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Siav 3C%o.l
j^artiaili College libtarg
HENRY LILLIE PIERCE.
OF BOSTON.
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Durch Asien.
Band I
Geographische Charakter- Bilder.
Dr. K. Futterer.
v%r^f
Durcl] Asien
Erfahrungen, Forschun^er) und Sammlun^er^
während der von Amtmann Dr. Holderer unternommenen Reise.
Mit Unterstützung des Grossherzogüch Badischen Ministeriums
der Justiz, des Kultus und Unterriclits
und des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe herausgegeben
Dr. K.fUTTERER
der Grossheri. Technischen Hochschule ii
Band I
Geographische Charal<ter'5<lder.
Mit 203 Illustrationen im Texte, 40 Tafeln, Panoramen und I'rofileu
nach |>hotographiscjiPu Aufnahmen des Verfassers,
2 bunten Tafeln, 1 Ücbersichtskarto von Asien.
HERLIN lyoi
Verla;; von Dietrich Reimer (ICr
S \ a.v 3 G "fco. I
( ;- • 1-; .
\
Alle Rechte, namentlich das Recht der Uebcrsetzung; in fremde Sprachen vorbehalten.
Druck von Otto Eisner, Berlin S.
Vorwort.
Ms war im Sommer 1896, als mein Ilcidelbert^er Studien^jcnossc Dr. Holderer
mich einlud, an einer Reise teilzunehmen, die er nach den zentralen Teilen
Asiens plante, wohl wissend, von wie hohem Interesse diese Gebiete dem Geo-
graphen und Geologen sind. Da er beschlossen hatte, diese Reise für die
Wissenschaft fruchtbringend zu gestalten, willigte er gern in die Bedingung
ein, die ich bei der Annahme seiner hochherzigen Einladung machte, nämlich,
dass mir die Möglichkeit wissenschaftlichen Arbeitens nach geographischen und
geologischen Gesichtspunkten während der Reise gewährt werden sollte. Ganz
unabhängig von Dr. Holderer, noch vor meiner Berufung im Frühjahre 1895
nach Karlsruhe, hatte ich mich mit den neueren Forschungerf in Zentralasien
befasst ujid-das Resultat dieser Arbeiten in einem Ergänzungshefte von Petermanns
(j^ographischen Mitteilungen unter dem Titel »Die allgemeineren geologischen
Ergebnisse der neueren Forschungen in Zentralasien und China« niedergelegt.
Auch .iTieirle Antrittsvorlesung bei Uebernahme des Lehrstuhls für Mineralogie
und Geologie in Karlsruhe behandelte das Thema »Die wissenschaftlichen
Probleme Zentralasiens«. Bei diesem Vortrag war Dr. Holderer anwesend, und
nicht lange darauf erfolgte seine lunladung zur Begleitung auf der Reise.
Zunächst wurde in gemeinsamen Besj)rechungen der genauere Reiseplan für
die zu besuchenden Länder festgestellt, und als Hauptziel der Expedition die P2r-
forschung des oberen Teiles des Laufes des Hoang-ho in Tibet ins Auge gefasst;
der weitere Weg zur Ostküste Asiens sollte dann direkt östlich über Si-ngan fu
nach Han-k'ou oder im Yang- tzö-kiang- Gebiete nach Schanghai genommen
werden. Dr. Holderer stellte reiche Mittel für die Anschaffung der wissenschaft-
lichen Instrumente zur Verfügung, besorgte die ganze Ausrüstung der P^xpedition
mit Vorräten, Tauschartikeln, Waffen und Munition und übernahm während der
Reise das Anlegen und Präparieren von zoologischen Sammlungen, zu deren Kon-
servierung ein deutscher Diener E. Ik)ck, der im Präparieren von Prellen und
Bälgen geschickt war, die TLxpedition begleitete. Bei der Bestimmung meines
eigenen Arbeitsprogramms ging ich von dem Grund.satze aus, dass der P'orschungs-
reisende durch eine Ausrüstung mit Instrumenten aus allen möglichen Zweigen der
geologischen und geographischen Wissenschaften sich eine möglichst breite Basis
schaffen muss, von der aus alle Beobachtungen gemacht werden können, zu denen
— Vi-
sich Gelegenheit bietet. Wie viel davon später wirklich ausgeführt werden kann,
hängt immer teils von äusseren Umständen, teils von den inneren Verhältnissen
bei der ICxpedition, der Zweckmässigkeit der Führung, der Rücksichtnahme auf
die wissenschaftlichen Erfordernisse und der Wahl der Rcisewege ab, und es
ist daher das wirklich Erreichbare und Erreichte bei verschiedenen Expeditionen
selbst in gleichen Gebieten sehr verschieden; ich war nicht der Leiter, sondern
der Begleiter, der sich nach den gegebenen Umständen richten musste, da die
Expedition nicht ausschliesslich den von mir verfolgten Zwecken diente.
Im Vordergrunde standen für meine Arbeiten die Beobachtungen der
geologischen Erscheinungen längs des ganzen Reiseweges vom Beginn des
Ueberganges über das Alai-Gebirge an bis zum Beginne der Fahrt auf dem Tan-
Flusse, im Süden des Thsin-ling-Gebirges, und die Anlegung einer geologischen
Sammlung, welche alle Vorkommen des ganzen Reiseweges an Gesteinen,
Petrefakten und besonderen Erscheinungen der Wüstenerosionskräfte umfasst.
Ferner wurde grosser Wert von mir auf photographische Aufnahmen der
charakteristischen Landschafts- und Bevölkerungstypen, sowie der herrlichen
geologischen Erscheinungen in den Ausläufern des Thien-schan, in der Wüste
Gobi und in den Lössgebieten Chinas gelegt. Ein stark gebauter photographischer
Apparat mit Platten in der Grösse von 13x18 cm mit fünf verschiedenen Objektiv-
Kombinationen bewährte sich ebenso, wie die zur Verwendung gekommenen
Glasplatten und Films bis zum Schlüsse, so dass die Sammlung von gegen
700 Photographien vom ganzen Verlaufe der Reise zu einem der wertvolleren
Resultate derselben gerechnet werden kann. Da der Reiseweg mehrfach und
auf längere Strecken durch topographisch noch nicht aufgenommenes oder
überhaupt noch ganz unerforschtes Gebiet gehen sollte und ging, erwuchs mir
mehrfach noch die weitere Aufgabe, die topographische Grundlage für meine
geologischen Aufzeichnungen selbst herzustellen. So wurde eine Routen -Auf-
nahme im Massstabe von i : 500000 auf dem Wege von Hami bis Su-tschou,
während fünf Wochen über etwa 500 km, und in Tibet vom Küke-nur bis Min-
tschou, in 3^/2 Monaten über 800 km, ausgeführt.
Dass es für einen Forscher nicht unmöglich ist, während der Reise gleich-
zeitig topographisch und geologisch zu arbeiten, beweisen unter anderm in un-
übertroffener Weise v. Richthofens Aufnahmen. Aber auch* Prschewalskij sagt:
»Die Aufnahme der Gegend, so leicht auch diese Arbeit erscheinen mag, war
doch eine der schwierigsten Aufgaben der Expedition, da, abgesehen von den
verschiedenen Listen, welche angewendet werden mussten, um die Aufmerk-
samkeit der Bewohner auf einen andern Gegenstand zu lenken, das häufige
Absteigen vom Pferde, um den Abschnittsstrich zu machen, besonders während
der Sommerhitze sehr ermüdete. Aber ausserdem konnten wir auch wegen
dieser Aufnahme zum Marsche nicht die kühlen Nächte benutzen und mussten
uns am Tage, häufig während der grössten Hitze, vorwärtsschleppen. Solche
Märsche haben nicht nur unsere Kamele verdorben, sondern haben endlich
— VII —
auch unsere Kräfte aufgerieben, c Wenn das schon Prschewalskij empfand, der
alle Reisedispositionen auf das zweckmässigste einrichtete, keine Nachtmärsche
machte und regelmässige Ruhepausen und Mahlzeiten einhielt, wird sich
niemand wundern, wenn ich unter weit ungünstigeren Verhältnissen oft nur unter
Einsetzung aller meiner Kräfte im stände war, meine Aufgabe annähernd zu
lösen. Indessen beweisen hoffentlich meine lückenlos geführten Tagebücher,
meteorologischen Journale und Routenaufnahmen, dass es mir durchweg ge-
lungen ist, gegen diese erschwerenden Umstände erfolgreich anzukämpfen. An
meteorologischen Beobachtungen wurden dreimal täglich während des ganzen
Reiseweges Temperatur und Feuchtigkeitsgehalt der Luft, ferner die Meereshöhe
an drei Aneroiden und des öfteren mit dem Siedethermometer bestimmt, und
Aufzeichnungen über Bedeckung des Himmels, Wind, Niederschläge und be-
sondere Erscheinungen gemacht. Immer wurde auch das Minimum der nächtlichen
Lufttemperatur und, wenn den Umständen nach möglich, auch das Maximum
derselben während des Tages bestimmt. Hierzu kamen noch Bestimmungen
der Bodentemperaturen in der Gobi und in Tibet, ferner gelegentlich und an
geeigneten Punkten Messungen der Sonnenhöhe um die Kulminationszeit zur
Bestimmung der geographischen Breite wichtiger Punkte, Messungen von Gebirgs-
höhen mit dem Theodolithen und einige anthropologische Messungen. Leider
zeigte sich die Bevölkerung in Nordost-Tibet dieser Behandlung ganz unzugänglich.
Auch die von geologischen Gesichtspunkten aus wichtigen Pflanzen legte ich
in der Wüste Gobi ein, später auch andere blühende Pflanzen, und die im
III. Bande beschriebenen Pflanzen sind fast alle von mir gesammelt
Es mag scheinen, als wäre ein solches Arbeitsprogramm für eine Kraft
sehr reichlich bemessen, besonders in Anbetracht des Umstandes, dass ich im
Verfolg meiner geologischen Untersuchungen häufig gezwungen war, weit vom
Reisewege abführende Seitenexkursionen zu unternehmen. Auf der andern Seite
aber hatte ich für die Bedürfnisse, den Unterhalt und das Weiterkommen der
Karawane in keiner Weise zu sorgen, soweit nicht meine Kenntnis der russischen
Sprache bei den geschäftlichen Verhandlungen in Anspruch genommen wurde. Diese
Aufgaben übernahm Dr. Holderer neben seinen Sammlungsarbeiten, und ich konnte
meine Zeit fast ausschliesslich der Wissenschaft widmen. Die Reise ist trotz
manchen Missgeschicks glücklich zu Itnde geführt worden. Mit Ausnahme von zwei
Kisten mit Vogelbälgen, deren Verlust Dr. Holderer zu beklagen hat, sind alle
Sammlungen gut erhalten in die Heimat gelangt und werden, wie ich hoffe,
auch fernerhin wissenschaftliche Anregungen geben. Die zoologischen Samm-
lungen von Dr. Holderer sind zum Teil dem Museum für Naturkunde in Berlin,
die Doubletten der zoologischen Abteilung des Grossherzogl. NaturaUenkabinetts
in Karlsruhe als Geschenk überwiesen worden. Ebenso hat das Botanische Museum
in Berlin für die Bearbeitung des Herbariums die Originale und dort noch nicht
vorhandenen Arten erhalten. Meine geologische Sammlung ist auf gnädigst aus-
gesprochenen Wunsch Sr. Kgl. Hoheit des Grossherzogs Friedrich von Baden
— VIII —
den Sammlungen des Grossherzogl. badischen Naturalienkabinetts in Karlsruhe
einverleibt worden.
Die Einteilung und Wiedergabe der Verarbeitungen meiner Hcobachtungs-
und Sammlungsmaterialicn ist in folgender Weise geschehen. Der erste Band
enthält geographische Schilderungen, Reise-, Natur- und Völkerbilder, die in all-
gemein-verständlicher Darstellung unter Verwendung zahlreicher photographischer
Abbildungen die Charakterzüge der bereisten Gebiete für einen weiteren Leser-
kreis geben. Der zweite Band soll meine gesamten geologischen Beobachtungen
während der Reise, ihre Verbindung mit den Resultaten anderer Geologen und
die Behandlung wichtigerer, sich daraus ergebender, allgemeinerer geologischer
Fragen enthalten und wird von mir selbst bearbeitet. Der dritte Band
endlich enthält Arbeiten über Meteorologie, Paläontologie, Geologie, Zoologie
und Botanik der bereisten Länder.
Durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Geheimrats Professor
Dr. Moebius bin ich in der Lage, die Arbeiten der Herren P. Matschie
»Erkenntnis der Säugetiere Mittelasiens«, Dr. II. Schalow »Uebersicht
der von Dr. Holderer gesammelten Vögel« und Dr. G. Tornier »Liste
der von Herrn Dr. Holderer gesammelten Reptilien und Amphibien« im
dritten Bande aufzunehmen, wie ich auch den genannten Herren die
Bestimmungen der im ersten Bande erwähnten Tierspecies verdanke. Für die
übrigen Gebiete gelang es mir weiter, die folgenden Gelehrten zu ge-
winnen, denen ich an dieser Stelle gern meinen Dank für die Uebernahme
der Bearbeitungen ausspreche: Prof. Dr. A. Sauer, Direktor der Kgl. württem-
bergischen geologischen Landesanstalt, für die petrographische Beschreibung der
Gesteine aus dem Alai-Gebirge, Thien-schan und der Wüste Gobi; Dr. Schwarz-
mann, Privatdozent und Assistent am Grossherzoghchen Naturalienkabinett in
Karlsruhe, für die Bearbeitung der Gesteine aus Inner-China und Nordost-Tibet;
Dr. Sehe 11 Wien, Privatdozent an der Universität in Königsberg, für die
paläozoischen Versteinerungen; Prof. Dr. A. Andreae, Direktor des Römer-
museums in Hildesheim, für die lebenden und fossilen Schnecken und
Muscheln; Dr. Di eis, Assistent am botanischen Museum in Berlin, für die
botanischen Sammlungen; Prof. Dr. Leutz in Karlsruhe für die astronomischen
Bestimmungen; Dr. v. Elsaer, Assistent am meteorologischen Institut in Berlin,
für das gesamte meteorologische Material und die Höhenbestimmungen. Die
Untersuchung der zahlreichen Löss- und Lehmproben und der Wüstenphänomene,
sowie der Kreide und des Tertiär im Alai-Gebirge habe ich mir selbst vor-
behalten. Meine topographischen Aufnahmen des Reiseweges durch die Wüste
Gobi und Nordost-Tibet, die auch zur Grundlage für die geologischen Arbeiten
des zweiten Bandes dienen sollen, werden in der geographischen Anstalt von
Justus Perthes in Gotha konstruiert und mit geographischen Beschreibungen
dort erscheinen; einige auf ganz speziellen Gebieten liegende Unter-
suchungen sollen anderweitig untergebracht werden, soweit es nicht schon
— IX ~
p^eschclien ist. Es wäre vielleicht im allgemeinen, jedenfalls aber vom Stand-
punkte des materiellen Erfolges aus vorteilhafter gewesen, nach dem Beispiel
anderer Forschungsreisenden, wie Sven 1 ledin, Nansen, Obrutschew, die für
einen grossen Leserkreis bestimmten j> geographischen l^ilder«, die den ersten
Band ausmachen, für sich erscheinen zu lassen, und die rein wissenschaftlichen
Materialien, geordnet je nach ihrer Natur, selbständig oder in wissenschaft-
lichen Zeitschriften zu veröffentlichen. Ich glaubte aber der grossartigen, mit
bedeutendem Aufwände durchgeführten Unternehmung des Dr. Holderer ein
würdigeres Denkmal zu setzen und auch meinem Danke entsprechenden Ausdruck
zu geben, indem ich das gesamte Material vereinigte und ihm, soweit es meine
Kräfte gestatteten, einen ehrenvollen Platz in der Wissenschaft zu sichern suchte.
Wenn meine Absicht auch durch die Dispositionen der Expeditionsleitung
manchmal nicht unerheblich gestört wurde, so habe ich doch unentwegt an
diesem Ziele festgehalten und meine ganze Arbeitskraft vor und nach der Reise,
wie noch auf Jahre hinaus, in den Dienst der Expedition gestellt.
Indem ich das ganze Unternehmen überblicke, fühle ich das Bedürfnis,
allen denjenigen meine tiefste Dankbarkeit auszudrücken, welche fördernd und
helfend Dr. Holderer und mir zur Seite gestanden und wesentlich zum guten
Gelingen des Ganzen beigetragen haben. An erster Stelle darf ich hier unseres
gnädigen Landesfürsten, Sr. Kgl. Hoheit des Grossherzogs Friedrich von
Baden, Erwähnung thun, durch dessen allerhöchste Verwendung zu Gunsten
der Expedition in zwei Handschreiben, die ich Ihren Kaiserlichen Hoheiten den
Grossfürsten Michael Nicolaiewitsch und Nicolai Michaielowitsch von
Russland in St. Petersburg und Tiflis übergeben durfte, S. M. der Zar bewogen
wurde, gnädigst drei Kosaken zur Begleitung der Expedition zur Verfügung zu
stellen; überall auf russischem Boden wurden der Expedition in Folge davon
liebenswürdige Aufnahme und thatkräftige Unterstützung zu teil. Dr. Holderer hat
seinen Dank persönlich ausgesprochen und ich schliesse mich ihm hier an. Ferner
gebührt aufrichtiger Dank den höchsten Vertretern der Ministerien der Justiz, des
Kultus und Unterrichts sowie des Innern für den bereitwilligst erteilten, langen
Urlaub, insbesondere dem Minister des Grossherzoglichen Hauses und der aus-
wärtigen Angelegenheiten, Sr. Excellenz Herrn von Brauer, dessen Empfehlungen
an das auswärtige Amt und die deutschen Reich.sbehörden im Auslande uns überall
die Wege ebneten und namentlich eine freundliche Stellung der Kaiserlich
chinesischen Regierung und ihrer Organe während der Reise auf chinesischem
Gebiete sicherten. Meinen ganz besonderen Dank möchte ich an dieser
Stelle Sr. Excellenz dem Herrn Staatsminister Dr. Nokk und dem Herrn
Geheimrat Prof. Dr. Engler, Vorsitzenden des naturwissenschaftlichen Vereins
in Karlsruhe, aussprechen, welche es mir auf Empfehlung des Vorstandes des
naturwissenschaftlichen Vereins durch einen sehr ansehnlichen Zuschuss aus der
vom hohen Ministerium der Justiz, des Kultus und des Unterrichts zu ver
gebenden v. Kettnerschen Stiftung ermöglicht haben, die Resultate meiner
— X —
Forschunfjen während der Reise mit Dr. Holderer in der vorliegenden Form
der Oeffentlichkeit übergeben zu können.
Bei den wissenschaftlichen und materiellen Vorbereitungen zur Reise hatte
ich mich des vorzüglichen Rates meiner Freunde, des Professors von Loczy,
des Begleiters des Grafen v. Szechenyi auf dessen grosser Expedition in Ost- und
Zentralasien» den ich auf der Geographen -Versammlung in Jena 1897 traf, und
meines Freundes, des Dr. Sven Hcdin, zu erfreuen, den ich im gleichen Jahre
im Herbste in Stockholm aufsuchte, um mit ihm über die wissenschaftlichen
Aufgaben und unsere Ausrüstung zu beraten. Auch Mr. Littledale in Bracknell,
England, war gern bereit, auf die von mir an ihn gerichteten Fragen aus-
führlich zu antworten. In St. Petersburg fand ich das liebenswürdigste F2nt-
gegenkommen von Seiten der Kaiserlich russischen geographischen Gesellschaft,
die mir durch ihren Präsidenten, Excellenz von Semenow, ihre wertvollen
Publikationen der asiatischen Forschungsreisen von Prschewalskij, Piewzow, Grum
Grschimailo und Potanin mit den Karten zur Verfügung stellte. Der Chef der
topographischen Abteilung des Grossen Generalstabes, Exe. von Stubendorf f,
Hess in entgegenkommendster Weise von noch nicht publizierten, in Bearbeitung
befindlichen Karten des nördlichen Tibet und obersten Hoang-ho- Gebietes für
mich photographische Abzüge herstellen, die mir später nach Kaschgar nach-
gesandt wurden und mich auch glücklich erreichten. Allen diesen Herren sei
hier bester Dank ausgesprochen, denn ihnen ist das zu verdanken, was sich
später auf der Reise besonders von der Ausrüstung bewährt hat. Es wäre ungerecht,
wollte ich hier nicht auch noch diejenigen nennen, deren liebenswürdige Gast-
freundschaft und bereitwillige Hilfe während der Reise mir nie aus der Erinnerung
schwinden wird. Wenn ich sie in der chronologischen Reihenfolge der Reise
hier nennen darf, so möchte ich dankend gedenken der Herren: Hop man,
kaiserlich deutscher Konsul in Tiflis, jetzt in Odessa; Steppuhn, kaiserlich
deutscher Konsul in Baku; Exe. Kuropatkin, damals General und Gouverneur
der transkaspischen Provinz, jetzt Kriegsminister in St. Petersburg; N. A. von
Kaschtalinsky, Oberst und Direktor des Kaisergutes in BaYram-Ali bei Merw;
Rink, Vertreter der Firma Ermann in Buchara; Exe. J. Fedorow, General-
major im Generalstab und Gouverneur der Provinz Samarkand; A. Theremin,
Kapitän, attachiert dem Gouverneur von Samarkand; L. Chiffron, Vertreter des
Hauses Dürrschmidt in Samarkand; P2xc. Baron von Wrewsky, damals General-
gouverneur des Generalgouvernements Turkestan in Taschkent; Heinzelmann,
Beamter für besondere Aufträge beim Generalgouvernement in Taschkent;
Schubert, Vertreter des Hauses Dürrschmidt in Taschkent; A. von Powalo-
Schweikowsky, Generalleutnant im Generalstabe und Gouverneur der Provinz
Fergana in Neu-Margelan; G. Ottendorf, Forstbeamter in Neu-Margelan ;
V. Koischewsky, Bezirksvorstand in Andischan; Kolen, Vertreter der Firma
Dürrschmidt in Andischan; Saizew, Bezirksvorstand in Osch; Jessen, Kapitän
in Osch; Petrowsky, kaiserlich russischer Generalkonsul in Kaschgar;
— XI -^
Macartney, englischer diplomatischer Agent in Kaschgar; Readley, Missionar
in Tan-ka*r thing; M. Schantz und Frau, Missionare in Thao-tschou; Familie
Simpson, Missionare in Thao-tschou; Brüder Eckvvall und Frau Eckwall,
Missionare in Min-tschou; Törnwall, Missionar in P*ing-liang fu; Renius,
Missionar in P'ing-liang fu; Anderson, Missionar in Si-ngan fu; Banksen,
Missionar in Si-ngan fu; Parker und P'rau, Missionare in King-tzg kuan;
Grunewald, kaiserlich deutscher Konsul in Ilan-k^ou; Cordes, damals Dragoman
beim Vizekonsulat in Han-k'ou, jetzt in Peking Dragoman der kaiserlich
deutschen Gesandtschaft; Mi che Hau, Vertreter des Norddeutschen Lloyd in
Han-k*ou; Knappe, kaiserlich deutscher Generalkonsul in Schang-hai; Korff,
Vertreter des Norddeutscheu Lloyd in Schanghai; Karbe, Direktor der deutsch-
ostasiatischen Bank in Schang-hai; Dr. Francke, Dragoman am kaiserlich-
deutschen General-Konsulat.
Auch nach der Rückkehr von der Reise und während der Ausarbeitung
dieses ersten Bandes ist mir von verschiedenen Seiten liebenswürdige Unter-
stützung zu teil geworden, und ich benutze gerne die Gelegenheit, hier meinen
besten Dank dafür auszusprechen den Herren Professoren Dr. von Luschan und
Dr. Grünwedel am kgl. Museum fiir Völkerkunde in Berlin und Herrn Dr. Karl
Himly in Wiesbaden, der mit grösster Bereitwilligkeit die mühsame und
zeitraubende Arbeit übernahm, die Identifikation der mongolischen, tibetani-
schen und chinesischen Namen und deren Umschrift zu besorgen. Da wir
zuerst mit unfähigen Dolmetschern, später ohne Kenntnis der Landessprachen
und ohne Dolmetscher reisten, war es eine schwierige Aufgabe, die richtigen
Namen zu erfahren und sie auch richtig zu schreiben. In diese Unsicherheit
hat nun Herr Dr. Himly durch seine grosse Erfahrung, soweit es möglich ist,
Ordnung gebracht, und mir damit einen ebenso wesentlichen Dienst erwiesen,
wie durch die Aufstellung einer einheitlichen Schreibweise in Text und
Karte, die unserm Schriftgebrauche entspricht; dafür fühle ich mich ihm
gegenüber ganz besonders verpflichtet. Ich darf zum Schlüsse noch meinem
Verleger, Herrn Konsul E. Vohsen, wärmsten Dank sagen für das Entgegen-
kommen, das er für alle meine Vorschläge und Wünsche hatte, für die reiche
Ausstattung, die er dem Werke gegeben hat, und den freundschaftlichen
Verkehr, in dem er alles Geschäftliche zu erledigen wusste. Wenn das Werk
einen Erfolg hat, wie ich hoffe, so hat er ein wesentliches Verdienst daran, das
ich dankbar anerkenne. Endlich hat mir Fräulein Estelle du Bois-Reymond
bei der Redaktion des Manuskripts zum ersten Bande und der Drucklegung
eine sehr angenehme und viel Zeit ersparende Beihilfe geleistet; auch ihr sei
herzlicher Dank gebracht. Es haben viele direkt und indirekt an dem Gelingen
des Werkes mitgearbeitet, und ich schätze diese Mitarbeit hoch; sie haben sich
alle ein Verdienst um das Werk erworben, und ich schliesse mit dem Wunsche
und in der Hoffnung, dass es sie nicht gereut, ihre Kräfte in seinen Dienst
gestellt zu haben. .^ _
K. Futterer.
Inhalt.
Seite
Kapitkl I. Bilder aus West-Turkestan i— 37
Mcrw. — Buchara. Sainarkaiid. — Ueberß-anjj über den Syr-darja.
Kapjtkl IL Von Russland nach China. Im Winter über
den Terek-Dawan-Pass im Alaigebirge 38 — 78
Taschkent. — Neii-Marß^elan. — Andischan. — Osch. — VorbereitunffCMi
zui- Ueberschreitunfj des Passes. — Der Terek-Dawan-Pass, — Irkeschtain. —
Die chinesische Grenze Mün-jul.
Kapitel III. Kaschgar und Kaschgarien 79 — 104
Kaschfifar. — Physische und ii^eofjTaphische Beschaffenheit von KaschjGfarien.
— Bevölkerung: und Industrie. — Geschichte.
Kapitel IV. Das nördliche Tarim-Becken 105 — 147
Das Tarim-Becken. — Vegfetationshüji^el. — Schmelzhütte für Kupfererze.
— Mar;ü-])aschi. — Chinesische Soldaten. — Ak-su. — Kupferbergwerk. —
Bai. — Kik-tau, Kutscha-Gebirpfe. — Kutscha. — Ausflug^ nach einem Kupfer-
berß-werk. — Kurija.
Kapitel V. Der östliche Thien-schan 148—173
Karaschar. — Windhöhlunp^en. — Die Thien-schansche Depression. —
Turf an. — Tus-tau. — Staubsturm. — Wiuderosion. — Hami. — Tempelanlafje
in Hami.
Kapitel VI. DieWüste »Gobi« zwischen Hami und Su-tschou 174 — 21 1
Kies- und Schotterflächen. — Sturm. — Mittlere fjebirgiß;e Zone. —
WindhöhlunjTcn. — Goldi^ruben, — Am Surin-jjol. — Südliche Zone. — Be-
völkerung: und Ackerbau in der südlichen Zone. — Windschliffe. — Temperatur-
und Witterung-sverhältnisse. — Der ß^eolo^ische Charakter des Wüsten^Tebietes.
K.VPITKL VII. Das westliche Kan-su. Zwischen Su-tschou,
Liang-tschou, Si-ning fu und dem Küke-nur-Gebiete 212 — 275
Geschichtliches. — Su-tschou. — Bevölkerung und Industrie. — Unehrlich-
keit chinesischer Diener. — Die n-rosse Mauer. — Kan-tschöu. — Thonwaren-
industrie. — Tempelanlaq^e bei Sho-toi-tze. — Liangf-tschou. -- Der Wu-so-ling--
Pass. — P'injj-fan hsicn. — Steiukohlenberj^werk und Fähre am Ta-thunp-ho.
— Das Si-ninjTf-ho-Th;ü. — Si-ninfj fu. — Tan-ka'r thiu^. — Ausflujr nach dem
Kloster Kum-bum. — Schidakuto.
— XIV —
Srite
Kapitel VIII. Das Küke-nur-Gebiet 276—328
Bevölkeninfj im Küke-nur-Cjcbiet. — Tiinq;^utenzelte. — iici- uml l'tlanzoD-
weit am Küke-nur, — Das Südufer. — Witteninjjsvcrhältnisse am Kükc-niir. —
Leber das Süd-Küke-nur-Gebirije. — Charakterzüg^«* der Tanq^ten. — Das
Semenow-Oebir^e. — fleolonische Beschaffenheit des Semenow-Gebirjjes. — Die
Choka-Xiederuntj. — Der Hr)ancj-ho. — Witte ruucrs- und TemperatiirTerhähuisse
am HoanfT-hr).
Kapitel IX. Das nordöstliche Tibet. Zwischen dem Hoang-ho
am Dschupar-Gebirge und dem oberen Thao-Thale
bis Min-tschou 329—441
Das Dschupar-debirs^e. — l'anifutischi's Sommerla'^er I,u-za(ni^. — Das
Baa-'lTial. — Obos un<l Burchane. — Der Sche-tsche-Kluss. — Ausfluij nach dem
Oberlauf »les Iloanj^-ho. — Obus in der Xähe des Star-duut,^-tsche-l'lusses. —
Kalkjjebirjje, südlich vom Irtia-tsche-Klusse. — Das Wlamt-su-Thal. — Das Sarü-
Dantrerö-debirLre. — Verbältnisse um Oberlauf des lli)ant»^-ln>, Xomaden am
lloanj^-ho. ■ Das W'alru-Oebirui^e. •- Der Tscliünerr-tschenak-Fluss. — Beim
tibetanischen Fürsten in Schc-zaont^. — Der Lö-ische-Fluss. — Drr Tliao-hti. —
Das Kloster Schin-se. — L'ebcrfall l»eim Kloster Schiii-se. - - Rückzuij nach
Thao-tschou. — I^össlanclschaft. — Der L'rsjjruuu^ des Lösscs. — Die Stadt
Thao-tschöu. — Das ITiao-Thal. - Min-tscliou.
Kapitel X. Auf Maultierpfaden des inneren China. Von
der Grenze Tibets bis zum Stillen Ocean 442 — 513
Das P'elinjj-Oebiri^e. — Kuntr-tschanjj fu. — Löss^ebiet. — Luni^-tö hsien.
— Lopan-schan. — Kinj*;-ho. - Kini^-tschou. - Schluchtenbildung;- im Löss —
Lösswohnuntjen. — rh.inp^-k'<ui pu — Kaiserjjräber am Wei-ho. — Der Wei-ho.
— Si-n{^au fu. - Leber das Thsin-liii'^-Gebirijc. — Tan-Kluss. Lao-ho-k'ou.
— Auf dem Hau-Kluss nach Ilan-kou.
AXHANO. Anthropologische Messungen. Nachtrag. Druck-
fehler-Verzeichnis. Namen- und Sachregister . . 514 — 545
Verzeichnis der Abbilduns:en.
Sämtliche Skizzen und Photographien sind vom VerfnssHcr aurgenommen, mit Ausnahme des Titelhildes und der
Abbildunj[;en auf den Seiten 46, 204, 353, 355, 367, 368.
Seite
Ankunft der Kxpedition vor Kasciisj;»' 38
'l'öpl frei- Waren auf dem Bazar in Osch 46
Station Ljanffar am Taldüiv-Flusse • 53
Rir{rise in Sufi-Kurj^-an, Seitenansicht 60
Derselbe, ^'orderansicht 60
Kon^lomerat-Gcbirß^e auf der linken 'ITialsoite tles Küsül-su, unterhalb von Irkesehtam (nach
Nonlen jjesehen) 69
Kussisches Greuzfort und Kosakenstation Irkeschtam an der chinesischen Grenze 70
Kaschfjarische Festunjj Naffra-Tschaldü am Küsül-su 71
Konulomerat-Gebirjje am Küsül-su, unterhalb von Irkeschtam (nach Norden jjesehen) .... 73
Sandsteiu-Gebirije zwischen Uksalür und Küsül-oi 75
Gebirg^e im Norden von Müu-jul, westlich von Kaschcjar ;^nach Norden «jesehen") ..... 77
Kaschßfarier in Kasch^ar 79
Kaschg-arier, Seitenansicht 80
Kaschcrarier, Vorderansicht 81
Kirg^ise in Kaschgar, .Seitenansicht 82
Kirjjise in Kisch^ar, Vorderansicht 83
Sta<ltmauer von Kaschqfar in der Nähe des Kaiserlich russischen Generalkonsulatt*8 .... 85
Hirsch aus dem Thien-schau in Kaschjjar hn Hesitze des Herrn Macartney 87
Ufer des Küsül-su j^e^renüber von Kaschjjar 89
Oase von Dscham, östlich von Ak-su 105
Lehmsteppe mit Vejjfetationshütjeln, ö.stlich von Jauqfiabad am Kaschp^ar-darja 108
Vc^etationshüffel mit Tamarix, östlich von Janyiabad am Kaschq^ar-darja 1 1 1
Pappelwabl bei Tschadür-kul, östlich von Maral-baschi 1 1 2
Schmelzhütte für Kupfererze bei Kara-dschulpan 113
Pochmühle bei Marid-baschi 115
Hof eines Karawanserai in Janjjinbad, östlich von Kischfrar I17
Karawanserai in Tschadür-kul, nordöstlich von Maral-baschi 120
Derwische in Ak-su I2i
Bettler in Ak-su 122
Bevölkerung bei Schur-kubuk, südwestlich von Ak-su 123
Ochsenreiter in Ak-su 124
Kussischer Aksakal und seine An^jchörig^en in Ak-su 125
Bevölkerung" von Ak-su -« ... 126
Bewohner von Srd-arük, südwestlich von Ak-su 127
.Südabfall des Topa-dawan bei Dschurjja, südwestlich von Bai 132
— XVI —
Seile
Oase Sai-liangar, westlich von Bai 134
Bewohner von Bai 135
Muhamedanische Grabstätte bei Aral, östlich tod Bai 136
Ruinen und Grabstätten bei Sairam, östlich von Bai 137
Station Kurgak, nordwestlich TOn Kutscha 138
Ruinen von Assar, nordöstlich von Kutscha 140
Frauen in Subasche, nordöstlich von Kutscha 142
Stution Otun-kosa^ nordwestlich von Haini 148
Moußfolen-Jurten bei Karaschar 149
Stadt Karaschar am Chaidu-f^ol 151
Windhöhlunp^en im Granit des Tasch-kar-Gebirg:e8 bei Kara-küsül «'ISS
Thalschlucht im Tschol- tau, unterhalb von Affa-bulak 157
Moschee und Minaret, östlich von Turfan 161
Gebirg^e im Nordosten von Kürk-ortun, zwischen Tschiktüm und Otun-kosn 164
VVindhöhlungen im Konglomerat bei Tschoglu-tschai, nordwestlich von Hami 167
Dungane in Hami 169
Dung^anen in Hami 170
Lager IV (Jasütschan), nördliche Zone der Gobi 174
Taroarixhügel auf Sand- und Lcbmfläche. Nördliche Zone der Gobi, zwischen Lager II (I)a-
tschuan-tan) und Lager III (Dschan-dschausa) 176
Windhöhlungen im Granite bei I^ager \TI. Gebirge der mittleren Zone der Gobi 180
Lagerplatz X in der mittleren, gebirgigen Zone der Wüste Gobi 185
Granithügel zwischen Liger X und XI. Mittlere, bergige Zone der Wüste Gobi 186
Gebirge der mittleren, gebirgigen Zone der Gobi im Südosten von Lager XI 187
Gebirge im Norden von Lager XIII und Trockenthal auf der Schotterfläche in der mittleren,
gebirgigen Zone der Gobi 189
Trockenthal auf der Schotterfläche bei Lager XIII. Mittlere, gebirgige Zone der Wüste Gobi 190
Lagerplatz XIII und altvulkanischt! Hügel im Süden dav(m. Mittlere, gebirgige Zone der
Wüste Gobi 191
Das Lager der Karawane am Su-lai-ho. Südliche Zone der Wüste Gobi 193
Thal des Flusses Su-lai-ho bei Lager XVI. Südliche Zone der Wüste Gobi 196
Ochsenkarren mit Tamarixgebüsch und I)efe8tigtes Gehöfte bei Lager XIX. Sütlliche Zone der
Wüste Gobi 198
Pflug und Walze bei Lager XIX. Südliche Zone der Wüste Gobi 199
Pflügender und säender Bauer bei Lager XIX. Südliche Zone der Wüste Gobi 200
Vegetationshügel von Tamarix bei Lager XIX. Südliche Zone der Wüste Gobi 201
Zeugenhügel aus Lehm bei Lager XIX. Südliche Zone der Wüste Gobi ... .... 203
Durch Sand geschliffene Kieselgerölle, zwischen Lager XX und XXI. Südliche Zone der Wüste
Gobi 204
Eintritt der Karawane in das Oasengebiet von Su-tschou 209
Stadtmauer und Inneres der von den Dunganen zerstörten Stadt Tsing-pien yi, südöstlich von
Liang-tschou 212
Ummauertes Dorf Sin-schuei yi, östlicli v(m Su-tschou 216
Chinesen bei Schuang-tsing yi, östlich von Su-tschou. An der Mauer das mythische Tier »Tan« 220
Dorf Yen-tschi yi, östlich von Su-tsch6u, umgeben von Wüste 224
Das Gasthaus in Wu-schöng pu, nordwestlich von P'iug-fan hsien 225
Stadtthor von Kao-thai hsien, nordwestlich von Kan-tsch6u 226
Die grosse Mauer bei Scban-tan hsien, südöstlich von Kan-tsch6u 227
Turm der grossen Mauer (von der Innenseite) in der N.ähe von Schan-tan hsien, südöstlich von
Kan-tschou 228
Freistehende Särge ausserhalb der Stadtmauer von Kan-tschou fu 230
Buddhistische Monumente auf einer Grabstätte bei ICan-tschou fu 231
Thonomamente an den Giebeln von Tempeln und Thoren. Tan-ka'r thing 232
Fayence-Ornament in einem Tempel in P'ing-fan hsien 233
— XVII —
Seile
Löwe in eiuem Yamea in Tan-ka'r thin^ 234
ThoDgefässe in Tan-ka'r thing- 235
Pfluß: und Pflugschar bei Thunß:-fan yi am Ta-thunß: ho; Pflug: bei Su-tschou 237
Buddha-Tempel bei Sho-toi-tze, südöstlich von Kan-tsch6u 238
Chinesische Meilensteine an der flössen Strasse, südöstlich von Su-tschou 240
Eing^angfsthor in ein Vamen in Schuang-tsing yi, südöstlich von Su-tschou 241
Brücke über den P'ing^-fan-ho, unterhalb von Wu-schönf|f pu bei P'injf-fan hsien 246
Tempel am Nordende von P'ingf-fan hsien 247
Wirtshaus und Arben der Expedition in Thung^-yüan yi 249
Steinkohlen-Bergwerk am Ta-thung-ho, unterhalb von Thung-fau yi 250
Fähre über den Ta-thung-ho bei Thung-fan yi 251
Thal des Si-ning-ho, unterhalb von Si-ning fu 253
Hauptstrasse und Thor in Tan-ka'r thing " 259
Mühle mit Turbinen bei Tan-ka'r thing 261
Thal des Si-ning-ho, unterhalb von Tan-ka'r thing . 269
Befestigter Bauernhof in Golien-tschuo bei Tan-ka'r thing 271
Dorf Donkyr-sumo unterhiüb von Schalakuto 273
Höhlungen in Konglomeratfelsen im Thale unterhalb von Schalakuto 274
Die chinesischen Führer der Expedition im Küke-nur-Gebiete . .' 276
Süd-Küke-nur-Gebiet und Steppenthal des Taotan-ho am Küke-uur 280
Tangutenzelt am Küke-nur 281
Herde der Tangutenzelte am Sche-tsche-Flusse. Nordost-Tibet 282
Tanguten am Küke-nur 283
Tanguten in der Dabassun-Ebene (Lager XU) 285
Tanguten am Semenow-Gebirge (Lager XIV) 286
Das Sadufer des Küke-nur 289
TTial mit Tangutenzelten auf der Nordseite des Süd-Küke-niir-Gebirges (unterhalb von Lager X) 291
Ohrringe der Tanguten 294
Tanguten in der Dabassun-Ebene bei I^ger XU 295
Südfuss des Süd-Küke-nur-Gebirges und Lager XI (nach Norden gesehen^ 298
Thal im Semenow-Gebirge bei Lager XV 3^1
Tanguten und ein Lama im Semenow-Gebirge bei Lager XV 302
Amulette der Tang^ten aus dem Küke-nur-Gebiete 304
Thal im Semenow-Gebirge, oberhalb von I^iger XVI 308
K'ükberge im Semenow-Gebirge bei Lager XVI 312
Lager XVIl am Ausgang eines Thaies aus dem Kalkgebirge. Semenow-Gebirge 313
Ilauptkamm des San-si-bei-Gebirges; im Vordergiunde die Choka-I'^bene bei Lager X VIII (nach
Süden gesehen) 3*^
Choka- Ebene und San-sl-bei bei I^ger XX. ^^Steilgestellie Schichten, nach Süden gesehen) . 317
1 loang-ho-Steppe mit der Thsdschlucht des Hoang-ho und «lern Amne-waion Berge. Vom San-
si-bei nach Nordosten gesehen 3'^
Schlucht zum Hoang-ho-Bette in den Konglomeraten der Steppenfläche, nördlich des Austiiites
des Flusses aus dem Dschupar-Gebirge, nordwestlich von Lager XXIl 319
Schlucht des Iloang-ho und Fähre am Austritt aus dem Dschupar-Gebirge bei Ljiger XXII . . 320
Fährboot aus aufgeblasenen Yakhäuten auf dem Hoang-ho bei Lager XXU, am Austritt aus dein
Dschupar-Gebirge 322
Hoang-ho im Steppenplateau, nach seinem Austritt aus dem Dschupar-Gebirge bei Lager XXI II 324
Tanguten am Dschupar-Gebirge bei Lager XXIV 3^9
Steppenebene am Nord fusse des Dschupar-Gcbirges und Thalschlucht des Hoang-ho .... 330
Die Hoang-ho Schlucht in der Steppeneliene; im Hintergründe das Gebirge San-si-bei, Choku-
Ebcne und Amne-waien-Berg bei I>ager XXIV, nach Südwesten gesehen 33'
Nordfuss des Dschupar-Gebirges, östlich von Lager XXIV. Nach Süden gesehen 332
Tangutischer Webstuhl am Dschupar-Gebirge, bei I-iger XXIV 333
rhalschUicht tles Hnang-ho Im Dschupar-Gebirge; im Ilintergrumle die Cifltirgskftle L'^utu . 334
»■«
— XVIII —
Seite
Schmack^ehänge einer Tangntin bei I^g-er XXIV am Dschupar-Gebirjje 336
Südseite des Dschupar-Gebirß^es, vom Baa-Fluss aus bei l^aß^er XXV] II 337
Tangntische Familie in Luzaong (Lager XXVII, nördlich vom Baa-Flusse^ 338
Tangutische Frauen in Luzaong im Baa-Thale (bei Lager XXVII) 339
Rückenschmuck tangutischer Frauen. Luzaong im Baa-Thale (bei Lager XXVII) 340
Haken zum Halten der Kimer beim Melken, von den taugutischen Frauen am Gürtel getragen 341
Messinggehänge mit Tuchschleifen, von den t:mgutischen Frauen an der linken Seite am Gürtel
getragen 341
Zeltlager der Tanguten bei Luzaong. I^ger XXVII im Baa-Thale 342
Lager XXIX der Expedition im Gebirge bei Dedun, südlich vom Baa-Flusse 344
Tangutische Kopfbedeckungen 346
Ilochthal im Gebirge südlich vom Baa-Thale, unterhalb von Lager XXX 348
Tangiiten bei Lager XXIX {Dedun), südlich vom Baa-Thale 349
Tangute auf zahmem Yak bei Dedun (I^ger XXIX) ..352
Amulette, am Halse getragen von einem Tanguten am Baa-Flusse bei Lager XXVIII . . . , 353
Burchan mit Bodhisatva Avalokitegvara, umgeben von BUdem des Padmapani, vom Obo auf
Seite 354 353
Obo, nördlich vom grossen Sche-tsche-Flusse, zwischen I*ager XXXIV — XXXV 354
Burclian mit Buddhas von einem hohen Berge bei I^ger XXXV. I^arengo 355
Lager von Wan-saong, nördlich vom grossen Sche-tsche-Flusse (Lager XXXVI) 357
Rosenkranz eines Lama vom Dschupar- Gebirge bei I^ger XXIV 358
Die Führer der Expedition vom grossen Sche-tsche-Flusse zum lloang-ho 359
Kalkgebirge am Chali-tsche-Fluss in der Nähe des oberen Iloang-ho, vom I>ager A6 nach
Norden gesehen 361
Lager A8 am oberen Iloang-ho 362
Steppenthid zwischen Lager A2 und A3, südlich vom grossen Sche-tsche-Flusse 364
Obo in der Nähe des Star-dung-tsche-Flusses, südöstlich von Lager XXXVIII 365
Obos am Wlamt-su-Flusse bei Lager A5 und südlich vom grossen Sche-tsche-Flusse bei Liger Ai 366
Tsa-tsa v(m I«iger XLI im Thale des Ulan-ser-tsche 367
Tsa-tsa (Thonkegelchen als Opfergaben) vom Lager XLVIIl im oberen Flussgebiete des Thao-
ho und von I^ager XLVI am Dschiem-tsche-Flusse 36S
Felsenthor, aus Kalkklippen gebildet, bei Lager A3, südlich vom Urtia-tsche-Flusse .... 370
Höhle im Kalkgebirge bei Lager A3, südlich vom Urtia-tsche-Flusse 371
Thal des oberen Iloang-ho, von Lager A8 nach Westen gesehen 376
Ten-asse des linken Hoang-ho-Ufers, bei Lager AS nach Süden gesehen 379
Ouerschnitt durch den oberen Hoang-ho unterhalb von L;iger AS 381
Zeltlager in der Nähe des oberen Hoang-ho bei Lager A7 3S4
Berittene Tanguten am grossen Sche-tsche-Flusse 3S6
Kalkgebirge der südlichen Thalseite des Wlamt-su-Flusses, zwischen Lager A4 um! A5 nach
Süden gesehen 387
Obo in der Nähe des Siar-dung-tsche-Flusses, zwischen I^ager XXXVlll uml XXXIX . . . 390
Steppenthal des Tschünere-tschenak-Flusses bei Lager XXXXIII 303
Kalkgebirge (Dschawrek-Gebirge) südlich vom Lager XXXXII 394
Dschawrek-Gebirge, von Lager XXXXIV nach Südwesten gesehen 396
Thal des Dschiem-tsche-Flusses, vom Passe zwischen Lager XXXXV und XXXXVl .... 398
Lager XXXXVl in der Nälie des Dschiem-tsche-FIusscs 400
Obo auf einem Berge in der Nähe des oberen Thao-'iTiides bei Lager XXXXVUI .... 402
Kloster Schin-se im oberen Thao-Thal 404
Schmuckgehänge einer Tangutin bei Kloster Schin-se 405
Postament mit Heiligenbildern bei Kloster Schin-se 407
Halle mit Gebetmühlen bei Kloster Schin-se 408
Buddhistisches Monument (Ch'ürten) bei Kloster Schin-se 410
Das lliao-Thal bei Kloster Schin-se, flussabwärts gesehen. Platz tles Lagers und des lel>er-
falles auf die Expedition 412
- XIX --
Seite
Holzbrücke über den Thao-ho bei Kloster Schin-se 414
Chinesischer Händler und Familie bei Kloster Schin-se 418
(3bo unterhalb von Donj^-linff-do. Oberes Thao-Flussgebiet 421
Bewaldete Ber^e im Thale des Dje-thsaugf-Klusses. Oberes Thao-Flussg^ebiet 423
Situationsplan einer Tjmputen-Wohnung^ im Dorfe I^uwa-nitsche. Oberes Flussjjebiet des Thao-ho 425
Dorf und Tempel Dschamen-kuan. Oberes Flussji^ebiet des Thao-ho 427
Zollraauer gejjen Tibet, westlich von Thao-tschou 432
Stadt Thao-tschou, von der Stadtmauer aus nach Nordwesten fyesehen 433
Thal des Thao-ho unterhalb von Dschoni im lliao-Thale 436
Thao-Thal bei Tsingf-kuei oberhalb von Min-tschou, nach thalabwärts gesehen 437
Dorf mit liolzhiitten im Thao-Thale, (»berhalb von Miu-tschöu 439
Stadt Min-tschou und Tempel am Herp^e. Von der Stadtmauer aus nach Südosten gesehen . 442
Thal und Dorf im nordwestlichen P'clinjj-Gebirfi^e, unterhalb vom Dorfe Kiu-tien 447
ITial von Jei-tien. Im VorderR-rund I /össterrassen. Gejjen Südwesten gesehen 449
Lüsslandschaft und Thalschlucht nordöstlich von Kung^-thschan^ fu 452
Typisches Thal im Lüssg^ebiete mit tiefer Schlucht in der Mitte, südwestlich von I-kang: tschuan 453
Festung^ auf dem Bergkamme nordöstlich von Kung-thschang fu, zwischen Tsi-ma-ling und Ma-ing 454
Gräber bei Jei-tien, südwestlich von Kung-thschang fu 455
Bauernhof im Lössgebiete nordöstlich von Kung-thschang fu 456
Anfang'sstadien der Schluchtenbildung im Lössgehänge. Lössbrunnen. Ma-ing, nordöstlich von
Kung-thschang fu •. . . 459
Schluchtenbildung im Lössgehänge bei Ngan-ku-tschou, nordwestlich von P'ing-liang fu . . . 466
Eingang in die Schlucht auf der Ostseitc des Lopan-schan beim Aufstiege zum Passe . . 471
Dorf am Lössgehänge, oberhtüb von P'ing-liang fu 475
Löss-Tcrrassen und Löss-Dörfer auf der linken Thalseite des King-ho, unterhidb von P'ing-
liang fu 478
Rasthaus und Schubkarren-Transport auf dem Lössplateau bei Thing-k'ou pu 481
Lösslandschaft mit Terrassen und Schlucht, südöstlich von King-tschou 482
Wohnungen in Lösswänden bei Thing-k'ou pu 485
Tempel in Sandsteinfelsen unterhalb von lliing-k'ou pu am linken Ufer des King-ho . . 489
Kaisergräber bei Hien-yang hsien am Wei-ho, nordwestlich von Si-ngan fu 498
Brücke über den Wei-ho und Stadt Hien-yang hsien 499
Die nördliche Kette des 'ITisin-ling-Gebirges (von Lan-k'iao nach Süden gesehen) .... 501
Ilochthal auf der Nordseite der nördlichsten Kette des Thsin-ling- Gebirges, südlich von I*an-
thien hsien 503
Th;d im Thsin-ling- Gebirge, zwischen Lan-k'iao und dem Pass der Hauptwasserscheide (vom
Wege in ein Nebenthal nach Süden gesehen) 5^5
Felsenwohnungen auf der linken Thalseite des Tan-ho, oberhalb von Ye-thsun 507
Hafen von Lao-ho-k'ou am Han-kiang 510
Hausboot der Expedition auf dem Han-kiang 513
^ Verzeichnis der Tafeln.
' Titelbild.
• Tafel I.
^;ifel II.
/lafel 111.
^Tafel IV.
, Tafel V.
•Tafel VI.
Tafel VII.
vTafcl VIII.
^Tafcl IX.
Tafel X.
►Tafel XI.
,^ Tafel XII.
^ Tafel XIII.
•Tafel XIV.
^ Tafel XV.
-- Tafel X\'l.
/Fafel XVII.
.. Tafel XVIII.
^ Tafel XIX.
Tafel XX.
. Tafel XXI.
• Tafel XXII.
►Tafel XXIII.
" Tafel XXIV.
, Tafel XXV.
..Tafel XXVI.
. Tafel XXVll.
Tafel XXVIII.
Seite
Autbruch der Expedition von Osch iji Ferjfima am 26. Januar 1898.
I. Kirgise aus Sufi-Kurgan im Alai-Gebirg^e. 2. Dunjjane aus Ak-su . . 56
I. Kir^rise aus Irkeschtain im Alai-Gebir^e. 2. Kirgise aus Kan-dschuj^an im
Alai-Gcbirpfe 64
Kir^senfamilien in Uksalür im Alai-Gebirgfe 72
Kasch^arier aus Kascheur 84
Buddhistisches Monument (St&pa) bei Kasch^ai* 90
Landschaft in den Niederung^en am Kaschgfar-darja, westlich von Maral-baschi.
Vefjetations-Hüfi^el mit Pappeln (Togfrak-Bäumen) 106
Vegetations-Hügel mit Tamarisken. Niederung^en am Kasch^ar-darja, westlich
von Maral-baschi 112
Karawan-Serai in Bai im nördlichen Tarim-Becken 132
Durchbruclisthal im Kutscha- Gebirg^e bei Subasche, nördlich von Kutscha . 140
Einwehunf^en von Flugsand in die Thalschlucht in Tschol-tau, südlich von
Toksun 156
Ankunft der Expedition in einem Tempelhof im Norden von Ilami ... 168
Götterbilder aus einem Tempel in Hamf 172
Felsengebirge und KieswUste in der Gobi (P'e-schan), südöstlich von Lager X 184
Lagerplatz XVI am Surin-gol in der südlichen Gobi 192
Sand- und I^hmwüste der südlichen Gobi, nordwestlich von Su-tschuu bei
Lager XVI bis XVII 200
Buddha-Tempel bei Sho-toi-tze, südöstlich von Kan-rtschou fu 230
Bild der Gottheit Yamäntaka oder Vamäri (tibetanisch Shin-rje-gshed) im
Tempel von Sho-toi-tze 238
Grabstätte bei Tan-ka'r thing 260
Tibetanische Lamas am Küke-nur 284
Steppenthal der Nordseite des Süd-Küke-nur-Gebirges mit Tanguten-Liiger,
oberhalb von Lager IX. Nach Süden gesehen 296
Ilochthal im Semenow-Gebirge bei I^iger XVI 312
Der Hoang-ho im Dschupar- Gebirge 320
llialschlucht des Hoang-ho nördlich von seinem Austritt aus dem Dschupar-
Gebirge. Nach Nordwesten gesehen 3^24
Schmuckgehänge der Frauen in Nordost-Tibet 337
Tangutisches Zeltlager südlich vom Baa- Flusse, zwischen Lager XXVIII
und XXIX 344
Schrauckgehänge der Frauen in Nordost-Tibet 352
Tanguten in Lu-zaong (I^iger XXVII) im Thale des Baa- Flusses .... 360
Gebirge Sarü-Dangerö (Amne-Matschin) und Th;d des Hoang-ho an seinem
Nordfusse. Vom Passe zwischen Lager A 6 und A 7 nach Ostsüdosten
Süden — Westnonlwesten gesehen 364
^'I'afcl XXIX.
^Tafel XXX.
/Tafel XXXI.
- Tafel XXXII.
• Tafel XXXIII.
.< Tafel XXXIV.
j Tafel XXXV.
''Tafel XXXVI.
"Tafel XXXVII.
• Tafel XXXVIU.
-Tafel XXXIX.
' Tafel XL.
/rafcl XI.I.
y Profiltafel
, Uebersichtskarte
— XXII -
•Seite
Volkstypen vom oberen Hoantf-ho bei Laj^'^er A 8 384
\Valru-( lebirjj^e in Nordost-Tibet und Steppenthal des Ulan-ser-Flusses, zwischen
I«it:er XXXIX uml XL 392
Linke 'ITialseite des oberen 'ITiao-ho, oberhalb vom Kloster .Schin-se. Von
Laijer XLIX nach Xonlen f^esehen 403
Grosser Tempel bei Kloster Schin-se im ob<*ren Thao-'ITiale 408
Tempel mit (lebetmühlen uml Obo bei Kloster Schin-se im oberen Thao-Thale 410
Thao-Thal, Brücke und Fluss oberhalb von Min-tschou 440
Dorf und Thal im Lössi^ebiete, nordöstlich von Kunjj-thschanßf fu . . . 450
Lösslandschaft mit Loss-Schlucht, nordöstlich von Kun^r-thschani^ fu. zwischen
Tsi-ma-linj»^ und Ma-inji^ 456
Berj^kette des Lopun-schan, oberhalb von Lunji^-tö hsien. Nach Norden gesehen 472
Lössschlucht und Lösswohnun^en bei der Stadt TTischang^-wu hsien, südöstlich
von P*in(T-lianff fu 486
Thal im Thsin-linfif-Gebirjje, nördlich von der Wasserscheide, oberhiüb von
Lan-k'iao 504
Thjü des Tan-ho bei tler Stadt Lunß^-kü-tschai 508
Thal des Tan-ho, südlich vom Thsin-lin^-schan, zwischen Lunjj-kü-tschai uiid
I/ao-ho-k'ou. Thidabwärts preschen 512
von Asien zur Darstellung der Reiseroute des Verfassers j • • • • '
6inleitung.
Wenn der vor dem Leser liegende Band sich »Geographische Charakter-
bilder« betitelt, so will der Autor damit sagen, dass er eine Anzahl eigentüm-
licher Züge der Landschaft und des darin sich abspielenden Volkslebens in
gemeinverständlicher Schilderung in Wort und Bild wiederzugeben versucht hat,
wie er sie in bunter Abwechslung und langer Reihe im Verlauf der grossen
Reise an seinem Auge vorbeiziehen sah. Nicht alles ist gleichwertig. Vieles
ist bekannt und schon von früheren Reisenden beschrieben; aber auch in schon
bekannten Ländern kann man auf lebende Bilder treffen, die sich den Vor-
gängern nicht gezeigt, wie auch umgekehrt jene, durch glückliche Umstände
begünstigt, gesehen haben, was sich heute dem Auge verbirgt oder im Lauf der
Zeiten anders geworden ist.
Die Reise führte von den Ufern des Rheins und der Donau an den Fuss
des Kaukasus, ins Land des goldenen Vliesses; durch die Wüsten der Turk-
menen und die Metropolen alten, muhamedanischen Kunst- und Geisteslebens;
zur Winterszeit über die eisigen Pässe am Pamir und hinab nach Osten durch
das von alters her berühmte Tarimbecken mit seinen Resten uralter, unter toten
Sandflächen begrabenen Kultur; durch die Felswüste der Gobi; durch das vom
Bürgerkrieg verwüstete, westliche Kan-su; vom berühmten Küke-nur durch das
ungastHche, hochgelegene Tibet — das verbotene Land — nach Osten hinab
in die ältesten Ansiedelungsgebiete sesshaft gewordener, chinesischer Bevölkerung ;
in die alte Kaiserstadt im Thale des Wei-ho; über die hohe Markscheide zwi-
schen dem nördlichen und dem südlichen, dem regenarmen und dem regen-
reichen China: über das Thsin-ling-Gebirge und endlich in bequemem Boote
auf verkehrsreichem Strome hinab zum Yang-tzö-kiang bis nach Schang-hai.
Wenn ich es unternehmen wollte, neben den Eindrücken einer solchen
Reise auch noch den Zusammenhang der die Oberfläche gestaltenden Kräfte
und Wirkungen mit den Ereignissen der Geschichte zu untersuchen und denEinfluss
der Vergangenheit auf die Schicksale der Völker und ihrer Kulturen zu ver-
folgen, so würde das eine Aufgabe sein, die in ihrer UniversaHtät über den
Rahmen dieses Buches hinausginge. Eine Auswahl ist geboten; und so sollen
- XXIV -
denn, an Bekanntes im Westen Asiens anknüpfend, die Schilderungen ausführ-
licher werden, je ferner das Land der Kenntnis Europas steht, grösseren Um-
fang aber im unbekannten Lande selbst erhalten. Was die Worte nicht sagen,
erzählen die Bilder, und ich hoffe, dass es mir gelingen wird, das Interesse des
Lesers auch für die öden Landstrecken der Wüsten, für die Steppen und die
unwirtlichen Hochländer zu wecken: Gebiete, die mir trotz aller Gefahren und
Entbehrungen lieb geworden sind durch die wissenschaftliche Anregung, die sie
in weit höherem Masse bieten, als die schon lange bekannten Kulturländer.
Ich beabsichtige hier im wesentlichen nur das zu geben, was zu meinen eigenen
Erlebnissen und Erfahrungen' gehört, und nur insoweit auf andere Quellen
zurückzugreifen, als dies zum Verständnis und der Vervollständigung des Dar-
gestellten oder seiner Geschichte unumgänglich nötig ist. Der Umfang, den
eine erschöpfende Benutzung alles Materials im weitesten Sinne meinen Schilde-
rungen geben müsste, verbietet mir, mehr als das unbedingt nötige aufzunehmen.
Für spätere Zeiten dürfte es aber eine lohnende Aufgabe sein, alles bekannt
gewordene aus jenen interessanten Gegenden zusammenzustellen und ein ab-
geschlossenes Charakterbild des ganzen, zentralen Kontinents zu geben. Die
vorliegenden Blätter können nur einen geringen Beitrag zu jenem vollständigeren
Werk darstellen.
Zum grösseren Teil während der Reise selbst entstanden, ist dieser
erste Band meiner Arbeiten nur ein Vorläufer von zwei andern, deren Be-
arbeitung auf Grund der auf der Expedition gesammelten oder in der wissen-
schaftlichen Litteratur bereits niedergelegten Materialien naturgemäss längere
Zeit in Anspruch nehmen wird als diese Skizzen, die auch von einem ganz
andern Gesichtspunkt der Kritik betrachtet sein wollen. Es wäre unrichtig, die
wissenschaftlichen Ergebnisse allein in ihrer abstrakten, nüchternen Form zu
veröffentlichen. Der Leser hat auch ein Recht, zu erfahren, unter welchen
Umständen sie gewonnen wurden, was fördernd oder hemmend einwirkte,
welchen Einfluss überhaupt die äusseren Verhältnisse auf den Fortgang wissen-
schaftlicher Arbeit haben. In dieser Beziehung waren mm leider die Bedin-
gungen bei der von Dr. Holderer geleiteten Expedition nicht immer in wissen-
schaftlicher Hinsicht die günstigsten. Was namentlich die Regelmässigkcit und
Exaktheit der wissenschaftlichen Forschung störte und sehr empfindliche Lücken
in den Ergebnissen verursachte, war, bei unserer Unkenntnis der in Frage
kommenden Sprachen, der Mangel an Dolmetschern. Zwischen Ka.schgar und
Si-ning fu waren wir auf ungeeignete, betrügerische und widerspenstige Persönlich-
keiten angewiesen, von Si-ning fu ab durch Nordost-Tibet und China fehlte es
uns überhaupt ganz an Dolmetschern.
Der erste Band leidet aber noch an einem andern Mangel, den ich z«
meinem grossen Bedauern nicht mehr ganz, beseitigen konnte. Rollte nicht die
IT i_ ^1- 1 -4. w«..^^« T^h Vntte unterweoTs schon mit der Nieder-
Herau.sgabe wesentlich verzögert werden, icn naiic um^ t>
1 r.. u I i\ ii^i.ii.r^r mitteilte, dass er ein Reisewerk zu
schnft begonnen, als mir Dr. Holderer miucutt,
~ XXV —
schreiben beabsichtige. Bis dahin war davon die Rede noch nicht gewesen,
sonst hätte ich wahrscheinlich auf die Ausarbeitung der :» Geographischen
Charakterbilder« ganz verzichtet. Während der Hauj)tteil des Werkes unter
dem unmittelbaren Eindruck des Gesehenen und Erlebten niedergeschrieben
war, fühlte ich mich von da ab gebunden, die allgemeinen Schilderungen
unserer persönlichen ICrlebnisse, die für einen weiteren Leserkreis mit das
Hauptinteresse in Anspruch nehmen, nicht mehr in dem Masse hervortreten
zu lassen, wie ich dies zum Vorteil des Werkes für wünschenswert gehalten
und von Anfang an beabsichtigt hatte. Da aber meine zahlreichen Skizzen,
Beobachtungen und viele wertvolle, photographische Aufnahmen nicht in den
Rahmen der rein geologisch-geographischen und topographischen Arbeiten
hineinpassten und sich bei diesen nicht gut unterbringen liessen, entschloss ich
mich zuletzt doch, die »Geographischen Bilder« weiter auszuarbeiten. Jetzt erst,
ein Jahr nach der Rückkehr und kurz vor der Drucklegung, teilte mir Dr. Holderer
mit, dass er aus Mangel an Zeit sein beabsichtigtes Werk nicht schreiben
werde. Ich suchte nun zwar das Fehlende nach Möglichkeit zu ergänzen; aber ich
musste mich in der Auswahl sehr beschränken, um nicht den einheitlichen
Charakter durch Einfügungen zu empfindlich zu stören, oder aber es wäre eine
ganz neue, gründliche Durcharbeitung nötig geworden, die mich von den mir
im Vordergrunde stehenden, geologischen Bearbeitungen des II. Bandes zu lange
fern gehalten hätte. So blieb denn eine Menge von interessanten Reiseerlebnissen
unerwähnt, und das Werk leidet an einer Beengung, die nicht mehr ganz gut
zu machen ist. Unter diesen Umständen vermag auch der grösste Fleiss nichts
Vollkommenes mehr zu bieten, und ich muss mit der Bitte schliessen, dass
meine Leser mir gütige Nachsicht gewähren wollen,
Karlsruhe, 1901.
K. Futterer.
KAPITEL I.
Bilder aus West-Turkestan.
Am Freitag, den 19. November 1897, trat die Expedition, bestehend aus
Dr. Holderer, dem Verfasser und dem Diener und Präparator Bock, einem biederen
Schwaben, dem zunächst die Aufsicht über die beiden Jagdhunde — einem
Hühnerhund und einem Dachshund — oblag, die Reise an, welche ohne grösseren
Aufenthalt über Wien, Krakau, Lemberg nach Kiew ging. Die Behandlung des
sehr umfangreichen Reisegepäcks an der russischen Grenze machte dank dem
liebenswürdigen Entgegenkommen der k. russischen Regierung keine weiteren
Schwierigkeiten. Für die ganze Ausrüstung der Expedition, deren grösserer
Teil auf dem Land- und Seewege über Odessa nach Batum und Tiflis voraus-
gesandt war und die aus Vorräten, Kleidern, Instrumenten; Munition und Waffen
und andern Utensilien bestand, war von der k. russischen Regierung zollfreie
Einfuhr nach Russland und Durchgang durch das gesamte k. russische Gebiet
bis an die chinesische Grenze gewährt worden.
Der Aufenthalt in der »Mutter aller Städte Russlands«, Kiew, war nur
kurz, wenn auch genügend, um die zahlreichen, ehrwürdigen Kirchen zu be-
sichtigen; und weiter ging es Tag und Nacht über Charkow und Rostow nach
Wladikawkas, der Kopfstation und Garnison am Nordausgange der berühmten
grusinischen Heeresstrasse aus dem Kaukasus.
Hier war es schon sehr Winter geworden, und als die Expedition am
26. November ankam, wurde uns mitgeteilt, dass durch Schneefalle und Lawinen-
stürze die Poststrasse über den Kaukasus seit acht Tagen gesperrt sei und mehrere
Menschen darauf verunglückt wären. Es musste in Erwägung gezogen werden,
ob wir nicht besser thäten, mit der Bahn nach Petrowsk am Kaspiscben Meere
zu fahren, zu Schiff nach Baku zu reisen und von da mit der Bahn auf diesem
grossen Umwege Tiflis zu erreichen, wo die Zollformalitäten für das voraus-
gesandte Expeditionsgut der Erledigung harrten.
Bald kam jedoch die Nachricht, dass es gelungen sei, diese wichtige
Heeresstrasse über den Kaukasus soweit freizulegen, dass es möglich sein würde,
sie wieder zuerst mit Postwagen und später im Gebirge selbst mit Schlitten
zu benutzen.
Futterer, Durch Asien. 1
Da oben im Gebirge und auf der 2432 m hoch gelegenen Uebergangs-
stelle grosse Kälte und scharfe Winde zu erwarten waren, wurden in Wladikawkas
die im Kaukasus üblichen Burkas und hohe Pelzstiefel angeschafft, die sich
sehr bewährten. Eine Burka ist am besten mit einem ärmellosen Ueberwurf zu
vergleichen, der weit über die Kniee herabreicht und vorn zusammengenommen
wird. Sie wird aus Fell hergestellt und dient besonders zum Schutz gegen die
schneidenden Winde auf den Höhen.
Das Wetter während des Ueberganges vom 28. November war nicht gerade
günstig. Die Schönheiten der wildromantischen Darielschlucht, der Sarmaticae
Portae der Alten, mit ihren über 2000 m hohen, senkrechten Felswänden und
dem in der Tiefe tosend und schäumend dahinwirbelnden Terek-Flusse blieben
nicht verhüllt, aber weiter oben, gegen die Passhöhen hinauf, herrschte feiner
Regen und Schneegestöber, das den Kasbek unsichtbar machte.
Erst nach Einbruch der Dunkelheit wurde die stark verschneite Passhöhe
Krestowaia Gora (Kreuzberg) überschritten und nach 7 Uhr die zweitoberste, auf
der Südseite des Passes gelegene Station Mletü erreicht, in deren behaglichen,
geheizten Räumen ein gutes Abendessen und alkoholische Stärkung die von der
stundenlangen Fahrt im kleinen Schlitten erstarrten Glieder wieder gelenkig machte.
Schon früh morgens ging es in den feuchten Nebel hinein, weiter abwärts,
der Aragwa entlang, immer noch im Schlitten, bis Passanaur, einer etwa 20 km
weiter unten gelegenen Station im engen Felsenthale. Hier konnten wir den
Schlitten zurücklassen und zu Wagen die Fahrt nach Tiflis fortsetzen, das wir
erst abends erreichten. Da gegen Mittag das Wetter sich aufgehellt hatte und
herrlicher Sonnenglanz über der durch zahlreiche Dörfer, alte Kastells und
Warttürme belebten Landschaft lag, gestaltete sich die Fahrt sehr genussreich.
Ein Abstecher von dem Reiseweg nach Batum galt hauptsächlich der
Uebernahme des grossen Expeditionsgutes, das dort auf dem Zollamte liegen
sollte; aber bei der Nachfrage in Batum stellte es sich heraus, dass es nach Tiflis
weitergesandt worden war und auf dem dortigen Zollamte der Auslieferung
harre. Die Tifliser Zollbehörde hatte nicht genaue Weisungen aus St. Peters-
burg erhalten und trotz des der Expedition zugesicherten freien Eingangs der
Güter und Waffen wurde alles geöffnet, dem ungefähren Zollwerte nach geschätzt
und erst gegen Hinterlegung einer Summe von 1010 Rubel freigegeben. Erst
als später von St. Petersburg genauere Weisungen gekommen waren, lange
nach der Weiterreise von Tiflis, wurde die deponierte Summe wieder zurück-
erstattet, aber es war doch wegen der gerade in diese Zeit fallenden Feiertage
eine Verzögerung der Weiterreise um mehrere Tage dadurch entstanden. Auch
ein Erlaubnisschein für Waffen und Munition musste noch vom Gouvernement
beschafft werden, ehe das Gut der Transport-Gesellschaft »Kawkas-Merkur« zur
Weiterbeförderung nach Baku und Krasnowodsk übergeben werden konnte.
In Baku, wo die Expedition am 9. Dezember anlangte, schien es neue
Schwierigkeiten wegen der Verladung der Waffen und Munition auf die Dampfer
— 3 —
geben zu wollen, da die Einfuhr derselben nach dem unter Kriegsrecht stehenden
Transkaspien und Turkestan verboten ist. Dem geschickten Vorgehen des
Agenten der Transport-Gesellschaft gelang es indessen, alles Reisegut zur Ver-
ladung zu bringen, ohne Anstoss zu erregen.
Das Bild des Quais am Hafen war schon stundenlang vor der Abfahrt
des Dampfers ein überaus belebtes und ganz orientalisches; aber alles wickelte
sich in grösster Ordnung ab. Ganz zuletzt erst, nachdem noch eine grosse
Anzahl von Soldaten eingeschifft war, durften die Zwischendeck-Passagiere
an Bord, eine aus buntestem Völkergemisch zusammengesetzte Menge, die alle
ihre Habseligkeiten mit sich schleppte. Koffer, grosse Tragsäcke und zusammen-
geschnürte Bündel enthielten den Hauptbestandteil der Habe und die Lebens-
mittel dieser Leute, denen auch der Schafpelzmantel und die unvermeidliche
Theekanne nicht fehlte. Sie lagerten sich am Boden, so gut es eben gehen
wollte, dicht gedrängt zusammen, und fingen alsbald an, ihren Thee zu machen,
wozu ihnen heisses Wasser aus der Schiffsküche verabreicht wurde.
Die Ueberfahrt über das Kaspische Meer ging sehr ruhig von statten. Am
Morgen um g^J2 Uhr legte der Dampfer nach 17 72 stündiger Fahrt am Quai
in Krasnowodsk an, und das öde, trostlose Landschaftsbild der asiatischen
Wüste, das so lange unser täglicher Anblick sein sollte, lag in seiner ab-
schreckenden Eintönigkeit und starren Ruhe schon hier an der Küste zum
ersten Male vor unsern Blicken. Allerdings bildeten die Anlagen am Hafen
und die breiten, staubigen Strassen zwischen den für das Aussehen kleiner
russischer Städtchen charakteristischen niederen, einstöckigen Häusern noch
einen Kontrast gegen die absolut kahlen, jeder Vegetation baren roten Berge,
die sich hier unweit der ölbedeckten, übelriechenden See erheben. Die An-
kunft des Schiffes hatte für einige Zeit etwas Leben in die Strassen gebracht,
und am Hafen waren zahlreiche Lastträger mit Ausladen beschäftigt. Aber
schon nach kurzer Zeit waren die Strassen wieder ausgestorben, und nur an der
Bahn -Station vertrieben sich die Reisenden, die den erst gegen Abend ab-
gehenden Zug erwarteten, die Langeweile durch die bewährten Mittel: Essen,
Trinken und Schlafen.
Die transkaspische, vom General Kaufmann angelegte Militärbahn ist schon
zur Genüge beschrieben*), als dass ich mich hier mit Schilderungen aufzuhalten
hätte. Der Verkehr war sehr stark, so dass der mit Ausnahme eines Restau-
rationswagens und eines Wagens II. Klasse nur aus Wagen III. Klasse bestehende
Zug vollauf besetzt war. Durch die Liebenswürdigkeit des damaligen Gouver-
neurs der transkaspischen Provinz, Excellenz Kuropatkin, war der Expedition
ein Salonwagen für die ganze Strecke der damals bis Samarkand eröffneten
Bahnstrecke zur Verfügung gestellt. Er war einfach, aber sehr zweckmässig und
bequem eingerichtet. Er enthielt einen grossen Salon mit Schreibtisch und
*) U. a. Dr. M. Albrccht; Russisch -Ceutraliisien, Reisebilder aus Transi<aspien, Buchara und
Turivestan. Hamburg: 1896.
— 4 —
Ruhebett, einem Schlafstuhl und drei gepolsterten Lehnstühlen, ein besonderes
Schlafgemach mit Bettgestell und einen Dienerraum. Ein Wagenwärter war bei-
gegeben und stand so lange wie der Wagen selbst zur Verfiigimg. Die Mahl-
zeiten konnte man im Speisewagen einnehmen, einem nicht besonders komfor-
tabeln, ziemlich holperig laufenden Gepäckwagen, in dessen Raum für die Gäste
ein langer Tisch mit Stühlen und ein Wandschrank aufgestellt waren. Er war
meist sehr stark besucht, und die Speisen waren reichlich und gut.
Ein erster Aufenthalt wurde nach 2 1 Y« stündiger Fahrt in Aschabad gemacht,
der Hauptstadt der transkaspischen Provinz, in welcher der Gouverneur residierte.
Die Anlage der Stadt ist sehr weit und ausgedehnt, die Gebäude aber sind
niedrig, mit meist flachen Dächern, von Gärten und Bäumen umgeben, welche
in der heissen Jahreszeit den Aufenthalt angenehm machen. Eine grosse neue
Kirche und Kasernen heben sich besonders ab, wenn man von den im Süden
ansteigenden lehmigen Anhöhen die Stadt übersieht, hinter welcher im Norden
die öde Steppe und Wüste sichtbar wird. Ein düster grau gefärbter Himmel
begrenzte die einfache gerade Linie des Horizontes, von welchem das Auge
gerne auf die Baumgruppen der Stadt zurückkehrte. Unser Besuch galt in dieser
Stadt dem Gouverneur, Sr. Excellenz General-Leutnant von Kuropatkin, um ihm
unsern Dank auszusprechen. In liebenswürdiger Weise war er mit Rat und
That für das weitere Fortkommen der Expedition besorgt.
Schon am nächsten Tage ging es weiter. Vereinzelte, von Lehmmauern
umgebene Ansiedlungen und die Landbevölkerung an den Stationen brachten
etwas Abwechslung in die lange Fahrt bei nebligem Wetter durch eintöniges
Land. Erst um Mitternacht kam der Zug in Merw an; um so angenehmer war
es, die Nacht im Wagen zubringen zu können. Am Morgen wurde umgesiedelt
in das Hotel »Europa«, in welchem wir während unseres dreitägigen Aufenthaltes
in Merw gut verpflegt und aufgehoben waren.
Unvergesslich wird mir der Besuch in Bairam-Ali und den Ruinen des
alten Merw mit seiner Fülle historischer Erinnerungen bleiben, die uns die
Liebenswürdigkeit des Obersten von Kaschtalinski in angenehmster Weise ge-
niessen Hess. Ich will mich nicht mit schon oft Beschriebenem hier aufhalten,
sondern lieber des folgenden Tages in Merw selbst ausführlicher gedenken,
weil er mir ein centralasiatisches Volksbild zum ersten Male in seiner lebendigen
Frische und bunten Farbenpracht vor Augen führte.
Das westliche Turkestan, das heute das russische General -Gouvernement
Turkestan, dem auch die transkaspische Provinz neuerdings unterstellt worden
ist, sowie die noch unabhängigen Emirate Buchara und Chiwa umfasst, wird der
Hauptsache nach von Stämmen der sogenannten Turktataren bewohnt, von
denen ein Teil nomadisiert, ein anderer aber feste Wohnsitze innehat. Vielfach
haben Beimengungen und Mischungen den reinen Charakter der einzelnen
Stämme verwischt und auch der Uebergang von ursprünglich nomadischer zu
sesshafter Lebensweise bringt Veränderungen mit sich.
- 5 —
Auch weiter im Osten im Tarimbecken und Thien-schan begegnen wir
wieder andern Zweigen desselben Voiksstammes, zu denen hauptsächlich die
Kaschgarier selbst, die Dunganen und Kirgisen gerechnet werden. Diese
letzteren verbreiten sich allerdings auch noch weit nach Westen, und man
begegnet ihnen ebensowohl an den Ufern des Amu-darja, wie an denen der
Wolga. Wir werden sie beim Uebergang über das Alai-Gebirge, die natürliche
Grenze zwischen Ost- und West-Turkestan, noch näher kennen lernen. Hier
wollen wir uns nur kurz mit den Stämmen beschäftigen, welche der Reiseweg
uns aus eigener Anschauung kennen lehrte. Es sind das hauptsächlich die
Turkmenen (auch Turkmanen oder Turkomanen genannt), die ihre Sitze vom
Kaspischen Meere bis zum Amu-darja und südlich noch über die nordpersischen
Grenzgebirge ausdehnten, aber immer mehr dem Nomadismus entfremdet werden,
und die Usbeken (oder Osbeken), die das herrschende Volk Bucharas, Chiwas
und des früheren unabhängigen Chanats Kokan bilden. Der Vollständigkeit
wegen sei noch der Kiptschaken gedacht, welche ebenfalls Kokan bevölkern und
als die reinsten Nachkommen des alten Turk -Volkes angesehen werden, und der
Karakalpaken, welche seit der ältesten Zeit die Oasen am unteren Amu-darja
innehaben.
Allen diesen verschiedenen Typen ist noch der mongolische Charakter
eigen, insbesondere die mandelförmigen Augen, und je weiter östlich sie wohnen,
um so mehr nähern sie sich dem echten Mongolentypus: der Wuchs wird
kleiner, Gesicht und Mund breiter, die Nase platter, der Bartwuchs spärlicher.
Die am meisten östlich wohnenden Angehörigen des Turktataren-Stammes,
die Dunganen aber sind durch chinesische Beimischung verändert, während im
Westen semitische und arische Einflüsse ebenfalls starke Veränderungen ver-
ursachten.
Früher waren alle diese Turkvölker Nomaden, manche aber, wie Kasch-
garier, Usbeken, viele Turkmenen sind sesshaft geworden und treiben Ackerbau
und Handel. Alle bekennen sich noch zur muhamedanischen Religion.
Das erste dieser Turk -Völker, das die Reise näher kennen zu lernen
Gelegenheit gab, waren die Turkmenen, die sich in eine grosse Menge von
Stämmen gliedern und verschieden benennen. So wohnen in der Achal-Oase
die Achal-Tekke, am unteren Murgab die Merw-Tekke, die zumeist jetzt
Ackerbau und Viehzucht treiben und seit der russischen Okkupation 1884 ganz
ihr altes Räuber- und Nomadenleben aufgegeben haben. Sie gelten als die
volksreichsten, mächtigsten und tapfersten der Turkmenenstämme, von denen
Vambirys Schilderungen seiner gefahrvollen Reise und Abenteuer ein aus-
gezeichnetes Bild geben. Dieser berühmte Forscher schätzt die Stärke des
ganzen Turkmenenvolkes auf etwa i Million Köpfe, während neuere Schätzungen
180000 bis 190000 Kibitken (Zelte) oder 900000 bis 950000 Köpfe angeben.
Früher waren die Turkmenen sehr kriegerische und gefährliche Reiterhorden,
die weit nach Persien hinein ihre Raubzüge ausdehnten. Zwischen den einzelnen
Stämmen herrschten blutige Fehden, die aber unter dem russischen Einflüsse
allmählich verschwinden und der Bethätigung der Werke des Friedens weichen.
Ein solches Bild des Friedens, der emsigen Thätigkeit und geordneten
Verkehrs ist es, das ich aus der Hauptstadt der Merw-Tekke hier zu schildern
versuchen will.
Die weiten von Ulmen umschatteten Strassen der Hauptstadt der Oase Mer^*'
bieten am Sonntage und auch an den Donnerstagen ein eigenartiges, bunt be-
wegtes Bild. Hier kommen Reiter angesprengt, in farbige Gewänder gehüllt,
oft zwei auf einem Pferde und Alt mit Jung in kleinen Gruppen vereinigt.
Dort führt ein silberbärtiger Greis mit grossem Turban langsamen Schrittes ein
schwer beladenes Kamel, dem noch eine ganze Reihe, eins hinter dem andern
durch Seile verbunden, nachfolgt. Eine Herde von dickwolligen Schafen wird
vorbei getrieben, und in munterem Trabe kommt eine kleine Kavalkade auf
Eseln angeritten.
Warum dieses geschäftige Treiben auf den sonst so ruhigen Strassen?
Gleichartig und einfach hegen die niederen, einstöckigen Häuser unter
dem Schutze der die Bürgersteige gegen den breiten Fahrweg abgrenzenden,
aber im Dezember entblätterten Bäume; häufig und besonders in den neuesten
Teilen der Stadt sind die Häu.ser im Villenstil gebaut und von anmutigen
Gärten umgeben, die der Stadt zur Frühjahrs- oder Herbstzeit ein parkähnliches
Ansehen verleihen müssen.
Nur eine Strasse macht eine Ausnahme, in deren eng an einander gereihten
Läden und Magazinen, Werkstätten und Schänken an allen Tagen reges Leben
pulsiert. Hier haben das Gewerbe und der Klein -Handel ihren Sitz auf-
geschlagen, und wie in den kleinen Städten Italiens sieht man den Handwerker
in dem nach der Strasse zu offenen Raum, der zugleich Werkstätte und
Verkaufsstelle ist, seiner Arbeit obliegen.
Einen Bäcker sahen wir den Brotteig reinlich kneten und das Brot in
kleinem Ofen backen, so dass von der Strasse alle seine Manipulationen zu ver-
folgen waren. Bei uns in Deutschland soll es im Bäckergewerbe nicht immer
am reinlichsten zugehen; wenn das richtig ist, so könnten wir uns an dem
Bäckermeister in Merw ein Beispiel nehmen.
Gleichmütig und teilnahmlos ihren Tschibuk rauchend, sitzen einige
armenische Teppichhändler in ihren kleinen, am Boden mit guten Teppichen
belegten Gelassen; bis an die Decke sind rings die Stoffe, Tuche, Teppiche und
Seidenwaren aufgestapelt.
Zahlreich sind auch die Verkaufsstellen für Lebensmittel, die in Kisten,
Körben und Säcken offen, zum Teil sogar vor der Thüre, zur Schau stehen.
Ausser den Produkten des Landbaues in der Oase, der Baumwolle,
Getreide, Hülsenfrüchte und Gemüse hervorbringt, sieht man schönes Obst:
grosse süsse Weintrauben, Aepfel, Birnen, Apfelsinen, vor allem fallen auch
die Wassermelonen und Kürbisse in die Augen. Schöne Fische liefern der
- 7 —
Murgab und seine Bewässerungskanäle, und an Fleisch jeglicher Tiergattung,
vom Kamel und Pferd herab vielleicht bis zu Hund und Katze, ist in den
zahlreichen Fleischerläden kein Mangel. Abends beleuchten einige Oellampen
die ausgestellten Waren.
Auf diese Strasse und ihre nähere Umgebung konzentriert sich der tägliche
Verkehr, der bis in die Abendstunden anhält. Am Sonntag aber war das Leben
und Treiben noch ein ganz anderes, von dem gewohnten Bilde abweichendes.
Alle die verschiedenen Reiter und Kamelführer, die Wagen und zwei-
rädrigen Karren bewegten sich einem gemeinsamen Ziele zu, und die Läden
der Hauptstrasse schienen wenig Beachtung bei den aus entfernten Punkten der
Oase hereingeeilten braunen Wüstensöhnen zu finden.
Der drängende Strom der Menschen führt uns die grosse Hauptstrasse
hinaus zu den Ufern eines Armes des Murgab -Flusses, der trübe, schlammige
Fluten in die Wüste hinausträgt, in welcher er schliesslich versiegt und vom
Sande verschluckt wird, nachdem seine Wasser grossen Landstrecken das die
Fruchtbarkeit hier allein ermöglichende flüssige Labsal zugeführt haben.
Am Flusse aufwärts dehnt sich ein weites, ebenes Feld, auf welchem
zweimal in der Woche grosse Märkte stattfinden, zu welchen aus allen Teilen
der Oase Merw Waren herbeigebracht und gegen andere vertauscht oder
verkauft werden.
Dieser Markttag war es, der die Veränderung des Strassenbildes bewirkt
hatte; er war der Magnet, welcher alle die Leute anzog. Auch für uns bewies
er seine festhaltende Kraft; denn es dürfte nicht leicht ein mannigfaltigeres und
für den Europäer interessanteres Verkehrsbild geben, als es Merw an diesen
Tagen darbietet.
In ununterbrochenem Zuge streben auch über die Brücke aus den* öst-
Hchen Teilen der Oase und den südlichsten vom Murgabwasser noch erreichten
Bewässerungsgebieten kleine Karawanen mit Kamelen, Trupps von Reitern
mit Turbanen oder dunkeln, grossen, wolligen Mützen dem Markte zu, der
schon um lO Uhr von einer grossen Menschenmenge erfüllt ist und bis nach
12 Uhr fortwährend noch weiteren Zuwachs erhält.
Etwa in der Mitte des grossen Feldes steht eine auf allen Seiten offene
Halle, die nur mit einem flachen Schutzdache gegen den Regen versehen ist;
um diese ordnen sich in weitem Kreise und breite Räume zwischen einander
und gegen die Mittelhalle hin freilassend, zahlreiche kleinere, aus Ziegelsteinen
aufgebaute, in kleine Zellen eingeteilte Hallen, welche nach vorn offen stehen.
Ausserhalb dieses Zirkels von Verkaufshallen dehnt sich noch nach allen Seiten
hin freies Feld aus, auf welchem die Zug- und Lasttiere warten und wo ausserdem
die Herden der zum Verkauf gebrachten Tiere, gruppenweise nach den Tier-
gattungen geordnet, lagern.
Hier waren zum Verkauf feilgeboten: junge und alte Kamele, meist unschöne,
aber ausdauernde kleine Pferde, dickwollige schwarze und weisse Schafe, die mit
— 8 —
Stricken an beiden Seiten eines etwa 7« ^ über dem Erdboden straff gespannten
Seiles angebunden waren, Schweine und Herden von Rindvieh. Wir sahen
offenbar nicht das beste auf dem Pferdemarkte, da die Turkmenenpferde be-
rühmt sind. Nicht nur wegen ihrer Ausdauer, die sie befähigt, ohne Nahrung
und Wasser mehrere Tage lang hintereinander 80 und 90 km zurückzulegen,
sondern auch wegen ihres schön gebildeten Kopfes und Halses, der leider der
Zierde der Mähne oft beraubt ist, des feinen glänzenden Felles, das sorgfältig
durch Filzdecken gepflegt wird, und der edeln arabischen Rasseformen. Nicht
leicht ihres gleichen, ausser bei Turkmenen, dürfte die Leistung finden, dass
ein Turkmene auf einem und demselben Pferde, mit einem Sklaven hinter
sich im Sattel, 30 Stunden in ununterbrochenem Galopp zurücklegte. Der
Turkmene ist auf sein Pferd angewiesen und es erklärt sich von selbst, dass
er ihm sorgfältige Pflege angedeihen lässt.
Ausserhalb der Verkaufsreihen befanden sich ganze Hügel von Fellen
und Pelzen, die nur roh getrocknet auf den Markt kamen und einen wenig an-
genehmen Geruch verbreiteten; die Schaffelle spielten darunter die hervor-
ragendste Rolle.
Ueberall hier und auch in den freien Räumen zwischen den Markthallen
war ein emsiges Treiben, ein beständiges Kommen und Gehen, und die
grossen Lasttiere bewegten sich mitten unter den Menschen, ohne sie im
geringsten zu gefährden.
In und vor der centralen Markthalle wurden besonders Wollwaren, gewebte
Stoffe und auch Teppiche feilgehalten. Jeder Verkäufer hatte seine Waren
vor sich ausgebreitet und wartete, dahinter hockend, auf den Käufer. Häufig
verstanden diese Leute aus der Oase kein Russisch, so dass man sich eines
Dolnietschers bedienen musste, um den Preis der Waren zu erfahren. Die zum
Verkauf gestellten Teppiche waren meist neu, nur gelegentlich alt, alle aber
zu massigen Preisen. Als die Leute merkten, dass eine Nachfrage nach Teppichen
sich zeigte, holten sie auch noch andere Ware hervor, die zuerst nicht ausgestellt
war. Die Teppiche der Oase Merw sind sehr geschätzt und verdienen auch voll-
kommen diesen Ruf, sowohl was Güte als was Farbenzusammenstellung anbelangt.
Auch andere kleinere Erzeugnisse weiblicher Handarbeit waren in Menge
vertreten, und zwar besonders in den äusseren Verkaufsbuden. Dort waren
auch alle Arten von russischen Waren aufgestapelt, deren die Bevölkerung be-
darf; ganze Abteilungen führten nur Chalate, die langen Leibmäntel, sowie
Decken und Tücher, mit roten und gelben Mustern bedruckt. Seidengestickte
kleine Mützen, niedliche Schuhe, Behälter aus Leder fiir Tassen und andere
zerbrechliche Gegenstände, Glocken für Kamele und für Pferde, erstere mit
einem Knochen an Stelle des Schwengels versehen, und viele andere Dinge
bildeten das Inventar dieser Läden.
Während sich nun die Menge längs dieser Verkaufshallen und der durch
Händler gebildeten Reihen entlang schiebt, findet sich immer noch Raum genug
— 9 —
für fliegende Feldküchen, die eigentlich nur aus einem am Boden angemachten
Feuer bestehen. Auf einem darüber gelegten Blech wird gebraten oder gekocht
und das Erzeugnis gleich ausgeboten und aufgegessen. All das geht unter
freiem Himmel vor sich, höchstens ist ein kleiner Schirm über dem »Restaurant«
aufgestellt. Die Speisekarte ist nicht geschrieben, sie steht vor Augen: kleine
Fleischpasteten, gebackene Fische, Suppen und Brot scheinen die begehrtesten
Speisen zu sein, denen auch immerfort zugesprochen wurde, wobei die Hände
häufig alle andern Utensilien ersetzen mussten.
Man sieht es den Leuten an, dass sie nicht verwöhnt sind, dass sie im
Kampfe mit den Elementen nicht gelernt haben, zu gebrauchen, was der Kultur-
mensch des Westens für unentbehrlich ansieht. Aber wenn man ihnen ins
dunkle Auge im tief gebräunten, oft vom schwarzen Bart umwallten Antlitz
schaut, begegnet man einem entschlossenen, furchtlosen Blick, der vor nichts
zurückschreckt. Unter den Männern befinden sich sehr ausdrucksvolle Gesichts-
typen, und viele der Knaben und Jünglinge haben schöne, weiche Züge, die
freihch bald im Kampfe ums Dasein verwittern.
Im Gegensatze zu fast allen andern asiatischen Völkern kann den Turk-
menen das unverbrüchliche Festhalten am einmal gegebenen Worte nach-
gerühmt werden ; auch die Gastfreundschaft ist ihnen heilig. Ihre Freiheitsliebe
ist ebenso gross, wie früher ihre Raubsucht war, die durch das Wort gekenn-
zeichnet wird: »Zu Pferde kennt der Turkmene weder Vater noch Mutter.«
Grosse verwüstete Bezirke im nördlichen Persien erzählen noch heute von den
Einfällen dieser im Kampfe mit der Wüste hart gewordenen Söhne der Wildnis.
Ihr trotziger Widerstand hat den Russen trotz ihrer weit überlegenen Bewaffnung
und Taktik viele Menschen gekostet, und ihr Trotz spricht sich aus in ihrem
Spruche: »Der echte Turkmene bedarf weder des Schattens der Bäume, noch
des Schutzes der Gewalt.« Auch die Stellung der Frauen ist freier und
geachteter als es sonst bei Islamiten der Fall zu sein pflegt.
Lange glaubte man an keine einzige gute Eigenschaft dieser Wüstenräuber,
aber es scheint denn doch, wenn man das hier geschilderte Bild mit den
grausigen Erzählungen eines Vamb^ry, Bode u. a. vergleicht, dass die Kolo-
nisation und die Macht der Russen auch gute Seiten an ihnen entwickelt haben.
Auf dem Markte sieht man die verschiedensten Volksangehörigen; die
Russen sind nur in geringer Zahl vertreten, wie überhaupt das europäisch
gekleidete Element. Armenier und Perser dürften den Hauptteil der ansässigen
Kaufmannschaft bilden, während die Bevölkerung der Oase, die Turkmenen,
unstreitig die meisten Marktbesucher stellen. Man kennt sie gleich an ihrem
Aufzuge; sie kommen zum Teil weit her und sind meist irgendwie beritten,
wobei auch das Pferd als Reittier für zwei Personen herhalten muss. Sie tragen
einen dunklen Leibrock, Chalat genannt, der bis über die Kniee hinabreicht;
darunter Beinkleider und an den Füssen Tuchlappen, die mit den von den
einfachen Schuhen heraufreichenden Riemen um das Bein festgebunden werden,
— lO —
oder auch Sdcfcl. Auf dem Kopfe sitzt eine mächtige, meist braune, auch weisse
bienenkorbartige Mütze aus langwolligem Schafpelz; sie erhöht bedeutend den
Umfang des Kopfes und soll ein vorzüglicher Schutz gegen die heissen Sonnen-
strahlen des Sommers sein. Bewaffnung sieht man nur selten, ausser bei den
gut gekleideten russischen Soldaten, die sich auch auf dem Markte herumtreiben.
Die Reittiere tragen häufig schöne gewebte Decken, deren Zeichnung bei mancher
europaischen Hausfrau Neid erwecken könnte. Andere Bevölkerungselemente
sind an ihrer Kleidung leicht zu erkennen; ausser Tekinzen und Russen findet man
auch Perser, Bucharen, armenische Kaufleute und Juden aller Völker in Merw.
Erst lange nach Mittagszeit rüstet man zum Aufbruch. Ueberall wird
nieder eingepackt, die Kamele knieen, um ihre Lasten zu übernehmen, und bald
sind viele der Verkaufsstände leer und verlassen. Es dauert lange, bis der Platz
sich ganz entleert hat, und noch um 5 Uhr ist es auf ihm lebhaft.
Ueber die Brücke aber, dem Flusse entlang und durch die Hauptstrasse
geht derselbe Zug, dem wir morgens in umgekehrter Richtung folgten. Viele
Tiere sind schwer bepackt, häufig sieht man Reiter, welche die gekauften
Hammel und Schafe vor sich quer über den Sattel gelegt haben, noch häufiger
als am Morgen sitzen zwei Gestalten auf einem Tier, Vater und Sohn oder
Befreundete. Frauen sind aber niemals dabei; die Männer besorgen allein den
Verkauf und die Anschaffung des Nötigen; die Frauen müssen daheim bleiben,
in der Kibitke den Hausgeschäften obliegen, die schönen Teppiche weben oder
die langen Draperien sticken, die als wertvollste Erzeugnisse den Markt zieren.
Beneidenswert ist dieses Los gerade nicht, wenn man berücksichtigt, wie
primitiv und eng diese Turkmenen -Wohnungen sind. Sie sind am besten mit
einem Bienenkorbe zu vergleichen; rund wie dieser, haben sie über einem die
Seiten bildenden Rohrgeflecht oben eine gewölbte Decke, die mit Filzplatten
besetzt ist; der Innenraum ist so gross wie der eines mittelgrossen Zimmers
und ausserdem abgeteilt. Hierin muss sich die Familie einrichten und behelfen.
Teppiche, Gehänge und Doroschken bringen aber bei den Wohlhabenderen
etwas Behaglichkeit in diese auch sonst recht praktischen Hütten.
Obgleich alle sichtlich befriedigt vom Markte heimkehrten, hörten wir
keinen musikalischen Laut; auch sonst erinnerte nichts auf dem Markte an Musik.
Es fehlten die bettelnden Musikanten, welche grosse Märkte bei uns zu besuchen
pflegen. Wie die Leute gekommen, so verschwinden sie auch wieder; sie sind
zufrieden, der Himmel hat ihnen einen schönen Tag geschenkt, und wenn auch
nicht gerade die Sonne hell vom Himmel lachte, so hatten sie doch auch keine
Kälte. Die Nacht kommt hier rasch herauf und im Dezember auch sehr früh;
darum die Eile, nach Hause zu kommen.
Nur in Menv selbst erwachte wieder das Leben; in den kleinen, schmutzigen
Thee- und Wirtsstuben der Hauptstrasse ging es noch laut her; daran war aber
nur der russische Sonntag schuld, und am Montag hatte die Stadt wieder ihr
gewöhnliches Aussehen.
— II —
In der Oase von Merw werden Weizen, Gerste, Reis, Baumwolle und Hanf
angebaut und in den Gärten Obstbäume gezogen. Häufig schieben sich aber
öde Lehmflächen und Salzfelder zwischen das Kulturland, und aufwärts am
Murgab findet sich eine üppige Schilfvegetation, wo zahlreiche Wasservögel die
Ufer beleben. Am Ende des besiedelten Gebietes stellen sich die Tamarisken-
sträucher ein, die wilden Fasanen Schatten bieten; auch Saxaulwälder und die
schönen Euphratpappeln begleiten die Ufergebiete. Durch Wiederherstellung
von früher angelegten und in Zerfall geratenen Irrigationskanälen könnten noch
manche Landstriche in der Nähe des Murgab der Bodenkultur zurückgewonnen
werden, bis hinauf zu den Vorbergen der nordpersischen Grenzgebirge.
In der Nacht verliessen wir Merw, und morgens beim Erwachen befand
sich der Zug in trostloser Sandwüste. Eine Unterbrechung bilden die ersten
auftauchenden Oasen des Emirates von Buchara und der gewaltige Amu-darja,
den der Zug in langsamer Fahrt, die 22 Minuten dauerte, auf hölzerner Brücke
überschreitet. Weite Strecken des Flussbettes lagen trocken, da um diese Jahres-
zeit (20. Dezember) der Fluss verhältnismässig wenig trübes, schlammiges Wasser
führt, das rasch dahinfliesst.
Auch jenseits des Amu-darja dehnt sich wieder ein Strich der Wüste aus,
und es wird Abend, bis die Oase von Buchara und die Station Neu-Buchara
der langen Fahrt (von Merw 17 Stunden) ein Ende macht. Neu-Buchara selbst
bietet nichts Erwähnenswertes, um so interessanter ist das 12 km entfernte alte
Buchara.
An die Namen Buchara, Samarkand und Kokan knüpfen sich unwillkürlich
Vorstellungen von orientalischer Pracht, von reichem muhamedanischen Volks-
leben, von einer glanzvollen Vergangenheit, die von den wechselnden Schick-
salen der Völker, ihrem tiefsten Niedergang, dann wieder von dem Aufblühen
hoher Kultur und weiser Regierung erzählt.
Meist sind die geschichtlichen Ereignisse dieser uns so fernliegenden und
bis vor ganz kurzer Zeit auch recht schwer erreichbaren Gebiete mit romantischen
Mythen durchwoben. So verbinden sich denn gelegentliche Schilderungen von
Reiseabenteuern mit den grausamen Thaten der Willkür der orientalischen
Herrscher zu einem phantastischen Bilde. Aber wie diese Vorstellungen auch
gestaltet sein mögen — hier übertrifft die Wirklichkeit die Schöpfungen der
glänzendsten Phantasie, ja die vielen altertümlichen Züge des Volkslebens und
der Sitten treten zu den modernen russischen Ansiedlungen und Verkehrs-
einrichtungen in besonders wirksamen Gegensatz. Fesselt uns in Merw die Ver-
nichtung, die nach einander jede der neben einander erbauten Städte, deren weit-
läufige, grossartige Ruinen von ihrer einstigen Bedeutung zeugen, betroffen hat,
so sind es in Samarkand besonders die noch zum Teil gut erhaltenen Bauwerke
der Blüteperiode muhamedanischer Wissenschaft und Kunst, die herrlichen Grab-
denkmäler grosser Herrscher und erleuchteter, heiliger Männer, welche unser
Interesse in Anspruch nehmen. Buchara kann sich in dieser Hinsicht mit beiden
— 12 —
nicht messen; zuar fehlen auch ihm nicht historische Erinnerungen und es besitzt
einige bemerkenswerte Bauten; aber das charakteristische Wahrzeichen dieser
Stadt liegt in ihrem Handel und Verkehr, der sich in ihrem ausgedehnten, viel
besuchten Bazare konzentriert.
Buchara ist auch die Hauptstadt des Emirates Buchara, und sein Herrscher
hat dort ein grosses Schloss, das er aber nur Mährend eines geringen Teiles
des Jahres bewohnt; die Eigenschaft von Buchara als Residenz tritt ganz in
den Hintergrund gegenüber seinem Charakter als Handelsstadt.
Die Bevölkerung ist sehr mannigfaltig und enthält die verschiedensten
Elemente. Die Urbewohner, die iranischen Tadschiken, unterlagen den türki-
.schen Eroberern, den Usbeken, die seitdem das herrschende Volk in Buchara
wie in Chiwa und Kokan bilden. Im Laufe der Zeit indessen mischten sich jene
Tadschiken mit den im XIIL Jahrhundert eingedrungenen Usbeken, die seit
Timurs Zeiten vorherrschen, und bilden einen Mischt>'pus, der mit dem Namen
Sarten bezeichnet wird.
Auch weiter nach Osten, im Thale von Fergana und in Kaschgarien, sind
solche Sarten sehr verbreitet Häufig überwiegt der iranische Typus. Sie haben
kluge offene Gesichter mit grossen Barten und ruhiges würdiges Benehmen, der
Kopf ist glatt rasiert und mit Käppchen oder Turban bedeckt. Man findet
indes.sen fast alle Völker Westasiens hier vertreten, und der Emir selbst ist ein
Mischling aus der Dynastie der Mangiten, die seit 1 737 regieren. Die Bedeutung
Bucharas als Mittelpunkt muhamedanischen Geisteslebens datiert schon aus
der alten Zeit der Herrschaft des iranischen Geschlechtes der Salamiden 873 bis
1004; aber der Einfall Dschingis-chans und die Ueberschwemmung mit seinen
mongolischen Horden zerstörte die aufblühenden Städte der Muhamedaner in
West-Turkestan, und auch die Stadt Buchara wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Die Nachfolger aber von Dschingis-chan brachten Buchara von neuem in Blüte,
die allerdings nicht die frühere Höhe erreichte, und erst als die mongolische
Herrschaft durch die der Usbeken abgelöst und als Timur (Tamerlan) 1370
Herrscher wurde, erhob sich neben Samarkand auch Buchara wieder zur alten
Höhe seiner Bedeutung für das islamitische Geistesleben, obwohl die Hauptstadt
schon von Timur nach Samarkand verlegt worden war.
Buchara wurde erst wieder Hauptstadt am Ende des XV. Jahrhunderts, als
die Dynastie der Timuriden, der Nachkommen des grossen Herrschers Timur,
gestürzt und der Herrschersitz von Samarkand nach Buchara zurückverlegt
wurde. Während der nächstfolgenden Jahrhunderte aber sanken Wohlstand
und geistige Blüte ebenso wie die politische Macht immer weiter herab.
Seitdem der Einfluss der Russen in Buchara festen Fuss gewann, hat es sich
noch mehr verändert, und die neue, 20 Werst von Alt-Buchara angelegte Stadt
an der Bahn wird sicher das alte Buchara immer mehr in den Hintergrund drängen.
Heute aber bietet Alt-Buchara in seinem wichtigsten Teile, dem Bazare, dasselbe
Bild orientalischen Verkehrslebens, wie es seit Jahrhunderten bestanden hat.
— 13 —
Wenn man von der neuen Stadt aus, die in ganz ebenem Terrain lieg^,
Alt-Buchara einen Besuch abstatten will, so hat man einen etwa 12 km langen
Weg zurückzulegen, der durch einige kleine Dörfer und durch gut bebautes
Land führt, aber meist in einem schrecklichen Zustande sich befindet Man
erzählte uns, dass noch vor ganz kurzer Zeit Wagen einfach zurückgelassen
werden mussten, wenn die ermüdeten Pferde die bis über die Achsen im
Schmutz steckenden, oft schwer beladenen Gefahrte nicht mehr weiter-
zubringen vermochten. Es mussten offenbar schon schwere Verkehrsstörungen
vorgekommen sein, damit die bucharische Regierung sich entschloss, etwas
für diese Hauptverkehrsader zu thun; an den schlimmsten Stellen wurde
die Strasse mit Schotter von bei uns unerhörter Grösse seiner einzelnen
Bestandteile überschüttet und die zahllosen Löcher dadurch ausgefüllt. Eine
schwere Strassen walze, mit 12 Pferden bespannt, war damit beschäftigt, die
so angelegten Teile zu befestigen und einzuebnen. Da die meisten Fuhr-
werke zur Abendzeit ohne Licht fahren, ausserdem die Strasse, auch wenn
es schon ganz dunkel ist, von vielen Reitern und vom Markte heim-
kehrenden Leuten belebt ist, gestaltet sich eine Fahrt darauf nicht immer
ganz gemütlich.
Bei dem Lustschlosse des Emirs Schir-budun stehen einige Wachen des
bucharischen Militärs; meist alte Kerle in irgend welcher Uniform, die aus
abgelegten russischen Militärbekleidungsstücken zusammengesetzt ist. Entweder
liegt die Wache am Boden und schläft, oder hockt in ihrem kleinen Wachthäuschen
beim Feuer, die Gewehre stehen meist weit davon und einen kriegerischen Ein-
druck können diese Jünger des Mars in keiner Weise hervorbringen.
Eine grössere Abteilung, die gerade von der afghanischen Grenze zurück-
kam, wo sie den Grenzwachtdienst versehen hatte, zeigte die bunteste Abwechslung
in den Uniformen, die stark mitgenommen waren, und auch in der Mannschaft
selbst; man konnte sie eher für herumziehende bewaffnete Zigeuner, als für
reguläre Truppen halten. Indessen hat der Emir eine besondere berittene
Leibtruppe, die besser aussehen soll.
In den kleinen Dörfchen sind längs der Strasse überall Läden, und es
werden hauptsächlich Lebensmittel aller Art, auch fertige Speisen, wie kleine
Fleischpastetchen und am Spiesse gebratenes Hammelfleisch, feilgeboten. In
grösseren Abständen finden sich am Wege vor einer Hütte grosse Tröge mit
Wasser für die Pferde, und der Kutscher benutzt in der Regel die durch das
Tränken der Pferde nötig werdende Ruhepause, um einen kräftigen Zug aus der
Wasserpfeife zu thun, die überall, wo Verkehr ist, von Mund zu Munde wandert,
ohne irgend eine Reinigung zu erfahren.
Die Strasse ist meist sehr belebt, und da bieten die in ihren bunten
Trachten auf Pferden, Eseln oder Kamelen vorbeireitenden Muselmanen, die
tief schwarz verschleierten Frauen, die tausend verschiedenen Waren und
Karawanen reiche Abwechslung; die Gegend selbst ist flach, sogar am
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Horizont sieht man keine Berge, und Alt- Buchara selbst erkennt man erst,
wenn man dicht vor seinen Mauern steht.
Das Land ist gut angebaut, wo nicht sumpfige Stellen von hohem (bis
3 m) Schilfe bedeckt sind, dessen Erträgnis der Regierung bedeutende Einnahmen
bringt; das ist auch der Grund, warum diese die Fieber ausserordentlich be-
günstigenden Stellen, unmittelbar vor den Mauern der Stadt, nicht ausgetrocknet
und damit die gesundheitlichen Zustände verbessert werden; dem Fieber fallen
in jedem Jahre viele Tausende von Menschenleben zum Opfer. Ueberall ist das
Land von Bewässerungskanälen durchzogen, an deren Rändern stattliche Bäume
stehen; häufig sind sie auch von Weiden begleitet und die kleinen Teiche in
den Ortschaften sind von einem Haine umgeben, dessen Schatten in der heissen
Jahreszeit den Bewohnern willkommene Kühlung spendet.
Stärkeres Volksgedränge, die Nähe grosser Friedhöfe auf beiden Seiten
der Strasse verrät, dass die Stadt nicht mehr fern sein kann, und da sind wir
auch schon an der Mauer, welche kaum die davor stehenden Häuser überragt
und hier ein Thor besitzt, das abends für die Einheimischen geschlossen wird.
Besonders imposant sieht weder Thor noch Mauer aus, die letztere soll auch
an manchen Stellen eingestürzt sein.
Die Strassen, welche zu dem weiter im Innern der Stadt gelegenen Bazare
führen, sehen wenig vorteilhaft aus. Oede, fensterlose Mauern aus braunem
Lehm, mit niederen Einlassen, mit hölzernen, durch einfache Schnitzereien ver-
zierten Thüren, begrenzen weithin den Weg, und nur an wenig Stellen bringt
ein kleiner Laden etwas Abwechslung in die eintönige Strassenflucht. Die Haupt-
verkehrswege sind kaum so breit, dass zwei Wagen an einander vorbeikommen
können, und viele der Nebengassen sind so eng, dass überhaupt kein Wagen-
verkehr in denselben möglich ist.
Durch die Stadt fuhren Kanäle, deren schmutziges Wasser sowohl für
jegliche Verwendung im Haushalte, wie auch zum Trinken dient und jeden-
falls viel zur Verbreitung der ansteckenden Krankheiten und des Fiebers
beiträgt Ueberhaupt spielen Schmutz und Unsauberkeit eine grosse Rolle
in der äusseren Erscheinung wie der Städte und Häuser, so auch der
Bewohner. Besonders die Bettler zeichnen sich nach dieser Hinsicht aus,
und da viele von ihnen ausserdem noch grauenhafte Zeichen von Krank-
heiten aufweisen, ist ihr Anblick meist mehr Abscheu als Mitleid erregend.
Man sieht auch Frauen unter ihnen, und diese, die meist mit Lepra behaftet
sind, zeigen ihr Antlitz un verhüllt, während für andere Frauen die Ver-
schleierung strenge durchgeführt ist; diese sieht man indessen nur selten.
Auf dem Bazare sind kaum Frauen, viel mehr schon auf den Strassen, die
zur Stadt führen, wenn ganze Familien vom Markte zurückkehren oder zu
demselben hinreiten, wobei die Frauen meist hinter den Männern oder
Brüdern rittlings auf dem Pferde oder Esel sitzen und den Kopf schwarz
verhüllt tragen. Häufig haben sie dabei ihre kleinen Kinder in Tücher ein-
— 15 —
gebunden vorn an der Brust, und ein kleiner Esel trägt Vater, Mutter und
drei Sprössiinge.
Die Kleidung der Frauen ist weniger farbenprächtig und abwechslungsreich
als die der Männer, und die schwarze Verhüllung des Gesichtes macht einen
unangenehmen Eindruck auf den Europäer, der an wandelnde Leichname
erinnert wird. Die Chalate der Männer — weite, faltige, mantelartige Ober-
kleider, die an der Hüfte durch einen Gürtel festgehalten werden — sind
sehr farbenreich und je nach dem Reichtum des Besitzers mehr oder weniger
prächtig und wertvoll. Keine Farbe ist zu grell, keine Zusammenstellung zu
bunt, als dass sie nicht vertreten wäre, während der Turban meist bei den
Stadtbewohnern weiss ist, infolge eines besonderen Rechtes, das die Bevölkerung
der »heiligen Stadt« Buchara besitzt. Die Landleute tragen dagegen Turbane
in verschiedenen Farben.
Es ist ein schönes Bild, die braunen stattlichen Gestalten in dieser
Kleidung und silberglänzendem Gürtel auf ihren Pferden dahinsprengen zu sehen ;
freilich ist bei dem grössten Teil der Bevölkerung die Farbenpracht durch
Schmutz, das Gewand selbst durch Löcher und Flickwerk entstellt.
Die verschiedenen Nationalitäten, die sich in Buchara zusammenfinden,
unterscheiden sich durch Einzelheiten der Kleidung wie der Kopfbedeckung;
so trägt z. B. der im übrigen bei der Bevölkerung als vollkommen gleich-
berechtigt angesehene Jude eine schwarze Mütze mit einem viereckigen Ein-
sätze darauf; der Gebrauch des Pferdes als Reittier ist ihm untersagt, und
derartige Besonderheiten kommen noch vielfach vor. Perser, Araber, Indier,
Tataren, Afghanen erhöhen die Mannigfaltigkeit der an und für sich schon
vielgestaltigen Bevölkerungstypen bis zu kaleidoskopartig wechselndem, ver-
wirrend buntem Bilde.
Unser kleiner Wagen mit einheimischem Kutscher und den unscheinbaren,
aber ausdauernden Pferden hat sich unterdessen durch das Gewirr enger
Strassen durchgearbeitet und das Bild beginnt sich zu ändern. Einzelne Strecken
des Weges sind überdeckt; es liegen über hölzernen Stützen oben Quer-
hölzer mit einem Dach aus Geflecht und Lehm, um der Strasse Schutz zu
gewähren, weniger gegen die seltenen Regen, als im Sommer gegen die
glühenden Strahlen der Sonne und die unerträgliche Hitze.
An solchen Stellen befindet sich ein Laden neben dem andern, und
die mannigfaltigsten Waren werden hier neben einander feilgeboten, während
im Hauptbazare gleichartige Waren immer bei einander liegen und selbständige
Unterabteilungen bilden.
Die kleinen Läden sind überall ausserordentlich einfach. In der Wand
des Hauses befindet sich eine kammerartige Vertiefung, nicht höher, als dass ein
grosser Mann die Decke erreichen kann, nur wenige Meter lang und tief, ohne
Thüren und Fenster, die beide durch die ganz offene Strassenseite ersetzt werden.
Vor der Häuserwand läuft etwa i m über dem Strassenniveau und in gleicher
— i6 —
Höhe mit dem Boden des Warenraumes eine schmale Galerie, auf welcher
die Waren zum Verkauf ausgestellt sind, während der innere Raum als Ma-
gazin anzusehen ist; auf dem Boden und der kleinen Galerie sind zum Teil
schöne kleine Teppiche ausgebreitet, auf welchen die Kaufleute sitzen und ihren
Thee trinken. Je nach der Gattung der Waren erheben sich im Innern auch
Postamente mit Fächern bis zur Decke, ganz mit Waren vollgestopft; häufig
aber liegen diese einfach längs der Wände am Boden aufgestapelt. Durch ein-
fache hölzerne Läden werden diese Buden bei einbrechender Dunkelheit und
dem damit verbundenen Schlüsse des Geschäftes verschlossen.
Der grosse und verkehrsreiche Bazar von Buchara besteht nun aus einer
Anzahl solcher Art überdeckter Strassenzüge von unregelmässigem Verlaufe,
aber ziemlicher Ausdehnung, in denen sich Bude an Bude reiht und immerfort
ein sehr lebhafter Tausch- und Kaufverkehr vollzieht. Die Mannigfaltigkeit der
Produkte, die hier zusammengehäuft sind, spottet der Beschreibung und nur
dadurch, dass gleichartige Gegenstände im allgemeinen besondere Abteilungen
einnehmen, kommt etwas Ordnung in das Chaos.
Ist das Gewühl der emsig dahineilenden Menge an manchen Stellen der
engen Bazarstrassen schon so gross, dass man nur langsam unter fort-
währendem Ausweichen weiterkommt, so steigert sich das Gedränge bis zur
vollkommenen Verkehrsstockung, wenn sich einige der grossen, breiten zwei-
rädrigen Wagen begegnen oder eine grössere Kamel-Karawane die Kreuzungen
der engen Strassen durchzieht. Denn in Buchara zieht alles durch den
Bazar, der ja nur aus Strassen besteht, und so kommt es vor, dass sich
viele Wagen an einzelnen Stellen ansammeln und weder ein Vorwärts noch
Rückwärts möglich ist. Die Entwirrung eines solchen Knäuels geht natürlich
nicht ohne einiges Schreien und Lärmen ab, besonders wenn sich Europäer
oder Russen darunter befinden. Die einheimische Bevölkerung erträgt aber
dieses Hin- und Herschieben, das Warten und ewige Ausweichen mit ebenso
grosser Geduld, wie den Schmutz auf den Strassen, in den man hineingedrängt
wirdi Besonders schlimm ist es nach dieser Seite hin in den Strassenteilen
bestellt, welche, ohne überdeckt zu sein, einzelne Teile der Bazarstrassen ver-
binden und viel Verkehr besitzen. Diese Wege sind meist so ausgefahren,
dass sie in der Mitte am tiefsten liegen und nach den Seiten mitunter stark
ansteigen; der Boden ist lehmig und wenn er nass ist — im Winter der
gewöhnliche Zustand — so ist es für den Fussgänger unausbleiblich, dass er
an den glatten Seiten ausrutscht und nolens volens sich in dem grossen
Sumpf der Mitte bewegen muss, bis ihn ein Wagen oder Kamele wieder zu
kühnen Seitensprüngen nötigen, die aber zuletzt doch wieder in der Mitte
endigen. Es ist schon das beste, im Wagen durch den Bazar zu fahren und ab
und zu halten zu lassen ; will man aber die einzelnen Läden und ihre Produkte
genauer kennen lernen, so muss man sich doch zur F^usspartie in das Gedränge
und den Schmutz entschliessen.
— 17 -
Eine grosse Abteilung des Bazars ist ganz gefüllt mit Tüchern russischer
Fabrikation in allen Farben, häufig mit gelben und roten Mustern, die bei der
Landbevölkerung viel Anklang finden.
Alle Arten von einheimischen und fremden Materialwaren und Lebens-
mitteln, Gewürze und Rauchwaren, frische und getrocknete Früchte, grosse
Mengen von Getreide, Reis und Mais füllen ganze Strassenseiten. Ueberall
dazwischen finden sich zu Garküchen eingerichtete Läden, in welchen im
hinteren Teile alle Arten von Backwaren, in andern wieder Fleischpastetchen,
am Spiesse gebratenes Hammelfleisch und Suppen bereitet werden. Alle
diese Speisen, die vorn verkauft und auch gleich verzehrt werden, sehen
sehr appetitlich aus und schmecken ganz vorzüglich. Auch Theebuden sind
häufig und überall verteilt; eine wichtige Rolle .spielen Laden mit Zucker-
werk, das sehr beliebt ist, sei es in Form von überzuckerten Früchten oder
als zäher Zuckerteig.
Eine kioskartige Halle an der Kreuzung mehrerer Strassen hat den Mützen-
lagern Unterkunft gewährt, die in buntem Wechsel die Wände schmücken.
Besonders häufig sind bienenkorbartige, blaue Mützen mit schwarzem Rande
unten oder weisse der gleichen Art; auch grüne und ganz bunte, mit roten
und gelben Mustern versehene werden getragen.
Nicht weit von dieser Stelle haben die Geldwechsler ihre Stände. Sie
sitzen auf Teppichen und haben vor sich ein oder mehrere Häufchen der ab-
gegriflfenen bucharischen Kupfer- und Messingmünzen liegen. Sie handeln auch
mit Silberarbeiten, besonders kleinen Filigranen; es war aber nichts von Bedeutung
darunter.
In wieder andern Reihen findet man Blechwaren, Handwagen, Lampen
europäischer Herkunft; Bürsten, Siebe, sodann Lederwaren, Sattelzeug und
zum Teil mit Seide schön gestickte Satteldecken; Pelze und Felle, darunter
einige des schönen, weissen, in den Niederungen am Amu-darja vorkommenden
Irbis; auch alte Waffen und kunstvoll in Seide gestickte Gürtel mit reicher
Türkisbesetzung fehlen nicht. Mit solchen Gegenständen angeblich alter Pro-
venienz, aber neuer Fabrikation wird ein schwunghafter Handel getrieben, nament-
lich .seit durch kritiklose Einkäufe zu viel Geld besitzender Europäer die Preise
.sehr in die Höhe gegangen sind und für Unechtes ebensoviel gegeben wird wie
früher für gute alte Sachen.
Plötzlich schallt lautes Geheul — odet soll es Gesang sein? — durch die
Strassen; wii lauschen aufmerksam den sonderbaren Tönen. Wir .sehen merk-
würdige Gestalten zu je dreien auf jeder Strassenseite mit grossen, mützenartig
geformten, aber bis über die Schultern herabhängenden Pelzen und wunderbaren
Gewändern einherschreiten und dieses Geheul ausstossen. Es sind Derwische,
und ihre Gewänder bestehen aus einer Unmenge von einzelnen Lappen und
Stücken, die meist lose herabhängen, weil die Nähte wieder aufgegangen
sind, oder die Stücke nie richtig zusammengenäht waren. Ivs sind die richtigen
K u 1 1 e I c r , Üurcli Asien. 2
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Landstreicher und Vagabunden, wie die schlimmsten Exemplare, die man bei uns
von Oberländer oder Hendschel gezeichnet sieht — hier aber fromme, von der
Menge verehrte, fast heilige Männer mit viel Ungeziefer.
In einer besonderen Abteilung, einer überwölbten Halle, ist der Seiden-
bazar eingerichtet, in welchem besonders die Stücke mit den grossblumigen
bucharischen Mustern die Aufmerksamkeit erregen. Leder in Häuten und
daraus gefertigte Gegenstände, Stiefel, Schuhe, Reithosen mit schönen Seiden-
stickereien füllen ganze Gassen, ebenso nehmen Blechwaren, Kochkessel und
Wasser- sowie Theekannen vielen Raum ein; unter den letzteren findet man
manches kunstvoll gearbeitete alte Stück; neue VV^are ist aber nicht so billig
und nicht so schön wie in Samarkand und Kokan in Fergana.
Es wäre ermüdend, alle die Einzelheiten aufzuzählen, die weiterhin die
Marktstrassen erfüllen; vieles ist echt bucharisch und von sartischer Arbeit;
vieles haben die Steppe und die Oasen in der Wüste geliefert, selbst Persien»
Afghanistan und das ferne Indien und China sind durch schöne Handarbeiten
vertreten. Früher war der Import aus Indien grösser als heute, wo eine Zoll-
schranke gegen Afghanistan errichtet ist und dadurch die Konkurrenzfähigkeit
indischer Waren gegenüber russischen auf diesem Markte aufgehoben wurde.
Von besonders in die Augen fallenden, durch ihre Menge oder ihre
Originalität hervortretenden Handelsprodukten seien noch erwähnt: Vasen und
Teller, auch grosse Schüsseln, aus Thon gebrannt, mit einfachen Strich- und
Blumenornamenten; Ketten mit bunten Glasperlen, Muschelschalen oder
Korallen; bunte Strümpfe, Handtücher und Frottierlappen; eigenartige cymbal-
artige Musikinstrumente; Messer in kunstvoller Ausführung und reich mit
Türkisen besetzten Griffen; die bei den Orientalen so beliebten Koffer aus
Leder mit Messing- oder Silberbeschlägen und Lackbemalung; Kerzen in allen
Grössen und Fett; Glocken für Kamele; Wasserpfeifen, zum Teil aus den
auch sonst sehr viel vorhandenen, bizarr gestalteten Kürbissen hergestellt;
Zuckerwerk in buntem Papier, ganz wie unsere Bonbons oder Weihnachts-
konfekt.
In dem Teppichbazare findet man eine grosse Auswahl von bucharischen,
chiwe.sischen , kirgisischen Teppichen, Pallassen, Decken und sehr langen,
schmalen, mit Wolle oder Seide bestickten Tuchstreifen, sogenannten Do-
roschken; aber so schöne Teppiche, wie wir sie bei verschiedenen hohen
Persönlichkeiten sahen, und die Geschenke des Emirs waren, bekommt man
auf dem Markte nicht zu Gesicht Dagegen waren Tisch- oder Bettdecken mit
bucharischen Mustern: grosse rote Blumen und dunkelgrüne Blattguirlanden,
in ausgezeichneter Schönheit vertreten. Die grossen Abteilungen, in welchen
die weiten, faltigen Leibröcke oder Chalate feilgehalten werden, bergen auch
viele wertvolle, mit Silber und Gold gestickte Gewänder, welche der reiche,
prachtliebende Buchare bei festlichen Anlässen mit edelsteinbesetztem Gürtel zu
tragen pflegt.
— ig-
ln diesem Chaos findet das Auge einen willkommenen Ruhepunkt, wenn
eine der Strassen an einem freien Platze vor Moscheen, Medressen oder einem
andern bedeutenderen Bauwerke vorbeiführt. Buchara ist arm an hervorragenden
Bauten. Ein ca. 60 m hoher Turm, der Verbrecherturm genannt, gehört als
Minaret zu der grössten Moschee Bucharas (Kaijan Moschee), in welcher der
Emir täglich zu beten pflegt; von diesem Turme, der aus Ziegelsteinen mit
farbigen Mustern aufgebaut ist und am ehesten mit einem Fabrikschornstein
verglichen werden kann, wurden jeweils die zum Tode verurteilten Verbrecher
in einem Sacke heruntergeworfen, noch bis in die letzten Jahrzehnte.
Dieses Minaret, Manari Kaijan genannt, liegt in der Nähe der Burg des
Emirs, die sich, von einem der flachen Dächer aus gesehen, darstellt wie ein
mächtiges, festungsartiges Bollwerk mit niederen Türmen an den vier Ecken.
In architektonischer Beziehung bietet die Emirburg durchaus nichts Bemerkens-
wertes und das Innere zu betreten war uns nicht möglich. Bemerkenswerte
Bauten besitzt Buchara im Vergleich mit Samarkand überhaupt nur wenige;
meist sind es Moscheen und Medressen, von denen einige durch ihre Grösse
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen; aber an einzelnen der Medressen findet
man sehr schöne, alte Holzschnitzarbeit an Thüren und Friesen, sowie in
Fenster- oder Bogen-Oefinungen und an den Decken der Säle oder den Ge-
wölben. Bunte Ziegelmuster und Mosaik als Belag . scheint in früheren Zeiten
reichlicher vorhanden gewesen zu sein, ist aber jetzt meist verschwunden und
nur an geschützten Stellen sind noch Reste davon erhalten. Eine Ausnahme
macht die Sargerjan -Medresse, deren Front nicht nur noch sehr schönen
Majolikabelag führt, sondern deren innere Räume durch prächtige, wohlerhaltene,
alte Kunstwerke geschmückt sind.
Die Wohnungen der wohlhabenderen Bucharen entbehren durchaus nicht
einer angenehmen Wohnlichkeit, und in manchen Räumen ist sogar grosser Reich-
tum und Glanz entfaltet. Die Wände sind entweder weiss oder in einer ganz hellen
Farbe, z.B. hellblau, gehalten und enthalten zahlreiche, oft zierlich angeordnete kleine
Nischen, welche zur Aufbewahrung von Hausgerät, Spielsachen oder Schmuck
dienen. Auf dem Boden findet man die schönen, bucharischen Teppiche mit
rotem Grundton und eingewirkten Mustern, wobei oft die gelbe Farbe vorherrscht.
Besonders häufig kehrt ein grosser, sich besonders abhebender Stern in der
Mitte des Teppichs wieder, oder es sind deren fünf so angeordnet, dass ein
grosser in der Mitte und vier kleinere gegen die Ecken hin gelegen sind. Wenn
man in diesen Wohnungen den silberglänzenden Hausrat, z. B. die an Stelle
unserer Schränke zum Aufbewahren von Kleidern dienenden, silberbeschlagenen
Koffer, die schön geschnitzten, alten Truhen und die Bewohner in ihren bunt-
farbigen Gewändern und blitzenden Gürteln sieht, so vereinigt sich alles zu
einem farbenprächtigen Bilde, das in seiner vollen Schönheit hauptsächlich
da zur Entfaltung kommt, wo, wie in dem Lustschlosse Schirbudun, keine
Kosten gescheut werden, um die Ausstattung der Gemächer zu einer möglichst
— 20 —
glänzenden zu gestalten. In diesem herrlichen Schlosse pflegte der Kmir die
Vertreter der europäischen Mächte zu empfangen, auch bringt er einen Teil des
Sommers hier zu. Die Wände und Nischen zahlreicher Gemächer sind mit zier-
licher Schnitzerei in orientalischen Mustern, die vielfach an maurischen Stil
erinnern, ausgekleidet, und feine Stückarbeit^ sowie bunte Malerei füllen die
Zwischenräume aus. Von den prachtvollen Teppichen sind nur einige wenige
in dem Audienz-Saal zu sehen, die übrigen werden während der Abwesenheit des
Flmirs fortgelegt. Die Wohnräume sind im allgemeinen recht klein, aber alle
zierlich, sie machen den Kindruck fa«it kindlich -naiver Spielerei.
Die einzelnen Gebäude dieses Schlo'^ses sind durch Höfe mit Brunnen oder
Bassins verbunden und liegen in einem herrlichen alten Parke, der ringsum
durch eine hohe Lehmmauer nach aussen abgeschlossen und ausserdem noch
durch Soldaten bewacht wird.
Obwohl der Emir noch andere Schlösser besitzt, wird in der neuen Stadt
Buchara ein Palais für ihn gebaut, das, schon ziemlich vollendet, einen
schmucken Anblick gewährt.
Der Emir hat den Russen und der europäischen Kultur schon viele Zu-
geständnisse gemacht; wenn auch nominell unabhängig und nur mit Kussland
befreundet, i.st er doch schon thatsächlich dessen Vasall. Der Fürst selbst ist
in St Petersburg gewesen und fand grosses Gefallen am Hofleben im Winter-
palais; sein Sohn wurde im russischen Pagencorps erzogen und diente bei der
Garde; wahrscheinlich aber um die russischen Einflüsse in ihm nicht gar zu
stark werden zu lassen, wurde er vor einigen Jahren nach Buchara zurück-
gerufen und zum Gouverneur einer der Provinzen gemacht, in deren Haupt-
stadt er nun mit seinem schleunigst angelegten Harem residiert.
Auch in der Rechtspflege und vor allem in der Verhängung der Todes-
strafe zeigt sich das Heraufziehen einer neuen Zeit. Während früher die
Todesstrafe häufig und oft wegen geringer Verbrechen in grausamer Form
angewandt wurde, ist deren Beschränkung und vor allem die Abschaffung
der grausamen Todesarten in Buchara selbst eingetreten. Man behauptet
indessen, dass nach wie vor in den grösseren Städten allwöchentlich noch
Hinrichtungen stattfinden.*) Noch vor einigen Jahren wurde ein armer Mensch,
der einen Mullah beleidigt hatte, durch die Strassen zu Tode geschleift.
Der Emir wollte ihn zwar begnadigen, konnte aber dem Drucke der Geist-
lichkeit nicht widerstehen, die ihm ohnehin schon sehr zürnt wegen der
vielen eingeführten Neuerungen, die mit den althergebrachten Satzungen nicht
übereinstimmen.
•) Im Gefän^is in Alt -Buchara sahen wir zwei niedere Gehisse ijanz q^elullt mit Gefanjfenen,
«lie zum Teil Kettt-n an Hals, Annen und Füssen truijen. i'Is sassen in jeilem Räume etwa
25 Menschen, die I^uft war schlecht und h«Mss. Die Leute sahen nicht uns^Iücklich aus, obwohl manclier
von ihnen, vielleicht nur eines jjerinjjen Verjijt'hens wejjen eing-esperrt, ji^ewärtijj sein muss, dass er
verfressen winl und zeitlebens hier sitzen muss. Kismet!
— 21 —
Die Toten werden mittelst Bahren, auf den Schultern, ohne Sarg, nur in
Tücher gehüllt, mit einem aus Männern und Frauen bestehenden Gefolge auf die
vor der Stadt gelegenen Kirchhöfe getragen. Dort angelangt, wird der Tote
nur leicht eingescharrt und ein kleines, gruftartiges Gewölbe aus Ziegelsteinen
über ihm errichtet, das mit einer kleinen Oeffnung versehen ist, damit am
jüngsten Tage seine Seele einen Ausweg hat. Oft wird die Oeffnung aber
auch von Hunden und Schakalen benutzt, um nächtlicherweile zu den Toten zu
gelangen und sie anzufressen.
Häufig sieht man auf den Gräberfeldern auch grössere Grabdenkmale und
meist bei ihnen einige lange Stangen, Tugh-Stangen, die oben Wimpel und einen
grossen Rossschweif tragen ; es sind das die Zeichen, dass hier Heilige begraben
liegen, und der fromme Muselman bindet unten bunte Tuchstreifen und
Läppchen an, um seine Heiligen zu ehren.
Es wären noch viele eigenartige Gebräuche und Volkssitten anzuführen,
wenn das Bild von Stadt und Leuten vollständig werden sollte. Die wichtigsten
Züge des Volkslebens aber und das, was ein flüchtiger Besuch zu bieten
vermag, ist nach persönUchen Eindrücken dargestellt.
Die Eisenbahnstrecke von Buchara bis Samarkand wurde nachts zurück-
gelegt; sie bietet nichts Interessantes, und somit geht durch die Nachtfahrt
nichts verloren, in der man dem Glanzpunkte der muhamedanischen central-
asiatischen Welt entgegeneilt.
In der bilderreichen Sprache muhamedanischer Dichter heisst Samarkand
>das Paradies der Welt«, und fast unerschöpflich sind die überschwänglichen Ver-
gleiche, mit denen sie die Schönheiten und Vorzüge dieser Stadt preisen. Das gilt
bei den Muselmanen natürlich nur von dem alten Samarkand und insbesondere von
dem' Samarkand Tamerlan's, der vor fünf Jahrhunderten diese Stadt zum Mittel-
punkt der ganzen muselmanischen Welt machte; aber auch das neue Samarkand,
das erst seit der Zeit der Eroberung durch die Russen existiert, 1868, macht einen
sehr vorteilhaften Eindruck und ist jedenfalls die schönste der grossen Städte
Transkaspiens und Turkestans, wenn man die unmittelbar vor ihren Thoren
gelegene alte Stadt mit ihren herrlichen Baudenkmälern mit hinzurechnet.
Wie durch einen Park fährt man durch die Strassen von Russisch-
oder Neu -Samarkand. Die meist nur einstöckigen, aber sauber und hell
bemalten Häuser, die in weiten Zwischenräumen von einander stehen, sind von
hohen Bäumen umgeben, so dass zur Sommerzeit das ganze Haus im tiefen
Schatten liegt. Eben.so sind die Fahrdämme der Strassen mit Bäumen besetzt,
meist breitästigen Pappeln und Ulmen, und an vielen Stellen finden sich kleine
Gräben mit lebhaft fliessendem Wasser. Wenn man die Strasse entlang blickt,
wird der Horizont häufig durch malerische Ausblicke auf Gebirgszüge geschlossen,
die im Winter weiss von Schnee und Eis herüberglänzen.
Zur Zierde gereicht der neuen Stadt die an einem grossen, freien Platz
gelegene russische Kirche, sowie das Gebäude des Militär-Kasino in der Nähe.
— 22 —
Das Palais des Gouverneurs liegt in einem parkartigen Garten, und keine einzige
Strasse entbehrt des Baumschmuckes. Ein schöner Stadtpark bildet den
Mittelpunkt. Der schöne, breite Boulevard führt in seiner östlichen Verlänge-
rung direkt in die alte Stadt, deren kleine Verkaufsbuden dicht am Ende des
Boulevard beginnen und deren grosse Monumentalbauten schon von hier aus
in der Ferne sichtbar sind. Man gelangt auf einer breiten Strasse, deren
Anfang mit sartischen Verkaufsbuden besetzt ist, bis zum Registan, dem durch
seine Medressen und Moscheen berühmten Platze. Nördlich von dieser Strasse
sieht man die Lehmwälle einer Festung, der noch übrigen Fortifikationswerke,
die aber durchaus keinen ernsten Eindruck machen. Mehr wird unsere Auf-
merksamkeit gefesselt durch eigenartige Kuppelbauten, die in geringer Ent-
fernung von der rechten Strassenseite sichtbar werden und zu »GurEmir«, dem
Grabe des Herrschers, gehören. Ihnen galt unser erster Besuch.
Wer zum ersten Male die Wirkung der in lebhaften Farben aus glasierten
Ziegelsteinen ausgeführten Mosaikarbeit an grossen Monumentalbauten sieht,
erfreut sich eines starken Eindruckes. Obwohl die Bauten und hauptsächlich
deren Belag an den Aussenflächen vielfach gelitten haben, und dieser letztere
an vielen Stellen nur in Resten noch vorhanden ist, so ist doch überall die
Farbenharmonie der Komposition und die Kunst, mit der sie zur Ornamentik
verwandt ist, im höchsten Grade staunenswert und erweckt Achtung vor der
Höhe der künstlerischen Auffassung, die in Mittelasien vor mehr als 500 Jahren
geherrscht haben muss.
Das Grabmal des grossen Tamerlan, zum Teil auch nur als Ruine
erhalten, ist der älteste der in Samarkand die Bewunderung erregenden Pracht-
bauten der Vergangenheit. Der Herrscher soll es noch selbst haben errichten
lassen. Jetzt steht bloss der Hauptbau mit einer gerippten Kuppel, von den
Flügeln und seitlichen Minarets sind nur Reste erhalten geblieben.
An den Wänden einer Vorhalle oder eines Thores, durch welches man
in den Hof vor dem Mausoleum selbst gelangt, ist der Belag der farbigen
Ziegel und die Ornamentik noch gut erhalten; ebenso an der Hauptfront
des Mausoleums selbst und an der Basis der Kuppel. In dem unter dieser
Kuppel gelegenen, grossen, kapellenartigen, reich mit Marmor und Jaspis aus-
gekleideten Räume befinden sich neun Grabsteine; in der Mitte der grosse Nephrit-
block, welcher Timurs Grab bezeichnet. Derselbe ist mit Inschriften versehen,
die sich auf Traditionen und Genealogie von Timurs Geschlecht beziehen; die
übrigen acht Grabsteine gehören Freunden, Lehrern und Verwandten Timurs an,
und in einem Seitenraume befinden sich noch weitere Grabsteine von solchen
Verwandten.
Diese Grabkapelle macht einen recht imponierenden Eindruck. Das
Tageslicht dringt nur gedämpft herab bis zum Grabsteine des grossen Toten,
und der matte Glanz des Nephrites, der Marmorplatten und des Jaspis
an dem Wandbelage wirkt melancholisch ernst. Die zierliche Arbeit an einer
— 23 —
niederen Marmorumfriedigung der Grabsteine, die Ornamentik der Nischen
und Fensterwölbungen verleihen dem Räume den Charakter vornehm schlichter
Einfachheit, der durch die Kostbarkeit des Materials noch gehoben wird.
Hohe Stangen, oben mit Fahne und Rossschweif versehen und von Gläubigen
mit bunten Bändern und Wimpeln geschmückt, bezeichnen die Gräber der
Heiligen. Zwei solcher Zeichen befinden sich auch in der Grabkapelle zu
Seiten eines kleinen Altares zu Häupten des Grabes des »Grossen Timur«.
Eine niedere, dumpfe Krypta unter dieser Kapelle birgt die Gebeine der Toten.
Wirken die Bauwerke von Gur-Emir durch ihr ehrwürdiges Alter und
die Bedeutung des Namens, dessen Andenken sie dienen, so kommt bei den
andern der noch erhaltenen Prachtbauten auch das architektonische Element
und die Kunst der vorzüglichen Majolikakomposition in hervorragender Weise
zur Geltung.
Wer könnte sich dem Eindrucke verschliessen, den der grosse Hauptplatz
von Samarkand, der berühmte Registan, mit seiner Umgebung, den herrlichen
Medressen und Moscheen, ihrem bunten Aussengewande, den schiefen Minarets
und dem überaus regen Volksleben auf dem Platze selbst, macht?
Die Welt der prachtschildernden, orientalischen Märchen ist hier verwirk-
licht. Hier sehen wir den Märchenerzähler mit komischen Gesten und unüber-
troffenem Mienenspiel sein anspruchsloses Publikum unterhalten; da hören wir die
Derwische in ihren buntscheckigen, zerfetzten Gewändern mit monotonem Geschrei
oder Gesang herumziehen; dort wieder zeigt ein silberhaariger Greis die Kunst-
stücke einer grossen Bergziege, die er gelehrt hat, auf einzelne runde Holzstücke
zu klettern, die er schliesslich unter dem Tiere zu einer hohen Säule aufbaut;
dabei begleitet er das allmähliche Aufsteigen der Ziege mit einem fast beschwörend
klingenden, halb gesungenen, halb gemurmelten Texte; endlich die Geldwechsler
vor den Tempeln, wie zu Christi Zeiten, und die Menge der Kleinkrämer und
fliegenden Geschäfte aller Art, besonders aber von Lebensmitteln und Süssig-
keiten: Alles das vereinigt sich zu einem belebten Bilde.
Und auf all dies bunte Treiben, dessen tausendfaltige Seiten man nur
im Fluge übersehen, aber nicht im einzelnen beschreiben kann, blicken in ehr-
würdiger Ruhe die alten Bauten herab, die jedoch durch ihr buntes Aeussere
vollkommen in diese heitere Umgebung passen. Alles atmet Freude und Zu-
friedenheit; es fehlt der ernste Zug, dem man in den Kulturländern des Westens
so oft unter der niederen Bevölkerung begegnet. Man sieht den Leuten die
Armut an, aber sie haben nichts Verbittertes; sie freuen sich an den harmlosen
Witzen ihrer Erzähler und sind immer zum Lachen geneigt; Sorgen kennen sie
offenbar nicht. Das »Kismet« sorgt schon für sie; und wenn nicht, dann
ist es eben auch wieder »Kismet«.
Eine ernstere Seite muhamedanischen Geisteslebens finden wir in nächster
Nachbarschaft, wenn wir eine der Moscheen oder der meist mit ihnen verbun-
denen Medressen oder »Hohen Schulen c betreten. Um den Registan befinden
24 -
sich nach drei Seiten, mit Ausnahme der Südseite, an welcher die Strasse
vorbeiführt, die Fronten grosser Moscheen. Die gegen Neu-Samarkand hin
gelegene heisst Ulug-Beg-Moschee, gegenüber liegt die Schir-Dar-Moschee und
auf der Nordseite die Tillja-Kari-Moschee. Die Beschreibungen dieser alt-
ehrwürdigen Hauten sind in neuerer Zeit mehrfach gegeben worden, so dass
hier nur auf Albrecht, Rauder, Skrine and Ross u. a. verwiesen zu werden
braucht.
In Schir-Dar besuchten wir den Unterricht oder besser gesagt das Kolleg
eines berühmten Mandarissen (Professor), der gerade bei unserm Besuche eine
Vorlesung über ein Kapitel des Koran hielt, in dem die Verpflichtungen der
Wohlhabenden den Armen gegenüber enthalten waren.
Vom Hofe des Gebäudes gelangt man durch eine offene Thür in das
Auditorium, einen hohen Raum, in den durch das hoch gelegene, nicht sehr
grosse Fenster nur gedämpftes Licht hereindringt. Am Boden sind Teppiche
ausgebreitet und auf ihnen hocken oder knieen die Studierenden. Ks waren ihrer
lO bis 12, und jeder hat vor sich eine Ausgabe des Koran liegen, über die sie
sich beugen und mitlesen, wenn der Professor Stellen zitiert, wenn dieser aber
erklärt, so sehen sie auf ihn, ohne aus ihrer gebeugten Stellung herauszugehen.
Häufig stellen sie auch Fragen an den Lehrer. Es sind Schüler der verschie-
densten Altersstufen unter ihnen; schon stark bejahrte neben solchen, denen
erst der Flaum auf dem Kinn zu sprossen beginnt.
Der Professor selbst, ein würdig aussehender Mann in den besten Jahren,
.sass ebenfalls auf Decken seinen im Halbkreis geordneten Schülern gegenüber
und drehte während seines Vortrages fortwährend eine Orange in seiner Hand;
einige andere solcher Früchte lagen neben ihm. Vor sich auf dem Boden hatte
er eine dickleibige, in grossen Lettern gedruckte Koranausgabe. Irgend welcher
Schmuck des Saales und seiner Wände fehlte vollkommen, wenn man nicht
eine Anzahl aufgehängter gelber Melonen dahin rechnen will.
Als wir iii Begleitung eines russischen Offiziers eintraten, erhoben sich
alle sehr höflich, der Mandarisse reichte uns die Hand und hicss uns willkommen,
Stühle wurden für uns hereingebracht und dann der Unterricht fortgesetzt.
Derselbe trug ein sehr ernstes, würdiges Gepräge, und selbst die Anwesenheit
von Europäern vermochte nicht für einen Augenblick die Aufmerksamkeit auch
nur eines der Schüler abzulenken. P>agen und Gegenerklärungen folgten sich
rasch, dazwischen hielt der Vortragende auch längere Erläuterungen, die ohne
Unterbrechung angehört wurden.
Wir hörten einige Zeit zu und verabschiedeten uns dann von dem freund-
lichen Lehrer, der als einziger an dieser Mcdresse unterrichtet und uns noch
Thee anbot.
Die Wohnungen der Studierenden sind alle in dem Gebäude selbst und viel
einfacher, als selbst die denkbar ärmlichste Studentenwohnung auf unsern Hoch-
schulen. Man 'Steigt auf engen, hoclistufigcn, im Laufe der Jahrhunderte .stark aus-
— 25 —
«getretenen Treppen zum ersten Stockwerk in die Höhe; es kann immer nur je
einer hinauf oder herunter, da ein Ausweichen unmöglich ist, und man muss
immer Bedacht auf seinen Kopf nehmen, der mit allen möglichen Balken und
Vorsprüngen in Berührung kommen kann. Oben befinden sich weite Galerien
und noch viele grosse Hör- und Betsäle, während die Zimmer oder Gemächer
für die zahlreichen Studierenden nur aus äusserst dürftigen kleinen Nischen oder
Kämmerchen bestehen, denen jedes Mobiliar fehlt.
Wir sahen eine solche kaum etwas mehr als mannshohe Behausung mit
kahlen, nackten Ziegelwänden, die zwei der Studierenden zum Aufenthalt und
Nachtlager diente. Ein bis zum Boden reichendes, nur mangelhaft schliessendes
Fenster mit kleinen Scheibchen erhellte den Raum, auf dessen Fussbodcn an
zwei Stellen dünne Decken lagen, auf denen das Nachtlager hergerichtet wird.
Einige Bücher und einige Früchte, Kürbisse und Wassermelonen, bildeten nebst
einer Oellampe die einzigen Einrichtungsgegenstände, die nichts an sich haben,
was ein gründliches Koranstudium zu stören vermöchte. Solcher Schlafstellen —
denn Wohnungen kann man sie nicht nennen — sind mehrere Hundert vor-
handen, und während des Tages halten sich die Leute in den Hör- und Betsälen,
den grossen Galerien oder im Hofe auf.
Zur Glanzzeit Samarkands und in der Blüteperiode der muhamedanischen
Wissenschaft waren die zahlreichen Medressen von einer grossen Zuhörerschaft
besucht, und die mächtigen Bauten zeugen von der Bedeutung dieser Pflanz-
stätte der Wissenschaft und des Glaubens.
Die grösste Moschee, von der leider nur noch Trümmer erhalten sind,
liegt beim Grabdenkmale der Bibi-Chanim, der Lieblingsfrau von Timur, und
wurde von ihm zum Danke für den glücklichen Ausgang eines indischen Feld-
zuges und zu Ehren dieser seiner Frau 1399 errichtet. So stark auch die Zer-
störungen sind, welche der Zahn der Zeit, die Kriegsjahre und vor allem die
Erdbeben hier angerichtet haben, so ist doch die Grossartigkeit der gesamten
Anlage, die einen grossen Triumphbogen, zwei seitlich gelegene kleinere
Medressen und erst im Hintergrunde die grosse Moschee mit enormer Kuppel
umfasst, sowie an vielen Stellen die Schönheit der Majolikamosaik und die
Kunstfertigkeit im Aufbau der Säulen, Bogen und Gewölbe mit ihren tausend-
fachen Einzelheiten noch wohl zu erkennen. P>st wenn man liest, wie einst
die ganze Wandfläche innen und zum Teil auch aussen mit weissen Marmor-
platten, vergoldeten Reliefs und Inschriften bedeckt, wie die Säulen, Thür-
einfassungen und Kanzeln mit kunstvollen Arbeiten geschmückt waren, begreift
man, wie viel von der alten Herrlichkeit hier der Vernichtung anheimgefallen ist.
Von den beiden sechsseitigen Minarets, welche den Spitzbogen vor dem
Eingang in die eigentliche Moschee flankieren, ist von dem einen nur der obere
Teil, von dem andern aber fast die ganze obere Hälfte zerstört, während die
grosse, mit blauen Majolikaplatten ausgelegte Kuppel bedenkliche Risse zeigt
und mit baldigem Einstürze droht, falls neue l^^rdcrschütterungen eintreten sollten.
— 26 —
Einen grossen wunderwirkenden Koranständer, der, aus weissen Marmorplatten
aufgeführt fmher in der Moschee stand, hat man wegen dieser Einsturzgefahr
vor dieselbe verbracht und den zu ihm gehörigen Koran in der Moschee
Schach-Sinda ven%ahrt.
Alle die>e Bauten, die Moschee sowohl wie die grosse Kuppel des Mau-
soleums, haben besonders durch ein Erdbeben gelitten, das im September 1897
eintrat und so gefahrliche Risse in die Gewölbe und die Wandbeläge brachte,
dass bei einem grossen Teil derselben ein Einsturz und damit völlige Zerstörung
unvermeidlich ist. An manchen Säulen sind die herrlichen Majolika-Bekleidungen
richon so stark losgelöst, dass man meint, ein starker Wmdstoss müsse genügen,
um sie herabzuwerfen. Wegen der fortwährend drohenden Gefahr des Herab-
sturzens einzelner Steine sind die gefährdeten Teile abgesperrt und dürfen nicht
betreten werden. Auch das Aufsammeln der heruntergefallenen Mosaikstücke ist
verboten, da alle diese Altertümer in einem Museum gesammelt werden sollen.
Weniger durch ihre Grösse in die Augen fallend, als durch die Schönheit
ihrer architektonischen F'ormen und die aufs äusserste entwickelte Kunst in der
Zusammenstellung der Majolikamosaiken, der Herstellung der Thonreliefs und
der harmonischen Farben Wirkungen, sind die Bauten, welche unter dem
Namen der Schach-Sinda- Moschee zusammengcfasst werden. Es ist eine lang-
gestreckte, etwa 2 km von Bibi-Chanim gelegene Gruppe von zum Teil mit
Kuppeln überwölbten Kapellen, Mausoleen und Moscheen. Der Name Schach-
Sinda rührt her von der Moschee, die an der Ruhestätte eines grossen Heiligen,
des Prinzen Kassim-Ibn-Abbas, errichtet wurde, der unter dem Berge in einer
Höhle weiterleben soll und daher Schach-Sinda, »der lebende König«, ge-
nannt wird.
Die ganze Anlage ist sehr originell und zieht sich in einer langen Reihe
von aufeinander folgenden Gebäuden am Bergabhange hinauf zur Höhe von
Afrosiab. Im Laufe von 75 Jahren errichtet, dienen diese mit herrlichsten,
bunten Majolikabelägen geschmückten zahlreichen Räume, die zum Teil mit
Kuppeln versehen sind, dem Prinzen Kassim und seinen nächsten Angehörigen
zur letzten Ruhestätte, und man kann Albrecht nur beistimmen, wenn er sagt:
>Es überraschen bei diesen märchenhaften Porzellantempeln einer längst ver-
gangenen Zeit nicht allein die Feinheiten der kunstvollendeten Einzelausführung,
sondern auch die grosse Menge der Kunsterzeugnisse, die darauf schliessen
lassen, dass die Kunsttöpferei zur Zeit der Timuriden weit verbreitet gewesen
und zahlreiche, gleichzeitig lebende, tüchtige Meister gehabt haben muss, die
Timur mit seiner Macht und seinen Schätzen zur Aufführung seiner herrlichen
Bauten nach Samarkand zu ziehen wusste. Auch die Haltbarkeit der Kacheln
ist staunenswert, da alle noch an den Mauern befindlichen Majoliken farbenfrisch
und glänzend, sowie frei von Rissen sind, als wären sie gestern angebracht,
und durchaus nicht den Eindruck machen, schon über 500 Jahre den zerstörenden
Einflüssen der Atmosphäre getrotzt zu haben.«
— 27 —
Zu dieser letztgenannten Eigenschaft trägt allerdings die Trockenheit des
kontinentalen Klimas bei, wenn auch die Gegensätze zwischen sommerlicher Hitze
und dem aus den nördlichen Steppen kommenden Winterwinde recht be-
deutend sind.
Hinter den obersten Bauwerken von Schach-Sinda und weiterhin über
den von zahlreichen Unebenheiten gebildeten Berg dehnen sich weite Gräber-
felder aus, deren Monotonie unterbrochen wird durch ein etwas grösseres
Bauwerk zu Ehren eines Heiligen. Hier schliesst sich das grosse Feld der Gräber
und Trümmer von Afrosiab an, eine der ältesten menschlichen Ansiedlungen.
Schon als Hauptstadt des alten Sogdiana hatte Samarkand eine lange
Vergangenheit hinter sich, und die Zeit seiner Gründung wird verschieden
angegeben, von 1500 bis 4000 Jahre vor Christi Geburt Alexander der
Grosse eroberte Samarkand auf seinem Zuge gegen Baktrien und Sog-
diana. In ganz Mittelasien stand nach der makedonischen Zeit unter den
Sassaniden eine Kulturperiode in hoher Blüte, von der sich in Turkestan wie
Afghanistan noch zahlreiche Reste finden. Der buddhistische Glaube drang bis
hierher nach Westen vor und bestand neben der griechischen und zoroastri-
schen Religion. Auf die arabische Herrschaft und Selbständigkeit als Haupt-
stadt von Transoxanien folgte die Unterwerfung durch die türkischen Seid-
schukken im XI. Jahrhundert, und 1221 wurde die blühende Stadt gleich wie
Buchara von Üschingis-chan genommen und zerstört. Erst Timurlan, der es zu
seiner Hauptstadt machte, verhalf ihm zu neuer Blüte und schmückte es in der
geschilderten Weise mit hervorragenden Bauwerken. Zu Beginn des XVI. Jahr-
hunderts kam Samarkand zu Buchara, das unter den Scheibaniden Hauptstadt
wurde, und 1868 an Russland.
Durch Jahrhunderte, wenn nicht durch Jahrtausende, war das Trümmerfeld
von Afrosiab eine bedeutende Stätte menschlicher Geschichte; allmählich ver-
schob sich der Schwerpunkt weiter nach Westen in die Stadt Timurs, die sich
auch heute noch lebhaften Verkehrs erfreut, wenn auch das politische und
administrative Element, sowie die regierenden Gewalten wieder weiter nach
Westen in das heutige russische Samarkand vorgerückt sind.
Diese Teile der Stadt sind vornehm, ruhig wie die Wilhelmstrasse in
Berlin, aber in Alt-Samarkand wogt der Verkehr, blüht der Kleinhandel und
das Handwerk. Besonders an zwei Tagen in der Woche, an welchen grosser
Markt ist, herrscht lebhaftes Treiben auf dem Registan, auf der grossen Markt-
strasse, die von ihm nach Bibi-Chanim hinausführt, und in deren Seitenstrassen,
sowie auf dem weiten Felde, das von Bibi-Chanim nach Schach-Sinda hinab-
führt und hauptsächlich dem Schaf- und Pferdehandel dient.
Viele der Marktbesucher sind beritten und machen ihre Einkäufe ohne
abzusitzen; reihenweise sieht man sie so hart an den Buden stehen, und
die Fussgänger sind dann meist übel daran, weil sie in die Strasse hinaus aus-
weichen müssen, die durch ihr lebhaftes Gewühl von Pferden mit Wagen,
— 2S —
Keitem und Kameien ebenso unangenehm M uie durch den bei na-^-iem Wetter
fus*>tieren zähen Schmutz.
Kine Spiezialität des Samarkander Kunstgewerbes, die indessen auch noch
weiter im Osten und besonders in Kokan zu Hause i>t. besteht in der Anfertigung
von Kupfer- und Messingkannen für Thee von schöner Form und hautig aus-
gezeichnetem Omamentenschmuck. Auch alte derartige Kannen werden viel-
fach zum Verkaufe angeb<.>ten und sind zum Teil sehr ucrtvoU, besonders
wenn sie mit den im Orient so sehr beliebten Türkisen reich be-
setzt sind.
Im übrigen ist der Bazar seinen Produkten und Waren nach genau so viel-
gestaltig wie alle andern Verkaufshallen in den grösseren allen Städten des
turkestanischen und bucharischen Gebietes.
Wenn ich nach dem Volksleben auf dem Registan und auf dem Markte
urteilen soll, scheint die einheimische Bevölkerung noch wenig von den
europäischen Gebräuchen der Russen angenommen zu haben. Aber <ie hat
sich vollkommen an den Anblick der Europäer und auch ihrer Frauen gewöhnt,
<«> dass man nur sehr selten noch sieht, dass ein Muselman sein Gesicht weg-
wendet, wenn ein Europäer kommt, eine Ge^te de^ Al>scheues macht oder ihn
gar belästigt. Das strenge Auftreten der russi^hen Gouverneure hat Respekt
eingeflösst, und jeder Euro]>äer bewegt sich frei und ungehindert im dichtesten
Verkehre, da alles auf die Seite tritt und Wagen wie Reiter anhalten, wenn ein
Europäer vorübergehen will.
Uebrigens sind die wohlhabenderen der Bewohner europaischen Ver-
gnügungen nicht abhold. In einem verhältnismässig recht guten Cirkus.
der gerade in Samarkand — aber in der neuen Stadt - seine Pferde
und Clowns produzierte, waren mehrere Logen von Sartcn besetzt, denen
die Handkiisschen und feurigen Blicke der hübschen Reiterinnen ebenso zu
gefallen schienen wie die Produktionen, die von ganz kleinen Madchen am Seile
ausgeführt wurden.
Auch in andern, ernsteren Dinaren sieben die Leute den russischen Ein-
r.j-^sen nach und verlassen Institutionen, die ihnen Jahrhunderte lang für heilig
und unverletzbar galten. Noch gehen die meisten Frauen dicht verschleiert, und
der Muhamedaner halt mit Eifer an allen seinen reiiiriösen Einrichtimjjen fest.
Aber er beginnt sich an den Genuss des guten Biere> zu gewöhnen, das nicht nur
in Samarkand. auch in Taschkent, Marijelan und an andern Orten von Deutschen
gebraut wird, und dass er des Guten auch zuviel thun kann, sieht man gelegentlich
an den Folgen. Wenn erst das weibliche Element mehr für europaische Be-
dürfnisse empfänglich wird, dann werden die meisten der äusseren Schranken
fallen und die Bevölkerung wird dem Eindringen europäischer Kultur weniger
Widerstand entgegensetzen, da sie von deren Nutzen und Zweckmässigkeit
schon jetzt überzeugt und nur durch altes Herkommen und religiöse Gesetze
einstweilen noch behindert ist.
— 29 —
Der Kisenbahnzug hatte uns glücklich von Samarkand bis an den reissenden
Syr-darja gebracht; die Weiterreise nach Taschkent musste von da ab zu Wagen
bewerkstelligt werden, zuvor aber hiess es die Frage lösen: wie über den Fluss
kommen. Schon die Fahrt auf der zur Zeit (Winter 1897) noch nicht eröffneten
Militärbahn bringt viele Unsicherheiten mit sich. Die Züge verkehren nicht regel-
mässig; sie dienen in erster Linie der Zufuhr von Baumaterial für die einzelnen
Stationen und dem Verkehre der Ingenieure und Bahnarbeiter; anderes Publikum
wird nur mit besonderer Erlaubnis der Direktion zugelassen, und dafür, dass
kein Reisegeld bezahlt wird, übernimmt man auch das Risiko, mit stunden* oder
tagelanger Verspätung anzukommen, wenn man überhaupt sein Ziel erreicht
und nicht schon vorher irgendwo zum Verlassen des Zuges genötigt wird.
Da häufig grössere Mengen von Baumaterialien ausgeladen werden müssen,
können recht lange Fahrtunterbrechungen eintreten. Unterkunft oder überhaupt
nur ein Fuhrwerk zu erhalten, ist meist unmöglich. Unter solchen Umständen
mag die Mitteilung, der Zug bleibe zwei oder drei Tage liegen, oder kehre über-
haupt zurück, nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehören. Unsern Zug
geleitete aber ein besonderer Schutzgeist mit einigen Stunden Verspätung glück-
lich zum Ziele, und sogar besonderer Komfort war durch einen Speisewagen
mit je einem Küchen- und Vorratswagen geboten, dessen Leistungen alle An-
erkennung verdienen.
Nach einer andern Seite hin war es für sehr viele der Mitfahrenden be-
deutend schlimmer bestellt, nämlich in Bezug auf das Nachtlager. Da in den
meisten Wagen der Verbindungsgang durch die Mitte geht, sind auf beiden
Seiten die Bänke zu kurz, um ein Ausstrecken des Körpers zu gestatten, so dass
man mit angezogenen Knieen liegen muss; dazu waren die meisten Wagen fast
überfüllt, und im Innern entwickelte sich im Laufe; der Nacht eine schreckliche
Atmosphäre. Nur wenige Wagen machten eine Ausnahme, darunter befand
sich der unsrige; dafür war er aber wegen eines Schadens am Ofen und eines
Schadens, den sich der Wagenwärter angetrunken hatte, schlecht geheizt. Wir
teilten ihn mit dem Gefolge, welches der in besonderem Wagen fahrende buclia-
rische Finanzminister, der als Gesandter zum Generalgouverneur von Turkestan
nach Taschkent reiste, mit sich führte. Dieser war wohl der Schutzgeist unseres
Zuges, der sein Steckenbleiben in der Wüste und Steppe verhinderte.
Am Bahnhof in Samarkand war am Nachmittage des 30. Dezember leb-
haftes Treiben; der Zug nach dem Syr-darja geht nur alle acht Tage einmal
und da hatten sich viele Reiselustige gefunden; vor Allem aber bestand die
bucharische Gesandtschaft aus einer grossen Anzahl von Leuten, die enorme
Ballen, in Teppiche vernäht, als Gepäck mit sich führten. Bis alles in Ordnung
war, hatte der Zug schon eine Stunde Verspätung. Endlich aber fuhr er in
melancholischem Tempo in die allmählich heraufsteigende, sich über das weite,
ebene Land legende Dämmerung, der sehr rasch völlige Dunkelheit folgte.
Das Wetter war unfreundlich; es begann langsam zu schneien.
— 30 --
Am Morgen beim Aufstehen hatte der Zug den Gebirgsausläufer nördlich
von Samarkand den Nuratanyn-tau und das Thor des Tamerlan schon lange
hinter sich; eine unendliche weisse Decke breitete sich über die ebene Steppe,
aus der sich in weiten Abständen die Wärterhäuschen für die Bahn oder in der
Entstehung begriffene Bahnhofsbauten abhoben, meist in der Nachbarschaft
einiger aus braunem Lehm gebauten, mit Schilf und Lehm gedeckten Hütten
der Eingeborenen. Ein düsteres Bild, diese kalte starre Einöde, über die sich
mit unablässigem Schneefall der strenge Winter legte.
Der Zug fuhr langsam; oft hielt er an und dann meist sehr lange, viel
zu lange für die Ungeduld der Reisenden, welche wussten, dass, wenn der Zug
richtig um ii Uhr morgens an die Brücke kam und auf dem jenseitigen Ufer
die Wege nicht gar zu schlecht wären, am Abend, wenn auch spät, Taschkent
noch zu erreichen sein würde. Auch wir, die wir gegenüber den Russen fühlende
Herzen besassen — hatten wir doch den letzten Tag des Jahres und Sylvester-
abend, während alle andern das russische Datum des 19. Dezember völlig gleich-
giltig liess — nährten den schönen Wahn, mit Deutschen in Taschkent, die uns
freundlichst als ihre Gäste eingeladen hatten, einen Sylvesterpunsch trinken zu
können und in traulichem Gespräche die ernste Stimmung zu meistern. Das
letztere gelang auch; die Rührung ging verloren oder kam schon gar nicht auf,
aber aus ganz andern Gründen, als wir uns vorgestellt hatten.
Als der Zug an der Station tBrückec ankam, war es schon 4 Uhr mittags,
anstatt 11 Uhr morgens, und die Aussicht, die Nacht im Wagen zubringen zu
müssen, daher ganz sicher.
Schon von einer weiter vom Flusse abliegenden Station aus war der Zug
nur ganz langsam von einer Lokomotive geschoben worden, bis er unweit des
Stromes auf einem hohen Damme stehen blieb. Weithin dehnte sich flaches,
schneebedecktes Land, die Lage des Flusses war durch Bäume und Gehölz
bezeichnet. Direkt unter dem Damme waren einige kleine Kibitken der Ein-
geborenen, runde, aus Lehm gebaute, mit Schilf und Lehm gedeckte niedere
Hütten, und unmittelbar vor dem Zuge ein dichtes Gewühl von Kutschern
mit hochräderigen Lastwagen, kleinen ungedeckten Tarantassen und sartische
Lasten träger. Auch zwei Polizisten hatten den Zug erwartet, oflfenbar, um
Unordnung bei der Landung des Bucharen zu verhindern.
Zunächst mussten die meisten Insassen des Zuges den hohen Damm
mit ihrem Gepäck hinunterbalancieren und durch den Schnee waten, da eine
hölzerne, bewegliche Treppe nur für die letzten Wagen, unter denen sich auch
der des Gesandten befand, aufgestellt war. Die vorhandenen Wagen waren im
Augenblick genommen; die sämtlichen Postpferde waren für die Gesandtschaft
und ihren Tross bestellt. Wir aber wurden glücklicherweise von einem Herrn
aus Taschkent mit Wagen und Pferden erwartet.
Es entwickelte sich nun ein ungemein lebhaftes Bild. Das Ausladen und
Aufladen der Gepäckstücke, das Hin- und Herrennen des grossen Trosses
— 31 —
des Bucharen und der Transport seiner enormen Menge von Gepäck machten,
verbunden mit dem Geschrei, ohne das es hier nun einmal nicht abgeht, einen
sinnbetäubenden Eindruck, um so mehr, als wir uns selbst an dem Gejage
beteiligen mussten. Der Buchare sah inzwischen mit orientalischer Ruhe und
Gleichgiltigkeit aus seinem Wagen zu und wartete, bis sein Gefährt bereit war.
Unterdessen waren schon eine Anzahl von Wagen abgefahren, andere
schickten sich dazu an, um ja die Fähre früh zu erreichen und vor den andern
einen Vorsprung zu gewinnen. Auch wir fuhren nach der etwa eine Viertel-
stunde von der Haltestelle des Zuges entfernten Ueberfahrt, die in der Regel
auf einer grossen Fähre bewerkstelligt wird.
Der Syr-darja ist hier ziemlich breit und reissend, besonders am linken
Ufer; er führte eine Menge grosser Treibeisschollen, so dass sich Zweifel
erhoben, ob die Ueberfahrt mit Wagen und Pferden überhaupt möglich
sein würde. Das Land zu beiden Seiten ist eine mit wenig Sträuchern
bewachsene Steppe, in der einige den Fährleuten gehörige, armselige Hütten
stehen, und darüber wölbte sich ein blauer Himmel, an welchem schon die
roten und violetten Töne der Abenddämmerung sich zu zeigen begannen, als
wir die Fähre erreichten.
Hier erwartete uns die erste Ueberraschung, deren noch eine ganze Reihe
im Laufe des Abends folgen sollte.
Die grosse Fähre stand etwas unterhalb der Landungsstelle am Ufer fest
vertaut, da sie wegen des starken Eisganges vor wenigen Stunden ausser
Betrieb gestellt worden war. Mittags waren Reisende noch auf ihr übergesetzt
worden. Der Verkehr wurde nun durch ein kleineres, freies, nicht wie die
grosse Fähre weit oberhalb im Strome verankertes Boot aufrecht erhalten,
welches für jede Fahrt nur wenige Reisende mit Wagen und Pferden auf-
nehmen konnte. Dieses Boot war bereits auf der andern Seite mit Ausladen
beschäftigt, wie aus dem von dort herüberdringenden Geschrei mit Sicherheit
geschlossen werden konnte. Es hiess also, sich mit Geduld wappnen, und
es war nur ein Trost, dass es allen andern, die schon früher vom Zuge
weggefahren waren, genau ebenso ging.
Hier am Ufer des gurgelnden, seine Eisschollen dahinführenden Stromes,
inmitten trostloser Umgebung, standen sie alle da, die Lastwagen mit ihren
mannshohen, ungefügen Rädern und hoher Bepackung, die Reisetarantasse,
dieses jedem Russen wohlbekannte Folterwerkzeug, in dem man Tage und
Nächte lang über die unfahrbarsten Wege weggeschleppt wird, ohne dass
starke Federn die Stösse milderten oder ein weicher Sitz einige Erleichterung
brächte; die kleinen Reisewagen endlich mit Federn und einem Schutzdach
gegen Wind und Regen, das auch oft den Tarantassen fehlt.
Viele Reisende waren ausgestiegen und gingen am Flusse auf und ab,
andere wollten ihr warmes Plätzchen auf dem Wagen nicht verlassen, wohl in
der Hoffnung, dass der Aufenthalt nicht lange dauern würde, einige erfahrene
— 32 —
Kenner derartiger Verhältnisse aber warfen ernste Blicke auf die armseligen
Hütten der Umgebung, als suchten sie aus, welche wohl zu einem unfreiwilligen
Nachtlager am geeignetsten sein dürfte, und sahen nach dem allmählich in
hcrrhcher Abendfärbung erp;l übenden Himmel, ob er wohl einen Aufenthalt im
Freien gestatte, der immerhin den besagten Hütten vorzuziehen gewesen wäre,
wo Menschen und Tiere in Eintracht und fürchterlicher Atmosphäre zusammen-
hausen, und wo jeder, der sie nur wenige Minuten betreten, Andenken mitnimmt,
die zwar keine Freude bereiten, aber sich noch sehr oft in Erinnerung bringen.
Das Vernünftigste, was man einstweilen thun konnte, war abwarten. Vor
den Hütten aber, unter dem Schutze des vorspringenden Schilfdaches, wurde
ein Samowar aufgestellt, aus den Wagen holte man das bei jeder Ueber-I^nd-
Reise in Russland unentbehrliche Theegeschirr und einen Wodka oder Cognak,
und mit flilfe dieser Utensilien, besonders bei nachdrücklichem Gebrauche der
letztgenannten, gewann die Situation bald ein erträglicheres Aussehen. Die
verschiedenen Teile der Reisegesellschaft, die sich bislang gar nicht um
einander gekümmert hatten, kamen ins Gespräch, man tauschte seine Vor-
räte aus, und nach einiger Zeit herrschte über die unfreiwillige Situation solche
Heiterkeit, dass sie sogar durch einen photographischen Momentapparat fest-
gehalten werden sollte.
Nun aber verbreitete sich ein wenig erfreuliches Gerücht. Wenn endlich
das Boot zurückgekommen und auf diesem Ufer ausgeladen wäre, sollte zuerst
die Gesandtschaft mit all ihrem Tross eingeschifft werden, und dessen war
so viel, dass unmöglich Alles auf dem einen Schiff untergebracht werden konnte.
Es musste also die Fähre zweimal den Weg hinüber und herüber machen,
che andere die Aussicht hatten, an die Reihe zu kommen, und da sich unter
diesen andern einige höhere russische Beamte und Offiziere befanden, gestaltete
sich die Lage für uns minder Hochgestellte wenig hoffnungsvoll.
Etwa lO Minuten weiter oberhalb stand am Flusse eine ärmliche Hütte;
mit der Hand konnte man das Dach erreichen, doch war sie aus Ziegelsteinen
gebaut und barg einen Wärme spendenden Herd und längs der Wände auf-
gestellte Bettstellen mit Decken, die dem Besitzer, einem Fährmanne, zum
Lager dienten. Hier konnten wir uns wärmen; unsere ICrwartungen waren
übertroffen, als sich sogar ein Samowar vorfand.
Die Hütte füllte sich allgemach und es herrschte eine gute Stimmung, die
auch nicht wich, als eine vorgefundene, umgekehrt stehende Tasse sich beim
Umdrehen als mit Flöhen besetzt erwies, und diese Tierchen sich auch sonst
bemerklich machten.
Es war lO Uhr geworden, als einzelne Kundschafter meldeten, dass das
Schiff mit dem Gesandten endlich vom Ufer abstosse. Mit einigen Rudern
wurde es bewegt und landete schliesslich ziemlich weit unterhalb der Abfahrts-
.stelle am jenseitigen Ufer, wo es dann eine Anzahl von Leuten eine grosse Strecke
weit langsam am Ufer hinaufzogen bis zur Landungsstclle, die drüben viel weiter
- 33 —
flussaufwärts lag. Unterdessen wurde auf ein zweites solches Boot die Bagage
und der Tross des Bucharen, sowie die Wagen der russischen Beamten ver-
laden; da gab es denn viel zu sehen, obwohl die Beleuchtung nur sehr mangel-
haft war.
Das Ufer fiel nicht hoch, aber ziemlich steil ab; drei schmale Bretter wurden
neben einander vom Ufer nach dem Decke des Schiffes gelegt und dienten
zum Uebergang für Menschen, Tiere und Wagen. Wenn nun die schweren
Reisewagen am steilen Abhänge herab auf die nach dem Radabstand auseinander
gerückten Bretter geschoben wurden und diese, da sie nicht befestig^ waren,
auseinander rutschten, oder wenn gar das Schiff, während ein Tarantass mit den
Hinterrädern noch auf den Brettern stand, nach dem Flusse hin auswich, und
wenn dann ein Brett nach dem andern mit dem freien Ende ins Wasser glitt
und der Wagen mit allem Gepäck nachfolgen wollte, da gab es spannende
Momente, in welchen sich aber die Unerschrockenheit der Fährleute zeigte,
welche immer noch, oft im letzten Momente die Katastrophe abzuwenden
wussten, ungeachtet dessen, dass sie selbst dabei Gefahr liefen, ins Wasser
zu fallen.
An der Abfahrtsstelle war unterdessen die Menge sehr zusammenge-
schrumpft; die leeren Karren, welche das grosse Gepäck gebracht hatten, waren
verschwunden, und diejenigen Reisenden, welche keine Aussicht mehr hatten,
heute über den Fluss zu kommen, waren weggefahren, um sich irgendwo ein
noch so primitives Nachtlager zu suchen, wozu die Haltestelle des Zuges und
dieser selbst die meiste Aussicht boten. Es sollte nämlich nur eines der beiden
eben abgegangenen Schiffe noch einmal zurückkommen, und der die Ordnung
aufrecht erhaltende Polizeibeamte hatte bestimmt, wer bei dieser letzten Fahrt
noch mitgenommen werden sollte. Glücklicherweise waren wir dabei. Einige
Frauen weinten, weil sie zurückbleiben mussten und nicht wussten, was sie mit
ihrem Gepäck anfangen sollten. Später waren sie verschwunden, vielleicht haben
sie noch einen gefalligen Lastfuhrmann gefunden.
Es wurde still an dem eben noch so belebten Platze, die Pferde, des
Wartens gewöhnt, standen unbeweglich, die Fuhrleute schliefen, und unsere
kleine Gesellschaft pilgerte wieder flussaufwärts zur Hütte.
Die Eisschollen im Fluss, deren Menge wuchs, schienen zu dampfen, so
stark war die Nebelbildung auf dem Wasser, und die bisher klare Atmosphäre
wurde so undurchsichtig, dass man kaum mehr die Lichter am jenseitigen Ufer
unterscheiden konnte. Fast schien es, als sollte in der Nacht noch Schnee vom
Himmel herunterkommen. Man sah es den skeptischen Gesichtern an, dass nicht
alle in unserer Umgebung davon überzeugt waren, dass überhaupt eines der
Schiffe noch einmal zurückkommen würde, nachdem es so spät geworden war.
Rufen von einem Ufer zum andern; unverständliche Antworten in sartischer
Sprache und wir sind so klug wie zuvor. Der reisegewohnte Russe und auch
der die Zweckmässigkeit des Verfahrens alsbald einsehende Westeuropäer verfährt
Futterer, Durch Asien. 3
— 34 —
:n v>Ichcr La^c nach dem Grundsätze: >Abwarten und Theetrinkcn*. den auch
die Mcriiziner kennen and anwenden, wenn sie vor einem >ignoramusc stehen.
Wir tranken wieder längere Zeit Thee. Ab und zu wurden wir von draussen
unterrichtet, da^ss das erste Schiff drüben ausgeladen werde, dass es. wie aus dem
fortge-^tzten Schreien, Rufen und Schimpfen zu schlie-sen sei. neu beladen werde,
cnd endlich, dass es abgegangen sei. Damit war eine Hauptsorge von uns
genommen; wir machten uns aber noch nicht fertig, sondern wollten das Aus-
lade^e^haft noch im Warmen abwarten.
Und das war gut. Denn, war das Schiff zu schwer beladen worden oder
hatten die herrschende Dunkelheit oder der Eisgang Schuld: genug, es war hart
an der Landungsstelle vorbei weit flussabwärts getrieben und sass nun dort auf
einer Sandbank ziemlich weit vom Ufer fest. Die Kräfte der Fährleute reichten
nicht aus, es wieder abzubringen, und der Fährenbesitzer wollte sich nicht dazu
verstehen, Pferde herbei zu schaffen.
Man behauptete, es seien das Personal und die Requisiten einer von Tasch-
kent nach Samarkand zurückkehrenden Theatergesellschaft darauf. Das nützte
un^ nun nichts, wohl aber eine andere Behauptung, obgleich sie sich später als
unrichtig erwies. Als einer der ebenfalls auf die Ueberfahrt wartenden Beamten
h^>rte, dass der technische Direktor und Leiter des Bahnbaues Samarkand-Taschkent
sich auf diesem Unglucksschiffe befinde und auf Hinüberrufen nach dem andern
Ufer eine Bestätigung dieser Nachricht erfolgt war, hatte er nichts eiligeres zu
thun, al-j von der Bahn Pferde zu requirieren, um seinen hohen Chef aus dem
Wa->er ziehen zu la.ssen.
Bald war das Schiff flott gemacht und zur Landungsstelle heraufgezogen.
Den Ausgeschifften aber boten sich neue Schwierigkeiten. An der Landung^-
stelle befanden sich nur solche Personen, die nach dem andern Ufer wollten,
kein Kutscher, kein Lastträger war mehr zu finden. Es erhob sich nun alsbald
ein Rufen und Fragen und Fluchen, Jammern und Weinen, als die traurige
I^age den Aermsten klar wurde. Die Theatergesellschaft hatte eigene Wagen,
die sie mit herüber brachte; in einem derselben lag ein riesenhafter Mime
oder gar der Herr Theaterdirektor selbst in einen noch riesenhafteren Pelz-
mantel gehüllt und machte sich schon von weitem durch sein mit Stentorstimme
hervorgestosscnes Schimpfen bemerkbar. Kaum angekommen, hatte er mit
dem Polizeiunteroffizier, als der geeignetsten Persönlichkeit, einen Streit an-
gefangen^ der von seiner Seite in der oben geschilderten Tonart geführt wurde
und ihm alsbald von der andern Seite die deutliche Bezeichnung Pianiza, d. h.
Säufer eintrug.
Frierende Theaterprinzesschen, bis an die Naschen eingehüllt, standen am
Ufer und warteten auf ihren Wagen, der nicht heraufgebracht werden konnte,
so lange der Tarantass mit dem schimpfenden Theaterdirektor im Wege stand.
Wieder anderes Gepäck, für das keine Wagen da waren, wurde einfach auf den
Schnee und den Besitzern zur Verfügung gestellt, denen es gänzlich überlassen
- 35 —
blieb, ob sie sich darauf setzen und so den Morgen und eine dienstbereite
Person abwarten wollten, oder ob sie es vorzögen, für sich selbst zu sorgen
und das Gepäck im Stich zu lassen, mit dem Vertrauen zum Himmel, dass er es
sie morgen an derselben Stelle wiederfinden lassen würde.
Als endlich die Beladung des Schiffes mit der letzten Fracht begann, fiel
gleich der erste Tarantass mit seinen Hinterrädern in die Lücken zwischen
den einzelnen Brettern und damit beinahe ins Wasser, auch einem Pferde
ging es ähnlich. Auf das immerhin kleine Schiff wurden gestellt: vier grössere
und kleinere Reisewagen, 20 Pferde, eine Anzahl kleinerer Karren, viel kleines
Gepäck und endlich die dazu gehörigen Personen, die in ihren Wagen Platz
nehmen mussten, weil sonst kein Raum war.
Am Ufer hatte sich die lärmende Gesellschaft verlaufen, nur einige Fähr-
leute zogen unser Boot langsam flussaufwärts, bis es alsbald mit seinem Buge in
den Strom sich hinaus wandte und wir uns zwischen den treibenden Eisschollen
auf dem weiten Strome befanden.
Das Ufer verschwand rasch. Ueberall auf dem Wasser lag dichter Nebel,
krachend schlugen die starken Ruderstangen auf die mächtigen Eisschollen,
scheinbar ohne einen merkbaren Einfluss auf die Bewegung des Schiffes. Wir
trieben schnell abwärts, sahen aber bald das rechte Ufer, auf das einige Boots-
leute hinaussprangen, um das Schiff heranzuziehen.
Das Ufer war flach, dicht beschneit und stellenweise mit Eis bedeckt; kein
Weg, kein Steg, keine Hütte, erst eine halbe Stunde Weges weiter oberhalb
war die eigentliche Landestelle und wohl auch Unterkunft. Die wenigen Leute
konnten unmöglich das schwere Boot stromaufwärts schleppen, und so ent-
schlossen sich denn einige, an Land zu gehen, um von der Landungsstelle Hilfe
und, wenn möglich, Pferde zu holen.
Der Uebergang an Land geschah auf zwei langen neben einander gelegten
Rudern, auf denen man sehr vorsichtig hinüberturnen musste, um nicht in das eisige
Wasser zu fallen. Infolge dieser schwierigen Passage blieben denn auch die meisten
der Reisenden an Bord und ich sah mich allein draussen mit unser m Gastfreunde
aus Taschkent. Wir wanderten schweigend an dem beschneiten Ufer entlang; vor
uns gingen zwei Sarten als Führer, ringsum stille Nacht, nur auf dem Flusse schoben
sich Eisschollen geräuschvoll über einander, oder zerbarsten mit dumpfem Tone.
Als wir endlich die Landestelle erreicht hatten, die durch einige verankerte
Schiffe und eine nicht mehr brennende Laterne kenntlich war, schien auch hier
alles Leben wie ausgestorben. Kein Mensch, kein Pferd war zu sehen. Dunkle
Stellen in einiger Entfernung erwiesen sich als Hütten und sogar als ein voll-
ständiges Dorf. Aber kaum ein Licht brannte, denn Mitternacht war längst
vorbei, freilich, ohne dass wir Gelegenheit gefunden hatten, den Beginn des
neuen Jahres irgendwie festlich zu begrüssen.
Einige misstrauische Hunde umkreisten uns, während wir zwischen den
Hütten herumsuchten und eindrangen, wo wir noch Licht sahen. Es waren alles
3«
- 36 -
Sartenwohnungen, und die Bewohner, wenn sie einmal schlafen, sind nicht ge-
neigt, selbst gegen hohes Entgelt noch etwas zu unternehmen. Es war nicht
schwer in die Hütten hineinzukommen, die aus Schilfrohr geflochtene Thür
öffnete sich leicht, und in dem niedrigen Räume, den das gleichfalls aus Schilf
mit Lehmüberdeckung hergestellte Dach überspannte, lagen eng an einander
gedrängt, in ihre Chalate eingewickelt, die Bewohner am Boden und schliefen.
Sie zeigten keinen Missmut über die Störung, wollten aber auf nichts eingehen,
erklärten, keine verfügbaren Pferde zu haben, und als wir endlich nach längerem
Herumsuchen wirklich Pferde und ihre Besitzer aufgetrieben hatten, weigerten
sich diese, die Tiere herzugeben, weil sie vor kurzem erst müde von der Post-
station zurückgekommen seien.
Verstimmt kehrten wir wieder an das Flussufer zurück. Hier wurde
uns aber die Freude, dass wir vom Schiffe Kufe hörten, die sich immer
mehr näherten, und binnen kurzem sahen wir einen wackeren Gaul, unter-
stützt von einigen Leuten, das P'ährschiflf heraufziehen. Die Ausladung war
sehr rasch erledigt. Es eilte aber auch jeder; die Fährleute wollten schlafen,
sie hatten sehr angestrengt gearbeitet; die vom Warten ermüdeten, durch-
frorenen, zum Teil hungrigen Reisenden wollten möglichst rasch die noch
einige Werst entfernte Poststation erreichen, und so sah man denn ohne
viel Abschiedszeremonien einen Wagen nach dem andern von dem ungast-
lichen Strome wegeilen.
Auch wir jagten dahin durch die helle Nacht und die schneeglänzenden
Gefilde; stundenweit war noch unser Ziel entfernt, und vor 5 Uhr morgens-
mochten wir es kaum erreichen. Im Tarantass sassen wir auf unsern
ReisekofTern , die durch einige darüber gelegte Decken zu wenig weichen
Sitzen umgewandelt waren. Unser Diener fuhr mit den Hunden ebenso
zwischen den durcheinander kollernden Gepäckstücken. Der Weg war holperig
und sehr schlecht; nichtsdestoweniger ging es in rasendem Tempo vor-
wärts; schon in ganz geringer Entfernung vom Flusse hörten die Nebel
auf, und die überschneiten Bäume und Sträucher, welche in parkartiger
Gruppierung den Weg begleiteten, boten in dem milden Sternenglanze
einen phantastischen Anblick. Es war eine herrliche Nacht, und der
Wunsch, sie ganz zu geniessen, wurde nur beeinträchtigt durch die immer
mehr überhandnehmende Müdigkeit und die unbarmherzigen Stösse des
Wagens.
Halb im Schlafe fuhren wir so durch die hohen überdeckten Strassen von
Alt-Tschinas, durch weite öde Gegenden oder durch fruchtbare Strecken, in welchen
schon der Rauhreif der kalten Nacht Bäume und Sträucher mit silberglänzendem
Schmucke überzog. Wir sahen alle diese Herrlichkeit nur in blitzartigen Bildern
aufleuchten, wenn ein kräftiger Stoss des Wagens uns zwang, die Augen zu
öffnen. Aber der Anblick dieser Mondscheinlandschaft verwob sich doch in
unsere Träume,
— 37 —
Endlich, um 5 Uhr morgens, wurde eine Poststation erreicht und zu einiger
Stärkung benutzt; aber bald ging es wieder weiter auf leidlich gutem Wege,
bis abends 5^/a Uhr Taschkent und damit das Ziel und der Ruhepunkt für
einige Tage erreicht war. Hier brachte uns gastfreundliche Aufnahme im Hause
des Herrn Dürrschmidt, bei seinem dortigen Stellvertreter und Geschäftsführer
Herrn Schubert, noch nachträglich die Feier des Beginns des neuen Jahres, das
voller Fragen und Rätsel vor uns lag.
KAPITEL 11.
Von Russland nach China.
Im Winter Aber den Terek-Dawan-Pass Im Alalgeblrce.
»Im Winter wollen Sie über den Thien-schan ?! Das ist ja ganz unmöglich,
die Pässe sind zu hoch, die Kalte wird zu gross; Sie werden mit Ihrer ganzen
Begleitung erfrierenU —
»Der Terek-Dawan-Pass ist 12700 niss. Fuss = 387 t m hoch, und wenn
auch im Winter üher ihn eine mehr oder weniger unregclmässige Verbindung
besteht, so ist diese nur gelegentlich und nur fiir einzelne Kosaken oder Kirgisen
benutzbar, welche an die Strapazen der weiten Ritte in grosser Kälte oder gar im
Schneesturm gewöhnt sind, für eine grössere Anzahl von Menschen mit Gepäcks-
karawane aber durchaus nicht anzuraten, < —
»Es sind furchtbare Abgründe da oben, Lawinen werden Sie in die Tiefe
stürzen, ungeheure Schneefälle versperren jeden Weg, und Glatteis bringt die
Pferde zum Sturze von den Fekenwcgen.« —
Derartig, und zum Teil noch schlimmer, lauteten die Bescheide, welche
wir erhielten, als wir noch in weiter Feme von dem Gebirge, welchem alle
diese liebenswürdigen Eigenschaften zugeschrieben wurden, uns erkundigten, ob
es wohl möglich sei, mit grösserem Gepäck, wie es zu einer Expedition nach
— 39 —
dem unwirtlichen centralen Asien und dem den Europäern feindlichen Tibet
unentbehrlich ist, im Januar von Fergana nach Kaschgar zu gelangen. Die
russischen Transportgesellschaften lehnten es ebenfalls sämtlich ab, unser
Expeditionsgut, das aus 40 schweren Kisten bestand, im Winter unter Ver-
sicherung der Lieferungszeit nach Kaschgar zu befördern.
Wir wussten nur, dass schon andere Forscher, wie z. B. LitÜedale, zur
kältesten Jahreszeit glücklich über den gefiirchteten Terek-Dawan-Pass nach
China gelangt waren, und so musste das schliesslich mit einigem Glück auch
uns gelingen, wenn schon wir eines etwas grösseren Transportes bedurften.
Schlimmsten Falles blieb immer noch der Ausweg, einen ganz andern Weg
einzuschlagen, und von Taschkent über Tolmak, den Issyk-kul-See und über die
Thien-schan-Pässe im Süden desselben Naryn und Kaschgar zu erreichen: ein
bedeutender Umweg, der aber bis Tolmak gute Poststrassen, im Hochgebirge
selbst weniger schwierige Pässe bieten sollte.
Die Absicht, gerade in der Mitte des Winters den Thien-schan zu durch-
queren, war nicht alpiner Sportlust oder jugendlichem Wagemute entsprungen,
sondern sie hatte ihren triftigen Grund darin, dass unsere Zeit für die Aus-
führung der ganzen Reiseroute durch Nordost-Tibet nach China sehr beschränkt
war, und femer, dass wir die Wüste Gobi zwischen Hami und Su-tschoü*) un-
bedingt vor Eintritt der heissen Jahreszeit, während welcher die Wasserarmut
dort ausserordentlich ist, passieren mussten. Um das zu können, durfte man
Kaschgar nicht nach Ende Februar verlassen, und in dieser Stadt selbst war
ein längerer Aufenthalt geboten, um die Zusammenstellung der Karawane und
die letzten Vorbereitungen ausfuhren zu können. Es war also, wenn Zeitverlust
vermieden werden sollte, unumgänglich nötig, im Januar das Grenzgebirge
zwischen China und Russisch-Central-Asien zu überschreiten und schon im No-
vember von Süddeutschland aufzubrechen.
Auch konnten die Eulenrufe, die wir unterwegs zu hören bekamen, unsern
Entschluss, es jedenfalls auf dem einen oder andern Wege zu versuchen, nicht
wankend machen. Der erste, der uns wieder begründete Hoffnungen machte,
dass der Uebergang über den Terek-Dawan keine unüberwindlichen Schwierig-
*) Für die Umschreibung der Namen sind nach gfUti^em Vorschlafe des Herrn Himly in Wies-
baden folgende Re^^eln f^iltig:
Alle Buchstaben der fremden ^geographischen Bezeichnuncren sind wie im Deutschen zu lesen.
In chinesischen Namen ist:
seh = sh der internationalen Schreibweise
hs der Wade'schen Aussprache ist entweder s oder h (d. h. ch in ich)
ö = Wade's 6
thsch = dem russischen <i (c, tsch)
tsch = H» (cz, dsch)
y =r dem deutschen j und dem englischen y
j = dem französischen j, russischen m.
In der russischen Schreibweise für chinesische Nsunen wird n, K, T durch p', k', t' wicdor-
p^e^eben und 4« T« ^ durch p, k, t.
— 40 —
keiten bereiten werde» war der Gouverneur der transkaspischen Provinz, Exe.
General Kuropatkin, der jetzige russische Kriegsminister, der selbst in den
Jahren 1876 — 1878 als Führer einer Gesandtschaft zu Jakub Bek nach Kasch*
garien diese Gebirge und das Gebiet von Kaschgar bereist hatte. Den sonst
in Betracht kommenden nördlichen Weg kannte der General nicht aus eigener
Erfahrung; was er uns aber über die Terek-Route mitteilte, bestärkte uns darin,
an unserm ersten Plan festzuhalten, wenn uns nicht in Taschkent von Seiten
des General-Gouverneurs der Provinz Turkestan, Generalleutnant Exe. Wrewski,
ernstlich abgeraten würde.
Je weiter wir nach Osten kamen, um so sicherer wurde es, dass der ge-
fürchtete Pass gangbar sein würde, und schon nach den in Samarkand erhaltenen
Nachrichten konnte das grosse Gepäck nach Fergana vorausgeschickt werden,
während wir selbst noch den Umweg über Taschkent machten, um den General-
Gouverneur dort aufzusuchen und seine Anordnungen kennen zu lernen.
Es zeigte sich, dass er schon nach Margelan, der Gouvernementsstadt
von Fergana, Weisungen hatte ergehen lassen und dass in Gultscha durch
Gnade des Zaren Kosaken zu unserer Begleitung bereit standen. Ueberall war
uns die Hilfe der Behörden zugesichert, und wir hatten später reichlich Gelegen-
heit, nicht nur den Wert dieser Hilfe, sondern auch die Liebenswürdigkeit, mit
der sie geboten wurde, sehr hoch schätzen zu lernen.
Schon in Taschkent fingen die Vorbereitungen für den Kampf mit der
Kälte und den im Hochgebirge zu erwartenden Schneestürmen an, und da in
Turkestan, den veränderten klimatischen Bedingungen entsprechend, andere
Gegenstände in Gebrauch sind als bei uns in den Alpen, so lohnt es sich wohl,
einiges von der Ausrüstung zu erzählen.
Eine wichtige Frage war die Beschaffung von warmen Pelzen. Die
im westlichen Europa üblichen sind für innerasiatische Winterkälte im Hoch-
gebirge zu leicht; es kamen nur die mit Rentierfell überzogenen Pelze in
Betracht, wie sie in Moskau angefertigt werden, oder aber die von den
Für die Uebersetzun^ nichtchiiiesischer Namen aus russischen Bezeichnun^^en Ist folf^endes
Princip befolg-t:
i^ = ts 3 = 8 H = ü aä = ai
^ =s tsch c = BS "b = je ö = jo oder
m = 8ch 2C = sh, z a = ja auch ö
m == schtsch x = ch 10 = iu y = u
Einige der häufiger wiederkehrenden, meist chinesischen Bezeichnungen mögen hier mit ihrer
Bedeutung zusammengestellt sein, um das Lesen zu erleichtem:
ho = h€ = che Fluss ling Joch, Pass tschou Bezirk (Stadt) IL bis
fu Bezirksstadt L Ranges nur, auch nor (mong.) See III. Ranges
gel (mong.) Fluss pu Ortschaft tschong Mauer, ummauerte
hsien Kreishauptstadt schan Berge, Gebirge Stadt
kou Bach, Mündung, Schlucht, schuei Wasser, Fluss tzö Sohn, Kind, als verklei-
Thalmündung so Ort nemde Endung gebraucht,
i = yi Eilbotenamt ssö Kloster = süme (mong.) Zeichen ein. Hauptwortes,
kuan Schluss, Pass, Zollstätte thing Bezirk IL Ranges Gegenstandes.
— 41 —
Bewohnern dieser Gebirgsländer, den Sarten und Kirgisen selbst benutzten Felle,
nämlich solche vom Wolf und vom einheimischen Schaf. In der richtigen
Qualität sind diese nur in den verschiedenen Städten Ferganas selbst zu haben,
und so war denn die Erledigung dieses Punktes der Ausrüstung bis zum Zeit-
punkt unserer Anwesenheit in Turkestan aufgeschoben worden.
In Taschkent selbst gelang es nicht leicht, etwas geeignetes zu finden.
Die dort ansässige Bevölkerung trägt wenig Pelze, auf den Märkten sind
meist nur die dickwolligen, schlecht gereinigten, übelriechenden Schaffelle
zu finden, und zwar ohne jede Bearbeitung; sind sie aber schon zu einem
Mantel oder, besser gesagt, Pelzchalat zusammengenäht, so ist dessen Form
ä la Sarte, d. h. vorn weit ofTen, ohne andern Verschluss, als durch ein um den
Leib gewundenes Tuch und mit Aermeln, die doppelt so lang sind, als sie bei
uns zu sein pflegen. Man brachte uns einige solche, die zudem auch schon
die Spuren des Gebrauches an sich trugen, und man wird es verstehen, wenn
wir nur geringe Lust verspürten, trotz der Notwendigkeit, gute Pelze zu haben,
gerade solche Erzeugnisse zu kaufen. Am letzten Tage endlich gelang es noch,
in der alten Stadt Taschkent, dem Sitze der sartischen Bevölkerung, zwei
fertige grosse Pelze, und zwar einen von Wolf- und einen von Fuchspelz
aufzutreiben; sie hatten die langen Aermel und waren innen zerrissen, so
dass sie in Kokan genäht werden mussten, entsprachen auch sonst nicht
ganz allen unsem Anforderungen, aber schliesslich entschlossen wir uns doch,
sie für 70 Rubel zu kaufen.
Gleich am andern Tage hatten wir schon Gelegenheit, uns dieser Er-
werbung sehr zu freuen; auf der Fahrt von Taschkent nach Chodschent waren
wir die ganze erste Nacht durchgefahren und schon dadurch ziemlich ab-
gekühlt, als sich nach der für diese Erscheinung berüchtigten Station Mursa
Rabat ein eisig kalter, sturmartiger Wind erhob, der so stark wurde, dass
bald die Wagen in Gefahr gerieten, umgeworfen zu werden. Es war unmöglich,
gegen den Wind zu sehen oder zu fahren, grosse Kieselsteine kamen daher-
geschossen, und die Haut schmerzte empfindlich an den Stellen, wo sie trafen.
Der Reisewagen war nicht verschliessbar, und ohne jene Pelze hätten wir
nur sehr schwachen Schutz gehabt gegen den eisigen Orkan, der in Europa
unerhört wäre.
In einem Tarantass, dem wir auf der sturmgepeitschten, wüstenähnlichen
Fläche begegneten, hatten sich die Insassen, in ihre Schafpelze eingewickelt,
auf den Boden hingelegt und Hessen die armen Pferde allein ihren Weg suchen;
zum Glück sind die Tiere hier so an die Unbilden des Wetters gewöhnt und
kennen die Gegend so gut, dass sie ruhig weiter gehen, ohne die Richtung
zu verlieren, höchstens bleiben sie bei gar zu starken Windstössen einige
Minuten stehen, um den Anprall vorübertosen zu lassen.
Dieses von Kieswüste bedeckte Thal, in welchem der Weg über den
nordöstlichen Teil des Mogol-tau zum Uebergang in das Thal des Syr-darja
— 42 —
hinaufführt, ist berüchtigt als Wetterloch, und selten entgeht hier ein Reisender
dem Ungestüm der Stürme. Glücklicherweise Hess der Wind, nachdem die
Wasserscheide zum Syr-darja-Flusse erreicht war, nach, und in Chodschent folgte
abends schönes Wetter.
Die weitere Fahrt nach Kokan in 15 Stunden verlief gut, und nur auf
der viel kürzeren Strecke zwischen dieser Stadt und Neu-Margelan traf uns
ein Missgeschick, das auf russischen Poststationen keine Seltenheit ist. Unsere
beiden Troiken waren seit morgens 8 Uhr unterwegs und glücklich um 4 Uhr
mittags auf der letzten Station vor dem Endziel angelangt, als dort der Post-
halter erklärte, er könne keine Pferde geben, da um 9 Uhr abends die
kaiserliche Post erwartet werde und für diese immer Pferde reserviert werden
müssten. Vergeblich war das Vorzeigen der vom General - Gouvernement in
Taschkent ausgestellten Bescheinigung, dass wir mit Empfehlung der Regierung
reisten und uns Pferde vor allen andern zu geben seien. Die Aussicht,
zunächst fünf Stunden auf einer armseligen Poststation im ungeheizten Warte-
zimmer sitzen zu müssen und dann vielleicht doch keine Pferde zu bekommen,
falls die Post sie alle mitnähme, war nicht eben tröstlich. Wollte man ganz
pessimistisch denken, so brauchte man nur noch den Fall anzunehmen, dass
die Post Verspätung hatte, und in Turkestan kommen solche Verspätungen
bis zu zwei Tagen vor. Vielfach ist auf den Poststationen nur ein Samowar
zu haben; alles andere Zubehör zur Abendmahlzeit, Frühstück etc. muss sich
der Reisende selbst mitbringen, oder er muss mit Thee und Brot fiirlieb
nehmen. Unsere Vorräte waren aufgezehrt, weil wir geglaubt hatten, das nur
noch vier Stunden entfernte Neu-Margelan im Laufe des Abends erreichen
zu können, und wir sassen nun ziemlich abgebrannt da mit Diener und
Hunden, die auch etwas haben wollten.
Auf die Frage, ob denn nicht aus dem in der Nähe liegenden Sartendorfe
Pferde zu mieten seien, erhielten wir eine bejahende Antwort. Allerdings lassen
sich diese Pferde nicht in Troikagespanne einspannen und ein Tarantass als
Ersatz für unsern zweiten, von der Post gestellten Wagen — der erste war uns
von Taschkent bis Andischan zur Verfiigung gestellt — war nicht zu haben.
Dafür aber sollten zwei Pferde unsern Tarantass ziehen, der Diener mit den
Hunden und den schwereren Gepäckstücken aber auf eine einspännige Arbe
verladen werden und so der Kreishauptstadt zusteuern. Nach einiger Beratung
fanden sich Sarten, welche zwei Pferde für den Wagen zu sechs Rubel, und
eine Arbe mit Pferd zu drei Rubel zu stellen versprachen. Die Arbe ist ein
zweiräderiger Karren mit über mannshohen Rädern, die weit von einander ab-
stehen; man sieht häufig in diesen Ländern ganze Familien auf der Arbe sitzend
reisen. Besonders feine Arben sind überdacht; das war nun jene nicht, und dem
gegen Abend beginnenden Regen, der einige Stunden anhielt, waren Gepäck
und Diener schutzlos ausgesetzt, während das Dach des Tarantasses doch etwas
den Regen abhielt.
— 43 —
Es wurde Nachts ehe die Arbe expediert war. Mein Reisegefährte und
ich hofften, ihr bald folgen zu können, diese Hoffnung verwirklichte sich aber
nicht. Trotz dringender Bitten erhielten wir aus den Sartenquartieren immer
nur die Antwort, »sogleich werden die Pferde kommenc, aber sie kamen nicht.
Dem Pferdebesitzer, einem wohlhabenden Manne, lag nichts an dem Verdienst,
den andern war es unbequem, in der Nacht auf schlechten Wegen durch die
Steppe zu fahren, und so Hessen sie uns denn einfach sitzen. Diese Art ist
charakteristisch für die indolente sartische Bevölkerung. Die Russen, welche sie
zu Handel oder in industriellen Betrieben verwenden müssen, können nicht
genug klagen über diese Gleichgiltigkeit des Sarten, der nur arbeitet, wenn er
Geld nötig hat, und seinen Dienst verlässt, sobald er ein paar Rubel besitzt, um
die Arbeit erst wieder aufzunehmen, wenn ihn von Neuem der Hunger treibt.
Endlich um 8 Uhr, nach schon elfstündigem Aufenthalt auf der Station,
kamen zwei Pferde, die vor einander an den Wagen gespannt wurden. Auf
jedes der Tiere setzte sich ein Sarte, und unter fortwährendem Antreiben der
wahrscheinlich von angestrengter Tagesarbeit schon ermüdeten Pferde ging es
anfangs in ziemlich geschwindem Schritte bei melancholisch herunterrieselndem
Regen durch die stockfinstere Nacht. Das war ein fortwährendes Gleiten,
Rutschen, Auf- und Niedersinken, Spritzen des vom Wasser durchweichten
Lehmbodens, und Schreien und Rufen der Treiber.
Allmählich wurde alles ruhiger, das Tempo der Pferde, das Lärmen ihrer
Reiter und das Stöhnen und Quietschen der Räder, allmählich schlief alles ein,
auch wir im Wagen, uns resigniert in das Unabänderliche fügend; ich glaube
fast, auch die Pferde schliefen, während sie sich im langsamsten Schritte vor-
wärts bewegten, so melancholisch -traurig wie das Wetter. Es lag Stimmung
in dieser Lage, wenn auch keine vergnügte, und sie passte ausgezeichnet zur
Umgebung, die sich aus einer reich bebauten, fruchtbaren, stark besiedelten
Oase in eine weite, eintönige Sandwüste verwandelt hatte, in welcher der Weg mit
seinen beiden Reihen von kümmerlichen Bäumen die einzige Unterbrechung bildete.
Stundenlang ging es so dahin. In Pelze und Decken warm eingehüllt, ver-
folgt man das langsame Weiterrücken des Gefährtes mit schwer verhaltenem
Grimme; man könnte schon sein Ziel erreicht haben, wenn die Schlingel auf
den Pferden nicht schliefen! Sie anrufen, lärmen, schimpfen, nützt nichts; der
Treiber schlägt ein- oder zweimal auf seinen Gaul, dieser geht zehn oder
zwanzig Schritte etwas rascher und dann ist alles wieder beim alten. Auch
bei uns. Wir schlafen ein, wir wachen wieder auf, es scheint uns, als hätten
wir Stunden geschlafen und die Gegend ist immer noch dieselbe. Ankommen
werden wir einmal; aber mitten in der Nacht; keine Aussicht mehr auf ein
warmes Abendbrot oder ein geheiztes Zimmer. Wieder senkt sich der Schlummer
auf unsere ermüdeten Glieder. »Es muss ja endlich Margelan kommen und
wenn es Morgen wird, es ist ganz gleiche, sind die letzten Gedanken, die uns
ins Reich der Träume hinüberbegleiten.
— 44 —
Was ist das? Traum oder Wirklichkeit? Wir sind angerufen von zwei
Reitern; noch schlaftrunken erkennen ^%n^ kaum die Abzeichen der Dschigiten
oder berittenen Polizisten, die der freundliche Gouverneur uns zum Empfange
entgegensandte. Lange haben sie warten müssen und um 2 Uhr nachts haben
sie uns glucklich abgefasst. Schnell ändert sich nun unsere Lage. Die Sarten
sind rasch ermuntert; ebenso die Pferde, die sogar noch einen Trab laufen,
wahrend die Dschigiten bald nebenher, bald voraus sprengen. Noch eine
Viertelstunde, und wir haben eine Oase in der Wüste, das Hotel »Wittec,
erreicht, weit im Lande berühmt und bekannt, weil es gute Unterkunft und
gute Küche liefert und einigermassen an komfortable europäische Hotels erinnert
In den meisten sogenannten »Nummernc, welche in vielen russischen Städten
die Hotels vertreten, findet man nur eine Bettstelle ohne Leintücher und Kissen
und mu^s sich sein Bett selbst mitbringen; auch die Ernährung ist meist sehr
mangelhaft; in vielen Orten Turkestans aber fehlen selbst diese primitiven
Unterkunftsstellen, so dass man ganz auf Gastfreundschaft angewiesen ist.
Wir waren sehr angenehm berührt, als wir ein schönes, grosses, warmes
Zimmer, gute Betten und noch einen kleinen kalten Imbiss vorfanden, den unser
zwei Stunden früher angekommener Diener hatte vorbereiten lassen.
Offenbar hatte er eine ähnliche Fahrt, wie wir auf seiner Arbe mitgemacht;
sein Wagen geriet einmal in einen Graben — hier scheint also nicht nur der
Fuhrmann, sondern auch der Gaul geschlafen zu haben — und es dauerte eine
halbe Stunde bis die schwerfallige Arbe nach Abladen alles Gepäckes wieder her-
au.sgezogen werden konnte.
Bei alledem haben wir noch Glück gehabt, mit einer mehrstündigen Ver-
spätung weggekommen zu sein; es hätte noch viel schlimmer gehen können.
Oft sitzen Reisende tagelang hungernd und frierend und warten; sind endlich
Pferde frei, so kommen hohe Beamte oder Offiziere und nehmen sie vorweg;
oder aber es muss eine Post abgewartet werden, die sich um Tage verspätet
Erfahrene Leute sagten, dass es häufig zu Thränen und bitteren Klagen auf
den Poststationen komme.
In Neu-Margelan ist der Sitz des Gouverneurs von Fergana, das gleich-
wertig mit den Provinzen Syr-darja und Samarkand dem General-Gouverneur
von Russisch -Turkestan unterstellt war; neuerdings ist auch die transcaspische
Provinz dem Generalgouvernement Turkestan zugeteilt worden. Hier sollten
wir näheres erfahren über die Anordnungen, die der Gouverneur, Exe. General-
Leutnant von Powalo-Schweykowski, für unsern Uebergang nach Kaschgar
getroffen hatte.
Wir fanden in ihm einen Herrn , der den wissenschaftlichen Zwecken unserer
Expedition ein liebenswürdiges Interesse entgegenbrachte. Dasselbe wurzelte
in den Erinnerungen an einen in den Hochgebirgen der Pamirs zur Grenz-
regulierung mit Afghanistan, beziehungsweise Indien, verbrachten Sommer,
die ihm sehr lieb zu sein schienen.
— 45 —
Da er selbst zur Besichtigung der Grenzdistrikte des Gouvernements die
Bergländer längs der chinesischen Grenze besuchen muss, kennt er die Art und
Weise des Reisens daselbst ebensowohl, wie die Ausrüstung, die man nötig hat,
und die Beschwerden und Entbehrungen, denen man trotzdem im Winter in den
grossen Höhen ausgesetzt ist, aufs Beste. Sein Rat war daher ungemein wichtig
und durch die väterliche Güte, mit der er für uns sorgte, verpflichtete er uns
zu aufrichtigem Danke. Wenn wir glücklich und wohl in Kaschgar angelangt
sind, so ist das der Voraussicht und Zweckmässigkeit seiner Anordnungen zu
danken und der Erfahrung der Offiziere und Beamten im Gebirge von Osch
ab, die durch ihn fiir die Expedition sich verwandten.
»Ich habe Sorge um Sie und Ihre Reise«, hatte schon Generalgouverneur
Baron von Wrewski gesagt, und in Margelan begegneten wir einer ähnlichen
Anschauung. Thatkräftige und selbstloseste Hilfe fanden wir auch bei einem
Beamten des Gouverneurs, Herrn Ottendorf, der als höherer Forstbeamter selbst
viel unterwegs ist, und uns neben andern nützlichen Dingen vor allem Pelz-
mäntel verschaffte, die beim Reiten zu gebrauchen waren. Unsere in Taschkent
gekauften, vorn offenen Pelze mit den langen Aermeln erwiesen sich nämlich
als hierzu ungeeignet.
Wir fuhren eines Tages mit ihm hinaus nach der zwölf Werst nördlich
von Neu-Margelan gelegenen alten Stadt desselben Namens. Es ging durch
reich bebautes, von vielen Bewässerungskanälen durchzogenes Land auf den
üblichen schlechten Wegen, auf welchen unser Wagen, der kaum für drei Per-
sonen Platz bot, fortwährend zu kentern drohte, durch schmutzige Dörfer und
in die von einer halb zerfallenen Lehmmauer mit Türmen umgebene Stadt, wo
die Strassen noch schlechter wurden und breitspurige Arben uns häufig den Weg
versperrten. So erreichten wir unter Drangaalen den ziemlich geräumigen und
ausgedehnten Bazar, der sich in nichts von andern turkestanischen oder
bucharischen Märkten unterscheidet.
Wir suchten zunächst die Wollfell- und Pelzhändler auf und fanden mit
Hilfe eines Dschigiten und eines alten einflussreichen Sarten, der Herrn Ottendorf
bekannt war, auch alsbald einen Mann, der uns die gewünschten langen Pelzmäntel
aus Wolfsfell binnen zwei Tagen herzustellen versprach. Die Form wurde ihm
angegeben und das Tuch in Neu-Margelan dazu besorgt; wir wählten das vor-
zügHche, widerstandsfähige Tuch der russischen Militärmäntel.
Einige Tage später besuchten wir ebenfalls in Alt- Margelan eine Tuch-
weberei mit sehr primitiven Einrichtungen und wurden vom Besitzer mit Thee
und Süssigkeiten bewirtet. Unter Führung einiger Dschigiten ging es dann
auf den sehr belebten Bazar; diese Polizeimannschaften sind eigentlich ein Ehren-
geleit; die Sarten wissen sofort, es kommt eine Persönlichkeit von Ansehen,
wenn solche Spitzenreiter vorangehen. Sie weichen dann alle ehrfurchtsvoll
aus, erheben sich von ihren Sitzen oder steigen von den Pferden, beim Vorbei-
fahren verbeugen sie sich ehrerbietig. Auf dem Bazare zeigt sich aber auch
- 46 -
der praktische Nutzen einer solchen Beßleitung; denn überall, wo ein Gedränge
ist oder Kamele und Reiter dem Europäer den engen Weg versperren, sind sie
es, deren Wort oder Peitschenhieb genügt, um schleunigst freie Bahn zu schaficn.
Es ist bewundernswert, mit welcher Gleichmütigkeit sich diese gutmütigen
Menschen fortjagen, zurücktreiben und gar schlagen lassen.
In einer besonderen Abteilung fanden wir sehr scheine Thonwaren: Teller,
lopferci-W^iren auf dem l);iiar in Oech.
Krüge, Schüsseln und ähnliches mehr, mit sehr originellen, in blauer leuchtender
Farbe ausgeführten Verzierungen.
Unter anderm erstanden wir acht Stück Jaktane, d. h, kistenartige Leder-
koffer, die gerade die richtige Grösse haben, dass ein Pferd zwei davon tragen
kann. Diese waren deshalb nötig, weil bei dem grossen Gepäck einige zu
grosse und schwere Eisenblechkisten sich befanden, die sich zum Transport
nicht eigneten. Ferner fanden wir für den bevorstehenden Winterübergang
grosse Pelzmützen , die über die Ohren herabreichen ; die Kirgisen tragen
— 47 —
sogar solche, deren Pelzflügel rechts und links vom Kopf bis auf die Schultern
herabhängen.
Hohe bis weit über das Knie reichende, in schönen Mustern gestrickte
Strümpfe bildeten eine willkommene Ergänzung zu unsern noch im Kaukasus
gekauften Pelzstiefeln und es fehlten nun nur noch pelzgefütterte Galoschen oder
Filzüberzüge, um die Füsse gegen Kälte wie Nässe gleichmässig zu schützen.
In einer Theebude des Bazars Hessen wir uns ein Frühstück bringen, das
wir auf Teppichen sitzend einnahmen und das aus Reis mit Hammelfleisch,
dem sogenannten Saschlück, einem Hauptgerichte der Sarten, und schmack-
haften Fleischpastetchen bestand; die letzteren werden ohne Besteck gegessen,
für den Saschlück ist jedoch ein Löfi^el aus Holz vorhanden.
Der Bazar bietet des Interessanten genug auf Schritt und Tritt; erwähnens-
wert ist das Quartier der Indier, die das Gewerbe der Geldverleiher und Wucherer
betreiben, sowie die vielen chinesischen Gegenstände aller Art, die aus Kaschgar
herüberkommen.
Eine weitere Beschreibung würde aber hier zu weit fuhren und so sei nur
noch erwähnt, dass wir in Neu-Margelan am 6. Dezember russischen Stils die
Truppenparade ansahen und der Feier, welche mit dem Eintauchen des
Kreuzes in das Wasser verbunden ist, beiwohnten, und dann mit der Post
nach Andischan weiterfuhren, begleitet von den freundlichen Wünschen des
Gouverneurs und seiner liebenswürdigen Gattin und ebenso von Herrn
Ottendorfs fürsorglichen Ratschlägen. Der Aufenthalt in Neu-Margelan hatte
sieben Tage gewährt und wird uns immer in treuer Erinnerung mit den
liebenswürdigen Menschen verbinden, die uns dort so freundlich aufge-
nommen haben.
Von Andischan, das wir gegen Abend erreichten, gilt dasselbe. Schon hier
zeigten sich die Anordnungen des Gouverneurs von Fergana in ihrem vollen
Werte. Hotel oder Nummer giebt es nicht in dieser Stadt und wir hätten auf
der ungemütlichen Poststation hausen müssen, wenn uns nicht die Räume des
Militärklub zur Verfügung gestellt worden wären. So erwartete uns ein prächtiges,
gut geheiztes Zimmer und Herr Oberstleutnant Michailow, der daselbst wohnt,
sandte uns ein gutes Mittagessen, so dass wir in jeder Beziehung trefTlich unter-
gebracht waren. Der Kreischef Herr Koischewski erkundigte sich persönlich
nach unserm Befinden und veranstaltete am Mittage des nächsten Tages einen
Besuch des Bazars der alten Stadt, die etwa zwei Werst von der neuen russischen
Stadt mit kleinem Fort entfernt ist. Berittene Polizisten in Galauniform jagten
voraus, wie im Sturme fuhren die Schlitten dahin, und wieder folgte eine
Bedeckung von sechs Mann im Galopp.
So gelangten wir rasch nach dem an diesem Tage sehr belebten Markte,
wo überall die Bevölkerung ehrfurchtsvoll den Kreischef grüsste. Wir sahen
hier schöne von den Kirgisen angefertigte Teppiche, die Muster und Figuren
in roten Farben auf dunkelblauem Grundtone zeigen.
- 4» -
Eine neue Medresse mit isoliert in der Mitte des Hofes stehendem
minaretartigem Turm war noch nicht ganz ausgebaut» aber in einzelnen Teilen
von Lehrern wie Schülern schon bezogen, die hier etwas komfortabler ein-
gerichtet sind, als in der alten Schir-Dar-Moschee in Samarkand. Auch hier
wurden wir reichlich bewirtet, und es wurden Aepfel, Granaten, Rosinen, Melonen,
europäische Süssigkeiten und orientalisches süsses Backwerk aufgetragen.
Schon am nächsten Tage verliessen wir Andischan, um möglichst bald
Osch zu erreichen, wo die letzten Reisevorbereitungen getroffen und daher
voraussichtlich mehr Zeit verwendet werden musste. An einem herrlichen
Wintermorgen fuhren wir in zwei als Troika bespannten Schlitten im Galopp
durch die tief verschneite Landschaft, immer zwischen niederen Hügeln bergan.
Tausende von Schneekristallen blitzten von den sanften Abhängen und am
fernen Horizonte glänzten im Frührot hohe Schneegebirge zu uns herüber.
Wer einmal in den Alpen bei Sonnenaufgang auf einem von Eis und
Schnee starrenden Gipfel gestanden, wer alle die weissen Zinnen und Gipfel
unter dem Kuss der ersten Strahlen der Sonne hat erglühen sehen, wer mit
eigenen Augen die wechselnden Farbenspiele geschaut hat, mit denen Gletscher
und Firnen den Tag begrüssen, wer es kennt, das ätherisch zarte Höhenleben
in Eis, Schnee und Licht, der wird das Hochgefühl ermessen können, mit
dem wir einem mehrtägigen Ritt durch diese winterlichen Bergländer ent-
gegen sahen.
Doch genug der Träumerei; dort erwarten uns in eine Reihe geordnet
vier Dschigiten in Gala mit ihren Ovationen; der Kreischef hat sie uns zur
Begrüssung gesandt; sie nehmen unsere Schlitten in die Mitte und im sausenden
Galopp geht es durch die sartische Altstadt Osch, durch das Gewühl des
orientalischen Marktes und die ehrfurchtsvoll grüssende Menge nach der neuen
russischen Stadt, in welcher uns im Militärklub, weil ein Hotel nicht existiert,
Quartier bereitet ist.
Auch hier galten die ersten Sorgen wieder den Reise Vorbereitungen.
Das grosse Expeditionsgepäck von 40 Stück war angekommen; es wurde
auf der gegen den Garten gelegenen Terrasse ausgebreitet und zum Teil
umgepackt, um das Gewicht für die Lastpferde zweckmässiger zu verteilen.
Die oben beschriebenen Jaktane waren schon von Neu-Margelan mit Arbe
vorausgeschickt worden und in diese verpackten wir diejenigen Gegenstände,
die wir immer zum unmittelbaren Gebrauch bei uns zu haben wünschten,
wie den photographischen Apparat mit Platten, wissenschaftliche, meteorologische
und geologische Instrumente, Proviant, warme Kleider, Munition und Waffen.
Es zeigte sich, dass für diese Lasten allein etwa fünf Pferde nötig waren,
so dass mit den Reitpferden für uns, den Diener und einen anzuwerbenden
Dolmetscher, sowie zwei uns zunächst begleitende Dschigiten, unsere Expedition
beim Abmärsche aus Osch aus elf Pferden bestand. Das grosse Gepäck ver-
langte noch weitere 15 Pferde, da es aber seiner Schwerfälligkeit wegen nur
— 49 —
langsam reist, wurde es für sich abgesandt und sollte uns erst in ICaschgar
wieder treffen.
Durch Vermittlung der Regierung war dem Karawan-Baschi, d. h. dem
obersten Leiter der Karawanen -Angelegenheiten, gesagt worden, dass er auf
alle Fälle 25 Pferde in Reserve halten solle, so dass keine Verlegenheit
nach dieser Seite hin für uns entstehen konnte. Die Reitpferde führte er
einen Tag später zur Probe vor und nach einigem Hin- und Herreiten
wurden sie angenommen.
Sehr wesentlich war für uns die Frage nach einem guten und ge-
wandten Dolmetscher, die hier in Osch eine gute Erledigung fand. Wir
merkten an Vielem, dass wir dem Ende des Bereiches der russischen
Sprache schon sehr nahe gekommen waren; von den Sarten verstanden
sehr viele nicht russisch; die Verkäufer auf den Bazaren konnten meist
nicht einmal den geforderten Preis russisch angeben und dasselbe gilt in
noch höherem Masse von den die Gebirge bewohnenden Kirgisen. Wie
es dann in dieser Hinsicht »drüben« in Kaschgar und China aussehen
würde, konnte man leicht erraten und ziemlich sicher sein, dass uns mit
unsern westeuropäischen Sprachen, selbst russisch noch mit einbegriffen,
nur in Ausnahmefällen jemand aus dem Volke oder in kleineren Orten
verstehen würde.
Schon in Neu-Margelan, Andischan und auch hier in Osch war eifrig
Umfrage gehalten worden nach einem als Dolmetscher für die Sprachen
russisch, sartisch (kirgisisch), mongolisch, und wenn möglich auch chinesisch,
verwendbaren und durch frühere Reisen nach Centralasien, Tibet oder China
erfahrenen Manne, der auch bei der Karawane Dienste zu leisten hatte. Es
wurden verschiedene Persönlichkeiten zur Auswahl präsentiert und deren Ver-
dienste wie Sündenliste mitgeteilt. Da war einer, ]der schon weit herum-
gekommen war, in verschiedenen geographischen Gesellschaften des Westens
sich hatte bewundern lassen und nun als kleiner Beamter ein Unterkommen
in Turkestan gefunden hatte. Aber er galt als gefährlich schlauer Kopf, dem
Nichts heilig sei, und ausserdem liebte er es, den andern Begleitern der
Karawane gegenüber den Herrn zu spielen.
Wieder ein anderer, der Dr. Swen Hedin treue Dienste geleistet und ihn
bis Peking begleitet hatte, auch die besten Empfehlungen besass, verstand
kaum ein Wort russisch, so dass er für uns nicht in Frage kam.
Ein dritter endlich sollte alle Vorzüge haben, die dem zweiten nach-
gerühmt wurden; er sprach russisch und sartisch, sah energisch und gesund
aus, war schon öfter auf den Pamirs und im westlichen Tibet gewesen, stellte
massige Ansprüche, stand in dem Rufe, dass er es verstehe, sich bei seinen
Untergebenen in Respekt zu setzen, war also eine sehr in Betracht kommende
Persönlichkeit, aber er trank, und zwar viel, sobald er in einer Stadt war, wo
er sich Alkohol in irgend welcher Form verschaffen konnte.
Futterer, Durch Asien. 4
— so —
Welches von den drei Uebeln sollten wir wählen.^
Als alten deutschen Studenten war uns das Laster des gelegentlichen
»Sußesc noch das am wenigsten unangenehme, zumal wir es ja in der Hand
hatten, während der Reise die Branntweinflasche beliebig hoch zu hängen, und
in einer grossen Stadt nach den gehabten Anstrengungen dem Manne eine
Erholung zu gönnen war.
Der dritte wurde also für den Preis von 40 Rubel monatlich und freie
Rückreise, nachdem die Expedition im östlichen China angekommen sein würde,
angeworben. Er hiess Asim Schakirow und zeigte in der Folge Verständnis
für die wissenschaftlichen Erfordernisse während der Märsche, da er schon
einmal einen Forschungsreisenden begleitet hatte. Wir waren um so sicherer,
eine gute Wahl getroffen zu haben, als der Betreffende hier in Osch Frau
und Kind besass. Er bat auch gleich um einen Vorschuss von einigen Rubel-
papieren, um die Abschiedsthränen mit diesem Löschpapier leichter trocknen
zu können, und verschwand alsbald, um die Seinigen auf die in drei Tagen
bevorstehende Trennung von etwa anderthalb Jahren schonend vorzubereiten.
Wahrscheinlich war der Schmerz über diese unerwartete Nachricht so gross,
dass er nicht gleich fortgelassen wurde; denn an diesem Tage sahen wir ihn
nicht mehr.
Da noch dringende Besorgungen auf dem Bazar in der alten Stadt zu
machen waren, fuhren wir in Begleitung eines sehr gewandten und liebens-
würdigen Herrn, des Leiters der Filiale des Geschäftes von Dürrschmidt in
Andischan, Herrn Kolen, nach dem Markte, der an diesem Tage sehr stark
belebt war. Gegenüber den andern von uns besuchten Bazaren waren hier
besonders viele berittene Kirgisen zu sehen: wetterharte, gebräunte Gestalten
in langen, aussen weissen, bis an die Fusssohlen reichenden Pelzmänteln und
grossen Pelzmützen, auf struppigen, aber kräftigen Pferden.
Wir kauften weite, grosse, bis über die Knie reichende Filz.stiefel, die
noch über die kaukasischen Pelzstiefel gezogen werden können und die wir
zum Schutze gegen Nässe unten mit Leder überziehen Hessen. Weiter waren
grosse Handschuhe aus Schafspelz, Filzdecken für unsere Hunde und die schön
gemusterten Pferdetaschen nötig, weiche zum Aufbewahren von Mundvorrat
und solchen Dingen dienen, die bei langen Ritten immer zur Hand sein müssen.
Endlich bestellten wir einige Leute, welche unsere Jaktane so herrichteten,
dass man sie zu Bettstellen benutzen konnte und nicht gezwungen war, sein
Lager auf dem kalten und oft feuchten Boden aufzuschlagen. Diese Ein-
richtung, welche in Russland vielfach benutzt wird, wird so getroffen, dass
an die Seiten der Deckel von je zwei Jaktanen Schlingen von Leder angenagelt
werden. Durch diese steckt man zwei lange Stangen, welche ihrerseits durch
breite Gurten der Länge und Breite nach verbunden sind; dieses Gitterwerk von
Gurten dient als Unterlage für das Bett, das aus Pelzmänteln, Wolldecken und
Schlafsack hergerichtet wird.
— 51 -
Am dritten Tage unserer Anwesenheit in Osch herrschte bei uns reges
Treiben. Kisten und Jaktane .wurden gepackt, im Vorräume nähten Sarten die
Bettunterlagen zusammen, unser Diener präparierte einige von Dr. Holderer
geschossene V^ögel, und ich machte meteorologische Bestimmungen, die er-
gaben, dass um ii Uhr mittags die Lufttemperatur nur — 3® C. betrug,
während das Insolationsthermometer in der Sonnenwärme bis auf 51,5*^ C.
stieg; morgens 8 Uhr war die Lufttemperatur noch — 12** C. Solche Beob-
achtungen sollten während der ganzen Reise durch das Gebirge bis Kaschgar
fortgesetzt werden, so dass es schon hier von Interesse war, eine Basis für
Vergleiche zu gewinnen.
Die Besorgung von Kirgisen-Sätteln mit Zaumzeug und Decken für unsere
Reitpferde hatte Asim übernommen, der sich am zweiten Tage wieder ein-
gefunden hatte, und es blieb nur noch die Sorge um den Proviant übrig.
Es ist durchaus nicht leicht, sich gut und allen Bedürfnissen entsprechend
zu versehen in einer Stadt wie Osch, wo nur zwei Magazine existieren, die
europäische Artikel dieser Art führen. Wir fanden Kakao, Chokolade, Nudeln,
Käse, Wurst -Konserven zum Kochen, Cakes und Bisquits, eingemachte Erd-
beeren, Zucker, Rotwein und Wodka, so dass wir mit den von Europa und
schon von andern Städten mitgenommenen Vorräten, wie kondensierte Milch
und Butter, Thee, Kaffee, Orangenmarmelade, Räucherwurst, Bündtner Fleisch,
Aleuronat- Gebäck, kondensierte Erbswurst und Suppen, schon hoffen konnten,
wenigstens der Gefahr des Verhungerns nicht ausgesetzt zu sein. Indessen war
auch frisches Fleisch nötig, und dessen Besorgung übernahm Asim, der durch
seine Kenntnis des sartischen Marktes und dessen, was sich auf Reisen bewährt,
billig und gut einzukaufen im stände war.
Für unsere Hunde hatten wir die Absicht, Kisten oder Körbe zu kaufen
und die Tiere in Filzdecken eingewickelt in diesen Behältern von einem Pferde
tragen zu lassen. Für den grösseren Hund standen wir von diesem Plane ab,
als es sich zeigte, dass er neben den Pferden herlaufen konnte. Der kleinere
Dachshund hingegen erhielt einen Filzsack, in welchem er bald von Dschigiten,
bald von unserm Diener Bock auf dem Arm getragen wurde. Das gab häufig
zu komischen Scenen Anlass, besonders wenn der des Reitens noch unkundige
Bock im Galopp mit dem Hunde dahersprengte und jeden Augenblick vom
Pferde zu fallen drohte, während der Hund auf der andern Seite sich nach
Kräften bemühte, aus der ihm unbequemen Lage und aus dem Sacke sich zu
befreien.
Trotz unserer angestrengten Thätigkeit war der Aufenthalt in Osch ein
sehr angenehmer. Die neue Stadt selbst ist klein und bietet nur wenig; ihre
schönen, geraden, breiten Strassen mit hohen Laubbäumen müssen im Sommer
kühl und schattig sein, ebenso wie die kleinen, von den Bäumen weit überragten
Häuser. Auf einem grossen, mit Anlagen versehenen Platze liegt die kleine
russische Kirche mit dem von ihr getrennten Glockenturm.
— 52 -
Die Lage von Osch ist malerisch. Geradezu prächtig ist der Blick von
der Terrasse der Wohnung des Kreischefs, die sich auf dem rechten Flussufer
etwas in der Höhe befindet Man übersieht die g^nze, mit Bäumen stark
bepflanzte Niederung längs des Flusses und auf dessen linker Seite, auf welcher
der grössere Teil der neuen Stadt liegt; weiter flussabwärts erheben sich einige
schroff aufragende Felsen, auf deren gegen die alte Stadt Osch am meisten
vorragenden Punkte ein muhamedanisches Heiligtum sich befindet. Zwischen
den Lücken dieses Felsengebirges und auf seinen beiden Seiten schweift der
Blick ungehindert hinaus in die fruchtbaren Ebenen von Fergana, während nach
allen andern Seiten das Panorama von grotesken, jetzt in der Winterzeit in
herrlichem Schneeschmuck glänzenden Bergzügen begrenzt wird.
Der letzte Tag in Osch war natürlich von morgens bis spät in die Nacht
hinein mit Geschäften aller Art voll besetzt. Schon moi^ens >%i]rden auf 3 Uhr
nachmittags die Lastpferde für das grosse Expeditionsgut bestellt, aber vorher
noch mussten alle Kisten und Koffer gut gepackt und verschlossen werden; auch
starke Leisten mussten um sie geschlagen werden, da die älteren, noch aus
Deutschland stammenden sowohl durch den Transport wie durch das in Tiflis nötig
gewordene Oeffnen schadhaft geworden waren.
Für den kleinen Koffer mit den wissenschaftlichen Apparaten wurde ein
besonderer Jaktan eingerichtet, ebenso für die photographischen Apparate; beide
wurden auf ein Pferd gebunden, das keine andere Last zu tragen hatte und
stets in meiner Nähe bleiben musste.
Es waren im ganzen 39 Stücke geworden, die auf 16 Pferden untergebracht
wurden. Besonders die Karabiner und Jagdgewehre, deren Munition und
die Zelte bildeten schwieriger zu behandelnde Stücke, die aber auch glücklich
Platz fanden; nach 5 Uhr zog diese erste Karawane ab, die wir ihrer lang-
samen Gangart wegen am nächsten Tage noch vor unserm ersten Nachtquartier
einholten.
Der Tag des Abmarsches, der 26. Januar, war angebrochen; pünktlich
um 8 Uhr waren die Reit- und Lastpferde da; es wurde aber doch gegen
9Y2 Uhr, bis wir abreiten konnten. Noch ein Händedruck mit Herrn Jessen,
die unvermeidliche photographische Aufnahme (Titelbild), und im Trabe ging
es die schöne Strasse hinab nach der alten Stadt, über den Fluss und dann
in östlicher Richtung durch flach-welliges, schneebedecktes Hügelland den
Bergen zu.
Der Weg bot wenig Interessantes: ab und zu ein Dorf oder einzelne Gehöfte,
schlechte Stellen mit Glatteis, wo das Wasser eines Bewässerungskanales weithin
Strasse und Felder überflutet hatte, oder einzelne uns begegnende Kirgisen mit
ihren Frauen; diese, nach Männerart zu Pferde sitzend, haben den unver-
schleierten Kopf mit hohem weissem Turban bedeckt.
Der Tag fing schon an zur Neige zu gehen, als wir zu einigen kleinen,
armselig aussehenden Hütten gelangten, die für heute unser Ziel und Nacht-
— 53 -
quartier bedeuten sollten. Wir Reiter, ausser Dr. Holderer, mir und dem Diener
noch Asim und zwei Dschigiten, waren den fünf Pferden, die unser Handgepäck
trugen, weit voraus gekommen, und so traf es sich denn, dass wir in diesen
Hütten zwar ein geheiztes Gemach und zwei schon vorbereitete Bettstellen
fanden, aber nichts zu essen hatten, ausser was eben jeder in den Sattcltaschen
bei sich fiihrte und noch nicht unterw^s aufgegessen hatte. An der all-
gemeinen Müdigkeit zeigte es sich, dass der Ritt von 30 Werst (= 32 km) für
den Anfang doch ziemlich viel war, nachdem wir beide längere Zeit nicht im
Sattel gewesen waren. An unserm Nachtquartier, Ljangar am Taldük-Flusse,
war auf Befehl der Regierung auch eine Kirgisen -Jurte aufgeschlagen, die für
mehr als 10 Mann Raum bot; da aber bei dem klaren Sternenhimmel die Nacht
kalt zu werden versprach, schien es besser, die niedrige, aber wärmere Lehm-
hütte zu beziehen.
Von Ljangar geht ein Fahrweg noch weiter das Thal des Taldük-Flusses
nach Südosten hinauf, biegt dann nach Osten ab und erreicht über den Tschigirt-
schik-Pass {2215 m)*) Gultscha, während wir einen kürzeren, aber schwierigeren
Saumweg über die Pässe Taka (2352 m) und Schalbeii (2112 m) direkt nach
Südost und nach Gultscha einschlugen.
*) Die Hühenane:"!"!!! tioA lumelat Torh^indenen Kürten eDliiommcii; wo solcUe niclit cxisliereu
Oller keine IIüheiuuie;a1>eii endialleD, «fml <lic Werte der Torläufi^eD ßerechnunsen mclucr lliiheD-
hestimmuncen aogeReben; die definiäven Zahlen aber, die erst berechnet wi-rden können, wenn die
Publikation der meleoroloK'ischen Bciibachtuncen aa( den ruasisohcn Stationeu eriol:^ Ist, werden in
Tabellen Im III. Bande dei Werkes enthiücen sein.
— 54 —
Am Morgen überraschte vor allem die warme Temperatur der Luft; der
Himmel war gleichmässig grau bezogen, und das während der Nacht ausgesetzte
Minimumthermometer zeigte an, dass auch während der Nacht die Temperatur
nicht unter — 2,5® C. gesunken war, trotzdem abends der Himmel klar war.
Das waren keine schönen Aussichten. Tüchtige Kälte wäre uns willkommener
gewesen als diese föhnartige Witterung.
Bis alles reisefertig war, wurde es 10 Uhr; zunächst wurde der Fluss
Taldük durchritten und dann ging es in einem öden Thale mehrere Stunden
aufwärts, wobei nichts zu sehen war, als eine gleichmässige Schneedecke über
massig zerfurchtem Terrain. Vom Passe Taka (2352 m), den wir durch dieses
Thal erreichten, sah man aber in wildere Gebirgslandschaften; leider war durch
die über den Berggipfeln lagernden Nebel die Aussicht stark beschränkt.
Sehr interessant verlief der letzte Teil des Abstieges zum Kaplan -Kul-
See (1731 m). Es geht durch eine enge steile Felsschlucht jäh einige hundert
Meter hinab; auf beiden Seiten ragen senkrechte Felswände mit tiefen Spalten
auf, und auf der engen Sohle des steilen Abstieges lag viel Schnee und Glatteis
über den lockeren Schuttmassen. Die grosse Gepäckkarawane legte gerade
diesen gefährlichen Weg durch die Schlucht zurück, als wir sie einholten. Es
war bewundernswürdig, mit welcher Sicherheit sich die schwer beladenen Tiere
den Weg suchten. Da bei etwa 20 Lastpferden nur vier Leute sich befanden,
war von einer Führung keine Rede und es blieb jedem Tier überlassen, zu
sehen, wie es weiterkam; nur ganz hinten waren zwei Treiber, um zu beauf-
sichtigen, dass kein Tier zurückblieb. Im Sattel hinunter zu reiten, schien
unter den Umständen sehr gewagt; als ich aber fühlte, wie sicher mein Pferd
auftrat, wie es klug die guten Stellen aussuchte und ruhig hinabstieg, kehrte
auch das Vertrauen wieder, und ich kam schneller und besser unten an, als
wenn ich es zu Fuss versucht hätte. Dass indessen nicht immer alles so glatt
abgeht, bewies ein ganz frisch abgeschlagenes Pferdebein, das am Wege lag,
während wohl der übrige Kadaver in der Tiefe liegt oder von Lawinenschnee
bedeckt ist
Während wir mitten in der Schlucht kletterten, kam eine mächtige Lawine
über die gegenüber liegende, an 100 m hohe Felswand mit zischendem und
donnerndem Getöse herab. Keine 50 m von der Stelle, wo wir uns befanden,
vollzog sich das grossartige Schauspiel, das einem mächtigen Wasserfalle glich,
und doch blieben alle Pferde so ruhig, als ob es sie gar nichts anginge.
Von unten sahen die zerklüfteten Wände des Conglomeratgesteines, das
die Felsen bildet, imponierend aus; in langer, gegen Ost gewandter Flucht
erhoben sich die massigen, klotzigen, durch steilwandige Schluchten getrennten
Köpfe. Weiter ging der Ritt zu dem einsam liegenden Kaplan-Kul-See, einem
Wassertümpel, an dessen einem Ufer ein kleines Grabdenkmal steht, während
unweit seines oberen Endes die Kirgisen einen grösseren Aul als Winterquartier
aufgeschlagen haben, bei welchem Karawanen zu nächtigen pflegen, wenn der
— 55 —
Weg bis nach Gultscha zu weit ist. Ein kleines Frühstück, das heute das
Mittagessen ersetzen musste, wurde im Sattel verzehrt und schmeckte prächtig,
trotz des Schaukeins; hier das Menü:
Cognac fine Madeira, very old 1824 (?).
Flügel von Wildente.
Getrocknetes Bündtner Fleisch mit trockenem Brot.
Chokolade mit Wodka.
Es hatte begonnen leicht zu regnen, und auf den Höhen war dieser Regen
Schnee. Von neuem ging es in die Höhe auf den Schalbeli-Pass (21 12 m), den
wir in dichtem Schneegestöber mittags etwa um 4 Uhr erreichten. Auf der
andern Seite ging es jäh hinab; auch hier war der Weg an manchen Stellen
durch Glatteis sehr schwierig.
Von Gultscha waren uns zwei Führer entgegengesandt worden, die uns
unterhalb der Passhöhe trafen und mit uns nach der kleinen Kosaken-Garnison
zurückkehrten. Als wir erst die Thalsohle erreicht hatten, ging es in munterem
Trabe bis zum Gultscha-Flusse, dessen verschiedene Arme durchritten wurden.
Eine Galoppade auf dem flachen rechten Flussufer bis zu dem noch etwa 2 km
weiter aufwärts gelegenen Orte zeigte, dass die Pferde durch den heutigen
Tagesmarsch keineswegs ermüdet waren; sie sind noch ganz andere Leistungen
gewöhnt.
Durch die Liebenswürdigkeit des Kommandeurs der Kosaken-Abteilung
von zwei Sotnien fanden wir ein warmes Zimmer und Samowar fertig und
fühlten uns bald behaglich in dem Garnisonement der Kosaken, deren Ruf viel
schlimmer ist, als sie es verdienen. Wir selbst erwarteten in den Kosaken
tüchtige, allen Lebenslagen in der Einöde und Wildnis gewachsene Menschen zu
finden, die jederzeit hilfsbereit einspringen können und, an absoluten Gehorsam
gewöhnt, keine andere Pflicht kennen, als ihren Herren treu zu folgen, sei es
auch in den Tod. Hier in Gultscha sollten wir diese, unsere künftigen Begleiter
auf weiter Reise, unsere Beschützer in Gefahr kennen lernen. Man hatte uns
schon vorher mehrfach gesagt: »Wenn dem Kosaken der kaiserliche Befehl mit-
geteilt wird, dass er Sie geleiten und schützen soll, so lässt er sich eher in
Stücke hauen, als dass er Sie im Stiche lässt c Das waren just die Leute, wie
wir sie in Tibet und China gebrauchten, und wir waren daher einigermassen
gespannt, wie sie aussehen würden.
Der Kommandeur der in Gultscha liegenden Kosakenabteilung des
Orenburger Kosakenheeres, der auch die Posten an der chinesischen Grenze,
der Festung Irkeschtam und die wichtige Befestigung auf dem Pamir besetzt,
meinte in seiner leutseligen Art: »er gäbe uns am liebsten die ganze Sotnie
mite, wahrscheinlich, weil er das Leben mit den Kerls in dem kleinen Gultscha
satt hatte. Ausser ihm und noch einem untergebenen Offizier giebt es nur
noch einen Postmeister dort. Die Festung, d. h. der neue Teil des Ortes,
besteht nur aus Militärgebäuden; der von den eingeborenen Kirgisen und
- 56 -
sartischen Händlern bewohnte alte Teil ist sehr klein und schmutzig und hat
nur einen sehr dürftigen Bazar, auf welchem selbst wichtige Lebensbedürfnisse
nicht zu haben sind. Der kleine Ort liegt unter schönen Bäumen einige
Minuten weiter flussabwärts als der neue Teil.
Verschiedener Umstände halber, unter denen auch das zweifelhafte
Wetter eine Rolle spielte, kamen wir von hier erst nach zwei Tagen weiter,
und diese Zeit wurde weidlich zu Ausflügen in die umliegenden Berge und
zur Jagd benutzt. Die Umgebung ist bekannt durch ihre schönen Fasanen
(Phasianus semitorquatus), die, ausser mit besonderer Erlaubnis des Gouver-
neurs, nicht gejagt werden dürfen, und sich daher ganz dicht an den mensch-
lichen Wohnungen und an der Strasse aufhalten. Wir hatten die Erlaubnis
erhalten, einige Fasanen zu schiessen, und zwar einige für die zoologischen
Sammlungen und einige zum Kosten. Es zieren daher mehrere dieser selten
schönen Tiere die Sammlungen, und dass das » Kosten c auch nicht übel war,
geht daraus hervor, dass wir das Fleisch der zu Sammlungszwecken abgebalgten
Exemplare brieten und unter unserm Proviant weiter mitnahmen.
Am Morgen des 30. Januar herrschte bei uns wieder dasselbe lebhafte
Leben und Treiben, das mit dem Beladen einer grösseren Anzahl von Last-
tieren stets verbunden ist.
Drei stramme, flotte Burschen hatten sich als unsere Kosaken gemeldet.
Sie kamen angeritten auf ihren wilden struppigen Pferden, in ihrer Uniform
mit blauen Aufschlägen und in voller Bewaflhung. Die Leute machten sofort
einen guten Eindruck; sie sahen unternehmend aus, ihr Benehmen hielt sich
streng an die militärischen Formen, und dass sie ausdauernd und den
klimatischen Schwierigkeiten gewachsen seien, danach brauchte man nicht erst
zu fragen, dafür waren sie ja eben Kosaken.
Ausser durch diesen sehr erfreulichen Zuwachs, wurde unsere Kolonne noch
verstärkt durch einen Wolastnoi, Gemeindeältesten der Kirgisen, der in malerischer
Tracht, auf feurigem Hengste, mit noch einigen Leuten als Gefolge uns das Geleit
bis zum Mittagshaltepunkte Küsül- Kurgan gab und dort in einer Jurte mit
prächtigen Teppichen ein Frühstück hatte vorbereiten lassen.
Der Weg bis dahin war zum Reiten sehr bequem gewesen; zuerst führte
er auf dem hohen rechten Flussufer in die weite Thalebene, welche einige
Stunden weit den Fluss begleitet; dann windet er sich durch enge felsige
Schluchten zwischen hohen Bergen, und hier bietet der Eintritt in die enge
Schlucht, wo der Fluss auf kühn gespannter Brücke überschritten wird, ein
malerisches Bild.
Da, wo sich die engen Felsenschlünde wieder öffnen und der Fluss in
ruhigerem Gange durch weiche Matten fliesst, dehnt sich ein weites Thal-
becken mit einem Kirgisen-Aul aus, das Küsül-Kurgan heisst, früher Zollposten
war und (17 km) oberhalb von Gultscha liegt. Wahrscheinlich giebt es Zeiten,
wo sich hier niemand befindet, jedenfalls verriet keine fest gebaute Wohnstätte
US Sufi-Kurgau im Aliii-(5ebirh'f. i AnthropoUigi^hc Messung Nu.
. l>ungaiu' :iiii Ak-su. (Anthropologische Messung No. 4.)
— 57 —
den zeitweiligen Aufenthalt von Menschen. Jetzt aber waren die wohnlichen,
geräumigen Jurten lediglich für Frühstückszwecke hergerichtet; viele Kirgisen
mit ihren Pferden hatten sich eingefunden, und unsere Kosaken, sowie die
zahlreichen Lasttiere belebten noch die Grasflächen am Flussufer.
Wenn oben die Jurte als »wohnlicht bezeichnet wurde, so gilt das in
unserm Sinne nur für wenige Fälle; die Kirgisen wohnen allerdings aus-
schliesslich in solchen mit grossen Bienenkörben zu vergleichenden Behausungen
und finden sie sicher sowohl bequem als zweckmässig; aber fiir einen Kultur-
menschen ist der Aufenthalt darin nicht auf die Dauer angenehm. Sie be-
stehen aus einem leichten Rohr- und Holzstabgeflecht, das mit Filzplatten von
aussen belegt wird, derart, dass oben eine runde Oefihung bleibt, die dem
Rauche zum Abzug dient, bei schlechtem Wetter aber auch durch Filz ver-
schlossen werden kann. Die als Thür dienende Lücke im Filzbelage wird
durch leicht bewegliche Binsenmatten ausgefüllt, und darüber hängt bei den
Wohlhabenderen eine weisse Decke, auf welche wenig kunstvolle, aber sehr
originelle, grosse Figuren mit roter Wolle aufgestickt sind. Eine solche Jurte
vom Durchmesser von 4 — 6 m vermag schon eine ganze Kirgisenfamilie auf-
zunehmen und hat für diese Nomaden den Vorzug, dass sie sehr leicht
transportabel ist und überall schnell aufgeschlagen werden kann. Diese Hütten
bieten im Innern, wenn das Feuer brennt und sie mit schönen Teppichen
ausgelegt sind, einen angenehmen Aufenthaltsort; wenn sie aber vom langen
Gebrauche russig und schmutzig sind und ausser einer zahlreichen Familie
noch unzählige kleine Mitbewohner darin hausen, so ist man froh, sie bald
wieder verlassen zu können.
Die Kara-Kirgisen, denen man hier im Gebirge fast ausschliesslich begegnet,
sind meist stark gebaute kräftige Gestalten, die in ihren grossen, hellen, mit
schwarzen Besätzen umsäumten Pelzmänteln stattlich aussehen, wenn sie auf ihren
struppigen, aber ausdauernden Pferden auch auf schwierigen Pfaden im Trabe
daherkommen. Von den Frauen bekommt man nur selten etwas Gutes zu
sehen; die jungen werden versteckt, und die alten sieht man besser nicht. Kommt
man aber einmal unverhofft in die Nähe eines Auls, einer Ansiedlung mit mehreren
Jurten, so kann man wohl ab und zu einer Frau mit lang herabhängenden, schwarzen,
mit Silber verzierten Troddeln im Haar, in buntfarbiger Hose und mit Turban
ansichtig werden.
Mittags um 2 Uhr, als wir nach kurzer Rast von Küsül-Kurgan wieder
ausritten, war die Temperatur eher zu hoch, als zu niedrig. Es machen sich
hier im Gebirge starke Temperatur -Gegensätze geltend, so dass auf heisse
Tagesstunden, in denen die direkte Strahlungswärme der Sonne auf über 50® C.
steigt, kalte Nächte folgen, in welchen das Thermometer weit unter den Null-
punkt herabsinkt.
Der Weg führte zunächst in einem breiten Thale auf hohen Terrassen und
ein Stück weit am Flusse selbst hin; dann aber wurde die Landschaft wilder,
- 58 -
der Weg stieg steil an glatten Felswänden entlang in die Höhe, und wieder
in Abgründe hinab, um den unten tosenden Fluss auf schwindelnder Brücke zu
überschreiten. Eine eisig kalte Luft wehte uns aus diesen Schluchten entgegen,
die, von fast senkrechten Felswänden umstarrt, nie vom Strahl der Sonne erwärmt
werden. Hoch oben, über Fels und Schlucht zogen einige mächtige Adler im
Sonnenglanze ihre Kreise, aber unten schien kein lebendes Wesen sich gern
aufzuhalten.
Die Engschlucht öffnet sich bald etwas, und es folgt wieder eine weitere
ITialstrecke, die das flinke Ross im Trabe zurücklegt Dann versperren uns
wieder gewaltige Granitwände drohend den Weg. Aber da, wo das Wasser
strudelnd und tosend sich einen Weg gebahnt, findet sich auch noch Raum fiir
einen Saumpfad; an vielen Stellen ist sogar durch Sprengung und Abgraben nach-
geholfen, so dass eigentlich gefährliche Stellen, selbst jetzt im Winter bei Schnee
und dem ab und zu auftretenden Glatteise, hier noch nicht vorkamen, obgleich
es ängstlichen Gemütern gelegentlich recht ungemütlich werden konnte.
Das Thal erweiterte sich wieder zu einem langgestreckten, schönen Thal-
boden, auf welchem einzelne Strecken mit herrlichen alten Bäumen, Pappeln
und Birken, bestanden waren, so dass man in fast 2000 m Höhe sich in
einen winterlichen Park versetzt glauben konnte. Das Thal heisst Tukai (Schatten-
thalV Am oberen Ende dieses weiten Thalabschnittes, da, wo zwei grosse Thäler,
das eine von Süden kommend, das andere aus mehr östlicher Richtung mit dem
Terek-Dawan-Pass endigend, zusammenstossen, etwa 42 km oberhalb von Gultscha,
liegt die Karawanenstation Sufi-Kurgan, durch einen grossen, von überdeckten,
offenen Hallen umgebenen Hof bezeichnet, neben dessen Eingangspforte zu beiden
Seiten sich die beiden einzigen geschlossenen Räume der Station befinden. Noch
vor einem Jahre befand sich aber gar nichts an dieser Stelle, so dass die Rei-
senden gezwungen waren, Zelte oder Jurten aufzuschlagen, oder sich sonst
zu behelfen, so gut oder schlecht es eben gehen wollte. Der eine der beiden
Räume war für uns geheizt; alsbald wurde ein Samowar gebracht, und ein
köstlicher Reis mit gebratenem Hammelfleisch bildete unser Abendbrot. Eine
mit Decken belegte Bettstelle fand sich vor, eine andere wurde aus unsern Jak*
tanen improvisiert, und für unsere übrigen Leute, Diener und Kosaken fand sich
Platz im andern Raum, den der Wolastnoi bewohnte, und in zwei geräumigen,
im Hofe aufgestellten Jurten.
Sufi-Kurgan ist der Knotenpunkt, an welchem sich vom Wege über den
Terek-Dawan eine andere wichtige Verbindungslinie abzweigt, die in südsüd-
westlicher Richtung über den hohen Taldükpass (3536 m) ins grosse Alai-Thal
und von da in östlicher Richtung über den Taun-murun-Pass (3414 m) ins Thal
des Küsül-su und nach Vereinigung mit dem Terekpass-Wege in Irkeschtam
ebenfalls nach Kaschgar führt; dieser Weg galt zur Winterzeit als unpassier-
bar, war ausserdem aber auch viel länger, als die Verbindung über den Terek-
Dawan.
— 59 —
Schon unterwegs hatte uns die Kunde erreicht, dass auch der Weg über den
Terek-Dawan-Pass zur Zeit unpassierbar sei. Es lägen oben gewaltige Schnee-
massen, die Lawinengefahr sei sehr gross, und an den abschüssigen Stellen der
Weg selbst gefährlich. Es war der Wolastnoi des Postens, der uns persönlich
diese traurige Nachricht brachte, die er durch ausgesandte Dschigiten erhalten
hatte. Er fügte aber zum Trost hinzu, dass er gleich andern Tages zwanzig
Leute aussenden wolle, um an den schwierigsten Stellen den Weg freizumachen.
So vergingen drei Tage mit Warten, da das Wetter schlechter wurde; es
schneite sogar hier unten ziemlich viel, und auf den Höhen noch mehr. Ein am
zweiten Tag gegen den Uebergang entsandter Dschigit kam um 4 Uhr nach-
mitt^s wieder zurück und meldete, ein Ueberschreiten des Passes sei ganz
ausgeschlossen, oben wüte ein Sturm, und sein Pferd sei bis an den Hals in
den Schnee geraten. Am dritten Tage war das Wetter wieder hell, kalt, und
die Luft ruhig, und somit geeignet zum Versuchen der Tour, die wir aber noch
einen Tag aufschoben, obwohl einige kühne Reisende, die wie wir nach Irkeschtam
wollten, sich schon am Morgen auf den Weg machten und auch glücklich den
gefahrlichen Pass überschritten. Für uns war es ja nur vorteilhaft, wenn andere
Karawanen den Weg etwas ausgetreten hatten.
Man wusste auch von einer grossen Karawane aus Kaschgar zu erzählen,
die auf der andern Seite des Terek-Dawan in Kok-su läge und wie wir auf
günstigere Verhältnisse warte. Es erschien angezeigt, das Eintreffen dieser
Expedition abzuwarten, weil darin die beste Gewähr für das Gelingen unseres
Ueberganges lag.
Während wir so in Sufi-Kurgan warteten, kamen noch eine Reihe von
Warentransporten an, die teils vor, teils hinter uns lagerten und unser Schicksal
teilen mussten. Einige, darunter auch die zwanzig Pferde, welche unser grosses
Gepäck nach Kaschgar zu transportieren hatten, versuchten, auf die kleinere
Schutzhütte unterhalb des Passes, Rabat des Terek-Dawan, 30 Werst oberhalb
von Sufi-Kurgan, zu gelangen; aber nicht mit gutem Erfolge, denn wir über-
holten sie später noch weit unterhalb dieser Station und waren einige Stunden
vor ihnen dort.
Für die Tage des Wartens gab es viel Zeitvertreib. Die ausgezeichnete
Jagdgelegenheit auf Tauben, Rebhühner (Perdix barbata) und seltene Vögel
fiir die zoologischen Sammlungen, interessante geologische Verhältnisse und
die prachtvolle Umgebung, in die wir weite Ritte ausführten, Hessen uns fast
vergessen, dass wir eigentlich herauf gekommen waren, um über das Gebirge
nach China weiterzuziehen.
Die Kirgisen, welche in den benachbarten Thälern ihre Winterquartiere
aufgeschlagen hatten, gehören zum Stamme der Sartlar und zu den schwarzen,
wilden, die Berge bewohnenden, sogenannten Kara-Kirgisen, die im Gebiete des
oberen Amu-darja, im Pamir, Alai-Gebirge und am Naryn ihre Wohnsitze haben.
Sie sind ausschhesslich Nomaden, die aber meist im Winter und Sommer die-
60
selben Lagerplätze wieder beziehen, also permanente Wohnsitze oder Auls, die
aus 5 bis 15 Jurten zusammengestellt ^nd, besitzen. Die Kirgisen (Kirghiz ==
Nomade) im allgemeinen sind Turktataren, die in Centralasien sehr verbreitet
sind und sich in vielen Horden und Stämmen von Südsibirien bis zur Wolga
und im westlichen Thien- seh an -System ausdehnen. Sie sind zumeist Nomaden.
Ihr Reichtum besteht in Schafen, Rindern, Ziegen, Pferden und auch zuweilen
Kamelen. Ackerbau wird nur sehr wenig getrieben und beschränkt sich auf
Weizen, Hirse, Ro^en und Erbsen. Sie sind gute Reiter und Jäger; aus der
Wolle fertigen sie Filze, Stoffe und auch schöne Teppiche. Einige Typen solcher
Kara-Kirgisen von verschiedenen Orten sind auf den Abbildungen auf Tafel I,
II, III und unten dargestellt. Die Eigenschaften des Körperbaues sind mehr
die der Mongolen als der Arier; die Hautfarbe Ist besonders bei den Frauen
fast weiss, an unbedeckten Stellen bei den Männern mehr gelblich und gebräunt.
Die Frauen, welche als Eigentum des Mannes gelten, also eine niedere
Stellung haben, tragen vielfarbige, bunte Gewänder und lieben es, Hände, Arme,
Ohren und Haar reichlich mit Schmuck zu behängen (s. Tafel III). Der Kirgise
in russisch Turkestan ist nicht arm, und man kann auf eine Jurte eine Kuh,
ein Pferd und 40 Schafe rechnen.
Der Charakter wird als brav und ehrenhaft geschildert; dabei aber sind
sie feige, grausam und nicht selten auch räuberisch. In der Famihe hat allein
Kit\nsi' In Sufi-KiirL^im, .Seitenansicht
DerBclbe, VordernnEichL
— 6i —
das Oberhaupt Autorität; mehrere Familien vereinigen sich zu Auls von fünf
bis fünfzehn Jurten oder Kibitken, wie ihre Zelte genannt werden. Diese Auls
oder Zeltlager bilden die politische Einheit innerhalb der Stämme und Horden.
Früher gab es auch mächtigere Oberhäupter und Chane, sie sind aber jetzt
ohne Bedeutung. Seit dem Weitergreifen des russischen Einflusses in Central-
asien sind sie alle sunnitische Muhamedaner geworden, während es vorher
besonders unter den Berg- Kirgisen viele Heiden gab. Wir fanden sie überall
freundlich und gastfrei, wenn auch zuweUen etwas neugierig zudringlich, die
Frauen nicht verschleiert oder die Ungläubigen meidend ; es kostete z, B. keine
Mühe, sie dazu zu bringen, sich photographieren zu lassen, so z. B. in Uksalür
(Tafel III), und trotz der Anwesenheit der Fremden gingen sie ruhig und un-
geniert allen ihren häuslichen Arbeiten, die innerhalb des »Hausesc, d. h. der
Jurte, nur den Frauen obliegen, nach.
Die von Kaschgar erwartete Karawane kam nun zwar nicht, indessen
meinte man, dass bei dem nun eingetretenen guten Wetter nicht nur der
Rabat erreicht, sondern vielleicht auch noch an demselben Tage der Pass
würde überschritten und in Kok-su genächtigt werden können, wenn die
Umstände, z. B. Verschlechterung des Wetters, es erforderten. Wäre dieser
Fall eingetreten, so hätte das für Ross und Reiter eine sehr grosse An-
strengung bedeutet, denn 60 Werst (=64 km) im Winter, im Hochgebirge
auf ungebahnten Wegen, im Kampf mit Schnee und Eis zurückzulegen, ist
keine Kleinigkeit. Indessen musste mit dieser Möglichkeit, oder richtiger gesagt,
Notwendigkeit gerechnet werden, als wir am Donnerstag, den 2. Februar,
morgens 6 Uhr die Pferde bestiegen.
Der Glanz der Sterne war noch nicht verblichen ; ein fahler Lichtschein,
dem wir entgegenritten, verriet die Stelle des Aufganges des Tagesgestirnes,
und die heitere, kalte, reine Luft, sowie das Fehlen eines stärkeren Windes,
ausser Luftströmungen in den engen Schluchten, versprachen einen schönen
Reisetag. Der einige Kilometer lange Weg auf ebener Thalstrecke wurde rasch
zurückgelegt; in der Nähe befanden sich zahlreiche Jurten eines grossen
kirgisischen Winterlagers mit ihren weithin in die Augen fallenden bunten
Thürvorhängen. Der scharfe Ritt Hess uns die frische Morgenluft, deren Tem-
peratur nur o® C. betrug, kaum unangenehm empfinden; erst als wir nach etwa
17» Stunden in die engen, hohen Schluchten eintraten, zwang uns der aus
denselben entgegendringende eisige Hauch, die Pelzmäntel, die vorsichtiger-
weise hinter dem Sattel auf die Pferde gebunden waren, anzuziehen und die
wärmsten Handschuhe hervorzusuchen.
Stundenlang ging es durch diesen Schrund, der tief vom Wasser in die
Berge gerissen, deren Inneres offenbart; oft führte der schmale Steig zwischen
den Felsblöcken unten am Wasser entlang und schwang sich von der einen
Thalseite zur andern auf primitiven, aus Holz- und Strauchwerk roh gefertigten
schmalen Brücken, die, häufig genug von Sturmesgewalten und Wasserflut stark
— 62 —
mitgenommen, das Ueberschrciten lebensgefährlich erscheinen lie^isen, besonders
wenn die Schneedecke alle die Löcher und unsicheren Stellen nachsichtig
verdeckte.
Dann wieder mussten die Pferde sich ihren Weg suchen im Schnee der
steilen Bergabhänge hoch über dem Wasser, wo ein Fehltritt genügte, um einen
verhängnisvollen Sturz in die Tiefe herbeizuführen. Aber die Geschicklichkeit
dieser Kirgisenpferde ist so gross, und sie sind mit den Besonderheiten ihrer
Gebirge so vertraut, dass man ihnen getrost die Führung überlassen kann.
Mit wunderbarem Instinkte unterscheiden die Tiere die tragenden Stellen von
den weichen, in welchen das ganze Pferd versinken kann, und selbst an
Schwindel erregenden Stellen treten sie sicher und ohne Zagen auf.
Solche gefahrlichen Stellen waren hauptsächlich da, wo von den Seiten-
wänden grosse Lawinen ins Thal hinabgegangen waren, den Fluss gestaut
und hohe Wälle durch das ganze Thal aufgeschüttet hatten. Man musste diese
ganz weichen, aus staubartig feinen Teilchen zusammengesetzten Massen am
hohen, steilen Thalgehänge umgehen. Stellenweise finden in der Schlucht,
in kleineren Erweiterungen auch Bäume und Sträucher noch Platz und die
Vegetation reicht in der Artscha, dem asiatischen Wachholder (Juniperus
chinensis L.), sogar hoch an den Bergen hinauf. Es muss im Frühjahr oder
Herbst unvergleichlich schön sein, diesen Weg zu machen, der schon im
Winter so hohen Reiz besitzt.
Ein freundlicher mattenbedeckter Thalgrund zwischen Nadelholz tragenden
Berghängen schliesst nach oben die wilde Schlucht ab und gleichsam wie
ein gewaltiges Eingangsthor zu den centralen Teilen dieser Gebirgswelt drängen
sich nochmals die Felsen von beiden Seiten zusammen, kaum neben dem
Flusse Raum gebend für einen schmalen Pfad. Riesenhaft drohend und aufrecht
stehen sie da, diese Schiefersäulen, und ihre dunkle F*arbe kontrastiert eigen-
tümlich mit dem Blau des Himmels und dem weissen Schnee. Von den
glatten Wänden hallen die Schritte der Pferde zurück, wie Orgelton rauschen
die Wellen des F*lusses und unterbrechen die majestätische Stille dieser
Hochgebirgswelt.
In dem darauf folgenden breiteren Thale hatten sich sehr grosse Schnee-
massen angehäuft, die uns aber keine ernstlichen Schwierigkeiten bereiteten,
da die voraufziehende Karawane den weichen Schnee festgetreten und einen
guten Pfad gebahnt hatte. So ging es denn rasch weiter bis zu einer Ent-
fernung von nur noch etwa 8 km von der Schutzhütte des Terek-Dawan, die
direkt unter dem Passübergange selbst liegt. Es war schon gegen li Uhr
geworden und wir hofften, etwas nach Mittag jenes Schutzhaus zu erreichen;
da trat aber eine unerwartete Aenderung der Lage dadurch ein, dass wir
die grosse Karawane einholten, die das Expeditionsgepäck mit sich führte.
Damit hatten wir niemand mehr vor uns, der den Weg ebnete, und
mussten diese im höchsten Masse ermüdende und zeitraubende Arbeit selbst
- 63 -
übernehmen. Ohne grössere und kleinere Zwischenfälle ging es nicht ab;
ein ernsterer Unglücksfall kam aber bei diesem schwierigen Wege glücklicher-
weise nicht vor.
Wir trafen zunächst die grosse Karawane, als sie gerade damit be-
schäftigt war, den steil ansteigenden, ganz mit tiefem, weichem Schnee
bedeckten Hang einer Schlucht zu erklimmen; rechts und links erhoben sich
jähe Thalv^ände, der Schnee war von ihnen nach der Mitte gerutscht und
es gab somit keine andere Möglichkeit, als sich durch diese Schneemassen
hindurch zu arbeiten.
Als wir uns näherten, zeigte es sich, dass die Karawane ziemlich auf-
gelöst war und sich in einem Übeln Zustande befand. Hier waren einige der
wenigen Leute der Begleitung bemüht, ein schwer beladenes Tier, das bis an
den Leib im Schnee steckte, etwas zu entlasten, damit es sich herausarbeiten
konnte, dort lag ein anderes Pferd regungslos, wie tot, auf dem Schnee, noch
beladen mit den Sachen, die es zu Fall gebracht; dort war ein eben frei gemachtes
Pferd so unruhig geworden, dass es mit mächtigen Sätzen gegen den Abhang der
Seitenwände sprang, wo der Schnee noch tiefer wurde und es schliesslich bis an
den Hals versank. Wir aber konnten nicht vorbei und mussten warten, bis alle
die Lasttiere einzeln herausgezogen und über die schwierige Stelle hinauf-
geführt waren.
Als es endlich gelungen war, den Transport zu überholen und die Führung
zu übernehmen, ging es uns aber durchaus nicht besser als der Lastkarawane.
Waren wir vorher in der günstigen Lage gewesen, auf dem von jener fest-
getretenen Schnee relativ sicher reiten zu können und die Stellen, wo Pferde
eingebrochen waren, zu vermeiden, so war es jetzt umgekehrt; die gleichmässig
gewölbte Schneedecke verriet äusserlich durch nichts, ob sie dick oder dünn,
tragfähig oder nur lose zusammengeweht war.
Dieses Hochthal mit seinen weichen, wannenartigen Formen war angefüllt
mit Schnee der verschiedensten Art. Ueber dem zuerst im Winter gefallenen
alten Schnee, der die Last der Pferde trug, weil er infolge mehrfachen ober-
flächlichen Schmelzens und Wiedergefrierens eine harte Rinde bekommen hatte,
lag weicher Neuschnee, der noch keinen härteren Ueberzug besass; darüber lagen
ferner an einigen Stellen die Schneemassen von Lawinen, welche in den kleinen
steilen Seitenschluchten herunter gekommen waren und oft weit in das Haupt-
thal hineinreichten. Von diesen wusste man nie, ob sie tragen würden oder
nicht; je ^nachdem der Schnee stark zusammengeschoben war oder die Lawine
mehr den Charakter einer sogenannten Staublawine gehabt hatte, bei der nur
staubförmig feiner Schnee ins Rutschen gerät, bis er eine neue Ruhestätte findet,
war das eine oder das andere der Fall. Am schlimmsten aber waren solche
Stellen, an welchen nach Art der Dünen durch den Wind grosse Schnee-
verwehungen entstanden waren, deren einzelne Teile, nur ganz lose über ein-
ander gepackt, natürlich gar keinen Halt boten. Und gerade diese waren sehr
- 64 -
häufig. Wie gefürchtet sind doch von unsern Alpinisten die Schneewächten und
solche waren hier an jeder nur einigermassen vorstehenden Terrainkante mit
den Pferden zu überreiten.
Es nützte nur wenig, dass zwei Kirgisen vorausgeschickt wurden, die
mit langen Stäben den Schnee auf seine Tragfähigkeit prüften und an geeigneten
Stellen festzutreten versuchten. Einige Male passierte es jedem Reiter, dass
er in den tiefen Schnee steigen und sein Pferd erst wieder herausziehen lassen
musste, wenn er nicht schon vorher von den zum Teil unruhig gewordenen
Tieren abgeworfen worden war.
Manche Tiere benahmen sich sehr vorsichtig und ruhig in der fatalen
Lage; merkten sie, dass ihre Anstrengungen sie nur noch tiefer in den Schnee
führten, so Hessen sie sich ruhig herausziehen; andere aber, und das waren die
temperamentvolleren unter ihnen, versuchten mit Aufbietung aller ihrer Kräfte
durch einige Galoppsprünge herauszukommen, wodurch sie sich natürlich erst
recht einwühlten.
Wer Humor besass, konnte über diese Zwischenfälle lachen, besonders
da sich im Schnee niemand beschädigte und unsere beiden Hunde, von denen
einer, ein kleiner Dachshund, auf einem Pferde getragen wurde, zu urkomischen
Situationen Anlass gaben. Indes hatte die Sache auch ihre ernsten Seiten.
Als ich einmal zusammen mit dem Pferde gestürzt war und mit einem Fuss
unter dasselbe geriet, so dass ich ihn nicht hervorziehen konnte, lag die Gefahr
sehr nahe, von dem ungeberdigen Tiere geschlagen zu werden. Zwei Kirgisen
stemmten sich von der einen Seite gegen den Leib des Pferdes und wälzten
es weiter, so dass ich wieder frei wurde.
So wurstelten denn alle an den wenigen Kilometern, die noch bis zum
Rabat zurückzulegen waren, mehrere Stunden im Schnee herum, kamen aber,
wiewohl müde und erschöpft, schliesslich ohne Unfall glücklich an. »Nitschewoc,
sagt der Russe in solchen Fällen, wenn er mit einem blauen Auge davon
gekommen ist, und diese Redensart, zu deutsch: »Das hat nichts zu sagen!«
ist ein ausgezeichneter Trost.
Glücklicherweise kam die Hauptmasse unseres Gepäckes bald nach, da es
sich auf den von uns festgetretenen Wegen rascher vorwärts bewegen konnte
als vorher. Bis aber die letzten Nachzügler das Unterkunftshaus, das in der
ansehnlichen Höhe von 3745 m und nur 375 m unter der Passhöhe liegt, erreicht
hatten, war es längst dunkel geworden.
Durch die Ankunft so vieler Menschen und Tiere in dem sonst Wochen
und Monate lang ganz verlassen daliegenden Rabat entwickelte sich reges Leben.
Das Gebäude war sehr einfach nach demselben Plane gebaut wie alle solche
Karawanseraie, die wir schon von Sufi-Kurgan her kennen und auch in Kok-su
wiederfinden.
Der kleine eiserne Ofen verbreitete rasch eine wohlthuende Wärme, aber
zugleich einen solchen Rauch, dass die Augen schmerzten und man überlegte,
. Kirgise aus Irkeschtain im Aliii-Gebirge. (Anthropologische Messung No. 2.)
. Kirgise ms Kan-dschugan im Alai-Gebirge. Anthropologische Messung No. 3.)
- 6s -
ob der Aufenthalt im Freien nicht doch dieser abzugslosen Räucherkammer
vorzuziehen sei. Während wir uns mit Decken, Schlafsäcken und Jaktanen so
häuslich wie möglich einrichteten, machten es sich die Leute in den offenen
Hallen um den Hofraum bequem.
Um ein Feuer in einer Ecke hatten sich die Kosaken gelagert und be-
reiteten sich Thee, in einer andern Ecke hockten die muhamedanischen Sarten
und Kirgisen und brieten Hammelfleisch zum Piläw (Reis mit gebratenem
Hammelfleisch); Die Pferde standen, nur mit kleinen Decken zugedeckt, in
den noch freien Räumen der Hallen oder einfach im Hofe selbst. In der
Mitte waren die Warenkisten und Ballen so zusammengestellt, dass sie nach
drei Seiten hin Wände bildeten; der in der Mitte freibleibende Raum wurde
mit Segeltuch überspannt, das durch Stangen in der Mitte in die Höhe gehalten
wurde, während es aussen an den Seiten bis zum Boden reichte und durch die
darauf gestellten Waren befestigt wurde. Dieser Raum wurde mit Filzdecken
ausgelegt und diente einer grösseren Anzahl von Leuten zum Nachtquartier.
Nach dieser Methode ausgeführte Zelte oder Jurten, wenn man sie so nennen will,
sieht man überall da, wo Karawanen nächtigen oder zu längerem Aufenthalte
ein Lager aufgeschlagen haben. Die Leute vermeiden dadurch mit praktischem
Sinn das Mitführen besonderer, schwerer Zelteinrichtungen ; siebenutzen einfach
ihre Waren als Deckungsmittel gegen Sturm und Kälte.
Die Anstrengungen des heutigen Tages machten sich allgemein bemerk-
lich und nachdem der Magen befriedigt war, suchten die meisten frühzeitig
ihr Lager auf. Die Witterungsaussichten waren nicht schlecht. Das Thermo-
meter zeigte abends — 12® C; für die Höhe von 3745 m im Winter eine relativ
hohe Temperatur; die gefürchteten Winde hatten sich noch nicht eingestellt
und die Nacht war klar und sternenhell.
Vor Tagesgrauen begann schon der Lärm der Leute im Hofe, welche
sich Frühstück bereiteten und zum Abmarsch rüsteten. Noch standen die
Sterne am klaren Himmel, ein leichter Wind wehte kalt aus Südwesten über
die schneebleichen Gipfel und Bergkämme zu uns herüber; die Kälte betrug
jetzt — 16® C, aber während der Nacht war die Temperatur auf — 18^ C.
gesunken. Der Wolastnoi, welcher die Anordnungen des Weitermarsches be-
sorgte, sprach die Befürchtung aus, der Wind möchte stärker werden und uns
den Passübergang unerträglich machen, und drängte zum Aufbruch.
Schon war eine grössere Anzahl der Lasttiere voraus gegangen, um uns
den Weg zu bahnen; hinter einer kleinen Felskuppe in der Mitte eines
grossen Felsenzirkus, dessen Wand auf der Ostseite überschritten werden sollte,
waren sie verschwunden; es schien demnach hier der Schnee gut zu tragen.
Aber noch ehe alle ausgerückt waren, wurde von der Stelle, wo die Lasten-
karawane verschwunden war, einiges in kirgisischer Sprache herüber gerufen,
was den Wolastnoi veranlasste, sofort alle noch in der Karawanserai verfügbaren
Leute mit langen Stöcken nach vorn abzusenden. Diese Massregel verhiess
Futiercr, Durch Asien. fi
— (j6 —
nichts Gutes, und als wir um die Felskuppe herumritten, sahen i^ir denn auch
unsere gesamten Lasttiere dicht zusammengedrängt bei einander stehen, während
die abgesandten Leute und einige Dschigiten weiter oben im Schnee herum-
wühlten, um feste Stellen zu suchen.
Es entstand ein ziemlich langer Aufenthalt, während dessen zehn Leute
zu Fu>s und drei zu Pferde langsam hinter einander den steilen Abhang in
Zickzackwegen erklommen und an besonders schwierigen Stellen mehrere Male
hin und her zogen, um den Schnee gründlich festzustampfen; sie versanken
bei dieser anstrengenden Arbeit oft bis über die Hüften. Selbst diese grossen
Vorsichtsmassregeln konnten nicht verhindern, dass sich später die Scenen vom
gestrigen Tage wiederholten.
Es konnte aber auch kein Platz für tiefe Schneeverwehungen geeigneter
sein, als die Basis dieses Thalzirkus und deren Uebergang zu den steilen Seiten-
wänden; diese letzteren boten relativ weniger Schwierigkeiten, weil die Haupt-
schneemassen nach der Mitte zu abgerutscht waren. Hier ging es daher zwar
langsam, aber sicherer in steilen Kehren aufwärts« bis in die Region direkt
unter der Passhöhe, wo auf schroffem Abhänge noch wachten artige, tiefe Schnee-
anwehungen zu überwinden waren. An dieser Stelle trug sich auch der einzige
Unfall zu, der leicht sehr schlimme Folgen hätte haben können. Ein Pferd war
eingesunken und suchte sich nach der Seite des Abhanges hin frei zu machen,
sein Reiter war nach derselben Seite hin herabgefallen. Das Pferd rutschte
mit ihm abwärts, überschlug sich und stürzte über den Reiter hinweg weiter
hinunter, wo es der tiefe Schnee aufnahm. Glücklicherweise war nichts weiter
passiert: keine Rippen eingedrückt, kein Bein gebrochen; das Pferd wurde
wieder herausgezogen und der Reiter erhielt ein anderes, zuverlässigeres.
Eine Viertelstunde später standen wir alle wohlbehalten auf der 4120 m*)
hohen Passhöhe und sahen tief unten in den Schneeverwehungen die Lasttiere
der Karawane sich abmuhen; sie hatten es noch immer schwer genug, obwohl
durch so viele Reiter und Leute der Weg schon einigermassen befestigt war.
Hier oben wehte ein schwacher, aber eisiger Wind von Osten; die Temperatur
war jedenfalls weit unter dem Gefrierpunkt; der Grat ist sehr schmal, und auf
der andern Seite geht es jäh in die Tiefe in ein weit nach Süden sich aus-
dehnendes, über und über verschneites Läng>thal. Die Aussicht von der
Passhöhe ist nicht so grossartig, wie man nach der Höhe des Punktes er-
warten sollte, oder wie sie Alpen und Kaukasus schon in geringeren Höhen
bieten. Eis fehlt die Brandung wild sich drängender Wellenberge, die in
Reihen hinter einander anzustürmen scheinen. Je eine Bergkette im Norden
und Süden, einige Gipfel in nicht grosser Entfernung und die tief einge-
schnittenen, geradlinigen Thaler vereinigen sich zu einem ziemlich einfachen
Hochgebirgsbild, das nur durch seine majestätische Ruhe, durch die Pracht
• l>ie russisoho Karte voa Fenj.iDa jjiebt ;ils Hoho 12 700 niss. Kuss = 5S71 m an.
- 6; -
von Eis und Schnee und die herrliche, absolut reine, durchsichtige Luft
imponierend wirkt.
Für einen beschaulichen Naturgenuss war es indessen hier oben zu kalt
und auch die Luft zu dünn, obwohl niemand über Bergkrankheit klagte; nur
die Pferde waren auf der letzten Strecke in immer kürzeren Abständen stehen
geblieben, um Atem zu schöpfen.
Wer nicht auf der Passhöhe mit meteorologischen Beobachtungen oder
Höhenmessung durch das Hypsobarometer beschäftigt war, kehrte ihr so schnell
als möglich den Rücken, nur wenige verweilten etwas länger. Trotz des
schwachen Windes war die Kälte äusserst empfindlich; wie mag es erst sein,
wenn man hier von einem Sturme betroffen wird?
Wider alles Hoffen war der Weg hinab ins Thal verhältnismässig gut.
Oben lag noch viel Schnee, aber er trug, so dass man leicht in Serpentinen
hinabreiten konnte, und weiterhin war er im Thale zwar tief, aber gut einge-
treten, so dass man auch hier rasch vorwärts kam. Der letztere glückliche
Umstand war den Karawanen zu verdanken, die versucht hatten, von der andern,
südöstlichen Seite her über den Terek-Dawan zu kommen.
Es muss ihnen zum Teil schlimm ergangen sein. Schon weit oben am
Passe fanden wir frische Gerippe gefallener Pferde, auf deren gebleichten
Rippen die Filzdecken noch hingen; bei einem andern toten Pferde, an
welchem Geier und Raben ihr Werk noch nicht vollendet hatten, lagen noch
die beiden Warenballen im Schnee eingebettet in ihrer ursprünglichen Stellung;
man hatte offenbar das Tier mit seiner Ladung einfach im Schnee liegen lassen
müssen. Noch weiter unten fanden wir endlich die sorgfältig zusammengestellten
Warenballen mit einem grossen Tuche verdeckt. Es hiess, sie lägen schon
lange da, die Leute seien mit den Pferden hinab ins Thal gezogen, um abzu-
warten, bis der Pass wieder gangbar wäre. Das war also die Karawane aus
Kaschgar, von der man uns schon in Sufi-Kurgan erzählt hatte, und die uns
den Weg bahnen sollte. Das Umgekehrte war eingetreten, und noch ehe wir
unser Nachtquartier erreicht hatten, begegneten wir den Leuten und Pferden,
die zum Passe und ihren verlassenen Waren zurückkehrten.
Der Ritt durch das gleichförmige Thal ging des Schnees wegen meist im
Schritt und war sehr ermüdend. Er bot nichts Interessantes, bis am späteren
Nachmittage sich wieder, wie beim Aufstiege zum Terek-Dawan, ein grossartiges
Felsenthor erschloss, durch das der Weg die unwirtlichen Höhen des Terek-
Dawan verliess. Gleich nach diesem Engpasse fuhrt der Weg von neuem
bergan und bietet herrliche Aussicht auf wild gezackte Berge. Einem kleineren
Passe, auf den wir noch gelangten, gegenüber dehnte sich von Norden nach
Süden, vom Abendrot beleuchtet, eine silbern schimmernde Kette von Bergen
mit stolz und kühn aufragenden Gipfeln, und die Sonne übergoss mit be-
zaubernder Anmut die Berge, welche sich uns zwar gnädig gezeigt, aber doch
viele Mühe gemacht hatten.
5*
— 68 -
Mit der Station Kok-su, die um 4 Uhr mittags erreicht wurde, war der
schlimmere Teil der Durchquerung des Alai-Gebirges überstanden, und wir
freuten uns, dass ein so schöner Abend den Tag unserer so wohl gelungenen
Ueberschreitung des höchsten Passes beschloss. Die Hilfe der Bergkirgisen, die
in der Umgebung des Terek-Dawan-Passes zum Stamme Sartlar gehören, war
zum guten Gelingen des Ueberganges unbedingt erforderlich, wie denn auch
andere Karawanen sich häufig ihrer bedienen. Für den Handel ist ihrer Hilfe
so wenig zu entraten, dass die Kokanschen Chane diese Kirgisen von gewissen
Abgaben befreiten und ihnen dafür die Verpflichtung auferlegten den Weg und
Passübergang frei von Verschüttungen und in Ordnung zu halten, mit ihren
Yaks, die den Weg durch den Schnee bahnen, den Händlern beizustehen, sowie
die Brücken und gefährliche Wegstellen auszubessern.
Von Kok-su bis zur chinesisch russischen Grenzfestung Irkeschtam sind es
zwar nur etwa 30 km; aber der Weg führt über zwei steile, wenn auch nicht
sehr hohe Pässe. Am andern Morgen war es zudem sehr kalt, es war eine der
kältesten Nächte ( — 24°) gewesen, die wir überhaupt hatten, und als wir gegen
9 Uhr morgens in die Nähe des ersten Ueberganges (Ekesek-Pass I über
3000 m) gelangten, pfiff uns der Wind eisig kalt um die Ohren. Er hielt auch
bis zum Abend an, so dass wir herzlich froh waren, nicht an diesem Tage den
Hauptübergang gemacht zu haben. Da oben in 3500 m Höhe, in dem endlos
langen, dem aus Südost kommenden Winde ganz offen stehenden Hochthale,
wäre es sicher trotz aller Schutzmittel recht ungemütlich gewesen, da wir schon
in der bescheideneren Höhe von 3350 m zu unsern wärmsten Sachen griffen.
Vom zweiten Passe (Karwankul oder Ekesek-Pass II über 3350 m) erlaubte
uns ein freundlicher Sonnenblick durch die sich zerteilenden Schneewolken,
noch einmal zurück zu schauen und Abschied zu nehmen von dem zum Teil
von dichten, stark bewegten Nebelschleiern verhüllten Hochgebirge, das im
Terek-Dawan seine niederste Einsenkung besitzt.
Andere Bergformen, pittoreske Erosionskegel und schroffwandige, rote
Konglomeratberge verkündeten auch äusserlich den Eintritt in ein neues Gebiet,
abgesehen von der immer geringer werdenden Höhe der Gebirge. Weiterhin
fanden und begrüssten wir mit grosser Freude eine Kirgisenniederlassung, die
aus einem halben Dutzend Jurten bestand und unsere Rückkehr in das besiedelte
Gebiet aus den P'els- und Schneeeinöden des Hochgebirges bezeichnete, in
welchem wir drei Tage und zwei Nächte zugebracht hatten.
Die besseren Wege erlaubten ein schnelleres Reiten, und schon am frühen
Nachmittage trafen wir in dem malerisch gelegenen Fort Irkeschtam ein. Die
russischen Befestigungen liegen über der Thalsohle und dienen dem Komman-
danten und seinen 25 Kosaken zum Aufenthalt. Von festen Gebäuden ist sonst
nur noch eine Zoll- und Finanzwache vorhanden, in welcher wir gastfreundlich
aufgenommen wurden. Des weiteren giebt es in Irkeschtam einige Jurten von
Kirgisen, und auf einer Anhöhe, schon auf der chinesischen Seite des Thaies,
- 69 -
eine alte Befestigung, die heute nicht mehr besetzt ist. Es ist demnach nichts
weniger als ein Ort oder Dorf, und wenn man weder bei dem Kommandanten,
noch bei der Zoliwache aufgenommen wird, muss man in einer Jurte Unter-
kunft suchen oder Zelte aufschlagen.
Das herrliche Wetter zeigte die Schönheit der Umgebung von Irkeschtam in
bester Weise; gegenüber der Festung, über dem ziemlich breiten Thalbcttc,
erheben sich grotesk geformte Berge mit schroffen Zinnen und steilen Graten,
die später einmal dem Alpensport noch manches schwierige Problem zu lösen
geben werden. Sie bestehen ganz aus Aufschüttungsmassen, Gerollen und Bruch-
C[>n(;lomi-r:it-Geliir)re ,-iuf iler liukcn HiiiUcilü dcri RUsUl-su uiilertuilli von Irkestht'uu.
(Nach Norden cesehen.)
Stücken, die zu einem festen Gestein verwachsen sind, und ziehen sich noch
weit auf dem linken Ufer hinab. Nach der Südseite schliesst ein hoher, mit
viel Schnee bedeckter Höhenzug das kleinere Thälchen ab, das sich bei Irkeschtam
in den »roten Fluss», Küsül-su, ergiesst.
Dass das Leben für den OHizier und die Beamten in dieser Gebirgseinsamkeit
auf die Dauer recht eintönig verläuft, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Die beiden Zollbeamten sind noch ledig, nur der Kommandant des Kosaken-
postens ist verheiratet, so dass seine Frau die einzige am Platze ist, welche die
kultivierte Weibhchkeit repräsentiert. Die Zollbeamten führt ihr Beruf viel
hinaus in die Berge, und wir wurden nicht müde, ihren interessanten Erzählungen
— 70 —
zu lauschen, zumal der eine von ihnen schon seit sechs Jahren auf diesem Posten
üich befindet und reiche Erfahrungen besitzt.
Von Irkeschtam bis Kaschgar sind noch etwa 200 Werst (=213 km) zurück-
zulegen, und der Weg (lihrt zunächst nicht am Küsül-su abwärts, sondern auf
dessen linkem UTer in einiger Entfernung von demselben über das bergige,
von Zuflüssen aus Norden durchströmte Gebiet. Die Passübei^ange sind nicht
mehr sonderlich hoch, und irgend welche Schwierigkeiten waren nicht zu
erwarten. Nach einem Ruhetag in Irkeschtam wurde am Montag, den
7. Februar, 8'/« Uhr morgens, die chinesische Grenze überschritten.
KuMischea ürenzfoct und KosakeaslatioD Iikesohtum an der chinesischen Greoie,
Die ersten echt chinesischen Eindrücke hatten «ir schon bald nachher
in einem grösseren Kir^isen-Aul Egin, der aus einem Dutzend Jurten bestand,
die neben einem aus Lehmmauern errichteten Fort aufgestellt waren. Bei
den Jurten zeigten sich einige hübsche junge Frauen mit ihrem eigen-
tümlichen Kopf- und Haarschmuck ; als wir den Wunsch äusserten, einige
von ihnen zu photographieren, wurde uns vom Aeltesten, der sich im übrigen
sehr gefällig erwies, die Antwort, dazu sei die Erlaubnis des Kommandanten
des Forts nötig, da das Gesetz nicht gestatte, Frauen zu photographieren; wir
schickten einen unserer Kosaken zum Fort, um unsere Bitte vortragen zu
lassen, aber wir wurden mit derselben Begründung abschlug beschieden.
Zopftragende Chinesen sahen wir hier noch nicht; die Kirgisen tragen dieselben
Pelzmäntel und Chalate wie ihre russischen Stamme,sgenossen.
Kasch<^iische Fesluui; Mitüra- l'gchaldü am Kiiaül-Eu.
An alte Zeiten erinnert eine grosse, ganz gut mit ihren Lehmmauern,
Thoren und Zinnen erhaltene Festung an der Einmündung des Thälchens
von Egin in den Küsül-suFluss, Namens Nagra-Tschaldü, die von Jakub-Bek
angelegt worden sein soll. Wie etwas gross geratenes Kinderspielzeug mutet
diese Festung an, die heute mit einigen Kanonenschüssen in einen Trümmer-
haufen zu verwandeln wäre und keinen ernsten Schutz mehr gewähren kann.
Sie beherrschte durch ihre Lage sowohl den Weg zum Pamir, wie die Wege
über Irkeschtam nach Fergana.
Erst abends gegen 6 Uhr hatten wir die kleine chinesische Festung
Uluktschat erreicht, die unser Endziel für diesen Tag bildete. Auch hier ist
die Festung oder das Fort aus Lehmmauern aufgeführt, und ausserhalb stehen
eine Anzahl niedriger Lehmhütten und Jurten. In einem fensterlosen Gemache
der ersteren wurde das Nachtlager aufgeschlagen, während eine Menge von
Kirgisen und chinesischen Soldaten, wirklich bezopften Söhnen des himmlischen
Reiches, aussen herumstanden und jeder Handlung und Bewegung mit gespann-
testem Interesse folgten. Zudringlichkeiten aber, wie sie sonst in China häufig
sind, erlaubten sie sich nicht.
Am folgenden Tage giug es weiter im Thale des Küsül-su hinab,
bald auf dem linken, bald auf dem rechten Ufer des zwischen Schilf und
Weidenniederungen sich in Windungen hinziehenden Flusses. Die Berge auf
beiden Seiten sind ganz aus roten Sandsteinen und Konglomeraten gebildet
und zeigen häufig bizarre Erosionsformen. Der Weg verlässt das Hauptthal
und geht nach Ost und Südost in ödem Thale zum Schur- Butak-Passe (2640 m)
hinauf und dann ebenfalls wieder im Sandsteingebiete nach Südosten hinab
nach Uksalür, das wir um 3 Uhr erreichten, nach kurzer Rast aber wieder
verliessen, um noch einige wenige Kilometer weiter thalabwärts zu reiten und
- 72 —
in einer kleinen Winterniederlassung der Kirgisen zwischen den Felswänden der
linken Thalseite unsere Nachtquartiere zu nehmen.
Als Name dieser Ansiedlung wurde Oksarül genannt, es scheint aber
zweifelhaft, ob es nicht noch zu dem nur wenig entfernten üksalür gehört
und ein Irrtum seitens des Dolmetschers unterlief. Wir bezogen eine der
fünf Jurten, aus denen Oksarül besteht und die in einer steinbruchartigen
Felsnische aufgestellt sind, um durch die hohen Felsen Schutz gegen Sturm und
Wetter zu geniessen.
Unsere Ankunft kam den Leuten ganz unerwartet, so dass eine Jurte, und
zwar die des Aeltesten der Ansiedlung, erst für uns hergerichtet werden
musste. Einige Frauen brachten aus verschiedenen Jurten Decken und Teppiche
herbei und reinigten sie durch einiges Ausschütteln von ganzen Staubwolken;
dann wurden sie in den für uns bestimmten Raum gebracht, und die Jurte
war zur Aufnahme fertig. Sie war sehr geräumig und machte durch die vielen
schönen Teppiche des wohlhabenden Besitzers einen recht behaglichen Ein-
druck, so dass uns gar nicht bange wurde, hier die Nacht zubringen zu
sollen. Der Dorf- oder Gemeindeälteste selbst war zum chinesischen Neujahrs-
feste nach Kaschgar gereist; seine Familie aber nahm uns sehr liebenswürdig
auf und bewirtete uns sofort mit Thee und Backwerk.
Mit Hilfe unserer eigenen Sachen hatten wir uns bald in der einen Hälfte
der Jurte eingerichtet und verfolgten mit Interesse das Treiben der kirgisischen
Familie, das sich in der andern Hälfte abspielte. Hs waren in der Jurte eine
ältere und eine ganz junge Frau, deren Gesicht für schön hätte gelten können
ohne den apathischen, fast gelangweilten Zug, der allen diesen Frauen eigen
ist. Einige junge Mädchen und Knaben brachten das nötige Leben in die
Jurte, obwohl sich die Kinder im ganzen sehr artig benahmen. Von Verlegen-
heit oder lästiger Zudringlichkeit war nichts zu bemerken, und auch die Frauen
benahmen sich ganz sans gene, z. B. beim Stillen der kleinen Kinder, deren
Toilette und dergleichen mehr. Sie trugen lange, wenig neue Gewänder, die
vom Halse bis auf den Boden herabreichten und von der Brust an geschlossen
waren. Auf dem Kopf war ein einst weiss gewesener, ganz eigentümlich
geknüpfter Turban, der bis auf den Rücken hinabreichte. Unter dem Turban
befand sich eine offene Tuchkappe, die über die Ohren herabreichte und deren
Saum mit Perlen, Perlmutter, Silberstückchen und hängenden Korallenschnüren
besetzt war. Ein so geschmücktes junges Mädchen sah gar nicht übel aus,
wenn es nur etwas sauberer gewesen wäre. Warum waschen sich diese Mädchen
nicht oder nur selten? Das Gefühl für Unreinlichkeit geht ihnen nicht ab, denn
als wir beim Handgeben auf die Hände sahen und einmal auf deutsch die Be-
merkung fiel: »Schmutzige Hände hast du auch, mein Kind,« ging die betreffende
ohne Verlegenheit zur Wasserkanne und wusch sich die Finger.
Lautes Hundegebell, das auch schon unsere Ankunft begleitet hatte, ver-
kündete das Eintreffen neuer Reisender, und gleich darauf trat der Aelteste
- 73 -
in seine Jurte ein. Er musste wohl schon von unserer Ankunft unterrichtet
worden sein, aber trotzdem verdient die Art und Weise, wie er sofort seinen
Pflichten als Hausherr nachkam, unsere uneingeschränkte Hochachtung. Er liess
uns durch unsern Dolmetscher Asim sagen, dass er sich freue, dass wir bei
ihm eingekehrt seien, dass er es sich zur Ehre anrechne, uns als Gäste bewirten
zu dürfen, und dass wir ganz über ihn verfiigen möchten.
Den Worten folgte alsbald die That: ein vorzüglicher Piläw, Thee und
Süssigkeiten wurden zur Stelle geschafft, und uns machte nur die eine Frage
Schwierigkeit, wie unserni Danke in entsprechender Form Ausdruck zu geben.'
Eine alte Theebüchse verfehlte ihren Eindruck auf den jüngsten Sprossen des
Hauses nicht, ebenso wenig wie ein Fläschchen Parfüm auf den weiblichen
Teil der Familie, Dem Rate unseres erfahrenen Asim folgend, trugen wir
CoiiKltJ'ncri't-f'pbirEe am Küaül-aa, unterhalb vod Irkeichtain. (Nach Nonlen geschep.)
unsern Dahk an den Hausherrn aber in klingender Münze ab, dem grossen
Zaubermittel, das nicht in Europa allein Thür und Thor zu öffnen vermag.
Der Abend verlief in angenehmster Weise; in der Jurte der Kosaken wurde
sogar Musik gemacht, und ein alter Kirgise versuchte in der Fistel wehmütige
Lieder dazu zu singen. Im übrigen hört man im Gebirge bei langen, einsamen
Märschen häufig Gesang, der nicht melodisch klingt, aber doch nach Art mancher
Kärnthner Lieder eine elegische Stimmung verrät.
Als wir uns zum Schlafen anschickten, wurde die mittlere Oeffiiung oben
in der Jurte geschlossen und das Feuer in der Mitte erlosch. Uns gegenüber
machten die Frauen für sich und die Kinder auf Decken die Lager zurecht,
und bald versank alles in friedlichen Schlummer, der nur dadurch eine Störung
erfuhr, dass schon um 4 Uhr morgens das Feuer wieder angemacht und
gekocht wurde, weil die Muhamedaner zu dieser Zeit (Februar) nur des Nachts
essen dürfen, den ganzen Tag über aber sich jeder Speisen zu enthalten haben;
sie folgen hier dieser religiösen Vorschrift mit grosser Strenge, holen dann
— 74 —
aber abends und vor Tagesanbruch das Versäumte mit um so grösserer Gründ-
lichkeit nach.
Auch die Vorschrift des Verschleicrns der Frauen wird hier ganz anders
behandelt als in türkischen oder arabischen Ländern. In der Hütte und auch
gelegentlich vor derselben zeigt die Kirgisin offen ihr Gesicht; auf der Reise
sah ich sie zur Hälfte verhüllt, aber hier in Oksarül Hessen sie sich am
Morgen des folgenden Tages zuerst mit ihrem Familienkreise, dann auch einzeln
photographisch aufnehmen, ohne dass um eine Erlaubnis nachgesucht werden
musste. Einige Silberrubel halfen über alle Bedenken hinweg [s. Tafel III].
Im besten Einvernehmen schieden wir von den freundlichen Leuten, um
einen weiten Tagesmarsch, der über 50 km nach Küsül-oi betrug, anzutreten.
Es waren malerische Thäler, durch die wir zogen. Die eigentümlichen Vegetations-
formen längs des Flusses in einem breiteren Thale fesselten zunächst unsere
Aufmerksamkeit; die einzelnen strauchartigen Pflanzen standen, ebenso wie die
Gräser und Schilfe, in Gruppen eng gedrängt bei einander, dazwischen lagen
freie, ganz kahle Flächen. Bald aber verschwand jegliche Vegetation, und das
Wasser bahnte sich seinen Weg durch sterile, trostlose Sandsteinfelsen. Wildes
Felsengewirre, scheinbar drohende Abstürze, Hessen fast an der MögUchkeit
des Weiterkommens zweifeln, aber nach einigen Stunden waren diese Fels-
schluchten überwunden, und von der Höhe eines Passes bot die Uebersicht
über die unzähligen kleinen Wasserrisse, Schluchten und über die grösseren
Thäler einen sehr eigenartigen und anziehenden Anblick. Die ganze Gegend
schien wie in rote Farbe getaucht durch den roten Sandstein, während gegen
den Horizont hin die hohen, weissen Gebirgsketten des centraleren Gebirges das
ungemein malerische, aber jeder Vegetation entbehrende Landschaftsbild ab-
schlössen.
Im allgemeinen führte der weitere Weg quer über die von Norden aus
höherem Gebirge kommenden, nach Süden in den Küsülsu sich ergiessenden,
zum Teil recht ansehnhchen Flüsse, die durch ihre breiten, schuttbedeckten
Betten herrliche Ausblicke auf jene fernen Gebirge gewährten, während die
kleinen Pässe zwischen den einzelnen Flussthälern hübsche Ueberblicke der
näheren Umgebung gestatteten. In den stellenweise an die Canons der nord-
amerikanischen Gebirge des Westens erinnernden Thälern war oft mittags noch
Glatteis, so dass die Pferde beim steilen Abwärtsgehen sehr vorsichtig auftreten
mussten. Als aber diese etwas unangenehmen Stellen zurückgelegt waren,
öffnete sich eine weite ebene Fläche, an deren fern am Horizont gelegenem
Ende die Abendstation liegen sollte. Von den höheren Bergen und Pässen
hatten wir Abschied genommen; es folgten nur noch Strecken auf Plateaus oder
in Flussthälern, die meist im Trabe zurückgelegt werden konnten. Auf der
oben erwähnten Hochebene brachte sich der Winter noch einige Stunden vor
der Abendstation, dem Dorfe Küsül-oi, durch ein Schneegestöber in Erinnerung,
aber er machte sich damit zum letzten Male unangenehm bemerkbar.
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Man hatte uns gesagt: schon lange vor Kaschgar werden Sie keinen Schnee
mehr haben, und in der Stadt selbst werden Sie das Frühjahr und grüne Baume
finden. Wenn sich dies nun auch nicht ganz bewahrheitete, so zeigte doch
die Sonne während des Tages bereits solche Kraft, dass sie bald im stände sein
musste, die Vegetation aus ihrem Winterschlafe zu erwecken und neuem Leben
entgegenzuführen .
Der südliche Teil des Plateaus ist gut bebaut, von vielen Bewässerungs-
kanälen durchzogen und allenthalben von Lehmhütten und Jurten besetzt.
Um das für uns zur Aufnahme bestimmte Karawanserai ausfindig zu machen,
bedurfte es noch in der hereinbrechenden Dämmerung eines scharfen Rittes
quer durch die Felder, über Gräben und zur Regulierung der Bewässerung an-
SaDdaleio - Gebirge iwischen UksalUr und KüsiU-oi.
gelegte Dämme, wobei sich die Tüchtigkeit der Pferde in vorzügUcheni Lichte
zu zeigen Gelegenheit hatte.
In dem Karawanserai fand sich ein angenehmes Quartier in der gewohnten
Form: ein Lehmbau mit einem Raum ohne Fenster, nur mit einer OefTnung
oben und einem Kamine zur Feuerung.
Am andern Morgen kamen wir an der verlassenen chinesischen Festung
Kan-Dschugan vorbei, deren einstürzende Mauern ihren Verfall verraten; nach
einigen Kilometern Weges durch ein breites Thal begegnet man wieder Festungs-
werken, von denen die am Wege hegenden verlassen sind, während etwas abseits
die gut erhaltenen Mauern des Forts Karangiik sichtbar werden, die offenbar
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den Zweck haben, den Weg nach Tschakmak durch das von hier nach Norden
führende Seitenthal des Uriuk-Flusses zu schützen. Der weitere Weg zu dem
Zoll- und Finanzposten Mün-jul fuhrt wieder über steriles, steiniges Plateau, das
in ein Thal ausläuft, an dessen Eingang das üorf liegt.
Hier blieben wir in einem Karawanserai, das vor dem Thore der das
ganze Thal und den Weg sperrenden Festungsmauer lag. An dieser Stelle
werden die Pässe für die nach Kaschgar weiter Reisenden visitiert, und
niemand wird ohne einen solchen durchgelassen. Ks erschienen auch bei uns
alsbald nach unserer am Nachmittage erfolgten Ankunft einige würdig aus-
sehende Beamte und baten um die Papiere, erklärten aber alsbald, unsere
vom Tsung-li-yamen, dem chinesischen auswärtigen Amte in Peking, chinesisch
ausgestellten Pässe nicht lesen zu können, und begnügten sich mit der Auf-
schreibung der Namen und des Alters. Damit war die ganze Formalität
der Passprüfung erledigt, und als wir am andern Morgen hoch zu Ross mit
unserm Diener, dem Dolmetscher und den drei Kosaken das Festungsthor
passierten, befanden sich alle Angestellten der Wache, an ihrer Spitze die
alten Herren von gestern, vor ihrem Kureau und machten uns ehrfurchtsvolle
Verbeugungen.
Erst mit dem Verlassen dieses Ortes, und nachdem uns die Behörden
mitsamt allen unsern Waffen, unserer Bedeckung und unsern Ausrüstungs-
gegenständen eingelassen hatten, befanden wir uns legitimer Weise in China.
Der letzte Tagemarsch war kurz; nur noch 35 Werst (— 37 km) an
Entfernung bis Kaschgar waren zurückzulegen. Im gleichen Masse, wie das
Thal, dem der Weg abwärts folgt, breiter wurde, nahmen die Berge an Höhe
ab, und schon nach ganz kurzer Zeit eröffnete sich ein Ausblick auf eine
weite, endlose Fläche, in der ein heller Silberfaden glänzte: das Tarimbecken
mit dem Küsül-su-Flusse in der Ferne, an dessen Oberlauf, eh'e er sich in
unbekannte und unzugängliche Schluchten verliert, wir bei Irkeschtam und
Uluktschat gewesen waren.
Der Schnee schwand; dunkelgrauer Kiesboden bedeckte die Oberfläche,
und jede Vegetation, wie auch jedes Tierleben fehlte. Die Sonne sandte ihre
warmen Strahlen auf diese Steinwüste herab, und schon der Februar Hess
ahnen, wie es hier im Sommer bestellt sein müsse.
Einige ausgezeichnete Ausblicke durch von Norden kommende Thäler
auf ungemein schroffe Zinnen- und Zackengipfel eines nicht sehr ausgedehnten
Gebirgsstockes fesselten durch ihre bizarren, ungewohnt steilen P'ormen das
Interesse auf das lebhafteste: wussten wir doch auch, dass wir keine so schönen
Bergformen mehr sehen würden, so lange wir durch das weite Tarimbecken
und die in seinem Schosse gelegene Wüste Gobi zogen.
Von einer kleinen Anhöhe am Ausgange des Thaies geniesst man eine
schöne Aussicht über das von Westen kommende weite Thal des Küsül-su und
die Alaiketten im Hintergrunde, wie auch über das Becken des Tarim, das,
— 77 —
weithin siebtbar, im Südwesten und Süden durch hohe Gebirgsmauern umgrenzt
wird, von denen besonders mächtig der von ewigem Eise bedeckte Mus-tag-ata,
der Vater der Eisberge, aufragt. Es ist ein fesselnder Gegensat?, auf der
einen Seite die am Horizont mit dem Himmel verschmelzende Ebene und auf
der andern Seite die in die Wolken ragenden Berge zu betrachten.
Von nun an war der Weg eben und führte über das breite, sterile
Aufschüttungsgebiet des Küsül-su- Flusses. Mitten in demselben Hegt eine
Karawanserai mit grossem chinesischen Eingangsthor, in der ein sehr reger
Karawanen verkehr herrscht. Das Kopfbild dieses Kapitels zeigt die Ankunft
der Expedition hier vor Kaschgar.
GebirRE im Norden von MUn-juI, weallich von Kaschpir. Nach Nonlea jjesehen.
Noch einige Kilometer weiter nach Osten durch Kies- und Sandflächen, und
man erreicht die vegetationsbedeckte, gut bewässerte Umgebung von Kaschgar.
Lange Zeit reitet man durch fruchtbare, bebaute Fluren; mit reichem Baum-
wuchs bestandenes Land tr^jt kleinere Weiler. Das Wetter war warm, indessen
grünte es auch hier noch nicht; noch war der Winter Herr, und die Nächte
brachten Temperaturerniedrigungen bis tief unter o".
Schon weit vor der Stadt erreichte uns ein Bote mit der freundlichen
Einladung des kaiserlich russischen Generalkonsuls Petrowsky, während des
Aufenthaltes in Kaschgar seine Gäste zu sein, der wir um so lieber folgten,
als wir in dem erfahrenen und liebenswürdigen Diplomaten auch einen guten
Ratgeber für die Dispositionen und Vorbereitungen zur weiteren Reise zu
finden hofften.
- 7« -
Wir täuschten uns darin nicht, denn er war in jeder Weise bemüht, uns
zu nützen und durch die Fülle seiner Krfahrungen und seines Einflusses unser
Weiterkommen zu fördern. In anregenden Unterhaltungen und Erzählungen
wusste er uns die Zeit unseres Aufenthaltes zu einem geistigen Genüsse zu
gestalten, wie er wohl nur an wenigen, so weit von den Kulturcentren entfernten
Orten zu finden ist. Wenn ich hier in der Erinnerung wieder in sein Haus
eintrete, so geschieht es mit dem Gefühle des Dankes, den ich iur die damals
genossene Gastfreundschaft hier ausspreche, und den schon viele andere For-
scher vor uns ihm in gleicher Weise zollen mussten.
Kaschguriei 1d Kaschgar.
KAPITEL III.
Kaschsrar und Kaschg:arien.
Kaschgar ist altberuhmt als eine der bedeutendsten Städte in Ost-Turkestan.
Als Hauptstadt grosser Reiche, die mehrfach im Laufe der Geschichte grössere
Teile der Bevölkerung des Tarimbeckens umfassten, dient sein Name in der
Form Kaschgarien auch zur Bezeichnung des Gebietes, dessen Grenzen in ver-
schiedenen Zeiten verschieden weit nach Osten reichten, das aber zur Zeit
des letzten selbständigen Herrschers, des Emir Jakub-Bek, durch die Gebii^-
■ander im Süden, Westen und Norden und den 90. Meridian im Osten be-
grenzt wurde.
Ehe wir einige allgemeine Bemerkungen über Land und Leute und deren
Geschichte der Schilderung des Nordrandes des Tarimbeckens und des östlichen
— 8o —
Thien-schanes vorausschicken, seien der Stadt Kaschgar selbst einige Worte
gewidmet, obwohl in den letzten 25 Jahren viele Furopäer dieselbe besucht
und ausführhch beschrieben haben.
Eigentlich muss man von zwei Städten reden, die etwa 12 Kilometer von
einander hegen und Kaschgar bilden.
Die eine ist die alte, historische
Stadt, während die neue Stadt erstt
1838 erbaut wurde und der Sit;;
des Emir war. Man kann die Städte
auch nach der Verteilung der Be-
völkerung als chinesische und tür-
kische Stadt bezeichnen. Beide sind
gleichmässig umwallt. Die neue
Stadt dient als Garnison und Festung
oder Citadelle der Chinesen; in ihr
befinden sich nur chinesische Be-
wohner und die Garnison. Die alte
Stadt ist der Sitz der alteingesessenen
Hevölkerung und des Handels. Die
Bevölkerung hat denselben Typus wie
diejenige aller andern Städte des ,. ,
Oasengürtels um das Tarimbecken.
Nach Grenard besteht die heutige Bevölkerung von Ost-Turkestan aus
zwei Rassen, die nicht neben oder über einander fortbestehen, sondern in enger
Kombination verschmolzen sind. Die eine ist die älteste turanische Bevölkerung
von indogermanischem Stamme, die nicht in cinsielne Elemente zerlegt werden
kann, die andere ist die türkische Rasse, welche im IX. und X. Jahrhundert
in jene erste eindrang und unter den Kirgisen, der Bevölkerung der Gebirge
im Westen und Norden des Tarimbeckens, sowie unter den Dolanen in den
waldigen und schilfbedeckten Niederungen längs des Tariniflusses am stärksten
vertreten ist, während in den Städten und bebauten Oasen das ältere Element vor-
wiegt. Die Einflüsse türkischer Stämme auf die arische Urbevölkerung Ost-
Turkestans sind aber schon viel früher nachweisbar. Der türkische Stamm der
Uiguren erschien schon im VI. Jahrhundert im östlichen Tarimbecken, wo er
der tibetanischen Vorherrschaft ein Ende machte. Die buddhistische Religion war
damals noch die vorherrschende Religion in Ost-Turkestan, und Kaschgar wie
Jarkand waren buddhistische Städte, aber schon seit Ende des IX. Jahrhunderts
herrschte in Kaschgar eine türkische Dynastie, während in den südlichen Städten,
z. B. Khotan, der Buddhismus noch länger Stand hielt.
Diesen Bevölkerungselementen gegenüber sind vom ethnologischen Stand-
punkte aus die Mongolen und Chinesen von geringerer Bedeutung, wenn auch
die politische Macht in den Händen der letzteren sich befindet.
Die Stärke der Ackerbau treibenden und in den Stadien ansässigen Be-
völkerung wird auf I 500 ooo berechnet, soweit sie dem Tarimbecken angehört,
über das sie aber im Nordosten in die Dsungarei und im Südosten nach Kan-su
hinausgeht. Trotz der ethnographischen Gleichartigkeit hat diese Mischrasse
keinen einheitlichen ethno-
graphischen Namen; man hat
sie rein geographisch als Kasch-
garier oder Ost-Turkestancr be-
zeichnet, andere nannten sie
schlechtweg Türken, und die
Bewohner des Tarimbeckens
bezeichnen dieses selbst als
iLand der Muselmanen«. Das
in Russisch Turkestan übliche
Wort »Sart« würde auch auf
diesen, den ansässigen Teil
der Bevölkerung Kaschgariens
passen, ist aber im Lande
selbst wenig gebräuchlich.
Jedenfalls hat die Misch-
KMthgarier, VordL-ransicht. fasse in Kaschgarien einen ähn-
lichen Ursprung wie die Sarten
in Kussisch Turkestan, die aus alten arisch- iranischen Ureinwohnern (Tadschiks)
und deren späterer Vermengung mit rein türkischen Stämmen, den Usbeken
und Kiptschaken, denen im Tarimbecken die Uiguren entsprechen, her-
vorgegangen sind [s. Tafel IV]. Da indessen der Name »Sart» in Russisch
Turkestan nach Krahmer >nicht angewandt wird, um eine spezielle Nationalität
zu bezeichnen, sondern um eine Klasse nach ihrer Beschäftigung und Sitten zu
kennzeichnen! und die Bewohner von Städten und Dörfern im allgemeinen, mit
Ausnahme der gebildeten Tadschiks, Sarten genannt werden, die im Gegensatze
zu den Nomaden Gewerbe, Handel und Ackerbau treiben, so dürfte es zulässig
sein, auch fiir die türkisch sprechenden Teile der Bevölkerung Kaschgariens,
die vollkommen die Lebensweise der Sarten haben und ihnen, wie schon oben
gesagt wurde, ausserordentlich nahe stehen, die Bezeichnung Sarten und sartisch
beizubehalten und nur die andern Elemente, wie Kirgisen, Mongolen, Tarant-
sehen, Dunganen etc. auszuscheiden, wie das denn auch im folgenden geschehen soll.
Die alte Stadt Kaschgar ist die Trägerin der kaschgarischen Geschichte
und als solche verdient sie die meiste Beachtung, während Neu-Kaschgar (Jangi-
schahr, Neustadt genannt) sich von andern neueren Städten des himmlischen
Reiches nicht wesentlich unterscheidet, weder durch die Lebensweise der Be-
wohner, noch durch die Bauart der Häuser und den Charakter der Strassen.
— 82 -
Nähert man sich Alt-Kaschgar von der Westseite her, aus den Beiden des
Alai und auf der grossen Handelsstrasse von Irkeschtam und Fergana, so trifft
man, lange ehe man die Mauern der Stadt erreicht, ausgedehnte Dörfer oder
Vorstädte, Der Weg fuhrt teils zwischen deren braunen, einförmigen Lehm-
mauern , teils zwischen weiten
Friedhöfen hin , die sich mit
ihren kleinen Grabdenkmälern und
Moscheen wohl einige Kilometer
lang an der Strasse hinziehen und
bis direkt zur Stadtmauer selbst
reichen. Das freie Gelände ist
vielerorts gut bebaut; man sieht
Ackerbau, Bewässerungs -Anlagen
und auch kleine Gärten; allent
halben aber überwiegt die braune
Farbe des Bodens, der sich in
feinem Staub gleichmässig über
alles legt, su dass der Grundton
überall ein einförmiges Hell-
gelblichbraun ist. Zwar tragen
die Einwohner gerne bunte Ge-
wänder, aber durch das Alter,
den Schmutz und den Staub y^^^ ^^ Ku^chc^.r, sei.^D.-msicht.
haben sie allmählich sich ihrer
Umgebung angepasst. Selbst die Bäume sind grau, und das frische Grün des
Frühjahrs wird wohl nicht lange in den Sommer hineinreichen.
Einzelne muhamedanische Moscheen am hohen Ufer des Küsülflusses ragen
mit ihren gewölbten Kuppeln weit über ihre Umgebung hinweg. Die in ihrer
Nähe an langen Stangen, sog. Tugh-stangen, befestigten Rossschweife, Tuchfetzen
und Fähnchen, die Wahrzeichen der Grabstätten frommer Männer, wiegen
sich im leisen Winde.
Die nach der Strassenseite stets fensterlosen Lehmmauern der Häuser ver-
sperren die Aussicht; aber neugierig eilen Kinder und Frauen zur Thür, um den
fremden Reitertnipp anzustaunen. Die Frauen, obwohl fast alle Muhamedane-
rinnen, verhüllen ihr Haupt nicht, wenigstens thun es nicht die älteren und
hässlichen. Warum halten gerade die jungen und hübschen ein Tuch oder
die Hand vors Gesicht?
Das Benehmen Fremden gegenüber ist ebenso wie im russischen Gebiet
von Seiten der Bevölkerung durchaus höflich ; die Leute stehen auf, wenn sie
vor ihren Hütten sitzen, und verneigen häutig das Haupt; sie steigen von den
Pferden und Eseln, um den Fremden vorbeireiten zu lassen, oder weichen jeden-
falls weit zur Seite. Die Gassenjugend ist hier schon etwas von chinesischen
- 83 -
Unsitten, die sich bekanntlich am schnellsten Eingang verschaffen, beeinflusst und
folgt unserm Zuge neugierig. Ziemlich erwachsene Jungen, braunschwarz von
Schmutz und ganz nackt oder mit den erbärmlichsten Fetzen nur halb bedeckt,
abstossende Erscheinungen, wie sie nur in China möglich sind, treiben
sich als Bettler herum.
Die Stadtmauer
ist hoch, stattlich an-
zusehen und mit den
Türmen in gutem Er-
haltungszustand. Sie
ist ganz aus Lehm er-
richtet imd würde mo-
dernen Sc huss wallen
gegenüber keinen
grossen Schutz ge-
währen. VorderMauer
ist ein breiter, wasser-
leerer Graben, und
Zugänge zur Stadt fin-
den sich nur an eini-
gen Stellen durch be-
sondere Thore , die
mit Mititärwachen be-
Kirgise ia Kaschgar, Vorderansicht. . . , , , ,
setzt smd. Abends
werden die Thore geschlossen und der Zutritt ist den Einheimischen dann
verboten.
Das russische Generalkonsulat, dessen liebenswürdiger Chef, Herr
Petrowsky, uns eingeladen hatte, liegt zwischen der westlichen Stadtmauer und
dem Flussufer und besteht aus einer Anzahl von einstöckigen Gebäuden,
welche dem Generalkonsul, seinem Dienstpersonal, seinem Bureau und den
Kosaken, die ihm zum Schutze dort stationiert sind, zur Unterkunft dienen.
Das Haus des englischen diplomatischen Agenten liegt ganz in der Nähe,
auf dem hoch gelegenen Flussufer, und bietet eine hübsche Aussicht auf den
Fluss und das gegenüber liegende Ufer; eine so freundliche Wohnung ist in
Kaschgar eine Seltenheit.
Um das russische Konsulatsgebäude und seine Nebenbauten, in deren einem
wir Aufnahme gefunden hatten, gruppiert sich ein werdendes russisches Viertel.
Eine Zollstation ist schon vorhanden, eine kleine russische Kirche im Bau und
dafiir, dass auch kleine Russen herumlaufen, haben die Kosaken schon gesorgt.
Aeusserlich ist aber an den Gebäulichkeiten alles centralasiatisch ; an euro-
päische Herrlichkeit erinnern nur im Innern die zahlreichen Sterne und Ordens-
bänder des Generalkonsuls, die Uniformen seiner Beamten und Kosaken und
- 84 -
last not least seine Küche. Ohne sie zu kennen, verehren wir die Frau des
Generalkonsuls, welche, wer weiss mit wie viel Mühe, aus einem Sarten einen
europäisch geschulten Koch gemacht hat, der es trefflich versteht, aus den
feinen Fischen des Flusses und den Landesprodukten vorzügliche Speisen zu
bereiten. Nur die Getränke sind hier nicht in europäischer Menge zu haben;
ein Likör oder ein Früchtewein erinnern nur kümmerlich an Wodka und
Madeira und kamen in homöopathischen Dosen auf den Tisch. Der Terek-
Dawan-Pass, auf dessen eisigen Höhen alles tropfbar Flüssige gefriert und
die Flaschen sprengt, ist der Störenfried, der dort die Freude an Bacchus* und
Gambrinus' Gaben verkümmert.
Beim Generalkonsulate befindet sich eine meteorologische Beobachtungs-
station, in der schon seit längeren Jahren wertvolle Aufzeichnungen in um-
fassender Weise gemacht werden; eine photographische Dunkelkammer,
die mir durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Generalkonsul zur Ver-
fügung stand, ermöglichte mir das Entwickeln der im Alai-Gebirge auf
genommenen Bilder und damit eine wertvolle Kontrolle über die verschiedenen
Glasplatten und Films, die für die weitere Reise von grossem Werte sich erwies.
Schliesslich sei noch einer schönen, reichhaltigen Bibliothek asiatischer Litteralur
zur geistigen und einer russischen Badestube für körperliche Erfrischung gedacht,
die durch Petrowskys Verdienste hier entstanden sind.
Die Sitte verlangt es, dass man alsbald nach dem Eintreffen in der Stadt
dem Tao-t*ai, d. h. dem höchsten Regierungsbeamten, den Pass vom chinesischen
auswärtigen Amte und seine Visitenkarten zur Ankündigung eines Besuches
übersendet. Am Tage nach unserer Ankunft begaben wir uns hoch zu Ross, in
Begleitung des kaiserlich russischen Generalkonsuls und seines Sekretärs, die beide
in einem kleinen Wagen fuhren, und eskortiert von den Kosaken, die einen Vor-
und Nachtrab bildeten, nach der Wohnung des Tao-t*ai und betraten bei dieser
Gelegenheit zum ersten Male die innere Stadt Gleich hinter dem Stadtthor
befand sich die chinesische Wache. Vor einer offenen Wachtstube standen
altertümliche Hellebarden, Schwerter und ähnliche Kriegswerkzeuge, während die
dazu gehörenden Soldaten auf den Strassen und an den Häusern herumlungerten.
Durch eine enge Gasse, die auf beiden Seiten von den fensterlosen Lehm-
wänden der Häuser eingefasst wird, kommt man nach dem Hauptmarktplatz,
der zu jeder Tageszeit ein sehr belebtes Bild darbietet. An der Südseite be-
findet sich die einzige grosse Moschee von Kaschgar; gegenüber und nach der
Ostseite öffnen sich die Strassen des Bazars, aus welchem die Menge zum Haupt-
platze ab- und zuströmt. Der Platz ist klein und bietet an Hauptmarkttagen
(hier der Donnerstag) kaum Raum genug für die zahlreiche Landbevölkerung!
welche bei dieser Gelegenheit die Stadt aufsucht. Auf den meisten Seiten
befinden sich offene Verkaufsbuden, wie im eigentlichen Bazare. Ausserdem
haben sich eine grosse Anzahl von fliegenden Händlern, besonders solche mit
Brot und Früchten, in Reihen am Boden gelagert und ihre Waren vor sich
. Kasthgarier aus Kaschg:ir. i^AnlhropoloH'sche Messuiigr No, "
. Kaschgaiier atis Kaschgar. , An ihropo logische Mesciinj; No. 6
- Ss -
ausgebreitet, wodurch gleichsam Strassen abgegrenzt werden, in denen sich
der Verkehr bewegt, ohne dass die Handelsleute im Gedränge zu Schaden
kämen. Das Publikum ist hier viel vorsichtiger und rücksichtsvoller gegen ein-
ander als in dem rastlosen Getriebe unserer Grossstädte. In den Lücken
zwischen diesen Strassenzügen geben Gaukler ihre Vorstellungen, Märchen-
erzähler fesseln eine eifrig lauschende Menge oder Derwische halten ihre Gesang-
oder Gebetvorträge.
Die Derwische sind originelle Gestalten. Gemeinsam ist ihnen allen das
struppige Aussehen, der Mangel an Verwendung jeglicher kosmetischen Kunst,
sei es auch der einfachsten des Waschens an Gesicht, Händen und Füssen, sowie
den Körperteilen, welche die meist ungemein zerlumpte Gewandung freilässt
StmltiDnuer tod Knachifni' in <ler Nähe <los Kalaerlirh russischen Generalkonsulates.
Auf dem Kopfe tragen viele trichterartige, hohe Mützen, die von der andern Be-
völkerung nicht getragen werden, und die etwa wie die Mützen unserer Pierrots
aussehen; manche sind auch barhäuptig. Das Haupt einer solchen Derwisch-
gesellschaft, ein im Gesicht fleckig aussehender Mann mit ungepflegtem roten
Barte, trug auf dem Markte immer einen sonderbar stufenförmig - pyramidal
gestalteten Stein in den Händen, während er den andern vorsang oder, besser
gesagt, vorbrummte. Wenn sie von den Fremden ein Trinkgeld in Aussicht
haben, schreien sie besonders stark und wild, aber ihre lachenden Gesichter
zeigen zur Genüge, dass sie selbst nicht ernst dabei sind und die Vorstellung
nur zum Vergnügen der Fremden und zu ihrem eigenen Vorteil veranstalten.
Im übrigen scheint das Volk, an diesen Unfug gewöhnt, sie ruhig gewähren
zu lassen und sich wenig um sie zu kümmern.
— 86 -
Ausser dem lokalen Handel mit Landesprodukten und der Ein- und Aus-
fuhr von Waren von und nach Russland über die Gebirgspässe nach Norden und
Westen, hat Kaschgar einen blühenden Handelsverkehr mit der kirgisischen
Bevölkerung der Bergländer, die hauptsächlich Pferde und Vieh für die Ver-
proviantierung der Stadt, Häute, Felle von Pelztieren und junge Hirschgeweihe,
welche die Chinesen als Medizin hochschätzen, nach Kaschgar bringen und daiiir
Baumwollenstoffei Chalate, Geschirr, Thee und Werkzeuge eintauschen.
Die besten Hörner der Hirsche, die am meisten geschätzt werden, sind
solche, die drei Enden haben und noch mit Blut gefüllt sind. Sie werden
besonders präpariert und von den Chinesen als Reizmittel gebraucht Ein
lebender Hirsch aus dem Thien-schan, der auf beistehender Abbildung wieder-
gegeben ist, befand sich im Besitze des englischen diplomatischen Agenten
Herrn Macartney.
Im Gegensatz zu dem immer stark besuchten Markte und den Bazargängen,
ist das Viertel, in dem die Wohnung des Stadtoberhauptes liegt, ruhig, fast
leer, und macht einen würdigeren Eindruck; die Häuser haben gegen die Strasse
offene Hallen mit grossen Eingängen. Es sind darin einige Bureaus von Behörden
untergebracht und man sieht vielfach rote Papierzettel mit chinesischen Inschriften
angeklebt.
Zum Schluss gelangten wir an ein hohes, in chinesischem Stil aus Holz
erbautes, weit geöffnetes Thor, bei dessen Passieren wir durch Böllerschüsse und
Musik begrüsst wurden. Die Musikanten befanden sich in einem erhöhten,
freistehenden Pavillon, der ringsum vergittert war, und die Instrumente waren
flötenartige, lange Röhren. Die Menschenmenge, welche uns vom Bazare her
das Geleite gab, wurde hier von den Wachen zurückgehalten, während wir noch
durch einige Höfe, die durch Holzthore getrennt waren, bis direkt vor die Wohnungs-
gebäude des Tao-t*ai zogen. Eines der Thore, die wir durchritten, war mit
überlebensgrossen, schwarzen, auf Papier gedruckten Figuren von ganz martia-
lischem Aussehen geschmückt. Diese Gestalten sollten die Schutzgötter des
Hauses symbolisch darstellen. Allenthalben in Seitengebäuden sah man merk-
. würdig geformte, hellebardenartige Waffen, Wagen u. s. w.
Der Tao-t*ai empfing uns an der Schwelle seiner Gemächer, und nach
einem mit beiden Händen ausgetauschten Händedruck begleiteten wir, um
der chinesischen Sitte zu entsprechen, den Würdenträger, je einer rechts und
einer links, durch eine Reihe von Gemächern, wobei es jedesmal vor und nach
dem Ueberschreiten der Schwellen erneute Begrüssung und Komplimentieren
gab. Im offenen Empfangssaale angekommen, wurden wir beide auf besondere,
etwas höher gestellte Sessel gesetzt, während die andern in zwei Reihen ein-
ander gegenüber und vor uns Platz nahmen. Das Gemach, das trotz des
kalten Tages nicht geheizt war, hatte ausser den schon erwähnten Stühlen
und dazwischen stehenden kleinen Tischchen keine weitere Einrichtung; den
Boden bedeckte ein schöner grosser chinesischer Teppich. Der Tisch, auf
welchem einiges süsses Backwerk zum Thee angeboten wurde, musste, ebenso
wie die Stühle, erst während unserer Anwesenheit hereingetragen werden.
Der Tao-t'ai war sehr liebenswürdig und lud uns gleich zu einem Essen
ein, das einige Tage später in demselben Räume stattfand, in dem wir
empfangen worden waren. Die Unterhaltung, welche auf dem Umwege von
Kussisch und Französisch in Sartisch und Chinesisch geführt wurde, erstreckte
sich hauptsächlich auf Zwecke und Ziele unserer Reise, den schon zurück-
gelegten Weg über den Terek - Dawan - Pass und auf den Austausch von
Komplimenten und Höflichkeitsphrasen. Nach etwa einer halben Stunde
Hirsch nus dem Thicn-5i;hnD in K;ischffar im Ttceltze (!<■» Herrn Macartacy.
verhessen wir den Tao-t'ai, der uns unter denselben Zeremonien bis zur
Schwelle geleitete. Wieder krachten Böller und wieder spielte die an einen
Dudelsack erinnernde Musik, als wir das grosse Hoflhor passierten.
Gleich am andern Tage erfolgte der Gegenbesuch, der durch einen
bezopften Beamten, der grosse rote Visitenkarten mit chinesischen Schrift-
seichen überbrachte, etwa eine Stunde vorher angekündigt wurde. Der
Generalkonsul hatte in liebenswürdigster Weise seinen Empfangssaal zur
Verfugung gestellt und alles vorbereiten lassen, so dass auch bei uns dieselben
Zeremonien stattfinden konnten wie beim Tao-t'ai. Er kam in Begleitung
zweier seiner Beamten, die beide russisch sprachen und als Dolmetscher
- 88 —
fungierten, ausserdem war noch eine Anzahl von Dienern zugegen. Sie waren
alle in den kleinen chinesischen einspännigen Wagen gekommen, welche
hier die Stelle unserer Equipagen vertreten und fast wie grosses Spielzeug
aussehen; es hat in jedem dieser zweirädrigen Karren eine Person in sitzender
Stellung mit untergeschlagenen Beinen Platz, hinten sind sie geschlossen und
auch vorn ist ein Vorhang zum Zuziehen; meist sind sie mit bunten Farben
bemalt und die Führer laufen nebenher oder sitzen vom auf. Da Federn an
den Achsen mangeln, kann ein längeres Fahren in diesen Wagen bei den
schlechten Wegen in den Städten unmöglich ein Vergnügen sein.
Einige Tage später empfing der Generalkonsul den Besuch eines
chinesischen Generals, eines sehr jovialen älteren Herrn, der mit einem
grossen Gefolge von Soldaten mit Waffen und in roten Leibröcken, auf deren
Rücken Schriftzeichen sich befanden, ankam und sich auch sehr liebenswürdig
gegen uns Fremde zeigte.
Das Diner beim Tao-t'ai, an welchem derselbe General teilnahm, war auf
2 Uhr festgesetzt und dauerte bis zum Beginn der Nacht. Es gab sehr viele
verschiedene Gänge und die Auswahl der Speisen war eine sehr feine und der-
artige, dass fast nur die in Kaschgar seltensten und teuersten Gerichte auf den
Tisch kamen, als da sind Produkte des fernen östlichen Meeres und Früchte aus
Indien oder entfernten Provinzen Chinas. Meerestang, in der Art wie Ochsen-
maulsalat zubereitet, Haifischflossen, Bananen sind mir noch in Erinnerung;
vieles kannte ich auch nicht. Der General, der mein Nachbar zur Rechten
war, war so liebenswürdig, mich auf die besonders geschätzten Delikatessen
nicht nur aufmerksam zu machen, sondern sie mir auch selbst vorzulegen, was
als eine sehr grosse Höflichkeit gilt, die auch der Gastgeber vielfach übte.
Als Getränke gab es nur einen syrupartigen dicken Reisbranntwein und Thee;
den ersteren lieben die Chinesen sehr und trinken hin und wieder davon auch
weit über den Durst. Alle Speisen wurden in zierlichen Schüsselchen gereicht;
jeder nahm davon mit zwei Stäbchen und führte dann die Speise direkt zum
Munde, wenn er sie nicht dem Nachbar auf den Teller legte.
Die Mäntel wurden ebensowenig wie die Kopfbedeckungen während des
originellen Mahles abgelegt, zu dem wir glücklicherweise nicht hungrig gekommen
waren; denn ich glaube nicht, dass wir, trotz der Menge der Gerichte, an allen
diesen Kleinigkeiten, die mehr auf den Gaumen als den Magen berechnet waren,
satt geworden wären.
Die Kleidung der Chinesen bestand bei feierlichen Anlässen, wie diesem
Mahle oder den Besuchen, aus einem einfachen blauen bis an die Knöchel
reichenden Rock und einem Ueberwurf von dunkler Seide, der vorn auf der
Brust zugehakt wurde und am Kragen sowie den Enden der Aermel mit feinem
Pelzwerk besetzt war. Die Füsse steckten in breiten, dicksohligen Tuch-
schuhen, und auf dem Kopfe wurde eine Art von Pelzbarett mit je nach
dem Range verschiedener Farbe des Knopfes oben in der Mitte und einer
etwas über die Kopfbedeckung selbst nach hinten hinunterreichenden Pfauen-
feder getragen.
Sehenswürdigkeiten bietet Kaschgar in unserm Sinne überhaupt nicht; aber
alles, was mit dem Volksleben und -treiben zusammenhängt, ist dem Europäer
neu und interessant. Der Bazar, der sich durch mehrere Strassenzüge erstreckt,
unterscheidet sich wenig von den Bazaren in den russischen Städten sartischer
Bevölkerung in Turkestan oder auch Buchara. Nur findet man hier auch
Läden mit ausschliesslich chinesischen Produkten, die, wie z. B. Porzellan,
weither von Osten und von der See gebracht werden. Diese Magazine
Ufer lies KUsQI-iu (^egcnUlier roD Kiuclignr.
sind in Händen von Chinesen. In der neuen Stadt Kaschgar ist der eigent-
liche Sitz des chinesischen Handels, in der alten mehr der des sartisch-
russischen Verkehrs.
Die sogenannte neue Stadt liegt etwa 12 km südostlich von Alt-Kaschgar
und ist wie dieses von einer starken, gut gehaltenen Mauer mit Türmen um-
geben. Ausserhalb der Mauer liegen längs der Strasse die Wohnungen handel-
treibender Sarten und es herrscht hier das gewohnte rege Getriebe; im Innern
der Thore aber sind die Haus- und Ladenbesitzer nur Chinesen. Die Stadt
macht nicht den Eindruck lebhaft pulsierenden Verkehrs wie die sartischen
Bazare. Die Strassen sind breiter und nicht gedeckt; die Läden befinden sich
in grossen, nach der Strasse offenen Hallen mit Ladentischen, hinter welchen die
Verkäufer stehen.
— 90 —
Die höheren Beamten und Militärmandarinen haben grosse Wohnhäuser
mit weiten Höfen inne. Bei manchen derselben sind neben den nach chine-
sischer Art gebauten Holzthoren, die von der Strasse in den Hof und von
einem Hofraum in den andern führen, aussen überlebensgrosse Löwen aus Thon
auf Postamenten aufgestellt, wohl als Symbol der Macht Sie sind sehr roh,
aber in origineller Manier ausgeführt und haben ein grimmiges Aussehen.
Durch die Liebenswürdigkeit unseres Führers, eines Beamten, den uns
der Tao-t'ai zur Verfügung gestellt hatte, sahen wir die neue Stadt von ihrer
besten Seite; aber mehr als das oben Gesagte ist kaum anzuführen. Unser
Aufenthalt währte somit kaum eine Stunde, da wir darauf verzichteten, den Be-
hörden selbst einen Besuch zu machen, und wir ritten durch das reiche Kulturland
nach Alt-Kaschgar zurück.
Hier sind es noch mehrere Punkte in der näheren und ferneren Umgebung,
welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und einen Besuch lohnend machen.
Unsere aufs äusserste beschrankte Zeit erlaubte uns nur einen derselben, den
uralten Stüpa, auf dem linken Ufer des Flusses, gegenüber von Kaschgar gelegen,
zu besichtigen (siehe Tafel V).
Schon der Weg dahin ist interessant. Man überschreitet den Küsül-su-
Fluss auf einigen roh aus Balken und Weiden zusammengezimmerten, schmalen,
geländerlosen Brücken, die durch aus Thon aufgeschüttete und durch Weiden-
faschinen gefestigte Dämme verbunden sind. Am andern Ufer erheben sich
steile Lehm wände, in welche zahlreiche Wohnungen hineingebaut sind. (Ab-
bildung Seite 89). Man geniesst von der Höhe eine schöne Aussicht über den
Fluss und das auf der andern Seite gelegene Alt-Kaschgar mit seiner Mauer,
seinen Türmen und niederen Lehmbauten. Nach der vom Flusse wegführenden
Richtung hin zeigt das Lehmhochplateau starke Schluchtenbildung, durch die
man sich einen Weg suchen muss, um zu einem hoch aufragenden, hügel-
artigen Bauwerke zu gelangen, das aus der Ferne wie ein steiler Lösshügcl
mit senkrecht abstürzenden Wänden aussieht. Beim Näherkommen erkennt man
jedoch, dass es ein aus Lehmziegeln aufgetürmtes, in seiner ehemaligen äusseren
Form freilich nur noch sehr mangelhaft erhaltenes Bauwerk ist.
Die als Stüpa bekannten alt-buddhistischen Denkmäler waren in Indien
sehr häufig, sind aber vielfach zerstört. Sie sind an Stellen errichtet, die eine
Bedeutung für das Leben und Wirken eines Buddha hatten, oder an Orten, an
welchen Reliquienstücke von Heiligen aufbewahrt werden. Die älteste Form
bestand aus einer einfachen, massiven Halbkugel aus Mauerwerk, die auf einem
Unterbau ruht und oben von einer vierseitigen Terrasse gekrönt wird, auf der
als Symbole der Hoheit Schirme aufgestellt waren. Die Grösse der Stupa ist
sehr verschieden, von solchen, die gegen 40 m aufragen, giebt es alle Ueber-
gänge bis zu kleinen Miniaturen, die an Altären und heiligen Orten aufgestellt
werden. Vielfach waren sie mit Skulpturen geschmückt; davon aber ist an dem
grossen Stüpa bei Kaschgar nichts mehr gefunden worden.
L
_ 91 —
Da der Buddhismus schon von 200 v. Chr. ab in die Himalaya-Bergländer,
Kaschmir, nach Afghanistan und Bactrien sich ausdehnte, ist es wahrscheinlich,
dass auch Kaschgarien sehr früh schon von buddhistischen Missionaren besucht
und dort die Lehre angenommen wurde. Der Stüpa bei Kaschgar ist der bei
weitem nördlichste von den bis jetzt bekannten grösseren Bauten dieser Art.
In dem Lehm findet man durch die immer weiter greifenden Schluchten
und Abstürze freigelegte Altertümer; in den Lehmwänden selbst stösst man zu-
weilen in ziemlicher Tiefe (5 m) unter der Oberfläche auf gut erhaltene, grosse
irdene Töpfe, wie sie noch heute bei der Bevölkerung im Gebrauche sind.
Häufig bergen diese wertvollen Inhalt aus alter Zeit.
Ueberhaupt ist das Land von Kaschgar, am Fusse der Berge entlang bis
über Khotan hinaus, reich an Altertümern, und in heute von Wüste bedecktem
Lande finden sich noch die TKimmer alter Städte. Ausser wertvollen Schmuck-
sachen findet man hier Handschriften, die bis in die ersten Jahrhunderte n. Chr.
zurückreichen und deren Inhalt von hohem archäologischen Werte ist. Manche
Handschriften sind auch in Schriftzeichen geschrieben, die noch der Entzifferung
harren und bislang unbekannt waren.
Was immer diese alten, im Wüstensande begrabenen Handschriften an
geschichtlichem Material noch in sich bergen mögen, das eine beweisen sie
jedenfalls, zusammen mit den alten Resten ausgedehnter menschlicher Wohn-
stätten, dass da, wo jetzt die Wüste allein herrscht, einst grosse Städte sich
erstreckten und ein auf hoher Kulturstufe stehendes Volk wohnte. Die Wüste
breitete sich später über fruchtbares Land aus, zerstörte die Kulturarbeit und
zwang die Menschen, die versandeten Städte zu verlassen. Nicht unmöglich ist
es, dass auch noch andere Strecken der Wüste vor Jahrhunderten anbaufähiges
Land besassen und Ansiedlungen ermöglichten, von denen aber bis heute noch
keine Spuren an die Oberfläche gekommen sind.
Die physische und geographische Beshafienheit dieses westlichsten Teiles
des grossen Tarimbeckens bietet somit ebenso viel Interesse, wie das Studium
der grossen historischen Wandlungen, welche das Land Kaschgarien durchge-
macht hat und in denen die Grausamkeit und Willkür orientalischer Machthaber,
Greuelthaten der Chinesen wie der Muhamedaner, Meuchelmord und Gift eine
grosse Rolle spielen. In Kaschgar war es auch, wo der grosse Forscher
Schlagintweit als Gesandter des Vicekönigs von Indien an den Chan von Kokan
getötet wurde, und wo heute noch die entfernten Lagen und Befestigungen der
jeweils muhamedanisch-sartischen und chinesischen Städte auf den Gegensatz
zwischen der Mehrzahl der Bevölkerung und der kleineren, regierenden chinesi-
schen Partei hinweisen, der auch weiter im Innern Chinas immer wieder zu
blutigen Rebellionen und Aufständen hier der Bevölkerung Kaschgariens, dort
der Dunganen gegen die Chinesen führt
Versuchen wir, hier die wesentlichsten Züge der eigentümlichen physiogra-
phischen Beschaffenheit dieses Teiles von Innerasien, von Chinesisch- oder Ost-
1
- 92 -
Turkestan, welches das alte Kaschgarien enthält» und die wichtigsten der
ausserordentlich mannigfaltigen geschichtlichen Ereignisse, die sich auf diesem
Boden abspielten, kurz zusammen zu fassen.
Wohl eine der am meisten charakteristischen Erscheinungen in der Phy-
siognomie dieses Landes ist die eigentümliche Verteilung von fruchtbaren,
Ackerbau ermöglichenden Oasen -Gebieten und weiten Strecken öder und
steriler Wüstenflächen von Sand- oder Schottermassen innerhalb der hoch auf-
ragenden gebirgigen Umgrenzungen des Tarimbeckens, in weichen grasbedeckte
Thalflächen zwischen steilen, zuweilen noch bewaldeten, vielfach aber auch den
Charakter der Felswüste tragenden Hochgebirgsgehängen der nomadisierenden
Bevölkerung der Bergkirgisen und ihren Herden die Existenz gestatten. Die
Grenzen des Gebietes, das als neue chinesische Provinz Sin-chiang bezeichnet
wird, verlaufen im Süden vom westlichsten Teile der Provinz Kan-su bei dem
Thore Kia-yü-kwan, am Ende der grossen Mauer, auf der nördlichsten Gebirgs-
kette des Kuen-Iun-Systems bis zum Gebirgsknotenpunkte und Hochplateau des
Pamir; an der Westgrenze im Alai-Gebirge sind die Passübergänge in den Hän-
den der Russen; die Grenze im Norden, im Thienschan, verläuft südlich vom
Tschatür-kul in nordöstlicher Richtung bis zum Gebirgsstock des Khan-Tengri
auf der südlichsten der höheren Gebirgsketten, wendet sich aber dann quer
über das System des Thienschan nach Norden zum Dsungarischen Alatau, folgt
diesem nach Osten und erreicht in nördlicher Richtung den Tarbagatai, von
wo die östliche Begrenzung der Provinz durch die Dsungarei und die Gobi im
allgemeinen in südöstlicher Richtung nach dem Thore Kia-yü-kwan führt.
Das ganze Gebiet dieser Provinz umfasst i 426 ODO Quadratkilometer mit
einer Bevölkerungszahl, die auf eine Million angegeben wird, so dass die
Dichtigkeit der Bevölkerung nur 0,6 pro Quadratkilometer beträgt. Der Hauptsitz
der chinesischen Verwaltung ist in Urumtschi im östlichen Thien-schan.
Der Teil dieser Provinz, der nordöstlich der Linie, die vom Khan-Tengri
auf der südlichsten Kette des Thienschan über den Kuruk-tag nach Ostsüdost
verläuft, gelegen ist, gehört nicht mehr dem Tarimbecken an und besteht zumeist
aus weiten Wüstenflächen von Sand und Gerollen zwischen den nach Osten
verlaufenden Ketten des Thienschan mit nur sehr wenigen kleinen Oasen-Gebieten
am Fusse der Gebirge, wo die bald in der Wüste versickernden Flüsse austreten,
z. B. bei Turfan-Toksun und an andern Punkten, die im Kapitel über den
östlichen Thien-schan besprochen werden sollen.
Kehren wir zum Tarimbecken zurück und überblicken es aus der Vogelschau,
so sehen wir einen ungeheuren Raum von annähernd ovaler F'orm, fast ganz
von Wüste gebildet. Die Achse von den Gebirgen westlich von Kaschgar bis
zum 90. Meridian östlich vom Lop-nur-Gebiete ist 1200 km lang; die grösstc
Breite im Meridian von Kutscha beträgt 600 km. Nur am inneren Fusse der
randlichen Bergketten zieht .sich eine in ihrer Breite wechselnde Kulturzone hin,
die im Westen ihre grösste Ausdehnung hat, nach Osten hin aber immer mehr
-- 93 —
durch Wüstenstrecken unterbrochen wird. Das bebaute Gebiet reicht meist nicht
unmittelbar bis an den Gebirgsfuss; es schiebt sich zwischen beide eine mehr
oder weniger breite Zone von ganz sterilen Schottermassen ein, über welche
die Gebirgsflüsse herabkommen und in welchen sie häufig versickern. Nur wenige
grössere Flüsse erreichen die Hauptwasserader, den von Westen nach Osten den
nördlichen Teil des Beckens durchfliessenden Tarim, der im Osten in der
Seenregion des Lop-nur-Gebietes sein Ende findet.
Der Tarim-Fluss setzt sich aus Oberläufen zusammen, die von Nordwesten,
Westen und Südwesten kommen und mit den Namen Ak-su-, Kaschgar-, Jarkand-
und Khotan-darja bezeichnet werden. Erst von der Einmündungssteile des
Ak-su-darja ab heisst der vereinigte, in mehreren parallelen Armen und Altwassern
fliessende Hauptstrom Tarim, dessen Wassermasse aber immer mehr gegen
Osten durch Verlust abnimmt.
Einige der aus dem Thien-schan kommenden Flüsse münden in abflusslose
Seen, die noch nördlich von der Hauptwasserader liegen. Die vom Süden, aus
dem Kuen-lun, kommenden Flüsse erreichen nur im Tschertschen-darja mit
Wasserführung den untersten Teil des Tarim am Lop-nur; der Khotan- und
Kerija-Fluss wurden von Sven Hedin in ihren Trockenbetten durch die trostloseste
Sandwüste bis zum Tarim verfolgt, aber alle andern verschwinden in einiger
Entfernung vom Gebirgsfusse in dem alles verschlingenden Dünensande.
Die Hochebene des Tarimbeckens senkt sich von 1400 m westlich von
Kaschgar bis zu ihrem tiefsten Punkte im Lop-nur-Gebiete (800 m) um 600 m.
Die einzige Unterbrechung der enormen Wüstenflächen bilden die Erhebungen
des Masar-tag, die bei Maral-baschi und am Khotan-darja nördlich von Khotan
nachgewiesen wurden, und deren Zusammengehörigkeit als einheitliche, von
Nordwesten nach Südosten laufende Kette noch nicht erwiesen, aber nach dem
geologischen Schichtstreichen, das dem des Thien-schans fremd ist, wahrscheinlich
ist. Der Sand mit seinen wandernden Dünen spielt in den in der Mitte gelegenen
Gebieten die Hauptrolle. Die öden Flächen von grobem Schotter und Trümmer-
massen sind mehr auf die Nähe des Gebirgsfusses und dessen Thäler beschränkt.
Ausser den isolierten Oasenflächen, die auf Lehmboden liegen und durch
natürliche oder künstliche Berieselung anbaufähig werden, giebt es am Rande
gegen die Schotter- und Sandwüsten Zonen, deren lehmiger Boden mit reichlichen
Salzefflorescenzen und wenigen, weit von einander getrennten Büschen von
salzliebenden Pflanzen oder Sträuchern, wie Tamarix, bedeckt ist Infolge der
Anhäufung von Lehm- und Staubmaterial entstehen hier an den Pflanzen eigen-
tümliche hügelige Erhebungen, so dass man von einer Zone der Vegetationshügel
sprechen kann, die ganz allgemein an der Grenze zwischen den absolut wüsten
und den Vegetation tragenden Gebieten vorkommt und auf die ich später noch
zurückkommen werde.
Noch einer andern Vegetationsform ist zu erwähnen, die grössere Areale,
besonders an den verschiedenen Läufen des mittleren Tarim, den Trocken-
~ 94 —
thälem und Läufen des Khotan- und Kerija-darja, einnimmt und Wälder bildet,
die sich aber auch sonst, besonders im Süden des Beckens, in kleineren
Beständen mehrfach vorfindet Zumeist ist es der Tugrak-Bauni (Populus
balsamifera), welcher die Wälder bildet, aber auch verschiedene Weidenarten
sind verbreitet; grosse Gebiete an den Flussniederungen sind von Schilf ein-
genommen.
Unter diesen ärmlichen Verhältnissen ist natürlich auch das Tierleben
sehr spärlich. Einige Gazellen, Hasen, Füchse und auch den Irbis (Panther),
Tiger und Hirsche, die letzteren besonders in den Dschungeln, sieht man
zuweilen; wilde Kamele und Pferde halten sich in Herden in den unwirtlichsten
Wüstengebieten auf und machen weite Wege, um zu ihren Futter- oder Wasser-
plätzen zu gelangen.
In den Gebirgen der westlichen und nördlichen Umrandung des Beckens
leben die Nomaden, meist Kirgisen, ganz von ihren Herden, die aus Schafen,
Pferden, Ziegen und Yaks bestehen, und von der Jagd. Ausser Hirschen
und Gazellen sind auch überall in den Gebirgen die Bergschafe Argali (Ovis
Poli) sehr häufig. Anbau von Weizen, Roggen, Hirse und Erbsen ist bei diesen
Gebirgsbewohnern sehr selten.
Die Oasen sind überall fruchtbar, wo noch genügend Wasser hingeleitet
werden kann und wo nicht, wie namentlich im Süden, Ueberwehungen mit
Flugsand die Feldarbeit vernichten. Die richtige, künstliche Irrigation macht
viele Arbeit und erfordert viele Kräfte. Die Bewässerungskanäle müssen aus-
gegraben und durch Dämme (Arük) geschützt werden, wenn im Sommer das
Schmelzwasser ungestüm aus den Bergen herabkommt; die Kanäle füllen sich
mit Schlamm und müssen immer wieder von neuem ausgebaggert werden; an
Kreuzungsstellen der vielfach erhöht liegenden Kanäle mit tief eingefahrenen
Strassen zieht das Wasser oft diese Wege seinem eigenen Bette vor, und es
entstehen dadurch (lir den Verkehr sehr unzuträgliche Verhältnisse. Auch die
Konstruktion der primitiven Brücken bei tieferen Kanälen bedürfte häufiger der
Erneuerung, wie überhaupt die Pflege der Wege viel zu wünschen übrig lässt
und der weiche Lehm einen sehr schlechten Untergrund bildet, wenn er im
Sommer durchweicht oder hoch mit Wasser bedeckt ist. Da es oft an den
nötigen Arbeitskräften fehlt, ist die Irrigation nicht immer so weit ausgedehnt,
als es den Verhältnissen nach möglich wäre und früher zu besseren Zeiten auch
der Fall war.
Es werden eine Menge von Feldfrüchten, Gemüsen, Obst und andern Nutz-
pflanzen angebaut, und die Geschichte berichtet, dass Kaschgarien Zeiten hohen
Wohlstandes gesehen hat, wie z. B. zur Zeit der mongolischen Herrschaft nach
Dschingfis-chan. Auch heute noch wären manche brach liegende Flächen durch
künstliche Berieselung ertragfähig zu machen, und vielfach begegnet man den
Spuren und Resten von früheren Besiedelungen, grossen Dörfern und Höfen, die
infolge der vielen Kriegszeiten, der Aufstände, der Massenermordungen und der
— 95 -
schliesslich daraus entstehenden Verarmung des Volkes verfallen sind. Kasch-
garien ist gegenwärtig selbst in den blühendsten Oasen kein reiches Land zu
nennen; es könnte aber zu einem solchen gemacht werden, wenn das Volk sich
erholt von der noch unter seinem letzten selbständigen Herrscher von diesem
selbst und seinen Beamten betriebenen Aussaugung, die seinen Wohlstand unter-
grub, und von den fanatischen Religionskämpfen, welche die Kopfzahl dezimierten,
so dass es an Kräften für die nötigsten Arbeiten fehlt.
Wie die späteren Schilderungen zeigen werden, machen die Städte wie
die Dörfer und die Seraie immer einen ärmlichen Eindruck. Die niederen
Lehmhütten bieten kaum genügend Raum, und auch ihre innere Einrichtung
ist die denkbar primitivste. In den Läden ist alles aufs engste zusammengehäuft;
nur die chinesischen Verkaufsstellen sind besser gehalten. Die Bevölkerung ist
sehr bedürfnislos und lebt einfach: Thee und Reis, der Pilaw, eine Art von
Maccaroni mit Fleisch und Fett bilden neben Melonen, Gurken und Obst die
Hauptnahrungsmittel.
Auch die Kleidung ist einfach, meist aus Baumwollengewebe oder Wolle
und Schaffell hergestellt; Seide sieht man nur sehr selten, ebenso wenig wert-
vollen Schmuck, dafür aber sehr häufig die bitterste Armut in Hütten, an kleinen
Orten und bei bettelnd herumziehenden Derwischen. Häufig sind diese Bettler
mit ekelerregenden vernachlässigten Wunden und Krankheitserscheinungen be-
haftet; Kropf ist sehr, verbreitet und wird durch das schlechte Trinkwasser
erworben, während die ebenfalls häufig auftretenden Augenkrankheiten auf den
sehr reichlich in der Atmosphäre enthaltenen, stark mit Salz versetzten Staub
zurückzufuhren sind.
Der Volkstypus im allgemeinen ist sehr unschön, gleichviel, ob nun der
mongolische oder türkische Typus vorwiegt. Bei dem harten Leben zeigen
sich schon früh die Spuren des Alters und zahlreiche tiefe Furchen durchziehen
das Gesicht noch junger Leute.
Die Bevölkerung ist weitaus zum grössten Teile muhamedanisch. Der
letzte Herrscher Kaschgariens, Jakub-Bek (f 1878), duldete keine andere Religion,
und abgesehen von den später eingewanderten Chinesen sind nur in den Bergen
unter den Mongolen noch Andersgläubige, Buddhisten oder Schamanisten, zu
finden. Von Fanatismus merkt man auf der Reise wenig, in der Geschichte aber
hat er, durch die Mullahs geschürt, eine bedeutende und unselige Rolle
gespielt Die chinesischen Behörden sind in religiöser Beziehung sehr tokrant
Auch in Bezug auf die Ehe bestehen keine strengen Vorschriften; die Stellung
der Frau ist eine selbständigere und sie geniesst in Ost-Turkestan mehr Frei-
heiten als in der Türkei.
Wird schon den Chinesen grosse Neugierde nachgesagt, durch die sie
fremden Reisenden oft lästig fallen, so gilt das in noch viel höherem Grade
von der türkischen Bevölkerung Ost-Turkestans, die uns wie nirgends sonst auf
der ganzen Reise durch freches Herandrängen und Aufdringlichkeiten belästigte,
- 9« -
SO dass mehrfach Soldaten von der Behörde beauftragt werden mussteo, die
Zudringlichen von den Höfen der Karawanenseraie, in denen wir uns aufhielten,
abzuhalten.
Auf den Bazaren mancher Städte, wie z. I), Kaschgar, Ak-su und Kutscha,
herrschte reges Leben, und es schien ein tüchtiger Handelsgeist den Markt zu
beseelen. Ausser den einheimischen Produkten, die ausschliesslich durch Haus-
industrie und Landbau gewonnen werden, ündet man überall zahlreiche
russische Waren, in den chinesischen Magazinen Erzeugnisse des fernen Chinas,
Englands und auch Japans (Streichhölzer). Nur sehr wenig kommt aus Indien,
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— 97 —
in China, auch hier das Volk zu leiden hat, wenn auch lange nicht in dem
Masse, wie früher unter den willkürlichen Erpressungen der einheimischen
Herrscher in Kriegsfällen oder bei Reisen hoher Würdenträger, wo die ganzen
Kosten der Beförderung, Unterbringung und Ernährung des zahlreichen Gefolges
von den kleinsten Orten, die sie berührten, aufgebracht werden mussten, von
ausserordentlichen Kontributionen nicht zu sprechen. Dass Kaschgarien hohe
Blüte unter Dschingis-chan und der durch Frieden ausgezeichneten mongolischen
Herrschaft erreichte, beweist allein schon zur Genüge, dass das Land eines
Aufschwunges fähig ist und grösseren Wohlstand erreichen kann.
So wird auch unter einer einsichtigeren Regierung, die nach Lage der
Dinge nur die russische sein könnte, eine grosse Entwicklung der Industrie
im Lande ins Leben gerufen werden können, die heute zum Teil nur durch den
Widerstand der Behörden gegen Neuerungen in technischen Betrieben und gegen
die Ausbeutung von Bergwerken künstlich niedergehalten wird.
Dass keine unüberwindlichen Verkehrs-Hindernisse existieren, zeigen die
seit uralter Zeit benutzten Karawanenstrassen; ebenso wenig steht ein Mangel
an natürlichen Hilfsquellen einem Aufschwünge des Landes im Wege. Die
Berge des Thien-schan bieten einen grossen Reichtum an Erzen, Gold kommt
aus den Bergen des Kuen-lun, und auch Petroleum und Kohle sind vorhanden;
aber alle Ausbeutung ist noch in den Anfangen und bedarf der richtigen
Organisation. Dagegen bieten die Rohmaterialien des Ackerbaues, die Cerealien,
die Baumwolle der Oasen und die Wolle und Häute schon jetzt die Möglichkeit
einer gesteigerten industriellen Thätigkeit, da das Klima eine reichlichere Pro-
duktion gestattet und viele Landstrecken besser ausgenutzt werden könnten.
Das Klima Kaschgariens ist nicht so extrem, wie nach seiner zentral-
kontinentalen Lage angenommen werden müsste. Der Winter ist nicht so
kalt, wie z. B. in Hami, und ziemlich trocken; gegen die kalten und stark ab-
kühlenden Winde vom Norden ist der Nordrand des Tarim-Beckens mit seinen
Oasen durch die hohen Thien-schan-Ketten geschützt. Allerdings wird im
Sommer die Temperatur der Luft wie des Bodens sehr hoch, fast so hoch wie
in den Tropen, und die heissesten Teile liegen in der Depression der Erdober-
fläche unter dem Meeresspiegel, südlich von Turfan, die auch durch milderen
Winter ausgezeichnet ist.
Der Wüstenboden erhitzt sich bis über 70® C. und die Luft bis zu 45® C.
Die Sommer im Tarimbecken sind fast ganz ohne Niederschläge; der östliche
Teil desselben und die Gobi gelten als überhaupt regenlos, während an den
Abhängen des Thien-schan und der westlichen und südlichen Umrandungen des
Beckens reichlichere Niederschläge eintreten und das Vorkommen von ewigem
Eis und Schnee wie im Pamir und Alai, so auch im östlichen Thien-schan,
im Karlük-tag, nordöstlich von Hami und südlich vom Lop-nur im Arka-tag
ermöglichen, von denen im Sommer wasserreiche Flüsse herabkommen und den
Oasengebieten die nötige Feuchtigkeit zufuhren.
Futter er, Durch Asien. 7
- 9-5 -
Wie .«»ich aus dieser kurzen Uebersicht ergiebt, sind also die Bedingungen
für Ackerbau und Ansiedelungen, für Industrie und Mandel zwar auf wenige
kleine Kulturslrecken zwischen ungeheueren Wußten beschrankt, diese aber sind
der Entwicklung in hohem Masse fähig und im stände, eine grössere Bevölkerung
zu ernähren, mehr Produkte zu erzeugen und einen lebhafteren Handelsverkehr
zu betreiben als gegenwartig.
Der russische Einfluss macht sich überall am Nordrande schon sehr stark
geltend, und die ganze Entwicklung von Handel und Verkehr weist immer mehr
nach Norden hin. Die Zukunft wird es lehren, ob nicht hier ein glücklicheres
und wohlhabenderes Land entsteht, wie unter der nissischen Leitung schon das
westliche Turkestan in friedlicher Ent^vicklung hoher Blüte entgegengefuhrt
worden ist. Das heutige »arme Kaschgarienc ist nur die Folge der geschicht-
lichen Vergangenheit, die schwer auf ihm lastet und deren Wirkungen sich
nicht so rasch verlieren können.
Ein ganz flüchtiger Ueberblick über den vielfachen, meist mit grossem ßlut-
vergiessen verbundenen Wech.sel der Herrschaften verschiedener Völker, die
dazwischen liegenden Perioden innerer Streitigkeiten unter einzelnen Städten und
Di.strikten um die Vorherrschaft und endlich die Eroberung des Landes durch Jakub-
Bek wird deutlich zeigen, in welchen Zustand das Land allmählich geraten musste.
Ost-Turkestan ist ein Gebiet, das schon in sehr früher Zeit sich durch
eine Kultur auszeichnete. Die Ursitze der chinesischen Rasse werden hier an
den Nordgehängen des westlichen Kuen-lun vermutet, ehe diese schon 2200 Jahre
vor Christus die besseren Gebiete am Wei-ho aufsuchte und sich dort ansiedelte.
Die ältesten Bewohner in geschichtlichen Zeiten gehörten der arischen Rasse
und den Persern verwandten Stämmen an, deren Heimat auf dem Pamir gelegen
zu .sein scheint. Nach Westen war das Land abgeschlossen, nach Osten aber den
räuberischen Uebergriflen der Mongolen offen, die ebenso wie gegen das himm-
lische Reich, auch nach Kaschgarien ihre Einfalle machten und die Urbevölkerung
von Saken und Geten teils verdrängten, teils sich mit ihr vermengten.
Als die nördlichen Hunnen von den Chinesen zur Zeit der Han-Dynastie
zurückgeschlagen wurden, überschwemmten ihre Horden ganz Turkestan und
gelangten bis ans Kaspische Meer und an die Wolga; im IV. und V. Jahrhundert
kamen sie noch weiter nach W^esten bis nach Deutschland.
Die Erbauung der grossen chinesischen Mauer, die schon 250 v. Chr. be-
gonnen wurde, drängte die mongolischen Stämme (die Hunnen) nach Westen
und gegen das schon um 300 v. Chr. bestehende Reich von Stämmen der
östlichen Tataren (Yüe-tschi), das von Schan-si bis Khotan reichte. Die west-
lichen Tataren oder Hunnen bedrängten die Yüe-tschi, welche nachgaben und
ihrerseits die Saken zum Teile aus dem Tarimbecken vertrieben; die grössere
Zahl der Saken aber blieb in dem Hexapolis genannten, westlichen Oasengebiete
des Tarimbeckens und vermischte sich mit den Uiguren, die lange Zeit hindurch
Herren des Landes waren.
— 99 —
Die Uiguren sind ein Volk türkischer Abstammung vom Orkon-Flusse,
das sich wahrscheinlich schon sehr früh vom ursprünglich im Altai ansässigen,
türkischen Hauptstamme abgetrennt hat und sich zu Beginn der christlichen
Zeitrechnung ganz Ost-Turkestans bemächtigte. Ein türkischer Staat, der von
Kaschgar bis zum Aralsee reichte, wurde später zur Zeit der Samaniden (Ende
des IX. Jahrhunderts) gegründet und deren Hauptstadt Samarkand erobert.
In der Zwischenzeit aber hatten die Uiguren Streitigkeiten mit China, die
zu zeitweiliger, wenn auch nicht drückender Unterordnung derselben führten,
aber fortwährende Kämpfe und Aufstände zur Folge hatten.
In Ost-Turkestan war bis zum VIII, Jahrhundert der Buddhismus, von
dem es noch unbestimmt ist, wann er eindrang, die vorherrschende Religion,
und das Land besass zahlreiche Klöster und fromme Einsiedler.
Schon vom VIII. Jahrhundert ab beginnt der Islam sich zu verbreiten. An-
fangs des X. Jahrhunderts wurde ein kaschgarischer Fürst, Satuk-Bogra-chan,
Muhamedaner und verschaffte aufs eifrigste mit Feuer und Schwert diesem
Glauben Eingang. Seit dem Niedergang der Samaniden nahm der Islam in
Zentral-Asien überall einen grossen Aufschwung und breitete sich nach Norden,
Osten und Süden bis Indien aus. Mit ihm kamen auch die Araber, deren Ein-
fluss bald der vorherrschende wurde; alle andern Religionen, unter denen die
der Nestorianer stark vertreten war, wurden verfolgt und unterdrückt. Die Be-
wohner von Khotan setzten der Bekehrung zum Islam besonders langen und
energischen Widerstand entgegen; im Kampfe mit ihnen fielen viele der arabischen
Glaubensstreiter, welche die lange Reihe der muhamedanischen Heiligen eröffnen.
Im XI. Jahrhundert umfasste das uigurische Reich das ganze grosse Gebiet
vom Kaspischen Meere bis zur Gobi; es hatte einen gewissen Kulturgrad
erreicht, und die Bevölkerung hatte feste Sitze und Städte in den Oasen; mon-
golische Stämme machten anfangs des XII. Jahrhunderts seiner Selbständigkeit
ein Ende. Im Jahre 1220 war Kaschgarien dem Reiche Dschingis-chans an-
gegliedert, dessen Horden von mongolischen Stämmen China, Indien, Syrien,
Fersien und Europa bis Ungarn und Oesterreich heimsuchten.
In Kaschgar herrschte zu jener Zeit Guchluk-chan, ein eifriger Nestorianer
und grausamer Feind des Islam; als daher 1218 die Mongolen mit 200CK) Mann
vor Kaschgar erschienen, wurden sie vom Volke, da sie Religionsfreiheit prokla-
mierten, freundlich aufgenommen und der Chan musste fliehen. Buchara und
Samarkand wurden von den Mongolen genommen und nach allen Richtungen
Heerscharen ausgesandt. Inmitten dieser divergierenden Eroberungen starb 1227
Dschingis-chan im 64. Lebensjahr, nachdem er die ganze zentral gelegene Zone
Asiens vom Gelben bis zum Schwarzen Meere erobert hatte.
Während der Zeit des Dschingis-chan und der Glanzperiode der mongoli-
schen Herrschaft erfreute sich auch Kaschgarien hoher Blüte, die es später
nie wieder erreichen sollte. Die muhamedanische Religion blieb erhalten, verlor
aber ihre Härten, und auch andere Religionen wurden wieder zugelassen. Gleich
7*
nach dem Tode des Dschingis-chan, des 'machtigsten Königs', hatten aber der
blühende Handel und das ganze Land von neuem unter L'nruhen und Biii^er-
kriegen zwischen den Nachfolgern zu leiden, bis im XIV. Jahrhundert ein weiser
Herrscher, Tulguk-Timur-chan, das Land durch Buchara vergrössertc und ihm
Erholung gönnte ; sein Sohn , der zum Herrscher von Samarkand gemacht
worden war, wurde von dem grossen Timur, der ein Tiirke von Abstammung
und nicht ein Abkömmling des Dschingis-chan ist, unterworfen, und es begannen
Kriege zwischen Timur und Kaschgar, die 1589 zur Unterwerfung der räuberi-
schen Thien-schan-Stämme und Kaschgariens führten, nachdem ein sehr grosses
Heer in fünf verschiedenen Abteilungen auf verschiedenen Wegen bis zum juldus-
Thal vorgedrungen war, wo ein glänzendes Siegesfest gefeiert wurde.
Kaschgarien selbst aber war durch Raub und Mord so verwüstet und ver-
armt, dass es sich kaum mehr von diesem Unglück erholte und der ganze
Wohlstand, den Dschingis-chan fast zwei Jahrhunderte früher begründet hatte,
für immer vernichtet war.
Die Geschichte des unglücklichen Landes zeigt vom XV. bis XVIII. Jahr-
hundert unaufhörliche Kämpfe, die teils durch Hinfalle und Eroberungen der
Chinesen und Thien-schan-Völker, teils durch innere Religiunsstreitigkeiten herbei-
geführt wurden.
Unter den Nachfolgern Dschingis-chans herrschte bis ins XVL Jahrhundert
innerer Streit, mehrmals zerfiel Kaschgarien in zwei sich befehdende Teile
mit Kaschgar und Ak-su als Hauptstädten, und oft geriet es in die Macht der
usbekischen Herrscher von West-Turkestan. Die Bei^tämme des Thicn-schan
machten Einfalle, plünderten Kaschgar und zogen gegen Kokan und Ta.schkent,
so dass die Usbeken-Chane aus Samarkand veranlasst wurden, ein Heer nach
Kaschgar zu senden, das anfangs des XV. Jahrhunderts die Stadt besetzte.
Zu dieser Zeit beginnt die Einwanderung zahlreicher Schüler der muba-
medanischen Propheten und Lehrer aus dem Westen; die religiöse Duldsamkeit,
welche die mongolische Herrschaft ausgezeichnet hatte, hörte auf, und Fanatismus
gegen Andersgläubige brachte blutigen Streit und Rückgang des Wohlstandes,
um so mehr, als noch Kämpfe mit den Chinesen dazukamen.
Zwei Sekten standen sich gegenüber, die auch heute noch bestehen, aber
nicht mehr die damalige Bedeutung haben; der zuerst nur religiöse Gegensatz
■ übertrug sich bald auch auf das politische Gebiet
Appak-Chodscha, das Haupt der einen Sekte und ein auch heute noch vom
Volke sehr verehrter Lehrer und Heiliger, hatte grossen Einfluss in Kaschgar
gewonnen, dessen damaliger Herrscher der andern Partei angehörte; er wurde
ausgewiesen und sann auf Rache, indem er die Feinde des Islam, die Dsungaren.
mongolische Stämme im Ili- und Juldus-Thale, die sich in der Dsungarei ei"
selbständiges Reich begründet hatten, ins Land rief. Diese bemächtigten sich
1678 Kaschgariens und hielten es 78 Jahre besetzt, bis die Chinesen dem
dsungarischen Reiche ein Ende machten.
1^
— lOI —
Trotz vieler Kämpfe mit den Chinesen hatten die Dsungaren ihr Gebiet
bis auf Ost-Turkestan und sogar Nord-Tibet ausgedehnt^ und es galt als reich,
namentlich durch den Besitz des Hauptsitzes der Chane, Ili im Thien-schan.
Appak-Chodscha aber, der Statthalter von Kaschgarien geworden war, nachdem
er aus egoistischen Motiven das Land in die Abhängigkeit von den Dsungaren
gebracht hatte, veranlasste, von der Geistlichkeit, die er für sich gewonnen
hatte, unterstützt, einen Einfall in die Dsungarei, bei dem zwar viele Gefangene
und viel Gut erbeutet, das Land selbst jedoch wieder zum Kampfplatze der
Parteien gemacht wurde.
Das Reich der Dsungaren wurde, ebenfalls durch Verrat von Amursan,
dem Haupte eines mongolischen Stammes, der 1774 zu den Chinesen überging,
eine leichte Beute der Chinesen, die fast ohne Kampf sich des Landes be-
mächtigen konnten.
Amursan brachte es ferner zu stände, unter Benutzung der beiden feind-
lichen Sekten auch Kaschgarien ziemlich mühelos unter chinesische Oberhoheit
zu bringen. Da aber die chinesischen Garnisonen zu schwach waren, kam es
schon bald in der Dsungarei sowohl wie in Kaschgarien zu Aufständen gegen
die Chinesen, deren Kaiser erbittert 1758 drei grosse Armeen dahin sandte, mit
dem Befehl, alles zu vernichten. Ein unerhörtes Töten ohne Schonung von Alter
und Geschlecht war die Folge, dem über eine Million Menschen zum Opfer fiel.
Die Stadt Kuldscha wurde gegründet und zahlreiche Ansiedler aus der Mandschurei
in das verödete Land gesandt; es ist wahrscheinlich, dass auch viele chinesische
Muhamedaner, sogenannte Dunganen, aus den westlichen Provinzen nach der
Dsungarei übersiedelten, wo wir sie 100 Jahre später im blutigen Dunganen-
Aufstande wiederfinden.
Nach der Unterwerfung der Dsungaren kam Kaschgarien an die Reihe.
Obwohl die chinesische Herrschaft der Bevölkerung verhasst ist, so leistete sie
doch, der inneren Bürgerkriege müde und Friedenszeit erhoffend, nur geringen
Widerstand gegen die chinesische Invasion, und nach mehreren kleinen Miss-
erfolgen war 1758 das ganze Land wieder chinesisch. Die chinesischen Ver-
waltungsmassregeln änderten wenig an Gebräuchen und Sitten, aber die Grausam-
keit der chinesischen Beamten führte mehrmals zu Aufständen, die unterdrückt
und deren Hauptschuldige mit dem Tode bestraft oder nach Ili als Landarbeiter
verbracht wurden. Davon abgesehen konnten die Chinesen 65 Jahre ungestört
regieren, und das Land blühte auch infolge der toleranten Regierungsmassregeln
wieder etwas auf. So brauchten z. B. die Abgaben nur die Kosten der Ver-
waltung und der Garnisonen zu decken; das Einziehen der Abgaben geschah
durch einheimische Beamte, wie solche auch Richter waren, allerdings unter
Oberaufsicht der Chinesen. Kleidung, Sitten und Religion blieben unangetastet,
und das Volk hätte sich des aufblühenden Wohlstandes erfreuen können, wenn
nicht vom Jahre 1825 ab die Kriegsfackel innerer Unruhen die Segnungen des
Friedens in langjährigen blutigen Fehden wieder zerstört hätte.
— I02 —
Infolge der erwachten tlroberungslust versuchten die Chinesen ihre Grenzen
weiter nach Westen, nach Samarkand und Taschkent, vorzuschieben, und machten
sich dadurch neue Feinde. Die mittelasiatischen Herrscher verbündeten sich
mit Afghanistan, und von Norden wie von Südwesten erfolgten Einfalle
nach Kaschgarien, wo die Bevölkerung nur auf die vermeintlichen Befreier
wartete.
Die Geschichte des XIX. Jahrhunderts berichtet hauptsächlich von Kam*
pfen gegen die verhasste Oberherrschaft der Chinesen, die immer von neuem
wieder das Land eroberten und die Niedcrmetzelungen ihrer Garnisonen und
Beamten in grausamster Weise rächten.
Einige Versuche des Volkes, mit Unterstützung der Kirgisen im Thicn-
schan und aus West-Turkestan, wo für den Glaubenskrieg durch Emissäre
agitiert worden war, die Chinesen zu vertreiben, missglückten; aber 1826
musste sich die chinesische Festung bei Kaschgar ergeben und die ganze Garni-
son von 8—10000 Mann wurde getötet. Schon im nächsten Jahre kamen die
Chinesen mit einem grossen Heere zurück; der Chodscha Dschengir, der sich
mit Hilfe des Chans von Kokan zum Herrscher in Kaschgar aufgeworfen hatte,
musste, nachdem er nur neun Monate regiert hatte, fliehen, wurde gefangen
und nach Peking gebracht, wo er durch Gift wahnsinnig gemacht, dem Kaiser
vorgeführt, dann zerschnitten und den Hunden vorgeworfen wurde.
Die Chinesen nahmen in Kaschgar blutige Rache und bedrängten besonders
die in Kaschgar anwesenden Kaufleutc aus Kokan, so dass der Chan von
Kokan, der den Handel bedroht sah, den Krieg gegen die Chinesen, den
er zugleich als Glaubenskrieg proklamierte, beschloss. Er hatte Erfolg und
eroberte in rascher Folge die wichtigeren Städte in Westkaschgarien. Aber schon
nach drei Monaten verliess er das Land wieder und mehrere Zehntausende von
Kaschgariern folgten ihm nach Kokan, aus Furcht vor den Repressalien der
Chinesen. Diese mussten dem Chan von Kokan wesentliche Handelsprivilegien
und in denr westlichen Städten Kaschgariens eigene Handelskommissionäre be-
willigen, damit er nicht neue Unternehmungen gegen sie führte. Infolge
davon herrschte bis 1847 Ruhe. Kokan hatte allmählich in Kaschgarien
grossen Einfluss gewonnen, als von Kokan aus Unruhen angestiftet und, durch
Beihilfe der einflussreichen Kokaner in Kaschgar, diese Stadt dem Bunde der
sieben Chodscha übergeben wurde.
Die Hoffnungen der Chodscha, dass das ganze Land sich gegen die Chine-
sen zu ihren Gunsten erheben würde, gingen nicht in Erfüllung, wohl aber flohen
sie vor den anrückenden Chinesen; auch gegen looooo kaschgarische Familien,
welche die Grausamkeiten der Chinesen fürchteten, folgten dem fliehenden
Heere und suchten über den Terek-Dawan-Pass zu entkommen. Hier ereilte sie
ein schreckliches Schicksal. Die Chodscha mit dem zusammengerafften Gute
kamen noch gut über den Pa^^s, dann aber trat schlechte Witterung ein mit
grossen Schneefällen, so dass die Flüchtlinge jämmerlich an Hunger, an Kälte
— I03 —
und an Erschöpfung zu Grunde gingen. Sie wurden zu Tausenden auf beiden
Seiten des Passes unter dem Schnee begraben.
Die Chinesen stellten nun zum dritten Male in Kaschgarien die Ordnung
wieder her; aber schon 1857 erneuerte Walichan-tiura mit Erfolg den Versuch,
Kaschgar zu nehmen und sich zum Chan davon zu machen. Er war sehr blut-
dürstig und bedrückte die Einwohner mit Abgaben und durch grausame
Strafen. Er legte am Ufer des Küsül-su eine Pyramide von Menschenschädeln
an und vergrösserte sie täglich. Auch der Tod Schlagintweits wurde von
ihm veranlasst; seine Regierung war nur kurz; vor den heranrückenden Chine-
sen floh er mit seinem Heere und auch dieses Mal wanderten 15000 Eamilien
nach Kokan aus, so gross war die Furcht vor den Chinesen, die in der Folge
ebenso barbarisch in der Stadt hausten, wie Walichan selbst. Die Hauptschuldigen
am Aufstande wurden enthauptet und die Köpfe in Käfigen auf Stangen in
langen Reihen an den aus Kaschgar führenden Strassen aufgestellt
Kaum hatten die Chinesen wieder die Oberhand, als 1861 Ereignisse ein-
traten, die, von den westlichen chinesischen Provinzen ausgehend, sich nach
Norden und Westen fortpflanzten und in einem allgemeinen Aufstande der
muhamedanisch-chinesischen Bevölkerung, der Dunganen, bestanden. Auch die
Muhamedaner Kaschgariens, obwohl keine Dunganen, wurden 1862 — 1863 von
dem Aufstande ergriflfen, dem viele Hunderttausende von Chinesen zum
Opfer fielen. Ganze Länder wurden verwüstet und ihre Bevölkerung vernichtet,
während die Garnisonen mancher Städte sich halten konnten.
In Kaschgarien unterlagen auch die chinesischen Garnisonen, da die zahl-
reichen Dunganen unter den Soldaten sich gegen die Chinesen wandten. 1863
hielten die Chinesen nur noch die Zitadellen oder Festungen von Kaschgar,
Jangi-hissar und Jarkand. Der Kommandant der letzteren sprengte sich mit seinen
Offizieren in die Lufl, als er sah, dass kein Widerstand mehr möglich sei.
Durch den Aufstand war Rascheddin in die Höhe gekommen, und 1864
war er, mit Ausnahme von Khotan, in ganz Kaschgarien als Herrscher anerkannt.
Da er aber kein Chodscha (Abkömmling des Propheten) war, gelang es leicht,
ihn durch neue Intriguen zu stürzen und einen der zahlreichen Nachkommen des
Appak-chodscha zum Chan zu machen, an dessen Stelle sich 1867 Jakub-Bek
selbst stellte, nachdem er die Städte des westlichen Kaschgarien genommen
hatte. Er wurde als Chan anerkannt und führte den Titel »Badaulet«, d. h.
»Der Glücklichste«.
Die nächsten Jahre verwandte er zur Unterwerfung der ihn noch
nicht anerkennenden Städte Ak-su und der weiter im Osten davon ge-
legenen, die Rascheddin noch inne hatte. In perfidester Weise wurde
dieser von Jakub-Bek bei Kutscha meuchlings ermordet, nachdem er ihn fried-
licher Absichten versichert und zum Besuche seines Lagers eingeladen hatte,
ein Mittel, durch das er sich auch .schon früher in Besitz der Stadt Khotan
gesetzt hatte.
— I04 —
Die östliche Grenze seines Reiches gegen das Gebiet der erfolgreichen
Dunganen in der Dsungarei, wurde 50 km östlich von der Stadt Karaschar
festgelegt, aber die Dunganen drangen plündernd bis Kutscha vor, bis ihnen
Jakub-Bek wieder entgegenzog und sie schlug. Sein Feldzug gegen Urumtschi
führte zur Einnahme dieser Stadt, angeblich mit chinesischer Hilfe. Die Chinesen
waren in der Unterwerfung des Dunganenaufstandes zwar nur langsam aber
energisch vorgerückt und trafen von der Dsungarei aus mit Jakub-Bek zusammen;
erst bediente er sich ihres Beistandes, dann aber begann er sie zu bedrücken.
1872 fand ein neuer Aufstand der Dunganen statt, infolgedessen Urumtschi und
Manas vom ältesten Sohne Jakub-Beks, Bik-Kuli-Bek, gestürmt wurden.
Aber auch die Chinesen suchten sich dieser Städte wieder zu bemächtigen,
und im Winter 1876/77 standen sich die Streitkräfte der Chinesen und Jakub-
Bek*s bei Urumtschi gegenüber. Die Truppen des letzteren waren nur mit Mühe
zusammengebracht, von schlechtem Geiste beseelt und die Desertionen nahmen
grossen Umfang an. Im Jahre 1877 begann der Vormarsch der Chinesen auch
von Hami aus über Turfan, das sich ohne Kampf ergab» wie denn auch die
raschen Erfolge der Chinesen auf deren kluge Politik und freundliche Be-
handlung der Bevölkerung zurückzuführen sind.
Damit sind wir an der Schwelle der heutigen Zeit und der gegenwärtig
bestehenden Zustände angelangt. Jakub-Bek, auf dem Zuge gegen die Chinesen
begriffen, starb an einem Schlaganfalle plötzlich am 17. Mai 1877 in Kurlja.
Es kam zu Streitigkeiten zwischen den Söhnen Jakub-Beks und zu dem Zerfall
Kaschgariens in drei selbständige, sich bekriegende Teile. Inswischen rückten die
Chinesen rasch vor, und ihr Erscheinen vor Kaschgar erzeugte eine solche Panik,
dass nicht nur Bik-Kuli-Bek, der älteste Sohn Jakubs und Herrscher in Kaschgar,
sondern mit ihm sein Heer und Tausende von Einwohnern und Familien nach
allen Richtungen in die Gebirge und über die Pässe flüchteten.
Wieder erneuerten sich im Dezember 1877 die schrecklichen Scenen am
Terek-Dawan, nur dass dieses Mal die Russen nach Möglichkeit jenseits der
Grenze Hilfe zu bringen suchten, während 50 Jahre früher der kokanische
Herrscher im Frühjahr die Leichen der Unglücklichen ausgraben und berauben liess.
Gegen ihre sonstige Gewohnheit verfuhren die Chinesen dieses Mal nicht
grausam gegen die Bevölkerung Kaschgariens, und es gelang ihnen rasch,
geordnete Zustände herbeizuführen.
Wenn auch die chinesische Verwaltung, besonders vom Standpunkte eines
europäischen Staates, vieles zu wünschen übrig lässt, so dürfte doch ein Blick
in die Geschichte des Landes genügen, um zu zeigen, dass das Volk unfähig
ist, sich selbst zu regieren.
Die mongolische Herrschaft hat die erste Blütezeit des Landes ermöglicht;
längere Perioden des Friedens und der Ruhe unter chinesischer Oberhoheit haben
ihm genützt und es bedarf nur der ihm schon nahenden, festen Hand einer
europäischen Macht, um es wieder seine frühere Höhe erreichen zu lassen.
t Dscbnm, ÖBlIich v
KAPITEL IV.
Das nördliche Tarim -Becken.
Wie ein grüner Kranz umziehen frische Oasen am Rande und längs des
Fusses der hohen Gebirge im Süden, Westen und Norden des Tarim-Bcckens
die heissen, staubigen Wüsten des Innern. Gärten mit reicher Vegetation, be-
lebte Dörfer und schöne Kulturanlagen lassen nicht vermuten, dass nur wenige
Meilen weiter nach der Mitte des Tarim-Beckens zu das lebensfrohe Bild sich
in eine tote Kino de ver^t'andelt.
Im Frühjahr, noch vor Beginn der hohen Hitzegrade des Sommers, wenn
junges Laub die Bäume schmückt, der graue Boden sich mit grüner Decke
überzieht und die Leute hoffnungsvoll dem Ertrag des Herbstes entgegen sehen,
muss es sogar schön sein, dies reiche und fruchtbare Oasenland zu Pferde zu
durchstreifen; aber auch in der kalten Jahreszeit, wenn ab und zu kleine Schnee-
flachen an den heimatlichen Winter erinnern, gefrorene Wassertümpel und Be-
wässerungsgräben die Lust zum Eislauf erwecken und der kalt von Osten wehende
Wüstenwind uns zwingt, die Mäntel fester zu schliessen, besitzt die Oase um
Kaschgar einen landschaftlichen Reiz.
Gewaltig aufragend und in bizarren Formen über einander getürmt, er-
heben sich im Westen, Süden und Norden mächtige Gebirgswälle und grüssen
mit zum Teil von ewigem Schnee bedeckten Gipfeln und blinkenden Gletschern
herab in die Ebene, die sie beschützen. Der Mus-tag-ata, der Koloss, der
>Vater der Eisbeine«, der noch jedem Besteigungsversuche trotzt, liegt so nahe,
dass man glaubt, in wenig Stunden seinen Fuss erreichen zu können, und
doch sind es Tagereisen, die uns von ihm trennen. Die infolge der Trocken-
— io6 —
heit wunderbar klare Luft eröffnet prächtige Fernsichten auf die wildzackigen
Höhen der Region der Pamir, des Daches der Welt, und des Gebirgszuges,
der sich als südwestliche und südliche Umgrenzung des Tarimbeckens nach
Khotan und weiter nach Osten hin ausdehnt und das westliche Ende des Rück-
grates des asiatischen Kontinentes, des Kuen-lun, bildet.
Die Höhenzüge im Norden, die dem Himmelsgebirge oder Thien-schan
angehören, leuchten im Sonnenglanze in blauer Farbe herüber, und nur ihre
höchsten Spitzen hat noch der Winter mit silbernen Kronen geziert.
An den Fuss der Berge angeschmiegt liegen die Oasen, bald gösset, bald
kleiner, und häufig durch weite Strecken unwirtlichen Gebietes getrennt. In
den bedeutenderen derselben finden sich auch grössere Städte, deren Namen,
berühmt in der Geschichte, weit über 2^ntralasien hinausgedrungen sind. Diese
Oasen heissen, wenn wir im Süden beginnen und über Westen nach Norden dem
Oasengürtel folgen, abgesehen von kleinen Siedelungsgebieten an Gebirgsflüss-
chen, welche in die Ebene ausmünden, Tschertschen, Kerja, Khotan, Jarkand,
Kaschgar, Ak-su, Kutscha und Kurlja.
Inmitten dieses blühenden Kranzes, dessen Fruchtbarkeit ausser durch
den Lehmboden wesentlich durch die aus den Bergen der Ebene zuströmenden
Bäche und Flüsse bedingt wird, im Schosse der von den Gebirgen einge-
schlossenen Ebene dehnt sich, allem organischen Leben feind, eine weite trost-
lose Sandwüste aus, in der selbst die wasserreichen Flüsse des Schneegebirges
kläglich versiegen.
Sogar der grosse Hauptstrom des Beckens, der Tarim, in seinem Ober-
laufe Jarkend-darja genannt, in welchen der Kaschgar -darja von Westen,
einige Zuflüsse von Norden aus dem Thien-schan und von Süden der in der
Wüste verschmachtende Khotan-darja münden, ist nicht wasserreich genug,
um die ganze Wüste zu durchdringen und einen Ausweg durch die Gebirge
im Osten zu nehmen. Eine Reihe von Sümpfen und Seen inmitten von Schilf
und Waldzonen bezeichnen die Stelle, wo er im Sande verendet.
Das vielumstrittene Problem des Lop-nur*) entsprang aus der Unsicherheit
über die Verhältnisse am untersten Tarim. Es erscheint sehr wahrscheinlich,
dass nach einer Reihe feuchterer Jahre im Gebirge und grösseren Wasserreich-
tums der Flüsse das Seen- und Sümpfegebiet am untersten Tarim anders aus-
sieht als nach trockenen Jahren; im allgemeinen aber ist eine Abnahme der
Wassermenge des Flusses und des Seengebietes nachweisbar. Diese Beobachtung
würde mit der Thatsache übereinstimmen, dass heutzutage im Emirate Buchara
viele ehemalige Oasen verlassen und öde sind, weil der Amu-darja und die
andern Flüsse weniger Wasser führen als früher; eine Folge des Rückganges
der Schneefälle und Gletscher der Pamirregionen, welche im trockenen Sommer
die Flüsse zu speisen haben.
♦^
) Statt IvOp-nur wird oft auch Lob-uoi geschrieben.
I i
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— 107 —
Das Schicksal des Tarim teilen noch eine Menge grösserer und kleinerer
Abflüsse der südlichen Umrandungsgebirge, des westlichen Kuen-lun, von denen
hier nur der in der Wüste verlaufende Kerija-dar}a und der Tschertschen-darja,
der sich mit dem untersten Teile des Tarims in einer Seenregion berührt,
erwähnt sein mögen.
Die genannte Wüstenregion dehnt sich aber weit über dieses vom Tarim
durchflossene und nach ihm benannte Gebiet aus; unter dem Namen der Gobi
reicht sie bis in die ferne östliche Mongolei (bis fast zum 125. Längegrad von
Greenwich), während das Lop-nur- Gebiet unter dem 89. Grad der Länge zu
suchen ist. Den westlichen Teil dieser Wüste und das Tarimbeckeh, soweit
es von der Wüste gebildet wird, bezeichnet man auch mit dem Namen Takla-
makan. Welche schrecklichen, wasser- und vegetationslosen Strecken hier vor-
kommen, hat uns der unerschrockene Forscher Sven Hedin in der Beschreibung
seiner kühnen und gefahrvollen Reisen geschildert.
Schroff und unmittelbar sind hier die Gegensätze zwischen Kulturland
oder vegetationsbedecktem Areale und dem salzigen oder sandigstaubigen,
toten Wüstenboden.
Man reitet von Kaschgar auf dem Hauptwege nach Ak-su Tage lang über
gut angebautes, mit Bewässerungskanälen reichlich versorgtes Land, das eine
zahlreiche Bevölkerung ernährt und überall von Höfen und Dörfern übersät ist.
Eben noch herrscht lebhafter Verkehr: es sind die muhamedanischen Feiertage,
welche die lange Fastenzeit des Monates Ramasan beschliessen, und auf den
Märkten und Bazaren drängt sich die bunte, festlich gekleidete Menge. Die
Frauen zeigen hier ihr Gesicht unverhüllt, und man hat Gelegenheit, manch
schönen, dunkeläugigen Frauenkopf mit langen, schweren Flechten zu sehen.
Dazwischen tummeln sich die überall in Unzahl vorhandenen Kinder, trotz der
Kälte — es ist Ende Februar und die Tagestemperatur erhebt sich nur wenige
Grade über o^ C. — oft ganz ohne jede Bekleidung, und alte Bettler sind kaum
zur Hälfte in zerrissene, schmutzige Lumpen gehüllt. Auf den kleinen Märkten
und in fliegenden Buden werden meist Landesprodukte und Nahrungsmittel feil-
gehalten, und um sie drängt sich die Menge mit orientalischer Lebhaftigkeit.
Wir sind nur eine Stunde weiter geritten — und welch anderes Bild! Wie
soll man sie schildern, die Wüste, in ihrer Einförmigkeit, mit den Ausdrücken
einer Sprache, in der ein Satz mehr Mannigfaltigkeit enthält, als die Wirklichkeit
in meilenweiten Tagereisen bietet.^ Die biblischen Worte »die Erde war wüst
und leer« sind hier die einzig richtigen, und es wäre dem nichts beizufügen,
wenn nicht vom Standpunkte des wissenschaftlichen Forschers aus auch dem
»Wüsten und Leeren« viel Interesse abgewonnen werden könnte, in das einen
Einblick zu geben hier versucht werden soll.
Der fahle Schein der Sonne dringt durch eine staubbeladene Atmosphäre,
deren matter Ton am scheinbar nahen Horizont mit dem Grau des eintönigen
Lehmbodens ohne deutliche Grenze verschmilzt. Auch die Grundfarbe der spar-
— io8 —
liehen Vegetation, soweit eine solche überhaupt noch fortkommt, ist grau, sei
es durch die Eigenfarbe der Rinde, sei es durch den überall reichlich aufliegenden
Staub, der in dieser frühen Jahreszeit, wo das frische Grün des Frühlings ihm
den Rang noch nicht streitig macht, allein die Farben in der Natur, selbst an
und auf dem Menschen bestimmt. Er wirbelt auf, wenn man das spärliche
Strauchwerk oder Gras berührt; der flüchtige Huf des Pferdes entlockt detn grau-
braunen, porösen, aus äusserst feinen Bestandteilen ganz lose zusammengesetzten
Boden wahre Staubwolken, die Ross und Reiter verhüllen und durch ihren Salz-
gehalt oft Anlass zu Augenleiden geben.
Kein Vogel, kein lebendes Wesen ist zu erblicken, soweit das Auge reicht;
nur kleine Hügel aus Lehm und Sand bedecken den Boden, oft nicht höher
als der Kopf des Reiters und häufig mit Buschwerk, Tamarix oder I'appeln be-
wachsen, wo der Wüste ncharakter noch nicht voll entwickelt ist. Man sieht es
den Gewächsen an, dass ihnen der Kampf ums Dasein am Rande der Wüste
l.ehRUtepp« mJt Vc^etBlloDibUKetD iiitlicb Ton Jaagiabad am KuchKu-daija.
nicht leicht gemacht wird. Aengstlich umhüllen ihre dichten Wurzeln den sie
nährenden Boden mit einem Schutzmantel, damit ihn der Wind nicht entführe,
und bilden so gleichsam natürliche Staubreservoire. Und, so paradox es klingen
mag, dies hat in den Gebieten, wo weite Strecken von Salzkrusten bedeckt sind,
seine guten Seiten. Durch die Staubstürme wird ein sehr fruchtbarer Boden, der
alle für die Pflanzen nötigen Bestandteile in leicht zugänglicher Form enthält,
durch die Luft getragen, sammelt sich an dem Fuss der Sträucher und Gras-
büschel und wird von dem dichten Gezweige auf immer festgehalten.
So kommt es denn, dass die Pflanzen und in vegetationsreicheren Gegenden
sogar gewisse Bäume immer auf kleinen Hügelchen sitzen, die oft 4 — 6 m über
die allgemeine Oberfläche emporragen und in ihrem Innern von einem dichten
Flechtwerk aus Wurzeln durchzogen sind; denn in dem lehmigsandigen, der
Feuchtigkeit fast ganz entbehrenden Wüstenboden kann es zu keiner Humus-
bildung kommeu, wie in fruchtbaren Klimaten. Das Wurzelwerk ist ausser-
ordentlich widerstandsfähig gegen die Zersetzung, so dass man in diesen
holzarmen Gegenden grosse, von kräftigen Sträuchern bedeckte Hügel aufgrabt
und die Wurzeln alter Generationen, über denen schon viele neue entstanden
— 109 —
und vergangen sind, zu Brennmaterial benutzt. Es bestehen diese Hügel in der
That nur aus dem vom Winde herbeigetragenen Material, dem Löss-Staub
und den Pflanzenresten von Wurzeln, Zweigen und Nadeln, die ein lockeres,
aber festgefügtes Haufwerk bilden, so dass ihm der Wind nichts anhaben
kann [siehe Tafel VII]. In solchen Teilen der Wüste, die hinreichend Feuchtigkeit
vom Himmel (erhalten, um stärkerer Vegetation zu genügen, die aber zugleich
den Staubstürmen ausgesetzt sind, wachsen die Hügel zu stattlicher Grösse und
gewähren mit ihren häufig abgestorbenen, vom Winde übel zugerichteten Baum-
kronen einen bizarren Anblick [siehe Tafel VI], vor dem die Pferde oft scheuen.
Diese immer weiter wachsenden, sich selbst ergänzenden Holzlager sind natürlich
von grossem Wert für die Bevölkerung, da, wo sich sonst nichts findet, ausser
Lehm, Sand und Salz. Die hauptsächlich an der Hügelbildung beteiligten
Pflanzen sind die Tamariske, die im Kampfe mit Sand und Staub noch am
weitesten in die Wüste vordringt, ferner der Saxaul- Strauch, die Nitraria
Schoben, welche in grossen Mengen kleine Lehmhügel bewächst, und das
stachlige Lycium ruthenicum.
Dieselben Bildungen beschreibt Radde sehr gut aus Transkaspien: »Alle
diese Gebüsche, deren Blattbildung ausserordentlich reduziert erscheint, und
deren Verästelung stets spirrig, steif, während ihr saftarmes Holz brüchig, oft
wie Glas ist, sind für die Befestigung des lockeren Bodens von grösster Wichtig-
keit, und zwar infolge ihres mächtig entwickelten Wurzellebens. Bei einer Höhe
über dem Boden von nur 1,2 — 1,5 m entsenden manche von ihnen seitlich von
der Hauptwurzel 20—25 ^^ lange, horizontal verlaufende, reichlich mit Absenkern
versehene Nebenwurzeln, welche schliesslich in die feinsten, fadenförmigen Saug-
wurzeln auslaufen. Fast hat es den Anschein, dass die Pflanze förmlich in dem
Sande nach der geringen Feuchtigkeit jagt. Oberirdisch hemmt jeder Strauch die
Macht der Orkane, und selbst sein so durchsichtiges Astwerk bringt den vom
Sturme getragenen Staub und Sand, wenn auch nur zum geringsten Teile, zum
Fallen. Man sieht daher an der Basis jedes Strauches den Boden erhöht,
und es steht sein Stamm nicht selten bis über 30 cm tief im angetriebenen
Flugsande. €*)
Die gegen die Wüste hin sich stetig erweiternden Bodenflächen zwischen
den Hügeln sind absolut steril und zeigen häufig die Spüren alter Bedeckung
mit Wasser, das sich bei Regengüssen oder den sommerlichen Hochwassern in
den Vertiefungen und wannenartigen Einsenkungen angesammelt hat; der feine
Lehmstaub wird dann als ein zarter Thon abgelagert, und wenn das Wasser
verdunstet ist, erhält diese Thonlage durch Austrocknen ein ganzes Netz sich
kreuzender Risse. Auch die Eindrücke, welche fallende Regentropfen in dem
noch weichen Thon hervorriefen, sind an manchen Stellen wohl erhalten. Auf
diesen bräunlichen Thonen fehlen Salzablagerungen, weil das Wasser die Salze
•) Radde: Expedition nach Transkaspien und Nord-Choraasan im Jahre 1886. Petemi. Mitteil.
1887. Bd. 33, paff. 271.
— HO —
ausgelaugt hat; überall aber sonst ist der Roden, wie mit frischem Schnee, mit
dünnen Salzausblühungen bedeckt, die hier zumeist aus Bittersalz und besonders
Glaubersalz bestehen, und durch die Verwitterung des Bodens bei mangelnder
Auslaugung der löslichen Produkte durch Regenwasser entstanden sind. Diese
Salze kommen hier in solcher Menge vor, dass sie das Wasser vieler Brunnen
für Mensch und Tier ungeniessbar machen.
Obwohl solche Boden alle zur Pflanzenemähning nötigen Stoffe sogar in
reicher Menge enthalten, kann hier keine Vegetation aufkommen aus Mangel
an Feuchtigkeit. Sobald diese vorhanden ist oder zugeleitet werden kann,
erzeugt die Fruchtbarkeit des Bodens dieselbe Fülle von Nutzpflanzen wie in
den bewässerten Oasen» und die Salze verschwinden von der Oberfläche, obwohl
sie nicht direkt schädlich sind und sich, z. B. nach austrocknenden Winden, in
dünnen Ausblühungen auch auf dem Kulturland der Oasen vorfinden. Man
kann sie als die »überschüssige Kraft« des Bodens bezeichnen; ihr Vorhandensein
beweist, dass der Boden an Kalk- und Alkalisalzen reich ist und nur grösserer
Feuchtigkeit bedarf, um für die Landwirtschaft ausgezeichnet zu sein.
Zur Winterzeit finden sich wohl kleine salzige Tümpel, die aber im Aus-
trocknen begriflen sind und somit für die Vegetation keine grosse Bedeu-
tung haben können, wenn sie auch im Sommer, beim Herabkommen des Schmelz-
wassers aus dem Thien-schan, vorübergehend wieder aufgefüllt werden.
Wo die Wüste ihren wahren Charakter rein und unverfälscht zeigt, fehlen
auch die letzten kümmerlichen Wachstumsformen einer mit der Hitze, der
Trockenheit und dem Staube kämpfenden Vegetation. Der reine Quarzsand,
der keine Pflanzennährstoffe führt, gewinnt hier die Oberhand, und somit kommt
zum Feuchtigkeitsmangel noch ein weiterer Grund, um die Vegetation aller
Existenzbedingungen zu berauben. Ausserdem ist der Staub sehr mobil, immer
in Bewegung.
So zeigen die Sanddünen meist schöne, wellenartige Linien, Erhöhun-
gen und Vertiefungen, die durch das Spiel des Windes mit dem leichten
Materiale entstanden sind. Wo diese Gebilde allein vorkommen, oder solche von
gröberem Saude in langen Zügen und Dünen sich dazugesellen, da herrscht
die absoluteste Einöde, die Sandwüste in ihrer abschreckendsten Gestalt.
Gänzlicher Wassermangel auf weite Strecken, die leichte Beweglichkeit
des Sandes im Winde, der sich häufig zum Sturme steigert, vereinigen sich
dann im Sommer mit der unerträglichen Hitze, um so mancher Karawane das
Grab zu bereiten. Erst lange später, wenn einmal der Wind den Sand wieder
entfernt hat, berichten die gebleichten Knochen und die Reste der Waren von
dem traurigen Geschicke der Unglücklichen.
Solche schlimmen Teile der Wüste sind in grösserer Erstreckung im Norden
des grossen Tarim-Flusses fast nicht zu finden, weil immer noch vom Thien-
schan herab genug Feuchtigkeit zuströmt und auch der fruchtbare Lehm
grossen Anteil an der Zusammensetzung des Bodens nimmt, aber in der Wüste
— TU —
Takla-makan erreichen sie Ausdehnungen, welche ein Durchkreuzen fast unmög-
lich machen.
hn Bereiche der grossen Bewässern ngsader im Norden des Tarim-
beckens, schon vom Kaschgar-darja an und weiterhin am Tarim entlang, kann
sich natürlich ein so extremer Wüstencharakter nicht ausbilden. Längs der
Flüsse ist hier ein stellenweise breites Bewässerungs- und Inundationsgebiet, das
zum Teil durch alte FlussläuTe, Schlingen und Altwasser des Flusses selbst
gebildet wird, zum Teil aber auch künsthch hergestellt ist.
Der Wechsel zwischen Wüste und Oase, die Verschiedenheit der Befeuch-
tung und der Zusammensetzung des Untergrundes haben hier zu einer
VcgetnIionfl-HUfrel mit Tamaiix. östlich vun Jan^abiul am K»ich)rar-<1nrja.
Reihe von interessanten Vegetations- und Bodenformationen geführt, die den
I'luss auf seinem Wege durch die Wüste bis zu seinem Ende inmitten schilf-
reicher Lagunen und seichter Salzseen begleiten.
Auf der Strecke der südlichen Karawanenstrasse von Kaschgar nach Ak-su
über Maral-baschi, die sich in ihrer ersten Hälfte im Bereiche der Bewässerungs-
und Ueberschwemmungszone des Kaschgarflusses hält, bieten Land und Leute
aber noch ein anderes Bild.
Schon während der zweiten Tagereise östlich von Kaschgar wird die Aus-
sicht freier, die Bäume stehen weniger dicht in Gruppen zusammen, und auch
die Ansiedlungen sind spärlicher, erst einige Tage weiter kommt man
durch Strecken, auf welchen man während den ganzen Tages keine andern
Spuren menschlicher Thätigkeit findet, als die titf ausgefahrenen Geleise in
dem weichen, staubigen Untergründe des Weges, die Stangen des transkontinen-
talen Telegraphen, deren endlose Reihe schon von weitem die Richtung des
Weges angiebt, die hohen, vierseitigen chinesischen Meilensteine und endlich,
in vielstündigen Zwischenräumen, die Rasthäuser oder Stationen fiir die Kara-
wanen, neben denen oft noch einige sarüsche Familien sich angesiedelt haben.
Man sieht Tage lang nichts als die sich endlos wiederholenden kleinen Krdhügel
oder ganz kahle Stellen, die meist mit Salzausblühungen weiss überdeckt sind.
Die Nähe eines Kanales oder eines Flussarmes kündigt sich durch kräftigeren
Wuchs und dichteres Auftreten der Sträucher, sowie durch vereinzelte Bäume an,
Pnppcl-Walil bei Tschn^lDr-kul ösilich vi>d Mand-baacU.
die an den bewässerten Stellen stehen oder, wo sich im Untergrunde Wasser be-
findet, auch ganze Wälder bilden können. Der Boden unter den Bäumen, die
ziemlich dünn stehen, ist kahl und nackt. Die Kronen der Bäume sehen
meist stark mitgenommen aus und zeichnen sich durch ihr eigentümlich
dichtes, weit bis zum Boden herabreichendes Geäst aus [s. beistehende Textfigi""!-
Oestlich von Maral-baschi, bei Tschadür-kul ist ein sehr grosser Holz-
reichtum vorhanden, der von den spärlichen Bewohnern unter anderm da^"
benutzt wird, um Kupfererze zu verhütten, die weither aus den kaschgarischen
Bergen kommen.
Die Einrichtung eines solchen Hüttenwerkes bei Kara-dschulgan, etwa in der
Mitte zwischen Kaschgar und Maral-baschi, war sehr einfach. In der Ftotii
eines niederen Lehmgebäudes befinden sich eine Anzahl von kaminartige"
TAFEL VII.
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— 113 —
Vertiefungen, in welche von der Innenseite, aus den daselbst gelegenen
Räumen, bis fast zur Basis des Kamins hinab, eine Thonröhre für die Blase-
bälge reicht. Die Basis wird durch einen muldenförmigen Thonkessel gebildet.
Hier werden die Kupfererze, mit Holzkohlen zusammen, bis über die Mün-
dung der Thonröhre angehäuft, und dann wird der vordere Teil des Kamines
mit Lehm und Thon zugemauert, so dass nur oben eine Abzugsöffnung für
den Rauch und den Luftzug übrig bleibt. Die Blasebälge bestehen aus Säcken,
die aus Fellen zusammengenäht sind. Sie sind an einem Ende offen und
können durch zwei Stäbe auf- und zugeklappt werden. Hinter jedem der
Schmelztröge sitzt, durch die Mauer etwas vor der Hitze geschützt, ein Mann,
der zu gleicher Zeit zwei Blasebälge bedient, derart, dass er mit jeder Hand die
Stäbe eines Blasebalges gefasst hält und zusammendrückt. Damit schliesst er den
SchmelzkUtte fUr Kupferene bei Kara-dschulgas.
a [Bluabalg. b Luriiuleinutirobr lon cwai BlucbSigco. c ScbmeliorcD in Beliieb.
Blasebalg, wenn er nach vorwärts stösst, und öffnet ihn, wenn er den Arm zurück-
zieht. Das geschieht in ziemlich raschem Tempo mit beiden Händen abwechselnd,
so dass durch die Thonröhre, welche an ihrem oberen Ende zwei Oeffnungen
für die beiden Blasebälge besitzt, ein fortwährender starker Luftstrom der Esse
zugeführt wird, aus welcher man die bläulichen Holzkohlenflammen weit hinaus-
schlagen sieht Die geschmolzene Enmasse mit den Schlacken wird durch Zer-
stossen des vorderen Teiles des Lehmtroges herausgelassen und erstarrt schnell,
wobei sich die Kupfermasse von den Schlacken trennt. Wo das Holz weniger
reichlich ist und nicht aus Wäldern bezogen werden kann, gewinnen es die
Leute, indem sie aus den mit Strauchwerk (meist Tamarix, Saxaul oder Pappeln)
bestandenen Hügeln die Wurzelstöcke ausgraben.
Meilcnweite Strecken der Niederungen in der Nähe des Flusses sind mit
Schilf bewachsen, und weithin blinken die Wasserflächen des stagnierenden,
braunen, salzigen Wassers. Meist sind auch hier die Ufer mit einer Salzschicht
überzogen. Das Schilf wird sehr hoch und dient zur Anfertigung von Matten.
FuItCKr, Duch Aiiuk. B
— 114 —
In diesen Dschungeln und den dazwischen liegenden Steppen halten sich
sonst seltener vorkommende Tiere auf. Tiger und Panther sind hier noch zu
Hause, und bei Maral-baschi zeigen sich Hirsche und Antilopen; kleinere Raub-
tiere, wie Luchse, Füchse und Wölfe, femer Hasen, wilde Gänse, Enten und
Reiher sind häufig. In den isolierten Oasengebieten aber findet man längs
des Thien-schan eine reichere Fauna, von der die zwischen Kaschgar und
Kurlja erlegten Thiere ein Bild geben. Häufig sind Krähen (Corvus corone L.
C. corax L. und C. comix L.), Wild-Tauben, eine Turteltaube (Turtur douraca),
Haubenlerche (Galerida magna), Alpenlerche (Otocorys pallida), Zwerglerche
(Alaudula cheeleensis), Sperlinge (Passer montanus), Sandsperling (Passer ammo
dendri); der Rothfink (Rhodospiza obsoleta), die Meise (Parus cyanus), die Dri>ssel
(Turdus atrigularis), das Blaukehlchen (Erithacus suecicus), der Wüstenhäher
(Podoces bidulphi) und die Bachstelze (Motacilla personata) finden sich auf den
besiedelten Oasengebieten, in denen man gelegentlich auch den Specht (Picus
bucopterus) und den Staar (Sturnus purphyronotus) antrifft. An sumpfigen Stellen
wurde die Rostgans (Casarca rutila) getroffen und Steinhühner (Caccabis chukar)
waren nicht selten an den Bergabhängen.
Der weitere Bezirk von Maral-baschi, das eine wichtige Militärstation ist,
von der die Wege von Jarkand und Kaschgar sich vereinigen, reicht westlich
bis zum Distrikt von Kaschgar, nach Osten aber, längs der Niederungen am
Tarim-Fluss, der in mehrere Arme zerteilt ist, bis zum Gebiete des Lop-Sees.
In dem Gebiete von Maral-baschi, das auch Dolon heisst, wohnt ein Stamm, die
Doloner, die in oblongen, rohrbedeckten Erdgruben leben und für Tataren
gehalten werden, während Sven Hedin keine grossen Unterschiede zu der
ostturkestanischen, muhamedanischen Bevölkerung wahrnehmen konnte. In der
Stadt selbst und um die Mauer sollen etwa looo Familien leben; aber es finden
sich auch zahlreiche Ansiedelungen in der Umgebung am Kaschgar-darja^ wo
der höher gelegene Boden Gartenbau und Landwirtschaft gestattet.
An den Wasserläufen liegen kleine Mühlen von einfachster Konstruktion.
Ein kleiner Wasserstrom wird mit zwei bis drei Meter Gefälle auf ein Rad ge-
leitet, das aus mehreren rechtwinkelig zu einander in eine dicke Welle ge-
schlagenen Brettern besteht und durch das Wasser in Umdrehung versetzt
wird. An der Welle ist ein langer, etwas gewölbter Zapfen angebracht, der
bei seinen Umdrehungen einen grossen, langstieligen, hölzernen Hammer hebt.
Dieser Hammer fällt in einen Holztrog und befreit dadurch die Reiskörner von
ihren Hülsen. Das ganze ist im Freien an der Uferböschung angelegt, und nur
über dem Mahltroge ist ein Schutzdach aus Schilf aufgestellt
Auf dem in einer Strasse ausserhalb der Stadtmauern, im muhamedanischen
Teile der Stadt gelegenen, langgestreckten Bazare bietet sich das gleiche BiM
lebhaften Verkehrs und Treibens im Kleinen, wie auf dem grösseren Bazare m
Kaschgar; es sind auch im Wesentlichen die gleichen Produkte sartischer und
auch russischer Provenienz, die neben Nahrungsmitteln feilgehalten werden,
— IIS —
und in den wenigen chinesischen Verkaufsständen findet man die Porzellan-
waren des fernen Ostens.
Die chinesische Stadt ist mit einer starken, turmgekrönten Mauer umgeben,
durch die ein doppeltes Thor in das Innere liihrt. Hier ist es, im Gegensatz
zu der lebhaften, vor den Mauern gelegenen sartischen Stadt, die fast den
ganzen Handel in sich birgt, still und öde. Im Stadtthor sind einige Lanzen
und Hellebarden altertümlicher Konstruktion und sonstige Kriegsembleme der
Thorwache der Festung aufgestellt, die aber kaum geeignet sind, Schrecken
oder Furcht zu erregen. Das Yamen oder die Residenz des Amban, des Bezirks-
oberhauptes, ist etwas prätentiöser als die übrigen schmucklosen chinesischen
Lehmbuden, birgt aber nichts Bemerkenswertes, wie denn die Stadt auch sonst
keine namhafteren Bauten oder Sehenswürdigkeiten besitzt.
PoctuDlihle bei Mflral-b.ischi.
Das Volk in der Stadt besteht zum weitaus grösseren Teile aus Muhame-
danern (Sarten) von demselben Typus, wie er auch in Kaschgar vertreten
ist; Chinesen sieht man verhältnismässig wenig. Allen eigen ist aber die neu-
gierige Zudringlichkeit, mit der sie den Fremden belästigen, der vor Handgreif-
lichkeiten nur durch die Polizeisoldaten geschützt wird. Diese waren durch
den Amban vor dem Karawanserai postiert und hielten auch auf unsern Wegen
durch die Stadt die Menschenmenge fern, die uns beständig umdrängte und ein
sehr lästiges Gefolge bildete. Aber trotz mancher unangenehmen Beigaben ist
nach tagelangem, einsamem Reisen die Abwechslung, welche eine volkreiche
fremde Stadt bietet, stets willkommen.
Uebrigens war der Reiseweg doch nicht immer ganz einsam. Bald be-
gegnete man einer grossen Kamelkarawane, die, in mehrere Abteilungen getrennt,
unter dem dumpfen, unmelodischen Klang der grossen Blechglocken, welche
einzelne der Kamele am Halse tragen, dahinzog, Oder man traf grosse, schwer
beladcne Lastwagen, chinesische Reisewagen, in welchen ganze Familien mit
— Ii6 —
Hab und Gut, Kind und Kegel untergebracht waren. Sind diese Reisewagen
schon wenig angenehm, so sind die Lastwagen wahre Marterwerkzeuge, wenn
die Verhältnisse zwingen, sie zum Vorwärtskommen zu benutzen.
Es sind breite zweirädrige Holzkarren mit mannshohen plumpen Holz-
rädern; vor dieses Gefährt, das noch mit einer gewölbten, über Holzstäbe ge.
spannten Stroh- oder Schilfdecke überzogen wird, spannt man zunächst ein
Pferd nach Art unserer Einspänner zwischen zwei fest mit der Achse ver-
bundene Balken, und vor jenes drei oder vier weitere Pferde neben einander
als Vorspann. Die Pferde werden von dem hoch auf der Arbe sitzenden Führer
mit Zügeln und langer Peitsche geleitet In dem weichen, staubigen Lössboden
haben die Pferde meist harte Arbeit, da die Chinesen ausserdem noch die
schwerfälligen Arben bis zur Grenze des Möglichen belasten. So sieht man
denn häufig die Arben feststehen; die armen Tiere können nicht weiter, sie
sind weit vom Ziel schon aufs Aeusserste ermüdet, und das Blut rinnt ihnen
aus den heftig schnaubenden Nüstern.
Nicht für die Pferde, aber für die Reisenden etwas erträglicher gestaltet
sich die Fahrt mit den grossen Reisewagen. Diese besitzen ein dichtes Dach
und sind ausserdem vorn und hinten durch Decken und Vorhänge verschliessbar.
So gewähren sie wenigstens einigen Schutz gegen die Hitze und den Staub,
welcher von den Hufen der Pferde derartig aufgewühlt wird, dass man aus der
Ferne sowohl Wagen wie auch einzelne Reiter zuerst an einer mächtigen Staub-
wolke bemerkt, die über die Wüste dahinzieht. Die Wagen wie die Pferde haben
meist Glocken, die verschieden abgestimmt sind und mit ihrem Geläut auf der
langen, monotonen Fahrt etwas Abwechslung bringen, wenn auch die Töne
durchaus nicht melodisch zusammenklingen.
Eine Begegnung auf dem Reisewege war geeignet, besonderes Interesse zu
erregen, obgleich wir an mehreren Abenden durch sie gestört wurden. Der
neu ernannte militärische Ober-Befehlshaber von Kaschgar, der sich von Peking
aus schon seit Monaten auf der Reise befand, kam gerade aus Maral-baschi, als
wir nach dieser Stadt unterwegs waren. Ein chinesischer Würdenträger aus
Kaschgar, wie jener von grosser militärischer Eskorte begleitet, reiste ihm zum
Empfang entgegen, und zwei Tage, oder besser Nächte lang hatten seine
Leute in den Karawanseraien derselben Stationen Quartier genommen, an
denen wir nächtigten. Wir hatten viel unter ihrer zudringlichen Neugier zu
leiden, obwohl sie sich dabei ganz höflich und, nach ihren Begriffen, anständig
benahmen.
Natürlich hatte der Chinese, der schon vor uns angekommen war, die
besseren Quartiere besetzt, und wir mussten uns behelfen, so gut es ging. D*^
Nachtlager wurden aus Decken und Pelzmänteln in einem grossen hohen Räume
aufgeschlagen, der keine verschliessbaren Thüren und Fenster und zudem noch
eine grosse Oeffnung in der Decke besass, die zum Abführen des bei der
Kaminheizung sich verbreitenden beizenden Rauches dient; wir schliefen so gut
- 117 -
wie im Freien bei einer Temperatur, die Nachts bis zu — 5 " C, sank. Wir zogen
später die sartischen Quartiere den chinesischen vor. Sie sind klein, niedrig,
schmutzig und meist auch nicht gut verschliessbar, dafür aber mit ihren Wänden
aus Flechtwerk und Lehm wärmer und gemütlicher, als die grossen chinesischen
Seraie mit ihren kalten Mauern.
In einem solchen sartischen KarawanseralHofe wird häufig ein von der
Familie des Besitzers eben noch benutzter Raum ausgeräumt, etwas ausgefegt,
eine oder mehrere Filzdecken auf den Boden gelegt, ein Feuer im Kamine ent-
facht und es dem Gaste überlassen, sich weiter bequem einzurichten. Zuerst
schlägt man gewöhnlich einige Pflöcke in die Wände, um seine Ueberkleider etc.
Hof eines Kaiawaiiserai In Jan^abad, ögtUch von Kaach)^.
aufhängen zu können, und breitet möglichst warme Decken aus, auf denen
gegessen wird und die auch zum Nachtlager dienen. Tische und Stühle fehlen
natürlich ganz. Draussen im Hofe bleiben die Arben, und in einem überdeckten
Teile, manchmal auch ganz im Freien werden die Pferde festgebunden. Die
sartischen Bewohner halten sich meist im Freien auf, im Hofe wird an einem
Feuer gekocht, und die ganze Familie hockt um das Feuer, um sich zu
wärmen; selbst kleine Kinder werden ohne Scheu fast nackt der kalten Morgen-
und Abendluft ausgesetzt.
Die offiziellen chinesischen Karawanseraie haben hier sehr grosse Vorhöfe,
an deren Mauern innen gedeckte Hallen laufen, die für die Pferde bestimmt
sind. Gegenüber dem Haupteingangsthor und jenseits des Hofes betritt man
durch ein zweites Thor einen kleineren, inneren Hof und von diesem aus ein
— Ii8 —
Gebäude» das die im übrigen jeder Einrichtung und jedes Komforts entbehrenden
Fremdenzimmer enthält.
Meist trifft man hier auch andere Reisende, deren Nachbarschaft mindestens
ebenso lästig ist, wie diejenige der chinesischen Soldaten des Mandarinen.
Diese letzteren prüften zunächst die Zweckmässigkeit unserer Reiseanzüge und
drückten ihre Anerkennung aus, indem sie uns die Faust mit ausgestrecktem
Daumen vorhielten. Die Jagdgewehre mit der ihnen unverständlichen Konstruktion,
ebenso mein Zwicker, erregten ihre unverhohlene Bewunderung. Unsern lang-
haarigen deutschen Hühnerhund, sowie den Dackel hielten sie offenbar (lir Miss-
geburten und amüsierten sich sehr darüber. Ihre Bewunderung stieg aufs
höchste, als wir ihnen die auf der Einstellscheibe des photographischen
Apparates vom Objektiv gezeichneten Bilder vorführten, nachdem wir sie photo-
graphiert hatten.
Sie selbst waren in der That des Aufnehmens wert Mit ihren langen
Zöpfen, ihren langweiligen schlafien Gesichtszügen und der uns weibisch er-
scheinenden Tracht, machten sie einen nichts weniger als martialischen Eindruck;
ich glaube kaum, dass sie im stände gewesen wären, auch nur die Frauen
ernstlich zu erschrecken.
Ihre Kleidung bestand aus unten engen, oben aber weiten blauen Bein-
kleidern und einer Anzahl Leibröcken ohne Schösse, deren sie mehrere über ein-
ander tragen, so dass sie meist unnatürlich beleibt aussehen. Als einziges
eigentliches Uniformstück ziehen sie noch über alles andere eine hochrote Jacke,
die an allen Rändern mit ziegelroten Aufschlägen versehen ist und auf der Brust
wie dem Rücken grosse chinesische Schriftzeichen trägt. Die Füsse stecken
in dicksohligen Tuchschuhen und um den Kopf haben sie ein blaues Tuch
gebunden, das wie ein Käppi aussieht.
Zur Bewaffnung hatten sie teils Lanzen von ungewöhnlicher Länge, mit rot-
gelben Seidenfahnen, die am ganzen Schaft herabhingen, teils kurze plumpe Gewehre
mit Feuersteinschlössern und dicken Eisenröhren als Läufe; es sind alte Vorder-
lader, und wenn die Soldaten damit den Feind erschossen haben, müssen sie hin-
gehen und ihn erst noch totschlagen. So erzählt man sich wenigstens hier zu Lande.
Als wir später mit dem reisenden Truppenkommandeur zusammentrafen,
begegneten wir zuerst auch solchen roten Vorreitern mit Gewehren und karmin-
roten Lanzenfahnen, auf denen grosse weisse Inschriften standen. Dann kamen
nach einiger Zeit wieder einzelne Reiter, endlich vor einem grösseren Gefolge
ein vornehmer, noch jung aussehender Chinese, der grüssend vorüber ritt;
noch über eine halbe Wegstunde lang folgten ganz ungeordnet, in kleineren
und grösseren Zwischenräumen, Reiter der Eskorte mit Fahnen und Waffen,
Wagen mit vornehmen chinesischen Würdenträgern und Bagage, sowie einzelne
zum Gefolge gehörige Personen ohne militärische Kleidung. Dieses Fehlen
jeder geregelten Marschordnung machte für ein militärisch gebildetes Auge einen
wenig befriedigenden — eben echt chinesischen Eindruck.
— 119 —
Die Einförmigkeit der Umgebung teilt sich auch dem Leben und Treiben
des Reisenden selbst mit, soweit nicht die wissenschaftlichen Forschungen Ab-
wechslung bringen. Gewöhnlich kommen die flinken Reitpferde schon im Laufe
des späteren Nachmittags auf der Nachtstation an, während die drei grossen und
schweren Arben, die das Gepäck befördern, unter Begleitung eines Kosaken,
einige Stunden später oder erst in der Nacht das Ziel erreichen. Nach dem
Eintreffen auf der Station wird Thee gemacht und ein kleiner Imbiss genommen;
dann wird die Zeit bis zur Ankunft der Arben mit dem Ordnen der gesammmelten
Gegenstände, mit Notizen oder der Jagd ausgefüllt Endlich, wenn die Küchen-
gerätschaften und Vorräte angekommen sind, wird die Abend- und zugleich
Hauptmahlzeit hergerichtet. Es ist ein Glück, dass wir alle die Manipulationen,
welche unser Koch und Dolmetscher, ein im Verkommen begriffener russischer
Kaufmann, und die Kosaken mit den Speisen vornehmen, nicht mit ansehen
müssen; wie es aber zugegangen sein muss, das kann man sich oft nach dem
Befund vorstellen, wenn man riskieren will, dabei seinen Appetit zu verlieren.
In unserer Kücheneinrichtung herrschte notgedrungen grosser Geschirr-
mangel. Ein Essbesteck pro Person und zwei Zinn-Teller mussten genügen; Tisch-
tuch, Servietten, Gläser zierten unsere Tafel nicht, die häufig nur aus einem am
Boden ausgebreiteten Teppich, einem Koffer oder einer Kiste bestand. Aluminium-
becher ersetzten die zerbrechlichen Tassen und Gläser, und zum Kochen
dienten einige grosse Kessel und Bratpfannen, in denen meist gemeinsam die
Mahlzeit für alle zubereitet wurde.
Das Menü war oft sehr originell. Ging es hoch her, so bildete eine Fleisch-
suppe die Einleitung. Dann war von irgend einer alten Kuh oder häufiger von
einem Hammel Fleisch an der Station aufzutreiben gewesen, dieses wurde zu-
sammen mit Reis oder Erbsen so weich wie möglich gekocht, und wenn nötig,
wurde noch durch Fleischextrakt oder Konserven nachgeholfen. Hierauf folgte
ein Fisch, da wenigstens, wo wie in Kaschgar und Maral-baschi ganz ausge-
zeichnete grosse Fische in den Wasserkanälen vorkommen, die gebraten ein sehr
wohlschmeckendes Gericht bilden. Eine Eierspeise, an Sonn- und Feiertagen mit
Konfitüren, bildete den Schluss, und zum Thee kamen als Nachtisch noch ge-
trocknete einheimische Früchte auf den Tisch, Rosinen, Birnen, Oliven und vor-
zügliches süsses chinesisches Honigbackwerk oder unsere englischen Theekuchen.
Milch giebt es nicht überall; morgens wurde deshalb eine Suppe gekocht, zu
der es selten an einem Huhne oder auf der Jagd erlegten Enten, Rebhühnern,
Tauben und dei^l. fehlte.
Tagsüber pflegten wir in den Satteltaschen das für solche Fälle unüber-
troffene getrocknete Bündtner Fleisch, Chokolade, Dürrobst und etwas Brot mit
uns zu fuhren, um den sich einstellenden Hunger bei längeren Aufenthalten oder
ausgedehnteren Ritten zu beschwichtigen — ein kleines Fläschchen mit russi-
schem Wodka diente bei der Spärlfchkeit, mit welcher dieser Artikel hier ver-
treten ist, mehr zur moralischen, denn zur physischen Stärkung.
Häufig nahmen wir unser Mahl frierend, in winddurchwehter, schlecht ge-
schlossener Lehmhütte am Boden sitzend oder in engem, schmutzigem, dunklem
Raum ein, den ein kümmerliches Licht mangelhaft erleuchtete, und in dem
vom Kamine her ein die Augen beizender Rauch sich verbreitete. Aber guter
Humor würzt das Mahl, und hier zu Lande ist es einmal nicht anders.
Unser Gefolge draussen hat es noch schlechter und ist doch recht ver-
gnügt dabei. Sie machen sich im Hofe ein Feuer an, setzen Koffer und
Warcnballen darum und haben dann gleich einen musizierenden Derwisch oder
ein sonst musikalisch veranlagtes Individuum herbeigeholt, an dessen rauhem
Gesang sie sich erfreuen. Auch uns bereitete es Kurzweil, nach dem Abendessen
in einer schönen Mondnacht uns zu den Leuten um das prasselnde Feuer zu
setzen und den Produktionen dreier Derwische zuzusehen und zuzuhören.
Karawouei^rai in TBcbailUr-kul, norilöstlicb ron MnriU-baBcbl.
Einer derselben hatte eine Mandoline mit langem Griff und drei Saiten, die
alle so ziemlich den gleichen Misston gaben, wenn er mit sämtlichen Fingern
der rechten Hand im Takt darauf herumfuhr; ein anderer hatte ein Instrument,
das aus zwei mit Eisen beschlagenen Stäben bestand, über die eine Anzahl
eiserner loser Ringe lief, die beim Schütteln ein klirrendes und rasselndes Ge-
räusch hervorbrachten. Damit begleitete er das Saitenspiel seines Kollegen,
und beide sangen dazu in rauher Weise, aber mit Ueberzeugung und grossem
Ernst. Sie rissen den Mund unförmlich weit auf und brüllten auf einander los
wie Besessene, wobei sie immer die Musikinstrumente handhabten; der dritte, ei«
furchtbar schäbiger, in lauter Fetzen gehüllter Kerl, mit nackten, ungewaschenen
Beinen und einer Wollmütze auf dem Kopfe, tanzte dazu eine Art von Rundtanz,
der aber nur aus Drehungen und Bewegungen der ausgebreiteten Arme bestand-
Solcher Art sind die kleinen Vergnügungen, die sich die Leute zu ihrer
Unterhaltung bereiten und dabei sind sie, trotz angestrengter Tagesarbeit, immer
gut gelaunt und nie verdrossen.
Bei unsern drei grossen Arben waren drei Fuhrleute und ein Führer, der
sogenannte Karawan-baschi, der entweder die Wagen begleitete oder sich uns
anschloss; er hatte für die richtige Verpackung unserer Sachen auf den Wagen,
für den Unterhalt und die Bedürfnisse seiner Leute, sowie der zwölf Plerde zu
sorgen und machte sich Abends im Serai auch sonst nutzlich.
Wir bedauerten es des öfteren ungemein, dass wir gerade um diese Jahres-
zeit das Land durchreiten mussten, wo es hier genau ebenso winterlich aussieht,
wie in Süddeutschland Ende Februar und in der ersten Hälfte des März.
Dervriiche In Ak-iu.
Stellenweise, wie z. B. zwischen den Stationen Tumschuk und Tschadür-kul,
sowie weiter bis Jakka-kuduk, führte der Weg durch weite, offene Wälder mit
stattlichen Bäumen (Pappeln) oder durch geradezu parkartige, mit Sträuchern
und Buschwerk bewachsene Gebiete, wo die dichte Verzweigung der Aeste
erraten Hess, wie üppig sich 'im Frühjahr Blätter, Laub und Blüten entfalten
mögen. Hier durchziehen auch kristallklare, tiefe Wasser die Schilfniederungen;
eine alte Grabstätte bei Monastür mit einigen Grabkapellen liegt malerisch am
steilen Abhänge eines kahlen Bergrückens des Achur-tag, und auch noch weiter
am Wege nach Tumschuk trifft man Ruinen alter Städte und Ansiedlungen.
Der fromme Sinn der Muhamedaner, der sich an den bei keinem Orte
fehlenden Gebetsstätten und Moscheen zeigt, äussert sich auch in den zahl-
— 122 —
r^.ch IT. r.^T'f orr^-^cr. ic^ V^r.XiZer^ »:e Ber^-or>:-r-:i;;eii. M-^Ia. ahm Gebaiiden
=ryi bev-r-dc* ao den Grib^talicn angebrachten E.inner'jr^ nod Verehmngs-
zeiil-.'tn :-ir berii^e Mi-';n<r. d.e dort gelebc haben od«- begraben sind Es
•.-■i r^r i;r.v:he:r.ba,'e lar.^e Standen ,T-k;S Scar.-cn, d:e oben oti mit Hörnern
verviT-cTi i-.r.d cr,d von P-.I^cm und Dcrw-schen nut scfamuckktsen farbigen
fckT.dchcn behar.^en »erden, ali '"';fcr|^be fjr den Toten.
Jec-m M'jfgen and jeden Abend h'>rt man auf den SotioneB die veithiD tooea-
drr.. ■(che'.r.'^ir iciagcnden Rufe des sein Gebet verrichtenden Muliafa. L'oterwegs
■•n':.':n »:r Fra.;en rjr Zeit des S'nnenuniergang« vom Pferde steigen, cjne
iJecke ausbreiten und zum Gebete nlederknieen. Auch in der Gewissenhaftigkeit,
mit der alle, selbst die Niedrigsten, sich den Geboten des Fastens und dem
Betuchc der öffentlichen Gottesdienste an den Feiertagen unterziehen, drückt sich
ein »itarkes religiöses Gefühl aus.
DagCf^en ist von religiösem Fanatismus oder Unduldsamkeit gegen Anders-
gläubige in diesen Gegenden nichts zu bemerken, höchstens, dass die FrauM
ab und zu sich vor den Fremden verhüllen oder wegsehen.
Die Frauen der sartischen Karawanseraibesitzer denken nicht daran,
sich 2ü entfernen oder das Gesicht zu verhüllen. Sie zeigen keine be
sondere Neugier, verrichten ihre Arbeit ruhig weiter und lassen sich selbst
im Kindcrstillen durch die Gegenwart Fremder nicht weiter stören, aller-
~ 1^3 —
dings wollen sie sich meist nicht photographieren lassen, da sie Zauberei fürchten.
Merkwürdig verschieden verhalten sich die jungen, hübschen und die alten, häss-
Itchen Frauen, man könnte darüber allerlei Betrachtungen anstellen, ich will mich
aber darauf beschränken, zu sagen, dass ich nichts dj^egen einzuwenden hätte,
wenn alle zusammen strenge am Verhüllen festhielten.
Auch lokale Aenderungen, mit Besonderheiten der Tracht verbunden,
konnten wir auf dem Wege beobachten. So tragen in der Nähe von Ak-su
viele Frauen unter den grossen, weit über den Kopf abstehenden Pelzhüten
BcTÖlkeniD^ bei Schur-Kubuk, sUdweBÜich tod Ak-su.
weisse Tücher, die meist über den Hut zurückgeschlagen sind, aber bei Ansichtig-
werden eines Ungläubigen über Gesicht und Brust heruntergezogen werden.
Wieder andere reiten, nach Männerart auf dem Pferde sitzend, frisch und flott
vorbei, ohne sich zu verhüllen oder an einen Verstoss gegen die Sittsamkeit
zu denken.
Auf den langen, einsamen Wegen hat überhaupt jeder Begegnende auf
ein besonderes Interesse Anspruch, macht er doch der Monotonie für einige
Augenblicke ein Ende; seien es nun ein paar arme Chinesen, die, mit ihrer
Habe auf dem Rücken, den langen, staubigen Weg zu Fuss zurücklegen, oder
die verschiedenen Arten der Gepäck- und Reisewagen oder Reiter. Des Auf-
zugs eines chinesischen Soldaten sei hier, seiner Originalität wegen, Erwähnung
gethan. Ein Sarte trieb einen Esel, deV mit Gepäck- und Kleidungsstücken
beladen war; oben auf 1^ festgebunden das Gewehr des Soldaten; ein zweiter
Esel trug ebenfalls Bagage und oben darauf einige Waffen; der brave Krieger
selbst aber ritt voraus, auch auf einem Esel, und trug in dem weiten faltigen
Gewand eine Katze, die offenbar sein Lieblingstier war.
Auch Ochsenreiter sind nicht selten anzutreffen. Der Ochse ist regelrecht
gesattelt und wird an Stricken, die ihm durch die Nase gezogen sind, geleitet.
Trotz des schwerfälligen Ganges besitzen die Tiere häufig Gewandtheit genug,
um ihre Reiter im hohen Bogen abzuwerfen, und zwar ohne alle ersichtliche
Ursache; nur aus Uebermut oder Böswilligkeit.
Der Empfang beim Stadt oberhaupte in Ak-su ging unter denselben Zere-
monien vor sich wie in Kaschgar, und es wurden dieselben Höflichkeitsphrasen
ausgetauscht. Einladungen zum Essen wurden unter Hinweis auf die baldige
Weiterreise abgelehnt, und die drei Tage in Ak-su gestalteten sich in der That
zu Ruhetagen, an denen wir nur kleinere Ausfluge oder Spaziergänge, zum
Besuche der etwa sieben Meilen entfernten neuen chinesischen Stadt, auf den
Bazar des alten Ak-su und nach den 50 m hoch über der Stadt gelegenen, nur
durch steile Schluchten zugänglichen Totenstätten und Grabdenkmälern unter-
nahmen.
— 125 —
Der Aksakal, Vorstand der Kaufmannschaft und russischer Agent, Muha-
mcd Emin, bei dem wir in Alt-Ak-su Gäste waren, war die Liebenswürdigkeit
selbst, und wir wurden mit Geschenken an Obst und Siissigkeiten und mit
Aufmerksamkeiten reich bedacht
Eine schaulustige Menge, meist Kinder und halb erwachsene Burschen,
stand immer um den Hof des Hauses herum und folgte uns, wenn wir aus-
gingen; belästigt wurden wir aber nur in der chinesischen Stadt, wo mehrmals
mit Steinen geworfen wurde.
Ak-su gilt neben Kaschgar als die heiligste Stadt Kaschgariens, hat aber
nur etwa die Hälfte der Einwohner (15000) von Kaschgar; es hat einige Be-
deutung fiir den Weg nach Norden über den Mussart-Pass (3660 m) nach
lli und Kuldscha. Auch nach Taschkent werden Baumwolle, Häute und Wolle
ausgeluhrt. Das weitere Gebiet von Ak-su (der Name bedeutet iweisses Wasser«,
weil das Schmelzwasser des Flusses, im Gegensatz zum dunkeln Quellwasser,
weiss aussieht] ist längs des Bergfusses und der Flüsse reich bevölkert und
mit Gärten bestellt, in denen Gemüse, Aepfel, Aprikosen und anderes Obst ge-
zogen werden, während der Ackerbau sich auf verschiedene Getreidearten,
Reis, Mais, Baumwolle und Opium erstreckt. Die Weizenernte findet Mitte
Juli statt.
Im Sommer sind die Flüsse sehr wasserreich, überschwemmen die Felder
und hindern den Verkehr wesentlich.
— 126 —
Im südlichen Teile herrscht ödes und wüstenbedecktes Land vor und Ried-
flächen mit Sümpfen dehnen sich längs den Wasseradern aus.
Bemerkenswerte Bauten bietet weder die neue noch die alte Stadt Ak-su,
die auf dem linken Ufer des gleichnamigen Flusses, atif dem gartenartig ange-
bauten Thalboden am Fusse 50 m hoher Lehmwände zwischen Schluchten
gelegen ist.
Unsere Zeit in Ak-su war neben den nötigen Besuchen und Ausflügen durch
die Vorbereitungen zur Weiterreise reichlich ausgefüllt. Es waren neue Verträge
mit Arbenfiihrern abzuschliessen, unsere Vorräte an Lebensmitteln zu ergänzen,
Ko«k ChLn<Bi.ch« Soldaim
BcTölkening von Ak-Bu.
und namentlich hatten wir viel unnötige Arbeit dadurch, dass einige unserer
Kisten auf dem letzten Tagemarsche beim Passieren einiger schlechter Brücken
ins Wasser gefallen waren. Einem kleinen Handkoffer mit Toilettensachen,
Notizbüchern, Karten etc. war das nicht gerade förderlich; die grösste Mühe
aber machte das Trocknen, Wiederherrichten und Frisieren zahlreicher Vogel-
bälge, die auch ins Wasser gefallen waren. Ganz verdorben, wenigstens fiir
uns, war der Tabak, von dem wir aber doch noch hofften, dass ihn die Tanguten
am Küke-nui rauchen würden, da sie ja nicht wissen, wie er wirklich sein sollte.
Am 14. März verliesscn wir das gastliche Haus des Aksakals, um über
Bai und Kutscha bis Kurija am Nordrande des Tarimbeckens weiterzuziehen
und von dort zwischen die ö.stlichen Ketten des Thien-schan einzudringen.
— 127 —
Ein silberglänzendes Band schneebedeckter Hochgebirgsgipfel, weit über
dem braunen Wolkenrand von der scheidenden Sonne mit den zarten Farben-
tönen des Alpenrotes Übergossen und in die violetten Tinten des Abendhimmels
getaucht, so erscheinen die Berge des Himmelsgebirges dem Wanderer aus den
Steppen und Wüsten des Tarimbeckens, der, müde der Einförmigkeit und des
Staubes, der stagnierenden Gewässer und der Sandbet^e, sich nach dem klaren
Bergquell, dem munter sprudelnden Gebirgsbach, den frischen, freien Beides-
höhen sehnt. Aber die Schnee-Berge sind noch fern und nur in den höheren
und zentraleren Teilen der grossen Gebirgsmauer vertreten, weiche das Tarim-
Bewohner vod Sai-arOk, BUdwesÜich tod Ak-Bn.
becken im Norden gegen Sibiriens Kälte schützt; der breite Fuss des Gebirgs-
systems reicht hinab bis in die weiten Niederungen des Tarimbeckens, und zuerst
vereinzelt, dann aber zu langgestreckten Ketten zusammengeschlossen steigen
aus der Wüstenebene schroffe Gebirgszinnen als Vorketten schon weit südlich
vom eigentlichen Gebilde auf, von dem sie durch meilenbreite flache Strecken
und Längsthäler getrennt sind.
Wo der Weg zwei Tagereisen östlich von Ak-su, bei Kara-iulgun, die kies-
und staubbedeckten Niederungen verlässt und steh mehr nach Norden wendet,
um das Städtchen Bai zu erreichen, begegnet das Auge zuerst schroff aus der
mit Kulturland bedeckten Ebene in die Höhe starrenden Bergen, deren höchster
Gipfel, von wilden, tief eingerissenen Schluchten umgeben, ganz unnahbar
— 128 —
erscheint. Steil ist der we&tliche Absturz der Berge, und die kurzen Tbijer
verlaufen zwischen hohen senkrechten Abstürzen. Das Gebirge gebt in scüer
Längsrichtung von Westnordwest nach Ostsüdost auf eine Erstredcung voo etwa
1 5 km und ist ' ' ' '^ ' r>- . >- ■ - . ■
gestaltig, je na<
und Mei^elmasi
Gerade hi
fliessend es Wa
bringt ihre W'irl
hervor. Schon
welche die Oba
Anblick. Der ;
Salzeffloreszenzi
intercs^ntc neu
der staunend
bildenden Krafi
absolute Wüste
Es mag sein, <i
ist, einzelne T
Namen gegeb«
organischen t^l
dadurch nicht
sehen werden.
Auf der S
Flüsse, die si<
Sand- und Stau
findet sich da,
entgegengesetzt
konkav gewölb
staubigen Luft (
Im Längsthal,
Flussbett mit
schultungen, sc
Schuttmassen,
räum der gen
darstellt: zu i
von Menschen
ganz von Plus:
mit feinerem S
Hier gieb
sehen, und es e
der Kiesebene
— 129 —
Schon von weitem fesselt an der steilen Gebirgswand die feine, äusserst
zierliche Gliederung, die an Meisterwerke der Architektur erinnert und hier her-
vorgebracht wird durch im horizontalen Sinn aneinandergrenzende härtere und
weichere Teile der Schichtfolge und im vertikalen Sinne durch zahllose kleine
Thälchen, die einen andern Charakter haben, je nachdem sie in einer harten
Gesteinsschicht vertikale Rinnen erzeugen, oder in weicherem, darunter liegendem
Materiale kleine, regelmässige Schutthügel zur Aufschüttung bringen. Dabei
wechselt noch die Farbe der einzelnen Gesteinszonen zwischen hellgelblich, weiss,
braun und rot, so dass bei der Regelmässigkeit der ganzen Erscheinung fast der
Eindruck einer künstlichen Beihilfe entstehen könnte, wenn eben nicht das
Ganze riesengross und ein Gebirge wäre.
Eine enge Felsschlucht nimmt den Weg auf und fuhrt ihn in vielfachen
Windungen bergan. Bei jeder einzelnen Felsenkulisse, um die sich der oft enge
Pfad windet, der zugleich auch ein zur Zeit glücklicherweise trockenes Bachbett
ist, eröffnen sich neue abwechslungsvolle Ausblicke auf die grossartige Fels-
wildnis, deren steile Wände in hoch aufragenden Domen und Zinnen endigen,
und deren Abstürze senkrecht über hundert Meter weit herabreichen. Da sieht
man die seltsamsten Gebilde: steile Pyramiden und orgelartige Felsensäulen,
sowie am oberen Thalausgange eine grosse Sphinx, die dadurch entstanden sein
mag, dass ein riesiger Felsblock auf eine weiche, nachher zum Teil unter ihm
hinweggeführte Grundlage gefallen ist. Die Phantasie kann alle diese Natur-
spiele mit Namen belegen, aber einen Begriff von ihrer Mannigfaltigkeit vermag
sie doch nicht zu geben.
Am oberen Ende der Schlucht, die ein im Verhältnis zu seiner Wirkung
selbst bei Hochwasser kleiner Fluss aus dem Sandsteingebirge ausgewaschen
hat, liegt eine einfache Station Tuga-rakdan, von der ein interessanter Weg zu
einem einige Stunden entfernten Bergwerksdorfe führt, das viel des Eigen-
artigen bietet.
Der schmale Saumpfad führt am Nordabhange des Gebirges, durch das
der Engpass geht, in östlicher Richtung durch echte Steinwüste. Keine Spur
von Vegetation ist zu sehen, und die gleichmässig schräg nach aufwärts
gerichteten Schichten der Sandsteine zwischen den weicheren Mergellagen
erwecken den Eindruck eines brandenden Meeres, dessen sich überschlagende
Wellen, plötzlich erstarrt, den Ausdruck ihres wilden Drängens und Stürmens
auch in der Ruhe beibehalten haben. Lange Reihen von Felsklippen, die
überhängen, weil der Wind das weichere Sandsteinmaterial unter ihnen weggeführt
hat, zeigen die bizarrsten Formen, und eine solche Reihe folgt der andern in
fast regelmässigen Zwischenräumen, bald höher und wilder, bald sanfter und
niedriger, wie die langgezogenen Wellenkämme des windbewegten Meeres.
Der Eindruck dieser starren Felswände wird noch verstärkt durch die dunkle
Farbe, welche alle hervorragenden Stellen und besonders die Schichtköpfe des
härteren, sonst helleren Sandsteines bedeckt Mit einer zerfressenen, braun-
Futterer, Durch Asien. 0
— I30 —
schwarzen, harten Rinde haben sich die Gesteine hier in der Wüste gepanzert,
wie um der Zerstörung durch Hitze und Wind zu entgehen. Wo diese »Schutz-
rindec fehlt, ist der Sandstein bis tief ins Innere ausgehöhlt und wird immer
noch weiter zerstört. Wo sie aber mächtig ist, bietet sie einen wirksamen
Schutz gegen die feindlichen Wüstenkräfte, und nur durch sie ist das Ent-
stehen so feiner und exponierter Felsengebilde möglich. So weit das Auge
reicht, im Süden bis an das aufragende Gebirge, gegen Norden etwas an-
steigend und den Horizont begrenzend, dehnt sich das starre Wüstenmeer aus
Stundenlang geht es so ohne Unterbrechung und ohne Aenderung in den
Wellenthälern bald in die Höhe, bald abwärts und oftmals von einem kleinen
Thal ins andere.
Schon einige Kilometer ehe man den ersten kleinen Bei^- und Hütten-
ort erreicht, waren längs des Weges in den weichen, hier etwas schiefrigcn
Schichten zwischen zwei harten und weit vorspringenden Sandsteinbänken recht-
eckige, senkrechte Vertiefungen angelegt, aus welchen ein grünlicher, weicher
Schiefer herausgeholt wurde. Diese kleinen Schächte von 1,50 m Länge bei
nur I m Breite folgten dicht aufeinander. An andern Stellen war direkt die
ganze weiche Schicht unter der oberen Sandsteinbank herausgenommen. Allent-
halben sah man grosse Anhäufungen von schwarzen Schlackenmassen mit
glasigem Aussehen und die Trümmer von Gebäulichkeiten. Hier ist offenbar
das für die Bergleute mit ihren primitiven Abbaumethoden gewinnbare Erz
schon längst erschöpft und der Bergbau wurde in femer gelegene Teile ver-
legt, die noch weiter östlich in der Erstreckungsrichtung der erzführenden
weichen Schicht liegen. Dort findet man in den grünen Schiefern schöne
Beschläge von grünem Malachit und Tropfen oder Kügelchen von blauer Kupfer-
lasur oft sehr reichlich angesiedelt. Diese bilden das Erz, aus welchem
das Kupfer gewonnen wird. Die Art der Gewinnung ist eine recht einfache.
In grosser Anzahl — auch die oben erwähnten Ruinen gehörten zum Teil
dazu — sind Erzschmelzöfen bei den einzelnen Gruben angelegt, da offenbar
jeder Schachtbesitzer sein Erz gleich selbst verhüttet, um unnötigen Transport m
vermeiden. Diese kleinen Hüttenwerke bestehen aus einem etwa 2 m hohen,
ebenso breiten und 2,50 m langen, aus Lehmziegeln errichteten und mit Holz-
stangen und darüber gelegtem Strauchwerk bedeckten Gebäude, das auf einer
der Querseiten eine ins Innere führende Thür besitzt; der Boden innen ist
etwas erhöht, und es führen meist an zwei Stellen Thonröhren von innen
schräg abwärts nach aussen, die dort in einen runden Trog, die eigentliche
Esse, münden. In dieser wird das Erz mit Holzkohlen zusammengehäuft u«"
oben eine Decke aus Lehm so hergestellt, dass an der Aussenwand des Gebäudes
ein aufwärts führender offener Raum als Kamin bleibt, der übrigens n^^
bis zur Hälfte der Höhe des Gebäudes ganz geschlossen ist, so dass oben die
Flammen direkt an der Wand emporschlagen. Im inneren Raum sitzen
ein oder zwei Leute, welche die aus Felisäcken bestehenden Blasebälge bc-
— 131 —
wegen und durch die nach aussen führende Thonröhre das nötige Luftgebläse
erzeugen. Durch die Hitze und den Kohlenstoff der Holzkohle wird das Kupfer
aus seinen Verbindungen reduziert und setzt sich als geschmolzene Masse auf
dem Boden des Troges ab. Natürlich wird so nur ein Teil des im Erze wirklich
vorhandenen Kupfergehaltes gewonnen und man sieht häufig in der schwarzen
glasigen Schlacke schöne, grüne Malachitneubildungen.
Der Bergbau beschäftigt hier, nach dem Umfang der Arbeiten, der An-
zahl der Hütten und der Grösse der in der Nähe der Gruben angesiedelten Dörfer
zu urteilen, einen recht ansehnlichen Teil der Bevölkerung. Wie aber Berg-
leute meist, so scheinen auch diese hier recht arm zu sein; ihre Zahl dürfte
mehrere Hundert betragen. Die Leute an den Gruben waren mit den erbärm-
lichsten Fetzen bekleidet. Das gewonnene Erz wurde in Säcken von Ziegenfell
herausgeschleppt, zum Hauen bedienten sie sich langer Pickel und die aus den
Schachten zu fördernden Erze winden sie an einfach gebauten Ha.speln heraus;
ohne gemahlen oder fein zerkleinert zu werden, nur nach einem rohen Aus-
suchen der genügend Kupfer enthaltenden Stücke, wandern die Erze dann
direkt in den Schmelzofen.
Das Dorf der Bergleute bot einen sehr malerischen Anblick; es war ganz
zwischen die Gruben und in das Felsenmeer eingebaut, unter möglichster Be-
nutzung günstiger natürlicher Verhältnisse; so waren z. B. viele Wohnungen
unter den überhängenden Felsen durch künstliche Erweiterung der schon von
Natur vorhandenen Höhlungen und durch deren Abschliessung mit einer Lehm-
mauer hergestellt. Auch die Schmelzöfen waren reihenweise an den steileren
Abhängen angebracht, um bei der Zuleitung der Luft aus dem Innern des
Baues zu der tiefer gelegenen Esse das Gefalle ausnutzen zu können. Da-
zwischen befanden sich Lehmhütten und offene Ställe für die Pferde, grosse
Haufen von Schlacken, in den Boden gemauerte grosse Oefen zum Brot-
backen, und das ganze, an sich schon bunte Bild wurde durch eine sehr
zahlreiche Bevölkerung, die zusammenlief, um den Fremdling zu betrachten,
wesentlich belebt.
Einige Kilometer weiter östlich liegt noch ein zweites solches Dorf, dessen
Bewohner ebenfalls dem Bergbau obliegen und aus den gleichen Erzen Kupfer
gewinnen.
Der Bergpfad, welcher in ziemlich nördlicher Richtung von hier wieder
zur grossen Strasse und nach der Station Dschurga führt, ist wild romantisch;
er geht quer durch die beschriebene Felsenwüste, über zwei Gebirgskämme
und durch ein dazwischen gelegenes Thal, die alle aus denselben Sandsteinen,
Mergeln und Kiesbänken bestehen. Der Weg steigt über steile Klippen zur
Höhe empor und folgt kleinen Thälchen hinab ins Thal. Die wackeren Pferde
haben oft grosse Mühe, nicht auszugleiten auf dem feuchten, lehmigen Boden,
und an abschüssigen Stellen ist wirkliche Gefahr vorhanden. So geht es
durch die gigantischen Felsschluchten bergauf und bergab, herüber und hin-
9*
— 132 -
über, wo gerade die FeUcn das Durchkommen gestatten, und ohne kundigen
Führer wäre es unmöglich, sich in dieser labyrinthischen Wildnis zurecht-
zufinden.
Die letzte Höhe bot einen weiten Umblick über das im Süden liegende, vom
Abendrot beleuchtete Gebirge und eine breite flache Thalniederung, über die
sich schon die Abendschatten ausbreiteten. Weit in der Feme, im Norden,
wo aus der Dämmerung die dunkeln Umrisse eines neuen Gebirgszuges ud'
deutlich hervortraten, lag die Station Dschui^, welche die ermüdeten Pferde
noch erreichen mussten. In raschem Tempo, soweit es der rauhe Gebii^pfad
SUdabfall lies To|):i-dawaD bei I)B<'liuri;a, Blldwestlich vod Bai.
erlaubte, immer wieder durch endlos sich erneuernde Felsnischen, um Thal-
vorsprünge und schroffe Pyramiden, durch enge Pässe und über schwierige
Felsgesimse, geht es steil hinab in das breite Thal, das ebenfalls eine Wüste
ist und der Vegetation fast ganz entbehrt; der Boden besteht aus weit aus-
gebreiteten Kies- und Schottermassen, welche die Bäche aus den Bergen getragen
und hier zur Ausfüllung des einst tieferen Thaies abgelagert haben.
Der strahlende Morgen nach einer in schlechtem Quartier fast schlaflos ver-
brachten Nacht — das bessere chinesische Serai fanden wir bei unserer Ankunft
schon ganz mit Chinesen besetzt vor — gewährte den Ausblick auf das nabe
gelegene Gebirge der nördlichen Thalseite, die Topa-dawan-Kette, deren Umrisse
schon am Abend von den gegenüber liegenden Höhen sichtbar waren, und hier
— 133 —
wiederholt sich das Bild der mannigfaltigen und zierlichen Modellierung der
steilen Südseite durch die kleinen Wasserrisse und Thälchen. Die grosse Strasse
nach Bai führt eine Zeit lang am Fusse der von West nach Ost gehenden Ge-
birgskette hin und durchquert sie dann in einer engen Schlucht.
Dieses nur nach der Südseite steil und schroff abfallende Gebirge, das
sich nach Norden, wo der Weg es durchquert, allmählich abflacht, liegt in der
westlichen Fortsetzung des höheren und auch von Bai z. B. gesehen, als selbst-
ständiger Gebirgszug hervortretenden Tschul-tau, der sich noch viel weiter im
Süden von Bai nach Osten erstreckt, als die neue russische Generalstabskarte
(Karte XX) angiebt. Dieser selbständige Gebirgszug des Tschul-tau, der in
seiner Fortsetzung auch weiter nach Westen reicht, begrenzt im Süden das breite,
vom Musart-Fluss und seinen Tributären durchflossene Längsthal, dessen Nord-
rand an die eigentlichen Thien-schan-Berge (hier Chalük-tau genannt) angfrenzt
Die Strasse wählt zu ihrem Uebergänge die niederste Stelle zwischen Topa-
dawan und Tschul-tau, wo wenigstens auf der Nordseite der Gebirgscharakter
des letzteren kaum hervortritt; die geologische Beschaffenheit ist aber dieselbe
wie in dem ersten Querthal südlich von Tuga-rakdan. Nur hat hier das Thal
nicht den schluchtartigen Charakter, und die Felsenbildungen entbehren der Gross-
artigkeit, welche das andere Thal auszeichnete. Gegen das nördliche Ende der
Schlucht hin mehren sich auch immer mehr die lockeren Kies- und Schotter-
anhäufungen, welche schon ihrer Natur nach schroffe Formen nicht erzeugen
können. Diese Kiesmassen vermitteln den Uebergang in das nördlich sich
anschliessende, wasserreiche und stark besiedelte, fast ebene Gebiet, welches
vom Musart-Flusse durchströmt wird und ausserdem noch eine Reihe von Ab-
flüssen des Topa-dawan und nördlicher gelegener Vorberge des Thien-schan
enthält. Nur an manchen Stellen verursachen die mächtigen Schotteranhäufungen
dieser Flüsse absolute Sterilität und Wüstenbildung; meist liegt aber noch eine
Lehmschicht über dem Kies, welche Anbau von Feldfrüchten ermöglicht. Der
grosse Wasserreichtum hat auf der andern Seite zur Folge, dass ausgedehnte
Gebiete ganz versumpft und mit Schilf bewachsen sind.
Der schlechte Zustand der künstlich angelegten Bewässerungskanäle führt
häufig das Wasser direkt auf die stark ausgefahrenen Strassen, deren Niveau oft
viel tiefer als das des umgebenden Landes und der Kanäle ist, so dass sie leicht
unter Wasser gesetzt werden. Welch abscheulichen, schlüpfrigen und klebrigen
Schmutz die durchweichten Lehme hervorzubringen vermögen, davon kann
man sich nur dann einen richtigen Begriff machen, wenn man Tage lang
im Schritt auf unsicher tretendem Pferde solche Strassenstrecken, die nur in
China möglich sind, durchritten hat. Ein Ausweichen nach den Seiten auf die
Felder ist ganz ausgeschlossen, weil auch diese meist unter Wasser stehen
und noch grundloser sind als die Strasse selbst. Wie muss es hier erst ein
bis zwei Monate später aussehen, wenn die Flüsse durch das Schneewasser der
Thien-schan-Berge alle hoch angeschwollen sind!
- r34 —
Die Bevölkerung plätschert indessen vei^ügt und unverdrossen zu Pferd,
Ochs oder Esel in diesem Schlamm, in den die Tiere tief einsinken, henim
und scheint damit ganz zufrieden oder wenigstens daran gewohnt zu sein, denn
zu einer Abhilfe geschieht nicht das geringste.
Ungefähr anderthalb Tage dauert der Ritt durch diese grundlosen Wege,
weniger der direkten Entfernung als der langsamen Fortbewegung wegen, und
wenn man die Stadt Bai erreicht hat, ist es dort keineswegs besser. Der Zu-
stand der Strassen auf dem dortigen Bazar steht in nichts dem der Landwege
nach und als wir an einem Freitage, dem Hauptmarkttage, dort einritten, drängte
Oute Sai-liaD[^. westlich von Bai.
sich noch dazu eine zahlreiche Landbevölkerung in dem Schmut« herum. Der
Bazar besteht hier aus einer langgestreckten Strasse, die beiderseits von nach
vorne offenen, überdeckten Galerien ohne alle Abteilungen eingefasst ist Hief
sucht sich ein jeder seinen Platz, wo er mag, breitet seine Waren aus, so
gut er kann, und wartet der Käufer, Nur an manchen Stellen, wo frisch gc-
backenes Brot, Fleischpastetchen, der beliebte Piläw und andere warme Lebens-
mittel feilgehalten werden, sind einfache gemauerte Herde oder üefen vorhanden.
Wenn nicht e^;entlicher Bazartag, d. h. Freitag, ist, stehen diese Hallen öde
und verlassen, und auch in der Strasse ist nur wenig Verkehr. Die Einkäufe
werden dann auf einem andern, kleineren, sich anschliessenden Bazare besorg,
der aber aus einzelnen Buden und Magazinen besteht. Diese sind von g^ni
derselben Art, wie man sie auch sonst in den sartischen Städten findet, <ii<^
— 135 —
enthalten dieselben einheimischen oder nissischen Produkte. Die chinesischen
Läden sind klein, und es sind ihrer verhältnismässig sehr wenig.
Die Lage der nur aus einstöckigen Lehmhäusern bestehenden Stadt,
inmitten der grossen fruchtbaren Niederungen, auf den erhöhten Lehmufern eines
kleinen Flusses, bietet schöne Ausblicke auf den schneebedeckten Thien-schan
im Norden und den Tschul-tau im Süden; im Sommer dürfte aber die
Hitze recht bedeutend werden und der mit Feuchtigkeit durchsetzte Boden
und die vielen stagnierenden Gewässer Fieber und andere Krankheiten erregende
Miasmen erzeugen.
Auffallend viel verbreitet ist hier wie auch in Ak-su der Kropf, der
in mehreren und bedeutenden Exemplaren an einem und demselben Indi-
viduum vorkommt; übrigens tritt er auch in Kaschgar, Jarkand und überhaupt
in diesem Oasengürtel um das westliche und nördliche Tarimgebiet häufig auf.
Die ausgedehnten, sumpfigen und ganz mit Wasser bedeckten Stellen,
welche schon im Westen der Stadt Bai das Reisen erschweren, sind auch weiter-
hin neben und auf der Strasse nach Kutscha nicht selten; zugleich sorgte das
Mitte März regnerische Wetter für die nötige Feuchtigkeit von oben, die bei
der niederen Temperatur hier noch zuweilen die Form eines leichten Schnee-
falls annahm. Es gab Stellen, wo man die eigentliche Strasse verlassen und
einen kilometerweiten Umweg quer durch Felder über Bewässerungskanäle
und Dämme nehmen musste; in den Boden gesteckte Stangen mit Strohwischen
- 136 -
bezeichneten die einzuschlagende Richtung; doch war dieser Weg nur für Reiter
oder Fussgänger passierbar; die Wagen mussten sehen wie sie weiter kamen.
Die feuchte Luft gestattete nur zeitweise einen Ausblick auf eine Gebirgskette,
welche in nicht allzu grosser Entfernung von der Strasse im Süden dicscib«
in ostwestlicher Richtung begleitet und auf der Karte nicht angegeben ist; die
weiter im Norden gelegenen Höhen des Thien-scban blieben überhaupt un-
sichtbar. Längs des Weges gab es ausser der grossen Totenstätte von Tuia-
masar nur wenig Bemerkenswertes.
Zwischen Bai und Aral ist eine grosse Menge von alten Gräbern und
zahlreiche kleinere Grabkapellen um eine zentral gelegene Moschee angelegt;
in dem mit niederer Mauer umgebenen Hofe steht eine ungewöhnlich grosse
Zahl von Tugh-Stangen mit oben befestigten Rossschweifen, und es liegen zahl-
reiche Hörner von Bergziegen als Widmungen aufgestapelt. Mit Ausnahme
dieses Hauptgebäudes macht alles den Eindruck grösster Verwahrlosung, der
sich hier zu Lande so häu6g, und nicht nur auf älteren Grabstatten, wiederholt-
Auch bei Sairam, einem kleinen Flecken weiter östlich, liegen auf erhöh-
tem Flussufer die Ruinen eines solchen Grabmahls, deren Grösse in gar keinem
Verhältnis zu derjenigen des kleinen Ortes steht. Offenbar hat man an diesen
heiligen Stätten die Toten aus einem grösseren Umkreise zusammen bestattet
»Auf Regen folgt Sonnenschein«, und so wurden auch wir eines Morgens
beim Aufbruche aus Küsül für das während der letzten Tage herrscheode
Unwetter durch den klaren Ausblick auf den herrlich im Schneeschmuck
prangenden Thienschan reichlich entschädigt Auch das viel niedrigere, sixt
— 137 —
nähere Gebirge im Süden trat in seinen scharf markierten, wild-zackigen,
felsigen Umrissen deutlich hervor. Der Weg führte über trockenen Kiesboden
in dem breiten Längsthaie, das die beiden Gebirgsketten verbindet und vom
Küsül-3U-Flusse quer zu seiner Längsrichtung durchflössen wird. Den schön-
sten Blick bietet die hoch gelegene Station Rabat Dawan, von wo sich
der Weg bis Kutscha nach Südosten wendet und noch das schroff ansteigende
südliche Gebirge, das die Einheimischen iGebirge von Kutscha« nennen, in
einer grossartigen Querschlucht durchkreuzt. Diese Schlucht entbehrt heute
ganz des Wassers oder eines grösseren fliessenden Gewässers, obwohl sie dereinst
Ruineo und GrabetfitteD bei Sairam. Sstllch von Bai.
durch ein solches gebildet worden sein muss, und es wiederholen sich hier noch
einmal alle die schönen Felsgebilde, die hohen Säulen und die jähen Abstürze,
die zierlichen Produkte der Verwitterung und des Windes, die in den ähnlichen
Querthälern bei Dschui^ und Tuga-rakdan ebenso das Auge erfreut, wie das
wissenschaftliche Interesse erregt haben. Inmitten der Felswildnis, am Eingang
zum engsten und von den höchsten Bergen überragten Teile der Schlucht,*
li^t eine kleine Station, Rabat Kurgak, die in der gänzlich vegetationslosen,
hier etwas breiteren Thalfläche angelegt ist.
Es war Abend geworden, als ich endhch nach vielen Aufenthalten, welche die
' wechselnden geologischen Verhältnisse und die verschiedenen Gesteine verur-
sachten, am südlichen Ausgange des etwa vier Kilometer langen, mehrfach
gewundenen Durchbruchthales ankam. Schon blinkten die Sterne am Himmel
- .38 -
und ein mahnendes Wort meines Begleiters trieb zur Eile, da wir befurchten
mussten, dass man die Thore der Stadt Kutscha schliessen und uns den Eintritt
nach Einbruch der Nacht versagen würde. Und die Stadt war noch weit.
50 Kilometer hatten die Pferde an diesem Tage schon hinter sich, und nun
mussten sie noch in scharfem Trabe fast zwei Stunden Weges zuriicklcgen. Zum
Glück war hier in der Kicssteppe der Weg gut; als wir aber in die Nähe der
Sudt kamen, häuften sich Pfützen und durchweichte Stellen, Bewässerungs-
gräben zogen über die Strasse, und die Aeste der Bäume sowie des stacheligen
hohen Strauchwerkes hingen von beiden Seiten tief herab.
Station Kurgak. Dordweitllch tod Kuuclm.
Es war auch schon so dunkel geworden, dass man auf dem nassen Erd-
reich nichts mehr unterscheiden konnte und es dem Pferde überlassen musste,
seinen Weg zu suchen, was nicht ohne vieles Stolpern, Ausgleiten und nur
langsam vor sich ging. Mein sartisch sprechender Begleiter war mit den übri-
gen Kosaken bei den wissenschaftlichen Apparaten weit zunick geblieben,
während die andern Mitglieder der Expedition, die sich in der Schlucht nicht
«o lange aufgehalten hatten, schon längst in der Stadt sein mussten, und ich
selbst wäre wohl kaum mit meinem Kosaken in dieser Nacht noch ins Quartier
gelangt, wenn mir nicht ein Führer aus Kutscha entgegengekommen wäre-
Dieser war der russische Aksakal in Kutscha, der es sich nicht hatte nehmen
lassen, uns entgegen zu reiten und uns nunmehr persönlich durch die engen
Strassen der sartischen Stadt in der fast absoluten Dunkelheit zu unserem Kara-
wanserai zu geleiten.
- 139 —
Dieser nächtliche Ritt durch die engen, winkligen, schmutzstarrenden Gassen
ohne jede Beleuchtung wird mir unvergesslich bleiben. Platsch, platsch,
platsch — ging es unter den Hufen der Pferde, die Mühe hatten, sich auf dem
schmierig-glatten Boden aufrecht zu halten. Ganze Seen hier, Wassergräben,
Buschwerk oder niedrige, vorspringende Dächer und Aushängebalken dort,
wurden in der Dunkelheit gefährlich; begegnende Reiter konnte man erst
unterscheiden, wenn sie schon halb vorbei waren, und in dem gedeckten, um
diese Abendstunden ganz leer stehenden Bazare erkannte man die Richtung nur
an dem fahlen Schein des Himmels. So ging es über eine halbe Stunde lang
bergauf, bergab, um Ecken und über Brücken, an einem kleinen Markt vorbei,
auf welchem die Verkäufer noch bei Papierwindlichtern am Boden sassen, und
endlich in erleuchtete, bessere, wenn auch noch immer mit unergründlichem
Schlamme bedeckte Bazar-Strassen, bis wir zuletzt unser Quartier erreichten und
uns noch glücklich schätzen mussten, ohne Unfall mit unsern ermüdeten
Pferden durchgekommen zu sein.
Der erste Eindruck von der Stadt war also der eines fast unglaublichen
Schmutzes auf den Strassen und sogar in den überdeckten Bazaren, wie er uns
noch in keiner Stadt vorgekommen war, obwohl man nach dieser Richtung hin
in den sartischen Städten diesseits und jenseits des Alaigebirges Manches sehen kann.
Dieser erste Eindruck wich auch nicht, als wir am folgenden Tage unsern Besuch
beim Amban abstatteten. Wir wurden indessen in aussergewöhnlich liebenswürdiger
Weise aufgenommen. Wie immer begleitete uns auf dem Wege eine neugierige,
gaffende Menge, die von drei Polizisten nur mit Mühe zurückgedrängt werden
konnte. Beim Einreiten in den Hof des Yamens krachten Böllerschüsse.
Der Amban entliess uns erst, als wir seinen speziellen chinesischen
Süssigkeiten, die er uns zu Ehren auftragen Hess, zugesprochen hatten, und
erwiderte unsern Besuch gleich eine Stunde später. Da er nach photographischen
Bildern gefragt hatte, sandten wir ihm als Gegengabe fiir seine Geschenke —
zwei Hammel, Reis und reichliches Futter für unsere Pferde — ein schönes
Stereoskop, zu dem wir eine Anzahl passender Bilder: Mondscheinlandschaften
von Indien, Felsengebirge Nordamerikas, japanische Zauberfeste und einige
Damen vom Ballett, ausgesucht hatten; auch egyptische Zigaretten, die seinen
Beifall beim Besuche gefunden hatten, waren unter der Gegengabe, die offenbar
seine lebhafte Freude erregt haben muss. Denn obgleich wir ablehnten, sandte
er zwei Leute mit uns bis an die Grenze seines Bezirkes, die uns überall auf
den Stationen Quartier reservierten und dasselbe mit grossen Teppichen und
Decken so bequem als möglich herrichteten.
Auch mir, der ich von Kutscha aus einen geologischen Ausflug nach ver-
schiedenen Gruben unternehmen wollte, in denen Erdpech, Asphalt und
Kupfererze gewonnen werden, stellte er einen wegkundigen Mann als Führer
und Hess am Wege in den Dörfern Thee und Erfrischungen, sowie in einem
kleinen Gehöfte ein Zimmer in einer Hütte zum Uebernachten vorbereiten.
— MO —
Es war somit alles aufs beste geordnet, und a)s ich mittags 3 ' t Uhr mit
einem , Kosaken, einem sartisctien Diener und dem Führer ausritt, ahnte ich
nicht, dass ich Erdpech genug, aber in anderer als der erwarteten Form findn
sollte. Zunächst ging alles sehr schön; wir erreichten in drei Stunden in nord-
nordöstlicher Richtung von der Stadt aus den Ausgangspunkt eines eogen
Querthaies durch das Kutscha-Gebif^e und eine halbe Stunde später das
Nachtquartier Subasche, einige kleine Hütten direkt vor dem Eingang in <be
enge Schlucht. Schon vorher, bei der Thalausmündung, kamen wir an Ruinea
einer befestigten alten Stadt Assar vorbei, von der noch einige Bauwerke
von mächtigen Dimensionen und starken Mauern der Zerstörung getrotzt haben.
RuincD voD AsB.ir, oorclöstlich Ton Kuttchn.
Diese Bauten sind viel gewaltiger, als irgend welches Bauwerk aus neuerer
Zeit in diesem Teile Kaschgariens; ich vermochte aber nichts über die Geschichte
Jener Stadt und die Bedeutung der Bauwerke, von denen das Besterhaltene noch
am ehesten eine Moschee gewesen sein könnte, in Erfahrung zu bringen. Auch
auf den Höhen des gegenüber liegenden, etwa ein Kilometer entfernten Fluss-
ufers lagen zerfallene Reste von grossen baulichen Anlagen.
Im Nachtquartier wurde es bald gemütlich; der Abend war mild, und det
schöne Ausblick auf die wilden Formen des Thals und die von der Abend-
sonne beleuchteten Gipfel hielten mich noch lange im Freien.
Nach dem Abendessen gab es noch eine kleine, artige Ucberraschung. H^
kamen zwei Saitenspieler mit ihren Instrumenten, hockten sich auf den Boden
— 141 —
in einer Ecke nieder und fingen an zu musizieren, wobei sie die eintönigen, abge-
rissenen Weisen mit lautem Gesänge begleiteten. Ich lag dabei behaglich auf
einer Decke, gestützt auf eine grosse Schlummerrolle, und verglich im Geiste,
während ich den Ringen meiner Zigarette nachsah, dieses lärmende Geräusch
mit unsern schönen deutschen Volksliedern, als aus einem Nebenzimmer ein
kleiner Junge hereingeschoben wurde, der dann zu tanzen begann. Ein Tanz
aus schreitenden und wiegenden Bewegungen des Körpers, begleitet von leichtem
Schwenken der Arme. Der Junge war vielleicht zehn Jahre alt und hatte ein
bildhübsches, etwas mädchenhaftes Gesicht; während des Tanzes hielt er die
Augen scheu, fast zaghaft zu Boden geheftet, was bekanntlich bei den Tänzen
der Badschis sonst nicht immer der Fall ist; übrigens war er hier nicht als
Badschi, sondern er war der Sohn einer der beiden Musikanten und Sänger.
Hier sah der Tanz ganz anders aus als bei den berufsmässigen Badschis in
Samarkand, wo er durch die wilde Art des Vortrages und die Gesten der schon
zum Teil ganz erwachsenen Knaben etwas abstossendes hatte.
Früh am Morgen zogen wir bei herrlichem Wetter das enge Felsenthal
hinauf, durch das Kutscha-Gebirge, das die prächtigsten Landschaftsbilder gewährt.
Der Weg ist nur ein Saumpfad und an vielen Stellen künstlich dem hart an
das tosende Wasser herantretenden Fels abgerungen. Von den hohen senk-
rechten Abstürzen der Wände sind an vielen Punkten mächtige Felsmassen herab-
gerutscht, die das enge Thal sperren, so dass sich der Weg mühsam zwischen
grossen Felstrümmern durchfinden muss, die der Fluss schäumend und tosend
überwindet [s. Tafel DC].
Tritt man nach anderthalbstündigem Ritte aus dem Dunkel der engen
Schlucht in die nördUche Weitung derselben ein, so bietet sich plötzlich und
unverhofft ein herrlicher Blick auf den hohen Thien-schan und seine Schnee-
gipfel im Hintergrunde. In langer Kette, soweit der nördliche Horizont reicht,
liegen sie an einander gereiht da, die stolzen, hohen, namenlosen Zinnen und
Spitzen, noch alle der genaueren Erforschung harrend. Weit unter ihrer Höhe
ziehen sich lange Wolkenschwaden an den felsigen Abhängen hin und lassen
erst die wahre Höhe jener sie weit überragenden Bergriesen erkennen.
Der Fluss, Kungei-kok-su, dessen Thal wir gefolgt waren, tritt in breitem
Ausgange aus dem Hauptgebirge hervor, ehe er sich in die von uns zurück-
gelegte Engschlucht in der Vorkette, dem Kutschagebirge, begiebt und unser
Weg sollte ihn auch weiter begleiten. Vorher aber gab es noch einen Früh-
stücksaufenthalt in einem kleinen Gebirgfsorte.
Hier wurde mir die wenig erfreuliche Mitteilung gemacht, dass der Weg
zu den Kupfergruben zu weit sei, als dass es möglich wäre, am Abend wieder
in Kutscha zurück zu sein; dass der andere Weg zu dem Erdöl wohl kürzer,
aber sehr schlecht sei, und dass an Ort und Stelle so viel Schnee Uege, dass
nichts zu sehen sein würde. Das letztere schien glaublich, weil in der That in
den Thälern der Nordseite noch viel Neuschnee aufgehäuft war, das erstere
— 142 —
hielt ich aber Tür eine Finte der Chinesen, die ihre Bei^:werke Fremden nicht
gerne zeigen. So erklärte ich denn doch, das Kupferber^rwerk besuchen lu
wollen, wenn die Zeit reiche, jedenfalls aber einstweilen ohne Verzug auf dem
Wege dahin vorwärts reiten zu wollen. Mit meinen Leuten, dem Führer and
dem Aeltesten des Ortes, der vom Amban in Kutscha beauftragt, sich mit noch
einigen Reitern anschloss, ging es dann in raschem Tempo am Flusse aufwärts
bis mittags J2 Uhr. Dies war der äusserste Zeitpunkt zum Umkehren, wenn
man am Abende wieder in Kutscha sein sollte; da aber die Berge, an welchen
die Grube liegen sollte, wiewohl schon sichtbar, noch über zwei Stunden Wego
entfernt lagen, musste ich mich notgedrungen zur Umkehr entschliessen, da der
Abmarsch unserer Karawane auf den andern Morgen früh 6 Uhr festgesetzt war.
Ohne weiteren Aufenthalt wurde der Rückweg wieder durch dieselbe Eng-
schlucht angetreten und mittags 4 Uhr in unserm letzten Nachtquartier Subasche
noch ein kleiner Aufenthalt benutzt, um die sehr wenig scheuen Frauen d«
kleinen Ortes photographisch aufzunehmen.
Meine Leute ritten, zur Schonung des photographischen und der wissen-
schafthchen Apparate, langsam; ich aber mit einem alten Sarten, der unser Führer
war, schneller voraus und hoffte bis um 7 Uhr in Kutscha angekommen zu sein.
Als wir die Kieswüste verliessen und in das bebaute Land mit allen seinen
Winkelwegen, Kanälen, Dämmen und vor allem dem dichten Baum- und Strauch-
werk einrittcn, war die Dämmerung schon vorüber und elfte mondscheinlosc
Nacht eingetreten. Kaum sah ich noch den Führer, das sehr ermüdete Pfe"^>
welches seit 6 Uhr morgens ununterbrochen, ohne Futter, auf den Beinen wa'''
— 143 —
bedurfte fortwährend energischen Aufmunterns, und nachdem wir so eine halbe
Stunde geritten waren, bemerkte ich, dass mein Alter offenbar den Weg verloren
hatte. Die Richtung wechselte beständig und er sprach auch verschiedene uns
in der Dunkelheit begegnende Personen an. Da er kein Russisch verstand,
konnte ich gar nichts von ihm erfahren und musste ihm eben auf gut Glück
folgen, wohin er wollte.
Aus einem Gehöfte am Wege holte er sich einen jungen Menschen heraus,
der auf einem Pferde uns den Weg zeigen, beziehungsweise uns auf den rechten
Weg zurückführen sollte. Der bisherige Weg wurde verlassen; es ging direkt
auf die ganz durchnässten Aecker, deren Lehmboden den Pferden das Fort-
kommen sehr erschwerte; in immerhin raschem Tempo wurden, trotz der
grossen Dunkelheit, Felder, Dämme, Wassergräben durchritten, so dass ich die
Geschicklichkeit bewundern musste, mit welcher die Pferde diese Hindernisse
überwanden. Mehrfach noch wurde die Richtung gewechselt, zuletzt folgten
wir einem Bache oder Bewässerungskanäle, indem wir teils in ihm, teils auf seinen
sumpfigen, ganz durchweichten Ufern ritten. Endlich sahen wir Lichter auf-
tauchen und waren in dem am tiefsten gelegenen Stadtviertel, wo sich die
Mühlen befinden, ohne Unfall angelangt, damit aber noch lange nicht auf
das Trockene gekommen. Es wiederholten sich nun, wenn das überhaupt
möglich ist, in noch ausgedehnterem Masse noch einmal all der Sumpf
und Schmutz, das Wasser und die Löcher, die wir abermals ohne alle
Beleuchtung zu passieren hatten. Da ich meinen Begleiter absolut nicht verstand,
war ich nicht einmal sicher, dass er mich in das richtige Quartier führte, zumal
in der Dunkelheit nichts zu erkennen war und alle die Lehmbauten ganz gleich-
förmig aussehen. Erst nach 8 Uhr abends schlössen sich die Thore unseres
Karawanserai hinter uns, die wir zum dritten Male den Eindruck gewonnen
hatten, dass Kutscha eine der schmutzigsten Städte Asiens ist.
Das liegt zum grössten Teil an den natürlichen Verhältnissen, dem lehmigen
Boden, den vielen Bewässerungskanälen und der relativ niedrigen Lage der Stadt,
zum Teile aber jedenfalls auch an der Apathie der Bevölkerung, die nichts
thut, was zur Abhilfe dienen könnte. Und doch ist die Stadt ein wichtiger Platz,
nicht nur für den Verkehr mit Russland, sondern namentlich auch für die engere
und weitere Umgebung, wie wir bei unserm Ausmarsche zu beobachten Ge-
legenheit hatten. Von allen Seiten, auf allen Wegen strömte das Landvolk in
ununterbrochenen Zügen die Strassen füllend, zur Stadt, um seine Erzeugnisse zu
Markt zu bringen. Die Leute sahen sauber und frisch aus, wie sie auf Eseln,
Ochsen oder Pferden flott daher ritten; auch viele Frauen trabten so zu Markte
und hatten kleine Kinder vor und hinter sich auf dem Pferde; eine Hess sich
sogar im Stillen ihres Kleinen durch die muntere Gangart des Pferdes durchaus
nicht stören. Bettler an allen Strassenkreuzungen, in Lumpen gehüllte Derwische,
die singend oder heulend eine Gabe erflehen, vervollständigen das Bild, welches
die Vorstadt eines grösseren Ortes an solchen Markttagen bietet.
— 144 —
Unter den Bewohnern Kutschas und der benachbarten Oasen, die zwat
klein, aber auch sehr Truchtbar sind, befinden sich nach Bell ausser Kaschgaricni
(3050 in der Stadt), auch Dunganen (1200) und nur in geringer Zahl sind
Chinesen vertreten.
Schon unweit von der Stadt beginnen aber wieder die grossen monotonen,
mit Riedgras und Schilf bewachsenen Flächen, in denen nur zerstreute und weit
auseinander liegende trockenere Stellen kultiviert unc
sich gegen den Gebii^sfuss ausgedehnte, jeder \'^
und Schotterflächen hinziehen.
Der Zustand der Wege übertraf alles schon d
schied zwischen Morast und Weg hörte hier überl
blieben stecken, ein Pferd lag direkt auf dem L«Im
der zäh-lehmigen Schmutz- und Schlammmasse, unc
Räder der Arben, mit Schaufeln ausgegraben werd<
schweren Wagen war hier überhaupt nur dadurch m<
andern beiden Arben vor die dritte gespannt un<
Sumpf gezogen wurde; in gleicher Weise folgten
Zustand der Wege schien selbst den Chinesen zu ar
an verschiedenen Stellen konnte man sie mit Ausbes
sehen, aber in einer Weise, dass einem deutschen
dem Anblick die Haare zu Berge stehen würden. D
so tief eingefahren sind, dass die über l m hohen A(
Boden hängen bleiben, werden Büschel von langem
man in der Umgebung schneidet, quer über die eii
und oben mit Lehm oder Strassenschmutz zugedecl
unebene, aber doch anscheinend gleichmässige Strass<
Das dauert natürlich nur so lange bis der erste da
Grasbündel und den Lehm wieder in die Vertiefungci
gedrückt hat, und die folgenden Wagen stellen ii
Zustand wieder her. Wenn das in den Radgelei:
dunstet, bildet sich an der Oberfläche eine trockcr
alles feucht und morastig bleibt und die kaum das C
tragen vermag. Durch das Verdunsten der stark salz!
sieren zuweilen direkt auf der Strasse sehr schöne Kr
salz) aus, deren glänzende Flächen das Licht der
wiederspiegeln. Trotz des grossen Wasserreichtums
banden, dass an allen nur einigermassen trockenen
blühungen den Boden bedecken und so weit das Ai
aus wie beschneit.
Der Lehmboden, welcher bei der vorhanden«
Temperatur sehr rasch verwittert, bringt neben ändert
die schwefelsauren Salze des Natron und der Magne
— 145 —
leicht löslich sind und an andern Orten vom fliessenden Wasser weggeführt
werden; hier aber, wo dieses fehlt, beladet sich das stagnierende Wasser in
hohem Grade mit diesen Salzen und an wasserfreien Stellen blühen sie an der
Oberfläche aus; sie scheinen den genügsamen Steppenpflanzen nicht schädlich
zu sein, denn man sieht häufig die weiten Zwischenräume zwischen Sträuchern
und Büschen mit Salzen überdeckt.
Es herrscht eine strikte Gesetzmässigkeit in der Verteilung von steriler
Kiesfläche, fruchtbarem Lehmboden mit Oasen und Ansiedelungen, sumpfigen,
für Kulturzwecke ungeeigneten Strecken und der Sandwüste.
Wo die Flüsse den Gebirgsabhang verlassen, haben sie mächtige Schutt-
kegel vor den Bergen angehäuft und sich ihres schweren Materials entledigt.
Diese Aufschüttungen bilden einen zusammenhängenden Gürtel längs des Fusses
der Berge, der ganz vegetationslos ist, wo sich nicht etwas Lehm über dem
Schotter abgelagert hat. Erst weiter draussen in der Ebene, wo das Gefälle
geringer wird, lagern die Flüsse ihre feineren Schlammbestandteile ab, und zwar
vorwiegend Lehm, Thon und Sande. In diesem Ablagerungsgebiete hängt es
wesentlich von der heutigen Verteilung, dem Zu- und Abfluss des Wassers
ab, ob kulturfähiges Land oder sumpfige, wenn auch von reicher Vegetation
bestandene Flächen entstehen.
In noch grösserer Entfernung vom Gebirgsfusse, also ausserhalb der Zone
der lehmigen Ablagerungen, und im Süden derselben, wo kein Wasser mehr
hinkommt, weil es entweder in den Kulturgebieten verbraucht oder in den
Sümpfen und stagnierenden Wassern verdunstet ist, sind die Bedingungen für
die Bildung der absoluten, vegetationslosen Wüste gegeben. Hier, wo weder
Gras noch Strauch die feinen Staub- und Bodenteile mehr festhält, treibt der
Wind sein Spiel und es entsteht die äusserste Zone, die Sand wüste, die
aber auch bei starken, konstanten Windströmungen ihre Sandwälle und Dünen
über bebautes Land fortführen, dieses zuschütten und vernichten kann.
So kämpfen hier die mit Vegetation bestandenen Gebiete gegen zweierlei
Gefahren: den Wassermangel und die Sandüberschüttung, und es ist sehr
interessant, am Südfusse des Thien-schan das mit jedem grösseren Flusse
sich ändernde Gleichgewichtsverhältnis zwischen den drei Zonen, der Schotter-
und Kieswüste, dem Kulturland der Oasen und dem Sandgebiete, zu
verfolgen.
Die Berge selbst sind am Südabhange absolut kahl und vegetationslos. Aus
unwirtlichen, selten von Wegen zugänglich gemachten Schluchten ergiessen sich
die Flüsse aus den Bergen, und welche zerstörenden Wirkungen sie auszuüben
vermögen, wenn im Gebirge selbst einmal grössere Regenmassen gefallen sind,
kann man an der Grösse der Rollstücke, ihrer wilden Uebereinanderhäufung
und den zahlreichen zerstörten Dämmen und Wehren ermessen, welche am Thal-
ausgang errichtet wurden, um die Wildwasser abzuhalten, sich neue Wege über
die Kiesfläche zu suchen und in fruchtbares Land verwüstend einzudringen.
Futterer, Durch Asien. 10
- I4S -
Die wild zerklürieten, quarzreichen Gesteine gewähren dem Wasser raschen Ab-
fluss und der Vegetation keinen Raum.
Es giebt eine grosse Menge solcher kleinerer Thäler, wie das oben au>
dem Gebirge bei Ischma, westlich von Kurla, beschriebene, deren Quellgcbiete
auf der ersten höheren Bergkette des Bugur ■ tau liegen, die aber noch nick
näher erforscht und auf Karten verzeichnet sind. Nur die grösseren Thaler,
welche die vorderen, südlicheren Ketten des Thien-schan durchbrechen und die
dahinter liegenden Gebiete erschliessen oder zu l'ässen führen, welche die Vet-
- 147 —
durch F'altung und Bruchbildung, welche die letzten Entstehungsphasen des
gewaltigen Gebirgssystems des Thien-schan bezeichnen. Die Gesteine, welche
den Kern seines Gefiiges zusammensetzen, die plutonischen Massen, die Gneisse
und Schiefer, die alten Sedimente der paläozoischen Perioden und der Trias,
die in den hohen zentralen Ketten aufgefunden worden sind, nähern sich bis über
Kutscha hinaus nirgends dem Rande der Ebene, nur die Berge der tertiären
Vorzone begrenzen diese schon vom Gebirge westlich von Kaschgar ab und erst
kurz vor Kurlja tritt die hohe, aus altem Gebirge gebildete Bergkette des Kok-
teke - Gebirges, die sich nach Osten im Kuruk-tau fortsetzt, direkt an die
Tarim-Niederung heran. Der Weg nach Karaschar überschreitet diese Kette
und damit betreten wir ein neues Gebiet.
10*
KAPITEL V.
Der östliche Thien-schan.
Itis Kurija liatlc die Strasse weder für den Transport grosser Lastwagen,
noch für die Verpflegung der Menschen und die Ernährung der Pferde wesent-
liche Schwierigkeiten geboten, von kleineren Stellen abgesehen, die durch
Ueberschwemmungen schwer passierbar waren. Mit dem Eintritt zwischen dif
Gebirgsketten des östlichen Thien-schan und mit der Notwendigkeit, einig*
der nach Ostsüdost quer über den in nordöstlicher Richtung führenden ^^'^
verlaufenden, kahlen, unwirtlichen Gebirgsketten zwischen weiten Wüstenflächen
zu überschreiten, wuchsen auch die Schwierigkeiten des Transportes und der Reise.
Eine Andeutung davon erhielten wir schon in Kurija, als unser Karana"^
baschi aus Kaschgar sich weigerte, weiter mitzugehen. Er kenne den Weg nicht
genau, die Anstrengung sei zu gross für seine Pferde, es gäbe für diese kein
Futter, und was dergleichen Gründe mehr waren, so dass wir zuerst meinten.
er wolle nur einen höheren Mietpreis erpressen. Ein solcher musste ihm denn
auch zugesagt werden, da es unmöglich war, billigeren Transport zu erhallenl
aber die weitere Reise zeigte, dass seine Mehrforderung nicht unbegründet war-
wenn auch wahrscheinlich seine Preise wohl schon von Kaschgar ab über d^
sonst landesübliche hinausgingen.
Am 3. April verliess die Expedition Kurija und folgte zunächst der grosse"
Strasse, die unweit des reissenden Kontschedarja Flusses über Schotterfläche«
nach Norden in die Höhe führt, bald aber in ein enges Felsenthal eintritt, hoch
— H9 —
über dem Flusse, der in unwegsamem Felsenbette weiter ösdich fliesst, einen
Pass überschreitet und steil zum Flusse hinab führt, in dessen Thal es in Win-
dungen aufwärts geht, bis das Kok-teke Gebirge durchmessen ist.
Schon der Ausblick von dem kleinen Passübergange auf die Felsvor-
sprünge des Gebirges ohne alle Vegetation, mit starren, wilden Kamm- und Gipfel-
formen bot ein grossartiges Schauspiel trostloser Felsenwüste. Längs des Durch-
bruchsthales des Flusses aber waren einzelne mit Ansiedelungen und Bäumen
besetzte Erweiterungen in dem sonst engen Felsenthal mit hohen steilwandigen
Seitenabstürzen.
Vom höchsten Punkte konnte man den im Nordosten liegenden grossen
See Bagrasch-kul nicht erblicken; aber seine I^age war deutlich an der breiten
MoDj^len • Jurten bei Karaicbar.
Unterbrechung der vielzackigen Kammlinien der von Ost nach West laufenden
Gebirgsketten zu erkennen. Der See ist besonders an seinen südwestlichen
und westlichen Ufern von ausgedehnten, mit Schilf und Riedgräsern bewachsenen
Niederungen umgeben, welche grosse Strecken ehemaligen Seegebietes ein-
nehmen und selbst noch teilweise zu gewissen Zeiten unter Wasser stehen. Die
Strasse führt, nachdem sie die Thalschlucht verlassen hat, über solche Gebiete
dem Kon tsche- Flusse entlang und, in nördlicher Richtung von ihm abschwenkend,
auch über einige Erhebungen, welche aus lehmigen, geschichteten Ablagerungen
eines alten, ehemaligen, noch viel ausgedehnteren Seebeckens, des diluvialen
Vorfahren des heutigen Bagrasch-kul-Sees, bestehen. Die staubschwere Luft
verschleierte die Gebirgsketten schon auf so kurze Entfernungen hin, dass auf
dem ganzen Wege bis Karaschar und in dieser Stadt selbst nichts von ihnen
- ISO —
zu sehen war und man sich auf einer endlosen Schilf- und Steppengraspnrie
zu befinden wähnte, obgleich sich im Norden und Süden des Sees wie in seiner
westlichen Furtsetzung im breiten Thale des ihm zufliessenden Chaidu-gol hf^f
Bergzüge erheben.
In diesen Niederungen findet man schon zahlreiche Niederlassuogcn von
Mongolen. Es sind einzelne oder in Gruppen stehende schwarze Jurten, die
lange nicht die Behaglichkeit aufweisen wie die Kirgisen Jurten und im Inocm
von Schmutz starren, wie die Bewohner selbst auch. Für die Pferde odr
Schafe sind in der Nähe der Jurten besondere Umzäunungen aus Schilfrohr
errichtet, in welchen sie die Nacht zubringen. Die grossen Pferde-, Schaf-
und Kamelherden, die sich hier aufhalten, las.sen auf die Bedeutung der Vieh-
zucht und eine gcwi.sse Wohlhabenheit ihrer Bditzer schliessen, denen mancher
äusserlich nichts davon anmerkt. Ausser Viehzucht wird auch Fischfang lebha/i
von den Umwohnern am See betrieben. Im Winter werden die grossen Fische
aus Löchern, die in die Eisdecke des Sees geschlagen werden, mit Angel"
gefangen und im gefrorenen Zustande bis nach Urumtschi auf den Markt ge-
bracht. Sie sollen bis Mannsgrö.sse erreichen und gehören wahrscheinlich einer
Karpfenart an; das Was.'ier des Sees, dessen Umfang etwa 224 klm beträgt
ist süss; vom November bis März ist er mit Eis bedeckt.
Auf dem Wege zur Stadt Karaschar hatten wir uns einer förmlichen He-
gleitung durch eine solche Mongolenbande zu erfreuen, welche auf Pferden, Ochsen,
und Kamelen reitend, Männer wie Frauen, einen malerischen Anblick boten.
Der Chaidu-Fluss wird mittelst einer sehr primitiven Fähre übersetzt, an ^
ein lebhafter Verkehr stattfindet. Die durchweichten Stellen am abschüssifeo
Ufer und das Fehlen jeglicher Landungsbrücke erschweren den Pferden sehr
das Besteigen und Verlassen der Fähre und verursachen viel Zeitverlust, ü""
F'luss hat trübes, aber nicht salzig schmeckendes Wasser, und ist nur wcn'g
breit und tief.
Was die Mongolenjurten in der Steppe .schon verkündet haben, verwirklich'
sich in Karaschar .selbst: ein neues Bild asiatischer Völker und chinesischef
An.siedelungen; die erste Stadt, in der unter den Eingeborenen nicht mehr dct
Charakter Kascligariens vorherrscht. Die Ostturkestaner des Kreises von
Karaschar und auch in der Dsungarei sind nach l'iewtsow in der zweiten Hall*'
des XVIII Jahrhundertr dahin verpflanzte Bewohner des westlichen Kaschgan^"^'
die zwar Sprache und Religion beibehalten haben, aber in Sitten und Gebräuchen
sowie der Kleidung sich unterscheiden von den heutigen Bewohnern der ***
liehen Gebiete. Man hat sie Tschantu genannt, aber wie Rockhill meint, ""'
Unrecht, weil das chinesische Wort Chan-tu kein Stamm- oder Nationen ■Na'"'
ist, .sondern in Kan-su für alle Turkestaner angewandt wird.
In Kara.schar sind vorwiegend Tschantu und Dunganen, weniger Chinesen
angesiedelt; die Strassen .sind breiter, die chinesischen Läden zahlreich u"
gut eingerichtet mit Ladentischen und Sitzbänken, die Waren in Repositonen.
- 151 —
die oflenen sartischen Buden sind in der Minderzahl, und unter dem Strassen-
publikum dominiert der Zopf. Die Häuser sind meist klein und aus Lehm auf-
gebaut; das kleine Landstädtchen dürfte kaum mehr als 5000 Einwohner zählen.
Man hatte uns vor der Bevölkerung, die gegen Fremde unduldsam und
feindselig sein sollte, gewarnt; aber wir fanden nur die übliche zudringliche
Neugier, die durch einen vom Amban an die Pforte unseres Serai gestellten
Polizei Soldaten notdürftig zurückgehalten wurde, kein Uebelwollen. Da die Stadt
gar nichts bietet — selbst der Bazar hat wenig Sehenswertes — verHessen wir
sie schon nach einem halben Tage und zogen zwischen dem Nordwestrande
des Sees und dem Südfusse der Thien-schan-Berge entlang, die sich etwa 20 km
vom See entfernt von Osten nach Westen erstrecken. Obgleich wir von beiden
gar nicht sehr weit entfernt sein konnten, sahen wir weder Berge, noch Wasser;
StadI Karagchar am Chaiilu-Bol,
die Luft war ohne Bewegung, bleiern schwer und so wenig klar, wie bei uns
an einem feuchten Septembermorgen; so waren es recht monotone Tage, die
wir zwischen Ried und Schilf, stellenweise auch im Sumpf oder in schönem,
hohem Walde zubrachten, der aber leider noch keine Spuren von Friihjahrs-
grün aufzuweisen hatte. Der Weg bietet in diesen, während der feuchten Jahres-
zeit Mai — Juli jedenfalls noch viel mehr von Wasser durchsetzten Niederungen,
die früher wohl selbst See waren, viele Schwierigkeiten. In grossen Umwegen
sucht er die sumpfigen Stellen zu umgehen, aber nicht, ohne dass kleinere und
grössere Strecken genug übrig blieben, die für Pferde wie Wagen gleich ein-
ladend zum Steckenbleiben sind. Es ^ebt Abkürzungswege, die aber nur
mit grösster Vorsicht zu benutzen sind. In der trockensten Jahreszeit mögen
sie vielleicht in besserem Zustande sein, wir aber gerieten auf einem derselben
durch schlechte Führung zwischen Schilf in sumpfige Stellen; der Weg ver-
wandelte sich in einen Bach und zudem nahm er eine Richtung an, die zu dem
— 152 —
E.TAr.tl ncht mehr stimmte Die S*»nne brannte hei>s, and liic Wasserstech-
m ^'.ken bc'i>t.^cn in Mas^n I'fcrd und Retter. Endlich gelang es, e:aca
r.ch:.'^en, a-f g^utem Terrain durch ?ch -nen, mcit otienen Wald führenden Weg
7,s erreichen, der un<, i»enn auch >pat, zur Stdiion Tauel^j brachte,
1j:c fo!;jenden Tacje boten insofern eine Abwechslung, al< der Weg nnr
/">er gänzlich kahle und vegetatior.^Io^ Kie^r'.achen hinzog, welche die Nahe
der IV.—gc anzf::gten. wenn wir sie auch we^en der staubigen Luft immer
noch nicht zu sehen bekamen. Von dem Dorfe Tschukur aus unternahm ich
emen Au-fijg in die etwa lo km entfernten Ber^e, längs dem sprudelnden, mit
eini;^en An^^iedclungcn besetzten Wa^^erlaufe gleichen Namens, der aus einem
en^en te!>enthale berabkommt Die Gegend um die Seen fer ist sehr ^ildreich.
At^s-er Wa-»-ervogeln aller Art sind Raubvögel, Gazellen, hier Kijik genannt
W;Vizicgen und schone, hellgelb und schwarz gezeichnete Fuchse in dem Riede
häufig. Kine herrliche Au-^sicht bot sich von einem hochgelegenen, mit einem
Temj/el gekrönten Punkt an dem Ausgang der erwähnten Bergschlucht auf das
weite Becken de^ Bagrasch-Sees, die dasselbe umgebenden Niederungen und
die fern im Süden, jenseits des Sees, den Horizont begrenzenden Bergketten,
des Karateken ula- und Sinbir-Gebirges.
Die hell-'>chimmernde Wasserfläche nimmt trotz ihrer Grösse nur noch einen
verhältnismässig kleinen Raum in dem grossen, von Ost nach West ausgedehnten
Becken ein, das zum andern Teile von Ried, Sumpf und Schilf und etwas
bebautem Kulturlande, in grösserer Entfernung vom See von Kies- und Schotter-
flachen längs der Gebirgsabhänge und endlich von einer kleinen Sandwüste am
östlichen Ufer des Sees eingenommen wird. Am fernen, südlichen Seeufer
zieht sich eine hohe, gleichmässigc Bergkette hin, der Kuruk-tag, welche die
Sccniedcrung gegen das weitere Tarimgebiet und die grosse Wüstenregion der
Gobi abschliesst. Die vegetationslose und grau an ihrem Nordfusse hinge-
h'jgertc Sandzone lässt schon hier auf der Nordseite erraten, was jenseits des
Sudabhanges der Berge kommt: Sand und Wüste, Schilf und Sumpf mit ver-
siegenden Flüssen und alle die Schrecken der Gobi.
Der Kuruk-tag, der westlich der Kontsche-Schlucht als Kok-teke-Kette
immer höher wird, verbreitert sich gegen Osten hin und zerteilt sich in mehrere
niedere Ketten, die sich weit nach Südosten ausdehnen und vielleicht mit den
Bergen des P*e-schan im Norden von Sa-tschou zusammenhängen. Es ist dort
ein unwirtliches Wüstengebirge und wilde Kamele halten sich in den menschen-
leeren ICinödcn auf. Grum Grschimailo und Koslow sind weiter im Osten von
LuktHchun über eine Anzahl von parallelen Wüstenbergketten nach Süden bis
zum Kuruk-tag vorgedrungen.
Der nächste Tag sah uns wieder in endlosen Kiesflächen, ohne jeden Schattefli
den schon am frühen Morgen sehr fühlbaren Sonnenstrahlen ausgesetzt, am
langem Tagemarschc, der aber doch schöne Landschaftsbilder der verschiedenen
IkTgkctten, längs deren wir ritten, entrollte. Von Norden kamen die wenig
— 153 —
hohen, felsigen Bet^e des Zagan-tjunge immer näher an den Weg, während
gegen Süden aus den einförmigen Schuttmassen zackige Kämme von Felsgebirgen
hervorragten und den Eindruck erweckten, als seien hier Bergketten bis zur
Gipfelregion hinauf mit Schutt verhüllt: es sind das Bergzüge die zum Ku-
guschin-tag gehören, der sich vor die hohe Simbir-Kette lagert. Die Mittagspause
zum Aufzeichnen der meteorologischen Beobachtungen und zum Einnehmen
eines kleinen Imbisses hielten wir in Ermangelung eines andern passenden
Unterkunftsraumes unter einer Telegraphenstange ab, von der uns aber bald
WindhöhlunffCD im Granu des Tasch-kar-Gebiiges bei Kara-küsüi,
die glühenden Sonnenstrahlen weiter trieben. Die dunstige, heisse Mittagslufl
verhüllte die niederen Bergzüge, welche sich nackt und kahl südlich vom Wege
aus der Schotterfläche erhoben, und die Aussicht auf den See und die grosse
Gebirgskette im Süden desselben war längst verschwunden. Erst am Abend kam
wieder etwas Abwechslung in das Landschaftsbild durch ein Granitgebiet,
dessen Oberfläche die merkwürdigsten Gebilde zeigte, wie sie in feuchteren und
mit Vegetation bedeckten Ländern nie vorkommen.
Ueberall waren die gerundeten Hügel des Granites, wo die Felsoberfläche
zu Tage trat, mit unregelmässigen, kleinen und grossen Höhlungen überdeckt,
zwischen denen die stehengebliebenen Teile in abenteuerUchen und grotesken
Gestaltungen in die Höhe ragten. ICs sind nicht Höhlungen oder Strudellöcher
- 154 -
des Wassers, wie etwa die in den Klammen und engen Schluchten der Alpen
vielbewunderten Trichter und Hohlen; hier ist kein lebhaft fliessendes Wasser,
ja während des grösseren Teiles des Jahres überhaupt kein Wasser vorhanden, und
die vielgestaltigen Felsgebilde entwickeln sich nur um so schöner, je höher sie
in die Lüfte ragen, je ferner sie den Wasserwegen liegen.
Aber welche andern Kräfte ausser strudelndem Wasser vermögen den
harten Granit so auszuhöhlen, die bizarrsten Gebilde: Orgeln, Löcher, Nischen,
zu erzeugen? In europäischem Klima würden sie in der That nie entstehen können:
hier aber findet der Geologe die Antwort, indem er auf die vereinigten Wirkungen
der hohen Wärmeausstrahlung der Sonne, der grossen Temperaturgegensätzc
des Tages und der Nacht und der transportierenden Thätigkeit des Windes
hinweist. Zuerst lösen sich infolge der ungleichen Erwärmung und des raschen
Temperaturwechsels von einer intakten Felsoberfläche des Granites feine Schalen
ab, die noch mit einer Seite befestigt bleiben, während unter der Schale schon
der vom Winde überall hin verwehte Staub (Löss), ebenso wie in Rissen und
Kluftflächen Aufnahme findet und auch die F'euchtigkeit von Tau und Regen
sich länger hält als auf der Oberfläche. Durch den lössartigen, sehr kalkreichen
Staub in diesen Fugen und Ablösungsflächen wird die chemische Aktion auf die
Bestandteile des Granites energischer befördert, als an nicht mit diesem Staub
bedeckten Stellen, an welchen so gut wie gar keine chemische Zersetzung und
Verwitterung stattfindet. Sie ist dort so lebhaft, dass es zur Bildung zahlreicher
Zersetzung-sprodukte kommt. So sind die Wände der Ilöhlungen ausser mit
Staub auch mit neu gebildeten Salzkrusten und Mineralüberzügen bedeckt, und
im Laufe geologischer Zeiten muss diese Zersetzung dahin führen, dass Höhlungen
und ganz unregelmässige, durch keine Eigenschaft der Gesteinsstruktur bedingte
Vertiefungen entstehen. Unendlich vielfältig ist die Wirkung der Kräfte der
Natur und immer wechselnd ihr Ausdruck in den Gebilden, nach den Umständen,
unter welchen diese erstanden sind. Es gewährt einen unbeschreiblichen ReiZi
diesem Walten ewiger Gesetze auf noch unerforschten Wegen nachzuspüren und
die beobachteten Erscheinungen aus ihren Ursachen zu erklären.
Die Umgebung des einsam in einer Thalschlucht gelegenen Postens Kara-
küsül bot zu derartigen Studien das herrlichste Material, so dass ein längerer
Aufenthalt sehr erwünscht gewesen wäre; aber die Zeit drängte und uns envartete
noch so vieles Neue!
Gleich die Fortsetzung des Weges brachte eine Ueberraschung durch eine
schöne malerische Schlucht mit schwarz-grünen Serpentingesteinen, welche von
einem engen, kein Was.ser führenden Thale durchbrochen werden.
Da die grosse Strasse nach Turfan und Hami im allgemeinen hier noch
einer nordöstlichen Richtung folgt, durchquert sie eine Reihe von Gebirgszügen
und dazwischen liegenden Längsthälern, die alle mehr oder weniger einen
west-östlichen Verlauf haben. Es kehren dann auf diesen meist sehr breiten
J
— 155 -
und flachen Thalböden alle die Formen der Bodenbildung und Vegetation
wieder, die wir schon als charakteristisch für den ganzen Südabfall des Thien-
schan kennen gelernt haben. So ist zunächst dem unterhalb von Kara-küsül
durchwanderten, kleineren Gebirgszuge im Norden eine breite Zone mit
Flusskiesen und allen den Aufschüttungsmassen vorgelagert, welche die Flüsse
dem Gebirge entfuhren und als schwerstes Material gleich wieder absetzen; in
einer Entfernung von etwa 7 km gegen die Mitte des Längsthaies hin trifft man
Lehmboden längs eines auch zu dieser Jahreszeit trockenen Flusslaufes, des
Algoi-Flusses, der von Westen herkommt und mit seinen Nebenflüssen diese
Lehme und Sande mitgebracht hat. Es findet sich hier infolge der Wasserarmut
nur eine sehr dürftige Vegetation von Sträuchern, die auf kleinen Hügeln
stehen; erst unterhalb des armseligen Dorfes Kümüseh wird diese Zone breiter
(3 km), und zwischen den hohen steilen Lehmwänden findet sich auch etwas
Wasser.
Gleich nördlich, etwa 3 km vom Flussbette, beginnt aber, wieder nach
Norden ansteigend, die Schotterfläche, welche hier nur wenigen kleinen Büschen
von Dodartia orientalis L. und Calligonium murex Bge. dürftige Nahrung längs
kleinen trockenen Wasserläufen gewährt. Sie entstammt einem grossen Gebirgs-
zuge, dem Tschol-tau und Argü, die, von der Südseite gesehen, lange nicht so
imponierend hervortreten, wie auf der nördlichen, wenn man die tiefen Thäler
und Engpässe durchzogen hat.
Von der Station Kümüseh aus erreicht man nach einem Ritt von mehreren
Stunden über die Kiesflächen die ersten niederen, fast hügelartigen Vorberge,
zwischen welchen der W^eg auf- und absteigend zu der schon in höheren Rerg-
regionen gelegenen, verlassenen Station Usme-dian führt. Von hier aus liegt
die Passhöhe (1332 m) immer noch etwa 12 km entfernt in dem hier Argü
genannten westlichen Teile des Tschol-tau. Während der Fahrweg grössere
Umwege macht und breiteren Thälern folgt, gehen Reitwege direkter über
kleinere Anhöhen weg und gewähren schöne Ausblicke in die hier ausserordent-
lich reiche Gliederung der sehr zahlreichen kleinen Längsthäler. Vegetation
fehlt gänzlich; wenn Wasser vorkommt, ist es salzig, und so nimmt es nicht
Wunder, dass es selbst der genügsame Chinese oder Sarte in dieser menschen-
leeren Bergeinöde nicht au.shalten konnte.
Gegen Norden folgen immer neue von Ost nach West laufende Bergzüge
auf einander, alle in einzelne Berggruppen aufgelöst durch zahlreiche, kleine
Querthälchen, und einer immer höher wie der andere, bis die Passhöhe erreicht
ist; aber die relative Höhe der Berggipfel über der Thalsohle, der wir folgen,
ist gering, sie beträgt nur einige hundert Meter. Auf der andern Seite senkt
sich der Weg rasch hinab, das Thal wird schluchtartig, und steile Felswände von
Schiefern und Granit engen es von beiden Seiten ein. Um jähe Felsvorsprünge
windet sich der Weg, und nur ein schmaler Streifen des Himmels ist sichtbar.
In ar.'iem Geoir;?^*! e.It ü ohi c.a sch^-nicr. icr Bcgr.-->> v« Fall n: FaH u=i
br.r.;f: L^b^rt -srA Bcu^-^uraj :n d.c I^anisch^^: h.er fehlt dx- Wa^^^t vo.-<ir.±r
usd rjr an den Sch-ttmi—crj, »c!chc den TnAl^'-dea a-fj^ef-l.t hahm, den a>
g^oi.ten, r-nd^n K:c^!n und gefluteten Fe'.^kanten erkennt man. da.s» es
Jihre^ze.t^n m.t stark/:n Re^en geben mu^^, :n m riehen das \Vas^«r hier in::
^rr/^-s^T Cie-Ailt t'^ber.d und /cr^-^rend hiu-it. E:n e-^ent'xhes Flussbelt ist nicht
vorr.ind'rn; wenn e^ rennet — in den Monaten Mii. Juni und Jul: fturzcn gewaltige
Wii^erma^-^^n \on den kahlen Abhanden in das Haupttha] hinab — ist gleich
da«» ^/['-inzc Thal in ^e:ner vollen Breite ttaX \Va-5»er erfüllt und djc cf^cn Steijen
oi^^-en dann ?>ch*\er zu pa^^ieren >c:n. Man sieht d;e Spuren von Rcitcm bis
hoch h:iauf am Fel-gchan^e und kann daraus nur zu gut schliessen, wie scfabnuD
es unten aü-ge*>ehen haben mu-s. Wo das Thal breit ist, verteilt sich die
Was-^rmenge und i'»t dann nur wen:jj tief; um den Weg kenntlich zo macbea
sind in gennj^en Abstanden beiderseits aus lose aufeinander gelegten Steinen
kleine Pyramiden aufgerichtet, fe>t genug, um nicht von dem Wasser nm-
geris^en zu »erden. Ferner sind an steilen Fel>wanden auffallende Gerolle auf
alle Vor^prunge und Kanten gelegt, um anzuzeigen, auf welcher Seite sich der
Wanderer zu halten hat. Es sieht aus, als hatten hier Kinder gezielt und ^ch
Steinmannchen gebaut, aber die>»e scheinbar harmlosen Spielereien haben einen
ernsten Smn und erzählen von Ueber>chwemmungen. wilden Sturzwassem, Ln-
gangbarkeit der Wege, schweren Entbehrun;;en und Lebensgefahr.
Wenn die eine Station im Gebirge, Usme-dian, überhaupt verlassen ist
so lie-steht die andere, 25 km weiter nordlich gelegene Station Aga-bulak nur
auH emigen arm'»eligen. in wildem Felsthal an einer kleinen Quelle gelegenen
Hütten, die nur wenigen Personen Aufnahme und Unterkunft gewahren können.
Etwas oberhalb liegen im Thale die zerfallenden Uebcrreste einer grösseren
Ansiedelung, die gänzlich verlassen ist, und wie viele Opfer an Lasttieren hier
fallen, zeigen zur Genüge die an zahlreichen Stellen des Weges zerstreuten
Skelette von Pferden und Eseln, sowie mancher noch frische Kadaver, von
dem der vorüberziehende Reisende die Raben aufscheucht. Von Kümüsch bis
hierher, 46 km weit, war kein trinkbares Wasser vorhanden.
Beim Abstieg vom Passe gegen die letztgenannte Station hin wird die
Thalhchlucht immer enger, der Gebirgscharakter immer wilder. Aehnlich verhält
es sich auch noch einige Kilometer weit unterhalb derselben bis zu einem Piket
( Station) Subaschi, die das P2nde der F*elsschlucht bezeichnet. Schon che
man sie erreicht, ist etwas Wasser im Thale aus einigen Quellen vorhanden,
und von den westlichen Thalhängen sieht man grosse gelbbraune Flugsandmassen
in das nur von dunkeln Schiefergesteinen gebildete Thal herunterreichen. Diese
sehr auffallende Erscheinung lässt sich nur so erklären, dass die Flugsande durch
den Wind von oben gebracht und von den Thalgehängen aufgefangen werden,
von wo sie dann wie Schneelawinen in den kleinen Thälchen und Furchen zu
Thale rinnen. (Siehe Tafel X.) In der That beginnt auch hier über der tief
- 157 —
eingesenkten Thalschlucht ein ausgedehnteres Flugsandgebiet, das weiter nach
Westen hin reicht.
Eine Anhöhe unterhalb von Su-baschi, die zu den letzten nördlichen, zum
grössten Teil von Fiussschottern gebildeten Vorbergen des Tschol-tan gehört,
gewährt einen herrlichen Rückblick auf die bisher nur vom THale aus gesehene
Gebirgswelt, und da zeigt sich denn, dass in weiter Ferne nach Süden hin eine
dominierende Bergkette das Gebirge beherrscht und die zahlreichen, nach Norden
sich anreihenden, parallelen, auch Ost-West ziehenden, fast gleichmässig hohen
Kämme bedeutend überragt.
Thalschlncbt im Tschol-tau, unterhalb Ton Aga-bnlak.
An der Grenze zwischen diesen niederen Ketten und dem Hauptkamme
etwa muss Aga-bulak liegen, und deutlich kann man den Austritt des Thaies aus
der zentralen Kette durch jene Verbeiße verfolgen. Nach Osten wird aber der
Tschol-tau niedriger und hört südösthch von Fitschan ganz auf.
Nach Norden zeigt sich dem Auge wieder eine fast endlose Ebene.
Langsam senkt sich die Kiesfläche nach Osten und Westen ohne Begrenzung
und nur ganz fern im Norden tauchen eben noch erkennbar die verschwommenen
Umrisse hoher Berge aus dem dunstigen Horizonte auf Wir waren damit in
die grosse Depression der Erdoberfläche hinab gestiegen, welche unter den
Meeresspiegel hinabreicht und einen der eigentümlichsten Züge in der Physiognomie
von Mittelasien darstellt. Zuerst von den Gebrüdern Grum Grschimailo nach-
gewiesen, wurde diese »Thien-schansche Depression* mit alimählichem An-
- is8 -
Steigen noch weit (500 km) nach Osten im Süden von Hami und am Nordfusse
des P*cschan, der mittleren gebirgigen Erhebung der Gobi, mit verschiedener
Breite (10—15 ^^) verfolgt. Die tiefe Lage und der Schutz, den die hohen
Gebirge der nördlichen Umgrenzung dem weiten Gebiete von Turfan, in welchem
sich nur ein niederes Hügelgebirgc von Ost nach West erstreckt, gegen die
kalten Luftströmungen von Norden aus der Dsungarei gewähren, ist die Ursache
fiir die klimatischen Eigentümlichkeiten dieser continentalen Einsenkung. in der
die heissesten Temperaturen von ganz Central-Asien beobachtet wurden.
Im tiefsten Teile der Depression liegt mit — 1 30 m Meereshöhe südwestlich
von Luktschun ( — 17 m) ein Seebecken von 30 — 35 km Länge. Die in letzt-
genanntem Orte seit einigen Jahren angestellten meteorologischen Beobachtungen
haben ergeben, dass grosse tägliche Schwankungen des Luftdruckes und die
grösste bekannte jährliche Amplitude desselben hier eintritt; im Frühjahr findet
ein rascher Temperaturanstieg statt und die Frühjahrsmonate sind wärmer als
die entsprechenden Herbstmonate. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr gering, ebenso
die Niederschlagsmenge, die im Juni am höchsten ist. Das Klima ist als ein
extrem kontinentales zu bezeichnen.
Im Herzen der weiten Ebene und noch nicht sichtbar liegt Turfan, die
wichtigste und volkreichste Stadt in diesem Gebiete, umgeben von einem Kranx
fruchtbarer Oasen und von zahlreichen Ansiedelungen. Wieder geht der er
müdende Weg Stunden lang über die Schottermassen am Nordabhange des
Tschol-tau-Gebirges hinab, ehe die Lehmzone und damit die Oasen und das
Kulturland bei dem grösseren Orte Toksun (Meereshöhe — 50 m) erreicht
werden, von wo die Strasse nach der Provinzhauptstadt Urumtschi abzweigt.
Toksun, das hauptsächlich von Dunganen (etwa 750 Familien) bewohnt wird»
ist ein wichtiger Punkt für den direkten Karawanenverkehr durch die Wüste
nach dem inneren China, bietet aber nichts Sehenswertes, ebensowenig seine Um-
gebung, die bis in die Nähe des etwa 50 km entfernten Turfan aus Ried und
sumpfigen Niederungen besteht, innerhalb welcher der Boden nur an wenigen
Stellen trocken genug ist, um kulturfähig zu sein.
Schon in Toksun aber am 11. April, und noch viel auffälliger in der Nähe
von Turfan, konnten wir die Anzeichen des angebrochenen PVühjahres bemerken.
Wie mit einem Zauberschlage war das Landschaftsbild ein anderes geworden,
seitdem wir das Tschol-tau-Gebirge überschritten und zwar von Süden weiter
nach Norden, aber auch in die am tiefsten gelegenen Gebiete Asiens ge-
kommen waren.
Die Luft war mild und warm; "abends trat keine bis nahe an den NuHpun*^
reichende Abkühlung mehr ein, und über Mittag brannte die Sonne schon sehr
heiss; das Tagesmaximum der Luft betrug in diesen Tagen 28® — 31® C Aul
der kleinen Station Dadun, zwischen Toksun und Turfan, war in einem Bache
das Wasser so warm, dass man beim Bade kaum mehr Erfrischung fand, hatte
es doch eine Temperatur von + 25® C, und das am 12. April! Die Vegetation
- 159 -
prangte in allen Schattierungen von frischem Grün, und immer noch erschienen
neue Nachzügler, um das Frühlingsbild zu vervollständigen.
Es sind zwar nur zerstreute Baum- und Strauchgruppen, oder in Reihen längs
Wegen und Gräben stehende Bäume, welche die gelbbraune Grundfarbe des
Bodens nicht ganz zu verdecken vermögen, aber es bleibt doch ein schöner
Anblick, von den kleinen, westlich von Turfan gelegenen Höhen auf die Stadt
in ihrem Laubwalde und die im Grünen ganz versteckten Höfe, Weiler und
Dörfer herabzusehen, während hoch oben in den Wolken die schneebedeckten
Gipfel des Thien-schan thronen. Ob ein im Nordwesten liegender, mächtiger,
schneeweisser Gebirgsstock der Bogdo-ola selbst oder noch Vorberge sind,
vermag ich nicht zu entscheiden. Das dreigipfelige Haupt des heiligen Berges,
des Bogdo-ola (6918 m) dient nach dem Glauben der chinesischen Priester dem
Gotte Ta-mo-fu (Buddha) zum ständigen Aufenthalte, weil es von dieser Höhe
nicht weit in den Himmel ist.
In der frischen Frühjahrsluft, dem herrlichen Sonnenschein und bei dem
saftigen, noch nicht von Staub bedeckten Vegetationskleide sieht hier alles
so hübsch, adrett und sauber aus, dass man ganz den Orient mit seinem Schmutz
vergessen könnte. Auch Turfau macht einen freundlichen Eindruck, sehr im
Gegensatze z. B. zu Karaschar. Die Strassen sind gut gehalten; auch an den
überdeckten Stellen sind die Matten in gutem Zustande; man sieht sie nirgends
in Fetzen, mit Schmutz beladen herunterhängen, wie das in den rein muhame-
danischen Städten so oft der Fall ist. Nur einzelne Stellen mit offenen Läden
von Ostturkestanern sind überdacht, der grössere Teil des Bazars, der die ganze
Länge der Hauptstrasse einnimmt, ist frei, ein symbolischer Ausdruck für das
Verhältnis von turkestanischen und chinesischen Kaufleuten in der Stadt.
Die warme Umgebung vou Toksun und Turfan ist durch ihre gute Baum-
wolle nicht minder berühmt, wie durch die Schmackhaftigkeit ihrer Wasser-
melonen, die bis jenseits der grossen Mauer und nach Peking zum kaiserlichen
Hofe gebracht werden. An ständigen Einwohnern, ausser vielen Händlern,
soll es in Turfan 5000 geben, von denen nur 10 pCt. Chinesen, die andern
aber Dunganen und Tarantschen sind. Weberei und auch Töpferei wird hier
betrieben neben dem Ackerbau, der bei dem warmen Klima und fruchtbaren
Boden zwei Ernten im Jahre ermöglicht. Die Meereshöhe der Stadt ist nur
etwa 60 m; infolge davon ist der Sommer drückend heiss, während der Winter
fast keinen Schnee bringt. Das Land erzeugt ausser der Baumwolle Weizen, Mais,
Gerste, Tabak, viele Obstarten und auch Weinreben, die des Nordwindes
wegen liegend gezogen werden. Russische Waren, wie allerlei Manufakturwaren,
Eisen, Zucker etc. sind nicht selten, und die russischen Kaufleute haben ein
eigenes Serai. Die Stadt hatte früher eine höhere Bedeutung fiir den Handel
von West- Asien mit China als heute ; die alte, vor 400 Jahren von den Mongolen
zerstörte Stadt, die Kunia-Turfan hiess, war die Hauptstadt des ganzen Oasen-
distriktes von Toksun bis über Luktschun (— 50 m Meereshöhe) und Tschiktüm
— i6o —
hinaus; in der ganzen Provinz, welche den <>^tIichsten Teil des kaschgarisdiea
Reiches bildete, sollen früher 126000 Ein\\«)hner gewesen sein.
In Turfan ist ein russischer Agent oder Aksakal, mit dessen Hilfe *nr
unsere verschiedenartigen Besorgungen erledigten, die sonst bei der chinesischen
Langsamkeit noch mehr Geduld und Zeit beansprucht hatten, als an sich schon
der Fall war. Als wir gleich am ersten Tage dem Amban in der eti^'a zwei Kilo-
meter weiter ostwärts gelegenen, auch mit Mauern umgebenen, chinesischen Stadt
unsern Besuch machten, nachdem er uns schon vorher Geschenke, Pferdefutter
und einen Mammel gesandt hatte, wurde uns erklärt, in der Stadt seien keine
Arben zur Beförderung unseres Gepäcks zu haben, da zwei hohe chinesische
Iteamtc zur Zeit sich auf der Reise befanden und alte Arben für sich in Be-
schlag genommen hätten; es würde aber in die Dörfer der Umgebung gesandt
werden und bis zum andern Tage sollten wir Arben, Pferde und Leute haben.
Zum Glück war das Uebel nicht gross, da wir doch einen Ruhetag in
Turfan gemacht haben würden, und es sich hier recht gut leben Itess. In der
VV^ühnung des Aksakal hatten wir einen Hof und mehrere geräumige, hohe Ge-
mächer zu unserer Verfügung, die hell, luftig und sauber waren: alles Vorzüge-
die man auf einer solchen Reise schätzen lernt.
Als die bestellten drei Arben glücklich ankamen, zeigte es sich, dass sie
sehr klein und schlecht waren, ausserdem der Reparatur bedurften, und dass die
Pferde neu beschlagen werden mussten, so dass auch an diesem Tage an on
Weiterkommen nicht zu denken war. Ein Handwerker, der vier Holzkisten
machen sollte, als Ersatz für die liederlich gearbeiteten sartischen jaktane aus
Alt- Margelan, kam an dem Tage, an dem er sie hätte abliefern sollen, um
noch einmal Mass zu nehmen; und so geht hier alles langsam, manchmal auch
gar nicht voran.
Der Aufbruch war für die Wagen auf 1 2 Uhr, für die Reiter etwas später
nach dem Nachlassen der stärksten Mittagshitze, festgesetzt, demzufolge brach
auch ein Teil der Expedition um 2^2 Uhr auf; bis aber die Wagen soweit
fertig waren, wurde es vier Uhr, und auf der Abendstation Astün, die 30 Werst
östlich von Turfan liegt, kamen sie erst am andern Morgen 5 Uhr an, so dass
wir uns (lir das Abendessen mit unsern kleinen Taschenvorräten behelfcn
mussten und eine wenig angenehme Nacht verbrachten.
Oestlich von Turfan liegen auf der heissen Lehmfläche die Ruinen von
Alt-Turfau mit grossen Bauten, Moscheen und ein grosses Minaret, an heute
ganz verlassenen und öden Stellen; auch aus einigen frisch grünen Oasen sahen
Moscheen und Grabstätten heraus, wie denn sehr zahlreiche, alte Friedhöfe h^^^
gelegen sind. Der Oasengürtel zieht sich weiter im Süden am Fusse des
Tus-tan hin, und es sind grossartige, unterirdische Leitungen (Karüse) vöfl
diesem niederen, im Norden der Strasse gelegenen Bergzuge unter der letzteren
hindurch angelegt, um das Wasser in der Tiefe auf dem Kiesuntergrunde,
wo es nicht verdunsten und nicht im Lehme versickern kann, nach deOJ
~ i6i —
Kulturlande zu fuhren. Die ganze Gegend südlich bis zu der etwa 50 km ent-
fernten Stadt Luktschun wird solcherart mit Wasser versehen.
Am Wege auf der Kiesoberfläche sieht man von diesen zahlreichen und
zum Teil schon aus alten Zeiten stammenden Leitungen nur eine Unmenge von
in geraden Reihen angeordneten, ringförmigen Wällen mit Vertiefungen in der
Mitte, ähnlich der dem Bergmanne wohlbekannten Erscheinung der Mutschächte
an der Oberfläche. Es sind in ganz geringen Entfernungen von einander (etwa
5 — 8 m) solche Löcher in die Tiefe bis zu 15 m angelegt, um unten die Kanäle
herstellen und vor Verstopfung schützen zu können. Ueber weite Strecken ist der
Moschee uod Mluaiel östlich ron Turian.
Boden mit solchen kleinen Hügeln übersät, und es muss die Arbeit von Jahr-
hunderten erfordert haben, um sie alle entstehen zu lassen. Auch wir sahen
dort Leute an der Arbeit, aber es waren ihrer nur wenige, die mit Haspeln
und Schöpfeimern Kies und Sand aus der Tiefe förderten. Diese Anlagen der
künstlichen unterirdischen Bewässerung werden hier schon seit alten Zeiten ver-
wandt. Die Galerien haben oft eine beträchtliche Länge (bis über 1 Kilometer)
und bestehen aus der unterirdischen Vereinigung einer grossen Anzahl einzelner
Brunnen, die, vom unteren Ende der Leitung beginnend, von der Oberfläche
bis auf einen Wasser fuhrenden Horizont niedergebracht werden und so das
an vielen Stellen zutretende Wasser in einen Kanal sammeln. In dem trockenen
Klima trägt sich die Decke des Kanals selbst ohne jede Stütze durch Balken oder
Mauerwerk; aber es sind doch auch Unglücksfälle durch Einstürze nicht selten.
Der Tag, an welchem wir mittags den Weg von Turfan nach Astün
zurücklegten, war, obwohl erst in der Mitte des April, drückend heiss und schwül
— 102 ~
und abends erhob sich von Südwesten ein warmer, starker Wind« der während
der ganzen Nacht tobte; was er für uns bedeutete, sollten wir aber erst am
folgenden Tage richtig verstehen lernen, als wir wieder erst des Mittags, um
den erschöpften Lastpferden etwas Ruhe zu gönnen, die Reise nach Osten bi>
Chandu fortsetzten.
Der Weg durchquert zuerst das kleine, nicht besonders hohe Gebirge
Tus-tau*) (-- Salzberge), das nördlich des Weges bis über die Gegend von Turfan
nach Westen hinaus reicht, aber auch nach Osten sich noch weiter ausdehnt
und etwas an Höhe gewinnt Die Schichten, aus welchen es sich zusammensetzt
und die überall unbedeckt zu Tage liegen, sind fast ausschliesslich von sandiger
und lehmig- mergeliger Beschaflenheit bei extremster Feinheit der einzelnen
Bestandteile, so dass die Oberfläche über das ganze Gebirge hin und besonder
an den Abhängen in dicken Massen mit einem feinen, zarten Staube bedeckt
ist. Schon der Fuss des Pferdes wirbelt grosse Staubwolken auf; wenn sich
aber erst starker Wind dieses losen Materiales bemächtigt, so verdunkelt sich
der Tag, Augen und Ohren werden von Staub erfüllt, die Pferde verweigern
das Weitergehen, und das schleunige Aufsuchen eines Obdaches ist geraten.
Die niedere, von Ost nach West verlaufende Tus-tau-Kette teilt die
turfanische Niederung in zwei Hälften, von denen die südliche im allgemeinen
etwa 400 m tiefer als die nördliche liegt und den tiefsten Teil Asiens überhaupt
bildet; die Hitze wird im Sommer so stark, dass selbst der Himmel Feuer z«
strahlen scheint und die Gegend als »das feurige Gebiete bezeichnet wird.
Ganz bedeckt von trostloser Sand- und Schotterwüste, macht diese Niederui^
einen bedrückenden Eindruck.
Die Tus-tau-Kette wird von mehreren Querthälem durchschnitten, welche
aber nur sehr wenig Wasser führen. Am Fusse der hohen Ketten, nördlich der
Niederung, versinken die Wasser in der Aufschüttungsfläche und treten als Quellen
wieder hervor, um die Bäche zu bilden, welche den Tus-tau durchbrechen. D^
diese Wassermenge aber nur sehr ungenügend ist für das Wasserbedürfnis der
Oasen im Süden des Tus-tau, so werden durch die erwähnten ausgedehnten unter-
irdischen Kanalleitungen, die unter der Oberfläche zirkulierenden Wasser gesammelt
und den Oasen zugeführt. Es sind grossartige Anlagen, welche die Bewunderung
verdienen, die der russische Forscher Grum Grschimailo für sie ausspricht; ih^^
Zahl ist unbekannt, aber sehr gross, kommen doch auf die kleine Oase von
Chandu allein 200 Karüse von mindestens 3 km Länge.
Als wir in einem Querthale, das Tus-tau-Gebirge durchwandernd, an seinem
Nordfusse angekommen waren und dort zuerst durch grüne Oasen und zahlreiche
Ansiedelungen, bald aber auf kahler Kies- und Lehmfläche der Abend-Station
Chandu zuritten, erhoben sich im Südwesten über dem Gebirge etwa gcgefl
4 Uhr nach einem sehr heissen Mittage (Lufttemperatur im Schatten "^
*) Auf manchen Karten trü«jt das Gebiri^t' ilen öfter wietlerkehrenden Namen TschoM^"
(Wüsten -Gebir^^'e = Tschol- tau).
— i63 —
I ^ + 34>7®) braunschwarze Wolkenmassen, die rasch an Höhe gewannen und
sich bald auch uns zur Seite im Süden über das Gebirge ausdehnten. Die Luft
blieb schwül und dick, auch nachdem sich ein immer stärker werdender Wind
aus West und Südwest erhoben hatte. Bald begannen auch die Staubwehen;
wie aufsteigender Nebel vor dem Morgenwind herzieht, so entstiegen dem Boden
die gelbbraunen Staubschwaden, und bald war die Luft so trüb, dass selbst
nahegelegene Bäume oder Gebäude kaum zu sehen waren. Ein Stoss klareren
Windes Hess zuweilen einiges aus der weiteren Umgebung erkennen, aber nur
für Augenblicke und alles war wieder gleichmässig staubtrüb, grau und braun.
Ein Glück noch, dass uns der Wind nur von der Seite und vom Rücken traf
während der zwei Stunden, die wir noch zu reiten hatten; ein weiteres Glück,
dass wir in der Nähe des Zieles, in dem immer heftiger werdenden Sturme auf
Nebenwegen verirrt, Leute fanden, welche uns das Karawanserai zeigten. Der
Wind drückte so stark, dass man im Sattel (lihlte, wie er die Seite packte, man
hörte das Zischen und Schwirren am Boden hingefegter grösserer Körner von
Sand oder Kies, und als wir ankamen, waren wir über und über mit Staub
bedeckt, der sich nur mit Mühe aus Augen, Ohren und Mund entfernen Hess.
Unsere Wagen aber irrten während der ganzen Nacht im Staubsturme
herum und trafen, nachdem sie einen Umweg von über 25 km gemacht hatten,
erst früh Morgens auf der Station Chandu ein. So befanden wir uns zum zweiten
Male in der unangenehmen Lage, eine kalte, unfreundliche Nacht, halb im Freien,
ohne alle Bequemlichkeiten zubringen zu müssen. Des Essens gab es wenig, des
Schlafens noch weniger, und als daher am folgenden Tage der Sturm zwar nach-
Hess, aber doch noch ziemlich heftig tobte und es unmöglich machte, mit den
erschöpften Pferden der Lastwagen weiter zu ziehen, waren wir nicht unzufrieden,
doch wenigstens Gelegenheit zu haben, wieder einmal ordentlich essen und aus-
schlafen zu können.
Bei der folgenden Station Pitschan, einem kleinen, aber alten Städtchen
mit einer Garnison und etwa 2000 Einwohnern, die nur wenige Stunden von
Chandu entfernt liegt, beginnt schon die Sandwüste, die gegen Südosten hin
grössere Ausdehnung besitzt. Gegen Nordosten dehnen sich weite Kies- und
Schotterflächen aus, in sehr breitem Gürtel längs des Fusses der im Norden
und Nordwesten gelegenen hohen Gebirgszüge der Bogdo-ola-Kette, und bilden
eine echte Kieswüste, die von dem 35 km langen Hauptweg nach Hami zwischen
Kürkortun und Jantscbi durchquert wird. Die Bergzüge im Nordwesten sah
man erst hinter Kürk-ortun, als nach einigen Tagen die Luft wieder klar ge-
worden war. Auch gegen Osten und gegen die Wüste schliessen einige niedere
Höhenzüge zwischen Pitschan und Tschiktüm den Horizont ab. Pitschan ist
ein kleines, mit Mauern umgebenes Dorf und war die Grenzstation Jacub-Beks
gegen China; aber alle folgenden Stationen fiir mehrere Tage bestehen nur aus
dem Serai für die Reisenden und einigen Anbauten. Bei Tschiktüm, das wie
eine Festung aussieht, liegen auf einer schroff aus der Ebene steigenden felsigen
11*
- 164 ■
Anhöbe Ruinen einer alten Befestigung, von deren Höhe sich eine gute Aussiebt
auf die Herge der östlichen Bogdo-ola-Kette eröffnet Weiterhin aber bieten dir
Stationen gar nichts mehr ausser schlechten, schmutzigen Unterkuoftsraumcn.
und man ist froh, wenn man wieder weiterziehen kann, trotz der Monotonie
von Steppe und Wüste, trotz Sturm und Kalte. Das ganze bis gegen Huni
sich ausdehnende Land am Südfusse der Bogdo-ola-Kette und der Barkul-Berge
ist ausserordentlich wasserarm; kein grosser Flosa kommt von den Käminen
herab und auch die Quellen sind selten. Das Klima ist rauh und der Weg
iwischcn Tacliikldin und Utun-kota.
beschwerlich. Der letztere macht einen grossen Umweg nach Norden, ""' ^^
Schutz der Berge zu gemessen, weil der direkte Weg von Tschiktüm und Ha""
seiner Stürme wegen berüchtigt und gefürchtet ist, die im Frühjahr und SofflO'"'
sogar Kieselsteine durch die Luft führen. Der zu Ende gehende Monat Ap"
wollte uns ausserdem zeigen, dass er hier im fernen Osten die gleichen Lau"'"
hat wie bei uns in Europa.
Schon drei Tage nach dem grossen Staubsturm von Chandu erhob sicli
morgens, als wir uns von Kürk-ortun her dem Gebirge näherten, ein stunnartig^
Westwind, der zwar frei von Staub, aber dafür sehr kalt war, da er direkt vo
den schneebedeckten Höhen des liogdo-ola herabstürzte. Nach den heiss*
Tagen waren wir mit warmen Sachen wenig vorgesehen, und der noch «'"
- I6S -
vierstündige Ritt bis Jantschi, dem Winde oft halb, in den Windungen des
Gebirgsthales sogar direkt entgegen, war recht unangenehm.
Einer unserer Wagen, der unsere Pelze und Decken und vor allem unser
ganzes Küchengerät mit den Vorräten enthielt, blieb wegen Ermüdung der
Pferde auf halbem Wege im Sturme liegen, was wir erst abends 6 Uhr durch
zwei auf der Station einreitende Dunganen erfuhren. Auf der Arbe befand sich
unser Diener Bock, der sich einen Fuss übertreten hatte und nicht reiten
konnte. Obwohl es ihm dort an Lebensmitteln nicht fehlte, so waren diese
ihm unzugänglich verpackt, und er wird an diesen Tag, den er schutzlos auf
einem Lastwagen mit müden Pferden, allen Unbilden des Sturmes und der
Kälte preisgegeben, zubringen musste, zeitlebens »mit Vergnügen« denken.
Die Station Jantschi hat eine schöne Lage in einem breiten Thale, in der
Mitte hoher Gebirgsketten und am Eingange einer Felsenschlucht. Die Nacht
hier im Gebirge wurde recht empfindlich kalt; das Thermometer sank, wie
schon seit lange nicht mehr, unter o®. Erst um 3 Uhr nachts traf die zurück-
gebliebene Arbe ein, d. h. sie gelangte bis in die Nähe der Station und fuhr
sich dort in einem Sumpfe fest. Unser Diener kam halbtot von der 20stündigen
Fahrt auf das Stationshaus gelaufen, trotz seines übertretenen Fusses, und stürzte
sich sofort auf das wenige Essbare, das vorhanden war, da er den ganzen Tag
über nur von drei rohen Eiern und Brot gelebt hatte. Er erzählte die erbau-
lichsten Dinge von seiner Reise, wie zum Beispiel, dass die Pferde auf der
Strecke zwischen zwei Telegraphenstangen fünfmal stehen geblieben wären, dass
die Fuhrleute, als die Wagen festsassen, sich einfach davon gemacht und auf
der Station schlafen gelegt hätten, ohne sich weiter um Wagen, Pferde und In-
sassen zu kümmern, und dergleichen mehr.
Der nächste Morgen brachte aber wieder hellen Sonnenglanz und fast
vollständige Windstille und gewährte eine herrliche Aussicht auf die mit Neu-
schnee bedeckten Bergketten. Auch auf dem weiteren Wege nach Otun-kosa,
der durch ein breites Längsthal auf einen Pass und dann durch eine lange
malerische Schlucht abwärts führt, hatten wir uns grossartiger Ausblicke auf
wilde, zackige Berghäupter, weite Thalniederungen und die aus der Ferne in
blauen Farbentönen herüberschimmernde Wüste zu erfreuen. So ging es
noch mehrere Tage weiter in den Bergen. Die Unterkunftshäuser waren
sehr dürftig, zu kaufen gab es gar nichts, weder für Mensch noch für
Tier, so dass man sich öfter mit sehr schmaler Küche begnügen musste,
da auch die Wagen infolge der schwierigen Wege nach wie vor spät in der
Nacht oder erst des Morgens ankamen. Für diese Unbequemlichkeiten ent-
schädigten uns aber reichlich die hohen landschaftlichen Reize des Weges. Wenn
auch die Vegetation nur auf sehr wenige Stellen in den Thalniederungen be-
schränkt war und noch ganz im Winterkleide steckte, so waren es die Klarheit
der Luft, die Wildheit der Gebirgsformen und der Kontrast zwischen der Mannig-
faltigkeit der Felsbildungen und der Einförmigkeit der Wüste im Süden, welche
— i66 —
den Eindruck des Grossartigen hervorriefen. Auf der letzten Nachtstation inner-
halb des Gebirges, in Tschoglu-lschai, fiel etwas Neuschnee, der alle höheren
Thien-schan -Berge in ein silbernes Gewand hüllte.
An den Felswänden in nächster Nähe der Station Tschoglu-tschai hatte
das Spiel des Windes und der Stürme hoch über der Thalfläche in wunder-
lichster Weise die dort anstehenden Konglomeratschichten erodiert und die
ganze Oberfläche durchlöchert (siehe die gegenüberstehende Textfigur). Grosse,
länglich-ovale Höhlungen laufen der Schichtung parallel, dazwischen sind un-
zählige kleinere, rundliche Löcher von jeder Grösse. Offenbar sind die weicheren
und weniger widerstandsfähigen Teile der sowohl nach Geröll material wie nach
Struktur sehr heterogen zusammengesetzten Konglomerate durch die ausschleifende
Wirkung der vom Winde herumgewirbeltcn Sandkörner und vielleicht auch durch
chemische Wirkungen, wie sie schon von Kara-küsül (pag. 153) aus Graniten be-
schrieben wurden, entfernt worden und es entstanden an ihrer Stelle zwischen
den stehengebliebenen, härteren Teilen Hohlräume, die sich in Grösse, Umfang
und Verbreitung nach der Zusammensetzung und Beschaffenheit der Komponenten
des Konglomerates gerichtet haben.
In Tschoglu-tschai waren wir nur noch vier Tagemärsche von Hami
entfernt, und während derselben ging der Weg über unabsehbare Geröll und
Trümmerflächen am südlichen Gebirgsabhange, sich immer mehr von dem
Gebirge selbst entfernend, in südöstlicher Richtung der Stadt zu. Zuerst
und in den höheren Regionen umgaben uns nur starre Steinwüsten, zerfurcht von
wilden, wasserleeren Schluchten mit enormen Blockanhäufungen, ohne Tier- oder
Pflanzenleben; langsam milderten sich die schroffen Formen, die Oberfläche wurde
ebener, auf einzelnen lehmreicheren Stellen hatten sich Gräser und stachlige
Büsche genügsamer Wüstenpflanzen angesiedelt, und bis zu dieser Höhe wagten
sich auch die scheuen Antilopen (Kjike). Erst von der zweiten Tagereise ab
begegneten wir grösseren, mit Riedgräsern und Schilf bewachsenen Flächen
auf diesem Steinmeere; auch Kulturland und Ansiedelungen mehrten sich, je
weiter der Weg sich voxn Gebirge entfernte und in das ebene, .flache Vorland
eindrang. Hier gab es wieder kleine Dörfer und bessere Stationen, einiger
Verkehr herrschte auf der Strasse, und zahlreiche Schafherden waren auf der
Weide. Zur Linken zog sich die ununterbrochene Gipfelreihe der Haupt-
kette der Barkul-Berge nach Osten, ohne sichtbares Ende; zur Rechten senkte
sich das Land in Terrassen und langgezogenen, niederen Hügelreihen hinab
nach Süden zur Wüste, einem noch unerforschten Meere von Stein und Sand,
das aus der Ferne wie bewohntes und bebautes Land herüberschaut. Aber die
Warttürme, die wir zu erkennen glauben, sind kahle Felsstöcke, die dunkleren
Flecke sind schwarze Kieswüste, und statt der Städte, Festungen und Burgen
ragen aus dem Sande lange Reihen von phantastisch geformten Felsriffen.
Welche Geheimnisse sie noch bergen, diese unermesslich sich ausdehnenden,
•
den ganzen Horizont auf der Südseite umfassenden wüsten Regionen, ^^
- i67 -
denen kein Vogel lebt, keine nocli so genügsame Pflanze gedeiht, wer wird
es erforschen? Wohl führen die Pfade kühner Expeditionen durch einzelne
Strecken dieses Gebietes, wohl weiss man, dass es dort felsige Gebirge, wilde
Schluchten, weite Sandflächen giebt, aber irgend ein Nutzen für den Menschen
ist aus ihnen nicht zu erwarten, und so wagt denn auch Niemand ausser wissen-
schaftlichen Forschern, sie ohne zwingenden Grund zu betreten. Ein solcher
aber ist an der Stelle, an der wir die grosse, Zentralasien durchziehende Wüsten-
zone erreichen, bei der Oase von Hami, vorhanden.
Zwischen den grossen Ländermassen im Norden, der Wüstenzone der
Gobi und dem inneren und südlicheren China flndet seit Alters her ein lebhafter
WinilliöhlunR im Conßlomeral bei Tschoßlu-Ischal, norilweatlich von Hami.
Verkehl und Warenaustausch statt, und diesem Handelsverkehr stehen nur
wenige Wege durch die Wüste zur Verfügung. Einer derselben, eine mit Stationen
versehene, fahrbare Strasse, geht von Hami aus nach An-si-tschöu und Su-tschöu
in südlicher, ein anderer, etwas schwierigerer Saumweg durch gebirgiges Wustcn-
gebiet in südöstlicher Richtung direkt nach Su-tschou. Im fernen Osten wird
in der ostlichen Mongolei die Wüste ebenfalls von mehreren Handelsstrassen
durchquert, die Kiachta und Urga mit Peking und Su-tschöu verbinden.
Hami selbst liegt schon in ziemlich beträchtlicher Entfernung {42 km) vom
Gebirgsfusse des Karlük-tag selbst, von dem es eine Kies- und Sandwüste
trennt, auf Lehmboden, und besteht aus drei, in geringen Entfernungen von
— i68 —
einander erbauten, mit Mauern umgebenen Städten. Von diesen ist die neue
chinesische Stadt zugleich Sitz des Amban und Festung; die sartische und
Dunganen-Stadt sieht aus wie ein umwalltes grosses Sartendorf mit niederen
Lehmbauten, Gärten und Bäumen, ist aber ohne ständigen Bazar; die dritte,
gleichfalls chinesische Stadt endlich besteht in ihrem Hauptteil nur aus einem
Bazar, der zwei lange,>sich rechtwinklig schneidende Strassen einnimmt und
etwa zu gleichen Teilen aus chinesischen Magazinen und offenen saitischen
Verkaufsbuden an der nur stellenweise überdeckten Strasse besteht.
Die Bewohner sind sehr verschiedenartig. Am geringsten ist das chi-
nesische Element vertreten, wenn man von der wechselnden Besatzung absieht;
es wird von Prschewalskij auf nur 1500 von etwa 10 000 Einwohnern an-
gegeben. Den Hauptteil der Bewohner bilden die Tarantschen, von denen man
annimmt, dass sie mit Mongolen und Turkestanern vermischte Nachkommen
der alten Uiguren sind. Sie sind sämütch sunnitische Muhamedaner und werden
daher von den Chinesen, wie alle in China lebenden Muhamedaner, als Choi-choi
bezeichnet. Dieser Name umfasst auch die durch die Aufstände gegen die
Chinesen berüchtigten Dunganen, die ebenfalls in Hami vertreten sind. Ihre
Abstammung ist noch zweifelhaft; manche sehen in ihnen echte Chinesen, die
nur durch den Islam verändert und dem eigentlichen chinesischen Volks-
charakter entfremdet worden sind. Grum Grschimailo aber hält neuerdings
die Anschauung für begründet, dass die heutigen Dunganen die Nachkommen
der zahlreichen, muhamedanischen Westturkestaner sind, die von Dschingis-chan
aus Buchara, Samarkand und Fergana in grosser Menge nach dem Osten gesandt
wurden, dort fremd dem Volke gegenüberstanden und infolge ihrer religiösen
Gegensätze sich absonderten, wenn sie sich auch nicht ganz chinesischen Ein-
flüssen entziehen konnten. Sie wären dann jedenfalls die am weitesten nach
Osten und China vorgedrungenen Turkstämme. Noch heute leben sie in
grossem Gegensatze zu der einheimischen, chinesischen Bevölkerung, der auf
das strenge Festhalten an ihrer althergebrachten Religion zurückzufuhren ist und
der immer wieder von Zeit zu Zeit die Flammen inneren Aufruhrs auflodern
lässt, blühende Distrikte, ganze Städte und Ortschaften vernichtet und die Bc-
völkeruijg dezimiert. Während der Reise in Kan-su war reichlich Gelegenheit,
die traurigen Spuren dieser Dunganenaufstände überall zu bemerken.
Die vereinigten Städte Hamis machen keinen wohlhabenden Eindruck; am
einladendsten sieht noch die alte und Hauptstadt »KomuU aus, die ganz zwischen
Gärten und Bäumen erbaut ist und nur wenig Läden, dafür aber einen Wochen-
markt hat. Die Hütten sind alle niedrig, wenig geräumig, aus Lehm gebaut
und mit flachen Dächern gedeckt, wie sie überall in Ost-Turkestan zu finden
sind, während die chinesischen Häuser und Läden geräumiger, luftiger und
auch etwas sauberer sind. In der alten und neuen chinesischen Stadt muss
die durch keinen Schatten gemilderte Hitze im Sommer unerträglich sein. Die
Bedeutung der Stadt liegt in ihrer Lage als Knotenpunkt der grossen Karawanen-
TAFEL Xl.
- I69 -
Strassen, die sich hier treffen; aber der Verkehr ist zumeist Durchgangsverkehr.
Ii^endwelche Waren oder Erzeugnisse des einheimischen Gewerbefleisses fehlen
ganz. Russische Waren sind sehr zahlreich auf dem Bazar, besonders solche
der Textilindustrie, aber auch Lampen, Kerzen, Streichhölzer, Zucker u. a.
Das Kulturland in der Umgebung ist nicht sehr ausgedehnt, und es
berühren sich Wüste und Oase in schroffem Gegensätze. Es werden Weizen,
Gerste, Wassermelonen, die wegen ihres Wohlgeschmackes bis Peking exportiert
werden, Kürbis, Trauben und Opium angebaut, abgesehen von dem Obst der
zahlreichen Gärten.
Dun^ane In HamL
Ausser diesen Fcldfrüchten und den schon genannten importierten Waren,
unter denen sich einzelne englische, japanische und über Schang-hai eingeführte
deutsche Artikel befinden, kommen auch Rohmaterialien auf den Markt,
wie Häute, Leder, Holz, Kohle und Metalle.
Der Sommer ist heiss, der Winter aber erträglich, weil die nördlich g^e-
legene hohe Thien-schan-Kette des Karlük-tag die kalten Winde abhält.
Sehr teuer ist hier das Eisen, das sowohl schon verarbeitet, als auch in
Barrenform in den Handel kommt. Feinere Schmucksachen, wie überhaupt
feinere Arbeiten des Kunstgewerbes oder Handarbeiten, die man in russischen
Sartenstädten zu bewundern Gelegenheit hat, fehlen fast ganz oder sind von
weither gebracht.
Hami ist demnach eine sehr reizlose Stadt, höchstens erweckt eine alte,
an der Hauptfront mit glasierten [Ziegeln und Mosaik geschmückte Moschee
flucht^ die Erinnerung an die Prachtbauten Samarkands. Weitere bemerkens-
werte Gebäude giebt es nicht; nur die grosse Anzahl von einfachen schmuck-
— 170 —
losen Grabstätten aus der Zeit der Dunganenkriege, welche im Nordosten der
Stadt ein weites Feld bedecken, und die grossen Familiengriifte auf dem
muhamedani sehen Kirchhofe verdienen noch der Erwähnung.
In den ersten Tagen des Mai herrschten in Hami schon ganz sommer-
liche Temperaturen. Tags stiegen die Thermometer im Schatten bis auf -|- 30' C.
und die Nacht brachte mit 4- 9'C. als niedrigster Temperatur nur geringe Ab-
kühlung. In den staubigen Lehmstrassen der Stadt, deren helle Wände alle Hitze
zurückstrahlen, ist es über die Mittagszeit sehr ungemütlich und man zieht sich
am besten in die inneren Gemächer zurück, die man leidlich kühl halten kann.
Wir genossen den Vorzug, durch das Entgegenkommen des Obermanda-
rinen ausserhalb der Stadt an einem kleinen schilfbedeckten, von hohen
Bäumen überschatteten See in einem Tempel ein schönes Quartier angewiesen
zu erhalten (siehe Tafel XI). Die Tempelanlage inmitten eines Haines an den
Ufern des kleinen Teiches, auf welchem sich bunte Enten tummeln, enthält hohe
luftige Räume, von denen eine Anzahl, die nicht von Götterstatuen besetzt sind.
leer stehen und von reisenden Mandarinen benutzt werden. Von Einrichtungs-
gegenständen ist nichts da als einige Tische, Stühle und Bänke liir das Nacht-
lager; für alles andere muss man selbst sorgen. Neben dem Wohngebäude
liegen die Tempel, vor denen eine erhöhte Terrasse mit Freitreppe sich be-
findet Heim Eintritt in das in der Mitte gelegene Hauptheiligtum, an das
— I/I —
beiderseits je ein Nebentempel anstösst, glaubt man sich in eine Kapelle der
romanischen, katholischen Länder versetzt Hinter einem Altar, über dem eine
hängende, ewige Lampe brennt und auf dem zahlreiche Weihgefässe mit Weih-
wasser, Opfei^aben an Früchten und Behälter von Räucherkerzen aufgestellt
sind, erhebt sich die Statue des Hauptgottes, dem allein die Ehre der ewigen
Lampe zukommt. Umgeben von Blumenzweigen, sitzt eine vergoldete Gestalt
in rotseidenem Gewände über dem Altare, mit fast weiblichen Zügen und ver-
klärtem Gesichtsausdrucke. Zu beiden Seiten stehen mit betend gefalteten
Händen und blauer, roter und grüner fliegender Gewandung andere Gottheiten,
deren Haare in zwei Knoten seitlich am Kopfe geflochten sind und die Kopfaus-
wüchse, die göttliche Zeichen sind, verdecken. Das Ganze ist von Draperien
und Dekorationen seitlich umgeben und kann durch Flügelthüren mit zierlichem
und in Farben ausgeschlagenem Gitterwerk verschlossen werden.
Links von diesem Hauptheiligtum befindet sich ein tiefes, gruftartiges Ge-
wölbe, in dessen Hintergrunde drei nicht ganz lebensgrosse Göttergestalten
sitzen, mit prachtvoller Gewandung unter den roten Ueberwürfen. Es sind weib-
liche Figuren mit grossen, goldenen Diademen auf dem Kopfe. Rings um diese
Gruppe herum sind die Wände der Gruft mit zahllosen, kleinen, weissen Figuren
besetzt, die man mit den Engeln vergleichen könnte, welche die katholischen
Heiligenbilder zu begleiten pflegen. Andere weibliche Gestalten halten Knaben
im Schosse oder ein Kind sieht oberhalb der linken Brust hervor; wieder eine
andere hält ein Schälchen mit Samenfrüchten in der Hand und ihr gegenüber
ist eine martialische Figur mit schwarzer Haut, der Farbe der Teufel, und
einem Tiger auf dem Kopfe aufgestellt. Leider fehlte es an erklärenden Führern
und ich konnte die Namen und Bedeutung dieser Götter nicht erfahren ; es scheint
aber, dass dieser Raum mit Gebeten um glückliche Nachkommenschaft in Be-
ziehung steht. Manches wenigstens in den Geberden und Beigaben weist mit
realistischer Deutlichkeit nach dieser Richtung. Rechts befindet sich eine ähn-
liche Gruft, in der drei vergoldete Gestalten in roten Ueberwürfen, je eine auf
einem Tiger und eine auf einem Elefanten sich befinden. Zahlreiche kleine
Bronzestatuetten stehen an der Wand entlang in betender Stellung und mit ge-
falteten Händen. Beim Eingang steht eine grössere, weibliche Figur in betender
Stellung und reicher Gewandung, zu ihren Füssen eine kleinere Figur und ihr
gegenüber ein wilder, kriegsgottähnlicher, hellblau bemalter Heiliger mit Flammen
auf dem Haupte, roten Augen, einer Hellebarde und schrecklichem Gesichte,
um die Gläubigen mit Furcht und Entsetzen zu erfüllen. Ueberall in den budd-
histischen Tempeln sind solche wilden und mit schrecklichen Beigaben ver-
sehene Göttergestalten und Schauder erregende Darstellungen ihrer Thaten zu
finden.
Noch ein weiteres Heiligtum schliesst sich an, in dessen Vorhalle
Steinplatten mit Inschriften, Figuren und Drachenbildern aufgestellt sind;
im Innern steht links eine bis an die Hüfte entkleidete Gottheit mit grüner
— 172 —
Hautfarbe und roter Beinbekleidung. Augen, Lippen und Augenbrauen
sind intensiv rot in dem grasgrünen Gesichte; die Figur ist bartlos und ohne
Zopf, in der Hand schwingt sie einen Hammer wie einen Taktstock. Ein
anderer Gott ist diesem gegenüber aufgestellt und ebenfalls halb entblösst,
hat aber schwarze Haut, aus der Rippen und Muskulatur stark hervor-
treten, wie wenn er Krankheit oder Hungersnot symbolisiert darstellen sollte.
Die eine Hand hält er über den Kopf, wie wenn er wahrsagen wollte; die
andere schwingt einen Hammer. Hinter diesen beiden Figuren und hinter einer
portierenartigen Draperie stehen drei Altäre. In der Mitte sitzt ein Gott mit
grosser, goldener Krone auf dem Haupte, in gesticktem, gelbseidenem Gewände;
seine Handhaltung scheint anzudeuten, dass er belehren will, dabei hat er einen
Zipfel seines lang herunter hängenden Schnurrbartes gefasst. Ausser diesem aber
hängen ihm noch Bartflechten von der Mitte des Kinnes, je rechts und links
davon und je wieder vor dem Ohre herab bis zur Hüfte! Seine Hautfarbe ist
weiss, das 2^ichen eines guten Gottes. Rechts von ihm sitzt auf derselben Bank
eine ebenfalls reich gekleidete Gestalt mit derselben Bartmode, Bronzegesicht
und einem grossen Haarknoten auf dem Kopfe; in der rechten Hand hält sie
einen Fisch ; die Figur mit braunem Gesicht zur Linken der Hauptgottheit trägt
einen Hammer und hat einen spitzen Schnabel als Mund; auf dem Wirbel des
Kopfes ist ein grosser, nach hinten gerichteter Adlerkopf mit mächtigem Schnabel.
Zahlreiche andere Statuen sind noch in diesem Räume aufgestellt, darunter auch
ein Mohr mit Diadem und Schlachtbeil, der auf einem Tiger sitzt, eine weibliche
Figur auf einem Wolf u. a. Alle diese Figuren sind in Lebensgrösse aus Thon
gebildet und bunt bemalt; vor allen stehen üpferschalen und Räucherkerzen
und in der Mitte hängt ein ewiges Licht.
Ueber einige Treppen steigt man zu einem weiteren Tempelsaal hinauf,
in welchem zu beiden Seiten eines Altars zwei lebensgrösse Götterbilder stehen;
sie haben schwarze Oberkörper, der eine trägt eine Hellebarde in der Hand.
An den Wänden sind Kohlenzeichnungen und Darstellungen von Landschaften,
Pagoden, Schiffen u. a.; grosse Tonnen als Trommeln stehen herum. Ganz
oben im höchsten Teil des Tempelgebäudes ist nochmals ein Tempelraum, mit
einer grossen Trommel und einer fast i m hohen Glocke im Vorraum; an den
vier Ecken des Daches sind Glocken angebracht, die der Wind bewegt. Zwei
mächtige, 3 m hohe Göttergestalten sind im Innern aufgestellt, deren naturgetreue
Reproduktion die Tafel XII nach einer Skizze wiedergiebt. Links steht die
Gestalt mit schwarzem Gesicht, drei Augen und Flammen auf dem Haupte, in
reicher, eigenartiger Kleidung, die einem Panzerschurze ähnlich sieht; beide
Göttergestalten tragen Hellebarden, aber die rechts stehende hat weisse Hautfarbe,
Die bunten Darstellungen an den Wänden enthalten kriegerische Vorgänge und
festliche Veranstaltungen mit Personen, die in Lebensgrösse abgebildet sind.
Diese schöne, überall gut erhaltene und in ordentlichem Zustande be-
findliche Tempelanlage wurde absichtlich so ausführlich geschildert, um
— 173 —
das kaleidoskopartig bunte Bild der buddhistischen Götterwelt zu charakterisieren;
wie diese Darstellungen eine Fülle von mythischen und phantastischen Beigaben
und Symbolen zeigen, so sind auch die buddhistischen Lehren und Anschauungen
voll von schwer verständlichen, mystischen Vorstellungen. Der Buddhismus
stammt aus Indien; schon hundert Jahre vor Christi Geburt war er nach China
und im VI. Jahrhundert über das nordöstliche Asien bis Korea und Japan und
im Westen bis an die Grenzen Europas ausgebreitet, wo sich noch heute an
der unteren Wolga buddhistische Kalmüken befinden, von denen Pilger nach
Hla-sa wallfahrten. Die chinesische Form des Buddhismus ist etwas ver-
schieden von dem tibetanischen Buddhismus, den man richtiger als Lamaismus
bezeichnet. Der ursprüngliche, mystische, indische Charakter ist in Tibet, wo
die buddhistische Lehre erst im VII. Jahrhundert eindrang, in merkwürdiger
Weise mit Elementen tibetanischer Mythologie und Geisterverehrung durch-
setzt. Dieser Anpassung an den alten Volksglauben verdankt er dort auch
seinen Einfluss und seine feste Begründung. Dadurch ist aber ebenso wie
durch die weitere Entwicklung die ursprünglich einfache Lehre des Gründers des
Buddhismus, Siddharta Gautama oder Säkya-Muni, im IV. bis V. Jahrhundert
vor Christi wesentlich verändert und ausgedehnt worden. Perioden der Ent-
artung folgten Reformationen und Gründungen von Sekten, von denen heute die
ibetanische Sekte der Gelug-pa die mächtigste ist. Alle Buddhisten Chinas,
der Mongolei, Tartarei, Japans und der Himalaya-Staaten gehören einer nörd-
lichen Schule an, die schon am Ende des I. Jahrhunderts nach Christus sich
von der südlichen, weit schwächeren Schule trennte, welche heute noch in Ceylon,
Siam und Birma Anhänger besitzt.
Es ist hier nicht der Ort, auf das Wesen und die Lehre des Buddhismus
und seiner zahlreichen Veränderungen und Erweiterungen im Laufe der Jahr-
hunderte einzugehen. Die Beschreibung des Tempels in Hami. hat die ausser-
ordentliche Mannigfaltigkeit der Göttergestalten und symbolisch-mystischen
Vorstellungen schon genügend gezeigt, und es wird noch mehrfach weiter in
China, besonders aber in Nordosttibet, Gelegenheit sein, auf Einzelheiten
buddhistischen und lamaistischen Wesens einzugehen.
Lag^ir IV (JasQtBchan), nördliche Zone der Gobi.
VI. KAPITEL.
Die Wüste „Gobi" zwischen Harn! und Su-tschöu.
Die Vorbereitungen für einen längeren Marsch durch die Wüste sind recht
umständhch und sehr zeitraubend, wenn man sie an einem Orte wie Hami treffen
muss. Viele für den Europäer unentbehrhche Dinge sind gar nicht käuflich und
müssen schon aus dem Westen mitgebracht werden, aber selbst die zur Kara-
wanenausrüstung nötigsten Gegenstände, wie Proviant, Seile, Kisten, Pack-
materialien und dergleichen mehr sind in guter Qualität, hinreichender Menge
und vor allem rechtzeitig oft nur schwer zu bekommen. Versprochen wird alles,
aber wenn geliefert werden soll, kann man Tage lang warten. Auch hier sind
noch in dieser Beziehung die muhamedanischen Feiertage, an welchen die Sarten
zu nichts zu haben sind, sehr störend.
Ausser europäischen Konserven aller Art, versahen wir uns mit dem ein-
gesalzenen Fleisch von zehn Hammeln, mit einigen hundert abgekochten Eiern,
sartischem Brot und getrockneten Früchten in grösseren Mengen. Die Pferde
wurden neu beschlagen, und Futtererbsen für dieselben auf 25 Tage in Ballen
gepackt, die das für Kamellasten richtige Gewicht hatten. Ebenso mussten auch
alle übrigen Gepäckstücke für die Reise hergerichtet werden, soweit sie nicht
— I7S —
auf eine Arbe, die unter Bedeckung nach Su-tschou auf dem grossen Wege
über An-si-tschöu vorausgesandt wurde, verladen werden konnten. Als nach
sechs Tagen alle Vorbereitungen vollendet waren und am 6. Mai aus Hami auf-
gebrochen wurde, bestand unsere Karawane aus 29 Kamelen und 9 Pferden,
die alle ausser den Reitpferden wohl beladen waren.
Die Kamele gehen sehr langsam, und so ist denn auch das Tempo fiir
alle andern vorgeschrieben, da man nicht gut vorausreiten kann, wenn man die
Lagerplätze nicht kennt und keinen Führer hat. Nur kleinere Abstecher zu
Sammlungs- und wissenschaftUchen Zwecken waren möglich. Da aber der
drückenden Mittagshitze wegen der Aufbruch der Karawane erst um 4 Uhr
erfolgt, und der Marsch bis in die Nacht um 10 oder 12 andauert, so sind auch
während desselben nur wenige Stunden für Beobachtungen noch benutzbar. In-
folgedessen musste ich oft am folgenden Morgen zurückgehen, um das in der
Dunkelheit durchzogene Stück des Weges noch aufnehmen und untersuchen
zu können.
Während der ersten Märsche von Hami aus auf dem direkten Wege nach
Su-tsch6u ist von der eigentlichen Wüste noch wenig zu sehen. Das Land
östlich von Hami und südlich vom Fusse des hier Karlük-tag benannten, hohen
Gebirges des Thien-schan ist Lehmboden mit Riedflächen und sumpfigen
Stellen, in denen aber auch viele kulturfähige, grössere Plätze besiedelt sind.
Es sind noch Muhamedaner, Abkömmlinge der alten Uiguren, vermengt
mit Mongolen und Ost-Turkestanern, die hier Ackerbau treiben, und sich
Tarantschen nennen. Aus einem kleinen Dorfe, neben welchem unsere Kara-
wane ihr erstes Lager aufgeschlagen hatte, erhielten wir morgens den Besuch
der weiblichen Bewohner des ganzen Dorfes, die kamen, um die Fremden und
ihre Sachen zu bewundern. Sie waren nicht verschleiert, auch durchaus nicht
scheu und Fremden gegenüber zurückhaltend, wie das weiter westlich der Fall
ist. Sie hatten alle ihre bunte Feiertagskleidung angelegt und trugen imitierte
Steine in den Ohrgehängen und an den Ringen. Besonders eine ältere Dame
zeichnete sich durch ihre glockenförmige, fein gestickte Kopfbedeckung aus; sie
schien unter den andern die Rolle der »Frau Bürgermeisterin« zu spielen.
Der Weitermarsch brachte nur im Anfange noch etwas vegetations-
bedecktes Gebiet und spärliche Ansiedelungen, dann aber endlose Kiesflächen,
deren Schotter die Flüsse aus den Abhängen des Karlük-tag herunter geführt
hatten. Hätten wir nicht die schöne Aussicht auf diesen, mit frischem Schnee
bedeckten, grossartigen Gebirgszug gehabt, so wäre der lange Ritt in einiger
Entfernung von seinem Fusse recht einförmig gewesen. So brachten die ver-
schiedenen Beleuchtungen und besonders die schönen Abendfärbungen manche
Abwechselung in das Landschaftsbild.
Der Weg entfernt sich allmählich in südlicher Richtung von dem Gebirge
dessen schneeglänzende Gipfel aber noch manche Tagereise weit sichtbar
bleiben, und geht immer weiter in die öden Schotterflächen hinein. Es beginnt
\
— I/Ö —
hier die eclite Kieswiiste zwischen den weit von einander entfernten Gebir^
Zügen, und Vegetation wie Tierleben erlöschen fast ganz. An der Grenze der
Steppengrasflächen g^en die Schotterzone ist auch hier, wie im nördlichen
Tarimbecken, die Zone der Vegetationshügel mit Tarnanx laxa Willd. stark
entwickelt, wie die folgende Abbildung zeigt
Es ist indessen kein unfreundliches Bild, das diese Kieswiiste bietet
Der Boden freilich ist ganz steinig und schwarz, er glänzt in der Sonne, als
ob er aus Eisen wäre, und auf meilenweite Entfernungen fehlt jede Pflanze. Nur
da, wo die zur Regenzeit aus dem Gebirge herabkommenden, sich auf der
Tamarixbllgel auf Sand- und Lehmflächc.
NördUcke Zone der Gobi, zwiichen La^er n (Da-tBcbunn-tan) und Lager III (Dtchan-dschansa).
Kiesfläche vielfach verzweigenden und auch einsickernden Wasser noch hin-
reichen, sind kleine Büsche, meist von Wüstenpflanzen, angesiedelt; hier fehlt
auch das metallische Aussehen des Bodens, weil das Wasser die Bildung der
schwarzen Ueberzüge über den Steinen verhindert. Stellenweise sind kleinere
Flächen mit Lehm bedeckt. Und wie weit ist es oft von einem Wasserplati
bis zum andernl Ueber 50 km waren an einem Abend und in der Nacht mit
den Pferden zurückzulegen, bis wir einen solchen und Lager, V (Utun-o-tssü,
1090 m), erreichten. Die Kamelkarawane brauchte dazu zwei Tage und brachte
eine Nacht ohne Wasser auf der freien Kiesfläche zu, was für die Pferde des
Wassermangels wegen nicht möglich gewesen wäre.
Es war gut, dass wir an den Wasserplatz vorausgeeilt waren; denn während
der Nacht, in der wir um 2 Uhr ankamen, war das Wetter uns noch günstig.
— ^n —
Am folgenden Tage aber herrschte Sturm, der sich gegen Abend zum Orkane
steigerte und uns befurchten liess, dass die zurückgebUebene Karawane über-
haupt nicht werde aufbrechen können; indessen erschien sie doch noch spät
nachts. Da der Sturm mit fast unverminderter Gewalt auch am folgenden Tage
noch anhielt, war ein Aufbruch unmöglich und wir blieben noch einen Tag
Hegen. Dieser einsame Wasserplatz mitten auf der Kiesfläche ist zu charakteristisch,
als dass er nicht einer kurzen Beschreibung wert wäre. Trotz des mit einer
Geschwindigkeit von ii m in der Sekunde wehenden Windes ist die Luft rein
und klar, die Sonne lacht vom Himmel, und im fernen Karlük-tag glänzen die
Schneefelder. Dunkle Kiesmassen dehnen sich nach allen Seiten, und gegen
Nord und Nordosten erheben sich kleine, schwarze Hügel von vulkanischem
Gestein aus der gleichförmigen Kiesfläche. Im Süden aber verfolgt das Auge
die Niederung eines grossen Flussthals mit steilen Ufern und sehr breitem Bette,
das weiter im Westen am Wege von Hami nach An-si-tschou nördhch von der
Station Jandun vorbeizieht und den Namen Jandun'sches Trockenthal trägt.
Jenseits dieses versiegten Flusses dehnt sich nach Süden wieder über weite
Strecken aus Kies und Schotter aufgebautes flaches Land. Einige kleinere Er-
hebungen alter vulkanischer Gesteine vermögen den allgemeinen Charakter der
Ebene nicht zu stören. Ganz im fernen Süden, dem Auge eben noch erkennbar,
türmen sich wieder neue, hohe Gipfel empor, die zu langer, von Osten nach
Westen an Höhe abnehmender Reihe geordnet sind. Das ist ein fernes, die
Wüste durchziehendes Gebirge deren noch mehrere auf unserm Wege liegen,
die unter dem Namen P*e-schan (oft auch Beischan geschrieben) zusammen-
gefasst werden.
An unserm Wasserplatze herrscht Leben; nachts .kommen Karawanen
an, tags brechen solche auf. Den lehmigen Boden bedecken einige Tamarix-
sträucher, Dornenbüsche und Gräser. Ueber der kleinen, sumpfigen Wasser-
fläche tummeln sich muntere Gelbköpfchen, auch dunkel befiederte Wasser-
vögel und Steinhühner kommen vor; kurz vor unserm Abmärsche fielen fünf
grosse schöne Reiher ein.
Fragen wir uns nun, wie kommt das Wasser gerade an diese Stelle, während
es sonst weit und breit nirgends an die Oberfläche tritt, selbst in dem grossen
Flussthale nicht, so ergiebt sich folgende Antwort. Aus Norden kommen
kleine Thälchen herab, die in der Tiefe unter dem Kiese Wasser führen. Wo
sie unten gegen das Flussbett einmünden, treffen sie auf die erwähnten Thone
des Han-hai, die kein Wasser durchlassen. An der Grenze dieser und der
Schotter, die darüber lagern, sammelt sich daher das Wasser an, und wo eine
solche Stelle nahe der Oberfläche liegt, entstehen die kleinen Tümpel und
sumpfigen Stellen, welche in der Wüste euphemistisch »Brunnen« heissen.
An dem in geringer Entfernung gegen Süden von Osten nach Westen hin
ziehenden, grossen Flussthale erheben sich am gegenüberliegenden Ufer isolierte
Berge und kleine Plateaus von intensiv roter Farbe mit einer grauen, etwas
Futter er. Durch Asien. 12
- 178 —
überstehenden Decke; es sind nach dem geologischen Sprachgebrauche »Pilz-
felsen« und »Zeugenberge«. Den ersteren Namen fuhren sie, weil ihre Form
an Pilze erinnert, den zweiten, weil sie Zeugen dafiir sind, dass die roten Schichten
einst eine grössere Ausdehnung besassen, aber durch die abtragende Thätigkeit
des Wassers und hier auch die des Windes zerstört wurden, so dass nur einzelne
isolierte Schollen zurückgeblieben sind. In dem 3,5 km breiten Flussbette ist
kein Wasser zu finden; schwarze metallisch glänzende Steinsplitter und Gerolle
bedecken auf grosse Strecken hin den Boden, und nur an der südlichen Seite
ist etwas Lehm in den charakteristischen Formen um die Sträucher und Büsche
angehäuft. Hier finden sich auch im Schutze der grösseren Sträucher blüten-
tragende kleine Gewächse (Cistanche salsa C. A. Mey.), die aber noch nicht
gewagt haben, ihre Knospen zu entfalten.
Ein intensives Abendrot übergoss am ersten Abend mit einem fast blutig
roten Scheine die im Süden liegende Gebirgskette und liess noch nichts ahnen
von dem Sturme, der sich alsbald nach Sonnenuntergang erhob, um die ganze
Nacht, sowie den folgenden Tag anzuhalten. In unserm grossen Zelte waren
wir zwar geschützt, aber auch im Innern war die Luft in beständiger Bewegung
und trieb namentlich am Boden feine Staubteile umher, welche alle schützenden
Hüllen durchdrangen. Das Heulen des Sturmes während der Nacht verscheuchte
den Schlaf, und besonders heftige Stösse erschütterten das Zelt derart, dass die
Gefahr des Umreissens nicht ausgeschlossen schien. Bei solchen Stürmen, selbst
im Innern der Wüste, ist oft die Luft scheinbar rein und klar, die Sterne glänzen
vom Himmel und der Mond freut sich des Unfugs, den der Windgott auf der
Erde anrichtet. Am andern Morgen erst zeigt die feine, gelbbraune, dünne
Schicht, welche sich über alles gelegt hat, dass die Luft eine Menge Staub mit
sich führte und überall hinein wehte. Inmitten dieses Sturmes in der Nacht
kam unsere Karawane an, die, von ihm überrascht, noch glücklich bis zur Station
und dem Wasserplatze gelangt war. Durch das Heulen des Windes und Tosen
der Luft drangen die dumpfen Töne der grossen, eisernen Kamelglocken, und
schauerlich klang das Schreien der gequälten, ermüdeten Tiere. Obwohl die
Karawane am nächsten Tage wegen des Sturmes nicht ausrücken konnte, war
es nicht kalt, und ich konnte einen kleinen Ausflug in die Umgebung zu einem
kleinen, altvulkanischen Gebirge unternehmen, das sich nördlich 70 Kilometer von
der Station aus der schwarzen Schottermasse erhebt Die Hügel haben das
t>'pische Aussehen, welches die Wüste verleiht, wenn keine Vegetation sie in
ihrem Wirken hindert: die Berge sind alle kuppenartig gerundet, lauter kleinere
und grössere, ganz gerundete Buckel sind zusammengereiht und ihre Oberflächen
mit Schutt und Zersetzungsmaterial bedeckt; nur an einzelnen Stellen kommt
anstehendes Gestein zum Vorschein, das innen grün, aussen aber glänzend
schwarz ist Vegetation hat sich nur spärlich im Grunde der kleinen Thälchen
zwischen den Hügeln angesiedelt, wo das Wasser etwas Lehm angeschwemmt
hat. In nördlicher Richtung, gegen den Karlük-tag hin, sieht man noch mehrere
— 179 —
Reihen solcher vulkanischer Erhebungen, die schwarz, mit scharfen Umrissen,
aus der Ebene emporsteigen: ein Charakterbild altvulkanischer Landschaft, welche
während langer geologischer Zeiten von Kälte, Hitze und Wind umgeformt wurde.
Der Blick über die Wüste in südöstlicher Richtung, wohin wir unsern Marsch
zu nehmen hatten, zeigte wenig erfreuliches. Die am Horizonte sichtbare hohe
Gebirgskette war sehr ferne. Sie zu erreichen kostete noch zwei gute Tage-
märsche; dazwischen aber war alles ödes Schutt- und Schwemmland, auf welchem
vereinzelte kleinere, vulkanische Erhebungen hervorragten. Beim Marsche zeigten
sich auch unter der Schotterbedeckung stellenweise anstehende Schiefer, aber das
meiste waren und blieben während der beiden Tage monotone Kiesflächen mit
geringer Vegetation oder etwas höher gelegene, ältere (diluviale) Schottermassen
von schwarzem, finsterem Aussehen und ohne jede Vegetation.
Etwa auf halbem Wege zum Gebirge liegt ein Lagerplatz mit Wasser in
einer muldenförmigen Vertiefung im flachen Sande. (Lager VI, Jasütschan,
s. Kopf dieses Kapitels). Auch hier sind es wieder die roten Thone, welche
das Wasser, das unter dem Kiese rinnt, festhalten und zur Oberfläche bringen,
die sich etwas gegen Norden senkt und unter den Schottern die Thone bloss-
legt. Da giebt es dann reichlicheren Pflanzenwuchs, sogar einige Bäume, und
zahlreich fanden sich die Spuren von wilden Eseln (Asinus hemionus PalL-
Dschiggetai).
Reste von Gebäulichkeiten zeigen, dass hier einst eine Ansiedelung war,
aber schon lange verlassen sein musste; solche wegen versiegenden Wassers
aufgegebene Stellen birgt die Wüste noch vielfach. Kann man daraus auf ein
Trockenerwerden des Klimas schliessen oder sind nur lokale Ursachen daran
schuld?
Der Sturm der vorhergehenden Tage und der weite ermüdende Marsch durch
die Schotterfläche hatte den Kamelen so zugesetzt, dass deren erste Abteilung
erst spät nachts, kurz vor Mitternacht, die andere einige Stunden später und einige
Kamele überhaupt nicht ankamen, sondern unterwegs liegen geblieben waren;
mehrfach hatte auf dem Marsche umgeladen werden müssen, und damit war viel
Zeit verloren gegangen. Für uns, die wir mit den Pferden rascher vorwärts
kamen, hatte das die Unbequemlichkeit, dass wir ohne Zelte und Thee in der
Nacht im Freien kampieren mussten, bis auch die zweite Abteilung, welche die
Zelte trug, eintraf. Um den Tieren Ruhe zu gönnen, blieben wir einen Tag
liegen; das letzte der in der Nacht zurückgebliebenen Kamele kam erst zu
Mittag des andern Tages der Karawane nach.
Der ermüdende und einförmige weitere Weg auf der endlosen Kiesfläche
brachte nur insofern einige Abwechselung, als sich wilde Esel zeigten, auf welche
unsere Jäger Jagd machten, obwohl das ebene Terrain und die Vorsicht der Tiere
keine Aussicht auf Erfolg gewährten. Die hohe Gebirgskette, der wir uns
endlich näherten, beginnt mit einer Reihe kleinerer, hügeliger, aus alten
vulkanischen Gesteinen (Porphyren) bestehender Hügeln, die wie schwarze, eherne
12*
— i8o —
Wächter den Eingang in das Gebii^sthal bewachen. Ein grösseres wasserloses
Thal führt in die hier besonders aus krystaUinen, mit alten Eruptivgesteinen
durchsetzten Schiefem bestehende Gebirgswelt, deren höchste Ketten aus Granit
gebildet werden. In der Schieferzone tindet sich an mehreren Stellen im Fluss-
bette frisches, gutes Wasser, und eine derselben dient zum Lagerplatze Vll.
Otun-dasutschan (1770 m).
Die hohe Zentralkette liegt gerade nach Süden vor uns; die Aussicht auf
dieselbe und nach Ost und West auf die Schiefer- und altvulkanischen Berge ist
sehr malerisch. Der Ort liegt gegen Winde geschützt und bietet auch reichlich
Futter für Pferd und Kamel. In den Berten kommen schon zahlreich die wilden
WiDclhöhlungen im Graoile bei I-aijer Vli. Gebirßc lit-r mittleren Zone der Gobi,
Bergschafe (Argali = Ovis Poli) mit grossen, gewundenen Hörnern und auch wilde
Esel vor, von denen einer durch einen die Karawane begleitenden Mongolen
angepirscht und geschossen wurde.
Auch der weitere Weg durch das Gebilde war in jeder Beziehung interessant
und bei schönem Wetter sehr angenehm. Die Gebirgsthäler sind in ihren
unteren, breiten Teilen wohl bewachsen und bieten zahlreichen wilden Eseln,
die man in ganzen Rudeln weiden sah, Nahrung; die dunkeln vulkanischen Berge
glänzen in der Sonne wie Erz, und ihre schwarzen Halden und Abhänge, sowie
ihre schroffen Formen kontrastieren lebhaft mit den hell grau-braunen Tönen
und milderen Formen des Granitgebietes, das aber auch gänzlich kahl und
vegetationslos seine Häupter erhebt.
— i8i —
Hier haben Wind und Wetter ihr Spiel getrieben, wie sie es ungehinderter
nirgends in der Wüste thun können, und die Oberfläche des Granits trägt die
Spuren davon (s. die Textfigur auf der vorstehenden Seite). Die hohen Wände
sind durchsetzt von tiefen runden Höhlungen und Löchern, als hätte sich dort
einst Wasser Strudellöcher geschaffen oder als hätte eine Artillerie mit schwerstem
Geschütze die Felswände beschossen. Man findet sie in allen Grössen und häufig
dicht beisammen; an andern Stellen sieht die Granitoberfläche aus, als wäre
sie in der Häutung begriffen; helle, rundliche, bis handgrosse Flecken frischen
Gesteines heben sich gegen die dunkelbraunen Teile der alten Oberfläche ab,
wie neue Haut von der alten; das scheckige Aussehen erinnert an die Zeich-
nung eines Leoparden, nur dass hier die Flecke hell auf dunkelm Grunde er-
scheinen. Dann wieder hat es den Anschein, als wären die mächtigen Granit-
felsen einst weich wie Thon gewesen und als hätten die Finger eines Giganten
sie geknetet. Die seichten Hohlformen und Vertiefungen sind dunkel, fast
schwarz; die Kämme oder Grate zwischen ihnen gerundet und hell, so dass es
aus der Entfernung aussieht, als ob grosse Stücke eines bunten Felles über die
Felswände herabhingen.
Ein enger Felsenpass führt durch den Granitkamm hindurch auf die Südseite,
und hier bietet sich ein Landschaftsbild, wie es für den ganzen mittleren Teil
der Gobi charakteristisch ist. Am südlichen Horizonte dehnt sich eine hohe
Kette zackiger Berge aus mit tiefen Thaleinschnitten; vor ihr liegen noch einige
niedrigere Bergzüge; in der weiten Ebene oder Fläche aber, die uns von jenen
Bergen trennt, steigen da und dort, vielfach in Reihen angeordnet, kleine
Kuppen und Hügel auf, welche der ganzen Fläche ein unruhiges Aussehen
verleihen. Sie sind alle schwarz und bestehen aus alten vulkanischen Gesteinen;
zwischen ihnen ist die Ebene mit lehmreichem Schotter erfüllt, auf welchem
Pflanzen gedeihen. An einer besonders lehmreichen Stelle, wo sich auch etwas
Wasser auf dem granitischen Untergrunde findet, liegt ein Halteplatz für Kara-
wanen, etwa in der Mitte zwischen den beiden hohen Gebirgen. {Lager VIII,
i960 m). Charakteristisch fiir die ganze Gegend sind die kleinen, dunkeln,
vulkanischen Erhebungen in der ebenen Fläche, mit welchen die hohen Gebirge
im Norden und Süden durch ihre Höhe und ihre Umrissformen auffallend
kontrastieren.
Bei dem Lagerplatze sind einige Höhlen in dem mürben Granitgestein,
die ich benutzte, um mir mit Decke und Mantel ein Lager einzurichten, bis spät
abends die Karawane, der ich vorausgeeilt war, ankam. Ein kleines Zelt bot
bald alle in der Wüste erreichbare Behaglichkeit, und obwohl in der Nacht der
kalte Nordostwind sich zum Sturme steigerte, konnte er unsern Schlaf nicht
weiter stören. Die niederste Temperatur der Nacht vom 16. zum 17. Mai war
+ 6^ C. Am andern Tage hielt morgens derselbe kalte Wind aus NO. an
und hinderte empfindlich die photographische Aufnahme der schönen Wüsten-
bildungen im Granit, zu denen ich nochmals zurückkehrte.
— l82 —
Des Mittags beim Weitermarsche über die Kieshochfläche in südöstlicher
Richtung gegen das Ende der im Süden sichtbaren Bergkette wurde der Wind
aus NO. immer heftiger und kälter, so dass wir froh waren, unsere Pelzmäntel
zur Hand zu haben. Ich konnte mit erstarrenden Fingern kaum Kompass und
Hammer handhaben; bei alledem war die Luft nicht trübe und es waren auch
bis Abend nur wenige Wolken zu sehen. Erst spät abends, bei Einbruch der
Dämmerung, gewährten die höheren Berge einigen Schutz; der Weg führt durch
eine breite Scharte am östlichen Ende dieser Gebirg^skette und wendet sich an
deren Südfusse wieder etwas nach Westen zurück, bis er ein grösseres, von
diesem Gebirge nach Süden ziehendes Thal erreicht, an dessen lehmigen Ab-
hängen Wasser zu finden ist.
Trotz des schlechten, kalten Wetters hatten wir sehr schöne Ausblicke
auf hohe Gebirgsketten, welche im Osten des Gebirges, durch das wir ge-
kommen waren, liegen und sich in ihren Fortsetzungen noch weiter nach Osten
ausdehnen. Es sind mächtige Felskolosse, die sich schroff aus der Kiesfläche
erheben und aus Granit zu bestehen scheinen. Das südlich davon gelegene
Gebirge, an dessen Südfuss wir unser Lager IX aufschlugen, hat einen andern
Charakter; seine Gipfel sind zackiger, es fehlt ihnen die imposante Ruhe und
die Kuppenform der Granitberge; die Umrisslinien springen jäh und unvermittelt
auf und ab, und das Gestein besteht aus krystallinem Schiefer und uralten
(paläozoischen) Meeresablagerungen, die stark verändert sind.
Ein Ausflug in die Thäler dieses Gebirges eigab denn auch eine reiche
geologische Ausbeute, besonders an den merkwürdigen Gebilden, welche an
der Oberfläche der Kalke durch den starken Temperaturwechsel zwischen
Tag und Nacht, chemische Wirkungen und die mechanisch polierende und ab-
schleifende Wirkung des Windes erzeugt werden. Es ist wunderbar, wie geringe
Unterschiede in der Härte und Abweichungen von absoluter Homogenität der
Gesteine genügen, um die seltsamsten traubigen, schaligen oder löcherigen Ober-
flächenformen entstehen zu lassen. Alle nur um ein geringes härteren oder
kompakteren Gesteinsteile ragen als Erhebungen an der Oberfläche empor, die
weicheren Teile sind dazwischen gerundet und vertieft; wenn man aber ein solches
Gesteinstück zerschlägt, kann das menschliche Auge oder eine flüchtige Härte-
probe auf den frischen Bruchflächen häufig nicht den geringsten Unterschied in
der Härte oder Zusammensetzung entdecken. So sind aus scheinbar ganz ein-
fachen dunkeln Kieselkalken an der Oberfläche gebänderte, punktierte und in der
mannigfaltigsten Weise ausmodellierte Formen entstanden, die alle dunkel braun-
schwarz oder direkt schwarz sind durch die Schutzrinde, mit der sie sich unter
dem Einflüsse des Wüstenklimas umgeben haben und deren Bildung im einzelnen
noch der Aufklänmg bedarf. Die verschiedenartigsten Gesteine bedecken sich
mit einer ganz gleichartigen Rinde, die durch reicheren Gehalt an den oxydischen
Verbindungen des Eisens und Mangans ihre dunkle Farbe und den metallischen
Glanz erhalten, selbst wo der Träger der Rinde fast frei von beiden Stoffen ist.
- 183 -
Besonders ausdrucksvoll hat der Meissel des Windgottes da gearbeitet, wo
schon im Gesteine selbst grössere Härteunterschiede vorhanden waren und
weiche Teile sich leicht herausschleifen und wegführen liessen; das ist z.B. der
Fall bei einzelnen Lagen in den Kalken, die den Charakter von Konglomeraten
und Breccien haben, also schon von Natur aus der Zersetzung den ver-
schiedensten Widerstand bieten müssen.
Und wie die kleinen Schichtflächen im einzelnen, so zeigen auch die hohen
Berggipfel besondere Formen. Sind doch die Schichten alle aus ihrer einstigen
horizontalen Lagerung aufgerichtet und vertikal aufgetürmt, so dass die Schich-
tung stark gestört ist; es haben sich Risse und Spalten gebildet, an welchen
grosse Stücke sich verschoben haben; eckige, zackige Reste stehen noch hoch
oben in den Lüften, und ihr Abfall ins Thal ist jäh und unvermittelt Die
Thäler selbst sind ganz mit schwarzen Trümmern ausgefüllt, auf denen wenige
Sträucher nur kümmerlich fortkommen. Alles ist starr, kalt und tot, selbst
die Farbe passt fiir ein Grabgewölbe. Kein Tier regt sich und nur der klare
Himmel verrät uns, dass wir uns nicht in den schwarzen Felsenhallen der Unter-
welt befinden.
Am Ausgange des Thaies bot sich eine weite Aussicht über das flache
Land, das sich im Süden ausdehnt, und auf ein neues Gebirge, das sich viel-
gipflig und zackig vom fernen Horizont abhebt. In der weiten Ebene zu unsern
Füssen gegen Süden war zumeist nur wieder Schotter und Flussgeschiebe von
grossen, nach Westen fliessenden Strömen, deren Betten aber trocken sind und
ganz leer stehen; nur die Wüstenpflanzen, die auf den weiten, mit schwarzem
Schotter bedeckten Flächen kein Fortkommen finden, sind darin häufiger, be-
sonders Lycium ruthenicum Murr und Dodartia. Einzelne hügelig-wellige Zonen,
über denen sich auch kleine Bergkuppen erheben, sind aus vulkanischen Ge-
steinen und Schiefem zusammengesetzt und unterbrechen etwas die Monotonie
der fast an 60 km breiten Kiesfläche, zu deren Ueberwindung die Kamelkarawane
zwei Tagemärsche nötig hat und ein Nachtlager an einem Platze ohne Wasser
beziehen muss.
Wir zogen es vor, die Kamele einen Tag vorausgehen zu lassen und
mit den Pferden die beiden Tagemärsche der Karawane, zusammen über
60 km, an einem Tage, von morgens bis abends, zurückzulegen. Vorher aber
hatten wir noch eine unangenehme Nacht zu überstehen. Als wir abends nach
schon eingebrochener Dunkelheit den Lagerplatz IX am Südfusse des Gebirges
glücklich gefunden hatten und eine Höhle im Tbone entdeckten, die einigen
Schutz gewährte, war bei fortwährend gleich bleibendem Nordostwinde die
Temperatur unter o® gesunken, und in dem leichten Zelte aus Segeltuch
machte sich die Kälte recht fühlbar. Die Karawane kam erst viel später,
wie gewöhnlich in der Nacht, an, so dass wir uns mit den auf den Pferden
mit vorausgenommenen Decken, Mänteln und einem kleinen Zelte behelfen
mussten. Die Kosaken und unsere andern Leute schliefen in der Erdhöhle
— i84 —
und hatten daran sehr wohlgethan, denn in der Nacht brachte der Wind Schnee,
den er mit grosser Wucht überall hineinfegte, so dass unsere Sachen zum Teil
im Zelte mit Schnee bedeckt waren. Am Morgen war zwar nicht alles weiss,
da der Wind den Schnee von allen glatten Stellen vertrieben hatte, aber an
geschützten Plätzen lag er bis lo cm tief. Die Temperatur war in der Nacht
auf — 6,25® C. gesunken, und morgens noch war es so kalt, dass wir in unserm
grossen Küchenzelt, wo Feuer aus Kamelmist brannte, Zuflucht suchen mussten.
Nach den heissen Tagen von Hami, mit Nächten, in welchen die niederste
Temperatur + 17^ betrug, und Tagen, an denen sie im Schatten bis auf + 30*
stieg, ein grosser Gegensatz, und das in der Mitte des Mai!
Da bis nachmittags die Kamele sich wieder erholt hatten, konnte deren
Aufbruch erfolgen. Wir holten sie am andern Tage auf ihrem Lagerplatz,
mittags gegen i Uhr, ein und rückten dann zusammen weiter, immer über unab-
sehbare Schotterflächen, die sich langsam nach Süden gegen das Gebirge
hin in die Höhe zogen. Nur das Erscheinen einiger wilder Esel und Gazellen
(Gazella gutturosa Fall.) brachte etwas Abwechselung in den langen Ritt, der
bis abends 8 Uhr währte und hinter den ersten Vorbergen des Gebirges im
Süden, auf einem mit Lehm und Steppengras bedeckten weiten Flatze, an
dem sich auch Wasser fand, endete. (Lager X.) Abends wurde es wieder
empfindlich kalt, das Thermometer sank auf — 4® C, und auch am Tage wurde
es nicht recht warm; betrug doch auf der Mittagsstation die Wärme nur
|- 13® C , und am Tage zuvor im Maximum nur + 5,5° C. (siehe umstehende
Abbildung und Tafel XIII.)
Der Lagerplatz (X.) lag im ganzen recht geschützt; die hohen Berge des
Südens waren ganz nahe, und gegen Nordwesten wie Nordosten legten sich
einige niedere Bergzüge der Windrichtung entgegen. Der Raum dazwischen ist
eine Aufschüttungsebene, die nur aus Gesteinsfragmenten besteht, welche das
fliessende Wasser von allen Seiten von den Bergen heruntergefiihrt und in
den Niederungen angesammelt hat. Das gröbere Material liegt mehr in der
Nähe des Bergfusses, das feinere, wozu namentlich der Lehm gehört, ist in
der Mitte abgelagert. Hier findet sich in einer flachen, muldenartigen Vertiefung
das Wasser. Ringsum auf der Lehmfläche stehen auf Hügeln kleine Sträucher,
besonders solche von Tamarix, und hohe Gräser, zwischen deren alten, gelben
Halmen sich schon frische grüne Triebe am Boden zeigen.
Hier erlag den Strapazen der letzten Reisetage und den ungünstigen Witte-
rungsverhältnissen ein kleines, erst wenige Wochen altes Kamel, das bis vor
wenigen Tagen von seiner Mutter auf dem Rücken getragen wurde, in den letzten
Tagen aber hatte gehen müssen und offenbar der Anstrengfung noch nicht ge-
wachsen war. Die Klagelaute der Mutter begleiteten nun mehrere Tage lang jeden
Schritt der Karawane und raubten uns auch einen guten Teil unserer Nachtruhe.
An diesem schön gelegenen Funkte war unseres Bleibens nur kurz;
schon mittags ging es weiter, zwischen dem östlichen Ende des hohen Granit-
TAFEL XIII.
- iSs -
Stockes im Süden und niederen Schieferbergen hindurch nach einem kleinen
Passe, und von da hinab auf eine nach Süden hinabziehende Hochfläche,
wetche eine grossartige Aussicht bot auf eine noch ferne, hohe, im Süd-
westen gelegene Bergkette und altvulkanische Berge mit kuppenartigen Umriss-
formen im Osten. Die ganze grosse Hochfläche ist auch hier aus Schutt der
Gebirgsabtn^ng gebildet und es finden auf ihr zu Zeiten einige kleine Flüsse
einen südlichen Abfluss; infolge davon ist überall etwas Vegetation und nur die
Bci^ehängc sind kahl, steinig und schwarz.
Der Weg windet sich zwischen den Hügeln des Schiefer- und Kalkgebirges
durch und folgt einem nach Ostsüdost ziehenden Längsthaie, auf dessen südlicher
Lagerplati X Iti der mittleren. gebiritigeD Zone der Wttite Gobi.
Seite nur geringere Berghöhen liegen, während auf der Nordseite höhere Gipfel
hinter der ersten niedereren Bergreihe aufsteigen. Diese massigen Berge sind
Teile einer grossen, aus Schiefern und alten Sedimentärgesteinen bestehenden
Gebirgskette, die noch weit nach Osten hin die Gobi durchzieht und recht
beträchtliche Höhen erreicht; so erheben sich hier schon einige Berge, deren
Höhe mit 700 m von der Thalsohle aus nicht zu hoch angenommen sein dürfte.
Abends erreicht man von neuem eine schutterfüllte Ebene, auf welcher das
Gefalle der trockenen Bachbetten nach Süden gerichtet ist. Etwa 5 km vom
Gebirge liegt eine Lehm- und Grasfläche die auch Wasser enthält und zum Lager-
platze dient. (Lager XI, 1960 m.)
Der weitere Weg am folgenden Tage bot ähnliche Landschaftsbilder;
von Südwesten überragten immer noch die fernen, hohen Bei^c die niederen
— I8ö —
Hügel aus altvulkanischen Gesteinen oder Schiefern, welche da und dort aus
der ebenen Fläche von Granitgrus oder Schotter emporstiegen, und auch in
der entgegengesetzten Richtung lagen hohe Gebirgsketten, die nach Osten höher
und mächtiger wurden. In dem Grani^ebiet, das auf grosse Strecken hin die
gegen Ost ansteigende, vom Wege durchzogene Flache bildet, liegen kleine,
flache, kuppenförmige Hügel von der roten Farbe ihres Gesteines, und weiter
im Osten ebensolche Hügel aus altvulkanischen Gesteinen. Zwischen ihnen
windet sich der Weg durch das ganz vegetationslose Hügelland. Erst, wo er
einem kleinen Längsthal folgt, zeigt sich wieder Pflanzenwelt, und gelb blühende,
pfriemenartige Sträucher erfüllen die kleinen Nebenthälchen. An solchen Stellen,
wo neben Caragana pygmaea. De. var. grandiflora Max und Arnebia ümbriata
Max auch vielfarbige Primeln und eine gelbe Lycium-Art blühen und alles
GraDlthDKel urtschen Lager X und XI. Mittlere, berüif^e Zodc der WUste Gobi.
grün i^t, fällt es schwer, zu glauben, dass man sich mitten in der Wüste Gobi,
der gefurchteten, wasserlosen Stein- und Felseinöde befindet.
Dass in der That hier die Bedingungen für die Ermöglichung von An-
siedelungen gegeben waren, zeigen die zerfallenden Reste von Gebäuden einer
grösseren Station, die nicht weit von dem erwähnten Thälchen im Südosten
liegen. Auf den nicht sehr hohen, vulkanischen Bergen steht noch eine grosse,
aus Backsteinen errichtete Pyramide als Wegsignal, und am Fusse, wo sich in
breitem, grasbedecktem Thale auch Wasser findet, sind noch die Umrisse einer
Anzahl von Gebäuden, fünf Pfeiler, das charakteristische chinesische Wegezeichen,
sowie auf einem kleinen Hügel die Reste eines kleinen Tempels erhalten.
Aber das Wasser ist schlecht und salzig, so dass unsere Karawanenfuhrer
es vorzogen, an diesem an und für sich geeigneten Platze nicht zu bleiben,
sondern noch einige Kilometer weiter zu ziehen, nach einer Stelle, an welcher
in einem trockenen Flussbette sich besseres Wasser findet. Bis vor zwanzig
- iS7 -
Jahren war jene Stelle bewohnt und dauernd von Leuten besetzt; dann aber
versiegte das Wasser oder wurde salzig, so dass man den Ort verlassen
musste.
Auch an manchen andern Stellen 6ndet man hier längs dieses Weges in
der Wüste die Reste von Ansiedelungen und Stationsgebäuden, die längst aus
ähnlichen Gründen verlassen sind. Man könnte, wenn diese Erscheinung des
Versiegens und Salzigwerdens des Wassers sich allgemeiner in der Wüste nach-
weisen Hesse, daraus schliessen, dass das Klima trockener geworden ist und der
Wüstencharakter zunimmt, so dass der siedelungsfähigen Stellen immer weniger
werden, wie dies an andern Stellen der Wüste durch Flugsande und Dünen,
welche auf bebautes Land hereinbrechen, der Fall ist.
Gebirge der mitdeieD, gebirgifren Zone der Gobi im SUdosteD von Lager XI.
Uebrigens hat das ganze Thal in der Umgebung jener alten Station, wie
auch noch einige kleinere, seitlich davon nach Osten gelegene Thäler, in deren
einem wir bei gutem Wasser unser Lager pCII.) aufschlugen, reichlichen Gras-
wuchs und Sträucher, so dass für Pferde wie Kamele genügend Nahrung vor-
handen ist. Der Fluss, an dessen trockenem Bette wir lagerten, wird auf seinem
linken Ufer von einem niederen Höhenzuge aus vulkanischen Gesteinen be-
gleitet, der absolut kahl und vegetationslos ist; jenseits desselben liegt wieder
ein sehr breites Thal, das aus dem Nordosten herabkommt und aus dessen
Schotterdecke an mehreren Stellen die steilgestcllten Schiefer des anstehenden
Gesteines zum Vorschein kommen; Wasser führt es an der Oberfläche nicht,
aber das reichliche Pflanzenleben zeigt, dass es nicht zu allen Zeiten gänzlich
daran mangeln kann. Auf der Östlichen Thalseite erheben sich von neuem
— i88 —
hohe Berge, die besonders in den nördlichen Ketten g^rössere Höhen erreichen
und sich durch schroffe und zackige Umrissformen auszeichnen.
Der Weg zwischen diesen Gebirgen hindurch ist sehr romantisch. Auf
den schmalen Thalböden fehlt jede Vegetation, und selbstverständlich ist auch
nirgends Wasser vorhanden. Dafür aber glänzen die schwarzen Flächen der
Berghäupter und Felsenspitzen in der Sonne, wie wenn sie mit Erz gepanzert
wären, und die unheimliche Ruhe im Thale, in das kein Sonnenstrahl dringt,
mahnt an ein steinernes Grab. Nach kaum einer Stunde liegt diese Felsen-
einsamkeit hinter uns; der Weg tritt hinaus auf eine sonnige Thalfläche und
eine grosse Schotterebene, welche dem Südabhange der hohen, nach Osten
ziehenden Berge folgt. Der Weg führt auf ihr in südöstlicher Richtung dahin
und unvermittelt steigen zur rechten Seite aus dem flachen Schuttlande kegel-
förmige, isolierte Bergkuppen auf, welche durch alte, vulkanische Kräfte erzeugt
sind. In der Abendbeleuchtung hoben sich die grossen Bergketten im Norden
scharf und schwarz vom Himmel ab, und aus der schon mit Dunkelheit über-
gossenen Ebene ragten die einzelnen Vulkanberge gespenstisch vergrössert auf
So ist denn die Wüste keineswegs immer so abschreckend, wie man sie sich
vorzustellen geneigt ist, und wenn man sich gewöhnt, eine salzige Suppe aus
drei Wochen altem Hammelfleisch als Hauptnahrung zu geniessen und noch Ge-
schmack daran zu finden — oft findet man mehr daran als dem Vorräte entspricht — ,
so lernt man sich auch freuen an Landschaftsbildern ohne Wasser und Bäume.
Auf der Hochfläche mit Schottern liegt an einem kleinen trockenen
Wasserlauf, etwa lo km vom Gebirgsrande entfernt, wie immer auf Lehm-
boden mit Gräsern und Wasser, unsere Station, die dreizehnte seit Hami.
(Lager XIII, 1670 m). Wenn die Zahl dreizehn eine Unglückszahl ist, so hat
sie bei uns eine Ausnahme von der Regel gemacht; denn sie war eine der an-
genehmsten Stationen auf dem ganzen Wege durch die Gobi. Schon abends
bei der Ankunft erfreute unser Mongole uns durch die Nachricht, dass er nicht
weit entfernt einen wilden Esel geschossen habe, der abzuholen und abzubalgen
war. Auch ich hatte am folgenden Tage bei einem herrlichen Ausflug tief in
die Thäler der nördlichen Bergkette reiche, geologische Ausbeute und viel Ver-
gnügen an der Jagd auf wilde Esel und Gazellen, sowie an den zahlreichen,
blühenden Sträuchem und dem Frühjahrsschmucke der Thäler. Zwischen den
Vorbergen und bis tief in die Thäler des hohen Gebirges hinein fanden sich
zahlreiche, frische Spuren der wilden Esel und auch solche von Bergschafen
mit grossen, gewundenen Hörnern (Argali), auch viele Vögel, Berghühner und
Hasen hielten sich hier auf. Die Thäler sind gänzlich unbewohnt, und ausser
Wildpfaden fuhren keine Wege in sie hinein oder von einem in das andere.
Ueberall auf den Thalböden wachsen Sträucher und saftige Gräser, welche die
Tiere lieben und bis weit hinein aufsuchen. Ich folgte einem solchen Thale^
soweit noch überhaupt eine Thalsohle vorhanden war, auf der man reiten konnte.
Die Berge mit ihren dunkelbraunen und schwarzen Felsenmassen hatten im
Schf^tne der Sonne am späteren Nachmittage einen warmen, braunen Farbenton,
der mit den blühenden Sträuchern und dem dunkeln Thalboden harmonisch
zusammenstimmte. Die Luft war angenehm mild und der stete Wechsel der
Landschaft machte es zu einem wahren Genuss, hier mehrere Stunden umher-
züstreifen. Ich kam bis ganz in die Nähe der hohen, zentraler gelegenen
Gipfel, an welchen jede Vegetation aufhört, und deren von Wind und Wetter
geglättete Felsen jäh gen Himmel ragen; nur die unverwüstlichen gelben und
schwarzen Steinflechten gehen auch hier noch in den Fugen der Felsen weiter in die
Höhe und trotzen den, nach ihren Spuren zu schliessen, wild tobenden Elementen.
n«bir);e im NorJcD yod Ijaßer XIII und Trockenlhnl auf der Scholterflüche
in der mittleren, g'ebirgtgen Zone <ler GobL
Diese Bergkette, die vierte, die wir seit dem Eintritt in den gebirgigen
Teil der Gobi passierten, besteht zum grössten Teile aus dichten, grünen Gesteinen
von altvulkanischem Ursprünge, zum geringeren aus krystallinischem Schiefer;
sie erstreckt sich, weithin sichtbar und mit noch höheren Gipfeln, nach Osten
und ist die letzte der höheren Ketten, welche den mittleren Teil der Gobi
durchziehen. Noch weit im Süden, wenn man schon mehrere Tagereisen von
ihr entfernt ist, sehen ihre hohen Gipfel aus dem Norden über die niedrigeren
Höhenzüge hinweg, und mancher Karawanenkuli, der im Süden im Sande und
in der Hitze sitzt, mag der kühlen Bei^luft und der schönen Reisewege dort
gedenken, wenn er überhaupt Sinn für Natur hat; sonst denkt er jedenfalls an
das bessere Wasser und die kürzeren Tagemärsche, wobei es weniger Staub
zu schlucken giebt.
— J90 —
Weiter und weiter nach Südosten ging der Weg auf sanft abfallender Kies
fläche dahin, durch die trockenen Betten mehrerer grosser Wasseradern, die sich
nach Südwesten und Westen wenden. Hier hat man die beste Gelegenheit,
den richtigen Charakter der Kieswüste kennen zu lernen; denn eine solche
ist der weitaus grössere Teil des Gebietes. Die spärliche Vegetation ist auf
die gelegentlich Wasser fuhrenden, zu dieser Jahreszeit trockenen Thalwege
beschränkt, die lO — 20 m tiefer liegen als die übrige Kiesfläche; sonst breitet
sich nach Süden nur einförmig und gleichmässig die dunkle SchotterAäche
aus, der die Sonne an den ihr Licht reflektierenden Stellen metallischen Glanz
verleiht An der Oberfläche liegen nur schwarze Geateinsstücke, obwohl darunter
der Boden infolge starken Lehmgehalts weich ist und der Huf des Pferdes
TrockenÜial auf der Schot terfläche bei Lajtcr Xlll. — Mltllece, gebirgige Zone der Wüste Gobi.
oft einsinkt. Der Wind hat alle die feinen Lehm- und Staubteilchen von der
Oberfläche weggetragen und nur die grösseren Gesteinsstücke liegen lassen,
welche nun auf grosse Strecken hin gleichmässig den Boden bedecken. An den
Abhängen, gegen die jungen Thalläufe hin, kommen oft lehmigere Schichten
zu Tage und stellenweise auch rote Thone, wie sie den jüngsten Bildungen
des Tertiär im Han-hai eigen sind, wo noch in ganz junger, geologischer Ver-
gangenheit grössere Teile des Tarimbeckens imd der Gobi von Süsswassern
bedeckt waren, von denen wohl manche Seen, z. B. der Lop-nur, noch Ueber-
reste sind.
Je weiter wir uns vom Gebirge entfernen, um so mehr verschwinden die
kleineren Vorberge, und nur die Hauptkette selbst im Norden liegt noch im-
posant und majestätisch vor Augen.
— 191 —
Bei Beginn des Marsches über die Kiesfläche hatten wir eines jener Un-
wetter zu bestehen, die, von Westen kommend, drohende, unheilschwangere,
schwarze, dichte Wolkenmassen herbeiführen, die Sonne und die Luft ver-
finstern und das Schlimmste zu verheissen scheinen. Es rast der Wind, der
dichte Staub schwirrt durch die Luft und der Reiter muss absteigen, um in der
gänzlich ebenen Fläche wenigstens hinter seinem Pferde etwas Deckung zu
suchen. Das dauert aber nur wenige Minuten; nach dem ersten Stosse lässt
die Gewall des Windes so weit nach, dass man weiter reiten kann, und wenn
er auch heult und tobt und am Boden den Sand und Staub klirrend dahinfegt,
so ist es doch nicht kalt; die Sonne lacht zwischen den Lücken der Wolken
hervor und der schwere Wolkenbruch, den diese letzteren zu verheissen schienen,
ist mit einigen grossen, aber spärlichen Regentropfen abgethan, die nicht einmal
LaeerplaU Xlll und allvalkimlBche Hügel im Süden davon. — Mittlere, Kebirgige Zone der WÜBle GobL
genügen, um die Oberfläche ganz zu benetzen. Es wird wieder heller, die
Wolken jagen in wildem Fluge vor uns dahin, der Wind lässt nach und damit
ist der ganze Sturm in ein bis zwei Stunden vorüber, ohne wesentlichen Auf-
enthalt verursacht zu haben. Es geht indessen nicht überall so glimpflich ab
wie hier auf der Kiesfläche, auf welcher der Wind nur wenig bewegliches
Staubmaterial weit und breit findet; wo ausgedehnte Lehmmassen oder gar
Sand die Bodenoberfläche bedecken, sind solche rapiden Winde äusserst un-
angenehm und oft sogar den Karawanen gefahrhch.
Unser nächstes Lager (XIV) wurde an einem Punkte in der Kiesfläche auf-
geschlagen, an welchem zwei grössere Thäler, eines von Nord und eines aus
Nordost, zusammenmünden. An der Vereinigungsstelle gaben einige isolierte
Teile der hohen Thalseiten Gelegenheit zu einem grösseren Baue, der jetzt aber
auch verlassen und im Zerfalle ist, obwohl sich auf der Lehmdecke des west-
licheren Thaies gutes Wasser findet. Vielleicht ist dies nicht zu jeder Jahres-
zeit der Fall, und es mag dieser Umstand zum Aufgeben der Station geführt
haben, wie wir das schon einige Tage vorher an einem noch grösseren Komplexe
— 192 —
von Gebäuden angetroffen hatten. Von der Höhe der Schotterterrassen aus
übersieht man nach Süden ein weites, breites, trockenes Flussthal, in welches
die obengenannten Flussläufe einmünden, und das nach Westen weiter geht.
Auf seinem südlichen Ufer liegen einige unbedeutende, hügelartige Erhebungen
in grosser Ferne; aber sonst ist nur Kiesfläche und Schotter weit und breit
zu sehen.
Unser Weg führte von da in südöstlicher Richtung lange Zeit fast nur
über ältere und jüngere Kiesflächen; die niedere Granithügel-Landschaft mit
ihren charakteristischen runden Buckeln und wollsackartigen Formen war bald
durchzogen. Manche der kleinen Hügel sahen aus, als wären sie mit Salz oder
Zucker überstreut; diese Erscheinung rührt davon her, dass der weisse Quarz im
Granite zahlreiche Gänge bildet, die an der Oberfläche unter dem Einfluss der Hitze
und Abkühlung aufblättern und so die Abhänge mit ihren Splittern überschütten;
meist sind aber die kleinen Berge dunkel, teils von dunkeln Ausscheidungen im
Granite selbst, teils von dunkeln Eruptivgesteinsgängen und Schutzrinde.
Am südlichen Ausgange aus den Hügeln auf eine gegen Süden hin ab-
fallende Fläche, die aus feinem Zersetzungsmaterial des Granits, sogenanntem
Granitgrus und Gerollen, besteht, fanden sich die Spuren von alten, kleinen
Schachten. Sie sind von Goldsuchern angelegt worden, die goldführende
Gänge im Granite vermuteten. Lohnend scheint ihre Arbeit aber nicht gewesen
zu sein, denn eine kleine Hütte war längst zerfallen, die Bauten zusammen-
gerutscht, und das Gestein erwies sich als eine taube, gangartige Masse mit
zersetztem Eisenkiese. An andern Stellen, weiter im Osten, in derselben Kette
von granitischen Gesteinen, soll wirklich Gold gefunden werden, das nach
Analogie mit diesen Verhältnissen hier aus goldhaltigen Pyriten (Eisenkiesen) in
Quarzgängen des Granites stammen dürfte.
Der Weg von den Granithügeln abwärts zieht sich endlos dahin; man
sieht von der Höhe herab in der Ferne einen Fluss mit steilen, hell leuchtenden
Uferwänden und auf seiner andern Seite auch Baumgruppen in grösserer Zahl
und Erstreckung sich hinziehen; ein ganz befremdender Anblick in der Wüste.
Wir erreichten die Nähe des Flusses erst abends, als schon wegen Ein-
bruches der Dunkelheit nichts mehr zu sehen war; ehe wir aber unsern Lager-
platz erreichten, hatte ich noch einen unangenehmen Zwischenfall zu über-
stehen. Ich kam abends gegen 8 Uhr mit meinem Kosaken allein in der Nähe
des Flusses an; vier Mitglieder der Expedition waren einige Stunden voraus,
weil ich mich bei den Goldgruben lange aufgehalten hatte, und die Karawane
musste bei ihrem langsamen Tempo noch viele Stunden zurück sein. Man hatte
mir gesagt, der Stationsplatz sei nicht ferne, etwa 25 Kilometer weit, und wir
waren schon weit mehr als diese Zahl geritten, als der Weg sich teilte; ein
Zweig ging gerade aus, in der bisherigen Richtung auf einige in der Ferne noch
sichtbare Gebäulichkeiten zu, die sich später als Reste alter Befestigungen er-
wiesen, der andere Zweig führte links in einiger Entfernung vom Flusse an
— 194 —
Ich nahm den Kosaken wieder mit, und nach einer weiteren Viertelstunde
sahen wir endlich einen Lichtschein aufblitzen. Das war aber noch nicht der
eigentliche Lagerplatz, sondern ein Mongole, den man uns entgegen geschickt
hatte, damit wir den noch über fünf Kilometer entfernten Lagerplatz fänden.
Diese Vorsicht erwies sich als sehr nützlich, denn so weit wären wir auf keinen
Fall mehr geritten. Die Station selbst lag in einer Vertiefung des hohen Fluss-
ufers am Flusse selbst, wo wir sie wahrscheinlich auch nicht gefunden hätten.
Wir waren herzlich froh, als wir beim Thee und Abendbrot das Eintreffen der
Karawane, die erst um Mitternacht kam, abwarten konnten, statt ins Ungewisse
hinein in der Wüste umher zu irren.
In der Nähe des Lagerplatzes sah die Umgebung am andern Morgen gar
nicht so wüstenartig aus, wie es am Abend den Anschein gehabt hatte. Der
Fluss machte zwischen den 20 m hohen, senkrechten Uferwänden, die zwischen
sich und ihm noch viel freien Raum Hessen, grosse Biegungen und Schlingen
und wir hatten bald eine zum Baden geeignete Stelle gefunden. Wenn das
Wasser auch ganz braun und trübe war, so gewährte doch ein Bad, das mittags
die Temperatur von + 16® hatte, nach wochcnlanger Entbehrung eine grosse
Erquickung, die wir jeden Tag, so lange wir noch am Flusse entlang zogen,
in vollen Zügen genossen.
Dieser Charakter des Flussthaies stimmt nicht mit der Beschreibung, die
Grum Grschimailo vom Su-Iai-ho oder Bulundsir-gol giebt, und doch kann dieser
Fluss, dessen Name mir als Surin-gol genannt wurde, nur zu jenem Flusse ge-
hören, beziehungsweise ein weiter nördlich fliessender Arm von jenem sein.
Auf der gegenüber liegenden Seite waren grosse Haine mit grünen Bäumen und
Sträuchern; auch Häuser und Weiler mit Kulturland sahen wir nach langer
Zeit hier wieder. Leider führte unser Weg als gewissenhafter Karawanenweg
nicht bis an die Bäume und Ansiedelungen heran, die ausschliesslich auf dem
linken Ufer lagen, sondern hielt sich auf der rechten Seite, wo nur Lehm mit
Gräsern oder Sand vorhanden war.
Wir schlugen unser nächstes Lager XVI (1400 m), siehe Tafel XIV, auf
einem hoch gelegenen Lehmplateau auf, das eine gute Uebersicht über den Fluss
und die Ansiedelungen des andern Ufers bot. Der Fluss ist hinreichend tief,
um darin schwimmen zu können, und hat an seinem Boden meist feinen,
weichen Sand und Schlamm. Sein Bett schneidet fast 20 m tief in die Lehme
und Sande ein und ist viel breiter angelegt, als es der heutigen Stärke des
Flusses entspricht. Das grosse Thal mit den steil abstürzenden Ufern macht
Windungen und grosse Schlingen, wie sie der Fluss auch heute noch unten am
Boden beschreibt; aber die Windungen unten entsprechen durchaus nicht immer
den grossen Ausweitungen der Steilufer. Man erkennt daraus, wie wechselnd der
Lauf des Flusses ist und wie oft er sein Bett verlegt.
Wir machten an dieser Stelle Halt, weil von hier aus eine kleine Stadt
oder, besser gesagt, ein Wüstendorf, das Sado-gu. heissen sollte, in 10 km Ent-
— 195 —
fernung gut zu erreichen ist und wir unsere Vorräte ergänzen mussten.*) Vor
allem that frisches Fleisch not; denn mit unserer spartanischen Hammelsuppe
war kein längeres Auskommen mehr; auch die Eier waren schon lange schlecht
geworden, und unsere Konserven mussten für Tibet aufgehoben werden, nur ab
und zu gab es Kakao oder sonst etwas Besseres. Auch sollten einige erschöpfte
Kamele gegen neue umgewechselt werden, und da diese von weit hergetrieben
werden mussten, hatten wir zwei Ruhetage, die wir sehr nötig brauchten, um
mit rückständigen Arbeiten aufzuräumen.
Das Wetter war warm und im allgemeinen, bis auf einen Staubsturm,
nicht zu windig; aber die Luft war trübe und gestattete keine Fernsicht. Ein
Staubsturm, der am 28. Mai sich erhob, war der schlimmste, den wir in der
Gobi erlebten; er kam ganz plötzlich nach einem schönen Morgen, der eine
solche Tücke des Wetters gar nicht ahnen liess, gegen 2 Uhr aus Nordwesten
herauf. Zuerst war es windstill und schwül, und nur am nordwestlichen Horizonte
stiegen Staubwolken auf, so dass es aussah, als ob dort die Steppe in Brand
stände. Diese braunen Wolken kamen näher und schon fegten in der Ent-
fernung Staubschwaden mit Windeseile am Lager vorbei. Bald brach es auch
über uns los, und nun nützte kein Schliessen der Thüren und Fenster an den
Zelten; überall drang der feine Staub herein und legte sich wie ein Schleier
über alle Gegenstände; selbst die wissenschaftlichen Instrumente in ihren guten
Futteralen waren vor ihm nicht sicher. Es waren immer nur einzelne Stösse,
welche so kräftig den Staub überall hineindrängten; dazwischen trat dann wieder
verhältnismässige Ruhe ein, bis zu einem neuen Stosse. Die Luft war warm,
vom Himmel schien die Sonne, die zeitweise ganz durchdringen konnte, und
freute sich des Spieles von Wind und Staub, dessen gänzlich wehrlose Opfer
wir und unsere Sachen waren. Nach einigen Stunden wurde der Wind schwächer
. und hörte gegen 5 Uhr ganz auf; gleichzeitig begann das Barometer zu steigen
und als um 6 Uhr Ostwind einsetzte, wurde die Atmosphäre frischer und an-
genehmer. Dieser trieb zunächst den noch von vorher aufgewirbelten Staub
vor sich her und in der Richtung zurück, aus welcher er gekommen war; dann
wurde es etwas kühler, die Sterne erschienen am Himmel und es brach eine
wunderbar schöne Nacht an, die der Halbmond erleuchtete, während der Wind
zu einem leisen, kaum fühlbaren Hauch sich milderte. Die Luft war durch
das Staubbad, wie es schien, gereinigt, denn sie war so klar wie nie zuvor;
unten blinkte der gurgelnde Fluss im Mondenscheine, und die dunkeln Baum-
gruppen am jenseitigen Ufer hoben sich phantastisch gegen den Nachthimmel ab.
Der folgende Tag, der 29. Mai und Pfingstsonntag, brachte eine aller-
liebste Pfingstüberraschung. Als ich morgens aus dem Zelte trat, traute ich
Gram Grschimailo zitiert einen Landstrich mit Oasen im Süden des Su-lai-ho, der den Namen
Ssan-dao führt und eine ^gleichnamige Stadt enthält; wahrscheinlich ist Ssan-dao das Sado-goi unseres
Dolmetschers.
13*
— ig6 —
meinen Augen kaum, als ich vor mir gegen Süden, wo wir während der vor-
hei^ehenden Tage nur einen dunkeln, massig hohen Bergzug in verschwommenen
Umrissen gesehen hatten, ein hohes Gebirge mit schneeg^änzenden Häuptern
aufragen sah, das aus dem Westen bis in den fernen Osten in gleicher Gross-
artigkeit reichte und uns eine ganze Eis- und Schneewelt vor Augen stellte.
So näherten wir uns denn allmählich dem Ziele unserer langen Reise, die
schon über ein halbes Jahr gewährt hatte; hier lag es sichtbar vor uns, das
tibetanische Hochland mit seinen hohen schneebedeckten Wächtern. Die
Thal de« Floaira Su-lal-hu bei Lager XVI. Südliche Zoae der Wiltte GobL
niedere, dunkle, breite Fläche mit kleinen Bergketten im Vordergrunde, die noch
der Gobi angehört, bildet einen wirksamen Gegensatz zu den entfernten Hoch-
gipfeln, die sich wie von einer dunkeln Folie glänzend weiss abheben und in
herrlicher Farbenharmonie mit dem zarten Blau des Himmels verschwimmen.
Sehnsüchtige Blicke gehen hinüber zu dem herrlichen Alpenlande, wo wir hoffen,
in kühler Luft, bei sprudelnden Gebirgsbächen und in grossartiger Umgebung
unsern Sommer zuzubringen. »Glückauf* denn ihr Berge, in wenigen Wochen
werden wir bei euch sein!
Zunächst aber führt noch die Wüste Gobi das Regiment, und der am
Pfingstsonntag mittags angetretene Weitermarsch war bei herrlichem Wetter
recht tropisch heiss. In den gras- und schilfreichen Niederungen auf den hohen
Flussufern aus heissem Lehm und Staub ging es langsam vi>rwärts in Windungen,
— 197 —
immer hin und her, um sumpfigen Stellen auszuweichen. Da wir zwischen den
Sand- und Vegetationshügeln (siehe Tafel XV) den Weg ohne Führer nicht er-
kennen konnten, mussten wir den Schritt unserer Pferde dem der Kamele
anpassen und bei der Karawane bleiben. Allmählich entfernten wir uns immer
weiter von dem Flusse und näherten uns einem kleinen, hügeligen Höhenzuge
zu unserer Linken, längs dessen wir in östlicher Richtung weiter zogen bis
wir um 8 Uhr abends einen kleinen Fluss mit fliessendem Wasser erreichten.
Am Ufer standen Bäume und mehrere Höfe und Ansiedelungen. Doch war
hier trotz der sj^äten Stunde unseres Bleibens noch nicht; aus der Dunkel-
heit tauchten kleine Hügel auf, denen wir zuritten, und gegen 9 Uhr erreichten
wir die zerfallenden Reste der Gebäulichkeiten einer ehemaligen Station mit
fünf grossen Pfeilern als Weg- und Stationszeichen auf dem weithin sichtbaren
Grate eines Hügels. Gleich östlich dieser Hügel ist eine chinesische Ansiede-
lung mit Wasser und Bäumen, und hier wurde unser Lager (XVII) aufge-
schlagen. Es zeigte sich am andern Morgen, dass die Hügel aus alten
Schiefern und Quarziten bestanden, wie solche kleinen Aufragungen noch
häufiger in diesem südlichen Teile der Gobi sich finden, zusammen mit solchen
aus altvulkanischen Gesteinen.
Auch die folgende Station (XVIII) lag am Fusse eines Gebirges altvulka-
nischen Ursprungs, und auf der dazwischen liegenden, meist mit Gräsern und
Ried bedeckten Fläche befindet sich etwa in der Mitte eine kleinere Wasser-
scheide, von der das Wasser nach Westen und Osten abfliesst. Das herrliche,
nur etwas zu warme Wetter zeigte während des ganzen Tages wieder die
Höhen des Nan-schan und die Eis- und Schneeberge der nördlichen Umrandung
Tibets in unvergleichlicher Schönheit aus der Ferne. In der Nähe und bis zum
Gebirgsfusse sah man nur weite, grau-gelbe Flächen mit Gräsern, oder auch
Stellen mit Sand und Lehm und einige niedere dunklere Hügelzüge von
geringer Ausdehnung, welche die Monotonie der Flächen etwas unterbrachen.
Hier gab es schöne Fasanen (Phasianus torquatus), aber auch eine Unmenge
von Bremsen, welche Pferde wie Reiter empfindlich belästigten.
Von den altvulkanischen Höhen bei der Station ist gegen Norden, also
gegen die Wüste hinein, der Horizont von einer unregelmässig welligen Linie
begrenzt, die aus den kleinen Erhebungen in der östlichen Fortsetzung des schon
mehrfach erwähnten, niederen Granitgebirges besteht; diese hügelige Zone
dehnt sich weit nach Osten und Westen aus und bildet den Beginn der aus
anstehendem Gesteine bestehenden, aus den Schotter- und Kiesmassen auf-
ragenden, gebirgigen Gräte der Erdrinde, deren wir seit Hami fünf grössere auf
unserm Wege gefunden und durchquert haben. Bei der letztgenannten Station
(XVIII) am Fusse eines altvulkanischen Hügelzuges war noch Gelegenheit zu
einer Exkursion in ein aus steil aufgerichteten Schiefern aufgebautes, aus den
Kiesen hervorsehendes, kleineres Gebirge. Damit waren die anstehenden Gesteine
und das feste Erdgerüste in diesem Teile der Gobi zu Ende. Im letzten Teile
- lyS -
der Wüste, an ihrem niedrigsten Punkte, der die Meereshöhe von 1 260 m hat,
giebt CS nur noch weit ausgedehnte Flächen, die mit Kies und Schottern, Sanden
oder auch in einer breiten Zone mit Lehm bedeckt sind.
Lange Strecken waren noch zurückzulegen, auf denen wasseriose Flussläufe
breite Schotterbetten bilden und wo sich auf dem fruchtbaren Boden reiche Oasen
und zahlreiche Ansiedelungen 6ndcn, sobald an einem Funkte Wasser aus dem
Lehm zum Vorschein kommt. An einer solchen Stelle wurde unser nächstes
Lager (XIX) aufgeschlagen. Das Auftreten des Wassers ist dem Umstände zu-
t TamariieeblUcli nud betetü&t» Gehbite
^UiUichi.' Zone der Wüste Gobi.
zuschreiben, dass hier das nördliche Ende der Lehmzone liegt und gleich
nördlich die sandige Zone mit Kies beginnt. Hier kommt reichlich Wasser zum
Vorschein, das offenbar in den Kiesen von Norden her durchrieselt.
Schon ehe man dieses gesegnete Gebiet erreicht, erkennt man an der üppigen
Entwicklung der Sträucher und Büsche auf dem Lehmboden in sogenannten
Vegetationshügeln, dass hier die Bedingungen fiir den Fflanzenwuchs günstiger
sein müssen, aber man ist doch überrascht, so herrliche Baumgruppen, so schön
bestellte Felder und so grosse Ansiedelungen mitten in der Wüste anzutreffen.
Der Umstand, dass sich morgens während eines starken, staubigen Windes
einige Kamele der Karawane zwischen den Tamarixhügeln verlaufen hatten
und nicht rechtzeitig zum Aufbruche gefunden werden konnten, gab uns einen
Tag Aufenthalt und damit die Gelegenheit, diese Oase etwas genauer in Augen-
— 199 —
schein zu nehmen. Ueberall ist das etwa 45 km lange (von Ost nach West) und
4 km breite Gebiet von Bewässerungskanälen durchzogen, die den Feldern das
befruchtende Nass zufuhren. Wo grössere Baumgruppen stehen, sind die Häuser
aus Lehm gebaut, und auffallend ist deren starke Befestigung, wen^tens bei
der Mehrzahl derselben. Eine dicke hohe Lehmmauer umgiebt Haus und Hof
und oft ist noch ein mächtiger Turm dabei. Wieder andere dieser Festungen
sind so angelegt, dass eine starke, etwa 15 m hohe Lehmmauer einen grossen
viereckigen Raum mit einer Anzahl von Wohnhäusern, Wegen, freien Plätzen
und Bäume» umschliesst und so eine Zufluchtsstätte bietet. Derartige viereckige,
von Lehmmauern umgebene Stellen giebt es in der kleinen Oase eine ganze
Anzahl, abgesehen von einzelnen befestigten Höfen. Diese Oase liegt noch im
Bereiche der blutigen Dunganen-Aufstände und erst vor drei Jahren ist hier
zuletzt Blut geflossen. Zahlreiche verlassene und zerfallende Wohnstätten zeigen,
wie hier Tod und Vernichtung gehaust haben.
Plluß und Walie bei I-a^r XIX SUdUchc Zone der Wüele Gobi.
Es wird viel Viehzucht getrieben; schon einige Tage vorher sahen wir
am Surin-gol starke Herden von dunkeln Kühen und solche von Ziegen und
Schafen. Pferde sind selten; es gelang uns nicht, in Sado-gu ein brauchbares
Tier als Ersatz für eines unserer krank gewordenen Tiere aufzufinden. Alle
ländlichen Arbeiten werden mit Ochsen von kleiner, aber gedrungener Gestalt
verrichtet, die mit einem Joche im Nacken vor Pflug und Egge gespannt werden.
Der Pflug ist eigentümlich gebaut. Er hat drei schmale Pflugscharen und
trägt oben einen Kasten, in welchem sich der Samen befindet. Während
der Bewegung des Pfluges gleitet der Samen (Hirse) hinter den Scharen in die
Furchen aus drei entsprechenden Oeffnungen, auf welche er durch Stösse nach
rechts und links am hinteren Ende des Pfluges annähernd gleichmässig verteilt
wird. Mit dieser Einrichtung kann ein Mann zu gleicher Zeit pflügen und säen;
zum Einebnen des umgepflügten Feldes dienen sechsseitige, hölzerne Walzeu,
deren Kanten die weichen Lehmschollen zerdrücken, während durch das Ge-
wicht der Walze der Boden geglättet wird. Die Leute tragen meist nur ein
Beinkleid; der dunkelbraune Oberkörper i,st nackt, und das schwarze, strafl^e
Haar hängt oft wirr um den unbedeckten Kopf; so vemchten sie ihre Arbeit.
Ueberall sah man sie fleissig auf den Feldern an der Arbeit, oder damit be-
schäftigt, Holz von Tamarisken herbeizufahren.
Wenn es nicht an Wasser fehlte, könnte das bebaute Land noch sehr
viel weiter nach Osten ausgedehnt werden; denn an 30 km weit ritten wir
nur durch äusserst fruchtbaren Staub- und Lehmboden, der ganz mit reich
bewachsenen Vegetationshügeln bedeckt war und wie ein Buschwald aussah; es
ist die genügsame Tamariske, welche die Büsche bildet und deren blasse, rote,
neue Sprossen eben zum Vorschein kamen.
Pflügen ili^r und iäender Baai^r bei Lugt-r X1?C SUillichi; Zone der WUste Cobl.
Die Hügel erreichen hier an Höhe und Umfang ungewöhnliche Ausdehnung
(Höhe bis 10 m), wenn man bedenkt, dass das ganze Material derselben vom
Winde fortgetragener und von den Sträuchern festgehaltener Staub ist. Man
hat am Wege ausgezeichnete Gelegenheit, in kleinen Anschnitten die innere
Struktur dieser der Lehmzone eigentümlichen Gebilde zu beobachten, welche,
ihrer Entstehung entsprechend, aus schalig parallel der Oberfläche gelagerten,
von Wurzel werk und abgefallenen Stamm- und Zweigteilchen durchsetzten
Schichten bestehen. Saxaul-Bäume mit mächtigen Wurzeln, wie sie bei Maral-
Baschi am Nordrande des Tarimbeckens ausgegraben und als Brennholz ver-
wendet werden, giebt es zwar hier nicht, aber auch das Tamariskenholz wird
stark und von den Landleuten auf Arben als Brennmaterial eingebracht (siehe
Textfigur auf Seite 198).
Von kleineren, allgemein verbreiteten Pßanzen innerhalb der Zone der
Vegetationshügel ist auch hier ein Strauch zu erwähnen, der Hügel, aber
nur von kleinen Dimensionen, bis '/> "^ Höhe, aufbaut, es ist ein holziger
Strauch mit starken Dornen und kleinen ßlättchen, Lycium ruthenicum Murr,
Die kiesig-sandige Fläche im Süden der Lehmzone ist auf weite Strecken hin
ganz vegetationslos, oder nur an einzelnen Plätzen kümmerlich bewachsen.
VetieliilionshüEel >on T.imarix bei I^ccr XIX.
Südliche Zune der WUste Gobi.
Von Wild war ausser Hasen auf dem Kulturland nichts zu bemerken als
herrliche grosse Fasanen mit blauschwarzem Kopf, weissem Kragen, brauner
Brust, grünhchen, schön schillernden Federn am Rücken und schwarz ge-
bänderten grünlichen Schwanzfedern. In der Lehmzone mit den Hügeln ist
die Tierwelt auch auf einige genügsame Vogeiarten beschrankt; grössere Tiere
kamen mir nicht zu Gesicht.
Dass unter dem Lehm und über dem darunter befindlichen Schotter ein
wasserführender Horizont Hegt, der reichlich Wasser giebt, wo dieses Niveau
an die Oberfläche tritt, zeigt ein an der Grenze von Lehmhügelzone und Kies-
fläche angelegter Brunnen von etwa 4 m Tiefe, der ein gutes Wasser von
-f 9" C. fuhrt. Dieser Brunnen ist eine wichtige Station für die Karawanen,
— 202 —
weil nun eine absolut wasserlose Kiesfläche in einer Ausdehnung von etwa
50 km folgt, die mit den Pferden an einem Tage durchritten werden musste,
nachdem wir eine Nacht an dem Brunnen (Lager XX, 1260 m) zugebracht
hatten. Von 10 Uhr morgens waren wir, mit Ausnahme einer einstündigen Mittags-
pause auf freier Fläche ohne Wasser, unterwegs bis abends 8 Uhr, wo wh* wieder
Hügelzüge mit Thälern und Wasser erreichten. Unsere Pferde hat dieser Tag
sehr mitgenommen infolge der Hitze und des Wassermangels.
Wie der Eingang in die eigentliche Felswüste der Gobi von Norden, so
besteht auch deren Ausgang nach Süden aus enormen Schutt- und Kiesmassen,
welche im Laufe der Zeiten durch die Flüsse aus dem Thien-schan (Karlük-tag)
im Norden und vom mittleren Kuen-lun (Nan-schan) im Süden herabgefiihrt
worden sind. Auf grosse Entfernungen hin tragen diese Flächen keine Vege-
tation, das braune und geschwärzte Gestein liegt zu Tage und nur an Stellen,
an welche bei reicher Wasserführung der Flüsse Wasser hinkommt, stehen
einzelne Büsche von Dornengewächsen. Erbarmungslos reflektiert der nackte
Boden die glühenden Sonnenstrahlen und erhitzt sich schon im Mai an der
Oberfläche bis über 50^ C, so dass sich Sand und Steine heiss anfühlen und
es unerträglich ist, auf dem Sand zu liegen. Die Luft war unbewegt dick und
noch trübe vom Staube, den der Wind am vorhergehenden Tage aufgewühlt
hatte. Die Hitze drückte auf Ross und Reiter und nur langsam kamen die
Pferde vorwärts.
Von der Brunnenstation an ging es noch einige Stunden über eine
stark von Lehm durchsetzte Schotterfläche, eine Art von Uebergangszone
zwischen ausschliesslichem Lehmgebiet und Schotter. Hier waren auch noch
die kleinen Vegetationsbüsche häufiger. Gegen Mittag kamen wir an das
flache, breite Kiesbett eines Flusses, in welchem mehrere Meter hohe Lehm-
schollen und Hügel, die einstige grössere Verbreitung des Lehmes und die
weitere Ausdehnung der Lehmzone anzeigten, wie das schon am Surin-gol
der Fall war. Nachdem aber dieses Flussbett passiert war, stieg der Weg
allmählich und eintönig stundenlang eine fast ganz vegetationslose Schotterfläche
hinauf, und erst der Abend brachte uns in die Nähe von Sanddünen und
Kiesterrassen; die Vorberge des Nan-schan-Gebirges selbst lagen noch viel
weiter im Süden und waren bei der dicken Luft kaum in den Umrissen er-
kennbar, von den Schneegipfeln war überhaupt nichts zu sehen.
Während diese eintönige, heisse, meilenlange Strecke von den Reisenden
im allgemeinen als das am wenigsten angenehme Gebiet angesehen wird, war
hier für den Geologen die interessanteste Arbeit in reichem Masse, und ich
konnte darüber Hitze und Durst, weite Entfernung und Ermüdung vergessen.
Galt es doch, die schönsten Gebilde der Wüste aufzusammeln, welche die
mechanische Thätigkeit des allezeit vorhandenen Windes in Verbindung mit
dem dahinfegenden Staub und Sand, hervorbringt. Schon in der Gobi waren
diese Erscheinungen mehrfach herrlich aufgetreten, aber nur an einer kleineren
- 203 —
Gruppe von Gesteinen, nämlich an den Graniten und verwandten Gesteinen,
an Schiefern und Grauwacken, sowie an den älteren vulkanischen Gesteinen, wie
Diabasen, Porphyren, Melaphyren, Porphyriten etc. Andere recht heterogene
Gesteine, wie sie viele sedimentäre Formationen enthalten, fshlen in der Gobi
vollständig, und somit auch ihre Formenveränderung durch Wind und Staub.
Auf dieser weit ausgedehnten Kies- und Schotterfläche nun aber, im Norden
des Nan-schan, kommen alle die mannigfaltigen Gesteine, welche am Aufbau
dieses Gebirges teilnehmen, natürlich auch als Gerolle in den Schottern vor, und
die Kräfte der Wiiste linden das verschiedenartigste Material vor, an dem sie
Zeugen- Hiii^el aus Lehm bei Luger XIX. Südliche Zone dtr Wüste Gobi.
sich messen können und das sie je nach der speziellen Natur des einzelnen
Gesteines in besonderer Art formen und modellieren. Im Grunde beruht die
ganze schleifende und polierende Thätigkeit, welche Wind, Sand und Staub
ausüben, nur auf den Härteunterschieden; es ist aber ganz erstaunlich, wie
selbst an Gesteinen, die ihrer Struktur nach ganz gleichmässig aussehen, und
deren einzelnen Teilen man keine Härteunterschiede anmerken kann, die Ober-
fläche umgestaltet und mit Runzeln und Höckern, Rinnen und Vorsprüngen,
Zacken und Gräten in den vielfachsten Kombinationen bedeckt wird. Besonders
schön sind Kiesel, Chalcedone und Hornsteine präpariert, deren wechselnde
L^en mit verschiedener Härte auch sich durch die Farben unterscheiden; hier
scheint es fast, als wären sie künstliche Gebilde, bei welchen die vorspringenden
— 204 —
Teile mit einer besonderen Farbe angestrichen worden sind. Manche kompakte,
weisse, dichte Quarz-Gesteine sind schaumig und porös geworden wie Schwämme,
und wieder andere haben eine Oberfläche wie die zerplatzten, splittrigen Laven,
die aus feuerflüssigem Zustande erstarrt sind und deren Gase die Oberfläche
zerrissen haben, jede Art von Schichtung an den Sedimentgesteinen ist heraus-
präpariert. Jede Form der Absonderung oder inneren Struktur, wie Kugeln
oder Stengel, kräftig herausgehoben. Es kommt häufig ein bläuliches, kieseliges
Gestein vor, das Brocken eines weissen Quarzes umschlossen hält; hier sind die
I>urch Sand geichllfFese KieaelgeroUe, iwischen l.ager XX und XXI, Büdliehc Zone der Gobi.
blauen Teile, als die weicheren, entfernt und die hellen Quarze sitzen nur noch
auf Stielen der blauen Masse, eine sehr zierliche Erscheinung, welche im Kleinen
mit den bekannten Erdpyramiden von Bozen verglichen werden kann. Aus
andern dunkeln Quarzen sind traubige, nierenformige Knollen entstanden, welche
fast wie Schlacken aussehen und den Anschein haben, als wären sie ange-
schmolzen. Aus Konglomeraten sind die weicheren Teile entfernt, die härteren
hängen noch zusammen und umschliessen grosse Lücken. Körnige Gesteine, die
zugleich schiefrig sind, wie manche Gneisse und Amphibolschiefer, zeigen auf
einer Seite runde Löcher, auf einer andern, die senkrecht zur ersten liegt,
lange Rinnen; eruptive Gesteine mit grossen Einsprengungen und Kristallen
ohne besondere Härte sind zelHg und wabenartig geworden und selbst bej ganz
— 205 —
harten Gesteinen, wie Graniten, sind die weicheren Feldspate gegenüber den
Quarzen an der Oberfläche vertieft, und haben infolge der Staubpolitur einen
fettigen Glanz angenommen. Hier ist im allgemeinen die Bildung der schwarzen
Schutzrinde, die so ausgezeichnet auf den hervorragenden Felsen der inneren
Gobi und deren Schotterflächen vorhanden war, nicht zu bemerken, wenn
auch einzelne Gesteine infolge der Wüsteneinflüsse an der Oberfläche
dunkler erscheinen. Aber die weissen Kieselgerölle sind trotz der Ver-
änderungen der äusseren Form ganz weiss geblieben und ebenso auch andere
helle Gesteine.
So bietet fast ein jedes Stück auf dieser Kiesfläche ein besonderes Interesse,-
und man könnte mehrere Tage hier zubringen, um die schönsten unter den
schönen auszusuchen und möglichst viele verschiedene Gesteine aufzusammeln.
Der Geologe ist zu bedauern, der hier am reich gedeckten Tisch im Fluge
vorbeieilen muss und nur aufraffen kann, was er gerade am Wege findet. So
ging es mir. In glühender Hitze und im gleichen Tempo wie die Pferde ging
ich über die Steinebene, da kein längerer Aufenthalt möglich war, wollte man
abends die Station erreichen, was bei dem erschöpften Zustande der Pferde
dringend nötig erschien. Indessen brachte ich doch eine reiche Sammlung
schöner Belegstücke zusammen und hatte am andern Morgen noch zur Ergänzung
Gelegenheit.
Wir blieben am Nachmittage doch mehrere Stunden hinter den andern
Expeditionsmitgliedern zurück, und es ging mit den durch die reiche geologische
Ausbeute nicht wenig belasteten Pferden nur langsam weiter, immer und immer
über Kies und Schotter, Schutt und Steine. Erst gegen Abend erreichten wir
einige kleine Sandhügel, die etwas höheren Hügelzügen vorgelagert sind, auf
diesen letzteren erhoben sich mehrere grosse Wegzeichen und meldeten die Nähe
einer Station oder eines Wasserplatzes. In der That fanden wir auch hinter
dem ersten Höhenzuge, der im wesentlichen aus Schottern und darunter
liegenden schräg gestellten Sandsteinen mit Konglomeraten besteht, fliessendes
Wasser in einem wirklichen Bach und einen grünen Rasenplatz, der wie für
das Lager XXI geschaffen war. Ein grösseres Flussthal kommt hier aus Süd-
westen vom Nan-schan herab, diesem ist das Wasser und die Fruchtbarkeit
der einige Kilometer von der Station XXI beginnenden Lehmzone zuzu-
schreiben. Unten im Thale an den tiefen Stellen, wo Wasser hinkommen
kann, herrscht Leben und Vegetation, oben auf den Höhen aber bearbeiten
die Wüstenkräfte noch die alten Gerolle, und beide Extreme liegen hier kaum
ICO m von einander entfernt!
Aber hier ist doch das Ende der Wüste Gobi. Die von dieser letzten
Station aus schon sichtbaren Bäume und das Kulturland ziehen sich fast ununter-
brochen weiter bis nach Su-tschou, das etwa 35 km entfernt liegt und den Ab-
schluss unserer Reise durch die Gobi bildet. Das ganze letzte Stück des Weges
ist bebaut, trägt viele Ansiedelungen und eine Menge grosser, viereckiger
— 2o6 —
Festungsmauern, wie wir sie schon in der Oase der Wüste als Schutzbauten
angetroffen hatten. Hier wird die Kulturzone nur auf kürzere Strecken durch
die Schotterbetten der vom Gebirge kommenden, reichlich Wasser fuhrenden
Flüsse unterbrochen, und auf einer solchen, ganz jungen Flussanschwemmung
liegt auch die starke, umwallte Stadt Su-tschou, Ucberall standen die Bäume
hier schon voll im Laube, und der Boden an den Rainen und längs des Weges
war bedeckt von Blumen, wie Löwenzahn, violetten Schwertlilien, gelbem
Löwenmaul u. a. Ich bemerkte Bäume mit hellgelben Blüten, die einen herr-
lichen, nelkenartigen Geruch ausströmten, aber keine blühenden Obstbäume
oder überhaupt Obstbäume unserer Arten, wie Aepfel, Kirschen, Birnen; in
der Stadt Su-tschou fanden wir aber später auf dem Markte verschiedene
europäische Salat- und Gemüsesorten, sowie vorzügliche Rettige und Radieschen
in grosser Menge. Wir freuten uns auf die Abwechslung, die wieder in unsern
etwas monotonen Speisezettel kommen sollte, und der Ruhe, die wir reichlich
verdient hatten.
Den Mitgliedern der Expedition war die Reise gut bekommen, trotz
spartanischer Suppen, Fasten, Anstrengungen, Hitze und Kälte. Nur unsere
Pferde machten einen bedauernswerten Eindruck. Mein Pferd »Durakc, das
wegen der geologischen Seitenexkursionen und raschen Ritte viel mehr hatte
leisten müssen als alle die übrigen, konnte schon in den beiden letzten Tagen
nicht mehr geritten werden; die ungenügende Nahrung, welche die Tiere bei
den Lagerplätzen fanden, und die Erbsen, die wir für sie mitfiihrten, genügten
nicht, sie bei Kräften zu erhalten. Dazu kam noch der Wassermangel und
gerade in den letzten Tagen, als sie schon sehr ermattet waren, die weiten
Märsche und die besonders warmen Tage. »Durakc starb am zweiten Tage
nach der Ankunft in Su-tschou, ein anderes Pferd folgte in den nächsten Tagen.
Zwei weitere mussten wegen Satteldruckes und eiternder Wunden am Rücken
weggegeben und durch neue ersetzt werden. Auch die übrigen bedurften noch
Wochen lang der Schonung und reichlicher Nahrung. Von neun Pferden, die
wir aus Hami mitgenommen hatten, konnten wir nur sechs für die weitere
Reise noch gebrauchen.
Der von uns genommene Weg berührt sich am Anfang in der nördlichen
und am Su-lai-ho in der südlichen Zone mit den von Grum Grschimailo und
später auch von Obrutschew zurückgelegten Reiserouten, aber innerhalb des
Gebirges des P*e-schan liegt unser Weg weiter westlich als der gemeinsame
Weg der beiden genannten Forscher. Die allgemeinen Züge des Wüstengebirges
sind im wesentlichen dieselben; aber im einzelnen zeigen die Gebirgszüge viele
Wechsel in Ausdehnung und Höhe in dem komplizierten Bau und in der
geologischen Zusammensetzung, soweit das an den bis jetzt vorliegenden
Beobachtungen ersichtUch ist.
Vergleichen wir mit dem hier gegebenen Bilde die Verhältnisse in der
zentralen Mongolei, so finden wir dort nur noch viel niedrigere und breitere
— 207 —
Gobigebirgskämme sowie felsige Hügel; dazwischen liegen auch breite flache Thal-
kessel und Mulden mit wenig Leben und spärlicher Vegetation, aber ohne
grössere Massen von Flugsanden. Die Oberfläche der Gesteine ist tief ver-
wittert, eine dichte Schicht von gröberen Aufschüttungsmassen bedeckt die
flachen Teile und zieht sich hoch an den Bergen empor, das feinere Material
aber, Lehm und Sand wird weggetragen; im südlichen Ordos erscheinen erst
die Sandwüsten, die, wie auch im südlichen Tarimbecken, ganze Städte über-
schüttet haben, und noch weiter nach Süden und Südosten ist der Verwitte-
rungslehm als Löss nach den Provinzen Schen-si und Schan-si getragen worden.
Auch in der zentralen Mongolei pflegen die Staubstürme von Nordwesten zu
kommen, wie wir das selbst erfahren haben.
So war denn die Durchquerung der grossen Wüste Zentralasiens auf einem
besonderen Wege durch die Gebirge derselben glücklich zu Ende geführt.
Grosser Hitze begegneten wir am Anfang und gegen Ende, am Nordfusse und
südlich von den vier grösseren Gobi-Gebirgen, auf den relativ niedrig gelegenen
Kiesflächen mit 900 — 1400 m Höhe im Norden und 1240 — 1500 m Höhe im
Süden; in der Mitte aber und besonders in den beiden nördlichen Gebirgszügen
traten bei grosser Höhe (bis zu 2300 m) bedeutenden Temperaturerniedrigungen
bis unter den Gefrierpunkt ein.
Die höchsten Tagestemperaturen im Schatten waren +32® am 31. Mai und
mehrfach 30® und 31® im südlichen Teile der Wüste. Im Boden wurden i cm
unter der Oberfläche als höchste Temperaturen am Tage gemessen -f 53®, im
Sande der südlichen Kies- und Lehmzone am 3. Juni, bei gleichzeitiger Ab-
kühlung Nachts auf 13,75®, so dass eine Wärmeschwankung von + 39,25® in
der Bodenoberfläche eintrat.
Die Intensität der Sonnenstrahlung erreichte ihre höchsten Beträge mit
56® C. bis 59® C; einmal sogar, am 31. Mai, wurden in den grossen freien
Lehm- und Schottergebieten der südlichen Zone +60® gemessen. Der grösste
Gegensatz vom Tagesmaximum und Nachtminimum der Lufttemperatur war 32^ C.
am 30. Mai in denselben Regionen.
Die Winde gingen fast beständig; ganz windstille Tage gab es über-
haupt nicht, höchstens einige Stunden waren windfrei. Die beiden vorherr-
schenden Richtungen waren aus Nordost und aus Nordwest Die letzteren
brachten die Staubstürme und waren warm, die andern kühlten ab und klärten
die Luft. Der grosse Schneesturm in der Nacht vom 17. — 18. Mai kam
aus NO., und der Sturmwind am Tage vorher ebenfalls. Nur nachdem
auf den Staubsturm am Nachmittage des 28. Mai wieder einige Zeit
(10 — 12 Stunden) östliche Winde geherrscht hatten, war am Pfingstsonntage
(29. Mai) die Luft so klar, dass wir die Schneeketten des mittleren Kuen-lun
(Nan-schan) aufs Herrlichste sehen konnten, von denen wir auch in Su-tschou
noch ziemlich weit entfernt waren. Bemerkenswert ist, dass, auch wenn an
der Oberfläche östliche Winde herrschten, in der Höhe die Cirrus- und Stratus-
— 2IO —
Zone der Gobi die kleinen Schiefer- und altvuikanischen Hügel aus der
Schotterfläche auf.
Die niederen, aber breiten Zonen im Norden und Süden der altersgefügten,
von granitischen und altvulkanischen Gesteinen durchzogenen Feste der Gobi
mit ihren hochragenden Kettengebirgen, unterliegen schon seit langen geologischen
Zeiträumen der Aufschüttung und Einebnung. Wie von Norden vom Karlük-tag,
so ergiessen sich auch vom mittleren Kuen-lun und Nan-schan mächtige Ströme
von Schotter und Kies und den feineren Zermahlungsprodukten der Gesteine,
von Lehm und Sand in die niedriger gelegenen Teile und füllen sie langsam aus,
unterstützt durch die Gebirge der Wüste selbst, deren Abtragungsmaterial eben-
falls jenen niederen Teilen zugeführt wird. Welchen Betrag die Mächtigkeit
dieser Aufschüttungsmassen erreicht, ist nicht bekannt und wird sich wohl immer
der Beobachtung entziehen. In den Thälern und auf den weiten, flachen Ebenen
zwischen den Gobigebirgen ist ihre Mächtigkeit aber nicht bedeutend; denn
häufig sieht man anstehenden Granit oder Schiefer und alte, vulkanische Gesteine
unter der nur dünnen Schotter- oder Lehmdecke auftauchen.
In den Depressionen im Norden und Süden des Gebirgssockels des P*e-schan
sind die Ablagerungen der tertiären Seen des Han-hai vorhanden; in den hoch-
gelegenen Thalböden aber zwischen der nördlichen Kette des P*e-schan und
der als 4 bezeichneten, also über den Meereshöhen von etwa 1750 m und 1700 m,
waren sie nirgends nachzuweisen und es scheint somit wahrscheinlich, dass der
zentrale Teil der Gobi keine grösseren Seebtcken in jüngerer geologischer Zeit trug.
Es sind somit drei Teile der Wüste scharf unterschieden, sowohl nach
physiognomischem Charakter an der Oberfläche als nach Entstehung oder geolo-
gischem Bau im Innern. Die breiten nördlichen und südlichen Zonen sind ein-
ander gleichwertig, sie bestehen aus denselben Gesteinsgattungen und haben
an der Oberfläche dieselben Kieseinöden und Lehmablagerungen mit kultur-
fähigem Boden, da wo Wasser hinkommt. Die südliche Zone hat aber eine
im Mittel etwas höhere Lage als die nördliche Niederung. In der Mitte erhebt
sich aus den Wüsten des Aufschüttungslandes das feste Felsgerüste, gekrönt
durch vier höhere Gebirgskämme mit kompliziertem geologischen Bau, welche
auf grosse Entfernungen hin von Westnordwest nach Ostsüdost dahinziehen als
der steinerne Kern und das feste Gerippe der Felswüste Gobi, die in dieser
ihrer Eigenart unter den Wüstengebieten der Erde einzig dasteht.
Heute ist der P*e-schan von ständigen Ansiedlern so gut wie verlassen,
nicht einmal zeitweise hier nomadisierenden Mongolen begegneten wir während
unserer zehntägigen Reise durch das Gebirge; nur die Spuren von Nieder-
lassungen trafen wir mehrfach an. Es ist daher von grossem Interesse, zu welchen
Resultaten Grum Grschimailo auf Grund einer historischen Untersuchung über
diese Gegenden kommt. Lassen wir ihn selbst sprechen:*)
*) r. E. rpyMi-FpacHuaMjio: OnncaHie nyTeniecTBifl bt» aana^BuM KuTaä. Toni» II.
Cr.-neTepöypn. 1899, pg. 127.
— 211 —
»Von hier gingen die Yüe-tschi und die Schcnschani aus; hier schöpften
die Hunnen ihre Kräfte, die Tukiu, die uigurischen Stämme und die Herrscher
des tangutischen Reiches. Die Epoche des Dschingis-chan hatte einen tiefen
Einfluss auf das weitere Schicksal des Bei-schan (= P'e-schan). Die von diesem
grossen Heerführer in seinem Bestreben, die ganze Welt zu erobern, von hier
weggeführten Nomadenströme kehrten nicht mehr zurück; der Bei-schan
wurde öde. Seine Quellen fliessenden Wassers verschütteten die Hufe der
wilden Tiere; sie versiegten oder bildeten salzige Tümpel. Und so wurde er
allmählich immer unzugänglicher, immer wüster .... Aber nicht für immer
wird er so bleiben. Der menschliche Geist wird sich bemühen, ihn zu neuem
Leben zu erwecken und die Grundlage dafür bildet sein Erzreichtum: Sein Gold,
Eisen, Blei und seine Steinkohle. Aber freilich, weder uns noch unsern Nach-
kommen wird es beschieden sein, neues Leben im Bei-schan erwachen zu sehen.«
Wer wird es erleben?
14'
KAPITEL VII.
Das westliche Kan-su.
Zwischen Su-tschöu, Lisng-tschöu, Sl-ning fu und dem
Köke-nur-Oebiete.
Die reich bevölkerten, inmitten herrlicher, Feldfrüchte und Obst in Fülle
erzeugender, bäum- und wasserreicher Ländereien gelegenen grossen Städte des
Innern Chinas, die sich an die Nordostabhänge des Nan-schan und die grossen,
vom Küke-nur-Gebiet nach Osten ziehenden Thäler anreihen und in den Natnen
SutschiMi, Kan-tschöu, Liang-tschöu, Lantschöu und Si-ning fu ihre wichtigsten
Repräsentanten haben, rechtfertigen sowohl gegenüber den nordwestlichsten
Städten Chinas von Kaschgar bis Hami, wie gegenüber den ostchinesischen
Städtebildern eine besondere Schilderung.
Die besonderen geographischen Bedingungen, unter denen sich die ge-
nannten Städte befinden: am Rande der grossen Wüstenzone und des unwegsamen
Gebirges oder, wie Si-ning fu, mitten zwischen grossartigen Bergketten, in Be-
rührung mit den verschiedensten Völkerschaften, welche als Nomaden die Wüste
durchziehen oder auf den hochgelegenen Steppengebieten Tibets hausen, haben
diesen Städten ein eigenartiges Gepräge verUehen. Ihre geschichtliche Ver-
gangenheit zeigt die grosse Bedeutung, welche die alte Kulturlandzone, die das
Bergland des Nanschan im Osten umzieht und in den grösseren Thälern auch
nach Westen zwischen die Gebirgsketten eindringt, besitzt, obwohl sie vielfach
nur aus isolierten Oasen besteht.
In den Oasen am Fusse des Nan-schan-Berglandes ernährt sich die
chinesische, ansässige Bevölkerung, von der etwa ein Viertel Muhamedaner
sind, von Handel, Viehzucht und Ackerbau, während im Gebirge selbst die
— 213 —
Nomaden-Stämme der Tanguten (d. h. wilde Räuber), Stammverwandte der
Tibetaner, nur von Viehzucht leben und nicht selten Einfälle in die Kultur-
gebiete machen.
Die Berggehänge am Wege und zunächst den besiedelten Gebieten sind
längst ihres Waldschmuckes beraubt, während weiter im Gebirge noch grosse
Bestände von Laub- und Nadelhölzern die Gehänge bedecken. An einer
grösseren Anzahl von Punkten ist das Vorkommen von Steinkohlen bekannt;
ihre Ausbeutung ist aber eine sehr primitive und versorgt nur die nächst-
gelegenen Bezirke mit Brennmaterial. Die Haupthandelsartikel auf den Märkten
der Städte sind Feldfrüchte aller Art, Obst, Gemüse; im Bezirke von der
Provinzhauptstadt Lan-tschou am Hoang-ho spielt auch der Tabakbau eine
wichtige Rolle. Opium, Thee, Seiden- und Wollstoffe, Eisen- und Messing-
geräte, Steinschnitzereien, Silber- und Nephrit-Schmuck findet man ebenfalls in
den Städten überall.
In diesen Zentren der Bevölkerung und des grossen Verkehrs, der das
südliche China über Singan fu und die fruchtbaren Lössgebiete des Wei-ho-
Thales über Lan-tschou, Su-tschou nach Hami mit dem weiten Nordwesten des
chinesischen Reiches, den Thien-schan-Ländern und Russland verbindet, hat sich
ein bedeutender Teil chinesischer Geschichte abgespielt.
Die Gebiete, welche die Chinesen nach dem Verlassen ihrer Ursitze am
Südrande des westlichen Tarim-Beckens zuerst besiedelten, sind die fruchtbaren
LändÄreien zwischen dem östlichen Nan-schan und den im Norden und Osten
sich ausdehnenden Wüsten der Gobi und des Ala-schan, die Oasen und frucht-
baren Thäler längs der Yü-mön- Passage von An-si-tschou über Su-tschou,
Kan-tschou und Liang-tschou. Von da fand ein weiteres Vordringen über
Lan-tschou in das Thal des Wei-ho statt, noch vor der Zeit des Kaisers Yau
(2357 — 2256 V. Chr.). Damals gehörten jene Länder noch zum chinesischen
Reiche, gingen ihm aber dann auf mehr als zwei Jahrtausende wieder verloren,
infolge des Andrängens der Nomadenstämme der nördlich davon gelegenen
Wüsten, welche in die von der Natur mehr begünstigten Nachbargebiete ein-
fielen und sie zeitweise besetzt hielten, bis die Errichtung der grossen Mauer
diese Nomadenhorden abwies und sie zwang, nach Westen hin Auswege zu
suchen. Die grosse Mauer wurde in der Folge von dem grössten Einfluss auf
die Geschicke der in Zentralasien ansässigen Völker, die allmählich immer weiter
nach Westen gedrängt wurden, nicht ohne dass Reste der verdrängten Stämme
zurückblieben, sich mit den mongolischen Eindringlingen mengten und so das
bunte Völkergemisch erzeugten, das für dasTarim-Becken charakteristisch ist und in
welchem arische, türkische, mongolische und tibetanische Elemente vertreten sind.
Die ältesten Einwanderer waren Ackerbauer und suchten die Gegenden
auf, welche dafür die günstigsten Vorbedingungen boten; sie zogen sich am
Wei-ho und Hoangho hinab und in die grosse Ebene, sowie nach Schan-si und
Schan-tung. Schon zu Yaus Zeiten waren sie am unteren Yang-ts^-kiang und
— 214 —
in Ss^-thschuan. Aber infolge der Einfälle der Nomaden gingen die Gebiete
nordwestlich von Lan-tschou wieder verloren und die Kämpfe mit den
Ureinwohnern schwächten die Macht des Reiches.
Erst die Errichtung der grossen Mauer, die bei Min-tschou beginnt und
deren innerer Teil vom Kaiser Thsin-ScM-huang-ti bis zum östlichen Schan-si
errichtet wurde, hielt die Hiung-nu, die neuerdings wieder mit den Hunnen für
identisch gehalten werden, fern, sicherte den Bestand des Reiches und brachte
besonders dem westlichen Kan-su Schutz und infolgedessen auch Aufblühen.
Chinas innere Macht stärkte sich trotz mancherlei Wechselfällen und Vordringens
der Hiung-nu über die grosse Mauer, und im ersten Jahrhundert nach Chr.
kommen schon chinesische Streitkräfte bis an das Kaspische Meer. Die Yüe-tschi,
welche die Gebiete von Su-tschou bis Liang-tschöu am Gebirgsfusse des Nan-
schan inne hatten und am meisten unter den Hiung-nu litten, verliessen ihr
Land und zogen bis nach West-Turkestan. Auch die immer unruhigen Hiung-nu
wurden gezwungen, ihre Wohnsitze von der Grenze und der Nachbarschaft der
Chinesen weg zu verlegen.
So lange die Chinesen noch Herren des Tarim-Beckens waren, konnten
die Hiung-nu keine weiteren Einfalle machen, aber mit dem Zurückgang des
-chinesischen Einflusses im Westen drangen auch jene wieder vor und fielen
46 n. Chr. in \Vest-Kan-su und Schen-si wieder ein. Sie wurden aber leicht zurück-
geworfen und auch das Tarim-Becken wurde zurückerobert, bis im Jahre 95 das
ganze Land bis zum Kaspischen Meere in der Hand der Chinesen war.* Diese
grosse Ausdehnung des Reiches dauerte aber nur kurze Zeit; Ost-Turkestan
wurde wieder unsicher und musste noch unter der Han-Dynastie aufgegeben
werden. Innere Kriege, Zerfall des Reiches und Wiedervereinigung der drei
Teile, Auftreten von Gegenkaisern verhinderten dann lange Zeit hindurch eine
neue Ausdehnung der chinesischen Macht nach Zentral-Asien hin über die
Yü-mön-Passage hinaus, die bei China geblieben war. Kan-tschou war während
dieser Zeit ein wichtiger Handelsplatz geworden, aber bis zum Jahre 400 waren
die direkten Verbindungen mit dem Tarim-Becken unterbrochen. Im sechsten
Jahrhundert brachen die Kaiser der Wei-Dynastie die Macht der Shuan-Shuan,
eines aus der Mandschurei vorgedrungenen Volkes, das alles Land vom Bagrasch-
kul bis zum östlichen Meere in seine Gewalt gebracht hatte; ihre Nachfolger
wurden die Tukü^, die in der Mitte des sechsten Jahrhunderts ihr Reich bis
zum Kaspischen Meere nach Westen hin ausdehnten, an die grosse Mauer
direkt angrenzten und den Chinesen gefährlich wurden. Erst mit der Einigung
des Reiches begann wieder eine Zeit der Vergrösserung, und unter Thang-
Thai-tsung (627 — 650) reichte der chinesische Einfluss von neuem bis West-
Turkestan, nachdem das Tarim-Becken durch die Unterwerfung der Tuküö
wieder den Chinesen zugefallen war.
Bis zur Mitte des achten Jahrhunderts dauerte die chinesische Macht im
Westen, aber innere Unruhen in China selbst und eine Revolution veranlassten
— 215 —
die Niederlassung des türkischen Nomadenvolkes der Huei-h^ in Kan-su, der
ersten Türken in China. Da sie nie ganz mit der chinesischen Bevölkerung
verschmolzen und sich auch durch religiöse Gegensätze unterschieden, bildeten sie
immer ein eigenes Element mit noch andern türkischen und muhamedanischen
Stammesgenossen zusammen und verursachten in der Folge die schrecklichen Auf-
stände und Bürgerkriege, welche wie keine andern die Provinz Kan-su verwüstet haben.
Für die Geschichte der Länder an der Yü-mön-Passage, die hier kurz skizziert
werden sollte, sind von den in der späteren Zeit über China hingegangenen
Ereignissen nur die folgenden noch zu erwähnen, die nach der Einwanderung
der Huei-hS sich zutrugen. Die grossen Bewegungen der Völker in Zentral-
Asien, die der Mongolenhcrrschaft unter Dschingis-chan vorausgingen, und der
Zerfall im Innern des Reiches gegen Ende der Periode der Thang'schen Kaiser
reduzierten das Reich, das nur noch Ho-nan und Schan-tung umfasste.
Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts war Kan-tschou fu die Hauptstadt
eines grossen Reiches der türkischen Huei-hS. Den Arabern war das Land
von Su-tschou bis über Liang-tschöu als Taghnazagh bekannt. Die Huei-hÖ
mussten den mongolischen Kitan weichen, die am Anfange des zehnten Jahr-
hunderts schon das ganze Land von der Ostküste bis zum Lop-nur-Gebiet
erobert hatten; später dehnten sie ihr Reich Kara-Kitan bis nach West-
Turkestan aus (1125). Dieses Reich bestand aber nur 80 Jahre, bis sich
Temudschin zum Führer aller mongolischen und türkischen Stämme Inner-
asiens machte und als Dschingis-chan seine Heerscharen nach allen Seiten von
Zentralasien aus zur Eroberung entsandte. In China hatte er alles Land bis
zum Kwön-lun und Hoang-ho erobert und verwüstet. Später reichte die Grenze
des Mongolenreiches sogar südlich bis an den Yang-tz^-kiang und Tonking,
fast zu gleicher Zeit als seine Horden 1241 bei Liegnitz geschlagen wurden.
Die mongolische Herrschaft in China war zwar von grossem Nutzen für das Land,
aber nach 88 Jahren der Fremdherrschaft befreite sich dieses (1368) von der-
selben; die Grenzen des Reiches reichten indessen nur noch bis zur Yü-mön-
Passage und zur grossen Mauer.
Zur Zeit Dschingis-chans war Kan-tschou Hauptstadt eines Reiches der
tibetanischen Tanguten, das jener eroberte (1227); ausser Buddhisten waren auch
christliche Gemeinden im Lande, in Su-tschöu und Kan-tschou. Damals hatte
Kan-su auch viele Bewohner von tibetanischer Abstammung.
1368 wurden die Mongolen wieder vertrieben durch eine von einem Priester
veranlasste Revolution; aber bald begannen die Kämpfe mit den Mandschu,
welche in die nordöstlichen Teile des Reiches einfielen und sich, durch die
Umstände begünstigt, zu Herrschern Chinas machten (1644); die nördlichen und
zentralen Provinzen waren bald unterworfen, aber die See- und Südprovinzen
leisteten Widerstand, bis 1650 Kanton von den Mandschu genommen war.
Eine Ausdehnung des Reiches nach dem Westen, die ftir die Handels-
beziehungen wichtig war, erfolgte in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahr-
— 2l6 —
hunderte, und da die allgemeine Regierung der Mandschu-Kaiser besser war als
die der früheren Dynastien, so gestalteten sich seit dieser Zeit auch die Ver-
hältnisse im Reiche günstiger; es entwickelte sich Handel und Industrie, die
natürlichen Hilfsquellen des ungeheueren Landes wurden besser ausgenutzt und
das Volk konnte wieder aufatmen.
Es waren seit dieser Zeit nur die schrecklichen, religiösen, inneren
Streitigkeiten, die Dunganen-Aufstände, welche ganze Provinzen, darunter Kan-
SU. verwüsteten und Tausende von Menschenleben und den Wohlstand ver-
nichteten. Die Spuren dieser Ereignisse sind dem Lande noch für lange Zeit in
sichtbarer und empfindlichster Weise aufgeprägt.
Dorf Sia-»chuei yi, ästlich von Su-tschüu.
Wenn man sich der Stadt Su-tschöu aus der Wüste nähert, sind frucht-
bare Oasen, wasserreiche Kulturgebiete und grosse, ummauerte Ansiedelungen
die ersten Anzeichen, dass man aus der menschenleeren Wüste wieder auf
grösseres und zusammenhängendes Vegetations- und Besiedelungsgebiet gelangt.
Eine eigenartige Erscheinung sind die gelbbraunen, hohen, kahlen Mauern,
über welche nur die obersten Baumspitzen heraussehen, inmitten des grünen
Laubes und der sprossenden Fruchtfelder. In manchen dieser ummauerten Plätze
stehen niedere, schlechte Lehmhütten, welche bewohnt sind; es giebt aber deren
auch ganz leer stehende, die oflenbar nur zu Kriegszeiten als Zufluchtsort benutzt
werden und den Bewohnern der Höfe eines grösseren Umkreises Schutz gewähren.
Eine grössere Anzahl solcher mächtiger, im Landschaftsbilde ganz fremdartig
sich ausnehmender Festungsbauten liegen unweit der grossen Strasse .nach
An-si-tschöu, welche die Hauptverkehrsader für das nordwestliche China bildet
imd \'on der Telegraphenlinie begleitet ist.
— '217 —
Wiesenbedeckte, niedrig liegende Flächen bieten grossen Herden einer
kleinen, minderwertigen Rinderart günstige Weideplätze. Die zahlreichen, kleinen,
vom Gebirge herunterströmenden, durch Irrigation vielfach künstlich verteilten
Wasseradern führen in dieser Jahreszeit (Juni) nur wenig Wasser, das lange
nicht ihre breiten, oft zwischen steil abfallenden Lehmwänden liegenden
Betten ganz zu überfluten im stände ist. In einzelnen seichten, ihre Lage
oft verändernden Rinnen, die überall leicht durchschritten werden können, sucht
das Wasser seinen Weg, denn ein eigentlicher Thalweg des Wassers ist im
Flussbette selbst oft nicht vorhanden.
Breite Kiesflächen, auch zuweilen Sandanhäufungen, sind hier der Vege-
tation oft hinderlich; aber auf dem Lehmgebiet ist jedes Fleckchen Erde
bewachsen oder bepflanzt. Herrliche Blumen blühen am Wege; eine violette
Schwertlilie und ein kleines gelbes Löwenmaul sind förmlich wie Unkraut
verbreitet, und die Blüten der Bäume erfüllen die Luft mit würzigem
Gerüche. Es war ein wonniges Gefühl, nach der monotonen Wüste durch die
weiche Luft und die im Abendschimmer liegende, herrliche Landschaft zu reiten,
über welche Mutter Natur so reichen Segen ausgegossen. Und es scheinen die
Menschen auch glücklich zu sein; denn manchen sahen wir, heiter vor sich
hinsummend, mit der Hacke auf dem Rücken von der heissen Tagesarbeit
heimkehren. Besonders abends, wenn die Landbewohner in den Dörfchen, vor
den Hütten auf dem Boden liegend oder auf Holzbänken sitzend, ihre kleinen
Pfeifen rauchten, machten sie trotz der einfachen Lebensweise, mit der sie sich
begnügen, einen durchaus zufriedenen Eindruck. Die Kinder in den Strassen, meist
im Gewände der Unschuld oder nur mit einem kleinen Jäckchen bekleidet, ver-
kehren mit ihren Hausgenossen, den Hunden und Schweinen, mit rührender Un-
gebundenheit. Kleine Mädchen werden etwas sorgfältiger gekleidet, wenn sie
über die ersten Lebensjahre hinaus sind; sie tragen dann schon einfachen Schmuck
an den Ohren und den Armen und lange, ins Haar geflochtene Schnüre mit
kupfernen Münzen am unteren Ende. Die Frauen sieht man nur selten einen Gang
besorgen oder vor dem Hause mit einer Näh- oder Spinnarbeit beschäftigt. Männer
und Kinder sitzen, mit grossen breitrandigen Strohhüten bedeckt, in Gruppen auf
den Feldern, mit Ausreissen von Unkraut und andern Feldarbeiten beschäftigt.
Obwohl schön blühende Gewächse hier durchaus nicht fehlen, war keine
eigentliche Blumenzucht zu sehen. • Angebaut werden in grossen Mengen auf den
Feldern: Getreide, Reis, Bohnen, Hirse, sowie hier besonders wohlschmeckende
Radieschen, Rettiche und Salat, Gemüse und verschiedene Obstsorten.
Inmitten dieses reichen Oasen-Landes, das sich, allerdings mit Unter-
brechungen, weit nach Südosten hin fern vom Gebirgsfusse erstreckt, liegt Su-
tschou, das als Stadt in mehrere mit besonderen Mauern umgebene Teile zer-
fallt, und dessen Einwohnerzahl auf loooo geschätzt wird.*) Die Stadt ist
*) Nach Griiin Grschimailo wohuen ausser looo chinesischen Familien noch etwa hundert
Familien von Dun^anen und Tang^uten in der Stadt.
— 2l8 —
schon 121 V. Chr. gegründet worden. Dschingis-chan zerstörte sie 1226 gründlich,
als er der zweihundertjährigen Tangutenherrschaft ein Ende machte. Auch in
diesem Jahrhundert hatte die Stadt schwer zu leiden, als die Dunganen sie
zuerst Ende der sechziger Jahre nahmen und 1872 die Chinesen sie wieder
zurückeroberten und ganz und gar zerstörten. Hinter langen, öden Festungs-
mauern liegen voiksreiche Strassen, von denen eine zahlreiche, schöne Ver-
kaufsmagazine enthält und auch als Markt dient. Eine grosse Anzahl von
Waren sind englischer und anderweitiger europäischer Herkunft und über
Schang-hai hierher gebracht. Einheimische Erzeugnisse von Industrie oder Ge-
werbe sind nicht bedeutend vertreten, wohl aber füllen einen grossen Teil des
Marktes die Produkte des Feld-, Obst- und Gemüsebaues, unter welchen, ent-
sprechend der Jahreszeit, Gemüse einen hervorragenden Platz einnahmen. In
späterer Jahreszeit giebt es ebenso ausgezeichnete Hülsenfrüchte und auch Obst.
Schöne, grosse Magazine, welche sich durch den ornamentalen Holzausputz
ihrer Vorderseiten und ihre bunte Bemalung auszeichnen, vertreten unsere
Apotheken, die auch hier zu Lande nicht nur ihre Besitzer ernähren, sondern
zu reichen Leuten machen. Es wird in diesen wenig wissenschaftlich betrie-
benen Arzneiverkaufsstellen ausser andern Waren alles mögliche als Heilmittel
verabreicht, was der Volksaberglaube und die Tradition eben (lir ein solches
erklärt. Ausser vielen Geheimmitteln, deren Zusammensetzung sich der Be-
obachtung entzieht, spielen die Geweihe von jungen Hirschen, die Flossen von
Rochen und Haifischen, sowie viele Pflanzen eine Rolle. Auch die Panzer von
Gürteltieren und Schildkröten hingen mit andern Merkwürdigkeiten von der
Decke herab. Die Besitzer sahen etwas gelehrter aus als die übrigen Handels-
leute und trugen meist grosse Brillen von geschliffenem Glase; doch sah man
ihnen allen die Spuren von starkem Opiumgenusse an, das sie offenbar nicht
nur als Heilmittel, sondern auch zu ihrem Gebrauche reichlich verwenden. Auch
Steine und amulettartige Gegenstände, denen heilsame Wirkungen zugeschrieben
werden, verkauft man hier.
Solche hervorragenderen Magazine, die schönen Fronten und Eingangs-
thore einiger Tempel und Amtsgebäude verleihen den breiten Strassen, trotz
des Staubes, der fast fusshoch auf ihnen liegt, ein ziemlich vorteilhaftes Aussehen.
Das bunte Bild, das die sartischen Bazare durch ihren lebhaften Verkehr und
durch die grosse Menge der grellfarbigen, aus Russland kommenden StofTe und
Tücher boten, fehlt allerdings, da nur wenig Gegenstände ausserhalb der Maga-
zine aushängen und jene Tücher von mehr sartisch-kirgisischem als chinesischem
Geschmack hier keinen Absatz mehr finden. Es giebt Kleidermagazine mit
Stoffen und ganzen fertigen Anzügen in grosser Zahl; aber die vorherrschenden
Farben sind Blau, Dunkelgrau und Schwarz.
Meist sind in den Magazinen die Waren auf einigen Seitentischen offen
und hinter dem Ladentisch, der den hinteren Raum abgrenzt, in grossen Fächer-
gestellen längs der Wand aufgestapelt, viele auch unter Glasbedeckung.
— 219 —
Eigentliche Schubfächer, wie in unsern Materialwaren-Handlungen, sind nur in
den Apotheken gebräuchlich. Dort finden sich auch allerlei feine Wagen zum
Abmessen von geringer Dosis.
Hierher kommt das Eisen noch aus Russland, und zwar in Barrenform;
es wird dem einheimischen chinesischen Eisen, das aber auch erst von den
östlichen Provinzen, Schen-si und Schan-si, gebracht werden muss, vorgezogen,
weil es besser zu bearbeiten ist.
Von Mineralprodukten waren neben Kohle nur reine und unreine Salze
zu sehen. Als Merkwürdigkeit und bedeutsames Zeichen für die Entwicklung
des japanischen Handels verdient angeführt zu werden, dass Streichhölzer von
japanischer Herkunft ebenfalls in Magazinen neben solchen aus England und
Oesterreich feilgehalten werden.
Kleine Gebrauchsgegenstände, wie Spiegel mit Bildern chinesischer, ge-
schmückter Damen, Holzkämme, Büchschen, Spielkarten, Rauchpfeifen, Streich-
hölzer, bunte Armringe und Perlen aus Glas, sowie runde oder geschnitzte Steine
u. s. w., findet man auf den Tischen der meisten Läden; in einigen wird auch
feineres Porzellan, das aus Ost-China stammt, feilgeboten.
Die Schmuckgegenstände, Ringe und Ohrschmuck, sind aus Silber oder
Messing und wenig kunstvoll gefertigt; auch kleine Buddhastatuen und plumpe
Heiligenbilder in Miniatur sieht man zuweilen.
Die kleinen Garküchen, in welchen Pastetchen oder Reisspeisen mit ver-
schiedenen roten, grünen und gelben, scharfen und würzigen Saucen zubereitet
werden, machen keinen unsauberen Eindruck, und auch die »fliegenden Küchen«
sind meist nicht unreinlich. Diese bestehen aus zwei etwa i m hohen Auf-
sätzen, welche das Hauptgericht als grossen Teig in der Mitte und auf Schälchen
rings herum gruppiert die verschiedenen Saucen und andern Gerichte tragen.
Diese Aufsätze sind an den beiden Enden einer Stange befestigt, welche auf
der Schulter getragen und bei Erscheinen eines Kunden abgesetzt wird.
Es wird hier sehr gutes Brot gebacken; Spezialität ist ein Fruchtbrot in
der Art der in Süddeutschland bekannten Fruchtbrote; auch kleine, gelbe in
Fett bereitete Kuchen werden gerne verzehrt. Dagegen sieht man sehr wenig
Fleisch auf dem Markte und keine Butter, Käse oder Eier.
Von sehr zweckmässigen und von der Bevölkerung sehr viel benutzten
zur Kleidung gehörigen Gegenständen sind noch sehr grosse und breitrandige
Hüte aus Strohgeflecht zu erwähnen, welche den ganzen Kopf in Schatten halten
und je nach dem Stand der Sonne vorn und hinten oder an den Seiten auf-
geschlagen werden. Der Umfang eines solchen grossen Hutes ist 70 cm und
der Rand allein ist 25 cm breit. Oft sieht man diese Hüte, der blauen
Kleidung entsprechend, innen mit blauem Stoflie ausgefuttert. Die allgemein
übliche Kopfbedeckung, wenn nicht barhäuptig gegangen wird, sind die schwarzen,
mützenartigen, am Kopfe überall anliegenden Bedeckungen oder auch tellerartige
Strohgeflechte mit roten Troddeln an der Spitze.
Die Bevölkerurtg zeigte uns Fremden gegenüber zwar die gewöhnliche
Neugier, aber sie belästigte uns in keiner Weise, und es ist fraglich, ob mit
grossem Trosse in Originalkieidung reisende Chinesen bei uns nicht mehr zu
leiden haben würden als wir dort.
Die Kleidung der Krämer und KauTleute in den Magazinen und der An-
gehörigen der besseren Stände, denen man auf der Strasse begegnet, ist meist
rein und sorgfältig gehalten und unterscheidet sich dadurch wesentlich von
derjenigen der arbeitenden Klasse, welche häufig nur die nötigsten Kleidungs-
stücke und diese in zerfetztem, schmutzigem Zustande trägt und Körperpflege
Chlavacu \>ei Si:hiiiiii^-l»in)<: yi. üsilich von Su-tsthüu. An ilor Miiui-r ilns mylhische Tk-r iTuii«.
überhaupt nicht zu kennen scheint. Häufig sieht man den Oberkörper bis zur
Hüfte bei Männern ganz nackt und Kinder der ärmeren Klassen laufen über-
haupt meist ohne Kleidung auf der Strasse herum. Die zerlumpteste und ganz
in Fetzen hängende Kleidung haben aber die Bettler beiderlei Geschlechts, die
unter den Thorbogen der Stadtmauern sitzen und meist einen abschreckenden
Anblick gewähren, da sie häufig mit sichtbaren Zeichen der widerlichsten
Krankheiten bedeckt sind. Aber Belästigung durch zudringliches Verfolgen
erfährt man auch durch diese Bettler nicht.
Obwohl das reiche Oasen -Land in der Umgebung von Su-tschöu den
Eindruck macht, als müsse es hier auch wohlhabende Leute geben, sieht man
in der Stadt wenig oder nichts von Reichtum oder äusserlichem Luxus. Einige
Tempel haben schön verzierte, aus Lehm- oder Holzschnitz werk hergestellte
— 221 --
Fagaden mit besonders reich geschmückten Eingangsthoren, und vor den
Wohnungen höherer Mandarinen sind unförmige, als Löwen modellierte Thon-
klötze aufgestellt, die aber meist ein sehr unglückliches Aussehen haben. Aber
im Innern der Wohnungen und Empfangsräumlichkeiten sah es, wenigstens bei
dem niederen Beamten, dem wir unsern Besuch machten, weil er uns die
Wagen zur Weiterreise vermitteln sollte, nicht freundlich oder wohnlich aus,
und irgendwelche Luxusgegenstände, ausser einem abgetretenen Teppich auf
dem Boden, fehlten ganz.
Der Beamte selbst, ein kleines schmächtiges Männchen, dessen auffallend
bleiche Gesichtsfarbe den Opiumraucher verriet, kam zwar unsern Wünschen
nach, verzichtete aber auf alle weiteren Höflichkeiten. So Hess er uns zuerst
lange warten, dann trank er uns beim Thee nicht zu und erwiderte auch
unsern Besuch nicht, was bisher immer geschehen war. Doch besorgte er
richtig unsere Wagen und gab uns auch einen Mann mit, der uns angeblich
das Quartier jeweils vorbereiten, nach unserer Auffassung aber uns überwachen
sollte, um später zu berichten, was wir während der Reise gethan hatten.
Bis die Arben in Stand gesetzt, fertig gepackt und auch die Pferde be-
schlagen waren, gingen einige Tage dahin, während welcher im allgemeinen
sehr warmes Wetter, an einigen Nachmittagen sogar mit leichten Regenfallen
herrschte. Im Serai ging es immer sehr lebhaft zu; ausser uns waren noch
einheimische Reisende da, die aber im Gegensatze zu uns meist nachts reisten,
mitten in der Nacht ankamen oder mit Sonnenaufgang abrückten., so dass es in
der Nacht mitunter ebenso geräuschvoll war wie am Tage.
Auch hier litten wir noch sehr unter dem feinen Staub, da wir der Hitze
wegen bei offenen Thüren schhefen und auch die Fenster mit einer meist stark
zerrissenen Papierausfüllung den Staub ungehindert in den Raum Hessen.
Die Chinesen, die in unsere Nälie kamen, interessierten sich immer, oft
in liebenswürdiger Form, für unsere Herkunft, unsere Reise und die vielen
europäischen Gebrauchsgegenstände, die meist ihre unverhohlene Bewunderung
erregten, wenn man sie ihnen zeigte und deren Gebrauch oder die Zweckmässig-
keit erläuterte. Die Thermometer, welche immer zur Messung der Lufttemperatur
ausgehängt wurden, erregten ihre lebhafte Neugier. Sie umstanden sie in Gruppen
in andachtsvollem Schweigen, wagten aber nicht sie zu berühren, und wenn sie
schUesslich am Instrumente keine Veränderungen sahen, wurde ihnen die Sache
zu langweilig und sie gingen weg. Nur einmal fanden ein Paar Müllerburschen
in Su-tschou an meinem über Nacht ausgehängten Thermometer solches Gefallen,
dass sie es früh morgens beseitigten und versteckten. Der Wirt des Serai aber
hatte sie sofort als die Thäter im Verdachte, und durch Versprechen von Straf-
freiheit waren sie leicht zu bewegen, das gestohlene Gut wieder herauszugeben.
Sonst blieben die Instrumente glücklicherweise immer unangetastet.
In Su-tschou wurde der bisherige Dolmetscher der Expedition, ein ver-
kommener, dem Trünke ergebener russischer Kaufmann, entlassen, da sein un-
— 222 —
verschämtes Wesen und offenkundige Betrügereien Dr. Holderer endlich doch
zu viel wurden. Ausserdem war er träge, lässig und verstand es, immer
die Einteilung der Märsche so anzuordnen, dass ein zusammenhängendes, wissen-
schaftliches Arbeiten meinerseits fast unmöglich wurde, so z. B. während der
Reise durch die Gobi. Dort blieb mir, trotz aller Vorstellungen, nichts übrig,
als oft um die heisse Mittagszeit ohne Führer so weit wie möglich voraus-
zurücken und dann bis Mitternacht oder länger auf kahlem Wüstenboden ohne
Zelt und Nahrung zu warten, bis die erst am Abend aufgebrochene Kara-
wane gegen Mitternacht nachkam. Am Morgen, während alle ausruhten, musste
dann das in der Dunkelheit zurückgelegte Stück des Weges in geologischer
und topographischer Aufnahme nachgeholt werden und schon mittags ging es
wieder weiter bei glühender Hitze. Ihm war es Hauptsache, dass er bequem
reiste, und er wusste das auch stets so einzurichten; nur für das Essen sorgte
er schlecht, weil es ihm zu viel Mühe machte. Hätte er einen Auftrag gehabt,
die wissenschaftliche Arbeit zu vereiteln oder zu erschweren: er hätte ihn nicht
besser ausführen können. Seine Hauptgaunerei, die zeigt, dass er bei den Chinesen
doch noch etwas gelernt hatte, kam übrigens erst viel später ans Tageslicht.
Die Betrügereien der als Dolmetscher, Köche oder Diener angestellten
und gemieteten Chinesen spielen fast bei allen Reisenden eine bezeichnende
Rolle. Ein solches Genie brachte es fertig, seinem Herrn einen hohen Miets-
preis für Wagen und Transporttiere abzunehmen, während er selbst dieselben
von ihrem Besitzer um einen bedeutend geringeren Preis für sich gekauft
hatte. Der Dolmetscher des Grafen Szechenyi rechnete diesem während seiner
ganzen, langen Dienstzeit überall die Miete der benutzten Mandarinen-Gast-
häuser und der Verpflegung an, während die Regierung, welche die Expedition
des Grafen als Gäste zu behandeln wünschte, dafür bezahlte, so dass er mehrere
Tausend Taels bei diesem »Geschäft« verdiente; ausserdem unterschlug er
eine grössere Summe, welche der Vizekönig von Ss^-thschuan dem Grafen als
Geschenk und Zeichen seiner Zuneigung übersenden wollte. Einen weiteren
interessanten Beitrag zu dieser Statistik lieferte nun unser Dolmetscher Sobolew-,
der vom Tage der Abreise von Kaschgar bis zu seiner Entlassung in Su-tschou
die grossen Silberbarren von 12 Taels Wert (i Tael ^ ca. 3 Mark) seinem Herrn
gegenüber als 10 Taelsstücke berechnete und während drei Monaten damit
eine bedeutende Summe unterschlug; ausserdem weihte er auch seinen Nach-
folger in dieses Geschäftsgeheimnis ein, der es mit gleichem Erfolge noch zwei
Monate weiter bis Si-ning fu fortsetzte, abgesehen von den son.stigen unkontrol-
lierbaren Betrügereien durch Ansetzen höherer als der üblichen Preise und
Teilung des Gewinnes mit dem Verkäufer, welche die beiden Dolmetscher in
gleicher Weise betrieben. Obwohl eine chinesische Wage immer zur Hand
war, wurde erst in Si-ning fu durch einen Missionar der Betrug aufgedeckt.
Sein Nachfolger war ein muhamedanischer Kaufmann aus Su-tschou, der
bei seinem Eintritt in den Dienst sich seine Ehrlichkeit durch eine Anzahl mit-
— 223 —
gebrachter Zeugen bestätigen Hess, was ihn aber nicht hinderte, Sobolew in
allen Übeln Eigenschaften noch zu übertreffen, wenn das überhaupt möglich ist.
Er sprach nur mangelhaft russisch, gab fast gar keine Auskunft und nützte
für meine Studienzwecke so gut wie nichts; nicht einmal die Ortsnamen waren
von ihm zu erfahren. Obwohl er sich verpflichtet hatte, auch nach Tibet mit-
zugehen, weigerte er sich doch in Sining fu, die Expedition weiter zu begleiten.
Er wurde ohne Bedauern entlassen und die weitere Reise überhaupt ohne
Dolmetscher, oft unter grossen Schwierigkeiten und nur mit gelegentlicher Hilfe
durch Missionare zurückgelegt
Die Reise von Su-tschou nach Kan-tschou und Liang-tschou auf dem
Hauptwege, bei strahlend schönem Wetter, mit herrlicher Aussicht auf das im
Juni noch stark mit Schnee bedeckte Nan-schan-Gebirge, durch die reich bebauten
Kulturländer, zahlreiche Dörfer und grünes Weideland, auf dem grosse Herden
von Pferden, Rindern und Schafen grasten, war ein wirklicher Genuss. Und
solcher schönen Stellen bietet der Weg viele; es fehlt aber auch nicht an
weiten Flächen, die nach Südosten immer zahlreicher und ausgedehnter werden
und mit dem jeder Vegetation feindlichen Flugsand oder mit grobem Geröll
bedeckt sind, welches die Flüsse aus dem Gebirge herabbringen und womit sie
häufig das Kulturland weithin überschütten. Hier dehnt sich der Weg bei der
Langsamkeit des zwischen dem Geröll mühsam Halt suchenden Pferdes endlos,
und meist sieht man, wie zum Hohne, ganz in der Nähe seitlich vom Wege
Schatten spendende Baumgruppen, schönbestelltes Ackerland oder saftige
Weideflächen mit Viehherden.
Auf den sandigen Flächen erinnern die Wüstenpflanzen Nitraria Schoben L.,
Dodartia orientalis L., Calligonium murex, Bge. und Tamarix-Sträucher an die
Wüste, die in nur geringer Entfernung im Osten sich ausdehnt und oft sich
zwischen das Oasenland einschiebt. Die zoologischen Sammlungen enthalten
von hier nur wenige Formen von höheren Tieren, darunter Gazella Prschewalskiji,
Emberiza godlewskii, Cyanopolius cyanus (Blaurabe), Carpodaeus erythrimus,
Cuculus canorus, Hirundo nipalensis und einige Eidechsen.
. Die Geröllflächen sind nicht nur da, wo die aus dem Gebirge kommenden
Wasseradern nach starkem Regen grosse Wasser- und Geröllmassen herab auf
die Thalfläche bringen und weithin ausbreiten, so dass oft solche zur normalen
Zeit nur einen kleinen Bach mit wenig Wasser führenden Schotterbetten mehrere
Kilometer breit sein können, sondern der Weg ist auch da ganz mit groben
Gerollen bedeckt, wo er durch das Lehmgebiet selbst geht, in kleinen Ein-
schnitten oder tieferen Hohlwegen mit mehreren Meter hohen Wänden von
feinem, weichem, staubartigem, aus Löss hervorgegangenem Lehme. Dieses
massenhafte Vorkommen von groben Gerollen auf der Wegsohle im Lehmgebiet
rührt daher, dass unter dem Lehm mächtige Kies- und Schotterlagen in 2 bis
4 m Tiefe beginnen und auch stellenweise im Lehme selbst dünnere Schotter-
schichten sich befinden.
~ 224 —
Ganz aligemein nun werden die Wege hier zu Lande in dem Lehm- und
Lössgebiet durch den starken Gebrauch im Laufe vieler Jahre vertieft; der
durch die Stösse und die Reibung der Rader, den Tritt der Pferde- und Maul-
tierhufe aufgelockerte feine Staub des Lehmes wird vom Winde entführt und
langsam sinkt das Niveau des Weges, der ursprünglich auf der Oberfläche der
Lehmfläche ging, immer tiefer, bis es zuerst die einzelnen Kieslagen im Lehme
erreicht und beginnt steinig zu werden, und noch weiter, bis es auf die
mächtigen, kompakten Massen des groben Kieses im Untergrund gelangt und
dort stabil bleibt, aber ganz im Schotter liegt. Da es in tieferen derartigen
Lössschluchten wegen des mangelnden Luftzuges sehr heiss zu werden pflegt
und auch das Gehen auf dem Gerolle kein Vergnügen ist, sind von den Fuss-
Di)rf Ven-lhschi yi, östlioh vom Su-tsehöu, uinjrcbcn vtin Wiiale.
Wanderern kleine Wege oben an den Kanten des Hohlweges zwischen diesem
und dem bebauten Lande angelegt, die ausser bequemem Gehen auch frische
Luft und Aussiebt bieten; aber für den Reiter sind diese nur sehr schmalen
und häufig durch Wasserrisse unterbrochenen Pfade nicht benutzbar.
Unter solchen, bald mehr, bald weniger angenehmen Umständen wurde
der Weg von Sutschöu bis Kan-tschöu in sieben Tagen, von da bis Liang-
tschöu in acht Tagen zurückgelegt. Die Umgebung ist im ganzen monoton,
und das wenige, das Interesse beanspruchen kann, ist bald aufgezählt
Im allgemeinen hält sich die grosse Strasse recht weit vom Fusse des
Nan-schan-Gebirges. Gegen Nordosten liegt zunächst bei Sutschöu und weiter
nach Osten eine Niederung mit Seen und Ried, durch welche der Hei-ho
(Etschingol) seinen Weg in die Wüste nimmt, und jenseits sind erst niedere, nach
Osten aber immer mehr an Höhe gewinnende, ganz vegetationslose Bergzüge, die
noch dem uns aus der Gobi bekannten Gebirgssysteme des P'e-schan angehören.
- 225 —
In der niedrig gelegenen Region ist stellenweise schönes Weideland, und
man begegnet da grossen und zahlreichen Herden von schönem Rindvieh,
Schafen, Ziegen, Schweinen, Eseln, Maultieren und auch Pferden. An andern
Stellen aber wieder ist die ganze Oberfläche mit Salzefflorescenzen bedeckt,
neben denen nur kümmerlicher Graswuchs gedeiht.
Bei dem Dorfe Yen-thscM yi liegen mehrere Salzseen, die zum Teil fast
ausgetrocknet sind; eine dicke Kruste von Kochsalz bedeckt die ganze Ober-
fläche. Das Salz, reines Kochsalz, wird gewonnen, indem die körnigen, lockeren
Massen desselben an der Oberfläche mit flachen Holzschaufeln abgeschöpft und
Das GaaChaDa In Wu-schöD|; pu. Dordwestllch von P'iiiE:-faii hsien.
dann zum Trocknen zu grossen, kegelförmigen Haufen aufgeschüttet werden.
Die Ufer der verschiedenen, kleinen Seen sind ganz bedeckt mit solchen
kristallklaren Salzpyramiden, die weithin in der Sonne wie Schnee leuchten.
Am Ufer, wo Riedgras und Schilf wächst, sind häufig Pflanzenteile, besonders
kleinere Moose, mit zierlichen Salzkrusten überzogen, in derselben Art, wie der
Karlsbader Sprudel Blumen und Zweige mit Arragonit überzieht.
Die Nähe der Wüste, die schon auf und gleich jenseits der Berge im
Norden und Nordosten beginnt, macht sich längs der grossen Strasse in Flug-
sanden von grösserer Ausdehnung bemerkbar, welche der Weg umgehen muss,
und hohe Sandberge und Dünen begleiten Stunden lang die Strasse. Hier
liegen mitten in der Sandwüste armselige Dörfer, wie die Abbildung von
Yenthscht yi (pg. 224} zeigt, und auch die Verpflegung und Unterkunft lassen
SladtlhOT von lOio-thiii hsieo, ntird wüst lieb von K.iD-tschüu.
oft viel zu wünschen übrig. Ueberhaupt sind die Wirtshäuser auch in den grossen
Städten meist sehr wenig angenehm, häufig muss man mit einer stallartigen,
kleinen Lehmhütte fürlicb nehmen.
Westlich von dem Städtchen Kao-thai hsien, das von einer gut erhaltenen
Stadtmauer mit schönen Türmen über den Thoren umwallt ist, beobachtet man
an dem Gerolle der vegetationslosen Schotterhügel wieder die Spuren der Ein-
wirkung von Klima, Wind und Sand, allerdings in geringerem Masse als am
Südrande der Gobi, Aber auch hier fehlen nicht die kantigen, streifigen Sand-
steine und die Kieselgerölle mit den mäandrischen Relicfzeichnungen an der
Oberfläche. Besonders schöne Erscheinungen hat der Wind an weichen Ziegel-
steinen eines grossen Gräberfeldes westlich von Kantschöu hervorgebracht. Die
Ziegelsteine waren zum Schmuck der Gräber in vier Reihen nach vier Rich-
tungen über dem Erdhügel angeordnet und sind mit Zapfen in einander ge-
fügt. Die nach Nordwesten gerichteten Seiten und Kanten sind nun ganz durch-
löchert und zernagt, die gegen Südosten gerichteten aber sind fast unversehrt, ein
Beweis, dass auch hier die West- und Nordwestwinde vorherrschen und häufige
Staubstürme bringen.
Hervorragendes Interesse erwecken schon lange vor Kan-tschöu die
Reste der grossen chinesischen Mauer, die sich bald im Osten von Su-tschöu
vereinzelt verfolgen lassen. Aber erst etwa von der Mitte des Weges zwischen
Su-tschnu und Kan-tschöu an trifft man grö.ssere, zusammenhängend erhaltene
Stücke der Mauer mit ihren in regelmässigen Abständen stehenden Türmen,
Von Hua-thsiang pu aus, vier Tagereisen westlich von Kan-tschöu [= Khoa
tziantzl, Kreitner], konnte ich einen Ritt hinüber zur Mauer machen. Es stand
dort an der Grenze von Kulturland und Sandwüste ein mächtiger, vierseitiger
— 227 -
Turm, an dessen Seiten noch die Ansätze von Mauerwerk sichtbar waren.
Etwa 500 m entfernt lag wieder eine solche Lehmpyramide schon sehr im Zer-
fall, und in der Verbindung der beiden Türme waren deutliche Ueberreste
einer starken Lehmmauer am Boden zu verfolgen. Auch deren weitere Fort-
setzung war weithin sichtbar. Hier ist nur sehr wenig von dem monumentalen,
riesigen Bauwerke übrig, aber auf dem weiteren Wege nach Südosten sind noch
gut erhaltene Mauerreste auf weite Strecken hin vorhanden. An einer solchen
Stelle bei Schantan hsien, südöstlich von Kan-tschou, wo die Mauer fast unverletzt
erbalten war, bot sie das folgende Bild. So weit das Auge reicht, bis an den
fernen Horizont, zieht sich die graue Lehmwand mit vielen Unterbrechungen und
zahllosen, grösseren oder kleineren Türmen durch die flache Grassteppe. Die
kleineren Türme von viereckiger, nach oben etwas zugespitzter Form sind in
un regelmässigen Abständen sehr häufig in der Mauer verteilt, offenbar in der
Absicht, ihr mehr Halt zu geben, denn sie enthalten weder Thore, noch
Innenräume und ragen nur wenige Meter über das Niveau der Mauer selbst
empor. Die grossen Türme dagegen sind teils als Thore angelegt, teils befinden
sie sich an Stellen, wo Flüsse durch die Mauer gehen oder wo sonst besondere
Schutzvorkehrungen nötig sind.
Diese grösseren Türme haben ebenfalls einen quadratischen Querschnitt
von etwa 12 m Seitenlänge unten und verjüngen sich pyramidal nach oben
zur Höhe von etwa 10 m. Sie sind, wie die Mauer selbst, ganz aus unge-
brannten, nur an der Sonne getrockneten Ziegelsteinen aufgebaut und haben
im Innern grosse Räume für Mannschaften und ein Treppenhaus in der inneren
Lehmwand mit Ziegelstufen, auf der man auf die Plattform gelangen kann.
Auf dieser sind Brustwehren und auch erkerartige Vorsprünge zuweilen noch
erhalten; meist aber sind besonders von den oberen Teilen der Türme grosse
Stücke des Mauenverkes herabgefallen und der Rest ist dann durch Regen
i Schnn-tiiD hsi<^ii, sü<li>stlich \
— 228 —
und Wind so zugerundet, dass viele solcher ehemaligen Türme nur wie grosse,
nach oben sich verjüngende Erdhaufen aussehen. Gelegentlich sind ausgedehn-
tere Bollwerke mit grösseren Anlagen zur Unterbringung von Soldaten und
zur Verteidigung an der Innenseite angebracht.
Die Mauer legt sich an die Türme am inneren Teil ihrer Seitenflächen
an, so dass jene vor die Mauer bedeutend vorspringen; sie ist 4 m hoch bei
einer Breite von 3,5 m unten und verjüngt sich etwas nach oben auf der Innen-
und auf der Aussenseite. In der Höhe von 4 m über dem Boden beginnt an
der Aussenseite eine etwa l m breite Brustwehr, die noch über 1 m hoch ist,
so dass von aussen gesehen die Mauer etwa 4,5 m hoch erscheint Am
'i'urm ilcr grosspn Mauer (ton der InncuBeitp) in der Nähe von Schnn-tan hsicn.
südöstlich von Kaa-tschöu.
Boden war ihre Breite wohl auch ursprünglich 4 m, aber durch die vom
Boden ausgehende Feuchtigkeit sind die unteren Teile derselben verwittert
und nur noch 3,5 m dick, wie die obenstehende Abbildung zeigt. Diese all-
mähliche Unterhöhlung der Mauer fuhrt häutig zu ihrem völligen Zusammen-
sturz, wenn der Fuss gar zu dünn geworden ist.
In der That sieht man häufig an Umfassungsmauern von Gärten und Feldern
vom Winde umgeworfene Stücke, oder andere noch stehende, die bei dem geringsten
Stosse umfallen müssen, da sie nur noch auf millimeterdünnen Piedestalen aufsitzen.
So genügte es z, B. in dem Wirtshause eines Dorfes, dass die in der Nacht an
einer Stützstange des Daches angebundenen Pferde an derselben zerrten, um
nicht nur das Dach, sondern auch eine Seitenmauer des Pferdestalles einzu-
reissen, was mitten in der Nacht mit grossem Getöse und so starker Staub-
entwicklung eintrat, dass man zunächst gar nicht erkennen konnte, was eigent-
lich passiert war. Das Hin- und Herrennen der geängstigten Pferde, von
— 229 —
denen einige zuerst mit unter den Trümmern gesteckt hatten, die Bemühungen
der herbeigeeilten, halb angekleideten Leute, die Gefahr weiteren Einbruchs
zu beseitigen, boten ein Bild des Wirrwarrs wie auf einer Brandstätte, wobei
der dicke Staub die Rolle des Rauches vertrat. Noch Tage lang nachher
machte sich an allen unsern Sachen der Staub bemerklich, der sich, da weder
Thüren noch Fenster an den Quartieren verschliessbar sind, unbehindert überall
hin ausdehnen und in dicker Schicht ablagern konnte.
Uebrigens wird man bei einer längeren Reise in diesen an Lehm, Löss und
Staub reichen Gebieten gegen den Staub unempfindlich, man sieht ihn kaum
mehr, da alles dieselbe braungelbe Farbe trägt. Braungelb ist der Boden selbst
zwischen den grünen staubbedeckten Gewächsen der Felder und Gärten. Braun-
gelb sind die Häuser, die Türme und Mauern, die flachen Dächer der Ge-
bäude, der Fussboden der Gemächer, wie der offenen Pferdeställe. Braungelb
ist das Holz der Balken, Säulen, Fenstergitter und Thüren und dieselbe Farbe
ist den Strohmatten eigen, die oft das einzige Inventarstück der Quartiere bilden.
Diese braungelbe Monotonie dehnt sich in den östlichen Teilen des Nan-
schan- Gebirges und auch im Thale des Si-ning-ho unterhalb der gleichnamigen
Stadt auf die weitere Umgebung. Berge, Thäler und Flüsse mit einbegriffen,
aus, so dass das ganze Landschaftsbild unter dem blauen Himmel einen
einzigen Grundton aufweist, dem sich auch die grosse Mauer einordnet.
Kleinere Stücke solcher Schutzmauern über kürzere Entfernungen findet
man mehrfach innerhalb der grossen Mauer, zwischen Liang-tscbou und Lan-
tschou. Auch sie laufen über Bergrücken und Berggipfel und hinab in tiefe
Thaleinschnitte, wie es eben die Oberflächenform der Gegend verlangt. Derartige
Zweige, die sowohl an Dicke ' der Mauer, wie Höhe und Stärke der Türme
hinter der äusseren und eigentlichen grossen Mauer etwas zurückstehen, gehen
z. B. von Ku-lang hsien südöstlich von Liang-tschou ins Thal des P'ing-fan-ho
und nach Lan-tschou. Eine andere Mauer ist in ihren Trümmern vom Thale
des Si-ning-ho oberhalb von Si-ning fu längs der Grenze von Tibet in süd-
licher Richtung bis ins Thao-Thal oberhalb von Thao-tschou zu verfolgen.
Einzelne Strecken der Mauer sind schon älteren Datums; erst 245 v. Chr.
wurden sie vom Kaiser Tsin-Schi-huang-ti vereinigt; ihr Zweck bestand in der
Abwehr der Einfälle der mongolischen Nomadenstämme nach China und in
der Folge erwies sich die Bedeutung dieses Bollwerks für die Wanderungen
der Nomaden von grosser Bedeutung, da diese Völker nach Westen gedrängt
wurden, in andere Reiche eindrangen und ganz West-Asien in Mitleidenschaft
zogen.
So läuft die grosse Mauer in ihrer gewaltigen Ausdehnung, das gross-
artigste Baudenkmal, das je Zeiten und Völker hervorgebracht haben, durch die
Thalflächen dahin, über Bergabhänge und Kämme; hier trennt sie fruchtbares
Land von Sandflächen, dort durchschneidet sie meilenweite Stein- und Geröll-
wüste. Bald ist sie im Thale oder in der Ebene geradlinig, bald folgt sie den
- 330 -
Gipfeln des Gebirges in vielgewundenem Verlaufe. Trotz der Einfachheit und
gänzlichen Schmucklosigkeit dieses lediglich zu Verteidigungszwecken aufge-
führten Bauwerks macht es den Eindruck der Grossartigkeit, wenn man die
dunkle Linie unbekümmert um alle Hindemisse bis zum Horizonte wie ins
Unendliche dahinziehen sieht.
Wie bereits oben erwähnt wurde, führt der Weg einige Meilen nordwest-
lich von der grossen Stadt Kan-tschöu durch weite Lehmflächen, die ganz mit
einer Unzahl von alten Grabstellen erfüllt sind. Nur in der Nähe des kleinen
Ortes Tsing-ho-ten befinden sich einige neuere, gut erhaltene und geschmückte
Freisteheade Sär^ ausserhalb der Stadtmauer Ton Kan-tscbfiu (u.
Grabhügel, alle andern aber gehören einer älteren Zeit an, sie sind zum
grössten Teile nur noch kleine Erdhaufen ohne bestimmte Form, und die
Ziegel, die ihnen einst in mehreren Reihen nach verschiedenen Seiten hin
aufgelegt waren, sind überall zerstreut Ausserdem liegen auch die Scherben
von grossen Thonkrügen in Massen herum. Diese Ruinen gehören einer alten
Stadt Kan-t.schöu an, die nach einer Sage, von der Grum Grschimailo berichtet,
sehr mächtig und reich war; sie empörte sich aber gegen den Kaiser, der sie
einnahm, zerstörte und einen Sandsturm sandte, der alles bedeckte.
Diese grosse Grabstätte ist von Kantschöu immerhin noch recht weit ent-
fernt und in ihrer Nähe liegen nur unbedeutende Dörfer, so dass man unmög-
hch diesen allein die grosse Anzahl der Gräber zuschreiben kann. Es scheint
eher berechtigt, anzunehmen, dass die weiten Lehm flächen als geeigneter
Untergrund für die letzte Ruhestätte der Toten angesehen und deshalb vor
— 231 —
den KJesböden bevorzugt wurden, auf welchen ein Grabhügel nach kurzer Zeit
infolge der Frühjahrsüberschwemmungen gänzlich verschwinden würde. Indessen
sieht man häufig auch in den Hochwasserbetten neben den Flüssen Gräber an-
gelegt, die aus einer kegelförmigen, etwa i — 1,5 m hohen Aufhäufung von grossen
Rollstücken bestehen, bei denen als einziger Schmuck nach vier Richtungen
besonders grosse Steine in Reihen angeordnet sind. In kleinen Gruppen von
sechs bis zehn stehen solche Tumuli beisammen und das erste Hochwasser
muss sie vernichten und alles auseinander streuen. Es wird aber auf viele
Gräber von vornherein keine Soi^falt verwandt, wie man daraus ersieht, dass
Budillilstiache Monumente auf einer Grabglätle bei KuD-tscliöu fu.
des öfteren noch frische Särge aus der zu mangelhaften Bedeckung heraus-
ragen und frei liegen.
Die chinesischen Särge sind recht geräumig, viel grösser, als unsere auf
das Körpermass angefertigten, ausserdem aus ganz dicken Holzbohlen ge-
zimmert und bei Wohlhabenden aussen mit bunter Malerei bedeckt. Auf Grab-
stätten bei grösseren Orten sieht man denn auch gelegentlich gut gepflegte
Gräber mit zierlichen Steinsetzungen unter Bäumen und mit Grabtempelchen.
Auch fehlt es zuweilen wie z. B, in Kan-tschöu nicht an grossen Grabmonumenten
mit eigentumlich gestalteten Kuppeln und Pyramiden, die aus Lehm errichtet sind.
Eigentlichen Gräberschmuck mit Statuen oder Bildern giebt es nicht, höchstens,
dass in kleinen Schutzhäuschen grosse Tafeln mit Inschriften angebracht sind.
Für die grosse Mehrzahl der Gräber trifft das aber nicht zu, imd die Gräber-
felder, welche die Stellen von Schlachten während der Dunganenaufstände be-
— 233 -
zeichnen, haben meist nur einfache Erd- oder Schotterhügel. In enormen
Mengen liegen sie so zerstreut über ganze Thaler im Nordwesten von Liang-
tschöu, offenbar da, wo die unglücklichen Opfer gerade gefallen oder in
grösseren Gruppen getötet worden sind, und die weite Ausdehnung dieser
traurigen Hügel lässt crmessen, welche reiche Ernte hier der Tod gehalten.
Die grossen und für die Herstellung von Thonwaren geeigneten Lehmlager
haben an vielen Orten zum Entstehen einer Thonwaren Industrie geführt. Die
Fabrikation von Ziegeln und Lehmplatten für Mauern und Gebäude braucht
nicht besonders erwähnt zu werden, denn sie ist ganz allgemein verbreitet und
einfach genug. Rechteckige Ziegelsteine, wie sie am meisten zu Bauten ge-
braucht werden, sieht man so herstellen, dass breite Bänder von befeuchtetem
und roh geknetetem Lehme in der erforderlichen Dicke einfach auf den Boden
TlionomameDle aa den Giebeln von 'i'tmpcln und Thoren. Tan-ka'r thin^.
aufgetragen und dann mit einem Metallblattc in die nötige Stückzahl abgeteilt
werden; das übrige besorgt die Sonne. Das Brennen der Steine hält man
hier für überflüssig und wäre wohl auch bei dem Mangel an Brennmaterial zu
kostspielig. Die feineren Porzellanarbeiten kommen aus dem östlichen und
südlichen China. Nur an Tempeln, Thorbogen und gelegentlich auch an besseren
Privathäusern sind reicher ornamentierte und zum Teil auch gebrannte und glasierte,
mit Farben versehene Ziegel zur Verwendung gebracht. Zu den alltäglich und
allgemein wiederkehrenden Thonornamenten gehören runde Ziegelsteine von
etwa 6 cm Durchmesser, welche an den Dächern da angebracht sind, wo die
das Dach tragenden, schräg vom Giebel nach der Traufe laufenden, runden
Balken ihr unteres Ende haben. Sie sind dort in Reihen zur Verzierung
angeordnet und verdecken die Balkenenden. Sehr häufig an den Firsten
von Thorbogen und Tempeln ist ein drachenartiges Stück, das die Text-
- 233 —
figuren auf der vorstehenden Seite von einem Tempelchen in Tan-ka'r thing
veranschaulichen.
Auch schlangenartige Tiere werden oft zur Dekoration von Giebeln aut
Tempeln verwendet, sowie andere aus Thon modellierte Tiere, Löwen,
Pferde u. s. w. ZieHichen Mosaikarbeiten aus gefärbten Ziegeln begegnet man
in diesen Landesteilen seltener, doch findet man farbig zusammengesetzte
Friese der Tempel und in Ping-fan hsien sogar einen kleinen bunten Pagoden
bei einem Tempel, in dem sich als Wandverzierung die oben abgebildete,
Fuyeiice-f>rDiunenl iL einem Tempel In f'mg-laa hsien.
harmonisch gefärbte Drachenfigur befindet. Er^väh^t wurden bereits die roh
aus Thon modellierten oder aus Eisen gegossenen, grossen Löwen, die als
Symbole der Kraft und Stärke vor den Dienstwohnungen der höheren Beamten
aufgestellt sind; sie fallen durch ihren grimmigen Ausdruck und ihre plumpen
Formen in die Augen, besitzen aber keinen hohen Wert als Kunstwerke und
entbehren aller feineren Ausführung.
Naturgemäss finden die reichen Thonlager auch grosse Verwendung zur
Herstellung von Töpfen und Geschirr, das in den verschiedensten Formen
angefertigt wird. Am bemerkenswertesten sind etwa '/* i" hohe Töpfe mit
— 234 -
dicken Wandungen und einfacher Kreisornamentik am unteren Ende, die häufig
zum Aufbewahren von Trinkwasser dienen, sowie Kochgefässe und Trinkgeschirre
der verschiedensten Art. Die untenstehende Abbildung stellt solche aus der
Gegend von Si-ning fu dar. Aus Thon endlich sind zumeist die grossen Stand-
bilder der Gottheiten in den Tempeln und Etngangsthoren hergestellt, die mit
bunter Bemalung und oft auch mit reicher Vergoldung geschmückt sind. Be-
sonders grosse und zahlreiche Brennöfen für Töpferwaren stehen im Süden von
Schantan hsien im Südosten von Kan-tschöu. Es sind grosse, etwa 10 m hohe,
quadratische, oben von einer Kuppel überwölbte Kammern, an deren Seite sich
ein grosser Schlot erhebt. Eine vielgestaltige Menge von Schüsseln, Krügen,
lAve in einem Vamea in Tan-ku'r thini;.
Töpfen und grossen Thoneimern wird hier hergestellt. Das Rohmaterial ist in
Gestalt ausgedehnter und mächtiger Lehmlager in nächster Nähe der Fabriken
und zum Teil in deren Untergrunde anstehend, während als Brennmaterial
gute Steinkohle aus nur etwa i'jt Stunden entfernten Bei^werken dient.
Bei diesen Gruben sind grosse Dörfer mit einer vom Kohlenstaub ganz
schwarzen Bergwerksbevölkerung angesiedelt. Die Schächte sind nicht tief und
besondere Anlagen sind nicht vorhanden. Die zu Tage ausgehenden, nicht steil
einfallenden Flötze werden, soweit das mit den einfachen Hilfsmitteln von
Hacke und Schaufel möglich ist, in die Tiefe von einigen 30 m verfolgt.
Andere, noch primitivere Kohlenbergwerke sind an dem Abhänge des
Gebildes angelegt, das sich zwischen dem grossen Längsthal, in welchem die
- 235 -
Strasse dem Flusse nach Südost aufwärts folgt, und der Wüstenregion des
Ala-schan parallel mit den Ketten des Nan-schan hinzieht und von Kreitner Hoi-
yen-san genannt wird. Sie liegen ausserhalb der hier relativ gut erhaltenen grossen
Mauer nordöstlich von Sin-ho yi, einem kleinen Orte im Südosten von Schan-
tan hsien, und bestehen aus einfachen, brunnenartigen Vertiefungen, aus denen
je zwei oder drei schwarze, fast ganz nackte, abschreckend aussehende Arbeiter
eine schlechte, erdige Kohle fördern. An den Arbeitern ist die Haut von oben
bis unten schwarz wie bei Negern, nur das Weiss der Augen und der Zähne,
sowie das Rot der Lippen heben sich grell davon ab.
Noch ein weiterer Ausflug führte mich in die Kohlenbergwerke im Süden
von Hsia-k'ou yi, das noch weiter gegen Liang-tschou zu gelegen ist. Hier
liegen die Gruben, einfache, wenig tiefe Schächte, hoch an den Abhängen des
Nan-schan, die in den niedriger gelegenen Teilen mit fruchtbarem Weideland
bedeckt sind, das zahlreichen Herden von Kühen, Schafen und Pferden Futter
bietet, während auf den höheren Bergen ein buschiger Laubwald grosse Flächen
Thongefässe aus Tan-ka'r thinjj.
Vio natürlicher Grüste.
bedeckt; die höchsten Regionen aber sind kahl. Die Leute in den Bergwerken,
denen selten ein Fremder zu Gesicht kommt, waren natürlich alle sehr neu-
gierig und staunten über meine Sachen, vor allem die europäische Kleidung und
den Zwicker; am wunderlichsten schien ihnen die Thätigkeit des Geologen, der
Steine zerschlägt, um Versteinerungen herauszuklopfen. Aber sie halfen freund-
lich mit, schleppten alsbald die richtigen Gesteinsstücke herbei und freuten sich,
wenn etwas Schönes zum Vorschein kam.
Doch kehren wir nach diesen Exkursen wieder zurück zur grossen Strasse.
Von Kan-tschou, der ersten grösseren Stadt, die man von Su-tschou aus in
sieben Tagen erreicht, ist nach dem schon von Su-tschou Gesagten wenig
Neues zu berichten. Das Oasen-Gebiet von Kan-tschou liegt zwischen den
vielverzweigten und verschieden benannten oberen Zuflüssen des Hei ho (schwarzen
Flusses), der nach Nordwesten fliesst und als Etschin-gol sich mit dem Tao-lai
vereinigt und weit im Norden in den abflusslosen Gaschiun-nur einmündet. Die
Stadt selbst spielte früher eine grosse Rolle als Hauptstadt des Reiches
der Huei-he' (Uiguren) 850 — 1028. Während des Bestehens des Tanguten-
— 236 —
Reiches war sie ebenfalls, wie Marco Polo berichtet, eine bedeutende und reiche
Stadt. Von Dschingis-chan erstürmt und zerstört, hatte sie im späteren Mittel
alter ihre frühere Bedeutung wieder gewonnen, steht aber heutigen Tags
hinter Lan-tschou fu, der Hauptstadt der Provinz Kan-su, zurück. Sie ist be-
deutend grösser als Su-tschou (Kreitner schätzt die Einwohnerzahl auf 150000,
Rockhill auf 70 — 80000 und Grum Grschimailo nur auf 30000) und hat auch
reichere Thorbögen und Magazine als jenes; einzelne Privathäuser, und viele
Magazine sind aussen bunt verziert und mit Holzornamentik geschmückt. Am
Ende der langen breiten Hauptstrasse, in der vereinzelte hohe, schöne Bäume
Schatten spenden, ist ein grosses, reich verziertes Thor, vor welchem ein
kleinerer, bunt verzierter und stark verschnörkelter Thorbogen steht.
Das Fremdenquartier liegt vor der hohen und starken Stadtmauer, deren
Thore nach Einbruch der Dunkelheit geschlossen werden. Hier kamen die
Leichenzüge vorbei, welche zur Begräbnisstätte zogen. Eine Musik, oder viel-
mehr eine Dudelei von Flöten leitete den Zug ein, in welchem der Tote in
seinem grossen, reich verzierten Sarge unter einem Baldachine getragen wurde;
die Leidtragenden folgten in weisser, baumwollener Kleidung zu Fuss oder auch
zu Wagen, d. h. hier in einer Arbe, einem zweirädrigen Lastkarren, auf welchem
meist Frauen sassen.
Die Umgebung der Stadt ist reich bevölkert und besteht aus ausgezeichnetem
Kulturlande. Zahlreiche, gut mit Mauern und Thoren befestigte Dörfer liegen
an den Bewässerungskanälen, und überall waren die Bewohner mit Feldarbeiten
beschäftigt, wobei die Frauen, trotz ihrer Behinderung durch den schwerfälligen
Gang, und auch die Kinder wacker mithelfen. Ganze Familien sitzen so mit
ihren breitrandigen Hüten draussen von morgens bis abends auf dem Felde und
säubern die Saaten von Unkraut oder sind mit Einsetzen beschäftigt. Die
Hauptprodukte sind auch hier Hülsenfrüchte und Getreidearten, daneben Hanf,
Mohn, Raps, Flachs, Mais, Zwiebeln und Lauch, Salat, Gurken, Wassermelonen
und auch Kartoffeln. Diesen letzteren wird besondere Sorgfalt zu Teil. Man
steckt sie nicht wie bei uns über ganze Aecker aus, sondern es werden dem
Rande des Ackerfeldes parallele Wälle aufgeschüttet und nur auf diesen wird
die Kartoffel angepflanzt, und zwar nach der äusseren Seite hin. Die Landleute
bedienen sich hier eines sehr einfach konstruierten Pfluges mit einer breiten,
schildartigen Pflugschar, der mit ein oder zwei Ochsen bespannt wird. Zum
Ausdreschea dienen sechs- oder achtseitige Steinwalzen. Weiter gegen das
Gebirge hin scheint das Land steiniger zu werden und dadurch den Feldbau
zurückzudrängen; die Gebirgshänge selbst sehen ganz kahl aus.
Es herrschte hier in der Nähe der grossen Stadt auf der Strasse lebhafter
Verkehr. Ganze Wagenzüge bringen aus den nicht fern im Südosten gelegenen
Gruben die Steinkohle nach der Stadt. Vornehme Reisewagen mit bequemer
Ausstattung und begleitet von einem Tross von Dienern und grossen Gepäck-
arben, ebenso wie ärmliche Fusswanderer, die ihre ganze Habe in zwei Bündeln
— 237 —
an den Enden einer Stange über der Schulter tragen und dabei rüstig ihres
Weges ziehen, sind häufige Erscheinungen. Das Land und die Orte längs der
Strasse von Kan-tschou bis Liang-tschou bieten aber sonst des Bemerkenswerten
wenig. Eine Ausnahme macht der kleine, am Fusse einer Graniterhebung
gelegene Ort Sho-toi-tze (Kreitner), südöstlich von Kan-tschou, in dessen Nähe,
hoch am Bergabhange hinaufgebaut, sich eine ausgedehnte Tempelanlage be-
findet, in welcher eine grosse Statue des Buddha in sitzender Stellung thront.
Der Haupttempel besteht aus einer Anzahl von Stockwerken, die terrassen-
artig hinter und über einander am Bergabhange ansteigen und die Kolossalstatue,
a Pflujj bei ITiungf-fan yi am Ta-thung-ho. c Pflugschar des Pfluges a.
b Pflug- bei Su-tsch6u.
welche darunter am Berggehänge sitzt, überdecken (Tafel XVI). Wenn man
den untersten Raum betritt, sieht man nur die Füsse der Gottheit und die
Beine bis etwa zur Kniehöhe; die Füsse sind so gross, dass die Breite jeder
Zehe 0,5 m beträgt und die Höhe der ganzen Figur dürfte 25 — 30 m erreichen.
Die Gewandung ist bunt bemalt; alle unbedeckten Körperteile aber sind vergoldet.
Auf dem allein etwa 3 m hohen Kopfe sitzt eine blaue, haubenartige Bedeckung.
Auf engen Treppen klimmt man an den Seiten des Kolosses im Innern der
Terrassentempel empor und sieht das Gesamtstandbild immer nur in einzelnen
Partien von den Füssen bis zum Knie, von da bis zum Leibe, endlich das
Bruststück, Hals und Kopf; infolgedessen kann von einem Gesamteindruck
auch keine Rede sein, und das Ganze erscheint mehr wie eine grosse Spielerei,
denn wie ein würdiges, erhabenes Monument.
- 238 -
Der Tempel hat noch eine Reihe von Seitetiräumen, die alle reich dekoriert,
bunt bemalt und mit schön und harmonisch wirkenden Holzarbeiten geziert
sind. In einigen derselben sind kleinere Gottheiten in phantastischen Stellungen
und bunter Bemalung aufgestellt, aus deren Geberden indessen nur ein Buddhist
entnehmen kann, was sie symbolisieren sollen. Nur die Teufel und die bösen,
feindlichen Mächte sind leicht erkennbar an ihren drohenden Stellungen und
Furcht erregenden Beigaben.
Der auf dem Bilde (Taf. XVII) dargestellte Gott ist nach gütiger Bestimmung
durch Herrn Professor Griinwedcl die Schutzgottheit (ly-dam) Yamantäka (oder
Bu.ldha-Tempcl bei Sho-loi-lze, BÜdoBtllch von Kan-tschöu.
Yamäri oder Bhairava, tibetanisch g'Shin-rje-gshed), die zur Gruppe der acht
schrecklichen Götter gehört, welche die Feinde der buddhistischen Religion
mit Energie verfolgen. Yamantäka hat den Rang eines Buddha. Es ist die
komphzierteste und furchtbarste Gestalt unter den Jy-dam und nach Grünwedels
genauer Beschreibung ist über die Art der Darstellung das Folgende von all-
gemeinerem Interesse: Das Bild hat i6 Füsse, 34 Hände, 9 Häupter; der Körper
ist schwarz und unbedeckt. Der Kopf ist der eines Stieres mit drei Ange-
sichtern neben dem rechten Hörn von blauer, roter und gelber Farbe und zornig
entstellt; neben dem linken Hörne sind ebenfalls drei Gesichter, aber von weisser,
grauer und schwarzer Farbe. Zwischen den beiden Hörnern ist das furchtbar
erzürnte, rote Gesicht und darüber das weniger schreckliche, gelbe Gesicht des
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Manjugri. Die rechten Hände halten Messer, eine spitze Waffe, Mörserkeule,
Donnerkeildolch, Axt, eine Schnecke, Pfeil, Haken, Schleuderstein, Keule, ein
Rad, Donnerkeil, Steinhammer, Schwert und Trommel. In den linken Händen
befinden sich Schädel, Kopl, Schild, Bein, Fangschlinge", Bogen, Eingeweide,
Glocke, eine Hand, Linnen vom Leichenacker, ein Mann am Spiesse baumelnd,
ein Ofen, Stück eines Schädels, drohender Finger, Dreizack mit Flatterbändern,
vom Wind gepeitschte Leinwand. In zwei Händen wird ein Elefantenfell ge-
halten. Unter den Füssen befinden sich rechts ein Mann, Stier, Elefant, Esel,
Kamel, Hund, Schaf und Fuchs, links ein Habicht, Ente, Rabe, Papagei, Falke,
Pfau, Wasserhuhn und Schwan. Nach den Vorschriften über die Darstellung
dieser Gottheit müssen unter den Attributen noch Leichenstätten mit gespiessten,
gehängten und gequälten Menschen, Scharen von Hunden, Geiern, Schakalen und
eine Schar von Bittflehenden sein. Die Vorschriften besagen ferner, dass vor
dem Bilde mit dem aus Schneckenperlen bestehenden Rosenkranze gebetet
werden soll, dass ihm Opfer aus Wohlgerüchen gebühren, und dass es vor
Fremden zu verbergen sei. Die Attribute sind auf dem Bilde nur sehr undeut-
lich zu erkennen; aber es giebt eine Vorstellung von dem Reichtum der Phantasie,
der in dieser Darstellung verkörpert ist. Man kann den Teufel ungestört be-
sichtigen, und wenn man für Buddha einige Räucherkerzen anzünden lässt, er-
regt man nicht nur das Gefallen der grossen Gottheit, sondern auch des führenden
Tempeldieners.
Tempel sind in dieser Gegend und längs der grossen Strasse in Hainen
und bei Dörfern nicht selten; sie haben oft ein sehr gefalliges Aussehen durch
die geschmückten Giebel, Dächer und Thorbogen am Eingange, bieten aber im
Innern wenig Bemerkenswertes.
Während der letzten drei Reisetage vor Liang-tschou ist die landschaft-
liche Umgebung besonders hübsch; der Weg folgt von dem kleinen Orte Schuei-
thsuan yi in fast östlicher Richtung einem grösseren, aus dem Gebirge aus-
tretenden Thale, und man hat auf die bewaldeten Höhenzüge, die an Schwarz-
waldlandschaft erinnern, schöne Ausblicke. Das Thal selbst ist sehr fruchtbar
und gut bebaut, aber die meisten Dörfer liegen zum grössten Theile in Trümmern
und man trifft viele Grabstätten auf den Kiesflächen. Das kleine Städtchen
Yung-thschang hsien liegt sehr malerisch am Fusse eines dunkeln, gipfelreichen
Höhenzuges, der in nordöstlicher Richtung noch weit in die unerforschte Wüste
hinausgeht. An dem Gebirgsabhange sind die kleinen Heiligtümer einer
grösseren Tempelanlage hoch hinauf bis zum Gipfel nach Art eines Calvarien-
berges angelegt. Gleich östlich von dieser kleinen Stadt haben noch beim
letzten Dunganenaufstande blutige Kämpfe getobt; der Thalgrund und die
flachen Berglehnen sind mit zahllosen, einfach aufgeschütteten und mit vier
Steinreihen belegten Gräbern, die oft auf grossen Feldern beisammen liegen,
bedeckt; hier sind auch einige grössere Grabmonumente aufgerichtet und
Steine mit Inschriften erinnern an das Geschehene. Auf dem weiteren Wege
— 240 —
nach Liang-tschöu muss furchtbar gewütet worden sein; er fuhrt nur über
Trümmer, Gräber und verwahrlostes, einst bebautes Land, und das sonst so
fruchtbare, wasser- und vegetationsreiche Thal am Fusse der weiden- und wald-
bedecktcn Höhen bietet einen traurigen Anblick. Auch die Strasse selbst
mit ihren endlosen Geröllstrecken und mangelhaften Brücken trägt Spuren
von Vernachlässigung, wie die überall zerfallenden Pyramiden der Wegezeichen
und die einstürzenden, verlassenen Gebäude der Rasthäuser beweisen.
Gerade diese Wegezeichen, welche zwischen Kaschgar und Hami nur aus
einfachen Thonpyramiden (türkisch Tasch) bestanden, zeichnen sich von Su-
tschöu ab längs der grossen Strasse durch schöne Bemalungen und Grösse aus;
Cliiaeslsche MHlenEteine na iler )>rosscn Strasse südöstlich too Su-tsch6u
auf der erwähnten Strecke nordwestlich von Liang-tschöu aber ist alles in
Zerfall. Auch die Thore zu den Eingängen in die Yamen oder Amtsgebäude
sind selbst an ganz kleinen Orten mit symbolischen Figuren von wilden Krie-
gern, den Schutzgöttern des Hauses, geschmückt und die anschliessenden
Wände tragen vielfach groteske Zeichnungen von Drachen und andern Unge-
heuern; aber diese Gemälde sind oft zerstört und werden nicht ausgebessert,
so da.ss man sie selten so gut erhalten findet, wie sie die nebenstehende Repro-
duktion von dem kleinen Dorf Schuang-tsing yi südöstlich von Su-tschöu zeigt.
Hier liegt das Wüstengebiet des Ala-schan nicht mehr fern, und von der
Strasse aus übersieht man grosse Flächen gelbbraunen Sandes, die gegen
den nordöstlichen Horizont hin anwachsen, während die grünen Oasen immer
spärlicher werden. Die wasserreichen Flüsse aus dem Nan-schan nehmen
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da hinaus ihren Weg und längs desselben dringen noch ein Stück weit die
bewachsenen und bebauten Landflächen vor, bis sie der Hitze, dem Staube
und der Trockenheit der Wüste erliegen; die Flüsse gehen noch weiter in
das Unbekannte; von einigen weiss man, dass sie weit draussen im Ala-schan
in einsame Wüstenseen oder Sümpfe münden, nachdem sie schon viel Wasser
durch Versickern und Verdunsten verloren haben; manche, die kleineren, gehen
auch einfach im Sande unter, ohne noch Seen zu erreichen oder zu bilden.
Die Nähe der Wüste macht sich auf der Strasse durch die grosse Hitze,
die Trockenheit der Luft und die Seltenheit der Ansiedelungen bei dem
schlechten Zustande der Wege doppelt fühlbar. Die aus dem Gebirge kommenden
KlDgangstbor in ein Vamea In Schunng-tting ji, sUdögtlicli loa Su-tsch6u.
Flüsse haben ganz enorme Schottermassen über das flache Land ausgeschüttet,
und man kann stundenlang reiten, um über solche Ueberschwemmungszonen
wegzukommen, da das Pferd nur sehr langsam von der Stelle kommt; man
zieht gleichsam in einem einzigen, breiten Flussschotterbette zu der grossen
Ebene hinab, auf der man die langen, hohen Mauern von Liang-tschöu schon
von Weitem erblickt. Auch die nächste Umgebung der Stadt ist über und
über mit grobem Schotter überdeckt, und auf diesen Flächen sind ausgedehnte
Gräberfelder mit kleinen, aus Steinen aufgebauten Hügeln rings um die Stadt
angelegt Wo längs der kleineren Ftussbetten und den Wasserkanälen in der
Umgebung der Stadt Lehm abgelagert ist, liegen fruchtbare Felder, schöne
Gärten und herrliche, mit Tempeln geschmückte schattige Haine. Denn an
Wasser fehlt es hier nicht; wo es nicht direkt von den Flüssen aus den Bergen
— 242 —
hergeleitet werden kann, wird es aus dem Boden entnommen, indem durch die
höchstens lO — 15 m tiefe Lehmschicht an der Oberfläche Brunnen gebohrt
werden; das Geröll unter dem Lehme ist wasserführend und mittelst einfacher
Schöpfwerke wird das Wasser heraufgehoben, in Tröge oder Bassins gefüllt und
aus diesen durch Gräben auf die Felder geleitet.
Auf beiden Seiten der Strasse im Südosten von Liang-tschou, wo zwischen
Schotterflächen der Wasseradern erhöhte Lehmflächen liegen, auf die kein Wasser
geleitet werden kann, stehen diese Brunnen fast auf jedem Felde. Nach Art der
auch in Deutschland üblichen Ziehbrunnen ist an einem Gestelle ein Querbalken
in der Mitte aufgehängt, der an dem einen Ende den Schöpfeimer, am andern
das entsprechende Gewicht trägt. Meist sind sie zweiteilig, d. h. an dem Trage-
gestelle sind oben zwei Schwebebalken angebracht und gewöhnlich schöpfen zwei
Leute zu gleicher Zeit mit zwei Kübeln. Auf diese Art werden hier grosse Flächen
des an und für sich sehr fruchtbaren Lehmbodens noch nutzbar gemacht, denen
wegen ihrer hohen Lage anderes Wasser versagt ist, und die sonst brach liegen
müssten, wie man dies vielfach da sieht, wo keine reichen Wasseradern in der
Nähe sind und infolge dessen in geringer Tiefe kein Wasser zu finden ist.
Liang-tschou selbst, das 100 000 Einwohner haben soll, macht schon aus
der Ferne gesehen den Eindruck einer grossen und wohlhabenden Stadt.
Die weit ausgedehnten, hohen Mauern sind sehr gut gehalten und oben mit
zierlichen Warttürmchen an den Ecken und jeweils in der Mitte gekrönt. In
der Nähe der nördlichen Stadtmauer überragen zwei sehr schlanke, hohe,
pagodenartige Türme weit alle andern Bauwerke und bilden ein von weitem
schon kenntliches Wahrzeichen der Stadt. Das Innere mit seinen verkehrs-
reichen Strassen machte von allen den chinesischen Städten der Provinz Kan-
su den saubersten und wohlhabendsten Eindruck; die Strassen sind reich an
schönen Thorbogen, von denen einige mit bunten Malereien geschmückt sind,
an Tempeln und schön ausgestatteten Magazinen.
Zu diesem vorteilhaften Eindruck trug vielleicht der Umstand bei, dass
die Tage vom 24. bis 27. Juni gerade Festtagewaren und alle Leute im Festtags-
schmucke sich auf den Strassen zeigten. Bei dieser Gelegenheit sah man auch
viele Frauen in schönen, bunten Gewändern und reichem Schmucke, alle
geschminkt und bemalt. Es waren sehr niedliche Erscheinungen darunter,
besonders unter den jüngeren Mädchen und Frauen. Wenn sie auf den Drosch-
ken, den kleinen überdeckten von einem Maultiere gezogenen Wagen der
Stadt, häufig zu zweien oder vieren sitzen, haben sie nichts weiter auffälli-
ges an sich; aber wenn sie zu Fuss sind, stört den Europäer der unbeholfene
schwerfallige Gang, eine Folge der unnatürlichen Einschnürung des Fusses, die
zu einer Verkümmerung der ganzen Muskulatur an den Beinen führt. Häufig
müssen sie sich an den Häuserwänden festhalten und ein Strassenübergang bei
feuchtem Wetter und schlüpfrigem Boden hat für sie grosse Schwierigkeiten,
lieber der in einen Knoten aufgebundenen Frisur mit Blumenschmuck über dem
— 243 —
Ohre tragen die Frauen gewöhnlich keine Kopfbedeckung. Die Bemalung mit
grellen roten, orange und dunkeln Farben wird an den Augenbrauen, Wangen,
Lippen und Fingernägeln angebracht, ohne dass jedoch eine unschöne Ent-
stellung eintritt.
Das Innere eines grossen Kauf- oder Bankhauses, in welchem Dr. Holderer
ein grösseres Gelddeposit zu erheben hatte, war sehr geschmackvoll und elegant
eingerichtet und machte einen wohnlichen Eindruck. Im Hofe, um dessen
Wände unten Täfelung und im zweiten Stockwerk eine Galerie lief, waren kühle
Wasserbassins mit Goldfischen und Blumen aufgestellt; in dem Empfangs- und
Geschäftszimmer der Bank befanden sich auf den Tischen richtig gehende,
europäische Standuhren, an den Wänden Hängeuhren und zierliche Gemälde,
die chinesische Mädchen darstellten. Das Geldgeschäft, die Uebergabe der für
gewöhnliche Verhältnisse sehr hohen Summe von loooo Taels, vollzog sich so
ruhig und vollkommen geschäftsmässig wie in einem grossen europäischen Bank-
hause, und der höfliche Inhaber der Firma Hess es auch nicht an einem Besuch
in Galakleidung fehlen.
Zur Vervollständigung des lebhaften Strassenbildes gehören noch die meist
ganz nackt herumlaufenden Strassenjungen, die zerlumpten und schmutzigen,
mit Krankheiten behafteten Bettler und Bettlerinnen unter den Stadtthoren,
sowie gelegentlich auch Verbrecher mit grossen Halseisen, Ketten an den
Fussgelenken oder grossen viereckigen Brettern, die um den Hals gelegt sind;
man trifft sie besonders in den Vorhöfen der Magistrate und der Beamten.
Auch fahrendes Volk, wie Gaukler, Sänger und musizierende Künstler, die von
Haus zu Haus ziehen und ihre Aufführungen produzieren, bis sie etwas erhalten,
und Leute, die kleine Affen mit sich führen, kann man in den Städten sowohl
wie draussen auf dem Wege und in den Dörfern finden. Ueberall in den zahl-
reichen Werkstätten, die nach der Strasse hin offen sind, wird fleissig ge-
arbeitet und müssiges Volk ist auch auf der Strasse selten. Da die Bevölkerung
uns zwar neugierig betrachtete, aber in keiner Weise belästigte, wie das im
Nordwesten Chinas in den Städten zwischen Kaschgar und Hami der Fall war,
so beeinträchtigte nur die grosse Hitze und der Staub der Strassen in etwas den
guten Eindruck, den wir von Liang-tschou mitnahmen.
Der Weg führt von hier noch zwei Tagemärsche weit in südöstlicher
Richtung durch gut bebautes, ebenes Kulturland, ist selbst aber häufig mit
groben Steinmassen und Schottern überschüttet, so dass er eher einem Bach-
bette als einer Heeresstrasse gleicht. Zahlreiche Dörfer liegen in Ruinen längs
des Weges. Den Fuss des Gebirges erreicht er bei dem malerisch an einem
Thalausgange gelegenen Städtchen Ku-lang hsien, nachdem seine letzten Strecken
durch tiefe Schluchten im Lehm geführt haben, der hier, vor dem Austritte
des kleinen Flusses von Ku-lang hsien aus dem Gebirge, besonders reichlich
angehäuft erscheint. Die Berge sind hier teils kahl, teils mit grauem ver-
trockneten Gras überzogen und bis weit hinauf mit Löss bedeckt, der keine
16*
— 244 —
scharfen und eckigen Umrissformen entstehen lässt. Die Bergformen wie die
Kammlinien und Thaleinschnitte sind infolge davon gerundet, nie schroff oder
steil abfallend, und bis weit hinauf an den Gehängen wird der fruchtbare
Lössboden zu Ackerland benutzt Manche Teile dieses hügelig-bergigen Löss-
landes erinnern an die reichen Weizenfluren im Kraichgauer Hügellande
Badens; auch dort reichen die Felder auf dem fruchtbaren Lösse bis hoch
an den Bergen hinauf.
Der romantische Eindruck, den das Städtchen Ku-lang hsien mit seinen
Mauern und Türmen und grossen, weitgiebeligen Thoren macht, wird noch
erhöht durch die zahlreichen Trümmer einer alten Mauer und die Ruinen von
deren Türmen, die im Thal und auf den Bergen sich erheben als Zeugen einer
alten Zeit, in der das ganze Land von gewaltiger Mauer umzogen und ge-
schützt war. Es geht aus der Gegend im Nordosten von Ku-lang hsien eine in
geringeren Dimensionen ausgeführte Zweiglinie der direkt nach Osten weiter-
führenden, grossen Mauer nach Süden und Südosten, entlang der grossen
Strasse, über P4ng-fan hsien hinaus nach Lan-tschou, die offenbar zum Schutze
dieses wichtigen Verkehrsweges nach dem Nordwesten des grossen Reiches
angelegt wurde. Die mit reicher Holzornamentik versehenen, z. T. in zwei Stock-
werken errichteten, vom Rauch und Alter gebräunten Holzhäuser machen einen
ähnlichen Eindruck wie Tiroler Häuser. Man denkt an das gleichfalls von alten
Mauern gekrönte Sterzing, dem auch die Bedeutung Ku-lang hsiens für den Ver-
kehr entspricht. Der Ort selbst ist durch Mauern in verschiedene Teile getrennt,
welche reich geschmückte Thore verbinden. In der Hauptstrasse befinden sich
kleine Läden und Magazine mit den üblichen Waren, und ausserhalb der Stadt-
mauer, an einem kleinen Gebirgsbache, sind zahlreiche Mühlen, die teils durch
oberschlächtige Wasserräder, teils durch Turbinen getrieben werden. Ein Teil
der Bevölkerung macht hier nach Aeusserem und Kleidung schon den Eindruck
von Gebirgsbewohnern gegenüber den besser gekleideten und weniger rauh
aussehenden Kaufleuten der Stadt.
Das Flussthal, welchem der Weg zum Passe Wu-so-ling (Kreitner) auf-
wärts folgt, bietet schöne, abwechslungsvolle Blicke, und im Hintergrunde
erscheinen hohe, mit dunkelm Buschwalde bedeckte Höhen. In den Thal-
erweiterungen sind an den Gehängen wie Schwalbennester die einfachen Lehm-
hütten der Gebirgsbewohner angeklebt, und häufig sind es grosse Höhlen im
Lösse, die, vorn vermauert, als Wohnstätten oder Vorratsräume dienen. Viele
Wohnungen und grosse Ansiedelungen liegen in Trümmern und sind ganz oder
grösstenteils verlassen; selbst der grössere Ort und das Kastell Chin-chao-ye
(Kreitner), das schon jenseits des Passüberganges gelegen ist, machen einen
sehr ärmlichen und trostlosen Eindruck. Man erkennt überall die verheerenden
Wirkungen des Bürgerkrieges, dessen Schäden noch nicht überwunden sind.
Trotzdem der Weg durch das Thal von Ku-lang hsien über den Wu-so-ling-
Pass in das Thal des P4ng-fan-ho zu den wichtigsten Verkehrsstrassen gehört,
— 245 —
ist er in keiner Weise ordentlich reguliert oder rationell angelegt. Bergvor-
sprünge werden nicht umgangen, steil geht es auf der einen Seite hinauf, ebenso
steil auf der andern Seite hinab, wie bei allen Gebirgspfaden, an denen nicht
künstliche Arbeiten, wie Felssprengungen, Stützmauern und Aufschüttungen
ausgeführt sind. Auf der östlichen Thalseite läuft die stellenweise noch gut er-
haltene Lehmmauer bergauf, bergab, über Gipfel und durch Thäler, wie es
gerade die Form der Landschaft mit sich bringt. Der kleine Ort Chin-chao-ye
liegt schon etwa 2700 m hoch, und unter den Pflanzen von alpinem Charakter,
welche die Höhen in der Umgebung schmücken, ist auch das Edelweiss der
Alpen (Leontopodium sibiricum Cass.).
Ueberall befindet sich hier noch Löss in den Vertiefungen und Ausweitungen
der Berge, auch die Umrissformen sind sanft, und die anstehenden Gesteine
unter dem Löss und den Thonen oder roten Sandsteinen einer jungtertiären
Seenablagerung, die Schiefer und grauen Sandsteine der Kohlenformation, welche
den Gebirgskern bilden, sind alle weich und nicht geeignet, schroffe Gebirgs-
formen zu erzeugen. Infolge davon sind überall die Abhänge selbst weit oben
mit Weizen angebaut oder bilden reiche Weideplätze für zahlreiche Herden
von Rindern und Pferden. In noch höheren Regionen — die Berge reichen
hier bis über 3500 m — beginnt der Buschwald grössere Verbreitung zu
gewinnen.
In schroffem Gegensatze zu dem lieblichen Landschaftsbilde, das sich dem
Blicke von einer der Höhen am Wu-so-ling-Passe zeigt, stehen im Süden die
Berge der Ma-ya-schan-Kette, die als gewaltige Felskolosse mit wilden, senk-
rechten, hunderte von Metern hohen Abstürzen den Gesichtskreis von Ost nach
West begrenzen. Der Schnee glänzt von ihren über 4400 m hohen Gipfeln,
und von irgend welcher Vegetation ist in ihrem Bereiche nichts zu erblicken.
Wie die Felsen der Dolomiten über den milden, weide- und waldbedeckten
Thalgrund des Ampezzothales, so ragt der Ma-ya-schan, der auch aus Kalkfelsen
besteht, imponierend über seine Umgebung auf. Der höchste Punkt des Weges
auf dem 2714 m hohen Passe Wu-so-ling, der zum Thale des P*ing-fan-ho hin-
überfuhrt, bietet fast dieselbe schöne Aussicht auf den Ma-ya-schan und auf
die mit reicher subalpiner Flora bedeckten Weidelandflächen im Vordergrunde.
Reichliches Edelweiss und blaue Enziane, gelber Löwenzahn und Himmels-
schlüsselchen, eine grosse, schwarz blühende Niesswurzart und andere alpine
Pflanzen schmücken die grasbedeckten Berggehänge. Auch die zahlreichen
Murmeltierchen, die sich auf der Südseite des Passes grosse Löcher als Be-
hausungen im Lösse angelegt hatten, erinnern an die Alpen. Auf der Höhe
des Passes mit einer prachtvollen Aussicht auf das Bergland steht eine einfache
Lehmhütte, die nach der Seite des P*ing-fan-ho hin eine Veranda besitzt.
Hungrige und durstige Wanderer werden hier erquickt, und eine sichere Vor-
ahnung besagt, dass sich hier einst ein Luftkurhotel erheben wird, wenn erst
in China das europäische Kur- und Reiseleben modern geworden ist.
— 246 —
Nach einem steilen Abstiege durch ein kleines, zum P'ing-fan-Flusse
gehendes Thälchen neben der alten Mauer her erreicht man das breite Schotter-
bett dieses Flusses, der aber mit seinen verschiedenen, schwachen Adern das-
selbe nur zu einem so geringen Teile ausfüllt und dabei so seicht ist, dass
er bequem durchritten werden kann. Eine alte Befestigung liegt hier am Ende
der Mauer, die sich auf der andern Seite direkt am Berg hinauf und über
seinen Kamm weiterzieht. Dieser Teil des Flussthaies ist breit; neben dem
Schotterbett des Flusses laufen beiderseits etwa lO m hohe Terrassen, die reiche
Lehmbedeckung und daher gutes Ackerl.md nebst vielen Ansiedelungen tragen;
Brücke über den P'ing-fan-ho, unterhalb von Wu-Bchöng p'u bei P'ing-fan hsien,
denn an Wasser fehlt es hier nicht, wo beiderseits vor den höheren Bergen
zahlreiche Thäier herunterfuhren.
Aber auch im P'ing-fan ho-Thale erkennt man die Spuren der letzten Ver-
wüstungen an den vielfach zerstörten und verlassenen Ortschaften am Wege
und auch oben an den Lössgehängen der Berge. Wo heute noch bewohnte
Teile in diesen Dörfern sind, hegen diese längs der Strasse und sind äusserst
dürftig und armselig; oft ist kaum das Nötigste an Lebensmitteln zu kaufen,
und die Nachtquartiere sind besonders in weniger guten Serai, die man auf-
suchen muss, wenn die besseren schon besetzt sind, ganz schlecht, schmutzig,
voll Ungeziefer, rauchig und niedrig, mit mangelhaften Verschlüssen von Thür
und Fenster und häufig auch mit mehr oder weniger defektem Dache. Es ist
- 247 —
überhaupt auffallend, dass auf dieser Hauptroute von Lan-tschöu nach dem
Nordwesten noch solche Verhältnisse möglich sind, wo sich doch keine natür-
hchen Schwierigkeiten einer Verbesserung entgegenstellen. Es scheint, nach
den grossen, zum Teil noch erhaltenen Bauwerken zu schliessen, dass dem
früher nicht so war und auch hierin noch eine Folge der furchtbaren Aufstände
der Dunganen zu sehen ist.
Hier lauft die alte Mauer mit vielen Warttürmen und einzelnen, zum Teil
noch gut erhaltenen Kastellen zwischen FIuss und Strasse entlang, und erst
bei Wuschöng p'u, wo das Thal sich verengt und steile, hohe Felsklippen von
Obercarbon-Schichten der östlichen Ausläufer des Ma-ya-schan bis hart an den
Fluss herantreten, setzt sie auf die linke Thalseite hinüber. Die Berge selbst
am engeren Teil des Thaies haben nur die geringen Höhen von etwa 600 bis
800 m über dem Thalboden. Ihre Abhänge sind bis dahinauf meist mit Löss
bedeckt und das Gesteinsgefüge des Gebirgsbaues ist verhüllt. Schönes, gut
bebautes Land und Ansiedelungen mit Baumwuchs und ganzen Baumalleen be-
gleiten den Weg, auch in Erweiterungen der kurzen engeren Teile des Thaies,
wo unterhalb des Dorfes Wuschöng p'u der Weg auf einer Holzbrücke den
Fluss überschreitet. (Siehe Abbildung auf Seite 246.) Weit oberhalb der Stadt
P'ing-fan hsien erweitert sich das Thal wieder, die Mauer und der Weg laufen
auf der linken Thalseite hart neben einander und der letztere fuhrt stundenlang
durch enge Lössschluchten, die keine Aussicht gestatten.
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Ein schöner, mit reicher Holz- und Thonornamentik geschmückter Tempel
steht vor der Stadt P'ing-fan hsien, die mit einer stattlichen Mauer umgeben
und unweit des Flusses auf seinem linken Ufer erbaut ist. Das Städtchen macht
einen freundlichen Eindruck; gleich beim nördlichen Eingangsthor steht im
Innern ein von grossen Laubbäumen von beiden Seiten beschattetes, schönes
Holzthor mit reicher Ornamentik; noch mehr solcher Holzthore befinden sich
in der breiten, von einfachen Läden gebildeten Hauptstrasse, die aber nur
wenig belebt war. In einem der Tempel vor dem Südthor sind schöne Deko-
rationen von farbigen Ziegeln und ein zierlicher, pagodenartiger Turm mit
Schmuck von farbiger Fayence.
Hier hatten wir auch wieder einmal ein gutes, wohnliches Quartier, in
dem wir uns aber nur eine Nacht und einen halben Tag aufhielten. Die Stadt
ist mit gut gepflegten Gärten umgeben, die reiche Erträge an Hülsenfrüchten,
Kartoffeln, Obst, Gemüsen und Gewürzkräutern geben und auch mit Blumen
geschmückt sind. Vor der Stadt hat man einen schönen Blick auf das Gebirge
Pei-ta-schan im Osten und den Schi-schan im Westen mit Gipfeln bis über
3000 m. Hoch oben auf den felsigen Bergspitzen des westlichen Gebirges
liegen Tempelbauten, die kühn auf die steil abfallenden Gipfel aufgesetzt sind.
Der Weg nach Si-ning fu verlässt hier in P^ing-fan hsien die grosse Strasse
und geht in südwestlicher Richtung über das Gebirge zunächst in das Thal des
Tathung-ho und dann in neuem Passübergange in das des Si-ning-ho, wo er
den Saumweg von Lan-tschou — Si-ning fu erreicht, der am linken Ufer des
Ta-thung-ho beschwerlich aufwärts führt. Das Gebirge Schi-schan zwischen
P*ing-fan hsien (2096 m) und dem Ta-thung-ho bei Tung-fan yi (1862 m) wird
in einem 2525 m hohen Passe überschritten, der aber ganz im Lössgebiete
liegt, wie überhaupt dieser ganze Teil der Nanschan-Berge von mächtigen
Löss- und in den Thälern Lehmdecken überzogen ist, welche alle schroffen Gipfel-
formen oder steil abfallenden, scharfen Gräte verhüllen. An den Berggipfeln
herrscht die Kuppenform vor und langgezogene, wellige Kammlinien verbinden
die gerundeten Gipfel. Nur gegen die tieferen Teile der Thäler bildet der
Löss zuweilen senkrechte, hohe Abstürze oder es kommen auch in der Tiefe
des Thaies Teile des den Untergrund bildenden Gesteines, das hier der Stein-
kohlenformation angehört, in einzelnen Klippen zu Tage.
Auf beiden Seiten des Passes und auch sonst noch weiter verbreitet in
diesem Teile des Gebirges liegen an den tieferen Stellen der Thäler unter
der Löss- oder Lehmdecke noch sandige und schotterige, sehr mächtige Ab-
lagerungen, und alles weist darauf hin, dass noch vor der Periode der Löss-
bildung grosse Süsswasserseen die schon vorhandenen, grossen Thäler einnahmen
und mit ihren Ablagerungen, wie Sauden, Gerollen und Thonen, ausfüllten.
Auch in den Thälern des Ta-thung-ho und Si-ning-ho haben diese Seeablage-
rungen, die nach v. Soczy Quetae-Schichten heissen, grosse Verbreitung. Auf
der Südwestseite des erwähnten Passes ist die Erosion besonders wirksam
— 24y -
gewesen, und in den Lössmassen sind bedeutende Steilabstürze und Einbruchs-
kessel, an denen der Weg oft in beängstigender Nähe vorbeifuhrt und häufig
verlegt werden muss, wenn neue Einstürze und Abbruche an den senkrechten
Wänden erfolgt sind.
Die aus Löss gebildeten Bergabhänge sind nicht kahl, es wachsen überall
Gräser in Büschen, welche Reihen bilden und nicht so dicht bei einander
sitzen, dass nicht überall der gelbe Lehm durchschimmerte; das Leontopodium
sibiricum schmückt die höheren Theile. An den sonnigen Rainen und Ab-
hängen, sowie im Lösse selbst finden sich zahlreiche Schnecken, aber von
grösseren Tieren wurden nur Steinhühner beobachtet.
Wirtshau» und Arben Jer Eipediüon io Thuiig-yllan yl.
Die Ansiedelungen sind am Östlichen Teile des Weges seltener als auf der
Westseite, auf der es hinab zum Ta-thung-ho geht; auch hier sind viele Höfe
verfallen und zerstört, und das, was noch da ist, macht einen recht kümmerlichen
Eindruck. Ganz oben auf der Ostseite, unweit der Passhöhe, liegen einige Weiler
und Höfe; aber es giebt dort weder Futter für Pferde, noch ein gutes Wasser, Das
schon auf der Westseite gelegene Dörfchen Thung-yüan yi hat zwar beides, aber
dafiir äusserst dürftige Unterkunftsräumlichkeiten. Wo für Personen ein leidlicher
Raum gewesen wäre, fehlte er für die Arben und Pferde, und da, wo diese Unter-
kunft fanden, war für uns nur mehr ein offener Stall zu haben, in dem wir so gut
wie im Freien schliefen, was allerdings Anfangs Juli keine schlimme Sache war.
Einen ganzen Tag zieht man im Thale zwischen den einförmigen, gerundeten
Lössbergen im wasserlosen Thale hinab, bis man das schone Thal des Ta-thung-ho
erreicht Der Fluss hat hier eine ansehnliche Breite und Wassermenge; bei
Thung-fan yi, wo der Weg von P'ing-fan hsien ihn erreicht, ist auf seiner linken
~ 250 -
Seite eine weit au^edehnte, 10 m über das Flussniveau erhöhte Lehmfläche vor-
handen, die reiche Kulturböden, Aecker, Gärten und Dörfer trägt. Die Thal-
Umrandung ist sehr malerisch und abwechslungsreich. Gegen Norden schliessen
die hohen und steilen Felsen des Ma-ya-schan, aui dieser Seite vielfach mit
dunkelm Walde bestanden, das Landschaftsbild; im Süden sind weniger hohe,
aber formenreiche Berge, die der Fluss in engem Thaldurchgange durchbricht,
und zwischen den hohen Bergen erheben sich die gerundeten Linien des vom
Löss überdeckten Gebirgsreliefs. Die breite Thalfläche ist gut bebaut und stark
Steinkohlen- Berg werk am Ta-lhuug-ho, iinlerhalb von Tbuat;-faD yi.
bevölkert; aber auch in den Bergen müssen zahlreiche Dörfer liegen, wie die
vielfach über die niederen Stellen der Bergkämme führenden Wege andeuten.
Die Berge gegen Süden auf der linken Flussseite beiden einen - kostbaren
Schatz in ihrem Schosse. Hoch oben an der Berghalde, weit über dem Thale,
steigt der Bergmann in den finsteren, steil angelegten Stollen hinab und fördert
eine sehr gute Kohle in grossen Stücken, die weithin im Thale mit kleinen
Arben verbreitet wird. Es sind eine Reihe von Gruben in verschiedenen Höhen
am Bet^e angelegt und auch auf der andern Thalseite sieht man schwächere Kohlen-
flötze ausstreichen. Die Gruben waren zur Zeit wegen übler Gase nicht zu be-
fahren, aber die Anlage, soweit sie zu sehen war, verdient alles Lob für die
einfachen Gebirgsbewohner im Nan-schan. Die Stollen sind so hoch, dass
man bequem darin aufrecht gehen kann, ziemlich breit und innen gut ver-
— 251 —
zimmert und verschalt. Solche guten Anlagen würde man nimmer im Innern
Chinas vermutet haben.
Auch die Konstruktion der Fähre über den reissenden und tiefen Ta-thung-ho,
der an dieser Stelle unterhalb von Thung-fan yi zu Hochwasserzeiten eine ganz ge-
waltige Strömung besitzen muss, verdient alle Anerkennung. Es sind über faust-
dicke Seile an starken in den Kies eingerammten Baumstämmen befestigt und
etwas unter Mannshöhe über dem Wasserspiegel in einer Spannweite von etwa
30 m stratf gezogen ; für zwei Fähren sind zwei solcher Seile in genügenden
Abständen von einander befestigt. Auf dem Seil läuft ein breiter eiserner Ring,
an welchem das Fährboot mittelst starker Taue in so geringer Entfernung fest-
Fälire über den Ta-thuD|;-ho bei Thung-fan ;l.
gehalten wird, dass vorn in demselben stehende Fährleute den Ring am Fähr-
seile während der Bewegung des Schiffes mit den Händen weiter schieben
können. Ein Mann am Steuer bringt das Schiff in die entsprechende Stelluug
zur Wasserströmung, damit sie dasselbe herüber oder hinüber treibt
Die Kähne selbst sind flache, wannenartige und vierseitige Kästen, die
roh aus Brettern zusammengezimmert sind. Durch einige oben über die Ver-
bindungsbalken der Rippen gelegte Bretter ist eine Art von Verdeck hergestellt,
auf welchem ohne Geländer oder Brustwehr Wagen, Pferde und Menschen unter-
gebracht werden, so viel als der Raum gestattet. Drei Mann sind vorn bei
dem Ringe am Fährseile, die beim Beginne der Fahrt durch Ziehen am Seile
nachhelfen, bis die Strömung das Schiff richtig erfasst hat; dann geht es rasch
hinjiber. Bei dem Mangel an guten Landungsbrücken macht das Aus- und
Einschiffen der schwer beladenen Lastwagen viele Umstände und den Pferden
— 252 —
grosse Mühe; es scheint aber trotzdem selten ein Unglücksfall vorzukommen,
obwohl dieser Weg nach Si-ning fu sich einer starken Frequenz erfreut.
Es sollten z. B. gerade in diesen Tagen 200 Arben unterwegs sein, so dass
wir genötigt waren, rechtzeitig nach den Abendstationen Jemanden voraus-
zusenden, der ein Quartier belegte; sonst hätten wir leicht in die Lage kommen
können, in dem kleinen Gebirgsorte P*ing-kou yi, der noch etwas unterhalb der
Passhöhe des P4ngkou-ling gegen das Thal des Si-ning-ho hin liegt, im Freien
kampieren zu müssen.
Dieser kleine Ort liegt zwischen steilen Thalwänden und wird weit überragt
von gerundeten Lösskuppen, die oben an ihren flachen Teilen Ackerfelder
tragen. Im Thälchen, das vom Ta-thung-ho hinanfuhrt, ist nur sehr wenig
Wasser, und auf der ganzen Strecke bildet meist roter Lehm und Sandstein
der oben schon erwähnten Süsswassersee-Formation oder Löss die unteren Teile
der Thalgehänge. Nur einmal ist auf eine kurze Strecke das Thal felsig und
bildet eine enge Schlucht, in der kristallines Schiefergebirge unter den jungen
Lehmbedeckungen hervorbricht. Die Julisonne brachte in diesem Gebirgsthale
schon vor Mittag eine für das Reisen unangenehm hohe Temperatur hervor,
und über Mittag erreichte in dem Dorfe P'ing-kou yi die Lufttemperatur im
Schatten + 3 1 ® C.
Die Gewitter, welche sich fast täglich um die Mittagszeit einstellen, bringen
meist nur wenig Regen und somit auch keine bedeutende Abkühlung, während
ihnen gewöhnlich ein drückend heisser, schwüler Luftzustand vorangeht. Im
Westen standen abends über den fernen Bergen auf dem linken Ufer des
Ta-thung-ho schwere, schwarze Regenwolken, und während der Nacht kam es
auch zu einem ergiebigeren Regen, der aber nur wenig in den Lössboden
eindrang, so dass am andern Tage die grossen Lösshohlwege, die zum P*ing-
kou-ling-Passe gegen das Si-ning-ho-Thal führen, schon wieder ganz trocken waren.
Diese 2417 m hohe Passhöhe liegt völlig im Lössgebiet und ganz oben sind
noch 10 — 15 m hohe, steile Wände davon zu sehen. Ein sehr schöner Ausblick auf
das umliegende Gebirgsland zeigt, dass dieselben Verhältnisse überall vorwalten.
Die Höhen selbst sind schwach gewölbt und breit, ebenso die Kämme und
tragen fruchtbare Weizenfelder noch in Höhen von über 2500 m. Der Ueber-
gang zur Thalböschung ist ein allmählicher, und hier sind die Aecker überall
an der nieder gelegenen Seite durch Raine erhöht, so dass sie Stufen und
Terrassen bilden: ein für die Lösslandschaften überall charakteristischer Zug.
Erst unterhalb der Terrassen kommt nach abwärts eine Zone der steilen Löss-
abstürze und kesselartigen Einbrüche mit oft bedeutender Höhe bis hinab zur
meist sehr engen, oft schluchtartigen Thalsohle mit sprungweisem Gefälle. Auf
den breiten Kämmen und in den weiten Sattelflächen sind die kleinen Dörfer an-
gesiedelt und es bieten so hier die höchsten Teile des Berglandes dasselbe
Bild fruchtbarer Kultur, wie man es sonst nur im Grunde der Thäler oder auf
weiten Ebenen zu finden gewohnt ist.
- 2S3 —
Der Abstieg zum Si-ning-Fiuss ist recht steil und geht meist auch durch
Schluchten und Hohlwege von Löss und rotem Thone mit Sandstein in den
unteren Teilen. Im engen, stetlwandigen Thale ist nur wenig Wasser und an
den Thalabhängen nur die dürftige Grasvegetation der Lössgehänge; der Thal-
boden besteht vorwiegend aus BachgeröUen. Bei diesen ungünstigen Verhält-
nissen fehlen im Thalc auch die Ansiedelungen; ausser einem kleinen Tempel
hoch oben unterhalb der Passhöhe an aussichtsreicher Stelle, von der aiTs man
die hohen Berge auf der Nordseite des Hoangho wie eine dunkle Mauer jenseits
des Si-ning-ho und seines Thaies vor sich hat, ist im Thale kein Gebäude, und
Thal des Si-nlng-bo uoterhalb vod Sl-nlng lu.
erst beim Eintritt in das Si-ning-ho-Thal sieht man wieder grüne Baumgruppen
und kleine Dörfer.
Das Dörfchen Lao-ya yi, zu dem der Weg alsbald führt, bildet den
letzten, untersten Ort der stark bevölkerten Thalweitungen des Flusses, die mit
einzelnen, engeren Stellen bis Si-ning fu hinaufreichen. Denn gleich unterhalb des
Dorfes verengt sich das Flussthal des Si-ning-ho so stark, dass längs des Granit
und Schiefe i^este ine durchbrechenden Flusses nur ein spärlicher Raum übrig
bleibt, den der nach Lan-tschüu von Si-ning fu führende Saumweg benutzt.
Ueberall ündet man in diesem von der Natur reich gesegneten Thale die
Spuren der Verwüstung, welche die hier in kurzen Intervallen von fünf Jahren
und in grösserem Umfange etwa alle zwanzig Jahre sich wiederholenden Auf-
stande und Kriege der Dunganen gegen die Chinesen über das Land gebracht
— 254 —
haben. Voä ehemals grossen Dörfern stehen nur noch die Lehmwände, und
kaum ein halbes Dutzend der ärmlichen Hütten sind bewohnt.
Da Wasser in den tiefer gelegenen Teilen der breiten Thalerweiterung
überall auf den fruchtbaren Lehmboden gefuhrt werden kann, ist das Thal, wo
es angebaut ist, auch ausserordentlich fruchtbar. Anfangs Juli fing hier das
Getreide schon an zu reifen, und auf den kurzen Halmen (30 — 50 cm Höhe)
wiegten sich ßchwere Aehren. Ausser verschiedenem Getreide wird Mais, viel
Mohn und Hafer, Hülsenfrüchte, Klee und Flachs angepflanzt. Auf den Märkten
sahen wir kleine Aprikosen von der Grösse einer Walnuss, die aber nicht so
saftig und so gewürzig waren wie die im südlichen Deutschland reif gewordenen
Früchte. Jedoch herrscht an vielen Stellen, die früher der Agrikultur dienten,
heute Verwahrlosung, und besonders weiter thalaufwärts könnten noch grosse
Strecken nutzbar gemacht werden, wenn die nötigen Hände und Mittel dazu
vorhanden wären.
Das Thal wird in seinem Grunde, abgesehen von dem nicht sehr breiten,
mit Geröll erfüllten Flussbette, von einer etwa 10 m über denselben sich er-
hebenden Lehmterrasse gebildet, auf der alle die Ansiedelungen und die frucht-
barsten Felder liegen. Gegen den Abhang der hohen Thalberge liegt noch
eine weitere, etwa 50 m hohe Terrasse, die unten aus Kiesen, darüber aus
Lehm besteht, aber kahl oder nur mit dürftigen Grasbüschen bewachsen ist,
da das Flusswasser nicht bis dort hinauf geleitet werden kann. Da die beider-
seitigen, höchsten, die Thalseiten bildenden Gebirge an ihren Abhängen ebenfalls
mit einer mächtigen Lössdecke überzogen sind, bieten sie dasselbe kahle Bild
und nur da, wo Seitenthäler austreten, sind grössere Entblössungen und gelegent-
liche Steilabstürze, welche die intensiv rot gefärbten Thone und Sandsteine der
tertiären Formation zu Tage treten lassen. Die rote Farbe ist daher neben
dem Gelbbraun des Lösses an den Gebirgen vorherrschend, während auf der
Thalterrasse über dem Flussbette das Grün überwiegt.
In dem erweiterten Thalbecken, das sich bis über Si-ning fu hinaus ausdehnt,
herrschte in der ersten Hälfte des Juli eine drückend heisse, schwüle Witterung,
in die weder die häufigen, von Westen kommenden Gewitter mit starken
Niederschlägen, noch die nächtliche Abkühlung eine wesentliche Aenderung
brachten, trotz der grossen relativen Höhenlage von 1880 — 2300 m über dem
Meeresspiegel. Die hohen Gebirge auf der Nordseite des Thaies haben Gipfel
von über 4000 m Höhe, und auf der Südseite besitzen die Gipfel auf dem die
Wasserscheide gegen den Hoang-ho bildenden Kamme auch über 30CX) m Höhe;
aber es fehlt oben der Schnee und das Eis, die eine Abkühlung der Luft in
den Höhen und dadurch auch kühle Abend winde erzeugen könnten; in dem
Thale selbst waren nur sehr geringe Luftbewegungen bei Tag und Nacht, selbst
wenn der Gang der Wolken oben starke Strömungen verriet. Das Thalbecken
liegt zwar hoch, aber ganz geschützt in den Bergen, und das ist wohl mit der
Grund fiir die grosse Fruchtbarkeit bei solcher Höhenlage.
— 255 -
Trotzdem die grossen Strassen nach Liang-tschöu und Lan-tschou durch
dieses Thal führen, sind die Verkehrsverhältnisse im allgemeinen schlecht. Der
Weg geht vielfach in den Schluchten der unteren fruchtbaren Terrasse oder im
Kulturgebiete; aber an manchen Stellen wird er durch den Fluss oder die
beiden Thalverengungen, welche unterhalb von Si-ning fu liegen, auf die zweite
Terrasse oder in das anstehende Gestein, Schiefer und Granit, gedrängt, und
diese Stellen verursachen den armen Lasttieren und Arbenpferden wahre
Martern. Es geht jäh hinauf, abschüssig hinab und häufig ist der Boden glatt
oder mit kopfgrossen Geröllstücken übersäet; auch die Passage durch die von
Süden kommenden Seitenthäler — der Weg nach Si-ning fu geht von Lao-ya yi
bis zu dem Städtchen Tschan-pfe hsien (= Chung-pe-shien, Kreitner) auf der linken,
von da ab aber auf der rechten Thalseite — mit ihren steilen Ufern, den
Geröllbetten und oft hohem Wasserstande ist bei dem Mangel an Brücken nicht
immer leicht. Kurz unterhalb von Si-ning fu fehlen auch nicht Strecken mit
gänzlicher Versumpfung des Weges und grossen Flächen stagnierenden Wassers
auf demselben.
Ebenso unbefriedigend steht es mit den Unterkunftshäusern für Mensch
und Tier. Kleine, niedrige, schmutzige, rauchige Lehmhütten, meist unver-
schliessbare Thüren und Fenster, keine Decken oder Matten auf den löcherigen
Lehmpostamenten, die im Innern zum Sitzen und zum Lager dienen; damit
muss sich der Reisende begnügen. Für die Pferde ist oft nur durch eine längs
der Hofmauer laufende Krippe ohne Dach und ohne Streu gesorgt. Meist
treiben sich die Tiere die ganze Nacht im Hofe herum, da sie nicht angebunden
werden können, und stören den trotz Ungeziefer, Hitze und schlechter Luft
mühsam gefundenen Schlaf; dazu dringt ab und zu ein Schwein oder ein Hofhund
in die unverschlossenen Kammern der Reisenden und wühlt in den Kochkesseln,
oder aber es halten sich mit Schellen behangene Maultiere im Hofe auf und
erfüllen den Ort mit unaufhörlichem Geklingel, wenn sie sich nicht schlagen oder
herumjagen. Kein Mensch kümmert sich darum, niemand schafft Ruhe oder
Ordnung und es ist immer in den schlechten, kleinen, oft überfüllten Rasthäusern
der gleiche Lärm, den die zankenden und streitenden Chinesen oft mitten in
der Nacht noch vermehren. Vorräte, wie Eier und Fleisch, muss man bei sich
führen, denn man kann nicht auf jeder Station darauf, rechnen, auch nur Brot,
Eier oder Milch zu erhalten. Selbst in kleineren Städtchen wie Tschan-
pS hsien ist es nicht viel besser, und auch Si-ning fu bildet nur, was Vorräte und
Lebensmittel, nicht aber was Unterkunft anbelangt, eine Ausnahme.
In das grosse Si-ning-ho-Thal münden an verschiedenen Stellen aus dem
nördlichen wie südlichen Gebirge grössere Thäler ein, die an ihrer Sohle auch
mit Feldern und Bäumen bestanden sind; primitive Fähren an solchen Stellen
übersetzen den Fluss und es führen Strassen nach Ansiedelungen im Gebirge
längs dieser Thäler hinauf. Das mit starkem Gefälle fliessende Wasser der
Seitenthäler wird besonders bei dem altertümlich aussehenden Städtchen Tschan-
— 256 —
p^ hsien ausgenutzt, um zahlreiche Wasserräder und Turbinen der Mühlen zu
treiben, und auf dem grossen Flusse wird Holz in kleinen Flössen von je einer
Stammlänge zu Thale geführt, wobei zwei Leute am vorderen und hinteren Ende
ein Steuerruder bedienen. Bei derartig vernachlässigten Verkehrsverhältnissen,
wie sie oben geschildert wurden, fällt die gute feste Brücke auf, welche einige
Meilen unterhalb Si-ning fu an einer Felsenge über den Fluss führt. Sie beweist,
dass man es wohl verstehen würde, fiir Brücken und Wege zu sorgen, wenn
man es sich angelegen sein liesse, etwas für den immerhin lebhaften Verkehr,
der von Si-ning fu ausgeht, zu thun.
Noch schlimmere Zustände entstehen, wenn durch starke Regen, die keinen
Abfluss finden, der weiche Boden ganz von Wasser durchsetzt ist und in den
Lehmhohlwegen grundlos wird. Die Arben sinken dann bis über die Achsen
ein und bleiben stecken, während der an den seitlichen Abhängen entlang seinen
Weg suchende Reiter durch das fortwährende Ausrutschen des Pferdes in be-
ständiger Gefahr ist, zu stürzen. An den abschüssigen Stellen der Lehmhohl-
wege wieder, wo das Regenwasser Abfluss findet, spült es tiefe Gräben und
Strudellöcher in den Weg, die über metertief werden können und bei der Glätte
des Weges für Wagen und Reiter gleich verderblich werden. Am schlimmsten
in dieser Hinsicht sah es westlich von Si-ning fu auf dem Wege nach Tan-ka*r
thing nach einigen starken Gewittern und mehreren Regennächten aus, wo ausser-
dem noch an steilen Abfällen der Lehmwände gegen das tiefe Bett eines vom
südlichen Gebirge kommenden Nebenflusses Abrutschungen stattgefunden und
die Hälfte des Weges mit in die Tiefe genommen hatten, so dass eine schon
für Reiter sehr gefährliche, für Wagen aber ganz unpassierbare Stelle ent-
standen war. Das Hochwasser, das die starken Regen um die Mitte des Juli
im Si-ning-ho-Thale zur Folge hatten, nahm auch zwischen Si-ning fu und Tan-
ka*r thing zwei Brücken weg, so dass der Wagenverkehr zwischen diesen
beiden Städten überhaupt für längere Zeit ganz unterbrochen war.
Die grosse Hitze, welche vor Mitte Juni fast acht Tage lang über den
Thälern des Ta-thung-ho und des Si-ning-ho gelegen hatte, musste natürlich einen
Rückschlag zur Folge haben, der sich in feuchter, regnerischer, aber doch auch
warmer Witterung äusserte, die in Si-ning fu vom 12. bis 17. Juli und wohl
noch länger andauerte. Es waren hier von Osten das Thal heraufziehende
Winde, welche den Regen brachten, und der morgens auf den Höhen lagernde,
aufsteigende Nebel verhinderte jede Fernsicht. In Si-ning fu hatte der Regen
den Strassen das nur den chinesischen Städten des Lössgebietes eigene, äusserst
schmutzige Aussehen verliehen, und die niedrigen, kleinen, braunen und dunkeln,
meist einstöckigen Häuser und Magazine in den engen, schlecht gehaltenen
Strassen machten einen trüben, düsteren Eindruck.
Schon mehrere Stunden weit unterhalb der Stadt sah man die lange, ein-
förmige Umwallungsmauer mit einigen in der Mitte über den Thoren und an
den Ecken aufgesetzten Giebeltürmchen. Nachdem man diese erste Mauer
- 257 -
passiert hat, betritt man den weiten Raum einer Vorstadt, der grösstenteils von
Trümmern von Häusern und Gebäuden eingenommen wird; längs der durch
die Mitte führenden Strasse stehen einige Häuser, welche zumeist von Muha-
medanern bewohnt sind. Hier befand sich auch unser enges Quartier am Ende
eines grossen Hofes. Durch eine weitere, starke Mauer gelangt man aus dieser
dunganischen Stadt in die innere, eigentliche Chinesenstadt, in der den Muha-
medanern zu wohnen untersagt ist Beim Dunganen- Aufstand, der Ende 1 894 die
Stadt erreichte, hatte sie Schweres durchzumachen; eine Eroberung durch die
Muhamedaner blieb ihr zwar erspart, aber die Verluste in den Kämpfen kosteten
beiden Seiten Zehntausende von Menschenleben. Von Chinesen wie Dunganen
wurden an Gefangenen die grössten Grausamkeiten verübt und kein Leben geschont.
Die Stadt hat in ihrem Aussehen etwas Rauhes, wie es häufig Gebirgs-
städten eigen ist, und unterscheidet sich dadurch, sowohl was die Leute wie die
Gebäude anbelangt, wesentlich von dem mehr Wohlhabenheit verratenden Liang-
tschou. Man sieht auch auf den Strassen und an den Thoren mehr Bettler
als sonst; sie sitzen in Reihen da, singend und bettelnd oder aber mit
stumpfem Gesichtsausdruck und stumm vor sich hingehaltenem, irdenen Napf
zum Empfange der Gaben. Viele haben augenscheinliche Gebrechen, Geistes-
krankheiten oder Blindheit, aber belästigt wird man auch hier nicht von ihnen.
Wesentlich zu dem veränderten Bilde des Strassenlebens tragen die zahlreichen
Bewohner der weiteren Umgebung der Hauptstadt bei, die hierher aus den
Bergen auf den Markt kommen. Sie tragen eine kurze, weite, bis ans Knie
reichende Hose, ein schuhartiges Bastgeflecht an den Füssen und über einer
losen, weiten, meist blauen Jacke einen Fell- oder Filzüberwurf, der bis über
den Leib herabreicht; als Kopfbedeckung dient ein runder, oben spitzer
Strohhut. Ihre Maultiere und Esel leiten sie mit langen Stöcken.
Die Waren in den Magazinen sind zumeist dieselben wie in den andern grossen
Städten; es fehlt auch nicht an europäischen Erzeugnissen englischer und deutscher
Herkunft. Dagegen bemerkten wir keine Fabrikate oder Industrieerzeugnisse aus
der Umgebung oder dem Gebirge, wenn man von Töpferwaren absieht
Die Stadt ist Sitz eines Gouverneurs, und hat etwa 60000 Einwohner.
Der in Si-ning fu befindliche Ministerresident für Tibet hat die Administration
über alle nicht chinesischen Einwohner der Distrikte des Küke-nur, des Tsai-dam,
von Am-do und Nordost-Tibet bis zum oberen Laufe des Hoangho und
des Yang-tz^-kiang. Er sendet Beamte aus, welche bei den einzelnen Stämmen
herumreisen und die Abgaben einsammeln, dabei aber auch sehr viel für die
eigene Tasche auf die Seite bringen. Alle Händler müssen einen Pass oder
Erlaubnisschein lösen, der nur für kurze Zeit Giltigkeit hat und immer wieder
erneuert werden muss. Wenn ein solcher Händler durch ungünstige Umstände
gezwungen ist, länger unterwegs zu bleiben, als die auf seinem Passe angegebene
Giltigkeitsdauer beträgt, so werden grosse Strafen erhoben. Es erwachsen da-
durch bedeutende Einnahmen, aber der Handel wird sehr behindert. Auch
Futterer, Durch Asien. 17
— 258 —
die Klöster senden eigene Emissäre aus, welche oft sehr gewaltthätig Kontri-
butionen eintreiben und mit reicher Ernte zurückkehren. In Si-ning fu bestand
auch eine englische Mission, die aber im Laufe des Sommers 1898 iiir längere
Zeit geschlossen wurde, da der eine hier stationierte Missionar sich nach England
zurückbegab und ein Ersatz zunächst nicht vorgesehen war. Zwei Tagereisen
weiter westlich gegen den Küke-nur hin, in Tan-ka*r thing ist ebenfalls eine
Station derselben China Inland Mission mit einem Missionär und seiner
Frau, der aber auch im Sommer nach England zurückkehrte.
Von Si-ning fu aus hatten wir zum letzten Male vor dem Betreten Tibets
Gelegenheit, Nachrichten nach Europa zu senden und auch die bisher gemachten
Sammlungen nach Han-k'ou vorauszuschicken, um die Karawane in Tibet nicht
gar zu sehr zu belasten. Ausserdem kam noch als sehr wesentlicher Grund
iiir die Absendung hinzu, dass einer unserer Kosaken sich ein Leiden zugezogen
und längere Zeit verheimlicht hatte, so dass es ganz ausgeschlossen war, ihn zu
heilen, als nach achttägiger Behandlung des Kranken die richtige Natur seiner
Krankheit erkannt war. Da er unter diesen Umständen die Expedition nicht
weiter begleiten konnte, blieb Dr. Holderer nichts übrig als ihm einen Wagen
und chinesischen Diener zu mieten und ihn mit Mitteln zur Reise bis Han-k*ou
zu versehen, wo ein Kosakenposten bei dem dortigen russischen General-Konsul
und auch Hilfe durch europäische Aerzte zu finden waren. Die Folge zeigte,
dass dieser Weg der richtige gewesen war, und wenn auch die Reise bis Han-
k*ou lange währte und dem Kranken manche Unannehmlichkeiten gebracht haben
mag, so fanden wir ihn doch bei unserer Ankunft dort über ein halbes Jahr
später wieder hergestellt vor.
Die Lage von Si-ning fu und seine Umgebung erinnern etwas an Innsbruck,
nur fehlt der alpine Charakter, der dieser Stadt eigen ist. Die Bergwände im
Süden und Norden erheben sich etwa 500 m über die Thalsohle, haben auch
einige steil abfallende Felspartien, sind aber sonst rundlich - buckelig in Formen
und Umrissen infolge der Lössbedeckung über dem Grundgesteine. Die Berge
sind bis oben hin von einer spärlichen Grasnarbe bedeckt; gegen Nordwesten
sind bedeutend höhere Bergketten des Nan-schan sichtbar durch die Thalein-
schnitte; aber Schnee war auch dort Mitte Juli nicht mehr zu sehen, obwohl
die Höhe der Berge über 4000 m beträgt. Etwas westlich von der Stadt Si-ning fu
münden von Norden und Süden grosse Seitenthäler in das Thal des Si-ning-ho.
In dem von Süden kommenden geht ein grosser Saumpfad nach dem berühmten
Kloster Kum-bum und an den Hoang-ho nach Kuei-tö hsien (= Quetae). Durch
das von Norden kommende Thal erreicht man das Kloster Altin und weiterhin
über das Ta-thung-ho-Thal den Nordrand des Nanschan-Gebirges bei Su-tschou
oder Kan-tschou. Si-ning fu ist auch der Ausgangspunkt vieler Pilger und
Karawanen, die nach Hla-sa gehen wollen.
Das Thal des Si-ning-ho zieht sich mit breiter Thalfläche noch weiter gegen
Westen in die Höhe und ist von vielen kleineren, meist aber halb oder zu
— 259 —
drei Vierteln zerstörten Ortschaften besetzt. Der Weg durch das Thal soll bis
Tan-ka'r thing zwei kleine Tagereisen westlich von Si-ning fu noch für Arben
fahrbar sein; er war aber infolge von einigen starken Gewitterregen in dem
schon oben beschriebenen Zustande. So kam die Karawane am ersten Tage
nur bis zu einem kleinen, am oberen Ende der Thalerweiterung des Si-ning-ho
Hauptstraase und Thor In Tan-ka'r tUag.
gelegenen Orte TschÖn-hai p'u und erst am zweiten Tage mittags nach Tan-
ka'r thing, da infolge anhaltender, fast tropischer Gewitterr^en während der
Nacht die Flüsse stark angeschwollen und die Wege stellenweise fast un-
gangbar waren.
Der Weg von Tschan-hai p'u führt durch ein enges Felsenthal mehrere
Stunden lang aufwärts bis sich das Thal wieder erweitert; dort liegt am Ver-
einigungspunkt zweier Flüsse in grossartiger Gebirgsumgebung das kleine
Städtchen Tan-ka'r thing, der letzte grössere Ort der Provinz Kan-su gegen den
Küke-nur. Die Schlucht selbst wird von malerischen Felspartien aus hohen
Granitklippen und stark gefalteten Schiefermassen im Wechsel mit bewaldeten,
sanfteren Berggehängen gebildet. Im breiteren Thale mit grünen Thalböden sind
— 26o —
Mühlen, kleinere Ansiedelungen und Dörfer in und an den Lehmhügeln angelegt.
Ganze Reihe von Wohnungen sind in Höhlen des Lehmes hineingebaut und
auch zum Teil noch bewohnt. An einer besonders hohen und steilen Fels-
wand in der Schlucht sind Felsentempel geschaffen, Heiligenbilder in Farben
an eine geschützte Felsenfläche gemalt und Inschriften sowie ein Opferaltar
angebracht. Man wird durch diese Art der Heiligenverehrung unwillkürlich an
die Marienaltäre und Muttergottesbilder im Tiroler Gebirge erinnert.
Am unteren Eingang der Schlucht liegt eine hohe Brücke, welche sich
zur Zeit unseres Ueberganges gerade in Reparatur befand. Sie führt den Weg
von der rechten Thalseite auf die linke über, auf der er bleibt und wo auch Tan-
ka*r thing liegt; nach einigen Tagen aber war die Brücke wieder ganz vom
Hochwasser weggerissen. Das Städtchen liegt an den nördlichen Bergabhang
angebaut und ist von einem Tempel überragt. Es ist, wenn möglich, noch
schmutziger als Si-ning fu, und seine engen Strassen gehen steil auf und ab.
Von den höher gelegenen Teilen der Stadt hat man einen schönen Blick auf
die erweiterte, fruchtbare Thalfläche des von West-Nord- West kommenden
Si ningho und eines kleineren, von Süden her einmündenden Flüsschens. Die
hohen Bergzüge im Südosten, welche den Horizont begrenzen, bilden die
Wasserscheide gegen den »Gelben Fluss«. In westlicher Richtung, noch durch
Bergland verdeckt, liegt der grosse See Küke-nur in der Entfernung von einigen
Tagemärschen.
Die Stadt hatte früher eine grosse Bedeutung- für den Handel von und
nach Tibet; aber seit ihrer Zerstörung im Dunganenaufstande, wobei hier allein
loooo Menschen getötet worden sein sollen, liegt der Handel darnieder oder
ist nach Si-ning fu verlegt. Nur durch die liebenswürdige Unterstützung eines
dortigen Missionars der China Inland Mission gelang es Dr. Holderer, eine Yak-
Karawane und Vorräte in genügender Menge für die Reise in Tibet mit
grossem Zeitverluste zusammen zu bringen.
Von Tibet kommen Händler mit Wolle, Häuten von Schafen und Yaks, Salz,
Moschus, Heilkräutern, Rhabarber und auch Gold und tauschen dafür Baumwoll-
und Wollstoffe, vielerlei Geräte, Gewebe, Schuhe, Mehl und Gerste, Thee und
Tabak ein. Es soll aber der Handel mit Süd-China über Sung-p'an thing grössere
Ausdehnung angenommen haben und denjenigen mit den westlichen Städten der
Provinz Kan-su sehr schädigen.
An einem Festtage, an welchem die ganze Bevölkerung der Stadt zu den
Tempeln auf den Anhöhen strömte, waren auch tibetanische Frauentrachten mit
den Schmuckgehängen auf dem Rücken zu sehen, aber nur sehr vereinzelt; es
wohnen indessen noch innerhalb der Grenzen von Kan-su Tibetaner, die Am-
do-wa und Rong-wa genannt werden, und nicht nomadisieren, sondern feste
Wohnsitze haben. In der Nähe dieser Tempel befinden sich auch die auc
Tafel XVIII dargestellten Grabstätten , aufweichen die gruppenweise beisammen
liegenden Grabhügel mit Gedenksäulen und kleinen Monumenten geziert sind.
TAl'T.I. XVIIT.
— 26l -
Die «weite Hälfte des Juli war hier ausgezeichnet durch häufige, ausser-
ordentlich starke Gewitterregen, die meist am spateren Nachmittag oder Ah>end,
häufig auch nachts eintraten und in leichteren Sprühregen, die zuweilen bis zum
Mitt<^ des folgenden Tages andauerten, ausliefen. Es kamen z- B. in der Nacht
vom 19. — 20. Juli, während eines sehr starken, etwa drei Stunden andauernden
Gewitters nach Art der tropischen Regen, so gewaltige Wassermassen auf die
Berge in der nächsten Umgebung von Tan-ka'r thing herunter, dass die kleinen
Wasserläufe in wilde Bei^tröme und Wildwasser sich verwandelten, eine Brücke
Mühle mit TurbioeD bei TsD-ka'i Ihins.
zerstörten, an vielen Häusern die ihnen zugewendeten Lehmwände einrissen und
sieben Menschenleben vernichteten. In dem Wirtshaus, das uns zum Auf-
enthalte diente, musste in der Nacht während des stromenden Regens die eine
Seite des Hofes geräumt werden, und ein Magazin sowie ein grosser Teil der
Pferdestände wurde von der wilden Flut verschlungen. Zum Glück ging es
hier ohne Verluste an Menschen- und Tierleben ab. Das Bild der Zerstörung aber
am andern Tage war schrecklich. Ein felsiges Flussbett bezeichnete den Weg,
den die Flut genommen hatte; überall lagen Balken und Trümmer, unter ihnen
noch die Leichen der vom Unglück betrogenen Menschen; in der Mitte aus-
einander gerissene Häuser, deren Inneres ganz frei lag, standen am Ufer, und
gestern noch blühende Gärten und grüne P'elder waren mit wüsten, kopfgrossen
Gerollen und Steinmassen überschüttet.
Eine derartige Regenzeit tritt nach der Mitteilung des seit sieben Jahren
ansässigen Missionars der China Inland Mission, Mr. Readley, hier jedes Jahr
— 202 —
im Juli ein und dauert bis Mitte August; die mittlere Tagestemperatur ist aber
dabei, trotz der hohen Lage der Stadt (2751 m), nicht niedrig, in den Nächten
geht das Thermometer nur selten bis -|- 1 5® C. herab und Tags kommen Maximal-
temperaturen im Schatten bis zu + 24° C. vor, trotz vorhergegangenem ausgiebigem
Regen. Es sind hier die Ostwinde, welche die Regenwolken das Thal herauf-
bringen, aber die Gewitter scheinen häufiger von Westen zu kommen und man
kann oft zwei Wolkenschichten über einander mit entgegengesetzter Bewegungs-
richtung beobachten. Niedrig hängende, dunkle Regenwolken kommen von
Ost und in deren Zwischenräumen sieht man viel höher in der Atmosphäre
silberweisse Cirruswolken, die von Westen nach Osten gehen. Die vorherr-
schenden Winde an der Oberfläche kommen von Osten, in der Höhe aber
von Westen. Infolge dieser Witterungslage herrscht in dieser Jahreszeit eine
sehr feuchte und warme Atmosphäre, die der Vegetation ausserordentlich günstig
ist. Es gehen auch bei Tan-ka'rthing (2751 m) an den lössbedeckten Abhängen
noch Getreidefelder hoch hinauf, und über der engen Schlucht des Si-ning-ho
blühen der blaue Enzian und Edelweiss neben andern Formen einer Hoch-
gebirgsflora. Die breiten Thalböden der Seitenthäler auf beiden Seiten des
Si-ning-ho sind überall mit grünenden Fluren bedeckt und reich an Ansiede-
lungen, von denen auch hier viele mehr oder weniger stark zerstört sind. AUer-
wärts fuhren Wege durch die Thäler und zu den Weiden auf den Höhen, und
das Gebirge hat durchaus keinen ungangbaren Charakter.
Zahlreich sind auch die Tempel und Klöster in diesen Gebirgsthälern, von
denen Kum-bum, der Tempel der loooo Bilder, einige Meilen süd-südwestlich
von Si-ning fu, zu den berühmtesten und grössten Stätten lamaistischen Kultus,
mit etwa 3000 Lamas als Insassen, gehört. In den Grenzgebieten des nord-
östlichen Tibet, wo sich die Regionen der Hochsteppen mit den Gebieten des
Ackerbaues berühren, befinden sich die meisten Klöster, weil dort die Er-
nährungs- und Erhaltungsbedingungen die günstigsten sind. Auch die mittel-
alterUchen Klöster der katholischen Kirche sind zumeist an den von der Natur
bevorzugten Stellen angelegt Im Bezirke Am-do*) allein werden 22 solcher
Klöster gezählt mit zusammen 25000 bis 30000 Menschen, deren grösstes,
La-brang mit 5000 Lamas, südöstlich von Kum-bum liegt, und die je 200 bis
1000 Mönche haben.
Kum-bum selbst soll noch vor dem letzten Muhamedaner- Aufstand, bei welchem
aber die Tempel von Zerstörung und Plünderung verschont blieben, 7000 Lamas
besessen haben. Die Gründung dieses Klosters erfolgte durch den Gründer der
Gelupa-Sekte oder »Gelben Sekte«, der in der Nähe dieses Klosters 1360 geboren
•) Unter Am-do versteht man das berj^ige Land am Ostabfalle des tibetischen Hochlandes.
Die Grenzen gegen Westen sind geographisch nicht genauer bestimmt; das Gebiet erstreckt sich
aber längs der Ostgrenze Tibets vom Hoang-ho im Westen bis über den Meridian von I^-brang
im Osten, und von der Wasserscheide zwischen dem Ta-thung-ho- und Si-ning-ho -Gebiete bis süd-
lich zur Wasserscheide zwischen Thao-ho und Yang-tz6-kiaug.
— 263 —
und nach Tsong, seinem Geburtsorte, Tsong-ka-pa genannt wurde. Er reorganisierte
den Klerus und gewann bald sehr viele Anhänger, wie denn auch die Gelupa-Sekte
im Norden und Nordosten Tibets weitaus am verbreitetsten ist und das Kloster
Kum-bum eines der berühmtesten und reichsten Klöster wurde, in dem zu Zeiten
sogar der Dalai-Lama residierte. Ausser der gelben Sekte giebt es noch drei
andere, die sich aber nicht wesentlich durch ihre Dogmen unterscheiden.
Beschreibungen dieser Stätte buddhistischen Kultus' sind in älterer und
neuerer Zeit mehrfach und ausfuhrlich gegeben worden, so dass in der Haupt-
sache wenig Neues zu bringen ist; eine kurze Schilderung möge indessen
doch hier Platz finden, obwohl mir das wertvollste Ergebnis unseres Besuches
in Kum-bum, die aufgenommenen Photographieen, verloren gegangen sind. Bis-
her waren von hier nur wenige photographische Aufnahmen von Potanin,
Grum Grschimailo und Skizzen von Sven Hedin bekannt gemacht worden, und
die Lamas hätten sogar das Zeichnen und Skizzieren untersagt; mir wurde aber
erlaubt, mit Ausnahme des Innern der Tempel alles aufzunehmen, was ich wollte,
und ich wurde dabei in keiner Weise belästigt. Es ist nun merkwürdig, dass
gerade das Packet der photographischen Platten, welches die Aufnahmen von
Kum-bum enthielt, fehlte, als die Photographien zur Entwicklung in Europa
ausgepackt wurden. Bei der Sorgfalt, mit welcher die Platten jeweils umge-
packt und versorgt wurden, kann ich es mir nicht anders erklären, als dass
jenes eine Packet, nachdem es dem Diener zum Einpacken übergeben worden
war, gestohlen wurde, vielleicht auf Veranlassung der Lamas. Jedenfalls ist mir
während der ganzen Reise kein anderes Packet mit Platten verloren gegangen
als gerade dieses, das allerdings bis zur Rückkehr nach Tan-ka'r thing einem
chinesischen Diener anvertraut werden musste, der von den Lamas beeinflusst
gewesen sein dürfte.
In einer Lössschlucht des hügeligen Landes, das im Vordergrunde der
steilen und zackigen hohen Gebirgskämme liegt, welche das Thal des grossen
Gelben Russes auf der Nordseite begleiten, erheben sich, terrassenförmig an-
steigend und den ganzen Bergabhang einnehmend, eine grosse Anzahl von
Gebäuden mit meist flachen Dächern, von denen einige grössere und reich
geschmückte Tempel, die Mehrzahl aber Wohnstätten für die zahlreichen Mönche
oder Priester sind. Das Kloster Kum-bum bildet so eine eigene kleine Stadt
für sich, die etwa lo Minuten entfernt liegt von dem Dorfe Lu-ssa mit 800 Ein-
wohnern, das tiefer unten im Thale auf der linken Seite des Baches an den
steilen Berghängen erbaut ist. Von den umgebenden, mit kleinen Tempelchen
und Wegzeichen gezierten Höhen, die sich etwas über 100 m über den Thal-
grund erheben, übersieht man vorzüglich Kloster und Dorf und erfreut sich
ausserdem einer grossartigen Fernsicht über das Nan-schan-Gebirge.
Aeusserlich und von weitem gesehen macht das Kloster nicht den Eindruck
eines grossartigen Heiligtums, das durch die architektonische Anlage und die
Schönheit seiner Formen imponierte; eine kleine, gotische Kirche sieht würde-
— 204 —
voller aus, als diese Zusammenstellung von Lehmhäusem. In der Nähe bemerkt
man allerdings, dass viel Mühe und Sorgfalt auf die Verzierung und den Schmuck
der Tempelgebäude verwandt ist; aber etwas der Bedeutung dieser Stätte auch
in äusserer Beziehung Entsprechendes fehlt ihnen durchaus, und das reich
ausgestattete Innere selbst des Hauptheiligtums, des goldenen Tempels, wirkt
nicht viel besser.
Die Mönche, darunter viele lo bis 15jährige Burschen, machen keinen
vorteilhaften Eindruck. Man sieht sie barhäuptig, mit kurz geschorenem Haar
und bartlosem Gesichte müssig herumsitzen oder in Gruppen umherlungem,
wenn sie nicht gerade durch die gemeinschaftlichen Gebetsübungen in einem
Tempel festgehalten sind. Einige niedere Lamas besserten mit Schaufeln und
Aufschüttungen die Schäden aus, welche der tief eingeschnittene Bach, der die
Klosterantage. durchfliesst, durch Hochwasser verursacht hatte. Die Kleidung
der niederen Lamas besteht aus rotbraunen Gewändern» über welchen ein toga-
artiger Ueberwurf getragen wird, der den rechten Arm frei lässt Unterkleidung
fehlt, und die braune Haut sieht nicht aus, als würde sie oft gereinigt. Der
Gesichtsausdruck der Mönche ist nicht intelligent, im allgemeinen gleichgiltig und
abgestumpft; nur den Fremden mustern sie mit misstrauischer Neugierde.
Bei Zeremonien und feierlichen Gottesdiensten tragen die höheren Lamas hohe,
mit raupenartigen Kämmen versehene gelbe Kopfbedeckungen, die bei der
roten Lama-Sekte, die im südlichen Tibet häutiger ist, rot sind. Selten sieht
man die Mönche ohne Rosenkranz in der Hand.
Ihre Wohnungen sind einfache, weiss getünchte, mit ebenem Dache be-
deckte Lehmhäuser, die sich in grosser Zahl über den Tempeln an Abhängen
hinaufziehen. Die höheren Lamas haben bessere Wohnungen, die oft mit
Heiligenbildern geschmückt sind. Ein solcher Lama, der uns in seiner im
zweiten Stockwerke eines grossen, bei den Tempeln liegenden Gebäudes empfing,
hatte sehr wohlwollende und intelligente Züge; er beschenkte uns mit chinesischen
Süssigkeiten und erteilte die Erlaubnis zum Photographieren. Ueber eine blaue
Brille, die ihm Dr. Holderer schenkte, zeigte er sich sehr erfreut. Den Prior
des Klosters, der eine Inkarnation des Buddha oder ein lebender Buddha ist,
bekamen wir aber nicht zu sehen.
Die grösseren Tempel liegen in Gruppen beisammen und sind durch
Höfe oder Durchgänge von einander getrennt. Sie sind zumeist aus Lehmmauern
mit Holzeinlagen an den Thüren und flachen Dächern erbaut und oben unter
dem Dache ist eine breite Lage von Zweigen eingelegt, die rings um den Bau
herumläuft. Diese Eigentümlichkeit haben auch die später zu beschreibenden,
ganz ähnlichen grossen Tempel bei Kloster Schin-se, wie die Abbildung auf
Tafel XXXII. zeigt.
Wir hatten unter Führung eines Lamas in die meisten Tempel Zutritt
und sahen auch den grossen Versammlungsraum, in welchem die gemeinschaft-
lichen Gebete und Mahlzeiten abgehalten werden. Es sind keine Stühle oder
— 265 —
Bänke darin, sondern am Boden liegen in langen Reihen Kissen, die zum Sitzen
dienen. Von der Decke hängen eine grosse Menge langer, bunter Fahnen
herab, die das geringe Licht noch mehr abhalten, so dass im Räume ein
Halbdunkel herrscht. Die grossen Holzsäulen, welche die Decke stützen, sind
ebenfalls reich mit Fahnen und Fellen behangen. Auch in den Tempeln ist es
so dunkel, dass man nur mit Mühe die Bilder und Darstellungen erkennen
kann, und die kleinen, vor den Götterbildern brennenden Lämpchen vermögen
nicht genügend die grossen Räume zu erhellen.
An einem Tempel stehen in Galerien grosse Gebetmühlen, d. h. vertikale
Cylinder, die um ihre Achse drehbar sind und goldene, tibetanische Buchstaben
auf farbigem Grunde tragen. Einige davon stehen für sich in besonderen
Häuschen und sind wahre Riesenexemplare von mehreren Metern Umfang
und Höhe. Solche Gebetmühlen sind überall in buddhistischen Ländern zu
finden. Oft sind sie so eingerichtet, dass nicht der Mensch, der betet, sie in
Umdrehung versetzt, sondern der Wind oder das Wasser, so dass solcherart
fortwährend das Gebet zum Himmel emporsteigt. Nach Rockhill befindet sich
im Innern des Cylinders auf der Achse ein langer Papierstreifen aufgerollt in
der Weise, dass er von oben links nach unten rechts geht. Wenn dann der
Cylinder, wie das der Gebrauch ist, umgekehrt von rechts nach links gedreht
wird, so folgen sich die Worte des auf dem Papier unzälilige Male wiederholten,
tibetanischen Hauptgebetes: »Om mani padme hum< (»Oh! das Kleinod im
Lotos«) in der richtigen Reihenfolge von links nach rechts. Es gilt als
Sakrilegium, in umgekehrter Weise die Mühle zu drehen, wie man auch immer
um die Tempel so herumgehen muss, dass sie zur rechten Seite bleiben.
Die allgemeinste Gebetsformel »Om mani padme hum< richtet sich an
den eigentlichen Schutzgott Tibets, den Bodhisatva Padmapäni. Lamas sowohl
wie Laien wiederholen diese ewig gleiche Formel unzählige Male und überall
ist sie auf den Inschriftsteinen der Obo, auf den Tüchern der Gebetflaggen und
in den Gebetmühlen zu finden. Ihre unendliche Wiederholung verstärkt die
Wirkung, wie auch im altindischen Kultus der ewigen Wiederholung eine
magische Macht zugeschrieben wird. Nach der buddhistischen Metaphysik
macht das kontinuierliche Leben durch den Tod nur Wandlungen durch, die
sich immerwährend wiederholen und deren Lebensverhältnisse bei der Neu-
geburt durch die Thaten in der Vorexistenz bestimmt werden; diese sind ent-
scheidend für die Erhebung in einen Himmel oder die Verurteilung zur Hölle.
Die Existenz in den Regionen der Wiedergeburt der Götter, Titanen und
Menschen ist gut, die in den andern drei Regionen aber schlecht; auch schon
die menschliche Welt wird in den Darstellungen sehr pessimistisch aufgefasst,
um auf den Wert einer Verbesserung hinzuweisen, die durch ein frommes
Leben und die Erfüllung der zahlreichen Pflichten gegen die Götter erreicht
werden kann. Die Mani-Formel hat nun nach der Lehre und dem Glauben der
Lamas die Wirkung, dass sie den Cyclus der Wiedergeburten anhalten und direkt
— 266 —
zum Paradies führen kann. Sie ist das grosse Mittel zur Erlösung und die Quelle
aller Glückseligkeit, da jede ihrer sechs Silben eine der sechs Regionen der
Wiedergeburt ausschliesst. Om oder »Juwel im Lotosc hat die Wirkung des
Ausschliessens der Wiedergeburt unter den Göttern, die nächsten Silben
schliessen der Reihe nach die Welten der Titanen oder ungöttlichen Geister,
der Menschen, der Tiere, des Tantalus oder der gequälten Geister und der
Hölle aus.
In wieder andern Galerien waren lange Reihen von Darstellungen von
Göttern mit symbolischen Attributen; viele hatten schwarze Gesichter und schreck-
liche Gestalten, denen Menschenköpfe auf Spiessen und Reihen von Toten-
köpfen beigegeben waren. Im obersten Tempel wird nach Potanin der
Schädel der Mutter des Tson-ka-pa als heilige Reliquie aufbewahrt und verehrt
Eine Schatzkammer, die Rockhill beschreibt, wurde uns nicht gezeigt. Es
sind im ganzen etwa acht bis zehn solcher Tempel mit einer grossen Anzahl
von Gottheiten und verschiedener Bestimmung um den Haupttempel gruppiert.
Dieser zeichnet sich durch sein spitz zulaufendes, vergoldetes Dach aus und
nimmt das Hauptinteresse in Anspruch. An seiner Front ist eine breite,
verandaartige Galerie angebracht, von der aus drei grosse, verschliessbare
Thüröffnungen in den Tempel fuhren. Das Innere ist reich geschmückt und
enthält unter andern Götterbildern eine grosse, vergoldete Bronzestatue von
Tsong-ka-pa. Däneben befindet sich noch ein besonderer Tempel desselben
Gottes, dessen Statue von 3 Fuss Höhe auf einem grossen Throne ganz
aus Gold bestehen soll. Vor den Bildern sind Opfergaben in Messing-
schalen und brennende Butterlampen aufgestellt. Lange Tempelfahnen (Chadak)
hängen im Innern von der Decke herab und sind auch an den Armen der
Götterstatuen befestigt.
Auf der Veranda unter dem vorspringenden Dachrande des vergoldeten
und eines andern Haupttempels befinden sich Holzbretter, auf welchen Pilger
und Lamas ihre Andachtsübungen derart verrichten, dass sie sich auf die Kniee
auf ein Kissen niederlassen und, die Hände auf kleinen Wollstücken vor sich
herschiebend, sich auf den Boden legen, mit der Stirn den Boden berühren
und dann wieder in die knieende und stehende Stellung zurückkehren, um
sofort wieder niederzuknieen, sich hinzulegen und aufzurichten. So geht das
endlos weiter, bis dem Pilger die Kräfte versagen oder er keine Lust mehr
hat, die etwas langweilige und sehr ermüdende Andachtsübung fortzusetzen,
was wir aber nicht abwarteten. In den harten Brettern der Unterlage ist
durch das seit Jahrhunderten unaufhörlich fortgesetzte Vor- und Zurückschieben
der Wollestückchen unter den Händen der Betenden eine Furche entstanden,
die über 5 cm tief ist, der Breite der Hand entspricht und sich so weit auf
dem Brett hinzieht, wie ein liegender Mann mit ausgestreckten Händen reichen
kann. Solcher ausgefurchter Bretter liegen eine ganze Anzahl nebeneinander
und unaufhörlich sieht man Pilger daran ihr Gebet verrichten.
— 267 —
Vor dem Haupttempel wurde uns der heilige Baum gezeigt, auf dessen
Blättern früher Schriftzeichen und später Bildnisse des Tsong-ka-pa von selbst
entstanden sein sollen. Es besteht wohl kein Zweifel, dass diese Zeichen von
den Mönchen auf die Blätter übertragen worden sind, die aber auch ohne solche
Zeichen an die Pilger als wunderwirkende Mittel verkauft werden. Einige ab-
gefallene Blätter, die wir mitnehmen durften, zeigen nichts Besonderes und waren
nicht genauer bestimmbar; der Baum gehört nach Kreitner einer Syringaart an.
Hinsichtlich des heiligen Baumes bemerkt Potanin, dass er einen frischen
Zweig bekommen habe, auf dessen Blättern in der That zerstreute Flecken
waren, die Buchstaben ähnlich sahen; durch einen Farbstoff waren diese Teile
der Epidermis gelb geförbt und hoben sich in unregelmässigen Umrissen von
dem dunklen Grunde ab.
Im Kloster Kum-bum werden an folgenden Tagen hohe Feiertage gefeiert:
im ersten und vierten Monat am 14. und 15., im sechsten Monat am 6., im
neunten Monat am 21. und im zwölften Monat am 29.
Erwähnenswert sind auch die eigenartigen Opferteller in den Tempeln,
grosse Steine,, deren Oberfläche mit Butter überzogen ibt Die Münzen, die als
Opfergaben bestimmt sind, werden von den Pilgern auf die Steine aufgedrückt
und später von den Mönchen abgenommen. Wir sahen einige 50 Münzen
daran kleben und zu Zeiten der Feste dürften die über 0,50 m hohen Steine
ganz damit bedeckt sein.
Zur Entgegennahme der Opfei^aben an Butter dienen ebenfalls in den
Tempeln aufgestellte grosse Gefässe und zahllose, kleinere Schälchen, in denen
bei festlichen Gelegenheiten unzählige Lichter brennen. Rockhill beschreibt
auch die Ausstellung eines grossen Reliefbildes, das sehr kunstvoll aus Butter
hergestellt wird und bei 20 Fuss Länge und 10 Fuss Breite hunderte von
Figuren enthält; jedes Jahr wird zum Butterfeste, das in jedem Kloster, am
grossartigsten aber in Kumbum gefeiert wird, ein neues solches Basrelief her-
gestellt, dessen Vollendung drei Monate in Anspruch nimmt.
Bei Alledem kann ich doch nur wiederholen, dass der Gesamteindruck
nirgends ein so erhebender ist, wie derjenige vieler alten Kathedralen des
westlichen Europa, deren vollendete Harmonie der Formen im schroffsten
Gegensatze zu dem bunten Wirrwarr buddhistischer Tempel steht. Sven
Hedin hat fast mit denselben Worten seinen Gedanken Ausdruck gegeben,
die ich in meinem Tagebuche unter dem direkten Eindruck des in Kum-bum
Gesehenen niederschrieb, und die sich dahin zusammenfassen lassen. Es fehlt diesem
Göttertempel der weihevolle Ernst, und trotz allen Reichtums und aller Prachtent-
faltung wird man .schon durch den Fettgeruch, die oft nur schlecht verdeckten,
schmierigen und russigen Bretterwände und insbesondere durch die unerfreuliche
äussere Erscheinung der Priester dieser Götter aus jeder Illusion herausgerissen.
Auch der Markt und das Treiben vor dem mit Löwen geschmückten
Eingangsthor zu dem Kloster-Gebäudekomplex, wo ein schwunghafter Handel
— 268 —
mit allerlei Gerätschaften, die beim Gottesdienst gebraucht werden, Rosenkränzen,
Seidengeweben (Chadaks), aber auch Tabak, Thee, Pfeifen u. a., getrieben wird,
macht einen durchaus weltlichen Eindruck. Ueberhaupt wird die Ausübung der
religiösen Vorschriften nur als lukratives Geschäft betrieben. Wenn auch
manche grössere Klöster eine Unterstützung vom Kaiser in Peking erhalten, an
der alle graduierten Lamas teilnehmen, so reicht das doch lange nicht aus,
und die Bezahlung fiir Gebete, Opfergaben und Vermächtnisse müssen das übrige
einbringen. Die Lamas vermieten ausserdem Wohnungen an Pilger und fremde
Besucher, treiben Handel und vermitteln Geldanleihen, wodurch sie besonders
im südlichen Tibet zu einer Geissei des Volkes werden. Sind doch ähnliche
Verhältnisse auch in andern Ländern von seiten der Klöster und Mönche nichts
ungewöhnliches. Die Klöster sind reich und das Volk ist arm.
Ueberall in den Jurtendörfern halten sich zahlreiche Lamas auf, die mit der
FamiÜe auf deren Kosten in deren Zelte leben und nichts thun, als für sie die Gebete
verrichten. Sie ziehen auch mit Trommel, Buch und Schelle wie Hausierer herum,
um Gebetsbedürftigen beizustehen und Fleisch, Tsam-ba oder Butter in Schaf-
magen dafür einzuhandeln. Im südöstlichen Tibet rechnet Rockhill drei Lamas
auf jede tibetanische Familie, und jedes dritte männliche Kind wird Mönch.
Die niederen Lamas, die nur die fünf niederen Gelübde abgelegt haben,
sind nicht an das Cölibat gebunden, dürfen aber im Kloster keine Frauen haben.
Dagegen dürfen sie deren Besuch empfangen, z. B. beim »Fest der Hutwahlc,
das zwei bis drei Tage dauert und selbst ohne lex Heinze als recht unsittlich
bezeichnet werden muss. Sie haben in den Klöstern, wo die Hausregeln strenge
befolgt werden, auch niedere Dienste zu verrichten, wie Kochen, Instandhalten
der Tempel und Lampen, Besorgung der Pferde u. a. Die höheren Lamas
werden ordiniert, nachdem sie die heiligen Bücher gelesen haben, und geben
Gelübde der Keuschheit, Armut und Enthaltsamkeit von Spiel, Alkohol und
Tabak ab, aber nur wenige erreichen darin eine gewisse Vollkommenheit. Aus
der Zahl dieser werden die Funktionäre für besondere und die höheren Kloster-
würden gewählt. Der Prior hat Macht über Leben und Tod seiner Mönche.
Ausser dem Stabe der Beamten im Kloster, deren Prior entweder von Hia-sa
oder einem andern grossen Kloster den kleineren zugesandt oder von den
Mönchen gewählt wird, sind in reichen Klöstern noch heilige Lamas, die
den Ruf des Klosters durch ihre Gegenwart und Heiligkeit erhöhen, ebenso
wie auch die Opfergaben der zu ihnen von weither wallfahrenden Pilger.
Ueber 80 solcher lebender Heiligen, die als Inkarnationen Buddhas bezeichnet
werden, halten sich in den Klöstern Am-dos, des Kükenur-Gebietes und des
Tsai-dam auf und zerfallen wieder in mehrere Rangstufen. Den höchsten Grad
aber buddhistischer Heiligkeit besitzt nur der Dalai-Lama in Hla-sa, wo nicht
weniger als 32 000 Lamas in verschiedenen Klöstern sich aufhalten.
Es ist hier nicht der Ort, auf die zahlreichen Einzelheiten der buddhistischen
Religion, ihre Gebräuche und deren Aehnlichkeit mit Einrichtungen der katho-
— 269 —
lischen Kirche einzugehen, um so mehr, als ich später noch Gelegenheit haben
werde, ein anderes grosses Kloster zu beschreiben, von dem auch Abbildungen
gegeben werden können.
So interessant und lohnend der Besuch des Klosters Kum-bum war, so
wenig lockte die Stätte zu einem längeren Aufenthalt, und schon der nächste
Tag sah uns auf dem Rückwege nach Tan-ka'r thing. Der Saumpfad fuhrt einige
Kilometer vom Hauptthale des Si-ning-ho entfernt, diesem parallel, quer über
alle die Thälcr, die von der Wasserscheide gegen den Hoang-ho herabkommen,
und die Bei^e zwischen ihnen und bietet eine Fülle wechselnder Landschafts-
Thnl lies Sl-nins-ha. unterhalb von Tnn-kaT thinR.
bilder. Erst auf den über 3000 m erreichenden Höhen im Osten von Tan-ka'r
thing nähert er sich dem Si-ning-ho-Thale und steigt jäh in dasselbe hinab.
Von diesem Wege aus übersteht man schon das Gebiet des Küke-nur und
erkennt seine Lage an der Unterbrechung der Bergzüge, wenn auch seine
Wasserfläche noch nicht sichtbar ist. Die Höhen zwischen Tan-ka'r thing und
Kum-bum sind an geeigneten Stellen bis ganz oben hin mit Ackerfeldern be-
deckt, und kleinere Dörfer liegen überall hoch über den Thalflächen zerstreut im
Berglande. Eine herrliche, alpine Flora schmückt die Raine und Grasflächen,
deren Weideplätze einen zahlreichen Viehstand erhalten. Das Edelweiss ist hier
grösser und schöner, als es in den Alpen zu werden pflegt und bedeckt in
kleinen Büschen ganze Halden. In den Thälern liegen inmitten blühender Fluren
viele Dorfer mit ihren nie fehlenden Festungen aus Lehmmauern, sowie
zahlreiche Mühlen an den Wasserarmen. Es ist ein reiches und gesegnetes Land,
— 270 —
das hier mitten in der Bergwelt des Ku^n-lun liegt, in Höhen, in denen in Europa
schon ansehnliche Alpengipfel thronen, an deren Abhängen nur noch für kleine
Sennereien Raum übrig bleibt.
Es sind hier eben überall noch tertiäre Sandsteine und die darüber
lagernden, mächtigen Lösse, der vom Winde herbeigeführte, fruchtbare
Staub, welche, fast alle schroffen Stellen der Bergseiten und deren festes
Felsgerüst verhüllend, sanfte, gerundete Bergformen erzeugen, die der Agri-
kultur günstig sind und einen Anbau bis hoch hinauf ermöglichen. Nur in
den tieferen Teilen der Gehänge hat zuweilen ein Fluss die verdeckten Granite
und Schiefer des Innern freigelegt. Auch in den hohen Gebirgsteilen bei
Tan-ka'r thing giebt es enge Felsschluchten mit wild schäumenden Wassern,
die allen Löss, soweit er überhaupt da war, wieder entfernten. Hierher
gehört die enge Schlucht des Si-ning-ho unterhalb jener Stadt; in derselben
fehlen aber nicht Löss- und Lehmablagerungen an geschützten Stellen, wo das
Wasser sie nicht erreichen kann.
In dem breiten Hochthale oberhalb von Tan-ka*r thing ist ebenso wie auch
in dem grösseren Seitenthale, das sich dort nach Süden und Südwesten öffnet
der Ackerbau noch vorherrschend über das Wiesenland der Thalböden und
die hoch gelegenen Grasflächen auf den breiten und gerundeten Bergrücken. Es
sind überall noch reichlich feste Ansiedelungen aus Lehmhütten und starke
Mauern zum Schutze der Dörfer errichtet; den Zelten der Nomaden begegnet
man nur da, wo Karawanen mit Yaks aus dem Gebiete des Küke-nur oder
noch weiter gelegenen Teilen Tibets, wie z. B. aus dem Tsai-dam, zum Verkaufe
von Fellen und Wolle heruntergezogen sind. Grosse Herden von über 300
Stück Vieh kommen so an, mit etwa 20 Mann Begleitung, die nach voll-
zogenem Verkaufe und Eintausch von Thee, Gerste und Geräten wieder in die
Heimat zurückkehren.
Dass diese Söhne der wilden Hochflächen an Verschlagenheit und Betrügerei
ihren chinesischen Nachbarn in Nichts nachstehen, kann man beim Ankauf
der Yaks sehr wohl erfahren. Nicht nur treiben sie die guten, starken Tiere
weg und zeigen nur die schlechten, um diese zuerst loszuschlagen, sondern
sie überkleben auch wunde, eiternde Stellen auf dem Rücken so geschickt
mit Wolle desselben Tieres, dass erst Tage nach dem Ankauf der Betrug
entdeckt wird.
Durch das oben schon erwähnte, südlichfe Seitenthal des Si-ning-ho fuhrt
der grosse Weg zum Küke-nur. Bis zum Passe, der dieses Thal mit dem schon
zu diesem See sich wendenden Taotan-ho (= Ara-gol) verbindet, hat das Land,
was Besiedelung und Bodenkultur anbelangt, denselben Charakter wie das
Thal des Si-ning-ho. Im unteren Teil liegen zahlreiche Ortschaften und Tempel,
an den Bergen sind Weizen und Hafer angebaut, und längs des Flusses und der
Seitenarme stehen grüne Alleen von Pappeln. Die Wasserkraft wird von zahl-
reichen Mühlen ausgenutzt.
— 271 —
Die Anlage einer solchen Mühle an der Gren2e der Kultur und des unwirt-
lichen Tibet ist so einfach und doch sinnreich, dass es lohnend erscheint, sie
näher zu betrachten. Das Aeussere ist immer dasselbe wie das der von
Tan-ka'r thing abgebildeten Mühle (siehe Seite 261, mit dem Unterschiede, dass
meist nur liir ein Rad genügend Wasser vorhanden ist. Im Innern ist in Tisch-
höhe über dem Boden ein grosser runder Mahlstein auf die vertikale Welle des
Turbinenrades aufgesetzt, der sich mit dieser dreht Ein zweiter, ebenso grosser
Stein, der in der Mitte eine grosse Durchbohrung besitzt, ist vermittelst Seilen
und Stäben an der Decke des niederen Raumes so befestigt, dass er sich genau
horizontal und in der nötigen, kleinen Entfernung über dem unteren, sich drehenden
Mahlstein befindet. Durch seitliche Verbindung ist er so festgehalten, dass er
nicht durch die Rotation des unteren Mahlsteines aus seiner Lage bewegt werden
kann. Die zu mahlende Frucht (Weizen oder Erbsen) befindet sich in einem aus
Fellen genähten, trichterförmigen Sacke über der zentralen Oeffnung des
oberen Steines und fallt durch diese auf den unteren Stein und auf die Mahl-
fläche. In Ledersäcken wird das fertige Mehl aufgefangen und bewahrt.
In fast allen Ortschaften sieht man auch hier noch die Spuren der Dun-
ganen-Aufständc; manche Dörfer sind nur verlassene Trümmerstätten. Einzelne
Höfe sind mit starken Schutzmauern umgeben, und öfter haben sich mehrere
Familien zusammengcthan, ihre Wohnhäuser dicht neben einander gebaut und
eine gemeinsame Schutzmauer errichtet, wo die exponierte, vom Dorfe entfernte
Lage dies nötig machte. Die Einrichtung im Innern ist dann folgende, wenn wir
einen solchen geschützten Bauernhof bei Golien-tschuo, noch im unteren Teile
des Seitenthaies, etwa 7 km von der Stadt Tan-ka'r thing, als Beispiel nehmen.
T Bnuemhof la Golim-Ischuo bei TaD-kH'r (hinf;.
1 b Wohnräume t Stall d Vornliraum « KUcha g o
— 2/2 —
Die Gebrauchsgegenstände und Geräte unterscheiden sich nicht von den in Tan-
ka'r thing und sonst aus dem Nan-schan beschriebenen.
Oberhalb des erwähnten kleinen Ortes Golien-tschuo verengt sich das
Flussbett zu einer schmalen, malerischen, etwa 5 km langen, mehrfach gewun-
denen Schlucht im Granit- und Schiefergebirge. Besonders die von grellfarbigen
Flechten überzogenen, oft ausgehöhlten, mächtigen Granitblöcke und ganze
aus solchen Quadern aufgebaute Thalvorsprünge und Bergkuppen geben dem
Thale mit seinem wasserreichen, schäumend zwischen und über gewaltigen
Granitblöcken seinen Weg suchenden Flusse einen pittoresken Reiz. Der Weg
findet nur mit Mühe, bald unten am Ufer, bald an den seitlichen Abhängen, Raum
genug, und an manchen Stellen können nicht zwei beladene Lasttiere neben
einander passieren. Uebrigens herrscht ein sehr lebhafter Verkehr durch dieses
Thal. Es sind besonders Schaffelle und Rinder-(Yak-)häute, die vom Küke-nur-
Gebiet und Tibet hier herabgebracht werden und nach dem Osten Chinas, ja
bis nach Europa gehen. Wie stark der Export aus Tibet sein muss, geht da-
raus hervor, dass im Laufe von vier Stunden nicht weniger als 44 über und
über mit Fellen beladene Esel, Maultiere oder Pferde vorbeikamen und jedes
dieser Tiere dürfte 40 — 50 Felle getragen haben. Rockhill sagt, dass die
Yaks dieselbe Last tragen wie die Esel (160 Pfund). Die Esel aber gingen
rascher und betrügen sich auf dem Wege würdiger als die Yaks, die wilde
Tiere seien, gerade so wie ihre Herren. Damit hat er sehr recht. Unsere Yak-
karawane machte Dr. Holderer fortwährend zu schaffen. Bald waren
Tiere auf dem Marsche wegen Erschöpfung zurückgeblieben, bald konnten sie
wegen tiefer Druckwunden auf dem Rücken nicht mehr beladen werden, und
der Ersatz war kostspielig und nicht immer leicht. An den Druckwunden
waren zumeist die eisernen Kisten schuld, die eine den Tieren ungewohnte
Last waren und nicht zu den kleinen Bocksätteln passten. Sie sind sonst nur
gewohnt, weiche Ledersäcke oder Häute zu tragen.
Das Beladen der Karawane morgens nahm immer mehrere Stunden in
Anspruch, so dass sie häufig erst um 9 oder 10 Uhr zum Abmarsch kam und
dann je nach den Entfernungen der geeigneten Lagerplätze bis in den Nach-
mittag hinein unterwegs war. Die noch übrige Zeit des Tages blieben die
Yaks und Pferde auf den Weideplätzen. Bei Einbruch der Dunkelheit wurden
sie zum Lager zurückgetrieben und an einem um dasselbe gezogenen und am
Boden mit eingeschlagenen Haken befestigten Seile während der Nacht an-
gebunden. Sie benahmen sich oft sehr unruhig, rissen sich los, liefen umher
und stolperten dabei über die Seile, mit welchen unser Zelt am Boden
verankert war.
Im Interesse regelmässiger, meteorologischer Beobachtungen suchte ich
möglichst um die Mittagszeit mit Hilfe der Führer den neuen Lagerplatz zu
erreichen, um auch am Nachmittage noch Ausflüge auf Berge und geologische
Studien in der Umgebung machen zu können. Häufig aber gelang das leider
— 273 —
nicht, weil mein Kosake, der einzige, der noch zur Hilfe bei den wissenschaft-
lichen Arbeiten mir zur Verfugung stand — der andere hatte die Karawane zu
begleiten und zu beaufsichtigen — beim Aufbnich mit allen möglichen andern
Sachen beschäftigt war und mich stundenlang warten Hess. Dadurch wurde
eine störende Unregelmässigkeit der meteorologischen Aufzeichnungen der
Mittagszeit bedingt, während die Morgen- und Abendlesungen pünktlich erledigt
werden konnten.
Oberhalb der Engschlucht wird das Thal wieder weiter, hat eine mehr
nach Westen gerichtete Erstreckung und trägt wieder teils besiedelte, teils
verlassene Ansiedelungen am Ausgange von Neben thälchen. Hier reicht aber
Dorf Uonkjr-siLmo uulcrhnlb vnn Schiilnkiito.
das Ackerland nicht mehr hoch an den Berggehängen empor, das Weideland
überwiegt, und eine> Grasdecke überzieht das sanfte Berggehänge auf der
Nordseite.
Auf der südlichen Thalseite kommen auch in jähen Klippen die Gesteine
des Grundgerüstes, Konglomerate der Steinkohlenformation, an die Oberfläche
und unterhalb des Dorfes Schalakuto bilden sie mit zahlreichen Windhöhlungen
und Erosinnserscheinungen eigentümliche, fremdartig anmutende Felswände und
merkwürdig gestaltete Nischen und Wirbcilöcher an den ins Thal herabsteigenden
Bergkämmen. Im breiten Thale selbst und an den westlichen Abhängen ver-
ursacht immer noch eine starke Lehmbedeckung sanftere Gehängebildung und
giebt die Bedingungen für Ackerbau. Für diesen ist aber die obere Grenze
durch das 3375 m hoch gelegene Dorf Schalakuto bestimmt. Das Thal macht
— 274 —
hier eine scharfe Umbiegung nach Osten und ist, wie auch ein aus südwestlicher
Richtung herabluhrender Thalzweig, dem von nun an der Weg auf den Pass
zum Küke-nur-Gebiet folgt, fast ausschliesslich von üppigem grünem Weide-
land eingenommen.
Das Dorf Schalakuto ist die letzte bewohnte, feste Ansiedelung mit nur
einer Strasse, in der einige armselige, chinesische Kaufläden sich befinden, und
einer an einem isolierten Hügel sich hinaufziehenden Tempelanlage, von deren
verschiedenen Gebäuden das am höchsten gelegene dem liebenswürdigen Stadt-
oberhaupte zur Wohnung dient Aber ein Serai für Fremde besitzt der Ort
schon nicht mehr und wir bUeben bei der Yakkarawane in einem nach vorn
Höhlungen in Konglomeratfelien im Thale unterhalb tod Schalakuto.
offenen, kleinen Raum an einer Seite des mauerumgebenen Hofes, in welchem
die 42 Lasttiere und das Reisegepäck sowie unsere Pferde leerten.
Die Bevölkerung umstand uns neugierig und staunend. Fast ebenso zahl-
reich wie echte Chinesen waren unter der Menge die Tibetaner vertreten, mit
gebräunten Gesichtszügen, spitzen, dreieckigen, trichterartigen Hüten, grossen,
als Amulette um den Hals gehängten Bronzebüchsen und weiten Filz- oder Tuch-
überwürfen. Manche verwitterte, wetterharte Gestalt stach vorteilhaft gegen die
bleich und schwächlich aussehenden Chinesen ab.
Schon von der Engschlucht an hat sich die alpine Flora gemehrt. Herrhche
violette Enziane und ganze Büsche von Edelweiss mit grossen Blütensternen
erfreuen das Auge. Die Leontopodium sibiricum Cass., L. Futteren Diels,
Bupleurum longicaule Wall, die sehr häufige weisse Anthenaria lactea Max und
- 275 —
Pleurogyne tnacracantha Diels und Gilg waren alle später auch in den Steppen-
gehängen der tibetanischen Hochflächen zu finden. Bäume oder Sträucher sind
im oberen Teil des Thaies verschwunden, ebenso die Erzeugnisse des Ackerbaus.
In den Lüften ziehen gfrosse Adler ihre Kreise, Schwärme von Stechmücken
belästigen auf dem feuchten Grasboden Mensch wie Tier, und der flüchtige Fuss
der Gazelle eilt über die weiten Flächen. Aus dem oberen Thale des Si-ning-ho
und den Grenzgebieten gegen den Küke-nur hin befinden sich in den zoolo-
gischen Sammlungen von Vögeln Hirundo nipalensis, Charpodaeus erythrinus,
Charadrius dubius, Anthus Richardi, sowie ein Wiesel Putorius astutus. Hier
begegnet man schon zahlreichen Yakherden, neben Rindern, Schafen und
Pferden, und die in dem Thälchen gegen den Pass hinauf häufigen, dunkeln
Jurten oder Zelte der Tanguten inmitten der grossen Herden künden den
Ueberg^ng zu einem neuen Kultur- und Vegetationsgebiet an, zu dem der
Steppe und der Nomaden.
18»
l>le chiDcalschcn Führer der Bxpeililion Im KUkc-n
KAPITEL VIII.
Das Küke-nur-Qebiet.
So haben wir ihn denn glücklich erreicht, den grossen, hochgelegenen
tibetanischen See, nach dem wir uns so lange gesehnt, der uns auf meilenweiten
Tagesritten, auf anstrengendem Wüstenmarsche und in den sonnendurchglühten
Thälern des Nan-schan als vcrheissungsvollcs Ziel vorgeschwebt hatte. Sein
Anblick und der Aufenthalt in seiner Umgebung sollte der Preis sein für
die nun schon dreiviertel Jahre dauernde Reise, für alle die Mühen, Wider-
wärtigkeiten und Gefahren, die sie uns gebracht hatte.
Es ist schwer zu beschreiben, mit welchen Gefühlen man den eigenartigen
See nach so langer Zeit der Erwartung vor sich liegen sieht. Nicht landschaft-
licher Reiz, nicht die romantische Umgebung, die wir an den Schweizer und
italienischen Gebirgsseen bewundern, auch nicht die hohe Lage über dem Meer,
von der man kaum etwas wahrnimmt, wenn man von einer Anhöhe herab auf
seinen blauen Spiegel herniederblickt, sind es, welche diesen See so anziehend
machen. Es ist die Gesamtheit des Bildes, von den Formen der Erdoberfläche
und deren Gebirgscharakter an bis zu den Eigentümlichkeiten der Tier- und
Pflanzenwelt, den Lebensbedingungen, welche die Menschen hier flnden und
den Sagen, die sich mit ihm verknüpfen, welche in Jeder Weise unser Interesse
erregen und festhalten.
— 277 —
Die buddhistischen Bewohner des Küke-nur-Distriktes schreiben dem See
einen überirdischen Ursprung zu. Vor sehr langer Zeit sollte in Hla-sa ein Tempel
zu Ehren Buddhas gebaut werden, der aber immer wieder, wenn er fast seiner
Vollendung entgegengeführt war, zusammenstürzte. Ein prophetischer Lama
erklärte, dass ein Heiliger, der im fernen Osten lebe, allein um die Ursache
dieser Erscheinung wisse, und dass die Errichtung des Tempels nicht eher
möglich sei, als bis man das Geheimnis von ihm erfahren habe. Ein ausge-
sandter Lama bereiste jahrelang alle buddhistischen Klöster und heiligen Stätten,
bis er endlich in den Steppen an der Grenze von China und Tibet einen
alten, blinden, frommen Mann fand, der aus Zufall ihm erzählte, welche Be-
wandtnis es mit dem Tempel habe. Unter dem Platze, wo der Tempel gebaut
werden solle, befinde sich nämlich ein unterirdischer See. Dieser aber würde
verschwinden und die Gegend, wo der Greis wohnte, überschwemmen, sobald
ein tibetanischer Lama das Geheimnis erführe. Der tibetanische Lama entfloh
und in der That öffnete sich in der Nacht die Erde und unter Beben und
unterirdischem Donner strömte Wasser hervor, das die ganze Ebene überflutete.
Dann schickte Gott einen grossen Wundervogel, der mit einem aus dem Nan-
schan-Gebirge gerissenen grossen Felsblock die Oeffnung verschloss; dieser ist
heute noch sichtbar als Insel im See.
Obwohl der See von allen Seiten her Zuflüsse erhält, hat er keinen Ab-
fluss nach den benachbarten Flusssystemen des Si-ning-ho und des oberen Hoang-
ho, von welch' letzterem er nur durch eine sehr niedere Landverbindung in
südöstlicher Richtung getrennt ist; würde der Seespiegel nur um etwa loo m
steigen, so müsste das schwach salzige Wasser nach dorthin abfliessen.
Die Bevölkerung im ganzen Küke-nur-Gebiete, aber auch noch darüber
hinaus bis südlich zum oberen Hoang-ho und seinen Quellgebieten im Westen
bis zum Tsai-dam, besteht vorwiegend aus Kara- Tanguten oder »schwarzen Tan-
guten c, ein Name, der wahrscheinlich von ihren schwarzen Zelten abgeleitet ist.
Tangutische Stämme, die aber ansässig sind, bevölkern noch Teile des Nan-
schan und auch das westliche Kan-su im Distrikte von Si-ning fu und südlich
davon, das als Am-do bekannte Grenzgebiet; nach Prschewalskij sind sie ein
tibetanischer Volksstamm. Kräftige mittelgrosse Gestalt mit breiten Schultern,
dunkle Hautfarbe, gerade, etwas breite, stumpfe Nase, vorstehende Backen-
knochen und wenig schräg gerichtete Augen, schwarzes Haupt- und Barthaar,
welch letzteres aber meist rasiert ist, und grosse aufgeworfene Lippen charak-
terisieren dieses Volk, das aber in sich wieder Unterschiede besitzt. So stehen
die Kara-Tanguten dem mongolischen Typus näher; sie sind kräftiger gebaut
und dunkler, unterscheiden sich aber von den Tibetanern, nach Prschewalskij
durch breites Gesicht, abstehende Ohren und etwas schiefstehende Augen.
Im Küke-nur-Gebiete und weiter im Süden haben sie nur Zeltlager, die
sie entweder in langen Reihen an den Bergabhängen, an den Eingängen in
schützende Nebenthäler oder aber auch in kreisförmiger Anordnung auf ebenen
— 278 —
Thalflächen aufstellen; solche Anordnungen zeigen verschiedene der Ab-
bildungen.
Tanguten ist ein mongolischer Name. Die Chine3en nennen sie Fan-tzß
(Barbaren) und sie selbst nennen sich innerhalb des noch zur Provinz Kan-su
gehörigen Gebietes Am-do, Am-do-wa. Sie haben hier fruchtbare Thäler inne
und treiben auch Ackerbau; weiter im Westen aber sind sie ausschliesslich
Nomaden und nennen sich Panak'a. Diese letzteren haben zwei Hauptfiirsten,
einen im Norden des Küke-nur und einen andern fast ganz unabhängigen im
Süden desselben. Ihr Hauptreichtum sind Schafe, Vieh, Yaks und Pferde, Ka-
mele sind sehr selten. Ihre Lebensweise, Sitten und Charakter werden im
Folgenden an verschiedenen Stellen zu beschreiben sein, da die Reise vom
Küke-nur bis ins obere Thao-Thal durch hauptsächlich von diesen schwarzen
Tanguten bevölkertes Land ging.
Ausser diesen Kara-Tanguten leben im Küke-nur-Gebiete Mongolen, die
zu dem im Ala-schan verbreiteten Stamme der Olüten gehören, und auch in
geringer Zahl Chinesen, die sich mit den Kara-Tanguten assimiliert haben.
«
Die Kara-Tanguten' gelten als sehr räuberisch und werden ebenso wie
von den Pilgerkarawanen, die den Weg von Si-ning fu nach Hla-sa durch das
Küke-nur-Gebiet nehmen, wie von den Forschungsreisenden gefürchtet, da
sie zugleich mutig und energisch sind. Sie sind nicht so gastfreundlich wie die
Mongolen, aber mutiger und auch räuberischer als diese. Ihre Bewaffnung,
die aus Gabelgewehren mit Zündschnur, Handschwertern und Lanzen be-
steht, ist jedenfalls besser als die vieler chinesischer Soldaten, die wir sahen,
und durch die Unbilden des Klimas, den harten Winter und die primitiven
Zeltwohnungen sind sie ebenso sehr abgehärtet wie ihre Pferde. Sie sind alle
Buddhisten und stellen ein grosses Kontingent der Lamas in den Klöstern an
den Grenzgebieten gegen Kan-su und Ssä-thschuan. Monogamie ist die Regel,
doch werden auch Nebenfrauen noch gehalten.
Nicht nur die im Tangutenlande lebenden Mongolen, auch die Bevölkerung
der Grenzdistrikte stehen unter dem Drucke der Kara-Tanguten, die sich auch
nicht den mongolischen kleinen Fürsten, Wan, deren mehrere im Küke-nur-
Gebiete sind, unterordnen. Die Mongolen leben mehr für sich und isoUert; sie
sind gutmütig, aber geistlos, energielos und gleichgiltig; dabei sind sie sehr
fromm und murmeln unaufhörlich Gebete vor sich hin. Infolge der Bedrückung
durch die Tanguten werden ihrer immer weniger.
Noch ein weiteres Bevölkerungselement, das ebenso im Distrikte von
Sining fu wie am Küke-nur in Nordost-Tibet und am oberen Hoang-ho in
zerstreuten Ansiedelungen verbreitet ist, sind die Salären (Salyren). Sie sind
muhamedanisch und Hessen sich zur Zeit der Mingdynastie in den Gebieten
zwischen Si-ning fu bis gegen Thao-tschöu und Min-tschou und dem Hoang-ho
nieder. Prschewalskij hält sie für Verwandte der Kara-Tanguten; Rockhill aber
zählt sie ihrer Sprache nach zu den türkischen Stämmen.
— 279 —
Andere Muhamedaner, die Scharba genannt werden und unternehmender
sind als die Chinesen, kommen als Händler aus Sung-p'an thing, bereisen das
Grenzgebiet von Tibet zu Handelszwecken und haben Niederlassungen an weit
vorgeschobenen Posten innerhalb der tibetanischen Grenzen. Sung-p*an thing
ist ein wichtiger Handelsplatz und hat fiir Ost-Tibet eine ähnliche Bedeutung
wie Tan-ka*r thing. Von hier gehen als Waren in Karawanen nach Tibet Thee,
Tassen, Stoffe, Leinenwaren und Schmucksachen (Korallen), während die Tan-
guten, die hier schon vielfach sich zum Bönbo-Glauben bekennen, Holz, Hühner,
Eier, Heu nach der Stadt verkaufen.
Von dem Passe aus, der das Flussgebiet des Si-ning-ho über Schalakuto
mit dem des abflusslosen Küke-nur verbindet, hat man einen ausgedehnten
Ueberblick auf das breite Thal des Taotan-ho, der, unweit des Passes ent-
springend, nach Westen dem See zufliesst, und auf das Gebirge im Süden des-
selben, das nach Osten gegen das Thal des gelben Stromes hinzieht. Ein
mächtiges Bergmassiv liegt da, wo der Ursprung des Flusses zu suchen ist,
zwischen den Bergen des Passes und jenen südlichen Bergen, die als östliche
Ausläufer des Süd-Küke-nur-Gebirges anzusehen sind. Das weite Thal, die sanft
ansteigenden Abhänge sind bis über die Höhe dieses Passes (3599 m) mit Gras-
wuchs bedeckt, und über dem ganzen Landschaftsbilde liegt der graugrüne
Farbenton der Grassteppe. Nur in dem erwähnten Bergmassiv und an ein-
zelnen der Berge, welche das Taotan-ho- Thal vom Flussgebiete des Si-ning-ho
trennen, treten Gesteinsklippen in den höheren Teilen zu Tage. Hier lag auch
noch etwas Neuschnee, der in den letzten Tagen gefallen und nur von sehr
kurzem Bestände war. Die Berge erreichen hier zwar die stattlichen Höhen
von 4600 m und mehr, tragen aber doch nicht ewigen Schnee oder gar Glet-
scher, während in den Alpen z. B. die Gletscher bis zur Meereshöhe von 983 m
herabgehen und die Schneegrenze in 2700 — 2800 m liegt. Im Küke-nur-Gebiet
ist dieselbe bis zu 5200 m hinaufgerückt, und nur im fernen Nordwesten sieht
man vom Seeufer aus über den See hinweg einige steile, weisse Berggipfel auf-
ragen, deren Schnee wohl ewiger Schnee sein dürfte und die dem westlichen
hohen Teile des Nan-schan angehören.
Von Eis oder Schnee in grösserer Masse und von längerer Dauer ist in
den Umgebungen des Küke-nur im Sommer keine Rede, und das einzige, was
den gleichmässigen Steppencharakter des Hochthaies des Taotan-ho an einigen
wenig ausgedehnten Stellen unterbricht, sind gelbbraune Flächen und Hügel
von Flugsand, welche am Nordfusse des Süd-Küke-nur-Gebirges in der daselbst
gegen das Hoang-ho-Thal verlaufenden Depression vom Winde angehäuft sind
und durch ihre helle Farbe sich scharf von dem dunkeln Graugrün der ganzen
Umgebung abheben.
Von dem Pass aus, den wir als Eintrittsstelle in das Küke-nur-Gebiet
wählten, kann man den See selbst noch nicht sehen; es schieben sich von der
Wasserscheide gegen das Si-ning-ho-Thal hin Bergausläufer zwischen den kleinen
— 28o —
Abflüssen zum Taotan-ho nach Süden gegen die Thalebene dieses Flusses vor,
so dass sie eine Aussicht nach Westen verdecken.
Längs der Abhänge dieser kleinen, ganz mit Steppe überzogenen Gebirgs-
ausläufer steigt der Weg allmählich abwärts, nicht direkt auf die breite Thal-
sohle, sondern immer in einer gewissen Höhe über derselben, wo noch das
Wasser der kleinen Gebirgsbäche in den Seitenthälchen munter sprudelt und
die saftigsten, mit herrlichen Blumen übersäten Weide flächen den Lasttieren der
Karawane, den Pferden und Schafen das willkommenste Futter bieten. Weiter
unten gegen die ebene Thalfläche des Taotan-ho werden die Grasflächen sumpfig
und für Lagerplätze ungeeignet. Im weiten, 5—6 km breiten Thale des
Süd-KUkc-Dur-Geblet imil SteppeDthäl dea TiotaD-ho um Küke-Dur.
Taotan-ho sieht man keine Herden oder Jurten um diese Jahreszeit; viele Stellen
sind zu sumpfig, andere wieder sandig und tragen schlechtes Futter; dagegen
sind in den kleinen Seitenthälchen der Nordseite die Jurten bis hoch hinauf
zerstreut, und grosse Herden von Schafen, Kühen und Yaks beweiden die
saftigen Grasflächen der Thäler und sanft gerundeten Bergabhänge.
Die grossen Karawanen lagern meist etwas weiter unten, und an mehreren
Stellen bezeichnen grosse, ein Viereck umfassende Mauern mit Eingangsthoren
solche Lagerplätze. Die Yaks werden während der Nacht in die Umfassung
hineingetrieben und gutes Trinkwasser für Mensch und Tier ist immer in
der Nähe. Irgend welches Obdach für den Menschen oder Schutz gegen Sturm
und Regen bieten aber diese Viehhöfe in keiner Weise, und man ist auch da
auf seine Zelte angewiesen.
Früher hat sich noch eine grössere, fest bewohnte Ansiedelung etwa in
der Mitte der Entfernung vom Passe bis zum Ufer des Sees, ziemlich weit
unten gegen die Thaiebene des Taotan-ho zu befunden. Stattliche Mauern
umgeben einen weiten, rechteckigen Raum, in welchem die Trümmer der
einstigen Wohngebäude öde und verlassen in die Lüfte ragen. Nicht ein
Winkelchen ist zu 6nden, das noch ein Dach hätte, und nur Adler und Krähen
hausen auf dieser Stätte der Zerstörung. Die Strassen sind durch Trümmer-
massen derart verschüttet, dass sie ganz ungangbar sind, und die Karawanen
um die Mauern herum, aber nicht in den Ort hinein oder hindurch ziehen.
Diese Ansiedelung war die letzte auf weite Strecken und erst im Thao-Thale
begegneten wir wieder Mauern und Häusern. Im ganzen, dazwischen liegenden,
grossen Gebirgslande und noch weit über die durchzogenen Teile hinaus sind
nur fliegende Nomadenzelte zu sehen; im Westen des KUke-nur und im Tsai-dam
sind aber- wieder einige armselige, feste Ansiedelungen.
TsDgutun-Zelt am Kuki^-nur.
In Gebii^sthälchen in geschützter Lage, an wasser-und futterreichen Plätzen
stehen einzeln oder in Gruppen die niederen, schwarzen Jurten der Tanguten,
gut bewacht von grossen, bissigen, langhaarigen und meist schwarzen Hunden, die
keinem Fremden den Zutritt zum Zelte gestatten, wenn nicht die Bewohner des-
selben sie zurückjagen. Schon für den nur in der Nähe vorbeireitenden Reisenden
können sie unangenehm werden, da sie mit grosser Wut zu dreien oder vieren,
oft auch noch mehr, die Pferde anfallen und ihnen nach dem Halse springen.
Als wir nach zweitägigem Marsch am Berggehänge entlang unser Lager
unten im Thale auf dem erhöhten, rechten Ufer des hier kurz vor seiner Ein-
mündung in den Küke-nur seeartig erweiterten Taotan-Flusses aufgeschlagen
hatten, waren in der Nähe sowie auch auf der andern Seite des Flusses oder
besser gesagt des seichten Sumpfes eine Menge von Jurten an allen geeigneten
Plätzen aufgestellt. Das zu einer jeden gehörige Vieh weidete in der Nähe und
wurde des Nachts ganz nahe zum Zelte getrieben und dort festgebunden.
Die äussere Gestalt dieser charakteristischen Zelte zeigt das obenstehende
Bild. Die Jurte besteht aus zwei starken, über Stangen aufgespannten
— 282 —
Tüchern, welche von Stricken gehalten werden, die ihrerseits wieder über leichte
dünne Stäbe laufen und in der richtigen Lage durch diese gestützt sind. Die
Stricke laufen nach aussen weiter und sind am Boden in geeigneter Weise
befestigt. In der Mitte des Zeltes, wo die beiden von den Seiten aufgeschla-
genen Tücher oben zusammenkommen, ist ein Riss, und hier ist das Zelt nicht
volbtändig geschlossen, so dass der Rauch entweichen, unter Umständen aber
auch Wind und Regen eindringen' kann. Längs dieser Mittellinie sind im
Innern drei Stangen aufgestellt und vier weitere in je einer Ecke des Zeltes.
Die Höhe des Zeltes im Innern ist nicht immer so gross, dass man darin auf-
recht stehen kann. Meist muss man sich in gebeugter Stellung oder hockend
und kriechend darin bewegen. An den Seiten hängen viele, kleine Fahnen und
Tuchfetzen, sogenannte Gebetswimpel, die oft auch Gebete in tibetanischen
Buchstaben tragen. Auch an den Seiten ausserhalb des Zeltes sind zahlreiche
solche Lappen aufgehängt. Eine solche Jurte ist schnell aufgeschlagen, schnell
zum Weitermarsche eingepackt und wiegt nicht viel, denn die Stäbe sind
Herde der Tansuien-Zclte am Sehe- wehe -FIusm. Nordost Tibet
dünn und leicht, nicht wie unsere europäischen Zeltstangen, die schon fast
Balken sind.
Die Einrichtung des Innern ist äusserst primitiv. In der Mitte befindet
sich eine grössere, von hinten nach vorn laufende, aus Steingeröllen und Lehm
zusammengemauerte Feuerstelle, welche einen bedeutenden Raum des Zeltes
beansprucht. Sie hat die Form eines abgestumpften, spitzen Dreieckes und
die Spitze ist gegen den Eingang gerichtet. Vorn befinden sich Fcuerstellen für
einen oder mehrere Kochkessel und an den Seiten des Feuerungsraumes sind
oft kleine Bassins zum Abziehen der Asche angebracht. Der grosse, hintere
Raum dient zur Aufbewahrung und Trocknung des Heizmateriales. Als solches
dient an bestimmten Plätzen trockenes Buschwerk, ganz allgemein aber der
Mist der Haus- und Herdentiere, besonders der Yaks, Pferde und Kühe. Mit
grossen Säcken ziehen die Leute auf die Weide- und Lagerplätze aus, um den
unentbehrlichen und hier durch nichts anderes zu ersetzenden Brennstoff zu
sammeln. Bei feuchter Witterung ist es oft schwer damit das Wasser zum
Kochen zu bringen, wenn nicht trockenes Brennmaterial noch vorrätig ist, und
selbst wenn mehrere Leute mit grossen Blasebälgen aus Schaffellen unaufhör-
lich am Feuer arbeiten, will die Suppe stundenlang nicht gar werden, sehr zum
- 283 -
Verdrusse des ungeduldigen Magens. Diese Feuerstellen sind vielfach an
Wasser- und Weideplätzen im Freien zu sehen, wo einst Jurten standen; sie
bleiben zurück, wenn das Zelt und der zeitweilige Wohnungsort irgendwo
anders hin verlegt wird. Zur inneren Einrichtung der Jurte gehören noch
einige kleine Filzdecken und Schaffelle, die auf dem Boden liegen und zum
Sitzen und Schlafen dienen. Einige Säcke an den Seitenwänden mit Kleidern
und Vorräten, zusammengerollte Decken, ein kleines Holzkistchen zum Auf-
bewahren der wenigen Schmucksachen oder Wertgegenstände vervollständigen
Tangulen am Koke-iiur.
das Mobiliar. Einige wenige Holz- oder Porzellanschalen, Holzlöffel und grosse
hölzerne Milchbehälter, nebst eisernen Kochkesseln bilden das einfache Küchen-
gerät. Ein kleines eisernes Schälchen, mit eisernen Kettchen an der Decke in
der Mitte oben befestigt, enthält Kohlen und scheint rituellen Räucherzwecken
zu dienen, ebenso eine etwa 0,50 m im Durchmesser haltende, braune, lederne
Trommel, die nirgends fehlt und beim Gebet vom Hauslama geschlagen wird. Die
dumpfen Tone hört man überalt weithin über die Steppe schallen, denn zu Jeder
Zeit, bei Tag und Nacht, wird gebetet. Ein solcherart zusammengestelltes Zelt
(von etwa 4 m X 4 — S •") bietet bequem einer Familie von vier bis sechs Personen
Raum, und sollte er nicht ausreichen, so wird noch ein Zelt nebenan aufgeschlagen.
— 284 —
Besucht man eines der Zelte und wird man gut aufgenommen, was aber
nicht immer der Fall ist, so muss man eine Tsam-ba annehmen. Der freundliche
Wirt breitet ein Fell auf dem Boden aus, auf welchem man sich mit ver-
schränkten Beinen niederlässt Seine Frau macht mit Yakmist ein Feuer an,
bereitet in einem Kessel Thee, der mit gerösteter Gerste und Fett und schmack-
hafter Butter gemischt wird, und bietet das Gericht dem Besucher an.
Die Tsam-ba mit ihren Beimengungen von Butter und getrocknetem Käse-
quark (Tschur-ma), die in eine halb gefüllte Theetasse eingeschüttet und mit
der Hand zu einem mehr oder weniger festen Teig geknetet werden, nennt
Prschewalskij ein Ekel erregendes Gemisch. Sie bildet aber die Hauptnahrung
nicht nur der Tanguten, sondern auch der im Küke-nur-Gebiet und im Tsai-dam
lebenden Mongolen. Selbst wo durch den Reichtum an Schafherden Fleisch
in Menge zu haben wäre, zieht die Bevölkerung dieses Nahrungsmittel vor, und
auch wir waren des öfteren darauf angewiesen. Prschewalskij denkt bei seiner
Kritik wohl hauptsächlich an die unsaubere Art der Zubereitung, da weder
Hände noch Gefasse vorher gereinigt zu werden pflegen. Im Grunde genommen
ist das Gebräu nicht unschmackhaft und jedenfalls sehr nahrhaft, wenn sich
auch der europäische Gaumen erst daran gewöhnen muss; auf die Dauer aber
ist es spartanische Kost, wie auch Rockhill bemerkt. In grösserer Menge ge-
nossen liegt die Tsam-ba schwer verdaulich und fest wie ein grosser Stein im
Magen und macht träge und faul, eine Eigenschaft, die sich nicht nur bei den
Tanguten bemerkbar machte.
Die Frauen tragen verschiedene Schmucksachen. Ihr Gewand besteht
aus einem von der Schulter bis zum Knöchel reichenden Rock aus Schaffell,
dessen Haarseite nach innen gekehrt ist. Er ist oben an der Brust offen und
wird an der Hüfte festgehalten. Ueber den Rücken und an der Seite am Gürtel
hängen breite, mit Perlen, farbigen Steinen, Korallen und Messingschmucksachen
besetzte Bänder herab. Die Haare sind zu einer sehr grossen Menge dünner
Zöpfchen geflochten, die um den ganzen Kopf nach allen Seiten herunterhängen;
die Herrichtung einer solchen Frisur muss sehr zeitraubend sein, und sie wird
daher nur selten erneuert. Um den einen Arm tragen die Frauen perlschnur-
artige Gewinde und an den Ohren Silberschmuck mit Korallen und bunten
Steinen.
Die Kleidung der Männer ist ganz ähnlich. Ein langer Rock aus Schafpelz
reicht bis herab zum Knöchel. Beim Reiten wird er in die Höhe genommen
und durch den Gürtel so festgehalten, dass auf dem Rücken ein grosser Wulst
entsteht. (Siehe Abbildung auf Seite 386.) Je nach dem Reichtum sind
der Kragen und die unteren Ränder des Leibrockes mit wertvollem Pelzwerke,
besonders von Panthern, die aus Südchina heraufgebracht werden, verbrämt.
Tuchkleider tragen fast nur die Lamas. Stiefel von eigener oder chinesischer
Fabrikation und Filz- oder Pelzmützen von trichterartiger Form* oder auch
solche von Tuch mit farbigen Streifen und weissem Pelzbesatz vervollständigen
TAFEL X[X.
Tibetanische Lamas s
■1
- 285 -
die Kleidung. Am Gürtel fehlt nie das Handschwert, dessen Griff oft mit
Steinen besetzt und kunstvoll verziert, und dessen breite Klinge gegen 60 cm
lang ist. Ein Ledertäschchen mit Feuerzeug, ein anderes mit der Pfeife und
Hörner mit Tabak oder Schnupfpulver hängen ebenfalls am Gürtel. Als
Schmuck wird meist ein grosser Ring mit imitierten Steinen in Silberfassung
getragen; oft sind auch beide Ohren damit behängt. Auch die Frauen tragen
diese Ringe, von denen eine Anzahl auf Seite 294 abgebildet ist.
Zum vollständigen Anzug, selbst wenn er sonst nur aus einem Pelzrock
besteht, gehört ein Amulett, das von Männern wie Frauen in den verschiedensten
Formen um den Hals oder auf der Brust getragen wird. Das einfachste Amulett
Tan^len in ilcr Dnbnssu- Ebene (I^ger XII).
besteht aus einem Papierröllchen, auf dem Beschwörungsformeln oder Gebete
aufgeschrieben sind und das in Täschchen aus Tuch oder Leder oder in
Metallhülsen aufbewahrt wird. Oft sind deren viele noch mit Messingglocken,
Kupferknöpfen, Lederbeutelchen, Malachit-, Türkis-, Nephrit- oder Achatstücken
zu einem Halsbande vereinigt, das grossen Umfang erreichen kann. Am kost-
barsten sind grosse, silberne Büchsen (Ga-wo), sehr reizvoll verziert mit Buckeln,
eingesetzten Steinen und zu Figuren verschlungenem, feinen Silberdraht. Sie
werden in Hla-sa angefertigt und bergen im Innern eine Buddhanachbildung
oder ein Heihgenbild (Burchan) aus Thon oder andere mit magischer Kraft
begabte Gegenstände. Sie kommen in den verschiedensten Formen vor und
werden oft noch mit andern Amuletten zusammen getragen. Auf Tafel XXIV
Fig. 3 ist eine solche Amulett-Büchse abgebildet, die von einem Tanguten am
— 286 —
Baa-FIusse am Halse getragen wurde. Im allgemeinen sind die Amulette Talis-
mane fiir alles und bringen ihren Trägern Glück; fiir besondere Fälle von
Missgeschick und Unglück giebt es aber auch besonders wirksame Amulette von
bestimmten Formen. Der Glaube an die guten Einflüsse solcher Art getragenen
Zauberformeln geht so weit, dass sogar das innerliche Einnehmen des mit ihnen
beschriebenen Papiers für wirksam gehalten wird.
Ebenso allgemein findet man bei den Laien wie Mönchen in Tibet die
Rosenkränze, die je nach Form und Material auch verschiedene Bedeutung
haben. Ich sah nur solche, die ans vielen, gelben Holz- und weissen oder
roten Steinperlen bestanden, zwischen denen in unregelmässigen Abstanden
TaDKulen am .Semenow-Geblrge (Laßer XIV).
kleine Lederschleifen mit Holz- und Kupferringen oder kugelförmigen Knöpfen
angebracht waren. An einer Stelle befanden sich zehn aufgereihte Messing-
ringe auf einer mit einem Messingknopf abgeschlossenen Schleife, die zum
Zählen der abgebeteten Touren dienen. Die daneben befindlichen, ebenfalls
aufgereihten, gelben, bernsteinartigen Harzperlen, ein dicker brauner Steinring,
ein konischer weisser Stein und eine grosse braune Kugel dürften den Anfang
des Rosenkranzes bezeichnen, der auf Seite 358 mit genauer Beachtung der
Anzahl, der Form und des Materials der Perlen dargestellt ist. Die gewöhnlichen
Rosenkränze sind für alle Gebete brauchbar; andere aus websen Muscheln oder
weissen Glasperlen werden beim Gebete zu Avalokita, der populärsten der
Göttergestalten, verwendet. Auch Knochenstückchen von Menschenschädel-
knochen, Korallen, Schlangenwirbel, Sandelholz werden zu Rosenkrä
— 287 —
sammengestellt und zu Zwecken des Gebetes, aber auch der Beschwörung und
Weissagung benutzt Die Toten werden entweder verbrannt oder wilden Tieren
ausgesetzt.
Am unteren Taotan-ho hatten sich eine ganze Menge von Tanguten zu-
sammengefunden, offenbar der günstigen Lebensbedingungen wegen, welche
hier geboten sind. Das Thal ist hier eine über lo km breite, etwas wellige Fläche
mit kleineren Seebecken, deren Wasser allerdings nicht immer geniessbar ist.
Dafür aber ist das Wasser der grossen und langgestreckten, seeartigen Er-
weiterung des Hauptflusses selbst sehr gut und überall in der Ebene ist gutes
Futter für die Tiere. Wo von Süden vom Süd-Küke-nur-Gebirge kleine wasser-
führende Thälchen herabkommen, sieht man auch zerstreute Nomadenzelte,
aber die meisten waren am unteren Taotan-ho, in Entfernungen von 3 — 10 km
vom Ufer des Sees selbst, zu beiden Seiten des Flusses, die sich etwa 10 bis
15 m über seinen Wasserspiegel erheben, aus Lehm bestehen und mit sanftem
Gehänge zum Wasser abfallen. Die weiten, zumeist mit Schilf, Ried- und
Wassergräsern bedeckten Flächen des seeartig erweiterten Flusses sind so seicht,
dass man zu Pferde von einer Seite zur andern gelangen und an den meisten
Stellen auch herum waten kann; nur einige Stellen mit den Wegen des
fliessenden Wassers sind etwas tiefer, aber auch nicht mehr als 1,5 m.
Auf dieser schilf- und grasbedeckten Wasserfläche tummeln sich zahl-
reiche Wasservögel. Abgesehen von kleinen Tauchern und Möven, sowie
spatzenartigen gelben Vögelchen, kommen besonders Wildenten und -Gänse vor,
letztere in mehreren Arten und grossen Schwärmen. Reiher sind in grauen,
schwarzen und schwarzweissen Arten vertreten, und an den Ufern waren grosse
Seeadler mit braunem Gefieder und weissem Kopf und Hals häufig; trotzdem
gilt die Fauna des Küke-nur für arm an Sumpf- und Schwimmvögeln. Die Vögel
werden offenbar von den Tibetanern eifrig beschossen und sind infolgedessen
sehr scheu. Dr. Holderers Sammlungen enthalten von hier und aus dem Taotan-
Thale: Buteo bemilasius, Larus sp. und Alauida sp. Noch viel grösser ist der
Reichtum an Wasservögeln auch anderer Arten draussen an den sandigen
Ufern des Sees selbst, dessen Fläche man vom Hochufer aus als blauen Streifen
in der Ferne erblickt.
Wie ein bunter Teppich zogen sich die blumengeschmückten Grasflächen
an den Thalgehängen hin. Es waren hauptsächlich die folgenden Arten von
Blütenpflanzen vertreten: Allium tanguticum Reg., A. Przewalskianum Reg.,
Silene repens Patr., Delphinium grandiflorum L., var. Gmelini Rehb., Ranun-
culus tricuspis Max, Sisymbrium humile C. A. Mey, Potentilla fruticosa L.,
P. anserina L., Medicago ruthenica (L.) Ledeb., Astragalus suberulus Ledeb.,
Stellera chamaejasme L., Androsace semperoiroides Jacqu., var. tibetica Max.
Sehr verbreitet ist Statice aurea L. und viele Arten von Enzianen, unter denen
Dr. Diels, dem ich die Bestimmungen der gesammelten Pflanzen verdanke,
auch mehrere neue Arten auffand. Gentiana siphonata Max, G. straminea Maxim,
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G. pudica Max, G. squarrosa Ledeb., G cordisepala Murb. sind die schon bekannten
Arten. Ferner sind zu nennen: Pleurogyna macrantha Diels und Gilg, Swertia
bifolia Bat.| Dracocephalum tanguticum Max und Dr. heterophyllum Benth., Salvia
Roborowskii Max, Pedicularis chinensis, P. alaschanica Max, P. kansuensis Max,
Aster heterochaete Benth., A. altoicus Willd., Anaphalis lactea Max, Leonto-
podium sibiricum Max, Tanacetum tenuifolium Jacqu., Artemisia rhodontha Rupr.,
Senecio thianschanensis Reg. et Schmalh., S. virgaurea Max, Cricus arvensis
Hoffm., Saussurea Thoroldii Hemsl., Taraxacum officinale Wigg., Lactuca ver-
sicolor Schulz-Bip. Dieses Verzeichnis enthält nur einen Teil und die wichtigeren
der im Herbarium enthaltenen Pflanzen; die neuen Arten und die vollständige
Liste werden von Dr. Diels im dritten Bande dieses Werkes gegeben werden.
Die Aussicht vom Lehmhochufer inmitten des weiten Flussthaies ist
überhaupt für die Küke- nur- Landschaft charakteristisch. Im Norden und
Süden erheben sich bis über looo m ansteigende Gebirgskämme, deren Ab-
hänge durch zahlreiche Thälchen gegliedert sind; bis hoch hinauf sind sie
grün, und nur die höchsten Regionen zeigen an steileren Gehängen graues,
kahles Gestein. Die KammUnie selbst ist wellig gebogen und auf grosse
Strecken hin sanft geschwungen. Die Gipfel ragen als Kuppen nur wenig
über das allgemeine Niveau des Kammes hinaus, wie das in vorwiegend
aus granitischen Gesteinen gebildeten Gebirgen die Regel zu sein pflegt. Im
Osten schliesst über die weite, monotone Steppenfläche des Taotan-ho-Thales
hinaus ein höherer, schon im August mit Neuschnee bedeckter Bergstock mit
steilerem Gehänge das Bild. Noch zwischen dem Beschauer und dem See von
der bezeichneten Stelle aus liegen grosse, lagunenartige Wasserflächen, die vom
See selbst durch eine schmale, von Flug- und Dünensanden mit nur dürftiger
Vegetation gebildete Zone getrennt werden. Im Westen endlich erstreckt sich
im goldenen Sonnenglanze vor dem freudetrunkenen Auge der in Alpenhöhen
thronende See wie ein gewaltiges Meer.
Brausend branden die schaumgekrönten Wellenkämme am flachen Sand-
strande zu unsern Füssen. Unermesslich scheint sich die azurblaue Fläche aus-
zudehnen, und gegen Westen vermag das Auge nichts als Wasser und Himmel
zu unterscheiden. Erst gegen Norden erheben sich, inselartig aus der Wasser-
fläche auftauchend, isolierte hohe Berge, und je weiter der Blick von Norden
gegen Nordosten schweift, um so mehr schliessen sie sich zusammen zu einer
Gebirgskette, deren Grossartigkeit, Höhe, Schroff'heit und wilden Charakter man
selbst aus der grossen Ferne an den Kammformen, den tiefen Unterbrechungen
und der häufigen, ausgedehnten Schneebedeckung zu erkennen vermag. Es sind
die stolzen Bergriesen des hohen, westlichen Nan-schan, die aus Höhen von über
5000 m herübersehen.
Direkt zur Linken des nach Westen sehenden Beschauers ziehen die
Bergketten des südlichen Taotan-ho-Thales mit ihren grünen Abhängen und
sanften Formen im Süden längs des ganzen Seeufers entlang, mit breiter, unten
schwach geneigter Fläche, über welche zahlreiche kleine Bäche dem See zueilen
und saftigen Weiden die nötige Feuchtigkeit zuführen. Die nördliche Bergkette
des Taotanho-Tbäles tritt nicht so unmittelbar an den See heran, es ghedern
sich ihr nach Norden immer mehr und höher werdende, von West nach Ost
ziehende Gebirgszüge an, bis sie sich mit den im Norden des Sees verlaufenden
höchsten Nan-schan-Bergen vereinigen.
Längs der Küste dagegen erhebt sich am nordöstlichen Ufer des Sees ein
auffallendes, hügeliges Gebiet, dessen gelbbraune Farbe von den dahinter
liegenden, grauen und bläulichen Bergen ebenso scharf absticht, wie von dem
herrlichen Blau des Sees. Aber auch die Formen der Oberfläche sind eigenartig.
Scharfe, kantige, wie mit dem Messer geschnittene Gräte ziehen von den
spitzen Gipfeln nach Süden herab; der östliche Teil des Abfalles ist weniger
steil als der westliche, der im Böschungswinkel von 40° abfällt. Die Berggipfel
sind von Süden gesehen spitz trichter- oder kegelförmig, während sie sich von
Osten oder Westen als langgezogene, oft hufeisenförmig verlaufende Grätp
darstellen. Die Höhen sind nicht bedeutend, sie betragen etwa 25 m. Diese
so merkwürdig als fremdes Element sich in das Landschaftsbild einschiebenden
Berge sind lediglich aus feinem Trieb- und Flugsand zusammengesetzt und
zeigen alle die dem Geologen so gut bekannten Eigentümlichkeiten der Sand-
wüsten und der Dunenzonen. Sie sind an der Oberfläche fast ganz kahl, nur
am breiten und weniger stark geneigten Fusse, wo eine Verflachung eintritt,
— 290 —
kann sich eine kümmerliche Vegetation auf dem leicht bewejglichen Boden
halten. Diese Sandzone reicht weithin am Nordost- und Nord-Ufer des Sees
und vom Strande aus sehen manche isolierte Teile derselben in der Ferne am
Horizonte wie hohe und steile Sandinseln im Wasser aus. Selbstverständlich
können sich solche im Wasser weder bilden noch Bestand haben und es kann
sich daher nur um Teile der zusammenhängenden Sandzone handeln, die
inselartig erscheinen, wie das bei vom Meeresstrande aus gesehenen Bergen
entfernter Vorgebirge eine gewohnte Erscheinung ist.
Am Westufer ist der Strand ganz flach; der magere Sandboden trägt nur
eine spärliche Vegetation und in seinen Vertiefungen sind Sümpfe und Salz-
wasser-Pfützen, welche den äussersten Landrand, der mit seinem zarten, feinen
Sande und ganz allmählichen Abfall zur Seetiefe einen herrlichen Badestrand
bildet, von dem wiesen- und wasserreichen Teile des untersten Taotan-ho-Thales
trennen. Genügsame Hammelherden werden auch noch auf diese dürftigen
Landstrecken am See getrieben, aber längere Zeit ständige Jurten fehlen. Da-
gegen sind die weiten Landzungen und Landstränge zwischen dem See und
den kleineren, lagunenartigen Wassertümpeln von einer Unmasse von grossen
Wasservögeln aller Art belebt. In langen Reihen sitzen sie am Strande in der
Sonne, schlafend oder abwartend, was der See ihnen auswerfen wird. Die
Ueberreste früherer Mahlzeiten, Schuppen und halb vertrocknete Fische liegen
im Sande. Weiss aufschäumend rollen die blauen Wogen langsam am Strande
herauf und laden ein zum erquickenden Bade in dem kristallklaren Wasser nach all
der Trockenheit, dem Staub und der Hitze auf den chinesischen Strassen. Die
Phantasie kehrt nach Hause zurück zu den Gestaden der heimatlichen Seen,
namentlich zum Bodensee, der in vielem Aehnlichkeit mit dem tibetanischen
Meer hat Aber es fehlt hier das weisse Segel auf der Wasserfläche, der stolze
Dampfer, die kleinen Barken mit fröhlichen Menschen, und der lebhafte Puls-
schlag des Verkehrs auf dem Wasser. Kein Fahrzeug durchschneidet die
monotone Fläche, deren melancholisches Brausen sich in tiefe Stille verliert.
Melancholisch ist auch der Charakter der Umgebung. Alles stimmt ein in den
gewaltigen Akkord der Einöde und der Steppe.
Hatte sich der See zuerst von seiner liebenswürdigen Seite gezeigt, so
mussten wir doch im Laufe des Monats August auch die Erfahrung machen,
dass es in seinem Gebiete trotz der heissen Jahreszeit recht unfreundlich aus-
sehen kann. Im allgemeinen sollen nur die zweite Hälfte des Juli und die
erste des August im Gebiete von Si-ning fu bis zum Küke-nur niederschlagsreich
und dadurch feucht und kühl sein. Im Jahre 1 898 aber hielten niedere Tempe-
raturen am Tage und feuchte, niederschlagsreiche Witterung während unseres
zweiwöchentlichen Aufenthaltes in der Nähe des Sees vom 15. — 28. August
an. Insbesondere zeichneten sich die Nachmittage und Nächte durch Gewitter
von ungewöhnlicher Heftigkeit aus, die alle aus dem Nordwesten über den
See herüberzogen und zum Teil von starkem Hagel mit Körnern von
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über Erbsengrösse begleitet waren. Solche Regen pflegten meist mittags,
abends und auch nachts sich einzustellen und störten sehr die Märsche; auch
kamen Tage vor, an denen es mit geringen Unterbrechungen vom Morgen
bis zum Abend, die ganze Nacht hindurch und noch in den folgenden Tag
hinein zu regnen nicht nachliess, so dass wir nur auf Augenblicke das
schützende Zelt verlassen konnten. Die Abkühlung nach den Gewittern war
eine recht bedeutende. Die Minima der Lufttemperatur in der Nacht lagen
meist zwischen O und + 5" C, und die höchste Temperatur-Differenz zwischen
Tagesmaximum und -Minimum in der Nacht wurde mit 22,7° C. beim Aufstieg
in das Süd-Küke-nur-Gebirge gemessen. An den heissesten Tagen stieg das
Thermontcter auf h 24" C. und sank nachts auf + 10,5" C.
'|■h.^l mit rnngatrii-Zfllcii .luf der Norilseite .ics SUil-KUke-nur-GcliirgeB (uwerbalb von Lager X.)
An Regentagen, wenn der Wind die Wogen des Sees aufwühlte und die
grauen Wolken mit silberweissen Säumen vom Sturme gepeitscht dahinflogen,
hatte der See ein gänzlich verändertes Aussehen. Sein Wasser bekam eine
intensiv blaugrüne Farbe, die am flachen Strande durch den vom seichten
Boden aufgewirbelten Sand bis zur hoben Brandung hinaus in Braun überging.
Die Temperatur des Wassers, die an schönen Tagen am Nachmittage noch
+ 18* C. betrug, sank bedeutend, und die feuchtkalte, durch den starken Wind
bewegte Luft erlaubte kein Bad mehr. Solche Klimaverhältnisse sind mit
eine Folge der hohen Lage des Gebietes, dessen Seespiegel 3347 m über
dem Meere liegt, während nicht fern vom Ufer Berggipfel bis zu über 4000 m
ansteigen. Die starken Gewitter pflegen, wie gesagt, meist von Westen und Nord-
westen zu kommen und an den Gebirgen entlang nach Osten zu ziehen; über
die Abhänge der letzteren entladen sich dann ganz erstaunliche Wassermassen,
und manches kleine, wasserlose Thälchen füllt sich für kurze Zeit mit einem
— 292 —
tosenden Sturzbache, da von den oberen, unbedeckten Bergreg^onen die
Wasser sehr rasch Abfluss finden. Die mittleren Teile der breiten Flussthäler,
wie des Taotan-ho, bleiben ganz verschont oder erhalten nur seitliche Güsse
von geringerer Dauer und Stärke. Dieselbe Beobachtung war später noch
im Thale des Dabassu-Sees zu machen, südlich vom Süd-Küke-nur-Gebirge, wo
ebenfalls zahlreiche Gewitter hinter einander am Kamme des Gebildes hingen
und nach Osten weiter zogen, während in der breiten Steppe der Mond schien
und keine Spur von Regen fiel. Die südlichen Ufer des Sees bieten im grrossen
ganzen an manchen Stellen dasselbe Bild wie es vom unteren Taotan zu
schildern versucht wurde. Die Bergabhänge des Süd-Kükc-nur-Gebirges fallen
gegen den See ganz allmählich ab; in ihren unteren Teilen und in der Mitte
der so geschaffenen, wenig geneigten, etwa 6 — lo km breiten Fläche läuft
der durch die Spuren zahlreicher Karawanen deutlich bezeichnete grosse, süd-
liche Weg nach dem Tsai-dam. Ein anderer Weg von Si-ning fu nach dem
Tsai-dam geht an der Nordseite des Sees entlang. Die vielen kleinen Thäl-
chen, die vom Gebirge herunter kommen, sind meist trocken, trotz der feuchten
Witterung, und das mag auch der Grund sein, warum auf den Steppenflächen,
welche vom See an bis hoch am Gebirge hinauf gehen, keine Jurten und Her-
den während zweier Tagereisen zu sehen waren, obwohl es an Spuren ihrer
Anwesenheit zu andern Zeiten in Form der gemauerten Feuerstellen nicht fehlte.
Die kleinen temporären Gebirgsbäche fliessen in etwas vertieften Betten,
an deren senkrechten, 5 — 10 m hohen Wänden man die Zusammensetzung im
Untergrunde der ganz gleichmässig mit Gras bedeckten Steppenfläche kennen
lernen kann. Die Unterlage bilden Schottermassen, welche von den Flüssen aus
den Bergen herabtransportiert und in Schichten, die gegen den See hin etwas
geneigt sind, abgelagert wurden. Darüber liegt in verschiedener, oft über
2 m erreichender Mächtigkeit der feine, aus Löss hervorgegangene Lehm, der
aber hier seinen Ursprung als Absatz aus Wasser dadurch deutlich dokumen-
tiert, dass er feinere Lagen von Sand oder gröbere von Schottern eingelagert
enthält. Der Löss geht hoch an den Bergabhängen hinauf und ermöglicht die
Existenz der überall hier vorhandenen Gras- und Steppendecke, die nur an den
Stellen dürftig ist oder fehlt, wo das anstehende Gestein des Gebirges in
Felsklippen und an schroffen Abhängen zu Tage tritt. Selbst die Stellen,
welche keine Lehmbedeckung mehr haben und an denen die Schottermassen
direkt an die Oberfläche treten, tragen vereinzelt Grasbüsche, da die Geröll-
schichten mehr oder weniger stark mit demselben Lehme durchsetzt sind, der
guten Nährboden für die Vegetation zwischen den Steinen bietet
Obgleich ausser den die Karawane führenden und begleitenden Tan-
guten zunächst nichts von der am See ansässigen Bevölkerung zu sehen war,
herrschte doch ein sehr grosser Verkehr von Karawanen, die Wolle und Häute
transportierten und die aus dem Tsai-dam kamen. Viele Hunderte von Yaks
wurden in Gruppen von 40 — 60 Stück staffelweise dahergetrieben und grosse
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Schafherden begleiteten die Karawanen, um als lebend mitgeführter Proviant
zu dienen für die im Verhältnis zur Anzahl der Tiere und dem Werte des
ganzen Transportes nicht sehr zahlreiche Mannschaft. Bei jeder Truppe von
Yaks ritten einige mit grossen, langen Lanzen oder Gabclgewehren bewaffnete
Begleiter; es fehlt auch selten ein an seiner Kleidung und an der Charakteristik
sehen Kopfbedeckung kenntlicher Lama; seltener sind Frauen bei diesen Trans-
porten. Als Lasttiere dienen meist Yaks; es sind aber auch Ochsen, Maultiere
und Pferde dabei und die Begleitung bedient sich ausschliesslich der letzteren.
Im übrigen wird die Einförmigkeit der Landschaftsbilder gemildert durch
die wechselnden Beleuchtungen auf dem See, dem die Chinesen wegen seiner
Farbe die Bezeichnung Thsing-hai, d. h. »dunkelblaues Meer«, gegeben haben.
Bei dem regnerischen Wetter, das wir dort erlebten, waren allerdings die Bedin-
gungen für das Erscheinen der grünen Wasserfarbe häufiger als die für das
Erscheinen der blauen, die nur bei heiterem und klarem Wetter auftritt.
Ein ganz allerliebstes Bild bieten auf der östlichen Hälfte des südlichen
Seeufers einige schneeweisse Felsklippen und kleine Inselchen, welche in gerader
Reihe hinter einander aus der grünen Flut schroff und zackig aufragen. Wenn
sie, von der Sonne beschienen, blendend weiss herüber glänzen, erinnern sie
an die berühmten Needles der Isle of Wight und deren schöne Farbenharmonie
von blauem Himmel, weissem Fels und grünem Wasser. Eine grössere, bergige
Insel, die auch ein kleines Kloster trägt, liegt weit draussen im See, vom Süd-
ufer deutlich sichtbar, während die übrigen Inseln des Sees den nördlichen und
östlichen Ufern so genähert liegen, dass sie sich von der Südseite gesehen
nicht von den Gebirgen unterscheiden lassen. Die wenigen Lamas auf der Insel
sind von allem Verkehre abgeschnitten, wenn das Eis des Sees Mitte Mai weg-
geschmolzen ist; im Winter aber, wenn die Eisdecke von Mitte November ab
den Verkehr mit dem Ufer ermöglicht, erhalten sie Besuch und auch Opfer-
gaben und Nahrungsmittel für die Zeit ihrer Abgeschlossenheit.
Die Karte zeigt am südlichen Ufer des Sees einen Landvorsprung gegen
den See hinaus und ebenda tritt auch das Süd-Küke-nur-Gebirge vom Ufer weiter
nach Süden zurück, so dass eine weite, fast ebene Fläche entsteht, durch welche
einige, auch im Sommer Wasser führende Flüsse vom Gebirge kommen und sie zu
einem von den Tanguten mit ihren Herden viel besuchten Weideplatze machen.
Längs des Ufers des Sees und bis weit gegen das Gebirge hin, sieht man
die schwarzen Zelte und das weidende Vieh, meist Yaks und Kühe, aber auch
viele Schafe, Ziegen und Pferde. Auch in diesem Tieflande, das sich nur ganz
allmählich vom See ansteigend erhebt, besteht der Boden zunächst unter der
Oberfläche aus dem fruchtbaren Lehme, der di^ schöne Weidefläche hervor-
bringt. Dafiir ist aber das Wasser der Flüsse in den Lehmbetten sehr unrein,
trübe und zum Trinken oder Kochen nur eben noch verwendbar. Diese wenig
Gefalle besitzenden Flächen gehören nicht mehr zum Berggehänge selbst, sondern
bestehen nur aus Schwemmlandmassen, welche durch die Flüsse von den Thal-
— 294 —
au^ängen aus gegen den See voi^eschoben werden und mit Deltabildungen
viele Aebnlichkeit haben. Die Flüsse nehmen darin einen vielfach gewundenen,
an Schlingen und Biegungen reichen Lauf an, während sie zwischen Bergen
und Hügeln mehr geradlinig einer Richtung folgen.
Durch dieselbe charakteristische Eigenschaft des gewundenen Laufes
zeichnen sich auch noch einige andere Flusse aus, von der Stelle an, wo sie
das anstehende Gestein des Gebirges verlassen, bis zur Einmündung in den
See. Dieselben liegen in der Nähe des Flusses Kara-Moritschc der russischen
Karte; vor allem hat dieser letztgenannte Fluss selbst in seinem Laufe an den
bb nahe an den See herantretenden Granithügeln entlang die ausgezeichnetsten,
mäandrischen Biegungen, die auf geringen Raum zusammengedrängt sind. Diese
Ohrringe ilei- Tiu
INiiUilich« Giä,
D De-dun in Bin-Tlule. - 5 van Laingo, Lager U
Eigentümlichkeit ist Flüssen nur eigen, wenn sie auf Schwemmland fliessen. Man
findet sie auch häufig an kleinen Flüssen mit grossem Schwemmlandbette, wo
innerhalb des Bettes mäandrische Windungen bald da, bald dort entstehen und
häufig auch ihre Lage verändern.
Während der Reise am Südufer des Sees entlang nach Westen fand sich
im östlichen Teile desselben Gelegenheit, die schon mehrfach erörterte Frage zu
prüfen, ob der See »Ebbe und Flut< besitzt oder nicht. Prschewalskijs Messungen
fielen negativ aus und auch meine mehrere Tage fortgesetzten Beobachtungen
ergaben kein positives Resultat, da der See sehr bewegt war.
Die Bevölkerung verhielt sich hier überall sehr ruhig. Die chinesischen
Führer requirierten für sich Hammel und Leute zur Begleitung, die oft in grosser
Zahl ankamen. Ueberall konnte man auch Fleisch, Butter und des öfteren Milch
kaufen oder eintauschen gegen allerlei Kleinigkeiten, die aus Europa mitgebracht
— 295 -
waren, wie Nähnadeln, Ringe mit imitierten Korallen und anderes. Nur die
chinesischen Diener suchten uns Angst vor Tibet zu machen und uns zur Um-
kehr zu bewegen, indem sie einmal nachts einen Ueberfall durch Kauber
fingierten. Sie fingen an zu schreien: iFan-tzS, Fan-tz£<, d. h. Räuber, zu lärmen
und zu schiessen; als wir aber aus dem Zelte kamen, war niemand zu sehen.
Am andern Morgen fand sich eine unserer Eisenkisten in einiger Entfernung
vum Lager im Gras mit einem grossen Einschnitt, der mit einer Säbelklinge
hervorgebracht war, 'um die Kiste zu erbrechen. Das war aber nicht gelungen,
und es stellte sich heraus, dass unsere eigenen Leute die Kiste in der Nacht
dorthin geschleppt hatten, um den Thatbestand des Raubes nachweisen zu können.
TiiDKUtcn in der llabiissu-Ebeoc bei La^er XJ1,
Um das Bild vum Südufer des Sees zu vervollständigen, sei noch an-
geführt, dass ausser den schon erwähnten Haus- und Herdentieren der TangutCn
auf den Sandbänken am See auch hier die grossen Wasservögel, Möven, Seeadler
und Fischreiher, an den kleineren Seen und Lagunen Wildenten und wilde
Gänse häufig sind. In den Bergen hausen grosse, schöne Adler und Geier,
von denen besonders der Lämmergeier, Gypaetus barbatus, mit gelblicher Brust
und schwarzen Federn und der Gänsegeier, Gyps himalayensis, auffällt, sowie
kleinere Raubvögel in Menge; grosse Raben lauern des Morgens auf den Auf-
bruch des Lagers, um sich auf die hintcriassenen Fleisch- und Speisereste zu
stürzen. Auf den Steppenflächen giebt es Antilopen, zahlreiche Mäuse und
die kleinen Pfeifhasen, die den Boden unterminieren, sowie Steppenvögel, in
den Bergen Steinhühner; auch einer Schlange begegnete ich, die sich auf dem
Granitfelsen sonnte. Ausser Füchsen, Wolfen und Mardern scheinen sich hier
— 296 —
nur selten grössere Raubtiere zu zeigen ; erst jenseits der Berge des Süd-Küke-nur-
Gebirges herrschen die echten Verhältnisse der wilden Steppe. Dort sind die
Tanguten mit ihren Jurten und Herden nur gelegentlich, nicht ständig, wie an
der grossen Strasse, und die Tiere der Steppe, die wilden Esel und die grossen
Rudel von Dseren-Antilopen halten sich hier auf.
Der Weg über das Süd-Küke-nur-Gebirge nach dem Thale des grossen
Salzsees Dalai-dabassu (Dalai=Meer, dabussun=Salz), der in dem breiten Steppen-
thal liegt, das sich längs des Südfusses des Süd-Küke-nur-Gebit^es nach Osten
ausdehnt und auf der Karte von Prschewalskij den Namen Dabassun-Gobi trägt,
verlässt das Seeufer bei dem Kara-Moritsche-Fluss und steigt auf dessen linkem
Ufer über Steppenland allmählich an bis zur Höhe von etwa 3600 m zu einem
kleinen Passe im paläozoischen Kalkgebirge; dann geht er steil hinab durch
ein Seitenthälchen mit malerischen Felsgruppen an den Berggehängen in ein
grosses Thal, dessen Fluss östlich von dem Vorgebirge, das im Westen des
Kara-Moritsche in den See nach Norden vorspringt, einmündet. Das breite mit
saftigem Grase bis weit an den Abhängen hinauf bedeckte Thal, überragt von
Bergkuppen und Felsköpfen, ist mit seinem frisch sprudelnden Bache und den
zahlreichen Viehherden einem Schwarzwaldthale nicht unähnlich, nur fehlen
die Wälder auf den mit Berggräsern überdeckten Höhen. Zahlreiche Jurten
waren hier aufgeschlagen längs des Flusses und des Weges, der dem Thale in
südlicher Richtung aufwärts folgt (siehe Tafel XX).
Immer weiter geht es gegen die hohe Kammkette nach Süden in die
Höhe, steiler und steiniger wird der Weg, es mehren sich die Felsklippen
und Abhänge mit kahlen Felsflächen oder jäh abstürzenden Felswänden.
Sanftere Berggehänge sind mit Gesträuchern bewachsen und auf den Berges-
höhen selbst sind Hochsteppen. Ausser Edelweiss schmücken blaue Enziane und
weisse Glockenblumen die grünen Hochflächen und stachelige, stengelige Pflanzen
bilden ganze Gruppen eines niederen,- eigenartigen Buschwerkes. Das letzte
Stück des Weges auf die Passhöhe ist für Reiter und Lasttiere gleich beschwerlich;
der steile Aufstieg wird in einem wasserloseh steinigen Nebenthälchen in west-
licher'Richtung über loses Felsgeröll und schlüpfrige Schieferplatten bewerk-
stelligt. Eine flach gewölbte Hochfläche bildet den höchsten Teil des Ueber-
ganges und erhebt sich 3780 m über den Meeresspiegel, 430 m über das
Niveau des Küke-nur.
Auf dem höchsten Punkte dieser mit hohen Gräsern bedeckten Hochfläche
ist eine Steinpyramide errichtet und die Fernsicht, die man von hier aus
geniesst, ist sehr umfassend. Es liegt nicht nur der Küke-nur mit seinen Inseln
und Ufergebirgen fast ganz frei vor dem Auge, auch das Süd-Küke-nur-Gebirge
selbst, die in ihm nach Süden gehenden Thäler, die weite Thalfläche des
Dabassu-Sees und ihre blauen, südlichen Grenzgebirge sind vorzüglich zu über-
sehen* Vor allem fällt der Gegensatz ins Auge, der zwischen den flachen,
langgezogenen und geschwungenen Linien der .Gebirgskämme und grösseren
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b-icer re:i2:eti :fe Lee*:* v.c Li'r-*. xe'zJre n':«ih über i zi rro-ccr-^ i>t. M-in
- ■, • t'- z ^ '^''':^__ '^ • »
T,iL-n^
^"^"H** "
est? Vje>ce :i
bedcck-ni«^ ind :fl* •>^?rjirbe tn^-n^ie LfsidecVc c-rrh hen-i-ro^et^ie Fe'<-
^ - — --. ^ ..o.- - — •— «w. — * V- e
L:* h■:ch2^etI :ü c-rrNih-i c^ r«--7*': he ber.zdl:rr:e:i Gicrel erreuhe:: cr-fci
4r>x 21 -'er -i-^im ?'reer^: xe'ter ^ith "^^ten aber krmrner: ::'>rh ers^^ b.^.ere
im W-rrr-rr. iber r^t -f^* .^-d K-'<c-n-r-'Sr:b:r^-e e.r.er: anie-en Charakter, Am
ThsTo^-hi: Ttin- d-* r j'rt^n de* K ->e :: jr J jeb.ete^. sird Tirrren^Äa'.ier Ab e>
Scbrer-;::ar.% -rd V,V,hh .: der -r:j?-:r-* alier Juni-e^js ^^<f ji?-Sab-a -:.h:
It«: die -r-tere ^^^nt dts ra-ni-^-rh^^ he^ nirh K^sc-v i- j^c; — ce
— 298 —
obere in 4960 m Meereshöhe, und darüber folgen alpine Rasenflächen. Ein
zwischen Dulan-kit und unserem Uebergangc gelegener, von Prschcwalskij zuerst
überschrittener Pass, der unweit des Westendes des Küke-nur siidwesüich von
demselben liegt, hat die Meereshöhe von 4200 m, ist also bedeutend (530 m)
höher als der von uns zurückgelegte Passübei^ang. Von der Fasshochfläche
steigt der Weg in einem nach Südwesten sich wendenden Querthälchen mit ge-
ringem Gefälle und breiter Wiesenfläche im Grunde allmählich zur Dabassu-
Ebene hinab. Er erreicht dieselbe an einem grösseren Flusse, der aus einem
von Westen sich hier Öffnenden Längsthal des Gebildes kommt. Die durch
dieses Längsthal von der Hauptkette gegen den Dabassu-See hin abgetrennte
südliche Seitenkette hat noch Berge von 400 m Höhe.. Einige niedr^ere Vor-
SüdiuBS lies Süii-Kükc-Bur GebirKtfl un.i Ijifier M. (iiiich Nordcu gesehen.)
berge und Hügel, ganz aus jungen Gerollen und Anschwemmungsmassen der
Flüsse bestehend, bilden den Uebergang zu der hier breiten Ebene, in welcher
etwas weiter im Westen inmitten sumpfiger Niederungen der salzige, abflusslose
See Dalai-Dabassu liegt.
Längs der Flussläufe ziehen sich lan^edehnte, terrassenartige Erhebungen
mit leichter Neigung nach Süden noch weit in die Ebene hinaus. Diese ist
durch die Schwemmland -Anhäufungen der Flüsse längs des nördlichen wie
südlichen Gebirgsfusses hoch aufgeschüttet, im Gegensatz zu der noch tief
liegenden Mitte mit sumpfigen Niederungen längs eines oft in Tümpeln und
kleinen Seen stagnierenden Flusses. Heträgt doch der Unterschied der Höhe
der Ebene am Gebirgsfusse (bei Lager XI 3450 m und am tiefsten Punkte in
der Mitte südlich von Lager XII 31 10 m) 340 m.
Auf diesen von beiden Seiten gegen die Mitte hingeführten Aufschüttungs-
flächen, die ganz aus Schotter- und Geschiebemassen fluviatilen Ursprunges mit
— 299 —
starker Lehmdurchsetzung bestehen und zunächst der Oberfläche noch eine
mächtige Decke geschichteten Lehmes tragen, versiegen die vom Gebirge
herunterkommenden, selbst sehr wasserreichen Flüsse rasch, und man kann
allenthalben ihre trockenen Geröllbetten, gar nicht mehr vertieft gegen das
allgemeine Niveau der Fläche, konstatieren. Offenbar dringt nur bei ganz
besonders hohen Wasserständen noch fliessendes und Geröll transportierendes
Wasser so weit in die Ebene vor, wo es sich nach allen Seiten verteilt, da
keine festen Uferwände hier mehr vorhanden sind. Es sind daher an solchen
Stellen auch fächerförmig ausgebreitete Schotterbedeckungen, allerdings nur in
kleinerem Massstab über dem Lehm zerstreut, während die übrigen Flächen
ausschliesslich mit Lehm bedeckt sind, der auch an entblössten Stellen zwischen
isolierten Grasbüschen häufig zu Tage steht.
In der Nähe des Gebirgsfusses, wo die Flüsse noch genug Gefalle und
Wasser haben, um erodierend wirken zu können, und wo sie infolge davon
noch gegen das allgemeine Niveau vertiefte Betten mit Wänden von lo m Höhe
besitzen, kann man recht bedeutende Mächtigkeiten konstatieren, die der auf
Geröllschichten lagernde, geschichtete Lehm oder Thallöss erreicht. Meist ist
die Bedeckung nur 0,5 — 3 m stark; es kommen aber an solchen Ufern Steilwände
von 5 — 6 m Höhe vor, ohne dass zwischen der kompakten Lehmmasse noch
Kies- und Schotterschichten zwischenlagerten.
In diesen Lehmen und Thallössen gelang es nicht, irgend welche Spuren
von Schnecken, Wirbeltierknochen oder andern organischen Resten nachzuweisen.
Dagegen lagern in ziemlicher Entfernung vom Gebirge, fast in der Mitte und
nahe der tiefsten Stelle der weiten Thalfläche, sandige und lehmige Schichten,
die sich im Süsswasser gebildet haben und die voll von Schnecken und Muschel-
schalen diluvialen Charakters sind. Die Schichtung ist sehr gleichmässig und
die Korngrösse der einzelnen Sedimente sehr fein, so dass alles darauf hin-
weist, dass diese Ablagerungen in kleineren Seebecken ruhig und ungestört
entstanden sind. Die Ausdehnung dieser Süsswasserablagerungen ist eine nicht
unbeträchtliche. Weit draussen in der Ebene bilden die Schuttmassen der Fluss-
alluvien einen terassenartig aus dem am niedersten gelegenen Steppengebiete
aufsteigenden Rand von etwa 15 m Höhe und an diesem Rande stehen auch
die Süsswassersande und fossilführenden Lehme an; sie zeichnen sich durch
ihre helle weiss-gelbliche Farbe schon von weitem von den Schottern, welche
an andern Stellen die Terrassenränder bilden, ab und sehen aus der Ferne
aus wie Sanddünen. Sie liegen östlich von dem Wege, der an dieser Stelle
die Ebene zum südlichen Gebirge hin durchquert.
Diese Terrassenränder haben ausserdem eine grosse Bedeutung für die
Entstehung von Wasserplätzen in der Steppe der mittleren Teile des Thaies.
Schon nahe am Gebirgsrande versiegt, wie oben auseinandergesetzt wurde, das
Wasser der Flüsse und Bäche; es versickert in den locker aufgeschütteten
Schottermassen und nimmt dort unterirdische Wege, soweit es nicht an der
— 300 —
Oberfläche verdunstet oder in der Tiefe in chemischen Prozessen sich verbindet.
Unterhalb des Steilabfalles der Terrassen nun kommen solche oben versunkenen
Wasser als Quellen in dem das Thaltiefste bildenden, mit Grassteppe bedeckten,
geschichteten Lehme zum Vorschein und fliessen als kleine Wasserläufe zwischen
grasbedeckten Ufern nach Osten. Sumpfige Stellen mit stagnierendem W^asser
in Löchern, oder kleine Bäche mit ringsum bis in geringe Entfernungen reich-
licher gedeihendem Graswuchse bezeichnen solche von den Herden und Tanguten
gesuchten Stellen. Die frischgrüne Farbe der Vegetation giebt in dem ein-
förmigen Graugelb der Steppe schon von weitem einen Anhaltspunkt, wo gutes,
frisches und vor allem süsses Wasser zu finden ist.
Auch die Lehme in der Umgebung dieser Wasserquellen der Steppe führen
die Spuren von reichem organischem Leben, das an diesen feuchten Orten
gedieh. Diese Lehme sind wohl in kleinen Wassertümpeln, analog denen,
in deren Nähe sie sich heute befinden, aus Staubmaterial der Luft gebildet
worden. Sie bergen zahlreiche Schälchen und Gehäuse von Süsswasserschnecken,
während die Oberfläche mit dichten Büschen von Riedgräsern übersät ist. In
grösserer Entfernung von den Wasserstellen ist der Boden der Steppe in den
mittleren, tiefsten Teilen nur dürftig bewachsen; ausgedehnte Flächen kahlen
Lehmes mit weissen Salzkrusten und zahlreichen kleinen, ausgetrockneten, flachen
Wannen, die sich bei Regen temporär mit Wasser füllen, das aber am ersten
warmen Tage wieder verdunstet, tragen nur in grösseren Zwischenräumen noch
Grasbüsche eines sehr hohen Riedgrases, das Dyrisun (Lasiagrostis splendeus) heisst.
Dieser Charakter der Steppe ändert sich nur da, wo in den tiefsten Teilen
der mäandrische Lauf eines kleinen, nicht sehr wasserreichen Flüsschens wieder
grüne Matten, reicheren Graswuchs und Weideplätze längs seiner Ufer entstehen
lässt. Auf grosse Strecken hin ist er auch von sumpfigen Niederungen begleitet,
so dass der Uebergang zur allmählich ansteigenden, südlichen Thalseite nicht
leicht zu finden ist. Es giebt nur eine dafür geeignete Stelle, wo hohe Gras-
ränder auf festem Boden an das Flüsschen herantreten, das kein Geröllbett hat,
sondern nur feinen Sand und tiefen Schlamm träge dahinschleppt
In ganz gleicher Weise wie auf der nördlichen Thalhälfte wiederholen
sich die Verhältnisse und Ablagerungstypen auf der südlichen Seite; nur ist
der Terrassenrand der Thalschotter nicht so ausgeprägt wie gerade an der
zum Durchqueren des nördlichen Abfalles gewählten Stelle. Längs der wasser-
führenden Niederungen liegen grüne Grasflächen, während im übrigen nur
dürftige Vegetation auf den Kies- und Schotterflächen ein kümmerliches Dasein
fristet Auch hier erzählen trockene Schotterbetten, sogar von grösserem
Umfange, von gelegentlichem Wasserreichtum und übermütigem Gerölletransport
in den wüsten Betten, in deren einem sogar ein alter, isolierter Baum, eine
Pappel (Populus balsamiferal), mit grünen Blättern steht, weithin das einzige
Exemplar eines Baumes im Bereiche der Steppe. Man zieht stundenlang an
solchen trockenen Wasserläufen aufwärts und kommt dem Gebirgsfuss des
Semenow ■ Gebirges bis auf wenige Kilometer nahe, ehe man dem frisch
sprudelnden Wasser der Berge beg^^et und das Lager aufschlagen kann an
einer Stelle, wo in der Schotterdecke des Bodens etwas reichlicher Gras und
Kräuter grünen und auch die Lasttiere und Pferde zu ihrem Rechte kommen
können; sehr oft ist es recht kümmerlich, was sie sich auf den ärmeren Steppen-
flächen zusammensuchen müssen.
Die besten Plätze freilich sind noch weiter oben, wo die Flüsse aus den
Bergen treten und das üppigste Weideland vom Thalboden weit an den
blumengeschmückten Abhängen hinaufreicht. Aber diese Stellen liegen schon
'IIihI im Semenow -Geblrije bei L:ig-er XV.
zu weit ab von den Wegen der schweren Karawanen, und ausserdem hat dort
der Tangute zahlreiche Jurten aufgeschlagen und ebenso zahlreiche Herden
auf die Weiden getrieben. Man thut daher besser, ihm nicht ins Gehege zu kommen.
In den Thälern dieses südlich von der Ebene mit dem grossen Dabassu-
See gelegenen Gebirges waren die Tanguten weniger zahlreich als am Süd-
Küke- nur- Gebirge. Dort waren immer einige, oft auch viele am Lager und
kamen oft weit her; sie machten sich ab Führer nützlich, zeigten die Wege,
brachten auch Schafe zum Verkauf und benahmen sich immer recht ordentlich.
Gelegentlich waren sie etwas neugierig oder gutmütig-zudringlich — was beson-
ders von den Lamas gilt — aber unverschämt oder direkt belästigend traten
sie nirgends auf. Diese so sehr gefürchteten und andern Reisenden lästigen
Tanguten freuten sich über etwas Watte, die am Lagerplatz liegen geblieben
— 302 -
war, oder über einige Papierfetzen, und der Verkehr mit ihnen gestaltete sich
mit Hilfe wertloser Talmischmucksachen und kleiner Korallenkettchen noch
freundlicher.
Die Leute wurden von den die Expedition begleitenden, von den chine-
sischen Behörden gestellten beiden Dolmetschern und Führern einfach requi-
riert und blieben ein oder zwei Tage bei der Karawane, bis wieder andere
sie ablösten. Sic kamen auf ihren ausdauernden, kleinen Pferdchen, mit
Spiessen und Gabelflinten bewaffnet an und lagerten immer im Freien, wobei
Tiuiüiilcn und ein Ijima im Semenow-GebirRe bei I-nger X\'.
sie sich sehr geschickt aus ihren Satteldecken aus Filz, ihren Gewehren und
einigen Schnüren kleine Schutzzelte zusammenbauten.
Nahrungsmittel für einen oder mehrere Tage trugen sie in Form von ge-
röstetem Gerstenmehl und Butter bei sich, die dann mit Thee zu der fade
.schmeckenden Tsam-ba zusammengemengt wurden, wobei noch eine beson-
dere Zuthat von Fett den Wohlgeschmack erhöhen soll. Es waren meist
nur junge Leute, welche uns begleiteten, durchweg kräftig gebaut und tief
gebräunt über den ganzen Körper; sie ynd von mittlerer Grösse, sogar klein
und haben sehr intelligente Gesichtszüge; manche könnten direkt hübsch
genannt werden, wie denn auch unter den Frauen schöne Gestalten und hübsche
Gesichter angetroffen werden. Leider sieht man wenig von diesen, da sie sehr
scheu und zurückhaltend sind und bei Anwesenheit von Fremden sich in
ihre Jurten zurückziehen; nur wenn man länger an einem Orte weilt, werden
— 303 —
sie zutraulicher und bringen Milch und Butter zum Austausch gegen andere
Dinge, wobei besonders Nähnadeln und Korallenschmucksachen sich ihrer Wert-
schätzung erfreuen. Trotz ihrer primitiven Lebensweise sind sie doch beim Handel
sehr gerissen und suchen auf jede Art den Käufer zu übervorteilen; so preisen
sie z. B. gerne Milch als Vollmilch an, von der der grösste Teil schon
abgebuttert ist und die sie nur mit einem kleinen Rest frischer Milch versetzt
haben. Dagegen sind sie auch empfänglich für allerlei wertlose Gegenstände.
So erfreute ich einen dicken alten Lama, der eine Brille haben wollte, mit
einer photographischen Platte, die unbrauchbar geworden war. Was er wohl
damit anfängt, ob er sie vielleicht als Fenster in ein Loch des Jurtendaches ein-
setzt und so der Urheber einer bahnbrechenden Neuerung bei seinem Volke wird?
Auch liebenswürdige Züge sind den Leuten eigen. Davon nur ein Bei-
spiel. Eines abends kam ich schon nach Einbruch der Dunkelheit zu dem
kleinen aus Gewehren und Filzdecken aufgebauten Zeltlager, das sie sich in
der Nähe unserer Zelte aufgeschlagen hatten; es war kalt, ich fror, indem ich
auf das Nachtessen wartete, das, wie gewöhnlich bei uns, nicht zur Zeit fertig
wurde. Es interessierte mich, zu sehen, wie sich die Leute mit den wenigen
Sachen, die sie zu Pferde bei sich führen können, eingerichtet hatten, und ich
trat näher heran. Eine Gesellschaft von vier jüngeren Leuten sass auf Filz-
decken um das Feuer, auf welchem heisses Wasser zum Thee in einem kleinen,
eisernen Kessel brodelte. Andere Decken waren an den Gewehren aufgehängt,
um Schutz gegen den Wind zu geben; so hatten sie sich im hohen Grase, das
auch die kalte Bergluft etwas abhielt, ein ganz gemütliches Nestchen einge-
richtet, in dem ich sofort eingeladen wurde, mit Platz zu nehmen. Alsbald
sass auch ich auf einer Filzdecke, und einer war geschäftig, mir Tsam-ba zu
bereiten. In einer kleinen hölzernen Schale wurde zu Thee ein grosses Stück
Butter gegeben, noch eine Zuthat von Fett beigemengt und mir die Schale
mit freundlicher Geberde überreicht. Ich trank dem gütigen Geber den ersten
Schluck zu, dann auch den andern, welche alle in derselben freundlichen
Weise Bescheid thaten. Ich fühlte mich sehr behaglich am warmen Feuer in
der romantischen Umgebung und bedauerte nur, dass infolge absoluter Un-
kenntnis der Sprache auf beiden Seiten keine lebhafte Unterhaltung sich ent-
wickeln konnte.
Es waren dieselben Leute, welche mich später mit noch über einem
Dutzend anderer freiwillig bei wildem, nächtlichem Ritte durch die Steppe be-
gleiteten. Mein Reisegefährte war bis spät nachts von der Jagd nicht zum
Lager zurückgekehrt, und da er mit seinen Begleitern, einem Chinesen und
einem Tanguten, weder Zelte und Decken, noch Essvorräte bei sich hatte, galt
es, ihn zu suchen, um so mehr, als er nicht genau wissen konnte, wo nach dem
langen Tagesmarsche das Lager aufgeschlagen worden war und somit Mühe
gehabt hätte, es in der Dunkelheit aufzufinden. Es war lo Uhr abends, als
wir bei hellstem Mondenscheine in wildem Galopp über die Steppe dahinjagten.
304
den Jagdgninden zu, wo er sich wahrscheinlich bei der
Jagd auf die zahlreichen wilden Esel zu lange aufge-
halten oder verirrt hatte.
Es war ein malerisches, mir unvergessliches Bild,
diese wilden Söhne der Steppe mit ihren Gabelgewehren,
die sich im Mondschein phantastisch von den dunkeln
Gestalten abhoben, dahinstürmen zu sehen über Stock
und Stein durch dichtes hohes Gras und über kahle
Lehm- und Kiesflächen, unter fortwährendem Rufen und
Geschrei, um den Vermissten Zeichen zu geben. Von
Zeit zu Zeit wurden Schüsse abgefeuert und minuten-
lang auf eine Antwort gewartet; von einzeln verteilten
Rotten wurde die Gegend abgesucht und stundenlang
die Steppe bis an den Gebii^sfuss zurück durchstreift.
Als schliesslich dunkle, vielfach gewundene Schluchten
aus der Ebene auftauchten, gaben wir es auf, noch
weiter zu suchen, da man nichts mehr sehen und auch
keine Richtung mehr beibehalten konnte. Noch einmal
ein vielstimmiges, lautes Rufen, noch einmal Abfeuern
der Karabiner und Revolver: Nichts rührte sich, nichts
war zu sehen oder zu hören; nur leiser Donner ant-
wortete grollend und der gespenstische Schein fernen
Wetterleuchtens erhellte auf Sekunden die wilde Um-
gebung.
Der Mond hatte sich versteckt, aber in der Ferne
zeigte uns sein Schein die Steppe und das Gebirge in
wundersamer, greller Beleuchtung; von Westen kamen
schwarze Wolkenschwaden mit beängstigender Ge-
schwindigkeit herauf; schon waren die Bei^kämme und
Spitzen des Süd-Küke-nur-Gebirges in feuchte Nebel
gehüllt, und immer häufiger zuckten die Blitze, immer
unmittelbarer und dröhnender folgten ihnen die Donner-
schläge. Mit dem Wetter um die Wette ging es durch
die Steppe zurück, jetzt abwärts der Mitte der Ebene
zu. Dumpf tönte der Boden unter dem Schlage der
Hufe, wie Gespenster flogen die einzelnen Reitergestalten
in dem fahlen Lichte dahin. In unglaublich kurzer Zeit
waren wir dem Bereiche des den Bergen entlang ziehen-
den Gewitters entflohen und wieder draussen in der
Steppe im Mondenschein. Die Küke-nur-Pferde sind
berühmt für Ausdauer und Schnelligkeit und dabei sehr
genügsam und nicht verwöhnt
— 305 —
Wie sich am andern Morgen zeigte, hatten die Jäger eine ganz falsche
Richtung genommen, die Nacht im Freien kampiert und erst morgens die
richtige Lage des Lagers am aufsteigenden Rauche erkannt, zu dem sie dann
hungrig und durstig mit müden Pferden noch einen stundenlangen Weg zurück-
zulegen hatten.
Auch bei andern Exkursionen, die von der Hauptroute der Karawane ab-
führten und geologischen oder geographischen Zwecken dienten, hatte ich zu-
weilen in diesen Tanguten willige Begleiter. Ihr Interesse ging so weit, dass
sie mir Versteinerungen suchen halfen und auch ganz brauchbare Exemplare
fanden, einmal sogar von einem Punkte, wo es mir selbst nicht geglückt war,
etwas zu finden. Wie könnte man mit Kenntnis der Sprache und Benutzung
dieser Leute die Gebirge und das Land bis weit nach Süden durchstreifen,
die verborgensten Winkel aufsuchen und durchforschen und die schönsten
Sammlungen anlegen, wo wir gezwungen waren, in der Ebene weiter zu
ziehen und die interessantesten Teile nur von Feme sehnsüchtig zu betrachten.
Die Führung dieser einheimischen, mit Wegen und Stegen vorzüglich ver-
trauten Leute war auf dem weiteren Marsche zum Hoang-ho von grossem
Werte, da die Wege durch das Gebirge an manchen Punkten schwierig zu
finden sind und verschiedene hohe Pässe von nördlichen Ausläufern überschritten
werden müssen.
Das Semenow- Gebirge im Süden der grossen, von Westnordwest nach
Ostsüdost verlaufenden Depression, in deren westlichem Teile sich der Dalai-
Dabassu-See befindet, hat verschiedene Namen in seinen verschiedenen Teilen.
Auf der russischen Generalstabskarte Bl. XXII ist nur die Ebene des Sees als
Dabassun-Gobi bezeichnet, das Gebirge selbst aber ohne Benennung bis zu seinem
östlichsten Teile am Hoang-ho, der nach dem gleichnamigen Orte Gebirge von
Balekun-gomi genannt wird. Ein anderer Name San-si-bei findet sich im Osten
am Hoang-ho, südwestlich von Balekun-gomi auf Prschewalskijs Karte, als west-
liche Fortsetzimg des Dschupar-Gebirges. Der Verlauf des Reiseweges vom
Süd-Küke-nur-Gebirge ab nach Süden durch die Dabassu-Ebene und am Nord-
fusse des Gebirges entlang nach Südosten bis zum Hoang-ho hat nun gezeigt,
dass die Hauptkette dieselbe Richtung hat, während eine niedrigere Kette in
mehr östlicher Richtung im Osten abzweigt und das niedere Gebirge bildet,
das im heiligen Amne-waien-Berge endigt und auf Prschewalskijs Karte nördlich
vom Dsurge-gol richtig dargestellt ist. Südlich davon liegt die Kette des San-
si-bei, die er in 3780 m hohem Passe überschritt und deren Gipfel-Höhen er auf
5230 m schätzt. Dieser San-si-bei verläuft vom Hoang-ho zuerst in nordwest-
licher, dann westlicher Richtung und lässt den Dabassu-See weit im Norden,
ebenso wie das im Süden des Sees von Prschewalskij gezeichnete Gebirge.
Das Gebit^sstück zwischen Dalai-Dabassu und dem westlich davon gelegenen
Dschulan-nor verläuft in der Richtung von Nordwest nach Südost und würde
in seiner Verlängerung nach Südosten, die der Wirklichkeit auch entspricht,
Flitterer, Durch Asien. 20
— 3o6 —
den Hoang-ho genau an seiner Austrittsstelle aus dem Dschupar-Gebiige treffen.
Auf den bisherigen Karten aber zeigt jenes Gebirge im Süden des Dalai-
Dabassu eine Schwenkung nach Ost und sogar nach Nordost, die es im Osten
mit der Süd-Küke-nur-Kette vereinigen würde, was den thatsächlichen Verhält-
nissen nicht entspricht. Das Gebirge südlich des Dalai-Dabassu bis zum
Hoang-ho, das als Scmenow Gebirge bezeichnet worden ist, verläuft in seiner
Hauptkette zum Hoang-ho am Dschupar-Gebirge und bildet somit dessen Fort-
setzung nach Nordwesten; der östliche Teil trägt den Namen San-si-bei, wie
es weiter westlich bei den Eingeborenen heisst, ist nicht bekannt. Ob ein
gegen Ost abzweigender Höhenzug des Semenow-Gebirges, von dem später die
Rede sein wird und der, in östlicher Richtung verlaufend, das sogenannte
Balekun-gomi- Gebirge erreichen würde, mit diesem wirklich zusammenhängt,
halte ich für sehr zweifelhaft, und jedenfalls könnte es sich nur um eine^sehr
geringe Erhebung handeln, da bei der ganzen Reise weiter nach Osten bis
zum Hoang-ho keine solche Kette mehr gegen Norden sichtbar war. Es er-
scheint mir wahrscheinlich, dass sich die Hoang-ho -Steppe zuerst in ihrer
ganzen Breite, die auf dem linken Flussufer zwischen Balekun-gomi und dem
Nordfusse des San-si-bei-Gebirges etwa 55 km beträgt, und dann allmählich
abnehmend nach Westen zwischen Semenow-Gebirge und Süd-Küke-nur-Gebirge
ausdehnt und mit der Ebene des Dalai-Dabassu zusammenhängt. Ein aus Porphyr-
Bergen bestehender Ausläufer des Semenow-Gebirges engt sie etwas ein, aber
auch schon westlich davon ist der Lauf des Wassers im tiefsten Teile und
in der Mitte der Ebene nach Osten, also gegen den Hoang-ho hin gerichtet,
nicht nach Westen, wie auf der russischen Karte als wahrscheinlich an-
gegeben ist
Rockhills Kartenskizze des Reiseweges von Schalakuto am Südfusse des
Süd-Küke-nur-Gebirges entlang und dann noch östlich vom Dalai-Dabassu über
eine weite Ebene, die er Ch'emar fang nennt, zum Nordfusse des Semenow-
Gebirges lässt vermuten, dass auch das Süd-Küke-nur-Gebirge im Osten breiter
ist, als an der von uns überschrittenen Stelle, die nicht weit östlich vom
Meridiane des Dabassu-Sees liegt. Sein Weg ging vielfach zwischen den Vor-
bergen des Süd-Küke-nur-Gebirges, so dass die Uebersicht der Ebene im Süden
verhindert war; er traf aber nach Osten fliessende, zum Hoang-ho-Flussgebiet
gehörige Abflüsse und auch Seen, wie den Gunga-nor, von denen die Möglich-
keit besteht, dass sie ebenfalls Abflüsse nach dorthin haben. Er schreibt, dass
das Land im Süden des Süd-Küke-nur-Gebirges sich meilenweit als ein welliges
Plateau ausdehnt, dessen niedere Ketten im allgemeinen in südwestlicher Richtung
verlaufen, und, dass darüber hinaus, in einigen 40 Meilen Entfernung im Süden
eine nicht sehr hoch aufragende Bergkette zu unterscheiden war, von der er
glaubte, dass sie schon jenseits des Hoang-ho gelegen sei. Das spricht dafür,
dass die grosse Ebene im Süden des Süd-Küke-nur-Gebirges sich kontinuierlich
bis zum Dalai-Dabassu hinzieht und nur in ihrer Breite sowohl durch Vorberge
— 307 —
des Süd-Küke-nur-Gebirges wie solche des Semenow-Gebirges stellenweise ein-
geengt wird. Der Huyuyung-Fluss soll ganz in der Nähe des Dalai-Dabassu ent-
springen und fliesst nach Osten in einen See — Gunga-nor — von dem es zweifel-
haft ist, ob ein Abfluss noch weiter nach Osten zum Hoang-ho geht. Es ist immer-
hin leicht möglich, dass er, ebenso wie der Dalai-DabaSsu, abflusslos ist. Es sind
durch die neueren Forschungen im nördlichen Tibet viele solcher Längs-
depressionen zwischen den Gebirgsketten nachgewiesen worden, welche nur
abflusslose Seen in Reihen hintereinander enthielten. Südlich vom Gunga-aor
verläuft eine Bergkette nach Südosten, die sich westlich von diesem See
dem Süd-Küke-nur-Gebirge anschliesst und ihm parallel läuft; dadurch ist das
Abzweigen von Gebirgszügen vom Hauptkamme des letzteren Gebirges dar-
gethan und auch das Gebirge von Balekun-gomi dürfte sich an dasselbe
angliedern.
Unter dem Semenow-Gebirge wird hier das ganze Gebirge mit seinen ver-
schiedenen Vorbergen und noch abzweigenden Ketten verstanden, das im Westen
des Hoang-ho-Thales die Fortsetzung des Dschupar-Gebirges auf dessen West-
seite bildet und in nordwestlicher Erstreckung südlich vom Dalai-Dabassu vorbei
und gegen die Ketten des nördlichen Tsai-dam verläuft. Die Bergkette scheint
gegen Westen an Höhe zuzunehmen. Rockkill hat sie südlich vom Dalai-
Dabassu in einem 16500 Fuss = 5166m hohen, schwierigen Passe überschritten
und aus Granit bestehend gefunden; er nennt den Pass Wa-hon-la, nach dem
Flusse, der an ihm entspringt und noch zur Dabassu-Ebene fliesst; auf der
Westseite nehmen die Flüsse schon ihren Abfluss nach dem Tsai-dam hin. Die
Kette des Gebirges erhebt sich dort 700 — 1000 m über die Steppenebenen und
hat eine Erstreckung von Westnordwest nach Ostsüdost.
Der östliche Teil des Semenow-Gebirges unterscheidet sich dadurch von
dem mittleren, dass er gegen Norden hin breiter wird. Die Dabassu-Ebene
wird infolge davon enger und in diesen Teil reicht von Osten her das breite
Längsthal des Dsurge-gol hinein, das eine niederere Vorkette von dem Haupt-
kamme abschliesst, während der mittlere Teil aus einer einheitlichen Bergkette
mit tief einschneidenden Querthälern besteht. Die höchsten Gipfel, die Höhen
bis 5000 m erreichen, liegen dort zentral und ziemlich entfernt südlich vom
Gebirgsfusse; die Berge, welche diesem näher liegen, haben viel geringere
Höhen. Die grossen Thäler nehmen ihren Ursprung von den Gipfeln der
zentralen Kette und gehen direkt als Querthäler zwischen niederen Bergen
hindurch nach Norden in die Ebene; von diesen letzteren gehen wieder andere,
kleinere Querthäler aus und durch die beiden Typen von Thalsystemen wird
der Oberflächen Charakter des Gebirges und seiner Kammlinie bedingt; es drängen
sich in dieser die Gegensätze von hohen Gipfeln und tiefen Scharten dazwischen
eng zusammen und die Kammlinien haben einen wechselnd auf- und abspringenden
Verlauf Sieht man die zentrale Kette sich gegen den Himmel abzeichnen,
so gewähren die mannigfaltigen, schroffen Formen und der vielfache Wechsel
20*
in Gestalt und Grösse der Gipfel ein abwechselungsreiches Bild, im Gegensatze
EU den nach Norden hin den Horizont begrenzenden, eintönigen Umrisslinien
des Süd-Küke- nur- Gebirges.
Der mittlere Teil des Semenow-Gebirges besteht vorwiegend aus kristal-
linem Schiefer und stark umgewandelten, altpaläozoischen Sedimentgesteinen,
die sich «ohl in den zentralen Ketten, nach den überall in den Geröllbetten
zahlreich vertretenen Granitblöcken zu schltessen, um einen Kern von granitischen
Gesteinen legen.
Thal im Semenow-Gelilree. oberhiüb von I.ai;cr X\l.
Der östlicheTeil weist diesen Verhältnissen gegenüber wichtige Unterschiede
auf, die weiter unten zu erörtern sein werden.
Wir erreichten den Südfuss des Semenow-Gebirges an einem sehr breiten
und schotterreichen, aber nur wenig Wasser führenden Flusse, auf dessen etwa
lo m hohem, steil abfallendem Ufer unser Lager XIII aufgeschlagen wurde.
Dieser Ufercharakter ist auch sonst den aus dem Gebirge auf die Aufschüttungs-
flächen heraustretenden Flüssen eigen, und je weiter sie in die Ebene hinaus-
kommen, um so geringer wird ihre Wasserführung. Es ist dieser Fluss jeden-
falls nicht weit entfernt von, wenn nicht identisch mit Rockhills Muri-ch'u, dem
er ein breites, felsiges Bett mit hohen Uferrändern und nordnordöstlichem Laufe
zu.schreibt. Westlich davon beschreibt Rockhill den Vorsprung der Porphyrbei^e
nach Norden hin gegen die Ebene, und noch weiter östlich kommt der Tsa-
— 309 —
tsa-ch*u-Fluss aus dem Semenow-Gebirge, dessen Umgebung durch vorzügliche
Weideplätze ausgezeichnet war und der einem der grösseren Thäler im Osten
des Porphyr-Gebietes bei Lager XVI oder XVII entsprechen muss. Der tiefste
Punkt in der Dabassu-Ebene, den Rockhill am Huyuyung-Flusse bei T'so-kadri
fand, hat die Meereshöhe von 9,797 englischen Fuss = 2,939 m, während der
tiefste Punkt, den ich in der Dabassu-Ebene und am Flusse weiter westlich
gemessen habe, in 3,110 m Meereshöhe lag. Es befand sich in seiner Nähe
das Lager XII, dessen geographische Breite zu 36^8' 51" gemessen wurde.
Rockhill fand den Fluss breiter und tiefer als es weiter östlich der Fall war,
und schwer oder gar nicht passierbar, wenn das Wasser nicht, wie bei Rockhills
Uebergang am 23. März, gefroren ist. In der Umgebung beobachtete auch
er viele Salzeffloreszenzen.
In der breiten Steppenebene des Dalai-Dabassu, in deren Mitte nahe dem
tiefsten Punkte unser Lager XII lag, hielten sich viele wilde Esel (Asinus Kiang,
Moorkr.) auf; auch Gazellen waren nicht selten. In der Nähe des Lagers wuchs
reichlich Dyrisun und auf spärlicher bewachsenen Flächen war Dracocephalum
heterophyllum Bth. und mehr gegen den Gebirgsfuss hin Anaphalis lactea
Max. zu finden.
In dem Thälchen von Lager XIII, das von weit hinten aus der hohen Region
der zentralen Kette des Semenow-Gebirges kommt, waren an den Gehängen
der niedereren Berge des Thalausganges sehr schöne Granitfelswände anstehend
zu sehen. Die Erosion hatte die Felsen in mannigfaltigster Weise aus-
gehöhlt und modelliert, so dass in dem harten Granite weiche, sanfte Ver-
tiefungen mit gerundeten, flachen Ecken und Kanten entstanden waren, wie sie
aus Thon oder Wachs modelliert werden können. Noch eine weitere Merk-
würdigkeit bieten diese Granite: sie haben eine ausgezeichnete Zerklüftung, und
die einzelnen Flügen und Spalten derselben folgen sich so dicht und regel-
mässig, dass die Oberfläche der Granitwände vollkommen wie diejenige eines
Schichtgesteins aussieht.
Zahlreiche, bunte Flechten, welche besonders alle hervorragenden Teile
dieser Felsenklippen überziehen, lassen die einzelnen Vorsprünge rot, gelb,
grau oder weiss erscheinen, so dass ein farbenreiches, herbstliches Bild ent-
steht. In den grünen Rasen, die sich vom Thalboden an den sanfteren
Abhängen hinaufziehen, blühen in grosser Menge blaue Enziane, Edelweiss und
weisse Glockenblumen. Von den in den Thalabhängen des Semenow-Gebirges
gesammelten Pflanzenarten seien die folgenden angeführt. Unter den in zahl-
reichen Arten und Exemplaren auftretenden Enzianen ist eine Form mit grossen,
weissen Blütenkelchen, die hart am Boden stehen, bemerkenswert; sie ist eine
neue Art und wurde Gentiana callicantha Diels u. Gilg genannt. Auch H.
polyclada ist eine neue Art; ausserdem wurden Delphinium grandiflorum L. var.
Gmelini Rehb., Tanacetum tenuifolium Jacqu. und Senecio thianschanensis Reg.
und Schmalh., Pedicularis Futtereri Diels, Aster altaicus Willd., Anaphalis lactea
— 3IO —
Maxim, u. a. gesammelt. Darüber thronen die schroffen Felsengipfel, und auch
in der heissen Jahreszeit glänzen weisse Firne und Schneeflächen herab.
Zahlreiche Berghasen und Steinhühner beleben die Thäler und die Berg-
abhänge und in den Felsen nisten wilde Tauben. Die Jagd ergab Syrrhaptes
tibetanus, Gypaetus barbatus, Haliaetus leucoryphus, Melanocorypha maxima
(Riesenlerche) und Pratincola maure.
Solcherart ist der Charakter von Gebirge und Thal im mittleren Teile
des Semenow-Gebirges, an dessen Fuss der Weg unserer Expedition nach Osten
ging, in einiger Entfernung (5 km) vom Gebirge selbst über steinige Schotter-
betten der Flüsse und den von Schotter und Lehm aufgefüllten, nördlichen
Abfall des Gebirgsfusses. Die Berge haben hier Höhen, die zunächst an der
Ebene 500 bis 600 m über diese emporragen, in den zentralen Teilen aber
wurden Höhen von 800 m über dem Gebirgsfusse und gegen 5000 m über dem
Meere gesehen.
Gegen Osten hin ändert sich aber plötzlich das Bild. Schon aus grosser
Ferne sieht man, dass Gebirgsausläufer nach Nordost gehen und die breite
Ebene einengen, so dass die Entfernung vom Fusse der südlichen Berge bis
zum Fusse des Süd-Küke-nur-Gebirges um etwa ein Drittel verkürzt wird. Iso-
lierte, steil aufragende, kleine Berge erheben sich an dieser Stelle aus der Ebene
und reichen bis zu deren Mitte. Nach einem starken Tagemarsche nach Ost-
südost (etwa 20 km) hat man die in die Ebene vorspringenden Berge erreicht
und sieht sich einem ganz veränderten Charakter des Gebirges gegenüber, so-
wohl was morphologisches Aeusseres wie innere Zusammensetzung anbelangt.
Kleine isolierte Bergkuppen ohne Zusammenhang erheben sich bis zu 300 m
und bilden einzelne Gruppen mit flachen, muldenartigen Thälern zwischen den
grasbewachsenen Höhen, oder sie stehen unvermittelt in der ringsum ebenen
Grasfläche, die mit sehr geringem Gefalle nach Norden hin abfallt. An den
Thalgehängen eines kleinen, aus den zentralen Teilen kommenden Flüsschens,
das eine grössere Gruppe jener Berge durchbricht, erscheinen die steilen Fels
klippen an der Oberfläche schwarz und metallisch wie Stahl ; auch von höheren,
felsigen Bergspitzen glänzen solche Felsklippen wie Spiegel herunter.
Die geologische Untersuchung zeigt, dass diese ganzen nach Norden vor-
springenden, schon durch ihre äussere Erscheinungsform vom andern Gebirge
sich abscheidenden Berge aus einem harten Quarzporphyr bestehen, der nörd-
lich der hier aus alten Schiefern und Sandsteinen bestehenden, gegen die
Gebirgsmitte zu liegenden Berge ein grösseres Areal einnimmt, zu dem auch
wohl die isolierten, weit in die Ebene hinausreichenden Berge gehören. Diese
Porphyrberge, die durch Eruptionen feuerflüssigen Materiales in uralten, geolo-
gischen Zeiten entstanden sind, erreichen vor dem Hauptkamme des Gebirges
bedeutende Höhen, z. B. in einem hohen, breitkuppigen Berge von 4300 m,
nahe einem im folgenden zu erwähnenden Passübergang zu einem Längsthal,
das nach Osten zum Hoang-ho führt.
— 311 —
Die sanften Abhänge und selbst die höchsten, kuppenartig gewölbten Berg-
gipfel sind mit Steppengräsern und an steileren Abhängen auch mit Sträuchern
und Gebüschen bewachsen; selbst auf dem 4300 m hohen Berge fand ich
ganz oben noch Grasflächen und kleine sumpfige Wassertümpel. In der Ge-
birgshauptkette dagegen, die in geringer, südlicher Entfernung von jenem
hohen Porphyrberge vorüberzieht, sind ähnlich hoch gelegene Teile kahl und
von Felsgraten und Klippen oder schieferigen Schutthalden eingenommen.
Im Porphyrgebiet haben die Kräfte der Erosion des wüstenartigen Klimas
die Oberflächen der auf einzelnen Gipfeln oder an Thalwänden anstehenden
Felsklippen geschwärzt, geglättet und ihnen das oben geschilderte, metallische
Aussehen verliehen, das in der Wüste zu den am allgemeinsten verbreiteten
Erscheinungen gehört Je höher oben die Felsklippen liegen, um so schöner
sind diese oberflächlichen Veränderungen der Gesteine, die den Namen Schutz-
rinden führen. An klaren Tagen, bei Sonnenschein ist das Blinken und Glänzen
auf den Höhen und schroffen Seiten der Porphjn-berge ausserordentlich cha-
rakteristisch; es fehlt aber den übrigen Gesteinen des Gebirges, wie Sandsteinen,
Grauwacken, Schiefern und auch den granitischen Gesteinen fast völlig.
Ist durch das verbreitete Auftreten dieser Porphyre schon ein besonderer
Zug im östlichen Teile des Semenow-Gebirges in morphologischer und geolo-
gischer Beziehung dargestellt, so gesellt sich hierzu eine weitere Besonderheit
gegenüber dem mittleren Teile durch das Einschieben eines weiten Längsthaies,
das sich nach Ostsüdosten zum Hoang-ho erstreckt und das Gebirge der Länge
nach in zwei annähernd parallel verlaufende Aeste spaltet, einen niedrigeren,
nördlichen Zweig, welcher den östlichen Teil der Dabassu-Ebene im Süden
begrenzt, und einen höheren, den Hauptkamm fortsetzenden Teil, zwischen
welchem und dem ersteren die nach Osten breiter werdende Thalfläche des
Längsthaies, das Choka-Ebene genannt wird, sich erstreckt. Möglicherweise
hängt nach gütiger Mitteilung von Herrn Himly der Name mit dem chinesischen
Worte hok*ai zusammen, das »Oeffnung des (gelben) Flusses« bedeutet.
Der Reiseweg geht nicht in der Ebene um das vorspringende Porphyr-
gebiet herum, sondern in südöstlicher Richtung zwischen demselben und den
Hauptketten über einen 4030 m hohen Pass und in derselben Richtung weiter
in die Zone niederer Vorberge zwischen Querthälern, durch die man hinaus
auf die Steppenebene im Norden sehen kann ; nach einigen Tagemärschen wird
die nördlich die Choka-Ebene begleitende, sich abzweigende Bergkette in
3790 m Höhe überschritten, und nach vier weiteren Tagemärschen am Nord-
fusse des San-si-bei der Hoang-ho erreicht.
Im Gegensatze zu der Porphyrlandschaft mit ihren sanften, gras- und weide-
bedeckten Formen und dem unvermittelten, an Vulkane erinnernden Auftreten
in der Ebene, ist der Charakter des Gebirges weiter im Osten felsig und wild.
Die Sandsteine bilden auf den Bergen und an den steilen Thalgehängen
schroffe Felsköpfe, die durch die Erosion aus den weichen Schiefern, mit denen
— 3"2 —
die Sandsteine wechsellagern, in grotesken Formen hentusmodelliert sind. Un-
gemein wild und öde ist das Aussehen der höheren Teile dieses unwirtlichen,
kahlen, steinigen Sandstein- und Schiefergebietes; vielfach lag Schnee über
den hohen Gipfeln des Gebirgskammes, der sich tief hinab in die schwarzen
Abgrunde der Schieferregionen senkte und wieder steil zu den Höhen hinauf-
stieg. In den tieferen Teilen des Gebirges und besonders gegen die Thalaus-
gänge hin liegt ziemlich mächtiger Gehängelehm und dort sind auch Weide-
plätze auf weiten, grasbewachsenen Halden. Das Längsthal, das vom oben
Kalkber^e im ^emenuw-Gebirge bei LaRer XVI.
genannten Fasse hinabgeht, ist in seinem oberen Teile typisch fiir diesen Ge-
birgscharakter, den die Tafel XXI veranschaulicht.
Von hier ab und weiter nach Osten tritt als Form gebendes Element fiir
die malerische Gestaltung der Berge ein massiger, grosse Stocke bildender
Kalk hervor, deren imposante Febkolossc etwas an den Landschaftstypus der
Kalkalpen in Süd-Tirol erinnern, ohne aber dessen Grossartigkeit zu erreichen.
Hohe, wild aufragende Gipfel bilden überall den Hintergrund der kleinen Thäl-
chen, welche der immer noch südöstlich führende Weg am Nordabhange des
Gebirges überschreitet und zwischen welche sich hier in der Zone der Vor-
berge über und über mit Löss bedeckte, grasbewachsene Hügel legen, die,
sich verflachend, noch einige Kilometer weit zur Ebene hinabziehen. Die
plumpen, mächtigen Massen von Korallenkalken der paläozoischen Zeit sind hier
— 313 —
zwischen Schiefer und Sandsteine eingelagert, welche der Erosion wenig Wider-
stand entgegensetzen, weiche Formen annehmen und Gras und Sträucher tragen.
Um so unvermittelter und grossartiger wirken daher die jäh aufsteigenden,
wild zerrissene und jäh abfallende Berg- und Felsgruppen bildenden Kalke,
die ohne jede Vegetation in der auch den Dolomiten eigenen, weiss-rötlichen
Farbe in der Abendsonne glänzen.
An einem von Süden aus dem Granitgebiete kommenden Flüsschen erwies
sich eine hohe Kalkfelswand, einem Riffe vergleichbar, als ganz und gar auf-
gebaut von Korallenresten, und an andern Stellen von Schälchen kleiner Orga-
Lager WIl am AuBguD); einei Thaies aus dem Külkgebirge. ^^pme^ow-GfbiT}■e.
i der Fusulinen, die zur Familie der Foraminiferen und Klasse der Urtiere
gehören. In vielen Tausenden und Abertausenden setzen die kleinen, gersten-
Ibrmig-ovalen Gehäuse dieser längst ausgestorbenen Tierchen die Felsen in
ihrer ganzen Ausdehnung und über weite Räume zusammen. Die Verwitterung
zeigt die zierliche Struktur des Innern an der Oberfläche und viele Stücke
des Gesteins erscheinen aus lauter gitterförmig gebauten Kömchen zusammen-
gesetzt. Auch andere Tierformen fehlen in diesen Kalken nicht, wenn sie
sich auch nach Häufigkeit des Auftretens nicht mit den Fusuhnen messen können.
Für den Geologen sind gerade die kleinen Fusulinen von sehr grosser Wichtig-
keit, da sie eine genaue Altersbestimmung der Kalke ermöglichen, die hier dem
Ober-Carbon oder Permo-Carbon angehören. Bemerkenswert ist, dass auch
hier in der nächsten Nähe der Korallenbildungen und mit diesen in Be-
rührung und Ueberlagerung vulkanische Gesteine der alten, basischen Effusiv-
— 314 —
gcsteine, wie Melaphyre, auftreten, genau ebenso wie in den Dolomiten
Südtirols.
Hier ist es schön zu weilen. Das frische Bergwasser des Flusses rauscht
im breiten Geröllbette am Lager vorbei und verbreitet Kühlung am heissen
Mittage; die milden Höhenzüge von Hügeln längs des Thalausganges sind mit
grünem Grasteppich überkleidet, und draussen auf der freien Steppe bieten
zahlreiche Rudel von wilden Eseln, die hier selten gejagt werden und daher
wenig scheu sind, willkommene Gelegenheit zur Jagd. Seltener zeigen sich
die flüchtigen Antilopen in erreichbarer Nähe, aber grosse, schöne Adler und
Lämmergeier sind immer um den Lagerplatz versammelt und spähen nach
Abfallen und Beute aus; auch kleineres Wild, Berghasen und Steinhühner, sind
hier nichts seltenes.
Nur die Witterung Hess zu wünschen übrig; nach einigen regnerischen
Tagen und vom Weststurm durchheulten Nächten, war am 1 1. September morgens
das Gebirge bis weit herab mit centimeterhohem, frisch gefallenem Schnee
bedeckt, wie eine echte Winterlandschaft. Auch die Berge des fernen Süd-
Küke-nur-Gebirges waren über und über weiss, und wenn auch in den Zonen
der Vorberge und den Thälern der Schnee bald wieder weichen musste, so
Wieb er doch dauernd schon auf den hohen Bergen, wo er sich immer von
neuem verstärkte und vor dem Frühjahr und Sommer nicht mehr ver-
schwunden ist.
Als bemerkenswert verdient noch eine atmosphärische Erscheinung aus
der Dabassu-Ebene und vom Gebirgsabhange im Süden derselben hervorgehoben
zu werden. An klaren, warmen Tagen erhebt sich einige Stunden nach Mittag
ein starker Wind aus Nordwesten, der mit gleichbleibender Stärke bis gegen
Abend anhält; der Horizont im Westen verfinstert sich und lässt baldigen Regen
befürchten; es regnet aber nicht, denn die Lufttrübung ist nur durch mit-
geführten Staub verursacht. Die Geschwindigkeit der Luftbewegung, welche
während einer Reihe von Tagen mit grosser Regelmässigkeit auftrat, wurde
zu 4,86 m in der Sekunde gemessen.
Der Uebergang über den Kamm einer gegen Osten abzweigenden, niederen
Vorkette zur Choka-Niederung vollzog sich am ii. September schon in ganz
winterlichen Verhältnissen. Das ganze Thal, das sich oben unter dem 3790 m
hohen Joche zu einem breiten, auf der Südseite von grotesken Dolomitfelsen
begrenzten Thalkessel ausweitet, und sodann in enger Schlucht in die Höhe
führt, war völlig verschneit und auf dem Pass selbst lag der Schnee mehrere
Centimeter hoch. Die Aussicht von oben über die wilden, aus Eruptivgestein
und Korallenfelsen gebildeten Felsscenerien der näheren Umgebung durch das
nach Osten abwärts auf die Choka-Ebene führende Thal und das hohe, im Schnee
glänzende Gebirge im Süden derselben ist sehr umfassend. Weithin zieht sich
die graugelbe Steppenfläche der Choka-Ebene nach Westen hinaus und ver-
schmilzt schliesslich mit der Hoang-ho-Steppe. Wie ein ewiger Wächter an dem
— 31$ —
gewaltigen Strom erhebt sich dort mächtig über die beiden Ebenen und die sie
trennende, niedere Vorbergkette ein grosser, isolierter Felsenberg. Dieser Berg,
der nach Prschewalskij Amne-waien-Berg heisst und heilig ist, dient als Wallfahrts-
ort, da dort Heilige gelebt haben sollen, und von der Spitze ein direkter Zugang
zum Himmel führt Unter den Tanguten geht die Sage, dass es unmöglich ist,
ungestraft den kleinsten Stein von diesem Berge wegzunehmen. Für die Geo-
logen hat die felsige, isolierte Erhebung einen grossen Reiz, aber ich konnte
keinen Ausflug dahin machen, weil die Chinesen vor dem Besuch warnten und
sich keine Begleiter dafür gefunden hätten. An dem östlichen Fusse des Berges
fliesst in tiefem Bett, in der Steppe eingeschlossen und daher von der Höhe
nicht sichtbar, der auch hier schon mächtige Hoang-ho, noch in nördlich ge-
richtetem Laufe eben aus der Gebirgswelt Tibets kommend, ehe er seinen Weg
in östlicher Richtung fortsetzt und von neuem in Gebirge eindringt.
Von dem Passe führt das Thälchen, in dem ein herrlicher Teppich von
Enzianen und weissen Glockenblumen zwischen grünen Matten und Schnee-
flächen das Auge erfreut, direkt hinab zur Choka-Ebene und erreicht sie . an
einem nach Norden fliessenden, grösseren Fluss, in den es als linkes Neben-
thal einmündet. Dieser Punkt, an dem das Längsthälchen die grosse Thal-
fläche erreicht, ist der Beginn eines Querthaies oder echten Thaldurchbruchs,
wo ein von der Hauptkette im Süden quer durch die weite Fläche kommender
Fluss, der unterwegs Wasseradern von Ost und West aufnimmt, die 500 m
hohe Vorkette des Semenow-Gebirges durchbricht und sich hinaus gegen
Balekun-gomi hinwendet. Es ist ein steilwandiges, aus Sandsteinen und auch
massigen Kalken (Carbon) gebildetes Thal. Die grosse Choka-Fläche ist dem-
zufolge kein einheitliches, von einem Flusse nach Osten durchflossenes Längsthal
mehr, sondern ihr Gebiet gehört verschiedenen Wasseradern an. So wird der
westliche Teil entwässert durch das erwähnte Durchbruchsthal ; dagegen trennt
eine nicht sehr hohe Wasserscheide, welche orographisch kaum bemerkbar ist,
den östlichen Teil, etwa 10 km östlich von dem Durchbruchsthale ab, und alle
von hier ab weiter nach Osten aus den Bergen der Hauptkette kommenden
Flüsse senden ihr Wasser im Flüsschen Dsurge-gol durch die sumpfigen Niede-
rungen am Südfusse der Vorkette nach Osten dem Hoang-ho zu, ohne ihn
aber zu erreichen; sie bleiben in Sumpfniederungen stecken.
Das weite Flächengebiet der orographisch ganz einheitlichen und als echtes
Längsthal zwischen zwei parallelen Gebirgsketten verlaufenden Choka-Depression
gehört demnach zu zwei Flusssystemen, von denen das westlichere seinen Ausgang
nach Norden und Nordosten nimmt, während das östliche nach Osten ab-
fliesst. Es dürfte ein interessantes Problem sein, die Entstehung des Durch-
bruchthales durch das 500 m hohe, aus harten Sandsteinen und Grauwacken
mit festen Bänken von Korallenkalken bestehende Gebirge zu erklären, wo doch
in dem Längsthaie gegen Osten hin nur eine niedere, heute ganz von Lehm
überdeckte Scheide von etwa nur 20 m Höhe zu überwinden gewesen wäre.
- 3l6 -
Die Vorkette, deren Südfuss der Weg noch zwei Tagemärsche lang folgt,
ehe er sich durch die Thalfläche zum Hauptgebirge wendet, nimmt an Höhe
nach Osten bedeutend ab und ist nur noch als Hügelzug zu bezeichnen, aber
morphologisch doch noch gut erkennbar; die Korallenkalke sind verschwunden,
infolge davon auch die schroffen Formen, bis an ihrem östlichen Ende, nahe
am Hoang-ho, plötzlich wieder solche auftauchenden Kalke den fast isolierten
»heiligen Bei^« zwischen den beiden Ebenen bilden. Weitere Durchbruchs thäler
durch diese Vorkette sind nicht vorhanden, die in ihren niederen Teilen
Haupikainra di's Siin-si-bei-Gcbiiges, im VoriliTgruadc die Cliokn-libene bei Lii^fr Will.
(,Nach Süden cc»elicQ.)
vollkommen Steppen Charakter zeigt, und auch hier noch von zahlreichen wilden
Eseln und Antilopen besucht ist.
Hat man die sumpfigen Niederungen, welche längs unbedeutender, nach
Osten gehender Wasserläufe, besonders im nördlichen und mittleren Teile der
Choka-Ebene sich ausdehnen und gegen den iheiligen Berg» hin auch kleinere
offene Wasserflächen bilden, hinter sich, so findet man am Fusse der Hauptkette
wieder dieselben Verhältnisse, welche weiter westlich, vor der Abgliederung
der Vorkette und dem Auftreten des altvulkanischen Massives, diese Kette
ausgezeichnet hatten. Die Höhen sind noch recht bedeutend und gehen bis
über 800 m über die Choka-Ebene. Von Süden kommende Querthäler bringen
tiefe Einschnitte hervor und die Kammlinie verläuft stark auf- und abspringend.
Durch diese Thäler führen Wege nach der Südseite des Hauptkammes und es
wurden auch wirklich Tanguten mit einer Yakkarawane aus einem dieser Thäler
— 3'? —
kommend gesehen. Auch Prschewalskij hat diese Kette des San-si-bei unweit
des Hoang-ho auf seiner vierten Reise überschritten.
Die der Ebene zunächst liegenden Höhen des Gebirges bestehen aus-
schliesslich aus kristallinen Schiefern und aus alten Sedimenten mit zwischen-
gelagerten, harten, grauwackeartigen Sandsteinen und groben Konglomeraten
ohne jede Spur von organischen Resten. Die Felskhppen und Abstürze werden
von diesen Sandsteinen gebildet, deren Oberfläche immer durch die rasenartige
Ueberwachsung mit Flechten ein buntes Aussehen erhalten hat. Alle diese
Schichten sind steil aufgerichtet oder stehen ganz vertical und ihre Streich-
Chokü-libfiie un.l Sini-si-lici b.i l^^i-r \X. (Steiljrost eilte Sitiitht™, iiiich Süllen KPSfheii.)
richtung ist eine ost-westliche; weiter nach Süden, wo die höchsten Berge dieser
Hauptkette liegen, müssen auch mächtige Granitstöcke mit zahlreichen Gang-
gesteinen auftreten, nach der ausserordentlichen Häufigkeit dieser Gesteine als
Gerolle in den von dort ihren Ursprung nehmenden Bachbetten zu schliessen.
Auch hier geht die Lehmdecke ziemlich hoch an den Bergabhängen hinauf
und noch in 300 m über dem Lagerplatz in der Ebene von etwa 3450 m Höhe
wurden in dem Gehängelösse zahlreiche Landschnecken aufgefunden, die an den
sonnigen Felsgehängen lebten. Längs des Gebirgsfusses und an den Flussufern
erreichen die Lehme grössere Mächtigkeiten, Sie verdecken überall die Schotter-
massen der Flüsse und bedingen auch hier die gleichmässige Steppengrasdecke,
welche aus der Niederung an die Gebirgsabhänge hinaufreicht.
Von den Höhen aus kann man schon deutlich das Strombett des Hoang-ho
in seinem Laufe durch die Hochsteppe an der steilen Böschung der Uferwände
erkennen; ein langer dunkler Strich unterbricht das einförmige Gelbgrau der
- 318 -
ebenen Steppenfläche und zieht sich weit nach Norden hinaus, vorbei am
Ostabfall des »heiligen Berges«. (Siehe die untenstehende Textfigur.) Gegen
den Fluss hin werden die Berge dieser Hauptkette des Semenow-Gebirges immer
niedriger; die grösseren Höhen erscheinen erst weiter im Süden und längs des
nördlichen Gebii^fusses zur Ebene sind bald nur noch Hügel, die auch ver-
schwinden, lange ehe man den Hoang-ho erreicht.
Es zieht sich somit hier die Steppenftäche längs des Flusses weiter nach
Süden vor und ein weiteres, grosses Langsthal mit hohen Bergen im Hintergründe
und auf der südlichen Seite kommt aus westlicher Richtung zum Flusse hinab.
Diese Berge der Südseite des Längsthaies treten mit östlichem Streichen an
den Hoang-ho heran, setzen auch auf dessen rechter Seite fort und bilden das
HoHUK-ho-Steppe mit der Hial-Schlucht des Haang-ho und dem Atnoe-wnicn-Ber^ (d).
Vom San-sl-bel nach Nordoiten geieheD.
eigentliche Felsenthor in den Bergen, durch welches er die tibetische Gebirgs-
welt verlässt. Hier tritt er in die ebene Steppe und sein Bett verläuft zumeist
in groben Schottermassen und Kiesen, sowie in den roten Sandsteinen und
Konglomeraten der tertiären Quetae-Formation, die aus alten Seeablagerungen
besteht. Da, wo noch anstehende Gesteine der alten Schieferformation im Fluss-
bette Klippen bilden und dasselbe einengen, treten sie doch nicht aus der mächtigen
Schotter- und Geschiebedecke hervor, deren Oberfläche die ebene Steppe trägt.
Von seinem Austritt aus den hohen Gebirgen gehört der Hoang-ho dem
Steppengebiete an, bis er von neuem in engem Gebirgskanale seinen weiteren
Weg nach Osten nimmt. Somit fallt die Schilderung seines Laufes auf der
Strecke von oberhalb Balekun-gomi, wo er überschritten wurde, bis Kuei-tö hsien
(= Quetae oder Guidui] noch in den Kreis der süd-küke-nurischen Hochplateaus
und Steppen.
Nähert man sich dem Flusse von Westen aus der in der Nähe desselben
besonders dürftig aussehenden Steppe, so sieht man sich plötzlich einem Steil-
— 319 -
randc gegenüber, durch den jäh abfallende Schluchten in die Tiefe hinabführen,
in welcher zunächst noch kleinere Hügel und Vorsprünge der Schotterterrassen
das eigentliche Flussbett selbst verdecken. Die Breite des ganzen Thal-
einschnittes in der Steppenebene ist sehr wechselnd; bei Balekun-gomi sind die
Thalwände 2—3 km auseinander, während am Dschupar- Gebirge die obersten
Terrassenränder sich in 5 km Entfernung gegenüber stehen. Der Absturz des
Steppenplateaus zu der nicht überall entwickelten Fläche der zweiten Terrasse
beträgt etwa 430 m; von dieser Terrasse zu einer dritten Terrasse, die sich
Schlucht zum Hoang-ho- Bette io den CoDa;laineraten iler Steppenfläche.
nördlich ilct Austrittes des Flusses aus ilem Dschupar-Gebirfre, Dordwestlich von Lager XXII.
30 m über dem Flusse befindet und mit steiler Wand gegen diesen abstürzt,
ist die vertikale Differenz 45 m. so dass der Wasserspiegel 525 m unter der
Steppenfläche liegt. Die oberen Thalränder sind vielfach tief eingeschnitten
durch kleinere und auf der rechten Seite des Hoang-ho auch grössere Neben-
thäler, die sich tiefe Schluchten in das Steppenplateau eingegraben haben.
Wo die untere Thalfläche am Flusse breit genug ist, wie bei Balekun-
gomi und Kuei-tÖ hsien (= Quetae), sind Ansiedelungen und wird Ackerbau
getrieben; an andern Stellen aber wieder verengt sich die ganze Thalschlucht
auf geringe Breite und neben dem wirbelnd dahineilenden Fluss ist kein Platz
für den Menschen.
Die Steppe hat als Untergrund zunächst eine Lehmdecke von einigen
Metern Mächtigkeit und unter dieser liegen in sehr grosser, vertikaler Stärke
- 320 -
grobe Kiese und Schotter, deren Schichten ein leichtes Einfallen von lO* nach
Norden zeigen. Die Erosion hat überall in dem Steürand der Schotterablage-
rung steilwandige Schluchten geschaffen, deren Wände mit grünen Büschen
bekleidet sind, und in denen sich als Seltenheiten auch Laubbäume be-
finden. Es sind an exponierten Stellen wunderbare Höhlungen und vor-
springende Pfeiler und Erker entstanden und in den groben, konglomeratischen
Schichten sind ganze Bergabhänge mit Säulen und Erdpyramiden versehen.
Kaskadenartig steigt der steile Bei^bhang zur Tiefe, und wo Steinplatten oder
Schlucht des Hoaoe-ho und PiUire am Aosiritt aus den Dachapar-GebirKc bei Lager XXII.
Gerolle im Lehme die direkte Wirkung des Regens aut die Wegführung des-
selben verhinderten, während die benachbarten Lehmtetlchen ohne Stein-
bedeckung weggeschwemmt wurden, erheben sich die solcherart geschützten
Teile zu beträchtlicher Länge. Ganze Kämme zwischen den Wasserrissen am
Bergabhänge tragen solche Gebilde, die oben alle mit dem schützenden Stein
wie mit einem Hut bedeckt sind.
Unter dem Steilabsturze fuhrt sanfteres Thalgehänge mit Matten und
Wiesen zum Bette des Flusses selbst, der in engem, felsigem Kanäle, dessen
Uferwände hier 30 m hoch senkrecht sich erheben, seinen Weg findet Man
erreicht den FIuss an einer Stelle, wo er, durch Schiefergesteine eingeengt, sich
durch ein Felsenthor zwängt und unterhalb desselben quirlend und gui^elnd
sich in weiterem Bette ausdehnt, nm nach kurzem Laufe wieder in Felsengen
TAFEL XXII,
— 321 —
und Schluchten zu treten. An dieser Stelle des etwas breiteren Flussbettes mit
ruhiger fliessendem Wasser wagen es auch die Tibetaner, mit Fahrzeugen den
immer noch reissenden Strom zu übersetzen. Bei den einengenden Felsen ober-
halb der Ueberfahrtsstelle macht der Fluss einen imponierenden Eindruck, der
beim ersten Anblick von der Höhe des Ufers aus sich nicht einstellen wollte.
(Siehe Tafel XXII.) Ruhig, wenig rauschend drängen sich die Wassermassen
unaufhörlich wirbelnd vorbei; hier dringt aufsteigendes Wasser im Strudel in
die Höhe, gleich daneben zieht ein quirlender Trichter das Wasser in die
Tiefe hinab. Es sind keine Wellen an der Oberfläche und die Macht des
dahinschiessenden Stromes lässt auf grosse Tiefe schliessen.
Versuche, in diesen kochenden Wassern, direkt unter der Felsenenge die
Tiefe zu bestimmen, misslangen infolge der zu grossen Gewalt der Strömung;
aber das ist sicher, dass mit 12 m der Boden noch nicht erreicht war. An
den Ufern, wo die Fahrzeuge am nächsten zu der engen Stelle hinkommen,
beträgt die Tiefe schon 6 m und 8 m; aber das ist im Rückstrom, der von
den gewaltigen Wirbeln erzeugt wird und an den beiderseitigen Ufern mit
ziemlicher Stärke nach aufwärts zieht; hier ist jedenfalls die Wassertiefe um
ein Bedeutendes geringer als in der strömenden Mitte.
Aus dem Umstände, dass diese beiderseitigen Rückströmungen nach auf-
wärts bis direkt unter die einengenden Felsen hinführen, ziehen die Tibetaner
Nutzen, indem sie in ihren gebrechlichen Fahrzeugen dem Rückstrom nach
oben folgen bis an die äusserste Felsspitze, an welcher die wilde Strömung
und die Wirbel beginnen, und dann mit Aufbietung aller Kräfte auf die Ruder
wirken, um möglichst rasch die stark strömenden Stellen zu überwinden und in
das ruhigere Wasser der andern Seite zu gelangen. Je nachdem ihnen das schneller
oder langsamer gelingt, werden sie einige hundert Meter bis fast i km nach
abwärts getrieben, ehe sie das Ufer erreichen. Es muss dann mühsam das Fahr-
zeug am Seil dem Ufer entlang hinaufgezogen werden, bis auch hier auf dem
rechten Ufer an der einengenden Stelle der Rückstrom in derselben Weise benutzt
werden kann. Insofern ist ein Unterschied zwischen den Strömungsverhält-
nissen, als bei der Fahrt vom rechten izum linken Ufer das starke Abtreiben
nicht erfolgt und das gegenüberliegende Ufer schneller und weiter oben erreicht
wird. Der Grund dafür liegt darin, dass der Fluss eine schwache, nach Westen
konvexe Biegung macht und das Wasser unterhalb der Felsenge stark nach
der Westseite drängt, so dass die Schiffsleute durch ihre Ruderarbeit auch
diese Strömung noch zu überwinden haben.
Die Fahrzeuge sind sehr primitiv und nach dem schon seit uralten Zeiten
angewandten Prinzipe konstruiert, dass man mit Luft aufgeblasene Häute als
schwimmende und tragende Kraft benutzt Die auf der folgenden Seite
stehende Abbildung zeigt ein solches Fahrzeug. Auf sechs oder acht grossen,
mit dem Munde aufgeblasenen Säcken aus Yakhäuten ruht ein aus Balken
zusammengesetztes Gestell von vierseitiger, nach vorn verjüngter Form; vorn
Futterer, Durch Asien. 21
— 322 —
ist nochmals ein zweiter derartiger, gitterförmiger Aufsatz. An kräftigen Pfosten
bewegen sich, die breiten Ruder, die zu je zwei vom und hinten angebracht
sind. Auf dem Balken - Gitterwerk werden die Gepäckstücke verstaut und auf
diesen nimmt man Platz. Ein oder zwei Fährleute stehen vorn, einer hinten,
und bewegen mit grosser Geschicklichkeit ihr ungefüges Fahrzeug an den
Felsen entlang vorwärts und schliesslich über die StrudeL
Pferde und Yaks werden derart befördert, dass sie an kurzem Stricke
hinter dem schwankenden Fahrzeug durch den Fluss geschleppt werden. Ein
kritischer Moment war es, als bei einer meiner Ueberfahrten ein solches nach-
geführtes Pferd In Angst vor dem kochenden, wirbelnden Wasser mitten auf der
schlimmsten Stelle den Versuch machte, mit den Vorderfussen auf das Fahrzeug
Fährboot nus nufE^blaEenen V'ak-Häut«n auf dem HoaDg-ho bei La^cr XXII
.-un AuBttitt aus dem DBchopar-Gebirije.
ZU gelangen, das ausser den SchifTsleuten und mir noch einen Mongolen und
eine Mongolin führte. Unfehlbares Hinabgleiten ins Wasser wäre die Folge
gewesen, wenn es uns nicht gelungen wäre, das Pferd so nahe heranzuziehen,
dass es mit der Nase den letzten Balken berührte. So war kein Raum mehr
für das aufgeregte Tier, die Füsse wirWich heraufbrit^en zu können. Hals-
brecherisch sehen diese Fahrten aber immer aus, sowohl vom Ufer wie auf
dem Schiffe selbst, besonders wenn drei Yaks auf einmal mitgenommen werden.
Diese Tiere schwimmen recht gut und gehen auch gerne ins Wasser; st^ar
ins tiefe Wasser, sehr zum Nachteil der Lasten, die sie tragen, wie unsere Ex-
pedition gleich am ersten Marschtage beim Uebersch reiten des durch Regen
angeschwollenen Si-ning-Flusses zu ihrem Schaden erfahren musste. Aber
hier hatten sie doch Angst. Die Pferde durchschwammen frei und allein,
ohne Führung, den Fluss, als man sie erst in das Wasser getrieben hatte;
als aber die unetfahreiieii Chinesen unserer Karawane denselben Versuch mit den
— 323 —
42 Yaks machten, scheuten sich die Tiere, in das offene Wasser hinauszu-
schwimmen, und drängten am Ufer entlang; dabei kamen sie nach aufwärts
in die Rückströmung am felsigen Ufer, das keinen Ausweg bietet; die vordersten
drängten zurück, die hinten befindUchen konnten nicht ausweichen und so
ertranken hier lO Stück. Die andern wurden nur mit Mühe gerettet, da man
von dem hohen, senkrecht abfallenden Felsufer die Tiere vom Lande aus
nicht zurücktreiben konnte. Da zeichneten sich durch werkthätige Hilfe die
Fährleute aus, die leider nur zu spät für viele der Yaks zur Stelle kamen. —
Besonders ein Mann machte sich verdient, indem er einen grossen aufgeblasenen
Sack vor die Brust band und so schwimmend eine Anzahl von Yaks aus der
gefahrlichen Nähe der Wirbel wegzog. Man sah, dass es keine Kleinigkeit für
ihn war, mit dem strudelnden Wasser fertig zu werden, und oft wurde er,
nahe am Ziel, zurückgeworfen.
Der Verkehr über den Fluss an dieser Stelle ist ziemlich rege. Während
der zwei Tage, die wir am Flusse zubrachten, kamen des öfteren reisende
Tibetaner mit ihren Tieren oder auch Lamas und Hessen sich hinüberfahren.
Was die Wasser menge des Flusses anbelangt, so sind für deren Beurteilung
folgende Beobachtungen vorhanden. Die Geschwindigkeit des Wassers wurde
viermal gemessen, nachdem am Ufer eine Strecke von 121,7 m abgesteckt
worden war; die vorbeitreibenden Fährboote wurden als Marke benutzt, und
es ergab sich als Mittel dieser vier Bestimmungen die Geschwindigkeit des
Wassers als 2,76 m in der Sekunde. Demnach hat der Fluss hier eine bedeu-
tend raschere Bewegung als in dem auch breiteren Thale bei Balekun-gomi,
wo Prschewalskij die Geschwindigkeit zu 1,5 m in der Sekunde ermittelte.
Dort friert auch im Winter vom November bis in den Februar das Wasser
zu, was bei der stärkeren Strömung am Austrittspunkte aus dem Dschupar-
Gebirge als unwahrscheinlich erscheinen muss. Die Breite wurde an zwei
Stellen unterhalb des engen Durchbruchthores trigometrisch gemessen und zu
129 m und 136 m berechnet. Legt man zur Berechnung der Wassermasse des
Flusses einen Querschnitt zu Grunde, der bei 130 m Breite und durchschnitt-
licher Tiefe von 10 m den thatsächlichen -Verhältnissen am nächsten kommen
dürfte, so ergiebt das einen Querschnitt des Wassers von 1300 Quadratmeter
und bei der Geschwindigkeit der Bewegung des Wassers von 2,8 m in der
Sekunde die Wassermasse von 3640 Kubikmeter, die in einer Sekunde vorbei-
fliesst. Das würde der Wasserstärke der Donau am Eisernen Thor entsprechen,
die etwa 3600 Kubikmeter Wasser in der Sekunde im Jahresmittel vorbeiführt.
Da der Hoang-ho etwas weiter unterhalb bei Kuei-tö hsien seinen Hoch-
wasserstand im Juli und August hat, während meine Messungen am 17. Sep-
tember vorgenommen wurden, so dürfte beim höchsten Hochwasser die Wasser-
menge des Flusses noch höher anzusetzen sein.
An der Ueberfahrtsstelle besteht das linke, steile Flussufer hauptsächlich aus
Sandsteinen und Thonen, über welchen bei ihrer etwas nach Norden geneigten
21*
— 324 -
Stellung die horizontalen Flussschotter in grosser Mächtigkeit von über 500 m
honzontal und somit diskordant lagern. Das rechte Flussufer ist, zunächst am
Flusse sanft ansteigend, aus FlussgeroU und Sand gebildet, und erst in
einiger Entfernung kommen auch hier steilere Böschui^n mit den Schichten
der Conglomerate und Flussgerölle. Das gilt aber nur für eine etwa i'/» km
lange Strecke bei der Ueberfahrtsstelle ; gleich weiter unten tritt der Fluss wieder
in eine steilwandige, enge Schlucht im Steppenplateau, von dem sich steile
Runsen und gelegentlich auch steile Thaleinschnitte zum tief liegenden Fluss-
bette hinabziehen. (Siehe Panorama auf Tafel XXIII).
So ist der mächtige Strom nach seinem Gebirgsaustritte in der Steppe förm-
lich begraben und an der Oberfläche nicht sichtbar, wie etwa der Rhein von
HoniiK-lio Im Sleppenplatenu nach seinem Austritt aixt dem Dwlmpar-Gehitce bei l^er XXIII.
Schwarzwald und Vogescn aus. Nur ein dunkles Band des oberen Teiles der
hohen Uferböschungen zeigt an, dass er sich zunächst nach Norden wendet
und dann in grossem Bogen nach Osten wieder einem engen Gebirgsthale
zustrebt. Das Panorama auf Tafel XXIII ist von einem Vorsprunge auf dem
östlichen Plateau-Rande aufgenommen. Es zeigt rechts deutlich die ebene
Steppen-Plateau-Fläche mit dem Amne-waien-Berge im Hintei^frunde, während
links die an den Hoang-ho herantretenden Berge des San-si-bei sichtbar sind.
Gegen die oberen Teile des Laufes vermag der Blick von hier nur wenig
weit zu dringen. Wie ein Riegel von Bergen legen sich die hohen Kämme
von Osten nach Westen über den Fluss, und nur von hohen Bergen aus
sieht man, dass, getrennt durch eine niedrigere Fläche, noch weiter im Süden
sich wiede/ eine gewaltige Bergkette, das Ugutu-Gebirge, mit zackigen, hohen
Schneegipfeln erhebt. Dort beginnen die grossartigsten Thalstrecken des
gros.sen Stromes, wo er unbezwungen die felsigen Festen einer hohen Gebirgs-
.4^*>
— 325 —
weit in engem Thale durchbricht, dessen Wände sich zu Felsendomen von
500 m Höhe und mehr erheben.
An einer Stelle noch hat ihn Prschewalskij etwas weiter oberhalb gesehen,
als er den San-si-bei überschritten hatte und seinem linken Ufer in einiger
Entfernung bis zum Tschurmün-Flusse folgte; die Einmündung dieses Flusses ist
zwischen 500 m hohen Wänden des Thalplateaus, das also ebenso hoch ist wie
die vertikale Distanz vom obersten Terrassenplateau bis zum Wasserspiegel an
der Austrittstelle am Dschupar-Gebirge. Die unterste Terrasse erhebt sich
60 — 70 m über den Hoang-ho, dessen Thal dort 160 — 180 m breit ist, und
der in sehr heftiger Strömung dahinschiesst; etwas weiter unten, an der
Einmündung des Bagha-Gorgi im Süden der San-si-bei-Kette, ist seine Breite
nur 75 — 90 m. Auch weiter oberhalb hat die Engschlucht einen ähnlich wilden
Charakter. Dort hinein kann sich der Fuss des Forschers nicht wagen und von
hier ab legt sich das Dunkel des Geheimnisses über den rätselreichen Strom.
Zur Vervollständigung des geographischen Bildes des weiteren Küke-nur-
Gebietes und der Dabassu-Ebene bis zum Hoang-ho darf eine Uebersicht über
die allgemeinen Witterungsverhältnisse wie sie zur Zeit der Reise — Anfang
August bis Mitte September — hier geherrscht haben, nicht fehlen, um so
mehr als sie nicht ganz den Vorstellungen entsprachen, die wir uns von den
Herbstmonaten auf der tibetanischen Hochfläche gemacht hatten. Hatte man
heisse Hochsteppen, grosse Trockenheit und Wasserarmut erwartet, die leichtesten
Sommerkleider in Bereitschaft und auf die Häufigkeit starker, stürmender Winde
gerechnet, so zeigte wenigstens die angegebene Zeitspanne davon so gut
wie nichts.
Im allgemeinen war das Wetter sehr feucht, regnerisch und kühl, die
Nächte in den höheren Regionen von 3500 — 4000 m direkt kalt, und seit
Ende August verschwand der Schnee nicht mehr von den Bergeshöhen über
4000 m. Infolge der regnerischen Wetterlage fehlte es nirgends, auch nicht in
der Steppe an Wasser, wenn auch nicht alle Geröllbetten von Wasserläufen solches
führten. Es war auffallend, welcher Wechsel in der Vegetation sich einstellte,
als wir aus den einförmigen Gehängen des östlichen Semenow-Gebirges in die
Schluchten am Hoang-ho eintraten, die mit Sträuchem dicht bewachsen waren
und selbst Bäume enthielten, während dort nur eine dürftige Grassteppendecke
ausschliesslich Berg und Thal überzog. Die Bäume in den engen Schluchten
waren Populus Przewalskij Max. und die Mitte September noch blühenden
Sträucher Carragana pygmaea var. grandiflora Max. und das milde Klima
Hess hier viele Blüthen die Grasflächen am Flusse schmücken. Ich erwähne
nur: Allium Przewalskianum Bey, Salsola Kali L., S. arbuscula Fall, Eurotica
ceratoides Schreb. Delphinium g^andiflorum L. var. Gmelini Rehb., Clematis
Orientalis L. var. tangutica Max., Berberis integerrima Bge. var. stenophylla Max.,
Potentilla fruticosa L., Gentiana Kurroi Royle, G. straminea Max., Dracoce-
phalum tanguticum Max., Lycium ruthenicum Murr., Adenophora Gmelini Fisch.,
— 326 —
Aster altaicus Willd., Anaphalis lactea Max., Leontopodium Futtereri Diels,
Tanacetum tenuifolium Jacq., Picris hieracisides L. Von Tieren wurden hier
eine Turteltaube (Turtur orientalis) und ein Gänsegeier (Gyps himalayensis) den
Sammlungen einverleibt. Dem Schutze der Hoang-ho-Schlucht verdanken auch
die weiter flussabwärts gelegenen, kleinen Oasen von Balekun-gomi und dem
Städtchen Kuei-tö hsien ihre Fruchtbarkeit und reiche Vegetation gegenüber
den sie umgebenden, über der Hoang-ho-Schlucht gelegenen Steppen und
Wüstenflächen. Reiche Vegetation fand Prschewalskij ferner weiter oberhalb,
an der Schlucht der Einmündung des Tschurmün, eines linken Nebenflusses des
Hoang-ho im Süden des San-si-bei-Gebirges. Auch dort fuhren Schluchten zum
Flusse hinab, der auf 450 m tiefer gelegener, 2 — 3 km breiter Ebene mit Wald-
bedeckung in Windungen dem Hoang-ho zufliesst.
Die Tagestemperaturen der Luft im Schatten hielten sich im Mittel
zwischen + 15® C. und 20® C; nur ausnahmsweise kamen höhere Temperaturgrade
von über + 20^ C. vor. So waren durch höhere Wärme der 16. und 18. August
am Küke-nur.mit + 22,75® C. und + 24,0® C. ausgezeichnet; auch die Tage
vom 30. August bis 4. September waren etwas wärmer. In der Dabassu-Ebene
und der im tiefen Thal gelegenen Station XXII am Hoang-ho stieg das Maximum
der Lufttemperatur im Schatten sogar noch auf + 28,75® C. am 15. September,
und ebenso war hier der folgende Tag mit + 27,5® C. als Maximum recht
warm. Auf der freien Steppe aber war das höchste Maximum der Lufttemperatur
im Schalten am Nordfusse des mittleren Semenow-Gebirges am 3. September
nur + 25,75® C. Prschewalskij berichtet gleichfalls über trockene, warme Luft im
tiefen Thale des Hoang-ho in der Steppenebene, wo Ende März das Thermomter
zur Mittagszeit schon + 25,3® C. zeigte, während auf der Steppenhochebene
am II. Mai in der Nacht die Temperatur auf — ii,5® C. sank. Die niederste
Tagestemperatur der Luft weist der 7. September mit -|-i3,o®C. ebenfalls am
Nordfusse des Semenow-Gebirges an hochgelegener Station XV (3860 m) des
Porphyrgebietes im Gebirge auf
Die Nachttemperaturen der Luft sanken schon vom 23. — 25. August unter
o® C. und lagen auch sonst meist unter + 10® C, zum Teil schon nahe an o® C.
In der ersten Hälfte des September lag mehr als die Hälfte der Nacht-
minima der Lufttemperatur unter o® C. bis zu — 3,5® C. und die andern meist
nur wenig, im Maximum aber + 6,5® über o® C.
Die höchsten Unterschiede von Tag- und Nacht-Lufttemperatur betrugen
25,72 ®C. und wurden am 3. September am Nordfuss des mittleren Teiles des
Semenow-Gebirges gemessen; ähnlich hohe Unterschiede waren auch noch später
im September in der Nähe des Hoang-ho zu verzeichnen, im August aber er-
reichten sie nur zwei mal am 17. August mit + 20,5® C. im Taotan-ho-Thale
und am 30. August mit + 22,75® C. mitten in der Dabassu-Ebene ähnliche Höhe.
Die stärkste Sonnenstrahlung und höchste Intensität ihrer Stärke wurde
am 17. August noch im Taötan-ho-Thal mit -f 5^,75^ C. gemessen. Aehnlich
— 327 —
stark war sie auch in dem tief liegenden Lager am Hoang-ho am 15. September
mit + 48,5® C. und 16. September mit + 50,S® C. während sie sonst meist
nur Grade zwischen + 35® und + 45^ erreichte.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft war im Küke-nur-Gebiet um diese Zeit
ganz allgemein ein hoher; aus der Höhe der Differenzen der Temperaturangaben
eines trockenen und eines feuchten Verdunstungs-Thermometers wird der Gehalt
der Luft an Wasserdampf berechnet, und je geringer diese Differenz, um so höher
ist im allgemeinen der Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Hohe Differenzen von
IG® C. und etwas mehr kamen nur am 2. und 3. September, den schon
mehrfach erwähnten Tagen am Nordfusse des mittleren Semenow- Gebirges,
und im Lager am Hoang-ho am 15. September um die Mittagszeit vor. In
andern Jahren mögen die trockenen Tage häufiger und bei starker Hitze
auch ärmer an Feuchtigkeit sein, obwohl das Klima als feucht im Sommer
gilt; aber im Jahre 1898 waren vom 11. August bis 15. September, also von
36 Tagen nicht weniger als fünf, absolute Regentage und 15 solche, an denen
es wenigstens morgens, mittags oder spät abends noch regnete. Häufig waren
auch starke Gewitter, die zumeist aus dem Nordwesten kamen und oft von
heftigen, fast tropischen Niederschlägen und Hagel von Erbsengrösse begleitet
waren. Meist kamen sie am Nachmittage, aber keine Tageszeit, weder Morgen
noch Nacht war ganz sicher vor ihnen.
Die vorherrschenden Winde kamen zumeist mit Wolken aus Nordwest
und Westnordwest über den See gezogen. Wolkenrichtungen direkt aus West
und bis zu W. 45® S. wurden auch gelegentlich und vereinzelt beobachtet; sehr
häufig dagegen waren auch die Winde aus Südost, die ebenfalls Regenwolken
brachten. Letztere waren stets niedrig, während immer die Cirrus- und Stratus-
wolken aus westlicher Richtung hoch über jenen zu schweben pflegten. An der
Oberfläche herrschte dasselbe Verhältnis; Winde von Nordwesten mit starker
Annäherung an westliche Richtung waren am häufigsten, sodann kamen die
Winde aus SO.; aus Südwestrichtung traten auch vereinzelt Winde, ebenso wie
etwas häufiger aus Nordosten auf. Der in der Dabassu-Ebene und Dabassu-Gobi
an klaren Tagen aus Westnordwest auftretenden Winde, die am Nachmittag von
2 h — 6 h wehen und nur die Luft trüben, ist schon oben gedacht worden. Ganz
dieselben Beobachtungen machte Prschewalskij, der am oberen Hoang-ho und
Küke-nur feststellte, dass der Regen fast immer von Westen und nur in den
seltensten Fällen von Osten kam; im Nan-schan dagegen bringen Südostwinde
zumeist den Regen. Auch in der Wüste Gobi, für die starke Frühjahrs- und
Winterstürme charakteristisch sind, kommen diese immer von Nordwesten.
Die Geschwindigkeit eines Gewittersturmes am 24. August, ebenfalls aus
Nordwesten, betrug in einer seiner schwächeren Phasen noch 10,075 m in der
Sekunde und die Gewalt des Hagelschlages war ebenfalls sehr stark. Gewöhnlich
gehen die Gewitter rasch vorüber und nach i — 2 Stunden ist der Regen vorbei.
Es giebt aber auch zahlreiche Tage, an welchen sich die Wolkendecke am
- 328 -
Himmel nicht lüftet, an denen es mit kurzen Unterbrechungen immerfort leise
regnet und auch die Nacht nichts besseres vom folgenden Tage erhoffen lässt
Solche Landregentage waren der ii. bis i6. August, der 21. und 22. desselben
Monats und ebenso auch die Tage vom 8. bis 11. September.
Die kräftigen Gewittergüsse, die der Küke-nur herüber sendet, erträgt der
Reisende gerne; aber die trüben Tage, an denen sofort der kalte Regen
sich in die Kleider hängt, jeder Stein, jede Pflanze von Wasser trieft, Aus-
sicht nur auf die schleichenden Nebel und Wolkenzüge ist und nichts übrig
bleibt, als im Zelte zu sitzen und abzuwarten, solche Tage sind eine Gedulds-
probe, und die Reise im Küke-nur- Gebiet war verhältnismässig reich an solchen.
TaoguleD tun Dschnpar-Gebir^ bei Lager XXfV.
IX. KAPITEL.
Das nordöstliche Tibet.
Zwischen dem Hoang-ho am Dschupar-Qebirge und dem oberen
Tbao-Thale bis Mln-tsch&u.
Bei seinem Austritte aus der tibetanischen Gebirgswelt und vom Nordfusse
des Dschupar-Gebirges, dessen Fortsetzung westlich des Hoang-ho wir unter
dem Namen Sansi-bei und Semenow-Gebirge kennen gelernt haben, durchfliesst
der mächtige Strom ein ausgedehntes Steppenhochplateau, das sieb weit nach
Westen gegen das wild- und viehreiche Tsai-dam erstreckt, nördlich bis zum
Süd-Küke-nur-Gebirge und im Osten bis zu den hohen Gebirgen reicht, welche
südlich von Kuei-tö hsien (Quetae) liegen und Ausläufer des 4900 m hohen
Dschachar-Gebirges bilden. Die Ausdehnung der Steppenflächen nach dieser
Seite hin ist indessen nicht mehr bedeutend, da das feuchtere Klima und die
regenreichen Winde von Osten die Hochplateaus aufgelöst und in reichen
Wechsel von Thälem und Bergen zerlegt haben. Schon der Weg, den Potanin
zuerst bereiste und beschrieb, der von Kuei-tö hsien In Südostrichtung
nach Min-tschöu und weiter in die Provinz SsS-thschuan aus dem Stromgebiet
des Hoang-ho in das des Yang-tz«-kiang führt, hat hohe Pässe in dicht gedrängten
Gebirgskämmen und tiefe, nach Osten gehende, von den tibetanischen Grenz-
gebirgen und der Wasserscheide zum oberen Hoang-ho herabkommende Thäler
zu überschreiten und die Gliederung des tibetanischen Hochlandes durch den
— 330 —
nach Osten und Südosten gehenden Wasserabfluss beginnt schon bedeutend
weiter westHch als jener Weg Uegt.
Die Möglichkeit, näher am Hoang-ho und höher oben den tibetanischen
Gebirgsabfall von Norden nach Süden erforschen zu können, erschien daher
von sehr hohem geographischem und geologischem Interesse. Es glückte in der
That auch, einen direkten neuen Weg vom Hoang-ho im Süden des Küke-nur
bis Sung-p'an thing ausfindig zu machen und in den Monaten Oktober und
November zurückzulegen, mit einer teils aus Yaks (42), teils aus Pferden (18)
bestehenden Karawane.
Von der Schlucht des Hoang-ho aus folgt der Weg zunächst dem Rande
der nördlichsten hügeligen Vorketten des Dschupar-Gebirges in ostsüdöstlicher
Richtung mehrere Tagemärsche weit Das höhere Gebirge liegt weiter im
SleppeDcbene am Nordfusse des DscImpBr- Gebirges UDi ThaltcUucbt des Hoang-ho.
Süden und die einzelnen Ketten sind durch Längsthäler, die noch nach Westen
zum Hoang-ho gehen von einander getrennt Auf der westlich vom Hoang-ho
gelegenen Gebirgsentwicklung ist zwischen die westliche Fortsetzung des Dschupar-
gebirges, den San-si-bei und die südlich folgenden hohen Ketten des Ugutu
eine breite Depression und Thalsteppenfläche eingeschoben, für die es auf
der östlichen Seite vom Hoang-ho an einer Fortsetzung fehlt; dort drängen sich
die Gebirgsketten enger zusammen und es entsteht die grossartige, himmel-
anstrebende Hoch-Gebirgswelt, welche der Hoang-ho in unzugänglichen Felsen-
thälern durchbricht. Noch weiter im Süden müssen auch die gewaltigen Gebirgs-
ketten und östlichsten Ausläufer der zentraleren, tibetischen Gebirge die Wasser-
scheide zwischen Hoang-ho und Yaug-tzö- klang in unersteiglichen, ebenfalls
noch unerforschten Höhen bilden. Die nördlichsten Teile dieser eben skizzierten
Gebtrgswelt sind die mit Steppengras bedeckten, in allmählichem Abfalle und
mit niederen Terrainwellen zur grossen Steppe am Hoang-ho und östlich davon
übergehenden Hügel und Vorbergzonen am Nordfusse des Dschupar-Gebirges.
1
&
— ?3 1 -
Sie bestehen ganz und gar aus sehr sterilem Boden; häufig
sind in den Thälchen und auf den Bergspitzen schrofTe
Abstürze und Felsklippen bildende Sandsteine, zwischen
welchen auch dunklere, weichere Thonschiefer eingelagert
sind. Ueber das ganze aber legt sich bis zu einer sehr •• •■
beträchtlichen Höhe an den Bergen hinaufreichend eine
LÖSS- und Lehmdecke, die in den Thaleinschnitten
noch bis i,o und i,S m, in Wechsellagerung mit Schottern
auch noch grössere Mächtigkeiten erreicht und selbst in
Bergeshöhen von über 4000 m nicht ganz fehlt, obwohl
sie dort schon stark mit losgelösten Teilen des anstehenden
Gesteins vermengt ist. ,j §
Sie ist die Trägerin und Ernährerin der Gräser und I'- "
sonstigen Pflanzen, welche sich auf dem Steppenboden ; t i
in zusammenhängender, jetzt im Herbste gelblich gefärbter . _,
Decke in die Thäler und an den Bergen hinaufziehen. ^
Auch Wasser ist in den kleineren und grösseren, aus dem i g
Süden kommenden Thälchen in dieser regnerischen Jahres- ' « _
zeit reichlich vorhanden, und so kann es nicht fehlen, 'v'j § g
dass längs dieses hügeligen Gebirgsvorlandes in den Thal- j ^ ^5
chen zahlreiche Tanguten mit ihren Herden sich auf- V ti j
halten. Kein Tag vergeht, ohne dass man ihren Zelten '.J -g o
begegnet, oder sie in der Ferne erblickt, wo sie wie ; | ^
schwarze Flecken auf der grünen Fläche erscheinen. An 1 J'' a ^
etwas feuchten Stellen ist diese Steppenoberfläche durch I { ' ^
einen herrUchen Flor von bunt blühenden Blumen ge- jjf V. ^
schmückt. Zu tausenden erheben sich die blassblauen ji ' .S
Stemenköpfchen einer neuen Art von Pleurogj-na (PI. ' ■' , §
macrantha Diels u. Gilg), ganze Gruppen bilden die tief- i'r S*
blauen, grossen Kelche einer ebenfalls neuen Enzian-Art; ' ' i,
vereinzeltes Edelweiss und ein Rasen von weissen, stroh- . (' Z
blumenartigen Anaphalis lactea Max. vervollständigen das ' s ^
bunte Bild, das der morphologisch monotonen Steppe hohen \^ ^
Reiz verleiht. Von andern Pflanzen, die im Dschupar- \ "
Gebirge und dem südhch davon gelegenen Berglande bis '' ■?
zum Hoang-ho gesammelt wurden, seien hier noch als i ; |
wichtigere genannt: Gesträuche von Berberis, die leider ',:• ^
unbestimmbar waren, kommen nicht selten an steileren ( ': ^
Thalgehängen vor. PotentiUa frutuosa L. ist vielfach ver-
breitet; die Wurzelknollen w.erden im Herbste eingesammelt * ,
und gekocht von den Tanguten gegessen (Dschuma). Auch
PotentiUa ansertna dient diesem Zwecke. Die gelben
— 332 —
Stengel mit den weissen Haaren von Senecio altaicus Schultz-Btp bedecken
stellenweise grosse Flächen auf der Steppe. Erst gegen Norden hin ändert
sich ihr Charakter. Vom hochgelegenen Wege aus i.st zu erkennen, wie vom
Gebirgsrande weg in dieser Richtung die Grasdecke dürftiger wird, Zelte und
Viehherden verschwinden, und jenseits der tiefen, engen Thatschlucht eines
grösseren Flusses, der von Ost und Südost her die ebene Steppenfläche dem
Hoang-ho zu durchströmt, erscheinen die eigentümlich scharfkantigen kleinen,
gelben Hügel- und Dünenformen der Sandwüste.
Weithin sichtbar durchzieht die Schlucht, mit ihren steilen, über 50 m tiet
abfallenden Thal wänden sich dunkel abhebend, die gegen sie hin leicht geneigte
Steppenfläche, und weit draussen im Nordwesten mündet sie in das noch
NordtuM des Dschapar-Geblr^es, östlich von Lager XXIV. Nach SiidcD g«««hen.
tiefer gelegene Hoang-ho-Bett, das man erst am fernen Horizont der Steppe als
einen dunklen Strich auf der hellgelblichen Fläche verschwinden sieht Das
schluchtartige Flussbett nähert sich weiter nach Osten mehr dem Gebii^rande;
seine Thalwände werden niedriger und das Bett selbst viel breiter; die oberen
Teile setzen sich aus weiten, welligen Steppenflächen zusammen an der Ver-
einigung der aus Nordost, Ost und Süd kommenden Oberläufe, welche den
Fluss selbst bilden. Jenseits der ausgedehnten, gras- und wasserreichen Thal-
weitungen erheben sich In Nordost und Ost hohe, schneeglänzende Gebirge;
sie erstrecken sich in nordwest -südöstlicher Richtung. Das westlichere davon
nimmt allmählich an Höhe gegen die Hoang-ho-Steppe hinaus ab und verläuft
sich in dem seinen Fuss umspülenden Sandmeere lange ehe es den Hoang-ho
erreicht Die weitere, noch höhere Bergkette, deren Gipfel sich über 4000 m
erheben, scheint von Westen gesehen hinter der ersten zu liegen; auch hat sie
eine mehr nach Norden orientierte Erstreckung. Sie gehört zu einem hohen,
— 333 —
vom Östlichen Teile des Dschupar-Gebirges nach Norden verlaufenden Gebirgs-
stocke, der die Wasserscheide bildet zwischen den westlichen Abflüssen direkt
zum Hoang-ho und solchen, die nach Osten gehen und ihn erst später er-
reichen. Prschewalskij hat den nördlichen Teil davon, das Dschachar-Gebirge
besucht, aber diese Höhen sind noch nicht genauer erforscht Der wilde
Charakter der Umrisslinien, die bedeutende Höhe, die grossen Schneeflächen
und senkrechten Bergwände, lassen aus der Ferne schon die orographische
Bedeutung dieses Gebirgsstockes erkennen. Eine Bergspitze des ersteren dieser
beiden hohen Bergkämme ist auf der russischen Karte mit der Höhe 12380 r.
F. = 3773 m bezeichnet, aber die Gipfel der zweiten Kette übertreffen diese
Tanguttocher Webstuhl am Dechupar-GebirEe bei Laffer XXIV.
noch bedeutend. Von den Bergen der Hauptkette des Dschupar-Gebirges ist
vom Wege längs des Bergfusses nach Osten wenig zu sehen, da die Vor-
bei^ sie meist verdecken und die kleinen Querthäler nicht so weit nach Süden
reichen.
Einen Tagemarsch entfernt vom Hoang-ho wurde an einem kleinen, aus dem
Dschupai^ebirge kommenden Flüsschen ein Lager (XXIV) dir längere Zeit auf-
geschlagen, weil ein Teil der Vorräte zu ergänzen war und Dr. Holderer zu
diesem Zwecke nach Kuei-tÖ hsien reiten musste. Die bisherigen chinesischen
Führer verliessen hier die Expedition, um nach Si-ning fu zurückzukehren, nach-
dem sie uns auf den Weg der südchinesischen Händler von Sung-p'an thing
ins Küke-Qur-Gebiet gebracht hatten. Von nun an waren wir ganz auf uns
selbst und die tangutische Führung angewiesen, die aber sehr häufig wechselte
und, je weiter gegen Süden, immer schwerer zu erlangen war.
- 334 —
In der Nähe des Lagerplatzes befand sich ein Tangutenlager, von dessen
Bewohnern Schafe, Milch und Butter zu erhalten waren. Wir wurden während
des ganzen, zehntägigen Aufenthaltes nie belästigt und auch die Neugierde der
Tanguten war kaum störend. Ein alter dicker Lama brachte mir Birnen zum
Geschenke und tauschte seinen Rosenkranz gegen eine Brille ein. Hier sah ich
auch Tangutinnen mit Weben der WoUenföden zu Tuchatreifen beschäftigt, die
zusammengenäht die Zeltdecken bilden. Die Figur auf vorstehender Seite zeigt
die einfache und sinnreiche Konstruktion des am Boden aufgeschlagenen Web-
stuhles. Die aus Yakwolle gedrehten dicken Fäden werden mittelst einer Spindel
durch die längsgespannten, sich durchkreuzenden Fäden durchgeschoben und
mit einem Brette der durchgezogene Faden fest an das schon fertige Gewebe
angeschlagen, sodann durch Herausnehmen des Brettes zwischen den sich
Thiilschlucbl {a- at) ilea HoaDg-ho im Dschnpar-Gebirce; im Hiateri^unde die Gebirgskette URiito.
Von einem Berge des Dscliupar-Gehirge» bei lag-er XXIV au» nach SUdwegten Reaehen.
kreuzenden Fäden die andere Kreuzung herbeigeführt und ein neuer Faden
durchgezogen. Das Gewebe wird sehr fest und dicht hergestellt.
Ich benutzte die Zeit hier zu Ausflügen zurück zum Hoang-ho und ins
Dschupar- Gebirge. Von den Bei^höhen aus kann man einen Einblick in die
Anordnung von Berg und Thal am Hoang-ho gewinnen.
Die auf einem Berge des Dschupar-Gebirges, einen Tagemarsch östlich
vom Hoang-ho aufgenommene, obenstehende Skizze zeigt das Thal des Hoang-ho
vor seinem Austritte aus dem Gebirge als tiefe, quer durch die Bergzüge ver-
laufende Schlucht, die hohen Berge der Vorkette und durch einen weiten
Zwischenraum getrennt, die Schneeberge des Ugutu im Süden. In den zum
Hoang-ho hinabfiihrenden Seitenthälern sind an den Thalgehängen mehrfach
noch grössere Bestände von Nadelholzwaldungen zu sehen. Es liegen alte, vom
Sturme umgerissene, vermodernde Stämme in Kreuz und Quer zwischen kräftigen
und hohen Bäumen über den Felsen der steilen Thalgehänge. Erst oben, wo
— 335 —
sich die Berge zur flachen Kuppel wölben, macht der Wald der Grasfläche Platz.
In den vom Hoang-ho entfernten Thälchen waren längs des Reiseweges weitere
Waldbestände nicht vorhanden; immer sind Grassteppe und Fels die ständig
wiederkehrenden Erscheinungen. Das ändert sich auch noch nicht, wenn man
das Dschupar-Gebirge überschritten und nach dem Abstiege gegen Süden von
einem 3600 m hohen Passe die weite Thalebene des Baa-Flusses erreicht hat,
die bei im allgemeinen Westsüdwest- ostnordöstlichem Verlaufe auf der Süd-
seite von einem Gebirge mit hohen, aber flachen Bergen begrenzt wird.
Der Weg durch die Hauptkette des Dschupar-Gebirges folgt zuerst einem
von Süden kommenden Flusse, der am Ende eines grossen, von Westen
kommenden Längsthaies, das eine felsige, zerklüftete Parallelkette abgliedert,
entspringt und hier auf die grosse Ebene ausmündet. Dann windet sich der
Weg nach Süden durch ein kleines Thälchen im Sandsteingebirge zwischen
Hügeln hinauf zum Passe und wieder südlich hinab, und erreicht hier einen
grossen, breiten, von Grasflächen bedeckten Thalgrund. Das Dschupar-Gebirge
ist an der Stelle, wo es überschritten wird, am niedrigsten; sowohl im Osten,
als auch insbesondere im Westen, sind bedeutend höhere Teile; die östlich
vom Passe gelegenen Berge, ebenso auch die zunächst westlich gelegenen, haben
alle denselben Charakter: die Bergformen sind oben flach und gerundet, die
Thalgehänge sanft und nur stellenweise sehen Felsklippen aus der Steppen-
grasdecke hervor, deren braungelber, herbstlicher Schimmer der ganzen Gebirgs-
landschaft einen eintönigen Charakter verleiht. Die Thäler steigen hier allmäh-
lich an und sind vielfach ganz trocken und ohne jede Spur von Geröllbett
oder sichtbaren Wasserwegen. Das Wasser sucht seinen Weg unter der Lehm-
decke, welche alle Thalgehänge und Thalböden überzieht und tritt erst an tiefer
gelegenen Punkten zu Tage. Durch besonderen Gebirgscharakter ausgezeichnet
sind nur die westlichsten Teile des Gebirges am Hoang-ho, die in schroff-
felsigen Formen bedeutendere Höhe erreichen, und besonders steil gegen die
Südseite hin abfallen. Derselbe Charakter ist auch der Parallelkette eigen, die
durch das grosse, oben erwähnte Längsthal auf der Nordseite der Hauptkette
von dieser abgetrennt ist.
Dem geologischen Aufbaue nach sind die Hauptkette beim Passe, sowie
weiter östlich, und die nördlichen Vorberge aus Sandsteinen gebildet, die mit
weichen, dunkeln Thonschiefem wechsellagern und sehr alten geologischen
Formationsgliedern angehören. Von Versteinerungen Anden sich nur selten
problematische Gebilde in den Schiefern, wie man sie auch von anderwärts aus
den ältesten, sedimentären Bildungen kennt, und von denen es zweifelhaft
ist, ob sie vegetabilischer oder animalischer Natur und in vielen Fällen, ob
sie überhaupt organischer Natur sind, oder ob sie vielleicht durch mechanische
Wirkungen auf die noch nicht verhärteten Thonschichten und deren Umbildung
zu Schiefem entstanden sind. Ob die morphologisch verschiedenen Teile des
Gebirges im Westen und in der nördlichen Parallelkette eine andere geologi-
Schmuckgehänge einer Taii|^Üii bei L^er XXIV am Dschupar- Gebirge.
sehe Zusammensetzung besitzen, muss dahingestellt bleiben. Es ist aber un-
wahrscheinlich, da unter den Gerollen der Flüsse, welche aus der letztgenannten
Kette herabkamen und den Weg kreuzten, nichts anderes vorkam als Sand-
steine neben dichten, grünen, harten Schiefergesteinen, wie solche als Ein-
lagerungen in den weichen Thonschiefermassen vielfach auch sonst im Gebilde
verbreitet sind.
Von der Passhöhe hat man einen weiten Ueberblick, sowohl auf das
Thalsystem des Hoang-ho im Norden und bis zu den fernen Gebirgen von
Kuei-tÖ hsien und Si-ning fu, wie auch nach Süden auf die weite Ebene des
Baa-Flusses und der sich weit südlich von ihr auftürmenden, riesigen Schnee-
berge. Eine weite Thatfläche kommt aus Ost-Nord-Ost und wird auf ihrer
rechten, nördlichen Seite von den Dschupar-Bei^en begrenzt. Eine andere, breite
Thalfläche kommt aus einem niedrigeren, ebenfalls in seinen Formen flachwelligen
Gebirge aus Osten, und die Gewässer der beiden vereinigen sich, um gemein-
schaftlich nach Westen zum Hoang-ho zu gehen. Es ist das Thalsystcm des
Baa-Flusses, das wir so übersehen. In dem unteren Teile des weiten Steppen-
thales fitesst der Baa-Fluss in einer in die Steppenfläche eingegrabenen, gegen
den Hoang-ho tiefer werdenden Schlucht
Das die beiden Thäler der Oberläufe trennende Gebirge hat flache Gipfel
bis zu 300 m Höhe und nur kurze Längserstreckung; von den Höhen des
linken Baa-Ufers erkennt man, dass es nach Osten hin bald niedriger wird, und
dass sich die niedrig gelegenen, oberen Gebiete der beiden Flüsse vereinigen
und noch weiter nach Osten reichen bis zum Fusse sehr hoher Schneeberge.
Diese scheinen zu der Wasserscheide der nach Ost und nach West gerichteten
TAFEL XXIV.
Schmuck^ehSn^e der Frauen in Nordost-Tibet.
1. Schmuckiidiätigc einer TanKUtin bei Lager XXIV am Nordfusse des Dschupar-Gebirges.
2. Dasselbe vom grossen S(.iie-tsi:he-Flus:-e.
3. Silbcr-Amukn ((lano) von Hla-sa. bei Lager XXVIII am Baa-Flusse.
4 — 0. Ohrringe der Taii^ulen am Üsi;hupar-Gcbir;;e und Baa-Flusse.
7, Silberbud;el von Kij,'. I, ^■ergrös^e^t.
- 337 -
Fluäsläufe zu gehören, von der schon oben die Rede war, und die auf den
Karten den Namen Mürgüma trägt Sie liegen in beträchtlicher Entfernung,
überragen aber bei weitem die Dschupar- und die zwischen den Oberläufen des
Baa-Flusses gelegenen Berge. Die beiden je 5 km breiten Thalflächen der
beiden Baa-Oberläufe enthalten gutes Weideland mit zahlreichen Jurten und
Herden der Tanguten; überall längs der Bei^gehänge, wo das Quellwasser
der trockenen Thäler zu Tage kommt, sieht man die viereckigen schwarzen
Zelte und ein reicher Viehstand an Schafen, Ziegen, Yaks und Pferden lässt
auf die Wohlhabenheit der Nomaden hier schtiessen.
Die geographische Breite des grossen Sommerlagers Luzaong*) in 7 km
Entfernung nach Norden vom Baa-Flusse wurde durch Sonnenhöbebeobachtung
zu 35" 3' 46" nördlicher Breite gefunden; also südlicher als die bisherigen
Karten fiir das Baa-Thal angeben.
SUJselte des Dschupar-Gebirgcs vom B.-ui-Flua» aus, bei L^er XXVUI.
Bei der aus etwa I03 Jurten bestehenden Hauptansiedelling des nörd-
lichen Baa-Oberlaufes residierte ein alter und wohlbegüterter Stammeshäuptling,
dessen äusseres Rangabzeichen eine Pfauenfeder auf der Kopfbedeckung war.
Seine Leute waren uns schon einige Tage, ehe wir den Platz, bei dem sich
unser Lager XXVII befand, erreichten, zu der Führung der Expedition be-
hilflich, ebenso nachher beim Weitermarsche. Der Alte war aber recht an-
spruchsvoll, auch ziemlich impertinent neugierig und liess sich seine Dienste
durch einen Repetierkarabiner mit 50 Patronen und einen Revolver lohnen.
Indessen war die Aufnahme in seiner Jurte und denjenigen seiner Anverwandten
in der Nähe eine sehr liebenswürdige. Thee und Tsam-ba war immer gleich
fiir die Gäste bereitet, die ausserdem mit den als weither importiertes Obst
hier wertvollen Birnen beschenkt wurden. Die Frau des Alten, eine würdige,
*) Die lan^uäachea Nameo bIdiI hier lo G:escliileb«D, wie icli sie mit dem Gehör auffasile
und In den Notizbüchero notierte. Bei dem Mangel aa Dolmetschern war über die Bedeutung der-
selben nichts zu erfahren, und vicUnch l>ln Ich unsicher, ob die Namen richtig siod, uad ob die
licfragtcD Leute richlii; Terstanden, was (gemeint war. N:u:h llerm HImlj's (cUdger Mitteilung künnte
der Marne ljir.:ntne mit ilcin tilx'IanischeD Lu-thsaUK (=t Dracbeiibülile) möglicherweise zusamuieahängea.
- 338 -
alte Matrone und fleisstges Jurtenmütterchen, war den Fremden gegenüber durch-
aus nicht, wie sonst die Tibetanerinnen, scheu und zurückhaltend; als sie mir
erlaubte, ihre Schmuckgehänge auf dem Rücken zu photographieren, hessen sich
auch die andern Frauen und Mädchen dazu bewegen, und einige der Abbil-
dungen der Frauen und ihrer Schmucktücber stammen von hier. (Siehe auch
Tafeln XXVI und XXVII, Fig. 3.) Eifersucht kennt aber auch der Tai^ute,
und ein junger Ehegatte Hess seine hübsche und reich gekleidete Frau nur
photographieren, als er selbst neben ihr aufgestellt wurde. Das freundliche
Wesen dieser Leute entschädigte einigermassen für die Zudringlichkeit vieler
TaDguliBcUe Familie in Luiaone. (Lagei XXMI nördlich yom Baa-Fluase,)
andern, die aus den Jurten von weit und breit herkamen, um die fremde
Karawane anzustaunen. Es wurden Pferde gekauft, schlecht gewordene Yaks um-
getauscht und der Verkehr mit den Leuten ging zu aller Zufriedenheit vor sich.
Ein anderes Zeltlager am Baa-Flusse selbst, etwas oberhalb der Ein-
mündung des südlichen Zweiges wurde Churr^ genannt; dort war unser Lager
XXVIII aufgeschlagen. Indessen war bei dem Mangel eines Dolmetschers
Sicherheit über die Richtigkeit dieses Namens nicht zu gewinnen.
Wie ich bereits erwähnte, war es hier im Baa-Thale möglich, eine An-
zahl von Photographien vom weiblichen Teile der Bevölkerung zu erhalten,
was später nicht mehr gelang, verboten doch sogar die Männer am Sche-tsche-
flusse das Abzeichnen der Rückengehänge ihrer Frauen. Diese Gehänge zeigen
Unterschiede sowohl nach Stämmen wie nach dem Wohlstand der Eigen-
— 339 —
tümerinnen. Die Gehänge, die auf den vor- und nachstehenden Textfiguren
und den Tafeln XXIV und XXVI abgebildet sind, bestehen aus zwei oder drei
breiten Streifen eines dunkel- bis karminroten Tuches mit schwarzen Rändern,
auf denen in mannigfaltiger Anordnung grosse Silberbuckel oder auch Gehäuse
von Meeresschnecken {Cypraea- und Ficutaartigen Formen), die von der Küste
aus Südostchina stammen müssen, vielerlei bunte Steine (Cameol, Malachit,
Türkis, Lasurstein) und ein braunrotes, siegellackartiges Harz, das zu wickel-
artigen Formen gestaltet ist, zusammengestellt und angenäht sind; dazwischen
'raDButiBche Frauen in Luzaong im Baa-Th-ile (bei hnger XX\11).
laufen Reihen von kleineren, weissen und farbigen Glas- und Porzellan-, seltener
Korallenperlen, und am unteren Ende sind rotbraune, lange Fransen angebracht,
die den Boden berühren. Das Gehänge, das von der Hüfte ab herunterreicht,
wird an zwei, oft mit Perlenreihen oder Messingknöpfen besetzten Bändern, die
über die Schultern und vorn zusammenlaufen, getragen. Ein mittleres solches
Band aber ist locker an den Haaren befestigt, die in zahlreiche, dünne, lange
Zöpfe geflochten sind und nach allen Seiten herunterhängen. Es ist das eine
sehr originelle und nicht unschöne Tracht, die den Schmutz der Leibröcke ver-
deckt. Die komphzierte Frisur dürfte selten erneut werden, wie auch die Be-
rührung des Gesichtes und der Haut mit Wasser allem Anscheine nach zu den
— 340 —
Seltenheiten gehört. Dieses Kücken-Kieidungsstück findet man zuweilen ganz
allein getragen; trotz der niederen Temperatur {+ 7*) sah ich in den Beiden
südlich vom Baa-Flusse die männlichen Kinder überhaupt ohne Kleidung und
die Mädchen trugen nur eine Binde um den Hals, welche hinten ein langes,
breites über den Rücken herabreichendes Band hielt, das mit roten Steinen oder
Harzwickeln in derselben Art besetzt war, wie es die Abbildungen auf Tafel XXVI
zeigen; alle andere Kleidung fehlte, wie überhaupt die Bevölkerung einen
RUchcnschinuck laaguÜBcher FniueD. l.uiaong im Baa-Thule (bei LAger XXVll).
viel ärmeren Eindruck machte, als z. B. am Küke-nur oder bei Luzaong im
Baa-Thale.
Manche der Frauen tr^en am Gürtel an der linken Seite mit Lederbändem
angehängte Doppelhaken aus Messing, die mit eingravierter Ornamentik,
aufgesetzten Kupferknöpfen und Buckeln oft reich verziert sind; die Lange
des Hakens ist etwa 15 cm. Der Zweck, dem sie dienen, ist nach Potanin ein
praktischer; sie werden zum Halten der Eimer beim Melken benutzt. Aber bei
andern, ebenfalls an der linken Hüfte vom Gürtel herabhängenden, auch reich
verzierten Messingringen ist ein religiöser Zweck wahrscheinlicher, da diese Ge-
hänge zu praktischem Gebrauche ganz untauglich sind und höchstens als
Schmuck getragen werden könnten. Von den Ringen hängen lange, rote Tuch-
streifen und Händer herab bis zum Boden; bei der Tangutin auf der Textfigur
illii
Sir
I I;
— 343 —
Seite 339 ist ein solches Gehänge in situ zu sehen. Siehe auch die folgende
Textfigur.
Bei dem Zeltlager des Häuptlings in Luzaong gab es eine grosse Menge
ungewöhnlich stattlicher, tibetanischer Hunde. Sie hatten schöne gro.sse Köpfe
und langes Haar, das am Halse besonders reich, lang und etwas gekräuselt
war, fast wie eine Mähne. Es waren starke, grosse Tiere von meist dunkel-
brauner, schwarzer, seltener auch hellbrauner Farbe, und erinnerten am meisten
an die sogenannten Leonbergcr und Bernhardiner-Hunde. Sie waren gut-
mütig und Hessen sich streicheln, ganz im Gegensatze zu den übrigen Hunden
in den tibetanischen Dörfern. Man kann an keinem Zeltlager vorbeireiten,
geschweige denn sich in ein solches begeben, ohne dass von allen Seiten
die bissigen Hunde sich auf die Fremden stürzen und an den Pferden
Zeltlager der Tanguten bei I.uzaoog, Lager XX\'II im Boa-Thale.
hinaufspringen. Meist genügt es aber, die Reitpeitsche zu erheben, um sie in
einiger Entfernung zu halten. Die Bevölkerung selbst vertreibt sie durch Würfe
mit Steinen oder Erdschollen. Diese Hunde sind von ganz verschiedenen Typen
und meist unschön. Es schlössen sich zuweilen fremde, nomadisierende Hunde
unserer Karawane an und begleiteten sie einige Zeit, um dann plötzlich, wie sie
gekommen, auch wieder zu verschwinden. Sie waren sehr wachsam und fielen
dadurch lästig, weil sie stundenlang nachts einen unruhig gewordenen Yak mit
ihrem durchdringenden Gekläff verfolgen konnten. Namentlich in den Dörfern,
in welchen bei jedem Zelt immer mehrere Hunde sind, werden sie zur Plage.
Nach einigen Tagen Aufenthalts in Luzaong ging die weitere Reise \lurch
das Thal des nördlichen Baaflusses, der auf der südlichen Seite als ein 3 m
breiter und 0,5 m tiefer Fluss in mäandrischen Windungen die Steppe durch-
zieht, um das Ende des die Baa-Thaler trennenden, auch aus Sandsteinen und
Schiefern bestehenden Gebirges herum und in dem südlichen Baa-Thale an dem
Flusse, der 4 m breit ist und 0,75 m tiefes, ziemlich rasch fliessendes Wasser
— 343 —
führt (Wassergeschwindigkeit r,9 m in einer Sekunde), etwas aufwärts, wo dann
auf freier Grassteppe das Lager XXVIII bei Churr^ aufgeschlagen wurde. Auch
hier sind die Thalgehänge beider Seiten und die Nähe des Flusses reich be-
völkert. Im Umkreise waren über 200 Jurten zu zählen und besonders auf
der linken Thalseite gehen sie in die zahlreichen, Wasser führenden Neben-
thälchen des Gebirges hinein und hoch hinauf. Gewisse Eigentümlichkeiten
unterscheiden den hier wohnenden Tangutenstamm von den übrigen bis dahin
besuchten Tanguten. So stellen sie z. B. ihre Jurten in der Zahl von acht
bis zwölf im grossen Kreise auf, unter Benutzung des Schutzes, den die ver-
tieften, jetzt trockenen Windungen alter, mäandrischer Flussläufe in Menge
bieten. (Siehe Tafel XXV.) Die Mützenform ist spitzer und die' Frauen tragen
statt des reichen Korallen- und Steinschmuckes auf dem Rückengehänge flache
Knöpfe aus Messing; dafür sind aber die Bänder zum Teil schön und reich
gestickt und von dunkelroter oder Karmin-Farbe. Die Bevölkerung macht
einen ärmeren Eindruck; die meisten gingen barfuss und waren in zerrissene
Lappen gekleidet. Schmucksachen und Amulette von Wert waren selten und
wurden durch wertloses Zeug, wie Ledertäschchen, Holzstückchen, Tuchrollen
etc., ersetzt. Die Zudringlichkeit war grösser und grenzte in manchen Fällen
direkt an Unverschämtheit. Auch der hier hausende Häuptling machte keinen
guten Eindruck. Seine Forderung für die verlangten Führer war viel zu hoch,
und als sie ihm verweigert wurde, stellte er keine Leute, so dass uns die
Führer vom Tage vorher, darunter der Alte von Luzaong selbst, auf dem schwer
zu findenden, in den Thälern gar nicht erkennbaren Wege zu dem Orte Dedun
(Lager XXIX) weiter geleiten mussten.
Wir überschritten das südliche eigentliche Baa-Thal, eine über 5 km breite
Steppenfläche mit einzelnen, niederen, langgestreckten, hügeligen Erhöhungen,
Resten der Ufer alter Flussterrassen, und erstiegen auf allmählich ansteigendem
Thalgrunde ebenfalls ganz mit Gras bewachsener, wasserloser Thälchen die Höhen
des ersten Gebirgszuges, welche südlich von der grossen Baa-Ebene das Ge-
birgsland zusammensetzen. Die Berge in der Nähe der ersten Passhöhe
bei Lager XXIX sind nur wenig über 3900 m hoch und haben breite,
flache, ganz mit Steppengras und an den Gehängen mit niedrigem Gestrüpp
bedeckte Rücken. Die Thäler sind wenig steil und zeigen ab und zu das an-
stehende Gestein — immer noch Thonschiefer und Sandsteine in steiler Schicht-
stellung — an den Thalseiten.
Das Lager befand sich an einem Wasserplatze in einer breiten, oberen
Thalmulde; nicht weit davon waren Tangutenzelte und grosse Herden von Yaks
und Schafen. Ein hochgelegener, breiter Bergrücken versprach eine schöne Aus-
sicht und gute Orientierung über das nunmehr betretene Gebirgsland im Süden
des Baa-Thales, so dass ich den Mittag zu einem Aufstieg benutzte, dessen
Resultat meine Erwartungen weit übertraf und im Folgenden noch zu be-
sprechen sein wird.
— 344 -
Als ich gegen Abend zurückkehrte — ich hatte den Ausflug wie gewöhn-
lich ohne Jede Begleitung, nur mit meinem geologischen Hammer bewaffnet,
gemacht — fand ich zu meiner Bestürzung, dass die beiden uns noch ge-
bliebenen Kosaken Vorbereitungen trafen, um uns zu verlassen. Dr. Hol-
derer teilte mir mit, dass er den einen derselben, Nicolai, der die Aufsicht über
die Yak-Karawane hatte, für ein verloren gegangenes Gewehr verantwortlich
gemacht habe. Hierauf habe Nicolai sich mit seinem Gefährten besprochen
und beide hätten erklärt, zurückkehren und die Expedition nicht mehr weiter
begleiten zu wollen. Ich versuchte alles, um sie umzustimmen, indem ich auf
die Folgen hinwies, die ihr eigenmächtiger Schritt für sie haben müsste, da
Lager XXIX der Expedition im Gebirße bei UeduD, südlicli toui B»a-Flussc.
sie als Soldaten zu diesem Dienste, dem Schutze der Expedition und der
Hilfeleistung bei wissenschaftlichen Arbeiten, kommandiert seien. Sie erklärten
auch, mit mir weiter gehen zu wollen, dagegen nicht mit Herrn Dr. Holderer;
dieser aber war der Leiter und Führer der Expedition. Er seinerseits weigerte
sich, den beiden Kosaken durch Auszahlung von Mitteln die Möglichkeit zu
geben, die Expedition zu verlassen und einen so gefährlichen Rückweg anzu-
treten, für welchen er unmöglich die Verantwortung übernehmen konnte.
Sie verlangten darauf ein kleines Gelddeposit, das ihnen gehörte, zurück,
sowie Ersatz für einige persönliche Besitztümer, die ihnen im Lauf der
Reise verloren gegangen waren. Beides wurde ihnen ausgefolgt und damit
waren sie mit der Expedition fertig. Sie blieben zwar noch bis zum Moi^en
— 345 —
da, erfüllten aber nicht mehr die ihnen obliegenden Dienste, waren taub
gegen alle Vorstellungen, die ich ihnen machte, und jede Vermittlung scheiterte.
Ich sah sie sehr ungern scheiden. Der jüngere, der mich bisher zu be-
gleiten hatte, war gut eingeschult auf die Handhabung und Hilfeleistung bei den
Instrumenten und dem photographischen Apparat. Ich hatte in der That bis
dahin noch keine zerbrochenen oder beschädigten Instrumente zu beklagen ge-
habt; er hatte mit mir getreulich die Anstrengungen der Gobi geteilt, hatte
ohne Murren in der Hitze des Tages mit mir das Lager verlassen und auf
hartem Steinboden ohne Nahrung bis tief in die Nacht auf das Eintreffen der
Karawane gewartet, während seine Gefährten es bequem hatten, über die heisse
Tageszeit schliefen und erst des Abends in der kühlen Luft im langsamsten
Tempo der Kamelkarawane folgen konnten. Wie oft teilte ich meine Zigarre
mit ihm, wenn die grün und blau gewordenen Eier ungeniessbar waren, und
nie hörte ich eine Klage, wenn er sah, dass sein Herr es nicht besser hatte als
er. Das änderte sich erst, als nach dem Wegschicken des erkrankten Kosaken
er auch bei vielen andern Arbeiten im Lager aushelfen sollte und zwei Herren
dienen musste. »Wer zwei Herren hat, dient keinem, c so kam es auch hier,
und der unzufriedene Nicolai wusste ihn zu bereden, sich dem folgeschweren
Schritte anzuschliessen.
Sie ritten ab; der Winter stand vor der Thür; die Gobi mit ihren Schreck-
nissen lag auf ihrem Wege. Ich konnte nicht umhin, ihren Mut zu bewundern,
und wünschte nur, derselbe hätte uns auf der Reise in Tibet zur Seite gestanden,
dann hätten wir wohl auch unbelästigt Sung-p'an thing und unser Ziel am Hoang-ho
erreicht. Erst nach der Rückkehr in die Heimat hörten wir wieder von den
beiden Kosaken. Sie hatten die Unterstützung der chinesischen Behörden in
Anspruch genommen, und diese hatten sie bis Urumtschi, wo sich ein russisches
Generalkonsulat befindet, geschafft. Dort gaben sie als Grund für ihre Desertion
die schlechte Behandlung an, die sie erfahren hätten. Davon war nun allerdings
keine Rede, und der krank von Si-ning fu nach Han-k*ou gesandte dritte Kosak
stellte dort das Zeugnis aus, dass die Kosaken nie einen Grund zur Klage
gehabt hätten, so lange er bei der Expedition gewesen sei. In Wirklichkeit
hatte die Furcht vor Tibet, die Nachwirkung des schlechten Geistes eines Sobolew,
der sie gegen uns Deutsche aufhetzte und ihnen durch Schauergeschichten vor
Tibet Angst einflösste, die Desertion der Kosaken veranlasst, und es bedurfte
nur eines unbedeutenden Anlasses, um die Entscheidung zur Rückkehr herbei-
zuführen.
Zum Verständnis der gegenseitigen Stellung der verschiedenen, im Süden
des grossen Baa-Thales gelegenen Gebirge erscheint es geboten, hier einen
Ueberblick der orographischen Verhältnisse zu geben, wie ihn eine der Höhen
von fast 4000 m unweit des Gebirgsfusses am Baa-Thale beim Lager XXIX
über das Thal selbst und die Gebirgswelt im Süden und gegen das in der
Ferne deutlich erkennbare Hoang-ho-Thal darbietet Die dort aufgenommene
— 346 —
Skizze dient zur Erläuterung und ist auf der Profil-Tafel XLII als No. i wieder-
gegeben. Im Westen fesselt zunächst in der Entfernung von etwa 50 km das
deutlich sichtbare grosse Thal des Hoang-ho die Aufmerksamkeit Weit draussen
in der grossen Niederung des Baa-Thales sieht man diesen Fluss sein Bett all-
mählich unter das allgemeine Niveau in das Steppenland vertiefen und schliesslich
in enger Schlucht mit steil abfallenden Wänden in eine andere, breitere, sich
quer vor seinen Lauf legende Schlucht einmünden, in das Bett des Hoang-ho,
an dessen Ufern sich hier weniger ausgedehnte Steppenplateaus von gleicher
Höhe wie das des Baa-Thales ausdehnen. Nur eine geringe Strecke weiter
oberhalb treten die Berge wieder so nahe an den Fluss heran und ebenso
weiter im Norden die Dschupar-Kette, dass der Hoang-ho sich nicht mehr in
eine ebene Thalfläche eingräbt, sondern ein enges Durchbruchsthal bildet, das
unwegsam nur dem tosenden Flusse den Durchgang gewährt und mit den senk-
Figur 1
Figur 2
Figur 3 Figur 4 Figur 5
Tangutische Kopfbedeckungen.
Figur 1: Tuchmütze mit Fdlbesatz, Lager XXVIII am Baa-Flusic.
Figur 2: FilzhuL Figur 3: Tuchkappe mit pelzbesetsten Ohrlappen. Figur 4: Braune Tuchhaube mit
Figur 5: Pelzmütze von weissem Pelze mit schwarzen Fransen. Figur 6: Tuchhut mit schwarzem Busch
Figur 2-6 am grossen Sche-tsche-Flnsse, Lager XXXV-XXXVII.
rotem Rande,
und Pelzrand.
recht abstürzenden, mehrere hundert Meter hohen Wänden einer Felsenschlucht
vergleichbar ist.
Bis hierhin an den Tschurmün-Fluss, der dem Baa-Flusse gegenüber in
den Hoang-ho mündet, war es Prschewalskij gelungen, vorzudringen, aber angesichts
der wilden Thalverhältnisse, die den oberhalb liegenden Flusslauf absolut un-
zugänglich machen, musste er seinen Rückweg antreten. In der That sieht man
gegen Südwesten hin hohe Gebirgsketten sich hinter einander auftürmen, das
Flussthal in ihre Mitte nehmen und mit einer Felswildnis und Bergwällen um-
geben, die wohl längs des Flusses nie zu durchdringen sein werden. Die auf
der linken Seite des Hoang-ho nach Westen weiter fortziehenden Bergketten
sind schon zu ferne, als dass eine scharfe Unterscheidung ihrer charakteristischen
Merkmale möglich wäre; es ist nur zu konstatieren, dass mehrere Gebirgsketten
in südlicher Richtung hinter einander liegen, dass die erste derselben wohl der
Ugutu sein muss, und dass die weiter südlich folgenden immer die vorher-
gehenden an Höhe übertreffen. Ganz schattenhaft ragen noch im letzten
Hintergrund gewaltige Bergkolosse in die Wolken auf, die von hier aus nur
isoliert, nicht als Kette verfolgbar sind, die aber an Höhe wohl zu den Riesen
der tibetanischen Gebirgswelt zu rechnen sind.
-- 347 —
Eine ferne, hohe Gebirgskette, deren Gipfel vom ewigen Schnee erglänzen,
verläuft vom Hoang ho-Thale weit im Süden vom Aussichtspunkte in östlicher
Richtung. Ihre Bergformen sind stark gegliedert, sie zeigen steile und senkrechte
mächtige Abstürze und in den Firnbecken gewaltige Schneefelder. Vor dieser
hohen Gebirgskette liegt in paralleler Richtung eine minder hohe, nicht mit
Schnee bedeckte andere Kammlinie, die auch die tiefen Thaleinschnitte und die
Steilheit der Gipfelregion besitzt und aus der Ferne gesehen dunkel erscheint;
auch sie hat westliche Fortsetzung auf dem linken Hoang-ho-Ufer.
Die breite Zone des Berglandes, das sich zwischen unser m 3800 m hohen
Aussichtspunkte und jener Bergkette zu annähernd gleicher Höhe in allen Berg-
kuppen erhebt, hat einen ganz andern Charakter, als die eben erwähnten Felsen-
gebirge. Zunächst fällt die gleichmässige Höhe fast aller Erhebungen auf, die stets
flache, weit hingezogene, breite Kämme und Gipfel haben und deren Thalabhänge
auch nur gelegentlich Felsklippen zeigen. Das ganze Gebiet hat die gelbbraune
Farbe der Steppe und die Grasbedeckung geht ohne Unterbrechung über die
höchsten Höhen, wie über Seitenwände der Thäler und deren meist trockene
Thalböden. Es ist derselbe Charakter, der den Hauptteil des Dschupar-Gebirges
auszeichnete, und es bestehen auch hier, wie dort, die Berge unter der an ge-
schützten Stellen selbst in Höhen von fast 4000 m noch vorhandenen Lehm-
bedeckung aus dunkeln Thonschiefern und Sandsteinen, die sich immer in stark
gefalteten und steil aufgerichteten Stellungen befinden. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass die beiden hohen Gebirgsketten im Süden von anderer geologischer
Beschaffenheit sind, als diese zuletzt genannten Regionen, die bei gleicher geo-
logischer Beschaffenheit auch denselben morphologischen Charakter besitzen.
Wir werden später sehen, dass die nördlichere aus Kalkmassiven, die südlichere
wahrscheinlich aus Urgebirgsgesteinen besteht.
Zu unsern Füssen liegt das weite Steppengebiet des Baa und seiner Neben-
flüsse ; grosse, sanft geneigte Aufschüttungsflächen ziehen nach der Thaltiefe, die
an der Vereinigungsstelle der beiden Baa -Oberläufe etwa 3350 m hoch liegt,
von dem Fusse der Berge herab. Die ganze südliche Bergkette des Thal-
systems bis weit nach Osten wird von dem orographischen Charakter der
zuletzt beschriebenen Sandstein- und Schieferzone beherrscht und dieselben
Gesteine dürften durchweg ihren Aufbau zusammensetzen. Nur lokal und
untergeordnet kommen kleinere Granitmassive vor, wie z. B. an der Stelle,
wo der Reiseweg aus der Baa-Thalebene in die Hügel eintritt. Im Osten do-
minieren über diesen breiten, flachen Kuppen- Gebirgen wieder hohe Schnee-
berge von tief zerschluchtetem und steil abstürzendem Aeussern, die zu den
Bergen der schon öfter erwähnten Wasserscheide zwischen östlichen und west-
lichen Wasserabflüssen gehören und hier die Flussgebiete des Baa -Flusses
im Westen und des zum Kloster La-brang hinabgehenden Tu-mun-guan und
Ta-hia-ho im Osten trennen. Sie sehen sehr zerrissen und unwegsam aus,
erreichen Höhen von etwa 5000 m und hier dürfte wohl nirgends ein Uebergang
- 34« -
von Osten nach Westen zum Hoang-ho zu finden sein, der für Reit- oder Last-
tiere gangbar wäre. Unser Aussichtspunkt zeigt uns diese Wasserscheide in
weitem, nach Nordwest gerichteten Verlaufe mit allmählich abnehmenden Höhen;
er lässt uns ferner zum Abschied die fernen, schneebedeckten Berge südlich
vom Küke-nur und vom ostwärts gerichtetem Felsenthal des Hoang-ho wie
weisse Wolkengebilde am fernsten Horizont erscheinen. Das Ganze ist ein Ge-
birgspanorama, wie es grossartiger und eigenartiger in der Vereinigung der
Kontraste von flachen Thalebenen und wildem Hochgebirge, tiefen Schluchten
und weiter Steppe, Thaldurchbrüchen durch hohe Gebirge und dahinschwindenden.
Hochttiul im Gebirge süillich vom Bau -lIiHle, uiilcrhiilb von I^^iger X>:X.
austrocknenden Flüssen der Steppe nicht leicht irgendwo anders auf der Erde
gefunden werden dürfte.
Um so beschränkter an Femsichten und weiter Orientierung sind aber die
nun folgenden Reisetage, welche im Gebiete der typischen Sandstein-Schiefer-
Formation in südöstlicher Richtung, im allgemeinen in flachen Thälern zwischen
wenig hohen, sanft abfallenden Bergformen verliefen.
Für diese hochgelegenen Steppenflächen in weiten Muldenthälern, die nur
mit Weideflächen und Gräsern bedeckt sind, hin und wieder auch sumpfige
Stellen enthalten, haben die Tanguten die Bezeichnung »Tan«.
Die Thäler mit ihren breiten Wiesenböden und die rauschenden Bächlein -
mit ihren mäandrischen Windungen sind um diese Jahreszeit, anfangs Oktober,
schon verlassen von den Nomaden; die zahlreichen Feuerstellen an geschützten
oder futterreichen Stellen aber zeigen zur Genüge, dass in besserer Jahreszeit
- 349 —
auch hier reges Leben und Treiben herrschen muss. So ziehen wir thalauf —
thalab dahin, über niedere Bergpässe, bis wir ein grösseres Thal erreichen, das als
typisches Längsthal in westnordwestÜcher Richtung von Ostüdosten herabkommt.
In den unteren Teilen sind die Berge zu beiden Thalsciten noch relativ
hoch; sie erreichen noch 250 — 300 m über der Thalsohle und an den steileren
Abhängen gegen Seitenthälchen oder auch gegen das Hauptthal bilden die
harten, zwischen die Schiefer eingebetteten Sandsteine häufig malerische Fels-
Tancutcu bei I.iiL'cr XXIX (Dcilun), südlich vom Baa-Thale.
Partien. Doch je weiter man in dem Thale hinaufkommt, um so einfacher
und öder wird sein Charakter. Die nebenstehende Abbildung veranschaulicht
das noch felsige und wildere, untere Thal im Gegensatz zu dem einsamen,
öden Charakter des oberen Teils. Selbst das Tierleben versagt in den Höhen
von 3710 m, zu denen das Thal allmählich emporsteigt. Hier ist die monotone,
braungelbe Steppendecke, die sich gleichmässig über Berg und Thal legt, nur
selten noch von einem scharfen Zahne des Gesteins durchnagt, und auch von
den niedrigen Höhen, die man, um Umschau zu halten, ersteigt, bietet sich
kein anderes Bild, als die braunen, in geschwungenen Umrisslinien auf- und ab-
— 350 —
steigenden Berge, die als Dsun-mo-lun auf den Karten bezeichnet sind. Das
Thal mit seiner ostsüdöstlichen Richtung verläuft im Streichen der Schichten
und ist ein typisches Längsthal im Gebirge, infolge davon ist auch keine Ab-
wechselung in der geologischen Zusammensetzung, ebensowenig wie in dem geogra-
phischen Charakter, erst ganz oben nimmt es eine südöstlichere Richtung an.
Noch über 20 km geht es so das einsame Thal hinauf, und erst die dem
oberen Ende naheliegenden Gipfel gewähren schöne Aussicht auf das hohe
Schneegebirge der Wasserscheide im Osten, das hoch über das niedrige,
wellige, bergige Vorland emporragt. Die Berge in der Nähe des oberen Thal-
endes sind höchstens 200 — 250 m über der Thalsohle erhaben, und ihre breiten
Rücken und Joche bilden weit ausgedehnte, gewölbte Hochflächen. Auf diesen
scheint kein Wild mehr sich aufzuhalten; auf den untersten Thalböden waren
die Antilopen noch zahlreich, auch Berghasen und Steinhühner fehlten nicht;
hier oben aber sieht man nur noch Raben und grosse Raubvögel, die sich
beim Abzug der Karawane ungestüm auf die liegen gebliebenen Reste stürzen
und in ihrer wilden Gier leicht eine Beute des Jägers werden.
Der Passübergang liegt auf einem gegen 4000 m hohen, steppenbedeckten
Joche, und die umgebenden, flachen Höhenrücken übertreffen dasselbe nur wenig an
Höhe. Ein breites, sanft absteigendes Steppenthälchen mit allseitig gras-
bedeckten Abhängen führt in südöstlicher Richtung hinab zu einem grösseren,
aus Westsüdwest von einer höheren Bergkette herabkommenden, nicht un-
bedeutenden Flusse, der Dschia-tschang-tsche*) heissen soll, und bei einer Breite
von 12 m 0,10 m tiefes Wasser auf steinigem Untergrunde besitzt Das Fluss-
thal ist breit und steppenbedeckt, wie auch die nicht über 200 m erreichenden
Sandstein- und Schieferhöhen des unteren Thaies, dessen mäandrischen Fluss-
windungen der Weg folgt. Nach Osten sieht man weit auf niederes Steppenhügel-
land dem Thale entlang hinaus, und am fernen Horizont zieht in südöstlicher
eine hohe, teilweise mit Schnee bedeckte Gebirgskette, welche in der südöst-
lichen Fortsetzung der schon früher besprochenen, grossen Wasserscheide liegt;
nur sind hier die Berge nicht mehr so hoch als weiter im Norden.
In den Dschia-tschang-tsche mündet nach kurzer, östlich, zurückgelegter
Strecke ein anderer, ebenso grosser und wasserreicher Fluss, der aus SW.
kommt; das Thal wird von nun an weiter nach Osten sehr breit, die Berge auf
beiden Seiten sind nur niedrig und man übersieht eine weite, hügelige Steppen-
fläche, deren Mitte von grossen Sumpfflächen eingenommen wird und auf die
sich von fast allen Seiten kleine Thälchen öffnen; die vereinigten Wassermassen
sollen als Fluss unter dem Namen Sche-tsche weit im Osten nach Süden, dann
wieder nach Westen zurück und zum Hoang-ho gehen; da der Weg direkt in
südöstlicher Richtung durch das Berg- und Hügelland geht, trafen wir nach einigen
Tagen wieder nach Aussage der Leute auf denselben, inzwischen bedeutend
*) Bei allen Flussn.imen kehrt hinten das »tsche« wieder; es ist wahrscheinlich, dass es das
tibetanische thschu = Wasser in tanjTutischem Dialekte ist.
— 351 —
vei^rösserten Sche-tsche-Fluss, der den grossen Umweg über Ost nach Süd
und zuletzt nach Westen gemacht hatte.
Zunächst fuhrt vom oberen Sche-tsche-Flusse aus der Weg vom Flusse ab,
ein von Süden kommendes Seitenthal empor zu einer Passhöhe von über
4000 m. Die Aussicht vom Passe ist sehr geeignet, eine weitere Orientierung
über den Verlauf der Gebirgsketten und deren Charakter zu bieten. Das Profil
No. I auf Tafel XLII ist von einem Berge bei Lager XXXIII, im Nordwesten
des Passes aufgenommen. Man sieht zunächst gegen Ost das hohe, NNW. — SSO.
laufende Gebirge der Wasserscheide weiter nach Süden, wenn auch in weniger
hohen Gipfeln fortsetzen. Ferner ist zu erkennen, dass die breite Thal-Depression
am westlichen Fusse desselben ihr Gefalle parallel dem Gebirge selbst hat und
die ihr zufliessenden Wasser nach Nordwesten hinausführt. Ueber den Lauf
des Sche-tsche aber ist genaueres auch hier nicht zu sehen, da die weiten Nie-
derungen stellenweise durch Hügel verdeckt sind und man oft nicht sicher
entscheiden kann, ob ein Wasserlauf in diesen fast ebenen Flächen durch
diesen oder jenen Zwischenraum der zahlreichen Hügel geht. Jedenfalls ist
hier nach Osten kein Weg offen, denn ununterbrochen erhebt sich die lange
Reihe der Gipfel auf dem von Nordnordwest nach Südsüdost streichenden
Kamme und reicht noch weit nach Südosten weiter. Diese Gebirge der Wasser-
scheide sollen in ihrem nordwestlichen Teile Schamba-chamu und im südöst-
lichen Namo-schan heissen.
Gegen Süden zeigen sich noch mehrere, parallele Ketten vom Typus der
Sandstein-Schiefer-Berge, die um so höher sind, je weiter sie nach Süden
liegen. Ganz am südlichen Horizonte und auch nach SO. und SW. mit Unter-
brechungen zu verfolgen sind hohe, schneeglänzende, schroff felsige Gipfel, die
sich schon durch ihren Charakter und ihre Formen durchaus von den immer
gerundeten, breiten Höhen der Sandstein-Schieferzone unterscheiden und auch die
höheren, südlicheren Ketten dieser an Höhe bedeutend übertreflfen. Diese Ansicht
ist ganz ähnlich der, die von einem andern, südöstlicher gelegenen hohen
Punkte skizziert wurde und in Profil No. III der Tafel XLII wiedergegeben ist.
Wir werden später erfahren — es sei aber schon hier des besseren Ver-
ständnisses des Landschaftscharakters wegen vorausbemerkt — , dass jene hoch-
ragenden Felsengipfel mit ihren Unterbrechungen durch ebener begrenzte, aber
auch hohe Gebirgsstrecken einem Kalkgebirge angehören, das jene mächtigen
Berge als isolierte, grosse, stockartige Massen wie RifTe oder Klippen enthält
und eine von OSO. — WNW. verlaufende Kette bildet, jenseits welcher im
Süden der Lauf des Hoang-ho in derselben und streckenweise in ostwestlicher
Richtung geht Nach Westen und Nordwesten sieht man die in Westnordwest
streichenden, parallelen Ketten der Sandstein- Schieferzone verlaufen mit Längs-
thälern in den Zwischenräumen; es ist die Region, durch welche in den letzten
Tagen unser Weg geführt hat. Die Berge in der Umgebung des Passes sind
wie dieser selbst steppenbedeckt, überragen ihn nur wenig an Höhe und haben
- 352 -
breite, meist sanft abfallende Gehänge. Die Thalböden sind breit und gegen
Südost sind weite, sumpfige Steppen niederungen sichtbar. Ihnen fliessen durch
die sumpfigen Thälchen die Wasser vom Südostabhang der Berge des Passes und
seiner Kette zu; durch sie geht auch der weitere Reiseweg zunächst in einem vom
Pass herabführenden Thälchen und dann über die wellige, zum Teil sumpfige Fläche.
Diese empfängt Zuflüsse aus Nordwest, Nord und Nordost, die durch ein
Thälchen im niederen Sandsteingcbirge gegen Südost hinaus gehen, wo sie nach
kurzem Lauf den Sche-tsche-Fluss erreichen. Auch unser Weg führte zu diesem
Flusse, aber in etwas mehr östlicher Richtung, und da, wo wir ihn erreichten, kam er
Tanguleu aui iiihmem Yak bei Utdun (Ijger XXIX),
in vielfach gewundenem Laufe aus Nordwest; aui der Thalfläche an seinem Laufe
befanden sich im breiten Thal viele Jurten, die zumeist an den Eingängen von
Seitenthälchen angelegt sind. Das Flussthal geht nach SO. weiter und ist überall
von zahlreichen Viehherden beweidet, die zu den Jurtendörfern gehören.
Schon unterwegs am letzten Tage, ehe die sumpfigen, schwer zu durch-
reitenden Niederungen mit den schwachen Grasbrücken zwischen tiefen, morasti-
gen Wasserlöchern kamen, zeigte ein >Obo* die Nähe von Lagerplätzen an.
Auf der freien Steppenfläche am Ausgang des breiten Thaies , durch das
der Weg führte, und dessen weit auseinander liegende Thalseiten von 50 bis
75 m hohen Hügeln gebildet werden, steht weithin sichtbar ein Steinpostament
von etwas über i m Höhe, derselben Breite und etwa 2 m Länge, Am einen
TAFEL XXVI.
SchmuckKehiiiKe der Frauen in Nordost- Tibet.
1. bei Lager XLIJ nahe am Ulan-ser-tsche-Flusse.
2. bei La^er XXXVir am groasen Sehe- is che -RusRe
3. bei Lu-th»ang, Lager XXVII im Baa Ihale.
4. bei Lager XXIV am Nordfusse des L)SLhupar-( ieliirgos.
« 1
tn Halse irclmi^eD vuu i'liicin Tiiiit^uteii
1 Bau-tlusSL- bei Ugcr KXVllI,
'/, nuUcIich« Crüiie.
Ende ist eine Stange auTgerichtet,
die wahrscheinlich einst eine Fahne
trug, wenigstens bemerkten wir solche
später bei andern ähnlichen Grab-
denkmälern , die den verstorbenen
Fürsten der Mongolen immer an
weithin sichtbaren Punkten, z. B. den
Gipfeln isolierter Berge, errichtet zu
werden pflegen.
Auf dem Unterbau, am Kusse
der Stange, lagen eine Menge von
Täfelchen aus gelbem, feinem Thone
mit aufgeprägten Heiligenbildchen,
welche die untenstehende Textfigur
zeigt. Alle waren ganz gleich, und
jeder andere Schmuck, wie Inschriften
oder dergleichen, fehlte ganz.
Die Thontafel enthält in der
Mitte, nach gütiger Bestimmung
durch Herrn Prof. Grünwedel, die
stehende Figur des clfköpfi-
gen Bodhisatva {Präexistenz
eines Buddha) Avalokitegvara,
die umgeben ist von Wieder-
holungen derselben, als Dalai-
Lama wiedergeborenen Form,
die gewöhnlich mit vier Hän-
den in sitzender Stellung dar-
gestellt und Padmapäni ge-
nannt wird. Zwei Hände sind
betend über der Brust zu-
sammengelegt, die andern
halten einen Rosenkranz und
eine Lotosblume. In der
elfköpßgen Darstellung sind
dreimal über einander je drei
Köpfe und dann je einer
über dem andern. Avaloki-
tegvara ist eine alle, my-
thische , buddhistische Gott-
heit, von der schon aus dem
— 354 -
VI. Jahrhundert vor Christus Bilder bekannt sind, aber erst i6;o, seit der
Hcgründung des höchsten kirchlichen Ranges des Dalai-Lama, des Hauptes
der iamaistischen Religion, wurde dieser als eine Inkarnation jener mächtigen
Gottheit anerkannt.
Es ist nicht zu entscheiden, ob es sich um ein Grabdenkmal oder sonst
einen heiligen Ort handelt. Bei andern »Obo« oder Stein pyramiden, die an
Jieiligen Orten lagen, waren nie solche Heiligenbilder oder Burchane zu finden,
nur hier allein und auf einem hohen Berge unweit davon, wo sie ohne
andere äussere Zeichen im roten Thone eingebettet in dem Boden lagen.
l)l.o, nöiiilich vom Crossen bche-tsche-nussL- zwischcD Laeer XXXIV -XXXV.
Gegen ein Grabdenkmal spricht der Umstand, dass die Tibetaner und Tan-
guten mit ihren Toten, selbst hohe Lamas und Fürsten nicht ausgenommen,
höchst pietätlos verfahren. Entweder werden sie einfach ausgesetzt, den Hun
den, Wölfen oder Raubvögeln zum Frass, oder sie werden ins Wasser ge-
worfen. Wenn ein Toter bald und rasch von den Tieren aufgezehrt wird, gilt
das für ein Zeichen, dass er im Leben kein Bösewicht war; wenn er aber lange
liegen bleibt, so hat er kein gutes Leben geführt. Dieses Nfonument weicht
auch von der sonst allgemein verbreiteten Form der echten »Obo« ab, die wir
später noch kennen lernen werden. Unter den Tanguten im Küke-nur-
Gebiet, obwohl sie gläubige Buddhisten sind, waren keine solche frommen
Zeichen errichtet, wie auch die Lama weniger zahlreich in den Zeltlagern
waren, als weiter im Südosten.
Nicht weit von dem geschilderten Obo traf ich auf ein anderes Heilig*"*
zeichen auf einem 250 m hohen Berge am Sche-tsche-Fluase bei Lager XXXV.
- 355 —
Auf dem aus Sandsteinen bestehenden Berge fand ich ganz oben aur dem
höchsten Teile eine Anhäufung von intensiv rotem Thone, dessen Oberfläche
durch Regen ganz verwaschen war und keine Struktur erkennen liess. Da
mich der Fund in dieser Höhe überraschte, grub ich mit dem Steinhammer
etwas auf und fand unter der dünnen Thondecke der Oberfläche eine grosse
Anzahl regelmässig neben- und in Lagen übereinander gelegter, roter Thontäfel-
eben, die auf untenstehender Textfigur abgebildet sind. Aucii sie tragen ein
Buddhabildnis und dienten dort jedenfalls irgend einem Kultzweck, den
ich nicht näher anzugeben
vermag.
Ein weiterer kleiner Tage-
marsch führte uns von diesem
Orte Larengo (Lager XXXV),
der etwa 120, in mehreren
Kreisen aufgestellte Jurten
zählte, in nordöstlicher Rich-
tung über einen 3775 m
hohen Fass an ein kleines
Flüsschen in einem breiten
Stcppenthal, das sich nach
Süden in das grosse Thal
des Grossen Sche-tsche-
Flusses öffnet. Am Flüss-
chen, das Otto-morgo ge-
nannt wurde, war ein grosses
Zeltlager, hauptsächlich von
grossen, runden Zelten des
mongolischen Typus aufge-
schlagen und als Name dieses
Lagers eines Fürsten wurde ^"'"^^ ""' ^f^^"^^^"- "'"""en"»™ ^""^ ^"
uns Wan-saong angegeben;
vielleicht hängt der Name mit dem tibetanischen Wa-thsang { = Fuchshöhle)
zusammen. Dieses grosse Jiirtenlagcr befand sich 4 km nördlich vom grossen
Sche-tsche-Fluss und die geographische Breite wurde zu 34" 26' 25" gemessen.
Die Bevölkerung hier sowohl, wie auch schon in Larengo und des weiteren
bis ins Thao-Tha! enthält viele mongolische Elemente; in manchen Zeltlagern
ist die runde Jurtenform der weissen Mongolenzelte häufiger als die schwane, vier-
eckige der Tangutenzelte. Unsere Chinesen benannten auch die Bevölkerung
als iTa-tzft«, während sie die Tanguten mit »Fan-tzgt bezeichnet hatten. Ich
vermag nicht zu entscheiden, ob der nichtmongolische Teil der Bevölkerung
noch den Tanguten angehört, die sich ja bis zu den Quellgebieten des Hoang-ho
ausdehnen, oder ob derselbe zu andern Stämmen tibetanischer Herkunft zählt,
- SS'i -
ich halte aber das er^tere für wahrscheinlicher; dagegen spricht allerdings, dass
die Tanguten sich mit ihren Nachbaren immer schlecht vertragen und von
diesen gemieden werden; nur im westlichen Kan su leben sie auch zwischen
chinesischen und andern Bevölkeningselementen.
In der äusseren Erscheinung der Bevölkerung ist wenig Unterschied; die
meist scharf geschnittenen, bartlosen Gesichter dürften nicht immer leicht von
solchen echter Tibetaner zu unterscheiden sein, im allgemeinen sehen sie ärm-
licher und schmutziger aus. Die Kleidung bietet nichts neues, nur die Pelz-
mütze hat zuweilen eine andere Form. Sehr viele reiten auf ungesattelten
Yaks und neben den Handschwertem und Spiessen sieht man seltener Gabel-
gewehre. Sie sind sehr zudringlich und haben einen entschiedenen Hang zur
Dieberei. Auf alle ausserhalb der Zelte herumliegende Geräte musste sorgfältig
acht gegeben werden und trotzdem verschwand so mancher wertvolle und un-
ersetzliche Gegenstand; alles war ihnen recht, alles konnten sie gebrauchen.
Durch besondere Aufsässigkeit zeichneten sich aus und waren gar nicht vom
Lager wegzubringen die im Lager beim Fürsten überaus zahlreichen Lamas,
die sich alsbald nach der Ankunft unserer Karawane in grosser Menge aus
Neugier einfanden und sehr aufdringlich benahmen. Unweit davon, beim
Lager XXXVII am grossen Sche-tsche-Fluss, wo unsere Karawane über eine
Woche rastete, versuchten sie während einer Exkursion an den Hoang-ho, am
hellen Tage einige von den Pferden und Yaks wegzutreiben, und von andern
räuberischen Gelüsten wird später noch die Rede sein. Ihre Jurten sind zu-
meist dieselben gp-ossen, viereckigen, schwarzen Tuchzelte, wie sie schon oben
vom Küke-nur beschrieben wurden, aber viele, und auch die Fürsten und hohen
Lamas, besitzen runde, weisse Jurten aus Filzdecken, die nach Art der Kirgisen-
Jurten nicht aussen, sondern innen durch Stäbe gestützt werden und ein Dach
aus Filzdecken tragen. Gelegentlich sieht man auch weisse, kleine Tuchzeltc,
zumeist von amerikanischer Herkunft. Zu den runden Jurten gehört eine andere
Form von Feuerherden, die sich von den gewöhnlichen durch ihre kleinere und
gedrungene Gestalt unterscheiden.
Eine solche runde Jurte kann recht behaglich eingerichtet werden, wie wir
uns selbst überzeugen durften. Beim Besuche wurden wir nicht vom Fürsten
selbst, sondern von einem hohen Lama aus dem nur einige Tagereisen weit
entfernten Kloster La-brang, einer im Range über dem Fürsten stehenden
Persönlichkeit, in einer solchen runden Jurte empfangen. Der Eingang war
durch seitlich aufgespannte Tücher geschützt und zahlreiche Wimpel waren in
mehreren Reihen über einander im Viereck über der Jurte aufgehängt. Diese
Wimpel und Tuchstreifen sind bei manchen Zelten an vier hohen Stangen in
mehreren Reihen übereinander befestigt, so dass sie ein Viereck bilden, in
dessen Mitte die Jurte selbst steht. Sie vertreten die an den Zeltschnüren bei
den Tang^ten angebrachten WoUeflöckchen und Zeugstückchen, welche Lungta
(Windpferde) heissen und den Zweck haben, Unheil und böse Geister von der
- 357 —
Wohnung abzuhalten. Sie crrüllen also einen ähnlichen Zweck wie die Geisler-
mauer vor den Eingängen chinesischer Häuser. Bei andern Zelten waren von
der Spitze einer hohen Stange nach sechs Richtungen Seile nach dem Boden
herabgeführt, die auch zahlreiche, dreiseitige Wimpel tnigen; eine Aufschrift
aber war nit^ends zu bemerken.
Bei unserm Eintritt erhob sich der hohe Lama nicht von seinem Sitz auf
einer Decke am Boden hinter einem niederen, pultartigen Gestell oder Tisch,
sondern lud uns nur mit einer Handbewegung ein, zur Seite Platz zu nehmen
und schenkte jedem einen Chadak, eine aus dünnem, lockeren Seidengewebe be-
stehende Binde, die Göttern, auch vornehmen Personen zum Geschenk gemacht
wird. Hinten drängten viele Leute nach, welche, soweit der Platz reichte, in
hockender Stellung und die hintersten stehend sich gruppierten. Es fand die
übliche Zeremonie der L^ebergabe der Geschenke statt, die in einem Leibgürtel
l.nger TOn Wan-sacnp, nördlich vom (gössen Sehe- lach e-Fluase (Lüiier XXX\'I),
mit imitierter Silberstickerei und einer grossen Spieldose bestanden. Darauf
brachten wir unser Verlangen nach einem Führer für eine Exkursion zum
Hoang-ho-Thale und des weiteren für den Weg nach Süng-p'an thing vor, und
erhielten beides zuges^. Der Lama war ein Mann in den besten Jahren, von
schmächtiger Gestalt, mittlerer Grösse und feingeschnittenem, durchgeistigtem
Gesicht und schien von wohlwollender Gesinnung zu sein. Seine Hautfarbe
war blassbraun und viel heller als die der stark gebräunten übrigen I^ute.
Er machte einen sympathischen, aber sehr stillen Eindruck. Nur ak die Musik
ertönte, glitt ein flüchtiges Lächeln über seine sonst unbeweglichen Züge. Seine
Kleidung war die denkbar einfachste. Nichts zeichnete auf dem dunkelroten
Priesterrock den hohen Rang des Trägers aus, und eine Kopfbedeckung trug
er in der Jurte nicht. Beim Empfange war auch eine Frau anwesend, die
reiches, silbernes Gehänge trug; sie hielt sich aber immer sehr im Hintergrunde.
Die Jurte war nach der Art eines kleinen Tempelchen.s eingerichtet. In
einem mit P'ächern versehenen, einem Apothekerregal ähnlichen Holzgestcll
waren zahlreiche Heiligenfiguren als Puppen aufgestellt. Jede sah für sich ge-
sondert aus einem Fache heraus. Sie trugen den Strahlenkranz der Heiligen
um den Kopf und waren zumeist mit weisser Gewandung und reichem Schmuck
- 358
W^ t»
•> 4t
aus künstlichen Blumen versehen. Ausserdem hin-
gen kleine Bilder von Heiligen an den Wänden.
Der überreichte Musikapparat spielte eine
Weile und dann wurden wir eingeladen, Thee
zu trinken, zu welchem Zwecke wir uns in ein
anderes Zelt begaben, nachdem wir uns vom
Lama, der während des ganzen Empfanges kein
Wort gesprochen hatte, verabschiedet hatten. In
der zweiten Jurte, in die man uns führte, nahm
den ersten Platz ein grosser Feuerherd ein, von
derselben Art wie er sonst in den runden Jurten
zu finden ist, aber von bedeutend grösseren Di-
mensionen als sie sonst üblich sind. Auf dem
Herde standen zwei sehr grosse Kupferkessel, in
denen Thee und Tsam ba von einigen Frauen
bereitet und von den Männern herumgereicht
wurden. Man nahm auf Decken um den Herd
herum Platz. Im Hintergrunde, dem Jurteneingang
gegenüber, sassen einige Lamas mit grossem reli-
giösem Apparat, wie Pauken, Ledertrommeln,
Schellen und kleinen Opferschalen. An den Wänden
standen bis über Mannshöhe aufgestapelt Leder-
säcke mit Vorräten herum und auf einem Holzgestell
•* ^ m
%i.irV.^,.#-.* "**.»i*
Rosenkranz eines Lama vom Dschupar-Gebiige bei Lager XXIV.
— 359 -
einige sehr schöne, grosse Kolzkannen mit Messingbeschiägen, die aus dem Kloster
La-brang stammen sollten. DerThee war bald getrunken, während unser Dolmetscher
sich mit den ebenfalls noch in der Jurte anwesenden Leuten und Lamas unterhielt,
I und damit war unser Besuch beendet. Als Gegengeschenk sandte der Lama uns
I einen Hammel und versprach die Führer zum Hoang-ho Tür den folgenden Tag.
I Wir zogen bald weiter in einem ganz kurzen Tagemarsche bis an den
I grossen Sche-tsche-Fluss, dessen grosse Wassermenge ein Umladen der Lasten
I von den Yaks auf die Pferde nötig machte. Auf dem linken Ufer desselben
' wurde für längere Zeit, vom 15. bis 26. Oktober, das Lager fiir die Karawane
I
I
I
l)lc Führer der Kipeililion vom ßrosaeD Si'he-tsche-Flusse mm lloane-lio.
aufgeschlagen, während Dr. Holderer und ich mit zwei Chinesen und den beiden
uns gestellten einheimischen Führern einen neuntägigen Abstecher direkt nach
Süden zum Hoang-ho unternahmen. Der Landschaftscharakter am grossen
Sche-tsche-Fluss ist ein ausgeprägt hügeliger Steppentypus. Am Flusse selbst
erheben sich auf dem rechten Ufer in der Entfernung von etwa 1 km flach ge-
wölbte Hügel, deren Höhe 150 m nicht übersteigt und die ganz, aus Sandsteinen
und Konglomeraten gebildet sind; am Flusse entlang nach Westen zieht sich
eine an vielen Stellen sehr sumpfige Steppenniederung, die im Südwesten in die
weiten Sumpfgebiete am unteren Teile eines hnken Nebenflusses des grossen
Sche-tsche-Flusses übergehen. Noch weiter westlich verengt sich das Flussthal
und der weitere Lauf des Flusses bis zum Hoang-ho liegt in einer Schlucht des
— 36o "-
Sandstelnschiefer-Gebirges, dessen Herge hier schon bedeutendere Höhen (bis
350 m) erreichen. Ein Weg führt hier nicht mehr am Flusse entlang. In der
Richtung flussaufwärts hat die Steppenfläche auch nur eine massige Ausdehnung.
Ein Zug von Bergen der Sandsteinschiefer-Formation legt sich in nordwest-
südöstlicher Richtung quer über den Fluss und diesem ist nur im engeren
Thale der Weg gestattet. V^on beiden Seiten ziehen breite flache Thalböden
zum grossen Flusse herab; in allen befanden sich zur Zeit zahlreiche Jurten und
Herden, besonders aber auf der rechten Flussseite. Es waren im ganzen Um-
kreise über 100 Jurten zu zählen.
Ist dies der Charakter der Landschaft in der näheren Umgebung unseres !
Lagerplatzes, so wird er durch den Ausblick ergänzt, welchen ein 250 m hoher,
östlich von dem Jurtendorfe Wan-saong sich erhebender Berg darbietet, dessen
Abhänge und breiter Rücken ganz mit Steppengras bedeckt sind; die Ansicht
ist als Profil No. III auf der Profiltafel XLII wiedergegeben. Ueber das nach
Südwest und Süd gelegene, sanft abfallende und durch seine gerundeten Um-
risslinien, die langen Höhenrücken und das Fehlen scharfer Einschnitte und hoch
aufragender Gipfel ausgezeichnete Hügel- und Bergland, dessen in WNW.-
Richtung parallele Höhenzüge weiter gegen Südwesten immer höher, bis über
400 m werden, ragen am fernen Horizonte, wie Riesen im Vergleich mit dem
davorgelegenen Berglande, mächtige Gebirgsstöcke in isolierten Massiven zu
grossen Höhen und in wilden, vielfach zerzackten Formen auf, mit senkrechten |
Abstürzen, Felsentürmen und tief eingeschnittenen Thälern.
Die Skizze zeigt solche Felsengebirge im Süden und Südosten, während
ihre westlichen Fortsetzungen durch die dort ebenfalls hoch aufragenden Ketten
der Schiefer-Sandstein-Region verdeckt werden, aber jedenfalls noch weiter fort-
setzen. Es ist schon aus der weiten Ferne zu erkennen, dass diese im allge-
meinen von OSO. nach WNW. streichenden, mauerartigen Berge eine ganz andere
geologische Zusammensetzung zur Grundlage haben müssen, als die Schiefer
und Sandsteine, in deren Bereich noch der grosse Sche-tsche-Fluschs liegt Jene
Berge bestehen, wie die zum Hoang-ho unternommene Exkursion zeigte, zum
Teil aus Riffen und Klippen von Kalken, welche zwischen Schiefer in Stöcken ein-
gelagert sind und durch die Erosion in ihren einzelnen Gruppen freigelegt wurden,
und gehören in den fernen Teilen (c — f im Profile) dem Gebirge Sarü-Dangerö
an. Darauf des Näheren zurückzukommen, wird später noch Gelegenheit sein.
Hier auf unserm Aussichtspunkte ist noch die geographische Beschaffen-
heit des Landes im Gebiete des oberen Laufes des grossen Sche-tsche-Flusses
von Interesse. Zunächst gelegen sind die gleichförmigen, ganz mit Steppendecke
überzogenen, wenig emporragenden Höhen der Schiefer-Sandstein-Formation, •'
deren breite Zone nach Südost hinzieht und bis fast zum Horizont einzig und
ausschliesslich das Land zusammensetzt. Weite Thalniederungen und grosse,
sumpfige Steppenflächen erscheinen zwischen den niederen Bergzügen und erst
am Horizonte steigen höhere Berge auf, von denen die Wasser nach Westen
'lAFEL \XV1I.
abtliessen und in denen anch die Quellgebiete des grossen Sclie-tsche- Flusses und
seiner oberen Nebenflüsse liegen. Man kann erkennen, dass eine weite Thal-
niederung am Westfusse dieser Berge entlang zieht, welche die aus dem Ge-
birge austretenden Flüsse aufnimmt und wohl dem grossen Sche-tsche-Flusse zu-
fuhrt, denn das Gefälle scheint am Fusse der Berge nach Süden und Westen
gerichtet zu sein, also umgekehrt wie in der nördhchen Fortsetzung dieser
Berge, der Wasserscheide zwischen oberem und mittlerem Hoang-ho-Gebiet,
die oben mehrfach erwähnt wurde, wo die Wasser nach Norden und Nordwesten
abflössen. Jene grosse Wasserscheide ist also auch hier noch zu konstatieren,
Kulk-nphirsTP iim Cliali-tsdie-Fluss iu ilpr Xähe iles ohprpn Ho.iucr-ho,
Vom I.acer .\6") nacli Norden Resehen.
wenn auch mit geringeren Höhen und im allgemeinen nord-südlich oder nord-
West-südöstlich gerichtetem Verlaufe.
Das ist festzustellen, dass im Osten unseres Reiseweges noch höhere
Gebirgserhebungen liegen, welche die von Nordnordwesten nach Südsüdosten
taufende Wasserscheide tragen; es ist aber sehr wahrscheinlich, dass das längs
des Reiseweges überall und konstant vonviegende Streichen der steil gestellten
Schichten in der allgemeinen Richtung des Kuen-lun-Streichens von West zu
Nord nach Ost zu Süd auch dort den Gebirgsbau beherrscht, und die höhere
Erhebung längs der Wasserscheide nicht einer tektonisch selbständigen Gebirgs-
kette entspricht. Man kann diese Wasserscheide noch weiter gegen Südost hin
*) Die I-Tcerplätze während der ICvrurtion von IJlKer XXXVII bU lui Aen Ilanaff-ho und
iiiriick Bin.1 mil A i — .\ 8 bezeichnet.
36= -
verfolgen, aber sie tritt immer weniger an Höhe über das umgebende und nach
Westen davorliegende Gebirge hervor. Im Südosten liegt auch die lieber-
gangsstcUe, welche der direkte Weg nach Sung-p'an thing, östlich vom Hoang-ho,
wählt, um ins obere Thal des Thao-Flusses zu gelangen. Unter den Fluss-
geröUen des grossen Schetsche-Flusses sind besonders verbreitet Sandsteine und
Schiefergesteine; es finden sich aber auch Kalke ohne Versteinerungen und
körnige Kalke, während granitische und gneissartige Gesteine fehlen.
Vom Lager am grossen Sche-tsche-Flusse sollte der Hoang-ho in drei Tagen
auf Pferden zu erreichen sein, und da über den Lauf dieses Flusses oberhalb
der Einmündung des Baa-Flusses zuverlässiges nicht bekannt war, so erschien es
von hohem Werte, den Abstecher dahin zu miternehmen. Als die gestellten
zwei Führer kamen, brach eine kleine Abteilung, bestehend aus Dr. Holderer
und dem Verfasser, sowie zwei Chinesen mit zwei Lastpferden, die Zelte, Decken,
Küche Lind Instrumente trugen, am i6. Oktober in südlicher Richtung zunj
Hoang-ho auf
Die Führer, welche einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck machten,
murmelten während des Mansches fortwährend Gebete. Eine Unterhaltung war
wegen Unkenntnis der Sprache unmöglich. Auch wenn ich zum Zwecke der
Routenaufnahme vom Pferde stieg, was bei jeder neuen Wegbiegimg, bei jeder
Peilung auf entfernte Herge, die sichtbar wurden, und jedem Thal, das wir
kreuzten, nötig wurde, hielt der Führer mir das Pferd, ohne dabei seine Gebete
zu unterbrechen. Andere Führer, wie zum Beispiel der schlechte Kerl, den
uns der obstinate Lama in Sche-zaong (Lager XLIV) gegen Vorausbezahlung
gegeben hatte, und der uns über den Pass zum Thao-Flussgebiet begleitete.
— 3^3 —
dann aber plötzlich verschwunden war, beteten in derselben Weise unaufhörlich,
so lange sie uns begleiteten. Es besteht die Vermutung, dass es die Leute
dieses Dorfes waren, die uns einige Tage später beim Kloster Schin-se über-
fielen. Denn die beim Kloster Ansässigen waren bei dem Angriff nicht beteiligt,
sondern andere Stämme, die unserer Expedition mehrere Tage gefolgt waren, um
eine günstige Gelegenheit zum Ueberfall zu erspähen. Die Nähe des frommen
Klosters erweckte ihnen dabei keine Skrupel, und wahrscheinlich haben sie auch
unterwegs für gutes Gelingen ihrer Absichten gebetet, wie die Räuber in Süd-Italien
vor einem Morde die Heiligen anzurufen pflegen. Auch an andern Zeichen gab
sich ihre äussere Frömmigkeit kund; so wurde z. B. jedesmal mit dem Finger
etwas Thee oder Tsam-ba aus der Schüssel herausgeworfen und dann erst davon
getrunken; das sollte offenbar eine kleine Libation sein, in derselben Art, wie
jeder Wanderer zu einem Obo einen Stein oder ein Wollen flöckchcn hinzufügt.
Hatten wir geglaubt, unsere Führer würden entweder dem Thale des
grossen Sche-tsche nach Westen oder dem eines andern, weiter südlich dem
Hoang-ho zuströmenden Flusses folgen, so zeigte schon der erste Reisetag,
dass wir vorwiegend eine südliche Richtung verfolgten mit nur sehr geringen
Abweichungen nach Westen und auch die folgenden Märsche blieben dieser
Richtung treu, es sei denn, dass Passübergänge und sumpfige Stellen in den
Thälern vorübergehend Abweichungen nötig machten. Wir folgten keinem der
nach Westen führenden Flüsse, sondern durchquerten ihre Thäler und über-
stiegen, von einem Thal in das nach Süden nächstfolgende übergehend, zum
Teil hohe Pässe in geologisch verschieden zusammengesetzten, im allgemeinen
von OSO. nach WNW. streichenden Gebirgszügen, zwischen denen die Flü.sse
in typischen Längsthälern ihren Weg zum Hoang-ho nehmen.
Je näher wir dem Hoang-ho kamen, um so höher wurden Berge und Päs.se.
Jenseits des grossen Flusses selbst zieht das aus hohen, schneebedeckten,
schroffen Felsgipfeln bestehende Gebirge des Sarü-Dangerö, eines Teiles der
Amnematschin-Kette, ebenfalls in OSO. — WNW.-Richtung und begrenzt von Süd-
osten bis fast nach Westen den ganzen Horizont. An seinem nordöstlichen Fusse
fliesst der Hoang-ho in breitem Bette am Fusse einer Terrasse seiner alten An-
schwemmungen, die im 5 — 7 km breiten Thale liegen, und in die er sich sein
heutiges Flussbett eingegraben hat (siehe Panorama auf Tafel XXVIII). Wir
erreichten ihn an einer Stelle, wo sein Thal nach aufwärts in direkt östlicher
Richtung und weiter oben in Ost 10® Süd, nach abwärts in westlicher Richtung
mit IG® nördlicher Abbiegung viele Kilometer weit zwischen den beiderseitigen
Bergen als breite Einsenkung zu verfolgen ist, während der Fluss selbst in viel-
fachen, mäandrischen Windungen bald näher dem südwestlichen,- bald näher
dem nordöstlichen Gebirgsrande seinen Lauf nimmt. Wir kamen also noch
unterhalb der Stelle an den Fluss, wo derselbe von Süden aus den Bergen bricht
und sein berühmtes Knie aus östlicher zu nördlicher und zurück nach west-
licher und nordwestlicher Richtung des Laufes bildet, über dessen geographische
- 3f'4 -
Lage wie allgemeinen Charakter noch grosse Unsicherheit herrscht. Unterscheiden
sich doch auTden Karten nicht nur die Darstellung des Laufes des Flusses vor
und nach der Biegung, sondern auch die I^ge der östlichsten Stellen, welche
die knieförmige Biegung des Flusses erreicht, um ganze Längegrade. Auch in
der geographischen Breite derselben herrscht nicht die Uebereinstimmung wissen-
schaftlicher Sicherheit.
Diese Fragen aufzuklären, war nun unsere Exkursion nicht geeignet, und
ihre Lösung musste zunächst auf einen neuen Abstecher von der Hauptroute
von einem südlicher gelegenen Punkte verschoben werden; aber schon das, was
die Exkursion ergab, der Weg vom Schc-tschc-Fluss an den Hoang-ho bis zu
Stv|ipen(hal zwischen L;<c;er A 2 uii<! A 3. siliUltli vcmi irroiBeii Schc-tschc-KlDMC.
einer Stelle unterhalb des Knies, wo er schon die ost-westliche Richtung an-
genommen hat, trug dazu bei, die bisherigen Vorstellungen über den Charakter
des Flussthaies wesentlich zu ändern. Die nachfolgenden Zeilen werden daher
manches in geologischer wie geographischer Beziehung neue bringen.
Am ersten Reisetage unterschied sich der orographische und landschaft-
liche Typus noch wenig von dem schon oben vom grossen Sche-tsche-Fluss be-
schriebenen. Zunächst ging es eine kurze Strecke zwischen dem Fluss und den
I km von seinem Ufer entfernten niederen, aus intensiv roten, thonigen Sand-
stein- und Konglomeratbilduugen zusammengesetzten Hügeln auf Steppe dahin,
und dann in vielen Windungen durch eine meilenweit ausgedehnte, sumpfige
Fläche, die von dem aus Südosten kommenden P'lüsschen Tschünere-ramid
vor seiner Einmündung in den Sche-tsche-Fluss gebildet wird. Ohne sehr kun-
dige Führer ist es unmöglich, diesen Sumpf zu überwinden, und selbst mit
TAFF.L XXVIII.
Wcslnordwcst.
latschin) und Thal des Hoan)
ind A7 nach Ostsüdosten — Süden -
:. La^er A8 der Expedition in 33
-■365
solchen ist man oft gezwungen umzukehren und einen neuen Uebergang zu
suchen. Bis zum kleinen Tschünere-ramid-Flusse, der aus Süden und Südwesten
durch kleinere Gewässer mit breiten, ebenfalls sumpfigen Ufergebieten verstärkt
wird, gelangt man noch leidlich gut und durch das kleine Flüsschen von 3 m
Breite und 0,5 m durchschnittlicher Wassertiefe führt eine dem Führer genau be-
kannte Furt, während es oberhalb wie unterhalb derselben unmöglich ist, der
tiefen Schlamm- und Sumpfregionen wegen, auch nur sein Ufer zu erreichen.
Auf der andern Seite dagegen führt der Weg über schmale, locker ge-
fügte Grasbrücken, die häutig unter dem Schritte des Pferdes nachgeben, zwischen
ni.o in duL- Nähe ili-s SUir-dunir-lsrhe-tlusses. sil.lüstlk'h von Ijiccr XXX\'III.
tiefen, w asse rar (li Uten und mit weichem Schlamm am Boden bedeckten Löchern
und Vertiefungen hindurch. Auf dem Hin- wie auf dem Rückwege brachen
hier die Pferde bis zum Leibe ein, so dass sie abgeladen und die Lasten weit
zurück getragen werden mussten, bis man die Pferde aus der schlammigen
Umstrickung befreien konnte. Dieser Art nahm das Uebersch reiten der Sumpf-
strecke, auf der übrigent^ schöne Wasservögel, Reiher, Möven etc., und in den
Sumpflöchern zahllose Süsswassersch necken und kleine Schalcnkrebse nebst
reichlichen Wasseralgen zu finden waren, mehrere Stunden in Anspruch und
erst der allmählich zu niederen Höhen ansteigende, festere Steppenboden brachte
Erlösung aus diesen Mühsalen. Hier war erste Rast und Mittagsstation A i zur
Vornahme der meteorologischen Beobachtungen.
Der weitere Weg ist angenehmer; es geht bis zu der am Urtia-tsche-Flusse
gelegenen Abendstation (A 2) über niedere Hügel und breite Thäler mit sanften
- 366 -
Abhängen, die, wie auch die Berge selbst, mit Steppengras bedeckt sind. Einem
kleinen Thälchen folgt man nach Süden auf einen wenig hohen, breitrückigen
Pass, der etwa 1 50 m über der Sumpffläche liegt und auf dessen Ostseitc ein
Berg noch etwa 50 m ansteigt, dessen Gipfel mit einem iObo<, einem Stein-
sockel mit Stangen und Buschwerk darauf, gekrönt ist. Es ist sehr originell in
seiner Art und weithin über die Flussniederungen von seiner dominierenden
Stelle aus sichtbar: ein ausgezeichneter Fixpunkt ttir die topographische Routen-
aufnahme. Es besteht aus einem von rotem Sandstein aufgebauten Postamente,
auf welchem zu einem grossen Kegel zusammengebundene, lange Reisigzweige,
Stangen und Ruten mit Stricken befestigt und vor dem Umwehen geschützt
sind. Solche Halt gebende Stricke laufen nach allen Seiten und sind durch
kleine Wimpelchen und Wolleflöckchen geziert. In der Nähe dieses Haupl-
denkmales sind noch einige kleine Fähnchen mit schmucklosen Tuchlappen auf-
Obu.
a am Wlamt-su-FluBiic bi-i Lu^ur A 5; 6 aUdlich vom i.tos»<-ii SL-hp-tsohr-FluBSi.' bi-i l.at;er A.
gestellt. Die Obos sind deshalb auf besonders hohen oder auffallenden Punkten
errichtet, weil das Volk glaubt, dass die Schutzgeistcr des Ortes, zu deren
Ehren die Obos errichtet werden, an erhabenen Orten wohnen. Sie sind
aber auch an Pügerwegen, damit die Pilger Opfergaben, wie Tuchlappen, Steine
oder Wolleflöckchen, hinzufügen, um so sich des Schutzes des Genius loci zu
versichern. Auch Papier- und Tuchstücke mit tibetanischen Inschriften werden
zugefugt. Die Errichtung solcher Altäre datiert schon aus vorbuddhistischer Zeit,
wo an ihnen auch Opfer von Tieren den Göttern dargebracht wurden. Manche
der Postamente der Obo sehen wie Altäre aus. Von einer photographischen
Aufnahme wurde uns von den Chinesen abgeraten aus Angst vor den zahlreich
in der Umgebung befindhchen Tanguten oder Mongolen, die auf dem weithin
sichtbaren Punkte unser Vorhaben sicher bemerkt und wahrscheinlich miss-
deutet hätten; so giebt nur die beistehende, flüchtige Bleistiftskizze (b) eine
Vorstellung von diesem originellen >Memento< für die Pilger, dem man übrigens
hier noch nicht häufig begegnet.
— 36S -
Eine andere Art von frommen Zwecken haben die Tsa-tsa, die man so-
wohl an den verlassenen Lagerplatzen findet, wo sie wohl auf den Hausaltaren
standen, als auch in Felsennischen und an Obos. Meist sind es aus Thon ge-
formte Kegelchen mit Verzierungen wie sie in den vor- und untenstehenden
Textfiguren von verschiedenen Fundorten dargestellt sind. Oder es werden zahl-
reiche Thonkugeln, die eine einfache Verzierung aussen an der Oberfläche tragen,
in einer Höhle oder direkt auf dem Steppenboden im Schutze einiger Stein-
platten zusammengehäuft und eine einfache Tuchfahne daneben aufgestellt. Die
Abbildung (Textfigur auf Seite 366) zeigt ein solches Monument, das wir am
Wlamt SU-Flusse, bei der Mittagsstation am dritten Reisetage, in der Nahe eines
Lagerplatzes antrafen, mit den zugehörigen Thonkugeln.
Tsii-tsa (riioakegekheD als Oplereabea).
Vqb Iji«er XI.VUI im oberen Von Laßer .Xi.VI
FluEBgehiele des Thuo-ho. :im I>9chiem -Ische.
Die Berge in dieser Gegend haben in der That etwas, was zur Errichtung
eines weithin sichtbaren Denkmals auffordert. Trotz ihrer einfachen, langge-
zogenen Kuppenformen überragen sie weit ihre Umgebung, und häufig sind ihre
oberen Teile noch besonders auffallend durch die intensiv rote Farbe, welche
unter der Grasdecke an kleinen Aufschürfungen hervortritt und von der hier
und noch weiter gegen Süden und Südosten verbreiteten Quetae-Formation her-
rührt, die wir schon früher im Thale des Sining-ho kennen lernten. Auch
das Postament des Obo ist aus Sandsteinen derselben Formation gebaut. Ebenso
weisen die niederen Höhenzüge, welche die Wasserscheide bilden zwischen dem
Sumpfgebiet am Tschünere - ramid und dem Urtia-tsche, einem kleinen, nach
Westen fliessenden, noch zum Flussgebiet des Sche-tsche gehörenden Flüss-
chen, das ausgedehnte Steppenniederungen in seinen oberen, südlich von
— 369 —
jenen Sumpfflächen gelegenen Thalgebieten besitzt, an ihren nach Süd und
Südwest gerichteten, steileren Abhängen die roten Felswände der Sandsteine
und Konglomerate dieser Formation auf, ohne aber das allgemeine Landschafts-
bild der einfachen, wenig hohen Bergzüge und fast ununterbrochenen Steppen-
bedeckung der grossen, oberen Thalweitungen und sanften Flussgefalle mit
mäandrisch sich windenden Flüsschen wesentlich modifizieren zu können. Das
nähere Studium der Konglomerate der Quetae-Formation bietet einige Punkte von
besonderem Interesse.
Zunächst bestehen die groben, bis faustgrossen GeröUe der Konglomerate
vorwiegend aus harten, blauen, meist von weissen Kalkspatadern durchzogenen
Kalken, in denen sich keine Versteinerungen finden, die aber nach petrographi-
schen Kennzeichen identisch sind mit Kalken, denen man weiter im Süden auf
dem Wege zum Hoang-ho in grossen, malerischen Klippen begegnet. Das be-
weist, dass sich diese Schichten aus Material gebildet haben, das ganz aus
der Nähe von jenen Gebirgen im Süden stammt, und es erklärt sich daraus
auch die intensiv rote Färbung der Formation. Dieselbe stammt von den roten
Thonen, der sogenannten Terra rossa, welche als Verwitterungsrück5tand ähn-
licher Klippenkalke von häufig koralligenem Ursprung z. B. im Karste und auch
anderwärts keine seltene Erscheinung ist und von der verwitternden Oberfläche
jener höheren Kalkgebirge im Süden gegen den Hoang-ho hin eingewaschen wurden.
Aber noch andere Erscheinungen an diesen Gerollen fesseln die Auf-
merksamkeit des Geologen: An den Wetter und Wind exponierten Felsklippen,
wie sie am Urtia-tsche bei unserm ersten Nachtquartier in der Höhe von etwa 30 m
anstanden, findet man Riefungen und unregelmässige Rinnen an der Oberfläche
der hervorstehenden Kalkgerölle, welche an die schönen, aus der Gobi schon
früher beschriebenen, an der Oberfläche erodierten Gerolle erinnern. In der
That stellen sie auch dieselbe Erscheinung dar, nur mehr im Anfangsstadium
und noch nicht so vollkommen entwickelt wie dort, ein Beweis, dass dieselben
Kräfte wie in der Wüste in geringerem Grade auch in der bergigen Steppe
thätig sind und an gleichem Materiale gleiche Erscheinungen hervorrufen. Nur
fehlt hier der Sand, der in der Wüste eine grosse Rolle spielt, gänzlich. Noch
eine weitere, ihrem Wesen nach ganz andere Erosionserscheinung, die auf
vegetabilischen Ursprung zurückzuführen ist, zeigt sich an der Oberfläche der
Kalkgerölle. Es sind kleine, runde, scharf umgrenzte, ebenso tiefe wie breite,
dicht an einander gereihte Löcher. In manchen derselben sitzt noch die
Erzeugerin der Höhlung, eine Flechte, welche sich in den Kalk eingefressen
hat; es giebt auch Beispiele, wo mäandrisch gewundene Linien durch solche
Flechten auf dem Kalke durch die auflösende Wirkung der organischen Säfte
dieser Pflanzen hervorgebracht wurden. Bei dieser Gelegenheit sei nochmals
darauf hingewiesen, in welch ausserordentlicher Weise überall in den Gebirgen
des Süd-Küke-nur- Gebietes und des nordöstlichen Tibets die Felsen mit einer
Decke von Flechten überkleidet sind, die ihnen nicht nur ein buntes Aussehen
Futter er. Durch Asieo. 24
— 370 —
verleiht, sondern auch, wie die oben angeführten Beispiele zeigen, auf die Ober-
fläche der kalkigen Gesteine einen verändernden Einfluss ausübt.
Doch kehren wir nach diesen Exkursen auf geologisches Gebiet wieder
zurück zum Ufer des Urlia-tsche, den wir am Abend des ersten Marschtages
erreicht haben. Das Flüsschen ist bei Lager A 2 nicht sehr bedeutend und hat,
nachdem es direkt vorher von Südosten her noch einen kleinen Nebenfluss auf-
genommen, die Breite von 4,0 m und die durchschnittliche Tiefe von 0,3 m. Es
führt klares, helles, süsses Wasser und fliesst ziemlich rasch (1,2 m pro Sekunde)
zwischen Steppenflächen in dem nicht breiten Thale in westnordwestlicher Rieh-
FeUeDthor aus Kalkklippcn ;;ebildct, bei Lat;er A 3, südlich vom ürtla-Uche-FluBse.
tung, erreicht aber nicht den Hoang-ho direkt, sondern mündet schon vorher in
den Sche-tsche-Fluss ein. Vorher erhält es noch auf der rechten Seite einen
kleinen Zufluss, den der Weg überquert, ehe er den ganz niederen Hügelnicken
zwischen den beiden Flüsschen überschreitet. Die oberen Teile aller dieser
Flüsschen sind noch tj'pisches Steppenland: niedere, langgezogene Höhenrücken
aus Quetae-Schichten mit dünner Lössdecke, breite, weite Thalniederungen mit
geringen Böschungswinkeln der Abhänge und in den Depressionstiefen oft im
Grase als Sümpfe stagnierendem Wasser. Gegen den Hoang-ho hin aber wird
das Thal der vereinigten Gewässer enger; die Berge zu beiden Seiten werden
bei sonst gleichbleibendem Charakter höher, bis zu 250 und 300 m über dem
Thale, und es scheint an der Einmündungsstelle in den Sche-tsche sowohl dieser
wie der Urtia-tsche-Fluss in schluchtenartigen Thälern zu fliessen, welche sich
- 371 —
stetig vefengend, ohne begleitenden Weg dem Hoang-ho zugehen. Das ist wohl
auch der Grund, warum man nicht direkt dem Sche-tsche, dem Urtia-tsche oder
noch weiter im Süden dem Wlamt-su-tsche folgend den Hoang-ho näher erreichen
kann, sondern ihn erst quer über die ihm zufliessenden Gewässer und die
Gebirgsketten viel weiter im Süden aufsucht.
Schon der zweite Tag führt in geologisch anders zusammengesetztes Ge-
birge und damit ändert sich auch der Landschaftscharakter ganz wesentlich.
Zunächst noch hat man einen niederen, von Steppengras bedeckten Pass zu
überschreiten, auf dessen westlicher Seite sich der letzte Berg aus Quetae-Schichten
Höhle Im Kalkgebirge bei Lager A 3, südlich vom L'rda- Ische-Flusse.
mit breiter, nach WNW, gestreckter Kuppe um 150 m über die Passhöhe
erhebt. Vom Passe sieht man über ein nicht sehr breites Steppenthal, das in
westnordwestlicher Richtung zum Urtia-tsche-Flusse geht, nach Süden höhere Berge,
deren Gehänge und Gipfel mit zahlreichen, in Reihen angeordneten Felskhppen
besetzt sind; an solchen Stellen fehlt die Steppengrasdecke und ganze Gehänge
sind nur durch Felsen und deren Schutt gebildet. Die Böschungswinkel sind
steiler, die Gipfel und Kammlinien sehr ausgezackt, vielfach steil auf und ab-
gehend. Die zwischen den Felsgräten hegenden Gebirgsteile dagegen haben
sanftere, wenn auch steile Gehänge und sind mit der Steppengrasdecke über-
zogen. Durch ein Querthal sieht man quer in diese felsigen Gebirgszüge hinein.
In schroff ansteigenden, zum Teil sehr hohen und malerischen Klippen und
— 372 —
Pyramiden steigen die Kalkklippen an den Abhängen herab, engen das sonst
breite Steppenthal ein und bilden Felsenthore und Durchlässe fiir den kleinen
Fluss. Bei grossartigen Felspyramiden dieser Art, welche in einer von OSO. —
WNW. streichenden Reihe isoliert hinter einander lagen und vom Gehänge
beider Thalseiten durch das Thal gingen, waren die mächtigen Bänke der Kalke
in ausgezeichneter Weise durch den faltenden Gebirgsdruck zu einem grossen
GeröUe emporgestaut, dessen unterer, durch Erosion stark vertiefter Teil eine
gewaltige Felsenhöhle bildet. Die beiden auf Seite 370 und 371 stehenden Ab-
bildungen zeigen Felsenthor und Felsenhöhle in dem Thale, die noch etwa
2 km von dem im Süden gelegenen Passe über das Gebirge entfernt sind.
Charakteristisch für die orographische Beschaffenheit dieses Gebirges ist
— und das gilt auch weiter nach Süden, so weit dieses Gebirge in seiner Breite
reicht, bis fast an den Hoang-ho — , dass es immer nur einzelne solcher felsigen,
mehr oder weniger mächtigen Klippenzonen sind, die streng parallel zu einander
alle in OSO. — WNW.-Richtung Berg und Thal durchsetzen. Es entstehen so
Klippen und Felsgräte auf sonst sanftem Steppengehänge, das die oft kilometer-
breiten Zwischenräume ausfüllt und weit mehr Areal in Anspruch nimmt als
die felsigen Zonen, die natürlich infolge ihrer grossen Widerstandsfähigkeit
gegen die Erosion die besonders hervorragenden Teile, wie Gipfel, Kämme und
isolierte Klippen, bilden.
Auch hier finden diese morphologischen Eigentümlichkeiten in einfachster
Weise ihre Erklärung durch die geologische Zusammensetzung dieses in seiner
Breitenatrsdehnung südlich vom Urtia-tsche-Flusse bis an das Thal des Hoang-ho
reichenden Gebirgsteiles. Die Schichten bestehen der Hauptsache nach aus grün-
grauen und braunen, weichen Schiefern, Sandsteinen und grauwackenartigen Ge-
steinen, die alle von geringer Widerstandsfähigkeit gegen die erodierenden Kräfte
des fliessenden und thalbildenden Wassers sind. In diese Schichtserie sind nun
Kalkkomplexe von verschiedener, in der mittleren Zone des Gebirges am Wlamt-su-
Flusse recht bedeutender Mächtigkeit eingelagert, die dichte Beschaffenheit und
grosse Widerstandsfähigkeit besitzen. Im inneren Gefüge zerborsten, gefaltet, zer-
rissen und tausendfach zerklüftet, haben diese Kalke zumeist eine Breccienstruktur,
und zahllos sind die mit weissem Kalkspat ausgefüllten Risse im dunkelblauen Ge-
stein. Aber die Felsenmasse ist deshalb nicht mürbe oder bröckelig, sondern
die innere Zertrümmerung und Ausheilung der Lücken und Risse durch den
Kalkspat hat eher zur Verfestigung beigetragen. Diese Erscheinungen sind
Folgen der Aktion der gewaltigen, faltenden, gebirgsbildenden Kräfte, welcher
dieses Gebirge unterliegen musste, und die sich überall in Faltungen, wie die
schon erwähnten, und noch mehr in der durchgehend überall im Gebirge
vorhandenen, steilen Aufrichtung der Schichten, die nur selten von direkt senk-
rechter Stellung um mehr als 20^ nach Süden oder Norden abweicht, äussert.
Es stehen somit die Sandsteine und Schiefer und in ihnen die eingelager-
ten, von 25—150 m und mehr mächtigen Kalke senkrecht und auf dem Kopfe
— 373 —
im ganzen Gebirge, bis zum Hoang-ho vom Wlamt-su- Gebiete an, in einer
Faltungszone von 20 km Breite. Hier hat nun die Erosion im Laufe der Jahr-
tausende die harten Teile aus dem weicheren Zwischenmaterial herauspräpariert.
Die fest verkitteten, strukturlosen Kalkmassive stehen in ihrer Streichrichtung
als Mauern, Türme und Pyramiden auf den Bergen und in den Thälern — aere
perennius — und trotzen der Gewalt der zerstörenden und abtragenden Kräfte,
die aus dem durch Schiefer und Sandstein gebildeten, mehr Raum einnehmen-
den Zwischengebiete die weicheren Formen der mit Steppe überzogenen Abhänge,
die breiteren Thalböden und geringeren Höhen geschaffen haben. Wären in
der Zusammensetzung die Kalke überwiegend — im mittleren Teile des Gebirges
ist das stellenweise der Fall — , so wäre eine wilde Felslandschaft mit zackigen,
zerrissenen Gipfelregionen, steilen Felsabstürzen, schroff abfallenden Thälern mit
Kaskaden und Wasserfällen und gänzlicher Mangel der Vegetationsdecke die Folge;
südlich vom Wlamt-su-Flusse sind herrliche Felsgebilde von diesem Charakter in
den hohen Bergen, welche sein Thal von dem des Chali-tsche-Flusses trennen.
Wie aber die einzelnen Klippen und Felstürme isoliert in Reihen stehen, so ist
auch jene mächtigere Entwicklung der Kalkmassive nicht konstant in dem Streichen
der Schichten, sondern riffartig stärker und vermindert sich dann wieder, sowohl
nach WNW. wie OSO., so dass jene Felsenberge wie Inseln aus dem milderen,
steppenbedeckten Schiefer- und Sandsteingebirge hervorragen. Dieses letztere
bildet den Grundzug im Charakter des Gebirges, und die Felsenthore und
Klippen, Zinnen und Felsabstürze sind sein ornamentaler Schmuck.
Es fehlt nicht an Beweisen, dass am Ende der Tertiärzeit diese Erosion
noch im vollen Gange war. Die Konglomerate der Quetae-Formation, die nicht
in die Thäler dieses Gebirges hineinreicht und sich auch nicht mehr im Süden
desselben am Hoang-ho findet, bestehen zum weitaus grössten Teil aus Gerollen
der harten Kalke dieses Gebirges, die leicht zu erkennen sind. Die Quetae-
Formation hat somit einen grossen Teil ihrer Bestandmassen am Nordfusse
dieses Gebirges aus ihm zugeführt erhalten. Es bildet hier die Grenze
der Süsswasserseen oder Flussbildungen der jungtertiären Periode. Da die
Ablagerungen derselben meist horizontal liegen oder nur geringe Neigungen
zeigen, die auf kleinen, lokalen Verzweigungen beruhen, ist auch erwiesen, dass
in nachtertiärer Zeit bedeutendere tektonische Vorgänge und Veränderungen
hier nicht eingetreten sind. So haben wir hier einen Blick gethan in die
älteste Geschichte des Werdens und Vergehens eines Gebirges, und in seiner
heutigen Höhe und Gestalt die kümmerlichen Ruinen einstiger Grösse erkannt.
Auch die grossen Wasserbecken am Nordfusse, die sich weit am Hoang-ho
und im Nan-schan zwischen den Bergen ausgedehnt haben, sind verschwunden,
und nur ihre hoch hinaufreichenden Thon-, Sandstein- und Geröllablagerungen
geben Zeugnis von der grossen, ehemaligen Verbreitung jener.
Man überschreitet das Sandstein-Schiefer-Gebirge mit den Kalkklippen in zwei
Pässen; der erste, nördlichere, ist steil; er liegt zwischen dem Urtia-tsche- und
— 374 —
Wlamt-su-Flussgebiete; der zweite, südlichere, ist höher, liegt in der Mitte der
stärksten Kalkentwicklung und bildet denUebergangvomWlamtsu- zumChali-tsche*
Thal. Beim Aufstieg zum ersten der genannten Pässe vom Flussgebietc des Urtia-
tsche aus trifft man eine Felsenge und 2 km weiter oben das oben erwähnte, schöne
Felsen thor; vom Passe selbst, der nur wenig an Höhe den ihn umgebenden,
flachen Höhen nachsteht, eröffnet sich die Aussicht auf ein nach Süden zum
Wlamt-su fliessendes, in seinen oberen Teilen breites und flaches Seitenthälchen,
das in seinem mittleren Teile von zwei hohen Klippenzonen durchquert wird.
Auf dem Gebirgskamme auf der linken Seite des Wlamt-su-Flusses sieht man
dieselben Felsgebilde, nur in stärkerer Entwickelung, und der Gebirgsrücken ist
um ein geringes höher.
Das VVlamt-su-Thal ist etwa i km breit und der Fluss selbst ist 2 m breit
und o,5 m tief an seiner tiefsten Stelle. Gegen Westen wird das Thai noch
enger, schluchtartig, und öffnet sich direkt zum Hoang-ho, dessen hohes, auf
der linken Seite gelegenes Gebirge schon in der Lücke der Thalschlucht am
westlichen Horizonte als hohe Schneegipfel sichtbar wird. Der Weg zum
Hoang-ho folgt hier einige Kilometer dem oben noch breiten, stellenweise etwas
sumpfigen Fiussbette, das an der Nordseite hohe Geröll- und Lehmterrassen
hat. Auf der südlichen Thalseite sind die schönsten Kalkklippenberge, die
sich in wirksamem Kontrast von dem steppenbedeckten Vorhügellande mit
seinen einfachen, geschwungenen Linien abheben. Die kleinen, von ihnen
herabkommenden Thälchen geben hübsche Einblicke in malerische, enge Fels-
schluchten.
Ein solches grösseres Querthal mit dem Mongol-tsam-tsche-Fluss führt im
Westen der grossen Felsenberge nach Süden hinauf auf den Pass und die Wasser-
scheide zwischen Wlamt-su-tsche- und Chali-tsche-Fluss, und hier sowohl wie auch
beim Abstieg nach Süden zum breiten Flussthale des letzteren Flusses treten die
Klippenzonen fast ganz zurück. Das Thal des Chali-tsche-Flusses ist eine sehr breite
(3 km) ebene Steppenfläche, in welcher der Fluss in einer Breite von 6 m und
durchschnittlichen Tiefe von 0,3 m mit der Geschwindigkeit von 0,75 m in
einer Sekunde nahe der südlichen Thalseite dahinfliesst und mit vielfachen
Krümmungen in westlicher Richtung den nicht mehr fernen Hoang-ho erreicht
Die Klippenberge, welche vom Lager am Flusse aus einen herrlichen Anblick
gewährten, hören nach Westen schon am Passe und in östlicher Richtung nach
einigen Kilometern auf, und der obere Teil des Thaies, so weit man ihn zu
übersehen vermag, ist flachhügelig mit dem Typus der ausschliesslich herr-
schenden Schiefer- und Sandsteinformation, deren Gesteine mit nur sehr wenig
Kalk die GeröUe des Chali-tsche-Flusses bilden. Hier ist der hohe, zentrale
Teil des Kalkgebirges mit Höhen von 300 bis 400 m über dem Thale schon
überschritten, und wie im Norden desselben, so haben auch im südlichen Flügel
bis zum Hoang-ho-Thale von nun an die einfacheren Formen und niederen,
ganz bewachsenen Höhen der Thonschiefer- und Grauwackenbildungen den
— 375 —
Hauptanteil an der Gebirgszusammensetzung, wenn auch ab und zu noch Kalk-
oder häufiger auch Sandsteinköpfe aus der Steppendecke hervorsehen.
Vom Chali-tsche aus ist in südlicher Wegrichtung noch ein niedrigerer,
3500 m hoher Pass über die letzte Bergkette von etwa 4000 m hohen Gipfeln zu
überwinden und es führt dann ein Querthälchen direkt zum Hoang-ho hinab.
Vom Passe selbst aus aber hat man eine herrliche Uebersicht über das breite
Hoang-ho-Thal, das nur noch etwa 4 km entfernt ist, und die majestätische
Kette von hohen, schneebedeckten Gipfeln auf seinem linken Ufer. Von hier
ist das Panorama auf Tafel XXVIII aufgenommen. In ununterbrochener Reihe
kann man diese Hochgebirgskette von Südost über Süden bis weit nach Westen
verfolgen, wie sie das Panorama zeigt. Die Richtung dieser dominierenden
Kette des Sarü-Dangerö-Gebirges geht aus Ostsüdost nach Westnordwest und
die bedeutendsten Höhen liegen gerade vor dem Beschauer vom Passe aus
nach Süden. Von der dem Matterhorn vergleichbaren Spitze im Panorama
(Sp.) an gegen Osten wird das Gebirge niedriger und die Regionen der Hochgipfel
hören auf, gegen Westen hin behält es die Kammhöhe des mittleren Teiles,
aber es finden sich nicht mehr so grosse Unterschiede zwischen Scharte und
Gipfel als im schönen, mittleren Teil, mit andern Worten, die Kammlinie hat
einen gleich massigeren Verlauf. Gewaltig erheben sich die felsigen Gipfel des
Hauptkammes aus der Vorzone mit ihren einfachen, gerundeten Formen und
der braunen Steppengrasdecke. Wie von Künstlerhand mit bewusster Absicht
geschaffen, steigen die Felsmonumente über den einfachen Sockel in wirkungs-
vollem Gegensatze auf Spitze, dreikantige Pyramiden, breite Massive mit
mehreren Klippenhäuptern und zierliche Felsnadeln erreichen bis über 1000 m
Höhe über der breiten Hoang-ho-Ebene. Lange, scharfe Gräte ziehen aus der
Gipfelregion in nördlicher und nordöstlicher Richtung hinab, und ihre steil ab-
fallenden Seiten sind durch kleine Firsten und Gräte vielfach gegliedert. Als eine
weite Niederung zieht am Nordfusse des Gebirges das breite Flussthal des Hoang-ho
entlang und bildet im Osten wie im Westen eine grosse Lücke in der bergigen
Umgebung. Noch ist der Fluss selbst nicht zu sehen, aber ein steiler Uferabsturz
in der steppenbedeckten Ebene verrät die Lage des vertieften Flussbettes.
Der Weg vom Passe durch das Steppenthälchen ist bald zurückgelegt und
vom Schotterdeita und Aufschüttungskegel aus, den dieser kleine Fluss gegen die
noch tiefer liegende Ebene des Hoang-ho vorgeschoben hat, geniesst man eine
grossartige Aussicht auf die weiten F'lussniederungen, die Terrasse des tiefen
Flussbettes, die sanft ansteigenden Höhen und gerundeten, einfachen Berge des
Gebirgsfusses des Sarü-Dangerö und seine felsigen und schneebedeckten Hoch-
gipfel. Zahlreiche Flüsschen kommen aus dem Hochgebirge zum Teil aus tief ein
geschnittenen Querthälern hervor und durchziehen die ebene Fläche. In
ihrer Mitte fliesst an dieser Stelle der grosse Strom in einem Bette, dessen
linker Uferrand über 50 m hoch steil abfällt, während auf der rechten Uferseite
die Böschung vom Grebirge zuerst stufenweise in einzelnen Terrassen und dann
— 3r'5 —
in »e;t«r .Sttr^pcnnicdcTung gan7 a'Jniah^Jch zam Wasserepiegel des FTasses ab'
'^'.'T/^. Ir.ic-scn ^ind diese Verba^tniäse nicht überall ganz g'.eidi. So tritt der
Flui* k-jrz unterhalb der Steüe. wo wir ihn erreichten und fiir die meine
5ch;;derung gilt, so hart an die nordliche Bergäeite. dass Steilafer dort entstebcn
und die Schiefer des Gebirges entblosst werden. Er folgt durcfaaas nicht immer
6tm .Steürand der ;o m h'>hen Terrasse, weiche auf der hnkea Flussseite die
gr'/-se Stejipenflache bis zum 3—4 km entfernten Gebirgäfusae des Sarü-Dangerö
bildet sondern ändert häufig in grossen Schiingen und Windungen seine Rich-
tung, wahrend der Terrassen ran d, so weit man sehen konnte, zieinlich in der
Mitte der grossen Thaleinsenkutig bleibt
Tb:J des iibcrcD HoauT-ho von l^-^ti A S nach Westen (;eseheii.
Auf dem rechten Flussufer erstreckt sich tiefer gelegenes Steppenland in
weiter Ausdehnung nach Osten flussaufwärts. Reste der erodierten und vom
Flusse wieder entfernten Terrassenschotter sind hier nur noch in geringer Aus-
dehnung und mit vielen Unterbrechungen längs der Berge erhalten. Dort ^nd
in gleicher Weise die Spuren anderer Terrassen in verschiedener Höhe, zum
Teil in höherem, zum Teil in niedrigerem Niveau als die grosse Terrasse der
linken Flussseite nachzuweisen, die der zweiten Stufe am Gebirge auf der Nord-
scite entspricht. Abgesehen von kleinen, durch Flussläufe und die Schotterkegel
der aus dem Gebirge austretenden, kleinen Flüsse erzeugten Unebenheiten in der
P'lussniederungsebene sind an den Bergabhängen drei grössere und bedeutendere
Terrassenstufen, deren Bildung unzweifelhaft dem Hoang-ho selbst angehört, zu
unterscheiden. Auf jeder Terrasse liegt eine Lössdecke. Sie ist tmgeschichtet
vertikal abgesondert und birgt die Bruchstücke zahlreicher Landschnecken;
doch sind ganze Exemplare selten. Bemerkenswert ist in dem breiten Thale das
— 377 —
gänzliche Fehlen der leicht kenntlichen Quetae-Bildungen. Nirgends waren
Spuren von ihnen zu entdecken, sie scheinen das Thal ganz zu meiden, es
müsste denn sein, dass sie überall von den Terrassenschottern überdeckt und
nirgends von der Erosion zu Tage gefördert worden wären. Erst zwei Tage-
reisen nördlich vom Fluss beginnen sie und sind im Stromgebiet des Sche-tsche-
Flusses weit verbreitet. Beim Austritt des Hoang-ho aus dem Dschupar-Gebirge
folgten ihre mächtigen Ablagerungen in hohen Bergen seinem Lauf nach aufwärts,
vielleicht noch über den Baa-Fluss hinaus; um so merkwürdiger ist ihr gänzliches
Fehlen an der von uns besuchten Stelle.
Das geologische Bild der Thalseiten wird noch mannigfaltiger durch die
Schotterkegel und Delta, welche die aus dem Gebirge des Nordufers austretenden
Flüsschen in die Niederungen vorgeschoben haben, sowie durch die an entblössten
Stellen sichtbaren Schichtköpfe der gefalteten Schiefer und Kalke des Gebirges.
Der allgemeine Thalcharakter wird auch hier, so weit man sehen kann, durch
Steppe und die sanften Formen des Sandstein -Schiefergebirges, dessen Berge
auf der nördlichen Seite bis zu 500 m über den Hoang-ho ansteigen, ohne
schroffe Abhänge oder stark auf- und abspringende Kammlinien zu zeigen, gebildet.
Dieselben geologischen Verhältnisse scheinen auch im Sockel des Sarü-
Dangerö vorzuherrschen, denn in der äusseren Erscheinungsform besteht die
grösste Uebereinstimmung mit dem nördlichen Gebirge, und auch die Höhe, die
beide erreichen, stimmt überein. Eine ganz andere Zusammensetzung aber
muss der zerklüftete, vegetationslose Felsenteil des Schneegebirges besitzen, der
die oberen zwei Drittel des Gebirges ausmacht.
Es erhebt sich hier die Frage, ob die Firnmulden des Sarü-Dangerö Gletscher
tragen und seine Gipfel mit ewigem, auch im heissesten Sommer nie verschwinden-
dem Schnee bedeckt sind. Es scheint, dass der erste Teil der Frage für die jetzige
Zeit zu verneinen ist. Die sorgfältige Durchmusterung der Hochthäler und breiten
Firnflächen ergab in keinem Fall die Existenz fester Eismassen mit Spalten oder
einer Moränenbildung. Indessen sind Einzelheiten der oberen Thalformen, z. B.
am breiten Stock des Berges M auf dem Panorama, derart, dass die frühere
Anwesenheit eines Gletschers in der grossen Mulde links unterhalb des Gipfels
als wahrscheinlich bezeichnet werden muss; es geht nämlich durch den unteren
Teil dieser heute noch mit Schnee bedeckten grossen Mulde mit steil ansteigen-
den Felsenwänden barrikadenartig ein horizontaler Wall von der einen Seite
zur andern, der unten den Abschluss des grossen Schneefeldes bildet. Wie ist
dieser Wall nun dort oben in der Höhe, wo von fliessendem Wasser keine
Rede sein kann, entstanden?
Man kennt ähnliche Erscheinungen aus Gebirgen, die heutzutage noch
Gletscher tragen oder nachweislich in der jüngsten geologischen Vergangenheit,
der Diluvialzeit oder Eisperiode, solche besessen haben. Häufig schieben die
Gletscher grosse Massen von Gehängeschutt und Moränenmaterial vor sich her.
.Wenn sie nun längere Zeit mit ihrem unteren Ende an ein und demselben Orte
- 378 -
konstant verbleiben, häufen sich diese Massen der sogenannten End* oder Stirn-
moranen zu grossen Dämmen auf, die sich quer durch das ganze Thal erstrecken
und vom Gletscherbach an einer Stelle durchbrochen sind. Diese Endmoränen
bleiben als Wälle bestehen, wenn auch der Gletscher sich zurückzieht oder ganz
verschwindet, und bilden eine ähnliche Erscheinung wie der Muldenabschluss an
jenem Berge im SarüDangerö. Auch die darüber liegende Flmfläche mit relativ
wenig geneigtem Boden, dagegen nach drei Seiten hin hoch und steil empor-
ragenden Seitenwänden entspricht vollkommen den Bedingungen, welche zur
Entstehung eines Gletschers erforderlich sind, sofern die erste derselben, der
ewig perennierende Schnee, gegeben ist.
Dieser letztere Punkt dürfte für den Sarü-Dangerö und die heisse Sommer-
zeit im Juli und August im allgemeinen zu verneinen sein. Zur Zeit unserer
Anwesenheit am Hoang-ho, m der zweiten Hälfte des Oktober, trug das Gebirge
in seinem oberen Drittel überall Schnee in reicher Menge, während er auf allen
niedereren Gebirgen des rechten Flussufers alsbald wieder verschwand, wenn er
einmal eine schwache Decke gebildet hatte. Im Sommer aber dürfte ewiger
Schnee durchaus nicht überall und vielleicht nur in geringer Menge in ge-
schützten Winkeln an Nordabhängen sich halten können. Solche überdauernden
Schneemassen pflegen je nach den klimatischen Verhältnissen des betreffenden
Sommers und vorangegangenen Winters grösser oder geringer an Quantität und
Verbreitung zu sein, aber zur Bildung beständiger Eismassen, wie Gletscher es
sind, reichen sie nicht aus. Dies scheint die gegenwärtige Lage der Schnee-
und Eisverhältnisse hier zu sein : Lange Andauer der winterlichen Schneebedeckung
bis weit in den Sommer, Verschwinden der allgemeinen Schneedecke mit Aus-
nahme besonders geschützter Stellen, und früher Eintritt der Wiederbeschneiung.
In früheren geologischen Zeiten mögen Gletscher vorhanden gewesen sein, heute
aber sucht man sie, wenigstens auf dem Nordostabhang des Gebirges, vergeblich.
Auch Prschewalskij bezweifelt, dass grössere Schneeflächen am Oberiaufc des
Hoang-ho, also auch im Amne-matschin-Gebirge, zu dem der SarüDangerö ge-
hört und von dem nach Norden wie nach Süden die Abflüsse zum Hoang-ho
gehen, vorhanden sind. Er schliesst das daraus, dass der Hoang-ho am Dschu-
par-Gebirge im Juni, wo doch die Schneeschmelze stattfinden müsste, ziemlich
seicht ist, und dass er erst nach anhaltenderen Regengüssen stärker anschwillt.
Durch Roborowskijs und Koslows kühnen Zug in das Amne-matschin-Gebirge
vom oberen Tschurmün-Flusse aus ist aber festgestellt worden, dass weiter im
Westen in diesem Gebirge grosse Gletscher vorkommen und von der zentralen
Kette bis zur Meereshöhe von 4570 m herabreichen. Die Gletscherbäche fliessen
durch steilwandige, enge Schluchten ab und auf Erweiterungen des Thalbodens
sind Wälder von Juniperus, einzelne Weiden und hoch am Berggehänge hinauf-
reichende Sträucher. Das Gebirge bietet dort schöne Landschaftsbilder. Die
Wege führen häufig auf schwindelerregenden Gesimsen an steilen Felswänden
hoch über dem Thalboden hin und jäh geht es wieder auf denselben hinab.
- 179 -
Wilde Felsscenerien mit Wasserrällen wechseln mit Grasfiächen und Wald, und
aus den Höhen sehen grosse Schneefelder und schroffe, wildgeformte Bei^-
kämtne herab; zahlreiche Vögel, darunter Fasanen und Tauben, beleben die
schönen Thälcr. Hier, an einem solchen durch die Reize der Natur in der Einöde
Tibets ausgezeichneten Orte, traf Roborowskij sein schweres Geschick, das seinem
so erfolgreichen Vordringen ein jähes Ende bereitete.
Es ist sehr wohl möglich, dass dieser Charakter der Gebirgsthaler auch
dem Sarü-Dangerö eigen ist, aber aus der grossen Entfernung war es nicht
thunlich, darüber genaueres festzustellen. Die Höhe der Gipfel des Panoramas
wurde von dem 3610 m hohen Lager A^ am Rande des Hoang-ho-Thales aus
Temiaie dei linken Hoang-bo-UfcrB bd Lager A 8, nacb SUden gesehen.
mit dem Theodolithen gemessen, und ergab fiir die Spitze Sp — 4671 m;
M = 4279 m; und einen westlicher gelegenen Berg Dr = 47S6 m. Im Dschachar-
Gebirge liegt nach Prschewalskij die Schneelinie in 4650 m, so dass also, wenn
dieselben Verhältnisse auch hier gelten, nur die höchsten Gipfel die Regionen
des ewigen Schnees erreichen würden.
Der allgemeine Charakter der Gebirgslinie ist demjenigen des Monte Rosa
und Matterhorn nicht unähnlich. Wenn es erlaubt ist, daraus einen Schluss auf
die geologische Zusammensetzung der höchsten und zentralen Teile des Sarü-
Dangerö zu ziehen, so müsste der Aufbau desselben aus kristallinen Schiefern
in Verbindung mit grossen Granitmassiven oder andern schiefrigen und
massigen Gesteinen als nicht unwahrscheinlich angenommen werden. Die Nähe
der paläozoischen Schiefer und Sandsteine in der Region des Gebirgsfusses
~ 380 —
könnte noch zur Bestärkung dieser Auffassung dienen. Aber leider gelang es
nicht, auch nur ein Gesteinstück zu finden, das seinem Ursprünge nach mit
Sicherheit auf den Sarü-Dangerö zurückzuführen gewesen und somit einen posi-
tiven Beweis zu liefern im stände gewesen wäre. Unter den weiter im Westen
am Amne-matschin-Gebirge von Roborowskij gesammelten Gesteinen befinden
sich hauptsächlich alte kristalline Schiefer, metamorphe Schiefer, Phyllite und
Kalkthonschiefer, die aber keine Versteinerungen geliefert haben.
Das bestätigt den oben gezogenen Schluss aui die geologische Zusammen-
setzung, die hauptsächlich aus alten kristallinen Schiefern gebildet wird. Die am
Hoang-ho untersuchten FlussgeröUe bestehen zum weitaus grössten Teil aus Grau-
wacken und schieferigen Sandsteinen derselben Formation, die wir im Gebirge auf
der Nordseite kennen gelernt haben und die, danach zu schliessen, noch grosse
Verbreitung am oberen Hoang-ho haben müssen. Daneben sind harte blaug^ue
Kieselkalke mit weissen Kalkspatadern häufig und es fehlt auch nicht an Kiesel-
schiefern, Hornsteinen und weissen Quarzen. Dagegen treten an Menge die Eruptiv-
gesteine sehr zurück und man muss lange suchen, um ein porphyritisches Gestein
zu finden. Am häufigsten sind noch helle Granite in verschiedenen Varietäten,
aber jüngere Eruptivgesteine oder Gneisse, Glimmerschiefer etc. fehlen vollständig.
Es ist nun, wie gesagt, nicht zu erweisen, dass ein Teil dieser Gesteine,
die am rechten Flussufer aufgesammelt wurden, wirklich aus dem Sarü-Dangerö
stammen und nicht weither aus dem Oberlaufe des Flusses herabgeführt wurden.
Auf der andern Seite aber giebt das starke Vorherrschen der Schiefer, Sand-
steine und Grauwacken, sowie die relative Häufigkeit der Granite beim Fehlen
der andern Gesteine einen Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit der oben an-
geführten Schlüsse über die geologische Zusammensetzung des Gebirges auf
dem Südufer des Hoang-ho aus alten Schiefergesteinen und granitischen Kernen.
Um Gewissheit zu erlangen, müsste man den Fluss überschreiten, und das
ist an dieser Stelle und in dieser Jahreszeit — wir kamen am 19. Oktober am
Hoang-ho an — nicht wohl möglich. Auf Befragen erklärten die einheimischen
Führer, dass es keine andere Art und Weise gäbe, über den wasserreichen und
reissenden Strom zu gelangen, als, an die Mähne seines Pferdes festgeklammert,
mit einem aufgeblasenen Sack aus Yakhaut vor der Brust, hinüberzuschwimmen;
weder flussabwärts noch aufwärts sei hier eine Furt oder Ueberfahrt. Da das
Wasser eine Temperatur von nur -f 6® C. hatte, schien es nicht ratsam, das
Hinüberschwimmen über den hier 1 70 m breiten Fluss zu wagen, um so mehr,
als man drüben, entblösst von allen Decken, Zelten und Mundvorräten, doch
keinen längeren Ausflug in ein Thal des Sarü-Dangerö hätte machen können.
Es soll, rasch zu reiten, 20 Tagereisen weit am Hoang-ho aufwärts erst eine Furt zu
finden sein, in welcher der Wasserstand erlaubt, durchzureiten. Man soll aber dem
Lauf des Flusses selbst nicht folgen können, wegen ausgedehnter sumpfiger Stellen
und nah an ihn herantretender steiler Bergvorsprünge. So lauteten wenigstens
die Mitteilungen ansässiger Leute, falls wir sie richtig verstanden haben.
- 381 -
Wir hatten den Fluss an einer leicht wieder zu findenden Stelle erreicht
und dort das Lager A 8 aufgeschlagen, um Untersuchungen am Strom und
Bestimmungen der Höhenlage und geographischen Breite vornehmen zu können.
Der Beobachtungspunkt lag am rechten Flussufer auf
einer grasbewachsenen Düne von feinem, weichem Fluss-
sand, in der Höhe von 3 m über dem derzeitigen Wasser-
spiegel, der nach der Trockenheit der kleinen Lagunen
am Ufer, die bei Hochwasser ebenso wie kleinere Neben-
läufe unter Wasser stehen und deutliche Spuren davon
aufweisen, einem niederen Wasserstande angehörte.
Ferner ist der Punkt dadurch näher bestimmt, dass an
der gegenüberliegenden, steilen Uferseite, einige hundert
Schritte weiter oberhalb sich tiefe Erosionshöhlungen
in den Schotterablagerungen finden, die vom Wasser-
spiegel bis 25 m in die Höhe reichen und sich an andern
Stellen wiederholen; des weiteren beginnt der Fluss gleich
unterhalb des Lagerplatzes das Steilufer der linken Seite,
das geradlinig nach Westen weitergeht, zu verlassen
und in grossem Bogen in nordwestlicher Richtung sich
hart an das Berggehänge der rechten Thalseite zu
drängen, während dort zwischen seinem Laufe und
der Terrassensteilwand auf der südlichen Thalseite
Schotter- und Kiesbänke, sowie die breiten Umrisse ver-
lassener Strombetten, die jetzt mit grobem Schotter
aufgefüllt sind, sichtbar werden. Vor der Sanddüne
mit dem Lagerplatz A 8 am Hoang-ho liegt, durch
eine seichte Lagune, über die man, auf grössere
Geröllblöcke springend, gelangen kann, getrennt, gegen
den Fluss hin noch eine gfrössere Kies- und Schotter-
bank mit feinen Flusssanden. Es wachsen dort über
mannshohe Sträucher und Gebüsche, die auch an andern
Stellen des Ufers sehr verbreitet und häufig mit
Schlingpflanzen überzogen sind. An andern Stellen, wo
nicht Steilufer des Gebirges oder der linksseitigen Terras-
sen den Fluss begrenzen, fliesst er zwischen niederen
Ufern, die von seinen Anschwemmungsmassen mit
Sand oder Lehm darüber gebildet werden; an den kon-
kaven Seiten der Biegungen liegen breite Sand- und
Kiesflächen von Hochwasserläufen und an solchen besonders breiten Stellen ragen
auch in der Nähe der Ufer inselartige Kiesbänke über den Wasserspiegel empor.
Die Wassermenge des Flusses ist sehr beträchtlich und nur um weniges
geringer als an der nördlicher gelegenen Stelle, wo wir ihn am Dschupar-Ge-
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birge überschritten. Wenn man vom erhöhten Ufer auf die graugrüne, trübe
Oberfläche der ruhig, aber rasch und unaufhaltsam in stetem Zuge drängenden
und vielfach quirlenden Wassermasse hinabblickt, erhält man einen mächtigen
Eindruck von der Gewalt des Stromes. Die Breite wurde an zwei Stellen des
einheitlichen, nicht durch Sand- oder Kiesbänke unterbrochenen Laufes gemessen
und betrug beim Lager A 8 selbst 170 m, einen halben Kilometer weiter unter-
halb 234 m; die Stromgeschwindigkeit beim Lc^er wurde zu 2,44 m in einer
Sekunde gefunden. Ueber die Tiefe ist es schwer, sichere Angaben zu gewinnen,
wenn man nicht auf das Wasser selbst hinausgelangen kann. Es macht den
Eindruck grosser Tiefe. In der Nähe der Kiesbänke künden sich die seichteren
Stellen durch eine wellige Kräuselung des Wassers an; auch ist die Wasser-
geschwindigkeit zwischen Kiesbank und Ufer eine geringere.
Unter Beachtung dieser Verhältnisse wurde der vorstehende Durchschnitt
durch das Flussbett an einer Stelle unterhalb des Lagers entworfen, der wahr-
scheinlich den richtigen Verhältnissen entsprechen oder nahekommen dürfte.
Danach berechnet sich das in der Sekunde durch den Querschnitt fliessende
Wasservolumen auf 1980 cbm Wasser, während es an der Ueberfahrtstelle weiter
im Norden am Dschupar-Gebirge 3640 cbm betrug. Die bedeutende Zunahme ist
auf Rechnung des Baa, Sche-tsche, Wlamt-su, Chali-tsche, Tschurmün und anderer
kleinerer Nebenflüsse von der rechten, sowie der noch unbekannten, auf der
linken Seite vom Sarü-Dangerö herabkommenden Gewässer zu setzen. Das Fluss-
wasser ist gelblich-grün und trüb; schon in 20 cm Tiefe sind Gerolle am
Boden nicht mehr sichtbar; die Temperatur desselben betrug am 21. Oktober
morgens 9 Uhr + 6® C, nachdem der Tag vorher warm (Maximum der Luft-
temperatur im Schatten + 17,5^0.) und die Nacht kalt (Minimum der Luft-
temperatur — 9^ C.) gewesen waren.
Die Vorstellungen von der tiefen, canonartigen Schlucht, in welcher der
Hoang-ho von seinem Knie an bis zu seinem Austritt aus der tibetanischen
Gebirgswelt dahinströmen sollte, haben sich hier nicht bestätigt; so weit man
von den hochgelegenen Punkten das Hoang-ho -Thal nach Osten und Westen
übersehen kann, ist es dieselbe, breite Thalvertiefung zwischen den Bergen wie
auch hier. An den Einmündungssteilen zweier weiterer, grösserer, von Osten
kommender Nebenflüsse sieht man weit oben am oberen Laufe ferne Bergvorsprünge
gegen das Flussbett heranreichen. Die Mitte der Thalniederung im fernsten Osten,
in dem sie noch sichtbar ist, liegt von einem erhöhten Punkte auf der obersten
Terrasse an der rechten Bergseite aus gesehen in der Richtung Ost 1 5 ^ Süd. Von
demselben nördlich vom Lager A 8 gelegenen Punkte aus liegt die Mitte des west-
lichen Endes in der Richtung West 10® Nord. Der Fluss hat also hier einen vor-
wiegend ost-westlich gerichteten Lauf und von einer Biegung des unterhalb unseres
Punktes liegenden Thalstrecke nach Norden ist ebensowenig zu bemerken, als von
einer Einschwenkung der oberen Thalstrecke in meridionale Richtung, wie sie am
Knie nach den Karten auf eine grössere Strecke hin vorhanden sein soll.
~ 383 -
Die geographische Breite des Beobachtungspunktes, 3 m über dem 3350 m
über dem Meere gelegenen Wasserspiegel des Hoang-ho, ist nach den am
20. Oktober mit dem Theodolithen angestellten Sonnenhöhenbeobachtungen
= 33® 52' 36". Hier hat der Flusslauf die ost-westliche Richtung, Ver-
glichen mit den hypothetischen Eintragungen des Hoang-ho-Laufes auf den
bis jetzt publizierten Karten, ergiebt dieses Resultat der Breitebeobachtung,
dass die ost-westliche Strecke des Hoang-ho-Laufes 6g — 82 km, je. nach der bis-
herigen Einzeichnung, weiter nach Süden zu verlegen und dort mit fast genau
ost-westlichem Verlaufe zu zeichnen ist, während bisher die Strecke meist von
Südost nach Nordwest und ein bedeutendes Stück weiter nördlich verlief. Die
geographische Länge konnte wegen Mangels richtig gehender Uhren, die
sämtlich durch den Staub der Gobi oder die beim Transport unvermeid-
lichen Stösse unbrauchbar geworden waren, auf astronomischem Wege nicht be-
stimmt werden; aber die topographische Aufnahme des Hauptweges der Ex-
pedition, an welche auch die Hoang-ho-Exkursion angeschlossen wurde, und
deren leidlich bestimmte Anschlusspunkte an das Gradnetz in der Ostecke des
Küke-nur und in Min-tschou liegen, wird eine Bestimmung ermöglichen.
Es erübrigt noch nach der Schilderung der Physiognomie der Flüsse
und Gebirge dieses Teiles des nordöstlichen, tibetanischen Hochlandes, auch
seiner Bewohner, seiner Pflanzen- und Tierwelt kurz zu gedenken. Auf dem
vier Tage in Anspruch nehmenden Wege vom Lager am grossen Sche-tsche
Fluss trafen wir ausser in der Nähe des Hoang-ho nur einmal die schwarzen
Zelte an, und zwar am Wlamt-su-Flusse, wo das südliche, zum höchsten Passe
führende Nebenthälchen des Mongol-tsam in den Wlamt-su-Fluss einmündet und
die Thalerweiterung bald ihr westliches Ende erreicht. Die Leute waren die-
selben, wie sie bei ihrem Fürstenlager Wan-saong am grossen Sche-tsche-Flusse
geschildert wurden. Die Zelte waren etwa 30 an der Zahl und die Herden
bestanden zumeist aus Schafen, Ziegen und Yaks; Pferde waren selten, die
meisten Reiter sassen auf Yaks und hatten als Waffen ausser dem nie fehlenden
Handschwert die langen Lanzen oder auch Bogen und Pfeile. Das kostspieligere
Gabelgewehr war selten zu sehen.
Zwischen den schützenden Abhängen aber des vom südlichsten Passe zum
Hoang-ho führenden Thälchens, befanden sich eine Menge von runden Mongolen-
zelten angesiedelt. Die viereckigen, oft auch runden, hellen, in grossen Kreisen auf-
gestellten Jurten waren bis hinaus in das Hoang-ho-Thal zahlreich und allenthalben
auf den erhöhten Terrassenflächen oder auch in der tiefen Flussebene, z. B. in der
Nähe unserer Station häufig. Auf der linken Thalseite des Flusses dagegen,
auf den dortigen weiten Steppenflächen oder an dem Beginne des Bergfusses
des Sarü-Dangerö war kein menschliches Wesen und keine Viehherde irgend
welcher Art zu erblicken. Einsam und öde dehnten sich die weiten Flächen,
und spiegelten die starre Ruhe wieder, die in so grossartiger Weise über den
hohen Felsgipfeln des Gebirges ausgebreitet liegt. Auch hier am Flusse war
- 384 -
die Bevölkerung freundlich; die Leute kamen neugierig an unser Lager und
verkauften uns auf unsem Wunsch Schafe. Von hier stammen die auf Tafel
XXIX dargestellten Typen. In dem kleinen Thälchen, durch das der Weg vom
letzten Passe herabführte, hatte ein kleiner Häuptling seinen Sitz. Derselbe
erwies sich gegen das Geschenk eines Taschenmessers sehr entgegenkommend,
sandte neue Führer für den Rückweg zum grossen Sche-tsche-Fluss, als die
unsrigen einen Tag früher als wir zurückkehrten, und schenkte uns noch ot>en-
drein einen feisten Hammel. Auch unter der Zudringlichkeit der Leute hatten
wir nicht zu leiden. Das Interesse, das beide Teile an einander nahmen, war
Zeltlager in der Kühe des obeten lloang-ho bei Lager A 7.
gross, wurde aber ohne Belästigung befriedigt. Im ganzen waren hier am
Hoang-ho und in dem einen Seitenthale über 1 50 Jurten mit einer Bevölkerung
von wohl über 500 Seelen. Man sagte uns jedoch, dass sowohl auf- wie ab-
wärts am Hoang-ho keine Bewohner mehr seien und dieselbe Ruhe herrsche
wie hier auf seinem linken Ufer, Die vielen, einladenden, breiten Stcppen-
thäler, welche der Weg vom grossen Sche-tsche-Fluss bis zum Hoang-ho
passierte, sind zu anderer Jahreszeit an zahlreichen Stellen bewohnt und von
Herden beweidet, wie uns die überall in Menge in der Nähe von trinkbarem
Wasser errichteten Feuerstellen verrieten. Auf dem Rückwege trafen wir viele
Trupps von Tibetanern, wohl Tanguten, mit all ihrer Habe und ihrem Gute
auf der Wanderschaft zur Verlegung ihres Wohnsitzes in bis dahin unbewohnte
Thäler.
TAFEL XXIX.
1 Oberen Hoang-ho l»ei Lager A. 8
- 38s -
Wenn man von den Herden der Nomaden absieht, ist in den Bergen und
Steppenthälern zwischen Sche-tsche-Fluss und Hoang-ho und im Hoang-ho-Thale
selbst wenig Lebendes zu finden; stundenlang durchreitet man die Steppe, ohne nur
auch den geringsten Vogel zu sehen; nur morgens beim Aufbruch vom
Lager finden sich zahlreich die grossen, schwarzen Raben sowie schöne Adler
und Geier ein, die hungrig über die Ueberreste herfallen. Vereinzelte Hasen
und Antilopen genügten nicht, um das Landschaftsbild zu beleben, und die
Wölfe, deren Geheul in der Dämmerung am Wlamt-su-Flusse in der Nähe unseres
Lagers hörbar war, zeigten sich nicht am Tage. Dr. Holderer sammelte während
der Hoangho-Excursion ein Rotschwänzchen (Ruticilla crypthogastra) und eine
Braunelle (Accentor strophictus). Am Hoang-ho giebt es etwas reichlicher
grosse Wasservögel, wie Reiher, Gänse und Wildenten, sowie Berghühner an
den Thalgehängen; von anderm Wild aber war nichts zu bemerken.
Einen ebenso einfachen Charakter zeigt die Vegetation. Ueberall herrscht
dieselbe monotone, herbstliche Farbe der Gräserdecke; nur in den Uferabstürzen
am Hoang-ho und auf seinen nicht zu oft überfluteten Kies- und Sandbänken
waren grössere Bestände von Sträuchern (Hippophae rhammoides L. und
Berberis sp.) und Buschwerk mit Schlingpflanzen. Einige Abwechslung ge-
währte auf der Grasfläche Edelweiss, das im Oktober leider schon verblüht
war, Enziane mit hellen und dunkelblauen Blütenglocken und andere Blumen.
Wälder, die in den Thälern des Dschupar-Gebirges am Hoang-ho vorkamen,
fehlen gänzlich, die Strauch- und Buschvegetation ist auf den Berggehängen der
Schiefer- und Sandstein-Formation der Steppendecke gewichen und die Kalkfelsen
tragen überhaupt keinen andern Pflanzenwuchs als die sie mit buntfarbigem
Kleide schmückenden, roten, grünen, grauen und gelben Flechten, welche alle
Felsklippen überziehen. An den Felsen und von diesen in die wenig starken
Lehmablagerungen an den Flüssen gelangt, leben zahlreiche Schnecken der
Gattungen Helix und Pupa; die sumpfigen Stellen sind reich an Wasserschnecken
und kleinen Schalenkrebsen.
Ein herrliches, aber schon sehr winterliches Oktoberwetter hatte unsere
neuntägige Exkursion an den Hoang-ho begünstigt; meist wölbte sich azurblauer
Himmel mit strahlendem Sonnenglanze über den funkelnden und blitzenden
Schneefeldem des Sarü-Dangerö, während die sternklaren Nächte grosse Ab-
kühlung und tiefes Sinken der Thermometer brachten. Die kälteste Nacht war
am Ufer des Flusses selbst vom 21./22. Oktober mit — 17® C; am Chali-tsche-
Flusse auf dem Rückwege sank die Temperatur in der Nacht vom 22/23. Oktober
auf — 14® C. und hielt sich in den meisten Nächten um — 10® C. Andererseits
wärmte die Sonne an den meist klaren Tagen so bedeutend, dass Maximal-
temperaturen der Luft um die Mittagszeit im Schatten bis zu -f 17,5'* C. ent-
standen, und zwar auch am Hoang-ho selbst am 20. Oktober. Aehnlich hohe
Tagestemperatur mit + 16,0^ C. hatte der 24. Oktober in dem Steppenthälchen
bei dem Berge mit dem Obo bei Lager A. In der Mehrzahl der Tage vom
Flitterer, Durch Asien. 25
l6.— 25- Oktober hielt sich die höchste Tageslufttemperatur in den Grenzen
von + 10° C. bis + 'S" C., einer zum Reiten sehr angenehmen Temperatur;
nur ein Mal, am 17. Oktober, an welchem Tage gerade um die Mittagszeit ein
kalter Sturm aus Nordwesten leichten Schneefall brachte, erhob sich die Luft-
Temperatur zwischen 12'' und 2^ nicht über + i* C.
Mehrfach waren des Morgens nach kalten Nächten in den Flussniedeningen
dichte Nebel, die aber mit dem Höhersteigen der Sonne bald wieder wichen;
Berittene Taog'uteD nm ^roeBen Sche-tiche-Fluaie.
das war so am Wlamt-su- Flusse, während am Hoang-ho selbst an beiden Motten
des 20. und 2i. Oktober die Luft schön klar war und nur am zweiten Tage
Cum ulus- Wolken von Nordwest auftauchten.
Eine auch hier ganz regelmässig sich einstellende Erscheinung war das Ein-
treten starker oder mittelstarker Winde aus westlichen, mitunter auch südwest-
hchen Richtungen um die Mittagszeit, die meist bis gegen den Abend anhielten;
des öfteren aber auch in der Nacht noch stark wehten. Der Himmel verfinsterte
sich, wenn der Wind eine Zeit lang geweht hatte und sah regen-, schnee- oder
gewitterdrohend aus; häufig klarte er sich aber wieder, und abends funkelten
die Sterne. Am 17. Oktober dagegen brachte der Wind Wolken und Schnee
aus SSW. von 11'' — 3'' und am 19. Oktober abends 6^ noch leichten Regen
aus derselben Richtung; am 21. Oktober kam am Chali-tsche-Flusse sogar ein
Gewitter mit Blitz und Donner um 5 '' 30 "■'■■ abends, dem ein Schneegestöber
folgte. Ein stärkerer Schneesturm begleitete uns von 4 — 6 Uhr am 24. Oktober
- 387 -
zum Lager am Sche-tsche-Fluss zurück und bis abends lO*" dauerte der scharfe,
kalte Wind an. Der Schnee blieb vorübergehend liegen, musste aber den
Strahlen der Sonne am folgenden Tage überall, selbst auf den höheren Bergen,
den SarüDangerÖ natürlich ausgenommen, weichen, und abends war kaum mehr
Schnee zu sehen, selbst wenn er am Morgen über i cm hoch gelegen hatte.
Infolge dieser günstigen Witterungsverhältnisse gelang es der Exkursion, alle
ihre Ziele zu erreichen. Gegen die kalten Nächte vermochte man sich zu schützen,
wenn nur am Tage der Himmel günstig war.
Mit einheimischen Führern, die von ihren Häuptlingen beauftragt sind, den
Reisenden zu geleiten, kann man hier ungefährdet überall hingelangen, obwohl
Kalk-Gcbirgc der sUillicheD Thnlieitc des Wlamt-su-FIuBses zwischen Lnjrer A4 und A 5.
Nach SUden BeaeUen.
Tanguten wie andere Tibetaner sich schon vielfach feindselig und sogar ag^essiv
gegen de fremden Eindringlinge verhalten. Der Einfluss der Stammeshäupter,
deren Gunst man sich durch passende Geschenke erwirbt, bewirkt, dass man
selbst durch dicht bevölkertes Gebiet unbelästigt ziehen kann und oft sogar an
den Lagerplätzen ein freundlicher Verkehr mit den gefürchteten Tanguten ent-
steht. Allerdings sind sie räuberisch und zu Gewaltthaten aufgelegt, wo sie
sich in der Uebermacht glauben oder keine Ahndung fürchten. Wenn sie ins
Lager zu Besuch kommen und ihrer viele herumstehen, i,st ein wachsames Auge
nötig, sollen nicht herumliegende Gegenstände verschwinden. Alles findet Gnade
vor ihren Augen, selbst Watte oder Papierabfalle eignen sie sich begierig an.
Glauben sie sich unbeachtet, so versuchen sie wohl auch, einige der in der
Umgebung des Lagers weidenden Pferde oder Yaks wegzutreiben, was ihnen
an unserm Lager am grossen Sche-tsche-Flusse während der Abwesenheit von
vier Mitgliedern der Expedition auch gelang. Um die Insassen des Zeltes und
besonders die furchtsamen Chinesen zu ängstigen, wurde in mehreren Nächten
während der Hoang-ho-Exkursion das Lager am grossen Sche-tsche-Flusse
- 3«8 -
beschossen und sonst Beunruhigung hervorgebracht. Mit der Rückkehr der
Hoang-ho-Expedition hörte das aber auf, und als einmal am Tage versucht
wurde, Yaks und Pferde wegzutreiben, genügte eine kurze Verfolgung, um die
Räuber zu verjagen.
Die Chinesen leben in beständiger Furcht vor den Fan-tz^ und Ta-tzö,
wie bei ihnen Tibetaner (Tanguten) und Mongolen heissen. So stürzten auf
der Mittagsstation am zweiten Tage unserer Exkursion zum Hoang-ho plötzlich
die beiden uns begleitenden Chinesen zum Zelte und schrieen nach Waffen mit
dem Angstrufe »Fan-tzö, Fan-tzöl« Es kamen in der That eine grössere
Anzahl dieser gefürchteten Gestalten, bewaffnet wie immer, das Thal herauf
auf uns zugeritten; es stellte sich aber bald heraus, dass sie einfach denselben
Weg hatten wie wir, und sie ritten vorbei ohne die geringsten feindseligen
Absichten zu bekunden. Dem Chinesen ist einmal die Furcht vor den Nomaden
Tibets von Jugend auf eingeprägt und nichts vermag ihn davon abzubringen.
Daher ist es auch gar nicht leicht, Leute zu finden, die bereit sind, sich (lir eine
Reise nach Tibet anwerben zu lassen. Diese ängstlichen Gemüter schreckte
schon das nächtliche Geheul der Wölfe und sie ruhten am Wlamt-su-Flussc
nicht eher, als bis die Revolver abgefeuert wurden, um die Wölfe, die übrigens
gar nicht in der nächsten Nähe waren, zu verscheuchen.
Schlimmer als die bisher erwähnten Uebelthaten der Fan-tz6 war ein
anderer Vorfall, der sich im Lager am grossen Sche-tsche-Flusse während der
Hoang-ho-Expedition ereignete, und der sich als ein von Lamas angestellter
Vergiftungsversuch erwies.
Eines Tages kamen zwei Lamas ins Lager und brachten Milch und Mist,
die sie zum Verkauf anboten. Als der Kauf abgelehnt wurde, weil unser
Diener und Präparator Bock gleich Verdacht schöpfte, gössen sie die Milch in
einen Kessel, der am Feuer stand, warfen den Mist zu dem übrigen dort
liegenden Brennmaterial und entfernten sich. Es wurde aber beobachtet, dass
sie sich noch über eine Stunde in der Nähe herumtrieben und auf die Vor-
gänge im Lager achteten. Das bestärkte Bock in dem gehegten Verdacht und
er gab die Milch einem herrenlos sich herumtreibenden Hunde zu geniessen,
der fünf Minuten später verendete. Glücklicherweise kommen solche Fälle nicht
häufiger vor, und als dem Fürsten Mitteilung von den Diebstählen gemacht
wurde, sorgte er dafür, dass wir das Geraubte zurück erhielten und stellte sogar
für einen Yak, der nicht aufzutreiben war, Ersatz; eine hier fürwahr ganz un-
erwartete Grossmut und Noblesse.
Während der beiden letzten Tage am grossen Sche-tsche-Flusse nach unserer
Rückkehr vom Hoang-ho, bot sich ein eigenartiges, reizvolles Bild: der Umzug
und das Wandern von Hunderten von Familien der Nomaden mit Sack und
Pack, Hausgerät und Jurten, Kindern, Frauen und Herden. In einzelnen Gruppen
kamen sie aus den Thälern des Nordens über den Fluss gezogen, alle an der-
selben Stelle, da der grosse Fluss in dieser Gegend nur die eine Furt 7M
--H
- 3«9 -
besitzen scheint. So weit man die breiten Flussniederungen und Thalflächen
übersehen konnte, war alles schwarz von den wandernden Scharen, und ihren
Yakherden, während die Schafherden sich hell von dem braunen Ton der Steppe
abzeichneten. Der Marsch geht rasch; die mit den zusammengelegten Jurten
beladenen Yaks, Pferde mit den in Lederballen und Kisten verpackten Wirt-
schaftsgeräten und Vorräten eilen vorbei; die Frauen nach Männerart zu Pferde
sitzend, sehen in ihren rotbesetzten Pelzmänteln und weissen Pelzmützen mit
farbigem, hoch aufragendem Tucheinsatze und den messingglänzenden, wie
Schärpen zur Seite des Pferdes herabhängenden Rückengehängen beinahe kokett
aus. Meist begleiten die Männer eifersüchtig ihre Frauen, wenn diese zu nahe
an das fremde Lager hcranreiten. Die kleinen Kinder, die noch nicht zu reiten
verstehen, werden von Vater oder Mutter vorn in den Bausch des Pelzmantels
gesteckt, grössere werden vorn oder hinten aufs Pferd oder den Yak gesetzt.
Nicht selten hat eine Mutter das kleinste Kind im Pelzmantel, ein zweites vor
sich und ein drittes hinter sich auf dem Reittiere. Zahlreiche schöne, aber
bissige Hunde begleiten die einzelnen Horden, die familienweise zusammenhalten.
Die Bewohner einer ganzen, weiten Landschaft befanden sich gleichzeitig
in Bewegung, und wenn sie auch nicht weit zogen, so wirkte doch die Menge,
die an einem Tage auf über 500 Menschen mit der zehnfachen Zahl von Haus-
und Herdentieren geschätzt werden kann, wie eine kleine Völkerwanderung.
Viel anders werden sich die Hunnen auch nicht fortbewegt haben, nur dass
sie dabei sengten, brannten, mordeten und plünderten. Das aber würden diese
Leute im Kriegsfalle genau ebenso machen, und bewaffnet sind die Jünglinge
und Männer stets, sei es mit Gabelgewehr, langer Lanze oder nur mit dem ein-
fachen Handschwerte.
Drei Tage lang am Ende des Oktobers konnten wir den Zug, zuletzt in
etwas abnehmender Stärke, am Flusse beobachten; dann mussten auch wir
unsern Weg in südöstlicher Richtung zu dem noch fernen Ziele fortsetzen.
Dabei stand der tibetanische Winter vor der Thür mit seinen Härten in der
Höhe von 3000 — 4000 m, in der wir uns noch wochenlang zu bewegen hatten.
Während der nächsten Tage vom grossen Sche-tsche-Flusse ab ging es in südöst-
licher Richtung weiter, in monotonem, aus Hügeln der Quelae-Formation gebil-
detem Lande, dessen Wasserläufe noch jenem Flusse zugehören. Gegen Süden
sieht man im Hintergrunde höhere, langgezogene Bergrücken mit einzelnen
Kalkklippen im Hintergrunde der Thaleinschnitte. Das Flussthal des Schtiamer-
nuri, eines linken Nebenflusses des grossen Sche-tsche, war stark mit Jurten besetzt,
deren vier Kreise mit zusammen über 80 Jurten zu zählen waren. Der einfache,
wellige Charakter der Hügel und breiten Thäler bleibt auch derselbe, wenn
man über niedere Pässe in das grosse Thal des ebenfalls noch zum grossen
Sche-tsche-Fluss gehörenden Star-dung-tsche-Flusses gelangt ist.
Ein auf einem weithin sichtbaren Berge errichtetes Obo fallt besonders
durch seine Grösse und die Menge der dabei befindlichen Wimpel und Fähnchen
- 39° -
auf. Die untenstehende Abbildung zeigt auf einem Steinuntersatz eine grosse aus
Stäben, Rutenbündeln und Reisig zusammengebundene und befestigte Pyramide.
Von diesem Hauptmonument laufen über Stäben eine Anzahl Stricke auf dem
Berggipfel hin, die vollständig mit Schaf wolleflöck eben besetzt sind. Von den
Spitzen der Stangen laufen nach allen Seiten Seile herunter, welche zahlreiche
weisse Tuchlappen, seltener rote oder blaue, mit ausgeschnittenen Zipfeln
tragen. Etwa 20 m vom Hauptdenkmal, so weit die Schnüre reichen, steht noch
ein besonderer, isolierter Mast, dessen Seitenstricke ebenlalls mit vielen weissen
Fähnchen geschmückt sind.
Vom linken Ufer des Star-dung-tsche-Flusses, an dem der Weg in südöst-
licher Richtung hinauffuhrt, hat man einen schönen Bhck auf eine in mittlerer
Obo iu der Nähe des Siar-duDg-tsclie-Fluasea zwischen Lager XXXVlll und XXXIX.
Kammhöhe etwa 300 m hohe Gebirgskette, die annähernd der Richtung des
Thaies parallel geht Das Gebirge heisst Walru-Gebirge und zeigt Steppengras-
bedeckung bis zu seinen höchsten Gipfeln. Stärkere Felsbildungen fehlen an
der Oberfläche. Eine Skizze ist als Profil No. 4 der Profiltafel XLU und auf
Tafel XXX wiedergegeben. Die etwa 2 km breite Thalfläche des Flusses zieht
sich allmähHch gegen denBei^fuss hinan, von dem zahlreiche Thälchen mit sanft
geformten Abhängen herabkommen. Nur wenige Gipfel ragen etwas über die
allgemeine mittlere Höhe hinaus und auch diese tragen in dieser Jahreszeit, der
zweiten Hälfte des Oktober, sehr wenig Schnee. Von Süden kommende Tbälchcn
zeigen wiederholt Ausblicke auf hohe Gebirgsketten in ostwestlichen Streich-
richtungen mit Felsklippen, welche offenbar dem dort dahinter liegenden Thal
des Hoang-ho parallel laufen. Die Wasserscheide zwischen dem Star-dung-tsche
und dem nach Südost sich wendenden Ulan-ser-tsche Hegt in etwa 3600 m Meeres-
— 391 —
höhe als ein ganz flacher Hügelrücken aus Schichten der Quetac-Formation,
deren Hügel sich im Gebiete der Wasserscheide und weiter abwärts im Thale
des Ulan-ser-tsche zwischen den Weg und das Walru-Gebirge einschieben, ohne
jedoch die Aussicht auf dasselbe zu verdecken.
Diese breite Steppenfläche in der weiten Thaldepression im Süd-
westen des Walru-Gebirges hat eine grosse Bedeutung. Der Star-dung-tsche-Fluss
gehört noch zum Flussgebiete des grossen Sche-tsche-Flusses und somit zu den
nach Westen hin den oberen Hoang-ho erreichenden Flüssen. Der Ulan-ser-tsche
aber, dessen oberes flaches Steppenthal wir nun betreten, vertieft sich alsbald
unterhalb des Lagerplatzes XLI in enger Thalschlucht in das Gebirgsland, das
der von Westen kommende grössere Lö-tsche-Fluss, der auch jenen aufnimmt,
in nordöstlicher und östlicher Richtung durchbricht, um gegen das Kloster
La-brang hin zum Ta-hia-Flusse zu fliessen und mit diesem erst unterhalb der
Stadt Ho in den Hoang-ho oberhalb von Lan-tschou einzumünden. Das Quell-
gebiet dieser nach Osten und Nordosten den Hoang-ho erreichenden Flüsse
nördlich vom Thao-ho liegt sehr nahe am oberen Laufe des Hoang-ho selbst.
Wahrscheinlich ist die schon öfter erwähnte hohe Kalkkette die Trägerin
der Wasserscheide; auf ihrer Südseite fliesst der Hoang-ho selbst; auf ihrer
Nordseite entspringt der Lö-tsche-Fluss in ganz geringer Entfernung vom oberen
Hoang-ho, den sein Wasser aber erst in dem mittleren Laufe bei Lan-tschou
erreicht. Das Kalkgebirge (Dschawrek-Gebirge) setzt im Min-schan nach Osten
fort und hat hier ebenfalls hohe Bedeutung als Wasserscheide zwischen dem Fluss-
gebiete des Thao-ho und dem nach Süden nach Sung-p'an thing und Hau-ning
gehenden Flusse, also zwischen den gewaltigen Flusssystemen des Hoang-ho auf
der Nordseite und dem Yang-tz8-kiang nach Süden.
Das Panorama auf Tafel XXX giebt eine Ansicht des ganz aus Schiefern und
Sandsteinen bestehenden Walru-Gebirges, das auf der jenseits der Wasserscheide
wieder absteigenden Seite längs des oberen Ulan-ser-tsche weiter vom Thal zu-
rücktritt, in das sich die Hügel der Quetae-Formation eingliedern. Eine Reihe
von kleinen Thälchen kommt auch hier in südlicher Richtung von seinen Ab-
hängen und aus den einfachen, geradlinigen Thälern herab und der Ulan-ser-tsche-
Fluss ist schon einen Tagemarsch unterhalb seines Quellgebietes auf der Wasser-
scheide ein recht stattlicher F*luss. Die Quetae-Schichten, welche Berge bis zu
150 m Höhe zusammensetzen, liegen nicht horizontal, sondern haben leichte
Einfallswinkel nach Norden (15^) bei westnordwestlicher Streichrichtung, ohne
aber gefaltet zu sein; es sind nur lokale, untergeordnete, tektonische Störungen,
welche sie an Verwerfungen in geringem Grade aus ihrer horizontalen Lage
brachten. Da, wo das Walru-Gebirge in östlicher Richtung von dem südöstlich
verlaufenden Flusse zurücktritt, sind an diesem beiderseits nur Sandsteine und
Schiefer an der Zusammensetzung der bis 300 m hohen Berge beteiligt; aber
die Quetae-Formation zieht sich mit stark abnehmender Höhe ihrer Hügel am
Fusse des Walru-Gebirges in den Thälern ebenfalls nach Osten, und wir werden
dort noch Resten ihrer Ablagerungen begegnen. Ueberhaupt ist hier diese
Formation nur längs der Thäler, z. B. auch noch weiter unten am Ulan-ser-tsche,
auch in etwas geneigter Schichtstellung zu finden; das beweist, dass sie in schon
vor ihrer Bildung vorhandenen, weiten Thalbecken und Bassins des alten Sand-
stein-Schiefergebirges, an dessen intensiver, alter Faltung sie durchaus keinen
Anteil hat, abgelagert wurde. Es sind somit hier genau dieselben Verhältnisse,
die wir beim ersten Ausflug zum Hoang-ho kennen gelernt und auf Seite 369 ff.
des ausführlicheren erörtert haben. Wo sich Nebenthälchen weit genug von
Süden her (5 — 6 km) zum Ulan-ser-tsche ergiessen, sieht man in deren Hinter-
grunde, ganz in Uebereinstimmung mit jenen Verhältnissen am Hoang-ho,
höhere, in Westnordwest verlaufende Gebirgsrücken mit vielfach unterbrochenen
Felsgräten und Klippenzonen. Im Gerolle dieser Flüsschen finden sich denn
auch die Gerolle des weissen und blauen, splittrigen Kalkes, die den Flüsschen
von Norden aus dem Walru-Gebirge gänzlich fehlen.
Die Wegrichtung liegt hier im allgemeinen in der Richtung des Streichens
der geologischen Formationen. Sie läuft parallel zu jenem wilderen und nicht
überall passierbaren Kalkgebirge und dem jenseits desselben liegenden Laufe
des Hoang-ho, der von jedem Punkte aus in zwei bis drei Tagen zu erreichen ist,
im Sandstein-Schiefergebiete, das mit seinen niederen, breiten Wasserscheiden
und Pässen, den weiten Steppenthälern und den geringen Gefällen in den
Thälern überall die Bedingungen für leichten Verkehr der Karawanen und ge-
eignete Plätze für die Siedelung selbst grösserer Bevölkerungsmengen mit ihren
Herden c^arbietet. So trafen wir an einem kleinen Nebenfluss des unteren Uian-
sertsche wieder einen kleinen Fürsten und in der Umgebung seines 20 Jurten starken
Lagers noch viele Ansiedelungen. Hier wurde uns gesagt, dass es bis zum Hoang-ho
in südlicher Richtung durch das Gebirge zwei Tagereisen zu Pferde weit sei,
und dass dort am Flusse, wie auch unterwegs, keine Ansiedelungen zu finden
seien; andererseits trafen wir auf dem weiteren, östlich führenden Wege längs
des Südfusses des Walru- Gebirges in den Thälern der Schiefer-Sandstein-
Formation und zwischen den niederen Hügeln der Quetae-Bildungen überall
Nomadenlager in grosser Zahl.
Wir zogen am Ulan-ser-tsche weiter nach Süden, um jenen kleinen Häupt-
ling aufzusuchen und neue Führer zu erhalten; dann mussten wir wieder einen
halben Tagemarsch an diesem Flusse hinaufgehen, bis wir das am Südfusse des
Walru-Gebirges von Osten kommende Längsthal erreichten und diesem nach
Osten folgen konnten. Der Ulan-ser-tsche selbst geht in Büdsüdöstlicher Rich-
tung weiter und sucht seinen Lauf durch das höhere, felsige Gebirge zum Lö-
tsche-Fluss und Ta-hia-ho in noch nicht näher bekanntem Querthale. Wie wir
erfuhren, ist es nicht möglich, ihm mit einer Yak-Karawane zu folgen, jedoch
sei ein schlechter Pfad mit Pferden dem Flusse entlang passierbar.
Der Ort, an welchem wir den Fürsten antrafen, in einem kleinen, von Süden
kommenden Seitenthälchen des Ulan-ser-tsche, heisst Datsen-zasek. Der Lao-y^
Walru-Qebirge in Nordost-Tibet und Steppentlul'
Nach M
TAFEL XXX.
Ulan-ser-Flusses, zwischen Lager XXXIX und XL,
— 393 —
oder Herr, wie ihn unsere Chinesen benannten, bewohnte eine grosse,
weisse, runde Jurte. Er selbst sass bei unserm Besuche hinter der Feuerstelle
auf einem Filzläufer und lud uns ein, neben ihm niederzusitzen, worauf die
übliche Tsam-ba in hölzernen Schalen gereicht wurde. Die ihm als Geschenk
bestimmte Spieldose wurde von unserm Dolmetscher überreicht und schien ihm
sichtlich Freude zu machen. Unsere in tibetanischer und mongolischer Sprache
abgefassten Empfehlungsschreiben und Pässe wurden ihm vorgelegt, er beachtete
sie aber kaum, da er wohl des Lesens unkundig war. Erst ein Lama, der
hinzu kam, unterwarf sie einer genauen Durchsicht und erstattete dann dem
Herrn Bericht. Derselbe muss wohl günstig gewesen sein, denn der Fürst sagte
Sleppenthal des TschUnere-tschcaak-Vluwes bei Lii»er XX>k>ül].
uns bereitwillig Führer zu bis zu einem andern kleinen Fürsten, der allerdings
nur zwei Tagereisen entfernt wohnte, und gab uns anstatt der erbetenen zwei
Führer fünf Leute mit.
Der Lao-yü selbst war ein intelligent aussehender Mann mittleren Alters mit
völlig bartlosem Gesicht; er schien aber wenig energisch, und sein Hauslama,
der einen sehr bestimmten, unsympathischen Gesichtsausdruck hatte, schien hier
das Heft in Händen zu haben. Die innere Einrichtung der Jurte war sehr ein-
fach, sie bestand aus den übhchen Wirtschaftsgeräten, und in Säcken und Ballen
an den Filzwänden aufgestapelten Vorräten. Zwei Holzgestelle, eines davon
mit zwei Schubladen, offenbar chinesischen Ursprunges, mit einigen Porzellan-
tassen und andern Kleinigkeiten vervollständigten die Einrichtung. Auf dem
andern Gestelle standen in Reihen über einander quadratische, grosse Leder-
kisten. Grösseren Reichtum verrieten zwei Frauen; eine davon war jung und von
grosser Schönheit, und beide trugen besonders grosse und kostbare Ohrringe
und Rückengehänge. An den Ohrringen waren die Korallen in breite, vertiefte,
~ 394 -
silberne Scheiben gefasst, ausserdem standen sie durch Koratlenschnüre mit den
Zöpfchen in Verbindung. Am Riickengehänge war ein schmales Mittelstück
mit Messingknöpfen versehen, während die beiden breiteren Seitenteile auf
rotem Grunde kunstvolle Stickereien aus Messingdraht trugen. Die einfachen
Muster dieser Stickereien sind auf der Abbildung No. i auf Tafel XXVI nur ganz
schematisch wiedergegeben, da sich ein genaues Abzeichnen verbot. Die Band-
stücke zwischen den Stickereien waren schwarz und das Ganze harmonierte
schön mit den zahlreichen, rabenschwarzen HaarzÖpfchen, dem dunkeln Leibrock
und der braunen, ungewaschenen Hautfarbe des Gesichts, des Halses und der
entblössten Schultern. Die beiden Frauen bereiteten den Thee, hielten sich aber
meist scheu im Hintei^runde und verdeckten das Gesicht vor den Fremden
mit den Händen.
Kalk-Gebirgre (ütchawrek- Gebirge), sUdUch vom Lat^er XXXXJI.
Nach Süden geßen den Hoang-ho hin gesehen.
Die Bevölkerung machte einen recht ärmlichen Eindruck, erwies sich auch
später als Gesindel. Nur wenige der Zelte hatten hölzerne Thüren; meist ritten
die Männer auf Yaks, Pferde waren seltener und auch die langen Gabelgewehre
sah man nur wenig; die Handschwerter waren einfach, und Schmuck wurde wenig
getragen. Einige andere Tibetaner, welche von ausserhalb zum Besuch beim
Fürsten gekommen waren, offenbar Aelteste von Stämmen, sahen besser aus;
alle waren gut bewaffnet und trugen schöne, mit Farben besetzte Mäntel und
stattliche Pelzmützen aus hellbraunem Fuchsfell. Sie lagerten trotz der kalten
Nächte ohne Zelte dicht bei unserm Lager und beunruhigten uns durch ihre
Nähe, da wir ihnen nichts Gutes zutrauten. Dass Vorsicht geboten war, erwies
sich als begründet, denn unsere Führer stahlen wie die Raben. Zwei grosse
schöne Hämmer, unentbehrlich beim Aufschlagen der Zelte, fielen ihnen zum
Opfer, und noch spät abends sah man sie in der Dunkelheit die Zelte um-
schleichen.
Von einem der Berge bei Dat^en-zasek, den ich bestieg, hatte man aus
etwa 200 m Höhe über dem Thale einen sehr schönen Blick nach Süden auf
ein felsiges Gebirge, das sich hier besonders wirkungsvoll aus dem Thalgrunde
— 395 —
mit seiner Steppengrasdecke und seinen gerundeten, weichen P'ormen abhebt.
Diese Gruppe ist in der obenstehenden Textfigur wiedergegeben und kann als
Typus für den Landschaftscharakter am rechten Hoang-ho-Ufer gelten. Ins-
besondere ist das plötzliche Absetzen der jähen Felsengruppen und der Ueber-
gang in hohe, gerundete Bergrücken, wie er hier an der Westseite sichtbar ist,
charakteristisch. Leider führte der Weg nicht nach Süden nach dieser jedenfalls
auch geologisch interessanten Gebirgsgruppe; wir mussten von Datsen-zasek
zurück zum Ulan-ser-tsche und an dessen östlichem Nebenflüsschen im gleich-
förmigen Sandstein- und Schiefergebiete nach Osten weiter.
Man überschreitet zwischen niederen Schieferhügeln, über die von Norden
die höheren Gipfel des östlichen Teiles des Walru-Gebirges herübersehen, einen
breiten Pass von 3630 m Höhe, zwischen dem Seitenthale des Ulan-ser-tsche und
dem ebenfalls in vorwiegend östlicher Richtung gehenden Thale des Tschünere-
tschenak-tsche, dessem Laufe wir fast zwei Tage lang zu folgen hatten. Der
Thalcharakter ist auf der Ostseite des Passes derselbe wie im Thal des Ulan-
ser-tsche-Flusses. Die östlichen Ausläufer des Walru-Gebirges und die bis 150 m
und weiter thalabwärts bis 200 m hohen Berge auf der Südseite des Thaies haben
dieselben einfachen, gerundeten Formen und sind bis auf die Gipfel mit Steppen-
gras bewachsen; die Quetae-Formation kommt im oberen Teil des Thaies nur in
geringer Verbreitung an den Einmündungsstellen von Nebenthälchen der linken
Thalseite vor und ist zu geringfügig, um als formgebendes Element hier schon
eine Rolle zu spielen, was allerdings einen Tagemarsch weiter unten im Thale,
ehe der Fluss in das höhere Sandstein-Schiefer-Gebirge gegen den Hoang-ho
hin eintritt, der Fall ist.
In dem breiten Steppenthaie des Tschünere-tschenak sind im mittleren und
unteren Teile des Thaies zahlreiche Zeltlager angesiedelt. Es waren ihrer in mehreren
Kreisen im Hauptthal und besonders den Eingängen der nördlichen Nebenthälchen
während eines halben Tagemarsches iio Stück zu zählen. Auf der rechten Thal-
seite ganz unten, wo der Fluss eine mehr südliche Richtung einschlägt, ist wieder
ein 200 m hoher Berg mit Steinzeichen und Stangen versehen. Das Obo ist aber
viel einfacher als die früher beschriebenen und besteht im wesentlichen ausser
den Stangen nur aus zwei spitzen Steinrypamiden. Gegenüber, am Eingang
zu einem von Osten herabkommenden Nebenthälchen, standen wiederum
20 Jurten, und im nach Süden nächstfolgenden Thälchen deren 24, ein Beweis,
wie volkreich das Gebiet hier ist. Einige Kilometer weiter liegt der Wohnplatz
eines kleinen Fürsten, zu dem unsere Führer uns geleiteten, mit ebenfalls
mehreren Jurtenkreisen von zusammen 44 Jurten.
Während des Marsches das Thal des Tschünere-tschenak-Flusses hinab
nach Sche-zaong (Lager XLIV) waren gegen Südwesten gute Ausblicke gegen das
Hoang-ho-Thal und die es begleitenden Berge zu gewinnen. Man sah im
Hintergrunde das hohe, wild zerrissene Kalk-Gebirge, dem der Name Dschawrek-
Gebirge gegeben wurde, dessen westliche Fortsetzungen schon mehrfach unter-
" 396 -
Wegs und auf der Hoangho-Exkursion zu konstatieren waren. Die untenstehende
Abbildung zeigt schon den Gegensatz zwischen den Vorheizen mit sanften
Formen und dem schroffen Charakter der Kalkkette, hinter welcher das Thal des
Hoang-ho verläuft. Die Erstreckung des Kalkgebirges geht von Ostsüdost nach
Westnordwest wie auch weiter im Westen.
Bei Sche-zaong, dem Aufenthalte des Fürsten, das i,S km Östlich vom
Tschünere-tschenak-Fluss liegt, ist der Landschaftscharakter durch eine Kette
300—400 m hoher Sandstein- und Schieferberge bedingt, die mit im allgemeinen
ost - westhcher Richtung sich nach Süden vor das Flussthal des Hoang-ho
legen. Vom Norden ragen die östlichsten Ausläufer des Walru-Gebirges
herüber und in der Mitte zwischen beiden sind hier Hügel der Quetae-Formation
Uschawrek-Ucbirge, vou Liijjer XXXXIV iiuch .Süilweslen gesehen.
bis zu 150 m Höhe von sehr mannigfaltigen, aber immer runden Umrissen.
Die Abhänge der Hügel sind wieder mit kleinen Hügelchen und gerundeten
Köpfen besetzt, so dass sie vielfach gegliedert erscheinen als eine Folge der
leichten Erodierbarkeit des hier weichen, thonigen Materials dieser Formation.
Der Tschünere-tschenak-Fluss macht eine grosse Biegung nach Süden, nachdem
er den Höhenzug des Sandstein-Schiefer-Gebirges auf seiner bisherigen Südseite
durchbrochen hat und wendet sich alsbald wieder mit südöstlichem Lauf der
bereits erwähnten, hohen Gebirgskette zu, welche hier gegen den Hoang-ho
hin das Gebirgsland begrenzt. Er tritt in ein enges, schluchtartiges Thal dieses
Gebirges ein und vereinigt sich mit dem Lö-tsche-Fluss, der von Westen kommt
und auch den Ulan-ser-tsche aufgenommen hat.
Beim Fürsten in Sche-zaong waren eigentümliche neue Erfahrungen zu
sammeln. Er geleitete uns zwar in seine grosse, 12 m im Quadrat messende,
schwarze Jurte und bot auch Tsam-ba an; auch über das Geschenk, ein Stereoskop
mit zahlreichen Photographien, zeigte er sich sehr erfreut; aber mit der Stellung
— 397 -
von Führern machte er Schwierigkeiten. Unsere Pässe und Papiere, die wir
ihm vorlegten, konnte er nicht lesen. Endlich willigte er ein, uns einen Führer
zu geben, nahm aber am andern Morgen das Versprechen zurück. Erst die
persönliche Intervention von Dr. Holderer und das Anerbieten von Geld ver-
mochten ihn umzustimmen; er vertröstete uns aber auf den folgenden Tag, da
er selbst erst nach Leuten schicken müsse, die den Weg kennten. Der Lao-y^
war in der Lamakleidung, d. h. er trug den dunkeln, roten Tuchrock der-
selben und eine ähnlich gefärbte, kurze Jacke; sein bartloses Gesicht zeigte
einen noch jugendlichen Ausdruck; im Sprechen war er langsam und kurz
angebunden. Schmuck und Kopfbedeckung trug er nicht; aber ein sehr grosses,
kupfernes, mit einem Schriftzeichen geziertes Amulett hing mit mehreren Rosen-
kränzen an einem der Stützstäbe der Jurte.
Während unseres etwa eine halbe Stunde dauernden Besuches wurde im
Hintergrunde der Jurte fortwährend von einem alten Weibe, die ihr Gesicht
mit der einen Hand verdeckte, an einer Gebetmühle gedreht. Diese bestand
aus einem etwa 0,5 m hohen Stabe, dessen oberer Teil die Achse einer grossen,
drehbaren Messingkugel bildete. Diese hohle Kugel wird durch Anstossen eines
an ihrem Umfange befindlichen Messingknopfes in fortwährender, drehender Be-
wegung erhalten und dazu werden ebenso fortwährend Gebete gemurmelt. Die
Frauen trugen hier auch Stickereien und Messingbeschläge am vorderen Teile
der Bänder, die vom Rückengehänge über die Schultern auf der Brust zusammen-
laufen; eine Besonderheit, die wir anderwärts noch nicht beobachtet hatten.
Es fehlten hier die weissen, runden Jurten. Ausser den geräumigen,
überall in der Mehrzahl vorhandenen, schwarzen Jurten waren nur wenige weisse
Tuchzelte zu sehen; die meisten Reiter sassen auf Yaks, und Kleidung wie
Schmuck und Waffen waren ärmlich. Im übrigen benahmen sich während des
unfreiwilligen Ruhetages die Leute recht zudringlich am Lager, versuchten am
hellen Tage Pferde und Yaks wegzutreiben und waren nur schwer wegzubringen.
Es scheint, dass der Charakter der Bevölkerung mit weiterem Vordringen nach
Süden immer unfreundlicher und feindlicher gegen Fremde wird, trotz Führern
und besten Empfehlungen an ihre Häupter. Schon am Küke-nur waren wir vor
den bösen Ssö-thschuan-Fan-tzö eindringlich gewarnt worden; auch andere
Reisende hatten, allerdings weiter westlich in Tibet, schlechte Erfahrungen
gemacht. Im Vergleiche dazu waren wir in Sche-zaong noch in einer verhält-
nismässig günstigen Lage, von der wir nur wünschen konnten, dass sie sich
während der dreissig Tage, welche die Reise bis Sung-p'an thing noch dauern
sollte, nicht weiter verschlechtere. Zunächst hatte es allerdings einen andern
Anschein. Es waren am folgenden Tage wieder keine Führer da, dagegen
versammelten sich oben auf dem Hügel beim Dorfe die Bewohner, beritten,
in Gruppen und hielten Beratung. Auf eine nochmalige Anfrage stellte sich
endlich ein alter, sehr wenig vertrauenerweckend aussehender Führer ein, der
das Geld, einen Tael, für die Führung vorausbezahlt haben wollte. Es blieb
nichts übrig, als es ihm auf Treu und Glauben zu geben, worauf er sofort
zurückritt und das Geld dem Lao-yS ablieferte. Er kam aber wieder zurück und
so konnten wir endlich aufbrechen.
Es ging in südlicher und südöstlicher Richtung zunächst durch ein kleines
Querthäichen und dann in eine grössere Niederung, von welcher aus der grosse
Lö-tsche-Fluss, nachdem er den Tschünere-tschenak aufgenommen hat, in einer
engen SchUicht nach Süden die erste, höhere Gebirgskette durchbricht, dann
aber nach kurzem Durchbruchsthal wieder östliche Laufrichtung annimmt.
Der Weg folgt nicht diesem Flussthale, sondern geht von der steppen-
bedeckten und Lehmterrassen führenden Thalebene auf einen niederen Pass in
Tliil des DBcWem-tschc-F lusscE. Vom Passe zwischen Lager XXXXV un.l XXXXVI.
Hügeln der Quetae-Formation, die mit wenig mächtigem Lehm bedeckt sind,
nach Osten hinüber in ein von Norden kommendes Nebenthälchen des Lö-tsche-
Flusses und erst an dessen Lauf entlang durch einen aus Sandsteinfelsen ge-
bildeten, kleinen Thaldurchbruch zu dem Lo-tsche-Fluss, der hier in engem, von
hohen, felsigen Bergen gebildetem, vielfach gewundenem Thale zuerst nach Osten
und dann in nordöstlicher Richtung immer zwischen hohen (350— 500 m), schroff
abfallenden und felsigen Thalgehängen dahinfliesst. Der Uebergang über den
hier 40 m breiten und fast einen Meter tiefen Fluss macht für die Yakkarawane
einige Schwierigkeiten. Alle Lasten mussten von den Leuten auf die Pferde
genommen und hinübei^etragen werden, so dass eine F'ortsetzung des Marsches
an diesem Tage trotz der geringen zurückgelegten Entfernung unmöglich wurde.
Nachdem am folgenden Tage zuerst ein Stück weit auf dem rechten
Flussufer in Südost geritten worden war, machte der Fluss eine grosse Biegung
nach Nord um einen steilwandigen Sandsteinberg herum, kam aber weiter
— 399 —
östlich nach Süden zurück, und der Weg traf ihn wieder, nachdem er in öst-
licher Richtung ein niederes Joch, das ebenfalls Quetae-Sandstein und eine
Lehmdecke trägt, überschritten hatte. Die Wege benützen immer die niederen
Stellen im Quetae-Hügelland, wo solches vorhanden, zwischen den hohen und
steilen, schwer passierbaren Schiefer-Sandsteinketten.
Von neuem wendet sich der Lö-tsche-Fluss nach Nord und Nordost. Sein
enges Thal lässt keinen Raum für einen Weg und man ist gezwungen, in öst-
licher Richtung auf einen hohen (3720 m) Pass im Sandstein-Schiefergebirge
zu steigen. Die der Passhöhe benachbarten Berge überragen diese noch um
1 50 — 200 m und sind meist felsig und steil. Die Steppengrasbedeckung, die im
Thale und an den sanfteren Abhängen noch überall vorhanden war, fehlt an solchen
Stellen, wie denn überhaupt in der Gipfelregion die Vegetation nur eine sehr
dürftige und spärliche ist. Vom Passe sieht man hinab ins enge, von steilwandigen,
400 — 500 m hohen Bergen begleitete Thal des Dschiem-tsche- Flusses. (Siehe
die gegenüber stehende Abbildung auf Seite 398). Es geht steil abwärts; glatte
Flächen trockenen Grases, und weiter unten enge Felspfade an Sandsteinklippen,
sowie eine durch Feuchtigkeit weiche und schlüpfrige Lössbedeckung der untersten
Teile der Abhänge machen den Abstieg den Pferden, die keine Eisen mehr au
den Hufen haben, recht schwierig und führen stellenweise zu kleinen Rutschpartien.
Der Dschiem-tsche Fluss ist hier schon ein nicht unbedeutendes Wasser; bei
einer Breite von 18 m erreicht er Tiefen von fast i m. Sein Wasser ist klar
und grünlich. Er kommt hier aus südlicher und südöstlicher Richtung, und
seine Oberläufe müssen bis in die Zone des gegen den Hoang-ho hin gelegenen
Kalkklippen-Gebirges reichen, da sich unter den Flussgeröllen, allerdings selten
zwischen den vorherrschenden Schiefer- und Sandstein-GeröUen, wohlgerundete
Stücke von grauen und weissen Kalken, darunter eines mit Korallenresten,
fanden. In der Umgebung des Flusses selbst aber, sowohl aufwärts wie ab-
wärts nach Nordnordost, bestehen die Berge lediglich aus Ost zu Nord nach
West zu Süd streichenden, steil aufgestellten Sandsteinen, zwischen die dunkle
Thonschiefer eingelagert sind. Unweit von dem Punkte, an welchen der
Weg den Dschiem-tsche überschreitet, mündet dieser nach Angabe des Führers
in den Lö-tscheFluss ein. Die Umgebung des Dschiem-tsche-Flusses und des
zum Passe zum Thao-Flussgebiete hinaufführenden Nebenthaies zeigt die auf der
folgenden Seite stehende Abbildung mit unserm Lager XXXXVI.
Weiter geht von hier der Weg in ausschliesslichem Sandstein-Schiefer-
Gebiet in einem von Südost kommenden, rechten Nebenthälchen des Dschiem-tsche
aufwärts, das einige Minuten oberhalb der Uebergangsstelle einmündet, und an
dessen unterer Thalerweiterung sich ein grosser Lagerplatz mit vielen Feuer-
herden in malerischer Umgebung von Bergen und Felspartien befindet. Man
hat Gelegenheit, während des stundenlangen Weges an den auf beiden Thal-
seiten zahlreichen Felsklippen den Wechsel im Fallen der von Südosten nach
Nordwesten streichenden Sandsteinschichten und die Faltung zu gewaltigen
.Satteln -jrd MjMen r:: ^yi^'r.'.err.- bia ü.-.f: A.".>;c:^^=-ic Thal ia: cr-^' g5=^
'^Jxm t,-,ttr d«- V^r:'/:. h- -itil^re St^;;«:! -j^d iA neöe:: der S:ct.c-i;=£Ta.-b';-
d^:-:«:-:::-^ C-rch sehr v"-! r.:-icr-es Strii-^b- j^d B-jch^cri au--^ac:;==*t. di?
a-ch an c«i Gehä.-.'^^s der ij<r::er.thalrhen g--"- Nieder» ilibcsci=is b.lie-
bat 'a.'.'.ir.ir.:i'rte '.'-«rrj^kea r.ich .S;den nta:h: i:rh :a c:e*ea Er?che~^=.re::
berr.er'iiO^r. so waren a.;;h i:.-:r.e. b-jr.te V ^cl :T::t scb'Airz ■»e'.iä-rot ^eiir.zhn«-
t-.m Gtf.ediT i-j lehen. d;- »:r bi-her n:rger.i> a^gctroaeo hanea.
\jtr Marsch am 6. Nov-rr-.ber a,:l den 3720 m hohen Fai5- der z-*"i5ci:c3
n'>:h 100 — 150 m h./r.»ren P-er^en l;e^. war h .rjh-; unan^enehni infoUre c:r.es
Lj^.;r XXXXM in .itr Nabe dfn Üschiem-tsche-Flussea.
entgegenkommenden Windes aus Südost, der von feinem Schneefall begleite!
war. Auch die Aussicht von oben, die sehr wichtig und umfassend hätte sein
können, da der l'unkt besonders nach Süd und Südwest ziemlich frei liegt, war
daher auf die nächste Umgebung beschränkt. Es sind zwei annähernd gleich
hohe, zehn Minuten von einander entfernte Stellen, welche den Passübergang
bilden. Von der ersten derselben geht ein steppen bedecktes Thälchen steil
niich Osten hinab, biegt aber alsbald in nördlicher Richtung ab, die es in engem
Felsenthale weiter verfolgt. Auf dem ost-westlich ziehenden Grate über diesem
Thale gelangt man zu der zweiten Höhe des Passes, die um 10 m höher als die
andere ist, und sieht hinab auf ein grösseres Thalsystem, das in nordöstlicher Rich-
tung .seinen unteren Ausgang hat; auf .seiner nördlichen Seite sind nur Nebenflüsse
von geringer Länge und Bedeutung, im oberen Teile kommt aber eine grössere
— 40I —
Thaleinsenkung aus Westsüdwest und in dieser verläuft auch ein grosser Weg,
der an den Hoang-ho führen dürfte. Das Thal selbst ist wieder ein typisches
Steppenthal des Schiefer-Sandstein-Gebirges, in welchem besonders im oberen
Teile weite, flache Abhänge und nur wenig in Felsklippen anstehendes Gestein
zu sehen ist. Diese finden sich häufiger in den steileren, kleinen Nebenthälchen
des mittleren und unteren Teiles des sehr langen Thaies, wo ihr Streichen
immer der Ost-West-Richtung folgt. Auch die rechte Thalseite hat einige
schroffe und steile Felsenbildungen aufzuweisen, aber der typische Charakter
der Sandstein-Schiefer-Formation wird dadurch nicht verwischt.
Im Thale sind verschiedentlich Reste mächtiger Lehmterrassen erhalten,
und Lehme mit Gehängeschutt vermengt, ziehen sich auch an den Halden in
die Nebenthälchen hinauf. Der Thalboden ist vielfach sumpfig und der Weg
geht zumeist auf der nördlichen Seite auf der Lehmterrasse. Das Thal ist
ganz öde und leer und trägt keine Anzeichen von verlassenen Lagerplätzen
oder der zeitweiligen Anwesenheit von Menschen. Auf der weiten Schnee-
fläche, die der einsame Weg durchzieht, bemerkt man nur die Spuren der
Wölfe, die unser Lager des Nachts umheulen. Das Futter für die Lasttiere ist
hier schlecht; es besteht nur aus langen, schon gelben Riedgräsern und das
frische, grüne Bodengras fehlt gänzlich. Viele Kilometer weit zieht man dahin,
ohne dass sich das Bild verändert. Erst einige Stunden, ehe das kleine
Flüsschen des Thaies, dessen Name nicht zu erfahren war, weil uns der Führer
gleich nach dem Passübergange verlassen hatte, in den Thao-Fluss einmündet,
fanden sich die Reste eines alten Lagerplatzes, sowie auf einem Berge der
nördlichen Thalseite ein schönes Obo als Spuren der vorübergehenden Anwesen-
heit von Menschen auch in diesem Erdenwinkel.
Je weiter das Thal hinabgeht, um so höher und steiler werden auf beiden
Seiten die Bergformen, die bis 300 m Höhe über Thal erreichen. Die
Berge der südlichen Seite zeigen die eigentümliche Erscheinung, dass ihre
steilen Abhänge bei sonst dürftiger Vegetation mit zahlreichen, in regel-
mässigen Abständen stehenden, dunkeln Flecken besetzt sind. Diese dunkeln
Stellen rühren von ganz kleinen Sträuchern her, die gruppenweise zusammen-
stehen und sich als dunkle Stelle von dem hell gelblichen Steppengras ab-
heben. Warum sie aber in solchen runden Gruppen wachsen und, statt sich
unregelmässig am Abhänge zu verbreiten, regelmässige Zwischenräume einhalten,
bedarf noch der Untersuchung und Erklärung durch einen Botaniker. Auf den
nach Süden gerichteten Abhängen des nördlichen Thalgehänges fehlt bei sonst
gleichem Charakter der geologischen Zusammensetzung und Bodenbildung diese
Erscheinung, die auf der Südseite des Thaies überall an allen Berggehängen,
und zwar mit am schönsten in den Gipfelregionen auftrat.
Das Obo (siehe die umstehende Textfigur) besteht in einer Reihe hinter ein-
ander auf dem Berggrate aufgestellten Zeichen, zunächst aus zwei mit Steinsätzen
festgehaltenen Stangen, deren eine eine lange Schnur mit Wollwimpeln, die andere
Futterer, Durch Asien. 26
— 402 —
eine weisse, mit schwarzen, verwaschenen Schriftzeichen bedeckte Fahne mit au^-
zacktem Rande tr^. Diese Stangen sind unter sich und mit dem Hauptpostament
durch Schnure verbunden. Das letztere besteht aus einem runden Steinunterl>au
von 1 m Höhe und 4 m Durchmesser, auf welchem eine Anzahl mit Seilen m-
sammengebundener Reisigbündel aufgehäuft sind. Durch das Reisig sind lange,
weit herausragende Stangen gesteckt, von denen einzelne mit weissen Woll-
wimpeln geschmückt sind. Die Höhe dieses Reisigkegels beträgt etwa 2,5 m.
Nach der andern Richtung vom Denkmal aus befindet sich in einigen
Metern Entfernung auf der vordersten Bergspitze ebenfalls ein runder Stein-
unterbau, der, wie die darauf sichtbaren Kohlenreste zeigen, zum Abbrennen
von Opferfeuem, vielleicht auch zum Verbrennen von Leichen benutzt wird.
Es ist dies eines der vollständigsten Denkmale dieser Art, dem wir in Tibet
begegnet sind.
Gegen den unteren Thalausgang hin, der schon zum Thal des oberen
Thao-ho geht, treten wieder in dem erweiterten Zwischenräume der hohen
seitlichen Thalgebirge niedere Hügel der roten Quetae-Formation unter der
über 3 m mächtigen Lössdccke hervor. Auch an der Einmündungssteile am
Thao-ho und seinem nordöstlichen Ufer haben sie einige Verbreitung.
Durch den Uebergang über den letzten 3720 m hohen Pass sind wir
aus dem Gebiete der zuerst östlich und nordöstlich, und weiter am Unterlaufe
nördhch zum Hoang-ho auf der Strecke seines Laufes oberhalb von Lan-tschöu
ßiessenden Gewässer, wie Lö-tsche-Fluss und Tahia-ho, in ein neues Stromgebiet
gelangt, das vom Thao-ho-Fluss als Hauptfluss eingenommen wird. Diese wich-
tige Wasserscheide, welcher der Pass angehört, liegt also innerhalb der höheren
Ketten des Sandstein-Schiefer-Gebirges und die Wasserscheide zum oberen Laufe
des Hoang-ho, unterhalb seines Knies, muss weiter im Süden und Südwesten
liegen, wahrscheinlich in dem Kalkklippen-Gebirge, da die Flüsse Lö-tsche und
Dschiem-tsche Kalkgeröllc führen, die nur aus jenen Bergen stammen können.
Da der Lauf des Hoang-ho am Südfusse dieser Kalkmassive li^, oder jeden-
1 1
Linke Tbalselte des Dbtnn Tb*
Von Lager XUX«
TAFEL XXXI.
beriialb von Kloster Schlti-se.
rdosten gesehen.
— 403 —
falls nicht weit davon entfernt ist, so ergiebt sich daraus^ dass er hier keine
grösseren Nebenflüsse auf der rechten, nördlichen Thalseite besitzt und nur
kleinere Thälchen, wie wir sie auf der Hoang-ho-Exkursion getroffen hatten, in
ihn einmünden. Alle Gewässer am Nord- und Nordostfusse des Kalkklippen -
Gebirges (Dschawreck-Gebirge), wenn man einmal nach Südost über die Wasser-
scheide des grossen Sche-tsche-Flussgebietes herüber gekommen ist, gehen nach
Ost und Nordost zum Ta-hia-ho oder aber zum Thao-ho. Dem Hoang-ho selbst,
im Westen davon, fallt nur ein kleiner Teil der Gewässer dieses Gebietes zu.
Der Thao-ho ist an dem Punkt, wo wir ihn trafen und das Lager XLDC
aufschlugen, schon ein recht stattlicher Fluss. Aus engem Thale zwischen hohen
Sandsteinbergen mit spitzen Felsgipfeln im Nordost, windet er sich in grossem
Bogen nach Osten und tritt nach Südost wieder in ein engeres Thal, nachdem
er in einer ausgedehnten Thalweitung eine grosse Schlinge ausgeführt hat. (Siehe
das Panorama auf Tafel XXXI.) Die hohen Sandsteinberge treten dort gegen
Norden und Osten weiter vom Fluss zurück, und das so gebildete grosse Becken
enthält zahlreiche Hügel der Quetae-Formation, sowie längs der breiten Fluss-
niederung an den Seitengehängen Terrassen alten Flussschotters mit einer ziem-
lich mächtigen Lehmdecke. In der Flussniederung selbst nimmt das Bett des
Flusses einen verhältnismässig geringen Raum ein. An manchen Stellen ist
es verzweigt und die Schottermassen bilden mit Bäumen bedeckte Inseln. Kahle
Geröllbänke stehen auch des öfteren im Flussbette zu Tage; aber an solchen
Strecken des Laufes, wo die ganze Wassermasse einheitlich in ein Bett zusammen-
gedrängt dahinfliesst, wurde die Flussbreite zu 36 m und die Geschwindigkeit
zu 1,66 m in einer Sekunde gemessen. Die Tiefe konnte nur nach dem Augen-
schein bestimmt werden, da man den Fluss nicht überschreiten kann; aber sie
dürfte auf 25 m jener 36 m Breite i m und mehr betragen, was mit weiter
unterhalb bei Kloster Schin-se angestellten Messungen übereinstimmt. Hier
wurde das in einer Sekunde vorbeifliessende Wasservolumen zu 47,0 Kubikmeter
berechnet Das Flusswasser ist ziemlich klar bis zur Tiefe von 30 cm und von
grünlicher Farbe. Die FlussgeröUe sind fast ausschliesslich Sandstein, seltener
Schiefer und nur sehr vereinzelt treten weisse, splittrige Kalke in gut gerundeten,
oft kugeligen Stücken auf, während die Sandsteine immer eine mehr plattige,
nur an Ecken und Kanten einigermassen gerundete Form besitzen.
Da sich die Lössterrassen bis gegen 100 m hoch am Bet^gehänge hinauf-
ziehen und die Hügel der Quetae-Formation ganz bedecken, sind überall Aecker
angelegt. Die klimatischen Verhältnisse gestatten hier oben den Anbau von
Hafer, Korn und Weizen. Die horizontal angelegten Aecker gehen in Staffeln
oder Terrassen in die Höhe, wie in den echten Lössgebieten. Ein ganz aus
Lehmmauern gebautes Dorf Mane liegt etwas entfernt vom linken Flussufer am
leicht ansteigenden Berggehänge. Sehr gross sind dort die Vorräte an Stroh
und Hafer, die an hohen Holzgerüsten, den Scheunen der Bewohner, getrocknet
und aufbewahrt werden. Zur Zeit unserer Reise waren vielfach die Bauern am
26*
— 404 —
Thao-ho-Thal, Männer wie Frauen, mit Dreschen beschäftigt, wobei sie sich eines
dem unsrigen ganz ähnlichen Dreschilegeb bedienten und in Gruppen, aber nicht
im Takte, auf dem gefrorenen oder auch har^estampften Boden darauf losschlugen.
Nur wenige Kilometer unterhalb des Ortes Mane liegt auf derselben Fluss-
seite wie dieser das grosse Kloster Schin-se. Der Name dürfte chinesisch sein
und »Neues Klosterc (SinssS) bedeuten. Der Weg folgt dem rechten Ufer
des im allgemeinen nach Südosten gehenden Flusses; aber er (lihrt zumeist
nicht in dessen Niederung, sondern in einiger Höhe darüber auf den lehm-
bcdeckten alten Flussterrassen, die sich an die bis 350 m aufsteigenden Sand-
steinberge anlegen. Hier sind schon Tannenwälder an den Ber^ehängen,
dichte Busch Vegetation und auf den Flussinseln Waldbestände von Weidenarten.
Am Wege gab es viele schöne Fasanen (Phastanus elegans); es hiess aber,
es sei wegen der Nähe des Tempels verboten, auf sie Jagd zu machen, da die
Lama es für unerlaubt halten, in der Umgebung der heiligen Orte Tiere zu
töten. Auch das Erlegen der grossen Raubvögel ist ihnen unangenehm, wenn
es bei den Klöstern geschieht, weil, wie Rockhill vermutet, diese Vögel manchem
Lama zum vorübergehenden Aufenthalte nach dem Tode gedient haben. Von
Haustieren finden sich bei den am Kloster ansässigen Chinesen wieder Hühner
und Schweine, die sonst bei den Tanguten fehlen. Beim Kloster, und
zwar flussabwarts, sind feste, aus Lehmmauern errichtete Hütten von Tan-
guten, sowie grosse Viehhöfe und die hohen Holzgestelle, welche die Stelle
40S
der Scheunen vertreten. Das Volk, und besonders die Frauen, sind hier sehr
unsauber und recht zudrüiglich. Von andern
schlechten Eigenschaften geben die später zu
schildernden Ereignisse, die sich während un-
seres unfreiwilligen, längeren Aufenthaltes bei
Kloster Schin-se abspielten, Zeugnis. Die Be-
völkerung bei Schin-se scheidet sich in zwei
Teile: die Mönche des Klosters, die aus allen
möglichen Teilen des nordöstlichen Tibet und
Am-do zusammengekommen sein mögen, und
die in armseligen Lehmhütten ansässigen, Acker-
bau treibenden Tanguten, sofern sie nämlich
nicht auch Mongolen sind. Unsere Leute
nannten zwar den Häuptling derselben »Tat-
zg-lao-yS«, damit ist aber noch nichts bewiesen.
Ich möchte eher an tangutische Stämme denken,
die auch in den Dörfern weiter im Thao-Thale
hinab wohnen, das Nomadenleben aufgegeben
haben und sich den Chinesen assimilierten.
Potanin hat weiter im Osten überall derartig
ansässig gewordene Tanguten gefunden. Die
Kleidung war noch mit wenig Unterschieden
die der nomadischen Tanguten, nur die Woh-
nungen und ihre Einrichtungen boten die Ver-
schiedenheiten, welche durch den Uebergang
vom Nomadenleben zur ansässigen Lebensweise
bedingt sind.
Die Schmuckgehänge dieser Tangutinnen,
die ich nur mit Vorbehalt so nennen darf,
haben hier wieder einen andern Charakter. Alle
drei Stücke sind mit den Haarzöpfchen am
Hinterhaupte verbunden, an das mit Silber-
knöpfen verzierte Kämme eingesteckt wurden. Mit
den Haaren sind schwarze Fäden aus Vakhaaren
verwoben und bilden die Befestigung zwischen
dem Haar und dem Rückenhang. Dieser besteht
aus drei karminroten, aussen schwarz gesäumten
■ Tuchstreifen, von denen der mittlere nur unten,
die seitlichen aber oben und unten Stickerei aus
gelbem Messingdraht und Messingknöpfe tragen.
Unten hängen an Messingringen Schnure, auf die weisse und grüne Perlen sowie
Koralten aufgereiht sind, und erst dann kommen die roten Schnüre am Ende.
Schmuckgebänge einer Tanßiilin
bei Kloster Scbin-Be.
fr BrUElBtück desaelbeD RUckeiij:!:ebänt;ei,
— 4o6 —
In der Mitte der Seitenteile sind zwölf Reihen von weissen Muschelschalen
auf rotem Tuche aufgenäht; vorn laufen die Bänder der Seitenteile, mit Korallen-
schnüren geschmückt, auf einem Bruststucke zusammen, das grosse Messing-
knöpfe, mit Kupferbuckeln verzierte Messingspangen und unten einen ovalen
eisernen Ring trägt, wie ihn die obenstehende Textfigur zeigt. Ein derartieres
Schmuckgehänge ist ein sehr reiches, meist waren sie viel einfacher i
Bewohner machten keinen wohlhabenden Eindruck. Ihre Kinder liefen
trotz der Kälte ohne alle Kleidung herum.
Ueber den Thao-Fluss führt unterhalb des Klosters Schin-se eine
(siehe die Textfigur auf Seite 414), die von chinesischen Baumeistern geb:
muss, denn ihre Konstruktion ist dieselbe, wie man sie auch in Kan-su
Sie ist nur für Fus^nger benutzbar, nicht ftir beladene Lasttiere, ho
kann man ein Pferd am Zügel hinüberführen. Der Fluss hat eine Brc
36 m und fliesst ziemlich rasch; seine Geschwindigkeit wurde zu i,
einer Sekunde und seine Tiefe auf 1 m über 16 m von den $6 m dei
gemessen. Das Volumen des in einer Sekunde vorbeiströmenden 1
wurde auf Grund der genauen Tiefenmessungen auf 48,7 Kubikmeter bei
Eine geographische Positionsbestimmung der Breite aus der Sonr
ergab, dass das Kloster Schinsc in 34* 10' 9" nördlicher Breite liegt.
Die Klosteranlage (siehe die Textfigur auf Seite 404) nimmt ein
Areal auf der linken Flussseite zwischen dem Fluss und dem Berggehär
an welchem eine Anzahl von Gebäuden noch erhöht aufgebaut ist. Die
Gebäulichkeiten dienen den 300 Lamas, die sich hier aufhalten, zur W
und bestehen aus grossen, mit etwas über mannshohen, weiss getünchten ^
umgebenen Höfen, in denen die einfachen Zellen an den Mauern in
eingebaut sind. Eine Holzthür verschliesst den Eingang zum Hofe. W'
Bewohner ausgehen, wird das Thor mit Messingschlössern verwahrt
Tracht und das Aussehen der Mönche ist dasselbe, wie es schon vom
Kum-bum beschrieben wurde. Nur trugen hier einige der Lamas schwa
wickelte, schwarze Vollbarte und einer hatte einen starken Schnurr- und
bart, alle übrigen Mönche waren glatt rasiert. Die meisten trugen dun
braune Unterkleider und darunter etwas hellere, auch rot gefärbte überwt
Oberkteider; andere aber, besonders ältere und wahrscheinlich im Rang
stehende Lamas der Klostergeistlichkeit, hatten dunkel violette Ueberwi
roten oder ebenfalls violetten Unterkleidern. Zahlreich sind im Kloster '.
Gebäude mit Gebetmühlen und farbig gemalten Heiligenbildern auf £
tafeln oder Steinplatten, die mit ihren breiten Glorienscheinen und
ganzen Farbengebung an die Darstellungen in kleinen Kapellen kath
Länder, z. B. Tirols, lebhaft erinnern. Die Gebetmühlen (siehe die T
auf Seite 408 und Tafel XXXIII) sind zum Teil gänzlich bemalt u
Schriftzeichen geschmückt; andere sind einfache, sehr abgenützte und seh
Leder- oder Holzrollen. Von letzteren besass eine besonders grosse vor
— 407 -
Höhe und 1,5 m Durchmesser ein eigenes, kleines Häuschen. Zuweilen befinden
sich zwei Rollen übereinander an derselben Achse und es scheint das Gebet
an diesen besonders wirksam zu sein. Beständig sieht man Tanguten, Männer
wie Frauen, den Reihen der Gebetrollen entlang laufen und diese in drehende
Bewegung setzen, wobei sie stets so gehen, dass sich das Gebäude zu ihrer
Rechten beßndet.
Ein%e durch Höhe und äussere Ausstattung besonders hervorragende Ge-
bäude dienen als Tempel und tragen vei^oldete Spitzen und Metallornamente
auf dem Dach. Das Innere wurde uns nicht geöffnet, doch sahen wir in den
Vorhallen eines der grösseren Tempel Gemälde auf Leinwand, von denen
PoBUmcDt mll Heiligen-Bildern bei Kloster Schln-M.
eines ein sogenanntes Lebensrad darstellte. Das etwa 5 m hohe und 2 m
breite Bild veranschaulicht die Aufeinanderfolge und die Regionen der Wieder-
geburten, die endlose Folge und Kontinuität des Lebens, dessen Form durch
immerwährende Wandlungen verändert wird. Das Rad ohne Anfang und ohne
Ende ist das symbolische Zeichen der Quintessenz der buddhistischen Lehre,
dass der Tod nur die Form verändert, das Leben aber kontinuierlich weiter
dauert bis zum Untergange des Universums. Die Darstellung besteht aus einem
grossen Kreis, der von einem Götzen mit Händen und Füssen umklammert
wird. In der Mitte ist ein runder Raum ausgespart, der ein schwarzes Un-
geheuer mit langem Schwänze, am ehesten noch einem Schwein vergleichbar,
einen rot- und grünbefiederten, papageiartigen Vogel und eine geringelte, am Bauche
rot und grün gefleckte Schlange enthält, in der Art, dass sich die Tiere im
Kreise folgen und eines das andere am Schwänze gepackt hält. Das Monstrum,
— 408 —
welches die Bildscheibe umfasst, symbolisiert die Scheusslichkeit des Klammems
am Leben. Die drei Tiere im Mittelfeld, die Taube, die Schlange und das
Schwein, versinnbildlichen die drei Versuchungen »Begierde, UebelwoUen und
Thorheit«, die am Grunde jeder Wiedergeburt hegen. Der innere Raum des
Kreises, auf dessen breitem, grünen Rande die Entwicklungsstadien des mensch-
lichen Lebens in zwölf Figuren und Gruppen dargestellt sind, enthält sechs
fast gleich grosse, durch Radien geteilte Felder, von denen die oben liegenden
den Himmel, die entgegengesetzt unten liegenden die Hölle in realistischen
Darstellungen enthalten. Bei unserm Lebensrade folgen sich die Regionen
der Wiedergeburt im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers, so dass links
Halle mit Gebelmühlea bei Kloster Schln-se.
vom Himmel die Titanenwelt, unter dieser die Tierwelt, dann die Hölle, die
Region des Tantalus und die menschliche Welt folgen, während auf andern Dar-
stellungen des Lebensrades eine umgekehrte Reihenfolge im Sinne des Uhr-
zeigers gewählt ist, dass also die Titaaenwelt nicht links, sondern rechts
vom Himmel liegt, und die andern Regionen in derselben Reihenfolge sich an-
schli essen.
Es giebt zwei Arten dieser Lebensdarstellung in Tibet, die sich dadurch
unterscheiden, da-ss bei der neueren Art in jeder der sechs Regionen der
Wiedergeburt eine Figur des Avalokitegvara eingetragen ist, während in den
älteren Darstellungen, zu denen das in Schin-se befindliche Lebensrad gehört
diese Figur fehlt. Da sich auch sonst in der Einzeldarstellung der Regionen Unter-
schiede gegenüber dem von A. Waddell abgebildeten und beschriebenen Lebensrade
wahrnehmen lassen, dürfte eine Wiedergabe meiner Bemerkungen nicht unnötig
TAFEL XXXd.
— 409 —
erscheinen, obwohl sie nicht vollständig sind, da die Mönche des Klosters ein
genaues Abzeichnen nicht erlauben wollten. Am besten gelang mir noch die
Skizze von der Hölle, deren Raum in acht konzentrische Ringe geteilt ist. Die
dem Zentrum des Rades am nächsten sitzende, grosse Figur ist von andern
Figuren umgeben, welche Gruppe das letzte Gericht bedeuten könnte; rechts zu
den Füssen der Hauptfigur sitzt ein Teufel, links ein Hund und ein mystisches
Tier mit grosser Nase, das eine Schale hält. In den gegen die Peripherie hin
nun folgenden Ringen sind die Qualen der Hölle dargestellt Blaue und grüne
Teufel strecken weisse Menschen auf Streckbänke; in andern Ringen sitzen die
Opfer in Wannen mit siedender Flüssigkeit oder braten ganz nackt im Feuer;
andere sind mit dem Kopf nach unten ans Kreuz gebunden und werden von
Teufeln mit Stangen gepeinigt; in einem besonderen Segment, das gegen die
Region der gequälten Geister hin liegt, sind acht konzentrische Ringe ganz
gleichmässig niit Brustbildern auf weissem Grunde ausgefüllt, die von flammen-
artigen Zeichnungen umgeben sind. Die nach rechts folgende Region der ge-
quälten Geister enthält auf braunem Grunde nackte Gestalten mit dicken Leibern,
in springender und fliegender Pose, manche haben Schlangen als Brüste. Es
können diese Attribute sehr wohl die Qualen des Hungers und Durstes und
die dem Essen folgenden Schmerzen, denen die gequälten Geister ausgesetzt
sind, versinnbildlichen. Die Darstellung der Region der Tierwelt, die nach links
von der Hölle folgt, zeigt monströse Geschöpfe und drachenartige Tiere aller
Art auf blauem Grunde; manche haben lange Flügel mit Krallen, sind meist rot
und grün dargestellt und scheinen Feuer zu speien. Auch hirsch- und kamel-
artige Typen sind darunter, aber keine Wassertiere. Es folgt dann die Titanen-
welt, Tempelchen mit Personen (entsprechen wohl Asuras Seligkeit und häus-
lichem Leben) und auf hellg^nem Grunde kämpfende Reiter und Lanzenträger,
die gegen den Himmel ankämpfen. Ein Heerführer leitet die Schlacht und
ganz links im Felde stehen fünf weibliche Figuren in einer Reihe neben einander.
Die menschliche Welt zeigt rechts vom Himmel Darstellungen aus dem Leben
der Menschen, Tempel und Fromme, die Gaben darbringen. Im Himmel treten
besonders grosse Heiligtümer und Göttergestalten hervor. Die Stilart der Tempel
ist aber nicht tibetanisch.
Die Wege zwischen den Gebäuden des Klosters Schin-se sind breit; kleinere
Tempelchen und Steinpyramiden mit Tsa-tsa und grosse Plätze mit Obo aus
Steinplatten, die Inschriften in tibetanischer Schrift tragen, liegen zwischen den
grossen Tempeln und Hallen mit Gebetmühlen, deren ich sechs zählte. Ein
kleiner, künstlich zu Erholungszwecken angelegter Park beim Kloster enthielt
schöne, grosse Exemplare von Picea obovata Ledeb. var. Schrenckiana Ant. und
einen kleinen Teich. Der stattliche Haupttempel (siehe Tafel XXXII) ist in seiner
Bauart den Tempelgebäuden Kum-bums ganz ähnlich und auch hier findet sich
unter dem Dache in den Wänden eine horizontale Lage von Holzzweigen und
Aesten. Die Spitze in der Mitte auf der Frontseite ist vergoldet, ebenso die
— 4'o —
beiden Tiere und das Tempelemblem in der Mitte derselben. Ein grosser
Vorhang verschliesst die Nische im mittleren Teil des Tempels. Die Tafel
XXXIU zeigt einen Tempel von derselben Bauart, der ringsum Galerien
mit Gebetmühlen hat; zu seiner rechten Seite steht gegen den Fluss hin ein
Obo aus Schieferplatten mit Inschriften.
Ein eigentümliches Monument ist auf der umstehenden Tejctfigur abgebildet
B<^i demselben befindet sich auch die bunte Darstellung des Brustbildes eines
Buddhaheiligen; auch in Kum-bum waren derartige Thschörten (auch Ch'ürten
oder Suwürghan [mongolisch]) am Klostereingange. Sie stellen eigentlich Auf-
nahmestellen für Opfergaben und Weihegeschenke dar und werden errichtet zur
BudübisUscheB Monumenl (Ch'Uitea) bei KloBler ächio-se.
Erinnerung an einen Buddha oder an kanonisierte Heilige; manche erinnern auch
an Besuche von solchen. In ihrer Bauart repräsentieren sie die fünf Elemente,
in welche sich der Körper nach dem Tode auflöst. Nach A. Waddell entspricht
der untere, vierseitig nach oben abgestufte Sockel der Erde, der darüber folgende,
cylindrische Teil dem Wasser, die segmentierte Pyramide darüber dem Feuer;
die Zahl der 13 Segmente symbolisiert die Zahl der Götterhimmel; darüber
folgen ein Halbmond, der die Luft, und eine Kugel, die den Aether repräsentiert
Häufig schliesst eine zungenartige Spitze, das Symbol des heiligen Lichtes des
Buddha, nach oben ab. Das ganze Monument war weiss bestrichen, aber ohne
Bilderdarstellungen oder andere symbolische Zeichen. Nur vorn in einem be-
sonderen, kleinen, auf der Abbildung sichtbaren Aufbau war ein in Farben
ausgeführtes Buddhabild. Die Höhe dieses Monumentes betrug etwa 15 m.
Noch einige grössere Gebäulichkeiten, die mehr gegen den Fluss li^eo,
während die Tempel sich an der Bergseite befinden, scheinen die Wohnungen
TAFEL XXXin.
— 411 —
der Oberlamas zu enthalten. Doch wurden wir bei unserm Besuche bei einem
der obersten, anwesenden Lamas — der Ta-Lama oder Prior war weggereist —
in ein sehr dürftiges Gebäude und in die Holzzelle eines alten Klostergeistlichen
geführt, wo dann nach einigem Warten, während dessen Thee angeboten wurde,
der zu besuchende Lama erschien. In die besagte Zelle gelangte man durch
einen Vorraum, der, wie es schien, auch als Betsaal benutzt werden konnte, und
in welchem Säcke aller Art, Gerätschaften und Gefösse herumstanden. Die Zelle
des Alten war ganz aus Holz, das durch Rauch und Alter geschwärzt war; ihre
Länge betrug etwa lom; die Breite 5 m und die Höhe 3 m. An der Seite des
mit Stäben vergitterten und mit weissem Papier beklebten Fensters befand sich
ein niederer Aufsatz auf dem mit Dielen belegten Boden, und auf diesem wieder
standen in der Mitte hinter einander in einer Reihe vier niedere Tischchen, zu
deren Seiten bis zu den Wänden Decken zum Niedersitzen auf dem Boden lagen.
Auf zweien der beiden Tischchen waren grosse Messingschalen eingelassen;
in ihnen brannten Holzkohlen zum Heizen und darüber standen eiserne Dreifüsse.
Ein kleines, hölzernes Gestell mit zwei horizontalen Fächern befand sich am
Fenster, und an einer Längswand waren hohe Holzgestelle mit einzelnen, etwas
verzierten und durch Thüren verschliessbaren Fächern aufgestellt Es standen
einige Tassen, kleine Gerätschaften und in Tücher eingewickelte Gebetbücher
herum; das war die ganze Einrichtung. .
Der alte Geistliche, mit grauen Haaren und sehr verwittertem Gesichte, sass
in einem Winkel am Fenster auf einer Decke hinter den Tischchen und lud
durch eine Handbewegung ein, gegenüber Platz zu nehmen. Er war ganz dunkel-
rot gekleidet; seine Oberarme waren frei, aber um die Unterarme trug er ein
Paar stulpenartige, rote Aermel, welche die mageren, verknöcherten Finger frei
Hessen. Vor sich hatte er eine sehr schöne, reich o/'namentierte, kupferne
Gebetmühle von 10 cm Höhe stehen, aus der oben in der Mitte ein Holz-
stäbchen herausragte, mittelst dessen eine rotierende Scheibe im Innern in Be-
wegung gesetzt werden konnte. Der Alte liess sich in der Ausübung seiner
Morgenandacht durch unsere Anwesenheit nicht lange stören. Mit grosser Be-
dächtigkeit holte er ein hölzernes Etui vom Fenstergestell herunter und daraus
eine riesige, schwarze Hornbrille mit runden Gläsern, die er sich mit Schnur-
schleifen hinter den Ohren festhängte. Dann griff er nach einem in einem Tuch-
umschlag verwahrten Buche, das er auf seinem Schosse auswickelte und der
Breitseite nach vor sich legte. Die kleine Gebetmühle wurde auf dem Schosse
mit der einen Hand in Gang gesetzt, mit der andern ergriff er eine Leder-
schlinge an langem Riemen, der zu einer grösseren im Gestell an der gegen-
über liegenden Wand angebrachten Gebetmühle führte, und brachte dadurch
auch diese in Bewegung. So von zwei Gebetmühlen und dem Gebetbuche unter-
stützt, murmelte er seine Gebete, indem er von Zeit zu Zeit die mit schwarzen
Schriftzeichen bemalten, weissen Blätter umwandte. Nichts anderes existierte
mehr für ihn, als seine Andachtsübung. Wir bekamen Thee gereicht und folgten
— 412 —
dann, nachdem der Lama, der mit uns verhandeln sollte, gekommen und unser
Geschenk — eine Weckeruhr mit Spielwerk — ihm übei^ben war, diesem in
eine andere Abteilung des Gebäudes, in der wir halb im Freien unter einer Art
von Veranda unsere Unterredung hatten.
Dieser Lama, ein noch junger Mann, hatte sich freundlich gezeigt, indem
er zwei Abende vor unserm Besuche, als wir uns in grossen Schwierigkeiten
mit den Tanguten befanden, in unser Lager kam und seine Hilfe zusagte. Doch
das erfordert zunächst eine kurze Darstellung der Ereignisse, die sich nach
unserer Ankunft beim Kloster Schin-se zugetragen hatten, und die für den
DuE Thao-Thal bei Kloster Schin-Be, flnssabwürtB gEsehen. Platz des Lagen L
und des Ueberfalla auf die Expedicioii.
weiteren Verlauf der Reise nach dem Hoang-ho und Sung-p'an thing ver-
hängnisvoll wurden, indem sie uns zwangen, schon hier Tibet zu verlassen und
über Thao-tschöu — Min-tschöu das eigentliche China wieder zu erreichen. Das
Lager war am rechten Flussufer unterhalb der Brücke, die beim Kloster
über den Thao-Fluss führt, aufgeschlagen worden, unweit der letzten Tanguten-
Hutten, die auf der obenstehenden Abbildung sichtbar sind, und in der Nähe
des Bergabhanges, der einen hügeligen Vorsprung gegen die Flussebene vor-
sendet. Gleich hinter diesem Hügel geht ein Thälchen in südlicher Richtung
in die Berge, durch welches ein Weg zu benachbarten Tanguten-Ansiede-
lungen führt. Gegen den Fluss hin war eine weite, freie Fläche, auf der die Pferde
und Yaks der Karawane gutes Futter fanden. Flussabwärts kommt bald ein Berg-
— 413 —
vorijprung, um welchen das Flussthal umbiegt, so dass vom Lager (auf der
Abbildung ist an der betreffenden Stelle ein f) aus der untere Teil des Thaies
nicht zu übersehen war. Der Platz war schlecht geschützt, wenn man Feind-
seligkeiten fürchtete, wozu aber hier in der nächsten Nähe des grossen Klosters,
dessen Oberlama uns weitere Führer zugesagt hatte, kein Grund vorlag.
Das Ungewitter kam voA einer ganz andern Seite. Der erste Tag, an
welchem wir mittags angekommen waren, verlief ruhig, und auch am zweiten
ahnte niemand böses. Die vielen Lamas und Tanguten, welche ans Lager
kamen, waren zwar unangenehm zudringlich und einer unserer Chinesen hatte
einen Wortwechsel mit einem Tanguten, der sich nicht entfernen wollte, wobei
dieser nach seinem Schwerte griff und der Chinese mit dem Revolver drohte,
aber schliesslich lief alles gut ab, und die Tanguten entfernten sich wirklich.
Mittags waren wir noch der Einladung eines hier ansässigen, chinesischen
Händlers zum Essen gefolgt, bei dem wir mit trefflich zubereiteten Speisen be-
wirtet wurden, und nichts deutete auf Aussergewöhnliches hin. Inzwischen war
es etwa 5 Uhr abends geworden. Ich war einige hundert Schritte vom Lager,
ohne Waffen, nur mit meinem Steinhammer versehen, gegen jenen Bergvorsprung
gegangen, um welchen das Flussthal umbiegt, als ich plötzlich einen Trupp mit
Gewehren und Lanzen bewaffneter Reiter, etwa zwölf an Zahl, in schärfster
Gangart um die Ecke biegen und direkt nahe an meinem Standort vorbeireiten
sah. In einem Augenblick hatten sie unsere Pferde und Yaks, die in der Nähe
des Flusses weideten und gerade von zwei Chinesen zusammengetrieben wurden,
umringt und, um den Tieren Schrecken einzujagen, Schüsse nach der gegen das
Lager gerichteten Seite abgefeuert. Unsere Chinesen ergriffen die Flucht und
eilten zum Lager, um Waffen zu holen. Unterdessen war auch von dem Hügel
hinter dem Lager das Feuern losgegangen, wohl um die Aufmerksamkeit der
Besatzung von den Pferden abzuwenden. Dr. Holderer und einige der Chinesen
eilten davon, um wenigstens die Pferde zu retten, und schössen mit den weit-
tragenden Repetierkarabinern nach den Räubern, während ich mit dem Diener
Bock das Lager schützte. Die Chinesen benahmen sich ganz sinnlos vor Angst.
Sie feuerten sämtliche Läufe ihrer Revolver gegen den Hügel ab, selbst wenn
niemand zu sehen war, und schrieen und lärmten, als wenn sie schon tödlich
getroffen wären. Auch konnten sie in der Verwirrung mit ihren Waffen nicht
umgehen, brachten die abgeschossenen Patronen nicht heraus, und stürzten nun
alle zu Bock, damit er ihre Gewehre in Ordnung bringe. Jeder verlangte etwas
anderes und alle zur gleichen Zeit, so dass auch Bock den Kopf verlor und
schrie und lärmte.
Dies trug sich beim Hauptlager mit dem grossen Gepäck zu, das wie immer im
Viereck aufgestapelt und mit einem grossen Tuche bedeckt war; abseits davon,
etwa zwanzig Schritte entfernt, stand das grosse Zelt aus wasserdichtem Stoffe,
das Dr. Holderer und mir zum Aufenthalte diente, und hier hielt ich mich auf,
ab und zu nach der Höhe feuernd, wenn ich einen der Angreifer erblickte.
— 414 —
Diese beschossen das Zelt ganz regelrecht; ich sah sie auf der Höhe anspringen
und sich niederwerfen; dann waren sie in dem Gestrüppe nicht mehr zu sehen,
während sie ihr Gewehr aufstellten und zielten. Erst wenn sie gefeuert hatten
und aufstanden, um ihr Gewehr wieder zu laden, war der Moment gekommen,
meinerseits nachzuschiessen. So ging das Feuern hin und her und mehrfach
pfiffen mir die Kugeln direkt am Kopf vorbei. Der Aufenthalt war höchst
unbehaglich, denn wenn das Zelt auch wasserdicht war, so war es doch nicht
kugelsicher, selbst den Kugeln der tibetanischen Gabelflinten gegenüber. Es
wurde an zwei Stellen durchlöchert, einmal in der Mitte und einmal am einen
Ende, wo sie mich vermuteten. Ich war froh, als sie nach kurzer Zeit von
HolibrUcke Über den Thao-ho bei KJosIer .Schio-se.
der Höhe weggetrieben waren, und keine Schüsse von hier mehr fielen.
Unterdessen dauerte das Schiessen unten am Fluss auf die mit ihrer Beute
— 17 Pferden — flüchtigen Räuber fort; aber diese hatten durch ihre Schnelligkeit
schon einen zu grossen Vorsprung, die Verfolger hatten keine Reittiere und so
gelang es ihnen denn, mit den geraubten Pferden zu entrinnen, die sie zunächst
über den für Unberittene unpassierbaren Thao-Fluss getrieben hatten. Es war
unterdessen dunkel geworden und wir mussten uns auf einen zweiten Ueberfall
zum Zwecke der gänzlichen Beraubung während der Nacht gefasst machen.
Der Kerle waren in der That genug, um bei der Kopflosigkeit unserer Chinesen
die Aussicht auf das Gelingen einer solchen Attacke zu rechtfertigen. Es
wurde die ganze Nacht unter Watfen gewacht, und Dr. Holderer mit einer
Patrouille verjagte noch drei Angreifer von der Höhe hinter dem Lager, auf
der sie sich aufhielten. Ruhig war es in der Nacht nicht, aber es erfolgte
doch kein Ueberfall, und am andern Morgen war eine der ersten Sorgen die,
- 4t5 —
das Lager an einen andern, weniger exponierten Platz zu verlegen, da eine
Wiederkehr der Räuber dringend zu befürchten stand. Auf der linken Seite
des Flusses, gleich unterhalb des Klosters, befand sich im Anschluss an die
Wohnungen einiger dort ansässiger, chinesischer Händler ein grosser, mit einer
niedrigen Mauer umfriedigter Hof fiir Vieh, dessen Benutzung zur Unter-
bringung unseres Gepäckes und Aufschlagen unserer kleinen Zelte vom Stammes-
ältesten der Tanguten beim Kloster gegen ein hohes Entgelt gestattet wurde.
Die Brücke über den Fluss ist für bepackte Lasttiere nicht passierbar und
so musste denn das ganze Gepäck hinüber getragen werden, was geraume Zeit
in Anspruch nahm. Auch dabei kam es zu Diebereien der schon von morgens
an unser Lager in dichten Massen umdrängenden Räuber, die im Laufe des
Vormittags immer mehr verstärkt wurden durch neue bewaffnete Banden, die
aus den Seitenthälem herabzogen. Die bei Schin-se ansässigen Tanguten ver-
hielten sich nicht feindlich. Den Trägern — ausser unsern Chinesen noch
einigen Tanguten und ihren Frauen aus Schin-se — wurden, während sie vom
alten zum neuen Lagerplatze unterwegs waren, Gegenstände weggerissen, ohne
dass sie sich wehren konnten. So ging eine Menge von Gegenständen noch
verloren und die Haltung der Menge wurde immer drohender; als die letzten
Lasten über den Fluss getragen wurden, gegen 2 Uhr mittags, machten einige
der Räuber ihre Gewehre schussfertig, und eine andere Bande ganz in der Nähe
des neuen Lagerplatzes schien jeden Augenblick einen Angriff unternehmen
zu wollen.
Unsere Lage war äusserst schwierig; unsere Chinesen zeigten solche Angst,
dass sie bei einem feindlichen Zusammenstosse sofort geflohen wären, und wir
drei Europäer hatten zwar gute Waffen, wären aber sicher der grossen Ueber-
zahl und dem von allen Seiten gleichzeitig erfolgenden Angriffe erlegen. —
Es waren bange Stunden, die wir am Nachmittage des ii. November, mit
dem schussfertigen Gewehre in der Hand auf und abgehend, in steter Erwartung
des Angriffes verbrachten. Vom niederen Dache einer der Chinesenwohnungen,
auf das man von unserm Lagerhofe hinaufsteigen konnte, waren die Bewegungen
der Belagerer zu beobachten. Sie führten ihre Pferde in einen der grossen
Höfe beim Kloster und versammelten sich dort alle; eine Weile blieb alles
ruhig. Dann wurden den zahlreich auf der Anhöhe hinter unserm Lagerhofe
versammelten Zuschauern und Mönchen des Klosters Zeichen gegeben, sich von
dort zu entfernen, offenbar, weil diese Höhe bei einem Gefecht von den Kugeln
bestrichen worden wäre. Das war ein kritischer Moment. »Jetzt geht es lose,
dachten wir und waren auf das Schlimmste gefasst Unsere Chinesen hockten
in finsterer Ruhe in einer Ecke; an einen Widerstand dachte offenbar keiner
von ihnen; sie hofften ihr Leben dadurch zu retten, dass sie sich willenlos
fügten. Im übrigen dachten sie wohl, dass sie durchaus keine Veranlassung
hätten, sich für uns und unsere Sachen die Hälse abschneiden zu lassen. Die
langen Stunden gingen qualvoll langsam vorüber; kein Angriff erfolgte, gegen
— 4i6 —
Abend sah man vom Dache aus einzelne der Bande ihre Pferde über die Brücke
fuhren und abziehen; die grosse Mehrzahl aber befand sich noch in dem Kloster-
hofe. Planten sie einen nächtlichen Uebcrfall?
Vielleicht, so hofften wir, gelang es noch dem Einfluss eines hohen Kloster-
Lamas, der die Folgen für sich und sein Kloster zu furchten Ursache hatte,
wenn wir erschlagen wurden, die Feinde von einem erneuten Ueberfalle unseres
Lagers abzuhalten, und sie zu bewegen, sich mit den weggetriebenen Pferden,
den während des Transportes gestohlenen Gegenständen, unter denen sich auch
wertvolle Waffen befanden, und den Yaks unserer Expedition zu begnügen.
Diese letzteren waren ganz in ihren Händen, da sie schon am Abend vorher
nach einem entfernteren Viehhofe geschafft worden waren, und wir sie nicht
bewachen lassen konnten, während wir unser Lager zu schützen hatten. Wir
hörten denn auch von den Chinesen in Schinse, dass im Laufe des kritischen
Nachmittages, als unser neues Lager bedroht war, die Yaks von einer andern
Abteilung fortgetrieben worden seien. Vielleicht hatten sie nur deshalb den
ganzen Nachmittag über das Lager bedroht, um uns zu verhindern, etwas zum
Schutze der Yaks zu thun. Ich werde nie vergessen, mit welchen Blicken ein
Stammeshäuptling, ein noch junger, hochaufgeschossener Mann mit tief ge-
bräunter Hautfarbe, kühner Adlernase und herkulischem Körperbau, unsem
grossen Warenvorrat im Lager musterte, nachdem er vor dem Thore sein Pferd
abgegeben hatte und, nur mit seinem reichverzierten Handschwerte bewaffnet,
in den Hof hereingekommen war. Er entfernte sich bald wieder und am Aus-
gang musste er an mir vorbei. Unsere Blicke trafen sich und wir beide wussten:
begegnen wir uns noch einmal, dann gilt es Leben und Tod.
Die Chinesen von Schin-se suchten fortwährend zu unsern Gunsten zu
intervenieren und durch sie erhielten wir auch laufende Berichte, soweit Ver-
ständigung möglich war, über den Stand der Dinge und die Absichten der
Räuberbande. Der Nachmittag, der Abend und schliesslich die Nacht des ii. No-
vember vergingen, ohne einen neuen Ueberfall zu bringen, indessen konnte ein
solcher jeden Tag erfolgen. Auch konnten wir nicht weiterziehen, da wir keine
Pferde und Yaks mehr hatten und ausserdem Gefahr liefen, auf dem Wege
nach Thao-tschou, der die nächste und kürzeste Rückzugslinie aus Tibet war,
bei erster Gelegenheit von den überall in den Thälern herumstreifenden
Räubern von neuem überfallen und dann erst recht gründlich ausgeraubt zu
werden. Die nächsten Tage bis zum 17. November verliefen in ängsüicher Un-
gewissheit, aber ohne Feindseligkeiten. Es war eine Art von Gefangenschaft,
in der wir uns befanden, denn man hatte uns davor gewarnt, den Lagerhof
zu verlassen, da sich immer feindliche Horden in der Nähe befanden, die
unsere Schritte beobachteten. — Endlich war Dr. Holderer nach langen,
mühseligen Verhandlungen so weit, dass, natürlich nur gegen wucherhaft
hohes Entgelt und unter Benutzung unserer hilflosen Lage zu förmlicher Er-
pressung, die Chinesen in Schin-se sich bereit erklärten, neue Pferde und
— 417 -
Yaks bis Thao-tschou zu vermieten. Der Häuptling der dort ansässigen
Tanguten stellte ebenfalls für teures Geld 20 Mann Bewaffnete zu unserm
Schutze. Es war nur eine Schwierigkeit noch zu überwinden: einige von
den Angreifern waren beim Ueberfall am 10. November abends durch unsere
Kugeln schwer verwundet worden, und einer befand sich in Todesgefahr. Es
wurde nun ein sehr hohes Schmerzensgeld verlangt und man drohte, im Falle,
dass jener sterben würde, mit erneutem Ueberfalle und Ermordung der Europäer
als Sühne. Die Besserung im Befinden des Verwundeten änderte auch unsere
Lage, indem die Tibetaner mit den geraubten Pferden und Yaks sich zufrieden
erklärten, und ihre Beute auch als Schmerzensgeld für die Kranken ansahen.
Auch einige Pferde wurden zurückgebracht.
Am 17. November stand unserm Aufbruche mit grosser Bedeckung nichts
mehr im Wege. In grossen beschleunigten Märschen wurde der Weg durch
das gebirgige Gebiet auf dem nördlichen Ufer des Thao-ho in einiger Ent-
fernung vom Flusse angetreten und in vier Tagen bis Thao-tschou zurückgelegt.
Schon am i f. November, am Tage nach dem Ueberfall, war ein Brief durch
reitenden Eilboten unter Eskorte von Leuten aus Schin-se nach Thao-tschou
an die dortigen Missionare gesandt worden, in welchem unsere Lage dargestellt
und um Benachrichtigung der Behörden in Neu-Thao-tschou und schleunige
Hilfe gebeten wurde. Bei den grossen Entfernungen konnte der Eilbote, selbst
wenn er mit frischen Pferden auch die Nächte durchritt, doch erst nach 2 ^a Tagen
dort eintreffen, und bis er wieder nach Erledigung seiner Aufträge zurückkehren
und Nachricht bringen konnte, mussten ebenfalls noch ein bis zwei Tage vorüber
gehen. In der That erreichte er uns auch erst wieder an dem ersten Tage des
Marsches nach Thao-tschou, begleitet von Rev, Schanz, der herbei geeilt war, um
uns wo möglich noch in Schin-se selbst zur Rückkehr behilflich sein zu können.
Während der letzten sechs Ta^e in Schin-se, die mit den ermüdenden und
langwierigen Verhandlungen mit Chinesen, dem Tangutenhäuptling und ver-
schiedenen Lamas und durch diese mit den Tanguten ausgefüllt waren, herrschte
ein herrliches, warmes Herbstwetter, das leider nicht zu Tagesausflügen und Ex-
kursionen benutzt werden konnte. Aber es bot sich Gelegenheit, die Lebens-
weise der auf diesem weit nach Tibet vorgeschobenen Posten lebenden Chinesen
etwas näher kennen zu lernen. Es sind hier vier oder fünf Familien ansässig,
und sie sind alle Muhamedaner; ganz im allgemeinen zeichnen sich die muha-
medanischen Chinesen vor denjenigen, welche Konfucianer, Buddhisten oder
Taoisten sind, durch höheren Mut und grösseren Unternehmungsgeist aus. Es
sind ausschliesslich solche, welche nach Tibet vorzudringen und dort Handels-
beziehungen anzuknüpfen wagen. Die Wohnungen sind der Bauart nach die-
selben, wie die der ebenfalls in Schin-se lebenden, nicht nomadisierenden Tanguten,
nur sind sie etwas geräumiger und besser eingerichtet. In dem niederen Lehm-
hause mit ebenem Dache ist ein Raum als Warenmagazin eingerichtet und durch
eine Barre, die zugleich als Verkaufstisch dient, gegen den Hof abgeschlossen,
Fiiiterer, Durch Asien. 27
~ 418 -
in dem ein jeder, der kaufen will, Zutritt findet. Die Waren bestehen grössten-
teils aus den in Tibet gebräuchlichen Gegenständen: Stoffen, Thee und Tabak,
Feuerzeugen mit Stahl und Feuerstein, kleinen Pfeifen zum Rauchen, bunten
Bändern und Schnüren, Tüchern; aber auch die langen Gabel-Gewehre und von
SsS-thschuan eingeführte Pantherfelle, welche die Schafsmäntel der Tibetaner und
Tanguten als Besatz zieren, und dergleichen mehr wird feil gehalten. Gewöhnlich
schhesst sich ein Küchenraum an mit einem Herde für zwei grosse Kessel und
dann ein kleiner Wohnraum mit einem grossen Holztisch in der Mitte. Um
den Tisch laufen auf drei Seiten mit Decken belegte, breite Bänke, welche tags
CbiDCBiacher Häodler und Familie bei KluBler Schin-Bc.
zum Sitzen und Liegen, nachts zum Schlafen dienen; an den Wänden sind einige
chinesische, bunte Bilder mit Blumen angeklebt. Längs der andern, inneren
Seiten der Hofmaucr sind Räume für Stallungen und Vorräte von Stroh und
Getreide untergebracht, soweit nicht Stroh und Viehfutter, sowie reichliche Holz*
und Reisigbestände auf den flachen Dächern aufgestapelt sind.
Diese Chinesen suchten uns mit Erfolg den erzwungenen Aufenthalt im
Lager zu Schin-se dadurch etwas angenehmer zu gestalten, dass sie, und zwar
alle Familien der Reihe nach, uns zum Mittagessen einluden. Da gab es ganz
gute Gerichte, wenn auch die Zubereitung mit vielen, starken und scharfen
Gewürzen nicht immer dem europäischen Geschmacke entsprach. Gekochtes
und gebratenes Hammelfleisch in einer Art Suppe mit Reis war meist das
— 419 —
Häuptgericht; ausserdem hatten sie feine, kleine KartöfTeichen und kleine
WurzelknoUen, welche man auch bei den Tanguten vielfach als Speise findet,
die tDschumac heissen und einen Bataten ähnlichen Geschmack besitzen, wenn
man sie gedämpft isst. Es sind die Wurzelknöllchen von Potentilla anserina,
die ausgegp-aben und gesammelt werden. Frische, ungesäuerte, den Mazzen ähn-
liche Kuchen und in ganz kleinen, kaum über Fingerhut grossen Forzellannäpfchen
aufgetragener, warmer Reisschnaps vervollständigten die Mahlzeiten, die als Ab-
wechslung zwischen den gleichförmigen Konservensuppen recht angenehm waren.
Nichtsdestoweniger war die Freude sehr gross, als wir nach sechs Tagen
unfreiwilligen Aufenthaltes Schin-se verlassen und am 17. November früh morgens
den Weg nach Thao-tsch6u antreten konnten. Von einer programmmässigen
Fortsetzung der Reise nochmals an den Hoang-ho bei seinem Knie, und von
da nach Sung-p'an thing, konnte nach den letzten Ereignissen keine Rede mehr
sein. Wir konnten keine eigenen Pferde und Yaks mehr erhalten — für den
Weg nach Thao-tschou waren sie uns nur mietweise überlassen — und die
Feindseligkeit und Raublust der von Schin-se weiter entfernt wohnenden Stämme,
die jedenfalls von dem Erfolge des ersten Angriffes auf die Expedition und
deren schwacher Verteidigungskraft gehört hatten, würde sicher, selbst wenn es
möglich gewesen wäre, den alten Weg fortzusetzen, zu neuen Ueberfällen gefuhrt
haben. So brachen wir denn auf, schweren Herzens, so nahe am grossen Ziel
der Erforschung des oberen Hoang-ho-Laufes und der Geologie seiner Gebirge,
sowie des sicher sehr interessanten Weges bis Sung-p*an thing, verzichten zu
müssen, aber doch wieder dankbar gestimmt, aus grosser Gefahr glücklich
entronnen zu sein.
Von Kloster Schin-se bis Thao-tschou, das nur wenige Kilometer in nörd-
licher Richtung von dem Thao-Flusse entfernt liegt, geht es nicht am Flusse
entlang, sondern quer über die zahlreichen, von Norden dem Thao-ho zu-
strömenden, mehr oder weniger grossen Seitenflüsse und über die hohen Gebirgs-
rücken, welche zwischen diesen Seitenthälern liegen, fortwährend steil hinauf und
dann wieder jäh hinab auf oft sehr schwierigem Wege. Da das obere Thao-
Thal und auch unser Weg geographisch noch nicht beschrieben und erforscht
sind, rechtfertigt sich hier die nachstehende, etwas ausführlichere Schilderung
im Anschluss an die beigegebenen Illustrationen, und zwar um so mehr, als
auf diesem letzten Stücke der Reise aus Tibet noch einige neue, bisher nicht
bekannte Züge zu erwähnen sein werden. Von Kloster Schin-se folgt der Weg
ein kurzes Stück dem Thao-ho auf seinem linken, felsigen und steil abfallenden
Ufer, hoch über dem Wasser auf schmalem Felsenpfade und biegt dann in ein
linkes Seitenthal ein, in welchem er in nordöstlicher Richtung hinauf fuhrt Der
Thao-Fluss selbst geht nach Süden weiter zwischen steilen, 500 m hohen Bergen,
deren felsige Abhänge vielfach Tannenwälder tragen, und in engen, unwegsamen
Felsenschluchten. Der Charakter des Thaies, in dem der Weg hinauf führt, ist
noch ganz derjenige der tibetanischen Steppen; die Grasbedeckung reicht bis
27*
— 420 —
hinauf auf die gegen 300 m hohen Berge mit sanften, geneigten Abhängen, der
Thalboden ist breit, und nur ab und zu kommen Felsklippen von Sandsteinen
zum Vorschein. Das Thal führt hinauf zu einem Passübergang, und unterwegs
steht auf der linken Thalseite auf einem erhöhten Platze an einem Bergvorsprunge
noch ein viereckiger Steinuntersatz mit darauf aufgestellten, divergierenden
Stangen als Obo und Wegweiser zum Kloster.
Der Passübergang ist flach und breit und wird von den benachbarten
Bergen nur wenig mehr als 100 m überragt. Seine Höhe ist 3720 m;
von ihm eröffnet sich eine weite Aussicht gegen Osten auf ein Bergland mit
einfachen, wenig gegliederten KammUnien, die in nord-südlicher Richtung ver-
laufen und gegen Osten an Höhe abnehmen. Quer über diese Kämme führt
der Weg nach Thao-tschou in wechselnder Entfernung vom Thao-Flusse, dessen
Thal als eine grosse, von West nach Ost gehende Depression sich vor Nord-
Süd laufenden Gebirgszügen legt. Vom Passe fuhrt ein langes, breites Steppen-
thal nach Nordosten hinab, das in seinem unteren Teile sich erweitert und in
der Mitte vielfach sumpfige Stellen hat Es öffnet sich und mündet in das
Thal eines grösseren Flusses, des Dje-thsang-Flusses, der aus westlicher Rich-
tung kommt und hier zunächst nach Osten weiterfliesst. Im Thale vom Pass
herab waren überall nur Sandsteine und zwischengelagerte Schiefer anstehend
an vereinzelten Felsklippen zu sehen; am Ausgange des Thaies aber, und
besonders auf der linken Uferseite des grösseren Dje-thsang-Flusses zeigten die
Berge die intensiv roten Färbungen und die horizontal lagernden Schichten
der Quetae - Formation mit hohen Lehmzonen am Bergfusse auf beiden
Thalseiten.
. An die Steilwände dieser vom Flusse abgelagerten Lehme ist das grosse
Dorf Dong-ling-do angebaut, das am Abend des 17. November das Nachtquartier
bildete. Es sind hier noch Tanguten ansässig, die dem Lao-yS von Schin-se
unterstehen. Wir waren daher gut aufgenommen und konnten seit Schalakuto
(ig. August) zum ersten Male wieder in einem Hause und unter Dach schlafen,
während wir in der ganzen Zwischenzeit nur im Zelte gewohnt hatten, das be-
sonders in der letzten Zeit in Tibet gegen die Kälte der Nächte nur sehr wenig
Schutz bot Die Wohnungen dieser ansässigen Tanguten haben eine ganz
eigene Bauart und besondere Anordnung der Räume. Durch die Eingangsthür
tritt man in einen langen, schmalen, niederen und finsteren Gang. Zu beiden
Seiten liegen kleine, niedere, dunkle Räume ohne jedes Fenster als Stallungen für
Vieh jeder Art: Pferde, Kühe, Schweine u. s. w.; die meisten sind gedeckt, und
auf dem Dache sind Futter- und Strohvorräte in grossen Haufen aufgestapelt.
Em Ende des langen Ganges gelangt man in das Wohn- und Schlafgemach
der Familie, das aus zwei Abteilungen besteht und sehr hoch ist, da es durch
zwei Stockwerke hindurch reicht. Es ist ganz mit Holz ausgeschlagen; mächtige
Holzpfeiler tragen das Dach und auf einer Seite ist oben eine weite Oeffnung
für den Abzug des Rauches und zugleich zur Ventilation. In einem der beiden.
— 421 -
durch eine niedere Holzschranke getrennten Räume ist eine grosse, aus Lehm mit
Steinen gemauerte Feuerstelle, auf welcher in grossen Eisenkesseln gekocht
wird. Einer dieser Räume war fiir uns ausgeräumt und hergerichtet, und wir
fühlten uns bei dem kalten Wetter hier recht warm und behaglich, wobei es
nicht störte, dass nebenan, nur durch einen etwa mannshohen Bretterverschlag
getrennt, sich ein Pferdestall und fünf Pferde befanden. Zum Aufgange auf die
flachen Dächer der Ställe dienten Baumstämme mit eingeschnittenen, grossen
Kerben, an welchen man empor steigt. Diese Wohnungen sind sehr warm, mit
Ubo unlerbalb von DoDK-UnK-do. Oberes 'lIiao-FluMj^ebiet.
einem grossen Aufwand von Holz zu Vertäfelung und Bodenbedeckung der
Wohnräume, sowie zur Verkleidung der Wände hergerichtet und bieten in der
harten Winterszeit auch dem Vieh ausreichend Schutz und Wärme, da nur einige
wenige der Räume neben dem langen Gange ungedeckt sind. Von aussen
sieht man von einer solchen Behausung, die sich mit ihren hinten gelegenen
Wohnräumen an die steilen Lösswande anschliesst, nur die niederen, vorderen
Mauern mit dem Eingangsthor und die oben mächtig aufgehäuften Strohlager.
Denselben Typus voD Wohnungen fanden wir auch in den zahlreichen Dörfern,
die am Wege liegen.
Am nächsten Tage folgte der Weg meist in östlicher Richtung durch sehr
malerische Felspartieen mit dunkeln Tannenbeständen dem Thale des Dje-thsang-
— 422 —
Flusses*), bis zu der Stelle, wo derselbe sich in den Nen-pan-FIuss ergiesst.
Gleich am Beginne des Marsches sah man auf der linken Thalseite nahe am
Wege groteske, durch Erosion aus den weichen, roten Sandsteinen und Kong-
lomeraten der Quetae-Formation ausgehöhlte und isolierte, hohe Felsenbildungen,
wie schroff aufragende Säulen und Bergpyramiden.
Eine besonders steile und hervorragende Felsklippe war zur Errichtung
eines schönen Obo benutzt; oben auf dem Berge standen Stangen mit weissen
Fahnen, unten am Fusse ein kleines, tempelartiges Gebäude und vor demselben
zur Rechten und Linken Steinuntersätze mit divergierenden Stangen darauf.
Hinter einem Bergvorsprunge, etwas weiter Aussah wärts, liegt ein grosser,
schöner Tempel mit vergoldeten Dachaufsätzen und grossen Bildern auf der
Vorderseite; er liegt etwas vom Wege ab und über das dabei befindliche Dorf
erhöht; am Wege selbst aber sind kleine Gebäude errichtet, welche zahlreiche
Gebetmühlen in allen Grössen und den schon vom Kloster Schin-se her bekannten
Formen enthalten. Die ganze Tempelanlage hat einen bedeutenden Umfang
und es scheinen zahlreiche Lamas hier zu sein; es standen wenigstens sehr
viele von ihnen längs des Weges und benahmen sich recht zudringlich und unver-
schämt. Die Bevölkerung in diesem Thale ist auch als übel gesinnt bekannt, und
weiter unten wird es noch schlimmer; aber nirgends sieht man so viele fromme
und religiöse Zeichen und Denkmale als gerade hier in diesen bösen Thälern.
Ueberall auf besonders sichtbaren Punkten sind Stangen oder Fahnen ange-
bracht; am Wege, besonders an Flussübergängen, stehen kleine Steinpyra-
miden mit Votivinschriften in tibetanischen Buchstaben oder auch höhere, aus
Steinen aufgebaute Denkmale, an welchen sich nicht selten Heiligenbilder
auf Thontäfelchen oder die konischen Thongebilde (Tsa-tsa) befinden, die schon
mehrfach bei religiösen Steindenkmalen in Tibet Erwähnung gefunden haben. Die
Abbildung auf der vorstehenden Seite zeigt einen grossen derartigen Stein-
aufbau an einem Flussübergange aus der Nähe des oben erwähnten Klosters.
Die roten Sandstein- und Konglomeratfelsen haben hier beim Kloster schon
aufgehört; die Berggehänge und steilen Klippen unten am Flusse werden wieder
von Sandsteinen und zwischen sie eingelagerten Schiefern in steilen Schicht-
stellungen und ost-westlichem Streichen gebildet. Eine Reihe von schluchtartigen
Thalverengungen entstehen durch das nähere Zusammentreten der 300 — 400 m
hohen Berge mit ihren steilen, dunkel bewaldeten Gehängen. Kurz ehe der Djc-
thsang-Fluss das Thal des Nen-pan erreicht, durchbricht er in enger, felsiger
Schlucht eine hohe, klippenreiche Berggruppe, die in nachstehender Abbildung
wiedergegeben ist. Diese Felspartie mit ihren schönen Tannenbeständen ist wild
romantisch, aber nicht sehr ausgedehnt. Bald öffnet sich nach einer grossen
Biegung gegen Norden das Thal und man übersieht das grosse Thal des Nen-
pan-Flusses, der hier von Westnordwest kommt und nach Vereinigung mit dem
•) Zur Ermittelung der Orts- und Flussnamen war mir wälirend des Weges bis ITiao-tschou der
des Chinesischen kundige Missionar Rev. Schanz aus Thao-tsch6u in dankenswerter Weise behilflich.
— 423 —
Dje-thsang nach Osten weiterfliesst. In seinem Oberlaufe sieht man schön
geformte Gebirgszüge, die 500 m Höhe erreichen dürften und noch den Typus
des Sandstein-Schiefergebirges in ihren Kammlinien erkennen lassen; sie besitzen
noch eine ost-westliche Richtung, Da, wo der Weg den Nen-pan-Fluss erreicht
und in einer breiten Furt überschreitet, begleitet den Fuss der etwa 350 — 400 m
hohen Berge eine hohe Lehmstufe, auf welcher die Ansiedelungen liegen.
Die zumeist an den Ausmündungen von Nebenthälem in das Hauptthal
gel^enen Dörfer sind alle ausgezeichnet durch hohe, lange Stangengerüste, die
Bewaldete Becge Im Thale des Üje-thsiuig-Flaesea. Oberes Thao-Flusagebiet.
bei jedem Hause stehen, und an welchen das Futter und Stroh zum Trocknen
und Aufbewahren befestigt wird. Aehnliche Stangengerüste sind zu demselben
Zwecke auch in manchen Thalern der Tiroler Alpen zu finden. Ausserdem
aber stehen mehr oder weniger zahlreich bei einem Jeden Hofe Gebetsstangen ; es
sind sehr lange, hohe Masten, die von oben bis in die Mitte oder auch bis unten
mit weissen und bunten Tüchern besetzt sind, die als Wimpel oder Fahnen
lustig im Winde flattern. Ausser den am meisten gebräuchlichen, weissen
Tüchern sind häufig auch rote und grüne in bunter Reihe mit den ersteren
angeordnet, und meist stehen deren mehrere von verschiedener Grösse bei einem
Hause. Das Aufstellen von Gebetfahnen, die nicht nur die Wohnung, bei der
sie sich befinden, sondern auch die weitere Umgebung vor dem Einfluss böser
— 4^4 —
Geister beschützen sollen, findet unter Verrichtung besonderer Gebete statt; ihre
Errichtung gilt als gp-osses Verdienst Häufig sind die Fahnen mit Gebeten,
frommen Sprüchen und Beschwörungsformeln beschrieben; auf grösseren Flaggen
sind auch heilige Symbole und göttliche Bildnisse dargestellt. Es werden nach
den verschiedenen Attributen und S>'mbolen mehrere Arten solcher Gebetsfahnen
unterschieden; am meisten im Gebrauche sind die sogenannten »Windpferde«,
Flaggen mit Inschriften und einer Abbildung oder auch einfach bedruckte oder
beschriebene Streifen von Tuch oder Papier. Besonders die Dörfer im oberen
Thao-Thale unterhalb von Kloster Schin-se und oberhalb %'on Thao-tschöu zeich-
neten sich durch förmliche Mastenwälder mit bunten Flaggentüchem aller
Farben aus, in denen die niedrigen Hütten fast ganz verschwanden« Potanin
hat ähnliche Dörfer auf seinem Wege nach Labrang angetroffen.
An der linken Seite des Nen-pan- Flusses, etwas unterhalb der Einmündung
des Dje-thsang in denselben, liegt das Dorf Go-sa, dessen Bewohner sehr gefurchtet
sind, da sie alle Kaufleute, Karawanen und Lastenträger anhalten und erst nach
Entrichtung einer Abgabe von Tuch weiterziehen lassen. Sie haben dazu
absolut kein Recht, aber diese Erpressung wird ausser hier noch in drei andern
Dörfern desselben Thaies ausgeübt und geht von den allein hier die Macht
in Händen habenden Lamas aus. Auch unsere Yaks und Pferde wurden von
der frechen, aus dem Dorfe an den Weg herabgeströmten Menge angehalten,
und erst auf energisches Zureden unserer Begleiter gelang es, durchzukommen,
ohne Tribut zu entrichten, aber sie schimpften und warfen mit Steinen«
Nur wenige Kilometer unterhalb dieses unfreundlichen Dorfes erreicht der
Nen-pan-Fluss , an dessen Ufern sich unterhalb mehrere Mühlen mit Turbinen
befinden, das grosse Flussthal des Dodi-FIusses, eines bedeutenden, aus Nord-
west kommenden und in enger Felsenschlucht nach Südsüdost zum Thao-ho
gehenden Wassers. Auf der rechten Thalseite desselben stehen noch Sand-
steine und Schiefer an, aber die steilen, 300 m hohen Bei^e des linken Ufers
gegenüber der Einmündung des Nen-pan-Flusses werden wieder von den roten
Quetae-Schichten gebildet, und der Fuss der Berge gegen die Nebenthäler hin
steckt in einem mächtigen Mantel von Thallehmen und Löss, der bis hoch
hinauf diese Seitenthäler ausfüllt Der Weg überschreitet den grossen Dodi-Fluss
an einer Stelle, wo derselbe in mehrere mächtige Arme zerteilt im breiten Schotter-
bette fliesst, und geht dann in nordöstlicher Richtung in einem, lösserfiillten,
linken Seitenthale in die Höhe auf einen 3260 m hohen Passübergang. Der
zunächst gelegene Teil des Oberlaufes des Dodi-FIusses hat ein breites Bett, in
welchem sich weiter oberhalb von der Furt Ansiedelungen befinden; hohe
Gebirgsketten waren im Hintergrunde in der hereinbrechenden Dämmerung eben
noch erkennbar. Der Aufstieg durch das Lössthal zum Passe war steil und sehr
schwierig, da durch die abfliessenden Regenwasscr tiefe Risse in den Weg ein-
gewaschen waren und ein Ausbiegen auf die steilen, mit Gestrüpp bedeckten Seiten-
gehänge nicht möglich war. Stellenweise waren die g^angbaren Stellen und
- 425 —
Briickea zwischen den metertiefen Erosionsrissen im Löss nur wenige Dezimeter
breit, und nur auf den daran gewöhnten und gewandten, tibetanischen Pferden
ist es möglich, reitend den Aufsti^ zu machen, dazu noch bei hereinbrechender
Dunkelheit Auch die schwer beladenen Yacks hatten böse Arbeit, und der
Abstieg auf der andern Seite des Passes, durch eine Lössschlucht, bei nunmehr
vollständiger Dunkelheit und schlechtem Wetter mit bedecktem Himmel, das
den schönen und sonnigen Tag beschloss, war ■
noch schlimmer. ' T
Der Passubei^ang selbst ist ein Hohlw^
in den Konglomeraten der Quetae-Schichten,
die flach lagern. Auf der Ostseite geht es ein
kurzes Stück im Zickzack jäh hinab bis zum
Beginn der Lössschlucht. Ein Teil der Yak-
karawane verfehlte den Eingang in den Löss-
hohlweg und geriet seitlich auf die in steilen
Terrassen über einander liegenden Aecker, wo
ein Weiterkommen (ur sie unmöglich war, und
es wurde spat abends, bis die ganze Karawane
sich glücklich wieder in einem Hofe des am
unteren Steilabsturz der Lössdecke gegen das
Flussthal gelegenen Dorfes Luwa-nitsche ver-
einigte. Die grosse Ermüdung der Lasttiere
nach den langen Märschen der beiden Tc^e
und das schlechte Wetter, das am 19, No-
vember den ganzen Tag über in heftigem
Schneegestöber mit kaltem Winde aus Ost-
südost bestand, machten einen Weitermarsch
an diesem Tage unmöglich.
Das Dorf Luwa-nitsche liegt in einem typi-
schen Lössthale, das nach Süden zur Schlucht
sich verengt, in seinem aus Nordwesten kom-
menden Oberlaufe aber, ebenso wie beim Dorfe
selbst, überall an den sanft abfallenden Ge-
hängen Terrassen und auf diesen fruchtbares Ackerland besitzt Der Fluss ist
nur sehr unbedeutend und scheint noch ein linker Nebenfluss des Dodi zu sein.
Die Bergeshöhen sind nur wenig höher als der 1 10 m über dem Dorfe gelegene
Passübergang zum Dodi-Flusse. Vielfach sind an ihren steileren, oberen Gehängen
oder an Entblössungen gegen die Thäler hinab die roten, thonigen und kong-
lomeratischen Schichten der Quetae-Formation sichtbar, welche hier überall unter
der mächtigen Lössdecke, die nur auf den Bergeshöhen dünner wird, den Kern
der Berge zusammensetzen. Das Dorf ist am Löss-Tenassen-Gchänge der
rechten Thalseite hinaufgebaut, so dass auch die Häuser und Höfe staffelartig
SituaUoDsplan einer Tangutea-WohDimg
im Dorfe Luwa-nitBche.
Oberes Hussgebiet des Thao-ho.
a Kwh- und WohnuDm H Hcnl b SchlaTruuni
" " ■ dgedoekuSoiUiäuiBe
hindurch, nur d«n
:i Siocliwe
n Dflchern Ton d •
rrtlli Burgoupalt.
— 426 —
übereinander liegen. Unser Quartier war wie in Donglin do in einem an
die steile Lös^steüwand angelehnten Bauernhause, dessen Anlage in bei-
stehender Figur dargestellt wird. Die von Potanin beschriebenen Wohnungen von
an-jassigen Tanguten sind den chinesischen Hütten ähnlicher; eine bis 6 m hohe
Mauer umschliesst einen \iereck:gen Hof, an dessen Wanden innen die niederen
Wohngebaude mit flachem Dache meist auf drei Seiten liegen; auf der \-ierten
i%t ein grosses Eingangsthor, über welchem sich haung ein Holzgerüst für Heu
befindet Neben den niederen Lehmhausem stehen auch hier iibcrall die hoben
Gebet^tangen mit zahlreichen Fahnentüchern; es scheint, dass Zahl und Grösse
dieser Gebetstangen bei einem Hause zugleich ein Zeichen fiir den geringeren
oder grösseren Wohlstand des Besitzers sind. Der Besitzer des oben dargestellten
Haases schien sich eines grossen Reichtumes zu erfreuen; dafür sprach nicht
nur die Einrichtung der Wohn- und Schlafgcmächer mit Holzetageren, Tischen
und die HoIz\'erkleidung der Wände, sondern auch die reich geschmückten
Rückeiigehänge der Frauen, die \äelen Korallenschnüre, welche bei einer der
Frauen den ganzen Kopf umhingen und, in die Haare geflochten, sowohl zum
Rückengehänge wie bis zur Brust herabreichten. In der Wohnung waren auch
mehrere der tibetanischen Gabelflinten vorhanden, deren Preis hier immerbin SoTaels
für das Stück beträgt, so dass ein solches ein ganz wertvolles Objekt vorstellt
Am Nachmittage des Rasttages in Luwa-nitsche erreichten uns zwei
chinesische Beamte, welche mit etwa 25 Soldaten von Thao-tschöu gesandt
worden waren, um, wenn nötig, Hilfe zu bringen und die Räuber zur Heraus-
gabe der gestohlenen Pferde, Yaks und sonstigen Gegenstände zu veranlassen.
Die Soldaten machten an sich keinen schlechten Eindruck. Ihre dunkelblauen
Uniformen mit roten Aufschlägen und Abzeichen darauf, sahen nicht übel aus;
um den Kopf hatten sie ein blaues Tuch geschlungen und die Füsse steckten
in eigenartig gebundenen Tuchschuhen. Nur wenige von ihnen hatten Gewehre,
und sie befanden sich in einer traurigen Lage, da die tibetanische Bevölkerung
ihnen keine Nahrungsmittel verkaufte und auch keine Quartiere für die Nacht
gab. Wir erlaubten ihnen, bei unsern Leuten in unsem Zelten zu schlafen, so
dass sie doch nicht ganz im Freien kampieren mussten; aber auszurichten hätten
sie gegen die räuberischen Tanguten, die ihnen in jeder Hinsicht weit überlegen
sind, nichts vermocht Ihre Führer beschlossen, als sie uns in Luwa-nitsche
trafen, da zu bleiben und weitere Weisungen aus Thao-tschou abzuwarten, denn
dass sie im stände seien, die Herausgabe der geraubten Gegenstände und
Lasttiere mit Waffengewalt zu erzwingen, glaubten sie wohl selbst nicht Wir
sahen aber in ihrer Entsendung ein Zeichen des guten Willens der chinesischen
Behörden in Thao-tschou, wenn auch die Ohnmacht dieser Bemühungen gegen-
über den sich ganz unabhängig fühlenden, wilden Stämmen des tibetanischen
Hochlandes klar zu Tage trat.
Der Schneesturm hatte sich am 19. November ausgetobt und früh am 20.
konnte der Weitermarsch bei freundlicherem Wetter fortgesetzt werden; allein
- 427 -
mittags kam auch an diesem Tage ein kalter Wind aus Südosten, und die von
Westen heraufziehenden Wolken brachten am Abend wieder Schnee. Es ging
zunächst über zwei niedere Lössrücken, zwischen weichen ein kleines Thälchen
nach Sudsüdost geht, in ein grösseres von Nordnordwesten herabkommendes
und nach Süden zum Thao-Flusse, der nur S km weiter südlich fliesen soll,
weitergehendes Thal mit einem grossen Dorfe nördlich vom Wege. Nach
Uurchquerung dieses Thaies führt der Weg von neuem in die Höhe und
alsbald wieder hinab in ein anderes Nebenthal des Thao-ho, das von Nordnord-
westen kommt und in SUdsüdosten nach abwärts geht; der Weg folgt ihm ein
Dort und Tempel Dechamen-kuan. Oberes Fluaageblet deg 'i1iao-ho.
kurzes Stück abwärts, bis eine schroff- und steilwandige, unwegsame Schlucht
im Sandstein-Schiefergebirge den Fluss aufnimmt und den Weg zwingt, von
neuem in einem von Osten kommenden Seitenthale zwischen engen Fels-
wänden und mehrfachen, scharfen Windungen hinaufzusteigen und oberhalb
eines grossen Dorfes, Dschamen-kuan, mit stattlichem Tempel in einem ■ von Süd-
osten kommenden, linken Seitenthälchen einen 3300 m hohen Pass zu gewinnen.
Der erste Teil des Weges von der Ausgangsstation bis zu dem Nebenfluss
des Thao, dem der Weg ein kurzes Stück abwärts folgte, führte nur über Löss-
gebiet. An steileren Ber^ehängen kamen vielfach die roten Quetae-Schichten
unter der Lössdecke zum Vorschein. An den Gehängen der Thäler waren
überall Aecker auf den Terrassen angelegt, auch allenthalben Ansiedelungen!
Aber Von dem Punkte ab, wo der Weg wieder das Thal des Nebenflusses des
— 428 —
Thao-ho verliess, um zum Passe anzusteigen, führte er nur durch wilde schlucht-
artige Thalstrecken im Sandstein-Schiefei^ebii^e, das auch den ganzen oberen
Teil des Thaies im Nordosten des Dorfes Dschamen-kuan zusammmensetzt. Auf
dem Passe selbst stehen schiefrige Sandsteine und Schiefer an, und ebenso beim
Abstiege nach Südosten bis weit hinab; aber in nur geringer, nördlicher Entfernung
erkennt man an der roten Färbung der Gehänge wieder die Quetae-Schichten.
Vom Passe, der mit 3 cm tiefem Schnee bedeckt war, hat man eine um«
fassende Aussicht. Man sieht im Norden die hohe, sehr gegliederte Bergkette
des Tasur-chai-Gebirges in ost- westlicher Richtung verlaufen mit einigen be-
sonders hervorragenden Bergmassiven. Von ihr kommen alle die zahlreichen
Thälchen herab, deren Gewässer dem Thao-Flusse zuströmen und zwischen denen
viele, annähernd meridional verlaufende, gleichmässig hohe Beifüge mit weliig-
ebenen, nur sehr wenig gegliederten Kammlinien liegen. Weiter im Westen ist
die Richtung derselben eine mehr von Westnordwest und Nordwesten gegen
Südosten gerichtete, aber schon in der Höhe des Passes laufen sie mehr
meridional und ebenso auch weiter im Osten, wo sie aber an Höhe abnehmen.
Jene hohe Bergkette im Norden, welche um 200 — 300 m die nord-südlich gerichteten
Bergzüge zwischen den von Norden kommenden Zuflüssen des Thao-ho überragt,
bildet die Wasserscheide zwischen dem Flussgebiet dieses letzteren Stromes
und den nach Nord und Nordosten in der Richtung gegen das Kloster La-brang
abfliessenden, den Hoang-ho oberhalb der Einmündung des Thao-ho erreichenden
Gewässern. Die Thäler der nördlichen Nebenflüsse des Thao sind im obersten Teile
in der Nähe des Tasur-chai-Gebirges eng und felsig; das gleiche ist an ihrem
unteren Laufe in der Nähe ihrer Einmündungen in den Thao-ho der Fall, wo
sie meist ganz unwegsame Schluchten im Sandstein-Schiefergebirge mit hohen,
steilen Gehängen bilden. Nur im mittleren Teile ihres Laufes legt sich von
West nach Ost quer zu ihrem Verlaufe eine Zone von Quetae-Bildungen und
eine mächtige Auffüllung von Löss, welche eine hohe Kulturfahigkeit des Bodens
und zahlreiche Ansiedelungen bedingt und im oberen und unteren Drittel
der Läufe der Nebenflüsse fehlt. Dieser Zone mit sanften Gehängen, relativ
niederen Höhen und Ansiedelungen folgt auch der Weg nach Thao-tschöu.
G^en Süden liegt in nicht grosser Entfernung das Thal des Thao-ho zwischen
steilen, felsigen Gehängen in einer wohl erkennbaren, von West nach Osten
gehenden, tiefen Depression. Auf der rechten Seite des Thao-Thales ist ein
ähnliches, nur höheres und stärker gegliedertes System von Bergketten
zwischen den von Süd kommenden Nebenthälem, in deren Hintergrunde die
hohen, stark gezackten Linien der Berge des Min-schan sich erheben mit ost-
westlichen Strichen. Gegen Osten aber dehnt sich ein in den Kammlinien
flachwellig bis eben erscheinendes Bergland aus, ohne besonders hervortretende
Gipfel und ohne tiefere Einschnitte aus3er dem des Thao-Thales selbst Es
ist das Bergland, welches gegen Min-tschou hinabzieht und sich jenseits
des nach Norden umbiegenden Thao-Flusses noch weit nach Osten verfolgen lässt
— 429 —
Vom Passe, der unter dem Schnee wie auch die benachbarten Höhen von
niederem Gestrüpp und Haidekräutern bedeckt ist, geht es steil noch im Sand-
steinschiefergebiet in südöstlicher Richtung hinab, bis man wieder auf die Löss-
decke kommt, über welche der Weg in Ostrichtung noch über zwei kleinere
Thälchen von Nord und den sie trennenden Höhenrücken geht Hier fehlen
auch nicht die roten Quetae-Schichten an den Höhen auf der Nordseite des
Weges, der in östlicher Richtung nochmals einen Bergrücken aus Quetae-
Schichten mit Lössdecke überschreitet und in ein kleines, ostwärts gehendes
Thälchen hinabsteigt, in welchem bald hinter dem Uebergange (3110 m) das
Dörfchen Tieh-ka-na auf der nördlichen Thalseite zwischen schrofTwandigen,
roten Konglomeratfelse^ liegt.
Als wir das Dorf, unser Nachtquartier, erreichten, begann wieder das
Schneegestöber, das den Tag über glücklicherweise geruht hatte. Das Dorf ist
noch von Tanguten bewohnt und gehört seiner Bauart nach demselben Typus
an, der von den letzten Aufenthaltsorten beschrieben und auch sonst an allen
Dörfern während des Tagemarsches gefunden wurde. Längs *des Weges und der
fruchtbaren Lehmzone sind die Thäler stark bevölkert und man sieht überall
an den Abhängen die Gebetstangen mit den Fahnen und die grossen Stroh-
gerüste.
Der Marsch des folgenden Tages bis Thao-tschou wurde bei noch an-
haltendem, leichtem Schneefalle angetreten, der aber bald dem warmen Sonnen-
scheine wich. Man folgt zunächst einer tiefen Lehmschlucht in östlicher Richtung
uhd steigt später zwischen die 15m hohen, senkrechten Wände auf den wasser-
losen Boden derselben hinab, bis man nach einigen Kilometern ein breites,
aus Norden kommendes Thal erreicht, in welchem etwas oberhalb des Weges
ein grösseres Dorf liegt und das nach Südosten bis zum Thao-ho weitergeht
— Auch hier sind die Seitengehänge mit Lössterrassen bis hoch hinauf
besetzt und nur gegen Süden geht das Thal zwischen steileren Felsgehängen,
die keine* Lössbedeckung tragen, weiter. Der Weg überschreitet das Thal, in
welchem Schiefer mit ost-westlichem Streichen unten aus dem Löss hervorsehen,
steigt in östlicher Richtung durch ein mit Löss erfülltes linkes Nebenthal zu
einem 3010 m hohen Uebergang hinauf und dann steil in Zickzackwindungen
auf der andern Seite über Löss wieder hinab zu einem ebenfalls zum Thao-ho
gehenden und aus Nord-nordwesten kommenden Flüsschen. Längs des Weges
und an benachbarten Höhen kommen mehrfach die flach lagernden^ roten Quetae-
Schichten zum Vorschein. Es geht in dem Thälchen auf der linken Seite etwas
abwärts und dann zwischen Sandsteinfelsen in ein von Nord kommendes Seiten-
thal und nach kurzer Strecke in einem kleinen Seitenthälchen der linken Thal-
seite in südöstlicher Richtung über Löss hinauf zu einem 3090 m hohen Ueber-
gang, auf welchem auch wieder die roten Schichten anstehen.
Von der Höhe des Passes sind die steilen Berggehänge der rechten Seite
der ThaoSchlucht und der Verlauf des tief eingeschnittenen Thaies zwischen den
— 430 —
an vielen Stellen bewaldeten, felsigen Höhen gut zu übersehen. Das von der
Nähe des Passüberganges gegen Thao-tschöu hin sich erstreckende Bergland
hat flache, breite, gerundete Rücken, die ganz mit Löss und Ackerland bedeckt
sind; auch die Gehänge gegen die nicht tief eingeschnittenen, breiten Thäler
sind sanft-wellig. Erst gegen das Thao-Thal hin ändert sich dieser Charakter, und
es beginnen engere Thalschluchten und steilere Berghänge. Vom Passe geht
es wieder steil abwärts in südöstlicher Richtung über Löss und Quetae-Schichten
und ganz unten kommt auch in Klippen das stark gefaltete Schiefersandstein-
gebirge mit der Streichrichtung West zu Nord nach Ost zu Süd zu Tage. Das
Thälchen, dem der Weg vom Pass herab folgte, biegt weiter unten nach Süden
zum Thao-ho hin ab, der Weg geht aber über einen flachen Lössrücken in ein
nach Ostsüdost führendes, breites Lehm- und Lössthal mit mehreren Dörfern
an den Steilabfällen der linken Thalseite.
In diesem lang sich hinziehenden Thale ist eine Erscheinung ausgezeichnet
zu beobachten, die auch in andern Thälern, welche der west-östlichen Richtung
folgen, vorhanden ist. Es besteht nämlich ein grosser Unterschied zwischen
dem geologischen und auch agronomischen Charakter der rechten Thalseite,
deren Gehänge nach Norden schaut, und der linken mit nach Süden gerichtetem
Gefälle der Abhänge, ein Unterschied der in der Mächtigkeit und Stärke der
Lössdecke seinen Grund hat. Die Höhen auf der Südseite des Thaies, mit
I so — 200 m Erhebung über dem Thalboden, sind breite flache Rücken, deren
Abhänge über und über mit Lössterrassen in fast ganz regelmässigen Abständen
bedeckt sind und das typische Bild einer Lössterrassen-Landschaft mit fruchtbarem
Ackerlande darbieten. Von den fast ebenen Rücken (lihren ab und zu tiefe
Schluchten im Lösse mit senkrechten Wänden zum Thalboden herab, der
eine breite, flache Ebene aus zusammengeschwemmten Lehmen, untermischt
mit Schotterlagen, bildet, in welche der Bach des Thälchens eine 10 m tiefe
und ebenfalls steilwandige Erosionsschlucht eingenagt hat. Auf der linken,
nördlichen Thalseite herrschen dagegen ganz andere Verhältnisse; die Berge
sind hier um etwa 100 m höher als auf der rechten Seite, aber ihre Gehänge
sind steil, tragen nur sehr wenige Lössterrassen unten am Fusse, oder über-
haupt keine; breite, steile Thäler kommen von den Höhen herunter und
vielfach am Gehänge stehen steil abfallende, rote Konglomeratfelsen an, oder
die rote Färbung der Gehänge zeigt an, dass hier keine Lössdecke über diesen
Quetae-Bildungen liegt. In Folge davon ist auch kein Ackerland möglich, und
dürftiges Gestrüpp oder Grasdecke überzieht stellenweise die vielfach kahlen
Gehänge.
Dieser bedeutende Unterschied der beiden Thalseiten, der am stärksten
in den von West und Ost oder umgekehrt verlaufenden Thälern, weniger deutlich
in den nach Südost oder Südwest gerichteten Thaleinschnitten auftritt, ist von
grosser Wichtigkeit für die Frage nach dem Ursprünge des Lösses, der hier
schon und noch viel mehr im östlichen China das ältere Gebirge und dessen
— 431 —
Vertiefungen überdeckt. Der Löss und die von demselben abstammenden,
durch die Regenwässer in die Thäler zusammengeschwemmten Lehmmassen
sind ursprünglich vom Wind herbeigetragene, staubartige Materialien. An ihrer
Verteilung in den Vertiefungen und Höhen des älteren Gebirges, welche fiir
den Lauf und die Richtung der heutigen Thäler bestimmend sind, muss man
erkennen können, aus welcher Himmelsrichtung die Winde diese staubartigen
Materialien gebracht haben. Da zeigt nun die oben geschilderte Verteilung
des Lösses und die konstante, gesetzmässige Anhäufung desselben an den nach
Norden gerichteten Südgehängen der West-Ost-Thäler zur Evidenz, dass es von
Norden und speziell in dieser Gegend von Nordnordwesten kommende Wind-
strömungen gewesen sind, welche in langen Zeiträumen und auch heutzutage
noch diese Lössakkumulation, die Ueberdeckung der älteren Reliefformen des
Landes und die teilweise Ausfüllung der Thäler herbeigeführt haben.
Es wäre der Vollständigkeit wegen noch die Frage kurz zu berühren,
woher denn aus dem Norden und Nordwesten die Winde diese Löss-Staubmassen
entnahmen und wie weit sie dieselben transportierten. Ein Blick auf die Karten
des zentralen Asien zeigt ohne Schwierigkeiten die Heimat dieser äolischen
Aufschüttungsmassen, die im Süden nicht viel weiter gehen als bis zum Aus-
gange des Thao-Thales, aber in Schen-si und Kan-su, im östlichen Nan-schan
bis zum Thsin-ling-Gebirge sehr verbreitet sind. Der grosse Wüstengürtel, in
welchem die ihm eigentümlichen klimatischen Verhältnisse aus der mechanischen
Zersetzung der Gesteine Sand und Staub produzieren, ist die Heimat der fein-
staubigen Lösse, und die auch heute noch vorherrschenden, von Nord und
Nordwest kommenden, als Staubträger berüchtigten Luftströmungen sorgen
für die Ausbreitung des in der Wüste entstandenen, feinsten Zersetzungsmaterials
der verschiedensten Gesteine. Im Süden und Südosten des asiatischen Konti-
nentes sind keine ariden Wüsten oder sand- und stauberzeugende Gebiete vor-
handen; daher ist die zweite der heute vorherrschenden Windrichtungen, die
von Südost und Ost-südost kommende, durchaus staubfrei, und nur die gegen
Nord und Nordwest gerichteten Abhänge der Thalseiten fangen den Staub des
aus jenen Richtungen kommenden Windes auf, während die gegenüber liegenden
Gehänge davon nahezu frei bleiben; andererseits erhalten sie auch von den mit
Feuchtigkeit beladenen Winden des Südostens als Wetterseite mehr Nieder-
schläge, welche wohl geeignet sind, geringere Lössabsätze, die sich gebildet
haben könnten, in die Thäler hinabzuspülen und als Lehme abzusetzen.
Die Verändei-ungen, welche die nach Osten immer stärker werdende, das
alte Gebirgsgerüste überziehende Löss- und Lehmdecke im geographischen
Charakter des Thao-Thales bei Thao-tschou und bis gegen Min-tschou hervorbringt,
zeigen, dass wir im geologischen Sinne das tibetanische Hochland verlassen
und an der Grenze zu den Lössgebieten des inneren China, in einer Ueber-
gangszone uns befinden. Auch andere deutliche Anzeichen sind vorhanden,
dass wir Tibet verlassen« Im Hintergrunde des nach Osten führenden langen
— 432 —
Thaies, von dem zuletzt oben die Rede war und in dessen steilwandiger, in den
breiten Thalbodcn cingenagter Schlucht der Weg weiterfuhrt, auf den Höhen der
Wasserscheide zum nächsten, weiter gegen Osten liegenden Nebenfluss des
Thao, liegen die Reste einer starken Mauer, welche einst die Zollgrenze für
Waren zwischen China und Tibet bildete. Dieser alte Grenzwaü, der aus Lehm-
mauern besteht und in grösseren Zwischenräumen mit massiven, pyramiden-
artigen Türmen besetzt ist, reicht vom Nan-schan bis zum Thao-Thale, und
seine Trümmer sind vielfach noch erhalten. So begegnet man seinen nörd-
lichsten Spuren im Thale des St-ning-ho unterhalb von Tan-ka'r thing, auch
Zollmauer ßegon Tlbel, westlich von Ttiao-t»ch6u.
sind die massiven Turm-Pyramiden auf Bergeshöhen vielfach sichtbar, während
die Mauer selbst meist ganz zerstört und verschwunden ist. Ein Stück dieses
grossen Bauwerkes ist an unserm Wege noch erhalten und in obenstehender
Abbildung wiedergegeben. Noch deutlicher zeigt sich der Eintritt in das eigent-
liche China am Ausgange des nach Osten führenden Thaies, wo an seiner Ein-
mündung in einen grossen, aus Nordnordwesten kommenden Nebenfluss des Thao-ho
das Dorf Gude liegt Es war das erste, rein chinesische Dorf, das wir seit Scha-
lakuto, am lO. August, nun am 21. November wiedersahen. Hier sind wieder
die hohen Mauern der Festung, die nach der Strasse offenen Läden und Magazine
und der schmutzige, zopftragende und Opium rauchende Chinese, ein seit über
einem Vierteljahr entbehrter Anblick. Nun ist auch Thao-tschöu nicht mehr ferne.
Der Weg überschreitet hinter dem Dorfc den grossen Nebenfluss des Thao.
der diesem letzteren in südlicher Richtung in enger Felsenschlucht unterhalb
— 433 —
von Gude zufliesst, geht zum letzten Male wieder Über einen Lehmrücken
und steile Lösshohlwege auf der rechten Seite eines von Osten kommenden
Lössthales, das in ausgezeichneter Weise die Unterschiede der Lössbedcckung
der nördlichen und südlichen Thalseite erkennen lässt, hinauf zu einem
2950 m hohen, in roten Quetac-Schichten gelegenen, aus einem Hohlweg
bestehenden Passübei^nge und dann am steilen Lebmgehänge in Hohlwegen
nach Osten in ein Thal hinab, das direkt nach dem nur noch 4 km entfernten
Thao-tschöu fuhrt. Auch hier sind wieder die Gehänge auf der Südseite
des Thaies von unten bis oben (200 m) mit dicht aufeinander folgenden
Stiidl Tbao-tichöu, vod der Stadtmauer aus nach Nordwetteo geaehen.
Lössterrassen besetzt, während sie auf der nördlichen Thalseite fast vollständig
fehlen.
Einige Tage Ruhe im gastlichen Hatise der American China Mission be-
schlossen die an Anstrengungen reichen Tage des beschleunigten Marsches vom
Kloster Schin-se. Hier erfuhr ich durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Missionars
Simpson das Folgende über die klimatischen Verhältnisse in Thao-tschöu und Um-
gebung, das geeignet ist, die oben gegebenen Beobachtungen zu erganzen.
Längere Zeit bestandiger Schnee kommt während der Wintermonate, trotz
der Höhenlage (Thao-tschöu = 2740 m), nicht vor, die Sonnenwärmc der von
November bis März meist ganz klaren Tage schmilzt ihn rasch hinweg, wenn
er einmal gefallen. In der That sahen auch wir auf unserm Marsche nur sehr
wenig liegen gebliebenen Schnee, trotz der verschiedenen Schneegestöber, und
diesen nur auf den Nordsetten und an den höchsten Pässen. Im Winter ist im
— 434 —
allgemeinen beständig schönes Wetter, und nur im Sommer sind die Monate
Juni bis September reich an Niederschlägen. Besonders in diesem Jahre waren
der Juli und August sehr regenreich. Schnee pflegt am meisten im September bis
November und wieder im März zu fallen, bleibt aber selten länger als 2 — 3 Tage
liegen. Im Winter sind sehr häufig die Nächte kalt, die Ts^e aber bei dem klaren
Wetter doch warm. Die vorherrschenden Winde kommen aus Norden und Nord-
westen, und sie bringen im Sommer auch die schweren Regen. Die Umgebung
ist sehr fruchtbar auf dem Lössgebiete und das Frühjahr erzeugt einen reichen
Blumenflor und viele heilkräftige Blüten, die von den Chinesen gesammelt werden.
Die alte Stadt Thao-tschou*) lieg^ in der geographischen Breite von 34*
34' 38" zwischen 250 — 300 m hohen Bergen, die meist mit Löss bedeckt sind,
aber an steilen Gehängen auch die roten Quetae-Schichten hervorsehen lassen,
an einem kleinen Flüsschen, das in südlicher Richtung zu dem nur 4 englische
Meilen — 6,4 km entfernten Thao-Flusse geht. Die Stadt ist von einer hohen
Mauer umgeben, vor der noch nach mehreren Seiten hin Vorstädte liegen; alle
zusammen sollen 12 — 1 3 000 Einwohner haben. In der Stadt sind mehrere
grosse, schöne Tempel, darunter einer in der Mitte der Stadt, welcher dem
»Gotte der Drachen c geweiht ist Als wir den Tempel besuchten, waren gerade
einige Körbe voll appetitlicher, kleiner Kuchen dem Gotte geweiht worden;
seine Priester werden sich dieselben wohl gut schmecken lassen. Eine grosse,
schöne Moschee ist im Stile der chinesischen Tempel erbaut Wir fanden darin
eine Anzahl von Knaben mit dem Erlernen der arabischen Schriftzeichen
beschäftigt; es sollen in den Vorstädten der Stadt eine grössere Anzahl von
Muhamedanern leben. Schöne Tempel mit Hainen von Nadelhölzern sind in
der Umgebung auf mehreren Bergvorsprüngen vorhanden. Sonst bietet die
Stadt wenig Bemerkenswertes; die Strassen sind eng und die Lehmhäuser
niedrig, mit vielen nach der Strasse offenen Läden und Magazinen.
Thao-tschöu hat lebhaften Handel mit Tibet, dem es besonders Tuche, die
aus China und auch aus Amerika kommen, Thee, Gerste, Gerätschaften, sowie
die eisernen Kessel von rohem Gusse, die in Schen-si fabriziert werden, liefert.
Hier ist auch ein grosser Markt für Felle und Häute, besonders von Fuchs und
Wolf, sowie schöne, weiche Hundefelle; seltener kommen Luchs- und Steppenhund-
pelze aus Tibet, während die bei den Tibetanern sehr geschätzten Pantherfelle
von Ssö-thschuan über Sung-p'an thing und über Thao-tschou nach Tibet zahlreich
eingefiihrt werden. In den Umgebungen der Stadt wohnen nocJi Tibetaner, und
man sieht sie auch auf der Strasse, wo sie sich durch die mit Farben verzierten
spitzen Filzhüte auszeichnen; auch Lamas waren in der Stadt zu sehen. Auf
dem Wege nach Min-tschou trafen wir indessen in den Dörfern am Thao-ho
weniger Tibetaner oder Tanguten als Chinesen an. Das Aeusserc der Dörfer
•^ Kine nt»ue grosse St.uU desselben Namens mit tlem Sitxe der Behönlen begt etwa 25 bi«
XO km weiter nonilich.
— 435 —
war dasjenige der chinesischen Ansiedelungen, und nirgends mehr waren die
hohen Gerüste für Stroh und zahlreichen Gebetstangen zu sehen.
Der Weg von Thao-tsch6u bis Min-tsch6u ist in zwei, bequemer in drei
Tagen zurückzulegen. Er fuhrt in den letzten beiden Tagen im Thao-Thale
entlang, und da dieser untere Teil des grossen Thalsystems mit dem oberen
eng zusammengehört, so mag die Beschreibung desselben hier noch am Schlüsse
der tibetanischen Darstellungen folgen. Unterhalb Min-tschou nimmt der Thao-ho
eine andere Richtung an; er geht nach Norden zum Hoang-ho, und sein
Thal erhält einen veränderten Charakter da, wo er in enger Schlucht die Ge-
birgsketten des östlichen Kuön-lun durchbricht, auf der Strecke von Min-tschou
bis zum Hoang-ho oberhalb von Lan-tschou. Am 26. November verliessen wir
Thao-tschou zu Pferde mit leichtem Gepäcke, nachdem das grosse Expeditions-
gut und die wissenschaftUchen Sammlungen mit Maultieren nach Min-tschou
vorausgeschickt worden waren; bei gutem Wetter ging es einige Male bergauf
und bergab in südöstlicher Richtung über einige kleine, mit Löss erfüllte
Thälchen, die zu Nebenflüssen des Thao-ho gehören, und schliesslich nach
einem 2950 m hohen Passübergang zum Thao-Flusse selbst hinab und in seinem
vielfach gewundenen Thale abwärts in südöstlicher Richtung weiter bis zum
Dorfe Dschoni.
In der Nähe des Thao -Thaies hören die ausgedehnten Lössbedeckungen
auf, nur die Sandsteine und Schieferfelsen bilden mit dunkler Bewaldung sehr
malerische Felslandschaften an den hohen, steilen Gehängen des hier schon
grossen Flusses mit schönem, klarem, grünem Wasser. Die aus dem Lössgebiete
von Norden kommenden Nebenflüsse haben alle trübes, braunes Wasser. —
Auch hier kann man an vereinzelten, kleineren Lössvorkommen, besonders
am Fusse der Berge das Verbreitungpgesetz bestätigt finden, dass es immer die
nach Norden geneigten Abhänge sind, welche den Löss führen und zur Anlage
von Ackerterrassen benutzt sind. Die Bewaldung zwischen den Felsklippen,
die zahlreichen Stromschnellen mit schäumendem Wasser und die vielen
Tempel auf besonders hervorragenden und weithin sichtbaren Felsklippen
machen das Landschaftsbild sehr abwechslungsreich und anziehend.
Das Dorf Dschoni liegt am Ausgange einer engen Thalschlucht von
Norden zum Thao-Thale, und der Weg, der durch das Dorf an der Bachschlucht
steil in die Höhe führt, ist vielfach durch Holzstützen und Zimmerwerk gehalten;
trotzdem sind viele Stellen so schlecht, dass man jeden Augenblick ein Hinab-
rutschen in den tiefliegenden Bach befürchten muss. Oben im Dorfe ist eine
Tempelanlage, deren zahlreiche Lamas sich sehr aufdringlich benahmen, während
sonst die Bevölkerung nicht lästig fiel. In Dschoni trafen wir auf den Reise-
weg Potanins, der, von La-brang kommend, hier das Thao-Thal erreichte, nach-
dem er durch zahlreiche Tanguten -Dörfer gekommen war. Er berichtet, dass
hier ein Fürst seinen Sitz hat, der über zwei Tangutenstämme des Thao-Thales
herrscht. Der Ort selbst ist in chinesischem Stile gebaut, aber die Frauen
28*
— 43Ö —
tragen noch die tangutische Haartracht und schwere Gehänge an den Haaren,
die aber hier wieder anders geformt sind als die der Frauen weiter oben im
Thao- Flussgebiete, und nicht bis an den Boden reichen.
Der zweite Reisetag, immer am Flusse entlang oder in der Nähe desselben,
war hochinteressant, er ging von Dschoni bis Tsing-kuei. Bei schönem, aber
kaltem Wetter zogen wir am Flusse hinab, oft hoch an steilen Felswänden
über dem tosenden Wasser und mit herrUchen Ausblicken auf die schroffen,
felsigen, mit dunkelm Tannenwald oder Busch bedeckten, schönen Ber^c, die
sich bis 400 m über das Thal jäh erheben. Wo durch die zahlreichen Fluss-
Thal des Thao-ho UDterhaJb tod Dichoiil im Thao-Thale.
biegungen etwas Raum im Thal ausgespart wird, befinden sich Ansiedelungen
auf Lehmboden und terrassiertes Ackerland, das aber nirgends weiter als bis auf
ein Drittel der Bergeshöhe hinaufreicht. Eine Brücke fuhrt unterhalb von Dschoni
über den Strom; ihre Widerlager bestehen auf beiden Seiten aus mächtigen
Holzböcken, die durch grosse GeröUe verfestigt und gestützt sind; über sie
geht ein Weg auf der rechten Thalseite des Thao-ho nach Min-tschöu. Zahl-
reiche enge Thalschluchten mit wildem, felsigem Charakter kommen von der
linken Thalseite in das meist sehr enge Flussthal herab. Gegen Ende des Tage-
marsches und oberhalb des Dorfes Tsing-kuei, das die Abendstation am 27. No-
vember bildete, macht der Fluss eine sehr grosse Biegung nach Südwest, die
der Saumpfad abschneidet, indem er auf der linken Flussseite steil über Schiefcr-
felsen in die Höhe geht und einen 2630 m hohen Felsrücken überschreitet.
— 437 -
um in vielfachen Windungen auf der andern, östlichen Seite hinab das aus
Südwest zurückkommende Flussthal wieder zu erreichen. Von der Passhöhe
hat man eine schöne Aussicht auf das Thao-Thal und dessen wilde Schluchten
und Felsenwildnis. Der Weg geht hoch über dem wieder nach Osten um-
biegenden Flusse am stellen Felsgehänge dahin und zuletzt auf Lehmstufen
mit Terrassen bb zum Dorfe Tsing-kuei am linken Ufer des Thao-ho. Beim
Dorfe liegt eine kleine Felseninsel, gekrönt von einem Pavillon, in dem reissenden
Strome, der gerade hier wieder eine Biegung nach Südosten macht.
Auch der letzte, etwas sehr lange Reisetag bis Min-tschdu bietet besonders
in seiner ersten Hälfte, bis der Weg auf einer Brücke auf die rechte Thalseite
Thao-llial bei Tsing-koel oberhalb tod Mln-tBchön. Dach thakbwürta gesehen.
Übergeht, sehr viel des Interessanten. Gleich unterhalb des Dorfes Tsing-kuei
treten von beiden Thalseiten kulissenartig steile, felsige, zum Teil mit Tempeln
geschmückte Beigvorsprünge der hinter einander liegenden, in ost-westlicher
Richtung verlaufenden Bergketten in steilen Abstürzen an den Fluss heran;
die entfernteren überragen die näheren an Höhe, und in der wechselnden Morgen-
beleuchtung, welche einzelne Bergkämme noch in tiefem Schatten liess, war das
Landschaft'ibild sehr wirkungsvoll. Auch hier tragen vielfach die bis 500 m
hohen, steilen und felsigen Gehänge schönen Tannenwald oder doch Büsche
und um den Fuss derselben zieht sich in dem allmählich breiter werdenden
Thale ein Gürtel von Aeckern mit Bäumen und Ansiedelungen, die bis zu
etwa ein Drittel der Bergeshöhe hinanreichen. Darüber ist dann, wo der Wald-
bestand fehlt, die Vegetation zwischen den Felsenhängen eine nur recht dürftige.
Während die meisten Dörfer im Thale oberhalb und auch wieder weiter unter-
— 43^ —
halb NLn-tschou zu nur aus armiichen. flach gedeckten Lehmhütten bestehen,
fallen einige Doffer, die sich dicht bei einander auf der rechten Thalseitc an
Ausgangen von Xebenthalchen befinden, durch ihre ganz besondere Bauart,
die an Schweizerdorfer erinnert, auf. Die Hütten sind ganz aus gebräuntem
Holze gebaut, haben nach zwei Seiten hin schräg abfallende Dächer von Brettern
und nach aussen gerichtete Fensteröffnungen, alles Eigenschaften, die den Lehm-
dorfem gänzlich fehlen; die auf Seite 439 stehende Abbildung zeigt ein solches
i Seh *-eizerdorf < im Thao-Thale. Es scheint, dass hier ein besonderer Stamm
der Bevölkerung mit dieser abweichenden Anlage seiner Häuser und Dörfer
wohnt. Leider waren am Wege und auf der linken Thalseite keine dieser
interessanten Wohnungen zu sehen^ und sie waren auch auf der rechten Thal-
seite auf verhältnisma'^sig engen Raum beschränkt. Prschewalskij beschreibt aus
der waldreichen Gebirgsgegend des westlichen Kan-su ebenfalls Holzwohnongen
von Tanguten, die dort z\%'ischen Chinesen leben und Ackerbau treiben. Die
hölzernen Hauschen sind aus rohen, unbehauenen Baumstämmen aufgeführt,
deren Zwischenräume mit Lehm verstopft sind, ein Bretterboden im Innern fehlt,
und das I>ach ist aus neben einander gelegten, mit Lehm bedeckten Stangen
hergestellt; in der Mitte desselben dient ein viereckiges Loch als Rauchfang.
Im Vergleich mit diesen Hütten sind die im Thao-Thale bedeutend besser gebaut
und bieten mehr Bequemlichkeit als jene, die der Fenster ganz entbehren.
Auf dem damals mit Treibeis bedeckten Strome werden Flösse von
Tannenholz, in welchem 8 — 10 Stämme vereinigt sind, hinab gefuhrt. Der W^
ist auch auf dieser Strecke \nelfach künstlich am steilen Felsgehänge über dem
Wasser dahin geführt und an einer Stelle, wo der Fluss in engem Felsenbette
fliesst, ist eine hölzerne Brücke von 10 m Breite über denselben geschlagen.
In dem engen Felsenbette mit grossen Strudellöchem, das viele Aehnlichkeit
mit den Imatra - Stromschnellen in Finnland hat, hatte sich das Treibeis
gestaut und unter der aus wild übereinander gehäuften Eisschollen bestehenden
Decke hörte man das tobende Wasser strudeln und brausen. Tafel XXXIV
zeigt die Brücke und deren Umgebung.
Von da ab verbreitert sich das Thal bedeutend; eine grosse Thalerweiterung
auf der linken Seite geht im Halbkreise nach Nord und Nordost und der Fluss
durchzieht den aus Lehmen gebildeten, weiten, ebenen Thalboden in grossen
Windungen in einer etwa 30 m tiefen, in das unter der Lehmdecke befindliche
Schiefergebirge erodierten, steilwandigen Thalschlucht. Man kann an den Seiten
derselben konstatieren, dass die Lehmdecke der breiten Thalfläche nur wenige
Meter mächtig ist, und dass dann alsbald das steil aufgerichtete und gefaltete
Schiefergebirge nach unten folgt. Die Berge sind noch bis 500 m hoch und
an ihrem Fusse liegt eine breite Lösszone mit Acker -Terrassen und vielen
Dörfern auf der linken Thalseite. Der flache Thalboden ist über 2 km breit
und erweitert sich weiter unten gegen Min-tschou zu noch mehr. Der Weg
vcrlässt das Gehänge der Berge auf der rechten Thalseite und geht mehr in der
— 439 -
Mitte der ebenen Fläche, oft in der Nähe der allmählich niedriger werdenden
Schlucht des Thao-ho, zuletzt in ostnordöstlicher Richtung bb Min-tscböu. Hoch
oben auf einem Berg der Unken Thalseite liegt ein Dorf, und ateilwandige Berge
dahinter reichen bis über 500 m in die Höhe. Auf der rechten Thalseite sind
zunächst, nachdem das grosse Thal in östlicher Richtung umgebogen ist, nur
niedere, stellenweise schön bewaldete Höhen, aber weiter hinten, zurückliegend
vom Thao-Thale und höher oben, etwa an der Brücke und von da ab weiter
aufwärts an dasselbe herantretend, zieht eine Kette hoher Gipfel in westnord-
westlicher Richtung in langem Zuge von weit aus Ostsüdost her über den Fluss.
Dorl mit HohhUtWn Im Iliao-Thale. oberhalb roo Min-tschüu.
Im Thale selbst erkennt man diese Bergkette nur schwer, aber von der Stadt-
mauer von Min-tschöu aus stellt sie sich in ihrer ganzen imponierenden Aus-
dehnung und Höhe mit schneebedeckten, vielfach gegliederten Kammlinien und
Gipfeln dar. Der letzte Teil des Thaies oberhalb von Min-tschöu ist 3 — 4 km
breit; auf der rechten ThaLseite sind nur noch niedere, mit Lehm-Terrassen be-
deckte Höhen mit vielen Dörfern an den Thalausgängen; erst bei der Stadt
selbst und weiter unterhalb, wo das Thao-Thal nach Norden umbiegt, liegen
wieder höhere Schieferberge auf der rechten Seite des Flusses. Auf dem linken
Ufer aber sind auch oberhalb der Stadt höhere, steil gegen den Fluss abfallende
Berge, die oberhalb der Stadt aus roten, horizontalen Quetae-Bildungen, bei
dieser selbst aus Schiefer bestehen, welche von West zu Nord nach Ost zu Süd
streichen. Der Thao fliesst hier nicht mehr in einer Schlucht, sondern zwischen
'i-f: 'vt: -f/jr \^jSjt% P.^t^-.-^s lor dre: lar^ca xersCt^t «-zric -h'^ deaa die
rjr',-^sfe ür;iCt ä^lj^^ nicht a>thr Cic Bcde-rr::::^ rat,, cjc ihr var ejcacm Asf-
k?ur^<^, '4i'.\ *.e f-r <i« siithtir§tc Sract in S-d Kar-sc g*lt. cigc« war. Danxais
»ir *x av:r. r»:h S.tz circs bohcn Rcg5cr=rg*bcaa:tKi. der jetzt ia Tschi in
r^.'f-^rt, K>cr crfrc-tcn »;r tins der licbcxüTi'iirdix^tes Gastfrermdschaft nnd
!>^:ttrr A:.fr^^.a:€ bti d^t: beulen Bradem Ecnaü und Frau Exkvall. MissioBaTCD
4^ Ch,na Ir.Iitnd yi^shion. In ihrem hinter dem Haiise gcleg^ctaen Garten konnte
x.r» eine B«*;n;n;::ng der geographischen Breite der Stadt machen, <fie zwar
d-.rch V/orker.bcdeckung der Sonne gerade nn* Zeit der Kclmmation etwas ge-
vt/^rt » 'jrde, die aber aiis den korrespondierenden Werten gleicher Sonnenhohen
v^>r lind nach dei^clben den Wert von 34t 16* 17* nordlicher Breite doch nodi
berechnen he»s. Dass Min-tschöa keine grosse Bedetitong oder grosse, rcidie
\jkdcn mehr hat, zeigt ein Gang durch seine Strassen mit den kleinen Ldun-
häu^ern: es fehlen schöne Tempelbauten, und der Raum innerhalb der sehr
%tark'm und ausgedehnten Stadtmauer ist nur zum kleinen Teil mit Wohnstatten
b^b^'jt; da^ übrige Land llq;t öde da. Die Zahl der Einwohner soll — die
Mühamedaner in den Vorstädten, die ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, mit-
gerechnet — 15000 betragen, aber die Stadt steht noch unter dem Eindnick der
erlittenen V^'erwüstungen. Es hat nicht den Anschein, als würde sie sidi bald
von die^iem 5>chldge erholen oder wieder zu ihrer früheren Bedeutung gelangen,
nachdem ihr Handel an das aufblühende Thao-tschou übergegangen und der
Sitz der Behörden verlegt ist. Nur die mächtigen Reste der alten Umwallung
erinnern noch an die vergangene Grösse der Stadt
Die Bevölkerung ist durchweg chinesisch, Tibetaner kommen nur gele-
gentlich und selten hierher. Die letzten waren im Thao-Thal unterhalb von
ThaO'tHchou zu sehen; aber sie unterscheiden sich von den Tibetanern des
Hochlandes wesentlich in Kleidung, Schmuck und Gesichtszügen. Sie tragen
Gewänder mit bunten Aufschlägen» trichterförmige, farbige Kopfbedeckungen
von Filz, und bei den Frauen treten an Stelle der sonst üblichen, zahlreichen,
dünnen Zöpfchen und des damit verbundenen Rückengehänges vom Kopf bis
zu den Füssen reichende, mit glänzenden Messing-Kugeln besetzte Schnüre.
Wir bekamen nur sehr wenige zu Gesicht, und eine g^ndlichere Kenntnis dieser
Bevölkerung wird auch noch andere, wichtigere Unterschiede kennen lehren.
Uebcr Min-tsch6u führt die wichtige Handelsstrasse von Lan-tschou nach Süd-
China, die über den nur etwa 32 km südlich vom Thao-ho gelegenen 2755 m
TAP^L XXXIV.
— 441 —
hohen Ja-li-schan-Pass die Wasserscheide zwischen dem Hoang-ho-Gebiet und dem
des Yang-tzS-kiang überschreitet Potanin hat den Weg über diesen Pass und
dann nach Südwesten nach Sung-p'an thing zurückgelegt und überall noch tibeta-
nische, ansässige Tangutenstämme angetroffen.
Zur Uebersicht der geologischen Verhältnisse des Thao-Thales ist hier
noch anzuführen, dass das alte, wahrscheinlich dem Devon angehörige, gefaltete
Sandstein-Schiefergebirge, das überall am Thao selbst ansteht und das Liegende
der darüber unkonform lagernden Quetae-Schichten bildet, ausschliesslich von
Streichrichtungen beherrscht wird, die von Ost nach West oder Ost zu Süd
nach West zu Nord streichen und dadurch ihre Zugehörigkeit zum KuSn-lun-
System erweisen. Das Wasserscheide-Gebirge des Min-schan besteht aus den
wahrscheinlich silurischen, kristallinen Kalken, die auch südlich vom Ja-li-schan-
Passe gefunden wurden, während das Tasur-chai-Gebirge im Norden ebenfalls
der mächtigen Zone der devonischen Sandstein - Schieferbildungen zufallt,
die vom Dschupar-Gebirge an bis ins Thao -Thal mit West zu Nord nach Ost
zu Süd Streichrichtungen auftraten. Die Zone der Fusalinenkalke des Semenow-
Gebirges finden wir wieder im P'e-ling- Gebirge im Nordosten von Min-tschou.
Stallt Mia-Uchüa and Tempel am Beri;e. Von iler Stiwitiiiauer nus u^ch SUdoMcD eeseheo.
KAPITEL X.
Auf Maultierpfaden des inneren China.
Von der Qrenze Tibets bis zum Stillen Oceaa.
Nach der glücklichen Rückkehr aus Tibet kam es bei der schon recht
vorgerückten Jahreszeit für die Expedition hauptsächhch darauf an, mit möglichst
geringem Zeitaufwande die Küste zu erreichen. Abgesehen von den noch fort-
zusetzenden meteorologischen Beobachtungen, schien in dem durch andere
Forschungsreisen schon hinlänglich bekannten Lande wenig Neues aufzufinden
zu sein, wenn nicht noch unerforschte Gegenden durchzogen werden konnten,
aber längere Aufenthalte waren nicht mehr möglich.
Von Min-tschöu führt ein grosser Maultierweg über Tlisin-tschöu und Föng-
siang fu nach Si-ngan fu; von da überschreitet man das Thsin-ling-Gebirge und
erreicht bei einem Städtchen, Lung-kü-tschai, den schiffbaren Teil des Tan-Flusses,
der bei Lao-ho k'ou in den grösseren Han-Fluss mündet und eine Hauptverkehrs-
ader von der Küste Schanghai und Han-k'ou nach dem Innern Chinas bildet.
Schon vor Si-ngan fu folgten auch wir der Hauptroute für Maultiere über
den Thsin-ling-schan und benutzten dann die Wasserstrassen des Tan- und Han-
Flusses. Aber für den Weg von Min-tschöu bis Si-ngan fu schlugen unsere Maultier-
treiber nicht den Haupt-Weg ein, der über die oben genannten Städte fuhrt,
sondern machten gegen unsern Willen, in Verfolgung von privaten Interessen,
— 443 —
einen grossen Umweg gegen Norden hin, der über Kung-thschang fu und P'ing-
liang fu führte, und bei Tsing-ning-tschou auf die grosse Strasse von Lan-
tschöu nach Si-ngan fu traf. So unangenehm der durch diesen Umweg verursachte
grössere Zeitaufwand war, so führten diese Wege durch sehr interessante Ge-
birgsteile, zum Teil auf sehr schwierigen und wenig begangenen Pfaden, die
jedenfalls in geologischer Hinsicht viel lohnender waren, als der grosse, meist
in breiten Thälern entlang ziehende Hauptweg, auf welchem man nur sehr wenig
Gelegenheit zu geologischen Beobachtungen findet. Wider alles Erwarten gestaltete
sich der häufig sehr beschwerliche Weg trotz der langen, vom frühen Morgen
bis zum Einbruch der Dunkelheit ohne Unterbrechung fortgesetzten Märsche
zu einer sehr interessanten Reise durch die berg^igen, nördlichen Vorlagen der
Gebirgsketten des westlichen Teiles des östlichen Kw^n-lun- oder des Thsin-
ling-Grebirges. Der letzte Teil des Weges von P*ing-liang fu an ging über aus-
gedehnte Lössgebiete, die von dem Grenzgebiete der Provinzen Kan-su und
Schen-si weiter nach Osten noch grössere Ausdehnung und Mächtigkeit er-
langen. Von den namhaft gemachten Gesichtspunkten aus bietet unser Reiseweg
manches Neue, und eine Schilderung rechtfertigt sich da, wo dieser Weg und
die darauf gemachten Wahrnehmungen und Beobachtungen zur Vervollständigung
unserer geographischen und geologischen Kenntnisse dieser Teile Chinas einen
kleinen Beitrag bilden könnten.
Schon in Thao-tschou waren die Maultiere für den ganzen Weg über Min-
tschou bis nach Si-ngan fu gemietet worden, so dass wir in Min-tschou nach nur
zwei Tagen Aufenthaltes, am i. Dezember, den Weitermarsch antreten konnten.
Gewöhnlich brach die aus 20 Maultieren bestehende Karawane schon bei Tages-
anbruch auf; wir folgten zu Pferde etwas später und erreichten meist bei Ein-
bruch der Nacht das Abendquartier, nach Zurücklegung von Wegen, die
40 — 45 km pro Tag zu betragen pflegten. Von Min-tschou aus folgt man zu-
nächst 5 — 6 km weit dem Laufe des Thao auf seiner rechten Seite, zuerst
über Löss-Gebiet und dann hoch am steilen Schiefergehänge hin auf vielfach
schwierigem, durch Eisbedeckung schlüpfrigem Pfade, da wo der Fluss in enger,
steilwandiger Schieferschlucht mit 400 m hohen Bergen auf beiden Thalseiten
einen grossen Bogen macht, um von nun an in nördlicher Richtung in enger
Schlucht und romantischem Durchbruchsthale dem Hoang-ho zuzufliessen, den
er mit einer Biegung nach Nordwest oberhalb von Lan-tschou erreicht. Unter-
halb der Umbiegung des Thaies nach Nord kommt eine Thalerweitening;
Lehmgehänge bilden den Fuss der Berge, Bäume und Ansiedelungen sind zahl-
reich am Ausgange von Seitenthälern auf beiden Seiten des Thao, und dieser
fliesst auf breitem Thalboden zwischen Ufern, die von einer 3 m hohen, senk-
rechten Lehmwand eingeschlossen werden. Aber nur wenige Kilometer weit
reicht diese Thalerweiterung am Flusse gegen Norden; ein Bergvorsprung tritt
von den Bergen der rechten Thalseite bis an den Fluss heran und engt das
Thal wieder ein. Unter dem Lehme auf der Höhe, die eine festungsartige
— 444 —
Mauer trägt, sind die roten Färbungen der Quetae-Bildungen sichtbar und an
seinem Südfusse kommt ein Thal aus den Bergen von Osten zum Thao herab.
Der Weg hat in der Thalerweiterung einige Dörfer zwischen Lössgehängen
und die Bäche mehrerer Seitenthälchen passiert und verlässt nun das Thao-Thal,
um in jenem Seitenthale am Bergvorsprunge in Nordostrichtung hinaufzusteigen.
Im unteren Teile dieses Thaies sind die Gehänge noch mit mächtiger
und schneckenreicher Lössdecke überzogen, und unten am Thalboden ist eine
starke, mehrere Meter hohe Auffüllung von herabgeschwemmten, horizontale
Schichtung zeigenden Lehmen, untermischt mit dünnen Gerölllagen, in welcher
das Flüsschen in einer steilwandigen Schlucht fliesst Eine Reihe kleinerer Dörfer
reicht noch im Thale hinauf, soweit der Löss und damit auch fruchtbares Land
geht. Grosse, runde Aufhäufungen von Stroh, die mit einem Reisigdache
bedeckt sind und grossen Bienenkörben gleichen, geben Zeugnis von den
Feldfrüchten, die hier der Lössboden erzeugt Aber weiter oben ändert sich
der Thalcharakter. Schieferklippen und quarzitische Gesteine stehen an den
steileren, nur mit dürftigem Graswuchse und niederem Gestrüppe bedeckten
Gehängen der etwa 350 m hohen Berge an, das Thal wird enger, und wilder
schäumt der Bach im engen Felsenbette. Der Aufstieg zum 3040 m hohen
Passe, zuletzt in Windungen, nimmt vom Thalausgang ab 3\.s Stunden in
Anspruch und der letzte Theil liegt ganz in glimmerigen Schiefem und sand-
steinähnlichen Bildungen, die unter dem Passe das Streichen von Njo^W bei
senkrechter Schichtstellung zeigen. Noch im letzten Drittel des Weges liegt
an einer Thalverzweigung ein ärmliches Dorf mit niederen Lehmhütten, dann
aber hört für eine lange Strecke auch jenseits des hohen Passes jede Ansiede-
lung auf
Wir erreichten die Passhöhe im nordwestlichen P*e-ling-Gebirge (Kreitner)
etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang und hatten eine grossartige Aussicht
von oben von Südwest bis Nordwest auf das Gebirgsland von Hoch-
Tibet. Zunächst unter dem Pass in südwestlicher Richtung li^ das hohe
Gebirgsland des oberen Thao-Thales mit einer Anzahl von annähernd gleich
hohen, hinter einander sich folgenden und in westnordwestlicher Richtung
verlaufenden Bergketten; die Kammlinien sind gezackt, aber nicht durch
besondere Erhebungen ausgezeichnet und der Verlauf des Thao-Thales selbst
ist nur schwer an den etwas stärkeren und breiteren Einschnitten zu er-
kennen. Aber hoch diese Gebirgsketten überragend, zeichnet sich in wunderbarer
Schönheit in der Abendbeleuchtung scharf und klar vom Abendhimmel eine
gewaltige, riesenhafte Kette von Felsgipfeln ab, deren Kammlinie einer aus-
gebrochenen Säge noch am ehesten zu vergleichen ist. Ganz im Gegensatze
zu den Linien des Thao-Berglandes erheben sich mit senkrechten Seiten hohe
Felsentürme, pyramidenartige Gipfelformen überragen weit das mittlere Niveau
der Kammlinie und die schroffen Zacken, Felsennadeln und Türme folgen sich,
durch tiefe, enge, oft senkrechte Einschnitte getrennt, in ununterbrochener
._ 445 —
Reihe von einem Punkte, der in Süd 30*^ West vom Passe liegt, bis weit nach
Westen hin. Das Streichen dieser gewaltigen Felskolosse, die dem Charakter
ihrer Gipfel- und Kammlinien nach aus einem kristallinen oder massigen Kalke
bestehen, wie wir solchen schon in Tibet in mächtigen Stöcken auf dem rechten
Hoang-ho-Ufer in westnordwestlicher Richtung verlaufend gefunden haben, geht,
so weit es aus der grossen Entfernung zu bestimmen ist, auch in dieser Kette
in der Richtung West 20® Nord. Das Gebirge ist der Min-schan, und es muss
sich hier um eine Fortsetzung jener Kalkzone mit gewaltigen Stöcken von
Riff- und Korallenkalken paläozoischen Alters handeln, die in isolierten Massen,
aber im gleichen Streichen hinter einander liegend, das rechte Ufer dort, wo
wir den in ost-westlicher Richtung verlaufenden Hoang-ho unterhalb seines
Knies erreichten, begleiten. Diese Kalkkette muss im Gebiete der von Süden
kommenden Nebenflüsse des Thao in ostsüdöstlicher Richtung weiter ziehen,
und in der That sieht man auch von Thao-tschou aus gegen Süden schroffe
Berge mit senkrechten Einsenkungen im Süden jenseits des Thao-Thales liegen.
Der Kontrast der Bergformen des Kalkgebirges ist dort gerade so in die Augen
fallend, wie hier vom Passe aus. Der Volksmund hat eine tiefe, auffallende
Scharte, die von Thao-tschou in dem Kalkgebirge sichtbar ist, mit einem
eigenen Namen, »Das Thor«, belegt, wie ich durch gütige Mitteilung des
Rev. Missionar Simpson in Thao-tschou, der mich besonders auf diese Stelle
aufmerksam machte, erfuhr.
Diese Kette bildet die Wasserscheide zwischen den nur unbedeutenden
und nicht von weit herkommenden, rechten Nebenflüssen des Thao und den
nach Süden gegen Sung-p'an thing und SsS-thschuan, also schon zum Strom-
gebiet des Yang-tz^-kiang abfliessenden Gewässern. Während des Marsches
am Thao-Flusse, zwischen Thao-tschou und Min-tschou, fand ich wiederholt in
den Flussgeröllen des Thao GeröUe von Korallenkalken, die nur aus den süd-
lichen Thalgebieten stammen können, da auf der ganzen Nordseite nur Sand-
steine und Schiefer anstehend zu sehen waren, und auch unter den Gerollen
der zahlreichen, von der Wasserscheide im Norden herkommenden, zum Teil
bedeutenden Nebenflüsse Kalke durchaus fehlten. Es müssen also die von
Süden kommenden Nebenflüsse aus jener hohen Kalkkette, die das Thao-Berg-
land um mindestens 1000 m zu überragen scheint, ihren Ursprung nehmen und
GeröUe des Korallenkalkes in den Thao bringen. Andererseits fehlt in dem
Verlaufe der ununterbrochenen Gipfelkette und Kammlinie jenes Kalkgebirges
jedes Indicium, dass ein grösseres Thal dieselbe durchbricht, wie denn über-
haupt grössere Nebenthäler auf der rechten Seite des Thao nicht vorhanden
zu sein scheinen, so dass die Wahrscheinlichkeit eine sehr grosse ist, dass
dieses vom Pass aus in Süd 30® West jäh abbrechende, hohe Kalkgebirge die
vom Hoangho in Ostsüdost verlaufende Wasserscheide zwischen dem Thao-
Thal und den nach Süden gerichteten Flussläufen der Gegend westlich von
Sung-p*an thing in SsS-thschuan ist und die hohe Bedeutung eines die grossen
— 44^' —
Abflussgebiete des Hoangho auf der nördlichen und des Yang-tz£-kiaii|^ aui der
südlichen Seite trennenden Gebirges hat.
Nach Osten ist die Aussicht von der Passhöhe beschränkt Einige Berge
der näheren Umgebung überragen den Pass nur um etwa lOO m und haben
steile, aus Schiefer gebildete Abhänge. Ein ThaL durch das der auf ganz ver-
eistem, in vielen Windungen abwärts führende, sch^vierige Abstieg vom Passe
genommen wird, geht in nordöstlicher Richtung und besteht in seinem oberen
Teil aus öden Felsen mit dürftiger Gestrüpp- Vegetation, über welcher auf den
steilen Nordgehängen der Berge eine ziemhch starke Schneedecke lag. Weiter
unten kommen ausgedehnte W^aldbestände auf beiden Seiten des Thaies,
zwischen welchen aber immer noch Klippen von harten, quandtischen Gesteinen
her\'orsehen ; in den glimmerigen Schiefem direkt unter der Passhöhe war das
Streichen Nord 8o^ West bei einem nach Nord gerichteten Einfallen von 8o*.
Man folgt über i '/t Stunden lang dem Thale abwärts, ehe man die ersten
armseligen Hütten von Holzfällern trifft, die an der steilen linken Thal5>eite
über dem rauschenden Wildbache stehen, und es geht nochmals eine halbe
Stunde auf schmalem Bergpfade am Gehänge, und dann auf dem engen Thal-
boden mehrfach über den Bach, bis man das im engen Thale lang^u^edehnte,
2500 m hoch gelegene Dorf Kiu-tien*) erreicht. Die Unterkunflsverhältnisse
und die Kost, die man in derartigen Gebirgsdörfem findet, sind recht primitiv.
In einer niederen Hütte mit vergitterten, sonst unverschlossenen Fensteröf&ungen
musste ein einziger Raum den Bewohnern, ihren Haustieren, uns und unsem
Pferden und Leuten Obdach gewähren. W^ir kampierten auf einer breiten
Lehmbank unter dem Fenster, rechts von der Thür; die Wirtsleute und unsere
Leute waren entsprechend links von der Thür untergebracht, und längs der
gegenüberliegenden Wand waren die Pferde angebunden. Ausser dem, was
•man mitgebracht hatte, gab es nur heisses Wasser zum Theemachen, sonst war
nichts zu haben. Die Anwesenheit der Pferde hatte wenigstens das Ange-
nehme, dass sich die Kälte der Nacht vom i. auf den 2. Dezember, in welcher
das Thermometer auf — 16® C. sank, in dem grossen Räume weniger fühlbar
machte, wenn auch eine richtige Nachtruhe unter den Umständen unmöglich war.
Von Kiu-tien folgt der Weg dem zunächst noch schön bewaldeten, engen
Felsenthale zwischen felsigen Gehängen von Schiefern und harten, quarzitischen
Gesteinen, die hohe Bergvorsprünge gegen das Thal hin bilden und deren
Schichten in Nord 70® West streichen und bald nach Süd, bald nach Nord ein-
fallen oder ganz senkrecht stehen. Das Thal geht gegen Nordost, und auf dem
buschbedeckten Thalboden waren zahlreiche, schöne Fasanen. Stellenweise er-
weitert sich das Thal und hier pflegen an Lössgehängen mit Ackerterrassen Dörfer
oder kleinere Höfe zu liegen; eine grössere Ausdehnung erlangt der Löss aber
erst weiter unten im Thale; hier oben herrschen noch die Schiefer und glimmerigen
•) Der Name, ebenso wie der des folfjenden Nachtquartieres Jei-tien, ist nicht genauer to identi-
fizieren, das erstere ist möglicherweise Tsin-tien yi.
— 447 —
Sandsteine vor. Die Hütten der Dörfer sind aus Lehm gebaut und auffallend
klein; eine Thür, zwei Fensteröffnungen und ein niederes, mit der Hand er-
reichbares Strohdach, das ist alles; die Wohnungen sehen aus, als wären sie für
Zwerge errichtet, und doch haben die Bewohner die mittlere Grösse des Menschen.
Gegen Mittag erschienen auf der rechten Thalseite hohe Kalkberge mit
sehr steilen und zerzackten Gipfeln und Bei^formen, nachdem schon vorher
grobe Konglomerate und grüne, quarzttische Gesteine einen Wechsel in der Ge-
steinszusammensctzung der Berge angekündigt hatten. Das Thal kommt nahe
an die fast senkrecht abfallenden, über 400 m hohen Kalkberge heran, deren
Tbal und Dorf im aordweitUclieD P'e-Ilne:- Gebirge, unterhalb Tom Dorf ICiu-tleo.
Steilabfall in der Richtung Nord 70" Ost^Süd 70* West verläuft; mehrere tiefe
und enge Thalschluchten durchbrechen diese Kalkkette, in deren dunkeln Gesteinen
eine reiche Fauna von Fossilien, Brachiopoden und Korallen gefunden wurden,
welche das geologische Alter dieser Korallenriffe als der jüngeren Steinkohlen-
formation oder dem Permocarbon angehörig erweisen. Kalkige Gesteine von
mehr geschichtetem Charakter, mit der Streichrichtung Nord 75° West und dem
Einfallen von 30" nach Süden, stehen noch vielfach weiter unterhalb in dem
nach Nordnordost verlaufenden Thale an, das durch isolierte, riffartig hervor-
tretende, mächtige Kalkmassen mit senkrechten Abschnitten einen hochroman-
tischen Charakter erhält. Der Weg ist vielfach nur durch künsüiche Felsen-
sprengungen hoch über dem wildschäumenden Bache am linken Thalgehänge
— 44-^ —
entlang gefuhrt, dann geht er hinab auf die Thalsohlc, an Dörfern vorbei und
in steilen Loss-Hohlwegen wieder in die Höhe, über das Thal einengende
Felsvorsprünge hinweg. In den Kaikfelsen, wo sie nicht ritfartig und massig
sind, ist vielfach eine ausgezeichnete Zusammenstauung und intensive Faltung
bemerkbar.
Nach dieser einige Kilometer weit sidi erstreckenden, schönen und engen
Felsenthalstrecke erweitert sich das Thal etwas und auf seiner Unken Seite wer-
den die Lössablagerungen mächtiger, während rechts die Kalkklippen, allerdings
in geringerer Höhe und Stärke, noch weiter flussabwärts fortsetzen. Ein grosses
Thal mit über 500 m hohen Bergen im Hintergrunde mündet von Westen her
ein und der Weg geht auf einer kühnen Holzbrücke auf die rechte Thalseite
hinüber, auf der er bleibt bis zum Dorfe Jei-tien, unserm Nachtquartier am
2. Dezember. Unterhalb jener Thaleinmündung versdiwinden allmählich die
Kalkklippen aus dem Thale, das aus seiner Nordost-Richtung in eine mdir östliche
Richtung umbiegt; der Fluss hat in dem breiten Thalboden eine 30 m hohe
Terrasse aus groben Gerollen, auf welcher der Weg hinfuhrt Das hohe Kalk-
gebirge der rechten Thalseite entfernt sich flussabwärts immer weiter vom Thale,
in welchem sich bis hoch an den Berggehängen hinauf Löss und Lehmstufen
einstellen; zunächst am Wege ist eine etwa 30 m hohe Lehmterrasse, die auch
auf der linken Thalseite zu verfolgen ist, und hinter derselben rocht eine
höhere und mächtigere Lössstufe mit Terrassen bis zur Höhe von 200 m am
Bergfusse der schon weit entfernt vom Thale liegenden Kalkberge hinauf; da
das Thal hier eine ösdiche Richtung verfolgt, hat die sidi von demselben
immer mehr entfernende und auch gegen Osten niedriger werdende Kette der
Kalkberge in ihrem Verlaufe eine ostsüdöstliche Richtung. Auf der linken Thal-
seite reicht die Lössbedeckung bis auf die etwa 300 m erreichenden Höben
hinauf. Dort sowohl wie am Wege sind zahlreiche Dörfer, manche davon noch
ganz zerstört von den letzten Unruhen und Aufständen der Dunganen her, welche
ihr Vemichtungswerk bis in diese abgelegenen Gebirgsthäler hineingetragen
haben. Auf der Lehmterrasse ungefähr 30 m rechts vom Wege steht etwa eine
Stunde oberhalb von Jei-tien ein Tempel, und von da ab geht das Thal in
Ostsüdost-Richtung mit gleichbleibendem Charakter weiter.
Ueberall auf dem Lössgebiete wird intensiver Ackerbau getrieben. An
den Berggehängen sieht man nur vereinzelt noch Reste von Wald; wo über-
haupt Löss da ist, wird derselbe zur Anlage von Terrassen und Aeckem be-
nutzt Ueberall in den von vielen Bäumen umgebenen Dörfern sah man die
Leute damit beschäftigt, das Kom zu dreschen oder es auszusieben, indem sie
es in die Luft warfen; vielfach wurden auch sechs- oder achteddge Stein-
walzen mit Ochsen bespannt über das Getreide gefahren, um Kom und Stroh
zu trennen.
Der Tag war schön und von strahlendem Sonnenschein begünstigt ge-
wesen; in den Bergen lagen nur noch auf den Nordgehängen schwache Schnee-
- 449 —
reste, während über zwei Drittel der Gebii^sfläche keine Schneebedeckung
trugen. Jei-tien ist ein grösserer Ort an der Einmündung eines Nebenthaies
von Südwest auf dem rechten Ufer des Flusses, der weiter in Ostsüdost-Richtung
gegen Ning-yüan hsien hinabfliesst und zum oberen Flussgebiet des Wei-ho gehört.
Der Maultierweg verlässt hier den Fluss, und der Marsch des 3. Dezember
ging zunächst an einem von Norden kommenden, kleinen Thalchen sehr steil
in die Höhe durch Lössschichten und über rote Quetae-Konglomerate, die in
weiterer Verbreitung auch in den Schluchten der meisten Seitenthäler der
linken Flussseite anstehen, und auf der Höhe zwischen zwei Thalchen immer
noch ansteigend in Nordrichtung weiter bis zu einem 400 m hohen Passüber-
Thal ron Jei-tien. Im VordergniDiI LössterrasgeD, Geg^n SiidweBten gesehea.
gang, der in ein zunächst nach Nordost hinabgehendes, ganz von Löss bedecktes
und damit erfülltes Thalchen hinüberführt. Unten am Flusse bei Jei-tien ist die
Schotterterrasse nur noch 10 m hoch und auf beiden Seiten wohl entwickelt.
Während des Aufstieges hat man einen weiten Ueberblick über das Flussthal
oberhalb von Jei-tien und die flach und niedriger gewordene, hohe Kette in
einiger Entfernung vom rechten Ufer, deren Streichungsrichtung von oben zu
Nord 70" West bestimmt werden konnte. Uebrigens ist bis zur Höhe des Passes
von 400 m noch Löss vorhanden, und auf Terrassen desselben liegen in den
Thalkesseln im Hintergrunde der Schluchten hoch oben noch Dörfer.
Vom Passe aus hat man sowohl nach Sud und Südwest, wie nach Norden
und Nordost sehr umfassende Aussichten. Man bemerkt in allen Richtungen
parallele, annähernd gleich hohe, fast wellige Höhenzüge ohne besonders her-
vorragende Gipfel oder Bergmassive mit steilen Abhängen zu den tief ein-
^ 450 -
geschnittenen Längsthälern ; im Süden sind die mittleren Höhen der Kammlinie
etwa 5CX) m hoch und verlaufen annähernd in der Richtung Westnordwest; im
Norden und Nordosten dagegen sind sie um et\%'a loo m niedriger und da er-
hebt sich auch eine hohe, langgezogene Bergkuppe über das allgemeine, mittlere
Niveau von 400 m; ihr Verlauf ist von hier gesehen in Nord 70® West.
Der Abstieg vom Passe geht steil an Lehmgehängen hinab und auch der
weitere Verlauf des Thaies bietet nichts anderes als gelegentliche Entblössungen
von Konglomeraten, die an einer Klippe, kurz ehe der Weg das Thal verlässt,
in Nord 70® West streichen und 20^ nördlich einfallen. Einige Dörfer mit Stroh-
dächern liegen am Ausgange kleiner Seitenthälchen mit Lössterrassen, und der
Thalboden ist vielfach mit dichtem Buschwerke bestanden; die Thalseiten sind
nur 200 — 250 m hoch und tragen bis oben hin Ackerland auf den Terrassen.
Die Dörfer sind vielfach ganz in die Lösssteilwände hineingebaut, und durch
künstliche Aushöhlungen in dem weichen Materiale sind Wohnungen und Vorrats-
räume geschaffen. Stellenweise sind die Abhänge auch kahl oder nur dürftig
bewachsen. Eine Seltenheit bildet ein kleiner Bestand von Birkenwald an einer
Stelle auf der rechten Thalseite. Nach einer Strecke von etwa 4 km in dem
zuletzt nach Nord und Nordnordwest abbiegenden Thale übersteigt der Weg
die niederen Höhen der rechten Thalseite und geht in nordöstlicher Richtung
in ein ebenfalls mit Löss erfülltes, flaches Thal zwischen nur 200 m hohen Höhen
hinab; in den Seitenschluchten sind hier vielfach die roten Konglomerate in
horizontaler Lagerung unter dem Lösse aufgeschlossen. Unten am Thalausgange
sind sie an 250 m hohen Bergen in grösserer Mächtigkeit und ebenfalls hori-
zontaler Lagerung vorhanden. Das Thal hat unten einen breiten Thalboden
mit einer 15 m hohen Terrasse aus Lehm und Flussschottern ; das unbedeutende
Flüsschen führt rotbraunes, undurchsichtiges Wasser und geht nach etwa drei
Kilometern in ostnordöstlicher Richtung auf eine weite Thalebene hinaus, in
welcher in geringer Entfernung vom Thalausgange die grosse Stadtmauer der
Stadt Kung-thschang fu sichtbar ist.
Die Stadt hat etwa 50- bis 55000 Einwohner und liegt in breitem, sehr
fruchtbarem Thale, das zahlreiche Obst- und Gemüsegärten trägt; ausserdem
werden vielfach Hirse, Mais, Gerste und Weizen angebaut. Unser Quartier lag
jenseits der Stadt in einem Vororte. Die Stadt machte beim Durchreiten einen
sehr schmutzigen Eindruck; das Volk verhielt sich neugierig-zudringlich gegen
die Fremden, und ausser einem grossen Tempel und einigen mit Holzwerk
verzierten Thoren war nichts Bemerkenswertes zu sehen. Auch diese Stadt war
in den letzten Dunganen-Aufständen zerstört worden. Das Abendquartier in
dem kleinen Vororte liess recht viel zu wünschen übrig; wir mussten den einzigen
zum Schlafen benutzbaren Raum mit einigen Maultiertreibern teilen, die ihn
schon vor uns besetzt hatten. Im ganzen schliefen zehn Personen in dem kleinen
Raum von 3 m im Quadrat; man kann also leicht ermessen, in welchem Zustande
sich alsbald die Luft befand.
Dorf und Thal Im L5ss;ebiete no
TAFEL XXXV.
stilch von Kung-thschang fit.
— 451 —
Die grosse Ebene liegt an einem bedeutenderen Flusse, der ganz nahe
am Bergfusse der linken Thalseite fliesst und nach Südosten weitergeht; es ist
der Oberlauf des Wei-ho, der unterhalb und östlich von Si-ngan fu in den
Hoang-ho sich ergiesst. Bei Kung-thschang fu fliesst er in einem breiten, von
Flussschotter und Sand gebildeten Bette als etwa lom breiter und o,S m tiefer,
braunes Wasser führender Fluss. Nach Südosten, seinem breiten Thale quer
vorgelagert, sind die hohen Berge des westlichen Thsin-ling-schan, die noch
Schneebedeckung tragen, als lange Bergkette mit westnordwestlicher Richtung
sichtbar. An den Thalgehängen zu beiden Seiten sind bis ganz hinauf Löss-
terrassen und auf den rechten Thalseiten in den Thaleinschnitten rote Quetae-
Schichten. Auf der Nordostseite des Thaies geht der Weg steil durch eine enge
und tiefe Lössschlucht in die Höhe; auf einem hoch aufragenden Lössvorsprunge
in derselben steht ein Tempel, und verschiedene, enge Seitenschluchten münden
in die Hauptschlucht ein. Unten, nahe dem Thalboden, haben die steilwandigen
Lehme eine deutliche, fluviatile Schichtung, einzelne Gerolle oder Nester von
solchen sind eingelagert, und auch verschieden gefärbte, dunklere und hellere
Lehmschichten wechseln mit einander ab; in der Nähe des Wassers der Schlucht
sind häufig Salze an den Seitenwänden ausgeblüht.
Weiter oben, nahe der Höhe, ändert sich dieser Charakter der Lehm-
ablagerungen, und es bilden hier typische, echte Lösse mit Landschnecken die
Gehänge und den Hohlweg des Maultierpfades. Die Unterschiede sind sehr
deutlich und charakteristisch: Die Lösse oben sind zunächst heller strohgelb
als die mehr dunkel bräunlich oder rötlich gefärbten Lehme; es fehlt ihnen jede
Spur einer Schichtung oder Lagenstruktur und es finden sich keine Gerolle, weder
einzeln noch in Nestern, dagegen zahlreiche l^andschnecken, die wiederum unten
in den Lehmen gänzlich fehlten. Ferner ist die vertikale Spalten- und Kluft-
bildung, mit welcher auch die Entstehung der als geologische Orgeln bekannten,
cylindrischen, vertikalen Höhlungen und Röhren zusammenhängt, im echten Löss
typischer und häufiger als in den Lehmen, welche mehr einfache, senkrechte
Abstürze zeigen. Von der Höhe aus hat man eine weite Aussicht über ein
flach welliges, ausgedehntes Lössterrassen-Gebiet, das von tiefen, steilwandigen
Schluchten an den Thalgehängen und auf dem breiten, ebenen Thalgrunde durch-
setzt ist. Nichts ist frappanter in dieser typischen Lösslandschaft, als der Gegensatz
zwischen dem sanft abfallenden, terrassierten Gehänge, breiten, flachen Berg-
rücken und ebenen Thalböden und diesen tiefen, wild zerrissenen Schluchten
mit ihren senkrechten Wänden, isolierten, hohen Säulen, Pyramiden und zackigen
Gräten. (Siehe Panoramen auf Tafel XXXV und XXXVI.)
Der Weg fuhrt in nordöstlicher Richtung quer durch ein breites Thälchen,
dessen Querschnitt der einer flachen Wanne wäre, wenn nicht plötzlich in der
Mitte ein tiefer Spalt mit 70 — 80 m hohen senkrechten Wänden klaffend sich
öffnete. Die Wege führen schwierig und steil unter Benutzung von Seiten-
schluchten an den senkrechten Wänden hinab auf den in den Nebenthälern
29*
- 452 —
meist ganz trockenen, schmalen Boden der Schlucht und auf der andern Seite
in derselben Weise wieder hinauf zur Höhe des breiten Thalbodens. Solche
Uebergänge durch Schluchten mit Tiefen bis zu [00 m waren häufig auf unserm
Wege und bildeten immer schwierig zu passierende Stellen, da die Pfade an den
Lösswänden nicht nur sehr abschüssig, schmal und ausgetreten sind, sondern
häufig in schwindelerregender Weise an tiefen, senkrechten Abstürzen hinfuhren,
wo es den Anschein hat, als müsse das weiche Material nachgeben und Ross
wie Reiter in die Tiefe stürzen.
Die oben erwähnte, beistehend abgebildete Schlucht gehört zu einem linken
Ncbenthale eines grösseren, breiten Lössthales (siehe Panorama auf Tafel XXXV).
dem der Weg, nachdem er in die tiefe Schlucht in der Mitte des Thalbodens hinab-
I.ÜBslani tschaft uml 'llvilEchlucbl nonliiEllich von Kudk-IIucIihdi!: lu.
gestiegen ist, in nordöstlicher Richtung zuerst auf dem sandig-lehmigen, ebenen,
aber schmalen Boden der Schlucht, dann auf deren rechtem Steilgehänge auf-
wärts folgt. Die Seitenwände der Schlucht zeigen überall im Lehme, der in 3 — 4 m
mächtigen Bänken abgelagert ist, Schichtung oder Lagen struktur, und bis oben
hin finden sich kleinere, horizontale Einlagerungen von Sanden und feinkörnigen
Schottern. Durch zahlreiche Seitenschluchten und kleinere, vom Thalboden herab-
kommende Wasserrisse sind die Seitenwände der Schlucht aufgelöst in ein
Labyrinth von hohen Lehmsäulen und Pyramiden, getrennt durch tiefe, enge
Spalten und Einschnitte, die mit jedem Schritte andere, abwechslungsvolle Ein-
blicke in das Schluchtengewirr gewähren. Noch imposanter gestaltet sich das
Bild, wenn zwei solcher zerrissener und zerschnittener Schluchten ineinander
münden, und man von oben, wie das an unserm Wege der Fall ist, hinein-
sehen kann. Das Panorama auf Tafel XXXV zeigt das enge Schluchtensystem
- 453 —
mit seinen Pfeilern, Erkern, Säulen und Pyramiden. Darüber, auf dem Thal-
boden, ist ein Dorf in nächster Nähe der Schluchtwände angelegt.
Der Weg geht in Nordost-Richtung quer durch mehrere von Nord und
Nordwest kommende Schluchten von Seitenthälern und an andern Schkicht-
wänden hoch oben hin bis er das ganze Schluchtensystem überschritten hat,
das aus drei solchen tiefen Einrissen auf breiten Thalböden bestehL Am
Boden der Schluchten, von denen nur die Hauptschlucht einen kleinen Bach
führt, finden sich grosse Blöcke schieferiger, harter Gesteine, die man aber
nirgends an den Thalwänden anstehend sieht. Sie werden in dieser steinarmen
Gegend von den Leuten gesucht und zu Mühlsteinen und Strohwalzen, sowie
TypischeB 'JTi.-il im I^issgcbiete nüt lit-fcr Schluchl lu .Icr MUlo. süilwosllith vim 1-kiiiig thsthuiin.
ZU Bauten verwendet. Die breiten Thäler und ihre sanft abfallenden Gehänge sehen
in der beginnenden Winterszeit sehr öde und kahl aus. Ueberall auf den Terrassen
liegt umgepflügtes Ackerland, braune, leere Flächen, auf denen kein Baum, kein
Strauch zu sehen ist, und denen auch jede Grasbedeckung fehlt; nur in der
Nähe der zumeist an Ausgängen von Seitenthälern, hoch über deren Schluchten
gelegenen Dörfer pflegen einige Bäume zu stehen. Der Charakter der Seiten-
thäler ist derselbe wie im Hauptthale: auf dem eine flache Wanne bildenden
Thalboden ist eine tief eingerissene Schlucht im Lehme, die sich nach oben
hin vielfach und radial verzweigt, wobei aber selbst die kleinen Seitenzweige
nicht allmählich flach nach oben auslaufen, sondern sofort im flachen Gehänge als
zehn und mehr Meter tiefe Schluchten mit senkrechten Wänden beginnen. Wir
werden später noch auf diese Eigentümlichkeit der Schluchtenbildung und deren
Entstehung etwas näher einzugehen haben. So weit man dieses weite Thal-
- 454 -
System übersehen kann, ist alles Löss mit Terrassen oder Schluchten; nur
gegen Norden zeigen in einigen Scbluchteinschnitten noch hoch oben an den
300 m hohen Bergen die roten Gehänge, dass unter der mächtigen Lössdecke
hier zunächst auch die Quetae-Bildungen lagern; aber Gesteine der älteren
Formationen und der Schiefer, die sich am Boden der Thalschluchten finden,
sind überall verdeckt und vergraben unter den roten Konglomeraten, dem Lehme
oder dem Lösse.
Es war Mitlag geworden bis die letzte Schlucht gegen die linke Thalwite
hin überwunden war, und es ging nun in Windungen über Lössgehänge und
Festung au( Jera BergkamuiL- nonlöBÜich von Kunu-ihgchang fu, zwischen Tsi-ina-Uiig und Ma-in^.
Terrassen auf die 400 m hohen Bei^e dieser Thalseite an der rechten Seite
einer von oben herabflihrenden Schlucht hinauf, bis mit 2140 m die Höhe er-
reicht war; der Boden der Hauptschlucht im Thale lag in der Höhe von 1690 m
und der breite Thalboden in 1730 m Meereshöhe. Die nun folgende Weg-
strecke war sehr interessant. Es ging auf der Kammhöhe in Nordostrichtung,
im allgemeinen noch etwas ansteigend, über Lössdecke weiter. Zur Rechten
zog parallel mit dem Kamme ein grosses Thal nach Südwesten hinab, das von
der linken Seite, wie auch von dem Kamme des Weges zahlreiche Seitenthäler
erhielt; die Thäler waren alle breit wannenförmig in den Querschnitten und die
Berge erhoben sich bis 350 m hoch über dem Thalboden. Im grossen Thale
sowohl wie in jedem der Seitenthäler waren in der Mitte der Thalböden die
tiefen, nach oben ästig verzweigten, engen Schluchten in schönster und regel-
— 45S —
massigster Weise entwickelt, und an der Hauptschlucht traten an den Ein-
miindungsstellen der Nebenthäler wieder die isolierten, hohen Lehmpfeiler, -Säulen
und -Nadeln in wirren Massen auf, (Siehe das Panorama auf Tafel XXXVl.)
Auf der linken Seite des Weges führte eine Reihe von Thälern von
genau demselben Charakter gegen Nordwesten hinab, und in jedem derselben
befanden sich auf den Lössterrassen über den Schluchten zahlreiche Dörfer
oder einzelne Höfe. Auf den Bei^kämmen zwischen den Thälern sind in
der Nähe der Dörfer auf den hervorragendsten Punkten überall grosse, einen
vierseitigen Raum umschli essende Lehmmauem errichtet, die der Bevölkerung
Gräber bei Jei-tlen. Südwest lieh von KuDg-thschang fu.
in Zeiten der Aufstände und des Krieges als Zufluchtsstätten dienen, wenn
sie die Dörfer zu verlassen gezwungen sind, die ihnen keinen Schutz zu
bieten vermögen. Ueberall sieht man diese befestigten, hohen Funkte auf
den Bergkämmen. Manche von ihnen sind auch nach Art der Ringwalle
angelegt.
Ein Dörfchen mit seiner Lehmbui^ auf der Kammhöhe, etwas über dem
Wege, zeigt die Abbildung auf Seite 454. Der Weg folgt diesem Kamme, der
allmählich die Höhe von 2000 m und mehr erreicht, bis zum Abend und bietet
eine weite Aussicht, besonders gegen Norden und Süden. In letzterer Richtung
dehnt sich ein Bergland mit ost-westlich verlaufenden, etwa 500 m hohen wellig-
ebenen Kammlinien weithin aus. Tiefe Querthäler fehlen und die Langsthäler
liegen zwischen steilen Berg^ehängen. Auch gegen Norden sind nur gleich-
massig hohe Bergzüge von 400 m Höhe, ebenfalls in Ost- West-Richtung ver-
— 456 —
laufend, sichtbar, und auch hier fehlen besonders an Höhe hervorragende
Gipfel, ebenso wie tiefe Einschnitte quer zu den Bergzügen. Der Weg geht
oben auf dem Kamme bald auf der nach Norden und dann wieder auf der
nach Süden fallenden Seite an schneckenreichen Lössgehängen etwa 200 m
über dem Thalboden des grossen parallelen Thaies im Süden dahin. Bis herauf
zum Wege reichen die Aecker und Terrassen. Sogar die schmucklosen, ein-
fachen Grabhügel von kegelförmiger Gestalt und i m Höhe sind noch in der
Nähe von unten im Thale liegenden Dörfern bis in diese Höhe herauf angelegt;
eine eigentümliche Sitte, die Toten hoch oben auf den Bergen zur letzten Ruhe
zu betten. Auch an einzelnen Höfen führt der Weg an seinen höchsten
fO
i
Bauernhof im I^ssgebiete, nordöstlich von Kung-thschang fu.
/ Tenne; 2,3 Misthaufen; 4 Vorräte an Stroh nnd Getreide, 3—4 m hoch aufsrehäuft
und mit Strohdach bedeckt; 5 Stallung; 0, 7 Wohngebäude.
Stellen vorüber, und meist ist da etwas Gebäck oder Brot zum Verkaufe aus-
gestellt. Der Verkehr von Maultierkarawanen und einzelnen Gruppen von
Reitern und Lastenträgern war recht lebhaft.
Das ganze weite Land ist dem Ackerbau dienstbar gemacht; Viehzucht
ist unmöglich und man sieht auch keine Herden, nur gelegentlich sind einige
Schafe oder Schweine bei den Dörfern zu finden. Eier, Milch oder auch nur
frisches Fleisch sind nirgends zu bekommen ; man ist gezwungen, nur von Mehl
und den daraus hergestellten Speisen und Gebacken zu leben.
Die einzelnen Höfe auf den hochgelegenen Terrassen haben meist die aut
obenstehender Abbildung skizzierte Anlage, wobei ein besonders grosser Raum
für die Tenne und die Aufbewahrung des Strohes und des noch nicht aus-
gewalzten Getreides bestimmt ist; die Lehmhütten daneben sind nur sehr klein
und niedrig mit flachen Dächern.
Am Ende des Tagemarsches verliess der Weg die Kammhöhe und ging
in einem nach Norden hinabführenden Lössthale mit tiefer Schlucht hinab zu
~ 457 -
dem Dorfe Tsi-ma-ling, unserm Nachtquartier; am folgenden Tage aber kehrte er
am rechten Gehänge desselben Thaies wieder in südlicher Richtung auf die
Kammhöhe zurück, auf der er wieder in Nordost, etwa zwei Drittel des Tage-
marsches entlang zog. Das Dorf Tsi ma-ling liegt auf der rechten Seite der
Thalschlucht und hat viele zerfallene, verlassene, schlechte Lehmhäuser; die
Herberge war recht primitiv und bestand aus einem kleinen Lehmhause in einem
schmutzigen Hofe, in welchem sich Schweine herumtrieben, die auch des Nachts
durch die schlecht verschliessbare Thür in unsern Schlafraum eindrangen, um
nach Speiseresten zu suchen; da dieser Raum zugleich zum Aufbewahren von
Futtervorräten für die Pferde diente, mussten wir uns auch die Störungen ge-
fallen lassen, welche die zweimal in der Nacht Futter holenden Chinesen ver-
ursachten. So reist man in China!
Am nächsten Tag bot der über die nach Nordosten ziehende Kammhöhe
fortgesetzte Weg dasselbe Landschaftsbild wie am Tage vorher. Zur Rechten
führten Thäler mit tief eingerissenen Schluchten zuerst parallel der Höhe nach
Südwesten und dann in Biegung nach Osten hinaus; links gingen die Thäler,
wie auch das von Tsi-ma-ling, zuerst nach Nordwest und bogen in weiterer Ent-
fernung nach Südwest um. Der Weg lag etwa 150 m über den Thalböden und
hielt sich bald links, bald rechts von den ihn noch um etwa 50 m überragenden,
dem Kamme aufgesetzten Höhen; diese hatten keine Lössterrassen mehr, die nicht
über die Höhe des Weges hinaus angelegt werden, wohl deshalb, weil die hohe
Lage den Feldfrüchten nicht mehr günstig ist; die Gehänge sind auch steiler
und haben Böschungswinkel von 15® bis 18 ^ Lössterrassen finden sich aber
auch an Gehängen mit Neigungen von 15® bis 24®, daran kann es also nicht
liegen, dass da oben keine Aecker mehr sind. Die Vegetation ist nur sehr
dürftig an diesen einfachen, oberen Gehängen und überall sieht zwischen den
Grasbüschen der gelbe Lössboden durch.
Die Thäler zur Rechten sind durch besonders tiefe Schluchten ausge-
zeichnet, darüber kommen bis zu zwei Drittel der Höhe der 250 — 300 m er-
reichenden Berge die Lössterrassen und dann die einfachen, grasbedeckten
Gehänge. Die Abbildung (Tafel XXXVI) zeigt diesen IJebergang der ver-
schiedenen Gehängeformen; in den oberen Teilen sind auch keine Schluchten
mehr, nur noch einfache Wasserrisse. Auch auf der Nordwestseite des Weges
sind in den Thälern die Terrassen seltener; hier zeigen aber die an den Ge-
hängen auftretenden, roten Färbungen, dass die direkt an die Oberfläche tretenden,
nicht von Löss bedeckten Konglomerate und Sandsteine der Quetae-Formation
die Unfruchtbarkeit bedingen und die Anlage von Terrassen verhindern.
Von der letzten Anhöhe auf dem Kamme von 2290 m geht es dann in
ein Thal mit tief eingerissener Lehmschlucht in Nordost hinab, lieber der
20 m tiefen Schlucht in der Mitte des Thaies liegen mehrere Dörfer an Löss-
gehängen mit in die Steilwände eingehöhlten Wohnungen und richtigen Troglo-
dytenlöchern. Die Berghöhe zu beiden Seiten dieses Thaies beträgt nur noch
— 458 -
etwa 250m; aber weiter unten, an seiner Einmündung in ein anderes, grösseres,
aus Westen kommendes Thal, sind auf dessen linkem Ufer Berge bis zu 400 m
mit steilen Gehängen und roten Quetae-Bildungen. Infolge davon sind auch nur
wenige Terrassen auf der linken Thalseitc vorhanden und erst weiter unten bei
Ma-ing werden diese wieder auf beiden Thalseiten gleich häufig. Das Thal ist
bis zu dem einige Kilometer weiter thalabwärts und östlich gelegenen, grösseren
Orte Ma-ing breit und der ursprüngliche Schluchtencharaktcr ist ganz verloren ge-
gangen. Der Fluss liegt in einem breiten Sand- und Lehmbette, dessen Ufer durch
steile Wände von 6 — lo m Höhe gebildet werden. Auf dem linken Ufer liegt
der Ort und die mit hoher Mauer umgebene Festung desselben; auf der
rechten Thalseite sind nur einige wenige Häuser. Irgend etwas Bemerkens-
wertes bietet der Ort, in dem wir leidliches Quartier fanden, nicht.
Am folgenden Tage führte der Weg am grossen Kirchhofe von Ma-ing
vorbei in ein von Norden kommendes Seitcnthal und durch dessen tiefe
Lehmschlucht auf die Höhe der linken Thalseite hinauf immer über Löss-
gehänge. Im Hauptthale, das ostsüdöstlich abwärts geht, sind auf der rechten
Thalseite die Gehänge sehr flach abfallend (Böschungswinkel 3® bis S% so dass
die Aecker fast ohne oder nur mit sehr niederen Terrassen in grossen Ab-
ständen angelegt sind; die Berge zu beiden Seiten des Nebenthaies sind etwa
250 m hoch, auch flach und fast ganz ohne Terrassen, die Schlucht des Thal-
bodens ist aber tief und nach oben stark verzweigt.
Von der Höhe geht es in Ostrichtung hinab in die tiefe Lehmschlucht
eines Thaies aus Nordnordwest, durch diese hindurch und in Nordostrichtung
an der tiefen Lehmschlucht eines andern, zunächst aus Nordosten und weiter
oben aus Norden kommenden Lehmthaies entlang, das sich unterhalb des Weges
mit dem vorher erwähnten Thale vereinigt. Beide zusammen gehen zwischen
terrassierten Bergen hinab in südlicher Richtung und münden in den grösseren
von Ma-ing herabkommenden Fluss, dem wir am Tage vorher eine Strecke weit
gefolgt waren. An den Berggehängen links sind die Anfangsstadien der
Schluchtenbildung im Lehmgehänge sehr schön zu verfolgen, wie sie in der
Abbildung auf der folgenden Seite wieder gegeben sind.
An der Stelle, wo das Thal nach Nord oben umbiegt, wird seine zwischen
15 m hohen Wänden liegende Thalschlucht, deren Boden mit Blöcken eines
schönen, hellen Granites bedeckt ist, überschritten und durch ein Seitenthälchen
in Nordöstrichtung die Höhe der linken Thalseite (2260 m) in steilen Windungen
erstiegen. Im unteren Teile dieses Seitenthälchens liegt ein kleines Dorf, und
oberhalb desselben kommen die Granite anstehend in gerundeten Felskuppen
auf beiden Thalseiten zum Vorschein. Auch im grösseren Thale konnte man
in der Tiefe der Lehmschlucht grosse, gerundete, höckerartige Granitmassen
anstehend bemerken, und von der Höhe der linken Thalseite sieht man, dass
auch weiter oben in dem Thale grosse Granitkuppen aus der Lössdecke im
Thalgrunde herausragen. Das Thal hat in seinem oberen Teile flache Löss-
— 459 ~
gehänge und nur sehr wenig Terrassen. Auf den Höhen ist das Grundgestein,
der Granit, überall durch den mächtigen Löss überdeckt. Im Hauptthale wie
in dem auf die Höhe heraufiiihrenden Nebenthaie ist über dem Granit eine
schmale, rote Zone von Quetae-Bildungen, die hier nur sehr schwach entwickelt
sind, aber doch nicht ganz fehlen.
Ist der untere Teil des Nebenthälchens oberhalb des Dorfes direkt als
Granitthal zu bezeichnen, so sind oben wieder mächtige Lösse, in denen der
Weg zwischen hohen Hohlwänden, in denen vielfach Salzefflorescenzen sich
AiifitD^sUilleii der Schluchtenbllduii); im LösB-Gehfinge. LÖBsbruDoeu,
Ma-iog. norilÖEllich lou Kune-thactiiiDf; fu.
fmden, zum Kamme hinaufführt. Er geht auf diesem, bis zu 2330 m an-
steigend, zuerst nördlich und dann im grossen Bogen nach Osten um die
breiten, halbkreisförmigen, oberen Thalerweiterungen mehrerer Zweige eines
grossen, nach Südsüdost hinabführenden Thaies mit tiefer Lehmschlucht herum.
Auf der Nordseite des Kammes geht ein Thal von gleichem Charakter nach
Nord und weiterhin in Nordost, während noch ein weiteres Schluchtenthal
nach Süden sich mit dem ersten in der Ferne vereinigt und wohl auch noch
zum Thalsysteme des grossen Flusses von Ma-ing gehört.
Weit über diese Thäler und ihre Lössgehänge hinaus, sieht man von der
hier 2330 m hohen Kammhöhe im Süden langes treckte, in Ost- Westrichtung ver-
laufende, etwa 500 m hohe Gebirgszüge von gleichmässigem Charakter der
Kammlinie hinziehen, die ein ausgedehntes Bergland mit ausgesprochenen Längs-
— 4Ö0 —
thälern und ohne tiefer reichende Querschluchten oder sich besonders hervor-
hebende Gipfel bilden; sie dürften Höhen des P*e-Iing-schan sein. — Der
Kamm dehnt sich dann in östlicher Richtung bis zur 2240 m betragenden
Höhe eines Joches mit Lehmhohlweg zwischen einem nach Südsüdost und
weiter unten nach Süden und einem nach Nordnordost gehenden Thale aus.
Beide haben gleichen Charakter mit schon hoch oben, unweit der Sattel-
höhe beginnenden Lehmschluchten und in dem letzteren Thale steigt der
Weg zuerst sehr steil über Lössgehänge hinab. Im weiteren Verlaufe des
Thaies sind auf der linken Seite, besonders weiter unten auch in der Lehm-
schlucht des Thalbodens, anstehende Granitklippen unter der Lössdecke ent-
blösst Auch der Boden der Schlucht ist ganz erfüllt von einem Meer solcher
wild übereinander geworfenen, grossen Granitblöcke. Im Thale ist ganz oben
am Beginn der Schlucht ein Dorf und weiter unten verliert es bald den
Lössschluchtencharakter, da an Bach und Weg grössere Granitkuppen an-
stehen. Es nimmt bald eine ostnordöstliche Richtung an, und die anstehenden
Granitklippen hören auf, während dafiir in kleinen, steilen Wasserrissen der
rechten Thalseitc unter dem Lösse wieder rote Quetae-Schichten zum Vorschein
kommen. Die Berge der beiden Thalseiten sind hier nur noch 200 m hoch
und nur die rechte, südliche Thalseite mit stärkerer Lössbedeckung trägt
Terrassen und Aecker, während links bis an die Oberfläche reichende Quetae-
Schichten steile, einfache, mit dürftiger Grasvegetation bedeckte, unfruchtbare
Abhänge erzeugen.
Weiter unten mündet ein grösseres Thal aus Westen ein, auf dessen
ebenfalls mit Granitblöcken bedecktem Boden der Weg einer 15 m tiefen
Schlucht in fast östlicher Richtung folgt. Am Boden dieser Schlucht, so-
weit die Lehme von der Feuchtigkeit durchdrungen sind, überziehen Salze
die Lehmoberfläche der Steilwände und der herabgestürzten Halden. Der
Thalcharakter ist öde, Bäume wachsen nur in der Nähe der zahlreichen,
aber kleinen Lehmdörfer, und wo kein Acker- und Terrassenland ist, über-
zieht nur sehr dürftige Grasvegetation die Berggehänge; Buschwerk oder
Wald fehlen gänzlich; auf den Höhen sieht man vielfach die vierseitigen Lehm-
festungen in der Nähe der Dörfer. Die Lehmschlucht hat als solche aufgehört,
der Bach fliesst in breitem Sand-, Lehm- und Schotterbette zwischen nur noch
5 m hohen, aus Lehm und Schotter zusammengesetzten Terrassenwänden.
Bald aber ändert sich das wieder; die Berge treten nahe zusammen, und der
Fluss hat in ostnordöstlicher Richtung mit vielfachen Windungen eine tiefe
Felsenschlucht in den Granitstock der Berge eingenagt. Der Weg folgt zuerst
noch eine kurze Strecke weit am steilen Granitgehänge hoch über dem Wasser
in die Felsen eingesprengt dem Thale, ist aber dann durch den gänzlich un-
wegsamen Charakter dieser engen Granitschlucht gezwungen, nach Norden in
sehr steilem, unten aus Granit, oben aus hohen, senkrechten Lehmwänden ge-
bildetem, canonartigen Seitenthale hoch auf die Berge bis 2020 m hinaufzusteigen
— 401 —
und dort, wo die Gehänge wieder weniger steil und schwierig sind und eine
Lössdecke tragen, in ostnordöstlicher Richtung dem Flussthale zu folgen. Von
der Höhe aus übersieht man Schlucht und Flussthal, das bald wieder breiter
wird und in ein anderes grösseres Flussthal, das von Nordwesten kommt und
nach Ostsüdost weitergeht, einmündet. Es ist das der obere Teil des Thaies,
welches bei Fuk'iang hsien von Norden auf den Wei-ho trifft.
Da wo der Fluss noch in kurzen Windungen im engen Felsenbette fliesst,
kommen aus südlicher Richtung zwei kleinere Thälchen zu ihm herab, die aber
nur in ihrem unteren Teile den Charakter von Felsschluchten im Granite haben;
oben sind sie halbkreisförmig erweitert und tragen eine mächtige Lössdecke
mit Terrassen, auf denen zwei Dörfer hoch oben angesiedelt sind. Der Weg
geht oben in der Höhe dem Flussthale entlang, bis er einen lössbedeckten Grat
erreicht, der zwischen dem Thale des Flusses und einem andern von Westen
kommenden Thale nach Nordosten sich allmählich hinabsenkt. Der Weg folgt
dem Grate und erreicht den Boden des von Westen kommenden Thaies kurz
oberhalb der Stelle, wo dieses letztere in das Thal des grossen, aus Nordwest
kommenden Flusses einmündet, in welchen auch der Fluss aus der Granit-
schlucht weiter südlich thalabwärts fliesst. Längs des Kammes und am Ge-
hänge der südlichen Thalseite des von Westen kommenden Thaies sind Löss-
terrassen und oben liegt auch ein Dorf auf der Höhe; auf der nördlichen, linken
Thalseite sind aber steile, einfache Gehänge und an der Thalausmündung stehen
dort auch rote Quetae-Schichten an. Der Thalboden, welcher keine hohe Lehm-
schlucht am Ausgange besitzt, ist bedeckt mit Granitblöcken, ein Beweis, dass
das Thal in seinem oberen Teile in das Granitgebiet reichen muss, das offenbar
unter der Lössdecke verhüllt ein grösseres Areal im Oberlauf der von Westen
und Südwesten kommenden Flüsse einnimmt. Das grosse Nebenthal des Wei-ho
ist fast einen Kilometer breit und nahe seiner linken Thalseite liegt an der
Ausmündung eines grösseren Nebenthaies von Ostnordost der bedeutendere
Ort I-kang thschuan, wo den Lasttieren ein Ruhetag gegönnt wurde.
Der Fluss kommt aus Nordwest und weiter oben aus Westnordwest und
hat hier nur mehr eine niedere Terrasse aus Lehm und feinem Schotter aufge-
schichtet, mit weit auseinander stehenden, nur 5 m hohen Steilwänden, zwischen
welchen er in mäandrischen Windungen verläuft. Thalaufwärts sind auf der linken
Flussseite nur Löss- und Terrassengehänge, rechts aber stehen an steilen Berg-
wänden (bis 55® Neigung!) vielfach die roten Quetae-Schichten zu Tage.
Der Ort I-kang thschuan scheint ein grösserer Marktflecken zu sein; es
herrschte lebhafter Verkehr und in der Hauptstrasse des Ortes waren eine Reihe
grösserer Magazine, in denen u. a. auch japanische Zündhölzchen, deutsche Näh-
nadeln, amerikanische Stoffe und sehr viele einheimische Töpfereiwaren zu
finden waren. Die Bevölkerung zeigte sich den Fremden gegenüber neugierig,
wie überall in China, aber nicht zudringlich frech, und auch das Quartier war
in diesem Orte besser, als an vielen der vorhergegangenen Nachtstationen.
— 462 —
Hier verdient noch eine Ersch^nung^ ermahnt zu werden« die sich gerade
am 6. Dezember in besonderer Schönheit, aber auch schon an andern Tagen
von den Höhen aus gleich nach Sonnenuntergang am Abendhimmel gezeigt
hatte. Die Dämmerung dauerte etwas über eine halbe Stunde, aber gleich bei
Beginn derselben war der westliche Himmel in breiter Zone intensiv gelb
gefärbt und gegen den Horizont hin ging diese Farbe in dunkelorange über;
gleichzeitig war im Osten eine unten \iolette, weiter gegen den Zenith hin
intensiv blaue Färbung vorhanden, die gegen den dunkel erscheinenden Himmel
der Zenithhöhe hin einen schmalen gelblichen Saum hatte. Die Erscheinung
hielt mit abnehmender Deutlichkeit etwa 20 Minuten lang an und bot in ihrem
Beginne ein prächtiges Schauspiel, das aber nur von den Höhen aus mit freier
Umsicht in ganzer Schönheit zu übersehen war. Die Witterung war während
dieser Tage und speziell am 6. Dezember sehr schön. Auf kalte, sternklare
Nächte mit Minima von — 13* C, — I3*25* C, — ii,257* C. folgten klare Tage,
während welcher die Temperatur um i Uhr im Schatten nur — 1,75 * C, am
5. Dezember, — 0,75* C, am 6. Dezember und +3,25'C. am 7. Dezember
betrug. Keine Wolke war am Himmel zu sehen, und die nur schwachen Winde,
welche abends überhaupt aufhörten, kamen von Nordwest. Der Feuchtigkeits-
gehalt der Luft war um die Abendzeit ein relativ geringer. Am 6. Dezember
war in I-kang thschuan abends 7 Uhr die Differenz zwischen dem trockenen und
feuchten Thermometer des Schleuder-Psychrometers nur 1,5* C, die bei einer
Lufttemperatur von o® C. einem relativen Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 72 pCt.
entspricht; am vorhergegangenen wie am folgenden Tage war um dieselbe
Abendzeit die Differenz nur 0,5® C.
Der folgende Marsch am 8. Dezember ging durch das im Osten von
I-kang thschuan gegen Ostnordost hinaufführende Thal, auf dessen Grunde sehr
reiche Busch- und Baumvegetation gedeiht, die aber nicht weit an den Seiten-
gehängen hinaufreicht In den Gebüschen und den grasbewachsenen Abhängen
halten sich viele, schöne Fasanen auf, auch bunte Finken und grosse, gelbe
Vögel beleben das Thal, das sehr wenig bewohnt ist Die Thalseiten zeigen
grosse Verschiedenheiten, die auf der Verteilung der Lössdecke beruhen. Auf
der nördlichen Thalseite ist durch das ganze, lange Thal Löss nur ganz oben
auf den bis 400 m hohen Bergen abgelagert, wo die Gehänge flacher werden
und wo auch Terrassen angelegt sind. In den unteren zwei Dritteln der Berge
sind die Seiten sehr steil, und überall kommen die roten, konglomeratischen
Schichten der bis über 300 m hinaufreichenden Quetae-Formation zum Vorschein,
die auch in den tief eingerissenen Schluchten vielfach in senkrechten Wänden
entblösst sind; die Schichten zeigen hier zumeist schwaches, nördliches Einfallen
und Streichen in Ost- West-Richtung; weiter oben im Thale kommen sie auch in
horizontaler Lagerung vor. Auf der linken, südlichen Thalseite dagegen sind
Lössterrassen bis weit herunter angelegt, die von dort kommenden Seitenthäler
haben tiefe, zerrissene Lössschluchten, in deren Grunde auch vielfach die Quetae-
— 463 —
Bildungen erscheinen. Unter den Gerollen der von Norden kommenden Seiten-
thäler sind grosse Granitblöcke häufig, die nicht aus den kleineren Gerollen
der Quetae-Konglomerate zu stammen scheinen, sondern darauf hindeuten, dass
hier unter den mächtigen Quetae-Schichten Granit ansteht und den Kern des
alten Gebirgsmassives bildet, wie auch im Südwesten von I-kang thschuan.
Das Thal wird weiter oben enger, die steilen, grasbedeckten und stellen-
weise felsigen Gehänge reichen höher hinauf, und im Hintergrunde der engen
Schluchten von Norden sind 450 m hohe Berge sichtbar, die oben einfache
Lössgehänge besitzen; die Quetae-Bildungen reichen in den Schluchten bis über
300 m hinauf. Das Thal verzweigt sich weiter oben; ein Teil kommt aus Nord-
nordwesten, in dem andern geht der Weg in Ostnordost weiter über Lehm und
gelbliche oder grünliche, weiche Mergel und Sande einer Süsswasserablagerung
mit horizontaler Lagerung und zahlreichen Schnecken. Bald zerteilt sich das
Thal von neuem und drei tiefe Schluchten, unten in steilen Quetae-Konglomerat-
felsen, oben mit breiten von Lössterrassen erfüllten Eru'eiterungen, münden
zusammen; der Weg führt in einer grossen Windung durch die am meisten links
liegende, von Nordnordwest herabkommende Schlucht an einem Dorfe hoch
oben im Lössgehänge vorbei, in nordöstlicher Richtung hinauf zu einem 2200 m
hohen Passübergang und in derselben Richtung über Löss auf einem Grate steil
zu einem grossen, von Westen kommenden Thale zwischen 500 m hohen
Bergen hinab, dessen Thalsohle in der Meereshöhe von 1990 m erreicht wird.
Unterwegs fuhren vom Grate mehrere kurze Thälchen in nördlicher Richtung
zu diesem grösseren Thale hinab; auf ihrem breiten, lehmbedeckten Thalboden
sind in der Mitte enge, felsige Schluchten, welche in die von nur geringer
Lehmdecke überzogenen Quetae-Bildungen eingeschnitten sind. Die Gehänge
der südlichen Thalseiten tragen Aecker und Terrassen, die der nördlichen sind
einfach und mit Gras oder niederem Gestrüppe bedeckt.
Der Charakter der Berge des grossen, aus Westen kommenden Thaies
ist ebenfalls auf den beiden Thalseiten ein verschiedener. Im Oberlaufe, soweit
er zu übersehen ist, überwiegen die steilen Gehänge mit vielfachen Entblössun-
gen der roten Schichten an den bis 500 m Höhe erreichenden Bergen; dasselbe
ist auf der linken, nördlichen Thalseite auch weiter thalabwärts der Fall, und
Terrassen befinden sich nur ganz unten am Fusse der Berge. Rechts, auf der
Südseite aber sind nur Lehmterrassen von unten an bis auf die Berge hinauf;
Lehmschluchten münden in das grössere Thal von dieser Seite und kleinere
Dörfer sind in die Lösssteilwände eingebaut. Der Fluss selbst fliesst nach Ost
zwischen 10 m hohen, aus Lehmen und Schotter gebildeten Terrassen wänden,
die ziemlich weit von einander entfernt sind, und der Weg folgt neben dem
braunen Wasser auf dem Thalboden dem Flusse abwärts nach Osten.
Weiter gegen Osten verschwindet diese Thalterrasse allmählich und das
Thalgehänge wird beiderseits von Schieferklippen gebildet, die unter den Resten
einer schwachen Lehm- und Lössbedeckung vom Flus.se freigelegt .sind. Die
— 464 —
auf der rechten 250 — 300 m, auf der linken Thalseite 400 m hoben Berge haben
steile Gehänge gegen das Thal, die besonders links von vielen Schieferklippen
durchsetzt sind, während auf der südlichen, rechten Thalseite über den Schiefer-
klippen noch eine genügend starke Lehmdecke vorhanden ist, um die Anlage
vcfn Terrassen und Ackerbau an den oberen Teilen der Berggehänge zu er-
möglichen. Die schiefrigen Gesteine sind meist stark zersetzte Glimmer- und
Chloritschiefer, die auch knotenschieferartige Lagen enthalten; ihr Streichen geht
nach Westnordwesten und das Einfallen schwach (10^ bis 15^) nach Süden
gerichtet.
Ueberall bisher, wo unter der Decke von Löss, Lehm und Quetae-Schichten
das ältere Gebirge mit geschichteten oder schiefrigen Gesteinen zum Vorschein
kam, zeigte es gleichmässig dieselbe Streichrichtung in Westnordwest bis Ost-
südost, die offenbar das ganze Gebirgsland beherrscht und nur in hohem, nach
Osten steigenden Grade von jenen jüngeren Bildungen überdeckt und ver-
hüllt wird. Aber bis zu dem Dorfe Hong-scha, wo der Marsch des 8. Dezember
sein Ende hatte, blieb der Thalcharakter der Unken Thalseite steiler, einfacher
und frei von Terrassen, während rechts diese letzteren wieder die Gehänge fast
ganz bedeckten. Diese Unterschiede waren im Laufe der letzten Marschtage des
öfteren hervoi^etreten und sie sind auch in diesem Berglande ganz allgemein
vorhanden; sie beruhen auf denselben Ursachen, die schon beim ersten Auftreten
mächtigerer Lössdecken im Thao-Thale oberhalb von Min-tschou erörtert wurden
(Seite 430) und beweisen somit, dass (lir die Lössverteilung und den Löss-
transport hier dieselben Ursachen wirksam gewesen sein müssen, wie weiter
im Westen am Ostabfalle des tibetanischen Hochlandes. Einen Tagemarsch von
Hong-scha erreichte unser Maultierweg die grosse von Si-ngan fu nach Lan-
tschou fu fuhrende Strasse, welche in ihren nordöstlichen und nordwestlichen
Fortsetzungen die grosse Verbindung durch das ganze chinesische Reich von
Kaschgar bis Peking bildet. Der Marsch am 9. Dezember ging auf der linken
Thalseite auf der hohen Flussterrasse am Gebirgsfusse zuerst in südöstlicher,
dann östlicher Richtung vier Stunden lang hinab, bis das Thal bei einem be-
deutenderen Dorfe in ein grösseres, aus Nordwest kommendes Flussthal ein-
mündet. Auf beiden Thalseiten sind viele, elende Dörfer, die zum Teil aus
Wohnungen in den Lösssteilwänden bestehen. Der */> ^^^ breite Thalboden, in
welchem der Fluss in breiter Schlucht zwischen 30 m hohen Steilwänden auf
breitem, lehmig-sandigem, absolut kahlem Grunde fliesst, ist ganz ödes Acker-
land, ohne Baum und Strauch. Die Berge der rechten Thalseite sind nur noch
250 m hoch und haben besonders oben ganz flache Gehänge mit Ackerland
und nur niedere, weit von einander abstehende Terrassen, die auch in die von
der Südseite kommenden, meist mit Löss erfüllten Nebenthäler hineingehen; die
Berge im Hintergrunde dieser letzteren sind bis 400 m hoch und haben oben
einfache Lehmgehänge. Auf der linken Thalseite sind die etwas höheren Beige
ohne Terrassen, und an ihren steilen Gehängen ist nur oben eine schwache Löss-
— 4^5 —
decke, während an den Thalwänden vielfach rote und braunrot gefärbte Thone
auf die Nähe der Quetae-Schichten unter der Oberfläche schliessen lassen. Der
Fluss des Thaies von Hong-scha hat ein ganz kahles, leeres, mehrere hundert
Meter breites Bett aus feinem Sand und Lehm, das sich in mäandrischer
Windung bald der linken, bald der rechten Thalseite nähert; die Wände der
Thalterrasse sind 30 m hoch und an manchen Stellen durch Seitenschluchten
in Säulen und Pyramiden tragende Gräte von geschichteten Lehmen und feinen
Flusskiesen im unteren Teile der Steilwände aufgelöst.
Nachdem auf der linken Thalseite auf lange Strecken hin nur unbedeutende
Schluchten herabgekommen sind, mündet etwa vier Stunden unterhalb von
Hong-scha jenes grössere Nebenthal aus Nordwesten von dieser Seite her ein,
in dessen oberem Teile bis 500 m hohe Berge sichtbar sind. Im Thalboden
ist eine tiefe Schlucht, deren untere Teile in der Nähe des kleinen Flusses
durch weisse Salzausblühungen ausgezeichnet sind; der Weg führt an senk-
rechten Lehmwänden zu dieser Schlucht hinab und wieder auf der andern Seite
hinauf. Die Berge der rechten Thalseite sind hier im unteren Teile des Thaies
etwa 350 m hoch und haben immer noch flache Lössgehänge mit weiten
Terrassen, während links unten steileres Gehänge anhält und Terrassen nur
ganz oben zu finden sind, wo die Lössdecke beginnt; am Steilgehänge in den
dunkeln, rotbraunen, thonig-lehmigen Lagen längs des Weges befinden sich die
Salzüberzüge, die durch Auslaugung der Zersetzungsprodukte im Löss und Aus-
kristallisierung der Salze bei Verdunstung des an die Oberfläche heraustretenden
Wassers entstehen, eine Erscheinung, die in ariden Regionen nicht selten zu sein
pflegt. Das grosse Thal aus Nordnordwest, in welches unser bisher verfolgtes
Thal einmündet, hat ebenfalls eine 20 m tiefe Schlucht im Thalboden zwischen
lehmigen und fein-kiesigen Steilgehängen; die Sohle liegt an der Uebergangs-
stelle des Weges 1700 m hoch und trägt auch viele Salzefflorescenzen.
Der Weg geht nach Durchquerung des breiten Thalbodens, auf welchem
etwas unterhalb auf der Unken Thalseite am zerschluchteten Berggehänge ein
grösserer Ort liegt, an der Seite einer tiefen Lössschlucht, in Hohlwegen und
an tiefen Steilabstürzen in südöstlicher und weiter oben östlicher Richtung
hinauf zur Höhe der linken Thalseite, auf welcher das Sing-po-schan-Gebirge
liegt In die Lehmschlucht münden vor ihrem Ausgange zum grossen Thale
noch zwei andere, ähnlich tiefe und zerissene Schluchten aus Osten und Norden
ein. In allen dreien liegen über den Schluchtenden in den halbkreisförmigen
Thalerweiterungen oben auf der Lössdecke Aecker auf Terrassen und am Wege
auch ein elendes, in die Lössabstürze eingebautes Dörfchen unter der Passhöhe.
In diesen Schluchten, die an ihrem Zusammenflusse, wo dunklere, feuchte
Lehme, am Boden vorhanden sind, auch wieder schöne, weisse Salzefflorescenzen
besitzen, sind alle die Erscheinungen der Schluchtenbildung mit den runden
Einbrüchen am oberen Ende und insbesonders schön die grossen, 4 — 6 m
weiten und tiefen Kesseleinbrüche auf dem Boden der Schluchten zu beobachten,
Futterer, Durch Asien. 30
- 4« -
deren Wände 70— Ro m senkrecht ab;.turzen. Die Losshohlwege am Wege sind
durch Reichtum an Land>chnecken, die auch heute noch an den Gehängen
leben, ausgezeichnet. N'nch ganz oben, direkt unter der Höhe des i960 m
hohen Pa=ses. sind in den Hohlwegen Sal^e auä dem Lösse effloresciert
Von der H'ihe bietet sich eine umfassende Aufsicht auf die im Osten und
gCj^en Nordo-iten sich ausdehnende, vom steil abfallenden Bei^e der Passhöhe
beginnende, kahle Kbene, in deren Mitte die grosse Stadt Tsing-ning-tschöu mit
grosser L'mfassun^jsmauer liegt. Die ganz flache und ebene Thaltläche ist auf
Sfhluihir'Qlijl.liinL; im I,riss-ürh:ins<- l'fi N^.in-ku-(sih''pu. iioiilw<^tluh ron P-inc-Uiuii; fu.
allen Seiten von Bergen umgeben, die mit steilen, rote Färbungen der Quetac-
Formation zeigenden Gehängen gegen die Ebene abfallen; auf der Höhe aber
ist eine starke Lössdecke, die besonders auf der Ost- und Südostseite zahl-
reiche Terrassen und Ackerland besitzt. Nach den nördlichen und westlichen
Seiten hin reichen die steileren Gehänge weiter hinauf und die Terrassen fehlen
oben fast ganz. Die iCbene durchzieht, von Nordosten kommend und im Bogen
nach Süden verlaufend, der I'ei-ho, der nach Südsüdost wieder zwischen enger zu-
sammentretenden Bergen als ein linker Nebenfluss zum oberen Wei-ho fliesst.
Andere grössere Thäler münden auf die Kbene von Tsing-ning-tschöu und senden
ihre Flüsse zum Pei-ho (— Chu sui, Kreitner) aus Nordwest und im Norden von der
grossen Stadt aus Ost; dem ersteren folgt die Strasse nach Lan-tschöu fu. Längs
der Hergabhange sind zahlreiche Dörfer auf der Ebene verstreut. In ihrer Um-
— 46; —
gebung wachsen auch Bäume, die sonst der Ebene fehlen, in deren Mitte in
einiger Entfernung vom Pei-ho-Fluss die Stadt liegt.
Vom Passe des Sing-po-schan führt der Weg steil zuerst über Lehm-
gehänge, dann weiter unten in einer steilwandigen Lehmschlucht, in deren Tiefe
die Quetae-Bildungen zum Vorschein kommen, und zuletzt an dem von ihnen
gebildeten, steilen Gehänge östlich von dieser Schlucht zum Fluss hinab, dessen
Wasserspiegel hier, wo der Weg ihn überschreitet, in der Meereshöhe von
1690 m liegt. Der breite, aber wenig tiefe Fluss mit braungelbem Wasser fliesst an
einer 10 m hohen, aus Lehmen oben und ganz feinen Kieslagen unten ge-
bildeten Steilwand der linken Thalseite entlang, ehe er sich mit dem Pei-ho
vereinigt.
Die Strasse erreicht vom Flusse aus in nordöstlicher Richtung, an vielen
Gräberfeldern vorbeiführend, vom Flusse an in 3 km die Stadt, welche gar
nichts besonderes bietet, ausser dass sie einen grossen Durchgangsverkehr hat.
■
Auf dem weiteren Wege aber, nach Si-ngan fu, der grossen Verkehrsader nach
Lan-tschou fu, herrschte ein sehr lebhafter, auf den kleinen Nebenpfaden im
Gebirge, denen wir von Min-tschou an gefolgt waren, ganz ungewohnter Ver-
kehr. Nicht enden wollende Maultierkarawanen zogen vorbei, Gruppen von
Reitern mit beladenen Lastpferden und zahlreichen Lastenträgern, welche ihre
schweren Bürden an elastisch, biegsamen, langen Stangen auf den Schultern
trugen, begegnete man fortwährend. Die hauptsächlich mitgefiihrten Waren
waren bei den Lastenträgern Früchte und kleinere Pakete mit Industrieartikeln,
Papier, Bändern, Streichhölzern etc., während die grossen Maultierkarawanen
schwere, grosse Ballen von Tuchen, vielfach für Tibet bestimmt, und Baumwolle
transportierten ; auch viele Esel, welche Salz, Holzkohlen und Steinkohlen trugen,
zogen des Weges. Gutes Brennmaterial ist in diesen weiten, nur mit Acker-
land bedeckten Gebieten, wo weder in den Thälern noch auf den Bergen Busch-
Vegetation oder Wald zu finden ist, ein seltener und sehr geschätzter Artikel.
Meist wird mit Stroh geheizt und man sieht die Leute im Winter, wenn das
ganz niedere Gestrüpp und die Stengel der spärlichen, grösseren Pflanzen und
Gräser an den Gehängen abgestorben sind, dieselben mit Stangen flach am
Boden hin abschlagen, und die so gewonnenen, kleinen, dürren Pflanzenteile
mit Besen zu Haufen zusammenkehren, die dann auch als ein allerdings sehr
minderwertiges Brennmaterial Verwendung finden. Es geschah öfter, dass wir
abends zum Kochen kein Holz im Orte bekommen konnten und mit Stroh-
feuer kochen, ja sogar heizen mussten, was wegen des dabei ganz unver-
meidlichen Rauches noch schlimmer war. Der stark die Augen beizende
Rauch machte den Aufenthalt in den kleinen, abzugslosen Räumen zur Qual
und draussen war es an den Dezemberabenden kalt, so dass nichts übrig
blieb, als mit Geduld und Pein zu warten, bis das Feuer wieder ausgegangen
war. In den Dörfern der Lössgebiete findet man vielfach grosse Lager von
Töpferwaren, die «luch auf der Stra.sse häufig neben den von Osten kommen-
30*
— 468 —
den, roh gegossenen Eisenkesseln transportiert werden. Alle Arten von Geschirr,
grosse, bis meterhohe Töpfe, Teller, Krüge, in den mannigfachsten Formen
und Grössen, in einfacher, kunstloser Weise bemalt, werden in den Handel
gebracht
Ebenfalls eine neue Erscheinung sind die auf dem grossen Wege im
Gegensatz zu den kleinen Gebirgspfaden häufigen Bettler, welche bisher nur in
grösseren Städten in bemerkenswerter Menge auftraten. Hier sieht man sie
auch auf der grossen Strasse entlang ziehen in meist erbarmungswürdigstem
Zustande. In dem kalten Ostwinde, der die Tagestemperatur kaum über den
Nullpunkt des Thermometers steigen lässt, ohne Kopfbedeckung, ohne Schuhe
und Strümpfe, ein Bein in einem Stück einer Hose, das andere mit einem
Leinenbande umwickelt, zwischen dem die nackte Haut hindurchscheint, und
den Leib in einen zerfetzten, aus hundert verschiedenen Lappen zusammen-
gesetzten, formlosen Rock gehüllt, dessen Aermel nur bis zum Ellenbogen
reichen; mit einem derben Knotenstock bewaffnet, der sie vor den bissigen
Hunden schützt, ohne jedes Gepäck oder auch nur eine Tasche für Mund-
vorrat, so zieht der Bettler seines Weges, allen Unbilden der Witterung schutzlos
preisgegeben und schlimmer daran, als der Hofhund im Dorfe, der wenigstens
eine Stelle hat, wo er schlafen kann und Schutz gegen Wind und Wetter findet.
In den grossen Städten ist dieses Bettlerelend noch viel häufiger zu sehen als auf
der Strasse, und je weiter man gegen Osten und in die Nähe der Küste kommt,
um so schlimmer wird es damit.
Die Stadt Tsing-ning-tschou bietet keinen Anlass zu einem Aufenthalte und
so wurde am ii. Dezember der Marsch bis zu dem 45 km entfernten Lung-tö
hsien (= Longtyi shien, Kreitner) fortgesetzt auf der grossen Strasse, die hier in
der That den Namen »grosse« Strasse verdient. Gleich vor den Thoren der
Stadt und weiter oben, nachdem sie durch eine Engschlucht hinaufgegangen ist,
wird die über 30 m breite Strasse von Bäumen eingefasst, wie es scheint, einer
Pappelart, welche im Sommer Schatten spenden. Auf der breiten Strassenfläche
sind fünf oder sechs Wagengeleise neben einander eingefahren und werden
abwechselnd von den zahlreichen, meist vierspännigen Lastwagen benutzt.
Ist eine Spur zu sehr ausgefahren, so geht der Wagenverkehr in einer andern
oder fährt ein neues Geleise ein. Nach europäischen Begriffen ist aber der
Zustand der Strasse ein sehr schlechter. Sie führt meist über weichen Lehm-
boden, der bei Regenwetter ganz durchweicht wh-d; es fehlt jeder Unterbau
von Steinen oder jede Beschotterung, und bei schlechtem Wetter, wenn sich die
ganze Strasse in einen tiefen Morast verwandelt hat, bleibt es den Wagenführern
überlassen, zu sehen, wie sie hindurch kommen. Da die Strasse infolge der starken
Abnutzung durch den Verkehr etwas unter dem Niveau der benachbarten
Ackerflächen liegt, bleiben die Regenwasser lange auf derselben stehen und
tragen zur vollständigen und schwer wieder austrocknenden Durchweichung in
hohem Grade bei. Abgesehen davon laufen auch Bewässerungskanäle der
1
— 409 —
Felder gelegentlich über und in die Strasse, so dass es selbst in der heissen
Jahreszeit, wo unerträglicher Staub die Hitze zurückstrahlt, an unter Wasser
stehenden Strecken nicht fehlt; auch wir fanden, obwohl schon lange kein Regen
mehr gefallen war, zahlreiche, durch Löcherbildung und Einweichung für Pferde
wie Wagen gleich schwer passierbare Stellen. Und doch geschieht etwas für
die Strassen! Der Mandarin lässt abgestorbene Bäume wieder ersetzen und
man sieht auf grosse Strecken hin jung angepflanzte Bäumchen; aber es wird
lange dauern, bis wieder eine geschlossene Allee hoher Bäume entstanden ist,
da die Bevölkerung, speziell die Wagenführer und Maultiertreiber, die jungen
Pflanzen nicht schonen und die Stämme rücksichtslos herausreissen oder ab-
schneiden, wenn sie einen Stock oder Brennmaterial brauchen. Fast die Hälfte
der neu angepflanzten Stämmchen ist zerstört, ohne wieder ersetzt zu sein.
Nicht weit hinter Tsing-ning-tschou in nordöstlicher Richtung erreicht der
Weg eine enge Schlucht, in der er auf der rechten Thalseite hoch über
dem im Felsenbette schäumenden Flusse an Felsen von grünlichen und röt-
lichen, harten, quarzitischen Felsen huronisch-cambrischer Schichten der so-
genannten Wutai-Formation hinaufführt. Das Streichen geht in Nord 80® West
und das Fallen ist 35® nach Norden. Auf beiden Thalseiten reicht diese Felsen-
zone, um deren steile Klippen unten der FIuss sich windet, bis zur Höhe
von etwa 100 m am Gehänge hinauf; dann kommt eine nur sehr schwach
entwickelte, rote Konglomeratlage der Quetae-Schichten und darüber eine mit
steilen Gehängen und tiefen Seitenschluchten 1 50 m über das Niveau des Weges,
der an der Grenze von Löss und quarzitischen Gesteinen hinfuhrt, reichende,
mächtige Lössbedeckung. In den geologisch sehr alten Quarziten läuft eine
ausgezeichnete Zerklüftung, die fast den Charakter von Schichtung hat, in Nord-
Süd-Richtung bei steilem, westlichem Einfallen, während an den Steilwänden des
Lösses an der Strasse eine Art von Blockstruktur zu erkennen ist, die nur
in den echten, äolischen Gehängelössen, nie in den zusammengeschwemmten
Thallehmen, vorkommt. Der künstlich am Gehänge entlang geführte Weg geht
in gleicher Höhe über dem Flusse in Windungen, indem er tief in die Seiten-
schluchten einbiegt, etwa 1,5 km in der Schlucht in Ostnordost-Richtung hinauf
und oben am Ende auf den dort beginnenden, sehr breiten Thalboden hinab,
den er in der Höhe von 1700 m erreicht, während der untere Ausgang der
Schlucht etwas über der Höhe von Tsing-ning-tschou mit 1680 m gelegen war.
Der Weg führt in dem langen, sehr wenig Abwechslung bietenden Thale
in ostnordöstlicher Richtung, dann eine Strecke weit rein östlich und am Schlüsse
kurz unterhalb von Lung-tö hsien wieder in ostnordöstlicher Richtung in der Mitte
des Thalbodens hinauf. Rechts sind die Berge bis 200 m hoch und mit Ausnahme
einer kurzen Strecke in der Mitte der Wegstrecke, wo an steileren Gehängen
Quetae-Bildungen bis zu 100 m hoch hinaufreichen, ganz mit Löss überzogen
und mit Terra.ssen bedeckt. Auf der rechten, nördlichen Thalseite dagegen, links
vom Wege, herrschen steile Gehänge mit rotbraunen, thonigen Schichten und
— 470 —
vielfach auftretenden, wci-^scn Salzuberzu^en vor, und Löss mit Terrassen i^t
nur <(anz oben oder unten am Fusse der im unteren Teile des Thaies ncKrh 300 ni
hohen Berjje.
zahlreiche Dürfer sind am Berjjfussc in die Lö>ssten wände ah Erdwohnun-
j;en eingebaut; aber lange Reihen von gähnenden Höhlen mit Einstürzen, die
ganz verlassen sind, zeigen die Vergänglichkeit dieser Wohnstätten. Bessere
Dörfer liegen längs des Weges, und in manchen davon sieht man Häuschen aus
I^hm mit erhöhtem Mittelbau, Tiirmchen an der Seite, einer Art von Veranda
vor dem Hause und skulpluriertcn Ziegeln auf dem Dache, last vilienartige
Spielereien der chinesischen Baukunst. Von der Fiinmiindung eines grösseren
Thaies aus Nordosten an nimmt der Weg und das Thal die östliche Richtung
auf, und von da ab sind auch auf der rechten Thalseite terrassenbedeckte
I^hmgchänge, die gegen Lung-tö hsien hin eine etwa 100 m hohe Hugelvorstufe
bilden, über der ein terrassenbedeckter Abhang allmählich gegen den Fuss der
weiter vom Thale zurückliegenden 300 m hohen Berge mit einfachen, steilen
Lehmgehängen, parallel mit dem Thale, sich hinzieht. Auch hier sind in
den Lehmvorhügcln zahlreiche Höhlendürfer und verlassene Höhlen zu sehen.
Durch die Nebenthalchen von Süden werden ferner hohe, mit Schnee bedeckte
Berge sichtbar, die eine lange, stark gegliederte Kette bilden; die steilen Berg-
wände erscheinen dunkel und tragen keine Lössbedeckung; der Weg nähert
sich dem nach Nordost liegenden Teile dieser Bergkette, die aus Nordost nach
Südwest zu verlaufen scheint und ist bei Lung-tö hsien nicht mehr weit von
derselben entfernt.
Die Stadtmauer dieses Ortes, an der Einmündung eines grösseren Thaies
in das vom Wege benutzte Thal, sieht aus, als ob sich hinter ihr eine grosse
Stadt befinden müsse; im Innern aber ist alles auf eine lange, von West nach
Ost führende Strasse beschränkt Der weite übrige Raum ist leer oder mit
Resten zerstörter Wohngebäude erfüllt ; es macht den Eindruck einer ver-
wüsteten, ehemals bedeutenderen Stadt, die sich nicht wieder erholen kann.
Die Quartiere sind schlecht; man erhält weder Fleisch, Eier Milch, Obst noch
sonstige Speisen; immer nur das unvermeidliche »Mien-fönc, eine Art von Nudeln
oder Makkaroni und Brot. Und doch herrscht auf der Strasse lebhafter Verkehr;
wir begegneten vielen Karawanen, darunter auch solchen von Kamelen. Diese
Tiere sahen hier viel grösser und stattlicher aus, als die schwächlicheren und
kleineren Kamele, welche man in der Gobi zu sehen gewohnt ist; ihre Farbe
ist auch heller. Während der folgenden Tage begegneten wir noch vielen solcher,
oft nach Hunderten von Tieren zählenden Karawanen, die meist des Abends auf-
brechen und bis spät in die Nacht hinein unterwegs sind. Sie waren haupt-
sächlich mit Stoffen und Tuch beladen.
Die Bevölkerung ist hier neugieriger, als dies sonst der Fall zu sein pflegte;
die Leute Hessen ihre Arbeit auf dem Felde liegen und rannten zum Wege,
um den vorüberreitenden Fremden besser zu sehen; sie riefen uns häufig Worte
_ 471 -
zu, die wir nicht verstanden und äusserten auch sonst ihr Vergnügen über den
Anblick der Fremden. In den ohnehin schlechten Quartieren ist die Nachbar-
schaft anderer Gäste und ebenlalls auf der Reise befindUcher Chinesen sehr oft
Tür die Nachtruhe gefahrlich. Gewöhnlich haben sie abends gespielt und dazu
Opium geraucht und geraten dann in der Nacht in bösen Streit, den sie unter
lautestem Schreien auf dem Hofe ausfechten. Ich habe noch nie in einem Lande
so viel Zank, Geschrei und unanständiges Benehmen bei der Abwickelung von
Geschäften oder Erledigung kleiner Meinungsverschiedenheiten erlebt, als in
China. Gerade in der in Lung-tÖ hsien verbrachten Nacht dauerte ein solcher
liinif.inE' in dif Schlucht auf der Oslseite des l.opan-schan beim AufsticKC zum Piissc.
mitten in der Nacht ausgebrochener Skandal geraume Zeit; solche Umstände,
verbunden mit schlechter Verpflegung und miserablem Quartier, muss man auf
den Landwegen des inneren China mit in den Kauf nehmen, ohne die gute
Laune zu verlieren, die sonst für immer dahin wäre.
Vor Lungtö hsien begegneten wir einem sonderbaren Zuge, Ein in lang-
samem Tempo herankommender Reiter streute runde, weisse Papierscheiben und
in grösseren Zwischenräumen ebensolche gelbe auf den Weg; nach einigen
Mi'nuten kamen zwei von Leuten geführte Maultiere, welche auf zwei an ihren
Seiten befestigten, langen Stangen einen der in China üblichen grossen und
reich geschmückten Särge trugen. Irgendwelche andere Begleiter oder Leid-
tragende waren nicht bei dem Transporte der Leiche, vor deren Weg die Papier-
Schnitzel ausgestreut wurden, wohl um die bösen Geister vom Wege zu bannen.
— 472 —
Der folgende, am 1 1 . Dezember zurückgelegte Marsch war in geologischer
und landschaftlicher Hinsicht vielleicht der interessanteste während des ganzen
Weges von Min-tschou bis Si-ngan fu. Er führte über einen hohen Pass der
grossen vielgipfeligen Gebirgskette, die wir schon am Tage vorher immer im
Osten vor uns gesehen hatten, und sodann in Ost- und Südost>Richtung durch
ein Thal zwischen hohen, felsigen Bergen mit enger, malerischer Schlucht am
Ende auf der Ostseite hinab. Trotz des trüben, ungünstigen Wetters, das vom
hohen Passübergang keine klar« Fernsicht bot, war der Tag reich an roman-
tischen, schönen Landschaftsbildern. Von Lung-tö hsien ging der Weg zunächst
in ostnordöstlicher und dann in nordöstlicher Richtung auf der Schotterterrasse
des Thaies weiter hinauf und auf die hohe Bergkette zu, die den Lopan-schan
(Kreitner) im Nordosten mit dem Tai-hin-schan (Kreitner) im Südwesten verbindet.
(Siehe Panorama auf Tafel XXXVII.) Am Thalgehänge links, auf der Nordseite, be-
standen die 300 m hohen Berge ganz aus Quetae-Schichten mit horizontaler Lagerung;
einzelne härtere, gelblich und grünlich gefärbte Bänke hoben sich aus den sonst roten
Sedimenten hervor; auch auf der rechten Wegseite bildeten dieselben Schichten
das Bergland bis zum Fusse der hohen Kette. Geringe Lössdecken längs des
Thaies und des Weges tragen noch Terrassen mit Ackerland und zur rechten
auch ein Lösshöhlendorf; sonst sind die steilen Berggehänge beiderseits des Thaies
und auch in den von der hohen Kette herabkommenden Seitenthälern steil, und
häufig steht das blosse Gestein ohne Vegetation an. Der Weg geht dem Ausgang
eines Thaies aus der hohen Bergkette zu und dann in vielen Windungen und
Einbiegungen in ein von Nord kommendes, steiles Seitenthal der Schlucht auf
den 2610 m hohen Pass, den wir gerade zur Mittagszeit erstiegen hatten. Unter-
wegs setzten zuerst noch grünliche, knollige und an der Oberfläche zerbröckelnde
Mergelkalke des oberen Carbon die steilen Gehänge am Wege zusammen, mit
nach Osten immer steiler werdendem Einfallen, bis sie schliesslich senkrecht
standen und weiter gegen den Pass hin wieder westliche, steile Fallrichtungen
zeigten; oben in zwei Drittel der Höhe schoben sich auch karminrote Bänke von
derselben Beschaffenheit zuerst lagenweise ein, bis sie schliesslich auf der Pass-
höhe und östlich von derselben allein vorherrschten. Der Weg geht trotz der
grossen Windungen sehr steil hinauf, oft in tief eingeschnittenen Hohlwegen in
den harten Mergelkalken. Der Boden war vielfach in für die Pferde gefahrlicher
Weise mit Eis überzogen, das von den Schmelzwassern des Schnees herrührte,
welche in den kalten Nächten am Boden der Hohlwege wieder gefroren. Die
sehr steilen Berggehänge der Schlucht haben nur einen dürftigen Vegetations-
überzug von kleinem Gestrüpp, und die Höhe des Passes, auf dem sich ein
Kloster befindet, wird von den Berggipfeln nur noch um etwa 200 m überrag^.
Man übersieht von oben nach Westen das Bergland, durch welches in den
letzten Tagen die Märsche geführt hatten, und das sich als parallele, gleich-
massig hohe Bergzüge darstellt, ohne besonders hervorragende Gipfel zu
besitzen. Nach Südosten führt eine ebenfalls sehr steilwandige Schlucht hinab
\
Bergkette de» Lopan-wh«'
Nach N'oK
TAFEL XXXVIl.
iberhalb vo
xa gesehen.
— 473 -
zu einem Dorfe und der Weg nimmt ihr linkes Gehänge, um über harte, karminrote
Mergelkalke in zahlreichen Serpentinen zu dem Dorfe hinabzusteigen. Etwa in
halber Höhe unter dem Passe ist am Wege am linken Gehänge ein Hof mit Wirtschaft,
bei welchem die roten Mergelkalke der oberen Steinkohlen-Formation Nord 20®
West streichen und 30** nach Südwest hin einfallen. An den Steilgehängen sind
mächtige Schutthalden der verwitternden und abbröckelnden, roten Mergelkalke,
und in diese Halden hat die Erosion der an den Gehängen hinabfliessenden
Regenwasser tiefe Erosionsschluchten geschaffen mit scharfen Gräten und Kämmen.
Der Abstieg bietet durch Vereisung an abschüssigen und tief eingehöhlten
Stellen womöglich noch grössere Schwierigkeiten als der Anstieg. Erst beim
Dorfe am Fusse der Ostseite wird das Thal breiter und verläuft in Ostnordost-
Richtung zwischen flachen, niederen Hügeln. Der Schluchtausgang an der Brücke
beim Dorfe liegt in der Meereshöhe von 2160 m. Eine Reihe isolierter, bizarr
in Form von Rechtecken, Trapezen oder Kasten ähnlichen Gestalten gebildeter,
über 3000 m hoher Gipfel machen die Kammlinie des Lopan-schan und Tai-
hin-schan von der Ostseite gesehen, sehr abwechslungsreich und auffallend.
Auch auf dieser Seite sind die Gehänge der hohen Berge nicht bewaldet, fast
ganz kahl und sehr steil. Das kleine Thälchen mit dem Wege führt etwa 1 km
unterhalb des Dorfes am Schluchtausgang in Ostnordost-Richtung zu einem
grösseren Flussthal, an dem ein grösserer Ort Oa-ting-ye (Kreitner) der Ein-
mündungssteile gegenüber liegt. Der Weg folgt nun diesem grösseren Thale
auf seiner linken Seite in Südost- und später östlicher Richtung nach abwärts.
Das Thal geht in vielfachen Windungen um steile Felsenklippen zwischen 4CXD m
hohen, schroff abfallenden Bergen hinab und erhält eine Reihe von kleineren
Nebenflüsschen von beiden Seiten, in deren Hintergrunde noch höhere, steil-
wandige Berge sichtbar werden. Am Wege, der schöne, malerische Ausblicke
eröffnet, stehen vielfach Felsklippen an, die oben im engen Thale aus grauen
und dunkeln, harten Kalkmergeln mit westnordwestlichem Streichen bestehen.
Bei einer erneuten Biegung des Thaies aus der Ost-Richtung in solche nach
Südost, wo ein Felsenthal aus Nordnordosten von über 600 m hohen, spitz-
gipfeligen Bergen herab kommt, verengt sich das Thal zur Felsenschlucht, deren
senkrechte Wände über 100 m hoch über den wild schäumenden und über
Felsblöcke dahinstürzenden Fluss sich erheben. Busch und Wald in den
steilen Felsengehängen über den engen Schluchten machen das Landschaftsbild
zu einem hochromantischen, dem auch Tempel auf steiler Klippe und einige
Heiligenstatuen in Felsnischen am Schluchtausgange nicht fehlen. (Siehe die
Textfigur auf Seite 471). Der Weg ist nur durch künstliches Einsprengen in die
Felswände längs dem Flusse entlang gefuhrt und geht etwa 30 Minuten in so enger
Felsenschlucht, dass nur ein schmaler Streifen vom Firmamente sichtbar bleibt,
und den Sonnenstrahlen ausser am frühen Morgen jeder Eintritt in die Tiefe der
Schlucht versagt bleibt. Ein eisig kalter Wind durchzog sie, als wir schon
gegen Abend hindurchritten, und überall waren noch Reste von Schnee und
— 474 —
Eiszapfen vorhanden. Es muss ein tiefer Zug von Religiosität in dem Volke ge-
wohnt haben, das seine Tempel an solchen von der Natur bevorzugten Stellen,
die dem Menschen die Macht überirdischer Kräfte zum unmittelbaren Bewusstsein
bringen, errichtete. Es scheint aber, dass diese Religiosität sehr im Rückgang be-
griffen ist, denn vielfach zerfallen die Tempel, die Figuren der Heiligen sind umge-
stürzt, und nichts geschieht, um sie wieder in Stand zu setzen. Das kann man
ganz allgemein auch in und bei den Dörfern beobachten. Vielleicht hängt aber
diese auffallende Vernachlässigung der in früheren Zeiten errichteten Heilig-
tümer mit der zunehmenden Verarmung des Volkes zusammen, von der mir
ein seit langen Jahren chinesische Zustände genau verfolgender Missionar, Herr
Törnwall in P*ing-liang fu, erzählte und zahlreiche Beispiele anführte.
Von dem Schluchtausgange, in 1620 m Meereshöhe, ist es nur noch etwa
3 km in Ost-Richtung am Flusse in l km breitem Thale hinab bis Hao-lien*), einem
grösseren Dorfe und unserm Abendquartier. Auf dieser letzten Strecke sind die
Berggehänge der rechten Thalseite noch etwa 300 m hoch mit Buschwald über-
zogen, aus welchem man ab und zu die roten, knolligen Mergelkalke hervortreten
sieht. Die linke Thalseite besteht auch zuerst aus solchen roten Mergelkalken,
denen aber an einer Verwerfung plötzlich hell grünliche, in dünnen Bänken
geschichtete Sedimente angelagert sind, die mit stellenweise geringer Lössbe-
deckung auf der Bergeshöhe von 350 m bis weit unter Hao-tien anhalten. Links
ist das Gehänge gegen den Fluss herab steil, meist ganz kahl und von Gestein-
schutt gebildet Der Fluss fliesst in breitem Bette, auf dessen 5 m hoher Thal-
terrasse Hao-tien liegt; die Steilwände dieser Terrasse bestehen ganz vorwiegend
aus eckigen Bruchstücken und Scherben der Mergelkalke. In einzelnen Lagen mit
gröberen Gerollen sind Sandsteine, härtere Mergelkalke und seltener die blau-
schwarzen, dichten, massigen Kalke zu finden.
Die Unterkunftsverhältnisse waren auch in Hao-tien nicht gut; ein kleiner
Raum bot kaum den nötigen Platz, um zwei Betten zurechtmachen zu können,
die aus den Angeln gerissene Holzthür konnte nur angelehnt, nicht richtig
geschlossen werden, und die Papierverklebung des Fenstergitters war in Fetzen
zerrissen; wir schliefen so gut wie im Freien in der Nacht zum 12. Dezember,
in welcher die Temperatur auf — 1 5® C. sank. Auch auf dieser, zu beiden Seiten
des Passes sehr schwierigen Wegstrecke, herrschte lebhafter Verkehr; ich zählte
an Kamelen der Karawanen allein über 800 Stück, und ihre Zahl dürfte iocx>
übertroffen haben; sie transportierten hauptsächlich Stoffe von der Küste und
Eisenwaren. Daneben sah man zahlreiche Maultier- Karawanen und Lasten-
träger. Die wenigen Dörfer, durch welche der Weg im Laufe des Tages
führte, machten einen sehr armseligen Eindruck; an der Strasse war gewöhn-
lich nur Brot und Thee, ausser einigen in Fett getauchten Gebacken, zu haben.
*) Die hier und weiterhin bis Si>n^an fu gebrauchten Ortsnamen, die noch nicht auf andern
KiU'ten enthalten sind, verdanke ich Herrn Rev. Törnwall, der sie durch Befraf^en unserer chinesischen
Diener genau feststellte. Hao-tien ist wahrscheinlich nach Dr. Himly = Wa-thing yi.
- 475 —
Ucr Weg von hier nach r'ing-liang fu kann am Wathing-ho (== Oa-ling-ho,
Krcitner) hinab in einem Tagemarsch zurückgelegt werden; die Expedition ver-
wendete aber zwei Tage darauf, da die Tagemärsche der vorangegangenen Tage
sehr lang und ermüdend gewesen waren; es wurde in einem etwa in der Mitte
zwischen Haotien und der grossen Stadt P'ing-liang fu gelegenen Dorf am Abend
des 12. Dezember Halt gemacht und jene Stadt erst um Mittag des 13. De-
zember erreicht. Von Hao-tlen geht der Weg auf der Flussterrasse der rechten
Thalseite hinab; der Buschwatd der steilen Bei^gehänge rechts reicht mehrfach
in Seitenthälern bis an den Weg heran und bildet den Aufenthaltsort zahlreicher
Dorf am T.ÜBSg;cliäDce, oberhall) vou f-inji-liaiiR fu,
schöner Fasanen. Die vielfach zu Tage tretenden Felsklippen bestehen aus
grünen Mergelkalken. Auf der linken Thalseite sind die Berge 300 m hoch
und haben am steilen Thalgehänge grosse Flächen von kahlem Gehängesehutt
der grünen Mergelkalke, zwischen welche man auch mächtige, rote Lagen einge-
schaltet sehen kann. Das Thal verläuft in östlicher Richtung, und im Hinter-
grunde seiner von Norden kommenden Seitenthäler erscheinen höhere Berge.
Der Weg geht auf eine kurze Strecke auf die linke Flussseite hinüber,
und von da ab werden auf beiden Thalseiten die Höhen niedriger. Links be-
ginnt eine stärkere Lössbedeckung der Berge und ihrer Gehänge, an deren
Fusse Höhlenwohnungen und Dörfer in fast ununterbrochener Reihe am unteren
Thalgehänge bis P'ing-liang fu hin überall angelegt sind, teils noch bewohnt,
teils verlassen. Rechts hält noch das steilere Gehänge mit Buschwald an, und
— 476 —
auch grüne und rote Mergelkalke, unterlagert von 30 m starken, massigen Kalken,
sind noch anstehend. Bald aber beginnt auch hier der Löss mächtiger aufzutreten
und bildet am Wege auf der Schotterterrasse des Flusses über 80 m hohe Steilwände,
in welche Dörfer, darunter auch unsere Abendstation, Ngan-ku-tschou eingebaut
sind; die Lössterrassen-Berge der linken Thalseite sind nur noch 150 m hoch,
während auf der rechten Seite in weiterer Entfernung vom Thale hinter der
breiten Lössstufe, die bis 150 m hoch an dem Bergfusse hinaufreicht, im
Hintergrunde von Seitenthälern noch über 400 m hohe Berge sichtbar sind.
In der Fortsetzung des Weges von hier nach P'ing-liang fu in südöstlicher
Richtung ändern sich die Verhältnisse auf beiden Thalseiten nicht wesent-
lich. Auf dem 1,25 km breiten Thalboden, der nur noch eine rudimentäre,
niedere Flussterrasse besitzt, ist nur Ackerland, kein Strauch, kein Wald.
Bäume sind nur spärlich bei den Ortschaften am Ausgange von Seitenthälern
zu sehen. Beiderseits an den Berggehängen ist typische Lössterrassenlandschaft
mit schöner Schluchtenbildung auf der nördlichen Seite, wo weiter unten am
Thalausgange steilere Gehänge ohne Terrassen und nur am Fusse noch mäch-
tige Lösse mit Höhlendörfern vorhanden sind. Am Ausgange des Thaies gegen
das grosse Thal des King-ho, 2 Kilometer oberhalb von P'ing-liang fu, liegt auf
der rechten Seite des Thaies ein kleiner Tempel und auf der vordersten Berg-
höhe gegen das King-ho Thal hin ein Wegesignal auf nur noch 100 m
hohen, ganz von Lössterrassen bedeckten Höhen, während auf der linken Seite
noch 250 m hohe Berge die Thalgehänge bilden. Das grosse, 3 — 4 Kilometer
breite Thal des King-ho kommt aus westlicher Richtung und hat auf seiner rechten
Seite ganz flach ansteigende Lehmhöhen; etwa 5 Kilometer weiter oberhalb tritt
das Thal aus enger Felsenschlucht der hohen Gebirgskette des Tai-hin-schan,
der waldbewachsene, steile Abhänge und schöne, spitze Gipfel zwischen tiefen
Thaleinschnitten hat. Der Verlauf dieser malerischen, hohen Gebirgskette ist
nach Südosten gerichtet Nach Beschreibung des Rev. Missionär Törnwall in
P*ing-Iiang fu, sollen in der hohen Gebirgskette im Westen der Stadt vielfach
landschaftlich sehr schöne Wälder mit Tannen, Fichten, Zedern, Birken und
Eichen, grossartigen Felspartien und tiefen, engen Thalschluchten vorkommen,
auch seien die schön gelegenen Punkte mit vielen Tempeln geschmückt. Die
geologische Zusammensetzung scheint nach den im Flussbette des King* ho
verbreitetsten Gerollen hauptsächlich aus Konglomeraten und Breccien, roten,
grauen und braunen Sandsteinen und harten, dunkeln Kalken gebildet zu
werden, während Granit oder andere massige Gesteine unter den FlussgeröUen
vollständig fehlen.
Das Thal des King-ho geht von der auf seinem rechten Ufer gelegenen
Stadt P*ing-liang fu zwischen niedriger werdenden Bergen der beiden Thalseiten
in Ostsüdost-Richtung weiter und mündet, zuletzt in Südost Richtung verlaufend,
nördlich von Si-ngan fu in den Wei-ho. Wie alle grösseren chinesischen Flüsse
hat er in verschiedenen Teilen seines Laufes verschiedene Namen. Oberhalb
— 477 —
von P*ing-liang fu, wo der schwächere Wa-thing-ho in ihn mündet, heisst der
Fluss Ning-ho; unterhalb dieser Stadt giebt Kreitner den Namen Ting-ho an bis
Pin-tschou, und oberhalb seiner Einmündung in den Wei-ho heisst er Tsin-ho.
Die Missionare in P*ing-liang fu bezeichneten aber den Fluss in seiner ganzen
Erstreckung unterhalb dieser Stadt als King-ho nach der an ihm gelegenen
grösseren Stadt King-tschöu, was auch Dr. Himly bestätigt.
Der Weg überschreitet nordwestlich von von P*ing-liang fu den breiten,
aber seichten King-ho auf einer primitiven Brücke und steigt auf dem rechten
Ufer über Lehmgehänge noch etwas zur Stadt an, die von einer sehr langen
Mauer umfasst wird. Innerhalb der Mauer zeigt sich aber ein trauriges Bild
der Zerstörung. Zwei Drittel des von der Stadtmauer eingeschlossenen Raumes
ist mit Trümmern bedeckt. In der grossen und bedeutendsten, von West nach
Ost die Stadt durchziehenden Strasse herrscht nicht das rege Leben wie in den
östlich gelegenen, hauptsächlich von Muhamedanern bewohnten Vorstädten, wo
sich eine dichte Menschenmenge drängt, und Magazine, Werkstätten, Läden
und Wirtsstuben sich in bunter Reihe folgen. Die Zeit der Zerstörung der
Stadt liegt schon 30 Jahre zurück und erfolgte in 'einer der Dunganen- oder
Muhamedaner-Rebellionen, die im Innern Chinas überall so viel Unheil anrichten
und auf Jahrzehnte hinaus ihre Spuren hinterlassen. Die Einwohnerschaft der
Stadt mit den Vorstädten wird jetzt auf 20 000 geschätzt, wovon die Hälfte
Muhamedaner sind. Auch im weiteren Bezirke und Umkreis der Stadt mit
60000 Einwohnern soll das Verhältnis zwischen der Zahl der Muhamedaner
und der andern Konfessionen angehörenden Chinesen dasselbe sein. Der
lebhafte Handel der Stadt zeigte sich schon lange vor derselben durch den
gesteigerten Verkehr auf der grossen Strasse; aber die Unterkunftsverhältni.sse
sind auch in der Stadt schlecht, und in einem grossen Hofe für Maultier-
karawanen konnten wir als Quartier nur einen Raum erhalten, der als Pferde-
stall eingerichtet war, ja wir durften noch froh sein, dass nicht auch diese
Tiere, wie schon an andern Orten, zu den Mitbewohnern gehörten. Von selten
der Bevölkerung kamen keine Belästigungen vor, selbst im Hofe unseres Unter-
kunftshauses waren der Neugierigen nicht zu viQle. In dieser Stadt fiel uns
zum ersten Male die grosse Zahl der Bettler auf, aber auch sie zeigten noch nicht
die Zudringlichkeit, welche weiter im Osten und in den Küstenstädten Fremde
und Reisende so sehr belästigt. Das Aussehen dieser Aermsten der Armen
ist immer über alle europäischen Begriffe traurig; viele sind noch dazu mit
abstossenden Krankheitserscheinungen behaftet. Von erwähnenswerten Bau-
werken bietet die Stadt nur eine hohe, achtstöckige Pagode, deren Wände mit
farbigen Ziegeln geschmückt sind, und die am Ostende der Vorstädte liegt.
Unseres Bleibens war hier nicht lange, schon am 15. Dezember wurde der Weiter-
marsch nach Si-ngan fu angetreten.
Der Weg geht während zweier langer Marschtage auf der rechten Seite
des King-ho hinab, zumeist in südöstlicher Richtung. Auf der linken Thalseite
- 47« -
sind die Berge noch 300 m hoch, haben steiles, zerschluchtetes Gehänge gegen
das Flussthal und tragen oben, wo sie flacher werden, Lössterrassen ; rechts
ist neben dem Wege eine Lehmstufe und Terrassenlandschaft, die bis zu den
Höhen von 200 m hinaufreicht. Auf der linken Thalseite tritt kein grösseres
Tha! während des ersten, 25 km betragenden Tagemarsches aus, nur kleine
Schluchten kommen an dem thalabwärts immer niedriger werdenden Gehänge
herunter; die Höhen sind oben auch eben und überall im gleichen Niveau,
so dass oben eine l'lateau-Flächc gebildet wird, auf der Dörfer und Bäume zu
sehen sind.
IxiistermHea und I^M-Dörior iiuf der Unken Thnlaeiie des Klng-ho, unrcrliiilb tan P'in);-Iiniig (u.
Das Flussthal ist im Durchschnitt etwa 3 Kilometer breit und der Fluss fliesst
an einer 6 m hohen, aus Geröll und Lehm gebildeten Terrasse auf der linken Ufer-
seite entlang. Die Lehmstufe zur Rechten des Weges, aus der viele kleinere, tief
eingerissene Lehmschluchten und auch einige grössere Thäler austreten, ist etwa
50 m hoch. Sie steigt gegen Süden allmählich an, und etwa '/e Kilometer
vom Wege entfernt sind 150 m hohe, von Lehm und Terrassen bedeckte Berge,
die alle auch plateauartig gleich hoch und oben eben sind. Sie sind etwas
niedriger als die entsprechende Plateaufläche der linken Thalseite,, auf welcher
aber ein Absatz im Gehänge mit horizontaler Fläche dem Plateau der rechten
Seite zu entsprechen scheint Der Bergfuss beiderseits des Thaies ist von zahl-
reichen Dörfern eingefasst, welche zwischen ganzen Wäldern von Bäumen ver-
borgen liegen, während sonst der 3 km breite Thalboden ohne Baum und Strauch
— 479 —
nur einförmiges, im Winter öde daliegendes Ackerland trägt, das mit Korn, Weizen
und Gerste bebaut wird. Der Weg steigt vorübergehend einmal zur Höhe der
rechts gelegenen Lehmstufe hinauf. In dem Einschnitte des hinaufiuhrenden
Hohlweges sind zwischen die Lehmschichten dünne Lager feiner Flussschotter
eingelagert, ein Beweis, dass diese Stufe noch eine Ablagerung des Flusses ist
und noch nicht rein äolische Lösse trägt,, welche erst in grösseren Höhen
auftreten. Auf dem Wege war wieder sehr viel Verkehr, darunter auch Kamel-
karawanen mit sehr viel Lasttieren. ^
Von dem unbedeutenden Dorfe Pai-schuei yi wurde bei herrlichem, klarem
Winter wetter am 16. Dezember der Marsch 30 km weit immer in ostsüdöstlicher
Richtung und ganz gleichbleibendem Thalcharakter bis zur Stadt King-tschou
fortgesetzt. Auf der linken Thalseite fallen besonders die am unteren Lösssteil-
gehänge in ununterbrochener Reihe angelegten Höhlenwohnungen und Höhlen-
dörfer, die aber zum Teil wegen Einsturzes verlassen sind, in die Augen; das
hier fast 3 km breite Thal, bietet denselben öden Anblick kahler Felder, auf
denen hauptsächlich Getreide und Hafer angebaut wird. Der letztere dient
nicht nur den Pferden, sondern auch den Menschen zur Nahrung. Wie schon
von P4ng-liang fu an, so begleitet den Weg auch weiter thalabwärts rechts eine
Lehmstufe, und die höheren Berge liegen weiter vom Thal zurück. Das ganze
Gehänge ist von Ackerland und Terrassen bedeckt. Auf der linken Thalseite
ist die Höhenlage der fortsetzenden, ebenen Plateaus 200 m ; vom Gehänge tragen
die oberen 50 m, die flacher sind, noch Lössterrassen, darunter aber ist steileres
Gehänge mit kleineren Erosionsschluchten. An dem rechts neben dem Wege
gelegenen Steilabfall der Lehmstufe, dem auch auf der linken Thalseite ein
Absatz im Gehänge entspricht, liegen die Dörfer an- und teilweise eingebaut;
auf der Höhe sind Tempel, und der Absturz der Stufe ist vielfach durch
Schluchten in schmale Pfeiler und Vorsprünge zwischen den Dörfern aufgelöst.
Noch weiter unten im Thale reichen links die Terrassen - Gehänge immer
weiter gegen das Thal herab und die Berge sind nur noch 150 m hoch, rechts
bleiben sie entfernter vom Thale noch 150—300 m hoch; das Thal selbst ist
enger geworden und seine Breite beträgt nur noch etwa 1,5 Kilometer. Die
IG m hohe Schotter- und Lehmterrasse am Flusse ist nur auf dem linken Ufer
noch vorhanden, rechts steigt vom Niveau des Wassers das Lehmgehänge ganz
allmählich bis zur Höhe des Weges und des Fusses der rechtsseitigen Löss-
steilwände. Gegen die Stadt King-tschou hin wird der Thalboden noch schmaler,
auf der rechten Thalscite beginnen an steilen Gehängen horizontale, dünne Lagen
bildende Schichten von graugrünen und gelblichen Kalkmergeln und mürben
Sandsteinen, über denen weiter oben am Gehänge Löss liegt.
Da der Fluss hart an die rechte Thalseite, an welcher rote Thone und
Mergel bis zu 20 m Höhe anstehen, herantritt, ist der Weg gezwungen, am
steilen Berggehänge eingesprengt, an Steilwänden von roten und grauen Kalk-
mergelbänken und sandsteinartigen Mergeln, hart über dem Flusse weiterzugehen
— 48o —
bis zur Einmündung des grossen, aus Westsüdwest kommenden Thaies des
Tsing-schuei bei King-tschou. Der Weg steigt an der nach Osten gerichteten
Bergkante zwischen dem King-ho-Thale und dem Tsing-schuei-Thale auf die
breite Thalebene des letzteren hinab und erreicht, über den Fluss setzend, die
auf dem rechten Ufer am Lössgehänge hinaufgebaute Stadt King-tschou. An der
genannten Bergkante ist ein Felsentempel am Wege gelegen mit Heiligen-
Statuen; am Berggehänge, das gegen Süden gerichtet ist, liegt hoch oben
über Lössterrassen ein Dorf. In der Umgebung der Stadt und in dem Thale
des Tsing-schuei spielen mächtige Lehmdecken eine grosse Rolle. Die beiden
letzten Marschtage von P*ing -hang fu wurden bei herrlichem, sonnigem, aber
kaltem Wetter zurückgelegt; dass die Lufttemperatur auch um die Mittagszeit
nicht viel über den Nullpunkt stieg, kommt daher, dass mit grosser Regel-
mässigkeit zwischen lo und 12 Uhr, mitunter auch schon früher, leichte Winde
aus Südosten sich erheben, die empfindlich kalt sind; sie halten bis zum späteren
Nachmittag an; aber der Abend ist wieder windstill, die Nacht klar und kalt.
In King-tschou (1060 m) verlässt der Maultierweg das Thal des King-ho und
steigt durch eine Löss-Schlucht steil hinauf in südsüdöstlicher Richtung auf eine
ganz aus mächtigem Löss gebildete, von engen und bis 300 m tiefen Schluchten
durchzogene Hochfläche, die einen ganz besonderen, geographischen Landschafts-
typus darstellen, der bisher noch nirgends auf der ganzen Reise in dieser Art
vorgekommen war. Auf der Höhe der wellig-ebenen, etwa 300 m über dem Niveau
des King-ho bei King-tschou gelegenen Plateaufläche gelit der Weg mit manchen
Ausbiegungen um heraufreichende Schluchtenden, gegen solche Schluchten hin
etwas fallend, dann wieder etwas ansteigend, oft in Hohlwegen, die durch den
starken Verkehr und die Abnutzung des Weges entstanden sein müssen, im
grossen ganzen in ostsüdöstlicher Richtung bis zu dem auf der Höhe des
Plateaus gelegenen Dorfes Jao-tien, dessen Entfernung von King-tschou 25 Kilo-
meter beträgt.
Schon der Aufstieg zur Höhe des Plateaus bietet eine Fülle interessanter
geologischer Erscheinungen, entbehrt aber auch in landschaftlicher Hinsicht nicht
eines hohen Reizes. Zwischen vielen Meter hohen, senkrechten Wänden von
Löss geht der enge Saumpfad, auf dem sich begegnende Wagen nur an be-
stimmten Stellen ausweichen können, steil in die Höhe, von King-tschou aus
zunächst in südsüdöstlicher Richtung, am rechten Gehänge und um die nach
der Ostseite liegenden, vielfach zerzackten Ausläufer einer grossen Schlucht hin,
die von Süden sich westlich der Stadt zum Thal hinaus öfi^net Die Steilwand
des Lösses zur Rechten des Weges, also auf der gegen die Schlucht ge-
richteten Seite, hat viele Unterbrechungen, wo sie durch Absturz in die über
100 m an Tiefe erreichenden, einzelnen Enden von Seitenzweigen der Haupt-
schlucht hinabgesunken ist Nicht ohne Besorgnis passiert man solche Stellen
auf dem schmalen Wege, auf welchem fortwährend begegnende Leute, die
Waren auf Schubkarren transportieren, zu oft schwierigem Ausweichen zwingen.
- 48i -
Mein l'fcrd, das noch aus Tibet stammte, hatte nie solche Schubkarren, die
hier ein Haupttransportmittel bilden und in langen Kolonnen hinter einander
herfahren, gesehen und scheute während der ersten Tage an gefährlichen Stellen
so sehr, dass nichts übrig blieb, als abzusteigen. Selbst dann kostete es noch
Mühe, das erregte Tier an den ihm schreckhaften Karren vorbei zu führen.
Auf halber Höhe des Anstieges zum Plateau war die Aussicht auf das
Schluchtengewirr der vielfach verzweigten Hauptschlucht besonders imposant.
Der Boden der Schlucht ist ein enger, in der trockenen Jahreszeit wasserloser,
oft verstürzter Kanal ohne jede Vegetation. In der Tiefe stehen bis zur Höhe
k:islhaus und Sohubkari Pii-Ttim8()Oil iiuf ilem I.üsspliUCiiii [■fi ThinE-k'ini pu.
von etwa 75 m rote Konglomerate des Obercarbon an und färben die aufwärts
führenden steilen Gehänge rot. Dann beginnen bei 75 m die senkrechten, gelben
Lehm- und Lösswände, deren Höhe 50 bis 70 m ohne jede Unterbrechung betragen
kann. Fast ebenso hohe Lösspfeiler, Orgeln, Säuleu und Pyramiden stehen
überall in der Tiefe auf den langen, schmalen Gräten, welche an dem Zusammen-
fluss zweier benachbarten Schluchten entstehen. Durch den Farbenwechsel der
tieferen Ablagerungen wird der Effekt dieser Abgründe noch erhöht.
Ueber den astartig nach oben in die oft halbkreisförmige, flache, nach
der Mitte konkave, obere Thalerweiterung verzweigten Schluchten, sind überall
Terrassen angelegt und der fruchtbare Lössboden ist mit Aeckern bestellt;
.selbst schwer zugängliche, isoherte Lösspartien sind nutzbar gemacht. Auf dem
flacheren Gehänge über den Schluchten und in nächster Nähe derselben .sind
in die-ser Schlucht bei Kingtschöu Bauernhöfe, in andern ganze Dörfer angelegt
— 4-82 —
und in die Losssteil wände eingebaut. Die untenstehende Abbildung zeigt diese
aufs äusserste getriebene Ausnutzung des Lössgehänges zu Ackerland.
Wälirend des Aufstieges zum Flateau kommt der Weg schon ziemlich
weit oben auf das Gehänge einer andern, ähnlichen Schlucht hinüber, die öst-
hch von King-tschöu das Thal des King-ho erreicht. Hier herrschen genau die-
selben Verhältnisse: Schluchten, welche wie die gespreizten Finger einer Hand
in die obere Thalerweitcrung eingeschnitten sind, oben auf den flacheren Ge-
hängen Terrassen im Löss und in den Schluchtentiefen die roten Ablagerungen.
Der Weg benutzt den zwischen diesen beiden Schluchten gelegenen, nach oben
I.;-.ssl«iiclBchaft mit Terrassen und Schlucht, »U.liistlich vcii Kine-lBch&u.
infolge des näheren Herantretens von Schluchtenendungen der beiden Haupt-
schluchtensysteme immer enger werdenden Grat, um die Höhe des Lössplateaus
zu gewinnen; zuletzt führt er in ostsüdöstlicher Richtung über den Schluchten
der östlicheren der beiden Hauptschluchten zu einem kleinen, am Rande des
Plateaus gelegenen Dörfchen in der Meereshöhe von 1360 m und 300 m über
King-tschöu, das etwa 50 m über dem Niveau des King-ho liegt.
In den zur Höhe liihrenden Lösshohlwegen fanden sich zahlreiche Land-
schnecken in den Löss eingebettet. Salze überzogen vielfach seine Steilwände
am Wege, und auch die als *Lösskindel« bekannten Kalkkonkretionen kamen
in diesen mächtigen, etwa 200 m starken Lössaufhäufungen nicht selten vor.
In besonderer Schönheit waren in den Hohlwegen, an den Steilwänden und
in kleineren Seitenschluchten alle die dem Lösse eigentümlichen geologischen
Erscheinungen, wie die senkrechten Zerklüftungen und Säulenbildungen, die
— 483 —
Absonderung nach horizontalen Bänken von sehr grosser Mächtigkeit und die
Entstehung von Röhren und vertikalen, zylindrischen Hohlräumen, sogenannten
geologischen Oi^eln, zu verfolgen. Von der Höhe aus hat man eine umfassende
Aussicht über die zum Thale des King-ho hinabziehenden Schluchten und das
ausgedehnte Plateau auf seiner linken Thalseite, das denselben Charakter besitzt,
wie die von uns bei diesem Dorfe betretene Hochfläche.
Der Weg macht auf derselben in ostsüdöstlicher Richtung weite Schlangen-
biegungen und führt so um die auf die Höhe und bis an den Weg heran-
reichenden, tiefen Endigungen der Schluchten herum. Diese gehen auf der
nördlichen Seite zum King-ho hinab, während sie sich auf der südlichen in
einer in der Ferne sichtbaren Thaldepression von westöstlicher Richtung ver-
einigen, die ebenfalls zum King-ho fuhrt und von unserem Wege am folgenden
Tage abends bei Thing-k*ou pu als grosses, von Westen kommendes Längsthal
erreicht wird. Auf der Höhe dehnt sich im Winter kahles Ackerland aus; Bäume
sind nur bei den zahlreichen Dörfern, die meist an Schluchtenrändern stehen, sowie
auch in geschlossener Allee längs des Maultierweges zu sehen. Auf der Hoch-
fläche wird Weizen, Hafer und Mais angebaut, und die Dörfer machen keinen
ärmlichen Eindruck; um die Mittagszeit zogen wir durch den grösseren um-
mauerten Ort Or-schi-wu-li pu mit sehr belebtem Markte, auch lagen vielfach
einzelne Höfe am Wege. Manche der Dörfer zeigen Trümmer und andere
Spuren einer gewaltsamen Zerstörung, die wohl auch auf die Dunganen-Aufstände
zurückzufuhren sein dürfte. Gegen Süden sieht man noch mehrere durch west-
östlich gehende Längsthäler getrennte Abschnitte dieser wellig ebenen Löss-
flächen, die, wie es scheint, bis zum Thale des Wei-ho nach Süden reichen.
Da wo die schmalen, engen, gleich sehr tief (50 m und mehr) beginnenden
Schluchtenendigungen an den Weg heranreichen, was bald von der einen, bald
von der andern Seite her der Fall ist, hat der Weg schon des öfteren weiter
nach aufwärts, immer weiter zurück verlegt werden müssen, da sich die
Schluchten infolge der immer wirksamen Kräfte der Erosion in das Löss-
plateau einnagen und den Weg durchschneiden. Neben dem Wege sieht man
mehrere eingefahrene Wegetracen auf der Lössoberfläche, welche heute an den
tiefen Abstürzen des Schluchtönrandes endigen, früher aber dort auf ebener
Fläche durchführten, wie es heute der weiter von der Schlucht entfernte
Weg thut.
Auf der Fläche ziehen ganz schwache Depressionen gegen die Anfänge
der Schluchten hin und die Höhenunterschiede zwischen Rücken und Depression,
die weiterhin zu einer Schlucht führt, betragen noch nicht 30 m. Infolge der
mangelnden Thalbildung fehlt es oben auch an allem fliessenden Wasser und
bei jedem Dorfe sind teichartige Wassertümpel angelegt, welche einen Vorrat
von Wasser enthalten, der selbst in der Sommerzeit auszureichen scheint, wenn
auch die Qualität dieser offenstehenden, häufig verunreinigten Wasser eine sehr
zweifelhafte sein dürfte. Kreitner berichtet, dass Brunnen im Lösse bis zu 60 m
31*
- 484 -
Tiefe angelegt werden, ehe sie Wasser erreichen. In der Nähe der beginnenden
Schluchten waren auch grosse, kesseiförmige Einbrüche zu sehen von erheblicher
Tiefe und einem so grossen Umfange, dass an den abgestürzten Steilwänden
derselben mehrere Wohnungen und Hütten eingebaut werden konnten. Es ist
das dieselbe Erscheinung im Grossen, die oben schon S. 466 in der Nähe von
Erosionsschluchten im Lössgehänge beschrieben wurde und nur durch Aus-
waschungen und Wegführung von Material durch unterirdisch zirkulierende
Wasser entstehen kann. Hier sind die Kessel entsprechend grösser und erreichen
Tiefen von 30 m und mehr. Die konstante Nähe einer Schlucht zeigt, wohin
die unter der Oberfläche fliessenden Wasser von jedenfalls atmosphärischem
Ursprünge ihren Weg genommen haben, und die vertikal im Lösse immer
vorhandene Zerklüftung giebt die Möglichkeit zur Bildung dieser Riesenkessel,
wenn unten im Laufe der Zeit erhebliche Auswaschungen stattfinden. Die
Tiefen der Schluchten sind überall, wie in der Schlucht bei King-tschou, unweg-
same, enge Wasserwege ohne jede Vegetation und ohne breites Bett; erst
gegen den Ausgang hin findet sich zuweilen eine Erweiterung. In den oft
halbkreisförmig oder oval erweiterten Depressionen, in deren Mitte die Schlucht
zu beginnen pflegt, sind mit Vorliebe auf dem terrassierten Gehänge die Dörfer
angesiedelt. Es sind dort künstliche Terrassen und Steilwände angelegt, um
Wohnungen hineinbauen zu können, und die Dörfer steigen so in hohen Stufen
amphitheatralisch auf. In den sanften Gehängen ist deutlich der Ausschnitt
zu erkennen, der durch die Dorfanlage entstanden ist. Gegen Nordosten sieht
man die Depression des King-ho-Thales in immer grösser werdender Entfernung
in östlicher Richtung verlaufen und jenseits derselben die bis an den Horizont
fortsetzenden Plateauflächen. Kein Berg, der sie überragt, keine Erhebungen
am fernen Horizonte; alles flachwellig und eben, von tiefen Furchen in grossen
Zwischenräumen durchzogen: das ist der Charakter dieser Lösshochebenen.
Der Verkehr auf der Strasse war wieder sehr lebhaft; doch fehlten hier
oben die Kamelkarawanen, die wohl andere bequemere, wenn auch weitere
Wege einschlagen müssen, da die Aufstiege an den Lösssteilwänden für Kamele
mit Lasten nicht gangbar sind; dafür sah man aber die grossen Schubkarren
in ausgiebigster Weise für den Transport von Waren der verschiedensten Art
dienstbar gemacht und viele davon waren hoch beladen. Lastwagen, Maultiere und
Reiter belebten neben den zahlreichen Lastenträgern während des ganzen
Weges die sonst öde Fläche, auf der kein Vogel und noch viel weniger ein
Wild zu sehen ist. In der Abendstation des 17. Dezember, Jao-tien, einem
kleinen Dorfe, bestand unser Nachtquartier zum ersten Male aus einer Höhle
in der Lösswand, und der Aufenthalt darin war gar nicht so unangenehm, wie
schon oft in andern Quartieren auf diesem Maultierwege von Min-tschou. Die
Höhle war hoch, hatte eine hölzerne, mit Angeln in kleinen Vertiefungen der
Lösswände bewegbare Thür und über derselben ein grosses Luftloch. Ein
Fenster gab es nicht, obwohl auch Lösshöhlenwohnungen mit solchen aus
— 48s —
Papier nicht selten sind. Aber an der einen Seitenwand war ein tischartiges,
vierseitiges Postament aus der Lösswand herausgearbeitet, und im Hinter-
grunde des für zwei Personen ausreichend grossen Raumes war eine breite und
tiefe, bankartige Erhöhung zur Unterlage Tür die Betten ebenfalls aus dem festen
Löss hergestellt, unten ausgehöhlt und zum Einheizen eingerichtet. Davon
konnte allerdings kein Gebrauch gemacht werden, da es keinen andern Abzug
für den Rauch gab, als durch die Luftöffnung über der Thür. Unter diesen
Umständen war es schon besser, auf Heizung zu verzichten, die ohnehin nur
mit Stroh hätte geschehen können. Uebrigens sind solche Höhlenwohnungen
im Winter verhältnismässig warm, da sie viel mehr Schutz gegen den kalten
WuhpunifPii in r^ggwänilen bei ThinK'-k'ou pu.
Wind bieten als die dünnen Lehmwände der Häuser. Im heissen Sommer
muss es hinwiederum angenehm kühl in diesen Kellerräumen sein, und selbst
in der nassen Jahreszeit leiden die Lösshöhlen nicht an Feuchtigkeit. Die
meisten Dörfer auf dem Plateau bestehen nur aus solchen Höhlenwohnungen
und freistehende Häuser mit Lehmwänden sind in der Minderzahl.
Von Jao-tien ging es noch einen Tagemarsch in O.stsüdost-Richtung auf
dem Plateau, dessen Charakter derselbe bleibt, weiter, und zum Schluss in Süd-
ost-Richtung hinab nach Thing-k'ou pu. Hier mündet ein grosser Fluss aus
Westnordwest, dessen Thaldepression schon aus der Ferne von der Hochfläche
aus sichtbar war, in den King-ho ein, der einen grossen Umweg gegen
Nordost gemacht hat und hier wieder vom Wege erreicht wird. Der Weg auf
der Höhe bietet genau dasselbe Landschaftsbild, wie derjenige des Tags vorher;
das flachwellige Hochplateau der Lössfläche hat nur sehr geringe Höhenunter-
._ 486 —
schiede und ist ganz kahles Ackerland; in der Ferne sieht man die Thaldepression
des King-ho und eine andere im Süden von Nordwesten gegen Osten gehende»
zu der mehrfach auf der rechten Seite des Weges Schluchten hinabführen.
Zur Linken beginnt, bald nachdem man Jao-tien verlassen hat, in einiger
Entfernung vom Wege eine grosse Schlucht, die in Nordost-Richtung zum
King-ho hinausführt; einer ihrer Seitenzweige geht parallel dem Wege nach
Ostsüdost und führt als Depression bis zum King-ho weiter mit einer neuen
Schlucht, die nach Ostsüdost läuft, und deren Wasserscheide gegen das erstge-
nannte Schluchtensystem nach Nordost innerhalb der Depression selbst liegen
muss. Solche tiefgelegenen Wasserscheiden kommen auch am Wege selbst vor,
der dann zwischen steilwandigen Lössabstürzen auf eine dammartige, sehr
schmale Lehmbrücke hinabführt, die zwischen zwei tiefen, nach Süden und
Norden hinabgehenden Schluchten die einzige Möglichkeit zur Uebersch reitung
der Schluchten bietet; aber schon hat die Erosion begonnen, von den Seiten
her die steilen Dammwände zu unterminieren, und es ist schwindelerregend, zu
sehen, wie der Weg auf dem Lösse des oben wieder breiteren Dammes stellen-
weise in der Luft hängt. Der Querschnitt durch die Lehmbrücke ist oft schon
der einer Eisenbahnschiene. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann ein neuer
Abbruch, der Teile des Weges mit in die Tiefe reissen muss, erfolgt, und eine
Frage des persönlichen Peches, wer dann dabei verunglückt. Zur Sicherung
geschieht nichts, und es ist auch hier bei dem Mangel an Bausteinen nicht
möglich, Stützmauern zu bauen. Um aber die Gefahr zu verbergen, sind beider-
seits des Weges auf dem Damme hohe Lehmmauern aufgeführt, welche die
Wahrnehmung der unterhöhlten Stellen verhindern, die man nur sehen kann,
wenn man sich abseits vom Wege befindet. Und doch herrscht auch hier
lebhafter Verkehr. Ganze Karawanen von Maultieren und Schubkarrenschiebern
wechseln mit zahlreichen Reise- und Lastwagen, und für diese letzteren bietet
die beschriebene Stelle besondere Gefahr. In dieser holzarmen Gegend sieht
man zahlreiche Transporte von Steinkohlen und auch Holzkohlen, welch letztere
hoch auf die Schubkarren aufgebaut werden; ausser Früchten, Gewürzen, Gemüsen
und andern Nahrungsmitteln, werden viele Töpfereiwaren nach den Marktplätzen
gefuhrt. Auch an diesem Marschtage lag ein grosser, sehr verkehrsreicher
Marktort etwa in der Mitte des Weges, und an den Steilgehängen einer nach
Nord hinausziehenden, kleineren Seitenschlucht die Stadt Thschang-wu hsien.
(Siehe Tafel XXXVIII.) An der Seitenschlucht zur Linken liegen mehrere
Dörfer in künstlich aus dem flacheren Gehänge über den Schluchten heraus-
gearbeiteten Terrassen und dabei stehen in der Regel auch einige Bäume, die
sonst dem Hochplateau hier fehlen; nur dass längs des Weges überall ganz
junge Bäumchen angepflanzt, vielfach aber ausgerissen oder abgebrochen sind.
In der zweiten Hälfte des Weges senkt sich das Plateau allmählich und
wird durch das von links her wieder näher kommende Thal des King-ho und
rechts durch die schon erwähnte, von West nach Ost gehende, grosse Thal-
TAFEL XXXVIII.
- 48; --
depression und deren Nebenschluchten allmählich in seiner Breite eingeschränkt
und auf einen Lehmrücken reduziert, dessen Oberfläche gegen die Vereinigung
der beiden Thalsysteme immer enger und niedriger wird. Der Weg geht auf
der Mitte dieses Rückens in südöstlicher Richtung allmählich absteigend hinab
bis zu einem kleinen Dorfe in der Höhe von 1080 m, das nahe an der Kante
und dem steilen Abstürze des Bergrückens, gegen die Vereinigungsstelle der
beiden Flüsse liegt. Unterwegs hat man schöne Ausblicke sowohl in das breite
Thal des King-ho links wie nach rechts. Die Höhenränder der Seiten beider
Thäler sind gleich hoch und von der wellig ebenen Oberfläche des Plateaus
reichen die Lössterassen bis fast zur Hälfte der Thalseiten herab ; erst unterhalb
davon beginnt das steilere Gehänge mit vielen Erosionsrissen und ohne Terrassen.
Die Landschaft ist hier einer grossen Reliefkarte ganz ähnlich, deren Höhen-
kurven und Höhenstufen durch Lagen von Holz oder dicker Pappe hergestellt
sind, und bei welchen die Gehänge durch ansteigende Treppenstufen gebildet
werden. An der vorderen, nach Südosten gerichteten Kante des Bergrückens führen
zum King-ho-Thale wie zu dem von Westen kommenden Thale steile Löss-
schluchten hinab und der Weg geht an hohen Lösssteilwänden und am Rande
von senkrechten Abstürzen, an andern Stellen wieder im tief eingefahrenen
Hohlwege steil und in schwindelerregender Weise in die Tiefe hinab. Die
Höhendifferenz vom Beginn der Schlucht bis zum Thalboden hinab beträgt
210 m, die der Weg in vielfachen Windungen und Biegungen überwindet.
In den Steilwänden der verschiedenen kleineren, aber auch noch sehr
tiefen Seitenzweige der Hauptschlucht sind weit unter der Oberfläche und
näher am Boden der Schlucht gelegene, weite, grosse Höhlen oder Kessel im
ganz homogenen Lösse, die ebenso wie schon früher beschriebene Erscheinungen
ähnlicher Art an der Oberfläche (pag. 466 u. 484) und die von einem gewissen
Niveau in der Tiefe beginnende Orgelbildung im Lösse, nur durch Auswaschungen
nach und von unten erklärt werden können. Die mächtige Lössmasse ruht
über horizontal gelagerten, roten, groben Konglomeraten der oberen Kohlen-
formation, die vom Thalboden etwa 50 m weit hinauf an den Bergen steil ab-
fallende Felswände bilden; man sieht sie nicht nur zu beiden Seiten des grossen
Thaies aus Westen, sondern auch am linken Ufer des King-ho in derselben
Höhe überall als die Basis des Lösses. Am unteren Ende der Löss.schlucht
liegt ein kleines Dorf, durch welches man zum Flusse gelangt, der aus Nord-
westen kommt und braungelbes Lehmwasser führt und bei einer Breite von etwa
20 m die grösste Tiefe mit i m besitzt. Auf seinem rechten Ufer, etwa in der
Höhe auf den Konglomeraten, liegt an der Einmündung ins Thal des King-ho
der grössere Ort Thing-k*ou pu. Von hier ab geht der Maultierweg 25 km auf
der rechten Seite des King-ho in südöstlicher Richtung bis zu einer ehemals
grossen, jetzt grösstenteils in Trümmern liegenden Stadt Pin-tschou. Das etwa
2 km breite Flussthal ist mit Ackerland bedeckt. Bäume sind nur in der Nähe
der an dem Fusse der Berggehänge beider ThaLseiten gelegenen, zahlreichen
— 438 —
Dörfer vorhanden. Auf den bis über 250 m hohen, oben flachen Höhen ist
ausgesprochene Lössterrassenlandschaft. Der Weg geht im Thal hinab um eine
Anzahl von felsigen Bergvorsprüngen und durch die dazwischen liegenden flachen
Thalstrecken und bietet mehrfach sehr Interessantes.
Dadurch, dass die unteren Teile der Berggehänge stellenweise bis zu
einer Höhe von über 100 m von Konglomeraten und darüberliegenden Sand-
steinen besonders an den Bergvorsprüngen mit fast senkrechtem Abfalle ge-
bildet werden, und dadurch dass an diesen Stellen der in weiten Windungen
den breiten Thalboden durchströmende Fluss hart an den Bergfuss herankommt,
ist für den Weg mehrfach nur durch künstliche Absprengung und Einschnitte
in die Felswände hoch über dem Flusse Raum zu gewinnen. In den senk-
rechten Felswänden sind hoch oben, wo über den Konglomeraten die weicheren
Sandsteine beginnen, an von aussen her ganz unzugänglichen Stellen zahlreiche
Oeffhungen von Felsenwohnungen, deren Zugänge von irgendwo weiter zurück-
gelegenen Stellen im weichen Sandsteine unterirdisch gefuhrt sein müssen. Auch
auf der linken Thalseite sieht man hoch oben solche Felsenwohnungen, die
offenbar als Zufluchtsstätten in Zeiten der Rebellion und Gefahr dienen, in
ruhigen Zeiten aber verlassen sind. Am dritten Bergvorsprunge unterhalb von
Thing-k*ou pu sind diese Felsenwohnungen vom Wege aus ganz unzugänglich,
und der Weg selbst hat sehr gefährliche Stellen, weil von den steilen Fels-
wänden des stark von Klüften durchsetzten Sandsteines immerfort Abstürze
grosser Felsmassen erfolgen. Erst vor wenigen Tagen waren mehrere Stellen
am Wege verschüttet worden, und Felsblöcke von enormer Grösse waren von
oben herabgestürzt. Auf dem Eise des Flusses lagen ebenfalls zahlreiche
Trümmer, und der Weg war nur unvollständig wieder freigelegt, so dass der
starke Verkehr von Wagen und Rfaultierkarawanen vielfach stockte, und viele
Zeit durch Warten verloren ging. Auf der südlichen Seite dieses grossen
Vorsprunges sind die weichen Sandsteine benutzt, um in den senkrechten
Wänden Tempel anzulegen. Eine grosse Kolossalstatue eines Buddha, die als
die grösste in China gilt, ist in einer Nische aus dem Sandstein heraus-
gemeisselt und mit Gold und Farben überzogen; zwei kleinere, nischenartige
Einhöhlungen bergen je eine auf weissem Pferd und Panther sitzende, ebenfalls
aus dem Fels herausgemeisselte und mit Farben bemalte Götterstatue in etwas
unter Lebensgrösse. Einige Minuten weiter thalabwärts ist dann bei einem
Dorfe ein grosser, reich geschmückter und Verzierter Tempel an die Felswand
angelehnt, die ganz durchbrochen ist von vielen Fensteröffnungen für kleinere
Tempelräume, Nischen mit kleinen Heiligen-Figuren und links von den Tempel-
räumen auch von noch bewohnten Felsenwohnungen. In den Sandstein ge-
meisselte Treppen führen an der Wand hinauf und ganze Galerien sind mit
kleinen Steinfiguren ausgefüllt.
Aber auch in geologischer Hinsicht bieten die Felsen der Bergvorsprünge
vieles Interessante. Zunächst ist in den mächtigen, weichen Sandsteinen über
- 4^9 -
den Konglomeraten und den dünneren, diesen letzteren eingelagerten Sandstein-
bänken eine ausgezeichnete, diskordante Parallelstruktur von seltener Schönheit
überall zu beobachten. Wie in den von reissenden Flüssen angehäuften Sand-
massen oder dem vom Winde zusammengewehten Sande der Dünen an Küsten
und in Wüsten, so wechselt auch in diesen Sandsteinen die feine Schichtung
häuhg ihre Richtung und den Grad ihrer Neigung, setzt plötzlich ab, und oft
werden die Lagen immer dunner bis sie ganz verschwinden und andere mit ver-
änderter Schichtung oder Struktur ihre Stelle einnehmen. Noch schöner sind
die vom Winde in den gröberen Sandsteinen und besonders in den Konglo-
meratbänken erzeugten Höhlungen, die von geringer Grösse bis zu Hohlräumen
TemiH-l in Siiuclstfliid-lseii unti-rhalli v..n 'l'hiiic-k-iiii pu am linken Llcr ilea Kliic-li-i,
von mehreren Metern Durchmesser und Höhe vorkommen, je nach der Mächtig-
keit der Schichten, in denen sie entstanden sind. Diese Wind-Erosionshöhlen
sind um so schöner, je höher oben an den Steilwänden sie auftreten, wo der
Wind viel stärker weht und freieren Zutritt hat, als in der Nähe der Boden-
fläche. Die grössten derselben sind auf der linken Thalseite über den Höhlen-
wohnungen, etwa 7S ■" über dem Flusse.
An den Felswänden und besonders auch in der Nähe des erwähnten
Felsentempels kann man ferner beobachten, dass an den vom Wind erodierten
Felswänden, in welchen Lagen von härterem und weicherem, sowie gröberem
und feinerem Materiale vielfach wechseln, vertikale Säulen mit Verdickungen
und Knoten von ganz oben bis unten hin reichen, wobei die Knoten und Ver-
dickungen an sämtlichen der in Zwischenräumen nebeneinander stehenden,
säulenartigen Vorsprünge immer der horizontalen Schichtung entsprechend in
gleicher Höhe und gleicher Stärke der Ausbildung auftreten. Diese merk-
— 490 —
würdige Erscheinung^, die in obenstehender Abbildung zum Ausdruck kommt,
kann nur durch Erosion entstanden sein, indem die zwischen den Säulen
liegenden Teile des Sandsteins durch die Erosionskräfte vertieft, diese
Säulen dagegen verschont wurden, und zwar so, dass die härteren Schichten
entsprechenden Teile der Säulen weniger, die weicheren Gesteinstellen ent-
sprechenden Teile mehr, die Gesamtheit der Säulen aber weniger als die
zwischenliegenden Vertiefungen von der Erosion bearbeitet wurden. Woher
kommt es aber nun, dass vertikal von oben bis unten quer über ganz
verschieden harte und verschieden widerstandsfähige Schichten Stellen ver-
teilt sein können mit höherem Schutze gegen die erodierenden Kräfte des
Windes, die doch sonst nur in horizontalen Schichten horizontal laufende Ver-
tiefungen und Rinnen in den am wenigsten harten Schichten herzustellen ver-
mögen? In der Beschaflenheit der einzelnen Sandsteinlagen ist kein Grund für
diese Erscheinungen zu finden, sie haben in derselben Schicht, rechts wie links
in den Vertiefungen neben der säulenartigen Hervorragung genau dieselbe Be-
schaffenheit .wie in dieser selbst, und zwar ebenso wohl in den härteren,
gröberen, wie in den weicheren, feineren Schichtlagen; nur in der Stärke der
Hervorragung, der Dicke der Säule liegen die Unterschiede entsprechend der
verschiedenen Härte der Schichtlagen; aber ganz gemeinsam ist allen Schichten,
dass die Stellen geringerer Erosion oder stärkeren Widerstandes gegen die-
selbe sich vertikal untereinander befinden, so dass Säulen entstehen. Allen-
falk könnte an den senkrechten Wänden herabfliessendes Wasser Vertiefungen
und vertikale Rinnen erzeugen zwischen solchen Stellen, an denen kein Wasser
herabkommt, die dann als Hervorragungen und Säulen übrig bleiben würden;
diese Erklärung ist aber hier nicht anwendbar aus folgenden Gründen. —
Die Vertiefungen zwischen den Säulen sind durch den Wind gebildet, nicht
durch Wasser; sie liegen durchaus nicht so untereinander, dass sie kon-
tinuierlichen Wasserrinnen entsprechen könnten, sondern sind gleichmässig an
Tiefe, Formcharakter und Gestaltung in horizontaler Richtung und in jeder
Schicht etwas verschieden an Höhe, Tiefe etc., wie dies nur durch den in
horizontaler Richtung gleichmässig auf eine Schicht von aussen einwirkenden
Wind entstehen kann. Die Hohlräume und Vertiefungen zwischen den Säulen
sind sogar die trockeneren Stellen, da die Feuchtigkeit, welche etwa von oben
herabfliesst, auf den säulenartigen Vorsprüngen hinabgeht, wie klar zu beweisen
ist Ueber den Felswänden liegt überall eine mächtige Lössdecke und die
geringen Abflüsse dieser regenarmen Gebiete haben alle dickes, gelb gefärbtes
Wasser durch die Beimengung der feinen Lössbestandteile. Uebcrall, wo
solches Wasser gelegentlich über Felswände fliesst und dann wieder versiegt,
wie das an jenen Felswänden mit den Säulen der Fall ist, zeigt ein zurückge-
bliebener, mehr oder weniger starker Ueberzug von gelbem Lössmateriale auf
der Felsenoberfläche an, wo das von oben aus dem Lösse kommende Wasser
seinen Weg genommen hat, nach dem Regen selbst, dessen direkt auf die
— 491 —
Felsfläche niederfallende Tröpfchen diese noch von Lössmaterial, das der Wind
herbeigetragen haben könnte, reinigen würden. Man sieht nun von oben an
der Lössdecke beginnende, breitere und schmalere solcher Lehmstreifen auf
den gelegentlich Wasser führenden Stellen vertikal an der Felswand herablaufen.
Die Sandsteine und Konglomerate haben eine intensiv karminrote Färbung und
um so schärfer heben sich jene strohgelben Lehmabsätze von ihrer Unterlage
ab, so dass jeder Zweifel unmöglich wird. Die Verteilung dieser vertikalen,
an dem gelben Lehmabsatz kenntlichen Wasserwege ist nun ganz konstant so,
dass sie vorn über die am meisten hervorragenden Säulenflächen kontinuierlich
von oben bis unten gehen, so weit das Wasser herabfloss. Die Windver-
tiefungen zwischen den Säulen sind dagegen frisch rot und haben nirgends
den Lehmüberzug; sie sehen aus wie frische Wunden, die der Wind in der
Gesteinsoberfläche stets erneuert und vertieft, während die Säulen vorn noch
eine Art von Haut besitzen, die sie schützt: eben diesen gelben Lehmüberzug.
Die oben näher geschilderte charakteristische Verteilung der Lehmüberzüge, ver-
bunden mit der Anordnung der Vertiefungen und dem Charakter der Säulen,
drängt also die Ueberzeugung auf, dass gegenüber der allgemein an der Felsen-
oberfläche vorhandenen Erosion des Windes die durch vertikale Säulen aus-
gezeichneten Stellen eines besonderen Schutzes sich erfreuen, der durch die
Lehmdecke gebildet wird. Die Art der mechanischen Wirkung des Windes,
der hier nur durch mitgeführtes, bewegtes Schleifmaterial von lockersten Sand-
körnchen des Sandsteines selbst erodierend wirken kann, lässt auch vollkommen
diese Erklärung zu. Gegenüber den anprallenden und vorbeistreifenden, vom
Winde getriebenen Sandteilchen stellt eine auch noch so dünne Lehmdecke
ein Polster dar, das den Anprall aufhält und das Abfallen und Verwehen der
lockeren Sandteilchen der Felsoberfläche verhindert. Wenn diese Lehmdecke
auch selbst vom Winde stark angegriffen wird, so erfahrt sie doch immer von
Zeit zu Zeit wieder bei Regen eine Erneuerung, und die unter ihr liegende
Oberfläche wird in bedeutend geringerem Grade den Angriffien des Windes
ausgesetzt sein, als die nicht mit Lehm überzogenen Stellen. Damit ist auch
die vertikale Stellung der Säulen erklärt, sowie ihre Knoten und Verdickungen
in solchen Schichtlagen, wo seitlich von ihnen der Wind nicht so starke
Wirkungen erzeugen konnte, wie in Lagen direkt darüber oder darunter, die
geringere Härte und Kohäsion ihrer einzelnen Teilchen besitzen. Gewiss sind
auch die Säulen der Erosion unterworfen, und diese wird an ihnen ausser vom
Winde auch wohl etwas vom herabfliessenden Wasser ausgeübt, aber der
letztere Faktor ist nur von sehr geringer Bedeutung gegenüber der Thätigkeit
des Windes, und gegen diese stellt der Lehmüberzug einen wirksamen Schutz
dar. Die Erosion der Säulen ist jedenfalls ausserordentlich verlangsamt gegen-
über derjenigen der dazwischen liegenden Stellen. Die interessante Erschei-
nung ist ganz konstant an den Felsenwänden der beiden Thalseiten zu beob-
achten. Offenbar spielt auch die Trockenheit des Klimas bei ihrer Entstehung
— 49^ —
mit, indem durch die seltenen und nur geringen Wassermcngen , die aus
der I>os!»decke über die Felswände hcrabrieseln, wohl die Lehmschutzrinden
gebildet, nicht aber durch Wasser-Erosion Rinnen eingehöhit werden können.
Für die Trockenheit des Klimas sprechen auch die zahlreichen Stellen mit
weissen Salzüberzügen, welche besonders in den oberen, der Lössdecke zu-
nächst liegenden Schichten des Sandsteines die Oberfläche bedecken und auf
der linken Thalseite kontinuierliche Flächen bilden.
Zwischen den Sandsteinvorsprüngen liegen breite Stellen mit ebenem Thal-
boden und weiter weg vom Flusse steigen die Gehänge steil an; es treten viel-
fach wild zerrissene Schluchten auf, an deren Steilwänden und isolierten Pfeilern
man unten zuerst einen rötlichen Thon mit deutlicher horizontaler Schichtung
und darüber erst die gelben, ungeschichteten Lösse mit Terrassen an der Ober-
fläche wahrnehmen kann. An den unteren Schluchtenden sind Dörfer bis hoch
hinauf an und in den steilen Wänden angebaut und meist zi^ischen ganzen
Wäldern von Bäumen versteckt. Bis gegen Pin-tschou hin geht der Weg noch
um mehrere solcher Bergvorsprünge bald in der Höhe am Gehänge, bald unten
auf dem ebenen Thalboden hin, im wesentlichen in südöstlicher Richtung. Die
zuerst über 250 m hohen Berghöhen beiderseits werden allmählich niedriger
und die flachen Gehänge mit Lössterrassen reichen von oben bis zu 75 m über
dem Thalboden herab. Erst unter dieser Höhe ist steileres Gehänge mit kleinen
Schluchten in Sandsteinen oder Konglomeraten. Die Stadtmauer von Pin-tschou
ist sehr ausgedehnt und reicht auf die vordere Kante der niederen Höhen
am rechten Flussufer hinauf; der innere Raum aber ist zu neun Zehnteln
verödet, verwüstet und von Ruinen bedeckt und nur längs der Strasse und in
ihrer Nähe sind noch bewohnte Häuser angebaut. In der Strasse herrschte um
die Mittagszeit lebhafter Verkehr; auch ausserhalb der Stadt war im King-ho-
Thale die Strasse sehr belebt; dagegen nahm er auf der nun folgenden Weg-
strecke bis zum Dorfe Ta-yü ab, obwohl wir auch vielen Reise- und LastA^'agen
begegneten.
Bei Pin-tschou verlässt der Maultierweg das Thal des King-ho von neuem,
geht gleich hinter der Stadt in einem Nebenthälchen nach Südwest etwas in die
Höhe und dann bald in südsüdwestlicher Richtung am rechten Gehänge einer
tiefen und zerrissenen Lössschlucht hinauf zur Höhe des Lössplateaus, in der-
selben Richtung über dieses 10 km weit hin und hinab zu dem Dorfe Ta-yü,
das an einem von Westsüdwest kommenden, dem King-ho zuströmenden
Flüsschen liegt. Der Aufstieg auf das Lössplateau geht zumeist in Hohlwegen
mit hohen, steilen Wänden vor sich; ganz unten, von der Stadt bis zum Schlucht-
eingang, sind die Sandsteine noch vielfach sichtbar, dann kommen aber über ihnen
rötliche Lehme mit einzelnen Lagen von groben Schottern in ihrem unteren
Teile und deutlich erkennbarer horizontaler Schichtung ohne alle Versteine-
rungen. Erst über der Höhe von 940 m erscheinen die echten, hellgelben Lösse
ohne jede Schichtung oder Einlagerung und mit zahlreichen Landschnecken.
— 493 —
In den unteren, geschichteten Lehmen findet man nicht selten in unregel-
mässiger, bankiger Anordnung rundliche Brocken von Kalkkonkretionen, die
aber nicht die Formen der Lösskonkretionen besitzen; im echten Lösse fehlen
sie. Durch tief eingefahrenen Lösshohlweg erreicht der Weg die obere Kante
der Schlucht bei 1090 m. Am Wege selbst sind alle die schon beschriebenen
Erscheinungen im Lösse, wie Orgeln mit Verengerungen und Erweiterungen,
vertikale Zerklüftung und Lehmüberzüge an der Oberfläche der Wände zu
beobachten und zahlreiche Landschnecken zu sammeln. Auf der Plateauhöhe
geht der Weg, zumeist im Lösse eingehöhlt, noch langsam ansteigend in die
Höhe bis zum höchsten Punkte mit 1190 m und senkt sich dann wieder all-
mählich bis zu einem Dorfe am oberen Ende von beginnenden Lössschluchten,
die zum Thale von Ta-yü hinabfuhren.
Unterwegs, noch ehe der höchste Punkt erreicht ist, tritt von Nordost vom
King-ho-Thal und von Nordwest von der Schlucht, an deren rechter Seite der
Weg auf das Plateau gelangte, ein Seitenzweig so dicht an den Weg heran,
dass dieser nur auf einem schmalen Damme zwischen Lehmmauern diese Stelle
überschreiten kann.
Von der Höhe sieht man gegen Süden und Südwesten in weiter Ferne
Gebirgszüge, die um 200 — 300 m die Plateauhöhe übersteigen dürften. Vor
uns in der Verlängerung des Weges ist schon die von Westen kommende, zum
King-ho führende Thaldepression erkennbar, in welcher Ta-yü liegt.
Ein armseliges Dorf bezeichnet das obere Ende einer Lössschlucht, durch
die der Weg zwischen 50 m hohen Lösssteilwänden und tiefen, senkrechten
Abstürzen steil hinabführt. Es liegen mehrere sehr zerschnittene Schluchten
neben einander und der Weg geht bald in eine westlich von der zuerst benutzten
gelegene Schlucht hinüber. Säulenbildung, Orgeln, Kesseleinbrüche, Lehmüber-
züge auf den Steilwänden des Hohlweges sind auch hier ausgezeichnet zu stu-
dieren ; im oberen Teile sind aus dem Lösse an vielen Stellen Salze ausgeblüht,
weiter unten, wo ebenso wie beim Aufstieg zum Plateau rötliche Lehme unter
dem Lösse liegen, treten auch wieder Bänke von kugeligen, kalkigen Konkretionen
auf und die Salze fehlen. Etwas oberhalb des unteren Endes der Lössschlucht
liegt das aus einer lang hingezogenen Reihe von Wohnungen zu beiden Seiten
der Strasse bestehende Dorf Ta-yü im engen Thale. Im Thale selbst ist sowohl
oberhalb wie unterhalb des Ortes Lössterrassen-Landschaft, deren Terrassen bis
zum schmalen Thalboden herabreichen. Der kleine Ort war ganz überfüllt mit
Karawanen von Maultieren und Lastwagen, so dass wir nur mit Mühe eine recht
mangelhafte Unterkunft fanden. Ausser gekochten Nudeln und Brot war an
Lebensmitteln nichts zu erhalten.
Der am folgenden Tage, am 20. Dezember, zurückgelegte Weg führte
zuerst auch wieder hinauf zur Höhe des Plateaus in südlicher Richtung und
dann auf dem Kamme zwischen zwei Thalsystemen in südsüdöstlicher Richtung
ganz allmählich absteigend über weite, wellige Plateauflächen, in denen nur
- 494 —
schwache Depressionen, die auf ihrem Grunde schluchtartige Thäler enthielten,
erkennbar waren. Zunächst bei Ta-yü, in dem grösseren aus WSW kommenden
Thale, war die Lössterrassenlandschaft mit Höhlenwohnungen noch ausgezeichnet
entwickelt. Sowohl oberhalb wie unterhalb des Ortes und am Flusse kommen
graugrüne Sandsteinbänke und darüber Konglomerate in anscheinend horizontaler
Lage zum Vorschein. Im Flussschotter finden sich aber ausser diesen Gesteinen
auch zahlreich Gerolle von rotem Granite, der irgendwo weiter oben im Thale
den Untergrund unter der Lössdecke bilden muss. Der Weg folgt einem aus
Süden herabkommenden Seitenthal in die Höhe; unten stehen auch hier viel-
fach die Sandsteine in mächtigen Bänken an, sowohl am Bache in Klippen und
stellenweise ein Felsenbett bildend, wie auch am Wege, der in die Sandsteine
cingehauen ist. Oberhalb eines Dorfes nimmt das Thal eine westsüdwestliche
Richtung an, und vielfach sind in demselben auf beiden Thalseiten bis weit
hinauf die steilen Gehänge rot gefärbt, während die Lössbedeckung hier schon
sehr zurücktritt. Der Weg verlässt das Thal und geht in einem rechten Seiten-
thale desselben ein kurzes Stück hinauf und dann am linken Gehänge einer
auf der linken Seite dieses Seitenthaies aus Südsüdwest herabkommenden
Schlucht zumeist als Hohlweg zwischen hohen Wänden weiter bis zur Höhe des
Kammes. Ziemlich nahe der Kammhöhe liegt ein kleines Dörfchen, in die röt-
liehen Lehm wände am Wege eingebaut, am steilen Berggehänge, während das
schluchtartige Thal zur Linken weder einen Weg, noch eine Ansiedelung bii^t.
Von einem kleinen, an der Kante der Kammhöhe gelegenen Dorfe geht der
Weg immer noch etwas ansteigend in südlichet Richtung auf der Kammhöhe
zwischen dem Thal im Osten und einem ebenfalls grossen Thale im Westen, das
parallel zum Wege verläuft, entlang. In diesem Thal zur Rechten ist der
Unterschied der beiden Thalseiten hinsichtlich der Verteilung der Lössdecke
sehr auffallend; das linke nördliche Thalgehänge hat nur ganz oben Lössdecke
und dort auch Terrassen, darunter und über drei Viertel der Bergeshöhe von
unten einnehmend, ist einfaches, dürftig mit Gras überkleidetes Lehm- oder
Thongehänge; auf der südlichen Thalseite dagegen reichen Lössdecke und
Terrassen weit hinab.
Der Weg erreicht seine höchste Stelle auf diesem Kamme mit 1410 m und
die höchsten Berggipfel der in der Umgebung liegenden Höhen überragen sie
kaum um mehr als 100 m. Auch die beiden Thäler zur Rechten und Linken
haben hier ihr Ende, und jenseits der Wasserscheide gehen andere Thäler nach
Südost und Südsüdwest hinab; während der Weg am rechten Thalgehänge nicht
weit unter der Kammhöhe in südöstlicher Richtung verläuft. Das Thal fuhrt
nach Südost hinab und hat weiter unten noch etwa 5 km von der Stadt
Yung-schou hsien ab Lössterrassen, während sein oberer Teil steile, nur dürftig
bewachsene Lehmgehänge besitzt. Der Weg geht an dem immer niedriger und
breiter werdenden Rücken entlang bis zu jener Stadt, die auf dem Kamme
selbst liegt und durch eine hohe, alte Pagode mit sechs Stockwerken von un-
— 495 —
gleicher Höhe ausgezeichnet ist. Unterhalb der Stadt folgt er wieder der Mitte
des Rückens zwischen den immer weiter auseinander tretenden Thälern zur
Rechten und zur Linken, bis er allmählich auf eine weite» wellige, plateauartige
Ebene herabsteigt, die ganz mit Löss überzogen ist. Die breite, mit ebenem
Ackerlande bedeckte, wellige Plateaufläche mit leichtem Abfalle nach Süden,
lässt in immer steigender Entfernung vom Wege schwache Depressionen er-
kennen, in deren Mitte in Schluchten Bäche fliessen. Derartiges Plateauland
dehnt sich von Osten über Süden und WeSsten bis weit nach Nordwesten aus, und
wenn wir nach Norden auf die hinter uns liegenden Höhen, die nach Kreitner
Tu-sai heissen, zurückblicken, so stellen sie sich als ein langgezogener Gebirgs-
rücken dar, mit einfachen, ebenen Kammlinien, breiten Bergkuppen und ge-
rundeten Formen, ohne besondere Einschnitte und auch ohne hervorragende
Erhebungen. Diese liegen nur etwa 300 m höher als das Plateau, auf welchem
der Weg durch mehrere Dörfer in südsüdöstlicher Richtung allmählich hinab
geht. Gegen Süden und Südwesten erscheinen in weiter Ferne Gebirgszüge, die
das Plateau weit überragen und einfache, gleichmässige Kammlinien zeigen, deren
Verlauf annähernd in der Richtung Westnordwest ist. Auch gegen Osten ist in
etwa IOC km Entfernung ein wenig ausgedehnter Gebirgsstock sichtbar, der sich
ebenfalls etwa 400 m über das Plateau erhebt; auf seiner westlichen Seite geht
eine sehr zerschnittene Lössschlucht herab.
Die Dörfer am Wege machen hier einen sehr armseligen Eindruck und
überall begegnet man nur zu deutlichen Zeichen des Zerfalles und Rückganges.
So sahen wir einen Tempel, dessen Rückwand eingestürzt war, ohne dass sie
seit langer Zeit eine Reparatur erfahren hatte. Die armen Heiligen im Innern
waren schutzlos allen Unbilden der Witterung ausgesetzt; damit sie nicht vor
Schreck umfielen, hatte man sie wenigstens etwas gestützt. Die schönen Weg-
zeichen und Pyramiden, welche in einer besseren Zeit errichtet wurden, sind
zerfallen und viele Häuser ebenfalls. Manche Dörfer liegen direkt unter der
Erde und unter dem Niveau des Weges. Es sind künstlich tiefe Löcher aus-
gegraben und in die dadurch geschaffenen Lösswände die Wohnungen ein-
gehöhlt. Diese Häuser haben nur wenig Licht, in den Tiefen ihrer Höfe häuft
sich Abfall und Unrat an, und jeder Regen verwandelt deren Boden in
morastigen Sumpf. Es sind die reinen Pesthöhlen und die traurigsten
menschlichen Wohnstätten, die ich auf der ganzen Reise sah. Das Dorf Yang-
kia thschuang liegt auf dieser welligen Plateaufläche in einer leichten Depression,
und obwohl der Ort grössere Ausdehnung hat, so ist auch dort nicht viel zu
bekommen. So konnten wir z. B. nicht kochen, weil es kein Holz gab, und
mussten uns mit der üblichen Nudelsuppe, >Mien-fön« genannt, begnügen. Holz
ist überhaupt hier selten. Wälder giebt es nicht, auch kaum Sträucher oder
anderes brennbares Gestrüpp; nur in der Nähe der Ortschaften sieht man einige
Bäume. Die nicht mit Lö.ss und Aeckern bedeckten Abhänge sind nur dürftig
mit spärlichem Grase bewachsen und überall sieht der gelbliche und rötliche Lehm
~ 496 —
durch. Dafür sind aber auf der Strasse zahlreiche Schubkarrenkarawanen mit
Holz, Stein- und Holzkohlen, welche etwas dem Mangel an Brennmaterial abzu-
helfen suchen; der Weg war sehr belebt während des ganzen Tages; abends waren
auch Kamele mit Tuchballen beladen nach Westen unterwegs. Aber trotz des
starken Verkehrs waren auch hier die Quartiere wieder schlecht; ein kleiner
Kaum mit übler Luft musste für unsere Leute, wie für uns selbst ausreichen.
Von hier ab dehnt sich flaches Land weithin nach Süd, Südost und Süd-
west zum Wei-ho aus, und erst die in weiter Ferne sichtbaren Abhänge des
Thsin-ling-Gebirges bilden eine Grenze. Das wellige, von Löss bedeckte Plateau
senkt sich noch mit einigen stufenartigen Absenkungen bis zum Thale des Wei-ho,
den wir nach zwei Tagemärschen bei der grossen Stadt Hien-yang hsien er-
reichten; jenseits der breiten Thalebene dieses Flusses steigt das Lössland
wieder langsam an bis zum Fusse des Thsin-ling-Gebirges. Unterwegs bietet
sich wenig Interessantes auf der monotonen, nur von Ackerland gebildeten
Ebene, in der ganz flache, breite Depressionen mit niederen Erhebungen
wechseln, deren Höhenunterschiede aber kaum 100 m betragen. Die Gefälle
auf der Lössplateaufläche selbst sind sehr gering, Ackerterrassen liegen
nur in sehr weiten Abständen von einander an den Höhenrücken und
sind nur wenige Fuss hoch. Es wird meist nur Weizen und Hafer angebaut;
Bäume sind in der Nähe der Dörfer nur wenige, auf der Plateaufläche
selbst gar nicht zu finden. In den Depressionen ist kein Wasserlauf im
oberen Teile, bis ganz unvermittelt eine tiefe Schlucht weiter unten beginnt.
Die von Norden und Nordwesten kommenden Wasser, die in den Thälern
rechts und links des in den letzten Tagen zurückgelegten Weges flössen, sind
auch hier noch in grösserer Entfernung vom Wege in schluchtenartigen Thälern
in der Mitte seichter Depressionen verfolgbar und zahlreiche, kleinere und kurze
Nebenschluchten führen zu ihnen hinab. Am Wege liegen nicht selten arm-
selige Dörfer mit Lehmwohnungen und häufig unter der Oberfläche angelegten
Höhlen.
Alsbald siebt man auf eine grosse Ebene hinab, die ganz platt mit nur
sehr wenigen Thalschluchten sich weithin ausdehnt. Es liegen auf ihr sehr
viele Dörfer und Höfe, die hier wieder mit den vierseitigen Lehmmauern be-
festigt sind, welche wir schon früher auf den Bergen angetrofTen haben. Das
grosse Thal zur Linken geht auch auf dieser Ebene als schluchtartige Vertiefung
in ostsüdöstlicher Richtung weiter, aber sonst ist die Ebene, soweit man sie
zu übersehen vermag, nicht von Einschnitten oder Wasserläufen durchfurcht.
Der Weg geht in einer Lössschlucht von der Plateaufläche (Stufe I) über den
deutlich markierten Abfall hinab auf eine ebenfalls von Löss gebildete Vorstufe
(II), die ganz allmählich sich mit einer Breite von 2 km zur grossen Ebene hin-
absenkt. Zwischen dieser schmalenStufell und der grossen, ebenenFläche (Stufelll)
ist keine scharfe Grenze, aber der Uebergang ist parallel dem deutlich markierten
Abfalle des weiten wellig-ebenen Plateaus (Stufe I), über das der Weg der
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letzten Tage geführt hatte, und dieser Abfall verläuft nach Ostnordosten. Auch
die grosse Ebene besteht aus monotonem Ackerland ; Bäume, Busch oder Wald
fehlen vollständig. Der Weg geht in südöstlicher Richtung weiter über diese
Fläche hin, die in einiger Entfernung von den Abfällen der Stufen I und II auch
eine leichte, in ostnordöstlicher Richtung verlaufende Depression besitzt. Jen-
seits desselben liegt eine grössere Stadt, Li-thsüan hsien.
Auch dieser Weg, der die Hauptstrasse nach Si-ngan fu bildet, hatte leb-
haften Verkehr. Besonders häufig waren die Transporte von Steinkohlen, die
aus der nicht fernen, kohlenreichen Provinz Schen-si kommen, und von Tuchen
und Geweben, die alle nach dem Westen gehen. Trotzdem die Ebene sehr
stark und dicht bevölkert ist, machen die Dörfer mit ihren Lehmhütten oder
Erdlöchern einen ärmlichen Eindruck, und es scheint in dieser ganzen, lediglich
Getreidebau treibenden Bevölkerung der Wohlstand sehr im Rückgange zu sein;
auch andere Anzeichen lassen diesen Schluss gerechtfertigt erscheinen. Die
Stadt Li-thsüan hsien aber war sehr belebt und auf der grossen Strasse, die
wir bis zum Stadtmauerthor in der Vorstadt passierten, herrschte schon früh
morgens ein äusserst reger Marktverkehr.
Es ging von hier im wesentlichen über fast ganz ebenes Land, in welchem
der Weg vielfach in Hohlwegen führte, vorbei an einer grossen Anzahl von
Dörfern mit ihren Lehmfestungen, die meist in geringen Entfernungen abseits
vom Wege lagen. Auch Tempel mit Hainen von Cypressen waren vielfach in
der Nähe des Weges. Nicht nur an dem Hauptwege nach der grossen Stadt
und ehemaligen Residenz Si-ngan fu, auch an den kleinen Seitenwegen und
Verbindungen der Dörfer befanden sich grosse, ummauerte und von Häuschen
geschützte Inschriftensteine, zuweilen von recht ansehnlicher Grösse. Viele
derselben Art waren in Reihen und in bestimmten Zwischenräumen aufgestellt.
Der Zweck und der Inhalt dieser Inschriftensteine, die gerade hier durch ihre
Häufigkeit auffielen, ist mir nicht bekannt geworden.
Auf dem ebenen Ackerlande sind keine Thaldepressionen mehr sichtbar,
sie liegen auf beiden Seiten des Weges schon zu entfernt von diesem. Dagegen
fesseln die Aufmerksamkeit eine Reihe von isolierten, hohen, oben abgeflachten
Hügeln, welche besonders dicht vor uns in Südost stehen, aber noch weit nach
Osten und Süden einzeln verfolgt werden können. Man sieht sie schon aus
weiter Ferne, aber erst am spätesten Nachmittage kamen wir in ihre Nähe,
wo sich dann noch eine Menge mittelgrosser und auch kleiner solcher Hügel
zwischen den grossen, die bis über 50 m Höhe erreichen, zeigten. Die kleineren
Hügel in allen Grössen sind rund, grössere bis zu 30 m Höhe sind vierseitig
mit oben abgerundeten Kanten, und nur die ganz hohen, über 50 m Höhe er-
reichenden, sind oben eben und flach; die Gehänge sind einfach und mit Gras
bewachsen und das Material, aus welchem sie bestehen, ist derselbe Löss, der
auch die Oberfläche der Ebene (Stufe III) bildet Inschriften, Denksteine oder
dergleichen sind nicht vorhanden, aber für den Geologen kann kein Zweifel
Fut lerer, Daroh Asien. 32
— 498 -
bestehen, dass es durch Menschenhand künstlich aufgeschüttete Hügel sind.
In der That wurde uns in Si-ngan fu bestätigt, dass in alter Zeit hier Kaiser
begraben wurden. Die untenstehende Abbildung zeigt, welche imposante Höhe
und welche grosse Verbreitung hier diese Hügel besitzen.
Die Grabhügel liegen in einer von Südwesten nach Nordosten ziehenden
Zone am Rande eines Abfalles der ebenen Fläche der Stufe III zur Thalfläche
des grossen Flusses Wei-ho, der von Westen und Nordwesten kommt und weiter
im Osten in den Hoang-ho fliesst. Am vorderen Rande hat die Ebene mit den
Grabhügeln die Hohe von etwa 490 m und der Weg fuhrt durch eine enge Löss-
Schlucht hinab zu einer ebenen Stufe in der Meereshöhe von 370 m (Stufe IV).
Auch auf dieser Zone, die nur schmal ist und vor dem Abfall der Stufe III her-
KiilBMirräbt-r bei Hifii-yani; hait-u :iiii WH-ho, iior.lwi-sllicli von Si-uj^an iu.
zieht, finden sich zahlreiche Gräber, die aber nicht die Grosse derjenigen oben
erreichen. Diese ebenfalls an der Oberfläche aus I.Öss bestehende Stufe IV ist
etwa I km breit. Dann folgt ein parallel mit dem ersten verlaufender, zweiter,
steiler Absatz zur Thalebene des Stromes, die als Stufe V der unterschiedenen
Niveaus anzusehen ist und 360 m hoch liegt. Auch hier führt der Weg durch
eine enge Schlucht hinab, und in derselben liegen unter dem Löss wohlge-
schichtete Lehme, die beweisen, dass das Überflächenrelief ungestört durch die es
gleichmässig überziehende Lössdecke aus Süsswassersee- und Flussablagerungen
besteht, und dass die einzelnen Stufen Flussterrassen entsprechen, wie sie ander-
wärts nicht von Lehmen allein, sondern von Schottern, Kiesen und Sanden, ver-
mengt mit Lehm, von den Flüssen gebildet werden, wenn sie ihr Bett in ihren
eigenen Ablagerungen vertiefen. Die Thalebene des Wei-ho selbst besteht aus
solchen mehr oder weniger sandigen Lehmen auf der Ueberschwemmungsfläche
am Flussbette selbst; gröbere Sande oder gar Schotter fehlen gänzHch.
— 499 —
Am untersten Steilabrall der Lehm- und Lösswände zwischen Stufe IV
und V sind noch viele Lehmhöhlen und ganze Dörfer angelegt; die grössere
Stadt Hien-yang hsien liegt unfern der zuletzt erwähnten Terrasse am Wei-ho-
Flusse selbst, der auf der Südseite der verkehrsreichen Stadt 115 m breit ist
und auch tief zu sein scheint, da keine Furt hinübergeht, sondern eine feste
Brücke auf Holzpfeilern. Das Wasser ist lehmig trüb und fliesst ziemlich rasch;
auf dem Flusse liegen grosse, sehr breite, flache Schiffe, die etwa die Länge
der Spreekähne haben, aber gut doppelt so breit sind als diese. Die flachen
Flussufer sind ganz mit Baumgruppen und Ansiedelungen auf beiden Seiten
Brücke über den^Wci-hü und Stadt Hieu<yaiig hueo.
oberhalb der Stadt besetzt. Neben dem vom Wasser gefüllte» JSetto liegt noch
eine mehr als doppelt so breite Ueberschwemmungsfiäche für Hochwasser. Das
mit Häusern besetzte, rechte Ufer an dieser Hochwasserf^äche ist kaum 2 m höher
als deren Boden. Die Annäherung an ein grösseres Wasser, P'luss oder See, hatte
sich in den letzten Tagen schon durch die zahlreichen, grossen Reiher und
Schwärme von wilden Gänsen bemerkbar gemacht, auch andere Wasservögel
waren in der Nähe des breiten Flusses anzutreffen.
Von der Stadt Hien-yang hsien mit ihren alten Königsgräbern ist es
nunmehr nur noch etwa 15 km in südöstlicher Richtung bis Si-ngan fu. So weit
der Weg nach Ueberschreitung des Wei-ho-Flusses auf der Fläche des Thal-
bodens geht, ist er trotz der trockenen Jahreszeit in einem entsetzlichen Zu-
stande. Zu beiden Seiten steht auf den Aeckern tiefes Wasser, und der Weg
— 500 —
selbst, der nur aus Lehm ohne jeden Unterbau aus Stein hergestellt ist, wird
durch den lebhaften Verkehr und besonders die zahlreichen Lastwagen sehr
stark abgenutzt. Es war schon sehr unangenehm, zu Pferde diese grund-
losen, morastigen Stellen zu passieren, für die Wagen aber war es geradezu
unmöglich. Mehrfach sah man sie bis über die Achsen in dem zähen, weichen
Brei stecken und selbst die roheste Behandlung der Zugtiere, wie sie nur einem
Chinesen möglich ist, vermochte nicht, den Karren weiter zu bringen. Der
jammervolle Zustand dieser grossen Strasse, die hier die Hauptverkehrsader ist,
scheint selbst den Behörden zu arg geworden zu sein; denn man sah uniformierte
Soldaten an den schlimmsten Stellen etwas ausbessern, indem sie Zweige quer über
die tiefen Geleise warfen und sie mit Lehm aufschütteten. Dass diese Wegver-
besserung natürlich nur für ganz kurze Zeit ihren Zweck erfüllt und bald nachher
derselbe trostlose Zustand wieder von neuem beginnt, ist in China ganz einerlei.
Gegen die Stadt hin steigt der Weg etwas an über horizontale geschichtete
Lehme und Sande der Flussablagerungen, die der Stufe IV und III der linken
Flussseite des Wei-ho entsprechen, wenn auch auf dieser Seite keine scharf
markierten Terrassenränder oder Abfälle vorhanden sind. Si-ngan fu selbst liegt
in der Höhe von 400 m ganz auf Lehm- und Lössebene. Schon von weitem
übersieht man die in ihrer ganzen Erstreckung über zwei Stunden lange, hohe
Mauer der gewaltigen Stadt, die eine grosse Menge von Menschen in sich birgt.
Am östlichen Ende ist weit hinter der Mauer eine grosse Pagode sichtbar, und
gegen Süd und Südwest bilden die schönen und malerischen Bergformen des
mit Schnee bedeckten Thsin-ling- Gebirges den Hintergrund. Auch gegen
Nordost sieht man Berge mit eigenartigen, kastenartigen Umrisslinien, einst
die östliche Fortsetzung des Berglandes, von welchem unser Weg zum
wellig- ebenen Plateau und zum Thal des Wei-ho herabgestiegen war. Die
Strasse ist ausserordentlich belebt mit Lastenträgern, Fussgängern und Trans-
porten aller Art; noch vor der Stadtmauer liegt ein grosser, schöner Tempel
und näher bei derselben, zur Rechten des Weges, sind neue Kasernen er-
baut. Ehe man die innere, grosse Stadtmauer mit einem mächtigen Thore in
der Mitte der Weststadt erreicht, kommt man durch eine Vorstadt, in deren
tief eingefahrener Hauptstrasse sich der Verkehr drängt und vielfach stockt.
Die Häuser beiderseits liegen viel höher als das Niveau der Strasse selbst, auf
welcher Wasser, Unrat und Schmutz herumliegen und die Luft verpesten. In
der inneren Stadt ist das besser. Die Strassen sind mit groben Steinquadern
gepflastert und von früh bis spät von einem immensen Verkehr erfüllt. Grosse,
schöne Magazine mit vielen ausländischen Waren neben den einheimischen
Erzeugnissen und vor allem die schönen und in reicher Auswahl zum Verkaufe
an der Strasse ausgestellten und aufgebauten Gemüse und Früchte aller Arten
sind ein erfreulicher Anblick nach den armseligen Dörfern der durchwanderten
Lössgebiete und Berggegenden. Auch ein leidliches Quartier war für uns sowohl
wie für die Maultiere und ihre Führer vorhanden.
- SOI —
Es war der Nachmittag des 23. Dezember, als wir in Si-ngan fu einzogen,
und wir freuten uns, hier während der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage
etwas Erholung von den Anstrengungen und Entbehrungen der letzten, zum
Teil recht langen Marschtage finden zu können. In der That gestalteten sich die
Feiertage sehr angenehm, und auch der innere Mensch kam zu seinem Rechte,
indem die freundlichen Missionare uns zu ihrem Weihnachts-Gottesdienste einluden.
Einige Läden der Stadt boten ausserdem Auswahl an Kunstgegenständen,
wie alte chinesische Bronzen, Vasen aus Porzellan und insbesondere schöne
Gegenstände aus dem gelblichen oder weissgrünlichen Nephrit und Jadeit, der
bei den Chinesen in so hohem Ansehen steht Es fehlten uns also nicht einmal
die Weihnachtsgeschenke, wenn wir sie uns auch selbst kaufen mussten, statt
sie aus liebender Hand entgegenzunehmen. Einen Christbaum hatten wir leider
nicht, konnten auch nicht, wie im letzten Jahre in Samarkand, einen Oleander
oder einen andern Baum dazu herausputzen, da es hier überhaupt kaum Bäume
giebt; aber trotzdem verlebten wir vergnügte Festtage.
Ging es doch der Heimat zu ! Nur noch sechs Tage waren es zu Pferde über
das Thsin-ling- Gebirge bis Lung-kü-tschai, von wo an der Tan-Fluss schiffbar ist.
Allerdings galt es, gerade noch diese sechs letzten Tage des Jahres in beschwer-
hchem Marsche in Wind und Kälte arbeitend auszuharren. Dann aber wartete
unserer mit dem ersten Tag des neuen Jahres der Lohn unserer mühsamen Arbeit,
Ruhe auf bequemer Flussfahrt, Zeit, die reichen Ei^ebnisse der letzten Monate zu
sichten und zu ordnen und vor allem: die Heimatswimpel auf dem Schiff, das
Wiedersehen mit den Lieben in der Heimat, der Kuss der Mutter und der treue
Händedruck des Vaters, die Freude der Geschwister und die eigene Befriedigung,
unentwegt auch unter schwierigen Verhältnissen unsere Pflicht erfüllt zu haben.
— 502 —
Mit den Weihnachtsfeiertagen in Si-ngan fu war unsere Forschungsreise
eigentlich abgeschlossen. Bald nach dem Verlassen von Min-tschou betraten
wir wieder bekannte Wege, die schon von berufener Seite bestens geschildert
und beschrieben worden sind, und das galt noch mehr von dem Wege bis
Han-k*ou und Schang-hai. Es gab wenig Neues anzufügen, und nur die meteoro-
logischen Beobachtungen sollten bis Schang-hai fortgesetzt werden, um eine bis
zum östlichen Ende des Kontinentes kontinuierliche Reihe der Beobachtungen
zu haben, die in Osch, am Fusse des Ueberganges über das Alai- Gebirge am
30. Januar 1898 begonnen und mit dem 31. Januar 1899 in Schang*hai beendet
wurde, also den Zeitraum von einem Jahre und einigen Tagen umfasst. Die zu-
sammenhängenden, geologischen Beobachtungen verboten sich von selbst während
der ununterbrochenen Fahrt auf dem Tan-Flusse, dann auf dem Han-FIusse und
zuletzt von Han-k'ou ab auf dem majestätischen Yang-tz^-kiang. Das geographische
Charakterbild ist von v. Richthofen, v. Loczy und Kreitner meisterhaft gezeichnet,
und so kann ich mich denn zum Schlüsse auf die persönlichen Eindrücke
während dieses letzten Teiles der Reise und eine mehr historische Mitteilung
des Verlaufes derselben beschränken.
Der Weg über das Thsin-ling-Gebirge, der von den Maultierkarawanen als
kürzeste Verbindung des Endes der grossen Wasserstrasse vom Yang-tzß-kiang
und der Küste über den Han-Fluss und von Lao-ho-k*ou an über den Tan-Fluss
bis Lung-kü-tschai mit der grossen Stadt Si-ngan fu und dem daselbst liegenden
Ende der grossen Strassen nach dem Westen und Norden des weiten chinesischen
Reiches, gewählt wird, ist ein für Wagen unpassierbarer Maultierpfad, der über
hohe Pässe des Gebildes geht Der grössere Karrenweg fuhrt an andern
Stellen durch das Gebirge und ist bedeutend länger bis zum Beginn der
Schiffbarkeit des Tan-Flusses. Von Si-ngan fu geht der kurze Maultierpfad zuerst
in etwas östlicher Richtung bis zu einem grösseren Thale mit dem Lan-thien-ho,
der aus dem Thsin-ling-Gebirge kommt, und an demselben hinauf bis zu einem
grossen Dorfe Ju-hu, wo der erste Tagemarsch sein Ei^de findet. Zuerst geht es
über wellige Lös^fläche, dann ein Stück weit am Lösssteilgehänge des linken Fluss-
ufers hinauf und in einer seichten Furt über den Fluss und auf der etwa 15 m hohen
Flussterrasse weiter bis Ju-hu, das von Si-ngan fu 25 km entfernt ist. Bei diesem
Orte sind auf der linken Seite des breiten Flussthaies etwa 250 m hohe, mit
1-öss bedeckte Berge, während auf der nordöstlichen Seite nur ganz niedere,
breite Höhenzüge, ebenfalls mit Löss bedeckt, weithin fortsetzen. Im Süden
aber sieht man schon bedeutend näher als in Si-ngan fu die hohe Gebirgs-
niasse des Thsin-ling wie einen Wall mit schneebedeckten Gipfeln von Osten
nach Westen hinziehen. Der Weg war ausserordentlich belebt, nicht bloss
in der Nähe der grossen Stadt, sondern durchweg bis Lung-kü-tschai, da
alle die Maultierkarawanen, Lastentniger, Schubkarrentransportc und reitenden
Reisenden den kurzen Weg dem längeren vorziehen, wenn auch der crsterc be-
schwerlicher ist.
~- S03 -
Am 27. Dezember ritten wir bis Lan-k'iao. Dieser Ort ist in einem
Gebirgsthale an einem Flüsschen gelegen, das aber noch zum Stromgebiet
des Wei-ho bczw. des Hoang-ho gehört, und die Wasserscheide wird erst
am folgenden Tage überschritten, obwohl wir auch an diesem Tage einen
hohen Bergzug kreuzten, um in das Thal von Lan-k'iao zu gelangen. Zuerst
ging es noch einige Kilometer auf der rechten Flussseite weiter hinauf
bis zur Stadt Lan-thien hslen und nach Ueberschreitung eines grösseren, von
Osten kommenden Flusses bald südlich desselben an den Fuss einer steil ab-
fallenden, von Westsüdwest nach Ostnordost gehenden Bergkette aus sehr
llochlhiil auf der NonUeite ilcr nönllichstpn Kette iIpb 'nisin-lin(;-r.pbir(;es, südlich toii I,an-tliien hsieii.
zersetztem Granit am Nordgehänge des Gebirges. In vielen mühsamen Windungen
erreicht der steile Weg die Kanimhöhe, geht dann am südlichen Gehänge unter-
halb des sehr stark gegliederten Kammes mit hohen, steilen Granitfelsmassen
und Bergspitzen in östlicher Richtung über einen 1120 m hohen Pass und hinab
ins Thal von Lan-k'iao, das hier von Ostsüdosten herabkommt, aber bald
unterhalb der Stelle, wo es der Weg erreicht, durch eine hohe Gebii^skette in
enger, unwegsamer Thalschlucht durchbricht. Der Aufstieg, der um die Mittags-
zeit begann, bot herrliche Aussichten, besonders als der Kamm überschritte»
war und ausgedehnte Längsthäler mit vielen Seitenschluchten der zentraler ge-
legenen Gebirgsteile sichtbar wurden. Der Abstieg von der Pass-Höhe zum Thale
war äusserst steil und deshalb sehr schwierig und gefährlich, weil er auf einem
nach Nord gerichteten Abhänge in steilen Windungen schon gegen Abend zu-
— S04 —
rückgelegt werden musste, als der von der Sonne tagsüber erweichte Schnee
wieder hart wurde, und die überall auf dem steinigen Wege stehenden Wasser
gefroren. Die Pferde mussten über das Glatteis hinabgeführt werden; weite
Strecken des Weges waren ganz vereist und dazu so abschüssig, dass vielfaches
Ausrutschen nicht zu vermeiden war. Es stürzte auch das Pferd mit meinen
Instrumenten schon ganz unten, und die eine der beiden Kisten, die es tnig,
wurde zerbrochen, so dass nur nach Reparatur des Schadens durch Umwickeln
der Kiste mit einer Filzdecke der glücklicherweise nicht mehr lange Marsch bis
Lan-k'iao fortgesetzt werden konnte, wo wir aber erst in der Dunkelheit abends
um 6*/* Uhr ankamen. Beim Abstieg nach Norden waren Korallenkalke am
Wege zu sehen, und nach den wilden, zerrissenen Formen der Gipfelregionen
zu schliessen, besteht auch ein Teil der hohen Bergkette im Norden des Thaies
von Lan-k'iao aus solchen Kalken, welche paläozoischen, aus Mangel an Ver-
steinerungen nicht näher zu bestimmenden Alters sind und eine Zone in den
Graniten zu bilden scheinen.
Am 28. Dezember wurde nach 12 km langem Marsche, dem Thale aufwärts
folgend, in ostsüdöstlicher Richtung der 1230 m hohe Pass der Wasserscheide
des Thsin-ling-Gebirges erreicht, und von da ging es in mehr östlicher Richtung
an einem Bache hinab, der als der obere Tan-Fluss angesehen werden kann,
bis Hei-lung-k*ou (= Helon-ko, Kreitner), das etwa 11 km unterhalb des Pass-
überganges liegt. Im oberen Teile des Thaies kommen nur Granite und
kristalline Schiefer vor. Löss findet sich so gut wie gar nicht mehr, sobald
man die erste Kette des Thsin-ling-Gebirges überschritten hat. Die Granite
sind in einzelnen Stöcken und kleineren Massiven als linsenförmige, an den
Kontaktflächen häufig geschieferte Körper zwischen den Schiefern eingeschoben,
und das ganze Auftreten lässt die intensive Faltung der Schiefer zwischen den
Granitstöcken aufs deutlichste erkennen. Noch kurz unterhalb des Passes der
Wasserscheide stehen Granite an, und an ihrer Grenze gegen die Schiefer sind
die Schiefer in breitem Kontakthofe zu Knotenschiefern umgewandelt. Der
Pass selbst liegt im Gebiete von Granat-, Strahlstein- und Chloritschiefern,
zwischen denen harte, grünliche, schiefrige und quarzitische Bänke liegen.
Weiter abwärts im Tan-Thale finden sich keine Granite mehr, die Berggehänge
beider Selten werden nur von Schiefern und schiefrigen, quarzitischen Gesteinen
gebildet, deren Streichen aber dasselbe ist wie jenseits der Wasserscheide.
Der Thalcharakter in dem von Lan-k4ao bis zum Passe hinaufführenden
Thale ist felsig mit schluchtenartigen Stellen und schöner Bewaldung zwischen
den Felsklippen; es kommen zahlreiche, kleine Nebenthäler aus den Kämmen
der beiden Thalseiten herab, aber keine grösseren Thäler. (Siehe Tafel XXXIX
und die nachstehende Abbildung.) Auf der Ostseite des Passes sind im oberen
Tan-Thale hohe, steil abfallende, nackte Schiefergehänge vorherrschend, die
aber auch stellenweise Tannenwald tragen. Die Höhen waren frisch beschneit
und boten mit ihren felsigen Abhängen, den dunkeln Tannen und den wei.ssen
TAFEL XXXIX.
- SOS —
Berggipfeln malerische Landschaftsbilder in grosser Menge, wie man sie sonst
in Nord-China nicht findet. Das obere Tan- Thal ist dagegen infolge der reicheren
Schiefer an den Gehängen und des fehlenden Granites ärmer an schönen Fels-
partien, und häufig sind an den Gehängen grosse Rutschflächen mit Schutt
überdeckt. Die beiden Thäler zwischen Lan-k'iao und Hei-lung-k'ou sind
ziemlich bevölkert; kleinere Dörfer sowie einzelne Höfe lagen vielfach am Wege,
und auf der Passhöhe der grossen Wasserscheide zwischen Hoang-ho und Yang-
tzS-kiang selbst steht ein Tempel mit einer grossen Anzahl von Inschriftsteinen.
Der Weg geht nun noch drei Tagemärsche weit im Tan-Thale im allge-
meinen in vorwiegend südöstlicher Richtung hinab bis Lung-kii-tschai; das Thal
Thal im Tlisin-liDg-Gebirge zwiachco Lan-k'iao und ilem Pasa der HauplwasBerscheiile.
(Vom Wege in ein N*benthal nach Süden gesehen.)
ist besonders weiter unten vielfach gewunden; grössere, von weiter her kom-
mende Seitenthäler sind meist Längsthäler zwischen den Gebirgsketten und
liegen häufiger auf der rechten Thalseite von Westen als auf der linken.
Von Hei-lung-k'ou geht es immer zwischen Beiden, die aus kristallinen Schiefern
bestehen, in vielen grossen Krümmungen bis Schang-tschöu (^ Shan-chou,
Kreitner). Hohe, malerische Felsentürme und Bergpyramiden liegen im ersten
Teile des Weges auf der rechten Thalseite zwischen tiefen, engen Thalschluchten
im Schiefergebirge, oberhalb von der Endstation Schang-tschöu ist das Tan-Thal
zwischen steil abfallende Kalkfelswände von über 300 m Höhe eingeschlossen,
und der Weg ist hoch über dem Flusse durch künstliche Sprengarbeiten am
Kelsgehänge entlang geführt. Unterhalb dieser grossartigen Felsenschlucht
erweitert sich das Thal und erhält einen ganz andern Charakter durch das
Auftreten von mächtigen, roten Sandsteinen und Konglomeraten von geologisch
— So6 --
viel jüngerem (mesozoischem) Alter, die von hier ab bis weit hinunter am Tan-
Fluss bei Lung-kü-tschai über den steil stehenden Schiefern und quarzitischen
(jcsteinen oder in den breiten Thalflächen zwischen den hohen Bergrücken der
Schiefer einen wesentlichen Anteil an der Zusammensetzung des Gebietes nehmen
und im Gegensatze zu den alten Gesteinen (Schiefern und Quarziten) immer
ganz horizontal gelagert sind oder mit nur geringen Winkeln infolge von unter-
geordneten Schichtstörungen davon abweichen. Die aus den kristallinen und
schiefrigen alten Gesteinen gebildeten Höhenzüge haben immer noch die Streich-
richtung von Ostsüdost nach Westnordwest, treten aber sehr weit auseinander,
so dass breite Längsthaimulden entstehen, die mit den viel jüngeren Sandstein-
bildungen ausgefüllt sind, und in deren Mitte der Fluss sein Bett eingegraben
hat. Er fliesst häufig auf kürzere Strecken den Ketten der alten Gesteine
parallel in typischem Längsthal, dann biegt er plötzlich nach Süden ab und
durchbricht eine Kette, um, wieder von neuem nach Osten fliessend, zwischen
den Ketten und parallel mit ihnen weiterzugehen. Durch diese wechselnden
Längs- und Querthalstrecken sind die vielen Biegungen des Flus.slaufes bedingt.
Bei Schang-tschou und weiter flussabwärts liegt auf dem rechten Ufer des
hier im Längsthal fliessenden Flusses zunächst an demselben eine 150—200 m
hohe Bergkette, die noch aus roten Sandsteinen und Konglomeraten gebildet
ist; im Süden derselben und durch tektonische Läng.sthäler getrennt, erheben
sich erst die viel höheren Schiefergebirgsketten mit 600—700 m Höhe.
Die sämtlichen Höhen auf den Sandstein- und Konglomeratschichten sind
ebenso wie die Flächen auf dem Lösse und Lehme gut bebaut, und im Thale
wie an den niederen Sandsteingehängen liegen sehr zahlreiche Ansiedelungen.
Hierzu stehen die nackten, kahlen, immer unbebauten, steilen Abhänge des
alten Schiefergebirges in scharfem Gegensatz. Wo die roten Konglomerate und
Sandsteine senkrechte Wände gegen den Fluss bilden, wie z. B. oberhalb von
Ye-thsun ist der Weg auf grosse Strecken hin in die Felswand, an der unten das
Flussbett hart anliegt, eingesprengt, und die weicheren Schichten sind zur Anlage
von Felsenwohnungen benutzt, die auf nachstehender Abbildung dargestellt sind.
Die Landschaftsbilder entbehren selbst in den breiteren Thalstrecken nicht
eines hohen landschaftlichen Reizes. Wenn auch unten die Bestände an Tannen-
waldungen seltener sind als im oberen Teile des Thaies, so sind doch die zahl-
reichen Dörfer und Höfe meist von dichten Baumgruppen umgeben, und die
hohen, spitzen Berggipfel und engen Schluchtenthäler kontrastieren prächtig mit
den bewachsenen, sanften Hügeln und niederen Höhen im Thale, in welchem der
Fluss mit klarem, grünem Wasser fliesst. Auf besonders hervorragenden Fels-
vorsprüngen sind Tempel und Cypressenhainc angelegt, und auch längs des Weges
fehlt es nicht an solchen aus alten Zeiten stammenden Zeichen einer frommen
Gesinnung im Volke. Der Weg ist allerdings, trotz des sehr starken Verkehres,
durchaus nicht immer gut; häufig muss der Fluss durchquert werden, was bei
höherem Was.*?erstande leicht zur Durchnässung der Waren auf den Lasttieren
— so? —
führt. An andern Stellen ist der Weg auf schmalen Dämmen über das sump6ge
Land geführt und so eng, dass nicht zwei beladene Lasttiere an einander vor-
bei können; oder er geht in steilen Lehmschluchten hinauf und hinab oder
über grobe Flussschotter. Ein angenehmer Reitweg ist dieser Maultierpfad nur
an den wenigsten Punkten; aber die zähen und starken Maultiere, die viel
leistungsfähiger und auch teuerer sind als die Pferde, tragen ihre schweren Lasten
immer in flottem Tempo sicher über die schwierigsten Stellen und ertragen die
meist 30—35 km langen Tagemärsche auf den schlechten Wegen wochenlang,
ohne Ermüdung zu zeigen.
I'elsenwohnuncrn iiuf ilor linken 'llialsrite rles T:in-ho, olKThAlli von Vc-lhsiin.
Der ausserordentlich starke Verkehr wird hier fast ausschliesslich durch
Maultierkarawanen vermittelt. Pferde werden viel seltener und nur zum Reiten
benutzt, aber auch Lastenträger spielen eine grosse Rolle. Vielfach sind am
Wege einfache Buden oder nur Tische aufgestellt, auf welchen die Leute aus
den entfernter vom Wege liegenden Dörfern allerlei Lebensmittel für die vor-
überziehenden Reisenden feil halten. Häufig findet man Früchte, vorwiegend
die dem Paradiesapfel ähnliche Tsu-tse-P'rucht, Brot, oder auch ein Kessel ist
über Feuer aufgestellt, und man erhält suppenartige Brühen und eine Art von
Fleischpastetchen. In den Dörfern, welche der Weg berührt, giebt es gleich-
falls recht viele 'Restaurants*, aber von der einfachsten Art.
Die Bevölkerung ist hier überall sehr gutartig. Von Belästigungen war
nirgends eine Spur, nur abends in den Quartieren zeigte sich zuweilen zudring-
liche Neugier, aber nie offensive Böswilligkeit. Auch waren die Quartiere besser
— 5o8 —
als in den Gegenden im Nordwesten von Si-ngan fu und es gehörte nicht mehr
zu den Unmöglichkeiten, ausser Brot oder Nudeln noch andere Lebensmittel
zu erhalten. Das Wetter war während der letzten Tage des Jahres und unseres
Ueberganges über das Thsin-ling-Gebirge nicht günstig, ohne gerade schlecht zu
sein. Es war meist unfreundlich, trüb und kalt, einige Schneegestöber traten
ein, und die höheren Berge waren morgens beschneit; aber der Schnee wich
bald wieder, wenn die Sonne zum Vorschein kam. Die kälteste Nachttemperatur
war — 5 ® C. in der Nacht vom 29. — 30. Dezember, die höchste Tagestemperatur
um die Mittagszeit war -f 8,25® C. am letzten Marschtage.
Dieser letzte Marschtag am 31. Dezember von Ye-thsun bis Lung-kü-tschai
war der schönste Tag; die Sonne schien sehr warm, kein kalter Wind stellte
sich ein und die zurückgelegten Thalstrecken waren landschaftlich schön.
(Siehe Panorama auf Tafel XL.) Beiderseits ragten hohe Bergzüge mit male-
rischen Gipfelformen im weissen Schneegewande hoch über die welligen
Höhen am Flusse, der, seiner bisher gezeigten Gewohnheit treu, auch hier in
vielfachen, grossen Windungen fliesst. Glücklicherweise macht der Weg sie
nicht alle mit, sondern geht quer über die flachen Rücken, welche die konkave
Seite der Biegungen bilden. Der Fluss war während der letzten Tage be-
deutend stärker geworden durch einige von Westnordwest kommende grössere
Thäler, und schon oberhalb von Lung-kü-tschai lag ein grosses Schiff auf dem
Wasser, von uns freudig begrüsst als das erste Zeichen, dass die mühsamen
Wanderungen, die weiten Wege, die unregelmässige Ernährung und die dürftigen
Nachtquartiere nun bald ihr Ende finden sollten. Der Tag war nicht nur für
uns, sondern auch für die Chinesen ein Festtag. Ueberall sahen wir ge-
schmückte Frauen und Mädchen, unter denen ich zum ersten Male seit meinem
nun schon einjährigen Aufenthalt in China nach unsern Begriffen anmutige Ge-
stalten und freundliche, liebe Kindergesichtchen sah. Mit Fahnen und bunten
Papierwimpeln zogen sie einher in bunter Festkleidung; ein grosser Bonze
wurde in schön mit Blumen geschmückter Sänfte unter Geleite von Musik:
Flöten, Pfeifen und Klingeln, über die Felder spazieren getragen. Ueberall war
Festfreude, und das schöne Wetter war geeignet, dieses recht zum Ausdruck
kommen zu lassen.
Der Weg von Lung-kü-tschai bis Han-k'ou nahm die Zeit vom 2. bis 24. Januar
in Anspruch, mit Einschluss eines Aufenthalts in King-tzS kuan, in der Mitte
zwischen Lung-kü-tschai und der Einmündung des Tan-ho in den grösseren Han-
kiang bei Lao-ho-k'ou, und eines Aufenthalts in dieser letzteren Stadt. Von da bis
Schang-hai fährt man noch drei weitere Tage mit dem Dampfer den Yang-tz6-kiang
hinab. Der erste Teil der Fahrt bis Lao-ho-k'ou, wo wir am 12. Januar ankamen,
war der am wenigsten angenehme, dafür aber der schönste und interessanteste
Teil dieses langen Wasserweges, da er noch ganz in gebirgigem Lande liegt
und der Tan-Fluss in vielen Windungen mit Stromschnellen, Katarakten, Fluss-
und Thalerweiterungen zwischen hohen Bergen mit malerischen Kammlinien und
Thal des Tan-ho b^
Nach Osten
TAFEL XL.
Stadt Luns-kQ-tschal.
bwäris gesehen.
— 509 --
Gipfeln das grösstenteils aus Schiefern und dichten, grünen, quarzitischen Ge-
steinen bestehende Gebirge durchbricht
Die Schiffe sind flach, schmal und lang (siehe Tafel XLI), in der Mitte
durch Matten gedeckt, und können auch an beiden Enden verschlossen werden.
Da aber vom und hinten je drei Schiffsleute mit Steuer, Ruder und Schaltbaum
beschäftigt sind, kann man während der Fahrt sich nicht auf den noch freien,
unbedeckten Räumen vor und hinter dem gedeckten Teile des Schiffes aufhalten,
um die landschaftliche Schönheit der Gegend ganz zu geniessen, und muss sich
mit den wenigen Ausblicken begnügen, die man von den Oeffnungen des ge-
deckten Raumes aus erhält Die Schiffahrt ist durchaus nicht leicht; die
Schiffsleute bedürfen aller Aufmerksamkeit und oft grosser Anstrengungen, um
die verhältnismässig langen Schiffe um jähe Biegungen des Flusses und um
Felskanten herumzubringen. Wieder an andern Stellen ist der Fluss so seicht,
dass das Schiff auf dem Geröll und weiter unten auf den Sandbänken aufsitzt,
und mit Rudern nicht vorwärts zu bringen ist Dann steigen die Schiffsleute
ins kalte Wasser — es ist Januar und die Wassertemperatur sehr niedrig —
und schieben oder heben das Schiff über diese Untiefen hinweg wieder in
besseres Fahrwasser. Stellenweise sitzen eine ganze Anzahl von Schiffen fest,
und es geht oft viele Zeit verloren, bis solche schwierigen Stellen überwunden
sind. Die Schiffe können auch Segel aufziehen, wovon aber bei dem während
der Fahrt nach Lao-ho-k*ou vorherrschenden Südostwinde nur die zu Berge
fahrenden Schiffe Gebrauch machen konnten; wir hatten Gegenwind und da
die beiden Schiffe mit unsern Sammlungen und ausserdem noch durch ein-
geschmuggelte Warenkisten unserer chinesischen Begleiter sehr schwer beladen
waren, so brauchten wir von Lung-kü-tschai bis King-tzö kuan sechs Tage, während
derselbe Weg mit leichten Schiffen in drei Tagen zurückgelegt werden kann.
In der That nahm später die ebenso lange Strecke von King-tzS kuan bis Lao-ho-
k*ou am Han-Flusse nur drei Tage in Anspruch, nachdem die eingeschmuggelten
Warenballen herausgenommen worden waren. Auf dem Flusse herrscht ein
ausserordentlich reger Verkehr, fortwährend begegnet man zu Berge fahrenden
Schiffen, die von fünf bis acht und zehn Leuten am Ufer hinaufgezogen
werden; es muss das eine sehr anstrengende Art der Schiffahrt sein, die
nur geringe Belastung der Schiffe erlaubt, und es sind ausschliesslich Menschen,
welche die Schiffe hinaufschleppen, da die Pfade auf dem felsigen Ufer wegen
der Klippen und Steilgehänge auf grosse Strecken für Zugtiere nicht gangbar sind.
Im ersten Teile der Fahrt sind enge Felsenschluchten häufig und die
Ansiedelungen nur sehr spärlich an den Ufern zerstreut; aber je weiter man
nach Südosten auf dem Flusse hinabkommt, um so breiter wird das Thal, die
Felsengen nehmen ab, und auf den breiten Thalböden an der Einmündung von
Nebenthälern liegen zahlreiche Ortschaften, in deren Nähe die Schiffe abends
anlegen, um bei Tagesanbruch die Fahrt wieder fortzusetzen. Das Bergland
hat Höhen bis zu 500 m und mehr über dem Flusse, und oben vielfach breite
- 510 —
Rücken, die mit rütlicheni Verwitterungdlehm bedeckt sind. Uebcrall, wo das
Gehänge nicht 7m steil oder zu felsig ist, tragen sie Ackerland. Wälder fehlen
den Höhen ganz, und selbst Baume sind an den höher gelegenen, einzeln stehenden
Höfen selten, während sie unten im Thale an breiten Stellen und bei den
Dörfern je weiter llussabwärts um so häufiger werden. Nicht nur auf dem
Flusse selbst, auch oben auf den oft hoch über dem Flusse entlang fuhrenden,
schwierigen Bergpfaden ist lebhafter Verkehr, aber man sieht nur Lastenträger,
nie Pferde oder Maultiere, deren bequemere Pfade weiter vom Flusse abliegen.
Iluffn v[>u 1 .iio-bu-k'uu nm IIuD-kiuDK.
Das Wetter war während der Fahrt bis Kum llan-l'lusse kalt und unfreundlich,
aber es lag kein Schnee, selbst nicht auf den höchsten Bergen; in der Nacht
[gefror das Wasser mehrfach.
Mit der Hevölkerung kam man während der Fahrt wenig in Berührung.
X'nscrc Schiffslcute waren ordentliche, freundliche und fleissige Leute, die selbst
bei den kalten Bädern die gute Stimmung nicht verloren. In King-tzS kuan,
einem sehr volkreichen Markte, zeigten die Leute wohl Neugierde und um-
standen in Menge unsern Landungsplatz, aber nii^ends kam es zu Feindselig-
keiten. Dasselbe war in Lao-hok'ou der Fall, einer grossen und sehr belebten Stadt,
bei welcher der von Westen kommende Han-FJus';, nachdem er den Tan auf-
genommen hat, schon eine sehr ansehnliche Breite, wenn auch nur geringe Tiefe,
besitzt. Der Hafen der Stadt ist sehr lang und enthielt sehr viele Schiffe; kleinere,
-- 5»! -
welche den oberen Tan und Han-Fluss befahren, und grossere der verschiedensten
Konstruktion und Einrichtung, die auf dem Han-Fluss abwärts bis Han-k*ou und
auf dem Yang-tzö-kiang verkehren. Die obenstehende Abbildung zeigt einen
Teil des Hafenbildes von Lao-ho-k*ou. Die grösseren Schiffe sind alle zum
Segeln eingerichtet und haben auf dem Decke Kajüten; manche, die so-
genannten »Mandarinen- und Haus-Boote«, sind für Reisende sehr bequem aus-
gestattet, für grossen Lastentransport dagegen weniger geeignet. Es wurde
ein grosses Boot gemietet mit Wohnräumen für die Familie des Besitzers
im erhöhten, hinteren Teil des Schiffes und einem kleineren sowie einem
grossen, gedeckten Raum in der Mitte desselben für die Reisenden; unsere
Kisten aus den beiden kleinen Schiffen wurden in die Laderäume des grossen
verstaut, und nachdem noch reichlich Vorräte von Lebensmitteln: Reis, Thee,
Brot, Hühner, Obst, Kartoffeln etc., sowie Holzkohlen zum Heizen und Kochen
eingekauft waren, wurde die Fahrt auf dem Han-Flusse hinab am 14. Januar
mittags angetreten. Am 24. früh morgens trafen wir in Han-k*ou an der Ein-
mündung des Han-Flusses in den Yang-tzö-kiang ein.
Während der erstfen Reisetage sah man auf den Ufern, besonders auf der
rechten Seite noch Hügel und in grösserer Entfernung auch Bergzüge; bald
aber wurden beiderseits die Ufer ganz flach und ragten 5 — 15 m als steile, von
sandigen Lehmen gebildete Wände, von denen fortwährend Teile infolge von
Unterwaschung abbrechen und herabstürzen, aus der Wasserfläche auf. Die
Fahrt ging einigemale bei günstigem Nordwestwinde, als das grosse, viereckige
Segel aufgezogen werden konnte, ziemlich rasch von statten; in einer Nacht aber
kam ein Schneesturm aus derselben Richtung, der auch den ganzen folgenden Ta^
anhielt, so dass das Schiff seinen geschützten Platz am Ufer überhaupt nicht
verliess. Obwohl zur Zeit der Wasserstand im Han-Flusse der niedrigste während
des ganzen Jahres war, kam es auf dem Han-Flusse nicht mehr vor, dass das
Schiff auf Lehmbänke aufseiss oder mit dem Boden krachend über Steingeröll
dahinfuhr, was auf dem Tan-Flusse öfters geschah. Am Ufer lagen zahlreiche
kleinere Dörfer und auch einige grössere Städte. An die Anlegeplätze der
Schiffe kommen immer Leute, die Nahrungsmittel, Holzkohlen, Brennholz etc.
zum Kaufe anbieten. Trotzdem ist meist nicht viel zu bekommen, und man that
gut, sich mit allem reichlich schon in Lao-ho-k*ou zu versehen.
Die Bevölkerung war hier sehr zudringlich. Unser Diener, der rn ein
Dorf gegangen war, um Einkäufe zu machen, wurde mit Steinen beworfen und
von einer lachenden und gröhlenden Volksmenge begleitet. Wir blieben auf
dem Schiffe und wurden nicht belästigt. In dem ausserordentlich volksreichen
Han-k*ou dagegen ist die Bevölkerung durch die dortige europäische Kolonie
und das Settlement so an den Anblick der Europäer gewöhnt, dass die euro-
päische Kleidung und der Fremde selbst gar kein Aufsehen mehr erregen.
Han-k'ou machte einen grossen Eindruck. Unser Schiff, auf dem stolz die deutsche
tlagge wehte, hatte weit oben in der Stadt am linken Ufer des Han-Flusses
— 512 —
angelegt, weil die Schiffsleute sich wegen Unkenntnis der Wasserverhältnisse
weigerten, weiter hinab zu der auf dem linken Ufer des Yang-tzö-kiang gelegenen
europäischen Kolonie zu fahren. Wir fuhren daher zuerst in einem kleinen
Ruderboote etwa drei Viertelstunden hinab auf dem Han, dessen Ufer beider-
seits dicht mit grossen Schiffen besetzt waren, und auf dem Yang-tz^-kiang noch
ein kurzes Stück weiter bis zum deutschen Konsulate. Die Einfahrt in den Yang-
tz^-kiang ist grossartig. Das grosse Häusermeer setzt sich von den beiden Ufern
des Han-Flusses auch über den grossen Yang-tzft-kiang fort, auf dessen rechtem
Ufer Wu-thschang fu, auf dem linken Ufer Han-yang fu gegenüber von Han-
k*ou liegen, die grösser und ebenso volkreich sind wie Han-k*ou selbst. Der
Verkehr auf dem Wasser ist so lebhaft als in irgend einem grossen europäischen
Seehafen. Zahlreiche, sehr grosse Segelschiffe von allen möglichen Konstruk-
tionen befahren den Yang-tzö-kiang. Diese grossen Schiffe gehen auch im Han-
Flusse eine Strecke weit hinauf, aber nicht bis Lao-ho-k'ou, da dort oben der
Fluss schon zu seicht für sie ist.
*
Mit Han-k*ou hatten wir das Gebiet und die Grenze, bis zu der die euro-
päische Kultur in China vorgedrungen ist, erreicht, und der freundliche Empfang,
den wir im deutschen Konsulate durch Herrn Vizekonsul Grunewald und beim
Vertreter des Norddeutschen Lloyd, Herrn Michellau, fanden, mutete uns, nach-
dem wir seit mehr denn Jahresfrist kein deutsches Wort mehr aus fremdem
Munde gehört hatten, heimatlich an. Hier wurden unsere Sammlungen für den
Transport nach Deutschland neu verpackt, hier fanden wir auch unsern Kosaken
wieder, den wir krank mit zwölf Kisten von Sammlungen aus Si-ning fu hatten
wegschicken müssen. Er hatte sich glücklicherweise erholt, so dass er die
Rückreise nach Russland zu See antreten konnte; ein Teil unserer Sammlungen
aber war bei einem Flussübergang infolge des Hochwassers nass geworden,
und leider waren zwei Kisten mit Vögeln ganz verdorben. Zwei Kisten mit
geologischen Sammlungen mussten ganz neu umgepackt und etikettiert werden;
dagegen waren die zahlreichen photographischen Platten von Unheil verschont
geblieben.
Somit waren wir denn sämtlich nebst allen unsern zum Teil unter grossen
Schwierigkeiten erworbenen Sammlungen, Karten, Aufzeichnungen, Skizzen und
Photographien glücklich und wohlbehalten bis ans Ende der Reise gelangt, so-
weit sie Gefahren bot. Wenn auch bei einer so raschen Durchwanderung eines
so grossen Kontinents vieles lückenhaft und unvollständig bleiben musste,
so hat doch im ganzen ein gütiges Schicksal über unserer Expedition gewaltet
und etwa drohendes Unheil stets freundlich von uns abgewandt. Hoffen wir
nun, dass das Material unserer Sammlungen und Forschungen den geographi-
Tverhältniis:
lg gelegene:
nem kleisea
Ufer beider-
Mdang nocl:
n den Yang
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r von Hau-
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Iii-
Thal des Tan-ho südlich vom Thsln-llng-schi
Thalabat
,in, zwischen Lune-kQ-tschal und Lao-ho k'ou.
irts gesehen.
r
— 513 —
sehen Disziplinen natunvissenschaftlicher Forschung die Bereicherung und Ver-
vollständigung bringen wird, welche wir zu erreichen als erstes Ziel immer
im Auge behielten, und für die keine Kosten, keine Mühe und keine An-
strengungen zu gross sein können.
Hauslii)ri[ iler Ivxpeditiiiii iiuf clein Han-kiim;;.
-^-
Anhang.
33*
Anthropologische Messungen
der auf den Tafeln I, II, IV abareblldeten Kirgisen, Sarten und Dunsanen.
Die KörpermessuujT^en koonteu nur am Anfanjje der Reise vorjjenommeu werden, so hiiij^e
die Verständijjuug: mit den Einj^eboreuen durch die Dolmetscher inög^lich war. In Tibet, wo' solche
Messungen von besonderem Interesse ßfewesen wären, fehlte es an jeder Verständigung, da die Kx-
pedition keine Dolmetscher mehr hatte, und die misstruuischen Tanjjuteu, die nicht einmal immer
;rerne Skizzen oder Photographien von sich aufnehmen lassen wollten, nicht vom Werte der anthi^o-
pologischen Messungen zu überzeugen waren, sondern sie für eine gefährliche Zauberei hielten, als
welche sie schon das Feilen mit dem Kompass zur Koutenaufuahme und die Arbeiten mit dem
Theodolithen anzusehen schienen.
Es sind daher nur anhangsweise die wenigen Messungen angeführt, welche ich in der I^ge
war vorzunehmen, da das Material zu gering ist, um zu einer selbständigen Besprechung einzuladen,
immerhin aber auch nicht wertlos scheint.
Anthropologische Aufnahme No. i. — Kirgise aus Suü- Kurgan.
(Photographische Aufnahme auf Tafel I, No. i.^'
Anthropologische Aufnahme
Masse in Centimeleni
(Jrt und Tag der Aufmihme: Osch, 25. Ja-
nuar 189S.
Xame : Basar-bai.
("Jeschlecht : (^
Stamm : Kirgise des Stammes Sartlar.
Beschäftigung : Dschitritc.
Alter: 45 Jahre.
Geburtsort: Sufi-Kmgan.
Ivrnährungszustand : Gut.
Farbe der Haut: Stirn: Bräunlich; Wange:
Etwas dunkler; Xase: Etwas dunkler; Ober-
lippe: Bräunlich weiss; Unterlippe: Rosig-
bräimlich; Brust: Unterarm: Hell bräunlich-
weiss; Innenfläche der Hände: Weiss.
Die Haut ist weich und fettig.
Farbe der Iris (aus einiger Entfernung ge-
sehen^ : Braun.
Farbe <les inneren Randes der Iris: Kastanien-
braun.
Bimlehaut: Weiss; zerstreute gelbe Flecken.
Form der Augen: Mandelförmig.
Stellung : Gerade.
Lage der Augen: Nichts besonderes.
Haar: Farbe schwarz; rasiert; schlicht, dick.
Bart: Farbe braunschwarz; Backen, Oberlippe,
Kinn.
Wimperhaare: Kurz, gerade.
Kopf: I«mg, breit.
Hinterhaupt: Steil, flach.
Gesicht: Hoch, l)reit, viereckig.
(irad der Protinathie: Sehr wenig prognath.
Stirn: Niedrig, gerade, breit, flach.
Wangenbeine : Angelegt.
Grösste Länge des Kopfes
Grösste Breite
ICntfernung zwischen den Tragus -
wurzeln (am hinteren oberen
Rand'
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Scheitelhöhe
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Nasenwurzel
Kleinste Stirnbreite
Gesichtshöhe A. Haarrand bis Kinn
(untere Fläche)
Gesichtsh<ihe B. Nasenwurzel bis
Kinn (untere l'läche} ....
Gesichtshühe C Nasenwurzel bis
Mundspalte
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen-
stachep!
Kasenbreite
Jochbogenbreite
Entfernung der Kieferwinkel v. e. .
luitfernung der inneren Augen-
winkel V. e
Entfernung der äusseren Augen-
winkel V. e. . .
Mumlbreite
Uppenhöhe
Ohrlänire
Ohrbreite
Projektionshöhe. Scheitel bis Kinn
Projektionshöhe, Scheitel bis Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im Sitzen (mit Kleid)
19,2
16,8
I4'ö
16.0
10,2
19,0
13.6
8,4
13.5
11,0
4.0
10,8
6,0
2,2
7.0
3-4
24,0
12,0
138.0
i8 —
ADthropoloj^sche Aufnahme
Masse in Centimctern
Xase: Wurzel: Breit, flach, massig hoch;
Rücken: Leicht konkav, Stumpfnase; vSep-
tum: Kurz, breit, keilförmig verjüngt;
Flügel: Dick; Löcher: Längsoval.
Lippen: Dick, voll, wulstig; oberer Rand tli-r
Lippen gerade.
Zähne: Gerade, gross.
Zahnforincl :
m m m p p c i i i l c p p m in m
m in m p j) c i i i i c p p m m m
(Fehlender Zahn fetterer Druck/.
Färbung: Weiss.
Oliren: Gross, schmal, wegstehend; umgelegter
Rand breit; Läppchen gross, breit, luige-
wachsen.
G enitidien : Beschueidung.
Waden: Dick, kräftig.
Plände: Gross, lang, breit.
Finger: Dick, lang.
Nägel: Gross, lang, breit, gewölbt, oval.
Füsse: Gross, breit.
Ohrhöhe (h. o, R. der Tragus-
wurzel), im Sitzen (mit Chalat)
Ganze Höhe, im Stehen (mit Schuhen^
Stemum (oberer Rand^ . .
Trochanter
Unterer Rand der Kniescheibe
Klafterweite
Schulterbrcili'
Länge des hängenden Armes
I^nge des Vorderannes .
lünge der Hand ....
Breite der Hand
l^ngc des Mittelfingers innen
Länge des Mittelfmgers aussen
Ilorizontal-l'mfang. Kopf.
124.0
1852
14S.0
99.0
187,0
46,0
90,0
44,0
20.5
10,5
9.5
12,0
58,0
Anthropologische Aufnahme No. 2. — Kirgise aus Irkeschtam.
(Photographische Aufnahme auf Tafel II, No. i.)
Ort und Tag der ALufnahme: Irkeschtam,
6. Februar 1898.
Xame : Tschan-dschar.
Geschlecht: (^
Stamm : Kirgise aus dem St;imme Dschuisch.
Beschäftigung: Schafhändler.
jUter: 50 Jahre.
Geburtsort : Irkeschtam.
Kmährungs;(U8tand : Sehr gut.
Farbe der Haut; Stirn: Braun; Wange: Braun,
etwas dunkler; Nase: Ebenso; ()l)erlippe:
Dunkel rosa; Unterlippe: Ebenso; Brust:
Weiss, etwas gebräunt; Oberarm: Weiss;
Innenüäclie der Hände: Gebräunt.
Die bedeckt getragenen Hautstellen
sind etwas heller als die gewöhnlich der
Sonne ausgesetzten.
Die Haut ist sammetartig. weich, trocken.
Farbe der Iris (aus einiger Entfernung ge-
sehenV- Braun.
li
Grösste I^änge des Kopfes . . 20,0
Grösste Breite 17.2
Entfernung zwischen ilen Tragus-
wurzeln .am hint. ob. Rand^ . IÖ.2
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Scheitelliöhe , 13,6
Entfernung von einer Traguswurzel I
zur Nasenwurzel 1 16,0
Kleinste Stimbreite 12.4
Gesichtshöhe A. ILuuraud bis Kinn
^untere Fläche^ 19,0
Gesichtshöhe B. Nasenwurzel bis 1
Kinn i untere Fläche^ .... 12,2
I
Gesichtshöhe C. Nasenwurzel bis
Mundspalte ....... ^ 8,2
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen- ,
Stachel} 1 5,2
Nasenbreite 4,0
Jochbogenbreite \ 12,7
Entfernung der Kieterwinkel v. e. . 10.4
— 519 —
Anthropologische Aufnahmt
Masse in Centimetcrn
I
Karbe des inneren Randes der Iris : Nussbraun.
Bindehaut: Weiss.
Form der Augen; Oval.
Stellung: Gerade.
Lage der Augen: Ktvvas vorstehend.
Haar: Farbe tief schwarz; kurz abgeschnitten;
dünn, weich.
Bart: Farbe schwarz; Backen wenig, Ober-
lippe, Kinn wenig.
Wimperhaare: Lang, gerade; sehr weui^.
Richtung der Haare an den Unterarmen: '
Keine da.
Kopf: Kurz, breit, niedrig.
Hinterhaupt: Flach.
(lesicht; Niedrig, breit, rund bis viereckig.
drad der Prognathie: Sehr gering.
Stirn: Niedrig, gerade, breit, voll, flach.
Wangenbeine : Angelegt.
Nase: Wurzel: Breit, flacli; Rücken: Gerade,
Stumpfnase; Septum: Kurz, schmal, ver-
jüngt nach hinten; "Hügel: Dünn.
Lippen: Dick, voll; oberer Rand geschwungen, i
/ahne: Gerade, gross.
Zahntoruu'l :
in lu in j) p C i 1 i i i* p p in in m
m m m p p c i i i i c p p ni iniu
■Fehlende Zähne fetterer Druck. "^
Ohren: Gross, breit, wegstehend, Henkel- ,
ohren; umgelegter Rand breit. I«'ippcheii
klein, breit, angewachsen.
( lenitalien : Boschneitlunj:;;^.
W:iden: Dünn, lang, schwächlich.
Hände: Gross, kurz, breit.
Finger: Dünn, laiitr.
Nägel: Gross, kmz. breit, gewölbt.
FUsse: Gross, kurz, schmal, gewüll)t, längste
Zehe r. i. 1. i.
Entfernung der inneren Augen-
winkel V. e
Entfemimg der äusseren Augen-
winkel V. e
Mundbreite
IJppenhöhe
Ohrlänge
Ohrbreite
Projektionshöhe, Scheitel bis Kinn .
Projektionshöhe, Scheitel bis Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im Sitzen . . . .
Ohrhöhe (h. o. R. der Tragus wurzel\
im Sitzen
Ganze Höhe, im Stehen . . . •
Sternum
Nabel
Trochanter
Unterer Rand der Kniescheibe .
Unterer Rand des inalleol. intern. .
Klafterweite
Schulterbreite
Hüftbreite
Länge des hängenden Annes .
Länge des Vorderarmes ....
Länge der Hand
Breite der Hand
Länge des Mittelfingers innen . ,
Länge des Mittelfingers aussen . .
Horizontal- Umfang, Kopf ....
Horizontal- Umfang, Brust . .
Kleinster Umfang, Unterschenkel .
Grösster Umfang, Unterschenkel
Grösster Umfang, Oberschenkel
Höhe, im Knieen
Fusslänge (im Knieen) ....
Fussbreite (im Knieen^ . . . .
4,o
IO,2
6.4
1.4
6,2
23,0
11,2
133^4
123,0
164,2
i33»o
96,0
92,0
43iO
10,5
168.0
41.0
30.0
74,5
41 i, 45 ;i
18,0
10,0
8,0
ii.S
5«.5
559,5
23.0
3L5
37.5
95.8
20,0
9,0
Anthropologische Aufnahme No. 3. Kirgise aus Kan-dschugan.
Photographische Aufnahme auf Tafel 11, Xo. 2.^
Ort und Tag der Aufnahme:
20. Februar 1S98.
Xaine: Temir.
Geschlecht: (f
Stamm: Kirgise*.
Beschäftigung: Hirt.
Kaschgar,
Grösste Länge des Kopfes . . .
Grösste Breite
Fntfernung zwischen den Tragus-
wurzeln (am hint. ob. Rand)
Kntfemung von einer Traguswurzel
zur Scheltelhöhe
18,6
15,4
14,4
13,2
S20
Anthropolo^sche Aufnahme
Masse in Centimetem
Alter: 25 Jahre.
Geburtsort: Kan-dschu|:j^an, westlich von Kasch-
EmShrung^szustand : Gut. [f^ar.
Farbe der Haut: Stirn: Gelbbraun; Wang^e:
Rötlichbrauii ; Nase: Ebenso; Oberlippe:
Rosa; Unterlippe: Ebenso; Brust: Weiss;
Oberarm: Ebenso; Innenfläche der Hände:
Weiss.
Die bedeckt q-etra^enen Hautstellen
sind merklich heller :üs die «gewöhnlich
der Sonne ausgesetzten.
Die Haut ist sammetarti^, weich, fettig.
Farbe der Iris (aus einifjer Entfenrnn^j jje-
sehen): Dunkelbraun.
Farbe d. inneren Randes d.Iris: Kastanienbraun.
Bindehaut: Weiss.
Form der Aug-en: Mandelförmijj.
Stellung: Gerade.
Lage der Augen: Tief.
Haar: Farbe tief schwaiz; schlicht.
Bart: Fehlt.
Wimperhaare: Kurz, geschwungen.
Kichtungf der Haare an den Oberschenkeln
und Unteraiinen: Keine d:i.
Kopf: Lang", breit, niedrig.
Hinterhaupt: Flach.
Gesicht: Hoch, schmal, ov5Ü.
Grad der Prognatlüe: Sehr gering.
Stirn: Niedrig, gerade, schmal, flach.
Wangenbeine : Angelegt.
Nase: Wurzel: Breit, massig hoch; Kücken:
Leicht konkav, Stumpfuase; Septum: Kurz,
schmal, verjüngt nach hinten ; Flügel : 1 )üun ;
Löcher: Schmal, queroval.
I^ippen: Dick, zart; oberer Rand geschwungen.
Zähne: Gerade, gross. Färbung: Weiss.
Zahn form el :
ui m ni p p c i i i i c p p in ni ni
m m m p p c i i i i c p p ni m m
(Fehlende Zähne fetterer Druck.)
Ohren: Klein, lang, breit, wegsteliend; umge-
legter Raiid schmal, Läppclien klein, breit,
angewachsen.
Genitalien : Beschneiduuir.
Waden: Dick, kräftig.
Hände: Gross, lang, breit.
Finger: Dick, lang, sehnig.
Nägel: Gross, kurz, breit, gewölbt, oval.
Füsse: Klein, kurz, schmal, gewölbt; längste
Zehe 1. 2.
Entfernung von einer Tragus würz el
zur Nasenwurzel ISA
Kleinste Stirnbreite j 12,4
Gesichtshöhe A. Haarrand bis Kinn
(untere Fläche) 18,4
Gesichtshöhe B. Nasenwurzel bis 1
I
Kinn ^untere Fläche) . . . . < 12,2
Gesichtshöhe C. Nasenwurzel bis |
Mundspalte 1 S.O
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen-
stacheP 5,S
Nasenbreite ' 4,0
Jochbogenbreite 13,2
i'vntfernung der Kieferwinkel v. e. . I2,0
ICntf eru. der inneren Augenwinkel v. e. 3,4
Entfernung «ler äusseren Augen-
winkel v. e 10,2
Muudbreite 5'^
Lippenhöhe 2,5
Ohrlänge 5,8
Ohrbreite 3,5
Projektionshöhe, Scheitel bis Kinn . 21,4
Projektionshöhe, Scheitel bis Nasen-
wurzel 11,0
Körperhöhe, im Sitzen . . . . ■ I35»0
Ohrhöhe {h. o. K. derTragiiswurzel),
im Sitzen 126,0
(lauze Höhe, im Stehen .... 168,0
Stemum 136,0
Nabel I02,0
Trochanter 99iO
Unterer Rand der Kniescheibe . . 48,0
Unterer Rand des malleol. intern. . 8,2
Klafterweile 1 178,0
Schulterbreite 45,0
I lüftbreite 30,0
]>änge des hängenden Armes . 70,0
Länge des Vorderarmes .... 46,0
Länge der Hand , 19,5
Breite der Haiul 10,0
Länge des Mittelfingers innen . . • 8,5
Länge des Mittelfingers aussen . . 1 2,0
Horizontal- Um fang. Kopf .... 53,0
Horizontal- Umfang, Brust . . . 93»0
Kleinster Umfang, Unterschenkel . 21,5
Grösster Umfang, Unterschenkel 38,5
Grüsster Umfang. Ol>erschenkel . 51. 5
Höhe, im Knieen '25,5
Fusslänge (im Knieen^ .... 24,0
Fussbreite 'im Knioen'' .... Io,o
— 521 —
Anthropologische Aufnahme No. 4. — Dungane aus Ak-su.
(Photügraphische Aufnahme auf Tafel 1, Xo. 2.)
Anthropulo^ische Aufuahine
Masse iu Centimetem
Ort und Tajj^ der Aufnahme: Suli-Kurjjan,
Alai-Gebirge, 2. Februar 1898.
Name: Dawud Achun.
Geschlecht: (^
Stamm: Dungane.
Beschäf tif^uni^ : Dschijrit.
Alter: 42 Jahre.
Geburtsort: Ak-su,
Emährunf^szustand : Gut.
Farbe der Haut : Stirn : Hellbräunlich ; Wanjj e :
Kot; Nase: Braun; Überlippe: Fleisch-
rosa; Unterlippe: Ebenso; Brust: Bräun-
lich-weiss; Oberarm: Ebenso, heller ; Innen-
fläche der Hände: Weiss.
Die bedeckt ^etrag^enen Hautstellen
sind nicht wesentlich heller als die gfc-
wöhnlich der Sonne ausgesetzten.
Die Haut ist weich anzufühlen.
Farbe der Iris (aus einij^er Entfernung ^e-
j^esehfu) : Kastanienbraun.
Bindehaut: Weiss.
Fonn der Auj^en: Maudelförmi}^'^.
Stellun«;: Gerade.
I^ij»^e der Augen: Tief.
Haar: Fiirbe schwarz; kurz jijeschnitten, straff,
dick, hart
Bart: Farbe schwarz; Oberlippe, Kinn.
Wimperhaare: Lang, geschwungen,
Richtung der Haare an den Oberschenkeln
und Unterannen: Keine oder nur wenig
nach unten gerichtet.
Kopf: Lang, schmal, hoch.
Hinter]iau})t : Gewölbt.
Gesicht: Hoch, schmal, viereckig.
Grad der Prognathie: Sehr wenig progiiath.
Stirn: Niedrig, schriig, schmal, voll, tlach.
Wangenbeine : Vortretend.
Nase: Wurzol : Breit, flach; Rücken: Gci;uK*;
Sfptuin: Kurz, schmal, verjüngt nach hinten;
Flügel: Dünn; Löcher: Längsoval.
Lippen: Dünn, zart; oberer Rand gerade,
le: Gerade, gross.
Zahnlormel :
III in m p p c i i I i i c ]) ]) in m m
in m m p p c i i < i i c p p m \\\ m
■Fehlender Zahn fetterer Druck. ^
FärV)untr: Weiss, an der Wurzel gelblich.
Grösste Länge des Kopfes , . .
Grösste Breite
ICntfernung zwischen den Tragus-
wm'zeln (am hint. ob. Rand) .
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Scheitelhöhe
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Nasenwurzel
Kleinste Stinibreite
Gesichtshöhe A. ILuirrand bis Kiim
(untere Fläche)
Cu^sichtshöhe B. Nasenwurzel bis
Kinn (untere Fläche) ....
Gesichtshöhe C. Nasenwurzel bis
Mundspcdte
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen-
stachel)
Nasenbreite 1
Jochbogenbreite .
Entfernung der Kieferwinkel v. e. .
Entfernung der inneren Augen-
winkel V. e
Entfernung der äusseren Augen-
winkel v. e
Mundbreite
Lippenhöhe
Ohrlänge
(^hrbreite
Projektioushöhe, Scheitel bis Kinn
Projektionshöhe, Scheitel bis Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im .Sitzen . . . .
Ohrhöhe \\v. o. R. der TraguswurzeP.
im Sitzen
Ganze Höhe, im Stehen . . . .
Sternum (ob. Rand «les Sternum'i .
Nabel
Trochanter
Unterer Rand der Kniescheibe . • .
Unterer Rand des malleol. intern. .
Klafterweite .
Schultcr])reite
Hut tl »reite
Länge des hängenden Armes
Länge lies \'ord<'rarmes . . . .
Länge der Hand
Breite der Hand
19.5
I4i2
14,8
14.S
1L4
16,8
7,6
6,2
3-S
12,0
10,0
3'2
9.2
5.0
1.6
6,7
3»o
23.S
13.2
I37r4
127,0
i75»o
140,0
105,0
101,0
46. s
9,4
175*0
37.0
32,0
75'0
450
10,0
8.0
522
Anthropologische Aufnahmr
Masse in Ceutimetem
Ohren: Ciroj^s. luu^, schniui, wej^sti'htMul ; uin-
j^flcj^'tcr Rand schni:iJ ; Läppchen kh'in,
schmal, an^^ewachsen.
( fcnitalifii : Beschnritlunjj.
Waden: Dünn, lauj;, krältiu'-
Ilämlt;: (iross, breit.
Fin^^er: Dünn, lanj^'.
Xäjffl: Klein, lanpr- schniiü, fji'wölbl, oval.
Füsse: (iross. laue, schinil. i»*ewöll>t; liin^str
Zehe r. 2. 1. 2.
Län;^'e «lea Mittelfinijers innen .
Läuy^e des Mittelfiujjers aussen .
Horizontal- L'nit'ao«^. Kopt . .
Hori/ont:il-L'iutan^. Urust . . . .
Kleinster Umfang, Unterschenkel .
(irösster Umfanjj, Unterschenkel
Grösster Unitan;if, Oberschenkel
ll'ihe. im Knieen
7.S
15.7
54,0
S2,5
22.5
30,0
34-5
106.0
Anthropologische Aufnahme No. 5. — Sarte aus Osch.
Ort uml Taj^ «ler Aufnahme: Tsehartsehi bei
Kurlja, 30. Mär/ iSoS.
Xame: Kadür Kalop.ir).
Geschlecht : (^f
Stamm: Sarte.
Beschälti.cjuup : Karawan-ilaschi.
Alter: 35 Jalue.
Geburtsort: Osch.
lMnährun|;s/ustaniI : Sehr uut.
Farbe der Haut: Stirn: LJiaun; Waii^e: Rosa-
braun; Nase: Kbensu; Oberlip])e : Ros.i-
weiss; Unterlipp«>: i^bcuso; IJrusl: Weiss.
K:ebräunt: Oberarm: Hell, weiss; limen-
tläche der Hände: Weiss.
Die bedeckt i^etrafj^enen Haiiistelien
sind wesentlich heller als die «rewöhnlich
der Simne ausifi'S«tzten.
Die Haut ist sainmetartii»'. weich, liockeji
anzutühlen.
Farbe der Iris (aus eini^^er iMitfernuiiLT l:(.-
sehen^ : Hellbraun.
Farbe iles inneren Randes der Iris: Dunkel-
braun.
Bindehaut: Weis.**.
Form der Auj|i*n : 0\.il.
Stellung: Gerade.
Laut' «ler Auj^en: Tief.
Haar: I''arbe ^rauschwar/, stellenweise weiss;
NNellijj, dick, hart.
Hart: I'^ari)« iri-mschwarz; Backen. Oberlippe,
Kinn.
Wimperh.'une : Kurz, jj^erade.
Sonstijjes Haar: Dunkel, kurze Armhaare.
(irössti" Länge des Kopt»'S .
Grösste Breite
Ivntleniun^ zwischen den Tra^^us-
wurzeln am hint. ol). Knnd'.
ICnlf'Mnunjj \on einer Trairuswurzel
zur Scheitelhöhe
FiUt'ernunij von einer Traffuswurzel
zur \asen Wurzel
Kleinste Stiinbreitr
Gesichtshöhe A. Haiurand bis Kinn
untere Fläche^
Gesiclitshöhe B. Nasenwurzel bis
Kinn ^untere Fläche^ . . . .
Gesichtshrihe C\ Nasenwurzel bis
Mundsj».dle
.Vaseuhöhe Nasenwurzel bis Xasen-
staclieF
Xasenbreite
Jochboi^enbreiie
l'jitternung^ der Kieferwinkel v. e. .
Kntfei n. der inneren Aujifenwinkel v. e.
IOntf«'riuuijj der äusseren Augen-
winkel V. e
Mundbreite
Lippenhöht'
Ohrlänjje . .
( )hrbreite
Projektionshöhe. Scheitel bis Kiiui
Frojektionshöhe. Scheitel bis Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im Sitzen . . . .
( >hrhöhe (h. o. R. der Trapuswurzel).
im Sitxeji
19.0
16.0
I3.S
I4«4
16.4
12.4
iS.S
130
S.2
5'^
4.0
12.S
11,4
3.0
10,2
5'4
1-3
0,0
3'4
25.S
15.2
147*0
137,»
— 523 —
Anthropologische Aufnnhino
M'cisse in Ceutimetern
Kichtuiijif der Ihuire an den Oberschenkeln und
Unterarmen: Weniß^e, nach unten jjerichtet.
Kopf: Lan^, schin:il, hoch.
Hinterhaupt: Steil, flach.
Gesicht : Hoch, schmal, viereckig?.
Grad der Prog^nathii* : Gering;.
Stirn : Niedrigr, schräjj. schmal, voll, flach.
Wani^enbeine : Anjjelcjjt.
Nase : Wurzel : Schmal, massig hoch ; Kücken :
Gerade; Septum: Kurz, schmal, keilförmig,
verjüngt nach vorn; Flütri*l: Dünn; Löcher:
I-Äui^soval, j^ross.
Lippen: Dünn, zart; oberer Rand j^cschwunji^rn.
Zähne: Gerade, klein; Vorderkaucr.
Zahnformel :
m m m ]j j) c i i i i c p ]) in m m
m m m p p c i i ' i i c p p m m m
(Fehlender Zahn fetterer Druck. ^
Färbung : Weiss.
( )hren : Klein, lanj^, schmsU. anliej^end ; umj>^e-
leorter Rand schmal; Läppchen i^ross, breit,
frei.
G(.M)it:Uien : Beschneidung^.
Wilden: Dick, lan*^, krälti;,^
Hände: (iross. lanjj, breit.
Finj^er: Dünn, lanjr. sehni;:.
Näjfel: Gross, lanjj, breit, j^^ewölbt, rundlich.
Fiissc: Gross, breit.
Ganze Höhe, im Stehen . .
Sternum (oberes Knde^
»\aL)ei •.••....
l'rochanter .......
Unterer Rand der Kniescheibe
Unterer Rand des miüleol. intei
Klafterweite
Schulterbreite
Hüftbreite
Länge des hängenden Aiines
Länge des Vorderarmes .
I-,änge der Hand ....
Breite der Hand
Länge des Mittelfingers innen
Länge des Mittelfingers aussen
Horizontal- Umfang, Kopf . .
Horizontal-Umfang, Brust .
Kleinster Umfimg, Unterschenkel
Grösster Umfjmg, Unterschenkel
Grösster Umfang, Oberschenkel
Höhe, im Knieen
Fusslängc im Knieen'
Fussbreito im Knieen^ . . .
n
177.2
lOO.O
92,0
49.0
7,0
179.0
44.0
30,0
77,0
47.0
18,8
8,4
8.5
11,8
56,0
96,0
21,5
37.5
SI10
128.3
24.0
9-'S
Anthropologische Aufnahme No. 6. — Kaschgarier (Sarte) aus Kaschgar.
Photographische Aufnahme auf Tafel I\', No. 2.]
Ovt u. Tag der Aulnahme Kurlja, i. April 1898.
Xame: Osman Tuta-achun.
Geschlecht: (^
Stamm: Kaschgarier (Sarte\
Beschäftigung ; Kara\van-b;tschi.
Alter; 30 Jahre.
Geburtsort: Kaschgar.
1 Ernährungszustand : Gm.
Fail)e cler II:iut: Stirn: Bräunlich weiss: Wange;
Fbenso. etwas dunkler; Nase: Ebenso;
( )l)erlippe : Kosigweiss; Unterlippe : Kbenso;
Brust; Braunweiss; Oberarm: Weiss, ge-
bräunt; Innenfläche der Hände: Braun-
weiss.
Grösste Länge des Kopfes .
Grösste Breite
Kntfernung zwischen den Tragus-
wurzeln (am hinteren oberen
Ramr
Ivntfernung von einer Traguswurzi'l
zur Scheitelhöhe
Kntfernung von einer Traguswurzel
zur Nasenwurzel
Kleinste Stirnbreile
Gesichtshöhe A. Haarrand bis Kinn
(untere Fläche'
Gesichtshöhe B. Nasenwurzel bis
Kinn (untere Fläche^ ....
18.4
15. 8
14,6
13.Ü
15.2
12. ()
13-2
— 524 —
Anthropoloß^ische Aufnahme
Masse iii Centimetern
Die bedeckt getiapenen Hautstelleu
sind nicht merklich dunkler oder wesent-
lich heller als die gewöhnlich der Sonne
ausgesetzten.
Die Haut ist sammetarti^, weich,
trocken anzufühlen.
Farbe der Iris (aus einip^er Entfemuujj jje-
sehenV' Braun.
Farbe des inneren Randes der Iris: Dunkel-
braiui.
Bindehaut: Weiss.
Form der Äugten: Oval.
Stellunfif: Gerade.
Lajje der Augen: Vorstehend.
Haar: Farbe tief schwarz; kurz ^geschnitten,
schlicht, dünn, weich.
Bart: Farbe grauschwarz; Backen, Oberlippe,
Kinn.
Wimperhaare: Kurz, geschwunoren.
Sonstiges Haar: Wenig.
Richtung der Haare an den Oberschenkeln
und Unterarmen: Nach unten gerichtet
Kopf: Lang, breit, hoch.
Hinterhaupt; Steil, flach.
Gesicht: Hoch, breit, viereckig.
Grad der Prognathie: Sehr wenig oder ganz
Null.
Stirn: Niedrig, gerade, breit, voll, flach.
W^angenbeine : Angelegt.
Nase: Wurzel: Breit, flach; Rücken: Gerade;
Septum: Kurz, breit, verjüngt nach vom;
Flügel: Dünn; I^öcher: Schmal, längsov;d,
gross.
Lippen: Dick, voll, gerade.
Zähne: Gerade, gross, vollständig.
Ohren: Gross, lang, schmal, anliegend; um-
gelegter Rand: Schmal; Läj)pchen: Klein,
breit, angewachsen.
Genitalien: Beschneidung.
Waden: Dick, lang, kräftig.
Hände: Gross, lang, breit.
Finger: Dick, lang, sehnig.
Nägel: Gross, lang, breit, gewölbt, oval.
Füsse: Gross, lang, breit, gewölbt; längste
Zehe r. 2^ 1. 2.
US-
Gesichtshöhe C. Nasenwurzel bis
Mundspalte
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen-
stachcO
Nasenbreite
Jochbogenbreiie
lintfernung der Kieferwinkcl v. e. .
Entfernung der inneren Augen-
winkel
Entfernung der äusseren Augen-
winkel V. e
Mund breite
Lippenhöhe
Ohrlänge
Ohrbreite
Projektionshöhe, .Scheitel bis Kinn
Projektioushöhe, Scheitel ])is Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im Sitzen
Ohrhöhe (h. o. R. der Trag
Wurzel) im Sitzen .
Ganze Höhe, im Stehen
Sternum
Nabel
Trochanter
Unterer Rand der Kniescheibe
Unterer Rand des malleol. inter
Klafter weite
Schulterbreite
Hüftbreite
Länge des hängenden Armes
Länge des Vorderarmes .
Länge der Hand ....
Breite der Hand
Länge des Mittelfingers innen
Länge des Mittelfingers aussen
Horizontal- Umfang, Kopf
Ilorizontal-Umlang, Brust .
Kleinster Umfang, Unterschenke
(Irösster Umlang, Unterschenkel
Grösster Umfang, ( )bersclienkel
Hohe, im Knieen
Fusslänge (im Knieen)
Fussbreite (itn Knieen) . . .
n.
8,6
6,2
4,o
13,2
10,2
4»o
11,2
5.7
L9
6,5
3^4
25,8
13.8
144,0
133.0
174,8
139.0
106,0
100,0
49,0
9.0
176,0
40,0
32,0
76,0
44,0
18,9
S,7
11,0
8,0
55.5
85,0
22,5
36,0
48,0
129,0
24,0
10,0
— 525 —
Anthropologische Aufnahme No. 7. — Kaschgarier (Sarte) aus Kaschgar.
(Pliotojjraphische Aufnahme auf Tafel IV, Xo. i.)
Anthropolopriscbe Aufnahme
Masse in Centimetern
Ort und Tag^ der Aufnahme: Karaschar,
4. April 1898.
Name: Kascmasi.
(Geschlecht: (^
Stamm: Kaschgarier (Sarte.)
Beschäftignni^ : Arbenführer.
Alter: 17 Jahre.
Geburtsort: Kaschgar.
Ernährungszustand: Gut.
Farbe der Haut: Stirn: Bräunlich weiss; Wange:
Rosigweiss; Nase: Ebenso; Oberlippe:
Ebenso; Unterlippe: Ebenso; Brust: Bräun-
lichweiss; Olierarm: ICbenso; Innenfläche
der Hände: Braunweiss.
Die bedeckt getrtigenen llautstellen
sind nicht merklich dunkler oder wesent-
lich heller als die gewöhnlich der Sonne
ausgesetzten.
Die Haut ist rauh, trocken anzufühlen.
l\'irl)e der Iris ^aus einiger ICntfernung ge-
sehen): Hellbraun.
l'arbe des inneren Randes der Iris: Kastanien-
braun.
Bindehaut: Weiss ; einige Wülste in der Bindehaut.
Form der Augen: Mandelförmig.
Stellung: Gerade.
Eage der Augen: Tief.
Haar: Farbe grauschwarz, schlicht, tlünn,
weich.
i-Jart: fehlt.
Wimperhaare: Kurz, geschwungen.
Sonstiges Haar : Keine Haare unter den
Armen.
Richtung der Haare an den Oberschenkeln
un<l Unterarmen: Keine.
Kopf: Kurz, breit, niethig.
Hinterhaupt: Steil, gewölbt.
Gesicht: Hoch, ])reit, oval.
Grad der Prognathie: Gering.
Stirn: Niedrig, gerade, breit, voll, flach.
Wangenbeine : Angelegt.
Nase: Wurzel: Schmal, massig hoch; Rücken:
Eeicht concav; Septum: Kurz, schmid,
keilförmig, verjüngt nach vorn; Flügel:
Dünn; Löcher: Schmal, (juerov:J, gross.
Tjppcn: Dünn, zart, oberer Rand der Lippe
geschwungen.
Grösste I^änge des Kopfes .
Grösste Breite
Entfernung zwischen den Tragus-
wurzeln (am hint. ob. Rand)
Entfernung von einer Traguswurzel
zur Scheitelhöhe
ICntfernung von einer Traguswurzel
zur Nasenwurzel
Kleinste Stirnbreite
Gesichtshöhe A. Haarrand bis Kinn
(untere Fläche)
Gesichtshölle B. Nasenwurzel bis
Kinn (untere Fläche) ....
Gesichtshöhe C. Nasenwurzel bis
Mundspalte
Nasenhöhe (Nasenwurzel bis Nasen-
stachel)
Nasenbreite
Jochbogenbrente
Entfernung der Kieferwinkel v. e. .
Entfernung <hn- inneren .Augen-
winkel v. e
Entfernung der äusseren Augen-
winkel v. e
Mundbreite
Lippenhöhe
Ohrlänge
Ohrbreite
Projektionshöhe, Scheitel bis Kinn
Projektionshöhe, Scheitel bis Nasen-
wurzel
Körperhöhe, im Sitzen ....
Ohrhöhe (h. o. R. der Traguswurzel),
im Sitzen
Ganze Höhe, im Stehen ....
Stemum
Nabel
Trochanter
Unterer Rand der Kniescheibe .
Unterer Rand des malleol. intern. .
Klafterweite
Schulterbreite
Hüftbreite
Länge des hängenden Armes .
Lance des Vonlerarmes ....
Länge der Hand
Breite der Hand ....
• «
iS,4
14^4
13.4
II,S
14^2
11. 4
I7,S
11. 5
7,4
5,6
3,4
11,0
10,4
9.2
3,S
5,0
1,2
6,0
3,5
21,6
10,2
130.0
121,0
1552
125.0
91,0
87,0
40,0
7,0
161. o
39,0
24,0
70.0
43iO
17.5
7,5
-' 526 —
Anthropoloß^ische Aufnahmt*
Masse in ('entimetern
Zähno: Gerade, ^ross, voUständifj.
Ohren: Klein, lanjf, schmal, anließ^cnd; iim-
ß^elegter Ran<l : Schmal; Läppchen: (iross,
breit, frei.
Genitalien: Beschneidunp.
WadiMi : Dick, lan^, kräfiijj.
Iländc: fiross, lanq^. schmal.
Finder: Dünn, langr. sehnitr.
Näjjel: Gross, lanjj, schmal, jj^ewölbt, f»val.
Küsse: Klein, lantj, schmal, ijewrilbt; Jänirstc
Zehe r. 2, 1. 2.
Läntfo dfs Mittelfinjjers innen .
Läntjc des Miltclfmg^ers aussen .
Horizontal- L'mianiJ, Kopf . . .
Ilorizontal-Umfanff. Brust . . .
Kleinster Umfanjf, Unterschenkel
(irösster Umfanp, Unterschenkel
Grösster Umfang". Oberschenkel
Hohe, im Knieen
Fusslänjje (im Knieen . .
Fussbreite '^im Knieen^
Becken. Diameter si)inannii .
i8,o
7,3
52^5
S3,o
20,0
31-5
46.0
117^4
21.5
9,0
t
Nachtrag.
Das kurz vor Weihnachten erschienene Werk von F. von Schwarz:
*Turkestan«*), das auf langjähriger Erfahrung im Lande selbst beruht und allen,
die sich für das Land interessieren, nur bestens empfohlen werden kann,
erschien zu spät, als dass ich es noch benutzen konnte; der Druck dieses
Bandes war schon so weit vorgeschritten, dass ich mich darauf beschränken
muss, einige Nachträge zur Erweiterung und teilvveisen Verbesserung des in den
ersten Kapiteln Gesagten am Schlüsse anzufügen.
Zu Seite 5. Bevölkerung Turkestans.
V. von Schwarz betont die Konfusion, die über den Begriff Sarten bei
den verschiedensten Autoren herrscht; er hält es auch für wahrscheinlich, dass
der Name keine ethnische, sondern eine kultur- historische Bedeutung hat und
die ansässige Bevölkerung im Gegensatze zu den Nomaden bezeichnet. Sie sind
nach demselben Autor ein Mischvolk von indogermanischen Urbcwohncrn
(Galtschas), die sich in schwer zugänglichen Thälern der Hochgebirge des
oberen Amu-darja noch bis heute erhalten haben, und allen den V^ölkern, die
im Laufe der Jahrhunderte durch Turkestan gekommen sind. Durch Vermischung
mit den später Eingewanderten entstanden sowohl Sarten wie Tadschiken, die
den alten Galtschas noch näher stehen als vielfach die Sarten, die mehr mit
den kirgisenähnlichen, eingewanderten Usbeken vermischt sind. Sie haben nicht
nur den grössten Anteil an der Bevölkerung der Städte und Dörfer im russischen
Turkestan, sondern wohnen auch im Tarim-Becken, und die Bewohner von
Kaschgarien, Buchara, Semiretschie und dem nördlichen Afghanistan sind von
den Sarten des russischen Turkestan nicht zu unterscheiden. Wie die Kaschgarier
und Tarantschi im Tarim-Becken und bei Kultscha, so sind auch die Usbeken
in Buchara, Chiwa und Nordafghanistan in ihrer Abstammung nur Sarten. Die
Kiptschaken, die zu den nomadisierenden l^ewohnern gehören, sind zum Teil
usbekischer, zum Teil karakirgisischer Abstammung; die Karkalpaken haben
*^ F. V. Sihwaiz: Turkest.m, 1900, Freihur^' i. IJ., Hfnlcrsche lUichhaiKUuii};, mit (mihmu
Titelbild in Failx-ndriick, 17S Abbildiincfon und oiiu-r Karte.
- 5-^8 -
ausserdem noch Beimengung von Turkmenen, die aber selbst ein Mischvolk
aus sehr verschiedenen Elementen bilden, v. Schwarz zitiert ausserdem noch
eine grosse Menge von Volksstämmen, die in geringerer Zahl und in lokalisierteren
Verbreitungsgebieten sich noch in Turkestan teils in ansas>iger, teils in
nomadischer Lebensweise aufhalten.
Zu Seite 23 u. flF. Besuch der Medresse der Schir-Dar- Moschee.
In Turkestan sind die Moscheen nur Versammlungsräume, nicht Kirchen
im christlichen Sinne, ebenso wie auch die Mullas nicht Geistliche, sondern Vor-
betcr und mehr Lehrer und theologisch gebildete Juristen sind, welche die im
heiligen Koran enthaltenen Prinzipien und Entscheidungen für die Rechtspflege
studieren und interj^retieren. In den Medresse n werden ausser der türkischen,
persischen und arabischen Sprache nur die heiHgen Bücher bebandelt: v. Schwarz
vergleicht sie mit Klerikal-Seminarien. Meist sind sie aus frommen Stiftungen
her\'orgegangen, die sie auch erhalten und den Gehalt der Lehrer bestreiten;
sie erhalten aber keine Staatszuschüsse. Das grösste Ansehen geniessen die
Medressen von Buchara, die sehr ehr\vürdige Mullas haben.
Zu Seite 27. Klima in West -Turkestan.
Da V. Schwarz Astronom an der Sternwarte und Leiter des turkestanischen
meteorologischen Instituts in Taschkent war, verdienen seine Folgerungen für
die Zukunft des Landes aus den klimatischen Verhältnissen besonderes Interesse
und mögen hier kurz zusammengefasst werden. Im Sommer herrschen sehr
hohe Temperaturgrade sowohl in der Luft, wie in dem erhitzten Wüstenboden,
und nur in den Oasen werden infolge der Feuchtigkeit und der Vegetation die
extremen Temperaturunterschiede etwas gemildert. Niederschläge, die nur in
geringer Menge fallen, sind auf die Winterszeit beschränkt und somit fiir die
Vegetation wenig nützlich ; wie in allen abflusslosen Gebieten entzieht eine sehr
starke Verdunstung dem Boden, den Flüssen und Wasserbecken die Feuchtig-
keit in so hohem Masse, dass Salzseen entstehen. Es ist fast ausschliesslich
das von den hohen Randgebirgen, den Schnee- und Gletscherregionen auch
während des Sommers in die durstigen Niederungen geführte Wasser, welches
die Oasen ernährt. In den Quellgebieten des Tschu, des Syr und Amu-darja,
des Serafschan und Murgab liegen die Reservoire, welche aus dem niederschlag-
reichen Winter die atmosphärische Feuchtigkeit als Schnee und Eis aufbewahren
und im Sommer abgeben. Es fehlt nun nicht an unzweifelhaften, historischen
Beweisen dafür, dass im Laufe der Jahrhunderte eine zunehmende Austrocknung
im Lande stattfindet; auch die von den Flüssen aus den Gebirgen gebrachten
Wassermengen nehmen seit Jahrhunderten konstant ab; die einst viel grösseren
Seebecken sind zusammengeschrumpft, die Gletscher gehen zurück, und mit
dem weiteren Umsichgreifen dieser Verhältnisse gehen die Oasen-Gebiete der
sicheren Austrocknung und dem Untergange entgegen.
— 529 —
Zu Seite 65. Pilaw.
Unter den Nahrungsmitteln nimmt, wie auch ich schilderte, der Piläw oder
Plow eine hervorragende Stelle ein; nach v. Schwarz gilt er als spezifisch
muhamedanisches Gericht, das einfach, bei Wohlhabenden aber auch sehr
kompliziert zusammengesetzt sein kann. Die Hauptbestandteile sind Schaffleisch
und Fett vom Fettschwanze eines Schafes, in dem das Fleisch geschmort wird;
gelbe Rüben, Reis und Gewürze werden zugesetzt und das Gericht in bedeckten,
irdenen Gefassen unter zeitweiligem Zugiessen von Fett gar gekocht. Die
Zubereitung enthält aber ausserdem noch Geheimnisse, welche die ausländischen
Diener nicht kennen und auch nicht lernen, denn ebenso wenig wie die euro-
päischen Köche von v. Schwarz konnte Dr. Holderers Diener Bock einen guten
Piläw zu Stande bringen.
Zu Seite 125, 126.
Die Aksakale in Russisch-Turkestan sind nicht russische Handelskommissio-
näre wie in Kaschgarien, sondern haben etwa die Stellung von Bürgermeistern,
welche die Bevölkerung gegenüber der Regierung vertreten; die Bezeichnung
bedeutet Graubärte oder Aelteste.
Futter er, Durch Asien. 34
Verzeichnis der Druckfehler.
»
»
pag. 3, Zeile 9 v. u. lies: KaufTmann statt Kaufmann.
» 58, » 8 und 12, und pag. 60 in der Unterschrift zum Bilde lies: Sufi-kurgan statt
Sufi-Kurgan.
» 7^, » 3 V. o. lies: Nagra-dschaldu statt Nagra-Tschaldü.
106, » 15 V. o. lies: Kcrija statt Keija.
123, in der Unterschrift zum Bilde lies: Schur-kubuk statt Schur-Kubuk.
» 146, Zeile 4 v. o. lies: Kurlja statt Kurla.
» 148, in der Unterschrift zum Bilde lies: Otun-kosa statt OtunKos.i.
» 153, Zeile 5 v. o. lies: Sinbir-Kette statt Simbir-Kette.
» 166, » 19 V. o. » Geröll- statt Geröll.
179, » 1 4 V. o. Lande statt Sande.
213, » 1 V. u. » Yang-tz^-kiang statt Yang-tse-kiang.
248, » 2 V. u. » V. Loczy statt v. Soczy.
» 273 lies unten 18 statt 81 und Asien statt Asine.
» 280, in der Unterschrift zum Bilde lies: Süd-Küke-nur-Gebirge statt Süd-Kuke-nur-Gebiet
» 294 ebenda lies: Baa-Thal statt Bau-Thal.
338, Zeile 6 V. o. lies: Tafeln XXIV und XXVI statt Tafeln XXVI und XXVII.
351, » 7 V. o. V Profil II statt Profil I.
385, » 1 V. u. » Lager AI statt Lager A.
44 t, » 2 V. u. ' Fusulinen-Kalke statt Fusalinen-Kalkc.
486, » 9 V. u. » Thsang-wu hsien statt Thschang-wu hsien.
»
»
»
Namen- und Sachregister.
34'
An eleu mit fetteu Zahlen bezeichneten Stellen finden sich ausführlichere Darstellungfen der
betreffenden Materie.
Achal-Oasc 5.
— -Tekke 5.
Achur-ta^ I2I.
Ackerbau-Geräte 236, 287.
Afghanen 15.
Afghanistan 13. 18, 27, 44, 91,
102, 127.
Afrosiab 26, 27.
Agu-bulak 156, 157.
Aksakal in Ak-su 125, 126.
— in Kutscha 138.
— in Turfan 160.
— in Russisch-Turkestan 529«
Ak-su 96, 100, 103, 105, fo6,
107, III, 121, 122, 123, 124,
125, 126, 127, 135, 146, 520.
Ak-su-darja 93.
Alai-Gebirge 5, 38, 59, 68, 76,
82, 84, 92, 97, I39i 502.
Alai-Thal 58.
Ala-schan 213, 235, 240, 241, 278.
Alatau, dsungarischer 92.
Albrecht 24, 26.
-.'Vlexander der Grosse 27.
.Vlgoi-Fluss 155.
Alpen 40, 66, 279.
Altai 99.
Altertümer in der Sand wüste 91.
Altin, Kloster 258.
Altvulkanlsche Hügel und Ge-
steine 178, 179, 180, 181, 183,
186, 187, 188, 189, 197, 203,
208, 209, 210, 314.
Amban in Hami 168.
— in Maral-baschi 115.
— in Kutscha 139, 142.
— in Turfan 160.
Am-do 257, 262, 268, 278, 405.
Am-do-wa 260, 277, 278.
America China Mission 433.
Amne - matschin - Gebirge 363,
378. 380.
Amne-waien-Berg 305, 315, 318,
3241 331-
Ampezzo-Tluü 245.
Amphibolschiefer 204.
Amu-darja 5, il, 17, 59, 106.
527, 528.
Amiüette der Tanguten 285, 353.
Araursan, Mongolischer Häupt-
ling lOI.
AndachtsUbung der Pilger in
Kum-bum 266.
Andischan 42, 47, 49, 50.
- O'dt) 47, 48.
Ansiedelungen, feste, in Tibet
281, 319, 404, 405, 420, 421,
425, 426, 438.
Anthropologische Messungen
516—525.
Antilopen 114, 295, 314, 316.
Appak-Chodscha 100, loi, 103.
Araber 15, 99.
Ara-gol 270.
Aragwa 2.
Arbe (Karren) 42, 44, 45, 48.
iVrgali (Bergschaf) 94, 180, 188.
.\rgü-Gebirge 155.
Arier 5, 60. 80, 213.
Arka-tag 97.
Artscha (asiat. Wachholder) 62.
Artik (siehe Bewässerungskanäle)
04.
Aschabad 4.
Asiatische Wüste 3.
Asien, West- 59, 229.
Asphalt 139.
Assar, Ruinen 140.
Astün 160, 161.
Aufschüttungsflächen 77, 145,
155, 162, 184, 207, 210, 298,
299, 308, 375-
Aul 54, 56, 57, 60, 61.
Ausrüstung der Expedition i.
Avalokita, Buddha 286.
B.
Baa-Fluss 286, 335, 336, 337,
842, 848, 344, 377. 382.
— -Flussgebiet, Geologie 347,
362.
— -Thal 294^ 337. 838, 339,
340, 343' 345' 346, 347, 348,
349i 353-
Badaulet 103.
Baden 244.
Badschi-Tanz 141.
Bagha-Gorgi-Fluss 325.
Bagnisch-Kul 149, 160, 151, 152,
214.
Bai 126, 127, 132, 133, 184,
185, 136, 137.
— -Bazar 134.
Bairam-Ali 4.
Baktrien 27, 91.
Baku I, 2, 3.
Balekun-gomi 315, 318, 319,
323. 326.
, Gebirge von, 305, 306, 307.
Bankhaus in Liang-tschou 248.
Barkul-Berge 164, 166.
Batum I, 2.
Bauernhof 271, 456.
Bauernhöfe, befestigte, 198, 100.
Begräbnis 236.
Bei-schan 177, 211.
— 534
Hell 144.
Ber^jbau 130, 131, 141, 142,
234. 235, 250, 251.
Berfj-Kirffisen 61, 68, 92.
Herfjschafc 94.
lU'riesclunjj uu:l liewüsscrunj^
93, 94, III, 161, 217.
Bettler 14, 95, 122, 220, 243,
468, 477.
Bewäs8eruD<;skanäle 14, 75, 94,
107, »33' löO, 161, 199.
Bhairuva, buddhistische Gottheit
238.
Bibi-Chanim-Moschee2o, ^, 27.
Bik-kuli-Bek , Sohn Jakub-Beks
104.
Birma 173.
Bode 5, 9.
Bodensee 290,
Bodhisatva Aviüokitegvara 353.
BojjJo-ola 159, 163. 164.
Böubo-Glauben 279.
Bozen 204.
Brunnen der Gobi 177, 179, 180,
181, 1S4, i8s, 187, 1S8, 191.
Buch<iin-^ol 297.
Buchara (alt) 3, 4, 5, 11, lÄ, 13,
14, 15, 16, 17 21, 27, S9,
99, 100, 168. 528.
Buchara, Bazar 14, 15—19, 28.
— Bevülkerunjj 12.
— Emirat 1 1, 12, 13, 106, 527.
— Geschichte 12.
MÜitär 13.
— Wohnunjfcn 19.
Bucharen 10, 18, 19, 30, 31, 33.
Buddha 410, 4S8, 238, 277, 355,
410.
Buddhisten 95, 215, 277, 278,
354, 417-
Buddhismus 27, 80, 91 — 99, 173.
Buddhistisches Denkmid (StApa)
90.
Bugur-tau 146.
Bulundsir-^ol 194.
Burchan, tibetanisches lleilij^en-
büd 2S5, 353, 354.
Burka 2.
C.
Carabrischc Schichten 469.
Canons 74.
Carbon-Schichten 315, 472, 473.
Carey 96.
Ceylon 173.
Chalak 266, 268, 357.
Chaidu-jjol 150, 151.
Chalat (Leibrock) 8, 9, 15, 18,
36, 70.
Chalcedon 203.
Ch;üi-tsche 361, 373, 874, 375»
382, 3S5, 386.
Chalük-tau 134.
Chandu 162, 163, 164.
Chan -tu 150.
Charkow i.
Chemar t'anjj 306.
China 18, 38, 39, 49, 50, 55,
59, 71, 76, 83, 88. 91. 96.
97, 99, 133, 158, 15Q, 163,
167, 173, 212, 214, 215, 216,
219, 229, 243, 245, 251, 260,
272, 277, 278, 284, 412, 430,
431. 432, 434. 443. 457. 461,
471, 477, 488, 500, 512.
— , nördliches, 505.
--, südliches, 213, 232,339,440.
— -Inland - Mission 258, 260,
261, 440.
Cidn-chao ye 244, 245.
Chinesen 70, 71, 80, 89, 91, 95,
96, 98, 100, 101, 102, 103,
104, 115, 116, 123, 133, 142,
144, 146, 150, 155, 159, 168,
212, 213, 214,217, 218, 220,
221, 257, 274, 278, 279, 293,
303. 315. 322, 35 5f 3871 388,
393. 404, 405, 413, 414, 415.
416, 417, 432, 434. 4381 440,
457i 470, 471, 477. 508, 509.
— bei Schin-se 417, 418, 419.
Chinesische Führer 276, 302.
— - Grenze 55-
— Soldaten 118, 124, 126, 278,
426.
Chinesisches Mahl 88.
Chiwa 4, 5, 12.
Chloritschiefer 504.
Chodscha, Xachkömmlinji;^e des
Propheten, 102, 103.
Chodschcnt 41, 42.
Choi-choi 168.
Choka-Kbene 311, 314, 315,
316, 317, 33»-
Chorassiin 109.
C:h'ürten 410.
Chungf-pe hsien 255-
Churre 338, 343.
Chu-sui 466.
Contact-Schiefer 50,^.
D.
Dabassu-Kbene 285, 295, 297,
298, 305- 3071 3091 31 1' 314-
325» 326, 327.
Gobi 296, 305, 327.
- -See 292, 296, 298, 301,
305 ' 306, 307, 309.
Dadun 158.
Dalai 296.
DiUai-Laraa 263, 26S, 353, 354-
Dämmerun^s-Erscheinunn^ 462.
Darielschlucht 2.
Da-tschuan-tan 176.
Datsen-zasek 392, 394, 395.
Dawao, Rabat- 137.
Dedun 294, 343, 344, 349* 352.
Üelta-Bildunffeu 375, 377.
Depression von TurCau 97, 157,
158.
Derwische 17, 18, 23, 85, 95,
120, 122, 143.
Deutsche 28- -30.
Deutschland 6, 52, 98, 242, 254.
Diluvi:dzeit 377.
Dj>-thsau;j-Fluss 420, 421,422,
423, 424.
Dodi-Fluss 424, 425.
Dolanen 80.
Dolomiten 245, 313.
— -Felsen 314.
Dolon 1 14.
Doloner 114.
Dunau 323.
Donjf-lin-du 420, 421, 426.
Donkyr-sumo 273.
Doroschka 10.
Dschachar-Gebir^re 329, 333, 379-
Dscham 105.
Dschamen-kuan 427, 428.
Dschan-dschansa 176.
Dschawrek-Gebirpc 391, 394.
395' 396, 403.
Dschenjfir-Chodscha 102.
Dschia-tschanjj-tsche 350.
Dschiem-tsche 368, 39S, 399,
400, 402.
Dschiffffctai 179-
Dschipiteu 44, 45' 48, 5'' 53»
59, 66.
— 535 —
Dschiüjris-chun 12, 27« 94, 97,
99, 100, i68f 211, 215, 218,
236.
Dschoni 486t 43^-
Dschulan-nor 305.
Dschuma 331, 419.
D8chupar-Gebirg-e 305, 306, 307,
319» 320. 323. 324» 3251 3291
330, 33«. 332, 333i 884» 885,
336, 337, 341. 346, 347. 358,
377, 378, 38«. 382, 385.441.
— , (Ideologische Zusammen-
setzung: 335.
Dschurjra 131, 132, 137
Dsung:arei 81, 92, 100, 101, 104,
150.
Dsunj^aren 100, loi.
Dsung^arisches Reich 100, 10 1.
Dsuu-mo-lun 350.
Dsurpe-ß:ol 305, 307, 315.
Dünen 193, 225, 288, 289, 299.
Dulan-gfol 297.
Dulan-klt 297, 298.
Dung^anen 5, 81, loi, 103, 104,
144, 146, 150—159, 165, 168,
169, 170, 212, 217, 218, $20.
— -Aufstände 91, loi, 104,
168, 170, 199, 215, 216, 231,
239i 247, 253, 257, 260, 271,
448, 450. 477. 483-
Dyrisun 300, 309.
E.
Ebbe und Klut im Küke-nur 294.
Eckwall, Missionare, 440.
Edelweiss 245, 262, 269, 274,
296, 309. 326, 331, 385.
Kj^in, Kirp^isen-Aul 70, 71.
Eimerhiiken der Tanjjutinneu
340, 341.
Eisernes Thor 323.
Ekesek-Pass I. 68.
Ekesek-Pass II. 68.
Eng^land 96, 219.
Enzian 245, 274, 287, 296, 309,
315. 325. 331. 385-
Erdbeben 26.
Erdpech 139.
Erosion 311. 313, 320.
i'>rosionsformen 68, 71, 128,
129, 137, 369. 377, 381, 396,
422, 452, 473, 483, 484, 486,
489—492.
Erze 97, 130, 131.
Esel, wilde, 179, 180, 184, 188,
304, 309, 314, 316.
Etschin-jTol 224, 235.
Euphratpappeln ii.
Europa 40, 41, 51, 73, 99, 164,
173. 258, 267, 270, 272.
Europäer 15, 16, 17.
Europäische Kultur 512.
F.
Fähren 251, 255, 321, 322.
Fan-tzc 278, 295, 355, 388.
Fasanen 11, 56, 404, 462.
Fauna am KUke-nur 287, 295.
— am oberen Hoan^-ho 385.
— im oberen Thale des Si-
ning--ho 275.
— im Semenow-Gebirjje 314.
Fayence 233.
Feldarbeiten 199, 200, 236, 404,
448.
Felsentempel 260.
Felsen Wohnungen 488, 506, 507.
Fels wüste 92, 131, 149, 186,
202, 210.
Ferg:ana 12, 39, 40, 41, 44, 47,
52, 71, 82, 168.
Feste, chinesische, 242, 243.
— in Tan-ka'r thin«: 280.
Festungen 22, 206, 216, 455,
496, 497-
Feuerstellen der Tangutenzelte
282, 283, 292, 348, 384, 399.
Hechten 309, 889.
Flora im Dschupar-Gebirge 881,
882.
— am KUke-nur 287, 288.
— - des Küke-nur- Gebietes 325,
326.
— am oberen Hoang-ho 385.
Flugsande 156, 187, 207, 223,
225, 279, 288, 289.
FlussgeröUe 380, 399, 403, 445,
474-
Flussschotter 450, 507.
Flussterrassön 255, 343, 498,
502.
Föng-siang fu 442.
Fuhrer zum oberen Iloang-ho
359. 862, 363. 384. 387.
Fu-k'iang hsien 461.
Fusulincn 313.
G.
Gaitschas 587*
Gaschiun-nur 235.
Ga-wo, tibet:mlsches Amulett,
285.
Gazellen 94, 152, 184, 188, 233,
275. 309-
Gebet >0m mani<3: 265, 266.
Gebetfahnen 265, 282.
Gebetmühle 265, 397, 406, 407,
409, 411. 422.
Gebetstangen 428, 424, 426, 429,
435-
Gebirgswüste 208.
Gelber Fluss 260, 279.
Gelbes Meer 99.
Geldwechsler 23.
(lelug-pa-Sekte 173, 262, 263.
Geröllbetten 299, 300, 308, 314,
325.
Geröllflächen 166, 223, 254, 255,
299.
Geten, altes Volk, 98.
Gewitter 290, 291, 292, 304,
327. 328.
( ilaubersalz 1 1 o, 1 44.
Gletscher 377, 378.
Glimmerschiefer 380.
Gneisse 204, 297, 380.
Gobi 39, 76, 92, 97, 99. 107,
152, 158, 167, 174-218, 222,
327—345. 369. 383. 470.
Gobi-Gebirge 207, 210, 224.
Gold 97, 192.
Golien-tschuo 271, 272.
Go-sa 424.
Gouverneur für Tibet 257, 258.
Grabmonumente if, 21, 25, 54.
121, 231, 239, 260.
Grabstätten 26, 27, 124, 136, 160,
230, 231, 232, 239, 240, 241.
Granit 180, 181, 182, 186, 192,
197, 203, 205, 208, 209, 210,
255, 272, 297, 307, 308, 309,
317. 347. 379. 380,458, 459.
460, 461, 463, 494. 504. 505-
Granit-Höhlungen 158, 154, 180,
181.
Grauwacke 203,3 15, 3 17,374,380.
Grenard 80.
Grosse Ebene 213.
Grosse Mauer 92, 98, 213, 214,
215, 226,227, 228, 229, 235,
244-
- 53<^ —
Grünwcdel 23S.
Grunewald, kais. deutscher Vizc-
konsul, 512.
(husinische Hceresstrassc r.
Grum Grschimaüo 152, 157, 162,
168, 194, 195, 206, 210, 217,
230, 236, 263.
ij'Shin - ije - fjshed , buddhistische
Gottlieit, 238, 239.
Gui-dui 318.
Gude 432, 433.
Gultscha 40, 53, 55, 56, 58.
— -Fluss 55.
Guchluk - chan, Herrscher vou
Kaschgar, 99.
Gunjja-nur 306, 307.
Gur-Emir, Grabdenkmal, 21—28.
H.
Ilambur^^ 3.
Hami 39, 97, 104. 146, 148,
154, 158. »63, 164,167,168,
bis 178, 174. I75i '77. 184,
197, 206, 212, 213, 240, 243.
Ilandschwert der Tangnten 285,
Han-kianff 422, 502, 508, 509,
510, SU, 512.
Han-Dynastie 98, 214.
Han-hai 177, 190. 210.
Han-k'ou 258, 345, 442, 502,
508, 511.
Han-yang 512.
Hao-tien 474.
Hau-ning 391.
Häuptling' in Datsen-zasek 892.
— in Sche-zaong 896, 897.
— bei Schiu-se 417, 420.
Hauptstrasse von Si-ngan fu nach
Lan-tschou fu 467, 468, 469.
Hausboote 511, 513.
Hausindustrie 96.
Hedin, Sven 49, 93, 107, 114,
263.
Hei-ho 224, 235.
Heiligenbilder 260, 285, 353,
354, 357, 406, 407, 422, 473,
474, 480, 488.
Heiliger Baum iii Kum-buin 267.
Heiliger Berg = Amne-waien
Berg 315, 316, 317, 31S, 324.
Hei-lung-k*ou 504, 505.
Helon-ko 504.
Hexapolis 98.
Hien-yang hsien 496, 498, 499.
Himalaya 91, 173.
Hirsch 87, 94, 114.
Hirsclige weihe 86.
Hiung-nu 214.
Hla-sa 173, 258, 268, 278, 285.
Ho, Stadt 391.
Hoang-ho 213, 215, 253, 254,
257, 258, 260, 262, 269, 277,
278, 279, 305, 306, 307, 311,
315« 817, 818,819,326, 327,
329, 330, 33 1' 332, 333. 334,
335. 336, 345. 34S, 350, 351,
357i 359, 361, 377, 39i, 428,
435, 441, 443, 446, 451, 498,
503, 505.
— -Excursion 864-888, 396,
403.
— -Oberlauf am Sarü-Dangerö
359, 360.361,862, 868, 364,
369, 370, 371, 372, 373, 374,
875, 876, 378, 379, 880, 881,
882, 888, 884, 885, 386, 390,
391, 392, 395' 396, 399, 401,
402, 403, 412, 419, 445.
Quellgebiete 355.
— Schlucht 821-825, 326, 330,
331, 332, 334, 346, 347.
Steppe 306, 314, 318, 819,
320, 324, 325, 331.
— Tiefe 321.
— Ueberfahrt 321, 322.
— Wassermenge 323.
Hoi-yen-san 235.
ho-k*ai 311.
Holzgestelle als Scheunen 404,
423.
Holzkohle 467, 486, 496, 511.
Honan 215.
Hong-scha 464, 465.
Homstein 203, 380.
Hsia-k'ou yi 235.
Hua-thsiang pu 226.
Huei-hc 215, 235.
Hüttenwerke 112, 113, 130, 131.
Hunde in Nordosttibet 281, 342.
Hunnen 98, 211, 214, 389.
Huronlsche Schichten 469.
Huyuyung-Fluss 307, 309.
I. j.
1-kaug thschuan 453, 461, 462,
463-
Mi-Thiü 100, 101, 125.
Imatra-Fällc 438.
Indien 91, 173.
Indier 15, 47.
Indogermanen So.
Inner- Asien 91, 215.
Inner- China 442.
Innsbruck 258.
Inschriftensteine 497.
Inseln im Küke-nur 293.
Iranier 12.
Irkeschtam 55, 58, 59, 68, 69,
70, 71, 73, 76, 82, 517.
Irrigationskanäle 1 1 , 14.
Ischma 146.
Islam 5, 99. 100.
Islamiten siehe Muhamedaner.
Isle of Wight 293.
Issyk-kul-See 39.
Jakka-kuduk 121.
Jaktiuie 46, 48, SO, 51, 52, 58. 65.
Jakub-Bek 40, 71, 79, 9S. 96,
98, 103, 104, 163.
Ja-li-schan-Pass 441.
Jimdun 177.
Jandunsches Trockenthal 177.
Jangiabad 108, lli, 117.
Jangi-hissar 103.
Jangi-schahr ^Neue Stadt) 89, 90.
Jimtschi 163, i6s-
Jao-tien 480, 484, 48s, 486.
Japan 96, 173, 219.
Jarkand 80, 103, 106, 114, I3S.
— -darja 93, 106.
Jaspis 22.
Jasütschan 174, 179.
Jei-üeu 446, 448, 449, 4S5-
Jessen, Capitain S2.
Ju-hu S02.
Juden 10, 15, 18, 44, 91, 99.
Juldus-Thal 100.
Jurte (Zelt) $3, $6, 57, S8, 60,
61, 6S.
K.
Kaisergräber am Wei-ho 497,
498.
Kaijan- Moschee 19.
K:ükgebirge (paläozoisch) 296,
297, 812, 818, 314, 315' 3'6,
347, 35', 360, 361, 369, 370^
871, 872, 878, 874, 375, 377,
385, 389» 39«, 392, 394, 395'
396, 399^ 402. 403, 441, 445,
447, 448, 504, 505-
Kalmüken 173.
— 537 --
Kan-dschugan 75, 518.
Kanton 215.
Kan-su, clünesischc Provinz, 81,
92, 146, 150, 168, 212, 214,
215, 216, 242, 259, 260, 277,
278. 356, 406, 431, 438, 440,
443.
— Bevülkeruuj; 217, 219.
— Geschichte 218—216.
Kan-tschoufu 212, 213, 214,215,
223, 224, 226, 227, 228, 230,
231, 285, 28«, 237, 238, 258.
Kao-thai hsien 226.
Kaphin-kul-See 54.
Kara-dschulguii 112, 113.
, Schraelzhütte 113.
— -iul{^n 127.
Karakalpaken 5, 527.
Kara-Kir0sen 57, 59> 60, 527.
Kitan 215.
Küsül 153, 154, 155, 166.
— -Moritsche-Fluas 294, 296.
Karauglik 75.
Karaschar 104, 146, 147, 149,
150, 151, 159.
Kara -Tauguten 277, 278, 294,
295.
— -teken-ula-debirge 152.
Karawan-Baschi 49.
Karawanserai 58, 64, 65, 75, IIB,
117, 118, 120, 165, 226, 246,
249i 255, 446, 450, 457, 467,
470, 471, 477, 484, 493, 5cx>,
507.
Karlük-tag 97, 167, 169, 175,
177» 178. 202, 208, 210.
Karst 369.
Karüse, unterirdische Wasser-
kanäle, 160, 162.
Karwankul-Pass 68.
Kasbek 2.
Kaschgar 38, 39, 40, 44, 47, 49,
5'i 58, 59» 61, 67, 70, 72, 75,
76, 77. 79, 80, 8r, 82, 93, 96,
99, 100, 102, 105, 106, 107,
III, 112, 113, 114, 115, 116,
117, 119, 124, 125, 135, 146,
147, 212, 222, 240, 243, 464,
522, 524.
— , Bazar und Strassen 81, 85,
86, 89.
-darj:i 93, 106, loS, III.
114, 146.
— , Geschichte 81.
Kaschgar, Handel 86.
— , Stadtmauer 83.
Kaschgarien 12, 40, 79, 81, 91,
92, 95, 96, 97, »8, 99, 140,
150, 160, 527, 529.
— , Altertümer 91.
— , Bevölkerung 81, 91, 96.
— , Frauen 5, 12, 79, 122, 123.
— , Geschichte 98, 99—104.
- , Land 40, 76, 77, 79, 92,
98—98.
— , natürliche Hilfsquellen 97.
Kaschgarier 5, 79, 80, Si, 102,
144, 522, 524.
Kiischmir 91.
Kaschtalinski, von, Oberst, 4.
Kaspisches Meer i, 3, 5, 98, 99,
214.
Kassim-Ibu-Abbas, Prinz, 26.
Kaufmann, General, 3.
Kaukasus i, 2, 47, 66.
Kjiwkas - Mercur, Transport - Ge-
sellschaft, 2.
Kerija 106.
darja 93, 94, 107.
Kesseleinbrüche im Löss 252,
465, 484, 487.
Khan-Tengri 92.
Khoa-tzianzl 226.
Khotan 80, 91, 93, 98, 99. 103,
105, 106.
darja 93, 94, 106.
Klachta 167.
Kia-yü-kwan 92.
Klbitke (Zelt) 5, 10, 30, 61.
Kies 210, 381, 498.
Kieselgerölle durch Sand ge-
schliffen 203, 204.
Kiesflächen 76, 77, 128, 131,
»32, 133' 137' 144, 145» '52,
'55' '57. 161, 162, 163, 167,
175, 176, 177, 179' 182, 183,
188, 190, 191, 192, 197, 198,
201, 202, 203, 205, 210, 217,
223, 231, 239, 300, 318, 320,
381, 382.
Kieswüstc 41, 142, 163, 166,
167, 175, 176, 190.
Kiew I.
Kijik 152, 166.
Kik-tau 128, 146.
Klng-ho 476, 477. 478. 480, 482,
483, 484, 485, 486, 487, 489,
492i 493-
King-tschüu 477, 479, 480, 482,
484.
Kin-tze kuan 508, 509, 510.
Kiptschaken 5, 81, 527.
Kirgisen 5, 38, 41, 46, 47, 49,
501 52, 54, 55' 56, 57, 59,
60, 61, 64, 65, 68, 70, 71,
72, 78, 74, 80, 81, 82, 83,
86, 94, 102, 150, 516, 517,
518.
Kirgisen- Jurten 356.
Pferde 62.
Sättel 51.
Kismet 20, 23.
Kitan 215.
Kiu-tien 446, 447.
Klima in der Gobi 207, 208,
210.
— bei Hami 170.
— am oberen Hoang-ho 885
bis 887.
— von Kaschgarien 97.
— , kontinentales 27.
— des Ktike-nur-Gebietes 826,
3271 328.
— im Si-ning-ho ITiale 254,
256.
— des Thao-Thales 433, 434.
— der Thien - schanschcn De-
pression 158.
— in West-Turkestan 27, 528,
Kloster, tibetanisches. 293, 404,
406-419, 472.
Kochsalz 219, 225.
Kohlen 97, 219, 250, 467.
Kohlenformation 245.
— -konglomerate, 48 1 , 487, 488,
489, 492, 494-
Koischewsky, Kreis-Chef, 47.
Kokan, Chanat, 5, 11, 12, 28,
41, 42, 68, 91, 102, 103, 104.
— , Stadt, 18, 42, 100.
Kok-su 59, 61, 68.
— -teke-Gebirge 147, 149, 152.
Kolleg, muhamedanisches, 24.
Komul 168.
Konfuciaucr 417.
Konglomerate 54, 166, 1S3, 204,
274. 297, 317, 320, 324, 447-
Kontsche-darja 146, 148, 149.
152.
Koranständer 26.
Koranstudium 25, 528.
Korea 173.
- 538 -
Kosaken 38, 40, 55, 56, 57, 65,
70, 73^76, 193» 194, 258. 273.
344. 345^ S12.
Koslow 152, 378, 397.
Krahmcr 81.
Krakau i.
Krasnowodsk 2, 3.
Kreitner 235, 236, 237, 244,
267, 444, 466, 468, 472, 473,
47Si 477i 483' 495' 5^2, 504,
505-
Krestowaia Gora (Kreuzberjj^ 2.
Kropf 95, 135.
Kuei-tö hsien 258, 318, 319,
323, 326, 329, 333, 336.
Küke-nur 257, 258, 259, 260,
268, 269, 270, 272, 274, 275,
27«, 279, 280. 281, 283, 288,
289, 290, 296, 326. 327, 328,
330» 340, 348, 354, 356, 383^
397.
— — , Bevölkorunjj 277, 294.
— — , I)eltabilflun<7en 294.
— — , Ebbe und Flut 294.
, Flora 325—326.
Gebiet 212, 276, 825,
826, 828, 333. 369.
-- — , Klima 327, 3 28.
— — , Siij^e 277.
- , Südufer 2S9 — 295.
— — , Westufer 290, 298.
Kuen-lun 92, 93, 97, 98, 105,
107, 202, 207, 210, 215, 270,
361, 435» 441, 443-
Kümüsch 155, 156.
Kürk-ortün 163, 164.
Küsül, Dorf, 136.
Kurgan 56, 57.
oi 74, 75.
— - -SU 58, 69, 70, 71, 73, 74,
76, 77, 82, 89, 90, 103, 137.
Kug-uschin-tajj 153.
Ku-lang hsien 229, 243, 244.
Kuldscha loi, 125.
Kulturzone und -Land 92, 107,
128, 145, 169, 194, 205. 226,
236, 243, 250.
Kum-bum 258, 262, 268, 264,
265, 266, 267, 268, 269, 406,
409, 410.
Kunjjei-kok-su 141.
KunjT-thschau^ fu 443, 450, 451,
452, 454i 4S5i 456.
Kuuia-Turfan 159.
Kupfererze bei Tujja-rakdan 180,
131-
- - bei Kutscha 141, 142.
Kurjrak 137, 138.
Kurlja 104, 106, 113, 126, 146,
147, 148.
Kuropatkin, Kxcelleuz, Gouver-
neur. 3, 4, 40.
Kuruk-taj^: 92, 146, 147. 152.
Kutscha 92. 96, 103. 104, 106,
126, 135. 137. 138, 180, 140,
141, 142, 143, 144, 146, 147.
Gebiri;re 187, 140, 141, 146.
La-branjj, Kloster, 262, 347, 356,
359, 391, 424, 428, 435.
Lama 262, 264, 266, 268 27 S,
285, 293, 303, 323, 334, 356,
358. 393' 41 L 434-
Lama, Besuch bei einem, 856,
857.
Iv;imaistische Relijjion 173, 352,
353» 354.
Landstrassen 133, 135, 144,
151, 245, 255, 256, 272, 468,
469, 499. 500, 506, 507.
Lan-kiao 501, 503, 504, 505.
Lan-thien 503.
Lan-thien-ho 502.
Lan-tschou fu 212, 213, 214, 229,
236, 244, 247, 248, 253, 255,
391, 402, 435, 440, 443, 464,
466, 467.
L;io-ho-k'ou 422, 502, 508, 509,
510, 511 512.
Lao-ya yi 253, 255.
I^irenjTo 294, 355.
leisten träjjer 484, 502, 507, 510.
Lawinen 3?, 54, 59, 62, 68.
Lebensrad in Schin-se 407, 408,
409.
Lehm 108, 109, 178, 182, 1S4,
196, 2CX), 202, 207, 210, 229,
241, 242, 299, 300, 310, 315,
317» 385. 401, 424. 438. 443»
444, 448, 450, 451, 452, 453,
460, 461, 464, 465, 467, 478,
480, 481, 492, 493, 495, 498,
5CX), 506, 511.
— -Bänke und -Wände 90, 9I,
217, 256, Sil.
Boden und -Flächen 93, 106,
107, 133, 144, 145, 155, 160,
162, 175, 176, 191, 198, 201,
217, 224, 230, 242, 243, 250,
254, 292.
Lehm-Decke 248, 273, 292, 317,
33«, 335» 347.
— -Flächen und -Gebiete ii,
193, 198, 202, 210, 223, 224,
487.
Gehänß:e 312, 433, 443» 45©»
458, 464, 465, 467, 470, 476,
478, 479» 494, 499-
— -Schluchten 429, 430, 457,
458, 459» 460, 461, 463. 465.
467, 468.
stufen (-Terrjissen) 398, 401,
423, 427, 437» 439» 443' 463,
478, 479-
Thäler 458.
— -Wohnunijen 90, 260, 494,
496, 497.
— -Zone 200, 201, 202, 205,
429. 436.
Leichenzu«;« chinesischer, 236,
471.
I^mberjT i.
Lepra 14.
LianfT-t6ch6u fu 212, 213, 214,
215, 223, 224, 229, 232, 235,
237, 239, 240, 242, 255.
Ließ^nitz 215.
Li-thsttan hsien 497.
Littledale 39.
Ljanfi^ar 53.
Lob-nor 106.
V. Loczy 248, 502.
LÖSS 109, 154, 207, 213. 223,
224, 229, 243, 244, 245, 247,
248, 249, 250, 252, 254, 258,
262, 263, 270, 292, 297, 424,
426, 428, 429, 430, 481, 434i
435' 438, 446, 448, 449- 45"»
454, 458, 459» 462, 463, 464,
465, 466, 469, 476, 479, 480,
481, 482, 483, 487, 490, 492,
493' 494, 495» 498, 502, 506.
Decke 248, 258, 297, 331,
370, 376, 399» 402, 421, 425,
427, 429, 431» 433» 435» 444»
44S, 454, 458, 460, 461, 462,
463, 464, 465, 466, 469, 470,
472, 475» 491» 492, 494» 502,
— -Gebiete 256, 403, 427, 431,
434, 435» 443, 444» 44»» 453»
456, 464, 466, 467, 496.
— 539 —
Löss-Gehänj^e 246, 249, 253,
317, 460, 482, 484, 499i 502.
— -Kindel 482, 493.
— -I^imlschaft 451, 452, 476,
4S2, 484, 485» 487, 493.
~ Orereln 467, 485, 487, 493-
— - -Platenu 480, 481, 482, 483,
484, 4SS1 486, 487» 492, 493«
494i 495' 496.
— -Schluchten 224, 247, 425,
430, 451, 462, 453' 454' 455'
4561 457' 465, 480, 481, 482,
483, 486, 487, 492, 493' 495»
496, 498.
— -Terrassen 252, 403, 425,
429' 430» 433' 448, 449' 450-
45 1' 453' 454' 455' 456, 457.
459, 461, 462, 463, 464, 465,
466, 469, 470, 476, 478, 479'
480, 481, 4S2, 484, 487' 488,
492, 493-
Thäler 424' 4«0, 435' 452-
Wohnuuffcu 450, 457, 463,
470, 472, 475' 476, 478' 479'
4S2, 484. 485, 4S6, 492, 494,
495' 499-
Lö-tsche 391, 392, 396, 808,
399. 402.
Löwen aus Bronze 234.
lyonptyi hsirn 46 8.
Lopan-schan 471, 473, 473.
Lop-nur 92, 98, 97, 106, 107,
114, 146, 190, 215.
Luktschun 152, 158, 159, 161.
Lunff-kü-tschai 442, 501, 502,
505, 5c6, 508, 509.
Luno^-ta = Windpferde 356, 424.
LunjT-tö hsien 468, 469, 470,
47I' 472.
Lu-ssa 263.
Luwa-nitschc 425, 426.
Luzaonj; 337, 338, 339, 340,
341 1 342, 343-
M.
Macartney, cnjjliacher diploni.
A^-ent» 87.
Mäandrische Flusswiudun^cn
294' 300, 342, 343, 348, 363,
465.
Märchenerzähler 23.
Ma-injr 454, 458, 459-
Majolika-Oruainenlc 19, 23, 25,
26.
M:ilachit 130.
Manari Kaljau, Minaret, 19.
Manas 104.
Mandschu 215, 2 16.
Mandschurei loi, 214.
Mane 403, 404.
M.in^itcn. Dynastie, 12.
Maral-baschi 93, III, 112, II 3,
114, 115, 116, 119, 120, 146,
200.
Mar^elan (alt) 45, 46, 47, 160.
— (neu) 28, 40, 42, 43' 44, 45,
46, 47. 48, 49-
Masar-tajj 93.
Mata, Baumwollenstoff, 96.
Matterhorn 375, 379.
Maulticrpfadc 442.
Mausoleum 22, 26.
Ma-ya-schan 245, 247, 250.
Medressen 19, 22, 23, 24, 25,
48, 528.
Meilensteine 240.
Melkeimerhaken 340, 341.
Mero^elkalke (Ober-Carbon) 472,
473' 474' 475' 479-
Mcrw 4, 6, 7, 8, 0, 10, II.
-. Markt 6—10.
-Tckke 5, 6.
Oase 6, 7, 8, 11.
Messin^f^ehäng'e der Tanjjutiuncn
340, 341.
Michailow, Oberstleutnant, 47.
MichcUau, Vertreter des Nord-
deutschen Lloyd, 512.
Militärbahn, russische, 29.
Minaret 19, 22, 23, 25, 48.
Minff-Dynastie 278.
Min-schan 391, 428, 441, 445.
Min-tschou 214, 278, 329, 383,
412, 428, 431, 434, 435, 436,
437' 438, 439' 440, 44I' 442,
443' 464. 467. 472, 484' 502.
Mittelasien 22, 27.
Mletü 2.
Mönche 264, 405, 415.
Mönche bei Kloster Schin-se 405,
406, 409.
Mopol-tau 41.
Monastür, 121.
Mongolei 107, 167, 173, 206,
207.
Montrolen 12, 60, 80, 81, 95,
98, 99, 149, 160, 159, 168,
17s, 194, 210, 213, 215,
229, 278, 284. 322, 353,
366, 388, 405.
Monj^olenherrschaft 104, 215.
Monq:olen-Zeltc 3S5, 35^, 357-
383' 393.
Monffol-tsam-tsche 374, 383.
Monte Rosa 379.
Moränen 377, 378.
Mosaikarbeiten 233.
Moscheen 19, 22, 23, 24, 25,
26, 434, 528.
Moskau 40.
Mühlen 244, 256, 261, 269, 270,
271.
Mün-jul 75, 76, 77-
Mlirgfüma-Gebirfife 337.
Muhamedaner 9, 12, 13, 21, 28,
61, 73, 91, 100, 101, 103, 107,
115, 121, 168, 175, 212, 215.
257, 262, 278, 279, 417, 440,
477-
Muhamedanisches Volksleben 1 1,
23-
Muhamedanisches Geistesleben
II, 12, 23. 99.
Muhamed Emin, Aksakal, 125.
Musik 120, 141, 236.
Musikinstrumente 18.
Murpab 5, 7, li, 5 28.
Muri-ch'u 30S.
Murmeltier 245.
Mursa Rabat, Station, 41.
Musart-Kluss 133.
Musart- Pass 125.
Muselmanen siehe Muhaniedaner.
Mus-tarv--at'i 77, 105.
N.
Na^ra-Tsclialilü, Festung, 71.
Namu-schan 351.
Xan-schan-Gebirjje 197, 202,
203. 205, 207, 208, 210, 212,
213, 214, 223, 224, 235, 240,
250, 258, 263, 272, 276, 277,
279, 288, 289, 326, 373, 431,
432.
Xaryn 39, 59.
Xen-pan-Kluss 422, 423. 424.
Nephrit 22.
Nestorianer 99.
Xgan-ku-tschou 466, 476.
Xing-ho 477.
Xing-yüan hsien 449.
— 540 —
Nomatleu-Stärame 57, 59, 60,
212, 213, 214, 215, 229, 275.
527. 528.
Xurutanyu-tau 30.
O.
Oasen 7, 8, II, 92, 93, 94, 97,
105, 106. HO, III, 135, 145,
158,160,162,212,217,240,528.
Oa-tinjf-ho 475.
Oa-tinjf-ye 473.
Obercarbon 247, 313, 48 1.
vObo«. 352, 353, 354, 363, 366,
368, 385, 389, 390, 395i 401.
4(^, 409, 410, 420, 421, 422.
Obrutschew 206.
Odessa i.
Ör-schi-wu-li pu 483.
Oesterreich 99, 219.
Ohrringe der Tanjruten 294.
Oksarül 72, 7«, 74.
Om raani-Gebet 265, 266.
OlUten, inong^ol. Stamm, 278.
Opferteller in Kum-bum 267.
Ordos 207.
Orenburg: 55.
Orgelbilduu^ im Löss 467, 485,
487. 493-
Orientalen 18.
Orkon-Fluss 99.
Ornamentik 22, 23.
Osbeken 5.
Osch 45, 46, 48, 49, 50. 51, 52,
502, 521.
Ottendorf, ForsibeamtiT, 45, 47.
Otto-morf^o 355.
Otun-dasutschan 180.
Otun-kosa 148, 164, 165.
Otun-o-tssü 176.
P.
Padmapaui 265, 353.
I'ajj^ode bei P'injj-lianjj fu 477.
Pai-schuei yi 479.
Paläozoische Sedimente 182,
185, 208, 209.
Pamir 44. 49, 55, 59, 92, 97,
98, 105. 106.
Panaka 278.
Pappeln 300, 325.
Passanaur 2.
Passrevision an der chinesischen
Grenze 76.
Pei-ho 466, 467.
Pei-ta-sch:in 248.
Peking 76, 77, 102, 159, 167,
268, 464.
Pe-ling-Gebirge 441, 444, 447^
460.
Permo-Carbon (oder Ober-Car-
bon) 313, 447-
Perser 9, 15, 98, loo.
Persien 5, 18, 99.
Pv-schjm 152, 158, 177, 206,
208, 209. 210, 211, 224.
Petersburg, St. 2, 20.
Petroleum 97.
Petrowsk 1 .
Petrowsky, Generalkonsul, 77,
83, 84.
Pflüge 199, 236, 237.
Piewtsow 150
Pilaw 65, 73, 529.
Pilzielsen 178.
P*ing-fan-ho 229, 244. 245, 246.
P'ing-fan hsien 225, 233, 244,
246, 247, 248, 249.
P'ing-kou-ling 252.
P*ing-kou yi 252.
P'ing-liang fu 443, 466, 474,
475i 476, 477, 478, 479' 480.
Pin-tschou 477, 487, 492.
Pitschan 157, 163.
Plow 529.
Pochmühle 114, 115.
Polo, Marco 236.
Porzellantempel 26.
Postst;ition, russische. 42.
Potanin 263, 266, 267, 308, 310,
311, 326, 329, 340, 405, 424,
426, 435, 441.
T. Powalo-Schweykowski. Gen.-
Leutnant und Gouverneur 44.
Prschewalskij 168, 277, 278, 284,
294, 296, 298, 305. 3»5' 3"7'
323. 325. 326, 327, 333, 346,
378, 379. 438.
Q.
(^uarz 204, 380.
Quarz^-änge 192.
Quarz sand iio.
Quetae 258, 318, 319, 326, 329.
— -Formation 248, 318, 368,
369^ 370^ 371, 373. 377, 389,
391. 392. 395' 396. 398, 399.
402, 403. 420, 422, 424, 425,
427, 428, 429. 430, 433, 434,
439, 441, 444, 449i 4SI. 454,
457, 458, 459. 460, 461, 462,
463, 464, 465, 466, 467, 469,
472.
Rabat des Terek-Dawan 59, 61,
62, 64.
Radde, Exe. v., 109.
Rascheddin, Chan, 103.
Rasthaus 481.
Rauder 24.
Rcadley, Rev., 261.
Registan 22, 28, 27, 28.
Reisewagen in Ost-Turkestau
116.
Religionskämpfe 95.
Rhein 324.
Roborowskij 378, 379, 380.
Rockhill 150, 236, 265, 266,
267, 268, 272, 278, 284, 306,
307, 308, 309, 404.
Rong-wa 260.
Rosenkränze 286, 358.
Rostow I.
V. Richthofen 502.
Ruinen 121, 140, 186. 187, 191,
197» 199' 243, 244, 280, 281,
470, 483, 487, 492.
Russen 9, 10, 12, 16. 20, 21,
28, 31, 33, 64, 104.
Russischer Kinfluss in Ost-
Turkestan 98.
Russland 1, 20, 27, 38, 50, 96,
143, 146, 213, 219.
S.
Sa-do-gu 194, 195, 199.
Särge, chinesische, 231.
Sai-arük 127.
Sai-liangar 134.
Sairam 136, 137.
Saken, altes Volk, 98.
Säkya-Muni 173.
Siüamiden, Dynastie, 12.
S.'üaren 278.
Salyren 2 7 8.
.Salz 109, HO, 144, 145, 466,
467, 482, 493.
boden 144, 309.
fehler 11.
- -efflorescenzcn 108, 112, 113.
128, 154. 225. 300, 451, 459,
460, 465, 466, 470, 492.
541
Salzseen i ii, 225, 277, 290, 528.
Samaniden 99.
Samarkand 11, 12, 18, 19,21 — 28,
29i 3a 34^ 40, 44» 47. 48,
99, 100, 102, 168, 169.
— , Geschichte 27.
Sand 108, 109, HO, 145, 152,
161, 191, I94i 202, 203, 210,
241, 290, 292, 300, 380, 431«
451, 452, 498, 500.
dünen 93, 110, 128, 145»
187, 193, 202, 381.
— -flächen 77, 92, 128, 145,
169, 176, 187, 193, 198, 202,
217, 229, 295, 332, 381.
— -hüRcl 197, 205, 225.
— -Sturm 230.
— -steine und Konglomerato
(mesozoisch) 505, 506.
— -steine und Konglomerate
(Ober-Carbon) 488, 489, 492,
494-
— -steine (paläozoisch) 297,
310, 311, 315, 335. 352' 355'
375. 379, 398, 474.
— -stein - Schiefer - Formation
jialäozoisch, wahrscheinlich
Devon) 312, 313. 331, 335,
342, 343» 347' 348. 349' 35©'
35 1' 360, 362, 372, 373, 374,
375- 379. 380, 385, 391, 392,
395' 396, 399. 401, 402, 403,
420, 422, 423, 427, 428, 429,
43O' 435' 441, 446.
— -steine und Konß^lomeratc
(Quetae-Schichten) 323, 359,
364- 369-
— -steine und Konglomerate
(tertiär) 68, 71, 74, 128, 129,
130, 146, 205, 245.
— -wüste II, 43, 92, 93, 106,
145, 162, 167, 207, 225, 226,
240, 289, 332.
San-si-bei 305, 306, 311, 810,
817, 324, 325, 326, 329, 330,
331-
Sarjjerjan-Medrcsse 19.
Sarmaticae Portac 2.
Sarten 12, 35, 41, 42, 43' 44,
45, 49, 51, 65, 81, 89, 112,
115, 124, 142, 146, 155, 168,
521, 522, 524, 527, 628.
Sartlar, Kir^isenstamm, 59, 6S.
S:uii-l)an|Terö 360, 363, 875,376.
877, 378, 879, 380, 382, 3S3,
385' 387.
Sassaniden, Dynastie, 27.
Sa-tschou 146, 152.
Satug-Bojjra-chan (kaschg-arisch.
Fürst) 99.
Saxaul II, 109, 113, 200.
Schach -Sinda- Moschee 20, 27.
Schakal 21.
Schalakuto 273, 274, 279, 306,
420, 432-
Schalbeli-Pass 53, 55-
Schamanen 95.
Schamba-chamu 351.
Schanff-hai 422, 502, 508.
Schanßf-tschou 505, 506.
Schan-si 98, 213, 219.
Schan-tan hsien 227, 228, 234,
235-
Schan-tunjr 213, 215.
Schanz, Rev., 417, 422.
Scharba 279.
Scheibaniden 27.
Schen-si 207, 214, 219, 43''
443' 497-
Sche-tsche-Fluss 282, 294, 366,
368, 370, 37 1' 377' 383' 384,
385, 386, 387, 388, 389, 391.
- — — , ß:rosser, 338, 346,
350, 35I' 352, 354, 355' 356,
357' 359' 360, 361, 362, 363.
364, 382.
— — --., jreoloffische Be-
schaffenheit seines Gebietes
360, 362.
Scheuschani 211.
Sche-zaonjj 395 < 800, 807.
Schiefer (kristalline) 179, 180,
182, 183, 185, 186, 187, 197,
203, 208, 209, 210, 255, 272,
297' 3»0' 3"' 317- 318, 335-
336, 374, 376, 377' 379' 380,
422, 443, 444' 446. 463. 464-
504' 505- 506, 509-
Schiffe auf dem Han-kianj? 511.
513.
Schiffe auf dem Tan-ho 509.
Schilf 94, 106, III. 113, 121,
128, 133, 144, 146, 149, 15O'
151, 152. 166, 196, 287.
Schin-se 264, 363, 403, 404,
405, 400. 407, 408, 409, 410,
411, 414, 415' 416, 4i7i 418,
419, 420, 422, 424, 433.
Schiu-se, Besuch im Kloster 411,
412.
— , Ueberfall 412, 418, 414, 415.
410.
Schir-butUiu, Schloss, 13, 19, 20.
Schir- Dar- Moschee 24, 2 5. 48, 5 2 8.
Schi-schan 248.
Schlaffintweit 91, 103.
Schlamm 194, 300, 365.
Schluchtenbildun«: 90, 304, 319,
321, 332, 346, 348, 449' 452,
453' 454' 455' 459' 463, 4^5'
460, 469, 472, 473' 478, 479'
481, 482, 484, 492, 495.
Schmuckg^ehängfe der Taugn-
tinnen 284, 889, 840, 394,
397' 440.
Schotter 210, 224, 292, 331, 370,
377, 452, 460, 461, 492, 498-
— -betten 198, 202, ao6, 223,
241, 246, 300, 310, 381.
— -flächen (siehe auch Kies-
flächen) 92, 93, 145, 198, 202,
203, 205, 208, 223, 241, 242,
299' 30O' 30I' 318, 320.
massen 132, 133, 144,
145, 152, 153, 155, 158, 175,
176, 177, 178, 179, 181, 183.
184, 188, 190, 192, 197, 203,
205, 241, 292, 299, 317, 320,
324, 375' 377' 381, 403, 45''
463, 476, 479-
Schöpfwerke 242.
.Schtiamer-nuri 389.
Schuang:-tsing yi 220, 240.
Schubkarrenkarawane 480, 48 1,
484, 486, 496, 502.
Schuei-thsuan yi 239.
Schur-Bulak-Pass 71.
— -Kubuk 123.
Schuttmasseu 153, 156, 179, 1S5,
205, 299.
Schutzpötter 240.
Schutzmauem 229, 244, 247.
Schutzrinde 1 30,182, 188,205.31 1 .
V. Schwarz 527, 528, 529.
Schwarzes Meer 99.
Schwarz widd 296, 324.
Schwemmland 293, 294,298,381.
.Scrinc and Ross 24.
Sedimente paläozoische, (siehe
auch Kalk- und Schiefer-Sand-
stein-Formation) 182, 185, 208,
209, 297, 308, 317.
— 542 —
Seen, abflusslose, 93, 106, 15S,
241, 307.
Secn-Ablajjerunß^en (jung^tertiär)
210, 245, 248, 252, 254, 270,
299, 318.
Seclöss 482, 492, 493.
Seidenstickereien 18.
Seldschukken 27.
Semenow-Gebirjje 286, 297, 301,
302, 305, 800, 807, 808, 809,
810, 811,812,818,814, 815,
318, 325.326, 327, 329,441.
Semiretschie 527.
Semiten 5.
Serafschan 528.
Serpentin 154.
Shan-chou 505.
Sho-toi-tze 237, 23S.
Shiian-Shuan 214.
Siam 1 73.
Sibirien (Süd-) 60.
Siddharta Gautaina 173.
Sieben des Kornes 448.
Simpson, Rev., 433, 445.
Sinbir-Gebirjfe 152, 153.
Sin-chianfi^, Provinz 92.
— — , Bevölkerung: 92.
Si-n^an fu 213, 442, 443, 451,
464, 467, 472, 474, 476, 477,
497, 498, 499, 600, 501, 502,
508.
Sinff-po-schan 465, 467,
Sin-ho yi 235.
Si-ninff fu 212, 222, 219, 234,
248, 252, 253, 254, 255, 266,
257, 258, 259, 260, 261, 277,
278, 290, 292, 333, 336, 345,
512.
Si-ninff-ho 229, 248, 252, 253,
255, 256, 258, 260, 262,
269, 270, 277, 279, 322,
368, 432-
Sin-schuei yi 216.
Sin-ssf' 404.
Sobolew 345.
Soj^diana 27.
Ssan-dao 195.
Ssö-thschuan 214, 222, 278, 329,
418, 434. 445-
Sse-thschuan-Fun-tzr* 397.
Stsinfjenfferüste zum Iloutrocknen
423, 435-
Star-duHij-tsche 365, 3S9, 390,
391-
Staub 154, 159, 191, 197, 203,
221, 229, 241, 270, 431.
— -boden 200.
materi.'ü 93, 108, 109, iio,
300.
— -Sturm 108, 109, 162, 108,
164, 177, 178, 191, 196, 207,
208, 226, 314.
Steinkohlen 213, 234, 235, 236,
250, 486, 496, 497.
Steinkohlenformation 248, 273.
Steinwüste 76, 229.
Steppen 31, 212, 279, 295, 296,
299, 300, 303, 304, 314, 3 '6,
318, 319, 324, 326, 335. 343,
346. 347^ 348, 352.
— -flächen 4, 29, 114, 12S,
150, 176, 275, 277, 292, 301,
307. 309. 31 li 329. 330, 332.
336, 348, 35 9i 360, 368, 370,
37I1 373i 374. 376, 3831 384.
385. 391. 395' 419' 420.
ßfras 184, 292, 297, 311,
317, 320. 325, 330. 331, 335,
343. 347. 349. 35'' 390, 395.
398, 399.
— -thäler 350, 352, 355, 384,
392, 400.
Sterzing' 244.
Stiller Ozean 442.
Studierende, muhamedanische,
24i 25.
Stürme 164, 177, 181, 182, 184.
Stüpa, bei Kaschffar, (altbudd-
histisches Denkmal) 90, 91.
Subasche, bei Kutscha 140, 14T,
142.
Su-baschi, Piket, 156, 157.
Süddeutschland 39, 219,
Süd-Italien 363.
Süd-Kttke-nur-Gebirg^e 279, 280,
287, 291, 292, 293, 296, 297,
298, 301, 304, 305, 306, 307,
308, 310, 314, 318, 329.
Süsswasserbildunjjeu 373.
Sufi-Kurffan 58, 59, 60, 64, 67,
516.
Su-lai-ho 193, 194, 196, 196.
Sunff-p'an thingf 260, 278, 330,
333' 345. 357. 3^2, 391, 397^
412, 419. 434. 441, 445-
Surin-jjol 194, 199. 202.
Su-tschou 39, 167, 174, 205,
200, 207, 209, 212, 213, 214,
215, 2:6, 217, 218, 219, 220,
221,222, 223 224, 226, 235,
236, 240, 258.
Suwürjrhan 410.
Sven Hedin 49.
Syr-darja 29—31, 37, 41, 42,44.
528.
, Fähre 80-
— — Pro\inz 44.
Syrien 99.
Szechonyi. Graf, 222.
Tadsclüken 12, 8f, 627.
Taf^hnazatrh 215.
Ta-hia-ho 347, 39 1 , 392, 402, 403.
Tai-hin-schan 472, 473, 476.
Taka-Pass 53, 54.
Takla-makan 107, iii.
Tjüdük-Fluss 53, 54, 58.
— -Pass 58.
Talismane 286.
Tamarix li, 93, 108, 109, III,
113, 128, 176. 177, 184, 198,
200, 201, 223.
Hüß^el 176, 198.
Tamerlan (siehe auch Timur)
12, 22, 30.
Ta-mo-fu (Buddha) 159.
Tau, tanj^utisch für Steppenthal,
348.
— -Fluss 422, 502, 504, 505,
506, 507, 50S, 509, 511.
Tanputen 213, 215, 217, 275,
27S, 279, 281, 288, 284, 285,
286, 287, 292, 293, 295, 300,
301, 802, 808,804,805,315.
329, 881, 884, 337, «88, 339.
840, 812, 848, 348, 349. 3S2.
353' 354. 355. 356, 366, 384,
386, 887, 388, 405, 407, 412,
413. 415. 417. 418, 419. 420,
426, 429, 434, 435, 438, 441.
Häuptlinfre 887, 848, 856,
857, 898, 896, 897; 405-
— -Reich 211, 235, 236.
— , Schmuckgfehängc der Frauen
336, 888, 889, 840, 894, 405,
406, 426, 436, 440.
— , schwarze 277, 278.
— -Stämme 277.
- , Totenbestattung" 854.
— -Wohnungen im Thao-Thale
420, 421, 425, 426, 429. 438-
- 543
Tanguten -Zelt 281, 282, 283,
29I1 355- 897.
Tan-ka'r-thinjr 232, 233, 234,
235' 256, 257, 259, 200, 201,
262, 263, 269, 270, 271, 272,
279. 432.
Taoisten 417.
Tao-lai, Fluss, 235.
Tao-t'ai in Kaüchffar (Besuch)
84, 86, 87, 88, 90.
Taotan-ho 270, 280, 281, 287,
288, 289, 290, 292, 297, 326.
Tarantass 31, 33, 35^ 3^, 41. 42-
Tarantschen 8i, 159, 168, 176.
Tarbagatai 92.
Tarimbecken 5, 76, 79, 80, 81,
91, 92, »3, W, 96, 97.^98.
105, 107, III. 126, 127, 135,
146, 147. 152, 176, 190, 200,
207, 213, 214, 527.
Tarim-Fluss 76, 80, 93, 106, 107,
HO, III, 114, 146.
Tasch, ttirk. Woßfezeichen, 240.
Tasch-kar 154.
Taschkent 28, 29, 30, 34, 35,
37, 39i 40, 41, 42, 45, 100,
102, 125, 528.
Tasur-chai-Gobirere 428, 441.
Tatarei 173.
— , östliche 98.
— , westliche 98.
Tataren 15, 114.
Ta-thung^-ho 248, 249. 250, 252.
256. 258, 262.
Ta-tzc 355, 388, 405.
Taun-murun-Pass 58.
Tawelg^u 152.
Ta-yü 492, 493, 494.
Tempel, buddhistische, 422, 427,
434' 435' 442, 448, 473i 474,
476, 479' ^•>o, 488, 495, 497,
500.
— , buddhistischer, in Hami 170
bis 173.
- . — , in Kum-bum 202—209.
- , , in P'injj-fjui hsien 248.
-, -, in Sho-toi-tze 207, 288,
289.
— . — , oberhalb von Pin-tschou
488, 489.
- bei Schin-se 407, 409, 410.
- in Yünfif-thschans: hsien 239.
Temudschin 215.
Teppiche, bucharische 18,19,20.
Teppiche, chinesische 18.
— , kirgisische 18, 47, 56, 57, 72.
Terrassen aus Flussablagerungen
192, 202, 254, 255, 299, 300,
3 «9, 363, 374' 375, 376, 377,
381, 383, 401, 403, 404, 450,
456, 460, 463, 496, 497, 499,
500.
Terek-Fluss 2.
— -Dawan-Pass 38, 39, 40, 58,
69, Ol, 02, 08, 06, 00, 07, 08,
09, 84, 87, 102, 104.
dawan, Reise Vorbereitungen
40, 41, 45, 46, 47, 49, 50,
51, 52.
— --, Witterung 65, 67, 68.
Terra rossa 369.
'ITiang-Thai-tsung 214.
Thang, Kaiscr-Dynasüe, 215.
Thao-Flussgebiet 362, 399, 423.
— -ho 229, 262, 362, 401, 402,
408, 400, 412, 414, 417, 419,
420, 421, 424, 427, 428, 429,
431, 432, 434, 437, 439. 440,
441, 443, 444. 445.
Thal 278, 281, 329. 355,
368, 391, 402, 404, 405, 412.
424, 429, 430, 431, 435, 436.
437, 438, 439' 440, 44I' 444-
445' 446.
— — , Geologie 441.
Thao-tschou 229, 178, 412, 416,
417, 419, 420, 422, 424, 426,
428, 429, 430, 431, 452, 433,
484, 435, 436, 440, 443, 445-
Thien-schan 5, 38, 39, 60, 80,
87, 92, 93' 96. 97. loi, 102,
105, 106, HO, 114, 126, 134,
135, "36, 141, 145' U6, 147,
15I' 155' 159, 166, 169, 175,
202, 213.
Thien-schan, östlicher, 148 — 178.
Thien-schanschc Depression 157,
168, 162.
Thing-k'ou pu 483, 485, 487,
488, 489-
Thone des Ilan-hai 177, 178,
179, 190.
Thschang-wu hsien 486.
Thsing-hai 293.
-- — -wan 297.
Thsin - ling - Gebirge 43 1 , 442,
443, 45»' 496, 500, 50I' 502,
503' 504, 505, 508.
Thsin-ling-tschou 442.
Thung-fan yi 248, 249, 250.
— -ytian yi 249.
Tibet 39, 49, 55, loi, 173, 195,
197, 212, 223, 260, 262, 268,
270, 272, 277, 286, 295, 315,
329, 467, 481.
— , Hochfläche 196, 325, 329,
383, 431, 444.
— , Nordost- 39, loi, 257, 278,
279, 282, 307, 829-841. 345,
369, 405, 412, 416, 417, 419,
420, 422, 431, 432, 434, 442,
464.
Tibetaner 213, 260, 270, 274,
277» 287, 321, 322, 323, 354,
356, 384, 387. 38S, 394' 417,
418, 434, 440.
Tibetanische Volksstämme 277,
355-
Tiflis I, 2, 52.
Tiger 94, 114.
Tillja-Kari- Moschee 24.
Timur 12, 21, 22, 23, 25. 27.
30, 100.
Timuriden 12, 22, 26.
Ting-ho 477.
Tirol 406, 423.
Tiroler Gebirge 260.
Tömwall, Rev., 474, 476.
Toksun 92, 15S, 159.
Tolmak 39.
Tonking 215.
Topa-dawan 132. 133, 134.
TotenbesU\ttung 21.
Tran.skaspien 3. 4, 21, 27, 44,
109.
Trockenihal der Wüste 177, 189,
190.
Trümmennassen 93, 166.
Tsai-dam 257, 268, 270, 277,
281, 284, 292, 307, 329.
Tsam-ba 284, 302, 303, 358,
36.^ 393' 396.
Tsa-tsa 367, 368, 409, 422.
Tsa-tsa-ch'U-Fluss 309.
Tschadtir-kul 92, 112, 1 20, 121.
Tschakmak 76.
Tschan -pe hsien 255.
Tschantu 150.
Tsche, tangutisch für Wasser,
Fluss 350.
Tschertschen 1 05 .
darja 93, 107.
— 544 —
TscKibuk 6.
Tschi fu 440.
Tftchifl^rtschik-Piiss 53.
TschiktUm 157, 159, 163, 164.
Tschinas, Alt- 36.
Tschön-hai p'u 259.
Thsc hörten 410.
Tschoglu-tschai 166, 167.
Tschol-tiu 156, lö«, 157. 158.
162.
Tschu-Fluss 528.
Tschünerc-ramid-Fluss 364, 365,
368.
Tschünere-tschenak-Fluss 393,
395' 396, 398.
Tschukur 152.
Tschul-tau 133, 135, 146.
Tschurmün-Fluss 325, 326, 346,
378, 382.
rsi-ma-liii^r 454, 457.
Tsinjj-ho-ten 230.
Tsin|T-kuc'i 436. 437-
TsinfT-nin^-tschou 443, 466, 468,
469.
Tsinjf-pien yi 212.
Tsinjj-schuei 480.
Tsin-ho 477.
Tsin-Schi-huanjj-ti, Kaiser, 229.
Tsin-tien 446.
Tso-kadri 309.
Tsonjf 263.
Tsong'-ka-pa 263, 266, 267.
Tßunjj-li-yamen 76.
Tsu-tsc- Frucht 507.
Tuchweberei 45.
Türkei 95.
Türken 81, 213, 215.
Türkisen 17, 18.
Tußra-rakdan 129, 133, 137,
Tug:h-Stanß^en2i.23,82, 122, 136.
Tufn-ak-Baum 94.
Tuia-masar 136.
Tukai-Thal 58.
Tukiu 211.
Tuküe 214.
Tulfi^uk-Timur-chan 100.
Tuinschuk 121.
Tu-mun-fjuan Fluss 347.
Turanicr 80.
Turfan 92, 97, 104, 146, 154,
158, 159, 160. 161.
Turkestan (Ost-) 5, 79, So,
9I1 92, 95' 98, 99« loi'
168, 627.
Turkestan (West- und General-
riouverneinent^ i, 3, 4, 5,
12, 21, 27, 29, 40, 41,
42, 44, 49, 60, 81, 89,
98, 100, 102. 168, 214,
215, 627, 628, 529.
--, Bevölkerunjj 6, 8, 9, 6S9.
680
Turkestaner (Ost-) 81, 150, 159,
168, 175. 214,
Turkmenen 5, 8, 0, 10, 528.
Turkstämme 5. 80, 168, 278.
Turktataren 4, 5, 60.
U.
Ueberschwemmunfi^zonen 241.
Uffutu-r.ebirjre 234, 330. 334,
346
Uiffuren 80, Si, »8, »9, 168,
175, 211, 235.
l'ksalür 61, 71, 72. 75.
Ulan-ser-tsche 367, 390, 391,
392, 395' 396.
L'lujj-Be.£>:- Moschee 24.
l'luktschat, Festung^, 71, 76.
L'mzu^r «ler Xomaden 388,
889.
Unß;^arn 99.
L'r^a 167.
Uriuk-Fiuss 76.
Urtia-tsche 365, 368, 369. 370,
37I' 372, 373, 374.
Urumtschi 92, 104, 150, 158,
345-
Usbeken 5, 12, 81, 100, 527.
l'sme-tlian 155, 156.
V.
Vainbery 5, 9.
Vei^etatiiinshüjjel 93, 108, 109,
III, 112, 197, 198, äOO, 201,
202.
Verßfiftunfjs versuch durch Lamas
388.
Verkehr 467, 470, 474, 477,
479, 484, 486, 488, 492, 496,
497' 50O1 502, 506, 507, 509,
510-
Vervvitterun<j 137.
Verwitterunj^^slehm 510.
Vojicsen 324.
W.
Waddell, A. 408, 410.
Wälder 94, 106, 112, 250, 259.
297. 334. 335' 404- 419' 437'
439. 446, 450, 467^ 473' 476.
495- 504- 506-
Wa-hon-la-Pass 307.
W.üichan-tiura, Chan, 103.
W:dni-r.ebirjje 890, 891, 392,
895. 396.
Walze zum Dreschen 199.
Wan, Fürst. 278.
Wan-saonff 355, 357, 360, 383.
Wasserscheide zum Thao-Thal
400, 401, 402.
Wa-thin};j yi 474.
Wa-thin};j-ho 475, 477.
Wa-thsan^ 355.
Webstuhl der Tankten 888. 334.
Wejjejuilai^en 244, 245.
WejT^ezeichen 197, 205, 240, 495.
Wei-Dynastle 214.
Wei-ho 98, 213, 449, 451, 461,
466, 476, 477, 483. 496, 498,
499' 50O' 503-
Wien I .
Wind-Krosion 130, 137, 158,154.
188, 180, 181, 182, 183, 193.
202, 208, 204. 205, 226, 273*
274, 320, 369, 489—492.
Windpferde 356, 424.
Win<ltransj)ort 481.
Wladikawkas i, 2.
Wlamt-8U- Fluss 366, 368. 371,
373' 874, 382, 383' 385«
386.
Wohnunjjen, bucharischc, 19, 20.
Wolastnoi 56, 58, 59, 65.
Wolffa 5, 60, 98, 173.
Wolkenbruch in Tan-ka'r thinjj
261.
Wrewski. Baron von, 40, 45.
Wüste 4, 18, 29, 91, 92, 93,
97, 98, 106, 107, 109, III,
128, 133, 145, 152, 163, 166,
178, 187, 188, 198, 210, 212,
224, 225, 239. 241, 311, 43I'
Wüstenjjebirpe 152, 206.
— -Seen 241.
Wu-schönff p'u 225, 246, 247.
Wu-so-linjf 244, 245.
Wutai-Schichten 469.
Wu-thschan fu 512.
— 545
Y.
Yak 94. 270. 272, 275, 280.
322, 323^ 352, 356, 359, 383'
3891 394' 397i 398. 412, 4131
416, 4171 425-
Yak-Karawane 272, 293, 310.
Yamantiika, buddhistische Gott-
heit. 288, 289.
Yamäri, buddhistische Gottheit,
288, 289.
Yanjf-kia thschuang^ 4Q5.
Yanjj-tze-kian? 213, 215, 257,
262, 329, 330, 391, 441,
445, 446, 502, 505, 508,
512.
Schiffe 511, 512.
Yau (Kaiser) 213.
Yen-thschi yi 214, 224, 225.
Ye-thsuu 506, 507, 508.
Yüe-tschi (altes Volk) 98, 211.
Yü - müu - Passaßfc 213, 214,
215.
Yuiiff-schou hsien 494.
Yune^-thschang^ hsien 239.
Z.
Zagan-tjunge-Gebirge 153.
Zelüager 384, 392, 395.
Zentralasien 3, 21, 39, 49, 60, 61.
99, 105, 158, 167, 207, 213.
214, 215, 431.
Zeugenberge und -Hügel 178,
202, 203.
Ziehbrunnen 242.
Zollabfertigung 2, 3.
Zollmauer 432.
Zufluchtsstätten 455, 460, 488.
PROFILTAFEL XLII
Nord-West.
Süd-Osh
Süd-West.
Ost-Süd-Ost.
i Gebirge, d. Dschupar-Gebirge. e> Hoang-ho-SchluchL
a. Gebirge, Schamba-chamu. b. Namo-schao.
e. c. — r Gebirge SarQ-DangerS auf dem linken Hoang-ho-Ufer.
icheide zwischen Star- düng -tsche und UIan-«er-tsdie.
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