg  geht  in  südöstlicher  Richtung  weiter  über  diese 
Fläche  hin,  die  in  einiger  Entfernung  von  den  Abfällen  der  Stufen  I  und  II  auch 
eine  leichte,  in  ostnordöstlicher  Richtung  verlaufende  Depression  besitzt.  Jen- 
seits desselben  liegt  eine  grössere  Stadt,  Li-thsüan  hsien. 

Auch  dieser  Weg,  der  die  Hauptstrasse  nach  Si-ngan  fu  bildet,  hatte  leb- 
haften Verkehr.  Besonders  häufig  waren  die  Transporte  von  Steinkohlen,  die 
aus  der  nicht  fernen,  kohlenreichen  Provinz  Schen-si  kommen,  und  von  Tuchen 
und  Geweben,  die  alle  nach  dem  Westen  gehen.  Trotzdem  die  Ebene  sehr 
stark  und  dicht  bevölkert  ist,  machen  die  Dörfer  mit  ihren  Lehmhütten  oder 
Erdlöchern  einen  ärmlichen  Eindruck,  und  es  scheint  in  dieser  ganzen,  lediglich 
Getreidebau  treibenden  Bevölkerung  der  Wohlstand  sehr  im  Rückgange  zu  sein; 
auch  andere  Anzeichen  lassen  diesen  Schluss  gerechtfertigt  erscheinen.  Die 
Stadt  Li-thsüan  hsien  aber  war  sehr  belebt  und  auf  der  grossen  Strasse,  die 
wir  bis  zum  Stadtmauerthor  in  der  Vorstadt  passierten,  herrschte  schon  früh 
morgens  ein  äusserst  reger  Marktverkehr. 

Es  ging  von  hier  im  wesentlichen  über  fast  ganz  ebenes  Land,  in  welchem 
der  Weg  vielfach  in  Hohlwegen  führte,  vorbei  an  einer  grossen  Anzahl  von 
Dörfern  mit  ihren  Lehmfestungen,  die  meist  in  geringen  Entfernungen  abseits 
vom  Wege  lagen.  Auch  Tempel  mit  Hainen  von  Cypressen  waren  vielfach  in 
der  Nähe  des  Weges.  Nicht  nur  an  dem  Hauptwege  nach  der  grossen  Stadt 
und  ehemaligen  Residenz  Si-ngan  fu,  auch  an  den  kleinen  Seitenwegen  und 
Verbindungen  der  Dörfer  befanden  sich  grosse,  ummauerte  und  von  Häuschen 
geschützte  Inschriftensteine,  zuweilen  von  recht  ansehnlicher  Grösse.  Viele 
derselben  Art  waren  in  Reihen  und  in  bestimmten  Zwischenräumen  aufgestellt. 
Der  Zweck  und  der  Inhalt  dieser  Inschriftensteine,  die  gerade  hier  durch  ihre 
Häufigkeit  auffielen,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden. 

Auf  dem  ebenen  Ackerlande  sind  keine  Thaldepressionen  mehr  sichtbar, 
sie  liegen  auf  beiden  Seiten  des  Weges  schon  zu  entfernt  von  diesem.  Dagegen 
fesseln  die  Aufmerksamkeit  eine  Reihe  von  isolierten,  hohen,  oben  abgeflachten 
Hügeln,  welche  besonders  dicht  vor  uns  in  Südost  stehen,  aber  noch  weit  nach 
Osten  und  Süden  einzeln  verfolgt  werden  können.  Man  sieht  sie  schon  aus 
weiter  Ferne,  aber  erst  am  spätesten  Nachmittage  kamen  wir  in  ihre  Nähe, 
wo  sich  dann  noch  eine  Menge  mittelgrosser  und  auch  kleiner  solcher  Hügel 
zwischen  den  grossen,  die  bis  über  50  m  Höhe  erreichen,  zeigten.  Die  kleineren 
Hügel  in  allen  Grössen  sind  rund,  grössere  bis  zu  30  m  Höhe  sind  vierseitig 
mit  oben  abgerundeten  Kanten,  und  nur  die  ganz  hohen,  über  50  m  Höhe  er- 
reichenden, sind  oben  eben  und  flach;  die  Gehänge  sind  einfach  und  mit  Gras 
bewachsen  und  das  Material,  aus  welchem  sie  bestehen,  ist  derselbe  Löss,  der 
auch  die  Oberfläche  der  Ebene  (Stufe  III)  bildet  Inschriften,  Denksteine  oder 
dergleichen    sind    nicht  vorhanden,    aber   für  den  Geologen  kann  kein  Zweifel 

Fut lerer,  Daroh  Asien.  32 


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bestehen,  dass  es  durch  Menschenhand  künstlich  aufgeschüttete  Hügel  sind. 
In  der  That  wurde  uns  in  Si-ngan  fu  bestätigt,  dass  in  alter  Zeit  hier  Kaiser 
begraben  wurden.  Die  untenstehende  Abbildung  zeigt,  welche  imposante  Höhe 
und  welche  grosse  Verbreitung  hier  diese  Hügel  besitzen. 

Die  Grabhügel  liegen  in  einer  von  Südwesten  nach  Nordosten  ziehenden 
Zone  am  Rande  eines  Abfalles  der  ebenen  Fläche  der  Stufe  III  zur  Thalfläche 
des  grossen  Flusses  Wei-ho,  der  von  Westen  und  Nordwesten  kommt  und  weiter 
im  Osten  in  den  Hoang-ho  fliesst.  Am  vorderen  Rande  hat  die  Ebene  mit  den 
Grabhügeln  die  Hohe  von  etwa  490  m  und  der  Weg  fuhrt  durch  eine  enge  Löss- 
Schlucht  hinab  zu  einer  ebenen  Stufe  in  der  Meereshöhe  von  370  m  (Stufe  IV). 
Auch  auf  dieser  Zone,  die  nur  schmal  ist  und  vor  dem  Abfall  der  Stufe  III  her- 


KiilBMirräbt-r  bei  Hifii-yani;  hait-u  :iiii  WH-ho,   iior.lwi-sllicli   von  Si-uj^an  iu. 

zieht,  finden  sich  zahlreiche  Gräber,  die  aber  nicht  die  Grosse  derjenigen  oben 
erreichen.  Diese  ebenfalls  an  der  Oberfläche  aus  I.Öss  bestehende  Stufe  IV  ist 
etwa  I  km  breit.  Dann  folgt  ein  parallel  mit  dem  ersten  verlaufender,  zweiter, 
steiler  Absatz  zur  Thalebene  des  Stromes,  die  als  Stufe  V  der  unterschiedenen 
Niveaus  anzusehen  ist  und  360  m  hoch  liegt.  Auch  hier  führt  der  Weg  durch 
eine  enge  Schlucht  hinab,  und  in  derselben  liegen  unter  dem  Löss  wohlge- 
schichtete Lehme,  die  beweisen,  dass  das  Überflächenrelief  ungestört  durch  die  es 
gleichmässig  überziehende  Lössdecke  aus  Süsswassersee-  und  Flussablagerungen 
besteht,  und  dass  die  einzelnen  Stufen  Flussterrassen  entsprechen,  wie  sie  ander- 
wärts nicht  von  Lehmen  allein,  sondern  von  Schottern,  Kiesen  und  Sanden,  ver- 
mengt mit  Lehm,  von  den  Flüssen  gebildet  werden,  wenn  sie  ihr  Bett  in  ihren 
eigenen  Ablagerungen  vertiefen.  Die  Thalebene  des  Wei-ho  selbst  besteht  aus 
solchen  mehr  oder  weniger  sandigen  Lehmen  auf  der  Ueberschwemmungsfläche 
am  Flussbette  selbst;  gröbere  Sande  oder  gar  Schotter  fehlen  gänzHch. 


—     499     — 

Am  untersten  Steilabrall  der  Lehm-  und  Lösswände  zwischen  Stufe  IV 
und  V  sind  noch  viele  Lehmhöhlen  und  ganze  Dörfer  angelegt;  die  grössere 
Stadt  Hien-yang  hsien  liegt  unfern  der  zuletzt  erwähnten  Terrasse  am  Wei-ho- 
Flusse  selbst,  der  auf  der  Südseite  der  verkehrsreichen  Stadt  115  m  breit  ist 
und  auch  tief  zu  sein  scheint,  da  keine  Furt  hinübergeht,  sondern  eine  feste 
Brücke  auf  Holzpfeilern.  Das  Wasser  ist  lehmig  trüb  und  fliesst  ziemlich  rasch; 
auf  dem  Flusse  liegen  grosse,  sehr  breite,  flache  Schiffe,  die  etwa  die  Länge 
der  Spreekähne  haben,  aber  gut  doppelt  so  breit  sind  als  diese.  Die  flachen 
Flussufer  sind   ganz    mit   Baumgruppen   und   Ansiedelungen    auf  beiden  Seiten 


Brücke  über  den^Wci-hü  und  Stadt  Hieu<yaiig  hueo. 

oberhalb  der  Stadt  besetzt.  Neben  dem  vom  Wasser  gefüllte»  JSetto  liegt  noch 
eine  mehr  als  doppelt  so  breite  Ueberschwemmungsfiäche  für  Hochwasser.  Das 
mit  Häusern  besetzte,  rechte  Ufer  an  dieser  Hochwasserf^äche  ist  kaum  2  m  höher 
als  deren  Boden.  Die  Annäherung  an  ein  grösseres  Wasser,  P'luss  oder  See,  hatte 
sich  in  den  letzten  Tagen  schon  durch  die  zahlreichen,  grossen  Reiher  und 
Schwärme  von  wilden  Gänsen  bemerkbar  gemacht,  auch  andere  Wasservögel 
waren    in  der  Nähe  des  breiten  Flusses  anzutreffen. 

Von  der  Stadt  Hien-yang  hsien  mit  ihren  alten  Königsgräbern  ist  es 
nunmehr  nur  noch  etwa  15  km  in  südöstlicher  Richtung  bis  Si-ngan  fu.  So  weit 
der  Weg  nach  Ueberschreitung  des  Wei-ho-Flusses  auf  der  Fläche  des  Thal- 
bodens geht,  ist  er  trotz  der  trockenen  Jahreszeit  in  einem  entsetzlichen  Zu- 
stande.    Zu  beiden  Seiten  steht  auf  den  Aeckern  tiefes  Wasser,  und  der  Weg 


—     500    — 

selbst,  der  nur  aus  Lehm  ohne  jeden  Unterbau    aus  Stein  hergestellt  ist,    wird 
durch  den  lebhaften  Verkehr   und    besonders    die    zahlreichen  Lastwagen  sehr 
stark    abgenutzt.     Es    war   schon    sehr   unangenehm,    zu   Pferde    diese    grund- 
losen,   morastigen  Stellen    zu    passieren,    für  die  Wagen  aber  war  es  geradezu 
unmöglich.    Mehrfach  sah  man  sie  bis  über  die  Achsen  in  dem  zähen,  weichen 
Brei  stecken  und  selbst  die  roheste  Behandlung  der  Zugtiere,  wie  sie  nur  einem 
Chinesen    möglich    ist,    vermochte    nicht,    den  Karren   weiter  zu  bringen.     Der 
jammervolle  Zustand  dieser  grossen  Strasse,  die  hier  die  Hauptverkehrsader  ist, 
scheint  selbst  den  Behörden  zu  arg  geworden  zu  sein;  denn  man  sah  uniformierte 
Soldaten  an  den  schlimmsten  Stellen  etwas  ausbessern,  indem  sie  Zweige  quer  über 
die  tiefen  Geleise  warfen  und  sie  mit  Lehm  aufschütteten.    Dass  diese  Wegver- 
besserung natürlich  nur  für  ganz  kurze  Zeit  ihren  Zweck  erfüllt  und  bald  nachher 
derselbe  trostlose  Zustand  wieder  von  neuem  beginnt,  ist  in  China  ganz  einerlei. 
Gegen  die  Stadt  hin  steigt  der  Weg  etwas  an  über  horizontale  geschichtete 
Lehme  und  Sande  der  Flussablagerungen,  die  der  Stufe  IV  und  III  der  linken 
Flussseite    des  Wei-ho  entsprechen,    wenn    auch    auf   dieser  Seite  keine  scharf 
markierten  Terrassenränder  oder  Abfälle  vorhanden  sind.    Si-ngan  fu  selbst  liegt 
in  der  Höhe   von  400  m  ganz  auf  Lehm-  und  Lössebene.     Schon  von  weitem 
übersieht  man  die  in  ihrer  ganzen  Erstreckung  über  zwei  Stunden  lange,   hohe 
Mauer  der  gewaltigen  Stadt,  die  eine  grosse  Menge  von  Menschen  in  sich  birgt. 
Am  östlichen  Ende  ist  weit  hinter  der  Mauer  eine  grosse  Pagode  sichtbar,  und 
gegen  Süd   und  Südwest  bilden  die  schönen  und  malerischen   Bergformen    des 
mit    Schnee    bedeckten    Thsin-ling- Gebirges    den    Hintergrund.      Auch    gegen 
Nordost    sieht  man    Berge   mit  eigenartigen,    kastenartigen    Umrisslinien,    einst 
die    östliche    Fortsetzung    des    Berglandes,     von    welchem    unser    Weg    zum 
wellig- ebenen    Plateau    und    zum    Thal    des  Wei-ho    herabgestiegen  war.     Die 
Strasse  ist   ausserordentlich  belebt  mit  Lastenträgern,   Fussgängern  und  Trans- 
porten aller  Art;    noch  vor  der  Stadtmauer  liegt  ein  grosser,    schöner  Tempel 
und    näher    bei    derselben,   zur  Rechten    des  Weges,    sind    neue  Kasernen    er- 
baut.    Ehe  man  die  innere,   grosse  Stadtmauer   mit  einem  mächtigen  Thore  in 
der  Mitte  der  Weststadt  erreicht,    kommt   man   durch   eine  Vorstadt,    in   deren 
tief   eingefahrener  Hauptstrasse    sich    der  Verkehr   drängt  und   vielfach  stockt. 
Die  Häuser  beiderseits  liegen  viel  höher  als  das  Niveau  der  Strasse  selbst,   auf 
welcher  Wasser,   Unrat  und  Schmutz  herumliegen  und   die  Luft  verpesten.     In 
der  inneren  Stadt  ist  das  besser.     Die  Strassen  sind   mit  groben  Steinquadern 
gepflastert  und  von  früh  bis  spät  von  einem  immensen  Verkehr  erfüllt.    Grosse, 
schöne   Magazine    mit    vielen    ausländischen  Waren    neben    den    einheimischen 
Erzeugnissen  und  vor  allem  die  schönen  und  in  reicher  Auswahl  zum  Verkaufe 
an  der  Strasse  ausgestellten  und  aufgebauten  Gemüse  und  Früchte  aller  Arten 
sind  ein  erfreulicher  Anblick  nach  den  armseligen  Dörfern  der  durchwanderten 
Lössgebiete  und  Berggegenden.    Auch  ein  leidliches  Quartier  war  für  uns  sowohl 
wie  für  die  Maultiere  und  ihre  Führer  vorhanden. 


-     SOI     — 

Es  war  der  Nachmittag  des  23.  Dezember,  als  wir  in  Si-ngan  fu  einzogen, 
und  wir  freuten  uns,  hier  während  der  bevorstehenden  Weihnachtsfeiertage 
etwas  Erholung  von  den  Anstrengungen  und  Entbehrungen  der  letzten,  zum 
Teil  recht  langen  Marschtage  finden  zu  können.  In  der  That  gestalteten  sich  die 
Feiertage  sehr  angenehm,  und  auch  der  innere  Mensch  kam  zu  seinem  Rechte, 
indem  die  freundlichen  Missionare  uns  zu  ihrem  Weihnachts-Gottesdienste  einluden. 
Einige  Läden  der  Stadt  boten  ausserdem  Auswahl  an  Kunstgegenständen, 
wie  alte  chinesische  Bronzen,  Vasen  aus  Porzellan  und  insbesondere  schöne 
Gegenstände  aus  dem  gelblichen  oder  weissgrünlichen  Nephrit  und  Jadeit,  der 
bei  den  Chinesen  in  so  hohem  Ansehen  steht  Es  fehlten  uns  also  nicht  einmal 
die  Weihnachtsgeschenke,  wenn  wir  sie  uns  auch  selbst  kaufen  mussten,  statt 
sie  aus  liebender  Hand  entgegenzunehmen.  Einen  Christbaum  hatten  wir  leider 
nicht,  konnten  auch  nicht,  wie  im  letzten  Jahre  in  Samarkand,  einen  Oleander 
oder  einen  andern  Baum  dazu  herausputzen,  da  es  hier  überhaupt  kaum  Bäume 
giebt;  aber  trotzdem  verlebten  wir  vergnügte  Festtage. 

Ging  es  doch  der  Heimat  zu !  Nur  noch  sechs  Tage  waren  es  zu  Pferde  über 
das  Thsin-ling- Gebirge  bis  Lung-kü-tschai,  von  wo  an  der  Tan-Fluss  schiffbar  ist. 
Allerdings  galt  es,  gerade  noch  diese  sechs  letzten  Tage  des  Jahres  in  beschwer- 
hchem  Marsche  in  Wind  und  Kälte  arbeitend  auszuharren.  Dann  aber  wartete 
unserer  mit  dem  ersten  Tag  des  neuen  Jahres  der  Lohn  unserer  mühsamen  Arbeit, 
Ruhe  auf  bequemer  Flussfahrt,  Zeit,  die  reichen  Ei^ebnisse  der  letzten  Monate  zu 
sichten  und  zu  ordnen  und  vor  allem:  die  Heimatswimpel  auf  dem  Schiff,  das 
Wiedersehen  mit  den  Lieben  in  der  Heimat,  der  Kuss  der  Mutter  und  der  treue 
Händedruck  des  Vaters,  die  Freude  der  Geschwister  und  die  eigene  Befriedigung, 
unentwegt  auch  unter  schwierigen  Verhältnissen  unsere  Pflicht  erfüllt  zu  haben. 


—      502      — 

Mit  den  Weihnachtsfeiertagen  in  Si-ngan  fu  war  unsere  Forschungsreise 
eigentlich  abgeschlossen.  Bald  nach  dem  Verlassen  von  Min-tschou  betraten 
wir  wieder  bekannte  Wege,  die  schon  von  berufener  Seite  bestens  geschildert 
und  beschrieben  worden  sind,  und  das  galt  noch  mehr  von  dem  Wege  bis 
Han-k*ou  und  Schang-hai.  Es  gab  wenig  Neues  anzufügen,  und  nur  die  meteoro- 
logischen Beobachtungen  sollten  bis  Schang-hai  fortgesetzt  werden,  um  eine  bis 
zum  östlichen  Ende  des  Kontinentes  kontinuierliche  Reihe  der  Beobachtungen 
zu  haben,  die  in  Osch,  am  Fusse  des  Ueberganges  über  das  Alai- Gebirge  am 
30.  Januar  1898  begonnen  und  mit  dem  31.  Januar  1899  in  Schang*hai  beendet 
wurde,  also  den  Zeitraum  von  einem  Jahre  und  einigen  Tagen  umfasst.  Die  zu- 
sammenhängenden, geologischen  Beobachtungen  verboten  sich  von  selbst  während 
der  ununterbrochenen  Fahrt  auf  dem  Tan-Flusse,  dann  auf  dem  Han-FIusse  und 
zuletzt  von  Han-k'ou  ab  auf  dem  majestätischen  Yang-tz^-kiang.  Das  geographische 
Charakterbild  ist  von  v.  Richthofen,  v.  Loczy  und  Kreitner  meisterhaft  gezeichnet, 
und  so  kann  ich  mich  denn  zum  Schlüsse  auf  die  persönlichen  Eindrücke 
während  dieses  letzten  Teiles  der  Reise  und  eine  mehr  historische  Mitteilung 
des  Verlaufes  derselben  beschränken. 

Der  Weg  über  das  Thsin-ling-Gebirge,  der  von  den  Maultierkarawanen  als 
kürzeste  Verbindung  des  Endes  der  grossen  Wasserstrasse  vom  Yang-tzß-kiang 
und  der  Küste  über  den  Han-Fluss  und  von  Lao-ho-k*ou  an  über  den  Tan-Fluss 
bis  Lung-kü-tschai  mit  der  grossen  Stadt  Si-ngan  fu  und  dem  daselbst  liegenden 
Ende  der  grossen  Strassen  nach  dem  Westen  und  Norden  des  weiten  chinesischen 
Reiches,  gewählt  wird,  ist  ein  für  Wagen  unpassierbarer  Maultierpfad,  der  über 
hohe  Pässe  des  Gebildes  geht  Der  grössere  Karrenweg  fuhrt  an  andern 
Stellen  durch  das  Gebirge  und  ist  bedeutend  länger  bis  zum  Beginn  der 
Schiffbarkeit  des  Tan-Flusses.  Von  Si-ngan  fu  geht  der  kurze  Maultierpfad  zuerst 
in  etwas  östlicher  Richtung  bis  zu  einem  grösseren  Thale  mit  dem  Lan-thien-ho, 
der  aus  dem  Thsin-ling-Gebirge  kommt,  und  an  demselben  hinauf  bis  zu  einem 
grossen  Dorfe  Ju-hu,  wo  der  erste  Tagemarsch  sein  Ei^de  findet.  Zuerst  geht  es 
über  wellige  Lös^fläche,  dann  ein  Stück  weit  am  Lösssteilgehänge  des  linken  Fluss- 
ufers hinauf  und  in  einer  seichten  Furt  über  den  Fluss  und  auf  der  etwa  15  m  hohen 
Flussterrasse  weiter  bis  Ju-hu,  das  von  Si-ngan  fu  25  km  entfernt  ist.  Bei  diesem 
Orte  sind  auf  der  linken  Seite  des  breiten  Flussthaies  etwa  250  m  hohe,  mit 
1-öss  bedeckte  Berge,  während  auf  der  nordöstlichen  Seite  nur  ganz  niedere, 
breite  Höhenzüge,  ebenfalls  mit  Löss  bedeckt,  weithin  fortsetzen.  Im  Süden 
aber  sieht  man  schon  bedeutend  näher  als  in  Si-ngan  fu  die  hohe  Gebirgs- 
niasse  des  Thsin-ling  wie  einen  Wall  mit  schneebedeckten  Gipfeln  von  Osten 
nach  Westen  hinziehen.  Der  Weg  war  ausserordentlich  belebt,  nicht  bloss 
in  der  Nähe  der  grossen  Stadt,  sondern  durchweg  bis  Lung-kü-tschai,  da 
alle  die  Maultierkarawanen,  Lastentniger,  Schubkarrentransportc  und  reitenden 
Reisenden  den  kurzen  Weg  dem  längeren  vorziehen,  wenn  auch  der  crsterc  be- 
schwerlicher ist. 


~-   S03  - 

Am  27.  Dezember  ritten  wir  bis  Lan-k'iao.  Dieser  Ort  ist  in  einem 
Gebirgsthale  an  einem  Flüsschen  gelegen,  das  aber  noch  zum  Stromgebiet 
des  Wei-ho  bczw.  des  Hoang-ho  gehört,  und  die  Wasserscheide  wird  erst 
am  folgenden  Tage  überschritten,  obwohl  wir  auch  an  diesem  Tage  einen 
hohen  Bergzug  kreuzten,  um  in  das  Thal  von  Lan-k'iao  zu  gelangen.  Zuerst 
ging  es  noch  einige  Kilometer  auf  der  rechten  Flussseite  weiter  hinauf 
bis  zur  Stadt  Lan-thien  hslen  und  nach  Ueberschreitung  eines  grösseren,  von 
Osten  kommenden  Flusses  bald  südlich  desselben  an  den  Fuss  einer  steil  ab- 
fallenden,   von   Westsüdwest    nach    Ostnordost    gehenden    Bergkette    aus    sehr 


llochlhiil  auf  der  NonUeite  ilcr  nönllichstpn  Kette  iIpb  'nisin-lin(;-r.pbir(;es,  südlich  toii  I,an-tliien  hsieii. 

zersetztem  Granit  am  Nordgehänge  des  Gebirges.  In  vielen  mühsamen  Windungen 
erreicht  der  steile  Weg  die  Kanimhöhe,  geht  dann  am  südlichen  Gehänge  unter- 
halb des  sehr  stark  gegliederten  Kammes  mit  hohen,  steilen  Granitfelsmassen 
und  Bergspitzen  in  östlicher  Richtung  über  einen  1120  m  hohen  Pass  und  hinab 
ins  Thal  von  Lan-k'iao,  das  hier  von  Ostsüdosten  herabkommt,  aber  bald 
unterhalb  der  Stelle,  wo  es  der  Weg  erreicht,  durch  eine  hohe  Gebii^skette  in 
enger,  unwegsamer  Thalschlucht  durchbricht.  Der  Aufstieg,  der  um  die  Mittags- 
zeit begann,  bot  herrliche  Aussichten,  besonders  als  der  Kamm  überschritte» 
war  und  ausgedehnte  Längsthäler  mit  vielen  Seitenschluchten  der  zentraler  ge- 
legenen Gebirgsteile  sichtbar  wurden.  Der  Abstieg  von  der  Pass-Höhe  zum  Thale 
war  äusserst  steil  und  deshalb  sehr  schwierig  und  gefährlich,  weil  er  auf  einem 
nach  Nord  gerichteten  Abhänge  in  steilen  Windungen  schon  gegen  Abend  zu- 


—     S04     — 

rückgelegt  werden  musste,  als  der  von  der  Sonne  tagsüber  erweichte  Schnee 
wieder  hart  wurde,  und  die  überall  auf  dem  steinigen  Wege  stehenden  Wasser 
gefroren.  Die  Pferde  mussten  über  das  Glatteis  hinabgeführt  werden;  weite 
Strecken  des  Weges  waren  ganz  vereist  und  dazu  so  abschüssig,  dass  vielfaches 
Ausrutschen  nicht  zu  vermeiden  war.  Es  stürzte  auch  das  Pferd  mit  meinen 
Instrumenten  schon  ganz  unten,  und  die  eine  der  beiden  Kisten,  die  es  tnig, 
wurde  zerbrochen,  so  dass  nur  nach  Reparatur  des  Schadens  durch  Umwickeln 
der  Kiste  mit  einer  Filzdecke  der  glücklicherweise  nicht  mehr  lange  Marsch  bis 
Lan-k'iao  fortgesetzt  werden  konnte,  wo  wir  aber  erst  in  der  Dunkelheit  abends 
um  6*/*  Uhr  ankamen.  Beim  Abstieg  nach  Norden  waren  Korallenkalke  am 
Wege  zu  sehen,  und  nach  den  wilden,  zerrissenen  Formen  der  Gipfelregionen 
zu  schliessen,  besteht  auch  ein  Teil  der  hohen  Bergkette  im  Norden  des  Thaies 
von  Lan-k'iao  aus  solchen  Kalken,  welche  paläozoischen,  aus  Mangel  an  Ver- 
steinerungen nicht  näher  zu  bestimmenden  Alters  sind  und  eine  Zone  in  den 
Graniten  zu  bilden  scheinen. 

Am  28.  Dezember  wurde  nach  12  km  langem  Marsche,  dem  Thale  aufwärts 
folgend,  in  ostsüdöstlicher  Richtung  der  1230  m  hohe  Pass  der  Wasserscheide 
des  Thsin-ling-Gebirges  erreicht,  und  von  da  ging  es  in  mehr  östlicher  Richtung 
an  einem  Bache  hinab,  der  als  der  obere  Tan-Fluss  angesehen  werden  kann, 
bis  Hei-lung-k*ou  (=  Helon-ko,  Kreitner),  das  etwa  11  km  unterhalb  des  Pass- 
überganges liegt.  Im  oberen  Teile  des  Thaies  kommen  nur  Granite  und 
kristalline  Schiefer  vor.  Löss  findet  sich  so  gut  wie  gar  nicht  mehr,  sobald 
man  die  erste  Kette  des  Thsin-ling-Gebirges  überschritten  hat.  Die  Granite 
sind  in  einzelnen  Stöcken  und  kleineren  Massiven  als  linsenförmige,  an  den 
Kontaktflächen  häufig  geschieferte  Körper  zwischen  den  Schiefern  eingeschoben, 
und  das  ganze  Auftreten  lässt  die  intensive  Faltung  der  Schiefer  zwischen  den 
Granitstöcken  aufs  deutlichste  erkennen.  Noch  kurz  unterhalb  des  Passes  der 
Wasserscheide  stehen  Granite  an,  und  an  ihrer  Grenze  gegen  die  Schiefer  sind 
die  Schiefer  in  breitem  Kontakthofe  zu  Knotenschiefern  umgewandelt.  Der 
Pass  selbst  liegt  im  Gebiete  von  Granat-,  Strahlstein-  und  Chloritschiefern, 
zwischen  denen  harte,  grünliche,  schiefrige  und  quarzitische  Bänke  liegen. 
Weiter  abwärts  im  Tan-Thale  finden  sich  keine  Granite  mehr,  die  Berggehänge 
beider  Selten  werden  nur  von  Schiefern  und  schiefrigen,  quarzitischen  Gesteinen 
gebildet,  deren  Streichen  aber  dasselbe  ist  wie  jenseits  der  Wasserscheide. 
Der  Thalcharakter  in  dem  von  Lan-k4ao  bis  zum  Passe  hinaufführenden 
Thale  ist  felsig  mit  schluchtenartigen  Stellen  und  schöner  Bewaldung  zwischen 
den  Felsklippen;  es  kommen  zahlreiche,  kleine  Nebenthäler  aus  den  Kämmen 
der  beiden  Thalseiten  herab,  aber  keine  grösseren  Thäler.  (Siehe  Tafel  XXXIX 
und  die  nachstehende  Abbildung.)  Auf  der  Ostseite  des  Passes  sind  im  oberen 
Tan-Thale  hohe,  steil  abfallende,  nackte  Schiefergehänge  vorherrschend,  die 
aber  auch  stellenweise  Tannenwald  tragen.  Die  Höhen  waren  frisch  beschneit 
und  boten  mit  ihren  felsigen  Abhängen,  den  dunkeln  Tannen  und  den  wei.ssen 


TAFEL  XXXIX. 


-     SOS     — 

Berggipfeln  malerische  Landschaftsbilder  in  grosser  Menge,  wie  man  sie  sonst 
in  Nord-China  nicht  findet.  Das  obere  Tan- Thal  ist  dagegen  infolge  der  reicheren 
Schiefer  an  den  Gehängen  und  des  fehlenden  Granites  ärmer  an  schönen  Fels- 
partien, und  häufig  sind  an  den  Gehängen  grosse  Rutschflächen  mit  Schutt 
überdeckt.  Die  beiden  Thäler  zwischen  Lan-k'iao  und  Hei-lung-k'ou  sind 
ziemlich  bevölkert;  kleinere  Dörfer  sowie  einzelne  Höfe  lagen  vielfach  am  Wege, 
und  auf  der  Passhöhe  der  grossen  Wasserscheide  zwischen  Hoang-ho  und  Yang- 
tzS-kiang  selbst  steht  ein  Tempel  mit  einer  grossen  Anzahl  von  Inschriftsteinen. 
Der  Weg  geht  nun  noch  drei  Tagemärsche  weit  im  Tan-Thale  im  allge- 
meinen in  vorwiegend  südöstlicher  Richtung  hinab  bis  Lung-kii-tschai;  das  Thal 


Thal  im  Tlisin-liDg-Gebirge  zwiachco  Lan-k'iao  und  ilem  Pasa  der  HauplwasBerscheiile. 
(Vom  Wege  in  ein  N*benthal  nach  Süden  gesehen.) 

ist  besonders  weiter  unten  vielfach  gewunden;  grössere,  von  weiter  her  kom- 
mende Seitenthäler  sind  meist  Längsthäler  zwischen  den  Gebirgsketten  und 
liegen  häufiger  auf  der  rechten  Thalseite  von  Westen  als  auf  der  linken. 
Von  Hei-lung-k'ou  geht  es  immer  zwischen  Beiden,  die  aus  kristallinen  Schiefern 
bestehen,  in  vielen  grossen  Krümmungen  bis  Schang-tschöu  (^  Shan-chou, 
Kreitner).  Hohe,  malerische  Felsentürme  und  Bergpyramiden  liegen  im  ersten 
Teile  des  Weges  auf  der  rechten  Thalseite  zwischen  tiefen,  engen  Thalschluchten 
im  Schiefergebirge,  oberhalb  von  der  Endstation  Schang-tschöu  ist  das  Tan-Thal 
zwischen  steil  abfallende  Kalkfelswände  von  über  300  m  Höhe  eingeschlossen, 
und  der  Weg  ist  hoch  über  dem  Flusse  durch  künstliche  Sprengarbeiten  am 
Kelsgehänge  entlang  geführt.  Unterhalb  dieser  grossartigen  Felsenschlucht 
erweitert  sich  das  Thal  und  erhält  einen  ganz  andern  Charakter  durch  das 
Auftreten  von  mächtigen,  roten  Sandsteinen  und  Konglomeraten  von  geologisch 


—     So6     -- 

viel  jüngerem  (mesozoischem)  Alter,  die  von  hier  ab  bis  weit  hinunter  am  Tan- 
Fluss  bei  Lung-kü-tschai  über  den  steil  stehenden  Schiefern  und  quarzitischen 
(jcsteinen  oder  in  den  breiten  Thalflächen  zwischen  den  hohen  Bergrücken  der 
Schiefer  einen  wesentlichen  Anteil  an  der  Zusammensetzung  des  Gebietes  nehmen 
und  im  Gegensatze  zu  den  alten  Gesteinen  (Schiefern  und  Quarziten)  immer 
ganz  horizontal  gelagert  sind  oder  mit  nur  geringen  Winkeln  infolge  von  unter- 
geordneten Schichtstörungen  davon  abweichen.  Die  aus  den  kristallinen  und 
schiefrigen  alten  Gesteinen  gebildeten  Höhenzüge  haben  immer  noch  die  Streich- 
richtung von  Ostsüdost  nach  Westnordwest,  treten  aber  sehr  weit  auseinander, 
so  dass  breite  Längsthaimulden  entstehen,  die  mit  den  viel  jüngeren  Sandstein- 
bildungen ausgefüllt  sind,  und  in  deren  Mitte  der  Fluss  sein  Bett  eingegraben 
hat.  Er  fliesst  häufig  auf  kürzere  Strecken  den  Ketten  der  alten  Gesteine 
parallel  in  typischem  Längsthal,  dann  biegt  er  plötzlich  nach  Süden  ab  und 
durchbricht  eine  Kette,  um,  wieder  von  neuem  nach  Osten  fliessend,  zwischen 
den  Ketten  und  parallel  mit  ihnen  weiterzugehen.  Durch  diese  wechselnden 
Längs-  und  Querthalstrecken  sind  die  vielen  Biegungen  des  Flus.slaufes  bedingt. 
Bei  Schang-tschou  und  weiter  flussabwärts  liegt  auf  dem  rechten  Ufer  des 
hier  im  Längsthal  fliessenden  Flusses  zunächst  an  demselben  eine  150—200  m 
hohe  Bergkette,  die  noch  aus  roten  Sandsteinen  und  Konglomeraten  gebildet 
ist;  im  Süden  derselben  und  durch  tektonische  Läng.sthäler  getrennt,  erheben 
sich  erst  die  viel  höheren  Schiefergebirgsketten  mit  600—700  m  Höhe. 

Die  sämtlichen  Höhen  auf  den  Sandstein-  und  Konglomeratschichten  sind 
ebenso  wie  die  Flächen  auf  dem  Lösse  und  Lehme  gut  bebaut,  und  im  Thale 
wie  an  den  niederen  Sandsteingehängen  liegen  sehr  zahlreiche  Ansiedelungen. 
Hierzu  stehen  die  nackten,  kahlen,  immer  unbebauten,  steilen  Abhänge  des 
alten  Schiefergebirges  in  scharfem  Gegensatz.  Wo  die  roten  Konglomerate  und 
Sandsteine  senkrechte  Wände  gegen  den  Fluss  bilden,  wie  z.  B.  oberhalb  von 
Ye-thsun  ist  der  Weg  auf  grosse  Strecken  hin  in  die  Felswand,  an  der  unten  das 
Flussbett  hart  anliegt,  eingesprengt,  und  die  weicheren  Schichten  sind  zur  Anlage 
von  Felsenwohnungen  benutzt,  die  auf  nachstehender  Abbildung  dargestellt  sind. 

Die  Landschaftsbilder  entbehren  selbst  in  den  breiteren  Thalstrecken  nicht 
eines  hohen  landschaftlichen  Reizes.  Wenn  auch  unten  die  Bestände  an  Tannen- 
waldungen seltener  sind  als  im  oberen  Teile  des  Thaies,  so  sind  doch  die  zahl- 
reichen Dörfer  und  Höfe  meist  von  dichten  Baumgruppen  umgeben,  und  die 
hohen,  spitzen  Berggipfel  und  engen  Schluchtenthäler  kontrastieren  prächtig  mit 
den  bewachsenen,  sanften  Hügeln  und  niederen  Höhen  im  Thale,  in  welchem  der 
Fluss  mit  klarem,  grünem  Wasser  fliesst.  Auf  besonders  hervorragenden  Fels- 
vorsprüngen sind  Tempel  und  Cypressenhainc  angelegt,  und  auch  längs  des  Weges 
fehlt  es  nicht  an  solchen  aus  alten  Zeiten  stammenden  Zeichen  einer  frommen 
Gesinnung  im  Volke.  Der  Weg  ist  allerdings,  trotz  des  sehr  starken  Verkehres, 
durchaus  nicht  immer  gut;  häufig  muss  der  Fluss  durchquert  werden,  was  bei 
höherem  Was.*?erstande  leicht  zur  Durchnässung  der  Waren  auf  den  Lasttieren 


—     so?     — 

führt.  An  andern  Stellen  ist  der  Weg  auf  schmalen  Dämmen  über  das  sump6ge 
Land  geführt  und  so  eng,  dass  nicht  zwei  beladene  Lasttiere  an  einander  vor- 
bei können;  oder  er  geht  in  steilen  Lehmschluchten  hinauf  und  hinab  oder 
über  grobe  Flussschotter.  Ein  angenehmer  Reitweg  ist  dieser  Maultierpfad  nur 
an  den  wenigsten  Punkten;  aber  die  zähen  und  starken  Maultiere,  die  viel 
leistungsfähiger  und  auch  teuerer  sind  als  die  Pferde,  tragen  ihre  schweren  Lasten 
immer  in  flottem  Tempo  sicher  über  die  schwierigsten  Stellen  und  ertragen  die 
meist  30—35  km  langen  Tagemärsche  auf  den  schlechten  Wegen  wochenlang, 
ohne  Ermüdung  zu  zeigen. 


I'elsenwohnuncrn  iiuf  ilor  linken  'llialsrite  rles  T:in-ho,  olKThAlli  von  Vc-lhsiin. 

Der  ausserordentlich  starke  Verkehr  wird  hier  fast  ausschliesslich  durch 
Maultierkarawanen  vermittelt.  Pferde  werden  viel  seltener  und  nur  zum  Reiten 
benutzt,  aber  auch  Lastenträger  spielen  eine  grosse  Rolle.  Vielfach  sind  am 
Wege  einfache  Buden  oder  nur  Tische  aufgestellt,  auf  welchen  die  Leute  aus 
den  entfernter  vom  Wege  liegenden  Dörfern  allerlei  Lebensmittel  für  die  vor- 
überziehenden Reisenden  feil  halten.  Häufig  findet  man  Früchte,  vorwiegend 
die  dem  Paradiesapfel  ähnliche  Tsu-tse-P'rucht,  Brot,  oder  auch  ein  Kessel  ist 
über  Feuer  aufgestellt,  und  man  erhält  suppenartige  Brühen  und  eine  Art  von 
Fleischpastetchen.  In  den  Dörfern,  welche  der  Weg  berührt,  giebt  es  gleich- 
falls recht  viele   'Restaurants*,  aber  von  der  einfachsten  Art. 

Die  Bevölkerung  ist  hier  überall  sehr  gutartig.  Von  Belästigungen  war 
nirgends  eine  Spur,  nur  abends  in  den  Quartieren  zeigte  sich  zuweilen  zudring- 
liche Neugier,  aber  nie  offensive  Böswilligkeit.    Auch  waren  die  Quartiere  besser 


—     5o8     — 

als  in  den  Gegenden  im  Nordwesten  von  Si-ngan  fu  und  es  gehörte  nicht  mehr 
zu  den  Unmöglichkeiten,  ausser  Brot  oder  Nudeln  noch  andere  Lebensmittel 
zu  erhalten.  Das  Wetter  war  während  der  letzten  Tage  des  Jahres  und  unseres 
Ueberganges  über  das  Thsin-ling-Gebirge  nicht  günstig,  ohne  gerade  schlecht  zu 
sein.  Es  war  meist  unfreundlich,  trüb  und  kalt,  einige  Schneegestöber  traten 
ein,  und  die  höheren  Berge  waren  morgens  beschneit;  aber  der  Schnee  wich 
bald  wieder,  wenn  die  Sonne  zum  Vorschein  kam.  Die  kälteste  Nachttemperatur 
war  —  5  ®  C.  in  der  Nacht  vom  29. — 30.  Dezember,  die  höchste  Tagestemperatur 
um  die  Mittagszeit  war  -f  8,25®  C.  am  letzten  Marschtage. 

Dieser  letzte  Marschtag  am  31.  Dezember  von  Ye-thsun  bis  Lung-kü-tschai 
war  der  schönste  Tag;  die  Sonne  schien  sehr  warm,  kein  kalter  Wind  stellte 
sich  ein  und  die  zurückgelegten  Thalstrecken  waren  landschaftlich  schön. 
(Siehe  Panorama  auf  Tafel  XL.)  Beiderseits  ragten  hohe  Bergzüge  mit  male- 
rischen Gipfelformen  im  weissen  Schneegewande  hoch  über  die  welligen 
Höhen  am  Flusse,  der,  seiner  bisher  gezeigten  Gewohnheit  treu,  auch  hier  in 
vielfachen,  grossen  Windungen  fliesst.  Glücklicherweise  macht  der  Weg  sie 
nicht  alle  mit,  sondern  geht  quer  über  die  flachen  Rücken,  welche  die  konkave 
Seite  der  Biegungen  bilden.  Der  Fluss  war  während  der  letzten  Tage  be- 
deutend stärker  geworden  durch  einige  von  Westnordwest  kommende  grössere 
Thäler,  und  schon  oberhalb  von  Lung-kü-tschai  lag  ein  grosses  Schiff  auf  dem 
Wasser,  von  uns  freudig  begrüsst  als  das  erste  Zeichen,  dass  die  mühsamen 
Wanderungen,  die  weiten  Wege,  die  unregelmässige  Ernährung  und  die  dürftigen 
Nachtquartiere  nun  bald  ihr  Ende  finden  sollten.  Der  Tag  war  nicht  nur  für 
uns,  sondern  auch  für  die  Chinesen  ein  Festtag.  Ueberall  sahen  wir  ge- 
schmückte Frauen  und  Mädchen,  unter  denen  ich  zum  ersten  Male  seit  meinem 
nun  schon  einjährigen  Aufenthalt  in  China  nach  unsern  Begriffen  anmutige  Ge- 
stalten und  freundliche,  liebe  Kindergesichtchen  sah.  Mit  Fahnen  und  bunten 
Papierwimpeln  zogen  sie  einher  in  bunter  Festkleidung;  ein  grosser  Bonze 
wurde  in  schön  mit  Blumen  geschmückter  Sänfte  unter  Geleite  von  Musik: 
Flöten,  Pfeifen  und  Klingeln,  über  die  Felder  spazieren  getragen.  Ueberall  war 
Festfreude,  und  das  schöne  Wetter  war  geeignet,  dieses  recht  zum  Ausdruck 
kommen  zu  lassen. 

Der  Weg  von  Lung-kü-tschai  bis  Han-k'ou  nahm  die  Zeit  vom  2.  bis  24.  Januar 
in  Anspruch,  mit  Einschluss  eines  Aufenthalts  in  King-tzS  kuan,  in  der  Mitte 
zwischen  Lung-kü-tschai  und  der  Einmündung  des  Tan-ho  in  den  grösseren  Han- 
kiang  bei  Lao-ho-k'ou,  und  eines  Aufenthalts  in  dieser  letzteren  Stadt.  Von  da  bis 
Schang-hai  fährt  man  noch  drei  weitere  Tage  mit  dem  Dampfer  den  Yang-tz6-kiang 
hinab.  Der  erste  Teil  der  Fahrt  bis  Lao-ho-k'ou,  wo  wir  am  12.  Januar  ankamen, 
war  der  am  wenigsten  angenehme,  dafür  aber  der  schönste  und  interessanteste 
Teil  dieses  langen  Wasserweges,  da  er  noch  ganz  in  gebirgigem  Lande  liegt 
und  der  Tan-Fluss  in  vielen  Windungen  mit  Stromschnellen,  Katarakten,  Fluss- 
und  Thalerweiterungen  zwischen  hohen  Bergen  mit  malerischen  Kammlinien  und 


Thal  des  Tan-ho  b^ 

Nach  Osten 


TAFEL  XL. 


Stadt  Luns-kQ-tschal. 

bwäris  gesehen. 


—     509     -- 

Gipfeln  das  grösstenteils  aus  Schiefern  und  dichten,   grünen,   quarzitischen   Ge- 
steinen bestehende  Gebirge  durchbricht 

Die  Schiffe  sind  flach,   schmal  und  lang  (siehe  Tafel  XLI),    in    der  Mitte 
durch  Matten  gedeckt,  und  können  auch  an  beiden  Enden  verschlossen  werden. 
Da  aber  vom  und  hinten  je  drei  Schiffsleute  mit  Steuer,  Ruder  und  Schaltbaum 
beschäftigt  sind,    kann  man  während  der  Fahrt  sich  nicht  auf  den  noch  freien, 
unbedeckten  Räumen  vor  und  hinter  dem  gedeckten  Teile  des  Schiffes  aufhalten, 
um  die  landschaftliche  Schönheit  der  Gegend  ganz  zu  geniessen,  und  muss  sich 
mit  den  wenigen  Ausblicken  begnügen,   die   man  von   den  Oeffnungen   des  ge- 
deckten   Raumes    aus    erhält     Die    Schiffahrt    ist    durchaus    nicht    leicht;    die 
Schiffsleute  bedürfen  aller  Aufmerksamkeit  und  oft  grosser  Anstrengungen,  um 
die  verhältnismässig    langen  Schiffe   um  jähe  Biegungen   des    Flusses    und    um 
Felskanten  herumzubringen.     Wieder  an  andern  Stellen  ist  der  Fluss  so  seicht, 
dass  das  Schiff  auf  dem  Geröll  und  weiter  unten   auf  den  Sandbänken  aufsitzt, 
und  mit  Rudern  nicht    vorwärts    zu  bringen  ist     Dann  steigen  die  Schiffsleute 
ins  kalte  Wasser  —  es    ist  Januar    und   die   Wassertemperatur  sehr  niedrig  — 
und  schieben    oder   heben    das  Schiff   über   diese  Untiefen    hinweg    wieder  in 
besseres  Fahrwasser.     Stellenweise  sitzen  eine  ganze  Anzahl  von  Schiffen  fest, 
und  es  geht  oft  viele  Zeit  verloren,  bis  solche  schwierigen  Stellen  überwunden 
sind.     Die  Schiffe  können  auch  Segel  aufziehen,  wovon   aber  bei  dem  während 
der   Fahrt    nach    Lao-ho-k*ou    vorherrschenden    Südostwinde    nur  die  zu  Berge 
fahrenden  Schiffe  Gebrauch   machen   konnten;    wir    hatten   Gegenwind    und  da 
die  beiden  Schiffe   mit  unsern  Sammlungen    und    ausserdem    noch    durch    ein- 
geschmuggelte Warenkisten  unserer  chinesischen  Begleiter  sehr  schwer  beladen 
waren,  so  brauchten  wir  von  Lung-kü-tschai  bis  King-tzö  kuan  sechs  Tage,  während 
derselbe  Weg  mit  leichten  Schiffen   in  drei  Tagen  zurückgelegt  werden  kann. 
In  der  That  nahm  später  die  ebenso  lange  Strecke  von  King-tzS  kuan  bis  Lao-ho- 
k*ou  am  Han-Flusse  nur  drei  Tage  in  Anspruch,  nachdem  die  eingeschmuggelten 
Warenballen    herausgenommen    worden    waren.     Auf   dem  Flusse    herrscht  ein 
ausserordentlich  reger  Verkehr,   fortwährend  begegnet  man  zu  Berge  fahrenden 
Schiffen,    die    von    fünf  bis    acht    und    zehn    Leuten    am    Ufer    hinaufgezogen 
werden;    es    muss    das    eine    sehr    anstrengende    Art    der    Schiffahrt    sein,    die 
nur  geringe  Belastung  der  Schiffe  erlaubt,  und  es  sind  ausschliesslich  Menschen, 
welche  die  Schiffe  hinaufschleppen,    da  die  Pfade  auf  dem  felsigen  Ufer  wegen 
der  Klippen  und  Steilgehänge  auf  grosse  Strecken  für  Zugtiere  nicht  gangbar  sind. 
Im   ersten  Teile    der  Fahrt    sind    enge  Felsenschluchten    häufig    und    die 
Ansiedelungen  nur    sehr  spärlich  an  den  Ufern    zerstreut;    aber  je  weiter   man 
nach  Südosten  auf  dem  Flusse  hinabkommt,   um  so  breiter  wird  das  Thal,   die 
Felsengen  nehmen  ab,  und  auf  den  breiten  Thalböden  an  der  Einmündung  von 
Nebenthälern    liegen  zahlreiche  Ortschaften,    in   deren  Nähe  die  Schiffe  abends 
anlegen,    um    bei    Tagesanbruch  die  Fahrt    wieder  fortzusetzen.     Das  Bergland 
hat  Höhen  bis  zu  500  m  und  mehr  über  dem  Flusse,  und  oben  vielfach  breite 


-     510    — 

Rücken,  die  mit  rütlicheni  Verwitterungdlehm  bedeckt  sind.  Uebcrall,  wo  das 
Gehänge  nicht  7m  steil  oder  zu  felsig  ist,  tragen  sie  Ackerland.  Wälder  fehlen 
den  Höhen  ganz,  und  selbst  Baume  sind  an  den  höher  gelegenen,  einzeln  stehenden 
Höfen  selten,  während  sie  unten  im  Thale  an  breiten  Stellen  und  bei  den 
Dörfern  je  weiter  llussabwärts  um  so  häufiger  werden.  Nicht  nur  auf  dem 
Flusse  selbst,  auch  oben  auf  den  oft  hoch  über  dem  Flusse  entlang  fuhrenden, 
schwierigen  Bergpfaden  ist  lebhafter  Verkehr,  aber  man  sieht  nur  Lastenträger, 
nie  Pferde  oder  Maultiere,  deren  bequemere  Pfade  weiter  vom  Flusse  abliegen. 


Iluffn  v[>u  1  .iio-bu-k'uu  nm  IIuD-kiuDK. 

Das  Wetter  war  während  der  Fahrt  bis  Kum  llan-l'lusse  kalt  und  unfreundlich, 
aber  es  lag  kein  Schnee,  selbst  nicht  auf  den  höchsten  Bergen;  in  der  Nacht 
[gefror  das  Wasser  mehrfach. 

Mit  der  Hevölkerung  kam  man  während  der  Fahrt  wenig  in  Berührung. 
X'nscrc  Schiffslcute  waren  ordentliche,  freundliche  und  fleissige  Leute,  die  selbst 
bei  den  kalten  Bädern  die  gute  Stimmung  nicht  verloren.  In  King-tzS  kuan, 
einem  sehr  volkreichen  Markte,  zeigten  die  Leute  wohl  Neugierde  und  um- 
standen in  Menge  unsern  Landungsplatz,  aber  nii^ends  kam  es  zu  Feindselig- 
keiten. Dasselbe  war  in  Lao-hok'ou  der  Fall,  einer  grossen  und  sehr  belebten  Stadt, 
bei  welcher  der  von  Westen  kommende  Han-FJus';,  nachdem  er  den  Tan  auf- 
genommen hat,  schon  eine  sehr  ansehnliche  Breite,  wenn  auch  nur  geringe  Tiefe, 
besitzt.    Der  Hafen  der  Stadt  ist  sehr  lang  und  enthielt  sehr  viele  Schiffe;  kleinere, 


--     5»!     - 

welche  den  oberen  Tan  und  Han-Fluss  befahren,  und  grossere  der  verschiedensten 
Konstruktion  und  Einrichtung,  die  auf  dem  Han-Fluss  abwärts  bis  Han-k*ou  und 
auf  dem  Yang-tzö-kiang  verkehren.  Die  obenstehende  Abbildung  zeigt  einen 
Teil  des  Hafenbildes  von  Lao-ho-k*ou.  Die  grösseren  Schiffe  sind  alle  zum 
Segeln  eingerichtet  und  haben  auf  dem  Decke  Kajüten;  manche,  die  so- 
genannten »Mandarinen-  und  Haus-Boote«,  sind  für  Reisende  sehr  bequem  aus- 
gestattet, für  grossen  Lastentransport  dagegen  weniger  geeignet.  Es  wurde 
ein  grosses  Boot  gemietet  mit  Wohnräumen  für  die  Familie  des  Besitzers 
im  erhöhten,  hinteren  Teil  des  Schiffes  und  einem  kleineren  sowie  einem 
grossen,  gedeckten  Raum  in  der  Mitte  desselben  für  die  Reisenden;  unsere 
Kisten  aus  den  beiden  kleinen  Schiffen  wurden  in  die  Laderäume  des  grossen 
verstaut,  und  nachdem  noch  reichlich  Vorräte  von  Lebensmitteln:  Reis,  Thee, 
Brot,  Hühner,  Obst,  Kartoffeln  etc.,  sowie  Holzkohlen  zum  Heizen  und  Kochen 
eingekauft  waren,  wurde  die  Fahrt  auf  dem  Han-Flusse  hinab  am  14.  Januar 
mittags  angetreten.  Am  24.  früh  morgens  trafen  wir  in  Han-k*ou  an  der  Ein- 
mündung des  Han-Flusses  in   den  Yang-tzö-kiang  ein. 

Während  der  erstfen  Reisetage  sah  man  auf  den  Ufern,  besonders  auf  der 
rechten  Seite  noch  Hügel  und  in  grösserer  Entfernung  auch  Bergzüge;  bald 
aber  wurden  beiderseits  die  Ufer  ganz  flach  und  ragten  5 — 15  m  als  steile,  von 
sandigen  Lehmen  gebildete  Wände,  von  denen  fortwährend  Teile  infolge  von 
Unterwaschung  abbrechen  und  herabstürzen,  aus  der  Wasserfläche  auf.  Die 
Fahrt  ging  einigemale  bei  günstigem  Nordwestwinde,  als  das  grosse,  viereckige 
Segel  aufgezogen  werden  konnte,  ziemlich  rasch  von  statten;  in  einer  Nacht  aber 
kam  ein  Schneesturm  aus  derselben  Richtung,  der  auch  den  ganzen  folgenden  Ta^ 
anhielt,  so  dass  das  Schiff  seinen  geschützten  Platz  am  Ufer  überhaupt  nicht 
verliess.  Obwohl  zur  Zeit  der  Wasserstand  im  Han-Flusse  der  niedrigste  während 
des  ganzen  Jahres  war,  kam  es  auf  dem  Han-Flusse  nicht  mehr  vor,  dass  das 
Schiff  auf  Lehmbänke  aufseiss  oder  mit  dem  Boden  krachend  über  Steingeröll 
dahinfuhr,  was  auf  dem  Tan-Flusse  öfters  geschah.  Am  Ufer  lagen  zahlreiche 
kleinere  Dörfer  und  auch  einige  grössere  Städte.  An  die  Anlegeplätze  der 
Schiffe  kommen  immer  Leute,  die  Nahrungsmittel,  Holzkohlen,  Brennholz  etc. 
zum  Kaufe  anbieten.  Trotzdem  ist  meist  nicht  viel  zu  bekommen,  und  man  that 
gut,  sich  mit  allem  reichlich  schon   in   Lao-ho-k*ou  zu  versehen. 

Die  Bevölkerung  war  hier  sehr  zudringlich.  Unser  Diener,  der  rn  ein 
Dorf  gegangen  war,  um  Einkäufe  zu  machen,  wurde  mit  Steinen  beworfen  und 
von  einer  lachenden  und  gröhlenden  Volksmenge  begleitet.  Wir  blieben  auf 
dem  Schiffe  und  wurden  nicht  belästigt.  In  dem  ausserordentlich  volksreichen 
Han-k*ou  dagegen  ist  die  Bevölkerung  durch  die  dortige  europäische  Kolonie 
und  das  Settlement  so  an  den  Anblick  der  Europäer  gewöhnt,  dass  die  euro- 
päische Kleidung  und  der  Fremde  selbst  gar  kein  Aufsehen  mehr  erregen. 
Han-k'ou  machte  einen  grossen  Eindruck.  Unser  Schiff,  auf  dem  stolz  die  deutsche 
tlagge    wehte,    hatte    weit    oben  in  der  Stadt  am  linken  Ufer  des  Han-Flusses 


—       512       — 

angelegt,  weil  die  Schiffsleute  sich  wegen  Unkenntnis  der  Wasserverhältnisse 
weigerten,  weiter  hinab  zu  der  auf  dem  linken  Ufer  des  Yang-tzö-kiang  gelegenen 
europäischen  Kolonie  zu  fahren.  Wir  fuhren  daher  zuerst  in  einem  kleinen 
Ruderboote  etwa  drei  Viertelstunden  hinab  auf  dem  Han,  dessen  Ufer  beider- 
seits dicht  mit  grossen  Schiffen  besetzt  waren,  und  auf  dem  Yang-tz^-kiang  noch 
ein  kurzes  Stück  weiter  bis  zum  deutschen  Konsulate.  Die  Einfahrt  in  den  Yang- 
tz^-kiang  ist  grossartig.  Das  grosse  Häusermeer  setzt  sich  von  den  beiden  Ufern 
des  Han-Flusses  auch  über  den  grossen  Yang-tzft-kiang  fort,  auf  dessen  rechtem 
Ufer  Wu-thschang  fu,  auf  dem  linken  Ufer  Han-yang  fu  gegenüber  von  Han- 
k*ou  liegen,  die  grösser  und  ebenso  volkreich  sind  wie  Han-k*ou  selbst.  Der 
Verkehr  auf  dem  Wasser  ist  so  lebhaft  als  in  irgend  einem  grossen  europäischen 
Seehafen.  Zahlreiche,  sehr  grosse  Segelschiffe  von  allen  möglichen  Konstruk- 
tionen befahren  den  Yang-tzö-kiang.  Diese  grossen  Schiffe  gehen  auch  im  Han- 
Flusse  eine  Strecke  weit  hinauf,  aber  nicht  bis  Lao-ho-k'ou,  da  dort  oben  der 
Fluss  schon  zu  seicht  für  sie  ist. 


* 


Mit  Han-k*ou  hatten  wir  das  Gebiet  und  die  Grenze,  bis  zu  der  die  euro- 
päische Kultur  in  China  vorgedrungen  ist,  erreicht,  und  der  freundliche  Empfang, 
den  wir  im  deutschen  Konsulate  durch  Herrn  Vizekonsul  Grunewald  und  beim 
Vertreter  des  Norddeutschen  Lloyd,  Herrn  Michellau,  fanden,  mutete  uns,  nach- 
dem wir  seit  mehr  denn  Jahresfrist  kein  deutsches  Wort  mehr  aus  fremdem 
Munde  gehört  hatten,  heimatlich  an.  Hier  wurden  unsere  Sammlungen  für  den 
Transport  nach  Deutschland  neu  verpackt,  hier  fanden  wir  auch  unsern  Kosaken 
wieder,  den  wir  krank  mit  zwölf  Kisten  von  Sammlungen  aus  Si-ning  fu  hatten 
wegschicken  müssen.  Er  hatte  sich  glücklicherweise  erholt,  so  dass  er  die 
Rückreise  nach  Russland  zu  See  antreten  konnte;  ein  Teil  unserer  Sammlungen 
aber  war  bei  einem  Flussübergang  infolge  des  Hochwassers  nass  geworden, 
und  leider  waren  zwei  Kisten  mit  Vögeln  ganz  verdorben.  Zwei  Kisten  mit 
geologischen  Sammlungen  mussten  ganz  neu  umgepackt  und  etikettiert  werden; 
dagegen  waren  die  zahlreichen  photographischen  Platten  von  Unheil  verschont 
geblieben. 

Somit  waren  wir  denn  sämtlich  nebst  allen  unsern  zum  Teil  unter  grossen 
Schwierigkeiten  erworbenen  Sammlungen,  Karten,  Aufzeichnungen,  Skizzen  und 
Photographien  glücklich  und  wohlbehalten  bis  ans  Ende  der  Reise  gelangt,  so- 
weit sie  Gefahren  bot.  Wenn  auch  bei  einer  so  raschen  Durchwanderung  eines 
so  grossen  Kontinents  vieles  lückenhaft  und  unvollständig  bleiben  musste, 
so  hat  doch  im  ganzen  ein  gütiges  Schicksal  über  unserer  Expedition  gewaltet 
und  etwa  drohendes  Unheil  stets  freundlich  von  uns  abgewandt.  Hoffen  wir 
nun,  dass  das  Material    unserer  Sammlungen    und  Forschungen  den  geographi- 


Tverhältniis: 
lg  gelegene: 
nem  kleisea 
Ufer  beider- 
Mdang  nocl: 
n  den  Yang 
leiden  Ufern 
scn  rechteir 
r  von  Hau- 
lelbst.  De: 
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Thal  des  Tan-ho  südlich  vom  Thsln-llng-schi 

Thalabat 


,in,  zwischen  Lune-kQ-tschal  und  Lao-ho  k'ou. 

irts  gesehen. 


r 


—  513  — 

sehen  Disziplinen  natunvissenschaftlicher  Forschung  die  Bereicherung  und  Ver- 
vollständigung bringen  wird,  welche  wir  zu  erreichen  als  erstes  Ziel  immer 
im  Auge  behielten,  und  für  die  keine  Kosten,  keine  Mühe  und  keine  An- 
strengungen zu  gross  sein  können. 


Hauslii)ri[  iler   Ivxpeditiiiii  iiuf  clein  Han-kiim;;. 


-^- 


Anhang. 


33* 


Anthropologische  Messungen 

der  auf  den  Tafeln  I,  II,  IV  abareblldeten  Kirgisen,  Sarten  und  Dunsanen. 

Die  KörpermessuujT^en  koonteu  nur  am  Anfanjje  der  Reise  vorjjenommeu  werden,  so  hiiij^e 
die  Verständijjuug:  mit  den  Einj^eboreuen  durch  die  Dolmetscher  inög^lich  war.  In  Tibet,  wo' solche 
Messungen  von  besonderem  Interesse  ßfewesen  wären,  fehlte  es  an  jeder  Verständigung,  da  die  Kx- 
pedition  keine  Dolmetscher  mehr  hatte,  und  die  misstruuischen  Tanjjuteu,  die  nicht  einmal  immer 
;rerne  Skizzen  oder  Photographien  von  sich  aufnehmen  lassen  wollten,  nicht  vom  Werte  der  anthi^o- 
pologischen  Messungen  zu  überzeugen  waren,  sondern  sie  für  eine  gefährliche  Zauberei  hielten,  als 
welche  sie  schon  das  Feilen  mit  dem  Kompass  zur  Koutenaufuahme  und  die  Arbeiten  mit  dem 
Theodolithen  anzusehen  schienen. 

Es  sind  daher  nur  anhangsweise  die  wenigen  Messungen  angeführt,  welche  ich  in  der  I^ge 
war  vorzunehmen,  da  das  Material  zu  gering  ist,  um  zu  einer  selbständigen  Besprechung  einzuladen, 
immerhin  aber  auch  nicht  wertlos  scheint. 


Anthropologische  Aufnahme  No.  i.  —  Kirgise  aus  Suü- Kurgan. 

(Photographische  Aufnahme  auf  Tafel  I,  No.   i.^' 


Anthropologische  Aufnahme 


Masse  in  Centimeleni 


(Jrt   und  Tag    der   Aufmihme:     Osch,   25.  Ja- 
nuar 189S. 

Xame :  Basar-bai. 

("Jeschlecht :   (^ 

Stamm :   Kirgise  des   Stammes  Sartlar. 

Beschäftigung :  Dschitritc. 

Alter:  45  Jahre. 

Geburtsort:   Sufi-Kmgan. 

Ivrnährungszustand :  Gut. 

Farbe  der  Haut:  Stirn:  Bräunlich;  Wange: 
Etwas  dunkler;  Xase:  Etwas  dunkler;  Ober- 
lippe: Bräunlich  weiss;  Unterlippe:  Rosig- 
bräimlich;  Brust:  Unterarm:  Hell  bräunlich- 
weiss;  Innenfläche  der  Hände:  Weiss. 
Die  Haut  ist  weich  und  fettig. 

Farbe    der   Iris    (aus    einiger    Entfernung   ge- 
sehen^ :  Braun. 

Farbe  <les  inneren  Randes  der  Iris:   Kastanien- 
braun. 

Bimlehaut:   Weiss;   zerstreute  gelbe  Flecken. 

Form  der  Augen:   Mandelförmig. 

Stellung :   Gerade. 

Lage  der  Augen:  Nichts  besonderes. 

Haar:  Farbe  schwarz;  rasiert;  schlicht,   dick. 

Bart:   Farbe  braunschwarz;   Backen,  Oberlippe, 
Kinn. 

Wimperhaare:  Kurz,   gerade. 

Kopf:  I«mg,  breit. 

Hinterhaupt:   Steil,  flach. 

Gesicht:  Hoch,   l)reit,  viereckig. 

(irad  der  Protinathie:   Sehr  wenig  prognath. 

Stirn:    Niedrig,  gerade,  breit,  flach. 

Wangenbeine :  Angelegt. 


Grösste  Länge  des  Kopfes 

Grösste  Breite 

ICntfernung  zwischen  den  Tragus - 
wurzeln  (am  hinteren  oberen 
Rand' 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Scheitelhöhe 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Nasenwurzel 

Kleinste  Stirnbreite 

Gesichtshöhe  A.  Haarrand  bis  Kinn 
(untere  Fläche) 

Gesichtsh<ihe  B.  Nasenwurzel  bis 
Kinn  (untere  l'läche}    .... 

Gesichtshühe  C  Nasenwurzel  bis 
Mundspalte 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen- 
stachep! 

Kasenbreite 

Jochbogenbreite 

Entfernung  der  Kieferwinkel  v.  e.  . 

luitfernung  der  inneren  Augen- 
winkel  V.  e 

Entfernung  der  äusseren  Augen- 
winkel V.  e.    .     .     

Mumlbreite 

Uppenhöhe 

Ohrlänire 

Ohrbreite 

Projektionshöhe.    Scheitel  bis  Kinn 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel   

Körperhöhe,   im  Sitzen   (mit  Kleid) 


19,2 
16,8 


I4'ö 
16.0 
10,2 

19,0 
13.6 

8,4 

13.5 
11,0 

4.0 

10,8 
6,0 
2,2 
7.0 

3-4 
24,0 

12,0 
138.0 


i8     — 


ADthropoloj^sche  Aufnahme 


Masse  in  Centimctern 


Xase:     Wurzel:     Breit,    flach,     massig    hoch; 

Rücken:  Leicht  konkav,  Stumpfnase;  vSep- 

tum:     Kurz,     breit,     keilförmig    verjüngt; 

Flügel:  Dick;  Löcher:  Längsoval. 
Lippen:  Dick,  voll,   wulstig;  oberer  Rand  tli-r 

Lippen  gerade. 
Zähne:  Gerade,  gross. 

Zahnforincl : 
m  m  m  p  p  c  i  i  i  l  c  p  p   m  in  m 

m  in  m  p  j)  c  i  i         i  i  c  p  p  m  m  m 
(Fehlender  Zahn  fetterer  Druck/. 

Färbung:  Weiss. 
Oliren:  Gross,  schmal,  wegstehend;  umgelegter 

Rand  breit;   Läppchen  gross,   breit,  luige- 

wachsen. 
G enitidien :  Beschueidung. 
Waden:  Dick,  kräftig. 
Plände:  Gross,  lang,  breit. 
Finger:  Dick,  lang. 

Nägel:  Gross,  lang,  breit,  gewölbt,   oval. 
Füsse:  Gross,  breit. 


Ohrhöhe     (h.    o,    R.    der    Tragus- 

wurzel),  im  Sitzen   (mit  Chalat) 

Ganze  Höhe,  im  Stehen  (mit  Schuhen^ 

Stemum  (oberer  Rand^      .     . 

Trochanter 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe 

Klafterweite 

Schulterbrcili' 

Länge  des  hängenden  Armes 
I^nge  des  Vorderannes    . 
lünge  der  Hand      .... 

Breite  der  Hand 

l^ngc  des  Mittelfingers  innen 
Länge  des  Mittelfmgers  aussen 
Ilorizontal-l'mfang.  Kopf. 


124.0 

1852 

14S.0 

99.0 

187,0 
46,0 
90,0 
44,0 
20.5 
10,5 

9.5 
12,0 

58,0 


Anthropologische  Aufnahme  No.  2.  —  Kirgise  aus  Irkeschtam. 

(Photographische  Aufnahme  auf  Tafel  II,  No.   i.) 


Ort    und    Tag    der     ALufnahme:      Irkeschtam, 

6.  Februar  1898. 
Xame :  Tschan-dschar. 
Geschlecht:   (^ 

Stamm :    Kirgise  aus  dem  St;imme  Dschuisch. 
Beschäftigung:  Schafhändler. 
jUter:   50  Jahre. 
Geburtsort :  Irkeschtam. 
Kmährungs;(U8tand :  Sehr  gut. 
Farbe  der  Haut;   Stirn:  Braun;   Wange:  Braun, 

etwas  dunkler;  Nase:  Ebenso;  ()l)erlippe: 

Dunkel  rosa;    Unterlippe:  Ebenso;    Brust: 

Weiss,  etwas  gebräunt;    Oberarm:   Weiss; 

Innenüäclie  der  Hände:   Gebräunt. 

Die    bedeckt     getragenen    Hautstellen 

sind  etwas   heller   als   die  gewöhnlich  der 

Sonne  ausgesetzten. 

Die  Haut  ist  sammetartig.  weich,  trocken. 
Farbe   der  Iris    (aus    einiger   Entfernung   ge- 

sehenV-  Braun. 


li 


Grösste  I^änge  des  Kopfes    .     .  20,0 

Grösste  Breite 17.2 

Entfernung    zwischen    ilen  Tragus- 

wurzeln  .am  hint.  ob.  Rand^     .  IÖ.2 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 

zur  Scheitelliöhe ,  13,6 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel  I 

zur  Nasenwurzel 1  16,0 

Kleinste  Stimbreite 12.4 

Gesichtshöhe  A.  ILuuraud  bis  Kinn 

^untere  Fläche^ 19,0 

Gesichtshöhe    B.    Nasenwurzel    bis  1 

Kinn  i  untere  Fläche^   ....  12,2 

I 
Gesichtshöhe    C.    Nasenwurzel    bis 

Mundspalte     .......  ^  8,2 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen-  , 

Stachel} 1  5,2 

Nasenbreite 4,0 

Jochbogenbreite \  12,7 

Entfernung  der  Kieterwinkel  v.  e. .  10.4 


—     519     — 


Anthropologische  Aufnahmt 


Masse  in  Centimetcrn 


I 


Karbe  des  inneren  Randes  der  Iris :  Nussbraun. 

Bindehaut:  Weiss. 

Form  der  Augen;  Oval. 

Stellung:  Gerade. 

Lage  der  Augen:  Ktvvas  vorstehend. 

Haar:  Farbe  tief  schwarz;  kurz  abgeschnitten; 
dünn,  weich. 

Bart:  Farbe  schwarz;  Backen  wenig,  Ober- 
lippe, Kinn  wenig. 

Wimperhaare:  Lang,   gerade;  sehr  weui^. 

Richtung     der    Haare    an     den    Unterarmen:    ' 
Keine  da. 

Kopf:  Kurz,  breit,  niedrig. 

Hinterhaupt:  Flach. 

(lesicht;  Niedrig,  breit,  rund  bis  viereckig. 

drad  der  Prognathie:   Sehr  gering. 

Stirn:  Niedrig,  gerade,  breit,  voll,  flach. 

Wangenbeine :   Angelegt. 

Nase:  Wurzel:  Breit,  flacli;  Rücken:  Gerade, 
Stumpfnase;  Septum:  Kurz,  schmal,  ver- 
jüngt nach  hinten;  "Hügel:  Dünn. 

Lippen:  Dick,  voll;  oberer  Rand  geschwungen,    i 

/ahne:   Gerade,  gross. 

Zahntoruu'l : 
in  lu  in  j)  p  C  i  1  i  i  i*  p  p   in  in   m 

m  m  m  p  p  c   i  i         i  i  c  p  p  ni  iniu 
■Fehlende  Zähne  fetterer  Druck. "^ 

Ohren:     Gross,    breit,    wegstehend,    Henkel-    , 
ohren;    umgelegter  Rand  breit.    I«'ippcheii 
klein,  breit,  angewachsen. 

( lenitalien :  Boschneitlunj:;;^. 

W:iden:  Dünn,  lang,  schwächlich. 

Hände:  Gross,  kurz,  breit. 

Finger:   Dünn,  laiitr. 

Nägel:  Gross,  kmz.  breit,  gewölbt. 

FUsse:  Gross,  kurz,  schmal,  gewüll)t,  längste 
Zehe  r.    i.   1.    i. 


Entfernung     der     inneren     Augen- 
winkel V.   e 

Entfemimg    der    äusseren    Augen- 
winkel V.  e 

Mundbreite 

IJppenhöhe      

Ohrlänge 

Ohrbreite 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Kinn  . 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel      

Körperhöhe,  im  Sitzen       .     .     .     . 

Ohrhöhe  (h.  o.  R.  der  Tragus  wurzel\ 
im  Sitzen 

Ganze  Höhe,  im  Stehen    .     .     .     • 

Sternum 

Nabel 

Trochanter 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe  . 

Unterer  Rand  des  inalleol.  intern.  . 

Klafterweite 

Schulterbreite 

Hüftbreite 

Länge  des  hängenden  Annes     . 

Länge  des  Vorderarmes    .... 

Länge  der  Hand 

Breite  der  Hand 

Länge  des  Mittelfingers  innen    .     , 

Länge  des  Mittelfingers  aussen  .     . 

Horizontal- Umfang,  Kopf .... 

Horizontal- Umfang,  Brust       .     . 

Kleinster  Umfang,  Unterschenkel    . 

Grösster  Umfang,  Unterschenkel 

Grösster  Umfang,  Oberschenkel 

Höhe,  im  Knieen 

Fusslänge  (im  Knieen)       .... 

Fussbreite  (im  Knieen^      .     .     .     . 


4,o 

IO,2 

6.4 

1.4 
6,2 

23,0 

11,2 
133^4 

123,0 
164,2 

i33»o 
96,0 

92,0 

43iO 
10,5 

168.0 

41.0 

30.0 

74,5 
41  i,  45  ;i 

18,0 

10,0 

8,0 

ii.S 

5«.5 
559,5 
23.0 

3L5 

37.5 
95.8 

20,0 
9,0 


Anthropologische  Aufnahme  No.  3.         Kirgise  aus  Kan-dschugan. 

Photographische  Aufnahme  auf  Tafel  11,  Xo.  2.^ 


Ort     und     Tag     der     Aufnahme: 

20.  Februar   1S98. 
Xaine:  Temir. 
Geschlecht:  (f 
Stamm:  Kirgise*. 
Beschäftigung:  Hirt. 


Kaschgar, 


Grösste  Länge  des  Kopfes    .     .     . 

Grösste  Breite 

Fntfernung    zwischen    den  Tragus- 

wurzeln  (am  hint.  ob.  Rand) 
Kntfemung  von  einer  Traguswurzel 

zur  Scheltelhöhe 


18,6 
15,4 

14,4 
13,2 


S20 


Anthropolo^sche  Aufnahme 


Masse  in  Centimetem 


Alter:   25  Jahre. 

Geburtsort:  Kan-dschu|:j^an,  westlich  von  Kasch- 
EmShrung^szustand :  Gut.  [f^ar. 

Farbe  der  Haut:    Stirn:    Gelbbraun;    Wang^e: 

Rötlichbrauii ;    Nase:   Ebenso;    Oberlippe: 

Rosa;  Unterlippe:  Ebenso;   Brust:  Weiss; 

Oberarm:  Ebenso;  Innenfläche  der  Hände: 

Weiss. 

Die     bedeckt     q-etra^enen     Hautstellen 

sind    merklich   heller    :üs    die    «gewöhnlich 

der  Sonne  ausgesetzten. 

Die  Haut  ist  sammetarti^,  weich,  fettig. 
Farbe   der  Iris    (aus    einifjer   Entfenrnn^j   jje- 

sehen):  Dunkelbraun. 
Farbe  d.  inneren  Randes  d.Iris:  Kastanienbraun. 
Bindehaut:  Weiss. 
Form  der  Aug-en:  Mandelförmijj. 
Stellung:  Gerade. 
Lage  der  Augen:  Tief. 
Haar:  Farbe  tief  schwaiz;  schlicht. 
Bart:  Fehlt. 

Wimperhaare:  Kurz,  geschwungen. 
Kichtungf    der    Haare    an    den  Oberschenkeln 

und  Unteraiinen:  Keine  d:i. 
Kopf:  Lang",  breit,  niedrig. 
Hinterhaupt:  Flach. 
Gesicht:  Hoch,  schmal,  ov5Ü. 
Grad  der  Prognatlüe:  Sehr  gering. 
Stirn:  Niedrig,   gerade,  schmal,   flach. 
Wangenbeine :  Angelegt. 
Nase:    Wurzel:    Breit,  massig  hoch;    Kücken: 

Leicht  konkav,  Stumpfuase;    Septum:  Kurz, 

schmal,  verjüngt  nach  hinten ;  Flügel :  1  )üun ; 

Löcher:  Schmal,  queroval. 
I^ippen:  Dick,  zart;  oberer  Rand  geschwungen. 
Zähne:  Gerade,  gross.     Färbung:  Weiss. 

Zahn  form  el : 
ui  m  ni  p  p  c   i  i  i  i  c  p   p   in   ni  ni 

m  m  m  p  p  c  i  i  i  i  c  p  p  ni  m  m 

(Fehlende  Zähne  fetterer  Druck.) 
Ohren:   Klein,  lang,  breit,  wegsteliend;  umge- 
legter Raiid  schmal,   Läppclien  klein,  breit, 

angewachsen. 
Genitalien :  Beschneiduuir. 
Waden:  Dick,  kräftig. 
Hände:  Gross,  lang,   breit. 
Finger:  Dick,  lang,  sehnig. 
Nägel:  Gross,  kurz,  breit,  gewölbt,   oval. 
Füsse:    Klein,  kurz,  schmal,  gewölbt;    längste 

Zehe  1.   2. 


Entfernung  von  einer  Tragus  würz  el 

zur  Nasenwurzel ISA 

Kleinste  Stirnbreite j             12,4 

Gesichtshöhe  A.  Haarrand  bis  Kinn 

(untere  Fläche) 18,4 

Gesichtshöhe    B.    Nasenwurzel     bis  1 

I 

Kinn  ^untere  Fläche)  .     .     .     .  <            12,2 

Gesichtshöhe    C.    Nasenwurzel    bis  | 

Mundspalte 1              S.O 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen- 

stacheP 5,S 

Nasenbreite '              4,0 

Jochbogenbreite 13,2 

i'vntfernung  der  Kieferwinkel  v.  e.  .  I2,0 
ICntf  eru.  der  inneren  Augenwinkel  v.  e.  3,4 
Entfernung    «ler    äusseren    Augen- 
winkel v.  e 10,2 

Muudbreite 5'^ 

Lippenhöhe 2,5 

Ohrlänge 5,8 

Ohrbreite 3,5 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Kinn  .  21,4 
Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel    11,0 

Körperhöhe,  im  Sitzen       .     .     .     .  ■           I35»0 
Ohrhöhe  {h.  o.  K.  derTragiiswurzel), 

im  Sitzen 126,0 

(lauze  Höhe,  im  Stehen    ....  168,0 

Stemum 136,0 

Nabel I02,0 

Trochanter 99iO 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe  .     .  48,0 

Unterer  Rand  des  malleol.  intern.  .  8,2 

Klafterweile 1           178,0 

Schulterbreite 45,0 

I  lüftbreite 30,0 

]>änge  des  hängenden  Armes     .  70,0 

Länge  des  Vorderarmes    ....  46,0 

Länge  der  Hand ,             19,5 

Breite  der  Haiul 10,0 

Länge  des  Mittelfingers  innen    .     .  •              8,5 

Länge  des  Mittelfingers  aussen  .     .  1 2,0 

Horizontal- Um  fang.  Kopf ....  53,0 

Horizontal- Umfang,  Brust       .     .     .  93»0 

Kleinster  Umfang,  Unterschenkel    .  21,5 

Grösster  Umfang,  Unterschenkel  38,5 

Grüsster  Umfang.   Ol>erschenkel      .  51. 5 

Höhe,  im  Knieen '25,5 

Fusslänge  (im  Knieen^       ....  24,0 

Fussbreite    'im  Knioen''      ....  Io,o 


—       521        — 


Anthropologische  Aufnahme  No.  4.  —  Dungane  aus  Ak-su. 

(Photügraphische  Aufnahme  auf  Tafel  1,    Xo.  2.) 


Anthropulo^ische  Aufuahine 


Masse  iu  Centimetem 


Ort  und  Tajj^  der  Aufnahme:  Suli-Kurjjan, 
Alai-Gebirge,  2.  Februar  1898. 

Name:  Dawud  Achun. 

Geschlecht:  (^ 

Stamm:  Dungane. 

Beschäf tif^uni^ :  Dschijrit. 

Alter:  42  Jahre. 

Geburtsort:  Ak-su, 

Emährunf^szustand :  Gut. 

Farbe  der  Haut :  Stirn :  Hellbräunlich ;  Wanjj e : 
Kot;  Nase:  Braun;  Überlippe:  Fleisch- 
rosa; Unterlippe:  Ebenso;  Brust:  Bräun- 
lich-weiss;  Oberarm:  Ebenso, heller ;  Innen- 
fläche der  Hände:  Weiss. 

Die    bedeckt     ^etrag^enen    Hautstellen 
sind    nicht    wesentlich    heller   als   die  gfc- 
wöhnlich  der  Sonne  ausgesetzten. 
Die  Haut  ist  weich  anzufühlen. 

Farbe  der  Iris  (aus  einij^er  Entfernung  ^e- 
j^esehfu) :  Kastanienbraun. 

Bindehaut:  Weiss. 

Fonn  der  Auj^en:  Maudelförmi}^'^. 

Stellun«;:  Gerade. 

I^ij»^e  der  Augen:  Tief. 

Haar:  Fiirbe  schwarz;  kurz  jijeschnitten,  straff, 
dick,  hart 

Bart:  Farbe  schwarz;  Oberlippe,  Kinn. 

Wimperhaare:  Lang,  geschwungen, 

Richtung  der  Haare  an  den  Oberschenkeln 
und  Unterannen:  Keine  oder  nur  wenig 
nach  unten  gerichtet. 

Kopf:  Lang,  schmal,  hoch. 

Hinter]iau})t :  Gewölbt. 

Gesicht:  Hoch,  schmal,  viereckig. 

Grad  der  Prognathie:   Sehr  wenig  progiiath. 

Stirn:  Niedrig,  schriig,  schmal,   voll,  tlach. 

Wangenbeine :  Vortretend. 

Nase:  Wurzol :  Breit,  flach;  Rücken:  Gci;uK*; 
Sfptuin:  Kurz,  schmal,  verjüngt  nach  hinten; 
Flügel:  Dünn;  Löcher:  Längsoval. 

Lippen:   Dünn,   zart;    oberer  Rand   gerade, 
le:   Gerade,   gross. 

Zahnlormel : 
III  in   m  p  p   c  i  i     I     i  i  c  ])  ])   in   m  m 
in  m  m  p  p  c  i  i     <     i  i  c  p  p  m  \\\  m 

■Fehlender  Zahn   fetterer  Druck. ^ 
FärV)untr:    Weiss,   an  der  Wurzel  gelblich. 


Grösste  Länge  des  Kopfes    ,     .     . 

Grösste  Breite 

ICntfernung  zwischen  den  Tragus- 
wm'zeln  (am  hint.  ob.  Rand)     . 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Scheitelhöhe 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Nasenwurzel 

Kleinste  Stinibreite 

Gesichtshöhe  A.  ILuirrand  bis  Kiim 
(untere  Fläche) 

Cu^sichtshöhe  B.  Nasenwurzel  bis 
Kinn  (untere  Fläche)  .... 

Gesichtshöhe  C.  Nasenwurzel  bis 
Mundspcdte 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen- 
stachel)        

Nasenbreite     1 

Jochbogenbreite . 

Entfernung  der  Kieferwinkel  v.  e.  . 

Entfernung  der  inneren  Augen- 
winkel V.  e 

Entfernung  der  äusseren  Augen- 
winkel v.  e 

Mundbreite 

Lippenhöhe      

Ohrlänge 

(^hrbreite 

Projektioushöhe,    Scheitel    bis  Kinn 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel   

Körperhöhe,  im  .Sitzen       .     .     .     . 

Ohrhöhe  \\v.  o.  R.  der  TraguswurzeP. 
im  Sitzen 

Ganze  Höhe,   im  Stehen    .     .     .      . 

Sternum  (ob.  Rand  «les  Sternum'i   . 

Nabel 

Trochanter 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe  .  •    . 

Unterer  Rand  des  malleol.  intern.  . 

Klafterweite     .  

Schultcr])reite 

Hut  tl  »reite 

Länge  des  hängenden  Armes 

Länge  lies  \'ord<'rarmes    .      .     .     . 

Länge  der  Hand 

Breite  der  Hand 


19.5 
I4i2 

14,8 

14.S 
1L4 

16,8 

7,6 
6,2 

3-S 
12,0 
10,0 

3'2 

9.2 

5.0 

1.6 
6,7 

3»o 

23.S 

13.2 
I37r4 

127,0 

i75»o 
140,0 
105,0 
101,0 

46.  s 

9,4 

175*0 
37.0 
32,0 

75'0 

450 
10,0 

8.0 


522 


Anthropologische  Aufnahmr 


Masse  in  Ceutimetem 


Ohren:  Ciroj^s.  luu^,  schniui,  wej^sti'htMul ;  uin- 
j^flcj^'tcr  Rand  schni:iJ ;  Läppchen  kh'in, 
schmal,  an^^ewachsen. 

( fcnitalifii :   Beschnritlunjj. 

Waden:   Dünn,   lauj;,   krältiu'- 

Ilämlt;:  (iross,  breit. 

Fin^^er:  Dünn,  lanj^'. 

Xäjffl:  Klein,  lanpr-  schniiü,   fji'wölbl,  oval. 

Füsse:  (iross.  laue,  schinil.  i»*ewöll>t;  liin^str 
Zehe  r.  2.   1.   2. 


Län;^'e  «lea  Mittelfinijers  innen    . 
Läuy^e  des  Mittelfiujjers  aussen  . 
Horizontal- L'nit'ao«^.   Kopt .     . 
Hori/ont:il-L'iutan^.   Urust  .     .     .     . 
Kleinster  Umfang,  Unterschenkel    . 
(irösster  Umfanjj,   Unterschenkel 
Grösster  Unitan;if,  Oberschenkel 
ll'ihe.   im  Knieen 


7.S 

15.7 
54,0 

S2,5 
22.5 
30,0 

34-5 
106.0 


Anthropologische  Aufnahme  No.  5.  —  Sarte  aus  Osch. 


Ort  uml  Taj^  «ler  Aufnahme:  Tsehartsehi  bei 
Kurlja,   30.  Mär/    iSoS. 

Xame:   Kadür  Kalop.ir). 

Geschlecht :   (^f 

Stamm:  Sarte. 

Beschälti.cjuup :   Karawan-ilaschi. 

Alter:   35  Jalue. 

Geburtsort:  Osch. 

lMnährun|;s/ustaniI :   Sehr  uut. 

Farbe  der  Haut:  Stirn:  LJiaun;  Waii^e:  Rosa- 
braun; Nase:  Kbensu;  Oberlip])e :  Ros.i- 
weiss;  Unterlipp«>:  i^bcuso;  IJrusl:  Weiss. 
K:ebräunt:  Oberarm:  Hell,  weiss;  limen- 
tläche  der  Hände:   Weiss. 

Die  bedeckt  i^etrafj^enen  Haiiistelien 
sind  wesentlich  heller  als  die  «rewöhnlich 
der  Simne  ausifi'S«tzten. 

Die  Haut  ist  sainmetartii»'.  weich,  liockeji 
anzutühlen. 

Farbe  der  Iris  (aus  eini^^er  iMitfernuiiLT  l:(.- 
sehen^ :   Hellbraun. 

Farbe  iles  inneren  Randes  der  Iris:  Dunkel- 
braun. 

Bindehaut:   Weis.**. 

Form  der  Auj|i*n :   0\.il. 

Stellung:    Gerade. 

Laut'  «ler  Auj^en:  Tief. 

Haar:  I''arbe  ^rauschwar/,  stellenweise  weiss; 
NNellijj,   dick,  hart. 

Hart:  I'^ari)«  iri-mschwarz;  Backen.  Oberlippe, 
Kinn. 

Wimperh.'une :  Kurz,  jj^erade. 

Sonstijjes  Haar:  Dunkel,  kurze  Armhaare. 


(irössti"  Länge  des   Kopt»'S    . 

Grösste   Breite 

Ivntleniun^  zwischen  den  Tra^^us- 
wurzeln    am  hint.  ol).  Knnd'. 

ICnlf'Mnunjj  \on  einer  Trairuswurzel 
zur  Scheitelhöhe 

FiUt'ernunij  von  einer  Traffuswurzel 
zur   \asen Wurzel 

Kleinste   Stiinbreitr 

Gesichtshöhe  A.  Haiurand  bis  Kinn 
untere  Fläche^ 

Gesiclitshöhe  B.  Nasenwurzel  bis 
Kinn   ^untere   Fläche^    .      .     .     . 

Gesichtshrihe  C\  Nasenwurzel  bis 
Mundsj».dle 

.Vaseuhöhe  Nasenwurzel  bis  Xasen- 
staclieF 

Xasenbreite 

Jochboi^enbreiie 

l'jitternung^  der  Kieferwinkel   v.  e.  . 

Kntfei  n.  der  inneren  Aujifenwinkel  v.  e. 

IOntf«'riuuijj  der  äusseren  Augen- 
winkel V.  e 

Mundbreite 

Lippenhöht' 

Ohrlänjje .     . 

( )hrbreite 

Projektionshöhe.    Scheitel    bis  Kiiui 

Frojektionshöhe.  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel    

Körperhöhe,   im   Sitzen       .      .      .     . 

( >hrhöhe  (h.  o.  R.  der  Trapuswurzel). 
im   Sitxeji 


19.0 

16.0 

I3.S 

I4«4 

16.4 

12.4 

iS.S 

130 

S.2 

5'^ 

4.0 

12.S 

11,4 

3.0 

10,2 

5'4 

1-3 

0,0 

3'4 

25.S 

15.2 

147*0 

137,» 


—     523     — 


Anthropologische  Aufnnhino 


M'cisse  in  Ceutimetern 


Kichtuiijif  der  Ihuire  an  den  Oberschenkeln  und 
Unterarmen:  Weniß^e,  nach  unten  jjerichtet. 

Kopf:  Lan^,  schin:il,  hoch. 

Hinterhaupt:  Steil,  flach. 

Gesicht :  Hoch,  schmal,  viereckig?. 

Grad  der  Prog^nathii* :  Gering;. 

Stirn :  Niedrigr,  schräjj.  schmal,  voll,  flach. 

Wani^enbeine :  Anjjelcjjt. 

Nase :  Wurzel :  Schmal,  massig  hoch ;  Kücken : 
Gerade;  Septum:  Kurz,  schmal,  keilförmig, 
verjüngt  nach  vorn;  Flütri*l:  Dünn;  Löcher: 
I-Äui^soval,  j^ross. 

Lippen:  Dünn,  zart;  oberer  Rand  j^cschwunji^rn. 

Zähne:  Gerade,  klein;  Vorderkaucr. 

Zahnformel : 
m  m  m  ]j  j)  c  i  i         i  i  c  p  ])  in  m  m 
m  m  m  p  p  c  i  i     '     i  i  c  p  p  m  m  m 

(Fehlender  Zahn  fetterer  Druck. ^ 
Färbung :  Weiss. 

( )hren :  Klein,  lanj^,  schmsU.  anliej^end ;  umj>^e- 
leorter  Rand  schmal;  Läppchen  i^ross,  breit, 
frei. 

G(.M)it:Uien :  Beschneidung^. 

Wilden:   Dick,   lan*^,   krälti;,^ 

Hände:   (iross.   lanjj,   breit. 

Finj^er:  Dünn,  lanjr.  sehni;:. 

Näjfel:    Gross,  lanjj,   breit,   j^^ewölbt,    rundlich. 

Fiissc:  Gross,   breit. 


Ganze  Höhe,  im  Stehen    .     . 
Sternum  (oberes  Knde^ 
»\aL)ei     •.••.... 

l'rochanter ....... 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe 
Unterer  Rand  des  miüleol.  intei 

Klafterweite 

Schulterbreite 

Hüftbreite 

Länge  des  hängenden  Aiines 
Länge  des  Vorderarmes    . 
I-,änge  der  Hand       .... 

Breite  der  Hand 

Länge  des  Mittelfingers  innen 
Länge  des  Mittelfingers  aussen 
Horizontal- Umfang,  Kopf .  . 
Horizontal-Umfang,  Brust . 
Kleinster  Umfimg,  Unterschenkel 
Grösster  Umfjmg,  Unterschenkel 
Grösster  Umfang,  Oberschenkel 

Höhe,  im   Knieen 

Fusslängc    im  Knieen' 
Fussbreito    im  Knieen^      .     .     . 


n 


177.2 

lOO.O 

92,0 
49.0 
7,0 
179.0 
44.0 
30,0 
77,0 
47.0 
18,8 

8,4 
8.5 

11,8 
56,0 
96,0 

21,5 
37.5 
SI10 

128.3 

24.0 

9-'S 


Anthropologische  Aufnahme  No.  6.  —  Kaschgarier  (Sarte)  aus  Kaschgar. 

Photographische  Aufnahme  auf  Tafel   I\',    No.   2.] 


Ovt  u.  Tag  der  Aulnahme    Kurlja,  i.  April  1898. 

Xame:  Osman  Tuta-achun. 

Geschlecht:   (^ 

Stamm:  Kaschgarier  (Sarte\ 

Beschäftigung ;    Kara\van-b;tschi. 

Alter;   30  Jahre. 

Geburtsort:   Kaschgar. 

1  Ernährungszustand :   Gm. 

Fail)e  cler  II:iut:  Stirn:  Bräunlich  weiss:  Wange; 
Fbenso.  etwas  dunkler;  Nase:  Ebenso; 
( )l)erlippe :  Kosigweiss;  Unterlippe  :  Kbenso; 
Brust;  Braunweiss;  Oberarm:  Weiss,  ge- 
bräunt; Innenfläche  der  Hände:  Braun- 
weiss. 


Grösste  Länge  des  Kopfes    . 

Grösste  Breite 

Kntfernung    zwischen    den  Tragus- 

wurzeln     (am    hinteren     oberen 

Ramr 

Ivntfernung  von  einer  Traguswurzi'l 

zur  Scheitelhöhe 

Kntfernung  von  einer  Traguswurzel 

zur  Nasenwurzel 

Kleinste  Stirnbreile 

Gesichtshöhe  A.  Haarrand  bis  Kinn 

(untere  Fläche' 

Gesichtshöhe    B.    Nasenwurzel    bis 

Kinn  (untere  Fläche^  .... 


18.4 
15. 8 


14,6 

13.Ü 

15.2 
12. () 

13-2 


—     524     — 


Anthropoloß^ische  Aufnahme 


Masse  iii  Centimetern 


Die  bedeckt  getiapenen  Hautstelleu 
sind  nicht  merklich  dunkler  oder  wesent- 
lich heller  als  die  gewöhnlich  der  Sonne 
ausgesetzten. 

Die  Haut  ist  sammetarti^,  weich, 
trocken  anzufühlen. 

Farbe  der  Iris  (aus  einip^er  Entfemuujj  jje- 
sehenV'  Braun. 

Farbe  des  inneren  Randes  der  Iris:  Dunkel- 
braiui. 

Bindehaut:  Weiss. 

Form  der  Äugten:  Oval. 

Stellunfif:  Gerade. 

Lajje  der  Augen:  Vorstehend. 

Haar:  Farbe  tief  schwarz;  kurz  ^geschnitten, 
schlicht,  dünn,  weich. 

Bart:  Farbe  grauschwarz;  Backen,  Oberlippe, 
Kinn. 

Wimperhaare:  Kurz,  geschwunoren. 

Sonstiges  Haar:  Wenig. 

Richtung  der  Haare  an  den  Oberschenkeln 
und  Unterarmen:  Nach  unten  gerichtet 

Kopf:  Lang,  breit,  hoch. 

Hinterhaupt;   Steil,  flach. 

Gesicht:  Hoch,  breit,  viereckig. 

Grad  der  Prognathie:  Sehr  wenig  oder  ganz 
Null. 

Stirn:  Niedrig,  gerade,   breit,   voll,  flach. 

W^angenbeine :  Angelegt. 

Nase:  Wurzel:  Breit,  flach;  Rücken:  Gerade; 
Septum:  Kurz,  breit,  verjüngt  nach  vom; 
Flügel:  Dünn;  I^öcher:  Schmal,  längsov;d, 
gross. 

Lippen:  Dick,  voll,  gerade. 

Zähne:  Gerade,  gross,  vollständig. 

Ohren:  Gross,  lang,  schmal,  anliegend;  um- 
gelegter Rand:  Schmal;  Läj)pchen:  Klein, 
breit,  angewachsen. 

Genitalien:  Beschneidung. 

Waden:  Dick,  lang,   kräftig. 

Hände:  Gross,  lang,   breit. 

Finger:  Dick,  lang,   sehnig. 

Nägel:  Gross,  lang,  breit,  gewölbt,   oval. 

Füsse:  Gross,  lang,  breit,  gewölbt;  längste 
Zehe  r.   2^  1.  2. 


US- 


Gesichtshöhe    C.    Nasenwurzel    bis 
Mundspalte 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen- 
stachcO 

Nasenbreite 

Jochbogenbreiie 

lintfernung  der  Kieferwinkcl  v.  e.  . 

Entfernung     der      inneren     Augen- 
winkel     

Entfernung    der     äusseren    Augen- 
winkel V.   e 

Mund  breite 

Lippenhöhe      

Ohrlänge 

Ohrbreite 

Projektionshöhe,    .Scheitel   bis  Kinn 

Projektioushöhe,  Scheitel  ])is  Nasen- 
wurzel     

Körperhöhe,  im  Sitzen 

Ohrhöhe    (h.     o.    R.    der    Trag 
Wurzel)  im  Sitzen    . 

Ganze  Höhe,  im  Stehen 

Sternum 

Nabel 

Trochanter       

Unterer  Rand  der  Kniescheibe 

Unterer  Rand  des  malleol.  inter 

Klafter  weite 

Schulterbreite 

Hüftbreite 

Länge  des  hängenden  Armes 

Länge  des  Vorderarmes    . 

Länge  der  Hand       .... 

Breite  der  Hand 

Länge  des  Mittelfingers  innen 

Länge  des  Mittelfingers  aussen 

Horizontal- Umfang,   Kopf 

Ilorizontal-Umlang,   Brust . 

Kleinster  Umfang,   Unterschenke 

(Irösster  Umlang,   Unterschenkel 

Grösster  Umfang,  ( )bersclienkel 

Hohe,  im  Knieen 

Fusslänge  (im  Knieen) 

Fussbreite  (itn  Knieen)      .     .     . 


n. 


8,6 

6,2 

4,o 
13,2 
10,2 

4»o 

11,2 

5.7 
L9 
6,5 
3^4 
25,8 

13.8 
144,0 

133.0 
174,8 

139.0 

106,0 

100,0 

49,0 

9.0 
176,0 
40,0 
32,0 
76,0 
44,0 
18,9 

S,7 
11,0 

8,0 

55.5 
85,0 

22,5 

36,0 

48,0 

129,0 

24,0 

10,0 


—    525    — 
Anthropologische  Aufnahme  No.  7.  —  Kaschgarier  (Sarte)  aus  Kaschgar. 

(Pliotojjraphische  Aufnahme  auf  Tafel  IV,  Xo.   i.) 


Anthropolopriscbe  Aufnahme 


Masse  in  Centimetern 


Ort  und  Tag^  der  Aufnahme:  Karaschar, 
4.   April  1898. 

Name:  Kascmasi. 

(Geschlecht:  (^ 

Stamm:  Kaschgarier  (Sarte.) 

Beschäftignni^ :  Arbenführer. 

Alter:   17  Jahre. 

Geburtsort:  Kaschgar. 

Ernährungszustand:  Gut. 

Farbe  der  Haut:  Stirn:  Bräunlich  weiss;  Wange: 
Rosigweiss;  Nase:  Ebenso;  Oberlippe: 
Ebenso;  Unterlippe:  Ebenso;  Brust:  Bräun- 
lichweiss;  Olierarm:  ICbenso;  Innenfläche 
der  Hände:  Braunweiss. 

Die  bedeckt  getrtigenen  llautstellen 
sind  nicht  merklich  dunkler  oder  wesent- 
lich heller  als  die  gewöhnlich  der  Sonne 
ausgesetzten. 

Die  Haut  ist  rauh,  trocken  anzufühlen. 

l\'irl)e  der  Iris  ^aus  einiger  ICntfernung  ge- 
sehen): Hellbraun. 

l'arbe  des  inneren  Randes  der  Iris:  Kastanien- 
braun. 

Bindehaut:  Weiss ;  einige  Wülste  in  der  Bindehaut. 

Form  der  Augen:  Mandelförmig. 

Stellung:  Gerade. 

Eage  der  Augen:  Tief. 

Haar:  Farbe  grauschwarz,  schlicht,  tlünn, 
weich. 

i-Jart:  fehlt. 

Wimperhaare:  Kurz,  geschwungen. 

Sonstiges  Haar :  Keine  Haare  unter  den 
Armen. 

Richtung  der  Haare  an  den  Oberschenkeln 
un<l   Unterarmen:  Keine. 

Kopf:  Kurz,  breit,  niethig. 

Hinterhaupt:  Steil,  gewölbt. 

Gesicht:  Hoch,  ])reit,   oval. 

Grad  der  Prognathie:   Gering. 

Stirn:  Niedrig,   gerade,   breit,   voll,   flach. 

Wangenbeine :  Angelegt. 

Nase:  Wurzel:  Schmal,  massig  hoch;  Rücken: 
Eeicht  concav;  Septum:  Kurz,  schmid, 
keilförmig,  verjüngt  nach  vorn;  Flügel: 
Dünn;   Löcher:   Schmal,   (juerov:J,  gross. 

Tjppcn:  Dünn,  zart,  oberer  Rand  der  Lippe 
geschwungen. 


Grösste  I^änge  des  Kopfes    . 

Grösste  Breite 

Entfernung  zwischen  den  Tragus- 
wurzeln  (am  hint.  ob.  Rand) 

Entfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Scheitelhöhe 

ICntfernung  von  einer  Traguswurzel 
zur  Nasenwurzel 

Kleinste  Stirnbreite 

Gesichtshöhe  A.  Haarrand  bis  Kinn 
(untere  Fläche) 

Gesichtshölle  B.  Nasenwurzel  bis 
Kinn  (untere  Fläche)  .... 

Gesichtshöhe  C.  Nasenwurzel  bis 
Mundspalte 

Nasenhöhe  (Nasenwurzel  bis  Nasen- 
stachel)        

Nasenbreite 

Jochbogenbrente 

Entfernung  der  Kieferwinkel  v.  e.  . 

Entfernung  <hn-  inneren  .Augen- 
winkel v.  e 

Entfernung  der  äusseren  Augen- 
winkel v.  e 

Mundbreite 

Lippenhöhe      

Ohrlänge 

Ohrbreite 

Projektionshöhe,    Scheitel    bis  Kinn 

Projektionshöhe,  Scheitel  bis  Nasen- 
wurzel   

Körperhöhe,  im  Sitzen       .... 

Ohrhöhe  (h.  o.  R.  der  Traguswurzel), 
im  Sitzen 

Ganze  Höhe,  im  Stehen    .... 

Stemum 

Nabel 

Trochanter 

Unterer  Rand  der  Kniescheibe  . 

Unterer  Rand  des  malleol.  intern. . 

Klafterweite 

Schulterbreite 

Hüftbreite 

Länge  des  hängenden  Armes     . 

Lance  des  Vonlerarmes    .... 

Länge  der  Hand 

Breite  der  Hand  .... 


•  « 


iS,4 
14^4 

13.4 

II,S 

14^2 

11. 4 

I7,S 

11. 5 

7,4 

5,6 

3,4 
11,0 
10,4 

9.2 

3,S 
5,0 
1,2 
6,0 

3,5 
21,6 

10,2 
130.0 

121,0 

1552 
125.0 

91,0 
87,0 
40,0 

7,0 
161. o 

39,0 
24,0 
70.0 

43iO 

17.5 

7,5 


-'     526     — 


Anthropoloß^ische  Aufnahmt* 


Masse  in  ('entimetern 


Zähno:  Gerade,  ^ross,  voUständifj. 

Ohren:    Klein,  lanjf,  schmal,    anließ^cnd;    iim- 

ß^elegter  Ran<l :  Schmal;   Läppchen:  (iross, 

breit,  frei. 
Genitalien:   Beschneidunp. 
WadiMi :  Dick,  lan^,   kräfiijj. 
Iländc:  fiross,  lanq^.  schmal. 
Finder:  Dünn,   langr.  sehnitr. 
Näjjel:  Gross,  lanjj,  schmal,  jj^ewölbt,  f»val. 
Küsse:    Klein,  lantj,   schmal,  ijewrilbt;    Jänirstc 

Zehe  r.  2,  1.   2. 


Läntfo  dfs  Mittelfinjjers  innen  . 
Läntjc  des  Miltclfmg^ers  aussen  . 
Horizontal- L'mianiJ,  Kopf .  .  . 
Ilorizontal-Umfanff.  Brust  .  .  . 
Kleinster  Umfanjf,  Unterschenkel 
(irösster  Umfanp,  Unterschenkel 
Grösster  Umfang".   Oberschenkel 

Hohe,  im  Knieen 

Fusslänjje  (im  Knieen        .     . 
Fussbreite  '^im  Knieen^ 
Becken.   Diameter  si)inannii   . 


i8,o 

7,3 

52^5 
S3,o 

20,0 

31-5 
46.0 

117^4 

21.5 
9,0 


t 


Nachtrag. 


Das  kurz  vor  Weihnachten  erschienene  Werk  von  F.  von  Schwarz: 
*Turkestan«*),  das  auf  langjähriger  Erfahrung  im  Lande  selbst  beruht  und  allen, 
die  sich  für  das  Land  interessieren,  nur  bestens  empfohlen  werden  kann, 
erschien  zu  spät,  als  dass  ich  es  noch  benutzen  konnte;  der  Druck  dieses 
Bandes  war  schon  so  weit  vorgeschritten,  dass  ich  mich  darauf  beschränken 
muss,  einige  Nachträge  zur  Erweiterung  und  teilvveisen  Verbesserung  des  in  den 
ersten  Kapiteln  Gesagten  am  Schlüsse  anzufügen. 

Zu  Seite  5.     Bevölkerung  Turkestans. 

V.  von  Schwarz  betont  die  Konfusion,  die  über  den  Begriff  Sarten  bei 
den  verschiedensten  Autoren  herrscht;  er  hält  es  auch  für  wahrscheinlich,  dass 
der  Name  keine  ethnische,  sondern  eine  kultur- historische  Bedeutung  hat  und 
die  ansässige  Bevölkerung  im  Gegensatze  zu  den  Nomaden  bezeichnet.  Sie  sind 
nach  demselben  Autor  ein  Mischvolk  von  indogermanischen  Urbcwohncrn 
(Galtschas),  die  sich  in  schwer  zugänglichen  Thälern  der  Hochgebirge  des 
oberen  Amu-darja  noch  bis  heute  erhalten  haben,  und  allen  den  V^ölkern,  die 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  durch  Turkestan  gekommen  sind.  Durch  Vermischung 
mit  den  später  Eingewanderten  entstanden  sowohl  Sarten  wie  Tadschiken,  die 
den  alten  Galtschas  noch  näher  stehen  als  vielfach  die  Sarten,  die  mehr  mit 
den  kirgisenähnlichen,  eingewanderten  Usbeken  vermischt  sind.  Sie  haben  nicht 
nur  den  grössten  Anteil  an  der  Bevölkerung  der  Städte  und  Dörfer  im  russischen 
Turkestan,  sondern  wohnen  auch  im  Tarim-Becken,  und  die  Bewohner  von 
Kaschgarien,  Buchara,  Semiretschie  und  dem  nördlichen  Afghanistan  sind  von 
den  Sarten  des  russischen  Turkestan  nicht  zu  unterscheiden.  Wie  die  Kaschgarier 
und  Tarantschi  im  Tarim-Becken  und  bei  Kultscha,  so  sind  auch  die  Usbeken 
in  Buchara,  Chiwa  und  Nordafghanistan  in  ihrer  Abstammung  nur  Sarten.  Die 
Kiptschaken,  die  zu  den  nomadisierenden  l^ewohnern  gehören,  sind  zum  Teil 
usbekischer,    zum    Teil    karakirgisischer  Abstammung;    die   Karkalpaken    haben 


*^   F.   V.  Sihwaiz:     Turkest.m,     1900,    Freihur^'  i.  IJ.,    Hfnlcrsche    lUichhaiKUuii};,    mit    (mihmu 
Titelbild    in    Failx-ndriick,    17S  Abbildiincfon  und   oiiu-r  Karte. 


-     5-^8     - 

ausserdem  noch  Beimengung  von  Turkmenen,  die  aber  selbst  ein  Mischvolk 
aus  sehr  verschiedenen  Elementen  bilden,  v.  Schwarz  zitiert  ausserdem  noch 
eine  grosse  Menge  von  Volksstämmen,  die  in  geringerer  Zahl  und  in  lokalisierteren 
Verbreitungsgebieten  sich  noch  in  Turkestan  teils  in  ansas>iger,  teils  in 
nomadischer  Lebensweise  aufhalten. 

Zu  Seite  23  u.  flF.     Besuch  der  Medresse  der  Schir-Dar- Moschee. 

In  Turkestan  sind  die  Moscheen  nur  Versammlungsräume,  nicht  Kirchen 
im  christlichen  Sinne,  ebenso  wie  auch  die  Mullas  nicht  Geistliche,  sondern  Vor- 
betcr  und  mehr  Lehrer  und  theologisch  gebildete  Juristen  sind,  welche  die  im 
heiligen  Koran  enthaltenen  Prinzipien  und  Entscheidungen  für  die  Rechtspflege 
studieren  und  interj^retieren.  In  den  Medresse n  werden  ausser  der  türkischen, 
persischen  und  arabischen  Sprache  nur  die  heiHgen  Bücher  bebandelt:  v.  Schwarz 
vergleicht  sie  mit  Klerikal-Seminarien.  Meist  sind  sie  aus  frommen  Stiftungen 
her\'orgegangen,  die  sie  auch  erhalten  und  den  Gehalt  der  Lehrer  bestreiten; 
sie  erhalten  aber  keine  Staatszuschüsse.  Das  grösste  Ansehen  geniessen  die 
Medressen  von  Buchara,  die  sehr  ehr\vürdige  Mullas  haben. 

Zu  Seite  27.     Klima  in  West -Turkestan. 

Da  V.  Schwarz  Astronom  an  der  Sternwarte  und  Leiter  des  turkestanischen 
meteorologischen  Instituts  in  Taschkent  war,  verdienen  seine  Folgerungen  für 
die  Zukunft  des  Landes  aus  den  klimatischen  Verhältnissen  besonderes  Interesse 
und  mögen  hier  kurz  zusammengefasst  werden.  Im  Sommer  herrschen  sehr 
hohe  Temperaturgrade  sowohl  in  der  Luft,  wie  in  dem  erhitzten  Wüstenboden, 
und  nur  in  den  Oasen  werden  infolge  der  Feuchtigkeit  und  der  Vegetation  die 
extremen  Temperaturunterschiede  etwas  gemildert.  Niederschläge,  die  nur  in 
geringer  Menge  fallen,  sind  auf  die  Winterszeit  beschränkt  und  somit  fiir  die 
Vegetation  wenig  nützlich ;  wie  in  allen  abflusslosen  Gebieten  entzieht  eine  sehr 
starke  Verdunstung  dem  Boden,  den  Flüssen  und  Wasserbecken  die  Feuchtig- 
keit in  so  hohem  Masse,  dass  Salzseen  entstehen.  Es  ist  fast  ausschliesslich 
das  von  den  hohen  Randgebirgen,  den  Schnee-  und  Gletscherregionen  auch 
während  des  Sommers  in  die  durstigen  Niederungen  geführte  Wasser,  welches 
die  Oasen  ernährt.  In  den  Quellgebieten  des  Tschu,  des  Syr  und  Amu-darja, 
des  Serafschan  und  Murgab  liegen  die  Reservoire,  welche  aus  dem  niederschlag- 
reichen Winter  die  atmosphärische  Feuchtigkeit  als  Schnee  und  Eis  aufbewahren 
und  im  Sommer  abgeben.  Es  fehlt  nun  nicht  an  unzweifelhaften,  historischen 
Beweisen  dafür,  dass  im  Laufe  der  Jahrhunderte  eine  zunehmende  Austrocknung 
im  Lande  stattfindet;  auch  die  von  den  Flüssen  aus  den  Gebirgen  gebrachten 
Wassermengen  nehmen  seit  Jahrhunderten  konstant  ab;  die  einst  viel  grösseren 
Seebecken  sind  zusammengeschrumpft,  die  Gletscher  gehen  zurück,  und  mit 
dem  weiteren  Umsichgreifen  dieser  Verhältnisse  gehen  die  Oasen-Gebiete  der 
sicheren  Austrocknung  und  dem  Untergange  entgegen. 


—     529     — 

Zu  Seite  65.     Pilaw. 

Unter  den  Nahrungsmitteln  nimmt,  wie  auch  ich  schilderte,  der  Piläw  oder 
Plow  eine  hervorragende  Stelle  ein;  nach  v.  Schwarz  gilt  er  als  spezifisch 
muhamedanisches  Gericht,  das  einfach,  bei  Wohlhabenden  aber  auch  sehr 
kompliziert  zusammengesetzt  sein  kann.  Die  Hauptbestandteile  sind  Schaffleisch 
und  Fett  vom  Fettschwanze  eines  Schafes,  in  dem  das  Fleisch  geschmort  wird; 
gelbe  Rüben,  Reis  und  Gewürze  werden  zugesetzt  und  das  Gericht  in  bedeckten, 
irdenen  Gefassen  unter  zeitweiligem  Zugiessen  von  Fett  gar  gekocht.  Die 
Zubereitung  enthält  aber  ausserdem  noch  Geheimnisse,  welche  die  ausländischen 
Diener  nicht  kennen  und  auch  nicht  lernen,  denn  ebenso  wenig  wie  die  euro- 
päischen Köche  von  v.  Schwarz  konnte  Dr.  Holderers  Diener  Bock  einen  guten 
Piläw  zu  Stande  bringen. 

Zu  Seite  125,  126. 

Die  Aksakale  in  Russisch-Turkestan  sind  nicht  russische  Handelskommissio- 
näre wie  in  Kaschgarien,  sondern  haben  etwa  die  Stellung  von  Bürgermeistern, 
welche  die  Bevölkerung  gegenüber  der  Regierung  vertreten;  die  Bezeichnung 
bedeutet  Graubärte  oder  Aelteste. 


Futter  er,   Durch  Asien.  34 


Verzeichnis  der  Druckfehler. 


» 
» 


pag.       3,  Zeile  9  v.  u.   lies:    KaufTmann  statt  Kaufmann. 

»        58,  »      8  und  12,  und  pag.  60  in  der  Unterschrift  zum  Bilde  lies:  Sufi-kurgan  statt 

Sufi-Kurgan. 

»        7^,  »      3  V.  o.  lies:  Nagra-dschaldu  statt  Nagra-Tschaldü. 

106,  »    15  V.  o.  lies:   Kcrija  statt  Keija. 

123,  in  der  Unterschrift  zum  Bilde  lies:  Schur-kubuk  statt  Schur-Kubuk. 

»      146,  Zeile  4  v.  o.  lies:  Kurlja  statt  Kurla. 

»      148,  in  der  Unterschrift  zum  Bilde  lies:  Otun-kosa  statt  OtunKos.i. 

»      153,  Zeile  5  v.  o.  lies:  Sinbir-Kette  statt  Simbir-Kette. 

»      166,  »    19  V.  o.     »      Geröll-  statt  Geröll. 

179,  »    1 4  V.  o.            Lande  statt  Sande. 

213,  »      1   V.  u.      »      Yang-tz^-kiang  statt  Yang-tse-kiang. 

248,  »      2  V.  u.     »      V.  Loczy  statt  v.  Soczy. 

»      273  lies  unten   18  statt  81   und  Asien  statt  Asine. 

»      280,  in  der  Unterschrift  zum  Bilde  lies:  Süd-Küke-nur-Gebirge  statt  Süd-Kuke-nur-Gebiet 

»      294  ebenda  lies:  Baa-Thal  statt  Bau-Thal. 

338,  Zeile  6  V.  o.  lies:   Tafeln  XXIV  und  XXVI  statt  Tafeln  XXVI  und  XXVII. 

351,  »      7  V.  o.      V      Profil  II  statt  Profil  I. 

385,  »      1    V.  u.     »      Lager  AI    statt  Lager  A. 

44  t,  »      2   V.  u.      '      Fusulinen-Kalke  statt  Fusalinen-Kalkc. 

486,  »      9  V.  u.     »      Thsang-wu  hsien  statt  Thschang-wu  hsien. 


» 


» 


» 


Namen-  und  Sachregister. 


34' 


An   eleu   mit   fetteu   Zahlen   bezeichneten   Stellen   finden   sich   ausführlichere  Darstellungfen    der 
betreffenden  Materie. 


Achal-Oasc   5. 

—  -Tekke  5. 
Achur-ta^  I2I. 
Ackerbau-Geräte  236,  287. 
Afghanen   15. 

Afghanistan  13.   18,  27,  44,  91, 

102,   127. 
Afrosiab  26,  27. 
Agu-bulak  156,   157. 
Aksakal  in  Ak-su   125,    126. 

—  in  Kutscha   138. 

—  in  Turfan  160. 

—  in  Russisch-Turkestan  529« 
Ak-su  96,    100,    103,    105,   fo6, 

107,  III,  121,  122,  123,  124, 
125,   126,   127,  135,  146,  520. 

Ak-su-darja  93. 

Alai-Gebirge  5,  38,  59,  68,  76, 
82,  84,  92,  97,   I39i  502. 

Alai-Thal  58. 

Ala-schan  213, 235, 240,  241,  278. 

Alatau,  dsungarischer  92. 

Albrecht  24,  26. 

-.'Vlexander  der  Grosse  27. 

.Vlgoi-Fluss   155. 

Alpen  40,  66,  279. 

Altai  99. 

Altertümer  in  der  Sand  wüste  91. 

Altin,  Kloster  258. 

Altvulkanlsche  Hügel  und  Ge- 
steine 178,  179,  180,  181,  183, 
186,  187,  188,  189,  197,  203, 
208,  209,  210,  314. 

Amban  in  Hami  168. 

—  in  Maral-baschi  115. 

—  in  Kutscha   139,   142. 

—  in  Turfan   160. 

Am-do  257,  262,  268,  278,  405. 


Am-do-wa  260,  277,  278. 
America  China  Mission  433. 
Amne  -  matschin  -  Gebirge     363, 

378.  380. 
Amne-waien-Berg  305,  315,  318, 

3241  331- 
Ampezzo-Tluü  245. 

Amphibolschiefer  204. 

Amu-darja    5,    il,    17,   59,   106. 

527,  528. 

Amiüette  der  Tanguten  285,  353. 

Araursan,  Mongolischer  Häupt- 
ling  lOI. 

AndachtsUbung  der  Pilger  in 
Kum-bum  266. 

Andischan  42,  47,  49,   50. 

-  O'dt)  47,  48. 

Ansiedelungen,  feste,  in  Tibet 
281,  319,  404,  405,  420,  421, 
425,  426,  438. 

Anthropologische  Messungen 
516—525. 

Antilopen    114,    295,    314,   316. 

Appak-Chodscha  100,   loi,  103. 

Araber  15,  99. 

Ara-gol  270. 

Aragwa  2. 

Arbe   (Karren)   42,   44,   45,  48. 

iVrgali  (Bergschaf)  94,  180,  188. 

.\rgü-Gebirge   155. 

Arier  5,  60.  80,  213. 

Arka-tag  97. 

Artscha  (asiat.  Wachholder)  62. 

Artik  (siehe  Bewässerungskanäle) 

04. 

Aschabad  4. 
Asiatische  Wüste  3. 
Asien,  West-  59,  229. 
Asphalt  139. 


Assar,  Ruinen  140. 
Astün  160,   161. 
Aufschüttungsflächen     77,     145, 
155,   162,   184,  207,  210,  298, 

299,  308,  375- 
Aul  54,  56,  57,  60,  61. 
Ausrüstung  der  Expedition   i. 
Avalokita,  Buddha  286. 

B. 

Baa-Fluss    286,    335,    336,    337, 
842,  848,  344,  377.  382. 

—  -Flussgebiet,   Geologie   347, 
362. 

—  -Thal    294^    337.   838,    339, 

340,  343'  345'  346,  347,  348, 

349i  353- 
Badaulet  103. 

Baden  244. 

Badschi-Tanz  141. 

Bagha-Gorgi-Fluss  325. 

Bagnisch-Kul  149, 160,  151,  152, 

214. 

Bai    126,    127,    132,    133,    184, 

185,  136,  137. 

—  -Bazar  134. 
Bairam-Ali  4. 
Baktrien  27,  91. 
Baku  I,  2,  3. 
Balekun-gomi    315,    318,    319, 

323.  326. 

,  Gebirge  von,  305, 306, 307. 

Bankhaus  in  Liang-tschou  248. 
Barkul-Berge  164,   166. 
Batum  I,  2. 
Bauernhof  271,  456. 
Bauernhöfe,  befestigte,  198,  100. 
Begräbnis  236. 
Bei-schan  177,   211. 


—     534 


Hell   144. 

Ber^jbau     130,    131,    141,    142, 

234.  235,  250,   251. 
Berfj-Kirffisen  61,  68,  92. 
Herfjschafc  94. 
lU'riesclunjj     uu:l     liewüsscrunj^ 

93,  94,   III,  161,  217. 
Bettler  14,    95,    122,    220,    243, 

468,  477. 
Bewäs8eruD<;skanäle  14,   75,  94, 

107,   »33'  löO,  161,   199. 
Bhairuva,  buddhistische  Gottheit 

238. 
Bibi-Chanim-Moschee2o,  ^,  27. 
Bik-kuli-Bek ,    Sohn  Jakub-Beks 

104. 
Birma  173. 
Bode  5,  9. 
Bodensee  290, 

Bodhisatva  Aviüokitegvara   353. 
BojjJo-ola  159,    163.   164. 
Böubo-Glauben  279. 
Bozen  204. 
Brunnen  der  Gobi  177,  179,  180, 

181,   1S4,   i8s,  187,  1S8,  191. 
Buch<iin-^ol  297. 
Buchara  (alt)  3,  4,  5,  11,  lÄ,  13, 

14,  15,  16,   17    21,   27,  S9, 

99,  100,  168.  528. 
Buchara,   Bazar  14,    15—19,  28. 

—  Bevülkerunjj  12. 

—  Emirat   1 1,   12,  13,  106,  527. 

—  Geschichte  12. 
MÜitär  13. 

—  Wohnunjfcn  19. 
Bucharen   10,  18,  19,  30,  31,  33. 
Buddha  410,  4S8,  238,  277,  355, 

410. 
Buddhisten   95,    215,    277,    278, 

354,  417- 
Buddhismus  27,  80,  91 — 99,  173. 

Buddhistisches  Denkmid  (StApa) 

90. 
Bugur-tau   146. 
Bulundsir-^ol   194. 
Burchan,  tibetanisches  lleilij^en- 

büd  2S5,  353,  354. 
Burka  2. 


C. 

Carabrischc  Schichten  469. 

Canons   74. 

Carbon-Schichten  315,  472,  473. 


Carey   96. 

Ceylon   173. 

Chalak  266,  268,  357. 

Chaidu-jjol   150,   151. 

Chalat  (Leibrock)   8,  9,   15,    18, 

36,   70. 

Chalcedon  203. 

Ch;üi-tsche  361,  373,  874,  375» 
382,   3S5,  386. 

Chalük-tau  134. 

Chandu  162,   163,   164. 

Chan -tu   150. 

Charkow  i. 

Chemar  t'anjj  306. 

China  18,  38,  39,  49,  50,  55, 
59,  71,  76,  83,  88.  91.  96. 
97,  99,  133,  158,  15Q,  163, 
167,  173,  212,  214,  215,  216, 
219,  229,  243,  245,  251,  260, 
272,  277,  278,  284,  412,  430, 

431.  432,  434.  443.  457.  461, 
471,  477,  488,  500,  512. 

— ,  nördliches,  505. 

--,  südliches,  213,  232,339,440. 

—  -Inland  -  Mission  258,  260, 
261,  440. 

Cidn-chao  ye  244,  245. 

Chinesen  70,  71,  80,  89,  91,  95, 
96,  98,  100,  101,  102,  103, 
104,  115,  116,  123,  133,  142, 
144,  146,  150,  155,  159,  168, 
212,  213,  214,217,  218,  220, 
221,  257,  274,  278,  279,  293, 
303.  315.  322,  35 5f  3871  388, 
393.  404,  405,  413,  414,  415. 
416,  417,  432,  434.  4381  440, 
457i  470,  471,  477.  508,  509. 

—  bei  Schin-se  417,  418,  419. 
Chinesische  Führer  276,  302. 

—  -  Grenze  55- 

—  Soldaten  118,  124,  126,  278, 
426. 

Chinesisches  Mahl  88. 
Chiwa  4,  5,   12. 
Chloritschiefer  504. 
Chodscha,    Xachkömmlinji;^e   des 

Propheten,   102,   103. 
Chodschcnt  41,  42. 
Choi-choi  168. 
Choka-Kbene     311,    314,     315, 

316,  317,  33»- 
Chorassiin  109. 
C:h'ürten  410. 
Chungf-pe  hsien  255- 


Churre  338,  343. 
Chu-sui  466. 
Contact-Schiefer  50,^. 

D. 

Dabassu-Kbene    285,    295,    297, 

298,  305-  3071  3091  31 1'  314- 
325»  326,  327. 
Gobi  296,  305,  327. 

-  -See  292,  296,  298,  301, 
305 '  306,  307,  309. 

Dadun   158. 

Dalai  296. 

DiUai-Laraa  263,  26S,  353,  354- 

Dämmerun^s-Erscheinunn^  462. 

Darielschlucht  2. 

Da-tschuan-tan  176. 

Datsen-zasek  392,  394,  395. 

Dawao,  Rabat-   137. 

Dedun  294,  343,  344,  349*  352. 

Üelta-Bildunffeu  375,   377. 

Depression  von  TurCau  97,  157, 

158. 
Derwische  17,  18,    23,    85,    95, 

120,   122,   143. 
Deutsche   28-  -30. 
Deutschland  6,  52,  98,  242,  254. 
Diluvi:dzeit  377. 
Dj>-thsau;j-Fluss  420,  421,422, 

423,  424. 
Dodi-Fluss  424,  425. 
Dolanen  80. 
Dolomiten  245,  313. 

—  -Felsen  314. 
Dolon   1 14. 
Doloner  114. 
Dunau  323. 

Donjf-lin-du  420,  421,  426. 
Donkyr-sumo  273. 
Doroschka   10. 
Dschachar-Gebir^re  329, 333, 379- 

Dscham   105. 
Dschamen-kuan  427,  428. 
Dschan-dschansa  176. 
Dschawrek-Gebirpc    391,    394. 

395'  396,  403. 
Dschenjfir-Chodscha  102. 
Dschia-tschanjj-tsche  350. 
Dschiem-tsche    368,    39S,    399, 

400,  402. 
Dschiffffctai   179- 
Dschipiteu  44,   45'  48,   5''   53» 

59,  66. 


—     535     — 


Dschiüjris-chun  12,  27«  94,  97, 
99,  100,  i68f  211,  215,  218, 
236. 

Dschoni  486t  43^- 

Dschulan-nor  305. 

Dschuma  331,  419. 

D8chupar-Gebirg-e  305,  306,  307, 

319»  320.  323.  324»  3251  3291 
330,  33«.  332,  333i  884»  885, 
336,  337,  341.  346,  347.  358, 
377,  378,  38«.  382,  385.441. 

— ,  (Ideologische  Zusammen- 
setzung: 335. 

Dschurjra  131,   132,    137 

Dsung:arei  81,  92,  100,  101,  104, 
150. 

Dsunj^aren   100,   loi. 

Dsung^arisches   Reich    100,    10 1. 

Dsuu-mo-lun  350. 

Dsurpe-ß:ol  305,  307,  315. 

Dünen  193,  225,  288,  289,  299. 

Dulan-gfol  297. 

Dulan-klt  297,  298. 

Dung^anen  5,  81,  loi,  103,  104, 
144,  146,  150—159,  165,  168, 
169,   170,  212,  217,  218,  $20. 

—  -Aufstände  91,  loi,  104, 
168,  170,  199,  215,  216,  231, 
239i   247,   253,  257,  260,  271, 

448,  450.  477.  483- 
Dyrisun  300,  309. 

E. 

Ebbe  und  Klut  im  Küke-nur  294. 
Eckwall,  Missionare,  440. 
Edelweiss    245,    262,    269,    274, 

296,  309.  326,  331,  385. 
Kj^in,  Kirp^isen-Aul  70,  71. 
Eimerhiiken      der     Tanjjutinneu 

340,  341. 
Eisernes  Thor  323. 
Ekesek-Pass  I.  68. 
Ekesek-Pass  II.  68. 
Eng^land  96,   219. 
Enzian  245,  274,  287,  296,  309, 

315.  325.  331.  385- 
Erdbeben  26. 

Erdpech  139. 

Erosion  311.  313,  320. 

i'>rosionsformen  68,  71,  128, 
129,  137,  369.  377,  381,  396, 
422,  452,  473,  483,  484,  486, 
489—492. 

Erze  97,   130,   131. 


Esel,  wilde,  179,   180,  184,  188, 

304,  309,  314,  316. 
Etschin-jTol  224,  235. 
Euphratpappeln  ii. 
Europa  40,  41,  51,  73,  99,  164, 

173.  258,  267,  270,  272. 
Europäer  15,   16,   17. 
Europäische  Kultur  512. 


F. 

Fähren  251,  255,  321,  322. 
Fan-tzc  278,  295,  355,  388. 
Fasanen   11,  56,  404,  462. 
Fauna  am  KUke-nur  287,  295. 

—  am    oberen   Hoan^-ho    385. 

—  im    oberen    Thale     des    Si- 
ning--ho  275. 

—  im  Semenow-Gebirjje  314. 
Fayence  233. 

Feldarbeiten  199,  200,  236,  404, 

448. 
Felsentempel  260. 
Felsen  Wohnungen  488,  506,  507. 
Fels  wüste    92,    131,    149,    186, 

202,   210. 
Ferg:ana   12,  39,  40,  41,  44,  47, 

52,   71,  82,   168. 
Feste,  chinesische,  242,  243. 

—  in  Tan-ka'r  thin«:  280. 
Festungen    22,    206,    216,    455, 

496,  497- 
Feuerstellen    der    Tangutenzelte 

282,  283,  292,  348,  384,  399. 
Hechten  309,  889. 
Flora  im  Dschupar-Gebirge  881, 

882. 

—  am  KUke-nur  287,  288. 

—  -   des  Küke-nur- Gebietes  325, 

326. 

—  am  oberen  Hoang-ho  385. 
Flugsande    156,    187,  207,  223, 

225,  279,   288,  289. 
FlussgeröUe  380,  399,  403,  445, 

474- 
Flussschotter  450,   507. 

Flussterrassön     255,    343,    498, 

502. 

Föng-siang  fu  442. 

Fuhrer    zum    oberen   Iloang-ho 

359.  862,  363.  384.  387. 
Fu-k'iang  hsien  461. 
Fusulincn  313. 


G. 

Gaitschas  587* 

Gaschiun-nur   235. 

Ga-wo,     tibet:mlsches     Amulett, 

285. 
Gazellen  94,  152,  184,  188,  233, 

275.  309- 
Gebet   >0m  mani<3:  265,   266. 

Gebetfahnen  265,  282. 

Gebetmühle  265,  397,  406,  407, 

409,  411.  422. 

Gebetstangen  428,  424,  426,  429, 

435- 
Gebirgswüste  208. 

Gelber  Fluss  260,   279. 

Gelbes  Meer  99. 

Geldwechsler  23. 

(lelug-pa-Sekte   173,  262,   263. 

Geröllbetten  299,  300,  308,  314, 

325. 
Geröllflächen  166,  223,  254,  255, 

299. 

Geten,   altes  Volk,  98. 

Gewitter    290,    291,    292,     304, 

327.    328. 
( ilaubersalz   1 1  o,    1 44. 
Gletscher   377,  378. 
Glimmerschiefer  380. 
Gneisse  204,   297,  380. 
Gobi  39,    76,    92,    97,    99.    107, 

152,  158,  167,  174-218,  222, 

327—345.  369.  383.  470. 
Gobi-Gebirge  207,  210,  224. 

Gold  97,    192. 

Golien-tschuo  271,  272. 

Go-sa  424. 

Gouverneur  für  Tibet   257,  258. 

Grabmonumente   if,  21,  25,   54. 

121,  231,  239,  260. 
Grabstätten  26,  27,  124,  136, 160, 

230,  231,   232,  239,  240,  241. 
Granit  180,  181,    182,   186,    192, 

197,  203,  205,  208,  209,  210, 

255,  272,  297,   307,  308,  309, 

317.  347.  379.  380,458,  459. 

460,  461,  463,  494.  504.  505- 
Granit-Höhlungen  158,  154,  180, 

181. 
Grauwacke  203,3 15, 3 17,374,380. 
Grenard  80. 
Grosse  Ebene  213. 
Grosse  Mauer  92,  98,  213,  214, 

215,  226,227,  228,  229,  235, 

244- 


-      53<^     — 


Grünwcdel  23S. 

Grunewald,  kais.  deutscher  Vizc- 

konsul,  512. 
(husinische  Hceresstrassc   r. 
Grum  Grschimaüo  152,  157,  162, 

168,  194,  195,   206,   210,  217, 

230,  236,   263. 
ij'Shin  -  ije  -  fjshed ,  buddhistische 

Gottlieit,   238,  239. 
Gui-dui  318. 
Gude  432,  433. 
Gultscha  40,  53,  55,   56,  58. 

—  -Fluss  55. 

Guchluk  -  chan,    Herrscher     vou 

Kaschgar,  99. 
Gunjja-nur  306,  307. 
Gur-Emir,  Grabdenkmal,  21—28. 

H. 

Ilambur^^  3. 

Hami  39,  97,  104.  146,  148, 
154,  158.  »63,  164,167,168, 
bis  178,  174.  I75i  '77.  184, 
197,  206,  212,  213,  240,  243. 

Ilandschwert  der  Tangnten  285, 

Han-kianff  422,  502,  508,  509, 
510,  SU,  512. 

Han-Dynastie  98,  214. 

Han-hai  177,   190.   210. 

Han-k'ou  258,  345,  442,  502, 
508,  511. 

Han-yang  512. 

Hao-tien  474. 

Hau-ning  391. 

Häuptling'  in  Datsen-zasek  892. 

—  in  Sche-zaong  896,  897. 

—  bei  Schiu-se  417,  420. 
Hauptstrasse  von  Si-ngan  fu  nach 

Lan-tschou  fu  467,  468,  469. 
Hausboote  511,  513. 
Hausindustrie  96. 
Hedin,    Sven  49,  93,    107,   114, 

263. 
Hei-ho  224,  235. 
Heiligenbilder    260,     285,     353, 

354,  357,  406,  407,  422,  473, 

474,  480,  488. 
Heiliger  Baum  iii  Kum-buin  267. 
Heiliger    Berg  =    Amne-waien 

Berg  315,  316,  317,  31S,  324. 
Hei-lung-k*ou  504,   505. 
Helon-ko  504. 
Hexapolis  98. 
Hien-yang  hsien  496,  498,  499. 


Himalaya  91,   173. 

Hirsch  87,  94,   114. 

Hirsclige weihe  86. 

Hiung-nu   214. 

Hla-sa  173,   258,  268,  278,  285. 

Ho,  Stadt  391. 

Hoang-ho  213,  215,  253,  254, 
257,  258,  260,  262,  269,  277, 
278,  279,  305,  306,  307,  311, 
315«  817,  818,819,326,  327, 
329,  330,  33 1'  332,  333.  334, 
335.  336,  345.  34S,  350,  351, 
357i  359,  361,  377,  39i,  428, 
435,  441,  443,  446,  451,  498, 
503,  505. 

—  -Excursion    864-888,    396, 

403. 

—  -Oberlauf  am  Sarü-Dangerö 

359,  360.361,862,  868,  364, 
369,  370,  371,  372,  373,  374, 
875,  876,  378,  379,  880,  881, 
882,  888,  884,  885,  386,  390, 

391,  392,  395'  396,  399,  401, 
402,  403,  412,  419,  445. 
Quellgebiete  355. 

—  Schlucht  821-825,  326,  330, 

331,  332,  334,  346,  347. 

Steppe  306,  314,  318,  819, 

320,  324,  325,  331. 

—  Tiefe   321. 

—  Ueberfahrt  321,  322. 

—  Wassermenge  323. 
Hoi-yen-san  235. 
ho-k*ai  311. 

Holzgestelle   als  Scheunen   404, 

423. 
Holzkohle  467,    486,    496,  511. 

Honan  215. 

Hong-scha  464,  465. 

Homstein  203,  380. 

Hsia-k'ou  yi  235. 

Hua-thsiang  pu  226. 

Huei-hc  215,  235. 

Hüttenwerke  112,  113,  130,  131. 

Hunde  in  Nordosttibet  281,  342. 

Hunnen  98,  211,  214,  389. 

Huronlsche  Schichten  469. 

Huyuyung-Fluss  307,   309. 

I.  j. 

1-kaug  thschuan  453,  461,    462, 

463- 
Mi-Thiü  100,    101,    125. 

Imatra-Fällc  438. 


Indien  91,    173. 

Indier  15,  47. 

Indogermanen  So. 

Inner- Asien   91,  215. 

Inner- China  442. 

Innsbruck  258. 

Inschriftensteine  497. 

Inseln  im  Küke-nur  293. 

Iranier   12. 

Irkeschtam    55,  58,    59,  68,  69, 

70,  71,   73,  76,  82,   517. 
Irrigationskanäle   1 1 ,   14. 
Ischma   146. 
Islam  5,  99.   100. 
Islamiten  siehe  Muhamedaner. 
Isle  of  Wight  293. 
Issyk-kul-See  39. 
Jakka-kuduk   121. 
Jaktiuie  46,  48,  SO,  51,  52,  58.  65. 
Jakub-Bek   40,    71,    79,   9S.  96, 

98,   103,   104,    163. 
Ja-li-schan-Pass   441. 
Jimdun  177. 

Jandunsches  Trockenthal  177. 
Jangiabad   108,    lli,   117. 
Jangi-hissar   103. 
Jangi-schahr  ^Neue  Stadt)  89,  90. 
Jimtschi  163,   i6s- 
Jao-tien  480,  484,  48s,  486. 
Japan  96,   173,   219. 
Jarkand  80,  103,   106,  114,   I3S. 
—  -darja  93,   106. 
Jaspis  22. 

Jasütschan  174,   179. 
Jei-üeu  446,  448,  449,  4S5- 
Jessen,  Capitain  S2. 
Ju-hu  S02. 

Juden   10,   15,   18,  44,  91,  99. 
Juldus-Thal  100. 
Jurte  (Zelt)  $3,  $6,  57,  S8,  60, 

61,  6S. 

K. 

Kaisergräber    am    Wei-ho    497, 

498. 

Kaijan- Moschee   19. 

K:ükgebirge  (paläozoisch)  296, 
297,  812,  818,  314,  315'  3'6, 
347,  35',  360,  361,  369,  370^ 
871,  872,  878,  874,  375,  377, 
385,  389»  39«,  392,  394,  395' 
396,  399^  402.  403,  441,  445, 

447,  448,  504,  505- 
Kalmüken   173. 


—     537     -- 


Kan-dschugan  75,  518. 

Kanton  215. 

Kan-su,  clünesischc  Provinz,  81, 
92,  146,  150,  168,  212,  214, 
215,  216,  242,  259,  260,  277, 
278.  356,  406,  431,  438,  440, 

443. 

—  Bevülkeruuj;  217,  219. 

—  Geschichte  218—216. 
Kan-tschoufu  212,  213, 214,215, 

223,  224,  226,  227,  228,  230, 
231,  285,  28«,  237,  238,  258. 

Kao-thai  hsien  226. 

Kaphin-kul-See  54. 

Kara-dschulguii  112,   113. 

,  Schraelzhütte  113. 

—  -iul{^n   127. 
Karakalpaken  5,  527. 
Kara-Kir0sen  57,  59>  60,   527. 
Kitan  215. 

Küsül  153,   154,   155,  166. 

—  -Moritsche-Fluas  294,  296. 
Karauglik  75. 

Karaschar    104,    146,    147,   149, 

150,    151,   159. 
Kara -Tauguten    277,    278,    294, 

295. 

—  -teken-ula-debirge   152. 
Karawan-Baschi  49. 
Karawanserai  58,  64,  65,  75,  IIB, 

117,  118,  120,  165,  226,  246, 
249i  255,  446,  450,  457,  467, 
470,  471,  477,  484,  493,  5cx>, 
507. 

Karlük-tag  97,  167,  169,  175, 
177»  178.  202,  208,  210. 

Karst  369. 

Karüse,  unterirdische  Wasser- 
kanäle,  160,   162. 

Karwankul-Pass  68. 

Kasbek  2. 

Kaschgar  38,  39,  40,  44,  47,  49, 
5'i  58,  59»  61,  67,  70,  72,  75, 
76,  77.  79,  80,  8r,  82,  93,  96, 
99,  100,  102,  105,  106,  107, 
III,  112,  113,  114,  115,  116, 
117,  119,  124,  125,  135,  146, 
147,  212,  222,  240,  243,  464, 
522,  524. 

— ,  Bazar  und  Strassen  81,  85, 
86,  89. 

-darj:i     93,     106,     loS,     III. 
114,    146. 

— ,  Geschichte  81. 


Kaschgar,  Handel  86. 

— ,  Stadtmauer  83. 

Kaschgarien  12,  40,  79,  81,  91, 
92,  95,  96,  97,  »8,  99,  140, 
150,  160,  527,  529. 

— ,  Altertümer  91. 

— ,  Bevölkerung  81,  91,  96. 

— ,  Frauen  5,  12,  79,   122,   123. 

— ,  Geschichte  98,  99—104. 

-  ,  Land  40,  76,  77,  79,  92, 
98—98. 

— ,  natürliche  Hilfsquellen  97. 

Kaschgarier  5,  79,  80,  Si,  102, 
144,  522,  524. 

Kiischmir  91. 

Kaschtalinski,  von,  Oberst,  4. 

Kaspisches  Meer  i,  3,  5,  98,  99, 
214. 

Kassim-Ibu-Abbas,  Prinz,  26. 

Kaufmann,  General,  3. 

Kaukasus  i,  2,  47,  66. 

Kjiwkas  -  Mercur,  Transport  -  Ge- 
sellschaft,  2. 

Kerija   106. 

darja  93,  94,   107. 

Kesseleinbrüche  im  Löss  252, 
465,  484,  487. 

Khan-Tengri  92. 

Khoa-tzianzl  226. 

Khotan  80,  91,  93,  98,  99.  103, 
105,   106. 

darja  93,  94,   106. 

Klachta  167. 

Kia-yü-kwan  92. 

Klbitke  (Zelt)  5,  10,  30,  61. 

Kies  210,  381,  498. 

Kieselgerölle  durch  Sand  ge- 
schliffen 203,  204. 

Kiesflächen    76,    77,    128,    131, 

»32,  133'  137'  144,  145»  '52, 
'55'  '57.  161,  162,  163,  167, 
175,  176,  177,  179'  182,  183, 
188,  190,  191,  192,  197,  198, 
201,  202,  203,  205,  210,  217, 
223,  231,  239,  300,  318,  320, 
381,  382. 

Kieswüstc  41,  142,  163,  166, 
167,   175,  176,   190. 

Kiew   I. 

Kijik   152,   166. 

Kik-tau   128,   146. 

Klng-ho  476,  477.  478.  480,  482, 
483,  484,  485,  486,  487,  489, 
492i  493- 


King-tschüu  477,  479,  480,  482, 

484. 
Kin-tze  kuan  508,   509,  510. 
Kiptschaken  5,  81,   527. 
Kirgisen  5,  38,  41,  46,  47,  49, 

501  52,  54,  55'  56,  57,  59, 
60,  61,  64,  65,  68,  70,  71, 
72,  78,  74,  80,  81,  82,  83, 
86,  94,  102,  150,  516,  517, 
518. 

Kirgisen- Jurten  356. 

Pferde  62. 

Sättel  51. 

Kismet  20,  23. 

Kitan  215. 

Kiu-tien  446,  447. 

Klima  in  der  Gobi  207,  208, 
210. 

—  bei  Hami  170. 

—  am  oberen  Hoang-ho  885 
bis  887. 

—  von  Kaschgarien  97. 
— ,  kontinentales  27. 

—  des  Ktike-nur-Gebietes  826, 

3271  328. 

—  im  Si-ning-ho  ITiale  254, 
256. 

—  des  Thao-Thales  433,  434. 

—  der  Thien  -  schanschcn  De- 
pression 158. 

—  in  West-Turkestan  27,  528, 
Kloster,  tibetanisches.  293,  404, 

406-419,  472. 
Kochsalz  219,  225. 
Kohlen  97,  219,  250,  467. 
Kohlenformation  245. 

—  -konglomerate,  48 1 ,  487,  488, 
489,  492,  494- 

Koischewsky,  Kreis-Chef,  47. 
Kokan,  Chanat,    5,    11,    12,    28, 
41,  42,  68,  91,  102,  103,  104. 
— ,  Stadt,   18,  42,   100. 
Kok-su  59,  61,  68. 

—  -teke-Gebirge  147,  149,  152. 
Kolleg,  muhamedanisches,  24. 
Komul  168. 

Konfuciaucr  417. 
Konglomerate  54,  166,  1S3,  204, 

274.  297,  317,  320,  324,  447- 
Kontsche-darja    146,    148,    149. 

152. 
Koranständer  26. 
Koranstudium  25,  528. 
Korea  173. 


-     538     - 


Kosaken  38,  40,  55,  56,  57,  65, 
70,  73^76,  193»  194,  258.  273. 
344.  345^  S12. 

Koslow   152,  378,  397. 

Krahmcr  81. 

Krakau   i. 

Krasnowodsk  2,  3. 

Kreitner    235,    236,    237,    244, 

267,  444,  466,  468,  472,  473, 

47Si  477i  483'  495'  5^2,  504, 

505- 
Krestowaia  Gora  (Kreuzberjj^  2. 

Kropf  95,   135. 

Kuei-tö  hsien     258,    318,    319, 

323,  326,  329,  333,  336. 

Küke-nur    257,    258,    259,    260, 

268,  269,  270,  272,  274,  275, 
27«,  279,  280.  281,  283,  288, 
289,  290,  296,  326.  327,  328, 
330»  340,  348,  354,  356,  383^ 

397. 

—  — ,  Bevölkorunjj  277,  294. 

—  — ,  I)eltabilflun<7en  294. 

—  — ,  Ebbe  und  Flut  294. 

,  Flora  325—326. 

Gebiet     212,    276,   825, 

826,  828,  333.  369. 
--   — ,  Klima  327,  3 28. 

—  — ,  Siij^e   277. 

-    ,   Südufer    2S9 — 295. 

—  — ,  Westufer   290,  298. 
Kuen-lun   92,   93,   97,   98,   105, 

107,  202,  207,  210,  215,  270, 

361,  435»  441,  443- 
Kümüsch  155,   156. 

Kürk-ortün   163,   164. 

Küsül,  Dorf,   136. 

Kurgan  56,  57. 

oi  74,  75. 

—  -    -SU    58,  69,  70,  71,  73,  74, 

76,  77,  82,  89,  90,  103,  137. 
Kug-uschin-tajj   153. 
Ku-lang   hsien    229,    243,    244. 
Kuldscha  loi,   125. 
Kulturzone  und  -Land  92,   107, 

128,   145,   169,  194,  205.  226, 

236,  243,  250. 
Kum-bum   258,    262,   268,  264, 

265,  266,  267,  268,  269,  406, 

409,  410. 
Kunjjei-kok-su   141. 
KunjT-thschau^  fu  443,  450,  451, 

452,  454i  4S5i  456. 
Kuuia-Turfan  159. 


Kupfererze  bei  Tujja-rakdan  180, 

131- 

-  -  bei  Kutscha   141,   142. 

Kurjrak   137,   138. 

Kurlja  104,   106,  113,   126,  146, 

147,    148. 

Kuropatkin,  Kxcelleuz,  Gouver- 
neur. 3,  4,  40. 

Kuruk-taj^:    92,    146,     147.    152. 

Kutscha  92.  96,  103.  104,  106, 
126,  135.  137.  138,  180,  140, 
141,   142,   143,  144,  146,  147. 

Gebiri;re  187,  140,  141,  146. 

La-branjj,  Kloster,  262,  347,  356, 
359,  391,  424,  428,  435. 

Lama  262,  264,  266,  268  27 S, 
285,  293,  303,  323,  334,  356, 

358.  393'  41 L  434- 
Lama,  Besuch   bei   einem,    856, 

857. 

Iv;imaistische  Relijjion   173,  352, 

353»  354. 
Landstrassen     133,     135,      144, 

151,  245,   255,  256,  272,  468, 

469,  499.  500,  506,  507. 
Lan-kiao  501,   503,   504,   505. 
Lan-thien  503. 
Lan-thien-ho  502. 
Lan-tschou  fu  212,  213,  214,  229, 

236,   244,  247,  248,  253,  255, 

391,  402,  435,  440,  443,  464, 

466,  467. 
L;io-ho-k'ou  422,  502,  508,  509, 

510,  511  512. 
Lao-ya  yi  253,   255. 
I^irenjTo  294,  355. 
leisten träjjer  484,  502,  507,  510. 
Lawinen  3?,  54,   59,   62,  68. 
Lebensrad  in  Schin-se  407,  408, 

409. 

Lehm  108,  109,  178,  182,  1S4, 
196,  2CX),  202,  207,  210,  229, 
241,  242,  299,  300,  310,  315, 

317»  385.  401,  424.  438.  443» 
444,  448,  450,  451,  452,  453, 
460,  461,  464,  465,  467,  478, 
480,  481,  492,  493,  495,  498, 
5CX),  506,  511. 

—  -Bänke  und  -Wände  90,  9I, 
217,  256,  Sil. 

Boden  und  -Flächen  93,  106, 

107,  133,  144,  145,  155,  160, 


162,    175,    176,  191,  198,  201, 
217,   224,  230,  242,  243,  250, 
254,  292. 
Lehm-Decke  248,  273,  292,  317, 

33«,  335»  347. 

—  -Flächen    und    -Gebiete    ii, 

193,   198,  202,  210,  223,  224, 
487. 

Gehänß:e  312,  433,  443»  45©» 

458,  464,  465,  467,  470,  476, 

478,  479»  494,  499- 

—  -Schluchten  429,   430,   457, 

458,  459»  460,  461,  463.  465. 

467,  468. 
stufen  (-Terrjissen)  398,  401, 

423,  427,  437»  439»  443'  463, 

478,  479- 
Thäler  458. 

—  -Wohnunijen   90,    260,   494, 

496,  497. 

—  -Zone    200,    201,    202,    205, 

429.  436. 

Leichenzu«;«  chinesischer,  236, 
471. 

I^mberjT  i. 

Lepra   14. 

LianfT-t6ch6u  fu  212,  213,  214, 
215,  223,  224,  229,  232,  235, 
237,   239,  240,  242,  255. 

Ließ^nitz  215. 

Li-thsttan  hsien  497. 

Littledale  39. 

Ljanfi^ar  53. 

Lob-nor  106. 

V.  Loczy  248,  502. 

LÖSS  109,  154,  207,  213.  223, 
224,  229,  243,  244,  245,  247, 
248,  249,  250,  252,  254,  258, 
262,  263,  270,  292,  297,  424, 

426,  428,  429,  430,  481,  434i 
435'  438,  446,  448,  449-  45"» 
454,  458,  459»  462,  463,  464, 
465,  466,  469,  476,  479,  480, 
481,  482,  483,  487,  490,  492, 

493'  494,  495»  498,  502,  506. 

Decke  248,   258,  297,  331, 

370,  376,  399»  402,  421,  425, 

427,  429,  431»  433»  435»  444» 
44S,  454,  458,  460,  461,  462, 
463,  464,  465,  466,  469,  470, 

472,  475»  491»  492,  494»  502, 

—  -Gebiete  256,  403,  427,  431, 

434,  435»  443,  444»  44»»  453» 
456,  464,  466,  467,  496. 


—     539     — 


Löss-Gehänj^e    246,    249,    253, 
317,  460,  482,  484,  499i  502. 

—  -Kindel  482,  493. 

—  -I^imlschaft   451,   452,    476, 

4S2,  484,  485»  487,  493. 
~  Orereln  467,  485,  487,  493- 

—  -   -Platenu  480,  481,  482,  483, 

484,  4SS1  486,  487»  492,  493« 
494i  495'  496. 

—  -Schluchten   224,    247,    425, 

430,  451,  462,  453'  454'  455' 
4561  457'  465,  480,  481,  482, 
483,  486,  487,  492,  493'  495» 
496,  498. 

—  -Terrassen    252,    403,    425, 

429'  430»  433'  448,  449'  450- 

45 1'  453'  454'  455' 456,  457. 
459,  461,  462,  463,  464,  465, 

466,  469,  470,  476,  478,  479' 
480,  481,  4S2,  484,  487'  488, 
492,  493- 

Thäler  424'  4«0,  435'  452- 

Wohnuuffcu  450,  457,  463, 

470,  472,  475'  476,  478'  479' 
4S2,  484.  485,  4S6,  492,  494, 

495'  499- 
Lö-tsche    391,    392,    396,    808, 

399.  402. 
Löwen  aus  Bronze  234. 
lyonptyi  hsirn  46 8. 
Lopan-schan  471,  473,  473. 
Lop-nur  92,   98,   97,  106,   107, 

114,   146,    190,  215. 
Luktschun    152,    158,    159,   161. 
Lunff-kü-tschai    442,    501,    502, 

505,  5c6,  508,  509. 
Luno^-ta  =  Windpferde  356,  424. 
LunjT-tö     hsien    468,   469,   470, 

47I'  472. 
Lu-ssa  263. 

Luwa-nitschc  425,  426. 
Luzaonj;    337,    338,    339,    340, 

341 1  342,  343- 

M. 

Macartney,     cnjjliacher     diploni. 

A^-ent»  87. 
Mäandrische  Flusswiudun^cn 

294'  300,  342,  343,  348,  363, 

465. 
Märchenerzähler  23. 
Ma-injr  454,  458,  459- 
Majolika-Oruainenlc   19,   23,  25, 

26. 


M:ilachit   130. 

Manari  Kaljau,  Minaret,   19. 
Manas  104. 
Mandschu  215,  2 16. 
Mandschurei  loi,  214. 
Mane  403,  404. 
M.in^itcn.  Dynastie,   12. 
Maral-baschi  93,   III,  112,    II 3, 

114,  115,   116,  119,  120,  146, 

200. 
Mar^elan  (alt)  45,  46,  47,   160. 
—  (neu)  28,  40,  42,  43'  44,  45, 

46,  47.  48,  49- 

Masar-tajj  93. 
Mata,  Baumwollenstoff,  96. 
Matterhorn  375,  379. 
Maulticrpfadc  442. 
Mausoleum  22,  26. 
Ma-ya-schan  245,   247,  250. 
Medressen    19,    22,    23,    24,   25, 

48,  528. 
Meilensteine  240. 
Melkeimerhaken  340,  341. 
Mero^elkalke  (Ober-Carbon)  472, 

473'  474'  475'  479- 
Mcrw  4,  6,  7,  8,  0,  10,   II. 
-.  Markt  6—10. 
-Tckke  5,  6. 

Oase  6,   7,  8,   11. 

Messin^f^ehäng'e  der Tanjjutiuncn 

340,   341. 

Michailow,  Oberstleutnant,  47. 

MichcUau,  Vertreter  des  Nord- 
deutschen Lloyd,  512. 

Militärbahn,  russische,  29. 

Minaret   19,  22,  23,  25,  48. 

Minff-Dynastie  278. 

Min-schan  391,    428,  441,  445. 

Min-tschou  214,  278,  329,  383, 
412,  428,  431,  434,  435,  436, 
437'  438,  439'  440,  44I'  442, 
443'  464.  467.  472,  484'  502. 

Mittelasien  22,  27. 

Mletü  2. 

Mönche  264,  405,  415. 

Mönche  bei  Kloster  Schin-se  405, 
406,  409. 

Mopol-tau  41. 

Monastür,   121. 

Mongolei  107,  167,  173,  206, 
207. 

Montrolen  12,  60,  80,  81,  95, 
98,  99,  149,  160,  159,  168, 
17s,      194,     210,     213,     215, 


229,     278,     284.     322,    353, 

366,  388,  405. 
Monj^olenherrschaft   104,   215. 
Monq:olen-Zeltc    3S5,  35^,    357- 

383'  393. 
Monffol-tsam-tsche  374,  383. 

Monte  Rosa  379. 

Moränen  377,  378. 

Mosaikarbeiten  233. 

Moscheen   19,    22,    23,    24,  25, 

26,  434,  528. 
Moskau  40. 
Mühlen  244,  256,  261,  269,  270, 

271. 
Mün-jul  75,  76,  77- 
Mlirgfüma-Gebirfife  337. 
Muhamedaner  9,   12,  13,  21,  28, 

61,  73,  91,  100,  101,  103,  107, 

115,   121,  168,   175,  212,  215. 

257,  262,  278,  279,  417,  440, 

477- 
Muhamedanisches  Volksleben  1 1, 

23- 

Muhamedanisches     Geistesleben 

II,    12,   23.  99. 
Muhamed  Emin,  Aksakal,    125. 
Musik   120,    141,   236. 
Musikinstrumente   18. 
Murpab  5,   7,    li,   5 28. 
Muri-ch'u  30S. 
Murmeltier  245. 
Mursa  Rabat,  Station,  41. 
Musart-Kluss    133. 
Musart- Pass   125. 
Muselmanen  siehe  Muhaniedaner. 
Mus-tarv--at'i  77,    105. 

N. 

Na^ra-Tsclialilü,  Festung,   71. 

Namu-schan  351. 

Xan-schan-Gebirjje  197,  202, 
203.  205,  207,  208,  210,  212, 
213,  214,  223,  224,  235,  240, 
250,  258,  263,  272,  276,  277, 
279,  288,   289,  326,  373,  431, 

432. 
Xaryn  39,  59. 

Xen-pan-Kluss  422,  423.  424. 
Nephrit  22. 
Nestorianer  99. 
Xgan-ku-tschou  466,  476. 
Xing-ho  477. 
Xing-yüan  hsien  449. 


—     540     — 


Nomatleu-Stärame    57,     59,    60, 

212,   213,   214,  215,  229,  275. 

527.  528. 
Xurutanyu-tau   30. 

O. 

Oasen  7,  8,  II,  92,  93,  94,  97, 
105,  106.  HO,  III,  135,  145, 
158,160,162,212,217,240,528. 

Oa-tinjf-ho  475. 

Oa-tinjf-ye  473. 

Obercarbon  247,   313,  48 1. 

vObo«.  352,  353,  354,  363,  366, 
368,  385,  389,  390,  395i  401. 
4(^,  409,  410,  420,  421,  422. 

Obrutschew  206. 

Odessa  i. 

Ör-schi-wu-li  pu  483. 

Oesterreich  99,   219. 

Ohrringe  der  Tanjruten  294. 

Oksarül  72,  7«,  74. 

Om  raani-Gebet  265,  266. 

OlUten,  inong^ol.  Stamm,   278. 

Opferteller  in  Kum-bum  267. 

Ordos  207. 

Orenburg:  55. 

Orgelbilduu^  im  Löss  467,  485, 

487.  493- 
Orientalen  18. 

Orkon-Fluss  99. 

Ornamentik  22,  23. 

Osbeken  5. 

Osch  45,  46,  48,  49,  50.  51,  52, 

502,  521. 

Ottendorf,  ForsibeamtiT,  45,  47. 

Otto-morf^o  355. 

Otun-dasutschan  180. 

Otun-kosa   148,   164,   165. 

Otun-o-tssü   176. 

P. 

Padmapaui  265,  353. 
I'ajj^ode  bei   P'injj-lianjj   fu   477. 
Pai-schuei  yi  479. 
Paläozoische      Sedimente       182, 

185,  208,   209. 
Pamir  44.    49,    55,    59,    92,    97, 

98,    105.    106. 
Panaka  278. 
Pappeln  300,  325. 
Passanaur  2. 
Passrevision  an  der  chinesischen 

Grenze  76. 
Pei-ho  466,  467. 


Pei-ta-sch:in  248. 

Peking  76,  77,  102,  159,  167, 
268,  464. 

Pe-ling-Gebirge  441,  444,  447^ 
460. 

Permo-Carbon  (oder  Ober-Car- 
bon) 313,  447- 

Perser  9,   15,  98,   loo. 

Persien  5,   18,  99. 

Pv-schjm  152,  158,  177,  206, 
208,  209.  210,  211,  224. 

Petersburg,  St.  2,   20. 

Petroleum  97. 

Petrowsk   1 . 

Petrowsky,  Generalkonsul,  77, 
83,  84. 

Pflüge   199,   236,  237. 

Piewtsow   150 

Pilaw  65,  73,  529. 

Pilzielsen  178. 

P*ing-fan-ho  229,  244.  245,  246. 

P'ing-fan  hsien  225,  233,  244, 
246,   247,  248,  249. 

P'ing-kou-ling  252. 

P*ing-kou  yi  252. 

P'ing-liang    fu    443,    466,    474, 

475i  476,  477,  478,  479'  480. 
Pin-tschou  477,  487,  492. 
Pitschan   157,   163. 
Plow  529. 

Pochmühle  114,  115. 
Polo,  Marco   236. 
Porzellantempel  26. 
Postst;ition,  russische.  42. 
Potanin  263,  266,  267,  308,  310, 

311,  326,  329,  340,  405,  424, 

426,  435,  441. 

T.  Powalo-Schweykowski.  Gen.- 
Leutnant  und  Gouverneur  44. 

Prschewalskij  168,  277,  278,  284, 
294,  296,  298,  305.  3»5'  3"7' 
323.  325.  326,  327,  333,  346, 
378,  379.  438. 

Q. 

(^uarz  204,  380. 

Quarz^-änge   192. 

Quarz sand   iio. 

Quetae  258,  318,  319,  326,  329. 

—  -Formation    248,    318,    368, 

369^  370^  371,  373.  377,  389, 
391.  392.  395'  396.  398,  399. 
402,  403.  420,  422,  424,  425, 

427,  428,  429.  430,  433,  434, 


439,  441,  444,  449i  4SI.  454, 

457,  458,  459.  460,  461,  462, 

463,  464,  465,  466,  467,  469, 
472. 


Rabat  des  Terek-Dawan  59,  61, 

62,  64. 
Radde,  Exe.  v.,   109. 
Rascheddin,  Chan,   103. 
Rasthaus  481. 
Rauder  24. 
Rcadley,  Rev.,   261. 
Registan  22,  28,  27,  28. 
Reisewagen     in     Ost-Turkestau 

116. 
Religionskämpfe  95. 
Rhein  324. 

Roborowskij  378,  379,  380. 
Rockhill    150,    236,    265,    266, 

267,  268,  272,  278,  284,  306, 

307,  308,  309,  404. 
Rong-wa  260. 
Rosenkränze  286,  358. 
Rostow  I. 
V.  Richthofen  502. 
Ruinen  121,   140,  186.  187,  191, 

197»   199'   243,  244,  280,  281, 

470,  483,  487,  492. 
Russen  9,    10,    12,   16.    20,  21, 

28,  31,  33,  64,   104. 
Russischer      Kinfluss      in     Ost- 

Turkestan  98. 
Russland  1,  20,  27,  38,  50,  96, 

143,   146,  213,   219. 

S. 

Sa-do-gu  194,   195,   199. 

Särge,  chinesische,  231. 

Sai-arük   127. 

Sai-liangar  134. 

Sairam  136,   137. 

Saken,  altes  Volk,  98. 

Säkya-Muni  173. 

Siüamiden,  Dynastie,   12. 

S.'üaren  278. 

Salyren  2 7 8. 

.Salz  109,  HO,  144,  145,  466, 
467,  482,  493. 

boden  144,  309. 

fehler  11. 

-  -efflorescenzcn  108,  112,  113. 
128,  154.  225.  300,  451,  459, 
460,  465,  466,  470,  492. 


541 


Salzseen  i  ii,  225,  277,  290,  528. 

Samaniden  99. 

Samarkand  11,  12, 18, 19,21 — 28, 

29i  3a  34^  40,  44»  47.  48, 
99,   100,   102,   168,   169. 

— ,  Geschichte  27. 

Sand  108,  109,  HO,  145,  152, 
161,  191,  I94i  202,  203,  210, 
241,  290,  292,  300,  380,  431« 
451,  452,  498,  500. 

dünen   93,    110,    128,    145» 

187,   193,  202,  381. 

—  -flächen  77,  92,  128,  145, 
169,  176,  187,  193,  198,  202, 
217,  229,  295,  332,  381. 

—  -hüRcl  197,   205,   225. 

—  -Sturm  230. 

—  -steine  und  Konglomerato 
(mesozoisch)  505,  506. 

—  -steine  und  Konglomerate 
(Ober-Carbon)  488,  489,  492, 

494- 

—  -steine    (paläozoisch)     297, 

310,  311,  315,  335.  352'  355' 

375.  379,  398,  474. 

—  -stein  -  Schiefer  -  Formation 
jialäozoisch,  wahrscheinlich 
Devon)  312,    313.   331,    335, 

342,  343»  347'  348.  349'  35©' 

35 1'  360,  362,  372,  373,  374, 

375-  379.  380,  385,  391,  392, 

395'  396,  399.  401,  402,  403, 

420,  422,  423,  427,  428,  429, 

43O'  435'  441,  446. 

—  -steine     und     Konß^lomeratc 

(Quetae-Schichten)  323,    359, 

364-  369- 

—  -steine     und     Konglomerate 

(tertiär)  68,  71,  74,  128,  129, 
130,   146,   205,   245. 

—  -wüste  II,  43,  92,  93,  106, 
145,  162,  167,  207,  225,  226, 
240,   289,   332. 

San-si-bei  305,  306,  311,  810, 
817,  324,  325,  326,  329,  330, 

331- 
Sarjjerjan-Medrcsse   19. 

Sarmaticae  Portac   2. 

Sarten  12,  35,  41,  42,  43'  44, 
45,  49,  51,  65,  81,  89,  112, 
115,    124,  142,  146,  155,   168, 

521,  522,  524,  527,  628. 

Sartlar,  Kir^isenstamm,   59,   6S. 
S:uii-l)an|Terö  360,  363,  875,376. 


877,  378,  879,  380,  382,  3S3, 

385'  387. 
Sassaniden,  Dynastie,  27. 

Sa-tschou  146,  152. 
Satug-Bojjra-chan  (kaschg-arisch. 

Fürst)  99. 
Saxaul   II,   109,   113,   200. 
Schach -Sinda- Moschee  20,  27. 

Schakal  21. 

Schalakuto   273,  274,   279,  306, 

420,  432- 
Schalbeli-Pass  53,  55- 
Schamanen  95. 
Schamba-chamu  351. 
Schanff-hai  422,   502,  508. 
Schanßf-tschou  505,  506. 
Schan-si  98,  213,  219. 
Schan-tan  hsien    227,   228,  234, 

235- 
Schan-tunjr  213,  215. 
Schanz,  Rev.,  417,  422. 
Scharba  279. 
Scheibaniden  27. 
Schen-si    207,    214,    219,    43'' 

443'  497- 
Sche-tsche-Fluss  282,  294,  366, 

368,  370,  37 1'  377'  383'  384, 
385,  386,  387,  388,  389,  391. 

-  —  — ,  ß:rosser,  338,  346, 
350,  35I'  352,  354,  355'  356, 
357'  359'  360,  361,  362,  363. 

364,  382. 

—  —  --.,  jreoloffische  Be- 
schaffenheit seines  Gebietes 
360,  362. 

Scheuschani  211. 

Sche-zaonjj  395 <  800,  807. 

Schiefer  (kristalline)  179,  180, 
182,  183,  185,  186,  187,  197, 
203,  208,  209,  210,  255,  272, 
297'  3»0'  3"'  317-  318,  335- 
336,  374,  376,  377'  379'  380, 
422,  443,  444'  446.  463.  464- 

504'  505-  506,  509- 
Schiffe  auf  dem  Han-kianj?  511. 

513. 
Schiffe  auf  dem  Tan-ho  509. 

Schilf   94,    106,    III.    113,   121, 

128,   133,   144,  146,  149,  15O' 
151,    152.    166,   196,  287. 
Schin-se     264,    363,    403,    404, 

405,  400.  407,  408,  409,  410, 
411,  414,  415'  416,  4i7i  418, 
419,  420,  422,  424,  433. 


Schiu-se,  Besuch  im  Kloster  411, 
412. 

— ,  Ueberfall  412,  418,  414,  415. 

410. 

Schir-butUiu,  Schloss,  13,  19,  20. 

Schir- Dar- Moschee  24, 2  5. 48, 5  2  8. 

Schi-schan    248. 

Schlaffintweit  91,   103. 

Schlamm   194,  300,  365. 

Schluchtenbildun«:  90,  304,  319, 
321,  332,  346,  348,  449'  452, 
453'  454'  455' 459'  463,  4^5' 
460,  469,  472,  473'  478,  479' 
481,  482,  484,  492,  495. 

Schmuckg^ehängfe  der  Taugn- 
tinnen    284,    889,    840,    394, 

397'  440. 
Schotter  210,  224,  292,  331,  370, 

377,  452,  460,  461,  492,  498- 

—  -betten  198,  202,  ao6,  223, 
241,  246,  300,  310,   381. 

—  -flächen  (siehe  auch  Kies- 
flächen) 92,  93,  145,  198,  202, 
203,   205,  208,  223,  241,  242, 

299'  30O'  30I'  318,  320. 
massen     132,     133,      144, 

145,  152,  153,  155,  158,  175, 

176,  177,  178,  179,  181,  183. 
184,  188,  190,  192,  197,  203, 
205,  241,  292,  299,  317,  320, 

324,  375'  377'  381,  403,  45'' 

463,  476,  479- 
Schöpfwerke  242. 
.Schtiamer-nuri  389. 
Schuang:-tsing  yi  220,  240. 
Schubkarrenkarawane  480,  48 1, 

484,  486,  496,  502. 
Schuei-thsuan  yi  239. 
Schur-Bulak-Pass  71. 

—  -Kubuk   123. 
Schuttmasseu  153,  156,  179,  1S5, 

205,  299. 

Schutzpötter   240. 

Schutzmauem  229,  244,   247. 

Schutzrinde  1 30,182, 188,205.31 1 . 

V.  Schwarz  527,  528,  529. 

Schwarzes  Meer  99. 

Schwarz widd  296,  324. 

Schwemmland  293,  294,298,381. 

.Scrinc  and  Ross  24. 

Sedimente  paläozoische,  (siehe 
auch  Kalk-  und  Schiefer-Sand- 
stein-Formation) 182,  185,  208, 
209,   297,  308,  317. 


—     542     — 


Seen,  abflusslose,  93,  106,  15S, 
241,   307. 

Secn-Ablajjerunß^en  (jung^tertiär) 
210,  245,  248,  252,  254,  270, 
299,   318. 

Seclöss  482,  492,  493. 

Seidenstickereien   18. 

Seldschukken  27. 

Semenow-Gebirjje  286,  297,  301, 
302,  305,  800,  807,  808,  809, 
810,  811,812,818,814,  815, 
318,  325.326,  327,  329,441. 

Semiretschie    527. 

Semiten  5. 

Serafschan  528. 

Serpentin   154. 

Shan-chou  505. 

Sho-toi-tze  237,   23S. 

Shiian-Shuan  214. 

Siam   1 73. 

Sibirien  (Süd-)  60. 

Siddharta  Gautaina   173. 

Sieben  des  Kornes  448. 

Simpson,  Rev.,  433,   445. 

Sinbir-Gebirjfe   152,   153. 

Sin-chianfi^,  Provinz  92. 

—   —  ,     Bevölkerung:  92. 

Si-n^an  fu  213,  442,  443,  451, 
464,  467,  472,  474,  476,  477, 
497,  498,  499,  600,  501,  502, 
508. 

Sinff-po-schan  465,  467, 

Sin-ho  yi  235. 

Si-ninff  fu  212,  222,  219,  234, 
248,  252,  253,  254,  255,  266, 
257,  258,  259,  260,  261,  277, 
278,  290,  292,  333,  336,  345, 
512. 

Si-ninff-ho  229,  248,  252,  253, 
255,  256,  258,  260,  262, 
269,    270,    277,    279,     322, 

368,    432- 
Sin-schuei  yi  216. 
Sin-ssf'  404. 
Sobolew  345. 
Soj^diana  27. 
Ssan-dao   195. 
Ssö-thschuan  214,  222,  278,  329, 

418,  434.  445- 
Sse-thschuan-Fun-tzr*  397. 
Stsinfjenfferüste  zum  Iloutrocknen 

423,  435- 

Star-duHij-tsche    365,    3S9,   390, 

391- 


Staub  154,  159,  191,  197,  203, 
221,   229,   241,  270,  431. 

—  -boden  200. 

materi.'ü  93,    108,  109,  iio, 

300. 

—  -Sturm  108,  109,  162,  108, 
164,  177,  178,  191,  196,  207, 
208,  226,  314. 

Steinkohlen  213,  234,  235,  236, 
250,  486,  496,  497. 

Steinkohlenformation    248,    273. 

Steinwüste  76,   229. 

Steppen  31,  212,  279,  295,  296, 
299,  300,  303,  304,  314,  3 '6, 
318,   319,  324,  326,  335.  343, 

346.  347^  348,  352. 

—  -flächen  4,  29,  114,  12S, 
150,   176,   275,  277,  292,  301, 

307.  309.  31  li  329.  330,  332. 
336,  348,  35 9i  360,  368,  370, 
37I1  373i  374.  376,  3831  384. 
385.  391.  395'  419'  420. 

ßfras     184,    292,    297,    311, 

317,  320.  325,  330.  331,  335, 

343.  347.  349.  35''  390,  395. 
398,  399. 

—  -thäler  350,  352,  355,  384, 
392,  400. 

Sterzing'  244. 

Stiller  Ozean  442. 

Studierende,  muhamedanische, 
24i  25. 

Stürme   164,   177,  181,  182,  184. 

Stüpa,  bei  Kaschffar,  (altbudd- 
histisches Denkmal)  90,  91. 

Subasche,  bei  Kutscha  140,  14T, 
142. 

Su-baschi,  Piket,   156,  157. 

Süddeutschland  39,  219, 

Süd-Italien  363. 

Süd-Kttke-nur-Gebirg^e  279,  280, 
287,  291,  292,  293,  296,  297, 
298,   301,   304,  305,  306,  307, 

308,  310,   314,  318,  329. 
Süsswasserbildunjjeu  373. 
Sufi-Kurffan  58,  59,  60,  64,  67, 

516. 
Su-lai-ho   193,  194,  196,   196. 
Sunff-p'an  thingf  260,  278,    330, 

333'  345.  357.  3^2,  391,  397^ 
412,  419.  434.  441,  445- 

Surin-jjol   194,   199.  202. 

Su-tschou  39,  167,  174,  205, 
200,  207,  209,  212,  213,  214, 


215,  2:6,  217,  218,  219,  220, 

221,222,  223  224,  226,  235, 

236,  240,  258. 
Suwürjrhan  410. 
Sven  Hedin  49. 
Syr-darja  29—31,  37,  41,  42,44. 

528. 

,  Fähre  80- 

—   —  Pro\inz  44. 
Syrien  99. 
Szechonyi.  Graf,   222. 


Tadsclüken   12,  8f,  627. 
Taf^hnazatrh  215. 
Ta-hia-ho  347, 39 1 ,  392, 402, 403. 
Tai-hin-schan  472,  473,  476. 
Taka-Pass  53,   54. 
Takla-makan   107,    iii. 
Tjüdük-Fluss  53,  54,  58. 

—  -Pass   58. 
Talismane  286. 

Tamarix  li,  93,  108,  109,  III, 
113,  128,  176.  177,  184,  198, 
200,  201,  223. 

Hüß^el   176,   198. 

Tamerlan  (siehe  auch  Timur) 
12,   22,  30. 

Ta-mo-fu  (Buddha)  159. 

Tau,  tanj^utisch  für  Steppenthal, 

348. 

—  -Fluss  422,  502,  504,  505, 
506,  507,  50S,  509,  511. 

Tanputen  213,  215,  217,  275, 
27S,  279,  281,  288,  284,  285, 
286,  287,  292,  293,  295,  300, 
301,  802,  808,804,805,315. 
329,  881,  884,  337,  «88,  339. 
840,  812,  848,  348,  349.  3S2. 
353'  354.  355.  356,  366,  384, 
386,  887,  388,  405,  407,  412, 

413.  415.  417.  418,  419.  420, 
426,  429,  434,  435,  438,  441. 

Häuptlinfre  887,   848,  856, 

857,  898,  896,  897;  405- 

—  -Reich  211,   235,  236. 

— ,  Schmuckgfehängc  der  Frauen 
336,  888,  889,  840,  894,  405, 
406,  426,  436,  440. 

—  ,  schwarze  277,  278. 

—  -Stämme  277. 

-  ,  Totenbestattung"  854. 

—  -Wohnungen  im  Thao-Thale 
420,  421,  425,  426,  429.  438- 


-     543 


Tanguten -Zelt    281,    282,    283, 

29I1  355-  897. 
Tan-ka'r-thinjr    232,    233,    234, 

235'  256,  257,  259,  200,  201, 
262,  263,  269,  270,  271,  272, 

279.  432. 
Taoisten  417. 

Tao-lai,  Fluss,  235. 

Tao-t'ai    in   Kaüchffar    (Besuch) 

84,  86,  87,  88,  90. 
Taotan-ho  270,   280,    281,  287, 

288,  289,  290,  292,  297,  326. 
Tarantass  31,  33,  35^  3^,  41.  42- 
Tarantschen  8i,   159,   168,  176. 
Tarbagatai  92. 
Tarimbecken  5,  76,  79,  80,  81, 

91,   92,  »3,   W,    96,   97.^98. 

105,  107,  III.  126,  127,  135, 

146,  147.  152,  176,  190,  200, 

207,  213,  214,  527. 
Tarim-Fluss  76,  80,  93,  106,  107, 

HO,  III,   114,   146. 
Tasch,   ttirk.  Woßfezeichen,    240. 
Tasch-kar  154. 
Taschkent   28,    29,    30,    34,   35, 

37,  39i  40,  41,   42,   45,   100, 

102,   125,  528. 
Tasur-chai-Gobirere  428,  441. 
Tatarei  173. 
— ,  östliche  98. 

— ,  westliche  98. 
Tataren  15,  114. 
Ta-thung^-ho  248,  249.  250,  252. 

256.  258,  262. 
Ta-tzc  355,  388,  405. 
Taun-murun-Pass  58. 
Tawelg^u   152. 
Ta-yü  492,  493,  494. 
Tempel,  buddhistische,  422,  427, 

434'  435'  442,  448,  473i  474, 
476,  479'  ^•>o,  488,  495,  497, 
500. 

— ,   buddhistischer,  in  Hami   170 
bis  173. 

-  .   — ,  in  Kum-bum  202—209. 

-  ,        ,  in  P'injj-fjui  hsien    248. 
-,    -,  in  Sho-toi-tze  207,  288, 

289. 

— .  — ,  oberhalb  von  Pin-tschou 
488,  489. 

-  bei  Schin-se  407,  409,  410. 
-   in  Yünfif-thschans:  hsien  239. 

Temudschin  215. 

Teppiche,  bucharische  18,19,20. 


Teppiche,  chinesische   18. 
— ,  kirgisische  18, 47,  56,  57,  72. 
Terrassen  aus  Flussablagerungen 
192,  202,  254,  255,  299,  300, 

3 «9,  363,  374'  375,  376,  377, 
381,  383,  401,  403,  404,  450, 
456,  460,  463,  496,  497,  499, 
500. 
Terek-Fluss  2. 

—  -Dawan-Pass  38,  39,  40,  58, 
69,  Ol,  02,  08,  06,  00,  07,  08, 
09,  84,  87,  102,  104. 

dawan,  Reise  Vorbereitungen 

40,   41,   45,   46,   47,   49,   50, 

51,    52. 

—  --,  Witterung  65,  67,  68. 
Terra  rossa  369. 
'ITiang-Thai-tsung  214. 
Thang,  Kaiscr-Dynasüe,   215. 
Thao-Flussgebiet  362,  399,  423. 

—  -ho  229,  262,  362,  401,  402, 
408,  400,  412,  414,  417,  419, 
420,  421,  424,  427,  428,  429, 
431,  432,  434,  437,  439.  440, 
441,  443,  444.  445. 

Thal   278,    281,    329.    355, 

368,  391,  402,  404,  405,  412. 
424,  429,  430,  431,  435,  436. 
437,  438,  439'  440,  44I'  444- 
445'  446. 

—  — ,  Geologie  441. 
Thao-tschou  229,  178,  412,  416, 

417,  419,  420,  422,  424,  426, 
428,  429,  430,  431,  452,  433, 
484,  435,  436,  440,  443,  445- 

Thien-schan  5,  38,  39,  60,  80, 
87,  92,  93'  96.  97.  loi,  102, 
105,  106,  HO,  114,  126,  134, 
135,  "36,  141,  145'  U6,  147, 
15I'  155'  159,  166,  169,  175, 
202,  213. 

Thien-schan,  östlicher,  148 — 178. 

Thien-schanschc  Depression  157, 
168,  162. 

Thing-k'ou  pu  483,  485,  487, 
488,  489- 

Thone  des  Ilan-hai  177,  178, 
179,    190. 

Thschang-wu  hsien  486. 

Thsing-hai  293. 

--  —   -wan  297. 

Thsin  -  ling  -  Gebirge  43 1 ,  442, 
443,  45»'  496,  500,  50I'  502, 
503'  504,  505,  508. 


Thsin-ling-tschou  442. 

Thung-fan  yi  248,  249,  250. 

—  -ytian  yi  249. 

Tibet  39,  49,  55,  loi,  173,  195, 
197,  212,  223,  260,  262,  268, 
270,  272,  277,  286,  295,  315, 
329,  467,  481. 

— ,  Hochfläche  196,  325,  329, 
383,  431,  444. 

— ,  Nordost-  39,  loi,  257,  278, 
279,  282,  307,  829-841.  345, 
369,  405,  412,  416,  417,  419, 
420,  422,  431,  432,  434,  442, 
464. 

Tibetaner  213,  260,  270,  274, 
277»  287,  321,  322,  323,  354, 
356,  384,  387.  38S,  394'  417, 
418,  434,  440. 

Tibetanische   Volksstämme  277, 

355- 
Tiflis  I,  2,  52. 

Tiger  94,   114. 

Tillja-Kari- Moschee   24. 

Timur    12,    21,    22,  23,  25.  27. 

30,   100. 
Timuriden    12,   22,  26. 
Ting-ho  477. 
Tirol  406,  423. 
Tiroler  Gebirge  260. 
Tömwall,  Rev.,  474,  476. 
Toksun  92,  15S,   159. 
Tolmak  39. 
Tonking  215. 

Topa-dawan   132.    133,   134. 
TotenbesU\ttung  21. 
Tran.skaspien    3.   4,  21,  27,  44, 

109. 
Trockenihal  der  Wüste  177,  189, 

190. 
Trümmennassen  93,   166. 
Tsai-dam    257,    268,   270,   277, 

281,  284,  292,  307,  329. 
Tsam-ba   284,    302,    303,    358, 

36.^  393'  396. 
Tsa-tsa  367,  368,  409,  422. 
Tsa-tsa-ch'U-Fluss  309. 
Tschadtir-kul  92,  112,  1 20,  121. 
Tschakmak  76. 
Tschan -pe  hsien  255. 
Tschantu  150. 
Tsche,    tangutisch    für  Wasser, 

Fluss  350. 
Tschertschen   1 05 . 
darja  93,   107. 


—     544     — 


TscKibuk  6. 
Tschi  fu  440. 
Tftchifl^rtschik-Piiss  53. 
TschiktUm    157,    159,   163,   164. 
Tschinas,  Alt-  36. 
Tschön-hai  p'u  259. 
Thsc  hörten  410. 
Tschoglu-tschai  166,   167. 
Tschol-tiu   156,  lö«,   157.   158. 

162. 
Tschu-Fluss  528. 
Tschünerc-ramid-Fluss  364,  365, 

368. 
Tschünere-tschenak-Fluss     393, 

395'  396,  398. 
Tschukur  152. 
Tschul-tau   133,   135,   146. 
Tschurmün-Fluss  325,  326,  346, 

378,  382. 
rsi-ma-liii^r  454,  457. 

Tsinjj-ho-ten  230. 
Tsin|T-kuc'i  436.  437- 
TsinfT-nin^-tschou  443,  466,  468, 

469. 
Tsinjf-pien  yi  212. 
Tsinjj-schuei  480. 
Tsin-ho  477. 

Tsin-Schi-huanjj-ti,  Kaiser,   229. 
Tsin-tien  446. 
Tso-kadri  309. 
Tsonjf  263. 

Tsong'-ka-pa  263,  266,   267. 
Tßunjj-li-yamen  76. 
Tsu-tsc- Frucht  507. 
Tuchweberei  45. 
Türkei  95. 

Türken  81,   213,  215. 
Türkisen   17,    18. 
Tußra-rakdan   129,    133,   137, 
Tug:h-Stanß^en2i.23,82, 122, 136. 
Tufn-ak-Baum  94. 
Tuia-masar  136. 
Tukai-Thal  58. 
Tukiu  211. 
Tuküe  214. 

Tulfi^uk-Timur-chan  100. 
Tuinschuk   121. 
Tu-mun-fjuan  Fluss  347. 
Turanicr  80. 
Turfan    92,    97,    104,    146,    154, 

158,  159,  160.  161. 

Turkestan    (Ost-)     5,     79,    So, 

9I1    92,    95'    98,    99«    loi' 
168,  627. 


Turkestan  (West-  und  General- 
riouverneinent^  i,  3,  4,  5, 
12,  21,  27,  29,  40,  41, 
42,  44,  49,  60,  81,  89, 
98,      100,      102.      168,     214, 

215,  627,  628,  529. 

--,  Bevölkerunjj    6,    8,  9,   6S9. 

680 

Turkestaner  (Ost-)  81,  150,  159, 

168,   175.  214, 
Turkmenen  5,  8,  0,    10,  528. 
Turkstämme  5.  80,   168,   278. 
Turktataren  4,   5,  60. 


U. 

Ueberschwemmunfi^zonen  241. 
Uffutu-r.ebirjre    234,    330.    334, 

346 
Uiffuren    80,    Si,    »8,   »9,    168, 

175,  211,  235. 
l'ksalür  61,  71,   72.  75. 
Ulan-ser-tsche     367,    390,    391, 

392,  395'  396. 
L'lujj-Be.£>:- Moschee  24. 
l'luktschat,  Festung^,  71,  76. 
L'mzu^r      «ler      Xomaden      388, 

889. 
Unß;^arn  99. 
L'r^a   167. 
Uriuk-Fiuss  76. 
Urtia-tsche    365,  368,  369.  370, 

37I'  372,  373,  374. 
Urumtschi    92,    104,    150,    158, 

345- 
Usbeken  5,   12,  81,   100,  527. 

l'sme-tlian   155,    156. 


V. 

Vainbery  5,  9. 
Vei^etatiiinshüjjel    93,    108,    109, 

III,    112,  197,  198,  äOO,  201, 

202. 
Verßfiftunfjs versuch  durch  Lamas 

388. 
Verkehr    467,    470,     474,    477, 

479,  484,  486,  488,  492,  496, 

497'  50O1  502,  506,  507,  509, 

510- 
Vervvitterun<j   137. 
Verwitterunj^^slehm  510. 
Vojicsen  324. 


W. 

Waddell,  A.  408,  410. 

Wälder  94,  106,   112,  250,  259. 

297.  334.  335'  404-  419'  437' 
439.  446,  450,  467^  473'  476. 
495-  504-  506- 
Wa-hon-la-Pass  307. 

W.üichan-tiura,  Chan,   103. 
W:dni-r.ebirjje    890,    891,    392, 

895.  396. 
Walze  zum  Dreschen  199. 
Wan,  Fürst.   278. 
Wan-saonff  355,  357,  360,  383. 
Wasserscheide    zum    Thao-Thal 

400,  401,  402. 
Wa-thin};j  yi  474. 
Wa-thin};j-ho  475,  477. 
Wa-thsan^  355. 

Webstuhl  der  Tankten  888.  334. 
Wejjejuilai^en  244,  245. 
WejT^ezeichen  197,  205,  240,  495. 
Wei-Dynastle  214. 
Wei-ho  98,  213,  449,  451,  461, 

466,  476,  477,  483.  496,  498, 

499'  50O'  503- 
Wien   I . 

Wind-Krosion  130, 137,  158,154. 
188,  180,  181,  182,  183,  193. 
202,  208,  204.  205,  226,  273* 
274,  320,  369,  489—492. 

Windpferde  356,  424. 

Win<ltransj)ort  481. 

Wladikawkas   i,   2. 

Wlamt-8U- Fluss  366,  368.  371, 
373'  874,  382,  383'  385« 
386. 

Wohnunjjen,  bucharischc,  19,  20. 

Wolastnoi  56,  58,  59,  65. 

Wolffa  5,  60,  98,   173. 

Wolkenbruch  in  Tan-ka'r  thinjj 
261. 

Wrewski.  Baron  von,  40,  45. 

Wüste  4,  18,  29,  91,  92,  93, 
97,  98,  106,  107,  109,  III, 
128,  133,  145,  152,  163,  166, 
178,  187,  188,  198,  210,  212, 
224,  225,  239.  241,  311,  43I' 

Wüstenjjebirpe  152,  206. 

—  -Seen  241. 

Wu-schönff  p'u   225,    246,    247. 

Wu-so-linjf  244,  245. 

Wutai-Schichten  469. 

Wu-thschan     fu  512. 


—     545 


Y. 

Yak  94.  270.  272,  275,  280. 
322,  323^  352,  356,  359,  383' 
3891  394'  397i  398.  412,  4131 
416,  4171  425- 

Yak-Karawane    272,    293,    310. 

Yamantiika,  buddhistische  Gott- 
heit. 288,  289. 

Yamäri,  buddhistische  Gottheit, 
288,  289. 

Yanjf-kia  thschuang^  4Q5. 

Yanjj-tze-kian?  213,     215,    257, 


262,     329,     330,     391,     441, 
445,     446,     502,     505,     508, 

512. 

Schiffe  511,  512. 

Yau  (Kaiser)  213. 
Yen-thschi  yi  214,  224,   225. 
Ye-thsuu  506,   507,   508. 
Yüe-tschi  (altes  Volk)    98,   211. 
Yü  -  müu  -  Passaßfc      213,     214, 

215. 
Yuiiff-schou  hsien  494. 
Yune^-thschang^  hsien  239. 


Z. 

Zagan-tjunge-Gebirge   153. 
Zelüager  384,  392,  395. 
Zentralasien  3,  21,  39,  49,  60,  61. 

99,   105,   158,   167,   207,  213. 

214,  215,  431. 
Zeugenberge    und   -Hügel     178, 

202,   203. 
Ziehbrunnen  242. 
Zollabfertigung  2,  3. 
Zollmauer  432. 
Zufluchtsstätten   455,    460,   488. 


PROFILTAFEL  XLII 


Nord-West. 


Süd-Osh 


Süd-West. 


Ost-Süd-Ost. 

i  Gebirge,     d.  Dschupar-Gebirge.     e>  Hoang-ho-SchluchL 

a.  Gebirge,  Schamba-chamu.     b.  Namo-schao. 
e.     c. — r  Gebirge  SarQ-DangerS  auf  dem  linken  Hoang-ho-Ufer. 
icheide   zwischen  Star- düng -tsche  und  UIan-«er-tsdie. 


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