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Full text of "Elektrizitätslehre für Mediziner und Elektrotherapie"

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HARVARD  MEDICAL 
LIBRARY 


RÖNTGEN 


THE  LLOYD  E.   HAWES 

COLLECTION   IN  THE 

HISTORY  OF  RADIOLOGY 


«^Harvard  Medical  Library 
in  the  Francis  A.  Countway 
Library  of  Medicine  -Boston 


VERITATEM  PERMEDicrjsTAM  QSJMRÄMUS 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2010  with  funding  from 

Open  Knowledge  Commons  and  Harvard  Medical  School 


http://www.archive.org/details/elektrizittsleOOrose 


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ELEKTKIZITATSLEHEE 

FÜR  MEDIZINER 


UND 


ELEKTROTHEMPIE 


VON 


De.  J.  ROSENTHAL  und  Dr.  M.  BERNHARDT, 

Professoren  an  den   Universitäten  Erlangen  und  Berlin. 


Dritte  Auflage 

von  J.  Rosenthal's  Elektrizitätslehre  für  Mediziner. 

Mit  105  in  den  Text  einscedruckten  Holzschnitteu. 


Berlin  1884. 
Verlag  von  August  Hirschwald 

NW.,   Unter  den   Linden   No.  CS. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Vorwort. 


D 


as  Buch,  welches  wir  hiermit  der  Oeffeutlichkeit  übergeben,  ist  nur 
zum  Teil  ein  neues.  Der  erste  Abschnitt  ist  vielmehr  eine  üeber- 
arbeitung  der  schon  in  zwei  Auflagen  vorliegenden  „Elektrizitätslehre 
für  Mediziner*  von  J.  Rosenthal  und  als  dessen  dritte  Auflage 
anzusehen.  Bei  der  Vorbereitung  dieser  neuen  Auflage  war  der  Ver- 
fasser wiederum  bemüht,  dieselbe  nach  Kräften  zu  verbessern.  Wäh- 
rend die  Anordnung  des  Stoffs  im  Wesentlichen  auch  diesmal  bei- 
behalten werden  konnte,  wurde  der  Inhalt  durch  Zusätze  vermehrt, 
und  dahin  gestrebt,  diesen  Teil  zu  einem  kurzen  Handbuch  zu  ge- 
stalten, welches  einerseits  den  angehenden  Elektrothcrapeuten  mit  allem 
bekannt  macht,  was  er  zum  Verständniss  der  von  ihm  benutzten 
Apparate  und  ihrer  Anwendungs weise  braucht,  andrerseits  die  physika- 
lische Grundlage  für  die  Elektrophysiologie  und  die  mannichfachen 
Anwendungen  der  Elektrizität  bei  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
in  der  Medizin  zur  Darstellung  bringt. 

War  der  Verf.  dieses  ersten  Teiles  in  den  früheren  Auflagen 
bemüht,  Alles  auszuschliessen,  was  Gegenstand  der  Elektrotherapie 
sein  konnte,  so  ist  in  dieser  Auflage  gerade  die  Bearbeitung  der 
Elektrodiagnostik  und ' Elektrotherapie  zu  einem  zweiten,  umfang- 
reichen Teil  geworden.  Der  Plan  zu  dieser  Umarbeitung  bezw.  Ver- 
vollständigung der  vorangegangenen  Auflagen  wurde  der  Zeit  nach 
schon  so  früh  aufgestellt  und  zu  verwirklichen  angefangen,  dass  ihr 
durch  mannichfache  Hindernisse  verzögerter  Abschluss  trotz  des  Er- 
scheinens einiger  dasselbe  Thema  behandelnder  Lehrbücher  notwendig 
geworden  war.  Ein  besonderer  Nachdruck  wurde  auf  eine  vollständige 
Klarlegung  der  elektrodiagnostischen  Verhältnisse  gelegt:  bei  der 
Bearbeitung  der  Elektrotherapie   ist  das   empirisch    von    den    besten 


IV  Vorwort. 

Autoren  Festgestellte  streng  von  dem  nur  Hypothetischen  getrennt 
und  auf  die  vielfachen  Lücken  in  unserm  Wissen  und  Können  auf- 
nierksam  gemacht  worden.  Krankengeschichten  wurden  in  einem 
Anhang  mit  Absicht  nur  in  beschränkter  Anzahl  mitgeteilt:  sie 
dienen  vorwiegend  zur  Illustration  des  im  elektrodiagnostischen  Teil 
Auseinandergesetzten.  Sollte  der  Umfang  des  Werkes  nicht  ein  zu 
grosser  werden,  so  musste  man  hier  eine  Schranke  setzen,  zumal  im 
Text  selbst  die  Behandlung  der  verschiedensten  Affektionen  stets 
genau  angegeben  wurde:  eine  Häufung  von  Krankengeschichten  erschien 
daher  nutzlos. 

Obgleich  die  beiden  Teile  des  Werkes  von  den  beiden  Verfassern 
ganz  selbständig  bearbeitet  worden  sind,  und  jeder  von  ihnen  für 
seinen  Anteil  die  volle  Verantwortung  übernimmt,  so  ist  doch  die 
Ausarbeitung  auf  Grund  vielfacher  Besprechungen  und  nach  einem 
gemeinsam  festgesetzten  Plane  geschehen,  so  dass  dem  Buche  der 
Charakter  eines  einheitlichen  Ganzen  nicht  wird  abgesprochen  werden 
können.  Andrerseits  aber  bot  die  Teilung  der  Arbeit  den  Vorteil, 
dass  jeder  .Verfasser  sich  auf  einem  Gebiet  bewegte,  welches  ihm 
durch  eigene  Erfahrung  und  Uebung  genauer  bekannt  war.  Und  so 
hoffen  wir,  dass  es  uns  gelungen  sein  wird,  eine  praktisch  brauchbare 
und  nützliche  Arbeit  zu  liefern. 

Erlangen  und  Berlin,  Juli  1883. 

Die  Verfasser. 


Inhalts  -  Verzeichniss. 


Erster  Teil. 

Seite 

Kapitel       I.    Von  den  elektrischen  Flüssigkeiten  und  ihren  gegenseitigen  An- 
ziehungen und  Abstossuiigen 1 

„  IL    Von  der  Verteilung  der  Elektrizität  und  einigen  auf  derselben 

beruhenden  Instrumenten 11 

„  III.    Von  den  elektrischen  Strömen  und  ihren  Wirkungen     ....       21 

„  IV.    Von  der  Elektrizitätserregung  durch  Kontakt  und  den  kontinuir- 

lichen  elektrischen  Strömen 28 

„  V.    Von    der   Elektrolyse,   der  galvanischen  Polarisation  und   den 

konstanten  Ketten 37 

„  VI.    Von  der  Stromstärke,  dem  Ohm'schen  Gesetz  und  dem  Widerstände       5 1 

Anhang  zu  Kapitel  VI.    Einige  Bemerkungen  über  die  Wahl 

und  Behandlung  der  galvanischen  Batterien 68 

„        VII.    Von  der  Stromdichte,  den  Zweigströmen  und  der  Verteilung  des 

Stromes  in  nicht  prismatischen  Leitern 75 

VIII.    Vom  Elektromagnetismus  und  der  Erregung  elektrischer  Ströme 

durch  Induktion 94 

„  IX.    Von  der  Einrichtung  und  dem  Gebrauch  der  Galvanometer  .    .      119 

„  X.  Von  dem  Nachweis  und  der  Messung  elektromotorischer  Kräfte, 
der  Messung  kurzdauernder  Ströme  und  der  elektrischen  Zeit- 
messung ,    .    .  ' 136 

„  XL  Von  den  Thermoströmen  und  der  elektrischen  Temperatur- 
bestimmung     159 

„  XII.  Physikalische  und  physiologische  Vorbemerkungen  über  die  An- 
wendung der  Elektrizität  zu  Heilzwecken      172 

Zweiter  Teil. 

.,  XIIL  Von  den  für  die  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie  not- 
wendigen Apparaten  und  Hilfsmitteln 203 

„  XIV.  Von  den  motorischen  Punkten  und  der  Untersuchungsmethode 
der  motorischen  Nerven  und  der  Muskeln  mittelst  des  fara- 
dischen Stroms 240 

„         XV.    Von  der  Untersuchungsmethode  der  motorischen  Nerven  und  der 

Muskeln  mittelst  des  galvanischen  Stromes 265 


VI  Inhalts-Verzeichniss. 

Seite 

Kapitel       XVI.     Von   den  pathologischen  elektrodiagnostischen  Befunden  an 

den   motorischen  Nerven  und  den  Muskeln 282 

„  XVII.  Von  den  normalen  und  pathologischen  elektrodiagnostischen 
Befunden  an  den  Nerven  der  Sinnesorgane  und  den  sensiblen 
Nerven  überhaupt 303 

„  XVIII.  Von  den  normalen  und  pathologischen  elektrodiagnostischen 
Befunden  an  den  Organen  des  Centralnervensystems  und 
den  mit  muskulösen  Wandungen  versehenen  Eingeweiden    .     324 

„  XIX.  Von  der  elektrotherapeutischen  Verwertung  des  unter- 
brochenen (faradischen)  Stromes  im  Allgemeinen 341 

„  XX.  Von  der  therapeutischen  Verwertung  des  galvanischen  (kon- 
stanten) Stromes  im  Allgemeinen 354 

„  XXI.     Spezielle   Elektrotherapie.     Von  der  Elektrotherapie 

der  Gehirukrankheiten 374 

„         XXII.     Von  der  Elektrotherapie  der  Rückenmarkskrankheiten      .    .     383 

XXIII.  Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten  des  peripherischen 
Nervensystems 307 

XXIV.  Von  der  Elektrotherapie  allgemeiner  neuralgischer  Zustände, 
visceraler  Neuralgien,  vasomotorischer,  trophischer  und 
functioneller  Neurosen 414 

XXV.     Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten   der  Sinnesorgane     428 
„        XXVI.     Von  der  Elektrotherapie  der  Gelenk-  und  Muskelkrankheiten 
sowie  der  erkrankten  Organe  des  Atmungs-  und  Verdauungs- 
apparates       439 

XXVII.  Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten  der  Harnblase 
und  der  Geschlechtsorgane  nebst  einem  Anhange:  die  An- 
wendung der  Elektrizität  in  der  Geburtshilfe  und  bei  der 
Erkrankung  der  Milch-,  Schweiss-  und  Lymphdrüsen  ...  449 
„  XXVIII.  Metalloskopie,  Metallotherapie,  Statische  Elektrizität  .  .  .  459 
Anhang.  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elek- 
trodiagnostischc  und  elektrotherapeutische  Beobachtungen  an 

Kranken 467 

Literatur- Verzeichniss '. -  .    .     491 

Namen-  und  Sachregister 503 


Erster  Teil. 


Kapitel  I. 

Von  den  elektrischen  Flüssigkeiten  nnd  ihren  gegen- 
seitigen Anziehungen  und  Abstossungen. 


§  1.  i\_ls  Grund  der  Erscheinungen,  welche  wir  elektrische 
nennen,  nehmen  die  Physiker  zwei  hypothetische  Flüssigkeiten  an, 
die  positive  und  die  negative  Elektrizität,  welche,  selbst  un- 
wägbar, an  der  wägbaren  Materie  haftend,  diese  in  Bewegung  zu 
setzen  oder  sich  selbst  in  jener  zu  bewegen  vermögen,  nach  Gesetzen, 
welche  wir  bald  näher  betrachten  wollen.  Die  Eigenschaften,  welche 
diesen  Flüssigkeiten  zugeschrieben  werden,  sind  folgende:  Jede  der- 
selben stösst  die  ihr  gleichnamige  ab  und  zieht  die  ent- 
gegengesetzte an,  und  diese  Abstossung  und  Anziehung 
geschieht  in  umgekehrtem  Verhältniss  der  Quadrate  ihrer 
Entfernungen. 

Denken  wir  uns  nun  einen  Körper  erfüllt  mit  gleichen  Mengen 
entgegengesetzter  Elektrizitäten,  welche  wir  mit  -f-E  und  — E  be- 
zeichnen wollen,  so  kann  dieser  auf  einen  anderen  Körper,  welcher 
ebenfalls  gleiche  Mengen  beider  Elektrizitäten,  etwa  -\-e  und  — e, 
enthält,  keinerlei  Wirkung  ausüben  (ganz  abgesehen  natürlich  von  den 
Wirkungen  der  Schwere  und  anderer  nicht  elektrischer  Kräfte).  Denn 
es  wird  ja  die  Abstossung  zwischen  -|- E  und  -{- e,  — E  und  — -e 
aufgehoben  durch  die  genau  gleiche  Anziehung  zwisclien  -|-E  und  —  c, 
—  E  und  -|-e.  Diesen  Zustand  der  Körper,  in  Avelchem  dieselben 
gleiche  Mengen  entgegengesetzter  Elektrizitäten  enthalten,  in  welchem 
sie  also  keiner  elektrischen  Wirkung  fähig  sind,  nennt  man  daher  den 
unelektrischen  oder  neutral  elektrischen  Zustand. 

Wenn  jedoch  durcli  irgend  einen  Umstand  die  Verteilung  der 
Elektrizitäten  in  einem  Körper  so  geändert  worden  ist,  dass  er  von 
der  einen  Elektrizität  eine  grössere  Menge  enthält,  als  von  der  ent- 
gegengesetzten, so  wird  er  auf  andere  Körper  anziehend  oder  abstossend 

Uoseiitlial   II.   B  eri\  li  ;ii(lt.  ICli-ktri/itätslohre.    lU.  Aiill.  i 


2  Elektrische  Flüssiglceiten.  Kap.  I. 

wirken  müssen,  je  nachdem  die  eine  oder  die  andere  Wirkung  über- 
wiegt. Man  sagt  dann,  der  Körper  besitze  freie  Elektrizität  oder 
sei  mit  freier  Elektrizität  geladen,  im  Gegensatz  zu  den  natür- 
lichen Elektrizitäten,  die  alle  Körper  im  natürlichen  Zustande  be- 
sitzen, und  zwar  sagt  man,  der  Körper  sei  mit  freier  positiver  oder 
negativer  Elektrizität  geladen,  je  nachdem  er  einen  Ueberschuss 
von  der  einen  oder  anderen  besitzt. 

§  2.  Unter  den  Mitteln,  durch  welche  eine  Aenderung  in  der 
Verteilung  der  Elektrizitäten  hervorgerufen  werden  kann,  steht  obenan 
die  Reibung.  Fast  stets,  wenn  zwei  Körper  an  einander  gerieben 
werden,  tauschen  sie  einen  Teil  ihrer  Elektrizitäten  mit  einander  aus, 
so  dass  der  eine  einen  Ueberschuss  von  positiver,  der  andere  einen 
Ueberschuss  von  negativer  Elektrizität  erlangt. 

Wir  sehen  also,  dass  die  elektrischen  Flüssigkeiten  nicht  unbe- 
dingt an  die  Körper  gebunden  sind,  denen  sie  einmal  anhaften,  sondern 
dass  sie  von  einem  Körper  auf  den  andern  übergehen  können,  und 
dies  giebt  uns  ein  Mittel  an  die  Hand,  die  Wirkungen  zu  studiren, 
welche  die  Elektrizitäten  ausüben,  wenn  sie  nicht  in  gleichen  Mengen 
angehäuft  sind  und  ihre  Wirkung  gegenseitig  aufheben. 

Reiben  wir  z.  B.  eine  Glasstange  mit  einem  Stücke  seidnen  oder 
wollenen  Zeuges  und  berühren  dann  mit  dieser  Stange  ein  leichtes 
Kügelchen  von  HoUundermark ,  welches  an  einem  Seidenfaden  auf- 
gehängt ist,  so  nimmt  das  Kügelchen  einen  Teil  der  freien  Elektrizität 
der  Glasstange  an.  Wir  werden  dann  bei  Annäherung  der  Glasstange 
bemerken,  dass  sie  schon  aus  bedeutender  Entfernung  abstossend  auf 
das  Kügelchen  wirkt.  Diese  Abstossung  ist,  Avie  aus  dem  Vorher- 
gehenden ersichtlich,  die  Wirkung  der  gleichnamigen  Elektrizitäten, 
welche  in  dem  Glasstabe  sowohl,  als  im  Hollundermarkkügelchen  im 
Ueberschuss  vorhanden  sind. 

Machen  wir  nun  denselben  Versuch  mit  einer  Siegellackstange, 
so  führt  er  zu  dem  nämlichen  Ergebniss.  Auch  diese  wird  durch 
Reiben  mit  Wolle  elektrisch,  auch  sie  giebt  bei  der  Berührung  einen 
Teil  ihrer  freien  Elektrizität  an  ein  Hollundermarkkügelchen  ab  und 
stösst  dasselbe  dann  ab.  Nähern  wir  aber  die  Siegellackstange  dem 
Kügelchen,  welches  mit  der  Glasstange  in  Berührung  war,  so  erfolgt 
keine  Abstossung,  sondern  eine  Anziehung,  und  dasselbe  erfolgt,  wenn 
wir  die  Glasstange  dem  Kügelchen  nähern,  welches  mit  der  Siegellack- 
stange in  Berührung  gewesen  ist.  Daraus  folgt,  dass  die  Glasstange 
und  die  Siegellackstange  durch  das  Reiben  mit  Wolle  zwar  beide  freie 


§  2,  3.  Elelvtrosl<op.  8 

Elektrizität  erlangt  haben,  dass  aber  diese  in  der  einen  die  entgegen- 
gesetzte sein  muss,  als  in  der  anderen.  Man  bezeichnet  nun  diejenige 
Elektrizität,  welche  das  Glas  durch  Reiben  mit  Wolle  annimmt,  als 
die  positive,  und  demgemäss  die,  welche  das  Siegellack  annimmt, 
als  die  negative. 

Welche  von  beiden  Elektrizitäten  ein  Körper  beim  Reiben  annimmt,  hängt 
hauptsächlich  von  seiner  Natur,  aber  auch  von  der  des  Reibzeuges  und  anderen 
Umständen  al3.  So  wird  Glas  beim  Reiben  mit  fast  allen  Körpern  positiv  elektrisch, 
Harz  fast  stets  negativ  elektrisch,  weshalb  man  auch  die  positive  Elektrizität  Glas- 
elektrizität, die  negative  Harzelektrizität  genannt  hat.  Aber  Glas  mit 
Katzenfell  gerieben  wird  negativ  elektrisch,  und  ebenso  wird  mattgeschliifenes  Glas 
beim  Reiben  mit  anderen  Körpern  fast  stets  negativ  elektrisch  Auch  glattes  Glas 
erlangt  durch  Erhitzen  auf  100"  C.  und  darüber  die  Eigenschaft,  beim  Reiben  mit 
Wolle  negativ  elektrisch  zu  werden.  Die  Rückenhaare  des  Gemsbockes  (der  sog. 
Gemsbart)  werden  positiv  elektrisch,  wenn  sie  von  der  Wurzel  nach  der  Spitze, 
dagegen  negativ  elektrisch,  wenn  sie  von  der  Spitze  nach  der  AVurzel  hin  ge- 
strichen werden. 

Auch  flüssige  Körper  können  durch  Reibung  elektrisch  werden  und  den  an 
ihnen  geriebenen  Körper  elektrisch  machen.  So  wird  durch  Reiben  von  Quecksilber 
an  Glas  Elektrizität  frei,  und  durch  Reibung  von  Wasser  an  festen  Körpern  erhält 
man  sehr  beträchtliche  Mengen  freier  Elektrizität,  worauf  die  Arm  streng' sehe 
Hydroclektrisirmaschine  beruht. 

§  o.  Ein  Hol] undermarkkü gelchen  an  einem  Seidenfaden  auf- 
gehängt, wie  wir  es  zu  unseren  obigen  Versuchen  benutzten,  ist  wegen 
seiner  grossen  Beweglichkeit  ein  sehr  geeignetes  Mittel,  um  die  Existenz 
anziehender  oder  abstossender  Kräfte  anzuzeigen.  Und  wenn  es  mit 
einer  bekannten,  beispielsweise  positiven  Elektrizität  geladen  ist,  so 
zeigt  es  auch  an,  welcher  Art  die  in  einem  Körper  durch  Reiben  frei 
gewordene  Elektrizität  ist.  Denn  stösst  dieser  Körper  das  Kügelchen 
ab,  so  muss  er  selbst  positiv  elektrisch  sein,  negativ  dagegen,  wenn 
er  das  Kügelchen  anzieht.  Bei  einem  mit  negativer  Elektrizität  ge- 
ladenen Kügelchen  würde  es  natürlich  gerade  umgekehrt  sein.  Ein 
solches  Instrument  nennt  man  ein  Elektroskop,  oder  insofern  man 
aus  der  Kraft,  mit  welclier  die  Abstossung  erfolgt,  auch  auf  die  Menge 
der  freien  Elektrizität  schliessen  kann,  ein  Elektrometer. 

Auf  diesem  Wege  kann  man  beweisen,  dass  beim  Reiben  nie- 
mals eine  einzelne  Elektrizität  allein  frei  wird,  sondern 
dass  die  beiden  an  einander  geriebenen  Körper  stets  die 
entgegengesetzten  Elektrizitäten  annehmen,  und  zwar  der 
eine  genau  so  viel  positive,  als  der  andere  negative.  Durch 
die  Reibung  wird  also  keine  Elektrizität  erzeugt,  es  wird  nur  die  Ver- 
teilung  derselben   in   den    an   einander    geriebenen   ICörpern    geäiulert, 

1* 


4  Leiter  und  Nichtleiter.  Kap.  I. 

dergestalt,  dass  der  eine  einen  Ueberschuss  von  positiver,   der  andere 
einen  Ueberscliuss  von  negativer  Elektrizität  erhält. 

Auch  die  oben  erwähnte  Eigenschaft  des  Gemsbartes  kann  zur 
Konstruktion  eines  Elektroskopes  verwertet  werden,  indem  ein  solches 
Haar,  je  nachdem  es  gestrichen  worden,  von  positiv  oder  negativ  ge- 
ladenen Körpern  abgestossen  oder  angezogen  wird.  Am  bequemsten 
aber  zur  Erkennung  des  Vorhandenseins  freier  Elelc- 
trizität  ist  das  in  Fig.  1  abgebildete  Goldblattelek- 
troskop.  Es  besteht  aus  zwei  schmalen  Streifen  sehr 
dünnen  Blattgoldes,  welche  an  einem  Metallstabe  be- 
festigt und  mittelst  desselben  im  Inneren  eines  Glases 
aufgehängt  sind.  Berührt  man  den  Metallstab  mit 
einem  durch  Reibung  elektrisirten  Körper,  so  geht  ein 
Teil  der  freien  Elektrizität  auf  die  Goldblättchen  über. 


Fig.   1. 


welche  also  beide  mit  der  gleichen  Elektrizität  geladen 


b-* 


werden  und  sich  daher  abstossen.  Bei  dem  geringen  Gewichte  der 
Blättchen  genügen  schon  geringe  Kräfte,  um  eine  merkliche  Diver- 
genz hervorzubringen. 

§  4.  Fasst  man  eine  Messingstange  mit  der  Hand  und  reibt  sie 
mit  einem  Stücke  wollenen  Zeuges,  so  wird  sie  sich  bei  der  Prüfung 
durch  das  Elektroskop  unelektrisch  zeigen,  d.  h.  sie  wird  das  Kügel- 
chen  des  oben  beschriebenen  Elektroskops  nicht  abstossen,  mMg  dies 
nun  positiv  oder  negativ  geladen  sein,  noch  wird  sie  bei  dem  in 
Fig.  1  abgebildeten  Goldblattelektroskop  eine  Divergenz  der  Gold- 
blättchen hervorbringen.  Befestigt  man  dagegen  die  Metallstange  an 
einer  Handhabe  von  Glas,.  Siegellack  oder  Hartkautschuk  und  reibt 
sie  jetzt  mit  der  Vorsicht,  sie  niemals  direkt  mit  der  Hand  zu  be- 
rühren, so  wird  sie  sich  elektrisch  verhalten  und  zwar  positiv.  Die 
geringste  Berührung  mit  der  Hand  reicht  aus,  ihr  die  freie  Elektrizität 
vollständig  zu  rauben,  sie  sogleich  wieder  unelektrisch  zu  machen. 
Das  Gleiche  erfolgt,  wenn  man  sie  mit  einem  Draht  von  irgend  einem 
Metall,  mit  Baumwolle,  Papier  und  dergleichen  berührt.  Dagegen 
scheint  sie  nichts  von  ihren  Eigenschaften  einzubüssen,  wenn  man  sie 
mit  Glas,  Harz,  Seide  berührt. 

Diese  Tatsachen  führen  zu  der  Ansicht,  dass  die  Körper  sich  in 
Bezug  auf  die  Elektrizität  verschieden  verhalten,  indem  die  einen 
nicht  im  Stande  sind,  die  in  ihnen  erregte  Elektrizität  zurückzuhalten, 
es  sei  denn,  dass  sie  nur  mit  Körpern  der  andern  Art  in  Berührung 
sind.     Man   erklärt  sich   diese  Erscheinung  so,    dass   man   sagt,    die 


§  4,  5.  Mitteilung  der  Eieldrizität.  5 

cr.stc  Klasse  \'on  Körpern,  wozu  also  die  Metalle,  die  Leinen-  und 
Baumwollenfaser,  der  menschliche  Körper  u.  A.  gehören,  hat  die 
Eigenschaft,  dass  die  Elektrizität  leicht  von  einem  Teilchen  zmii 
anderen  übergeht,  während  dies  bei  der  zweiten  Klasse  nur  schwer 
der  Fall  ist.  Die  Körper  der  ersten  Klasse  nennt  man  daher  Leiter 
der  Elektrizität,  die  der  anderen  Nichtleiter  oder  Isolatoren. 
Wird  ein  Leiter  gerieben,  indem  man  ihn  in  der  Hand  hält,  so  kann 
er  natürlich  nicht  elektrisch  werden,  denn  jede  Spur  von  freier  Elek- 
trizität, welche  in  ihm  erregt  wird,  wird  auch  sofort  von  Teilchen  zu 
Teilchen  des  Metalles  bis  zur  Hand  und  durch  den  menschlichen  Körper 
zur  Erde  fortgeleitet*).  Anders  natürlich  bei  einem  Nichtleiter,  wo 
die  an  einer  Stelle  durch  Reiben  erzeugte  Elektrizität  auf  dieser  Stelle 
bleibt,  gieichgiltig  ob  man  denselben  an  einer  anderen  Stelle  mit  der 
Hand  hält  oder  nicht.  Ebenso  erklärt  sich  hieraus,  wie  ein  Leiter 
durch  Reibung  elektrisch  gemacht  werden  kann,  wenn  man  ihn  nur 
mittelst  nichtleitender  Handhaben  anfasst,  warum  ein  elektrisch  ge- 
machter Leiter  sogleich  unelektrisch  wird,  wenn  man  ihn  mittelst 
eines  anderen  Leiters  berührt  u.  s.  w. 

Die  Einteilung  der  Körper  in  Leiter  und  Nichtleiter  ist  keine  absolute,  in- 
sofern es  hier,  wie  überall  in  der  Natur,  allmähliche  Uebergänge  giebt.  Alle  Me- 
talle, Kohle,  Wasser  und  alle  wässrigen  Lösungen,  die  meisten  Gesteine  und  Erden, 
die  tierischen  und  pflanzlichen  Teile  u.  A.  sind  Leiter;  Siegellack,  Glas,  alle 
Harze,  Schwefel,  Wachs,  vulkanisirter  Kautschuk  und  viele  andere  Nichtleiter. 
Die  Luft  gehört  natürlich  unter  die  Nichtleiter,  da  sonst  die  in  ihr  befindlichen 
Körper  sogleich  unelektrisch  werden  müssten,  doch  leitet  auch  die  Luft,  wenn  sie 
nicht  ganz  trocken  ist.  Auch  Glas  leitet  etwas ,  besonders  wenn  sich  an  seiner 
Oberfläche  Wasserdampf  niedergeschlagen  hat.  Man  pflegt  daher  die  zum  Isoliren 
dienenden  Glassäulen  noch  mit  Schellack  zu  überziehen,  welcher  weniger  hygro- 
scopisch  ist  als  Glas.  In  neuerer  Zeit  wendet  man  zum  Isoliren  hauptsächlich 
Hartkautschuk  (Ebonit)  an,  welcher  leicht  bearbeitet  werden  kann. 

§  5.  Isolirt  man  eine  metallische  Kugel  gut,  indem  man  sie  an 
einer  trockenen  seidenen  Schnur  aufhängt  oder  auf  einem  Glasfusse 
aufstellt,  so  kann  man  derselben  mit  Hilfe  einer  Elektrisirmaschine, 
d.  h.  einer  Scheibe  von  Glas,  welche  zwischen  zwei  fest  gegen  sie 
gepressten  Kissen  mittelst  einer  Kurbel  in  Umdrehung  versetzt  wird, 
grosse  Mengen  freier  Elektrizität  mitteilen  und  so  die  Eigenschaften 
derselben  genauer  studiren.  Nähert  man  zunächst  dieser  Kugel  eine 
andre  isolirte  bis  zur  Berührung,  so  wird  man  finden,  dass  die  zweite 
Kugel  ebenfalls  elektrisch  geworden  und  zwar  mit  der  nämlichen  Elek- 


*)  Vgl.  hierüber  §  G.  S.  9. 


6  Couloiiib's  Drehwage.  Kap.  I. 

trizitäl  geladou  ist.  Älaii  kann  sich  hiervon  sehr  leicht  überzeugen^ 
wenn  man  an  der  Kugel  zwei  leichte  Kügelchen  von  Hollundermark 
mittelst  eines  leinenen  Fadens  befestigt.  Indem  diese  sich  ebenfalls 
mit  der  Elektrizität  der  ersten  Kugel  laden,  stossen  sie  sich  gegen- 
seitig ab,  und  wenn  man  sie  mittelst  eines  isolirenden  Handgriffes 
abhebt  und  ihnen  eine  geriebene  Glasstange  nähert,  so  wird  man 
finden,  dass  sie  die  nämliche  Eleiitrizität  besitzen,  als  die  erste 
Kugel  hatte. 

Wenn  bei  diesem  Versuche  auch  an  der  ersten  Kugel  zwei 
Hollundermark  kügelchen  befestigt  sind,  so  bemerkt  man,  dass  die- 
selben auch  nach  der  Berührung  noch  divergiren,  aber  nicht  mehr  so 
stark  als  vorher.  Es  ist  also  während  der  Berührung  ein  Teil  der 
freien  Elektrizität  von  der  ersten  Kugel  auf  die  zweite  übergegangen. 
Um  jedoch  die  Menge  zu  bestimmen,  welche  von  der  ersten  auf  die 
zweite  übergegangen  ist,  müssen  wir  ein  Mittel  haben,  Elektrizitäts- 
mengen mit  Genauigkeit  zu  messen.  Ein  solches  Mittel  besitzen  wir 
in  dem  kleinen  Hollundermarkkügelchen,  das  uns  schon  mehrfach  ge- 
dient hat.  Zu  diesem  Zweck  befestigen  wir  das  Kügelchen,  um  es 
zu  isoliren,  an  einem  dünnen  Schellackstäbchen  und  hängen  dieses  an 
einem  feinen  Metalldraht  oder  Kokonfaden  auf,  so  dass  es  sich  in 
einer  horizontalen  Ebene  drehen  kann.  Das  Kügelchen  nimmt  bald 
einen  festen  Stand  an,  aus  dem  es  nicht  gebracht  werden  kann,  ohne 
dass  der  Draht  torquirt  wird.  Stellt  man  nun  neben  das  Kügelchen 
ein  anderes,  gleichfalls  isolirtes  und  mit  Elektrizität  geladenes,  so 
geht  ein  Teil  der  Elektrizität  von  dem  festen  auf  das  bewegliche 
Kügelchen  über,  und  dieses  wird  jetzt,  da  es  mit  derselben  Elektrizität 
geladen  ist,  abgestossen.  Da  nun  aber  durch  diese  Abstossung  die 
Entfernung  der  beiden  Kügelchen,  also  auch  die  Kraft,  mit  welcher 
sie  auf  einander  wirken,  sich  ändert,  so  kann  man  aus  der  Ablenkung 
keine  direkten  Schlüsse  auf  die  Elektrizitätsmengen  machen.  Dreht 
man  aber  den  Knopf,  an  welchem  der  Metalldraht  befestigt  ist,  zu- 
rück, bis  die  beiden  Kügelchen  sich  eben  wieder  berühren,  so  ist  klar, 
dass  jetzt  zwei  Kräfte  in  entgegengesetzter  Richtung  auf  das  beweg- 
liche Kügelchen  einwirken,  nämlich  erstens  die  abstossende  Kraft  der 
Elektrizität,  welche  das  bewegliche  Kügelchen  von  dem  festen  zu  ent- 
fernen strebt,  zweitens  die  Torsion  des  Drahtes,  welche  es  trotz  jener 
abstossenden  Kraft  gerade  in  Berührung  mit  dem  festen  Kügelchen 
hält.  Diese  letztere  Kraft  muss  also  der  ersteren  genau  gleich  sein. 
Nun  ist  aber  die  durch  die  Torsion  ausgeübte  Kraft  proportional  dem 
Winkel,  um  welchen  der  Draht  torquirt  ist.    Folglich  giebt  der  Winkel, 


§  5,  6.  Dichte  der  Elektrizität.  7 

um  welchen  mau  den  Knopf  zurückdrehen  musste,  ein  Maass  für  die 
dem  Kügelchen  mitgeteilte  Elektrizitätsraenge.  Ein  solches  Instrument 
nennt  man  nach  seinem  Erfinder  eine  Coulomb'sche  Dreh  wage 
oder  ein  Coulomb'sches  Elektrometer. 

Berührt  man  nun  die  mit  Elektrizität  geladene  Kugel  A  mit 
einem  solchen  isolirten  Kügelchen,  stellt  dieses  neben  das  beweglicke 
Kügelchen  der  Dreh  wage  und  notirt  den  Winkel,  um  welchen  man 
den  Knopf  zurückdrehen  muss,  bis  die  Kügelchen  sich  wieder  berühren, 
berührt  dann  die  Kugel  A  mit  einer  ihr  ganz  gleichen  B  und  prüft 
jetzt  abermals  an  der  Drehwage,  indem  man  beide  Kügelchen  erst 
ableitend  berührt,  um  ihnen  die  vom  früheren  Versuch  noch  vor- 
handene Elektrizität  zu  nehmen,  das  feste  Kügelchen  an  die  Kugel  A 
anlegt  und  wieder  neben  das  bewegliche  stellt,  so  findet  man,  dass 
dieses  jetzt  weniger  abgelenkt  wird,  und  dass  man  den  Knopf  nur  um 
die  Hälfte  des  früheren  Winkels  zurückzudrehen  braucht,  um  die 
Kügelchen  wieder  an  einander  zu  bringen.  Die  Kugel  A  muss  also 
bei  der  Berührung  an  B  die  Hälfte  ihrer  freien  Elektrizität  abgegeben 
haben.  In  der  Tat,  prüft  man  B  ganz  auf  die  nämliche  Weise,  so 
wird  man  finden,  dass  sich  auf  beiden  Kugeln  genau  gleiche  Elek- 
trizitätsmengen befinden  müssen;  denn  wenn  man  das  feste  Kügelchen 
an  B  anlegt,  so  lenkt  es  das  bewegliche  um  denselben  Winkel  ab, 
als  vorher,  und  man  muss  abermals  den  Knopf  um  den  gleichen 
Winkel  zurückdrehen,  wenn  die  Kügelchen  wieder  zusammenkommen 
sollen. 

Auf  diese  Weise  messen  wir  die  Ladung  irgend  eines  Körpers, 
indem  wir  einen  Teil  seiner  Elektrizität  auf  das  feste  Kügelchen  der 
Drehwage  übertragen  und  dann  die  Wirkung  desselben  bestimmen. 
Wir  wollen  daher  dieses  Kügelchen  fortan  als  Probekügelchen  be- 
zeichnen. 

§  6.  Da  die  Elektrizität  in  einem  Leiter  sich  frei  bewegen  kann, 
und  da  die  Teilchen  einer  und  derselben  Elektrizität  sich  gegenseitig 
abstossen,  so  folgt  daraus,  dass  die  in  einem  isolirten  Leiter  vor- 
handene freie  Elektrizität  ganz  und  gar  auf  seiner  Oberfläche  ange- 
häuft sein  muss.  Denn  die  einzelnen  Elektrizitätsteiichen  werden 
einander  so  lange  abstossen,  bis  sie  an  der  Oberfläche  des  Leiters 
angelangt  sind,  wo  sie  natürlich  bleiben  müssen,  da  sie  nicht  in  die 
nichtleitende  Luft  übergehen  können.  Man  kann  sich  hiervon  durch 
den  Versuch  überzeugen,  indem  man  irgend  einen  Leiter,  etwa  eine 
Metallkugel,  ladet  und  dann  über  dieselbe  zwei  genau  anschliessende 


8  Dichte  und  Spannung  der  Elolitriziiät.  Kap.  I. 

Halbkiigelschalon  von  Blech  scliiebt,  die  man  an  isolirendcn  Griffen 
hält.  Beim  Zurückziehen  derselben  wird  man  finden,  dass  die  Kugel 
vollkommen  un elektrisch  ist,  und  dass  sämtliche  Elektrizität 
derselben  auf  die  Kugelschalen  übergegangen  ist.  Dasselbe  würde 
auch  mit  einem  Leiter  von  irgend  einer  anderen  Gestalt  der  Fall 
sein.  Die  gesamte  Elektrizität  also,  welche  einem  Leiter  mitgeteilt 
wird,  sammelt  sich  in  Gestalt  einer  dünnen  Schicht  an  dessen  Ober- 
fläche an.  Hat  man  nun  zwei  Leiter  von  ähnlicher  Gestalt,  aber 
verschiedener  Oberfläche,  etwa  zwei  Kugeln  von  verschiedenem  Durch- 
messer, und  teilt  beiden  die  gleiche  Elektrizitätsmenge  mit,  so  wird 
diese  auf  verschieden  grosse  Oberflächen  verteilt  sein.  Auf  dem 
gleichen  Flächenraum,  etwa  1  Qu.-Ctm.,  wird  also  bei  der  Ideineren 
Kugel  mehr  Elektrizität  vorhanden  sein,  als  bei  der  grösseren.  Man 
nennt  nun  diejenige  Elektrizitätsmenge,  welche  auf  der  Einheit  des 
Flächenraums  vorhanden  ist,  die  Dichte  der  Elektrizität,  und  man 
kann  daher  sagen,  dass  wenn  Kugeln  von  verschiedenen  Oberflächen 
mit  gleichen  Elektrizitätsmengen  geladen  sind,  die  Dichten  sich  um- 
gekehrt verhalten  wie  die  Oberflächen  oder,  was  dasselbe  ist,  umge- 
kehrt wie  die  Quadrate  der  Radien. 

Man  kann  sich  die  Sache  auch  so  vorstellen,  dass  die  gesammtc 
dem  Körper  mitgeteilte  Elektrizität  den  Körper  gleichsam  als  eine 
Schicht  von  geringer  Dicke  umgibt  oder  einhüllt.  Die  Dicke  dieser 
Schicht  wird  dann  abhängen  von  der  Grösse  der  Oberfläche  und  der 
Menge  der  auf  ihr  angesammelten  Elektrizität.  Es  ist  also  diese 
Dicke  eigentlich  nichts  Anderes,  als  ein  anderer  Ausdruck  für  das, 
was  wir  soeben  als  die  Dichte  der  freien  Elektrizität  an  der  Ober- 
fläche der  Körper  definirt  haben.  Da  nun  diese  freie  Elektrizität  auf 
der  Oberfläche  des  Leiters  nur  zurückgehalten  wird  durch  die  Unmög- 
lichkeit in  die  nichtleitende  Umgebung  überzugehen,  so  steht  sie  unter 
einem  von  Innen  nach  Aussen  wirkenden  Druck,  welcher  der  Menge 
der  im  Körper  vorhandenen  freien  Elektrizität  direct  proportional  ist. 
Man  bezeichnet  diesen  Druck  als  die  Spannung  der  freien  Elek- 
trizität, und  wenn  diese  Spannung  sehr  beträchtlich  wird,  so  vermag 
sie  den  Wiederstand  der  isolirenden  Luft  zu  überwinden,  und  der 
Leiter  verliert  einen  Teil  seiner  Elektrizität.  Es  ist  daher  unmöglich 
einem  Körper  freie  Elektrizität  in  unbegrenzter  Menge  zuzuführen, 
vielmehr  wenn  die  Spannung  der  Elektrizität  an  seiner  Oberfläche  so 
gross  geworden  ist,  dass  sie  den  Widerstand  des  umgebenden  Mediums 
überwindet,  so  wird  alle  Elektrizität,  die  man  ihm  noch  zuführt,  ent- 
weichen.    Dies  Maximum  hängt  ab  von  der  Gestalt  und  Grösse   der 


§  6.  Ableitung  zur  Erde.  0 

Oberfläche  und  von  der  Beschaffenheit  des  umgebenden  Mediums.  Bei 
feuchter  Luft  z.  B.  ist  der  A¥iderstand  geringer,  welcher  sich  dem 
Entweichen  der  Elelitrizität  entgegensetzt.  Man  kann  dann  die  Körper 
nicht  starli  laden.  Setzt  man  einen  mit  freier  Elektrizität  geladenen 
Körper  durch  einen  Leiter  mit  dem  Erdboden  in  Verbindung,  so  geht 
die  freie  Elektrizität  auf  den  Erdboden  über.  Da  aber  dieser  eine  so 
ungeheure  Oberfläche  hat,  so  wird  die  Dichte  und  somit  die  Spannung 
auf  ihm  sofort  unmerklich,  und  es  geht  daher  sehr  schnell  alle  freie 
Elektrizität  von  dem  Körper  nach  dem  Erdboden,  und  der  Körper 
wird  ganz  unelektrisch.     Man  nennt  dies  einen  Körper  entladen. 

Von  diesen  Tatsachen  kann  man  sich  mittels  der  Drehwage  über- 
zeugen; denn  wenn  man  verschiedene  Kugeln  mit  denselben  Elek- 
trizitätsmengen ladet  und  sie  mit  dem  Pr ob ekü gelchen  berührt,  so 
rauss  man,  um  die  Kügelchen  wieder  zur  Berührung  zu  bringen,  den 
Knopf  des  Elektrometers  um  Winkel  drehen,  welche  den  Quadraten 
der  Radien  proportional  sind.  Dabei  ist  es  ganz  gleichgiltig,  an 
welcher  Stelle  einer  Kugel  man  das  Probekügelchen  anlegt,  man  würde 
stets  dieselbe  Ablenkung  erhalten.  Prüft  man  jedoch  einen  mit  freier 
Elektrizität  geladenen  Leiter  von  anderer  Gestalt,  etwa  einen  Zylinder 
mit  abgerundeten  Endflächen,  so  wird  man  finden,  dass  das  Probe- 
kügelchen eine  viel  grössere  Elektrizitätsmenge  aufnimmt,  also  das 
bewegliche  Kügelchen  viel  stärker  abgelenkt  wird  und  nur  durch  eine 
stärkere  Drehung  des  Knopfes  in  seine  Lage  zurückgebracht  werden 
kann,  wenn  man  es  an  die  Enden  des  Zylinders  anlegt,  als  wenn 
man  ihn  in  seiner  Mitte  berührt.  Während  also  bei  der  Kugel  die 
Dichte  der  Elektrizität  überall  auf  ihrer  Oberfläche  dieselbe  ist,  ist 
sie  an  den  verschiedenen  Stellen  des  Zylinders  verschieden,  und  das 
letztere  findet  auch  bei  allen  Körpern  von  irgend  welcher  anderen 
Gestalt  statt.  Sind  die  Körper  lang  im  Verhältniss  zu  ihrer  Dicke, 
so  sammelt  sich  die  Elektrizität  hauptsächlich  an  ihren  Enden  an. 
A^orzugsweise  aber  sind  es  die  convexen  Partien  der  Oberflächen  und 
noch  mehr  die  vorspringenden  Kanten  und  Spitzen,  wo  die  Elektrizität 
sich  anhäuft,  und  sie  kann  hier  sogar  eine  solche  Spannung  erlangen, 
dass  sie  den  Widerstand  der  Luft  überwindet  und  ausströmt,  bis  der 
Leiter  ganz  unelektrisch  geworden  ist.  Man  muss  daher  allen  Körpern, 
welche  zu  elektrischen  Versuchen  dienen  sollen,  möglichst  abgerundete 
Ecken  geben,   wenn  die  freie  Elektrizität  sich  in  ihnen  erhalten  soll. 

Zur  genaueren  Messung  elektrischer  Spannungen  hat  man  noch 
andre  Elektrometer  construirt,  von  denen  wir  nur  Thomson's  Qua- 
drantclektrometer  beschreiben  wollen,   weil  es  zu  physiologischen 


10  Qii.irlrantelektrometoi-.  Kiip.  I. 

Versuchen  xViiwendung  gefuiideii  luit.  Eine  liohlc  runde  Metallscheibe 
ist  durch  zwei  auf  einander  senkrechte  Schnitte  in  4  gleiche,  symme- 
trisch angeordnete  Quadranten  zerlegt.  Im  Innern  der  so  gebildeten 
Höhlung  ist  eine  leichte  Lamelle  von  Aluminiumblech  so  aufgehängt, 
dass  sie  symmetrisch  zu  den  Quadranten  steht.  Von  diesen  Quadranten 
sind  je  zwei  übers  Kreuz  mit  einander  leitend  verbunden,  und  die  so 
entstehenden  Quadrantenpaare  werden  dauernd  auf  gleichen,  aber  ent- 
gegengesetzten Spannungen  erhalten.  So  lange  die  Aluminiumlamelle 
unelektrisch  ist,  wird  sie  von  den  Quadranten  auf  ganz  gleiche  Weise 
beeinflusst,  bleibt  also  unbewegt.  Sobald  aber  der  Laraelle  eine 
positive  oder  negative  Spannung  mitgeteilt  wird,  weicht  sie  nach  der 
einen  oder  der  andern  Seite  ab  und  zeigt  die  Art  ihrer  Spannung  und 
durch  den  Winkel,  um  welchen  sie  abgelenkt  wird,  die  Stärke  ihrer 
Ladung  an. 

Die  Aluminiumlamelle  ist  bifilar  aufgehängt,  d.  h.  mittels 
zweier  paralleler  Drähte.  In  solchen  Fällen  ist  die  Ablenkung  den 
ablenkenden  Kräften  proportional,  so  lange  die  Ablenkungswinkel  nur 
klein  sind.  Um  solche  kleine  Winkel  genau  messen  zu  können,  be- 
dient man  sich  der  Lichtreflexion,  von  der  wir  ähnliche  Anwendungen 
später  noch  öfter  kennen  lernen  werden.  Mit  der  Aluminiuralamelle 
ist  nämlich  ein  leichtes  ebenes  Spiegelchen  fest  verbunden;  ein 
schmales  Lichtbündel  fällt  durch  einen  Spalt  senkrecht  auf  den  Spiegel 
und  wird  von  diesem  auf  eine  oberhalb  des  Spalts  aufgestellte  hori- 
zontale Scala  reflectirt.  Wird  die  Lamelle  und  damit  der  Spiegel 
abgelenkt,  so  bewegt  sich  das  reflectirte  Bild  auf  der  Scala  und  sein 
Ausschlag  ist,  wie  man  leicht  sieht,  gleich  der  Tangente  des  doppelten 
Ablenkungswinkels,  welche  man  aber  bei  den  sehr  kleinen  Winkeln 
als  diesen  proportional  ansehen  kann. 

Man  kann  auch  der  Aluminiumlamelle  eine  constante  Spannung 
mitteilen  und  die  zu  messende  Spannung  auf  das  eine  Quadrantenpaar 
übertragen. 


Kapitel  II. 

Von  der  Verteilung  der  Elektrizität  und  einigen  auf 
derselben  beruhenden  Instrumenten. 


§  7.  Nähert  man  einen  isolirten  mit  freier  Elektrizität  geladenen 
Leiter  A  einem  anderen  ebenfalls  isolirten  Leiter  B,  an  welchem  an 
verschiedenen  Stellen  kleine  HoUundermarkkügelchen  aufgehängt  sind, 


bis  zu  einer  gewissen  Entfernung, 
so  wird  man  finden,  dass  dieser 
zweite  Leiter  ebenfalls  elektrische 
Eigenschaften  annimmt ,  indem 
die  an  ihm  befestigten  HoUunder- 
markkügelchen divergiren.  Je- 
doch findet  dies  nicht  auf  allen 
Punkten  des  zweiten  Leiters 
gleich  stark  statt,    sondern  am 


+ 


B. 


Fig.  2. 


meisten  an  den  Punkten,  welche  dem  elektrischen  Körper  A  am 
nächsten,  und  an  denen,  welche  am  entferntesten  sind,  näher  der 
Mitte  ist  die  Abstossung  schwächer,  die  gerade  in  der  Mitte  aufge- 
hängten Kügelchen  endlich  bleiben  ganz  unbewegt.  Sowie  man  den 
Leiter  A  entfernt,  ist  B  wieder  vollkommen  unelektrisch,  und  so  kann 
man  den  Versuch  öfter  hintereinander  wiederholen,  vorausgesetzt,  dass 
man  sich  hütet,  die  beiden  Leiter  jemals  in  Berührung  zu  bringen. 
Um  nun  zu  erfahren,  von  welcher  Art  die  Elektrizität  sei,  welche 
in  dem  Leiter  B  durch  die  Annäherung  des  Leiters  A  erregt  wird, 
prüfen  wir  dieselbe  mittelst  des  Elektroskops.  Wir  berühren  den 
Leiter  B,  während  der  mit  freier  Elektrizität  geladene  Leiter  A  in 
seiner  Nähe  steht,  mit  dem  Probekügelchen  und  nähern  dieses  dem 
beweglichen  Markkügelchen  der  Drehwage,  welches  wir  vorher  mit 
einer  bestimmten  Elektrizität,  etwa  positiver,  geladen  haben.  Je 
nachdem    dann    das    Kügelchen    abgestosscn    oder    angezogen    wird, 


12  Verteilung.  Kap.  II. 

ivjiiss  die  zu  prüfciulo  l*]lcl\iri/ität  cbonfalls  positiv  oder  negativ  sein. 
So  ausgeführt  zeigt  der  Versuch,  dass  die  an  den  beiden  Enden  von 
B  angeliäufte  Elektrizität  von  entgegengesetzter  Art  ist,  und  zwar 
findet  sich  stets  in  dem  Ende  von  B,  welches  A  zugewandt  ist,  die 
entgegengesetzte  Elektrizität,  als  in  A  selbst,  in  dem  von  A  abge- 
wandten Ende  des  Leiters  B  dagegen  ist  die  gleiche  Elektrizität  ent- 
halten als  in  A. 

Aus  diesem  Befunde  können  wir  uns  über  den  Vorgang,  welcher 
bei  Annäherung  des  Leiters  A  an  den  Leiter  B  Statt  hat,  folgende 
Vorstellung  machen.  Die  in  A  angehäufte  freie  Elektrizität  wirkt  aut 
die  beiden  in  gleichen  Mengen  vorhandenen  natürlichen  Elektrizitäten 
in  B,  sie  zieht  die  ungleichnamige  an  und  stösst  die  gleich- 
namige ab.  Diese  müssen  sich  also  vorzugsweise  in  den  Enden  von 
B  anhäufen,  die  gleichnamige  in  dem  von  A  abgewandten,  die  un- 
gleichnamige in  dem  A  zugewandten  Ende.  Li  der  Mitte  wird  gar 
keine  freie  Elektrizität  sein  können.  Entferjit  man  A,  so  vereinigen 
sich  die  getrennten  Elektrizitäten  in  B  wieder,  der  Körper  ist  wieder 
neutral  oder  unelektrisch. 

§  8.  Mit  dieser  Vorstellung  ausgerüstet,  wollen  wir  versuchen, 
die  Erscheinungen  weiter  zu  verfolgen.  Wir  vertauschen  zunächst  den 
Leiter  B  mit  einem  anderen,  ihm  ganz  ähnlichen,  welcher  jedoch  aus 
zwei  trennbaren  Teilen  besteht.  Wir  stellen  jetzt  den  beispielsweise 
mit  positiver  Elektrizität  geladenen  Körper  A  so  neben  dem  teilbaren 
Leiter  auf,  dass  seine  Teile  B^  und  B^  mit  A  in  einer  geraden  Linie 
liegen  und  zwar  sei  Bj  der  A  zugewandte-^eil.  .Es  wird  sich  dann 
die  freie  negative  Elektrizität  in  Bi ,  die  positive  in  B^  ansammeln. 
Wenn  wir  nun,  während  A  an  seinem  Platze  bleibt,  Bi  und  B^  von 
einander  trennen,  und  jetzt  A  entfernen,  so  können  die  durch  die 
Einwirkung  von  A  von  einander  geschiedenen  Elektrizitäten  in  Bt  und 
Bj,  obgleich  der  Einwirkung  von  A  entzogen,  sich  dennoch  nicht  ver- 
einigen; Bi  und  B^  bleiben  geladen  und  zwar  mit  verschiedenen  Elek- 
trizitäten. Wir  haben  also  durch  die  Wirkung  der  freien  Elektrizität 
in  A  zwei  andere  Körper  elektrisch  gemacht,  ohne  dass  A  dabei  eine 
Spur  seiner  Elektrizität  eingebüsst  hätte.  Man  nennt  dies  Elek- 
trizitätserregung durch  Verteilung  oder  Influenz,  und  die 
Wirkung,  Avelche  ein  elektrischer  Körper  auf  die  in  seiner  Nähe  be- 
findlichen Leiter  ausübt,  die  verteilende  oder  influenzirende  Wir- 
kung der  freien  Elektrizität,  weil  die  neutral -elektrische,  d.  h.  in 
gleichen  Mengen  vorhandene  positive  und  negative  Elektrizität  in  dem 


§8. 


Freie  und  gebundene  Elektrizität. 


13 


influenzirten  Körper  anders  verteilt  worden  ist,  so  dass  jetzt  jede 
einzeln  als  freie  Elektrizität  zur  Wirkung  kommt.  Auch  folgt  aus 
dieser  Vorstellung,  dass  wenn  man  die  Leiter  Bj  und  B^  auch  nur 
für  einen  Augenblick  in  Berührung  bringt,  sie  wieder  vollkommen  un- 
elektrisch werden  müssen,  was  die  Erfahrung  auch  bestätigt. 

Denken  wir  uns  nun  wieder,  wie  in  unserem  ersten  Versuch,  den 
mit  positiver  Elektrizität  geladenen  Leiter  A  neben  dem  unelek- 
trischen Leiter  B  aufgestellt.  Es  wird  dann  die  in  B  vorhandene 
natürliche  Elektrizität  zum  Teil  zerlegt,  es  sammelt  sich  die  positive 
Elektrizität  an  dem  von  A  entfernten,  die  negative  an  dem  A  zuge- 
wandten Ende  von   B   an.     Berühren  wir  nun  B   ableitend,   so   ent- 


weicht die  positive  Elektrizität 
desselben  nach  dem  Erdboden. 
Dagegen  bleibt  die  negative  Elek- 
trizität, welche  in  dem  A  zuge- 
wandten Ende  von  B  angehäuft 
ist,  da  sie  von  der  positiven  Elek- 
trizität in  A  angezogen  wird,  an 
ihrer  Stelle.  Die  positive  Elek- 
trizität in  A   und  die    negative 


+ 


Fig. 


Elektrizität  in  B  verhalten  sich  also,  obgleich  sie  in  getrennten  Körpern 
sich  befinden,  gewissermaassen  ähnlich,  wie  die  beiden  natürlichen 
Elektrizitäten  in  einem  und  demselben  Körper.  Sie  binden  sich 
gegenseitig  und  zwar  natürlicher  Weise  um  so  inniger,  je  näher  die 
beiden  Körper  einander  sind.  Hebt  man  nun  die  Verbindung  von  B 
mit  der  Erde  auf,  und  entfernt  dann  A,  so  verbreitet  sich  die  bisher 
in  dem  A  zugewandten  Ende  von  B  angehäufte  Elektrizitätsmenge 
über  den  ganzen  Körper  B  und  verteilt  sich  auf  demselben  in  Gemäss- 
heit  seiner  Gestalt.  Es  ist  dies  also  eine  zweite  Art,  wie  man  durch 
Verteilung  oder  Influenz  eines  elektrischen  Körpers  A  einen 
anderen  B  elektrisch  machen  kann,  ohne  dass  A  dadurch  das  Ge- 
ringste von  seiner  Elektrizität  einbüsst. 

Aus  dieser  Wirkung  der  Elektrizität  erklärt  sich  auch  eine  Er- 
scheinung, welche  bei  elektrischen  Körpern  meist  zuerst  in  die  Augen 
fällt,  nämlich  die  Anziehung  unelektrischer  Körper.  Nähert  man 
einem  leichtbeweglich  aufgehängten  unelektrischen  Körper  A  einen 
anderen  mit  freier,  beispielsweise  positiver  Elektrizität  geladenen 
Körper  B,  so  werden  die  natürlichen  Elektrizitäten  in  A  verteilt.  In 
dem  B  zugewandten  Teile  von  A  häuft  sich  die  negative,  in  dem 
abgCAvandten  Teile  die  positive  Elektrizität  an.    Da  nun  die  erstere 


14  Anziehung  unelel(trischer  Körper.    Einsauger.  Kap.  II. 

dem  positiven  Körper  B  näher  ist,  als  die  letztere,  so  überwiegt  die 
Anziehung  jener  über  die  Abstossung  dieser,  und  der  ganze  Körper 
A  wird  von  B  angezogen.  Kommen  beide  zur  Berührung,  so  neu- 
tralisiren  sich  die  negative  Elektrizität  von  A  und  ein  Teil  der  posi- 
tiven von  B  gegenseitig,  A  bleibt  positiv  geladen  und  B  hat  einen 
Teil  seiner  positiven  Elektrizität  eingebüsst.  Es  ist  dies  die  genauere 
Zergliederung  des  Vorganges,  welchen  wir  im  vorigen  Kapitel  als  Mit- 
teilung der  Elektrizität  kennen  gelernt  haben. 

Auf  der  verteilenden  Wirkung  der  freien  Elektrizität  beruhen 
verschiedene  Einrichtungen  und  Apparate,  mit  denen  wir  uns  jetzt 
bekannt  machen  wollen: 

§  9.  Zunächst  die  sogenannten  Einsauger  an  den  Elektrisir- 
maschinen.  Eine  Elektrisirmaschine  besteht  notwendiger  Weise  aus 
drei  Teilen:  1)  Dem  durch  Reibung  elektrisch  zu  machenden 
Körper  (eine  Glasscheibe  oder  Glascylinder  oder  auch  eine  Platte 
von  Hartkautschuk);  2)  dem  Reibzeug,  meist  bestehend  aus 
einem  mit  Zinkamalgam *)  bestrichenen  Lederkissen.  Gewöhnlich  bringt 
man  zwei  solche  Kissen  an,  welche  die  Scheibe  zwischen  sich  fassen 
und  mittelst  Federn  und  Schrauben  gegen  dieselbe  gepresst  werden; 
3)  dem  Konduktor,  d.  h.  einem  durch  Glasfüsse  wohl  isolirten  Leiter 
(Kugel  oder  Zylinder  mit  abgerundeten  Enden,  von  Metallblech  oder 
auch  von  Holz  und  mit  Stanniol  beklebt),   welcher  die  in  der  Glas- 


*)  Bunsen  (Gasometrische  Methoden  51)  empfiehlt  folgendes  Verfahren  zur 
Bereitung  des  sog.  Kienmayer 'sehen  Amalgams:  Man  erhitze  2  Teile  Queck- 
silber in  einem  gewöhnlichen  Probirgläschen  und  löse  darin  unter  stetem  Umrühren 
ein  Teil  klein  zerteiltes  dünnes  Zinkblech  und  ein  Teil  Stanniol  auf.  Das  er- 
haltene Amalgam  schmelze  man  noch  6—8  Mal  unter  stetem  Umrühren  um,  damit 
es  recht  geschmeidig  werde,  und  streiche  es  auf  ein  Stück  dickes  Seidenzeug.  Reibt 
man  damit  eine  2  Fuss  lange  und  l'/j  Zoll  dicke  Porzellanröhre,  so  erhält  man 
binnen  wenigen  Secunden  eine  genügende  Menge  Elektrizität,  um  eine  kleine  Kleist- 
sche  Flasche  (Siehe  §  11)  stark  zu  laden.  Beim  Reiben  lege  man  das  Seidenzeug 
so  um  die  Röhre,  dass  die  reibende  Fläche  nur  halb  mit  Amalgam  bedeckt  ist. 
Dies  ist  besonders  nützlich  zur  Entzündung  des  Knallgases  bei  der  Gasanalyse. 
(Vgl.  §  16.)  Neuerdings  verwendet  man  jedoch  hierzu  statt  der  Kleist 'sehen 
Flasche  die  Entladungen  eines  Inductoriums  (S.  §  56  ff.). 

Böttger  (Journ.  f.  prakt.  Chemie.  1869.  S.  47)  empfiehlt  als  wirksamstes 
Amalgam  2  Gewichtsteile  chemisch  reines  Zink  und  1  Teil  Quecksilber.  Das  Zink 
wird  in  einem  eisernen  Löffel  bis  zum  Fluss  erhitzt  und  dann  das  Quecksilber  vor- 
sichtig unter  Umrühren  mit  einem  irdenen  Pfeifenstiel  zugesetzt.  Die  erkaltete 
Masse  wird  in  verschlossenen  Gläsern  aufbewahrt  und  vor  dem  Gebrauch  im  Por- 
zellanmörser zerkleinert  und  mit  etwas  Talg  angerieben. 


§10. 


Kondensator. 


15 


Scheibe  erzeugte  Elektrizität  aufnehmen  soll.  Dieser  Konduktor  ist 
mit  einer  Anzahl  von  Spitzen  versehen,  welche  nahe  an  der  Glas- 
scheibe stehen,  da  wo  diese  das  Reibzeug  verlässt.  Ist  nun  das  Reib- 
zeug zur  Erde  abgeleitet,  und  dreht  man  die  Glasscheibe  mittelst  der 
Kurbel,  so  wird  sie  positiv  elektrisch.  Diese  positive  Elektrizität  zieht 
in  den  ihr  gegenüber  stehenden  Spitzen  die  negative  Elektrizität  aus 
dem  Konduktor  an  und  stösst  die  positive  ab.  Die  negative  Elek- 
trizität aber  erlangt  in  den  Spitzen  nach  den  oben  besprochenen  Ge- 
setzen eine  solche  Dichte,  dass  sie  den  Widerstand  der  Luft  über- 
windet, die  dünne  Luftschicht  zwischen  Spitze  und  Glas  durchbricht, 
sich  mit  der  positiven  Elektrizität  der  Glasscheibe  verbindet  und  diese 
neutralisirt.  So  wird  die  Glasscheibe  immer  wieder  unelektrisch,  um 
später  durch  die  Reibung  von  Neuem  elektrisch  zu  werden,  während 
der  Konduktor  sich  mit  positiver  Elektrizität  ladet. 


§  10.  Ein  zweites  wichtiges  Instrument,  das  sich  auf  Verteilung 
gründet,  ist  der  Kondensator,  erfunden  von  Volta.  Er  dient  dazu, 
kleine  Mengen  freier  Elektrizität  erkennbar  zu  machen,  was  bei  vielen 
wichtigen  Versuchen  von  grosser  Bedeutung  ist.  Zu  diesem  Behuf 
verbindet  man  ihn  mit  dem  oben  beschriebenen  Goldblattelektroskop. 
Berührt  man  den  Knopf  des  letzteren  mit  einem  Körper,  welcher  freie 
Elektrizität  entliält,  so  nehmen  die  Goldblättchen  eine  bestimmte 
Elektrizitätsmenge  auf,  stossen  einander  ab  und  nehmen  daher  eine 
mehr  oder  weniger  divergirende  Stellung  an.  Berührt  man  den  Knopf 
ableitend,  so  fallen  sie  wieder  zusammen.  Der  Anteil  von  Elek- 
trizität, welchen  die  Goldblättchen  aufnehmen,  hängt  ab  von  der 
Spannung  der  Elektrizität  auf  dem  berührenden  Körper  und  dem  Ver- 
hältniss  seiner  Oberfläche  zu  der  der  Goldblättchen. 
Ist  nun  dieser  Anteil  sehr  gering,  so  reicht  er  nicht 
aus,  der  Schwere  entgegen  die  Goldblättchen  zu  einer 
merklichen  Divergenz  zu  bringen.  Nun  wollen  wir 
den  Knopf  des  Elektroskops  mit  dem  Kondensator 
(Fig.  4)  verbinden.  Dieser  besteht  aus  zwei  Platten 
von  Metall,  der  unteren,  auf  einer  isolirenden  Glas- 
stange aufgestellten,  welche  auf  ihrer  oberen  Fläche 
mit  einer  dünnen  Schicht  eines  gut  isolirenden  Fir- 
nisses überzogen  ist,  und  der  oberen,  welche  auf 
ihrer  oberen  Fläche  mit  einem  isolirenden  Handgrifl' 
versehen  ist.  Setzt  man  die  obere  Platte  auf  die 
untere  auf,    berührt   diese   untere   mit   einem  positiv  ^''<.'/   -i- 


16  Kondensator.    Goldblatteleldrosliop.  Kap.  IL 

elektrischen  Körper,  während  man  die  obere  in  leitende  Verbindung 
mit  der  Erde  bringt,  so  nimmt  die  mitere  Platte  einen  Ideinen  Teil 
positiver  Elektrizität  auf.  Diese  zieht  in  der  oberen  Platte  die 
negative  Elektrizität  an  und  stösst  die  positive  Elektrizität  ab,  welche 
nach  dem  Erdboden  entweicht.  Die  in  der  oberen  Platte  angezogene 
negative  Elektrizität  wirkt  nun  aber  ihrerseits  wieder  anziehend  auf 
die  positive  Elektrizität  der  unteren  Platte  und  bindet  sie,  so  dass 
diese  keine  freie  Spannung  erlangt.  In  Folge  dessen  kann  die  untere 
Platte  noch  mehr  freie  positive  Elektrizität  aus  dem  Leiter  aufnehmen, 
diese  zieht  wieder  die  negative  Elektrizität  der  oberen  Platte  an  und 
stösst  die  positive  ab,  welche  nach  dem  Erdboden  entweicht  u.  s.  f. 
Man  sieht,  dass  auf  diese  Weise  die  untere  Platte  weit  mehr  Elek- 
trizität aus  dem  Leiter  aufnimmt,  als  sie  sonst  tun  würde,  und  dass 
in  der  oberen  Platte  eine  entsprechende  Menge  Elektrizität  von  ent- 
gegengesetztem Vorzeichen  gebunden  sein  wird.  Hebt  man  nun  die 
Verbindung  der  oberen  Platte  mit  dem  Erdboden  auf  und  entfernt 
dieselbe  mittelst  des  isolirendcn  Handgriffes,  so  wird  die  ganze  Elek- 
trizitätsmenge in  der  unteren  Kondensatorplatte  frei,  und  Avenn  man 
diese  mit  dem  Knopf  des  Goldblattelektroskopes  in  Berührung  bringt, 
so  weichen  dessen  Blättchen  sehr  beträchtlich  auseinander. 

Man  kann  auch  die  untere  Kondensatorplatte  unmittelbar  auf  der 
Metallstange  des  Goldblattelektroskopes  festschrauben  und  erhält  dami 
nach  Ladung  derselben  ganz  auf  die  oben  beschriebene  Weise  und  nach  Ab- 
hebung der  oberen  Platte  den  verstärkten  Ausschlag  der  Goldblättchen. 

Mit  Hülfe  der  verteilenden  Wirkung  der  freien  Elektrizität  kann 
man  auch  sehr  leicht  entscheiden,  von  welcher  Art  eine  irgendwie 
erzeugte  Elektrizität  ist.  Wir  berühren  mit  dem  elektrischen  Körper 
den  Knopf  des  Elektroskops  und  die  Goldblättchen  divergiren.  Wir 
nähern  nun  eine  geriebene  Glasstange  dem  Knopfe  des  Elektroskops 
langsam  aus  der  Ferne  und  sehen  die  Divergenz  der  Goldblättchen 
entweder  grösser  oder  kleiner  werden.  Im  ersteren  Falle  muss  die 
zu  prüfende  Elektrizität  positiv,  im  letzteren  negativ  sein.  Ist  näm- 
lich das  Elektroskop  mit  positiver  Elektrizität  geladen,  so  wird  diese 
bei  Annäherung  des  Glasstabes,  welcher  ja  ebenfalls  freie  positive 
Elektrizität  enthält,  aus  dem  Knopf  nach  den  Goldblättchen  getrieben, 
hier  wird  also  die  Spannung  vermehrt,  und  die  Divergenz  wächst. 
Ist  jedoch  das  Elektroskop  mit  negativer  Elektrizität  geladen,  so 
wird  diese  durch  die  positive  Elektrizität  des  Glasstabes  nach  dem 
Knopfe  hingezogen,  in  den  Goldblättchen  wird  die  Spannung  ver- 
mindert, und  die  Divergenz  nimmt  ab. 


§  11.  Kleist'sche  Flasche.  17 

§  11.  Auf  demselben  Princip  wie  der  Kondensator  beruht  die 
Leydener  oder  Kleist'sche  Flasche,  mit  Hülfe  deren  man  be- 
trächtliche Elektrizitätsmengen  ansammeln  kann,  um  dann  deren  Wir- 
kung zu  studiren.  Sie  besteht  aus  einer  Flasche  oder  einem  Glase, 
welches  aussen  und  innen  mit  einer  leitenden  Substanz,  etwa  Stanniol, 
bis  zu  einer  gewissen  Höhe  belegt  ist.  Der  Rand  ist  ausserdem  noch 
zur  besseren  Isolation  mit  Schellak  überzogen  und  die  innere  Belegung 
läuft  in  einen  in  der  Mitte  des  Glases  stehenden  und  etwas  über  dessen 
Rand  hervorragenden  metallenen  Knopf  aus.  Setzt  man  die  äussere 
Belegung  in  Verbindung  mit  der  Erde  und  legt  den  Knopf  an  den 
Konduktor  der  Elektrisirmaschine,  so  geht  die  positive  Elektrizität  auf 
die  innere  Belegung  über,  verteilt  die  natürliche  Elektrizität  der 
äusseren  Belegung,  zieht  die  negative  an  und  stösst  die  positive  ab, 
welche  nach  der  Erde  entweicht.  Man  ist  somit  im  Stande  auf  der 
inneren  Belegung  grosse  Mengen  positiver  und  auf  der  äusseren  eine 
entsprechende  Menge  negativer  Elektrizität  anzusammeln.  Verbindet 
man  dann  die  äussere  und  innere  Belegung  durch  einen  Leiter,  so 
vereinigen  sich  die  entgegengesetzten  Elektrizitäten  wieder  in  der  Form 
des  elektrischen  Stromes,  von  welchem  im  folgenden  Kapitel  die  Rede 
sein  soll. 

Um  zu  berechnen,  wie  stark  die  Ladung  sein  kann,  die  eine  Leydener  Flasche 
annimmt,  nennen  wir  die  der  inneren  Belegung  zugeführte  Elektrizitätsmenge  +  A. 
Diese  hindet  auf  der  äusseren  Belegung  eine  Elektrizitätsmenge  — B.  Da  die 
beiden  Belegungen  um  die  Dicke  der  isolirenden  Glasschicht  von  einander  getrennt 
sind,  so  muss  notwendig  — B  absolut  genommen  etwas  kleiner  sein  als  +A.  Wir 
wollen  annehmen  es  sei  =  ^^/loo  A.  Dann  bindet  jedenfalls  — B  auf  der  inneren 
Belegung  eine  positive  Elektrizitätsmenge,  welche  absolut  genommen  gleich  ist 
'Vioo  B'  Es  ist  also  auf  der  inneren  Belegung  an  gebundener  Elektrizität  vor- 
handen ^Vino-  "ViooA-  =  ^^"ViooooAj  und  an  freier  Elektrizität  A  —  ^^"'/lonooo -A- = 
^'Vinoo  -^)  was  nahezu  '/30  A  ist.  Diese  freie  Elektrizität  von  A  bindet  nun  wieder 
eine  entsprechende  Menge  auf  B  und  wird  zum  Teil  von  ihr  gebunden  u.  s.  f. 
Von  der  ganzen  der  inneren  Belegung  zugeführten  Elektrizität  wird  also  nur  ein 
Teil  frei  sein,  das  Meiste  gebunden.  Die  innere  Belegung  wird  also  viel  mehr 
Elektrizität  aufnehmen  können,  als  ihr  sonst  vermöge  ihrer  Oberfläche  möglich 
gewesen  wäre.  Das  Verhältniss  von  B  zu  A,  welches  wir  Beispiels  halber  gleich 
'^/loo  annahmen,  wird  natürlich,  alles  andere  gleichgesetzt,  von  der  Dicke  der 
isolirenden  Substanz  abhängen  und  sich  um  so  mehr  der  Einheit  nähern,  je  dünner 
diese  ist.     Die  ganze  Betrachtung  ist  natürlich  auch  für  die  Kondensatoren    giltig. 

Um  sehr  bedeutende  Elektrizitätsmengen  anzusammeln,  muss  man  die  Ober- 
flächen der  Belegungen  möglichst  vergrössern.  Da  sehr  grosse  Flaschen  ausser- 
ordentlich unbequem  wären,  so  verbindet  man  die  äusseren  und  inneren  Belegungen 
mehrer  Flaschen  unter  einander.  Eine  solche  Anordnung  nennt  man  eine  elek- 
trische Batterie. 

Kosentital  u.   Bernliiirdt,  Hlektrizitiilslelirc.     Ilf.   AiiH  2 


Holtz'sche  Maschine. 


Kap.  IL 


§  12.  Mit  Hilfe  der  Verteilung  kann  man  auch  grosse  Elek- 
trizität^mengen  von  bedeutender  Spannung  erzeugen.  Hierzu  dient  am 
besten  die  von  Holtz  und  unabhängig  von  ihm  auch  von  Töpler 
fast  gleichzeitig  (1864)  erfundene  Influenz-  oder  Verteilungs- 
maschine, welche  in  Fig.  5  dargestellt  ist.  Sie  besteht  aus  zwei 
parallel  und  möglichst  nahe  an  einander  aufgestellten  Glasscheiben. 
Die  eine  von  beiden  ist  fest  und  mit  zwei  diametral  gegenüber  stehen- 
den Ausschnitten  versehen,  an  welchen  gezahnte  Papierstücke,  die  so- 


genannten Belegungen,  der  Glasplatte  angeklebt  sind.  Die  zweite  Glas- 
platte kann  in  schnelle  Rotation  um  eine  senkrecht  zu  beiden  Platten 
stehende  Axe  versetzt  werden.  Den  Belegungen  der  festen  Scheibe 
gerade  gegenüber  stehen  vor  der  beweglichen  Scheibe  zwei  Einsauger 
e  und  f,  ganz  wie  die  bei  den  Elektrisirmaschinen  üblichen  einge- 
richtet. Die  den  Einsaugern  gegenüber  befindlichen  Belegungen  wollen 
wir  mit  e'  und  f  bezeichnen.  Teilen  wir  nun  der  einen  Belegung, 
etwa  e'  eine  geringe  Menge  positiver  Elektrizität  mit,  so  wirkt  diese 
verteilend  auf  die  bewegliche  Glasscheibe  und  auf  den  Einsauger  e. 
Auf  den  letzteren  geht  positive  Elektrizität  über,  auf  der  beweglichen 
Glasscheibe  aber  sammelt  sich  negative  an.  Setzen  wir  nun  diese 
in  Drehung  und  kommt  der  betreffende  Teil  derselben  vor  die  Belegung 
f,  so  geht'  die  negative  Elektrizität  zum  Teil  auf  den  Einsauger  f, 
zum  Teil  auf  die  Belegung  f'   über.     Dadurch  ist  also   die  Belegung 


§  12,  13.  Elektrophor.  19 

f  negativ  geladen  worden.  Diese  negative  Elelttrizität  von  f  wirkt 
nun  ihrerseits  wieder  auf  die  Glasscheibe  und  den  Einsauger  f,  sie 
teilt  diesem  negative,  der  Glasscheibe  aber  positive  Elektrizität  mit, 
welche  letztere  nach  einer  halben  Umdrehung  wieder  zum  Teil  auf 
die  Belegung  e',  zum  Teil  auf  den  Einsauger  e  übergeht.  A¥ie  man 
sieht,  verstärken  also  die  beiden  Belegungen  ihre  Spannung  gegen- 
seitig, und  dies  hat  nicht  eher  ein  Ende,  als  bis  das  Maxiraum  der 
Spannung  erreicht  ist,  welches  bei  dem  Isolationszustand  der  einzelnen 
Teile  der  Maschine  möglich  ist.  Man  kann  dieses  Maximum  noch 
besonders  erhöhen,  indem  man  die  Einsauger  mit  Leydener  Flaschen 
verbindet. 

Wie  die  auf  die  Einsauger  e  und  f  übergehenden  Elektrizitäts- 
mengen sich  ferner  verhalten,  wollen  wir  im  nächsten  Kapitel  weiter 
untersuchen.     (Vgl.  §  15.) 

§  13.  Das  letzte  Instrument,  welches  wir  hier  noch  zu  betrachten 
haben,  ist  der  Elektrophor,  mit  dessen  Hilfe  man  sich  in  Er- 
mangelung einer  Elektrisirmaschine  auf  verhältnissmässig  bequeme 
Weise  grössere  Elektrizitätsmengen  verschaffen  kann.  Der  Elektrophor 
besteht  aus  einer  Platte  von  Harz,  dem  sogenannten  Kuchen*),  wel- 
cher in  einer  Metallbüchse,  der  Form,  enthalten  ist,  und  einer  Metail- 
scheibe  mit  isolirendem  Handgriff,  dem  Deckel,  welcher  jedoch  einen 
geringeren  Durchmesser  haben  muss,  als  der  Kuchen.  Man  reibt  diesen 
letzteren,  welcher  möglichst  dünn  sein  muss,  mit  einem  recht  trockenen 
Katzenfell  oder  Fuchsschwanz,  wodurch  der  Kuchen  negativ  elektrisch 
wird.  Setzt  man  den  Deckel  auf  den  Kuchen,  so  dass  er  nirgends 
die  Form  berührt,  so  zersetzt  die  negative  Elektrizität  des  Kuchens 
die  natürlichen  Elektrizitäten  in  Form  und  Deckel.  In  der  Form 
häuft  sich  die  positive  Elektrizität  an  der  oberen,  dem  Kuchen  zuge- 
kehrten Seite  an,  die  negative  an  der  unteren,  im  Deckel  ist  es 
natürlich  umgekehrt.  Berührt  man  nun  die  Form  ableitend,  so  ent- 
weicht deren  negative  Elektrizität  nach  dem  Erdboden.  Stellt  man 
jetzt  eine  leitende  Verbindung  zwischen  Form  und  Deckel  her,  so  ver- 
bindet sich  die  negative  Elektrizität  des  letzteren  mit  der  positiven 
der  ersteren,   und  der  Deckel  behält  nur  die   durch   den  Kuchen  ge- 


*)  Nach  Berzelius  besteht  eine  gute  Kuchenmasse  aus  10  Teilen  Gummi- 
lack, 3  Teilen  Harz,  2  Teilen  venetianischem  Terpentin,  2  Teilen  Wachs  und 
72  Teil  Pech.  In  neuerer  Zeit  wendet  man  wohl  auch  statt  der  Harzkuchen  Platten 
von  Hartkautschuk  an.  Die  Form  wird  dann  durch  einen  metallenen  Teller  ge- 
bildet, in  welchem  die  Platte  lient,  kann  aber  auch  ganz  onlbohrt  werden. 

<.)  * 


•20  Elektrophor.  Kap.  IL 

bundene  positive  Elektrizität.  Sobald  man  nun  den  Deckel  an  seinem 
isolirenden  Handgriff  vom  Kuchen  abhebt,  wird  diese  positive  Elek- 
trizitcät  frei  und  kann  auf  eine  Leydener  Flasche  oder  wohin  man 
sonst  will,  übertragen  werden.  Indem  man  dieses  Verfahren  öfter 
wiederholt,  kann  man  ganz  beträchtliche  Mengen  positiver  Elektrizität 
erhalten,  ohne  dass  der  Kuchen  merklich  von  seiner  Wirksamkeit  verliert. 

Man  kann  noch  verschiedene  Modificationen  in  dem  beschriebenen  Verfahren 
anbringen,  so  z.  B.  Form  und  Deckel  einzeln  ableiten,  oder  auch  die  Form  ganz 
isoliren  und  nur  den  Deckel  ableiten.  Die  Vorgänge  hierbei  ergeben  sich  einfach 
aus  den  Gesetzen  der  Verteilung.  Beim  Gebrauch  des  Elektrophors  hat  man  be- 
sonders darauf  zu  achten,  dass  der  Deckel  niemals  mit  der  Kante  allein  den  Kuchen 
berührt,  weil  sonst  an  dieser  Stelle  die  Dichte  der  positiven  Elektrizität  so  gross 
werden  würde,  dass  sie  zum  Kuchen  übergehen  und  sich  mit  der  negativen  Elek- 
trizität desselben  neutralisiren  würde. 

Bei  den  hier  beschriebenen  Apparaten  kann  man  durch  eine  an- 
fänglich sehr  kleine  Elektrizitätsmenge  eine  sehr  beträchtliche-hervor- 
bringen.  Es  leuchtet  aber  ein,  dass  diese  letztere  nicht  aus  Nichts 
hervorgebracht  sein  kann.  Vielmehr  sind  alle  diese  Maschinen  nur 
auf  dem  Princip  der  Erzeugung  der  Elektrizität  durch  mechanische 
Arbeit  begründet.  Beim  Drehen  der  rotirenden  Scheibe  der  Influenz- 
maschine, beim  Heben  des  Deckels  des  Elektrophors  muss  man  die 
anziehende  Wirkung  der  entgegengesetzten  Elektrizitäten  überwinden, 
und  die  hierauf  verwendete  mechanische  Arbeit  wird  in  freie  Elek- 
trizität verwandelt.  In  der  Tat  bedarf  man  zum  Drehen  der  Scheibe 
bei  der  Influenzmaschine  eine  grössere  Kraft,  wenn  dieselbe  erregt  ist, 
als  wenn  man  sie  in  unerregtem  Zustande  dreht.  Man  kann  aber 
auch  umgekehrt  mit  dieser  Maschine  die  elektrische  Spannung  in  Arbeit 
verwandeln.  Wenn  man  nämlich  die  Einsauger  zweier  solcher  Maschinen 
durch  Drähte  verbindet  und  die  eine  durch  Drehen  in  Tätigkeit  setzt, 
so  gerät  die  Scheibe  der  zweiten  in  Rotation. 

In  viel  grossartigerem  Massstabe  treten  dieselben  Erscheinungen 
bei  den  dynamoelektrischen  Maschinen  auf,  von  welchen  im  achten 
Kapitel  die  Rede  sein  wird. 


Kapitel  III . 
Von  den  elektrischen  Strömen  und  ihren  Wirkungen. 


§  14.  Wir  haben  bisher  die  Elektrizität  nur  im  Zustande  der 
Ruhe  betrachtet,  wo  sämmtliche  auf  sie  wirkende  Kräfte  sich  im 
Gleichgewicht  befanden.  Jetzt  wollen  wir  auf  die  Vorgänge  eingehen, 
welche  Statt  haben,  wenn  dieses  Gleichgewicht  gestört  wird,  und  die 
elektrischen  Teilchen  sich  in  Bewegung  setzen,  um  die  neue,  durch 
die  veränderten  Bedingungen  ihnen  zukommende  Gleichgewichtslage 
aufzusuchen. 

Setzt  man  einen  mit  positiver  Elektrizität  geladenen  und  isolirten 
Konduktor  durch  einen  Leiter,  beispielsweise  einen  Metalldraht  in  Ver- 
bindung mit  der  Erde,  so  wird  der  Konduktor  unelektrisch,  indem 
seine  ganze  Elektrizitätsmenge  nach  der  Erde  entweicht,  wo  sie  wegen 
der  unendlich  grossen  Oberfläche  eine  so  geringe  Dichte  erlangt,  dass 
sie  unmerklich  wird.  Was  ist  nun  in  dem  Leiter  vorgegangen,  wäh- 
rend sich  die  Elektrizität  des  Konduktors  durch  ihn  hindurch  nach  der 
Erde  hin  bewegte  ? 

Um  hierüber  zu  einer  klaren  Vorstellung  zu  gelangen,  wollen  wir 
uns  den  leitenden  Draht  denken  als  zusammengesetzt  aus  lauter  pa- 
rallelen Scheiben  oder  Querschnitten,  welche  sämmtlich  senkrecht  auf 
der  Längsaxe  des  Drahtes  stehen,  und  welche  wir  der  Reihe  nach 
mit  1,  2,  3  u.  s.  f.,  vom  Konduktor  aus  nach  der  Erde  hin  gezählt, 
bezeichnen  wollen. 

Im  ersten  Moment  der  Berührung  wird  die  freie  Elektrizität 
des  Konduktors  die  natürlichen  Elektrizitäten  im  Querschnitt  1  zer- 
setzen ,  die  negative  anziehen  und  die  positive  abstossen.  Die  ange- 
zogene negative  Elektrizität  wird  sich  mit  einem  Bruchteil  der  positiven 
Elektrizität  des  Konduktors  verbinden  und  diesen  neutralisiren ;  der 
Konduktor  hat  also  einen  Teil  seiner  freien  Elektrizität  eingebüsst  und 


22  Ableitung  zur  Erde.  Kap.  III. 

dafür  ist  der  Querschnitt  1  mit  einer  gleiciien  Menge  positiver  Elek- 
trizität geladen. 

Im  zweiten  Zeitmoment  wird  nun  die  freie  Elektrizität  des  Quer- 
schnittes 1  wieder  verteilend  wirken  auf  die  natürlichen  Elektrizitäten 
des  Querschnittes  2,  sie  wird  dessen  negative  Elektrizität  anziehen 
und  sich  mit  ihr  neutralisiren,  während  der  Querschnitt  2  mit  positiver 
Elektrizität  geladen  bleibt. 

Im  dritten  Zeitmoment  wird  sich  zwischen  dem  Konduktor  und 
dem  Querschnitt  1,  welcher  ja  jetzt  wieder  unelektrisch  geworden  ist, 
derselbe  Vorgang  wiederholen  wie  im  ersten,  und  gleichzeitig  wird 
zwischen  dem  Querschnitt  2  imd  dem  Querschnitt  3  dasselbe  Statt 
finden,  was  im  zweiten  Zeitmoment  zwischen  den  Querschnitten  1  und 
2  Statt  fand.  Und  so  wird  der  Process  immer  weiter  fortgehen  und 
sich  in  jedem  Zeitmoment  auf  einen  Querschnitt  mehr  fortpflanzen,  bis 
er  an  der  Erde  anlangt.  Aus  dieser  wird  der  letzte  Querschnitt 
negative  Elektrizität  aufnehmen,  um  sich  mit  ihr  zu  neutralisiren,  die 
dadurch  frei  gewordene  positive  Elektrizität  der  Erde  wird  natürlich 
unmerklich  sein.  Da  nun  aber  der  letzte  Querschnitt  von  dem  vor- 
letzten wieder  positive  Elektrizität  empßingt,  dieser  wieder  vom  dritt- 
letzten u.  s.  f.,  so  wird  der  ganze  Vorgang  nicht  eher  ein  Ende  haben 
können,  als  bis  sämmtliche  freie  Elektrizität  vom  Konduktor  und  dem 
Draht  verschwunden  und  beide  wieder  unelektrisch  geworden  sind. 

Wenn  man  sich  imn  die  Querschnitte,  in  welche  wir  den  Draht 
zerlegt  haben,  unendlich  dünn  und  die  einzelnen  Zeitmomente  unend- 
lich kurz  denkt,  so  sieht  man,  dass  der  ganze  Vorgang  darin  besteht, 
dass  continuirlich  freie  positive  Elektrizität  in  der  Richtung  vom  Kon- 
duktor zur  Erde,  freie  negative  Elektrizität  dagegen  in  der  Richtung 
von  der  Erde  zum  Konduktor  sich  fortpflanzt.  Dabei  ist  es  ganz  gleich- 
giltig,  ob  man  sich  vorstellt,  wie  wir  getan  haben,  dass  die  in  einem 
Querschnitt  auftretende  freie  Elektrizität  in  diesem  durch  Verteilung 
von  dem  vorhergehenden  Querschnitt  entstanden  ist,  oder  direkt  von 
dem  vorhergehenden  auf  diesen  übergegangen,  denn  das  " schliessliche 
Resultat  bleibt  dadurch  ungeändert. 

Denken  wir  mis  aber  den  Konduktor  statt  mit  positiver  mit  nega- 
tiver Elektrizität  geladen,  so  wird  der  Vorgang  ganz  der  nämliche 
sein,  nur  dass  jetzt  die  negative  Elektrizität  in  der  Richtung  vom 
Konduktor  zur  Erde,  die  positive  dagegen  von  der  Erde  zum  Kon- 
duktor sich  fortpflanzt.  Einen  solchen  Vorgang  nun,  in  welchem  sich 
die  beiden  Elektrizitäten  mit  gleichen  Geschwindigkeiten  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  durch  denselben  Leiter  bewegen,  nennt  man  einen 


§  15.  Eleldrischer  Strom.    Richtung  desselben.  23 

elektrischen  Strom,  imcl  man  nennt  Riclitung  des  elektrischen 
Stromes  diejenige,  in  welcher  sich  die  positive  Elektrizität  fortpflanzt, 
indem  es  sich  von  selbst  versteht,  dass  die  negative  sich  dann  in 
entgegengesetzter  Richtung  bewegen  muss. 

§  15.  Wenn  wir  nmi  zwei  Konduktoren  nehmen,  von  denen  der 
eine  mit  positiver,  der  andere  mit  einer  gleichen  Menge  negativer 
Elektrizität  geladen  ist,  und  diese  durch  einen  leitenden  Draht  in 
Verbindung  setzen,  so  Avird  in  dem  Draht  wesentlich  derselbe  Vorgang 
stattfinden,  als  hätten  wir  jeden  der  Konduktoren  einzeln  mit  der  Erde 
in  Verbindung  gesetzt.  Von  der  Seite  des  positiven  Konduktors  her 
wird  durch  die  Verteilung  von  Querschnitt  zu  Querschnitt  eine  Bewe- 
gung der  positiven  Elektrizität  vom  Konduktor  nach  der  Mitte  des 
Drahtes  zu  und  eine  Bewegung  der  negativen  Elektrizität  von  der 
Mitte  nach  dem  Konduktor  zu  stattfinden;  umgekehrt  wird  sich  auf 
der  Seite  des  negativen  Konduktors  die  negative  Elektrizität  nach  der 
Mitte  zu,  die  positive  dagegen  von  der  Mitte  nach  dem  Konduktor  hin 
bewegen.  In  der  Mitte  selbst  werden  die  von  beiden  Seiten  kommen- 
den entgegengesetzten  Elektrizitäten  sich  gegenseitig  neutralisiren. 
Man  sieht  also,  dass  der  elektrische  Strom  in  beiden  Hälften  des 
Drahtes  ein  und  dieselbe  Richtung  hat,  nämlich  von  dem  positiven 
nach  dem  negativen  Konduktor  hin. 

Statt  zweier  einzelner  mit  positiver  und  negativer  Elektrizität 
geladener  Konduktoren  kann  man  sich  bei  diesem  letzten  Versuche 
natürlich  mit  Vorteil  einer  Kleist'schen  Flasche  oder  einer  Batterie 
bedienen,  da  die  beiden  Belegungen  einer  solchen  ja  nur  zwei  Kon- 
duktoren vorstellen,  welche  ausserordentlich  stark  mit  positiver  und 
negativer  Elektrizität  geladen  sind.  In  der  Tat,  wenn  wir  diese  durch 
einen  Leiter  mit  einander  verbinden,  so  erhalten  wir  einen  Strom  von 
der  positiven  zur  negativen  Belegung  und  eines  so  erzeugten  Stromes 
bedient  man  sich  daher  vorzugsweise  zu  den  Versuchen  über  den  elek- 
trischen Strom. 

Am  besten  jedoch  eignet  sich  zum  Studium  der  elektrischen 
Ströme  und  ihrer  Wirkungen  die  in  §  12  beschriebene  Holtz'sche 
.Maschine.  Verbindet  man  die  Einsauger  e  und  f  durch  einen  Draht 
und  setzt  die  Maschine  in  Gang,  so  vereinigen  sich  die  positive  Elek- 
trizität von  e  und  die  negative  von  f  sofort  wieder  miteinander  und 
der  Draht  ist  von  einem  stetigen  elektrischen  Strome,  durchflössen. 
Wenn  man  aber  die  Drähte,  die  von  e  und  f  ausgehen,  in  zwei 
Knöpfen  ausgehen  lässt,  und  diese  Knöpfe,  nachdem  die  Maschine  in 


24  Elektrischer  Funke.  Kap.  III. 

Gang  gesetzt  worden,  allmählich  von  einander  entfernt,  so  kann  die 
Elektrizität  erst  übergehen,  wenn  die  Dichte  auf  den  Knöpfen  hin- 
reichend gross  geworden  ist,  um  den  Widerstand  der  Luft  zwischen 
den  Knöpfen  zu  durchbrechen,  und  man  erhält  dann  eine  Reihe  von 
einzelnen  Entladungen  oder  Strömen,  welche  um  so  seltner  auf  ein- 
ander folgen,  aber  auch  um  so  heftiger  sind,  je  grösser  die  Entfernung 
der  Knöpfe  ist. 

Man  kann  auch  die  Holtz'sche  Maschine  mit  der  Klei  st 'sehen 
Flasche  verbinden,  und  so  noch  heftigere  Entladungen  erzielen.  Ver- 
bindet man  nämlich  die  Einsauger  e  und  f  mit  den  beiden  inneren 
Belegungen  zweier  Kl  eist 'scher  Flaschen,  deren  äussere  Belegungen 
untereinander  verbunden  sind,  während  die  Knöpfe  der  Einsauger  in 
einer  bestimmten  Entfernung  von  einander  stehen,  so  wird  jede  der 
beiden  inneren  Belegungen  von  der  ihr  zuströmenden  Elektrizität  des 
betreffenden  Einsaugers  geladen;  die  abgestossenen  Elektrizitäten  der 
äussern  Belegungen  neutralisiren  sich  dabei  gegenseitig.  Sobald  die 
Ladung  stark  genug  geworden  ist,  um  den  Widerstand  der  Luft 
zwischen  den  Elektroden  zu  überwinden,  erfolgt  die  Entladung  mit 
starkem  Knall  und  Funken,  während  die  auf  den  äusseren  Belegungen 
frei  gewordenen  Elektrizitäten  sich  wiederum  gegenseitig  binden.  Die 
Flaschen  sind  also  entladen  und  der  ganze  Vorgang  beginnt  von  neuem 
in  derselben  Weise.  Je  weiter  die  Knöpfe  von  einander  entfernt  sind, 
desto  länger  dauert  die  Ladung,  desto  heftiger  ist  aber  auch  die  Ent- 
ladung der  Flaschen. 

§  16.  Die  Wirkungen  der  elektrischen  Ströme  sind  sehr 
mannichfaltige.  Wir  wollen  hier  eine  kurze  Uebersicht  derselben 
geben,  indem  wir  diejenigen,  welche  für  unsere  Zwecke  ein  besonderes 
Interesse  haben,  später  noch  ausführlich  werden  zu  besprechen  haben. 

Wenn  man  eine  Kleist 'sehe  Flasche  mit  einem  sog.  Auslader, 
d.  h.  einem  Bogen  von  Metall,  welcher  mit  einem  isolirenden  Hand- 
griff versehen  ist,  entladet,  indem  man  das  eine  Ende  des  Ausladers 
an  die  äussere  Belegung  bringt,  und  das  andere  der  inneren  Belegung 
allmählich  nähert,  so  bemerkt  man,  dass  wenn  der  Auslader  dem 
Knopf  der  inneren  Belegung  bis  auf  eine  bestimmte  Entfernung  sich 
genähert  hat,  plötzlich  ein  Funke  überspringt,  der  je  nach  der  Stärke 
der  Ladung  mehr  oder  weniger  hell  leuchtet  und  zugleich  von  einem 
Schall  begleitet  ist.  Indem  nämlich  durch  die  Verteilung  schon  wäh- 
rend der  Annäherung  des  Ausladers  auf  diesem  sich  die  entgegen- 
gesetzte Elektrizität  ansammelt,  als  auf  dem  Knopf  der  Flasche,  er- 


§  16,  Maassflasche.  25 

langt  die  Elektrizität  eine  solche  Dichte,  dass  sie  endlich  den  Wider- 
stand der  Luft  überwindet,  und  diese  unter  Lichtentwickelung  und 
Schallerregung  durchbricht.  Die  Entfernung,  bei  der  dies  geschieht, 
nennt  man  die  Schlagweite.  Sie  hängt  natürlich  von  der  Dichte 
der  Elektrizitäten  an  den  betreffenden  Stellen  ab. 

Am  besten  bedient  man  sich  zur  Ladung  und  Entladung  der 
Kl  ei  st 'sehen  Flasche  der  im  vorigen  Paragraphen  beschriebenen  Ver- 
bindung der  Flasche  mit  der  Holtz'schen  Maschine,  indem  die  dort 
beschriebenen  Knöpfe  gleich  die  Rolle  des  Ausladers  spielen.  Man 
kann  auf  diese  Weise  eine  Schlagweite  von  10 — 20  Cm.  mit  verhält- 
nissmässig  kleinen  Apparaten  erreichen. 

Giebt  man  dem  Auslader  eine  solche  Einrichtung,  dass  man  das  eine  seiner 
Enden  in  beliebiger  Entfernung  von  dem  Knopf  der  inneren  Belegung  feststellen 
kann,  und  führt  dieser  fortwährend  Elektrizität  zu  (indem  man  sie  mit  dem  Kon- 
duktor einer  in  Bewegung  gesetzten  Elektrisirmasehine  verbindet),  so  erhält  man 
natürlich  jedesmal  einen  Funken  und  also  auch  einen  Strom,  sobald  die  Ladung 
diejenige  Stärke  erlaugt  hat,  welche  der  gewählten  Entfernung  entspricht.  Auf 
diese  Weise  ist  man  im  Stande,  eine  Anzahl  Ströme  von  stets  derselben  Stärke 
nach  einander  zu  erhalten.  Eine  solche  Flasche  nennt  man  eine  L an e' sehe 
Maassflasche.  Verbindet  man  die  äussere  Belegung  einer  isolirten  Flasche  oder 
Batterie  mit  der  inneren  Belegung  einer  Maassflasche,  deren  äussere  Belegung  zur 
Erde  abgeleitet  ist,  so  werden  beide  gleichzeitig  geladen,  sobald  man  der  inneren 
Belegung  der  ersten  Flasche  oder  Batterie  Elektrizität  zuführt.  Die  auf  der 
äusseren  Belegung  dieser  ersten  abgestossene  gleichnamige  Elektrizität  begiebt  sich 
nämlich  zur  inneren  Belegung  der  Maassflasche.  Hat  die  Ladung  in  dieser  eine 
bestimmte  Stärke  erreicht,  so  springt  ein  Funke  über  und  die  Maassflasche  ent- 
ladet sich.  Die  Anzahl  der  überspringenden  Funken  ist  also  ein  directes  Maass 
für  die  Stärke  der  Ladung,  welche  man  der  ersten  Flasche  oder  Batterie  mitgeteilt  hat. 

Bringt  man  in  der  Leitung,  welche  die  innere  und  äussere  Be- 
legung verbindet,  noch  eine  Unterbrechungsstelle  an,  so  kann  auch 
hier  die  Elektrizität  mit  Funkenbildung  überspringen,  wenn  die  Ent- 
fernung nicht  zu  gross  ist.  Schiebt  man  statt  der  Luftschicht  irgend 
einen  anderen  Isolator  ein,  so  wird  dieser  durchbrochen,  falls  die 
Ladung  stark  genug  ist.  Bringt  man  in  die  Unterbrechungsstelle 
einen  leicht  entzündbaren  Körper,  wie  Aether,  Schiesspulver  u.  s.  w., 
so  wird  er  entzündet.  Knallgas  verbindet  sich,  wenn  der  Funke  durch- 
schlägt, sogleich  zu  Wasser. 

Man  benutzt  dies  bei  der  Gasanalyse  zur  Bestimmung  des  Sauer- 
stoffes oder  Wasserstoffes.  Um  nämlich  in  einem  Gasgeraenge  deu 
0-gehalt  zu  bestimmen,  fängt  man  es  über  Quecksilber  in  einem 
graduirten  Glasrohr  auf,  in  welchem  oben  zwei  Platindrähte  einge- 
schmolzen  sind,    welche   eine    kleine   Luftstreckc  zwischen   sich    frei- 


26  Wirldingen  des  Slroiiies.  Kaj).  III. 

lassen.  Ein  .solches  Glasrolir  nennt  man  ein  Eudiometer.  Man  fügt 
dann  eine  abgemessene  Menge  H  zu  und  lässt  einen  elektrischen 
Funlvcn  durchschlagen.  0  und  H  verbinden  sich  zu  Wasser,  und  da 
dieses  einen  im  Vergleich  zu  dem  Knallgase,  aus  welchem  es  ent- 
standen ist,  unendlich  kleinen  Raum  einnimmt,  so  erfährt  man  aus 
der  Volumensverminderung,  welche  das  Gasgemenge  erfahren  hat 
(natürlich  unter  Berücksichtigung  des  Druckes,  der  Temperatur  etc.), 
wieviel  0  in  dem  Gemenge  enthalten  war.  Umgekehrt  muss  man, 
um  den  H-gehalt  eines  Gemenges  zu  bestimmen,  0  zufügen  und  dann 
verpuffen. 

Wenn  man  die  beiden  Enden  des  Leiters  nicht  genau  einander  gegenüber- 
stellt und  ein  Kartenblatt  dazwischen  schiebt,  so  wird  dieses  an  der  Stelle  durch- 
bohrt, wo  die  negative  Elektrizität  herkommt.  Es  ist  dies  also  ein  Mittel,  um  die 
Richtung  eines  Stromes  zu  bestimmen,  wenn  sie  sonst  unbekannt  ist. 

Schaltet  man  in  die  Leitung  Glasröhren  ein,  in  welchen  die  Luft 
sehr  verdünnt  ist,  und  leitet  den  Strom  durch  eingeschmolzene  Metall- 
drähte ins  Innere  der  Röhren,  so  geht  er  durch  die  verdünnte  Luft 
und  diese  wird  dabei  glühend  und  leuchtet  im  Dunkeln,  Man  kann 
diese  nach  ihrem  Erfinder  als  „Geissler'sche  Röhren«  bezeichneten 
Röhren  mit  verschiedenen  Gasen  füllen  und  man  findet  dann,  dass 
jedes  Gas  mit  einer  Farbe  leuchtet,  welche  bei  der  Zerlegung  durch 
das  Prisma  für  jedes  Gas  charakteristische  Spektra  giebt.  Auch  die 
Natur  der  eingeschmolzenen  Metalldrähte  hat  jedoch  auf  das  Spectrum 
Einfluss,  indem  sich  unter  der  Einwirkung  des  Stromes  etwas  von  dem 
Drahte  verflüchtigt  und  ins  Glühen  geräth.  Desshalb  sind  diese 
Geissler'schen  Röhren  sehr  geeignet,  um  die  charakteristischen  Spektra 
der  Substanzen  zu  untersuchen.  Eigentümliche  Formen  der  Geissler- 
schen  Röhren  hat  Crookes  bei  seinen  Versuchen  über  die  sogenannte 
strahlende  Materie  benutzt. 

Flüssigkeiten,  welche  den  Strom  leiten,  wie  Wasser,  Säuren  und 
Basen,  Salzlösungen,  werden  durch  den  elektrischen  Strom  in  ihre 
Bestandteile  zerlegt.  Die  Gesetze  dieser  chemischen  Wirkung  des 
Stromes  werden  wir  später  genauer  betrachten. 

Leitet  man  den  Strom  durch  feine  Drähte,  so  werden  diese  er- 
wärmt und  wenn  der  Strom  stark  ist,  verbogen  und  zersplittert. 

Leitet  man  den  Strom  durch  Spiralen  von  Draht,  in  deren  Inneren 
sich  Nähnadeln  befinden,  so  werden  diese  magnetisirt.  Die  Richtung 
der  Magnetisirung  ist  nicht  constant.  Man  kann  daher  dieses  Mittel 
nicht  zur  Bestimmung  der  Stromesrichtung  benutzen. 

Leitet  man  den   Strom  bei  einer  Magnetnadel  vorbei,    so  wird 


§  16.  Wirklingen  des  Stromes.  27 

diese  abgelenkt,  so  dass  sie  sich  senkrecht  zur  Richtung  des  Stromes 
zu  stellen  sucht.  Von  dieser  Wirkung  wird  später  ausführlich  die 
Hede  sein. 

Leitet  man  den  Strom  durch  den  menschlichen  Körper,  so  fühlt 
man  einen  erschütternden  Schlag,  welcher  je  nach  der  Stärke  des 
Stromes  mehr  oder  minder  heftig  ist.  Ein  in  den  Strom  einge- 
schalteter Muskel  gerät  in  Zuckung.  Leitet  man  den  Strom  so  durch 
den  Körper,  dass  er  in  der  Nähe  des  Auges  ein-  oder  austritt,  so  sieht 
man  einen  Blitz.  Von  diesen  und  anderen  physiologischen  Wirkungen 
wird  im  zweiten  Teil  ausführlicher  gehandelt  werden.*) 


*)  Von  einer  Form  des  elektrischen  Stromes  muss  hier  noch  besonders  die 
Rede  sein,  weil  sie  zur  Entdeckung  der  tierischen  Elektrizität  und  der  Elektrizitäts- 
erregang  durch  Kontakt  Veranlassung  gegeben  hat.  Nähert  man  nämlich  einem 
mit  der  Erde  in  leitender  Verbindung  stehenden  Konduktor  A,  einen  anderen  mit 
freier  Elektrizität  geladenen  B ,  so  wird  in  A  die  ungleichnamige  Elektrizität  an- 
gezogen, die  gleichnamige  abgestossen,  welche  nach  der  Erde  entweicht.  Entzieht 
man  nun  plötzlich  dem  Konduktor  B  seine  Elektrizität,  so  wird  die  Elektrizität  in 
A  sich,  da  sie  jetzt  nicht  mehr  gebunden  ist,  mit  der  der  Erde  ausgleiclien,  der 
Leiter  also  von  einem  Strom  durchflössen  werden.  Diese  Erscheinung  wurde  zuerst 
beim  Gewitter  beobachtet  und  mit  dem  Namen  des  Rückschlages  bezeichnet. 
Denken  wir  uns  nun  den  Leiter  A  durch  einen  Muskel  ersetzt,  so  wird  dieser 
jedesmal  zucken,  sobald  B  durch  Berührung  unelektrisch  wird.  Galvani,  welcher 
diesen  Vorgang  zuerst  beobachtete,  glaubte  die  Ursache  in  einer  den  tierischen 
Teilen  selbst  innewohnenden  Elektrizität  suchen  zu  müssen.  Durch  seine  und 
Volta's  fernere  Untersuchungen  wurde  diese  Beobachtung  die  Quelle  zweier  grosser 
Wissenschaften,  nämlich  des  in  den  folgenden  Kapiteln  zu  besprechenden  Galva- 
nismus  und  der  Elektrophysiologie. 


Kapitel  IV. 

Von  der  Elektrizitätserregung:  durch  Kontakt  und  den 
kontinuirlichen  elektrischen  Strömen. 


§  17.  Wir  haben  bisher  unter  den  Mitteln,  die  elektrischen 
Flüssigkeiten  von  einander  zu  trennen,  nur  die  Reibung  betrachtet. 
Indem  wir  einige  andere  als  für  unsere  Zwecke  weniger  wichtig  über- 
gehen, wenden  wir  uns  jetzt  zur  Betrachtung  der  Elektrizitätserre- 
gung durch  Kontakt.  In  der  Tat  genügt  es,  dass  zwei  Leiter, 
welche  nicht  homogen  sind,  einander  berühren,  um  die  natürlichen 
Elektrizitäten  in  ihnen  zu  zersetzen  und  den  einen  positiv,  den  anderen 
negativ  elektrisch  zu  machen. 

Man  nehme  eine  Kupfer-  und  eine  Zinkplatte,  beide  mit  isoliren- 
den  Handgriifen  versehen  und  auf  einer  Seite  glatt  polirt,  lege  sie 
mit  diesen  Seiten  auf  einander  und  berühre  die  äusseren  Flächen 
beider  ableitend.  Trennt  man  sie  jetzt  mittelst  der  isolirenden  Hand- 
griffe und  prüft  sie  einzeln  am  Elektroskop  mit  Hilfe  des  Konden- 
sators, so  wird  man  die  Zinkplatte  positiv,  die  Kupferplatte  negativ 
elektrisch  finden.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  bei  diesem  Ver- 
suche die  eine  Kondensatorplatte  von  demselben  Metalle  sein  muss, 
wie  das,  womit  sie  berührt  wird,  weil  sonst  schon  durch  diese  Be- 
rührung Elektrizität  frei  würde. 

Durch  die  Berührung  beider  Platten  in  diesem  Versuch  ist  an 
der  Berührungsfläche  eine  Scheidung  der  Elektrizitäten  in  beiden 
Platten  vor  sich  gegangen.  Man  hat  sich  zu  denken,  dass  die  posi- 
tive Elektrizität  der  Zink-  und  die  negative  Elektrizität  der  Kupfer- 
platte nach  der  Berührungsfläche  hingezogen  worden  sind  und  sich 
dort  gegenseitig  gebunden  haben.  Durch  die  ableitende  Berührung 
wurden  die  frei  gewordene  positive  Elektrizität  der  Kupfer-  und  die 
negative  der  Zinkplatte  entfernt.    Bei  der  Trennung  der  Platten  wer- 


§  17,  18,  Volta's  Fundamentalversuch.    Spannungsreihe.  29 

den  dann   die  früher  an   der  Berührungsfläche   sich    bindenden  Elek- 
trizitäten frei  und  können  am  Kondensator  nachgewiesen  werden. 

Statt  mit  Zink  und  Kupfer  kann  man  denselben  Versuch  auch 
mit  anderen  Leitern  anstellen,  immer  wird  der  eine  positiv,  der  andere 
negativ  elektrisch  werden.  Nach  Volta  wird  in  der  folgenden  Reihe 
jeder  Körper  positiv,  wenn  er  mit  einem  ihm  in  der  Reihe  folgenden 
berührt  wird,  und  dieser  selbst  negativ,  und  zwar  um  so  stärker,  je 
weiter  die  beiden  Körper  in  der  Reihe  auseinander  stehen.  Diese  Reihe, 
welche  man  mit  dem  Namen  der  Spannungsreihe  bezeichnet,  lautet: 
Zink,  Blei,  Zinn,  Eisen,  Wismuth,  Kupfer,  Platin,  Gold, 
Silber,  Kohle,  Reissblei,  verschiedene  Kohlenarten  und 
krystallisirter  Braunstein. 

§  18.  Auch  die  Berührung  fester  Körper  mit  Flüssigkeiten  be- 
wirkt eine  Verteilung  der  Elektrizität;  so  werden  alle  Metalle,  wenn 
sie  in  destillirtes  Wasser  oder  verdünnte  Säuren  getaucht  werden, 
negativ  elektrisch,  während  die  Flüssigkeit  positiv  elektrisch  wird. 
Die  Stärke  dieser  Wirkung  ist  bei  verschiedenen  Metallen  und  ver- 
schiedenen Flüssigkeiten  verschieden.  So  wird  Zink  in  verdünnter 
Schwefelsäure  viel  stärker  negativ,  als  Kupfer.  Stellt  man  nun  ein 
Stück  Zink  und  ein  Stück  Kupfer  gleichzeitig  in  ein  Glas  mit  ver- 
dünnter SchAvefelsäure,  so  überwiegt  die  positive  Elektrizität,  welche 
die  Flüssigkeit  in  Berührung  mit  dem  Zink  annimmt,  so  über  die 
negative  Elektrizität,  welche  das  Kupfer,  wenn  es  allein  in  der  Flüssig- 
keit wäre,  annehmen  würde,  dass  auch  das  Kupfer  freie  positive  Elek- 
trizität annimmt.  Diese  wird  aber  vermindert  um  den  Betrag  der 
negativen  Spannung,  welche  das  Kupfer  durch  die  Berührung  mit  der 
Schwefelsäure  angenommen  hat.  Andererseits  wird  auch  die  negative 
Spannung  des  Zinks  verringert  durch  die  positive  Spannung,  welche 
die  Schwefelsäure  durch  die  Berührung  mit  dem  Kupfer  angenommen 
hat  und  welche  sich  von  der  Schwefelsäure  auf  das  Zink  ausbreitet. 
Es  sei  z.  B.  die  negative  Spannung,  welche  Zink  in  verdünnter  Schwefel- 
säure annimmt,  gleich  — 100,  also  die  der  Schwefelsäure  gleich  +100, 
ferner  die  Spannung  des  Kupfers  in  Schwefelsäure  gleich  — 10,  also 
die  der  Schwefelsäure  -{-10,  so  wird  also,  wenn  Zink  und  Kupfer  zu- 
gleich in  Schwefelsäure  stehen,  die  Spannung  des  Kupfers  sein  müssen 
gleich  — 10-f  100  =  -|-90,  und  ebenso  die  des  Zinks  gleich  —100 
-f  10  gleich  —90. 

Man  nennt  nun  die  Differenz  der  Spannungen,  welche  zwei  Körper 
erlangen,    wenn   sie    in   einer  und   derselben   Flüssigkeit    stehen,    die 


30  Elel(tromotorische  Kraft.    Offene  und  geschlossene  Kette.       Kap.  IV. 

elektromotorische  Kraft  dieser  Kombination.  Man  kann  die  Me- 
talle in  eine  Reilie  ordnen,  in  welcher  jedes  mit  einem  ihm  in  der 
Reihe  folgenden  combinirt  negativ  elektrisch  wird.  Es  versteht  si(5h 
von  selbst,  dass  eine  solche  Reihe  nur  für  eine  bestimmte  Flüssigkeit 
Geltung  hat.  Kombinirt  man  die  Metalle  in  einer  andern  Flüssigkeit, 
so  ändern  sich  die  Spannungen.  Doch  sind  die  Abweichungen  in  der 
Reihenfolge  der  Metalle  nur  unwesentlich.  Für  verdünnte  Schwefel- 
säure ist  nach  Poggendorff  s  Versuchen  die  Spannungsreihe  folgende: 
Zink,  Zinn,  Blei,  Eisen,  Kupfer,  Silber,  Platin,  Kohle. 
Diese  Reihe  lehrt  aber  nicht  blos  die  Art  der  Elektrizität  kennen, 
welche  an  jedem  der  combinirten  Metalle  aultritt,  sondern  bezieht 
sich  auch  auf  die  Grösse  der  elektromotorischen  Kraft  einer  solchen 
Korabination.  Denn  nach  Poggendorff's  Versuchen  ist  die  elek- 
tromotorische Kraft  zwischen  zwei  Gliedern  der  Reihe  stets 
die  Summe  der  elektromotorischen  Kräfte  aller  zwischen 
ihnen  in  der  Reihe  befindlichen  Glieder. 

Die  elektromotorische  Kraft  zwischen  Zink  und  Kupfer  ist,  wie  wir  oben 
sahen,  gleich  90.  Die  Spannung,  welche  Eisen  in  verdünnter  Schwefelsäure  an- 
nimmt, ist  gleich  — 40.  Mithin  ist  die  elektromotorische  Kraft  zwischen  Zink  und 
Eisen  gleich  100  — 40  =  60;  und  die  zwischen  Eisen  und  Kupfer  gleich  40  — 10 
=  30.  Also  ist  die  elektromotorische  Kraft  zwischen  Zink  und  Eisen  plus  der 
elektromotorischen  Kraft  zwischen  Eisen  und  Kupfer  gleich  der  elektromotorischen 
Kraft  zwischen  Zink  und  Kupfer.  Und  dies  gilt  auch  für  alle  ührigen  Glieder 
der  Spannungsreihe. 

Eine  solche  Kombination  von  zwei  Metallen  in  einer  Flüssigkeit 
nennt  man  eine  offene  Kette.  Verbindet  man  die  beiden  Metalle 
ausserhalb  der  Flüssigkeit  durch  einen  Draht,  so  heisst  die  Kette  ge- 
schlossen. Den  die  Metalle  verbindenden  Draht  nennt  man  den 
Schliessungsbogen.  In  diesem  Falle  vereinigen  sich  die  beiden 
entgegengesetzten  Elektrizitäten  durch  den  Draht  hindurch  mit  ein- 
ander, dieser  wird  also  von  einem  elektrischen  Strom  durchflössen. 
Während  aber  die  durch  Reibungselektrizität  hervorgebrachten  Ströme 
nur  so  lange  andauern,  bis  die  vorher  auf  den  Konduktoren  ange- 
sammelten Elektrizitäten  sich  neutralisirt  haben,  dauert  bei  den  durch 
Kontakt  verursachten  Strömen  die  Ursache  der  verschiedenen  Spannung 
der  Metalle  immer  fort,  wir  erhalten  also  in  dem  sie  verbindenden 
Leiter  einen  dauernden  Strom,  welcher  nicht  eher  ein  Ende  hat, 
als  bis  die  letzte  Spur  des  einen  Metalls  von  der  Flüssigkeit  aufge- 
löst ist.  Man  kann  aber  diese  Ströme  beliebig  unterbrechen  und 
wieder  herstellen,  wenn  man  die  leitende  Verbindung  zwischen  den 
Metallen    unterbricht    oder    wieder    herstellt.     AVenngleich    also    die 


§  18.  Richtung  des  Stromes.    Pole  der  Kette.  31 

Spannung,  welche  die  Metalle  in  der  Flüssigkeit  erlangen,  nur  äusserst 
geringfügig  gegen  diejenige  ist,  welche  man  durch  Reibung  herstellen 
kann,  wenn  also  auch  in  derselben  Zeit  sich  sehr  viel  geringere  Elek- 
trizitätsmengen durch  den  Schliessungsbogen  bewegen,  so  sind  doch 
viele  Wirkungen  der  elektrischen  Ströme  mit  Hilfe  der  Kontaktströme 
deutlicher  und  stärker  zu  erzielen,  eben  wegen  ihres  gleichmässigen 
Anhaltens.  Uebrigens  werden  wir  bald  Mittel  kennen  lernen,  die 
Wirkungen  dieser  Ströme  wesentlich  zu  verstärken. 

lieber  die  Richtung,  welche  der  Strom  im  Schliessungsbogen  hat, 
kann  man  nicht  zweifelhaft  sein,  da  er  stets  von  dem  in  der  Span- 
nungsreihe später  stehenden  Metall  zu  dem  früher  stehenden  gerichtet 
sein  muss.  In  der  in  Fig.  6  abgebildeten  Kette  sind  Kupfer  und 
Zink  als  die  beiden  Metalle  gedacht;  der  Strom  geht 
hier  im  Schliessungsbogen  vom  Kupfer  zum  Zink.  Da 
nun  aber  durch  die  Wirkung  des  Kontakts  fortwährend 
negative  Elektrizität  aus  der  Flüssigkeit  zum  Zink  und 
positive  Elektrizität  vom  Zink  zur  Flüssigkeit  und  von 
dieser  zum  Kupfer  sich  bewegt,  so  circulirt  also  auch 
in  der  Flüssigkeit  ein  Strom  und  zwar  vom  Zink  zum 
Kupfer,  also  in  entgegengesetzter  Richtung  als  im 
Schliessungsbogen.  Es  ist  dieser  Umstand  ein  wichtiges  Unterschei- 
dungsmerkmal zwischen  den  Kontakt-  oder  galvanischen  Strömen  und 
den  durch  Reibungselektrizität  erzeugten,  da  die  ersteren  nur  bestehen 
können  in  einem  vollständig  zum  Kreise  geschlossenen  System  von 
Leitern,  während  bei  den  durch  Reibungselektrizität  erzeugten  Strömen 
die  Leitung  immer  an  einer  Stelle  durch  einen  Nichtleiter  unter- 
brochen ist. 

Um  zu  bezeichnen,  dass  der  Strom  im  Schliessungsbogen  die  Richtung  vom 
Kupfer  zum  Zink  habe,  nennt  man  das  hervorragende  Ende  des  Kupfers  den  posi- 
tiven, das  des  Zinks  den  negativen  Pol.  Da  aber  bekanntlich  Zink  in  Be- 
rührung mit  Kupfer  positiv  elektrisch  wird,  so  nennt  man  das  Zink  das  posi- 
tive und  das  Kupfer  das  negative  Metall.  Man  darf  sich  hierdurch  nicht  irre 
führen  lassen,  sondern  merke  sich  ein  für  alle  Mal  die  Regel,  dass  in  der  Flüssig- 
keit der  Strom  stets  vom  positiven  zum  negativen  Metall  gerichtet  ist,  im 
Schliessungsbogen  also  umgekehrt,  dass  also  das  negative  Metall  stets  den 
positiven  Pol  bildet. 

Eine  Kombination  zweier  Metalle  in  einer  und  derselben  Flüssig- 
keit, wie  sie  Fig.  6  darstellt,  nennt  man  eine  einfache  Kette.  Man 
kann  die  Wirkung  derselben  aber  wesentlich  verstärken,  wenn  man 
eine  Anzahl  solcher  Ketten  zu  einer  zusammengesetzten  Kette 
vereinigt,    indem  man  immer  den    positiven  Pol   der  einen  Kette    mit 


32  Spannung  im  Schliessungsbogen.  Kap.  IV. 

dem  negativen  der  folgenden  verbindet.  Der  negative  Pol  der  ersten 
und  der  positive  Pol  der  letzten  bleiben  dann  frei.  In  diesem  Zu- 
stande heisst  die  zusammengesetzte  Kette  offen.  Es  summiren  sich 
dann  die  Spannungen,  vv^elclic  in  jedem  Element  das  Zink  und  das 
Kupfer  erlangen,  indem  die  Spannung  eines  jeden  Elementes  durch 
Leitung  auch  den  benachbarten  mitgeteilt  wird,  so  dass  die  Pole  der 
Kette  eine  viel  grössere  Spannung  erlangen,  als  in  einem  Element 
allein.  Verbindet  man  die  freien  Pole  durch  einen  Schliessungsbogen, 
so  kann  man  also  in  diesem  einen  stärkeren  Strom  erhalten.*) 

§  19.  In  einer  offenen  Kette,  sei  dieselbe  nun  eine  einfache  oder 
zusammengesetzte,  hat  jeder  Pol  freie  Elektrizitcät  von  einer  gewissen 
Spannung,  und  zwar  ist  diese,  wie  sich  aus  dem  vorhergehenden  er- 
gibt, an  jedem  Pol  absolut  genommen  gleich,  aber  von  entgegen- 
gesetzten Vorzeichen  an  beiden  Polen.  Verbindet  man  die  Pole  durch 
einen  Schliessungsbogen,  so  gleichen  sich  die  Spannungen  durch  den- 
selben ganz  in  derselben  Weise  ab,  wie  wir  dies  im  dritten  Kapitel 
bei  den  durch  Reibungselektrizität  erzeugten  Strömen  entwickelt  haben, 
nur  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  die  durch  Abgieichung  ver- 
loren gegangene  elektrische  Spannung  durch  die  elektromotorische 
Kraft  stets  wieder  erneuert  wird.  Es  herrscht  also  an  den  beiden 
Polen  stets  eine  bestimmte  Spannung,  wie  sie  der  elektromotorischen 
Kraft  der  Kette  entspricht,  und  die  wir  für  den  positiven  Pol  -f  a, 
für  den  negativen  Pol  — a  nennen  wollen.  Die  Spannung  -f-a  am 
positiven  Pol  wird  in  dem  ihr  zunächst  gelegenen  Querschnitte  die 
natürlichen  Elektrizitäten  verteilen,  sich  mit  der  negativen  vereinigen, 
die  positive  frei  machen.  Dadurch  erhält  also  dieser  Querschnitt 
ebenfalls  freie  positive  Elektrizität.  Diese  freie  Elektrizität  des  ersten 
Querschnittes  wirkt  nun  wieder  auf  den  zweiten  verteilend,  und  dieser 
erhält  wieder  freie  Elektrizität,  und  so  fort  in  jedem  folgenden  Quer- 
schnitte. Ganz  dasselbe  findet  natürlich  auch  mit  der  negativen  Elek- 
trizität auf  der  Seite  des  negativen  Poles  statt.  Der  elektrische  Strom 
kommt  also  hier  ganz  auf  dieselbe  Weise  zu  Stande,  wie  wir  dies  bei 
der  Verbindung  zweier  mit  entgegengesetzten  Elektrizitäten  geladenen 
Konduktoren  gesehen  haben  und  die  beiden  Elektrizitäten  bewegen 
sich  gleichzeitig  in  entgegengesetzter  Richtung  durch  den  Schliessungs- 
bogen.    Nun  kann  aber  nicht  auf  allen  Teilen  des  Schliessungsbogens 


*)  Ueber  den  Begriff  der  Stromstärke   und   über  die  Bedingungen,    von 
denen  sie  abhängt,  wird  ausführlich  im  G.  Kapitel  gehandelt  werden. 


§19. 


Spannung  im  Schliessungsbogen. 


33 


die  gleiche  Spannung  herrschen.  Viehiiehr  wird  der  dem  positiven 
Pole  zunächst  gelegene  Querschnitt  auf  der  einen  Seite  stets  freie 
positive  Elektrizität  von  der  Spannung  -\-'d  empfangen,  auf  der  anderen 
Seite  stets  einen  Teil  derselben  an  seinen  Nachbarquerschnitt  abgeben. 
Deshalb  wird  die  Spannung  in  diesem  Querschnitt  also  um  einen  ge- 
wissen Wert  geringer  sein  als  -f-a.  Auf  dieselbe  Weise  empfängt 
der  zweite  Querschnitt  des  Schliessungsbogens  fortwährend  freie  posi- 
tive Elektrizität  von  dem  ersten  und  gibt  fortwährend  wieder  solche 
an  den  dritten  Querschnitt  ab,  in  ihm  ist  also  die  Spannung  wieder 
geringer,  als  im  ersten  Querschnitt.  Ganz  dasselbe  findet  aber  auch 
am  negativen  Pole  mit  der  negativen  Elektrizität  statt.  Wir  kommen 
so  zu  dem  Schlüsse,  dass  von  den  beiden  Polen  her  auf  dem 
Schliessungsbogen  eine  allmähliche  Abnahme  der  freien  Spannung 
stattfinden  muss,  auf  der  einen  Seite  der  positiven,  auf  der  anderen 
Seite  der  negativen  Elektrizität  und  dass  in  der  Mitte  des  Schliessungs- 
bogens die  Spannung  Null  sein  muss.  Diese  Folgerung  kann  auch 
experimentell  bestätigt  werden,  wenn  man  mit  genügend  empfindlichen 
Elektrometern  die  einzelnen  Punkte  des  Schliessungsbogens  prüft. 

Denken  wir  uns  den  Schliessungsbogen  der  Kette  geradlmig  aus- 
gespannt, so  dass  a,  Fig.  7,  den  mit  dem  Kupferpol,  b  den  mit  dem 


Fig.  7. 


Zinkpol  verbundenen  Endpunkt  des  Schliessungsbogens  vorstellt.  AVir 
können  dann  die  in  den  einzelnen  Punkten  des  Schliessungsbogens 
vorhandenen  Spannungen  graphisch  darstellen  durch  Linien,  welche  an 
diesen  Punkten  senkrecht  auf  ab  gezogen   werden   und   deren  Längen 


KosfiiitUal  u.   Hurn  hardt.  lili-ktriziliitslclin 


34  Elektrisches  Gefälle.  Kap.  IV. 

den  Spannungen  entsprechen.  Die  positive  Spannung  im  Punkte  a 
wird  also  dargestellt  durch  die  Linie  ac.  Am  Punkte  b  herrscht  die 
gleiche  Spannung,  aber  in  entgegengesetztem  Sinne,  sie  ist  negativ. 
Um  dies  anzudeuten,  machen  wir  die  Linie  bd  =  ac,  geben  ihr  aber 
die  entgegengesetzte  Richtung,  d.  h.  wir  zeichnen  sie  nach  abwärts, 
während  wir  ac  nach  aufwärts  gezeichnet  haben.  An  einem  andern 
Punkte  des  Schliessungsbogens,  in  e,  herrscht  eine  positive  Spannung, 
welche  kleiner  ist  als  die  in  a;  sie  wird  dargestellt  durch  die  Linie  ef. 
Im  Punkte  g  herrscht  eine  gewisse  negative  Spannung  gh,  die  kleiner 
ist  als  bd.  Verbinden  wir  die  Endpunkte  aller  dieser  die  Spannungen 
ausdrückenden  Linien,  so  erhalten  wir  die  schräge  Linie  cfohd. 

Wenn  der  Schliessungsbogen  in  seiner  ganzen  Länge  vollkommen 
gleichmässig  beschaffen  ist,  so  nehmen  die  Spannungen  von  a  nach 
b  hin  vollkommen  gleichmässig  ab;  die  Linie  cd  wird  dann  eine 
gerade  Linie  sein  und  wird  ab  genau  in  der  Mitte  schneiden.  In 
diesem  Punkte  ist  die  Spannung  =  Null. 

Diese  allmähliche  Abnahme  der  Spannungen  im  Schliessungsbogen 
können  wir  auch  als  die  eigentliche  Ursache  der  Bewegung  der  Elek- 
trizität ansehen.  Denn  an  jeder  Stelle  des  Schliessungsbogens  stossen 
Teile  aneinander,  in  denen  die  Spannung  rechts  immer  weniger  positiv 
ist  als  links,  und  so  wird  die  positive  Elektrizität  veranlasst,  nach 
rechts  hin  zu  strömen.  Ebenso  ist  in  jedem  Punkte  des  Schliessungs- 
bogens die  negative  Spannung  links  immer  geringer  als  rechts,  und 
so  wird  die  negative  Elektrizität  veranlasst,  nach  links  hin  zu  strömen. 
Und  diese  gleichzeitige  Bewegung  der  beiden  Elektrizitäten  in  ent- 
gegengesetzten Richtungen  macht  ja  das  aus,  was  wir  als  elektrischen 
Strom  bezeichnet  haben. 

Die  hier  eingeführte  Darstellung  der  Spannungen  im  Schliessungs- 
bogen erinnert  an  die  Verhältnisse,  welche  beim  Strömen  einer  Flüssig- 
keit in  einer  Röhre  stattfinden,  wo  der  hydrostatische  Druck  gleich- 
falls allmählich  von  einem  Ende  der  Röhre  zum  andern  hin  abnimmt. 
Wegen  dieser  Aehnlichkeit  können  wir  auch  für  die  elektrische  Strö- 
mung einen  Ausdruck  benutzen,  welcher  von  der  Hydrodynamik  ent- 
lehnt ist,  indem  wir  die  allmähliche  Abnahme  der  Spannungen  im 
Schliessungsbogen  als  das  elektrische  Gefälle  bezeichnen. 

§  20.  Hat  man  eine  Kette  zusammengestellt  und  schliesst  und 
öffnet  dieselbe,  indem  man  den  Schliessungsbogen  aus  zwei  Teilen 
macht,  die  man  mit  einander  in  Berührung  bringt  und  wieder  von 
einander  trennt,  so  sieht  man  bei  der  Trennung  einen  Funken,  aller- 


§  20.  Wirkung  des  Stromes  auf  die  Magnetnadel.  35 

dings  von  viel  geringerer  Intensität,  als  bei  den  dureli  Reibungselek- 
trizität entstehenden.  Am  hellsten  noch  wird  der  Funke,  Avenn  die 
Schliessung  und  Oeffnnng  in  Quecksilber  geschielit,  indem  man  den 
einen  Leitungsdraht  des  Schliessungsbogens  in  Quecksilber  leitet,  und 
den  andern  abwechselnd  in  dasselbe  eintaucht  und  heraushebt.  Das 
Quecksilber  verbrennt  dabei  und  bedeckt  sich  an  der  Stelle,  wo  der 
Draht  öfter  herausgehoben  wird,  mit  einer  Oxydschicht.  Dass  bei  der 
Annäherung  der  Leitungsdrähte  aneinander  kein  Funke  auftritt,  hat 
seinen  Grund  in  der  zu  geringen  Spannung.  Zusammengesetzte  Ketten 
von  tausend  und  mehr  Elementen  geben  auch  starke  Schliessungs- 
funken. 

Leitet  man  den  Strom  mittelst  eines  gerad  ausgespannten  Drahtes 
parallel  unter  oder  über  einer  Magnetnadel  fort,  so  sieht  man,  dass 
diese  abgelenkt  \nvä.,  und  zwar  je  nach  der  Stärke  der  Wirkung  um 
einen  geringeren  oder  grösseren  Winkel,  bis  sie  zuletzt  senkrecht  auf 
der  Richtung  des  Stromes  steht. 

Die  Richtung  der  Ablenkung  ist  aber  gerade  die  entgegengesetzte, 
wenn  man  den  Strom  über,  als  wenn  man  ihn  unter  der  Nadel  fort- 
leitet und  ebenso  kehrt  sich  die  Richtung  der  Ablenkung  um,  wenn 
man  bei  unveränderter  Lage  des  Stromes  zur  Nadel,  die  Richtung  des 
Stromes  in  dem  Drahte  umkehrt,  indem  man  das  Ende,  welches  mit 
dem  positiven  Pole  in  Verbindung  war,  mit  dem  negativen  verbindet 
und  umgekehrt.  Um  nun  für  jede  Riclitung  des  Stromes  und  jede 
Stellung  der  Nadel  zu  demselben  leicht  die  Richtung  der  Ablenkung 
zu  finden,  ist  die  Ampere' sehe  Regel  sehr  bequem.  Danach  soll 
man  sich  denken,  es  sei  eine  menschliche  Figur  in  den  Strom  einge- 
schaltet und  zwar  so,  dass  dieser  zu  den  Füssen  ein  und  zum  Kopf 
wieder  austritt,  und  es  habe  diese  Figur  ihr  Gesicht  der  Nadel  zuge- 
wandt, dann  wird  stets  der  Nordpol  der  Nadel  nach  der  Linken  der 
Figur  hingedreht.  Es  ergibt  sich  aus  dieser  Regel,  dass  die  einzelnen 
Teile  eines  Stromes,  welcher  im  Kreise  um  eine  Nadel  herumgeleitet 
wird,  alle  in  gleichem  Sinne  ablenkend  auf  die  Nadel  wirken,  sich 
also  in  ihrer  Wirkung  gegenseitig  verstärken.  Ist  nun  der  Strom  an 
sich  zu  schwach,  um  eine  merkliche  Ablenkung  hervorzubringen,  so 
muss  die  Wirkung  wesentlich  verstärkt  werden,  wenn  man  denselben 
in  mehrfachen  Windungen  wiederholt  um  die  Nadel  herumführt. 
Man  hat  nur  dafür  zu  sorgen,  dass  der  Strom  alle  Windungen  nacli 
einander  durchfliesst,  und  nicht  von  einer  auf  die  andere  überspringt, 
indem    man    den    leitenden   Draht    mit    einer    nicht    leitenden   Hülle 


36  Multiplikator.  Kap.  IV. 

umgibt.  *)  Ein  solches  Instrument,  welches  zur  Erkennung  schwacher 
Ströme  und  zur  Bestimmung  ihrer  Richtung  dient,  nennt  man  dann 
einen  Multiplikator,  weil  die  Wirkung  des  Stromes  auf  die  Nadel 
durch  die  vielen  Windungen  vervielfältigt  wird.  Um  die  Nadel  recht 
beweglich  zu  machen,  hängt  man  sie  an  einem  Kokonfaden  auf.  Bei 
einer  späteren  Gelegenheit  wird  über  den  Bau  dieses  Instrumentes 
noch  ausführlicher  die  Rede  sein. 


*)  Man  wendet  zu  diesem  Zwecke  mit  Seide  besponnene  Drähte  an,  welche 
ausserdem  noch  mit  einem  gut  isolirenden  Firniss  überzogen  werden.  Für  ge- 
wöhnliche Versuche  reicht  es  aus,  wenn  die  Leitungsdrähte  mit  in  Wachs  getränkter 
Baumwolle  besponnen  sind.  Für  sehr  starke  Ströme,  wo  die  Isolirung  sehr  gut 
sein  muss,  umkleidet  man  die  Drähte  mit  einer  Hülle  von  Guttapertscha  oder 
steckt  sie  in  Kautschukschläuche. 


Kapitel   V. 

Von  der  Elektrolyse,  der  galvanischen  Polarisation 
und  den  konstanten  Ketten. 


§  21.  Lässt  man  die  Leituiigscirälite  des  Scliliessuiigsbogens  in 
Platinbleclie  enden  und  taucht  diese  in  ein  Glas  mit  Wasser,  so  geht 
der  Strom  durch  das  Wasser,  da  dieses  ein  Leiter  ist.  Man  sielit 
dann  an  den  Platinblechen  Gasblasen  aufsteigen,  welche  man  in  um- 
gestülpten mit  Wasser  gefüllten  Glocken  auffangen  kann.  Ihre  Unter- 
suchung lehrt,  dass  am  positiven  Pol  Sauerstoff,  am  negativen  Pol 
Wasserstoff  entwickelt  wird,  und  beide  in  dem  Verhältniss,  in 
welchem  sie  im  Wasser  enthalten  sind,  nämlich  zwei  Volume  Wasser- 
stoff auf  ein  Volum  Sauerstoff. 

Während  also  der  elektrische  Strom  durch  das  Wasser  hindurch- 
geht, zerlegt  er  dasselbe  in  seine  Bestandteile  und  diese  treten  im 
freien  Zustande  da  auf,  wo  der  Strom  in  das  Wasser  ein-  oder  aus 
demselben  austritt. 

Wie  das  Wasser  verhalten  sich  auch  andere  zusammengesetzte 
Flüssigkeiten,  welche  den  Strom  leiten,  wie  Lösungen  von  Salzen  und 
dergleichen.  Leitet  man  den  Strom  durch  eine  Salzlösung,  so  scheidet 
sich  das  Metall  am  negativen,  die  Säure  am  positiven  Pol  aus.  Ersteres 
lagert  sich  am  negativen  Pol  ab,  während  der  positive  Pol,  wenn  er 
durch  Säure  angreifbar  ist,  aufgelöst  wird.  Leitet  man  den  Strom 
durch  Jodkalium,  so  wird  Jod  am  positiven  Pole  ausgeschieden.  Hat 
man  das  Jodkalium  mit  Stärkekleister  versetzt,  so  entsteht  am  posi- 
tiven Pole  ein  intensiv  blauer  Fleck,  was  man  zur  Erkennung  elek- 
trischer Ströme  und  ihrer  Richtung  benutzen  kann.*) 


*)  Zu  diesem  Zweck  tränkt  man  Fliesspapierstreifcn  mit  dünnem  Stärkekleister, 
welchem  man  etwas  Jodkalium  zugesetzt  hat,  und  trocknet  sie.  Zum  Gebrauch 
befeuchtet  man  einen  solchen  Streifen,  legt  ihn  auf  eine  Glasplatte  und  setzt  die 
Drähte,  welche  den  Strom  zuleiten,  nahe  nebeneinander  auf  das  Papier, 


38  Elektrolyse.    Theorie  von  Grotlhuss.  Kap.  V. 

Um  Ulis  nun  fernerhin  verständlicli  zu  machen,  müssen  wir  hier 
die  Namen  angeben,  welche  Faraday  in  diesem  Zweige  der  Elelv- 
trizitätslehre  eingeführt  hat,  und  deren  wir  uns  fortan  bedienen  wollen. 
Die  Körper,  welche  durch  den  Strom  zersetzt  werden,  nennt  man 
Elektrolyt e,  die  metallischen  Enden  des  Leitungsdrahtes,  durch 
welche  der  Strom  in  den  Elektrolyten  ein-  und  aus  demselben  aus- 
tritt, die  Elektroden  (gleichsam  Wege  oder  Tore  der  Elektrizität), 
und  zwar  heisst  die  Elektrode,  von  welcher  der  Strom  in  den  Elek- 
trolyten übertritt,  die  Anode,  die  andere  dagegen  die  Kathode. 
Die  Bestandteile  des  Elektrolyten  nennt  man  Ionen,  und  zwar  Anion 
denjenigen,  welcher  an  der  Anode,  Kation  denjenigen,  welcher  an 
der  Kathode  auftritt. 

Um  sich  nun  eine  Vorstellung  von  der  Ursache  der  Elektrolyse 
zu  machen,  kann  man  sich  nach  Grotthuss  im  Zusammenhang  mit 
der  elektrochemischen  Theorie  vonBerzelius  denken,  dass  in  einem 
zusammengesetzten  Körper  stets  der  eine  Bestandteil  positiv,  der 
andere  negativ  elektrisch  sei.  Wird  nun  ein  Strom  durch  den  Elek- 
trolyten geleitet,  so  ist  seine  erste  Wirkung  die,  dass  er  die  Bestand- 
teile desselben  so  richtet,  dass  alle  positiven  nach  der  Kathode,  alle 
negativen  nach  der  Anode  hinsehen.    In  Figur  8  stellt  A  die  Anode, 

K  die  Kathode  vor,  der  Pfeil  deutet 
die  Richtung  des  Stromes  an.  Von 
den  Bestandteilen  des  Elektrolyten 
nun,  als  welcher  hier  Wasser  ge- 
dacht ist,  sind  alle  Sauerstoflfteil- 
chen  negativ,  alle  Wasserstoflfteil- 
chen  hingegen  positiv  elektrisch. 
r,.     o  Der   Strom    richtet    sie    daher    so, 

th(J.    o. 

dass  die  Wasserstoffteilchen  nach 
der  Kathode,  die  Sauerstoffteilchen  nach  der  Anode  hinsehen.  Nun 
•zieht  die  Anode  das  negative  Sauerstoffteilchen  des  Wassermoleküls  1 
an  und  dieses  wird  frei.  Das  erste  Wasserstoffteilchen  reisst  nun  das 
zweite  Sauerstoff'teilchen  an  sich,  das  zweite  Wasserstoffteilchen  das 
dritte  Sauerstoffteilchen  und  so  fort,  bis  das  letzte  Wasserstoffteilchen 
endlich  von  der  Kathode  angezogen  wird.  Es  ist  also  an  der  Anode 
ein  Atom  Sauerstoff  und  an  der  Kathode  ein  Atom  Wasserstoff  frei 
geworden,  zugleich  aber  sind  jetzt  die  positiven  Wasserstoffmoleküle 
der  Anode  und  die  negativen  Sauerstoffmoleküle  der  Kathode  zuge- 
wandt. Diese  Anordnung  kann  aber  nicht  bestehen,  sondern  die 
Teilchen  drehen  sich  wieder  so,  dass  alle  Sauerstoffteilchen  nach  der 


§  22,  23. 


Voltanietor. 


39 


Aliode  und  alle  Wasserstoffteilclien  nach  der  Kathode  hin  gerichtet 
sind,  worauf  die  nämliche  Zerlegung  und  Wiedervereinigung  beginnt, 
wie  vorlier,  und  so  fort  bis  alles  Wasser  zersetzt  ist. 

§  22.  Aus  je  mehr  Elementen  die  Kette  zusammengesetzt  ist, 
deren  Strom  man  durch  den  Elektrolyten  sendet,  um  so  lebhafter 
kann  die  Zersetzung  sein.  Sammelt  man  also  die  Zersetzungsprodukte, 
so  kann  man  aus  der  Menge  derselben,  welche  in  einer  bestimmten 
Zeit  entwickelt  werden,  einen  Schluss  auf  die  durch  die  Flüssigkeit 
gegangene  Elektrizitätsmenge  machen.  Ein  solcher  Zersetzungsapparat 
führt  den  Namen  Voltameter.  Figur  9  stellt  ein  solches  dar.  Das 
Glas  b  ist  luftdicht  mit  einem  Deckel  verschlossen,  durch  welchen 
zwei  gut  isolirte  Drähte  gehen, 
an  deren  jedem  im  Inneren  des 
Glases  eine  Platinplatte  ange- 
lötet ist,  und  ausserdem  das 
doppelt  gebogene  Rohr  C.  Das 
Glas  wird  mit  Wasser  gefüllt, 
welchem  man,  damit  es  besser 
leite,  etv^as  Schwefelsäure  zusetzt. 
Leitet  man  einen  Strom  durch 
das  angesäuerte  Wasser,  indem 
man  die  Drähte  m  und  n  mit 
den  Polen  der  Kette  verbindet,  so  wird  das  Wasser  zersetzt,  das  ent- 
wickelte Knallgas  geht  durch  das  Rohr  C,  und  kann  in  einer  Glocke 
aufgefangen  und  gemessen  werden. 

Eine  andere  Art  von  Voltameter  beruht  darauf,  dass  man  den 
Strom  mittelst  Kupferplatten  durch  eine  gesättigte  Lösung  von  schwefel- 
saurem Kupfer  leitet.  Es  lagert  sich  dann  auf  der  die  Kathode 
bildenden  Platte  metallisches  Kupfer  ab,  während  ein  entsprechender 
Teil  der  Anode  durch  die  dort  frei  werdende  Säure  aufgelöst  und  so 
die  Flüssigkeit  stets  concentrirt  erhalten  wird.  Wägt  man  dann  die 
Kathode,  so  erfährt  man  durch  die  Gewichtszunahme,  wie  viel  Kupfer 
während  der  Versuchszeit  niedergeschlagen,  also  auch,  Avie  viel  Kupfer- 
vitriol zersetzt  worden  ist. 


Fi 


§  23.  Schaltet  man  zwei  solche  Voltameter  hintereinander  in 
den  Schliessungsbogen  einer  und  derselben  Kette  ein,  wobei  also  ein 
und  derselbe  Strom  durch  beide  Voltameter  geht,  so  zeigt  sich,  dass 
die  Menge  des  zersetzten  Wassers  und  die  Menge  des  in  derselben  Zeit 


40  .  Gesetz  der  festen  elektroly tischen  Aktion.  Kap.  V. 

zersciztcn  KupfeiTÜriols  sich  vorhalten,  wie  die  Atomgewichte  dieser 
Zahlen,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  in  der  nämlichen  Zeit  für  je 
ein  Atom  freigewordenen  Wasserstoifes  in  dem  einen  Voltameter  genau 
ein  Atom  Kupfer  in  dem  anderen  gefällt  worden  ist.  Dieses  soge- 
nannte Gesetz  der  festen  elektrolytischen  Aktion  ist  nach  den 
Untersuchungen  Faraday's  für  alle  anderen  Verbindungen  ebenfalls 
giltig.  Nun  ergibt  aber  eine  einfache  Betrachtung,  dass  durch  die 
verschiedenen  Teile  eines  und  desselben  Kreises  stets  gleiche  Elek- 
trizitätsmengen hindurchpassiren  müssen,  weil  ja  sonst  an  einzelnen 
Stellen  eine  Stauung  oder  Anhäufung  freier  Elektrizität  stattfinden 
müsste,  was  doch  nicht  der  Fall  ist.  Wir  können  daher  jenes  Gesetz 
auch  so  aussprechen:  Gleiche  Elektrizitätsmengen  zersetzen,  wenn  sie 
durch  einen  Elektrolyten  gehen,  eine  gleiche  Anzahl  Atome  desselben, 
oder  was  dasselbe  ist,  die  zersetzten  Mengen  eines  Elektrolyten  sind 
den  durch  denselben  hindurchgegangenen  Elektrizitätsmengen  direkt 
proportional. 

Auf  diese  Weise  sind  wir  also  in  den  Stand  gesetzt,  mit  Hilfe 
des  Voltameters  die  Elektrizitätsmengen,  welche  eine  Kette  in  einer 
bestimmten  Zeit  durch  einen  Schliessungsbogen  sendet,  zu  messen. 
Wir  können  diese  direkt  mit  einander  vergleichen,  indem  wir  irgend 
eine  beliebige  Einheit  festsetzen,  und  so  wollen  wir  vorläufig  die  Ein- 
heit der  Elektrizitätsmenge  diejenige  nennen,  welche  in  einer 
Minute  ein  Cubikcentimeter  Knallgas  entwickelt. 

§  24.  Wenn  wir  nun  den  Strom  einer  Kette  durch  das  in 
Figur  9  abgebildete  Voltameter  leiten  und  die  Gasentwicklung  beob- 
achten, so  werden  wir  finden,  dass  dieselbe  schnell  abnimmt  und  zu- 
weilen bald  ganz  aufhört.  Auch  wird,  wenn  der  Strom  gleichzeitig 
durch  einen  Multiplikator  geleitet  wird,  die  Ablenkung  der  Magnet- 
nadel schnell  geringer  und  kann  zuletzt  ganz  Null  werden.  Es  sind 
also  die  in  gleichen  Zeiten  durch  den  Schliessungsbogen  geschickten 
Elektrizitätsmengen  immer  kleiner  geworden,  je  länger  die  Kette  ge- 
schlossen blieb.  Oeflfnen  wir  jetzt  die  Kette  und  lassen  sie  längere 
Zeit  offen  stehen,  so  werden  wir  ganz  denselben  Vorgang  erfolgen 
sehen,  wenn  sie  wieder  geschlossen  wird,  d.  h.  unmittelbar  nach  der 
Schliessung  wird  die  entwickelte  Gasmenge  wieder  bedeutend  und  die 
Ablenkung  der  Magnetnadel  wieder  gross  sein,  und  beide  werden 
allmählich  wieder  abnehmen,  wenn  die  Kette  dauernd  geschlossen  bleibt. 

Welches  ist  die  Ursache  dieser  Inkonstanz  der  Kette?  Sie 
kann  in  der  Kette  selbst,  oder  im  Voltameter  oder  in  beiden  zugleich 


§  24,  25.  Galvanische  Polarisation.    Akl(umulatoren.  41 

iliren  Sitz  haben.  Prüfen  wir  zunächst  das  Voltameter.  Wir  lassen 
den  Strom  einige  Zeit  hindurchgehen  und  verbinden  dann  schnell  die 
Drähte  des  Voltameters  mit  einem  Multiplikator.  Wir  werden  finden, 
dass  die  Nadel  desselben  abgelenkt  wird  und  einen  Strom  anzeigt, 
welclier  im  Voltameter  gerade  die  entgegengesetzte  Richtung  hat,  als 
der  ursprüngliche  Strom  der  Kette.  Da  dieser  Strom  vor  der  Ver- 
bindung des  Voltameters  mit  der  Kette  nicht  vorhanden  war,  so  muss 
er  erst  durch  die  Wirkung  des  Stromes  hervorgerufen  worden  sein. 
Die  Ursache  kann  nun  füglich  in  nichts  Anderem  liegen,  als  in  der 
elektrolytischen  Wirkung  des  Stromes.  In  Folge  dieser  ist  nämlich 
die  eine  Platinplatte  des  Voltameters,  welche  als  Anode  gedient  hat, 
mit  Sauerstoif,  die  andere,  welche  als  Kathode  gedient  hat,  mit  Wasser- 
stoff bedeckt.  Nun  lässt  sich  aber  nachweisen,  dass  eine  Platinplatte 
mit  Sauerstoff  und  eine  Platinplatte  mit  Wasserstoff  bedeckt,  wenn 
sie  in  demselben  Wasser  stehen,  entgegengesetzte  elektrische  Spannun- 
gen annehmen  und  zwar  so,  dass  die  mit  Sauerstoff  bedeckte  zum 
negativen  Metall  wird ,  dass  •  also  der  Strom  in  der  Flüssigkeit  von 
der  mit  Wasserstoff  bedeckten  zu  der  mit  Sauerstoff  bedeckten  hin 
gerichtet  ist.  Es  ist  also  gerechtfertigt,  den  im  Voltameter  auftreten- 
den Strom  auf  diesen  Umstand  zu  schieben,  und  es  ist  auch  durch 
vielfache  Versuche  von  verschiedenen  Forschern  bewiesen  worden, 
dass  die  Gase  wirklich  die  Ursache  dieser  Ströme  sind. 

§  25.  Man  nennt  die  solcher  Gestalt  durch  die  Wirkung  des 
Stromes  auftretenden  Ströme  sekundäre  oder  Polarisationsströme, 
weil  die  ursprünglich  ganz  gleichartigen  Elektroden  des  Voltameters 
durch  den  Strom  polarisirt,  d.  h.  in  den  Stand  gesetzt  sind,  selbst 
die  Pole  einer  Kette  zu  bilden  und  einen  Strom  zu  erzeugen. 

Man  kann  auf  diese  Weise  sogar  sehr  starke  sekundäre  Ströme 
erzeugen  und  hat  dies  benutzt,  um  sogenannte  Sekundärbatterien 
oder  Akkumulatoren  herzustellen,  in  denen  man  die  elektrische 
Wirkung  einer  Stromquelle  ansammeln  und  dann  an  einem  andern 
Ort  und  zu  andrer  Zeit  benutzen  kann.  Taucht  man  zwei  Bleiplatteh 
in  verdünnte  Schwefelsäure  und  leitet  durch  dieselbe  einen  kräftigen 
Strom,  so  entwickelt  sich  an  der  einen  Platte  Sauerstoff  und  dieser 
verbindet  sich  mit  dem  Blei  und  bildet  Bleisuperoxyd,  welches  die 
Platte  in  Gestalt  eines  braunen  Ueberzuges  bedeckt.  Verbindet  man 
dann  die  beiden  Platten  durch  einen  äusseren  Schliessungsbogen,  so 
entsteht  ein  Strom,  welcher  in  dem  Element  die  entgegengesetzte 
Richtung  hat  als  der  zur  Ladung  benutzte;  dabei  wird  das  Bleisuper- 


42  Sekundäre  Ströme.    Konstante  Ketten.  K.ip.  V. 

oxyd  wieder  zu  Blei  reducirt,  das  Element  entladet  sich  und  kann 
durch  einen  neuen  Strom  von  neuem  geladen  werden.  Eine  noch 
bessere  Wirkung  erzielt  man  dadurch,  dass  man  die  Bleiplatten  mit 
einer  Schicht  von  Mennige  überzieht,  welches  durch  die  Ladung  in 
Bleisuperoxyd  verwandelt  wird.  Solche  Ladungs-  oder  Sekundär- 
elemente können  von  Nutzen  sein,  wenn  man  einen  starken  Strom 
für  kurze  Zeit  gebraucht,  z.  B.  um  einen  Draht  glühend  zu  machen 
(zur  Galvanokaustik).  Man  kann  das  geladene  Element  an  den 
Operationsort  mitnehmen,  was  bequemer  ist  als  eine  starke  Batterie 
dort  aufzustellen. 

Ein  solcher  sekundärer  Strom  entsteht  auch  im  Voltameter,  wenn 
man  Wasser  in  ihm  zersetzt,  wobei  sich  das  Wasserstoflfgas  an  der 
negativen,  das  Sauerstoifgas  an  der  positiven  Elektrode  ausscheidet. 
Da  dieser  sekundäre  Strom  dem  primären  entgegengesetzt  gerichtet 
ist,  so  muss  er  diesen  natürlich  schwächen  oder  ganz  aufheben. 

Die  Bedingungen  zur  Polarisation  sind  aber  in  der  Kette  selbst 
ebensogut  gegeben  als  im  Voltameter.  Denn  da  die  Flüssigkeit  der 
Kette  ebenfalls  ein  Elektrolyt  ist,  so  wird  auch  sie  zersetzt  und  die 
Metalle  der  Kette  werden  polarisirt.  In  der  Tat,  wenn  man  die  Kette 
ohne  Voltameter  nur  durch  den  Multiplikator  schliesst,  sieht  man  die 
Ablenkung  der  Nadel  ebenfalls,  wenn  auch  etwas  langsamer,  abnehmen 
und  zuletzt  Null  werden. 

§  26.  Es  entsteht  also  zunächst  die  Aufgabe,  sich  Ketten  zu 
verschaffen,  welche  von  diesem  Fehler  frei  sind,  welche  ihre  Wirkung 
lange  Zeit  hindurch  in  gleichem  Maasse  behalten.  Diese  Aufgabe 
löste  zuerst  Daniell.  Später  wurden  noch  andere  konstante 
Ketten  konstruirt,  von  denen  wir  die  wichtigsten  hier  beschreiben 
wollen. 

In  der  Daniell' sehen  Kette  sind  Zink  und  Kupfer  die  erregen- 
den Metalle.  Um  nun  die  Polarisation  zu  vermeiden,  sind  diese  beiden 
Metalle  in  zwei  verschiedene  Flüssigkeiten  gesetzt,  deren  Vermischung 
durch  eine  poröse  Scheidewand  verhindert  wird,  wälirend  die  Leitung 
der  Elektrizität  durch  sie  nicht  gehemmt  wird. 

Die  Flüssigkeiten  sind  auf  Seiten  des  Zinks  verdünnte  Schwefel- 
säure und  auf  Seiten  des  Kupfers  eine  gesättigte  Lösung  von  schwefel- 
saurem Kupfer.  Da  nun  in  dieser  Kombination  der  Strom  in  den 
Flüssigkeiten  vom  Zink  zum  Kupfer  geht,  so  wird  am  Zink  Sauerstoff 
frei ,  welcher  das  Zink  oxydirt ,  das  Zinkoxyd  verbindet  sich  mit  der 
Schwefelsäure,  und  das  so  entstehende  Zinksalz  löst  sich  in  der  Flüssig- 


§26. 


Daniell'sche  Kette.    Grove'sche  Kette. 


43 


koit  auf.  Am  Kupfer  wird  Wasserstoff  abgeschieden  und  Kupferoxyd 
aus  der  Zersetzung  des  Kupfersalzes.  Der  Wasserstoff  reducirt  sogleich 
das  Kupferoxyd,  verbindet  sich  mit  dem  Sauerstoff  desselben  zu  Wasser, 
und  das  metallische  Kupfer  lagert  sich  auf  der  Kupferplatte  ab, 
Avelche  so  stets  mit  einer  Schicht  frischen  Kupfers  überzogen  bleibt. 
Um  die  Kupfervitriollösung  stets  concentrirt  zu  erhalten,  legt  man  in 
die  Flüssigkeit  einige  Kry stalle  dieses 
Salzes  oder,  was  besser  ist,  man  hängt 
in  dieselbe  ein  mit  pulverisirtem  Kup- 
fervitriol gefülltes  Florbeutelchen. 

Fig.  10  zeigt  die  Anordnung  einer 
Daniell'schen  Kette,  wie  sie  jetzt 
gebräuchlich  ist,  im  Durchschnitte.  Das 
Glas  A  enthält  die  Lösung  des  schwe- 
felsauren Kupfers  und  das  zylinder- 
förmig zusammengerollte  Kupferblech 
K.  Im  Inneren  des  Glases  steht  ein 
unten  geschlossener  Zylinder  von  po- 
röser Tonmasse,  welcher  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  gefüllt  ist  und  den  Zink- 
zylinder Z  aufnimmt.  Die  an  dem  Kupfer  und  dem  Zink  angelöteten 
Drähte  dienen  zur  Ableitung  des  Stromes. 

Die  konstante  Kette  von  Grove  ist  in  Fig.  11  abgebildet.  In 
ihr  sind  Zink  und  Platin  die  erregenden  Metalle ,  das  Zink  steht 
wiederum    in    verdünnter    Schwefelsäure,    das    Platin    in    rauchender 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


Fig.  12. 


44  Bimsen  sehe  Kette.    Leclanche'sclie  Kette.  Kap.  V. 

Salpetersäure.  Die  letztere  ist  im  Ton/yünder  enthalten,  und  dieser 
mit  einem  möglichst  luftdicht  schliessenden  Deckel  versehen,  an  wel- 
chem das  Platinblech  befestigt  ist.  Letzteres  pflegt  zur  Vergrösserung 
der  Oberfläche  S-lörmig  gekrümmt  zu  sein,  wie  Fig.  12  (s.  vor.  S.) 
zeigt.  Die  Konstanz  der  Kette  kommt  hier  dadurch  zu  Stande,  dass 
der  galvanisch  ausgeschiedene  Wasserstoff  die  Salpetersäure  zu  salper 
triger  Säure  reducirt,  und  sich  mit  dem  Sauerstoff  zu  Wasser  ver- 
bindet. Am  Zink  ist  der  Vorgang  genau  derselbe,  wie  bei  der 
D an ieir sehen  Kette. 

Die  B uns en'sche  Kette  unterscheidet  sich  von  der  Grove'schen 
nur  dadurch,  dass  statt  des  Platins  eine  feste  Kohle  angewandt 
wird,  welche  man  aus  der  in  den  Gasretorten  zurückbleibenden  Coake 
bereitet. 

In  neuerer  Zeit  sind  mehrere  Modifikationen  der  genannten  Ketten 
und  andere  Kombinationen  angegeben  worden,  deren  Zweck  haupt- 
sächlich ist,  das  jedesmalige  Auseinandernehmen  der  Ketten  nach  dem 
Gebrauch  unnötig  zu  machen.  Dahin  gehören  z.  ß.  die  von  Mei- 
dinger  und  die  von  Siemens  und  Halske  angegebenen  Modifikationen 
der  D an ieir sehen  Kette.  In  letzterer,  welche  für  den  medizinischen 
Gebrauch  Anwendung  gefunden  hat,  ist  die  Tonzelle  durch  eine  dicke 
Scheidewand  von  vegetabilischem  Pergament  ersetzt,  welche  nur  eine 
sehr  langsame  Diffusion  gestattet,  so  dass  ein  Ueberwandern  der 
Kupfervitriollösung  zum  Zink  unmöglich  ist.  Man  kann  diese  Kette 
viele  Wochen  gebrauchen,  wenn  man  nur  das  verdunstende  Wasser 
ersetzt  und  von  Zeit  zu  Zeit  neue  Krystalle  von  Kupfervitriol  zufügt. 

§  27.  Die  Kette  von  Leclanche  besteht  gleichfalls  aus  Zink 
und  Kohle  wie  die  von  Bunsen.  Die  Kohle  steht  innerhalb  einer 
Tonzelle  und  ist  mit  einer  Mischung  von  kleinen  Stückchen  Retorten- 
kohle und  Braunstein  umgeben;  die  Tonzelle  ist  "oben  bis  auf  ein 
kleines  Loch  durch  Pech  verschlossen.  Das  Zink  umgibt  entweder 
die  Tonzelle  in  Form  eines  Zylinders  oder  besteht  nur  aus  einem 
zylindrischen  Stab,  der  in  einer  Ecke  des  quadratischen  Glasgefässes 
steht.  In  das  Glasgefäss  giesst  man  bis  etwa  zur  halben  Höhe  der 
porösen  Zelle  eine  konzentrirte  Lösung  von  Salmiak  (Chlorammonium, 
NH4CI),  welche  in  die  Zelle  und  das  Kohlen -Braunsteingemisch  ein- 
dringt. 

In  neueren  Formen  dieses  Elements  wird  auch  die  Tonzelle  ganz 
fortgelassen.  Die  Mischung  von  Kohle  und  Braunstein  ist  dann  in 
Form  von  Platten  gepresst,   welche   die  Kohlenplatten  zwischen  sich 


§28. 


Bunsen'sches  Chromsäureelement. 


45 


Fig.  13. 


fassen  und  mit  dem  durch  einen  Holzstab  getrennten  Zinli  durch 
Kautscluikringe  zusammengehalten  werden.  Ein  solches  Element  ist 
in  Fig.  13  dargestellt. 

Die    Vorteile    dieses    Elements    bestehen    hauptscächlich    in    dem 
Mangel  von  Säuren  und  lästigen  Dämpfen   und   seiner  langen  Dauer. 
So  lange  der  Strom  ungeschlossen  bleibt,   wird  das  Zink  nicht  ange- 
griifen.      Sorgt    man    für    Ersatz    des    ver- 
dunsteten Wassers,  so  kann  man  diese  Ele- 
mente sehr  lange  benutzen,    ohne  sie   aus- 
einandernehmen zu  müssen.    Sie  eignen  sich 
daher  für  die  Benutzung  zu  therapeutischen 
Anwendungen  des  konstanten  Stroms. 

Die  Theorie  des  Leclanche-Elements 
ist  noch  nicht  vollkommen  klar,  da  in  ihm 
sehr  verwickelte  Umsetzungen  stattfinden; 
doch  ist  soviel  leicht  ersichtlich,  dass  der 
Braunstein  durch  Abgabe  von  Sauerstoff 
depolarisirend  wirkt,  also  die  Rolle  der 
Salpetersäure   im  Grove-    bezw,   Bunsen- 

Element  oder  des  Kupfersulfats  im  Dani eil- Element  spielt.  Indem 
also  nur  eine  Flüssigkeit  angewendet  wird,  kann  man,  wie  in  der  zu- 
letzt beschriebenen  Form,  die  poröse  Zelle  entbehren. 

Dieses  Element  bildet  also  den  Uebergang  zu  den  konstanten 
Elementen  ohne  poröse  Scheidewand  und  mit  einer  einzigen  Flüssig- 
keit.    Wir  erwähnen  unter  diesen  die  praktisch  wichtigsten: 

Das  Bunsen'sche  Chromsäureelement,  auch  in  der  Form 
des  Grenet'schen  Flaschen-Elements  (Fig.  14)  bekannt.  In 
einer  weithalsigen  Flasche  befinden  sich  zwei 
lange,  bis  an  den  Boden  reichende  pa- 
rallele Kohlenplatten;  sie  sind  oben  an  dem 
Hartkautschukdeckel  der  Flasche  befestigt  und 
stehen  mit  einer  auf  diesem  Deckel  befindlichen 
Klemmschraube  in  Verbindung.  Zwischen  ihnen 
ist  ein  Messingstab  in  einer  Hülse  verschiebbar, 
welcher  unten  eine  zwischen  den  Kohlenplatten 
stehende  Zinkplatte  trägt;  die  Hülse  und  durch 
sie  die  Zinkplatte  sind  mit  einer  zweiten 
Klemme  verbunden.  Man  füllt  die  Flasche 
bis   zur  halben  Höhe    mit    einer  Lösung    von  füj.  14. 


46 


lieiniö'er's  Winkelzelleiibalterie. 


Kap.  V. 


doppelt  chromsaurem  Kalium,  welcher  etwa  ^3  Schwefelsäure  zuge- 
setzt ist*). 

Um  das  Element  in  Gang  zu  setzen,  senkt  man  die  Zinkplatte, 
welche  während  der  Ruhe  oberhalb  der  Flüssigkeit  steht,  in  diese  ein. 

Ganz  ähnlich  ist  auch  die  Chrombatterie  von  Bunsen  einge- 
richtet. Auf  einem  Brett  sind  grosse  Gefässe  neben  einander  auf- 
gestellt. Die  zu  ihnen  gehörigen  Zink-  und  Kohlenplatten  sind  pa- 
rallel zu  einander  an  einem  Rahmen  befestigt,  mittelst  dessen  sie  ge- 
hoben und  .gesenkt  werden  können.  Zur  Füllung  dient  eine  Mischung 
von  1  Teil  Kaliumbichromat,  2  Teilen  Schwefelsäure,  12  Teilen  Wasser. 
Die  Bunsen 'sehe  Batterie  findet  besonders  Anwendung  in  der  Galvano- 
kaustik. Dadurch,  dass  die  Zinkplatten  während  des  Nichtgebrauchs 
der  Elemente  aus  der  sauren  Mischung  herausgehoben  werden,  wird 
ein  unnützer  Verbrauch  des  Zinks  vermieden. 

Vollständig  konstant  wie  die  Elemente  von  Daniell,  Grove 
oder  Bunsen  sind  diese  Elemente  durchaus  nicht;  doch  eignen  sie 
sich  für  viele  Fälle,  wo  es  eben  auf  absolute  Konstanz  nicht  ankommt, 
z.  B.  zum  Betrieb  der  Induktorien.  Auch  für  die  therapeutische  An- 
wendung des  konstanten  Stroms  sind  sie  mit  Vorteil  zu  verwenden, 
besonders  in  der  Form,  welche  ihnen  Reiniger  in  seiner  portativen 
Winkelzellenbatterie  gegeben  hat  (S.  Fig.  15).  Die  Zellen  dieser 
Batterie  sind,  wie  man  aus  der  Figur  sieht,  so  gestaltet,  dass  bei  der 
einen  Lage  der  Zinkstab  in  die  Flüssigkeit  eintaucht,  während  er 
dieselbe  nicht  berührt,   wenn  man  die  Zellen  um  90^  dreht.     Es  ist 


Fig.  15. 

also  nur  nötig,  den  Kasten,  in  welchem  die  Zellen  enthalten  sind, 
umzulegen,  um  die  Batterie  zum  Gebrauch  bereit  zu  stellen,  während 
bei  der  aufrechten  Stellung  des  Kastens  die  Batterie  unwirksam  ist 
und  leicht  transportirt  werden  kann. 


*)  Eine  passende  Mischung  für  diese  Elemente  besteht  aus:  chiroms.  Kalinni 
8,0;  Wasser  100,0;  konzentrirte  Schwefelsäure  10,0;  schwefelsaures  Quecksilber  1,0. 
Der  letztere  Zusatz  bewirkt,  dass  die  Zinkplatte  stets  amalgarairt  bleibt.  Die 
Schwefelsäure  muss  aus  bekannten  Gründen  sehr  langsam  zugesetzt  werden. 


§27. 


Ketten  ohne  Scheidewände. 


47 


Gleichfalls  ohne  alle  Scheidewand  ist  die  fast  gleichzeitig  von 
Warren  de  la  Rue  und  H.  Müller  und  von  Pincus  angegebene 
Kette.  Dieselbe  ist  in  der  Form,  welche  ihr  die  ersteren  gegeben 
haben,  in  Fig.  16  abgebildet.  Ein  Zinkstab  n  und  ein  Silberdraht  m 
bilden  die  beiden  Metalle.  Der 
Silberdraht  ist  von  einem  Zylinder 
geschmolzenen  Chlorsilbers  umgeben, 
und  beide  tauchen  in  verdünnte 
Schwefelsäure  oder  auch  in  eine 
Lösung  von  Kochsalz.  Der  Strom 
geht  vom  Zink  zum  Silber  durch 
die  Flüssigkeit  und  der  am  Silber 
ausgeschiedene  Wasserstoff  reduzirt 
das  Chlorsilber,  es  wird  Silber  ab- 
geschieden und  der  Wasserstoff  ver- 
bindet sich  mit  dem  Chlor,  wodurch 
die  Polarisation  aufgehoben  wird. 
Die  Figur  zeigt,  wie  mehrere  Ele- 
mente zu  einer  zusammengesetzten 
Kette  vereinigt  werden,  indem  man 
den  einen  Silberdraht  durch  einen 
starken  Kautschukring  an  den  fol- 
genden Zinkstab  anklemmt.  Um  die  Kette  bequem  in  und  ausser 
Tätigkeit  setzen  zu  können,  sind  die  Zink-  und  Silberdrähte  an  einem 
horizontalen  Brette  a  befestigt,  welches  an  einem  Stative  auf  und 
nieder  geschoben  werden  kann,  während  die  Gläser  mit  der  Schwefel- 
säure auf  dem  Grundbrette  des  Stativs  stehen. 

Ausser  diesen  sind  noch  eine  Menge  anderer  Kombinationen  angegeben  worden, 
welche  mehr  oder  weniger  vollkommen  dem  Zwecke  entsprechen,  die  wir  aber  hier 
übergehen,  da  für  wissenschaftliche  sowohl  als  speziell  für  physiologische  und 
praktisch  medizinische  Zwecke  die  hier  beschriebenen  einfachen  Kombinationen 
immer  die  zweckmässigsten  bleiben.  Die  Dan i eil' sehe  Kette  hat  vor  den  anderen 
besonders  den  Vorzug  der  Billigkeit  und  Bequemlichkeit.  Die  Grove'sche  und 
Bunsen'sche  Kette  sind  nicht  nur  teurer  in  der  Anschaffung,  sondern  auch  im 
Betriebe  wegen  des  starken  Verbrauches  an  Salpetersäure;  sie  sind  ausserdem 
lästig  durch  die  starke  Entwickelung  salpetrigsaurer  Dämpfe,  für  deren  Fortführung 
daher  besondere  Vorkehrungen  getroffen  werden  müssen.  Sie  haben  aber  den  Vor- 
zug grösserer  Stärke.  An  einer  späteren  Stelle  werden  wir  die  Frage  behandeln, 
in  welchen  Fällen  die  eine  oder  andere  Kombination  den  Vorzug  verdient. 

Das  käufliche  Zink  ist  stets  stark  mit  anderen  Metallen  verunreinigt  und  an 
seiner  Oberfläche  niemals  homogen.  Dadurch  bilden  sich  zwischen  den  einzelnen 
Teilchen  des  Zinkes,   wenn  es  in    die  Säure   eingetaucht   wird,  kleine   galvanisclie 


Fig.  16. 


48  Konstante  Ketten,  Kap.  V. 

Ketten,  welche  zu  einer  schnellen  Zerstörung  des  Zinkes  führen.  Um  dies  zu  ver- 
hindern, amalgamirt  man  das  Zinlc,  d.  h.  man  überzieht  es  an  seiner  Oberfläche 
mit  einer  Schicht  von  Zinkamalgam,  welche  die  Ungieichartigkeiten  zudeckt  und 
überdies  noch  bewirkt,  dass  das  Zink  eine  noch  grössere  positive  Spannung  an- 
nimmt als  in  seinem  gewöhnlichen  Zustande.  Das  Amalgamiren  geschieht  am 
besten,  indem  man  die  Oberfläche  durch  verdünnte  Schwefelsäure  reinigt  und  dann 
eine  Auflösung  von  Quecksilber  in  Königswasser  mittelst  einer  Kratzbürste  auf- 
trägt.*) Nach  dem  Gebrauch  der  Dani  eil' sehen,  Grove' sehen  oder  Bun sen- 
schen Ketten  muss  man  die  Zinkkolbcn  reinigen  und  trocknen,  die  Tonzylinder 
gut  ausspülen  und  unter  Wasser  aufbewahren,  welches  öfters  erneuert  werden 
muss.  Die  Stärke  der  anzuwendenden  Schwefelsäure  ist  am  passendsten  zwischen 
5  bis  höchstens  10  Gewichtsprozenten  des  ersten  Schwefelsäurehydrates  zu  wählen. 
Eine  sehr  störende  Erscheinung  bei  Dani  eil 'sehen  Ketten  ist  die  Zersetzung  des 
in  die  Poren  der  Tonzellen -eingedrungenen  Kupfervitriols,  wodurch  mannichfache 
Uebelstände  entstehen  und  zuletzt  die  Zellen  gesprengt  werden.  Um  es  zu  ver- 
meiden, hat  man  darauf  zu  achten,  dass  die  Zinkzylinder  stets  gut  amalgamirt 
seien,  dass  sie  nirgends  die  Wand  der  Tonzelle  berühren,  und  dass  der  Boden  der 
letzteren,  wo  die  Berührung  unvermeidlich  ist,  undurchgängig  gemacht  wird. 
Letzteres  erreicht  man  nach  F.  Place  am  einfachsten,  indem  man  den  Boden  mit 
geschmolzenem  Wachs  überzieht.  Die  oben  erwähnten  Modifilfationen  der  Dani ell- 
schen  Kette  und  die  Batterien  mit  nur  einer  Flüssigkeit  sind  leichter  zu  be- 
handeln und  deshalb  für  den  praktischen  Gebrauch  vorzuziehen. 

§  28.  Wie  in  der  Kette  selbst,  so  ist  natürlich  auch  im 
Schliessungsbogen  Veranlassung  zur  Polarisation  gegeben,  wenn  der- 
selbe nicht  ganz  und  gar  metallisch  ist,  sondern  aus  einer  Abwechse- 
lung von  Metallen  und  Elektrolyten  besteht.  Dieser  Fall,  welchen 
wir  schon  bei  dem  Knallgasvoltameter  kennen  gelernt  haben,  ist  aber 
bei  der.  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  Physiologie  die  Regel. 
Soll  man  z.  B.  einen  Strom  durch  einen  Nerven  leiten,  so  würde  beim 
Anlegen  zweier  Drähte  an  den  Nerven,  da  der  Nerv  aus  elektroly- 
tischen Substanzen  besteht,  offenbar  eine  Ausscheidung  der  Anionen 
an  dem  einen,  der  Kationen  an  dem  anderen  Drahte  eintreten.  Hier- 
durch würden  jene  Drähte  nicht  nur  polarisirt  werden,  sondern  es 
könnten  überdies  noch  die  ausgeschiedenen  Ionen  irgend  welche  nicht 
beabsichtigte  Einwirkungen  auf  den  Nerven  äussern.  Darum  ist  es 
für  genauere  physiologische  Versuche  von  der  grössten  Wichtigkeit, 
die  Polarisation  ganz  zu  vermeiden.  Man  erreicht  dies  durch  Kom- 
binationen,  welche  geeignet  -sind,  die  ausgeschiedenen  Ionen   sogleich 


*)  Man  bereitet  diese  Auflösung,  indem  man  4  Teile  Quecksilber  in  5  Teilen 
Salpetersäure  und  15  Teilen  Salzsäure  unter  gelindem  Erwärmen  auflöst  und  dann 
noch  20  Teile  Salzsäure  zusetzt. 


§  28.  Unpolarisirbare  Elektroden.  49 

fortzaschaifen.  Solche  Kombinationen  bezeichnet  man  als  n n polar i- 
sirbare  Elektroden. 

Von  allen  den  Kombinationen,  welche  zu  diesem  Behuf  empfohlen 
worden  sind,  erfüllt  nur  eine  nach  den  sorgfältigen  Untersuchungen 
du  Bois-Reymond's  ihren  Zweck  wirklich.  Es  ist  die  von  J.  Reg- 
naul d  empfohlene,  amalgarairtes  Zink  in  einer  Auflösung  von  schwefel- 
saurem Zink.  Setzt  man  zwei  Platten  von  amalgamirtem  Zink 
in  Zinkvitriollösung,  verbindet  sie  mit  den  Polen  einer  Kette,  lässt 
den  Strom  einige  Zeit  hindurchgehen  uud.  verbindet  dann  durch  eine 
geeignete  Vorrichtung  die  Platten  schnell  mit  den  Enden  eines  empfind- 
lichen Multiplikators,  so  erhält  man  keinen  Anssclilag  der  Nadel,  was 
bei  Anwendung  anderer  Metalle  und  anderer  Flüssigkeiten  stets  der 
Fall  ist.  Um  nun  mit  Hilfe  jener  Kombination  einen  Strom  durch 
tierische  Teile,  z.  B.  einen  Nerven,  zu  leiten,  bedient  man  sich  der 
von  du  Bois-Keymond  angegebenen  Vorrichtung,  welche  in  Fig.  17 
dargestellt  ist.  Zwei  Glasröhrclien  sind  unten  durch  Stopfen  von 
plastischem  Ton  geschlossen,  denen  man  leicht  jede  für  den  besonderen 
Fall  bequeme  Form  geben  kann.  Die  so  geschaffenen  kleinen  Ge- 
fässe  füllt  man  mit  concentrirter  Lö- 
sung von  reinem  Zinkvitriol  und  taucht 
in  dieselbe  amalgamirte  Zinkbleche. 
Letztere  sind  oben  an  einem  Messing- 
arme festgeklemmt,  von  welcliem  aus 
Drähte  die  Verbindung  mit  der  Kette 
vermitteln.  Den  Ton  rührt  man  mit 
einer  einprocentigen  Kochsalzlösung  an, 
welche   den  Nerven  nicht  beschädigt.  /.v,/.  n , 

Er  gestattet  der  Zinkvitriollösung  so 

wenig  den  Durchtritt,  dass  man  solche  Elektroden  viele  Stunden  ge- 
brauchen kann,  ohne  dass  der  Nerv  darunter  leidet.  Die  Glasröhr- 
chen sind  an  einem  Stative  so  befestigt,  dass  man  ihnen  leicht  jede 
Lage  geben  kann,  wie  Figur  17  zeigt,  wo  nur  die  eine  der  beiden 
Elektroden  vollständig  dargestellt  ist.  Damit  man  nötigenfalls  die 
Röhrchen  einander  sehr  nahe  aneinander  bringen  kann,  sind  dieselben 
auf  dem  Querschnitt  nicht  rund,  sondern  plattgedrückt. 

Abänderungen  dieser  Vorrichtung,  welche  jedoch  nui-  die  Form, 
nicht  das  Prinzip  betreffen,  sind  von  verschiedenen  Experimentatoren 
angegeben  worden.  Auch  für  die  Anwendung  der  galvanischen  Ströme 
in  der  Elektrotherapie  hat  man  unpolarisirbare  Elektroden  konsirnirt, 
welche  im  zweiten  Teil  Erwähnung  linden  werden. 

KdSiMi  1  Iwi  I    II.    l!<Tnli;ir<ll.    Kli-ktri/,iliilsli-liri'.      III,    Aiill.  a 


50  Innere  Polarisation.  Kap.  V. 

Wie  du  Bois-Reymond  nachgewiesen  hat,  entsteht  auch  an  der 
Berührungsstelle  zweier  ungleichartiger  Elektrolyte  Polarisation.  Diese 
lässt  sich  bei  den  Versuchen  au  tierischen  Gebilden,  welche  in  ihrem 
natürlichen  Zusammenhang  der  Einwirkung  elektrischer  Ströme  aus- 
gesetzt werden  sollen,  nicht  ausschliessen;  eben  so  wenig  die  an  der 
Grenze  des  Tons  und  der  tierischen  Teile.  Sie  ist  aber  im  Vergleich- 
zu  der  Polarisation,  welche  an  metallischen  Elektroden  auftritt, 
sehr  schwach.  Stärker  schon  ist  die  Polarisation,  welche  im  Inneren 
poröser  mit  Elektrolyten  getränkter  Leiter  (zu  welchen  auch  der 
Nerv  gehört)  auftritt.  Um  diese  innere  Polarisation  zu  ver- 
stehen, müssen  Avir  uns  den  porösen  Körper  als  ein  Gerüst  fester 
Teilchen  vorstellen,  zwischen  denen  ein  verzweigtes  Kanalnetz  frei 
bleibt,  welches  von  dem  flüssigen  Leiter  erfüllt  wird.  Der  Strom 
geht  nun  einerseits  durch  das  feste  Gerüst,  andererseits  durch  den 
flüssigen  Leiter,  endlich  drittens  abwechselnd  von  den  festen  Teilen 
zu  den  flüssigen  und  umgekehrt.  Bei  diesem  Uebergange  nun  ent- 
steht an  den  festen  Teilchen  Polarisation,  welche  zwar  an  uud  für 
sich  schwach  ist,  aber  durch  die  häufige  Sumraation  recht  beträcht- 
liche Werte  erreichen  kann. 


Kapitel  VI. 

Von  der  Stromstärke,  dem  Ohm'schen  Gesetz 
und  dem  Widerstände. 


§  29.  Nachdem  wir  uns  jetzt  in  den  Besitz  konstanter  Ketten 
gesetzt  haben,  sind  wir  im  Stande,  genauere  Untersuchungen  über  die 
Wirkung  der  Ströme  zu  machen. 

Die  Wirkung  einer  Kette  hängt  oifenbar,  alles  andere  gleich  ge- 
setzt, ab  von  der  Spannungsdifferenz,  welche  ihre  Pole  im  unge- 
schlossenen Zustande  haben,  da  diese  Differenz  die  Ursache  ist,  welche 
die  Bewegung  der  Elektrizitäten  im  Schliessungsbogen  veranlasst. 
Diese  Spannungsdifferenz  hängt  aber  ab  von  der  Art  der  die  Kette 
zusammensetzenden  Metalle  und  Flüssigkeiten,  und  der  Anzahl  der 
Elemente.  Wir  wollen  sie  die  elektromotorische  Kraft  der 
Kette  nennen. 

Schliessen  wir  nun  die  Kette  durch  einen  Schliessungsbogen,  so 
wird,  wenn  alle  andern  Bedingungen  gleich  sind,  die  durch  den 
Schliessungsbogen  fliessende  Elektrizitätsmenge  um  so  grösser  sein,  je 
grösser  die  elektromotorische  Kraft  ist.  Wir  haben  früher  gesehen, 
dass  die  in  einer  bestimmten  Zeit  durch  einen  Querschnitt  des  Kreises 
strömende  Elektrizitätsmenge  an  jeder  Stelle  des  Kreises  gleich  sein 
rauss,  und  da  wir  von  unseren  jetzigen  Ketten  voraussetzen,  dass  sie 
konstant  sind,  d.  h.,  dass  die  in  Bewegung  gesetzten  Elektrizitäts- 
mengen während  der  Dauer  des  Stroms  unverändert  bleiben,  so  können 
wir  bei  Vergleichung  verschiedener  Ströme  als  Einheit  diejenige 
Elektrizitätsmenge  zu  Grunde  legen,  welche  in  der  Zeitein- 
heit durch  den  Querschnitt  des  Kreises  fliesst.  Wir  wollen 
diese  Elektrizitätsmenge  die  Stärke  oder  die  Intensität  des  Stromes 
nennen  und  fortan  mit  J  bezeichnen.  Diese  Stromstärke  muss  also 
unseren  obigen  Bemerkungen  gemäss  der  elektromotorischen  Kraft  der 
Kette  direkt  proportional  sein: 

J  =  K  .  1^] 

4* 


52  Stromstärlie.  Kap.  VT. 

wo  E   die   elektromotorische  Krait  und  K    eine  Konstante    bedeutet, 
deren  Sinn  uns  gleich  näher  beschäftigen  soll. 

Zur  Messung  der  Strorastärlvo  können  wir  uns  des  Voltameters 
bedienen,  da,  wie  wir  gesehen  haben,  die  in  diesem  ausgeschiedenen 
Knallgasmengen  den  durchgegangenen  Elektrizitätsraengen,  also  der 
Stromstärke  direkt  proportional  sind.  Zwar  wird  durch  die  im  Volta- 
meter  auftretende  Polarisation  der  ursprüngliche  Strom  geschwächt, 
allein  diese  Schwächung  erreicht  sehr  bald  einen  konstanten  Wert 
und  könnte  daher  in  Rechnung  gezogen  werden.  Auch  können  wir 
uns  des  Kupfervoltameters  bedienen,  wo  die  Polarisation  sehr  gering 
ist.  Alle  diese  Instrumente  haben  aber  den  Nachteil,  dass  sie  den 
Wert  der  Stromstärke  erst  nach  längerer  Zeit  angeben,  und  ausser- 
dem werden  die  Wägungen  der  Kupferplatten,  wenn  sie  oft  gemacht 
werden  sollen,  sehr  beschwerlich.  Wir  wollen  uns  daher  nach  einem 
bequemeren  Maass  für  die  Stromstärke  umsehen.  Als  solches  bietet 
sich  uns  die  Ablenkung  der  Magnetnadel  dar. 

§  30.  Wird  eine  Magnetnadel  durch  die  Wirkung  eines  Stromes 
aus  dem  magnetischen  Meridian  abgelenkt,  so  steht  sie  unter  dem 
Einfluss  zweier  Kräfte,  des  Erdmagnetismus,  der  sie  wieder  in  den 
magnetischen  Meridian  zurückzuführen  strebt,  und  des  Stromes,  wel- 
cher sie  senkrecht  darauf  zu  stellen  sucht.  Sei  nun  in  Fig.  18  NS 
die  Richtung  des  magnetischen  Meridians,  ab  die  Grösse  und  Richtung 
der  erdmagnetischen  Kraft  T,  ac  die  Grösse 
und  Richtung  der  auf  den  Meridian  senkrechten 
Kraft  des  Stromes,  dessen  Intensität  =  J  ist, 
ad  die  Richtung,  welche  die  Nadel  unter  dem 
vereinten  Einfluss  beider  annimmt  und  «  und 
ß  die  Winkel,  welche  die  Nadel  mit  den  beiden 
Kräften  macht,  so  sind,  wenn  man  diese  beiden 
Kräfte  zerlegt,  in  solche,  welche  parallel  und 
solche,  die  senkrecht  zur  Nadel  stehen,  die 
letzteren,  welche  allein  zur  Wirkung  kommen 
beziehlich  gleich  T  .  sin  a  und  gleich  J  .  sin  ß.  *) 
Da  nun  die  Nadel  im  Gleichgewicht  ist,  so 
müssen  diese  beiden  Kräfte  gleich  sein.  Man 
^'9-  ^^^-  hat  also 


*)  Ausserdem  kommen  für  die  Ablenkung  noch  in  Betracht  die  Konstanten 
der  Nadel  (ihre  Länge,  magnetisches  Moment  u.  s.  w.)-  Da  diese  aber  für  ein 
gegebenes  Instrument  unveränderlich  sind,  ist  auf  sie  keine  Rücksicht  bei  der 
Rechnnng  genommen  worden. 


§  30,  31.  Messung  der  Stromstärke.    Tangentenbussole.  53 

T  .  sin  «  =  J  .  sin  ß 
und  da  ß  =  R  —  «  also  sin  ß  =  cos  «: 

T  .  sin  a  =  J  .  cos  « 

,  T  rp       sin    «  n^       ■ 

oder  J  =  T  . =  T  .  tane-  a 

cos  « 

d.  h.:  die  Intensität  des  Stromes  ist  gleich  der  Intensität 
des  Erdmagnetismus  mal  der  Tangente  des  Winkels,  um 
welchen  die  Nadel  aus  dem  Meridian  abgelenkt  wird.  Man 
braucht  jedoch  die  Intensität  des  Erdmagnetismus  gar  nicht  zu  kennen. 
Denn  lässt  man  einen  anderen  Strom  von  der  Iiitensität  J,  auf  die 
Nadel  wirken,  und  ist  «i  der  Winkel,  um  welchen  dieser  Strom  die 
Nadel  ablenkt,  so  hat  man 

Jj  =  T  .  tang  «, 
also  J  :  J  j  =  tang  a  :  tang  ot, 

d.  h.:  die  Stromstärken  verhalten  sich  genau  wie  die  Tan- 
genten der  AblenkungSAvinkol.  Man  hat  daher  nur  nötig,  in  den 
Kreis  des  Stromes  gleichzeitig  ein  Voltameter  einzuschalten  und  die 
Kette  so  einzurichten,  dass  genau  in  einer  Minute  ein  Kubikzentimeter 
Knallgas  entwickelt  wird.  Die  Intensität  dieses  Stromes  wollen  wir 
vorläufig  als  Einheit  der  Stromstärke  annehmen.  Ist  also  der  Winkel, 
um  welchen  die  Nadel  von  diesem  Strom  abgelenkt  wird,  gleich  «q, 
so  verhält  sich  die  Intensität  irgend  eines  zu  messenden  Stromes  Jx  zur 
Intensität  1,  wie  die  Tangente  des  'vVinkels,  um  welchen  er  die  Nadel 
ablenkt,  zur  Tangente  von  a^. 

Jx  :  1  =^  tang  «x  :  tang  «,, 
oder         -  j^_tang«x^ 

tang  «u 

Diese  Formel,  wonach  die  Intensität  des  Stromes  den  Tangenten 
der  Ablenkungswinkel  direkt  proportional  ist,  behält  jedoch  nur  so 
lange  ihre  Gültigkeit,  als  die  Wirkung  des  Stromes  durch  die  Ab- 
lenkung selbst  sich  nicht  ändert.  Diese  Bedingung  ist  erfüllt,  wenn 
die  Entfernung  des  Stromes  von  der  Nadel  sehr  gross  gegen  die  Länge 
der  Nadel  ist.  Man  gibt  daher  dem  Instrumente,  welclies  den  Namen 
Tangentenbussole  führt,  die  Einrichtung,  welche  Fig.  19  (s.  folg.  S.) 
darstellt.  Der  Strom  wird  hier  durch  einen  kreisförmig  gebogenen 
Kupferstreifen  geleitet,  in  dessen  Mittelpunkt  eine  im  Verhältniss  zum 
Kreisdurchmesser  kleine  Magnetnadel  angebraclit  ist,  welclie  über  einer 
Teilung  spielt. 

§  31.  So  mit  einem  Mittel  ausgerüstet,  die  Stromstärke  schnell 
und  mit  Schärfe  zu  messen,   wollen  wir   z\x  unserer  Aufgabe   zurück- 


54 


Widersland.    (')hin"s  Gesetz. 


Kap.  VI. 


kehren,  den  Einfluss  verschiedener  Umstände  auf  dieselbe  zu  be- 
stimmen. Wir  schliessen  zunächst  die  Kette  direkt  durch  die  Tan- 
gentenbussolc  und  schalten  dann  der  Reihe  nach  noch  verschiedene 
Leiter   von   verschiedener  Gestalt  und  Substanz  in  den  Schliessungs- 

bogen  ein.  Das  allgemeine  Ergebniss 
dieser  Versuche  ist,  dass  die  Stromstärke 
hierdurch  stets  vermindert  wird.  Wir 
schliessen  daraus,  dass  die  Leiter  der 
Bewegung  der  Elektrizität  in  ihrer  Sub- 
stanz einen  gewissen  Widerstand  ent- 
gegensetzen, in  Folge  dessen  in  einer  be- 
stimmten Zeit  um  so  weniger  Elektrizität 
durch  den  Querschnitt  strömt,  je  grösser 
dieser  Widerstand  ist.  Bezeichnen  wir 
daher  den  Widerstand  eines  Kreises  mit  W, 
so  wird  die  Stromstärke  ausgedrückt 
werden  durch  die  Formel 


Fiy.  19. 


d.  h.:  die  Stromstärke  ist  direkt  jjroportional  der  elek- 
tromotorischen Kraft  und  umgekehrt  proportional  dem 
Widerstände  des  Kreises.  Dies  wichtige  Gesetz,  welches  die  Grund- 
lage der  ganzen  Theorie  der  elektrischen  Ströme  ist,  führt  nach  seinem 
Entdecker  den  Namen  des  Ohm 'sehen  Gesetzes. 

§■32.  Da  alle  Leiter  ohne  Unterschied  dem  elektrischen  Strom 
einen  Widerstand  bieten,  so  ist  klar,  dass  der  Ausdruck  W  in  unserer 
Formel  keine  andere  Bedeutung  haben  kann,  als  den  der  Summe 
aller  Widerstände  im  Kreise  der  geschlossenen  Kette.  Denn  nehmen 
wir  an,  wie  es  in  der  Tat  der  Fall  ist,  der  Widerstand  wäre  nicht 
in  allen  Teilen  des  Kreises  gleich,  sondern  in  der  Kette  ein  anderer 
als  in  der  Tangentenbussole,  und  in  dieser  wieder  ein  anderer  als  in 
den  sonst  noch  in  den  Schliessungsbogen  eingeschalteten  Leitern,  so 
wird  doch  der  Widerstand  eines  jeden  Teils  je  nach  seiner  Grösse 
verzögernd  auf  die  Bewegung  der  Elektrizität  in  allen  Teilen  des 
Kreises  einwirken,  da  in  derselben  Zeit  die  gleichen  Elektrizitätsmengen 
in  allen  Teilen  des  Kreises  sich  bewegen  müssen.  Um  daher  den 
Einfluss  richtig  aufzulassen,  welchen  die  Einschaltung  von  Leitern  mit 
verschiedenen  Widerständen  auf  die  Stromstärke  hat,  muss  man  fest- 
halten, dass  ein  Teil  des  Widerstandes,  nämlich  der  der  Kette  und  (in 
den  hier  besprochenen  Versuchen)  der  Tangentenbussole,  stets  derselbe 


§  32,  33.  Bestimmung  des  Widerstandes.  55 

bleibt.  Bezeiclincn  wir  den  unvci'äiicleriicheii  Widerstanrl  mit  W,  da- 
gegen den  Widerstand  irgend  eines  anderen  Leiters  mit  w,  so  haben 
wir  also,  wenn  Kette  und  Bussole  für  sich  zum  Kreise  geschlossen 
sind,  für  die  Stromstärke  den  Ausdruck 

Wird  dagegen  der  andere  Leiter  noch  dazu  eingeschaltet,  so  ist  die 
Stromstärke 

^«  —  w  4-  w 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  ergibt  sich: 
W  =  ^  und  W  4-  w  =  |- 

E        E         ,.  Jo  — Ji 
also  w  = =  Ji  — — -- 

Schalten  wir  jetzt  einen  anderen  Leiter  ein,  dessen  Widerstand  wir 
TO  nennen  wollen,  so  ergibt  sich  ganz  auf  dieselbe  Weise,  wenn  3 2 
die  Intensität  bei  Einschaltung  des  neuen  Leiters  ist, 


E 

E       -p   Jo  —  J2 
J  ""       "J      J 

Es  ist  mithin 

w        Jo  — Ji 

"0  •  J2           ^n         Ji 

Jo 

tu         Jü  •  Ji 

"Jq          ^2           "^Ü          "^2 

■    J. 

Man  sieht  hieraus,   dass  man  durch  drei  Beobachtungen  das  Verhält- 
niss  der  Widerstände  zweier  Leiter  genau  bestimmen  kann*). 

§  33.  Vergleichen  wir  nun  auf  diese  Weise  die  Widerstände  ver- 
schiedener Leiter  mit  einander,  so  kommen  wir  zu  dem  Resultat, 
dass  diese  abhängen  von  der  Gestalt  und  der  Substanz  der  Leiter. 

Was  zunächst  die  Gestalt  betrifft,  so  wollen  wir  uns  der  Ein- 
fachheit wegen  denken,  die  Leiter  hätten  sämtlich  eine  zylindrische 
oder  prismatische  Gestalt.  Es  zeigt  sich  dann,  dass  der  Widerstand 
direkt  proportional  ist  der  Länge  und  umgekehrt  propor- 
tional dem  Querschnitt  des  Leiters. 

W=- 
Q 

wo  L  die  Länge  und  Q  den  Querschnitt  des  Leiters  bedeutet. 


*)  Genauere  Methoden  zur  Bestimmung  der   Widerstände   werden  wir  später 
(§  44)  kennen  lernen, 


56  Spezifischer  Wirlersiand.  Kap.  VI. 

Der  Einfluss  der  Substanz  lä«si  sich  nicht,  in  so  allgemeinen 
Regeln  ausdrücken.  Im  Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  unter 
allen  Substanzen  die  Metalle  den  geringsten  Widerstand  besitzen. 
Die  Flüssigkeiten  bieten  bei  gleichen  Dimensionen  einen  vielmals 
grösseren  Widerstand.  Vergleicht  man  Leiter  von  denselben  Dimen- 
sionen, aber  von  verschiedener  Substanz  mit  einander,  so  bekommt 
man  Zahlen,  welche  den  spezifischen  Widerstand  der  Substanz 
ausdrücken,  wobei  man  den  Widerstand  irgend  einer  bestimmten  Sub- 
stanz, etwa  des  Quecksilbers,  zu  Grunde  legt.  Je  grösser  der  spezi- 
fische Widerstand  einer  Substanz  ist.  desto  schlechter  leitet  sie  die 
Elektrizität,  desto  geringer  ist  ihr  Leitungsvermögen.  Das  Lei- 
tungsvermögen ist  also  stets  der  reziproke  Wert  des  Widerstandes. 

§  34,  Die  Wahl  dieser  Vergleichssubstanz,  deren  spezifischen 
Widerstand  man  den  Angaben  zu  Grunde  legt,  ist  natürlich  ganz  un- 
beschränkt. So  haben  einige  das  Kupfer  gewählt,  weil  es  das  am 
meisten  zu  elektrischen  Leitungen  gebrauchte  Metall  ist,  andre  das 
Silber,  weil  es  am  besten  leitet.  Aber  alle  diese  Angaben  sind  un- 
sicher, weil  geringe  Verunreinigungen  der  Metalle,  der  Zustand  ihrer 
Härte,  die  Temperatur  und  andre  Umstände  grossen  Einfluss  auf  das 
Leitungsvermögen  haben.  Am  meisten  eignet  sich  deshalb  das  Queck- 
silber als  Normalsubstanz  für  das  Leitungsvermögen  gewählt  zu  wer- 
den, weil  es  durch  sorgfältige  Destillation  in  einen  Zustand  hoher 
Reinheit  gebracht  werden  kann.  AVir  werden  daher  in  der  Regel  den 
spezifischen  Widerstand  oder  das  spezifische  Leitungsvermögen  der 
Substanzen  im  Vergleich  zum  Quecksilber  angeben,  und  nur  da  Aus- 
nahmen von  dieser  Regel  machen,  wo  Gründe  der  Bequemlichkeit  oder 
andrer  Art  dazu  veranlassen. 

Diese  Zahlenangaben  nun  sind  aber,  wie  aus  dem  oben  Gesagten 
hervorgeht,  immer  nur  relative,  vergleichende.  Wenn  wir  daher  sagen, 
das  spezifische  Leitungsvermögen  des  Silbers  (auf  Quecksilber  bezogen) 
sei  50,  so  bedeutet  dies,  dass  ein  Silberdraht  von  bestimmter  Länge 
und  Dicke  50  mal  besser  leitet  als  ein  ebenso  langer  und  ebenso  dicker 
Quecksilberfaden.  Dasselbe  können  wir  auch  so  ausdrücken,  dass  wir 
sagen,  der  spezifische  Widerstand  des  Silbers  (auf  Quecksilber  bezogen) 
sei  ^äo  oder  0,02,  was  offenbar  bedeutet,  dass  ein  Silberdraht  von 
bestimmter  Länge  und  Dicke  nur  den  fünfzigsten  Teil  des  Widerstands 
bietet  wie  ein  Quecksilberfaden  von  gleicher  Länge  und  gleicher  Dicke. 
Ferner  ist  klar,  dass,  wenn  wir  einen  Quecksilberfaden  von  gegebner 
Länge   und  Dicke  ersetzen   wollen  durch   einen  Silberdraht,   welcher 


§  34.  Elektrische  Masseiiibeiten.  57 

denselben  Widerstand  bieten  soll,  letzterer  bei  gleicher  Dicke  50 mal 
so  lang  sein,  oder  bei  gleicher  Länge  nur  Voo  des  Querschnitts  haben 
müsste. 

Wenn  wir  aber  einen  bestimmten  Leiter  vor  uns  haben,  z.  B. 
einen  auf  einer  Rolle  aufgewickelten  Kupferdraht,  so  könnten  wir, 
Avenn  die  Länge  und  der  Querschnitt  des  Drahts  und  der  spezifische 
Widerstand  der  Kupfersorte,  aus  welcher  der  Draht  gefertigt  ist,  be- 
kannt Avären,  leicht  berechnen,  wie  lang  und  dick  eine  Queksilber- 
säule  sein  müsste,  die  denselben  Widerstand  hat.  Wählen  wir  diese 
Quecksilbersäule  von  dem  Querschnitt  I  Qu.-mm.,  so  gibt  uns  die  Länge 
der  Säule  sofort  eine  bestimmte  Vorstellung  von  dem  Widerstände  der 
Drahtrolle. 

Indem  wir  nun  alle  Widerstände,  die  Avir  bestimmen  wollen,  der- 
art mit  dem  AViderstand  einer  Quecksilbersäule  von  1  Qu.-mm.  Quer- 
schnitt vergleichen,  gelangen  wir  auch  leicht  zu  einer  bequemen  Ein- 
heit für  den  Widerstand,  welche  für  diesen  Begriff  dieselbe  Bedeutung 
hat,  wie  etwa  das  Meter  für  den  Begriff  der  Länge  oder  das  Gramm 
für  den  Begriff  des  Gewichts.  Als  solche  Einheit  des  Wider- 
stands hatte  Siemens  vorgeschlagen  den  Widerstand  einer  Queck- 
silbersäule von  1  Qu.-mm.  Querschnitt  und  1  Meter  Länge  bei  0". 
Diese  für  die  Praxis  sehr  bequeme  Einheit  wurde  von  vielen  Gelehrten 
und  Praktikern  angenommen  und  mit  den  Buchstaben  S.E.  (Siemens- 
Einheit)  bezeichnet.  In  England  war  jedoch  eine  andre  Einheit  in 
Aufnahme  gekommen,  welche  sich  auf  gewisse  Untersuchungen  Wilhelm 
Weber 's  stützte,  die  wir  hier  nicht  weiter  auseinandersetzen  wollen,  und 
einen  etwas  abweichenden  Wert  hatte.  Der  internationale  elektrische 
Kongress  von  1881  hat  nun  festgestellt,  dass  diese  letztere  Einheit 
allgemein  angenommen  werden,  aber  auf  die  Siemens'sche  Weise 
durch  Quecksilber  ausgedrückt  Averden  solle.  Diese  letztere  Einheit, 
Avelcher  man  den  Namen  Ohm  gegeben  hat,  ist  etwas  grösser  als  die 
S.E.,  so  dass  ein  Ohm  den  Widerstand  einer  Quecksilbersäule 
von  1  Qu.-mm.  Querschnitt  und  nahezu  lOG  Cm.  Länge  bei  0^ 
bedeutet.     (Nach  der  neuesten  Bestimmung  von  Siemens). 

Ebenso  wie  für  den  Widerstand  hat  man  auch  für  die  elek- 
tromotorische Kraft  eine  Einheit  festgesetzt  und  ihr  den  Namen 
Volt  beigelegt.  Diese  Einheit  ^velche  gleichfalls  auf  den  Unter- 
suchungen AV  ob  er 's  beruht)  ist  nahezu  gleich  •'.  i,,  von  der  eines  guten, 
mit  reinen  Elüssigkeiten  zusammengestellten  DanielLschen  Elements. 
Der  Unterschied  ist  in  der  Tat  so  gering,  dass  er  innerhalb  der 
Grenzeil  der  \'ersuchsfehler  fällt.    Genauer  ist  1  Daniell  =  1,124  Volt. 


58  Widerstand  der  Metalle.  Kap.  VI. 

Aus  der  Korabination  der  Widorstandsoinheit  mit  der  Einlieit  der 
elektromotorischen  Kraft  ergibt  sich  mm  sogleich  die  Einheit  der 
Stromstärke,  nämlich  die  Stärke  des  Stroms,  welchen  die  elek- 
tromotorische Kraft  1  Volt  in  einem  Stromkreise  vom  Wider- 
stand 1    Ohm  hervorbringt.     Man   bezeichnet   diese  Einheit   mit 

dem  Namen  Ampere.     Ein  Ampere  ist  also  =  -— ^^^ — . 

1  ühm 

Ein  Strom  von  dieser  Stärke  zerlegt  in  einer  Sekunde  0,0937  Mg. 

Wasser  und  entwickelt  in  einer  Minute  10,54  Gern.  Knallgas. 

§  35.  Die  folgende  Tabelle  enthält  numerische  Angaben  über 
das  spezifische  Leitungsvermögen  der  wichtigsten  Metalle  in  runden 
Zahlen,  wobei  das  Leitungsvermögen  des  reinen  Quecksilbers  =  1 
angesetzt  ist. 

Quecksilber    ....       1 

Neusilber 4 

Platin 5 

Eisen 7,5 

Messing 12,5 

Zink 13,5 

Gold 27,5 

Kupfer 40 

Silber 50 

Diese  Zahlen  zeigen,  wie  gross  die  Unterschiede  bei  den  Metallen 
sind.  Das  Quecksilber  leitet  50  mal  schlechter  (hat  einen  50  mal 
grösseren  Widerstand)  als  das  Silber,  d.  h. ,  wenn  man  in  den  Kreis 
einer  Kette  eine  Tangentenbussole  und  einen  Silberdraht  von  bestimmten 
Dimensionen,  z.  B.  von  100  Meter  Länge  und  1  Qu.-mm.  Querschnitt 
aufnimmt,  und  die  Magnetnadel  wird  um  einen  Winkel  «  abgelenkt, 
ersetzt  dann  den  Silberdraht  durch  eine  Quecksilbersäule  von  eben- 
falls 1  Qu.-mm.  Querschnitt,  so  darf  diese  Säule  nur  2  Meter  lang 
sein,  damit  die  Magnetnadel  wieder  um  den  Winkel  a  abgelenkt  werde. 
Der  Widerstand  der  Flüssigkeiten  ist  sehr  viel  mal  grösser  als 
der  der  Metalle.  Setzt  man  das  Leitungsvermögen  des  Quecksilbers 
gleich  1,000,000,  so  sind  die  Leitungsvermögen  von: 

Konzentrirte  Lösung  von  schwefelsaurem  Kupfer  .     .     .       2,75 

Konzentrirte  Kochsalzlösung 15,75 

Konzentrirte  Lösung  von  schwefelsaurem  Zink      ...       2,9 

Käufliche  Salpetersäure 47,9 

220  Com.  Wasser  mit  20  Gem.  Schwefelsäurehydrat     .     44,35 


§  35.  \Yiderstand  der  Flüssigkeiten.  59 

Wie  man  sieht,  ist  der  Widerstand  der  Salpetersäure,  welche  am 
besten  leitet,  immer  noch  mehr  als  200000 mal  grösser  als  der  des 
Quecksilbers.  Interessant  ist,  dass  ein  Gemenge  von  Schwefelsäure 
und  Wasser  bei  einem  gewissen  Verhältniss  der  Mischung  ein  Minimum 
des  Widerstandes  hat.  Es  ist  nämlich,  wenn  man  den  Widerstand  des 
Quecksilbers  gleich  1  setzt,  der  Widerstand  nach  Paalzow  bei 

HSO,     .     .     .     .  =    96950 

HSO4  +    14H,0=    14157 

HSO,  +    13H20=    13310 

HSO,  +489H,0  =  184773 
Bei  10^0  Schwefelsäure  leitet  das  Gemenge  noch  einmal  so  schlecht 
als   bei  45%.     Dennoch  ist  es  nicht  geraten,   bei  den  galvanischen 
Elementen  eine  stärkere  Konzentration  als  10", 'q  anzuwenden,  da  sonst 
das  Zink  zu  sehr  angegriffen  wird. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  zeigen  sich  bei  der  Lösung  einiger 
Salze,  z.  B.  des  schwefelsauren  Zink.  Die  reine  Schwefelsäure  und 
das  reine  Wasser  leiten  fast  gar  nicht.  Verdünnte  Salzlösungen 
leiten  ausserordentlich  schlecht,  ebenso  alle  tierischen  und  pflanzlichen 
Stoffe.  Näheres  über  diese  wird  an  einer  späteren  Stelle  mitgeteilt 
werden. 

Bei  physiologischen  Versuchen  und  in  der  ElektrotheraiDie  kommt  es  häufig 
vor,  dass  man  sehr  grosse  Widerstände  in  den  Kreis  der  Kette  einschalten  muss. 
Man  hedient  sich  dann  mit  Vorteil  der  flüssigen  Leiter,  welche  man  in  Röhren 
eingeschlossen  auf  passende  Weise  in  den  Kreis  bringt.  Je  nach  der  Grösse  des 
gebrauchten  Widerstandes  nimmt  man  dazu  Salzlösungen  oder  verdünnte  Schwefel- 
säure oder  Wasser,  welchem  man,  wenn  es  noch  schlechter  leiten  soll,  Alkohol  zu- 
setzt. In  allen  diesen  Fällen  ist  jedoch  auf  die  Polarisation  Rücksicht  zu  nehmen. 
Um  sie  zu  vermeiden,  wendet  man  am  besten  Lösungen  von  Zinkvitriol  an,  und 
bewirkt  die  Zu-  und  Ableitung  durch  amalgamirtes  Zink.  Wegen  der  Wichtigkeit 
dieser  Flüssigkeit  für  physiologische  Versuche  sollen  daher  noch  die  Bestimmungen 
von  Beetz  hier  Platz  finden.  Nach  diesem  ist  bei  14,4"  C.  die  Leitungsfähigkeit 
von  Zinkvitriollösung,  die  des  Quecksilbers  gleich  1  gesetzt,  bei  einem  Gehalt  von 
49,7  Grm.  ZnSO,  auf  100  Grm.  Wasser  =  0,000003133 
24,3      „  „         „      „        „  .,       =  0,000003905 

14,0      „  .,         „       „        ,.  „       =0,000003047: 

auch  hier  zeigt  sich  die  beste  Leitung  bei  dem  mittleren  Salzgehalt. 

Der  Widerstand  der  Metalle  sowohl,  als  der  übrigen  Leiter  ändert 
sich  mit  der  Temperatur;  aber  während  der  Widerstand  der  Metalle 
mit  Temperaturerhöhung  zunimmt,  wird  das  Leitungsvermögen  der 
Elektrolyte  durch  Temperaturerhöhung  verbessert.  Auf  diese  Aende- 
rung  ist  bei  Widerstandsmessungen  Rücksicht  zu  nehmen,  besonders 
da  die  Temperatur  der  Metalldrähte,  welche  den  Strom  leiten,  durch 


60  Rheostat.    Rlieocliord.  Kap.  VI. 

diesen  selbst,  erhöhti  wird.  Von  der  Verbesserung  des  Leitungsver- 
mögens der  Elektrolyte  durch  Temperaturerhöhung  macht  man  mit 
Vorteil  Gebrauch  in  physiologischen  und  elektrotherapeutischen  Fällen, 
indem  man  die  Epidermis,  um  ihren  Widerstand  zu  verkleinern,  mit 
warmen  Salzlösungen  durchtrcänkt.  Hiervon  wird  an  einer  späteren 
Stelle  mehr  die  Rede  sein. 

§  36.  Um  verschiedene  Widerstände  mit  einander  zu  vergleichen 
und  je  nach  Bedüi'fniss  mehr  oder  minder  grosse  Widerstände  in  den 
Kreis  einschalten  zu  können,  hat  man  verschiedene  Apparate  ange- 
geben, welche  den  Namen  Rheostaten  führen.  Der  Rheostat  von 
Wheatstone  besteht  aus  zwei  dicht  nebeneinander  liegenden  Zylindern 
von  ganz  gleichen  Dimensionen,  welche  mittelst  einer  Kurbel  gleich- 
zeitig in  gleicher  Richtung  und  mit  gleicher  Geschwindigkeit  gedreht 
werden  können.  Der  eine  dieser  Zylinder  ist  aus  liartem  Holz,  Ser- 
pentin oder  sonst  einer  gut  isolirenden  Masse  gefertigt  und  mit  einem 
feinen  Schraubengang  versehen,  der  andere  ist  von  Messing.  Ein 
langer  feiner  Platin-  oder  Neusilberdraht  ist  an  dem  einen  Ende  des 
isolirenden  Zylinders  an  einem  dort  befestigten  Messingring  festge- 
schraubt, auf  welchem  eine  Feder  schleift,  das  andere  Ende  ist,  nach- 
dem man  den  Draht  durch  Drehung  des  Zylinders  fest  in  die  Schrauben- 
gänge eingelegt  hat,  an  dem  Messingzylinder  befestigt,  auf  welchem 
ebenfalls  eine  Feder  schleift.  Verbindet  man  die  beiden  Federn  mit 
den  Polen  der  Kette,  so  muss  der  Strom  durch  die  ganze  Länge  des 
feinen  Drahtes  gehen,  um  dann  in  den  Messingzylinder  und  von  diesem 
zur  Kette  zurück  zu  kehren.  Dreht  man  aber  jetzt  die  beiden  Zylinder, 
so  wickelt  sich  ein  Teil  des  Drahtes  von  dem  Holzzylinder  ab  und 
auf  dem  Messingzylinder  auf.  Es  wird  also  jetzt  der  Strom  schon 
nach  Durchlaufung  einer  geringeren  Drahtlänge  zu  dem  Messing- 
zylinder und  von  diesem  weiter  gehen,  wird  also  einen  geringeren 
Widerstand  zu  überwinden  haben. 

Handelt  es  sich  nur  um  kleine  Widerstände,  welche  aber  genauer 
abgestuft  w^erden  sollen,  so  kann  man  sich  des  in  Fig.  20  (s.  f.  S.) 
abgebildeten  Apparates  bedienen,  welcher  den  Namen  Rheochord 
führt,  weil  hier  die  den  Strom  leitenden  Drähte  wie  Saiten  ausge- 
spannt sind.  Die  beiden  gerad  ausgespannten  Drähte  a  und  b  sind 
an  ihren  Enden  in  Messingklötzen  festgeschraubt  und  durchbohren  den 
Messingklütz  K,  welcher  sich  selbst  parallel  auf  der  Unterlage  hin 
und  her  geschoben  werden  kann.  Auf  der  Teilung  hi  kann  man  ab- 
lesen, wie  lang  die  in  den  Kreis  eingeschalteten  Drahtteile  sind. 


§  36,  37.  Wesentlicher  und  ausserwesentlicher  Widerstand.  61 

Um  sehr  grosse  Widerstände  in  einen  Kreis  einzuschalten,  bedient 
man  sich  mit  Vorteil  übersponnener  Neusilberdrähte  von  grosser  Länge 
und  sehr  geringem  Durchmesser,  welche  man  auf  Rollen  aufwickelt. 
Man    stellt  meist   mehre    solcher  Rollen    in    einem   Kasten    auf   und 


Fig.  20. 

richtet  sie  so  ein,  dass  man  auf  bequeme  Weise  den  Strom  durch 
eine  oder  mehre  dieser  Rollen  leiten  kann,  deren  Widerstand  in 
passender  Weise  abgestuft  ist.  In  dieser  Weise  sind  die  Rheostaten 
eingerichtet,  welche  Siemens  und  Halske  in  ihrer  Anstalt  fertigen 
lassen,  und  welche  in  den  physiologischen  Laboratorien  und  in  der 
Elektrotherapie  Anwendung  finden.  Die  zu  Grunde  gelegte  Einheit 
ist  die  von  Siemens  eingeführte,  sie  umfassen  meist  einen  Widerstand 
von  1  bis  zu  10000  Siemens' sehen  Einheiten. 

§  37.  Bei  dem  ungeheuren  Unterschied  in  der  Leitungsfähigkeit 
der  Metalle,  und  der  Elektrolyte  ist  schon  von  vornherein  anzanehmen, 
dass  der  Widerstand  der  galvanischen  Kette  nicht  gering  sein  kann, 
da  sie  ja  flüssige  Leiter  enthalten.  Dies  ist  auch  in  der  Tat  so,  und 
der  Widerstand  der  Ketten  darf  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden, 
wenn  man  die  Wirksamkeit  der  Elemente  bestimmen  will.  Der 
Widerstand  einer  Kette  hängt  ab  von  der  Natur  der  sie  zusammen- 
setzenden Flüssigkeiten  und  ihren  Dimensionen.  So  hat  z.  ß.  ein 
Grove'sches  Element  nur  etwa  die  Hälfte  des  Widerstandes  von  einem 
Daniel!" sehen  gleicher  Grösse,  weil  die  Salpetersäure  so  sehr  viel 
besser  leitet,  als  die  Lösung  des  schwefelsauren  Kapferoxyds.  Will 
man  nun  die  Wirksamkeit  einer  Kette  richtig  beurteilen,  so  muss 
man  unterscheiden  zwischen  dem  Widerstände  der  Kette  selbst  und 
dem  Widerstände  des  Schliessungsbogens.  Da  der  erstere  bei  einer 
gegebenen  Kette  unveränderlich  ist,  so  nennt  man  ihn  den  wesent- 
lichen Widerstand,  den  Widerstand  des  Schliessungsbogens  aber,  wel- 
cher wechseln  kann,  den  ausserwcsentlicheu.  Ist  der  ausserwesent- 
iiche  Widerstand  sehr  klein  im  Verhältniss  zum  wesentlichen,  ein  Yer- 
hältniss,   welches  z.  B.  eintritt,   wenn  der  Schliessungsbogen  mir  aus 


62  Wesentlicher  und  ausserwesentlicher  Widerstanfl.  Kap.  VI. 

kurzen  dicken  Drähten  und  der  Tangentenbussole  besteht,  so  wird  die 
Stromstärke  fast  nur  von  dem  Widerstand  und  der  elektromotorischen 
Kraft  der  Kette  abhängen.  Nennen  wir  den  Widerstand  eines  Danieli- 
schen Elementes  W,  den  des  Schliessungsbogens  w,  die  elektromoto- 
rische Kraft  des  Elementes  E,  so  ist  die  Stromstärke 

-^  —  w  H-  w 

wo  nach  unserer  Annahme  w  sehr  klein  im  Verhältniss  zu  W  ist. 
Nehmen  wir  nun  statt  des  einen  Elementes  eine  zusammengesetzte 
Kette  von  2  Elementen,  so  wird  diese  Kette  die  doppelte  elektromo- 
torische Kraft,  aber  auch  den  doppelten  Widerstand  haben.  Die  Strom- 
stärke wird  also  sein 

_       2_E_^ 
'  ~~  2W"+ w 
Nun  können  wir  aber,  ohne  einen  merklichen  Fehler  zu  begehen,  setzen 

2W-|-w  =  2(W-]-w) 
Also  auch 

2E E 

^'  —  2(W-f^"~  W-f  w 
mithin  ist  J^  =  J 

d.  h.  also  die  Stromstärke  ist  bei  Anwendung  zweier  Elemente  nicht 
merklich  grösser,  als  bei  Anwendung  eines  einzigen,  und  dasselbe 
würde  auch  bei  der  Anwendung  von  3  und  mehr  Elementen  der  Fall  sein. 
Nun  wollen  wir  aber  mit  demselben  Schliessungsbogen  ein  Ele- 
ment verbinden,  in  welchem  der  Zink-  und  der  Kupferzylinder  die 
doppelte  Oberfläche  haben.  Hier  wird  die  vom  Zink  durch  die  Flüssig- 
keiten zum  Kupfer  strömende  Elektrizität  offenbar  nur  den  halben 
W^iderstand  zu  überwinden  haben,  da  der  Querschnitt  der  Strombahn 
der  doppelte  ist.     Die  Stromstärke  muss  also  sein 

E 


J.,  = 


W    , 


W 
wofür  wir,  da  w  sehr  klein  ist,  also  ^  +  ^^  sich  äusserst  wenig  unter- 

W  -I-  w 
scheidet  von  — ^ ,  setzen  können 

z 

E 
W  -j-  w 
d.  h.  durch  Verdoppelung  der  Grösse  des  Elementes  wird  die  Strom- 
stärke verdoppelt. 


§  37,  38.  Wesentlicher  und  ausserwesentlicher  Widerstand.  63 

Ganz  das  Gegenteil  findet  statt,  wenn  wir  annehmen,  es  sei  im 
Schliessungsbogen  ein  so  beträchtlicher  Widerstand  eingeschaltet,  dass 
der  Widerstand  der  Rette  dagegen  als  sehr  klein  angeselien  werden 
kann.     Wir  haben  dann  bei  Anwendung  eines  Elementes 

-"  —  W  +  w 
Bei  Anwendung  zweier  Elemente 

_       2E 


2W  4-  w 

und  da  W  sehr  klein  ist  gegen  w,  so  können  wir  dafür  setzen 

2E 

T     — .  O  T 

^       W  -f-  w 
d.  h.  die  Stromstärke  ist  durch  Hinzufügen  des  zweiten  Elementes  auf 
das  doppelte  gestiegen.    Dagegen  würde  es  in  diesem  Falle  gar  nichts 
nützen,  wenn  wir  ein  grösseres  Element  anwendeten.     Denn  bei  An- 
wendung des  Elementes  von  doppeltem  Querschnitt  wäre  wieder 

was,  da  W  sehr  klein  gegen  w,  fast  gar  nicht  von  dem  Wert 

J-— ^— 

-"  —  W  +  w 

unterschieden  wäre. 

Aus  diesen  Betrachtungen  folgt  die  für  die  praktische  Anwendung 
wichtige  Regel:  Ist  der  ausserwesentliche  Widerstand  sehr 
klein,  so  hat  man  sich  weniger  aber  möglichst  grosser  Ele- 
mente zu  bedienen,  ist  der  ausserwesentliche  Widerstand 
aber  gross,  so  hat  man  mehr  Elemente  zu  nehmen,  welche 
dann  von  geringeren  Dimensionen  sein  können. 

§  38.  Da  Elemente  von  sehr  grossen  Dimensionen  unbequem 
wären,  so  kann  man  eine  Anzahl  kleinerer  Elemente  dadurch  zu  einem 
von  grösserem  Querschnitt,  also  geringerem  Widerstand  kombiniren, 
dass  man  alle  positiven  und  alle  negativen  Pole  in  je  einen  Draht 
zusammenlaufen  lässt,  und  zwischen  diesen  dann  den  Schliessungsbogen 
einschaltet.  Man  bezeichnet  dies  als  Verbindung  von  Elementen  neben 
einander,  zum  Unterschied  von  der  Verbindung  hinter  einander, 
wo  der  positive  Pol  des  ersten,  mit  dem  negativen  Pol  des  zweiten 
u,  s.  f  verbunden  werden.  Je  nach  dem  Widerstand  des  Schliessungs- 
bogens  wird  man   zu   beurteilen   haben,    wie   viele  Elemente   man   zu 


64  Kombination  der  Elemente.  Kap.  VT. 

einem  zusamiiienknppelt.  Hat  man  z.B.  vier  DanieH'sehe  Elemente 
zur  \'erfiigimg ,  deren  jedes  die  elektromotorische  Kraft  E  und  den 
Widerstand  W  hat,  so  sind  folgende  Kombinationen  möglich: 

1)  Man  verbindet  sämmtliche  Kupferzylinder  unter  sich,  und 
ebenso  sämmtliche  Zinkzylinder:  man  hat  dann  vier  Elemente 
neben  einander  oder  ein  Element  mit  der  elektromotorischen 
Kraft  E  und  dem  Widerstand   \'^  W. 

2)  Man  verbindet  je  zwei  Kupfer-  und  je  zwei  Zinkzylinder 
unter  sich,  und  dann  das  erste  Kupferpaar  mit  dem  zweiten 
Zinkpaar:  man  hat  eine  Kette  von  zwei  Elementen  hinter 
einander,  von  denen  jedes  aus  zwei  neben  einander  ver- 
bundenen besteht;  die  elektromotorische  Kraft  ist  =  2E,  der 

'    Widerstand  =  '..W  +  '/,_W  =  W. 

3)  Man  verbindet  alle  vier  Elemente  hinter  einander;  die 
elektromotorische  Kraft  ist  =  4E,  der  Widerstand  =  4W. 

Sind  noch  mehr  Elemente  gegeben,  so  sind  die  möglichen  Kombinationen 
natürlich  noch  mannichfaltiger, 

Nach  denselben  Prinzipien  Jiat  man  auch  zu  beurteilen,  welche 
Ketten  am  zweckmässigsten  zu  verwenden  sind.  Ist  der  ausserwesent- 
liche  Widerstand  sehr  klein,  so  geben  die  Grove 'sehen  Elemente 
stets  stärkere  Ströme,  da  sie  sowohl  grössere  elektromotorische  Kraft 
als  auch  geringeren  Widerstand  haben  als  die  Daniell'schen.  Ist 
aber  der  ausserwesentliche  Widerstand  sehr  gross,  so  werden  zwei 
Daniell's  etwa  dasselbe  leisten,  wie  ein  Grove  von  denselben  Dimen- 
sionen, da  die  elektromotorische  Kraft  eines  Grove  etwa  die  doppelte 
ist,  wie  die  eines  Daniell,  und  es  auf  den  Widerstand  der  Kette 
dann  gar  nicht  ankommt.  Dieser  Fall  ist  bei  der  physiologischen 
und  therapeutischen  Anwendung  der  Ketten  das  häufigste,  da  die 
tierischen  Gewebe  so  beträchtliche  Widerstände  bieten.  Hier  wendet 
man  daher  meist  DanielTsche  Elemente  an,  welche  in  der  An- 
schaifung  und  im  Betriebe  billiger  sind,  und  nicht  die  so  sehr  lästigen 
Dämpfe  aushauchen.  Die  oben  besprochene  von  Siemens  und  Halske 
angegebene  Modifikation  der  DanieU'schen  Kette  hat  gleichfalls  einen 
sehr  grossen  Widerstand,  ebenso  die  Zink -Silberkette  von  Warren 
de  la  Rue.  Alle  diese  sind  daher  für  die  elektrotherapeutische  und 
die  physiologische  Anwendung  brauchbar.  Dagegen  ist  der  Wider- 
stand der  Grenefschen  Kette  ein  sehr  geringer  und  sie  steht  daher 
in  einer  Linie  mit  der  Grove'sclien  oder  Bunsen" sehen  Kette,  d.  h. 
ihre  Anwendung  wird  nur  dort  vorteilhaft  sein,  wo  der  Widerstand 
im  Schliessungsbogen  ein  geringer  ist.     Braucht  man  aber  sehr  starke 


§  38,  39. 


Leitunsrsdrähte  und  Klemmen. 


G5 


Ströme,  so  würde  eine  sehr  grosse  Anzahl  Danieirscher  Elemente 
nötig  sein,  deren  Handhabung  sehr  unbequem  wäre.  Man  bedient 
sich  dann  mit  Vorteil  Grove' scher  Elemente,  welche  aber,  wenn  es 
auf  den  Widerstand  nicht  ankommt,  sehr  klein  sein  können.  Nach 
dem  Vorgange  du  Bois-Reymond"s  sind  für  diese  Zwecke  meist 
eine  ganz  kleine  Art  Grove" scher  Elemente  in  Gebrauch,  deren  Kosten 
eben  ihrer  Kleinheit  wegen  nur  gering  sind. 

Dieselben  Beziehungen,  wie  zwischen  dem  wesentlichen  und  ausser- 
wesentlichen  Widerstand  haben  auch  Geltung  zwischen  den  einzelnen 
Teilen  des  Schliessungsbogens  selbst.  Ist  der  Gesammtwiderstand  des 
Schliessungsbogens  sehr  gross  und  ein  einzelner,  verhältnissraässig  ge- 
ringer Teil  desselben  ändert  seinen  Widerstand,  so  wird  dies  auf  die 
Stromstärke  nur  von  geringem  Einfluss  sein.  Man  kann  daher,  wenn 
tierische  Teile  im  Schi iessuhgs bogen  enthalten  sind,  von  dem  Wider- 
stände der  metallischen  Drähte,  welche  zur  Zu-  und  Ableitung  dienen, 
meist  ganz  absehen,  und  es  ist  für  den  Effekt  ganz  gleichgiltig,  ob 
man  sich  dazu  dicker  oder  dünner  Drähte  bedient  und  von  welchem 
Metall  sie  sind.  Ganz  anders  aber,  wenn  der  ganze  Schliessungsbogen 
überhaupt  nur  einen  geringen  Widerstand  hat.  In  diesem  Falle  ist 
die  Aenderung  eines  Teiles  schon  von  grossem  Einfluss.  Man  hat 
daher  auf  die  richtige  Wahl  jedes  Teiles  sorgfältige  Aufmerlvsamkeit 
zu  richten.  Da  Silber  zu  teuer  wäre,  bedient  man  sich  meist  kupferner 
Drähte,  die  man  in  verschiedenen  Dicken,  je  nach  dem  Zwecke,  ver- 
wendet. Die  Verbindung  einzelner 
Drähte  unter  einander  bewerk- 
stelligt man  durch  sogenannte 
K 1  e  m  m  schrauben,  welche  von 
Kupfer,  oder  da  es  bei  diesen  kurzen 
dicken  Verbindungsstücken  nicht  so 
sehr  auf  das  Leitungsvermögen  an- 
kommt, aus  dem  dauerhafteren 
Messing  gefertigt  werden.  Zwei  sehr 
gebräuchliche  Formen  solclier  Klem- 
men sind  in  Fig.  21  und  22  dargestellt.  Aus  der  Fig.  22  ist  ohne 
Weiteres  ersichtlich,  wie  die  \^erbindung  der  Drähte  gesckielit. 
Fig.  21  stellt  eine  Klemme  dar,  welche  zur 
Verbindung  eines  Drahtes  mit  einem  Bleche 
dient.  Letzteres  wird  in  den  Schlitz  einge- 
schoben und  durch  die  Schraube  festgeklemmt. 
Zur  Verbindung  dünner  Drähte  ist  die  in  Fig.  2.3 


M  er  II  h  ;i  i.l  I.    KIrUtii/Hiilsl.-li 


66 


Pohl'sche  Wippe. 


Kap.  VI. 


dargestellte  Klemme  zu  empfehlen,   da  die  Schrauben   der   oben   dar- 
gestellten Klemmen  solche  dünne  Drähte  leicht  durchkneifen. 

§  39.  Wir  wollen  hieran  gleich  die  Beschreibung  eines  anderen. 
Hilfsapparates  knüpfen,  welcher  bei  der  physiologischen  und  thera- 
peutischen Anwendung  der  Elektrizität  sehr  vielfache  Anwendung 
findet,  nämlich  des  Stromwenders  oder  Gyrotropen.  Dieser 
Apparat  hat  den  Zweck,  in  einer  Leitung  die  Richtung  des  Stromes 
beliebig  ändern  zu  können.  Von  allen  Vorrichtungen  dieser  Art  hat 
sich  für  physiologische  Zwecke  am  meisten  eingebürgert  die  in  Fig.  24 
abgebildete  Pohl'sche  Wippe.  Sie  besteht  aus  einem  Klotz  von 
Mahagoniholz,  in  welchem  6  Löcher  angebracht  sind,  die  mit  Queck- 


silber gefüllt  werden.  Die  6  Klemmen  1 ,  2  u.  s.  w.  stehen  mit 
diesem  Quecksilber  in  leitender  Verbindung.  Die  Verlängerung  der 
Klemmen  1  und  2  innerhalb  der  Löcher  bilden  die  Axe  für  die  Wippe. 
Diese  besteht  aus  zwei  durch  Glas  und  Siegellack  vollkommen  von 
einander  isolirten  Teilen,  jeder  dieser  Teile  aus  einem  dreigabligen 
Stücke  starken  Kupferdrahtes.  Bei  der  in  unserer  Figur  dargestellten 
Lage  der  Wippe  bilden  diese  Drähte  eine  leitende  Verbindimg  zwischen 


§39. 


Stromwender. 


67 


den  Klemmen  1  und  3  einerseits  und  2  und  4  andererseits.  Setzt 
man  daher  Klemme  1  mit  dem  positiven,  Klemme  2  mit  dem  negativen 
Pol  einer  Kette  in  Verbindung,  so  geht  der  Strom  durch  einen  zwischen 
3  und  4  angebrachten  Bogen  in  der  Richtung  des  Pfeiles.  Legt  man 
die  AVippe  um,  so  verlassen  die  Kupferdrähte  die  Quecksilbernäpfe 
3  und  4,  und  dafür  entsteht  eine  Leitung  zwischen  1  und  5  einerseits, 

2  und  6  andererseits.  Da  zwischen  5  und  6  keine  leitende  Verbindung 
besteht,  so  kann  der  Strom  nicht  unmittelbar  zwischen  beiden  über- 
gehen. Nun  ist  aber  5  mit  4  und  6  mit  3  durch  Kupferdrähte 
leitend  verbunden.  Da  wo  diese  Verbindungen  einander  kreuzen,  ist 
letztere  der  Isolirung  wegen  mit  einer  Krümmung  über  erstere  weg- 
geführt. Nun  geht  also  der  Strom  von  1  über  5  nach  4,  durchläuft 
den  Verbindungsbogen  nach  3  in  umgekehrter  Richtung  wie  der 
Pfeil  und  kehrt  von  3  über  6  nach  2  und  zur  Kette  zurück. 

Entfernt  man  die  Kreuzverbindung  zwischen  3  und  6,  4  und  5, 
und  bringt  noch  eine  Leitung  zwischen  5  und  6  an,  so  kann  man 
denselben  Strom  nach  Belieben  durch  die  Leitung  zwischen  3  und  4 
oder  die  zwischen   5   und   6   kreisen  lassen.     Umgekehrt,   wenn  man 

3  und  4  mit  einer,  5  und  6  mit  einer  anderen  Kette  verbindet  und 
zwischen  1  und  2  eine  Leitung  anbringt,  kann  man  durch  diese  nach 
Belieben  den  Strom  der  einen  oder  den  der  anderen  Kette  gehen 
lassen.  Noch  andere  Modifikationen  der  Anwendung,  wenn  nur  eine 
der  beiden  gekreuzten  Verbindungen  entfernt  wird  u.  dergl.,  lassen 
sich  aus  dem  Anblicke  der  Figur  leicht  ableiten,  weshalb  wir  sie 
hier  übergehen.  v 

Bei  den  therapeutischen  Anwendungen  der  Elektrizität  sind  Appa- 
rate mit  Quecksilber  nicht  eben  bequem.  Man  bedient  sich  daher 
gewöhnlich  eines  andern  Stromwenders,  z.  B.  des  in  Fig.  25  abge- 


Fig.  25  n. 

bildeten.  Der  Strom,  welcher  von  dem  positiven  Pol  der  Kette  kommt, 
tritt  (s.  Fig.  25  a)  durch  die  Messingfeder  a  und  den  Bügel  B  in  die  Feder 
b,  durchläuft  nun  den  Experimentirkreis  eCf,  in  welchem  bei  C  z.  B. 


68  Wahl  und  Beliandlnng  der  galvanischen  Batterien.  Kap.  \^I. 

ein  Teil  des  menschlichen  Körpers  eingeschaltet  ist,  in  der  Richtung 
der  Pfeile  nach  D,  d  und  kehrt  durch  den  Bügel  Bj  über  c  zur  Kette 
zurück.  Die  Bügel  B  und  B,  sind  an  einer  isolirenden  Hartkaut- 
schukscheibe angebracht.  Dreht  man  diese  mittels  eines  Handgriffs 
in  die  Lage,  welche  Fig.  25b  darstellt,  so  geht  der  Strom  von  a 
über  B  nach  d,  verläuft,  wie  die  Pfeile  zeigen,  in  umgekehrter  Rich- 
tung als  vorher  durch  fce  und  kehrt  über  b,  B,  und  C  zur  Kette  zurück. 


Anhang  zu  Kapitel  VI. 

Einige  Bemerkungen  über  die  Wahl  und  Behandlung  der 
galvanischen  Batterien. 


Wer  ein  galvanisches  Element  oder  eine  Batterie  von  mehreren 
■  Elementen  anzuschaffen  beabsichtigt,  hat  vor  allen  Dingen  zu  be- 
achten, zu  welchem  Zweck  dieselben  dienen  sollen.  Denn  ein  jedes 
Element  hat  gewisse  Eigenschaften,  welche  es  zu  dem  einen  Zweck 
/besser,  zu  einem  andern  weniger  geeignet  machen.  Universal-Elemente, 
die  zu  allen  möglichen  Zwecken  gleich  gut  geeignet  wären,  gibt  es 
nicht.  Wol  aber  gibt  es  für  bestimmte  Zwecke  bei  der  grossen  Zahl 
von  Elementen,  welche  konstruirt  worden  sind  u]id  noch  immer  neu 
angegeben  werden,  meistens  mehrere  Arten,  welclie  diesen  Zweck  gleich 
gut  erfüllen  können.  In  solchen  Fällen  werden  der  Anschaffungspreis, 
die  Dauerliaftigkeit,  die  Betriebskosten,  die  Bequemlichkeit  der  Unter- 
haltung u.  dergl.  für  die  Wahl  entscheidend  sein. 

Jedes  Element  hat  eine  begrenzte  Dauer.  Denn  der  galvanische 
Prozess,  welcher  sich  in  der  geschlossenen  Kette  in  Gestalt  der  elek- 
trischen Strömung  vollzieht,  kommt  nur  auf  Kosten  chemischer  Vor- 
gänge zu  Stande.  Das  positive  Metall  —  in  den  gebräuchlichen 
Formen  der  Elemente  stets  Zink  —  wird  oxydirt  und  das  gebildete 
Oxyd  gelöst.  Das  Zink  wird  also  verbraucht  und  muss  von  Zeit  zu 
Zeit  ersetzt  werden.  Es  ist  aber  von  Wichtigkeit,  diesen  Zink  ver- 
brauch so  zu  regeln,  dass  er  nur  auf  die  Zeit. der  Stromerzeugung  be- 
schränkt bleibe.  Steht  das  Zink  in  einer  Flüssigkeit,  welche  es  auch 
dann  angreifen  kann,  wenn  der  Strom  nicht  geschlossen  ist,  z.  B.  in 
verdünnter  Schwefelsäure,  wie  bei  den  Ketten  von  Daniell,  Grove 
u.  s.  w. ,    so  muss  man  diesen  Angriff  durch  Amalgamiren  des  Zinks 


(Anh.)  Wahl  und  Behandlung  der  galvanischen  Batterien.  69 

vermindern.  Auf  gute  Amalgarairiing  und  sürgialiige  Unterhaltung 
derselben  ist  aber  auch  bei  den  meisten  andern  Ketten  Wert  zu  legen. 
Trotzdem  ist  es  ratsam,  diese  Elemente  nach  jedesmaligem  Gebrauch 
auseinander  zu  nehmen  und  das  Zink  trocken  aufzubewahren,  was  eine 
erhebliche  Mühe  verursacht.  Wo  es  daher  nicht  auf  absolute  Kon- 
stanz ankommt,  wird  man  gern  solche  Elemente  vorziehen,  die  im 
zusammengesetzten  Zustande  Monate  lang  stehen  bleiben  können. 
Hierzu  gehören  die  Elemente  von  Siemens,  Leclanche  und  seine 
Modilikationen,  sowie  die  Elemente  mit  Kaliumbichromat  und  Schwefel- 
säure (Bunsen,  Grenet,  Spam  er,  Reiniger);  doch  muss  bei  diesen 
das  Zink  während  des  Nichtgebrauchs  aus  der  Flüssigkeit  entfernt 
werden,  was  entweder  durch  Heben  desselben  (Bunsen,  Grenet) 
oder  durch  Senken  der  Flüssigkeit  oder  durch  Umlegen  des  Gefässes 
(Rein  ig  er 's  Winkelzellen)  geschieht. 

Der  zur  Oxydation  des  Zinks  erforderliche  Sauerstoff  stammt  bei 
allen  Elementen  aus  der  Zersetzung  des  Wassers,  mit  welchem  das 
Zijik  in  Berührung  ist.  Der  freiwerdende  Wasserstoif,  welcher  an  dem 
andern  Pol  (Kupfer,  Platin,  Kohle)  polarisirend  wirken  würde,  muss 
daher  oxydirt  werden,  und  so  bedarf  jedes  Element,  wenn  es  ganz 
oder  nahezu  konstant  sein  soll,  eines  gewissen  Sauerstoffvorrats. 
Die  einzelnen  Elemente  unterscheiden  sicli  von  einander  durch  die 
Substanzen,  welche  diesen  Sauerstoff  enthalten.  Beim  Daniell  ist 
dies  Kupfersulfat,  beim  Grove  Salpetersäure,  beim  Bunsen  und  den 
analogen  Kaliumbichromat,  beim  Leclanche  Manganhyperoxyd  oder 
Braunstein.  Das  Kupfersulfat  kann  seinen  Sauerstoflfv errat  zu  diesem 
Zweck  vollständig  hergeben;  wenn  aber  die  Lösung  nicht  gesättigt 
ist,  wirkt  sie  nicht  so  gut  depolarisirend;  deshalb  muss  man  sie  durch 
Zufügung  von  überschüssigen  Krystallen  stets  in  gesättigtem  Zustand  er- 
halten. Die  Salpetersäure  im  Grove-  und  Bunsen-Elemont  gibt  nur 
einen  Teil  ihres  Sauerstoffs  her  und  wird  schon  unwirksam,  ehe  sie  ganz 
erschöpft  ist.  Ebenso  geht  es  mit  dem  Kaliumbichromat  und  dem 
Manganhyperoxyd  der  beiden  andern  Ketten,  Bei  dem  Leclanche- 
Element  bleibt  dann  nichts  übrig  als  die  Mischung  von  Kohle  und 
Braunstein  ganz  zu  erneuern.  Bei  den  jetzt  üblichen  Formen  dieses 
EJements,  wo  diese  Mischung  zu  einem  Block  zusammengepresst  ist, 
muss  man  sicli  daher  solche  Blöcke  in  Vorrat  halten,  um  die  abge- 
nutzten zu  ersetzen.  Bei  den  Bichromatelementen  hat  man  nur  nötig, 
die  Flüssigkeitsmischung  zu  erneuern,  sobald  das  Element  in  seiner 
Wirkung  nachlässt. 

Der  Physiologe  braucht  galvanische  Elemente  hauptsächlich  zum 


70  Wahl  und  Behandlung  der  galvanischen  Batterien.  Kap.  VI. 

Betrieb  von  Iiiduktorleii,  zu  Untersuchungen  über  die  Wirkung  auf 
Nerven  und  Muskeln,  zu  Widerstandsmessungen  und  zur  Messung  elek- 
tromotorischer Kräfte.  Der  Arzt  braucht  Elemente  gleichfalls  zum 
Betrieb  von  Induktorien,  zur  therapeutischen  Anwendung  des  konstanten 
Stroms  in  der  eigentlichen  Elektrotherapie,  zu  chirurgischen  Zwecken 
als  da  sind:  Galvanokaustik,  Galvanopunktur  u.  s.  w. ,  endlich  zu 
Beleuchtungszwecken  bei  der  Endoskopie. 

Für  einige  dieser  Zwecke  kommt  es  auf  vollkommene  Konstanz 
des  Elements  an.  In  diesem  Falle  sind  nur  Daniell'sche  oder 
Grove'sche  Elemente  zu  gebrauchen.  Wo  aber  eine  solche  absolute 
Konstanz  nicht  erfordert  wird,  kann  man  diese  mit  Vorteil  durch 
Chromsäure-*)  oder  Leclanche-Elemente  in  einer  der  oben  be- 
schriebenen Formen  ersetzen.  Besonders  für  den  Betrieb  der  Induk- 
torien in  der  elektrotherapeutischen  Praxis  sind  beide  sehr  geeignet. 
Das  Leclanche-Element,  welches  man  in  verschiedenen  Grössen 
haben  kann,  ist  billig  und  sein  Betrieb  ist  sehr  bequem,  wenn  es 
sich  um  die  Hauspraxis  handelt,  wo  das  Element  ruhig  an  seinem 
Platz  stehen  bleiben  kann.  Man  hat  zwar  auch  transportable  Le- 
clanche-Elemente konstruirt,  sie  sind  aber  für  Induktorien  nicht  so 
gut  als  die  für  diesen  Zweck  adaptirten  Chromsäure -Elemente.  In 
diesem  Fall  nämlich  hat  man  zu  beachten,  dass  der  Widerstand  der 
primären  Spirale  des  Induktoriums  nur  gering  ist.  Man  braucht  daher 
keine  grosse  elektromotorische  Kraft,  ein  oder  höchstens  zwei  Ele- 
mente reichen  wol  selbst  für  die  hartnäckigsten  pathologischen  Fälle 
aus.  Aber  der  Widerstand  des  Elements  selbst  (der  wesentliche  Wider- 
stand, vgl.  §  37)  muss  auch  klein  sein.  Nun  hängt  der  Widerstand 
des  Elements  von  seiner  Grösse  ab.  Es  wird  also  gut  sein,  Elemente 
von  grossen  Dimensionen  zu  wählen,  gleichgiltig,  welcher  Art  sie  sind. 
Bei  stationären  Apparaten  ist  dies  jedenfalls  zu  empfehlen,  bei  porta- 
tiven aber  soll  das  Element  auch  möglichst  klein  sein.  In  diesem 
Falle  hat  das  Grenet'sche  Element  einen  Vorzug,  da  es  eine 
grössere  elektromotorische  Kraft  und  bei  gleicher  Grösse  einen  ge- 
ringeren Widerstand  hat  als  das  Leclanche-Element. 

In  der  Tat  haben  nun  auch  die  meisten  Konstrukteure  für  por- 
tative Induktorien  das  Chromsäure-Element  in  modifizirter  Form  ein- 
geführt.    Ursprünglich  von  Bunsen  in  grosser  Form  ausgeführt,   hat 


*)  Unter  dieser  abgekürzten  Bezeichnung  soll  hier  das  Element  aus  Zink  und 
Kohle  mit  der  Mischung  von  Schwefelsäure  und  doppeltchromsaurem  Kalium  ver- 
standen sein. 


(Anh.)  Wahl  und  Behandlung  der  galvanischen  Batterien,  71 

ihm  dann  Grenet,  wie  wir  gesehen  haben,  die  kleinere  und  bequemere 
Form  des  Flaschenelements  gegeben;  dann  hat  Spam  er  gezeigt,  dass 
man  das  Zink  nur  ganz  wenig  in  die  Schwefelsäuremischung  einzu- 
tauchen braucht  und  dass  (offenbar  wegen  des  guten  Leitungsvermögens 
dieser  Flüssigkeit)  der  Strom  immer  noch  stark  genug  bleibt.  Auch 
hat  diese  Form  des  Elements  den  Vorteil,  dass  die  Polarisation  an 
der  Kohle,  wegen  ihrer  grösseren  Oberfläche,  leichter  beseitigt  werden 
kann.  In  sehr  zweckmässiger  Form  führt  Hirsch  mann  dieses  Ele- 
ment aus,  indem  er  das  Zink  in  ein  oben  geschlossenes  Rohr  von 
Hartkautschuk  einschliesst,  in  welches  die  Flüssigkeit  von  unten  her 
nur  bis  zu  einer  geringen  Höhe  eindringen  kann.  Auch  das  Winkel- 
zellenelement von  Reiniger  eignet  sich  für  transportable  Induktorien. 

Es  darf  aber  nicht  übersehen  werden,  dass  solche  kleine  Elemente 
auch  nur  geringe  Mengen  Flüssigkeit  fassen  und  dass  der  zur  Depo- 
larisation  verwandte  Sauerstoffvorrat  sich  deshalb  schnell  erschöpft. 
Je  kleiner  das  Element  ist,  desto  öfter  muss  also  die  Füllung  erneuert 
werden. 

Bei  der  therapeutischen  Anwendung  des  konstanten  Stroms  ist 
dagegen  der  ausserAvesentliche  Widerstand  immer  sehr  gross,  so  dass 
der  Widerstand  der  Elemente  dagegen  als  vollkommen  verschwindend 
angesehen  werden  kann.  Hier  muss  man  daher,  Avenn  man  starke 
Ströme  braucht,  stets  viele  Elemente  anwenden,  jedenfalls  muss  man, 
um  auf  alle  Fälle  vorbereitet  zu  sein,  eine  grössere  Zahl  vorrätig 
haben.  Für  stationäre  Apparate  eignen  sich  die  Elemente  von 
Siemens  (modifizirte  Daniell),  die  Chromsäure -Elemente  und  die 
von  Leclanche,  letztere  besonders  in  einer  der  neueren  Formen 
mit  gepressten  Kohlen-Braunsteinkörpern,  wie  sie  z.  B.  Dr.  Lessing 
in  Nürnberg  liefert.  Eine  Batterie  solcher  Elemente,  etwa  50, 
von  etwa  15  Cm.  Höhe,  reicht  für  alle  Fälle  aus.  Sie  ist  sehr 
leicht  zu  behandeln.  Man  hat  nur  nötig,  die  Gläser  bis  zur 
halben  Höhe  mit  gesättigter  Salmiaklösung  zu  füllen  und  von  Zeit  zu 
Zeit  das  verdunstete  Wasser  zu  ersetzen.  Ist  nach  einigen  Monaten 
das  Zink  sehr  verunreinigt,  so  nehme  man  die  Elemente  auseinander, 
putze  die  ZinkstäKe  und  fülle  mit  neuer  Salmiaklösung.  Ewig  kann 
eine  solche  Batterie  allerdings  auch  nicht  halten,  da  sich  allmählich 
der  Braunstein  erschöpft. 

Man  hat  auch  diesen  Elementen  eine  sehr  geringe  Grösse  gegeben, 
um  sie  portativ  zu  machen.  Besonders  die  Form  von  Beetz  ist  sehr 
zweckmässig.  In  der  Tat  kann  man  ja,  Aveil  es  auf  den  wesentlichen 
Widerstand  bei  der  therapeutischen  Verwendung  des  konstanten  Stroms 


72  Wahl  und  Boliaiidhiiig  der  galvanischen  Bailerien.  Kap.  VI. 

iiichi  \  icl  aiikumiiil;,  die  Gi'ös.so  tief  Elemente  sehr  recliizireii.  Doch 
sind  diese  kleinen  Elemente  nicht  sehr  lange  haltbar. 

Dagegen  eignen  sich  für  portative  Batterien  zu  elektrotlierapeii- 
lischen  Zwecken  die  Chromsäureelemente  in  kleinster  Form  besonders 
die  Winkelzellenbatterie  von  Reiniger.  Vierzig  solcher  Elemente 
reichen  für  alle  Fälle  aus.  Da  sich  die  Flüssigkeitsmischmig  wegen 
ihrer  geringen  Menge  schnell  erschöpft,  so  hat  Reiniger  die  sehr 
zweckmässige  Einrichtung  getroffen,  dass  die  Elemente  zu  je  fünfen 
in  einem  Troge  vereinigt  sind,  deren  Flüssigkeiten  beim  Nichtgebrauch 
mit  einander  kommuniciren  und  sich  mischen.  Da  ferner  nicht  immer 
alle  Elemente  zugleich  gebraucht  werden,  so  tut  man  gut,  die  Lage 
der  Tröge  im  Kasten  nach  jedesmaligem  Gebrauch  zu  wechseln,  so 
dass  die  Abnutzung  sich  gleichmässig  auf  alle  verteilt.  Die  Neu- 
füllung  der  Zellen  mit  Flüssigkeit  ist  nicht  schwer  und  orfordert 
wenig  Zeit.  Ist  nach  längerem  Gebrauch  ein  Teil  der  Zinkstäbe  ab- 
genutzt, so  kann  man  sie  gleichfalls  leicht  durch  neue  ersetzen. 

Bei  der  Galvano punktur  liegen  die  Verhältnisse  ähnlich,  der 
Widerstand  der  in  den  Kreis  des  Stroms  eingeschalteten  Körperteile  wird 
dabei  zwar  geringer  sein  als  bei  den  eigentlichen  elektrotherapeutischen 
Anwendungen,  aber  immer  doch  noch  sehr  gross  im  Vergleich  zum 
Widerstand  einiger  weniger  Elemente.  Man  wird  daher  zu  dieser  An- 
wendung des  galvanischen  Stroms  dieselben  Elemente  benutzen  wie 
auch  sonst  in  der  Elektrotherapie,  also  Siemens-,  Leclanche-  oder 
Ohromsäure-Eleraente  und  wird  mit  wenigen  derselben  (höchstens  5) 
ausreichen. 

Granz  anders  bei  der  Galvanokaustik  und  der  Anwendung  des 
Stroms  zur  Beleuchtung  (Endoskopie).  Hier  handelt  es  sich  darum, 
den  Strom  durch  einen  kurzen  Platindraht  zu  leiten,  um  denselben 
glühend  zu  machen:  bei  der  Galvanokaustik,  um  mit  diesem  glühen- 
den Draht  zu  schneiden  oder  zu  brennen:  bei  der  Endoskopie,  um 
mit  ihm  zu  leuchten.  Der  Widerstand  , eines  solchen  Drahts  ist  immer 
sehr  klein  im  Vergleich  zu  dem  der  Elemente.  Um  also  einen  ge- 
nügend starken  Strom  zu  erhalten,  muss  man  wenige  Elemente  von 
grosser  elektromotorischer  Kraft  und  geringem  Widerstand  verwenden. 
Hierzu  eignen  sich  am  besten  recht  grosse  Chromsäure -Elemente  in 
der  Form,  wie  sie  Bunsen  zuerst  angegeben  hatte  oder  auch  mit 
runden  Kohlen  und  zylindrisch  dieselben  umhüllenden  Zinkplatten,  wie 
sie  von  St  Öhr  er  u.  A.  gebaut  Averden.  Eine  solche  Batterie  für 
galvanokaustische  oder  endoskopische  Zwecke  ist  in  Fig.  26  (s.  folg.  S.) 
dargestellt. 


(Anh.) 


Wahl  und  Behandlung-  der  rralvanischeu  Batterien. 


73 


1)1  chinii'a-isclien  Kliniken  würde  es  übrigens  zu  empfehlen  sein, 
statt  der  Batterien  dynaraoeJektrische  Maschinen  zu  verwenden,  von 
denen  im  achten  Kapitel  die  Rede  sein  wird.     Auch  die  in  §  25  be- 


Ficj.  2G. 


schriebenen  Sekundärbatterien  lassen  sich  zu  diesen  Zwecken  ver- 
wenden, besonders  wenn  man  Gelegenheit  hat,  sie  durch  eine  starke 
dynamoelektrische  Maschine  laden  zu  lassen.  Sie  werden  vielleicht  in 
Zukunft,  wenn  ihre  Konstruktion  noch  verbessert  wird,  vielfache  An- 
wendung finden  können. 

Zum  Schluss  stelle  ich  Jiier  die  Zahlenangaben  über  die  elek- 
tromotorischen Krcäfte  der  wichtigsten  Elemente  zusammen.  Die  Wider- 
stände derselben  lassen  sich  nicht  genau  angeben,  da  sie  von  der 
Grösse,  der  Entfernung  der  beiden  Metallflächen  von  einander  u.  s.  w. 
abhängen,  also  auch  bei  Elementen  gleicher  Art  schwankend  sind. 


74 


Wahl  und  Behandlung  der  galvanischen  Batterien. 


Kap.  VI. 


Daniell: 

Amalgamirtes  Zink 

Schwefelsäure 

Kupfersulfat 

Kupfer 

1 


Elektromotorische  Kräfte ; 

Grove: 

Amalgamirtes  Zink 

Schwefelsäure 

Salpetersäure 

Platin 

1,956 


Bunsen: 

Amalgamirtes  Zink 

Schwefelsäure 

Salpetersäure 

Kohle 

1,734 


Chromsäure: 
Amalgamirtes  Zink 
j    Schwefelsäure     1 
1  Kaliumbichromat  j 

Kohle 

2,028 


Leclanche: 
Amalgamirtes  Zink 

Salmiaklösung 

j  Braunstein  "» 

l     Kohle       j 

1,481 


üeber  die  innern  Widerstände  dieser  Elemente  sei,  um  wenigstens 
einen  gewissen  Anhalt  für  die  Beurteilung  zu  geben,  bemerkt,  dass 
unter  Voraussetzung  gleicher  Grösse  der  Elemente  der  Widerstand 
eines  Daniell  etwa  doppelt  so  gross  ist  als  der  eines  Bunsen  oder 
Grove  und  etwa  halb  so  gross  als  der  eines  Leclanche. 


Kapitel  VII. 

Von  der  Stromdichte,  den  Zweigströmen  und  der  Ver- 
teilung des  Stromes  in  nicht  prismatischen  Leitern. 


§  40.  Es  seien  Kj  und  K,  zwei  konstante  und  ganz  gleiche 
Ketten,  Lj  und  L2  zwei  Leiter  aus  derselben  Substanz,  jedoch  sei  Lj 
nocli  ein  Mal  so  dick  und  noch  ein  Mal  so  lang,  als  L^.  Dann  ist 
der  Widerstand  beider  Leiter  genau  gleich,  und  wenn  wir  die  Kette 
Kl  durch  den  Leiter  Lj  und  die  Kette  K,  durch  den  Leiter  L., 
schliessen,  so  muss  die  Stromstärke  in  beiden  ganz  gleich  sein: 

Fassen  wir  nun  einen  Querschnitt  des  Leiters  Lj  und  einen  Querschnitt 
des  Leiters  L^  ins  Auge,  so  strömen  durch  beide  in  gleichen  Zeiten 
gleiche  Elektrizitätsmengen.  Aber  diese  Elektrizitätsmengen  sind  in 
L.2  auf  einen  doppelt  so  grossen  Querschnitt  verteilt,  als  in  Ly,  durch 
die  Flächeneinheit  des  Querschnitts  fliesst  also  in  Li  noch  ein  Mal  so 
viel  Elektrizität  als  in  derselben  Zeit  in  L2.  Nennen  wir  nun  die- 
jenige Elektrizitätsmenge,  welche  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Quer- 
schnittseinheit fliesst,  die  Strom  dichte,  so  folgt  daraus,  dass  bei 
gleicher  Stromstärke  die  Stromdichte  umgekehrt  proportional  ist  dem 
Querschnitt : 

Der  Begriff  der  Stromdichte  ist  für  alle  Wirkungen  des  Stromes, 
welche  in  dem  Leiter  selbst  vorgehen  (und  hierzu  gehören  alle  pliysio- 
logischen  und  therapeutischen  Wirkungen  des  Stromes),  ungemein 
wichtig;  denn  es  ist  klar,  dass  es  bei  diesen  Wirkungen  nicht  gleich- 
giltig  sein  kann,  ob  eine  und  dieselbe  Elektrizitätsmenge  auf  einen 
grösseren  oder  kleineren  Querschnitt  verteilt  ist.  Im  Gegenteil  wird 
die  W^irkung  des  Stromes  natürlich  um  so  beträchtlicher  sein  müssen, 


76  Stromdichte.  Kap.  V[I. 

je  geriiij^er  der  QucrschiiiU  ist,   durch  welulicn  eine    bestimiriic  Elck- 
triziiätsmenge  fliesst,  je  grösser  also  die  Stromdichte  ist. 

Um  nun  zu  beurteilen,  welchen  Einfluss  die  Veränderung  des 
Querschnitts  auf  die  Stromdichte  hat,  muss  man  besonders  festhalten, 
was  wir  im  vorigen  Kapitel  über  den  relativen  Widerstand  eines  Teiles 
des  Kreises  gesagt  haben.  Denken  wir  uns  z.  B.  an  einen  Nerven 
einen  Zink-Platinbogen  angelegt;  wir  haben  dann  eine  einfache  Kette, 
in  welcher  der  Nerv  selbst  den  feuchten  Leiter  vorstellt;  der  Nerv  Avird 
also  von  einem  Strom  in  der  Richtung  vom  Zink  zum  Platin  durch- 
üossen.  Der  Widerstand  des  Zinkplatinbogens  kann  im  Vergleich  zu 
dem  Widerstand  des  Nervenstückes  gleich  Null  gesetzt  Averden,   der 

Widerstand  des  Nervenstückes  ist  aber  gleich  -j^,    wo   L    die   Länge 

und  Q  den  Querschnitt  bedeutet.     Es  ist  also  die  Stromstärke 


und  die  Stromdichte 


E^_E^_Q 
W         L 


D==i-=1 
Q       L 


Verschieben  wir  nun  den  Platinzinkbogen  so,  dass  eine  andere  Stelle 
des  Nerven  im  Kreise  ist,  deren  Länge  ebenfalls  gleich  L,  deren  Quer- 
schnitt aber  gleich  2  Q  ist,  so  haben  wir 

,        2.E.Q       ,„       i.E.Q        E 

Die  Stromdichte  ist  also  in  beiden  Fällen  ganz  die  nämliche,  wie 
sehr  auch  die  Querschnitte  verschieden  sein  mögen. 

Umgekehrt,  wenn  in  den  Kreis  so  grosse  Widerstände  einge- 
schaltet werden,  dass  der  Widerstand  des  Nerven  gegen  sie  als  un- 
endlich klein  angesehen  werden  kann,  dann  bleibt  die  Stromstärke 
ungeändert,  gleichviel,  ob  die  dicke  oder  die  dünne  Stelle  des  Nerven 
im  Kreise  ist.    Denn  nennen  wir  den  Widerstand  der  dünneren  Nerven- 

W 

strecke  W,  den  der  dickeren  also  — -,   den  ausserdem   eingeschalteten 

Widerstand  aber  w,  so  können  wir  ohne  erheblichen  Fehler  setzen 

W 

W  -|-  w  ==  —  -j-  w 

weil  nach  unserer  Voraussetzung  der  Widerstand  W  unendlich  klein 
im  Verhältniss  zu  w  ist.     Dann  ist  aber  auch 

J,  =  J 
und  folglich 


§  40,  41. 


Stromyerteiluna,-. 


77 


Q '     •  "~  2  Q 
In  diesem  Falle  wäre  also  dieStromdichte  umgekehrt  proportional 
dem  Querschnitt  der  im  Kreise  befindlichen  Strecke. 


§  41.  Bei  unseren  bisherigen  Betrachtungen  haben  wir  die  Leiter 
immer  von  prismatischer  oder  zylindrischer  Gestalt  vorausgesetzt, 
d.  h.  so,  dass  ein  senkrecht  auf  die  Längsaxe  gemachter  Querschnitt 
überall  dieselbe  Gestalt  hat.  Man  kann  sich  dann  den  ganzen  Strom, 
der  sich  in  einem  solchen  Leiter  bewegt,  bestehend  denken  aus  einer 
Anzahl  paralleler  Stromesfäden,  die  gleichsam  zu  einem  Bündel 
vereinigt,  den  ganzen  Strom  ausmachen.  Je  mehr  solcher  Fäden  in 
einem  Leiter  von  gegebenem  Querschnitt  zusammengedrängt  sind, 
desto  grösser  ist  die  Stromdichte.  Immer  aber  werden  die  Fäden 
gleichmässig  über  den  ganzen  Querschnitt  verteilt,  die  Dichte  wird  in 
allen  Teilen  eines  und  desselben  Querschnitts  die  nämliche  sein 
müssen.  Denken  wir  uns  nun  den  Leiter  der  Länge  nach  in  zwei 
gleich  dicke  Teile  gespalten,  so  werden  auf  jeden  dieser  Teile  die 
Hälfte  der  Stromfäden  kommen,  der  Strom  wird  sich  gleichmässig 
zwischen  den  beiden  Hälften  des  Leiters  teilen,  und  da  beide  Hälften 
ganz  gleich  sind,  so  wird  die  Stromstärke  sowol  als  die  Stromdichte 
in  den  beiden  Teilen  ganz  gleich  sein. 

Denken  wir  uns  nun  den  Leiter  in  irgend  einem  anderen  Ver- 
hältniss  gespalten,  so  dass  die  Dicke  des  einen  Teiles  die  des  anderen 
um  das  n-fache  übertrifft,  so  werden  in  dem  ersteren  auch  n  mal  so 
viel  Stromfäden  liegen,  als  in  dem  zweiten,  die  Stromstärke  wird 
also  im  ersteren  die  n-fache  von  der  im  zweiten  sein,  die  Strom- 
dichte aber  wird  in  beiden  Teilen  gleich  sein. 

Diese  Betrachtung  führt  uns  zu  dem  -Problem  der  Stromverteilung 
in  verzweigten  Leitungen.  Sei,  Fig.  27,  ABFDC  ein  Kreis,  in  wel- 
chem bei  A  der  Sitz  der  elektromotorischen 
Kraft  sein  mag,  welche  einen  Strom  in  der 
Richtung  der  Pfeile  veranlasst,  und  sei  dieser 
Kreis  zwischen  D  und  F  in  die  beiden 
Zweige  DEF  und  DGF  gespalten.  Nehmen 
Avir  zunächst  an,  die  beiden  Zweige  wären 
einander  genau  gleich,  so  wird  sich  der 
Strom  in  die  beiden  Zweige  ganz  gleich- 
mässig teilen.  Haben  die  beiden  Zweige 
a))or  ungleiche  Widerstände,    so  küimoii  die  /.'/,/. 


78  Kirchhoff'sche  Formeln.  Kap.  VII. 

Elektrizitätsraengeii,  welche  durch  die  beiden  Zweige  in  gleichen 
Zeiten  strömen,  nach  den  obigen  Betrachtungen  nicht  mehr  gleich  sein. 
Um  nun  zu  untersuchen,  in  welcher  Weise  der  Strom  sich  in  die 
beiden  Leitungen  teilt,  wollen  wir  annehmen,  der  Widerstand  des 
Zweiges  DEF  sei  gleich  W^  und  der  des  Zweiges  DGF  sei  gleich 
nW,  Wir  können  dann,  welches  auch  die  Beschaffenheit  der  beiden 
Zweige  sei,  für  den  Zweig  DEF  eines  anderen  eingeführt  denken  von 
derselben  Länge  und  demselben  Material  wie  DGF,  aber  vom  n fachen 
Querschnitt.  Die  oben  angestellte  Betrachtung  zeigt  dann,  dass  die 
Stromstärke  im  Zweige  DEF  n  mal  so  gross  sein  muss,  als  die  im 
Zweige  DGF. 

Diese  Betrachtung  behält  aber  auch  ihre  Giltigkeit,  wenn  der 
Kreis  sich  statt  in  zwei,  in  drei  oder  mehr  Zweige  spaltet.  Wir 
können  daher  ganz  allgemein  den  Satz  aussprechen: 

Wenn    ein    Kreis   sich    in    eine     Anzahl    von    Zweigen 
spaltet,  welche  sich  alle  wieder  zu  einer  Leitung  ver- 
einigen,   so   verhalten    sich    die   Stromstärken    in    den 
einzelnen  Zweigen    umgekehrt    wie    ihre   Widerstände. 
Kirchhoff  (Poggend.  Ann.  Bd.  64.  S.  497)  hat  für  ein  System  von  Drähten, 
welche  auf  ganz   beliebige  Weise  mit  einander  verbunden  und  von  galvanischen 
Strömen  durchflössen  sind,   folgende  Gleichungen  abgeleitet,   nach  denen  man   die 
Stromstärke  in  jedem  Zweige  leicht  berechnen  kann: 

1)  Wenn  die  Drähte  1 ,  2,  3,  .  .  .  .  /z  in  einem  Punkte  zusamraenstossen, 
wenn  ferner  Ji,  Jj,  J3  .  .  .  .  J ß  die  Intensität  der  Ströme  bezeichnet,  welche  in 
den  entsprechenden  Drähten  fliessen,  wobei  J  als  positiv  angenommen  wird,  wenn 
der  Strom  nach  dem  Knotenpunkte  hin,  als  negativ,  wenn  er  von  dem  Punkte  fort 
gerichtet  ist,  so  ist  stets: 

Ji  +  J.  +  J3  +  •  •  ■  •  +  J/^-  =  0 

2)  Wenn  die  Drähte  1,  2,  3,  ....  v  eine  in  sich  geschlossene  Figur  bilden, 
und  ZE  bedeutet  die  Summen  aller  elektromotorischen  Kräfte,  welche  sich  auf 
dem  Wege  1,  2,  3,  ....  v,  befinden,  w,,  w.^,  Wg,  ;  .  .  .  wv  die  Widerstände  und 
Ji)  J2,  J3>  •  •  •  •  J^  <lic  Intensitäten  in  den  bezüglichen  Drähten,  so  ist: 

JiW,  +  J2W.2  +  J3W3 + +  Jv  wv  =  2'E. 

Der  erste  Satz  sagt  nur  aus,  dass  die  dem  Punkte  von  der  einen  Seite  zugeführte 
Elektrizitätsmenge  gleich  sein  muss  der  von  ihm  nach  der  anderen  Seite  hin  in 
derselben  Zeit  abgegebenen,  was  sich  von  selbst  versteht.  Wegen  des  Beweises  für 
den  zweiten  Satz  müssen  wir  auf  die  Abhandlung  selbst  verweisen.  Wir  wollen  hier  nur 
einige  Folgerungen  aus  demselben  ziehen,  welche  für  uns  von  grossem  Interesse  sind. 
Nennen  wir  in  Figur  27  GAB  1,  DGF  2  und  DEF  3,  so  ist 

J,Wi+J2W2=-E  (1) 

JiW,  +J3W3  =  E  (2) 

-J2W2  +  J3W3-O*)  (3) 

*)  J2  muss  negativ  genommen  werden,  weil  es  in  dem  Umgange  FE  DGF  die 
entgegengesetzte  Richtung  hat,  wie  J3. 


§41. 

und  für  den  Punkt  D 

Nach  (2)  ist 
Nach  (4)  ist 
also  ist 
oder 
Nach  (3)  ist 


Kirchhoff'sche  Formeln. 


-  Ji  +  J,  +  J3  =  0 

J[    =  J.j   -7-  J3 

J3  W3  =  R  —  J2  Wi  —  J3  w, 

J3  Wi  +  J3  W3  =  E  —  J,  Wi 

J.,  w,  =  J.,  w. 


79 

(+) 

(5) 


J,= 


'3  "3 


also 

Dies  in  (5)  eingesetzt  gibt 

J3Wi+J3W3  =  E  — 

oder 

oder  J3 

Ganz  ebenso  ergibt  sich: 

J, 


J3  ^3  Wi 


J3  w,  W2  +  J3  W2  W3  +  J3  Wi  W3  =  E  W2 

ii:  ■  w, 

Wi  W.2  +  W.,  W3  -f-  W,  W3 

E  .  Wo 


W,  Wj  +  W.^  W3  +  Wi  W3 

Und  da  nach  (4)  J,  =  J2  +  J3,  so  ist 

E  .  (w.,  4-  W3) 


Ji  = 


0) 

(8) 


WjW.j  +  -WjWa  +  WiWs 
Die  beiden  Gleichungen  (6)  und  (7)  zeigen,  dass  sich  die  Stromstärken  in  den 
beiden  Zweigen  2  und  3  umgekehrt  verhalten,  wie  ihre  Widerstände,  denn  es  ist 

J2 :  J3  =  W3  :  W2 
ein  Resultat,  welches  wir  schon  aus  unseren  obigen  allgemeinen  Betrachtungen  ab- 
geleitet hatten. 

Sei  ferner  in  Figur  28  AB  CD   ein   verzweigtes   von  Strömen   durchflossenes 
System.     Es  heisse  Ac  1,  CB  2,  AD  3,  BD  4,  und  C ED  5. 


Fig.  28. 

Es   sei   in   diesem  System   selbst  keine   elektromotorische  Kraft   vorhanden*),    und 

ferner  wollen  wir  voraussetzen,   dass  J5  =  0  ist,   d.  h.  dass  in   dem  Zweige  CED 
kein  Strom  existire.     Man  hat  dann: 

Für  den  Punkt  C:                             J,  —  J,  =.  0  (1) 

Für  den  Punkt  D:                             J3  —  J4  =  0  (2) 

Für  den  Umgang  A  C  E  D :            Ji  Wi  —  J3  w.j  =0  (3) 

Für  den  Umgang  B  D  E  C :             J,  w.^  -  J,  w^  =  0  (4) 
Aus  der  Division  von  (3)  und  (4)  folgt: 

Ji^i  ^  J3W3  /5\ 

J2  W.2  Jj  Wi 

*)  Diese  muss  also  in  dem  zwischen  A  und  B  noch  befindlichen  Bogen  irgend- 
wo ihren  Sitz  haben. 


80 


Rheocliord. 


Kap.  VIT. 


Da  nun  nach  (1)  .1,  =  .T.,  und  nach  (2)  J.,  =  J4,  so  ist 


J,, 

und  dies  in  (5)  eingesetzt  ergibt 


1   und  -Y- 
''4 


W,  \V4 

d.  h.  wenn  ein  Strom  sich  in  zwei  Arme  teilt,  welche  durch  einen 
Zwischendraht  verbunden  sind,  und  in  diesem  Zwischendraht  ist 
die  Stromstärke  Null,  so  verhalten  sich  die  Widerstände  der  beiden 
Teile  des  einen  Armes  wie  die  Widerstände  der  beiden  Teile  des 
anderen  Armes. 

§  42.  Die  Gesetze  der  Stromverzweiguiig  finden  ungemein  häufige 
Anwendung  in  der  Muskel-  und  Nervenphysiologie.  Sie  geben  auch 
den  Schlüssel  zum  Verständniss  der  Art  und  Weise,  wie  die  elek- 
trischen Ströme  bei  der  Durchleitung  durch  Teile  des  menschlichen 
Körpers  sich  verhalten.  Hiervon  soll  später  gehandelt  werden.  Hier 
wollen  wir  zunächst  nur  einige  jener  Anwendungen  besprechen. 

Es  ist  eine  sehr  häufige  Aufgabe,  durch  einen  Muskel  oder  Nerven 
einen  Strom  von  bestimmter  Stärke  zu  senden,  und  diese  Stärke 
schnell  nach  Belieben  ändern  zu  können.  Zu  diesem  Zweck  bedient 
man  sich  des  schon  im  §  36  beschriebenen  Rheochords,  Figur  29, 
indem    man    den   Strom    sich    zwischen  Rheochord    und   Nerv    teilen 


Fig.   29. 

lässt,  oder  wie  man  sich  ausdrückt,  das  Rheochord  als  jNeben- 
schliessung  zum  Nerven  einschaltet.  Verbindet  man  nämlich  die 
beiden  Klemmen  mit  den  Polen  der  Kette  und  führt  ausserdem  von 
denselben  Klemmen  je  einen  Leitungsdraht  zum  Nerven,  so  teilt  sich 
der  Strom;  ein  Zweig  geht  durch  das  Rheochord,  ein  anderer  durcli 
den  Nerven.  Die  Stromstärke  im  Nerven  hängt  nun  ab  von  dem 
Verhältniss  des  Widerstandes  der  eingeschalteten  Saitenstücke  des 
Rheochords  zu  dem  Widerstände  der  den  Nerven  enthaltenden  Leitung. 
Je  näher  also  der  Schieber  K  den  Zuleitungsdrähten  steht,  desto 
schwächer  ist  der  den  Nerven  durchfl.iessende  Strom,  und  je  weiter 
man  den  Schieber  von  jenem  entfernt,   desto  stärker  wird  der  Strom 


42. 


Rheochord  von  du  Bois-Reymond. 


;l 


im  Nerven.  Steht  der  Schieber  ganz  dicht  an  den  Klemmen,  so  ist 
der  Widerstand  in  diesem  Zweige  (da  der  Schieber  aus  einem  gut 
leitenden  Metali  besteht  und  einen  beträchtlichen  Querschnitt  hat) 
gegen  den  Widerstand  im  Nervenkreise  unendlich  klein,  es  geht  dann 
also  so  gut  wie  gar  kein  Strom  durch  den  Nerven. 

Um  alle  möglichen  Abstufungen  der  Stromstärke  erzielen  zu 
können,  muss  das  Rheochord  so  beschaffen  sein,  dass  man  auch  über 
ziemlich  beträchtliche  Widerstände  zu  gebieten  hat.  Du  Bois-Rey- 
mond hat  zu  diesem  Zweck  dem  Apparat  folgende  Einrichtung  gegeben 
(Figur  30):  Auf  einem  Brett  sind  zwei  feine  Platindrähte  parallel 
ausgespannt,  deren  jeder  etwas  über  1  Meter  lang  ist.  Unter  diesen 
bewegt  sich  in  einer  passenden  Bahn  ein  Schlitten  von  Messing,   auf 


p 

'^---  --------  -        *-!, 

/2c:::;:::::::::::v;::;;v:v;;::: ::::::  ;::-:    ^At^'  '^ 

i:::io:::\:::::.::::::::::-_v:r.v::::::::::^  / ' 

ililllliilll Illllllllllllil Iillllllllllilllllllliilllllliillilil!l!ililllllllliilllii 


Fig.  30.- 

welchem  parallel  neben  einander  zwei  hohle  Stahlzylinder  befestigt 
sind.  Diese  sind  hinten  offen,  vorn  jedoch  bis  auf  eine  feine  Oeffnung, 
deren  Durchmesser  den  des  Platindrahts  nur  wenig  übertrifft,  ge- 
schlossen. Die  Platindrähte  sind  durch  die  Oeffnungen  der  Stahlzylinder 
gezogen,  diese  mit  Quecksilber  gefüllt  und  hinten  mit  Korken  ver- 
schlossen, durch  welche  die  Platindrähte  ebenfalls  durchgehen.  Wegen 
der  Unbenetzbarkeit  des  Platins  und  Stahls  durch  Quecksilber  fliesst 
dieses  aus  dem  kapillaren  Raum  zwischen  dem  Platindraht  und  der 
Oeffnung  des  Stahlzylinders  nicht  aus. 

Die  Platindrähte  gelien  an  dem  vorderen  Ende  des  Apparates 
über  zwei  Messingbacken  a  und  b,  welche  sorgfältig  von  einander 
isolirt  sind.  Die  eine  dieser  Backen,  a,  ist  mit  einer  Doppclklemme 
zur  Aufnahme   zweier  Leitungsdrähte   versehen.     Ausserdem   sind  auf 

Uosentlial  u.  Bernhardt,  Elektri/.itiitsleliro.     lU.  Aiill.  r 


82 


Rheochord  von  du  Bois-Reymond. 


Kap.  Vil. 


dem  Brette  noch  fünf  Messingklötze,  c,  d,  e,  f,  g,  befestigt,  jeder  von 
seinem  Nachbar  durch  einen  kleinen  Zwischenraum  getrennt  und  isolirt. 
Die  einander  zugekehrten  Seiten  dieser  Klötze  sowie  die  eine  Seite 
der  Backe  b  sind  mit  Einschnitten  versehen,  die  zusammen  einen 
zylindrischen  Kanal  zur  Aufnahme  von  metallischen  Stöpseln  bilden, 
Avelche,  wenn  sie  in  den  Kanälen  stecken,  eine  metallische  Verbindung 
zwischen  je  zwei  benachbarten  Metallklötzen  herstellen.  Der  letzte 
Klotz  g  trägt  wieder  eine  Doppelklemme. 

Sind  nun  alle  Stöpsel  in  die  Kanäle  gesteckt  und  steht  der 
Schlitten  ganz  vorn,  so  dass  die  Stahlzylinder  hart  an  den  Backen  a 
und  b  anliegen,  so  ist  zwischen  den  Klötzen  a  und  g  eine  Leitung 
von  verschwindend    kleinem  Widerstand    hergestellt.     Werden    daher 


Fig.  31. 

die  Klemmen  dieser  Klötze  einerseits  mit  den  Polen  der  Ketten, 
andererseits  mit  den  Nerven  verbunden,  so  geht  so  gut  wie  gar  kein 
Strom  durch  den  Nerven.  Wird  jedoch  der  Schlitten  fortgeschoben, 
so  wächst  mit  der  Länge  der  eingeschalteten  Platindrähte  auch  die 
Stärke  des  den  Nerven  durchfliessenden  Stromes.  Um  nun  noch 
grössere  Widerstände  einschalten  zu  können,  als  die  beiden  Platin- 
drähtc  darbieten,  ist  folgende  Einrichtung  getroffen:  In  einem  unter- 
lialb  der  Platindrähte  befindlichen  Kasten  sind  5  Drähte  von  Neusilber 
ausgespannt.  Der  erste  ist  mit  seinem  einen  Ende  an  der  Backe  b, 
mit  dem  anderen  an  dem  Klotz  c  befestigt,  der  zweite  an  c  und  d, 
der  dritte  an  d  und  e,  und  so  fort.  Ihre  Länge  ist  so  abgepasst, 
dass  sie,  den  Widerstand  der  beiden  Platindrähte  zusammen  als  Ein- 
heit angenommen,  der  Reihe  nach  folgende  Widerstände  repräsentiren: 


§42. 


Einsaitiges  Rheochord, 


83 


1,  1,  2,  5,  10.  Zieht  man  einen  Stöpsel  zwischen  zwei  benachbarten 
Messingklötzen  heraus,  so  miiss  der  Strom  durch  den  entsprechenden 
Neusilberdraht  gehen,  und  man  kann  also  nach  Belieben  den  Wider- 
stand des  Rheochords  verändern,  indem  man  durch  Korabination  der 
Neusilberdrähte  bis  zu  19  Einheiten  und  durch  Verschieben  des 
Schlittens  beliebige  Bruchteile  einschalten  kann. 

Soll  das  Rheochord  vollständig  seinen  Zweck  erfüllen,  so  muss  bei  Ein- 
schaltung seiner  ganzen  Länge  die  Stromstärke  im  Nerven  so  gross  sein,  als  wäre 
gar  kein  Rheochord  vorhanden,  sondern  als  ginge  der  Strom  der  Kette  ungeteilt 
durch  den  Nerven.  Diese  Forderung  ist  erfüllt,  wenn  der  Widerstand  der  Kette 
als  unendlich  klein  gegen  den  Widerstand  der  ganzen  Rheochordlänge  angesehen 
werden  kann.  Nennen  wir  den  Widerstand  der  Kette  samt  der  Leitung  bis  zum 
Rheochord  Wj ,  den  Widerstand  des  Rheochords  Wj  und  den  Widerstand  der  vom 
Rheochord  abgezweigten  Leitung,  welche  den  Nerven  enthält,  Wj,  so  ist  nach  §  41 
Gleichung  (6)  die  Stromstärke  im  Nerven,  wenn  wir  noch  mit  E  die  elektromoto- 
rische Kraft  der  Kette  bezeichnen, 

-j- Ew^ ^ Ew2 

^  Wi  W2   +  Wj  W3   +  Wi  W3  W,  W2   +    (Wi   -f-  wJ  W3 

Ist  nun  unserer  Voraussetzung  gemäss  Wj  unendlich  klein  gegen  w.2,  so  geht  dieser 
Ausdruck  über  in 

_  Ewj  _         Ew2         _        E 

*  Wi  W2  +  W2  W3  W2  (Wi    +  W3)  Wj   -f  W3 

Dies  heisst  aber  Nichts  Anderes,  als  dass  die  Stromstärke  im  Nerven  dieselbe  ist, 
als  ob  die  Kette  mit  dem  Nerven  direkt  zum  Kreise  geschlossen  wäre. 

Will  man  sehr  schwache  Ströme  durch  den  Nerven  leiten,  welche 
aber  sehr  genau  abgestuft  werden  sollen,  so  gibt  man  dem  Rheochord 
die  Einrichtung  Figur  32.  AB  ist  ein  dicker  Draht  aus  irgend  einem 
gut  leitenden  Metall,  etwa  von  Messing.  Derselbe  trägt  bei  B  eine 
einfache,  bei  A  eine  Doppelklemme.    Auf  dem  Drahte  ist  der  Schieber 


Ficj.  ,32. 


G* 


84  Kreisrheochord.  Kap.  VII. 

S  beweglich.  Verbindet  man  die  Pole  der  Kette,  mit  A  und  B,  und 
den  Nerven  mit  A  und  S,  so  geht  ein  Stromzweig  durch  den  Nerven, 
welcher  um  so  stärker  ist,  je  weiter  S  von  A  entfernt  wird. 

Nennen  wir  wiederum  E  die  elelctro motorische  Kraft  der  Kette,  Wj  den  Wider- 
stand von  SBZPA,  Wi  den  des  eingeschalteten  Dralitstücks  SB,  und  w.^  den  der 
Nervenleitung  AnS,  so  ist  abermals 

j  ^ Kwj 

^         WjWj   -f  W1W3  +  W2W3 

Ist  nun  AB  ein  dicker  gut  leitender  Metalldraht,  wie  wir  vorausgesetzt  haben,  so 
kann  Wj  als  unendlich  klein  angesehen  werden,  sowohl  gegen  Wj  als  gegen  Wj. 
Dann  geht  der  Ausdruck  über  in 

_    Ew, 

W1W3 

d.  h.  in  diesem  Falle  ist  die  Stromstärke  im  Nerven  direkt  propor- 
tional dem  Widerstände  Wj,  d.  h.  der  Entfernung  des  Schiebers  S 
von  der  Klemme  A. 

Will  man  diesen  Fall  mit  dem  Rheochord  Fig.  31  herstellen,  so  muss  man 
sich  auf  die  Benutzung  der  Platindrähte  als  Rheochord  beschränken  und  kann  die 
Neusilberwiderstände  in  den  Kreis  der  Kette  -einschalten.  Man  erreicht  dies,  indem 
man  alle  Stöpsel  zwischen  b  und  g  entfernt  und  zwischen  b  und  c  einen  Stöpsel 
einfügt,  welcher  mit  einer  Klemme  versehen  ist.  Man  verbindet  nun  die  beiden 
Klemmen  von  a  mit  der  Kette  und  dem  Nerven,  die  eine  Klemme  von  g  mit  dem 
andern  Pol  der  Kette  und  die  Stöpselklemme  zwischen  b  und  c  mit  dem  Nerven. 
Die  Widerstände  der  drei  Stromzweige  sind  dann:  w,  =  dem  Widerstand  der  Kette 
+  den  19  Neusilbereinheiten;  Wj  =^  dem  sehr  kleinen  Widerstand  der  eingeschalteten 
Platindrahtstücke;  Wj  =  dem  grossen  Widerstand  des  Nerven. 

Du  Bois-Reymond  hat  dem  einsaitigen  Rheochord  eine  Form  ge- 
geben, welche  eigentlich  für  andere  Zwecke  bestimmt,  aber  auch  für  den 
vorliegenden  Fall  brauchbar  ist.  Dasselbe  ist  in  Figur  33  (s.  folg.  S.) 
dargestellt.  Der  dicke  Rheochorddraht  (an  diesem  Apparate  von 
Platin)  ist  um  den  Rand  einer  kreisförmigen  Scheibe  von  Hartgummi 
heruragelegt.  Seine  Enden  stehen  mit  den  Klemmen  I  und  II  am 
Fussgestell  des  Apparates  in  Verbindung,  mittels  deren  also  ein  Strom 
durch  die  ganze  Länge  des  Drahtes  geleitet  werden  kann.  Um  von 
diesem  Drahte  einen  Stromzweig  abzuleiten,  ist  einerseits  der  Draht 
nahe  seinem  einen  Ende  über  einen  scharfen  Metallsteg  geführt,  wel- 
cher mit  der  Klemme  IV  verbunden  ist;  andererseits  wird  ein  kleines 
Platinröllchen  r  durch  eine  Metallfeder  gegen  den  Draht  gedrückt, 
welches  Röllchen  mit  der  Klemme  III  in  Verbindung  steht.  Wir  haben 
also  nur  die  Klemmen  III  und  IV  mit  dem  Nerven  zu  verbinden, 
dann  geht  ein  Zweig  des  Stromes  durch  denselben.  Die  Stärke  dieses 
Zweiges  hängt  ab  von  der  Länge  des  Drahtes  zwischen  dem  Steg  und 
der  Rolle    r.     Um    diese  Entfernung    zu    ändern.,    ist    die    isolirende 


§  42,  43. 


Der  Schlüssel. 


85 


A 


0     0      0 


Fig.  33. 

Scheibe  mitsammt  dem  Drahte  um  ihre  vertikale  Axe  drehbar,  und 
der  oberhalb  der  Scheibe  angebrachte  Zeiger  gestattet  an  einer  auf 
der  Oberfläche  angebrachten  Teilung  die  Ent- 
fernung des  Ableitungspunktes  r  vom  An- 
fange des  Drahtes  abzulesen.  Die  unter- 
halb der  Scheibe  angebrachten  Stifte  dienen 
zur  bequemen  Drehung  derselben.  Die 
Schraube  f  bewirkt  eine  feinere  Einstellung, 
wenn  durch  Anziehen  der  Schraube  g  die 
grobe  Drehung  unmöglich  gemacht  worden. 

§  43.  Ein  noch  häufiger  gebrauchtes 
Instrument  ist  der  Schlüssel,  welcher  in 
Figur  34  abgebildet  ist.  Auf  der  isoliren- 
den  aus  schwarzer  Kautschukmasse  gefertig- 
ten Unterlage  a  sind  die  beiden  Messing- 
klötze b  und  c  befestigt.  An  c  ist  der 
Messinghebel  d  drehbar  befestigt.  Drückt 
man  ihn  an  seinem  knöchernen  Handgriff 
nieder,   so  legt  er  sich  an  den  Klotz   b   an  Fig.  34. 


86  Messung  von  Widerständen.  Kap.  VII. 

und  setzt  ihn  in  gut  leitende  Verbindung  mit  c.  Schaltet  man  diesen 
Schlüssel  in  den  Kreis  einer  Kette  ein,  indem  man  einen  Leitungs- 
draht in  c,  den  anderen  in  b  einschraubt,  so  dient  er  einfach  zum 
Schliessen  und  Oeffnen  der  Kette  und  ersetzt  so  das  in  §  20  erwähnte 
Quecksilbernäpfchen.*)  Verbindet  man  aber  die  Klötze  b  und  c  einer- 
seits mit  den  beiden  Polen  einer  Kette,  andererseits  mit  den  zum 
Nerven  gehenden  Leitungsdrähten  und  ist  der  Schlüssel,  wie  ihn  die 
Figur  zeigt,  geöifnet,  so  geht  der  Strom  der  Kette  durch  den  Nerven. 
Drückt  man  aber  den  Schlüssel  nieder,  so  bildet  er  eine  Neben- 
schli essung  zum  Nerven  von  so  geringem  Widerstand,  dass  gar  kein 
Strom  durch  den  Nerven  gehen  kann.  Diese  Anordnung  ist  für 
manche  Fälle  sehr  vorteilhaft,  wie  wir  noch  sehen  werden. 

§  44.  Eine  dritte,  äusserst  wichtige  Anwendung  der  Stromver- 
teilung in  verzweigten  Leitern  ist  die  zur  Bestimmung  von  Wider- 
ständen. Ist  in  Figur  35  der  Strom  in  dem  Zweige  5  gleich  0,  so 
ist,  wie  wir  im  §  41  bewiesen  haben, 

W,  :  W,  =  W3  :  W,. 
Schalten   wir  nun  in  den  Zweig  AD   einen  Rheostaten   ein,    in  den 
Zweig  BD   einen  Körper,    dessen  Widerstand  bestimmt  werden  soll, 


Fig.  35. 

ist  ferner  das  Verhältniss  der  Widerstände  A  C  und  B  0  bekannt,  und 
ändern  wir  den  Rheostaten  so  lange,  bis  ein  im  Zweige  CED  befind- 
licher Multiplikator  gar  keinen  Strom  anzeigt,  so  muss  der  am  Rheo- 
stat  abgelesene  Widerstand  sich  zu  dem  zu  bestimmenden  verhalten, 
wie  Wj  :  W^.  Sind  z.  B.  diese  beiden  Widerstände  einander  gleich, 
so  ist  der  zu  bestimmende  Widerstand  direkt  gleich  dem  am  Rhe- 
ostaten abgelesenen.  Ist  aber  der  zu  bestimmende  Widerstand  sehr 
gross,  so  gibt  man  den  Zweigen  AC  und  BC  ein  solches  Verhältniss, 
dass  z.  B.  W2  =  10  .  Wj  ist,  dann  hat  man  natürlich   den  am  Rhe- 


*)  Du  Bois-Reymond  hat  auch  einen  Queclcsilberschlüssel  angegeben,  wo 
der  Messinghebel  d  durch  einen  gekrümmten  Metallbügel  ersetzt  ist,  dessen  Si)itze 
beim  Niederdrücken  in  Quecksilber  eintaucht. 


§44. 


Messung  von  Widerständen. 


87 


ostaten  abgelesenen  Widerstand  mit  10  zu  multiplizircn,  um  den  ge- 
suchten AViderstand  zu  erhalten.  Man  nennt  die  in  Figur  35  dar- 
gestellte Kombination  eine  AVheatstone'sche  Brücke. 

Man  kann  auch  so  verfahren,  dass  man  in  den  Zweig  AD  einen 
ganz  bestimmten  Widerstand,  z.  B.  ein  oder  mehrere  Ohm,  und 
in  den  Zweig  BD  den  zu  bestimmenden  Widerstand  einschaltet,  und 
nun  den  Punkt  C  auf  AGB  so  lange  hin  und  her  verschiebt,  bis  im 
Zweige  CD  kein  Strom  mehr  ist.  Es  muss  dann  offenbar  der  zu  be- 
stimmende Widerstand  x  sich  zu  der  Einheit  verhalten,,  wie  der  Wider- 
stand von  BC  zu  dem  Widerstand  von  AC.  Gibt  man  nun  dem 
Zweige  AGB  die  Einrichtung  des  in  Figur  32  dargestellten  Rheochords, 
so  wird  die  AViderstaudsbestimmung  sehr  einfach.  Man  braucht  eben 
nur  den  Rheochordschieber  so  lange  zu  verschieben,  bis  die  Multipli- 
katornadel auf  0  steht.  Das  Verhältniss,  in  welchem  jetzt  der 
Rheochorddraht  durch  den  Schieber  geteilt  wird,  ist  dann  gleich  dem 
Verhältniss  des  gesuchten  Widerstandes  x  zu  dem  in  AD  eingeschalteten 
Widerstand.  Figur  36  stellt  diese  Anordnung  dar.  AGB  oder  der  eine 
Zweig  der  Wh eatstone 'sehen  Brücke  ist  hier  durch  das  Rheochord 
dargestellt,   der  andere  Zweig  ADB  enthält  bei  x  den  zu  messenden 


Widerstand,  bei  W  den  Vergleichswiderstand,  dessen  Grösse  möglichst 
passend  gewählt  ist.  In  den  Zweig  GD  ist  der  Multiplikator  M 
eingeschaltet.  Die  Zweige  deuten  die  Richtung  der  Ströme  an,  welche 
von  der  Kette  PZ  der  Brücke  zugeleitet  werden,  während  in  dieser 
selbst  unserer  Voraussetzung  gemäss  keine  elektromotorische  Kraft 
ihren  Sitz  hat. 

Da  in  diesem   Falle   der  Schieber    den  Rheochorddraht    nur    in 


88  Messung  von  Widers täiKlea.  J(ap.  VII. 

einem  Punkte  beriilircn  darf,  so  gibt  man  dem  Rheocliord  zweck- 
mässig folgende  Einrichtung:  Mau  spannt  einen  Platindraht  scharf 
auf  eine  gut  lackirte  hölzerne  Schiene,  die  mit  einer  Teilung  versehen 
ist,  so  dass  der  Draht  unmittelbar  auf  der  Schiene  aufliegt.  Ein 
kleiner  Klotz,  welcher  durch  eingegossenes  Blei  beschwert  ist,  trägt 
an  seinem  einen  Ende  eine  starke  Kupferplatte,  an  welcher  unten 
eine  den  Klotz  etwas  überragende  scharfe  Platinschneide  angelötet  ist. 
Diese  Schneide  setzt  man  auf  den  Platindraht  auf.  An  der  Kupfer- 
platte ist  der  zum  Multiplikator  gehende  Draht  befestigt. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Widerstände  der  Hilfsdrähte, 
welche  zur  Einschaltung  des  zu  untersuchenden  Körpers  und  der  zur 
Bestimmung  benutzten  Einheit  dienen,  in  Rechnung  gezogen  werden 
müssen,  wenn  nicht,  wie  dies  allerdings  bei  physiologischen  Unter- 
suchungen meist  der  Fall  sein  wird,  ihr  Widerstand  als  unendlich 
klein  angesehen  werden  kann. 

Um  solche  Widerstandsbestiraraungen  genau  machen  zu  können, 
muss  man  mit  guten  Rheostaten  versehen  sein.  Die  besten  derartigen 
Instrumente  werden  von  den  Werkstätten  von  Siemens  und  Halske 
geliefert.  Sie  bestehen  aus  einem  Kasten,  in  welchem  eine  Anzahl 
Rollen  von  genau  abgestuften  Widerständen  enthalten  sind.  Auf  dem 
Deckel  des  Kastens  ist  eine  Vorrichtung,  durch  welche  man  die  Rollen 
in  den  Kreis  einschalten  kann,  indem  man  durch  Entfernung  eines 
Stöpsels  eine  gute  Nebenscliliessung  zu  der  betreffenden  Rolle  unter- 
bricht.    Figur  37  stellt  einen   solchen  Widerstandskasten   oder  Rheo- 


Fig.  37. 

staten  dar,  der  10  Rollen  mit  verschiedenen  Widerständen  enthält, 
welche  einzeln  oder  mit  einander  kombinirt  eingeschaltet  werden  können. 
Man  kann  diese  Rheostaten  auch  statt  des  früher  beschriebenen 
Rheochords  als  Nebenschliessung  benutzen,  um  durch  passende  Wahl 
der  eingeschalteten  Rollen  die  Stromstärke  -  abzustufen.  In  dieser 
Weise  wird  er  in  der  Elektrotherapie  benutzt,  um  den  Strömen, 
welche  man  durch  einen  Körperteil  leitet,  die  passende  Stromstärke 
zu  geben. 


§  44.  Stromabstufung  mittels  Rheostaten.  89 

Wenn  wir  z.  B.  den  Strom  von  15  Daniell' sehen  Elementen  direkt  durch 
einen  Körperteil  leiten ,  so  würden  wir  einen  Strom  haben ,  dessen  Stärke  sich 
folgendermassen  berechnet:  1  Daniell  hat  nahezu  eine  elektromotorische  Kraft 
von  1  Volt  und  eiiien  Innern  Widerstand  von  etwa  1,4  Ohm.  Die  15  Elemente 
haben  also  einen  Widerstand  von  21  Ohm.  Rechnen  wir  dazu  den  Widerstand  der 
Leitung  und  des  Körperteils  zu  979  Ohm.     Dann  haben  wir 

Schalten  wir  aber  10  Ohm  als  Nebenschliessung  ein,  so  wäre  nach  §  41  Gleichung  (6): 
E.W,  15.  10  150 


W1W2  +  W2W3 +w,W3  21.104-979.10+21.979  210  +  9790+20559 
=  nahezu  5  Milliampere.  Bei  Kinschaltung  von  20  Ohm  als  Nebenschliessung  er- 
halten wir  ebenso: 

J3  =  nahezu  7,0  Milliampere. 
Bei  Einschaltung  von  30'  Ohm  als  Nebenschliessung  ebenso: 

J3  =  nahezu  9  Milliampere 
und  so  weiter.     Wir  sehen  also , .  dass  man  im  Stande  ist ,  durch  allmähliche  Ver- 
mehrung der  Widerstände  der  Nebenschliessung  (da  wir  ja  langsamer  vorschreiten 
und  nicht  von   10  zu   10  Ohms,   sondern   allmählich   die  Widerstände  vermehren 
können)  den  Strom  ganz  allmählich  anschwellen  zu  lassen. 

Statt  dieser  Rheostaten  hat  man  auch  Flüssigkeitsrheostaten  an- 
gewandt. Ära  besten  nimmt  man  dazu  enge  Glasröhren,  welche  mit 
konzentrirter  Lösung  von  Zinksulfat  gefüllt  sind.  Die  Röhre  wird 
vertikal  aufgestellt,  unten  mit  einem  Kork  geschlossen,  durchweichen 
ein  amalgamirter  Zinkdraht  hindurchgeht.  Von  oben  senkt  man  einen 
gleichfalls  amalgamirten  Zinkdraht  ein.  Indem  man  diesen  verschiebt, 
kann  man  eine  längere  oder  kürzere  Flüssigkeitssäule  einschalten, 
welche  bei  dem  geringen  Querschnitt,  den  man  der  Röhre  geben  kann, 
und  dem  grossen  spezifischen  Widerstand  der  Flüssigkeit  einen  sehr 
erheblichen  Widerstand  darstellt.  Durch  die  Kombination  von  Zink- 
sulfat und  amalgamirtera  Zink  wird  Polarisation  vermieden. 

§  45.  Wir  haben  im  Vorhergehenden  gesehen,  das  ein  elek- 
trischer Strom  in  einem  System  von  verzweigten  Leitern  sich  so  ver- 
teilt, dass  der  durch  jeden  Zweig  sich  ergiessende  Stromesanteil  im 
umgekehrten  Verhältniss  zum  Widerstand  dieses  Zweiges  steht.  Dabei 
ist  es  durchaus  gleichgiltig,  wie  gross  die  Zahl  der  Zweige  ist,  in 
welche  sich  der  Leiter  teilt.  Denken  wir  uns  nun  einen  Leiter  von 
irgend  welcher  Gestalt,  etwa  eine  kreisförmige  Scheibe  von  Metall,  an 
deren  Umfang  an  zwei  diametral  gegenüberliegenden  Punkton  der 
Strom  ein-  und  au,stritt,  so  ist  es  offenbar  gestattet,  sich  diese  Sclieibe 
zusammengesetzt  zu  denken  aus  einer  Anzahl  leitender  gleicli  diclver 
Streifen,    welche   alle  in   dem  einen  Punkte    anfangen    und    in    dem 


90  Sliöme  in  nicht  prismalischen  Leitern.  Kap.  VH. 

anderen  endigen.  Der  Strom  wird  sich  dann  durch  alle  diese  Streifen 
ergiessen,  aber  da  die  Länge  der  Streifen  von  dem  mittelsten,  diametral 
die  Scheibe  durchschneidenden,   nach   beiden  Seiten   hin  immer   mehr 


/ 


Fig.  38. 

zunimmt,  so  muss  die  Stärke  der  Ströme  in  dem  mittleren  Streifen 
am  grössten  sein  und  nach  beiden  Seiten  hin  allmählich  abnehmen. 
Denken  wir  uns  nun  die  Streifen  immer  schmaler  und  immer  näher 
an  einander  gerückt,  so  folgt,  dass  die  ganze  Scheibe  durchflössen 
sein  muss  von  einem  System  immer  mehr  von  der  geraden  Linie  ab- 
weichender, und  der  Halbkreisform  sich  anschliessender  Stromeskurven,' 
welche  alle  von  dem  Punkte  ausgehen,  wo  der  Strom  in  die  Scheibe 
eintritt,  und  in  den  Punkt  zusammenlaufen,  wo  der  Strom  die  Scheibe 
verlässt.  Das  Verhältniss  wird  aber  das  nämliche  bleiben,  wenn  der 
Leiter  irgend  eine  andere  Gestalt  hat,  und  die  Zu-  und  Ableitung  des 
Stromes  an  zwei  beliebigen  Punkten  geschieht.  Immer  wird  der  Leiter 
von  einem  System  von  Strömen  durchflössen  sein,  welche  alle  von  dem 
Zuleitungs-  nach  dem  Ableitungspunkte  gehen,  und  den  ganzen  Leiter 
erfüllen,  indem  sich  die  letzten  der  Oberfläche  des  Leiters  anschliessen. 
Figur  39  (s.  folg.  S.)  stellt  ein  solches  System  von  Strömen  vor  in 
einem  viereckigen  Leiter,  wo  die  Zu-  und  Ableitung  an  zwei  Punkten, 
die  ungefähr  gleichweit  von  der  Mitte  abstehen,  geschieht. 

§  46.  Denken  wir  uns  den  Leiter  Figur  39  als  eine  Ebene,  auf 
welche  in  A  und  B  die  Pole  einer  Kette  aufgesetzt  werden,  \\\  A  der 
positive,  in  B  der  negative  Pol,  so  wirken  die  elektrischen  Spannungen, 
welche  die  Pole  besitzen,  verteilend  auf  die  natürlichen  Elektrizitäten 
des  ebenen  Leiters  und  diese  geraten  in  Bewegung,  indem  die  positive 
Elektrizität  von  A  abgestossen,  von  B  angezogen  wird,  die  negative 
Elektrizität  dagegen  von  A  angezogen  und  von  B  abgestossen  wird. 
Wir  haben  im  §  19  gesehen,  wie  sich  aus  diesen  Anziehungen  und 


§46. 


Strö-me  in  nicht  prismatischen  Leitern. 


91 


Abstossangcü  der  A^organg  des  elektrischen  Stromes  im  Scliliessuiigs- 
bogeii  ableiten  lässt.  In  dem  jetzt  von  uns  betrachteten  Falle  ist 
aber  das  Verhältniss   insofern   bedeutend   schwieriger,   als   der   punkt- 


Fig.  39. 

förmige  Poldraht  nicht  mit  einem  einfach  linearen  Leiter,  sondern 
mit  einem  in  der  Ebene  nach  allen  Richtungen  sich  ausdehnenden 
Leiter  in  Verbindung  tritt.  Die  verteilende  Wirkung  des  Poles  ist 
daher  auch  nach  allen  Richtungen  hin  tätig,  und  es  strömt  von  A 
aus  nach  allen  Seiten  hin  positive  Elektrizität,  während  von  allen 
Seiten  her  negative  Elektrizität  nach  A  hinströmt.  Um  A  herum 
bilden  sich  daher  Schichten,  auf  denen  die  freie  positive  Spannung 
allmählich  abnimmt.  Dasselbe  findet  mit  der  negativen  Spannung  um 
B  herum  statt  und  diese  Spannungen  werden  zuletzt  auf  einer  irgend- 
wo zwischen  A  und  B  gelegenen  Linie  Null  sein.  Deswegen  ist  die 
Zahl  der  Bahnen,  auf  denen  die  Strömung  der  Elektrizität  zwischen 
A  und  B  stattfindet,  unendlich,  ihre  Gestalt  und  Lage  hängt  von  der 
Lage  der  Punkte  A  und  B  ab  und  von  der  Gestalt  des  Leiters,  in 
welchem  die  Bewegung  stattfindet.  Bisher  haben  wir  diesen  Leiter 
als  nur  in  der  Ebene  ausgedehnt  uns  vorgestellt,  gleichsam  unendlich 
dünn.  Handelt  es  sich  aber  um  einen  Körper,  in  dessen  Innern  die 
beiden  Punkte  A  und  B  sich  befinden,  so  geschieht  natürlich  das 
Strömen  der  Elektrizität  gleichfalls  nach  allen  Richtungen.  Die 
Ströraungsbahnen  bilden  dann  in  einander  geschachtelte  Flächen, 
welche  alle  durch  die  Punkte  A  und  B  gehen,  und  den  ganzen  Körper 
erfüllen.  Legt  man  eine  Ebene  durch  diese  Punkte,  so  schneidet 
diese  alle  Strömungsbahnen  in  Kurven,  wie  die  in  der  Figur  39 
dargestellten. 

Wenn  man  den  Gang  berücksichtigt,  welchen  die  einzelnen  Strom- 
fäden nehmen,  so  sieht  man  leicht,  dass  an  den  Punkten  A  und  B 


92 


Ströme  in  nicht  prismatischen  Leitern. 


Kap.  YII. 


die  Stromdichtc  am  grösstcn  ist  und  mit  der  Entfernung  von  diesen 
Punkten  immer  mehr  abnimmt.  Denn  durch  die  Punkte  A  und  B 
strömt  die  ganze  Elektrizitätsmenge,  Avelche  durch  den  Leiter  über- 
haupt hindurchgeführt  wird,  während  sie  sich  an  allen  anderen  Punkten 


Fig.  40. 

über  einen  grösseren  Raum  verteilt.  Auch  geschieht  diese  Verteilung 
nicht  gleichmässig,  da  die  Stromfäden  an  Stärke  abnehmen,  je  mehr 
sie  von  der  A  und  B  verbindenden  geraden  Linie  abweichen.  Je  näher 
die  Punkte  A  und  B  einander  liegen,  desto  schneller  nehmen  die 
Ströme,  welche  sich  nicht  direkt  durch  die  gerade  Verbindungslinie  AB 
ergiessen,  an  Stärke  ab,  um  so  schneller  vermindert  sich  daher  auch 
die  Stromdichte  mit  der  Entfernung  von  den  Punkten  A  und  B.  Es 
ist  daher  leicht  einzusehen,  dass  diejenigen  Wirkungen  des  elektrischen 
Stromes,  welche  von  der  Stromdichte  abhängen,  schon  in  einiger  Ent- 
fernung, von  den  Punkten  A  und  B  ganz  unmerklich  werden   können. 

Diese  Gesetze  der  Stromverteilung  in  unregelmässigen  Leitern  finden  eine 
wichtige  Anwendung  in  der  Elektrotherapie.  Setzt  man  die  Pole  einer  Kette  an 
zwei  beliebige  Punkte  des  menschlichen  Körpers,  so  wird  von  diesen  aus  der  Strom 
sich  durch  den  ganzen  Körper  verbreiten  in  einer  Unzahl  von  mehr  oder  weniger 
gekrümmten  Stromfäden,  welche  alle  in  den  Ansatzpunkten  zusammenlaufen.  Aus 
dem  Vorhergehenden  ist  klar,  dass  die  Wirkung  dieser  Ströme  an  den  Ansatzpunkten 
selbst  am  mächtigsten,  demnächst  am  stärksten  auf  der  Verbindungslinie  zwischen 
beiden  sein,  mit  der  Entfernung  von  diesen  Punkten  aber  schnell  abnehmen  muss. 
Aus  diesem  Grunde  ist  es  möglich,  dass  der  Strom  an  den  Ansatzpunkten  starke 
Wirkungen  ausübt,  während  er  schon  in  geringer  Entfernung  ganz  unmerklich  wird. 
Je  näher  die  Ansatzpunkte,  desto  leichter  wird  eine  solche  Lokalisation  der  • 
Wirkung  sein.  Duchenne  war  es,  der  zuerst  praktische  Anwendung  hiervon 
machte  und  lehrte,  wie  man  einzelne  Muskeln,  ja  Teile  von  Muskeln  isolirt  reizen 
könne.  Liegen  auf  dem  Wege  der  Stromeskurven  Gebilde,  welche  sich  durch  eine 
grössere  Empfindlichkeit  gegen  den  elektrischen  Strom  auszeichnen,  als  ihre  Um- 
gebung hat,  so  können  an  diesen  Punkten  aber  selbst  in  grösserer  Entfernung  von 


§  4G.  Ströme  in  einem  ableitenden  Bogen.  93 

den  Elektroden  sich  "Wirkungen  geltend  machen  trotz  der  geringeren  Stromdichte. 
Solche  Fälle  kommen  auch  in  physiologischen  Versuchen  vor  und  können  hier  zu 
Täuschungen  Anlass  geben. 

Legt  man  an  einen  Nerven  Drähte  und  leitet  durch  diese  elektrische  Ströme 
zu,  so  ist  dicht  an  den  Drähten  die  Stromdichte  am  grössten.  Enthält  der  Nerv  Fasern 
von  verschiedenen  Funktionen  (wie  z.  B.  der  Halsvagus),  so  kann  der  Effekt  ver- 
schieden ausfallen,  je  nachdem  die  einen  oder  die  andern  Fasern  stärker  oder  auch 
allein  genügend  stark  durch  die  Ströme  gereizt  werden. 

Denken  wir  uns  an  den  von  Strömen  durchflossenen  Leiter  einen 
zweiten  Leiter  angelegt,  durch  dessen  Berührung  jedoch  keine  elek- 
tromotorischen Kräfte  erregt  werden  sollen,  so  werden  sich  auch  durch 
diesen  die  Ströme  ergiessen,  das  Ganze  wird  ein  neues  System  von 
anderer  Gestalt  darstellen.  Hierin  wird  aber  auch  nichts  geändert, 
wenn  der  angelegte  Leiter,  den  wir  uns  von  linearer  Gestalt  denken 
wollen,  den  körperlichen  Leiter  nur  in  zwei  Punkten  berührt.  Es  wird 
sich  dann  durch  diesen  Leiter  ein  Strom  ergiessen,  dessen  Stärke  von 
dem  Widerstände  des  Leiters  und  der  Art  seiner  Anlegung  abhängt. 
Schaltet  man  in  diesen  Leiter  ein  strommessendes  Werkzeug  ein,  und 
raisst  die  Stärke  des  durch  ihn  sich  abzweigenden  Stromes,  bei  ver- 
schiedenen Arten  der  Anlegung  an  den  körperlichen  Leiter,  so  kann 
man  daraus  die  Verteilung  der  Ströme  in  letzterem  kennen  lernen. 
Hiervon  wird  im  10.  Kapitel  ausführlicher  die  Rede  sein.  Man  nennt 
den  solchergestalt  an  einen  von  Strömen  durchflossenen  Körper  ange- 
legten linearen  Leiter  den  ableitenden  Bogen,  die  Anlagerungs- 
punkte heissen  die  Fusspunkte  des  Bogens,  und  die  Entfernung 
der  Fusspunkte  von  einander  die  Spannweite. 

Ist  der  körperliche  Leiter  nicht,  wie  wir  bisher  stillschweigend  angenommen 
haben,  in  sich  homogen,  sondern  aus  Leitern  von  verschiedenen  Widerständen  zu- 
sammengesetzt, so  ändert  sich  natürlich  dadurch  der  Gang  der  Stromeskurven. 
Denken  wir  uns  den  Leiter  wiederum  in  eine  Anzahl  gleich  dicker  Streifen  zerlegt, 
welche  alle  in  dem  Ein-  und  Austrittspunkt  des  Stromes  zusammenlaufen,  so  wer- 
den diejenigen  Streifen,  welche  Teile  von  geringerem  Leitungsvermögen  enthalten, 
natürlich  einen  grösseren  Widerstand  bieten.  Da  nun  die  durch  die  einzelnen 
Streifen  gehenden  Stromanteile  in  umgekehrtem  Verhältniss  zu  ihrem  Widerstände 
stehen,  so  ist  klar,  dass  durch  jene  Streifen  ein  geringerer  Stromanteil  gehen  muss. 
Eine  genauere  Verfolgung  solcher  Probleme  ist  jedoch  äusserst  schwierig.  Diejenigen, 
welche  sich  mit  dem  Gegenstande  eingehender  bekannt  zu  machen  wünschen ,  ver- 
weise ich  auf  die  Arbeiten  von  Kirch  ho  ff  (Pogg.  Ann.  Bd.  64,  S.  497.  Bd.  67. 
S.  344.  Bd.  75.  S.  169.),  Helmholtz  (Pogg.  Ann.  Bd.  89.  S.  213  und  353.), 
Smaasen  (Pogg.  Ann.  Bd.  69.  S.  161.),  Bosscha  (Pogg.  Ann.  Bd.  104.  S.  460.) 
und  auf  die  ausführliche  Darstellung  in  du  Bois-Reyraond's  Untersuchungen 
über  tierische  Elekirizität  (Bd.  1.  S.  561),  wo  die  speziellen  elektrophysiologischen 
Probleme  behandelt  sind. 


Kapitel  VIII. 

Vom  Elektromagnetismus  und  der  Erregung  elektrischer 
Ströme  durch  Induktion. 


§  47.  Wir  kehren  jetzt  zu  der  Betrachtung  der  Wirkungen  elek- 
trischer Ströme  zurück,  welche  für  die  Elektrophysiologie  und  Elektro- 
therapie von  Wichtigkeit  sind,  und  betrachten  zunächst  einige  von  den 
Wirkungen,  welche  ein  von  einem  Strom  durchflossener  Leiter  in  die 
Ferne  hin  ausübt. 

Leitet  man  um  einen  Zylinder  von  weichem  Eisen  einen  Strom, 
indem  man  ihn  mit  einem  mit  Seide  besponnenen  Kupferdraht  um- 
wickelt, welcher  vom  Strom  durchflössen  wird,  so  wird  der  Eisenstab 
magnetisch  und  erlangt  alle  Eigenschaften  eines  auf  irgend  eine 
andere  Weise  magnetisch  gemachten  Stahlstabes.  Das  eine  Ende  des 
Eisenstabes  wirkt  jetzt  anziehend  auf  den  Nordpol,  abstossend  auf  den 
Südpol  einer  Magnetnadel,  verhält  sich  also  ebenfalls  als  Südpol, 
während  das  andere  Ende  den  Südpol  der  Magnetnadel  anzieht  und 
den  Nordpol  abstösst,  also  ein  Nordpol  ist. 

Welches  Ende  des  Stabes  ein  Süd-  und  welches  ein  Nordpol  wird, 
das  hängt  von  der  Richtung  ab,  in  welcher  der  Strom  den  Stab  um- 
kreist. Sieht  man  nämlich  den  Stab  von  der  einen  Endfläche  her  an, 
und  kreist  der  Strom  um  ihn  in  der  Richtung  des  Zeigers  einer  Uhr, 
so  ist  dieses  Ende  ein  Südpol;  liat  der  Strom  die  umgekehrte  Rich- 
tung,  so  ist  es  ein  Nordpol,   wie  Figur  41    veranschaulicht.     Oeffnet 

man  den  Strom,  welcher  den  Zy- 
linder umkreist,  so  hört  dessen  Magne- 
tismus auf,  er  verhält  sich  wie  ein 
anderer  Eisenstab,  wird  jedoch  wiede- 
rum magnetisch,  sobald  man  den  Strom 
schliesst. 
Fig^  4t,  Entfernt  man   den  Eisenstab   aus 


§  47,  48.  Eleldromagnetismus.  95 

der  Spirale,  so  zeigt  sich,  dass  die  vom  Strome  durchflossene  Spirale 
schon  allein  magnetische  Eigenschaften  hat,  wenngleich  in  viel 
schwächerem  Grade,  als  wenn  der  Eisenstab  noch  darin  war.  Das 
eine  Ende  der  Spirale  zieht  den  Nordpol  einer  Magnetnadel  an  und 
stösst  den  Südpol  ab,  das  andere  Ende  verhält  sich  umgekehrt.  Hängt 
man  eine  solche  Spirale  freischwebend  auf,  so  dass  sie  in  einer  hori- 
zontalen Ebene  sich  drehen  kann,  dann  stellt  sie  sich  in  den  mag- 
netischen Meridian  ein,  ihr  eines  Ende  zeigt  nach  Norden,  das  andere 
nach  Süden,  und  wenn  man  letzteres  betrachtet,  so  findet  man,  dass 
der  Strom  in  derselben  Richtung  kreist,  wie  der  Zeiger  einer  Uhr.  Es 
folgt  daraus,  dass  man  jedes  Element  eines  galvanischen  Stromes  er- 
setzt denken  kann  durch  einen  kleinen  Magneten,  welcher  senkrecht 
auf  das  Stromelement  gerichtet  ist,  und  umgekehrt  jedes  magnetische 
Element  ersetzt  denl^en  kann  durch  einen  senkrecht  darauf  gestellten 
galvanischen  Strom.  Die  Richtung  des  letzteren  folgt  einfach  aus  der 
oben  gegebenen  Regel.  Daraus  ist  dann  von  selbst  klar,  wie  alle 
Wirkungen,  welche  der  elektrische  Strom  in  die  Ferne  ausübt,  auch 
hervorgebracht  werden  können  durch  Magnetstäbe,  und  dass  diese 
Wirkungen  sehr  verstärkt  werden,  wenn  man  in  die  vom  Strom  durch- 
flossene Spirale  einen  weichen  Eisenstab  steckt.  Denn  indem  dieser 
durch  den  Strom  zum  Magneten  wird,  unterstützt  er  die  Wirkungen 
des  Stromes. 

§  48.  Seien  A  und  B  zwei  parallele  kreisförmige,  von  einander 
isolirte  Leiter,  und  A  von  einem  Strome  durchflössen,  so  wird  ein  in 
B  eingeschalteter  Multiplikator  natürlich  keine  Ablenkung  zeigen. 
Bewegt  man  jedoch  den  einen  dieser  Leiter  mit  grosser  Geschwindig- 
keit gegen  den  anderen,  so  wird  die  Nadel  des  Multiplikators  abge- 
lenkt und  zeigt  hierdurch  an,  dass  in  B  ein  Strom  zirkulirt,  welcher 
jedoch  nur  so  lange  dauert,  als  die  Bewegung.  Die  Richtung  dieses 
Stromes  ist  verschieden  je  nach  der  Richtung  der  Bewegung.  Wird 
nämlich  die  Entfernung  der  beiden  Leiter  vergrössert,  so  ist  der  in  B 
entstehende  Strom  gleichgerichtet  dem  in  A  zirkulirenden,  werden  die 
Leiter  aber  einander  genähert,  so  hat  der  in  B  entstehende  Strom  die 
entgegengesetzte  Richtung,  wie  der  in  A  zirkulirende. 

Die  Stärke  der  Ströme,  welche  solchergestalt  bei  der  Bewegung 
durch  die  Wirkung  des  in  A  zirkulirenden  Stromes  in  B  entstehen 
und  welche  man  Induktionsströme  oder  induzirte  Ströme  nennt, 
ist  um  so  grösser,  mit  je  grösserer  Geschwindigkeit  die  Bewegung  ge- 
schieht,  immer   aber  äusserst  schwach      IMan   kaim   dieselben    jedoch 


96 


Schliessuno;s-  und  OefTnunffSstrom. 


Kap.  Vlir. 


erheblich  verstärken,  wenn  man  jedem  der  Leiter  die  Gestalt  einer 
spiralig  aufgewundenen  Rolle  gibt,  weil  dann  jede  Windung  des  einen 
Leiters  auf  jede  Windung  des  anderen  induzirend  wirkt.  Bewegt 
man  zwei  solche  Rollen  gegen  einander,  von  denen  die  eine  von  einem 
Strom  durchflössen  ist,  so  kann  man  schon  mit  einem  wenig  empfind- 
lichen Multiplikator  die  in  der  zweiten  Rolle  entstehenden  Ströme 
nachweisen. 

§  49.  Stellt  man  die  Rollen  ruhig  neben  einander  auf  und  schliesst 
und  öffnet  abwechselnd  den  Strom  der  Rolle  A,  so  sieht  man,  dass 
bei  jeder  Schliessung  und  Oeflhung  in  ß  ein  Strom  entsteht,  welcher 
bei  der  Schliessung  die  entgegengesetzte  Richtung  hat,  als  der  in  A 
zirkulirende,  bei  der  Oeffnung  aber  die  gleiche  Richtung.  Diese 
Ströme  dauern  immer  nur  sehr  kurze  Zeit  und   verschwinden   wieder. 


^tgj;^^,iiSl,i|i;if4H,fpi| 


Flg.  42. 

wenn  der  Strom  in  A  geschlossen  oder  geöffnet  bleibt.  Ihre  Stärke 
ist  um  so  grösser,  je  stärker  der  in  A  zirkulirende  Strom  ist  und  je 
näher  die  beiden  Rollen  einander  stehen,  und  wenn  die  Entfernung 
der  Rollen  sehr  beträchtlich  ist,  so  sind  sie  selbst  mit  den  empfind- 
lichsten Multiplikatoren  nicht  mehr  nachweisbar.  Die  Anzahl  der 
Windungen  vermehrt  ebenfalls  die  Wirkung.  .  Man  gibt  daher,  um 
möglichst  starke  Liduktionsströme  zu  erhalten,  der  Rolle  B  möglichst 
viele  Windungen  eines  recht  feinen  Drahtes,  während  man  an  der 
Rolle  A  nur  wenige  Windungen  eines  dicken  Drahtes  gibt,  damit  ihr 
Widerstand  den   durch  sie   geleiteten  Strom   nicht  zu  selir  schwäche. 


§49. 


Unipolare  Induldionswirliungen. 


97 


Fig.  43. 


Um  die  Entfernung  der  Windungen  beider  Rollen  möglichst  verringern 
zu  können,  macht  man  die  eine  Rolle  weiter,  so  dass  die  eine  in  die 
andere  gesteckt  werden  kann,  wie  Fig.  43  zeigt.  Eine  solche  Zu- 
sammenstellung zweier  Rollen  nennt  man  ein  Induktorium.  Die 
Rolle  B  wird  gewöhnlich  die  primäre  Rolle  genannt,  weil  in  ihr 
der  von  der  Kette  direkt  gelieferte  Strom  zirkuiirt,  während  man  die 
Rolle  A,  in  welcher  der  durch  jenen 
ersten  erzeugte  oder  sekundäre 
Strom  kreist,  die  sekundäre  Rolle 
zu  nennen  pflegt. 

Verbindet  man  die  Enden  der 
sekundären  Spirale  mit  einander 
durch  einen  beliebigen  Leiter,  so 
gehen  beim  Schliessen  und  Oeflfnen 
des  primären  Stromes  die  Induktions- 
ströme durch  diesen  Leiter.  Ent- 
hält die  Leitung  einen  Nerven  oder 
einen  Muskel,  so  wird  dieser  erregt, 
da  Liduktionsströme  zu  den  wirk- 
samsten Reizmitteln  für  diese  Gebilde  gehören.  Bleibt  die  Rolle  offen, 
so  können  die  Ströme  nicht  zu  Stande  kommen.  Indem  aber  bei  dem 
jedesmaligen  Schliessen  und  Oeffnen  des  primären  Kreises  die  indu- 
zirende  Wirkung  stattfindet,  wird  die  neutrale  Elektrizität  der  Rolle 
zersetzt,  die  positive  häuft  sich  an  dem  einen,  die  negative  an  dem 
anderen  Ende  der  Rolle  an.  Lässt  man  die  Enden  der  Rolle  in 
Spitzen  auslaufen,  welche  man  einander  gegenüberstellt,  so  können  die 
freien  Elektrizitäten  an  den  Spitzen  eine  solche  Spannung  erlangen, 
dass  sie  den  Widerstand  der  Luft  überwinden  und  sich  in  Gestalt  eines 
Funkens  vereinigen.  Setzt  man  aber  das  eine  Ende  der  Rolle  oder 
beide  in  leitende  Verbindung  mit  dem  Erdboden,  so  entweicht  die 
freie  Elektrizität  nach  der  Erde,  und  wenn  in  diese  Ableitung  ein 
Nerv  oder  Muskel  eingeschaltet  ist,  so  wird  derselbe  erregt.  Man 
bezeichnet  dies  als  eine  unipolare  Indnktions Wirkung,  weil  der 
tierische  Teil  nur  mit  einem  Pole  der  Induktionsrolle  in  Verbindung  ist. 

Solche  unipolare  Wirkungen  treten  auch  auf,  wenn  ein  Pol  der 
Induktionsspirale  zur  Erde  abgeleitet  ist,  während  er  mit  dem  anderen 
Pole  durch  einen  Leiter  von  sehr  grossem  Widerstände  verbunden  ist. 
In  diesem  Falle  geht  ein  Teil  der  freien  Elektrizität,  statt  durch 
diesen  schlechten  Leiter,  direkt  zur  Erde,  und  wenn  auf  diesem  Wege 
tierische  Teile    vorhanden    sind,    welche    vom   Strom    erregt    werden 

Uoseiitlial   u.  Bcriiliiii-dt,  Eli-ktrizitiit.slelire.  ■   III.  Aiill.  7 


98  •  Unipolare  Induktionswirkungen.  Kap.  VIII. 

können,  so  geschieht  dies.  Man  sagt  dann,  die  Induktionsrolle  sei 
im  Zustande  unvollkommener  Schliessung,  welcher  den  Ueber- 
gang  bildet  zu  dem  der  ganz  ungeschlossenen  Spirale. 

Aber  es  bedarf  auch  gar  nicht  der  Ableitung  zur  Erde,  um  die 
Erscheinungen  der  unipolaren  Induktions Wirkungen  zu  zeigen.  Es  ge- 
nügt vielmehr  zu  diesem  Zwecke,  wenn  das  eine  Ende  der  offenen 
oder  unvollkommen  geschlossenen  Spirale  mit  einem  isolirten  Leiter 
von  grosser  Oberfläche  in  leitender  Verbindung  steht.  In  diesem  Falle 
strömt  die  freie  Elektrizität  nach  dem  Leiter,  wo  sie  wegen  der 
grossen  Oberfläche  ja  nur  eine  geringe  Dichte  erlangt.  Ist  nun  zwischen 
dem  Ende  der  Spirale  und  dem  Leiter  ein  Nerv  eingeschaltet,  so  kann 
dieser  erregt  werden. 

Dieser  letztere  Fall  der  unipolaren  Induktion  kommt  häufig  bei 
physiologischen  Versuchen  vor  und  kann  dann  zu  Täuschungen  Ver- 
anlassung geben.  Leitet  man  z.  B.  einen  Induktionsstrom  durch  einen 
Nerven,  welcher  an  einem  Ende  mit  dem  tierischen  Körper  in  Ver- 
bindung steht,  wie  dies  ja  bei  Vivisektionen  meist  der  Fall  ist,  so 
bildet  das  zwischen  den  Elektroden  befindliche  Nervenstück .  wegen, 
seines  beträchtlichen  Widerstandes  die  unvollkommene  Schliessung  und 
das  ganze  Tier  den  Leiter  von  grosser  Oberfläche.  Auf  diesen  geht 
daher  ein  Teil  der  freien  Elektrizität  über,  und  wenn  auf  dem  Wege 
dahin  ein  Nerv  erregt  wird,  so  kann  der  Effekt  'dieser  Erregung  leicht 
fälschlich  für  den  gesuchten  Effekt  des  unmittelbar  erregten  Nerven 
genommen  werden.  Noch  viel  grösser  wird  natürlich  die  Gefahr  einer 
solchen  Täuschung,  wenn  das  Tier  gar  nicht  isolirt  ist. 

Will  man  in  physiologischen  Versuchen  von  den  unipolaren  Wir- 
kungen nicht  getäuscht  werden,  so  ist  es  auch  nötig,  den  zu  reizenden 
Nerven  vor  der  unzeitigen  Erregung  auf  unipolarem  Wege  sicher  zu 
stellen.  Wollte  man  z.  B.  zwei  Drähte  an  den  Nerven  legen,  den 
einen  direkt  mit  dem  einen  Pole  der  Induktionsspirale  verbinden,  den 
anderen  aber  durch  einen  Schlüssel  oder  ein  Quecksilbernäpfchen  unter- 
brechen, so  würde  der  Nerv  stets  unipolarer  Erregung  ausgesetzt  sein. 
Man  verbindet  daher  die  Pole  der  Induktionsspirale  mit  den  beiden 
Klemmen  des  in  §  43  beschriebenen  Schlüssels,  und  führt  von  diesem 
dann  zwei  Drähte  zum  Nerven.  So  lange  der  Schlüssel  geschlossen 
ist,  bildet  er  eine  sehr  gut  leitende  Nebenschliessung  zum  Nerven, 
und  es  geht  keine  Spur  der  Induktionsströme  durch  den  letzteren. 
Oeffnet  man  aber  den  Schlüssel,  dann  ist  die  Verbindung  des  Nerven 
mit  den  Polen  der  Induktionsspirale  hergestellt,  und  die  Erregung  beginnt. 

Schwieriger  ist  es,   während  der  Reizung   des  Nerven   selbst  die 


§  49,  50. 


Extrastrom. 


99 


gleichzeitige  Wirkung  unipolarer  Abgleichung  zu  verhüten.  Am  besten 
ist  es,  zu  diesem  Zwecke  eine  gute  Ableitung  zur  Erde  von  der  oberen 
der  beiden  an  den  Nerven  angelegten  Elektroden  ausgehen  zu  lassen. 
Indem  man  auf  diese  Weise  die  unipolare  Abgleichung  zur  Erde  be- 
günstigt, verhütet  man,  dass  sie  durch  den  Nerven  selbst  und  die  mit 
ihm  in  Zusammenhang  stehenden  Teile  erfolge.  Die  Ableitung  zur 
Erde  geschieht  am  besten  durch  eine  Verbindung  mit  den  Gas-  oder 
Wasserleitungsröhren  des  Gebäudes  mittelst  eines  Drahtes  von  ge- 
ringem Widerstand. 

Welche  Vorsichtsmaassregeln  man  aber  auch  zur  Verhütung  der 
unipolaren  Erregung  anwenden  möge,  es  ist  immer  anzuraten,  dass 
man  sich  bei  physiologischen  Versuchen,  wo  die  Reizung  mit  starken 
Indüktionsströmen  geschieht,  und  daher  die  Gefahr  unipolarer  Erregung 
vorhanden  ist,  durch  einen  Kontroiversuch  von  der  An-  oder  Abwesen- 
heit derselben  überzeuge.  Dieser  Kontroiversuch  beruht  darauf,  dass 
die  Fortpflanzung  der  Erregung  in  einem  Nerven  durch  Unterbindung 
oder  Durchschneidung  des  Nerven  aufgehoben  wird,  während  die  elek- 
trische Leitung  durch  die  unterbundene  Stelle  oder  die  Schnittstelle 
der  beiden  aneinander  gelegten  Nervenstücke  nach  Avie  vor  möglich 
ist.  Hat  man  daher  bei  der  Reizung  eines  Nerven  einen  gewissen 
Erfolg  beobachtet,  durchschneidet  dann  den  Nerven  unterhalb  der 
Elektroden  und  klebt  die  Schnittflächen  aneinander,  so  muss  bei 
Widerholung  der  Reizung  jede  Wirkung  ausbleiben.  Anderenfalls  ist 
man  sicher,  dass  dieselbe  durch  unipolare  Wirkung  zu  Stande  ge- 
kommen und  daher  nicht  zu  unzweideutigen  Schlüssen  zu  verwerten  ist. 


§  50.  Wie  die  Windungen  zweier  Rollen,  so  wirken  übrigens 
auch  die  Windungen  einer  und  der- 
selben Rolle  induzirend  auf  einander. 
Leitet  man  den  Strom  einer  Kette 
durch  eine  Rolle  mit  vielen  Win- 
dungen, bringt  neben  der  Rolle  Ab- 
zweigungen an,  welche  in  kupferne 
Handhaben  auslaufen,  und  fasst  die 
Handhaben  mit  den  Händen,  so 
geht,  weil  der  Widerstand  des 
menschlichen  Körpers  den  der  Rolle 
bedeutend  übertrifft,  fast  gar  kein 
Strom  durch  den  Körper.  Wird 
jetzt  der  Kreis  an   der   mit   X   be-  Fi.<i.  44. 


100 


Nachweis  des  Extrastroms. 


Kap.  VIII. 


zeichneten  Stelle  unterbrochen,  so  fühlt  man  einen  Schlag,  herrührend 
von  dem  bei  der  Oeffnung  in  der  Rolle  entstehenden  Induktionsstrom, 
der  sich,  da  sonst  keine  Leitung  vorhanden  ist,  durch  den  Körper  er- 
giesst.  Man  nennt  diesen  Strom  den  Extrastrom  oder  Extrakurren t. 
Ein  solcher  entsteht  auch  bei  der  Schliessung  des  Stromes,  ist  aber 
hier  nicht  leicht  nachzuweisen.  Die  folgende,  zuerst  von  Edlund  be- 
nutzte Anordnung  liefert  diesen  Nachweis:  Der  Strom  der  Kette  a 
teilt  sich  bei  b  und  c  in  zwei  Zweige,  welche  in  entgegengesetzter 
Richtung  um  eine  Magnetnadel  herumgeführt  sind.  In 
den  einen  Zweig  cemtgb  ist  die  Spirale  S  eingeschaltet, 
der  andere  Zweig  cfpihb  enthält  einen  Widerstand, 
welcher  dem  von  S  gleich,  aber  zickzackförmig  ausge- 
spannt ist.  Es  gehen  also  um  die  Magnetnadel  zwei 
gleich  starke,  aber  entgegengesetzt  gerichtete  Ströme, 
wie  die  ungefiederten  Pfeile  zeigen,  und  es  kann  daher 
keine  Ablenkung  der  Nadel  erfolgen.  Schliesst  man 
nun  den  Strom,  indem  man  den  einen  Pol  der  Kette, 
q,  in  ein  bei  b  angebrachtes  Quecksilbernäpfchen  taucht, , 
so  wird  die  Nadel  abgelenkt  im  Sinne  des  Zweiges 
cfpihb,  kehrt  aber  bald  wieder  auf  den  Nullpunkt  zu- 
rück. Denn  der  im  Zweige  cStgb  entstehende  Strom 
wird  anfänglich  durch  den  in  der  Spirale  S  entstehen- 
den Extrastrom,  welcher  ja  die  entgegengesetzte 
Richtung  hat  als  der  Hauptstrom,  geschwächt  und  so  muss 
zeitweise  der  Strom  im  Zweige  cfpihb  das  Uebergewicht 
haben.  *)  Oeffnet  man  aber  die  Kette,  so  hört  der  Haupt- 
strom ganz  auf,  in  der  Spirale  S  entsteht  ein  Extrastrom,  welcher 
dem  Hauptstrom  gleichgerichtet  ist,  und  dieser  ergiesst  sich  durch 
beide  Zweige  in  gleicher  Richtung,  wie  die  gefiederten  Pfeile  zeigen. 
Man  erhält  daher  eine  Ablenkung  der  Nadel  in  entgegengesetzter 
Richtung  als  bei  der  Schliessung. 


Fig.  4:5. 


*)  In  dem  zickzackförmig  ausgespannten  Draht  kann  kein  Induktionsstrom  zu 
Stande  kommen,  weil  die  Wirkungen  der  einzelnen  Biegungen,  da  die  Ströme  in 
ihnen  abwechselnd  entgegengesetzt  gerichtet  sind,  sich  gegenseitig  aufheben.  Wenn 
man  grössere  Widerstände  braucht  und  es  darauf  ankommt,  dass  sich  keine  In- 
duktionswirkungen einmischen,  kann  man  sich  dieses  Kunstgriffs  bedienen.  Oder 
man  benutzt  Rollen,  auf  denen  zwei  Drähte  nebeneinander  zusammen  aufgewickelt 
sind,  so  dass  der  Strom  erst  durch  den  einen  Draht  und  dann  in  entgegengesetzter 
Richtung  durch  den  andern  gehen  muss;  da  hier  gleichfalls  zwei  gleiche  und  ent- 
gegengesetzt gerichtete  Ströme  neben  einander  verlaufen,  kann  keine  Induktions- 
wirkung auftreten. 


i 


§  51,  52.  Indnldion  durch  Magnetstäbe.  101 

§  51.  Nähert  man  einer  Rolle,  welche  mit  dem  Multiplikator  in 
Verbindung  steht,  schnell  einen  Magnetstab,  so  wird  ebenfalls  in  der 
Rolle  ein  Strom  induzirt.  Ebenso  entsteht  ein  Strom  in  der  Rolle, 
aber  in  entgegengesetzter  Richtung  als  vorher,  wenn  man  den  Magneten 
schnell  entfernt.  Die  Richtung  dieser  Ströme  kann  man  leicht  be- 
stimmen, wenn  man  sich  statt  des  Magnetstabes  einen  Elektromagneten 
denkt  und  beachtet,  in  welcher  Richtung  der  Strom  um  diesen  zir- 
kuliren  müsste,  um  in  ihm  dieselbe  Verteilung  des  Magnetismus  zu 
erzielen,  als  der  Magnetstab  hat.  Bei  der  Annäherung  ist  dann  der 
in  der  Rolle  entstehende  Strom  entgegengesetzt,  bei  der  Entfernung 
gleichgerichtet,  wie  jener  hypothetische  den  Magnetstab  umkreisende 
Strom. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  die  bei  der  Bewegung  zweier 
Rollen  gegeneinander  entstehenden  Induktionsströme,  von  welchen  im 
§  48  die  Rede  war,  ungemein  verstärkt  werden  müssen,  wenn  man 
in  die  Rolle  A,  welche  vom  primären  Strom  durchflössen  wird,  einen 
weichen  Eisenstab  hineinsteckt.  Denn  indem  dieser  zum  Elektro- 
magneten wird,  Summiren  sich  die  induzirenden  Wirkungen  der  Rolle 
und  des  Magneten.  Ebenso  werden  die  in  §  49  u.  50  besprochenen  Ströme, 
welche  bei  der  Schliessung  und  Oeffnuug  eines  Stromes  entstehen, 
ungemein  verstärkt,  wenn  man  in  die  primäre  Rolle  einen  weichen 
Eisenstab  steckt.  Denn  indem  dieser  beim  Schluss  der  Kette  plötzlich 
zum  Magnet  wird,  wirkt  er  gerade  so,  als  ob  ein  Magnet  aus  unend- 
licher Entfernung  (wo  seine  Wirkung  Null  ist)  plötzlich  ganz  nahe 
herangebracht  würde,  und  indem  beim  Oeffnen  der  Kette  sein  Magne- 
tismus plötzlich  verschwindet,  ist  es,  als  ob  der  Magnet  plötzlich  in 
unendliche  Ferne  entrückt  würde.  In  beiden  Fällen  müssen  aber  die 
induzirenden  Wirkungen  der  Magnete  dieselben  sein,  wie  die  der  Rollen 
selbst,  also  jene  wesentlich  verstärken. 

Die  Induktionsströme  sind  sehr  heftiger  physiologischer  Wirkungen 
fähig.  Sie  nähern  sich  in  dieser  Beziehung  sehr  den  Strömen  d^r 
Leydener  Flaschen,  denen  sie  ja  auch  in  Bezug  auf  ihre  kurze  Dauer 
gleichen.  Wir  wollen  hier  nur  andeuten,  dass  gerade  in  dieser  kurzen 
Dauer  die  Ursache  ihrer  starken  physiologischen  Wirkung  liegt,  weil 
sich  dadurch  einige  auffällige  Erscheinungen  erklären,  welche  für  die 
Konstruktion  der  Induktorien  von  Wichtigkeit  sind. 

§  52.  Legt  man  nämlich  in  die  Höhlung  der  inneren  Rolle  des 
in  Fig.  43  dargestellten  Induktoriums  einen  weichen  Eisenstab,  und 
vergleicht  die  physiologische  Wirkung  der  Induktionsschläge   mit   und 


102  Stärkere  Wirkung  der  Drahtbündel.  Kap.  VIII. 

ohne  denselben  (was  sehr  gut  nach  der  Empfindung  geschehen   kann, 
welche  sie  z.  B.  in  den  Armen  hervorrufen),  so  wird  man  finden,  dass 
diese   nicht  so   sehr   verstärkt  ist,    als  man  nach   der  Zunahme   der 
magnetischen  Wirkung  erwarten  sollte.     Ersetzt  man  nun  den  Eisen- 
stab durch  ein  Bündel  weicher  Eisendrähte,   so  erscheint  die  physio- 
logische  Wirkung  ungemein  verstärkt.     Der  Grund    dieser    stärkeren 
Wirkung  des  Drahtbündels  erhellt  aus  folgender  Betrachtung:     Stellt 
in  Fig.  46   der  mittlere  Kreis   die  primäre  Rolle,   der  äussere   Kreis 
die   sekundäre  Rolle    und    der    mittelste    schraffirte 
//^^^^^\\         Kreis   den  massiven  Eisenstab   vor,   so   entsteht   bei 
{\^0^'^iV\        ^^^  Schliessung  des  primären  Stromes   nicht  nur  in 
\^^^0Jj        der  sekundären  Rolle   ein  Induktionsstrom,   sondern 

^^ ^  auch  in  der  Masse  des  Eisenkernes,  welcher  ja  auch 

ein  Leiter  ist.    Dieser  letztere  nun  wirkt  bei  seinem 
Fig.  46.  Entstehen  wieder  induzirend  auf  die  sekundäre  Spirale, 

und  zwar  in  entgegengesetzter  Richtung  als  die  primäre  Spirale.  Der 
Induktionsstrom  der  sekundären  Spirale  erleidet  dadurch  eine  solche 
Verzögerung,  dass  seine  physiologische  Wirkung  beträchtlich  geschwächt 
wird.  Derselbe  Vorgang  wiederholt  sich  bei  der  Oeffnung  des  Stromes. 
Besteht  der  Eisenkern  jedoch  aus  einem  Bündel  dünner  Drähte,  welche 
durch  einen  Firnissüberzug  oder  auch  nur  durch  die  dünne  Oxydschicht, 
welche  sich  beim  Ausglühen  gebildet  hat,  von  einander  isolirt  sind, 
so  kann  der  innere  Induktionsstrom  nicht  entstehen,  mithin  fällt  die 
physiologische  Wirkung  des  in  der  sekundären  Spirale  entstehenden 
Stromes  stärker  aus. 

Auf  demselben  Vorgange  beruht  auch  die  schwächende  Wirkung, 
welche  ein  zwischen  der  primären  und  der  sekundären  Spirale  einge- 
schobener Leiter  ausübt.  Denken  wir  uns  zwischen  den  beiden 
Spiralen  eine  kupferne  Röhre  eingeschoben,  so  spielt  diese  dieselbe 
Rolle,  wie  vorher  der  massive  Eisenkern.  Zieht  man  die  kupferne 
Röhre  allmählich  heraus,  so  wird  ihre  schwächende  Wirkung  immer 
geringer.  Einer  solchen  Röhre  bediente  sich  Duchenne  bei  seinen 
Induktorien,  um  die  Wirkung  derselben  nach  Belieben  abzustufen. 

Die  verzögernde  Wirkung,  welche  massive  Eisenkerne  oder  die 
eben  erwähnte  Kupferröhre  ausüben,  bringt  aber  auch  die  primäre 
Spirale  selbst  schon  hervor  durch  den  in  ihr  selbst  entstehenden 
Extrastrom.  Schliesst  man  den  Strom  in  der  primären  Spirale,  so 
entsteht  in  ihr  zugleich  der  Extrastrom  und  dadurch  wird  der  in  der 
sekundären  Spirale  induzirte  Strom  verzögert  und  seine  Wirkung  ge- 
schwächt.   Bei  der  Oeffimng  aber  kann  der  Extrastrom  in  der  primären 


§  52,  53.      Unterschied  des  Schliessungs-  und  OeflFnungsinduktionsstromes.     103 

Spirale  nicht  zur  Erscheinung  kommen,  da  eben  durch  die  Oeffnung 
des  Kreises  ihm  die  Möglichkeit  genommen  ist,  sich  durch  denselben 
zu  ergiessen.  Die  Folge  davon  ist,  dass  die  physiologische  Wirkung 
des  Oeifnungsinduktionsstromes  die  des  Schliessungsinduktionsstromes 
bedeutend  übertrifft.  Will  man,  wie  es  zu  manchen  physiologischen 
Zwecken  notwendig  ist,  die  Wirkung  beider  Ströme  gleich  stark 
machen,  so  muss  man  auch  dem  Oeffnungsextrastrome  Gelegenheit 
bieten,  sich  abgleichen  zu  können.  Dies  erreicht  man  auf  folgende 
AVeise:  Man  verbindet  die  Enden  der  primären  Rolle  mit  den  beiden 
Klötzen  des  Schlüssels  Fig.  34  und  die  Pole  der  Kette  mit  den 
anderen  Schrauben  derselben  Klötze.  Der  Schlüssel  bildet  dann  eine 
Nebenschliessung  zur  primären  Rolle.  Ist  er  geschlossen,  so  geht,  da 
sein  Widerstand  bedeutend  geringer  ist,  als  der  der  Rolle,  nur  ein 
sehr  geringer  Bruchteil  des  Stromes  durch  die  Rolle.  Oeffnet  man 
den  Schlüssel,  so  wird  der  Strom  in  der  Rolle  plötzlich  sehr  stark, 
dadurch  wird  in  der  sekundären  Spirale  ein  Strom  induzirt  und  dieser 
wird  durch  den  gleichzeitig  in  der  primären  Spirale  entstehenden 
Extrastrom  verzögert.  Schliesst  man  den  Schlüssel  wieder,  so  wird 
der  Strom  der  primären  Spirale  sehr  schwach.  Dies  wirkt  induzirend 
auf  die  sekundäre  Spirale,  ebenso  als  hätte  man  den  Strom  ganz  ge- 
öffnet. Da  sich  jetzt  aber  der  in  der  primären  Spirale  entstehende 
Oeffnungsextrastrom  durch  den  Schlüssel  abgleichen  kann,  so  wirkt 
er  ebenfalls  verzögernd  auf  den  Strom  der  sekundären  Spirale,  wel- 
cher daher  jetzt  nicht  mehr  stärker  wirkt,  als  der  Schliessungs- 
induktionsstrom. 

Die  richtige  Erklärung  der  stärkeren  Wirkung  der  Drahtbündel  im  Vergleich 
zu  der  der  Eisenkerne  gab  zuerst  Magnus,  und  Dove  wies  nach,  dass  die 
Schwächung  der  physiologischen  Wirkung  in  einer  Verzögerung  der  Induktions- 
ströme bestehe.  Liess  er  nämlich  in  zwei  ganz  gleichen  Rollen  durch  einen  und 
denselben  Strom  Induktionsströme  entstehen,  welche  in  entgegengesetzter  Richtung 
um  eine  Magnetnadel  gingen,  legte  dann  in  die  eine  Rolle  einen  massiven  Eisen- 
stab, in  die  andere  ein  Drahtbündel,  welches  durch  den  primären  Strom  schwächer 
magnetisch  wurde,  als  der  massive  Kern,  so  niusste  auch  der  in  der  letzteren  Rolle 
erregte  Induktionsstrom  schwächer  sein,  als  der  in  der  ersteren  erregte.  Dennoch 
sah  er,  dass  jedesmal  die  Nadel  zuerst  eine  zuckende  Bewegung  im  Sinne  des 
Stromes  machte,  dessen  Rolle  das  Drahtbündel  enthielt,  um  dann  erst  durch  den 
anderen  Strom  in  entgegengesetzter  Richtung  und  zwar  viel  stärker  abgelenkt  zu 
werden.  Siehe  Dove,  Untersuchungen  im  Gebiete  der  Induktionselektrizität. 
Berlin  1843. 

§  53.  Schliesst  und  öffnet  man  den  Strom  der  primären  Rolle 
oft  hintereinander,  so  erhält  man  in  der  sekundären  Rolle  eine  Reihe 
von  abwechselnd  gerichteten  Strömen.     Da  diese  in  der  Physiologie 


104 


Waffnor'scher  Hammer. 


Kap.  VIII. 


und  Therapie  sehr  vielfach  angewandt  werden,  so  ist  man  bemüht 
gewesen,  möglichst  zweckmässige  Apparate  zu,  konstruiren,  welche 
solche  Ströme  liefern.  Das  Schliessen  und  Oeffnen  der  Kette  ge- 
schieht sehr  leicht  durch  ein  sogenanntes  Blitzrad.  Dasselbe  besteht 
aus  einem  gezahnten  Messingrade,  welches  mit  seiner  Messingaxe  in 
Messingpfeilern  drehbar  ist.  Vor  dem  Rade  ist  ein  federnder  Draht 
befestigt,  welcher  auf  den  Zähnen  des  Rades  schleift  und  beim  Drehen 
des  Rades  von  einem  Zahn  auf  den  andern  überspringt.  Leitet  man 
den  Strom  durch  Rad  und  Draht  und  dreht  das  Rad  schnell  um  seine 
Axe,  so  wird  der  Strom  schnell  hintereinander  geschlossen,  so  oft  der 
Draht  einen  neuen  Zahn  berührt  und  unterbrochen,  so  oft  der  Draht 
den  Zahn  wieder  verlässt. 

Dieses  Schliessen  und  Oeffnen  des  Stromes  kann  man  aber  noch 
zweckmässiger  durch  den  Strom  selbst  verrichten  lassen,  indem  man 
in  den  Strom  einen  selbsttätigen  elektromagnetischen  Hammer 
einschaltet.  Dieser  sinnreiche  von  einem  Frankfurter  Mechaniker 
Wagner  erfundene  Apparat  ist  in  Fig.  47    abgebildet,   und  zwar  in 


Fig.  4:7. 

der  verbesserten  Form,  welche  ihm  von  Halske  erteilt  worden  ist. 
Der  Strom  der  Kette  tritt  durch  die  Säule  A  in  den  Hebel  hh^,  wel- 
cher durch  eine  Spiralfeder  gegen  die  Schraube  s  gedrückt  wird.  Von 
s  gelangt  der  Strom  zu  den  Windungen  eines  kleinen  Elektromagneten, 
und  nachdem  er  diese  durchlaufen,  durch  die  Säule  B  zur  Kette  zu- 
rück, üeber  den  Polen  des  Elektromagneten  schwebt,  am  Hebel  hhj 
befestigt,  ein  Anker  von  weichem  Eisen.  Indem  dieser  von  dem 
Elektromagneten  angezogen  wird,  reisst  er  den  Hebel  hhi  von  der 
Spitze  der  Schraube  s   und  unterbricht  den  Strom.     Dadurch  aber 


/§  53,  54.  Schlittenindul<torium  von  du  Bois-Reymond.  105 

verliert  der  Elektromagnet  seinen  Magnetismus,  er  lässt  den  Anker 
los,  und  der  Hebel  hhj  wird  durch  die  Wirkung  der  Spiralfeder  wieder 
gegen  die  Schraube  s  angedrückt.  Indem  dadurch  der  Strom  wieder 
geschlossen  wird,  erlangt  der  Elektromagnet  wieder  seine  Kraft, 
zieht  den  Anker  wieder  an  und  unterbricht  den  Strom  u.  s.  f.  so 
lange  die  Kette  zwischen  den  Säulen  A  und  B  eingeschaltet  bleibt. 
Man  kann  diesen  Hammer  auch  zu  kleinen  mechanischen  Arbeiten 
verwenden,  z.  B.  zum  mechanischen  Tetanisiren  des  Nerven,  wie  dies 
Heidenhain  getan  hat.  Man  befestigt  dann  die  nötigen  Vorrichtungen 
an  dem  Hebel  h.\\.  Damit  der  Hammer  aber  einen  regelmässigen 
und  kräftigen  Gang  habe,  ist  noch  folgende  Einrichtung  getroffen: 
Auf  der  oberen  Fläche  des  Hebels  hhi  ist  eine  kleine  Feder  von 
Neusilber  angebracht  und  auf  dieser  ein  Platinplättchen,  welches  an 
der  Platinspitze  der  Schraube  s  anliegt.  Indem  nun  der  Anker  an- 
gezogen wird  und  der  Hebel  sich  in  Bewegung  setzt,  wird  der  Strom 
noch  nicht  sogleich  unterbrochen,  sondern  erst  etwas  später,  wenn  der 
Kopf  des  Schräubchens  s^  die  Neusilberfeder  erfasst  hat  und  von  der 
Schraube  s  abreisst.  Durch  diesen  längeren  Schluss  des  Stromes  hat 
der  Elektromagnet  Zeit,  seinen  vollen  Magnetismus  za  erlangen  und 
kräftig  anziehend  auf  den  Anker  zu  wirken.  Der  Platinkontakt  hat 
den  Zweck,  die  zerstörende  Wirkung,  welche  der  bei  der  Oeffnung  ent- 
stehende Funke  auf  die  Kontaktstelle  ausübt,  möglichst  zu  verringern. 

§  54.  Soll  dieser  Hammer  mit  einem  Induktorium  verbunden 
Averden,  so  schaltet  man  die  primäre  Rolle  zwischen  der  die  Schraube 
s  tragenden  Säule  und  dem  Elektromagneten  ein.  Indem  dann  durch 
das  Spiel  des  Hammers  der  Strom  in  der  primären  Rolle  fortwährend 
geschlossen  und  unterbrochen  wird,  entstehen  in  der  sekundären  Rolle 
die  abwechselnd  gerichteten  Induktionsströme.  Es  sind  eine  grosse 
Zahl  von  Induktorien  beschrieben  worden.  Da  sie  sich  aber  nur 
durch  unwesentliche  Einzelnheiten  unterscheiden,  so  wird  es  genügen, 
eines  derselben  und  zwar  das  vollkommenste  zu  beschreiben,  näm- 
lich du  Bois-Reymond's  Schlitteninduktorium,  so  genannt, 
weil  die  sekundäre  Spirale  auf  einem  Schlitten  beweglich  ist,  um 
durch  die  verschiedene  Entfernung  derselben  von  der  primären  die 
Stärke  der  induzirten  Ströme  abstufen  zu  können. 

Der  Apparat  von  du  Bois  ist  in  Fig.  48  (s.  folg.  S.)  abgebildet. 
Der  Strom  der  Kette  tritt  durch  die  Säule  g  in  eine  Neusilber feder, 
welche  hier  den  Hebel  hhy  des  Hammers  Fig.  47  vertritt.  Sie  ist 
so   gebogen,    dass   ein  auf   ihrer    oberen  Fläche    aufgelötetes  Platin- 


106 


Schlitteninduldorium  von  du  Bois-Reymond. 


Kap.  VIII. 


pLättchen  an  der  Platinspiizc  der  Schraube  f  anliegt.     Von  f  geht  der 

Strom   durch  den  Messingklotz   e  und  die  Klemme   d    zur    primären 

■  Spirale  c,   durchläuft  dieselbe,   gelangt  dann  zu   den  Windungen   des 

kleinen  Elektromagneten   b,    und  von  da  durch    die  Klemme  a    zur 


Fig.  48. 

Kette  zurück.  Ueber  dem  Elektromagneten  b  schwebt  der  an  der 
Neusilberfeder  befestigte  Anker  h.  Indem  dieser  von  b  angezogen 
wird,  reisst  er  das  Platinplättchen  von  der  Schraube  f  ab,  und  öffnet 
den  Strom ;  und  indem  hierdurch  b  seinen  Magnetismus  verliert,  kehrt 
die  Feder  in  ihre  Lage  zurück  und  schliesst  den  Strom  wieder.  So 
kommt  dasselbe  Spiel  zu  Stande,  wie  bei  dem  oben  beschriebenen 
Hammer,  und  in  der  sekundären  Spirale  i  werden  fortwährend  Ströme 
induzirt,  deren  Stärke  durch  Verschieben  der  Rolle  beliebig  abgestuft 
werden  kann. 

Der  Grad  der  physiologischen  Wirkung,  welche  ein  Induktions- 
strom ausübt,  hängt  von  der  absoluten  Stärke  desselben  und  von  der 
Art  seines  Verlaufs  ab.  Dies  gilt  in  gleicher  Weise  für  die  Anwen- 
dung dieser  Ströme  bei  physiologischen  Versuchen  wie  in  der  Elektro- 
therapie. Die  absolute  Stärke  der  Induktionsströrae  hängt  ab  von  der 
Stärke  des  Stroms,  welcher  in  der  primären  Spirale  geschlossen  und 
geöffnet  wird,  von  der  Beschaffenheit  des  Apparats,  d.  h.  von  der 
Zahl  und  dem  Widerstand  der  Windungen  in  der  primären  und  sekun- 
dären Spirale,  der  Menge  weichen  Eisens,  welche  in  erstere  eingelegt 
ist  u.  dergl.,  endlich  von  der  Entfernung  der  beiden  Rollen  von  ein- 
ander. In  einem  fertigen  Apparat  kann  man  nur  die  Stromstärke 
ändern,  indem  man  verschieden  starke  Ketten  anwendet  oder  Wider- 
stände zwischen  Kette  und  primäre  Spirale  einschaltet,  oder  den  Ab- 


J 


§  54.  Abstufung  der  Induktionsströme.  107 

stand  der  beiden  Spiralen  wechseln.  Ist  dieser  Abstand  =  Null,  was 
der  Fall  ist,  wenn  beide  Rollen  ganz  übereinander  geschoben  sind 
(denn  dann  fallen  ihre  Mittelpunkte  zusammen),  so  muss  eine  be- 
stimmte Beziehung  zwischen  der  Stromstärke  in  der  primären  Spirale 
und  dem  durch  sie  in  der  sekundären  Spirale  entstehenden  Induktions- 
strom bestehen,  welche  nur  von  dem  Bau  des  Apparats  abhängt. 
Wir  wollen  diese  die  Induktionskonstante  des  Apparats  nennen 
und  durch  c  bezeichnen.     Es  ist  also 

i  =  c  .  J 
worin  i  die  Intensität  oder  Stärke  des  Induktionsstroms  bedeutet, 
J  die  Stärke  des  primären  Stroms  und,  c,  die  Induktionskonstante, 
einen  echten  Bruch.  Entfernen  wir  nun  die  Rollen  von  einander,  so 
wird  c  kleiner;  für  jede  Entfernung  e  der  Rollen  von  einander  hat  c 
einen  bestimmten  Wert;  aber  zwischen  e  und  c  besteht  kein  einfaches 
Verhältniss,  sondern  dieses  hängt  wiederum  von  der  Bauart  jedes  ein- 
zelnen Apparats  ab. 

Es  bleibt  daher,  wenn  man  die  Intensitäten  der  Induktionsströme 
genauer  bestimmen  will,  nichts  übrig,  als  jeden  Apparat  empirisch 
zu  kalibriren.  Es  geschieht  dies,  indem  man,  bei  konstant  erhaltenem 
Strom  der  primären  Spirale,  die  Stärke  der  Induktionsströme  bei  ver- 
schiedenen Entfernungen  der  Spiralen  misst  oder  umgekehrt  den  Strom 
in  der  primären  Spirale  so  verändert,  dass  die  Induktionsströme  bei 
verschiedenen  Stellungen  der  Spiralen  zu  einander  gleich  werden.  Eine 
Methode  zur  absoluten  Graduirung  von  Induktorien  ist  von  Chri- 
stiani  angegeben  worden  (Poggendorff's  Annalen,  Ergänzungsband 
VIll.    S.  556). 

Für  praktische  Zwecke  in  der  Elektrotherapie  und  bei  vielen 
physiologischen  Anwendungen  von  Induktionsströmen  wird  es  genügen, 
die  Maasse  und  Beschaffenheit  des  Induktoriums  anzugeben,  zur  Er- 
zeugung des  primären  Stroms  stets  eine  Kette  von  bestimmter  Be- 
schaffenheit (z.  B.  ein  Daniell'sches  Element  oder  die  im  elften 
Kapitel  beschriebene  Sternsäule)  zu  benutzen  und  die  Stärke  des  In- 
duktionsstroras  einfach  durch  die  Entfernung  der  Spiralen  von  einander 
auszudrücken.  Zu  diesem  Zwecke  ist  meistens  auf  der  Schlittenbahn 
des  Apparats  eine  Millimeterteilung  angebracht. 

Um  eine  grössere  üebereinstimmung  der  Apparate  unter  einander 
zu  erzielen,  hat  der  Pariser  Kongress  der  Elektriker  empfohlen,  die- 
selben alle  nach  einem  bestimmten  Modell  zu  bauen.  Als  solches 
wurde  ein  nach  du  Bois-Reyraond's  Angaben  von  Krüger  in  Bering 
gefertigtes  Instrument  als  passend  erachtet, 


108 


Transportable  Schlittenindul<torien. 


Kap.  V.III. 


Es  ist  aber  zweckmässiger,  zwei  verschiedene  Modelle  festzuhalten, 
ein  kleineres  mit  langem  Schlitten  für  physiologische  Zwecke  und  ein 
grösseres,  für  die  elektrotherapeutische  Praxis  bestimmtes,  bei  welchem 
die  Schlittenbahn  nur  kurz  zu  sein  braucht.*) 

Für  den  letzteren  Zweck  ist  es  bequem,  das  Induktorium  mit- 
samt der  zu  seinem  Betrieb  erforderlichen  Kette  und  allen  Neben- 
apparaten in  einen  Kasten  einzuschliessen.  Einen  solchen  vollständigen 
Apparat  stellt  Fig    49  vor.     Da  es  hier  erwünscht  ist,  den  Apparat 


^ 


^^ 


Fig.  4U. 

so  kurz  als  möglich  zu  machen,  so  hat  man  zur  Abstufung  der  phy- 
siologischen Wirkung  auch  das  oben  schon  erwähnte  Mittel  benutzt, 
zwischen  primäre  und  sekundäre  Spirale  ein  Metallrohr  einzuschieben, 
oder  den   Kern  von   weichem   Eisen   innerhalb    der    primären  Spirale 


*)  Die  Dimensionen  mehrerer  solcher  Apparate ,  welche  alle  aus  der  Werk- 
statt von  Krüger  in  Berlin  herrühren,  weichen  allerdings  unter  einander  etwas 
ab,  aber  doch  nur  wenig.  Es  ist  zu  empfehlen,  wie  dies  Krüger  teilweise  schon 
getan  hat,  die  Zahl  der  Windungen,  Dicke  des  verwandten  Drahts,  Widerstände 
u.  s.  w.  auf  den  Apparaten  anzugeben. 


§  55.  Helmholtz'sche  EinricMung.  109 

verschiebbar  zu  machen.  Alle  diese  Mittel  sind  brauchbar,  gewähren 
aber  nicht  die  Möglichkeit  einer  genaueren,  ziffermässigen  Angabe  ihrer 
Wirkung. 

§  55.  Neben  der  Stromstärke  kommt  auch  der  zeitliche  Verlauf 
des  Induktionsstroms  für  seine  physiologische  Wirkung  in  Betracht. 
Auf  diesen  Verlauf  hat,  wie  wir  gesehen  haben,  der  Eisenkern  einen 
grossen  Einfluss;  auch  ist  er  bei  dem  Schliessungs-  und  Oeffnungs- 
induktionsstrom  verschieden.  Letzterer  verläuft  schneller  und  ist  da- 
her, bei  gleicher  absoluter  Stärke,  physiologisch  viel  wirksamer.  Da 
aber  auch  die  Art,  wie  der  primäre  Strom  geschlossen  und  unter- 
brochen wird,  auf  den  zeitlichen  Verlauf  der  Induktionsströme  ein- 
wirkt, so  sind  die  Schwierigkeiten,  für  genauere  physiologische  Ver- 
suche möglichst  gleichbeschaffene  Induktionsströme  zu  erhalten,  sehr 
gross.  Am  zweckmässigsten  scheint  es  zu  sein,  die  Schliessung  und 
Oeffnung  des  primären  Stroms  durch  Eintauchen  einer -Platinspitze  in 
eine  möglichst  kleine  Quecksilberkuppe  zu  bewirken  und  die  Ober- 
fläche derselben  durch  fortwährende  Spülung  mit  Alkohol  rein  zu  er- 
halten. 

Für  elektrotherapeutische  Zwecke  kommt  es  auf  solche  absolute 
Genauigkeit  nicht  an.  Dagegen  ist  es  erwünscht,  die  Häufigkeit  der 
Unterbrechungen  des  primären  Stroms  verändern  zu  können.  Einiger- 
massen kann  man  dies  durch  Auf-  und  Niederschrauben  der  Schraube 
f  an  dem  Apparat  Fig.  48  erreichen.  An  manchen  Apparaten  ist 
aber  zu  diesem  Zweck  eine  besondre  Vorrichtung  angebracht.  Statt 
der  Neusilberfeder  ist  dann  ein  Hebel  wie  in  dem  ursprünglichen 
Wagner' sehen  Hammer  vorhanden,  dessen  Schwingungsdauer  durch 
ein  Gewicht  regulirt  werden  kann. 

Um  die  bedeutende  Ungleichheit  in  der  Wirkung  der  Schliessungs- 
und Oeffnungsinduktionsströme  zu  vermeiden  (s.  §  52)  hat  Helm- 
hol tz  eine  sinnreiche  Modifikation  an  dem  Induktorium  angebracht. 
Schraubt  man  nämlich  die  Schraube  s  an  dem  in  Fig.  47  dargestellten 
Hammer  so  hoch,  dass  das  Platinplättchen  des  Hebels  hh^  ihr  nicht 
mehr  anliegt,  und  bringt  zwischen  der  Säule  A  und  dem  Anfange  der 
primären  Spirale  eine  Verbindung  durch  einen  Draht  an,  so  geht  der 
Strom  durch  die  primäre  Rolle  und  um  den  Elektromagneten;  dieser 
zieht  den  Anker  an  und  würde  ihn  dauernd  angezogen  halten.  Schraubt 
man  jedoch  die  Spitze  i  so  in  die  Höhe,  dass  sie  bei  der  Abwärts- 
bewegung des  Hebels  h\  ein  an  der  unteren  Seite  desselben  befind- 
liches Platinplättchen  berührt,    so   ist  jetzt  eine   Leitung  hergestellt 


110 


Helmholtz'sche  Einrichtung. 


Kap.  VIII. 


vom  positiven  Pol  der  Kette  durch  die  Säule  A,  den  Hebel  hhj,  die 
Spitze  i  und  die  negative  Säule  B  zum  negativen  Pol  der  Kette,  und 
da  diese  Neben  Schliessung  einen  sehr  geringen  Widerstand  hat,  so 
wird  der  Strom  in  der  primären  Spirale  und  um  den  Elektromagneten 
fast  Null,  der  Elektromagnet  lässt  den  Anker  los,  der  Hebel  wird 
durch  die  Spiralfeder  gehoben  und  die  Nebenschliessung  unterbrochen. 
Dadurch  erlangt  der  Strom  in  der  primären  Rolle  wieder  seine  frühere 
Stärke,  der  Elektromagnet  zieht  den  Anker  wieder  an  u.  s.  f.  Man 
sieht  also,  dass  der  Apparat  ganz  ebenso  spielt,  wie  bei  der  früheren 
Anordnung.  Da  aber  die  primäre  Spirale  stets  zum  Kreise  geschlossen 
bleibt,  so  kann  sich  in  ihr  der  Extrastrom  stets  entwickeln,  die  beiden 
in  der  sekundären  Spirale  entstehenden  Induktionsströme  werden  also 
beide  verzögert  und  sind  daher  in  ihren  Wirkungen  mehr  gleich. 

Fig.  50  stellt  die  Unterbrechungsvorrichtung  des  Induktoriums 
mit  der  Helmholtz'schen  Anordnung  und  ihre  Verbindung  mit  der 
Induktionsspirale  dar,  wie  sie  jetzt  an  den  Du-ßois' sehen  Schlitten- 


Fig.  i)0. 

induktorien  angebracht  zu  werden  pflegen.  Der  Strom  der  Kette  tritt 
in  die  die  vibrirende  Feder  tragende  Säule  ein,  geht  dann  durch  den 
Draht  g,  und  die  Schraube  f  zur  primären  Spirale  c,  sodann  durch 
die  Windungen  des  Elektromagneten  b  und  kehrt^über  die  Säule  a 
zur  Kette  zurück.  Wird  nun  der  Anker  h  angezogen  und  kommt  hier- 
durch die  an  seiner  unteren  Fläche  angebraclile   Platinplatte  mit  der 


§55. 


Zeitlicher  Verlauf  der  induzirten  Ströme. 


111 


Spitze  der  Schraube  f,  in  Kontakt,  so  ist  die  kurze  Leitung  von  g 
durch  die  Feder  nach  a  geschlossen,  der  Strom  wird  in  c  und  b  sehr 
schwach  und  der  Anker  wird  wieder  nach  oben  geführt  u.  s.  f. 

Die  solcher  Gestalt  in  der  sekundären  Spirale  i  induzirten  Ströme 
unterscheiden  sich  von  der  auf  gewöhnliche  Weise  erzeugten  durch 
zweierlei  Umstände.  Erstlich  sind  sie  absolut  schwächer,  denn  da 
auch  bei  dem  Schluss  der  durch  die  Neusilberfeder  gebildeten  Neben- 
schliessung noch  immer  ein  Rest  von  Strom  in  der  primären  Spirale 
zurückbleibt,  so  gehen  die  Schwankungen  der  Stromstärke  in  der 
primären  Spirale  zwischen  engeren  Grenzen  vor  sich;  von  diesen 
Grenzen  aber  hängt  die  absolute  Stärke  der  in  der  sekundären  Spirale 
induzirten  Ströme  ab.  Zweitens  aber  können  sowohl  bei  der  Abnahme 
der  Stromstärke,  als  bei  ihrer  Zunahme  in  der  primären  Spirale  die 
Extraströme  in  dieser  sich  bilden,  wodurch,  wie  wir  gesehen  haben, 
der  Verlauf  der  in  der  sekundären  Spirale  induzirten  Ströme  verzögert 
wird.  Das  Genauere  über  dieses  Verhältniss  zeigt  Fig.  51  nach  einer 
Untersuchung  du  Bois-Reymond's.     Wir  sehen    hier    übereinander 


Fig.  51. 

die  Vorgänge  in  den  beiden  Spiralen  dargestellt,  und  zwar  oben  die 
in  der  primären,  darunter  die  in  der  sekundären  Spirale,  links  die  bei 
der  Schliessung  (beziehlich  Verstärkung)  des  primären  Stromes,  rechts 


112 


Zeitlicher  Verlauf  der  induzirten  Ströme. 


Kap.  Yiri. 


die  bei  der  Oeffnung  (beziehlich  Schwächung)  desselben.  Wenn  der 
Strom  in  der  primären  Spirale  geschlossen  ist,  so  hat  er  eine  Stärke, 
welche  von  der  elektromotorischen  Kraft  der  Kette  und  den  im  Kreise 
vorhandenen  Widerständen  abhängt,  und  welche  durch  die  Länge  der 
Linie  OJ  dargestellt  wird.  So  lange  der  Strom  geschlossen  bleibt, 
ist  diese  Stärke  konstant,  was  die  gestrichelte  Linie  JJ  andeutet. 
Wird  aber  der  Strom  unterbrochen,  so  fällt  die  Stromstärke  von  dem 
Werte  J  plötzlich  auf  0,  wie  die  Linie  1  zeigt.  Diesem  Abfall  des 
Stromes  entspricht  in  der  sekundären  Spirale  ein  Induktionsstrom, 
dessen  zeitlichen  Verlauf  die  Kurve  2  darstellt.  Die  Intensität  dieses 
Induktionsstromes  steigt  plötzlich  zu  einer  beträchtlichen  Höhe  an, 
um  sofort  wieder  langsamer  zu  sinken.  Bei  der  Schliessung  des 
primären  Stromes  steigt  dessen  Intensität  von  0  bis  zu  dem  Werte  J, 
aber  nicht  plötzlich,   sondern  des  Extrastromes   wegen,   ganz   allmäh- 


Fig.  52. 

lieh,  wie  die  Kurve  3  darstellt.  Diesem  Vorgange  entsprechend  ent- 
steht in  der  sekundären  Spirale  ein  langsam  anwachsender  und  eben- 
so langsam  abnehmender  Induktionsstrom,  dessen  Verlauf  in  Kurve  4 
dargestellt  ist,  deren  nach  abwärts  gerichtete  Ordinaten  andeuten, 
dass  dieser  Strom  die  entgegengesetzte  Richtung  hat,  wie  der  primäre. 
Wird   der  primäre  Strom  gar  nicht  unterbrochen,   sondern  statt 


§  55.  Unipolare  Wirkung  der  induzirten  Ströme.  113 

dessen  die  NebenscUiessung  geöffnet  und  geschlossen,  so  gehen  die 
Schwankungen  der  Stromstärke  in  der  primären  Rolle  nicht  mehr 
zwischen  den  Grenzen  0  und  J,  sondern  zwischen  J^  und  J  vor  sich. 
Kurve  5  stellt  das  Anwachsen  des  primären  Stromes  bei  Oeffnung  der 
Nebenschliessung  vor.  Ihm  entspricht  in  der  sekundären  Spirale  ein 
Induktionsstrom,  wie  ihn  Kurve  6  darstellt.  Er  ist  von  dem  durch 
Kurve  4  dargestellten  nur  in  der  Intensität  verschieden.  Dahingegen 
unterscheidet  sich  der  Vorgang  bei  Wiederherstellung  der  Nebenschliessung 
nicht  blos  der  Stärke  nach,  sondern  auch  im  Verlauf  ganz  wesentlich 
von  demjenigen,  welcher  bei  der  Oeffnung  des  primären  Kreises  statt- 
fand. Im  ersteren  Falle  nämlich,  d.  h.  wenn  die  Nebenschliessung 
wiederhergestellt  wird,  fällt  der  Strom  in  der  primären  Spirale,  da  der 
Extrastrom  sich  bilden  kann,  ganz  allmählich  ab,  wie  Kurve  7  zeigt, 
und  demgemäss  ist  der  Verlauf  des  Induktionsstromes  in  der  sekun- 
dären Spirale,  wie  es  Kurve  8  zeigt,  ein  ganz  allmählicher,  und  dieser 
erlangt  niemals  eine  so  grosse  Intensität,  als  dies  bei  dem  durch 
Oeffnung  des  primären  Kreises  erzeugten  Induktionsstrom  der  Fall  war. 
Er  ist  dem  Induktionsstrom  6  fast  ganz  gleich. 

Absolut  gleich  werden  die  beiden  Induktionsströme  nicht;  da  nämlich  der 
Widerstand  der  Neusilberfeder  sehr  Idein  ist  im  Vergleich  zu  dem  der  F^^ette,  so 
wird  der  Extrastrom,  welcher  bei  der  Herstellung  der  Nebenschliessung,  wenn  die 
Feder  die  Spitze  f  berührt,  entsteht,  etwas  stärker,  also  der  in  der  sekundären 
Rolle  entstehende  Induktionsstrom  etwas  schwächer,  als  der  andere.  Nur  wenn 
der  Widerstand  der  primären  Rolle  sehr  gross  wäre,  so  dass  der  Widerstand  der 
Kette  und  der  Feder  gegen  ihn  als  unendlich  klein  angesehen  werden  könnten, 
würde  man  absolute  Gleichheit  erzielen. 

Die  Ungleichheit  im  Verlaufe  des  Schliessungs-  und  Oeffnungs- 
Induktionsstromes  bringt  es  mit  sich,  dass  der  letztere  weit  eher  An- 
lass  zu  unipolaren  Erregungen  gibt,  als  der  erstere.  Denn  bei  dem 
OeffnuDgsschlage  erreicht  die  Intensität,  und  mit  ihr  naturgemäss  auch 
die  freie  Spannungselektrizität,  eben  viel  höhere  Werte,  als  dies  bei 
dem  Schliessungsschlag  möglich  ist.  Aus  demselben  Grunde  wird  auch 
die  Möglichkeit  unipolarer  Erregung  bei  Anwendung  der  Helmholtz- 
schen  Modifikation  sehr  viel  geringer,  da  bei  dieser,  wie  wir  gesehen 
haben,  beide  Induktionsströme  einen  sehr  allmählichen  Verlauf  nehmen, 
während  dessen  die  Intensität  nicht  so  hoch  ansteigt,  als  bei  dem 
gewöhnlichen  Oeffnungs  -  Indulctionsschlag.  Selbstverständlich  aber 
können  auch  die  Schliessungs -Induktionsschläge,  sowie  die  bei  An- 
wendung der  Helmholtz'schen  Modifikation  entstehenden  zu  unipo- 
laren Erregungen  Anlass  geben,  wenn  der  Strom  der  primären  Spirale 
sehr  stark,  und  die  Bedingungen  der  unipolaren  Abgleichung  günstig  sind. 

Rosen  thal  u.  Bernhardt,  Elcktvizitälslelire.     IH.  Äiill.  « 


114 


Saxton'sche  Maschine, 


Kap.  VITI. 


§  56.  Die  durch  Stahlmagnete  induzirten  Ströme  wurden  früher 
fast  ausschliesslich  zu  therapeutischen  Zwecken  verwandt,  sind  aber 
durch  das  Schlitteninduktorium  fast  ganz  verdrängt  worden.  Einen 
Apparat,  der  solche  Ströme  liefert,  stellt  Fig.  53  dar.  Vor  den  Polen 
des  starken  Hufeisenmagneten  NS  werden  zwei  Zylinder  von  weichem 

Eisen,  die  sogenannten  Kerne,  welche  auf 
einer  gemeinschaftlichen  Platte  von  wei- 
chem Eisen  festgeschroben  sind,  mit  Hilfe 
einer  Kurbel  in  schnelle'Rotation  versetzt. 
Auf  jeden  Kern  ist  eine  Induktionsrolle 
aufgeschoben.  Indem  man  nun  die  Kurbel 
dreht,  werden  in  beiden  Rollen  Ströme 
induzirt.  Denn  die  Rollen  nähern  und 
entfernen  sich  abwechselnd  von  den  be- 
treffenden Magnetpolen.  Es  ist  aber  die 
Richtung  der  induzirten  Ströme  in  der 
einen  Rolle  stets  entgegengesetzt,  als  in 
der  anderen  und  in  jeder  einzelnen  Rolle 
während  der  einen  Hälfte  der  Umdrehung 
entgegengesetzt,  als  während  der  anderen. 
Denn  bei  der  einen  Hälfte  der  Umdrehung 
entfernt  sich  die  eine  Rolle  von  dem 
Nordpol  und  nähert  sich  dem  Südpol,  bei 
der  anderen  Hälfte  der  Umdrehung  ist  es  gerade  umgekehrt.  Die 
andere  Rolle  aber  befindet  sich  stets  in  entgegengesetzter  Phase.  In- 
dem man  nun  die  beiden  Rollen  passend  mit  einander  verbindet,  kann 
man  machen,  dass  die  Ströme  beider  in  gleicher  Richtung  durch  einen 
zwischen  ihnen  eingeschalteten  Leiter  sich  ergiessen.  Indem  man 
ferner  diese  Ableitung  so  anordnet,  dass  die  Richtung  der  Ströme 
gerade  in  dem  Moment  umgekehrt  wird,  wo  die  Rollen  vor  den  Polen 
vorbeigehen,  bewirkt  man,  dass  die  Richtung  der  Ströme  in  dem 
zwischen  den  Rollen  eingeschalteten  Körper  stets  dieselbe  bleibt. 
Solche  Vorrichtungen  nennt  man  Kommutatoren.  Der  gebräuch- 
lichste Kommutator,  der  St  Öhr  er 'sehe,  hat  folgende  Einrichtung: 
Auf  der  Axe,  um  welche  sich  die  Induktionsspiralen  drehen,  sind  vier 
Kämme  1,  2,  3,  4,  Fig.  54  (s.  folg.  S.),  befestigt,  von  denen  je  zwei, 
nämlich  1  und  4,  2  und  3  mit  einander  in  leitender  Verbindung 
stehen,  von  den  anderen  jedoch  isolirt  sind.  Es  ist  nämlich  auf  die 
Axe  nn  zuerst  das  Rohr  oooo  geschoben,  welches  die  Kämme  1  und 
4  trägt,  und  dann  auf  dieses,   von  ihm  durch  Siegellack  gut  isolirt, 


Fig.  53. 


§56. 


Saxton'sche  Maschine. 


115 


Fig.  54. 


das  Rohr  mm  mit  den  Kämmen  2  und  3.  Mit  jedem  dieser  Kamm- 
paare ist  ein  Ende  der  Induktionsspiralen  leitend  verbunden.  Die 
Kämme  sind  etwas  mehr  als  halbkreisförmig  und  abwechselnd  gestellt, 
so  dass  sie  mit  ihren  Enden  ein  wenig  übereinander  greifen.  Zwei 
Federn  S  und  T,  welche  vorn  gespalten  sind,  schleifen  auf  den  Kämmen. 
In  der  Figur  sind  sie  etwas 
abgerückt.  Denken  wir  uns 
die  Federn  angelegt,  so  schleift 
der  Zahn  c  der  Feder  S  auf 
dem  Kamme  1,  und  der  Zahn 
f  der  Feder  T  auf  dem  Kamme 
3.  Würde  aber  der  Kommu- 
tator um  180"  gedreht,  so 
käme  d  auf  2,  g  auf  4  zu 
liegen.  Es  ist  also  beim  Dre- 
hen der  Axe    während  einer 

halben  Umdrehung  das  Ende  K  der  Induktionsspiralen  mit  der  Feder  S 
und  das  Ende  h  mit  der  Feder  T  verbunden,  während  es  bei  der 
anderen  halben  Umdrehung  gerade  umgekehrt  ist.  Stellt  man  nun 
die  Kämme  so,  dass  diese  Umkehr  der  Verbindungen  in  dem  Augen- 
blick stattfindet,  wo  die  Induktionsspiralen  gerade  vor  den  Polen  des 
Magneten  vorbeigehen,  so  bleibt  die  Stromesrichtung  in  einer  zwischen 
S  und  T  angebrachten  Leitung  stets  dieselbe. 

Die  Stärke  des  Stromes,    welchen   ein   solcher  Apparat    liefert, 
hängt  ab  von  der  Stärke   des  Stahlmagneten,   der  Beschaffenheit  der 
Induktionsspiralen,   der  Geschwindigkeit  ihrer  Drehung  und  von   der 
Entfernung,   in  welcher  sie   bei  den  Magnetpolen  vorübergehen.     Die 
Entfernung  der  Rollen  von  den  Polen  ist  natürlich  während  der  Dre- 
hung veränderlich,  also  auch  die  Stromstärke,  welche  am  grössten  ist 
in  der  Zeit,  wo  die  Rollen  gerade  vor  den  Magnetpolen  vorübergehen. 
Durch  dieses  allmähliche  An-  und  Abschwellen  der  Ströme  wird   die 
physiologische  Wirkung,  wie  wir  gesehen  haben,  sehr  verringert.    Da 
nun  die  Kämme  des  Kommutators  etwas  übereinander  greifen,   so  ist 
gerade  im  Moment  der  grössten  Stromstärke  eine  Verbindung  zwischen 
den  Kämmen   durch  die   Federn  hergestellt  und   die  Induktionsrollen 
sind  also  in  sich  metallisch  geschlossen.     Der  in  ihnen   erzeugte  In- 
duktionsstrom kann  daher  des  geringen  Widerstandes  wegen  eine  sehr 
beträchtliche   Stromstärke   erreichen.     Wenn  nun    unmittelbar   darauf 
die  metallische  Schliessung    unterbrochen,    und    die  Verbindung    mit 
dem  Körper    hergestellt    wird,    entsteht    in    den  Rollen    ein    starker 

8* 


116  Siemens'  dynamo-elektrische  Maschine.  Kap.  VIII. 

Exticastrom,  welcher  sich  durch  die  zwischen  den  Federn  eingeschaltete 
Leitung  ergiesst  und  sehr  kräftiger  physiologischer  Wirkungen  fähig  ist. 

Der  Vorteil  dieser  Apparate,  welclie  man  Saxton'sclie  Maschinen  (da  sich 
Saxton  viel  Verdienste  um  ihre  Verbesserung  erworben  hat)  oder  auch  magn cto- 
elektrische Rotationsapparate  nennt,  besteht  darin,  dass  sie  jeder  Zeit  zum 
Gebrauch  bereit  sind,  während  die  Magnetelektromotoren  immer  erst  eines  galva- 
nischen Elementes  bedürfen.  Dieser  Vorteil  wird  jedoch  mehr  als  aufgewogen  durch 
die  Uebelstände,  dass  man  erstens  stets  eines  Gehilfen  bedarf,  um  den  Apparat  in 
Gang  zu  setzen,  und  zweitens  die  Abstufung  in  der  Stärke  der  Ströme  nur  mangel- 
haft ist.  Sie  geschieht  dadurch,  dass  man  die  Rollen  mehr  oder  weniger  nahe  den 
Magnetpolen  rotiren  lässt,  oder  die  Pole  des  Magneten  durch  einen  Anker  verbindet, 
wodurch  man  seine  induzirende  "Wirkung  bedeutend  schwächt  und  zwar  um  so 
mehr,  je  näher  den  Enden  man  den  Anker  auflegt. 

Wo  man  jedoch  nur  schwacher  Induktionsströme  bedarf,  und  das 
ist  bei  den  meisten  physiologischen  Versuchen  über  Nervenreizung  der 
Fall,  da  bieten  die  durch  Bewegung  von  Magneten  erzeugten  Induktions- 
ströme den  Vorteil,  dass  sie  einen  viel  regelmässigeren  und  berechen- 
baren Verlauf  haben,  wenn  man  dafür  sorgt,  dass  die  Rotation  gleich- 
massig  vor  sich  geht.  Für  solche  Fälle  ist  es  aber  zweckmässiger, 
die  Induktionsrollen  feststehen  zu  lassen  und  den  Magneten  zu  be- 
wegen, sowie  den  Kommutator  ganz  fortzulassen.  Man  erhält  dann 
eine  Reihe  abwechselnd  gerichteter  aber  gleichförmiger  Induktions- 
ströme, deren  Verlauf  von  der  Art  der  Bewegung  der  Magnete  ab- 
hängt. Diese  kann  entweder  durch  ein  Uhrwerk  bewirkt  werden,  oder 
dadurch,  dass  man  die  Magnete  in  stehende  Schwingungen  versetzt. 
So  kann  man  z.  B.  eine  Reihe  gleichförmiger  Induktionsströme  er- 
halten, wenn  man  einen  Magnetstab  in  gleichmässiger  Schwingung  er- 
hält und  neben  das  eine  Ende  derselben  eine  Drahtspirale  stellt.  Soll 
die  Zahl  der  Schwingungen  sehr  gross  sein,  so  benutzt  man  longitu- 
dinale  Schwingungen  eines  Magnetstabs  oder  eines  Elektromagneten, 
dessen  einer  Pol  im  Innern  der  Induktionsrolle  steht. 

In  neuerer  Zeit  haben  diese  Apparate  bedeutende  Verbesserungen 
durch  Siemens  erfahren,  welche  sie  lür  technische,  insbesondere 
telegraphische  Zwecke  sehr  brauchbar  macht,  aber  auch  für  die  medi- 
zinische Anwendung  vorteilhaft  wäre.  Sie  zeichnen  sich  besonders 
durch  eine  vorteilhafte  Konstruktion  des  mit  Draht  umwickelten 
Ankers  und  seine  Anbringung  zwischen  den  Polen  des  Hufeisenmag- 
neten aus.  Besonders  interessant  sind  aber  die  von  Siemens  er- 
fundenen sogenannten  d  y  n  a m  o  -  e  1  e  k  t r  i  s  c  h  e  n  M  a s  c  h  i  n  e  n.  In  ihnen 
sind  die  Stahlmagnete  ganz  fortgelassen  und  durch  Elektromagnete  er- , 
setzt.     Leitet  man  durch  die  Windungen  der  letzteren  für  kurze  Zeit 


i 


§56. 


Siemens'  dynamo-elelvtrische  Maschine. 


117 


einen  Strom,  so  bleibt  in  dem  weichen  Eisen  ein  schwacher  Magne- 
tismus zurück.  Durch  diesen  wird  in  den  Drahtwindungen  des  Ankers 
bei  der  Drehung  des  letzteren  ein  schwacher  Strom  induzirt.  Indem 
man  diesen  durch  einen  Kommutator  gleichrichtet  und  dann  durch  die 
Windungen  des  Elektromagneten  leitet,  wird  der  Magnetismus  des 
letzteren  verstärkt.  Dadurch  Wcächst  aber  wieder  die  Stcärke  der  in- 
duzirten  Ströme  und  in  Folge  dessen  wieder  der  Magnetismus  u.  s.  f., 
bis  zu  einem  durch  den  Bau  des  Apparats  und  die  zur  Drehung  auf- 
gewandte Arbeit  bedingten  Maximum. 

Diese  Maschinen  haben,  bekanntlich  jetzt  eine  sehr  grosse  tech- 
nische Bedeutung  gewonnen  und  dienen  zur  Erzeugung  elektrischen 
Lichts,  zur  Kraftübertragung  u.  s.  w.  Man  hat  aber  auch  kleinere 
Maschinen  gebaut  für  Handbetrieb  oder  eine  halbe  bis  ganze  Pferde- 
kraft.    Eine  solche  kleine .  Maschine   für  Handbetrieb   stellt  Fig.    55 


dar.  Sie  ist  nach  dem  Prinzip  von  Gramme  gebaut,  welches  hin- 
sichtlich der  Wickelung  der  rotirenden  Drahtspiralen  von  dem 
Siemens'  sehen  abweicht. 

Man  kann  diese  Maschine  so   einrichten,    dass   sie  Ströme    von 


118 


Siemens'  dynanio-elelitrische  Maschine. 


Kap.  Vin. 


wecliselüder  Richtung  geben,  oder  durch  geeignete  Kommutatoren  die 
Ströme  in  gleichgerichtete  verwandeln.  Bei  der  oben  abgebildeten 
Maschine  ist  ferner  die  Einrichtung  getroffen,  dass  man  entweder  den 
Strom,  welcher  in  den  dielten  Drahtwindungen  des  feststehenden  Elek- 
tromagneten kreist,  oder  den  aus  den  feinen  und  zahlreichen  Windungen 
des  rotirenden  Elektromagneten  benutzen  kann.  Ersterer  entspricht 
dem  Strom  einer  Kette  mit  massiger  elektromotorischer  Kraft  und  ge- 
ringem innerem  Widerstand  —  bei  der  abgebildeten  Maschine  etwa 
dem  Strom  von  3 — 4  grossen  Bunsen' sehen  Elementen.  Er  eignet 
sich  sehr  gut  für  Galvanokaustik  oder  Beleuchtung  bei  der  Endoskopie. 
Der  letztere  Strom  würde  als  Ersatz  einer  Batterie  für  den  konstanten 
Strom  benutzt  werden  können.  In  Krankenhäusern,  wo  man  über 
einen  Mann  oder  gar  einen  mechanischen  Motor  verfügen  kann,  um 
die  Maschine  in  Bewegung  zu  setzen,  ist  dieselbe  in  vielen  Beziehungen 
den  Batterien  vorzuziehen,  wenn  es  sich  um  Galvanokaustik  oder 
Endoskopie  handelt;  für  die  elektrotherapeutische  Anwendung  kon- 
stanter Ströme  würde  sie  jedoch  den  früher  beschriebenen  Batterien 
gegenüber  kaum  vorteilhaft  sein.  Das  nähere  hierüber  wird  im 
zwölften  Kapitel  auseinandergesetzt  werden. 


Kapitel  IX. 
Von  der  Einrichtung  und  dem  Gebrauch  der  Galvanometer. 


§  57.  Will  man  sich  von  dem  Vorhandensein  eines  elektrischen 
Stromes  überzeugen,  so  benutzt  man  dazu  eine  der  vielen  Wirkungen, 
welche  der  Strom  ausübt.  Eine  Vorrichtung,  Avelche  diesem  Zwecke 
dient,  heisst  Rheoskop.  So  erkennen  wir  z.  B.  selbst  schwache 
Ströme  durch  das  physiologische  Rheoskop,  den  Nerven,  welcher 
besonders  dann  mit  Vorteil  als  Rheoskop  angewandt  wird,  wenn  es  sich 
um  die  Erkennung  schnell  in  ihrer  Intensität  schwankender  Ströme 
handelt.  Die  am  häufigsten  für  diesen  Zweck  benutzte  Wirkung  des 
Stroms  ist  jedoch  die  Ablenkung  der  Magnetnadel.  Apparate,  welche 
hierzu  eingerichtet  sind,  nennt  man  Galvanoskope,  oder,  wenn  sie 
eine  Messung  der  Stromstärke  gestatten,  Galvanometer. 

Wir  haben  schon  im  §  20  ein  derartiges  Instrument  unter  dem  Namen 
Multiplikator  kennen  gelernt,  und  in  der  Tangentenbussole  ein 
Instrument,  mit  Hilfe  dessen  man  die  Stromstärke  zu  messen  im 
Stande  ist.  Aber  diese  Instrumente  hatten  nur  eine  geringe  Empfind- 
lichkeit und  konnten  daher  nur  zur  Erkennung  stärkerer  Ströme  dienen. 

Die  Empfindlichkeit  eines  Multiplikators  kann  sehr  gesteigert 
werden  durch  Vermehrung  seiner  AVindungszahl,  so  lange  nur  die 
äussersten  Windungen  nicht  allzuweit  von  der  Nadel  entfernt  sind, 
damit  sie  noch  eine  merkliche  Wirkung  ausüben  können.  Man  nimmt 
daher  zu  den  empfindlicheren  Multiplikatoren  sehr  dünnen  Draht,  um 
recht  viele  Windungen  auf  einen  kleinen  Raum  bringen  zu  können. 
So  hat  man  zu  physiologischen  Zwecken  Multiplikatoren  gebaut,  welche 
30000  Windungen  und  darüber  haben.  Solche  Multiplikatoren  bieten 
natürlich  dem  Strom  einen  beträchtlichen  Widerstand  und  können  nur 
da  mit  Vorteil  gebraucht  werden,  wo  durch  diesen  Widerstand  der 
Strom  nicht  mehr  geschwächt  wird,  als  dem  Nutzen  entspricht,  der 
durch  die  grosse  Windungszahl  erreicht  werden  soll. 


120  Multiplikator.    Astatisclies  Tsadelpaar.  Kap.  IX. 

Um  jedoch,  falls  es  nötig  sein  sollte,  mit  einem  Drahte  von  ge- 
ringerem Widerstand  arbeiten  zu  können,  windet  man  nicht  die  ganze 
Länge  des  Drahtes  hintereinander  auf,  sondern  man  legt  den  Draht 
doppelt  und  windet  ihn  dann  auf,  wodurch  man  also  zwei  genau  neben 
einander  herlaufende  Drahtlängen  erhält.  Gesetzt,  der  Multiplikator 
hätte  15000  solcher  Doppelwindungen.  Die  vier  Enden  dieser  beiden 
Drähte  wollen  wir  mit  A,  E,  a,  e  bezeichnen.  Schliesst  man  den 
Kreis  zwischen  A  und  E,  so  hat  man  also  einen  Multiplikator  von 
15000  Windungen.  Der  daneben  laufende  Draht  mit  den  Enden  a,  e 
bleibt  dann  unbenutzt.  Verbindet  man  E  mit  a,  und  schliesst  den 
Kreis  zwischen  A  und  e,  so  muss  der  Strom  beide  Windungen  nach 
einander  durchlaufen,  man  hat  also  einen  Multiplikator  von  30000 
Windungen.  Verbindet  man  endlich  A  und  a  einerseits,  E  und  e 
andererseits  mit  einander  und  schliesst  den  Kreis  zwischen  diesen,  so 
teilt  sich  der  Strom  gleichmässig  zwischen  die  beiden  Windungen,  man 
hat  also  jetzt  einen  Multiplikator  von  15000  Windungen  und  dem 
doppelten  Querschnitt  des  Drahtes,  also  halb  so  grossem  Widerstand, 
als  wenn  man  nur  einen  Draht  anwendet,  und  viermal  geringeren 
Widerstand,  als  wenn  man  die  zweite  Anordnung  trifft.  Endlich  kann 
man  noch  zwei  Ströme  durch  die  beiden  Windungen  in  entgegen- 
gesetzte Richtungen  leiten,  und  hat  dann  ein  sog.  Differentialgalvano- 
meter, wie  es  z.  B.  in  dem  in  Fig.  45  schematisch  dargestellten 
Versuche  von  E  dl  und  angewandt  ist. 

§  58.    Wenn  ein  Strom  auf  eine  Magnetnadel   wirkt,   so  nimmt 
die  Nadel  eine  Stellung  ein,  welche  die  Resultirende  ist  aus  der  Wir- 
kung  des  Stromes  und   der  Wirkung   des  Erdmagnetismus.     Wäre   es 
also    möglich,    die   Wirkung    des    Erdmagnetismus    aufzuheben,    oder 
wenigtens  bedeutend  zu  verringern,  so  müsste  die  Empfindlichkeit  des 
Multiplikators  in  demselben  Masse  wachsen.    Dies  ist  nun  in  der  Tat 
möglich.     Verbindet  man  nämlich  zwei    gleich    starke  Magnetnadeln] 
so  mit  einander,  dass  ihre  gleichnamigen  Pole  nach  entgegengesetzten 
Richtungen  gekehrt  sind,    so    kann    der  Erdmagnetismus    gar    keine 
Richtkraft  auf  dieselben  ausüben.    Eine  solche  Verbindung  nennt  man] 
ein  astatisches  Nadelpaar,  weil  es  keine  durch  den  Erdmagnetismus] 
bestimmte  stabile  Gleichgewichtslage  hat.    Hängt  man  ein  solches  Nadel-] 
paar  so  in  ein  Multiplikatorgewinde  ein,  dass  die  eine  Nadel  oberhalb, 
die  andere  innerhalb  der  Windungen  hängt,   so  werden  beide  Nadeln 
durch   den  Strom  in  gleichem   Sinne   abgelenkt,    wie   dies  nach    derj 
Ampere' sehen  Regel   (s.   §   20)  leicht   einzusehen  ist.     Ein    solcher | 
Multiplikator  muss  also  eine   ganz  ungemeine  Empfindlichkeit  haben. 


§58. 


Freiwillige  Ablenlcung. 


121 


Es  ist  Nobili's  Verdienst,    diese  bedeutende  Verbesserung    an    den 
Multiplikatoren  angebracht  zu  haben. 

Es  ist  nicht  leicht,  zwei  Nadeln  so  zu  streichen,  dass  sie  genau 
gleich  magnetisch  werden.  Fügt  man  daher  zwei  Nadeln  in  der  an- 
gegebenen Weise  zusammen,  so  wird  gewöhnlich  die  eine  das  üeber- 
gewicht  haben;  das  System  wird  sich  daher  in  dem  Meridian  ein- 
stellen und  wird,  wenn  man  es  daraus  ablenkt,  nach  mehr  oder 
weniger  zahlreichen  Schwingungen  in  denselben  zurückkehren.  Je  mehr 
die  eine  Nadel  die  andere  überwiegt,  um  so  stärker  wird  die  Richt- 
kraft, welche  das  System  noch  hat,  um  so  schneller  wird  es  daher 
schwingen,  wenn  man  es  aus  dem  Meridian  abgelenkt  hat.  Streicht 
man  nun  diejenige  Nadel,  welche  sich  als  die  stärkere  erweist  (welche 
die  Richtung  des  ganzen  Systems  bestimmt)  vorsichtig  mit  dem  gleich- 
namigen Pol  eines  sehr  schwachen  Magneten,  um  sie  zu  schwächen, 
und  so  der  anderen  gleich  zu  machen,  so  wird  die  Schwingungsdauer 
immer  grösser  werden,  je  mehr  man  sich  der  wirklichen  Astasie  des 
Systems  nähert.  Man  wird  aber  dann  meist  finden,  dass  die  Nadeln 
jetzt  nicht  mehr  im  Meridian  bleiben,  und  wenn  man  die  Nadeln  so 
gleich  gemacht  hat,  als  nur  irgend  möglich,  so  werden  sie  nicht  in 
jeder  beliebigen  Lage  im  Gleichgewicht  sein,  sondern  sie  werden  sich 
senkrecht  auf  den  Meridian  stellen.  Der  Grund  dieser  Erschei- 
nung, welche  man  die  freiwillige  Ablenkung  astatischer  Nadel- 
paare nennt,  ist  folgender: 

Wenn  man  zwei  Nadeln  mittelst  eines  Stückes  Metall,  Schildpatt 
oder  aus  sonst  einem  Material  zu  einem  astatischen  System  verbindet, 
so  ist  es  sehr  schwer,   sie  so  zu  stellen, 
dass  ihre  magnetischen  Axen  genau   pa- 
rallel sind  und  sie  dauernd  in  dieser  Lage 
zu  erhalten.     Gesetzt  nun,  die  vertikalen 
Ebenen,  welche  man  durch  die  Axen  der       ^^^ 
beiden  Nadeln  legt,  machten  einen  Winkel     ■^- 
a   miteinander,    welcher    natürlich    sehr 
klein  ist.     Die  Nadel  NS,   Fig.  56,   sei 
gegen  den  Meridian  um  den  Winkel  (f  ge- 
neigt, also  die  Nadel  »s  um  den  Winkel 
(f> — «;   ferner   sei   die   Kraft,   womit   der 
Erdmagnetismus   auf   die   Nadeln    wirkt, 
gleich   T,    so   wirkt  auf  den  Nordpol   ?t 
die  Kraft   T  .  sin   (f/ — a)   und   auf   dem 
Südpol  S  die  entgegengesetzt   gerichtete 


122  Ablenkung  durch  die  Drahtniassen.  Kap.  IX. 

Kraft  T  .  sin  (p.  Das  System  Avird  daher  im  Sinne  dieser  letzteren 
Kraft  gedreht.  Gelangt  nun  das  System  in  eine  Lage,  wo  die  Halbirungs- 
linie  des  Winkels  «  auf  dem  Meridian  senkrecht  steht,  so  sind  die  beiden 
in  entgegengesetzter  Richtung  auf  dasselbe  wirkenden  Kräfte  beziehlich 

=  T  .  sin  (R  —  |)  und  T  .  sin  (R  +  ^) 

und  da  diese  beiden  Werte  einander  gleich  sind,  so  steht  das  System 
in  stabilem  Gleichgewicht.  Da  nun  aber  der  Winkel  a  unmerkbar 
klein  ist,  so  stehen  scheinbar  beide  Nadeln  senkrecht  auf  den  Meridian. 
Ist  die  Stärke  der  Nadeln  aber  nicht  absolut  gleich,  so  werden  sie 
sich  natürlich  unter  irgend  einem  anderen  Winkel  zum  Meridian  ein- 
stellen, wo  die  auf  dieselben  vom  Erdmagnetismus  ausgeübten  Kräfte 
sich  das  Gleichgewicht  halten. 

§  59.  Dieser  Umstand  würde  nun  dem  Gebrauch  astatischer 
Nadelpaare  keinen  Eintrag  tan.  Man  brauchte  ja  nur  die  freiwillige 
Ablenkung  des  Systems  zu  bestimmen,  dann  dem  Multiplikator  eine 
solche  Stellung  zu  geben,  dass  seine  Windungen  denselben  Winkel 
mit  dem  Meridian  machen  und  das  Nadelpaar  in  den  Multiplikator 
einzuhängen.  Versucht  man  dies  aber,  so  findet  man,  dass  die  Nadeln 
innerhalb  des  Multiplikators  nicht  mehr  dieselbe  Lage  einnehmen,  als 
ausserhalb  desselben.  Im  Gegenteil  zeigt  sich,  wenn  die  Multiplikator- 
windungen genau  denselben  Winkel  mit  dem  Meridian  machen,  als 
die  freiwillige  Ablenkung  beträgt,  dass  dann  die  Nadeln  sich  in  dieser 
Richtung,  wo  sie  parallel  den  Windungen  sind,  und  die  obere  Nadel 
über  dem  Nullpunkt  der  am  Multiplikator  angebrachten  Teilung 
schwebt,  nicht  einstellen  lassen,  sondern  dass  jederseits  vom  Null- 
punkt eine  stabile  Gleichgewichtslage  existirt,  welcher  die  Nadeln 
sogleich  zueilen  und  auf  welcher  sie  sich  immer  wieder  einstellen, 
wenn  sie  auch  aus  derselben  entfernt  werden.  Diese  stabilen  Gleich- 
gewichtslagen entsprechen  mehr  oder  weniger  genau  den  Diagonalen 
des  rechteckigen  Multiplikatorgewindes. 

Die  Ursache  dieser  Erscheinung,  welche  man  die  Ablenkung 
durch  die  Draht massen  nennt,  ist  zu  suchen  in  den  magnetischen 
Wirkungen  des  Kupferdrahtes,  aus  welchem  der  Multiplikator  ge- 
wunden ist.  East  alles  Kupfer  enthält  ein  wenig  Eisen,  und  so  feine 
Drähte,  als  man  zu  Multiplikatoren  braucht,  sind  aus  chemisch  reinem 
Kupfer  sehr  schwer  zu   beschaffen.*)     Wenn  nun  die  Nadeln  in   den 


*)  Auch  die  Seide,  mit  welcher  der  Draht  der  Isolirung  wegen  besponnen-  ist, 
enthält  zuweilen  etwas  Eisen ;  besonders  die  grüne  Seide  soll  öfter  solches  enthalten, 


§  59,  60.  Multiplikator.  123 

Multiplikator  eingehängt  werden,  so  induziren  sie  in  dem  Kupferdraht 
Magnetismus.  Da  nun  der  Multiplikator  aus  zwei  seitlichen  Hälften 
besteht,  welche  durch  einen  mittleren  Spalt  getrennt  sind  (um  die 
Nadeln  einzuhängen),  so  ist  der  in  den  beiden  Hälften  induzirte  Magne- 
tismus nahezu  gleich,  wenn  die  Nadeln  in  der  Mitte  stehen;  sie  be- 
finden sich  hier  in  labilem  Gleichgewicht.  Werden  die  Nadeln  aber 
abgelenkt,  so  ist  der  von  jedem  Pol  auf  der  entsprechenden  Seite 
induzirte  Magnetismus  stärker  und  die  Nadeln  begeben  sich  in  die 
Richtung  der  Diagonale,  wo  sie  über  der  grössten  Länge  der  Kupfer- 
masse stehen  und  daher  am  stärksten  angezogen  werden. 

Ein  solcher  Multiplikator  würde  natürlich  völlig  unbrauchbar  sein, 
wenn  man  nicht  ein  Mittel  besässe,  die  Ablenkung  durch  die  Draht- 
massen zu  kompensiren.  Dieses  geschieht  dadurch,  dass  man  in  der 
Nähe  des  Nullpunktes  einen  kleinen  ganz  schwachen  Magneten  (die 
abgebrochene  Spitze  einer  feinen  magnetisirten  Nähnadel)  so  aufstellt, 
dass  er  den  zugewandten  Pol  der  oberen  Nadel  anzieht.  Man  dreht 
daher  das  Multiplikatorgewinde  so,  dass  man  den  Nullpunkt  der 
Teilung  den  Nadeln  nähert.  Dann  kommt  zuletzt  ein  Punkt,  wo  die 
Richtkraft  der  Erde  und  die  Ablenkung  durch  die  Drahtmassen  ein- 
ander gerade  das  Gleichgewicht  halten  und  dann  sind  die  Nadeln  auf 
der  Nulllinie  in  labilem  Gleichgewicht.  Bringt  man  nun  den  kleinen 
Kompensationsmagneten  an,  so  kann  man  es  so  einrichten,  dass  er 
gerade  genügt,  um  die  Ablenkung  durch  die  Drahtmassen  aufzuheben 
und  die  Nadeln  auf  der  Nulllinie  in  stabilem  Gleichgewicht  zu  halten, 
ohne  dass  der  Multiplikator  merklich  von  seiner  Empfindlichkeit  einbüsst. 

§  60.  Ein  vollständiger,  mit  Berücksichtigung  aller  dieser  Mo- 
mente gebauter  Multiplikator,  wie  er  zu  physiologischen  Zwecken  ge- 
braucht wird,  hat  daher  folgende  Einrichtung:  Eine  starke  Metallplatte 
a,  Fig.  57  (a.  f.S.),  kann  mittelst  dreier  Schrauben  horizontal  gestellt  wer- 
den. Sie  trägt  auf  ihrem  oberen  Rande  eine  Gradteilung.  Auf  ihr  ist  die 
Metallbüchse  b  drehbar  mit  Hilfe  der  Schraube  ohne  Ende  g.  Diese 
Büchse  trägt  den  aus  Buchsbaumholz  geschnitzten  Rahmen  C,  auf 
welchem  der  Draht  aufgewunden  ist.  Der  Draht  ist  sorgfältig  mit 
Seide  besponnen  und  jede  Lage  noch  besonders  durch  Firnissung  iso- 
lirt.  Die  vier  Drahtenden  sind  mit  Klemmen  verbunden;  zwei  von 
ihnen  (f,  f  in  Fig.  57)  dienen  zur  Verbindung  mit  der  Stromquelle, 
die  beiden  andern  sind  unter  sich  verbunden  (vgl.  §  57).  Oben  auf 
dem -Rahmen  ist  eine  Teilung  befestigt,  über  Avelcher  die  obere  Nadel 
schwebt;   die  Nulllinie  der  Teilung  ist  den  Drahtwindungen  parallel. 


124 


Multiplikator. 


Kap.  IX. 


Das  astatische  Nadelpaar  hängt  mittels  eines  feinen  Hälcchens  an 
einem  einfachen  Seidenkokonfaden,  welcher  oben  an  einen  Haken  be- 
festigt ist.  Dieser  wird  von  dem  Bügel  hh  getragen,  und  kann  durch 
drei   Schräubchen    zentrirt,    d.   h.   so   gestellt  werden,    dass    der    die 

Nadeln  tragende  Faden  gerade  durcli 
den  Mittelpunkt  der  Teilung  geht.  An 
dem  einen  Nullpunkt  der  Teilung  ist 
ein  galgenförmiges  Messinggestelle  o 
angebracht,  welches  durch  die  Schrauben 
1,  m  seitlich  verrückt,  so  wie  entfernt 
und  genähert  werden  kann  und  wel- 
ches [an  seinem  Ende  das  Magnet- 
splitterchen  zum  Kompensiren  der  Ab- 
lenkung durch  die  Drahtmassen  trägt. 
Endlich  sind  an  den  90  "punkten  noch 
kleine  Knöpfe  angebracht,  welche 
kleine,  vorspringende,  sehr  dünne 
Glimmerblättchen  tragen,  an  welchen 
sich  die  obere  Nadel  fängt,  sobald 
die  Ablenkung  90"  beträgt.  Diese 
„Hemmung^^  ist  notwendig,  damit 
nicht  bei  starken  Strömen  eine  Um- 
kehr der  Nadeln  erfolge.  Um  die 
Nadeln  so  viel  als  möglich  vor  Luft- 
strömungen und  Staub  zu  schützen, 
sind  die  seitlichen  Oeffnungen  des 
Rahmens  durch  Glasstreifen  geschlossen, 
und  der  ganze  Multiplikator  mit  einer 
Glasglocke  bedeckt,  welche  auf  der 
Büchse  aufruht. 

Man  stellt  den  Multiplikator,  um  ihn  vor  Erschütterung  zu  be- 
wahren, auf  einem  festen  Konsol  auf,  welches  ohne  Eisen  an  der 
Wand  befestigt  ist.  Die  vier  Klemmen,  weiche  die  Enden  des  Multi- 
plikatordrahts vorstellen,  verbindet  mau  ein  für  alle  Mal  mit  in  der 
Wand  befestigten  Klemmen,  durch  Drähte,  welche  lang  genug  sind, 
um  die  Drehung  des  Multiplikators  zu  gestatten.  An  jenen  in  der 
Wand  befestigten  Klemmen  bringt  man  die  Drähte  an,  welche  den 
Strom  zuleiten  sollen,  und  an  ihnen  macht  man  die  Manipulationen, 
welche  nötig  sind,  wenn  man  die  halbe  oder  ganze  Multiplikatorlänge 
benutzen  oder  die  Stromesrichtung  umkehren  will,  damit  am  Multipli- 


§  60,  61.  Vertikalgalvanoskop.  125 

kator  selbst  gar  nicht  gezerrt  werde.  Man  prüft  sodann,  in  welcher 
Richtung  die  Nadeln  durch  den  Strom  einer  kleinen  Kette  abgelenkt 
werden,  um  später  aus  der  Ablenkung  sogleich  die  Richtung  eines  zu 
prüfenden  Stromes  zu  erkennen. 

§  61.  Ein  so  empfindlicher  Multiplikator  wie  der  eben  be- 
schriebene ist  nur  zur  Erkennung  ganz  schwacher  Ströme  geeignet. 
Für  stärkere  Ströme  hat  man  nach  demselben  Muster  gebaute  mit 
geringerer  Windungszahl.  Handelt  es  sich  nur  um  die  Erl-^ennung, 
ob  ein  Strom  vorhanden  ist,  welche  Richtung  er  hat  und  höchstens 
um  eine  rohe  Schätzung  seiner  Stärke,  so  kann  man  sich  häufig  mit 
viel  einfacheren  Instrumenten  begnügen.  Unter  diesen  erwähnen  wir 
zunächst  das  Vertikalgalvanoskop,  ursprünglich  für  telegraphi- 
sche Zwecke  gebaut,  aber  vielfach  von  Elektrotherapeuten  benutzt. 
Ein  Magnetstab  ist  um  eine  horizontale  Axe  drehbar,  ein  kleines 
Ueberge wicht  an  seinem  untern  Teil  bewirkt,  dass  er  vertikal  steht; 
eine  etwaige  Abweichung  aus  dieser  Lage  (durch  den  Erdmagne- 
tismus bedingt)  kann  durch  Drehung  eines  kleinen,  oberhalb  des 
Magnetstabs  im  Gehäuse  angebrachten  kleinen  Magneten  mittels  eines 
oben  angebrachten  Knopfs  ausgeglichen  werden.  Die  Galvanometer- 
windungen, innerhalb  deren  der  Magnetstab  sich  drehen  kann,  stehen 
gleiclifalls  vertikal,  die  Ablenkungen  des  Magnetstabes  werden  durch 
einen  vorn  angebrachten  Zeiger,  der  vor  einer  Kreisteilung  spielt, 
sichtbar  gemacht. 

Ein  solches  Galvanoskop  zeigt  ebenso  wie  der  Multiplikator  an 
1)  ob  überhaupt  ein  Strom  vorhanden  ist  von  einer  Stärke,  die  aus- 
reicht, eine  wenn  auch  nur  kleine  Ablenkung  zu  bewirken.  Je 
empfindlicher  das  Instrument  ist,  desto  kleiner  kann  diese  geringste 
Stromstärke  sein.  Für  gewisse  Aufgaben,  z.  B.  die  in  §  44  be- 
schriebene Methode  der  Widerstandsmessungen,  muss  die  Empfindlich- 
keit eine  genügend  grosse  sein,  wenn  die  Messungen  hinlänglich  genau 
werden  sollen;  —  2)  die  Richtung  des  Stroms,  je  nachdem  der  Aus- 
schlag nach  rechts  oder  nach  links  erfolgt;  —  es  gestattet  3)  eine 
ungefähre  Schätzung  der  Stromstärke. 

Bei  jedem  Multiplikator  ist  die  Empfindlichkeit  am  grössten  in 
der  Nähe  des  Nullpunkts,  nimmt  aber,  je  weiter  die  Ablenkung  nach 
90°  vorschreitet  um  so  mehr  ab.  Diese  Abnahme  kann  nicht  be- 
rechnet werden,  da  sie  von  den  individuellen  Verhältnissen  eines  jeden 
Instruments  abhängt.  Es  bleibt  deshalb  nichts  übrig,  als  jedes  In- 
strument empirisch  zu   graduiren.     Speziell   für  elektrotherapeutischc 


126 


Absolutes  Galvanometer. 


Kap.  IX. 


Zwecke  hat  Edelmann  ein  solches  Galvanometer  mit  Graduirung  in 
absolutem  Mass  angefertigt,  an  welchem  statt  der  Gradeinteilung  die 
Stellungen  des  Magneten  angegeben  sind,  welche  den  Stromstärken 
von  1,  2  u.  s.  w.  Milliampere  entsprechen.  Um  aber  auch  stärkere 
Ströme  messen  zu  können,  sind  Nebenschliessungen  angebracht,  durch 
welche  man  nur  V^q  oder  nur  Vioo  ^^s  Stroms  durch  den  Multipli- 
kator gehen  lassen  kann.  Zeigt  also  die  Nadel  auf  0,3,  so  ist  die 
wahre  Stromstärke,  wenn  gar  keine  Nebenschliessung  eingeschaltet 
ist  =  0,3  Milliampere,  wenn  die  erste  Nebenschliessung  eingeschaltet 
ist  =  3,  mit  der  zweiten  30  Milliampere  oder  =  0,03  Ampere  u.  s.  f. 
Dieses  absolute  Galvanometer  von  Edelmann  hat  die  Ge- 
stalt einer  Dose  von  11  cm.  Durchmesser  und  12  cm.  Höhe.  Der 
Magnet  n  ist  ein  sogenannter  Glockenmagnet  und  hängt  an  einem 
kurzen  Kokonfaden  c  innerhalb    einer    dicken   Kupfermasse    d.     Dies 


Fig.  58. 


hat  zur  Folge,  dass  er  bei  Ablenkungen  nicht  lange  hin  und  her 
schwingt,  sondern  sich  sofort  auf  den  richtigen  Punkt  einstellt.  Den 
Grund  dieser  Erscheinung  werden  wir  später  genauer  besprechen. 
Die  Drahtwindungen  sind  auf  die  Holzrolle  r  aufgewickelt.  Ein  an 
dem  Glockenmagnet  befindlicher  Zeiger  z  spielt  auf  der  oben  ange- 
brachten Teilung.  Unten  befinden  sich  an  der  Dose  2  Schrauben, 
mit  Hilfe  welcher  man  die  Nebenschliessungen  einschalten  kann. 
Um  das  Instrument  zu  benutzen,  hebt  man  den  Stift  s,  wodurch 
der  Magnet  frei  wird  und  sich  in  den  magnetischen  Meridian  einstellt.. 
Man  dreht  das  Instrument,  bis  die  Nadel  auf  der  Nulllinie  der  Tei- 
lung einsteht.  Man  verbindet  die  mit  m  und  n  bezeichneten  Klemmen 
mit  den  Stromzuleitungsdrähten.  Ist  der  Strom  zu  stark,  so  bringt 
man  die  Schrauben  o  oder  p  zum  Kontakt  mit  den  entsprechenden, 


§61. 


Absolutes  Galvanometer. 


127 


unter  ihnen  gelegenen  Plättchen,  wodurch  die  betreffenden  Neben- 
schliessungen eingeschaltet  werden. 

Ohne  Nebenschliessungen  kann  man  Stromstärken  bis  zu  2  Milli- 
ampere messen;  die  Teilung  zeigt  Zehntel  Milliampere  direkt  an  und 
gestattet  Hundertstel  durch  Schätzung  zu  messen.  Mit  Zuhilfenahme 
der  Nebenschliessungen  kann  man  also  Stromstärken  von  0,00001 
Ampere  bis  zu  0,2  Ampere  messen.  An  den  ersten,  nach  diesen 
Prinzipien  angefertigten  Instrumenten  hatte  Edelmann  noch  eine 
dritte  Nebenschliessung  angebracht,  welche  Viooo  des  Stroms  durch 
das  Galvanometer  gehen  Hess,  so  dass  man  Ströme  bis  zu  2  Ampere 
messen  konnte. 

Auf  der  Teilscheibe  des  Instruments  sind  die  Widerstände  des 
Galvanometers  ohne  und  mit  den  beiden  Schaltungen  angegeben,  so- 
dass man,  unter  Benutzung  der  Ohm' sehen  Gesetze,  Messungen  von 
Widerständen  und  von  elektromotorischen  Kräften  vornehmen   kann. 


Fig.  Ö9. 


Edelmann  hat  auch  eine  kleinere  einfache  Bussole  konstruirt, 
welche  die  Stromstärke  direkt  von  0  bis  20  Milliampere  abzulesen 
gestattet.  Dieses  einfachere  Instrument  ist  in  Fig.  59  dargestellt. 
Seine  Konstruktion  ist  der  des  eben  beschriebenen  ähnlich,  nur  ein- 
facher. Der  hufeisenförmige  Magnet  dreht  sich  auf  einer  Stahlspitze 
innerhalb  des  dickwandigen  Kupferzylinders  d.  An  ihm  ist  der  Zeiger 
z  befestigt,  der  über  der  Teilscheibe  t  schwingt.  Auf  der  Holzrolle  r 
sind  die  Drahtwindungen  des  Galvanometers  aufgewunden.  Durch 
Niederschrauben  von  w  kann  man  bewirken,  dass  nur  V,f,  des  zu 
messenden  Stroms  durch  die  Bussole  geht.  Beim  Nichtgebrauch  wird 
der  Magnet  in  der  Höhlung  h  des  Deckels  a  untergebracht  und  der 
Deckel  mittels   der  Schraube  g,   deren  Höhlung  auf  die  Schraube  s 


128  Spiegel-Tangentenbussole.  Kap.  IX, 

passt,  befestigt.  Das  Instrument  eignet  sich  besonders  für  den  Ge- 
brauch der  Elektrotherapeuten. 

Die  Aichung  der  beiden  eben  beschriebenen  Instrumente  bewirkt 
Edelmann  durch  Vergleichung  mit  einem  von  ihm  konstruirten  abso- 
luten Galv^anometer.  Es  ist  übrigens  zu  bemerken,  dass  die  Angaben  des 
Instruments,  sofern  sie  auf  der  Benutzung  der  Nebenscliliessungen  be- 
ruhen, nur  dann  ganz  genau  sein  können,  wenn  der  Widerstand  in  der 
Hauptleitung  genau  derselbe  ist  wie  der  bei  der  Aichung  benutzte,  oder 
wenn  der  Widerstand  in  dieser  Hauptleitung,  welche  die  Kette  enthält,  so 
gross  ist,  dass  der  Widerstand  der  Nebenschliessungen  sowohl  im  Vergleich 
zu  jenem  als  auch  zu  dem  der  Galvanometerdrahtwindungen  als  unend- 
lich klein  angesehen  werden  kann  (vgl.  die  Auseinandersetzungen  über 
Stromverzweigung,  §  41  ff).  Bei  physiologischen  Versuchen  wird  diese 
Voraussetzung  meist,  bei  therapeutischen  wol  immer  zutreffen.  Andern- 
falls aber  wird  mit  Einschaltung  der  Nebenschliessung  der  Strom  im 
Hauptkreis  selbst  stärker,  weil  eben  der  Gesammtwiderstand  des 
Kreises  kleiner   geworden  ist. 

Nennen  wir  die  elektromotorische  Kraft  der  Kette  E,  den  Widerstand  der 
Kette  nebst  der  Leitung  bis  zum  Galvanometer  w^,  den  des  Galvanometers  Wj,  den 
der  Nebenschliessung  Wg,  so  ist  der  Strom,  dessen  Stärke  wir  messen  wollen,  ohne 
Nebenschliessung 


Wi   +  W2 

Fügen  wir  nun  die  Nebenschliessung  ein,  so  verzweigt  sich  der  Strom  in  der  Weise 
wie  in  Fig.  27,  wo  DBF  den  Galvanometerdraht  vorstellen  soll.  Der  Strom  im 
Hauptkreis  findet  nun  zwei  Wege,  DGF  und  DBF,  deren  Widerstände  Wj  und  Wg 
sind.  Nach  den  Auseinandersetzungen  des  §  41  können  wir  uns  den  Neben- 
schliessungsdraht ersetzt  denken  durch  einen  andern  von  gleicher  Länge  und 
gleichem  Material  wie  der  Galvanometerdraht,  aber  nmal  grösserem  Querschnitt. 
Beide  Drähte  zusammen  haben  also  den  Querschnitt  n  -f-  ')  wenn  wir  den  Quer- 
schnitt des  Galvanometerdrahts  =  1  setzen.  Folglich  haben  wir,  da  sich  die 
Widerstände  von  Drähten  verhalten  umgekehrt  wie  ihre  Querschnitte: 

Wj  .  3  :  Wj  =  1  :  n  +  1 

worin  W2 . 3  den  Widerstand  der  Kombination  von  Galvanometer  und  Nebenschliessung 
bedeutet.     Also  wird  die  Stärke  des  Hauptstroms  jetzt  sein 

B    

Nur  wenn  Wj  sehr  gross  ist,  können  wir  diesen  Wert  gleich  setzen  dem  Wert 

E 

Dieser  Fall  ist  bei  der  Anwendung  in  der  Elektrotherapie  vorhanden,  weil  die  ein- 
geschalteten Körperteile  stets  einen  sehr  grossen  Widerstand  haben. 


§62. 


Spiegei-Tangentenbussole. 


129 


§  62.  Die  §  30  beschriebene  Tangentenbussole  ist,  wie  schon 
gesagt,  nur  zur  Messung  ziemlich  starker  Ströme  geeignet.  Man  hat 
dem  Instrument  aber  verschiedene  Gestalten  gegeben,  um  es  auch  zur 
Messung  schwacher  Ströme  geeignet  zu  machen,  von  denen  wir  die 
wichtigsten  beschreiben  wollen.  Die  am  meisten  verbreitete  Form  ist 
die  von  Wie  de  mann  angegebne  mit  den  Abänderungen,  welche  von 
du  Bois-Reymond  herrühren.  Auf  einem  Brette,  welches  durch 
drei  Schrauben  horizontal  gestellt  werden  kann,  sind  zwei  Drahtrollen 
BB  parallel  mit  sich  selbst  verschiebbar,  die  Entfernung  von  dem 
Punkte  in  der  Mitte,  wo  die  Rollen  sich  berühren,  kann  auf  einer 
Teilung  abgelesen  werden.  Gerade  in  dieser  Mitte  hängt  an  einem 
Kokonfaden  die  Magnetnadel,  welche  hier  aber  keine  Nadel  ist,  sondern 


Fig.  60. 

ein  kreisrunder  Stahlspiegel,  der  so  magnetisirt  ist,  dass  seine  magne- 
tische Axe  nait  seinem  horizontalen  Durchmesser  zusammenfällt.  Leitet 
man  durch  eine  oder  beide  Rollen  einen  Strom,  nachdem  das  ganze 
Instrument  so  aufgestellt  ist,  dass  der  Spiegel  im  magnetischen  Meri- 
dian hängt,  so  wird  der  Spiegel  abgelenkt.  Wir  haben  nun  aber  in 
§  30  gesehen,  dass  die  Stromstärke  nur  dann  wirklich  den  Tangenten 
der  Ablenkungen  proportional  ist,  wenn  die  Grösse  der  Nadel  gegen 
den  Durchmesser  des  sie  umgebenden  kreisförmigen  Stromes  so  klein 
ist,  dass  die  Wirkung  des  Stromes  auf  die  Nadel  durch  die  Ablenkung 
selbst  nicht  geändert  wird.  Da  diese  Bedingung  bei  dem  jetzt  be- 
trachteten Instrumente  nicht  erfüllt  ist,  so  darf  man  es  nur  als  ge- 
naues Mess-Instrument  gebrauchen,  wenn  die  Ablenkungen  sehr  klein 

Rosenthal  u.  Bernhardt,  Elektrizitütslclire.    HI.  Aiitl.  q 


130  Spiegel-Tangentenbussole.  Kap.  IX. 

sind;  denn  dann  ändert  sich  die. Lage  des  Spiegels  zu  den  Windungen 
ja  nur  unwesentlich.  Um  diese  kleinen  Ablenkungen  zu  messen,  stellt 
man  vor  dem  Instrument  in  einiger  Entfernung  eine  Skala  auf  und 
beobachtet  das  Spiegelbild  derselben  im  Stahlspiegel  mit  einem  Fern- 
rohr. Im  Okular  dieses  letzteren  ist  nämlich  ein  vertikaler  Faden 
ausgespannt,  welchen  man  an  einem  bestimmten  Teilstrich  der  Skala 
sieht.  Wird  der  Spiegel  abgelenkt,  so  scheint  sich  die  Skala  an  dem 
Faden  zu  verschieben,  und  diese  Verschiebung  ist,  wie  eine  leichte 
Konstruktion  ergibt,  gleich  der  Tangente  des  doppelten  Ablenkungs- 
winkels. Ist  die  Entfernung  der  Skala  vom  Spiegel  etwas  beträcht- 
lich, so  ist  diese  Art  der  Ablesung  ungemein  empfindlich.  Da  nun 
bei  den  kleinen  Winkeln,  um  welche  es  sich  doch  hier  nur  handelt, 
die  Tangente  des  doppelten  Winkels  gleich  gesetzt  werden  kann  der 
doppelten  Tangente  des  Ablenkungswinkels,  so  kann  man  die  Strom- 
stärke direkt  proportional  setzen  den  abgelesenen  Skalenteilen.  Um 
ein  absolutes  Maass  der  Stromstärke  durch  das  Instrument  zu  er- 
langen, muss  man  es  entweder,  wie  oben  §  30  bei  der  Tangenten- 
bussole angegeben  worden  ist,  mit  einem  Voltameter  vergleichen,  oder 
mit  einer  schon  geprüften  gewöhnlichen  Tangentenbussole.  Da  jedoch 
diese  beiden  Instrumente  viel  zu  unempfindlich  sind,  um  durch  die- 
selben Ströme  merklich  beeinflusst  zu  werden,  welche  auf  die  Spiegel- 
bussole wirken,  so  bedient  man  sich  auch  hier  des  Prinzips  der 
Stromverzweigung.  Man  leitet  nämlich,  ganz  wie  bei  der  Graduirung 
des  Multiplikators  im  vorigen  Paragraph  angegeben  worden,  den  Strom 
durch  eine  Tangentenbussole  und  einen  Draht,  dessen  Widerstand  ein 
bekannter  Bruchteil  des  Widerstandes  der  Spiegel bussole  ist.  Schaltet 
man  dann  diese  als  Nebenschliessung  zu  jenem  Drahte  ein,  so  geht 
durch  sie  nur  ein  bekannter  Bruchteil  des  Stromes.  Wenn  man  also 
die  Stärke  des  Stromes  misst,  und  die  Ablenkung,  welche  durch 
jenen  Bruchteil  an  der  Spiegelbussole  hervorgebracht  wird,  so  hat 
man  die  Konstante  des  Instruments  bestimmt  und  kann  dasselbe  zu 
absoluten  Messungen  benutzen.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
diese  Graduirung  nur  für  die  bestimmte  Entfernung  der  Rollen  vom 
Spiegel  Geltung  hat,  bei  welcher  sie  vorgenommen  worden  ist  und 
dass  für  andre  Stellungen  der  Rollen  die  absoluten  Werte  der  Ab- 
lenkungen besonders  bestimmt  werden  müssen. 

Um  Schwingungen  des  Spiegels  durch  Luftzug  zu  vermeiden,  ist 
derselbe  mit  einer  kupfernen  Hülle  A  umgeben,  welche  vorn  mit 
einem  Planglase  verschlossen  ist.  Die  kupferne  Hülle  hat  ausserdem 
noch  den  Vorteil,  dass  in  ihr  bei  Bewegung  des  Spiegels  Ströme  indu- 


§62,63.  Spiegel-Tangentenbnssole.  131 

zirt  werden,  welche  den  Spiegel  in  entgegengesetzter  Richtung  zu 
drehen  streben,  so  dass  selbst  starke  Schwingungen  sehr  bald  zur 
Ruhe  gebracht  oder  gedämpft  werden,  wovon  später  noch  die  Rede 
sein  wird. 

Gewöhnlich  hat  man  zu  diesem  Instrumente  mehre  Paare  von 
Rollen  mit  Draht  von  verschiedener  Länge  und  Dicke,  um  je  nach 
Umständen  die  vorteilhaftesten  benutzen  zu  können.  Auch  lässt  man 
die  Rollen  so  wie  die  Multiplikatoren  aus  zwei  parallel  laufenden 
Drähten  wickeln.  Je  nach  der  Stärke  der  Ströme  wendet  man  nur 
eine  Rolle  oder  beide  zugleich  an  und  bringt  sie  in  verschiedenen 
Abstand  vom  Spiegel. 

Man  kann  dem  Instrumente  auch  eine  etwas  veränderte  Gestalt 
geben,  indem  man  statt  des  magnetischen  Spiegels  einen  leichteren 
Magnetring  anwendet,  mit  welchem  ein  gewöhnlicher  Glasspiegel  durch 
ein  vertikales  festes  Messingstück  verbunden  ist,  so  dass  der  Spiegel 
über  den  Drahtrollen  in  einem  kleinen,  vorn  mit  einer  Glasplatte  ge- 
schlossenen Gehäuse  hängt.  Indem  so  der  Magnet  ein  viel  geringeres 
Gewicht  haben  kann,  wird  die  Empfindlichkeit  des  Instrumentes  er- 
höht, und  das  Trägheitsmoment  des  Magnets  vermindert,  was  einen 
gleich  zu  erörternden  Vorteil  bietet.  Auch  kann  man  den  Spiegel  an 
dem  Messingstück  drehbar  anbringen,  um  ihn  bei  jeder  beliebigen 
Stellung  des  Instrumentes  auf  die  Skala  richten  zu  können. 

Einen  noch  viel  höheren  Grad  von  Empfindlichkeit  aber  kann 
man  diesem  Instrumente  erteilen,  wenn  man  die  Richtkraft  der  Erde 
auf  den  Magnetring  oder  magnetischen  Spiegel  verkleinert,  indem  man 
über,  neben  oder  unter  demselben  im  magnetischen  Meridian  einen 
starken  Magnetstab  anbringt,  welcher  den  Magneten  der  Bussole  in 
entgegengesetzter  Richtung  zu  drehen  strebt,  als  die  Erde,  oder  auch, 
wenn  man  zur  Seite  des  Magneten  und  gerade  in  seiner  Verlängerung 
den  starken  Magnetstab,  mit  dem  feindlichen  Pole  jenem  zugewandt, 
aufstellt.  Indem  man  diesen  starken  Magnetstab  von  oben,  unten 
oder  der  Seite  her  allmählich  annähert,  kann  man  dem  Magneten 
der  Bussole  jeden  beliebigen  Grad  der  Astasie  erteilen  und  die 
Empfindlichkeit  des  Instrumentes  entsprechend  steigern. 

§  63.  Wenn  bei  einem  der  hier  beschriebenen  Instrumente  ein 
konstanter  Strom  durch  die  Drahtwindungen  geleitet  wird,  so  stellt 
sich  der  Magnet  in  einer  neuen  Lage  ein,  welche  durch  die  Stärke 
des  Stromes  und  die  Richtkraft  des  Erdmagnetismus  bedingt  ist.  Je 
stärker  der  Strom  ist,  desto  grösser  ist  die  ablenkende  Kraft,  welche 

9* 


132  Aperiodisch  schwingende  Magnete.  Kap.  IX. 

den  Magnet  aus  der  Ruhelage  im  magnetischen  Meridian  in  diese  neue 
Lage  überführt.  In  Folge  der  durch  diese  Kraft  erlangten  Geschwindig- 
keit gelangt  aber  beim  Beginn  des  Stroms  der  Magnet  niclit  blos  in 
die  neue  Lage,  sondern  geht  vermöge  der  Trägheit  mehr  oder  minder 
weit  über  dieselbe  hinaus,  kehrt  dann  wieder  um  und  vollführt  so 
eine  Anzahl  von  Schwingungen,  welche  allmählich  immer  kleiner 
werden,  bis  er  endlich  in  der  neuen  GleichgeAvichtslage  zur  Ruhe 
kommt.  Dasselbe  wiederholt  sich,  wenn  der  Strom  geöffnet  wird. 
Der  Magnet  kehrt  dann  nicht  einfach  zu  seiner  Ruhelage  im  Meridian 
zurück,  sondern  schwingt  über  dieselbe  in  der  ursprünglichen  Ab- 
lenkung entgegengesetzter  Richtung  hinaus,  dann  wieder  zurück  und 
so  fort,  bis  er  zur  Ruhe  kommt. 

Solche  Schwingungen  erfolgen,  wenn  keine  Dämpfung  vorhanden 
ist,  ganz  in  derselben  Weise  wie  die  Schwingungen  eines  Pendels. 
Sie  würden,  wie  diese,  in  alle  Ewigkeit  fortdauern,  wenn  nicht  die 
Geschwindigkeit  des  schwingenden  Körpers  in  Folge  der  Reibung,  des 
Widerstands  der  Luft  und  andrer  hemmender  Einwirkungen  allmäh- 
lich abnehmen  würde.  Zu  diesen  hemmenden  Einflüssen  gehört  aber 
in  dem  uns  hier  beschäftigenden  Falle  die  durch  magnetoelektrische 
Induktion  bewirkte  Dämpfung,  deren  wir  schon  kurz  Erwähnung 
taten.  Und  bei  einem  richtigen  Verhältniss  zwischen  dem  Trägheits- 
moment des  Magnets  und  der  Dämpfung  kann  mau  es  dahin  bringen, 
dass  der  Magnet  ohne  alle  Nachschwingungen  sofort  auf  seinen  Ort 
sich  einstellt.     Man  sagt  dann,    der  Magnet   schwinge   aperiodisch. 

Wenn  ein  Magnet  in  der  Nähe  eines  Leiters  schwingt,  so  indu- 
zirt  er  in  demselben  Ströme,  welche  ihrerseits  wieder  auf  den  Magneten 
zurückwirken  und  ihn  in  entgegengesetztem  Sinne  zu  bewegen  streben 
als  er  gerade  sich  bewegt.  Diese  Induktionsströme  müssen  also  wie 
ein  Widerstand  wirken  und  die  Geschwindigkeit  verringern.  Und 
die  Aperiodizität  muss  eintreten,  wenn  diese  Widerstände  genau 
proportional  den  jedesmaligen  Geschwindigkeiten  zunehmen  und  ge- 
rade ausreichen,  den  GeschwindigkeitszuAvachs  in  jedem  Moment  auf- 
zuheben. 

Lässt  man  einen  Magneten  innerhalb  eines  metallischen  Gehäuses 
schwingen,  so  sind  es  eben  vorzugsweise  die  in  diesem  induzirten 
Ströme,  welche  die  Dämpfung  bewirken.  Es  kommt  dann  nur  darauf 
an,  diesem  Dämpfer  eine  genügend  grosse  Masse  und  günstige  Lage 
zum  Magneten  zu  geben,  um  vollkommene  Aperiodizität  zu  erreichen. 
Nun  hat  aber  du  Bois-Reymond  gezeigt,  dass  diese  Bedingungen 
sich  viel  leichter  erreichen  lassen,  wenn  man  die  Richtkraft  des  Erd- 


§  63.  Dämpfung  der  Schwingungen.  133 

magnetismus  durch  den  im  vorigen  Paragraph  erwähnten  über,  unter 
oder  neben  dem  Magneten  aufgestellten  sogenannten  H au y' sehen 
Astasirungsstab  möglichst  verringert,  wodurch  man  zugleich,  wie  wir 
gesehen  haben,  die  Empfindlichkeit  der  Bussole  wesentlich  erhöht. 
Bei  genügender  Astasie  wirkt  dann  schon  der  kupferne  Dämpfer  der 
in  Fig.  60  abgebildeten  Spiegeltangentenbussole  hinlänglich,  um  die 
Schwingungen  innerhalb  der  Grenzen  der  gewöhnlich  benutzten  Ab- 
lenkungen (welche  ja  wegen  der  Ablesung  mit  Spiegel  und  Fernrohr 
nur  klein  sind)  vollkommen  aperiodisch  zu  machen. 

Es  gibt  aber  noch  günstigere  Anordnungen  für  diesen  Zweck  und 
unter  ihnen  ist  die  wirksamste  die  von  Siemens  eingeführte  mit  so- 
genanntem Glockenmagnet  und  Kugeldämpfer,  von  welcher  auch 
Edelmann  bei  seinem  oben  beschriebenen  und  in  Fig.  58  abgebildeten 
Galvanometer  Gebrauch  gemacht  hat.  Der  Magnet  besteht  hier  aus 
einem  oben  geschlossenen,  glocken-  oder  fingerhutförmigen  Stahlzylinder, 
dessen  Mantel  durch  zwei  der  Axe  und  unter  einander  parallele  Schnitte 
teilweise  entfernt  ist.  Es  bleibt  so  ein  hufeisenförmiger  Magnet  mit 
zylindrisch  gekrümmten  Schenkeln  übrig.  Dieser  Magnet  ist  mittels 
eines  an  seiner  Wölbung  befindlichen  Stifts  an  einem  Kokonfaden 
aufgehängt  in  der  zylindrischen  Bohrung  einer  soliden  Kupferkugel, 
über  welche  dann  die  Drahtwindimgen  des  Galvanometers  geschehen 
werden. 

Durch  diese  Anordnung  wird  erreicht,  dass  die  Dämpfung  bei 
jeder  Lage  des  Magneten  eine  gleichmässige  und-  wegen  der  engen 
Umschliessung  durch  die  dämpfende  Kupfermasse  sehr  kräftige  ist, 
während  der  Magnet  selbst  bei  geringem  Gewicht,  also  auch  geringem 
Trägheitsmoment  einen  sehr  kräftigen  Magnetismus  annehmen  kann. 
Deswegen  stellt  sich  der  Magnet  selbst  bei  Ablenkungen  bis  zu  nahe 
an  90°  sofort  schwingungslos  ein  und  kehrt,  wenn  der  Strom  unter- 
brochen wird,  ebenso  schwingungslos  zum  Nullpunkt  zurück. 

Man  kann  diese  Glockenmagnete  mit  Kugeldämpfer  auch  mit 
einem  Spiegel  verbinden  und  sie  dann  ganz  wie  die  andern  Spiegei- 
tangentenbussolen  mit  verschiebbaren  Rollen  zu  sehr  empfindlichen 
Bussolen  gestalten.  Doch  ist  für  solche  Instrumente  die  früher  be- 
schriebene Form  der  Tangentenbussole  vorzuziehen,  besonders  da  durch 
eine  geringe,  von  Christiani  angegebne  Abänderung  des  Dämpfers 
dessen  Wirksamkeit  so  erhöht  werden  kann,  dass  mit  geringer  Asta- 
sirung  schon  vollkommne  Aperiodizität  der  Schwingungen  erzielt  wer- 
den kann. 

Die  Vorteile  solcher  aperiodischer  Galvanometer  oder  Bussolen 


1 34  Lippinann's  Kapillarelektrometer,  Kap.  IX. 

sind  besonders  dann  sehr  bedeutend,  wenn  man  mit  schnell  veränder- 
lichen Stromstärken  zu  arbeiten  hat,  wo  die  gewöhnlich  schwingenden 
Magnete  gar  nicht  zur  Ruhe  kommen,  so  dass  eine  genaue  Ablesung 
ganz  unmöglich  wird. 

§  64.  Aus  der  Reihe  der  Rheoskope,  welche  nicht  auf  der  Ab- 
lenkung von  Magneten  beruhen,  wollen  wir  noch  zweier  Apparate  ge- 
denken, welche  für  manche  Zwecke  sehr  geeignet  sind  und  sich  durch 
ihre  ausserordentliche  Empfindlichkeit  auszeichnen. 

Das  erste  derselben  ist  Lippmann's  Kapillarelektrometer. 
Zieht  man  ein  Glasrohr  zu  einem  möglichst  schlanken,  sich  allmäh- 
lich konisch  verengernden  Kapillarrohr  aus  und  füllt  dasselbe  mit 
Quecksilber,  so  fliesst  dieses  wegen  der  Kapillarwirkung  des  engen 
Rohrs  selbst  bei  beträchtlichen  Drucken  nicht  aus.  Taucht  man  das 
Kapillarrohr  in  sehr  verdünnte  Schwefelsäure,  bringt  durch  Verstärkung 
des  Drucks  einen  Tropfen  Quecksilber  zum  Ausfliessen  und  lässt  dann 
wieder  mit  dem  Drucke  nach,  so  wird  ein  wenig  Schwefelsäure  in 
das  Kapillarrohr  eingesogen.  Stellt  man  ein  Mikroskop  auf  die  Grenze 
zwischen  Quecksilber  und  Schwefelsäure  ein,  so  sieht  man  die  Kuppe 
des  ersteren  mit  einem  scharfrandigen  konvexen  Meniskus  gegen  die 
Schwefelsäure  begrenzt. 

Wenn  man  nun  einen  elektrischen  Strom  in  der  Richtung  von 
der  Schwefelsäure  zum  Quecksilber  hindurchleitet,  so  verändern  sich 
die  kapillaren  Eigenschaften  des  Quecksilbers  und  damit  sein  Meniskus 
und  dieser  weicht  von  dem  Ende  des  Kapillarrohrs  zurück,  nach  dem 
weiteren  Teil  des  Rohrs  hin.  Man  kann  entweder  die  Grösse  dieses 
Ausschlags,  wenn  sie  sich  innerhalb  enger  Grenzen  hält,  mit  Hilfe 
eines  Mikrometers  messen,  oder  man  kann  durch  erhöhten  Druck  den 
Meniskus  wieder  auf  die  Stelle  zurückbringen,  auf  der  er  sich  vorher 
befand.  In  diesem  Falle  muss  man  einen  um  so  grösseren  Druck 
anwenden,  je  grösser  die  elektromotorische  Kraft  ist,  welche  die  Ver- 
schiebung bewirkt  hat,  während  es  auf  die  Stromstärke  dabei  nicht 
ankommt. 

Das  Kapillarelektrometer  ist  vollkommen  aperiodisch,  da  die  dem 
Quecksilber  erteilte  Geschwindigkeit  selbst  bei  den  grössten  vor- 
kommenden Verschiebungen  immer  nur  eine  sehr  geringe  und  die 
Widerstände  der  Reibung  im  Vergleich  zu  dem  Trägheitsmoment  sehr 
gross  sind.  Dabei  vollzieht  sich  die  Verschiebung  in  ausserordentlich 
kurzer  Zeit.  Deshalb  wird  dieses  Instrument  besonders  dann  von 
Nutzen  sein,   wenn  es  sich  um  Beobachtung  sehr  schnell  verlaufen- 


§  64.  Telephon.  135 

der  elektrischer  Vorgänge  handelt,  z.  ß.  zum  Studium  der  elek- 
trischen Veränderungen,  welche  in  Nerven  und  Muskeln  bei  ihrer 
Tätigkeit  Platz  greifen.  Neußrdings  hat  es  Burdon-Sanderson 
benutzt  bei  der  Untersuchung  der  elektrischen  Vorgänge,  welche  im 
Blatt  der  Dionaea  muscipula  durch  Reizung  des  Blattes  hervorgerufen 
werden. 

Das  zweite  der  hier  zu  erwähnenden  Instrumente  ist  das  so 
schnell  allgemein  bekannt  gewordene  und  weitverbreitete  Telephon. 
Dasselbe  besteht  bekanntlich  aus  einem  Magneten,  um  dessen  eines 
Ende  eine  Spirale  von  dünnem  Draht  gewickelt  ist,  während  nahe 
dem  Magnetpol  eine  dünne  Eisenplatte  oder  Membran  angebracht  ist. 
Versetzt  man  letztere  in  Schwingungen,  indem  man  gegen  dieselbe 
spricht  oder  singt,  so  entstehen  durch  die  Annäherung  und  Entfernung 
der  Eisenplatte  an  den  Magneten  Schwankungen  in  der  Intensität  des 
Magnetismus  und  dadurch  in  der  Drahtspirale  Induktionsströme.  Wer- 
den diese  der  Drahtspirale  eines  zweiten  Telephons  zugeleitet,  so 
wirken  sie  verändernd  auf  die  Intensität  des  Magnetismus  und  damit 
auf  die  Anziehung  der  Eisenplatte,  so  dass  nun  diese  in  Schwingungen 
gerät  und  ihrerseits  einen  Ton  oder  ein  Geräusch  erzeugt. 

Dieses  letztere  findet  aber  auch  dann  statt,  wenn  wir  nur  ein 
einziges  Telephon  anwenden  und  durch  dessen  Rolle  einen  Strom  leiten, 
dessen  Intensität  schwankt,  gleichgiltig ,  wodurch  dieser  elektrische 
Strom  erzeugt  wird.  Derselbe  kann  dabei  äusserst  schwach  sein,  da 
das  Telephon  sehr  empfindlich  ist.  Findet  nur  eine  einzelne  Schwan- 
kung des  Stroms  statt,  Avie  beim  Schliessen  oder  Unterbrechen  eines 
sonst  konstanten  Stroms,  so  hört  man  im  Telephon  nur  ein  Knacken; 
folgen  mehrere  solche  Stromschwankungen  auf  einander,  so  hört  man 
ein  Knistern,  folgen  sie  noch  schneller,  so  entsteht  ein  Geräusch  oder 
Klang.  Daraus  folgt,  dass  man  sich  des  Telephons  mit  Vorteil  be- 
dienen kann,  wenn  es  sich  um  den  Nachweis  schwacher,  aber  in  ihrer 
Intensität  schnell  wechselnder  Ströme  handelt,  eine  Aufgabe,  welche 
in  der  Physiologie  öfter  vorkommt,  z.  B.  zur  Untersuchung  der  elek- 
trischen Veränderungen  bei  der  Muskelzusammenzieliung. 

Das  Telephon  hat  in  seinen  Leistungen  viel  Aehnlichkeit  mit 
dem  physiologischen  Rheoskop  und  kann  dieses  in  manchen  Fällen 
ersetzen. 


I 


Kapitel  X. 

Von  dem  Nachweis  und  der  Messung  elektromotorischer 
Kräfte,  der  Messung  kurzdauernder  Ströme  und  der  elek- 
trischen Zeitmessung. 


§  65.  Das  vorige  Kapitel  hat  uns  mit  einer  Reihe  mehr  oder 
minder  empfindlicher  Apparate  zum  Nachweis  elektrischer  Ströme  be- 
kannt gemacht.  Eine  der  wichtigsten  Aufgaben,  zu  deren  Lösung 
diese  Apparate  dienen,  ist  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  in  einem 
gegebnen  Körper  (z.  ß.  in  einem  Muskel)  oder  in  einer  Kombination 
von  Körpern  elektromotorische  Kräfte  ihren  Sitz  haben.  Aber  hierbei 
kommt  es  vor  allen  Dingen  darauf  an,  die  Verbindung  des  Multipli- 
kators oder  sonst  benutzten  Stromanzeigers*)  mit  dem  zu  prüfenden 
Körper  auf  eine  Weise  herzustellen,  welche  selbst  keine  Ursache  zur 
Erzeugung  elektrischer  Ströme  abgibt.  Will  man  z.  B.  prüfen,  ob  in 
einem  Stücke  Muskel,  Nerv  oder  sonstigen  tierischen  oder  pflanzlichen 
Körper  elektromotorische  Kräfte  existiren,  so  genügt  es  nicht,  zwei 
Metalldrähte  mit  den  Multiplikatorenden  zu  verbinden  und  diese  an 
den  zu  prüfenden  Körper  anzulegen.  Auf  diese  Weise  würde  man 
immer  Ströme  bekommen,  denn  zwei  Metallstücke  sind  selten  so 
gleichartig,  selbst  wenn  sie  aus  einem  und  demselben  Stück  ge- 
schnitten wären,  dass  sie  nicht  in  Berührung  mit  einer  und  derselben 
Flüssigkeit  ungleich  erregt  würden  und  daher  Ströme  lieferten,  welche 
mehr  als  genügen,  die  Nadeln  empfindlicher  Multiplikatoren  an  die 
Hemmung  zu  werfen.     Ja  sogar,    wenn  man  zwei   Metallstücke   mit 


*)  Wenn  im  Folgenden  vom  Multiplikator  die  Rede  ist,  so  verstellt  es  sich 
von  selbst,  dass  statt  seiner  auch  irgend  ein  andres  geeignetes  Werkzeug  aus  der 
Zahl  der  im  vorigen  Kapitel  beschriebenen  angewendet  werden  kann.  In  der  Regel 
benutzt  man  jetzt  fast  nur  noch  die  Spiegelbussole  mit  aperiodischem  Magnet  und 
gelegentlich,  je  nachdem  dies  für  den  besondern  Zweck  nützlich  sein  kann,  eines 
der  andern  Instrumente, 


§65. 


Ableitungsgefässe  von  du  Bois-Reymond. 


137 


vieler  Mühe  gleichartig  gemacht  hat,  so  genügt  es,  dass  das  eine  nur 
um  einen  Bruchteil  einer  Sekunde  früher  an  einen  feuchten  Leiter 
angelegt  wird,  um  einen  Strom  zu  erzeugen. 

Diese  Umstände  machen  es  notwendig,  hei  der  Prüfung  tierischer 
Teile  auf  ihr  elektromotorisches  Verhalten  gewisse  Vorsichtsmaassregeln 
anzuwenden,  um  Täuschungen  zu  entgehen.  Unter  allen  Kombinationen 
hat  sich  nach  den  Untersuchungen  von  duBois-Reymond  diejenige, 
welche  wir  schon  früher  als  unpolarisirbar  kennen  gelernt  haben, 
amalgamirtes  Zink  mit  Zinkvitriollösung,  auch  als  diejenige  bewährt, 
welche  am  leichtesten  vollkommen  gleichartig  herzustellen  ist.  Die 
Prüfung  eines  tierischen  (oder  sonstigen)  Körpers  auf  seine  elektro- 
motorischen Eigenschaften  geschieht  daher  auf  folgende  Weise: 

Zwei  kleine  Gefässe,  aus  Zink  gegossen,  wie  ein  solches  in 
Fig.  61  dargestellt  ist,  sind  auf  isolirenden  Unterlagen  befestigt,  und 
in  ihrem  Innern  wohl  amalgamirt.    Durch  Klemmschrauben  k  werden 


Füj.  61. 

sie  mit  den  Enden  des  Multiplikatordrahtes  verbunden.  Aus  Fliess- 
papier gebildete  Bäusche,  welche  mit  konzentrirter  Lösung  von  reinem 
schwefelsaurem  Zinkvitriol  getränkt  sind,  stecken  in  den  Gefässen  und 
ragen  über  deren  Rand  vor.  Kleine  Schilder  aus  einer  isolirenden 
Substanz  (vulkanisirtem  Kautschuk)  halten  dieselben  mit  Hilfe  von 
Kautschukringen  in  ihrer  Lage  fest.  Die  durch  den  Bausch  nicht 
ganz  ausgefüllte  Höhlung  der  Zinkgefässe  füllt  man  zur  Verringerung 
des  Widerstandes  mit  gesättigter  Lösung  von  Zinkvitriol.    Rückt  man 


138  Ableitungsgefässe  von  du  Bois-Reymond.  Kap.  X. 

die  Gefässe  bis  zur  Berührung  der  Bäusche  an  einander,  oder  über- 
brückt den  Zwischenraum  zwischen  den  Bäuschen  mit  einem  dritten 
ebenfalls  mit  konzentrirter  Zinkvitriollösung  getränkten  Bausch,  so 
bleibt  die  Nadel  des  Multiplikators  ganz  unbewegt.  In  der  Vorrich- 
tung hat  also  keine  elektromotorische  Kraft  ihren  Sitz.  Bringt  man 
jetzt  an  Stelle  des  dritten  Bausches  den  zu  untersuchenden  Körper, 
und  erhält  eine  Ablenkung  der  Nadel,  so  muss  der  hierdurch  ange- 
zeigte Strom  seine  Ursache  in  jenem  Körper  haben.  Statt  dieser  Ab- 
leitungsgefässe kann  man  auch~  die  in  Fig.  1 7  abgebildeten  unpolarisir- 
baren  Elektroden  anwenden  und  zwar  geschieht  dies  mit  Vorteil  da, 
wo  es  auf  die  Ableitung  von  möglichst  punktförmigen  Teilen  ankommt. 
Wenn  man  auf  diese  Weise  tierische  Teile  auf  ihre  elektromoto- 
rischen Eigenschaften  prüft,  so  wird  man  je  nach  der  Art  des  Auf- 
legens  auf  die  Bäusche  bald  gar  keine,  bald  eine  geringere  oder 
grössere  Ablenkung  erhalten,  vorausgesetzt,  dass  die  geprüften  Teile 
überhaupt  elektromotorische  Eigenschaften  'besitzen.  Um  diese  Er- 
scheinungen richtig  zu  verstehen,  muss  man  sich  dessen  erinnern,  was 
im  §  46  über  die  Stromverteilung  in  nicht  prismatischen  Leitern  ge- 
sagt worden  ist.  Es  sei  BCDE  ein  irgendwie  gestalteter  Leiter  und 
in  demselben  habe  bei  A  eine  elektromotorische  Kraft  ihren  Sitz. 
Dann  wird  der  ganze  Leiter  von  Stromkurven  erfüllt  sein,  welche 
von  A  ausgehen  und  zu  A  zurückkehren.  Die  Richtung  dieser  Ströme 
wird  bedingt  sein  von  dem  Sinne  der  elektromotorischen  Kraft.  Die 
Stärke  der  Ströme  wird  abnehmen  mit  der  Länge  der  Wege,  welche 
sie  zurückzulegen  haben,  also  mit  der  Entfernung  von  A.  Legen 
wir  nun  an  die  Oberfläche  dieses  Körpers  irgendwo  einen  gleich- 
artigen leitenden  Bogen  an,  d.  h.  einen  solchen^  dessen  Berührung 
mit  dem  Körper  BCDE  nicht  selbst  Anlass  zu  einer  Elektrizitäts- 
entwickelung gibt,  so  wird  dieser  Bogen  jetzt  ein  Bestandteil  des 
ganzen  leitenden  Systems  und  es  wird  sich  durch  denselben  ein  Strom- 
zweig ergiessen  müssen,  dessen  Stärke  von  der  Lage  des  Bogens  und 
von  seinem  Widerstände  abhängt.  Die  Punkte,  in  denen  dieser  gleich- 
artige Bogen  den  zu  untersuchenden  Körper  berührt,  nennen  wir  seine 
Fusspunkte,  die  Entfernung  derselben  von  einander  die  Spann- 
weite des  Bogens.  Ist  dieser  Bogen  der  Multiplikator  mit  den  eben 
beschriebenen  Vorrichtungen,  welche  die  Gkichartigkeit  der  Anlege- 
stellen sichern,  so  erhalten  wir  eine  Ablenkung  der  Magnetnadel, 
deren  Grösse  im  Allgemeinen  variiren  muss  mit  der  Lage  des  Bogens 
an  dem  prüfenden  Körper  oder,  was  dasselbe  ist,  mit  der  Lage  des 
Körpers  auf  den  Bäuschen. 


i 


§66. 


Strömungs-  und  Spannungs kurven. 


139 


§  6Q.  Wir  haben  sclion  im  §  45  u.  46  gesehen,  dass  man  sich 
jeden,  irgendwie  gestalteten,  von  Strömen  durchflossenen  Leiter  zer- 
legt denken  kann  in  ein  System  von  gekrümmten  linearen  Leitern, 
welche  alle  durch  die  Punkte  gehen,  in  welchen  die  Ströme  in  den 
Körper  ein-  und  aus  demselben  austreten.  Dasselbe  findet  aber  auch 
statt,  wenn  in  dem  Körper  selbst  eine  elektromotorische  Kraft  ihren 
Sitz  hat.  In  jedem  dieser  linearen  Leiter  bewegt  sich  dann  ein  Teil 
der  durch  die  elektromotorische  Kraft  in  Bewegung  gesetzten  Elek- 
trizitäten ganz  nach  den  Gesetzen,  welche  wir  für  verzweigte  Leitungen 
kennen  gelernt  haben.  Denken  wir  uns  diese  linearen  Leiter  immer 
schmaler  werdend,  so  gelangen  wir  zu  dem  System  von  Strömungs- 
kurven, von  welchen  §  46  die  Rede  war.  Auf  einer  jeden  solchen 
Kurve  wird  dann  eine  veränderliche  Spannung  herrschen  (s.  oben  §  19), 
indem  auf  der  einen  Seite  der  elektromotorischen  Kraft  die  grösste 
positive  Spannung  sein  wird,  die  allmählich  nach  der  Mitte  der  Kurven 
zu  Null  Avird,  dann  negativ  und  immer  stärker  wird,  bis  an  der 
anderen  Seite  der  elektromotorischen  Kraft  diese  negative  Spannung 
denselben  Wert  hat,  als  die  positive  auf  der  ersteren. 

Es  sei  BCDE  (Fig.  62)  ein  Durchschnitt  durch  einen  Körper, 
in  welchem  bei  A   eine  elektromotorische  Kraft  vorhanden   ist.     Der 


Fig.  62. 


Einfachheit  wegen  wollen  wir  annehmen,  der  Körper  sei  ein  Zylinder 
und  A  sei  in  seiner  Axe  gelegen.  Dann  gilt  alles,  was  für  den  hier 
gezeichneten  Durchschnitt  gesagt  wird,  auch  für  alle  andern  durch 
die  Axe  gelegten  Durchschnitte,  und  wir  gewinnen  eine  Vorstellung 
von  den  Vorgängen  in  dem  ganzen  Körper.  Es  gehen  dann  von  A 
eine  grosse  Zahl  von  Strombahnen    aus,    welche    dichtgedrängt    den 


140 


Strömlings-  und  Spannuiigskuvven. 


Kap.  X. 


ganzen  Körper  erfüllen.  In  dem  Zylinder  bilden  diese  Strombahnen 
gekrümmte  FLächen,  welche  alle  durch  den  Punkt  A  gehen  und  die 
einander  zwiebelschalenartig  umhüllen.  In  unserm  Durchschnitt  er- 
scheinen dieselben  als  Strömungskurven  in  den  ausgezogenen  Linien 
dargestellt.  Die  Pfeile  an  diesen  Linien  geben  die  Strömungsrichtung 
an,  indem  vorausgesetzt  ist,  dass  die  elektromotorische  Kraft  die  posi- 
tive Elektrizität  nach  rechts  und  die  negative  nach  links  treibe.  Be- 
trachten wir  nun  zwei  dieser  Strömungskurven,  z.  B.  die  innerste  und 
die  äusserste  der  in  der  Figur  gezeichneten.  Da  sie  ungleich  lang 
sind,  so  wird  durch  die  längere  (welche  eben  deshalb  einen  grösseren 
Widerstand  bietet)  ein  geringerer  Stromanteil  gehen  als  durch  die 
kürzere.  Um  die  Verteilung  der  Spannungen  auf  diesen  beiden  Kurven 
vergleichen  zu  können,  konstruiren  wir  für  beide  das  elektrische 
Gefälle  (s.  §  19).    Es  seien  ab  und  cd  (Fig.  63)  die  beiden  Kurven, 


Fig.  63 


welche  hier  gerade  gestreckt  dargestellt  sind.  Da  ihre  Enden  a,  b 
bez.  c,  d  zu  beiden  Seiten  derselben  elektromotorischen  Kraft  an- 
liegen, so  sind  die  Spannungen  an  den  Enden  gleich  und  werden  da- 
her durch  die  gleichen  Linien  ae,  cg,  bf,  dh  dargestellt,  von  denen 
ae  und  cg  negativ,  bf  und  dh  positiv  sind.  Das  Gefälle  aber,  wel- 
ches durch  die  Linien  fe  und  hg  dargestellt  wird,  ist  bei  der  oberen 
Linie  viel  steiler  als  bei  der  unteren.  Nun  können  wir  auf  jeder 
dieser  Linien  noch  andre  Punkte  angeben,  auf  denen  die  Spannungen 
gleich  sind,  z.  B.  ik  =  Im,  no  =  pq  u.  s.  w.  Was  von  den  Ge- 
fällen dieser  beiden  Kurven  gesagt  ist,  gilt  aber  auch  von  allen 
andern  Strömungskurven.  Auf  jeder  derselben  ist  die  positive  Span- 
nung rechts  von  der  elektromotorischen  Kraft  A  am  grössten,  nimmt 


§  QG.  Elektromotorische  Oberfläche.  141 

ab,   wird  dann  Null,    dann  negativ   und  wächst  mit  negativem  Vor- 
zeichen, bis  sie  Links  von  A  ihren  grössten  Wert  erreicht. 

Verbinden  wir  nun  die  Punkte  gleicher  Spannung  auf  allen 
Strömungskurven  mit  einander,  so  erhalten  wir  ein  zweites  System 
von  Kurven,  welche  auf  den  Strömungskurven  senkrecht  stehen,  und 
welche  wir  Kurven  gleicher  Spannung  oder  isoelektrische 
Kurven  nennen  wollen.  Sie  sind  in  Fig.  62  durch  die  punktirten 
Linien  angedeutet.  Sämtliche  Spannungskurven  bilden  in  dem  Leiter 
ein  System  von  mehr  oder  weniger  gekrümmten  Flächen,  welche  alle 
durch  den  Sitz  der  elektromotorischen  Kraft  gehen,  und  auf  deren 
jeder  überall  die  gleiche  Spannung  herrscht.  Diese  Flächen  gleicher 
Spannung  oder  isoelektrische  Flächen  schneiden  die  Oberfläche 
des  Leiters  in  Kurven,  auf  deren  jeder  natürlich  auch  stets  dieselbe 
Spannung  herrscht.  Die  Gestalt  und  Lage  dieser  Spannungskurven 
hängt  natürlich  ab  von  der  Gestalt  des  Leiters  und  dem  Sitz  der 
elektromotorischen  Kraft  im  Innern  des  Leiters.  Legt  man  nun  einen 
gleichartigen  Bogen  an  die  Oberfläche  des  Leiters  an,  so  hängt  der 
durch  denselben  sich  ergiessende  Stromzweig  ab  von  der  Diff'erenz 
der  Spannungen  an  den  Fusspunkten  des  Bogens.  Ist  diese  Diff'erenz 
Null,  d.  h.  stehen  die  Fusspunkte  des  Bogens  auf  einer  und  derselben 
Spannungskurve,  so  fliesst  gar  kein  Strom  durch  den  Bogen.  Stehen 
die  Fusspunkte  des  gleichartigen  Bogens  aber  auf  zwei  verschiedenen 
dieser  Spannungskurven,  so  wird  sich  ein  Strom  durch  denselben  er- 
giessen,  welcher  stets  gerichtet  ist  von  dem  Fusspunkte,  welcher  auf 
einer  Kurve  von  grösserer  positiver  oder  geringerer  negativer  Spannung 
aufsteht,  zu  dem  anderen  Fusspunkte  des  Bogens. 

Verschiebt  man  den  gleichartigen  Bogen  über  den  Leiter  hin,  so 
dass  nach  und  nach  alle  Punkte  der  Oberfläche  mit  einander  ver- 
glichen werden,  und  beobachtet  die  Ströme  im  Bogen,  so  kann  man 
daraus  die  Gestalt  und  Lage  der  Spannungskurven  auf  der  Oberfläche 
des  Leiters  bestimmen.  Welches  also  auch  die  Gestalt  und  Lage  der 
isoelektrischen  Flächen  sei,  wo  auch  immer  im  Innern  des  Körpers 
die  elektromotorische  Kraft  ihren  Sitz  habe,  stets  wird  man  eine  Ver- 
teilung der  Spannungen  auf  der  Oberfläche  angeben  können,  welche 
für  den  angelegten  Bogen  dasselbe  leistet,  d.  h.  in  jeder  Lage  Ströme 
von  gleicher  Richtung  und  gleicher  Stärke  bestimmt,  als  die  elek- 
tromotorische Kraft  selbst.  Man  kann  daher  stets  die  elektromotorische 
Kraft  ersetzt  denken  durch  eine  entsprechende  Verteilung  elektrischer 
Spannungen  an  der  Oberfläche  des  Leiters.  Man  nennt  dies  das 
Prinzip  der  elektromotorischen  Oberfläche. 


142  Elektromotorische  Oberfläche.  Kap.  X. 

Denken  wir  uns  in  dem  leitenden  Körper  ausser  der  elektromo- 
torischen Kraft  bei  A  noch  eine  zweite  enthalten,  so  wird  diese  eben- 
falls Ströme  in  dem  Leiter  erregen,  welche  denselben  ganz  erfüllen; 
es  wird  derselben  ebenfalls  ein  System  von  isoelektrischen  Flächen 
im  Leiter  und  demgemäss  von  Spannungskurven  auf  der  Oberfläche 
des  Leiters  entsprechen.  Jeder  Punkt  auf  der  Oberfläche  wird  dann 
eine  Spannung  annehmen,  welche  die  algebraische  Summe  der- 
jenigen Spannungen  ist,  welche  ihm  durch  die  Wirkung  jeder  ein- 
zelnen elektromotorischen  Kraft  allein  zukommen  würde,  und  dies  ist 
stets  'der  Fall,  wie  viele  und  wie  geordnet  auch  die  elektromotorischen 
Kräfte  im  Körper  sein  mögen.*)  Welches  daher  auch  die  Zahl  und 
die  Anordnung  der  elektromotorischen  Kräfte  im  Innern  des  Körpers 
sei,  stets  lässt  sich  statt  derselben  eine  bestimmte  Anordnung  der 
Spannungskurven  an  der  Oberfläche  des  Körpers  angeben,  welche  die- 
selben Ströme  im  angelegten  Bogen  bewirkt.  Das  Prinzip  der  elek- 
tromotorischen Oberfläche  behält  also  auch  in  diesem  Falle  seine 
Giltigkeit. 

§  67.  Aus  dem  Vorhergehenden  ist  klar,  dass  wir  mit  Hilfe 
des  Multiplikators  mit  der  grössten  Schärfe  die  Anordnung  der  Span- 
nungskurven auf  der  Oberfläche  eines  Leiters  ermitteln  können.  In- 
dem wir  nämlich  den  Körper  nach  und  nach  mit  den  verschiedensten 
Punkten  auf  die  §  65  beschriebenen  Bäusche  auflegen,  oder  mit  den 
Spitzen  der  Ableitungsröhren  (Fig.  17)  berühren,  \velche  die  Fusspunkte 
unseres  gleichartigen  Bogens  vorstellen,  erkennen  wir,  welche  Punkte 
gleiche  Spannung  haben  (denn  in  diesem  Falle  dürfen  die  Nadeln  nicht 
abgelenkt  werden)  und  welche  Punkte  ungleiche  Spannung  haben  und 
in  diesem  letzteren  Falle,  welchem  Punkte  die  grössere  positive 
Spannung  zukommt.  Denn  von  diesem  letzteren  Punkte  her  muss 
der  Strom  in  den  Multiplikator  eintreten,  worüber  uns  ja  die  Richtung 
der  Ablenkung  Aufschluss  gibt.  Es  gehört  aber  zur  vollständigen 
Lösung  dieses  Problemes  noch  die  Bestimmung  der  Grösse  der  Span- 
nungsdifferenzen an  den  beiden  berührten  Punkten.  Diese  könnte 
man  finden  durch  Messung  der  Stromstärke  und  des  Widerstandes  bei 
jeder  einzelnen  Lage  des  ableitenden  Bogens.  Es  gibt  aber  ein  noch 
einfacheres  Mittel  zur  Bestimmung  jener  Differenzen,  welches  sich  zu 


*)  Helmholtz  hat  diesen  Satz,  welchen  man  das  Prinzip  der  Superposition 
elektromotorischer  Kräfte  nennt,  so  wie  auch  den  vorhergehenden  von  der  elek- 
tromotorischen Oberfläche  mathematisch  abgeleitet  und  experimentell  bestätigt. 
S.  P.ogg.  Ann.  Bd.  S9.  S.  211. 


§67. 


Bestimmung-  der  Spannungskur ven. 


143 


dem  in  Rede  stehenden  Zwecke  sehr  eignet,   nämlich  die  Kompen- 
sation. 

Es  ist  nämlich  klar,  dass  wenn  man  durch  den  Multiplikator 
ausser  dem  Stromzweig,  welchen  der  zu  prüfende  Körper  durch  ihn 
schickt,  noch  einen  anderen  in  entgegengesetzter  Richtung  leitet,  und 
die  Nadel  wird  nicht  abgelenkt,  die  Stärke  beider  Ströme  genau  gleich 
sein  muss.  Da  aber  beide  Ströme  denselben  Kreis  zu  durchlaufen, 
also  auch  denselben  Widerstand  zu  überwinden  haben,  so  müssen  auch 
die  elektromotorischen  Kräfte  in  beiden  Fällen  gleich  sein.  Trifft  man 
nun   die  Anordnung  Fig.  64,   wo  M   den  Multiplikator,   K   eine  kon- 


Fig.  64. 

staute  Kette,  etwa  ein  Grove'sches  oder  Daniell'sches  Element, 
RR,  das  Rheochord  bedeutet,  und  verschiebt  den  Schieber  des  Rheo- 
chords  so  lange,  bis  die  Nadel  auf  Null  steht,  so  muss  der  durch 
die  Spannungsdifferenz  von  a  und  b  erzeugte  Strom  genau  gleich  sein 
demjenigen  Stromteil,  welcher  von  dem  Strom  des  Elementes  sich 
durch  den  Multiplikator  abzweigt.*) 

Denken  wir  uns  für  einen  Augenblick  die  Berührung  des  Rheo- 
chords  mit  dem  ableitenden  Bogen  an  den  Punkten  R  und  S  auf- 
gehoben.    Die  Rheochordseite  RR  stellt  dann  einfach  einen  Teil  des 


*)  In  der  Figur  ist  vorausgesetzt,  dass  die  Spannungsdifferenz  von  a  grösser 
sei  als  die  von  b.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  müsste  man  die  Verbindungen  der 
Drähte  vertauschen,  was  durch  Einschaltung  eines  Stromwenders  zwischen  den 
Punkten  R  und  S  und  ihren  Verbindungen  mit  dem  Multip] ilcator  und  dem  Körper 
AB  andrerseits  geschehen  muss.  Der  Stromwender  darf  nicht  in  dem  Zweig 
RKTR,  angebracht  werden,  weil  bei  seinen  verschiedenen  Lagen  der  Widerstand 
etwas  ungleich  sein  könnte  und  dadurch  die  Konstanz  des  Stroms  gefährdet  würde. 
In  dem  Zweige  RMabS  schadet  er  nichts,   weil   in   diesem  der  Strom  Null   wird. 


144  Methode  der  Kompensation.  Kap.  X. 

Schliessungsbogens  der  Kette  K  vor,  und  auf  ihm  herrscht  eine  von 
Punkt  zu  Punkt  wechselnde  Spannung  (vgl.  §  19).  Da  die  Rheochord- 
saite  ganz  gleichmcässig  ist,  so  ändert  sich  die  Spannung  auf  ihr  auch 
gleichmässig,  d.  h.:  die  Differenz  der  Spannungen  zweier  Punkte  der 
Seite  ist  proportional  ihrer  Entfernung  von  einander.  Andererseits 
herrscht  an  den  Punkten  a  und  b  des  Körpers  AB  Spannungsdifferenz 
in  Folge  der  im  Inneren  von  AB  vorhandenen  ■  elektromotorischen 
Kräfte.  Vereinigen  wir  nun  den  ableitenden  Bogen  wieder  mit  dem 
Rheochiord  in  den  Punkten  R  und  S,  so  wirken  zwei  elektromotorische 
Kräfte  auf  den  Multiplikator  M  ein,  die  Spannungsdiflferenz  der  Rheo- 
chordpunkte  und  die  der  Punkte  a  und  b,  und  diese  müssen  einander 
gleich  und  entgegengesetzt  gerichtet  sein,  wenn  die  Multiplikatornadel 
unabgelenkt  bleibt.  In  diesem  Falle  können  wir  also  die  letztere 
Spannungsdifferenz  durch  die  erstere  messen,  und  da  diese,  wie  wir 
eben  gesehen  haben,  der  Länge  RS  direkt  proportional  ist,  so  ist  es 
auch  die  zu  messende  Spannungsdifferenz. 

Bezeichnen  wir  die  elektromotorische  Kraft  der  Kette  K  mit  Ej ,  die  durch 
die  Spannungsdifferenz  der  Punkte  a  und  b  gegebene  mit  E.^  (wobei  wir  voraus- 
setzen, dass  El  >  E2  ist),  ferner 

den  Widerstand  des  Zweiges  EKTRj  mit  W, 
den  Widerstand  von  RS  mit  w, 
den  Widerstand  von  SRi  mit  v, 
den  Widerstand  von  RMabS  mit  u, 
den  Widerstand  von  RR,   mit  C  =  w  +  v, 
so  ist  in  Folge  der  elektromotorischen  Kraft  E,  die  Stromstärke  im  Zweige  RMabS 
(nach  §  41  Gleichung  [6]) 

j Ei_^w 

'       (W  +  v)  w  +  w  .  u  4-  (W  +  v) .  u 
und  in  Folge  der  elektromotorischen  Kraft  Ej  die  Stromstärke  in  demselben  Zweige 
(nach  §  41  Gleichung  [8]) 

.  _  '      E,  (W  +  C) 

^      u.w  +  (W  +  v)w  +  (W  +  v)u 
Steht  die  Nadel  des  Multiplikators  auf  Null,  so  sind  diese  beiden  Werte  einander 
gleich,  also  ist 

E,  .  w  =  E,  (W  +  C) 
F 

d.  h.  die  zu  messende   elektromotorische  Kraft  ist   dem  Widerstände   der  Strecke 

El 

RS,  also  auch  ihrer  Länge,  direkt  proportional,  so  lange  der  Bruch  ^   ,   p,,  d.  h. 

die  Stromstärke  im  Kreise  der  Grove' sehen  Kette  konstant  bleibt.  Von  dieser 
Konstanz  kann  man  sich  aber  mit  Hilfe  der  bei  T  eingeschalteten  Tangenten- 
bussole jederzeit  überzeugen. 

Zu    dieser    Kompensation    kann    man    sich    sehr    zweckmässiger^ 


§67. 


Kreisrheochord  als  Kompensator. 


145 


Weise  eines  Rheochords  mit  geradlinig  ausgespanntem  Dralit,  wie  es 
in  Fig.  32  S.  83  dargestellt  ist,  oder  nocli  besser  des  schon  früher 
erwähnten  kreisförmigen  Rheochords  von  du  Bois  (Fig.  65) 
bedienen.     Zu    diesem  Zwecke    verbindet    man    die    konstante    Kette 


0      0      0© 

1  JI  M  W 


Fig.  6i 


mit  den  Klemmen  I  und  II,  die  Klemmen  III  und  IV  dagegen 
mit  dem  ableitenden  Bogen,  welcher  den  Multiplikator  und  den 
zu  untersuchenden  Körper  enthält,  dann  geht  der  Strom  der  Mess- 
kette durch  den  ringförmigen  Draht,  ein  Teil  desselben  zweigt  sich 
durch  die  Leitung  III  und  IV  ab,  begegnet  hier  dem  von  dem 
untersuchten  Körper  ausgesandten  Strome,  und  indem  man  durch 
Drehung  der  Kompensatorscheibe  den  abgeleiteten  Zweig  ändert,  bis 
die  Multiplikatornadel  auf  Null  bleibt,  hat  man  in  der  dann  einge- 
schalteten Länge  des  Kheochorddrahtes  das  Maass  für  die  zu  messende 
elektromotorische  Kraft.  Die  ganze  Anordnung  wird  noch  klarer  aus 
der  schematischen  Darstellung  in  Fig.  66  (a.  f.  S.).  Der  Strom  der 
Kette  tritt  hier  durch  die  Klemme  II  in  den  Kompensatordraht  bei  S 
ein,  durchläuft  den  ringförmig  gekrümmten  Draht  bis  N  und  kehrt 
über  Klemme  I  zur  Kette  zurück.     Die  Abzweigung  des  Stromes  ge- 


Rosen thai  u.  Bernhardt,  Elektrizitäf.slehre.     III.  Aufl. 


10 


146 


Kreisrheochord  als  Kompensator. 


Kap.  X. 


schieht  von  den  Punkten  r  und  o.  An  letzterem  geht  der  Kompen- 
satordraht  über  den  festen  Platinsteg,  welcher  mit  der  Klemme  IV  in 
Verbindung  stellt,  an  ersterem  geschieht  die  Ableitung  durch  die  Rolle 

r,  welche  gegen  den  Draht  presst 
und  mit  der  Klemme  III  verbunden 
ist.  Der  zwischen  III  und  IV 
eingeschaltete  Körper  (ein  Muskel 
zum  Beispiel)  entwickelt  einen 
jenem  Stromzweig  entgegenge- 
setzt gerichteten  und  gleich  star- 
ken Strom,  so  dass  die  Multi- 
plikatornadel  nicht  abgelenkt 
wird.*)  Der  Strom  des  Muskels 
ist  daher  der  eingeschalteten 
Länge  or  des  Korapensatordrahtes 
proportional. 

Auf  diesem  Wege  ist  es  also 
möglich,  die  Anordnung  der  Span- 
nungskurven auf  der  Oberfläche 
eines  Körpers  mit  grosser  Schärfe 
zu  bestimmen,  eine  Schärfe,  die 
nur  von  der  Empfindlichkeit  des 
Multiplikators  und  des  Rheo- 
^^^F^  I  \  /fT\  J  ^  chords     abhängt.      Je    geringer 

^^yT^  \Jl^  nämlich  der  Widerstand  der  Rheo- 

chordsaite  ist,    um  so    grössere 
Verschiebungen     sind     natürlich 
nötig,     um    dieselbe    Aenderung    der  Stromstärke    im    Multiplikator- 
kreise zu  bewirken,  desto  genauer  wird  also  auch  die  Messung. 

Es  ist  klar,  dass  man  auf  diese  Weise  nicht  die  absolute  Span- 
nung bestimmt,  welche  an  jedem  Punkte  der  Oberfläche  herrscht, 
sondern  nur  die  Differenzen  der  Spannungen  an  verschiedenen  Punkten. 
Diese  Differenzen  der  Spannungen  entsprechen  dem,  was  man  bei 
einer  galvanischen  Kette  die  elektromotorische  Kraft  nennt.  Das 
Maass,  in  welchem  diese  elektromotorische  Kraft  ausgedrückt  wird, 
ist  zunächst  ein  ganz  willkürliches,  z.  B.  es  wird  die  Kraft  als  Ein- 
heit genommen,   welcher  gerade  bei  Entfernung   des  Schiebers  S   von 


i 


*)  Zwischen  den  Klemmen  III  und  IV    einerseits,    dem  Multiplikator   und 
Muskel  andrerseits  ist  ein  Stromwender  einzuschalten.    Vgl.  die  Anmerk.  zu  S.  143. 


§  67,  68.  Messung  elektromotorischer  Kräfte.  147 

der  Klemme  R  um  1  Cm.  das  Gleichgewicht  gehalten  wird.  Eine 
Reduktion  dieser  Einheit  auf  eine  beliebige  andere  ist  für  den  augen- 
blicklich vorliegenden  Zweck,  die  Feststellung  der  elektromotorischen 
Oberfläche,  unnötig. 

Wenn  man  nun  auf  diese  Weise  die  Anordnung  der  Spannungs- 
kurven auf  der  Oberfläche  eines  Leiters  ermittelt  hat,  so  kommt  es 
darauf  an,  Rückschlüsse  daraus  zu  machen  auf  die  im  Körper  vor- 
handenen elektromotorischen  Kräfte  und  ihre  Verteilung.  Es  ist  aber 
klar,  dass  einer  und  derselben  Anordnung  von  Spannungskurven  sehr 
viele  mögliche  Anordnungen  elektromotorischer  Kräfte  entsprechen. 
Diese  zu  finden  ist  also  stets  Sache  der  Hj^pothese,  indem  man  näm- 
lich unter  den  möglichen  Anordnungen  diejenige  wählt,  welche  am 
Einfachsten  und  Vollständigsten  allen  Bedingungen  entspricht,  die 
durch  den  Versuch  gefunden  worden  sind.  Ein  Beispiel  dafür  liefern 
die  Muskeln  und  Nerven,  wovon  das  Nähere  hier  jedoch  nicht  abge- 
handelt werden  kann,  da  es  Gegenstand  der  Physiologie  ist. 

§  68.  Bei  dem  beschriebenen  Kompensationsverfahren  wird  die 
Spannungsdifferenz  zwischen  zwei  Punkten  des  untersuchten  Leiters 
gemessen  durch  den  Bruchteil  einer  gegebnen  elektromotorischen  Kraft, 
z.  B.  der  eines  Daniell'schen  Elements.  Es  bleibt  aber  unbekannt, 
wie  gross  dieser  Bruch  ist;  um  dies  zu  finden,  müsste  man  die  Kom- 
pensationskonstante des  benutzten  Instruments  bestimmen,  d.  h.  fest- 
stellen, der  wievielte  Teil  des  Daniell  einem  gewissen  Abstand  auf 
dem  Kompensatordraht  entspricht. 

Man  unterbreche  in  Fig.  64  den  ableitenden  Bogen  bei  R  und  S 
und  messe  die  Stromstärke,  welche  in  dem  Kreise  KR R,T  durch  die 
elektromotorische  Kraft  E  der  Kette  K  erzeugt  wird.  Der  Widerstand 
dieses  Kreises  besteht  aus  2  Teilen,  dem  der  Leitung  von  R  über  K 
und  T  nach  R,  und  dem  des  Kompensatordrahts  RR,.  Nennen  wir 
ersteren  w^,  letzteren  W2,  so  ist 

'  — oder  Wj  -j-  Wg  — 


Wj  -|-  W2  ^    '      ^  ~   J  ■ 

Man  entferne  nun  den  Kompensatordraht  und  verbinde  R,  unmittelbar 
mit  R,  dann  erhält  man 


T           E       ,                     E 

J.  =  —  oder  w.  =  -p- 

,               E        E        ^Ji 

—  J 

:  j 

10' 


148  .  Messung  elektromotorischer  Kräfte.  Kap.  X. 

Ist  der  Draht  RR,  in  1000  gleiche  Teile  geteilt,  und  sei  die  Strecke 

RS  =  n  solcher  Teile,  dann  ist  ihr  Widerstand  gleich 

n  n     „  J,  —  J 

w,  =  — —  E    ' 


1000  '  1000  Ji  .  J  * 
Wenn  wir  nun  R  und  S  wieder  mit  M  und  AB  verbunden  denken 
und  wenn  dann  kein  Strom  im  Multiplikator  vorhanden  ist,  so  muss 
die  Spannungsdifferenz  zwischen  den  Punkten  a  und  b  gleich  sein  der 
zwischen  R  und  S.     Letztere  wird  aber  durch  ihren  Widerstand,  also 

durch  den  Bruch  — — r  .  E  ,  -^ — =-  ausgedrückt.     Bezeichnen    wir    der 

Kürze  halber  ^  ■.-^  .  -4 — ^r  ^^^  — 5  so  ist  also  die  Spannungsdifferenz 
1000     Jf.J  m  r  o 

zwischen  a  und  b  =  n  :  —  .  E.    —  E  ist    also    die  Kompensations- 

m  m  ^ 

konstante  unseres  Apparats,  d.  h.  sie  gibt  den  Wert  der  Spannungs- 
differenz für  je  einen  Teilstrich  unseres  Kompensators  in  Bruchteilen 
der  elektromotorischen  Kraft  E  an,  so  lange  Wj  ungeändert  bleibt. 

Der  Wert  —  =  ^  ..^^  .  -4 — ^  kann  durch  passende  Wahl  von  w, 
m        1000     Ji.J  ^  ^ 

(wodurch  bei  konstantem  E   auch  Ji    geändert  wird)   auf  eine  runde 

Zahl  gebracht  werden,  was  die  Berechnung  der  Beobachtungsresultate 

erleichtert.    Wenn  z.  B.  -4 — 7-=  -rx,  so  wird  —  =  tkttt^-    Dann  ent- 

Ji.J        10  m        10000 

spricht  also  jeder  Teilstrich  des  Kompensator  der  elektromoto- 

rischen Kraft  der  benutzten  Kette,  z.  B.  eines  Daniell. 

Da  ein  Daniell  nahezu  gleich  1  Volt,  so  ist,  wenn  wir  diese 
Kette  zum  Kompensiren  wählen,  die  Angabe  des  Instruments  zugleich 
in  absolutem  Maass  gegeben. 

Diese  Methode  ist  nur  zur  Messung  kleiner  elektromotorischer 
Kräfte  geeignet,  wie  sie  etwa  den  Spannungsdifferenzen  entsprechen, 
welche    an    tierischen    Teilen    aufzutreten    pflegen.     Bei    dem    Wert 

—  z=  -TT-r— r  können  wir  z.  B.  elektromotorische  Kräfte  bis  zu  -p- 
m        10000  10 

Daniell  messen. 

Haben  wir  es  mit  grösseren  elektromotorischen  Kräften  zu  tun, 
z.  B.  bei  der  Bestimmung  der  elektromotorischen  Kraft  einer  Kette, 
welche  der  des  Daniell  (das  wir  als  Normalelement  betrachten)  nahe- 
zu gleich  ist,  so  muss  W2  sehr  viel  grösser  gewählt  werden  als  in 
unserm  obern  Beispiel.    Wir  können  dies  erreichen,  indem  wir  (Fig.  64) 


§  68.  Messung  elektromotorischer  Kräfte.  149 

die  Doppelklemme  bei  R  ablösen  und  zwischen  ihr  und  dem  Draht 

RR,  einen  grösseren  Widerstand  einschalten.*)    Wählen  wir  diesen  so, 

j  j        9 

dass  J,  =  10  und  J=  1  wird,  so  würde  -^ — --  =  -^  werden  und  wir 

8  9 

könnten    jetzt    mit    unserem    Rheochord   Werte    zwischen  — ^  und  -7- 
^  10  10 

Daniell  messen  mit  einer  Genauigkeit  von  -.     Auf   keinen   Fall 

aber  können  wir  eine  elektromotorische  Kraft  messen,  welche  gleich 
oder  gar  grösser  wäre  als  die  im  Zweige  RKTR,  vorhandene.  Han- 
delt es  sich  also  um  die  Messung  einer  elektromotorischen  Kraft, 
welche  grösser  ist  als .  1  Daniell ,  so  müssen  wir  bei  K  2  oder  mehr 
Daniell'sche  Elemente  einschalten. 

Von  andern  Methoden  zur  Bestimmung  elektromotorischer  Kräfte 
erwähne  ich  hier  nur  kurz  die  mittels  des  Thomson'schen  Elek- 
trometers (s.  §  5),  mittels  dessen  man  die  Spannungen  an  den  Polen 
der  offenen  Kette  direkt  bestimmt,  und  die  mittels  des  Lippmann- 
schen  Quecksilberelektrometers.  Hat  man  an  einem  oder  dem  andern 
dieser  Apparate  die  Werte,  welche  einem  Volt  entsprechen,  gefunden, 
so  lassen  sich  die  elektromotorischen  Kräfte  jedes  beliebigen  Elements 
sofort  in  absolutem  Maass  finden. 

Ein  Verfahren,  die  elektromotorische  Kraft  annähernd  zu  be- 
stimmen, haben  wir  bei  Gelegenheit  des  absoluten  Galvanometers  von 
Edelmann  (s.  §  61)  angegeben.  Dasselbe  wird  für  praktische  Zwecke 
meistens  genügen. 

Um  ein  bestimmtes  Element  vollkommen  zu  kennen,  müsste  man 
neben  der  elektromotorischen  Kraft  auch  noch  den  Widerstand  des- 
selben bestimmen.  Die  Methode  von  Wheatstone  (§  44)  mittels 
des  Rheochords  ist  dazu  unbrauchbar,  weil  sie  voraussetzt,  dass  in 
dem  zu  messenden  Widerstand  keine  elektromotorische  Kraft  vor- 
handen sei.  Man  kann  jedoch  auf  folgende  Weise  verfahren,  wodurch 
man  annähernd  genaue  Resultate  erhält.  Man  verbindet  das  Element 
mit  einer  Tangentenbussole    und    misst    die   Stromstärke.     Diese    ist 

J  ^  — .    Man  schaltet  nun  mittels  eines  Rheostaten  Widerstände  ein 

AV 

E 

und  erhält  eine  geringere  Stromstärke  J,  =  — ; .    Daraus  folgt: 

°         °  W  -j-Wj 


*)  Bei  Anwendung  des   runden  Kompensators   müsste   man  den  Widerstand 
zwischen  der  Kette  und  Klemme  1  einschalten, 


150  Messung  luir/dauernder  Ströme.  Kap.  X. 

J         W  -|-w, 
Ji  w 

Gibt  man  w,  einen  solchen  Wert,  dass  3^  =  V2  J  ist,  so  miiss  w  = 
Wj  sein.  Man  kann  dies  als  den  Widerstand  des  Elements  gelten 
lassen,  indem  man  den  Widerstand  der  Tangentenbussole  und  der 
kurzen  Verbindungsdrähte  als  ausserordentlich  klein  im  Vergleich  zum 
Widerstand  des  Elements  ansehen  kann. 

Hat  man  auf  diese  Weise  den  Widerstand  des  Elements  be- 
stimmt, so  kann  man  auch  den  so  gefundenen  Wert  benutzen,  um 
die  Bestimmung  der  elektromotorischen  Kraft  nach  der  letzterwähnten 
Methode  zu  corrigiren.  Wir  haben  z.  B.  gefunden,  dass  der  Wider- 
stand eines  bestimmten  Elements  =  40  Ohm  sei  (es  ist  dabei  ein 
kleines  Leclanche-Element  von  der  Form,  wie  sie  Beetz  angegeben 
hat,  vorausgesetzt).  Der  Widerstand  des  Edelmann 'sehen  Galvano- 
meters ist  auf  der  Teilscheibe  des  Instruments  angegeben.  Verbinden 
wir  10  solche  Elemente  mit  dem  Galvanometer,  so  ist  der  Gesammt- 
widerstand  gleichfalls  bekannt,  sagen  wir  =  500  Ohm;  wir  beobachten 
dabei  einen  Strom  von  der  Intensität  0,03  Ampere;  also  ist  E  =15 
und  die  elektromotorische  Kraft  eines  dieser  Elemente  wäre  gleich 
1,5  Volt. 

§  69.  Die  zweite  Anwendung  der  empfindlichen  stromprüfenden 
Apparate,  welche  wir  hier  besprechen  wollen,  ist  die  zur  Messung 
kurzdauernder  Ströme.  Wenn  man  einen  konstanten  Strom  durch 
die  in  §  62  beschriebene  Spiegelbussole  leitet,  so  nimmt  der  Magnet 
eine  dauernde  Ablenkung  an,  welche  von  der  Stärke  des  Stroms  und 
der  Empfindlichkeit  der  Bussole  abhängt.  Wenn  aber  der  Strom  nur 
sehr  kurze  Zeit  andauert,  so  wird  der  Magnet  in  Folge  der  durch  die 
Aperiodizität  bedingten  langen  Schwingungsdauer  seine  Schwingung 
erst  vollenden,  nachdem  der  Strom  schon  längst  aufgehört  hat.  In 
diesem  Falle  ist  die  Tangente  des  Winkels,  um  welchen  der  Magnet 
abgelenkt  wird,  proportional  der  Stärke  des  Stromes  und  der  Zeit, 
welche  der  Strom  gedauert  hat.  Denn  da  während  der  sehr  kurzen 
Dauer  des  Stromes  der  Magnet  sich  nicht  merklich  aus  seiner  Gleich- 
gewichtslage entfernen  konnte,  so  wirkt  der  Strom  in  jedem  einzelnen 
Zeitteilchen  gleichmässig  auf  denselben.  Da  nun  die  Tangente  des 
Ablenkungswinkels  jedenfalls  proportional  sein  muss  der  Menge  der 
Elektrizität,  welche  auf  den  Magneten  gewirkt  hat,  diese  Elektrizitäts- 
menge aber  bei  einem  konstanten  Strome  proportional  sein  muss  der 
Zeit,  welche  er  gedauert  hat,  so  folgt  daraus  die  behauptete  Propor- 


§  69.  Elektrische  Zeitmessung.  151 

tionalität  zwischen  der  Zeitdauer  des  Stromes  und  der  Tangente  des 
Ablenkungswinkels. 

Diese  Proportionalität  hört  auf,  ganz  strenge  zu  gelten,  wenn 
schon  während  der  Dauer  des  Stromes  der  Magnet  seine  Lage  merk- 
lich gegen  die  Windungen  des  Multiplikators  ändert,  also  ebensowohl 
bei  schnellerer  Schwingung  des  Magneten,  als  bei  längerer  Dauer  des 
Stromes.  Da  es  sich  aber  bei  den  hier  beschriebenen  Instrumenten 
immer  nur  um  sehr  kleine  Ablenkungen  handelt,  so  kann  man  sich 
bei  Strömen  von  sehr  kurzer  Dauer  auch  solcher  Instrumente  bedienen, 
bei  denen  die  Magnete  nicht  sehr  grosse  Trägheitsmomente  besitzen, 
ohne  dass  die  Proportionalität  gefährdet  ist.  AVie  wir  oben  gesehen 
haben,  kann  man  aber  für  die  Tangenten  der  Ablenkungswinkel  ge- 
radezu setzen  die  mit  dem  Fernrohr  abgelesenen  Skalenteile. 

Es  liegt  nahe,  diese  Proportionalität  der  Ablenkung  mit  der  Zeit- 
dauer des  Stromes  zur  Messung  kleiner  Zeiten  zu  benutzen.  In  diesem 
Falle  hat  man  dafür  zu  sorgen,  dass  genau  gleichzeitig  mit  dem  Be- 
ginne des  zu  messenden  Vorganges  der  den  Magneten  ablenkende 
Strom  geschlossen,  und  gleichzeitig  mit  dem  Aufhören  jenes  Vorganges 
Avieder  unterbrochen  werde.  Kennt  man  dann  die  Intensität  des  an- 
gewandten Stromes,  so  kann  man  aus  der  Ablenkung  des  Magneten 
die  Zeitdauer  des  Stromes  und  also  auch  die  Zeitdauer  des  mit  jenem 
gleichzeitig  begonnenen  und  unterbrochenen   Vorganges  berechnen. 

Die  Intensität  des  zur  Zeitmessung  angewandten  Stromes  findet 
man,  wenn  man  denselben  dauernd  durch  die  Bussole  leitet  und  die 
Ablenkung  des  Magneten  misst.  Da  aber  die  Intensität  des  Stromes, 
wenn  er  bei  sehr  kurzer  Dauer  noch  messbare  Ablenkungen  hervor- 
bringen soll,  zu  bedeutend  wäre,  um  bei  stetigem  Diirchfliessen  durch 
dieselbe  Bussole  gemessen  zu  werden,  so  wendet  man  dasselbe  Ver- 
fahren an,  welches  in  §  61  für  die  graduirten  Galvanometer  angegeben 
wurde.  Man  bringt  eine  Nebenschliessung  zu  der  Bussole  an,  deren 
Widerstand  ein  bestimmter,  durch  besondere  Versuche  festgestellter 
Bruchteil  des  Widerstandes  des  Instruments  ist.  Durch  die  Bussole 
geht  also  jetzt  nur  ein  kleiner  Teil  des  ganzen  Stromes.*)  Die  dadurch 
bewirkte  Ablenkung  des  Magneten  multiplizirt  mit  dem  Verhältniss 
der  Schwächung  des  Stromes  durch  die  Nebenschliessung  ist  die  In- 


*)  Bei  der  in  §  62  beschriebenen  Bussole  kann  man  auch  durch  Entfernung 
der  Rolle  die  Ablenkung  durch  den  stetigen  Strom  abschwächen,  oder  den  Strom 
durch  die  beiden  Rollen  in  entgegengesetzter  Richtung  leiten  und  die  Entfernung 
derselben  vom  Magneten  verschieden  machen,  wodurch  man  jeden  gewünschten  Grad 
von  Empfindlichkeit  herzustellen  im  Stande  ist. 


152  Elektrische  Zeitmessung.  Kap.  X. 

tensität  des  Stromes,  ausgedrückt  durch  die  Ablenkung,  welche  der 
Magnet  hcätte  erfahren  müssen,  wenn  der  ganze  Strom  dauernd  durch 
die  Bussole  gegangen  wäre. 

Ein  Beispiel  wird  das  hier  Gesagte  klar  machen.  Gesetzt  wir  hätten  irgend 
einen  kurzdauernden  Vorgang  zu  messen,  z.  B.  die  Falizeit  eines  Körpers  durch 
einen  bestimmten  Raum.  Es  sei  eine  Einrichtung  gegeben,  wodurch  ein  galvani- 
scher Strom  geschlossen  wird  genau  in  dem  Momente,  wo  der  Körper  zu  fallen 
beginnt,  und  geöffnet  wird  genau  in  dem  Momente,  wo  der  Körper  zu  fallen  auf- 
hört. Dieser  Strom,  dessen  Zeitdauer  also  genau  gleich  ist  der  Fallzeit  des  Körpers, 
lenke  den  Magneten  um  einen  bestimmten  Winkel  ab,  aus  dessen  Grösse  die  Zeit 
berechnet  werden  soll.  Leiten  wir  denselben  Strom  dauernd  durch  die  Bussole, 
so  ist  die  Ablenkung  viel  zu  gross,  um  als  ein  Maass  für  die  Intensität  des  Stromes 
gelten  zu  können,  da  ja  die  Messungen  nur  bei  sehr  kleinen  Ablenkungen  richtig 
sind.  Wir  bringen  daher  eine  Nebenschliessung  an,  so  dass  der  Strom  sich 
in  zwei  Zweige  spaltet,  von  welchen  der  eine  durch  die  Bussole,  der  andere  durch 
die  Nebenschliessung  geht.  Das  Verhältniss  des  Widerstandes  der  Nebenschliessung 
zu  dem  Widerstände  der  Bussole  sei  gleich  1  :99,  dann  geht  nur  der  hunderste 
Teil  des  ganzen  Stromes  durch  den  Multiplikator.  Dieser  hundertste  Teil  lenke  den 
Magneten  um  einen  Winkel  ab,  welchem  bei  der  Ablesung  mit  Spiegel  und  Fern- 
rohr 25  Skalentcile  entsprechen  mögen.  Dann  ist  offenbar  25 :  100  =  2500  das 
Maass  für  die  Intensität  des  Stromes,  ausgedrückt  in  der  nämlichen  Einheit,  in 
welcher  auch  bei  der  kurzen  Dauer  des  Stromes  die  Messung  geschieht. 

Um  nun  aus  diesen  Grössen  die  Fallzeit  zu  berechnen,  betrachten  wir  den 
kurzdauernden  Strom  als  einen  momentan  wirkenden  Stoss,  welcher  dem  Magneten 
eine  gewisse  Geschwindigkeit  erteilt.  Nach  den  Pendelgesetzen,  welche  auch  für 
frei  schwingende  Magnete  gelten,  wird  diese  Geschwindigkeit  ausgedrückt  durch  die 
Gleichung 

c=-|h 

wo  T  die  Schwingungsdauer  des  Magneten,  und  h  den  beobachteten  Ausschlag  be- 
zeichnet.    Diese  Geschwindigkeit  muss  aber  auch  sein 

tJM 

"^ 

wo  t  die  Zeitdauer  des  Stromes,  J  seine  Intensität,  gemessen  in  der  oben  ange- 
gebenen Weise,  M  das  magnetische  und  K  das  Trägheitsmoment  des  Magneten  be- 
zeichnet.    Es  ist  also 


Nun  ist  aber 


mithin 


*  =  t:j-^- M" 


K   _    T^ 

M     ""    2  TT^ 


T 


Diese  Gleichung  gilt  jedoch  nur  für  den  Fall,  dass  der  Magnet  vor  der  Einwirkung 
des  Stromes  ganz  ruhig  war,  und  dass  die  Dämpfung  keine  bedeutende  ist.  War 
jedoch   der   Magnet  schon  vorher  in  Schwingungen  begriffen  und  macht  sich  die 


§  69,  70.  Muskelunterbrecher.  153 

Dämpfung  in  beträchtliclier  "Weise  geltend,  so  müssen  diese  Umstände  noch  in 
Rechnung  gezogen  werden,  worauf  wir  jedoch  hier  nicht  näher  eingehen  können. 
(Ueber  Zeitbestimmung  mit  aperiodischen  Magneten  vgl.  E  duBois-Reymond, 
Monatsber.  d.  pr.  Akad.  1869.  S.  827.  Gesammelte  Abhandl.  I.  S.  301  und  Ghri- 
stiani,  Poggend.  Annalen.  Ergänzungsber.  VIII.  S.  556). 

§  70.  Eine  der  schönsten  Anwendungen  der  eben  entwickelten 
Methode  zur  Messung  kleiner  Zeitteilchen  hat  Helmholtz  gemacht, 
um  den  zeitlichen  Verlauf  der  Muskelzusammenziehung  und  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  Erregung  in  den  Nerven  zu  messen. 
Der  zu  diesem  Zwecke  angewandte  Apparat  ist  in  der  abgeänderten 
Form,  welche  ihm  duBois-Reymond  gegeben  hat,  in  Fig.  67  (a.  f.  S.) 
dargestellt.  Auf  einer  festen  Tischplatte  erhebt  sich  eine  Säule,  an 
welcher  eine  starke  Klemme  zum  Einspannen  des  einen  Muskelendes 
verschiebbar  ist.  Das  untere  Ende  des  Muskels  ist  durch  ein  isoliren- 
des  Zwischenstück  ih  mit  einem  Hebel  verbunden,  welcher  um  die 
horizontale  Axe  aa'  drehbar  ist.  Nach  unten  verlängert  sich  der 
Hebel  in  eine  kurze  Stange,  welche  durch  ein  Loch  in  der  Tischplatte 
geht  und  unten  eine  Waagschale  zur  Belastung  des  Muskels  trägt. 
Der  Hebel  trägt  an  seinem  vorderen  Ende  zwei  Schrauben,  p  und  q, 
von  denen  die  erstere  unten  in  eine  Platinspitze  endigt  und  mit  dieser 
auf  einer  Platinplatte  aufruht,  während  letztere  in  ejne  amalgamirte 
Kupferspitze  ausläuft  und  mit  dieser  in  ein  Quecksilbernäpfchen  ein- 
taucht. Platinplatte  und  Quecksilbernäpfchen  sind  von  der  Tisch- 
platte und  von  einander  isolirt,  und  letzteres  mit  der  Klemme  k, 
ersteres  mit  der  Klemme  k'  in  leitende  Verbindung  gebracht. 

Schaltet  man  zwischen  k  und  k'  eine  Kette  und  die  Bussole  ein, 
so  geht  der  Strom  so  lange  durch  das  Quecksilbernäpfchen,  das 
zwischen  q  und  p  enthaltene  Hebelstück,  die  Platinplatte  u.  s.  f.,  als 
der  Muskel  sich  nicht  zusammenzieht.  Sobald  aber  der  Muskel  sich 
verkürzt,  unterbricht  er  den  Strom  zwischen  p  und  der  Platinplatte. 
Trifft  man  nun  eine  solche  Anordnung,  dass  der  Strom  in  dem  Augen- 
blicke geschlossen  wird,  wo  irgend  ein  Reiz  den  Muskel  trifft,  so  wird 
dieser  Strom  so  lange  zirkuliren,  bis  der  Muskel  durch  seine  Ver- 
kürzung den  Strom  wieder  unterbricht.  Diese  Zeit  kann  man  nach 
der  im  vorigen  Paragraph  angegebenen  Methode  messen;  sie  entspricht 
genau  der,  welche  verfliesst  von  dem  Augenblicke,  wo  der  Reiz  den 
Muskel  trifft,  bis  zu  demjenigen,  wo  die  Verkürzung  beginnt.  Diese 
Zeit  ist  abhängig  von  dem  auf  die  Wagschale  gesetzten  Gewichte  und 
der  Art  der  Muskelreizung.  Sie  ist  nämlich  kürzer,  wenn  der  Reiz 
dea  Muskel  selbst  trifft  (was  man  dadurch  bewirken  kann,  dass  man 


154 


MuskolunierlM'oclior. 


Kap.  x: 


1 
1 


Fig.  67. 


i 


§70. 


Mu  sl(  elu  n  terbr  e  ch  er. 


155 


das  eine  Ende  der  reizenden  Induktionsspirale  in  die  Klemme  a  ein- 
schraubt, das  andere  Ende  durch  einen  sehr  dünnen  und  biegsamen 
Draht  mit  dem  untern  Ende  des  Muskels  verbindet),  länger,  wenn 
der  Reiz  den  (in  der  Figur  fortgelassenen)  Nerven  trifft.  Und  in 
diesem  letzteren  Falle  ist  die  Zeit  um  so  länger,  je  weiter  vom  Muskel 
entfernt  die  gereizte  Stelle  des  Nerven  liegt.  Indem  man  daher  in 
zwei  aufeinander  folgenden  Versuchen  den  Nerven  das  eine  Mal  sehr 
nahe,  das  andere  Mal  in  grösserer  Entfernung  vom  Muskel  reizt,  findet 
man  aus  der  Differenz  der  in  beiden  Fällen  gemessenen  Zeiten  die 
Zeit,  welche  nötig  ist,  damit  die  Erregung  im  Nerven  sich  von  der 
oberen  zur  unteren  Stelle  fortpflanzen  könne. 

Noch  ein  Umstand  ist  jedoch  zu  berücksichtigen,  um  wirkliche 
Messungen  möglich  zu  machen.  Wenn  der  Muskel  gereizt  wird,  so 
verkürzt  er  sich;  aber  diese  Verkürzung  dauert  nur  wenige  Bruchteile 
eiiier  Sekunde,  dann  hat  der  Muskel  wieder  seine  frühere  Länge  an- 
genommen. Bei  dem  oben  geschilderten  Versuch  zur  Zeitmessung 
würde  also  der  durch  die  Muskelverkürzung  unterbrochene  Strom 
wieder  geschlossen  werden,  noch  ehe  der  Magnet  seine  erste  Schwin- 
gung vollendet  hätte.  Und  die  Ablesung  dieses  Ausschlages,  würde 
natürlich  durch  die  nun  erfolgende  dauernde  Ablenkung  gänzlich  ver- 
hindert werden.  Um  dies  zu  vermeiden,  hat  Helmholtz  einen  Kunst- 
griff angewandt,  dessen  Sinn  aus  Fig.  68  ersichtlich  wird.  Diese 
Figur  stellt,  wie  man  sieht,  das  Ende  des  Hebels  aus  dem  vorher 
beschriebenen  Apparat  mit  den 
beiden  Schrauben  p  und  q,  der 
Platinplatte  und  dem  Quecksilber- 
näpfchen vor.  k,  k  sind  die  Drähte 
zur  Verbindung  der  letzteren  mit 
den  Klemmen.  Das  Quecksilber  im 
Näpfchen  Hg  kann  mittelst  der 
Schraube  s  gehoben  und  gesenkt 
werden.  Hebt  man  nun  das  Niveau 
des  Quecksilbers,  so  dass  die  Spitze 
q  eintaucht,  und  senkt  es  dann  wieder,  so  bleibt  dasselbe  vermöge 
der  Adhäsion  an  der  amalgamirten  Spitze  hängen  und  zieht  sich 
daher  zu  einem  konisclien  Faden  aus,  durch  welchen  die  Leitung  des 
Stromes  vermittelt  wird.  Verkürzt  sich  nun  aber  der  Muskel,  so  wird 
dieser  Faden  zerrissen,  das  Quecksilber  nimmt  seine  konvexe  Ober- 
fläche an,  und  wenn  bei  der  Verlängerung  des  Muskels  der  Hebel 
wieder  sinkt,   so  berührt  zwar  die  Spitze   p  wieder  die  Platinplattej 


Fig.  68. 


156  Elelftrodynamometer.  Kap.  X. 

die  Spitze  q  bleibt  aber  durch  eine  Luftschicht  von  dem  Quecksilber 
getrennt,  der  Strom  bleibt  also  dauernd  unterbrochen. 

Der  in  Fig.  67  abgebildete  Apparat  kann  auch  noch  zu  anderen 
Untersuchungen  im  Gebiete  der  Muskelphysiologie  dienen,  so  ins  Be- 
sondere zur  Entsclieidung,  ob  unter  gewissen  Umständen  ein  Muskel  i 
überhaupt  noch  sich  zu  verkürzen  vermag.  Zum  Beispiel  wenn  man 
die  Klemme,  welche  den  Muskel  trägt,  gerade  so  weit  senkt,  bis  die 
Spitze  p  eben  die  Platinplatte  berührt,  und  dann  auf  die  Wagschale 
Gewichte  aufsetzt,  so  findet  man  eine  Grenze  der  Gewichte,  welche 
der  Muskel  noch  zu  heben  vermag.  Diese  ist  also  ein  Maass  für  die 
Kraft,  welche  der  Muskel  bei  der  Zusammenziehung  entwickelt.  Um 
nun  in  diesem  Falle  mit  Schärfe  auch  die  kleinste  Verkürzung  des 
Muskels  noch  zu  erkennen,  leitet  man  durch  die  Spitzen  p  und  q 
einen  Strom,  welcher  natürlich  selbst  bei  der  geringsten  Hebung  der 
Spitze  p  sofort  unterbrochen  wird.  Man  erkennt  dies  leiclit,  wenn 
man  in  den  Stromkreis  noch  einen  kleinen  Elektromagneten  einschaltet, 
dessen  Anker  bei  der  Oeffnung  des  Stromes  durch  eine  Spiralfeder 
losgerissen  wird  und  durch  Anschlagen  an  eine  Glocke  ein  Signal  gibt. 

§  71.  Es  gibt  noch  eine  andere  Art  der  Zeitbestimmung  kurz- 
dauernder Ströme,  welche  für  viele  Fälle  vorteilhaft  ist,  nämlich  die 
mit  Hilfe  des  Web  er 'sehen  Dynamometers.  Dieses  Instrument 
besteht  aus  zwei  Drahtrollen,  deren  Windungen  senkrecht  auf  einander 
stehen,  und  von  denen  die  eine,  im  Inneren  der  anderen  aufgehängte, 
mit  einem  Spiegel  zur  Messung  der  Ablenkungen  mit  Skale  und  Fern- 
rohr versehen  ist.  Leitet  man  einen  und  denselben  Strom  durch 
beide  Rollen,  so  sind  die  Tangenten  der  Ablenkungen  den  Quadraten 
der  Stromstärken  proportional.  Leitet  man  nun  einen  kurzdauernden 
Strom  durch  dieses  Instrument  und  ausserdem  durch  eine  Bussole  mit 
Spiegelablesung  und  liest  die  Ausschläge  an  den  beiden  Instrumenten 
ab,  so  kann  man  hieraus  sowohl  die  Intensität,  als  auch  die  Dauer  des 
Stromes  berechnen.  Denn  ist  die  Ablenkung  (in  Skalenteilen  ausgedrückt, 
welche  ja  direkt  für  die  Tangenten  gesetzt  werden  können)  beim  Dyna- 
mometer «,  bei  der  Bussole  ß,  J  die  Intensität  und  t  die  Dauer,  so  ist 

«  =  J2 .  t .  c 

/5=J.t.Ci 

also  J  =  — -  .  — i- 

ß      c 

und  t  =  —  .  — - 
cc      Ci  ^ 


i 


§  71.  Messung  veränderlicher  Ströme.  157 

worin  c  und  Ci  die  Konstanten  der  beiden  Instrumente  sind,  welche 
bekannt  sein  müssen,  um  sowohl  J  als  auch  t  in  absoluten  Maassen 
zu  bestimmen. 

Bei  den  vorhergehenden  Betrachtungen  ist  stets  vorausgesetzt 
worden,  dass  die  Ströme,  wenn  auch  sehr  kurze  Zeit  dauernd,  doch 
während  dieser  Zeit  vollkommen  konstant  sind,  insbesondere,  dass 
bei  der  Schliessung  die  Intensität  sogleich  plötzlich  von  Null  bis  zu 
einer  gewissen  Grösse  ansteige  und  bei  der  Oeffnung  ebenso  plötzlich 
von  jener  Grösse  auf  Null  zurücksinke.  Es  kommt  aber  häufig  vor, 
dass  man  die  Intensität  von  Strömen  zu  bestimmen  hat,  bei  welchen 
diese  Bedingung  nicht  erfüllt  ist,  bei  welchen  die  Intensität  in  irgend 
einer  unbekannten  Weise  ansteigt,  und  dann  wieder  absinkt,  wie  dies 
z.  B.  bei  den  durch  Induktion  erzeugten  Strömen  der  Fall  ist.  (Vgl. 
die  Erörterung  darüber  in  §  55.)  Bei  solchen  Strömen  kann  natür- 
lich nur  im  uneigentlichen  Sinne  von  Intensität  die  Rede  sein,  da 
diese  ja  in  jedem  Augenblick  eine  andere  ist.  Leitet  man  einen 
solchen  Strom  durch  die  Bussole  Fig.  60  oder  eines  der  anderen  oben 
beschriebenen  Instrumente,  so  erfolgt  ein  Ausschlag,  welcher  pro- 
portional ist  der  ganzen  Elektrizitätsmenge,  welche  durch  das  In- 
strument ging. 

Ist  die  Dauer  solcher  Ströme  so  gering,  dass  man  sie  für 
momentan  ansehen  kann,  wie  dies  z.  B.  bei  den  durch  Oeffnung  eines 
primären  Stromes  erzeugten  Induktionsströmen  der  Fall  ist  oder  bei 
den  Entladungen  einer  Leydener  Flasche,  so  kann  man  jene  Elek- 
trizitätsmenge geradezu  statt  der  Intensität  zur  Messung  des  Stromes 
benutzen.  Ist  aber  die  Dauer  der  Ströme  nicht  unendlich  klein,  so  lässt 
sich  aus  der  Elektrizitäts menge  weder  die  Dauer  noch  die  Intensität 
bestimmen,  da  eine  und  dieselbe  Elektrizitätsmenge  in  sehr  ver- 
schiedener Weise  sich  abgleichen  kann.  Es  können  daher  zwei  Ströme 
von  ganz  verschiedener  Dauer  gleiche  Elektrizitätsmengen  haben,  also 
an  der  Bussole  gleiche  Ablenkungen  hervorrufen,  während  z.  B.  ihre 
physiologischen  Wirkungen  sehr  verschieden  sind,  wie  wir  dies  schon 
von  den  beiden  bei  der  Schliessung  und  Oeffnung  entstehenden  In- 
duktionsströmen des  Induktoriums  gesehen  haben.  Die  experimentelle 
Bestimmung  des  eigentlichen  Verlaufes  solcher  Ströme  ist  dann  äusserst 
schwierig.  Man  muss  zu  diesem  Zwecke  den  veränderlichen  Strom  in 
viele  möglichst  kleine  Zeitteilchen  zerlegen,  die  man  einzeln  durch  die 
Bussole  leitet.  Indem  man  annimmt,  dass  in  diesen  kleinen  Zeit- 
teilchen die  Intensität  sich  nicht  merklich  ändert,  also  als  konstant 
angesehen  werden  kann,  eriuilt  man  eine  Kenntniss  von  dem  zeitlichen 


158  Messung  veränderlicher  Ströme.  Kap.  X. 

Verlaufe  des  ganzen  Stromes,  welche  um  so  genauer  ist,  je  kleiner  die 
einzelnen  Zeitteilchen  waren,    in  welche  man  den  Strom   zerlegt  hat. 

Die  zu  diesem  Zweck  angewandten  Apparate  nennt  man  Rheo- 
torae.  Man  denke  sich  z.  B.  ein  mit  gleichförmiger  Geschwindig- 
keit rotirender  Stab  tauche  mit  einer  an  seinem  Ende  angebrachten 
Spitze  während  eines  geringen  Teils  seiner  Umdrehung  in  Quecksilber 
und  schliesse  dadurch  die  Verbindung  zwischen  der  veränderlichen 
Stromquelle  und  dem  Galvanometer.  Man  misst  also  die  Elektrizitäts- 
menge, welche  während  dieser  kurzen  Dauer  durch  das  Galvanometer 
geht.  Bei  einer  bestimmten  Stellung  des  Stabes  erfolge  der  Prozess, 
welcher  zur  Entstehung  der  Stromschwankung  Veranlassung  gibt. 
Indem  man  nun  das  Qaecksilbernäpfchen  in  verschiedene  Entfernungen 
von  jener  Anfangsstellung  bringt,  erfährt  man  nach  und  nach,  welche 
Elektrizitätsmengen  in  jedem  der  kleinen,  unter  sich  gleichen  Zeit- 
teilchen entstehen  und  zerlegt  so  den  ganzen  Vorgang  in  eine  Anzahl 
kleiner,  einzeln  gefundener  Stücke,  aus  denen  man  ihn  rekonstruiren  kann. 

Ist  die  Dauer  der  Ströme  sehr  gering,  so  kann  man  sie  auch 
einfach  für  konstant  ansehen,  und  durch  gleichzeitige  Beobachtung  des 
Dynamometers  und  der  Bussole  ihre  Dauer  und  Intensität  bestimmen. 
Man  erhält  dann  freilich  für  die  Dauer  nicht  den  wahren  Wert,  son- 
dern einen  etwas  zu  geringen,  doch  ist  dieser  Fehler  meist  zu  vernach- 
lässigen. 


Kapitel  XI. 

Von  den  Thermoströmen  und  der  elektrischen 
Temperaturbestimmun§:. 


§  72.  Unter  den  vielen  Quellen  der  Elektrizitäts-Entwickelung 
verdient  nocli  eine  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  zu  nehmen, 
wegen  der  wichtigen  Anwendung,  welche  sie  für  physiologische  und 
klinische  Zwecke  gestattet.  Es  ist  dies  die  Elektrizitätsentwickelung, 
welche  in  einem  aus  zwei  Metallen  gebildeten  Kreis  stattfindet,  wenn 
die  beiden  Grenzen,  in  welchen  die  Metalle  zusamraenstossen,  ungleiche 
Temperatur  haben. 

Lötet  man  an  einen  Wismuthstab  einen  zweimal  rechtwinklig 
gebogenen  Bügel  von  Kupferblech,  stellt  in  das  so  geformte  Viereck 
eine  auf  einer  Spitze  drehbare  Magnetnadel  und  bringt  das  Viereck 
in  den  magnetischen  Meridian,  so  dass  die  Nadel  sich  gerade  in  dem 
Bügel  befindet,  erhitzt  sodann  eine  der  beiden  Lötstellen,  in  welchen 
Kupfer  und  Wismuth  zusammenstossen,  so  bemerkt  man  eine  Ablenkung 
der  Magnetnadel,  welche  so  lange  anhält,  als  die  beiden  Lötstellen 
ungleiche  Temperatur  haben.  Diese  Abweichung  der  Magnetnadel 
zeigt,  dass  in  dem  aus  Wismuth  und  Kupfer  gebildeten  Kreise  ein 
Strom  zirkulirt,  und  aus  der  Richtung  der  Ablenkung  erkennen  wir, 
dass  dieser  Strom  in  der  erwärmten  Lötstelle  vom  Wismuth  zum 
Kupfer  fliesst. 

Erkälten  wir,  nachdem  die  Nadel  zur  Ruhe  gekommen,  eine  der 
beiden  Lötstellen,  so  wird  die  Nadel  abermals  abgelenkt  und  zeigt 
jetzt  einen  Strom  an,  welcher  in  der  erkälteten  Lötstelle  vom  Kupfer 
zum  Wismuth  gerichtet  ist. 

Ebenso  wie  mit  Wismuth  und  Kupfer  gelingt  dieser  Versuch  auch 
mit  anderen  Metallen,  ja  bei  Anwendung  des  Antimons  statt  des 
Kupfers  sind  die  Wirkungen  sogar  noch  stärker. 


160  Thermoelektrizität.  Kap.  XI. 

Lötet  man  an  einen  Wismuthstab  beiderseits  starke  Kupferdrähte 
und  verbindet  diese  mit  der  Tangentenbussole  Fig.  19,  so  erhält  man 
eine  Ablenkung  im  einen  oder  anderen  Sinne,  wenn  man  die  eine  der 
beiden  Lötstellen  erwärmt  oder  erkältet.  Wenn  man  nun  die  eine 
der  Lötstellen  auf  konstanter  Temperatur  erhält,  indem  man  sie  z.  B. 
mit  schmelzendem  Eis  umgibt,  und  der  anderen  nach  und  nach  ver- 
schiedene Temperaturen  erteilt,  so  kann  man  die  Stärke  der  Ströme 
messen,  welche  diesen  Temperaturen  entsprechen.  Auf  diese  Weise 
findet  man,  dass  die  elektromotorische  Kraft,  welche  durch 
die  ungleiche  Temperatur  der  beiden  Lötstellen  entsteht, 
proportional  ist  der  Temperaturdifferenz  der  beiden  Löt- 
stellen. 

Stellt  man  diesen  Versuch  mit  anderen  Metallen  an,  indem  man 
z.  B.  den  Wismuthstab  durch  einen  Eisenstab  ersetzt,  so  findet  sich 
auch  hier,  dass  die  elektromotorische  Kraft  den  Temperaturdifferenzen 
der  Lötstellen  proportional  ist,  aber  die  absoluten  Werte  der  elek- 
tromotorischen Kräfte  für  eine  und  dieselbe  Temperaturdifferenz  sind 
nicht  dieselben  bei  Anwendung  des  Eisenstabes  wie  bei  Anwendung 
des  Wismuthstabes.  Ebenso  würde  man  wieder  andere  Werte  er- 
halten, wenn  man  einen  Stab  von  Neusilber  oder  sonst  einem  anderen 
Metalle  nähme. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  das  eine  der  beiden  angewandten 
Metalle  stets  Kupfer.  Man  kann  aber  auch  die  elektromotorischen 
Kräfte  anderer  Metallkombinationen  mit  Hilfe  der  Tangentenbussole 
prüfen.  Lötet  man  z.  B,  an  einen  Wismuthstab  jederseits  einen 
Antimonstab  und  verbindet  die  beiden  Antimonstäbe  mit  der  Tangenten- 
bussole mit  Hilfe  kupferner  Drähte,  so  hat  man  einen  Kreis  aus  drei 
Metallen:  Wismuth,  Antimon  und  Kupfer.  Behalten  die  beiden  Löt- 
stellen, in  welchen  Kupfer  und  Antimon  zusammenstossen,  in  dem 
Versuche  stets  gleiche  Temperatur,  so  kann  durch  sie  kein  Strom  er- 
zeugt werden.  Erwärmt  oder  erkältet  man  also  eine  der  Lötstellen 
zwischen  Wismuth  und  Antimon,  so  erhält  man  einen  Strom  ebenso 
als  wenn  der  Kreis  nur  aus  diesen  beiden  Metallen  bestände. 

§  73.  Auf  diese  Weise  kann  man  die  elektromotorischen  Kräfte 
zwischen  beliebigen  Metallkombinationen  für  eine  bestimmte  Temperatur- 
differenz bestimmen.  Die  folgende  Tabelle  gibt  einige  solche  nach  den 
Versuchen  von  Wiedemann. 

Es  ist  für  1 0  0.  Temperaturdifferenz  die  elektromotorische  Kraft 
zwischen : 


§  73.  Thermoeleldrische  Spannungsreihe.  161 

Eisen  und  Silber    ....     3,64 
Eisen  und  Kupfer  ....     2,81 
Eisen  und  Neusilber   .     .     .     7,67 
Becquerel  bestimmte  die  elektromotorische  Kraft  für  20 "  Tem- 
peraturdifferenz,    die  zwischen  Zink  und  Kupfer  gleich  1    gesetzt,   zu: 

Eisen  —  Zinn  .     .     .     31,24 

Kupfer  —  Platin   .     .       8,55 

Eisen  —  Kupfer    .     .     27,96 

Silber  —  Kupfer   .     .       2 

Eisen  —  Silber-     .     .     26,20 

Eisen  —  Platin     .     .     36,07 

Kupfer  —  Zinn      .     .       3,50 

Zink  —  Kupfer     .     .       1 

Silber  —  Gold  .  .  0,50 
Aus  der  Becquerel' sehen  Tabelle  lässt  sich  ein  sehr  wichtiges 
Gesetz  ableiten.  Nehmen  wir  nämlich  die  elektromotorische  Kraft 
zwischen  Kupfer  und  Zinn  =  3,50  -\-  der  elektromotorischen  Kraft 
zwischen  Eisen  und  Kupfer  =  27,96,  so  erhalten  wir  den  Wert  32,46. 
Dieser  ist  aber  sehr  wenig  verschieden  von  dem  Wert  für  die  Kom- 
bination Eisen  —  Zinn  (31,24).  Ebenso  ist  Eisen  —  Kupfer  (27,96) 
■j-  Kupfer  —  Platin  (8,55)  ==  36,51  nur  wenig  verschieden  von  dem 
für  Eisen  —  Platin  gefundenen  Werte  (36,07).  Es  ist  also  die  elek- 
tromotorische Kraft  zwischen  Eisen  und  Kupfer  -(-  der  elektromoto- 
rischen Kraft  zwischen  Kupfer  und  Platin  gleich  der  elektromotorischen 
Kraft  zwischen  Eisen  und  Platin.  Und  dies  gilt  auch  für  die  anderen 
Metalle.  Bildet  man  daher  einen  Kreis  aus  drei  Metallen,  z.  B.  Eisen, 
Platin  und  Kupfer,  und  erwärmt  die  beiden  Lötstellen,  mit  welchen 
das  Platin  einerseits  an  Eisen,  andererseits  an  Kupfer  stösst,  gleich- 
massig,  so  erhält  man  denselben  Strom,  als  wäre  das  Kupfer  direkt 
an  das  Eisen  gelötet  und  dort  auf  die  nämliche  Temperatur  erwärmt 
worden. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  man  die  Körper  muss  in 
eine  Reihe  ordnen  können,  der  Art,  dass  bei  der  Kombination  je  zweier 
Körper  der  Reihe  die  elektromotorische  Kraft  für  eine  bestimmte 
Spannungsdifferenz  stets  die  Summe  der  elektromotorischen  Kräfte  der 
zwischenliegenden  ist.  Diese  Reihe  heisst  die  thermoelektrische  Span- 
nungsreihe.    Es  ist  folgende: 


Rosen  thal  u.  Bernhardt,  ElektrizitUtslehre.     lU.  Aufl.  M 


Wismut 

Neusilber 

Kobalt 

Quecksilber 

Gold 

Messing 

Zinn 

Aluminium 

Zink 

Silber 

Antimon 

+ 

162  Thermoolektrische  Spannungsreihe.  Kap.  XI. 

Nickel 
Platin 
Kupfer 
Blei 
Eisen 

Die  Zeichen  —  und  -|-  am  Anfang  und  Ende  der  Reihe  zeigen 
an,  dass  der  Strom  in  der  erwärmten  Lötstelle  von  dem  in  der  Reihe 
später  stehenden  zu  dem  früher  stehenden  gerichtet  ist. 

Die  eben  mitgeteilte  Spannungsreihe  ist  allerdings  in  ihrem  Werte 
dadurch  etwas  beschränkt,  dass  schon  geringfügige  Umstände,  wie 
ganz  geringe  Beimengungen  zu  einem  Metall  oder  Unterschiede  in  der 
Härte  u.  dergl.,  die  Stellung  des  Metalles  in  der  Reihe  ändern  können. 
Auch  die  oben  angeführte  Proportionalität  zwischen  den  Temperatur- 
difterenzen  und  den  elektromotorischen  Kräften  erleidet  bei  höheren 
Temperaturen  Ausnahmen.  So  ist  z.  B.  nach  den  Versuchen  von 
Wiedemann  die  elektromotorische  Kraft  für  1 "  TemperaturdilFerenz : 
für  Kupfer  —  Eisen 

zwischen  0  und  35*^ 


350 

3,90 

48« 

3  80 

-61» 

3,73 

760 

3,61 

82" 

3,56 

für  Kupfer  —  Neusilber 

zwischen  0  und  32«         3,54 
»     »     73«         3,82 

Wir  sehen  also,  dass  für  Kupfer  —  Eisen  die  elektromotorische 
Kraft  mit  Temperaturerhöhung,  abnimmt,  und  dies  ist  bei  den  meisten 
Kombinationen  die  Regel.  Für  Kupfer  —  Neusilber  ist  es  dagegen 
gerade  umgekehrt.  Bei  noch  höheren  Temperaturen  tritt  die  Ab- 
weichung vom  Proportionalitätsgesetz  noch  deutlicher  hervor,  ja  es 
kann  hier  sogar  eine  Umkehrung  der  Stromesrichtung  im  Vergleich 
zu  der  bei  niederen  Temperaturen  eintreten.  Bei  Kupfer  —  Eisen  z.  B. 
ist  bei  niederen  Temperaturen  der  Strom  in  der  erwärmten  Lötstelle 
vom  Kupfer  zum  Eisen  gerichtet.  Erhält  man  die  eine  Lötstelle  auf 
0«  und  erwärmt  die  andere,  so  nimmt  der  Strom  bis  140  «an  Stärke 
zu,  dann  wird  er  wieder  schwächer  und  ist  bei  300  Grad  Null,  um 
bei  noch  höherer  Temperatur  mit  umgekehrter  Richtung  wieder  zu 
erscheinen. 

§  74.  .  Die    elektromotorischen  Kräfte,    welche    durch    ungleiche 


§  74.  Thermosäulen.  163 

Temperatur  in  zusammengelöteten  Metallen  entstehen,  sind  überaus 
klein  und  nur  dem  sehr  geringen  Widerstände,  ^v eichen  die  nur  aus 
Metallen  ohne  Dazwischenkunft  feuchter  Leiter  gebildeten  Kreise  bieten, 
ist  die  verhältnissmässige  Stärke  der  Ströme  zu  verdanken.  So  ist 
z.  B.  die  elektromotorische  Kraft  eines  Elementes  Kupter  —  Neusilber 

bei  100  Grad  Temperatur-Differenz  nur     '         der  elektromotorischen 

Kraft  eines  Daniell'schen  Elementes.  Man  kann  aber  die  elektro- 
motorischen Kräfte  bedeutend  steigern,  wenn  man  viele  Elemente  zu 
einer  zusammengesetzten  Kette  vereinigt.  Solche  „Thermosäulen** 
erhält  man  dadurch,  dass  man  eine  Anzahl  gerader  Stäbe,  z.  B.  von 
Antimon  und  Wismuth,  abwechselnd  parallel  neben  einander  legt, 
ohne  dass  sie  sich  berühren  und  nun  die  Enden  derselben  wechsel- 
weise mit  einander  verlötet.  Der  erste  Antimon-  v  und  der  letzte  Wis- 
muthstab  bleiben  an  einem  Ende  frei  und  werden  mit  dem  Multipli- 
kator verbunden.  Indem  man  nun  sämmtlichen  auf  derselben  Seite 
liegenden  Lötstellen  die  gleiche  Temperatur  gibt,  erhält  man  in  allen 
Elementen  Ströme  in  derselben  Richtung,  welche  sich  also  suramiren. 
Diese  Art  von  Thermosäulen  benutzte  Melloni  zu  seinen  berühmten 
Untersuchungen  über  strahlende  Wärme. 

Noch  stärker  wirksam  als  Antimon  und  Wismut  sind  manche 
Metalllegirungen,  welche  man  daher  zur  Konstruktion  von  Thermo- 
säulen verwendet,  wenn  man  besonders  kräftige  Ströme  erzeugen  will. 
Am  meisten  Verbreitung  hat  unter  diesen  die  Thermosäule  von  Noe 
gefunden.  Die  Zusammensetzung  der  benutzten  Legirungen  wurde  vom 
Erfinder  geheim  gehalten.  Die  eine  derselben  ist  in  Form  von  kurzen 
runden  Stangen  gegossen,  die  andre  zu  Drähten  ausgezogen.  Die 
Stangen  der  ersteren  sind  in  einer  horizontalen  Eb«ne  radial  ange- 
ordnet, so  dass  ihre  innern  Enden  in  einem  kleinen  Kreise  nahe  bei 
einander,  die  äussern  Enden  in  einem  grössern  Kreise  liegen.  Das 
innere  Ende  jedes  dieser  Stäbe  ist  mit  dem  äussern  Ende  des  nächsten 
durch  Drähte  aus  dem  andern  Metall  verlötet;  das  äussere  Ende 
des  ersten  Stabes  und  der  letzte  Draht  sind  mit  Klemmen  zur  Ab- 
leitung des  Stroms  verbunden.  Von  den  innern  Enden  der  Stäbe 
gehen  kurze  angelötete  Kupferdrähte  radiär  nach  innen  bis  fast  zum 
Mittelpunkt  des  Kreises,  wo  sie  durch  zwei  runde  Glimmerblättchen 
in  ihrer  Lage  gehalten  werden;  die  Teile  der  Kupferdrähte,  welche 
ausserhalb  der  Glimmerblättchen  liegen,  sind  von  dünnen  Kupterblech- 
hülsen  locker  umgeben.  (Nach  Chris tiani  ersetzt  man  diese  besser 
durch    dünne    Platinblechhülsen,    welche    nicht    durchbrennen.)     Eine 

11" 


164 


Sternsäule. 


Kap.  XI. 


central  unter  die  Glimmerblättchen  gesetzte  Spiritus-  oder  Gasflamme 
erwärmt  auf  diese  Weise  die  sämtlichen  inncrn  Enden  der  Elemente 
sehr  gleichmässig.  Um  die  äussern  Enden  derselben  auf  einer  mög- 
lichst niedern  Temperatur  zu  erhalten,  ist  an  jedes  dieser  Enden  ein 
zu  einer  zylindrischen  Röhre  zusammengerolltes  dünnes  Kupferblech, 
vertiiial  nach  abwärts  gerichtet,  angelötet.  Zwischen  diesen  Röhren 
sowie  im  Innern  derselben  zirkulirt  fortwährend  Luft,  welche  sie  und 
damit  die  Enden  der  Elemente  abkühlt. 

Bei  sorgfältiger  Behandlung  ist  der  Strom  einer  solchen  Stern- 
säule, wie  man  sie  wegen  der  Anordnung  ihrer  Elemente  genannt 
hat,  sehr  konstant.  Sie  eignen  sich  daher  sehr  gut  da,  wo  man  nicht 
sehr  grosser  elektromotorischer  Kräfte  bedarf,  als  Ersatz  für  galva- 
nische Elemente,  vor  denen  sie  durch  die  Bequemlichkeit  ihrer  Hand- 
habung sich  auszeichnen.  Da  der  innere  Widerstand  dieser  Elemente 
sehr  klein  ist,  so  wird  man  sie  überall  da  anwenden,  wo  dies  von 
Vorteil  ist.  Ein  solches  Element  genügt,  um  ein  Schlitteninduktorium 
in  Gang  zu  setzen;  bedarf  man  stärkerer  Ströme,  so  kann  man  zwei 
hinter  einander  einschalten.  In  Fig.  69  ist  ei'n  Induktorium  mit  Stern- 
säule in  einem  Kasten  eingeschlossen  dargestellt. 


Fig.  69. 

§  75.  Da  der  Widerstand  der  Thermo-Elemente,  selbst  wenn 
man  mehrere  derselben  zu  einer  Säule  vereinigt,  doch  immer  nur  ein 
sehr  geringer  ist,  so  darf  man  in  den  Schliessungsbogen  keine  grossen 


§  75.  Thermomultiplikator.  165 

Widerstände  einschalteü ,  wenn  man  starke  Wirkungen  erhalten  will. 
Da  aber  die  Ablenkungen  der  Tangeutenbussole,  Fig.  19,  deren  Wider- 
stand allerdings,  da  sie  nur  aus  einem  zum  Kreise  gebogenen  Kupfer- 
streifen besteht,  sehr  gering  ist,  bei  geringen  Temperaturunterschieden 
zu  klein  ausfallen  würden,  so  sieht  man  sich  andererseits  doch  ge- 
nötigt, empfindlichere  Messwerkzeuge  anzuwenden.  Man  bedient  sich 
zu  dem  Ende  eigener  Multiplikatoren  mit  astatischem  Nadelpaar  und 
sehr  wenigen  (50—  100)  Windungen  eines  dicken  Kupferdrahtes,  dessen 
Widerstand  eben  nicht  sehr  gross  ist,  so  dass  der  Strom  der  Thermo- 
säule  nicht  zu  sehr  geschwächt  wird. 

Sehr  zweckmässig  zu  solchen  Messungen  ist  aber  auch  die  in 
Fig.  60  abgebildete  Tangentenbussole  mit  Spiegelablesung,  welche 
man  zu  diesem  Zwecke  mit  besonderen  Rollen  von  wenig  Windungen 
eines  dicken  Drahtes  versieht.  Man  kann  auf  diese  Weise  selbst  mit 
einem  einzigen  Thermoelemente  und  sehr  geringen  Teraperaturdifferenzen 
noch  deutlich  messbare  Wirkungen  erhalten. 

Auf  diese  Weise  ist  es  möglich,  sich  der  Thermoströme  zu  Tem- 
peraturbestimmungen zu  bedienen,  indem  man  aus  der  Stärke  der 
Ströme  auf  den  Temperaturunterschied  der  Lötstellen  schliesst.  Wenn 
dann  die  eine  Lötstelle  (beziehungsweise  die  eine  Seite  der  Thermo- 
säule)  auf  bekannter  konstanter  Temperatur  erhalten  wird,  z.  B.  durch 
Eintauchen  in  Eiswasser,  so  kann  man  aus  der  Stärke  des  Stromes 
direkt  die  Temperatur  der  andern  Lötstelle  berechnen.  Bedient  man 
sich  hierbei  des  Thermomultiplikators,  so  muss  man  denselben  vorher 
empirisch  graduiren.  Man  bringt  die  eine  Lötstelle  nach  und  nach 
auf  verschiedene  Temperaturen,  während  die  andere  auf  konstanter 
Temperatur  erhalten  wird,  z.  B.  durch  Eiswasser,  und  notirt  die  jedes- 
malige Ablenkung  der  Nadel.  Man  erhält  so  eine  Tabelle,  aus  wel- 
cher hervorgeht,  wie  gross  die  einer  bestimmten  Temperaturdifferenz 
entsprechende  Ablenkung  ist.  Bleiben  die  Versuche  jedoch  innerhalb 
der  Grenzen,  wo  die  ProportionalitJit  der  Stromstärken  mit  den  Tem- 
peraturunterschieden giltig  ist,  so  verfährt  man  folgender  Maassen. 
Man  hält  beide  Lötstellen  auf  konstanter  Temperatur,  indem  man 
z.  B.  die  eine  in  schmelzendes  Eis,  die  andere  in  kochendes  Wasser 
taucht.  Nun  leitet  man,  wie  wir  dies  schon  mehrmals  zu  ähnlichen 
Zwecken  getan  haben,  von  dem  so  erzeugten  konstanten  Strom  einen 
Bruchteil  durch  den  Multiplikator,  indem  man  eine  Nebenschliessung 
zu  demselben  anbringt,  deren  Widerstand  ein  bekannter  Bruchteil  des 
Multiplikatorwiderstandes  ist.  Die  Stärke  des  durch  den  Multiplikator 
gehenden  Stromes  lässt  sich  leicht  nach  den  Kirchhoff 'sehen  Formeln 


166  Graduirung  des  Thermomultiplikators.  Kap.  X[. 

angeben  (Vgl.  §  41),  Indem  man  so  nach  und  nach  immer  andere 
Bruchteile  des  vollen  Stromes  durch  den  Multiplikator  gehen  lässt, 
und  die  betreffenden  Ablenkungen  notirt,  kann  man  ihn  schnell  und 
sicher  graduiren. 

Bedient  man  sich  zur  Strommessung  der  Spiegel-Tangentenbussole, 
so  kann  man  die  Stromstärken  bekanntlich  den  an  der  Skala  abge- 
lesenen Ablenkungen  direkt  proportional  setzen.  Es  genügt  daher,  für 
eine  bestimmte  Temperaturdifferenz  die  Ablenkung  zu  bestimmen,  um 
aus  jeder  anderen  Ablenkung  die  vorhandene  Temperaturdifferenz  zu 
finden,  vorausgesetzt  natürlich,  dass  die  Ablenkungen  sehr  klein  bleiben, 
und  dass  die  Proportionalität  zwischen  Stromstärke  und  Teraperatur- 
differenz  giltig  bleibt.  Ist  nun  das  Instrument  für  die  Messung  sehr 
kleiner  Temperaturdifferenzen  eingerichtet,  so  wird  es  für  grössere, 
z.  B.  von  100"  eine  zu  grosse  Empfindlichkeit  haben,  es  wird  durch 
diese  zu  stark  abgelenkt  werden,  um  eine  Messung  zu  gestatten.  Es 
ist  dann  wiederum  nötig,  nur  einen  kleinen  Bruchteil  des  starken 
Stromes  durch  das  Instrument  zu  leiten,  indem  man  eine  passende 
Nebenschliessung  zu  demselben  anbringt,  und  die  hierbei  beobachtete 
Ablenkung  mit  der  Verhältnisszahl  der  Schwächung  zu  multipliziren. 
Am  einfachsten  aber  verfährt  man  so,  dass  man  die  beiden  Lötstellen 
in  zwei  Gefässe  mit  Wasser  oder  Oel  bringt,  in  diesen  die  Temperatur 
mit  empfindlichen  Thermometern  möglichst  sorgfältig  bestimmt,  und 
die  dieser  Temperaturdifferenz  entsprechende  Ablenkung  misst,  wodurch 
man  natürlich  auch  jede  andere  Temperaturdifferenz  aus  der  ihr  ent- 
sprechenden Ablenkung  berechnen  kann.*) 


*)  Bei  Gelegenheit  solcher  Messungen  stiess  ich  auf  eine  Schwierigkeit.  Die 
kurz  hintereinander  gemachten  Beobachtungen  stimmten  gut  untereinander  überein, 
nicht  aber  Messungen,  welche  zu  verschiedenen  Tageszeiten  gemacht  waren.  Ich 
habe  dieVermutung  ausgesprochen,  dass  dieses  auf  einer  Aenderung  in  der  Empfind- 
lichkeit der  Bussole,  bedingt  durch  die  Schwankungen  in  der  Intensität  des  Erd- 
magnetismus, beruhe.  Nach  Christi  an i  können  solche  Aenderungen  bei  voll- 
ständiger Sättigung  des  schwingenden  und  des  astasirenden  Magneten  nicht  vor- 
kommen. Wie  dem  auch  sei,  man  kann  ohne  die  Empfindlichkeit  der  Bussole  zu 
kennen,  stets  genaue  Temperaturbestimmungen  auf  folgende  Weise  machen.  Es 
sei  T  die  zu  messende  Temperatur  der  einen  Lötstelle.  Man  bringe  die  andre  Löt- 
stelle in  Wasser  oder  Oel  von  der  Temperatur  tj  und  lese  den  Ausschlag  an  der 
Bussole  ab,  er  sei  m,.  Nun  bringe  man  die  andre  Lötstelle  auf  eine  andre  Tem- 
peratur t  und  finde  den  Ausschlag  =  mj.     Dann  ist: 

T  —  tj  =  c  .  mj 

T  —  tj  =  c  .  mj 
_        t,  mj  —  t,  mi 


I 


§  7G.  Thermonarleln.  167 

§  76.  Bei  der  Anwendung  der  elektrischen  Temperaturbestimmung 
in  der  Physiologie  und  Pathologie  hat  man  besonders  darauf  zu  achten, 
dass  die  anzuwendenden  Thermoelemente  keine  zu  grosse  Masse  be- 
sitzen, damit  sie  schnell  die  Temperatur  des  zu  messenden  Teiles  an- 
nehmen, und  demselben  keine  ins  Gewicht  fallende  AVärmemenge  ent- 
ziehen. Andererseits  darf  ihr  Widerstand  nicht  zu  beträchtlich  sein. 
Je  nach  dem  speziellen  Zwecke  gibt  man  den  Elementen  verschiedene 
Formen. 

Handelt  es  sich  einfach  darum,  zu  untersuchen,  ob  an  zwei  Orten 
gleiche  oder  verschiedene  Temperatur  herrscht,  beziehlicli  den  vor- 
handenen Unterschied  zu  messen,  so  bedient  man  sich  am  besten 
nadeiförmiger  Elemente,  welche  man  so  in  die  Gewebe  einsticht,  dass 
die  beiden  Lötstellen  an  die  betreffenden  Orte  zu  liegen  kommen. 
Solche  Nadeln  von  massiger  Dicke  kann  man  bekanntlich  ohne  Schaden 
in  die  Gewebe  einführen.  Macht  man  dieselben  platt  bandförmig,  so 
lassen  sie  sich  in  üiserige  Gewebe,  wie  Muskeln,  noch  leichter  ohne 
Schaden  einführen  und  bieten  einen  möglichst  geringen  Widerstand. 
Man  fertigt  dieselben  am  besten  aus  Eisen  und  Neusilber,  welche  in 
der  thermoelektrischen  Spannungsreihe  sehr  weit  auseinander  stehen, 
also  kräftige  Ströme  geben.  Die  noch  kräftiger  wirkenden  Metalle 
Antimon  und  Wismut  empfehlen  sich  nicht  zu  diesem  Zweck,  da  sie 
zu  biiichig  sind.  Auch  Nadeln  von  Eisen  und  Kupfer  sind  sehr  zweck- 
mässig, da  man  es  in  diesem  Falle,  weil  ja  die  Leitungsdrähte  und 
der  Draht  des  Galvanometers  auch  von  Kupfer  sind,  wirklich  nur  mit 
einem  Kreis  aus  zwei  Metallen  zu  schafien  hat.  Man  vermeidet  da- 
durch unliebsame  Störungen,  welche  sonst  durch  geringe  Temperatur- 
differenzen der  Stellen,  wo  verschiedene  Metalle  zusammenstossen, 
leicht  entstehen.  Bei  der  grossen  Empfindlichkeit  unserer  Bussolen 
kann  man  schon  mit  einem  Eisen-Kupferelement  Temperaturdifferenzen 
von  0,01"  C.  messen.  Doch  kann  man  auch,  wenn  der  Raum  es 
gestattet,  mehre  Elemente  kombiniren.  Man  verbindet  die  hervor- 
ragenden Enden  der  Nadeln  mit  dem  Tlicrmomultiplikator  oder  der 
Spiegelbussolc  und  berechnet  aus  der  Ablenkung  den  Temperatur- 
unterschied. 


unter  der  Voraussetzung,   dass  c,   d.  h.  die  Empliiidlichkeitskoustante  der  BussoU 
während  der  sehr  kurzen  Zeit  der  Versuche  uiigeändert  geblieben  isl. 

Ks  empfiehlt  sich,    für  t,    die  Zimmertemperatur,    für  tj    die  Temperatur  U' 
zu  wählen,  da  beide  leicht  konstant  zu  erhalten  sind.     Für  diesen  Fall  wird 

T  =  t,  .  -^^^. 


168  Tiiermonadelu.  Kap.  XI. 

Nicht  immer  wird  es  jedoch  möglich  sein,  eine  Nadel,  welche 
etwa  aus  einem  Eisen-  und  zwei  daran  gelöteten  Kupferdrähten  besteht, 
so  in  die  Gewebe  einzufiihren,  dass  die  beiden  Lötstellen  an  die  Stellen 
zu  liegen  kommen,  deren  Temperatur  gemessen  werden  soll.  So  z.  ß. 
wenn  die  Temperaturen  in  dem  M.  biceps  bracchii  jeder  Seite  mit 
einander  verglichen  werden  sollten.  Man  zerlegt  dann  jedes  Thermo- 
element in  zwei  Nadeln,  von  denen  jede  einfach  aus  zwei  an  einander 
gelöteten  Drähten  aus  Eisen  und  Kupfer  besteht.  Senkt  man  in  jeden 
Arm  eine  solche  Nadel  und  verbindet  die  beiden  Eisenenden  mit  ein- 
ander durch  einen  dünnen  Eisendraht  (am  besten  durch  Verlöten), 
die  beiden  Kupferenden  mit  dem  Multiplikator,  so  hat  man  offenbar 
ein  zum  Kreise  geschlossenes  Thermoelement,  in  welchem  der  Strom 
in  der  wärmeren  Lötstelle  vom  Eisen  zum  Kupfer  gerichtet  ist.  Will 
man  mehre  Elemente  säulenartig  verbunden  anwenden,  so  stecltt  man 
in  jeden  Arm  eine  gleiche  Anzahl  solcher  Nadeln,  verbindet  immer 
die  Eisenenden  der  gleichziffrigen  mit  einander,  dagegen  das  eine 
Kupferende  des  ersten  Nadelpaares  mit  dem  einen  Kupferende  des 
zweiten  u.  s.  f.,  während  ein  Kupferende  der  ersten  und  eines  der 
letzten  Nadel  mit  dem  Multiplikator  verbunden  werden. 

Zuweilen  ist  es  nicht  möglich,  gerade  Nadeln  so  durch  das  Ge- 
webe zu  stecken,  dass  die  Lötstelle  an  den  Ort  kommt,  dessen  Tem- 
peratur gemessen  werden  soll.  Man  gibt  dann  den  Nadeln  eine  andere 
Gestalt,  so  dass  die  Lötstelle  endständig  wird.  Ein  Kupfer-  und  ein 
Eisendraht  werden  parallel  neben  einander  gelegt,  jedoch  von  einander 
isolirt  bis  auf  die  Enden  der  einen  Seite,  welche  zusammengelötet  und 
zugespitzt  werden,  um  sie  in  das  Gewebe  einstechen  zu  können.  Zwei 
solcher  Nadeln  bilden  natürlich  ein  Thermoelement,  dessen  vier  Enden 
passend  mit  einander  und  dem  Multiplikartor  verbunden  werden.  Die 
in  das  Gewebe  einzuführenden  Nadeln  müssen  stets  stark  gefirnisst 
sein,  damit  nicht  durch  die  Berührung  der  beiden  Metalle  mit  den 
feuchten  Geweben  Ströme  entstehen,  von  denen  ein  Bruchteil  durch  den 
Multiplikator  gehen  und  dort  zu  Täuschungen  Veranlassung  geben  könnte. 

Will  man,  wie  es  z.  B.  bei  klinischen  Beobachtungen  der  Fall 
sein  könnte,  die  Thermonadeln  nicht  gern  in  den  Körper  einstechen, 
so  kann  man  den  Elementen  die  Form  kleiner  Plättchen  geben,  welche 
man  mit  ihren  Lötstellen  an  die  Haut  andrückt,  und  mit  schlechten 
Wärmeleitern  bedeckt,  damit  sie  vollkommen  die  Temperatur  der 
Hautstelle  annehmen.  Man  kann  die  Elemente  zu  dem  Ende  an 
passende  Armbänder  u.  dgl.  von  Leder  oder  Wolle  befestigen,  so  dass 
sie  sich  leicht  unverschiebbar  anlegen  lassen. 


§  7fi,  77.  Absolute  Temperaturbestimmung-.  1^9 

Zur  Einführung  in  den  Mastdarm  oder  in  die  Blutgeßisse  benutzt 
man  Thermosäulen  aus  dünnen  und  langen  Drähten,  welclie  man  in 
einen  biegsamen  Katheter  einschliesst. 

§  77.  Kommt  es  niclit  darauf  an,  Unterschiede  der  Temperatur 
zweier  Orte  zu  messen,  sondern  die  absohite  Temperatur  eines  Ortes, 
so  muss  man  die  eine  Lötstelle  an  diesen  Ort  bringen,  die  andere 
aber  auf  konstanter  und  bekannter  Temperatur  erhalten.  Am  leichte- 
sten geschieht  dies  durch  Eintauchen  in  schmelzendes  Eis  oder  kochen- 
des Wasser.  Bei  physiologisclien  Versuchen  nun,  wo  die  zu  messende 
Temperatur  um  40*^  herum  liegt,  würde  die  Temperaturdifferenz  sein- 
gross  sein,  man  erhielte  sehr  starke  Ströme,  aber  die  Empfindlichkeit 
für  kleine  Aenderungen,  auf  welche  es  doch  ankommt,  würde  sehr 
gering  sein.  Man  muss  daher  der  anderen  Lötstelle  eine  Temperatur 
geben,  welche  der  zu  messenden  sehr  nahe  liegt.  Am  besten  erreicht 
man  dies  durch  Eintauchen  in  eine  nicht  zu  kleine  Wassermasse, 
Avelche  die  ihr  mitgeteilte  Temperatur  nicht  schnell  ändert,  so  dass 
sie  während  der  kurzen  Zeit,  welche  zur  Beobachtung  besonders  mit 
der  Spiegelbussole  nötig  ist,  als  vollkommen  konstant  angesehen  wer- 
den kann.  Auch  kann  man  durch  sogenannte  Wärmeregulatoren  oder 
Thermostaten  für  Konstanz  dieser  Vergleichstemperatur  sorgen.  Man 
liest  die  Temperatur  des  Wassers  an  einem  eingetauchten  empfind- 
lichen Thermometer  ab,  und  findet  so  durch  Vergleichung  die  absolute 
Temperatur  der  anderen  Lötstelle.  Je  weniger  die  beiden  Temperaturen 
von  einander  verschieden  sind,  desto  empfindlicher  muss  das  Instrument 
sein,  desto  genauere  Bestimmungen  sind  aber  auch  möglich.  Natür- 
lich muss  das  Thermoelement  gut  gefirnisst  sein.  A ender t  man  die 
Vergleichstemperatur  so  lange,  bis  gar  kein  Strom  in  der  Bussole 
vorhandeii  ist,  so  ist  die  gesuchte  Temperatur  gleich  der  in  der  Ver- 
gleichssubstanz gemessenen. 

Handelt  es  sich  nicht  darum,  die  absolute  l'emperatur  eines 
Ortes  zu  messen,  sondern  zu  bestimmen,  ob  und  um  wie  viel  seine 
Temperatur  sich  in  gewissen  Zuständen  ändert,  z.  B.  ob  in  den  Muskeln 
bei  der  Zusammenziehung  Wärme  entwickelt  werde,  so  führt  man  die 
eine  Lötstelle  in  das  zu  untersuchende  Gewebe  ein,  die  andere  an 
einen  Ort,  welcher  naiiezu  oder  ganz  dieselbe  Temperatur  hat.  Im 
letzteren  Falle  besteht  gar  kein  Strom  im  Kreise.  Lässt  man  nun 
die  Muskeln  sich  zusammenziehen,  und  wird  dabei  Wärme  entwickelt, 
so  muss  die  Nadel  abgelenkt  werden.  Ist  aber  die  Temperatur  an 
den  Lötstellen  nicht  gleich,  so  tut  man  am  besten,  den  vorhandenen 


170  Verfahren  bei  der  elel\trischen  Temperattirbestinimung.         Kap.  X[. 

Strom  erst  zu  kompensiren,  damit  die  Nadel  auf  Null  stehe,  wo  sie 
jede  Veränderung  mit  der  grössteu  Empfindlichkeit  anzeigt.  Dieses 
Kompensiren  kann  mit  Hilfe  des  Rheochords  und  eines  Daniell'schen 
Elementes  oder  der  Sternsäule  geschehen,  wie  wir  dies  in  §  67  kennen 
gelernt  haben.  Man  kann  sich  aber  auch  hierzu  der  Thermoströme 
bedienen.  Zu  dem  Ende  schaltet  man  in  den  Kreis  eine  Thermosäule 
mit  Strahlungskegeln  ein,  wie  sie  Melloni  benutzt  hat,  stellt  vor 
das  eine  Ende  derselben  einen  Metallschirm  und  dahinter  einen  mit 
warmem  Wasser  gefüllten  Würfel  Indem  man  den  Metallschirm  vor- 
sichtig fortschiebt,  kann  man  die  eine  Seite  der  Thermosäule  gerade 
so  stark  durch  Bestrahlung  erwärmen,  dass  die  Nadel  des  Multipli- 
kators auf  Null  steht. 

Für  die  Muskeln  werden  die  Versuche  noch  einfacher,  Avenn  man 
die  Lötstellen  abwechselnd  in  zwei  verschiedene  Muskelgruppen  ein- 
führt und  dann  die  eine  Gruppe  zur  Kontraktion  bringt  Eine  solche 
Versuchsreihe  machte  Beequerel  und  nach  ihm  Helmholtz  über 
die  Wärmeentwickelung  bei  der  Muskelkontraktion.  Helmholtz  führte 
sechs  platte  Nadeln  aus  Eisen  und  Neusilber  quer  durch  die  Ober- 
schenkelmuskeln von  Fröschen,  so  dass  die  sechs  einen  Lötstellen  in 
dem  einen,  die  sechs  anderen  in  dem  anderen  Schenkel  steckten.  Die 
Nadeln  wurden  so  verbunden,  dass  der  Strom  bei  Erwärmung  des 
einen  Schenkels  durch  alle  Nadeln  in  gleicher  Richtung  gehen  musste. 
Eine  Kompensation  wurde  nicht  angewandt,  sondern  man  wartete  ab, 
bis  die  Schenkel  gleiche  Temperatur  hatten.  Wurde  nun  der  eine 
Schenkel  von  seinen  Nerven  aus  in  Tetanus  versetzt,  so  zeigte  der 
Thermomultiplikator  eine  Ablenkung,  welche  einer  Temperaturerhöhung 
um  0,14  bis  0,18''  C.  entsprach. 

Heidenhain  hat  diese  Versuche  wieder  aufgenommen,  und  indem 
er  sich  einer  ganz  kleinen  Thermosäule  von  Antimon-  und  Wismuth- 
stäben  bediente,  an  welche  der  Muskel  seitlich  angelegt  wurde,  gelang 
es  ihm,  selbst  die  Wärmebildung  bei  einer  einzigen  Muskelzuckung 
zu  bestimmen.  Dieselbe  betrug  0,001  bis  0,005"  C.  Noch  empfind- 
lichere Galvanometer  wandte  Fick  an,  so  dass  er  die  Wärmeentwicke- 
lung bei  einzelnen  Zuckungen  und  beim  Tetanus  mit  kleinen  Thermo- 
säulen  aus  dünnen  Eisen-  und  Neusilber-Blechstreifen  messen  konnte. 
Er  fand  so  Unterschiede  je  nach  der  Spannung  des  Muskels  und 
andern  Umständen,  welche  auf  die  Zuckung  von  Einfluss  sind.  Auch 
für  andere  physiologische  und  pathologische  Untersuchungen,  wo  es 
nicht  auf  absolute  Temperaturbestimmungen,  sondern  nur  auf  Unter- 
schiede in  der  Temperatur  zweier  verschiedener  Orte  ankommt,  ist  die 


§  77,  78.  Al'sorption  der  Wärme.  171 

Thermoelektrizität  mit  Vorteil  angewandt  worden.  So  z.  ß.  zur  Ent- 
scheidung der  Frage,  ob  das  Blut  im  linken  Herzen  kälter  sei,  als 
im  rechten;  ob  in  den  Geweben  bei  der  Entzündung  mehr  Wärme 
gebildet  werde,  als  in  der  Norm  u.  dgl.  Zu  diesem  Belmfe  genügt 
es,  die  Lötstellen  einfach  an  die  Orte  zu  bringen,  deren  Unterschied 
gemessen  werden  soll.  Die  gefundene  Ablenkung  gibt  dann  ein 
direktes  Maass  des  gesuchten  Unterschiedes. 

§  78.  Eine  andere  wichtige  Anwendung  der  Thermosäulen  ist 
die  zur  Untersuchung  der  Wärmeabsorption,  z  B.  in  den  Augenmedien. 
Stellt  man  auf  die  eine  Seite  einer  Melloni'schen  Thermosäule  eine 
konstante  Wärmequelle,  z.  B.  einen  Metallwürfel,  in  welchem  Wasser 
im  Kochen  erhalten  wird,  so  wird  die  Thermosäule  durch  Bestrahlung 
erwärmt,  und  gibt,  wenn  man  die  andere  Seite  der  Säule  auf  kon- 
stanter Temperatur  erhält,  einen  konstanten  Strom.  Je  näher  der 
Bestrahlmigswürfel  der  Säule  steht,  desto  grösser  ist  die  Erwärmung, 
welche  bekanntlich  im  umgekehrten  Verhältniss  des  Quadrates  der 
Entfernung  geschieht.  Schaltet  man  nun  in  den  Gang  der  Wärme- 
strahlen die  Augenmedien  ein,  so  wird  ein  Teil  der  Wärmestrahlen 
absorbirt,  und  die  Nadel  zeigt  eine  andere  Ablenkung  als  vorher. 
Aus  dem  Unterschied  der  beiden  Ablenkungen  lässt  sich  die  Menge 
der  absorbirten  Wärme  berechnen.  Noch  genauer  geschieht  dies,  wenn 
man  den  beiden  Seiten  der  Thermosäule  zwei  gleiche  Wärmequellen 
in  gleicher  Entfernung  gegenüber  stellt,  so  dass  kein  Strom  im  Multi- 
plikator entstehen  kann,  oder  auch,  wenn  man  die  Bestrahlung  auf 
der  einen  Seite  mit  Hilfe  eines  Schirmes  regelt  und  so  den  Strom 
kompensirt,  wie  im  vorigen  Paragraph  angegeben  wurde.  Auf  diese 
Weise  kann  man  die  Absorption  mit  vieler  Schärfe  messen. 

Brücke  und  Jansen,  welche  derartige  Versuche  ausgeführt 
haben,  fanden  beide,  dass  die  Absorption  der  strahlenden  Wärme 
durch  die  Augenmedien  eine  sehr  starke  ist,  und  man  kann  dies  als 
Erklärung  benutzen  für  den  Umstand,  dass  ein  grosser  Teil  des 
Spektrums,  nämlich  der,  welcher  die  Strahlen  enthält,  die  weniger 
brechbar  sind  als  Roth,  von  unserer  Netzhaut  nicht  wahrgenommen 
wird.  Denn  unter  gewöhnlichen  Umständen  wird  in  der  Tat  vermöge 
der  starken  Absorption  von  diesen  Strahlen  kaum  ein  merklicher 
Bruchteil  bis  zur  Netzhaut  gelangen  können. 


Kapitel  XII. 

Physikalische    und   physiologische  Vorbemerkimgen   über 
die  Anweiidung  der  Elektrizität  zu  Heilzwecken. 


§  79.  Die  physiologischen  Wirkungen  der  Elektrizität  sind  so 
bedeutende,  dass  ihre  Anwendung  als  Heilmittel  schon  seit  den  ersten 
Zeiten,  wo  man  ihre  Wirkungen  kannte,  versucht  worden  ist.  Aber 
erst  in  neuester  Zeit  hat  dieser  Zweig  der  Medizin  durch  das  genauere 
Studium  der  physiologischen  Wirkungen  der  Elektrizität  und  durch 
die  Vervollkommnung  der  Apparate  und  Methoden  eine  sichere  Grund- 
lage erhalten. 

Die  ruhende,  statische  Elektrizität  ist  keiner  nachweisbaren  physio- 
logischen Wirkungen  fähig;  nur  die  bewegte,  in  Form  des  elektrischen 
Stromes  auftretende  kann  solche  zeigen.  Die  trotzdem  immer  wieder 
von  Aerzten  angewandte  und  auch  neuerdings  wieder  empfohlene  so- 
genannte »Elektrisation«  beruht  deshalb  nicht  auf  hinreichend  ge- 
sicherter wissenschaftlicher  Grundlage.  Wir  gehen  daher  gleich  zu 
den  elektrischen  Strömen  über.  Diese  werden  vornehmlich  wegen 
ihrer  physiologischen  Wirkungen  auf  Nerven  und  Muskeln 
angewandt.  Doch  entwickelt  der  elektrische  Strom  natürlich  in  allen 
Geweben  auch  noch  seine  physikalischen  Wirkungen,  Elektrolyse 
u.  s.  w.  Sowohl  die  eigentlich  physiologischen  als  die  allgemein 
physikalischen  Wirkungen  können  zu  Heilzwecken  benutzt  werden. 
Endlich  gibt  es  noch  mittelbare  Anwendungen  der  Elektrizität,  wobei 
diese  nur  benutzt  wird,  um  einen  Körper  zu  erhitzen  oder  zum  Leuchten 
zu  bringen,  wo  es  also  gar  nicht  auf  die  Elektrizität  selbst,  sondern 
nur  auf  die  von  ihr  erzeugte  Wärme  oder  das  Licht  ankommt  (Gal- 
vanokaustik und  Endoskopie). 

Die  physiologischen  Wirkungen  der  Elektrizität  auf  Muskeln  und 
Nerven  sind  entweder  erregende  oder  raodifizirende.  Werden 
Muskeln  und  Nerven  der  Einwirkung    gewisser  Agentien    ausgesetzt, 


§  79.  Physiologische  Wirkungen  der  Elektrizität.  173 

SO  geraten  sie  in  den  Zustand  der  Tätigkeit,  welcher  sich  im  Muskel 
als  Zusammenziehung  äussert,  im  Nerven  eine  äusserlich  nicht  sicht- 
bare innere  Molekularbewegung  darstellt,  welche  sich  im  Nerven  fort- 
pflanzt und  wenn  sie  im  motorischen  Nerven  zum  Muskel,  im  sen- 
siblen zum  nervösen  Central-Organ  gelangt,  diese  Gebilde  zur  Tätigkeit 
anregt.  Die  Tätigkeit  ist  im  Muskel  wiederum  Zusammenziehung,  im 
Central-Organ  des  sensiblen  Nerven  Empfindung,  und  zwar  je  nach 
der  Natur  des  Nerven  entweder  Schmerzempfindung  oder  spezifische 
Sinnesempfindung. 

Nerven,  welche  mit  Drüsen  zusammenhängen,  bewirken  in  diesen 
die  spezifische  Tätigkeit  der  Sekretion.  Man  nennt  sie  daher  sekre- 
torische Nerven.  Die  Nerven,  welche  in  der  Muskulatur  der  Blut- 
gefässe endigen,  bewirken  Aenderungen  in  der  Weite  der  Ge fasse  und 
zwar  unterscheidet  man  vasokonstriktorische  Nerven,  durch  welche 
die  Gefässe  verengert,  und  vasodilatatorische,  durch  welche  sie 
erweitert  werden.  Alle  diese  Nerven  verhalten  sich  aber  den  elek- 
trischen Strömen  gegenüber  im  Wesentlichen  gleich. 

Alle  Agentien,  welche,  auf  die  Muskeln  und  Nerven  wirkend, 
diese  zur  Tätigkeit  veranlassen,  nennt  man  Reize.  Der  elektrische 
Strom  nimmt  unter  den  Reizen  eine  hervorragende  Stellung  ein,  wegen 
der  Leichtigkeit  seiner  Anwendung  und  der  Möglichkeit  genauer  Ab- 
stufung seiner  Stärke.  Aus  denselben  Gründen  empfiehlt  er  sich  auch 
zur  Anwendung  in  der  praktischen  Medizin  in  allen  Fällen,  wo  es 
darauf  ankommt,  reizend  oder  erregend  auf  Muskeln  und  Nerven  zu 
wirken,  sie  zur  Tätigkeit  anzuregen. 

Der  elektrische  Strom  wirkt  jedoch  nicht  in  allen  Fällen  gleich 
erregend  auf  Nerven  und  Muskeln.  Leitet  man  einen  konstanten 
Strom  durch  dieselben,  so  geschieht  nur  eine  schwache  oder  gar  keine 
Erregung.  Wenn  aber  der  Strom  eine  plötzliche  Veränderung  seiner 
Stärke  erfährt,  so  wirkt  er  stark  erregend.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall, 
wenn  man  den  konstanten  Strom  schliesst  und  öffnet.  Man  sieht  dann 
eine  starke  Zuckung  der  Muskeln  und  fühlt  einen  lebhaften  Schmerz, 
während  bei  der  gleichmässigen  Dauer  des  Stromes  der  Schmerz 
weniger  intensiv  ist  und  oft  gar  keine  Muskelkontraktionen  auftreten. 

Um  daher  mit  Hilfe  des  elektrischen  Stromes  starke  Erregung 
zu  bewirken,  muss  man  die  elektrischen  Ströme  nicht  in  konstanter 
Stärke  durch  die  Muskeln  oder  Nerven  leiten,  sondern  ihre  Stärke 
recht  oft  wechseln  lassen.  Noch  besser  aber  tut  man,  wenn  man  nur 
den  Zweck  hat  zu  erregen,  sich  solcher  Ströme  zu  bedienen,  welche 
gar  nicht   konstant  sind,    sondern  nur   kurze   Zeit    dauern,    wälirend 


174  Physiologische  Wirkungen  der  Elektrizität.  Kap.  XU. 

(lieser  Zeit  zu  einer  gewissen  Stärke  anwachsen  und  dann  sogleich 
wieder  abnehmen.  Leitet  man  einen  solchen  Strom  durch  Muskel 
oder  Nerv,  so  erfolgt  nur  eine  einzelne  Erregung,  deren  Stärke  von 
der  Stärke  und  Dauer  jenes  Stromes  abhängt;  lässt  man  aber  viele 
solche  Ströme  hintereinander  durch  den  Nerven  gehen,  so  erhält  man 
eine  dauernde  Erregung. 

Solche  kurzdauernde  Ströme  sind  die  durch  statische  Elektrizität 
erzeugten  Ströme  der  Leydener  Flasche,  die  Ströme  der  in  §  12  be- 
schriebenen Influenzmaschine  und  die  durch  Induktion  erzeugten. 
Die  Anwendung  der  ersteren  ist  umständlich  und  unbequem,  auch  ist 
es  schwer,  sie  richtig  abzustufen.  Die  Anwendung  der  Influenzmaschine 
in  der  Elektrotherapie  ist  noch  nicht  hinreichend  erprobt,  um  ein 
Urteil  zu  gestatten,  ob  dieselbe  erhebliche  Vorteile  bietet.  Dagegen 
leisten  die  Induktionsströme  im  höchsten  Maasse  Alles,  was  hier 
verlangt  wird,  besonders,  wenn  der  Apparat  gestattet,  nach  Belieben 
schwache  und  starke  Ströme  anzuwenden,  sie  mit  grösserer  oder  ge- 
ringerer Schnelligkeit  sich  folgen  zu  lassen  u.  s.  f.  Alles  dieses  leistet 
auf  das  Vollkommenste  das  Schlitteninduktorium  von  du  Bois- 
Reymond,  welches  oben  §  54  beschrieben  und  Fig.  48  abgebildet 
ist.  Derselbe  verdient  daher  auch  vor  allen  anderen  Apparaten  ähn- 
licher Art  den  Vorzug  für  die  Anwendung  in  der  Praxis. 

Die  Stärke  der  Erregung,  welche  man  mit  diesem  Apparat  er- 
zielen kann,  hängt  ab  von  der  Stärke  der  Induktionsströme,  welche 
er  liefert,  und  ihrer  Dauer.  In  letzterer  Beziehung  haben  wir  schon 
gesehen,  dass  ein  bedeutender  Unterschied  besteht  zwischen  dem  Strom, 
welcher  bei  der  Schliessung  des  primären  Stromes  in  der  sekundären 
Rolle  entsteht,  und  demjenigen,  welcher  bei  der  Oeffnung  erzeugt  wird. 
Indem  der  letztere  eine  viel  kürzere  Dauer  hat,  wirkt  er  viel  ener- 
gischer erregend,  als  der  Schliessungsinduktionsstrom.  Die  absolute 
Stärke  beider  Ströme  aber  kann  durch  Verschiebung  der  sekundären 
Rolle  beliebig  abgestuft  werden,*) 

§  80.  Bei  der  praktischen  Anwendung  des  Induktoriums  hat 
man  entweder  den  Zweck,  auf  die  Muskeln  zu  wirken,  oder  auf  die 


*)  Auch  die  schwächende  Wirkung  einer  zwischen  primäre  und  sekundären 
Spirale  eingeschobenen  ivupferröhre  (s.  §  52)  kann  zur  Abstufung  der  Ströme  be- 
nutzt werden;  ebenso  kann  man  das  in  die  primäre  Spirale  eingelegte  Eisendraht- 
bündel so  einrichten,  dass  es  aus  derselben  herausgezogen  werden  kann,  wodurch 
man  den  Strom  gleichfalls  schwächt.  Man  kann  auch  alle  diese  Mittel  kombiniren 
und  dadurch  eine  lange  Schlittenbahn  ersparen,  was  bei  portativen  Apparaten  von 
Vorteil  ist. 


§  80.  Faradisation  localisee.  175 

sensiblen  Nerven.  Es  ist  das  grosse  Verdienst  Duchenne's,  die 
Methoden  ausgebildet  zu  haben,  durch  welche  es  möglich  ist,  diese 
Wirliungen  getrennt  vorzunehmen,  ausserdem  aber  auch  die  Wirkung 
der  Elektrizität  auf  einzelne  Muskeln  und  Muskelgruppen  zu  be- 
schränken. Duchenne  nannte  dies  faradisation  localisee.  (Der  Name 
ist  abgeleitet  von  Michel  Faraday,  dem  berühmten  Entdeclcer  der 
Induktionsströme,  und  soll  bedeuten  Erregung  durch  Induktionsströme). 
Duchenne  selbst  waren  die  physikalischen  Prinzipien  seiner  Methode 
nicht  durchweg  klar.  Seine  Angaben  enthalten  daher  zum  Teil  Un- 
wesentliches, nur  von  den  zufälligen  Bedingungen  seiner  Apparate 
Abhängiges,  welches  man  von  dem  wesentlichen  Kern  durchaus 
trennen  muss. 

Setzt  man  zwei  mit  den  Enden  der  Induktionsspirale  verbundene 
Leiter  an  zwei  Punkten  des  Körpers  auf,  so  nehmen  die  Ströme  ihren 
Weg  durch  den  Körper,  nach  den  Gesetzen  der  Stromverteilung  in 
unregelmässig  gestalteten  Leitern,  wie  wir  sie  in  §  46  kennen  gelernt 
haben.  Es  wird  dann  der  ganze  Körper  von  Stromeskurven  erfüllt, 
welche  alle  in  den  beiden  Punkten  zusammenlaufen,  wo  die  Leiter 
(Elektroden)  auf  der  Körperoberfläche  aufstehen.  Die  Stärke  der 
Ströme  ist  nicht  in  allen  diesen  Bahnen  die  gleiche,  sondern  am 
grössten  in  der  geraden  Verbindungslinie  der  beiden  Elektroden  und 
dann  immer  abnehmend  im  umgekehrten  Verhältniss  der  Länge  der 
Kurven.  Legt  man  irgendwo  im  Körper  einen  Querschnitt  senkrecht 
auf  die  Stromkurven,  so  ist  die  durch  denselben  fliessende  Elektrizitäts- 
menge überall  dieselbe.  Aber  diese  Elektrizitätsmenge  fliesst  in  un- 
mittelbarer Nähe  der  Elektroden  durch  einen  Querschnitt  von  viel 
geringerer  Ausdehnung,  als  an  irgend  einer  anderen  Stelle.  Denn  in 
der  Nähe  der  Elektroden  sind  sämmtliche  Stromeskurven  auf  einen 
engen  Raum  zusammengedrängt.  Hier  also  erlangt  die  Elektrizität 
ihre  grösste  Dichte,  diese  wird  geringer  zwischen  den  beiden  Elek- 
troden, noch  geringer  in  grösserer  Entfernung  von  denselben,  ausser- 
halb der  sie  verbindenden  Geraden. 

Nun  ist  es  aber  die  Strom  dichte,  von  welcher  die  Grösse  der 
physiologischen  Wirkung  abhängt.  Wenn  also  die  Induktionsströme 
auf  die  bezeichnete  Art  durch  den  Körper  geleitet  werden,  so  wird 
ihre  Wirkung  nicht  überall  die  gleiche  sein  können,  sondern  sie  wird 
am  grössten  sein  in  unmittelbarer  Nähe  der  beiden  Elektroden  kleiner 
zwischen  denselben,  am  kleinsten  ausserhalb  der  geraden  Verbindungs- 
linie, und  zwar  mit  der  Entfernung  von  den  Elektroden  sehr  schnell 
abnehmend.    Leiten  wir  also  auf  die  bezeichnete  Art  Induktionsströmo 


17()  Erregung  der  sensiblen  Nerven.  Kap.  XII. 

diivcli  den  Körper,  welche  so  schwach  sind,  dass  sie  nirgends  eine 
Wirkung  ausüben,  auch  da  nicht,  wo  ihre  Dichte  am  grössten  ist,  und 
verstärken  die  Ströme  allmählich  durch  Annähern  der  secundären 
Spirale  an  die  primäre,  so  wird  die  Stromstärke  und  also  auch  die 
Stroradichte  an  allen  Punkten  des  Körpers  wachsen,  am  schnellsten 
aber  an  den  Elektroden  selbst.  Es  wird  daher  endlich  ein  Punkt 
erreicht  werden,  wo  sie  in  der  Nähe  der  Elektroden  gerade  die  nötige 
Dichte  erreicht  hat,  um  die  dort  gelegenen  erregbaren  Gebilde  zu  er- 
regen, während  alle  anderen  Gebilde  noch  unerregt  bleiben.  Steigert 
man  die  Stromstärke  noch  mehr,  so  wird  man  auch  die  zwischen  den 
Elektroden  befindlichen  Gebilde  erregen  können;  was  aber  ausserhalb 
derselben  liegt,  wird  noch  in  Ruhe  bleiben;  und  nur  bei  sehr  starken 
Strömen  würde  es  möglich  sein,  auch  diese  in  grösserer  oder  ge- 
ringerer Ausdehnung,  je  nach  der  Nähe  an  den  Elektroden  mit  in 
Erregung  zu  versetzen. 

§  81.  Man  sieht  also,  wie  es  möglich  ist,  die  Wirkung  der 
elektrischen  Ströme  zu  lokalisiren,  auf  bestimmte  einzelne  Gebilde  zu 
beschränken,  trotzdem  die  Elektrizität  alle  Wege  einschlägt,  welche 
ihr  offen  stehen,  stets  den  ganzen  Körper  mit  Stromeskurven  erfüllt. 
Nun  aber  liegen  da,  wo  die  Elektrizität  die  grösste  Dichte  hat,  dicht 
unterhalb  der  Elektroden,  zunächst  die  Endigungen  sensibler  Nerven 
in  der  Haut  und  dann  je  nach  Umständen  Muskeln  oder  motorische 
Nerven.  Diese  werden  dann  von  der  Erregung  betroffen.  Es  ist  aber 
höchst  wünschenswert,  die  sehr  schmerzhafte  Erregung  der  sensibelen 
Nerven  zu  vermeiden,  wenn  es  nur  darauf  ankommt,  Muskeln  zur 
Contraktion  zu  bringen;  und  umgekehrt  die  Muskeln  in  Ruhe  zu 
lassen,  wo  man  nur  auf  die  sensiblen  Nerven  zu  wirken  beabsichtigt. 
Auch  hierzu  hat  Duchenne   die  Wege  gebahnt. 

Setzt  man  nämlich  als  Elektroden  zwei  Drähte  oder  Metallplatten 
auf  die  Haut,  so  müssen  die  Ströme,  um  zu  den  darunter  liegenden 
Muskeln  oder  Nerven  zu  gelangen,  erst  die  Epidermis  durchsetzen. 
Nun  bietet  aber  diese  einen  ungeheuren  Widerstand  dar,  ja  es  ist  sogar 
wahrscheinlich,  dass  die  trockene  Epidermis  an  sich  gar  nicht  leitet, 
sondern  dass  in  diesem  Falle  die  Elektrizität  ihren  Weg  nur  durch 
die  Schweisskanälchen  nimmt.  Durch  diesen  ungeheuren  Widerstand 
werden  die  Ströme  bedeutend  geschwächt,  und  es  ist  daher  schwer, 
auf  diese  Weise  die  unter  der  Haut  gelegenen  Muskeln  und  Nerven 
zu  erregen.  Denn  sobald  die  Ströme  die  Haut  durchdrungen  haben, 
breiten    sie   sich    in    den    darunter    gelegenen,    verhältnissmässig    gut 


§  81.  Erregung  der  sensiblen  Nerven.  177 

leitenden  Massen  nach  allen  Richtungen  aus,  und  erlangen  bei  ihrer 
Schwäche  nirgends  die  zur  Erregung  nötige  Dichte.  In  der  Haut 
selbst  dagegen  sind  die  Ströme  in  sehr  engen  Bahnen  zusammen- 
gedrängt, hier  ist  ihre  Dichte  am  grössten.  Sobald  sie  nun  die 
Epidermis  durchdrungen  haben,  treffen  die  Ströme  gerade  auf  die 
sensiblen  Nerven  der  Kutis.  In  diesen  müssen  sie  natürlich  am  leichte- 
sten Erregung  bewirken.  Man  erhält  daher  die  lebhafteste  Schmerz- 
erregung ohne  Muskelzusammenziehung. 

Besteht  die  eine  Elektrode  (an  der  anderen  sind  die  Verhältnisse 
natürlich  dieselben,  weshalb  wir  nur  eine  einzige  betrachten  wollen) 
aus  einem  Drahte,  so  würden  die  Ströme  auch  nur  in  einem  Punkte 
die  Epidermis  durchbrechen.  Wir  können  das  Schweisskanälchen  oder 
was  sonst  den  Weg  durch  die  Epidermis  für  den  elektrischen  Strom 
darstellt,  gleichsam  als  eine  Verlängerung  des  angelegten  Elektroden- 
drahtes ansehen,  ähnlich  als  wäre  dieser  an  seinem  Ende  nadeiförmig 
zugespitzt,  und  die  Spitze  durch  die  Epidermis  durchgesteckt.  Von 
dieser  Spitze  aus,  d.  h.  von  dem  Punkte,  wo  der  Strom  eben  in  das 
Korium  eintritt,  breiten  sich  also  die  Stromeskurven  nach  allen  Rich- 
tungen aus;  an  diesem  Punkte  wird  daher  die  Stromdichte  sehr  gross 
sein  und  an  diesem  Punkte  wird  heftige  Schmerzerregung  stattfinden. 
Wenden  wir  aber  statt  des  Drahtes  eine  Platte  an,  welche  möglichst 
eng  an  die  Oberfläche  der  Epidermis  sich  anschliesst,  so  wird  der 
Durchgang  der  Ströme  durch  die  Epidermis  an  vielen  Punkten  statt- 
finden. Nun  ist  aber  der  Widerstand  der  Epidermis  so  gross,  dass 
wir  den  Widerstand  der  Induktionsrolle  und  des  sonst  im  Kreise  be- 
findlichen Teiles  des  Körpers  dagegen  als  unendlich  klein  ansehen 
können.  Die  Stromstärke  wird  daher  nur  bedingt  sein  durch  den 
Widerstand  der  Epidermis.  An  je  mehr  Punkten  der  Strom  die 
Epidermis  durchbricht,  um  so  grösser  ist  die  absolute  Stärke  des 
Stromes.  Diese  wird  genau  in  demselben  Maasse  wachsen,  als  der 
Widerstand  abnimmt,  also  ziemlich  genau  proportional  dem  Querschnitt 
der  angelegten  Platte.  Da  aber  die  Stromdichte  gleich  ist  dem 
Quotienten  aus  dem  Querschnitt  in  die  Stromstärke  (§  40),  so  bleibt, 
wie  man  sieht,  die  Stromdichte  ganz  ungeändert.  An  jedem  ein- 
zelnen Punkte  aber,  an  welchem  der  Strom  die  Epidermis  durch- 
bricht, wird  also  die  Stromdichte  dieselbe  Grösse  erlangen,  als  vorher 
bei  Anwendung  eines  Drahtes  als  Elektrode  an  diesem  einen  Punkte 
(vgl.  §  40).  Und  an  jedem  dieser  Punkte  wird  der  Strom  unmittelbar 
bei  seinem  Eintritt  in  das  Korium  eine  sehr  grosse  Dichte  haben,  von 
da  aber  sich  sofort  nach  allen  Richtungen  ausbreiten,  derart,  dass  an 

Koseil  thal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslelire.     HI.  Aufl.  l  >) 


178  ■     .      Erregung  der  sensiblen  Nerven.  Kap.  XII. 

jenen  Punkten  eine  starke  Erregung  sensibeler  Nerven  möglich  ist, 
Avährend  die  Wirkung  an  anderen  Stellen  unmerklich  ist.  Handelt 
es  sich  daher  um  Erregung  der  sensibelen  Nerven  gewisser  Haupt- 
partien, so  wird  man  sich  nicht  eines  einzelnen  Drahtes  als  Elektrode 
bedienen,  sondern  besser  einer  metallenen  Platte.  Noch  besser  aber 
ist  es,  die  Elektrode  in  einen  Pinsel  von  feinen  Metalldrähten  aus- 
laufen zu  lassen,  wie  dies  Duchenne  eingeführt  hat.  Denn  ein 
solcher  Pinsel  berührt  die  Haut  viel  gleichmässiger,  als  eine  starre 
Platte.  Jeder  der  feinen  Drähte  gibt  dann  einen  Eintrittspunkt  für 
die  Elektrizität  ab,  an  welchem  die  Dichte  bei  passender  Wahl  des 
Stroms  hinlänglich  gross  ist,  um  eine  beträchtliche  Erregung  sämt- 
licher Gefühlsnerven  im  Bereiche  des  Pinsels  zu  bewirken. 

Hierbei  ist  vorausgesetzt  worden,  dass  beide  Elektroden  aus 
Drähten,  Platten  oder  Pinseln  bestehen.  Dann  findet  die  Erregung 
auch  an  beiden  statt.  Da  aber  der  Widerstand  der  Epidermis  dabei 
ausserordentlich  gross  ist,  so  bedarf  es  sehr  starker  Induktionsströme, 
um  merkliche  Wirkungen  zu  erzielen;  und  dabei  liönnte  es  auch  vor- 
kommen, dass  bei  nahe  neben  einander  aufgesetzten  Elektroden  und 
sehr  trockener  Epidermis  die  entgegengesetzten  Elektrizitäten  sich  der 
Oberfläche  der  Epidermis  entlang  mit  einander  verbinden,  und  so  gar 
keine  Erregung  zu  Stande  kommt.  Sind  aber  die  Elektroden  weiter 
von  einander  entfernt,  und  die  Induktionsströme  nicht  hinreichend 
kräftig,  so  kann  es  vorkommen,  dass  durch  den  doppelten  Widerstand 
der  beiden  Epidermisstellen  die  Stromstärke  so  sehr  verringert  wird, 
dass  sie  nicht  ausreicht,  überhaupt  eine  genügende  Erregung  zu  be- 
wirken. Also  kommt  es  darauf  an,  den  Widerstand  zu  verringern. 
Dies  erreicht  man  dadurch,  dass  man  die  eine  Epidermisstelle  gut 
durchfeuchtet  und  der  auf  sie  aufzusetzenden  Elektrode  die  Gestalt 
einer  grossen  mit  einem  feuchten  Schwämme  überzogenen  Platte  gibt. 
Der  Schwamm  hat  den  Vorteil,  die  Epidermis  feucht  zu  erhalten  und 
sich  der  Oberfläche  gut  anzuschmiegen.  In  Folge  der  Durchfeuchtung 
wird  die  Epidermis  ein  besserer  Leiter  der  Elektrizität,  besonders 
wenn  man  sich  zum  Durchfeuchten  einer  gut  leitenden  Flüssigkeit  be- 
dient, z.  B.  schwach  angesäuerten  Wassers  oder  einer  Kochsalzlösung, 
welche  man  noch  erwärmen  kann,  um  ihr  Leitungsvermögen  zu  er- 
höhen (vgl.  §  35).  Da  nun  die  trockene  Epidermis  so  schlecht 
leitet,  dass  man  den  Widerstand  des  übrigen  Teiles  des  Kreises  als 
unendlich  klein  ansehen  kann,  so  wird  offenbar  bei  Anwendung  einer 
solchen  feuchten  Elektrode  der  Widerstand  des  Kreises  nur  halb  so 
gross  sein,  als  bei  Anwendung  zweier  Pinsel  (vgl.  §  37).    Dadurch  steigt 


1 


§  81,  82.  Erregung  der  Muskeln.  179 

also  die  Stromstärke  und  folglich  auch  die  Dichte  an  dem  Pinsel,  auf  das 
Doppelte,  und  die  Erregung  der  sensiblen  Nerven  wird  hier  sehr  ver- 
stärkt. An  der  feuchten  Elektrode  ist  der  Strom  jetzt  nicht  auf  ein- 
zelne fadenförmige  Bahnen  beschränkt,  sondern  durchsetzt  die  auf- 
geweichte Epidermis  auf  einer  breiten  Bahn.  Auf  dieser  aber  ist  die 
Stromdichte  wegen  des  grossen  Querschnittes  so  gering,  dass  hier  gar 
keine  Erregung  der  sensiblen  Nerven  stattfindet. 

§  82.  Ersetzt  man  nun  aber  auch  die  andere  Elektrode  durch 
eine  mit  einem  Schwämme  überzogene  Platte,  und  durchfeuchtet  den 
Schwamm  und  die  Epidermis  an  der  Aufsetzungsstelle,  so  wird  der 
Widerstand  noch  kleiner,  die  Stromstärke  wächst,  und  es  gelingt  nun, 
die  tiefer  gelegenen  Muskeln  und  Nerven  zu  erregen,  während  in  der 
Haut  selbst  die  Stromdichte  bei  richtiger  Wahl  der  Stromstärke  so 
gering  ist,  dass  sie  keinen  oder  nur  unbedeutenden  Schmerz  erregt. 
Die  Erregung  wird  nach  dem  oben  Gesagten  am  stärksten  sein  in 
unmittelbarer  Nähe  der  Elektroden,  Besteht  nun  die  eine  Elektrode 
aus  einer  grossen  Platte,  ist  aber  die  andere  kleiner,  z.  B.  ein  mit 
Schwamm  überzogener  Metallknopf,  so  wird  an  dieser  letzteren  die 
Stromdichte  viel  grösser  sein,  als  an  der  ersteren,  die  Erregung  wird 
an  dieser  stärker  sein,  und  bei  richtiger  Wahl  der  Stromstärke  an 
dieser  allein  stattfinden. 

Nach  diesen  Auseinandersetzungen  ist  es  leicht  einzusehen,  wie 
man  zu  verfahren  hat,  um  je  nach  Belieben  eine  Erregung  der  sen- 
siblen Nerven  der  Haut,  oder  der  Muskeln  zu  bewirken,  und  im 
letzteren  Falle  einen  einzelnen  Muskel  isolirt  zur  Zusammenziehung 
zu  bringen.  Will  man  auf  die  Hautnerven  wirken,  so  wird  man  der 
einen  Elektrode  die  Gestalt  einer  grossen  mit  Schwamm  überzogenen 
Platte  geben  und  dieselbe  irgendwo  auf  die  wohldurchfeuchtete  Haut 
aufsetzen.  Als  zweite  Elektrode  aber  wird  man  einen  Metallpinsel 
anwenden,  welchen  man  auf  die  zu  reizende  trockene  Hautpartie  auf- 
setzt. Indem  man  diesen  leicht  über  die  Haut  hinführt,  kann  man 
nach  und  nach  beliebig  grosse  Hautstrecken  einer  heftigen  Erregung 
aussetzen,  ohne  dass  ein  einziger  Muskel  sich  zusammenzieht.  —  Will 
man  dagegen  auf  einen  Muskel  wirken,  so  wird  man  die  eine  Elek- 
trode wiederum  eine  grosse  mit  Schwamm  überzogene  Platte  sein  lassen, 
welche  man  auf  die  wohldurchfeuchtete  Haut  in  der  Gegend  des  zu 
erregenden  Muskels  aufsetzt.  Als  zweite  Elektrode  aber  wird  man 
einen  kleineren  Schwamm  anwenden,  welchen  man  auf  die  wohldurch- 

12* 


180  Remalt's  motorische  Punkte.  Kap.  XII. 

feuchtete  Haut  über  dem  zu  erregenden  Muskel  oder  noch  besser  über 
dem  zum  Muskel  gehörigen  Nerven  aufsetzt. 

§  83.  Dieser  letztere  Umstand  ist  besonders  beherzigenswert. 
Setzt  man  Ucämlich  die  Elektrode  auf  den  Muskel  selbst  auf,  so  wer- 
den zwar  die  unmittelbar  unter  der  Elektrode  gelegenen  Fasern  des 
Muskels  direkt  von  Strömen  grösserer  Dichte  gereizt;  in  den  übrigen 
Partien  aber  ist  die  Reizung  schwächer  und  man  erhält  daher  eine 
kräftige  Zusammenziehung  des  ganzen  Muskels  nur  bei  Anwendung 
stärkerer  Ströme.  Setzt  man  dagegen  die  eine  Elektrode  auf  den 
Nerven  auf,  so  bringt  die  Erregung  desselben  sogleich  eine  kräftige 
Zusammenziehung  des  ganzen  Muskels  liervor.  Ja  die  Stromdichte 
braucht  dazu  sogar  im  Nerven  nur  eine  sehr  viel  geringere  zu  sein, 
als  sie  im  Muskel  selbst  sein  müsste,  um  ihn  zu  einer  gleich  starken 
Zusammenziehung  zu  bringen,  weil  die  Erregbarkeit  der  Nervenstämme 
sehr  viel  grösser  ist,  als  die  der  Muskeln  selbst  und  der  in  ihnen 
verbreiteten  intramuskulären  Nerven. 

Duchenne  fand  zuerst,  dass  gewisse  Puukte  am  Körper  besonders  günstig 
seien  für  die  Aufsetzung  der  einen  Elektrode,  wenn  man  einzelne  Muskeln  zur 
Zusammenziehung  bringen  wolle,  und  nannte  diese  „Wahlpunkte".  Remak  wies 
darauf  hin,  dass  diese  „motorischen  Punkte",  wie  er  sie  nennt,  Nichts  seien,  als 
die  Eintrittsstellen  der  Nerven  in  die  Muskeln.  Ziemssen  hat  dies  bestätigt  und 
die  Punkte  genauer  bezeichnet,  an  welchen  man  die  eine  Elektrode  aufsetzen  muss, 
um  die  einzelnen  Muskeln  zu  erregen.  Das  Weitere  über  diesen  Punkt  ist  im 
zweiten  Teil  nachzusehen. 

Die  Frage,  wo  man  die  zweite  grössere  Elektrode  aufzusetzen 
habe,  ist  im  Allgemeinen  dahin  zu  beantworten,  dass  sie  möglichst 
nahe  der  anderen  anzubringen  sei,  damit  der  Widerstand  der  zwischen 
beiden  enthaltenen  Körperstrecke  möglichst  klein  werde.  Diese  Rück- 
sicht ist  bei  Erregung  der  sensiblen  Nerven  mittels  des  Pinsels  von 
geringerer  Bedeutung,  weil  hier  alle  übrigen  Widerstände  gegen  den 
ungeheuren  der  trockenen  Epidermis  gar  nicht  in  Betracht  kommen; 
bei  der  Erregung  der  Muskeln  aber  ist  sie  wichtig.  Je  geringer  man 
hier  den  Widerstand  macht,  desto  besser.  Daher  tut  man  gut,  die 
grössere  Elektrode  auf  den  zu  erregenden  Muskelbauch  selbst  nahe  der 
anderen  Elektrode  aufzusetzen.  Je  günstiger  man  die  Verhältnisse 
wählt,  desto  schwächere  Ströme  wird  man  anwenden  können,  desto 
leichter  ist  es  dann  aber  auch,  kräftige  Muskelzusammenziehungen  zu 
erlangen,  ohne  Schmerzen  zu  erregen. 

Nach  dem  Verberge lienden  wird  es  leicht  sein,  das  Verfahren 
abzuleiten,  welches  bei  der  Erregung  grösserer  Muskelgruppen  zu  be- 


§  83.  Richtung  der  Ströme.  181 

folgen  ist.  Man  wird  dann  die  Elektroden  so  aufsetzen  müssen,  dass 
die  Ströme  in  dem  jene  Muslteln  versorgenden  Nervenstamme  eine 
möglichst  grosse  Dichte  erlangen  und  man  wird  dazu  eine  Stelle 
wählen,  wo-  der  betreffende  Nervenstamm  möglichst  günstig  gelegen 
ist,  womöglich  nur  von  der  Haut  und  der  oberflächlichen  Fascie  be- 
deckt. Wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  gelangt  man  oft  zum  Ziele,  indem 
man  die  Elektrode  fest  andrückt  und  so  den  Ort  der  grössten  Strom- 
dichte in  die  Tiefe  in  die  Nähe  des  Nerven  verlegt.  So  z.  B.  kann 
man  den  Phrenikus  kräftig  erregen,  wenn  man  die  eine  (kleinere) 
Elektrode  am  hinteren  Rande  des  M.  sternokleidomastoideus  etwas  unter 
der  Mitte .  seines  Verlaufes  fest  eindrückt.  Die  andere  Elektrode  setzt 
man  dabei  etwa  in  der  Fossa  supraklavikularis  auf.  Oder  auch  man 
bedient  sich  zweier  kleinen  Elektroden,  welche  man  jederseits  an  der 
bezeichneten  Stelle  tief  eindrückt,  und  erregt  so  beide  Phrenici  zu- 
gleich. Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  dass  wenn  der  solcher 
Gestalt  erregte  Nervenstamm  ein  gemischter  ist,  die  gleichzeitige 
Schmerzerregung  nicht  umgangen  werden  kann,  welche  dann  nach 
dem  Gesetz  der  exzentrischen  Empfindungen  in  den  peripherischen  End- 
ausbreitungen der  erregten  sensiblen  Nervenfasern  wahrgenommen  wird. 
Schliesslich  bleibt  uns  noch  eine  Bemerkung  übrig  in  Betreff  der 
Richtung  der  Ströme.  Dass  diese  bei  den  induzirten  Strömen  der 
sekundären  Spirale  eine  wechselnde  ist,  haben  wir  im  §  55  gesehen. 
Da  aber  der  Oeffnungsstrom  als  der  schneller  verlaufende  stärker  er- 
regend wirkt,  so  kommt  seine  Richtung  hauptsächlich  in  Betracht. 
Die  physiologischen  Versuche  haben  nun  gezeigt,  dass  unter  sonst 
gleichen  Umständen  die  Reizung  durch  die  Induktionsströme  an  der 
negativen  Elektrode,  d.  h.  dort,  wo  der  Strom  aus  dem  Körper  aus- 
tritt, stärker  ist  als  an  der  positiven.  Man  tut  daher  gut,  die  kleinere 
Elektrode,  an  welcher  ja  hauptsächlich  die  Erregung  stattfinden  soll 
(beziehlich  bei  Erregung  der  sensiblen  Nerven  den  Pinsel)  mit  dem 
Ende  der  Induktionsspirale  zu  verbinden,  welches  bei  dem  Oeffnungs- 
Induktionsstrom  die  negative  Elektrode  wird.  Da  es  aber  nicht  leicht 
ist,  an  dem  fertigen  Magnetelektromotor  zu  sehen,  wie  die  Ströme  in 
demselben  gerichtet  sind,  so  muss  man  dies  ein  für  alle  Mal  durch 
den  Versuch  feststellen.  Man  kann  sich  dazu  der  Jodkaliumelektrolyse 
bedienen.  Man  verbindet  nämlich  die  Enden  der  sekundären  Spirale 
mit  zwei  Platindrähten,  welche  man  nahe  neben  einander  auf  ange- 
feuchtetes Fliesspapier  aufsetzt,  das  mit  Jodkaliurastärkekleister  ge- 
tränkt ist.  Dann  leitet  man  den  Oefthmigsstrom  durch  das  Papier, 
indem   man  den   schon   vorher  geschlossenen   primären  Strom    öffnet. 


182  Wahl  der  Kette.  •  Kap.  XII. 

(Die  Feder  wird  dabei  festgestellt,  damit  sie  nicht  spiele.)  Am  posi- 
tiven Pole  entsteht  durch  das  ausgeschiedene  Jod  ein  blauer  Fleck. 
Beim  Gebrauche  des  Apparates  muss  natürlich  der  primäre  Strom 
stets  dieselbe  Richtung  haben,  wie  in  diesem  Versuch.  Man  mache 
sich  daher  zur  Regel,  stets  die  Klemme  a  (Fig.  48)  mit  dem  Zink, 
die  Säule  g  mit  der  Kohle,  dem  Platin  oder  Kupfer  zu  verbinden. 

Zum  Ingangsetzen  des  Induktoriums  kann  man  sich  eines  Daniell- 
schen  Elementes  bedienen,  welches  vollkommen  genügt,  hinreichend 
starke  Induktionsströme  zu  erzeugen.  Zwei  Daniell'sche  Elemente 
hintereinander  anzuwenden,  bietet  gar  keinen  Vorteil,  da  bei  dem  ge- 
ringen Widerstände  der  primären  Spirale  dadurch  gar  keine  Strom- 
verstärkung erzielt  wird  (Vgl.  §  38).  Im  Gegenteil  tut  man  vielmehr 
gut,  dem  Elemente  etwas  grössere  Dimensionen  zu  geben,  als  diese 
gewöhnlich  zu  haben  pflegen,  damit  sein  Widerstand  möglichst  gering 
sei.  Auch  die  Chromsäure-Elemente  in  ihren  verschiedenen  Formen, 
z.  B.  die  Winkelzellen-Elemente  (s.  S.  27)  sind  zum  Betrieb  der  In- 
duktorien  bequem,  ebenso  die  Noe'sche  Sternsäule  (§  74).  Von  diesen 
kann  man,  wenn  es  auf  sehr  starke  Wirkung  ankommt,  zwei  hinter- 
einander schalten,  da  ihr  innerer  Widerstand  sehr  klein  ist.  Sollte 
man  in  einzelnen  Fällen  mit  den  so  erzeugten  Strömen  nicht  aus- 
reichen, so  würde  man,  da  ein  Grove'sches  oder  Bunsen'sches  Ele- 
ment zu  viel  Unbequemlichkeiten  bietet,  am  besten  ein  sogenanntes 
Flaschenelement  von  Grenet  (s.  S.  45)  benutzen,  oder  auch  mehrere 
derselben,  die  man  wegen  ilires  geringen  Widerstands  hinter  einander 
schalten  kann,  ohne  dass  daraus  ein  Verlust  an  Stromstärke  erwächst. 

§  84.  Duchenne  empfahl,  sich  bei  der  Erregung  der  Muskeln 
lieber  des  in  der  primären  Rolle  erzeugten  Extrastromes,  bei  der 
Erregung  der  sensiblen  Nerven  lieber  der  in  der  sekundären  Spirale 
erzeugten  Induktionsströme  zu  bedienen.  Wenn  Duchenne  glaubte, 
dass  eine  Verschiedenheit  zwischen  beiden  Arten  von  Induktionsströmen 
bestehe,  vermöge  deren  der  Extrastrom  geeigneter  sei,  die  Muskeln, 
die  Ströme  der  sekundären  Spirale  geeigneter,  die  sensiblen  Nerven 
zu  erregen,  so  war  dies  ein  Irrtum.  Alle  Ströme,  sie  mögen  erzeugt 
sein,  auf  welche  Weise  immer,  sind  ihrer  Natur  nach  stets  gleich. 
Verschiedenheiten  der  physiologischen  Wirkung  können  stets  nur  ver- 
anlasst sein  durch  Verschiedenheiten  der  Stärke  und  der  Geschwindig- 
keit, mit  der  sich  diese  ändert.  Der  Grund  der  Verschiedenheit^ 
welche  Duchenne  beobachtete,  ist  aber  nur  in  zufälligen  Umständet 
zu  suchen,  welche  in  dem  Bau  seines  Apparates  begründet  sind.    Die 


§  84.  Gebrauch  des  Extrastromes.  183 

sekundäre  Spirale  des  Duchenne' sehen  Apparates  bestand  ncäralich 
aus  sehr  zahlreichen  Windungen  eines  ausserordentlich  dünnen  Drahtes. 
Die  primäre  Rolle  hatte  gleichfalls  viel  mehr  Windungen  als  bei  den 
jetzt  üblichen  Induktorien  und  man  musste  daher  eine  ziemlich  starke 
Kette  anwenden.  Mit  der  Zahl  der  Windungen  wächst  natürlich  die 
elektromotorische  Kraft  des  in  ihr  erzeugten  Induktionsstromes,  mit 
der  Länge  und  Dünne  des  Drahtes  wächst  aber  auch  ihr  Widerstand. 
Dieser  war  daher  bei  dem  Duchenne 'sehen  Apparate  ein  sehr  be- 
trächtlicher. Benutzte  man  die  sekundäre  Rolle  zur  Erregung  der 
sensiblen  Nerven,  so  kam  dieser  Widerstand  gegen  den  noch  viel 
grösseren  der  trockenen  Epidermis  nicht  so  sehr  in  Betracht,  man 
erhielt  eine  kräftige  Erregung.  Dahingegen  war  dieser  Widerstand 
von  sehr  erheblichem  Einfluss  auf  die  Stromstärke,  wenn  es  sich  darum 
liandelte,  Muskeln  zu  erregen.  Denn  indem  man  in  diesem  Falle 
durch  die  Anwendung  der  feuchten  Elektroden  den  Widerstand  im 
menschlichen  Körper  herabsetzte,  blieb  doch  der  Widerstand  der  In- 
duktionsspirale so  gross,  dass  der  Strom  keine  erhebliche  Stärke  er- 
reichen konnte.  Die  ungeheure  Windungszahl  der  sekundären  Spirale 
schadete  in  diesem  Falle  mehr,  als  durch  die  Vermehrung  der  indu- 
zirenden  Wirkung  gewonnen  wurde.  Benutzte  man  dagegen  den  Extra- 
strom zur  Erregung  der  Muskeln,  so  bekam  man  kräftige  Wirkungen, 
da  jetzt  bei  dem  geringeren  Widerstände  des  eingeschalteten  Körper- 
teiles selbst  bei  geringerer  induzirender  Wirkung  die  Ströme  schon 
hinreichend  stark  wurden. 

Alle  diese  Verhältnisse  kommen  bei  dem  zweckmässiger  gebauten 
Apparate  von  du  Bois-Reymond  in  viel  geringerem  Grade  in  Be- 
tracht, weil  bei  diesem  die  sekundäre  Rolle  gar  nicht  so  viele  Win- 
dungen hat,  als  bei  dem  Duchenne 'sehen.  Ihr  W^iderstand  ist  daher 
viel  geringer,  und  sie  schwächt  die  Ströme  nicht  in  so  hohem  Grade. 
Noch  grösser  ist  der  Unterschied  bei  den  primären  Spiralen,  welche 
bei  den  grössten  der  nach  du  Bois-Reymond"s  Modell  gebauten 
Apparate,  wie  sie  in  der  Elektrotherapie  Verwendung  finden,  gewöhn- 
lich nur  etwa  250  Windungen  eines  Kupferdrahts  von  1  mm.  Durch- 
messer enthält.  Bei  diesem  Apparate  hat  es  daher  gar  keinen  Sinn, 
sich  des  Extrastromes  zu  bedienen,  welcher  wegen  der  geringen  AVin- 
dungszahl  der  primären  Rolle  überhaupt  nur  schwach  ist.  Ganz  falsch 
aber  ist  es,  dies  dadurch  gut  machen  zu  wollen,  dass  man  beide 
Rollen  durch  Drähte  zu  einer  einzigen  verbindet,  wie  Manche  anraten. 
Denn  dadurch  schwächt  man  den  primären  Strom  der  Kette,  von 
dessen  Stärke   doch  wieder    die  Stärke    des    induzirten  Extrastromes 


184         Gebrauch  des  Rotationsapparates  und  der  Influenzmaschine.      Kap.  XII. 

abhängt.  Man  ist  dann  genötigt,  eine  stärkere  Kette  anzuwenden  und 
erreicht  nicht  mehr,  als  man  auch  mit  einem  Daniell'schen  Ele- 
mente und  Benutzung  der  sekundären  Ströme  erreichen  kann.  Ja 
sogar  man  verzichtet  auf  die  Möglichkeit  der  bequemen  Abstufbarkeit 
dieser  Ströme,  welche  durch  die  Verschiebung  der  Rollen  gegen  ein- 
ander gegeben  ist. 

Dahingegen  wäre  man  genötigt,  sich  des  Extrastromes  zu  be- 
dienen, wenn  aus  irgend  einem  Grunde  die  Anwendung  abwechselad 
gerichteter  Induktionsströme,  wie  sie  die  sekundäre  Rolle  liefert, 
kontraindizirt  sein  sollte.  In  diesem  Falle  entfernt  man  die  sekundäre 
Spirale  ganz  und  schaltet  den  Körper  als  Nebenschliessung  zur  pri- 
mären Spirale  ein,  zu  welchem  Zwecke  an  dem  in  Fig.  48  dargestellten 
Magnetelektromotor  noch  zwei  mit  der  Spirale  verbundene  Klemmen 
angebracht  sind,   von  denen  die  eine  in  der  Figur  bei  d  sichtbar  ist. 

Die  Anwendung  der  magneto- elektrischen  Rotationsapparate  ist 
seit  der  Verbesserung  der  Induktorien  fast  ganz  ausser  Gebrauch  ge- 
kommen, zumal  seitdem  die  transportablen  Induktionsapparate  letzterer 
Art  mehr  vervollltommnet  sind.  Die  von  Siemens  angegebenen  Ver- 
besserungen an  den  Rotationsapparaten,  von  welchen  oben  S.  116  die 
Rede  war,  werden  ihre  Wiedereinführung  in  die  Elektrotherapie  viel- 
leicht zur  Folge  haben. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig,  einige  Worte  über  die  Anwendung  der 
durch  Reibungselektrizität  erzeugten  Ströme  für  therapeutische  Zwecke 
zu  sagen.  Seit  der  Einführung  der  Induktionsapparate  fast  ganz  ver- 
drängt, sind  dieselben  in  neuerer  Zeit  wieder  empfohlen  worden,  seit- 
dem durch  die  Holtz'sche  Influenzmaschine,  welche  wir  in  §  12  be- 
schrieben haben,  die  Aufmerksamkeit  wieder  auf  die  so  erzeugten 
Ströme  gelenkt,  und  die  Erzeugung  kräftiger  Ströme  leicht  gemacht 
ist.  Doch  können  wir  diesem  so  sinnreichen  Apparate  für  therapeu- 
tische Zwecke  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  zuschreiben.  Denn 
diese  Ströme  leisten  nichts  Anderes,  als  kräftige  Induktionsapparate. 
Und  nur,  wo  diese  nicht  stark  genug  wirken,  würde  in  einzelnen 
Fällen,  von  hartnäckiger  Anästhesie  z.  B.,  wie  Schwanda  will,  die 
Anwendung  der  Influenzmaschine  einen  Wert  haben.  • 

§  85.  Diese  Auseinandersetzungen  werden  genügen,  um  zu  zeigen, 
wie  man  in  jedem  einzelnen  Falle  zu  verfahren  habe,  um  mit  Hilfe 
der  Induktionsströme  Muskeln  oder  Nerven  zu  erregen.  In  welchen 
Fällen  dies  nötig  oder  nützlich  sei,  das  wird  im  zweiten  Teil  des 
Weiteren  erörtert  werden.    Es  bleibt  uns  nur  übrig,  noch  Einiges  über 


i 


§  85.  Gebrauch  des  lionstanten  Stromes.  185 

die  Anwendung  des  konstanten  Stromes  zu  sagen.  Zur  Erregung 
von  Muskelzuckungen  oder  von  Schmerzempfindungen  diesen  anzu- 
wenden, scheint  unnötig,  da  zu  diesem  Zweck  die  Induktionsströme 
viel  geeigneter  sind.  Doch  gibt  es  Fälle  von  Lähmungen,  in  denen 
die  Induktionsströme  ganz  unwirksam  sind,  während  die  Schliessung 
und  OefFnung  konstanter  Ströme  starke  Zuckungen  bewirken.  Ausser- 
dem aber  kann  es  aus  anderen  Gründen  vorteilhaft  sein,  sich  kon- 
stanter Ströme  zu  bedienen.  Die  physiologischen  Versuche  haben 
ausser  der  erregenden  Wirkung  noch  andere  Einwirkungen  der  Ströme 
auf  Muskeln  und  Nerven  nachgewiesen.  Diese  „raodifizirenden"  Wir- 
kungen bestehen  in  Veränderungen  der  Erregbarkeit  u.  s.  w.,  welche 
zum  Teil  während  der  Dauer  des  Stromes  auftreten,  zum  Teil  den- 
selben überdauern.  Leider  sind  die  physiologischen  Erfahrungen  noch 
so  gut  wie  gar  nicht  für  eine  rationelle  therapeutische  Verwertung 
verwendbar.  Und  alle  von  den  Elektrotherapeuten  bisher  angegebenen 
Indikationen  für  Anwendung  des  konstanten  Stromes  können  nur 
als  auf  (zum  Teil  sehr  vereinzelter)  Erfahrung  beruhend,  angesehen 
werden. 

Für  die  Anwendung  der  konstanten  Ströme  sind  dieselben  Grund- 
sätze maassgebend,  wie  für  die  Induktionsströme.  Auch  hier  kommt 
es  darauf  an,  die  Bedingungen  herzustellen,  dass  die  grösste  Strom- 
dichte an  der  Stelle  oder  in  dem  Gebilde  sich  finde,  auf  welches  man 
zu  wirken  beabsichtigt.  Ausserdem  aber  hat  man  hier  noch  darauf 
zu  achten,  welche  Richtung  der  Strom  hat,  da  diese  auf  die  Wirkungen 
von  grösstem  Einfluss  ist,  was  bei  den  Induktionsströmen  nicht  in 
demselben  Maasse  der  Fall  ist. 

In  der  Physiologie  ist  es  üblich,  wenn  man  die  Wirkungen  elek- 
trischer Ströme  auf  die  Nerven  untersuchen  will,  die  Elektroden  an 
zwei  Punkte  des  freipräparirten  Nerven  anzulegen  und  so  die  Ströme 
durch  eine  begrenzte  Strecke  des  Nerven  zu  leiten.  Es  hat  sich  aber 
herausgestellt,  dass  die  beiden  Elektroden  in  ganz  verschiedener  Weise 
auf  den  Nerven  wirken;  die  Anode  oder  positive  Elektrode  setzt  die 
Erregbarkeit  des  Nerven  herab,  die  Kathode  oder  negative  Elektrode 
erhöht  sie;  die  Anode  wirkt  nicht  erregend  bei  der  Schliessung  des 
Stroms,  wol  aber  bei  der  Oeffnung,  die  Kathode  dagegen  wirkt  erre- 
gend bei  der  Schliessung,  nicht  aber  bei  der  Oeffnung.  Wenn  man 
aber  beim  lebenden  Menschen  mit  elektrischen  Strömen  auf  einen 
Nerven  einwirken  will  und  so  verfährt,  dass  man  eine  kleine  knopf- 
förmige  Elektrode  auf  diesen  Nerven,  da  wo  er  möglichst  nahe  der 
Oberfläche  liegt,   aufsetzt,   eine   zweite   grössere  Elektrode  an  irgend 


186  Polare  Methode.  Kap.  XIT. 

einer  andern  Stelle  des  Körpers,  so  hat  man  es,  vom  physiologischen 
Standpunkt  aus  betrachtet,  mit  viel  einfacheren  Verhältnissen  zu  tun. 

Um  dies  an  einem  Beispiel  zu  erläutern,  wollen  wir  annehmen, 
wir  setzen  eine  kleine  knopfförmige  Elektrode  auf  die  Haut  unmittel- 
bar unter  dem  rechten  Perus  acusticus  externus  in  dem  dort  vor- 
handenen Grübchen  der  Ohrmuschel  mit  kräftigem  Druck  auf,  die 
andere,  grössere  Elektrode  am  Nacken  unterhalb  der  Protuberantia  occi- 
pitalis  externa.  Beide  Elektroden  seien  mit  angefeuchteten  Schwämmen 
überzogen  und  die  Hautstellen  gleichfalls  gut  durchfeuchtet,  um  den 
Widerstand  der  Epidermis  möglichst  zu  verringern  und  das  Eindringen 
des  Stroms  in  die  tiefern  Teile  zu  erleichtern.  Nach  dem,  was  in 
den  Paragraphen  45  und  46  über  die  Verteilung  der  Ströme  in  un- 
regelmässigen Leitern  und  in  den  vorhergehenden  Paragraphen  über 
die  Erregung  der  Muskeln  durch  Induktionsströme  gesagt  worden  ist, 
wissen  wir,  dass  der  ganze  Kopf,  ja  sogar  der  ganze  Körper  von 
Stromkurven  erfüllt  sein  wird.  Die  Ströme  werden  in  der  rechten 
Kopfhälfte  etwas  stärker  sein  als  in  der  linken,  noch  schwächer  im 
Hals  und  Rumpf.  Für  die  Wirkung  auf  die  Nerven  kommt  aber  nur 
die  Stromdichte  in  Betracht.  Diese  wird  am  grössten  sein  dicht 
unter  der  kleinen  Elektrode,  viel  geringer  (und  zwar  im  umgekehrten 
Verhältniss  ihrer  Oberflächen)  an  der  andern  Elektrode  und  noch 
kleiner  an  allen  andern  Stellen.  Nun  findet  sich  unmittelbar  unter 
der  kleinen  Elektrode  der  N.  facialis  dexter.  Wählen  wir  die  Strom- 
stärke so,  dass  sie  gerade  ausreicht,  um  auf  diesen  eine  Wirkung  aus- 
zuüben, so  wird  an  den  Nerven,  welche  der  andern  Elektrode  zunächst 
liegen,  keine  Wirkung  auftreten,  noch  weniger  an  andern  Stellen  des 
Kopfes  oder  gar  des  Rumpfes.  Wir  müssten  schon  sehr  viel  stärkere 
Ströme  anwenden,  wenn*  an  einer  dieser  Stellen  die  Stromdichte  hin- 
reichend gross  werden  sollte,  um  auf  sie  zu  wirken.  Auch  der  N. 
facialis  wird  nur  an  einer  begrenzten  Stelle  von  hinreichend  dichten 
Strömen  getroffen.  Der  Nerv  steht  also  nur  unter  der  Ein- 
wirkung einer  einzigen  Elektrode. 

Man  hat  diese,  durch  die  Verhältnisse  notwendig  bedingte  Art 
der  Einwirkung  auf  die  Nerven  die  polare  Methode  genannt;  noch 
bezeichnender  wäre  unipolare  und  die  von  den  Physiologen  gewöhn- 
lich am  freipräparirten  Nerven  geübte  müsste  dann  als  bipolare 
bezeichnet  werden.  Doch  kommt  es  nicht  auf  den  Namen  an,  sondern 
nur  auf  die  richtige  Auffassung  des  Sachverhalts.  Beachtet  man 
diesen,  so  ergibt  sich  vollständige  Uebereinstimmung  in  den  Ergeb- 
nissen beider  Methoden. 


§  85.  Polare  Methode.  187 

Angenommen,  die  auf  den  N.  facialis  dexter  aufgesetzte  Elek- 
trode wäre  die  Kathode,  so  wird  man  bei  Schliessung  des  Stroms 
Zuckung  in  den  vom  Facialis  versorgten  Gesichtsmuskeln  sehen,  nicht 
aber  bei  der  Oeffnung.  Umgekehrt  wird  es  beim  Aufsetzen  der  Anode 
sein.  Nur  wenn  die  Ströme  übermässig  starke  wären,  so  dass  auch 
an  Stellen  des  Nerven,  welche  etwas  entfernter  von  den  Elektroden 
liegen,  Stromfäden,  welche  von  ihm  in  die  benachbarten  Gewebe  über- 
gehen, eine  hinreichende  Dichte  erlangten,  um  zu  wirken,  könnte  man 
eine  Mischung  der  Kathoden-  und  Anoden-Wirkung  sehen.  Die  weitere 
Verfolgung  dieses  Gegenstands  und  die  etwaigen  Abweichungen,  welche 
in  krankhaften  Zuständen  auftreten  können,  wird  im  zweiten  Teil  ab- 
gehandelt werden. 

Nur  eine  kleine  Abänderung  dieses  Versuchs  wollen  wir  hier 
noch  erwähnen,  weil  sie  die  physikalischen  Verhältnisse,  die  dabei 
obwalten,  gut  erläutert.  Man  setze  zwei  kleine  knopfförmige  Elek- 
troden auf  den  oben  bezeichneten  Punkt  beiderseits  auf.  Der  Strom 
wird  jetzt  im  Ganzen  schwächer,  denn  die  Widerstände  sind  im  Ganzen 
grösser  als  bei  der  früheren  Anordnung.  Aber  beide  Nn.  faciales 
finden  sich  unter  gleichen  Bedingungen.  Macht  man  nun  den  Strom 
hinreichend  stark,  damit  er  überhaupt  eine  Wirkung  gibt,  so  erhält 
man  eine  Zuckung  bei  der  Schliessung  des  Stroms  nur  an  der  Kathoden- 
seite, bei  der  Oeffnung  nur  an  der  Anodenseite.  Macht  man  die 
gleichen  Versuche  mit  einzelnen  Induktionsschlägen,  so  ist  die  Wir- 
kung an  der  Kathodenseite  stärker,  als  an  der  Anodenseite.  Induktions- 
ströme verhalten  sich  also  wie  Schliessungen  von  konstanten  Strömen. 

Es  ist  deshalb  notwendig,  bei  Anwendung  des  konstanten  Stroms 
zwischen  der  Batterie  und  den  Elektroden  einen  Stromwender  (vergl. 
§  39)  einzuschalten.  In  der  Regel  wird  ein  solcher  gleich  an  den 
Kästen,  in  welchen  die  Batterieen  enthalten  sind,  angebracht. 

Ausserdem  ist  es  wichtig,  die  Stärke  des  angewandten  Stroms 
leicht  und  sicher  abstufen  zu  können.  Hierzu  haben  wir  zwei  Mittel: 
1)  die  Zahl  der  benutzten  Elemente  zu  ändern,  2)  Widerstände  ein- 
zuschalten. 

Da  der  Widerstand  des  eingeschalteten  Körperteils  immer  ausser- 
ordentlich gross  ist,  so  können  wir  die  Widerstände  der  Batterie- 
Elemente  stets  als  sehr  klein  im  Verhältniss  zu  jenem  ansehen  und 
daher  annehmen,  dass  die  Stromstärke  proportional  der  Zahl  der 
Elemente  ist  (vgl.  §  37).  Wenn  wir  also  eine  Batterie  von  50  Ele- 
menten zur  Verfügung  haben,  so  können  wir  über  50  Stromstufen 
verfügen,   welche  der  Zahl  der  benutzten  Elemente  proportional  sind, 


188  Elenienlenz.äliler.  K;ip.  Xl[. 

Um  eine  beliebige  Zahl  von  Elementen  einzuschalten  und  diese  schnell 
wechseln  zu  können,  hat  man  die  Enden  der  Elemente  mit  sogenannten 
Elementenzählern  verbunden,  an  denen  die  nötigen  Verbindungen 
durch  Stöpsel  (wie  bei  den  Rheostaten  vgl.  §  44)  oder  durch  Ein- 
stellung einer  Kurbel  hergestellt  werden.  Als  bequemste  und  sicherste 
Einrichtung  dieser  Art  kann  die  von  Beetz  an  der  von  ihm  modifi- 
zirten  Leclanche-Batterie  eingeführte  gelten,  welche  mit  geringen 
Modifikationen  auch  an  andern  Batterien  häufig  benutzt  wird.  Die 
Elemente  sind  alle  so  mit  einander  und  mit  oben  angebrachten  Stiften 
verbunden,  dass  man  durch  Aufsetzen  eines  Stöpsels  auf  diese  Stifte 
die  verlangte  Zahl  von  Elementen  einschalten  kann.  Um  aber  beim 
Uebergang  von  20  zu  21  Elementen  die  Unterbrechung  und  Schliessung 
des  Stroms  zu  vermeiden,  benutzt  man  zwei  Stöpsel  und  entfernt  den 
von  20  erst,  nachdem  man  den  bei  21  schon  eingesetzt  hat.  Auf 
diese  Weise  kann  man  also  von  Element  zu  Element  fortschreitend, 
den  Strom  allmählich  an  Stärke  zunehmen  oder,  wenn  man  rück- 
wärts geht,  abnehmen  lassen. 

Immer  aber  ändert  sich  doch  die  Stromstärke  sprungweise,  da 
man  nicht  halbe  oder  viertel  Elemente  einschalten  kann.  Will  man 
noch  sanftere  Uebergänge  haben,  so  muss  man  Widerstände  ein- 
schalten. Gesetzt,  man  habe  50  Elemente,  jedes  von  der  elektro- 
motorischen Kraft  2  und  einem  sehr  kleinen  innern  Widerstand  (Ohrom- 
säure- Elemente  entsprechen  ungefähr  diesen  Voraussetzungen).  Der 
Widerstand  eines  Körperteils,  den  wir  einschalten,  sei  gleich  5000  Ohm. 

2  .  5 

Bei  Anwendung  von  5  Elementen  wäre  dann  die  Stromstärke  =  ^  '  ^ 

^  5000 

=  — —  z=  2  Milliampere,  bei  6  Elementen  =  2,4  Milliampere  u.  s.  f. 

Schalten  wir  aber  zwischen  der  Batterie  und  dem  Körper  einen  Rheo- 
staten als  Nebenschliessung  ein,  so  können  wir  nach  den  in  §  44 
gegebnen  Regeln  der  Stromstärke  im  Körperteil  jeden  beliebigen  Wert 
geben.  Als  Rheostaten  für  diese  Zwecke  empfehlen  sich  Flüssigkeits- 
säulen in  Röhren,  in  denen  man  einen  Metalldraht  verschiebt  und  so 
wechselnde  Längen  des  Flüssigkeitsfadens  einschaltet.  Das  Nähere 
hierüber  siehe  im  zweiten  Teil. 

Um  sich  in  jedem  Falle  von  der  Stärke  des  hergestellten  Stroms 
eine  Vorstellung  zu  verschaffen,-  muss  man  ein  Galvanometer  ein- 
schalten. Ist  dies  ein  absolutes,  z.  B.  das  Edel  mann' sehe  oder 
dessen  Taschenbussole,  so  gibt  sie  die  Stromstärke  in  richtigem  Mass, 
sonst  wenigstens  einen  ungefähren  Anhalt  zur  Beurteilung.    Aber  wenn 


§  85.  Polarisation.  189 

man  auch  die  Stromstärke  kennt,  so  hat  man  nur  das  eine  der  Ele- 
mente, von  denen  die  Wirkung  abhängt.  Das  Entscheidende  ist  ja 
nicht  die  Stromstärke,  sondern  die  Stromdichte,  d.  h.  die  Strom- 
stärke dividirt  durch  den  Querschnitt.  Bei  Angaben  über  therapeu- 
tische Versuche  sollte  daher  neben  der  Stromstärke  immer  auch  die 
Grösse  der  wirksamen  Elektrode  notirt  werden. 

Wenn  man  auf  diese  Weise  die  Stromstärke  beobachtet,  so  wird 
man  finden,  dass  dieselbe  nicht  konstant  bleibt.  Dies  kann  von  einer 
Inkonstanz  der  Kette  herrühren,  da  ja  vielfach  Ketten  angewandt 
werden,  welche  nicht  absolut  konstant  sind.  Viel  grösseren  Einfluss 
aber  hat  die  Polarisation  und  die  Veränderung  in  den  Widerständen 
der  tierischen  Teile. 

Die  Polarisation  hat  ihren  Sitz  zum  grössten  Teil  an  den  Elek- 
troden, da  wo  der  Strom  von  metallischen  Leitungsteilen  zu  flüssigen 
Leitern  übergeht.  Wie  wir  oben  gesehen  haben,  bekleidet  man  die 
metallischen  Enden  der  Elektroden  mit  angefeuchteten  Schwämmen 
oder  ähnlichen  Stoffen,  um  ein  inniges  Anschmiegen  an  die  Haut  zu 
bewirken  und  diese  feucht  zu  erhalten.  Um  diesen  Teil  der  Polarisa- 
tion zu  vermeiden,  hat  man  unpolarisirbare  Elektroden  konstruirt, 
ganz  nach  dem  Muster  der  in  §  28  beschriebenen  und  abgebildeten. 
Man  leitet  den  Strom  durch  amalgamirtes  Zink  in  Zinksulfatlösung, 
welche  in  Röhren  enthalten  ist  und  in  dem  untern  Teil  der  Röhren 
an  Kochsalzlösung  grenzt.  Aber  auch  in  der  Epidermis  und  den 
andern  Körperteilen,  durch  welche  der  Strom  geht,  entsteht  die  soge- 
nannte innere  Polarisation,  von  welcher  am  Schlüsse  des  §  28  die 
Rede  war,  und  diese  kann  durch  keine  Mittel  vermieden  werden. 
Auch  wirkliche  Veränderungen  des  Widerstands  kommen  als  Folgen 
des  Stromdurchgangs  zu  Stande.  Häufig  nimmt  der  Widerstand  ab, 
und  diese  Abnahme  kompensirt  ganz  oder  teilweise  die  durch  die 
Polarisation  bedingte  Stromschwächung. 

Diese  verwickelten  Verhältnisse  erschweren  sehr  die  Bestimmung 
der  Widerstände,  welche  bei  der  gewöhnlichen  Anwendungsweise  des 
konstanten  Stroms  in  der  Elektrotherapie  etwa  vorkommen,  abgesehen 
davon,  dass  diese,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  von  der  Grösse  der 
Elektroden,  dem  Grad  der  Durchfeuchtung  der  Epidermis  und,  wenn 
auch  in  viel  geringerem  Grade,  von  der  Entfernung  der  Elektroden 
von  einander  abhängen.  Die  älteren  Angaben  über  den  Widerstand 
des  Körpers  haben  wegen  Nichtbeachtung  aller  dieser  Umstände  gar 
keinen  Wert.  Ebensowenig  kann  man  mit  den  Angaben  über  den 
spezifischen  Widerstand  der  Gewebe  etwas  anfangen,  da  wir  es  immer 


190  Widerstand  des  Körpers.  Kap.  XII. 

mit  Ausbreitung  des  Stroms  in  unregelmässigen  Körpern  zu  tun  haben, 
wo  Länge  und  Querschnitt  der  Bahnen  unbekannt  sind.  Auch  sind 
diese  Angaben  (z.  B.  die  von  Eckhard)  nur  für  tote  Gewebe  giltig. 
Für  die  Verhältnisse,  wie  sie  uns  hier  beschäftigen,  gibt  Runge  den 
Widerstand  des  Rumpfes  zwischen  Elektroden  von  2 — 3  cm.  Durch- 
messer bei  unverletzter  Haut  zu  2000  —  5000  Siemens 'sehen  Ein- 
heiten an.      .     ■ 

Bei  dem  Interesse,  welches  eine  genauere  Kenntniss  der  Wider- 
stände immerhin  bietet,  will  ich  deshalb  einige  selbst  gewonnene 
Angaben  einfügen.  Die  Widerstandsbestimmungen  wurden  an  zwei 
Individuen  mittels  der  Wheatstone'schen  Brücke  (vgl.  §  41)  ge- 
macht. Zur  Vergleichung  diente  ein  Rheostat  aus  der  Fabrik  von 
Siemens  und  Halske,  der  nach  Siemens'schen  Einheiten  abge- 
teilt war. 

Mit  unpolarisirbaren  Elektroden  von  28  mm.  Durchmesser  erhielt 
ich  Widerstände  von  8000  bis  24000  S.E.  Der  grösste  Widerstand 
ergab  sich  bei  querer  Durchleitung  durch  die  Hand,  wenn  eine  Elek- 
trode auf  dem  Handrücken,  die  andre  gegenüber  an  der  Vola  manus 
anlag.  Die  Entfernung  der  Elektroden  von  einander  hatte  einen  sehr 
geringen  Einfluss,  ein  Beweis,  dass  der  Hauptwiderstand  in  der  Haut 
liegt  und  um  so  grösser  ausfällt,  je  dicker  die  Haut  ist,  selbst  wenn 
man  dieselbe  möglichst  gut  mit  erwärmter  Kochsalzlösung  durchtränkt. 
Der  Widerstand  der  Haut  ist  an  verschiedenen  Stellen  sehr  ungleich, 
je  nach  ihrer  Dicke,  an  der  Vola  manus  grösser  als  am  Handrücken 
und  an  diesem  etwas"  geringer  als  am  Vorderarm.  Die  Widerstände 
sind  bei  verschiedenen  Individuen  sehr  ungleich. 

Aus  den  angegebnen  Zahlen  geht  hervor,  dass  wir  es  immer  mit 
so  grossen  Widerständen  zu  tun  haben,  dass  die  Widerstände  der  Ele- 
mente dagegen  als  sehr  klein  gelten  können.  Es  würde  daher  gar 
keinen  Sinn  haben,  bei  der  Wahl  der  Elemente  solche  zu  bevorzugen, 
welche  geringen  innern  Widerstand  haben.  Vielmehr  werden  wir  solche 
Elemente  wählen  müssen,  die  möglichst  grosse  elektromotorische  Kraft 
haben,  da  wir  dann  mit  einer  geringen  Zahl  von  Elementen  aus- 
kommen können.  Diesem  Umstand  haben  die  Chromsäure -Elemente 
ihre  Beliebtheit  zu  verdanken.  Die  Elemente  können,  da  es  eben  auf 
ihren  Widerstand  nicht  ankommt,  sehr  klein  sein,  und  werden  dadurch 
portativ.  Stationäre  Batterien  für  konstanten  Strom  setzt  man  am 
zweckmässigsten  aus  Daniell-,  Siemens-  oder  Leclanche-Ele- 
menten  zusammen.     Vergl.   die  Bemerkungen   im  Anhang  zu  Kap.  5. 

Ebenso  folgt  hieraus,  dass  die  Rheostaten,  welche  zur  Abstufung 


§85,86.  Physikalische  Wirkungen.  191 

der  Stromstärke  dienen  sollen,  sehr  grosse  Widerstände  haben  müssen, 
weshalb  sich  eben  Flüssigkeitsrheostaten  am  besten  dazu  eignen. 

Als  Elektroden  wendet  man  dieselben  an,  welche  bei  Induktions- 
strömen dienen,  mit  Schwämmen  überzogene  Platten  von  verschiedener 
Grösse.  Je  grösser  die  Elektroden  sind,  desto  stärker  wird  der  Strom, 
desto  geringer  aber  auch  verhältnissmässig  die  Dichte  an  der  Elek- 
trode selbst.  Will  man  also  auf  tiefer  gelegene  Teile  wirken,  so  be- 
dient man  sich  zweier  recht  grosser  Elektroden.  Soll  aber  die  Wir- 
kung mehr  auf  eine  bestimmte  Stelle  lokalisirt  werden,  so  muss  die 
eine  Elektrode  kleiner  sein,  um  auf  jene  Stelle  aufgesetzt  zu  werden, 
wo  dann  die  Stromdichte  am  grössten  wird. 

Auf  die  Sinnesorgane  wendet  man  die  Ströme  ganz  in  derselben 
Weise  an.  Man  sucht  den  Elektroden  stets  eine  Lage  zu  geben,  bei 
welcher  die  Stromdichte  in  dem  betreffenden  Organe  ein  Maximum 
wird.  Aber  dies  ist  nicht  immer  leicht  zu  erreichen.  Um  auf  die 
Retina  z.  B.  oder  den  N.  opticus  zu  wirken,  könnte  man  die  eine 
Elektrode  etwa  auf  den  inneren  Augenwinkel,  die  andere  auf  die 
Schläfe  aufsetzen.  Dabei  fällt  aber  die  gerade  Verbindungslinie  beider 
Elektroden  nur  mit  einem  Teil  der  Retina  zusammen  und  vor  den 
Optikus.  Aehnlich  ist  es  bei  anderen  Sinnesnerven.  Um  auf  den 
Akustikus  zu  wirken,  füllt  man  den  äusseren  Gehörgang  mit  lau- 
warmem Wasser  und  taucht  dahinein  einen  Draht;  als  andere  Elek- 
trode setzt  man  auf  die  Schläfe  oder  in  den  Nacken  eine  grosse  mit 
Schwamm  überzogene  Platte.  Auf  dieselbe  Weise  würde  man  auch 
den  M.  tensor  tympani  und  den  M.  stapedius  erregen.  Die  Central- 
organe  des  Nervensystems  sind  durch  ihre  knöchernen  Hüllen  hindurch 
den  Strömen  ebenso  zugänglich  wie  andere  in  gleicher  Tiefe  gelegene 
Organe.     Wegen  des  Näheren  verweisen  wir  auf  den  zweiten  Teil. 

§  86.  Auch  für  die  Anwendung  der  rein  physikalischen  Wir- 
kungen der  Elektrizität  auf  die  Gewebe  muss  man  die  Regeln  über 
die  Stromverteilung  beachten.  Stets  wird  man  dafür  zu  sorgen  haben, 
dass  da,  wo  die  Wirkung  stattfinden  soll,  die  Stromdichte  am  grössten 
sei,  während  man  an  den  andern  Stellen  keine  Wirkung,  also  geringe 
Stromdichte  haben  will.  An  den  letztern  Stellen  hat  man  also  für 
möglichst  grossen  Querschnitt  zu  sorgen.  Da  dies  zugleich  den  Wider- 
stand möglichst  verkleinert,  so  kann  man  dadurch  mit  schwächeren 
Ketten  auskommen  und  dennoch  eine  genügende  Stromstärke  erlangen. 

Was  zunächst  die  elektrolytische  Wirkung  des  Stromes  betrifft, 
so  hat  man  von   derselben  Anwendung  zu   machen   versucht  zur  Zer- 


192  Galvanopunktur.  Kap.  XII. 

teilung  von  Geschwülsten  und  dergleichen.  Doch  sind  die  Erfahrungen 
über  diesen  Punkt  noch  sehr  mangelhaft.  Bei  der  Anwendung  des 
Stromes  für  diesen  Zweck  wird  man  sich  derselben  Ketten  bedienen, 
welche  auch  für  die  Anwendung  auf  Nerven  und  Muskeln  passen,  und 
als  Elektroden  einerseits  eine  grosse  mit  Schwamm  überzogene  Platte 
anwenden,  während  die  andre  Elektrode  aus  einer  oder  mehreren  in 
die  Geschwulst  einzustechenden  Nadeln  bestehen  müsste. 

Von  Bedeutung  und  schon  durch  günstige  Erfahrung  erprobt  ist 
von  den  Anwendungen  der  Elektrolyse  nur  die  zur  Heilung  der 
Aneurysmen.  Man  bezeichnet  dieses  Verfahren  gewöhnlich  mit  dem 
Namen  der  Galvanopunktur.  Es  handelt  sich  dabei  um  einen  Fall 
der  sogenannten  sekundären  elektrolytischen  Wirkung.  Wird 
nämlich  ein  Strom  durch  eine  Flüssigkeit  geleitet,  so  können  die  an 
der  einen  oder  anderen  Elektrode  durch  die  Elektrolyse  ausgeschiedenen 
Jonen  wieder  ihrerseits  chemische  Wirkungen  ausüben.  Man  nennt 
dann  eben  diese  Wirkungen  sekundär  elektrolytische.  Dergleichen 
Fälle  haben  wir  schon  bei  der  Besprechung  der  konstanten  Ketten 
kennen  gelernt,  wo  durch  den  ausgeschiedenen  Wasserstoff  das  Kupfer- 
oxyd zu  Kupfer  reduzirt  wird  (in  der  Daniell'schen  Kette)  oder 
Salpetersäure  zu  salpetriger  Säure  (in  der  Grove'schen;  Vgl.  §  26). 
Leitet  man  den  Strom  durch  Hühnereiweiss,  Blutserum  oder  Blut, 
so  werden  die  Salze  dieser  Flüssigkeiten  zersetzt,  am  positiven 
Pole  scheiden  sich  die  Säuren  aus  und  machen  dort  das  Eiweiss 
gerinnen.  Bringt  man  nun  einen  Strom  so  an,  dass  der  positive  Pol 
innerhalb  einer  Arterie  oder  eines  Aneurysmasackes  zu  liegen  kommt, 
so  geschieht  diese  Gerinnung  ebenfalls.  An  dem  ausgeschiedenen 
Eiweiss  setzt  sich  dann  noch  das  Fibrin  an,  und  man  erhält  so  einen 
festen  Verschluss  des  Aneurysmasackes.  Um  dies  ins  Werk  zu  setzen, 
verbindet  man  mit  dem  positiven  Pole  der  Kette  eine  feine  Nadel 
von  Platin  oder  Silber,  welche  bis  auf  eine  kurze  Strecke  an  der 
Spitze  gut  gefirnisst  ist.  Diese  Nadel  sticht  man  durch  die  Haut  und 
Gefässwand  hindurch  in  das  Lumen  der  zu  verschliessenden  Arterie, 
bezüglich  'des  Aneurysmasackes  ein,  so  dass  die  freie  Spitze  mitten 
in  dem  Blute  steht.  Mit  dem  negativen  Pole  verbindet  man  eine 
grosse  mit  Schwamm  überzogene  Platte,  welclie  man  möglichst  nahe 
dem  Aneurysma  auf  die  wohl  durchfeuchtete. Haut  aufsetzt.  Auf  diese 
Weise  erhält  man  einen  liräftigen  Strom,  ohne  dass  bei  dem  grossen 
Querschnitt  der  negativen  Elektrode  bedeutende  Schmerzerregung  statt- 
findet. Beide  Pole  mit  Nadeln  zu  verbinden  und  in  das  Aneurysma 
einzuführen,  ist  nicht  rätlich,  da  die  Wirkung  doch  nur  am  positiven 


§  86.  Galvanopunlvtur.  193 

Pole  stattfindet,  und  die  etwas  grössere  Entfernung  der  Elektroden 
durch  den  grossen  Querschnitt  der  negativen  mehr  als  kompensirt  wird. 
Für  sorgfältige  Isolirung  der  einzustechenden  Nadel  durch  einen  guten 
Firnissüberzug,  welcher  nur  die  Spitze  frei  lässt,  muss  man  Sorge 
tragen,  damit  nicht  ein  Teil  des  Stromes  seinen  Weg  durch  die  das 
Aneurysma  bedeckenden  Gewebe  nehme  und  seine  Wirkung  verfehle. 
Auch  ist  es  notwendig,  die  zuführende  Arterie  während  der  Operation 
zu  komprimiren,  damit  nicht  die  entstehenden  Gerinnsel  durch  den 
Blutstrom  fortgeschwemmt  werden  und  zu  Embolien  Veranlassung  geben. 

Die  Dauer  des  Stromdurchganges  ri  eiltet  sich  natürlich  nach  der 
Grösse  des  Aneurysmasackes  und  der  Stromstärke.  Es  lässt  sich 
darüber  keine  allgemeine  Angabe  machen,  sondern  man  wird  in  jedem 
einzelnen  Falle  zu  entscheiden  haben,  wann  der  vollständige  Verschluss 
erreicht  ist.  In  Bezug  auf  die  Stromstärke  ist  zu  bemerken,  dass 
man  sich  vor  zu  starken  Strömen  ebenso  zu  hüten  habe,  als  vor  zu 
schwachen.  Bei  den  letzteren  tritt  die  Wirkung  zu  langsam  ein,  bei 
zu  grosser  Stromstärke  aber  würde  an  der  positiven  Elektrode  eine 
stürmische  Sauerstoffentwickelung  auftreten,  und  dadurch  das  aus- 
geschiedene Gerinnsel  sehr  aufgelockert  werden  und  nicht  die  ge- 
nügende Festigkeit  erlangen.  Im  Allgemeinen  wird  man  mit  einer 
Kette  von  20  bis  25  Siemens'schen  oder  10  bis  15  kleinen  Chrom- 
säure-Elementen wohl  stets  ausreichen*). 

Die  Vorzüge  dieser  Methode  vor  den  sonstigen  Behandlungsarten 
der  Aneurysmen  liegen  auf  der  Hand.  Die  Wirkung  geschieht  schnell, 
sicher  und  ohne  die  geringste  Verletzung,  da  das  Einstechen  so  feiner 
Nadeln  ja  bekanntlich  ganz  unschädlich  ist.  Die  ungünstigen  Erfolge 
in  einzelnen  Fällen  sind  wohl  stets  durch  unzweckmässige  Anwendung 
verschuldet  gewesen  und  nicht  der  Methode  selbst  zuzuschreiben.  Ihre 
Anwendbarkeit  ist  aber  nur  auf  die  Fälle  beschränkt,  wo  das  Aneu- 
rysma für  die  einzuführende  Nadel  zugänglich  ist.  Bei  tiefer  gelegenen 
wird  zu  dem  Ende  eine  vorherige  Bloslegung  nicht  zu  umgehen  sein. 
Die  Galvanopunktur  mit  der  Unterbindung  zu  verbinden,  scheint  nicht 
ratsam,  da  die  letztere  die  Wirkung  der  ersteren  nicht  weiter  zu  för- 
dern vermag,  und  es  sich  ja  gerade  darum  handelt,  die  üblen  Folgen 
der  Unterbindung  zu  umgehen.     Eine  öftere  Widerholung  der  Galvano- 


*)  Die    Anwendung  inkonstanter  Ströme   oder  gar    solcher    von    wechselnder 

Richtung,   wie   sie   die  Induktionsapparate   liefern,  ist  selbstverständlich   für  die 
Galvanopunktur  ganz  zu  verwerfen. 

Roseiithal  u.  ßernhardt,  Elektrizitätslehre.    III.  Aufl.  1Q 


194  Auflösung  der  Blasensteine.  Kap.  XII. 

punktiir  wird,  wenn  die  erste  Anwendung  riclitig  voi-genomraen  worden, 
wohl  selten  nötig  werden. 

Auch  für  Teleangiektasieen  und  ähnliclio  Geschwülste  ist  die 
Galvanopunlvtur  anwendbar.  Doch  sind  liier  wiederholte  Sitzungen 
mit  Wechsel  des  Einstichpunktes  nicht  zu  entbehren. 

Ebenfalls  auf  sekundärer  Elektrolyse  beruhend,  aber  bis  jetzt 
noch  nicht  für  die  praktische  Anwendung  geeignet,  ist  die  Auflösuiig 
der  Blasensteine.  Bence  Jones  hat  sich  überzeugt,  dass  eine 
elektrolytische  Auflösung  solcher  Steine  möglich  ist.  Die  Anwendung 
zur  Auflösung  in  der  Blase  selbst  ist  aber  bis  jetzt  noch  nicht  ver- 
sucht worden.  Es  müsste  zu  diesem  Zwecke  ein  Instrument  konstruirt 
Averden  nach  Art  des  Perküteur  von  Heurteloup,  dessen  Arme 
jedoch  von  einander  isolirt  sind,  um  mit  den  Polen  der  Kette  ver- 
bunden zu  werden.  Auch  wäre  es  wohl  nötig,  die  Produkte  der  Elek- 
trolyse schnell  aus  der  Blase  zu  entfernen,  da  ihr  Verweilen  in  der- 
selben vielleicht  schädlich  sein  könnte.  Zu  diesem  Behufe  müsste  das 
zu  gebrauchende  Instrument  noch  gestatten,  während  der  Operation 
die  Blase  auszuspülen,  etwa  nach  Art  des  geteilten  Katheters  von 
Cloquet  (sende  ä  double  courant).  Ein  solches  Instrument  liessc 
sich  ohne  grosse  Schwierigkeit  ersinnen,  und  es  wäre  daher  wohl  der 
Mühe  wert,  weitere  Versuche  über  diesen  Gegenstand  anzustellen. 

Mit  der  elektrolytischen  Wirkung  verwandt  ist  die  fortführende 
Wirkung,  welche  der  Strom  entfaltet,  wenn  er  Elektrolyte  durch- 
strömt, die  in  kapillaren  Räumen  enthalten  sind.  Es  werden  dann 
die  Flüssigkeiten  im  Sinne  des  Stromes  vom  positiven  nach  dem  nega- 
tiven Pole  hin  in  Bewegung  versetzt.  Man  hat  hiervon  Anwendung 
zu  machen  versucht,  um  Medikamente  in  den  Organismus  einzuführen, 
damit  sie  auf  tiefer  gelegene  Organe  lokal  einwirken  könnten.  Andere 
AvoUten  wieder  im  Gegenteil  im  Körper  befindliche  Substanzen,  wie 
Quecksilber,  durch  den  Strom  aus  demselben  entfernen.  Die  hierüber 
gemachten  Angaben  enthalten  wohl  sehr  viel  Falsches  neben  einigem 
Wahren.  Es  ist  daher  geraten,  das  Urteil  darüber  noch  aufzuschieben. 
Praktische  Erfolge  sind  auf  diesem  Wege  noch  nicht  erzielt. 

§  87.  Wir  kommen  endlich  zu  einer  der  wichtigsten  Anwendungen 
des  Stromes,  welche  in  der  Chirurgie  von  epochemachender  Bedeutung 
geworden  ist,  zur  Galvanokaustik.  Es  ist  Middeldorpff's  Ver- 
dienst, diesen  Zweig  der  chirurgischen  Technik  zur  höchsten  Voll- 
kommenheit gebracht  zu  haben.  Abweichend  von  den  bisher  be- 
sprochenen Anwendungen  handelt  es  sich  hierbei  nicht   um   eine   un- 


§  87.  Galvanolcaustik.  195 

mittelbare  Wirkung  des  Stromes  auf  die  Gewebe,  sondern  um  die  Be- 
nutzung der  Wärme,  welche  der  Strom  in  metallischen  Leitern  ent- 
wickelt. 

Alle  Leiter,  metallische  wie  flüssige,  welche  von  einem  Strome 
durchflössen  werden,  erfahren  dabei  eine  Erwärmung.  Diese  ist  um 
so  bedeutender,  je  grösser  die  Intensität  des  Stromes  und  je  grösser 
der  spezifische  Widerstand  des  Leiters  ist,  und  zwar  ist  die  Erwärmung 
proportional  dem  Quadrat  der  Stromintensität  und  direkt  proportional 
dem  Widerstände  des  Leiters.  Daraus  folgt,  dass  ein  Leiter,  welcher 
in  den  Schliessungsbogen  eingeschaltet  ist,  um  so  stärker  erwärmt 
werden  muss,  je  schlechter  er,  und  je  besser  die  übrigen  Teile  des 
Schliessungsbogens  leiten.  Hat  man  daher  eine  Kette  von  starker 
elektromotorischer  Kraft  und  geringem  Widerstände,  z.B.  ein  Grove- 
schcs  oder  Bunsen'sches  Element  von  recht  grosser  Oberfläche,  und 
schlicsst  dasselbe  durch  einen  Draht  von  Platin,  welches  bekanntlich 
zu  den  schlecht  leitenden  Metallen  gehört,  so  kann  man  denselben  in 
das  heftigste  Glühen  versetzen,  ja  sogar  schmelzen.  Je  kürzer  und 
dünner  der  Draht  ist,  desto  leichter  gelingt  es,  ihn  zum  Glühen  zu 
bringen.  Denn  jeder  einzelne  Teil  des  Drahtes  schwächt  durch  seinen 
Widerstand  die  Stromstärke  in  allen  übrigen  Teilen,  vermindert  also 
ihre  Erwärmung;  je  dünner  aber  der  Draht  ist,  um  so  leichter  gerät 
er  auch  schon  durch  eine  geringere  Erwärmung  ins  Glühen. 

Die  Galvanokaustik  nun  besteht  in  der  Benutzung  solcher  durch 
den  Strom  glühend  gemachter  Leiter  zum  Aetzen  und  zum  Schneiden. 
Sie  ersetzt  also  Glüheisen  und  glühende  Messer.  Vor  diesen  hat  sie 
den  grossen  Vorzug,  dass  der  Leiter  kalt  an  die  Stelle  gebracht  wer- 
den kann,  wo  die  Wirkung  erfordert  wird,  dass  dann  ein  einfaches 
Schliessen  des  Stromes  ihn  zum  Glühen  bringt,  und  dass  er  nach  voll- 
brachter Wirkung  wieder  kalt  entfernt  werden  kann.  Sie  ermöglicht 
also  die  Anwendung  des  Kauteriums  in  Tiefen,  welche  sonst  gar  nicht 
zugänglich  wären  ohne  Verletzung  der  höher  gelegenen  Teile.  Dazu 
kommt  noch,  dass  die  Temperatur,  welche  man  dem  Galvanokauter 
zu  erteilen  vermag,  eine  sehr  viel  höhere  ist,  als  die  des  glühenden 
Eisens,  und  dass  diese  Temperatur  während  der  ganzen  Operations- 
dauer konstant  bleibt  (vorausgesetzt  natürlich,  dass  der  Strom  hin- 
länglich konstant  ist).  Endlich  kann  man  noch  mit  dem  durch  den 
Strom  glühend  gemachten  Draht  in  Tiefen,  welche  sonst  unzugänglich 
wären,  schneiden  und  zwar  ohne  Blutung.  Diese  Andeutungen  mögen 
genügen,  die  Wichtigkeit  der  Galvanokaustik  klar  zu  machen.  Wir 
können  hier  nicht  auf  die  Einzelnheiten  der  galvanokaustischen  Technik 

13* 


196 


Galvanokaustik. 


Kap.  XII. 


—-ß 


eingehen,  sondern  müssen  uns,  unserer  Aufgabe  gemäss,  auf  das  Phy- 
sikalische beschränken.  Wir  schliessen  der  leichteren  Anschaulichkeit 
wegen  die  nötigen  Betrachtungen  an  einen  konkreten  Fall  an. 

Gesetzt,  eine  Geschwulst  (Polyp  oder  dergleichen)  in  der  Tiefe 
einer  Höhle  sei  zu  entfernen.  Middeldorpff  hat  zu  diesem  Zweck 
seine  galvanokaustische  Schneideschlinge,  Fig.  70,  angegeben, 
einen  glühenden  Platindraht,  welcher  schlingen- 
förmig  um  die  Basis  der  Geschwulst  gelegt, 
dann  glühend  gemacht  wird  und  nun  durch 
langsames  Zurückziehen  der  Schlinge  die  Ge- 
schwulst absehneidet  und  zugleich  die  Wunde 
kauterisirt.  In  Fig.  70  ist  A  der  etwas  platt- 
geschlagene Platiudraht;  rm,  rm  sind  die  Zu- 
leitungsdrähte  von  Kupfer;  der  eine  von  ihnen 
ist  bei  da  durchschnitten  und  das  federnde  Ende 
€  kann  mittels  des  Knöpfchens  h  an  d  ange- 
drückt werden,  wodurch  der  Strom  geschlossen 
Avird.  Diese  Form  dient  zum  einfachen  Kaute- 
risiren.  Soll,  wie  oben  angegeben,  durch  Zu- 
schnüren der  Schlinge  geschnitten  werden,  dann 
führt  man  die  Platindrähte  durch  Messingröhren, 
welche  ihm  den  Strom  zuführen  und  bringt  am 
Handgriff  einen  Wirtel  an,  mittels  dessen  man 
die  Drahtenden  aufrollt  und  so  die  Schlinge 
zuschnürt. 

Ein  andrer,  von  Bruns  angegebner  Hand- 
griff, welcher  das  Ansetzen  verschiedener  Schlin- 
gen und  Käufer isationsdrähte  oder  Knöpfe  ge- 
stattet, ist  in  Fig.  71  (a.  f .  S  )  dargestellt. 
Wir  haben  zunächst  darauf  zu  achten,  wie  dick  der  Platindraht 
sei,  welchen  wir  wählen.  Je  dicker  der  Draht  ist,  desto  schwerer  ist 
er  glühend  zu  machen,  bei  zu  grosser  Dünne  aber  kann  der  Draht 
leicht  beim  Zuschnüren  reissen.  Ist  der  Draht  gewählt  und  um  die 
Geschwulst  geführt,  so  handelt  es  sich  darum,  ihm  den  Strom  auf 
zweckmässige  Weise  zuzuführen.  Dabei  muss  eine  solche  Anordnung 
getroffen  werden,  dass  die  Leitung  bis  zu  der  Schlinge  hin  einen  mög- 
lichst geringen  Widerstand  bietet.  Denn  dadurch  bleibt  diese  Leitung 
selbst  kalt,  während  die  Schlinge  möglichst  stark  erwärmt  wird. 
Middeldorpff  steckt  daher  die  Drahtenden  der  Schlinge  in  zwei 
parallele,   durch  Elfenbein  von  einander  isolirte  Röhren  von  Messing 


Fig.  70. 


§  87. 


Galvanolu'iustik. 


107 


(Kupfer  wäre  noch  besser),  welche  zugleich  als  Führung  für  das  Zu- 
schnüren dienen.  Diesen  Röhren  wird  der  Strom  durch  dicke,  mit 
Guttapercha  überzogene  Kupferdrähte  zugeleitet.  Zweckmässig  ist  es, 
an  dem  Heft  der  Schneideschlinge  eine  Vorrichtung  anzubringen, 
welche  den  Strom  durch  einfachen  Fingerdruck  zu  schliessen  und  zu 
öffnen  gestattet,  wie  oben  bei  Fig.  70  angegeben  ist. 

Nun  handelt  es  sich  um  die 
zweckmässige  AVahl  der  Kette.  Wir 
haben  schon  oben  gesehen,  dass  die 
Kette  eine  möglichst  grosse  elek- 
tromotorische Kraft  und  einen  mög- 
lichst geringen  Widerstand  haben 
muss.  Dies  ist  um  so  wichtigster, 
als  selbst  die  längsten  und  dünn- 
sten Drähte,  welche  etwa  zur  Be- 
nutzung kommen  könnten,  immer 
doch  im  Vergleich  zu  der  Kette 
noch  recht  gute  Leiter  sind.  Die 
Daniell'sche  Kette  ist  daher  selbst- 
verständlich ganz  ausgeschlossen. 
Möglichst  grosse  Grove'sche  oder 
Bunsen'sche  Elemente  sind  am 
zweckmässigsten,  besonders  die  Form 
der  Bunsen' sehen  Elemente,  wo 
die  Kohle  die  Gestalt  einer  dünnen 
ziemlich  grossen  Tafel  hat,  welche 
in  einer  schmalen  parallelipedischen 
Tonzelle  steht,  während  das  diese 
möglichst  enge  umschliessende  Zink 
in  einem  ebenfalls  parallelipedischen 
Porzellantroge  enthalten  ist.  Man 
erhält  so  Elemente  von  sehr  ge- 
ringem Widerstände,  welche  ver- 
hältnissmässig  wenig  Flüssigkeit  zu 
ihrer  Füllung  bedürfen.  Aber  die 
schwierige  Behandlung  dieser  Elemente  und  die  mit  Recht  gerade  im 
Operationsraume  gefürchteten  Ausdünstungen  der  Salpetersäure  machen 
es  vorteilhafter,  von  ihnen  abzusehen  und  lieber  zu  den  Chrorasäure- 
Elementen  zu  greifen.  Aber  auch  diese  müssen  so  gross  wie  mög- 
lich sein,   da  sie  geringen  Innern  Widerstand  haben  sollen.     Freilich 


Ficj.  71. 


198  Galvanokaustik.  Kap.  XII. 

sind  sie  nicht  vollkommen  konstant,  aber  da  ihre  Benutzung  gewöhn- 
lich nur  für  wenige  Minuten  nötig  ist,  so  schadet  dies  nichts.  Am 
vorteilhaftesten  ist  die  Form  dieser  Elemente,  welche  in  Fig.  26  S.  73 
abgebildet  ist.  Auch  die  Sekundärbatterien  (vgl.  §  25)  lassen  sich 
vielleicht  für  kurze  Operationen  mit  Vorteil  verwenden. 

Eine  bedeutende  Erleichterung  für  die  praktische  Anwendung  der 
Galvanokaustik  würde  die  Einführung  der  Siemens' sehen  dynamo- 
elektrischen Maschine  an  Stelle  der  Batterien  darbieten.  Wir  haben 
diese  Maschine  oben  im  8.  Kapitel  bei  den  Induktionsapparaten  auf- 
geführt. Wir  haben  aber  gesehen,  dass  man  die  Ströme  derselben  so 
einrichten  kann,  dass  sie  wie  konstante  Ketten  wirken.  Man  kaim 
mit  ihnen  Platindrähte  in  das  heftigste  Glühen  versetzen.  Es  kommt 
dabei  auch  gar  nicht  darauf  an,  ob  die  einzelnen  Ströme  gleich- 
gerichtet sind  oder  nicht,  da  die  Erwärmung  des  Drahts  von  der 
Stromrichtung  unabhängig  ist.  Die  Bequemlichkeit  dieser  Apparate, 
welche  keiner  durch  ihre  Dämpfe  lästigen  Batterie  bedürfen  und  stets 
zum  Gebrauch  bereit  sind,  leuchtet  ein,  da  es  bei  chirurgischer  Ope- 
ration wohl  selten  an  der  zum  Bewegen  der  Maschine  nötigen  Kraft 
fehlen  wird. 

Bei  Anwendung  von  Batterien  aber,  gleichgiltig  welche  der  oben 
erwähnten  man  benutzen  möge,  hat  man  in  jedem  einzelnen  Falle  zu 
entscheiden,  wie  viel  Elemente  und  in  welcher  Art  kombinirt  zu  ver- 
wenden seien,  damit  der  Platindraht  die  richtige  Temperatur  erhalte. 
Ist  der  Draht  lang  und  dünn,  sein  Widerstand  also  gross,  so  muss 
man  mehr  Elemente  hintereinander  anwenden,  bei  einem  kürzeren 
und  dickeren  Draht  kann  es  vorteilhaft  sein,  die  Elemente  neben- 
einander zu  kombiniren  (Vgl.  §  38  S.  72).  Zu  dem  Ende  muss 
man  wissen,  wie  das  Verhältniss  der  Widerstände  zwischen  dem  an- 
zuwendenden Drahte  und  den  Elementen  ist.  Die  zu  wählende  Kom- 
bination würde  sich  dann  leicht  berechnen  lassen.  In  der  Praxis  wird 
es  aber  wol  stets  einfacher  sein,  die  in  jedem  Falle  zweckmässigste 
Kombination  durch  Probiren  zu  finden.  Hierbei  ist  aber  Folgendes 
zu  beachten:  Legt  man  die  Schlinge  um  die  Geschwulst  und  schliesst 
den  Strom  so  wird  ein  sehr  beträchtlicher  Teil  der  im  Draht  er- 
zeugten Wärme  durch  die  Gewebe  abgeleitet  und  besonders  durch  die 
Verdunstung  vern.ichtet.  Hat  man  also  vor  dem  Umlegen  der  Schlinge 
die  Kombination  gesucht,  welche  den  Draht  in  der  Luft  gut  weiss- 
glühend  macht,  so  wird  er  nachher  leicht  zu  kalt  sein.  Man  muss 
dann  den  Strom  noch  etwas  verstärken.  Dann  aber  muss  man  sich 
hüten,  den  Strom  zu  schliessen,   während  der  Draht  in  der  Luft  ist. 


§  87.  Galvanol<austiIv.  199 

er  könnte  sonst  leicht  schmelzen.  Man  niuss  daher  so  verfahren,  dass 
man  das  Probiren  möglichst  unter  denselben  Umständen  vornimmt, 
unter  denen  die  Operation  geschehen  soll.  Man  nehme  also  einen 
feuchten  Körper  von  dem  Umfange  der  Geschwulst,  etwa  ein  Stück 
Rindfleisch,  lege  die  Schlinge  um,  und  probire  die  Kombination  aus, 
bei  Avelcher  man  das  Fleisch  gut  schneiden  kann,  öffne  den  Strom, 
lege  die  Schlinge  um  die  Geschwulst  und  operire.  Auch  ist  es  gut, 
eine  Einrichtung  zu  haben,  welche  gestattet,  während  der  Operation 
selbst  die  Stromstärke  schnell  und  einfach  zu  ändern.  Dies  wird  z.  B. 
nötig,  wenn  die  Geschwulst  einen  sehr  grossen  Umfang  hat.  Schnürt 
man  die  Schlinge  allmählich  zu,  so  wird  sie  kürzer,  damit  aber  auch 
heisser.  Ist  aber  die  Schlinge  zu  heiss,  so  kann  es  kommen,  dass 
sie  nicht  mehr  styptisch  wirkt.  Es  ereignet  sich  dann  dasselbe,  wie 
in  dem  bekannten  Leydenfrost'schen  Versuche.  Die  Schlinge  um- 
gibt sich  mit  einer  Hülle  von  AVasserdampf,  welcher  ihre  Wirkung 
auf  die  Umgebung  hindert,  so  dass  das  Blut  nicht  gerinnt. 

Um  nun  alle  Kombinationen,  welche  die  vorhandenen  Elemente 
gestatten,  schnell  herstellen  und  die  zweckmässigste  wählen  zu  können, 
ist  es  zweckmässig,  eine  Vorrichtung  zu  haben,  in  welcher  die  Pole 
der  einzelnen  Elemente  mit  Metallklötzen  verbunden  sind,  die  auf 
einem  Brette  befestigt  und  mit  passenden  Einschnitten  versehen  durch 
einfaches  Einstecken  und  Ausziehen  von  Stöpseln  in  der  verschiedensten 
Weise  mit  einander  verbunden  werden  können.  (Gerade  wie  dies  bei 
dem  in  Figur  30  abgebildeten  Rheochord  geschieht.)  Middeldorpff 
hat  schon  einen  derartigen  Apparat  angegeben.  Um  dann  auch  ge- 
ringere Aenderungen  der  Stromstärke  herstellen  zu  können,  schaltet 
man  noch  in  den  Strom  einen  veränderlichen  Widerstand  ein,  einen 
Rheostaten  irgend  einer  Art.  Da  es  sich  dabei  aber  nur  um  geringe 
Widerstände  handelt  und  eine  genaue  Kenntniss  derselben  nicht  nötig 
ist,  so  bedarf  es  dazu  nicht  der  grossen  Stöpselrheostaten.  Man  kann 
sich  vielnaehr  einen  solchen  für  den  vorliegenden  Fall  zweckmässigen 
Rheostaten  herstellen  durch  eine  mit  Quecksilber  gefüllte  Röhre,  in 
welcher  man  einen  starken  mit  Guttapercha  überzogenen  und  nur  an 
der  Spitze  freien  dicken  Kupferdraht  hin  und  herschieben  kann.  Je 
tiefer  der  Draht  in  die  Röhre  hineingeschoben  wird,  desto  stärker 
wird  der  Strom.  Denselben  Dienst  würde  ein  kurzes  Rheochord  von 
zwei  nicht  allzudünnen  Neusilberdrähten  nach  dem  Muster  des  in 
Figur  20  abgebildeten  leisten. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Galvanokaustik  die  Wärme  des 
durch  Elektrizität  glühend  gemachten  Platindrahts  benutzt  wird,  kj^nn 


200  Endoskopie.  Kap.  XII. 

man  denselben  auch  als  Leuchtkraft  benutzen.  Leiter  in  Wien  hat 
zu  diesem  Zweck  Apparate  konstruirt,  welche  den  glühend  gemachten 
Draht  zu  verschiedenen  endoskopischen  Zwecken  zu  benutzen  ge- 
statten. Man  muss  jedoch,  um  die  schädliche  Wirkung  der  gleich- 
zeitigen Erwärmung  auszuschliessen,  den  erwärmten  Draht  fortwährend 
mit  Wasser  umspülen,  was  die  Apparate  sehr  komplizirt.  Viel  vor- 
teilhafter würde  es  übrigens  sein,  den  Platindraht  durch  einen  Kohlen- 
bügel in  einem  luftleeren  Räume  zu  ersetzen,  wie  es  jetzt  bei  der 
elektrischen  Beleuchtung  geschieht. 

Eine  Beschreibung  der  Apparate  übergehen  wir,  da  sie  vom 
elektrischen  Standpunkt  nichts  Neues  bieten.  Die  Batterie,  Leitung 
u.  s.  w.  müssen  ganz  ebenso  beschaffen  sein,  wie  bei  der  Galvano- 
kaustik: grosse  Elemente  mit  möglichst  grosser  elektromotorischer 
Kraft  und  möglichst  geringem  innern  Widerstand,  also  am  besten 
Chromsäure-Elemente  und  kurze,  dicke  Leitungen,  soweit  dies  bei  der 
notwendigen  Beweglichkeit  der  Apparate  angeht. 


Zweiter  Teil. 


Kapitel  XIII. 

Von  den  für  die  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie 
notwendigen  Apparaten  und  Hilfsmitteln; 


§  88.  üeberblickt  man  die  geschichtlichen  Data,  welche  uns 
in  Bezug  auf  die  Anwendung  der  Elektrizität  als  Heilmittel 
überliefert  sind,  so  lassen  sich  unschwer  bestimmte  Zeitabschnitte  und 
Perioden  erkennen,  die  sich  prägnant  von  dem  etwas  dunklen  und 
verschwommenen  Hintergrund  abheben,  auf  dem  im  Laufe  der  Zeiten 
die  Entwicklung  therapeutischer  Maassnahmen  und  Grundsätze  über- 
haupt vor  sich  gegangen  ist.  Denn  wie  M.  Meyer'  richtig  sagt: 
Die  Geschichte  der  Elektrotherapie  ist  die  Geschichte  der  Elektrizität; 
mit  jedem  Fortschritt,  der  unsere  physikalischen  Kenntnisse  von  dieser 
Naturkratt  vermehrte,  wurden  auch  den  Aerzten  die  Wege  gebahnt, 
welche  sie  in  Bezug  auf  die  Verwertung  derselben  für  die  Zwecke  der 
Therapie  zu  beschreiten  hatten.  Mit  üebergehung  der  ältesten,  teil- 
weise wenigstens  etwas  mythenhaften  Berichte  von  der  Benutzung 
elektrischer  Fische  (Rochen)  zur  Heilang  meist  lähmungsartiger  Zu- 
stände, wären  die  verschiedenen  Versuche  namentlich  deutscher  und 
französischer  Aerzte  zu  erwähnen,  die  Wirkungen  der  um  die  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  bekannter  gewordenen  Elektrisirmaschine  für 
die  Behandlung  mannigfacher  nervöser  Leiden  zu  verwerten.  (Kratzen- 
stein-, de  Haen  in  Deutschland,  Jallabert^  in  der  Schweiz, 
Mauduyt^  ganz  besonders  in  Frankreich  durch  seine  in  den  siebziger 
Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  wiederholt  an  die  socictc  royale  de 
Medec.  zu  Paris  abgestatteten  Berichte.) 

Die  Ausgangs  des  vergangenen  Jahrhunderts  gemachten  Ent- 
deckungen eines  Galvani  und  Volta  von  der  Kontaktelektrizität 
drängten  die  zumeist  auch  ohne  Methode  angestellten  Versuche  mit 
der  therapeutischen  Anwendung  der  „statischen'*  Elektrizität  zunächst 
wieder  in  den  Hintergrund,    Namenilich  in  Deutschland  beschäftigten 


'204  Gescliicliiliclio  Einleitung.  J\;i|i.  Xlll 

sich  Gelehrte  und  Aerzte  mit  der  Verwertung  der  neuen  Entdeckungen 
für  die  Heilkunde:  Hufeland,  Pfaff,  Grapengiesser  suchten  die 
Kräfte  der  von  Volta  zusammengestellten  Säule  für  die  Behandlung 
der  verschiedensten  Leiden  des  Nervensystems  und  der  Sinnesorgane 
nutzbar  zu  machen.  —  Es  würde  offenbar  zu  weit  fähren,  näher  auf 
die  Versuche  dieser  Männer  an  dieser  Stelle  einzugehen.  Doch  können 
wir  es  uns  nicht  versagen,  namentlich  der  Verdienste  Grapengiesser's 
zu  gedenken,  in  dessen  1801  zu  Berlin  erschienenen  Buche  (Versuche, 
den  Galvanismus  zur  Heilung  einiger  Krankheiten  anzuwenden)  eine 
Fülle  richtiger  Beobachtnngen  niedergelegt  sind,  welche  erst  die 
jüngste  Zeit  gleichsam  wieder  neu  entdecken  musste*). 

Aber  auch  die  epochemachenden  Entdeckungen  der  beiden  italieni- 
schen Forscher  vermochten  nicht,  die  Anwendung  der  Elektrizität 
dem  Gros  der  Aerzte  zugänglich  und  ihre  Benutzung  in  dem  Grade 
wünschenswert  zu  machen,  wie  dies  heute  der  Fall  ist:  erst  mit  der 
fundamentalen  Entdeckung  der  Induktionselektrizität  durch  Faraday 
Anfangs  der  dreissiger  Jahre  dieses  Jahrhunderts  und  der  nun  folgen- 
den Konstruktion  wirksamer  und  handlicher  Apparate  begann  eine 
neue  Aera  für  unsere  Wissenschaft,  als  deren  erster  und  grundlegen- 
der Vertreter  Duchenne -"^  (de  Boulogne)  anzusehen  ist.  Er  war  es, 
der  uns  mit  der  Methode  der  lokalisirten  Elektrisation  (electrisation 
localisee)  Ausgangs  der  vierziger  Jahre  beschenkte  and  als  der  erste 
mit  Hilfe  dieser  Methode  nicht  nur  den  speziellen  Zweig  unserer 
Wissenschaft,  die  Elektrotherapie,  bereicherte,  sondern  mit  bewunderns- 
wertem Scharfblick  und  ungeheurem  Fleiss  unter  Benutzung  des  reichen 
Materials  der  Pariser  Krankenhäuser  die  Elektrizität  im  Dienste  der 
Diagnostik  der  Nervenkrankheiten  als  ein  unschätzbares  Mittel  kennen 
lehrte.  Mit  vollem  Rechte  kann  man  ihn  für  verschiedene  Zweige 
der  Nervenpathologie  als  einen  „Pfadfinder^'  bezeichnen,  welcher  uns 
Einblicke  in  viele  bis  dahin  durchaus  unerklärt  gebliebene  Erkran- 
kungen des  Centralnervensystems  verschafft  hat.  Die  zahlreichen, 
mit  Hilfe  seiner  Methode  von  ihm  selbst  und  seinen  Nachfolgern 
(Erdmann^,    Baierlacher^,     Schulz,     M.    Meyer,     Althaus^, 


I 


*)  Wir  erwähnen  hier  nur  der  ve'rschie denen  Wirkung  der  beiden  Pole  auf 
die  Sinnesorgane,  das  Geher  und  das  Auge,  der  Beobachtung,  dass  die  Galvanisation 
durch  den  Schädel  müde  macht,  dass  der  galvanische  Strom  durch  den  feuchten 
Schädel  vermittelst  der  ihn  durchbohrenden  Blutgefässe  dringen  und  seinen 
Weg  durch  das  Gehirn  und  Rückenmark  als  seinen  besten  Leiter  nehmen 
kann,  dass  man  durch  ganz  bestimmte  Polwirkung  Ohrensausen  zu  be- 
seitigen vermöge  etc.  etc. 


§  88.  Geschichtliche  Einleitung.  205 

Ziemssen^,  Benedict '°,  M.  Rosenthal  *i)  gemachten  Entdeckun- 
gen auf  dem  Gebiete  der  Elektrophysiologie  der  Muskeln,  die  Port- 
schritte, die  durch  die  Benutzung  seiner  Apparate  und  Methoden 
in  der  Nervenpathologie  gemacht  wurden,  drängten  eine  Zeit  lang  die 
Frage  von  dem  Wert  und  der  Bedeutung  des  galvanischen  (sogenannten 
konstanten)  Stroms  ganz  in  den  Hintergrund.  Erst  als  mit  dem 
Anfang  der  fünfziger  Jahre  durch  die  berühmten  Arbeiten  der  Physio- 
logen (Du  Bois-Reymond,  Pflüger,  Eckhard,  J.  Rosenthal 
und  Anderer  mehr)  die  Lehre  von  der  tierischen  Elektrizität  begründet 
und  die  Gesetze  der  galvanischen  Muskel-  und  Nervenerregung  fest- 
gestellt wurden,  erweiterte  R.  Remak'-  durch  die  Wiedereinführung 
des  galvanischen  Stroms  als  eine  ärztliche  Untersuohungs-  und  Be- 
handlungsmethode unsere  Kenntnisse  von  der  Wirksamkeit  der  Elek- 
trizität in  vorher  nicht  geahnter  Weise;  auf  dem  von  ihm  gelegten 
Fundamente  suchten  innerhalb  der  letzten  25  Jahre  die  verschieden- 
sten Forscher  und  nicht  zum  wenigsten  solche  deutschen  Namens,  das 
Gebäude  der  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie  auf-  und  aus- 
zubauen. 

Manche  von  den  Hoffnungen  Remak's,  die  der  für  seinen  Gegen- 
stand begeisterte  Forscher  selber  gehabt  und  bei  anderen  angeregt 
hatte,  sind  vor  einer  unparteiischen  Kritik  zu  nichte  geworden; 
aber  vieles  ist  seitdem  durch  eminente  Arbeiter  auf  diesem  Gebiet 
(Brenner'^,  Erb'^,  Neumann,  Hitzig,  Eulenburg,  Filehne, 
Seeligmüller,  Bärwinkel,  Rossbach'^,  Berger,  E.  Remak 
[Sohn]  ^*^,  Fieber!^,  Pierson'^  und  Andere)  neu  hinzugekommen  und 
fest  begründet  worden.  Neben  einer  Reihe  von  Lehr-  und  Hand- 
büchern liegen  aus  den  letzten  15  Jahren  eine  grosse  Fülle  kleinerer 
und  grösserer  Aufsätze  vor,  welche  sich,  teils  rein  physikalischer^^, 
teils  nur  elektrodiagnostischer  oder  elektrotherapeutischer  Natur,  mit 
unserem  Gegenstande  beschäftigen;  fast  alle  Kulturländer -^  haben 
tüchtige  Arbeiter  auf  diesem  Gebiete  gestellt;  Alle  werden,  weit  ent- 
fernt davon,  zu  glauben,  einen  Abschluss  erreicht  zu  haben,  von  dem 
Gedanken  und  der  Hoffnung  beseelt,  das  mühevolle  Werk  zu  fördern 
und  in  rastloser  Arbeit  die  noch  immer  in  grosser  Zahl  vorhandenen 
Schwierigkeiten  zu  überwinden.  Wir  werden  weiterhin  Gelegenheit 
haben,  noch  vieler  deutscher  und  fremdländischer  Forscher  zu  ge- 
denken, die  durch  ihre  wertvollen  Beiträge  unsere  Kenntnisse  ver- 
mehren halfen;  in  dem  am  Ende  gegebenen  Literaturverzeichniss  wird 
man  hoffentlich  keine  wichtigere  Arbeit  vergebens  suchen. 


206  Ausübung  der  Elektrotherapie.  Kap.  XIII. 

§  89.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass,  wer  sich  mit  der  praktischen 
Ausübung  der  Elektrotherapie  beschäftigen  will,  vor  Allem  die  Kennt- 
niss  von  der  Elektrizität  als  eines  Zweiges  der  Physik  erwerben  muss; 
dazu  kommt  für  den  Mediziner  die  Notwendigkeit,  die  speziell  für 
ärztliche  Zwecke  konstruirten  Apparate  mit  allen  ihren  Nebenutensilien 
kennen  zu  lernen.  Ausgerüstet  mit  dem  hierzu  Wissenswerten  wird 
er  sich  mit  den  Methoden  vertraut  machen  müssen,  die  verschiedenen 
Affektionen  des  peripheren  und  zentralen  Nervensystems  mittelst  der 
Elektrizität  zu  untersuchen  und  die  verschiedenen  Wirkungen  kennen 
zu  lernen,  welche  durch  die  Applikation  der  Elektrizität  auf  die  ein- 
zelnen Gewebe  und  Organe  ausgeübt  werden;  erst  dann  wird  es  er- 
möglicht, in  klarer  Weise  Anleitungen  zur  Behandlung  der  ver- 
schiedenen Erkrankungen  zu  geben.  —  Der  Elektro therapcut,  d.  h. 
derjenige  Arzt,  welcher  bestrebt  ist,  durch  die  Anwendung  der  Elek- 
trizität Krankheiten  zu  behandeln  und  zu  heilen,  nimmt  in  sofern  in 
diesem  Zweige  seiner  Tätigkeit  eine  ganz  besondere  Stellung  ein,  als 
er  mit  denselben  x\pparaten  sowohl  untersuchen,  als  auch  behandeln 
soll.  —  Es  mag  dieser  Ausspruch  nicht  so  missverstanden  werden, 
dass  man  glaubt,  es  sei  für  den  Arzt,  der  Nervenkrankheiten  be- 
handeln will,  die  alleinige  Kenntniss  elektrotherapeutischer  Prozeduren 
ausreichend;  im  Gegenteil:  der  wissenschaftlich  gebildete  Arzt,  speziell 
der  Nervenpathologe  muss  sowohl  in  allen  Zweigen  der  heute  gang- 
baren Untersuchungsmethoden  eingeweiht,  als  auch  mit  ausreichenden 
anatomischen  sowie  physiologischen  Kenntnissen  ausgestattet  sein;  steht 
aber  einmal  der  Plan  für  ihn  fest,  irgend  eine  Affektion  mittelst 
Elektrizität  zu  behandeln,  so  ist  für  ihn  der  elektrodiagnostische  und 
der  elektrotherapeutische  Apparat  im  Grossen   und  Ganzen   derselbe. 

Es  dürfte  wohl  kaum  einem  Widerspruch  begegnen,  wenn  man 
sagt,  dass  in  unseren  Tagen  die  Anwendung  der  Induktionsströrae 
(der  Faradisation)  und  der  Gebrauch  der  konstanten  Ströme  (der 
Galvanisation)  den  Hauptinhalt  dessen  ausmachen,  was  gekannt  und 
geübt  werden  muss.  Ueber  die  Anwendung  der  statischen  Elektrizität 
soll  in  einem  Anhange  das  Nötige  beigebracht  werden. 

Was  nun  zunächst  die  Lehre  von  der  Induktionselektrizität  be- 
trifft, so  findet  man  im  Kapitel  VIII.  (§§  47 — 56)  die  nötige  Auf- 
klärung. Ueber  diejenigen  Induktionsströme,  welche  durch  Stahl- 
magnete erzeugt  werden  und  früher  für  elektrotherapeutische  Zwecke 
vielfach  verwandt  wurden,  siehe  §  56.  Die  hierher  gehörigen  Apparate 
sind  neuerdings  wegen  ihrer  meist  einen  Gehilfen  erfordernden  und 
dadurch   erschwerten  Handhabung   ausser  Gebrauch    gekommen,    zum 


§  89.  Schlitteninduldorium.  207 

Teil  auch  deswegen,  weil  sie  die  Möglichkeit  einer  zu  elektrodiagnosti- 
schen  Zwecken  nötigen  Abstufung  der  Stromstärke  nur  in  unvoll- 
koramner  Weise  gewähren.  Der  vollkommenste  der  nach  dem  Neef- 
schen  Muster  gebauten  Apparate  zur  Erzeugung  von  Induktionsströmen 
ist  das  von  du  Bois-Reymond  konstruirte  Schlitteninduktorium, 
dessen  genaue  Beschreibung  in  §  54  gegeben  ist.  Die  von  Helm- 
holtz  eingeführte  Einrichtung  zur  Vermeidung  der  grossen  Ungleich- 
heit in  der  Wirkung  der  Schliessungs-  und  Oeffnungsinduktionsströme 
(der  sekundären  Spirale)  hat  für  die  elektrotherapeutische  Praxis  eine 
geringere  Bedeutung  wie  für  den  Physiologen,  kann  daher  an  den  für 
die  Praxis  bestimmten  Apparaten  ohne  Schaden  fehlen.    (Vgl.  §  55.) 

§  90.  Das  Schlitteninduktorium  gestattet  die  Benutzung  der  von 
beiden  Spiralen  gelieferten  Ströme.  Was  die  Möglichkeit  der  Ab- 
stufung dieser  Ströme  in  Bezug  auf  ihre  Stärke  angeht,  so  ist  der 
Strom  der  sekundären  Spirale  am  stärksten,  wenn  dieselbe  ganz 
und  gar  über  die  primäre  hinübergeschoben  ist,  wenn  beide  „Rollen^* 
sich  decken  und  ihr  Abstand  gleich  Null  ist.  Es  empfiehlt  sich,  ent- 
weder an  den  Seiten  oder  in  der  Mitte  der  Schlittenbahn,  auf  welcher 
die  sekundäre  Spirale  gleitet,  eine  Skala  in  Centimeter  und  Millimeter 
eingeteilt  und  am  Schlitten  selbst  einen  Zeiger  anzubringen,  um  so 
den  Rollenabstand  mit  Leichtigkeit  ablesen  zu  können.  Den  Null- 
punkt setzt  man  dorthin,  wo  der  Zeiger  steht,  wenn  die  Spiralen  oder 
Rollen  ganz  übereinander  geschoben  sind,  was,  je  nachdem  die  Skala 
an  dem  Seitenbrettchen  oder  in  der  Mitte  des  Schlittens  angebracht 
ist,  am  vordersten  oder  hintersten  Ende  der  sekundären  Spirale  statt- 
finden wird.  Einige  setzen  auch  den  Nullpunkt  dahin,  wo  eben  die 
sekundäre  Spirale  mit  ihren  vordersten  Windungen  die^  hintersten  der 
primären  Spirale  deckt;  man  hat  dann  beim  Entfernen  der  sekun- 
dären Spirale  von  der  primären  einen  positiven,  beim  weiteren  Hinüber- 
führen aber  über  die  primäre  einen  sogenannten  negativen  „Rollen- 
abstand" zu  verzeichnen,  was  eine  unnütze  Komplikation  abgibt.  — 
Ist  der  Eisenkern  (aus  einem  Bündel  dünner  Drähte  bestehend,  vgl 
§  52)  ganz  in  die  Höhlung  der  primären  Spirale  hineingeschoben, 
und  deckt  die  sekundäre  Rolle  die  primäre  vollständig,  so  hat  der 
Strom  der  sekundären  Spirale  seine  grösstmögliche  Stärke  erreiclit. 
Mit  der  Vergrösserung  des  Rollenabstands  und  der  allmählichen  Heraus- 
nahme des  Eisenkerns  (der  seinerseits  wieder  eine  Millimeterskala 
aufgeklebt  tragen  kann)  wird  die  Stärke  des  Stromes  der  sekun- 
dären Spirale  vermindert.     An   manchen  Apparaten    findet  man    nacli 


208  Faradischer  Strom.  Kap.  XIII. 

Duchenne's  Vorgang  zur  Abschwächung  des  Stroms  der  sekundären 
Spirale  noch  die  Einrichtung  (vgl.  §  52),  dass  zwischen  die  beiden 
Spiralen  eine  metallne  Röhre  eingeschoben  wird,  durch  deren  allmäh- 
liches Herausziehen  die  abschwächende  Wirkung  immer  geringer  wird. 
Genaue  Bestimmungen  über  die  Wirksamkeit  eines  Induktorium  zu 
machen,  gehört  zu  den  schwierigsten  Aufgaben  des  Elektrophysikers 
(vgl.  hierüber  §  54),  da  die  Stromstärken  nicht  etwa  einfach  den 
Rollenabstän^en  entsprechen,  auch  nicht  einfach  im  umgekehrten  Ver- 
hältniss  zu  ihnen  ab-  oder  zunehmen. 

Der  primäre  Strom  (es  ist  dies  der  §  50  genauer  besprochene 
Extrastrom  oder  Extrakurrent)  kann,  wie  der  sekundäre,  durch  Hinein- 
schieben oder  Herausziehen  des  Eisenkerns  verstärkt,  resp.  abgeschwächt 
werden.  Schliesst  man  die  sekundäre  Spirale  durch  einen  kurzen 
kupfernen  Bügel,  so  wird  dadurch  die  Stärke  des  primären  Stroms 
wesentlich  beeinflusst,  gleichwie  durch  eine  zwischen  beide  Spiralen 
eingeschobene  kupferne  Röhre  (vgl.  oben  S.  102):  beide  Möglichkeiten 
der  Abstufung  sind  in  den  von  Stöhrer  gelieferten  grossen  trans- 
portablen Induktionsapparaten  gegeben. 

Hiermit  sind  aber  die  Möglichkeiten,  die  Stärke  der  Induktions- 
ströme abzustufen,  noch  nicht  erschöpft.  Man  kann,  wie  dies  z.  B. 
Duchenne  und  Mor.  Meyer  getan  haben,  den  Strom  vor  seinem 
Eintritt  in  den  Körper  durch  ein  mit  Wasser  gefülltes  Glasrohr  (Mo- 
derator) gehen  lassen;  je  nachdem  der  Strom  eine  grössere  oder  ge- 
ringere Strecke  durch  das  Wasser  hindurch  zurückzulegen  hat,  erleidet 
seine  Stärke  eine  bedeutende  oder  nur  massige  Abschwächung.  Um 
die  Applikation  induzirter  Ströme  so  milde  wie  möglich  zu  machen, 
hat  Brenner-^  zugleich  in  der  Absicht,  eine  noch  feinere  Abstufung 
der  Stromstärke  zu  bewirken,  als  es  durch  ein  blosses  Annähern  oder 
Abziehen  der  sekundären  Spirale  von  der  primären  möglich  ist,  einen 
metallischen  Rheostat  (vgl.  §  44)  in  Nebenschliessung  eingeschaltet. 
Die  gegen  diese  Abstufungsmethode  von  E.  Remak^'^  erhobenen  Ein- 
wände gelten  nicht  ^^,  wenn  es  sich  um  den  Gebrauch  des  primären 
Stromes  handelt;  ja  es  gelingt  sogar,  den  Strom  der  primären 
Spirale  durch  Einschaltung  des  Rheostaten  in  den  Hauptstrom 
in  seiner  Stärke  abzustufen ;  bei  Einschaltung  von  3000  S.  E. 
empfindet  man  auch  bei  vollkommner  Entfernung  der  sekundären 
Spirale  und  ganz  in  die  primäre  Rolle  hineingeschobenem  Eisenkern 
wenig:  sehr  langsam  und  allmählich  steigt  der  Strom  an,  wenn 
man  die  Widerstände  allmählich  geringer  werden  lässt.  Es  begreifen 
sich  diese  Dinge  leicht,  wenn  man  bedenkt,  dass  bei  einem  gewöhn- 


§  90.  Faradischer  Strom.  209 

liehen  (z.  B.  von  der  Firma  R.  Krüger  in  Berlin  gelieferten)  Schlitten- 
apparate nach  du  Bois-Reymond  die  primäre  Spirale  etwa  280  Win- 
dungen eines  dicken,  25  Meter  langen  Drahts  von  kaum  ^/,o  S.E. 
Widerstand  hat,  Avährend  die  sekundäre  Spirale  bei  etwa  4733  Win- 
dungen eines  sehr  viel  dünneren  und  etwa  900  Meter  langen  Drahts 
einen  Widerstand  von  etwa  219  S.E.  repräsentirt. 

Wendet  man  nun  den  Extrakurrent  zur  Erregung  von  Muskel- 
kontraktionen an,  wobei  man  ja  den  Widerstand  der  Haut  durch  alle 
möglichen  Mittel  abzuschwächen  sucht  (vgl.  §  82),  so  kann  man  bei 
dem  so  geringen  Widerstand  der  Windungen  der  primären  Spirale  durch 
die  Einschaltung  von  Rheostateinheiten  eine  Stromstärkenabstufung  in 
sehr  milder  Weise  erzielen.  Anders  bei  den  Strömen  der  sekundären 
Spirale;  deren  Stärke  hängt  ab  von  der  Stärke  des  primären  Stroms, 
von  der  Anzahl  ihrer  eignen  Windungen  und  endlich  von  ihrer 
grösseren  oder  geringeren  Entfernung  von  der  primären  Spirale. 
Namentlich  letzteres,  durch  einfache  Rechnung  nur  schwer  zu  be- 
stimmende Moment  und  dazu  der  eigne  ziemlich  bedeutende  Leitungs- 
widerstand in  den  dünnen  Drähten  der  sekundären  Spirale  machen  die 
Benutzung  der  Rheostateinschaltung,  gleichviel  ob  in  Haupt-  oder 
Nebenschluss,  fast  ganz  unwirksam. 

Um  die  Schwingungen  des  Hammers  schneller  oder  langsamer 
zu  machen,  bedient  man  sich  des  §  55  angegebenen  Kunstgriffs. 
M.  Meyer  erreicht  denselben  Zweck,  indem  er  eine  Einrichtung  ge- 
schaffen, welche  es  verstattet,  den  an  seinem  einen  Ende  durch  eine 
Messingkugel  beschwerten  Hammer  bis  fast  um  das  Doppelte  zu  ver- 
längern. 

Da  für  die  clektrotherapeutischen  Maassnahmen  die  Oeffnungs- 
ströme  der  sekundären  Spirale  wegen  ihres  schnelleren  Verlaufs  und 
ihrer  bedeutenderen  physiologischen  Wirkungen  hauptsächlich  in  Betracht 
kommen,  so  gilt  es,  für  diese  Ströme  die  Pole  und  speziell  wieder 
den  physiologisch  wirksameren  negativen  Pol  sicher  zu  bestimmen. 
Man  bedient  sich  dazu  einmal  des  in  §  83  angegebenen  Verfahrens 
oder  der  sogleich  zu  beschreibenden  praktischen,  schnell  ausführbaren 
Methode.  Im  Gegensatz  zu  der  wechselnden  Richtung  der  Ströme  der 
sekundären  Spirale,  ist  diejenige  der  sogenannten  „primären**  Ströme 
immer  eine  und  dieselbe.  Es  nehmen  aber  bei  den  stets  in  derselben 
Richtung  durch  die  primäre  Rolle  geleiteten  Strömen  die  Eisenteile 
des  Apparats  leicht  etwas  dauernden  Magnetismus  an.  Es  genügt 
nun,  hin  und  wieder  einmal  den  Strom  in  entgegengesetzter  Richtung 
durch  den  Apparat  zu  leiten,   um  dies  zu  verhindern.     Man   vergesse 

Hosen  thal  ii.  Bernhardt,  Elektrizitätslelire.     llf.  Aufl.  \a 


210  Induktionsapparate.  Kap.  XIII. 

dabei  aber  nicht,  dass  dann  auch  die  Pole  der  sekundären  Spirale  sich 
ändern  werden;  praktisch  kann  man  durch  Reizung  sensibler  Teile 
des  Körpers  oder  homologer  Muskeln  (z.  B.  im  Gesicht)  an  der 
stärkeren  Wirkung  oder  dem  Eintritt  derselben  Wirkung  bei  grösserem 
Rollenabstand  leicht  den  physiologisch  stärker  wirkenden  negativen 
Pol  erkennen. 

§  91.  Für  denjenigen,  welcher  möglichst  genaue  elektrodiagno- 
stische  Untersuchungen  anstellen  will,  wird  der  du  Bois'sche  fest 
aufgestellte  Schlittenapparat  mit  der  Millimeterskala,  der  eventuellen 
Verbindung  mit  einem  Rheostaten  und  den  übrigen  oben  beschriebenen 
Vorrichtungen  immer  die  am  meisten  vorzuziehende  Einrichtung  des 
„faradischen  oder  Induktionsapparats"  bleiben.  Der  Praktiker  aber, 
welcher  den  Apparat  nicht  selten  zu  dem  Kranken  mitzunehmen  hat, 
dem  es  ferner  auf  minutiöse  Genauigkeit  weniger  ankommt,  als  auf 
eine  zwar  sichere,  aber  doch  schnelle  Konstatirung  des  Tatsächlichen, 
vor  Allem  aber  auf  Bequemlichkeit  und  Sicherheit  im-  Gebrauch  zu 
Zwecken  der  Therapie,  wird  sich  der  in  neuerer  Zeit  in  reichlicher 
Anzahl  konstruirten  sogenannten  transportablen  Induktionsapparate 
bedienen,  wie  sie  von  den  verschiedensten  Firmen  in  einer  allen 
Zwecken  der  Praxis  genügenden  Weise  konstruirt  worden  sind  und 
wie  ein  solcher  von  Hirschmann  (übrigens  auch  von  Krüger)  in 
Berlin  ausgeführter,  schon  §  54  beschrieben  und  abgebildet  worden  ist. 

Diese  Apparate,  sowie  die  von  St  Öhr  er  angefertigten,  können 
auf  das  Angelegentlichste  als   gut  und  brauchbar  empfohlen  werden. 

Noch  kompendiöser  als  die  eben  erwähnten  Apparate  und  für 
den  praktischen  Arzt,  soweit  er  gelegentlich  sich  des  Induktionsstroms 
zu  bedienen  hat,  vollkommen  ausreichend,  ist. der  von  Spamer'^* 
angegebene,  von  R.  Krüger  in  Berlin  angefertigte  Induktionsapparat, 
der  in  Figur  72  (s.  f.  S.)  dargestellt  ist. 

Es  wäre  eine  nicht  unbedeutende  und  andererseits  keine  lohnende 
Arbeit,  alle  diejenigen  Induktionsapparate  zu  beschreiben,  die  sowohl 
in  Deutschland  wie  in  Frankreich,  England,  Amerika  für  den  Gebrauch 
des  Arztes  fabrizirt  werden.  Gewiss  gibt  es  unter  ihnen  recht  brauch- 
bare und  zweckentsprechende:  indess  begnügen  wir  uns  mit  der  An- 
gabe der  oben  beschriebenen,  da  sie  allen  billigervv'eise  an  sie  zu 
stellenden  Anforderungen  durchaus  entsprechen. 

§  92.  Zur  Anwendung  des  konstanten,  galvanischen  Stromes 
bedient  man  sich  einer  aus   einer  Summe  von  konstanten  Elementen 


§  92. 


Batterie  —  (konstanter)  Strom. 


211 


zusammengesetzten  galvanischen  Batterie.  Das  in  Norddeutschland 
wenigstens  für  die  nicht  transportablen  Batterien  vorwiegend  ver- 
wendete Element  ist  das  Daniell'sche  in  der  ihm  von  Siemens 
gegebenen  verbesserten  Form.     (Vgl.  §  26). 


Fig.  72. 

Das  Element  (vgl.  Fig.  73)  befindet  sich  in  einem  Glase,  an  dessen  Boden  eine 
Tonzelle  ruht,  in  welcher  ein  nach  oben  über  den  Glasrand  hinausragender  Glaszylinder 
eingekittet  ist.  Diese  Tonzelle  ist  von  einer  Schicht  papier  mäche  umgeben,  die  fest 
in  das  Glas  hineingepresst  ist.  Innerhalb  der  Tonzelle  liegt  auf  dem  Boden  des 
Glases  ein  mehrfach  gewundenes  Kupferblech ,  an  welches  ein  nach  oben  aus  dem 
Glaszylinder  hinausragender  Draht  vom  selben  Metall  angelötet  ist.  Auf  der  von 
einem  Barchentlappen  bedeckten  Oberfläche  der  Papiermächemasse  ruht  ein  Zink- 
zylinder: der  Hohlraum  des  Glaszylinders  wird  mit  Kupfervitriolstücken  und  Wasser 
gefüllt,  das  Zink  einfach  mit  Wasser  umgeben;  die  durch  die  Elektrolyse  aus 
dem  Kupfervitriol  frei  werdende  Säure  genügt,  um  das  den  Zinkzylinder  um- 
spülende Wasser  dauernd  in  angesäuertem  Zustand  zu  erhalten. 

50  —  60  derartige  Elemente  in  einem  eigens  hierzu  fabrizirten 
Schrank  aufgestellt,   bilden  die  Grundlage  der  hier  in  Berlin,   sei  es 

14* 


212 


Stromwcähler. 


Kap.  XIII. 


von  Krüger  oder  von  Hirsch  mann  gelieferten  Batterie,  welche  des 
Vorteils  der  Trausportabilität  zwar  entbehrend,  in  sich  mit  den  als- 
bald zu  besprechenden  Nebenapparaten  Alles  vereinigt,  was  der 
speziell  sich  mit  der  Elektrodiagnostik  befassende  Arzt  oder  der 
Klinil^er  im  Hospital  von  Nöten  hat.  —  Die  im  Schranke  aufge- 
stellten Elemente  sind  hintereinander  (Kupfer 
mit  Zink,  dieses  wieder  mit  Kupfer  und 
so  fort)  verbunden.  Um  nun  beliebig  viele 
Elemente  zur  Benutzung  heranziehen  zu 
können,  bedient  man  sich  der  „Strom- 
wähler'' oder  „Tableau"  genannten  Vor- 
richtung. Eine  aufrecht  stehende  oder 
liegende  Holzplatte  trägt  in  zAvei  Halb- 
kreisen angeordnet,  je  nachdem  12  oder 
17  oder  22  durch  schmale  Einschnitte  von 
einander  getrennte  Metallklötzchen,  die 
links  von  der  Mitte  angefangen  die  Zahlen 
0,  1,  2,  3,  4,  5,  6—10,  oderO,  2,  4,  6, 
8,  10  und  rechts  0,  5,  10,  15,  20,  25, 
30,  35,  40,  45,  50  oder  0,  10,  20,  30,  40, 
50  tragen  und  die  Zahl  der  mit  ihnen 
durch  Telegraphendrähte  verbundenen  Ele- 
mente anzeigen.  In  der  Mitte  beider  Halb- 
kreise bennden  sich  zwei  mit  isolirenden  (Elfenbein-)  Griffen  versehene 
metallne  Kurbeln,  durch  welche  man,  je  nachdem  man  sie  mit  den  ein- 
zelnen metallnen  Kontaktknöpfen  in  Verbindung  setzt,  beliebig  eine  ge- 
wisse Anzahl  von  Elementen  zur  Benutzung  und  Ableitung  nach  aussen 
hin  (durch  die  in  die  Klemmschrauben  K  und  Z  [Kupfer-  und  Zinkpol] 
einzuklemmenden  Leitungsdrähte)  auswählen  kann.  Stehen  beide 
Kurbeln  sich  gerade  gegenüber  auf  0  (rechts  und  links),  so  wird  gar 
kein  Strom  abgeleitet:  steht  die  linke  auf  7,  die  rechte  auf  0,  so 
wird  der  Strom  von  7  hinter  einander  verbundenen  Elementen  benutzt, 
steht  die  linke  Kurbel  auf  5,  die  rechte  auf  20,  so  sind  25  Elemente 
in  Gebrauch  und  so  fort.  Da  die  durch  Zahlen  unterschiedenen  Metall- 
knöpfe nur  durch  ganz  schmale  Einschnitte  von  einander  getrennt  sind, 
so  findet  bei  der  Breite  der  Kontaktknöpfe  an  den  Kurbeln  niemals 
eine  wirkliche  Stromesunterbrechung  statt. 

Zu  diesem  Apparate  gehören  nun  noch  zwei  Vorrichtungen,  die 
auf  der  beigegebenen  Figur  mit  den  Buchstaben  G  und  C  bezeichnet 
sind,    das   Galvanoskop  und  der  Kommutator  (Strom Wechsler).     Das 


§92. 


Sti'oiuwähler. 


213 


erstere  wie  die  Figur  zeigt  in  den  Stromkreis  eingeschaltet,  gibt  nach 
Entfernung  des  bei  a  gezeichneten  Stöpsels  durch  den  geringeren  oder 
grösseren  Ausschlag  der  Magnetnadel  die  Stromstärke  an.  Bleibt  der 
Stöpsel  a  in  der  Oeffnung  der  beiden  Messingblöcke  stecken,  so  geht 
durch  diese  vortrefflich,  jedenfalls  aber  besser  als  die  die  Magnetnadel 


Ficj.  74. 


umgebenden  Drahtmassen  leitende  Verbindung  der  ganze  Strom,  ohne 
die  Galvanoskopdrahtwindungen  zu  passiren  (vgl.  §§  41,  42). 

Der  Wechsel  der  Stromrichtung  wird  durch  die  mit  C  bezeiclineie, 
unterhalb  des  Galvanoskops  angebrachte  Vorrichtung  (vgl.S.  67)  bewirkt. 


214  Stromwender.  Kap.  XIIL 

Steht  die  Kurbel  auf  N  (Normalstellung),  so  ist  K  in  der  Tat  der  Kupfer- 
pol (oder  der  positive  oder  die  Anode)  und  Z  in  der  Tat  der  Zinkpol 
(oder  der  negative  oder  die  Kathode) :  wendet  man  dagegen  die  Kurbel 
von  N  auf  W  (Wendung),  so  ist  aus  K  Z  und  aus  Z  K  geworden. 

Auf  diese  Weise  gelingt  es,  den  Strom  im  metallischen  Teil  zu. 
wenden,  aber  auch  zu  öffnen  und  zu  schliessen.  Um  die  Wendung 
gleichsam  momentan  zu  machen  und  das  nicht  leitende  Gummistück 
der  Axenscheibe  zu  verkleinern,  hat  Brenner  noch  ein  auf  und  ab- 
wärts zu  verschiebendes  Messingstück  angebracht,  durch  welches 
die  nicht  leitende  Partie  (und  damit  die  Zeit  der  Stromunterbrechung) 
auf  ein  Minimum  gebracht  wird.     (Vgl.  die  unterstehende  Figur.) 


Fig.  75. 

Die  Klemmschrauben  für  die  Leitungsdrähte  sind  vom  Mechaniker 
mit  den  Buchstaben  K  und  Z  oder  mit  den  Zeichen  -|-  und  — 
versehen,  so  dass  man,  wenn  der  Kommutator  auf  N  (Normalstellung) 
steht,  nicht  erst  zu  untersuchen  hat,  was  Anode,  was  Kathode  ist. 
Die  Erfahrung  lehrt  aber,  dass  dann  und  wann  z.  B.  nach  der 
Eeinigung  des  Apparats  (siehe  unten)  durch  einen  Gehilfen  oder 
auch  von  Beginn  an  aus  Versehen  die  Verbindung  der  Drähte  un- 
richtig angebracht  sein  kann.  Man  prüfe  also  jedesmal  selbst  nach, 
ob  die  Pole  auch  in  der  Tat  ihre  richtige  Bezeichnung  tragen.  Dazu 
dient  die  Jodkaliumstärkelösung,  die  man  durch  4 — 5  Elemente  elek- 
troly tisch  behandelt:  am  positiven  Pol  scheidet  sich  das  selbst 
negativ  elektrische  Jod  aus,  hier  tritt  die  Blaufärbung  ein.  —  In 
Ermangelung  einer  Jodkaliumsolution  tauche  man  die  Drähte  des 
Apparats  in  Wasser:  die  starke  und  relativ  grossblasige  Gasentwicklung 
des  selbst  positiv  elektrischen  Wasserstoffs  an  dem  negativen  Pol 
(Kathode)   sticht  deutlich  gegen  die  kaum  wahrnehmbare  Sauerstoff- 


§  92,  93.  Polbestimmung.  215 

entwicklung  am  positiven  Pole  ab.  Führt  man  ferner  die  Drähte  auf 
befeuchtetes  rotes  oder  blaues  Lackmuspapier,  so  tritt  bei  Benutzung 
z.  B.  des  blauen  Papiers  am  positiven  Pol  durch  die  ausgeschiedene 
Säure  eine  Rotfärbung,  beim  roten  Lackmuspapier  am  negativen 
Pol  durch  die  ausgeschiedenen  Alkalien  eine  Blaufärbung  ein. 

Verbindet  man  schliesslich  den  einen  Draht  mit  einer  grösseren, 
wohl  angefeuchteten  Elektrode,  den  andern  mit  dem  elektrischen 
(trocknen)  Metallpinsel  und  setzt  beide  Elektroden  irgend  wo  auf  die 
Haut  auf,  so  deutet  schon  bei  Benutzung  von  etwa  10  Elementen  die 
intensive  Schmerzempfindung  an  der  Stelle,  wo  der  Pinsel  aufruht, 
darauf  hin,  dass  derselbe  mit  dem  negativen  Pole  verbunden  ist; 
der  mit  dem  positiven  Pol  verbundene  Pinsel  macht  kaum  einen 
schmerzhaften  Eindruck. 

Die  Konstanz  des  Stromes  ist  bei  der  Anwendung  der  Siemens- 
sclien  Modifiliation  der  D an i eil' sehen  Elemente  durch  das  so  beträcht- 
lich verdickte  Diaphragma  (papier  mäche  und  Tonzelle)  und  die  da- 
durch sehr  verlangsamten  und  gemässigten  elektrolytischen  Prozesse 
eine  ausserordentliche.  Man  hat  nur  nötig,  alle  4  —  6  Wochen  Wasser 
nachzufüllen  und  Kupfervitrioistücke  in  den  inneren  Glaszylinder  hin- 
ein nachzugeben.  Zweimal  jährlich  wird  man  gut  tun,  die  Batterie 
reinigen  zu  lassen  (Ersatz,  resp.  Neuamalgamirung  der  Zinkzyliuder, 
neue  Barchentlagen  unter  den  Zylindern,  eventuell  leichte  Ansäuerung 
des  die  Zinkzylinder  umgebenden  Wassers  durch  sehr  verdünnte 
Schwefelsäure);  eine  vom  Fabrikanten  auszuführende  ürastopfung  der 
Elemente  (Erneuerung  der  Papier- Mächemasse)  ist  erst  nach  2  bis 
3 jährigem  Gebrauch  erforderlich. 

§  93.  Dieser  soeben  beschriebene  Apparat  hat  nun  seit  dem 
Ende  der  60er  Jahre  speziell  durch  die  Bemühungen  Brenner* s 
wesentliche  Verbesserungen,  Umänderungen  und  Zusätze  erfahren. 

Als  die  bedeutendste  Verbesserung  ist  es  zunächst  zu  erachten, 
dass  durch  Brenner  sämmtliche  in  der  Praxis  zu  benutzenden  elek- 
trischen Ströme  (der  konstante  Strom,  der  Strom  der  sekundären  Spirale, 
der  Extrakurrent  der  primären)  und  die  dazu  nötigen  Nebenvorrich- 
tungen auf  einer  Platte,  welche  den  die  Elemente  enthaltenden 
Kasten  deckt,  vereinigt  und  in  ungemein  praktischer  Weise  so  an- 
geordnet sind,  dass  man  durch  eine  leicht  handliche  Kurbelverschiebung 
von  denselben  Klemmschrauben  alle  drei  Stromesarten  ab- 
leiten kann.  (Man  vergi.  Fig.  76  a.  S.  218.)  Es  wird  durch  diese 
Einrichtung  dem  untersuchenden  wie  dem  behandelnden  Arzt  die  Au- 


216  Rheostateinschaltang.  Kap.  XIII. 

Wendung  der  einzelnen  Stromesarten  und  ihr  schneller  zur  Erzielung 
einzelner  therapeutischer  Erfolge  notwendiger  Wechsel  ungemein  er- 
leichtert. 

Weniger  Gewicht  muss  andererseits  auf  einige  von  Brenner  be- 
nutzte Einrichtungen  gelegt  werden,  die  teils  durch  andere,  ebenso 
zweckdienliche  zu  ersetzen  sind,  welche  sogar  den  Vorzug  grösserer 
Handlichkeit  für  sich  haben,  teils  in  Anbetracht  ihres  hohen  Preises 
und  des  relativ  geringen  Wertes  für  die  Praxis  überhaupt  entbehrlich 
erscheinen.  Zu  den  ersteren  gehört  die  für  das  Tableau  gewählte 
Stöpselvorrichtung,  welche  durch  die  neuerdings  von  Krüger  sowohl 
wie  von  Hirsch  mann  gewählten  breiten  Kontaktflächen  der  Kurbeln 
und  den  schmalen  Spalten  zwischen  den  die  Elementenzahl  anzeigen- 
den Metallblöcken  entbehrlich  gemacht  Averden.  Letztere  Vorrichtung 
(vgl.  oben  S.  212)  ist  entschieden  bequemer  zu  handhaben  als  die 
Stöpselung  und  jedenfalls  ebenso  sicher:  in  Bezug  auf  die  Abstufung 
der  Stromstärke  haben  wir  durch  die  Einschaltung  gut  gearbeiteter 
Rheostaten  in  Nebenschliessung  eine  Vorrichtung  gewonnen,  die  an 
praktischer  Brauchbarkeit  und  wissenschaftlicher  Exaktheit  zur  Zeit 
allen  Ansprüchen  zu  genügen  im  Stande  ist. 

Zwei  andere  an  den  spezifisch  Brenner 'sehen  Apparaten  ange- 
brachte Vorrichtungen:  das  Rheotom  und  der  selbsttätige  Unterbrecher 
sind  gleichfalls  zu  entbehren.  Daher  mag  hier  die  Beschreibung  der 
komplizirten  Apparate  unterbleiben. 

Anders  verhält  sich  die  Sache  mit  einem  ebenfalls  zuerst  von 
Brenner  in  die  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie  eingeführten, 
den  Physiologen  wie  den  praktischen  Elektrikern  (Telegraphisten)  längst 
bekannten  Instrumente,  dem  Siemens 'sehen  Widerstandsmesser  oder 
dem  Rheostaten.  (Vgl.  Teil  I.  S.  88.)  Ebenso  wie  die  Kurbelvor- 
richtung für  das  Tableau,  so  muss  dieselbe  Vorrichtung  auch  in  Bezug 
auf  den  Rheostaten,  was  ihre  leichtere  Handhabung  betrifft,  den  Vorzug 
erhalten  vor  der  Stöpselvorrichtung.  Schwankungen  in  der  Strom- 
stärke, Oeffnungen  und  totale  Unterbrechungen  des  Stromes  kommen 
bei  nicht  ganz  gesammelter  Aufmerksamkeit  des  Experimentirenden 
durch  die  Benutzung  der  Stöpselvorrichtung  viel  leichter  vor,  als  bei 
Benutzung  von  Kurbeln.  Dabei  ist  es  gleichgiltig,  ob  der  Kurbel- 
rheostat  in  Nachahmung  des  Siemens' sehen  Stöpselrheostaten  aus 
drei  oder  vier  auf  einem  Holzbehälter  vereinigten  Kurbeln  besteht, 
welche  Widerstände  nach  Einheiten,  nach  Zehnern,  nach  Hunderten  etc. 
einzuschalten  gestatten  oder  ob  die  Rheostaten  in  Kreisform  ange- 
ordnet   mit    einer  Kurbel    die  Einschaltung    von   Widerständen    von 


.§93.  Stromlauf.  217 

1  bis  zu  beliebiger  Höhe  (meist  bis  3000 — 4000)  gestatten.  Letzteres 
ist  für  die  praktische  Anwendung  noch  bequemer,  da  durch  sie  die 
auf  der  Deckplatte  des  Apparates  befindlichen  Kurbeln  um  2 — 3  ver- 
mindert und  der  freie  Raum  um  ein  nicht  Unbedeutendes  vergrössert 
wird.  — 

Anmerkung.  Neben  den  Stöpsel-  oder  Kurbelrheostaten  aus  Metall  hat 
man  (Runge,  Stöhrer^^)  einen  freilich  viel  billigeren  Flüssigkeitsrheostaten 
empfohlen,  der  im  Wesentlichen  aus  einem  mit  einer  Metallfassung  am  Boden  ver- 
sehenen und  concentrirter  Zinkvitriollösung  gefüllten  Glasrohr  besteht,  in  welches 
von  oben  her  ein  in  einer  Zinkkugel  endigender  beweglicher  und  gut  isolirter 
Zinkdraht  eintaucht.     Vgl.  übrigens  Teil  I.  S.  89. 

Diese  Rheostate  können  nun  in  zweifacher  Weise  in  den  die 
Elemente,  das  Galvanoskop,  die  Leitungsschnüre  und  den  Menschen 
enthaltenden  Stromkreis  eingeschaltet  werden:  in  Hauptschluss  oder 
in  Nebenschluss.  Beide  Möglichkeiten  der  Verbindung  sind  an  dem 
nicht  transportablen  Apparat  von  R.  Krüger  angebracht.  Ehe 
wir  weiter  gehen  und  uns  über  den  etwaigen  Vorzug  oder  die  Brauch- 
barkeit der  einen  oder  der  anderen  Modifikation  auslassen,  soll  ganz 
kurz  der  Apparat  als  solcher  und  speziell  die  Verbindung  der  ein- 
zelnen zu  ihm  gehörigen  Teile  beschrieben  werden  (Vgl.  Fig.  76  u.  77). 
Die  schematische  Figur  entspricht  der  Position  der  einzelnen  Vor- 
richtungen auf  der  Deckplatte  des  Apparates: 

Am  meisten  nach  links  und  unten  befindet  sich  die  Einschaltungs- 
kurbel (a)  für  den  Kurbelrheostaten  (R),  welcher  auf  der  Platte  hinten 
links,  auf  der  schematischen  Zeichnung  links  und  oben  angebracht  ist 
Etwas  nach  rechts  von  dieser  Kurbel  a,  welche  auf  dem  Metallklötzchen 
A  stehend  den  Rheostat  überhaupt  aus  der  Leitung  ausschaltet,  auf 
dem  Klötzchen  b  stehend  ihn  in  den  Hauptschluss  hineinzunehmen 
gestattet  (wenn  D  gestöpselt  ist),  befindet  sich  der  Stromwender  (S) 
und  noch  weiter  nach  rechts  in  der  Mitte  der  Zeichnung  die  Vor- 
richtung, welche  es  gestattet,  durch  Drehung  der  Kurbel  L  auf  C 
oder  S  oder  P  entweder  den  konstanten  Strom  oder  den  Strom  der 
sekundären  oder  den  der  primären  Spirale  von  denselben  Klemm- 
schrauben K'  (Kupferpol,  wenn  S  auf  N  steht  (Normalstellung)  und 
Z'  (Zinkpol,  wenn  S  auf  N  steht)  abzuleiten.  Ganz  rechts  befinden 
sich  die  beiden  Induktionsspiralen,  mit  Millimeterskala  und  der  oben 
schon  beschriebenen  Vorrichtung  an  der  sekundären  Spirale  versehen, 
welche  es  gestattet,  diese  in  sich  zu  schliessen  und  für  die  Dämpfung 
des  Extrakurrentstroms  zu  verwerten.  Zwei  unten  im  Kasten  stehende 
LecUnche'sche  Elemente  setzen  diesen  Apparat  in  Tätigkeit,  sobald 


218 


Rheostatoinschaltung. 


Kap.  XI n. 


die  Lücke  zwischen  den  links  von  den  Indiiktionsspiralen  angebrachten 
2  Messingblöcken  durch  einen  Stöpsel  geschlossen  wird  (Q).  Der 
positive  Strom  tritt  bei  K  aus  der  linken  Hälfte  des  Tableau's  (Strom- 
Wcählers)  heraus  und  bei  Z  in  die  rechte  Hälfte  desselben,  zu  dem 


Fig.  70. 

(negativen)  Zinkpol  der  Batterie  zurück.  Hinter  (über)  dem  Tableau 
befindet  sich  das  Galvanoskop  (G"),  und  zwischen  dem  Kommutator 
(S)  und  dem  Rheostaten  (R)  sind  durch  Lücken  getrennte   Messing- 


KoH« 


Jiiduc  Appan 


(^ 


r-Q       O- 


o- '  1 


f 


Fig.  77, 


§  93.  Stromlauf.  219 

block chen,  durch  deren  Zustöpselung  der  Rheostat  in  Nebenschluss 
zur  Leitung  tritt  (F)  (N.B.  nachdem  vorher  a  auf  A  gestellt 
worden  ist). 

I.  Ist  der  Rheostat  gänzlich  ausgeschlossen  (d.  h.  Kurbel 
a  steht  auf  A,  und  weder  D  noch  F  sind  gestöpselt),  steht  die  Kurbel 
L  auf  C  (konstanter  Strom)  und  die  Kurbel  S  auf  N  (Normalstellung), 
so  ist  der  Stromlauf  folgender: 

Vom  K  (Pol)  links  am  Tableau  geht  der  Strom  zu  C,  von  da 
über  L  nach  Klotz  1  des  Stromwenders  (S),  dann  nach  Klotz  2,  ist 
G'  gestöpselt  nach  a,  dann  nach  A,  von  dort  nach  K',  durch  den  ein- 
geschalteten menschlichen  Körper  nach  Z',  von  dort  nach  Klotz  3  (des 
Stromwenders),  dann  nach  Klotz  4,  von  dort  zum  Zinkpol  (Z)  zurück 
(N.B.  ist  G'  offen,  so  geht  der  Strom  von  Klotz  2  des  Stromwenders 
durch  das  Galvanoskop  G''). 

IL  Befindet  sich  der  Rheostat  in  der  Hauptleitung,  so  ist 
die  Einstellung  der  einzelnen  Apparate  hierbei  folgende:  (Vgl.  Fig.  77 
a.  S.  218.)  a  steht  auf  b,  D  ist  gestöpselt,  F  ist  offen.  Der  Strom 
geht  von  K  zu  C,  nach  Klotz  1  und  2  des  Wenders,  durch  G'  über 
a  nach  b  durch  den  Rheostaten  (R)  auf  der  Bahn  xy  zu  D,  durch 
D  zu  K'  und  dann  wie  vorher. 

III.  Der  Rheostat  befindet  sich  in  Nebenschliessung:  a  steht 
auf  A,  D  ist  offen,  F  gestöpselt. 

Der  Strom  hat  jetzt  zwei  Wege,  1)  den  von  I.  (als  wäre  gar 
kein  Rheostat  in  der  Leitung),  2)  der  Strom  geht  (Nebenschluss) 
von  K  zu  C,  zu  Klotz  1  und  2  des  Stromwenders,  durch  die  Leitung 
opq  nach  F,  auf  der  Bahn  ef  zum  Rheostaten  R,  auf  der  Bahn  st 
zu  F  zurück,  auf  der  Bahn  vwh  über  die  Klötze  3  und  4  des  Strom- 
wenders zu  Z  (Pol)  zurück. 

Das  Galvanoskop  befindet  sich  bei  dieser  Anordnung,  wie  man 
sieht,  immer  in  dem  Stromzweig,  welcher  durch  den  menschlichen 
Körper  geht;  steht  die  Kurbel  des  Rheostaten  (R)  auf  o,  so  geht  fast 
der  ganze  Strom  durch  die  Leitung  des  Rheostaten  und  nicht  durch 
den  zwischen  K'  und  V  eingeschalteten  Körper.  Sind  im  Rheostaten 
viel  Widerstandseinheiten  eingeschaltet,  so  verhalten  sich  nach  dem 
Gesetz  der  Stromverteilung  in  verzweigten  Leitern  die  Stromstärken 
in  den  einzelnen  Zweigen  umgekehrt  wie  ihre  Widerstände,  d.  h.  sie 
sind  in  dem  den  Menschen  enthaltenden  Stromanteil  um  so  grösser, 
je  bedeutendere  Widerstände  in  dem  im  Nebenschluss  befindlichen 
Rheostaten  eingeschaltet  sind.     (Vgl.  §  44.) 


220  Rheostat  im  Haupt-  und  Kebenschluss.  Kap.  XIII. 

§  94.  Nach  dem  eben  Mitgeteilten  ist  also  klar,  dass  man  die 
Stromstärke  durch  die  Einschaltung  des  Rheostaten  modifiziren  kann: 
es  fragt  sich  nur,  ob  es  dabei  zweckdienlicher  ist,  denselben  in  Haupt- 
schluss  oder  in  Nebenschluss  zu  haben.  —  Wenn  man  sich  vergegen- 
wärtigt, dass  es  der  Arzt  bei  der  Behandlung  Kranker  immer  mit 
dem  sehr  grossen  Leitungswiderstand  der  unversehrten  menschlichen 
Haut  (Epidermis  besonders)  zu  tun  hat,  einem  Widerstand,  der  im 
Durchschnitt  gleich  oder  sogar  mehr  als  4000 — 5000  Siemens 'sehen 
Einheiten  anzunehmen  ist,  so  wird  man  leicht  einsehen,  dass  die 
Modifikation  der  Stromstärke  durch  Einschaltung  von  einigen  Zehnern 
oder  auch  Hunderten,  ja  sogar  von  1000  —  2000  Einheiten  nur  sehr 
Avenig  beeinflusst  wird;  man  bedürfte  geradezu  ungeheurer  Rheostate, 
40000  und  vielleicht  noch  mehr  Einheiten  repräsentirend,  wenn  man 
die  Stromstärke  durch  dieselben  wirksam  modifiziren  wollte.  Denkt 
man  sich  z.  B.,  man  benutze  15  Daniell'sche  Elemente  (1  Daniell 
hat  die  elektromotorische  Kraft  von  1  Volt  und  einen  inneren  Wider- 
stand von  1,4  Ohm)  und  es  sei  der  Widerstand  in  der  Leitung  und 
im  Körperteil  979  Ohm,  so  hat  man  die  Stromstärke: 

T  15  Volt  ,  ^  ,,.,,. 

J  =z  — — -— — -—^„^  ^ —  ==  lo  Milliampere. 
15  .  1,4  +  979  Ohm  ^ 

Wollte    man    diese    Stromstärke    durch    Einschaltung    von    noch 

weiteren  10  Ohm  in  die  Hauptleitung  verringern,  so  bekäme  man: 

21  +  OT9  +10  =  "'85  Milliampere, 

und  bei  weiterer  Einschaltung  von  noch  10  Ohm: 

n  +  m  +  w  =  "''  Mi"i^'«P^'-«' 

also  nur  eine  sehr  massige  Modifikation  der  Stromstärke. 

Ganz  anders  verhalten  sich  die  Dinge,  wenn  der  Rheostat  in 
Nebenschliessung  eingeschaltet  ist,  wie  aus  dem  Beispiel  Teil  L  S.  89 
deutlich  zu  ersehen  ist. 

Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  bei  dem  bedeutenden  Widerstände 
des  menschlichen  Körpers  eine  Einschaltung  des  Rheostaten  in  Haupt- 
schluss  in  Bezug  auf  die  Modifikation  der  Stromstärke  kaum  einen 
Nutzen  gewährt;  selbst  bei  Einschaltung  von  2000  Widerstandseinheiten 
würde  die  Stromstärke  noch  nicht  um  die  Hälfte  kleiner  geworden  sein. 

Aber  auch  die  Methode,  die  Stromstärke  durch  Einschaltung  eines 
Rheostaten  in  Nebenschluss  langsam  und  allmählich  anwachsen  zu 
lassen,  kann  idealen  Anforderungen  noch  nicht  genügen.  Das  ein- 
fachste und  ursprünglich  in  Anwendung  gezogene  Verfahren,  die  Strom- 


§  94.  Modifikation  der  Stromstärke.  221 

stärke  durch  allmähliche  Vermehrung  der  Anzahl  der  Elemente  zu 
steigern,  würde,  was  die  Proportionalität  des  jedesmaligen  Zuwachses 
betrifft,  entschieden  das  beste  sein,  wenn  sich  nicht  ein  gleich  zu  be- 
sprechendes Hinderniss  in  der  Einrichtung  unserer  Apparate  finden 
würde. 

Nimmt  man  wieder  die  elektromotorische  Kraft  eines  Daniell- 
schen  Elementes  zu  1,  den  wesentlichen  Widerstand  eines  solchen  zu 
1,4  an,  so  wäre  die  Stromstärke  (bei  voUkommner  Ausschaltung  des 
Rheostats  und  supponirtem  Widerstand  von  4000  für  den  tierischen 
Körper) : 

bei  2  Elementen  =  ^^    ,  ,  '}  ,^r.n  =  0,000499 
2  .  1,4  -|-  4000 

bei  4  Elementen  =   .    ,      '."^  ,^^^  =  0,000998 
4  .  1,4  -f  4000 

bei  8  Elementen  =  -   ,      ','^  ,^^^^  =  0,001996 
8  .  1,4  -f-  4000 
1  p    1 
bei  16  Elementen  =  ^,    ^      ',    .^^^  =  0,003992 
16  .  1,4  +  4000 

d.  h.  die  Stromstärken  würden  durchaus  proportional  der  Zahl  der 
Elemente  anwachsen. 

Man  würde  also  durch  allmähliches  Hinzufügen  von  je  einem 
Element  am  besten  und  gleichmässigsten  die  Stromstärke  reguliren 
können.  Das  oben  erwähnte  Hinderniss  ist  aber  die  Einrichtung  der 
Tableaus:  zwar  schreitet  die  Verbindung  in  den  Einern  von  1  zu  2 
bis  zu  10  vor,  aber  bei  den  Zehnern  m«ss,  will  man  anders  das 
Tableau  nicht  übermässig  gross  anlegen  und  durch  die  zahlreichen 
Leitungen  den  Apparat  verteuern,  von  5 — 5,  ja  bei  einigen  von  10 — 10 
vorgeschritten  werden.  Gerade  hier  erweist  sich  die  Einrichtung,  den 
Rheostat  in  Nebenschluss  zu  bringen  und  von  vorn  herein  eine  grössere 
Elementenzahl  einzustellen  (20—30)  als  sehr  vorteilhaft.  Zwar  ist 
es  wahr,  wie  E.  Remak  hervorgehoben,  dass  bei  den  oft  bis  zu  be- 
trächtlicher Höhe  einzuschaltenden  Rheostatwiderständen  und  bei  der 
Wahl  einer  grösseren  Elementenanzahl  die  Stromstärke  nicht  ganz 
proportional  mit  den  in  Nebenschluss  eingefügten  Widerständen  steigt; 
es  ist  aber  auch  zu  bedenken,  dass  gerade  die  Einschaltung  des  Rheo- 
staten  in  Nebenschluss  speziell  bei  der  Behandlung  der  Affektionen  der 
Sinnesorgane  und  des  Gehirns  in  Anwendung  kommt,  wobei  man  über- 
haupt mit  einer  geringeren  Stromstärke  operirt;  wird  doch  selbst 
von  dem  genannten  Autor  zugegeben,  dass  die  Abstufung  im  neben- 
geschalteten Rheostaten  „feiner  und  allmählicher«  ist,   als  die  durch 


222  Nutzen  des  Rheostaten  im  Hauptschluss.  Kap.  XIII. 

Veränderung  der  Elementenzahl  am  Stromwähler  bedingte.  Wir  werden 
später  noch  Gelegenheit  haben,  zu  sehen,  wie  die  Stromesschwankung, 
welche  durch  Vermehrung  resp.  Verminderung  auch  nur  eines  Elementes 
hervorgebracht  wird,  für  viele  Untersuchungs-  und  Behandlungsmethoden 
eine  zu  bedeutende  ist.  Schaltet  man  von  Anfang  an  10  —  20  Ele- 
mente ein,  stellt  den  in  Nebenschluss  befindlichen  Rheostaten  auf  0, 
so  kann  man  durch  allmähliche  Vermehrung  der  Rheostatwiderstände 
die  Stromstärke  in  der  allen  Anforderungen  genügenden  Weise  fein 
und  allmählich  abstufen. 

§  95.  Nach  dem  eben  Mitgeteilten  könnte  es  nun  scheinen,  als 
ob  die  Vorrichtung  einer  Einschaltung  des  Rheostaten  in  den  Haupt- 
schluss überhaupt  nicht  nötig  wäre.  In  Betreff  der  Modifikation  der 
Stärke  des  konstanten  Stromes  ist  er,  wie  eben  besprochen  wurde, 
in  der  Tat  wenig  oder  gar  nicht  verwertbar;  abgesehen  aber  von  der 
Nützlichkeit  dieser  Einrichtung  für  eine  feinere  Dosirung  der  Strom- 
stärke bei  Anwendung  von  Extrakurrentströmen  (wie  oben  S.  208 
schon  erörtert  worden  ist),  kann  man  den  in  Hauptschluss  des  kon- 
stanten Stroms  eingeschalteten  Rheostaten  auch  zur  Bestimmung  der 
an  den  verschiedenen  Stellen  des  Körpers  durchaus  verschiedenen 
Leitungswiderstände  benutzen.  Hat  man  z.  B.  zwei  gut  befeuchtete 
Elektroden  von  5  —  6  Ctm.  Durchmesser  an  2  Stellen  des  mensch- 
lichen Körpers  aufgesetzt,  z.  B.  am  Vorderarm  (Volar-  und  Dorsal- 
fläche, etwa  2—3  Zoll  oberhalb  des  linken  Handgelenks),  so  ergibt 
sich  am  Galvanoskop  bei  Anwendung  von  z.  B.  40  Elementen  des 
oben  beschriebenen,  von  dem  einen  von  uns  benutzten  Apparate 
(Sie mens' sehe  Elemente)  ein  Nadelausschlag  von  9  *'.  Verbindet  man 
nun  den  Kupfer-  und  Zinkpol  der  Batterie  gut  metallisch  durch  einen 
kurzen  Leitungsdraht  resp.  durch  Herabdrücken  des  am  Apparate 
angebrachten  Knopfes  M,  wodurch  K'  und  Z'  leitend  verbunden  werden 
(siehe  die  Fig.  77)  und  nimmt  ebenfalls  40  Elemente,  so  schlägt 
natürlich  die  Nadel  des  Galvanoskops  bedeutend  mehr  aus;  ist  jetzt 
der  Rheostat  in  Hauptschluss,  so  kann  man  durch  allmähliches  Drehen 
der  Kurbel  von  0  (worauf  er  ursprünglich  eingestellt  war)  aufwärts 
schliesslich  zu  einer  Zahl  von  Widerstandseinheiten  kommen,  bei  der 
die  Galvanoskopnadel  denselben  Ausschlag  von  9"  zeigt,  wie  vorhin 
bei  Durchleitung  des  Stromes  durch  den  Vorderarm;  der  dortige  dem 
Strom  entgegengesetzte  Widerstand  ist  also  gleich  dem  jetzt  vom 
Rheostat  angezeigten:  nämlich  3800.  So  fand  sich  ferner  bei  Quer- 
durchleitung eines  Stromes  von  15  Elementen  durch  die  Proc.  mastoidei 


§  95,  96.  Galvanoskop.  223 

ein  Nadelausschlag  von  2'/2'^;  dasselbe  wurde  erzielt,  wenn  bei  15  Ele- 
menten 4000  Einheiten  im  Hauptschluss  eingeschaltet  waren  (vgl.  §  85). 

§  96.  Um  die  Stärke  eines  Stromes  zu  messen,  kann  man 
das  Voltameter  benutzen  (vgl.  §  22),  welches  anzeigt,  wie  viel  Cctm. 
Wasser  in  der  Zeiteinheit  zersetzt  werden,  Werte,  die  je  nach  der 
Stärke  der  Elemente  und  ihrer  Zahl  verschieden  ausfallen  werden. 
Bequemer  und  namentlich  für  medizinische  Zwecke  gebräuchlicher  ist 
die  sogenannte  Tangentenbussole  (vgl.  §  30);  innerhalb  bestimmter 
Grenzen  ist,  wie  angegebenen  Orts  gezeigt  wurde,  die  Stromstärke 
der  Tangente  des  Ablenkungswinkels  der  Magnetnadel  proportional. 
Das  in  der  Elektrotherapie  gebräuchliche  Vertikalgalvanoskop  ist  schon 
im  IX.  Kapitel  (§  61)  beschrieben,  so  dass  hier  darauf  zurückzu- 
kommen unnötig    ist.     Durch   Erb    hat    dieses    gewöhnlich    benutzte 


Fig.  78. 

Galvanoskop  dahin  eine  Abänderung  erfahren  (s.  Fig.  78),  dass  durch  die 
Möglichkeit  einer  durch  Stöpsel  ung  zu  bewirkenden  Einschaltung  von  je  50, 
100,  150  und  endlich  200  Widerstands-Einheiten  die  Empfindlichkeit 
desselben  sehr  vermehrt  wird;   es   ist  dabei   vorausgesetzt,   dass   der 


224  Galvanometer.  Kap.  XIII. 

übrige  ausserwesentliche  Widerstand  ein  so  bedeutender  ist  (wie  ja 
iramer  bei  Einschaltung  des  menschlichen  Körpers),  dass  die  Ver- 
mehrung der  Galvanoskopwiderstände  die  Stromstärke  kaum  ändert. 
Das  Galvanoskop  ist  so  in  den  Stromkreis  eingeschaltet,  dass  bei  der 
Stellung  des  Stromwenders  auf  Normalstellung  (N)  die  Nadel  nach 
rechts  hin,  bei  Stellung  des  Stromwenders  auf  W  (Wendung)  nach 
links  hin  ausschlägt.  Dabei  ist  nun  zu  berücksichtigen,  dass  (wie 
schon  von  anderer  Seite,  z.  B.  auch  von  E.  Remak  hervorgehoben 
worden  ist)  sehr  häufig  der  Nadelausschlag  nach  links  hin  nicht 
derselbe  ist,  wie  nach  rechts,  d.  h.,  dass  bei  denselben  Stromstärken 
die  Ausschläge  der  Galvanoskopnadel  links  und  rechts  verschiedene 
sind.  Es  dürfen  also  bei  Benutzung  derartiger  Galvanoskope  nur 
diejenigen  Untersuchungsresultate  direkt  mit  einander  verglichen  werden, 
bei  denen  der  Nadelausschlag  nach  derselben  Seite  hin  erfolgt  ist. 
Durch  die  Stöpselung  der  Lücken  zwischen  den  vorn  am  Galvano- 
meter angebrachten  Messingblöcken  (vgl.  Fig.  77)  können  die  die 
Nadel  umgebenden  Drahtwindungen  aus  dem  Stromkreis  ausgeschaltet 
werden,  was  an  dem  auf  Fig.  77  schematisirten  Apparat  durch 
Stöpselung  von  G'  bewirkt  wird;  durch  eine  rechts  sichtbare  Arre- 
tirungs Vorrichtung  (y)  werden  die  unnötigen  Schwingungen  der  Nadel 
eher  sistirt,  ein  Erfolg,  den  Hirschraann  an  seinen  Galvanoskopen 
neuerdings  dadurch  erreicht,  dass  er  die  Nadel  in  einem  mit  Glycerin 
gefüllten  Gefäss  schwingen  lässt.  Bei  der  Verschiedenheit  der  die 
elektromotorischen  Kräfte  spendenden  Elemente  und  der  Ungleichheit 
der  selbst  denselben  Fabriken  entstammenden  Galvanoskope  ist  es 
natürlich  nicht  leicht,  aus  den  jedesmaligen  Befunden  der  verschiedenen 
Autoren  die  absolute  Stromstärke  zu  ersehen,  welche  sie  zur  Hervor- 
rufung einer  bestimmten  Reaktion,  z.  B.  der  KaSz  am  motorischen 
Nerven  angewendet  haben.  Man  besass  bisher  noch  keine  einheit- 
liche, leicht  verständliche  und  leicht  anwendbare  Methode  der  Dosi- 
rung  der  Stromstärke.  Zwar  kann  man  sagen  (wie  dies  wohl  zuerst 
Zech'^,  später  E.  Remak^-  schon  getan  haben),  dass  sich  Jeder 
im  Besitze  einer  Batterie,  eines  Rheostaten  und  eines  Galvanoskops 
befindende  Arzt  die  jedes  Mal  von  ihm  zu  einem  bestimmten  Zwecke 
benutzte  Stromstärke  allein  berechnen  kann,  wenn  er  die  elektromo- 
torische Kraft  seiner  Elemente  und  deren  wesentlichen  Widerstand 
kennt  und  sich  bei  Einschaltung  einer  bestimmten  Körperstrecke  den 
Nadelausschlag  seines  Galvanoskops  merkt.  Schaltet  er,  wie  dies 
Seite  222  ausführlich  auseinandergesetzt  ist,  durch  den  in  der  Haupt- 
leitung befindlichen  Rheostaten   soviel  Widerstandseinheiten   ein,   dass 


§  96.  Bestimmung  der  Stromstärke.  225 

derselbe  Nadelausschlag  am  Galvanoskop  resultirt,   so  kann  er   unter 
Zugrundelegung  der  bekannten  Formel 

'^  -  W 
die  von  ihm  benutzte  elektromotorische  Kraft  berechnen.  Ein  Beispiel 
möge  dies  erläutern:  Steht  die  Anode  auf  dem  Brustbein,  die  Kathode 
etwa  2  Zoll  oberhalb  des  Handgelenks  auf  dem  linken  N.  ulnaris, 
so  braucht  man  40  Elemente  (Dauiell),  um  eine  deutliche  Kathoden- 
schliessungszuckung zu  erzielen  (vgl.  später  Kap.  XV),  dabei  schlägt 
die  Nadel  5  "^  nach  rechts  hinaus.  Schaltet  man  den  Körper  aus,  da- 
gegen den  Rheostaten  in  Hauptschluss  ein,  so  braucht  man  bei  40  Ele- 
menten 5500  Widerstandseinheiten,  um  denselben  Nadelausschlag  zu 
erzielen.  Die  zur  Hervorbriugung  der  Kathodenschliessungszuckung 
angewandte  Stromstärke  betrug  also  (bei  Vernachlässigung  der  70  Ein- 
heiten des  Galvanoskopwiderstandes) 

40  40         ^,,^^,    ,       , 

■  „    ,    ■    ,-'£-^7^  =  T^rzn  =^  0,0071  Ampere. 
40 .  1,4  +  5o00       5556         '  ^ 

Teilt  man  nun  Galvanoskope  statt  in  Kreisgrade  in  Einheiten 
der  Stromstärke,  so  können  bei  Benutzung  solcher  Instrumente  die 
von  verschiedenen  Autoren  mit  den  verschiedensten  Apparaten  ge- 
fundenen Resultate  sofort  verstanden  werden.  Die  mit  kurzen  Worten 
gegebene  Dosirung  der  Stromstärke  erleichtert  so  den  Vergleich  der 
IJntersuchungsresultate  ungemein. 

A.  deWatteville-ö  war  der  erste,  welcher  derartige  „absolute 
Galvanometer"  (vgl.  §  61)  für  die  Zwecke  der  Elektrotherapie  empfahl, 
eine  Empfehlung,  welche  von  v.  Hesse ^^  und  Bernhardt-^  in 
Deutschland  aufgenommen  und  in  weitere  Kreise  zu  bringen  versucht 
wurde.  Müller-^  in  Graz,  der  sich  eines  derartigen  von  Gaiffe  zu 
Paris  hergestellten  Horizontalgalvanometers  bediente,  machte  darauf 
aufmerksam,  dass  es  eigentlich  nur  für  den  Ort  richtig  sei,  wo  es 
angefertigt  wurde  oder  für  solche  Punkte  der  Erde,  welche  mit  dem 
Fabrikationsort  eine  gleiche  Intensität  der  liorizontalen  Komponente 
des  Erdmagnetismus  haben.  Neuerdings  liefert  auch  die  Firma  St  Öhr  er 
und  Sohn  ein  nach  den  Angaben  von  Böttcher-^  konstruirtes, 
nach  Milliampere  eingeteiltes  Vertikal-Galvanometer,  welches  selbst 
zu  prüfen  wir  bisher  noch  keine  Gelegenheit  gefunden  haben.  Da- 
gegen erfüllt  das  von  v.  Ziemssen^^  zuerst  bekannt  gemachte,  von 
Edelmann  in  München  gefertigte  und  in  Teil  I.  S.  126  genauer 
beschriebene,  in  Milliampere  geteilte  Horizontalgalvanometer  durchaus 
seinen  Zweck;    es  muss  indess,    wie   auch    durch   Remak^'    hervor- 

Rosenthal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslelire.     III.  Anfl.  jn 


226  Nutzen  des  absoluten  Galvanometers.  Kap.  XIII. 

gehoben  wurde,  sehr  subtil  mit  ihm  umgegangen  werden  und  der 
hohe  Preis  ist  für  seine  weitere  Verbreitung  unter  den  praktischen 
Aerzten  gewiss  ein  Hinderniss. 

Eine  Vergleichung  unseres  auf  100  S.  E.  gestöpselten  Galvanoskops 
(Erb 'sehe  Modifikation)  mit  dem  Edel  mann 'sehen  Einheitsgalvano- 
raeter  ergab  bei: 

1  M.'A.  =     1  '^  Nadelablenkunff  nach  rechts. 


2 

» 

= 

9'/ 

3 

)) 

= 

30 

4 

» 

= 

50 

5 

)) 

= 

60 

6 

» 

= 

HO 

7 

» 

= 

17»/, 

8 

» 

= 

22 '/. 

9 

)> 

= 

25« 

10 

» 

= 

270 

15 

)) 

= 

340 

20 

» 

= 

38« 

•25 

» 

= 

42« 

30 

>•> 

=r 

450 

40 

» 

= 

48« 

50 

)) 

= 

510 

55 

» 

= 

530 

(Ströme 

von  1- 

-5M.A. 

würd 

-5  M.A.  würden  als  schwache,  von  6 — 10  M.A.  als 
mittelstarke,  von  10 — 15  M.A.  als  starke,  von  15  M.A.  ab  als 
sehr  starke  zu  bezeichnen  sein.) 

Ganz  neuerdings  hat  N.  Weiss^^  in  Wien  unter  Zuhilfenahme 
des  von  Gaiffe  konstruirten  und  nach  Millimeter  geteilten  Galvano- 
meters das  Zuckungsgesetz  am  motorischen  Nerven  des  lebenden 
Menschen  bestimmt,  und  dabei  gefunden,  dass  die  Nadel  bei  höheren 
Stromstärken  20  —  30  Secunden  braucht,  ehe  sie  zur  Ruhe  kommt, 
ein  Uebelstand,  der,  wie  wir  gesehen  haben  (Teil  I.  §  61),  durch  die 
passend  angebrachte  Dämpfung  beim  Edelmann'schen  Galvanometer 
auf  das  Vorteilhafteste  vermieden  ist.  Auch  das  §  61  beschriebene 
Taschengalvanometer  ist,  seitdem  es  durch  die  Kupferdämpfung  und 
die  Beifügung  einer  Nebenschliessung,  die  bis  zu  20  M.A.  zu  messen 
gestattet,  erheblich  verbessert  worden  ist,  für  den  Praktiker  sehr  zu 
empfehlen,  da  es  leicht  transportabel,  jeder  beliebigen  Batterie  leicht 
einzufügen  und  im  Preise  um  ein  Drittel  billiger  ist,  als  das  grosse 
Galvanometer  (50  M.  zu  150  M.)408, 


97. 


Rheostateinschaltung. 


227 


§  97.  Schliesslich  ist  noch  eines  ümstandes  Erwähnung  zu  tun, 
welcher  der  Brauchbarkeit  des  sonst  so  vortrefflich  von  Brenner  zu- 
sammengestellten Apparates  Eintrag  tut,  d.  i.  die  Einfügung  des 
Galvanoskops  in  die  Hauptschliessung,  so  dass  bei  Benutzung  des 
Rheostaten  in  Nebenschluss  durch  das  Galvanoskop  nur  die  Stärke 
des  im  Körper  und  im  Rheostaten  fliessenden  Stroms  angezeigt  wird, 
nicht  aber  desjenigen  Stromanteils,  welcher  durch  den  menschlichen 
Körper  allein  geht.  —  Dieser  schon  von  Hitzig  gerügte,  von 
Runge 25  für  die  Einschaltung  seines  Flüssigkeitsrheostaten  wohl  in 
Betracht  gezogene  und  verbesserte  Fehler  ist,  wie  Remak'-^^  zuerst  für 
seinen  Apparat  gezeigt  hat,  durch  besondere  Vorrichtungen  zu  vermeiden 
(vgl.  Fig.  77).  Für  alle  diejenigen,  welche  im  Besitze  konstanter  Batterien 
und  eines  Rheostaten  sind,  sei,  wenn  sie  sich  die  neue  Anordnung  zu 
Nutze  machen  wollen,  folgendes  gesagt ^-'i  Der  Rheostat  wird  in 
Nebenschliessung  nicht  an  den  Klemmschrauben  eingeschaltet,  welche 
die  Leitungsschnüre  der  zum  menschlichen  Körper  gehenden  Elektroden 
aufnehmen,  sondern  an  den  federnden  Kurbeln,  die  am  Tableau  von 
Knopf  zu  Knopf  bewegt  werden  und  die  dazu  bestimmt  sind,  die 
Anzahl  der  Elemente  auszuwählen  (vgl.  Fig.  74).  Uebrigens  kann 
man,    wie    die    schematische  Figur    79    zeigt,    sich    leicht    von    den 


Fig.  79. 


ly 


228  Transportable  Ifonstante  Batterien.  Kap.  XIII. 

Endpunkten  der  Kurbeln  A  und  B  zwei  kurze  Metallstreifen  zu  zwei 
Klemmschrauben  a  und  b  führen  lassen,  von  denen  aus  zwei  Drähte 
zu  dem  neben  stehenden  Rheostaten  hingeführt  werden  können.  Das 
Galvanoskop  befindet  sich  dann  nur  in  dem  Stromkreise,  in  welchem 
sich  zwischen  K  und  Z  der  menschliche  Körper  eingeschaltet  findet. 
Soll  der  Rheostat  in  der  Hauptschliessung  sein,  so  führe  man  von 
der  Klemmschraube  K  einen  Draht  (0)  nach  der  einen  Klemmschraube 
des  Rheostaten  und  befestige  in  der  anderen  Rheostatklemmschraube 
eine  der  zum  Körper  führenden  Elektroden  (die  andere  Elektrode  wird 
durch  einen  Leitungsdraht  mit  z  verbunden);  durch  die  Vermehrung 
der  Rheostatwiderstände  wird  der  Gesammtstrom  abgeschwächt  und 
das  Galvanoskop  zeigt  jetzt  die  durch  die  Einschaltung  des  Körpers 
1-  des  Rheostatwiderstandes  modifizirte  Stromstärke  an. 

§  98.  Apparate,  wie  die  eben  beschriebenen  sind  natürlich  nicht 
transportabel;  sie  eignen  sich  daher  nur  für  Krankenhäuser  resp.  tür 
diejenigen  Aerzte,  die  sich  ganz  speziell  mit  der  Elektrotherapie  be- 
schäftigen. Es  hat  sich  demnach  sehr  schnell  das  Bedürfniss  heraus- 
gestellt, neben  den  feststehenden  auch  transportable  Apparate 
zu  konstruiren,  welche  von  dem  Arzte  auf  seinen  Wegen  zu  den 
Kranken  mitgenommen  werden  können  (vgl.  §  39,  Anhang). 

Auf  Veranlassung  v.  Ziemssen's  haben  Krüger  und  Hirsch- 
mann in  Berlin  Apparate  konstruirt  von  40  kleineren  Siemens- 
schen  Elementen,  von  denen  jedes  9  Ctm.  hoch  ist;  der  Gesammt- 
apparat  ist  20  Zoll  hoch,    17  Zoll  breit  und  etwa  60  Pfund  schwer. 

Neuerdings  konstruiren  Krüger  sowohl  wie  Hirschmann  hand- 
liche und  brauchbare  transportable  Apparate  aus  40  kleinen  Grenet- 
schen  Elementen  bestehend.  Das  Gewicht  des  Apparates  mit  40  Ele- 
menten inclusive  Stromwender,  Galvanoskop  und  Nebenapparaten 
beträgt  8  Kilo,  der  Preis  150  Mk. ;  und  ohne  Stromwender  und 
Galvanoskop,  aber  mit  den  Nebenapparaten,  6  Kilo  schwer  (Preis 
120  Mk.) 

Diese  Batterie  ist  von  Spamer^^  dahin  modifizirt  worden,  dass 
er,  wie  bei  seinem  Induktionsapparat  (vgl.  S.  211)  nur  eine  minimale, 
in  die  gut  leitende  Lösung  eintauchende  Zinkoberfläche  benutzt  und 
jede  (je  10  Elemente  tragende)  Leiste  beson.ders,  d.  h.  für  sich 
eintauchbar  anbringt  (s.  Fig.  80). 

Obgleich  diese  Batterie  noch  leichter  transportabel  ist,  wie  die 
ursprüngliche,  ist  sie  wegen  der  mannigfachen  Zeit  raubenden  Mani- 
pulationen des  Hebens  und  Eintauchens  der  3  Leisten  und  deren  Ver- 


§  98. 


Transportable  konstante  Batterien. 


'229 


bindimg  kaum  so  praktisch,  wie  diese;  will  man  sich  aber  immer 
nur  relativ  schwacher  Ströme  bedienen  (bis  zu  10  Elementen),  so  hat 
man  bei  der  Auswahl  der  3  zu  benutzenden,  je  10  Elemente  tragen- 


^~~'-*-**«iisiil^^ 


Fig.  80. 


den.  Leisten  die  Möglichkeit  einer  viel  längeren  Schonung  der  Batterie, 
als  es  bei  dem  ursprünglichen  Apparat  möglich  wäre. 

Neuerdings  hat  Hirschmann ^-^  eine  transportable  Batterie  (Zink- 
Kohle -Elemente  mit  Tauchvorrichtung)  mit  Elementenzähler  und 
Kurbelvorrichtung  konstruirt,  bei  der  durch  eine  besondere  sinnreiche 
Vorrichtung  eben  nur  immer  die  Spitzen  der  Zinke  in  die  Säurelösung 
eintauchen  und  durch  einen  beigegebenen  Schlüssel  nach  Bedarf  tiefer 
geschraubt  werden  können.    D.  R.-Patent  No.  4467.    (S.  f.  S.  Fig.  81.) 

Neben  diesen  Apparaten  sind  die  bewährten  Stöhr  er 'sehen 
(sowohl  der  grosse  kombinirte  elektrotherapeutische  Apparat  für 
Spezialisten  und  Heilanstalten,  als  auch  die  kleineren  transportablen 
Handbatterien)  Apparate  und  die  von  Reiniger^^  in  Erlangen  kon- 
struirten  Winkelzellenbatterien  zu  empfehlen  (vgl.  S.  46). 


J30 


Transportable  konstante  Batterien. 


Kap.  XIII. 


Fig.  81. 


Zu  den  konstanten  Elementen  mit  grossem  Widerstand  gehört 
ausser  dem  Dani  eil 'sehen  und  den  ähnlichen  M  ei  ding  er 'sehen  und 
Siemens 'sehen  Elementen  noeh  das  Leelanche-Element.  24  dieser 
Elemente  haben  Keiser  und  Schmidt  in  Berlin  zu  einer  trans- 
portablen Batterie  zusammengestellt.  Auf  der  oberen  Platte  des  die 
Elemente  enthaltenden  Schrankes  befindet  sich  ein  Stromwähler,  ein 
Vertikal-Galvanometer,  ein  Stromwender  und  die  beiden  für  die  Leitungs- 
schnüre  bestimmten  Klemmschrauben. 

Eine  transportable  Batterie  aus  modifizirten  Leclan che- Ele- 
menten hat  Beetz  in  München  angegeben.  In  den  Boden  eines 
Reagenzglases  ist  ein  nach  innen  und  aussen  hervorragender  Platin- 
draht eingelassen.  Das  untere  Drittel  des  Glases  wird  mit  grob  ge- 
stossenem  Braunstein  und  Kohle  angefüllt,  das  zweite  Drittel  nimmt 
eine  konzentrirte  Salmiaklösung  ein,  in  diese  taucht  ein  Zinkstab  ein, 
der  in  einem  das  Reagenzglas  lose  verschliessendem  Pfropfen  sitzt« 
Die    elektromotorische    Kraft    eines    solchen    Elementes    ist    =1,4 


§98. 


Nebenapparate.    Loiluiigsschnüre,  Elektroden. 


231 


(Daniel!  =  1,0),  der  Widerstand  sehr  bedeutend  =45  Siemens- 
sche  Einheiten.  Die  aus  24  Elementen  bestehende  Batterie  [Fabrikant 
Edelmann  in  München;  Preis  der  Batterie  mit  Nebenapparaten  60  fl.] 
kann  nur  bei  grossem  ausserwesentlichen  Widerstand  verwertet  werden. 
Ebenfalls  zur  Herstellung  einer  transportablen  Batterie  verwendet 
ist  das  Seite  47  beschriebene  Chlorsilber-Zink-Element  nach  Warren 
de  la  Rue  und  Pinkus.  Letzterer  hat  durch  den  Königsberger 
Mechanikus  Moewig  eine  Batterie  herstellen  lassen,  die  indessen 
durch  ihren  Mangel  an  Dauerhaftigkeit  und  die  Kostspieligkeit  der 
Unterhaltung  (Chlorsilber)  keine  besondere  Verbreitung  hat  gewinnen 
können.  Wir  unterlassen  es,  an  dieser  Stelle  eine  ausführliche  Be- 
schreibung aller  dieser  Apparate  zu  geben;  die  von  den  einzelnen 
Firmen  herausgegebenen  Kataloge  und  die  fast  jedem  Apparat  bei- 
gelegten Zeichnungen  und  Erklärungen  genügen  durchaus,  sich  in 
kurzer  Zeit  mit  den  Eigenheiten  der  einzelnen  Batterien  vertraut  zu 
machen.     (Vgl.  übrigens  S.  68.) 


§  99.  Durch  Leitungsschnüre  Avird  der  Strom  des  Induktions- 
apparats oder  der  konstanten  Batterie  zu  den  Elektroden  hingeführt, 
die  wir  auf  den  Körper  des  zu  Untersuchenden  oder  Behandelnden 
appliziren.  Feine,  zusammengedrehte,  mit  Seide  übersponnene  Kupfer- 
drähte, welche  etwa  1  Meter  lang  an  beiden  Enden  in  einen  2—3  Ctm. 
langen  angelöteten  Kupfer-  oder  Messingdrahtstift  auslaufen,  sind  die 
besten  Leitungsschnüre.  Um  sie  vollkommen  zu  isoliren,  werden  sie 
mit  Gummischläuchen  überzogen,  welche  noch  über  die  Lötstellen 
hinausreichend  dort  durch  umgewickelte  Seide  be- 
festigt sind.  Das  eine  Ende  des  Leitungsdrahtes 
wird  an  den  Klemmschrauben  des  Induktions- 
apparats oder  der  Batterie  befestigt,  das  andere 
wird  in  den  gleich  zu  beschreibenden  Elektroden- 
h alter  eingeschraubt.  Dieser  besteht  aus  einem 
festen,  unten  abgerundeten  Holzgriff  mit  auf- 
gesetztem, festem,  oben  mit  einem  Schrauben- 
gang versehenen  Messingstück,  welches  in  der 
Mitte  eine  Durchbohrung  trägt,  in  welche  das 
mittelst  einer  Klemmschraube  zu  befestigende 
andere  Drahtstiftende  der  Leitungsschnur  be- 
festigt wird. 

Auf  die  Elektrode  werden  nun  die  aus  Messing 
bestehenden    Platten,    Knöpfe,    Balken    etc.  Fig.  82. 


232 


Elektroden. 


Kap.  XIII. 


aufgeschroben,  welche  auf  die  Haut  des  zu  Behandelnden  aufgesetzt 
werden.  Diese  Metallplatten  von  Vo — 1  Ctm.  (ganz  kleine  knopf- 
förmige).  2 — 3  Ctm.  (kleine),  5 — 6  Ctm.  (mittelgrosse),  6 — 9  Ctm. 
(sehr  grosse)  Durchmesser  werden  mit  Flanell  oder  Badeschwamm  oder 
Barchent  und  dann  noch  mit  Leinwand  überzogen.  Ihre  Oberfläche 
muss  stets  rein  sein  und  alle  3 — 4  Wochen  gereinigt  werden;  ebenso 
oft  muss  eine  Erneuerung  des  Ueberzuges  stattfinden,  der  sich  mit 
den  beim  Gebrauch  der  Batterie  auf  der  Metalloberfläche  allmählich 
entstehenden  Oxydschichten  imprägnirt.  Alle  anderen  weniger  festen 
Elektroden  sind  als  unpraktisch  und  unsicher  zu  verwerfen. 

Statt  der  Platten  aus  Metall  verwendet  Stöhrer  für  seine  Elek- 
troden Gaskohle,  der  beliebig  die  beschriebenen  Knopf-,  Balken-  oder 
Plattenformen  gegeben  werden.     Eine   besondere  Erwähnung   verdient 

die  von  M.  Meyer  zuerst  ange- 
gebene Hebelelektrode.  Neben- 
stehende Figur  zeigt,  wie  durch 
einen  leichten  Druck  des  Zeige- 
fingers der  Strom  geöffnet  und  beim 
Nachlassen  des  Druckes  wieder  ge- 
schlossen werden  kann;  wer  den 
oben  beschriebenen  Stromunter- 
brecher und  -Wender  nicht  an 
meinem  Apparat  angebracht  hat, 
kann  mit  dieser  Elektrode  sehr  gut 
den  Strom  im  metallischen  Teile 
der  Leitung  öffnen  und  schliessen. 
Der  Teil  des  Hebels,  den  der  Zeige- 
finger berührt,  wird  durch  eine 
kleine  Elfenbeinplatte  zweckent- 
sprechend isolirt,  weil  man  sonst  bei  zufälliger  Berührung  des  Patienten 
selbst  in  den  Stromkreis  mit  eingeschlossen  wird. 

Nach  Analogie  der  (S.  49)  oben  beschriebenen,  für  physiolo- 
gische Untersuchungen  notwendigen  unpolarisirbaren  Elektroden, 
hat  zuerst  Hitzig^^  für  den  Elektrotherapeuten  verwendbare  Elek- 
troden konstruirt,  durch  welche  die  Ansammlung  ätzender  Flüssig- 
keiten an  den  beiden,  auf  der  Haut  des  Patienten  stehenden  Polen 
(vgl.  S.  148)  verhindert  und  die  Konstanz  des  Stromes  gesichert  wird 
(Fig.  84).  Die  Elektrode  besteht  aus  einem  hohlen,  inwendig  amalga- 
mirten,  in  einen  Mantel  von  Hartkautschuk  eingekittetenZinkzylinder,  der 
mit  konzentrirter  Zinkvitriollösung  gefüllt  und  an  seinem  oberen  offnen 


Fig.  83. 


§  99. 


Unpolarisirbare  Elektroden. 


233 


Ende  mit  einem  Tonpfropfen  oder  mit  Papier  mäche  verschlossen  wird. 
Unterhalb  und  oberhalb  dieses  Verschlussstücks  befinden  sich  Leinwand- 
läppchen, die  durch  einen  in  eine  Ein- 
kerbung des  Mantelteils  passenden 
Gummiring  befestigt  werden. 

Ein  zweites,  grösseres,  oben  trich- 
terförmig erweitertes,  mit  Papier  mäche 
gefülltes  Ansatzstück  (ebenfalls  aus 
Hartgummi  gefertigt)  kommt  über  dem 
ersten  Zylinder,  wird  mit  Leinwand 
überzogen  und  ebenfalls  mit  einem 
Gummiringe  befestigt.  Beide  Pfropfe 
aus  Papier  mäche  sind  mit  einer 
schwachen  Kochsalzlösung  durchtränkt. 
Eine  am  unteren  Ende  des  Zylinders 
mit  dem  inneren  Zinkeinsatz  in  Ver- 
bindung stehende  Klemmschraube  nimmt 
den  Zuleitungsdraht  aus  der  Batterie 
auf.  — 

V.   Ziemssen^   hat    statt    dieser 
ziemlich    teuren    Elektrode    folgende, 
sehr  viel   billiger   herzustellende   Ein- 
richtung angegeben  (Fig.  85).    Zwei  Glasröhren,  10  Ctra.  lang,  1  Ctm. 
weit,  sind  oben  mit  einem  gewöhnlichen  Kork  verschlossen.    Durch  diesen 
geht  ein  amalgamirter  Zinkstab,   der  ausserhalb  des  Korkes  mit  dem 
Kupferleitungsdraht  verlötet    ist.     Die  Glasröhre    wird 
unten  durch  Ton-  oder  Papiermachepfropfen  (wie   oben 
beschrieben)   verschlossen  und  dann  ganz   mit   konzen- 
trirter  Zinkvitriollösung  gefüllt.    Stöhrer  hat  unpolari- 
sirbare Elektroden  konstruirt,  bestehend  aus  Glasbehälter 
für  Zinkvitriollösung,  Stromeinleitung  durch  einen  Zink- 
stab  und  Einsatz   von   gebranntem   Ton    mit   üeberzug 
von  6  Ctm.  Durchmesser.     (S.  f.  S.  Fig.  86.) 

Die  Verwendbarkeit  derartiger  Elektroden  unter- 
liegt keinem  Zweifel;  aber  bei  der  heute  üblichen 
Methode  der  Anwendung  nur  massig  starker  Ströme 
und  dem  öfteren  Wechsel  der  Ansatzstelle  (labile  Methode) 
und  bei  der  im  Ganzen  doch  für  eine  jedesmalige, 
selbst  stabile  Anwendung,  nur  relativ  kurzen  Dauer 
der    Sitzung    ist    die    Notwendigkeit,    derartige    Elek-       Fiy.  S5. 


234 


Elektroden  für  Schlund-  und  Kehlkopf. 


Kap.  XIII. 


Fig.  86. 


Schlundes. 


troden  zu  benutzen,  kaum  noch  eine  zwingende,  um 
so  mehr,  als  die  Auswässerung  der  Ton-  oder  Papier- 
machepfropfen, die  Erneuerung  der  Zinkvitriollösungen 
immer  eine  gewisse  Zeit  in  Anspruch  nimmt.  Die 
chemischen  Wirkungen  des  Indiiktionsstroms  sind  über- 
dies so  geringe,  dass  in  Bezug  auf  ihn  die  Benutzung 
unpolarisirbarer  Elektroden  erst  recht  entbehrlich  ist. 
Um  den  Strom  auf  einzelne  Nervenzweige  zu. 
lokalisiren,  kann  man  die  Kontaktfläche  aus  kleinen 
und  kleinsten  Knöpfen  anfertigen  lassen,  wie  sie  z.  B. 
für  die  elektrische  Behandlung  von  Augenmuskellähraun- 
gen  vorteilhaft  verwendet  werden.  Immerhin  müssen 
auch  diese  feinsten  Elektroden  mindestens  einen  Leine- 
wandüberzug haben  (s.  Fig.  87  a). 

Um  die  Muskulatur  des  Gaumensegels,  des 
des  Kehlkopfs  zu  elektrisiren,  kann  man  sich  einfach 
je  nach  den  vorliegenden  Zwecken  gebogener,  mit  einem  isolirenden 
Stück  Gummischlauch  überzogener  Kupferdrähte  bedienen,  die  an  die 
feste  Elektrode  angeschraubt  werden,  während  die  andere  mit  grösserer 
Platte  versehen  irgendwo  am  Körper  angesetzt  wird  (s.  Fig.  87  b).  Für  die 
Behandlung  des  Schlundes  und  Kehlkopfs  empfiehlt  v.  Ziemssen 

zu  kräftiger  Erregung  der  Muskulatur 
oder  der  Nerven  die  von  ihm  ange- 
gebene, von  Heller  (Nürnberg)  kon- 
struirte  Doppelelektrode  (s.  Fig.  88 
a.  f.  S.).  Die  zwei  starken  Leitungs- 
drähte des  Instruments  endigen  in 
kleine  Knöpfe,  die  mit  feinem  Bade- 
schwamm armirt  werden.  Beide  Knöpfe 
stehen  für  gewöhnlich  in  Berührung, 
so  dass  beim  Einführen  des  Instru- 
me-ntes  kein  Strom  die  Weichteile  des 
Mundes  oder  des  Rachens  trifft.  Erst 
wenn  die  Knöpfe  über  dem  Kehlkopf 
stehen,  werden  die  Brauchen  von  ein- 
ander entfernt.  -  Dies  geschieht  durch 
den  Druck  des  Zeigefingers  auf  einen 
Hebel,  der  mittelst  eines  Doppel- 
gelenkes die  Rotation  der  einen  Branche 
Fig.  87  a.  Fig.  81h.     bewirkt.     Die  Exkursion    des   Hebels 


§99. 


Elektroden  für  innere  Organe. 


235 


(und  dem  entsprechend  auch  die  Entfernung  der  Elektrodenspitzen  von 
einander)  wird  durch  eine  Schraube  bestimmt,  die  von  unten  gegen 
den  Hebel  vordringt  und  verstellbar  ist.  Bei  der  Energie  der  ge- 
reizten Muse,  constrictores  faucium,  wodurch  schwächer  gebaute  Elek- 
troden-Branchen zusammengedrückt  werden  können,  muss  man  mit 
beiden  Branchen  einen  starken  Druck 
nach  aussen  ausüben  können;  dazu  müssen 
sie  fest  und  solide  gearbeitet  sein.  Mit 
dem  Nachlassen  des  Fingerdrucks  auf  den 
Hebel  treten  die  Branchen  resp.  ihre 
Knöpfe  wieder  zusammen,  sodass  bei  der 
Herausnahme  des  Instruments  die  Mund- 
und  Rachenteile  von  einem  Strom  nicht 
mehr  getroifen  werden. 

Gerade  so  wie  man  diese  immerhin 
kostspieligen  Doppelelektroden  auch  bei 
der  elektrischen  Behandlung  des  Kehl- 
kopfs durch  einfach  sondenförmig  ge- 
staltete und  dem  jedesmaligen  Zwecke 
entsprechend  gebogene  feste  Drahtstifte 
ersetzen  kann,  kann  man  dies  auch  für 
diejenigen  Elektroden,  welche  zur  internen 
Applikation  auf  Blase,  Uterus,  Mastdarm 
verwertet  werden.  Für  die  Blase  hat 
man  eine  aus  englischem  Sondengeflecht 
bestehende,  unten  mit  einem  kleinen  Metallknopf  endende,  oben  mit 
einer  Schraubenvorrichtung  für  die  Aufnahme  des  einen  Leitungsdrahtes 
versehene  Elektrode  von  der  Dicke  eines  Katheters,  für  den  Mastdarm 
eine  ganz  ähnlich  konstruirte,  nur  dickere  (fingerdicke)  Elektrode. 
Für  die  intraventrikuläre  Elektrisirung  benutzt  man  Magen- 
sonden, die  in  ihrer  Lichtung  einen  bis  zum  Boden  reichenden  Metall- 
draht haben,  der  mit  einem  olivenförmigen  Knopf  endet.  Das  andere, 
einige  Centimeter  über  das  obere  Ende  der  Sonde  hervorragende  Ende 
des  Metalldrahtes  trägt  eine  Oese  oder  sonst  eine  Vorrichtung,  durch 
welche  es  mit  einem  der  Leitungsdrähte  verbunden  werden  kann. 
Die  andere  gewöhnliche  Platten-Elektrode  wird  dann  je  nachdem  auf 
die  Symphysis  pubis,  oder  auf  den  Unterleib  (meist  links)  oder  in 
die  Magengegend  aufgesetzt. 

Für  das  Ohr  benutzt  man  die  von  Krüger  wie  von  Hirschmann 
(s,  f,  S,  Fig.  89)  gelieferten  Ohrelektroden,   bestehend  aus  einem 


Fig.  88. 


236 


Elektroden  fürs  Ohr. 


Kap.  XIII. 


Satz  von  Ohrtrichtern  aus  Hartgummi,  die  mit  dem  Handgriff  ver- 
bunden sind.  Von  dem  metallischen  Teil  des  letzteren  gelit  ein  in 
die  mit  Wasser  zu  füllenden  Trichter  eintauchender  Draht  aus,  der 
durch  eine  kleine  Schraube  je  nach  der  Absicht  etwas  höher  oder 
tiefer  einzustellen  ist.  Der  Leitungsdraht  wird  wie  gewöhnlich  durch 
eine  am  Handgriff  befindliclie  Schraube  befestigt. 

Da  bei  Anwendung  einer  derartigen  Elek- 
trode die  Patienten  den  Kopf  horizontal  hin- 
legen müssen,  wodurch  die  Unbequemlichkeit 
der  an  sich  nicht  gerade  angenehmen  Prozedur 
erhöht  wird,  hat  Lucae  eine  Elektrode  für 
die  intraaurikuläre  Galvanisation  an- 
gegeben, bei  deren  Benutzung  der  Patient  wie  ge- 
wöhnlich aufrecht  sitzen  kann  (Fig.  90).  In  ein 
3  —  4  Ctm.  langes,  etwa  3  —  4  Mm.  weites 
Glasröhrchen  mündet  von  oben  her  recht- 
winklig ein  2  —  2V2  Ctm.  langes  vertikales 
Röhrchen.  Das  Glasröhrchen  a  endet  an 
der  einen  Seite  in  eine  metallne  Fassung, 
in  welche  ein  Platindraht  eingelötet  ist  und  welches  mittelst 
einer  kleinen  Klemmschraube  mit  einem  der  Leitungsdrähte  ver- 
bunden werden  kann,  üeber  das  andere  Ende  ist  ein  Stückchen 
Gummischlauch  gezogen,  welches  in  den  äusseren  Gehörgang  luft- 
dicht eingefügt  wird;  die  Füllung  mit  lauem  Wasser  erfolgt  durch 
das  vertikale  Röhrchen,  die  andere  Elektrode  ruht  irgendwo  am  Körper. 


Fig.  89. 


Fig.  90. 


Um  die  Mühseligkeit  des  Haltens  der  Elektroden  beim  Elek- 
trisiren  speziell  bei  der  Anwendung  des  stabilen  konstanten  Stroms 
zu  ersparen,  empfiehlt  Penzoldt  die  Haftbarkeit  der  Elektrode  durch 
eine  Schröpfkopfvorrichtung  herzustellen.  Die  Elektrode  wird  luft- 
dicht in  den  halbkugeligen  Schröpfkopf  aus  Hörn  eingelassen  und 
dieser  durch  Ansaugen    an    die  Haut   befestigt    (s.   Fig.   91   u.   92). 


§99. 


Schröpfkopf-Elektroden. 


237 


Wieder  andere  Vorrichtungen,  bei  denen  die  Elektrodenplatten  mit 
sehr  langen  Stielen  verbunden  sind,  gestatten  die  Einführung  der- 
selben unter  die  Kleider  der  Patienten  (Vermeidung  der  Entblössung). 


Fig.  91. 


Fig.  92. 


Ganz  neuerdings  beschrieb  Seeligmüller^»  eine  Doppelelek- 
trode für  die  Galvanisation  des  Rückenmarks  bei  sehr  mageren 
Personen,  bei  denen  die  Applikation  auf  die  Proc.  spin.  selbst 
Schwierigkeiten  bereitet.  Die  beiden  massiv  messingenen  hammer- 
förmigen  Strorageber,  welche 
stark  fingerdick  und  10  Ctm. 
lang  sind,  müssen  natürlich  ge- 
hörig mit  Filz  und  Leinwand 
umwickelt  sein.  Zwischen  die- 
selben, die  etwa  2  Ctm.  von 
einander  abstehen,  kommt  bei 
der  Applikation  auf  das  Rück- 
grat die  Reihe  der  Dornfort- 
sätze zu  liegen.  Ausserdem  fixirt 
sich  diese  Elektrode  durch  ihre 
Schwere  noch  besser,  als  die 
einfache  hammerförmige ,  wenn 
man  sie  mit  ihrer  einen  Hälfte 
zwischen  Halskragen  respective 
Hosengurt  und  Hemd  einschiebt. 
Man  kann  dann  ohne  Assistenz 
mit  der  anderen  bequem  unter- 
suchen   oder    therapeutisch    ein- 


wirken (Fig.  93). 


Fig.  9o. 


238  Unterbrechungs-,  Rheostat-Elektroden.  Kap.  Xllt. 

Um  scheibenförmige  Elektroden  von  Metall  bequem  zq  überziehen, 
bedient  sich  Seeligmüller  ferner  Gummikappen,  die  über  die  Metall- 
platten gezogen,  fest  anschliessen  und  eine  runde  Filzscheibe  gegen 
die  Metallplatte  fest  andrücken.  Dieser  Ueberzug,  welcher  sich  natür- 
lich nur  für  stabil  gehaltene  Elektroden  eignet,  hat  zwei  Vorzüge  vor 
der  sonst  üblichen  Bekleidung:  1)  verhindert  die  Gummikappe  die 
leicht  vorkommenden  Verbrennungen  durch  die  Randströme,  2)  lassen 
sich  Kappe  und  Filzscheibe  behufs  Reinigung  sehr  schnell  abnehmen 
und  wieder  aufsetzen.  Von  Zeit  zu  Zeit  müssen  die  durch  die  Deh- 
nung zu   weit  gewordenen  Gummikappen  durch  neue   ersetzt  werden. 

Gleichwie  die  von  M.  Meyer  angegebene  Hebelelektrode  für  die- 
jenigen, welche  derartige  Unterbrechungsvorrichtungen  in  ihrem  Strom- 
wender nicht  besitzen,  einen  Ersatz  bilden  soll,  so  haben  Bischoff ^9, 
Brunner^o^  Mosengell**,  Arnold  Elektroden  angegeben,  weichein 
sich  die  Wendungsvorrichtungen  enthalten  und  den  Kommutator  zu  er- 
setzen bestimmt  sind.  Derartige  meist  sehr  kostspielige  Vorrichtungen 
sind  zu  entbehren,  desgleichen  wohl  auch  diejenigen  Elektroden, 
welche  als  Rheostatelektroden  (wie  z.  B.  die  neuerdings  von  Reiniger 
in  Erlangen  konstruirte)  den  Rheostaten  ersetzen  sollen.  Hierher 
gehört  auch  die  in  allerneuster  Zeit  von  Hughes  Bennet*^  empfohlene 
Elektrode,  in  deren  hohlem  Griff  sämratliche  Nebenapparate  — 
Stromwender,  Unterbrecher,  Rheostat  —  untergebracht  sind;  wir  sind 
zur  Zeit  ausser  Stande,  über  die  Brauchbarkeit  dieses  Instruments  ein 
eignes  Urteil  abzugeben. 

Hat  man  die  Absicht,  gleichzeitig  zwei  Muskeln  mit  ganz  der- 
selben Stromstärke  zu  erregen,  so  kann  man  einen  Elektrodenhalter 
so  herrichten  lassen,  dass  in  ihm,  der  z.  B.  den  negativen  Pol  des 
Oeffnungsinduktionsstroras  darstellt,  2  Kupferdrähte  eingeklemmt  wer- 
den können,  deren  Enden  in  oben  beschriebener  Weise  mit  Lein- 
wand etc.  zu  überziehen  sind,  während  der  andere  Pol  durch  die 
ungeteilt  bleibende  Elektrode  dargestellt  wird,  oder  man  erteilt,  wie 
die  unterstehende  Figur  zeigt,  dem  einen  Leitungsdraht  eine  Y-Form, 
so  dass  sein  eines  Ende  gespalten  erscheint,  an  dem  dann  die 
beiden  (dieselben  Pole  repräsentirenden)  Elektroden  befestigt  werden. 

Zur  Reizung  der  sensiblen  Hautnerven  dient  der  von  Duchenne 

a"    angegebene,  auf  die  trockne  Haut  aufzusetzende,   aus  Metall- 
fäden bestehende  Pinsel  (s.  Fig.  89,  vgL  S.  178.) 

Was  von  den  erwähnten  Apparaten  der  Spezialist  nötig 
hat,  ist  oben  bei  der  Beschreibung  der  einzelnen,  ein  elektro- 


§  99.  Praktische  Bemerkungen.  239 

therapeutisches  Armamentariura  ausmachenden  Teile  hinreichend  her- 
vorgehoben worden. 

Der  praktische  Arzt  wird  jedenfalls  einen  der  transportablen 
Induktionsapparate  nötig  haben,  welche  in  der  Gestalt  des  Spam  er- 
sehen oder  der  von  Stöhrer,  von  Krüger,  Hirschmann  oder 
Reiniger  gelieferten,  allen  Anforderungen  an  Handliclikeit  und  Billig- 
keit entsprechen.  Die  transportablen  Batterien  für  den  konstanten 
Strom,  wie  sie  dieselben  Fabrikanten  liefern,  genügen,  wenn  sie 
nicht  zu  lange  hintereinander  fortgebrauclit  werden,  durchaus,  ob- 
gleich ihrer  relativen,  durch  die  Notwendigkeit  der  Transportabilität 
bedingten  Kleinheit  wegen  die  in  ihrer  Wichtigkeit  von  uns  be- 
tonten Nebenapparate,  wie  Galvanoskop  und  Stromwender  weniger 
genau  gearbeitet  sind.  Uebrigens  kann  durch  die  oben  schon  be- 
tonte Möglichkeit,  das  Edelmann'sche  Taschengalvanometer  mit 
Leichtigkeit  in  den  Stromkreis  jeder  beliebigen  Batterie  einschalten 
zu  können,  dieser  Uebelstand " gut  ausgeglichen  werden.  —  Für  den 
Transport  sind  auch  wohl  für  den  Praktiker  diejenigen  Vorrichtungen 
recht  zweckentsprechend,  bei  denen  in  einem  festen  Kasten  Induktions- 
und Batteriestrom  vereinigt  sind,  wie  z.  B.  ein  derartiger  Apparat 
von  Krüger  sehr  zweckentsprechend  gebaut  wird.  Hauptsache  ist, 
dass  neben  den  Elementen  oder  den  Induktionsrollen  selbst  auch  die 
nebensächlichen  Dinge,  die  Holzgestelle  und  Kästen,  der  Verschluss 
derselben,  die  Klemmen,  Bügel,  Drähte  gut  dauerhaft  und  sauber 
gearbeitet  sind;  es  ist  immer  anzuraten,  lieber  bei  anerkannten  Firmen 
einige  Mark  mehr  auszugeben,  wenn  man  dafür  die  Garantie  solider 
Arbeit  eintauscht.  Sehr  zu  empfehlen  ist  es,  sich  bei  Empfangnahme 
der  Apparate  in  die  Art  und  Weise  des  Aufbaues  und  Zusammen- 
stellens  der  einzelnen  Teile  mündlich  oder  schriftlich  einweihen  zu  lassen; 
ebenso  zweckentsprechend  auch  sich  mit  den  kleinen  Handwerksarbeiten 
des  Putzens  und  Reinigens  der  Kontaktflächen  und  Stöpsel  mittelst 
Smirgelpapier  bekannt  zu  machen;  manche  Reparaturkosten  und  vielZeit- 
versäumniss  werden  erspart,  wenn  sich  der  Besitzer  des  Apparats  mit 
diesen  kleinen,  oft  so  unscheinbaren  Handgriffen  vertraut  gemacht  hat. 

Unmöglich  ist  es  ferner,  mit  einer  Batterie  Alles  leisten  zu 
wollen;  die  Ausübung  der  Galvanokaustik  z.  B.  erfordert  andere 
Elemente  und  eine  ganz  andere  Zusammenstellung  derselben,  als  die 
elektrotherapeutischen  Massnahmen  am  Menschen  mit  unversehrter  Haut; 
man  vergl.  darüber  S.  72  und  191,  wo  Alles  Hierhergehörige  des 
Weiteren  auseinandergesetzt  ist. 


Kapitel  XIV. 

Von  den  motorischen  Punkten  und  der  Untersuchungs- 
methode der  motorischen  Nerven  und  der  Muskeln 
mittelst  des  faradischen  Stroms. 


§  100.  In  welcher  Weise  die  physiologischen  Wirkungen  der 
Elektrizität  als  Heilmittel  angewendet  werden,  darüber  ist  im  zwölften 
Kapitel  schon  im  Allgemeinen  gehandelt  worden.  Indem  wir  daher 
den  Leser  auf  die  dort  gemachten  Bemerlmngen  verweisen,  knüpfen 
wir  an  dieser  Stelle  an  jenen  Fund  Duchenne's  an  (vgl.  S.  180), 
dass  von  gewissen  Punkten  der  Körperoberfläche  aus  einzelne  Muskeln 
ganz  besonders  leicht  und  vollständig  zur  Zusammenziehung  gebracht 
werden  konnten.  Diese  von  Duchenne  „points  d'election^*  (Wahl- 
punkte) genannten  Stellen  wies  R.  Remak-*^  als  die  Eintrittsstellen 
der  motorischen  Nerven  in  die  Muskeln  nach.  Der  erstere  Autor 
hatte  eine  direltte  und  eine  indirekte  Muskelreizung  unterschieden,  je 
nachdem  die  Elektrode  auf  den  Muskel  direkt  oder  auf  den  Nerven- 
stamm oder  einen  Ast  desselben  aufgesetzt  wurde.  Nach  Rem ak  ist 
es  vorzuziehen,  den  Muskel  überhaupt  stets  von  seinem  Nerven  aus 
zu  reizen,  da  hierdurch  sehr  viel  leichter  uud  voUkommner  Zusammen- 
ziehungen erzielt  würden.  Er  nahm  statt  der  direkten  und  indirekten 
Reizung  Duchenne's  eine  intramuskuläre  und  extramuskuläre  Nerven-' 
reizung  an.  Durch  die  eingehenden  Arbeiten  v.  Ziemsse n's^  wurden 
teils  durch  Untersuchungen  an  Leichen,  teils  an  Kranken,  bei  denen 
bald  nach  dem  Tode  die  während  des  Lebens  gefundenen  Tatsachen 
(best  erregbare  Punkte  etc.)  kontroUirt  werden  Iconnten,  die  Eintritts- 
stellen der  motorischen  Nerven  in  die  einzelnen  Muskeln,  ihre  Lage 
zur  Hautoberfläche,  der  intra-  und  extramuskuläre  Verlauf  der  Nerven 
und  deren  Projektion  auf  die  Oberfläche  festgestellt.  So  ergab  sich 
nun   das  die  Angaben  Remak's  teils   bestätigende,   teils   ergänzende 


§  100,  101.  Kopf.  —  Nervus  facialis.  241 

und  berichtigende  Resultat,  dass  einmal  ganze  Nervenstrecken  oft 
von  über  Zolllänge  mit  der  Elelitrode  isolirt  verfolgt  werden, 
anderemal  von  der  Tiefe  her  in  dicke  Muskelmasse  eintretende  Nerven 
überhaupt  nicht  gereizt  werden  konnten  oder  dass  eine  direkte  Muskel- 
reizung dann  vorzuziehen  war,  wenn  mehrere  Nerven  sich  an  der 
Innervation  eines  Muskels  beteiligten,  sodass  eine  mühselige  Teilung 
der  Elektroden  zur  Erzielung  eines  GesammtefFekts  bei  indirekter 
Reizung  nötig  gewesen  wäre. 

Insofern  selbst  die  neueste  Zeit  den  Ergebnissen  der  mühevollen 
Studien  v.  Ziemssen's  nur  wenig  hinzugefügt  hat,  wird  im  Folgen- 
den im  Wesentlichen  nach  den  Angaben  des  genannten  Autors  eine 
Anleitung  gegeben,  die  motorischen  Punkte  am  menschlichen  Körper 
zu  finden.  Eine  längere  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstand  wird 
dem  Arzt  sehr  bald  die  Erlernung  der  hauptsächlichsten  Daten  er- 
möglichen ;  für  seltenere  Einzelfälle  bleibt  meist  Zeit,  sich  durch  einen 
Einblick  in  Text  und  Zeichnung  die  nötige  Sicherheit  zu  verschaffen. 
Am  besten  ist  es,  sich  an  willigen  Versuchspersonen,  eventuell  am 
eignen  Körper  einzuüben.  Man  kann  zu  diesem  Zweck  die  eine  Elel^;- 
trode  durch  ein  Gummiband  an  irgend  einer  Stelle  (bei  Selbstübung 
z.  B.  an  oder  über  der  Patella)  befestigen,  eventuell  sich  einer 
Pentzold' sehen  Elelitrode  bedienen;  bei  einer  Versuchsperson  lässt 
man  die  eine  breitere  Elektrode  an  einen  sogenannten  „indiffe- 
renten ^'  Punkt  (siehe  später),  z.  B.  das  Brustbein  andrücken,  wäh- 
rend man  selbst  mit  der  anderen,  kleineren  (meist  den  negativen  Pol 
repräsentirenden)  die  Versuche  vornimmt.  Gleich  hier  sei  eine  für 
die  Praxis  wichtige  Bemerkung  beigefügt:  es  ist  zu  empfehlen,  diese 
Versuche  auch  am  eigenen  Körper  vorzunehmen;  der  die  Elektrizität 
als  Heilmittel  anwendende  Arzt  gewinnt  dadurch  eine  durch  nichts 
zu  ersetzende  Vertrautheit  mit  der  Stärke  und  Leistungsfähigkeit 
seiner  Apparate  und  ein  Urteil  über  manche  oft  übertriebene  Aeusse- 
rungen  und  Angaben  der  seiner  Pflege  anbefohlenen  Kranken. 

§  101.  Am  Kopf  ist  es  hauptsächlich  der  N.  facialis,  dessen 
Stamm  und  Aeste  am  häufigsten  neben  den  dazu  gehörigen  Muskeln 
elektrisch  gereizt  werden  sollen. 

Die  Reizung  des  Stammes  vom  Boden  des  äusseren  Gehörgangs 
her  (nach  Duchenne)  ist  als  sehr  schmerzhaft  zu  vermeiden;  auch 
die  von  v.  Ziemssen  empfohlene  Erregung  au  dem  unmittelbar  unter 
dem  Perus  acusticus  externus  gelegenen  Grübchen  der  Ohrmuschel 
ist    schmerzhafter,    als    die    Reizung    unmittelbar    unter     der    Ohr- 

Rosenthal  u.   Bernhardt,  Elektrizit'atslehre.    HI.   Aufl.  iß 


242 


Nervus  facialis.  —  Ohrmusteln. 


Kap.  XIV. 


muschel  zwischen  dem  Proc.  condyloideus  mandibulae  und  dem  Proc. 
mastoideus. 

(Wirkung:  Verzogen  werden  der  gesammten  Gesichtshälfte  nach 
der  gereizten  Seite  hin,  Augenschluss,  Stirnrunzeln,  Schiefstellung  von 
Nase  und  Mund,  Faltung  der  Gesichtshaut.) 

Von  den  Aesten  findet  man  den  Ramus  auricularis  posterior 
am  Proc.  mastoideus,  unmittelbar  hinter  dem  Ansatz  der  Ohrmuschel; 
er  bewirkt  Verziehung  der  Kopfhaut  nach  hinten  (M.  occipit.)  und 
Bewegungen  der  Ohrmuschel  (M.  retrahens,  attollens).  Die  Reizung 
der  übrigen  kleinen,  in  der  Ohrmuschel    gelegenen  Muskeln    gelingt 


Stirn-Augen-Ast   .. 

M.  retrahens  et  at-^^ 

tollen  s  aiiric. 

M.  occipitalis^^ 
N.faciaIls(Stamra)._^  ^ 
N.  auricul.  poster.  ~"- 
profund.(N.facial.)""  - 
Klnn.Hals-Ast-~ 
M.  splenius  cap.~^  ' 
Naccessor.WillisU 

(Ram.  ext.) 
M.   sternocleidora. 
Mlevat.angull  scap-^ 

Muse,      cucullaris^ 
Erb'scher    Supra-  ^ 
clavlcularpuuct  ^-~ 
N.  dorsal,  scapulae 
Plexus  brachialis 


\^Mf?/i^ \ ^'  frontalis' 

M.  corrugator  su- 

percil. 
M.orbicul.palpebr. 

M.  pyramid.  nasi 
Nasen-Mund-Ast 

M.  zygomatic.  (rai- 
I      --■"•?,"'        a      ^-rr^-"     V  nor[a],major[b]) 

f"         *— -^'■"    i m--*"Y~    M.  dilatat.  narium 

//' 

A,    I  i«.„^^r           -'     ^^'  orbicularis. 

~  ■ -"  j  ir^A'"   '          N.prorausc.  trian- 

V  9-^^f- gul.etlevat.  menti 

^  ^'  ^i M.  trlangul.  menti 

*"SvS;^*'"~ enl •"''•  Iß^ätor   menti 

^x^*S5^~- — y~yjJJä^^  ^'"  1^^^^^^-  menti 

«r  ~  ^^Z_l  ~~      N.  subcut.  colli 

^1    "v  Mplatysma  myoid. 

M.  sternohyoid. 
M.  omohyoideus 
M.  sternothyreoid. 


N.thor.  longus  (M.'  y 
serrat.  magnus) 
N.  axillaris 

N.  thorac.  anterior. , 
(M.  pector.  mag- 
nus) 

N.  phrenicus. 


XAv/Wir^t^"""'*- 


Fig.  94. 


§  101.  Nervus  facialis.  —  Gesichtsmuslieln.  243 

bei  vielen  Menschen  nicht,  ist  übrigens  auch  ohne  besondere  praktische 
Wichtigkeit  (M.  tragicus,   antitragicus ,    helicis  major  und  minor),  — 

Vom  Stamm  aus  (Foram.  stylomast.)  gelingt  es  zeitweilig  die 
Mm.  digastrici  und  stylohyoidei  zu  erregen  (Zungenbein  bewegt 
sich  nach  oben,  aussen,  hinten). 

Durch  Aufsetzen  der  diiferenten  Elektrode  vor  das  Ohr  in  die 
Parotisgegend  bringt  man  durch  Reizung  des  Pes  anserinus  die  Stirn-, 
Augen-,  Nasen-  und  Mundmuskeln  zur  Kontraktion. 

Den  Ast  für  den  M.  frontalis  findet  man  oberhalb  und  auf 
dem  Jochbogen  vom  Ohr  ab.  Die  Stirnhaut  wird  gerunzelt,  die  Augen- 
brauen nach  oben  gezogen.  Etwas  unterhalb  der  für  den  Frontalis- 
ast angegebenen  Linie  findet  man  den  Ast  für  den  M.  corrugator 
superc. 

Die  Augenbrauen  werden  nach  abwärts  und  medial wärts  gezogen: 
Vertikalfaltung  der  Haut  an  der  Glabella  bei  doppelseitiger  Reizung. 

Der  Ast  für  den  M.  orbic.  palpebrarum  liegt  auf  dem.  Joch- 
bein: das  Auge  wird  fest  geschlossen,  die  Augenliderhaut  in  Falten 
gelegt.  Am  unteren  äusseren  Jochbeinrande  findet  man  den  Ast 
für  den  M.  zygomaticus  major;  er  zieht  den  Mundwinkel  nach 
aussen  und   oben   und  legt   die  Wangenhaut  in   bogenförmige  Falten. 

Vom  unteren  Jochbeinrande  her,  unmittelbar  an  seiner  Verbin- 
dung mit  dem  Oberkieferbein  reizt  man  den  M.  zygomaticus  minor: 
Die  Oberlippe  wird  nach  oben  und  aussen  gezogen.  (Schmerz  durch 
Reizung  des  infraorbitalen  Trigeminusastes ;  überhaupt  ist  die  Fara- 
disation  am  Gesicht  wegen  der  reichlich  verbreiteten  sensiblen  [Tri- 
geminus-]  Aeste  meist  schmerzhaft,  daher  Vorsicht  in  der  Dosirung 
der  Stromstärke.) 

Den  M.  levator  labii  superioris  findet  man,  wenn  überhaupt 
isolirt,  1 — 2  Ctm.  unterhalb  des  inneren  Drittels  des  unteren  Augen- 
höhlenrandes ;  die  Wirkung  besteht  in  der  Hebung  der  entsprechenden 
Oberlippenhälfte. 

Den  M.  levator  labii  superior.  alaeque  nasi  reizt  man  an 
der  entsprechenden  Nasenseite  oberhalb  des  Flügels.  Sein  Name  be- 
zeichnet seine  Tätigkeit. 

Von  einem  Punlit  etwas  oberhalb  des  zuletzt  erwähnten  bewirkt 
man  eine  Kontraktion  der  Mm.  compressor  und  pyramidalis 
nasi,  wodurch  die  Nasenhaut  geftiltet,  die  Glabellarhaut  geglättet 
und  det  mediale  Teil  der  Augenbraue  nach  unten  und  nasalwärts  ge- 
zogen wird.  Am  Nasenflügel  selbst  reizt  man  die  Dilatatores 
narium   anterior  et  posterior:    ihr   Name   besagt   ihre    Wirkung. 

16* 


244  Kau-  und  Schlundmuskeln.  Kap.  XIV. 

Zum  M.  orbic.  oris  treten  an  jeder  Seite  oben  und  unten  je 
ein  Ast.  Die  Elektroden  werden  etwa  1 — 1 '  .^  t^tm.  vom  Mundwinkel 
angesetzt:  vollständige  Kontraktion  wird  nur  durch  Reizung  aller 
vier  Zweige  erzielt.  Die  Lippen  spitzen  sich;  durch  Reizung  eines 
Nerven  wird  nur  die  entsprechende  Lippenhälfte  verkürzt.  Wie  den 
M.  buccinator,  so  kann  man  auch  bei  Benutzung  eines  dicken,  mit 
einem  Knopf  endenden  Metalldrahts  die  einzelnen  Abteilungen  des 
M.  orbic.  oris  von  der  Mundhöhle  aus  zweckmässig  erregen  (intra- 
buccale  Faradisation). 

Vom  inneren  Rande  des  M,  masseter  her  oder  von  der  Mundhöhle 
aus  bringt  man  den  M.  buccinator  zur  Kontraktion:  Die  Backe 
wird  an  die  Zähne  gepresst  und  ihre  Haut  gefaltet. 

Den  Ast  für  den  M.  triangularis  menti  findet  man  etwa  in 
der  Mitte  des  unteren  Randes  des  horizontalen  ünterkieferastes.  Der 
Mundwinkel  und  der  äussere  Teil  der  Unterlippe  wird  nach  abwärts 
und  aussen  hin  verzogen. 

Nach  innen  vom  M.  triangularis  findet  man  den  M.  quadratus 
menti  (direkte  Reizung),  welcher  die  Unterlippe  an  die  Zähne  andrückt 
und  dabei  nach  unten  (auch  etwas  lateralwärts)  zieht. 

Noch  mehr  medial wärts  findet  man  (direkt)  den  M.  levator 
menti:  seine  Reizung  bringt  die  Kinnhaut  in  die  Hölie  und  wölbt 
die  Unterlippe  (Lippensaum)  nach  aussen. 

Die  vom  motorischen  Ast  des  Trigeminus  versorgten  Kaumuskeln, 
der  M.  masseter  und  der  temporalis  können  nur  direkt  gereizt 
werden.  Die  Elektrode  wird  in  die  Gegend  der  Incisura  semilunaris 
des  Unterkiefers  aufgesetzt:  durch  die  Reizung  kommt  eine  energische 
Annäherung  des  Unterkiefers  an  den  Oberkiefer  zu  Stande. 

Die  Zunge  kann  direkt  von  allen  Seiten  her  gereizt  werden, 
wobei  sie  sich  verkürzt  und  nach  der  Reizungsseite  hin  neigt; 
schwieriger  gelingt  dies  (wenn  überhaupt)  vom  Nerven  aus  (N:  hypo- 
glossus),  welcher  dicht  oberhalb  des  grossen  Zungen beinhorns  auf- 
gesucht werden  muss. 

Die  Gaumenmuskulatur  (leichter  die  Uvula,  als  die  Seiten- 
teile) sind  direkt  zu  erreichen  und  werden  (besonders  das  Zäpfchen) 
energisch  verkürzt. 

Die  verschiedenen  Mm.  constrictores  faucium  sind  durch 
direkte  Reizung  (lange,  feine  Elektrode)  zu  erreichen;  die  Rachen- 
wandschleimhaut wird  nach  der  gereizten  Seite  hin  verzogen.  Die 
Augenmuskeln  und  -Nerven  sind  für  direkte  elektrische  Reizung  nicht 
erreichbar. 


§  101.  Kehlkopf.  —  Intralaryngeale  Reizung.  245 

Die  Reizung  der  Kelilkopfsmuskeln  von  aussen  (von  der 
Vorderseite  des  Halses  her)  durch  Faradisation  des  N.  laryng.  super, 
oder  des  N.  recurrens  wurde  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  für  ein 
nur  schwer  bezw.  gar  nicht  ausführbares  Experiment  gehalten ;  nament- 
lich hielt  man  den  Recurrens  durch  die  Schilddrüse  und  diverse  Muskel- 
strata  für  so  versteckt,  dass  es  kaum  gelänge,  ihn  mit  der  Elektrode 
zu  isoliren.  Einzig  der  M.  cricothyreoideus,  Spanner  des  Stimra- 
bandes,  war  durch  die  zur  Seite  des  Lig.  conoid.  aufgesetzte  Elek- 
trode in  Erregung  zu  versetzen.     (Perkutane  Reizung.) 

Die  direkte  Erregung  der  einzelnen  Kehlkopfsmuskeln  (intra- 
laryngeale Reizung)  ist  eine  für  den  Arzt  und  Kranken  höchst  müh- 
selige Prozedur,  welche  grosse  Ausdauer  und  Geduld  von  beiden  Seiten 
erfordert.  Oft  vergehen  Wochen,  ehe  der  Patient  sich  an  die  eigen- 
tümlichen Empfindungen  gewöhnt  und  den  reflektorisch  bedingten 
Hustenreiz  und  die  Brechneigung  überwindet.  Die  linke  Hand  des 
Arztes  führt  den  Kehlkopfsspiegel,  die  rechte  die  Elektrode;  diese 
ist  entweder  eine  Doppelelektrode  (s.  S.  235)  nach  v.  Ziemssen 
oder  eine  einfache  katheterförmig  gebogene  Drahtelektrode  an  den 
Meyer  "sehen  Unterbrecher  angeschraubt  und  .  durch  einen  bis  an 
die  mit  feinem  Tuch  oder  Waschschwamm  bedeckte  Spitze  reichen- 
den Gummirohrüberzug  isolirt;  es  versteht  sich,  dass  bei  Anwendung 
der  letzteren  der  Patient  selbst  die  andere  plattenförmige  Elektrode 
in  der  Hand  hat  oder  sich  auf  die  Brust  setzt,  oder  dass  ein  Assistent 
sie  in  den  Nacken  applizirt.  Als  Regel  gelte  die  Anwendung  schwacher 
Ströme. 

Den  M.  arytaenoideus  (transversus)  erreicht  man  (am  leichte- 
sten von  allen  Kehlkopfmuskeln)  an  der  hinteren  Fläche  der  Ary- 
taenoidknorpel.  Die  hintere  Fläche  der  Knorpel  wölbt  sich,  die  Arytae- 
noidknorpel  werden  an  einander  gepresst. 

Der  M.  crico-arytaenoideus  lateralis  ist  in  der  Tiefe  des 
Sinus  pyriform.  nach  hinten  zu  (man  geht  meist  zu  weit  nach  vorn: 
daher  —  nur  massige  Biegung  der  Elektrode)  in  der  unmittelbaren 
Nähe  des  äusseren  Randes  der  Ringknorpelplatte  zu  finden.  Das 
Stimmband  nähert  sich  der  Mitte,  ebenso  der  Proc    vocalis. 

Die  Mm.  thyreo-arytaenoid.  externus  et  internus  findet 
man  vom  Sin.  pyrif  aus  bei  Stellung  der  Elektrodenspitze  nach  unten, 
innen  und  vorn;  die  Giesskannenknorpel  werden  nach  vorn  und  unten 
gezogen. 

Der  M.  crico-arytaenoideus  posticus  wird  unter  den  Ary- 
taenoidknorpeln  auf  der  Hinterfläche  des  Ringknorpels  erreicht  (rechts 


246  Kelilkopf.  —  Perkutane  Reizung.  —  Halsmuskeln.  Kap.  XIV. 

und  links);  er  dreht  den  entsprechenden  Giesskannenknorpel  nach  aussen, 
zieht  ihn  auch  nach  aussen  und  hinten  und  öffnet  die  Stimmritze. 

Die  Muskeln  der  Epiglottis  (thyreo-  und  aryepiglotticus,  beide 
vom  N.  laryng.  sup.  innervirt)  erreicht  man  direkt  an  den  Seiten- 
rändern der  Kehldeckelbasis  oder  durch  Reizung  des  Nerven  im  Sinus 
laryngo-pharyngeus. 

Die,  wie  so  eben  erwähnt,  nicht  unbedeutenden  Mühseligkeiten 
der  intralaryngealen  Reizung  haben  neuerdings  ganz  besonders  Ross- 
bach-*-^  veranlasst,  die  Frage  von  der  Möglichkeit  perkutaner 
Reizung  der  Kehlkopfmuskeln  einer  neuen  Prüfung  zu  unter- 
werfen. Seine  Untersuchungen  an  einem  für  diese  Zwecke  sich  ganz 
besonders  gut  eignenden  Individuum  führten  ihn  zu  entschieden  posi- 
tiven Resultaten;  es  ergab  sich  mit  aller  wünschenswerten  Sicherheit, 
dass  auch  von  der  Haut  aus  mit  beiden  Stromesarten  eine  physiolo- 
gische und  therapeutische  Wirkung  auf  die  Kehlkopfsnerven  und 
-Muskeln  ausgeübt  werden  kann  und  dass,  um  Rossbach's  eigene 
Worte  zu  gebrauchen,  eine  intralaryngeale  Reizung  nicht  notwendig 
ist  und  durch  eine  länger  dauernde  perkutane  Elektrisirung  vollauf 
ersetzt  werden  kann.  (Ansatz  einer  oder  beider  Elektroden  an  die 
Schildknorpelplatten  oder,  um  den  N.  recurrens  zu  reizen,  Ansatz 
einer  dünnen  Elektrode  einige  Centimeter  unter  dem  unteren  Ring- 
knorpelrand am  vorderen  Rand  des  M.  sternocleidom.,  tief  nach  hinten 
einzudrücken.) 

Von  den  Halsmuskeln  reizt  man  das  Platysma  myoides  ein- 
mal von  den  vom  PI.  cervicalis  herstammenden  Aesten  (innerer  Rand  des 
M.  sternocl.  in  seiner  Mitte)  und  sodann  von  den  vom  Facialis  stam- 
menden Aesten  (Unterkieferrand  etwa  am  Winkel)  aus :  der  kontrahirte 
Muskel  stellt  zwischen  dem  oberen  Theil  der  Brustwand  und  dem 
Unterkieferrande  eine  Ebene  her.  Ausserdem  können  noch  die  Wir- 
kungen eintreten,  wie  sie  als  Folgen  der  Reizung  des  M.  quadratus 
menti  beschrieben  worden  sind. 

Der  N.  accessorius  Willisii  (äusserer  Ast)  wird  in  der  Mitte 
der  oberen  Hälfte  des  M.  sternocl.  auf  dem  Muskel  selbst  oder  in  der- 
selben Höhe  hinten  am  Aussenrande  des  Muskels  gefunden.  Die  Wir- 
kung ist  eine  gleichzeitige  Kontraktion  des  Kopfnickers  und  des 
M.  cucullaris. 

Etwas  unterhalb  der  oben  bezeichneten  Stelle  findet  man  den 
Punkt  für  den  Kopfnicker  allein;  der  Effekt  der  Reizung  besteht 
in  der  Drehung  des  Gesichts  nach  der  entgegengesetzten  Seite,  An- 
näherung der  Proc.  mast.  der  gereizten  Seite  an  das  Sternalende  des 


§  101,  102.  Hals-Nacken  muslceln.  247 

Schlüsselbeines,  Biegung  der  Halswirbelsäule  nach  vorn.  Doppel- 
seitige Reizung  des  Kopfnickers  verursacht  eine  Verschiebung  des  Ge- 
sichts nach  vorn  mit  Erhebung  des  Kinns;  die  Halswirbelsäule  wird 
gebeugt. 

Der  M.  cucullaris  kann  durch  den  an  seinem  vorderen  Rande 
oberflächlich  verlaufenden  Ast  des  Accessorius  zur  Verkürzung  gebracht 
werden;  je  nach  der  Fixirung  des  Kopfes  oder  der  Schulter  hebt  sich 
die  Schulter  nach  hinten  und  oben  und  nähert  sich  das  Schulterblatt 
der  Wirbelsäule  oder  der  Kopf  wird  nach  hinten  und  aussen  gezogen. 

Die  beiderseitige  Reizung  des  Cucullaris-Astes  hebt  beide  Schultern 
und  nähert  beide  Schulterblätter  der  Wirbelsäule. 

Nach  abwärts  und  etwas  nach  aussen  von  dem  Accessoriuspunkt 
findet  man  die  Stelle  für  die  indirekte  Reizung  des  M.  levator  an- 
guli  scap.,  welcher  durch  seine  Thätigkeit  den  inneren  Schulterblatt- 
winkel nach  oben  vorn  und  etwas  nach  innen  hebt. 

Ueber  die  Reizung  des  N.  hypoglossus  siehe  oben;  der  für  den 
M.  omohyoideus  bestimmte  Ast  wird  am  Innenrande  des  M.  ster- 
nocl.,  etwas  unterhalb  der  Mitte  gefunden;  der  untere  Bauch  des 
Muskels  kann  von  einer  Stelle  zwischen  den  sehnigen  Endigungen 
des  M.  sternocl.  her  erregt  werden.  (Effekt:  Herabziehung  des  Zungen- 
beines, Hervorspringen  des  gereizten  Muskels.)  Von  letzterer  Stelle 
her  kann  auch  der  M.  sternohyoid.  erreicht  werden;  die  Mm. 
sternothyreoid.  und  hyothyreoid.  sind  (meist  direkt)  am  inneren 
Kopfnickerrand  zu  finden  und  zu  erregen. 

Faradisation  des  N,  vagus  hat  bisher  noch  keine  praktische 
Verwertung  gefunden.  Man  kann  ihn  am  inneren  Rande  des  Kopf- 
nickers in  der  Tiefe  vorn  auf  der  Halswirbelsäule  finden  (unmittelbar 
unterhalb  des  M.  omohyoideus)  und  seinen  Hauptast  den  N.  recur- 
rens in  der  Furche  zwischen  Speise-  und  Luftröhre. 

Den  N.  phrenicus  findet  man  am  äusseren  Rande  des  M.  ster- 
nocl., vor  dem  M.  scalenus  anticus  und  oberhalb  des  Omohyoideus 
(siehe  oben).  Die  Elektroden  sollen  in  schräger  Richtung  von  aussen 
nach  innen  und  kräftig  eingedrückt  werden.  Das  Zwerchfell  kon- 
trahirt  sich,  die  Luft  stürzt  mit  eigentümlichem  Geräusch  durch  die 
Glottis,  der  Bauch  wölbt  sich  vor. 

§  102.  Von  den  den  kürzeren  Nerven  des  Plexus  brachialis 
(Henle)  angehörigen  Nerven  findet  man  den  N.  dorsalis  scapulae 
(für  den  M.  rhomboideus  und  serratus  posticus  superior)  unterhalb 
des   Accessorius,    zwischen  dem  äusseren  Rand  des  Kopfnickers  und 


248 


Obere  Extremität. 


Kap.  XIV. 


dem  vorderen  Kukullarrande;  seine  Reizung  bewirkt  die  Adduktion 
des  Schulterblattes  an  die  Wirbelsäule,  leichte  Hebung  des  letzteren 
und  der  oberen  Rippen. 

Weiter  abwärts,  dicht  oberhalb  des  Schlüsselbeines,  in  der  Nähe 
des  Randes  des  M.  trapezius  findet  man  (übrigens  nicht  immer  leicht) 
den  N.  thor.  lateralis,  dicht  oberhalb  der  Insertionen  der  Mm.  scaleni 
ant.  et  med.;  der  von  diesem  Nerven  innervirte  M.  serratus  anti- 
cus  maior  schiebt  bei  seiner  Zusammenziehung  den  Schulterblatt- 
winkel nach  vorn  und  aussen,  der  Raum  zwischen  Schulterblatt  und 
Wirbelsäule  wird  verbreitert,   der  innere  Scapularrand  an  den  Brust- 


Stirn-Augen-Ast  -^  J 

M.retrahens  et  at- 

tollens  auric. 
M.  occipitalis 
N.  facialis(Stamm) 
N.  auricul.  poster. 
profuiid.(N.facial.) 
Kinn-Hals-Ast 
M.  splenius  cap. 
N  accessor.  Willisii 

(Ram.  ext.) 
M.   sternocleidom. 
Mlevat.aiiguli  scap, 

Muso.      ciicullaris^ 
Erb"scher    Siipra- 
claviciilarpiinct  ^ 
N.dorsal.  scapulae-, 
Plexus  brachiali 


N.  thor.  loiigiis  (M.' 

serrat.  magnus)    . 

N.  axillai-is' 

N.tliorac.  anterior./ 
(M.  pector.  mag- 
nus) 

N.  phrenicus. 


M,  frontalis. 

M.  corrugator  su- 

percil. 
M.orbicul.palpebr. 

M.  pyramid.    nasi 
Nasen-Mnn  (l-Ast 

M.  zygomatic.  (rai- 

iior[a],major[b]) 

M.  dilatat.  narium 


M.  orbicLilaris. 
N.  pro  musc.  trian- 
gul.etlevat.  menti 
M.  triangul.  menti 
M.   levator   menti 
M.  quadrat.  menti 
N.  SU  beut,  colli 
Mplatysma  myoid. 
M.  sternohyoid. 
M.  omohyoideus 
M.  sternothyreoid. 


x/.v/S'/i'ir/i^^'f  "'■(*• 


Fig.  95. 


§  102.  Plexus  brachialis.  249 

kästen  angepresst,  das  Akromion  nach  vorn  und  oben  verschoben,  die 
Schlüsselbeingruben  vertieft;  das  Schulterblatt  steht  flügeiförmig  vom 
Thorax  ab.  Oft  gelingt  es,  den  N.  thor.  later.  in  der  Linea  axillaris 
isolirt  zu  reizen:  direkte  Faradisation  des  zackigen  M.  serratus  giebt 
nur  geringe  Resultate. 

Der  N.  suprascapularis  kann  nach  aussen  vom  M.  omohyoideus 
aufgesucht  werden;  die  von  ihm  versorgten  Mm.  supra-  et  in  fr  a- 
spinati  (Aus  war  tsroller  des  Armes)  werden  auch  direkt  gereizt. 

Schwierig  ist  die  Reizung  der  Subscapularnerveu  oberhalb  der 
Clavicula;  in  der  hinteren  Achselgegend  ist  einer  der  Aeste  öfter  zu 
finden;  auch  kann  der  M.  subscapularis  direct  gereizt  werden. 

Die  Nn.  thorac.  anteriores  (für  die  Mm.  pectorales  maior 
et  minor)  findet  man  dicht  oberhalb  und  etwas  hinter  der  Clavicula 
oder  unterhalb  derselben  am  oberen  Rande  des  M.  pector.  maior;  sie 
bewirken  gereizt  ebenso  wie  die  direkte  Erregung  der  genannten 
Muskeln  (man  schiebe  die  Elektrode  vom  unteren  Rande  her  zwischen 
Brustwand  und  Muskel  ein)  eine  Adduction  des  Oberarmes  an  den 
Brustkasten. 

Die  dem  unteren  Theil  des  Armgeflechtes  angehörigen 
langen  Nerven  (Henle)  können  in  der  Regio  supraclavicularis  zwischen 
den  Scalenis  gefunden  worden.  Ihre  Reizung  bewirkt  meistens  die 
Kontraktion  von  Muskelgruppen  (nicht  einzelner  Muskeln). 

Von  Wichtigkeit  ist  in  neuerer  Zeit  der  von  Erb^^  zuerst  be- 
schriebene, später  von  ten  Gate  Hoedemaker-'^  genauer  präzisirte 
Punkt,  von  dem  aus  bei  genügend  starken  faradischen  Strömen  gleich- 
zeitig Kontraktionen  in  den  Mm.  delt. ,  brachialis  internus,  bi- 
ceps,  supin.  longus  und  brevis  (infraspin.  und  subscap.) 
erzielt  und  abnorme  Sensationen  an  der  Radialseite  des  entsprechen- 
den Vorderarmes  und  in  den  entsprechenden  Daumen  und  Zeigefingern 
erregt  werden.  Dieser  für  die  Pathologie  wichtige  Reizpunkt  liegt  in  der 
Oberschlüsselbeingrube  etwa  in  einer  Linie ,  welche  vom  Sternoclavi- 
culargelenk  zum  Proc.  spin.  des  siebenten  Halswirbels  gezogen  wird, 
etwas  nach  vorn  ca.  1,5  Ctm.  vom  Rande  des  M.  cucullaris  entfernt. 
(5.  und  6.  Cervicalnerv.) 

Den  für  den  M.  deltoideus  bestimmten  N.  axillaris  findet 
man  (durchaus  nicht  immer)  oberhalb  des  Schlüsselbeines,  etwas  nach 
innen  von  dem  für  den  N.  respir.  Bellii  bestimmten  Punkt,  oder 
(gleichfalls  schwer)  in  der  hinteren  oberen  Achselregion. 

Der  N.  musculocutaneus  wird  entweder  zwischen  beiden  Bi- 
cepsköpfen ,    oder    mehr    nach    innen    zwischen    M.    coracobr.    und 


250 


Nervus  medianus. 


Kap.  XIV. 


M.  biceps  angetroffen;  der  für  den  Biceps  allein  bestimmte  Ast  oft 
noch  etwas  unterhalb  des  schon  zuerst  erwähnten  Punktes;  der 
Vorderarm  Avird  kräftig  gebeugt  und  etwas  supinirt;  den  für  den 
M.  brachialis  internus  bestimmten  Ast  findet  man  etwas  unter- 
halb der  Halbirungslinie  des  Bicepsmuskels,  von  dessen  innerem  Rande 
her  die  Elektrode  unter  diesen  Muskel  kräftig  nach  auswärts  ge- 
schoben werden  muss.  (N.  B.  Der  vom  N.  radialis  für  den  Muse, 
brachialis  internus  bestimmte  Ast  liegt  etwas  nach  innen  uad  unten 
von  der  für  den  N.  radialis  charakteristischen  Umschlagsstelle.) 


M.  brachialis  internus 

,-'M.  biceps  brachii 
"??5r.^S^^  ^^  N.  musculo 


Nv.    me 
dianus 


NT.      ul 
naris 


Fig.  96. 


Der  N.  medianus  ist  längs  der  Innenwand  des  M.  biceps  in  der 
ganzen  Länge  des  Oberarms  zu  finden;  der  Vorderarm  wird  pronirt, 
die  Hand  nach  der  Radialseite  zu  gebeugt,  der  Daumen  opponirt,  die 
Finger  gebeugt. 

Oberhalb  des  Handgelenkes  (zwischen  den  Mm.  palm.  longus 
und  flexor  carpi  radialis)  kann  der  N.  medianus  ebenfalls  isolirt 
gereizt  werden:  der  Daumen  wird  dadurch  abducirt  und  opponirt  und 
die  Basalphalangen  der  2  nächsten  Finger  (nur  manchmal  auch  des 
vierten  Fingers)  leicht  (durch  die  Wirkung  der  Mm,  lumbricales) 
gebeugt. 


§102. 


Nervus  medianus. 


251 


Von  der  Plica  ciibiti  aus  ist  der  M.  pronator  teres  indirekt  gut 
zu  erregen  (meist  gewaltsame  und  sehr  schnelle  Vorderarmpronation), 
während  die  beiden  grossen  Fingerbeugemuskeln  (N.  flexor  dig. 
subl.  et  prof.)  wegen  Eintritts  der  Nerven  von  der  Tiefe  her  nur 
direkt  erregt  werden  können. 

Die  für  den  M.  flexor  carpi  rad.  und  M.  palm.  longus  be- 
stimmten Punkte  findet  man  unterhalb  des  Cond.  internus  humeri  an 
den  ülnarrändern  der  entsprechenden  Muskeln;  der  FJexor  poUicis 
longus  wird  direkt  gereizt  am  Radialrand  der  Beugeseite  des  Vorder- 
arms handbreit  oberhalb  des  Handgelenks;  übrigens  wird  in  Bezug 
auf  die  genannten  Verhältnisse  hiermit  auf  die  beigegebene  Figur  (97) 
verwiesen. 

Was  die  für  die  Daumen muskulatur  bestimmten  Medianäste 
für  den  Abductor  poll.  brevis,  den  M.  opponens,  den  M.  flexor 


Mm.  lumbricales 


M.  opponens  digit.    min. 
M.  flexor  digit.  min. 
M.  abd.  digit.  min.--- 
M.  palmaris  brevis-" 

N.  lünaris  (ram.  vol.  prof.) 
N.  medianus 


M.  flexor  digit.  subl.  (ind. 
und  minim.) 


M.     flexor     digit.      subl 
(II  u.  III) 


M.  flexor  digit.  profund. 

M.  ulnaris  interuus(flexor 
carp.  ulii.) 

M.  palm.  longus 

M.  Pronator  teres 

N.  medianus 


M.  adductor  poll. 

M.  flexor  poll.  brevis 

M.  opponens  pollicis 

M.  abductor  poll.  brevis 


M.  rtexor  pollicis  longus 


-  M.  flexor  digit.  subl. 


M.  rad.  internus    (flexor 
carp.  rad.) 

M.  supin.  longus 


Fig.  97. 


252  Nervus  ulnaris.  Kap.  XIV. 

brevis  betrifft,  so  liegen  die  hier  in  Betracht  kommenden  Pmikte  in 
einer  von  unten  mid  aussen  bogenförmig  nach  innen  und  oben  auf- 
steigenden Linie:  die  3  von  Medianusästen  versorgten  Mm.  lumbri- 
cales  findet  man  in  der  Hohlhand  an  der  Radialseite  der  Muskeln 
(schmerzhafte  Erregungen  wegen  der  zahlreichen  sensiblen  Fingernerven, 
oft  nur  geringer  Erfolg  wegen  der  Dicke  der  Epidermis);  die  Wir- 
kung besteht  in  leichter  Beugung  und  Radialwärtsdrehung  der  Basal- 
phalangen  der  entsprechenden  Finger. 

Wie  der  N.  medianus  so  kann  auch  der  N.  ulnaris  am  inneren 
Bicepsrande,  noch  etwas  mehr  nach  hinten,  als  der  ersterwähnte  Nerv 
längs  des  ganzen  Oberarms  gereizt  werden,  am  besten  und  sichersten 
in  und  etwas  oberhalb  (vielleicht  2  Ctm.)  der  vom  Condyl. 
internus  humeri  und  dem  Olecranon  gebildeten  Rinne:  ausser- 
dem ist  er  (nach  dem  Abgang  der  Aeste  für  den  Flexor  carpi  ulnaris 
und  den  Flexor  digitor.  prof.)  in  einer  ziemlich  bedeutenden  Aus- 
dehnung oberhalb  des  Handgelenkes  lateral wärts  von  der  Sehne 
des  M.  flexor  carpi  ulnaris  zu  isoliren. 

Der  Ast  für  den  M.  flexor  carpi  ulnaris  (den  Beuger  der 
Hand  nach  der  Medianseite  hin)  findet  man  (oft  kann  man  nur  direkt 
den  Muskelbauch  treffen)  am  Ulnarrand  des  Vorderarms,  etwa  einen 
Zoll  unterhalb  des  Cond.  intern,  humeri;  geht  man  mit  der  Elektrode 
etwas  weiter  nach  innen  und  unten,  so  wird  der  Ulnaris  an  t  heil  des 
M.  flexor  profundus  erregt. 

DieMuskeln  des  Kleinfingerballens  werden  an  den  auf  der  Figur 
bezeichneten  Punkten  meist  direkt  gereizt  (M.  abductor,  flexor  und 
opponens  digiti  minimi).  —  In  der  Nähe  dieser  Stelle  findet  man 
wohl  auch  den  Hautmuskel  des  Kleinfingerballens,  den  Palmaris 
brevis,  und  oft  oberhalb  des  für  Flexor  pollicis  brevis  bestimmten 
Punktes  die  Stelle  für  den  von  einem  Ulnarisast  inner virten  M.  ad- 
ductor  pollicis. 

Die  von  Ulnarisästen  versorgten  Mm.  interossei  reizt  man  direkt 
vom  Handrücken  her:  bei  schwachen  Strömen  treten  allein  die 
M.  externi  in  Wirksamkeit  (Abductionen  der  Finger  vom  Mittelfinger 
oder  des  letzteren  von  der  Medianlinie  der  Hand).  —  Stärkerer  Strom 
und  festeres  Andrücken  der  Elektroden  lässt  auch  die  M.  interossei 
intern i  mit  in  Thätigkeit  treten:  neben  den  Abductionen  der  Finger 
tritt  dann  eine  Beugung  der  basalen  und  eine  Streckung  der  Mittel- 
und  Nagel phalangen  ein. 

Der  N.  radialis  ist  oft  nur  schwer  am  hinteren  Achsclhöhlen- 
rande    zu    isoliren;    leicht    an    der    sogenannten    ümschlagsstelle    an 


§  102. 


Nervus  radialis. 


253 


einem  Punkte,  welcher  zwischen  dem  Cond.  extern,  hum.  und  der  An- 
satzstelie  des  Deltoid.  in  der  Mitte  und  etwas  nach  aussen  zu  liegt. 
Die  Reizung  bewirkt  Supination  des  Vorderarms,  Dorsalflexion  der 
Hand,  Streckung  der  Finger  inclusive  des  Daumens  (man  vergesse 
nicht,  dass  der  N.  radialis  nur  den  Extensor  digit.  communis  inner- 
virt,  dessen  Reizung  meist  nur  die  Streckung  der  basalen  Phalangen 
bedingt;  die  Streckung  der  Mittel-  und  Nagel phalangen  ressortirt  vor- 
wiegend van  den  Mm.  interossei,  also  dem  N.  ulnaris.). 

Was  die  für  einzelne  Aeste  des  N.  radialis  bestimmten  Punkte 
betrifft,  so  ist  der  dem  M.  brach ialis  internus  zugehörige,  oft 
schwer  etwas  unterhalb  und  vorn  von  der  Uraschlagsstelle  zu  finden. 


N.  radialis 

M.  brachialis  internus 

,    M.  supin.  longus 
M.radial.ext  long. 


M.  triceps 
M.  triceps  (caput  longum) 

Fig.  98. 

In  Bezug  auf  die  Reizung  des  M.  triceps  ist  zu  bemerken,  dass  die- 
selbe direkt  auszuführen  ist,  wobei  die  auf  obenstehender  Figur  an- 
gegebenen Punkte  als  Leiter  dienen. 

Der  M.  supin ator  longus  wird  von  einem  Punkte  dicht  ober- 
halb des  Condyl.  externus  (direkte  Reizung)  in  Kontraktion  versetzt: 
er  ist  vorwiegend  ßeugemuskel  des  Vorderarms.  (Von  dem  oben  er- 
wähnten Punkt  an  der  Fossa  supraclavicularis  her  wird  dieser  Muskel 
mit  dem  Brach,  internus  und  Sup.  brevis,  dem  Biceps  und  Deltoideus 
zusammen  indirekt  erregt.) 


254 


Nervus  radialis. 


Kap.  XIV. 


Unmittelbar  unterhalb  des  Cond.  externus  wird  der  Radialis 
externus  longus,  weiter  abwärts  der  Radialis  externus  brevis 
(beide  direkt)  gereizt.  Durch  Verschiebung  dieses  letzteren  Muskels 
ist  der  M.  supinator  brevis  (direkt)  in  Kontraktion  zu  bringen. 
Zwischen  dem  Extens.  carp.  rad.  brevis  (Rad.  ext.  brev.)  und  dem 
nach  dem  Ulnarrande  des  Vorderarms  zu  und  etwas  tiefer  zu  reizeiiden 
M.  ext.  carpi  ulnaris  (Uln.  ext.)  liegt  der  M.  extens.  digit.  com- 
munis (direkt  meist  zu  erregen):  Streckung  der  Hand  und  der 
basalen  Fmgerphalangen  (dabei  entfernen  sich  dieselben  von  einander.) 


'M.  inteross.  dors.  IV 
'M.  abd.  digit.  min. 


M.  ext.  iiidicis  propr. 
M.  ulnaris  extern. — 


M.  rad.  ext.  brevis 


.ext.pollicis  longus 
M.  ext.  indicis  propr. 


M.ext.  dig.  niin.propr. 
M.  ext.  dig.  communis 

M.  supin.  brevis 


M.  rad.  ext.  longus 
M.  supin.  longus 


Fig.  99. 


Die  Strecker  der  einzelnen  Finger  (vgl.  die  Figur)  findet 
man  meist  in  der  Mitte  resp.  der  unteren  Hälfte  der  Streckseite  des 
Vorderarms,  teils  mehr  an  der  Radialseite  M.  extensor  indicis  propr., 
M.  abductor  pollicis  longus,  M.  extensor  pollicis  brevis,  teils  mehr  an 
der  Ulnarseite  M.  extensor  dig.  minim.  propr.,  M.  extensor  pollicis 
longus  und  ind.  propr. 


§  103. 


Untere  Extremität.    Nervus  cruralis. 


255 


§  103.  Untere  Extremitäten.  Wegen  der  bedeutenderen 
Dicke  des  Fettpolsters  und  der  Haut  selbst,  namentlich  der  Epidermis, 
müssen  hier  meist  kräftigere  Ströme,  als  an  den  oberen  Extremitäten 
angewendet  werden.  Oft  ist  wegen  des  Eintritts  der  motorischen 
Nerven  von  der  Tiefe  her  nur  eine  direkte  Mukelreizung  zu  ermög- 
lichen: noch  mehr  wie  ah  den  Oberextremitäten  sind  hier  besonders 
am  Unterschenkel  die  Reizungen  der  Nerven  mit  lebhaften  Schmerz- 
erregungen der  gleichzeitig  mit  erregten  sensiblen  Nerven  verbunden. 

Der  N.  cruralis  kann  in  der  Schenkelbeuge  nach  aussen  von  der 
Arter.  femor.  gefunden  werden.  (Wirkung:  Streckung  des  Unterschenkels.) 


■.\\ 

;\ 

M.  tensor  fasciae  latae  (Ra- /_,  X\ 

mus  n.  glut.  super.)  /        ^:^     \  a 

%   %> 

M.  tensor  fasciae  latae  (Ra-  _j 
mus  c.  cruralis) 

M.  sartorius 

Ramus  N.    cruralis   pro    M.              W-,  j 

quadric.                                 "Vu  ~j 

M.  rectus  femoris  A^r. •         , 

f \' 

M.  vastus  externus<  Vv-  n^^^' 


N.  obturatorius 


T-     M.  adductor  longus 


^t- M.  cruralis 


vastus  internus 


II 


Fig.  100. 


256  Nervus  cruralis,  obturatorius,  ischiadicus.  Kap.  XIV. 

Der  M.  rect.  femor.  wird  vorn  in  der  Mitte  des  Oberschenkels 
direkt  oder  bei  Einschiebung  der  Elektrode  vom  inneren  Rande  her 
von  seinem  Nerven  aus  gereizt. 

Der  M.  vastus  externus  kann  am  äusseren  Rand  des  Rect.  fem. 
von  2  Punkten  aus  (siehe  Figur)  1—2  Hand  breit  oberhalb  des  Cond. 
externus  fem.  gereizt  werden.  Der  M.  vastus  internus  kann  von 
seinem  Aste  aus  zwischen  dem  M.  sartor.  und  dem  Muskel  selbst 
oberhalb  des  Cond.  intern,  femoris  im  unteren  Drittel  des  Oberschenkels 
zur  Zusammenziehung  gebracht  werden. 

Der  M.  cruralis  wird  (oft  nur  direkt)  durch  Aufsetzen  der  Elek- 
trode oberhalb  und  etwas  nach  innen  von  dem  Punkt  für  den  Vastus 
internus  angetroffen. 

Etwas  nach  innen  und  unten  von  der  für  Reizung  des  N.  crur. 
angegebenen  Stelle  findet  man  den  für  die  Reizung  des  M.  sartorius 
geeigneten  Punkt. 

Der  M.  tensor  fasciae  lat.  erhält  sowohl  vom  Glutaeus  superior 
(ziemlich  dicht  unterhalb  der  Spin.  oss.  iL  ant.  sup.),  wie  auch  vom 
N.  cruralis  (IV25  1 — 2  Zoll  nach  abwärts  von  der  eben  angegebenen 
Stelle)  je  einen  Ast. 

Der  N.  obturat.  wird  bei  senkrechtem  Aufsetzen  der  Elektrode 
gegen  den  horizontalen  Schambeinast  bei  kräftigem  Eindrücken  erreicht 
und  seine  Reizung  (schmerzhaft)  bewirkt  eine  kräftige  Adduction  des 
betreffenden  Oberschenkels. 

In  geringerer  (4 — 5  Ctm.)  oder  etwas  weiterer  Entfernung  von  dem 
horizontalen  Ast  des  Os  pubis  können  sodann  der'Adductor  brevis 
resp.  longus,  noch  weiter  abwärts  der  Ast  für  den  M.  gracilis  ge- 
troffen werden:  der  M.  adductor  magnus  wird  direkt  am  Innen- 
rand des  Oberschenkels  hinten  gereizt. 

Die  Gesässmuskeln  werden  wegen  der  tiefen  Lage  der  Nerven 
direkt  erregt:  zeitweilig  findet  man  am  unteren  Rande  der  Hinter- 
backe einen  dem  N.  glutaeus  infer.  angehörigen  Punkt. 

Durch  einen  starken  Strom  und  sehr  festes  Eindrücken  der  Elek- 
trode ist  es  manchmal  möglich,  den  N.  ischiadicus  zwischen  Trochanter 
maior  und  Tuber  ischii  am  unteren  Rande  des  grossen  Gesässmuskels 
zu  erregen  und  dadurch  eine  Beugung  des  Unterschenkels  und  eine 
Zusammenziehung  der  dort  und  am  Fuss  befindlichen  Muskeln  zu  be- 
bewirken (schmerzhaft). 

Die  Beuger  des  Unterschenkels  sind  ebenfalls  (meist  nur 
durch  starke  Ströme)  etwa  4 — 5  Ctm.  unterhalb  des  unteren  Randes 
des  M.  glutaeus  maximus  der  Reihe  nach  von  aussen  nach  innen  ziem- 


103. 


''^  •  ti//'  / 


M.  gliUaeus  niaxi- 
miis 


M.  adductor  magiuis 

M.  semitendinosus 

M.  semimembranosus 


M.  gastrociiemius  (Caput  intern.) 


Fig.  101. 


RosPDtlial  n.  Bernhardt,  Elektriüitätslplivf.     TTT.  Aufl. 


17 


258 


Nervus  peroneus. 


Kap.  XIV. 


lieh  in  gleicher  Höhe  direkt  zw  erregen:  Cap.  longum  M.  bicipitis, 
M.  semitendin.,  M.  semiraem  branosus;  das  Cap.  breve  des  M. 
biceps  wird  von  einer  etwas  nach  aussen  und  etwa  5 — 6  Ctm.  nach 
abwärts  vom  oberen  Punkt  gelegenen  Stelle  aus  gereizt. 

Schon  im  unteren  Drittel  des  Femur  ist  der  N.  peroneus  am 
Innenrand  flei-  Bicepssehne  zu  erreichen:  meist  wählt  man  den  etwas 
oberhalb  und  hinter  dem  Capit  fibulae  gelegenen  Punkt  für  die  Rei- 
zung dieses  Nerven.  (Die  Wirkung  erstreckt  sich  auf  die  Mm.  peronei, 
tibialis  anticus,  extens.  hall  long.,  extens.  digit  commun.  long  et  brevis  ) 

Der  von  dem  N.  peron.  superfic.  innervirte  M.  peroneus  longus 


N.  peroneus 

M.  gastroci\eniins 

exterinis 

If.  pei'oneus    long. 


M.    flexor    halliici« 
longus 


\  M.  tibialis  anticus 

• — \ 

M.  extens.   disit.  comnumis  longus 


B--, i M.  pevonens   livevi.s 


I M.  extensor  halliieis  longus 


M.  extensor    digit.  coramn- 
nis  brevis 


-  M.  iibdnctor  dig.  min. 


ihn.  interossci  dor- 
sales pedis 


Fig.  102. 


§  103,  104.  Nervus  tibialis.  —  Rumpfmuskeb.  259 

wird  direkt  2 — 3  Ctm.  unterhalb  des  Capit.  fibulae,  der  M.  peron. 
brevis  fast  20  Ctm.  abwärts,  der  M.  tibialis  anticus  oben  an  der 
äusseren  Schienbeinkante  10 — 12  Ctm.  unterhalb  des  Capit.  fib.,  der 
M.  extens.  dig.  commun.  in  fast  derselben  Höhe,  mehr  aber  nach 
aussen  gereizt.  Den  M.  extensor  halluc.  longus  erreicht  man  am 
Anfang  des  unteren  Drittels  des  Unterschenkels  am  Schienbeinrande  direkt. 

Der  M.  extensor  digit.  brevis  kann  manchmal  indirekt  aut 
dem  Fussrücken  zwischen  den  Sehnen  des  Extens.  hallucis  longus  und 
Ext.  digitor.  communis  oder  weiter  nach  aussen  und  unterhalb  des 
äusseren  Knöchels  direkt  in  Erregung  versetzt  werden. 

Der  N.  tibialis  ist  nach  innen  vom  N.  perön.  in  der  Kniekehle 
zu  treffen.  Die  beiden  Abteilungen  der  Mm.  gastrocneraii  können 
(der  Ast  für  den  inneren  Teil  tritt  tiefer  am  Rande  in  den  Muskel 
ein)  unterhalb  der  Oberschenkelcondylen  gereizt  werden.  Der  M.  soleus 
ist  (nicht  leicht)  isolirt  durch  Aufsetzen  der  Elektrode  unterhalb  und  noch 
mehr  medianwärtsvon  dem  inneren  Gastrocnemiusbauch  isolirt  zu  erregen. 

Weiter  abwärts  kann  der  N.  tibialis  oberhalb  des  Malleol.  internus 
zwischen  Achillessehne  und  medialem  Tibiarande  isolirt  gereizt  werden. 

Etwas  höher  lässt  sich  der  Ast  des  Flexor  digitor.  communis 
und  an  der  Aussenseite  in  etwa  derselben  Höhe  der  Flexor  hallucis 
longus  (zugleich  auch  Stelle  für  den  M.  peron.  tertius)  isoliren,  während 
der  M.  tibialis  posticus  durch  seine  tiefere  Lage  der  Reizung  kaum 
zugänglich  ist. 

Am  Fuss  trifft  man  am  inneren  Rande  nach  unten  und  etwas 
nach  vorn  vom  Malleol.  internus  den  M.  abductor  hallucis,  nach 
unten  (auf  der  Sohle)  den  Ast  für  den  Flexor  digit.  brevis.  Der 
Abductor  digit.  minimi  wird  am  Aussenrande  des  Fusses,  die 
Mm.  int  er  OS  sei  direkt  in  den  Intertarsalräumen  gereizt:  die  Wirkung 
gleicht  der  der  Zwischenknochenmuskeln  an  der  Hand. 

§  104.  A^on  den  Rumpfmuskeln  kann  man  in  den  Inter- 
costalräumen  durch  Elektroden,  welche  am  Ursprung  der  Serratus- 
zacken  gegen  den  unteren  Rand  der  zunächst  oberen  Rippen  angedrückt 
werden,  die  Mm.  intercostales  externi,  mit  stärkeren  Strömen  in 
der  Gegend  der  Zwischenräume  zwischen  den  Rippenknorpeln  die 
Mm.  intercostales  interni  zur  Kontraktion  bringen:  die  nächst 
unteren  Rippen  werden  nach  oben  (eventuell  etwas  nach  aussen)  gehoben. 

Von  den  Bauchmuskeln  kann  man  die  für  die  einzelnen  Ab- 
theilungen des  Rectus  abdom.  bestimmten  Aeste  beiderseits  in  der 
Mitte    etwa    des   Aussenrandes   der   einzelnen   Abschnitte   reizen:    die 

17* 


260 


Bauchmuskeln. 


Kap.  XIV. 


oberen  Partien  ziehen  die  Bauchwand  nach  oben,  die  unteren  nach 
abwärts,  die  Bauchwand  tritt  nach  innen  hinein. 

Die  Aeste  für  den  M.  oblic[uus  abdorainis  extern,  findet  man 
in  den  unteren  Intercostalräumen  (besonders  wirksam  ist  die  Reizung 
vom  freien  Ende  der  beiden  letzten  Rippen  hei-)  die  Seitenwände  des 
Bauches  flachen  sicli  ab.  Beim  Ansatz  der  Elektroden  oberhalb  des 
Darmbeinkammes  am  vorderen  Rande  des  Quadr.  lumborum  bringt 
man  den  M.  transversus  abdominis,  noch  weiter  nach  vorn  ober- 
halb der  Spin,  ilei  ant.  sup.  den  M.  obliquus  abdom.  internus  in 
Kontraktion. 

Von  den  tieferen  Nackenrauskeln  ](ann  direkt  vielleicht  noch  der 
Splenius  capitis  (hinten  und  aussen  am  oberen  Drittel  des  M.  ster- 
nocleid.  m.)  erreicht  werden,  die  übrigen  sind  anzugänglich. 

Die  Mm.  latissimus  dorsi,  teres  maior  und  minor,  serra- 


_  M.   rectiis    abdo- 
minis 


M.    lecUis    abdo- 
minis 


M.   rectus    abdo- 
minis 


M.    rectus    abdo- 
minis 


Fig.  103. 


§  104,  105.  Untersuchung-  tuit  dem  fiiradisclieii  Strom.  2G1 

tus  posticus  inferior  sind  nur  direkt  (vielleicht  der  Lat.  dorsi  von 
der  hinteren  Wand  der  Achselhöhle  sus  zwischen  ihm  und  Brustwand 
indirekt)  zu  erreichen:  von  den  Rückenmuskeln  kann  der  M.  opistho- 
tenar  direkt  erregt  und  dadurch  eine  Biegung  des  Rumpfes  nach 
der  ^■erkürzten  Seite  hin  erzielt  werden. 

§  105.  Hat  man  jetzt  die  Aufgabe,  die  elektrische  Erreg- 
barkeit eines  erkrankten  Nerv-Muskelgebietes  zu  unter- 
suchen, so  hat  man  sich  zu  vergegenwärtigen,  dass  die  Untersuchung 
eine  unvollkommene  ist,  wenn  nicht  sowohl  mit  dem  faradischen,  wie 
mit  dem  konstanten  Strom  geprüft  wird,  und  zwar  mit  beiden  Stromes- 
arten sowohl  die  direkte,  wie  die  indirekte  Erregbarkeit.  Die  Gründe 
für  die  Notwendigkeit  dieses  scheinbar  umständlichen  Verfahrens  werden 
klar  werden,  sobald  weiterhin  von  dem  Verhalten  der  elektrischen 
Erregbarkeit  z.  ß.  bei  Lähmungszuständen  peripherischer  Nerven  ge- 
handelt werden  wird.  Beschäftigen  wir  uns  zunächst  mit  der  llnter- 
suchungsmethode  der  Erregbarkeit  der  motorischen  Nerven 
mittelst  des  faradischen  Stroms,  und  nehmen  wir  des  besseren  Ver- 
ständnisses wegen  an,  es  handle  sich  um  abnorme  Verhältnisse  des 
einen  z.  ß  des  linken  N.  facialis,  so  stellen  wir  uns  die  Aufgabe,  zu 
untersuchen,  ob  etwa  und  in  welcher  Weise  sich  die  Erregbarkeit 
dieses  Nerven  füi'  den  faradischen  Strom  verändert  hat. 

Die  eine  mit  einer  grösseren  Ansatzplatte  versehene  Elektrode 
wird  an  einem  Punkt  der  Körperoberfläche  applizirt,  unter  dem  sich 
womöglich  gar  keine  direkt  in  Kontraktion  zu  versetzende  Muskel- 
massen befinden,  also  z.  B.  das  Brustbein  oder  die  Stelle  oberhalb  des 
Proc.  spin.  des  7.  Halswirbels  etc.  Von  diesen  sogenannten  „indif- 
ferenten Punkten"  ist  das  Brustbein  insofern  der  bequemste,  als 
in  zahlreichen  Fällen  der  zu  untersuchende  Kranke  selbst  das  Ansetzen 
und  Festhalten  der  Elektrode  besorgen  kann.  Die  zweite^  mit  einem 
kleinen  knopfförmigen  Ansatzstück  versehene  Elektrode  wird  nun 
zunächst  auf  den  Punkt  aufgesetzt,  von  dem  aus  die  Erregung  des  zu 
untersuchenden  Muskelgebietes  erfahrungsgemäss  am  leichtesten  bewerk- 
stelligt werden  kann.  Die  indifferente  Elektrode  ist  der  positive  Pol 
des  Oeft'nuiigsinduktionsstroms  der  sekundären  Spirale,  der  negative 
Pol  wird  von  der  differenten  Elektrode  gebildet.  Zunächst  entfernt 
man  jetzt  die  sekundäre  Spirale  soweit  \on  der  primären,  dass  der 
Strom  garnicht  oder  kaum  fühlbar  ist  und  keine  sichtbaren  Muskel- 
zusammenziehungen auslöst,  und  nähert  jetzt  die  sekundäre  Rolle  ganz 
allmählich  der  primären,  bis  die  erste  kleinste  (oft  nur  durch  Niveau- 


262  Beaclitung'  der  Widerstände.  Kap.  XIV. 

Veränderungen  der  die  Muskelmassen  bedeckenden  Haut  zu  erkennende) 
Kontraktion  bemerkt  wird.  Man  notirt  dann  den  Rollenabstand,  um 
jetzt  auch  auf  der  gesunden  Seite  (in  unserem  Beispiele  die  rechte  Ge- 
sichtshälfte) den  Rollenabstand  für  diese  erste  »minimale  Zuckung** 
zu  finden. 

Die  erste  Bedingung  jeder  derartigen  Untersuchung  ist,  dass 
äusserlich  zunächst  bei  der  Exploration  der  beiden  Seiten  ganz  die- 
selben Bedingungen  obwalten.  Der  positive  Pol  (die  indifferente  Elek- 
trode) bleibt  an  seinem  Platze;  die  differente  Elektrode  ist  wieder 
der  negative  Pol  in  derselben  äusseren  Gestaltung;  die  Durchfeuchtung 
der  Haut  wird  mit  derselben  (erwärmten  und  mit  etwas  Chlornatrium 
versetzten)  Flüssigkeit  von  dem  homologen  Punkte  aus  vorgenommen. 

Praktisch  kann  man  in  der  Tat  die  auf  diese  Weise  für  beide 
Seiten  erhaltenen  Resultate  direkt  mit  einander  vergleichen  und  einen 
im  Vergleich  zur  gesunden  Seite  vergrösserten  RoUeuabstand  (also  die 
verringerte  Stromstärke)  mit  einer  .höheren  Erregbarkeit,  einen  ver- 
minderten Rollenabstand  (also  eine  vermehrte  Stromstärke)  mit  einer 
Herabsetzung  der  Erregbarkeit  des  geprüften  Nerven  parallelisiren. 
Dies  ist  namentlich  dann  erlaubt,  wenn  es  sich,  wie  in  dem  oben 
gewählten  Beispiele,  um  einseitige  Läsionen  handelt,  so  dass  die 
Untersuchungsergebnisse  mit  denen  der  gesunden  Seite  desselben 
Individuums  direkt  verglichen  werden  können. 

Zu  beachten  ist  indessen,  dass  auch  in  diesen  Fällen  Differenzen 
in  dem  Verhalten  der  äusseren  Bedeckungen  .die  Ergebnisse  nicht 
unerheblich  raodifiziren  können,  so  dass  dieselben  nicht  ohne  Weiteres 
für  die  Diagnose  einer  erhöhten  resp.  verringerten  Erregbarkeit  ver- 
wertet werden  dürfen.  Bekanntlich  setzen  die  verschiedenen  Gewebe 
des  menschlichen  Körpers  dem  elektrischen  Strom  einen  im  A^ergleich 
zu  den  Metallen  ungemein  grossen  Widerstand  entgegen,  einen  Wider- 
stand, der  sich  im  Grossen  und  Ganzen  nach  dem  Wassergehalt  der 
einzelnen  •  Gewebe  richtet.  Den  grössten  Widerstand  (vergl.  S.  190 
Teil  I)  findet  der  Strom  an  der  trocknen,   wasserarmen  Epidermis*), 


*)  In  neuester  Zeit  von  Gärtner''"-  ausgeführte  Untersuchungen  ergaben, 
dass  der  Widerstand  der  wohldurchfeuchteten  Epidermis  für  sehr  schwache 
konstante  Ströme  ein  ungemein  grosser  ist  (bis  zu  200000  S.E.),  dass  aber  ein 
kräftiger  Strom  von  nur  1  Minute  Dauer  diesen  Widerstand  auf  ein  Bruchteil 
der  früheren  Grösse  (z.  B.  auf  10000  in  obigem  Beispiel)  herabsetzt.  Nach  Ent- 
fernung der  Epidermis  (an  der  Leiche)  lässt  sich  der  (enorm  verminderte)  Wider- 
stand durch  Stromwirkung  nicht  weiter  verändern.  Der  Sitz  der  Widerstands- 
änderung ist  also  ausschliesslich  in  der  Epidermis  zu  suchen.     Dies 


§  105.  Feststellung  des  Leilungswiderstandes.  263 

deren  Dicke  an  verschiedenen  Stellen  der  Körperoberllächo  auch  lÜi- 
dieselbe  Person,  jedenfalls  aber  bei  verschiedenen  Individuen  ver- 
schieden ist.  Nun  ist  der  Widerstand  ausserdem  noch  abhängig  \on 
der  Temperatur,  dem  ßlutreichtum,  der  Durchfeuchtung  der  Haut, 
deren  Epidermisschicht  durch  äussere  Umstände  (Arbeit,  Geschlecht, 
Alter,  Oedeme,  Einwirkung  von  Senfteigen,  ßlasenpflastern  etc  )  wesent- 
lich auf  der  einen  Seite  des  Körpers  von  der  der  anderen  eine  \er- 
schiedene  geworden  sein  kann. 

Wenn  nun  auch  vielleicht  diese  Besorgniss  vor  den  möglichen 
Fehlerquellen  bei  einseitigen  Äffektionen  übertrieben  erscheinen 
könnte,  so  ist  das  nicht  mehr  der  Fall,  wenn  es  sich  wie  bei  doppel- 
seitiger Facialislähmung  z  B.  oder  bei  paraplegischen  Zuständen  etc. 
um  doppelseitige  i\.(fektionen  handelt.  Hier  ist  der  Vergleich  der 
elektrischen  üntersuchungsergebnisse  mit  den  an  gleichaltrigen,  ge- 
sunden Menschen  gewonnenen  nur  ein  ganz  strengen  Anforderungen 
nicht  ganz  genügendes  Auskunftsmittel;  denn  auch  hier  sind  wir  ja 
über  die  Leitungs-  und  ^Viderstands Verhältnisse  in  der  Haut  im  Un- 
klaren, ganz  zu  schweigen  davon,  dass  nicht  immer  entsprechende 
gesunde  Individuen  zur  Hand   sind.     Bedenkt   man,    dass   das  Grund- 

E 

gesetz  der  Elektrizitätslehre  lautet  J   =  -r^-^-,  so  muss  man  sich  tüg- 

lich  wundern,  wie  lange  Zeit  Aerzte  und  Elekirotherapeuten  sich  nicht 
gescheut  haben,  W,  d.  h.  die  Bestimmung  der  AViderstandsverhältnisse 
in  der  Leitung  zu  vernachlässigen.  Erb^''  gebührt  das  Verdienst, 
auf  diesen  Mangel  der  üntersuchungsmethode  zuerst  hingewiesen  und 
zugleich  die  Mittel  und  Wege  angegeben  zu  haben,  Irrtümer  zu  vei'- 
meiden.  Man  bedient  sich  zur  Feststellung  des  Leitungswiderstandes 
des  konstanten  Stromes,  dessen  positiver  Pol  (Anode)  auf  das  Brust- 
bein, dessen  negativer  Pol  (Kathode)  auf  die  entsprechende  differente. 
zu  reizende  Stelle   aufgesetzt   und   dort    bei   einer   bestimmten  Anzahl 


beweist  zum  Ueberfluss  noch  das  Experiment,  dass  der  Widerstand  der  abge- 
lösten Epidermis  nach  Stromdurchleitung  um  mehr  als  die  Hälfte  des  ursprüng- 
lichen Wertes  abnahm.  Da  der  galvanische  Strom  auch  an  Leichenteilen  alles  dies 
bewirkt,  so  ist  es  also  nicht  die  Hyperämie,  die  vermehrte  Zufuhr  alkalischen, 
^ut  leitenden  Blutes  zur  Haut  und  die  Anfüllang  der  Schweissdrüsen  mit  Sekret, 
welche  unter  der  Einwirkung  des  Stroms  die  Leitungsfälligkeit  der  Haut  steigern. 
Es  handelt  sich  vielmehr  um  kataphorische  lu'scheinungen,  also  um  die  .\uf- 
r|uellung  der  Epidermis  unter  fler  Anode  durch  das  eingeführte  Wasser;  das 
Schliessen  oder  Ocffncn  des  Stromes  hat  an  sich  keinen  Eintluss  auf  den  Wider- 
stand; die  Grösse  seiner  Abnahme  ist  aber  abhängig  von  der  Intensität  und 
Schliessungsdauer  des  angewandten  Stromes, 


264  Verhältiiiss  der  Stromstärke  zum  Leituiigswid erstand.       Kap.  XIV. 

von  Elementen  (10—15)  einige  Zeit  stabil  gehalten  wird;  sodann 
liest  man  am  Galvanometer  den  Nadelausschlag  ab,  den  man  (bei 
genau  derselben  Versuchsanordnung  und  Zeitdauer  des  Versuchs)  mit 
dem  der  andern  Seite  vergleicht. 

Waren  die  Nadelausschläge  gleich,  so  hat  man  ein  Recht,  den 
etwa  verminderten  bezw.  vergrösserten  Rollenabstand,  bei  dem  auf 
der  kranken  Seite  im  Vergleich  zur  gesunden  die  erste  Zuckung  auf- 
tritt, direkt  auf  eine  im  Vergleich  zur  gesunden  Seite  herabgesetzte 
oder  erhöhte  Erregbarkeit  des  geprüften  Nerven  zu  beziehen :  eine 
vermehrte  Stromstärke  und  ein  grösserer  Nadel ausschlag  (Zeichen 
minderen  Leitungswiderstandes)  auf  der  kranken  Seite  sprechen  erst 
recht  für  eine  faktische  Herabsetzung  der  Erregbarkeit,  ein  Schluss, 
der  bei  verminderten  Rollenabstand  und  zugleich  kleinerem  Nadel- 
ausschlag nicht  gerechtfertigt  erscheint,  insofern  der  grössere  Leitungs- 
widerstand die  Erklärung  für  die  durch  die  Verminderang  des.  Rollen- 
abstandes vergrösserte  Stromstärke  abzugeben  geeignet  ist. 

Um  nun  auch  bei  doppelseitigen  Affektionen  einen  Mass- 
stab zu  haben,  an  dem  die  gefundenen  Resultate  gemessen  werden 
können,  empfahl  Erb  die  Prüfung  der  minimalen  (faradischen)  Erreg- 
barkeit folgender  vier  verschiedenen  Regionen  angehörigen  Nerven  (des 
Stirnastes  des  N.  frontalis,  des  Astes  für  den  M.  cucullaris  vom 
N.  accessorius,  des  N.  ulnaris  oberhalb  des  Ellenbogengelenks  und 
des  N.  peroneus  oberhalb  des  Capit.  fibulae)  und  die  Bestimmung  des 
Leitungswiderstandes  nach  der  oben  angegebenen  Methode  an  eben 
jenen  Hautstellen,  an  welchen  mittelst  des  Induktionsstroms  die  Erreg- 
barkeitsprüfung vorgenommen  wurde.  Bei  gesunden  Männern  zeigen 
beide  Wertangaben  (Nadelausschlag  am  Galvanometer,  Rollenabstand 
am  Schlitteninduktorium)  bei  aller  absoluten  Verschiedenheit  doch 
regelmässig  fast  dieselben  relativen  Schwankungen,  welche  übrigens 
sich  in  Bezug  auf  die  Rollenabstände  in  sehr  geringen,  kaum  2  Ctm. 
übersteigenden  Diiferenzen  bewegten.  Mit  Ausnahme  des  zu  seiner 
Erregung  einer  (trotz  geringeren  Leitungswiderstandes  der  Hautstelle) 
grösseren  Stromstärke  bedürftigen  N.  frontalis  zeigten  die  Rumpfnerven 
der  einzelnen  Individuen  alle  bei  nahezu  derselben  Stromstärke,  die 
natürlich  je  nach  den  benutzten  Apparaten  (absolut)  eine  verschiedene 
sein  wird,  die  Minimalzuckung.  Auf  diese  Weise-  kann  man  nun  auch 
bei  einem  doppelseitig,  z.  B.  von  einer  Lähmung  befallenen  Indivi- 
duum durch  die  Prüfung  dieser  relativen  Erregbarkeits-  und  Leitungs- 
widerstandsverhältnisse Abweichungen  der  zu  untersuchenden  Region 
von  den  normalen  (relativen)   Verhältnissen  feststellen. 


Kapitel  XV. 

Von  der  Untersiiclmngsmethode  der  motorischen  Nerven 
nnd  der  Mnskeln  mittels  des  galvanischen  Stromes. 


§  106.  Bevor  wir  jetzt  an  die  Untersuchung  der  Erregbarkeit 
eines  motorischen  Nerven  durch  den  galvanischen  (sogenannten 
konstanten  Strom)  gehen,  wird  es  gut  sein,  sich  die  Verhältnisse 
kurz  ins  Gedächtniss  zurückzurufen,  wie  sie  physiologisch  an  dem 
direkt  den  Elektroden  eines  konstanten  Stromes  überbrückten  Nerven 
zur  Beobachtung  kommen.  Liegt  ein  Nerv  so  über  den  Elektroden, 
dass  sein  peripherisches,  dem  Muskel  zugewandtes  Ende  dem  positiven 
Pol  (der  Anode)  aufliegt  und  ein  mehr  centralwärts  gelegenes  Stück 
dem  negativen  Pol  (der  Kathode) ,  so  nennt  man  bekanntlich  den 
durch  den  Nerven  fliessenden  Strom  einen  aufsteigenden;  ist  das  Um- 
gekehrte der  Fall,  so  geht  der  Strom  in  absteigender  Richtung  dur/h 
den  Nerven.  An  dem  Orte,  wo  der  Nerv  der  Anode  oder  der  Kathode 
aufruht,  tritt  in  demselben  eine  eigentümliche  Veränderung  seines 
Zustandes  ein,  der  mit  dem  Namen  des  Anelektrotonus,  beziehungs- 
weise Katelektrotonus  belegt  wird.  Letzterer  Zustand  besteht  im 
Wesentlichen  in  einer  Erhöhung  der  Erregbarkeit  der  katelektrotoni- 
sirten  Stelle  (sodass  z.'  B.  schon  bei  grösserem  Rollenabstand  der 
sekundären  Spirale  von  dem  unter  dem  Einfluss  der  Kathode  stehen- 
den Punkte  aus  eine  Muskelzuckung  erzielt  werden  kann,  als  vorher 
von  derselben  Stelle  aus,  ehe  dieselbe  durch  das  Anlegen  der  Kathode 
katelektrotonisirt  war),  der  Anelektrotonus  dagegen  in  einer  Herab- 
setzung der  Erregbarkeit  der  unter  dem  Einfluss  der  Anode  (des 
positiven  Pols)  stehenden  Nervenstrecke. 

Dazu  kommt,  dass  bei  einer  gewissen  Stromstärke  die  anelek- 
trotonisirte  Stelle  für  Reize,  die  vom  Centrum  herkommen,  schlechter 
leitend  resp.  leitungsunfähig,  wird,  während  das  Umgekehrte  für  die 
katelektrotonisirte  Stelle  Statt  hat.     Nun  löst  aber  ein    und  derselbe 


2(56 


Zuckutiffso'esetz  des  motorischen  Nerven. 


Kap.  XV. 


Reiz  um  so  stärkere  Muskelzuckangen  aus,  je  weiter  vom  Muskel 
entfernt  die  Stelle  des  Nerven  ist,  auf  die  er  applizirt  wird.  Erregt 
wird  aber  eine  gegebene  Nervenstrecke  nur  durch  das  Entstehen 
des  Katelektrotonus  und  nur  durch  das  Vergehen  desAnelek- 
trotonus,  nicht  aber  durch  das  Verschwinden  des  Katelektrotonus 
und  das  Entstehen  des  Anelektrolonus.  Es  entsteht  also  bei  der 
Schliessung  des  Stromes  die  Reizung  im  Nerven  nur  in  der  Gegend 
der  Kathode,  bei  der  Oeffnung  der  Kette  aber  nur  in  der  Gegend  der 
Anode.  Dieser  letztere,  durch  das  Verschwind jn  des  Anelektrotonus 
ausgeübte  Reiz  ist  ein  schwächerer  Reiz  für  den  Nerven,  als  das  Ent- 
stehen des  Katelektrotonus.  Bekanntlicli  hat  Pflüge r-**^  nachgewiesen, 
dass  am  frisch  aus  dem  Tiere  entnommenen  Nerven  das  sogenannte 
„Zuckungsgesetz"  nur  eine  Funktion  der  Stromstärke  ist,  und  hat 
in  folgendem  Schema  die  üntersuchungsresultate  veranschaulicht: 


Stromstärke : 


Aufsteio'cnder  Strom : 


Absteigender  Strom : 


Schwacher  Strom 

S.     Zuckung 
Oe.     Ruhe 

S.     Zuckung 
Oe.     Ruhe 

Mittelstarker  Strom 

S.     Zu-ckuüg 
Oe.     Zuckung 

S.     Zuckung 
Oe.     Zuckung 

Starker  Strom 

S.     Ruhe 
Oe.     Zuckung 

Oe. 

S.     Zuckung 
Schwache  Zuckung 

Dass  bei  aufsteigendem  Strom  die  Oeifnungszuckung  später  ein- 
tritt als  die  Schliessungszucknng,  beruht  nach  dem  oben  Auseinander- 
gesetzten darauf,  dass  die  durch  das  Verschwinden  des  Anelektrotonus 
gesetzte  Nervenerregung  von  einer  mehr  peripheren  Stelle  des  Nerven 
ausgeht,  als  der  durch  das  Entstehen  des  Katelektrotonus  gesetzte 
Reiz,  und  sodann  darauf,  dass  das  Aufhören  des  Anelektrotonus  über- 
haupt ein  schwächerer  Reiz  ist,  als  die  Entstehung  des  Katelektro- 
tonus. Bei  grosser  Stromstärke  wird  (III.  Stufe  Pflüger 's)  der 
Anelektrotonus  so  stark,  dass  die  anelektrotonisirte  Stelle  leitungs- 
unfähig wird  und  so  den  von  centralwärts  her  kommenden  Reiz  (Ent- 
stehen des  Katelektrotonus)  nicht  mehr  bis  zum  Muskel  leitet.  Die 
Schliessungszuckung  bei  absteigendem  Strom  erklärt  sich  leicht  aus 
dem  in  der  Nähe  des  Muskels  entstehenden  Katelektrotonus:  da  bei 
absteigendem  Strom  die  katelektrotonisirte  Stelle  vom  Zentrum  des 
Nerven   entfernter  liegt,   als  beim  aufsteigenden  Strom,   so  erscheint 


§  106.  107.  Brenner''sche  TPolai-e)  Untersuchungsmethode.  '267 

sie  etwas  später  als  die  Schliessuiigszuckung  des  aufsteigenden  Stroms. 
Dass  endlich  bei  sehr  bedeutender  Stärke  eines  absteigenden  Stromes 
der  durch  das  Oeffnen  der  Kette  entstehende  starke  Reiz  (Verschwin- 
den des  starken  Anelektrotonus)  nur  eine  „schwache  Zuckung**  auslöst, 
liegt  daran,  dass  er,  um  bis  zum  Muskel  zu  gelangen,  die  stark 
katelektrotonisirt  gewesene  Nervenstrecke  passiren  muss,  welche 
Nervenstrecke  unmittelbar  nach  Oeffnung  der  Kette  weniger  erregbar 
und  leitungsfähig  wird,  so  dass  der  von  zentral wärts  her  kommende 
Reiz  eine  starke  Hemmung  erfährt  und  nur  ganz  abgeschwächt  bis 
zum  Muskel  gelangt. 

§  107.  Offenbar  sind  die  Verhältnisse,  wie  sie  beim  Tierexperi- 
ment des  Physiologen  obwalten  und  wie  sie  sich  andererseits  dem  Arzt 
am  lebenden  Menschen  darbieten,  durchaus  verschiedene.  In  letzterem 
Falle  ist  ja,  ganz  abgesehen  von  der  für  das  Eindringen  des  Stromes 
in  die  Tiefe  so  wichtigen  Hautbedeckung,  der  Nerv  von  mehr  oder 
weniger  gut  leitendem  Gewebe  umgeben,  und  es  drängte  sich  daher 
die  Frage  auf:  kann  man  denn  überhaupt  einen  elektrischen  Strom 
am  unversehrten  Thierkörper  in  einer  bestimmten  Richtung  durch 
einen  Nerv  oder  Muskel  leiten? 

Nach  Versuchen,  Avie  sie  von  Burckhardt-'^  und  v.  Zicmssen'** 
an  menschlichen  Leichen  angestellt  sind,  muss  diese  Frage  in  der 
Tat  bejaht  werden:  es  gehen  wirklich  messbare  Stromschleifen  durch 
die  in  der  Tiefe  liegenden  Nerven  auch  bei  Einleitung  solcher  Ströme 
in  den  Körper,  wie  sie  eleldrodiagnostisch  und  elektrotherapeutisch 
täglich  angewendet  werden.  Diese  Stromschleifen  wechseln  ferner 
ihre  Richtung  mit  der  des  Hauptstroras  und  werden  mit  der  Zunahme 
der  Stärke  des  Hauptstroms  selbst  intensiver. 

Trotzdem  aber  bezweifelte  Brenner  die  Möglichkeit,  hinreichend 
dichte  Zweigströme  durch  die  Nerven  bei  unversehrter  Umgebung  durch- 
zusenden; jedenfalls  glaubte  er,  es  durchaus  vorziehen  zu  sollen,  ohne 
irgend  welche  Rücksicht  auf  die  Richtung  des  Stromes  zu  nehmen,  zu 
untersuchen,  wie  sich  die  Nerven  oder  wenigstens  einzelne  in  Folge 
ihrer  Lagf^rung  zur  Oberfläche  bequem  für  die  Applikation  der  Elek- 
troden daliegende  Strecken  derselben  gegen  die  Einwirkung  des  posi- 
tiven (Anode)  ödes  des  negativen  (Kathode)  Pols  eines  Batteriestroms 
verhalten,  Je  nachdem  man  den  Strom  schliesst  oder  öffnet.  Diese 
von  Brenner  in  die  Elektrodiagnostik  eingeführte  und  mit  dem  Namen 
der  ,>polaren«  bezeichnete  Untersuchungsmethode  (vgl.  übrigens, 
was    das    Historische    betrifft    später)    hat    jedenfalls    den    Vorzug 


268  Polare  Uiilersucliungsmethode.  Kap,  XV. 

der  praktischen  Verwendbarkeit  und  crgicbt  dem  Untersucher  sichere 
und  bestimmt  verwertbare  Resultate,  so  dass  sie  als  eine  wesent- 
liche Bereicherung  unserer  elektrodiagnostischen  Methoden  zu  betrach- 
ten ist,  trotz-  der  mit  Recht  gegen  sie  von  verschiedenen  Seiten  er- 
hobenen Bedenken.  Wählen  wir  ein  konkretes  Beispiel:  es  soll 
untersucht  werden,  wie  sich  der  N.  ulnaris  gegen  die  Reizung  mit  dem 
konstanten  Strom  verhält.  Ruht  beispielsweise  die  eine  Elektrode, 
sagen  wir  die  positive  (Anode),  auf  dem  Brustbein,  die  negative 
(Kathode)  etwas  oberhalb  der  Rinne  zwischen  dem  rechten  Condyl. 
int.  des  Oberarms  und  dem  Olecranon,  so  erhält  man  bei,  einer  ge- 
wissen Stromstärke,  sagen  wir  bei  12  Elementen,  beim  Schluss  des 
Stromes  eine  kurze,  schnelle  Zuckung  in  dem  vom  Nerven  abhängigen 
Muskelgebiet.  Diese  Zuckung,  dadurch  erzielt,  dass  der  Strom  ge- 
schlossen wurde,  als  die  Kathode  an  dem  diiferentcn  Punkte  (hier 
dem  N.  ulnaris)  ruhte,  nennt  man  Kathodenschliessungszuckung 
und  schreibt  in  Abkürzung  dafür  KaSz. 

Oeffnet  man  den  Strom,  so  erfolgt  keine  Zuckung. 

Beginnt  man  die  Untersuchung  in  der  Weise,  dass  die  Kathode 
auf  dem  Brustbein  ruht,  die  Anode  aber  an  dem  oben  bezeichneten 
Punkt  am  Ellenbogen,  so  erzielt  man  bei  12  Elementen  weder  beim 
Schluss,  noch  bei  der  Oeffhung  der  Kette  eine  Kontraktion  der  Muskeln. 
Man  ist  genötigt,  die  Stromstärke  zu  erhöhen,  um  bei  dieser  Stellung 
der  Elektroden  eine  Zuckung  bei  Stromschluss  auszulösen;  man  wird 
vielleicht  15  — 16  Elemente  nehmen  müssen,  um  diesen  Effekt,  die 
Anodenschliessungszuckung  (ASz),  zu  erzielen,  d.  h.  eine  Muskel- 
kontraktion bei  Kettenschluss,  wenn  die  Anode  (der  positive  Pol)  an 
dem  differenten  Punkte  (dem  N.  ulnaris)  ruhte.  Oeffnet  man,  ohne 
die  Elementenzahl  zu  verändern,  bei  derselben  Stellung  der  Anode  die 
Kette,  nachdem  der  Strom  einige  Sekunden  geschlossen  gewesen  war, 
so  erfolgt  meist  ebenfalls  eine  Zuckung,  welche  man  Anodenöffnungs- 
zuckuug  benennt  und  abgekürzt  mit  AOz  bezeichnet.  Anoden- 
schliessungs-  und  Anodenöffnungszuckung  liegen  gewöhnlich  sehr  nahe 
bei  einander:  sie  erfolgen  entweder  bei  derselben,  oder  doch  nur  sehr 
wenig  von  einander  verschiedenen  Stromstärke.  Mit  dem  Anwachsen 
der  letzteren  ist  nun  aber,  wenn  man  jetzt  wieder  die  Kathode  am 
Nerven,  die  Anode  am  indifferenten  Punkt  ruhen  lässt,  die  Kathoden- 
schliessungszuckung bedeutender  und  intensiver  geworden:  Ja  es  tritt 
z.  B.  bei  18 — 20  Elementen  statt  einer  einfachen,  starken,  einmaligen 
Zuckung  eine  tonische  Kontraktion,  ein  Muskeltetanus  ein,  abgekürzt 
mit  KaSTe  bezeichnet.    Oeffnet  man,  während  weiter  die  Kathode  am 


§  107.  Polare  Untersuchungsmethode.  269 

Nerven  ruht,  die  Kette,  so  erfolgt  schliesslich  auch  dann  bei  genügen- 
der Stromstärke  eine  Zuckung,  welche  mit  dem  Namen  der  Kathoden- 
öffnungszuckuug  belegt  und  abgekürzt  mit  KaOz  bezeichnet  wird. 
Mit  der  allmählichen  Erhöhung  der  Stromstärke  sind  nun  auch,  wie 
leicht  zu  denken,  alle  übrigen  Zuckungen  (ASz  und  AOz  etc.)  stärker 
geworden;  sehr  selten  aber  und  nur  bei  sehr  bedeutender  Stromstärke 
erhält  man  schliesslich  eine  tetanische  Kontraktion,  wenn  die  Anode 
bei  Stromesschluss  am  differenten  Punkte  ruht:  der  Anodenschliessungs- 
tetanus tritt  als  letztes  und  seltenstes  üntersuchungsergebniss  in  die 
Erscheinung.  In  Kürze  also  kann  man  sagen,  dass  die  Reizungserfolge 
bei  allmählich  wachsender  Stromstärke*)  in  folgender  Reihenfolge  nach 
einander  auftreten: 

1.  Die  Kathodenschliessungszuckuug :  KaSz, 

2.  die  Anodenöffnungszuckung:  AOz, 

3.  die  Anodenschliessungszuckung:  ASz, 

4.  der  Kathodenschliessungstetanus:  KaSTe, 

5.  die  Kathodenöffnungszuckung:  KaOz, 

6.  der  Anodenschliessungstetanus:  ASTe. 

Die  grössere  oder  geringere  Intensität  der  Zuckung  wird  durch 
das  grösser  oder  kleiner  geschriebene  z  angedeutet.  (Nur  der  Voll- 
ständigkeit wegen,  sei  hier  in  Kürze  erwähnt,  dass  die  Brenner 'sehe 
Abkürzung  für  Kathode:  Ka,  für  Anode:  A  ist;  Andere  schreiben  für 
Kathode  nur  den  Buchstaben  K,  fügen  aber  dem  A  (Anode)  noch 
ein  n  zu.  Es  ist  das  natürlich  ganz  irrelevant;  doch  scheint  es  viel- 
leicht richtig,  der  Bezeichnung  den  Vorzug  zu  geben,  die  von  dem 
Begründer  der  polaren  Methode  gewählt  worden  ist.) 


*)  In  neuester  Zeit  von  N.  Weiss'"  in  Wien  (unter  Benutzung  eines  Gaif  fe- 
schen in  Millimeter  geteilten  absoluten  Galvanometers)  angestellte  Untersuchungen 
über  das  Zuckungsgesetz  verschiedener  motorischer  Nerven  am  lebenden  Menschen 
ergaben : 

KaSz  bei  1|— 3|  M.W. 

Asz       „     2^-4i  M.W. 

AOz     „     2i— 4|  M.W. 

KaSTe  „       5—7^  M.W. 

KaOz    „       7  —  10  M.W. 

ASTc  „  12—17  M.W, 
Resultate,  die  wir  im  Grossen  und  Ganzen  bestätigen  können.  (Zur  lirregung  des 
N.  peroneus  bedurfte  es  stets  etwas  grösserer  Stromstärken,  als  sie  für  den 
N.  ulnaris,  radialis,  frontalis  z.  B.  nötig  waren.)  Bei  diesen  Prüfungen  stand  die 
indifferente,  7  Ctm.  im  Durchmesser  haltende  Elektrode  auf  dem  Brustbein,  unter- 
sucht wurde  mit  der  kleinen,  2  Ctm.  im   Durchmesser  haltenden  Elektrode. 


270  ErMärung  der  polaren  üntersuchungsresultate.  Kap.  XV. 

§  108.  Diese  durch  die  Brenner'sche"  üntersuchungsmethode 
erzielten  Resultate  bleiben  nun  in  der  Tat  immer  dieselben,  gleichviel, 
wo  die  zweite  (indifferente)  Elektrode  steht:  der  Strom  mag  in  auf- 
oder  absteigender  Richtung  fliessen,  der  Erfolg  der  Reizung  ist  von 
dem  an  dem  erregbarsten  Punkt  des  Nerven  ruhenden  Pole  abhängig. 
Vergleicht  man  nun  die  durch  die  Brenner'sche  Methode  am  leben- 
den Menschen  erzielten  Resultate  mit  den  am  isolirten  Tiernerven 
erhaltenen  Ergebnissen  der  Physiologen,  so  ergiebt  sich  bis  zu  einem 
gewissen  Punkte  eine  vollkommene  Uebereinstimmung.  Am  isolirten 
Tiernerven  tritt  zuerst  bei  relativ  geringster  Stromesintensität  die 
Schliessungszuckung  des  aufsteigenden  Stromes  auf,  ihr  schliesst  sich 
an  2)  die  Schliessungszuckung  des  absteigenden  Stromes,  3)  die  Oeff- 
nungszuckung  des  absteigenden  Stromes,  4)  endlich  die  Oeffnungs- 
zuckung  des  aufsteigenden  Stromes.  Erinnert  man  sich  nun,  wie  an 
erster  Stelle  bei  der  polaren  Reizmethode  die  Kathodenschliessungs- 
zuckung eintrat,  an  vierter  oder  fünfter  aber  erst  die  Kathodenöffnungs- 
zuckung, während  Anodenschliessungs-  und  -öffnungszuckung  die  zweite 
und  dritte  Stellung  einnahmen,  so  kommt  man  unschwer  zu  dem 
Resultat,  dass  die  Reizerfolge  des  aufsteigenden  Stromes  denen  der 
Kathodenreizung,  die  des  absteigenden  Stromes  denen  der  Anoden- 
reizung entsprechen,  Tatsachen,  wie  sie  übrigens  direkt  durch  die 
F ilehne 'sehen  ^'  Tierversuche  (die  Nerven  von  Fröschen  und  Kanin- 
chen wurden  unipolar,  d.  h.  durcli  Anlegung  nur  einer  Elektrode  ge- 
reizt, während  die  andere  auf  dickeren  Muskelmassen  des  Tieres 
irgendwo  ruhte)  bewahrheitet  und  bestätigt  worden  sind 

Nur  für  die  dritte  der  sogenannten  P  flüger'schen  Stufen  bei 
Anwendung  maximaler  Stromstärken  findet  sich  im  elektrotherapeu- 
tischen  Experiment  kein  Analogen  für  das  physiologische  Reizungs- 
resultat, dass  nämlich  bei  sehr  starken  aufsteigenden  Strömen  keine 
Schliessungs-,  sondern  nur  eine  Oeffnungszuckung,  bei  sehr  starken  ab- 
steigenden Strömen  dagegen  nur  Schliessungs-  und  gar  keine  oder  nur 
eine  schwache  Oeffnungszuckung  zu  erzielen  ist.  Am  blossgelegten 
Nerven  ätherisirter  Tiere  erzielte  Fi  lehne  nun  auch  bei  polarer  Rei- 
zung und  Anwendung  höchster  Stromstärken  Resultate,  wie  sie  durcli- 
aus  den  Experimenten  der  Physiologen  entsprechen:  beim  Menschen 
würden  so  bedeutende  Stromesintensitäten  erforderlich  sein,  um  das 
Gleiche  an  dem  von  gut  leitendem  Gewebe  rings  umgebenen  Nerven 
zu  erzielen,  dass  man  schon  wegen  der  enormen  Schmerzhaftigkeit 
derartiger  Versuche  darauf  zu  verzichten  hat. 

Auffallender  noch  als  dieser  scheinbare  Widerspruch  muss  es  aber 


§108. 


Erklärung  der  polaren  Untersuchungsresultate. 


271 


erscheinen,  dass  bei  der  Brenn  er 'sehen  Versuchsanordnung  auch 
durch  die  Anode,  den  positiven  Pol,  eine  Zuckung  bei  Stroraesschluss 
und  andererseits  durch  die  Kathode  (den  negatiyen  Pol)  eine  Zuckung 
bei  Stromesöffnung  erzielt  wird,  denn  die  Physiologie  lehrt  ja,  dass 
nur  das  Entstellen  des  Katelektrotonus  und  nicht  sein  Schwinden, 
andererseits  nur  das  Vergehen  des  Anelektrotonus  und  nicht  sein 
Werden  ein  Reiz  für  den  Nerven  ist.  Diese  Schwierigkeit  ist  natür- 
lich schon  dem  Autor  der  neuen  Untersuchungsmethode  nicht  ent- 
gangen, und  so  erklärt  denn  Brenner  diese  Erscheinung  dadurch, 
dass  im  Bereiche  jeder  einzelnen  Elektrode  die  dieser  zukommenden 
AVirkungen  nicht  ausschliesslich  auftreten,  sondern  dass  im  Bereiche 
der  differenten  Elektrode  in  geringerem  Grade  auch  die  Wirkungen 
der  anderen  Elektrode  Platz  greifen.  Bedenkt  man,  dass  der  Nerv 
im  unversehrten  Tierkörper  von  mehr  oder  weniger  gut  leitendem 
Gewebe  umgeben  ist,  so  wird  zwar,  wenn  beispielsweise  die  Anode 
über  einem  Nerven  ruht,  der  Strom  nach  seinem  Durchgang  durch  die 
Epidermis  und  die  darunter  liegenden  Teile  in  relativ  bedeutender 
Dichtigkeit  eine  umschriebene  Strecke  des  Nerven  treffen,  alsbald  aber, 


Fig.  104  (nach  de  Watteville). 


physikalischen  Gesetzen  folgend,  gemäss  der  besseren  oder  schlechteren 
Leitungsfähigkeit  der  umgebenden  Gewebe  aus  dem  Nerven  austreten 
und  an  diesen  Austrittsstellen  Wirkungen  erzeugen,  wie  sie  eben  dem 
negativen  Pol  (der  Kathode)  zukommen:  je  nach  der  grösseren  oder 
geringeren  Dichtigkeit  des  Stroms  an  den  verschiedenen  Stellen,  wo 
derselbe  in  den  Nerven  ein-  oder  aus  ihm  austritt,  wird  nun  eine 
Zuckung   bei  Schliessung  oder  Oelfnung  des  Stromes   eintreten,   oder 


272  Untersuchung  mit  dem  konstanten  Strom.  Kap.  XV 

bei  beiden  Manipulationen,  Erscheinungen,  Avelclie  durcliaus  nur  von 
dem  Verhältniss  der  relativen  Stromdicbten  an  den  entsprechenden 
Punkten  zu  den  den  Polen  entsprechenden  Reizwirkuiigen  abhängen. 
Bedenkt  man  dabei,  dass  nur  das  Entstehen  des  Katelektrotetanus  ein 
Reiz  für  den  Nerv  ist  -  und  andererseits  nur  das  Verschwinden  des 
Anelektrotonus ,  und  dass  letzteres  Reizmoment  das  schwächer  wir- 
kende ist,  so  lassen  sich  jetzt  alle  faktisch  am  unversehrten  Tier  bei 
polarer  Reizung  des  Nerven  durch  die  Haut  hindurch  beobachteten 
Erscheinungen  in  befriedigender  Weise  erklären. 

In  augenfälliger  und  demonstrativer  AVeise  findet  man  eine  Be- 
stätigung dieser  wohl  zuerst  von  Helmholtz"^-  ausgesprochenen  und 
später  besonders  durch  Erb^^,  Hitzig ^^  und  neuerdings  wieder  durch 
de  Watte ville"'^  betonten  Grundanschauungen  in  dem  Faktum,  dass 
z.  B.  beim  Ansatz  der  negativen  Elektrode  an  der  Umschlagsstelle 
des  N.  radialis  am  Oberarm  bei  einer  gewissen  Stromstärke  einige 
oder  alle  diesem  Gebiete  angehörigen  Muskeln  zucken  (KaSz), 
während  die  Anodenschliessungszuckung,  wenn  sie  nicht  durch  An- 
wendung einer  sehr  grossen  Stromstärke  erzielt  wird,  nicht  sowohl  im 
Bereich  der  von  dem  N.  radialis  innervirten  Muskeln  am  Vorderarm 
sichtbar  wird,  sondern  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Ansatzstelle 
am  Brachialis  internus,  biceps  oder  triceps. 

Wie  dem  nun  aber  auch  sein  mag,  (wir  verweisen  in  dem  von 
der  Therapie  handeinden  Abschnitt  auf  weitere  Schlussfolgerungen), 
so  viel  steht  fest,  dass  praktisch  die  Brenn  er 'sehe,  die  sogenannte 
polare  Untersuchungsmethode  die  klarsten  und  unzweideutigsten  Resul- 
tate ergiebt. 

§  109.  Hat  man  nun  die  Aufgabe,  einen  Nerven  in  Bezug  auf 
seine  Erregbarkeit  mittelst  des  konstanten  Stroms  zu  untersuchen,  so 
wird  man  etwa  so   verfahren: 

Die  eine  der  Elektroden,  sagen  wir  die  Anode,  ruht  an  einem 
indifferenten  Punkt  (Nacken ,  Brustbein) ,  die  andere,  kleinere,  wird 
wohl,  durchfeuchtet  an  die  Stelle  gesetzt,  welche  für  die  Erregung  des 
zu  untersuchenden  Nerven  die  zweckentsprechendste  ist.  Man  beginnt 
mit  einer  gewissen  Anzahl  von  Elementen,  schliesst  die  Kette,  und 
beobachtet,  indem  man  allmählich  durch  Vermehrung  der  Elementen- 
zahl die  Stromstärke  vergrössert,  bei  welcher  Anzahl  von  Elementen 
die  KaSz  auftritt,  bei  welcher  Stromstärke  ASz  oder  AOz  nachfolgt, 
wann  KaSTe  und  schliesslich  KaOz  beobachtet  wird.  Die  gefundenen 
und  notirten  Resultate  werden  nun   bei  einseitigen  Läsionen  mit  denen 


§  109.  Nutzen  und  Notwendigkeit  des  Galyanometers,  273 

verglichen,  die  sicli  bei  ganz  genau  der  gleichen  Versuchsanordnimg 
bei  der  Prüfung  des  entsprechenden  Gebietes  der  anderen  (gesunden 
oder  kranken  Seite)  ergeben.  Mehr  noch  wie  bei  der  Prüfung  mittelst 
des  Induktionsstroms  ist  es  bei  Erregbarkeitsuntersuchungen  durch 
den  (galvanischen)  Batteriestrom  notwendig,  von  den  Widerstandsver- 
hältnissen an  den  entsprechenden  untersuchten  Punkten  unterrichtet 
zu  sein:  der  Gebrauch  des  Galvanometers  ist  zur  Stellung 
einer  wissenschaftlich  begründeten  Diagnose  unentbehrlich. 
Der  Nadelausschlag  des  Galvanometers  ist  abhängig  von  der  Strom- 
stärke (Elementenzahl)  und  dem  Gesammtwiderstande  der  Leitung,  zu 
welcher  der  der  elektrodiagnostischen  oder  -therapeutischen  Prozedur 
ausgesetzte  Mensch  gehört.  Stellt  man  sich  einen  ganz  gesunden  Mann 
vor,  an  dem  man  die  Erregbarkeit  beider  Nn.  ulnares  durch  galvanische 
Reizung  in  der  Rinne  zwischen  Cond.  internus  und  Olecranon  feststellen 
will,  und  nimmt  man  an,  dass  auf  der  linken  Seite  zufällig  an  der 
betreffenden  Hautstelle  eine  schwielige  Verdickung  der  Epidermis  be- 
steht, so  kann  es  sein,  dass  wir  folgendes  Untersuchungsergebniss 
erhalten:  Rechts  erfolgt  die  KaSz  bei  Schliessung  eines  Stromes  von 
12  Elementen,  links  erfolgt  dieselbe  KaSz  in  derselben  Stärke  erst 
bei  einem  Strome  von  16  Elementen.  Darf  man  hieraus  allein  auf 
eine  Erkrankung  des  linken  N.  ulnaris  schliessen  in  dem  Sinne,  dass 
seine  Erregbarkeit  herabgesetzt  sei?  Keineswegs.  Denn  die  Beob- 
achtung des  Nadelausschlags  zeigt  (wie  Avir  annehmen  wollen)  beide 
mal,  rechts  bei  Anwendung  von  12  Elementen,  links  bei  Anwendung 
von  16  Elementen  denselben  Nadelausschlag:  ist  links  die  Anzahl 
der  Elemente  (also  in  der  Gleichung 

das  E)  vermehrt,  so  ist  auch,  wie  wir  ja  wissen,  durch  die  Epidermis- 
schwiele    das    W    vergrössert;    die    Verkleinerung    des    Wertes    des 

E 

Bruches  -ttj-,  welche  derselbe   durch  die  Vergrösserung  seines  Nenners 

erfahren,  ist  eben  nur  ausgeglichen  worden  durch  die  Vermehrung 
seines  Zählers  E  und  das  Gesammtresultat,  die  Leistung,  die 
Kathodenschliessungszuckung,  ist  dieselbe  und  der  linke  Nerv  ist  wie 
der  rechte  in  gleicher  Weise  erregbar. 

Tritt  andererseits  bei  dem  Vergleich  der  Erregbarkeit  zweier 
Nerven  (alle  äusseren  Bedingungen  und  Versuchsanordnungen  gleich- 
gesetzt) eine  bestimmte  Reaktion  (Zuckung)  auf  der  einen  Seite  eher 
ein,  als  auf  der  anderen  (bei  geringerer  Elementenzahl),  oder  fällt  sie 

Rosenthal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslehre.     IH.  Aufl.  Jg 


274  Berüclcsiclitigüng  der  Stromdichte.  Kap.  XV. 

bei  gleicher  Elementenzahl  grösser  und  kräftiger  aus,  so  kann  man 
nur  dann  von  grösserer  Erregbarkeit  des  einen  Nerven  im  Vergleich 
zum  anderen  reden,  wenn  das  Galvanometer  einen  geringeren  Nadel- 
ausschlag angibt,  als  auf  der  anderen  Seite.  Denn  obgleich  dann 
der  Widerstand  (W)  ein  grösserer  ist  (die  Nadelausschläge  verhalten 
sich  ceteris  paribus  umgekehrt  wie  die  Widerstände)  und  damit  der 
Wert  von  J  verkleinert  wurde,  erfolgte  ja  dennoch  dieselbe  oder 
gar  eine  stärkere  Reaktion,  als  auf  der  Seite,  wo  der  grössere 
Nadelausschlag  vorhanden,  also  die  Stromstärke  auch  die  bedeu- 
tendere war. 

Alles  dies  zugegeben,  muss  man  sich  indessen  bei  derartigen 
Untersuchungen  immer  vergegenwärtigen,  dass  es  sich  bei  solcher 
Galvanometerbenutzung  und  Messung  der  Stromstärke  ja  .immer  nur 
um  den  Nachweis  der  im  „gesammten^'  Stromkreise  nachweisbaren 
Stärke  handelt,  wir  aber  über  die  Dichtigkeitsverhältnisse  des 
Stroms  an  den  zu  untersuchenden  Nervenstrecken  eine  ausreichende 
Bestimmung  nicht  erhalten;  indess  ist  bei  dem  Vergleich  meist  sym- 
metrischer Körperstellen  und  bei  den  im  Allgemeinen  doch  nicht  sehr 
differenten  Anordnungen  der  Teile  auch  bei  verschiedenen  Individuen 
dieser  Mangel,  obwohl  wissenschaftlich  ja  vorhanden,  praktisch  nicht 
allzuhoch  anzuschlagen,  resp.  zu  vernachlässigen*). 

Bevor  wir  weitergehen,  ist  noch  auf  folgende  Tatsache  aufmerk- 
sam zu  machen.  In  sofern  das  Zuckungsgesetz  des  Nerven  durch  das 
Oeffnen  oder  Schliessen  eines  Stroms  dargestellt  Averden  soll  und  die 
Reizerfolge  am  Nerven  bekanntlich  nicht  sowohl  von  der  absoluten 
Stromstärke  (Dichte),  sondern  von  der  grösseren  oder  langsameren 
Schwankung  derselben  in  der  Zeiteinheit  abhängt,  haben  wir  praktisch 
diese  Oeffnungen  und  Schliessungen  des  Stroms  nicht  am  Körper  des 
zu  Untersuchenden  selbst,  sondern  durchaus  nur  im  metallischen 
Teil  der  Leitung  vorzunehmen.     Man  öffnet  oder  schliesst  den  Strom 


*)  Man  kann  jedoch,  wenn  es  sich  nm  Vergleichung  symmetrischer  Nerven 
handelt,  von  welchen  der  eine  gesund  der  andere  verändert  ist,  den  Einfluss  des 
Widerstandes  eliminiren,  indem  man  denselben  Strom  gleichzeitig  auf  beide 
Nerven  wirken  lässt.  Zu  diesem  Zwecke  setze  man  beide  Elektroden  (von  gleicher 
Grösse)  möglichst  gleichmässig  auf  die  symmetrischen  Stellen  auf,  an  denen  die 
betreffenden  Nerven  gut  gereizt  werden  können.  Durch  den  Stromwender  macht 
man  abwechselnd  die  rechte  und  die  linke  Elektrode  zur  Kathode  und  versucht, 
bei  welchen  Elementenzahlen  die  Wirkungen  rechts  und  links  eintreten. 

Wenn  hier  derselbe  Strom  bei  möglichster  Gleichheit  aller  Verhältnisse  auf 
der  einen  Seite  anders  gewirkt  hat  als  auf  der  andern,  so  muss  die  Erregbarkeit 
eine  ungleiche  sein. 


§  109,  110.   Veränderung  d.  Widerstandes  während  d.  Stromesschlusses.  275 

am  besten  mit  dem  Brenn  er 'sehen  Stromwender  oder  mit  Hilfe  der 
Meyer'schen  Unterbrechungselektrode:  weniger  bedeutende  Schwan- 
kungen, als  durch  Oeffnen  und  Schliessen  der  Kette,  erzielt  man  durch 
plötzliche  Vermehrung  resp.  Verminderung  der  Elementenzahl  oder 
durch  die  schnelle  Einschaltung  oder  Ausschaltung  grösserer  oder  ge- 
ringerer Widerstände  mittelst  des  in  der  Haupt-  oder  in  der  Neben- 
leitung eingeschalteten  Rheostaten. 

§  110.  Bevor  wir  diesen  Gegenstand  verlassen,  bleibt  noch  übrig, 
auf  eine  Tatsache  die  Aufmerksamkeit  zu  lenken,  die,  wenn  vernach- 
lässigt, gar  leicht  zu  Irrtümern  Veranlassung  geben  kann.  Hat  man 
bei  einer  beliebigen  Elementenzahl  die  Kette  geschlossen  und  den 
Nadelausschlag  am  Galvanometer  beobachtet,  so  sieht  man  alsbald  die 
Nadel  langsam  aber  stetig  sich  vorwärts  bewegen  und  oft  schon  nach 
V2  — 1  Minute  einen  von  dem  ursprünglichen  oft  um  mehrere  Grade 
vermehrten  und  abweichenden  Ausschlag  anzeigen.  Die  anfänglichen 
Widerstände  haben  sich  also  vermindert:  hierzu  hat  der  Druck  der 
Elektroden  auf  die  Haut,  besonders  aber  die  allmählich  vollkommener 
werdende  Durchfeuchtung  derselben  und  die  durch  die  kataphorischen 
Wirkungen  des  Stroms  sehr  verbesserte  Leitungsfähigkeit  der  Epidermis 
(vgl.  S.  262,  Anmerk.),  beigetragen.  Des  Weiteren  ist  sodann  schon 
von  Remak^'^  gezeigt  und  von  Anderen,  so  von  Waller  und  de  Watte - 
ville-^^  bestätigt  worden,  dass  die  durch  den  galvanischen  Strom  be- 
wirkte Widerstandsabnahme  durch  eine  Strom  Wendung  noch  weiter 
vermehrt  werden  kann,  ohne  dass  man  es  indess  zu  hindern  ver- 
möchte, dass  die  zuletzt  erreichte  Widerstandsverrainderung  bald  wieder 
einer  Zunahme  Platz  macht.  So  kommt  es  denn,  dass,  wenn  anfäng- 
lich 16  Elemente  nötig  waren,  um  KaSz  von  irgend  einem  Punkte 
aus  an  einem  Nervenmuskelgebiet  hervorzubringen,  allmählich  15,  14, 
13,  ja  vielleicht  12  oder  schon  10  Elemente  genügen,  um  denselben 
Effekt  zu  erzielen:  ein  Blick  auf  das  Galvanometer  belehrt  uns,  dass 
bei  fortgesetzter  Inanspruchnahme  von  16  Elementen  der  anfängliche 
Nadelausschlag  von  2'  .^0  auf  3,  4  —  5^  steigt  und  erst  bei  allmäh- 
licher Verminderung  der  Elementen-Anzähl  auf  den  ursprünglichen 
Wert  von  2  '/-i  °  zurückgeht. 

Nach  Brenner  bezeichnete  man  früher  die  leichtere  Anspruchsfähig- 
keit eines  motorischen  Nerven,  der  einige  Zeit  von  einem  konstanten 
Strom  durchflössen  war,  mit  dem  Namen  der  „sekundären  Erregbar- 
keit" dieses  Nerven:  fand  man  beim  Beginn  der  Untersuchung  z.  B. 
16  E  =  KaSz   (d.  h.   trat   bei   einer  Stromstärke  von  16  Elementen 

18* 


276  i^achwirkungen  des  konstauten  Stroms.  Kap.  XV". 

zum  ersten  Male  Kathodenschliessungszuckung  ein),  so  änderte  sich  diese 
„primäre  Erregbarkeit«  nach  längerer  Einwirkung  des  Stromes 
dahin,  dass  allmählich  immer  weniger  Elemente  nötig  wurden,  um 
KaSz  hervorzubringen.  Die  jetzt  gefundene  Grenze  nach  unten  hin 
(sagen  wir  bei  unserem  Beispiel  12  Elemente)  wird  nach  Brenner 
mit  dem  Namen  der  „sekundären  Erregbarkeit«  bezeichnet, 
12  E  =  KaSz,  welcher  schliesslich,  wenn  man  das  mächtigste  aller 
elektrischen  Reizmittel,  die  Wendung  des  Stromes,  anwendet  (indem 
man  der  jedesmaligen  Kathodenschliessung  eine  Anodenschliessung 
voranschickt),  die  dritte  Stufe,  die  „tertiäre  Erregbarkeit«  des 
Nerven  folgt,  so  dass  eventuell  schon  bei  8  oder  7  Elementen  Katho- 
denschliessungszuckung eintritt.  Nach  Brenner  wird  diese  primäre, 
sekundäre,  tertiäre  Erregbarlceit  mit  den  Zeichen  E  I,  E  II,  E  III  be- 
legt. Sehr  wohl  war  sich  Brenner  bei  der  Aufstellung  dieser  „Stufen« 
bewusst,  wie  sehr  die  Grösse  eines  elektrischen  Reizeffektes  von  dem 
Leitungswiderstand  der  vom  Strome  zu  durchfliessenden  Gewebe  ab- 
hängt. Diesem  Verhalten  ist  nun  auch  in  späteren  Arbeiten  über  die 
Veränderung  der  Erregbarkeit  motorischer  Nerven  des  lebenden  Men- 
schen durch  den  galvanischen  Strom  Rechnung  getragen  worden,  am 
überzeugendsten  zuerst  von  E.  Remak^^,  welcher  durch  seine  Unter- 
suchungen, in  denen  er  sein  Augenmerk  vorzüglich  auf  die  Verände- 
rung der  Erregbarkeit  der  Nerven  nach  elektrotherapeutischen  Proze- 
duren richtete  und  bei  denen  er  nicht  wie  seine  Vorgänger  auf  diesem 
Gebiete  (Eulenburg^^  Erb^^  Samt^o,  Brückner",  Cyon^o  imd 
Runge ^^)  den  induzirten,  sondern  gleichfalls  wieder  den  konstanten 
Strom  zur  Prüfung  der  etwa  erzielten  Erregbar Iceitsmodifikationen 
verwendete,  zu  folgenden  Resultaten  kam: 

Durch  Kathodendauer  wird  für  Kathodenschliessungszuckung  eine 
mit  der  längeren  Dauer  und  der  grösseren  Stärke  des  polarisirenden 
Stroms  zunehmende  positive  Modifikation  hervorgebracht;  auch  Anoden- 
dauer erzeugt  eine  positive  Modifikation  der  Kathodenschliessungs- 
zuckung, die  aber  kürzer  ist,  als  die  durch  Kathodendauer  hervor- 
gebrachte, desgleichen  erzielt  Anodendauer  eine,  wenn  auch  nur  geringe 
positive  Modifikation  für  Ano'denschliessungszuckung,  eine  Modifikation, 
die  sich  auch  durch  Kathodendauer  erreichen  lässt. 

Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  stimmen  im  Wesentlichen  mit 
denen  überein,  welche  die  Physiologie  von  den  Nachwirkungen  des 
konstanten  Stroms  verzeichnet.  Danach  geht  bekanntlich  der 
Zustand  erhöhter  Erregbarkeit  im  Bereich  der  Kathode  nach  der 
Oeffnung    der    Kette    durch    einen    kurzdauernden   Zustand    negativer 


§  110.  Elektrotonische  Zustände  am  lebenden  Menschen.  277 

Modifikation  hindurcli  in  eine  anhaltende  yjositive  Modifikation  über, 
deren  absoluter  Wert  und  deren  Dauer  der  angewendeten  Stromstärke 
proportional  ist.  Der  anelektrotonische  Zustand  gebt  nacb  der  Oeffuung 
des  Stromes  direkt  in  eine  positive  Modifikation  über,  welche  sich  in 
ihrer  Grösse  ebenfalls  nach  der  Stromstärke  und  der  Dauer  des 
Stromes  richtet.  Näher  auf  diese  Verhältnisse  und  namentlich  auf 
die  oft  sich  widersprechenden  Versuche  und  Versuchsergebnisse  der 
oben  genannten  Autoren  einzugehen,  welche  meist  mit  Hilfe  des 
Induktionsstroms  die  während  des  Fliessens  des  konstanten 
Stroms  an  den  verschiedenen  Polen  etwa  zu  Stande  gekommenen 
positiven  und  negativen  Modifikationen  am  Nerven  des  lebenden 
Menschen  untersuchten,  scheint  hier  nicht  der  Ort. 

Wohl  aber  glauben  wir  hier  noch  kurz  die  von  Waller  und 
de  Watteville^^  in  London  „üeber  den  Einfluss  des  galvanischen 
Stroms  auf  die  Erregbarkeit  der  motorischen  Nerven  des  Menschen« 
neuerdings  angestellten  Versuche  anführen  zu  müssen,  da  jene  Autoren 
in  ihren  Experimenten  ein  genaues  Zusammenfallen  der  Stellen  für 
die  Polarisation  und  derjenigen  für  die  Reizung  herbeiführten  und  zu 
diesem  Zweck  den  polarisirenden  und  den  prüfenden  Strom  in  einen 
Kreis  vereinigten.  Sie  gingen  von  den  oben  schon  (S.  271)  erörterten 
Gesichtspunkten  aus,  dass  bei  Applikation  einer  Elektrode  auf  die 
Haut  über  einem  Nerven,  sich  unmittelbar  unter  der  Elektrode  im 
Nerven  eine  polare  (Vorzeichen  identisch  mit  der  Elektrode)  Zone 
entwickelt,  während  zu  beiden  Seiten  dieser  Stelle  (peripolar,  wie 
schon  Filehne  nachwies)  sich  eine  Zone  herstellt,  welche  die  ent- 
gegengesetzten Vorzeichen  trägt.  Natürlich  ist  die  Dichtigkeit  in  der 
polaren  Zone  -grösser,  als  in  den  peripolaren  Zonen,  Avelche  unter  dem 
Einfluss  sogenannter  ,jvirtueller «  Elektroden  stehen.  Wenngleich 
die  Erscheinungen  während  des  Fliessens  eines  Stromes  praktisch  und 
therapeutisch  relativ  viel  weniger  interessant  sind,  als  die  nach  der 
Applikation  des  Stromes  zurückbleibenden  Modifikationen  der  Erreg- 
barkeit, so  wollen  wir  doch  die  Endergebnisse  der  Waller-Watte- 
vi  11  e' sehen  Versuche  hier  kurz  mitteilen:  1)  Während  des  Fliessens 
des  galvanischen  Stromes  ist  die  (polare  oder  peripolare)  Kathoden- 
zone in  einem  Zustand  gesteigerter  Erregbarkeit,  die  (polare  oder 
peripolare)  Anodenzone  in  einem  Zustand  herabgesetzter  Erregbarkeit. 
2)  Steigt  die  Stärke  eines  polarisirenden  Stromes  über  ein  gewisses 
Mass,  so  scheint  die  katelektrotonische  Region  (im  physiologischen 
Sinne)  sich  über  die  anelektrotonische  auszudehnen.  3)  Nach  Unter- 
brechung  des  Stromes  macht  in  der  katolektrotonischen  Gegend   die 


278  Elelitrotonische  Zustände  am  lebenden  Menschen.  Kap.  XV. 

vorhandene  Erreg barkeitssteigerung  einer  deutlichen  Herabsetzung  der 
Erregbarl^eit  Platz  und  diese  geht  dann  allmählich  über  in  eine  oft 
recht  lang  andauernde  Erregbarkeitssteigerung  (von  über  1 V2  Stunden), 
andererseits  folgt  der  Herabsetzung  der  elektrischen  Erregbarkeit  in 
der  anelektrotonischen  Zone  unmittelbar  eine  Steigerung  der  Erregbar- 
keit, welche  sehr  deutlich  und  lang  andauernd  ist. 

Entsprechende  Resultate  ergaben  sich  auch  bei  der  Prüfung  der 
„elektrotonischen  Verhältnisse  der  sensiblen  Nerven".  Ohne  noch 
weiter  auf  diese  an  sich  hoch  interessanten  Untersuchungen  hier  ein- 
gehen zu  wollen,  scheint  es  uns  doch  erforderlich,  hervorzuheben,  dass 
zuerst  Erb^'^  in  seinen  oben  erwähnten  Untersuchungen  in  Wahrheit 
Resultate  erhalten  hat,  welche  denen  Eulenburg's  diametral  ent- 
gegenstehend, nachwiesen,  dass  am  lebenden  Menschen  in  der  Nähe 
der  Kathode  anelektrotonische  Zustände  herrschten  und  katelektro- 
tonische  in  der  Nähe  der  Anode.  Es  waren  Helmholtz's  Erklärungen 
(vgl.  S.  272),  welche  dieses  scheinbare  paradoxe  Faktum  in  licht- 
voller Weise  a-ufhellten  durch  den  Nachweis  der  Diffusion  der  elek- 
trischen Ströme,  welche  bei  der  verschiedenen  Leitungsfähigkeit  der 
tierischen  Gewebe  zwar  in  relativ  grösster  Dichte  den  Strom  in  die 
unmittelbar  unter  der  Elektrode  liegende  Nervenpartie  eintreten  lässt, 
aber  ihm  eventuell  nur  wenige  Millimeter  weiter  den  „Austritt"  aus 
diesem  Nerven  in  die  umgebenden  Teile  gestattet  und  so  in  der  Um- 
gebung der  „aktuellen"  Anode  oder  Kathode  „virtuelle"  Kathoden 
bezw.  Anoden  schafft.  Und  in  der  Tat  erhielt  jetzt  Erb  bei  einer 
Versuchsanordnung,  welche  es  gestattete,  die  polarisirende  und  erre- 
gende Elektrode  an  denselben  Punkt  zu  appliziren,  durchaus  mit 
den  Ergebnissen  der  physiologischen  Forschung  übereinstimmende 
Resultate. 

§  111.  Berücksichtigt  man  nun  alle  diese  Verhältnisse,  so  liegt 
es  auf  der  Hand,  dass  man  bei  der  Untersuchung  der  Erregbarkeit 
motorischer  Nerven  durch  den  konstanten  Strom  nicht  allein  auf  die 
Dauer  der  Untersuchung,  auf  die  dadurch  bedingte  Veränderung  der 
Leitungsverhältnisse  der  Bedeckungen,  sondern  auch  auf  die  durch  die 
Modifikationen  der  Nervenerregbarkeit  abgeänderten  Reizresultate  Rück- 
sicht nimmt.  Man  hat  also  stets,  will  man  ganz  exakt  vorgehen, 
eine  gewisse  Zeit  verfliessen  zu  lassen,  ehe  man  einen  Nerven  nach 
der  Prüfung  seines  Verhaltens  gegen  den  negativen  Pol  (Kathode) 
auf  seine  Reaktion  gegen  den  positiven  (Anode)  untersucht  und 
vice  versa. 


§  111.  Stromwendung.  —  Volta'sche  Alternative.  279 

Abgesehen  endlich  von  denjenigen  Erregungen,  welche  an  einem 
motorischen  Nerven  durch  das  Schliessen  oder  Oeffnen  einer  konstanten 
Kette  hervorgerufen  werden  liönnen,  ist  auch  für  den  Arzt  und  Elek- 
trotherapeuten  die  Kenntniss  der  besonders  von  J.  Rosenthal ''o  klar 
gelegten  Tatsache  von  Wichtigkeit,  dass  der  konstante  Strom  die 
Nervenerregbarheit  für  die  Oeffnung  des  einwirkenden  und  die  Schliessung 
des  entgegengesetzt  fliesseuden  Stroms  erhöht,  sie  aber  für  die 
Schliessung  des  einwirkenden  und  die  Oeffnung  des  entgegengesetzten 
herabsetzt.  Durch  den  Kommutator  oder  Stromwechsler  lässt  sich  nun 
diese  Veränderung  der  Stromesrichtüng  ungemein  prompt  und  schnell 
ausführen:  es  wird  durch  diese  Prozedur  der  „ Stromwendung ^* 
(Volta'sche  Alternative)  eine  bedeutende  Erregung  des  Nerven 
bewirkt,  weil  sich  zwei  Erregungen  im  Nerven  summiren  (die  durch 
die  Oeffnung  und  die  durch  die  Schliessung  des  Stroms  bedingte)  und 
weil  die  durch  den  Stromesschluss  (bei  Wendung  vom  positiven  auf 
den  negativen  Pol)  gesetzte  Erregung  in  eine  durch  die  vorangegangene 
Polarisation  in  ihrer  Erregbarkeit  beträchtlich  gesteigerte  Nervenregion 
fällt  (de  Watteville=59). 

Es  ist  also  die  Wendung  des  Stromes  das  mächtigste  Reizmittel 
für  den  Nerven;  nur  wenn  der  Nerv  auch  auf  diesen  Reiz  nicht  mehr 
reagirt,  kann  man  von  Erloschensein  seiner  galvanischen  Erregbarkeit 
reden. 

Schliesslich  noch  eine  Bemerkung,  welche  bei  der  Feststellung 
eines  Planes  zur  Untersuchung  der  elektrischen  Erregbarkeit  eines 
motorischen  Nerven  zu  beachten  ist:  man  vergesse  nie  bei  der  Unter- 
suchung alle  erreichbaren  Punkte  eines  Nerven  dem  Einfluss 
beider  Stromesarten  zu  unterwerfen.  Denn  wie  wir  weiterhin  bei  der 
Besprechung  der  pathologischen  Zustände  an  peripherischen  Nerven 
sehen  werden,  kann  es  z.  B.  sein,  dass  unterhalb  einer  Läsionsstelle 
am  Nerven  von  diesem  aus  sehr  wohl  das  von  ihm  innervirte  Muskel- 
gebiet in  Kontraktion  versetzt  werden  kann,  von  oberhalb  der  Läsions- 
stelle her  aber  nicht  (viele  Fälle  sogenannter  leichter  peripherischer 
Lähmungen),  oder  es  kann  umgekehrt  von  einem  über  der  Läsions- 
stelle gelegenen  Punkte  durch  den  elektrischen  Reiz  der  Muskel  zur 
Zusammenziehung  gebracht  werden,  nicht  aber  von  einer  unterhalb 
der  erkrankten  Stelle  gelegenen  Strecke  her  (wie  z.  B.  in  späteren 
Stadien  sogenannter  schwerer  peripherischer  Lähmungen).  Es  werden 
diese  Verhältnisse  in  dem  Kapitel  der  Elektropathologie  der  Nerven 
und  Muskeln  noch  ihre  nähere  Besprechung  finden. 


280  Verhalten  der  Musl<e.ln  gegen  den  galvanischen  Strom.        Kap.  XV, 

§  112.  Hinsiclitlich  der  Reaktionen  der  quergestreiften  Mus- 
kiihitur  auf  den  elektrischen  Reiz  ist  im  Wesentlichen  auf  das  im 
vorigen  Abschnitt  Gesagte  zu  verweisen.  In  keiner  Weise  lassen  sich 
bei  der  Elektrisation  der  Muskeln  die  Einwirkungen  auf  die  grösseren 
und  kleineren  bis  kleinsten  durch  das  Gewebe  verteilten  Nervenäste 
vermeiden.  Und  so  findet  man  denn  in  der  Tat  die  Reaktionen  des 
unversehrten,  mit  seinem  Nerven  in  ununterbrochenem  Zusammen- 
hange stehenden  Muskels  im  Wesentlichen  gleich  denen,  welche  man 
durch  extramuskuläre  Reizung  des  Nerven  erzielt.  Bestimmte,  später 
bei  der  Besprechung  pathologischer  Verhältnisse  noch  mehr  hervor- 
zuhebende Modifikationen  in  der  Erregbarkeit  der  Muskeln  scheinen 
dafür  zu  sprechen,  dass  vom  Nerveneinfluss  ganz  und  gar  unabhängige 
resp.  losgelöste  Muskelsubstanz  auf  schnell  sich  in  ihrer  Intensität 
ändernde  elektrische  Reize  nicht  mehr  reagirt,  sondern  nur  mehr  auf 
verlangsamte  Reize  (z.  B.  den  galvanischen  Strom,  sofern  er  nicht 
von  zu  kurzer  Dauer  ist)  mit  eigentümlichen,  von  den  normalen  Kon- 
traktionen abweichenden  Zuckungen  antwortet. 

In  neuester  Zeit  von  Jelly ^'  in  Strassburg  angestellte  Versuche 
(übrigens  hatte  auch  Erb^^  schon  bei  direkter  galvanischer  Reizung 
gesunder  Muskeln  die  KaSz  im  deutlichen  Gegensatz  zum  Verhalten 
des  normalen  motorischen  Nerven  kaum  bedeutender  als  die  ASz  ge- 
funden) ergaben,  dass  bei  direkter  Muskelreizung  die  ASz  gleich  stark, 
einigemal  sogar  kräftiger  ausfiel  als  die  KaSz.  Er  erklärt  das  so, 
dass  der  von  der  Anode  aus  in  den  Muskel  eintretende  Strom  im 
breiteren  Muskelgewebe  eine  Reihe  „virtueller"  Kathoden  erzeuge, 
von  denen  (als  den  stärkeren  Reizmomenten)  die  Zuckung  abhänge. 
Ja,  es  sei  sogar  auffallend,  dass  sich  die  gewöhnliche  Formel  so  oft 
nachweisen  lasse.  Höchst  beachtenswert  ist  ferner  folgender  Aus- 
spruch desselben  Autors,  auf  den  wir  weiter  unten  zurückkommen 
werden,  dass  bei  der  Muskelprüfung  mittels  des  galvanischen  Stromes 
ein  Abweichen  von  der  gewöhnlichen  Formel  fernerhin  nicht  mehr 
ohne  Weiteres  als  Beweis  für  eine  bestehende  Entartungsreaktion 
anzusehen  sei,  sondern  dass  nur  die  übrigen  Merkmale,  insbesondere 
die  Trägheit  der  Zuckung ,  als  charakteristisches  Moment  zu  be- 
trachten sei. 

Hält  man  sich  bei  der  Prüfung  der  direkten  galvanischen 
Muskelerregbarkeit  von  dem  in  einen  Muskel  eintretenden  motorischen 
Ner\'en  fern  genug,  als  dass  bedeutendere  Stromschleifen  bis  zu  ihm 
hingelangen,  so  kann  man  Oeffnungszuckungen  und  ganz  besonders 
Kathodenöifnungszuckungen  nur  sehr  schwer   auslösen:   ein  Verhalten, 


§  112.  Untersuchung  der  Muskeln  durch  den  galvanischen  Strom.  281 

in  welchem  der  gesunde  Muskel  auffallend  von  dem  erkrankten 
(degenerirten)  abweicht,  wie  weiterhin  gezeigt  werden  wird. 

Die  Methoden  der  Untersuchung  mit  dem  Induktionsstrom  oder 
dem  galvanischen  Strom  bleiben,  wie  schon  erwcähnt,  dieselben: 

Aufsuchen  der  Minimalzuckung  bei  Anwendung  der  Faradisation, 
Notirung  des  Rollenabstandes  und  der  Widerstandsverhältnisse  an 
den  Prüfungsstellen;  Herstellung  der  Normalformel  Brenner 's  mit 
steter  Berücksichtigung  des  Nadelausschlags  bei  Prüfung  der  galva- 
nischen (sogenannten  direkten  Muskel-)  Erregbarkeit,  lieber  das 
„Zuckungsgesetz  der  sensiblen  Nerven«  vergl.  später. 


Kapitel  XVI. 

Von  den  pathologischen  elektrodiagnostischen  Befunden 
an  den  motorischen  Nerven  und  den  Muskeln. 


§  113.  Bei  der  Wichtigkeit  der  e]eld,rodiagaostischen  Unter- 
suchuugsmethode  der  motorischen  Nerven  und  der  Muskeln  für  die 
Erkemiung  einer  grossen  Zahl  von  Nervenkrankheiten  gehen  wir 
gleicli  an  dieser  Stelle  dazu  über,  das  Wichtigste  der  hier  zur 
Beobachtung  kommenden  pathologischen  Verhältnisse  im  Zusam- 
menhange mitzuteilen. 

Seit  lange  sclion  ist  die  Wissenschaft  über  das  Dogma  hinweg- 
gegangen, dass  im  elektrischen  Verhalten  derjenigen  gelähmten  moto- 
risclien  Gebilde,  welche  in  Folge  zentraler  (vorwiegend  cerebraler) 
Läsionen  untätig  gind,  keine  Veränderungen  eintreten,  dass  dieses  aber 
bei  sogenannten  peripherischen  Lähmungen  ausnahmslos  der  Fall  sei. 
Nach  beiden  Richtungen  hin  haben  die  Untersuchungsresultate  der 
neueren  Zeit  die  Anschauungen  umgeformt. 

Was  zunächst  die  peripherischen  Lälimungen  betrifft  (d.  h. 
Unterbrechungen  dei-  Willensleitung  an  einem  motorischen  oder  ge- 
mischten Nerven  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Hirn  oder  Rücken- 
mark), so  gibt  es  nicht  wenige  und  von  den  zuverlässigsten  Beobach- 
tern konstatirte  Beispiele,  dass  sich  an  diesen  Nerven  auch  bei  exak- 
tester nntersuclmng  weder  für  die  Reizung  mit  dem  faradischen  noch 
mit  dem  galvanischen  Strom  irgend  welche  Differenzen  mit  den  Ergeb- 
nissen der  Reizung  an  der  gesunden  Seite  auffinden  lassen,  wohl  ver- 
standen nur  dann,  wenn  der  elektrische  Reiz  unterhalb  d.  h.  peri- 
phej'iewärts  von  der  Läsionsstelle  angreift.  Meist  nämlich  ist  auch 
bei  derartigen,  ihrem  Verlauf  und  Ausgang  nach  als  „leichte"  zu 
bezeichnenden  Lähmungen  (vgl.  später)  der  oberhalb  der  Läsions- 
stelle angebrachte  elektrische  Reiz  ebenso  wie  der  Willensreiz  unfähig, 
die  durch  die  Läsion  gesetzte  Hemmung  der  Leitung  zu  durchbrechen, 


§  113,  114.     Herabsetzg.  d.  elektrisch.  Erregbarkeit  d.  motor.  Nerven  etc.         283 

obgleich  theoretisch  sehr  wohl  die  Möglichkeit  gedacht  werden  kann, 
dass  ein  starker  elektrischer  Reiz  ein  Hinderniss  noch  überwindet,  wo 
der  vom  Willen  verursachte,  vom  Zentralorgan  bewirkte  Reiz  sich  zu 
diesem  Zwecke  als  unzureichend  erweist.  Neben  derartigen  „leichten« 
peripherischen  Lähmungen  sind  es  nun  die  Mehrzahl  der  in  Folge  von 
Hirnläsionen  der  verschiedensten  Art  gesetzten  Hemiplegien,  bei  denen 
die  dem  Willen  teilweise  oder  ganz  entzogenen  Muskeln  und  Nerven  in  der 
Tat  lange  Zeit  in  derselben  Weise  auf  den  elektrischen  Reiz  reagiren,  wie 
die  entsprechenden  Teile  der  gesunden  Seite.  Dasselbe  hat  Statt  bei 
vielen  in  Folge  von  Rückenmarksleiden  entstandenen  lähmungsartigen 
(oft  nur  ataktischen)  Zuständen,  bei  denen  die  mehr  oder  weniger 
paretischen  Muskeln  (mit  ihren  Nerven)  ihre  normale  Erregbarkeit 
bewahren,  so  lange  die  zentrale  graue  Substanz  namentlich  der  sogenann- 
ten Vordersäulen  nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen  ist,  oder  der  Pro- 
zess  durch  Jahre  lange  Dauer  die  Muskeln  zu  einer  mehr  oder  weniger 
vollständig  ausgeprägten  Atrophie  gebracht  hat. 

Abgesehen  nun  von  diesen  Prozessen,  bei  denen  die  elektrische 
Erregbarkeit  normal  bleibt,  gibt  es  mannigfache  pathologische  Zu- 
stände, in  denen  die  Erregbarkeit  der  erkrankten  Nerven  und  Muskeln, 
sei  es  quantitativ,  sei  es  qualitativ  in  Bezug  auf  den  elektrischen 
Reiz  geändert  ist. 

§  114.  Die  quantitativen  Veränderungen  teilen  sich  natur- 
gemäss  in  solche,  bei  denen  die  Erregbarkeit  entweder  unter  die  Norm 
gesunken,  oder  in  solche,  bei  denen  sie  über  die  Norm  hinaus  ge- 
steigert ist.  Wenn  wir  im  Folgenden  die  hier  etwa  zu  findenden 
Zustände  besprechen,  so  versteht  es  sich,  ein  für  alle  Mal  sei  dies 
hier  erwähnt,  dass  nur  solche  Beobachtungen  Geltung  beanspruchen 
können,  resp.  für  die  hier  vorgetragenen  Anschauungen  Verwertung 
gefunden  haben,  welche  unter  skrupulöser  Beobachtung  der  oben  an- 
gegebenen Kautelen  angestellt  worden  sind. 

1)  Eine  einfache  Herabsetzung  der  elektrischen  Erreg- 
barkeit bei  direkter  wie  indirekter  Reizung  mit  beiden  Stromes- 
arten findet  ihren  klinischen  Ausdruck  darin,  dass  zur  Erzielung  von 
Minimalzuckungen  resp.  überhaupt  von  ausgiebigen  Zusammenziehungen 
der  Muskeln  bedeutendere  Stromstärken,  als  normal  erforderlich  sind: 
die  Rollenabstände  müssen  bei  den  Induktionsspiralen  vermindert,  die 
Zahl  der  Elemente  beim  konstanten  Strom  vermehrt  werden.  Scliwer 
nur  lassen  sich  bei  Anwendung  des  letzteren  die  tetanisclicn,  schwer 
auch  die  Oeffnungszuckungen   erzielen,  Kathodenschlicssungszuckungeu 


284  Steigerung  d.  elektrischen  Erregbarkeit  d.  motor.  Nerven.     Kap.  XVI. 

bleiben  schliesslich  allein  noch  übrig.  Die  mittelst  des  Induktions- 
stroms hervorgerufenen  Zusammenziehungen  verlieren  ihre  stetige, 
tetanische  Form,  sie  erfolgen  absatzweise,  vibrirend  und  bewirken 
schliesslich  kaum  noch  Lokomotionen.  Diese  Herabsetzung  kann  von 
den  leichtesten  Graden  bis  zu  völligem  Aufhören  jeglicher  Reaktion 
fortschreiten,  wie  z.  B.  das  Verhalten  der  Nerven  und  Muskeln  bei 
eben  Verstorbenen,  oder  an  amputirten  Gliedmassen  (vgl.  übrigens 
später).  In  dieser  Weise  findet  sich  die  Herabsetzung  der  Erreg- 
barkeit ferner  als  eine  Teilerscheinung  sogleich  zu  besprechen- 
der Reaktionen,  wie  sie  z.B.  bei  sogenannten  schweren  peripherischen 
Lähmungen  zur  Beobachtung  kommen.  Für  sich  bestehend  kann 
diese  herabgesetzte  Erregbarkeit  beobachtet  werden  bei  einzelnen, 
durch  ihren  Verlauf  sich  als  relativ  leichte  dokumentirenden  peri- 
pherischen, rheumatischen  oder  Drucklähmungen  ^^,  bei  manchen  Formen 
von  durch  Rückenmarksleiden  bedingten  Lähmungen  (chronischer  Mye- 
litis, Tabes  in  späterer  Zeit),  bei  gewissen  Formen  von  Muskelatrophien, 
die  durch  eine  längere  unfreiwillige  Inaktivität  der  Muskeln  bedingt 
waren  (an  Gliedern,  welche  nach  Fralituren,  Luxationen,  Gelenk- 
entzündungen längere  Zeit  in  festen  Verbänden  gerulit  haben),  ferner 
in  späteren  Stadien  cerebraler  Lähmung,  oder  bei  denjenigen  Muskel- 
atrophien, welche  durch  einen  chronisch  degenerativen  Prozess  in  den 
Nervenkernen  der  grauen  Substanz  der  Med.  obl.  oder  des  Rücken- 
marks bedingt  werden  (der  progressiven  Duchenne 'sehen  Bulbär- 
paralyse,  der  progressiven  Muskelatrophie),  schliesslich  bei  derjenigen 
Form  der  Muskelerkrankung,  welche  mit  dem  Namen  der  Pseudo- 
hypertrophie  belegt  ist. 

2.  Eine  einfache  Steigerung  der  elektrischen  Erregbar- 
keit gibt  sich  für  die  Prüfung  mit  dem  Induktionsstrom  dadurch  kund, 
dass  die  Minimalkontraktion  bei  einem  vergrösserten  Rollenabstand  zu 
Stande  kommt,  resp.  dass  die  erzielte  Reaktion  bei  demselben  Rollen- 
abstand wie  etwa  auf  der  (zum  Vergleich  herangezogenen)  gesunden 
Seite  eine  viel  kräftigere  ist;  in  Bezug  auf  den  konstanten  Strom 
findet  man  frühe,  bei  relativ  niedrigen  Stromstärken  eintretende  KaSz, 
die  bald  zum  KaSTe  wird,  frühes  Auftreten  auch  der  Oeffnungs- 
zuckungen,  eventuell  sogar  das  Erscheinen  des  sonst  nur  sehr  selten 
zu  erzielenden  AOTe  (bei  der  Tetanie  z.  B.) 

Diese  Zustände  finden  sich  sowohl  selbstständig  und  von  einer 
gewissen  Dauer,  als  auch  als  Teilerscheinungen  anderer  Prozesse,  vor- 
übergehend. —  So  ist  nicht  selten  bei  sogenannten  schweren  peripheri- 
schen Lähmungen  innerhalb  der  ersten  24—36  Stunden  nach  dem  Eintritt 


§  114;  115.  Qualitative  Veränderungen  der  Erregbarkeit.  285 

der  Läsion  von  einigen  Beobachtern  eine  Steigerung  der  indirekten 
wie  direkten  Erregbarkeit  des  später  total  gelähmten  Nervmuskel- 
gebiets  beobachtet  worden.  Indessen  kommt  doch  diese  rein  quanti- 
tative Steigerung  der  Erregbarkeit  bei  einer  gewissen  Anzahl  „leichter« 
peripherischer  Lähmungen  über  Tage  und  Wochen  hinaus  selbstständig 
vor,  ohne  dass  diese  Uebererregbarkeit  in  ünerregbarkeit  oder  irgend- 
wie bedeutender  Abnahme  derselben  übergegangen  wäre^-'. 

Abgesehen  von  den  genannten  Affektionen  kann  man  die  einfache 
Steigerung  der  elektrischen  Erregbarkeit  bei  manchen  Fällen  von 
cerebralen  Hemiplegien,  von  halbseitiger  Chorea,  vielleicht  auch  in 
frühen  Stadien  mancher  Fälle  von  progressiver  Muskel atrophie  ^^  finden, 
manchmal  auch  wohl  bei  Tabes  dorsalis  und  wahrer  Entzündung  peri- 
pherischer Nerven.  Immer  gehen  die  Erscheinungen  erhöhter  Erregbarkeit 
für  den  Induktionsstrom  wie  für  den  konstanten  parallel;  dennoch 
gibt  es  einige  wohl  beobachtete  Fälle  in  der  Litteratur,  in  denen  bei 
selbst  herabgesetzter  Erregbarkeit  der  Nerven  für  den  Induktionsstrom 
dieselbe   für  den  galvanischen  erhalten  war  ^'5. 

§  115.  Neben  der  eben  besprochenen  Erhöhung  und  der  geschil- 
derten Herabsetzung  der  elektrischen  Erregbarkeit  von  Nerv  und 
Muskel  gibt  es  nun  aber  Veränderungen,  welche  nicht  konstant 
während  der  ganzen  Dauer  der  Erkrankung  eines  Nerv-Muskelgebiets 
beobachtet  werden,  sondern  nach  eigentümlichen,  im  Ganzen  und 
Grossen  unveränderlichen  Gesetzen  ablaufen.  Nerv  und  Muskel 
verhalten  sich  den  uns  zu  Gebote  stehenden  elektrischen  Reizen 
des  Induktions-  und  des  konstanten  Stroms  gegenüber  zu  verschie- 
denen Zeiten  der  Krankheit  verschieden:  nicht  allein  die  Grösse 
und  Ausgiebigkeit,  sondern  auch  die  Art  und  Weise,  die  Qualität 
der  erzielten  Reaktionen  ist  eine  differente,  von  der  Norm  abweichende 
geworden. 

Als  Paradigma  derartiger  Erregbarkeitsanomalien  kann  man  die 
Erscheinungen  anführen,  Avie  sie  bei  schweren,  durch  gröbere  Ver- 
letzung oder  intensive  rheumatische  Prozesse  bedingten  Lähmungen 
peripherischer  motorischer  Nerven  beobachtet  werden.  Nicht 
oft  genug  kann  man  gerade  bei  dem  Studium  der  liier  in  Betracht 
kommenden  Erregbarkeitsveränderungen  betonen,  dass  der  Nerv  und 
die  Muslceln  jeder  Teil  für  sich  gesondert  der  Prüfung  mit 
beiden  Stromesarten  zu  unterwerfen  ist,  will  man  nicht  die  gröb- 
sten Irrtümer  begehen. 

AVas    nun    zunäclist    die    Erregbarkeitsverhältnisse    des   lädirten 


286  Qualitative  Erregbarkeitsveränderungen  etc.  Kap.  XVI. 

Nerven  betrifft,  so  kann  man,  wie  oben  schon  erwähnt,  innerhalb 
der  ersten  zwei  Tage  eventuell  eine  massige  Erhöhung  der  faradischen 
sowohl  wie  der  galvanischen  Erregbarkeit  beobachten.  Bald  aber 
vermindert  sich  die  Erregbarkeit  des  Nerven  für  beide  Stromes- 
arten in  gleichmässiger  Weise,  um  mit  dem  Ablauf  der  ersten  Woche, 
spätestens  der  ersten  Hälfte  der  zweiten  Woche,  auf  ein  Minimum 
gesunken  zu  sein. 

Kürzere  oder  längere  Zeit,  meist  über  Wochen  hin  (dauernd  natür- 
lich nur  in  unheilbaren  Fällen),  bleibt  dieser  Zustand  bestehen.  Tritt 
dann  eine  Regeneration  der  degenerirten  Nervenfasern  ein,  so  kommen 
faradische  und  galvanische  Erregbarkeit  allmählich  wieder  zum  Vor- 
schein. Hierbei  sind  nun  noch  folgende  Eigentümlichkeiten  zu  beob- 
achten: es  kann  sein,  dass  oft  schon  von  oberhalb  der  Läsionsstelle 
her  elektrische  Reize  sich  wieder  wirksam  erweisen,  gerade  so  wie 
der  Willensreiz,  während  unterhalb  der  Läsionsstelle  entweder  unver- 
hältnissmässig  viel  stärkere  elektrische  Reize  zum  Auslösen  einer 
Reaktion  von  Nöten  sind,  oder  auch  die  stärksten  elektrischen  Reize 
noch  nicht  beantwortet  werden.  Ist  es  bei  einzelnen  Lähmungsformen 
(z.  B.  der  Mehrzahl  der  Lähmungen  des  Gesichtsnerven)  nicht  möglich, 
oberhalb  der  affizirten  Strecke  den  elektrischen  Reiz  anzubringen,  so 
bietet  sich  das  namentlich  den  Anfänger  so  frappirende  Faktum  dar, 
dass  der  Kranke  willkürlich  und  zu  eigener  Befriedigung  schon  alle 
Bewegungen  wieder  ausführt,  während  der  unterhalb  der  Läsionsstelle 
angreifende  elektrische  Reiz  noch  ganz  wirkungslos  ist.  Ohne  an  dieser 
Stelle  näher  auf  die  Erklärung  dieses  hoch  interessanten  Faktums 
eingehen  zu  wollen,  bemerken  wir  nur,  wie  nach  Schiff ö'',  Erb"^  und 
Anderen  zwischen  der  Fähigkeit  des  Nerven,  einen  Reiz  aufzunehmen 
und  ihn  fortzuleiten  ein  Unterschied  zu  machen  ist,  und  dass  die  erstere 
Eigenschaft  des  Nerven  wesentlich  an  das  Vorhandensein  der  Mark- 
scheiden, das  letztere  aber  an  das  Vorhandensein  der  Axenzylinder 
gebunden  zu  sein  scheint.  Diese  Axenzylinder  können  bei  der  Regene- 
ration schon  wieder  vorhanden  sein  und  vom  peripherischen,  degenerirt 
gewesenen  Nervenstücke  aus  durch  die  Läsionsstelle  hindurch  mit 
dem  zentralen,  intakt  gebliebenen  Nervenstück,  ihre  Vereinigung  schon 
bewerkstelligt  haben,  bevor  sie  sich  selbst  (d.  h.  die  neugebildeten, 
regenerirten  Fasern)  mit  genügend  dicken  Markscheiden  umgeben 
haben*). 


*)  Mit  der  Schiff-Erb'sclien  An.sicht  von  diesen  Dingen  stimmten   gewisse 
Experimente  Grünhagen' s"^  an  partiell  durch  Kohlensäure   vergifteten   periphc- 


§  115.  Qualitative  Erregbarkeitsveränderungen  etc.  287 

Die  allmählich  sich  auch  am  peripherischen  Ende  wieder  anfindende 
elektrische  Erregbarkeit  A^ermehrt  sich  ganz  allmählich,  bleibt  aber 
selbst  dann,  wenn,  wie  oben  gezeigt,  schon  scheinbar  vollkommene 
Heilung  eingetreten  ist,  als  Zeichen  noch  immer  nicht  ganz  vollendeter 
Restitution  der  Nerven  gegen  die  Norm  vermindert.  Der  früher  als 
absolut  vorhanden  angenommene  Parallelismus  zwischen  den  Erreg- 
barkeitsverhältnissen des  lädirten  Nerven  für  den  faradischen  und  kon- 
stanten Strom  kann  in  dieser  absoluten  Weise  nach  den  sich  in  neuerer 
und  neuester  Zeit  mehrenden  Beobachtungen  nicht  mehr  aufrecht  er- 
halten werden.  Es  gibt  Fälle,  wo  der  regenerirte  Nerv  noch  nicht  auf 
den  faradischen,  schon  aber  auf  den  galvanischen  Strom  reagirt,  ja  es 
können  sogar  in  dem  Sinne  qualitative  Aenderimgen  eintreten,  dass 
die  AnSz  grösser  als  KaSz  und  KaOz  grösser  als  AOz  werden  kann. 
Die  hier  erwähnten  Verhältnisse  mögen  als  Ausnahmen  angesehen 
werden,  allein  sie  sind  vorhanden  und  beruhen  nicht  auf  Beobach- 
tungsfehlern, insofern  diese  vom  Nerven  aus  erzeugten  Zuckungen 
blitzartig  und  schnell  ablaufen  und  schon  bei  geringeren  Stromstärken 
zu  erzielen  sind,  wie  bei  direkter  Reizung  der  Muskelsubstanz,  so  dass 


Tischen  Nerven  überein.  Dieser  Autor  lagerte  einen  Proschcruralis  verinöt;-e  einer 
besonderen  Vorrichtung  so,  dass  ein  bestimmtes  Stück  der  Einwirkung  eines  Kohlen- 
säurestroms temporär  ausgesetzt  werden  konnte.  Dieses  Stück  des  Nerven  erfuhr 
alsdann  eine  nicht  unerhebliche  Abnahme  seiner  ursprünglichen,  vorher  genau  fest- 
gestellten Erregbarkeit,  während  die  Erregbarkeit  einer  mehr  centralwärts  gelegenen, 
vom  Kohlensäurestrom  nicht  berührten  Nervenpartie  unverändert  blieb,  eben.so  wie 
der  Reizerfoig,  obschon  sich  dieser  Reiz  durch  die  narkotisirte  und  selbst  erregungs- 
unfähig gewordene  Nervenstrecke  fortsetzen  musste.  Nach  den  neuesten  Versuchen 
von  Luch  Singer  und  Szpilman'"  aber  sind  diese  von  Grünhagen  gciündenen 
Tatsachen  als  blosse  Uebergänge  vom  Verhalten  eines  normalen  zu  d(;m  eines 
narkotisirten  Nerven  zu  betrachten.  Nach  ihnen  scheint  es  bewiesen,  dass  die 
Erregung  eines  Nerven querschnitts  in  den  nächst  folgenden  eine  stärkere  Reizung 
auslöst,  als  wie  jener  selbst  erfuhr  (lawinenartiges  Anschwellen  der  nervösen 
Erregung). 

Nimmt  aber  die  Erregbarkeit  eines  Nerven  stark  ab,  so  wird  nun  umgekehrt 
die  Reizung  nächstfolgender  Querschnitte  immer  schwächer  ausfallen:  ein  kräftiger 
Reiz  wird  nahe  dem  Muskel  wohl  noch  eine  "Wirkung  hervorrufen  können,  aber 
nicht  mehr  im  Stande  sein,  eine  lange  Kette  matter  Elemente  zu  durchschlagen. 
Die  Erregung  wird  in  der  Narkose  von  Element  zu  Element  abnehmen;  eine  Reizung 
tief  unten  wird  auf  dem  kurzen  Wege  zum  Muskel  viel  weniger  an  Intensität  ein- 
büssen,  während  eine  höher  oben  zugeführte  Reizung  auf  dem  langen  Wege  ge- 
ringerer Beweglichkeit  schliesslich  spurlos  erlischt.  Im  Anfang  der  Narkose  aber 
wird  die  von  Grünhagen  beobachtete  Erscheinung  auftreten,  wenn  die  Erregbar- 
keit zwar  schon  sinkt,  aber  doch  noch  nicht  so  sehr,  dass  das  lawinenartige  Phä- 
nomen ganz  schwände. 


288  Qualität. Erregbarkeitsveränderuiigen.  Verhaltend. Muskeln.    Kap.  XVI. 

von  übersehenen  und  vernachlässigten  Stromschleifen  nicht  die  Rede 
sein  kann. 

§  116.  Derartige  Vorkommnisse  von  Differenz  in  den  Reaktions- 
erscheinungen gegen  elektrische  Reize,  welche  bei  degenerirten  oder 
regenerirten  Nerven  bis  jetzt  als  Ausnahmen  zu  betrachten  sind, 
werden  aber  die  Regel  für  den  Ablauf  der  Erregbarkeitsver- 
hältnisse des  gelähmten  Muskels. 

Gleichwie  beim  Nerven  kann  man  auch  innerhalb  der  ersten 
zwei  Tage  nach  dem  Eintritt  der  schweren  Lähmung  eine  geringe, 
kurze  Zeit  andauernde  Steigerung  der  Erregbarkeit  der  Muskeln  beob- 
achten. Bald  sinkt  dieselbe  aber  bedeutend  und  ist  für  den  fara- 
dischen Strom  meist  schon  am  Ende  der  ersten,  sicher  der  zweiten 
Woche,  vernichtet.  (Dass  der  entblösste,  direkt  gereizte  Muskel 
noch  nach  langer  Zeit  bündelweise  Kontraktionen  bei  direkter  Reizung 
zeigen  kann,  ist  für  den  Arzt  von  keiner  praktischen  Wichtigkeit.) 
Erst  mit  der  Wiederkehr  der  aktiven  Beweglichkeit  stellt  sich  auch 
die  faradische  Erregbarkeit  wieder  her:  sie  bleibt  aber  meist  unter 
der  Norm,  welche  sie,  wenn  überhaupt,  erst  sehr  spät  erreicht. 

Auch  die  galvanische  Erregbarkeit  des  Muskels  kann 
innerhalb  der  ersten  24  Stunden  nach  dem  Auftreten  einer  schweren 
Nervenläsion  sich  leicht  erhöht  zeigen,  sehr  bald  aber  sinkt  sie  be- 
deutend. Besonders  gelingt  es  immer  schwerer,  Maximalzuckungen 
und  damit  wirkliche  Bewegungen  der  Glieder  hervorzurufen,  während 
die  Differenz  in  den  Minimalzuckungen  zwar  auch  meist  vorhanden 
ist,  indess  weniger  leicht  zu  Tage  tritt.  Etwa  mit  dem  Ende  der 
zweiten  Woche  fängt  aber  die  gesunkene  Erregbarkeit  wieder 
an  sich  zu  heben  und  zwar  bald  so  bedeutend,  dass  jetzt  nicht 
allein  bei  derselben  Stromstärke,  wie  auf  der  gesunden  Seite,  sondern 
schon  bei  bedeutend  geringerer  sich  deutlich  sichtbare  Kontraktionen 
erzielen  lassen.  Dabei  tritt  die  Minimalzuckung  überraschend  früh 
ein  und  die  stärkeren  Zuckungen  gehen  leicht  in  tetanische  Kontrak- 
tionen über.  Wochenlang,  ja-  oft  noch  nach  der  Wiederkehr  der 
aktiven  Beweglichkeit  bleibt  diese  „Uebererregbarkeit^*  bestehen: 
dabei  haben  aber  die  Zuckungen  auch  ihre  äussere  Erscheinungs- 
form geändert:  sie  erfolgen  nicht  mehr  schnell,  prompt,  blitzartig, 
sondern  verlaufen  träge  und  langsam.  Ausserdem  ändern  sich  nun 
auch  einige  Verhältnisse  in  der  Art  und  Weise  des  früheren  oder 
gleichzeitigen  Auftretens  einzelner  Zuckungen  bei  Schliessung  oder 
Oeffnung  des  Stromes,  abweichend  von  der  normalen  Zuckungsformel. 


§  116.  Qualitative  Erregbarkeitsveränderungeil.  289 

Die  ASz  tritt  relativ  früh  ein,  tritt  der  KaSz  immer  näher  und  wird 
in  nicht  wenigen  Fällen  bei  derselben  Stromstärke  wie  diese  zur  Er- 
scheinung gebracht:  Umgekehrt  tritt  die  am  normalen  Muskel  erst  spät 
hervorzurufende  KaOz  mehr  in  den  Vordergrund,  sie  kann  sogar  eher 
auszulösen  sein,  als  die  AOz,  ja  es  kann,  wenn  auch  nicht  so  häufig, 
wie  manche  Schriftsteller  annehmen,  die  sogenannte  Normalformel 
Brenner's  so  umgeändert  wei"den,  dass  ASz  zuerst,  dann  erstKaSz 
(oder  beide  bei  derselben  Stromstärke),  dannKaOz,  schliesslich  AOz 
eintreten.  Die  Möglichkeit  des  Verschwindens  der  Oeffnungszuckungen, 
wie  sie  einige  Autoren  behaupten,  wird  von  Andern  (Leegard^') 
bestritten:  nach  Letzterem  ist  gerade  der  Umstand,  dass  bei  ausge- 
prägter Uebererregbarkeit  der  Muskeln  kräftige  Oeffnungszuckungen  bei 
fast  denselben  Stromstärken  auftreten,  wie  Schliessungszuckungen,  als 
ein  wesentliches  Symptom  dieser  Uebererregbarkeit  anzusehen. 

Nur  kurz  wollen  wir  an  dieser  Stelle  den  Einwand  Vulpian's" 
(dem  sich  Goldschmidt^^  in  seiner  1877  zu  Strassburg  veröffentlich- 
ten Dissertation  anschliesst)  berühren,  dass  sich  die  Entartungsreaktion 
am  entblössten  Muskel  und  Nerven  nicht  nachweisen  lasse:  teils  haben 
wir  selbst  schon  im  Jahre  1875''^  das  Gegenteil  bewiesen,  teils  ist  in 
einer  besonderen  von  Bastelberger'^  unternommenen  Arbeit  die 
Unhaltbarkeit  dieser  Ansicht  klargelegt  worden. 

Allmählich  sinkt  nun  diese  Uebererregbarkeit  wieder  ab  und  zwar 
unter  die  der  gesunden  Seite:  dabei  kann  die  ZusammenziehuDg  noch 
langgezogen  und  träge  sein  und  die  ASz  noch  ihre  hervorragende  Stel- 
lung behaupten;  die  KaOz  tritt  aber  jetzt  jedenfalls  zurück,  des- 
gleichen auch  die  AOz,  erst  später  kehren  diese  bei  der  Oeffnung  des 
Stromes  zu  erzielenden  Reaktionen  im  Vergleich  zu  den  Schliessungs- 
zuckungen wieder:  ja  in  unheilbaren  Fällen  (bei  schliesslich  voll- 
kommen ausgebildeter  Degeneration)  ist  die  Möglichkeit  der  Hervor- 
rufung einer  schwachen  und  trägen  ASz  das  letzte  Zeichen  der  Reak- 
tion des  der  bindegewebigen  Transformation  anheimfallenden  Muskels. 
Während,  wie  wir  oben  (Seite  280)  gezeigt  haben,  Jelly  neuer- 
dings die  Wichtigkeit  des  Unterschieds  der  ASz  und  KaSz  bei  direkter 
Muskelreizung  leugnend  das  Hauptgewicht  auf  die  „Trägheit«  der 
Zuckungen  legt  und  in  dieser  fast  allein  das  Charakteristikum  der 
Entartungsreaktion  sieht,  hat  neuerdings  Vigouroux"'^  in  einigen 
Fällen  von  Spinal-Aftektionen  mit  degenerativer  Atrophie  den  positiven 
Pol  des  Oeffnungsinduktionsstroms  der  sekundären  Spirale  noch  wirk- 
sam gefunden,  wo  es  der  negative  nicht  mehr  war.  Er  schliesst 
hieraus,    dass  der  namentlich  in  Deutschland  so   oft  hervorgehobene 

Rosen  tlial  u.  Bernhardt,  Elektiizitiitslehrc.     III.  Aiill.  10 


290  Differentes  Verhalten  der  Muskeln  etc.  Kap.  XVI. 

unterschied  zwischen  den  Wirkungen  konstanter  und  induzirter  Ströme 
auf  degenerativ  atrophische  Muskeln  nicht  bestehe;  beide  Male  wirke 
eben  der  positive  Pol  gegenüber  dem  sonst  wirksameren  negativen  bei 
atrophischen  Lähmungen  stärker.  Künftig  sei  also  auch  in  Bezug  auf 
den  Induktionsstrom  mit  jedem  Pol  gesondert  zu  untersuchen:  auch 
für  ihn  gelte  wie  für  den  konstanten  das  Ueberwiegen  des  positiven 
Pols  bei  derartigen  Lähmungen.  Dies  ist  nach  Vigouroux  der 
wesentliche  und  einzige  Charakter  der  Entartungsreaktion  am  Muskel. 
Nach  unserer  Erfahrung  können  wir  diese  Behauptung  ebenso  wenig 
bestätigen  wie  dii,  welche  andere  Autoren  über  die  Diiferenz  in  den 
Wirkungen  der  sekundären  und  sogenannten  primären  Induktions- 
ströme gefunden  haben  wollen.  Vigouroux  vergisst,  da  er  nur  von 
den  Strömen  der  sekundären  Spirale  spricht,  den  neben  dem  phy- 
siologisch in  der  Tat  stärker  wirkenden  Oeffnungsstrom  immer  doch 
noch  bestehenden  Schliessungsinduktionsstrom :  er  hat  die  Reaktion 
mit  Einzelschlägen  nur  des  Oeffnungsinduktionsstroms  nicht  ange- 
stellt, sich  über  das  Verhalten  des  Extrakurrenten  nicht  ausge- 
sprochen, nicht  bedacht,  dass  eben  in  dem  so  schnellen  Ablauf 
der  Induktionsströme  gegenüber  dem  viel  langsameren  der  konstanten 
die  wesentliche  Differenz  in  der  Wirkung  beider  liegt  und  dass  die 
Trägheit  der  Kontraktion,  nicht  das  Auftreten  der  Zuckungen  über- 
haupt bei  Eeizung  mit  verschiedenen  Polen  es  ist,  welche,  wie  es  sich 
nach  allen  Untersuchungen  bewährter  Forscher  herausstellt,  das  W^esent- 
liche  dessen  ausmacht,  was  man  bisher  mit  dem  Namen  der  Ent- 
artungsreaktion belegt  hat. 

In  Bezug  auf  spezifische  Differenzen  in  den  Wirkungen 
primärer  und  sekundärer  Indnktionsströme  erwähnt  Hitzig", 
dass  er  reichliche  Beobachtungen  besitze,  welche  bewiesen,  dass  Nerven 
oder  Muskeln  sich  in  ihrer  Erregbarkeit  gegen  den  Extraknrrentstrom 
oder  den  Strom  der  sekundären  Spirale  verschieden  verhalten  hätten: 
€S  seien  Fälle  peripherischer  und  intracranieller  Paralysen  gewesen,  wobei 
der  Extrakurrent  sich  z.  B.  ähnlich  dem  Baiteriestrora  verhalten  habe. 
Ausführlichere  Angaben  von  demselben  Autor  existiren  bis  heute  noch 
nicht;  dass  eine  ähnliche  Beobachtung  Kr afft-E hing' s''^  wahrschein- 
lich auf  einen  Beobachtungsfehler  zurückzuführen  sei,  ist  von  einem 
von  uns  schon  früher  nachgewiesen  worden".  Neuerdings  fand  Hacker^** 
bei  einem  von  einer  Poliomyelitis  antica  genesenden  Erwachsenen  beim 
Wiedererscheinen  der  faradischen  Kontraktilität  (8 — 10  Wochen  nach 
Beginn  der  Krankheit),  dass  die  Muskeln  nur  auf  den  sekundären  Strom 
des  Induktionsapparats  (Krüger-Hirschmann),   nicht  auf  den  pri- 


§  116,  117.    Etwaige  Differenzen  in  d.  Wirkung  d.  Induktionsströme.  291 

mären  reagirten.  (Dieser  soll,  wie  durch  Kontrollversuche  an  gesunden 
Individuen  festgestellt  wurde,  durchaus  kräftig  gewesen  sein.)  Erst 
später,  als  auch  die  galvanische  Kontraktilität  der  Muskeln  allmählich 
(qualitativ)  normal  geworden  war,  stellten  sich  auch  bei  Reizung  mit 
primären  Strömen  Zuckungen  ein,  die  aber  immer  noch  schwächer 
waren,  als  die  durch  den  sekundären  Strom  ausgelösten.  Hacker  legt 
sich  die  Frage  vor,  ob  diese  Erscheinung  bei  jeder  in  Rückbildung  be- 
griifenen  Entartung  vorkomme,  oder  ob  die  Erscheinung  nur  vom 
Apparat  abhänge?  Wir  haben  Aehnliches  bisher  noch  nicht  gesehen. 
Eher  noch  könnte  man  erwarten,  dass  entartete  Muskeln  auf  die  zu 
ihrem  Zustandekommen  und  Verlauf  etwas  längere  Zeit  in  Anspruch 
nehmenden  primären  Ströme  ähnlich  wie  auf  die  galvanischen  Ströme 
reagiren,  da  ja  auch  hier  die  Ströme  von  etwas  längerer  Dauer  sind 
(Neumann  a.  f.  S.):  wir  selbst  haben,  wie  gesagt,  Aehnliches  noch 
nicht  in  ausgesprochener  Weise  beobachtet. 

§  117.  Ohne  auf  histologische  Details,  für  deren  eingehendere 
Auseinandersetzung  hier  der  Ort  nicht  sein  kann,  näher  eingehen  zu 
wollen,  müssen  wir  doch  auf  das  Hand  in  Hand  gehen  der  patholo- 
gisch-anatomischen Veränderungen  in  den  schwer  gelähmten  Nerven 
und  Muskeln  mit  den  Erreg barkeits Veränderungen  bei  der  elektrischen 
Prüfung  die  Aufmerksamkeit  lenken.  Der  in  seinem  peripherischen 
Verlauf  in  seiner  Kontinuität  getrennte  motorische  Nerv,  dessen 
trophisches  Zentrum  mit  an  Gewissheit  grenzender  Wahrscheinlichkeit 
in  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks,  speziell  den  grossen  Ganglien- 
zellen der  Vordersäulen  (bezw.  in  den  „ Nervenkernen ^^  des  Hirns)  zu 
suchen  ist,  verfällt  der  Degeneration  (Zerklüftung  der  Markscheiden 
und  Axenzylinder,  Schwund  der  letzteren,  Umwandlung  der  Markscheide 
in  Fett,  Resorption  des  letzteren,  Wucherung  der  Kerne  der  Schwan n- 
schen  Scheiden):  damit  sinkt  seine  Erregbarkeit  für  beide  Stromes- 
arten. Zur  Zeit  der  Regeneration  treten  zuerst  Verbindungen  der  neu- 
gebildeten Axenzylinder,  welche  entweder  noch  von  gar  keinen  oder 
sehr  schmalen  Myelinscheiden  umgeben  sind,  des  degenerirt  gewesenen 
peripherischen  und  des  intakt  gebliebenen  zentralen  Nervenstücks  auf: 
so  wird  die  Willensleitung  und  die  Rückkehr  der  Reaktion  auf  elek- 
trische Reize,  sobald  sie  oberhalb  der  Läsionsstelle  angebracht  werden, 
ermöglicht.  Erst  nach  einiger  Zeit  sind  die  den  elektrischen  Reiz  auf- 
nehmenden Markscheiden  des  degenerirt  gewesenen  Nervenstücks  so 
stark  (?)  geworden,  dass  auch  sie  im  Stande  sind,  den  elektrischen 
Reiz    aufzunehmen   (Schiff-Erb'sche   Hypothese).      Da  die  Nerven- 

19* 


292  Die  Entartungsroaktlon  etc.  der  Nerven  und  Muskeln.       Kap.  XVI, 

degeneratioii  sich  bis  in  die  feinsten  Muskelzweige  fortsetzt,  so  ver- 
lieren die  Muskeln  bald  die  Fähigkeit  schnellen  Reizen  (Induktions- 
strömen) zu  gehorchen  (vgl.  S.  280).  Nur  Reize  von  einer  gewissen 
Dauer  bewirken  noch  an  dem  nervenlosen  Muskel  Kontraktionen; 
selbst  starke  konstante  Ströme,  sind  sie  von  nur  momentaner  Dauer, 
vermögen  nicht,  den  entnervten  Muskel  zur  Kontraktion  zu  bringen, 
wie  von  Neumann ^'  zuerst  klar  dargelegt  wurde.  Da  nun  in  den 
Muskeln  selbst  eigentümliche,  teils  den  atrophischen,  teils  den  ent- 
zündlichen zuzurechnende  Veränderungen  eintreten  (Verringerung  der 
Faserdicke,  Vermehrung  der  Muskelkerne,  häufigeres  Auftreten  wachs- 
artig degenerirter  Fasern,  Zunahme  der  Masse  des  interstitiellen 
Bindegewebes  etc.),  so  hat  man  wohl  ein  gewisses  Recht,  in  diesen 
Veränderungen  der  histologischen  Beschaffenheit  der  Muskelsubstanz 
den  Grund  für  das  Auftreten  der  für  den  konstanten  Strom  sich 
zeigenden  üebererregbarkeit  und  für  die  abnorme  Reaktionsformel  zu 
sehen;  bei  schlicsslichem  Rückgang  der  myitischen  Veränderungen  und 
ihrem  möglichen  Ausgang  in  bindegewebige  Atrophie  ist  die  spätere 
Abnahme,  ja  selbst  das  fast  vollkommene  Schwinden  der  galvanischen 
Erregbarkeit  unschwer  zu  erklären. 

Fügen  wir  noch  hinzu,  dass  in  nicht  wenigen  Fällen  zugleich 
mit  dem  Auftreten  der  üebererregbarkeit  der  Muskeln  für  den  galva- 
nischen Reiz  sich  noch  eine  gesteigerte  Erregbarkeit  für  mechanische 
Reize  (Beklopfen)  einstellen  kann,  so  ist  die  Hauptsache  dessen  be- 
sprochen, was  im  Laufe  schwerer  (rheumatischer  oder  traumatischer) 
peripherischer  Lähmungen  zu  beobachten  ist. 

§  118.  Die  ganze  Summe  der  eigentümlichen  elektrischen  Reak- 
tionen eines  so  schwer  geschädigten  Nerv -Muskelgebiets  hat  Erb 
vorgeschlagen,  mit  dem  Namen  der  „Entartungsreaktion'*  (EaR) 
zu  belegen,  insofern  alle  die  beschriebenen  Erscheinungen,  vornehm- 
lich die  qualitativen  Erregbarkeitsveränderungen  der  Muskeln,  nur 
immer  bei  schwererer  Schädigung  und  hochgradiger  Veränderung  ihrer 
histologischen  Struktur  sich  zeigen.  Zum  Schluss  sei  noch  die  eine 
Bemerkung  erlaubt,  dass  es  einem  Beobachter  nicht  gerade  immer 
vergönnt  sein  wird,  eine  derartige  schwere  Lähmung  und  den  normalen 
Ablauf  aller  Erscheinungen  von  Anfang  an  bis  zum  Ende  an  einem 
Falle  zu  beobachten;  fügt  es  der  Zufall,  dass  ein  derartig  Erkrankter 
zu  einer  Zeit  in  die  Behandlung  kommt,  in  der  die  Regeneration  der 
Nerven  schon  begonnen  hat,  während  die  degenerativen  Prozesse  in 
der  Muskulatur  noch  fortbestehen,  so  kann  neben  aktiver  Beweglichkeit, 


§  118.       Entartungsreaktion,  —  Diagnose.  —  Praktische  Bemerkungen.  293 

neben  schon  deutlich  wahrnehmbarer  Reaktion  auf  den  indirekt  (ober- 
halb der  Läsionsstelle  auf  den  Nerven)  applizirten  elektrischen  Reiz, 
noch  eine  direkte  Unerregbarkeit  des  gelähmt  gewesenen  Muskel- 
gebiets auf  den  faradischen  Strom  und  Fortbestehen  der  qualitativen 
Erregbarkeitsänderungen  für  den  galvanischen  Reiz  (also  träger  Ablauf 
der  Zuckungen,  fast  gleiche  Wirkung  der  ASz  und  der  KaSz)  vor- 
handen sein,  ohne  dass  von  einer  (früher  vorhanden  gewesenen,  jetzt 
aber  geschwundenen)  üebererregbarkeit  noch  etwas  nachzuweisen  wäre. 
So  kann  sich  also  jeder  einzelne  Fall  praktisch  in  Bezug  auf  die 
Erregbarkeitsverhältnisse  von  Nerv  und  Muskel  gegen  die  von  uns 
angewendeten  elektrischen  Reize  und  in  Bezug  auf  die  aktive  Beweg- 
lichkeit in  ganz  verschiedenen  Kombinationen  darstellen,  je  nach  der 
Zeit,  in  welcher  der  Spezialfall  dem  Untersuchenden  zur  Beobachtung 
kommt;  die  daraus  sich  ergebenden  scheinbar  verwirrenden  Bilder 
sind  nur  mit  Berücksichtigung  der  von  der  Krankheitsdauer  Kunde 
gebenden  Anamnese  und  im  Hinblick  auf  die  durch  die  histologischen 
Veränderungen  in  Nerv  und  Muskel  begründeten  Reizungserfolge  zu 
verstehen.  Und  so  wird  es  jetzt  wohl  auch  klar  werden  (worauf 
schon  auf  S.  261  u.  285  hingewiesen  worden  ist),  wie  notwendig  es  ist,  für 
das  Verständniss  der  Erscheinungen  die  Reizresultate  vom  Nerven 
und  vom  Muskel  aus  auseinander  zu  halten  und  zu  trennen. 
Wollte  man  z.  B.  in  der  dritten  Woche  einer  schweren  traumatischen 
Lähmung  des  N.  radialis  einen  Pol  der  konstanten  Kette  auf  die 
Umschlagsstelle  des  Nerven  am  Oberarm,  den  andern  direkt  auf  die 
Muskulatur  setzen,  so  würde  man  durchaus  falsche  Vorstellungen  von 
den  faktisch  vorhandenen  Verhältnissen  gewinnen,  welche  ja  in  dem 
Erloschensein  der  Erregbarkeit  des  Nerven  und  dem  Zustand  der 
Üebererregbarkeit  der  Muskeln  ihren  Ausdruck  finden.  Dieser  Zustand 
der  Üebererregbarkeit  schwer  gelähmter  Muskelgebiete  kann  endlich 
noch  zu  falschen  Auffassungen  Veranlassung  geben,  wenn,  wie  z.  B. 
bei  den  beiden  Gesichtshälften,  eventuell  gesunde  (gleichnamige) 
Muskeln  und  kranke  räumlich  nahe  bei  einander  liegen.  Nehmen 
wir  an,  es  bestehe  eine  (schwere)  linksseitige  Facialislähmung,  so 
kann  es  sein,  dass  beim  Aufsetzen  eines  Pols  z.  B.  in  der  Gegend 
des  Kinnes  rechts  (an  der  gesunden  Seite)  beim  Schluss  oder  bei  der 
Oeffnung  der  Kette  nicht  an  der  direkt  gereizten  Seite,  sondern  an 
der  gelähmten  linken  sich  Kontraktionen  zeigen,  da  selbst  die 
schwachen  Stromschleifen,  welche  die  linken  erkrankten  und  über- 
erregbaren Muskeln  erreichten,  dort  Zusammenziehungen  auslösten, 
während    dieselbe    Stromstärke    noch    nicht    genügte,    die    gesunden 


294  Mittelform  der  Lähmungen.  Kap.  XVI. 

Muskeln  zu  erregen.  Auch  in  solchen  Fällen  wird  die  Kenntniss  der 
oben  auseinander  gesetzten  Verhältnisse  vor  Irrtümern  (Annahme  von 
Reflexzuckungen  etc.)  schützen.  Nicht  wenige  Angaben  von  Autoren, 
welche  bei  Reizung  eines  gelähmten  Nerven  mit  dem  faradischen 
Strom  keine  Reaktion  eintreten  sahen,  wohl  aber  bei  indirekter 
Reizung  mit  dem  galvanischen  Strom,  lassen  sich  auf  die  Verkennung 
der  durch  Stromschleifen  auf  übererregbare  Muskeln  ausgeübten  Reize 
zurückführen.  Fehlen  daher  bei  derartigen  Mitteilungen  galvano- 
raetrische  Angaben  sowie  nähere  Beschreibung  der  Art  und  Weise  der 
Zusammenziehung  (z.  B.  ob  kurze  blitzartige  Kontraktionen,  oder 
träge,  langgezogene),  so  sind  solche  Mitteilungen  ohne  Weiteres 
nicht  für  weitergehende  Schlussfolgerungen  zu  verwerten*). 

§  119.  Das  Faktum,  dass  zu  gewissen  Zeiten  im  Verlauf  soge- 
nannter schwerer  peripherischer  Lähmungen  Zustände  vorkommen,  wo 
der  erkrankt  gewesene  und  in  der  Restitution  begriffene  Muskel  schon 
wieder  auf  indirekte  Reizung  vom  Nerven  aus  mit,  wenngleich 
schwacher,  so  doch  schnell  eintretender  und  ablaufender  Zuckung 
reagirt,  während  der  direkt  (galvanisch)  gereizte  Muskel  die  langsam 
träge  Zuckung  mit  qualitativer  Veränderung  der  Formel  darbietet, 
hatte  schon  gewissermassen  darauf  hingedeutet,  dass  ein  erkranktes 
Muskelgebiet  in  dieser  seiner  Erkrankung  eine  gewisse  Unabhängig- 
keit von  dem  Nerveneinfluss  zu  erlangen  vermag.  Erb^'*  und  Bern - 
hardt^^  stiessen  nun  bei  ihren  Untersuchungen  auch  auf  Fälle,  in 
denen  die  indirekte  Erregbarkeit  eines  rheumatisch  oder  traumatisch 
gelähmten  Nerv -Muskelgebietes   erhalten,   resp.   nur  Avenig  gesunken 


*)  Der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  entsprechend,  erlauben  wir  uns  hier 
ganz  kurz  die  Geschichte  der  Lehre  von  der  Entartungsreaktion  zu  skizziren.  Mag 
auch,  wie  Onimus^""  behauptet,  schon  Halle  am  Ende  des  vergangnen  Jahr- 
hunderts die  Differenz  der  Wirkung  des  elektrischen  Funkens  und  der  Volta- 
schen  Säule  in  einem  Fall  von  Gesichtsnervenlähmung  gesehen  haben,  mögen  auch 
Andeutungen  dieser  Verhältnisse  in  den  Werken  R.  Remak's  gefunden  werden, 
jedenfalls  hat  Bai  erlach  er^-  zuerst  die  Tatsache  betont,  dass  gelähmte  Gesichts- 
muskeln auf  den  galvanischen  Strom  reagirten  (uiid  zwar  in  erhöhtem  Masse), 
während  dies  für  den  Induktionsstrom  nicht  der  Fall  war.  Es  folgten  nicht  lange 
nachher  viele  hierhergehörige  Mitteilungen  (M.  Meyer,  Neu  mann,  Brenner  etc.): 
klar  gelegt  und  experimentell  erhärtet  wurden  alle  oder  doch  die  meisten  der 
hierhergehörigen  Tatsachen  erst  durch  Erb 's"®  oben  schon  erwähnte  Arbeit,  mit 
welcher  fast  gleichzeitig  die  Abhandlung  von  Ziemsse ti  und  Weiss^^  erschien. 
Ueber  die  übrigen  Autoren,  welche  in  diesem  Gebiete  noch  wichtigere  Erfahrungen 
mitgeteilt  haben,  siehe  im  Text. 


§  119.  Partielle  Entartuugsreaktion.  295 

war  und  nie  verschwand,  wo  aber  bei  direkter  Reizung  der  gelähmten 
Muskeln  mit  dem  konstanten  Strom  sich  die  Entartungsreaktion  voll- 
kommen ausgeprägt  zeigte  und  Alles  dies  zu  einer  Zeit,  in  welcher 
die  Lähmung  höchstens  erst  2 — 4  Wochen  bestanden  hatte. 

Von  Erb  ist  diese  Lähmungsform  als  zwischen  der  leichten 
(ohne  nachweisbare  elektrische  Veränderungen  mit  relativ  schneller 
Heilung)  und  der  schweren  (mit  quantitativ- qualitativer  Aenderung 
im  Ablauf  der  Erregbarkeitserscheinungen  und  später  Heilung)  Form 
in  der  Mitte  stehend  mit  dem  Namen  der  Mittelform  oder  der 
partiellen  Entartungsreaktion  belegt  worden.  Die  aktive  Be- 
weglichkeit tritt  bei  derartigen  Lähmungen  relativ  früh  wieder  auf 
(oft  schon  von  der  dritten  Woche  ab),  ohne  dass  die  eigentümliche 
Reaktion  der  Muskeln  auf  direkte  galvanische  Reizung  zu  verschwinden 
braucht.  Die  Erklärungsversuche  für  dieses  eigentümliche  Verhalten 
bewegen  sich  bis  heute  nur  auf  dem  Boden  mehr  oder  weniger  ge- 
stützter Hypothesen:  Erb  vermutet,  dass  es  vielleicht  verschiedene 
trophische  Zentralapparate  und  Bahnen  für  die  Nerven  und  Muskeln 
gibt,  Wernicke^^  glaubt  für  derartige  Fälle  nur  auf  eine  partielle 
Entartung  einzelner  Nervenfasern  und  damit  nur  einzelner  Muskel- 
bündel rekurriren  zu  können,  Bernhardt^''  hatte  die  Ansicht  auf- 
gestellt, dass  die  Muskeln  unabhängig  und  isolirt  von  ihren  Nerven 
(wenigstens  den  Stämmen  und  grösseren  Aesten)  erkranken  und  dann 
eben  jene  Erscheinungen  darbieten  können.  Wie  gesagt,  es  sind  bis- 
her nur  Vermutungen,  welche  über  diese  jedenfalls  hochinteressante 
Tatsachen  aufgestellt  werden  können;  wir  selbst  haben  uns  bis  heute 
vergeblich  bemüht,  in  einzelnen  reinen  Muskelkrankheiten  (z.  B.  bei 
Trichinose)  den  oben  beschriebenen  analoge  Erscheinungen  nachzuweisen; 
dass  sie  bei  reinen  Muskelatrophien  nicht  neurotischen  Ursprungs,  z.  B. 
denjenigen,  welche  bei  schwereren  Gelenkläsionen  an  den  umgebenden 
Muskeln  beobachtet  werden,  nicht  vorkommen,  ist  erst  neuerdings 
wieder  von  Rumpf^^  und  Charcot^^  ganz  besonders  hervorgehoben 
worden. 

Ueber  die  Prognose  und  Therapie  derartiger  Fälle,  sowie  der 
peripherischen  Lähmungen  überhaupt  wird  später  im  therapeutischen 
Teil  ausführlicher  gehandelt  werden. 

Wie  wir  gesehen  haben,  bleibt  die  Reaktion  der  dem  gelähmten 
Nervengebiet  angehörigen  Muskulatur  auf  den  Reiz  des  Induktionsstroms 
bei  den  schweren  Formen  für  lange  Zeit  erloschen,  bei  den  Mittel- 
formen in  dem  Sinne  erhalten,  dass  direkte  oder  indirekte  faradische 
Reizung  prompte   blitzartige  Zuckungen,   direkte   galvanische  Reizung 


296  Faradische  Eniartungsreaktion.  Kap.  XVI 

aber  in  beiden  Formen  der  Lähmung,  träge,  langsam  ablaufende 
Zuckungen  auslöst.  Nun  ist  aber  einigemal  von  Erb ^9,  Remak^"^, 
Kast^^  und  Anderen^-,  sowohl  bei  (schweren)  peripherischen,  als  auch 
bei  poliorayelitischen  Lähmungen  eine  auch  durch  den  faradischen 
Heiz  zu  erzielende  langsame,  längere  Zeit  bestehende  Zuckung  beob- 
achtet und  als  „faradische  Entartungsreaktion«  (Remak)  be- 
zeichnet worden,  welche  sowohl  bei  direkter,  wie  indirekter  Reizung 
in  die  Erscheinung  treten  kann.  Nach  Käst  befindet  sich  der  Muskel, 
wenn  diese  Reaktion  zu  Tage  tritt,  in  einem  Zustand,  wo  er  in  Folge 
seiner  pathologisch  veränderten  Struktur  auf  kurz  dauernde  Ströme 
nicht  aufgehört  hat,  oder  schon  wieder  anfängt  (im  Stadium  der 
Regeneration)  zu  reagiren,  nur  dass  eben  keine  schnellen,  sondern 
träge  Zuckungen  resultiren;  die  faradische  Entartungsreaktion  steht 
nach  diesem  Autor  daher  in  der  Mitte  zwischen  der  vollkommenen 
und  der  von  Erb  und  Bernhardt  beschriebenen  Mittelform  der  Ent- 
artungsreaktion. Vielleicht  kann  man  an  dieser  Stelle  auch  derjenigen 
Modifikationen  der  Muskelreaktion  auf  den  faradischen  Reiz  Erwähnung 
tun,  welche  SeeligmüUer^^  und  Bernhardt^-*  bei  jener  Krankheit 
beobachteten,  welche  von  einem  von  uns  unter  dem  Namen  der 
„Muskelsteifigkeit  und  Muskelhypertrophie«  als  eine  spezifische  Er- 
krankung des  Muskelgewebes  beschrieben  worden  ist.  Bernhardt 
erinnerte  dabei  an  die  analogen,  von  Ranvier^^  mitgeteilten  Ver- 
hältnisse der  ebenfalls  gegenüber  den  weissen  in  träger  Weise  dem 
faradischen  Reiz  antwortenden  roten  Kaninchenmuskeln.  Weiter 
beobachtete  Bernhardt^''  jenes  Verhalten  der  Muskeln  gegen  den 
faradischen  Reiz  in  Zuständen  sogenannter  lokaler  Asphyxie  der 
Extremitäten:  die  kleinen  mit  arteriellem  Blut  nur  mangelhaft  ver- 
sorgten Handmuskeln  reagirten  in  träger  Weise  auf  den  Liduktions- 
strom,  ein  Verhalten,  wie  es  neuerdings  bei  demselben  Leiden  auch 
von  M.  Weiss ^^  in  Prag  konstatirt  worden  ist. 

Noch  seltener  finden  sich  in  der  Litteratur  Beobachtungen,  aus 
denen  hervorgeht,  dass  auch  bei  indirekter  Reizung  eines  Nerven 
durch  den  galvanischen  Strom  der  Muskel  mit  einer  trägen,  auch 
nach  der  Oeflfnung  des  Stroms  noch  eine  kurze  Zeit  bestehen  bleiben- 
den Zuckung  antwortet  (direkt  gereizt  konnte  er  nur  durch  AS, 
indirekt  auch  bei  KaS  zur  Zusammenziehung  gebracht  werden);  dies 
geht  z.  B.  aus  einer  Beobachtung  Vierordt's^'^  hervor,  der  ein  solches 
Vorkommen  bei  einer  Neuritis  des  rechten  N.  ulnaris  beschrieb. 

In  jüngster  Zeit  hat  Erb  ""  diese  bisher  so  selten  beobachtete 
Reaktion  in    einem  Falle    chronisch -atrophischer  Spinallähmung    bei 


§119,  120.   PartielleEntartungsreaktion  m.  indirekt.  Zuckungsträgheit.  297 

einem  Kinde  sowie  in  einem  Falle  von  Lähmung  des  linken  N.  radialis 
und  bei  einer  rheumatischen  Facialislähmung  (Mittelform)  wenigstens 
im  Bereich  des  Frontalastes  beobachtet.  Es  ergab  sich  also  bei 
direkter  und  indirekter  Reizung  mit  beiden  Stromesarten  eine  träge 
Zuckungsform;  es  liess  sich  KaSz  und  AOz  vom  Nerven  aus  erzielen 
und  zwar  war  die  KaSz  >  AOz,  während  z.  B.  im  ersten  Fall 
(Peroneusgebiet)  bei  direkter  galvanischer  Muskelreizung  nur  KaSz 
und  ASz  erzielt  wurde,  wobei  ASz  ;s-    KaSz  war. 

Hiernach  wäre  nun,  wie  Erb  meint,  der  von  Remak  eingeführte 
Name  der  „faradischen  Entartungsreaktion"  nicht  mehr  ausreichend 
und  wird  daher  von  ihm  der  Name  „partielle  Entartungsreak- 
tion mit  indirekter  Zuckungsträgheit"  vorgeschlagen.  Auch 
nach  Erb  ist  es  in  Bezug  auf  die  Erklärung  dieser  seltenen  Er- 
scheinung am  wahrscheinlichsten,  dass  die  Veränderungen  in  der 
Muskelsubstanz  selbst  die  eigentliche  Ursache  hierfür  sind,  und  dass 
diese  Zuckungsform  diagnostisch  und  prognostisch  in  die  Mitte  zwischen 
die  partielle  und  die  komplete  Form  der  Entartungsreaktion  zu  stellen 
sei.  Schliesslich  wird  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  als  erste 
Stufe  der  Veränderung  diejenige  zu  bezeichnen  sei,  wo  nur  bei  direkter 
faradischer  Reizung  die  träge  Zuckung  eintritt,  als  zweite,  wo  sie  bei 
direkter  und  indirekter  faradischer  Reizung  und  als  dritte,  wo  sie 
bei  direkter  und  indirekter  Reizung  mit  beiden  Stromesarten  (dabei 
die  Zuckungsträgheit  bei  direkter  Reizung  etwas  grösser  als  bei 
indirekter)  auftritt.  Die  Prognose  wird  im  Allgemeinen  eher  eine 
günstige  sein. 

Einer  von  uns*^*^  hat  schon  vor  Jahren  bei  einem  Fall  trauma- 
tischer ülnarislähmung  eine  Herabsetzung  der  faradischen  und  eine 
Erhöhung  der  galvanischen  Erregbarkeit  des  Nerven  beschrieben, 
welche  Monate  lang  anhielt.  Dabei  überwog  bei  der  indirekten  Reizung 
(vom  Nerven  aus)  die  KaSz  stets  die  ASz,  während  (was  Bern- 
hardt den  Einwendungen  Erb's^®  gegenüber  zugeben  muss)  die  direkte 
Reizung  der  Muskulatur  in  der  Tat  eine  langsame  träge  Zuckung  und 
ein  Ueberwiegen  der  ASz  über  die  KaSz,  also  Entartungsreaktion, 
ergab.  — 

'  §  120.  Kommen  nun  diese  qualitativ-quantitativen  Veränderun- 
gen der  elektrischen  Erregbarkeit  motorischer  Nerven  und  der  Muskeln 
nur  bei  Lähmungszuständen  peripherischer  Nerven  zur  Beobach- 
tung? Nicht  wenige  Beobachtungen  weiss  namentlich  die  Neuzeit  zu 
verzeichnen,  in  denen  vereinzelt  Nervengebiete  in  Folge  oder  im  Ver- 


298  Vorkommen  d.  Entartungsreaktion  bei  spinalen  Erkranlrtingen.    Kap.  XVI. 

lauf  akuter  (meist  Infektions-)  Krankheiten  in  einen  Zustand  paren- 
chymatöser Entzündung  geraten,  welciie  in  ihrem  weiteren  Verlauf  eine 
Destruktion  der  Nerven  und  Muskeln  und  damit  Lähmungs-  und 
atrophische  Zustände  herbeiführen  und  welche  sich  dann  den  elek- 
trischen Einwirkungen  gegenüber  ebenso  wie  gemeine,  zweifellos  trau- 
matische Lähmungen  verhalten.  So  sind  nach  Typhus,  Pocken, 
Diphtherie  derartige  Zustände  wiederholt  beobachtet  worden.  (Vergl. 
später.)  Ein  ganz  besonderes  Interesse  bieten  nun  aber  diese  Zustände 
von  Entartungsreaktion  bei  bestimmten  Erkrankungen  zentraler 
grauer  Hirn-  resp.  Rückenmarkssubstanz  dar.  Schon  oben 
wurde  darauf  hingewiesen,  dass  die  motorischen  Nerven  ihre  trophischen 
Zentren  in  der  grauen  Rückenmarkssubstanz,  speziell  den  gangliösen 
Elementen  der  Vordersäulen  haben.  Von  ihnen  losgelöst  fallen  sie 
und  mit  ihnen  die  zugehörigen  Muskeln  der  Degeneration  anheim.  Ist 
dies  der  Fall,  so  wird  die  Degeneration  der  Nerven  und  Muskeln 
sicher  eintreten,  wenn  die  Ursprungsstätten  dieser  Gebilde,  wenn  deren 
trophische  Zentren  selbst  durch  irgend  welche  pathologische  Prozesse 
zerstört  werden.  Diese  scheinbar  aprioristische  Ansicht  wird  nun  durch 
die  Erfahrungen  der  Klinik  in  vollem  Maasse  bestätigt.  Als  Typus 
derartiger  Zustände  kann  die  sogenannte  spinale  Kinderlähmung 
betrachtet  werden,  als  deren  pathologisch-anatomische  Grundlage  eine 
Myelitis  der  vorderen  Abschnitte  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks 
anzunehmen  uns  mehr  als  ein  Obduktionsbefund  berechtigt.  Und  in  der 
Tat  sehen  wir  denn  auch  hier  die  elektrischen  Erscheinungen  sich  so  ent- 
wickeln resp.  verlaufen,  wie  dies  bei  schweren  peripherischen  Lähmun- 
gen der  Fall  ist.  Bekanntlich  ist  es  ja  auch  das  Fehlen  der  faradi- 
schen Erregbarkeit  und  die  schnelle  Abmagerung  der  gelähmten  Muskeln, 
welche  neben  anderen  hier  nicht  weiter  abzuhandelnden  Erscheinungen  das 
Charakteristische  der  in  Rede  stehenden  Krankheit  ausmacht.  Freilich  ist 
es  schwer,  die  elektrischen  Erscheinungen  von  Beginn  an  zu  verfolgen: 
nur  wenigen  Beobachtern^  mag  dies  vergönnt  sein,  und  schwer  ist  es 
überhaupt,  bei  Kindern  (aus  leicht  begreiflichen  Gründen)  genau  elektro- 
diagnostisch  vorzugehen;  trotzdem  steht  fest,  dass  der  schnelle  Schwund 
der  indirekten  Erregbarkeit  für  beide  Stromesarten,  die  Herabsetzung 
der  direkten  faradischen  Erregbarkeit  und  in  einigen  früh  untersuch- 
ten Fällen  die  erhöhte  Erregbarkeit  der  gelähmten  und  direkt  mit  dem 
konstanten  Strom  gereizten  Muskeln,  sowie  die  Trägheit  der  Zuckungen, 
ferner  die  Umkehr  der  Formel  von  mehr  als  einem  zuverlässigen 
Beobachter  gesehen  und  beschrieben  worden  ist.  (Salomon^^.)  Was 
für  die   spinale   Kinderlähmung  gilt,    gilt    auch    für    die    als   Polio- 


§  120,  121.  Entartungsreaktion  bei  d.  progressiven  Muskelatrophie  etc.  299 

myelitis  anterior  acuta  aufgefasste  sogenannte  akute  atro- 
phische Spinallähraung  Erwachsener:  auch  hier  unterscheiden 
sich  die  eventuell  zu  beobachtenden  und  ebenfalls  von  den  verschie- 
densten Autoren  beschriebenen  elektrischen  Erscheinungen  kaum  von 
denen,  wie  sie  während  des  Ablaufs  schwerer  peripherischer  Lähmun- 
gen beobachtet  werden '0°.  Freilich  muss  zugegeben  werden,  dass  für 
diese  Erkrankungsform,  sowie  für  die  Unterabteilung  derselben,  der 
Poliomyelitis  anterior  chronica,  noch  nicht,  wie  es  für  die  akute 
spinale  Kinderlähmung  der  Fall  ist,  hinreichend  beweisende  Obduk- 
tionsberichte vorliegen,  welche  das  Primärergriffensein  der  zentralen 
grauen  Rückenmarkssubstanz  unwiderleglich  dartun.  Ohne  hier  auf 
die  Streitfragen  von  der  rein  zentralen  oder  der  etwa  peripherischen  Natur 
der  in  Rede  stehenden  Erkrankungsforraen  eingehen  zu  wollen,  müssen 
wir  doch  darauf  hinweisen,  wie  auch  bei  akuter  Myelitis,  bei  der  An- 
wesenheit von  Neubildungen,  durch  welche  zentrale  graue  Substanz 
zerstört  ist,  von  zuverlässigen  Autoren  die  besprochenen  so  eigentüm- 
lichen elektrischen  Reaktionserscheinungen  beobachtet  worden  sind. 

§  121.  Wie  über  diese  Fragen,  so  herrscht  bekanntlich  auch 
darüber  noch  keine  Einigkeit  unter  den  Autoren,  ob  die  Bleilähmung 
und  die  progressive  Muskelatrophie  als  genuine  chronische  Affektionen 
der  grauen  Zentralsubstanz  oder  als  peripherische,  an  den  Nervenstämmen 
resp.  den  Muskeln  zuerst  eingreifende  Prozesse  zu  betrachen  seien. 
Auch  hier  lehnen  wir  als  nicht  hierher  gehörig  und  zu  weit  führend 
ein  weiteres  Eingehen  auf  diese  Streitfragen  ab,  genug,  dass  Folgendes 
in  Bezug  auf  die  elektrischen  Verhältnisse  zunächst  für  die  Blei- 
lähmungen  konstatirt  ist:  Die  von  Lähmung  und  Atrophie  befallenen 
Muskeln  verhalten  sich  wie  solche,  deren  Nerven  in  obigem  Sinne 
schwere  oder  mittelschwere  Lähmungen  erlitten  haben;  es  findet  sich 
Herabsetzung  bezw.  Verlust  der  faradischen  direkten  wie  indirekten 
Erregbarkeit,  abnorme  Reaktion  der  direkt  galvanisch  gereizten  ge- 
lähmten Muskeln  bei  verminderter  oder  verschwundener  indirekter 
galvanischer  Erregbarkeit.  Auch  hier  haben  einige  Beobachter"^' 
zu  Anfang  der  Erkrankung  Erhöhung  der  galvanischen  (direkten)  Er- 
regbarkeit nachgewiesen,  obgleich  gerade  dieses  Stadium  bei  der  Blei- 
lähmung dem  Untersucher  nicht  selten  entgeht.  Was  die  progressive 
Muskelatrophie  und  diejenigen  Lähmungszustände  betrifft,  welche  sich 
bei  der  sogenannten  „Bulbärparalyse"  im  Bereiche  einiger  Hirnnerven 
zeigen,  so  hatte  man  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  bei  der  elektrischen 
Exploration    nur    quantitative   Herabsetzung    (eventuell    Erhöhung    in 


300  Konvulsible  Real^tion.  —  Lüclienreaktion.  Kap.  XVI. 

frühen  Zeiten  der  Krankheit)  der  Erregbarkeit  beobachtet:  neuere  Er- 
fahrungen bewährter  Autoren '°-  (denen  auch  wir  uns  nach  den  Er- 
fahrungen der  letzten  Jahre  anschliessen)  scheinen  es  indess  zweifellos 
zu  machen,  dass  auch  hier,  wenn  auch  nicht  häufig,  an  einzelnen 
direkt  gereizten  Muskeln  bei  der  Prüfung  mit  dem  konstanten  Strom 
sich  die  Entartungsreaktion  zeigen  kann.  (Vgl.  die  Krankengeschichten 
am  Ende.) 

Anmerkung.  Bei  einem  ganz  neuerdings  von  Bernhardt '"^  beobachteten 
Fall  von  progressiver  Muskelatrophie  sah  derselbe  im  Bereich  des  erkrankten  linken 
Ulnarisgebiets  insofern  ein,  wie  es  scheint,  recht  seltenes  Vorkommen  elektrischer 
Erregbarkeitsanomalien,  als  bei  indirekter  sowohl  wie  direkter  faradischcr  Reizung 
eine  prompte  (wenn  nicht  gar  bessere)  Reaktion  eintrat,  wie  auf  der  vorläufig 
gesund  gebliebenen  anderen  Seite,  und  als  bei  der  Prüfung  mit  dem  konstanten 
Strom  sich  eine  sowohl  für  den  Nerven,  als  für  die  Muskeln  deutlich  (durch 
galvanometrische  Beobachtungen  kontrolirte)  erhöhte  Erregbarkeit  im  Vergleich  mit 
der  gesunden  Seite  vorfand.  Dabei  waltete  die  Eigentümlichkeit  ob,  dass  die  so- 
genannte Brenn er'sche  Normalformel  fast  ganz  umgekehrt  war:  es  erfolgten  der 
Reihe  nach  zuerst  eine  ASz,  sodann  KaOz,  dann  erst  AOz  und  KaSz  (auch  wohl 
die  KaSz  vor  der  AOz).  Sowohl  bei  indirekter,  wie  direkter  Reizung  erfolgten  die 
Zuckungen  prompt  und  blitzartig.  Aehnliche  Beobachtungen  finden  sich  sehr  ver- 
einzelt in  der  Litteratur  zerstreut  von  Eisenlohr,  Leegard,  Erb"*;  ob  es  sich 
beim  Vorkommen  derartiger  abnormer  Reaktionen  um  ganz  besondere  und  eigen- 
tümliche Veränderungen  an  Nerven  und  Muskeln  handelt,  oder  ob  nur  abnorm 
veränderte  Leitungsverhältnisse  vorliegen,  wird  weiteren  Untersuchungen  zu  ent- 
scheiden vorbehalten  bleiben  müssen.  Dass  es  sich  bei  der  hier  kurz  zu  erwähnen- 
den „konvulsiblen  Reaktion "  Benedict's'"  (es  traten  einige  Zeit  nach  dem 
Fliessen  eines  Stromes  lebhaftere  Zuckungen,  als  ganz  zu  Anfang  ein,  bis  zum 
Auftreten  von  konvulsivischen  Zusammenziehungen)  wahrscheinlich  um  den  während 
des  Fliessens  des  Stroms  allmählich  verminderten  Leitungswiderstand  und  dadurch 
bedingten  Anwachs  der  Stromstärke  handelt,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Umgekehrt 
beschreibt,  was  wir  hier  gleich  anfügen  wollen,  derselbe  Autor  eine  sogenannte 
„Lückenreaktion",  welche  z.  B.  bei  der  progressiven  Muskelatrophie  sich  so 
darstellt,  dass  ein  anfangs  bei  einer  gewissen  Stromstärke  gat  reagirender  Nerv 
nach  kurzer  Zeit  auf  eben  diese  Stromstärke  nicht  mehr  reagirt,  sondern  erst  bei 
weiterer  Steigerung  derselben  (was  sich  wiederholen  kann)  wieder  in  Erregung  ver- 
setzt wird  (leichte  Erschöpf  barkeit). 

Anhangsweise  wollen  wir  hier  noch  auf  einige  besondere  Verhält- 
nisse die  Aufmerksamkeit  richten,  welche  teils  häufiger,  ja  sogar  gewöhn- 
lich beobachtet,  teils  selten  vorkommend  den  weniger  mit  diesen 
Dingen  Vertrauten  in  Verwirrung  zu  setzen  geeignet  sind.  So  erinnern 
wir  zunächst  an  die  Eigentümlichkeit  in  der  Verteilung  der  Lähmungs- 
und Atrophiezustände  bei  der  Bleilähmung,  der  spinalen  Kinderlähmung, 
der  akuten  atrophischen  Spinallähmung  Erwachsener.  An  einem  und 
demselben  Gliede,  ja  sogar  innerhalb  desselben  Nervengebietes  können 


§  121.  Seltenere  elektrische  Reaktionsverhältnisse.  301 

hier  ganz  bestimmte  Aeste,  ganz  bestimmte  Muskeln  von  dem  patho- 
logischen Prozesse  verschont  bleiben:  zwischen  Muskeln,  welche  die 
deutlichste  Entartungsreaktion  zeigen,  finden  sich  ganz  unversehrte,  mit 
Avohl  erhaltener  aktiver  Beweglichkeit  und  gut  erhaltener  elektrischer 
Erregbarkeit.  (Man  denke  nur  an  die  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von 
Blei-Radialislähmungen  frei  bleibenden  Mm.  supinatores.)  Sodann 
können  die  affizirten  Muskeln  dem  Grade  nach  und  der  Zeit  nach  ver- 
schieden betroffen  sein;  oft  ist  die  aktive  Beweglichkeit  schon  zurück- 
gekehrt, während  die  elektrischen  Verhältnisse  noch  deutlich  die  tiefe 
Störung  durch  die  mangelnde  oder  aborme  Reaktion  widerspiegeln; 
ja  es  sind  gerade  bei  den  hier  besprochenen  Lähmungsformen  (der 
Bleilähmung,  der  atrophischen  Spinallähmung  Erwachsener)  in  sofern 
ganz  wunderbare  Verhältnisse  von  zuverlässigen  Beobachtern  beschrie- 
ben worden,  in  sofern  niemals  gelähmt  gewesene  Muskeln  die 
unzweideutigsten  Zeichen  vorhandener  Entartungsreaktion  dar- 
geboten haben  '°^ 

Ferner  wurden  bei  der  Bleilähmung  sowohl,  wie  bei  der  akuten 
atrophischen  Lähmung  Erwachsener  hier  und  da  die  ausgesprochensten 
Zeichen  der  oben  näher  beschriebenen  Mittelformen  der  Reaktionen 
beobachtet'"*',  ferner  eine  Differenz  in  den  Erfolgen  indirekter  fara- 
discher  und  galvanischer  Reizung,  insofern  die  Reizung  mit  dem  kon- 
stanten Strom  vom  Nerven  aus  noch  Erfolg  hatte,  nicht  aber  die 
mit  dem  faradischen  Strom  i°^.  Wieder  in  anderen  Fällen  hat  man 
an  gelähmten  und  atrophischen  Muskeln  zwar  die  langsame,  träge 
Zuckung  beobachtet,  ohne  dass  indess  die  Anodenschliessungs- 
zuckungen die  Stärke  der  Kathodenschlusszuckungen  erreicht  hätten: 
sie  blieben  wie  bei  normalen  Muskeln  hinter  den  KaS  Zuckungen  zurück, 
oder  es  erfolgten  umgekehrt  andere  Male  kurze  und  blitzartige  Zuckun- 
gen, nicht  aber  unter  Vorwiegen  der  Kathode,  sondern  der  Anode  *o^. 
Muskeln,  welche  faradisch  unerregbar  waren,  auf  den  galvanischen 
Strom  aber  in  gewöhnlicher  Weise  reagirten,  nannte  ein  neuerer  Schrift- 
steller (Adamkiewicz  ^o^)  „isogalvanisch«  reagirend:  Derselbe  will 
auch,  in  einem  Falle  freilich  nur,  das  höchst  befremdliche  und  seither 
noch  von  Niemand  bestätigte  Faktura  beobachtet  haben,  dass  will- 
kürlich und  durch  den  Induktionsstrom  zur  Verkürzung  zu  bringende 
Muskeln  den  stärksten  galvanischen  Reizen  gegenüber  stumm  blieben 
(isofaradische  Reaktion).  Aus  dem  Mitgeteilten  geht  soviel  her- 
vor, dass  innerhalb  der  grossen  feststehenden  Kategorien  von  elek- 
trischen Reaktionsverhältnissen,  wie  sie  erkrankte  Nerven  und  Muskeln 
in  der  überwiegenden  Mehrzahl  aller  Fälle  darbieten,  sich  manche  Be- 


302  Praktische  ßemerlumgen.  Kap.  XVI. 

Sonderheiten  und  Ausnahmen  geltend  maclien  können,  welche  bisher 
nur  notirt  und  angemerkt  sind,  ohne  nach  jeder  Richtung  hin  erforscht 
und  aufgeklärt  zu  sein.  Das  ist  jedenfalls  sicher,  dass  durch  eme 
elektrische  Exploration  allein  niemals  die  oft  dunklen  Verhältnisse 
der  verschiedenen  Nervenleiden  werden  aufgedeckt  werden  können: 
nie  wird  daher  der  gebildete  Arzt  vergessen,  dass  die  Elektro-Dia- 
gnostik  zwar  ein  sehr  wesentliches  Mittel  zur  Feststellung  der  Dia- 
gnose werden  kann,  ihr  allein  aber  auch  nur  der,  wenn  auch  nicht 
unbedeutende  Platz  eines  Hilfsmittels  in  der  Erkennung  der  Krank- 
heiten des  Nervensystems  zuzuweisen  ist.  (Vgl.  die  erläuternden  Bei- 
spiele am  Ende  des  Buches.) 


Kapitel  XVII. 

Von  den  normalen  und  pathologischen  elektrodiagnostischen 

Befunden  an  den  Nerven  der  Sinnesorgane  und  den 

sensiblen  Nerven  überhaupt. 


§  122.  Wie  auf  die  motorisclien  Nerven  und  Muskeln,  so  wirkt 
der  elektrische  Reiz  in  eigentümlicher  Weise  auch  auf  die  Sinnes- 
organe und  die  sensiblen  Nerven. 

Was  zunächst  die  Sinne  (speziell  das  Gesicht,  das  Gehör,  den 
Geruch,  den  Geschmack)  betrifft,  so  hat  der  faradische  Strom  hier 
nur  eine  sehr  untergeordnete  Bedeutung  gegenüber  dem  konstanten 
Strom.  In  Bezug  auf  den  Gesichtssinn  ist  es  für  Jeden,  der  sich 
mit  der  praktischen  Ausübung  der  Elektrotherapie  beschäftigt,  eine 
sich  häufig  wiederholende  und  bekannte  Beobachtung,  dass  nicht 
wenige  Individuen  das  Auftreten  einer  Blitzerscheinung  angeben,  sobald 
irgendwo  am  Kopfe  oder  Nacken  die  Kette  geöffnet  oder  geschlossen 
wird.  Die  früher  von  einigen  Autoren ^'"^  verfochtene  Ansicht,  dass 
diese  Lichterscheinungen  reflektorischen  Ursprungs  sind  und  nur  durch 
Reizung  von  sensiblen,  vorwiegend  Trigeminus-Nervenästen  hervorge- 
rufen werden  können,  ist  heute  wohl  allgemein  aufgegeben  worden, 
besonders  seitdem  durch  v.  Ziemssen^  die  ausgezeichneten  Leitungs- 
verhältnisse, deren  sich  die  den  Bulbus  oculi  zusammensetzenden  Ge- 
webe erfreuen,  auch  experimentell  nachgewiesen  ist.  Es  sind  eben 
Stromschleifen,  welche  durch  direkte  Erregung  des  N.  opt.  oder  der 
Retina  diese  Lichtempfindung  hervorbringen.  Das  nähere  Studium 
dieser  Erscheinungen  ist,  abgesehen  von  den  Physiologen  und  Aerzten, 
welche  sich  schon  am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  mit  diesen  Dingen 
beschäftigt  haben'",  neuerdings  speziell  durch  Arbeiten  von  Helm- 
holtz"^  und  Brenner"^  gefördert  worden.  Letzterem  Autor  ver- 
danken wir  die  Kenntniss  des  Faktums,  dass  die  dem  Auge  nähere 
Elektrode  die  Qualität  des  auftretenden  Lichtbildes  bestimmt.     Nicht 


304  Normale  Reaktionen  desN.  opticus  auf  d.  galvanischen  Reiz.    Kap.  XVI. 

bei  allen  Individuen  lassen  sich  die  liier  zu  beobachtenden  Erscheinun- 
gen in  gleicher  Weise  hervorrufen,  die  beiden  Pole  verhalten  sich 
aber  jedenfalls  verschieden:  jedes  der  bei  Kettenschluss  erscheinenden 
Polbilder  ist  zweifarbig  und  hat  die  Gestalt  einer  kleinen,  etwa  vier 
Linien  im  Durchmesser  haltenden  Scheibe;  die  im  Zentrum  derselben 
auftretende  Farbe  ist  intensiver,  als  in  dem  dasselbe  umgebenden 
blasseren  Hofe.  Mit  der  Umkehr  der  Pole  wechseln  die  Färbungen 
des  Hofes  und  des  Zentrums  in  analoger  Weise:  die  Färbungen  ver- 
blassen auch  mit  der  Dauer  des  Stromes,  dessen  Intensität  sie  sich 
direkt  proportional  verhalten.  Die  günstigste  Stellung  der  beiden 
Pole  zur  Hervorrufung  des  Phänomens  ist  die,  wenn  die  eine  Elek- 
trode sich  am  Nacken,  die  andere  auf  dem  geschlossenen  Auge  be- 
findet. Ist  die  indifferente  Elektrode  sehr  weit  von  der  diflferenten 
entfernt,  so  tritt  nur  ein  Farbenbild,  nämlich  das  zentrale  auf.  Die 
Färbung  der  Lichtbilder  variirt  bei  den  einzelnen  Individuen,  ist  aber 
für  jedes  einzelne  konstant.  Die  direkt  betrachteten  Gegenstände 
gewannen  durch  die  Entstehung  des  mit  Hilfe  des  konstanten  Stromes 
erzeugten  Phosphens  nicht  an  Deutlichkeit  (Brenner). 

Neuerdings  durch  B.  Tscherbatscheff  *•■'  angestellte  Versuche 
ergaben,  dass  der  Raumsinn  des  Auges  nach  minutenlanger  Applikation 
der  Kathode  in  Bezug  auf  das  zentrale  Sehen  nichts  gewonnen,  dass 
dagegen  bei  indirektem  Sehen  sich  eine  bedeutende  und  länger  als 
zwei  Wochen  anhaltende  Erweiterung  des  Gesichtsfeldes  eingestellt 
hatte.  Der  Farbensinn  wurde,  was  das  zentrale  Sehen  betrifft,  nur 
für  Blau  und  Rot  verbessert,  während  beim  indirekten  Sehen  sämmt- 
liche  Farben  ihre  Grenzen  ausgedehnt  zeigten  und  auf  mehr  als  eine 
Woche  hin  auch  behielten. 

Im  Allgemeinen  gehört  offenbar  eine  Hingabe  zur  Sache,  sowie 
eine  gewisse  Bildung  und  grosse  Aufmerksamkeit  der  Versuchspersonen 
dazu,  um  die  hier  von  scharfsinnigen  Beobachtern  niedergelegten 
Tatsachen  durch  die  untersuchten  Individuen  bestätigt  zu  sehen:  in 
der  Mehrzahl  aller  Fälle  ist  es  wohl  immer  nur  die  Lichterscheinung 
ganz  allgemein,  der  Blitz,  welcher  wahrgenommen  und  als  auffällig 
sofort  hervorgehoben  wird. 

In  Bezug  auf  die  Pathologie  besitzen  wir  in  einigen  in  neuester 
Zeit  erschienenen  Arbeiten  von  Neftel"^  und  M.  Rosenthal"" 
das  oben  Auseinandergesetzte  teils  bestätigende,  teils  ergänzende 
Notizen.  Nach  Neftel  hat  man  die  Empfindung  des  Blitzes  von  der 
Farbenempfindung  zu  trennen;  einige  Individuen  empfinden  nur  das 
eine  oder  das  andere;   Licht-  und  Farbenperzeption  sind  von  einander 


§  122,  123.         Abnorme  galvanische  Reaktionen  des  N.  opticus.  305 

unabhängig.  Ausserdem  reagiren  einzelne  Menschen  schon  auf  sehr 
schwache  Ströme,  andere  empfinden  selbst  bei  sehr  bedeutenden  Strom- 
stärken weder  Lichterscheinung  noch  Farben.  Dieser  Torpor  retinae, 
resp.  das  schwächere  Reaktionsvermögen  für  den  galvanischen  Reiz, 
fand  sich  öfter  bei  vorhandener  „Sehschwäche«.  unter  dem  Ein- 
fluss  der  Anode  erhellt  sich  das  Innere  des  Auges:  die  Span- 
nung wird  vermindert,  es  scheint  ein  Druck  von  aussen  nach  innen 
zu  bestehen ;  die  Prozedur  ruft  eher  angenehme  Empfindungen  hervor. 
Umgekehrt  erscheint  der  intraokulare  Druck  bedeutend  gesteigert  (von 
innen  nach  aussen  wirkend),  wenn  die  Kathode  am  Auge  ruht.  In 
einem  Falle  rechtsseitiger  nasaler  Hemianopsie  (Funktionsunfähigkeit 
der  rechten  äusseren  Netzhauthälfte)  waren  die  Licht-  und  Farben- 
erscheinungen im  Vergleich  zum  gesunden  linken  Auge  weniger  intensiv, 
sodann  aber  fand  sich  ein  der  Hemianopsie  ensprechender  Defekt  in 
der  Farbenscheibe:  die  nasale  Hälfte  blieb  im  Gegensatz  zu  der  gelb 
resp.  blau  gefärbten  temporalen  dunkel. 

Einen  bedeutenden  Grad  von  Unerapfindlichkeit  der  Retina  für 
den  galvanischen  Reiz  fand  ferner  M.  Rosenthal  bei  halbseitig 
anästhetischen  hysterischen  Frauen:  die  Durchleitung  für  Gesunde 
unerträglich  starker  galvanischer  Ströme  durch  die  Kopf  hälfte,  welche 
den  affizirten  Extremitäten  entgegengesetzt  war,  hatte  keinerlei  be- 
sonderen Reaktionen,  namentlich  keine  Lichtempfindungen  im  Gefolge, 
Erscheinungen,  wie  sie  neuerdings  auch  von  Buzzard"'  beschrieben 
worden  sind. 

§  123.  Indem  wir  in  Bezug  auf  die  therapeutischen  Einwirkun- 
gen des  konstanten  Stroms  auf  Sehnerven-  und  Netzhautleiden  auf 
den  therapeutischen  Teil  verweisen  (dort  wird  man  auch  die  näheren 
Angaben  über  das  Verhalten  der  Pupillen  [Irismuskulatur]  und  der 
Augenmuslveln  gegen  den  elektrischen  Reiz  finden),  kommen  wir  nun- 
mehr zur  Betrachtung  der  Erscheinungen,  welche  bei  der  Einwirkung 
elektrischer  Reize  auf  das  Gehörorgan  beobachtet  werden. 

Mit  Uebergehung  der  wenig  ausgeprägten  und  nur  schwer  dar- 
stellbaren Erscheinungen,  welche  mittelst  faradischer  Reizung  (Ein- 
leitung der  Drähte  in  den  mit  lauem  Wasser  gefüllten  äusseren 
Gehörgang)  erreicht  werden,  schreiten  wir  sofort  zur  Darlegung  der- 
jenigen Versuchsergebnisse,  welche  durch  die  Reizung  des  N.  acusti- 
cus  mittelst  des  galvanischen  Stroms  erzielt  werden.  —  Auf 
diesem  Gebiete  steht  Brenner  ^^  in  jeder  Beziehung  als  bahnbrechend 
da:    bei    der    Unsicherheit    und    Unklarheit    der    Ergebnisse    frülierer 


Rosenthal   ii,   B  e  r  ii  h  u  r  (1 1 ,  Eloktrizitlitsloli 


20 


306      Galvanische  Heizung  des  N.  acusticus.    Versuehsanordnung.      Kap.  XVII. 

Forsclier  und  ihren  sich  zum  Teil  geradezu  widersprechenden  Unter- 
suchungsergebnissen muss,  zumal  hier  ja  nur  das  Feststehende  und 
wissenschaftlich  Gesicherte  gegeben  werden  soll,  auf  eine  genauere 
historische  •  Darstellung  dieser  hochinteressanten  Frage  verzichtet 
werden.  Freilich  wollen  wir  nicht  verschweigen,  dass  auch  die  Unter- 
suchungsresultate Brenner's  nicht  unbestritten  sind;  indess  hat  doch 
die  Mehrzahl  der  Autoren  die  Richtigkeit  der  von  diesem  Forscher 
gefundenen  Tatsachen  anerkannt. 

Man  untersucht  die  Reaktionen  des  N.  acusticus  auf  den  galvani- 
schen Reiz  nach  der  polaren  Methode  so,  dass  man  sich  bemüht, 
immer  nur  eine  Elektrode  in  die  Nähe  des  Ohres  zu  bringen,  wäh- 
rend die  zweite  an  einem  indifferenten  Punkte  des  Körpers  (Brust, 
Nacken  etc.)  steht.  Eine  Vernachlässigung  dieser  Massregel,  ein  zu 
nahes  Aneinanderstehen  beider  Pole  verhindert  eventuell  das  Zustande- 
kommen der  Reaktion.  Zur  Prüfung  der  hier  vorliegenden  Verhält- 
nisse kann  man  sich  entweder  der  sogenannten  inneren,  oder  der 
bequemeren  äusseren  (Versuchs-)  Anordnung  bedienen.  Bei 
ersterer  wird  der  äussere  Gehörgang  mit  lauem  Wasser  gefüllt  und 
der  eine  Elektrodendraht  in  ihn  eingesenkt,  nachdem  man  vorher 
durch  einen  Ohrtrichter  die  Gehörgangswände  vor  der  äusserst  schmerz- 
. haften  Einwirkung  der  Stromesfäden  soweit  als  möglich  geschützt  hat. 
Wie  oben  (S.  236)  gezeigt,  kann  Elektrode  und  Trichter  in  einer 
besonderen  Form  der  Elektrode  vereinigt  sein  (Krüger-Hirsch- 
mann'sehe  Form  oder  Lucae'scho  Ohrelektrode):  die  letztere  Elek- 
trode hat  den  Vorzug,  dass  der  zu  Untersuchende  dabei  aufrecht  sitzen 
kann  und  nicht,  wie  es  sonst  bei  der  inneren  Anordnung  nicht  zu 
vermeiden  ist,  den  Kopf  mit  dem  nicht  untersuchten  Ohr  horizontal 
auf  eine  Platte  auflegen  muss.  Die  sogenannte  äussere  Anord- 
nung"^, wobei  die  eine  (gewöhnliche)  Elektrodenplatte  vor  resp. 
auf  das  äussere  Ohr  einfach  aufgesetzt  wird,  ist  als  die  bequemere 
jedenfalls  vorzuziehen*). 

Was  der  allgemeinen  Anerkennung  der  Brenner 'sehen  Resultate 
in  Betreff  der  galvanischen  Akustikusreaktionen  ganz  besonders  im 
Wege  stand  resp.  steht,  ist  die  überaus  grosse  Schwierigkeit,  bei 
normal  hörenden,  gesunden  Menschen  die  von  Brenner  gefundenen 
Reaktionen,  auf  die  wir  sogleich  kommen  werden,  hervorzurufen.    Bei 


*)  Als  eine  besondere  wohl  noch  unbequemere  Art  „innerer"  Anordnung 
ist  vielleicht  noch  die  von  einzelnen  Autoren  von  der  Tuba  Eustachii  her  aus- 
geführte Galvanisation  durch  einen  durch  den  Tubenkatheter  hindurchgeschobenen 
Draht  zu  betrachten. 


§  123.  124.         N.  acusticus.  —  Die  Brenn ei-\sche  Normalformel.  307 

der  Notwendigkeit,  oft  bedeutende  Stromstärken  anzuwenden,  ist  das 
üebertreten  von  Strora schleifen  auf  das  Hirn  nicht  zu  vermeiden:  es 
ist  die  Regel.  Die  dabei  auftretenden  Erscheinungen  von  Schwindel, 
Lichtphänomenen,  Ohnmachtsanwandlungen,  Brechneigung,  die  Zuckun- 
gen der  von  starken  Stromschleifen  erregten  Facialismuskeln,  der 
Schmerz  an  der  Applikationsstelle,  alle  diese  Dinge  beeinträchtigen 
natürlich  die  ruhige  Beobachtung,  welche  der  Untersuchte  an  sich 
selbst  anzustellen  und  wobei  er  noch  zu  lernen  hat,  von  denjenigen 
Geräuschen  zu  abstrahiren,  welche  sich  bei  der  Schliessung  und 
Oeffnung  der  Kette  in  Folge  etwaiger  Kontraktionen  der  Binnenmuskeln 
des  Ohres  sowie  durch  die  Bewegungen  der  Leitungsdrähte  etc.  störend 
geltend  machen  können. 

§  124.  Die  durch  die  Einwirkung  des  konstanten  Stroms  auf 
den  N.  acusticus  ausgeübte  Reaktion  gibt  sich  in  dem  Auftreten  einer 
Klang-  oder  besser  einer  Gehörssensation  kund.  Dieselbe  kann  bei 
verschiedenen  Individuen  verschieden  sein  und  natürlich  auch  je  nach 
der  Stärke  des  Stromes  variiren  (Summen,  Pfeifen,  Rollen,  Zischen, 
Brausen,  Klingen  etc.).  Normal  reagirt  der  (gesunde)  Hörnerv  nur 
so:  Steht  die  negative  Elektrode  am  Ohr  (die  Kathode),  so  tritt  nur 
bei  Stromesschluss  eine  Gehörssensation  ein,  welche  bei  Stromesdauer 
kurze  Zeit  anhält,  um  dann  zu  verschwinden;  öffnet  man  die  Kette, 
wenn  die  Kathode  am  Ohr  steht,  so  erfolgt  keine  Gehörssensation; 
steht  die  Anode  am  Ohr,  so  hat  die  Schliessung  der  Kette  nie  eine 
Gehörssensation  im  Gefolge,  ebensowenig  tritt  bei  geschlossen  ge- 
haltenem Strom  eine  solche  ein,  so  lange  die  Anode  die  differente 
Elektrode  ist;  erst  die  Oeffnung  der  Kette  bewirkt,  wenn  die  Anode 
am  Ohr  steht,  eine  neue  Gehörssensation. 

Die    sogenannte    Brenn  er 'sehe    Normalformel    für    den    Gehör- 
nerven   wird,    abgekürzt    in    Zeichen,    folgendermassen    ausgedrückt: 
;  (k    bezeichnet    [nach  Brenner]   Klang;   durch  K,   oder   K'    soll    die 
grössere  Intensität  des  Klanges  angedeutet  werden) 

KaS  K  deutliche  Klangempfmdung; 

KaD  (Dauer)  k  >.     d.   h.    allmählich    verschwindende    Gehörs- 
(Klang-)  Empfindung; 

KaO  Keine  Gehörsempfindung; 

AS  Keine  Gehörsempfindung; 

AD  Keine  Gehörsempfindung; 

AO  k  (Schwache  Gehörserapfindung.) 

Bei  allmählich  zunehmender  Stromstärke   (die   liicrhcr  gehöi'igen 

20* 


308     N.  acusticus.  —  Die  Brenner'sche  Normalformel  u.  ihre  Erklär.    Kap.  XVII. 

Untersuchungen  sind  immer  unter  Benutzung  eines  Rheostaten  und 
mit  stetiger  Berücksichtigung  des  Nadelausschlages  anzustellen)  erhält 
man  stets  zuerst  die  Kathodenschluss-  und  erst  später  die  Anoden- 
öffnungsreaktion. Letztere  verschwindet  bei  abnehmender  Stromstärke 
zuerst,  sie  bedarf  überhaupt  einer  längeren  Stromesdauer  (d.  h.  die 
Anode  muss  bei  geschlossener  Kette  einige  Zeit  am  Ohre  geruht 
haben,  ehe  man  öffnet),  während  die  Kathodenschlussreaktion  sofort 
bei  Schluss  des  Stromes  in  grösster  Stärke  auftritt,  um  dann  erst 
allmählich  abzunehmen.  Wiederholt  man  nach  Kathodenöffnung  die 
Reizung  mit  Kathodenschluss,  so  genügt  eine  geringere  Stromstärke 
zur  Erzielung  einer  Gehörssensation  als  vorher;  ebenso  gelingt  es 
durch  Wendungen  von  der  Anode  auf  die  Kathode  schon  Gehörs- 
empfindungen zu  erzeugen,  die  bei  einfacher  Kathodenschliessung  noch 
nicht  hervorgerufen  werden.  Zum  Hervorbringen  dieser  Erscheinungen 
ist  nun  nicht  immer  Schliessung  oder  Oeffnung  der  Kette,  sondern 
auch  bei  Stromesdauer  irgend  eine  erhebliche  Schwankung  in  der 
Intensität  des  Stromes  geeignet. 

Vergegenwärtigt  man  sich  hiernach  die  Reaktion  des  normalen 
Gehörnerven  auf  den  elektrischen  Strom,  so  wird  sofort  das  eigen- 
tümliche Verhältniss  auffallen,  in  dem  diese  Reaktion  zu  der  des  ge- 
sunden motorischen  Nerven  auf  denselben  Reiz  steht.  Der  Hörnerv 
reagirt  nur  auf  Kathodenschluss,  der  motorische  Nerv  auch  auf  Anoden- 
schluss,  der  Hörnerv  beantwortet  nur  die  Anodenöffnung  mit  einer 
Klangsensation,  der  motorische  Nerv  zuckt  (eventuell)  auch  bei 
Kathodenöffnung.  Es  ist  nun  schon  oben  (S.  271)  auseinandergesetzt 
worden,  wie  sehr  es  bei  dem  Zustandekommen  der  Reaktionen  beim 
lebenden  und  unversehrten  (Tier)  Menschen  auf  die  benachbarten 
Leiter  ankommt  resp.  wie  man  sich  vorzustellen  hat,  dass  stets 
beide  Elektroden  am  Nerven  liegen,  und  es  nur  auf  die  grössere  resp. 
geringere  Dichtigkeit  ankommt,  in  welcher  der  in  den  Nerv  ein- 
tretende und  ihn  bald  wieder  verlassende  Strom  auf  eben  diesen 
Nerven  wirkt.  Der  N.  acusticus  nun  geht,  wie  Hitzig  ^'^  zuerst  deut- 
lich ausgesprochen  hat,  ohne  Unterbrechung  seiner  physikalischen  Con- 
tinuität  in  die  Masse  des  Gehirns  über,  dort  aber  nimmt  die  Dichtig- 
keit der  den  N.  acusticus  treffenden  Stromschleifen  so  schnell  ab,  dass 
der  ^anze  Acusticus  als  an-  resp.  katelektrotonisirt  zu  betrachten 
ist,  und  die  ungleichnamig  elektrotonisirten  Strecken  an  der  anderen 
Seite  des  Gehirns,  eine  jede  von  minimaler  Dichtigkeit,  liegen  und 
zu  einer  Gehörsempfindung  weiter  keine  Veranlassung  geben. 


§  125.     Galvanische  Kealttionen  bei  Erkrankungen  des  Gehörapparates.         309 

§  125.  Wir  werden  alsbald  bei  Besprechung  derjenigen  Verän- 
derungen, welche  die  normale  Akustikusreaktion  bei  Erkran- 
kungen des  Gehörapparats  erleidet,  auf  diese  Verhältnisse  zurück- 
kommen. Auch  hier  war  es  zuerst  Brenner,  dem  wir  nähere  An- 
gaben über  die  elektrischen  Reaktionen  des  N.  acusticus  bei 
Erkrankungen  des  Ohres  verdanken. 

Bei  Verstopfungen  des  äusseren  Gehörgangs  durch  verhärtete 
Ohrenschmalzpfröpfe,  bei  angeborener  Atresie  des  äusseren  Gehörgangs 
ist  es  oft  unmöglich,  den  Acusticus  zu  erregen:  sind  die  Hindernisse 
der  schlechten  Leitung  beseitigt,  so  reagirt  der  Hörnerv  oft  sofort  in 
normaler  Weise,  ja  er  zeigt  sich  nicht  selten  insofern  über-  resp. 
sehr  leicht  erregbar,  als  abnorm  geringe  Stromstärken  genügen,  eine 
Klangsensation  hervorzurufen.  (Das  Gleiche  wurde  beobachtet,  wenn 
eine  operative  Durchbohrung  des  Trommelfells  vorgenommen  war.) 

Eine  zweite  abnorme,  bei  vielen  durch  die  verschiedenartigsten 
pathologischen  Prozesse  schwerhörig  gewordenen  Personen  (akute, 
chronische  Mittelohrkatarrhe,  Labyrinthleiden,  Traumen  etc.)  zu  beob- 
achtende Erscheinung  ist  die  der  Hyperästhesie  des  Hörnerven, 
der  auf  geringere  Reize  intensiver  als  normal  reagirt  (Andauer  der 
Reaktion  bei  KaD,  verlängerte  A  0  -  reaktion,  erhöhte  und  verlängerte 
sekundäre  und  tertiäre  Erregbarkeit  (vgl.  S.  276),  ungemein  deut- 
liche Ausprägung  der  Klangfarbe  der  gehörten  Töne). 

Nach  Brenner  wäre  der  durch  mannigfache  Erkrankungen  der 
schallleitenden  Apparate  von  dem  ihm  adäquaten  Reize  (Schall- 
schwingungen) für  längere  Zeit  ausgeschlossene  Gehörnerv  in  einen 
eigentümlichen  Zustand  des  ), Reizhungers ^'  gerathen,  der  aber  erst  bei 
lange  bestehenden  Anomalien  in  den  Schall  leitenden  Apparaten  zu 
einer  wirklichen  Erkrankung  des  N.  acusticus  führt.  (Dieser  Zustand 
einfacher  Hyperästhesie  kann  auch  mit  subjektiven  Gehörsstörungen, 
ferner  mit  zentral  oder  wenigstens  intrakraniell  bedingten  lähmungs- 
artigen Zuständen  der  Augenmuskeln  verbunden  sein.)  Diese  eben 
geschilderte  einfache  Hyperästhesie  kommt  nun  auch  zusam- 
men mit  qualitativer  Veränderung  der  Formel  (neben  der 
Normalreaktion  noch  das  Auftreten  einer  Gehörsempfindung  bei  AS 
und  AD,  seltener  bei  KaO)  oder  mit  Umänderung  der  Formel 
(keine  Reaktion  bei  KaS  und  KaD,  wohl  aber  bei  AS,  AD  und  KaO) 
zusammen  zur  Beobachtung.  Endlich  findet  man  auch  nicht  eben 
selten  die  Hyperästhesie  des  Hörnerven  mit  paradoxer  Reak- 
tion des  nicht  armirten  Ohres:  es  reagirt  bei  Armirung  auch 
nur  eines  Ohres   nicht    nur  der  N.  acust.   dieses,   sondern  auch  des 


310     Hyperästhesie  d.  llöriicrven.   Brenner"s  „paradoxe  Reaktion''.      Kap.  XVII . 

andern,  gar  niclit  direkt  unter  den  Einfluss  des  Stromes  gebrachten 
Ohres,  aber  in  umgekehrter  Weise,  so,  als  befände  er  sich  unter  dem 
Einfluss  des  anderen  Pols.  Ist  die  Erkrankung  des  Ohres  einseitig, 
so  kann  es  kommen,  dass  das  gesunde  Ohr  noch  gar  nicht,  resp.  über- 
haupt nicht  auf  den  galvanischen  Reiz  antwortet,  während  das  leidende 
Ohr  schon  bei  höchst  geringen  Stromstärken  in  der  eben  erwähnten 
„paradoxen^'  Weise  reagirt.  Der  erwähnte,  von  Brenner  gewählte 
Ausdruck  „paradox"  ist,  wie  schon  Erb^-"^  hervorgehoben  und 
wie  auch  unsere  ^-'  Ansicht  ist,  heute  nicht  mehr  passend,  wo  bei 
erweiterter  Erkenntniss  der  Stromverteilung  durch  Kopf  und  Hirn 
die  Tatsache  wohl  nicht  mehr  als  paradox  hingestellt  werden  kann, 
dass  ein  empfindliches  Nervengebilde  (N.  acusticus)  auch  durch  sehr 
schwache  Stromschleifen  noch  erregt  werden  kann.  Ist  z.  B.  ein  Ohr 
(etwa  das  linke)  das  leidende,  ruht  die  difli'erente  Elektrode,  z.  B.  die 
Anode  am  rechten  Ohre  und  die  andere  irgendwo  am  Körper,  so  tritt, 
wie  wir  wissen,  der  Strom  in  relativ  grosser  Dichte  in  die  dem  rechten 
Dhre  benachbarte  Gegend  ein,  um  sich  in  dem  gut  leitenden  (Hirn-) 
Gewebe  nach  allen  Seiten  hin  auszubreiten  und  sehr  schnell  an  Dich- 
tigkeit abzunehmen:  er  tritt  gleichsam  an  der  linken  Seite  (dort 
also,  wo  sich  der  kranke  und  überempfindliche  N.  ac.  sin.  befindet) 
aus;  es  ist  so,  als  ob  dort  die  Kathode  läge  und  der  Hörnerv  reagirt 
im  Sinne  der  dort  gleichsam  applizirten  Elektrode,  in  diesem  unserem 
Beispiele  also  der  Kathode,  üeberhaupt  muss  man  zugeben,  dass 
diese  verschiedenen  Reaktionsverhältnisse,  wie  sie  im  Vorstehenden 
mitgeteilt  sind  und  in  der  Tat  beobachtet  werden  (über  das  faktische 
Vorkommen  derselben  kann  kein  Zweifel  bestehen)  vorläufig  nicht 
nur  auf  verschiedene  Erkrankungen  des  N.  acusticus  selbst  etwa  be- 
zogen werden  können,  da  hier  offenbar  die  durch  die  verschiedenen 
Erkrankungen  des  äusseren  und  des  Mittelohrs  bedingten  so  ungemein 
variablen  Leitungsverhältnisse  eine  nicht  unbedeutende  Rolle  spielen. 
Zudem  ist  mehrfach  festgestellt,  dass  z.  B.  bei  durch  Fractura  basis 
cranii  gesetzten  Hörstörungen  resp.  bei  vollkommener  Taubheit,  in 
Fällen,  wo  schwere  Facialislähmungen  vorhanden  waren,  also  unter 
scheinbar  ganz  gleichen  pathologischen  Verhältnissen,  die  elektrischen 
(galvanischen)  Reaktionen  von  einander  sehr  verschieden  waren;  wir 
sind  daher  bis  heute  noch  nicht  in  der  Lage,  .diejenigen  Affektionen 
des  N.  acusticus  oder  selbst  derjenigen  Apparate,  welche  den  Schall 
leiten,  zu  bestimmen,  welche  gerade  nur  eine  bestimmte  Reaktion 
bei  galvanischer  Reizung  im  Gefolge  hätte. 

Wenn  Zustände,   wie   sie  Brenner  als  Hyperästhesie  mit  para- 


§  125.  Reizung  des  Hörnerven  durch  Induktionsströme.  311 

doxer  Formel  des  nicht  arrairten  Ohres  bezeichnet,  sich  dann  noch 
mit  qualitativer  Veränderung  der  Reaktionsformel  verbinden, 
so  kann  für  den  Ungeübten  ein  so  buntes  und  verwirrendes  Bild  ent- 
stehen, dass  er  an  dessen  gesetzmässigem  Zustandekommen  wohl  zu 
zweifeln  versucht  ist. 

Neben  den  bis  jetzt  beschriebenen  Abweichungen  der  galvanischen 
Akustikusreaktionen  vom  Normalen  erwähnt  Brenner  noch  einiger 
Aenderungen  der  Normalformel,  ohne  dass  gerade  Hyper- 
ästhesie zu  gleicher  Zeit  bestände,  so  z.  B.  einer  einfachen  Um- 
kehr der  Normalformel,  einer  neben  den  gewöhnlichen  normalen 
Reaktionen  vorkommenden  Erregbarkeit  des  Hörnerven  auch  für  Anoden- 
schluss  und  Anodendauer  (ohne  Hyperästhesie),  schliesslich  einer 
Schwererregbarkeit,  eines  Torpor  des  Hörnerven,  eines  Zu- 
standes,  der  in  Anbetracht  der  oft  so  schon  bei  ganz  normalen 
Ohren  schwer  hervorzurufenden  elektrischen  Reaktionen  häufig  nur  mit 
Mühe  und  in  anfechtbarer  Weise  nachgewiesen  werden  kann. 

In  Bezu£  auf  die  Erregung  des  Akustikus  durch  induzirte 
Ströme  gibt  Brenner  an,  dass  auch  durch  sie  sich  die  spezifische 
Reaktion  des  Gehörnerven  erzeugen  lasse,  aber  nur  durch  einzelne 
Oeffnungs-  oder  Schliessungsströme.  Letztere  seien  viel  seltener  wirk- 
sam als  erstere.  „Bei  der  nur  momentanen  Dauer  eines  solchen 
Stromes  fallen  die  verschiedenen  Reizmomente  (Schluss,  Dauer,  Oeff- 
nung)  in  einen  Gesammtvorgang  zusammen,  aus  welchem  Grunde  sich 
dieses  Verfahren  des  Reizung  ebenso  wenig  zum  Studium  als  zu  Heil- 
zwecken empfiehlt." 

Diesen  Ausführungen  gegenüber  haben  sich  nun  gewichtige  Stim- 
men erhoben,  welche  die  Möglichkeit  der  Erreichbarkeit  des  Hörnerven 
durch  den  konstanten  Strom  überhaupt  leugnend  oder  wenigstens  die 
Richtigkeit  der  von  Brenner  angegebenen  Reizungsresultate  bezwei- 
felnd sich  von  der  Anwendung  des  konstanten  Stromes  überhaupt  los- 
sagten und  zur  Anwendung  des  von  Brenner  verworfenen  Induktions- 
stromes zurückkehrten,  beziehungsweise  sie  allein  empfahlen.  (Eine 
drahtförmige  Elektrode  tauche  in  den  mit  lauwarmem  Wasser  gefüll- 
ten Gehörgang,  die  andere  werde  durch  einen  Katheter  in  die  Tuba 
gebracht.)  Jedenfalls  werden  so  das  Trommelfell,  die  Binnenmuskeln 
des  Ohrs  (Stapedius  und  Tensor  tympani)  von  Stromschleifen  ge- 
troffen und  erregt.  Tröltsch'"  rühmt  von  dieser  Behandlung,  dass 
die  „Ermüdung«  des  Gehörs  bei  länger  dauernder  Anspannung  des- 
selben seltener  oder  später  eintrete  als  früher. 

Weiteres  siehe  im  therapeutischen  Teil. 


312  Galvanische  Reizungen  der  Riechnerven.  Kap.  XVII. 

§  126.  Was  die  Reaktionen  des  Goruchsinnes  auf  den  elek- 
trischen Reiz  betrifft,  so  wissen  wir  noch  bis  heute  so  gut  wie  nichts 
darüber.  Schon  im  Jahre  1860  hatte  Rosenthal'",  unbefriedigt 
von  den  negativen  oder  zweideutigen  Resultaten  früherer  Forscher, 
neue  Versuche  so  angestellt,  dass  in  die  mit  Wasser  gefüllte  Nasen- 
höhle die  Elektroden  eines  konstanten  Stroms  eingeführt  wurden:  es 
kam  indess  zu  keiner  Geruchs-  sondern  nur  zu  nicht  unbedeutenden 
Schmerzempfindungen. 

Frühere  Versuche  von  Rittor'",  der  bei  Schluss  eines  aufstei- 
genden Stromes  einen  säuerlichen  Geruch,  beim  Oeffnen  eine  ammo- 
niakalische  Geruchsempfindung  hatte  (bezw.  das  Umgekehrte  beim 
Wechsel  der  Stromrichtung),  wurden  von  M.  Rosenthal  (Wien)" 
und  M.  Meyer ^  wiederholt:  letzterer  konnte  in  Bezug  auf  die  Ge- 
ruchsempfindung keine  Wahrnehmung  machen,  erstercr  fand  bei  seinen 
mit  einer  Batterie  von  20  Sie  mens' sehen  Elementen  angestellten 
und  sehr  schmerzhaften  Versuchen,  ammoniakalischen  Geruch  bei 
Kettenschluss,  wenn  die  Ka  in  der  Nasenhöhle  war,  einen  säuerlichen 
beim  Oeffnen.  War  die  Anode  in  der  Nase,  so  nahm  er  nur  beim 
Oeffnen  der  Kette  einen  ammoniakalischen  Geruch  war,  Schluss  der 
Kette  hatte  keine  Geruchsempfindung  im  Gefolge.  Bei  Anwendung 
einer  für  gesunde  Individuen  wohl  kaum  anzuratenden  Stromstärke 
(35  Daniell)  konnte  Althaus  ^-"^  bei  einem  an  vollkommener  Quintus- 
anästhesie  leidenden  Manne  bewirken,  dass  er  einen  stark  phosphor- 
artigen Geruch  angab.  Nach  demselben  Autor  wird  die  Elektrizität 
bei  Krankheiten  des  N.  olfactorius  wenig  leisten:  vielleicht  wird  man 
den  konstanten  Strom  bei  Krankheiten  des  Riechzentrums,  besonders 
bei  Hemianosmie  Hysterischer  nützlich  finden. 

§  127.  ■  Ueber  die  Möglichkeit,  Geschmacksempfindungen 
mittelst  des  konstanten  Stromes  hervorzurufen,  haben  uns  zuerst 
Sulzer's*-^  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  angestellte 
und  veröffentlichte  Beobachtungen  belehrt.  Bei  direkter  Applikation 
der  Elektrode  an  die  Zunge  empfindet  man  selbst  schon  bei  sehr 
schwachen  Strömen  eine  deutliche,  je  nach  den  Polen  verschiedene 
Geschmacksempfindung:  eine  säuerliche  an  der  Anode,  eine  bittere  an 
der  Kathode.  Es  ist  indess  durchaus  nicht  nötig,  den  Strom  direkt 
auf  die  Zunge  zu  leiten,  um  diese  Empfindung  hervorzurufen:  es  genügt 
bei  vielen  Menschen  der  Ansatz  beider  oder  auch  nur  einer  Elektrode 
am  Gesicht,  Nacken,  ja  weiter  abwärts  noch  am  Rücken,  um  den 
elektrischen  Geschmack  entstehen  zu  lassen.     Nach  einigen  Beobach- 


§  127,  128.  Galvanische  Reizung  der  Geschmacksnerven.  313 

tern  ist  die  Anode  geeigneter,  das  in  Rede  stehende  Phänomen  zu 
erzeugen,  als  die  Kathode;  interessant  ist  auch  die  Tatsache  des  oft 
noch  stundenlangen  Fortbestehens  der  Geschmacksempfindung  auch 
nach  der  Entfernung  der  Elektroden.  Diese  Tatsache,  sowie  die 
schon  oben  angeführte  Beobachtung,  dass  auch  von  ganz  entfernten 
Punkten  her  Geschmackssensationen  hervorgerufen  werden  können, 
sprechen  an  sich  schon  gegen  die  von  Einigen  aufgestellte  Erklärung 
der  beobachteten  Erscheinungen  durch  die  Theorie  der  Elektrolyse, 
eine  Behauptung,  welche  durch  mannigfach  modifizirte  Experimente 
von  J.  Rosenthal '-^  als  vollkommen  unhaltbar  nachgewiesen  worden 
ist.  Noch  eigentümlicher  ist  die  von  Schönbein '-^  aufgestellte  und 
verteidigte  Behauptung,  dass  der  durch  den  konstanten  Strom  aus  der 
atmosphärischen  Luft  abgeschiedene  Stickstoff  sich  mit  Sauerstoff  zu 
Salpetersäure  verbinde  und  nun  den  sauren  Geschmack  erzeuge:  sowohl 
der  bitterlich  alkalische  Geschmack  an  der  Kathode,  wie  die  Er- 
regung von  Geschmacksempfindungen  von  entfernten  Punkten  der 
Körperoberfläche  her  bleiben  bei  dieser  Theorie  durchaus  unerklärt. 
Allgemein  angenommen  ist  deshalb  heute  die  Theorie  von  der  Er- 
regung der  spezifischen  Energie  der  Geschmacksnerven  mittelst  des 
galvanischen  Stroms,  der  eben  diesen  Nerven  ebenso  wie  den  Seh- 
oder Hörnerv  in  der  ihm  allein  eigentümlichen  Weise  auf  den  galva- 
nischen Reiz  reagircn  lässt. 

Bei  Trigeminuslähmungen,  sowie  bei  schweren,  die  Chorda  tym- 
pani  mitbeteiligenden  Lähiiiungen  des  N.  facialis,  bei  Affektionen  des 
N.  glossopharyngeus  wird  man  bei  Prüfung  des  elektrischen  Ge- 
schmacks (Aufsetzen  einer  kleinen  knopfförmigen  Elektrode  auf  die 
verschiedenen  Stellen  der  Zunge,  die  andere  Elektrode  [Ka  oder  A] 
ruht  an  einem  indifferenten  Punkt  [der  Hand  des  zu  Untersuchenden], 
die  anzuwendende  Zahl  der  Elemente  braucht  5  —  6  nicht  zu  über- 
schreiten) denselben  entweder  an  den  vorderen  zwei  Drittteilen  der 
entsprechenden  Zungen hälften  resp.  (bei  Glossopharyngeus- Affektionen) 
an  den  hintersten  Zungen-  und  den  Gauraenpartien  vermissen,  oder 
ihn  bei  allgemeiner,  entweder  hysterischer  oder  durch  organische 
Hirnläsionen  bedingter  Hemianaesthesia  unilateralis  (an  welcher  die 
Sinnesorgane  Teil  nehmen),  einseitig  abgeschwächt  resp.  vernichtet  finden. 

§  128.  Es  erübrigt  nun  noch  der  Erscheinungen  zu  gedenken, 
welche  mittelst  der  Elektrizität  an  den  sensiblen  Nerven  der 
Haut  und  anderer  Organe  (Muskeln  z.  B.)  hervorgerufen  werden  können. 

Was  zunächst  die  Haut  betrifft,   so  ist  oben  schon  (§  81)  weit- 


314  Methoden  zur  Prüfung  der  elektrokutanen  Sensibilität.      Kap.  XVII. 

läufig  die  beste  Art  und  Weise  beschrieben  worden,  die  in  ihr  ent- 
haltenen Nervenausbreitungen  zu  erregen.  Man  kann  dies  sowohl  mit 
Hilfe  des  Induktionsstroms  wie  des  konstanten  Stroms  erreichen.  Die 
durch  den  mit  der  sekundären  Spirale  verbundenen  Pinsel  hervorge- 
rufene Empfindung  ist  bei  schwächeren  Stromstärken  ein  eigentüm- 
liches Gefühl  von  „Zingern"  und  „Ziehen",  welches  erst  bei  höheren 
Stromstärken  sich  zu  einer  wirklichen  Schmerzerapfindung  steigert. 
Diese  der  Haut  gesunder  Menschen  eigentümliche  Reaktion  auf 
schwächere  Induktionsströme  bezeichnet  man  mit  dem  Namen  der 
elektrokutanen  Sensibilität,  welche,  wie  Leyden's'-^  und 
Bernhardt's  ^-^  Untersuchungen  zeigten,  je  nach  den  verschiedenen 
Regionen  des  Körpers  eine  verschiedene  ist.  Nach  dem  Vorgange 
Leyden's  prüft  man  diese  Empfindlichkeit  der  Haut  für  den  elek- 
trischen Reiz  dadurch,  dass  man  in  stets  gleicher  Distanz  von  \i.,  Ctm. 
die  Spitzen  eines  oben  isolirten  kupfernen  Zirkels,  dessen  Schenkel 
mit  den  Polen  der  sekundären  Spirale  eines  Induktionsapparates  ver- 
bunden sind,  auf  verschiedene  Punkte  der  Haut  aufsetzt  und  jedesmal 
den  Rollenabstand  notirt,  sobald  die  Versuchsperson  angibt,  das  oben 
geschilderte  eigentümliche  Grefühl  zu  empfinden,  das  bei  elektrischer 
Reizung  der  Haut  (mittelst  des  Induktionsstroms)  sich  einstellt.  Je 
nach  der  Stärke  des  induzirenden  Stromes  und  der  Konstruktion  des 
Induktionsapparates  werden  die  absoluten  Zahlenwerte  für  die  ein- 
zelnen Regionen  schwanken,  das  Verhältniss  der  Empfindlichkeit  aber 
in  den  einzelnen  Bezirken  immer  ein  gleiches  bleiben.  So  konnten 
9  Zonen  ausgesondert  werden,  welche  jede  um  etwa  Va  Ctm.  Rollenabstand 
von  einander  verschieden,  folgendermassen  etwa  benannt  werden  könnten: 

I.  Zungenzone  =  16,6  (d.  h.  bei  den  nach  obiger  Methode 
zu  untersuchenden  Personen  konnte  die  sekundäre  Rolle  von  der 
primären  16,6  Centimeter  entfernt  sein,  ohne  dass  sich  bei  denselben 
an  der  Zungenspitze  das  nun  schon  öfter  erwähnte  eigentümliche  Gefühl 
verlor),  Zungenspitze  17,5  Ctm.,  Gaumen  16,7,  Nasenspitze  15,7  Ctm. 

IL  Antlitzzone  =  15,05  (Augenlider,  Zahnfleisch  15,2,  Rote 
Lippen  15,1,  Wange  14,8). 

III.  Stirnzone  =  14,45  (Nicht  roter  Teil  der  Lippen  14,5, 
Stirn  14,4). 

IV.  Schulterzone  =  13,7. 

V.  Rumpfzone  =  12,8  (Oberarmzone)  (Brustbein  und  Nacken- 
wirbel 13,0;  Rückenwirbel  (oben),  Oberarm,  Gesäss  12,8;  Rücken 
(Mitte),  Hinterhaupt,  Lendengegend,  Hals  am  Unterkiefer  12,7;  Vorder- 
arm 12,6;  Scheitel  12,5). 


§  128.      Allgemeine  u.  Schmerz-Empfindlichk.  d.  Haut  f.  d.  elekt.  Reiz.         315 

VI.  Oberschenkelzone  =.  12,21  (Os  sacrura  12,35;  Ober- 
schenkel 12,3;  Rücken  der  I.  Phalanx,  Fussrücken  12,0). 

VIT.  Handzone  =  11,6  (Unterschenkelzone).  (Rücken,  IT.  Pha- 
lanx 11,75;  Dors.  cap.  oss.  metac.  und  Handrücken  11,6;  Unter- 
schenkel 11,5;  Nagelglied  [Vola]  11,5). 

VIII.  Kniescheibenzone  =  11,1  (Kniescheibe  11,3;  Nagel- 
glied  (Dorsum)  11,3;  Vola  cap.  oss.  metac.  10,9). 

IX.  Zehenzone  =  10,45  (Zehenspitze  10,6;  Vola  der  Mittel- 
phalanx 10,5;  Vola  manus  10,5;  Mittelhand  des  Daumens  10,5: 
Planta  ossis  I.  metat.  10,2). 

In  der  Benennung  der  einzelnen  Zonen  wird  natürlich  eine  ge- 
wisse Willkühr  obwalten;  es  ist  aber  offenbar  gleichgiltig,  ob  Zone  V. 
Rumpf-  oder  Oberarmzone  heisst,  oder  ob  man  Zone  VII.  statt  Hand- 
zone etwa  lieber  Unterschenkelzone  nennt,  wenn  man  sich  nur  klar 
ist,  dass  viele  Hautstellen,  die  sowohl  dem  Rumpf,  Avie  den  oberen 
oder  den  unteren  Extremitäten  angehören,  nahezu  identische  Zahlen 
bei  der  Untersuchung  ergeben. 

Wenn  nun  in  der  oben  beschriebenen  Weise  beide  Spitzen  des 
kupfernen  Zirkels  auf  einer  Hautstelle  aufgesetzt  sind,  und  man  nähert 
die  sekundäre  Spirale  der  primären,  auch  nachdem  das  Gefühl  des 
Ziehens  und  Bebens  schon  angegeben  worden  ist,  noch  weiter,  so  wird 
bei  zunehmender  Verringerung  des  Rollenabstandes  ein  Moment  kommen, 
in  welchem  die  Versuchsperson  lebhaften  Schmerz  empfindet  und 
ausspricht.  Der  zu  diesem  Zeitpunkt  abgelesene  Rollenabstand  gibt 
für  die  betreffende  Hautstelle  den  Massstab  ihrer  Seh  merze  mpfi  nd- 
liohkeit  für  den  elektrischen  Reiz  ab.  Die  Abstandswerte  der 
beiden  Spiralen  fallen  nun  natürlich  sämmtlich  etwas  niedriger  aus, 
als  die  für  die  elektrokutane  Sensibilität,  stehen  aber  meist  in  dem- 
selben Verhältniss  zu  einander. 


Allgemeine  Empfind- 

Schmer zempfindlich- 

Zonen. 

lichkeit  der  Haut  für 

keit  der  Haut  für  den 

den  elektrischen  Reiz. 

elektrischen  Reiz. 

I. 

Zungenzone  .     .     . 

]fi,6 

13,67 

II. 

Antlitzzone    .     .     . 

15,05 

13,05 

III. 

Stirnzone  .... 

14,45 

12,8 

IV. 

Schulterzone 

13,7 

11,25 

V. 

Rumpfzone    .     .     . 

12,8 

11,08 

VI. 

Oberschenkelzone    . 

12,21 

9,91 

VII. 

Handzone       .     .     . 

11,6 

;\28 

VIII. 

Kniescheibenzone    . 

11,1 

8,8 

IX. 

Zeheuzone     .     .     . 

10,45 

6,78 

316  Methode  zur  Prüfung  der  elektrokutanen  Sensibilität.      Kap,  XVII. 

Nach  Leyden  und  Bernhardt  hat  nouerdmgs  auch  Dros- 
doff'-^  ähnliche  Untersuchungen  angestellt,  nur  dass  er  statt  des  von 
uns  bei  den  Untersuchungen  mit  dem  faradischen  Strom  benutzten 
Metallzirliels  einer  von  Bernhardt  zuerst  bei  den  Prüfungen  mit  dem 
konstanten  Strom '2°  angegebenen  Methode  sich  bedient,  insofern  er 
eine  grosse  feuchte  Elektrode  am  Brustbein  und  den  elektrischen 
Pinsel  auf  die  Haut  aufsetzt.  Nach  ihm  sollen  die  verschiedenen 
Werte  an  den  verschiedenen  Körperstellen  in  der  wechselnden  Dicke 
der  Epidermis  (dem  wechselnden  Widerstände)  ihre  Erklärung  nicht 
finden,  sondern  auch  wirkliche  Differenzen  der  elektrokutanen  Sensi- 
bilität, unabhängig  von  der  Epidermisdicke  an  den  verschiedenen 
Regionen  des  Körpers  bestehen. 

§  129.  Diese  bisher  gebräuchlichen  Methoden  zur  Bestimmung 
der  elektrokutanen  Sensibilität  genügen  durchaus,  wenn  durch  sie  die 
elektrokutane  Empfindlichkeit  der  Haut  als  solcher  bestimmt  werden 
soll,  mit  all  den  zufälligen  Eigentümlichkeiten,  wie  sie  die  verschie- 
dene Dicke  der  Epidermis,  der  wechselnde  Nervenreichtum  der  ein- 
zelnen Stellen  darbieten.  Die  Sensibilität  der  Hautnerven  selbst 
aber  kann  man,  so  meinen  in  einer  diesem  Gegenstande  gewidmeten 
Arbeit  Tschiriew  und  de  Watteville  ^^',  mit  dieser  Methode  nicht 
erforschen,  da  ja  die  erhaltenen  Resultate  durch  die  verschiedenen 
eben  aufgezählten  Umstände  in  unberechenbarer  Weise  modifizirt  wür- 
den. Sie  schlugen  daher  eine  andere  Methode  vor,  deren  Prinzipien 
folgende  sind: 

1)  Elimination  all  der  Umstände,  welche  die  Stromstärke  durch 
die  veränderliche  Dicke  der  Epidermis  und  die  verschiedene  Stellung 
der  Elektroden  modifiziren  könnten,  dadurch,  dass  in  den  Stromkreis 
so  grosse  Widerstände  eingeschaltet  werden,  dass  die  durch  die  ver- 
schiedene Epidermisdicke  gesetzten  ganz  dagegen  verschwänden.  2)  Er- 
regung der  Haut  durch  eine  stets  sich  gleich  bleibende  Anzahl  von 
metallischen  Punkten,  die  auf  einer  sich  stets  gleich  bleibenden  Ober- 
fläche befestigt  sind.  Mit  einer  derartig  konstruirten  Elektrode  glauben 
nun  die  oben  genannten  Autoren  die  elektrische  Sensibilität  der 
Hautnerven  an  sich  geprüft  zu  haben:  sie  fanden  dieselben  an  den 
verschiedenen  Körperstellen  nicht  von  einander  verschieden.  Nach 
Bernhardt's  Angaben  hat  Herr  Mechanikus  Krüger  eine  Elektrode 
zu  konstruiren  versucht,  wie  sie  sich  zur  Untersuchung  dieser  Ver- 
hältnisse eignet. 

Besser  als  eine  weitläufige  Beschreibung  wird,  ein  Blick  auf  die  beigegebene 


§129. 


Methode  zur  Prüfung  der  elektrokutanen  Sensibilität. 


;i7 


Zeichnung  die  Eigenart  dieser  Elektrode  verständlich  machen.  Im  Inneren  einer 
1472  Ctm.  langen,  etwa  2  —  3  Ctm.  im  Durchmesser  haltenden  Heizrohre  befinden 
sich  drei  feine,  mit  Graphit  und  Schiefer  vollgestopfte  Glasröhrchen:  Geht  der 
Strom  zur  Schraube  a  und  durch  das  Röhrchen  1  und  tritt  er  bei  m  in  das 
metallische  Ansatzstück  n,  welches  fest  mit  der  Holzröhre  verbunden  ist,  so  hat 
er  einen  Weg  durchlaufen,  welcher  10000  S.E.  re- 
präsentirt.  Tritt  er  in  die  Schraube  b  ein,  so  hat 
er  nach  seinem  Durchgang  durch  die  Röhrchen  2 
und  1  einen  20000  Einheiten  bietenden  Weg  zurück- 
gelegt. Befestigt  man  schliesslich  den  einen  Leitungs- 
draht in  Schraube  c,  so  muss  der  Strom,  um  zum 
Punkt  m  gelangen  zu  können,  die  Röhrchen  3,  2 
und  1 ,  einen  Weg  mit  einem  Widerstand  von 
30000  S.E.  durchlaufen.  Am  metallischen  Ansatz- 
stück n  ist  das  Endstück  s  anschraubbar,  auf  wel- 
chem eine  Summe  wohl  isolirter,  nicht  zugespitzt, 
sondern  abgerundet  endender,  durch  eine  Hartgummi- 
platte von  einander  isolirter,  mit  dem  metallenen 
Ansatzstück  aber  verbundener  fester  Messingdraht- 
stifte hindurchgehen. 

Man  sieht,  wie  weit  die  Möglichkeit, 
mittelst  dieser  eben  beschriebenen  Elek- 
trode die  Widerstände  beliebig  zu  vermehren, 
von  dem  Ideal  Tschiriew's  und  de  Watte- 
ville's  entfernt  bleibt,  da  ja  diese  Autoren 
bis  zu  2  und  3  Millionen  Einheiten  für  die 
gänzliche  Eliminirung  des  Hautwiderstandes 
für  nötig  erklären;  soweit  wir  bis  jetzt  über- 
sehen, dürfte  es  sehr  schwer  sein,  eine  der- 
artige   „handliche«   Elektrode    herzustellen. 

Eigene,  übrigens  noch  weiter  fortzu- 
setzende Versuche  lehrten  Bernhardt,  dass 
in  vergleichenden  Untersuchungen  sich  in 
der  Tat  die  mittelst  der  alten  Methode 
erhaltenen,  oft  weit  auseinander  stehenden 
Werte  der  elektrokutanen  Sensibilität  an 
verschiedenen  Hautregionen  (1.  10  Ctm., 
2.  7,5  Ctm.,  3.  6,6  Ctm.,  4.  9,4  Ctm.)  sich 

bei  Anwendung  der  neuen  Versuchsanordnung,  d.  h.  Einschaltung 
eines  Widerstandes  von  etwa  30000  S.E.  wesentlich  gleichmässiger 
(1.  5  Ctm.,  2.  6,2  Ctm.,  3.  5  Ctm.,  4.  6,2  Ctm.)  herausstellten. 

(Es  war  die  Empfindlichkeit  folgender  Stellen  nach  beiden  Metho- 
den untersucht  worden:  1.  Zungenspitze,  2.  Stirn,  3.  Schulter,  4.  Nasen- 


^,     30,000  E 

Flg.  105. 


318      Prüfling  d.  elektrokutanen  Sensibil.  durch  d.  galvan.  Strom.      Kap.  XVII. 

spitze.)  Natürlich  sind  noch  weitere  Untersuchungen  zur  Ergänzung 
und  Bestätigung  von  Nöten;  vorerst  wird  man  sich  der  alten  Ley- 
den'schen  Methode  bei  der  Untersuchung  der  elektrischen  Sensibilitäts- 
verliältnisse  der  Haut  bedienen,  wenn  man  sich  bei  Gesunden  oder 
Kranken  (Hemianästhesien,  Tabes,  Hysterie,  Erkrankungen  periphe- 
rischer Nerven  etc.  etc.)  über  diese  Verhältnisse  relativ  schnell  orien- 
tiren  will. 

§  130.  Die  mittelst  des  galvanischen  Stromes  hervor- 
zurufende Hautempfindung  ist  eine  eigentümlich  sengende,  bren- 
nende und  für  die  Mehrzahl  der  Menschen  eine  sofort  Schmerz  er- 
regende. Verbindet  man  den  positiven  Pol  einer  konstanten  Batterie 
mit  einer  breiten,  gut  durchfeuchteten  Elektrode ,  den  negativen  mit 
einem  Metallpinsel,  so  tritt  bei  Ansatz  des  Pinsels  auf  die  verschie- 
densten Plautstellen  der  erwähnte  Schmerz  ein,  der  je  nach  der  Inten- 
sität des  Stromes  auch  minutenlang  nach  Oeffnung  desselben  eine 
juckende  oder  schmerzende  Empfindung  hinterlassen  kann.  Dies  ist, 
wenn  der  mit  dem  positiven  Pol  verbundene  Metallpinsel  auf  der  Haut 
ruht,  entweder  gar  nicht  oder  in  sehr  unbedeutendem  Maasse  der  Fall. 
(Man  kann  auf  diese  Weise  den  negativen  Pol,  die  Kathode,  den  Zink- 
pol jeder  konstanten  Batterie  schnell  und  sicher  bestimmen.)  Unter- 
sucht man  die  Schmerzempfindlichkeit  der  Haut,  so  findet  man, 
dass  dieselbe  an  den  verschiedenen  Stellen  der  Körperoberfläche  nur 
eine  sehr  massige  Verschiedenheit  zeigt:  man  empfindet  stets  Schmerz, 
wo  auch  immer  der  elektrische  Pinsel  ruht,  wenn  die  Galvanometer- 
nadel zwischen  1"  und  2V2°  (0,3—0,6  M.A.)  ausschlägt..  Eine  eigen- 
tümliche Ausnahme  von  dieser  Regel  machen  die  schleimhautbedeckten 
Teile  (rote  Lippen,  Zungenspitze,  Zungenrücken  und  Gaumen),  welche 
auch  bei  erheblicher  Stromstärke  im  Vergleich  zu  anderen  Hautstellen 
eine  nur  unbedeutende  Schmerzempfindung  bei  dieser  Prüfung  er- 
kennen lassen.  Es  beruht  dies  offenbar  auf  dem  schon  oben  erörter- 
ten Verhalten,  dass  hier  nicht,  wie  bei  der  Epidermis,  der  Strom  nur 
an  einzelnen  Punkten  in  die  Tiefe  tritt  und  daher  an  diesen  eine 
enorme  Dichte  erlangt,  sondern  mehr  gleichmässig  sich  verteilt.  An 
der  Volarfläche  der  Finger  und  Zehen  gelang  es  auch  bei  Anwendung 
bedeutender  Stromstärken  nie,  eine  wirkliche  Schmerzempfindung  bei 
dieser  Methode  auszulösen. 

Ehe  wir  diesen  Gegenstand  verlassen,  müssen  wir  in  Kürze  noch 
auf  zwei  in  neuester  Zeit  dieses  Thema  behandelnde  Arbeiten,  die  von 
Erb^^-    und  Moebius'^^    eingehen.      Ersterer    hat    sich    eine   eigene 


§  130.  Prüfungsmethoden  der  elektrokutanen  Sensibilität.  319 

Elektrode*)  (in  Anlehnung  an  die  von  Tschiriew  und  de  Watte- 
ville  beschriebene)  konstruiren  lassen  und  benutzt  sie  als  Reizelektrode, 
mit  der  er  die  minimale  elektrische  Empfindung  und  die  Schmerz- 
empfindung  bestimmt.  Die  Untersuchungen  ergaben  im  Wesentlichen 
Bekanntes  und  zeigten,  da  auch  auf  die  Leitungswiderstände  an  den 
geprüften  Hautstellen  geachtet  wurde,  dass  die  Rollenabstände  in 
einem  ähnlichen  relativen  Verhältniss,  wie  die  Leitungswiderstände 
stehen,  dass  die  Differenzen  zwischen  beiden  Seiten  sehr  gering  sind  und 
sich  vielfach  noch  durch  etwas  verschiedene  Leitungswiderstände  erklären. 
Um  der  Forderung  Tschiriew's  und  de  Watteville's  zu  ge- 
nügen, recht  grosse  Widerstände  in  den  Stromkreis  der  sekundären 
Spirale  einzuschalten,  bediente  sich  Moebius*^^^  der  unipolaren  Reizung 
(der  zweite  Pol  wird  mit  der  Gasleitung  in  Verbindung  gesetzt)  oder 
der  Einschaltung  einer  bald  länger  bald  kürzer  zu  machenden  Säule 
von  absolutem  Alkohol.  Eine  mit  der  erwähnten  Flüssigkeit  gefüllte 
Röhre  wurde  mit  Gummistöpseln  verschlossen,  die  von  Metallstäben 
durchbohrt  waren,  welche  in  Kohlenknöpfe  endigten;  durch  ihre  Ver- 
schiebung konnte  die  Flüssigkeitssäule  beliebig  verlängert  oder  verkürzt 
werden.  Der  Widerstand  einer  Säule  absoluten  Alkohols  von  3  Ctm. 
Durchmesser  und  7  Ctm.  Länge  betrug  etwa  149000  S.  E.  Nach 
Möbius  ist  es  nicht  sowohl  der  Widerstand  der  Epidermis,  als  die 
verschiedene  Erregbarkeit  der  Hautnerven  resp.  der  Zentralorgane, 
welche  für  das  übrigens  im  Ganzen  und  Grossen  mit  den  bekannten 
Untersuchungen  übereinstimmende  Resultat  verantwortlich  zu  machen 
ist.  Er  verwirft  die  Erb'sche  Elektrode  zur  Prüfung  der  Hautsensi- 
bilität und  lässt  nur  den  (leicht  auf  die  Haut  aufzusetzenden)  Pinsel 
gelten.  Ebenso  leugnet  er,  dass  die  Qualität  der  Empfindung  bei 
elektrischer  Reizung  eine  spezifische  sei:  elektrisches  Stechen  ist  von 
vorn  herein  schmerzhaft;  was  als  Ziehen  und  Zingern  beschrieben  ist, 
seien  exzentrische  Empfindungen  gereizter  kleiner  Hautnervenstämm- 
chen.  In  Betreff  der  Untersuchungen  der  Hautempfindlichkeit  durch 
den  konstanten  Strom  bestätigt  Möbius  im  Wesentlichen  die  Bern- 
hardt'sehen  Untersuchungen:  Schmerz  tritt  überall  bei  nahezu  dersel- 
ben Stromstärke  ein,  mit  Ausnahme  der  Hand-  und  Fussfläche. 


*)  Ein  Bündel  von  mehr  als  400  feinen  übersponnenen  und  geürnissten 
Metalldrähtcn  wird  in  eine  Hartgummiröhre  von  ca.  2  Ctm.  Durchmesser  fest  ein- 
geschlossen, an  dem  einen  Ende  mit  der  zuleitenden  Metallhülse  durch  Lötung 
fest  verbunden  und  an  einem  Elektrodenheft  befestigt:  das  andere  freie  Ende  Wii'd 
möglichst  glatt  abgeschliffen  und  bedeckt,  auf  die  Hautoberiläche  applizirt,  eine 
Kreisfläche  der  Haut  von  etwa  2  Ctm.  Durchmesser. 


320       Verhalt,  d.  seiis.  Nerv.,  sowie  d.  Haut  geg.  d.  elekt.  Reiz.       Kap.  XVII. 

§  131.  Elektrische,  namentlich  faradischc  Reizung  eines  sen- 
siblen oder  gemischten  Nerven  in  seiner  Kontinuität  ruft  eine  in  der 
peripherischen  Ausbreitung  des  Nerven  als  summendes  oder  auch 
schmerzhaftes  Gefühl  empfundene  Erregung  hervor,  die  als  unliebsame 
Beigabe  bei  der  elektrischen  Untersuchung  gemischte  Fasern  enthal- 
tender Nervenstämme  auftritt.  Bemerkt  zu  werden  verdient  noch  die 
Tatsache,  dass  auch  für  die  Sensibilitätsprüfung  mit  dem  Induktions- 
strom als  Regel  festzuhalten,  dass  der  mit  dem  negativen  Pol  des 
Oeffnungsinduktionsstroms  der  sekundären  Spirale  verbundene  Pinsel 
einen  intensiveren  Reiz  setzt,  als  der  mit  dem  positiven  Pol  verbundene. 

Abgesehen  nun  von  den  Erregungen  der  sensiblen  Nerven  der 
Haut  beobachtet  man  bei  Applikation  elektrischer  (induzirter  und 
konstanter)  Ströme  auf  die  Haut  noch  mehrfache  andere  Erscheinungen, 
deren  Kenntniss  dem  behandelnden  Arzt  von  Nöten  sind.  Wie  auf  die 
sensiblen  Nerven,  so  wirkt  zunächst  der  Induktionsstrom  auf  die 
Nerven  der  Gefässe  in  der  Haut  oder  auf  die  Hautgefässmuskulatur 
direkt  ein.  Unter  seinem  Einfluss  kontrahiren  sich  die  Gefässe  und 
die  elektrisirte  Hautstelle  wird  blass.  Diese  Anämie  macht  indess  in 
sehr  kurzer  Zeit  einer  bei  weiter  fortgesetzter  Reizung  eintretenden, 
durch  die  Paralyse  der  Gefässmuskulatur  herbeigeführten  Hyperämie 
Platz,  welche  je  nach  der  individuellen  Disposition  des  behandelten 
Individuums  mehr  oder  weniger  intensiv  und  zirkumskript  bleiben 
kann.  Nicht  selten  kommt  es  zu  Serumaustritt  aus  den  erweiterten 
Gefässen  in  den  Papillarkörper  der  Haut  und  damit  zur  Bildung  von 
Papeln  und  Quaddeln. 

Ueber  die  Einwirkung  des  konstanten  Stromes  auf  die  Haut- 
gefässe  sind  von  R.  Remak'-,  ßoUinger '^■',  Erb '^^,  v.  Ziemssen^ 
besondere  Beobachtungen,  die  sich  namentlich  auf  die  etwaige  ver- 
schiedene Wirkung  der  Anode  und  der  Kathode  bezogen,  angestellt, 
von  ihnen  kam  der  letztere  (v.  Ziemssen)  zu  folgenden  Resultaten: 
„Die  rein  physiologischen  Wirkungen  sind  qualitativ  an  beiden  Polen 
gleich  und  nur  quantitativ  etwas  verschieden,  insofern  die  Verände- 
rungen an  dem  negativen  Pole  schneller,  sowie  in-  und  extensiver  sich 
entwickeln.  Die  Reihenfolge  der  Veränderungen  an  den  beiden  Polen 
ist:  Erblassen  mit  Auftreten  von  Gänsehaut,  Rötung,  papulöse  An- 
schwellung der  Haarbälge,  Konfluenz  der  Papeln  zu  grösseren  Quaddeln." 

Die  eben  erwähnte  „Gänsehaut" '^^  tritt  neben  der  Hyperämie 
ebenfalls  als  Folgezustand  der  elektrischen  Hautreizung  auf,  nur  währt 
dieses  durch  die  Reizung  der  organischen,  sich  zu  den  Haarbälgen  be- 
gebenden Hautmuskeln    hervorgerufene  Phänomen    relativ  kurze  Zeit 


§  131,  132.  Elektromuskuläre  Sensibilität.  321 

(gleich  der  anfänglichen  Anämie);  wo  die  subkutanen  Lagen  organischer 
Muskeln  in  grösseren  Qantitäten,  wie  z.  B.  am  Hodensack,  vertreten 
sind,  kann  man  natürlich  diese  Kontraktionszustände  der  Haut  am 
deutlichsten  hervorrufen. 

Endlich  wäre  noch  der  chemischen  (elektrolytischen)  Einwir- 
kung des  galvanischen  (konstanten)  Stroms  zu  gedenken,  die  sich  an 
den  Ansatzstellen  der  Pole  in  der  Haut  herausstellen  können.  Früher, 
als  man  sich  durchgehends  viel  stärkerer  Ströme  als  in  der  Gegen- 
wart bediente  und  die  Elektroden  lange  Zeit  auf  denselben  Haut- 
stellen stehen  liess,  kamen  wirkliche  Anätzungen  der  Haut  häufiger 
zur  Beobachtung,  als  es  wohl  heutzutage  der  Fall  ist.  Aus  dem  Blut- 
serum schieden  sich  am  positiven  Pol  die  negativ  elektrischen  Bestand- 
teile (Sauerstoff,  Säuren  etc.),  am  negativen  Pol  die  positiv  elektri- 
schen Bestandteile  (Wasserstoff,  Alkalien)  aus  und  bewirkten  so  oft 
nicht  unbedeutende  Aetzungen  der  an  sich  physiologisch  schon  in 
einen  hyperämischen  Zustand  versetzten  Haut,  Aetzungen,  welche  oft 
(namentlich  am  negativen  Pole)  längere  Zeit  zu  ihrer  Heilung  bedurf- 
ten. Durch  Vermeidung  übermässiger  Stromstärken,  durch  eventuelles 
massiges  Verrücken  der  Elektroden,  besonders  aber  durch  die  Anwen- 
dung der  von  Hitzig'^''  zuerst,  dann  von  v.  Ziemssen^^^  eingeführ- 
ten, aus  dem  physiologischen  Arraamentarium  herübergenommenen  un- 
polarisirbaren  Elektroden  sind  diese  üebelstände  jetzt  wohl  durchaus 
zu  vermeiden. 

Schliesslich  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden,  dass  ein 
etwas  stärkerer  galvanischer  Strom  bei  seinem  Durchtritt  durch  die 
Haut  dieselbe  erwärmt,  wie  noch  erst  neuerdings  wieder  durch 
Gärtner's^'^^  Untersuchungen  nachgewiesen  worden  ist. 

§  132.  Eingangs  dieses  Abschnittes  haben  wir  in  Kürze  der- 
jenigen Erscheinungen  gedacht,  welche  mittelst  der  Elektrizität  an 
den  sensiblen  Nerven  auch  der  tiefer  gelegenen  Teile,  so  beson- 
ders der  Muskeln  hervorgerufen  werden  können.  Bei  der  durch  den 
elektrischen  Reiz  hervorgerufenen  Kontraktion  eines  Muskels  empfindet 
man  ein  von  der  oben  besprochenen  elektrokutanen  Sensibilität  durch- 
aus unabhängiges  eigentümliches  Gefühl,  auf  welches  Duchenne^ 
zuerst  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  und  welches  er  mit  dem  Namen 
der  Sensibilite  electro-musculaire  belegt  hat.  Diese  Empfin- 
dung kann  bestehen,  auch  wenn  durch  eine  Erkrankung  (z.  B.  bei 
Hysterischen)  die  Empfindlichheit  der  Haut  verloren  gegangen  ist, 
oder  wenn   (wie  dies  Duchenne    gezeigt    hat)    die  Muskeln  zufällig 

RosBTithal   11.  Bernhardt,  Elektrizitätslelire.     III.  Aufl.  Ol 


322  Zuckungsgesetz  der  sensiblen  Nerven.  Kap.  XVII. 

durch  eine  Verletzung  ihrer  Hautdecke  beraubt  worden  waren.  Je 
nach  der  Stärke  des  Stroms  kann  sich  diese  elektromuskuläre  Sensi- 
bilität zu  einer  wirklichen  elektromuskulären  Schmerzempfindung 
steigern.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  Frage  näher  einzugehen, 
ob  dem  Muskel  sensible  Fasern,  die  in  ihm  endigen,  zukommen  oder 
ob  derartige  Nerven  ihn  nur  durchziehen,  um  in  den  Fascien,  resp.  in 
der  den  Muskel  bedeckenden  Haut  zu  enden,  genug,  dass  durch  die 
auf  elektrischem  Wege  (direkt  oder  indirekt)  hervorgebrachte  Muskel- 
zusammenziehung das  beschriebene  eigentümliche  Gefühl  hervorgerufen 
werden  kann. 

Zum  Schluss  sei  hier  noch  erwähnt,  dass  Pflüger *^  wie  für  die 
motorischen  Nerven,  so  auch  für  die  sensiblen  sein  Zuckungs- 
gesetz gültig  gefunden  hat.  Gemäss  der  zentralen  Lage  der  reagi- 
renden  Organe  (des  Gehirns  und  des  Rückenmarks)  im  Gegensatz  zu 
der  peripherischen  Lage  der  Endorgane  motorischer  Nerven  (der  Mus- 
l<:e]n)  tritt  aber  z.  B.  bei  sehr  starken  aufsteigenden  Strömen  nur 
bei  Schlieseung  des  Stromes  Empfindung  (oder  reflektorische 
Zuckung)  ein,  nicht  bei  der  Oeffnung,  und  umgekehrt  erfolgen  die 
Reaktionen  bei  der  absteigenden  Richtung.  Schwache  Ströme  bringen 
nur  bei  Stromesschluss,  mittelstarke  bei  beliebiger  Stromesrichtung 
Oeffnungs-  sowohl  wie  Schlussreflexzuckungen  hervor.  Wir  haben 
oben  schon  gesehen,  wie  der  elektrische  Pinsel,  wenn  er  mit  dem 
negativen  Pol  eines  konstanten  Stromes  verbunden  wird,  die  Haut- 
nerven unvergleichlich  viel  schneller  und  intensiver  erregt,  als  wenn 
er  mit  der  Anode  verbunden  war. 

Prüft  man  (nach  Erb '^^)  mit  dem  galvanischen  Strom  die  Reak- 
tion sensibler  Nerven  am  lebenden  Menschen,  so  findet  man  nicht 
allein  an  der  Ansatzstelle  der  diflferenten  Elektrode,  sondern  auch  im 
Verbreitungsbezirk  der  sensiblen  Hautnerven  des  unter  der  Elektrode 
befindlichen  Nervenstammes,  dass  die  Ka  vorwiegend  Schliessungs-, 
die  A  vorwiegend  Oeffnungsreaktion  gibt  und  dass  die  erregende  Wir- 
kung der  Ka  bedeutend  überwiegt.  Zuerst  tritt  KaS- Empfindung  ein 
(an  Intensität  während  KaD  abnehmend),  dann  eine  schwächere  AO- 
Empfindung,  ihr  folgt  die  AS- Sensation,  erst  bei  noch  gesteigerter 
Stromstärke  in  eine  AD- Empfindung  übergehend:  erst  spät  tritt  nach 
KaD  eine  KaO- Sensation  ein. 

Nadjeschda  Suslowa'-^"^  hat  in  einer  Arbeit  über  die  Verän- 
derungen der  Hautgefühle  unter  dem  Einfluss  elektrischer  Reizung 
(des  konstanten  Stromes)  gefunden,  dass  das  Gefühl  der  Kälte  bei  der 
Berührung   der  Haut  mit  Eis  an  der  Kathode  deutlicher  war,  als  an 


§  132.       Verwertung  d.  elektrokut.  Sensibilitätsprüf.  in  d.  Pathologie.  323 

der  Anode,  und  dass  es  möglich  sei,  an  der  Kathode  die  Entfernung 
der  Spitzen  des  Tasterzirkels  gegen  die  frühere  zu  verkleinern,  ohne 
die  Doppelempfindung  aufzuheben,  während  an  der  Anode  dieselbe 
vergrössert  werden  muss.  Bernhardt  dagegen  hat  bei  seinen  Ver- 
suchen, durch  welche  geprüft  werden  sollte,  ob  sich  die  Empfindlich- 
keit der  Haut  für  den  elektrischen  Reiz  (nach  der  oben  S.  315  ange- 
gebenen Methode  untersucht)  unter  dem  Einfluss  eines  der  Pole  des 
konstanten  Stromes  ändert,  niemals  positive  und  beweisende  Resultate 
erhalten. 

Anhangsweise  erwähnen  wir  hier  kurz  die  Tatsache,  dass  wir  die 
Meinung  Nothnagel's  ^^':  die  elektrokutane  Sensibilität  sei  in  der 
Mittellinie  des  Körpers  stumpfer,  als  an  den  seitlichen  Partien,  nicht 
haben  bestätigen  können.  Ebenso  wenig  stellte  sich  speziell  bei  den 
Untersuchungen  über  die  elektrokutane  Sensibilität  und  die  Schmerz- 
empfindung durch  den  elektrischen  Reiz  eine  Differenz  zu  Gunsten 
oder  Ungunsten  einer  Körperhälfte  heraus:  die  Resultate  blieben  sich 
für  die  rechte  wie  für  die  linke  Seite  gleich. 

In  Bezug  auf  die  Verwertung  der  elektrokutanen  Sensibilitäts- 
prüfung in  der  Pathologie  ist  zu  bemerken,  dass  die  oben  angegebenen 
Methoden  sehr  wohl  geeignet  sind,  zur  Prüfung  der  mannigfachen  im 
Verlauf  der  verschiedensten  Affektionen  des  Hirns,  Rückenmarks  und 
der  peripherischen  Nerven  oder  allgemeiner  Neurosen  beobachteten 
Sensibilitätsanomalien  der  Haut.  Hier  handelt  es  sich  wohl  vorwie- 
gend um  die  Konstatirung  etwaiger  abnorm  erhöhter  oder  herabge- 
setzter Empfindlichkeit:  feinere  Untersuchungen  über  das  Verhältniss 
der  elektrokutanen  Sensibilitätsverhältnisse  zu  dem  Verhalten  der 
anderen  Empfindungsqualitäten  oder  etwaiger  Differenzen  im  Verhalten 
der  allgemeinen  elektrokutanen  Sensibilität  zur  elektrokutanen 
Schmerzempfindung  bei  einer  und  derselben  Affektion  fehlen  noch 
zur  Zeit.  In  neuester  Zeit  fand  Neftel'^-,  dass  in  manchen  krank- 
haften Zuständen,  besonders  aber  bei  Tabes,  die  Schmerzempfindung 
der  Haut  an  der  Anode  eine  grössere  sei,  als  unter  der  Kathode,  ein 
Verhältniss,  das  im  Laufe  einer  elektrischen  Kur  bezw.  mit  der  Besse- 
rung der  Krankheitssymptome  wieder  schwinden  und  dem  normalen 
Platz  machen  kann. 


21' 


Kapitel  XVIII. 

Von  den  normalen  und   pathologischen   elektrodiagnosti- 
schen  Befunden  an  den  Organen  des  Centralnervensystems 
und  den  mit  muskulösen  Wandungen  versehenen  Einge- 
weiden. 


§  133.  Bevor  wir  jetzt  auf  die  Aufzählung  derjenigen  Erschei- 
nungen eingehen,  welche  durch  die  sogenannte  »Gehirngalvanisa- 
tion'' hervorgerufen  werden  können,  haben  wir  uns  mit  der  Beant- 
wortung der  Vorfrage  zu  beschäftigen,  ob  man  es  bei  den  durch  die 
Hirngalvanisation  erzeugten  Symptomen  mit  physikalischen  oder  phy- 
siologischen Reizerfolgen  zu  tun  habe.  Viele  Autoren,  unter  ihnen 
Althaus  i'o  und  bis  zur  Mitte  der  60er  Jahre  auch  v.  Ziemssen, 
machten  nämlich  die  Lichterscheinungen,  die  Geschmacksempfindung, 
den  Schwindel,  die  Eingenommenheit  des  Kopfes,  die  sich  bis  zur  Un- 
besinnlichkeit  und  Ohnmacht  steigern  kann,  den  Hinterhauptsschmerz, 
das  Erbrechen  etc.,  mit  einem  Worte  alle  die  Symptome,  die  man  bei 
Anwendung  etwas  stärkerer  galvanischer  Ströme  und  beim  Ansatz  der 
Elektroden,  z.  B.  an  die  beiden  Proc.  mastoidei  erhalten  kann,  von 
der  Erregung  sensibler  Nerven,  speziell  des  N.  trigeminus  abhängig, 
von  wo  aus  reflektorisch  alle  diese  Erscheinungen  hervorgerufen 
würden,  da  die  festen  knöchernen  Hüllen  ein  Eindringen  des  Stromes 
in  die  Tiefe  bis  zum  Gehirn  hin  nicht  zu  gestatten  schienen. 

Seitdem  aber  zuerst  Erb'^'^,  später  Burkhardt**^  (vgl.  übrigens 
das  S.  204  über  Grapengiesser's  Versuche  Gesagte)  und  v.  Ziems- 
sen^ selbst  durch  Versuche  an  Leichen  nachgewiesen  hatten,  dass  bei 
der  Applikation  der  Elektroden  an  den  unversehrten  Schädel  und  bei 
Anwendung  von  Stromstärken,  wie  sie  täglich  von  den  Aerzten  benutzt 
werden,  erhebliche  Stromzweige  durch  das  Gehirn  gehen,  dass  man 
aus  dem  Hirn  diese  Zweigströme   ableiten    kann,    dass   dieselben  die 


§  133,  134.  Einwirkung  d.  galvan.  Stroms  auf  das  Gehirn.  325 

Richtung  des  Hauptstroms  innehalten  und  mit  dessen  Wendung  in 
gleichem  Sinne  ihre  eigene  Richtung  ändern  (Versuche,  die  ebenso 
wie  für  das  in  der  Schädelkapsel  eingeschlossene  Gehirn  auch  für  das 
im  Wirbelkanal  liegende  Rückenmark  gelten),  seit  dieser  Zeit  wird 
die  physikalische  direkte  Einwirkung  des  konstanten  Stroms  auf  die 
Zentralgebilde  und  speziell  auf  das  Gehirn  allgemein  als  bewiesen  an- 
genommen. Von  Erb  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  die 
Knochenmasse  der  Schädeldecken  von  zahlreichen  mit  den  Mark-  und 
Periostalgefässen  in  Verbindung  stehenden  feinen  Kanälen  durchbrochen 
sei,  wie  andererseits  auch  grössere  Blutgefässe  in  den  Schädel  ein- 
und  aus  ihm  heraustreten  (die  Eraissarien),  durch  welche  dem  Strom 
zahlreiche  Wege  von  massigem  AViderstande  zum  Eindringen  in  die 
Tiefe  zu  Gebote  ständen.  Dazu  kommt,  wie  v.  Zierassen  durch  be- 
sondere Untersuchungen  nachwies,  die  ausgezeichnete  Leitungsfähigkeit 
der  Bulbusbestandteile  und  der  verhältnissmässig  geringe  Widerstand, 
den  diese  und  die  wasserreiche  Hirnsubstanz  selbst  dem  elektrischen 
Strom  darbieten. 

Am  sichersten  und  leichtesten  lassen  sich  die  durch  die  Hirn- 
galvanisation hervorzurufenden  Erscheinungen  von  den  Fossae  auricu- 
lomaxillares ,  den  Proc.  mastoidei  und  der  Hinterhauptsnackengegend 
aus  auslösen,  da  neben  dem  geringen  Widerstand,  den  die  Haut  durch 
ihre  dünne  Epidermisbekleidung  an  diesen  Stellen  darbietet,  noch  an- 
sehnliche Venen  und  Arterien  an  diesen  Stellen  aus  dem  Schädel 
kommen,  resp.  in  ihn  eintreten,  worauf  v.  Ziemssen  besonders  auf- 
merksam gemacht  hat. 

§  134.  Dass  durch  die  Galvanisation  des  Kopfes  Schwindel 
erzeugt  wird,  war  schon  lange  bekannt,  aber  erst  durch  die  Unter- 
suchungen Brenner's**"*  und  Hitzig's '•♦•^  sind  die  näheren  Verhält- 
nisse klarer  gelegt  worden.  Am  leichtesten  ensteht  der  Schwindel 
nach  Brenner,  wenn  die  die  beiden  Elektroden  verbindende  Linie 
senkrecht  steht  auf  der  durch  die  Längsachse  des  Körpers  und 
des  Schädels  gelegten  Ebene:  sobald  die  eine  Elektrode  die  Mittel- 
linie des  Schädels  in  der  Richtung  nach  der  anderen  Elektrode  hin 
überschreitet,  lassen  die  Schwindelerscheinungen  wesentlich  nach  oder 
hören  ganz  auf.  Der  Verlust  des  Gleichgewichts  erfolgt  nach  Brenner 
ausnahmslos  nach  der  der  Anode  entsprechenden  Seite  hin.  Der 
Schwindel  tritt  bei  Stromesschluss  sofort  ein  und  hält  während  der 
Stromesdauer  einige  Zeit  an:  besondere  Steigerung  erfährt  er  bei 
Stromeswendung,   ebenso    tritt  auch    bei  Stromesöffnung    ein     wenn- 


326  Schwindelerscheinungen  bei  Gehirngalvanisation.        Kap.  XVIII. 

gleich  schwächeres  Schwindelgefühl  ein.  Ruht  die  Kathode  am  Kopf, 
die  Anode  an  einer  entfernten  Körperstelle,  so  entsteht  bei  Stroraes- 
öffnung  ein  subjektives  Schwindelgefühl  und  ein  objektiv  nachweis- 
bares Schwanken  nach  der  der  Kathode  entsprechenden  Seite  hin. 
Dieser  bei  KaO  entstehende  Schwindel  ist  schwächer  als  der  bei  AS 
und  AD  entstehende.  Induktionsströrae  bringen  nach  Brenner  über- 
haupt keine  Schwindelerscheinungen  hervor. 

Auch  nach  Hitzig  erzeugt  Anodenschliessung  leichter  den 
Schwindel,  als  Kathodenschliessung,  und  ebenso  Anodenöfifnung  leichter, 
als  Kathodenöffnung.  Bei  einigermassen  starken  Strömen  hört  der 
Schwindel  während  der  Stromesdauer  nicht  auf  und  hält  auch  nach 
der  Oeffnung  noch  einige  Zeit  an.  Auch  nach  Hitzig  erzeugen 
Induktionsströme  niemals  Schwindel,  eine  Behauptung,  die  wir  be- 
stätigen können.  Das  Symptom  des  Schwindels  zeigt  nach  Hitzig 
mehrere  Abstufungen:  Der  erste  Grad  besteht  nur  in  einem  Gelühl 
von  Unsicherheit  über  das  räumliche  Verhalten  des  eigenen  Körpers, 
beim  zweiten  Grad  treten  Scheinbewegungen  hinzu:  die  Gesichts- 
objekte drehen  sich  von  der  Anoden-  nach  der  Kathodenseite,  um 
sich  im  Moment  der  Oeffnung  umgekehrt  zu  bewegen. 

Bei  starken  Strömen  endlich  schwankt  der  Kopf  oder  der  ganze 
Körper  der  Versuchsperson  nach  der  Anodenseite  bei  Schluss,  nach 
der  Kathodenseite  bei  Oeffnung  der  Kette.  Befindet  sich  nur  eine 
Elektrode  am  Kopf,  so  erfolgen  die  Phänomene  so,  als  wäre  die 
andere  Elektrode  an  der  anderen  Seite  des  Kopfes  angesetzt.  Beim 
Eintritt  des  zweiten  Schwindelgrades  treten  unwillkührliche,  assoziirte 
Augenbewegungen  auf,  die  in  schnellem  Ruck  in  der  Richtung  des 
positiven  Stroms,  und  langsam  pendelnd  nach  der  entgegengesetzten 
Richtung  hin  erfolgen. 

Durch  die  Kettenschliessung  entsteht  bei  den  Versuchspersonen 
die  Empfindung,  als  sänken  sie  nach  der  Kathode  hin  und  würden 
nach  dorthin  leichter;  das  Sensorium  erhält  eine  falsche  Vorstellung 
vom  Verhalten  der  Gesammtmuskulatur  und  korrigirt  die  vermeint- 
liche Störung  des  Gleichgewichts  durch  die  „unbewusst  willkührliche" 
Bewegung  nach  der  Anode  hin. 

Ohne  auf  die  von  Hitzig  für  das  Zustandekommen  der  Nystag- 
musbewegungen  der  Augen  gegebene  Erklärung  hier  näher  einzu- 
gehen, erwähnen  wir  noch,  dass  dieser  Autor  es  unentschieden  liess, 
ob  es  sich  bei  den  mitgeteilten  Erscheinungen  um  eine  elektrotonisi- 
rende  Wirkung  auf  die  Nervensubstanz  des  Gehirns  selbst    handelt, 


§  135.      Verhalt,  d.  Piagefässe  bei  d.Galv.  durch  d.  unversehrt.  Schädel.         327 

oder  um  elektrotonische  Erscheinungen  an  den  vasomotorischen  Nerven 
der  Hirngefässe:  letzteres  scheint  ihm  wahrscheinlicher.' 

§  135.  Sind  denn  aber,  so  müssen  wir  jetzt  fi-agen,  überhaupt 
Veränderungen  an  dem  Lumen  von  Hirngefässen  bei  Durch- 
leitung von  galvanischen,  auch  elektrotherapeutisch  verwertbaren 
Strömen  durch  die  von  allen  Weichteilen  bedeckte  Schädelkapsel 
beobachtet  worden?  Die  hier  etwa  herbeizuziehenden,  übrigens  sehr 
spärlichen  Versuche  von  Legros^^^  und  Onimus  gehören  deswegen 
nicht  strikt  hierher,  da  diese  Autoren  den  einen  Pol  ihrer  galvanischen 
Batterie  auf  die  durch  Trepanation  biosgelegte  Stelle  der  Hirnober- 
fläche direkt  aufsetzten,  also  von  einer  Durchleitung  des  Stromes 
durch  die  unversehrte  Schädelkapsel  gar  nicht  die  Rede  ist.  Unter 
dem  positiven  Pol  sollen  sich  die  Gefässe  verengt,  unter  dem  negativen 
erweitert  haben  und  ebenso  das  Hirn  zusammengefallen,  resp.  hervor- 
gequollen sein.  (Es  sind  dies  die  Resultate  eines  Experimentes  am 
Hunde.) 

Letourneau^^'^  beobachtete  bei  Durchleitung  eines  schwachen 
konstanten  Stromes  durch  den  Kopf  einer  einmonatlichen  Katze,  der 
ein  Stück  des  linken  Schädeldachs  entfernt  war  (die  Anode  stand 
dabei  am  rechten  aufsteigenden  Kieferwinkel,  die  Kathode  am  Vorder- 
kopf zwischen  den  Augen)  eine  deutlich  sichtbare  Verengerung  der 
Gefässe  der  Dura  und,  wie  sich  nach  Entfernung  eines  Durastückes 
auswies,  auch  der  der  Pia;  bei  jeder  Stromunterbrechung  vermehrte 
sich  die  Anämie. 

Eine  grössere  experimentelle  Untersuchung  über  diese  Frage  ver- 
danken wir  Löwenfeld^*%  dessen  Versuchsergebnisse  im  Wesentlichen 
folgende  sind:  1)  Es  ist  möglich,  durch  Leitung  konstanter  sowohl 
als  faradischer  Ströme  durch  den  Kopf  von  Tieren  die  Cirkulations- 
verhältnisse  im  Innern  des  Schädels  zu  beeinflussen. 

2)  Akut  entzündete  Teile  scheinen  dieser  Beeinflussung  —  jeden- 
falls von  Seiten  des  konstanten  Stromes  —  minder  zugänglich  zu  sein? 
als  nicht  entzündete. 

3)  Intensive  peripher  applizirte  Reize  können  —  unabhängig  von 
reflektorischen  Kontraktionen  von  Skeletmuskeln  —  eine  Verstärkung 
der  Injektion  der  Gehirnhäute  hervorrufen. 

4)  In  aufsteigender  Richtung  (-|-  Pol  Nacken,  —  Pol  Stirn)  durch 
den  Kopf  von  Tieren  geleitete  konstante  Ströme  erweitern  die  arte- 
riellen Gehirngefässe  und  beschleunigen  damit  die  Cirkulationsvorgänge 
im  Gehirn. 


328  Löwenfeld's  Versuche.  Kap.  XVIII. 

5)  Werden  konstante  Ströme  in  absteigender  Richtung  durch  den 
Kopf  von  Tieren  geleitet,  so  kann  man  dadurch  die  Weite  der  arte- 
riellen Gehirngefässe  verringern  und  somit  die  Cirkulationsvorgänge 
im  Gehirn  herabsetzen. 

6)  Bei  Querdurchleitung  durch  den  Kopf  bewirkt  die  Anode  auf 
der  Seite  ihrer  Applikation  Erweiterung,  die  Kathode  Verengerung 
der  Arterien. 

7)  Ein  vom  Halse  aufsteigend  durch  das  Gehirn  geleiteter  Strom 
führt  eine  so  nachhaltige  Erweiterung  der  Arterien  herbei,  dass  selbst 
eine  Wendung  des  Stromes  dieselbe  nicht  zu  beseitigen  vermag. 

8)  Der  Füllungszustand  der  Ohr-  und  Gehirnarterien  geht  nicht 
parallel:  Schlüsse  aus  dem  Füllungszustand  der  äusseren  Kopfarterien 
auf  die  Weite  der  Gehirnarterien  sind  daher  nicht  gerechtfertigt. 

In  welcher  Weise  die  Beeinflussung  der  vasomotorischen  Apparate 
in  der  Med.  obl.  und  im  Halsmark,  welche  nach  Löwenfeld  wahr- 
scheinlich unter  dem  Einfluss  des  in  den  Nacken  applizirten  positiven 
oder  negativen  Pols  zu  Stande  kommt,  die  Erscheinungen  an  den 
Hirngefässen  herbeiführt,  lässt  der  Autor  unentschieden. 

Gleichzeitig  mit  Löwenfeld  hat  SchieP'*^  Versuche  darüber 
angestellt,  wie  sich  bei  Galvanisation  des  Kopfes  etwa  die  Kraft- 
leistung einzelner  Muskelgruppen  (z.  B.  des  Arms)  und  die  elektrische 
Erregbarkeit  derselben  für  den  faradischen  Strom  ändert.  Die  Kraft- 
leistung des  Arms  blieb,  wenn  der  Strom  am  Kopf  vom  Nacken  zur 
Stirn  floss,  dieselbe,  die  Reaktion  der  Muskeln  am  Rumpf  und  den 
Extremitäten  wurde  „verändert".  Leider  sagt  der  Verfasser  nicht,  in 
welcher  Weise. 

Nach  Löwen feld  wird  durch  die  Galvanisation  des  Kopfes  die 
Erregbarkeit  der  peripheren  Nerven  nicht  in  merklicher  Weise  be- 
einflusst. 

Fassen  wir  in  Kürze  zusammen,  was  bei  der  Kopfgalvanisation 
oder  besser  bei  Durchleitung  konstanter  Ströme  durch  den  Kopf  des 
Menschen  beobachtet  wird,  so  sind  dies  folgende  Erscheinungen: 
Schwindel,  Licht-,  Gehörs-,  Geschmackssensationen,  unwillkührliche 
Augenbewegungen,  Gefühl  von  Ohnmacht,  Uebelkeiten,  Erbrechen, 
endlich  Schmerz  (besonders  in  der  Hinterhauptsgegend). 

Experimentell  beobachtete  man  ausserdem  an  Tieren  neben  den 
Schwankungen  des  Rumpfes  (das  Tier  stürzt  nach  der  Anodenseite) 
noch  unwillkührliche  Augenbewegungen  (die  Augen  drehen  sich  nach 
der  Kathodenseite)  und  Veränderungen  in  der  Lichtung  von  Pia-  und 
Duragefässen. 


§  135,  136.        Treffbarlceit  d.  Rückenmarks  durch  d.  galv.  Strom.  329 

Ausdrücklich  soll  an  dieser  Stelle  noch  einmal  hervorgehoben 
sein,  dass  es  sich  stets  bei  den  Tieren,  wie  bei  den  Menschen  um 
die  Erfolge  auch  elektrotherapeutisch  verwertbarer  Stromstärken 
handelt,  welche  durch  den  unversehrten  Schädel  hindurch  in  die 
Hirnsubstanz  hineingeleitet  werden.  Wie  naheliegend  vielleicht  auch 
die  Schlussfolgerung  sein  mag,  dass  die  innerhalb  des  letzten  Jahr- 
zehnts erst  erkannte  Möglichkeit  der  elektrischen  Erregbarkeit  der 
Grosshirnrinde  und  die  schon  länger  bekannte  Erregbarkeit  tiefer  ge- 
legener Hirnpartien,  auch  bei  perkutaner  Anwendung  der  Elektrizität 
zu  Stande  kommen  könne,  so  wissen  wir  doch  bis  heute  zu  wenig 
Sicheres  hierüber,  als  dass  wir  die  hypothetischen  Anschauungen  selbst 
der  besten  Autoren  über  diese  Fragen  an  dieser  Stelle  zu  reproduziren 
berechtigt  wären.  In  dem  der  „Therapie"  gewidmeten  Abschnitte 
(vergl.  später)  wird  das  etwa  noch  hierhergehörige  kurz  auseinander 
gesetzt  werden. 

§  136.  Was  die  Möglichkeit  betrifft,  das  Rückenmark  durch 
den  elektrischen  Strom  zu  beeinflussen,  so  ist  schon  oben  hervorgehoben 
worden,  dass  zuerst  durch  Erb ^*^,  später  durch  Versuche  von  Burck- 
hardt*^  und  V.  Ziemssen^  die  Tatsache  sicher  gestellt  ist,  dass  bei 
der  gewöhnlichen  Applikation  der  Elektroden  am  Rücken  eines  (unver- 
sehrten) Tieres  oder  Menschen  Stromschleifen  in  das  Rückenmark 
selbst  eindringen.  Von  vornherein  scheint  es  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  bei  der  Dicke  der  die  Wirbelsäule  bedeckenden  Weichteile  und 
der  Unmöglichkeit,  an  das  Rückenmark  anders  als  von  der  hinteren 
einen  Seite  her  heranzukommen,  die  Stromschleifen  selbst  nur  schwache 
sein  werden.  Erb  konnte  bei  einzelnen  Individuen  durch  Anwendung 
eines  (nebenbei  bemerkt  viel  kräftigeren  Stromes,  als  es  am  Kopf 
möglich  ist)  starken  Stromes  von  etwa  24  Elementen,  bei  Applikation 
der  grossen  Anode  auf  die  Brust,  der  mit  grosser  Oberfläche  ver- 
sehenen Kathode  auf  die  obersten  Lendenwirbel,  nach  öfteren  Strom- 
wendungen, später  auch  nur  bei  Schluss  der  Kette  Zuckungen  in  den 
vom  N.  ischiad.  innervirten  (hinteren)  Oberschenkelmuskeln  hervor- 
rufen. Stand  die  Anode  auf  den  Lendenwirbeln  und  war  der  Strom 
lange  genug  geschlossen  gewesen,  so  gelang  es  öfters,  durch  die 
Stromesöffnung  Zuckungen  auszulösen.  Diese  Versuche  sind  von 
Brenner ^^  wiederholt  und  bestätigt  worden.  Setzte  Letzterer  die 
Kathode  an  die  Lendenwirbel,  so  konnten  selbst  bei  beliebiger  Stellung 
der  Anode  durch  Stromesschluss  mehr  oder  weniger  deutliche  exzen- 
trische Sensationen   im  Unterschenkel,  der   Fusssohle   und   den  Zehen 


330  Weitere  Erschein,  bei  d.  Galvanis.  d.  Riicl(enmarl<s.       Kap.  XVIII. 

hervorgerufen  werden.  Diese  Erscheinungen  gestalten  sich  nach 
Brenner  bei  verschiedenen  Personen  nicht  ganz  gleichmässig  und  bei 
vielen  gelingt  der  Versuch  überhaupt  nicht.  Oefter  und  deutlicher 
gelingt  er  aber  mit  induzirten  Strömen:  auch  hier  ist  die  exzentrische 
Empfindung  sicherer  hervorzurufen  und  intensiver,  wenn  die  Kathode 
der  Oeffnungsströme   an  den  Lendenwirbeln  ruht. 

Bei  der  Applikation  des  galvanischen  Stromes  am  Nacken  (Hals- 
wirbelsäule) kann  man  nicht  selten  bei  den  Versuchspersonen  resp. 
Kranken  Geschmackssensationen,  Lichterscheinungen,  ferner  einen 
eigentümlichen,  von  einem  kitzelnden  Gefühle  im  Halse  begleiteten 
Husten  erzeugen.  Vielleicht  hat  man  es  hier  mit  einer  Reizung  des 
N.  vagus  zu  tun.  Die  Erscheinung  ist  ausser  von  Brenner  auch  von 
uns  und  wahrscheinlich  von  vielen  anderen  beobachtet  worden;  nach 
Brenner  tritt  bei  Stromesschluss-  und  Dauer  die  Erscheinung  leichter 
und  intensiver  auf,  wenn  die  Anode  und  nicht  die  Kathode  am  Nacken 
sass,  auch  schien  in  einem  Falle  KaO  nach  längerer  Stromesdauer, 
nicht  aber  AO  die  Erscheinung  hervorzurufen. 

Ob  durch  das  Einströmen  der  Elektrizität  in  das  von  unverletz- 
ten Weichteilen  umgebene  Rückenmark  wie  am  Hirn  Veränderungen 
in  dem  Kaliber  der  Gefässe  hervorgebracht  werden,  scheint  a  priori 
wahrscheinlich:  Versuche  hierüber  besassen  wir  bis  in  die  neueste 
Zeit  nicht.  Die  Dürftigkeit  experimenteller  Tatsachen  in  dieser  Frage 
wurde  gewissermassen  ersetzt  durch  die  rein  empirischen,  klinischen 
Beobachtungen,  aus  denen  der  wohltätige  Einfluss  speziell  des  galva- 
nischen Stroms  bei  der  Behandlung  mannigfacher  Erkrankungen  des 
Marks  hervorgeht. 

Die  durch  den  galvanischen  Strom  zu  beeinflussende  Erregbarkeit 
des  Rückenmarks  selbst  war  von  verschiedenen  Seiten  her  zum  Gegen- 
stand genauer  Untersuchungen  gemacht  worden.  So  fand  z.  B. 
Ranke ^■''*',  dass  das  von  einem  mittelstarken  galvanischen  Strom 
durchflossene  Rückenmark  auf  Hautreize  nicht  mehr  mit  Reflexbewe- 
gungen antwortete,  so  dass  man  durch  eine  derartige  Applikation 
sogar  bei  mit  Strychnin  vergifteten  Fröschen  die  Krämpfe  zum  Schwin- 
den bringen  konnte;  die  Richtung  der  Ströme  erwies  sich  hierbei  als 
gleichgiltig.  Aehnlich  wirkt  nach  Uspensky^^^  der  absteigende 
Rücken marksstrom  krampfberuhigend  auf  mit  Picrotoxin  vergiftete 
Frösche  (im  Gegensatz  zu  dem  aufsteigenden  Strom),  eine  Tatsache, 
welche  auch  von  Onimus^^^  bestätigt  wird.  In  seinen  der  Elektro- 
therapie des  Rückenmarks  gewidmeten  Untersuchungen,  durch  welche 
Löwenfeld^^^  die  oben  angedeuteten  Lücken  unserer  Kenntnisse  aus- 


§  136.  Löwenfeld's  Versuche.        '  331 

zufüllen  bestrebt  war,  konstatirte  auch  dieser  Autor  den  Einfluss  des 
konstanten  Stromes  auf  die  vom  Marke  vermittelten  Reflexvorgänge: 
er  fand  eine  Erhöhung  der  Erregbarkeit  der  unter  dem  Einfluss  der 
Anode  stehenden  Partie  gegenüber  der  Herabsetzung  in  einer  kat- 
elektrotonisirten  Stelle.  Eine  Lähmung  des  Markes  trat  bei  Anwen- 
dung massiger  Stromstärken  bei  keiner  Richtung  des  Stromes  ein; 
Einwirkungen  des  Stromes  auf  das  menschliche  Rückenmark  kommen 
nach  ihm  nur  bei  Anwendung  sehr  erheblicher  Stromstärken  oder  bei 
abnorm  gesteigerter  Erregbarkeit  des  Markes  vor.  Positives  nach 
dieser  Richtung  hin  konnte  er  weder  bei  Gesunden  noch  bei  Neurastheni- 
schen  selbst  bei  Strömen  von  32  ^  Nadelausschlag  (Krüger'sche 
grosse  Batterie,  Galvanisation  längs  der  Wirbelsäule)  beobachten. 

Von  den  weiteren  Ergebnissen  der  Löwenfeld'schen  Unter- 
suchungen interessiren  zunächst  die  mit  den  Brenner 'sehen  Angaben 
übereinstimmenden  Resultate,  dass  bei  Applikation  von  Induktions- 
strömen (Kathode  des  Oefi"nungsstroms)  an  die  Lendenwirbel  relativ 
leicht  exzentrische  Sensationen  in  den  ünterextremitäten  ausgelöst 
werden,  im  deutlichen  Gegensatz  zu  der  Unwirksamkeit  galvanischer 
Ströme  nach  dieser  Richtung  hin.  Dagegen  traten  Zuckungen  der 
Unterschenkelmuskulatur  (Plantarflexion  der  Füsse)  ein,  wenn  die 
Kathode  eines  galvanischen  Stromes  an  den  Lendenwirbeln  ruhte ;  sass 
an  dieser  Stelle  die  Anode,  so  zuckten  nur  die  nächst  gelegenen 
Muskeln  (des  Gesässes):  es  kamen  nur  Schliessungszuckungen,  nie 
Oeffnungszuckungen  zu  Stande;  ausserdem  blieb  das  Cruralis-  und 
Obturatoriusgebiet  stets  unbeeinflusst.  Alle  diese  Reizerfolge  des  kon- 
stanten Stroms  traten  indessen  nur  bei  so  hohen  Stromstärken  ein, 
wie  sie  gewöhnlich  für  elektrotherapeutische  Zwecke  nicht  benutzt 
werden.  Ganz  besonders  interessant  und  wichtig  erscheinen  die  Er- 
gebnisse Löwenfeld's  in  der  Frage,  ob  der  konstante  Strom 
auf  die  Zirkulationsvorgänge  im  Rückenmark  Einfluss  aus- 
zuüben vermag.  Hier  gelangte  der  Münchener  Elektrotherapeut  zu 
ganz  positiven  Resultaten:  absteigende  Ströme  (Anode  an  den  Hals- 
wirbeln) bewirkten  eine  Erweiterung  der  arteriellen  Piage fasse,  auf- 
steigende waren  überhaupt  Aveniger  wirksam ;  wurde  bei  dieser  Stromes- 
anordnung eine  Veränderung  der  Gefässlichtung  beobachtet,  so  handelte 
es  sich  um  Verengerungen  derselben.  Nach  Löwen feld  hat  man 
hier  mit  Einwirkungen  der  Pole  auf  die  vasomotorischen  Centra  des 
verlängerten  Marks  und  der  obersten  Rückenraarksabschnitte  zu  tun. 
Stand  eine  Elektrode  am  Brustbein,  die  andere  am  Rücken,  so  war 
in  Bezug  auf  die  Wirkung    eine   besondere  Poldiflferenz  nicht  zu  be- 


332  Galvanisation  des  Sympathikus.  Kap.  XVIII. 

merken:  unter  beiden  konnten  sich  die  Piagefässe  erweitern.  Reizung 
der  Haut  endlich  mit  starken  faradischen  Strömen  rief  eine  Erweite- 
rung der  Piaarterien  hervor. 

So  dankenswert  diese  Untersuchungen  und  ihre  Resultate  auch 
sind,  so  sehr  ziemt  es  sich  doch  wohl  noch  vor  der  Hand  daran  zu 
erinnern,  dass  sie  an  Tieren  (Lämmern  vornehmlich)  gewonnen  sind, 
und  dass  die  Versuchsanordnung  (Einführung  der  als  Elektroden  dienen- 
den Kupferdrähte  bezw.  Zinkbleche  unter  die  durch  einen  Einschnitt 
abgetrennte  Haut  des  Tieres,  ein  Verfahren,  das  natürlich  das  Ein- 
dringen des  Stromes  in  die  Tiefe  ungemein  erleichtern  musste)  sich 
erheblich  von  der  für  elektrotherapeutische  Prozeduren  am  Menschen 
üblichen  unterscheidet.  Immerhin  sind  wir  dem  genannten  Autor  er- 
heblichen Dank  schuldig  für  seine  mühevollen  Untersuchungen  über 
den  Einfluss  des  elektrischen  Stromes  auf  die  Zirkulationsverhältnisse 
des  Marks  und  seine  Erregbarkeit  selbst,  zumal  er  mit  Recht  daran 
erinnert,  dass  bei  dem  innigen  Konnex,  in  welchem  die  Gefässe  des 
Marks  und  seiner  Häute  mit  den  Gefässen  der  Weichteile  des  Rückens 
und  der  Wirbelknochen  stehen,  eine  Modifikation  der  Ernährungsvor- 
gänge in  den  äusseren  Teilen  auch  einen  Einfluss  auf  die  nutritiven 
Verhältnisse  im  Innern  des  Spinalkanals  ausüben  kann. 

§  137.  Neben  der  elektrischen  Beeinflussung  des  Gehirns  und 
des  Rückenmarks  spielte  früher  und  spielt  teilweise  auch  noch  heute 
die  Galvanisation  des  Sympathicus  eine  bedeutende  Rolle.  Im 
Wesentlichen  handelt  es  sich  hierbei  um  die  in  der  Tat  relativ  ober- 
flächlich und  erreichbar  liegende  Partie  am  Halse,  während  die  längs 
der  Brust-  und  Lendenwirbelsäule  liegenden  Ganglienhaufen  und  Ver- 
bindungszüge doch  höchstens  als  von  ganz  schwachen  Stromschleifen 
bei  der  am  lebenden  Menschen  möglichen  Applikation  der  Elektroden 
durchströmt  gedacht  werden  konnten. 

Es  fragt  sich  nun  für  uns  zunächst,  ob  es  möglich  ist,  bei  der 
Stellung  der  Elektroden,  wie  sie  von  den  Autoren  für  die  elektrische 
Erregung  des  Halssympathikus  angewendet  wird,  überhaupt  Strom- 
schleifen in  bestimmter  Richtung  durch  die  Ganglien  und  den  Grenz- 
strang am  Halse  zu  schicken.  Dies  ist  nun  nach  den  jetzt  öfter  er- 
wähnten Erb-,  Burckhardt-Ziemssen' sehen  Versuchen  als  faktisch 
möglich  anzusehen,  es  handelt  sich  nur  darum,  ob  die  beim  lebenden 
(nicht  zu  vergessen  beim  kranken)  Menschen  in  Gebrauch  zu  ziehenden 
Stromstärken  und  die  den  Sympathikus  treifenden  Stromzweige  über- 
haupt kräftig  genug  sein  werden,  um  auf  Sympathikusreizung  zu  be- 


§  137,        Wirkungen  d.  Halssympathikusgalv.    Stellung  d.  Elektroden,  333 

ziehende  Wirkungen  auszulösen,  —  Welches  sind-  diese  Wirkungen? 
Das  physiologische  Experiment  lehrt,  dass  im  Halssympathikus  Fasern 
verlaufen,  welche  auf  die  Lichtung  der  Gefässe  an  der  entsprechenden 
Kopfhälfte,  auf  die  organischen  Muskeln  des  Augapfels  derselben 
Seite  (Müller 'sehen  Muskel,  M.  dilatator  pupillae),  auf  die  excito- 
motorischen  Fasern  des  Herzens  von  Einfluss  sind,  und  welche  er- 
regende Fasern  für  das  Herzhemmungssystem,  sowie  einige  Drüsen 
(z.  B.  Speicheldrüsen)  enthalten. 

Um  am  lebenden  Menschen  Stromschleifen  zu  dem  Grenzstrang 
resp.  den  Ganglien  des  Sympathikus  am  Halse  gelangen  zu  lassen, 
applizirt  man  die  Elektroden  so,  dass  die  eine  am  Jugulum,  die  andere 
an  der  Innenseite  des  M.  sternocleidomastoid.  in  der  Fossa  auriculo- 
maxillaris  (dort  medialwärts  eingedrückt)  steht:  hierbei  kann  der 
Strom  aufsteigend  (Anode  am  Sternum,  Kathode  oben)  oder  absteigend 
sein.  Manche  nennen  auch  das  Sympathikusgalvanisation,  wenn  sie 
den  einen  Pol  an  der  oben  bezeichneten  Stelle  in  der  Fossa  auriculom., 
den  anderen  hinten  im  Nacken  im  Niveau  der  drei  unteren  Halswirbel 
entweder  an  derselben  oder  der  entgegengesetzten  Seite  appliziren, 
ja  Gerhardt  setzte  die  Kathode  zwischen  Unterkieferwinkel  und 
M.  sternocleidom, ,  die  Anode  an  den  Gaumenbogen  derselben  Seite 
und  sah  (auch  bei  Anwendung  des  faradischen  Stromes)  eine  Pupillen- 
erweiterung eintreten.  Dasselbe  beschreiben  als  Resultat  der  Sympa- 
thikusreizung bei  aufsteigendem  Strom  Eulen  bürg  und  Schmidt^^^: 
dabei  sahen  dieselben  Autoren  die  Pulsfrequenz  sinken  und  (sphygmo- 
graphisch  nachweisbar)  die  Spannung  der  Carotis  abnehmen.  M.  Me  y er  ^ 
bestätigte  die  Angaben  Gerhard  fs^'"^  über  die  Pupillendilatation  bei 
galvanischer  Reizung  des  Sympathikus  und  beschrieb  zugleich  das  Ein- 
treten einer  auch  objektiv  wahrnehmbaren  Temperaturerhöhung  in  der 
Hand  derjenigen  Seite,  auf  der  die  Kathode  am  obersten  Cervical- 
ganglion  stand  (die  Anode  befand  sich  au  der  entgegengesetzten  Seite 
des  7.  Halswirbels).  Zu  gleicher  Zeit  trat  eine  lebhafte  Schweiss- 
sekretion  an  dieser  Hand  ein. 

Nach  Beard  und  Rockwell-°s  nehmen  die  Gefässe  der  Retina 
während  des  Durchgangs  des  Stromes  an  Grösse  zu,  später  ab:  es  soll 
dieser  Effekt  sowohl  bei  auf-  wie  absteigender  Richtung  des  galva- 
nischen Stromes  beobachtet  werden;  der  Puls  war  zeitweilig  beschleu- 
nigt, eben  so  oft  aber  auch  vermindert.  Hiergegen  behaupten  Klein^'^'' 
und  Svetlin,  dass  Reizung  oder  Lähmung  des  Sympathikus  auf  die 
Netzhautzirkulation  ohne  Einfluss  ist.  Durchschneidung  des  Sympa- 
thikus unterhalb   des  Gangl.  supremum,  Reizung  dieses  Ganglion  mit 


334      Fischer's  exp.  Untersuch,  über  elekt.  Sympathikusreizung.      Kap.  XVIII, 

dem  konstanten  Strom,  Galvanisation  des  Sympathikus  beim  Men- 
schen 2 — 5  Minuten  lang  brachte  nie  eine  Veränderung  an  den  Ge- 
fässen  der  Retina  zu  Stande.  Bei  dieser  Spärlichkeit  und  teilweisen 
Unsicherheit,  ja  bei  den  oft  unvereinbaren  Widersprüchen  der  Autoren 
einerseits  und  bei  den  andererseits  oft  unzweifelhaften  Erfolgen,  die 
man  durch  die  Applikation  der  Elektroden  auf  den  Grenzstrang  resp. 
auf  die  Ganglien  bei  verschiedenen  Kranlcheiten  erzielte,  erschien  es 
daher  aufs  Neue  dringend  geboten,  durch  möglichst  sorgfältig  ausge- 
führte Versuche  klar  zu  legen,  was  denn  nun  eigentlich  durch  elek- 
trische Sympathikusbehandlung  faktisch  erreicht  werden  kann,  nament- 
lich schien  es  wünschenswert,  den  Einfluss  auf  die  Zirkulationsvor- 
gänge im  Gehirn  zu  studiren.  Durch  G.  Fischer 's  ^^"^  an  Pferden 
und  Katzen  angestellte  Versuche  wurde  nun  Folgendes  konstatirt: 
Durch  Faradisation  des  Halssympathikus  gelingt  es  bei  Pferden, 
in  den  vom  N.  sympathicus  innervirten  äusseren  Kopfarterien  den 
Blutdruck  zu  steigern  und  eine  deutlich  nachweisbare  Spannung  der 
Arterienwandungen  hervorzubringen:  dagegen  wurden  für  den  kon- 
stanten Strom  fast  negative  Befunde  erhalten,  insofern  nicht 
einmal  Voltaische  Alternativen  irgend  welchen  Erfolg  hatten. 

Bei  Katzen  war  bei  perkutaner  Anwendung  des  faradischen 
Stroms  eine  Wirkung  auf  die  Irisweite  zwar  nachweisbar,  aber  sehr 
gering;  die  Reizung  des  isolirten  Nerven  dagegen  gab  eine  sehr  deut- 
liche Reaktion.  Bei  der  galvanischen  Reizung  wurde  nur  eine 
Schliessungsreaktion,  meist  aber  gar  keine  erhalten.  In  Bezug  aut 
die  Beeinflussung  der  Zirkulationsvorgänge  im  Gehirn  und 
seinen  Häuten  waren  für  die  faradische  Reizung  (bei  Katzen)  die 
Resultate  wechselnd,  alle  Schwankungen  aber,  positive  wie  negative, 
höchst  unbedeutend;  bei  der  Galvanisation  wurden  unter  11  Versuchen 
dreimal  gar  keine  Veränderungen,  viermal  ein  ganz  minimales  Steigen 
beobachtet:  eine  Schliessungs-  oder  Oeffnungsreaktion  fand  sich  in  der 
ganzen  Versuchsreihe  niemals.  Auf  die  Pulsfrequenz  hatte  die  Gal- 
vanisation eine  nachweisbare  Einwirkung.  Bei  gleichzeitiger  Fara- 
disation von  Vagus  und  Sympathikus  stieg  unter  5  Versuchen 
der  Hirndruck  viermal  und  zweimal  bedeutend.  Doppelseitige 
Faradisation  der  Nn.  sympathici  liess  den  Druck  schnell  und 
um  ein  Bedeutendes  steigen,  noch  während  der  Stromesdauer  sank  er 
dann  wieder:  jedesmal  traten  dabei  bei  tiefster  Narkose  des  Tieres 
klonische  Krämpfe  in  den  Streckern  der  Hinterfüsse  und  denen  des 
Rückens  ein. 

Ein  anderer  Untersucher,  Przewoski*",  beobachtete  bei  der  Fara- 


§  137,  138.         Exp.  Untersuch,  über  elekt.  Sympathikusreizung.  335 

disation  des  Halssympathikus  (oder  bei  Reizung  des  Gangl.  supremum 
mit  der  Kathode  des  galvanischen  Stroms)  Gefässkontraktion  und 
Temperaturabnahme  an  der  Wange  z.  B.  um  mehr  als  1  °  C. ;  nach 
der  Faradisation,  oder  bei  Einwirkung  des  positiven  Pols  eines  galva- 
nischen Strom  auf  das  Ganglion  supremum  trat  später  eine  massige 
Temperatursteigerung  ein.  Nach  Peyrani'^^  wächst  bei  Reizung  des 
undurchschnittenen  N.  Sympathikus  mit  dem  induzirten  oder  galva- 
nischen Strom  (durch  letztere  Prozedur  weniger  als  durch  die  erstere) 
die  Menge  des  Urins  und  des  Harnstoffs.  Durchschneidung  des  Sym- 
pathikus vermindert  die  Absonderung  dieser  Substanzen  ungemein; 
dieselbe  steigt  wieder  an  bei  Reizung  des  peripherischen  Endes,  aber 
in   geringerem  Grade  als   bei  Reizung  des  unversehrten  Sympathikus. 

Verengerungen  und  eigentümliche  Formgestaltung  der  Pupille 
fand  dann  noch  Katyschew^^^  bei  der  Faradisation  des  oberen  Hals- 
dreiecks; derselbe  will  auch  eine  Kontraktion  der  Gefässe  des  Trommel- 
fells an  der  faradisirten  Seite  und  einen  wohltätigen  Einfiuss  dieser 
Prozedur  auf  Mittelohraffektionen  und  die  davon  abhängigen  krank- 
haften Erscheinungen  bemerkt  haben,  während  alle  diese  Erscheinun- 
gen bei  der  Anwendung  des  konstanten  Stromes  wenig  oder  gar  nicht 
ausgesprochen  waren;  von  Einfiuss  waren  hier  nur  Schliessungen  und 
Oeffjmngen  des  Stromes,  sowie  überhaupt  Schwankungen  der  Strom- 
stärke. 

Ganz  neuerdings  sah  endlich  Moeli^^*^  bei  Faradisation  des  Tri- 
gonum  colli  superius  immer  eine  primäre  Erweiterung  der  Pupillen, 
der  eine  Wiederverengerung  allerdings  manchmal  sehr  deutlich  nach- 
folgte. 

§  138.  Es  lohnt  sich  der  Mühe,  für  einen  Moment  bei  der  Be- 
trachtung der  Resultate  zu  verweilen,  die  Katyschew  und  auch 
Andere  durch  die  perkutane  Faradisation  »des  Sympathikus'* 
am  Halse  erzielt  haben.  Handelt  es  sich  hier  wirklich  um  eine 
direkte  Erregung  sympathischer  Nervenfasern?  Im  Verlaufe  der 
Experimente,  die  Nothnagel^*^^  unternommen  hatte,  um  über  die 
vasomotorischen  Nerven  der  Gehirngefässe  ins  Klare  zu  kommen,  ge- 
lang es  diesem  Forscher,  durch  elektrische  Reizung  der  Hautnerven 
im  Bereich  des  Cruralis  z.  B.  oder  des  N.  trigeminus  eine  (reflekto- 
rische) Verengerung  der  Piagefässe  zu  erhalten:  zum  grössten  Teile 
verlaufen  nach  ihm  diese  vasomotorischen  Piagefässnerven  durch  das 
Gangl.  supr.  des  Sympathikus,  zum  kleineren  Teil  durch  den  Halsteil 
des  N.  Sympathikus  und  durch  Hirnnerven.     Zu  entgegengesetzten  resp. 


336  Kritik  d.exp.  Ergebnisse  d.  elekt.Sympathilmsreiznng.     Kap.  XVIII. 

negativen  Resultaten  gelangten  bei  Wiederholung  der  Noth  nag  ei- 
schen Versuche  Riegel  und  JoUy^'^^:  weder  die  Durchschiieidung  des 
Halssympathikus,  noch  die  Reizung  seines  oberen  Endes  hatte  einen 
Einfluss  auf  die  Gefässe  der  Pia;  auch  die  Ausreissung  des  obersten 
Ganglions  war  meist  ohne  alle  Wirkung,  da  die  Verfasser  nur  in  zwei 
Fällen  hiernach  Erweiterung  der  Piagefässe  auftreten  sahen.  —  Im 
Wesentlichen  zu  denselben  (negativen)  Resultaten  gelangte  später 
Krauspe^^^,  der  die  Nothnagel 'sehe  Arbeit  noch  einmal  aufnahm. 

An  Fröschen  und  Kaninchen,  denen  das  Schädeldach  mit  Vorsicht 
entfernt  war,  zeigte  endlich  Rumpf  ^^*  neuerdings,  dass  eine  durch 
starke  Hautreize  verursachte  Hyperämie  einer  Körperseite  Blässe  und 
Anämie  der  entgegengesetzten  Hirnoberfläche  im  Gefolge  hatte,  woran 
sich  stets  eine  Reihe  von  Schwankungen  mit  schliesslicher  Verstärkung 
der  normalen  Rötung  des  Grosshirns  schloss.  Starke  faradische  Reize 
der  Haut  von  längerer  Dauer  bewirkten  stets  Hyperämie  der  gegen- 
überliegenden Hemisphäre. 

Bedenkt  man  somit,  einen  wie  wichtigen  Einfluss  die  Erregung 
irgend  welcher  sensibler  Nerven  der  Haut  auf  das  Gefässlumen  der 
Hirnhaut-  und  Hirnarterien  haben,  und  erwägt  man,  dass  eine  Reizung 
derselben  bei  Applikation  stärkerer  faradischer  Ströme  am  Halse  nicht 
vermieden  werden  kann,  ruft  man  sich  ferner  in  das  Gedächtniss,  wie 
wenig  die  bisherigen  auf  diesem  Felde  experimentirenden  Beobachter 
von  dem  Einfluss  selbst  starker  galvanischer  Ströme  auf  den  Sympa- 
thikus sahen,  denkt  man  endlich  daran,  wie  in  Bezug  auf  die  Weite  der 
Pupille  nach  WestphaP^^  z.  B.  und  Anderen  stärkere  Reizung  sensibler 
Nerven  überhaupt  eine  Erweiterung  der  Pupille  auf  reflektorischem  Wege 
zu  Stande  bringt,  wir  sagen,  vergegenwärtigt  man  sich  dies  Alles,  so  wird 
man  zum  Mindesten  bis  heute  noch  nicht  behaupten  können,  dass  die 
„Elektrophysiologie  des  Sympathikus"  im  positiven  Sinne  geschaffen 
ist.  Dazu  aber  kommt  folgendes:  Wenn  es  einerseits  feststeht,  dass 
bei  der  üblichen  Applikationsweise  der  Elektroden  am  Halse  und 
Nacken  der  Grenzstrang  und  seine  Ganglien  von  Stromschleifen  ge- 
troffen werden,  so  kann  doch  andererseits  nicht  vernachlässigt  werden, 
dass  auch  noch  andere  für  den  Blutdruck,  die  Herzinnervation,  die 
Gefässlichtung  etc.  höchst  wichtige  Gebilde  in  dieser  Gegend  liegen 
und  von  Stromschleifen  durchflössen  werden,  sq  vor  Allem  der  N.  vagus 
und  das  Halsmark,  eventuell  die  Med.  oblongata. 

Diese  Tatsachen  sind  so  wahr,  dass  selbst  der  früher  begeistertste 
Verfechter  der  „Sympathikusgalvanisation*  und  ihrer  Wirkungen, 
Benedikt^^,   in  der  neuen  Bearbeitung  seines  Buches   den  Ausdruck 


§  138,  139.       Galvanisation  am  Halse.    Diplegische  Kontraktionen.  337 

„Galvanisation  des  Sympathikus"  nur  mehr  im  technischen  Sinne 
versteht:  „dass  bei  dieser  Applikationsweise  der  Grenzstrang  wirklich 
gereizt  werde,  ist  wohl  unzweifelhaft;  zweifelhaft  kann  sein  ob  und 
welche  Effekte  speziell  auf  die  Reizung  des  Sympathikus  zu  setzen 
sind."  — 

§  139.  In  dem  therapeutischen  Teil  wird  weiterhin  von  den  Er- 
folgen die  Rede  sein,  welche  die  einzelnen  Autoren  durch  diese  früher 
als  „Sympathikusgalvanisation"  genannte  Methode  erzielt  haben:  mit 
Fischer  und  Anderen  redet  man  heute  besser  von  „der  Galvani- 
sation am  Halse",  als  von  der  des  Sympathikus. 

Anhangsweise  erwähnen  wir  der  von  R.  Remak^^*^  zuerst 
beschriebenen  eigentümlichen  Wirkungen  des  galvanischen  Stromes, 
wenn  bei  an  progressiver  Muskelatrophie  oder  an  Arthritis  nodosa 
Leidenden  die  positive  knopfförmige  Elektrode  in  der  Fossa  mastoi- 
dea  (z.  ß.  links),  die  negative  in  einem  Rayon  (rechts)  aufgesetzt 
wird,  der  sich  zur  Seite  der  Wirbelsäule  vom  5.  Halswirbel  ab  bis 
zum  6.  Brustwirbel  hin  erstreckt.  Die  nach  Reraak  gekreuzt  in  den 
leidenden  Muskeln  bei  dieser  Stellung  der  Elektroden  und  bei  Ketten- 
schlüss  auftretenden  Zuckungen,  welche  reflektorisch  durch  Reizung 
der  Ganglien  des  Sympathikus  und  Fortleitung  oder  Uebertragung 
dieses  Reizes  durch  die  Rami  communicantes  auf  das  Mark  oder  die 
motorischen  (spinalen)  Nerven  zu  Stande  kommen  sollten,  wurden  von 
ihrem  Entdecker  mit  dem  Namen  der  „  diplegischen"  bezeichnet, 
weil  sie  bei  Reizung  zweier  von  den  Muskeln  entfernter  Punkte  zu 
Stande  kamen.  Diese  Angaben  wurden  von  späteren  Autoren  be- 
stätigt, aber  zugleich  nach  fast  jeder  Richtung  hin  derart  erweitert, 
dass  von  der  ursprünglich  ihnen  beigelegten  Bedeutung  für  Prognose 
und  Therapie  kaum  noch  viel  übrig  geblieben  ist.  Ausser  bei  den 
oben  erwähnten  Krankheitszuständen  fand  man  diese  diplegischen 
Zuckungen  auch  bei  Bleilähmungen,  bei  der  Bulbärparalyse,  Hemi- 
plegien und  bei  rheumatischen  Jjähmungen;  ferner  war  zu  ihrem  Zu- 
standekommen die  von  Remak  angegebene  Polanordnung  nicht  not- 
wendig; sie  liessen  sich  von  ganz  verschiedenen  Stellen  des  Körpers 
aus  hervorrufen,  nicht  nur  gekreuzt,  sondern  auch  an  derselben  Seite, 
ja  es  brauchten  nicht  einmal  galvanische  Ströme  zu  sein,  da  auch 
faradische  sich  in  gleicher  Weise  wirksam  zeigten.  ^^^ 

Auch  das  Studium  dieser  Erscheinungen  soll  erst  noch  begonnen 
werden:  zur  Zeit  sind  wir  nicht  im  Stande,  dieses  Phänomen  in  be- 
friedigender Weise  zu  erklären    oder  für  die  Diagnose  und  Therapie 

Uosenthal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslehre.     IH.  Aufl.  oo 


338  Einwirk.  d.  Elektrizität a.  d.  Organe  d.  Brust-  u.  Bauchhöhle.  Kap.  XVIII. 

zu  verwerten,  am  meisten  scheint  die  Ansicht  Eulen  bürg 's  für  sich 
zu  haben,  dass  man  es  mit  wirklichen,  übrigens  vom  grössten  Teil 
der  Körperoberfläche  her  auszulösenden  Reflexzuckungen  zu  tun  habe, 
als  deren  Zentralstätten  die  Medulla  oblongata  und  spinalis  zu  be- 
trachten sind. 

§  140.  In  Betreff  der  Einwirkung  der  Elektrizität  auf 
die  innerhalb  des  Brust-  oder  Bauchraiimes  eingeschlosse- 
nen Organe  ist  schliesslich  Folgendes  zu  bemerken:  Zunächst  unter- 
liegt es,  wie  speziell  v.  Ziemssen^  bewiesen  hat,  keinem  Zweifel, 
dass  bei  zweckentsprechender  Applikation  der  Elektroden  und  genügen- 
der Stromstärke  Stromschleifen  auch  zu  den  in  der  Tiefe  liegenden 
Organen  gelangen  können.  Therapeutisch  hat  man  jedenfalls  sowohl 
die  Faradisation,  wie  die  Galvanisation  z.  B.  des  Magens,  der  Gallen- 
blase, der  Milz  von  aussen  her  durch  äussere  Applikation  erstrebt 
und  auch  Erfolge  gesehen  (Neftel,  Fürstner,  Leube,  Gerhardt, 
Chvostek  [vgl.  später]):  was  dabei  auf  wirkliche  Erregung  der 
organischen  Muskelfasern  der  genannten  Organe  zu  beziehen,  was 
hiervon  als  auf  reflektorischem  Wege  zu  Stande  gekommen  zu  betrach- 
ten sei,  das  zu  entscheiden  ist,  wie  es  scheint,  dem  direkt  am  Tier 
anzustellenden  Experiment  noch  vorbehalten. 

Dagegen  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  man  die  mit  quer- 
oder  längsgestreiften  Muskelfasern  versehenen  Wandungen  der  Hohl- 
organe, denen  man  überhaupt  direkt  beikommen  kann,  auch  durch 
direkte  Faradisation  oder  Galvanisation  zu  beeinflussen  vermag.  Man 
kann  zunächst  die  Oesophagusmuskulatur  durch  eine  sondenförmige 
Elektrode  zur  Verkürzung  bringen,  man  kann  auch  diese  Elektrode  in 
den  mit  Wasser  gefüllten  Magen  einbringen,  wie  dies  v.  Ziemssen 
und  Caragiosiadis^*^^  an  Tieren  taten.  Die  Magenrauskulatur  kann 
so  zur  Kontraktion  gebracht  werden,  kräftiger,  wenn  die  zweite  Elek- 
trode auf  die  Magen  wand  direkt  aufgesetzt  wird,  als  wenn  sie  sonst 
irgendwo  an  der  Körperoberfläche  steht.  Es  fand  sich  ausserdem  eine 
grössere  Reaktionsfiihigkeit  der  Pylorusgegend  als  des  Fundus.  Es 
bedurfte  aber  bedeutender  Stromstärken,  um  auch  nur  massige  Zu- 
sammenziehungen der  Muskulatur  zu  bewirken;  an  Wirksamkeit  steht 
der  galvanische  dem  faradischen  Strom  voran  (speziell  wenn  die  Anode 
an  der  Aussenwand  des  Magens  ruht).  Die  durch  den  faradischen 
Strom  bewirkten  an  sich  schwächeren  Kontraktionen  verschwinden 
weniger  schnell  als  die  ringförmigen  Einschnürungen,  die  nach  dem 
Schluss  der  galvanischen  Kette  entstehen,    um    nach   stattgefundener 


§  140.  Elektrisation  der  Blase,  des  Herzens.  339 

Stromesöffnung  bald  wieder  sich  auszugleichen.  In  Bezug  auf  die 
therapeutischen  Resultate  der  Magenelektrisation  verweisen  wir  auf 
den  zweiten  Teil.  —  Wie  zum  Oesophagus  und  Magen  kann  man  auch 
durch  eine  katheterförmig  konstruirte  Elektrode  zum  Blasenhalse  resp. 
in  das  Innere  der  Blase  gelangen  und  hier  durch  beide  Stromesarten 
die  Muskulatur  erregen.  Wegen  der  nicht  unbedeutenden  Schmerz- 
haftigkeit  wird  man  sich  zumeist  wohl  nur  schwacher  Ströme  zu  be- 
dienen haben,  eventuell  von  der  Anwendung  konstanter  Ströme  wegen 
deren  nicht  zu  vermeidenden  elektrolytischen  Einwirkung  auf  die 
Schleimhaut  und  den  Inhalt  der  Blase  lieber  ganz  absehen.  Neuere 
Untersuchungen  von  Bäum  1er ^^^  lehren  überdies,  dass  bei  Menschen, 
hei  denen  in  die  mit  Wasser  gefüllte  Harnblase  (eventuell  Magen)  die 
Elektroden  eingelegt  waren,  selbst  starke  faradische  Ströme  den  Inhalt 
der  Organe  nicht  auspressen  konnten.  Setzt  man  eine  Elektrode  auf 
die  Lendenwirbel,  die  andere  auf  den  Damm,  so  kann  man  auf  diese 
Weise  mittelst  des  faradischen  Stroms  die  Damramuskeln  erregen: 
bei  derselben  Applikation  der  Elektroden  (eventuell  ruht  eine  oberhalb 
der  Symphyse)  gelingt  es  auch,  hinreichend  starke  Stromschleifen  eines 
konstanten  Stromes  die  Blasenmuskulatur  treffen  zu  lassen. 

Bei  schlaffen  Bauchdeken  mag  es  wohl  auch  möglich  sein,  durch 
äussere  Applikation  der  Elektroden  eines  starken  faradischen  Stromes 
auf  den  Unterleib  die  Darmmuskulatur  zur  Kontraktion  zu  bringen; 
man  kann  dasselbe  vielleicht  wirksamer  erreichen  durch  möglichst 
hohe  Einführung  einer  sondenförmigen  Elektrode  in  den  Mastdarm  und 
die  Applikation  der  anderen  auf  die  Bauchgegend.  Schwäche  der 
Sphinkteren  lässt  sich  durch  galvanische,  wie  faradische  Behandlung 
mittelst  einer  in  den  Mastdarm  eingeführten  dicken,  sondenförmigen 
Elektrode  wirksam  behandeln,  wie  ich  mich  wiederholentlich  zu  über- 
zeugen Gelegenheit  hatte.     (Vgl.  den  therapeutischen  Teil.) 

Im  Anschluss  an  das  bisher  Mitgeteilte  geben  wir  hier  noch  in 
Kürze  die  Resultate  der  neuesten  Untersuchungen  wieder,  welche 
V.  Ziemssen^'^*'  über  die  (mechanische  und)  elektrische  Erregbarkeit 
des  Herzens  und  des  N.  phrenicus  an  dem  freiliegenden  Herzen  einer 
45  jährigen  Frau  angestellt  hat,  welcher  wegen  umfangreichen  Ecchon- 
droms  ein  grosser  Teil  der  vorderen  Brustwand  fortgenomraen  war. 
Faradische  Reizung  des  linken  N.  phrenicus  bewirkte  eine  Kontrak- 
tion der  linken  Zwerchfellhälfte:  auf  rasch  wiederholte  Reizungen 
reagirte  das  Zwerchfell  mit  derselben  Schnelligkeit  und  Kraft,  wie 
jeder  andere   quergestreifte  Muskel.      In  Bezug   auf  den  galvanischen 

22* 


340  Elektrische  Reizversuche  am  Herzen  selbst.  Kap.  XYIII. 

Strom  erwies  sich  die  Zuckungsformel   des  N.   phr.   durchaus   gleich 
der  aller  anderen  motorischen  Nerven. 

Bei  elektrischen  Reizversuchen  am  Herzen  selbst  ergab 
sich,  dass  dasselbe  auch  durch  sehr  starke  Induktionsströme  in  keiner 
Weise  in  Bezug  auf  Frequenz  und  Rhythmus  der  Schlagfolge  beein- 
flusst  wurde,  ebenso  wenig  wurden  sensible  Erregungen  durch  die 
Faradisation  ausgelöst.  Ganz  entgegengesetzt  wurde  aber  das  Herz 
durch  den  galvanischen  Reiz  in  Energie  und  Form  der  Kontrak- 
tion, sowie  in  Frequenz  und  Rhythmus  beherrscht:  es  ergab  sich  zu- 
nächst auch  für  den  Herzmuskel  die  Normalformel,  wie  für  jeden  quer- 
gestreiften Muskel,  nur  KaOz  war  bei  den  anwendbaren  Stromstärken 
nicht  zu  erzielen.  Bei  bedeutenderen  Stromstärken  wird  jeder  einzelne 
galvanische  Reiz  von  einer  sieht-  und  fühlbaren  Kontraktion  beider 
Ventrikel  gefolgt.  KaSz  bewirkt  eine  erhebliche  Vermehrung  der 
Anzahl  der  Herzschläge  und  Erhöhung  der  Kurvengipfel.  Bei  Stromes- 
dauer trat  bei  Einwirkung  auf  bestimmte  Punkte  der  Ventrikeloberfläche 
eine  Beschleunigung  der  Schlagfolge  ein  (um  das  2 — 3  fache  der  Norm)? 
welche  bei  Oeflfnung  der  Kette  sofort  zur  normalen  Frequenz  zurück- 
kehrte. In  Bezug  auf  die  Galvanisation  des  Herzens  durch 
die  Brustwand  ohne  Berührung  des  Herzens  ergab  sich  für  die 
untersuchte  Kranke  ein  positives  Resultat:  die  Herztätigkeit  wurde 
beschleunigt.  Nun  lag  freilich  zum  Herzen  dieser  Patientin,  wie  oben 
schon  gesagt,  den  Stromschleifen  ein  bequemer  Weg  offen;  aber  auch 
bei  unverletzter  Brustwand  des  lebenden  Menschen  kann  man,  wie 
wiederholte  Versuche  ergaben,  genügend  starke  Stromschleifen  auf  das 
Herz  leiten  und  durch  sie  Rhythmus  und  Energie  der  Herzkontrak- 
tionen beeinflussen.  Weitere  Mitteilungen  hierüber  werden  vom  Verf. 
in  Aussicht  gestellt. 


Kapitel  XIX. 

Von    der   elektrotherapeiitischen  Verwertiing^    des    unter 
brochenen  (faradischen)  Stromes  im  Allgemeinen. 


§  141,  Die  so  ofTenbaren  und  erstaunlichen  Wirkungen  der 
Elektrizität  auf  den  menschlichen  Organismus  haben  alle  diejenigen, 
die  sich  überhaupt  mit  naturwissenschaftlichen  Dingen  beschäftigten, 
namentlich  aber  die  Aerzte  auch  früherer  Jahrhunderte  schon  wieder- 
holt dazu  getrieben,  diese  mächtige  Kraft  im  Dienste  der  Heilkunde 
za  verwerten.  Jede  neue  Entdeckung  über  die  Erscheinungsweise  des 
wunderbaren  Agens  rief  unter  den  Aerzten  eifrige  Forscher  wach,  die 
das  Mittel  in  der  neuen,  durch  die  Naturforscher  ihnen  überwiesenen 
Form  zum  Heil  ihrer  Patienten  zu  benutzen  suchten.  So  war  es  mit 
der  Reibungselektrizität,  der  Elektrisirmaschine,  der  Leydener  Flasche, 
welche  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  besonders  den  haupt- 
sächlichsten elektro therapeutischen  Apparat  ausmachte,  so  mit  dem 
Galvanisraus,  der  Säule  Volta's,  welche  im  Anfang  dieses  Jahrhun- 
derts in  den  Händen  der  Therapeuten  eine  nicht  unwichtige  Rolle 
spielte.  Als  die  dreissiger  Jahre  unseres  Jahrhunderts  nach  den 
epochemachenden  Entdeckungen  Faraday"s  die  magneto-elektrischen 
Apparate,  etwas  später  die  Induktionsapparate  mit  selbsttätiger  Unter- 
brechung entstehen  sahen,  traten  die  Anhänger  des  Galvanismus  vor 
den  bahnbrechenden  Untersuchungen  und  Erfolgen,  die  Duchenne 
dem  Induktionsstrom  verdankte,  in  den  Hintergrund,  aus  dem  sie  erst 
speziell  durch  Robert  Remak's  Vorgehen,  wie  Eingangs  schon  er- 
wähnt, allmählich  wieder  hervortraten,  um  heute  als  die  Benutzer  des 
konstanten  galvanischen  Stroms  und  des  (unterbrochenen)  Induktions- 
stroms dahin  zu  streben,  so  weit  möglich,  die  Wirkungen  beider 
Stromesarten  für  das  Wohl  der  Kranken,  für  die  Förderung  und 
den  Ausbau  der  Wissenschaft    überhaupt    und    der   Nervenpathologie 


342  Beinüznng  des  faradischen  Stromes;  Allgemeines.  Kap.  XIX. 

insbesondere  zu  verwerten.  Von  dieser  heilenden  Wirkung  der 
Elektrizität,  von  der  Elektrotherapie  im  modernen  Sinne,  soll  auf 
den  nun  folgenden  Seiten  die  Rede  sein. 

Wir  haben  uns  hier  vorwiegend  mit  der  Darlegung  des  therapeu- 
tischen Wertes  derjenigen  Elektrisationsmethoden  zu  beschäftigen, 
welche  den  Körper  des  Patienten,  oder  besser  die  Körperoberfläche 
desselben  unversehrt  lassen,  also  perkutan,  durch  die  Haut  hindurch, 
angewendet  werden.  Was  neuerdings  wieder  in  Bezug  auf  die  Heil- 
erfolge der  statischen  Elektrizität  mit  der  Elektrisirmaschine,  der 
Influenzmaschine  zu  leisten  versucht  wurde,  wird  ebenso  wie  eine 
kurze  Besprechung    der  Metallotherapie    am  Schluss   zu   finden  sein. 

§  142.  Was  nun  zunächst  den  faradischen,  unterbrochenen 
oder  den  Induktionsstrom  betrifft,  so  wissen  wir  genügend  aus 
dem  Vorangegangenen,  dass  man  durch  ihn  im  Stande  ist,  zunächst 
die  Muskeln  entweder  durch  sogenannte  direkte,  unmittelbare  oder  durch 
indirekte  Reizung  von  einem  Nervenstamm  oder  Ast  aus  zu  erregen 
und  zwar,  wie  Duchenne  zuerst  gezeigt  hat,  lokal,  mit  Auswahl  und 
mit  relativ  geringen  Beschwerden  für  den  Patienten.  Das  hierzu 
nötige  Instrumentarium  ist  oben  (Kap.  XIII.)  genauer  beschrieben, 
desgleichen  auch  die  Topographie  der  einzelnen  Nerven  und  Muskeln 
(Kap.  XIV),  so  dass  auf  diese  Abschnitte  hiermit  verwiesen  werden  kann. 
War  vorher  in  dem  Teile,  der  von  der  elektrodiagnostischen  Exploration 
handelte,  ein  ganz  besonderer  Nachdruck  darauf  gelegt  worden,  vor- 
sichtig und  mit  Benutzung  der  sogenannten  indifferenten  Punkte  die 
Untersuchung  eines  Nerv-Muskelgebiets  am  Nerven  und  Muskel  ge- 
sondert vorzunehmen,  so  fällt  diese  Vorsicht  bei  der  therapeu- 
tischen Anwendung  sehr  viel  weniger  ins  Gewicht.  Kommt  es  darauf 
an,  einen  Muskel  oder  eine  Muskelgruppe  zu  erregen,  so  mag  man 
beide,  wohl  durchfeuchtete  Elektroden  dicht  neben  einander  auf  den 
Muskel  setzen,  oder  die  eine  auf  den  Muskel,  die  andere  auf  den  Nerven, 
oder  auch  nur  die  indirekte  Reizung  anwenden:  wir  haben  gesehen, 
dass  bei  letzterem  Verfahren  die  Stromstärke  eine  geringere  sein  kann 
als  bei  direkter  Reizung,  erinnern  uns  uns  aber  auch  daran,  dass  häufig 
eine  indirekte  Reizung  vom  Nervenstamm  aus  für  eine  ganze  Reihe 
von  Muskeln  wegen  des  Eintritts  der  Nerven  von  der  Tiefe  her  über- 
haupt unmöglich  ist.  Eine  mit  der  Zeit  zu  gewinnende  Vertrautheit 
mit  den  sogenannten  „motorischen  Punkten*  gestattet  uns  ferner,  die 
Reizung  auch  mit  relativ  schwachen  Strömen  zu  einer  erfolgreichen 
zu  machen.     Es  mag  hier  sogleich  daran  erinnert  werden,  dass  selbst 


§  142.    Einflussd.faradischenStromsa.d.  Wärmeentwicklung  im  Muskel  etc.       343 

schwache  Induktionsströme,  welche  durch  ihre  Applikation  eine  Zuckung 
nicht  auslösen,  nach  längerer  Einwirkung  den  Nerven  in  seiner  Erreg- 
barkeit so  steigern,  dass  nun  die  anfangs  unwirksamen  Ströme  geeignet 
werden,  den  Muskel  zur  Kontraktion  zu  bringen,  und  dass  diese  er- 
höhte Reizbarkeit  des  Nerven  auch  nach  dem  Aufhören  des  Faradi- 
sirens  noch  einige  Zeit  bestehen  bleibt. 

Durch  die  Kontraktion  des  Muskels  wird  nun  zunächst  in  vielen 
Fällen  von  Lähmung,  bei  denen  die  elektrische  Muskelerregbarkeit 
erhalten  geblieben  ist,  der  durch  eine  längere  Inaktivität  drohenden 
Ernährungsstörung  des  Gewebes  entgegengearbeitet,  die  Blutzufuhr 
wird  gesteigert,  die  Abfuhr  von  venösem  Blut  und  Lymphe  beschleu- 
nigt, und  eine  jede  Kontraktion  des  Muskels  von  einer  Steigerung 
seiner  Wärme  begleitet,  wie  v.  Ziemssen^^^  durch  besondere  genaue 
Untersuchungen  nachgewiesen  hat.  Nach  ihm  steht  diese  Wärme- 
steigerung in  geradem  Verhältniss  zur  Energie  und  Dauer  der  Kon- 
traktion. Auch  die  die  zusammengezogenen  Muskeln  bedeckende  Haut 
gewinnt,  ohne  dass  sich  eine  sichtbare  Veränderung  in  dem  Verhalten 
ihrer  Gefässe  geltend  zu  machen  brauchte,  eine  höhere  Temperatur. 
Althaus^"  bestätigte  später  diese  Versuchsergebnisse,  Avelche  dann 
durch  V.  Zierassen  selbst  als  auch  für  die  glatten  Muskeln  geltend 
nachgewiesen  wurden.  Die  therapeutische  Indikation  für  die  Anwen- 
dung von  Liduktionsströmen  ist  also  eigentlich  jedesmal  dann  gegeben, 
wenn  durch  Krankheit  eine  oder  mehrere  Muskelgebiete  dem  Einfluss 
des  Willens  entzogen  sind.  Es  können  dies  Affektionen  des  Gehirns, 
des  Rückenmarks,  der  peripherischen  Nerven,  des  Muskels  selbst  sein 
oder  krankhafte  Zustände  der  durch  die  Muskeln  zu  bewegenden 
Teile,  also  der  Knochen,  Gelenke,  Sehnen  etc.  Wie  immer  man  auch 
die  Abmagerung  der  Muskulatur  im  Gefolge  chronischer  Gelenkaffek- 
tionen erklären  mag,  sicher  ist,  dass  sie  bei  chronischen  Entzündun- 
gen, bei  anchylotischen  Zuständen  häufig  eintritt  und  dass  zur  Erhal- 
tung des  Muskels  resp.  zur  Wiederherstellung  seiner  gestörten  Ernäh- 
rung eine  regelmässige,  durch  zweckentsprechende  Faradisation  ausge- 
führte Kontraktion  von  bedeutendem  Nutzen  ist.  Li  dieses  Gebiet 
fallen  demnach  auch  alle  die  nach  schweren  Verletzungen,  Sehnen- 
scheidenentzündungen, Phlegmonen,  Luxationen,  Frakturen,  nach  lange 
getragenen,  aus  irgend  welchem  Grunde  angelegten  immobilisirenden 
Verbänden  zurückbleibenden  Muskelabmagerungen  und  Muskelsteifig- 
keiten.  Ueberall  ist  für  diese  Zustände  der  faradische  auf  die  Muskeln 
selbst  applizirte  Strom  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel  zur  Wieder- 
herstellung der  normalen  Beweglichkeit. 


3-44  Behandl.  v.  Gehirn-  u.  Riickenmarkskrankh.  m.  d.  farad.  S  trom.   Kap.  X IX. 

§  143.  Bei  denjenigen  Lähmungszustänclen  (meist  Hemiplegien), 
welche  durch  cerebrale  Affektionen  herbeigeführt  worden  sind,  kann 
der  Induktionsstrom  in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  den  eben  besproche- 
nen Leiden  zur  Belebung  und  Hebung  der  Ernährung  der  gelähmten, 
vom  Willen  oft  für  lange  Zeit  nicht  zu  beeinflussenden  Muskulatur  in 
Anwendung  gezogen  werden. 

In  wie  weit  die  Applikation  des  faradischen  Stromes  an  den  Kopf 
für  die  Behandlung  intracranieller,  auf  pathologisch-anatomisch  nach- 
weisbaren Veränderungen  der  Hirnsubstanz  beruhender  Läsionen  nutz- 
bringende Verwendung  findet,  ist  zur  Zeit  noch  nicht  genügend  fest- 
gestellt. Zwar  wissen  wir,  dass  auch  bei  Applikation  induzirter 
Ströme  an  den  Kopf  Stromschleifen  in  die  Tiefe  dringen  und  dass 
man,  speziell  nach  Löwenfeld's^''^  Versuchen,  die  Zirkulationsvor- 
gänge im  Innern  der  Schädelhöhle  durch  sie  zu  beeinflussen  im  Stande 
ist.  Immerhin  sind  wirkliche  therapeutische  Erfolge  mit  dieser  Methode 
nicht  sowohl  bei  den  auf  materiellen  Störungen  beruhenden,  sondern 
eher  bei  sogenannten  funktionellen  Leiden  des  Hirns  berichtet,  insofern 
Erschöpfungszustände,  Kopfschmerzen  und  Schlaflosigkeit  bei  blut- 
armen und  schwächlichen  Personen  durch  schwache  Induktionsströme 
(am  Schädel,  bezw.  die  ,, elektrische  Hand")  mit  Erfolg  behandelt 
werden  können.  Neben  einigen  direkten  Wirkungen  können  bei  der 
Benutzung  der  faradischen  Ströme  für  die  Behandlung  von  Hirnkrank- 
heiten diejenigen  Einwirkungen  benutzt  werden  (und  sind  bez-w.  mit 
Erfolg  von  Vulpian"%  Rumpf^^^  u.  A.  z.  B.  verwertet  worden), 
welche  durch  die  Reizung  sensibler  Nerven  einer  Körperhälfte  reflek- 
torisch auf  die  Gefässfüllung  der  kontralateralen  Hirnhälfte  ausgeübt 
werden,  also  die  Schaffung  von  Zuständen,  welche  man  für  die  Auf- 
saugung und  Fortschaffung  schädlicher  Produkte  für  vorteilhaft  zu  er- 
achten berechtigt  ist. 

•Ebenso  wenig  wie  auf  intracraniell  gelegene  Krankheitsherde  wirkt 
im  Allgemeinen  wenigstens  der  Induktionsstrom  direkt  auf  die  erkrank- 
ten Partien  des  Rückenmarks  ein.  Nach  Brenner  und  Löwen feld 
gelingt  es  zwar,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  auch  durch  indirekte, 
auf  die  unteren  Partien  der  Wirbelsäule  applizirte  Ströme  exzentrische 
Empfindungen  in  den  unteren  Extremitäten  hervorzurufen,  doch  wird 
von  dieser  Applikation  therapeutisch  kaum  ausgiebiger  Gebrauch  ge- 
macht. Indessen  bezweifeln  doch  manche  Autoren  und  unter  ihnen 
wieder  besonders  Löwenfeld^^^  nicht,  dass  bei  Faradisation  längs 
der  Wirbelsäule  das  Rückenmark  von  genügend  starken  Stromschleifen 
getroffen   werden    könne    und  dass  man  selbst  bei  den  nur  geringen 


§  143,  144.    DerfaradischeStromb.peripherischenNervenla-ankheiten.  345 

kataly tischen  Wirkungen  des  Induktionsstroms  dennoch  bei  manchen 
Rückenmarksaffektionen,  besonders  den  rein  funktionellen  Störungen, 
durch  eben  diese  Prozedur  günstige  Resultate  zu  erzielen  vermöge. 
Ausserdem  aber  treten  ja  auch  bei  Rückenmarksleiden  mannigfache 
Lähmungszustände  ein,  welche  die  gelähmten  Teile  mehr  oder  weniger 
dem  Willenseinflusse  entziehen.  Auch  hier  strebt  die  durch  die  Fara- 
disation  zu  erzielende  Gymnastik  der  Muskeln  der  durch  längere  Un- 
tätigkeit drohenden  Atrophie  entgegen,  ohne  dass  auf  den  erkrankten 
Teil  im  Rückenmark  direkt  ein  Einfluss  ausgeübt  würde.  Das  Gleiche 
gilt  schliesslich  für  die  durch  Affektionen  peripherischer  Nerven  herbei- 
geführten Lähmungen,  soweit  die  Erregbarkeit  der  unterhalb  der 
leidenden  Stelle  gelegenen  Nervenäste  und  der  dazu  gehörigen  Muskeln 
erhalten  oder  wenigstens  nur  in  geringem  Maasse  verloren  ist.  Auch 
hier  wirkt  der  faradische  Strom  nur  als  Hilfsmittel  zu  einer  besseren 
Ernährung  der  für  eine  Zeit  dem  Willenseinfluss  entzogenen  Gebiete. 
Denn  selbst  bei  den  sogenannten  leichten  Lähmungen  gelingt  es  anfangs 
auch  durch  sehr  starke  faradische  oberhalb  d.  h.  zentralwärts  von 
der  Läsionsstelle  applizirte  Ströme  nicht,  das  Leitungshinderniss  zu 
durchbrechen:  ist  dies  der  Fall,  so  kann  meist  immer  schon  die  Reha- 
bilitirung  der  aktiven  Beweglichkeit  nachgewiesen  werden.  Dann 
aber  (bei  schweren  peripherischen  Lähmungen  oft  erst  nach  Monaten) 
kann  man  durch  regelmässige  Faradisation  der  zentralwärts  von  der 
Läsionsstelle  gelegenen  Nervenstrecke  die  Heilung  unterstützen  und 
beschleunigen. 

§  144.  Die  oben  bei  der  Besprechung  der  sogenannten  Sympa- 
thikusgalvanisation erwähnten  Wirkungen  der  faradischen  Ströme  auf 
die  vasomotorischen  Nerven,  die  schon  hervorgehobene  Wirkung  des 
Induktionsstroras  auf  die  Gefässe  der  Haut  und  der  nächst  unterliegen- 
den Teile  lassen  übrigens  den  Gedanken  nicht  durchaus  von  der  Hand 
weisen,  dass  auch  sogenannte  katalytische  Wirkungen  durch  den 
induzirten  Strom  hervorgerufen  werden  können.  Eine  ausführlichere 
Erklärung  dieses  von  R.  Remak^^^  zuerst  gebrauchten  und  für  man- 
cherlei Wirkungen  des  galvanischen  Stromes  angewendeten  Ausdrucks 
wird  alsbald  folgen. 

Abgesehen  von  diesen  etwaigen  katalytischen  Wirkungen  des  fara- 
dischen Stromes  (deren  Wesen  offenbar  hauptsächlich  in  der  Einwir- 
kung auf  die  Lichtung  der  Blutgefässe  zu  suchen  ist)  bei  Lähmungen 
peripherischer  Nerven  und  Muskeln  sind  seine  wohltätigen  Einwirkun- 
gen nach  dieser  Richtung  von  verschiedenen  Autoren  für  die  Behand- 


34(i  D.  favad.  Strom  b.  GeleiiKalTeUionen  ;  Wirk.  b.  enizündl.  Kranl<li.  Kap.  XIX. 

lung  rheumatischer,  iraumatischer  und  gichtischer  Gelenkaff'ektionen 
mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  verwertet  worden:  in  diesen  Fällen,  wie 
in  solchen,  hei  denen  es  sich  um  Zcrteilung,  um  „Spaltung«  von  Drüsen- 
tumoren handelte,  wurden  durch  faradische  Ströme  Erfolge  von  glaub- 
würdigen Autoren  erzielt  und  beschrieben  (vgl.  später  im  speziellen 
Teil).  — 

Namentlich  Hess  es  sich  Weisflog^^^  angelegen  sein,  gegenüber 
der  gewöhnlichen  Anwendungsweise  des  faradischen  Stroms  für  Muskel- 
und  Nerven^erkrankungen  die  ausgezeichnete  Wirkung  desselben  aul 
traumatische  Entzündungen  zu  betonen.  Hier  soll  die  Faradi- 
sation  zugleich  antiphlogistisch  und  schmerzstillend  wirken,  sie  soll 
auch  eine  Resorption  der  Entzündungsprodukte  zu  Stande  bringen, 
sogar  wenn  diese  nicht  seröser,  sondern  seröspurulenter  und  hämorrha- 
gischer Natur  sind.  Das  erkrankte  Glied  wird  in  ein  Wasserbecken 
(Die  Temperatur  kann  zwischen  5" — 30  ^C.  schwanken)  eingetaucht, 
in  welchem  eine  Elektrode  liegt;  während  die  andere  irgendwo  auf 
einem  gesunden  Körperteil  aufruht.  Phagedänische  Geschwüre,  Brand- 
wunden, chronische  Gelenkaflfektionen,  akute  traumatische  Gelenkent- 
zündungen, Iritiden,  Pleuritiden,  Hornhautgeschwüre  wurden  mit  günsti- 
gem Erfolge  dieser  faradischen  Behandlung  unterworfen.  Bei  chro- 
nischem Gelenkrheumatismus  hatte  Weisflog  keine  Erfolge. 

Im  Anschluss  an  die  Auseinandersetzungen  der  antiparalytischen 
Wirkungen  des  Induktionsstroms  bei  Lähmungszuständen  des  Nerven- 
und  Muskelsystems  wären  hier  in  der  allgemeinen  Besprechung  auch 
die  Leistungen  resp.  die  Anwendungsweisen  zu  erwähnen,  die  in  Bezug 
auf  den  faradischen  Strom  bei  lähmungsartigen  Zuständen  der  mit 
organischen  Muskelfasern  ausgestatteten,  meist  innerhalb  der  Körper- 
höhlen gelegenen  Gebilde  zu  erwarten  resp.  auszuüben  sind. 

Bei  Erweiterung  des  Magens,  träger  Funktion  seiner  Muskulatur, 
bei  Atonie  der  Darmmuskeln  und  dadurch  bedingter  Kotausamm- 
lung  (Verstopfung,  Kotbrechen)  hat  man  perkutan  starke  faradische 
Ströme  zur  Anwendung  gezogen.  Zweifelhaft  ist  bis  jetzt,  ob  durch 
die  sich  lebhaft  und  energisch  kontrahirenden  Bauchmuskeln  hin- 
durch die  organische  Muskulatur  des  Magens  und  der  Därme  selbst 
zu  wirksamen  Leistungen  anzuregen  sei  oder  ob  nicht  vielmehr  der 
durch  die  kontrahirten  Bauchmuskeln  ausgeübte  starke  Druck  die  zu 
beobachtenden  Wirkungen  hervorgerufen.  Jedenfalls  kann  man  durch 
direkte  Faradisation  des  Magens  (siehe  oben  S.  338),  durch  Applikation 
einer  Elektrode  ins  Rektum,  der  anderen  auf  die  Bauchdecken,  direk- 
tere und  nach  Einigen  nachhaltigere  ■  und  vorteilhaftere  Wirkungen  er- 


§  ]44,  145.     Behandlung  v.  Anaesthesien  mittelst  d.  farad.  Pinsels.  347 

zeugen.  —  Hierher  gehören  die  im  Ganzen  noch  zweifelhaften  Erfolge 
(vgl.  später),  welche  bei  perkutaner  Faradisation  der  Gallenblase, 
der  Milz,  der  Nieren  erreicht  werden:  eine  Beförderung  der  Diurese 
bei  Ascites  durch  kräftige  Faradisation  der  Bauchmuskeln  ist  wohl 
zum  grossen  Teil  auf  die  direkte  Erregung  dieser  letzteren  zurückzu- 
führen. 

Neben  den  Eingeweiden  des  Bauches  sind  es  noch  die  tiefer  im 
Becken  gelegenen  Organe:  die  Harnblase,  der  Uterus,  die  der  direkten 
wie  indirekten  Faradisation  durch  die  Bauchdecken  hindurch  ausgesetzt 
werden  können:  in  dem  der  speziellen  Elektrotherapie  gewidmeten 
Abschnitt  wird  das  Notwendige  hierüber  angegeben  werden. 

§  145.  Schon  Eingangs  dieses  ganzen  Abschnitts  wurde  der  unge- 
meinen Brauchbarkeit  des  faradischen  Stromes  zu  einer  ener- 
gischen Einwirkung  auf  die  sensiblen  Nerven  der  Haut  mittelst 
des  sogenannten  faradischen  Pinsels  Erwähnung  getan.  Die  Erregung 
kann  durch  massiges  Andrücken  des  Pinsels  für  kürzere  oder  längere  Zeit 
an  beliebige  Hautstellen  (Geissei),  oder  dadurch,  dass  man  von  einer 
massigen  Entfernung  her  F'unken  überspringen  lässt  (Moxe),  natürlich 
auch  mit  der  beliebig  abzustufenden  Stärke  des  Stromes  selbst, 
schwach  oder  bis  zur  äussersten  Schmerzerregung  ausgeführt  werden. 
Peripherische  und  zentrale  Anästhesien  der  Haut  werden  auf  diese 
Weise  behandelt  nnd  durch  die  ungemein  intensive  Erregung  des  per- 
zipirenden  Zentralorgans  geheilt.  Dies  gelingt  nicht  nur  häufig  bei 
den  sogenannten  hysterischen  Anästhesien,  sondern  auch  bei  solchen, 
die  auf  eine  palpable  Hirnläsion  zurückzuführen  sind.  So  konnte 
Vulpian^^^  bei  einem  halbseitig  gelähmten  und  anästhetischen  Indi- 
viduum (bei  dem  eine  Zerstörung  des  hinteren  Teils  der  inneren 
Kapsel  zu  vermuten  war)  durch  energische  Reizung  des  unempfind- 
lichen Vorderarms  und  der  Hand  nach  einigen  Minuten  die  Empfind- 
lichkeit wenigstens  für  gröbere  Reize  zurückführen,  nicht  allein  an 
der  gereizten  Stelle,  sondern  überall  an  der  gelähmten  Körper- 
hälfte. Nach  sieben  Tagen  nahm  die  zurückgekehrte  Sensibilität 
wieder  ab,  um  nach  erneuter  Applikation  des  elektrischen  Reizes 
wiederzukommen.  Hochinteressant  war  nun  das  Faktum,  dass  bei  dem- 
selben Kranken,  der  aphasisch  war,  auch  das  Sprechen  artikulirter 
und  das  Wort-  und  Sachgedächtniss  präziser  geworden  war.  Aehn- 
liches  (in  Bezug  auf  die  Rückkehr  der  Sensibilität)  gelang  auch  bei 
Tabischen;  auch  eine  Verminderung  der  „Verspätung  der  Empfindungs- 
leitung'*   wurde    bei    letzteren  Kranken   beobachtet.      Nach  Vulpian 


348  Nutzen  d.  faradischen  Stroms  b.  asphyktischen  Zuständen.     Kap.  XIX. 

gelingt  die  Prozedur  nur  bei  Anästhesien  in  Folge  von  Erkrankung 
zentraler  Nervenprovinzen.  Die  teilweise  noch  als  leitungsfähig 
übrig  gebliebenen  Fasern  führen  den  starken  Reiz  zum  Zentrum  hin: 
hier  erregen  sie  die  durch  den  Krankheitsgrad  zwar  nicht  ganz  zer- 
störten aber  in  ihrer  Funktion  beeinträchtigten  Gebilde  und  reissen 
sie  gleichsam  durch  die  übermächtige  Erschütterung  aus  ihrer  tempo- 
rären Betäubung.  Ein  dem  Vulpian'schen  ähnlicher  Fall  ist  1876 
von  Grasset '''^  veröffentlicht  worden:  auch  ihm  gelang  es  nach  kurzer 
Faradisation  des  rechten  anfangs  unempfindlichen  Vorderarms  (es  han- 
delte sich  um  eine  rechtsseitige  Hemiplegie  und  Hemianästhesie  mit 
Beteiligung  der  Sinnesorgane  dieser  Seite)  die  Sensibilität  und  die 
Funktion  der  Sinne  zu  heben  und  nach  Wiederholungen  des  Verfahrens 
eine  dauernde  Besserung  herbeizuführen. 

Im  Anschluss  hieran  seien  die  mächtigen  Wirkungen  hervorgehoben, 
welche  die  mit  dem  faradischen  Pinsel  ausgeübte  Reizung  besonders 
empfindlicher  Hautstellen  (Brustwarzen,  Hals,  Gesicht  etc.)  in  Bezug 
auf  die  Wiederherstellung  normaler  Atmung  in  verschiedenen 
Zuständen  von  Asphyxie,  Scheintod  etc.  leisten  kann.  Bei  Asphyxia 
neonatorum,  bei  Gasvergiftungen,  bei  den  lethargischen  Zuständen 
Hysterischer  kann  hierbei  teils  reflektorisch  durch  die  Reizung  sensibler 
Hautnerven  oder  durch  direkte  Reizung  der  Nn.  phrenici  am  Halse 
die  stockende  oder  aufgehobene  Atmungstätigkeit  wieder  angeregt 
werden.  Bei  letzterer  Prozedur  setzt  man  die  Elektroden  am  Halse 
an  (an  beiden  Seiten  des  Halses,  am  äusseren  Rande  des  M.  sternocl. 
vor  dem  Scalen,  anticus;  von  aussen  nach  innen  kräftig  einzu- 
drücken). Nach  V.  Ziemssen  sind  ziemlich  kräftige  Ströme  (die 
Daumenballenmuskeln  sollen  sich  kräftig  kontrahiren)  und  nicht  zu 
kleine  Elektroden  anzuwenden:  es  ist  eine  Miterregung  anderer,  die 
Inspiration  fördernder  Muskeln  (cucuUaris,  scaleni,  pectorales,  serrati, 
rhomboidei)  nicht  nur  nicht  ängstlich  zu  vermeiden,  sondern  im  Gegen- 
teil eher  zu  erstreben.  Kopf,  Schulter,  Oberarme  seien  fixirt;  die 
Dauer  der  einzelnen  Reizung  betrage  1—2  Sekunden,  die  Exspiration 
werde  durch  den  kräftigen  Druck,  den  ein  Assistent  auf  die  Bauch- 
wand von  den  Seiten  her  und  von  unten  nach  oben  zu  ausübt,  unter- 
stützt. Nach  einer  gewissen  Zeit  pausire  man,  um  zu  sehen,  ob  die 
Atmung  von  jetzt  ab  sich  selbstständig  wiederherstellt;  es  ist  viel- 
leicht gut,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  oft  Stunden  verfliessen, 
ehe  man  dieselbe  so  weit  in  Gang  gebracht  hat,  dass  die  künst- 
liche Reizung  in  Wegfall  kommen  kann. 

Eine  in  neuester  Zeit  von  Emminghaus"-*  mitgeteilte  Beobach- 


§  145.  Elektrobioskopie.  349 

tung  beweist,  dass  bei  Kohlendimstasphyxie  eine  anfängliche  erfolg- 
lose faradische  Reizung  noch  nicht  berechtigt,  auf  ein  endgiltiges  Er- 
loschensein der  faradischen  Nervenerregbarkeit  zu  schliessen.  Man 
lasse  auch  bei  zuerst  erfolgloser  Reizung  mit  derselben  nicht  nach,  da 
sich  eben  mit  der  Reizung  die  rasch  sinkende  Erregbarkeit  der  Nerven 
wieder  hebt. 

Anhangsweise  sei  hier  noch  der  Untersuchungen  erwähnt,  welche, 
von  M.  Rosenthal '^^  und  Onimus^''^  angestellt,  uns  belehrt  haben, 
dass  man  in  dem  faradischen  (und  teilweise  auch  dem  galvanischen) 
Strom  ein  vielleicht  souveränes  Mittel  für  die  definitive  Konsta- 
tirung  des  eingetretenen  Todes  eines  Individuums  besitzt 
(Elektro bioskopie).  Innerhalb  5  —  6  Stunden  post  mortem  ver- 
lieren sämmtliche  quergestreifte  Muskeln  (nachdem  einige  Minuten 
nach  dem  Tode  eine  sehr  kurz  dauernde  Erhöhung  der  Muskel- 
erregbarkeit vorangegangen),  zuerst  die  der  Zunge  und  des  Gesichts 
(2 — 2'/2  Stunden  nach  dem  Tode),  dann  die  der  Extensoren  (und  des 
M.  masseter),  später  die  Beuger  der  Glieder  (an  den  oberen  sowohl 
wie  an  den  unteren  Extremitäten),  am  spätesten  die  Rumpfmuskeln 
ihre  Erregbarkeit  für  den  Induktionsstrom.  Wie  bei  schweren  peri- 
pherischen Lähmungen  erhält  man  auch  an  der  Leiche  mit  konstan- 
ten Strömen  von  gering^er  Stärke  noch  Zuckungen,  wo  die  faradische 
Erregbarkeit  erloschen  scheint.  Die  Muskelfaser  bleibt  während  der 
Stromesdaaer  kontrahirt.  Schliesslich  erhält  man  nur  bei  abgelöster 
Haut  und  direktem  Aufsatz  der  Elektroden  auf  die  Muskelsubstanz 
noch  Kontraktionen  (auf  die  Ansatzstellen  beschränkt  bleibend);  das- 
selbe bewirkt  eine  mechanische  Reizung  oft  noch  6 — 8  Stunden  p.  ra. 
Die  Erhebung  der  Muskelsubstanz  an  dem  gereizten  Punkte  kommt 
langsam  zu  Stande  und  bleibt  oft  5 — 10  Minuten  bestehen,  nachdem 
man  den  elektrischen  oder  mechanischen  Reiz  entfernt  hat.  Selbst 
bei  scheinbar  vollkommen  sistirter  Atmung,  bei  kaum  noch  wahr- 
nehmbaren Herztönen  gestattet  die  elektrische  Exploration  neben  der 
sicheren  Diagnose  eine  eventuelle  günstige  Prognose  zu  stellen,  um  so 
mehr,  als  die  Untersuchung  an  sich,  die  Reizung  vielfacher  sensibler 
Nerven  wohl  im  Stande  ist,  auch  direkt  therapeutich  fördernd  auf  die 
Wiederherstellung  des  Bewusstseins  und  der  so  wichtigen  regelmässigen 
Respiration  einzuwirken. 

Auch  das  Herz  selbst  hat  man  versucht,  direkt  elektrisch  zu 
reizen,  wenn  bei  der  Chloroformnarkose  z.  B.  plötzlicher  Stillstand 
desselben  eingetreten  war.  Nach  Steiner^^*^  sticht  man  eine  mit  dem 
positiven  Pol    verbundene   Nadel    in    die    Herzspitze    und    wählt    bei 


350  Anwend.  d.  farad.  Stroms  b.  Flerzlähmung.  b.  Psychosen.    Kap   XIX. 

normalen  Verhältnissen  die  Mitte  des  5.  Interl^ostalraumes,  etwa  5  Ctm. 
links  vom  Brustbeiniande.  Man  soll  senkrecht  etwa  3  Ctm.  tief  ein- 
stossen,  noch  tiefer  bei  beleibten  Individuen:  die  Einstichstelle  wechselt 
mit  etwaiger  pathologischer  Lageveränderung  des  Herzens.  Der  negative 
Pol  ruht  links  ati  der  Brustwand,  der  Strom  sei  schwach  und  werde 
nur  in  kurzen  Zeiträumen  angewendet.  Die  Versuche  über  diese  Methode, 
ihre  Wirksamkeit  resp.  Gefährliclikeit  beim  Menschen  sind  noch  nicM 
abgeschlossen;  zur  Zeit  gebührt  uns  wohl  eher  noch  eine  ge- 
wisse Zurückhaltung,  besonders  seitdem  Vulpian'^^  auf  die  Ge- 
fahren dieser  Applikationsweise  aufmerksam  gemaclit  hat.  (Vgl. 
übrigens  vorher  §  140.) 

Die  ungemein  intensive  Erregung,  welche  man  durch  die  mit 
dem  faradischen  Pinsel  ausgeführte  Reizung  auf  die  Hautnerven  aus- 
üben kann,  hat  einige  Aerzte  zu  der  Anwendung  dieses  mächtigen 
Erregungsmittels  bei  Zuständen  von  Stupor,  überhaupt  von  Depres- 
sionszuständen  der  Psyche  veranlasst.  Ob  es  sicli  hier  bei  den  meist 
tief  melancholischen  oder  wenigstens  in  sich  versunkenen  Patienten  unf 
die  direlcte  Erregung  sensibler  Centra  handelt,  oder  die  starke  sen- 
sible Reizung  einer  Körperhälfte  reflektorisch  die  GefässfüUung  in  der 
kontralateralen  Hirnhälfte  beeinflusst,  ist  zur  Zeit  mit  Sicherheit  nicht 
zu  entscheiden.     (Vgl.  später  im  therapeutist^hen  Teil.) 

§  146.  Was  die  Anwendung  des  faradischen  Stroms  zur 
Bekämpfung  schmerzhafter  Zustände  betrifft,  so  kann  er  zu- 
nächst bei  den  wirklichen  Neuralgien  in  der  Weise  in  Anwendung 
gezogen  werden,  dass  man  die  dem  schmerzenden  Gebiet  zugehörige 
Muskulatur  mit  nicht  zu  starken  Strömen  und  unter  Anwendung  der 
gewöhnlichen  feuchten  Elektroden  faradisirt.  Führt  diese  Behandlung 
nicht  zum  Ziele,  so  gelingt  es  oft  durch  den  starken  Reiz,  den  man 
mittelst  des  Pinsels  auf  die  über  dem  schmerzenden  Nerven  resp.  den 
auf  Druck  schmerzhaften  Punkten  liegenden  Hautpartien  ausübt,  gleich- 
sam derivatorisch  (nach  Art  eines  Epispastikums,  ohne  dessen  Nach- 
teile, da  die  Haut  intakt  bleibt)  wohltätig  zu  wirken  und  den  Schmerz 
zu  lindern.  Bei  vielen  neuralgischen  Zuständen  bleicher  anämischer, 
überhaupt  empfindlicher  Menschen,  wird  der  elektrische  Pinsel  (oder 
gar  die  elektrische  Moxe)  nicht  vertragen;  man  mildert  die  Appli- 
kation des  faradischen  Stromes  ungemein  dadurch,  dass  man  selbst 
eine  Elektrode  (feucht)  in  die  linke  Hand  nimmt  (die  andere  hält  der 
Kranke  in  der  seinigen)  und  nun  mit  den  befeuchteten  Fingern  der 
rechten  Hand  bei  massiger  Stromstärke  die  schmerzenden  Teile  sanft 


§  147.  Schmerzstillende  Wirk.  d.  farad.  Stroms.    D.  elektrische  Hand  etc.      351 

berührt  (die  elektrische  Hand).  Der  Experinientirende  empfindet 
unserer  Erfahrung  nach  den  Strom  oft  eher,  jedenfalls  ebenso  sehr  als 
der  Kranke:  der  diese  Methode  pflegende  Arzt  darf  daher  keine  Idio- 
synkrasie gegen  die  durch  elektrischen  Strom  hervorgerufenen  Sen- 
sationen haben.     (Vgl.  oben  S.  241.) 

Für  die  Behandlung  sogenannter  Gelenkneuralgien,  aber  auch  bei 
denjenigen  Schmerzen,  Avelche  im  Gefolge  des  akuten  Gelenkrheuma- 
tismus die  Schwellung  der  Gelenke  begleiten,  ist  die  Applikation  feuch- 
ter Elektroden  an  die  Gelenke  selbst  oder  die  Anwendung  des  Pinsels 
als  schmerzstillend  empfohlen  worden,  wie  weiterhin  noch  des  Genaueren 
ausgeführt  werden  soll. 

Zu  erwähnen  bliebe  endlich  noch  diejenige  Wirkung  starker  fara- 
discher Ströme,  welche  sich  nicht  in  einer  Belebung  erschlaff^ter  oder 
gelähmter  Muskelgebiete,  sondern  umgekehrt  in  einer  Erschlaffung, 
Ermüdung,  Lähmung  übermässig  oder  (besser)  krankhaft  inner- 
virter  Teile  äussern  soll.  So  will  R.  Remak'-  die  bei  Hemiple- 
gikern  so  oft  zu  beobachtenden  Kontrakturzustände  durch  starke  fara- 
dische Reizung  der  dem  kontraktarirten  Gebiet  zugehörigen  Nerven 
zur  Lösung  gebracht  haben;  so  erwähnen  Fromrahold'^^  und  Andere 
nach  ihm,  dass  es  durch  faradische  Reizung,  die  von  einer  geringen 
Intensität  zu  bedeutender  Höhe  allmählich  gesteigert  werden  soll  (an- 
schwellende Ströme)  gelungen  sei,  einzelne,  isolirt  in  bestimmten 
Muskelgebieten  herrschende  krampfhafte  Zustände,  besonders  Facialis- 
krämpfe,  erfolgreich  zu  behandeln. 

Schliesslich  sei  hier  noch  der  von  Board  und  RockwelP'^s  ein- 
geführten Methode  der  „allgemeinen  Elektrisation"  Erwähnung 
getan,  deren  Zweck  es  ist,  einen  jeden  Teil  des  Körpers  unter  den 
Einfluss  des  elektrischen  Stroms  zu  bringen,  soweit  dies  durch  äusser- 
liche  Applikationen  möglich  ist.  Dies  wird  am  besten  erreicht,  wenn 
man  einen  Pol  (gewöhnlich  den  negativen)  auf  die  Füsse  oder  den 
Steiss  anlegt,  während  der  andere  auf  die  ganze  Oberfläche  des  Kör- 
pers applizirt  wird.  Man  kann  sich  dazu  sowohl  des  faradischen,  wie 
des  galvanischen  Stroms  bedienen:  der  faradische  wird  vorzugsweise 
in  Anwendung  gezogen.  Die  Füsse  stehen  beide  auf  einer  mit  dem 
negativen  Pole  verbundenen  und  mit  angefeuchtetem  Flanell  über- 
zogenen Kupferplatte  und  diese  selbst  soll  auf  einer  Wärmequelle 
(Wärmestein)  ruhen.  Mit  dem  positiven  Pole  berührt  man  vom  Kopt 
ab  bis  zu  den  Unterextremitäten  hin  alle  Teile  des  Körpers,  die 
empfindlicheren  (Kopf,  Gesicht,  Sinnesorgane  etc.)  so,  dass  man  die 
eigne  Hand  als  Elektrode  benutzt.     Die  Dauer  der  einzelnen  Sitzung 


352  Allgemeine  Elektrisation  (Paradisation).  Kap.  XIX. 

kann  5  Minuten  bis  zu  einer  halben  Stunde  betragen;  die  Appli- 
kation kann  wöchentlich  2 — 4  Mal  wiederholt  werden.  Ausdauer  in 
der  Behandlung  ist  unbedingte  Notwendigkeit,  ßeard  und  Rock- 
well sahen  hierbei  bei  geschwächten,  nervösen  Personen  eine  allge- 
meine Hebung  der  körperlichen  und  geistigen  Leistungsfähigkeit: 
Schmerzen  lindern  sich,  Mattigkeit  und  Schwäche  werden  gehoben, 
der  Appetit,  überhaupt  die  Verdauung  gebessert,  das  Schlaf  bedürfniss 
vermehrt  etc.  Es  versteht  sich,  dass  je  nach  der  Empfindlichkeit  der 
zu  behandelnden  Körperregion  die  Stärke  der  Ströme  entsprechend 
abgestuft  werden  muss,  was  durch  Uebung  und  Erfahrung  allmählich 
gelernt  wird. 

Indem  wir  in  Bezug  auf  die  therapeutische  Verwertung  dieser 
Methode  auf  den  speziellen  Teil  verweisen,  erwähnen  wir  hier,-  dass 
es  neuerdings  besonders  deutsche  Aerzte  waren,  welche  sich  der  Prü- 
fung bezw.  des  Ausbaues  dieser  Methode  der  allgemeinen  Faradisation 
unterzogen  haben.  Vondiesen  (Benedikt*^%  Erb  ^^'^j  Mö  b  ius '^^  Enge  1- 
horn's^  Fischer '^5)  war  es  neuerdings  neben  Holst^'^^  und  Maien- 
fisch^'o  Stein '-'^,  der  zunächst  darauf  hinwies,  dass  es  bei  der  allge- 
meinen Faradisation  gleichgiltig  sei,  welchen  Pol  man  als  Fusspol  an- 
wendet. Während  er  sich  zuerst  streng  an  die  Vorschriften  der  amerika- 
nischen Autoren  hielt  (Faradisation  am  Halse,  rechts  und  links  von  der 
Nackenwirbelsäule  4  Minuten,  Faradisation  am  Rücken  3  Minuten,  der 
Brust-  und  Bauchmuskulatur  3  Minuten,  der  oberen  und  unteren  Extremi- 
täten, auf  jeder  Seite  l — 2  Minuten,  endlich  die  Applikation  der  elektri- 
schen Hand  auf  den  Kopf  1 — 2  Minuten  lang)  vereinfachte  er  weiterhin  das 
Verfahren  dahin,  dass  bei  stabiler  Applikation  einer  Elektrode  in  den 
Nacken  mit  der"  anderen  die  Rückenmuskulatur  erregt  wird,  sodann 
nach  gabelförmiger  Teilung  des  einen  Drahts  und  Befestigung  zweier 
kugelförmiger  Elektroden  an  diese  Teilung  diese  beiden  Elektroden 
dem  Kranken  in  die  Hand  gegeben  werden,  während  zur  Faradisirung 
der  unteren  Extremitäten  der  Leidende  seine  Füsse  auf  eine  mit  Fla- 
nell überzogene,  befeuchtete  Metallplatte  stellt.  Für  die  Faradisation 
des  Kopfes  wird  die  befeuchtete  Hand  benutzt.  Geschlossen  wird  von 
Stein  die  Sitzung  damit,  dass  er  nach  Applikation  beider  Pole  am 
Unterleib  den  Strom  quer  durch  diesen  gehen  lässt.  Die  Gesammt- 
dauer  der  Applikation  währt  15  Minuten.  Als  positive  Elektroden 
kann  man  sich,  abgesehen  von  der  eigenen  Hand  und  den  bekannten 
Knöpfen  und  Platten,  noch  der  (übrigens  schon  länger  bekannten)  von 
Stein  sogenannten  „elektrotherapeutischen  Massirrolle"  be- 
dienen.    Es   ist  hier   die   Elektrode   eine   aus   Kohle   oder   Metall  ge- 


§  146.  Elektrische  Massage  und  Gymnastik.  353 

bildete,  mit  angefeuchtetem  Flanell  oder  Waschleder  zu  überziehende 
Walze,  die  mit  dem  positiven  Leitungsdraht  verbunden  und  mit  einem 
isolirenden  Handgriff  versehen,  sehr  bequem  und  leicht  über  alle 
Körpertheile  gerollt  werden  kann.  Man  kann  hiermit  neben  der 
elektrischen  Beeinflussung  in  bequemer  Weise  eine  die  Kur  vieler 
Leiden  wirksam  unterstützende  und  meist  als  sehr  angenehm  empfun- 
dene Massage  der  Glieder  ausüben. 

Der  Vollständigkeit  wegen  erwähnen  wir  hier  endlich  noch  eines 
neuerdings  von  Stein  construirten  Tascheninduktionsapparates,  bei 
dem  in  den  mit  Griffen  versehenen  Elektroden  sowol  das  strom- 
gebende  Element  (in  der  einen),  als  auch  die  Induktionsrollen  (in  der 
zweiten)  eingeschlossen  sind.  Elektrische  Massage  und  Gymnastik 
sollen  sich  sehr  gut  mit  Hilfe  dieses  Apparates  ausführen  lassen. 
Uns  selbst  fehlen  eigne  Erfahrungen  über  die  Zweckmässigkeit  dieser 
Vorrichtung.  Die  Münchener  Prüfungs-Commission'*"^  auf  der  inter- 
nationalen Elektrizitäts- Ausstellung  (1882)  überzeugte  sich  an  den  als 
Elektroden  beigegebenen  Hanteln  des  Apparates  von  der  kräftigen 
Wirkung  und  der  Abstuf  barkeit  sowol  des  primären,  wie  des  secun- 
dären  Stroms;  trotz  der  grösstmöglichen  Compendiosität  des  Apparats 
wurde  die  von  ihm   gelieferte  Stromstärke  für  ausreichend  befunden. 


Rosen  thal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslehre.     III.  Aufl.  23 


Kapitel  XX. 

Von  der  therapeutischen  Verwertung  des  galvanischen 
(konstanten)  Stromes  im  Allgemeinen. 


§  147.  Seitdem  besonders  durch  R.  Remak's  Bemühungen  der 
konstante  oder  der  galvanische  Strom  zur  Behandlung  der 
meisten  Nervenleiden  in  die  Therapie  eingeführt  worden  ist,  haben 
die  anfänglich  übermässigen  Anpreisungen  und  die  späteren  ebenso 
ungerechtfertigten  Schmähungen  im  Laufe  der  Jahre  allmählich  einer 
ruhigeren  und  vorurteilsloseren  Betrachtung  über  dieses  Heilmittel 
Platz  gemacht,  Ueberflüssig  wäre  es,  an  dieser  Stelle  noch  einmal 
auf  die  oben  schon  genügend  auseinandergesetzte  Bedeutung  aufmerk- 
sam zu  machen,  welche  der  konstante  Strom  als  diagnostisches 
Hilfsmittel  zu  beanspruchen  hat.  In  Bezug  auf  therapeutische 
Wirkungen  ist  es  zunächst  unzweifelhaft,  dass  wir  mittelst  des  gal- 
vanischen Stroms  Nerven  und  Muskeln  erregen  können,  nach  Gesetzen, 
wie  sie  des  Weiteren  erläutert  worden  sind.  Schliessungen  und  Oeflf- 
nungen  des  Stroms,  vor  Allem  die  sogenannten  Volta'schen  Alter- 
nativen, regen  in  lebhafter  Weise  Nerven  und  Muskeln  zur  Tätigkeit 
an.  Diese  unmittelbaren  erregenden  und  gleich  wie  beim  faradischen 
Strom  durch  die  bewirkten  Kontraktionen  die  Ernährung  des  Gewebes 
fördernden  Wirkungen  mögen  vielleicht  in  solchen  Zuständen  als  be- 
sonders vorteilhaft  zu  betrachten  sein,  wo  Muskelgebiete  in  Folge 
schwerer  peripherischer  oder  centraler  Lähmungen  (vgl.  §  115  u.  120) 
für  lange  Zeit  dem  Willenseinflusse  entzogen  auch  den  stärksten  fara- 
dischen Reizen  nicht  antworten,  während  sie  durch  verhältnissmässig 
schwache  galvanische  Ströme  zur  Kontraktion  gebracht  werden  können. 

Ferner  ist  hier  noch  einmal  auf  die  Nachwirkungen  des  kon- 
stanten Stromes  hinzuweisen,  wie  sie  ebenfalls  schon  oben  (§  110) 
beschrieben  worden  sind;  hiernach  wird  durch  das  Durchflossenwerden 
von  einem  konstanten  Strom  (an  beiden  Polen)  die  Erregbarkeit  eines 
Nerven  auch  für  die  Zeit  nach  dem  Fliessen  des  Stromes  vermehrt. 


§  147.  Antiparalytische,  antineuralgische,  antispastische  "Wirk.  d.  konst.  Stroms.  355 

Ist  ein  Muskel  ermüdet,  seine  Erregbarkeit  vermindert,  so  kann 
man,  wie  Heidenhain  ^^^  zuerst  genauer  auseinandergesetzt  hat, 
durch  einen  konstanten  Strom  (besonders  wenn  seine  Richtung  eine 
aufsteigende  ist)  eine  nicht  unbedeutende  „erfrischende^'  Einwirkung 
auf  den  Muskel  ausüben.  Wie  bei  einem  längere  Zeit  von  einem 
galvanischen  Strom  durchflossenen  Nerven  reagirt  auch  der  von  einem 
galvanischen  Strom  in  dieser  Weise  durchflossene  Muskel  nur  auf  die 
Oeifnung  dieses  und   die  Schliessung  des   entgegengesetzt  gerichteten. 

Zu  diesen  der  Ermüdung  und  Erschöpfung  der  motorischen 
Nerven  und  der  Muskeln  entgegen  wirkenden  Einflüssen  des  kon- 
stanten Stromes,  also  den  direkt  antiparalytischen  Wirkungen, 
gesellen  sich  nun  noch  andere  für  die  Therapie  ungemein  wertvolle 
Leistungen  desselben,  die  er  in  Bezug  auf  die  Modifikation  ab- 
normer Verhältnisse  der  sensiblen  Nerven  entfalten  kann. 
Hier  ist  es  besonders  die  polare  Methode  (auf  ihre  Bedeutung  für 
die  Therapie  wird  alsbald  unten  ausführlicher  eingegangen  werden), 
welche  speziell  in  Anwendung  gezogen  wird.  Die  Anode,  der  positive 
Pol,  setzt  die  Erregbarkeit  einer  von  ihm  beeinflussten  Nervenstrecke 
herab  und  vermindert  ihre  Leitungsfähigkeit:  diese  Wirkung  wird  bei 
den  mannigfachen  schmerzhaften,  neuralgischen  Affektionen  direkt 
durch  das  Ansetzen  des  positiven  Pols  auf  die  schmerzende  Stelle,  auf 
den  Druck-  (schmerz-)  Punkt  zu  erzielen  versucht.  Wünscht  man  hier 
also  durch  die  Einwirkung  der  Anode  direkt  schmerzstillend  und 
beruhigend  zu  wirken,  so  wird  in  anderer,  mehr  indirekter  Weise  eine 
krampfstillende,  antispastische  Wirkung  dadurch  zu  erreichen  ge- 
sucht, dass  man  bei  lokalen  sowohl  wie  allgemeinen  Krampfzuständen 
sich  des  Vorhandenseins  etwaiger  Druckschmerzpunkte  zu  versichern 
sucht,  um  auf  diese  die  beruhigende  Anode  einwirken  zu  lassen. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man  bei  lokal  abgegrenzten,  im 
Bereich  ganz  bestimmter  Nerven  sich  abspielenden  Krarapfzuständen 
die  Anode  auch  direkt  auf  den  Nerv  oder  diejenigen  Teile,  welche 
man  als  die  Ausgangspunkte  der  pathologischen  Erregungen  ansehen 
zu  müssen  glaubt,  appliziren  kann. 

Im  Gegensatz  zu  den  beruhigenden  Einwirkungen  der  Anode  kann 
die  Kathode,  besonders  in  Gestalt  des  elektrischen  Pinsels,  als  ein 
sehr  energisches  Erregungsmittel  der  sensiblen  Nerven  in  Fällen 
von  Anästhesien  peripherischer  und  zentraler  Natur  in  Anwendung 
gezogen  werden:  desgleichen  spielen  Anode  wie  Kathode,  je  nachdem 
es  sich  um  Beseitigung  abnormer  Reizzustände  oder  um  Hervorrufung 
von  Erregung  in  krankhaft  erschöpften  Organen  handelt,  ganz  beson- 

23* 


356  Katalytische  Wirkungen  des  konstanten  Stromes.  Kap.  XX. 

ders  bei  den  verschiedenen  Leiden  der  Sinnesorgane  (speziell  denen 
des  Gesichts  und  des  Gehörs)  eine,  wie  im  speziellen  Teil  noch  weiter 
ausgeführt  werden  wird,  hoch  bedeutende  Rolle. 

§  148.  Wie  schon  oben  kurz  erwähnt,  nehmen  in  den  theore- 
tischen Anschauungen  der  Autoren  über  die  Wirksamkeit  des  konstan- 
ten Stroms  die  von  R.  Remak  zuerst  mit  besonderer  Betonung  her- 
vorgehobenen sogenannten  kataly tischen  Wirkungen  desselben 
einen  hervorragenden  Platz  ein.  Mit  dem  angeführten  Namen  wird 
dem  galvanischen  Strom  eine  Summe  teils  rein  physikalischer,  teils 
physiologischer  Wirkungen  zuerteilt.  Zunächst  sind  es  die  elektro- 
lytischen d.  h.  Gewebsbestandteile  zersetzenden  Eigenschaften  des 
konstanten  Stroms,  die  hier  in  Betracht  kommen.  Sind  die  Gewebe 
als  mit  Salzlösungen  durchtränkte  Hohlräume  aufzufassen,  so  liegt  es 
dem  Verständniss  nicht  fern,  sich  die  Zersetzung  dieser  Salzlösungen 
in  dem  Sinne  vorzustellen,  dass  an  der  Kathode  die  elektropositiven, 
an  der  Anode  die  elektronegativen  Bestandteile  zur  Ausscheidung 
kommen.  Dass  solche  Zerlegungen  bei  der  Galvanopunktur  wirklich 
zu  Stande  kommen,  davon  kann  man  sich  durch  die  unmittelbare  Ein- 
führung von  nadeiförmigen  Elektroden  in  das  Innere  von  Geweben 
oder  in  das  Blut  sofort  überzeugen.  Auch  haben  wir  oben  (S.  321) 
schon  gezeigt,  wie  auch  bei  perkutaner  Anwendung  gewöhnlicher  feuch- 
ter (keiner  unpolarisirbaren)  Elektroden  die  Haut  je  nach  den  Polen 
in  verschiedener  Weise  durch  die  ausgeschiedenen  sauren  oder  alka- 
lischen Bestandteile  des  Blutserums  verändert  resp.  angeätzt  wird. 
Eine  andere  und  durch  exakte  Versuche  noch  nicht  entschiedene  Frage 
ist  freilich  die,  ob  auch  in  der  Tiefe  der  Gewebe  bei  perkutaner  An- 
wendung derartige  elektrolytische  Wirkungen  zu  Stande  kommen,  denn 
nur  von  solchen  kann  und  darf  ja  bei  der  Applikation  des  galvanischen 
Stroms,  wenn  eben  keine  chirurgischen  Einwirkungen  erzielt  werden 
sollen,  die  Rede  sein. 

Eine  zweite,  rein  physikalische  Wirkung  des  Stroms  besteht  in 
seiner  fortführenden,  kataphorischen  Wirkung,  die  er  entfaltet, 
wenn  er  durch  in  kapillaren  Räumen  enthaltene  Elektrolyte  strömt. 
Die  Flüssigkeit  wird  dann  in  der  Richtung  des  Stromes  von  dem  posi- 
tiven nach  dem  negativen  Pol  hin  bewegt.  Diese  Wirkungen  können 
therapeutisch  von  nicht  geringer  Wi-chtigkeit  werden;  wenn  sich,  so 
wurde  von  einem  von  uns  ^^^  schon  vor  Jahren  ausgeführt,  z.  B.  Hemi- 
plegien unter  der  Durchleitung  eines  konstanten  Stroms  durch  den 
Schädel  besserten,  wie  nach  dem,  was  wir  später  sehen  werden,  von 


§  148,  149.        Kataphorische  Wirkungen  des  konstanten  Stromes.  357 

nicht  wenigen  Autoren  angegeben  wird,  so  könnte  man  vielleicht  auch  an 
jene  Fähigkeit  des  Stromes  denken,  durch  Verringerung  des  um  den 
Hirnherd  liegenden  und  die  noch  gesunden  Gewebe  belastenden  serösen 
Oedems  eine  schnellere  Restitution  der  wieder  frei  gewordenen  und  aufs 
Neue  in  Tätigkeit  tretenden  Nervensubstanz  zu  schaffen.  Unsere 
Versuche,  eine  derartige  Wirkung  durch  eine  quantitative  Bestimmung 
des  Wassergehalts  der  Hemisphären  nach  querer  Durchleitung  eines 
galvanischen  Stromes  durch  den  Schädel  von  Leichen  nachzuweisen, 
fielen  indessen  negativ  aus.  Ebenso  unsicher  wie  auf  diesem  Gebiete 
und  noch  mehr  einander  widersprechend  sind  die  Versuchsergebnisse 
derjenigen  Autoren,  welche  unter  Benutzung  dieser  „kataphorischen 
Wirkungen"  des  konstanten  Stroms  es  versucht  haben,  Medikamente 
in  den  Organismus  einzuführen,  die  in  der  Tiefe  lokal  auf  er- 
krankte Organe  einwirken  sollten.  —  Beer^^^^  und  Wilhelm^^°  wollen 
durch  die  Verbindung  eines  eigens  dazu  hergerichteten  negativen  Pols 
mit  einer  Jodkaliumlösung  bei  Ansatz  der  positiven  Elektrode  an  einer 
der  negativen  Elektrode  gegenüberliegenden  Stelle  Jod  durch  die  Ge- 
webe nach  dem  positiven  Pole  hin  fortgeleitet  und  so  Strumen,  Drüsen- 
schwellungen, Gelenkaffektionen  direkt  beeinflusst  und  gebessert  haben. 
Dagegen  dringt  nun  nach  Brückner's^^^  Versuchen  das  Jod  nie  tiefer 
in  die  Gewebe  vor,  als  bis  in  die  Cutis  hinein  —  im  Urin  Jod  nach- 
zuweisen, sei  noch  nie  gelungen.  —  Spillmann ^^^  schliesst  sich  wieder 
mehr  den  erstgenannten  Autoren  an,  ebenso  v.  Bruns^^%  welcher 
nach  seinen  Untersuchungen  die  Möglichkeit  hinstellt,  durch  den  kon- 
stanten Strom  Jodkalium  in  die  Tiefe  sowohl  todter  als  lebender 
tierischer  Gewebe  hinein  und  durch  sie  hindurch  zu  treiben. 

Eine  gewichtige  Autorität,  H.  Munk'^-*,  spricht  sich  entschieden 
dafür  aus,  dass  es  gelänge,  differente  Substanzen  auf  diesem  Wege 
durch  die  unversehrte  Haut  einzuführen,  wie  er  es  mit  Chinin  an  sich 
selbst,  mit  Strychnin  an  Kaninchen  nachgewiesen  hat.  Da  aber  die 
Geschwindigkeit  der  Flüssigkeitsfortschaffung  regelmässig  mit  der  Zeit 
abnimmt,  rät  er,  die  differente  Substanz  nicht  wie  bisher  meist  ge- 
schehen, als  Anode  einzufügen  und  die  Stromrichtung  konstant  zu  er- 
halten, sondern  im  Gegenteil  die  Substanz  an  beiden  Elektroden  anzu- 
bringen und  die  Stromrichtung  von  Zeit  zu  Zeit  zu  wechseln. 

§  149.  Die  dritte  physiologische  Wirkung  des  konstanten 
Stroms  ist  zum  Teil  schon  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  be- 
sprochen worden:  es  sind  die  Wirkungen  auf  die  Lichtung  der 
Gefässe,  welche  entweder  durch  die  direkte  Einwirkung  des  Stroms 


358  Katalytische  Wirkungen  des  konstanten  Stromes.  Kap.  XX. 

auf  die  kontraktilen  Elemente  der  Gefässe,  oder  auf  die  vasomotorischen 
Nerven  zu  Stande  kommen.  Es  ist  dieses  Verhalten  in  Bezug  auf  die 
etwaige  verschiedene  Polwirkung,  auf  die  Unterschiede  der  Erfolge  der 
Reizung  unmittelbar  bei  der  Applikation  der  Elektroden  und  einige 
Zeit  später,  endlich  auch  auf  die  einzelnen  Organe  oben  bereits  näher 
auseinandergesetzt  (vgl.  S.  320  die  Wirkungen  des  Stromes  auf  die 
Haut  etc.).  In  Bezug  auf  die  indirekten  katalytischen  Wir- 
kungen des  Stromes  vermittelst  der  Erregungen  vasomotorischer 
Nerven  sind  ebenfalls  oben  schon  (S.  3£6)  bei  Besprechung  der 
sogenannten  Sympathikusgalvanisation  und  der  Stromeinwirkung  auf 
die  peripherischen  Nerven,  welche  ja  bekanntlich  vasokonstrilitorische 
und  vasodilatatorische  Fasern  enthalten,  die  notwendigen  Auseinander- 
setzungen gegeben. 

Allen  diesen  Wirkungen  zusammen,  physikalischen  wie  physiolo- 
gischen, werden  nun  die  in  der  Tat  oft  wunderbaren  Erfolge  zuge- 
schrieben, welche  mittelst  des  konstanten  Stromes  in  nicht  wenigen 
Fällen  erzielt  werden  können.  Da  der  Strom,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  in  die  Tiefe  dringt  und  seine  wirksamen  Stromschleifen  durch 
selbst  knöcherne  Umhüllungen  in  das  Innere  der  nervösen  Zentral- 
organe hineinschickt,  so  versteht  es  sich,  dass  er  weit  mehr  als  der 
faradische  Strom  auf  die  erkrankten  Teile  selbst  einwirkt  und  hier 
umändernd,  umstimmend,  bessernd  und  regulirend  einzuwirken  ver- 
mag. In  welcher  Weise  diese  Wirkungen  in  jedem  einzelnen 
Falle  zustande  kommen,  das  zu  erklären,  reichen  die,  wie 
wir  gesehen  haben,  im  Ganzen  doch  noch  recht  spärlichen 
exakten  Untersuchungen  durchaus  noch  nicht  aus.  Ja  es  ist 
auch  nicht  zu  vergessen,  dass  in  nicht  wenigen  Fällen  der 
gewünschte  und  in  scheinbar  ähnlichen  Affektionen  wirk- 
lich erzielte  Erfolg  ausbleibt,  ohne  dass  selbst  der  gründ- 
lichsten Untersuchung  die  Aufklärung  der  sich  wider- 
sprechenden Behandlungsergebnisse  jedesmal  klar  würden. 
—  Wir  sind  bis  heute  immer  noch  genötigt,  unser  Handeln 
in  den  meisten  Fällen  nach  den  vorliegenden  empirisch 
gewonnenen  Tatsachen,  soweit  sie  durch  glaubwürdige 
Autoren  vertreten  werden,  einzurichten,  da  wir  in  den 
einzelnen  Fällen  die  rationelle  Begründung  unseres  Tuns 
nicht  immer  darzulegen  vermögen. 

§  150.  Was  nun  zunächst  die  antiparalytischen  Wirkungen 
des  konstanten  Stromes  betrifft,  so  verweisen  wir  in  Bezug  auf  seine 


§  150.  Therapeutische  Verwertung  der  katalytischen  Wirkungen.  359 

direkt  erregenden  Wirkungen  auf  Nerv  und  Muskel  auf  das  oben  be- 
reits Ausgeführte.  Wie  mit  dem  faradischen  Strom  könnte  man 
auch  mit  dem  zentralvvärts  von  der  Läsionsstelle  angebrachten 
konstanten  Strom,  besonders  durch  die  Kathode  (den  negativen  Pol) 
bei  peripherischen  Lähmungen  das  Hinderniss  für  die  freie  Durch- 
leituiig  des  Willensreizes  durch  die  starke  von  zentralwärts  her- 
kommende Erregung  (namentlich  durch  den  Schluss  eines  starken 
galvanischen  Stroms,  oder  durch  Volta'sche  Alternativen)  zu  durch- 
brechen versuchen.  Erfahrungsgemäss  gelingt  dies  aber  selbst  bei 
sogenannten  leichten  Lähmungen  peripherischer  Nerven  nie,  ebenso- 
wenig natürlich  bei  den  Mittelformen  oder  gar  den  schwereren.  Aber 
auch  die  direkte  Applikation  des  Stromes  auf  die  Läsionsstelle,  wobei 
eben  die  vor  Kurzem  besprochenen  katalytischen  Wirkungen  zur  AVir- 
kung  kommen  könnten,  haben  leider  auf  den  Ablauf  des  §  115  ge- 
schilderten Vorgänge  bei  schweren  Nervenverletzungen  (Durchschnei- 
dungen,  groben  Quetschungen  etc.)  keinen  Einfluss.  Die  Erschei- 
nungen am  Nerven  und  Muskel  verlaufen  mit  oder  ohne  galvanische 
Behandlung  mit  unerbittlicher  Gesetzmässigkeit.  So  interessant  also 
auch  die  Erforschung  der  einzelnen  Stadien  der  Lähmung  und  beson- 
ders der  Vorgänge  bei  direkter  galvanischer  Muskelreizung  für  die 
Diagnostik  sein  mag,  so  kann  ihnen  doch  ein  therapeutischer  Einfluss 
nur  in  ganz  beschränktem,  in  dem  oben  S.  354  ausgesprochenen  Sinne 
zugemessen  werden.  Höchstens  könnte  man  bei  allmählich  durch  die 
Läsionsnarbe  hindurch  sich  wiederherstellender  Verbindung  der  neuen 
regenerirten  Fasern  im  peripherischen  Stück  mit  den  im  Ganzen  un- 
versehrt gebliebenen  zentralen  einen  durch  die  Itatalytischen  Vorgänge 
die  Regeneration  befördernden  Einfluss  zugeben.  Anders  gestalten 
sich,  wie  die  Erfahrung  gezeigt  hat,  die  Verhältnisse,  wo  es  sich  um 
sogenannte  leichte  Lähmungen  handelt.  Hier  entfaltet  der  kon- 
stante Strom  in  nicht  wenigen  Fällen,  wenn  er  direkt  auf  die  Lä- 
sionsstelle applicirt  wird,  offenbar  eine  direkt  heilende  und  das  für 
den  Willen  störende  Leitungshinderniss  fortschaffende  Einwirkung. 

Diese  zerteilende,  katalytische  Wirkung  kommt  nun  auch  bei 
denjenigen  Lähmungen  zur  Geltung,  welche  von  Läsionen  nervöser 
Zentralorgane  abhängig,  vorwiegend  als  Hemiplegien  und  Paraparesen 
oder  Paraplegien  zur  Beobachtung  kommen.  Mehr  wie  fraglich  dürfte 
es  sein,  die  physiologisch  am  Menschen  und  experimentell  am  Tier  zu 
beobachtenden  Wirkungen  des  konstanten  Stromes  auf  Gehirn  und 
Rückenmark,  die  oben  Kap.  XVIII  genauer  beschrieben  sind,  als  für  die 
Behandlung  pathologischer  Zustände  von  Bedeutung  anzusehen;   im 


360  Der  konstante  Strom  b.  Gehirn- u.Rücl(eDmarl(sl(rankheiten.     Kap.  XX. 

Gegenteil  scheint  es  geboten,  diese  Erscheinungen  als  meist  sehr  un- 
liebsame Nebenerfolge  sogenannter  zentraler  Behandlung  durch  vor- 
sichtige Wahl  der  Stromstärke  und  zweckentsprechende  Vorrichtungen 
beim  Beginn  und  Schluss  therapeutischer  Massnahmen  eher  zu  ver- 
meiden. In  welcher  Weise  hierbei  die  katalytischen  Wirkungen  des 
Stromes  in  Wirksamkeit  treten,  ob  die  elektrolytischen  oder  die  ka- 
taphorischen  Eigenschaften  dabei  überhaupt  eine  Rolle  spielen,  oder 
ob  die  direkten  oder  indirekten  Wirkungen  auf  die  Blutgefässe  hierbei 
das  Wesentliche  sind,  ist  exakt  in  kfeiner  Weise  bisher  nachgewiesen; 
das  Bestreben,  die  beobachteten  Erscheinungen  zu  erklären,  hat  nicht 
wenige  Therapeuten  verführt,  Hypothetisches  für  sicher  Erwiesenes 
auszugeben.  Wir  kommen  bei  der  Besprechung  der  speciellen  Thera- 
pie der  Hirnkrankheiten  auf  diese  Fragen  noch  einmal  zurück. 

Was  die  Galvanisation  des  Rückenmarks  behufs  Erzielung  thera- 
peutischer Resultate  betrifft,  so  werden  hier  zunächst  wieder  alle  jene 
Ideen  über  die  katalytischen  Wirkungen  des  Stromes  auf  krankhaft 
veränderte  Teile  zur  Erklärung  der  in  der  Tat  häufig  zu  beobachten- 
den Erfolge  reproduzirt.  Tatsächlich  steht  fest,  oder  wird  vielmehr 
auf  Grund  experimenteller  Ergebnisse  von  einzelnen  Autoren  behauptet, 
dass  sogenannte  absteigende  Rückenmarksströme  die  Erregbarkeit  des 
Rückenmarks  herabsetzen,  aufsteigende  sie  umgekehrt  erhöhen  ^^^.  In 
demselben  Grade  soll  auch  die  Reflexerregbarkeit  vermindert  oder  ge- 
steigert werden,  wie  z.  B.  Onimus'^'^  und  Uspensky'^'  bei  Fröschen 
und  Meerschweinchen  beobachtet  haben.  Andere  wieder,  so  z.  B. 
Ranke  *^'',  fanden,  dass  unabhängig  von  der  Stromrichtung  der 
Stychnintetanus  der  Frösche  durch  Galvanisirung  des  Rückenmarks 
vermindert  wird.  Dazu  kommt,  dass  neuere  Untersuchungen  von 
Löwenfeld,  wie  schon  oben  S.  331  auseinandergesetzt  ist,  ergeben 
haben,  wie  man  durch  Applikation  der  Pole  an  den  Cervikalteil  des 
Rückenmarkes  einen  Einfluss  auf  die  im  verlängerten  und  obersten 
Halsmark  gelegenen  vasomotorischen  Zentren  und  damit  auf  die  Ge- 
sammtblutverteilung  im  Rückenmark  auszuüben  vermag. 

Auf  die  katalytischen  Wirkungen  endlich  werden  alle  jene  Er- 
folge bezogen,  deren  sich  in  nicht  wenigen  Fällen  der  konstante  Strom 
bei  der  Behandlung  von  Drüsentumoren,  Strumen,  sogenannten  rheu- 
matischen Erkrankungen  von  Muskeln  und  Gelenken,  von  traumatischen 
und  arthritischen  Gelenkentzündungen  zu  erfreuen  hat.  Neben  der 
schmerzstillenden  Wirkung  des  positiven  Poles  sind  es  ferner  bei  den 
auf  Neuritis  zurückzuführenden  neuralgischen  Zuständen  in  einzelnen 
Nervengebieten  wieder  jene  katalytischen  Wirkungen,  die  etwaige  ent- 


§  150,  151.  Galvanisationsmethoden.  361 

zündliche  A^eränderiingen  in  den  Nervenscheiden  oder  der  Umgebung 
des  Nerven  (Knochenkanälchen  etc.)  zum  Schwinden  bringen  und  da- 
durch die  normale  ungestörte  Funktion  des  Nerven  wiederherstellen 
sollen.  Die  grosse  Menge  der  sogenannten  funktionellen  Nervenkrank- 
heiten und  Neurosen  (Beschäftigungskrämpfe,  Krämpfe  in  einzelnen 
zircumskripten  Nervengebieten,  ferner  epileptische,  hysterische,  chorea- 
tische  Zustände  und  viele  andere  mehr)  kann  häufig  durch  die  „um- 
stimmenden" Wirkungen,  die  wir  mittelst  des  galvanischen  Stromes, 
speziell  durch  die  Applikation  der  Anode,  auf  etwaige  Druck-  und 
Schmerzpunkte  ausüben,  zu  überraschend  schneller  Besserung  und  Hei- 
lung gebracht  werden. 

Anmerkung.  Nur  der  Vollständigkeit  wegen  erwähnen  wir  hier  der  von 
Schwenda'^^  mittelst  des  galvanischen  Stroms  bei  Rachendiphtheritis  erzielten 
Heilungsresultate.  In  zwei  Fällen  soll  unmittelbar  nach  der  Sitzung  (beide  Elek- 
troden an  der  Zungenbeingegend,  6  —  7  Leclanche'sche  Elemente,  allmähliches 
Abschwellenlassen  des  Stromes,  Schluss  mit  10  Stromwendungen)  die  vorher  klang- 
lose Stimme  heller,  reiner,  das  Schlingen  leichter  geworden  und  nach  einigen  Tagen 
die  Geschwüre  ohne  jede  andere  Medikation  bei  einer  Patientin  g,eheilt  sein  (vege- 
tationshemmende  Wirkung  des  Stroms?).  Hierher  gehört  wohl  auch  die  Beob- 
achtung Syciankos '^^,  der  in  wenigen  Sitzungen  mittelst  des  konstanten  Stroms 
Gingivitis  geheilt  haben  will  (eine  silberne,  mit  dem  positiven  Pol  verbundene 
Platte  am  kranken  Zahnfleisch,  der  negative  Pol  an  der  entsprechenden  Halsseite; 
Stromesdauer  von  2  —  3  Minuten,  einige  Wendungen). 

§  151.  So  relativ  einfach  und  übereinstimmend  wie  die  An- 
schauungen der  Autoren  über  die  beste  Methode  der  Anwendung  fara- 
discher Ströme  am  lebenden  Menschen  sind,  so  verschieden  waren  und 
sind  zum  Teil  noch  die  Meinungen  über  die  Methode  der  Galvani- 
sation, die  für  den  Elektrotherapeuten  die  Norm  bilden  soll.  Das 
experimentell  am  Tiernerven  darzustellende  Zuckungsgesetz  wurde 
unter  der  Anwendung  entweder  auf-  oder  absteigender  Ströme  zuerst 
auch  für  die  therapeutischen  Massnahmen  verwertet.  Aber  schon 
die  von  den  Physiologen  (Pflüg er)  gegebene  Deutung  der  je  nach 
der  Stärke  der  Ströme  und  ihrer  Richtung  beim  Schluss  und  bei  der 
Oeffnung  der  Kette  auftretenden  "Wirkung  liess  klar  durchblicken  (vgl. 
oben  S.  266),  dass  das  Hauptgewicht  auf  die  eigentümlichen,  an  den 
einzelnen  Polen  auftretenden  Veränderungen  im  molekularen 
Verhalten  der  Nerven  gelegt  würde,  unabhängig  von  jeder  Richtung 
des  Stromes.  Wenn  es  daher  nur  natürlich  war,  dass  anfänglich  die 
Elektrotherapeuten  die  im  Laboratorium  gebräuchlichen  Galvanisations- 
methoden auch  für  den  lebenden,  erkrankten  Menschen  in  Anwendung 
zogen,   so   finden  sich  in  der  Literatur  doch  schon  früh  ganz  klare 


362  ■    Die  polare  Methode.  Kap.  XX. 

Auslassungen  über  die  Nützlichkeit  und  Anwendbarkeit  der  heute  so- 
genannten polaren  Methode.  Schon  im  Jahre  1859  betonte 
Baierlacher^^^  die  Unabhängigkeit  der  durch  galvanische  Ströme 
am  Nerven  erzielten  Reizerfolge  von  der  Stromesrichtung.  Die  von 
ihm  in  Anwendung  gezogene  „unipolare  Reizung«  (B.  experimen- 
tirte  am  N.  peroneus)  gab  ihm  Gelegenheit,  die  Wirkung  des  einzelnen 
Pols  für  sich  auf  den  Nerven  zu  beobachten.  Bei  Reizung  des  Nerven 
mit  dem  positiven  Pol  waren  die  Schliessungszuckungen  schwach  oder 
sie  fehlten  ganz,  während  die  Kontraktionen  bei  der  Oeffnung  des 
Stromes  stark  ausgeprägt  waren,  und  umgekehrt  waren  bei  Reizung 
mit  dem  negativen  Pol  die  Schliessungszuckungen  sehr  kräftig  und  die 
Oeffnungszuckungen  sehr  schwach  oder  fehlend.  Zu  ähnlichen  Resul- 
taten war  in  Frankreich  Chauveau*°°  (1859)  gelangt,  während  in 
Deutschland  erst  sehr  viel  später  der  ältere  Remak  sich  diesen  seinen 
Vorgängern  anschloss. 

In  seinen  1865  zu  Paris  veröffentlichten  „Legons  faites  ä  l'hopital 
de  la  charite  sur  l'application  de  courant  constant  en  traitement  des 
nevroses"  fand  er  die  Reizung  mit  dem  positiven  Pol  identisch  mit  der 
Reizung  eines  absteigenden,  die  mit  dem  negativen  Pol  identisch  mit 
der  Reizung  eines  aufsteigenden  Stromes.  Remak*)  hat  diesen  später 
von  Brenner  mit  so  grossem  Glück  wieder  aufgenommenen  und  durch 
eine  Reihe  schwieriger  und  exakter  Versuche  fast  zur  Vollendung  ge- 
brachten Gedankengang  nicht  mit  dem  Interesse  weiter  verfolgt,  wie 
er  ihn  wohl  verdient  hat:  Brenner  gebührt  offenbar,  wie  oben  S.  267 
schon  genügend  hervorgehoben  ist,  das  Verdienst,  die  polare  Methode 
ausgebildet  und  sie  als  ein  kostbares  Mittel  für  die  Untersuchung  nicht 
allein,  sondern  auch  für  die  therapeutische  Verwerfung  der  ärztlichen 
Welt  übergeben  zu  haben. 

Wie  wir  gesehen  haben  (S.  267),  ist  es  wohl  möglich,  auch  am 
lebenden  Menschen  bei  der  üblichen  Applikation  der  Elektroden  Strom- 
schleifen in  beliebiger  Richtung  durch  die  in  der  Tiefe  liegenden  Organe 
Nerven,  Hirn,  Rückenmark  zu  senden.  Ebendort  aber  wurde  auch 
der  Vorteil  der  sogenannten  polaren  Methode  zunächst  für  die  Elektro- 
diagnostik  genügend  hervorgehoben.  Zwar  ist  es  wahr,  wie  zuerst 
durch  Filehne^'  experimentell  genau  nachgewiesen  wurde,  dass  bei 
der  Applikation  nur  eines  Poles  an  den  Nerven  die  Verhältnisse  sich 


*)  Zur  Zeit  der  Veröffentlichung  von  Bernhardt's*"  „historischer  Notiz" 
(1875)  war  es  diesem  Autor  nicht  bekannt,  dass  schon  im  Jahre  1871  Neftel  in 
New-York  in  seinem  Buche  Galvano -Therapeutics  auf  Seite  23  und  24  dieselbe 
Eemak'sche  Bemerkung  der  Vergessenheit  zu  entziehen  versucht  hat. 


§  151.  Die  polare  Methode.  363 

so  gestalten,  dass  man  peripherie-  und  zentralwärts  den  anderen  Pol 
sich  applizirt  denken  kann,  so  dass  dabei  der  Nerv  von  zwei,  aber 
entgegengesetzt  gerichteten  Strömen  durchflössen  wird,  und  dass  bei 
Applikation  beider  Elektroden  an  den  Nerven  derselbe,  wie  Hitzig ^^ 
besonders  betont,  von  vier  oder  sogar  von  fünf  in  entgegengesetzter 
Richtung  verlaufenden  Strömen  durchsetzt  wird.  Ebenso  ist  es  nicht 
zu  leugnen,  wie  Helmholtz^%  Erb^"^,  Hitzig^^,  de  Watteville^^ 
gezeigt  haben,  dass  bei  der  Einbettung  eines  dem  unversehrten  Tier- 
körper angehörigen  Nerven  in  mehr  oder  weniger  gut  leitendes  Gewebe 
der  Strom  bei  der  Applikation  des  positiven  Pols  z.  B.  eine  bestimmte 
Partie  des  Nerven  zwar  in  relativ  bedeutender  Dichte  trifft,  aber  auch 
alsbald,  rein  physikalischen  Gesetzen  folgend,  aus  dem  Nerven  in  das 
umliegende  Gewebe  austritt  und  an  der  Stelle  seines  Austritts  die 
Wirkung  der  Kathode,  des  negativen  Pols,  hervorbringt. 

Wie  aber  trotz  aller  dieser  Bedenken,  trotz  des  Mangels  einer 
allseitig  anerkannten  wissenschaftlichen  Begründung  die  polare  Methode 
zunächst  für  die  Elektrodiagnostik  von  bahnbrechender  Bedeutung  ge- 
worden ist,  so  tragen  wir  auch  kein  Bedenken,  dieselbe  praktisch 
wichtige  Methode  in  die  Therapie  hinüber  zu  nehmen  und  die  Wirkung 
der  Pole,  von  deren  Erfolgen  wir  uns  bei  elektrodiagnostischen  Unter- 
suchungen täglich  und  stündlich  überzeugen,  auch  am  Krankenbette  und 
für  den  Kranken  zu  verwerten.  Wir  verwerten  bei  der  Anwendung  der 
„polaren  Methode^*  die  physiologisch  festgestellten  elektrotonisirenden 
Wirkungen  derselben  (Erhöhung  der  Erregbarkeit  und  Leitungsfähigkeit 
nervöser  Gebilde  am  positiven,  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  und  Lei- 
tungsfähigkeit am  negativen  Pole);  immer  aber  wird  man  sich 
zu  vergegenwärtigen  haben,  dass  am  lebenden  Menschen  und 
bei  auf  die  mannigfachste  Weise  pathologisch  veränderten 
Geweben  die  physikalischen  Bedingungen  nicht  selten  so 
ganz  andere  werden  können,  dass  eben  oft  ganz  andere,  als 
die  theoretisch  berechneten  Resultate  zu  Tage  treten.  Jeden- 
falls hat  die  Ausbildung  der  polaren  Methode  nicht  zum  wenigsten 
dazu  beigetragen,  auch  den  Elektrotherapeuten  die  Anwendung  seines 
Heilmittels  direkt  auf  den  Krankheitsherd  zu  erleichtern  und  ihn 
anzuregen,  diesen  mit  den  relativ  stärksten  Stromschleifen 
zu  treffen.  Aus  dem  bisher  Gesagten  geht  also  soviel  hervor,  dass 
wir  bei  dem  Mangel  absolut  giltiger  theoretischer  Anschauungen  uns 
durch  die  Erfahrung  belehren  lassen  müssen,  welche  Methode  der 
Einwirkung,  welche  Stromrichtung,  welche  Polwirkung  wir  in  jedem 
einzelnen  gegebenen  Fall  anzuwenden  haben :  absolute  giltige,  für  g,Ue 


364  Stabile,  Labile  Ströme.    Querdurchströmung.  Kap.  XX. 

Fälle  feststehende  Regeln  gibt  es  nicht;  im  Gegenteil  geht  der  Rat 
aller  vorurteilsfreien  und  erfahrenen  Elektrotherapeuten  dahin,  bei 
durchaus  erfolgloser  Anwendung  einer  bestimmten  Behandlungsart 
dieselbe  aufzugeben  und  eine  andere  zu  versuchen:  vorgefasste  theore- 
tische Meinungen  mit  starrer  Konsequenz  festzuhalten  ist  bei  unserer 
Unbekanntschaft  mit  so  manchen  notwendigen  Prämissen  nur  ein  Fehler. 
Die  polare  Methode  in  der  Behandlung  muss  offenbar  für  viele 
Fälle,  wenigstens  bis  heute  noch,  derjenigen  das  Feld  räumen,  wo  es 
uns  darauf  ankommt,  die  oben  weitläufig  besprochenen  kataly tischen 
Wirkungen  zu  erzeugen:  die  Querdurchströmung,  ja  die  oft 
während  der  Sitzung  einigemale  zu  verändernde  Stromes- 
richtung wird  bei  der  Behandlung  von  Gelenk-  und  Muskelaffektionen, 
bei  Hirnleiden  etc.  nicht  zu  entbehren  sein. 

Lässt  man  die  beiden  Elektroden  während  der  Zeit  der  Behandlung  fest  auf 
den  Punkten  stehen,  wo  sie  zuerst  aufgesetzt  worden  sind,  so  ist  dies  in  der  Sprache 
der  Elektrotherapeuten  die  „stabile  Anwendung"  des  konstanten  Stroms:  ver- 
ändert man  aber  den  Standpunkt  auch  nur  einer  Elektrode,  indem  man  mit  ihr, 
ohne  sie  von  der  Unterlage  abzuheben,  die  Haut  dem  Verlauf  einzelner  Muskeln 
oder  Nerven  entsprechend  entlang  streicht,  so  nennt  man  dies  die  „labile" 
Behandlungsweise.  Freilich  kann  dabei  von  einer  Konstanz  des  Stromes 
oder  der  Stromstärke  nicht  mehr  die  Rede  sein:  je  nach  den  zufälligen 
Widerstands  Verhältnissen  der  verschiedenen  mit  der  Elektrode  bestrichenen  Haut- 
stellen wechselt  diese  Stromstärke;  die  so  bewirkten  Schwankungen  derselben  sind 
dabei  oft  so  beträchtlich,  dass  sie  (ohne  dass  also  der  Strom  je  gänzlich  unter- 
brochen wird)  ziemlich  bedeutende  Erregungen  (Zuckungen)  hervorrufen.  Steht 
bei  Applikation  des  konstanten  Stroms  am  Kopf  die  Anode  an  der  Stirn,  die 
Kathode  im  Nacken,  so  nennt  man  dies  einen  absteigenden,  bei  umgekehrter 
Stellung  einen  aufsteigenden  Strom:  ruht  bei  Galvanisation  des  Rückens  die 
Kathode  an  den  Lenden-,  die  Anode  an  den  Brust-  oder  Nackenwirbeln,  so  ist  der 
Strom  absteigend,  bei  der  umgekehrten  Polapplikation  aufsteigend;  das  Rücken- 
mark ist  im  Vergleich  zum  Plexus  der  mehr  central  gelegene  Teil,  der  Plexus 
wieder  centraler  als  der  Nerv,  dieser  mehr  central  als  der  Muskel;  ruht  also  die 
Anode  am  Vastus  internus,  z.  B.,  die  Kathode  am  ersten  Lendenwirbel,  so  ist  dies 
in  der  bequemen  Ausdrucksweise  mancher  Elektrotherapeuten  ein  aufsteigender 
Muskel-Rückenmarksstrom:  ist  die  Anode  in  der  Oberschlüsselbeingrube 
über  dem  Plexus  brachialis,  die  Kathode  in  der  Grube  zwischen  Gondylus  int.  hum. 
und  Olecranon  applizirt,  so  wäre  dies  ein  absteigender  Plexusnervenstrom, 
Ausdrucksweisen,  welche  als  schnell  über  die  Stellung  der  Elektroden  orientirende 
und  damit  bequeme  Bezeichnungen  von  vielen  Elektrotherapeuten  noch  heute  ange- 
wendet werden. 

Ebensowenig  aber  wie  man  sich  auf  nur  eine  Methode  der  Be- 
handlung zu  beschränken  hat,  ebensowenig  tut  man,  dem  Buchstaben 
folgend,  allemal  gut,  nur  den  erkrankten  Teil  selbst  zu  behandeln: 
hat  eine   genaue  Untersuchung    gezeigt,    dass    die  Möglichkeit    eines 


§  151,  152.  Allgemeine  Galvanisation.  365 

sogenannten  reflektorischen  Ursprungs  des  Leidens  vorliegt,  finden  sich 
Stellen,  von  denen  aus  sich  durch  Druck  oder  sonstige  Prozeduren  die 
Krankheitserscheinungen  beeinflussen  oder  gar  temporär  zum  Schwinden 
bringen  lassen,  so  werden  wir  die  Wirkungen  des  Stromes  auf  diese 
Stellen  hingelangen  lassen,  um  auf  diese  Weise  das  üebel  zu  bekämpfen. 
Aus  Allem  dem  geht  also  soviel  hervor,  dass  Einseitigkeit  im 
Denken  und  Handeln  dem  Elektrotherapeuten  nicht  weniger  schadet, 
wie  dem  Arzte  überhaupt,  und  nicht  weniger  klar  ergibt  sich  die 
Müssigkeit  des  Streites  darüber,  ob  die  faradische  oder  galvanische 
Behandlungsmethode  den  Vorzug  verdient.  Bei  vielen  Fällen  wird 
es  sofort  nach  dem,  was  über  die  physiologischen  Wirkungen  beider 
Stromesarten  bekannt  ist,  klar,  dass,  wenn  überhaupt  von  elektrischen 
Massnahmen  Besserung  zu  erwarten  ist,  nur  durch  den  einen  oder 
nur  durch  den  andern  Strom  dieselbe  herbeigeführt  werden  kann: 
aber  in  ebenso  vielen  Fällen  ist  es  entweder  schwer,  mit  absoluter 
Bestimmtheit  der  einen  oder  der  anderen  Behandlungsmethode  den 
ersten  Preis  zuzuerkennen,  oder  es  liegt  vielmehr  auf  der  Hand,  dass 
nur  beide  geraeinsam  angewendet  zu  einem  erspriesslichen 
Resultat  führen  können. 

§  152.  Es  sei  uns  gestattet,  an  dieser  Stelle  noch  einiger  Be- 
handlungsmethoden Erwähnung  zu  thun,  welche,  zwar  schon  lange 
bekannt,  doch  erst  in  neuerer  Zeit  wieder  hervorgehoben  und  empfohlen 
werden.  Schon  oben  (S.  351),  als  von  der  allgemeinen  Fara- 
disa tion  die  Rede  war,  erwähnten  wir,  dass  dieselben  Autoren 
(Board  und  Rockwell),  welche  diese  Behandlungsmethode  zuerst 
beschrieben,  auch  die  „allgemeine  Galvanisation"  für  die  Be- 
handlung mannigfacher  nervöser  Zustände  anempfahlen.  Die  Fuss- 
platte  wird  auch  hier  von  dem  negativen  Pol  (Kathode)  gebildet  und 
mit  der  Anode  werden  dieselben  Manupulationen  vorgenommen,  wie 
bei  der  allgemeinen  Faradisation.  Stein '^^  schiebt  die  Anode  in 
Form  einer  mit  porösem  Waschleder  überzogenen  befeuchteten  Nacken- 
platte zwischen  den  Halskragen  und  die  ersten  Brustwirbel  des  Kran- 
ken ein,  so  dass  sie  auf  dem  oberen  Teile  der  Wirbelsäule  in  einer 
Länge  von  15  Ctm.  und  einer  Breite  von  4 — 5  Ctm.  fest  aufliegt. 
Die  ersten  5  Minuten  bleibt  diese  Elektrode  an  Ort  und  Stelle;  so- 
dann wird  mit  der  Rollenelektrode  als  Anode  der  ganze  Rücken, 
rechts  und  links  von  den  Dornfortsätzen  von  oben  nach  unten  be- 
fahren. Bei  ausgesprochener  Spinalirritation  hat  Stein  günstige  Er- 
folge konstatiren  können. 


366  Zentrale  Galvanisation.    Elektrisches  Bad.  Kap.  XX. 

Als  „zentrale  Galvanisation«  ist  ausserdem  von  Beard^^^ 
eine  für  die  mannigfachsten  nervösen  Zuständen  heilsame  Methode  be- 
schrieben und  empfohlen,  bei  der  die  Kathode  (grosse  Platte)  in  der 
Herzgrube  ruht,  während  man  die  Anode  auf  den  Schädel,  die  Wirbel- 
säule und  die  Sympathikusgegend  zu  beiden  Seiten  des  Halses  nach 
einander  applizirt.  Nach  Stein  wären  beide  letztgenannten  Behand- 
lungsmethoden entbehrlich;  mit  der  allgemeinen  Faradisation  würden 
dieselben  Resultate  erzielt.  Dem,  was  derselbe  Autor  über  die  re- 
lative Gefährlichkeit  dieser  Methoden  (d.  i.  der  allgemeinen  und  der 
zentralen  Galvanisation)  sagt,  insofern  nicht  durch  eine  sachkun- 
dige Hand  unter  Benutzung  zweckentsprechender  Rheostate  die  Strom- 
stärke namentlich  bei  der  Applikation  am  Kopf  und  am  Halse  genau 
geregelt  wird,  müssen  wir  vollkommen  beistimmen. 

Im  wahren  Sinne  des  Wortes  wird  durch  die  schon  lange  be- 
kannten, neuerdings  wieder  mehr  in  den  Vordergrund  tretenden  elek- 
trischen Bäder  eine  allgemeine  Faradisation  oder  Galvanisation  aus- 
geübt werden  können.  Weisflog  ^^^  Constantin  Paupoo^  neuer- 
dings Th.  Stein '^^  empfehlen  ihre  Anwendung  zur  Behandlung  der 
verschiedenartigsten  nervösen  Schwäche-  und  Zitterzustände.  (Siehe 
später  im  speziellen  Teil). 

Hierbei  ist  nun  zunächst  zu  bemerken,  dass  man  zwei  Arten 
von  elektrischen  Bädern  streng  von  einander  zu  scheiden  hat. 
Sitzt  der  Kranke  (bezw.  die  Versuchsperson)  in  einer  Holz-  oder 
lackirten  Metallwanne  und  tauchen  beide  Elektroden  eines  faradischen 
oder  galvanischen  Stromes  in  Gestalt  grösserer  Metallplatten  in  die 
Badeflüssigkeit  ein,  ohne  dass  die  Versuchsperson  direkt  mit  ihnen  in 
Berührung  kommt  (man  schützt  dieselbe  hiervor  durch  das  Vorsetzen 
durchbrochener  Holzscheiben),  so  bedarf  es,  wie  am  eigenen  Körper 
angestellte  Beobachtungen  lehren*'*)  recht  starker  Ströme,  wenn  man 
überhaupt  etwas  empfinden  soll.  Der  Widerstand  des  lauen  Wassers 
ist  eben  im  Vergleich  zu  dem  des  menschlichen  Körpers  ein  so  ge- 
ringer, dass  nur  ein  geringer  Stromanteil  eben  diesen  Körper  trifft. 
Ist 'die  eine  der  eintauchenden  Platten  sehr  gross,  die  andere  von  der 
Gestalt  der  gewöhnlichen  Elektroden,  wie  sie  in  einer  Breite  von 
3 — 6  Ctm.' Durchmesser  täglich  benutzt  werden  (Stein  benutzt  hierzu 
vernickelte  Kupferplatten  [von  1 — 10  Quadratdecimeter  Fläche],  welche 
in  Gestalt  einer  Schaufel  [Schaufelelektrode]  an  einem  isolirenden 
Griff  von  Hartkautschuk  befestigt  sind)  und  nähert  man  letztere  einem 
Körperteil,  so  dass  schliesslich  nur  eine  Wasserschicht  von  wenigen 
Centimetern   zwischen  der  Elektrode   und   dem   Körperteil    vorhanden 


§  152.  Elektrisclies  Bad.  367 

ist,  so  kann  man  bei  Benutzung  starker  faradischer  Ströme  die  be- 
kannte Sensation  auf  der  Haut  und,  befindet  sich  die  differente  Elek- 
trode nahe  einem  Muskel  oder  motorischen  Nerven,  auch  die  der  lo- 
kalisirten  Faradisation  entsprechenden  Muskelkontraktionen  hervor- 
rufen. Das  Gleiche  gilt  von  der  Möglichkeit,  KaSz  und  ASz  etc. 
auszulösen,  wenn  bei  Anwendung  starker  galvanischer  Ströme  die 
entsprechende  Elektrode  sich  dem  zu  reizenden  Nerven  oder  Muskel 
nahe  genug  befindet,  um  ihn  mit  der  zu  seiner  Erregung  nötigen 
Dichte  zu  treffen.  Neben  einer  lebhaften  Erregung  der  sensiblen 
Hautnerven  an  Ort  und  Stelle  empfindet  man  dabei  auch  exzentrische 
Sensationen,  wenn  der  differente  Pol  sich  in  hinreichender  Nähe  des 
gemischten  Nerven  befindet,  so  z.  B.  Prickeln  im  4.  und  5.  Finger, 
wenn  der  N.  ulnaris  in  der  Furche  zwischen  Condyl.  intern,  und 
Olecranon  von  genügend  starken  Stromschleifen  getroffen  wird.  Man 
ersieht  hieraus,  dass  eine  derartige  lokalisirte  Anwendung  des  elek- 
trischen Bades  sich  wesentlich  nicht  viel  von  derjenigen  Elektrisations- 
methode  unterscheidet,  welche  man  eben  gewöhnlich  anwendet;  sie  hat 
nur  den  Vorteil,  dass  man  bequem  alle  Teile  des  Körpers  und  diese 
in  einer  Stärke  beeinflussen  kann,  welche  sich  durch  ein  etwas  wei- 
teres oder  näheres  Anhalten  der  Elektrode  an  die  verschiedenen  Stellen 
der  Körperoberfläche  beliebig  wie  durch  einen  feinen  Rheostaten  mo- 
difiziren  lässt.  Von  einer  „allgemeinen  Elektrisation'*  im  Sinne  der 
oben  genannten  Autoren  ist  dabei  nicht  die  Rede.  Will  man  die 
Wirkung  der  allgemeinen  Faradisation  (oder  Galvanisation)  mit 
Hilfe  eines  Bades  auf  den  Körper  ausüben,  so  bedient  man  sich  un- 
lackirter  Metallwannen,  mit  denen  ein  Pol  des  Induktions-  bezw.  des 
galvanischen  Stromes  verbunden  wird  (Herstellung  einer  ungemein 
grossen,  die  im  Bade  eintauchenden  Körperteile  gleichsam  glocken- 
förmig umgebenden  Elektrode),  während  der  andere  Pol  an  einer 
breiten  Metallscheibe  mit  einem  ausserhalb  des  Wassers  befindlichen, 
mit  Compressen  bedeckten  Körperteil  des  Kranken  verbunden  wird. 
In  dieser  Weise  z.  B.  verfährt  Seeligmüller ^^2^  ^q^  schwerer  Kranke, 
denen  das  Sitzen  oder  Liegen  in  der  Wanne  Unbequemlichkeiten 
bereiten  würde,  in  einem  hängematteartig  zusammengelegten  festen 
groben  Laken,  das  weder  Boden  noch  Wände  der  Wanne  berührt,  in's 
Wasser  tragen  lässt.  Die  Laken  sind  in  einer  gewissen  Höhe  über 
den  AVannenrändern  an  eisernen  Haken  der  Wand  der  Badezelle  auf- 
gehängt. Aehnlich  verfährt  Holst^^':  er  macht  die  metallne  Bade- 
wanne durch  Verbindung  mit  dem  einen  Leitungsdraht  zu  einer  ko- 
lossalen Elektrode  und  schliesst  den  Strom  durch  einen  von  dem  an- 


368  Physiologische  Wirkung  des  elektrischen  Bades.  Kap.  XX. 

deren  Pole  kommenden,  über  der  Wanne  hängenden  Handgriff,  den 
der  Badende  ausserhalb  des  Wassers  zu  fassen  hat.  Eine  auf  dem 
Boden  der  Wanne  liegende  Gummiplatte  und  eine  Gummibedeckung 
der  Wannenränder  schützt  den  Badenden  vor  der  direkten  Berührung 
mit  dem  Metall  der  Wanne.  Bei  dieser  Methode  ist  auf  die 
Abstufung  der  Stromstärke  sorgfältig  zu  achten,  da  die 
Dichtigkeit  des  Stromes  an  den  ausserhalb  des  Wassers  befindlichen 
Teilen  eventuell  eine  so  hohe  werden  kann,  dass  sie  höchst  unange- 
nehm empfunden  wird.  Jedenfalls  wird  aber  der  grösste  Teil  der 
Körperoberfläche  durch  die  von  den  Wannenflächen  kommenden  und 
die  Wasserschichten  durchsetzenden  Stromschleifen  überall  in  ziemlich 
gleicher  Dichte  getroffen  und  somit  das  Postulat  „allgemeiner  Elek- 
trisation^*  in  fast  idealer  Weise  erfüllt. 

In  Bezug  auf  die  physiologischen  Wirkungen  derartiger  eiek- 
trischer  Bäder  sind  schon  1877  von  E.  Weisflog '^9  Untersuchungen 
an  Fröschen  und  Fischen  angestellt  worden,  welche  bewiesen,  dass 
diese  Tiere  erheblich  durch  die  das  Wasser  durchsetzenden  Strom- 
schleifen beeinträchtigt  werden  können,  so  dass  tetanische  Muskel- 
kontraktionen ausgelöst  werden  und  die  Tiere  bei  längerer  Fortsetzung 
der  Versuche  ihr  Gleichgewicht  vollkommen  verlieren.  Diese  Ver- 
suche wurden  von  Ische wski^o'  bestätigt;  in  Bezug  auf  die  Wirkung 
auf  den  Menschen  fand  er,  dass  eher  angenehme  Empfindungen  auf- 
traten bei  schwachen  Strömen,  Gefühl  wie  beim  Faradisirtwerden  bei 
stärkeren,  Kontraktionen  von  Muskeln,  die  in  der  Nähe  der  Elek- 
troden lagen,  bei  starken  Strömen.  Die  Pulsfrequenz  war  nach  dem 
Bade  vermindert,  die  Respiration  tiefer  und  gleichförmiger.  Die  (mit 
dem  Tasterzirkel  geprüfte)  Hautsensibilität  und  die  faradomuskuläre 
Erregbarkeit  wurde  erhöht,  die  am  Dynamometer  gemessene  Muskel- 
kraft aber  herabgesetzt  gefunden. 

Ganz  neuerdings  hat  endlich  Eulenburg^^^  Untersuchungen  an- 
gestellt über  die  Wirkung  faradischer  und  galvanischer  Bäder.  In 
Bezug  auf  die  Tierversuche  konstatirte  auch  dieser  Autor  das  Auf- 
treten von  Muskelkontraktionen  z.  B.  bei  Fröschen  zuerst  an  der 
Seite,  welche  in  der  Nähe  des  negativen  Pols  des  Oeffnungsstroms 
eines  faradischen,  oder  der  Kathode  eines  galvanischen  Stromes  (bei 
dessen  Schliessung)  lagen.  Nach  dem  galvanischen  Bade  sinkt  die 
motorische  Erregbarkeit  der  Tiere.  Messbare  Stromschleifen  aus  ein- 
zelnen Körperteilen  von  Kaninchen  z.  B.  oder  menschlichen  Leichen 
im  galvanischen  Bade  abzuleiten  gelang  nicht. 

Für  die  Untersuchung  der  physiologischen  Wirkungen  faradischer 


§  152.  Monopolares,  Dipolares  Bad,    Anodenbad,  Kathodenbad.  369 

und  galvanischer  Bäder  am  lebenden  Menschen  benutzte  Eulenburg 
das  oben  beschriebene  Seeligmüller'sche  Verfahren.  Wie  Ishewski 
fand  auch  Eulenburg  ein  Herabgehen  der  Pulsfrequenz  im  faradischen 
Bade  und  eine  nicht  unbeträchtliche  Herabsetzung  der  faradokutanen 
Sensibilität,  eine  Wirkung,  die  indifferenten  warmen  Bädern  nicht  zu- 
kommt, um  so  weniger,  als  der  (galvanische)  Leitungswiderstand  der 
Haut  im  faradischen  Bade  erheblich  vermindert  wird.  Bei  der  An- 
wendung des  galvanischen  Bades  (Anodenbad,  sobald  sich  der  positive 
Pol  in  der  Badeflüssigkeit  befindet,  umgekehrt  Kathodenbad  genannt) 
wird  die  Pulsfrequenz  in  noch  bedeutenderem  Grade  herabgesetzt, 
während  die  Respiration  kaum  beeinflusst  wird;  die  Körpertemperatur 
dagegen  sinkt  konstant  um  0,2 — 0,5  °  0.  Die  faradokutane  Sensibilität 
wird  im  Kathodenbade  vermindert,  im  Anodenbade  erhöht:  in  beiden 
kann  der  Tastsinn  eine  Erhöhung  erfahren.  Die  motorische  Erreg- 
barkeit scheint  im  galvanischen  Bade  eine  gewisse  Herabsetzung  zu 
erleiden.  Gewissermassen  als  Resume  seiner  Untersuchungen  stellt 
Eulenburg  den  Satz  auf,  dass  die  hydroelektrischen,  indifferent 
warmen  einfachen  Wasserbäder  (welche  thermisch  und  chemisch  reiz- 
lose Badeformen  darstellen)  betreffs  ihrer  Wirkung  auf  Puls-  und 
Respirationsfrequenz  und  Temperatur  sich  den  hautreizenden,  thermisch 
und  chemisch  irritirenden  Badeformen  analog  verhalten.  Es  hätten 
daher  auch  für  diese  hydroelektrischen  warmen  Bäder  die  den  oben 
genannten  Badeformen  (reizenden  Mineral-  oder  Wärme  entziehenden 
Bädern)  entsprechenden  Indikationen  in  einem  gewissen  Umfange 
Geltung.  Um  dies  aber  zu  erreichen,  kann  nach  Eulen  bürg  nur  das 
„monopolare^*  Bad  (wie  es  ja  auch  schon  von  Seeligmüller  und 
Holst  angewandt  und  empfohlen  ist)  benutzt  werden,  wozu  jede  be- 
liebige Badewanne  und  jeder  Induktionsapparat  ausreicht.  Dass  man 
hierbei,  wie  wir  schon  oben  betonten  (auf  am  eignen  Körper  gemachte 
Erfahrungen  gestützt),  auf  eine  sorgsame  Regulirung  der  Stromstärke 
zu  achten  habe,  geben  wir  mit  Stein  zu,  da  sonst  leicht  durch  die 
relativ  grosse  Stromdichte  in  den  ausserhalb  des  Badewassers  befind- 
lichen Körperteilen  sehr  lästige  und  unangenehme  Empfindungen  her- 
vorgerufen werden  können.  Bringt  man  andererseits,  wie  Stein  will 
und  wie  er  diese  seine  Methode  auch  neuerdings  wieder  gegen  Holst 
verteidigt,  beide  Elektroden  in  das  den  Patienten  umspülende  Wasser 
(Eulenburg  nennt  dies  das  „dipolare"  Bad),  so  wird  der  Körper 
von  nur  geringen  Stromschleifen  getroffen.  Trotz  der  Abnahme  des 
Leitungswiderstandes  des  menschlichen  Körpers  im  Bade  (Eulen- 
burg) beträgt  derselbe  doch  noch  immer  sehr  viel  mehr  als  der  des 

Koseuthal  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslelire.    UI.  Aufl.  24 


370  Anwendung  permanenter  schwacher  galvanischer  Ströme.     Kap.  XX. 

lauen,  den  Badenden  umspülenden  Wassers;  erst  bei  beträchtlicher 
Annäherung  einer  der  Elektroden  an  einen  Körperteil  (je  kleiner 
deren  Oberfläche,  desto  grösser  die  an  ihr  zu  Stande  kommende 
Stromdichte,  vgl.  oben  S.  366)  wird  die  lokale  Wirkung  bemerkbar. 
Badewannen  für  Lokalisation  elektrischer  Ströme  im  Wasser  sind 
von  Stein  beschrieben  worden:  es  handelt  sich  dabei  um  doppel- 
wandige,  gut  lackirte  Holzwannen,  zwischen  deren  Wandungen  an 
mehreren  Stellen  (Kopf-  und  Fussende,  Schulter-,  Oberschenkel-,  Bein- 
gegend) grosse  vernickelte  Kupferplatten  angebracht  sind,  welche  nun 
in  beliebiger  Kombination  mit  den  Polen  der  elektrischen  Apparate 
verbunden  werden.  Wir  werden  im  speziellen  therapeutischen  Teil 
noch  Gelegenheit  haben,  auf  die  Anwendung  der  elektrischen  Bäder 
zurückzukommen:  auch  für  diesen  Zweig  der  Elektrotherapie  sind 
wohl  ausgedehntere  Versuche  und  weitere  Erfahrungen  noch  notwendig, 
ehe  ein  endgiltiges  Urteil  gelallt  werden  kann.  (Die  neuesten  Er- 
fahrungen Lehr's  [Wiesbaden]  sind  uns  zur  Zeit  des  Druckes  dieses 
Buches  noch  nicht  genauer  bekannt  gewesen). 

§  153.  Eine  Reihe  von  nervösen  Störungen,  namentlich  schmerz- 
hafte Zustände  sind  von  verschiedenen  Autoren  durch  die  Anwen- 
dung ganz  schwacher  konstanter  Ströme  zu  behandeln  versucht 
worden.  Ausgangs  der  sechziger  und  Anfangs  der  siebziger  Jahre 
empfahl  diese  Methode  zuerst  Ciniselli  zur  Bekämpfung  von  Kopf- 
schmerzen, aber  auch  für  lähmungsartige  Zustände.  Sodann  empfahl 
1872  N.  Mayer^"*  in  Philadelphia  die  Applikation  ganz  kleiner 
Säulchen,  welche  durch  einen  Draht  mit  einander  verbunden  wurden, 
an  die  Proc.  mastoidei  beiderseits  für  die  Behandlung  mancher  Hirn- 
afifektionen.  Leon  le  Fort  wandte  später  (1872)  3  —  4  Oallot- 
Trouve'sche  Elemente  an  (Kupfer -Zinkelemente  mit  Kupfervitriol- 
füllung ohne  poröse  Seheide  wand) ,  welche  stunden-  ja  tagelang  auf 
gelähmten  Gliedern  liegen  bleiben.  Die  Wirkung  dieser  schwachen 
Ströme  soll  vorzüglich  sein  bei  atrophischen  und  lähmungsartigen  Zu- 
ständen, wie  sie  nach  Kontusionen  der  Glieder  beobachtet  werden, 
ferner  bei  Kontrakturen  und  denjenigen  Zuständen,  welche  eine  Hebung 
der  Ernährung  atrophischer  Muskeln  überhaupt  erheischen.  Zwei  bis 
drei  dieser  zur  Behandlung  ausreichenden  Elemente  kosten  nur  3  bis 
6  Mark  und  sind  somit  wegen  ihrer  relativen  Billigkeit  praktisch  von 
hoher  Bedeutung.  In  ähnlicher  Weise  empfiehlt  Valtat'-""  diese 
schwachen  Ströme  zur  Behandlung  der  so  häufig  nach  Gelenkkrank- 
heiten zurückbleibenden  oder  von  ihnen  abhängenden  Muskelatrophien 


§  153.  Galvano-Faradisation.  371 

und  ganz  neuerdings  betonteFinkelnburg-'^''  die  Anwendung  langdauern- 
der schwacher  Ströme  bei  Neuralgien  und  verwandten  Zuständen.  Er 
beschreibt  einen  unmittelbar  am  Körper  zu  tragenden  Gürtelapparat, 
bestehend  aus  Zink-Kupfereleraenten  mit  Benutzung  schwach  sauer 
angefeuchteter  Filzlaraellen  zur  Zwischenleitung  in  gut  isolirender 
Passung  und  Form.  Jedes  derartige  Element  besitzt  Ve  der  Strom- 
stärke eines  Stöhrer'schen  Elements:  der  Strom  ist  stabil,  für 
Wochen  andauernd.  Die  Kathode  muss  möglichst  breit  gewählt  werden, 
um  schmerzhafte  Hautreize  zu  vermeiden.  Die  an  der  leidenden  Stelle 
selbst  liegende  Anode  bedarf  der  vergrösserten  Applikationsfläche 
nicht.     8 — 10  derartiger  Elemente  genügen. 

Der  Vollständigkeit  wegen  erwähnen  wir  hier  noch  der  schon 
von  Beard  und  Rockwell -"s  empfohlenen,  neuerdings  erst  wieder 
durch  de  Watteville  angepriesenen  Galvano-Faradisation.  Die 
Methode  besteht  im  Faradisiren  eines  bestimmten  Körperteils,  durch 
den  ein  galvanischer  Strom  fliesst.  de  Watteville -^s  hat  einen 
besonderen  Apparat  zur  leichteren  Ausübung  der  Methode  angegeben, 
empfiehlt  dieselbe  übrigens  selbst  eher  zur  Prüfung,  als  dass  er  be- 
stimmte Resultate  mitteilt:  bei  rheumatischen  AfFektionen,  bestimmten 
Formen  von  Neuralgien,  Spasmen,  auch  bei  Rückenmarksleiden  glaubt 
er  diese  kombinirte  Behandlung  mit  Erfolg  anwenden  zu  können. 
Beard  und  Rockwell  können  nicht  behaupten,  dass  ein  spezieller, 
therapeutischer  Vorteil  aus  dem  gleichzeitigen  Gebrauch  der  zwei 
Ströme  resultire.  Dem  gegenüber  glaubt  de  Watteville  insofern 
durch  diese  Anwendungsweise  beider  Ströme  Resultate  erzielen  zu 
können,  als  jeder  faradische  Reiz  auf  einen  Nerven-  oder  Muskel- 
punkt trifft,  der  sich  in  einem  Zustand  von  Katelektrotonus  oder  er- 
höhter Erregbarkeit  befindet.  Es  sei  daher  möglich,  durch  diese 
Methode  Wirkungen  zu  erzielen,  welche  durch  die  Faradisation  allein 
kaum  erreicht  werden  dürften  Diese  theoretische  Voraussetzung  hat 
in  neuester  Zeit  durch  Stein-^^s  ^sofern  eine  Bestätigung  erfahren, 
als  er  bei  Benutzung  der  Galvanofaradisation  die  therapeutischen  Er- 
folge (erfrischende  Wirkung  auf  die  Muskeln)  viel  schneller  als  bei 
Anwendung  einfacher  faradischer  Ströme  eintreten  sah.  In  Form 
zweier,  für  beide  Stromesarten  gleichzeitig  brauchbarer  Doppelelek- 
troden hat  Stein  eine  geeignete  Kombination  zur  Ausübung  der 
Galvanofaradisation  geschaffen.  Zum  Unterschiede  von  der  de  Watte- 
ville'schen  Einrichtung  durchsetzen  beide  Ströme  erst  dann  den 
Körper,  wenn  sie  auf  die  Körperoberfläche  angekommen  sind,  auch 
kann  man  je  nach    der   Einschaltung    der    positiven    oder    negativen 

24*         .     . 


372        PralitisoheBemerlding.  üb.  d.  elel{trotherapeutischeBehandIung.   Kap.  XX. 

Drähte  in  die  Klemmschrauben  beiden  Stromesarten  eine  gleiche  oder 
eine  zu  einander  entgegengesetzte  Richtung  geben,  je  nachdem  Experi- 
ment oder  therapeutische  Indikation  es  erfordern. 

§  154.  Bevor  wir  jetzt  zu  dem  speziellen  Teil  übergehen,  bleibt 
uns  noch  übrig,  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Art 
und  Weise  wie  die  elektrische  Behandlung  auszuführen  sei, 
voranzuschicken.  Es  ist  natürlich  selbstverständlich,  dass  der  einzu- 
leitenden Behandlung  eine  genaue  Untersuchung  des  Kranken  voraus- 
zugehen hat,  eine  Untersuchung,  die,  wie  ebenfalls  selbstverständlich, 
nur  der  mit  allen  sonstigen  Untersuchungsmethoden  vertraute  Arzt 
ausführen  kann.  In  nicht  wenigen  Fällen  wird  diese  Untersuchung 
nun  aber  eine  speziell  elektrisch- diagnostische  sein  müssen,  und  es 
ist  vielleicht  gut,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  man  die  bei 
einer  erstmaligen  Exploration  gewonnenen  elektrodiagnostischen  Re- 
sultate nicht  allzuschnell  als  sichere  hinnimmt.  Die  Befangenheit,  ja 
die  oft  sichtbare  Angst  des  Kranken  vor  dem  Neuen  und  Unbekannten 
können  nicht  allein  ihn,  sondern  auch  den  untersuchenden  Arzt  in  eine 
Verwirrung  bringen,  die  eine  sichere  Auffassung  des  oft  schwer  fest- 
zustellenden Tatbestandes  nicht  gestattet. 

Es  ist  hier  wohl  auch  der  Ort,  auf  die  von  Möbius-"^  besonders 
betonte  und  von  jedem  erfahreneren  Elektrotherapeuten  zu  bestätigende 
Tatsache  hinzuweisen,  wie  verschieden  die  einzelnen  Individuen  auf 
elektrotherapeutische  Massnahmen  reagiren.  Es  gibt  Menschen,  welche 
nach  ganz  schwachen  Strömen  ein  grosses  Schlafbedürfniss  bekunden, 
die  enorm  leicht  schwindlig  und  blass  werden,  bei  denen  auch  die 
harmloseste  Prozedur  Ohnmachtsgefühl  etc.  hervorruft:  derartige  „elek- 
trosensitive**  Naturen  (nach  Möbius)  erfordern  in  der  Tat  eine 
ganz  besondere  Sorgfalt  und  Vorsicht  von  Seiten  des  behandelnden 
Arztes,  während  wieder  robustere  Individuen  auch  durch  intensive 
Stromeswirkungen  kaum  beeinflusst  werden. 

Man  suche  also  zunächst  den  Kranken  durch  Anwendung  ganz 
schwacher  Stromstärken  zu  beruhigen  und  ihn  erst  allmählich,  oft 
erst  in  der  zweiten  Sitzung  mit  allen  den  eigentümlichen  Sensationen 
bekannt  zu  machen,  die  nun  einmal  durch  die  Ströme  im  Organismus 
hervorgerufen  werden.  Ueber  die  ganz  besondere  Vorsicht,  welche  bei 
der  Anwendung  der  Elektrizität  (vorwiegend  des  galvanischen  Strom.s) 
zur  Behandlung  von  Hirnkrankheiten  und  Leiden  der  Sinnesorgane 
von  Nöten  ist,  wird  im  speziellen  Teil  noch  ausführlicher  gehandelt 
werden. 


§  154.       Dauer  der  einzelnen  Sitzung;  Gesammtdauer  der  Beliandlung.  373 

Die  einzelne  Sitzung  wird  kaum  länger  als  5 — 10  Minuten  aus- 
gedehnt werden:  je  nach  dem  sonstigen  körperlichen  Verhalten  des 
Kranken  kann  man  derartige  Sitzungen  täglich  oder  einen  Tag  um 
den  andern  wiederholen.  Die  Fälle,  in  denen  die  Elektrizität  mehr- 
mals an  einem  Tage  oder  nur  ein-  bis  zweimal  in  der  Woche  anzu- 
wenden ist,  gehören  zu  den  Ausnahmen.  Was  die  Gesammtdauer  der 
Behandlung  betriift,  so  kann  sie  wochen-  und  monatelang  fortgesetzt 
werden;  es  ist  eine  durch  die  Erfahrung  vielbeschäftigter  Elektro- 
therapeuten  bestätigte  Tatsache,  dass,  wenn  nach  2 — 3 monatlicher 
Behandlung  die  Erfolge  auszubleiben  anfangen,  eine  eben  so  lange 
Pause  die  später  erneute  Behandlung  zu  einer  wieder  wirksamen 
werden  lässt.  Oben  schon  ist  auseinandergesetzt,  warum  oft  der  best 
ausgedachte  Kurplan  im  Stich  lassen  und  erfolglos  bleiben  kann: 
man  scheue  sich  nicht,  die  Methode  zu  wechseln  und  gebe  die  elek- 
trische Behandlung  nicht  eher  auf,  als  bis  sämmtliche  Anwendungs- 
arten erschöpft  sind.  Auch  so  aber  bleibt  trotz  des  guten  Willens 
des  Arztes  und  seiner  Kenntniss  nicht  selten  der  Erfolg  hinter  den 
Erwartungen  des  Kranken  und  den  eignen  zurück:  so  leidig  der  Trost 
ist,  so  haben  wir  uns  doch  immer  zu  vergegenwärtigen,  dass  derartige 
Vorkommnisse  überhaupt  beim  praktischen  Arzte  nicht  gerade  zu  den 
Seltenheiten  gehören.  Es  ist  schliesslich  vielleicht  nicht  überflüssig, 
daran  zu  erinnern,  dass  der  Elektrotherapeut,  ob  zwar  im  Besitze 
eines  der  mächtigsten  Hilfsmittel,  dennoch  die  Methoden  und  Verfahren, 
die  ihm  sein  übriges  Wissen  an  die  Hand  gibt,  neben  der  speziellen 
ihm  vertrauten  Behandlungsart  nicht  zu  vernachlässigen  hat. 


Kapitel  XXI. 
Spezielle  Elektrotherapie. 

Von  der  Elektrotherapie  der  Gehirnkraiikheiten. 


§  155.  Die  am  häufigsten  elektrotherapeutischer  Behandlung  zu- 
fallende Erkrankung  des  Gehirns  ist  die  Läsion  einer  Hemisphäre, 
welche  das  Symptomenbild  der  Hemiplegie,  der  halbseitigen  Läh- 
mung gesetzt  hat.  Es  ist  unnötig,  an  dieser  Stelle  auszuführen,  dass 
der  genannte  Symptomenkomplex  durch  die  verschiedensten  patholo- 
gischen Prozesse  zu  Stande  kommen  kann:  Blutungen,  Embolien, 
Thrombosen,  Neubildungen,  direkte  Verletzungen  des  Hirns  etc.  etc. 
sind  im  Stande,  ein  äusserlich  fast  gleich  erscheinendes  Krankheits- 
bild zu  liefern.  Noch  bis  heute  ist  nicht  erwiesen,  ob  die  durch 
Krankheit  zerstörte  Hirnsubstanz  durch  den  konstanten  Strom  zu  einer 
beschleunigteren  Regeneration  angeregt  oder  in  derselben  gefördert 
wird.  Aber  es  ist  bekannt,  dass  durch  die  plötzlich  veränderten 
Cirkulations-  und  Druckverhältnisse  im  Innern  der  Schädelkapsel  un- 
mittelbar nach  einem  apoplektischen  Insult  auch  die  nähere  oder  ent- 
ferntere Nachbarschaft  eines  Herdes  in  der  freien  Ausübung  der 
Funktion,  sei  es  durch  ödematöse  Durchtränkung  des  Gewebes  oder 
durch  sonst  welche  Verhältnisse  gehemmt  wird,  bekannt  auch,  dass 
in  Tagen  oder  Wochen  nach  einem  derartigen  Insult  anfangs  total 
gelähmte  Körperteile  ohne  jedes  weitere  therapeutische 
Zutun  allmählich  ihre  aktive  Beweglichkeit  wiedererlangen 
können. 

Die  Galvanisation  des  Hirns  durch  den  Schädel  könnte 
also  wohl  nur  den  Sinn  haben,  diese  spontan  vor  sich  gehenden 
Resorptionsvorgänge  durch  die  sogenannten  direkten  oder  indirekten 
katalytischen  Wirkungen  des  konstanten  Stroms  beschleunigen  zu 
helfen.     Bedenkt  man,   welche  eigentümlichen  und  meist  sehr  unan- 


§  155.  Zentrale  Behandlung  hemiplegischer  Zustände.  375 

genehmen  Wirkungen  die  sogenannte  Galvanisation  des  Hirns  auf 
ganz  gesunde  Menschen  hervorbringen  kann  (S.  328),  so  liegt  es  auf 
der  Hand,  dass  man  in  der  Anwendung  eines  so  mächtigen 
Mittels  auf  ein  erkranktes  Gehirn  die  grösstmöglichste 
Vorsicht  und  Sorgfalt  wird  anwenden  müssen.  Daher  be- 
diene man  sich  nur  schwacher  Ströme  und  der  möglichst 
feinsten  Abstufungsmittel:  der  Gebrauch  des  Rheostaten 
und  Galvanoskops  ist  unerlässlich. 

Nur  sehr  langsam  und  allmählich  steige  man  während  der  Sitzung 
mit  der  Stromstärke*),  Stromeswendungen  sind  durchaus  zu  vermeiden, 
ebenso  plötzliches  Abheben  oder  Verschieben  der  Elektroden:  wieder 
mit  Hilfe  des  Rheostaten  bringt  man  nach  Beendigung  der  Sitzung 
ganz  allmählich  das  kranke  Gehirn  aus  dem  Einfluss  des  galvanischen 
Stroms  heraus.  Die  Meinungen  der  Autoren  über  den  Nutzen  einer 
galvanischen  Behandlung  bei  materiellen  Hirnläsionen  (wenigstens  bei 
denen,  welche  Hemiplegie  im  Gefolge  haben),  sind  sehr  geteilt:  exakte 
Untersuchungen  und  Beobachtungen  sind  schwer  anzustellen,  und  leider 
scheinen  die  seither  bekannt  gegebenen  Resultate  noch  sehr  von  den 
individuellen  Neigungen  der  einzelnen  Elektrotherapeuten  beeinflusst. 
Was  die  Art  und  Weise  der  Applikation  der  Elektroden,  die  An- 
Avendung  der  polaren  Methode  oder  einer  bestimmten  Stromesrichtung 
entspricht,  so  hat  man  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  die  stabile 
(d.  h.  bei  unverrückbar  feststehenden  Elektroden  vorzunehmende) 
Durchströmung  des  Kopfes  entweder  von  der  Stirn  nach  dem  Nacken 
zu  auf  der  Seite  des  Herdes  (ohne  besondere  Berücksichtigung  der 
Stromrichtung)  oder  eine  quere  Durchleitung  entweder  durch  die 
Proc.  mastoidei,  wenn  der  Herd  mehr  in  den  hinteren  Partien  des 
Hirns,  oder  durch  die  Schläfengegend,  wenn  er  nach  vorn  gelegen 
vermutet  wurde,  empfohlen.  Nach  dem,  was  oben  (S.  327)  über  die 
neuesten  Untersuchungen  speziell  Löwenfcld''s  "^  mitgeteilt  wurde, 
hätte  man,  je  nachdem  man  die  Blutfülle  im  Innern  des  Schädels  zu 
vermehren  oder  zu  vermindern  beabsichtigt,  den  aufsteigenden  (Anode 
Nacken  —  Kathode  Stirn)  oder  den  absteigenden  Strom  anzuwenden, 
jedenfalls    aber    bei    umschriebenem    Sitz    der    Erkrankung    diejenige 


*)  Die  Stromstärke  ist  nach  den  Seite  226  gemachten  Angaben  zu  bestimmen. 
Die  Begriffe  „schwacher,  starker  Strom"  sind  für  den  Elektrotherapeuten  relative 
je  nach  den  Regionen  des  Körpers,  an  welchen  der  Strom  applizirt  wird:  für  die 
Galvanisation  des  Gehirns  und  der  Sinnesorgane  würde  ein  Strom  von  1—5  Milli- 
ampere ausreichen;  indessen  hat  man  auch  hier  die  oft  so  eminent  verschiedenen 
individuellefi  Verhältnisse  der  Empfindlichkeit  zu  berücksichtigen. 


376  Behandlung  von  Hemiplegien.  Kap.  XXI. 

Applikationsweise  zu  wählen,  durch  welche  der  leidende  Teil  von  den 
relativ  stärksten  Stroraschleifen  getroffen  wird.  Auch  bei  der  Quer- 
durchleitung des  Stromes  durch  den  Schädel  soll  man  nach  dem  ge- 
nannten Autor  der  Indikation  einer  etwa  erwünschten  Vermehrung 
oder  Verringerung  der  Blutfülle  im  erkrankten  Hirnabschnitt  durch 
richtige  Polauswahl  Rechnung  tragen  können:  man  soll  die  Kathode 
da  anbringen,  wo  man  die  Cirkulationsvorgänge  zu  hemmen,  die 
Anode  da,  wo  man  sie  zu  fördern  suchen  will.  Die  Zukunft  wird 
lehren,  ob  diese  Voraussetzungen  durch  die  Tatsachen  bestätigt  werden. 
Neben  der  direkten  Quer-  oder  Längsdurchströmung  des  Schädels  (und 
von  manchen  Autoren  fast  gleichwertig  damit  erachtet)  wird  bei  der 
Behandlung  von  Hirnleiden  die  Galvanisation  am  Halse  (die 
früher  sogenannte  Sympathikusgalvanisation)  empfohlen,  offenbar  in 
der  Idee,  durch  diese  indirekt  katalytischen  Wirkungen  (vgl.  S.  333 
und  S.  358)  auf  die  Gefässlichtung  im  Hirn  und  den  Hirnhäuten  und 
damit  auf  die  Prozesse  der  Resorption  fördernd  einzuwirken. 

In  welcher  Weise  bei  der  Galvanisation  des  Kopfes  auch  eine 
die  Erregbarkeit  bestimmter  Hirnpartien  direkt  modifizirende  Einwir- 
kung des  Stromes,  speziell  seiner  verschiedenen  Pole,  zu  Stande 
kommend  gedacht  und  therapeutisch  verwertet  wird,  wird  etwas  weiter 
unten  noch  auseinandergesetzt  werden. 

§  156.    Noch  zwei  wichtige  Punkte  bleiben  zu  besprechen  übrig: 

1)  wie  lange  soll  man  nach  dem  Eintreten  des  Hirnleidens 
warten,   ehe  man  die    centrale  Galvanisation    beginnt    und 

2)  wie  lange  Zeit  soll  sie  jedesmal  angewendet  werden.  In 
Bezug  auf  den  zweiten  Punkt  differiren  die  Ansichten  der  Autoren 
viel  weniger,  als  in  Bezug  auf  den  ersten.  Für  die  jedesmalige 
Sitzung  genügt  eine  kurze,  kaum  über  3  —  4  Minuten  auszudehnende 
Zeit:  lehrt  ja  doch  das  Experiment,  dass  die  am  meisten  geschätzte 
und  für  unser  therapeutisches  Denken,  wenn  man  so  sagen  darf,  am 
besten  verwertbare  Wirkung  auf  die  Gefässe  mit  der  Länge  der 
Stromesdauer  sich  ändert  resp.  in  das  Gegenteil  umschlägt.  Dagegen 
sind  nun  die  Autoren  darüber  durchaus  nicht  einig,  ob  man  früh, 
etwa  schon  innerhalb  der  ersten  Woche  vom  ersten  Auftreten  des 
Hirnleidens  an  mit  der  galvanischen  Behandlung  beginnen  soll,  oder 
erst  später  nach  Ablauf  einiger  Wochen:  ohne  erst  lange  die  ver- 
schiedenen Ansichten  hier  aufzählen  zu  wollen,  glauben  wir,  wenig- 
stens was  die  galvanische  Behandlung  am  Kopf  betrifft,  nach  unsern 
Erfahrungen  uns  dahin  aussprechen  zu  sollen,    dass    selbst'   die    mit 


§  156.  Anwendung  des  Induktionsstroms  bei  Gehirnleiden.  377 

allen  den  oben  genannten  Kautelen  ausgeführte  centrale  galvanische 
Behandlung  nicht  vor  Ablauf  einiger  Wochen  (5  —  6)  begonnen  wer- 
den möge. 

Verhält  es  sich  nun,  so  wird  man  fragen,  mit  der  Anwendung 
des  faradischen  Stroms  ebenso,  und  soll  man  überhaupt  den 
unterbrochenen  Strom  zur  Behandlung   der  Hemiplegien   heranziehen? 

Ob  von  dem  Induktionsstrora  direkte  Einwirkungen  auf  die 
Heilungsvorgänge  und  pathologischen  Zustände  im  Innern  der  Schädel- 
kapsel überhaupt  zu  erwarten  seien,  kann  nach  dem,  was  oben  S.  327 
darüber  gesagt  ist,  jedenfalls  noch  als  zweifelhaft  betrachtet  werden: 
es  könnte  sich  also,  wenn  überhaupt  von  einem  Einfluss  der  Fara- 
disation  auf  die  Vorgänge  im  Hirn  die  Rede  sein  soll,  nur  um  die 
(Seite  344)  schon  erwähnten  reflektorischen  Wirkungen  auf  die  Ge- 
fässe  der  Hemisphäre  handeln,  wenn  grössere  Partien  der  Körper- 
oberfläche Einwirkungen  des  unterbrochenen  Stroms  ausgesetzt  werden. 
Einige  Beobachtungen  Vulpian's^^^  und  Rumpfs^'"  über  die  Heilung 
bezw.  Besserung,  die  sie  bei  cerebralen  Hemianästhesien  und  Con- 
gestivzuständen  des  Hirns  erzielt  haben,  ermutigen  dazu,  in  gleicher 
Weise  vorzugehen.  Abgesehen  aber  davon  erreicht  man  durch  die 
Faradisation  der  gelähmten  und  dem  Willenseinfluss  entzogenen 
Glieder,  dass  die  Ernährung  der  gelähmten  Muskeln  befördert  und 
einer  später  vielleicht  eintretenden  Inaktivitätsatrophie  vorgebeugt 
wird.  Zweckentsprechend  werden  mit  der  Faradisation  passive  üebun- 
gen  verbunden,  um  der  in  nicht  allzu  langer  Zeit  sich  in  den  Ge- 
lenken der  gelähmten  Extremitäten  ausbildenden  Schmerzhaftigkeit 
entgegen  zu  wirken.  Ohne  hier  näher  auf  das  Wesen  dieser  Gelenk- 
veränderungen eingehen  zu  wollen,  erinnern  wir  nur  daran,  dass  es 
hauptsächlich  das  Schultergelenk  ist,  in  dem  sich  derartige  konsekutive 
Entzündungsprozesse  ausbilden.  Man  benutze  auch  hier,  wenigstens 
zu  Anfang,  nur  schwache  Ströme:  besonders  gilt  dies  für  die  Fara- 
disation des  gelähmten  Facialisgebiets.  Die  Individualität  des  Kranken 
und  sein  Allgemeinzustand  sind  stets  zu  berücksichtigen.  Das  leb- 
hafte Spiel  der  Muskeln  der  so  lange  gelähmt,  schlaff,  kühl  und 
vielleicht  ödematös  herabhängenden  Extremitäten  versetzt  die  meisten 
Kranken,  wenigstens  zu  Anfang,  in  die  lebhafteste  und  freudigste 
Aufregung:  sei  es  nun  dieser  günstige  psychische  Einfluss  oder  wirk- 
lich uns  noch  unbekannte,  reflektorisch  oder  direkt  auf  die  molekulare 
Struktur  der  erkrankten  Teile  ausgeübte  Wirkungen,  man  sieht  in 
der  Tat  oft  schon  nach  wenigen  Sitzungen  die  Beweglichkeit  der  ge- 
lähmten Glieder  sich   bedeutend  bessern.     Da  in  der  Mehrzahl  aller 


378  Faradisclie  Behdlg.  v.  Hemiplegien.  Erregbark. -Vorliältn.  b.  solchen.   Kap.  XXI. 

Fälle  von  Hemiplegie  die  Beweglichkeit  der  unteren  Extremität  eher 
wiederkehrt,  als  die  der  oberen,  so  hat  man  es  bei  der  Faradisation 
Hemiplegischer  meist  mit  den  oberen  Extremitäten  zu  tun  und  auf 
die  Schultermuskulatur,  den  Deltoideus,  den  Triceps,  die  Hand-  und 
Fingerextensoren  an  der  Rückseite  des  Vorderarms,  sowie  auf  die 
Mm.  interossei  für  jeden  Abschnitt  etwa  1  —  2  Minuten,  den  Strom  zu 
richten.  Was  die  Unterextremitäten  betrifft,  so  kann  hier  das  Gebiet 
des  N.  cruralis,  sowie  das  des  Ischiadicus  in  ähnlicher  Weise  der 
Reihe  nach  vorgenommen  werden.  Auf  die  Beuger  des  Hüftgelenks 
direkt  durch  faradische  Reizung  einzuwirken,  ist  leider  nicht  möglich, 
man  kann  hier  den  konstanten  Strom  so  anwenden,  dass  man  z.  B.  einen 
Pol  (meist  die  Anode)  auf  die  untersten  Brustwirbel,  den  anderen  in 
der  Schenkelbeuge  aufsetzt  und  längs  den  Nerven  und  Muskeln  der 
unteren  Extremität  hin  und  her  führt  (labile  Anwendung  des  konstan- 
ten Stroms:  vgl.  S.  364).  —  Diese  Methode  der  labilen  peripherischen 
Behandlung  mit  dem  konstanten  Strom  kann  man  abwechselnd  mit 
der  Applikation  faradischer  Ströme  einer  etwa  vorangegangenen  zen- 
tralen Behandlung  in  derselben  Sitzung  folgen  lassen. 

§  157.  Es  sei  gestattet,  an  dieser  Stelle  die  wichtige  Tatsache 
zu  konstatiren,  dass  bei  den  von  Strukturveränderungen  des  Grosshirns 
abhängenden  Hemiplegien  die  elektrische  Erregbarkeit  der  gelähmten 
Nerven  und  Muskeln  im  Wesentlichen  keine  Veränderungen  erleidet. 
So  lange  diese  Teile  in  ihrer  Struktur  intakt  geblieben  sind  (und  es 
kommen  derartige  Veränderungen,  sei  es  durch  trophische  Störungen 
in  Folge  langer  Ruhe  oder  durch  anderweitige  spätere  sekundäre  Pro- 
zesse meist  erst  Jahre  nach  dem  Eintritt  des  Insults  zu  Stande),  so 
lange  bleibt  auch  die  Reaktion  auf  die  elektrische  Reizung  mit  beiden 
Stromesarten  unverändert.  Es  fehlen  jedenfalls  noch  exakte  Unter- 
suchungen, welche  mit  Berücksichtigung  aller  möglichen  Fehlerquellen 
angestellt,  die  von  einigen  Autoren  behauptete  Steigerung  resp.  die 
Abnahme  der  Erregbarkeit  der  gelähmten  Teile  un widerstreitbar  dartun. 
Handelt  es  sich  dagegen  um  intracranielle  basale  Prozesse,  durch 
welche  einzelne  Hirnnerven  nach  ihrem  Austritt  aus  den  zentralen 
Ursprungsstätten  (Ganglien-Kernen)  kömprimirt  und  gelähmt  werden 
können,  oder  sind  die  Nervenkerne  motorischer  Hirnnerven  (bei  Affek- 
tionen der  Brücke,  des  verlängerten  Markes  z.  B.)  selbst  Sitz  patho- 
logischer Prozesse,  so  können  im  Bereiche  dieser  Nerven,  ganz  so  wie 
bei  schweren  peripherischen  Lähmungen  die  Reaktionen  der  vollstän- 
digen oder  partiellen  Entartung  erhalten  werden. ^'^ 


§  157,  158.  Bulbärparalyse;  deren  Behandlung.  379 

Verbreitet  sich  schliesslich  in  ganz  seltenen  Fällen  (wie  es  neuer- 
dings einigemale2i2  beschrieben  ist)  die  sekundäre  absteigende  Degene- 
ration der  Pyramidenseitenstrangbahnen  im  Querschnitt  des  Rücken- 
marks auf  die  grauen  Vordersäulen,  so  kann  es  auch  an  den  Nerven 
und  Muskeln  der  Extremitäten  zu  wirklichen  jetzt  von  der  Rücken- 
marksläsion abhängigen  Atrophien  und  den  pathologischen  elektrischen 
Reaktionen  kommen. 

Beide  Behandlungsmethoden,  die  sogenannte  zentrale  (mit  dem 
galvanischen  Strom)  und  die  peripherische  (mit  beiden  Stromesarten, 
vorwiegend  mit  dem  faradischen),  können,  wie  schon  erwähnt,  zweck- 
entsprechend kombinirt  werden.  Nach  etwa  8—12  wöchentlicher  und 
pro  Woche  3 — 4  mal  angewandter  derartiger  Behandlung  wird  oft  viel 
erreicht:  sieht  man  nach  dieser  Zeit  keinen  weiteren  Vorteil  aus  der 
elektrischen  Behandlung  für  den  Patienten  erwachsen,  so  stehe  man 
weiterhin  davon  ab  oder  mache  wenigstens  eine  mehrmonatliche  Pause 
bevor  man  aufs  Neue  beginnt. 

§  158.  Zu  denjenigen  Gehirnkrankheiten,  welche  sich  für  die 
elektrotherapeutische  Behandlung  am  meisten  eignen,  insofern  von  den 
zuverlässigsten  Autoren  Besserung  des  Leidens,  temporärer  Stillstand 
desselben,  ja  in  einzelnen  vielleicht  hierher  gehörigen  Fällen  sogar 
Heilung  beobachtet  worden  ist,  gehört  die  von  Duchenne-Wachs- 
rauth  zuerst  beschriebene  chronische  Nervenkernerkrankung  in 
der  Med  obl.:  die  Paralysie  labio-glosso-laryngee  oder  die 
Bulbärparalyse.  Man  setze  beide  Elektroden  eines  massig  starken 
konstanten  Stroms  (2—6  M.  A.)  an  die  Proc.  mastoidei  und  lasse  unter 
Benutzung  des  Rheostaten  den  Strom  1  —2  Minuten  erst  in  der  einen, 
sodann  in  der  anderen  Richtung  durchgehen:  man  kann  die  Galvani- 
sation des  Hals-  und  Brustmarks  bezw.  die  des  Sympathikus  folgen 
lassen.  Besonderer  Wert  wird  von  Einigen  auf  die  Auslösung  von 
Schlingbewegungen  gelegt,  die  man  bei  Applikation  der  Anode  in  den 
Nacken,  der  Kathode  vorn  am  Kehlkopf  durch  Schliessen  des  Stromes, 
noch  kräftiger  durch  Wendungen  desselben  auslöst. 

Daneben  kann  man  durch  schwache  Faradisation  die  paretischen 
und  atrophischen  Muskeln  des  Gesichts,  der  Zunge,  des  Gaumens,  des 
Schlundes  zu  kräftigen  versuchen:  die  elektrische  Erregbarkeit  der  be- 
treffenden Gebiete  bleibt  lange  Zeit  qualitativ  unverändert  und  ver- 
ändert sich  nur  entsprechend  der  allmählich  eintretenden  Atrophie  der 
Zungen-  und  Gesichtsmuskulatur;  neuerdings  ist  das  Vorkommen  der 
Entartungsreaktion    im    Bereiche    der    atrophirenden    Muskulatur    bei 


380  Elektrotherapeutische  Behanrllung-  der  Psychosen.  Kap.  XXI. 

direkter  Reizung    mittelst    des   galvanischen   Stroms    mehrfach    beob- 
achtet worden  2'^. 

§  159.  In  Bezug  auf  die  Verwendbarkeit  der  Elektrizität  zur 
Behandlung  psychischer  Krankheiten  sind  die  wirklichen  Erfahrun- 
gen bis  heute  noch  zu  dürftig,  als  dass  schon  jetzt  ein  endgiltiges 
Urteil  abgegeben  werden  könnte.  Bei  den  Erkrankungen,  welchen  greif- 
bare, besonders  (chronisch)  entzündliche  Veränderungen  der  Hirnhäute 
und  der  Hirnoberfläche  zu  Grunde  liegen,  kann  man  durch  zentrale 
Galvanisation,  wenn  die  Erkrankung  noch  nicht  zu  weit  vorgeschritten, 
Vorteile  erwarten,  wie  sie  in  der  Tat  von  Hitzig^^^  und  Arndt^^"' 
durch  die  Galvanisation  der  Hinterhaupt-Nackengegend  bei  beginnen- 
der Dementia  paralytica  gegen  die  Sprachstörungen  erzielt  worden 
sind.  Arndt  liess  übrigens  die  Elektrizität  nicht  auf  den  Kopf,  son- 
dern auf  das  Rückenmark  und  die  Nerven  und  zwar  in  absteigender 
Richtung  einwirken.  Andere,  wie  Mendel-^*',  hatten  indess  durch- 
aus nur  negative  Resultate  zu  verzeichnen.  Auch  mag  es  möglich 
sein,  bei  den  sogenannten  Reflexpsychosen  durch  die  Einwirkung  der 
Elektrizität  (vorwiegend  des  galvanischen  Stroms)  auf  etwaige  peri- 
pherische Krankheitsherde  (Schmerz  und  andere  Sensationen  unter- 
haltende Narben  z.  B.)  auf  den  Verlauf  des  Leidens  wohltätig 
einzuwirken.  Weniger  ausgesprochen  sind  die  Einwirkungen  des  gal- 
vanischen Stroms  auf  diejenigen  Psychosen,  die  wenigstens  in  ihren 
Anfangsstadien  eher  auf  abnorme  Zirkulationsverhältnisse  im  Gehirn, 
als  auf  palpable  pathologische  Veränderungen  zurückgeführt  werden, 
wie  die  Melancholie  oder  die  Manie.  Ganz  im  Allgemeinen  kann  man 
sagen,  dass,  insofern  Schlaf  ein  für  viele  Geisteskranke  im  höchsten 
Grade  zu  erstrebendes  und  wohltätiges  Beruhigungsmittel  ist,  die  bei 
der  vorsichtigen  Hirngalvanisation  in  vielen  Fällen  eintretende  Müdig- 
keit und  Schlafsucht,  als  höchst  zweckmässiges  und  den  Narkoticis 
bei  weitem  vorzuziehendes  Mittel  in  Anwendung  zu  ziehen  ist.  Auch 
in  Bezug  auf  die  Bekämpfung  einzelner  krankhafter  Erscheinungen  von 
Seiten  der  Sinnesorgane  (Hallucinationen  des  Gehörs  namentlich)  hat 
sich  der  konstante  Strom  und  zwar  die  möglichst  nahe  Applizirung 
des  positiven  Pols,  der  Anode,  an  das  erkrankte  Organ  in  den  Hän- 
den einzelner  Psychiater  (Fisch er 2^^,  Buch 2^^,  Jolly^^^)  wohltätig 
erwiesen.  —  Länger  bekannt  schon  ist  die  stimulirende  und  erregende 
Wirkung  der  Faradisation,  besonders  der  Erregung  der  Hautnerven 
mittelst  des  faradischen  Pinsels  bei  Depressionszuständen  (wie  Melan- 
cholie, Stupor);    hier  wäre  wohl  auch  die   „allgemeine  Faradisation 


§  159,  160.    Cerebrale  Anästhesien,  posthemiplegische  Bewegungen.  381 

oder  Galvanisation«  angezeigt,  welche  in  der  Tat  neuerdings  von 
Fisch  er --°  mit  gutem  Erfolg  bei  einem  Falle  schwerer  Melancholie 
angewandt  worden  ist. 

Die  Erfahrungen  in  diesem  Zweig  der  Elektrotherapie  sind  bis 
jetzt  noch  nicht  zahlreich  und  widerspruchsfrei  genug,  um  ein  defini- 
tives Urteil  üher  den  Wert  oder  die  Nutzlosigkeit  dieser  Behandlungs- 
methode bei  psychischen  Krankheiten  zu  ermöglichen:  die  Vermeh- 
rung unseres  Wissens  wird  aber  gewiss  eher  von  den  Anstaltsärzten 
als  von  dem  praktischen  Arzt  erwartet  werden  dürfen. 

Einen  derartigen  Bericht  hat  nun  auch  in  jüngster  Zeit  Tigges*^^ 
(Sachsenberg)  veröffentlicht.  Durch  Galvanisation  des  Sympathikus, 
des  Kopfes,  der  Wirbelsäule  (Rückenmarks)  und  der  peripherischen 
Nerven  hat  dieser  Autor  bei  verschiedenen  Geisteskranken  auf  die  Her- 
beiführung von  Schlaf,  auf  die  Beseitigung  mannigfacher  unangenehmer 
Sensationen  am  Kopf,  wie  an  Rumpf  und  Gliedern  (Kopfdruck,  Schmer- 
zen, Druckempfindung  in  der  Herzgrube  etc.j  wohltätig  eingewirkt. 
Bei  Melancholischen  konnte  er  oft  nach  kurzer  Einwirkung  des  kon- 
stanten wie  des  induzirten  Stromes  eine  Lösung  der  motorischen 
Hemmung  und  ein  Freierwerden  der  Gedanken  konstatiren.  Ohren- 
sausen (und  Gehörshallucination) ,  manchmal  auch  Gesichtshalluci- 
nationen  minderten  sich  und  schwanden  wohl  auch  bei  fortgesetzter 
Behandlung  dauernd.  Eine  besondere  Pol  Wirkung  hat  Tigges  nicht 
lionstatiren  können:  jedenfalls  aber  rät  er,  nur  stabile  (nicht  labile) 
Ströme  und  solche  von  geringer  Stärke  (bis  höchstens  1 — 2  M.  A.) 
und  jedesmal  nur  kurze  Zeit  (1 — 2  Minuten)  anzuwenden. 

§  160.  Als  Begleitsymptome  der  motorischen  Hemiplegien  oder 
als  Folgekrankheiten  sich  ihnen  anschliessend  werden  nicht  selten 
Lähmungen  sensibler  Nerven  (Anästhesien)  und  abnorme,  unwillkühr- 
liche  Bewegungen  in  den  paretischen  Gliedern  beobachtet,  die  unter 
verschiedenem  Namen  von  den  verschiedenen  Autoren  beschrieben 
worden  sind  (an  Paralysis  agitans  erinnernde  Bewegungen,  halbseitige 
Athetose  etc.).  Li  Bezug  auf  die  Behandlung  cerebraler  Hemianästhe- 
sien  verweisen  wir  auf  das  S.  347  Gesagte:  die  Behandlung  der 
anderen  genannten  pathologischen  Erscheinungen  übt  man  mittelst 
„zentraler  Galvanisation*'  in  dem  Sinne  aus,  dass  man  in  die  Nähe  des 
die  abnormen  Bewegungen  unterhaltenden  Herdes  an  die  Schläfen-' 
oder  Hinterohrgegend  die  Anode  applizirt,  in  der  Idee,  durch  ihre  die 
Erregbarkeit  herabsetzende  Wirkung  einen  beruhigenden  Einfluss  aus- 
zuüben. 


382  Symptomatische  Behandlung  bei  Hirnleiden.  Kap.  XXI, 

Endlich  handelt  es  sich  bei  vielen  organischen  und  als  unheilbar 
e]-kanuten  Hirnkrankheiten  um  rein  symptomatische  Wirkungen,  die 
man  durch  die  zentrale  Galvanisation  erzielen  kann,  lieber  das  ein- 
tretende Schlaf bedürfniss  ist  schon  gesprochen:  ebenso  wie  die  Schlaf- 
losigkeit und  Unruhe  können  nun  aber  auch  Schmerzen  im  Kopf, 
Schwindelerscheinungen,  Ohrensausen  etc.  bekämpft  werden;  die  Be- 
seitigung derartiger  Symptome  trägt,  trotz  Fortbestehens  des  Grund- 
leidens, in  vielen  Fällen  nicht  wenig  dazu  bei,  die  oft  unerträglichen 
Leiden  derartiger  unglücklichen  Kranken  wenigstens  zeitweitig  zu 
lindern. 


Kapitel  XXII. 
Von  der  Elektrotherapie  der  Rückenmarkskrankheiten. 


§  161.  Neben  den  Erkrankungen  des  Gehirns  sind  es  beson- 
ders diejenigen  des  Rückenmarks,  welche  häufig  durch  eine  elektro- 
therapeutische  Behandlung  einer  Besserung,  wenn  nicht  Heilung  zu- 
geführt werden  können.  Man  kann  in  Bezug  auf  die  hier  in  Betracht 
kommenden  Verhältnisse  füglich  die  akuten  Erkrankungen  von  den 
chronischen  und  die  diffus  das  ganze  Mark  betreffenden  von  den 
zirkumskript  und  in  Herden  auftretenden  trennen.  Akute  Myelitiden^ 
die  in  kurzer  Zeit  zu  höchster  Entwickelung  gelangend  durch  die  voll- 
kommene Zerstörung  der  befallenen  Partien  absolute  Lähmungen  der 
Motilität  und  Sensibilität,  schwere  trophische  Störungen,  Dekubitus, 
Harnverhaltung  und  ihre  Folgen  (ürinzersetzung,  diphtheritische  Pro- 
zesse auf  der  Blascnschleimhaut  und  noch  weiter  hinauf  bis  zu  den 
Nieren  hin)  herbeiführen,  fallen  kaum  je  der  Behandlung  der  Elektro- 
therapeuten  anheim;  ebensowenig  sind  die  akuten  Verletzungen  des 
Rückenmarks  durch  Wirbelbruch  oder  Luxation,  wenigstens  für  die 
ersten  Wochen  (wenn  überhaupt  der  Kranke  am  Leben  bleibt),  Gegen- 
stand einer  elektrischen  Behandlung.  Natürlich  kann  die  Applikation 
beider  Stromesarten  (als  von  hohem  wissenschaftlichen  Interesse)  in 
Anwendung  gezogen  werden,  um  über  die  Erregbarkeitsverhältnisse 
d«r  gelähmten  Nerven  und  Muskeln  Klarheit  zu  verschaffen:  die 
etwaigen  elektrotherapeutischen  Bestrebungen  müssen  vor  der  Allge- 
meinbehandlung, oft  auch  vor  der  absoluten  Unmöglichkeit,  ohne 
Schädigung  des  Kranken  an  den  eigentlichen  Locus  morbi  hingelangen 
zu  können,  in  den  Hintergrund  treten. 

§  162.  Aus  der  grossen  Gruppe  akuter  myelitischer  Prozesse 
hat  nun  aber  die  Neuzeit  einige  auszusondern  gelehrt,  welche  in  um- 
schriebenen Herden   auftretend   meist  nur  ganz  bestimmte  Territorien 


384  Akute  atrophische  Spinallähmungen.  Kap.  XXII. 

des  Marks  befallen;  als  Paradigma  derselben  kann  die  sogenannte 
spinale  Kinderlähmung  gelten.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die 
Pathologie  dieser  Erkrankung  näher  einzugehen:  nur  das  sei  hervor- 
gehoben, dass  es  sich  pathologisch  anatomisch  in  der  Mehrzahl  aller 
hierher  zu  rechnenden  Fälle  um  umschriebene,  durch  akute  Entzün- 
dung herbeigeführte  Beeinträchtigung  resp  Zerstörung  vornehmlich  von 
grauer  Substanz  der  Vordersäulen,  besonders  bestimmter  Strecken  der- 
selben in  der  Hals-  oder  Lendenanschwellung,  handelt.  Als  charak- 
teristisches Kennzeichen  dieser  Lähmung  ergibt  sich  für  die  elektrische 
Untersuchung  (wir  betonen  noch  einmal,  dass  weitere  klinische  Ausein- 
andersetzungen an  anderen  Orten  gesucht  werden  müssen)  die  schon  nach 
kurzer  Zeit  (nach  5  —  6  Tagen)  zu  beobachtende  Herabsetzung  resp. 
das  vollkommene  Aufhören  der  faradischen  Erregbarkeit  der  gelähm- 
ten und  bald  der  Atrophie  verfallenden  Muskeln  (Duchenne^)  und 
der  Nerven.  Bei  der  Untersuchung  mit  dem  galvanischen  Strom  findet 
man  oft  bei  vollkommenem  Schwund  der  faradischen  Erregbarkeit  eine 
erhaltene  direkte  galvanische  Erregbarkeit  (Salomon^-'),  welche 
durchaus  die  Eigentümlichkeit  der  oben  S.  288  ff.  auseinandergesetzten 
„Entartungsreaktion"  zeigt.  Die  vielleicht  anfangs  beobachtete  er- 
höhte direkte  galvanische  Erregbarkeit  sinkt  recht  bald  wieder  ab  und 
kann  bis  auf  schwache  träge  Zuckungen,  die  durch  den  Kathoden-, 
meist  aber  mehr  durch  Anodenschluss  bei  Anwendung  hoher  Strom- 
stärken erzielt  werden,  ganz  verschwunden  sein. 

Es  ist  bekannt,  dass  an  einem  Gliede  (Arm,  Bein)  die  verschie- 
denen Abschnitte  (Oberarm,  Unterarm,  Oberschenkel,  Unterschenkel), 
ja  sogar  die  verschiedenen  Muskelgruppen  derselben  Abschnitte  in 
ganz  verschiedener  Weise  affizirt  sein  können:  einzelne  Muskeln  ver- 
lieren ihre  Erregbarkeit  innerhalb  acht  Tagen  völlig,  andere  zeigen 
nur  eine  erhebliche  Herabsetzung  ihrer  faradischen  und  galvanischen 
Erregbarkeit,  andere  bleiben  ganz  frei. 

Wenn  man,  wie  anfangs  betont  ist,  überhaupt  bei  einer  erstmali- 
gen elektrischen  Exploration  vorsichtig  und  milde  verfahren  muss,  so 
ist  das,  wie  das  hier  ausdrücklich  hervorgehoben  werden  soll,  für  die 
Kinderpraxis  von  ganz  besonderer  Bedeutung:  nach  unseren  Erfahrun- 
gen ertragen  selbst  kleine  Kinder  (bis  zu  2  oder  3  Jahren)  einen 
stärkeren  faradischen  Strom  mit  weniger  Widerwillen,  als  einen  selbst 
schwachen  konstanten.  Andererseits  ist  hervorzuheben,  dass  die  Kon- 
statirung  der  oben  erwähnten  elektrischen  Verhältnisse  gerade  bei 
Kindern  ungemeinen  Schwierigkeiten  begegnet,  die  in  dem  ungeberdi- 
gen  Benehmen   derselben,   dem  Vorhandensein   des   meist  sehr  ausge- 


i 


§  162.  Akute  atrophische  Spinallähmung  der  Kinder.  385 

bildeten  Fettpolsters  und  der  dadurch  undeutlich  werdenden  Beobach- 
tung der  Zuckung  einzelner  Muskeln  ihre  Begründung  jSnden. 

Die  Behandlung  besteht  zunächst  in  einer  Galvanisation  des 
Rückenmarks  bei  direkter  Applikation  der  Elektroden  auf  die  Proc. 
spinosi  der  Wirbel  oder  dicht  an  die  Seiten  der  letzteren.  Die  Ab- 
sicht ist,  durch  die  „kataly  tischen  Strom  Wirkungen"  den  Krankheits- 
herd direkt  zu  beeinflussen.  Die  Methoclen  variiren:  einige  setzen  die 
eine  Elektrode  aaf  das  Rückgrat  an  die  Stelle  der  Erkrankung 
(Nacken  —  Lendenteil),  meist  die  Anode,  die  Kathode  an  die  gelähm- 
ten Extremitäten,  andere  bringen  die  Kathode  an  die  der  erkrankten 
Markpartie  entsprechende  Stelle  der  Wirbel  und  setzen  die  Anode 
entweder  ebenfalls  an  eine  indifferente  Stelle  des  Rückens  oder  der 
vorderen  Rumpffläche  auf:  nach  einer  Stromesdauer  von  3 — 5  Minuten 
wird  dann  die  Stromesrichtung  gewechselt.  Die  Stromstärke  wird  bei 
Kindern  immer  eine  massige  bleiben  müssen,  4 — 6  oder  8  der  ge- 
bräuchlichen Siemens' sehen  Elemente  genügen  wenigstens  für  den 
Anfang  durchaus.  Man  kann  diese  „zentrale"  Behandlung  erfah- 
rungsgemäss  ohne  Schaden  schon  innerhalb  der  ersten  Wochen  nach 
der  Erkrankung  in  Anwendung  ziehen  und  sie  mit  der  peripherischen 
Behandlung  in  dem  Sinne  verbinden,  dass  der  eine  Pol  (Anode)  in 
der  Höhe  der  erkrankten  Markpartie  am  Rücken  bleibt,  während  man 
mit  der  Kathode  „labil"  über  die  gelähmten  Muskelpartien  hinstreicht 
resp.  Volta'sche  Alternativen  anwendet,  wobei  zweckentsprechend  auch 
der  eine  Pol  auf  den  Nervenstamm,  der  andere  auf  die  gelähmten 
Muskeln  aufgesetzt  wird.  Wie  oben  erwähnt  haben  nicht  immer  alle 
Muskeln  eines  Gliedes  ihre  faradische  Erregbarkeit  ganz  eingebüsst: 
diese  Teile  kann  man  daher  mit  faradischen  Strömen  zur  Kontraktion 
zu  bringen  versuchen,  ein  Verfahren,  welches  bekanntlich  Duchenne 
überhaupt  nur  bei  der  Behandlung  der  Kinderlähmungen  und  nach 
seinem  Ausspruch  mit  Erfolg  in  Anwendung  gezogen  hat. 

Um  die  Kinder  nicht  zu  sehr  zu  ermüden  und  anzustrengen,  dehne 
man  die  einzelne  Sitzung  nicht  zu  lange  aus  und  vermeide  die  tägliche 
Behandlung:  eine  3 — 4  malige  Applikation  des  Stromes  innerhalb  einer 
Woche  ist  genügend. 

Darin  sind  alle  Beobachter  und  die  behandelnden  Aerzte  gerade 
dieser  Affektion  einig,  dass  die  elektrische  Therapie  zwar  mit  Unter- 
brechungen (3 — 4  wöchentliche  Pausen  nach  etwa  6 — -8  wöchentlicher 
Behandlung)  aber  im  Ganzen  konsequent  Monate  und  Jahre  hin- 
durch fortgeführt  werden  muss. 

Durch  die  Ungeberdigkeit  der  kleinen  Kranken,  durch  die  anfangs 

•      Rosenthal  u.  Bernhardt,  Klektrizitiitslehre.     lU.  AuH.  25 


386  Atrophische  Spinallähmung  Erwachsener.  Kap.  XXII. 

oft  geringen,  kaum  sichtbaren  Erfolge  der  Behandlung  wird  die 
Geduld  des  Arztes  und  der  Eltern  auf  eine  harte  Probe  gestellt:  am 
ehesten  gewinnen  diejenigen  Muskeln  allmählich  ihr  normales  Ver- 
halten wieder,  welche  ihre  faradische  Erregbarkeit  überhaupt  nicht 
ganz  verloren  hatten:  sodann  aber  kommt  es  vor,  dass  trotz  herab- 
gesetzt bleibender  faradischer  Erregbarkeit  die  willkürliche  Bewegung 
fast  vollständig  wiederhergestellt  wird  (vgl.  S.  301).  Eine  erst  viele 
Monate  oder  gar  Jahre  lang  nach  dem  Beginn  der  Erkrankung  einge- 
leitete Behandlung  ist  meist  erfolglos:  aber  auch  die  zweckentsprechend 
und  früh  unternommenen  elektrotherapeutischen  Maassnahmen  bleiben 
in  nicht  wenigen  Fällen  weit  hinter  den  Erwartungen  des  Arztes  und 
den  Hoffnungen  der  Eltern  zurück. 

§  163.  Im  Anschluss  an  die  „spinale  Lähmung  der  Kinder"  be- 
sprechen wir  die  gleichfalls  erst  in  der  Neuzeit  als  besonderes  Leiden 
erkannte  und  gleichfalls  auf  zirkumskripte  rayelitische  Prozesse  in  den 
grauen  Vordersäulen  des  Marks  zurückgeführte  akut  resp.  chronisch 
auftretende  spinale  atrophische  Lähmung  der  Erwachsenen 
(Poliomyelitis  antica  acuta,  chronica).  Wieder  verzichten  wir  auf  eine 
Darstellung  der  klinischen  und  pathologisch  anatomischen  Einzelheiten: 
das  Wesentliche  in  Bezug  auf  die  hier  interessirenden  Fragen  ist  die 
Tatsache,  dass  auch  hier,  wie  bei  der  Kinderlähmung,  die  elektrischen 
Erscheinungen  und  ihr  Ablauf  im  Wesentlichen  denen  gleichen,  wie 
man  sie  für  die  sogenannten  schweren  peripherischen  Lähmungen 
giltig  kennen  gelernt  hat  'oo  (vgl.  oben  S.  299).  Ja  es  haben  sich 
gewichtige  Stimmen  in  der  Litteratur  sogar  dafür  ausgesprochen,  dass 
es  sich  in  manchen  dieser  als  atrophische  Lähmungen  Erwachsener  be- 
schriebenen Fälle  überhaupt  nur  um  multiple ,  die  Integrität  schwer 
beeinträchtigende  entzündliche  und  zur  Degeneration  führende  Prozesse 
peripherischer  Nerven  gehandelt  habe.  Man  verbinde  daher  auch  hier 
die  zentrale  Rückenmarksgalvanisation  mit  der  peripherischen  Behand- 
lung. Die  Stromstärken  können  natürlich  bei  den  Erwachsenen  be- 
deutendere sein  (meist  werden  zwischen  15  und  30  Elemente  [bis  zu 
10  und  15  M.  A.]  in  Anwendung  gezogen)  als  bei  Kindern:  die  Pole 
werden  in  nächster  Nähe  der  vermuteten  Krankheitsherde  am  Nacken 
oder  in  der  unteren  Brust-  und  Lendengegend  applizirt,  meist  die 
Kathode,  aber  auch  wechselnd  mit  der  Anode,  wobei  die  Richtung  des 
Stromes  gleichgiltig  ist.  Mit  dieser  zentralen  Durchströmung  des 
Marks  wird  die  peripherische  galvanische  Behandlung  so  verbunden,  dass, 
während  ein  Pol  an  den  Wirbeln  auf  dem  Krankheitsherde  bleibt,  der 


§  163,  164.  Atrophische  Spinallähaiungen.  387 

andere  (meist  die  Kathode)  auf  die  Fossa  supraclavicularis  entweder, 
oder  in  die  Schenkelbeuge,  resp.  in  den  Raum  zwischen  den  Troch. 
maior  und  Tuber  ischii  aufgesetzt  und  stabil  dort  eine  Zeit  lang  gehalten 
wird,  oder  dass  man  mit  der  Kathode  längs  der  Nerven  und  Muskeln 
der  gelähmten  Glieder  (labil)  hin  und  her  fährt  resp.  Wendungen 
vornimmt. 

Auch  bei  der  Behandlung  der  akuten  oder  chronischen  atrophischen 
Spinallähmung  bei  Erwachsenen,  welche  chronische  Form,  wie  eine 
in  neuester  Zeit  mitgeteilte  Beobachtung  Erb's'*'^^  lehrt,  auch  im 
Kiudesalter  angetroffen  werden  kann,  ist  Ausdauer  und  Geduld  von 
Seiten  des  Arztes  und  des  Kranken  erforderlich:  indess  sind  unseren 
Erfahrungen  nach  in  vielen  Fällen  die  Erfolge  oft  günstigere,  als,  die, 
welche  man  mit  denselben  Methoden  der  Behandlung  bei  der  Kinder- 
lähmung erzielt.  Namentlich  kehrt  die  aktive  Beweglichkeit  oft  lange 
vor  der  normalen  elektrischen  Erregbarkeit  zurück  und  erhält  sich  die 
indirekte  galvanische  Erregbarkeit  auch  da  (wenigstens  in  manchen 
Fällen),  wo  die  faradische  kaum  noch  Spuren  von  Reaktion  entdecken 
lässt.  Kehrt  nach  einer  gewissen  Zeit  die  Erregbarkeit  der  gelähm- 
ten Muskeln  für  den  Induktionsstrom  zurück,  so  wird  man  zweckent- 
sprechend auch  diesen  in  Anwendung  zu  ziehen  haben.  Die  Behand- 
lung (auch  die  zentrale)  kann  schon  früh  begonnen  werden,  die  Dauer 
der  einzelnen  Sitzungen  variirt  von  6  — 15  Minuten,  die  Anzahl  der- 
selben pro  Woche  von  3 — 5.  Nach  mehrwöchentlicher  Behandlung  ist 
auch  hier  eine  Pause  von  2 — 3  Wochen  eher  von  wohltätigem  Einfluss 
auf  den  Verlauf  des  Leidens. 

Es  ist  auch  wichtig,  an  dieser  Stelle  darauf  aufmerksam  zu 
machen,  dass  gerade  bei  den  soeben  besprochenen  Affektionen  der 
Kinder  und  Erwachsenen  eine  anscheinend  schwere  Lähmung  (einher- 
gehend mit  enormer  Herabsetzung  der  elektrischen  Erregbarkeit  der 
gelähmten  Nerv-Muskelgebiete,  mit  Entartungsreaktion  etc.)  in  relativ 
kurzer  Zeit  (3 — 5  Monaten)  trotz  des  teilweisen  Fortbestehens  der 
elektrischen  Anomalien  und  der  Muskelatrophie  zur  Heilung  gelangen 
kann.  Man  sei  daher  bei  der  Stellung  der  Prognose  nach  dieser 
Richtung  hin  vorsichtig:  derartige  „temporäre"  Lähmungen  aus- 
zuschliessen  ist  also  erst,  nachdem  Monate  ohne  besondere  Besserung 
vorübergegangen  sind,  gestattet.  -'" 

§  164.  Im  Anschluss  an  die  Behandlung  dieser  atrophischen 
(spinalen)  Lähmungen  Erwachsener  möge  die  Besprechung  der  Elekto- 
therapie  einiger  Erkrankungsformen  hier  eine  Stelle   finden,  die   nach 

25* 


388  Bleilähmungen.  Kap.  XXII. 

dem  Urteil  nicht  weniger  und  gewichtiger  Autoren  in  gleicher  Weise 
auf  eine  Erkrankung  der  grauen  Vordersäulen  des  Marks,  speziell  der 
multipolaren  grossen,  motorisch- tropiiischen  Ganglienzellen  in  ihnen 
zurückzuführen  sind.  Zwar  ist  die  Pathologie  der  Bleiläh  raun  gen 
auch  heute  trotz  aller  Sorgfalt  der  Beobachter  nicht  so  weit  aufge- 
klärt, dass  die  Behauptung,  es  bei  ihr  mit  einer  RückenmarksafFek- 
tion  im  obigen  Sinne  zu  tun  zu  haben,  allgemeine  Giltigkeit  erlangt 
hätte;  nicht  wenige  Autoren  leugnen  bekanntlich  den  primären  mye- 
litischen Ursprung  dieser  Lähmungen  und  führen  sie  vielmehr  auf  eine 
Schädigung  der  peripherischen  Nerven  oder  ihrer  Endigungen  in  der 
Muskulatur  zurück.  Auch  über  diese  Fragen  suche  man  nicht  hier, 
sondern  in  den  speziellen  Lehrbüchern  der  Nervenkrankheiten  Auf- 
schluss.  Feststeht,  dass  die  gemeinhin  sogenannte  im  Laufe  der 
chronischen  Bleiintoxikation  auftretende  Bleilähmung  in  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  Fälle  das  Extensorengebiet  der  Hände  und 
Finger  am  ehesten  und  intensivsten  betrifft:  andere,  als  dem  N.  radialis 
zugehörige  Muskelgebiete  (die  kleinen  Muskeln  der  Hand  und  der 
Finger,  die  Beuger,  die  Oberarmmuskulatur  und  die  der  unteren 
Extremitäten)  werden  meistens  erst  in  zweiter  Linie  oder  nur  in  den 
seltenen  Fällen  ganz  schwerer  allgemeiner  Lähmungen  betroffen. 
Abgesehen  von  der  eigentümlichen  Gruppirung  der  Lähmung  in  Bezug 
auf  die  einzelnen  Muskeln  (wir  erinnern  nur  an  das  Freibleiben  der 
Mm.  supinatores,  oder  an  die  Lähmung  funktionell  zusammengehöriger 
Muskeln  wie  des  Deltoideus,  Biceps,  Brachialis  internus  und  Supinator 
longus  etc.  etc.)  finden  sich  elektrisch  ganz  bestimmte  Merkmale, 
welche  die  Bleilähmung  der  Extensorenmuskeln  z.  B.  von  Kadialis- 
lähmungen anderen  Ursprungs  zu  unterscheiden  gestatten:  der  Verlust 
faradischer  Erregbarkeit  geht  meist  der  der  aktiven  Beweglichkeit 
parallel:  in  verschiedenem  Grade  sinkt  resp.  erlischt  die  faradische 
direkte  und  indirekte  Erregbarkeit  für  die  verschiedenen,  demselben 
Gebiet  angehörigen  Muskeln:  ganz  frei  bleiben  meist  die  Mm.  supi- 
natores und  der  Triceps  (anconeus);  am  intensivsten  betroffen  wird 
gewöhnlich  der  Extensor  dig.  communis. 

Untersucht  man  früh  genug  nach  Eintritt  der  Lähmung,  so  ge- 
lingt es  oft,  an  den  bleigelähmten  Muskeln  die  ganze  Summe  der  die 
Entartungsreaktion  ausmachenden  Erscheinungen  nachzuweisen:  hin 
und  wieder  finden  sich  auch  Fälle,  welche  durchaus  als  sogenannte 
Mittelformen  von  Lähmungen  in  dem  oben  (S.  295  u.  301)  auseinander- 
gesetzten Sinne  aufzufassen  sind.  In  späteren  Stadien  sind  diese  Ver- 
hältnisse nur  undeutlich  nachweisbar:  meist  findet  man  dann  die  ver- 


§  164,  165.  Bleilähraungen.  389 

nichtete  oder  sehr  verminderte  faradische  indirekte  und  direkte  Erreg- 
barkeit neben  den  bei  direkter  galvanischer  Reizung  und  Anwendung 
hoher  Stronastärken  oft  nur  bei  Anoden-  eventuell  auch  bei  Kathoden- 
schluss  zu  erzielenden  schwachen,  trägen  Zuckungen.  In  seltenen 
Fällen  wird  auch  bei  der  Bleilähmung  gerade  so  wie  in  einzelnen 
Fällen  akuter  atrophischer  Lähmung  Erwachsener  (die  unabhängig  von 
ßleiintoxikation  aufgetreten  sind)  das  auffallende  Verhalten  einzelner 
Muskeln  angetroffen,  welche  aktiv  frei  beweglich,  in  keiner  Weise 
gelähmt,  dennoch  die  ausgesprochenste  Entartungsreaktion  zeigen 
(Erb'o^  Bernhardt '03  etc.). 

Wie  bei  der  atrophischen  Spinallähmung  Erwachsener  kombinire 
man  bei  der  Behandlung  Bleigelähmter  die  zentrale  Galvanisation 
des  Rückenmarks  (speziell  des  Halsteils  desselben)  mit  der  peri- 
pherischen Behandlung  der  Nervenplexus,  Nerven  und  Muskeln;  —  im 
Grossen  und  Ganzen  sind  die  Resultate  sogar  bei  solchen  seltenen 
Fällen,  die  anfangs  unter  den  Erscheinungen  der  allgemeinen  Blei- 
intoxikation als  ungemein  schwere  sich  darstellten,  günstige  zu  nennen : 
oft  kehrt  die  aktive  Beweglichkeit  schon  zurück,  Avährend  die  elek- 
trischen Erregbarkeitsverhältnisse  noch  ganz  bedeutende  Abweichungen 
vom  gesunden  Zustande  erkennen  lassen.  In  einzelnen  Muskeln  findet 
man  auch  wohl  nur  eine  einfache  Herabsetzung  der  elektrischen  Er- 
regbarkeit, ohne  dass  Entartungsreaktion  nachzuweisen  wäre:  wie 
oben  schon  erwähnt,  leistet  dann  auch  der  faradische  Strom,  die  Ein- 
wirkungen des  galvanischen  ergänzend,  seine  guten  Dienste.  Wie  in 
allen  solchen  Fällen  (vgl.  das  oben  bei  der  Kinderlähmung  und  der 
atrophischen  Lähmung  Erwachsener  Gesagte)  sei  die  Behandlung  eine 
andauernde,  und  über  Monate  hinaus  fortgesetzte. 

Neben  diesen  Fällen  mehr  akut  oder  subakut  auftretender,  atro- 
phischer Lähmungen  sind  nun  auch  chronische  Formen  unter  dem 
Namen  der  Poliomyelitis  anterior  chronica  beschrieben  worden 
(S.  387),  bei  welchen  sich  das  elektrische  Verhalten  der  gelähmten 
Muskeln  und  der  zugehörigen  Nerven  im  Ganzen  ebenso  darstellt,  wie 
bei  den  akuten  Formen,  nur  dass  eben  der  Verlauf  ein  lang  hinge- 
zogener, chronischer  ist.  Die  Behandlung  mittelst  der  Elektrizität 
hat  dieselben  Prinzipien  zu  befolgen,  wie  sie  für  die  vorher  be- 
schriebenen Erkrankungsformen  gelten. 

§  165.  Auch  die  »progressive  Muskelatrophie"  gehört  in 
den  Kreis  dieser  Betrachtungen.  Wieder  haben  wir  hier  zu  kon- 
statiren,   dass  es   uns  nicht  am  Platze   erscheint,   weitläufig  die  An- 


390  Progressive  Muskelatrophie.  Kap.  XXII. 

sichten  der  verschiedenen  Autoren  zu  diskutiren,  ob  der  Ausgangs- 
punkt der  Erkrankung  in  einer  chronisch  verlaufenden  und  zur  Atrophie 
der  grossen  Ganglienzellen  führenden  Aifektion  der  grauen  Vorder- 
säulen des  Marks  zu  suchen  sei,  oder  ob  es  sich  vielmehr  um  eine 
primäre  Erkrankung  der  Körpei'muskulatur  handele,  an  die  sich  ein 
Leiden  der  Nerven,  Nervenwurzeln  und'  des  Rückenmarks  erst  als 
sekundärer  Prozess  anschliesst. 

Faktisch  sinkt  mit  der  Abnahme  der  Muskelraassen  auch  deren 
elektrische  Erregbarkeit  bei  direkter  und  indirekter  Reizung;  von 
einigen  Autoren,  so  besonders  von  Erb '02^  wird  in  neuerer  Zeit  be- 
tont, dass  man  bei  sorgfältigster  Untersuchung  in  einzelnen  Muskeln 
auch  Entartungsreaktion  nachweisen  könne*):  da  aber  zwischen  den 
degenerirenden  Fasern  immer  eine  gewisse  Anzahl  gesunder  Pasern 
übrig  bleibe,  so  können  diese  sehr  leicht  die  faktisch  für  einzelne 
Fasern  zu  beobachtende  Entartungsreaktion  verdecken.  Gerade  bei 
der  progressiven  Muskelatrophie  sind  übrigens  in  Bezug  auf  die  Reak- 
tionen von  Nerv  und  Muskel  gegen  elektrische  Reize  ganz  eigentüm- 
liche Verhältnisse  beobachtet  worden  (vgl.  Seite  300,  Anmerkung). 
Zu  den  an  der  oben  bezeichneten  Stelle  erwähnten  selteneren  Reak- 
tionen gehört  auch  das  neuerdings  wieder  von  Erb^-^  betonte  Ver- 
halten, dass  verschiedene  Nervenstrecken  des  gleichen  Nerven  eine 
verschiedene  Herabsetzung  der  faradischen  Erregbarkeit  zeigen  können, 
so  weit  gehend,  dass  z.  B.  für  den  N.  medianus  oder  ulnaris  die 
Erregbarkeit  am  Ellenbogen  noch  eine  relativ  gute  sein  kann,  wäh- 
rend sie  am  Handgelenk  schon  erloschen  ist.  (Ueberwiegen  noch  er- 
regbarer Fasern  in  den  centraler  gelegenen  Nervenabschnitten.) 

Je  nach  ihren  theoretischen  Anschauungen  empfehlen  die  Autoren 
entweder  allein  die  Anwendung  des  faradischen  Stroms  oder  des  kon- 
stanten. Am  besten  werden  beide  Behandlungsarten  kombinirt.  Die 
centrale  Galvanisation  des  Rückenmarks  wird  von  einigen  mit  der 
des  „Sympathikus«  verbunden:  Dabei  ruht  eine  Elektrode  am  Hals- 
sympathikus, die  andere  am  Nacken:  dazu  kommt  dann  die  peripherische 
Galvanisation,  indem  bei  feststehender  einer  Elektrode  am  Rücken 
(Nacken)  die  antrere  erst  stabil,  dann  labil  auf  den  Plexus,  die 
Nerven  und  Musköln  selbst  applizirt  wird.  Bei  der  Anwendung  von 
Induktionsströmen  muss  ausdrücklich  vor  zu  starken  Strömen  gewarnt 
werden;   die  an  sich  erkrankten  Muskeln   können  durch  Ueberreizung 


*)  Auch  wir  haben   derartiges   in   den   in  letzter  Zeit   uns   zur  Beobachtung 
gekommenen  Fällen  wahrgenommen.     Vgl.  die  Beispiele  am  Schluss. 


§  165,  166.     Pseudohypertrophie  d.  Musl^eln;  Thomsen'sche  Kranl<heit.  391 

leicht  erschöpft  werden.  Geduld  und  i\_usdauer  sind  auch  bei  der  Behand- 
lung dieser  Erkrankung  von  Nöten:  die  in  einzelnen  Fällen  zu  beobachten- 
den Erfolge  bleiben  in  anderen  trotz  ebenso  sorgfältiger  Behandlung  aus. 

Anhangsweise  sei  hier  der  unter  dem  Namen  der  Pseudohyper- 
trophie der  Muskeln  bekannten  Krankheit  gedacht,  bei  der  fast 
alle  Autoren  eine  bedeutende  Verminderung  der  elektrischen  Erreg- 
barkeit der  kranken  Muskelpartien,  nie  aber  das  Auftreten  wirklicher 
Entartungsreaktion  beobachtet  haben.  Diese  Herabsetzung  der  Erreg- 
barkeit tritt  namentlich  bei  der  direkten  Reizung  der  Muskeln  zu 
Tage,  dabei  findet  sich  manchmal  die  AOz  =  KaSz  bei  spätem  Ein- 
tritt der  ASz  und  Mangel  der  KaOz.  Bei  der  Wahrscheinlichkeit 
einer  ursprünglichen,  auf  hereditäre  Mom,ente  zurückzuführenden  Muskel- 
erkrankung kann  man  die  leider  meist  von  besonderem  Erfolg  nicht 
gekrönten  elektrotherapeutischen  Bestrebungen  der  Muskulatur  selbst 
zuwenden  (Faradisation,  labile  galvanische  Ströme):  immerhin  empfiehlt 
es  sich  bei  der  Unabgeschlossenheit  unserer  anatomischen  Erfahrungen  auf 
diesem  Gebiete  auch  das  Rückenmark  galvanisch  zu  beeinflussen,  wie  wir 
dies  mit  Erb  in  den  uns  zur  Behandlung  gekommenen  Fällen  stets  taten. 

Neben  diesen  Fällen  von  Pseudohypertrophie  der  Muskeln  triffst 
man  bekanntlich  hier  und  da  auf  Kranke  mit  wirklicher  Hypertrophie 
der  Muskulatur:  unter  diesen  haben  neuerdings  diejenigen  eine  ganz 
besondere  Aufmerksamkeit  erregt,  welche  seit  frühester  Jugend  neben 
einer  abnorm  kräftigen  Entwicklung  der  Muskulatur  eine 
charakteristische  Steifigkeit  derselben  darboten.  In  den 
von  Thomsen-''*,  Seeligmüller-"%  Bernhardt--^,  Westphaps^^ 
Strümpell-2^,  Peters--^  Petrone'-^^"  beschriebenen  Fällen  fand 
sich  die  elektrische  Erregbarkeit  der  Nerven  und  Muskeln  für  beide 
Stromesarten  normal:  es  blieben  aber  die  durch  einen  ganz  kurz 
dauernden  elektrischen  Reiz  erzeugten  Kontraktionswülste  längere  Zeit 
nach  dem  Aufhören  des  elektrischen  Reizes  bestehen,  um  sich  erst 
langsam  und  allmählich  wieder  abzugleichen,  andererseits  zeigte  sich, 
wenn  man  den  Strom  längere  Zeit  auf  einen  Muskelkomplex  ein- 
wirken liess,  ein  eigentümliches  Wogen  und  Unduliren,  statt  einer 
festen  tetanischen  Kontraktion.  Eine  elektrische  Behandlung  dieses 
von  Bernhardt  als  Muskelsteifigkeit  und  Muskelhypertrophie,  von 
Strümpell  als  Myotonia  congenita,  von  Westphal  als  Thomsen'sche 
Krankheit  bezeichneten  Symptomenkomplexes  ist  bis  jetzt  ohne  Erfolg 
geblieben.    (Vgl.  S.  296.) 

§  166.  Unter  denjenigen  Erkrankungen  des  Rückenmarks, 
welche  entweder    vorwiegend    oder    auch    ganz    allein    innerhalb    des 


392  Tabes;  Behandlung.  Kap.  XXII. 

weissen  Markmantels  sich  abs|)iolcn  und  die  graue  Substanz  erst 
spät  oder  gar  nicht  beteiligen,  nehmen  die  Tabes  dorsalis,  die  graue 
Degeneration  der  Hinterstränge  nnd  die  sogenannte  spastische  Spinal- 
paralyse eine  hervorragende  Stellung  ein. 

Die  graue  Degeneration  der  Hinterstränge  vornehmlich 
war  es,  welche  seit  der  Einführung  des  konstanten  Stroms  in  die 
Therapie  vorwiegend  und  wie  manche  Autoren  angeben  mit  grossem 
Erfolg  mit  diesem  Heilmittel  behandelt  worden  ist.  Abgesehen  von 
jenen  späten  Stadien  des  Leidens,  in  welchen  die  Kranken  seit  Jahren 
an  das  Bett  gefesselt  gar  keine  Bewegungen  mit  den  ataktischen 
Extremitäten  mehr  ausführen,  oder  wo  sich  der  Prozess  von  den 
Hintersträngen  fortkriechend  auf  die  Vordersäulen  hin  ausgebreitet 
und  damit  zu  degenerativen  Muskel  Veränderungen  geführt  hat,  ist  in 
Bezug  auf  die  elektrische  Erregbarkeit  der  peripherischen  Nerven  und 
Muskeln  nicht  viel  von  der  Norm  Abweichendes  zu  bemerken-.  Einige 
Male  sah  man  die  Erregbarkeit  in  frühen  Stadien  etwas  erhöht,  andere- 
mal  bei  etwas  länger  bestehendem  Leiden  vermindert:  bedeutende 
Abweichungen  vom  Normalen  werden  wenigstens  innerhalb  der  ersten 
Jahre  kaum  oft  zur  Beobachtung  kommen. 

Bei  der  Behandlung  des  Leidens  steht  die  zentrale  Galva- 
nisation des  Marks  oben  an.  Der  frühere  Streit  über  die  am 
besten  den  therapeutischen  Zwecken  entsprechende  Richtung  des  Stroms 
hat  der  Ueberlegung  Platz  gemacht,  dass  die  Richtung  an  sich  gleich- 
giltig  sei,  wenn  man  nur  sämmtliche  leidenden  Stellen  des  Marks  unter 
die  Einwirkung  des  Stromes  bringt.  Daher  kann  man  so  verfahren,  dass 
man  eine  der  nicht  zu  kleinen  Elektrodenplatten  (6 — 8  Ctm.  Durch- 
messer) oben  am  Nacken,  die  andere  auf  der  Lendengegend  aufruhen 
lässt  und  nun  die  eine  labil,  langsam  vorgehend,  ohne  sie  direkt  von 
der  Haut  abzuheben,  der  zweiten  nähert.  Andere,  wie  Erb,  ziehen 
auch  den  N.  sympathicus  in  das  Bereich  der  Behandlung:  die  Kathode 
wird  am  Unterkieferwinkel  der  einen  Seite  aufgesetzt,  die  Anode  alle 
Punkte  der  Wirbelsäule  an  der  entgegengesetzten  Seite  entlang  ge- 
führt: natürlich  ist  es  auch  gestattet,  beide  Methoden  nach  einander 
anzuwenden  bezw.  mit  einander  zu  kombiniren. 

Die  Ströme  sollen  nicht  übermässig  starke  sein  (zwischen  15  und 
25 — 30  Siemens' sehen  Elementen,  6—15  M.  A.),  die  Sitzungen  kaum 
über  10  Minuten  ausgedehnt  und  wöchentlich  etwa  4—5  mal  wieder- 
holt werden.  Ganz  besonders  schmerzhafte  Punkte  am  Rücken 
(Brenn er ■'^•*)  werden  nach  M.  Meyer -3'  zweckentsprechend  durch  die 
stabil  aufgesetzte  Anode  behandelt  (Kathode  ruht  dabei  vorn  auf  der 


§  166.  Behandlung  der  Tabes.  393 

Brust).  —  Neben  einer  peripherischen  Galvanisation  (Kathode 
labil  an  den  Nerven  und  Muskeln,  Anode  an  der  Wirbelsäule)  wird 
von  manchen  Seiten  noch  die  faradische  Erregung  der  schlaffen 
Muskulatur  als  kräftigend  empfohlen.  Wenn  auch  nicht  Heilungen,  so 
kommen  doch  durch  diese,  über  Monate  hinaus  fortzusetzende  Behandlung 
jedenfalls  in  nicht  wenigen  Fällen  erhebliche  Besserungen  zu  Stande. 
Die  oft  so  bedeutenden  Störungen  der  Blasen-  und  Mast- 
dar m tätig keit  der  Tabiker  werden  ebenfalls  durch  den  konstan- 
ten Strom  zu  bekämpfen  versucht:  dabei  ruht,  wenn  es  sich  um  ein 
Leiden  der  Blase  handelt,  die  eine  Elektrode  (die  Anode)  am  untersten 
Brust-  oder  dem  Lendenteil  der  Wirbelsäule,  die  Kathode  über  der 
Symphyse  entweder,  oder  am  Damm.  Die  intraurethrale  oder  besser- 
intravesikale  Behandlung  gehört  aus  leicht  begreiflichen  Gründen  zu 
den  für  den  Kranken  weniger  angenehmen  resp.  sogar  nachteiligen 
Prozeduren.  Bei  Schwäche  der  Sphinkteren  des  Mastdarms 
kann  man  eine  Mastdarmelektrode  (Kathode)  direkt  in  den  Mast- 
darm einführen,  während  die  andere  an  dem  oben  angegebenen 
Punkt  am  Rücken  oder  am  Damm  ruht.  Nach  einer  f ar ad i sehen 
Pin  seiung  der  Haut  der  Füsse  und  der  Unterextremitäten  über- 
haupt verlieren  die  Kranken  häufig  das  ihnen  so  unangenehme 
Kältegefühl,  auch  kann  die  Sensibilität  der  Haut  selbst  wenigstens 
temporär  gebessert  werden.  Bekanntlich  hat  besonders  Rumpf'^^" 
in  neuerer  Zeit  auf  den  wohltätigen  Einfluss  faradok utaner 
Pinsel  ung  bei  Tabes  aufmerksam  gemacht  und  ganz  ausgezeichnete 
Erfolge  durch  diese  Behandlungsmethode  erzielt;  dieselbe  war  im 
Stande,  die  oft  so  quälenden  Schmerzen  erheblich  zu  lindern,  die  Sen- 
sibilität zu  erhöhen  und  allmählich  die  Myose  und  die  Starre  der 
Pupillen  zum  Schwinden  zu  bringen  (am  negativen  Pol  des  Induktions- 
stroms wird  der  Metallpinsel  befestigt  und  der  Rücken  sowie  die  Ex- 
tremitäten des  Kranken  zweimal  bis  zur  Rötung  bepinselt.  Die  Dauer 
der  Applikation  betrug  10  Minuten:  die  Stromstärke  wurde  so  gewählt, 
dass  die  Mitte  zwischen  der  einfachen  Erregung  der  elektrokutanen 
Sensibilität  und  wirklichen  Schmerzempfindung  innegehalten  wurde. 
Die  guten  Erfolge  faradokutaner  Hautreizung  bei  Tabes  werden  auch 
durch  den  jüngsten  Autor  auf  diesem  Gebiete,  Löwenfeld^^'',  be- 
stätigt. Nach  ihm  konnten  durch  Pinselung  der  Stellen,  an  welchen  die 
Schmerzen  am  stärksten  wüteten,  diese  unterdrückt,  Parästhesien  vor- 
übergehend beseitigt,  die  Empfindlichkeit  im  Allgemeinen  verbessert,  ja 
die  motorische  Leistungsfähigkeit  und  die  Schwäche  der  Blasen-  uud  Mast- 
darmfunktion in  ganz  erheblicher  Weise  für  einige  Zeit  gebessert  werden. 


394  Spastische  Spinalparalyse.   Arayotroph.  Lateralsklerose.      Kap.  XXIT. 

Die  bei  Tabes  vorkommenden  Augenmuskellähmungen  und 
Affektionen  des  Optikus  selbst  werden  nach  den  weiter  unten 
auseinanderzusetzenden  Prinzipien  behandelt. 

Neben  der  Tabes  ist  es  die  in  neuester  Zeit  von  Charcot-^-  und 
Erb-^^  als  eine  besondere  Krankheit  beschriebene  Seitenstrang- 
sklerose,  die  ebenso  wie  diejenige  Affektion,  mit  der  sie  sich  eventuell 
kombinirt,  die  von  Charcot  besonders  ausführlich  beschriebene  und 
mit  dem  Namen  der  „amyotrophischen  Seitenstrangsklerose" 
belegte  Erkrankung  des  Marks  in  das  Bereich  der  elektrotherapeuti- 
schen  Behandlung  fällt.  Die  klinische  Darstellung  sowie  die  Vertei- 
digung der  bis  heute  noch  von  so  mancher  Seite  bestrittenen  Selbst- 
ständigkeit dieser  Erkrankung  überlassen  wir  den  Lehrbüchern  der 
Nerven-  resp.  der  Rückenmarkskrankheiten;  wichtig  ist  es  dagegen, 
zu  wissen,  dass  erhebliche  Abweichungen  vom  Normalen  in  Bezug  auf 
die  elektrische  Erregbarkeit  der  steifen  und  paretischen  Gliedraaassen, 
wenigstens  was  die  reine  Form  der  spastischen  Spinalparalyse 
anbetrifft,  nicht  beobachtet  werden:  Erb  fand  in  seinen  Fällen  meist 
eine  massige  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  für  beide  Stromesarten, 
ohne  qualitative  Veränderungen.  Was  die  therapeutische  Anwendung 
der  Elektrizität  bei  dieser  Krankheit  betrifft,  so  wird  die  zentrale  Be- 
handlung des  Rückenmarks  nach  den  Grundsätzen,  wie  sie  nun  schon 
wiederholt  besprochen  worden  sind,  geübt;  unsere  Erfolge  waren  bis- 
her nicht  besonders  erhebliche,  während  Erb  und  Andere  günstigere 
Resultate  erzielten.  In  Bezug  auf  die  sogenannte  arayotrophische 
Lateralsklerose  fand  Berger^^''  von  der  Norm  nicht  abweichende 
Erregbarkeits Verhältnisse  (wenigstens  für  die  Nervenstärame),  während 
Erb  für  die  oberen  Extremitäten  öfter  ein  Verhalten  konstatirte,  wie 
es  dem  bei  den  sogenannten  Mittelforraen  der  peripherischen  Lähmun- 
gen (vgl.  S.  295)  entsprach.  Die  Behandlung  folgt  den  allgemeinen 
Grundsätzen.  —  Denselben  folgen  wir  auch  in  der  elektrotherapeu- 
tischen  Behandlung  derjenigen  Rückenmarksaffektionen,  die  man  nach 
Abzug  der  bisher  erwähnten  und  genauer  charakterisirten  Symptomen- 
komplexe vorläufig  wenigstens  noch  unter  dem  Gesammtnaraen  der 
Myelitis  chronica  zusammenfasst :  so  lange  die  vordere  graue  Sub- 
stanz nicht  mitleidet,  sind  die  Veränderungen  der  elektrischen  Erreg- 
barkeit für  diese  Fälle  kaum  erheblich,  qualitative  finden  sich  nicht; 
in  Bezug  auf  die  quantitativen  hat  man  bald  einmal  eine ,  etwas  er- 
höhte, bald  wieder  etwas  verminderte  Erregbarkeit  notirt.  Die  Erfolge 
der  Behandlung  der  chronischen  Myelitis  (vorwiegend  wieder  Anwen- 
dung des  konstanten  Stroms  in  der  nun   öfter  beschriebenen  Art  und 


§  166,  167.  Multiple  Sklerose  ;Halbseitenläsiond.  Marks;  Diphtherische  Lähmg.  395 

Weise)  sind  wechselnde,  für  diejenige  Affektion,  die  man  als  „mul- 
tiple Sklerose"  bezeichnet,  geringe,  für  diejenige  Krankheit,  die  als 
„Halbseitenläsion"  des  Marks  den  Namen  der  Brown-Sequard- 
schen  Erkrankung  führt,  noch  nicht  genauer  verfolgte.  Die  Erregbar- 
keit der  der  gelähmten  Seite  angehörigen  Muskeln  hat  man  in  einigen 
Fällen  dieser  Halbseitenläsion  vermindert  gefunden. 

Endlich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  die  katalytischen  Wirkungen 
eines  stabil  angewendeten  Rückenmarksstromes  auch  für  die  Behand- 
lung chronischer  Entzündungen  der  Rückenmarkshäute  und 
ihrer  Residuen,  seien  sie  spontane  oder  durch  Wirbelerkrankung  hervor- 
gerufen, zu  verwerten  sind,  und  dass  auch  bei  durch  ein  Pott'sches 
Wirbelleiden  bedingter  Extremitätenlähmung  eine  direkte  Einwirkung 
des  konstanten  Stromes  (beide  Elektroden  zu  beiden  Seiten  der  nach  hinten 
prominirenden  Wirbel)  auf  den  Krankheitsherd  versucht  werden  möge. 

§  167.  Im  Anschluss  an  diese  ihre  Grundlagen  in  einer  wirk- 
lichen pathologisch  anatomischen  Veränderung  des  Rückenmarks  fin- 
denden Lähmungen  scheint  es  angemessen,  die  elektrodiagnostischen 
Verhältnisse  resp.  die  elektrotherapeutische  Behandlung  einiger  Läh- 
mungsformen zu  besprechen,  über  welche  noch  bis  heute  in  Betreff  des 
Ausgangspunktes  oder  Hauptsitzes  der  Erkrankung  eine  volle  Ueber- 
einstimmung  der  Autoren  nicht  besteht.  Bekannt  ist,  dass  in  der 
2.  oder  3.  Woche  nach  überstandener  Diphtherie  vorwiegend  der 
Schlundschleimhaut  (aber  auch  sonstwie  diphtherisch  infizirter  Wun- 
den) Lähmungen  der  Gaumensegelmuskulatur  vorkommen,  denen 
sich,  was  die  Häufigkeit  des  Auftretens  betrifft,  Lähmungen  der  Akkom- 
modationsmuskeln  der  Augen,  der  Irismuskulatur  und  der  Augenmus- 
keln anschliessen.  In  Bezug  auf  die  elektrische  Erregbarkeit  der  eben 
erwähnten  Muskelgebiete  ist  nur  die  Gaumensegelmuskulatur  einer 
direkten  Prüfung  zu  unterziehen:  sehr  oft  findet  man,  auch  bei  vor- 
handener (wenngleich  herabgesetzter)  aktiver  Beweglichkeit  die  fara- 
dische Erregbarkeit  erloschen  oder  sehr  vermindert,  die  galvanische 
vorhanden  mit  allen  Charakteren  der  Entartungsreaktion.  Aehnliches 
ist  von  guten  Beobachtern  berichtet  in  denjenigen  seltenen  Fällen,  wo 
die  Rumpf-  und  Extremitätenmuskulatur  von  der  Lähmung  befallen 
war:  die  Muskeln  verhalten  sich  wie  solche,  welche  nach  schweren 
Verletzungen  peripherischer  Nerven  gelähmt  wurden  und  der  Degene- 
ration verfielen.  In  Bezug  auf  die  pathologisch  anatomische  Grund- 
lage dieser  Lähmungen  hat  man  neuerdings  Blutung  und  Entzündung 
an  den  verschiedensten  Stellen  (im  Mark,  den  Nervenwurzeln  und  den 


396      Lähmung,  nach  (akuten)  Infektionskrankh,,  — Arseniklähmung.     Kap.  XXII. 

Nerven  selbst)  nachgewiesen:  je  nach  dem  Sitz  und  der  Intensität 
dieser  Läsionen  erscheint  das  klinische  Bild  und  speziell  der  elektrische 
Befund  für  die  einzelnen  Fälle  wechselnd. 

Im  Ganzen  ist  die  Prognose  dieser  Affektionen  eine  günstige: 
namentlich  heilen  die  Lähmungen  der  Gaumensegel muskulatur  und  der 
inneren  und  äussseren  Augenmuskeln  unter  Anwendung  schwacher 
konstanter  Ströme  (Anode  am  Nacken,  Kathode  am  Gaumen  oder 
auf  den  Lidern)  relativ  schnell.  In  Bezug  auf  die  ausgedehnten  Läh- 
mungen resp.  der  auch  unter  dem  Bilde  einer  „Ataxie"  auftretenden  Be- 
wegungsstörungen der  Körpermuskulatur  wendet  man  die  zentrale 
Galvanisation  des  Rückenmarks  kombinirt  mit  der  peripherischen 
labilen  Behandlung  an,  um  auch  hier,  Avenngleich  erst  nach  längerer 
Zeit,  meist  sehr  wesentliche  Besserungen  oder  Heilungen  zu  erzielen. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  überall  da,  wo  die  faradische  Erreg- 
barkeit sich  nur  quantitativ  vermindert  zeigt,  auch  der  Induktions- 
strom in  passender  Weise  Anwendung  finden  kann. 

Den  diphtherischen  Lähmungen  schliessen  sich  alle  diejenigen 
Formen  an,  die  nach  Ablauf  anderer  akuter  Infektionskrank- 
heiten (Typhus  in  seinen  verschiedenen  Formen,  Scharlach,  Masern, 
Pocken  etc.  etc.)  zur  Beobachtung  kommen.  Bekanntlich  können  im 
Gefolge  derartiger  Leiden  sowohl  Hirn-  wie  Rückenmarkskrankheiten 
auftreten;  andererseits  kann  es  auch  zu  Erkrankungen  kommen,  welche 
ganz  beschränkt  auf  das  Gebiet  bestimmter  Nerven  oder  auch  nur 
eines  Nerven  oder  gar  Muskels  beschränkt  bleiben. -^'^  Die  Erregbar- 
keitsverhältnisse sowohl,  wie  auch  der  Plan  zu  der  jedesmal  anzuwen- 
denden elektrotherapeutischen  Behandlung  werden  je  nach  dem  Sitz 
der  Läsion  verschiedene  sein:  in  dem,  was  bisher  mitgeteilt  ist  und 
weiterhin  noch  bei  der  Behandlung  peripherischer  Nervenleiden  aus- 
einandergesetzt werden  wird,  wird  man  die  nötigen  Anhaltspunkte 
finden.  —  Im  Anschluss  an  die  oben  etwas  ausführlicher  besprochene 
elektrische  Pathologie  (sit  venia  verbo)  der  Bleilähmungen  ist  es  viel- 
leicht am  Orte,  daran  zu  erinnern,  dass  auch  im  Gefolge  anderer 
akuter  oder  chronischer  Metallvergiftungen  Lähmungserscheinungen 
beobachtet  sind.  So  befällt  z.  B.  auch  die  Arseniklähmung  mit 
Vorliebe  die  Extensorengruppe  an  den  Vorderarmen:  auch  hier  erlei- 
den die  Muskeln  eine  erhebliche  Herabsetzung  ihrer  Erregbarkeit,  ohne 
dass  sich  bis  jetzt  Entartungsreaktion  deutlich  hätte  nachweisen  lassen 
(Seeligmüller23^,  Gerhardt^ss,  Da  Costa^a»). 


Kapitel  XXIII. 

Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten  des 
peripherischen  Nervensystems. 


§  168.  Die  Lähmungen  der  peripherischen  Nerven  sind 
in  Bezug  auf  ihr  elektrodiagnostisches  Verhalten  vorher  S.  283  ff.  hin- 
reichend besprochen  worden,  so  dass  es  an  dieser  Stelle  genügt,  das 
therapeutische  Verfahren  allein  auseinanderzusetzen.  Ist  es  möglich, 
die  eigentliche  Läsionsstelle  des  Nerven  direkt  unter  den 
Einfluss  der  Elektroden  zu  bringen,  so  muss  das  prirao  loco 
geschehen.  Bei  den  sogenannten  leichten  Lähmungen  (aufge- 
hobene Willensleitung:  erhaltene,  erhöhte  oder  auch  etwas  verminderte 
Erregbarkeit  der  unterhalb  der  Läsionsstelle  gelegenen  Nervenstrecke 
und  der  Muskeln,  keine  qualitativen  Veränderungen)  applizire  man 
die  Kathode  über  der  Stelle  der  Läsion,  die  Anode  am  Plexus  oder 
auch  auf  die  gelähmten  Muskeln  und  wende  einen  massig  starken  kon- 
stanten Strom  an  (5 — 10  M.  A.):  es  kann  sein,  wovon  wir  uns  auf 
das  unzweideutigste  überzeugt  haben,  dass  eine  wochenlang  bestehende, 
bis  dahin  elektrisch  nicht  behandelte  Lähmung  des  N.  radialis  z.  B. 
sich  nach  wenigen  (2  —  3)  Sitzungen  von  5  —  6  Minuten  Dauer  ganz 
erheblich  bessert.  Freilich  kommt  es  auch  vor,  dass  eine  leichte 
peripherische  Lähmung  sich  ohne  jedes  therapeutische  Zutun  innerhalb 
weniger  Wochen  von  selbst  ausgleicht;  ob  sich  auf  diese  Weise  die 
scheinbar  günstige  Wirkung  der  Faradisation  des  peripherischen  unter- 
halb der  Läsionsstelle  liegenden  Nerv-Muskelgebiets  erklärt,  oder  ob 
durch  diese  Prozedur  auf  reflektorischem  Wege  durch  die  Reizung 
sensibler  Nerven  bestimmte  heilende  Einflüsse  zur  Geltung  kommen,  sei 
dahingestellt.  Faktisch  ist  es  für  manche  Paralysen,  z.  B.  die  Mehrzahl 
der  rheumatischen  oder  aus  anderen  Ursachen  entstandenen  Facialis- 
lähmungen  überhaupt  nicht  möglich,  mit  dem  In duktions ström 
die  zentralwärts   von   der  Läsionsstelle  liegende  Nervenstrecke  zu  er- 


398  Stellung  der  Prognose.  Kap.  XXIII. 

reichen,  und  doch  sieht  man  oft  in  solchen  Fällen  nur  bei  der  peri- 
pherischen Faradisation  Heilungen  eintreten. 

Neben  den  katalytischen  Einwirkungen  des  konstanten  Stroms 
auf  die  Läsionsstelle  selbst  kann  man  nun  bei  leichten  Lälimungen 
früher,  bei  schweren  (mit  Vorteil  wohl)  erst  zur  Zeit  sich  wieder  an- 
bahnender Regeneration  der  degenerirten  peripherischen  Fasern  und 
bei  Rückkehr  der  Willensleitung  durch  "Reizung  der  zentralen  Nerven- 
strecke (wo  sie  zugänglich)  mit  starken  faradischen  oder  galvanischen 
Strömen  (Unterbrechungen  und  Wendungen  des  Stromes)  die  Hemm- 
nisse, die  sich  immer  noch  der  vollen  Willensleitung  entgegenstellen, 
durch  den  so  vielfach  stärkeren  elektrischen  Reiz  zu  besiegen  ver- 
suchen :  in  der  Tat  sieht  man  oft  nach  derartigen  Prozeduren  die  aktive 
BeAveglichkeit  in  überraschender  Weise  zunehmen. 

Auf  den  Ablauf  schwerer  peripherischer  Lähmungen  hat 
(wenigstens  für  die  ersten  Wochen)  weder  der  faradische  noch 
der  galvanische  Strom,  wenn  auch  noch  so  zweckmässig  applizirt, 
irgendwie  einen  erheblichen  Einfluss:  wenn  es  daher  für  leichtere 
Lähmungs formen  durchaus  angezeigt  ist,  mehrmals  wöchentlich  die  elek- 
trische Behandlung  vorzunehmen,  genügt  es,  wenigstens  für  die  ersten 
5 — 8  Wochen,  bei  schweren  Lähmungen  wöchentlich  etwa  zweimal 
den  elektrischen  Strom  anzuwenden  und  zwar  den  galvanischen:  immer- 
hin ist  es  möglich,  dass  durch  seine  sich  auf  die  Läsionsstelle  er- 
streckenden Einwirkungen  die  einmal  in  den  Gang  gekommenen  Regene- 
rationsprozesse in  den  Nerven  und  Muskeln  etwas  beschleunigt  werden; 
erst  später  bei  rückkehrender  aktiver  Beweglichkeit  mag  man,  in  dem 
oben  angegebenen  Sinne,  den  faradischen  Strom  zu  Hilfe  nehmen  und 
die  Sitzungen  eventuell  täglich  anberaumen. 

§  169.  Abgesehen  von  den  therapeutischen  Leistungen  des  Stroms 
ist  die  Untersuchung  der  Verhältnisse  einer  peripherischen  Lähmung 
mittelst  der  Elektrizität  eins  der.  wichtigsten  Mittel,  um 
eine  richtige  Prognose  zu  ermöglichen.  Ist  bei  einer  Untersuchung, 
die  etwa  6 — 8  Tage  nach  dem  Eintritt  einer  peripherischen  Lähmung 
unternommen  wird,  die  Erregbarkeit  des  unterhalb  der  Läsionsstelle 
gelegenen  Nerv-Muskelgebiets  unverändert  oder  gar  etwas  erhöht,  oder 
nur  wenig  im  Vergleich  zu  der  der  gesunden  Stelle  vermindert,  so 
kann  man  das  Bestehen  schwerer  Nutritionsstorungen  in  den  Nerven 
und  Muskeln  ausschliessen  und  die  Lähmung  als  eine  solche  ansehen, 
welche  innerhalb  3 — 8  Wochen  (oft  schon  innerhalb  1  —  2  Wochen) 
zur  Heilung  kommen  kaan.      Es    muss    dies  letztere   Wort   deshalb 


§  169,  170.  Pacialislähmungen.  399 

betont  werden,  weil  auch  bei  in  jeder  Beziehung  als  leicht  zu  erachten- 
den peripherischen  Lähmungen  (freilich  nur  ausnahmsweise)  die  Hei- 
lung sich  verzögern  oder  auch  (in  sehr  seltenen  Fällen)  ausbleiben 
kann.  Stets  wird  es  gut  sein,  über  die  etwaige  Zeitdauer  des  Leidens 
und  seine  Heilung  nicht  eher  etwas  Bestimmtes  auszusagen,  als  bis 
man  die  Untersuchung  mit  dem  faradischen  Strom  durch  die  mit  dem 
galvanischen  ergänzt  hat.  Wir  verweisen  in  Bezug  hierauf  auf  die  oben 
(S.  295)  ausführlicher  geschilderten  Mittelformen  der  Lähmungen, 
welche  bei  fast  normalen  Untersuchungsergebnissen  mit  dem  Induktions- 
strom bei  der  Exploration  mit  dem  konstanten  Strom  Entartungs- 
reaktion der  dem  gelähmten  Gebiet  zugehörigen  Muskulatur  aufweisen 
und  welche  günstigsten  Falles  3 — 6  Wochen  bis  zur  Heilung  (d.i.  Wieder- 
herstellung der  aktiven  Beweglichkeit)  in  Anspruch  nehmen.  Erweist 
sich  wenige  Tage  (4 — 6)  nach  dem  Eintritt  einer  peripherischen  Läh- 
mung die  Erregbarkeit  für  beide  Stroraesarten  bedeutend  gegen  die 
der  gesunden  Seite  vermindert,  so  sei  man  in  der  Angabe,  während 
welcher  Zeit  Heilung  zu  erwarten  sei,  sehr  vorsichtig:  es  ist  dann  fast 
gewiss,  dass  die  Lähmung  in  dem  oben  S.  285  auseinandergesetzten 
Sinne  eine  schwere  werden  und  erst  in  3 — 4  Monaten,  bisweilen  noch 
später  zu  einer  (oft  nur  relativen)  Heilung  kommen  wird.  Je  früher 
nach  dem  Eintritt  der  Lähmung  unser  prognostisches  Urteil  gefordert 
wird,  desto  vorsichtiger  sei  man:  innerhalb  der  ersten  2—3  Tage  nach 
Eintritt  der  Lähmung  lässt  sich  Sicheres  nicht  sagen:  die  Sicherheit 
wächst  mit  der  Zeit  des  Bestehens  der  Lähmung:  vom  7.  bis  8.  Tage 
wird  man  nach  sorgfältiger  elektrodiagnostischer  Untersuchung  gröbere 
Irrtümer  kaum  mehr  begehen. 

§  170.  In  Bezug  auf  die  Lähmungen  der  einzelnen  peripherischen 
Nerven*),  deren  spezielle  Symptomatologie  in  den  Lehrbüchern  der 
Nervenkrankheiten  zu  finden,  erwähnen  wir  zuerst  als  die  am  häufig- 
sten vorkommende  die  Facialislähmung. 

Bei  den  leichten  Lähmungen  und  den  Mittelformen  genügt  die 
Anwendung  des  faradischen  Stroms  oder  die  Reizung  der  gelähmten 
Muskeln  mit  schwachen  (labilen)  galvanischen  Strömen:  die  eine  Elek- 
trode mag  in  die  Hand  des  Kranken  gegeben  werden  (Anode)  oder  in 
der  Fovea  postcondyloidea  an  der  kranken  Seite  ruhen:  als  Strom- 
stärken benutze  man  bis  zu  etwa  5 — 8  Milliampere. 


*)  Vgl.  in  Bezug  auf  die  Auffindung  der  geeigneten  motorischen  Punkte  etc 
Seite  240  u.  ff. 


400  Facialislähmung.  Kap.  XXIII. 

Die  etwa  5  Minuten  währende  Sitzung  kann  eventuell  täglich, 
wöchentlioh  aber  wohl  mindestens  3 — 4  mal  wiederholt  werden.  Der 
Natur  der  Sache  nach  kann  man  in  den  meisten  Fällen  von  periphe- 
rischen Facialislähmungen  den  Locus  morbi  nicht  direkt  erreichen: 
durch  die  Applikation  der  Elektroden  an  die  Proc.  mastoidei  (Erb) 
sucht  man  wenigstens  Stromschleifen  bis  zur  kranken  Stelle  hin  ge- 
langen zu  lassen.  Bei  schweren*)  Lähmungen  sind  schnell  wieder- 
holte Sitzungen  in  den  ersten  Wochen,  nach  dem,  was  oben  gesagt, 
kaum  anzuraten:  man  beschränke  sie  daher  zunächst  auf  höchstens 
drei  pro  Woche  und  vermehre  sie  erst  später,  unter  Zuhilfenahme  des 
faradischen  Stroms,  wenn  sich  die  ersten  Spuren  rückkehrender  aktiver 
•  Bewegungen  kund  geben.  In  Bezug  auf  die  nach  schweren  und  raittel- 
schweren  Facialislähmungen  oft  zurückbleibenden  Kontrakturzu- 
stände ist  durch  direkte  elektrische  Behandlung  nicht  allzuviel  aus- 
zurichten: vielleicht  nützt  die  stabile  Applikation  eines  massig  starken 
konstanten  Stromes  (Ka)  auf  die  Muskeln  der  kranken  Seite  durch 
die  zur  Geltung  kommenden  katalytischen  Einwirkungen,  oder  die 
Faradisation  der  Muskeln  der  gesunden  Seite  (indirekte  Dehnung  nach 
Brenner). 

Beobachtet  werden  ferner  in  nicht  gerade  häufigen  Fällen  Läh- 
mung im  Gebiete  der  Nn.  accessorii  (einseitige  oder  doppelseitige 
Lähmung  im  Gebiete  der  Mm.  sternocleidom.  und  der  Mm.  cucullares), 
Lähmungen  der  Kaumuskulatur  (Mm.  masseteres),  der  Zunge,  der  Mus- 
keln an  der  Schulter,  am  Rücken,  an  der  Brust,  am  Nacken,  am 
Bauch,  deren  Symptomatologie  und  Pathologie  man  in  den  betreffen- 
den Lehrbüchern  nachlesen  möge.  Besonders  hervorzuheben  sind  noch 
die  Lähmungen  des  M.  serratus  anticus  maior  und  die  paretischen 
Zustände  des  Zwerchfells  und  der  Bauchmuskeln,  von  denen  die  letz- 
teren wohl  nur  direkt  zu  beeinflussen  sind,  während  man  für  den 
M.  serratus  ant.  maior  und  das  Zwerchfell  eine  Applikation  der 
Kathode  an  die  betreffenden  Nerven  (Anode  am  Nacken)  oder  die 
Faradisation  von  den  oben  angegebenen  Punkten  aus  (S.  •  247  u.  248) 
ins  Werk  setzen  kann. 

Neben  dem  N.  facialis  sind  es  besonders  die  Nerven  der 
oberen   Extremitäten    (Nn.   axillaris,   median us,    ulnaris,   radialis. 


*)  Es  ist  eine  bei  vielen  verbreitete  Annahme,  dass  „rheumatische"  Facialis- 
lähmungen immer  leichte,  schnell  heilende  seien;  es  ist  dies  nicht  der  Fall.  Viele 
Fälle  der  rheumatischen  Facialislähmungen  geben  in  Bezug  auf  die  Schwere  ihres 
Verlaufes  und  die  Länge  der  Heilungsdauer  den  durch  gröbste  mechanische  (trau- 
matische). Läsionen  entstandenen  Paralysen  nichts  nach. 


§  170,  171.  Armnervenlähmungen.  401 

musculocutaneus) ,  welche  am  häufigsten  durch  äussere  Einflüsse 
geschädigt  werden.  Sehr  oft  wird  man  isolirten  Lähmungen  im 
Gebiete  des  N.  radialis  begegnen,  welche  weniger  durch  rheumatische 
Ursachen  (diese  Aetiologie  ist  für  diese  Lähmungen  mehr  als  fraglich) 
als  durch  Druck  während  des  Schlafes  bedingt  sind:  meist  sind  diese 
Lähmungen  „leichte"  in  dem  oben  besprochenen  Sinne  und  durch  die 
wohlerhaltene  Reaktion  der  Nerven  und  der  Muskeln  von  der  sogenannten 
Umschlagsstelle  her  (seltener  von  einem  unterhalb  dieser  Stelle  gelegenen 
Punkt  aus"^"^^)  diagnostisch  von  den  durch  Blei-  oder  Arsenikintoxikation 
herbeigeführten  Radiallähmungen  zu  trennen  (vgl.  S.  388  und  396). 
Die  sehr  seltene  Mitbeteiligung  desTricepsmuskels  beobachtet  man  bei  ein- 
fachen Radialislähmungen,  wenn  die  Läsion  (Luxation  desHumeruskopfes, 
Krücken  druck)   oben  in  der  Achselhöhle  den  Nerven  getroffen  hat. 

Am  besten  ist  die  galvanische  Behandlung  loco  morbi  (E.  Remak^-*^) 
(Anode  an  der  Brust,'  Kathode  an  der  Stelle,  wo  der  Nerv  einen  Druck  er- 
fahren hat),  obgleich  auch  mit  dem  faradischen  Strom  Erfolge  erzielt  wer- 
den: einige  Wochen  können  aber  manchmal  auch  selbst  bei  zweck- 
entsprechender Behandlung  vergehen,  ehe  diese  Lähmung  vollkommen 
geheilt  ist. 

§  171.  Neben  den  Radialislähmungen  können  nun  in  folgender, 
die  Frequenz  bezeichnenden  Reihenfolge  Paralysen  der  Nn.  axillaris, 
ulnaris,  medianus,  musculocutaneus  zur  Beobachtung  kommen.  Meist 
sind  es  direkte  Traumen  (Stoss,  Hieb,  Schnitt,  Knochenbrüche,  unge- 
schickt angelegte  feste  Verbände  etc.),  durch  welche  die  einzelnen 
Nerven  in  ihrem  langgestreckten  Lauf  bald  mehr  zentral-,  bald  mehr 
peripheriewärts  betroffen  werden,  oft  aber  Schädlichkeiten,  welche  in 
seltenen  Fällen  nur  einen,  häufiger  alle,  meist  mehrere  der  genannten 
Nerven  in  durchaus  wechselnder  Kombination  lädiren,  so  vor  allem 
Luxationen  des  Humeruskopfes.  —  Neuerdings  wurden  von  uns^*^  der- 
artige korabinirte  peripherische  Lähmungen  an  den  oberen  Extremitäten 
bei  renitenten  (meist  betrunken  gewesenen)  Arrestanten  beobachtet, 
welche  durch  polizeiliche  Eingriffe  eine  zu  starke  Umschnürung  an 
den  Oberarmen  erlitten  hatten,  Lähmungen  übrigens,  die  schon  von 
Brenner 243  beschrieben  worden  waren. 

Ausdrücklich  betonen  wir  an  dieser  Stelle  noch  einmal,  dass  wir 
es  nicht  für  unsere  Aufgabe  halten,  die  spezielle  Symptomatologie 
dieser  interessanten  Lähmungsformen  hier  zu  besprechen:  wir  könnten 
das  an  sich  reiche  kasuistische  Material  gerade  auf  diesem  Gebiete 
durch  eine  Fülle  eigener  Beobachtungen  vermehren  (vgl.  übrigens  hinten: 
Anhang).     Ebenso  wenig  scheint  es  nötig,   dass  für  jeden   etwa  vor- 

Roscntlial   11.  Be  r  11  liard  t ,  Elektrizitätsleliro.     III.   Anll.  on 


402  Lähmungen  im  Bereiche  des  Plexus  hrachialis.  Kap.  XXIII. 

kommenden  einzelnen  Fall  das  elektrotherapeatische  Verfahren  ange- 
geben werde:  aus  dem,  was  darüber  im  Vorangegangenen  mitgeteilt 
ist,  wird  der  Arzt  zur  Genüge  die  Grundprinzipien  der  einzuschlagen- 
den Behandlung  ersehen,  einer  Behandlung,  welche  natürlich  jedesmal 
nach  der  Schwere  und  dem  Sitz  der  Läsion  zu  variiren  sein  wird. 

Neben  denjenigen  kombinirten  Lälimungen,  welche  durch  Schulter- 
gelenkluxationen  bei  Erwachsenen  zu  Stande  kommen,  kennen  wir, 
seit  Duchenne^^'^  zuerst  darauf  aufmerksam  machte,  auch  solche 
Kombinationen,  welche  der  erste  Beschreiber  Paralysies  obstetricales 
infantiles  du  membre  superieur,  Erb'^'^  später  Entbindungslähmungen 
genannt  hat  und  worüber  ausserdem  von  Seelig müller^^^  Bern- 
hardt 2^^'  u.  A.  Beschreibungen  vorliegen.  Es  handelt  sich  da  zumeist  um 
Lähmungen  Neugeborener  im  Bereich  des  M.  deltoideus,  biceps  und 
M.  infraspinatus:  d.  h.  der  Auswärtsroller  und  Heber  des  Arms,  sowie 
der  Beuger  des  Vorderarms,  während  die  Hand-  und  Fingermuskulatur 
intakt  bleibt.  Zumeist  sind  es  direkte,  bei  schweren  Entbindungen 
den  Kindeskörper  treffende  Läsionen,  Avelche  diese  Lähmungen  be- 
dingen, selten  die  Zangenoperation,  vorwiegend  Extraktionen,  bei  denen 
auf  die  Nerven  in  der  Fossa  supraclavicularis  oder  in  der  Achselhöhle 
ein  bedeutender  Druck  ausgeübt  wurde. 

Tm  Anschluss  an  diese  Lähmungsform  der  Kinder  erwähnen  wir 
hier  noch  die  zuerst  von  Erb*^,  später  von  Remak^-*^  Hoede- 
maker^*^,  Bernhardt-'*'^,  Erlenmeyer"^^^,  Vierordt^"*^  beschriebe- 
nen Lähmungen  der  Oberextremität  bei  Erwachsenen,  welche  durch 
Läsionen  einer  bestimmten  Stelle  in  der  Regio  supraclavicularis  zu 
Stande  kommen,  dort  wo  im  Plexus  noch  verschiedene  Nerven  und 
Nervenäste  für  bestimmte  Muskelgebiete  zusammenliegen  (dem  5.  und 
6.  Cervicalnerven  angehörige  Wurzelfäden).  Betroffen  sind  die  Ge- 
biete des  N.  axillaris,  musculocutaneus ,  radialis,  medianus,  während 
das  Ulnargebiet  frei  bleibt,  seltener  affizirt  zeigen  sich  der  N.  supra- 
scapularis  (M.  infra-  und  supraspinatus),  die  Mm.  pectoralis  und  sub- 
scapularis;  vom  Radialisgebiet  werden  nur  die  Mm.  supinatores  be- 
teiligt (bezw.  die  dem  Radialiseinfluss  unterworfene  Partie  des 
M.  hrachialis  internus),  vom  Medianusgebiet  nur  einzelne  sensible 
Aeste.  Vorwiegend  sind  es  auch  hier  direkte  oder  indirekte  Traumen, 
durch  wolche  diese  Lähmungen  hervorgerufen  werden:  schon  oben 
(S.  249)  ist  der  Punkt  bezeichnet  worden,  von  dem  aus  man  alle  oder 
doch  die  meisten  der  eben  erwähnten  Muskeln  in  Kontraktion  versetzen 
kann.  Neben  den  direkten  Verwundungen  spielen  in  der  Aetiologie  dieser 
Lähmungsform  indirekte  Verletzungen  (Fallen  auf  die  Schulter  oder  die 


§  17],  172. 173.      Lähmung,  d.  peripher. Nerven  d.  unterer»  Extremit.  4Ö3 

Hand  der  betreffenden  Seite),  neuritische  Prozesse,  Tumoren  die  Haupt- 
rolle. Die  Behandlung  wird  teils  mit  dem  konstanten,  teils  mit  dem 
faradischen  Strom  vorgenommen:  die  Anode  ruhe  im  Nacken  an  der 
der  Verletzung  entsprechenden  Seite  der  Wirbelsäule,  die  Kathode  am 
Orte  der  Verletzung  oder  Entzündung:  man  lasse  stabil  einen  mittel- 
starken Strom  (5— 10  M.  A.)  hindurchgehen  oder  bestreiche,  während 
die  Anode  an  der  Oberschlüsselbeingrube  ruht,  mit  der  Kathode  die 
gelähmten  Nerv-Muskelgebiete;  die  Paralysen  sind  meistens  mittel- 
schwerer und  schwerer  Natur:  je  nach  der  noch  bestehenden  oder  total 
geschwundenen  faradischen  Erregbarkeit  wird  die  Prognose  mehr  oder 
weniger  günstig  gestellt  werden  können  und  die  Behandlung  aut 
6 — 8  oder  12—20  Wochen  ausgedehnt  werden  müssen.    (Vgl.  Anhang.) 

§  172.  Viel  seltener  als  Lähmungen  im  Bereiche  der  Nerven 
der  oberen  Extremitäten  finden  sich  solche  an  den  einzelnen  Ner- 
ven derünterextremitäten:  hier  kommen  (äusserst  selten)  isolirte 
Lähmungen  im  Gebiete  der  Nn.  obturatorii  und  glutaei,  häufiger  solche 
im  Cruralisgebiet,  relativ  am  häufigsten  im  Gebiet  des  N.  ischiadicus 
zur  Beobachtung.  Namentlich  sind  es  die  Lähmungen  im  Peroneus- 
und  Tibialisgebiet,  die  nicht  gerade  selten  angetroffen  werden:  es 
können  sämmtliche  oder  auch  nur  einzelne,  je  einem  dieser  Nerven- 
gebiete angehörigen  Muskeln  gelähmt  sein.  Die  elektrotherapeutische 
Behandlung  richtet  sich  auch  hier  nach  den  bekannten  Grundsätzen: 
Man  vergesse  dabei  nicht,  dass  im  Gegensatz  zu  den  Verhältnissen 
an  den  Oberextremitäten  die  Nervenwurzeln  und  Plexus  besonders  des 
Cruralisgebietes  direkt  nicht  erreicht  werden  können.  Höchstens  kann 
man  durch  Einführung  einer  Mastdarmelektrode  Stromschleifen  in 
relativer  Dichte  auf  den  Plexus  sacralis  einwirken  lassen.  Jedenfalls 
wird  man  gut  tun,  bei  Anwendung  des  konstanten  Stroms  eine  Elek- 
trode (meist  die  Anode)  an  der  Lendenwirbelsäule  ruhen  zu  lassen, 
während  die  andere  entweder  stabil  an  die  Symphyse,  oder  etwas  nach 
aussen  von  der  (klopfenden  und  dadurch  leicht  zu  findenden)  Art. 
cruralis  oberhalb  des  N.  cruralis,  oder  unmittelbar  unter  die  Glutäal- 
falte,  oder  in  die  Kniekehle  (je  nachdem  mehr  nach  aussen  oder  innen) 
applizirt  oder  labil  die  gelähmten  Muskeln  entlang  geführt  wird. 

§  173.  Im  Anschluss  an  die  vom  Standpunkt  des  Elektrothera- 
peuten  beleuchteten  paralytischen  Zustände  im  Gebiete  einzelner  Ner- 
ven schreiten  wir  nun  zur  Besprechung  der  innerhalb  bestimmter 
Nervenbezirke  sich  abspielenden  krampfhaften,  spastischen 

2G* 


404  Spastische  Affektionen  der  Nerven.  Kap.  XXIII. 

Erscheinungen  und  ihrer  elektrodiagnostischen  und  elektrotherapeu- 
tisehen  Würdigung.  Diejenigen  Krampfformen  und  Spasmen,  welche 
von  Läsionen  der  Centralorgane  abhängig  zu  machen  sind,  von  Er- 
krankungen bestimmter  Hirnterritorien  (vgl.  S.  381)  oder  von  Affek- 
tionen des  Rückenmarks  werden  nach  den  dort  aufgestellten  Grund- 
sätzen, vor  Allem  durch  die  möglichste  Beeinflussung  des  Krankheits- 
herdes selbst,  elektrisch  behandelt.  Ergibt  die  Untersuchung,  dass 
bei  Spasmus  in  einem  Nerven  gebiet  ein  Druck  auf  benachbarte  sen- 
sible Nerven  die  Krämpfe  beeinflusst  oder  lassen  sich  irgendwo  sonst 
sogenannte  »Druckpunkte«  auffinden,  die  oft  entfernt  von  der  eigent- 
lich leidenden  Lokalität  liegen  können  (am  Rücken,  an  den  Proc. 
spin.  oder  transversi,  am  Halse  im  Verlauf  des  Sympathikus),  so 
richte  man  die  Behandlung  auf  diese  Punkte,  durch  welche  die  oft 
reflektorisch  ausgelösten  Krämpfe  günstig  beeinflusst  werden  können. 
Es  ist  hier  vorwiegend  der  galvanische  Strom  in  Anwendung  zu  ziehen: 
der  eine  Pol,  meist  die  Anode,  wird  auf  den  Druckpunkt  applizirt, 
die  Kathode  irgendwo  am  Körper:  Rheostatbenutzung,  Ein-  und  Aus- 
schleichen, nur  massig  starke  Ströme. 

Oder  man  applizirt  den  konstanten  Strom  direkt  auf  das  leidende 
Nerv -Muskelgebiet;  es  kann  hier  vorkommen,  dass  irgend  eine  den 
motorischen  Nerven  schädigende  oder  reizende  Veränderung,  des  um- 
gebenden Gewebes  (Narbe)  vorliegt,  welche  man  durch  die  kataly- 
tischen  Einwirkungen  des  Stromes  zu  beeinflussen  versucht,  oder  man 
applizirt  den  positiven  Pol  direkt  auf  den  Nervenstamm,  in  der 
Absicht,  Erregbarkeit  und  Leitungsfähigkeit  des  Nerven  herabzusetzen. 
Wieder  andere  empfehlen  starke  absteigende  Ströme  auf  Nerv  und 
Muskel,  die  öfter  unterbrochen  werden  sollen  (Remak)  und  kom- 
biniren  diese  Art  der  Applikation,  wie  Benedikt,  mit  Volta'schen 
Alternativen.  Der  faradische  Strom  kann  durch  eine  starke  Erregung 
in  dem  vom  Krampf  ergriffenen  Gebiet  den  Nerv  und  die  Muskeln 
ermüden:  dies  scheint  wenigstens  die  Erklärung  der  Erfolge  auszu- 
machen, welche  z.  B.  Frommhold  durch  seine  sogenannten  „schwellen- 
den Ströme«  (vgl.  S.  351)  erzielt  hat. 

Was  die  Reaktion  des  von  dem  Krampf,  ergriffenen  Nerv-Muskel- 
gebiets auf  elektrische  Reizung  betrifft,  so  findet  man,  wie  wir  uns 
z.  B.  beim  Tic  convulsif  und  bei  Accessoriuskrämpfen  wiederholt 
überzeugt  haben,  auch  bei  genauer  und  mit  allen  Kanteten  angestellter 
Untersuchung  kaum  ein  vom  Normalen  abweichendes  Verhalten.  Zum 
Schluss  dieser  allgemeinen  einleitenden  Bemerkungen  sei  noch  einmal 
darauf  hingewiesen,    wie   viel  schwerer   oft   die   Eruirung   der    diesen 


A 


§  173.  Tic  convulsif;  Accessoriusbrämpfe;  Kieferldemrue.  405 

Krampfzuständen  zu  Grunde  liegenden  Störungen  ist,  als  derjenigen, 
welche  Lähmungen  bedingen.  Häufig  sind  wir  eben  in  Folge  dieser 
Unkenntniss  genötigt,  sämmtliche  Methoden  nach  einander  zu  ver- 
suchen: aber  auch  so  wird  die  Geduld  des  Arztes  oft  auf  eine  harte 
Probe  gestellt:  mit  seinen  .Mühen  halten  gerade  auf  diesem 
Gebiete  seine  Erfolge  nur  selten  Schritt. 

Eine  der  häufigsten  Krampfformen  ist  der  Tic  convulsif,  der 
„mimische  Gesichtskrampf«  oder  Facialiskrampf,  Sind  Druck- 
und  Schmerzpunkte  aufzufinden,  so  applizire  man  dort  die  Anode  eines 
konstanten  Stroms  (die  Austrittsstellen  der  Trigemimisäste  am  Gesicht, 
eventuell  Proc.  transversi  der  Halswirbel  oder  des  Gangl.  supremum 
des  N.  Sympathikus),  oder  man  setze  die  Anode  stabil  in  die  Fossa 
mastoidea,  oder  endlich  man  versuche  die  »schwellenden«  (faradischen) 
Ströme  Fromm  hol  ds.  Nach  dem,  was  uns  die  neuere  Zeit  von  der 
Möglichkeit  gelehrt  hat,  von  bestimmten  Stellen  der  Hirnrinde  aus 
bestimmte  Muskelgebiete  durch  elektrischen  oder  mechanischen  Reiz 
in  Kontraktion  zu  versetzen,  kann  man  geeigneten  Falls  den  Versuch 
machen,  durch  die  galvanische  Beeinflussung  der  Gehirnoberfläche  (An- 
setzen der  Anode  auf  das  der  zuckenden  Gesichtshälfte  gegenüber- 
liegende Scheitelbein;  Kathode  irgend  sonst  wo  applizirt)  den  Krampf 
zum  Stillstand  zu  bringen  .(Erb - ^"5  Berger^^').  Die  Erfolge  aller 
dieser  Behandlungsmethoden  sind  beim  Facialiskrampf  und  nach  unseren 
Erfahrungen  auch  bei  Spasmen  in  anderen  Nervengebieten  nur  massige. 

Von  den  Krampfiformen  in  anderen  Nervengebieten  schliessen  sich, 
was  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  betrifft,  die  Krämpfe  im 
x^ccessorius gebiet  den  im  Facialisbereich  auftretenden  an.  Die 
Mm.  sternocleidom.  und  cucullaris  oft  noch  in  Verbindung  mit  den 
tiefer  liegenden  Nackenmuskeln  sind  die  erkrankten;  seltener 
begegnet  man  den  meist  reflektorisch  von  den  sensiblen  Trigeminus- 
ästen  aus  hervorgerufenen  Krämpfen  im  Bereich  des  HI.  (moto- 
rischen) Astes  des  N.  tr  ige  minus.  Die  Krämpfe  der  Kiefermuskeln 
(raastikatorischer  Krampf,  Kieferklemme)  werden  ebenso  wie 
die  der  Gesichtsmuskeln,  wenn  anders  sich  sogenannte  ,> Druckpunkte« 
(auch  hier  meist  im  Bereich  der  übrigen  sensiblen  Trigeminusäste  am 
Gesicht  und  in  der  Mundhöhle)  auffinden  lassen,  durch  den  galvanischen 
Strom  nach  den  oben  angegebenen  Methoden  behandelt,  wie  über  der- 
artige Fälle  mit  günstigem  Ausgang  erst  neuerdings  von  Gerhardt-^- 
z.  B.  wieder  berichtet  worden  ist. 

Sehr  selten  finden  sich  neben  diesen  eben  genannten  spastischen 
Affektionen    isolirte    Muskelkrämpfe    im    Bereiche    der    oberen 


406  Paramyoklonus  multiplex.    Schreibelirampf.  Kap.  XXIII. 

und  unteren  Extremitäten,  wenn  man  nicht  eben  gewillt  ist, 
alle  die  verschiedenen  Erscheinungsweisen  der  mannigfachen  zentralen 
Neurosen:  der  Epilepsie,  Chorea,  Hysterie  etc.  hierher  zu  rechnen. 
Dasselbe  gilt  von  den  respiratorischen  Krämpfen,  die  sowohl  im 
Gebiet  der  Inspirations-  wie  der  Exspirationsmuskeln  auftreten  können: 
sind  diese  Erscheinungen  nicht  abhängig  von  wirklichen  pathologisch - 
anatomisch  nachweisbaren  Erkrankungen  des  Centralnervensystems,  so 
kann  man  sie  meistens  dem  Gebiet  der  sogenannten  hysteri- 
schen Erkrankungen  zurechnen:  wir  werden  bei  der  Besprechung 
der  Hysterie  (vgl.  dort)  noch  einmal  auf  diese  Zustände  und  ihre 
Behandlung  zurückkommen. 

Anhangsweise  sei  hier  noch  kurz  jener  eigentümlichen  Krampf- 
form gedacht,  welche  zuerst  von  Priedreich-^"^  unter  dem  Namen 
Paramyoklonus  multiplex  beschrieben  worden  ist  und  von  wel- 
cher auch  Löwenfeld-^*"^  in  neuester  Zeit  einen  Fall  unter  dem 
Namen  Myoklonus  spinalis  multiplex  mitteilte.  Es  handelt  sich  um 
klonische  Krämpfe  in  symmetrischen  Muskeln  der  oberen  und  unteren 
Extremitäten  (meist  der  Oberarme  und  Oberschenkel),  die  im  Schlaf 
und  bei  willkürlichen  Bewegungen  aufhören.  Es  fehlen  eigentliche 
Lähmungserscheinungen,  ebenso  Sensibilitäts-  oder  trophische  Störungen: 
Ataxie  besteht  nicht,  ebenso  wenig  eine  Aenderung  in  der  elektrischen 
Erregbarkeit  der  affizirten  Muskeln,  dagegen  ist  die  Reflexerregbar- 
keit erhöht.  Das  Leiden  verläuft  chronisch,  ist  aber  heilbar; 
namentlich  Löwenfeld  hat  durch  Rückenmarksströme  mit  Einbe- 
ziehung des  Gangl.  suprem.  N.  sympath.  in  den  Stromkreis  einen 
günstigen  Erfolg  erzielt. 

§  174.  Etwas  Anderes  ist  es  mit  denjenigen  eigentümlichen 
Störungen,  welche  bei  Leuten  zu  beobachten  sind,  die  längere  Zeit 
und  in  angestrengter  Weise  nach  einer  Richtung  hin  tätig  sein  müssen: 
als  Paradigma  aller  solcher  Störungen,  welche  die  zur  Erfüllung  eines 
bestimmten  Zweckes  nötige  Koordination  verschiedener  Muskeln  nicht 
zu  Stande  kommen  lassen,  ist  der  bekannte  und  relativ  so  häufig  zu 
beobachtende  Schreibekrampf  (Mogigraphie)  zu  betrachten. 

Oft  sind  es  hier  in  der  Tat  krampfhafte,  spastische  Zustände  in 
einzelnen  bestimmten  Muskeln,  welche  das  Zustandekommen  der  zum 
Schreiben  nötigen  kombinirten  Muskeltätigkeit  hindern:  sehr  häufig 
aber  wird  ganz  uneigentlich  derselbe  Name  „  Schreibe  kr  am  pf**  ge- 
braucht, wo  von  Spasmen  gar  keine  Rede  ist,  sondern  wo  eine  ganz 
bedeutende,  z.  B.  sich  in  Zittern  zeigende  Schwäche  der  Muskulatur 


§  174.  Koordinator! sehe  Beschäftigungskrämpfe.  407 

bestellt,  oder  wo  im  Verlaufe  einzelner  Muskeln  oder  an  bestimmten 
Stellen  des  Knochens  oder  in  den  Gelenken  sich  einstellende  lebhafte 
Schmerzen  das  Zustandekommen  der  komplizirten  Aktion  verhindern. 

Findet  man  im  Verlaufe  bestimmter  Nerven  am  Arm,  an  der 
Schulter,  in  der  Oberschlüsselbeingrube  oder  im  Nacken  auf  Druck 
schmerzhafte  Punkte,  so  behandele  man  diese  Stellen  besonders  mit 
nicht  allzustarken  galvanischen  Strömen  (Anode  auf  die  schmerz- 
haften Punkte):  man  kann  neben  dieser  lokalen  Behandlang  der 
Schmerzpunkte  noch  eine  Galvanisation  des  Halsmarks,  resp.  der  peri- 
pherischen Nerven  des  Arms  verbinden.  Neben  den  katalytischen 
Einwirkungen  des  Stroms  sind  es  noch  seine  erfrischenden  Wiri^ungen, 
die  ja  dem  ermüdeten  Muskelgebiet  zu  Gute  kommen  sollen;  daneben 
kann  man  aber  auch  wirkliche  Paresen  mit  massigen  faradischen 
Strömen  behandeln  und  den  faradischen  Pinsel  zur  Bekämpfung  der 
an  bestimmten  Punkten  lokalisirten  Schmerzen  in  Anwendung  ziehen. 

Die  Erregbarkeit  der  beteiligten  Nerven  und  Muskeln  für  beide 
Stromesarten  hat  uns  und  anderen  kaum  nennenswerte  und  dann  nur 
quantitative  Abweichungen  von  der  Norm  dargeboten  (meist  eine 
massige  Steigerung  der  Erregbarkeit).  Die  elektrische  Behandlung 
muss  wenigstens  3 — 4  Mal  pro  Woche  und  dann  für  lange  Zeit  in 
Anwendung  gezogen  werden.  Wir  brauchen  wohl  nicht  hinzuzufügen, 
dass  neben  den  elektrotherapeutischen  noch  manche  andere  Massnahmen 
zu  treffen  sind,  deren  detaillirte  Auseinandersetzung  nicht  hierher 
gehört:  vor  allem  ist  es  Ruhe  und  Enthaltung  von  der  gewohnten 
Arbeit,  deren  übermässige  Ausübung  die  Krankheit  herbeigeführt  hat. 
Die  Erfolge  einer  auch  sehr  sorgfältig  geleiteten  elektrischen  Behand- 
lung sind  nach  unseren  Erfahrungen  nur  in  der  Minderzahl  der  Fälle 
ganz  zufriedenstellende;  seitdem  die  elektrische  Behandlung  von  uns 
nach  dem  Vorgange  Anderer  mit  zweckmässigen  gymnastischen  Uebungen 
und  mit  der  Massage  verbunden  worden,  scheinen  sich  die  Misserfolge 
zu  verringern. 

Ueberall  wo  bestimmte  Muskelgruppen  anhaltend  in  immer  der- 
selben Richtung  tätig  sind,  können  sich  derartige  „Insuffizienzen"  in 
der  kombinirten  Tätigkeit  derselben  einstellen;  am  bekanntesten  sind 
neben  dem  sogenannten  Schreibekrampf  noch  der  Krampf  (resp.  die 
Schwäche,  das  Zittern,  die  Schmerzen)  bei  Klavier-  und  Violinspielern, 
bei  Telegraphisten ,  Schneidern,  Schustern,  Uhrmachern,  Kassirern, 
Melkerinnen  etc.  etc.  Die  Art  der  Behandlung  ist  im  Grossen  und 
Ganzen  in  allen  diesen  Formen  eine  ähnliche. 


408  Tetanie;  Tetanus.  Kap.  XXIII. 

§  175.  Eine  besondere  Erwähnung  verdient  im  Anschluss  an  das 
eben  Erörterte  der  unter  dem  Namen  der  „Tetanie"  bekannte  Syra- 
ptomcnkomplex.  Es  handelt  sich  dabei  um  anfallsweise,  vorwiegend 
in  der  z\rmrauskulatur  auftretende  Krämpfe  (Beugestellung  der  Hände 
und  Finger  wie  bei  starker  ülnarisreizung,  Streckstellung  der  Unter- 
extremitäten; vgl.  die  Lehrbücher  der  Nervenkrankheiten),  welche 
von  lebhaften  Schmerzen  begleitet  sind.  Absehend  von  jeder  weiteren 
Besprechung  der  noch  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  interessanten 
pathologischen  Erscheinungen  führen  wir  nur  die  wichtigen  Ergebnisse 
hier  näher  an,  welche  Erb-^=^  bei  den  Untersuchungen  über  das  elek- 
trische Verhalten  der  so  affizirten  Nerven  und  Muskeln  erhalten  hat. 
Schon  von  Kussmaul  und  Benedikt  ist  eine  Steigerung  der  eleic- 
trischen  Erregbarkeit  nachgewiesen  worden:  Das  Wesentlichste  der 
Erb" sehen  Ergebnisse  besteht  gleichfalls  in  dem  Nachweis  des  Vor- 
handenseins einer  hochgradigen  Steigerung  der  faradischen  sowohl  wie 
der  galvanischen  Erregbarkeit  sämmtlicher  Rumpfnerven :  einzig  und 
allein  der  Facialis  war  in  seinen  Fällen  davon  ausgenommen.  In 
Bezug  auf  die  erhöhte  galvanische  Erregbarkeit  fand  sich  neben  frühem 
Auftreten  von  KaSz,  AOz,  KaSTe  und  sogar  ASTe  ein  sehr  seltenes 
und  sonst  beim  Menschen  nicht  beobachtetes  Auftreten  vonAnoden- 
öffnungstetanus  bei  massiger  Stromstärke.  So  lange  diese  Steige- 
rung der  elektrischen  Erregbarkeit  nachzuweisen  ist,  kann  die  Krank- 
heit als  noch  bestehend  angenommen  werden:  es  verhält  sich  damit, 
wie  mit  dem  Trousseau'schen  Phänomen;  so  lange  man  auch  in  der 
anfallsfreien  Zwischenzeit  durch  Druck  auf  die  Arterien  und  die  Nerven 
der  oberen  (seltener  und  schwieriger  der  unteren)  Extremitäten  noch 
Tetanieanfälle  auslösen  kann,  darf  die  Krankheit  nicht  als  erloschen 
betrachtet  werden.  Die  stabile  Anwendung  der  Anode  auf  die  Wirbel- 
säule und  aufsteigende  Ströme  auf  die  beteiligten  Nerven  schienen  in 
den  von  Erb  behandelten  Fällen  nicht  ohne  guten  Einfluss  auf  den 
Verlauf  und  die  endliche  Heilung  des  Leidens. 

In  neuerer  Zeit  sind  unsere  Kenntnisse  von  diesem  Leiden  durch 
die  Veröffentlichungen  von  Chvostek^^-t^  Eisenlohr'^^^,  Weiss-^*', 
Friedr.  Schnitze -^'''  in  sofern  erweitert  worden,  als  in  nicht  wenigen 
Fällen  von  diesen  Autoren  neben  der  stets  vorgefundenen  Erhöhung 
der  elektrischen  auch  eine  bedeutende  Steigerung  der  mechanischen 
Erregbarkeit  der  Nerven  gefunden  wurde,  Phänomene,  welche  auch 
am  N.  facialis  zur  Beobachtung  kamen. 

Es  ist  bekannt,  dass  weder  für  die  Tetanie,  noch  für  den 
Tetanus  eine  durch  Beobachtungen  gestützte  feste   pathologisch-ana- 


§  175,  176.  Neuralgien.  409 

tomische  Grundlage  gewonnen  ist,  obgleich  mehr  als  eine  Tatsache 
auf  das  Rückenmark  und  verlängerte  Mark  als  den  Ausgangspunkt 
dieser  Zustände  hinweist.  Wenn  nun  auch,  wie  eben  bemerkt,  in 
Bezug  auf  die  Tetanie  die  Applikation  des  konstanten  Stroms  (in 
Gestalt  der  Anodeneinwirkung)  auf  Mark  und  Nerven  von  nicht  zu 
unterschätzendem  Erfolg  gewesen,  so  sind  die  Erfolge,  die  der  galva- 
nische Strom  in  der  Bekämpfung  des  Tetanus  aufzuweisen  hat,  nur 
geringe  und  die  Beobachtungen  in  der  Litteratur  nur  spärliche.  Nach 
Ranke '^ö  (vgl.  S.  330)  soll  durch  einen  das  Froschrückenmark  durch- 
fliessenden  Strom  (Richtung  gleichgiltig)  die  Reflexerregbarkeit  sehr 
herabgesetzt  werden,  eine  Erfahrung,  welche  von  Legros  und  Oni- 
mus^52  wenigstens  für  absteigende  Ströme  bestätigt  wurde:  faktisch 
hatte  Mendel -^s  bei  zwei  Tetanusfällen  durch  nicht  starke  stabile 
Rückenmarks-  und  Rückenmarksnerven-  (Muskel-)  Ströme  günstige 
Resultate.  Man  möge  also  in  vorkommenden  Fällen  den  Versuch 
immerhin  wagen. 

§  176.  Seitdem  Aerzte  die  Elektrizität  zur  Behandlung  von 
Nervenkrankheiten  in  Anwendung  zogen,  ist  dieselbe  wohl  bei  keinem 
Leiden  mit  mehr  Erfolg  verwertet  worden,  als  bei  den  verschieden- 
sten neuralgischen  Zuständen.  Was  für  die  Bekämpfung  dieser 
Neuralgien  der  faradische,  was  der  galvanische  Strom  leisten  kann,  ist 
schon  oben  (vgl.  S.  350  u.  355)  bei  der  Besprechung  der  allgemeinen 
Elektrotherapie  hervorgehoben  worden.  Gerade  hier  gilt  es,  sich 
von  Einseitigkeit  fern  zu  halten:  man  wird  nicht  selten  ge- 
nötigt sein,  eine  vorgefasste  günstige  Meinung  für  die  eine 
oder  andere  Stromesart  zu  ändern  und  nach  vergeblichen 
Bemühungen  auf  dem  einen  Wege  durch  die  Wahl  des  anderen 
sein  Ziel  erreichen. 

Ohne  also  noch  einmal  auf  die  im  allgemeinen  Teile  gegebenen 
Auseinandersetzungen  zurückzukommen,  wenden  wir  uns  sofort  zur 
Angabe  der  Behandlungsmethoden  für  die  einzelnen  Fälle.  Am 
häufigsten  sind  es  neuralgische  Zustände  im  Trigeminus- 
gebiet,  welche  unser  elektrotherapeutisches  Einschreiten  erforderlich 
machen.  Vorwiegend  wird  der  galvanische  Strom  angewandt  in  der 
Weise,  dass  unter  Rheostatbenutzung  (in  Nebenschluss)  die  Anode 
stabil  auf  die  schmerzhaften  Druckpunkte  im  Gesicht  (am  Supraorbital- 
rand,  am  Infraorbitalrand ,  in  der  Kinngegend  etc.)  aufgesetzt  wird, 
während  die  Kathode  am  Nacken  oder  sonst  wo  am  Körper  ruht. 
Man  steigt  langsam  mit  der  Stromstärke   an  und  lässt  den  Strom 


410  Tic  douloureux;  Trigeminusneuralgien.  Kap,  XXIII. 

durch  3  —  5  Minuten  einwirken,  um  ebenso  allmählich  durch  Ver- 
minderung der  Rheostatwiderstände  sich  aus  der  Kette  auszuschleichen. 
Um  auch  die  in  der  Tiefe  liegenden  leidenden  und  schmerzhaften 
Stellen  zu  beeinflussen,  kann  man  den  Strom  quer  und  längs  durch 
den  Kopf  leiten,  wobei  die  Anode  an  der  leidenden  Seite  steht  und 
der  Rheostat  wie  eben  beschrieben  benutzt  wird.  (Einige,  wie  Bene- 
dikt z.  B.,  appliziren  die  eine  Elektrode  wohl  auch  am  „Sympathi- 
kus".) Die  Sitzungen  werden  täglich  wiederholt:  oft  sind  die  Erfolge 
geradezu  wunderbare  (wir  erinnern  hier  besonders  an  die  Erfolge  der 
Behandlung,  die  Herr  Kollege  Weise ^-"^^  an  sich  selbst  zu  erfahren 
Gelegenheit  hatte);  andererseits  sind  aber  leider  Recidive  hier  eben 
so  wenig  selten,  wie  bei  anderen  Behandlungsmethoden,  daher  eine 
gewisse  Vorsicht  in  der  Prognose  anzuraten! 

Nicht  selten  sieht  man  aber  auch  von  der  einfachen  .Durch- 
leitung eines  stabilen  konstanten  Stroms,  wobei  eventuell  sogar  die 
Kathode  (wir  erinnern  hier  besonders  an  die  Erfahrungen  Ross- 
bach's'^  welche  dieser  Autor  bei  Behandlung  einer  höchst  schmerz- 
haften Ischias  an  sich  selbst  machte)  auf  den  Druckpunkten  steht, 
Erfolge;  oder  von  der  Anwendung  massig  starker  faradischer  Ströme 
(feuchte  Elektroden):  starke  Hautreizung  mit  dem  faradischen  Pinsel 
wird  im  Gesicht  selten  gut  vertragen:  dagegen  lindert  die  Applikation 
der  elektrischen  Hand  (vgl.  S.  351)  häufig  in  zweckentsprechender 
Weise  die  Beschwerden. 

Anhangsweise  mag  hier  noch  der  von  Boudet^^o  besonders  aus- 
gebildeten Methode  Erwähnung  getan  werden,  durch  schnell  schwin- 
gende Stimmgabeln  neuralgische  Zustände  im  Trigeminusgebiet  und 
auch  Migräne  zu  behandeln.  Ein  etwa  1  Ctm.  im  Querschnitt  halten- 
des Holzplättchen  wird  an  eine  mit  einer  Elektrizitätsquelle  ver- 
bundenen Stimmgabel  (217,5  Doppelschwingungen  in  der  Sekunde 
gebend)  befestigt  und  in  die  Nähe  eines  sensiblen  Nervenastes  auf- 
gesetzt. Auf  einer  resistenten  und  nicht  zu  dicken  Unterlage  gelingt 
der  Versuch  am  besten.  Die  Schädeldecken  schwingen  wie  ein  Reso- 
nanzboden mit:  dadurch  wird  bei  manchen  Individuen  eine  Schwindel- 
empfindung und  später  entschiedenes  Schlaf bedürfniss  hervorgerufen. 
Je  stärker  die  Vibrationen,  um  so  schneller  der  Eintritt  der  Wirkung 
(Schmerzlinderung,  lokale  Anästhesie)  und  diese  selbst  von  um  so 
längerer  Dauer.  Auch  Mortimer  Granville^^i  erzielte  dadurch, 
dass  er  Nerven  in  Vibration  versetzte,  namentlich  bei  neurasthenischen 
Individuen  Erfolge,  indem  er  seinen,  der  schwingenden  Stimmgabel 
offenbar    ähnlichen    »Perkuteur«    auf   die    empfindlichen  Wirbel    und 


§176, 177.  Cervico-Occipit.-,  Brachial-,  Intercost.-,Lumbo-Abdominal-Neiiralg.  411 

deren  Proc.  spinosi  aufsetzt.    Schwächezustände,  Schmerzen  wurden 
in  vielen  Fällen  günstig  beeinflusst. 

Den  Neuralgien  im  Gebiete  des  Trigeminus  schliessen  sich  die- 
jenigen schmerzhaften  Zustände  an,  welche  im  Occipitalnerven 
entweder  allein,  meist  auch  in  der  Näckengegend  wüten  (Cervico- 
Occipitalneuralgien),  sowie  diejenigen,  welche  im  Gebiet  der 
Arm  nerven  beobachtet  werden.  Auf  die  klinische  Schilderung  der 
mannigfachen  hier  zu  beobachtenden  Modifikationen  verzichtend  be- 
richten wir  nur  über  die  Erfolge  der  elektrischen  Behandlung.  Hat 
man  sich  des  Vorhandenseins  schmerzhafter  Druckpunkte  versichert, 
so  applizirt  man  den  positiven  Pol  eines  durch  den  Rheostaten  all- 
mählich zu  einer  gewissen  Stärke  (5 — 8  Milliampere)  anschwellen  zu 
lassenden  konstanten  Stroms  auf  diese  Punkte,  welche  im  Verlaufe 
der  einzelnen  Nerven,  oder  an  den  Proc.  spinosi  der  Halswirbel  oder 
zu  den  Seiten  derselben,  den  Proc.  transversi  angetroffen  werden: 
die  Kathode  ruht  dabei  an  einem  indifferenten  Punkt.  Der  Strom 
wirkt  wieder  3 — 5  Minuten  ein  und  wird  ganz  allmählich  abgeschwächt. 
Nicht  anders  verhält  man  sich  bei  der  Behandlung  der  sogenannten 
Intercostalneuralgien:  auch  hier  lässt  man  die  Anode  auf  die 
Proc.  spinosi  oder  zu  den  Seiten  derselben  in  der  Höhe  des  schmerz- 
haften Zwischenrippenraumes  ruhen,  während  die  Kathode  an  einem 
indifferenten  Punkt  entweder  an  den  vorn  am  Thorax  oder  in  der 
Achsellinie  nachzuweisenden  Druckschmerzpunkten  ruht.  Natürlich 
kann  man  sich  auch  bei  etwaigem  Misserfolge  dieser  Methode  des 
faradischen  Stroms,  namentlich  des  Pinsels  als  starken  auf  die  Haut 
des  schmerzenden  Intercostalraumes  anzubringenden  Hautreizes  bedienen. 

§  177.  Sitzen  die  neuralgischen  Schmerzen  im  Gebiet  der  Lenden- 
nerven (also  in  den  Bauchdecken  oder  der  Scharagegend,  der  Vorder- 
Aussenseite,  oder  der  medialsten  Seite  des  Oberschenkels,  Neuralgia 
lumbo-abdominalis,  cruralis,  obturatoria),  so  finden,  was  die 
elektrische  Behandlung  dieser  Leiden  betrifft,  im  Grossen  und  Ganzen 
immer  wieder  dieselben  Verfahrungsweisen  Anwendung:  Aufsuchen 
auf  Druck  empfindlicher  Punkte,  Applikation  der  Anode  dort  oder  an 
den  Proc.  spin.  der  untersten  Brust-  und  der  Lendenwirbel,  Durch- 
leitung eines  massig  starken  Stroms,  wobei  die  Kathode  stabil  auf 
einzelnen  Punkten  im  Verlauf  des  leidenden  Nervenbezirks  aufruht. 
Hier  und  da  wird  man,  wie  verschiedene  Beobachtungen  aus  der 
Litteratur  lehren,  bei  vergeblichen  Versuchen  mit  dem  konstanten 
Strom   den   faradischen  Strom   (als  Pinsel,   elektrische  Hand)  in  An- 


412  Ischias;  Coccygodynie,  Mastodynie.  Kap.  XXIII. 

Wendung  ziehen:  so  berichtete  noch  ganz  neuerdings  Heinlein-^-  von 
der  Heilung  einer  lange  bestehenden  sehr  schmerzhaften  Lumbo- 
abdominalneuralgie  durch  die  mehrmalige  Appliltation  eines  schwachen 
Induktionsstroms  in  Gestalt  der  elektrischen  Hand. 

Neben  neuralgiscben  Zuständen  im  Gebiet  des  Trigeminus 
sind  es  wohl  vorzüglich  diejenigen  des  Ischiadikusgebiets,  vulgo 
die  Ischias,  welche  am  meisten  dem  Elektrotherapeuten  zur  Beob- 
achtung kommen.  Die  Resultate  der  elektrischen  Behandlung  vor- 
züglich mit  dem  konstanten  Strom  sind  meist  sehr  befriedigende.  Die 
Anode  ruht  an  der  unteren  Partie  der  Lendenwirbelsäule  oder  am 
Kreuz  (Symphysis  sacroiliaca)  oder  endlich  in  der  Incisüra  ischiadica 
(zwischen  Trochanter  major  und  Tuber  ossis  ischii),  die  Kathode  meist 
peripher,  tiefer,  an  der  Hinterseite  des  Oberschenkels:  beide  Elek- 
troden können  nach  abwärts  längs  des  ganzen  Verlaufs  des  Nerven- 
stammes bis  zur  Kniekehle  hin  wandern,  indem  sie  immer  in  einem 
bestimmten,  etwa  2  —  3  Handflächen  breiten  Abstand  von  einander, 
immer  aber  auch  in  der  relativen  Position  des  absteigenden  Stroms 
zu  einander  bleiben.  Sitzungen  von  5—8  Minuten  täglich  oder  wenig- 
stens 4 mal  wöchentlich:  Anwendung  von  etwas  stärkeren  Strömen 
(10—20  Milliampere),  die  Elektrodenplatten  von  mindestens  1  "o  noch 
besser  2 — 3  Zoll  Durchmesser. 

In  hartnäckigen  Fällen  ist  abwechselnd  mit  dem  konstanten 
Strom  auch  ein  etwas  stärkerer  faradischer  Strom  mit  feuchten  Elek- 
troden oder  der  elektrische  Pinsel  zu  versuchen:  noch  energischer  auf 
den  Locus  morbi  würde  die  von  Benedikt  vorgeschlagene  Methode 
der  Einführung  einer  Elektrode  in  den  Mastdarm  und  die  Applizirung 
der  anderen  auf  das  Os  sacrum  wirken. 

So  gute  Erfolge  man  häufig  bei  der  elektrischen  Behandlung  der 
Ischias  erzielt,  so  sehr  lassen  dieselben  zu  wünschen  übrig  bei  der 
Behandlung  der  unter  dem  Namen  der  Coccygodynie  bekannten 
Neuralgie  im  Bereich  der  Nervi  coccygei.  Zwar  existiren  auch  hier 
in  der  Litteratur  Fälle,  in  denen,  wie  z.  B.  in  dem  Seeligmüller- 
schen^eä^  l^el  Jahre  lang  bestehendem  Leiden  der  faradische  Strom 
Hilfe  brachte  (es  wurde  in  diesem  eine  Frau  betreffenden  Falle  eine 
Elektrode  in  den  Cervikalkanal  des  Uterus,  die  zweite  direkt  an  die 
schmerzhafte  Stelle  gebracht):  doch  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  lässt 
die  elektrotherapeutische  Behandlung  hier  ebenso  oft  im  Stich,  wie 
bei  der  Kur  desjenigen  Leidens,  welches  sich  als  Brustdrüsenschmerz, 
Mastodynie,  den  Intercostalneuralgien  ebenso  anreiht,  wie  die  Coccy- 
godynie den  übrigen  neuralgischen  Zuständen  im  Sacralgeflecht. 


I 


§  177.  Neuritis.  413 

Schmerz,  Störung  des  normalen  Empfindmigsvermögens,  Lähmmig 
können  auch  die  Begleiterscheinungen  oder  besser  die  klinischen 
Zeichen  einer  wahren  »Entzündung  der  Nerven«  ausmachen,  wie 
sie  durch  Verwundungen,  durch  Erkältungen,  nach  akuten  Krank- 
heiten etc.  an  den  verschiedensten  Nerven  auftreten  kann  (Neuritis). 
Abgesehen  von  der  allgemeinen  Behandlung  der  Entzündung  durch 
die  Ruhigsteliung  des  leidenden  Teils,  durch  Blutentziehung,  Eis- 
applikation etc.  kann  man  oft  schon  im  akuten  Stadium  durch  die 
vorsichtige  Applikation  des  konstanten  Stroms  (Anode  stabil  an  den 
bald  herauszufindenden,  auf  Druck  oft  eminent  schmerzhaften  Punkten 
oder  an  den  ebenfalls  oft  auf  Druck  recht  schmerzhaften  Proc.  spinosi 
der  Wirbel,  Kathode  an  einem  indifferenten  Punkt)  die  Schmerzen 
lindern  und  die  Parästhesien  bessern.  Kommt  es  zu  Lähmungs- 
zuständen,  so  werden  weiterhin  in  der  oben  beschriebenen  Weise  so- 
wohl der  faradische,  wie  der  galvanische  Strom  (vorwiegend  wohl 
letzterer)  zur  Heilung  dieses  unliebsamen  Folgezustandes  in  Anwen- 
dung gezogen.     (Vgl.  Anhang.) 


Kapitel  XXIV. 

Von   der    Elektrotherapie   allgemeiner   neuralgischer  Zu- 
stände, visceraler  Neuralgien,  vasomotorischer,  trophischer 
und  functioneller  Neurosen. 


§  178.  Im  Anschluss  an  die  bestimmten  Nervenbahnen  folgen- 
den Neuralgien  besprechen  wir  hier  kurz  einige  „schmerzhafte 
Atfektionen^*,  welche  zeitweilig  wohl  für  sich  allein  bei  nicht 
prädisponirten  Menschen,  meistens  aber  bei  nervösen,  hereditär  prä- 
disponirten,  heruntergekommenen  und  durch  andere  Leiden  geschwäch- 
ten Individuen,  in  Sonderheit  aber  bei  weiblichen  sogenannten  „hyste- 
rischen'* Personen  zur  Beobachtung  kommen. 

Bekannt  sind  nach  dieser  Richtung  hin  die  sogenannten  Gelenk- 
neuralgien,  d.  h.  Schmerzen,  welche  ohne  pathologisch-anatomisch 
nachweisbare  Veränderungen  in  und  um  die  verschiedenen  Gelenke 
herum  auftreten  und  die  Gebrauchsfähigkeit  der  Glieder  aufs  Aeusserste 
beschränken  können.  Durchleitung  starker  konstanter  oder  faradischer 
Ströme  direkt  durch  das  Gelenk  oder  Anwendung  des  faradischen 
Pinsels  besonders  auf  die  auch  hier  in  der  Nähe  des  Gelenks  sich 
findenden  Druckschmerzpunkte  sind  die  am  schnellsten  zum  Ziele 
führenden  elektrotherapeutischen  Massnahmen,  wiewohl  auch  in  man- 
chen Fällen  die  Applikation  der  Anode  eines  stärkeren  galvanischen 
Stroms  (Kathode  indifferent)  sich  nützlich  erwiesen  hat.  Es  kann 
nicht  oft  genug  wiederholt  werden,  dass  die  elektrische  Kur  nur  ein 
Teilglied  der  therapeutischen  Bestrebungen  des  Arztes  zu  bilden  hat: 
dem  Zweck  dieser  Arbeit  würde  es  widersprechen,  näher  auf  alle  hier 
in  Betracht  kommenden  Punkte  einzugehen ;.  die  Elektrotherapie  ist 
nur  ein  freilich  oft  sehr  wirksames  Mittel  aus  der  Reihe  derer,  welche 
in  einer  gewissen  Mannigfaltigkeit  dem  die  jedesmalige  Individualität  etc. 
berücksichtigenden  Arzte  zur  Bekämpfung  derartiger  Leiden  zu  Ge- 
bote stehen. 


§  178.  Viscerale  Neuralgien;  Cephalaea.  415 

Neben  diesen  Gelenkneuralgien  gibt  es  nun  verschiedene 
schmerzhafte  Zustände,  welche  von  den  Kranken  in  die  Tiefe 
verlegt  und  auf  die  in  den  grossen  Körperhöhlen  eingeschlossenen 
Organe  bezogen  werden.  Diese  „visceralen  Neuralgien"  im  Ge- 
biete des  Plexus  abdominalis  des  Sympathikus  z.  B,  können  sich 
kund  geben  durch  enorme  Schmerzen  in  der  Tiefe  des  Leibes  (die 
verschiedenen  Kolikformen,  z.  B.  Bleikolik)  und  verbunden  sein  mit 
schmerzhaften  Empfindungen  im  Mastdarm,  der  Blase,  der  Harnröhre, 
dem  Uterus  (Dysmenorrhoe).  Neuerdings  empfahl  Neftel-^^  besonders 
die  Galvanisation  des  »Centrum  genito- spinale  und  der  N.  splanchnici** 
gegen  diese  Leiden.  Man  setzt  (auch  während  des  heftigsten  Schmerz- 
paroxysmus)  die  Anode  eines  konstanten  Stromes  am  Rücken  in  der 
Gegend  der  Lendenwirbelsäule  auf,  die  Kathode  am  Unterleib  ober- 
halb der  Schamgegend,  wendet  den  Strom  öfter  und  führt  die  Anode 
die  ganze  Wirbelsäule  entlang,  während  die  Kathode  von  der  Mitte 
nach  beiden  Inguinalgegenden  hin  verschoben  wird.  Je  nach  der 
Reizbarkeit  der  Individuen  werden  stärkere  oder  schwächere  Ströme 
eventuell  mit  Fortlassung  der  Stromwendungen  in  Anwendung  ge- 
zogen: die  Galvanisation  wird  Monate  lang  fortgesetzt.  Schmerzhafte 
Zustände  in  der  Magengegend,  Darm-Koliken  etc.,  sofern  sie  nicht  auf 
schweren  Organerkrankungen  beruhen,  werden  mit  Vorteil  häufig  durch 
den  konstanten  Strom  (Anode  in  der  Herzgrube  oder  in  der  Nabel- 
gegend, Kathode  an  den  Proc.  spin.  der  untersten  Brustwirbel)  be- 
handelt (stabile  Methode):  in  anderen  Fällen  erwiesen  sich  mittel- 
starke faradische  Ströme  oder  die  Anwendung  des  elektrischen  Pinsels 
von  Vorteil.  Ueber  die  Behandlung  der  Angina  pectoris  (Herznerven- 
neuralgie)  siehe  weiterhin. 

Auch  durch  cerebrale  Kongestionen  entstandene  Kopfschmerzen 
hat  Neftel  durch  sein  Verfahren  geheilt  durch  Beeinflussung  der 
N.  splanchnici,  wie  er  glaubt,,  und  die  dadurch  mittelbar  modifizirte 
Blutzirkulation  in  den  Unterleibsgefässen. 

Gerade  die  Besprechung  der  „Kopfschmerzen«  (Cephalaea) 
und  ihrer  Behandlung  ganz  allgemein  mag  uns  den  Uebergang  bahnen 
zur  Mitteilung  derjenigen  Verlahrungsweisen ,  welche  die  Elektro- 
therapie dem  Arzte  zur  Bekämpfung  der  unter  dem  Namen  der  „vaso- 
motorischen" Neurosen  bekannten  Krankheitszustände  an  die  Hand 
gibt.  Es  wäre  eine  ganz  selbstständige  Aufgabe  für  den  ärztlichen 
Schriftsteller,  die  so  mannigfachen  Ursachen  der  „Kopfschmerzen" 
und  ihre  ebenso  vielfache  Therapie  monographisch  zu  behandeln:  für 
unsere  Zwecke   genügt  es,    festzustellen,   dass  der  Arzt,  nachdem   er 


416     ■  Kopfschmerzen.  Kap.  XXIV. 

allen  sonstigen  Indikationen  Genüge  geleistet  hat,  dennoch  oft  mit 
dem  Patienten  zAisammen  zweifelnd  mid  verzweifelnd  vor  der  Erfolg- 
losigkeit aller  seiner  Bemühungen  steht.  Nicht  selten  sieht  man  dann 
und  wir  selbst  können  aus  eigner  Erfahrung  nicht  wenige  Beispiele 
hierfür  anführen,  wie  die  Durchleitung  eines  schwachen  galvanischen 
Stromes  von  höchstens  1 — 3  Milliampere  Stärke  quer  oder  längs  durch 
den  Kopf  (die  Rheostatbenutzung  ist  bei  derartigen  Prozeduren  unum- 
gänglich notwendig)  gute  und  nachhaltige  Erfolge  hervorbringt.  Man 
kann  auch  die  eine  Elektrode  (knopfförmig)  an  die  Stelle  der  ver- 
mutlichen Lage  des  Ganglion  supremum  des  Sympathikus  am  Halse 
plaziren,  die  andere  am  Nacken  ruhen  lassen:  die  Sitzungen  können 
täglich  oder  doch  wenigstens  einen  Tag  um  den  andern  wiederholt 
werden  und  mögen  im  Ganzen  die  Dauer  von  3  —  5  Minuten  nicht 
übersteigen. 

Von  der  „allgemeinen  Faradisation^*,  die  von  Board  und  Rock- 
well bei  der  Behandlung  ähnlicher  Zustände  bei  „nervösen^S  »neu- 
rasthenischen"  Menschen  angewendet  wird,  ist  ausführlicher  schon 
oben  (S.  351)  gehandelt.  Ihr  schliesst  sich  die  von  Beard  bei  den 
verschiedensten  nervösen  Zuständen  geübte  „centrale  Galvanisation <* 
an,  von  welcher  Behandlungsmethode  allein  oder  in  Verbindung  mit 
der  erwähnten  allgemeinen  Faradisation  dieser  Autor  Stärkung,  und 
Beruhigung  bei  den  mannigfachsten  nervösen  Zuständen  schwächlicher, 
neurasthenischer  Personen  gesehen  hat:  es  ist  nach  ihm  diese  Behand- 
lung ein  wahres  „ Tonikum *'  für  die  Leidenden.  Eine  Wirkung,  die 
von  Beard  und  Rockwell  und  andern  Autoren  (vgl.  S.  381,  382)  als 
ganz  besonders  wohltätige  Folge  der  allgemeinen  Elektrisation  ge- 
rühmt wird,  das  Herbeiführen  von  Schlaf,  haben  auch  wir  als  sehr 
bald  sich  einstellenden  Effekt  von  der  Durchleitung  schwacher  galva- 
nischer Ströme  durch  den  Kopf  häufig  beobachten  können.  Anderer- 
seits ist  es  nicht  eben  selten,  dass  Personen,  sobald  sie  nur  überhaupt 
dem  Einfluss  der  Elektrizität,  sei  es  des  galvanischen  oder  des  fara- 
dischen Stromes,  ausgesetzt  werden,  über  vermehrtes  Schlafbedürfniss 
berichten,  auch  dann,  wenn  von  einer  direkt  auf  den  Kopf  gerichteten 
Behandlung  keine  Rede  ist. 

Aehnlich  wie  die  allgemeine  Elektrisation  soll  auch  das  elek- 
trische Bad  wirken  (vgl.  S.  366);  obgleich  gerade  über  die  Erfolge 
dieser  Applikationsweise  der  Elektrizität  allen  Anforderungen  vor- 
urteilsloser Beobachtung  genügende  Erfahrungen  noch  nicht  in  hin- 
reichender Anzahl  vorliegen. 

Unter  den  neueren  Schriftstellern    betont    besonders   Mob  ins -''•'^ 


§  178,  179.  Hemicrania.  417 

die  schmerzstillende  Wirkung  der  Elektrizität  bei  Neuralgien,  bei 
Pseudoneuralgien  nach  Wirbelkaries,  bei  Tabes,  kariösen  Zahnschmerzen, 
Kopfschmerzen  u.  s.  w.  Der  neuralgische  Schmerz  sei  der  Ausdruck 
eines  eigentümlichen  Zustandes  der  Nervensubstanz,  die  er  als  »neural- 
gische Veränderung«  bezeichnet.  Die  Ursache  derselben  kann  eine 
verschiedene  sein:  auf  diese  selbst  kann  die  Elektrizität  nicht  ein- 
wirken und  so  wirkt  sie  bei  Entzündungen  nur  temporär  und  sympto- 
matisch. Der  konstante  Strom  wirkt  öfter  schmerzstillend,  als  der 
faradische,  die  Anode  ist  im  Allgemeinen  der  Kathode  vorzuziehen; 
langsames  Steigen  und  Sinken  mit  der  Stromstärke  wirkt  günstiger, 
als  einzelne  Stromstösse. 

§  179.  Aus  der  Reihe  der  nervösen  Zustände  und  Schmerzen 
haben  sich  schon  seit  langer  Zeit  diejenigen  Kopfschmerzen,  die  man 
unter  dem  Namen  der  Migräne  (des  einseitigen  Kopfschmerzes,  der 
Hemikranie)  kennt,  eine  besondere  Beachtung  erworben.  Die  grosse 
Wahrscheinlichkeit  der  Abhängigkeit  dieser  Leiden  von  der  Spannung 
und  der  Füllung  der  Gefässe  der  Hirnhäute,  vielleicht  des  Hirns  selbst 
hat  schon  bald  nach  dem  Bekanntwerden  der  Wirkungen  des  kon- 
stanten Stroms  die  Aerzte  nach  einem  so  mächtigen  Mittel  zur  Be- 
kämpfung dieser  peinvollen  Zustände  greifen  lassen.  Namentlich  war 
es  Holst^^",  der  fussend  auf  die  von  du  Bois  namentlich  und 
Möllendorf  zuerst  betonten  verschiedenen  Gefässfüllungszustände 
und  in  Berücksichtigung  anderer  Symptome,  welche  auf  die  Tätigkeit 
der  hier  in  Betracht  kommenden  sympathischen  Nerven  Licht  warfen 
(Pupillenweite,  Färbung  und  Temperatur  der  Gesichtshaut  und  der 
Ohren  etc.)  die  Hemicrania  sympathico-tonica  (spastica)  und 
die  Hemicrania  angio-paralytica  nach  den  von  Brenner  an- 
gegebenen Prinzipien  mit  Erfolg  behandelte. 

Bei  der  ersten  Form,  der  angiospastischen ,  wobei  das  Gesicht 
blass,  die  Pupillen  weit,  die  Arterien  eng  sind,  wird  die  Anode  auf 
den  Halsteil  des  Sympathikus  aufgesetzt,  sodann  die  Kette  eines 
relativ  starken  Stromes  geschlossen  (Kathode  ruht  an  einem  indiffe- 
renten Punkt)  und  nach  einigen  Minuten  die  Stromstärke  allmäh- 
lich (Ausschleichen,  Rheostatbenutzung)  vermindert.  Bei  der  zweiten, 
der  angioparalytischen  Form,  wobei  das  Gesicht  rot  und  warm,  die 
Pupillen  eng,  die  Arterien  weit  sind,  soll  durch  den  starken  Reiz 
der  Kathode  (am  Sympathikus)  die  Parese  der  vasomotorischen  Fasern 
dieses   Nerven  bekämpft   werden:    daher   wiederholte   Oetfnungcn   und 

Rosen  thal   ii.  Bprnhaidt,  Klektiizitiitslelirp.     III.   AiiH.  27 


418  Sympathikusa Sektionen.  Kap.  XXIV. 

Schliessungen    des  Stromes,    ja    sogar  Volta'sche  Alternativen    ange- 
raten werden  (Anode  ruht  an  einem  indifferenten  Punkte). 

Vorwiegend  wandte  Holst  (wenn  eben  nicht  der  lähmungsartige 
Zustand  der  Gefässe  absolut  deutlich  ausgeprägt  war)  die  erste  Me- 
thode an,  durch  die  er  sowohl  während  der  Einzelanfälle  Erleichte- 
rung, wie  auch  ein  längeres  Aussetzen  der  einzelnen  Anfälle  erzielt 
haben  will. 

Anderen  Autoren  hat  die  Durchleitung  schwacher  galvanischer 
Ströme  durch  den  Kopf  oder  auch  die  Anwendung  schwacher  fara- 
discher Ströme  (der  elektrischen  Hand)  gute  Dienste  geleistet.  Jeden- 
falls ist  auch  hier  bei  der  etwaigen  Erfolglosigkeit  einer  Methode 
die  andere  Behandlungsweise  zu  versuchen. 

Im  Anschluss  an  das  eben  Mitgeteilte  erscheint  es  passend,  hier 
sogleich  dasjenige  hinzuzufügen,  was  über  etwaige  Erkrankungen 
der  am  Halse  liegenden,  dem  Sympathikus  angehörigen  Gebilde 
bekannt  ist.  Wie  jeder  andere  Nerv  kann  auch  der  Halssympathikus 
durch  äussere  Verletzungen,  durch  Geschwülste  etc.  lädirt  werden, 
wobei  in  einzelnen  Fällen  die  Symptome  der  Reizung  (vgl.  das  soeben 
Gesagte:  Blässe  der  betreffenden  Gesichtshälfte,  Erweiterung  und  träge 
Reaktion  der  Pupillen,  massiger  Exophthalmos),  in  andern  wieder 
solche  der  Lähmung  (vermehrte  Gefässfülle  und  Wärme  der  leidenden 
Kopfhälfte,  Verengerung  der  Pupillen,  massiges  Eingesunkensein  des 
Augapfels  und  Verengerung  der  Lidspalte,  Zustände  von  Schwindel, 
Ohrensausen  etc.)  mehr  in  den  Vordergrund  treten  können.  Man  ver- 
gesse dabei  nicht,  dass,  wie  verschiedene  Beobachtungen  lehren,  die 
vasomotorischen  Fasern  im  Sympathikus  in  selbständiger  Weise  beein- 
flusst  sein,  z.  B.  in  einem  Reizzustand  sich  befinden  können,  während 
die  oculopupillären  Fasern  sich  paretisch  erweisen;  es  kommen  so 
gemischte  Krankheitsbilder  zu  Stande,  die  in  jedem  einzelnen  Falle 
natürlich  variiren  können.  Die  Behandlung  der  Folgen  der  Sympa- 
thikusläsionen richtet  sich  nach  den  oben  bei  Besprechung  der  Hemi- 
kranie  auseinandergesetzten  Prinzipien:  in  Anbetracht  des  wahrschein- 
lichen zentralen  Ursprungs  der  sympathischen  Fasern  für  das  Gesicht 
und  den  Kopf  aus  dem  Halsmark,  wird  es  sich  für  einzelne  Fälle 
empfehlen,  je  nachdem  die  Anode,  oder  die  Kathode  auf  die  Nacken- 
wirbel zu  appliziren,  um  so  möglichst  zentrale  Einwirkungen  stattfinden 
zu  lassen  (Eulenburg  und  Guttmann^ß-j  Seeligmüller^ß^  u.  A.). 

§  180,    Seitdem   in   Bezug  auf  die  Pathologie   der  »Basedow- 
schen Krankheit"  die  Ueberzeugung  von  einer   wesentlichen  Beein- 


§•  180.  Morbus  Basedowii;  Angina  pectoris.  419 

trächtigung  der  in  der  Med.  obl.  und  im  Halsmark  gelegenen  Gefäss- 
und  Herznervencentren  sich  Geltung  verschafft  hat,  hat  man  auch 
angefangen,  dieses  Leiden  durch  den  galvanischen  Strom  und,  wie  wir 
gleich  hinzufügen  wollen,  oft  mit  grossem  Erfolg  zu  behandeln. 
Wir  selbst  sind  ebenso  wie  andere  Autoren  (besonders  Chvostek^^s, 
M.  Meyer^^^  A.  Eulenburg-'")  in  der  Lage,  den  wohltuenden 
Einfluss  der  Galvanisation  des  Halsmarks  und  auch  der  sogenannten 
Sympathikusgalvanisation  auf  das  Leiden  selbst  und  den  Allgemein- 
zustand der  Kranken  zu  konstatiren. 

Man  verwendet,  womöglich  unter  Rheostatbenutzung,  schwache 
Ströme  (3  —  8  Milliampere):  die  Anode  wird  an  die  Incisura  semi- 
lunaris  des  Mannbr.  sterni,  die  Kathode  an  die  Innenseite  des  M.  sterno- 
cleidomastoideus  oben  am  (Jnterkieferwinkel  aufgesetzt.  Naclidem  so 
der  Strom  „aufsteigend"  2 — 3  Minuten  gewirkt  hat,  kann  man  auch 
die  Anode  in  den  Nacken  plaziren,  Wcährend  die  Kathode  in  der  an- 
gegebenen Stellung  verharrt:  nach  weiteren  2  Minuten  kann  man 
schliesslich  die  Kathode  auf  die  geschlossenen  Augenlider  setzen  lassen, 
während  die  Anode  am  Nacken  bleibt.  Einige  Autoren  lassen  schliess- 
lich noch  einen  etwas  stärkeren  Strom  direkt  durch  die  Struma  gehen. 
Die  Erfolge  der  täglich  zu  wiederholenden,  mit  schwachen  Strömen 
vorzunehmenden  und  auf  5 — 8  Minuten  Dauer  auszudehnenden  Sitzungen 
sind  in  der  Tat  häufig  recht  erfreuliche:  namentlich  wird  ein  Sinken 
der  Pulsfrequenz  oft  bald  konstatirt  und  das  ganze  Befinden  der  meist 
sehr  erregten  und  dabei  geschwächten  Kranken  erheblich  gebessert: 
freilich  mag  dazu  die  empfohlene  Ruhe,  die  Anordnung  einer  kräftigen 
Diät  etc.  nicht  wenig  beitragen. 

Weniger  genau  sind  wir  über  die  günstigen  Erfolge  der  Behand- 
lung der  unter  dem  Namen  der  „Angina  pectoris"  bekannten 
Neurose  mittelst  der  Elektrizität  unterrichtet.  Immerhin  haben  ein- 
zelne Autoren  (v.  Hübner-"'-',  A.  Eulenburg^'^,  Duchenne)  durch 
die  Anwendung  der  Elektrizität  beachtenswerte  Resultate  erzielt. 
Nach  V.  Hübner  verfährt  man  im  Grossen  und  Ganzen  ebenso,  wie 
bei  der  Behandlung  der  Basedow'schen  Krankheit  (Benutzung  soge- 
nannter aufsteigender  Ströme  am  Sympathikus);  auch  Hess  derselbe 
Autor  die  Anode  an  dem  Platz  oberhalb  des  Brustbeins  und  appli- 
zirte  die  Kathode  bei  seinem  Kranken  abwechselnd  auf  zwei  druck- 
empfindliche Punkte  an  beiden  Schulterblattwinkeln  (schwache  Ströme). 
In  ähnlicher  Weise  wie  Hübner  fand  neuerdings  auch  Löwenfeld 
aufsteigende  galvanische  Ströme  am  Halse  sowohl  momentan,  als  auch 
nach   häufigerer  Wiederholung   der  Prozedur  Linderung   schaftend   und 

27* 


420  Vasomotorische  Neurosen.  Kap.  XXIV. 

empfiehlt  dieses  Verfahren  auch  bei  ßriistbeklemmungen  Melancholischer 
und  Hysterischer. 

Starke  Ströme  (bis  zu  30  Elementen)  benutzte  Eulen  bürg-'': 
die  Anode  stand  mit  breiter  Kontaktfläche  auf  dem  Brustbein,  die 
Kathode  auf  der  unteren  Halswirbelsäule. 

Eigene  Erfahrungen  stehen  uns  nicht  in  genügender  Anzahl  zu 
Gebote;  immerhin  würden  wir  eine  Beeinflussung  des  Halsmarks 
mittelst  des  galvanischen  Stroms  versuchen;  auch  Hesse  sich,  seitdem 
V.  Ziemssen  ^"'^  die  Möglichkeit  einer  direkten  Treffbarkeit  des  Herzens 
und  seiner  nervösen  Gebilde  durch  den  galvanischen  Strom  nach- 
gewiesen hat  (vgl.  S.  339)  von  der  Einwirkung  eines  solchen  auf  das 
Herz  Manches  erhoffen.  Die  Zukunft  muss  lehren,  in  wieweit  diese 
Annahmen  berechtigt  sind.  Erwähnenswert  ist  endlich  noch  die 
Duchenne'sche  Methode  der  faradischen  Hautpinselung  der  linken 
Brustgegend,  durch  welche  augenblickliche  Erleichterung  und  weiter- 
hin bei  wiederholter  Anwendung  Heilung  erzielt  wurde. 

Im  Anschluss  an  die  eben  besprochenen  Zustände  erwähnen  wir 
die  nicht  gerade  allzu  häufig  zu  beobachtenden  Krankheitsfälle,  welche 
sich  in  Kaltwerden  und  Erstarren  der  Extremitäten  (speziell 
der  Finger  und  der  Zehen)  äussern,  wobei  diese  Glieder  eine  teils 
blasse,  teils  livide  und  cyanotische  Färbung  annehmen  und  mehr  oder 
weniger  schmerzhafte  Sensationen  in  ihnen  entstehen.  Diese  von 
Raynaud"*,  Vulpian^^^  Lannois^-e,  M.  Weiss^",  Bernhardt"^ 
und  Anderen  beobachtete,  von  den  Franzosen  Asphyxie  locale  des 
extrem ites  genannte  Krankheit  wird  auf  eine  abnorm  gesteigerte 
Erregbarkeit  der  im  untersten  Teile  des  Cervical-  und  im  obersten 
des  Dorsalmarks  gelegenen  vasomotorischen  Centren  zurückgeführt: 
diese  Erregbarkeit  würde  reflektorisch  durch  die  Reizung  sensibler 
Hautnerven  der  Peripherie  (abnorme  Temperaturgrade,  Handtirung 
mit  ätzenden  Flüssigkeiten  etc.)  dauernd  oder  intermittirend  unterhalten. 
Bei  dem  heute  noch  durchaus  nicht  entschiedenen  Streit,  ob 
selbständige  gefässerweiternde  Nerven  neben  den  gefässverengernden 
anzunehmen  und  ob  wie  für  die  Arterien  so  auch  für  die  Venen 
spezielle  Nerven  zu  statuiren  seien,  ist  es  schwer,  über  das  Wesen 
dieser,  übrigens  meist  bei  nervösen  und  neurasthenischen  Personen  zu 
beobachtenden  Krankheitszustände  sichere  Angaben  zu  machen.  Genug, 
dass  man  neben  der  symmetrischen  Asphyxie  der  Extremitäten  wohl 
auch  die  symmetrische  Gangrän,  ferner  die  sogenannte  Erythromelalgie 
Lannois'  und  ähnliche  Zustände  hierher  zu  rechnen  hat.  Neben  der 
Anwendung  ziemlich  kräftiger  (8— 15  Milliampere)  konstanter  Ströme 


§  180.    Sklerodermie;  Troplioneuroseii :  Heniiatrophia  facialis  progressiva.       421 

längs  des  Rückens  (Anode  am  Nacken,  Kathode  in  der  Lendengegend 
(vgl.  Löwen fcld's  Untersuchungen  S.  331)  kann  man  iiuch  die 
Applikation  von  Rückenmarks plexus-  oder  Plexusnervenströmen  (vergl. 
S.  364)  versuchen  und  namentlich  bei  angiospastischen  Zuständen  den 
faradischen  Pinsel  direkt  auf  die  erkalteten  Teile  appliziren  oder  mit 
feuchten  Elektroden  die  Nerven  und  Muskeln  der  erkrankten  Extre- 
mitäten erregen.  So  empfahl  z.  B.  Nothnagel'^^^  bei  solchen  auf 
Arterienkrampf  zurückzuführenden  Leiden  den  positiven  Pol  auf  den 
Plexus  brachialis,  den  negativen  auf  deu  Nacken  zu  setzen  und 
etwa  5  Minuten  lang  den  Strom  durchzuleiten.  In  10 — 20  Sitzungen 
wurden  die  pathologischen  Erscheinungen  zum  Verschwinden  gebracht. 
Ueber  die  Erfolge  einer  derartigen  Behandlung  sind  zur  Zeit  die  Er- 
fahrungen noch  spärlich:  jedenfalls  kanu  man  sagen,  dass  in  einzelnen 
Fällen  erhebliche  Besserung  erzielt  worden  ist. 

Neben  diesen  exquisit  vasomotorischen  Störungen  der  Haut  findet 
man  teils  mit  ilmen  komplizirt,  teils  von  vornherein  selbständig  auf- 
tretend eine  Krankheit  derselben,  welche  unter  dem  Namen  der 
Sklerodermie  bekannt,  im  Wesentlichen  in  einer  abnormen  Straff- 
heit und  Dünnheit  der  Haut  und  des  Uuterhautbindegewebes  besteht. 
Diese  vorwiegend  als  eine  atrophische*'  Störung,  eine  Tropho- 
n  cur  ose  auftretende,  eminent  chronische  und  sehr  schwer  heilbare 
Kranliheit  zeigt  neben  den  erwähnten  atrophischen  Zuständen  der 
Haut  in  nicht  seltenen  Fällen  ähnliche  vasomotorische  Störungen 
(abnorme  Kälte  und  Blässe  der  ergriffenen  Teile,  oberflächliche  und 
tiefer  greifende  Zerstörungen  der  Haut  und  Knochen)  wie  in  den  eben 
besprochenen  Fällen,  so  dass  wir  uns  berechtigt  glaubten,  über  diese 
Zustände  im  Anschluss  an  die  oben  besprochenen  vasomotorischen 
Störungen  diese  wenigen  Bemerkungen  zu  machen;  die  bisherigen 
elektrolherapeutischen  Bemühungen  zur  Heilung  des  Leidens  (Galvani- 
sation des  Rückenmarks,  Faradisation  und  Pinselung  der  Haut,  Mus- 
keln und  Nerven  der  Extremitäten)  waren  bis  heute  von  nur  geringem 
Erfolg  begleitet. 

Zu  den  als  Trophoneurosc  aufgefassten  Erkrankungen  rechnet 
man  heule  allgemein  auch  die  Hemiatrophia  facialis  progressiva, 
die  einseitige  (progressive)  Gesichtsatrophie.  Hinsichtlich  der  Erreg- 
barkeit der  der  leidenden  Seite  angehörigen  Gesichts-,  Kau-  und 
Zungenmuskulatur  ist  meistens  von  einer  etwas  erhöhten  (durch  den 
verminderten  Leitungswiderstand  der  atrophischen  Partien  erklärten), 
seltener  von  einer  verminderten  Erregbarkeit  im  Vergleich  zur  ge- 
sunden Seite    berichtet    worden:    meist    aber    sind    diese    Differenzen 


422  Epilepsie.  Kap.  XXIV. 

(immer  nur  (.juantiiative)  sehr  unbedeutende.  Unbedeutend  aber  sind 
auch  leider  die  bisher  von  einer  elektrischen  Kur  verzeichneten  Er- 
folge: weder  die  Galvanisation  des  Sympathikus,  noch  die  des  Hals- 
marks oder  die  Galvanisation  quer  durch  den  Kopf  (Ansatzstellen  der 
Elektroden  die  Proc.  raastoidei)  oder  die  direkte  auf  die  Nerven  und 
Muskeln  der  leidenden  Seite  gerichtete  Behandlung  war  in  den  bekannt 
gegebenen  Fällen  von  nachhaltigem  Erfolg  gewesen. 

§  181.  Die  bedeutenden  Wirkungen  des  konstanten  Stroms  ver- 
anlassten die  Aerzte  schon  früh,  denselben  auch  bei  einer  Anzahl  von 
Krankheiten  zu  versuchen,  welche  im  wahren  Sinne  des  Wortes  als 
„allgemeine  Neurosen«  aufzufassen  sind,  der  Epilepsie,  dem  Veits- 
tanz, der  Hysterie  etc. 

Hat  man  Veranlassung,  die  Epilepsie  mit  einer  ganz  be- 
stimmten Läsion  des  zentralen  oder  peripherischen  Nervensystems  in 
Zusammenhang  zu  bringen  (Schädeltrauma,  Rückenmarks  Verletzung, 
Narben  im  Verlauf  peripherischer  Nerven  oder  überhaupt  bestimmte 
Druckschmerzpunkte,  von  denen  aus  eventuell  ein  Anfall  ausgelöst 
werden  könnte),  so  liegt  es  nahe,  hier  die  kataly tischen  Einwirkungen 
des  konstanten  Stroms  zu  versuclien  und  namentlich  durch  die  Appli- 
kation der  Anode  eines  massig  starken  Stroms  auf  die  Resorption  der 
die  Reizbarkeit  unterhaltenden  pathologischen  Produkte  hinzuwirken. 
Wenn  derartige  Anhaltspunkte  fehlen,  versuche  man  durch  die  Appli- 
kation der  Anode  hoch  oben  im  Nacken  (Kathode  an  einem  indiffe- 
renten Punkt)  mittelst  eines  kräftigeren  (übrigens  immer  am  besten 
durch  Rheostatbenutzung  abzustufenden)  Stromes  die  Erregbarkeit  der 
Med.  obl.  oder  des  Pons  (der  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  als 
»Krampfcentra"  betrachteten  Hirnpartien)  zu  vermindern,  oder  endlich 
man  versuche  mit  schwächeren  Strömen  die  sogenannte  Sympathikus- 
behandlung oder  die  direkte  Durchleitung  längs  des  Kopfes  oder  quer 
durch  denselben.  Es  ist  vor  der  Hand  nicht  möglich  über  die 
Resultate  einer  derartigen  Behandlung  etwas  bestimmtes  oder  günstiges 
auszusagen,  da  bisher  noch  fast  kein  Autor  die  elektrische  Behand- 
lung in  dem  Sinne  isolirt  durchgeführt  hat,  dass  er  nicht  noch  andere 
Mittel  (vornehmlich  Brompräparate)  nebenbei  in  Anwendung  gezogen 
hätte.  — 

Schon  oben  (S.  405)  bei  der  Besprechung  der  Therapie  des 
Facialiskrampfes  ist  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  neuerdings 
gewonnenen  Erfahrungen  und  Anschauungen  von  der  Möglichkeit  der 
Entstehung   partieller    und    allgemeiner  Konvulsionen    von    der  Hirn- 


§  181,  182,  183.  Chorea;  Hysterie.  423 

rinde  her  dazu  geführt  haben,  die  clektrotherapeutischc  Behandlung 
dieser  Anschauung  konform  zu  gestalten,  d.  h.  direkte  Behandlung 
der  als  Ausgangspunkt  der  Konvulsionen  anzusehenden,  auf  den  Schädel 
projizirten  Stelle  (meist  der  Scheitelbeinregion)  mit  der  Anode,  wäh- 
rend die  Kathode  irgendwo  am  Körper  ruht. 

§  182.  Mehr  wie  bei  der  elektrischen  Behandlung  der  Epilepsie 
wissen  die  verschiedensten  Autoren  von  den  Erfolgen  ihrer  elektro- 
Ihcrapcutischen  Bestrebungen  in  Bezug  auf  die  Chorea  zu  berichten. 
Man  wendet  entweder  die  Sympathikusgalvanisation  an  oder  (schwache) 
Ströme  in  aufsteigender  Richtung  längs  der  Wirbelsäule  oder  durch 
den  Kopf.  Die  von  einigen  nach  derartigen  Massnahmen  berichteten 
Erfolge  hat  v.  Ziemssen-^*^  z.  B.  bei  seinen  Versuchen  in  dieser 
Richtung  nicht  bestätigen  können,  während  wir  selbst  zwar  nicht  in 
allen,  so  doch  in  einigen  Fällen  jedesmal  durch  die  Eltern  der  an 
Veitstanz  erkrankten  und  z.  B.  mit  Sol,  Fowleri  längere  Zeit  ohne 
besonderen  Erfolg  behandelten  Kinder,  bei  denen  des  Versuches  wegen 
derartige  schwache  aufsteigende  Rückenmarksströme  angewandt  wurden, 
bei  späteren,  oft  erst  nach  Jahren  eintretenden  Recidiven  dringend 
ersucht  wurden,  doch  sofort  mit  der  elektrischen  Behandlung  zu  be- 
ginnen, da  diese  ihrem  Ermessen  nach  das  Leiden  am  schnellsten  zum 
Schwinden  gebracht  hätte.  Aehnliche  günstige  Resultate  berichtet 
Lcube-^':  in  neuester  Zeit  ist  von  Rosenbach-^-  namentlich  und 
von  Seifert-^"'  auf  oft  erst  durch  den  elektrischen  Strom  selbst  zu 
eruirende  Druckschmerzpunkte  an  den  Wirbeln  oder  in  den  Inter- 
costalräumen  aufmerksam  gemacht,  auf  die  der  konstante  Strom 
(Anode)  gerichtet  werden  solle  und  deren  Behandlung  die  Zeit  des 
Krankseins  erheblich  abzukürzen  vermöge. 

§  183.  So  vielgestaltig  wie  sich  der  Symptomenkomplex  der- 
jenigen nervösen,  meist  bei  Frauen  anzutreffenden  Zustände  gestaltet, 
welche  man  mit  dem  Namen  der  „hysterischen^'  zusammen fasst, 
so  vielfältig  sind  auch  die  der  Elektrotherapie  entlehnten  Verfahrungs- 
weisen,  um  den  mannigfachen  Beschwerden  und  krankhaften  Erschei- 
nungen bei  derartigen  Kranken  abzuhelfen.  Eine  wie  grosse  Rolle  das 
psychische  Moment  bei  der  Behandlung  der  oft  so  wunderbare 
Formen  annehmenden  Krankheit  spielt,  ist  jedem  bekannt,  der  Gelegen- 
heit hatte,  viele  derartige  Kranke  zu  sehen:  und  so  kommt  es  denn 
auch,  dass  schön  das  blosse  Wort  „elektrisiren" ,  der  Anblick  der 
bisher  noch  nie  gesehenen  Apparate,  das  Neue,  Unbekannte  der  ganzen 


424  Hysterie.  Kap.  XXIV. 

Sache  überhaupt  etc.  einen  derartigen  Eindruck  hervorbringt,  dass 
selbst  sehr  schwache  faradische  oder  galvanische  Ströme,  irgendwo 
applizirt,  ja  dass  das  blosse  Ansetzen  der  Elelctroden  (ohne  jeden 
Strom)  oft  erstaunliche  Resultate  hervorbringen  kann.  Aphonien 
werden  geheilt,  paretische  Zustände  gebessert,  Singultus  zum  Aufhören 
gebracht  etc.  Abgesehen  nun  von  diesen  psychischen  Einwirkungen 
vermag  aber  die  Elektrizität  in  der  Tat  die  verschiedensten  hier  in 
Frage  kommenden  Krankheitszustände  zu  lindern  oder  zu  heben: 
wenigstens  temporär.  Es  versteht  sich,  dass  nirgends  mehr  als  bei 
der  Behandlung  gerade  der  Hysterie  noch  die  mannigfachsten  anderen 
therapeutischen  Massnahmen  und  nicht  zum  mindesten  eine  zweck- 
entsprechende psychische  Behandlung  zur  Anwendung  kommen  muss, 
wenn  dauernde  Erfolge  erzielt  werden  sollen. 

Die  verschiedenen  Anästhesien  werden  durch  starke  faradische 
Ströme  (Anwendung  des  trocknen  Pinsels)  bekämpft,  stärkere  fara- 
dische Ströme  sind  geeignet,  die  lähmungsartigen  Zustände  zu  heben 
(die  elektrische  Erregbarkeit  bleibt,  wenn  die  Krankheit  nicht  etwa 
über  viele  Jahre  hinaus  angedauert  hat,  erhalten),  konstante  Ströme 
längs  des  Rückens  (Anode)  sind  geeignet,  auf  die  oft  so  unangenehme 
Ueberempfindlichkeit  der  Rückenwirbel  wohltuend  einzuwirken  oder 
neuralgische  Zustände  in  den  verschiedensten  peripherischen  Nerven- 
gebieten zu  mildern  oder  zu  heben. 

Die  äussere  oder  innere  Faradisation  des  Kehlkopfs,  der  Blase  etc. 
kann  auf  die  lähmungsartigen  Zustände  dieser  Organe  heilend  ein- 
wirken: freilich  wird  man  sich  sehr  oft  in  die  Lage  versetzt  sehen, 
die  Behandlung  zu  wiederholen,  die  Methoden  zu  variiren,  um  bei  den 
so  häufigen  Recidiven  aufs  Neue  wohltätig  einwirken  zu  können.  — 
Gerade  für  diese  Zustände  muss  dem  Takt  und  der  Erfahrung  des 
behandelnden  Arztes  Vieles  überlassen  bleiben:  allgemein  giltige  und 
für  jeden  Fall  berechnete  Regeln  lassen  sich  nicht  aufstellen.  Dies 
gilt  auch  in  Bezug  auf  die  Frage,  ob  starke  oder  schwache  Ströme 
in  Anwendung  zu  ziehen  seien:  oft  wird  man  mit  einem  schwachen 
konstanten  Strom  Erfolge  erzielen,  wo  der  stärkste  und  die  heftigsten 
Schmerzen  bereitende  faradische  Strom  im  Stich  liess,  wie  es  z.  B. 
die  neuerdings  namentlich  in  Frankreich  in  Aufnahme  gekommene 
Metallotherapie  der  Hysterischen  zur  Genüge  dartut  (vgl.  später). 

In  Bezug  auf  die  Wirkungen  der  „statischen  Elektrizität <'  bei 
der  Behandlung  dieser  Neurose  siehe  weiter  hinten. 

§  184.  Es  erübrigt  noch  einiger  Krankheitszustände  und  ihrer 
eiektrotherapeutischen  Behandlung  Erwäluiung  zu  tun,  welche  zwischen 


§  184.  Paralysis  agitans:  Tremor;  Diabetes.  425 

den  auf  nachgewiesenen  Läsionen  des  Centralnervensystems  beruhen- 
den Affektionen  und  den  sogenannten  funktionellen  Nervenkrankheiten 
mitten  inne  stehen.  So  ist  z.  B.  bekannt,  dass  der  neuerdings  unter 
dem  Namen  der  „Athetose*'  beschriebene  Symptomenkomplex  im 
Anschluss  an  eine  cerebrale  Hemiplegie  sich  entwickeln  kann,  wäh- 
rend andererseits  offenbar  Fälle  existiren,  die  sich  primär  ohne 
voraufgegangene  Lähmungszuständc  einstellen.  Neben  der  Behand- 
lung des  Grundleidens  hat  man,  ohne  sich  gerade  besonderer  Erfolge 
rühmen  zu  können,  diese  Zustände  (Unterarten  gleichsam  der  post- 
hemiplegischen  Chorea)  elektrisch  durch  Galvanisation  durch  den  Kopf 
und  am  Halse  behandelt:  in  einem  Falle  hat  Gnauck-^*  (freilich 
auch  mit  Hinzunahme  einer  Bromkaliumdarreichung)  durch  absteigende 
Ströme  auf  Hals-,  Lendenmark  und  Muskeln  Heilung  eintreten  sehen. 

Noch  weniger  ermutigend  sind  bis  heute  die  Resultate  einer  elek- 
trischen Behandlung  der  unter  dem  Namen  „Schüttellähmung^' 
(Paralysis  agitans)  bekannten  Krankheit:  wir  haben  so  wenig  wie 
andere  von  einer  Galvanisation  durch  den  Kopf  oder  von  den  gleich- 
falls empfohlenen  schwachen  (aufsteigenden)  Rückenmarksströmen  Er- 
folge gesehen.  Ueber  die  von  Charcot  (vgl.  später)  gerühmte  Be- 
handlung dieses  Leidens  mittelst  der  statischen  Elektrizität  fehlen  zur 
Zeit  noch  ausreichende  Erfahrungen. 

Dagegen  lobt  Paul-^^  halbstündige,  jeden  dritten  Tag  zu 
wiederholende  elektrische  Bäder  bei  Zitt  er  zuständen  (Tremor 
alkoholicus,  mercurialis,  senilis):  nacli  etwa  20  —  30  maliger 
Anwendung  (bei  dem  Zittern  von  Alkoholikern  soll  eine  geringere 
Anzahl  von  Bädern  genügen)  gestalteten  sich  die  Erfolge  sehr  be- 
friedigend. 

Nicht  dasselbe  kann  man  sagen  von  der  Einwirkung  konstanter 
Ströme  auf  die  Medulla  oblongata,  als  den  vermutlichen  Ausgangs- 
punkt mancher  Fälle  von  Diabetes  mellitus.  Bessere  Resultate 
erzielte  man  durch  eine  Galvanisation  des  Halsmarks  nach  den  be- 
kannten Methoden  beim  Diabetes  insipidus:  will  doch  Althaus -^'^ 
neuerdings  nach  einmaliger,  6  Minuten  langer  Applikation  desselben 
auf  die  Med.  oblongata  (mit  Yolta'schen  Alternativen)  ein  Jahre  lang 
bestehendes  derartiges  Leiden  bei  einem  37jährigen  Mann  geheilt 
haben  (?!). 

Andererseits  besitzen  Avir  schon  seit  langer  Zeit  (1865)  Kennt- 
niss  von  der  Heilung  eines  Falles  von  Diabetes  insipidus  bei  einem 
29jährigen,  syphilitischen  Frauenzimmer  (Fall  von  M.  Seidel-'''') 
durch  die  Applikation  des  konstanten  Stromes  in  die  Nierengegend: 


426  ■Npurasihenia.  Kap.  XXIV. 

die  eine  Elektrode  befand  sich  neben  der  Wirbelsäule,  die  andere 
unter  dem  Hypochondrium  tief  eingedrückt;  und  neuerdings  berichtete 
Ol ubbe ■-''''  von  der  Verminderung  der  übermässigen  Harnabsonderung 
bei  einer  in  der  Mitte  der  Dreissiger  stehenden  Frau  durch  Faradisa- 
tion  der  Nierengegond.  So  viel  steht  also  fest,  dass  in  entsprechen- 
den Fällen  diese  bei  nur  einigem  Geschick  durchaus  unschädlichen 
Behandlungsmethoden  versucht  werden  können. 

§  185.  Neben  den  sich  in  ganz  ausgeprägter  Weise  darstellenden 
und  in  stets  derselben  Symptomatologie  auftretenden  Neurosen,  wie 
die  eben  besprochenen  Krankheilen,  nämlich  die  Epilepsie,  die  (3horea, 
die  Hysterie  kennt  man  schon  seit  geraumer  Zeit  krankhafte  Zu- 
stände, welche  offenbar  aul  Störungen  im  Centralnervensystem  zurück- 
zuführen sind,  ohne  dass  wir  mit  unseren  heutigen  Hilfsmitteln  im 
Stande  wären,  diese  Läsionen  makroskopisch  oder  mikroskopisch  nach- 
zuweisen. 

Als  Hypochondrie,  Spinalirritation,  Kopfdruck  u.  s.  w.  waren 
derartige  Leiden  schon  lange  bekannt,  aber  erst  in  den  letzten  Jahren 
haben  sich  speziell  auf  die  Initiative  der  amerikanischen  Forscher 
Beard  und  Rockwell'^-  die  Acrzte  auch  anderer  Länder  und  be- 
sonders Deutschlands  mit  dieser  Affektion  näher  beschäftigt,  die  heute 
nach  den  Arbeiten  von  Erb",  Möbius"^^  Engelhorn'^^  Fischer '^^ 
Althaus,  Stein 's^  Löwenfeld ''S  Holst^^^  und  anderen  unter 
dem  Namen  der  Neurasthenie,  der  Nervenschwäche,  einen  ganz 
bestimmten  Platz  im  nosologischen  System  einnimmt.  Die  Neuzeit 
mit  ihren  rastlosen  Bestrebungen  auf  allen  Gebieten  der  Wissenschaften 
sowohl,  wie  des  Erwerbes,  der  nimmer  ruhende  Kampf  ums  Dasein, 
die  erhöhten  Anforderungen  der  Schule,  die  verfeinerten  und  verviel- 
fältigten Genüsse,  welche  oft  nur  durch  somatische  und  psychische 
Lieberanstrengung  erkauft  werden  können,  daneben  die  durch  unsere 
heutigen  sozialen  Verhältnisse  weiter  als  früher  hinausgerückte  Mög- 
lichkeit, in  einem  geregelten  ehelichen  Leben  den  Anforderungen  des 
Geschlechtstriebes  zu  genügen  und  die  daher  oft  vor  der  Zeit  auf 
natürlichem  oder  widernatürlichem  Wege  voraus  genommenen  Genüsse, 
haben  eine  gewisse  Generation  von  Menschen  geschaffen,  die  auf  den 
ersten  Anblick  hin  teils  als  hirn-,  teils  als  rückenmarkleidend  be- 
trachtet werden  könnten.  Die  Symptome  gestörter  Hirnfunktion  äussern 
sich  in  drückenden  Empfindungen  im  Kopte,  Unlust  zu  ernster  Be- 
schäftigung, freud-  und  mutloser  Stimmung,  Schlaflosigkeit,  unbe- 
stimmten Angstempfindungen  etc.  (Cerebrasthenia,  Neurasthenia 


§  185.  Neurasthenie,  Behandlung.  427 

cere braus);  die  Zeichen  des  Rückenmarksleidens  (Neurasthenia 
spinalis,  Myelasthenia)  geben  sich  kund  in  abnorm  früh  auf- 
iretender  Ermüdung  bei  massigen  Anstrengungen,  eigentümlichen  Sensa- 
tionen in  den  Beinen,  Schwere  und  Kältegefühl  in  den  Füssen, 
Schmerzen  im  Rücken  und  Kreuz,  übermässig  häufigen  Pollutionen, 
mangelhaftem  Vermögen,  den  Beischlaf  auszuführen  u.  s.  w. 

Hat  man  bei  derartigen  Kranken,  welche  sich  stets  als  ungemein 
schwer  leidend,  an  sich  und  der  Hilfe  des  Arztes  von  vornherein 
zweifelnd,  meist  durch  Lektüre  schlechter  populärer  Schriften  aufs 
Aeusserste  eingeängstigt  durch  eine  gewissenhafte  Untersuchung 
(man  achte  besonders  auf  das  Vorhandensein  der  Kniephänomene,  den 
Zustand  der  Sinnesorgane,  speziell  der  Augen,  die  Intaktheit  der 
Blasen funktion  etc.  den  Widerspruch  zwischen  den  exzessiven  Klagen 
und  dem  oft  ganz  negativen  objektiven  Befund)  das  Fehlen  greif- 
barer Symptome  eines  Hirn-  oder  Rückenmarkleidens  ausgeschlossen, 
so  ist,  wenn  auch  nicht  in  allen,  so  doch  in  sehr  vielen  Fällen,  durch 
eine  passende  psychische  Behandlung  und  zweckentsprechende  diäte- 
tische Vorschriften,  denen  ein  gut  geleitetes  elektrotherapeutisches 
Verfahren  eine  wesentliche  Stütze  wird,  ganz  Vortreffliches  zu  leisten. 

Neben  der  Anwendung  schwacher  galvanischer  Ströme  durch 
den  Kopf  (eventuell  mit  Einbeziehung  des  „Sympathikus")  oder  längs 
der  Wirbelsäule  (man  achte  hier  auf  das  Vorhandensein  schmerzhafter 
Punkte)  ist  vor  Allem  von  der  „allgemeinen  Faradisation" ,  sei 
es  in  der  von  Board  und  Rockwell  ursprünglich  angegebenen  Weise, 
oder  nach  dem  namentlich  von  Stein  (vgl.  S.  352)  modifizirten  Ver- 
fahren Gebrauch  zu  machen.  Lassen  sich  Bäder  ohne  Mühe  ver- 
wenden, so  findet  man  in  der  x\nwendung  „elektrischer  Bäder" 
(nach  Seeligmüller,  Eulenburg,  Holst)  ein  ausgezeichnetes  Mittel, 
in  oft  wenigen  Sitzungen  den  Kopfdruck  zu  beseitigen.  Schlaf  herbei- 
zuführen, die  Verdauung  (Appetit,  Stuhlgang)  zu  regulireu  und  den 
qualvollen  Zustand  des  verzweifelnden  Kranken  zu  einem  hoft'nungs- 
freudigen  umzugestalten.  Männer  erkranken  in  dieser  Weise  leichter, 
als  Frauen:  neben  anderen  Kuren  hat  sich  aber  auch  gerade  bei 
bleichen,  schwachen  Mädchen  die  allgemeine  Faradisation  eines  günstigen 
Erfolges  zu  erfreuen,  obwohl  auch  hier  nicht  verschwiegen  werden 
kann,  dass  Recidive  eintreten,  ja  in  einzelnen  Fällen  die  Kur  auch 
ganz  erfolglos  bleibt. 


Kapitel  XXV. 

Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten  der 
Sinnesorgane. 


§  186.  Bei  der  Besprechung  der  Elektrotherapie  der  Er- 
krankungen der  Sinnesorgane  wenden  wir  uns  zunäciist  zum 
Auge.  Ob  sich  die  Empfehlungen  Weisflogs  (vgl.  S.  346)  bewähren 
werden,  nach  denen  mittelst  der  Elektrizität,  speziell  des  faradischen 
Stromes,  Hornhautgeschwiirc  und  Iritiden  behandelt  und  geheilt  wer- 
den sollen,  muss  die  Zukunft  lehren.  Schon  vor  VVeisflog"s '""^ 
Beobachtungen  sind  übrigens  namentlich  von  italienischer  Seite  durch 
Arcoleo-^^,  Rodolfi-^"  und  Andere  Behandlungsmethoden  und  Er- 
folge bei  elektrotherapeutischer  Behandlung  von  Erkrankungen  der 
Lidbindehaut  (z.  B.  Trachom)  und  der  Hornhaut  (Entzündung,  Ge- 
schwüre, Trübungen)  mitgeteilt  worden.  Die  Ophthalmologen  scheinen, 
soweit  wir  sehen,  zunächst  noch  auf  die  Anwendung  des  elektrischen 
Stroms  verzichtend,  die  Behandlung  genannter  Krankheiten  nach 
anderen  Grundsätzen  in  Angriff  nehmen  zu  wollen. 

Anders  steht  es  mit  den  Erkrankungen  des  Glaskörpers 
(Trübungen  desselben  in  Folge  von  Iris-  und  Chorioidealerkrankungen), 
bei  denen  namejitlich  von  französischen  Autoren  (Boucheron-^', 
Lefort-^',  Oniraus'-^^  und  in  neuester  Zeit  speziell  Giraud-Teu- 
lon-^^)  durch  die  Anwendung  teils  sehr  schwacher,  teils  etwas  stärkerer 
galvanischer  Ströme  beachtenswerte  Kurcrfolge  erzielt  worden  sind. 
Die  Trübung  hellte  sich  auf,  es  trat  eine  allgemein  das  Nerven- 
system beruhigende  Wirkung  ein  und  in  Fällen  von  Torpor  des  Seh- 
nerven und  der  Netzhaut  ergab  sich  eine  Steigerung  der  Empfindlich- 
keit dieser  Gebilde.  Von  einigen  wurden  ganz  schwache  Ströme 
(Boucheron)  in  der  oben  (S.  305)  auseinandergesetzten  Weise  in 
Anwendung  gezogen,  von  anderen  mittelstarke  (durch  etwa  5  bis 
8  Daniel!" sehen  Elemente  gelieferte),   indem  dabei  meist  die  Anode 


§  18G,  187.  Grauer  Staar;  Aiigenmuslcellährauiigen.  429 

auf  den  geschlossenen  Lidern,  die  Kathode  im  Nacken,  am  Warzen- 
fortsatz oder  am  obersten  sympathischen  Halsganglion  ruhte.  Zahl 
der  Sitzungen  bis  gegen  zehn,  Dauer  jeder  einzelnen  von  3 — 5  Minuten: 
bestanden  keine  alten,  sich  in  fibrösen  Entartungen,  Verkalkungen 
oder  Verknöcherungen  äussernde  Läsionen  des  Glaskörpers,  so  wurde 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  entschiedene  Besserung  erzielt. 

Weniger  anerkannt,  ja  entschiedenem  Widerspruch  von  Seiten 
kompetenter  Ophtlialmologen  begegnend  sind  die  günstigen  Erfahrungen, 
die  man  (speziell  muss  hier  Neftel-^'^  genannt  werden)  bei  der  Be- 
handlung kataraktöser  Linsentrübung  durch  den  galvanischen 
Strom  gemacht  haben  will  Die  Augenärzte  Agnew^^«',  Webster'-^ß, 
Knapp-^'^,  Hirschberg-3^  bestreiten  ganz  entschieden  die  von  Neftel 
in  etwa  20  —  30  Sitzungen  von  10  — 15  Minuten  Dauer  bei  zwei 
älteren  Damen  erzielten  Erfolge  (Methode:  Ströme  erst  in  der  einen 
Richtung  vom  Nacken  zum  Auge,  dann  in  der  umgekehrten  Richtung, 
Beginn  mit  5  Sie  mens"  sehen  Elementen,  bei  jeder  Sitzung  [anfangs 
täglich]  um  ein  Element  bis  zu  15  hin  steigend).  Es  ist  klar,  dass 
hiernach  noch  weitere  Prüfungen  von  Nöten  sind,  ehe  ein  definitives 
Urteil  gefällt  werden  kann:  auch  der  von  Noyes'-^^  mitgeteilte  Fall 
der  Heilung  eines  grauen  Staars  durch  die  Elektrizität  kann,  wie  es 
uns  scheint,  an  diesem  Ausspruch  zunächst  noch  nichts  ändern. 

§  187.  Nach  jeder  Richtung  hin  Günstigeres  lässt  sich  von  der 
elektrischen  Behandlung  und  den  hierdurch  erzielten  Besserungen  und 
Heilungen  bei  Lähmungszuständen  der  äusseren  und  inneren 
Augenmuskeln  berichten.  Ohne  an  dieser  Stelle  irgend  eingehender 
dieses  hoch  interessante  Gebiet  abhandeln  zu  wollen,  sei  doch  soviel 
gesagt,  dass  durchaus  nicht  alle  Lähmungen  der  Bulbusmuskeln  der 
elektro therapeutischen  Behandlung  zufallen:  so  wird  man,  um  nur  ein 
Beispiel  anzuführen,  wohl  kaum  bei  mit  Sicherheit  diagnostizirtem 
intrakraniellem  Tumor  die  Elektrizität  zur  Behandlung  der  durch  die 
Kompression  der  Augenmuskelnerven  bedingten  Lähmung  anwenden. 
Es  bleiben  indess  noch  genug  Fälle,  sei  es  sogenannter  rheumatischer, 
sei  es  durch  cerebrale  oder  spinale  Erkrankung  bedingter  Augenmuskel- 
lähmung für  die  elektrische  Behandlung  übrig.  Der  Natur  der  Sache 
nach  lässt  sich  nun  zunächst  kaum  je  eine  elektrodiagnostische  Unter- 
suchung in  Bezug  auf  die  Erregbarkeit  der  affizirten  Nerven  und 
Muskeln  so  anstellen,  wie  wir  es  sonst  bei  Lähmungszuständen  peri- 
pherischer Nerven  gewöhnt  sind  oder  wünschen  miissten.  Dazu  liegen 
die  Nerven  und  Muskeln  zu  sehr  in    der  Orbita    geborgen    und   allzu 


430  Augenmuskellähmungen.  Kap.  XXV. 

sehr  in  der  Nähe  eines  für  irgend  stärkere  Ströme  sehr  empfindlichen 
Gebildes,  des  Augapfels.  Daher  also  zunächst  die  Unsicherheit  in  der 
Diagnose:  ist  die  Lähmung  des  N.  abducens  z.  B.,  welche  nach  einer 
Erkältung  entstanden  ist,  eine  leichte  in  dem  nun  schon  wiederholt 
erörterten  Sinne  oder  eine  schwere?  Daher  auch  die  Unsicherheit  der 
Prognose  und  der  Wechsel  in  dem  Erfolg  der  Behandlung. 

Einige  Autoren  loben  die  Wirkung  des  faradischen  Stromes,  den 
sie,  natürlich  in  grosser  Vorsicht,  und  rnit  ganz  feinen,  dünnen  Elek- 
troden direkt  auf  die  erreichbaren  Muskelenden  am  Bulbus  appliziren. 
Die  meisten  Individuen  werden  eine  derartige  Applikation  kaum  ruhig 
aushalten:  man  setzt  dann  die  feine  Elektrode  (die  andere  ruht 
irgendwo  am  Körper,  z.  B.  in  der  Hand  des  Patienten)  möglichst  nahe 
in  die  Umgebung  des  gelähmten  Muskels  auf  (an  den  oberen  oder 
unteren  Rand  der  Augenhöhle,  an  den  iimeren  oder  äusseren  Augen- 
winkel). Man  beginne  mit  sehr  schwachen  Strömen,  die  erst  allmäh- 
lich etwas  verstärkt  werden  können. 

Mehr  als  von  dem  faradischen  Strom  kann  man  sich  von  der  in 
die  Tiefe  dringenden  Einwirkung  des  konstanten  Stroms  versprechen: 
auch  hier  empfehlen  gute  Autoren  den  direkten  Ansatz  der  einen 
Elektrode  (Kathode)  an  den  Augapfel,  möglichst  nahe  dem  Muskel- 
ansatz: die  Mehrzahl  der  Aerzte  wird  indess  wohl  von  der  Applikation 
der  Kathode  an  die  (die  Anode  ruht  dabei  im  Nacken)  während  der 
Stromesdauer  geschlossen  gehaltenen  Lider  des  Auges  Gebrauch  machen 
und  zwar  an  Stellen,  welche  sich  den  paralysirten  Muskeln  am 
nächsten  befinden.  Sehr  zu  raten  ist  die  Anwendung  des  Rheostaten, 
und  die  Benutzung  nur  schwacher  Ströme:  jede  einzelne  Sitzung  wird 
die  Dauer  von  3  —  4  Minuten  kaum  überschreiten  (Wendungen  zu 
unterlassen).  In  nicht  wenigen  Fällen  kann  man  sich  oft  unmittelbar 
nach  einer  Sitzung  durch  die  Prüfung  mit  Prismen  überzeugen,  dass 
die  Distanz  der  Doppelbilder  vermindert  ist,  auch  da,  wo  scheinbar 
die  Beweglichkeit  des  Bulbus  kaum  zugenommen  hat.  War  die  Läh- 
mung eine  „schwere",  so  können  aber  Monate  vergehen,  ehe  ein  Er- 
folg eintritt;  anderemale  wurden  innerhalb  2  —  3  Wochen  schöne 
Resultate  erzielt.  Immerhin  vergesse  man  dabei  nicht,  dass  auch  hier 
spontan  Besserungen  und  Heilungen  eintreten,  wie  es  ja  speziell  bei 
den  tabischen  Augenmuskellähmungen  eine  bekannte  Tatsache  ist, 
dass  sie  ohne  jedes  therapeutische  Zutun  nach  längerer  oder  kürzerer 
Zeit  schwinden  können. 

Bei  Mydriasis,  bei  Lähmungen  des  Akkommodationsmuskels  setzt 
man  die  Kathode  direkt  auf  die   geschlossenen  Lider   des  Auges:   die 


i 


§  187,  188.  Muskuläre,  akkommodative  Asthenopie.  431 

Anode  ruht  im  Nacken.  Auch  hier  ist  natürlich  die.selbe  Vorsicht  in 
der  Dosirung  der  Stromstärke  und  in  der  Vermeidung  bedeutender 
Stromesschwankungen,  wie  bei  der  Behandlung  der  Affektionen  der 
Augapfelmuskulatur  von  Nöten:  namentlich  unterlasse  man  Wendungen 
des  Stromes.  Auch  zur  Heilung  muskulärer  oder  akkommoda- 
tiver Asthenopie  wäre  der  konstante  Strom  nach  den  oben  aus- 
geführten Grundsätzen  (Anode  Nacken,  Kathode  an  den  inneren  Augen- 
winkeln resp.  auf  die  geschlossenen  Lider)  zu  versuchen:  über  etwaige 
Erfolge  können  wir  leider  aus  eigener  Erfahrung  nicht  berichten. 
Kaum  je  wird  man  am  lebenden  Menschen  durch  direktes  Aufsetzen 
feiner  Elektroden  an  den  Hornhautrand  die  Irismuskulatur  direkt  zu 
reizen  suchen:  experimentell  ist  gefunden  worden,  dass  je  nachdem 
man  auf  die  äussere  oder  innere  Irismuskulatur  einwirkt,  Erweiterung 
oder  Verengerung  der  Pupille  statthat.  Prüft  man,  wie  Mo 011^*^0  tat, 
nach  dem  Tode  die  direkte  Erregbarkeit  der  Iris  für  den  faradischen 
Strom  durch  Aufsetzen  einer  feinen  feuchten  Elektrode  am  Korneal- 
rande,  so  kann  man  Pupillenveränderungen  zuweilen  noch  eine  Stunde 
und  länger  nach  dem  Tode  erzielen.  Wo  die  Elektrode  steht,  da 
tritt  eine  lokale  Verschmälerung  der  Iris  ein,  so  dass  die  Pupille 
eiförmig  ausgezogen  wird.  Nach  der  Reizung  gleicht  sich  diese  Ver- 
ziehung allmälig  wieder  aus.  Durch  Reizung  an  zwei  gegenüber- 
liegenden Stellen  kann  man  die  Pupille  quer-oval  machen. 

Für  einzelne  Lähmungszustände  ist  mit  der  direkten  Applikation 
loco  morbi  (wenn  anders  bei  der  Art  und  Weise  des  Ansatzes  an  die 
Orbitalränder  dieser  Ausdruck  Anwendung  finden  darf)  noch  die  ,> cen- 
trale" Behandlung  durch  den  Kopf  hindurch  zu  kombiniren,  so  zwar, 
dass  der  Strom  quer  oder  längs  durch  den  Schädel  geleitet  wird,  in- 
dem eine  Elektrode  am  geschlossenen  Auge,  die  andere  vorn  an  der 
Schläfe,  oder  an  dem  entsprechenden  Proc.  mastoideus  oder  hinten  im 
Nacken  steht,  resp.  beide  Elektroden  quer  sich  an  den  genannten 
Steilen  gegenüber  befinden.  Je  nach  dem  diagnostizirten  intracra- 
niellen  oder  intraorbitalen  Sitz  der  die  Lähmung  herbeiführenden 
Ursache  werden  diese  Ansatzstellen  ausgesucht  werden.  Ob  man  nach 
dem,  was  oben  über  die  Sympathikusgalvanisation  mitgeteilt  ist,  noch 
Neigung  hat,  die  „Galvanisation  am  Halse«  abwechselnd  mit  den  ge- 
nannten Behandlungsarten  eintreten  zu  lassen,  muss  dem  Ermessen 
und  der  Erfahrung  des  Einzelnen  überlassen  bleiben. 

§  188.  Diese  Galvanisation  des  Halssympathikus  (man  vergesse 
dabei    nicht,   dass   beim  Ansatz   der  einen  Elektrode   im  Nacken    mit 


432  Neuroretinitis;  Atrophia  n.  optica.  Kap.  XXV. 

Sicherheit  das  Halsmark  selbst  von  Stromschleifen  getroffen  wird) 
zeigte  sich  nach  den  Berichten  durchaus  zuverLässiger  Autoren  von 
entschieden  günstigem  Eintluss  bei  der  Behandlung  der  Neuro- 
retinitis  oder  Neuritis  optica,  wenn  anders  nicht  ganz  be- 
stimmte pathologische  Veränderungen  innerhalb  der  Schädelhöhle, 
z.  B.  Geschwülste  vorlagen,  auf  die  der  elektrische  Strom  natur- 
gemäss  keinen  oder  doch  nur  einen  minimalen  Einfluss  hat.  Freilich 
wurde  mit  dieser  .^Sympathikusgalvanisation«  stets  auch  wohl  eine 
etwas  direktere  Beeinflussung  des  Augeninnern  verbunden,  insofern 
man  den  Strom  in  der  oben  angegebenen  Weise  vom  Auge  zur 
Schläfe  oder  zum  Nacken  gehen  liess. 

Es  sind  hier  von  Erb^'"'  z.  B.  in  einem  Falle  von  mit  Neuritis 
optica  komplizirter  transversaler  Myelitis  günstige  Erfolge  erzielt 
worden,  Resultate,  wie  sie  andererseits  Rumpf^^'  mit  dem  faradischen 
Strom  (Pinselung  der  Haut  an  Brust,  Rücken  und  Extremitäten) 
ebenfalls  erreicht  hat.  So  viel  steht  fest,  dass  eine  vorsichtig  ge- 
leitete elektrische  Behandlung  nicht  schaden,  vielmehr  in  einer  Reihe 
von  Fällen  offenbaren  Nutzen  gewähren  kann. 

Viel  weniger  günstig  sind  die  Erfolge  elektrischer  Kuren  bei  den 
ohne  entzündliches  Vorstadium  sofort  mit  degenerativer  Atrophie 
einsetzenden  Leiden  des  Sehnerven,  wie  solche  Affektionen  im 
Gefolge  chronischer  Rückenmarksaffektionen  oder  auch  ohne  jede 
anderweitige  Komplikation  vorkommen.  Man  versuche  hier  wenigstens 
die  Durchleitung  schwacher  konstanter  Ströme  quer  durch  die  Schläfen 
oder  vom  Auge  zum  Nacken  (wir  pflegen  gewöhnlich  die  Anode  in 
den  Nacken,  die  Kathode  auf  die  geschlossenen  Lider  anzusetzen) 
da  auch  in  solchen  Fällen  von  Erb'-',  Dor^^^  m^(j  anderen  günstige 
Erfolge  gesehen  worden  sind.  Hat  man  Grund  anzunehmen,  dass 
das  Leiden  des  Sehnerven  mit  einer  chronischen  Affektion  des  Rücken- 
markes.  (Myelitis,  Tabes  etc.)  in  Zusammenhang  steht,  so  ist  die  Be- 
handlung des  Grundleidens  durch  die  allgemein  in  solchen  Fällen 
üblichen  oder  die  speziell  als  vorteilhaft  bekannten  elektrotherapeu- 
tischen  Massnahmen  nicht  zu  vernachlässigen. 

Ebenfalls  fraglich  erscheint  es,  ob  man  berechtigt  ist,  die 
günstigen  Erfolge  nach  einer  eingeleiteten  galvanischen  Behandlung 
bei  den  auf  Intoxikationen  zurückzuführenden  Amblyopien  nach 
Alkohol-  und  Tabaksmissbrauch  oder  bei  Bleikranken,  bei  Hysteri- 
schen etc.  eben  auf  diese  elektrische  Behandlung  zurückzuführen  und 
ob  nicht  vielmehr  die  Besserung  derartiger  Leiden  durch  ein  zweck- 
mässig geleitetes  diätetisches  Regime,  vor  allem  durch  Entziehung  der  ^ 


§  188,  189.  Hemianopsie;  Fremdkörper  im  Auge.  433 

Schädlichkeiten,  gegebenen  Falls  durch  psychische  Eindrücke  (z.  B. 
bei  Hysterischen)  bedingt  ist.  Immerhin  ist  es  anzuraten,  auch  bei 
solchen  Kranken  die  Applikation  schwacher  konstanter  Ströme  nach 
den  oben  angegebenen  Methoden  zu  versuchen. 

In  Bezug  auf  die  Erscheinungen  hemianopisch  gewordener  und 
mittelst  des  konstanten  Stroms  geprüfter  Augen  verweisen  wir  auf 
§122  S.  305.  Eine  (nach  unseren  Erfahrungen  keine  besonderen 
Resultate  gebende)  Behandlung  könnte,  insofern  es  sich  in  fast  allen 
Fällen  um  ein  Leiden  des  Chiasma  oder  der  Tractus  optici  oder  des 
Hirns  selbst  handelt,  nur  in  einer  sogenannten  centralen  Galvanisation 
durch  den  Schädel  nach  den  oben  des  Weiteren  auseinandergesetzten 
Methoden  bestehen. 

§  189.  In  neuester  Zeit  hat  sich  die  Elektrizität  in  den  Händen 
der  verschiedensten  Ophthalmologen  (wir  nennen  hier  besonders  Mac 
Keown^"^  und  Hirsch b er g^"-*)  insofern  segensreich  erwiesen,  als 
durch  ihre  Hilfe  metallische  Fremdkörper,  besonders  Eisensplitter, 
aus  dem  Inneren  des  Auges  an  das  Tageslicht  befördert  werden 
konnten. 

Hirschberg's  Apparat  (vom  Berliner  Mechaniker  Dörffel  an- 
gefertigt) besteht  aus  einem  zylindrischen  Kern  weichen  Eisens,  um 
den  in  einer  Spirale  der  von  einem  Zinkkohlenelement  gelieferte 
elektrische  Strom  kreist.  Der  weiche  Eisenkern  läuft  in  die  beiden 
spitzen  Polarenden  aus,  von  denen  eines  in  das  Augeninnere  eingeführt 
wird;  diese  Enden  sind  gebogen  zur  bequemeren  Einführung  ins 
Augeninnere,  das  eine  ist  2,  das  andere  1  Mm.  dick.  Trotz  der  Dünn- 
heit der  Pol  enden  trägt  der  Apparat  (bei  Benutzung  nur  eines  Zink- 
kohlenelements) 150  —  200  Grm. ,  d.  h.  weit  über  das  Tausendfache 
von  dem  Gewicht  der  in  der  Mehrzahl  aller  Fälle  zu  extrahirenden 
Splitter.  In  Betreff  der  Hornhautsplitter  steht  der  Apparat  hinter 
den  mechanischen  Manipulationen  mit  der  Nadel  weit  zurück,  auch 
ist  der  Magnet  nach  Hirschberg  für  die  Fremdkörper  in  der  Vorder- 
kammer unpraktisch  und  überflüssig.  Wirklichen  Nutzen  hat  er 
aber  dann,  wenn  es  sich  um  ein  frisch  in  den  Glaskörper  ein- 
gedrungenes und  dort  frei  bewegliches  Eisenstück  handelt,  wel- 
ches aus  der  Tiefe  durch  Pinzette,  Haken,  Löffel  nur  selten  ohne 
dauernde  Schädigung  des  Auges  entbunden  werden  kann. 

In  jüngster  Zeit  hat  Voltolini-*'^  die  Behauptung  aufgestellt, 
dass  man  neben  dem  einfachen  stabförmigen  noch  einen  sehr 
grossen  Elektromagneten  (der  etwa  20  Pfd.   zu   heben  im  Stande  sei) 

Rosen  tluil   ii.  li  e  r  n  h  ar  il  t ,  Klokliizitatsleluf.     III.   AiiH.  .         OS 


434  Netzhautablösung-;  Ohrensausen.  Kap,  XXV. 

nötig  habe,  da  es  sich  stets  empfehle,  einen  im  Auge  konstatirten 
Splitter  vor  der  Operation  magnetisch  zu  machen  (durch  das  Auf- 
setzen eines  kräftigen  Elektromagneten  auf  das  geschlossene  kranke 
Auge).  Auch  an  den  kleinen  Elektromagneten  müsse  man  mehrere 
Ansätze  anschrauben  können,  da,  je  länger  und  dünner  die  Sonde, 
desto  inehr  in  ihr  die  magnetische  Wirkung  abnimmt.  Kann  man 
vor  der  Operation  einen  im  Auge  befindlichen  Eisensplitter  magnetisch 
machen,  so  könne  man  nach  gemachtem  Einschnitt  den  Splitter  mit 
dem  Magneten  bis  an  die  Wunde  leiten,  wo  er  dann  von  selbst  heraus- 
komme. Wir  müssen  es  den  praktischen  Ophthalmologen  überlassen, 
zu  entscheiden,  ob  Voltolini's  Vorschläge  in  der  Tat  eine  Ver- 
besserung der  bisher  ausgeübten  Operationstechnik  ausmachen. 

Schliesslich  sei  hier  noch  der  Versuche  Abadie 's ■**'''  gedacht, 
Netzhautablösungen  durch  Galvanopunktur  zur  Heilung  zu  bringen. 
Durch  die  entstehende  Chorioideo-Retinitis  wird  eine  feste  Verwachsung 
der  Netzhaut  mit  den  darunter  liegenden  Augenhäuten  zu  Stande  ge- 
bracht, durch  welche  die  Wiederkehr  der  Ablösung  verhindert  werden 
soll.  In  zwei  von  acht  in  dieser  Weise  behandelten  Fällen  war  der 
Erfolg  ein  günstiger  (es  waren  frische  und  umschriebene  Ablösungen): 
in  den  anderen  6  Fällen  bestanden  schon  längere  Zeit  sehr  ausge- 
breitete Ablösungen. 

§  190.  Der  Schöpfer  der  modernen  Galvanotherapie  des 
Ohres,  Brenner'^,  benutzte  den  konstanten  Strom  zunächst,  um 
durch  die  bei  der  inneren  Anordnung  (s.  §  123)  durch  das  Verweilen 
der  einen  Elektrode  (zumeist  der  Kathode)  im  äusseren,  mit  lauem 
Wasser  gefüllten  Gehörgange  entstehende  Hyperämie  des  Trommel- 
fells Verdickungen  und  Trübungen  desselben  und  dadurch  be- 
dingte Schwerhörigkeit  zu  bessern.  Vorwiegend  aber  erreichte  er 
Erfolge  in  der  Behandlung  der  die  verschiedenen  Mittelohr-  und  Laby- 
rinthleiden so  häufig  begleitenden  subjektiven  Geräusche,  wie 
Ohren-  und  Kopfsausen.  Findet  man  (wir  verweisen  hier  besonders 
auf  die  §§  124,  125),  dass  durch  AS  und  AD  das  Ohrensausen 
vermindert  oder  gar  ganz  beseitigt  wird,  so  lasse  man  AS  in 
voller  Stärke  einbrechen,  lasse  AD  eine  Zeit  andauern  und  schleiche 
sich  durch  vorsichtiges  Verringern  der  Widerstände  des  in  Nebenschluss 
befindlichen  Rheostaten  ganz  allmählich  aus  der  Kette  heraus.  Besteht 
Hyperästhesie  des  Hörnerven  mit  paradoxer  Formel  des 
nicht  armirten  Ohres  und  subjektiven  Gehörsempfindungen, 
so  teile  man  den  positiven  Pol,   und  behandle  beide  Ohren  mit  der 


§  190.  Ohrensausen;  Schwerhörigkeit.  435 

Anode  gleichzeitig.  Dass  es  Fälle  gibt,  welche  durch  eine  derartige 
vorsichtige,  stets  mit  Zuhilfenahme  des  Rheostaten  geübte  galvanische 
Behandlung  grosse  Erleichterung  erfahren,  ist  unzweifelhaft.  Brenner, 
Erb^°^,  Hagen ^'^*',  wir  selbst  und  andere  haben  Erfolge  von  dieser 
Behandlungsweise  wiederholt  gesehen:  indessen  waren  nach  unseren 
Erfahrungen  diese  Erfolge  in  der  Mehrzahl  der  behandelten  Fälle 
leider  meist  vorübergehende,  oft  nur  für  einen  Tag  oder  wenige 
Stunden  nach  der  Sitzung  andauernde. 

Die  Behandlung  wird  bei  »äusserer  Anordnung"  (§  123)  so  aus- 
geführt, dass  die  positive  Elektrode  am  Ohre  ruht,  während  die 
negative  in  der  Hand  des  Kranken  liegt  oder  von  ihm  auf  dem  Brust- 
bein gehalten  wird.  Ohne  die  Benutzung  eines  gut  gearbeiteten 
Rheostaten  ist  eine  derartige  Behandlung  nie  zu  unternehmen: 
die  Hyperästhesie  des  erkrankten  Hörorgans  ist  oft  eine  so  bedeutende, 
dass  selbst  bei  fein  abgestuften  Rheostaten  Reizmomente  (Stromes- 
schwankungen) gesetzt  werden,  die  das  erkrankte  Organ  mit  starken 
Reaktionen  beantwortet.  Man  „schleiche«  daher  vorsichtig  ein  und 
aus  der  Kette  aus  und  versichere  sich  des  durchaus  guten  Zustandes 
aller  Schrauben,  Klemmen,  Leitungsdrähte  seines  Apparates  (besonders 
der  rein  metallischen  Oberflächen  der  Rheostatmetallklötzehen  und 
des  Kurbelkontaktes,  auf  welche  sich  ja  so  häufig  Staubteile  nieder- 
schlagen), ehe  man  an  die  elektrische  Behandlung  eines  solchen  hyper- 
ästhetischen Ohres  herantritt. 

Wenn  man  ferner  bedenkt,  in  welch  abweichender  Weise  ein 
krankes  Ohr  häufig  auf  den  galvanischen  Reiz  reagirt  (vgl.  §  125), 
z.  B.  mit  Umkehr  der  Normalreaktion,  so  ist  es  natürlich  geboten, 
dem  Beginn  einer  Behandlung  eine  diagnostische  Prüfung  vorangehen 
zu  lassen:  findet  man,  dass  statt  der  Anode  die  Kathode  bei  Schluss 
und  Dauer  des  Stroms  ein  etwa  vorhandenes  Sausen  zum  Schwinden 
bringt,  so  hat  man  sich  selbstverständlich  dieses  Poles  als  des  diffe- 
renten  zu  bedienen. 

Bei  Hyperästhesie  des  Ohrs  und  vorhandenem  Ohrensausen  haben 
wir  neuerdings  versucht,  ganz  schwache  Elemente  (§  153)  von  dem 
Patienten  andauernd,  wenigstens  einige  Stunden  hintereinander  so 
tragen  zu  lassen,  dass  der  differente,  das  Sausen  mindernde  Pol  am 
Ohr,  der  andere  entfernt  davon  am  Nacken  ruht.  Leider  sind  unsere 
Erfahrungen  noch  zu  geringe,  um  über  Wert  oder  Unwert  dieser 
Methode  ein  endgiltiges  Urteil  zu  gestatten. 

Schwerhörige,  raitTorpor  des  Hörnerven  behaftete  Kranke 

28* 


43()  Paradischer  Strom  bei  Ohrenleiden,  Kap.  XXV. 

mittelst  energischer  Reizung  durch  die  Kathode  /u  bessern,   ist  uns 
bisher  in  nennenswerter  Weise  noch  nicht  gelungen. 

Dagegen  hat  Ciaren ce  J.  Blake^^T  gefanden,  dass,  wenn  die 
Kathode  auf  der  Ohrmuschel  des  zu  prüfenden  oder  zu  behandelnden 
Ohres,  die  Anode  in  der  anderen  Hand  ruht,  es  gelingt,  die  Per- 
zeptionsfähigkeit  für  hohe  musikalische  Töne  um  3000—8000  Schwin- 
gungen in  der  Sekunde  zu  erhöhen.  Ebenso  wird  auch  die  Intensität 
des  Tones  vermehrt:  alles  dies  dauert  während  der  KaD  an  und  so- 
gar noch  kurze  Zeit  nach  KaO;  unter  dem  Einfluss  der  Anode  aber 
schwindet  die  Wirkung  schnell.  Ferner  erscheint  es  bei  chronisch 
katarrhalischen  Affektionen  des  Mittelohrs,  dass  der  Strom,  welcher 
das  Ohrenklingen  vermindert,  die  Hörfähigkeit  erhöht  und  umgekehrt. 
Die  Anode  mindert  oft  das  Klingen,  ohne  die  Hörfähigkeit  zu  steigern, 
oft  ist  die  Kathode  für  die  Hörfähigkeitsbesserung  ohne  Nutzen  und 
steigert  dabei  noch  das  Klingen.  Wird  aber  das  Klingen  zugleich 
mit  der  Perzeptionsfähigkeit  des  Nerven  erhöht,  so  ist  dies  gewöhn- 
lich nach  dem  Gebrauch  der  Kathode  zu  beobachten. 

§  191.  Mit  Verwerfung  des  konstanten  Stroms  benutzen  andere 
Ohrenärzte,  wenn  sie  sich  überhaupt  der  Elektrizität  bedienen,  den 
faradischen  Strom,  der  durch  die  Erregung  der  in  der  Paukenhöhle 
liegenden  Muskeln,  sowie  der  Muskulatur  der  Eustarhischen  Röhre  in 
der  Tat  Schwächezustände  dieser  offenbar  für  das  normale  Hören  so 
wichtigen  muskulösen  Apparate  zu  heben  im  Stande  ist.  Nach 
Tröltsch'--  wenigstens  leiden  manche  Kranke  nach  methodischer 
Faradisirung  (siehe  oben  S.  311)  weniger  an  der  »^Ermüdung"  des 
Ohres  als  früher  und  nach  Weber-Liel^^^  kann  bei  progressiver 
Schwerhörigkeit,  wenigstens  in  frühen  Krankheitsstadien,  durch  eine 
intratubale  Faradisation  (oder  Galvanisation)  schon  nach  wenigen 
Sitzungen  eine  sehr  erhebliche  Besserung  beziehungsweise  Heilung  er- 
zielt werden. 

Neuerdings  sind  auch  von  Katyschew'^^  Beobachtungen  mit- 
geteilt, welche  zeigen,  dass  unter  dem  Einfluss  der  Faradisation 
der  sympathischen  Fasern  am  Halse  die  entzündliche  Röte  des 
Trommelfells  bei  Entzündungen  und  ebenso  die  des  Mittelohrs  nach- 
lasse. Die  Rötung,  der  Schmerz,  das  Ohrensausen  mindern  sich  und 
das  Gehör  selbst  bessert  sich  mit  der  Zeit.  Die  jedesmalige  Sitzung 
soll  5 — -10  Minuten  betragen  und  die  erzielten  Erfolge  Stunden  lang 
anhalten.  Weniger  ausgesprochen  seien  alle  diese  Wirkungen  bei  der 
Anwenduno;    des    konstanten    Stromes:    von    Einfluss    sind    hier    nur 


I 


§  191,  192.  Anosmie;  Ageusie.  437 

Schliessungen  oder  Oeffnungen  des  Stroms,   sowie  überhaupt  Schwan- 
kungen der  Stromstärke, 

Im  Allgemeinen  wird  man  bei  der  Anwendung  clektrothcrapeu- 
tischer  Massnahmen  und  namentlich  in  der  Beurteilung  des  Nutzens 
derselben  bei  Ohrenkranken,  ebenso  wie  bei  Amblyopischen  in  Bezug 
auf  die  Verwertung  der  subjektiven  Angaben  der  Kranken,  welche  ja 
so  gern  Besserung  sehen  wollen,  etwas  vorsichtig  sein:  sollten  sich 
aber  auch  die  Hoffnungen  Brenn  er  "s  in  Bezug  auf  die  Leistungen 
der  Galvanotherapie  bei  Ohrenkranken  nicht  in  dem  Sinne  erfüllen, 
wie  jener  Forscher  es  wünschte  und  austrebtc,  immer  wird  ihm  das 
Verdienst  bleiben,  auf  diesem  auch  heute  noch  so  schwierigen  Gebiete 
durcJi  seine  ileissigen,  umsichtigen  Versuche  Neues  für  die  Diagnostik 
geschaffen  und  der  leider  so  oft  ohnmächtigen  Therapie  neue  Wege 
gebahnt  zu  haben. 

§  192.  In  Bezug  auf  die  Elektrotherapie  der  Anomalien  der 
Geruchsempfindung  findet  man  hin  und  wieder  Kranke,  welche 
erfolglos  mit  anderen  Mitteln  behandelt,  schliesslich  in  der  Anwen- 
dung der  Elektrizität  Heilung  für  ihr  Leiden  (Anosmie)  suchen. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  man  nicht  eher  zu  einer  elektrischen 
Behandlung  schreiten  wird,  ehe  nicht  eine  gründliche  Untersuchung 
gezeigt  hat,  dass  nicht  gröbere  pathologisch -anatomische  Störungen 
innerhalb  der  Nase,  besonders  der  Nasenschleimhaut,  die  Ursache  des 
Leidens  sind.  Sowohl  die  Faradisation ,  wie  die  Anwendung  galva- 
nischer Ströme  kann  in  Anwendung  gezogen  werden  (oliven-  oder 
katheterförmige  Elektroden  werden  zur  Benutzung  empfohlen),  dabei 
wird  die  eine  (katheterförmig  gestaltete)  Elektrode  (negativer  Pol)  in 
die  Nasenhöhle  eingeführt,  während  die  Anode  am  Nacken  ruht. 
Ueber  die  Erfolge  derartiger  Behandlung  sind  zur  Zeit  die  Erfahrungen 
nocli  nicht  reichlich  genug,  um  jetzt  schon  Sicheros  darüber  aussagen 
zu  können,  immerhin  liegen  von  verschiedenen  Autoren  (Duchenne, 
Bärwinkepoö,  Fieber'^'^^  Beobachtungen  über  gute  Erfolge  vor. 

Das  Gleiche  gilt  von  der  Störung  bezw.  Lähmung  des  Ge- 
schmackssinns (Ageusie):  natürlich  ist  gemäss  den  Grundsätzen 
der  Pathologie  in  jedem  Falle  zu  untersuchen,  ob  einzelne  Abschnitte 
der  Zunge  oder  das  ganze  Organ  (inclusive  der  benachbarten  Gaumen- 
schleimhaut) die  Geschmacksempfindung  verloren  haben,  bezw.  auf 
die  Läsion  welcher  Nerven  (N.  facialis  [Chorda  tympani],  lingualis, 
glossopharyngeus)  die  Schädigung  zurückgeführt  werden  kann.  Je 
nach  dem  Befund  (man  beachte  auch,   dass   neben   allgemeiner   halb- 


438  Anosmia,  Ageusia  hysterica.  Kap.  XXV. 

seitiger  Anästhesie  namentlich  bei  Hysterischen  sich  halbseitige 
Geruch-  und  Geschmacksinns  Störungen  einstellen)  wird  man  ent- 
Aveder  eine  direkte  Faradisation  der  Zunge  oder  eine  galvanische 
Behandlung  einleiten,  oder  durch  die  elektrische  Behandlung  der 
erkrankten  Hirnnerven  einen  Einfluss  auf  die  Geschmack  vermitteln- 
den Fasern  derselben  zu  gewinnen  suchen  oder  endlich  durch  eine 
zentrale  Behandlung  (Galvanisation  durch  den  Kopf)  auf  die  Geschmack 
perzipirenden  Centren  einwirken. 

lieber  die  elektrische  Behandlung  der  Anästhesie  der  Haut  und 
der  Muskeln  vergl.  die  §§  128—132. 


Kapitel  XXVI. 

Von  der  Elektrotherapie  der  Gelenk-  und  Muskelkrank- 
heiten sowie  der  erkrankten  Organe  des  Atmungs-    und 
Verdauungsapparates. 


§  193.  Rheumatische  Affektionen  der  Muskeln  und  Ge- 
lenke bilden  nicht  selten  ein  dankbares  Objekt  elektrotherapeutischer 
Behandlung.  Durch  Erkältung  entstandene  schmerzhafte  Steifigkeit  in 
einzelnen  Muskelgebieten,  z.  B.  au  den  Seiten  der  Lendemvirbel 
(Lumbago),  im  Gebiet  der  Hals-Nackenmuskcln  (Caput  obstipum),  in 
der  Schulter  (Nacken-Deltoideusmuskulatur)  etc.  wird  durch  die  Appli- 
kation mittelstarker  konstanter  Ströme  nicht  selten  äusserst  erfolg- 
reich behandelt.  Im  Beginn  der  Erkrankung  ruhe  die  Anode  (breite, 
wohldurchfeuchtete  Elektrode)  stabil  auf  dem  am  meisten  schmerz- 
haften Punkt,  die  Kathode  in  der  Umgebung;  später  bei  geminderter 
Schmerzempfindlichkeit  mag  der  galvanische  Strom  „labil^*  und  in 
Gestalt  Volta'scher  Alternativen  gegen  die  zurückbleibende  Steifigkeit  in 
Anwendung  gezogen  werden.  Aber  auch  von  der  ableitenden  Wirkung 
des  metallischen,  mit  dem  Induktionsapparat  verbundenen  Pinsels,  mit 
dem  die  Haut  über  der  leidenden  Muskelpartie  gereizt  wird,  oder 
auch  von  der  Anwendung  schwacher  faradischcr  Ströme,  durch  welche 
die  leidenden  Muskelpartien  selbst  erregt  worden,  haben  verschiedene 
Autoren  und  wir  selbst  gute  und  prompte  Erfolge  gesehen. 

Durchleitung  faradischer  Ströme  (Anwendung  feuchter  Elektroden, 
wie  zur  Musivelfaradisation)  durch  selbst  akut  rheumatisch  er- 
krankte Gelenke,  resp.  Anwendung  des  faradischen  Pinsels  haben 
einige  neuere  Autoren  in  Bezug  auf  die  Verminderung  der  Schmerzen 
und  Abkürzung  der  Krankheitsdauer  wirksam  gefunden.  Drosdoff^", 
Beetz-^'-  und  Abramovsky ^'=*  (letzterer  bei  Anwendung  des  fara- 
dischen Pinsels)  haben  über  hierhergehörige  Versuche  mit  günstigem 
Erfolge  berichtet;  obgleich  letzterer  im  Gegensatz  zu  Drosdoff 
die  clektrokutane  Erregbarkeit  über  den  erkrankten   Gelenken  nicht 


440  Chronischer  CxPlrMikrluMuiiatisüius;  Gicht.  Kap.  XXVI. 

vermindert  fand,  sah  doch  auch  er,  dass  durch  die  Behandlung  die 
Schmerzen  gelindert  und  die  Gelenke  schnell  beweglich  gemacht 
werden.  Wir  glauben  indess  kaum,  dass  die  Neuzeit  im  Besitz  von 
Mitteln,  wie  der  Salicylsäure  etc.  sich  bei  der  Behandlung  der  Poly- 
arthritis rheumatica  acuta  gerade  der  Elektrizität  zuwenden  wird. 

Gegenüber  den  akuten  Formen  der  rheumatischen  Gelenkaffek- 
tionen hat  sich  die  Elektrizität  in  Bezug  auf  die  Behandlung  sub- 
akuter  oder  chronischer  Leiden  der  Gelenke,  namentlich  der 
monartikulären  Formen  bei  weitem  grösserer  Verbreitung  und 
AVertschätzung  bei  den  Aerzten  zu  erfreuen.  Sind  die  Fälle  nicht  zu 
alt,  so  kann  man  durch  Durchleitung  stärkerer  konstanter  Ströme 
durch  die  Gelenke  (zeitweilige  Wendungen)  oder  durch  die  Anwendung 
mittelstarker  faradischer  Ströme  auf  die  Resorption  der  Gelenk- 
exsudate und  speziell  auf  eine  Ausgleichung  der  in  der  Umgebung 
der  Gelenke  in  den  Fascien,  Sehnen,  im  Periost  und  den  Muskeln 
lokalisirten  pathologischen  Prozesse  günstig  einwirken:  immerhin  wird 
eine  grössere  Reihe  von  Sitzungen  und  Geduld  von  Seiten  des  Kranken 
sowohl,  als  auch  des  Arztes  von  Nöten  sein.  Was  für  den  einfachen, 
unkomplizirten  chronischen  Gelenkrheumatismus  zu  sagen  ist,  gilt  in 
noch  höherem  Grade  bei  der  Behandlung  des  Arthritis  nodosa  ge- 
nannten Leidens  und  der  eigentlichen  Gicht  (Arthritis  urica). 
Bei  der  Knotengicht  wird  von  R.  Remak*^  ^^[0.  M.  Meyer ^'-^  die 
Behandlung  der  sympathischen  Halsganglien  der  leidenden  Seite,  be- 
ziehungsweise die  Hervorrufung  diplegischer  Kontraktionen  (s.  S.  337) 
anempfohlen:  es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  hier  und  da  günstige  Er- 
folge bei  dieser  Behandlungsweise  beobachtet  worden  sind,  obgleich 
andererseits  auch  zuzugeben  ist,  dass  sowohl  diese  Methode  als  auch 
die  direkte  Durchleituug  galvanischer  Ströme  durch  die  erkrankten 
Gelenke,  sowohl  bei  der  Knotengicht,  als  besonders  bei  den  gichtischen 
Gelenkleiden  von  sehr  zweifelhaftem  Erfolge  ist.  Die  derartige  Ge- 
lenkleiden so  häufig  begleitenden,  beziehungsweise  von  ihnen  ab- 
hängigen Muskelatrophien  mögen  in  gleicher  Weise  durch  den  kon- 
stanten Strom  behandelt  werden,  insofern  man  nicht  selten  durch 
energischeres  Faradisiren  die  Schmerzen  im  Gelenk  und  die  Schwäche 
der  Muskeln  sich  eher  steigern  sieht.  Ganz  neuerdings  rät  Joffroy^'^ 
bei  akuten  Gelenkentzündungen  von  jeder  elektrischen  Behandlung 
abzusehen,  beziehungsweise  beim  Auftreten  entzündlicher  Phänomene 
die  Behandlung  mit  dem  konstanten  Strom  ganz  auszusetzen.  Be- 
sonders wirksam  fand  er  die  Behandlung  der  Gelenkaffektionen  nach 
Traumen  und  bei  Leiden,  welche  sich  im  Gefolge  gewisser  Allgemein- 


§  193,  194.  Larynxparalysen.  441 

erkrankungen,  z.  B.  im  Wochenbett  oder  nach  Tripper  entwickelt 
haben.  Wir  können  nach  eigenen  Erfahrungen  den  Auslassungen  des 
französischen  Autors  im  Grossen  und  Ganzen  nur  zustimmen:  ganz 
besonders  wohltuend  wirkt  der  konstante  Strom  (grosse,  platte  Anode 
an  die  am  meisten  schmerzenden  Stellen,  Kathode  in  der  Umgebung) 
bei  der  unter  der  arbeitenden  Bevölkerung  ungemein  häufig  auftreten- 
den (rheumatischen,  akut  entzündlichen?)  Aflfektion  eines  oder  des 
andern  Schultergelenks:  mehrfach  (in  10 — 20  Sitzungen)  wiederholte 
Durchleitungen  mittelstarker  konstanter  Ströme  in  der  eben  ange- 
gebenen Weise,  zum  Schluss  vielleicht  einige  Wendungen  oder  labiles 
Gleiten  der  Kathode  über  die  das  Gelenk  umgebenden  Teile,  später, 
nach  Beseitigung  der  grossen  Schmerzhaftigkeit,  erst  schwache,  dann 
etwas  stärkere  faradische  Ströme  oder  auch  die  Applikation  des 
Pinsels,  kurz  eine  Kombination  der  verschiedenen  möglichen  Ver- 
fahrungsweisen  führen  fast  immer  zu  einem  erfreulichen  Ziele.  Dem 
gegenüber  sind  unsere  Erfahrungen  über  die  Wirkungen  der  Elek- 
trizität bei  der  Arthritis  deformans  und  urica  im  Wesentlichen  negative, 
während  bei  Gelenk-  und  Muskelsteifigkeiten  nach  Verwundungen  die 
Elektrizität  in  beiden  Formen  in  Verbindung  mit  warmen  Lokal- 
bädern, aktiven  und  passiven  Uebungen,  von  kundiger  Hand  aus- 
geführter Massage,  die  Ausdauer  des  Kranken  und  des  Arztes  fast 
immer,  oft  sogar  glänzend  lohnt. 

§  194.  Abgesehen  von  den  Erkrankungen  des  Centralnerven- 
systems  der  peripherischen  Nerven,  Muskeln  und  der  Sinnesorgane, 
welche  Leiden  recht  eigentlich  als  diejenigen  zu  betrachten  sind,  zu 
deren  Linderung  und  Hebung  die  Elektrizität  von  jeher  angewendet 
wurde,  hat  man  in  neuerer  Zeit  angefangen,  auch  solche  x^fFektionen 
mit  diesem  Mittel  zu  behandeln,  welche  sonst  eher  dem  Gebiet  der 
speziell  inneren  Medizin  eingereiht  wurden.  Es  handelt  sich  hierbei 
um  Krankheiten  der  in  der  Brust-,  Bauch-  und  Beckenhöhlc 
gelegenen  Organe. 

Bevor  wir  indessen  dazu  übergehen,  wollen  wir  an  dieser  Stelle 
kurz  der  Kehlkopfsaffektionen  Erwähnung  tun,  welche  durch 
eJektrotherapeutische  Prozeduren  Besserung  oder  Heilung  erfahren. 
Es  sind  dies  vorwiegend  die  Lähmungs-  und  Scliwächezustände  der 
Kehlkopfsmuskulatur.  Die  Methoden  der  Applikation  (perkutane, 
innere,  intralaryngeale,  extralaryngeale)  sind  ausführlich  schon  S.  245 
und  246  beschrieben  worden:  auch  wurde  an  jener  Stelle  schon  die 
Mühseligkeit  der  intralaryngealen  Elektrisation  genügend  hervorgehoben. 


442  Behanrilunis;  der  Stinimbandlähmungen.  Kap.  XXVI. 

Die  Schwächeziistände  der  Kehlkopfsmuskulatur  beruhen  einmal 
auf  Erkrankungen  der  Schleimhaut  (Entzündungen,  Katarrhen  etc.), 
durch  rheumatische  Einflüsse  oder  tJebcranstrcnguug  im  Beruf  (bei 
Lehrern,  Predigern)  hervorgerufen,  oder  sie  stellen  wirkliche  Lähmungs- 
zustände  dar  in  Folge  von  Erkrankungen  der  Kehlkopfsnerven.  Die 
N.  laryngei  können  in  ihrem  peripherischen  Verlauf  am  Halse  (Ver- 
letzungen, Kompressionen  durch  Neubildungen,  besonders  durch  Strumen 
und  Aortenaneurysma)  oder  noch  innerhalb  der  Schädelkapsel  und 
des  Wirbelkanals  (Erkrankungen  der  Accessorius wurzeln)  oder  an 
ihren  zentralen  Ursprungsstätten  in  der  Med.  oblongata  und  im  ober- 
sten Halsteile  des  Rückenmarks  (z.  B.  bei  der  Bulbärparalyse)  lädirt 
worden  sein.  War  es  möglich,  durch  eine  sorgfältige  Untersuchung 
die  Ursprungsstätte  des  Leidens  zu  ergründen,  so  wird,  man  dem  nun 
schon  öfter  ausgesprochenem  Grundsatz  gemäss  möglichst  loco  morbi 
zu  behandeln  versuchen.  Man  tut  bei  der  Anwendung  des  galvanischen 
Stroms  am  besten,  eine  der  Elektroden  (möglichst  gross)  in  den 
Nacken  oben  zu  setzen  (stabil),  während  man  mit  der  anderen, 
kleineren  zu  beiden  Seiten  des  Kehlkopfs  labil  hinstreicht,  eventuell 
die  kleinere  Elektrode  (die  Kathode)  nach  Rossbach's  Vorgang  an 
die  Schildknorpelplatten  oder,  um  den  N.  recurrens  zu  reizen,  einige 
Centimeter  unter  dem  unteren  Ringknorpelrand  am  vorderen  Rand 
des  Kopfnickers  tief  nach  hinten  hin  eindrückt.  Aehnlich  verfälirt 
man  bei  der  Faradisation.  Eine  genaue  elektrodiagnostische  Explora- 
tion ist  meist  nicht  anzustellen  wegen  der  Schwierigkeit  der  Kontrolc 
der  Versuchsergebnisse. 

Bei  intralaryngealer  Behandlung  sei  man  in  der  Dosirung  der 
Stromstärke  vorsichtig:  es  genügt  nach  v.  Zierassen  ein  Induktions- 
strom, der  deutliche  Kontraktionen  im  M.  frontalis  z.  B.  auslöst,  oder 
ein  galvanischer,  von  wenigen  Elementen  gelieferter. 

Dass  bei  einer  derartigen  Applikation  zugleich  eine  Summe  von 
sensiblen  Fasern  gereizt  werden  und  Erfolge  der  Behandlung  oft  der 
starken  reflektorischen  Reizung  eher  zuzuschreiben  sind,  als  der 
direkten  Erregung  der  Muskeln,  zeigt  sich  klar  z.  B.  bei  denjenigen 
Lähmungszuständen  (Aphonien),  welche  bei  Hysterischen  durch  die 
elektrische  Moxe  nach  M.  Meyer  oft  in  einer  Sitzung  geheilt  werden. 
Freilich  sind  hier  die  Erfolge  nicht  immer  beständige,  insofern  oft 
nach  wenigen  Stunden  oder  Tagen  die  Stimmbandschwäche  und  Aphonie 
zurückkehren  und  aufs  Neue  behandelt  werden  müssen. 

Sehr  viel  seltener  als  Lähmungszustände  kommen  krampfhafte 
Affektionen  der  Stimmbandmuskulatur  zu  elektrotherapeutischer 


§  194.  Laryngospasmiis;  Phthise;  Asthma.  443 

Behandlung.  Neuerdings  hat  Fritsch*'''  bei  einem  Mädchen,  welches 
an  einem  derartigen  funktionellen  Krampf  der  Stimrabandmuskulatur 
litt  (bei  jedem  Phonationsversuch  trat  ein  krampfhaftes  Schliessen 
der  Stimmritze  ein),  durch  die  Applikation  des  konstanten  Stroms 
(Anode  hoch  oben  im  Nacken,  Kathode  an  den  obersten  Rücken- 
wirbeln,  labile  Ströme)   eine   schnelle  und   dauernde  Heilung  erzielt. 

Was  nun  ferner  die  elektrische  Behandlung  7on  Lungen  leiden 
betrifft,  so  müssen  wir  hier,  wenn  auch  nur  kurz  der  Versuche  einiger 
Autoren  gedenken,  die  Lungenschwindsucht  mittelst  der  Elek- 
trizität zu  behandeln.  Die  Idee,  welche  dem  Vorgehen  nach  dieser 
Richtung  hin  z.  B.  von  J.  Alavoine^"^  (übrigens  auch  schon  1866 
von  Bastings  ausgesprochen)  zu  Grunde  gelegt  wird,  ist  die,  mittelst 
kräftiger  faradischer  Erregung  des  Zwerchfells  und  der  respiratorischen 
Hilfsmuskeln  eine  ergibigere  Lungenventilation  zu  ermöglichen  und 
den  Auswurf  der  Sekrete  zu  fördern.  Andererseits  soll  durch  eine 
Reizung  des  Vagus  am  Halse  ebenfalls  durch  den  faradischen  Strom 
(2  olivenförmige  Elektroden  werden  am  Unterkiefer winkel  an  der 
Lmenseite  des  vorderen  Randes  des  M.  sternocleidom.  in  die  Tiefe 
eingedrückt:  Sitzungsdauer  V4 — V2  Stunde!!)  die  Herzaktion  verlang- 
samt und  die  Hyperämie  in  den  Lungen  bezw.  der  Bronchialschleim- 
haut verringert  werden. 

Eigene  Erfahrungen  stehen  uns  in  Betreff  des  Erfolges  einer  der- 
artigen Behandlung  der  Lungenschwindsucht  nicht  zu  Gebote,  ebenso 
wenig,  wie  wir  aus  eigener  Anschauung  zu  beurteilen  vermögen,  ob 
die  Bestrebungen  einzelner  Elektrotherapeuten,  das  nervöse  Asthma 
mittelst  des  konstanten  Stroms  zu  heilen,  in  Wahrheit  zu  empfehlen 
sind.  Wenn  man  liest,  dass  auch  Brenner ^'^  durch  den  konstanten 
Strom  in  einem  Falle  periodisch  etwa  alle  6  Wochen  auftretender 
Anfälle  heftigster  Atemnot  bei  einer  Dame  durch  eine  Galvanisation 
des  N.  vagus  (Anode  am  Nacken,  Kathode  zwischen  Kehlkopf  und 
M.  sternocleidom.)  die  bedrohlichen  Erscheinungen  mit  Erfolg  be- 
kämpfte (ohne  übrigens  durch  diese  auch  fortgesetzte  Behandlung  die 
Anfälle  überhaupt  verschwinden  machen  zu  können),  so  wird  man 
vorkommenden  Falles  eine  derartige  Anwendung  der  Elektrizität  wenig- 
stens versuchen  müssen. 

Später  wandte  auch  NefteP'^  den  konstanten  Strom  an,  um 
den  Zustand  Asthmatischer  zu  bessern,  indem  auch  er  seine  Be- 
mühungen der  elektrischen  Beeinflussung  des  N.  vagus  (teils  mit  der 
Anode,  teils  mit  der  Kathode  auf  ihn  einzuwirken  versuchend,  Sitzungen 
im  Durchschnitt  von  6  Minuten  Dauer,  Rheostatbenutzung)  zuwandte. 


444  Herzklopfen;  Magenerweiterung.  Kap.  XXVI. 

In  der  Tat  stützt  ja  eine  Reihe  experimenteller  Forschiingeii  die  x\n- 
sicht,  dass  die  asthmatischen  Anfälle  reflektorisch  vom  Vagus  aus 
ausgelöst  werden,  mögen  sie  nun  in  einer  Kontraktion  der  kleinsten 
Bronchien  oder  in  einer  solchen  des  Zwerchfells  selbst  ihren  Grund 
haben.  Andere  Autoren,  so  besonders  Seh  äffe  r'-*-^  und  ihn  bestäti- 
gend Schmitz 3-',  sahen  nach  einer  Querdurchleitung  faradischer 
Ströme  durch  die  Halsgegend  den  Anfall  selbst  schwinden  und 
bei  fortgesetzter  derartiger  Behandlung  dieselben  überhaupt  seltener 
werden.  Diese  Art  der  Behandlung  verdient  also  jedenfalls  versucht 
zu  werden:  in  einem  neuerdings  auf  diese  Weise  behandelten  Fall 
glauben  wir  (bis  jetzt  —  die  ßeobachtungsdauer  ist  noch  zu  kurz) 
ein  günstiges  Resultat  erzielt  zu  haben. 

Der  bekannte  Einfluss  des  N,  vagus  auf  die  Schlagfolge  des 
Herzens  und  die  Verlangsamung  derselben  durch  seine  Reizung  hat 
(wie  ja  auch  die  Erfolge  bei  der  Behandlung  des  Morbus  Basedowii 
lehren  vgl.  §  180)  Veranlassung  gegeben,  das.  sogenannte  „nervöse 
Herzklopfen <'  durch  den  galvanischen  Strom  zu  behandeln.  So  hat 
Flies ^2-  z.  B.  schon  im  Jahre  1865  durch  Einwirkungen  schwacher 
konstanter  Ströme  (der  absteigende  Strom  [die  Anode  vgl.  §  151]  er- 
wies sich  dabei  wirksamer,  als  der  aufsteigende)  auf  den  N.  vagus  in 
19  Fällen,  in  denen  ein  organischer  Herzfehler  nicht  nachweisbar  war 
und  in  5  anderen,  wo  ein  solcher  nachgewiesen  werden  konnte,  einen 
entschiedenen  subjektiv  und  objektiv  konstatirbaren  Nachlass  der  Be- 
schwerden bewirken  können. 

In  wie  weit  die  neuerdings  von  v.  Ziemssen''ö  (§  140)  bekannt 
gegebenen  Untersuchungen  über  die  Möglichkeit  direkter  Beeinflussung 
des  Herzmuskels  und  seiner  Ganglien  durch  starke  konstante  Ströme 
in  der  Therapie  der  Herzkrankheiten  Verwertung  finden  werden,  wird 
die  Zukunft  lehren. 

In  Bezug  auf  die  elektro therapeutische  Behandlung  der  Angina 
pectoris  verweisen  wir  auf  §  180. 

§  195.  Bei  der  Besprechung  der  elektrischen  Behandlung  der  Krank- 
heiten der  innerhalb  des  Bauchraums  liegenden  Organe  erwähnen  wir  zu- 
nächst des  Magens,  dessen  Erweiterungszuständc  namentlich 
Gegenstand  elektrotherapeutischer Eingriffe  werden  können.  Schon  früher 
ist  (§  140)  über  die  Methode  der  teils  inneren,  teils  äusseren  Appli- 
kation der  Elektrizität  auf  dieses  Organ  gehandelt  worden.  Bei  der 
Unbequemlichkeit,  welche  die  innere  Galvanisation  oder  Faradisation 
für  die  Leidenden  mit  sich  bringt  und  den  eventuell  sehr  unangenehmen 


§  ]%.  Dyspepsia  nervosa.  445 

(sicli  in  Schwindel-  und  Ohnraachtserscheinungen  äussernden)  Zufällen 
nach  einer  solchen  Behandlung,  wie  derartiges  z.  B.  von  KussmauP^s 
mitgeteilt  worden  ist,  wird  man  gut  tun,  sich  eher  der  äusseren  An- 
wendung der  Elektrizität  und  speziell  des  faradischen  Stromes  zu  be- 
dienen, etwa  in  der  Weise,  wie  dies  von  Fürstner^--*,  NefteP-^ 
und  anderen  (neuerdings  wieder  von  Steinitz^^e^  d^,^  sogar  2  Fälle 
von  Ulcus  ventriculi  auf  diese  Weise  behandelte)  beschrieben  ist.  Die 
eine  Eleivtrode  wird  ins  linke  Hypochondrium,  die  andere  auf  die 
Magengegend  selbst  aufgesetzt  und  ein  starker  faradischer  Strom  be- 
--  nutzt.  Derartige  Erweiterungen  entstehen  teilweise  durch  Traumen, 
welche  die  epigastrische  Gegend  getroffen  haben  (speziell  bei  nervösen 
oder  hysterischen  Individuen),  vorwiegend  aber  wohl  durch  einen  Nach- 
lass  des  Tonus  der  muskulären  Magenwandungen  in  Folge  chronischen 
Magenkatarrhs  oder  lang  fortgesetzter  Dehnung  der  Magenwandung 
nacli  Einführung  grossen  Raum  einnehmender  Nahrungsmitel.  Beim 
Gebraucli  des  konstanten  Stroms  zur  Beseitigung  derartiger  Zustände 
setze  man  den  positiven  Pol  auf  die  unteren  Brustwirbel,  den  nega- 
tiven in  die  Magengegend:  öfteres  Unterbrechen  des  Stroms  bezw. 
Stromwendungen  Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst  (was  auch 
andere  Schriftsteller,  z.  B.  Neftel,  besonders  hervorheben),  dass  bei 
allen  derartigen  Leiden  von  den  sonst  uns  durch  die  Erfahrung  an 
die  Hand  gegebenen  Mitteln  (zweckmässiger  Diät,  Auspumpung  des 
Magens,  Kaltwasserbehandlung  etc.)  auch  neben  den  elektrotherapeu- 
tischen  Massnahmen  der  entsprechende  Gebrauch  zu  machen  ist. 

In  Bezug  auf  die  „nervösen"  Affektionen  des  Magens, 
welche  ohne  pathologisch -anatomische  nachweisbare  Läsion  seiner 
Wandungen,  ohne  durch  physiologisch-chemische  Untersuchungen  nach- 
weisbare Alterationen  der  Verdauungssäfte  bestehen,  in  Bezug  also 
auf  die  sogenannte  ^/nervöse  Dyspepsie"  hat  man  sowohl  von 
einer  galvanischen,  wie  faradischen  Behandlung  recht  gute  Resultate 
gesehen.  Wir  erinnern  hier  nur  an  die  Erfolge,  die  Board  und  Rock- 
well und  nach  ihnen  eine  grosse  Reihe  anderer  Autoren  (§  146,  152) 
von  der  Anwendung  der  „allgemeinen  Faradisation"  bei  diesem  Leiden 
berichtet  haben.  Diese  Methode,  in  Verbindung  vielleicht  mit  einer 
Galvanisation  am  Halse,  durch  welche  namentlich  der  N.  vagus  und 
vielleicht  auch  die  Med.  obl.  und  das  oberste  Halsraark  beeinflusst 
werden  können,  wäre  jedenfalls  zu  versuchen:  dass  dabei  auch  eine 
direkte  Beeinflussung  der  Magengegend  von  grossem  Nutzen  sein 
könne,  beweisen  die  Erfahrungen  Leube's^-^  und  M.  Meyer's^^^ 
Der  orstere   empfiehlt,   die   Kathode   an   die   Wirbelsäule,    die    Anode 


446  Atonie  des  Darms;  Ileus.  Kap.  XXV f. 

auf  das  Epigastrium  zu  setzen,  während  Meyer,  aufmerksam  machend 
auf  eine  eventuell  \'orhandene  Schmerzhaftigkeit  der  unteren  Rücken- 
wirbel, dorthin  die  Anode  zu  appliziren  rät.  Auch  die  direkte  Fara- 
disation  der  Magengegend  kann  versucht  werden  (Kussmaul,  Richter, 
Stein),  doch  vergesse  man  auch  hier  nicht,  dass  beiden  meist  sehr  nervösen 
(neurasthenischen)  Individuen  eine  zweckentsprechende  psychische  bezw. 
medikamentöse  Allgemeinbehandlung  nicht  vernachlässigt  werden  darf. 
Ueber  die  elektrotherapeutische  Behandlung  des  als  „nervöser 
Magenschraerz,  Kardialgie"  bekannten  Leidens  vgl.  man  §  178. 

§  196.  Ebenso  wie  bei  der  Magenerweiterung,  welche  auf  Er- 
schlaffung der  Magenwandungen  zurückzuführen  war,  hat  man  sich 
bei  atonischen  Zuständen  der  Darmmuskulatur  (einer  der 
häufigeren  Ursachen  chronischer  Obstipation)  der  Elektrizität  zur  An- 
regung der  trägen  oder  ganz  darniederliegenden  peristaltischen  Darm- 
bewegungen mit  Erfolg  bedient.  Man  benutzt  hier  sowohl  die  per- 
kutane, als  auch  die  kombinirte  Methode,  und  zwar  entweder  nur  den 
galvanischen  oder  nur  (und  zwar  vorzugsweise)  den  faradischen  Strom, 
oder  abwechselnd  beide.  Die  Ursachen  derartiger  DarmerschlafFungen 
sind  teils  in  lange  bestehenden  Darmkatarrhen  oder  dem  Missbrauch 
stärkerer  Abführmittel  zu  suchen,  teils  finden  sich  diese  Zustände  bei 
Menschen  von  sitzender  Lebensweise,  bei  nervösen,  hypochondrischen 
oder  auch  in  Wahrheit  an  chronischen  Hirn-  oder  Rückenmarkskrank- 
heiten Leidenden.  Man  setze  beide  Elektroden  eines  nicht  zu  schwachen 
faradischen  Stroms  in  beide  Weichen  oder  führe  die  eine  als  Mast- 
darmelektrode (vgl.  §  140)  einige  Zoll  hoch  in  den  After  ein,  wäh- 
rend man  die  zweite  in  die  Weichen  tief  eindrückt:  bei  Benutzung 
des  konstanten  Stroms  setzt  man  die  Anode  entweder  in  die  Gegend 
der  Lendenwirbel  oder  führt  auch  sie  in  den  Mastdarm  ein  (nicht  zu 
starke  Ströme,  öfters  Wendungen),  während  man  mit  der  Kathode 
labil  über  den  Unterleib  gleitet.    (Dauer  der  Sitzung  8 — 12  Minuten.) 

Erfolge  dieser  Behandlungsmethode  (welche  bei  chronischen  Fällen 
meist  täglich,  jedenfalls  3—4  Mal  wöchentlich  zu  wiederholen  ist) 
sind  von  den  besten  Gewährsmännern  (Stein '^''j  Erb^^o^  Scarpari^^'' 
und  anderen)  berichtet. 

Aber  auch  bei  akut  eintretender  Atonie  des  Darms,  sei  es, 
dass  sie  auf  Traumen  oder  auf  andere  Ursachen  zurückzuführen  ist, 
wo  Ileus  droht  oder  schon  vorhanden  ist,  hat  sich  die  Anwendung 
des  faradischen  Stroms  namentlich,  sei  es  nun  blos  perkutan  oder  in 
der  Weise,  dass  die  eine  Elektrode  in  den  Mastdarm  eingeführt  wird, 


§  190,  197.  Enteropathia  nervosa;  Atonia  ani.  447 

höchst  segensreich,  oft  geradezu  lebensrettend  erwiesen,  wie  hierher- 
gehörige Beobachtungen  von  Chouet^^',  Czernicki^^'-,  Ballou- 
hey^^^,  Giomnii^^*  beweisen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese 
Behandlungsmethode  bei  schon  nachweisbaren  peritonitischen  Zuständen 
wenn  überhaupt,  so  Jedenfalls  nur  mit  äusserster  Vorsicht  anzu- 
wenden ist.  Bucquoy^^''  konnte  durch  die  Faradisation  (ein  Pol  im 
Mastdarm,  der  andere  über  die  Bauchdecken  hin  geführt)  des  Unter- 
leibes in  3  Fällen,  von  denen  2  Kinder  von  S'/-.  Jahren  und  7  Mo- 
naten betrafen,  bei  höchst  wahrscheinlich  vorhandener  In  vagination 
des  Darmes  mit  sehr  günstigem  Erfolge  einwirken:  es  muss  indessen 
vor  jeder  entzündlichen  Komplikation  operirt  werden.  In  2  bis 
3  Sitzungen  von  etwa  10  Minuten  Dauer  soll  die  Invagination  auf- 
gehoben und  Stuhlentleerung  bewirkt  sein. 

§  197.  Wie  die  nervöse  Dyspepsie  wird  auch  die  häufig  mit 
derselben  kombinirt  anzutreffende  nervöse  Enteropathie  (wie  sie 
gewöhnlich  als  Teilerscheinung  der  Neurasthenie  bei  nervösen,  hypo- 
chondrischen, hysterischen  Personen  sich  findet)  mittelst  der  Fara- 
disation der  Bauchdecken  perkutan  oder  vom  Mastdarm  her  mit  Erfolg 
behandelt,  wie  neuerdings  namentlich  von  Richter^"^"  und  Stein ''^^ 
mitgeteilte  Beobachtungen  lehren.  Dass  für  solche  Individuen  neben 
zweckentsprechender  psychischer  und  diätetischer  Behandlung  auch  die 
„allgemeine'  Faradisation"  oder  je  nach  dem  Vorhandensein  aus- 
geprägter Rückenschmerzen  oder  einzelner  schmerzhafter  Punkte  da- 
selbst die  lokale  Galvanisation  von  hervorragendem  Nutzen  sein  kann, 
ist  selbstverständlich.  Dabei  vei-gesse  man  nicht,  dass  auch  patholo- 
gisch anatomisch  nachweisbare  Hirn-  und  besonders  Rückenmarks- 
leiden jeweilig  in  Beschwerden  im  Llnterleibe  (Gefühl  von  Fülle,  Auf- 
getriebensein, Schmerzen,  Obstipation,  Flatulenz,  Diarrhoen  etc.)  ihren 
Ausdruck  finden  können  und  daher  bei  jedem  einzelnen  Falle,  ehe 
ein  nur  funktionelles  Leiden  statuirt  wird,  durch  eingehende  Unter- 
suchung das  Bestehen  eines  derartigen  organischen  Leidens  auszu- 
schliessen  ist. 

Insuffizienzen  des  Schliessmuskels  des  Mastdarms  und 
Vorfall  der  Mastdarmschleimhaut  (ein  bei  Kindern,  aber  auch 
bei  Erwachsenen  [Greisen]  und  hier  namentlich  bei  Rückenmarks- 
leidenden vorkommendes  Uebel  wird  durch  direkte  Faradisation  oder 
durch  den  galvanischen  Strom  (Kathode  am  Locus  morbi,  öftere 
Wendungen,  die  andere  Elektrode  an  den  Lendenwirbeln  oder  am 
Damm)  nicht  selten  erfolgreich  behandelt,  wie  wir  selbst  uns  wieder- 
holt überzensren  konnten. 


448  Ikterus;  Milztumor;  Ascites.  Kap.  XXV (. 

Abgeselien  von  Magen-,  Darm-  und  Mastdarmleiden  hat  man 
noch  Krankheiten  der  Leber  (oder  besser  der  Gailenblasen- 
ausführungsgänge)  und  der  Milz,  ja  sogar  die  Flüssigkeitsan- 
sammlungen  in  der  Peritonealhöhle  mittelst  der  Elektrizität 
(Faradisation)  zu  behandeln  versucht. 

Soweit  wir  wissen,  ist  die  von  Gerhardt^^''  vorgeschlagene 
Faradisation  der  Gallenblase  bei  Ikterus  seither  mit  Erfolg  noch 
nicht  wiederholt  worden.  Wenn  ein  Resultat  eintreten  sollte,  so  wäre 
es  wohl  mehr  der  durch  die  Faradisation  bewirkten  Kontraktion  der 
Bauchdecken  und  dem  damit  auch  auf  die  Gallenblase  ausgeübten 
Druck  zuzuschreiben,  als  der  Kontraktion  der  Gallenblase  selbst.  Nie 
hat  an  dieser  Rossbach^^^  (weder  bei  Tieren,  noch  an  hingerichteten 
Menschen)  auch  bei  Anwendung  stärkster  faradischer  Ströme  eine 
Kontraktion  beobachten  können.  Dagegen  ist  bei  akuten  soAvohl  wie 
chronischen  Milztumoren  (in  der  Febris  intermittens)  von  ver- 
schiedenen Autoren  teils  durch  direkte  Faradisation,  teils  indirekt 
durch  faradische  Bepinselung  der  über  dem  Tumor  liegenden  Haut- 
partien auch  in  solchen  Fällen  ein  günstiger  Erfolg  (Verkleinerung) 
erzielt  worden,  wo  Chinin  in  grossen  Dosen  und  Arsenik  im  Stich 
gelassen  hatten. 

Tschulowski^^^,  Schröder^^",  Mader^-",  Kurz^-*^  und  andere 
setzten  beide  Elektroden  (feucht)  über  dem  Milztumor  auToder  Hessen 
die  eine  auf  den  untersten  Imerkostalräumen  2  —  3  Zoll  von  der 
Wirbelsäule  entfernt  ruhen  und  erzielten  in  wenigen  Sitzungen  (3 — 4) 
erhebliche  Erfolge.  Chvostek^^^'  pinselt  die  Haut  in  der  Milzgegend 
mit  2  Pinseln  und  wendet  nur  einen  massig  starken  faradischen  Strom 
an,  bei  kurzer  Sitzungsdauer  (von  etwa  3  Minuten). 

Die  Milz  und  die  Bauchdecken  wurden  von  Popow^^*  bei  einem 
anämischen  und  an  Intermittenskachexie  leidenden  älteren  Manne,  der 
namentlich  einen  bedeutenden  Ascites  aufwies,  täglich  mit  dem  Er- 
folg faradisirt,  dass  nach  reichlich  eingetretener  Diurese  der  Leibes- 
umfang innerhalb  2 — 3  Wochen  erheblich  abnahm.  Aehnliche  Erfolge 
sind  schon  vor  Popow  von  G lax ^^•'''  und  Sigr ist ^■*''' berichtet  worden, 
so  dass  der  durchaus  unschädliche  Versuch,  mittelst  Faradisation  der 
Bauchdecken  auf  die  Verminderung  eines  gleichviel  aus  welcher  Ursache 
entstandenen  Ascites  einzuwirken,  unserer  Ansicht  nach  bei  nicht  allzu 
sehr  herabgekommenen  und  fieberlosen  Kranken  durchaus  empfohlen  wer- 
den kann.  Ganz  kurz  mag  hier  noch  erwähnt  werden,  dass  Stolnikow^-*^ 
und  Sigrist  durch  perkutane  Faradisation  der  Lebergegend  eine  er- 
heblicheZunahme  der  Harnstoffausscheidung  im  Harn  konstatiren  konnten. 


Kapitel  XXVII. 

Von  der  Elektrotherapie  der  Krankheiten  der  Harnblase 
und  der  Geschlechtsorgane  nebst  einem  Anhange:  die  An- 
wendung der  Elektrizität  in  der  Geburtshilfe  und  bei  der 
Erkrankung  der  Milch-,  Seh  weiss-  und  Lymphdrüsen. 


§  198.  Von  den  im  Beckenraum  liegenden  Organen  ist  es  vor 
Allem  die  Harnblase,  bei  deren  Erkrankung  die  Hilfe  des  Elektro- 
therapeuten  in  Anspruch  genommen  wird.  Störungen  der  Blasen- 
funktion sind  in  einer  ungemein  grossen  Anzahl  von  Fällen  nicht 
sowohl  auf  Leiden  des  Organs  selbst,  als  auf  Läsionen  der  die 
Blasenmuskulatur  innervirenden  Zentren,  vornehmlich  des  Rückenmarks 
und  hier  speziell  des  Lumbalteils  desselben  zurückzuführen.  Bei  allen 
möglichen  Formen  akuter  oder  chronischer  Erkrankung  desselben 
finden  sich  Inner vationsstörungen  der  Blasenmuskulatur.  Dieselben 
können  je  nach  den  zwei  grossen  Muskelkomplexen,  welche  die 
Funktionen  der  Blase  beherrschen,  teils  in  einer  Lähmung  der  aus- 
treibenden Kräfte,  des  M.  detrusor  vesicae,  bestehen,  oder  in  einer 
Paralyse  des  Schliessmuskels,  wozu  für  den  ersteren  Fall  noch  eine 
lähmungsartige  Schwäche  des  austreibenden  Hilfsapparats,  speziell  der 
Bauchmuskeln,  treten  kann.  Durch  Schwäche  des  M.  detrusor  wird 
die  normale  Entleerung  der  Blase,  durch  Parese  des  M.  sphincter  der 
richtige  Verschluss  derselben  und  das  Zurückhalten .  des  Urins  beein- 
trächtigt. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  Physiologie  der  Blasenfunktion 
näher  einzugehen,  nur  soviel  sei  gesagt,  dass  die  erwähnten  Zustände, 
sei  es  isolirt,  sei  es  kombinirt  (z.  B.  in  der  Form  der  sogenannten 
Ischuria  paradoxa,  bei  der  trotz  andauernd  voller  Blase  [Detrusor- 
sch  wache]  ein  perpetuirliches  Harn  trau  fein  [Sphinkterparese]  statt- 
findet),    bei    Krankheiten    des    Rückenmarks    eventuell    des    Gehirns 

Rosenllial  u.  Bernhardt,  Elektrizitätslphre.    lU.  AiiH.  29 


450  Blasenlähmung;  Enuresis  nocturna.  Kap.  XXVTI. 

(seltener)  oder  bei  Läsionen  peripherischer,  dem  Plexus  hypogastriciis 
inferior  und  pudendalis  angehöriger  Nerven  vorkommen  können. 

Somit  erwächst  dem  Arzt  als  erste  Pflicht  dem  Kranken  gegen- 
über, das  eventuelle  Clrundleiden  ausfindig  zu  machen  und  dieses  zu 
behandeln.  Es  gilt  hier  besonders  eine  Beeinflussung  der  im  Lumbal - 
teil  des  Rückenmarks  gelegenen  zentralen  Partien  durch  den  kon- 
stanten Strom,  dessen  Anode  in  breiter  Elektrode  dort  plazirt  wird, 
während  die  Kathode  oberhalb  der  Symphyse  tief  eingedrückt  oder 
z.  B.  bei  Schwäche  des  Schliessmuskels  am  Damm  applizirt  wird. 
Die  Stromstärke  sei  eine  mittlere,  Dauer  der  Sitzung  5 — 8  Minuten, 
öftere  Wendungen.  Abwechselnd  hiermit  kann  auch  der  faradische 
Strom  angewendet  werden,  bei  eben  derselben  Position  der  Elektroden. 
Bei  Patienten,  die  nicht  übermässig  empfindlich  sind,  mag  man  sich 
auch  der  inneren  Applikation  der  Elektrizität  in  der  Weise  bedienen, 
dass  man  mit  einer  katheterförmigen  Elektrode  (§  99)  in  die  Harn- 
röhre eingeht  und  dieselbe,  je  nach  dem  man  auf  den  Schliess-  oder 
Austreibungsmuskel  einwirken  will,  nur  bis  zum  Sphincter  oder  in  die 
(wenn  vorher  leere,  mit  lauem  Wasser  zu  füllende)  Blase  hinein  vor- 
schiebt, während  die  andere  Elektrode  hinten  auf  den  Lendenwirbeln, 
oder  über  der  Symphyse  oder  endlich  an  dem  Damm  ruht.  Beide 
Stromesarten  können  in  Anwendung  gezogen  werden;  bei  der  Be- 
nutzung des  galvanischen  Stroms  hüte  man  sich  wegen  der  nahe- 
liegendeu  Gefahr  elektrolyiischer  Einwirkung  auf  die  Schleimhäute 
vor  zu'  langer  Dauer  der  Sitzung  und  stärkeren  Strömen:  überhaupt 
dürfte  die  Mehrzahl  aller  Erkrankten  die  äussere  Applikation  vorziehen. 
Eine  weniger  angreifende  Methode,  möglichst  starke  Stromschleifen 
zur  Blasenmuskulatur  gelangen  zu  lassen,  besteht  darin,  dass  man 
eine  Mastdarmelektrode  in  den  Mastdarm  einführt,  während  die  andere 
über  der  Symphyse  ruht. 

Es  braucht  hier  nicht  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
auch  unabhängig  von  schwereren  Störungen  des  zentralen  oder  peri- 
pherischen Nervensystems  Schwächezustände  der  Blase  bei  Leuten 
mit  chronischen  Erkrankungen  der  Harnröhre  (Verengerungen  etc.), 
bei  Onanisten,  bei  neurasthenischen  und  hysterischen  Lidividuen  vor- 
kommen: neben  einer  Allgemeinbehandlung  des  Grundleidens  wird 
eine  im  obigen  Sinne  vorsichtig  geleitete  elektrische  Kur,  die  oft 
wochenlang  fortzusetzen  ist,  in  nicht  wenigen  Fällen  von  erheblichem 
Nutzen  sein. 

Das  vornehmlich  bei  Kindern  zu  beobachtende  Leiden  der  Enu- 
resis nocturna  ist,  abgesehen  von  den  üblichen  Mitteln  (Kaltwasser- 


§  198,  199.  Impotenz.  451' 

behandlung,  wiederholtes  Erwecken  aus  tiefem  Schlaf  und  Anhalten 
7Air  Blasenentleerung,  medikamentöse  Einwirkung  etc.)  recht  vorteil- 
haft durch  obige  Methode  der  Blasenelektrisation  zu  behandeln.  .Be- 
sonders hervorzuheben  wären  hier  die  von  SeeligmüUer^^^  ver- 
öffentlichten Erfolge,  welcher  das  Leiden  mittelst  eines  einige  Minnten 
hindurch  angewendeten  faradischen  Stroms  so  behandelte,  dass  der  in 
einem  1 — 2  Ctm.  langen,  etwas  dickeren  Metalldraht  bestehende  nega- 
tive Pol  in  die  Harnröhre  etwa  V2  —  1  Zoll  weit  eingeführt  wurde, 
während  die  mit  dem  positiven  Pol  verbundene  Elektrode  über  der 
Symphyse  ruhte  (massig  starker  Strom,  Sitzungen  im  Ganzen  8 — 10, 
von  etwa  3 — 5  Minuten  langer  Dauer).  Auch  Rossbach^^^  empfiehlt 
bei  diesem  Leiden  die  intravesikale  elektrische  Behandlung,  neben 
welcher  die  perkutane  nur  eine  minimale  Wirkung  habe. 

§  199.  Neben  den  Störungen  in  der  Funktion  der  Harnblase 
sind  es  vorwiegend  Leiden  der  (männlichen)  Geschlechts- 
organe, die  in  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  durch  elektrothera- 
peutische  Prozeduren  Linderung  und  Heilung  finden.  Auch  hier  mag 
vorangeschickt  Averden,  dass  bei  jedem  einzelnen  Fall,  in  welchem 
über  das  zu  häufige  Auftreten  von  Pollutionen,  über  Spermatorrhoe, 
über  Impotenz  geklagt  wird,  eine  genaue  Untersuchung  des  Kranken 
vorauszugehen  hat.  Abgesehen  von  Leiden  des  Genitalapparats  selbst 
(Folgen  des  Trippers,  Harnröhrenverengerung,  Hodenentzündung  und 
Atrophie,  Varicocele  etc.)  sind  es  wieder  die  Erkrankungen  des 
Zentralnervensystems,  speziell  des  Rückenmarks,  die  unsere  diagnostische 
Aufmerksamkeit  speziell  ins  Auge  zu  fassen  hat.  Nicht  selten  sind 
abnorme  Reizzustände  (Satyriasis) ,  vermehrte  Pollutionen  oder  um- 
gekehrt zu  frühe  Ejakulation,  unvollkommene  Erektion  gerade  so  wie 
ein  etwaiges  Leiden  der  Blasenfanktion  der  allererste  (selten  wohl  der 
einzige)  Ausdruck  eines  beginnenden  Rückenmarkleidens  speziell  der 
Tabes:  daher  auf  das  Vorhandensein  der  Kniephänomene,  der  lanzini- 
renden  Schmerzen,  des  Verhaltens  der  Pupillen  etc.  zu  achten. 

In  solchen  Fällen  ist  also  in  erster  Linie  Behandlung  des  Grund- 
leidens in  Angriff  zu  nehmen  und  die  Ausübung  des  Beischlafes  vor- 
läufig zu  widerraten.  Liegt  eine  organische  Läsion  der  Samen  be- 
reitenden oder  fortführenden  Organe  vor,  so  ist  diese  nach  allgemein 
therapeutischen  (oft  chirurgischen)  Grundsätzen  zu  behandeln. 

Neben  derartigen  Patienten  finden  sich  indessen  viele,  bei  denen 
sich  kein  organisches  Leiden  nachweisen  lässt:  es  sind  teils  durch 
frühere  Exzesse  (Onanie,  übermässig  exekutirten  Beiscldaf)  erschöpfte 

2d* 


'452  Pollutionen,  Spermatorrhoe.  Kap.  XXVII. 

Individuen,  teils  Menschen,  welche  zu  der  oben  (§  185)  geschilderten 
Klasse  der  Neurastheniker  (speziell  der  Myelastheniker)  gehören,  teils 
Leute,  welche  in  Folge  einer  gewissen  psj'^chischen  Anlage  oder  wegen 
einer  bis  weit  in  das  Mannesalter  hinein  geübten  Enthaltung  die  Aus- 
übung des  Beischlafes  als  etwas  für  sie  Unausführbares  ansehen.  — 
Dass  für  derartige  populär  ausgedrückt  »^nervöse"  Individuen  die 
psychische  Behandlung  von  Seiten  des  Arztes  oft  das  Wichtigste 
leistet,  mehr  als  eine  medikamentöse,  hydropathische  und  elektro- 
therapeutische  Behandlung,  davon  haben  wir  uns  in  einer  jahrelangen 
Praxis  auf  das  Bestimmteste  überzeugen  können.  Nicht  selten  in- 
dessen finden  sich  bei  gewissen  Individuen  auch  ganz  bestimmte  Ano- 
malien, die  durchaus  passend  gerade  mittelst  der  Elektrizität  zu  be- 
handeln sind.  So  trift  man  nicht  selten  eine  bedeutende  Unerapfind- 
licbkeit  des  Penis  und  seiner  Umgebung  an,  die  zweckentsprechend 
mittelst  des  faradischen  Pinsels  (eine  Elektrode  am  Damm-  oder  in 
der  Gegend  der  Lendenwirbel)  behandelt  wird.  Handelt  es  sich  um 
eine  Ueberreizung ,  so  kann  man  mittelst  des  konstanten  Stroms 
(Anode,  breite  Platte  in  der  Gegend  der  Lendenwirbel,  Kathode  am 
Damm)  die  abnorme  Erregbarkeit  dieses  Centrum  genitospinale  zu 
beeinflussen  versuchen;  der  faradische  Strom  am  Damm  vermag  der 
etwaigen  Erschlaffung  der  Mm.  ischio-  und  bulbocavernosi  entgegen 
zu  arbeiten. 

Pollutionen  und  Spermatorrhoe  werden  vorwiegend  durch 
galvanische  Beeinflussung  des  Rückenmarks  und  speziell  seines  Lenden- 
teils behandelt,  wovon  unter  Anderen  Neumann  =^-^0  ausgezeichnete 
Erfolge  mitgeteilt  hat.  Nach  Möbius  ='•'''  erzielt  man* bei  der  Sperma- 
torrhoe nervöser,  organisch  nicht  kranker  Individuen  gute  Erfolge 
durch  folgende  Behandlungsmethode:  Eine  Mastdarmelektrode  wird 
5  —  6  Ctm.  hoch  in  das  Rektum  eingeführt,  die  andere  bleibt  am 
Damm.  Nach  Applikation  eines  massig  starken,  an-  und  abschwellen- 
den faradischen  Stromes  lässt  man  die  Galvanisation  in  der  Weise 
folgen,  dass  die  Kathode  im  Rektum  bleibt,  während  die  Anode  stabil 
auf  die  Lendenwirbelsäule  gesetzt  wird.  Dauer  der  ganzen  Sitzung 
3 — 5  Minuten. 

Nicht  oft  genug  kann  den  eigentümlich  hochgespannten  Erwar- 
tungen der  mit  den  elektrotherapeutischen  Prozeduren  nicht  ganz  ver- 
trauten Kollegen  gegenüber  wiederholt  werden,  dass  in  gar  manchen 
Fällen  all'  unser  Mühen  hier  ganz  ebenso  oft  wie  in  der  übrigen 
Praxis  ohne  Erfolg  bleibt:  den  auch  von  durchaus  kompetenter  Seite 
veröffentlichten  Erfolgen  in  einzelnen  Fällen  stehen   die   eben   nicht 


§  199,  200.  Menstruatiotisanomalien.  453 

publizirteii  Fälle  gegenüber,  wo  die  Resultate  nur  nicässige  oder 
gleich  Null  waren,  eine  Bemerkung,  die  wir  übrigens  durchaus  ver- 
allgemeinern und  als  für  eine  Anzahl  der  betreffs  therapeutischer 
Massnahmen  bestehenden  Berichte  giltig  hinstellen  können. 

§  200.  Was  die  Einwirkung  der  Elektrizität  auf  die  Krank- 
heiten der  weiblichen  Geschlechtsorgane  betrifft,  so  fand  die- 
selbe schon  früh  als  ein  mächtig  erregendes  Mittel  Anwendung  in 
Fällen  von  mangelhafter  oder  fehlender  Menstruation  (Ame- 
norrhoe). Hiergegen  sind  schon  im  vorigen  Jahrhundert  die  elek- 
trischen, durch  Konduktoren  auf  die  Innenseite  der  Oberschenkel,  an 
die  Symphyse  oder  in  die  Ovarialgegenden  gerichteten  Entladungen 
der  Elektrisirraaschine  benutzt  worden.  Eine  wohl  von  jedem  be- 
schäftigteren Elektrotherapeuten  öfter  gemachte  Beobachtung  ist  es, 
dass  die  Anwendung  der  Elektrizität,  sei  es  des  faradischen  oder  des 
galvanischen  Stroms  vornehmlich  im  Bereich  des  Rückens  eine  zögernde 
Menstruation  der  Zeit  nach  beschleunigt,  bezw.  eine  spärliche  zu  einer 
profusen  machen  kann.  Daher  mag  als  ein  allgemein  giltiger  Satz 
hingestellt  werden,  dass  elektrotherapeutische  Prozeduren  bei  Frauen, 
auch  wenn  die  Geschlechtsteile  oder  der  Unterleib  direkt  gar  nicht 
behandelt  werden,  zur  Zeit  der  Menstruation  beschränkt  oder  für  3  bis 
4  Tage  ausgesetzt  werden  mögen,  wenn  man  nicht  eben  gerade  durch 
ihre  Anwendung  amenorrhoische  Zustände  bessern  will.  Als  direkte 
Behandlungsmethode  mag  man  einen  stärkeren  galvanischen  Strom 
von  der  Lendenwirbelsäule  nach  den  Weichen  hin  gehen  lassen,  wie 
dies  Althaus ^^2  empfiehlt,  oder  einen  faradischen  Strom  (bezw.  den 
Pinsel)  auf  solche  Hautstellen  einwirken  lassen,  von  denen  aus  eine 
reflektorische  Einwirkung  erfolgen  mag  (Innenseite  der  Oberschenkel-, 
Kreuzbein-,  Symphysengegend,  Brust,  Fusssohlen),  wie  dies  z.  B.  von 
Schulz  in  Vorschlag  gebracht  worden,  ist. 

Eine  andere  Anomalie  der  Menstruation,  die  Dysmenorrhoe, 
ist  besonders  von  NefteP^^  (vgl.  §  178)  mit  günstigem  Erfolge  durch 
den  konstanten  Strom  behandelt  worden;  an  dem  zitirten  Orte  findet 
sich  auch  die  Methode  des  Weiteren  auseinandergesetzt.  Tripier^^* 
wendet  bei  Jungfrauen  die  von  ihm  sogenannte  Faradisation  lombo- 
suspubienne  an:  mittelstarke  Ströme,  Sitzungen  von  5  —  10  Minuten 
Dauer.  Andere,  wie  besonders  Mann  ='•'•'  empfehlen  die  Applikation 
einer  katheterförmigen  Uteruselektrode  (und  zwar  die  Anode)  direkt 
am  Oriticium  uteri,  während  die  Kathode  an  den  Lendenwirbeln  ruht 
(Sitzungen  von  etwa  G— 10  Minuten  Dauer,  mittelstarke  Ströme:   die 


454  Metritis;  Lageveränderungeu  des  Uterus.  Kap.  XXVU. 

Sitzungen  werden  nur  in  den  Zwischenräumen  zwischen  je  zwei 
Perioden  anberaumt,  einen  Tag  um  den  andern). 

In  neuester  Zeit  sind  ähnliche  Beobachtungen  über  günstige  Beein- 
flussung der  Amenorrhoe  oder  der  Dysmenorrhoe  durch  die  Elektrizität 
besonders  von  Möbius^-'^'^,  Good^^^,  Rothe^^^  und  anderen  mitgeteilt 
worden. 

Neben  diesen  Funktionsstörungen  sind  nun  aber  auch  wirkliche 
Erkrankungen  des  Uterus  selbst,  so  vor  allem  die  Lageverände- 
rungen desselben  und  seine  chronische  Entzündung  der  Gegen- 
stand elektrotherapeutischen  Bemühens  geworden,  da  ja  gerade  hier 
bei  einem  muskulösen  Organ  die  Beeinflussungsmöglichkeit  durch  die 
Elektrizität  nahe  gelegt  war.  Der  galvanische  Strom  sowohl  wie  der 
.faradische  ist  benutzt  worden,  vorwiegend  übrigens  der  letztere. 

Bei  chronischer  Metritis  empfehlen  Beau^^^  und  Tripier^*"* 
die  Faradisation  in  der  Weise,  dass  eine  Elektrode  in  den  Uterus 
direkt  eingeführt  Avird,  während  die  andere  auf  dem  Unterleib  (ober- 
halb der  Symphyse)  ruht  (tägliche  Sitzungen  von  3 — 4  Minuten  Dauer, 
2—3  Wochen  hindurch).  Bei  Lageveränderungen  sind  die  Appli- 
kationen je  nach  dem  Anteversionen  oder  Anteflexionen  oder  Retro- 
versionen und  Retroflexionen  bestehen,  verschiedene:  Bei  Anteversionen 
wird  von  Tripier^^'^  die  Faradisation  recto-uterine  empfohlen:  die 
eine  Elektrode  (die  positive)  befindet  sich  als  Mastdarmelektrode  in 
möglichster  Nähe  der  hinteren  Uteruswand,  die  andere  (die  negative) 
im  Uterus  selbst.  Die  Sitzungen  sollen  3  Minuten  dauern  und  zuerst 
täglich  anberaumt  werden:  bei  Versionen  können  sie  häufiger  statt- 
finden; die  ganze  Behandlung  beansprucht  nur  eine  relativ  kurze  Zeit: 
bei  Flexionen  sollen  die  Sitzungen  seltener,  die  Dauer  der  ganzen 
Behandlung  aber  eine  längere  sein.  Dieselben  Verhaltungsmassregeln 
werden  für  die  Retroversionen  und  Retroflexionen  empfohlen,  nur  dass 
hier  die  Faradisation  vesico-uterine  in  Anwendung  kommt:  die  eine 
Elektrode  ruht,  wie  oben,  im  Uterus  selbst,  die  andere  in  der  Blase, 
um  so  auf  die  vordere  Gebärmutterwand  einzuwirken.  Bei  Gebär- 
muttersenkungen, besonders  wenn  nebenbei  noch  Lageveränderungen 
nach  vorn  oder  hinten  bestehen,  empfiehlt  eben  dieser  Autor  dieselben 
Methoden,  wie  die  eben  beschriebenen:  je  nachdem  durch  die  manuelle 
Untersuchung  sodann  noch  Erschlaffungen  des.  Fundus,  der  Vagina 
oder  der  Uterusbänder  festgestellt  ist,  ordnet  er  eine  sogenannte  biab- 
domino-uterine,  oder  biinguinoutcriue  und  vaginouterine  Faradisation 
(ein  Pol  im  Uterus,  der  andere,  geteilt,  in  den  Weichen  etc.)  an. 


§  201,  202.  Elektrizität  in  der  Geburtshilfe.  455 

B.  .  §  -Ol.    AVeder  in  diesen  Fragen,  noch  in  den  hier  anhangsweise 

I  zu  berührenden  von  der  Anwendung  der  Elektrizität  in  der 
Geburtshilfe  stehen  uns  irgendwie  ausreichende  eigene  Erfahrungen 
zu  Gebote.  Drei  Dinge  vornehmlich  sind  es,  die  man  auf  diesem 
Gebiete  durch  elektrotherapeutische  Prozeduren  zu  erreichen  anstrebt: 
1)  Anregung  der  etwa  erschlaffenden  Wehentätigkeit  durch  (meist 
perkutane)  Faradisation  des  Uterus  (beide  Elektroden  auf  dem  Unter- 
leib, bczw.  die  eine  in  der  Lendengegend);  2)  kräftige  Kontraktionen 
der  Gebärmutter  bei  Erschlaffungen  des  von  der  Frucht  befreiten 
Organs  (bei  auf  Atonie  der  Uteruswandungen  beruhenden  Blutungen); 
3)  die  Einleitung  einer  künstlichen  Frühgeburt.  Gerade  um  letzteren 
Zweck  zu  erreichen,  besitzen  die  Geburtshelfer  heute  wohl  sicherere 
Methoden,  als  die  Applikation  der  Elektrizität;  in  Bezug  auf  die  An- 
regungen von  Uteruskontraktionen  bei  Wehenschwäche  oder  atonischen 
Zuständen  nach  der  Geburt  scheinen  die  Meinungen  der  verschiedenen 
Autoren  noch  so  geteilt,  dass  diesen  Prozeduren  neben  den  Lobrednern 
ebenso  viele  Tadler  erwachsen  sind.  Zu  den  letzteren  gehört  z.  B. 
Simpson^*"'',  während  Macke nzio^^-  und  Dempsey^*^^  bei  Wehen- 
schwäche und  Metrorrhagie  glänzende  Erfolge  erzielt  haben. 

In  Bezug  auf  die  Anwendung  der  Elektropunktur  zur  Entfernung 
schwer  zugänglicher  Uterusneubildungen  oder  den  Gebrauch  des  einen 
oder  anderen  Pols,  um  geschwürige  Flächen  am  Gebärmutterhalse  oder 
innen  im  Uteruskanal  zu  ätzen,  verweisen  wir  auf  die  kurzen  Bemer- 
kungen in  Teil  L  S.  192.  Besondere  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete 
stehen  uns  nicht  zur  Verfügung. 

In  aller  Kürze  sei  hier  noch  der  neuerdings  von  A  postoli-'''* 
gerühmten  Methode  gedacht,  als  prophylaktisches  Mittel  (zur  Ver- 
hütung von  Metritiden  und  Anschoppungen  des  Uterus)  unmittelbar 
nach  einer  gleichviel  ob  rechtzeitig  oder  nicht  beendeten  Entbindung 
den  faradischen  Strom  anzuwenden.  Nach  einer  normalen  Entbindung 
applizirt  Apostoli  dcu  Strom  8  — 10  Mal  in  G  Tagen;  nach  einer 
schwierigen  Entbindung  oder  nach  einem  Abort  15 — 20  Mal  während 
10 — 15  Tagen.  Die  Methode  sei  durchaus  gefahrlos  und  die  Erfolge 
ausgezeichnet. 

§  202.  Anhangsweise  mögen  hier  noch  die  elektrotherapeutischen 
Bestrebungen  Erwähnung  finden,  die  von  einigen  Seiten  (namentlich 
von  französischen  Autoren  wie  Becquerel'^*^-'',  Aubert-"^*^)  zur  Be- 
lebung versiegender  Milchsekretion  bei  Säugenden  gemacht 
worden    sind,     Nach    Anwendung    eines    massig    starken    faradischen 


456  Anomalien  der  Milch-  und  Schvveisssekretiou.  Kap.  XXVIl. 

Stromes  (Applikation  feuchter  Elektroden  unmittelbar  auf  die  Drüse, 
Beginn  mit  schwachen,  erst  allmählich  zu  mittlerer  Stärke  gesteigerten 
Strömen,  Sitzungen  von  5 — 10  Minuten  Dauer)  haben  oben  genannte 
Autoren  nach  3 — 6  Sitzungen  höchst  günstige  Erfolge  zu  verzeichnen 
gehabt. 

In  Kürze  mag  hier  noch  die  Anwendung  der  Elektrizität  zur 
Hervorrufung  einer  stockenden  oder  verschwundenen  Schweissexkre- 
tion  erwähnt  werden.  Neuere  Untersuchungen,  namentlich  die  von 
Adamkiewicz^^'  lehrten,  dass  faradische  Reizung  der  N.  tibialis, 
medianus,  facialis  etc.  Schweisssekretion  an  den  Hautbezirken  hervor- 
brachten, in  welchen  diese  Nerven  ihre  Endausbreitung  fanden.  Aber 
auch  reflektorisch  durch  Reizung  der  sensiblen  Nerven  beliebiger  Haut- 
partien Hess  sich  eine  übrigens  stets  bilateral-symmetrische  Schweiss- 
sekretion hervorbringen,  und  zwar  unabhängig  von  dem  Ort,  an 
welchem  der  erregende  sensible  Reiz  eingewirkt  hatte.  Das  ganze 
Rückenmark,  speziell  die  Med.  oblongata  stellt  nach  oben  genanntem 
Autor  einen  Sammelpunkt  für  sämmtliche  Schweisssekretionsfasern  dar, 
welche  durch  die  vorderen  Wurzeln  der  Spinalnerven  das  Rückenmark 
verlassen.  So  kann  man  demnach  das  Wiedereintreten  etwa  unter- 
drückter Fussschweisse  durch  faradische  Reizung  der  grossen  Nerven 
der  Unterextremitäten  oder  durch  faradische  Bepinselung  der  Haut 
der  Füsse  wieder  hervorzurufen  versuchen:  wir  erinnern  hier  zugleich 
an  die  (S.  333)  schon  mitgeteilten  Erfahrungen  M.  Meyer's^^^  der 
bei  der  Galvanisation  des  Halsteils  des  Marks  eine  profuse  Schweiss- 
sekretion an  den  Fingern  der  Hand  ausbrechen  sah  (und  zwar  an  der 
Seite,  wo  die  Kathode  am  obersten  Halsganglion  des  Sympathikus 
stand,  während  die  Anode  am  Proc.  transv.  des  6.  und  7.  Hals- 
wirbels der  entgegengesetzten  Seite  ruhte). 

Wenn  man  so  einen  ungefähren  Anhaltspunkt  hat,  in  welcher 
Weise  das  Symptom  der  abnormen  Trockenheit  eines  Körperteils 
(Anidrosis)  etwa  zu  beeinflussen  Aväre,  so  kann  dies  für  den  ent- 
gegengesetzten Zustand  einer  übermässigen  Schweisssekretion  (Hy- 
peridrosis),  wie  diese  z.  B.  an  den  Volarflächen  der  Hände  (dort 
meist  doppelseitig)  oder  am  Gesicht  und  hier  meist  einseitig  (Hemi- 
hyperidrosis)  vorkommt,  leider  nicht  gesagt  werden.  Wo  derartige 
Erscheinungen  in  Verbindung  mit  abnormen  Innervationszuständen  der 
Gefässe  (am  Gesicht,  vornehmlich  des  Sympathikus)  auftreten,  mag 
man  durch  entsprechende  Beeinflussung  der  Gefässnerven  oder  deren 
Zentren  (vgl.  S.  418)  auch  die  abnorme  Schweisssekretion  zu  be- 
kämpfen versuchen.     Nicht   immer    aber   ist    die  Möglichkeit   hierzu 


§  202,  203.  Struma,  Bubonon.  457 

gegeben,  da  Anomalien  der  Schweissabsonderuug  auch  unabhängig 
von  irgend  einer  Gefässneurose  auftreten  können:  weitere  Erfahrungen 
müssen  hier  erst  noch  gemacht  werden,  ehe  über  den  Wert  oder  die 
'Nutzlosigkeit  elektrotherapeutischor  Prozeduren  ein  endgiltiges  Urteil 
gefällt  werden  kann. 

§  203.  Nur  um  den  Zusammenhang  nicht  zu  stören,  haben  wir 
oben  (S.  448),  als  von  den  Versuchen  einer  mittelst  der  Elektrizität 
zu  erstrebenden  Milzverkleinerung  die  Rede  war  nicht  auch  zugleich 
der  Bestrebungen  gedacht,  Erkrankungen  anderer  drüsiger 
Gebilde,  so  besonders  der  Lyraphdrüs-en  und  der  Schild- 
drüse, mittelst  des  faradischen  oder  des  galvanischen  Stroms  zu 
behandeln. 

Schon  bei  der  Besprechung  der  Elektrotherapie  der  Basedow'schen 
Krankheit  (S.  419)  wurde  erwähnt,  dass  viele  Autoreu  neben  der 
Galvanisation  am  Halse  direkt  durch  die  vergrösserte  Glandula  thy- 
reoidea  einen  (mittelstarken)  galvanischen  Strom  (Stromesrichtung 
wechselnd)  hindurchsenden  und  dadurch  eine  beschleunigte  Verkleine- 
rung des  pathologisch  vergrösserten  Organs  erzielt  haben.  Besonders 
günstige  Resultate  hat  Chvostek-'''''^  in  Wien  zu  verzeichnen  gehabt, 
nachdem  übrigens  schon  von  R.  Remak^^°  auf  diesem  Woge  positive 
Ergebnisse  erzielt  waren.  Auch  die  Lymphdrüsenschwellungen  am 
Halse  oder  in  der  Lendengegend  konnten  durch  diese  Methode  per- 
kutaner Galvanisation  von  eben  jenen  Autoren,  denen  noch  Onimus 
und  Legros  anzureihen  wären,  günstig  beeinflusst  werden,  während 
der  faradische  Strom  zur  Verkleinerung  selbst  ganz  immenser  Lymph- 
drüsenpackete  zwar  schon  von  Duchenne,  ganz  besonders  aber  in 
neuerer  Zeit  von  M.  Meyer"'  benutzt  wird.  Die  für  eine  derartige 
Behandlung  meist  übermässig  lange  Zeitdauer  glaubt  derselbe  Autor 
durch  wiederholte  Unterbrechungen  eines  ausserordentlich  kräftigen 
Induktionsstroms  erheblich  abkürzen  zu  können;  bisweilen  sollen  der- 
artige Drüsenschwellungen  in  wenigen  Minuten  sichtlich  verkleinert, 
erweicht  resp.  in  mehrere  kleinere  Packete  >) zerspalten''  werden. 

Nur  ganz  kurz  mögen  noch  die  Versuche  einiger  Autoren  hier 
Erwähnung  finden  Hodenentzündungen,  Prostataschwellungen, 
indolente  Bubonen  durch  schwache,  höchstens  mittelstarke  galva- 
nische Ströme  günstig  zu  beeinflussen  (Cheron^^,  Moreau-Wolf "-, 
Chvostek"-'^),  ebenso  wie  wir  nur  in  aller  Kürze  und  der  Voll- 
ständigkeit wegen  der  Bestrebungen  einiger  gedenken  wollen,  torpide 
oder    infizirte  Geschwüre .  mittelst    des    konstanten    Stroms    (speziell 


458  Rehandluno;  von  Geschwüren.  Kap.  XXVII. 

durch  Anlegen  des  positiven  Puls  oder  der  positiven  ,3Ietaliplcitte") 
zu  heilen.  Diese  letzteren  Versuche  bilden  gewissermasscn  den  Ucber- 
gang  zu  denjenigen  Massnahmen,  welche  der  Elektrolyse,  der  Elcktro- 
punktur  zufallend,  durch  die  die  Gewebsbestandteile  zersetzende  und 
damit  ätzende  Kraft  des  galvanischen  Stromes  schon  in  das  Bereich 
der  chirurgischen  Prozeduren  gehören,  welches  Gebiet  hier  nicht 
weiter  betreten  werden  soll  (vergl.  Teil  I.  S.  192):  die  oben  er- 
wähnten Anwendungsweisen  des  Stroms  bei  Eni  Zündungen  der  Hoden 
oder  der  Vorsteherdrüsen  werden  von  den  Chirurgen  von  Fach  Avohl 
kaum  den  sonst  gebräuchlichen  Methoden  der  Behandlung  vorgezogen 
werden. 


Kapitel  XXVIII. 
Metalloskopie,  Metallotherapie,  Statische  Elektrizität. 


§  204.  Vor  jetzt  mehr  als  zwanzig  Jahren  wurde  zum  ersten 
Mal  von  Dr.  Burq  zu  Paris  bei  Leidenden,  deren  Sensibilität  durch 
verschiedene  Krankheitszustäiide  herabgesetzt  war,  der  günstige  Ein- 
fluss  der  äusseren  Applikation  verschiedener  Metalle  bemerkt  (Me- 
talloskopie). 

Nicht  alle  Kranken  wurden  von  einem  und  demselben  Metalle 
in  gleich  günstiger  Weise  beeinflusst:  bei  dem  einen  war  es  das  Gold, 
bei  dem  andern  Eisen,  Kupfer  oder  Zink,  dem  er  therapeutische  Er- 
folge verdankte.  Die  Untersuchungen  einer  auf  Burq's  Bitte  von 
der  biologischen  Gesellschaft  zu  Paris  im  April  1877  ernannten 
Kommission,  der  Charcot,  Luys  und  Dumontpellier  angehörten ^''•\ 
erwies  die  Richtigkeit  der  von  Burq  behaupteten  Tatsachen:  bei 
halbseitig  hemianästhetischen  Hysterischen  kehrte  nach  dem  Auflegen 
von  Metallplatten  auf  anästhetische  Hautstellen  nicht  allein  am  Ort 
der  Applikation  die  Sensibilität  zurück  (auch  die  Funktionsstörungen 
der  Sinnesorgane  der  hemianästhetischen  Seite  schwanden),  sondern 
an  der  ganzen  leidenden  Körperhälfte.  Zu  gleicher  Zeit  hob  sich  die 
gesunkene  Temperatur  und  die  geschwächte  Muskelkraft  an  der  kranken 
Seite.  Merkwürdigerweise  verlor  aber  die  nicht  behandelte  gesunde 
Seite  an  Empfindungsvermögen  und  Kraft,  was  die  kranke  durch  die 
Behandlung  gewann,  eine  Tatsache,  von  der  Gelle ^^^  die  Kommission 
bei  seinen  Gehörsinnsprüfungen  zuerst  überzeugte  und  welche  Lan- 
dolt^^"^  für  das  Farbenunterscheidungsvermögen  derartiger  Kranker 
bestätigte.  Diese  Erscheinung  nannte  man  transfert.  Nach  der 
Kommission  (Charcot)  handelte  es  sich  bei  diesen  Wirkungen  der 
Metallauflegungen  um  schwache,  durch  den  Kontakt  der  Metalle  mit 
der  Haut  bedingte  elektrische  Ströme,  eine  Idee,  die  von  Regnard •"^''^ 
mittelst  sehr  empfindlicher  Galvanometer  geprüft,   positive  Resultate 


"i^O  Metalloskopie.  Kap.  XXVIll. 

ergab.  Es  zeigte  sicli  aueh,  dass  ebenso  wie  nur  gewisse  Metalle 
einen  günstigen  Eflekt  bei  denselben  Individuen  hatten,  andere  nicht 
(Idiosynkrasie),  so  auch  Ströme  von  bestimmter  Stärke,  z.  ß.  von  '2'^ 
Nadelablenkung,  vorteilhaft  waren,  andere,  wenn  auch  stärkere,  z.  13. 
von  15"  Nadelausschlag,  durchaus  unwirksam  blieben.  AVeitere  Steige- 
rung der  Stromstärke  ergab  dann  häutig  wieder  günstige  Resultate 
(Regnard's  neutrale  Punkte).  Uebrigens  waren  die  von  diesem  Autor 
angewandten  Ströme  von  der  Stärke  physiologischer  Nervenströme. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  weiter  auf  diese  hoch  interessanten 
Versuche,  welche  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  erweitert  wurden, 
einzugehen:  für  uns  genügt  es  zu  erwähnen,  dass  ganz  schwache,  von 
konstanten  Ketten  gelieferte  Ströme,  ja  dass  auch  die  Anwendung  von 
Magneten  in  ähnlicher  Weise  applizirt,  ähnliche  Resultate  ergaben. 
In  welcher  Weise  die  bei  der  Metallauflegung  zu  Stande  kommenden 
schwachen  Ströme  erzeugt  werden,  worüber  die  Ansichten  der  Autoren 
Regnard,  Vigouroux"^^  Eulen burg"^  auseinandergehen,  dies  zu 
erfahren  ist  für  unsere  Zwecke  um  so  mehr  irrelevant,  als  die  Unter- 
suchungen von  WestphaP^^  Adamkiewicz="^  Schiff=^^"  nach- 
wiesen, dass  auch  das  Auflegen  durchaus  unelektrischer  Substanzen, 
oder  die  Applikation  eines  Senfteiges,  oder  sehr  rasch  schwingender 
Körper  (Schiff)  ähnliche  Resultate  hatten.  Genug,  dass  durch  diese 
Untersuchungen  gezeigt  wurde,  wie  uns  in  ganz  schwachen  galvanischeu 
Strömen  ein  Mittel  gegeben  ist,  schwere  Zustände  von  Anästhesie  der 
Haut  und  Sinne  speziell  bei  Hysterischen  zu  behandeln,  ja  sogar  durch 
die  Hilfe  derartiger  Prozeduren  auch  die  Beseitigung  sonst  nicht  be- 
siegbarer Kontrakturen  in  Angriff  zu  nehmen.  So  hat  z.  B.  Vigou- 
roux^^''^  durch  die  Applikation  eines  Magneten  an  die  erkrankte  (kon- 
trakturirte)  Seite  künstlich  (durch  Transfert)  an  der  gesunden  Seite 
einen  derartigen  Zustand  produzirt,  der  später  durch  eine  faradische 
Behandlung  der  Antagonisten  vorteilhaft  behandelt  wurde. 

Ganz  besonders  wichtig  aber  erscheinen  alle  diese  Dinge,  wenn 
sich  bei  späteren  Nachprüfungen  die  Angaben  Charcot's  bestätigen 
sollten,  dass  in  zwei  Fällen  von  auf  organischen  Läsionen  beruhenden 
cerebraleu  Hemianästhesien  durch  Metallaufleguug  die  Sensibilität  in 
allen  ihren  Qualitäten  schnell  wieder  hergestellt  wurde.  Zum  Unter- 
schiede von  den  Erfolgen  bei  Hysterischen,  bei  denen  nach  höchstens 
24  Stunden  das  alte  abnorme  Verhalten  wiederkehrte,  waren  die  bei 
organischen  Läsionen  erzielten  Resultate  dauernd.  Bei  verschiedenen 
Fällen  spinaler  Anästhesie  dagegen  (bei  Tabes,  chronischer  Myelitis) 
wurde  nie  das   geringste  Resultat  erzielt.     Aus  dem  Mitgeteilten  er- 


§  204,  205.  Statische  (Spannungs-)  Elektrizität.  461 

hellt  demnach,  dass  sich  die  Metallotherapie  mit  Vorteil  bei  hemi- 
anästhetischen  Zuständen  (besonders  hysterischer  Personen)  verwerten 
und  dass  sich  diese  Wirkvmg  durch  schwache  galvanische  Ströme  in 
gleicher  Weise  erreichen  lässt. 

§  205.    Die  im  vorigen  Jahrhundert  begonnenen,  aber  gegen  Ende 
desselben  in  Folge  der  Entdeckung  der  Kontaktelektrizität  mehr  nnd 
mehr  vernachlässigten  Versuche,    die    »statische^*    oder  die  Span- 
nungselektrizität, wie  sie  die  üblichen  Elektrisirmaschinen  mid  die 
Leydener  Flasche  lieferten,   zur  Heilung  krankhafter  Zustände  zu  be- 
nutzen,   sind   neuerdings   wieder   von    den   verschiedensten   Seiten  her 
aufgenommen  worden.     Schon  1846   veröffentlichte  Goldin g  Bird^^^ 
in  der  Lancet  (June)  die  Resultate  seiner  diesbezüglichen  Bestrebungen 
und  teilte  eine  Reihe  günstiger  Erfolge  bei  Bleilähmungen  und  rheu- 
matischen Paralysen  mit;  ähnlich  günstig  in  Bezug  auf  diesen  Gegen- 
stand äussert  sich  in  neuester  Zeit  James  K night 3^-  von  New-York 
in  dessen  Arbeit  ausserdem  noch  die  bestechenden  Erfolge  der  Behand- 
lung mit  der  Leydener  Flasche   erwähnt   werden,   welche  Bermond 
(Bordeaux)    sogar    bei    hemiplegischen  Zuständen    erreicht    hat.     Die 
durch  Holtz  geschaffene  Influenzmaschine   (Teil  I.   S.    18)    und    die 
später  in   Frankreich   und   Deutschland  an   dieser   Vorrichtung    ange- 
brachten  Modifikationen .  und  Verbesserungen   (Carre,    Voss)    gaben 
diesen  Bestrebungen  gewissermassen  einen  neuen  Impuls.    Schon  1868 
stellte  Seh  wand  a^^^  in  Wien  auf  der  Abteilung   von  Fieber  thera- 
peutische Versuche  mit  der  Holtz'schen  Elektrophormaschine  an,  in- 
dem er  die  hierdurch  gelieferten  Ströme  bei  Einschaltung  einer  Luft- 
strecke in  den  Schliessungsbogen   mit  dem  Namen   der  »Spannungs- 
ströme'*   zum    Unterschiede    von    den    faradischen    und    galvanischen 
Strömen    bezeichnete.     Besonders    auffällig    war    die    Wirkung    dieser 
Spannungsströme  auf  die  glatten  Muskeln  der  Haut  und  der  Gefässe, 
welche  die  im  Gefolge  von  Lähmungen  auftretenden  passiven  Hyper- 
ämien und  Schwellungen  der  Haut  sehr  rasch  zum  Schwinden  brachte. 
Bei  Empfmdungslähmungen  ferner  wirkten  die  durch  eine  Luftstrecke 
auf  die  Haut  geschickten  Spannungsströme    weit    kräftiger,    als    die 
mittelst  der  elektrischen  Geissei  auf  die  Haut  applizirten  faradischen 
und  konstanten   Ströme,    und   bei  Paralysen   endlich   sollen   sie   nach 
Schwand a  dasselbe  leisten,  was  die  faradischen  Ströme.     Kurz,  die 
Spannungsströme  sind  nach  ihm  eine  wesentliche  Ergänzung  des  elek- 
trischen Heilapparats.     In   Bezug  auf  die   physiologischen  Wirkungen 
der  Spannungsströme  fand  derselbe  Autor,  dass  der  positive  Pol  saure 


462  Physiologische  Wirkungen  d.  Spannungsströmo.       Kap.  XXVTII. 

Geschmacksempfindung  vorn  an  der  Zunge  erzeugte,  die  beim  Bewegen 
der  Elektrode  zunahm.  Gleichzeitig  traten  die  Papillenspitzen  stark 
hervor  und  die  Sekretion  der  Zungenspitze  wurde  reichlicher.  Selbst 
starke  Ströme  bewirkten  l^eine  Geruchs-  oder  Gehürsempfindungen,  und 
erst  bei  etwas  stärkeren  Strömen  sah  man  Lichtblitze,  die  bei  schneller 
Rotation  der  Scheibe  in  ein  zusammenhängendes  blädich-weisses  Licht 
übergingen.  Besonders  studirt  wurden  von  Schwanda  die  Einwir- 
kungen der  Spannungsströme  auf  die  Haut  (deren  Muskeln  und  Ge- 
fässe) ;  direkt  auf  die  Muskeln  gerichtet  bewirkten  schwächere  Ströme 
klonische  Zuckungen,  starke  Tetanus  der  Muskeln.  Die  Stärke  der 
Ströme  ist  abhängig  von  der  Zahl  der  Umdrehungen  der  rotirenden 
Scheibe  und  von  der  Grösse  der  in  den  Schliessungsbogen  eingeschalteten 
Luftstrecke  bis  zu  einem  nach  der  Grösse  der  Maschine  variirenden 
Maximum  hin.  Im  Gegensatz  zu  faradischen  und  galvanischen  Strömen 
gehen  die  Spannungsströme  durch  Epidermis  und  Kleider:  auch  genügt 
zur  Hervorbringung  der  beschriebenen  Effekte  nur  ein  Pol,  während 
der  andere  auf  die  Erde  abgeleitet  sein  kann.  Fieber^^^  selbst  wider- 
rät die  Anwendung  von  Influenzströmen  bei  cerebralen  Lähmungen, 
bei  Tabes  und  den  meisten  anderen  spinalen  Paralysen.  Die  schnell- 
sten und  besten  Erfolge  beobachtete  er  bei  Bleilähmungen,  bisweilen 
auch  bei  rheumatischen  und  traumatischen  Paralysen.  Die  einfache 
kutane  Anästhesie  wurde  noch  durch  Influenzströme  erfolgreich  be- 
handelt, wenn  Induktions-  und  galvanische  Ströme  sich  ganz  wirkungs- 
los zeigten.  Auch  bei  Neuralgien,  besonders  bei  Hysterischen,  sah  er 
öfter  recht  günstige  Wirkungen. 

§  206.  Von  verschiedenen  Seiten  ist  man  in  neuester  Zeit  diesen 
Bestrebungen  wieder  näher  getreten,  so  in  Deutschland  durch  die 
Frankfurter  Aerzte  Clemens^^%  Stein '^%  in  Frankreich  durch  die 
Aerzte  der  Salpetriere,  in  Avelcher  unter  Charcot's  Auspizien  von 
B.  Vigouroux^^^  und  Ballet^^''  Versuche  namentlich  bei  Hysterischen 
mit  ziemlich  günstigem  Erfolge  angestellt  worden  sind.  Ganz  neuer- 
dings ist  dann  noch  von  Paul  Vigouroux^'^^  (der  sich  in  seiner 
Arbeit  wiederholt  auf  die  Resultate  von  Arthuis  beruft,  die  dieser 
Schriftsteller  in  seinem  Buche:  Traitement  des  maladies  nerveuses  et 
des  aflfections  rhumatismales  par  l'electricite  statique  [Paris  1877] 
niedergelegt  hat)  eine  ausführlichere  Brochüre  über  denselben  Gegen- 
stand erschienen,  während  vereinzelte  Aufsätze  einiger  deutscher  und 
amerikanischer   Autoren    von    dem    wiedererwachenden    Interesse    der 


§  206.  Applikationsmethoden.  403 

heutigen  Aerzte   für   diese    so    lange    vernachlässigte  Behandlungsart 
Kunde  geben. 

Die  Methoden,  die  von  den  Maschinen  gelieferten  Spannungs- 
ströme  den  Kranken  zu  appliziren,  sind  verschiedene.  Beim  »elek- 
trischen Bade"  hält  der  auf  einem  isolirten  Schemel  sitzende 
Patient  die  in  eine  Metallkugel  endende  Zuleitungsröhre  (den  Kon- 
duktor) während  der  Umdrehungen  der  Maschine  in  der  Hand  und 
wird,  je  nachdem  man  von  der  Maschine  aus  die  positive  oder  nega- 
tive Elektrizität  zum  Erdboden  abgeleitet  hat,  mit  der  einen  oder 
anderen  Elektrizität  geladen.  Während  Stein  der  Oberfläche  des 
Körpers,  welche  nach  ihm  sich  in  positiver  Spannung  befindet,  so 
V4  —  1  Stunde  lang  elektropositive  Ladung  zuführt,  wobei  sich  die 
Kranken  äusserst  wohl  und  behaglich  fühlen  (die  negative  Ladung  soll 
eine  gegenteilige  Wirkung  hervorbringen),  hält  P.  Vigouroux  diese 
Unterscheidung  zwischen  positiver  und  negativer  Ladung  für  durchaus 
unwesentlich  und  bedient  sich  immer  des  negativen  Bades.  Nähert 
man  dem  so  elektrisirten  Individuum  eine  mit  metallischen  Spitzen 
besetzte  Platte  (mit  einer  isolirenden  Handhabe  von  Glas),  so  empfindet 
dasselbe  eine  Sensation  wie  von  einem  sanften  Luftzuge  (der  elek- 
trische Hauch  oder  Wind):  diese  Prozedur  wird  als  besonders 
schmerzstillend  gerühmt.  In  stärkerer  Weise  wird  ein  ähnlicher 
Effekt  erzielt,  wenn  dem  Kranken  der  in  eine  einzige  Spitze  auslaufende 
Konduktor  bis  zu  einer  gewissen  Entfernung  genähert  wird:  man  sieht 
dann  im  Finstern  ein  Lichtbüschel  von  dieser  Spitze  ausgehen,  daher 
dieses  Verfahren  Procede  d'aigrette  genannt  wird.  Um  durch 
Friktionen  zu  wirken  (namentlich  auf  die  Haut  selbst)  fährt  man 
mit  einem  in  eine  kleine  Metallkugel  endenden  Exzitator  über  die 
Haut  des  Kranken  hin;  der  Kranke  ist  dabei  bekleidet:  will  man  so 
das  Gesicht  behandeln,  so  wird  die  Metallkugel  des  Exzitators  mit 
Wolle  umhüllt.  Die  energischste  Einwirkung  ist  die  des  Funken 
Entiockens,  indem  man  die  unverhüllte  kuglige  Endigung  des  Exzi- 
tators in  die  Nähe  des  Patienten  bringt:  man  erregt  so  am  stärksten, 
und  wendet  dieses  Verfahren  bei  Lähraungszuständen  an. 

Das  sogenannte  „umgekehrte  Verfahren"  (le  procede  inverse) 
besteht  darin,  dass  der  Arzt  selbst  sich  mit  positiver  oder  negativer 
Elektrizität  ladet  und  die  verschiedenen  nicht  isolirten  Exzitatoren,  die 
er  selbst  in  Händen  hat,  dem  Kranken  nähert,  namentlich  ihm  Funken 
entlockt,  ein  Verfahren,  welches  besonders  für  die  Kinderpraxis  sich 
nötig  erweisen  soll.  Um  endlich  auf  das  Gehörorgan  einzuwirken, 
lässt  Vigouroux  einen  in  zwei  Metallkugeln  (eine  kleinere  (md  eine 


464  Anwendung  der  statischen  Elektrizität.  Kap.  XXVIIT, 

grössere)  auslaufenden  Metallstab,  dessen  Mitte  von  einer  länglichen 
Glashülse  umgeben  und  dadurch  isolirt  ist,  vom  Kranken  in  die  Hand 
nehmen.  Die  kleine  Kugel  wird  von  diesem  so  weit  wie  möglich  in 
den  Gehörgang  eingeführt:  aus  dem  anderen  Ende  zieht  der  Arzt  mit 
Hilfe  eines  ebenfalls  kugelig  endenden  Exzitators  Funken.  Die  Erfolge 
dieser  »schmerz haften^'  Operation. sollen  bei  nervöser  Taubheit  über- 
raschende sein:  Anämische,  chlorotische ,  neuralgische,  rheumatische 
Zustände  wurd^en  auf  die  oben  beschriebene  Art  mit  Erfolg  von  Vigou- 
roux  behandelt:  günstige  Resultate  werden  besonders  von  einer  Mo- 
nate hindurch  fortgesetzten  Behandlung  bei  Epilepsie  berichtet.  Hemi- 
plegien Avurden  schon  innerhalb  der  ersten  48  Stunden  nach  dem 
apoplektischen  Insult  in  Behandlung  genommen:  ein  Unfall  soll  dabei 
nicht  vorgekommen  sein.  Sogar  die  Nachtschweisse  der  Phthisiker 
und  das  hektische  Fieber  hat  unser  Autor  (Funkenentlockung  längs 
der  Wirbelsäule)  in  wohltätiger  Weise  beeinflusst:  stets  habe  man 
sich  bei  weiblichen  Individuen  während  der  Regeln  der  Behandlung 
mittelst  der  statischen  Elektrizität  zu  enthalten,  da  während  einer 
solchen  Behandlung  häufig  auch  ausserhalb  der  Zeit  Blutungen  aus  den 
Genitalien  eintreten:  daher  wird  dieses  Verfahren  direkt  bei 
amenorrhoischen  und  dysmenorrhoischen  Zuständen  an- 
empfohlen. 

Auf  der  Charcot'schen  Abteilung  wurden,  wie  Ballet  berichtet, 
namentlich  an  (auf  dem  Isolirschemel  sitzenden)  hysterischen  Kranken 
Versuche  angestellt,  in  der  Weise,  dass  diese  entweder  mit  Elektrizität 
einfach  geladen,  oder  durch  die  Annäherung  von  Exzitatoren  Funken 
aus  ihnen  gezogen  wurden.  Durch  diese  Prozeduren  wurden  Anästhesien 
gebessert,  wobei  auch  die  oben  erwähnten  Erscheinungen  von  Trans- 
fert  zur  Beobachtung  kamen.  Diese  Besserung  hielt  Stunden  und  Tage 
an  und  konnte  durch  neue  Sitzungen  vervollkommnet  werden.  Nach 
Charcot  kann  man  in  einzelnen  Fällen  von  Spinallähmung  durch  den 
elektrischen  Funken  lokalisirt  Muskeln  zur  Kontraktion  bringen, 
welche  auf  den  faradischen  Strom  nicht  mehr  reagiren.  Auch  Facialis- 
lähmung  und  die  Schüttellähmung  sollen  durch  das  elektrische  Bad 
oder  den  elektrischen  Hauch  (Annäherung  der  Exzitatoren  in  einer 
Entfernung  von  15 — 20  Ctm.)  gebessert  worden  sein,  ebenso  wie  auch 
auf  andere  nervöse  Zustände  (Dyspepsie,  Spinalirritation,  Dysmenor- 
rhoe) ein  günstiger  Einfluss  ausgeübt  wurde.  Aehnliche  günstige  Re- 
sultate speziell  bei  Hysterischen  erzielte  R.  Vigouroux  (mit  einer 
raodifizirten  Holtz-Carre'schen  Maschine)  und  Erlenmeyer^^^,  dem 
schon    1879    in    einem   Falle    schwerer    hvsterischer    Anästhesie    und 


§  206,  207.  Franldinisation.  465 

Lähmung  die  statische  Elektrizität  Erfolg  brachte,  wo  andere  elek- 
trische Applikationen  (faradischer  und  galvanischer  Strom)  ihre  Dienste 
versagt  hatten. 

§  207.  Namentlich  bei  der  Behandlung  von  Neuralgien  haben 
ausserdem  Drosdoff^^o,  Beard^^^i^  Rockwelp92^  Blackwood^^s, 
Morton^s^,  Dana^^^  günstige  Resultate  erzielt,  ein  Ergebniss,  wel- 
ches auch  durch  die  Untersuchungen  Stein's'^"  bestätigt  wird.  Bei 
neurasthenischen  Zuständen  dagegen  ist  nach  diesem  Autor  die  An- 
wendung der  statischen  Elektrizität  kontraindizirt.  Nach  Vigouroux 
soll,  wie  Stein  mitteilt,  die  statische  Elektrizität  überall  da  ange- 
bracht sein,  wo  man  zur  Heilung  des  Leidens  hydrotherapeutische 
Prozeduren  anwenden  würde,  eine,  wie  auch  Stein  hervorhebt,  etwas 
vage  und  unbestimmte  Lidikation,  deren  weitere  Würdigung  der  Zu- 
kunft vorbehalten  bleiben  muss.  In  Bezug  auf  das  Wesen  der  Ein- 
wirkung statischer  Elektrizität  auf  den  Organismus  glaubt 
Stein,  dass  es  sich  um  Beeinflussungen  molekularer  Bewegungen  im 
Nervensystem  handele.  Schon  im  vorigen  Jahrhundert  hat  Franklin 
die  Theorie  aufgestellt,  dass  jeder  Körper  elektrisches  Fluiduum  habe, 
das  für  gewöhnlich  in  ruhendem  neutralisirtem  Zustande  verharre  und 
erst  durch  Zuführung  neuer  oder  durch  Entziehung  eines  Teils  der 
vorhandenen  Elektrizität  in  seinem  Gleichgewicht  gestört  werde  und 
den  Körper  selbst  zu  einem  „elektrischen«  mache.  Daher  nennt 
Stein  die  Behandlung  des  menschlichen  Körpers  mittelst  der  statischen 
Elektrizität  die  „Franklinisation"  und  führt  gemäss  seinen  eignen 
Untersuchungen,  die  oben  schon  erwähnt  sind,  der  Körperober- 
fläche im  elektrostatischen  Luftbad  positive  Elektrizität  zu.  Stein 
bedient  sich  bei  seinen  Versuchen  und  Untersuchungen  der  von  ihm  in 
die  Praxis  eingeführten  Voss 'sehen  Influenzmaschine,  die  in  einem 
durch  Chlorcalcium  und  einen  Ventilator  trocken  gehaltenen  Glas- 
kasten steht  und  durch  einen  mittelst  zweier  Zinlv-Kohlenelemente  ge- 
triebenen galvanischen  Motor  in  Gang  gesetzt  wird.  Eine  der  Haupt- 
bedingungen bei  der  Anwendung  der  Franklinisation  ist  ein  regel- 
mässiger, möglichst  rascher  Gang  der  Maschine,  was  durch  Benutzung 
eines  Hahn"schen  Rotations -Auftricbmotors  erreicht  wird.  Der  Vor- 
teil dieser  Vorrichtungen  besteht  nach  Stein  darin,  dass  die  Influenz- 
maschinen selbst  bei  feuchter  Witterung  selten  versagen,  dass  die 
Voss'sche  Maschine  sich  nach  einer  Anzahl  von  Umdrehungen  selbst 
ladet,  während  die  Holtz'sche  Maschine  durch  irgend  einen  zweiten 
Apparat  erst  geladen  werden  muss,    und  dass  der  Gang  der  l*]inri('h- 

üosenthal  u.  B  c  ru  liard  t,  KlektrizitätskOue.     III.  Au/l.  JJQ 


466  Apparate  zur  Franklin isation.  Kap,  XXVIII. 

tungen  ein  sehr  regelmässiger  und  dabei  geräuschloser  ist.  In  alier- 
neuester  Zeit  ist  Stein  übrigens  wieder  zur  einfachen  Holtz' sehen 
Maschine  mit  zwei  Scheiben  zurücligekehrt:  er  verbindet  dieselbe  init 
einem  kleinen  Ventilator,  durch  dessen  Umdrehungen  eine  beständige 
Bewegung  der  Luft  im  Glaskasten  veranlasst  wird.  In  einigen  Fällen 
von  Tremor,  Ischias,  Tic  douloureux  und  Hautanästhesie  waren  die 
Erfolge  entschieden  günstige:  auch  die  jüngsten  Beobaciitungen  Stein's 
(vom  16.  Mai  1882  bis  15.  April  1883)  bestätigen  die  namentlich  in 
Bezug  auf  die  Neuralgien  schon  früher  erhaltenen  Resultate:  für  die 
Aufstellung  spezieller  Indikationen  zur  Behandlung  der  allgemeinen 
Neurosen  mittelst  statischer  Elektrizität  müssen  auch  nach  diesem 
Autor  erst  noch  weitere  Tatsachen  gesammelt  werden. 

Man  darf  also  gewiss  sagen ,  dass  es  noch  weiterer  Unter- 
suchungen und  Forschungen  bedarf,  um  auch  für  diesen  neu  auf- 
lebenden Zweig  der  Elektrotherapie  und  für  eine  rationelle  Verwertung 
desselben  die  sicheren  Grundlagen  zu  schaifen.  Vorläufig  belaufen 
sich  die  Kosten  der  Apparatanschaflfung  noch  so  hoch,  und  die  An- 
spruchnahme  von  Zeit  zur  Ausübung  dieser  Methode  ist  noch  eine  so 
bedeutende,  dass  sich  für  die  erste  Zeit  wohl  nur  Spezialisten,  weniger 
die  praldischen  Aerzte  geneigt  zeigen  dürften,  sich  der  Ausbildung 
dieses  speziellen  Zweiges  der  Elektrotherapie  zuzuwenden.  Wir  stehen 
mit  diesem  Ausspruch,  wie  wir  sehen,  nicht  isolirt  da:  die  Prüfungs- 
Kommission  auf  der  Internationalen  Elektrizitäts-Ausstellung  zu  Mün- 
chen im  Jahre  1882  hat  sich  zwar  davon  überzeugt,  dass  der  von 
Stein  ausgestelltie  Apparat  zur  Anwendung  statischer  Elektrizität 
technisch  sehr  gut  ausgeführt  ist  und  in  physikalischer  Beziehung  allen 
Anforderungen  entspricht:  „die  Erfolge  aber  müssten  schon  ausser- 
ordentlich glänzende  sein,  wenn  sich  diese  an  Raum,  Zeit  und  Kosten 
sehr  anspruchsvolle  Methode  neben  unseren  alten,  bewährten  und  ein- 
facheren JMethoden  in  der  Elektrotherapie  das  Bürgerrecht  erwerben 
soll.«  — 


Anhang. 


Einige  eiektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden, 

sowie  eiektrodiagnostische  und  elektrotherapeutische 

Beobachtungen  an  Kranken. 


1.  Bei  welcher  Stromstärke  kommt  bei  verschiedenen  Indiviclnen  (geprüft 
wurden  3  gesunde  Männer  im  Alter  von  19,  29,  39  Jahren)  unter  genau  der 
gleichen  Versuchsanordnung  die  KaS- Zuckung  zu  Stande?  Nach  Erb 's  Vorgang 
wurden  folgende  vier  verschiedenen  Regionen  angehörige  Nerven  (Facialisast  für 
den  M.  frontalis,  Ast  für  den  M.  cucullaris,  N.  ulnaris  und  N.  peroneus)  geprüft 
(Vgl.  S.  264). 

Die  eine  indifferente  Elektrode  (7 ''2  Ctra.)  ruhte  auf  dem  Brustbein,  die 
diflferente  Elektrode  war  2 — 2V2  Ctm.  gross. 

Es  handelte  sicli  stets  um  das  erste  Auftreten  der  KaSz. 


I. 

IL 

III. 

N. 

frontalis 

1,35  M.A. 

1,35  M.A. 

2,2     M.A. 

N. 

ulnaris 

1,25  M.A. 

1,5-1,8  M.A. 

1,15  M.A. 

N. 

accessorius 

1,15  M.A. 

1,8     M.A. 

1,15  M.A. 

N. 

peroneus 

2,5     M.A. 

2,8     M.A. 

2,5     M.A. 

_^ 

Zur  Erregung  des  Unter.schenkelnerven  bedurfte  es  in  diesen,  wie  auch  in 
andern  Fällen  meist  einer  etwas  bedeutenderen  Stromstärke  als  für  die  übrigen 
Nerven.     (Vgl.  noch  S.  269,  Anmerkung.) 

2.     Praktisches  Beispiel  zu  Seite  220. 
Von   2   gut  befeuchteten  Elektroden   ruhte   die   eine    in   der   Hohlhand,    die 
andere    auf   dem   Handrücken    im    ersten   Zwischenknochenraura.     Beide    mittel- 
gross  (5'V2  Ctm.).     (Vgl.  S.  232.) 

Der  Strom  wurde  geliefert  von  50  Siem  ens' sehen  Elementen:  befand  sieh 
der  Rheostat  in  Haupt-  oder  Nebenschluss ,  so  kamen  folgende  Modifikationen  der 
Strom.stärke  zu  Stande  je  nach  der  Einschaltung  von  Widerständen: 

Rheostat  im  Hauptschluss  50  Elcm.  Rheostat  im  Nebenschluss  50  Elein. 

3000  S.E.  =  2,5  M.A.  3000  S.E.  =  3,0  M.A. 

2000     „      =  2,8      „  2000     „      ^  2  0      „ 

30* 


468 


Einige  elektrodiagnostische  Beobachtung,  an  Gesunden,  sowie  elelvtro- 


Rlieostat  im  Hanptschiuss  50  Elem. 
1500  S.E.  =  3,0  M.A. 


1000     „ 

=  3,5 

500     „ 

=  4,1 

100     „ 

=  4,9 

0 

=  5,0 

Rlieostat  im  Ncbenschluss  50  Elem. 
1500  S.E.  =  2,0  M.A. 


1000     „ 

=   1,7      « 

500     „ 

=  1,1       „ 

200     „ 

=-  0,4      „ 

100     „ 

=  0,2      „ 

50     „ 

=  0,1      „ 

0      „ 

=     0       „ 

Möglichkeit  einer 

Stromstärlcensteigerung 

um  das  Dreissigfache  und  mehr. 

Möglichkeit  einer  Stromstärkensteige- 
rung um  die  Hälfte. 
Die  Stromstärke  betrug  bei  obiger  Anordnung  bei  vollkommener  Ausschaltung 
des  Rheostats  5,2  M.A. 


3.     Beispiel    für    die    Brenner'sche   Methode    der   Aufzeichnung   von 
elektrodiaguostischen  Untersuchungsresultaten. 

Der  Rheostat  ist  im  Nebenschluss:  je  weniger  Widerstände  in  dem  durch 
den  Rheostaten  gehenden  Stromanteil  eingeschaltet  werden,  um  so  schwächer  ist 
der  durch  den  menschlichen  Körper  gehende  Strom:  mit  der  Anzahl  der  Wider- 
standseinheiten im  Rheostaten  wächst  die  Stromstärke  des  durch  die  Versuchs- 
person gehenden  Anteils.     (Vgl.  S.  89,  219,  220.) 

Gesunder,  20jähriger  Student. 

Die  indifferente  Elektrode  (sehr  gross,  von  7 ','2  Ctm.  Durchmesser)  ruht  auf 
dem  Brustbein,  die  diflferente  Elektrode  (von  2  —  3  Ctm.  Durchmesser)  dient  zur 
Untersuchung  der  Erregbarkeit  des  N.  ulnaris  sinister.     (Vgl.  S.  232,  oben). 

Die  Elementenzahl  wird  in  römischen,  die  Zahl  der  in  Nebenschliessung 
eingeschalteten  Widerstandseinheiten  in  arabischen  Ziffern  angegeben: 
50  Elem.  =  L  (230)  KaSz       ...     1,8  M.A. 
(270)  AOz        ...     2,0  M.A. 
(330)  ASz         ...     2,5  M.A. 
(630)  KaOz      ...     5,0  M.A. 
(660)  KaSTe    ...     7,0  M.A. 
Das  absolute  Galvanometer  war  natürlich  in  dem  Stromkreise   eingeschaltet, 
der  durch  den  menschlichen  Körper  ging.     (Vgl.  S.  219  und  227.) 

N.  radialis  (links);  Umschlagsstelle.  —  Dieselbe  Anordnung. 

L     (310)  KaSz      ....     2      M.A. 

(450)  AOz       ....     3,5  M.A. 

(600)  ASz  (undeutlich)     5,0  M.A. 

(1000)  KaSTe       ...     8,0  M.A. 

jN.  peroneus  (links);  an  der  Innenseite  der  Bicepssehue. 
L     (440)  KaSz     ...     .     2,5  M.A. 

(1100)  AOz      .     .     .     .  •  5,0  M.A. 

(2000)  ASz       ....     8,5  M.A. 

(2300)  KaSTe       ...     9,0  M.A. 
(Vgl.  hierzu  noch  S.  269,  Anmerkung.) 


diagnostische  und  elektrotherapeutisclie  Beobachtungen  an  Kranken. 


469 


4.     Formular *'\  wie  es  im  meclizinisch-klinischeu  Institut  zu' München  für  elek- 
trische Prüfungen  gebraucht  wird. 
Name  Elektrische  Untersuchung 


Datum. 

Rechts. 

Links. 

Far.E. 

KaSz 

F 

ASz 

AOz 

KaSTe 

/ 

F 

Auf  jeder  Seite  sind  B  solche  Felder  (F)  unter  einander  gedruckt,  von  denen 
jedes  für  je  einen  Nerven  oder  Muskel  bestimmt  ist.  In  die  Mittelrubrik  jedes 
Feldes  ist  als  Ueberschrift  der  Name  des  gereizten  Organs  zu  schreiben,  darunter 
stehen  dann  die  Bezeichnungen:  Far.E.  (faradische  Erregbarkeit),  KaSz  etc.  und 
darunter  noch  ein  freier  Raum  für  eventuelle  andere  (seltenere)  Reaktionen  (KaOz, 
ASTc,  AOTe).  Zu  beiden  Seiten  notirt  man  je  für  die  linke  und  rechte  Seite 
die  Schwellenwerte,  bei  denen  die  Reaktionen  erhalten  wurden  (also  bei  Far.E. 
bedeuten  die  Zahlen  den  Abstand  der  sekundären  Spiralen  von  der  primären,  beim 
galvanischen  Strom  schreibt  man  den  Nadelausschlag  bezw.  die  absoluten  Werte 
der  Stromstärke  in  M.W.  oder  M.A.  Der  freiere  Raum  zu  beiden  Seiten  gestattet 
noch  weitere  Notizen  über  den  Modus  der  Zuckungen  und  andere  Bemerkungen. 
Am  Kopf  des  Bogens  steht  der  „Name  des  Patienten^' ,  links  ist  ein  Raum  zur 
Eintragung  des  Datum  der  Untersuchung. 

5.     Linksseitige    Facialislähmung     durch    Erkältung     mit    längere    Zeit 

andauernder  einfacher  Verminderung  der  Erregbarkeit  von  Muskeln 

und  Nerven,    ohne   qualitative  Veränderungen   (.Entartungsreaktion).  — 

(Bernhardt.  —  Virchow's  Archiv,  Bd.  78,  S.  269.)     (Vgl.  S.  284.) 

Beginn  der  Erkrankung  eines  in  den  Zwanzigern  stehenden  Mannes  D.  am 
1o.  .Juni  1879.  —  Keine  Störungen  des  Gehörs  der  linken  Seite,  Geschmacks- 
veränderungen der  linken  Seite  der  Zunge  waren  iiicht  vorhanden. 

Die  Untersuchung  am  3.  Ta^e  nach  Beginn  des  Leidens  (IG.  Juni  1879)  er- 
gab eine  geringe,  aber  deutliche  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  des  linken  Facialis- 
stammes  und  seiner  Aeste,  sowie  der  linksseitigen  Gesichtsmuskeln  für  den  lu- 
dnktionsstrom.     Hinsichtlich  des  galvanischen  Sti'oms  zeigte  sich 


R. 


vom  Stamme  aus 


L. 

(kranke  Seite) 
KaSz  5»  N.A. 
ASz  5" 
kein  AOz 

Anfang  Juli,  also  etwa  16  Tage  seit  der  Erkrankung  trat  schon  eine  deut- 
lich wahrnehmbare  Besserung  der  aktiven  Beweglichkeit  ein ,  dabei  war  die  Erreg- 
barkeit von  Nerv  und  Muskel  aus  für  beide  Stromesarten  noch  deutlich  herab- 


(gesundc  Seite) 
KaSz  2V2  N.A. 
ASz  u.  AOz  5»  N.A. 
AOz   <  ASz 


470  Einige  elekiroiiiagnostisclie  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

gcsctzt:    die  Zuckungen  der  erkrankten  Muskeln  verliefen  aber  nicht   wurniförmig, 
träge,  sondern  kurz  und  blitzartig: 
5.  Juli  1879. 

Facialisstamm : 
R.  L. 

KaSz  2V2"  KaSz  6" 

ASz  +  AOz  5"  ASz  7|» 

(keiu  AOz) 
19.  .Juli  1879.    (5  Wochen  seit  Beginn  des  Leidens.)    B'ast  vollkommene  Wieder- 
herstellung der  Beweglichkeit  der  linken  Gesichtshälfte. 
Prüfung  mit  dem  faradischen  Strom. 

Stamm : 

R.  L. 

6,5  R.A.  4,5 

Lippenäste : 

6,5  5,0 

Kinnmuskeln : 

(direkt  gereizt) 

6,8  5,0 

Prüfung  mit  dem  konstanteu  Strom: 

R.  Stamm :  L. 

KaSz  3"  KaSz  5" 

ASz  4»  ASz  7« 

AOz  5"  AOz  nicht  bei  15» 

Direkte  Reizung  der  Kinnmuskeln: 

KaSz  2|"  .  KaSz  3"  r  kurz 

ASz  5»  ASz  7»    l  blitzartig 

Am  30.  Juli  vollkommene  Heilung:   die  elektrische  Untersuchung  liess  jetzt 
zwischen  links  und  rechts  keine  Unterschiede  mehr  erkennen. 

6.     Rechtsseitige  (rheumatische)  F a c i a  1  i s  1  ä h m u n g ,  in  der  6 1 e n  Woche 

des  Bestehens.    Schon  Rückkehr  der  aktiven  Beweglichkeit.    (öOjähr. 

Frau.)    Mittelform.    (Vgl.  S.  295  u.  301.) 

In  duktions  ström: 

L.  (gesund)  R.  (krank) 

Stamm  und  Aeste: 

Reaktion  bei  6,8  R.  A.  bei  6,5  R.  A. 

bei  5,8  R.  A.  reagiren  auch  die  direkt  ge- 
reizten Muskeln. 
Konstanter  Strom: 
Stamm: 
KaSz  3"  KaSz  10" 

Ast  für  Kinu-Unterlipp  enmuskeln: 
KaSz  U"  KaSz  2|"r  prompte,  blitz- 

ASz  2»  ASz  3°      l  artige  Zuckungen. 

M.  frontalis  (direkt): 
KaSz  21«  KaSz  und  KaOzr  träge, 

bei  2 "  l  lano'sam. 


diagnostische  und  elektrotherapeutische  Beobachtungen  an  iCranken.  471 

Kinnrauskulatur  (direkt): 
bei   21"   erscheint  KaSz   (aber   nur  rechts  an   der    kranken   Seite, 

Stromschleifen) 
bei  3"  KaSz  (links,  blitzartig) 

bei  4  —  5"  kein  ASz  (links),  wohl  aber  rechts  ASz  und  AOz  durch 
Stromschleifen;  träge  Zuckungen. 

(Eigene  Beobachtung.     Bernhardt.) 

7.    Mittelschwere  Form  einer  linksseitigen  (rheaniatischen)  Facialislähraung. 
Relative  Heilung.  —  BeobachtungderFol  gezustände  (05  Jahre  nach  Beginn 

der  Erkrankung.) 

Frl.  E.  Philipp,  45  Jahr.  I.  Beobachtung  September  1877.  —  Bestand  der 
linksseitigen  Gesichtsnervenlähmung  seit  etwa  7  Wochen.  —  Gehör  gut;  am  Gaumen- 
segel nichts  Abnormes;  Geschmack  an  den  vorderen  zwei  Dritteln  der  linken 
Zungenhälfte  etwas  vermindert.  —  Druck  auf  die  Muskulatur  der  gelähmten  Gesichts- 
hälfte schmerzhaft:  ausgesprochene  Erhöhung  der  mechanischen  Erregbai-keit  der 
Muskulatur  an  dieser  Seite  (Beginn  der  Rückkehr  aktiver  Beweglichkeit).  —  ]\Iit 
dem  Induktionsstrora  erzielt  man  rechts  von  Stamm  und  Aesten  aus  bei  6,6  R.  A. 
deutliche  Reaktionen;  links  (kranke  Seite)  von  den  Nerven  aus  nur  schwache  Reak- 
tionen bei  5  R.  A. 

Konstanter  Strom : 

Vom  Stamm  (For.  stylom.)  aus  erhält  man  rechts  KaSz  5",  von  den  Aesten 
aus  KaSz  2^".  Links  kommen  bei  Stammreizung  nur  durch  Stromschleifen  träge 
KaSz  und  ASz  im  Gesicht  zu  Stande:  schon  bei  I"  N.A.  erhält  man  (träge) 
Schliessungs-  und  Oeffnungszuckungen  bei  direkter  Erregung  der  linksseitigen  Stirn- 
und  Unterlippen -Kinnmuskeln,  während  rechts  bedeutend  grössere  Stromstärken 
nötig  sind,  um  Schliessungszuckungen  (Oeffnungszuckungen  bleiben  hier  bei  direkter 
Reizung  überhaupt  aus)  auszulösen. 

Dieselbe  Patientin  beobachtet  im  Februar  1881. 

Linke  Gesichtshälfte  kontrakturirt,  die  linke  Lidspalte  kleiner  als 
die  rechte,  Mund  nach  links  hin  verzogen.  Aktive  Bewegungen  miöglich,  aber 
alle  weniger  gut,  als  rechts  ausführbar.  Bei  Augenschluss  erfolgen  Mitbewegungen 
am  linken  Mundwinkel,  der  linken  Kinnmuskulatur  und  am  Platysma  myoides. 
Der  Geschmack  ist  an  der  vorderen  linken  Zungenhälfte  etwas  stumpfer,  als  an 
der  rechten. 

Rechts  erzielt  man  vom  Facialisstamm  und  den  Aesten  her  bei  6 — 7  Ctm.  R.  A. 
deutliche  Zuckungen,  links  erst  bei  5,5  R.A.,  aber  schwächer,  als  rechts. 

Vom  Ast  für  den  Triangularis  menti  aus  rechts  KaSz  bei  k" ,  und  fast  bei 
derselben  Stromstärke  ASz  und  AOz,  bei  Reizung  der  Kinnmuskulatur  (rechts) 
direkt  KaSz  bei  2^",  ASz  bei  3".  Links  vom  Kinnast  aus  KaSz  erst  bei  2^"  und 
schwach  (aber  blitzartig);  bei  4"  ASz.  —  Bei  direkter  Muskelreizung  KaSz  4"  und 
ASz  5"  (kurze,  blitzartige  Zuckungen).  Also  Verschwundensein  der  Entartungs- 
rcaktion, aber  noch  deutlich  nachweisbare  quantitative  Erregbarkeitsherab- 
setzung. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 


472  Einige  oloklrodiagnostischo  Beobachtungen  au  Gesunden,  sowie  eleklro- 


8.  Rechtsseitige,  seit  frühester  Jugend  bestelieude,  zu  relativer  Hei- 
lung   gelaugte    Faciaijslähmung.     (Eigentümliches    Verhalten    der    ijare- 

tischeu  Muskulatur.) 

Frl.  A,  H ,    18  Jahre  alt,   leidet  seit  ihrer  frühesten  Jugend  an  einer 

durch  Erkältung  entstandenen  rechtsseitigen  Facialislähmung.  Erst  in  jüngster 
Zeit  ist  sie  zum  ersten  Mal  elektrisch  behandelt  worden.  In  der  Ruhelage  des 
Gesichts  erscheint  die  rechte  Lidspalte  weiter  als  die  linke,  der  Mund  ist  etwas 
nach  links  hinüber  gezogen;  zeitweilig  bemerkt  man  geringe,  aber  deutliche  spon- 
tane Zuckungen  an  der  rechten  Kinnmuskulatur.  Beim  Versuch  zu  aktiven  Be- 
wegungen (dabei  kommt  das  rechte  Auge  nicht  zum  Schluss),  zieht  sich  der  Mund 
nach  rechts,  in  der  rechten  Wange  bildet  sich  ein  Grübchen.  Die  elektrischen 
Erregbarkeitsverhältnisse  sind  rechts,  wie  links  im  Wesentlichen  die  gleichen :  höch- 
stens wäre  eine  ganz  geringe  quantitative  Herabsetzung  der  indirekten  und  direkten 
Erregbarkeit  für  beide  Stromesarten  (aber  keine  Spur  von  Entartungsreaktion)  an 
der  rechten  Seite  zu  bemerken. 

Die  zum  rechten  Mundwinkel  und  Nasenflügel  gehörigen  Muskeln  sprechen 
bei  faradischer  Reizung  schnell  an,  die  Kontraktionen  erscheinen  beim  Beginn  der 
Reizung  wogend,  wallend  und  bleiben  (auch  nach  Unterbrechung  des  Stromes) 
tonisch  einige  Momente  bestehen,  um  sich  langsam  und  unter  erneutem  Eintritt 
zitternder  Bewegungen  auszugleichen. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

9.    Sctiwere    linksseitige    (rheumatische)  Facialisiälmiung.     (ISjähriges  Mädchen.) 

(Vgl.  S.  285,  398.) 

Elektrische  Exploration : 

A.  Zu  Ende  der  ersten  Woche  der  Krankheit: 

Keine  Reaktion  vom  Nervenstamm  oder  den  Aesten  aus  oder  bei  direkter 
Muskelreizung  mit  dem  faradischen  Strom  (selbst  bei  3  —  2|  Ctm.  R.  A.);  rechts 
prompte  Reaktion  bei  6  Ctm.  R.A.) 

Konstanter  Strom: 
Rechts  (gesund)  Links  (krank) 

Ast  für  die  Unterlippen-Kinnmuskeln: 
2^"  KaSz  10"  keine  Reaktion 

Unterlippenmuskulatur  (direkt) : 
4"  KaSz  und  ASz  7^"  KaSz  und  ASz. 

Die  Zuckungen  sind  auch  links  (an  der  kranken  Seite)  wenngleich  schwach,  so 
doch  noch  prompt  und  blitzartig. 

Also:  bedeutende  Herabsetzung  der  indirekten  und  direkten  faradischen  Erreg- 
barkeit; desgleichen  der  indirekten  galvanischen  Reizbarkeit:  die  direkte  galvanische 
Erregbarkeit  sehr  vermindert,  aber  doch  noch  in  höherem  Grade  vorhanden,  als  die 
direkte  faradische. 

(Es  fehlen  übrigens  Krankheitserscheinungen  von  Seiten  des  Ohres:  Gaumen- 
segel intakt,  Geschmacksstörungen  vorn  links  auf  der  Zunge   nicht  vorhanden. 

B.  Dieselbe  Patientin  untersucht  am  Ende  der  IIL  Krankheitswoche : 
Ausgesprochene  Entartungsreaktion.     Die   Verhältnisse   für   die  Reizung  mit 

dem  faradischen  Strom  dieselben. 


diagnostische  und  elektrotherapeutische  Beobachtungen  an  Kranken.  473 

Konstanter  Strom: 
R.  (gesund) 

Stirnast : 
KaSz  bei  1,3  M  (iili)  A  (rapere) 

Ast  für  die  Unterlippenmuskeln: 
KaSz  1,8  M  A. 

Bei  direktem  Aufsetzen  der  Ka  auf  die  (gesunde)  Unterlippen muskulatur 
(rechts)  kommt  bei  1,6  M.A.  nur  links  (durch  Stromschleifen),  an  der  kranken 
Seite  eine  träge  Zuckung  zu  Stande. 

Ast  für  die  Unterlippenmuskulatur: 
ASz  3,0  M.A. 
Die  Muskeln  direkt  gereizt:  ASz  bei  4  M.A. 

M.  frontalis  (direkt  gereizt): 
KaSz  bei   1,9  M.A. 
Links  (kranke  Seite):   bei  1,8  M.A.  keine  Reaktion   bei  Reizung   des  Stirn- 
ästes,    wohl   aber  eine   schwache    träge   Zuckung   (KaSz)    am  Mundwinkel    (durch 
Stromschleifen.) 

Die  linksseitige  Unterlippenmuskulatur  direkt  gereizt  ergibt: 
KaSz  bei  0,5  M.A. 
bei  2  M.A.  ASz  und  AOz 
(Alle  Zuckungen  träge,  langgezogen.) 

M.  frontalis  (direkt  erregt): 
KaSz  0,45  M.A. 
KaOz  0,78  M.A. 
Dasselbe  für  ASz  und  AOz. 

(Eigene  Beobachtung.  Bernhardt.  Stromstärken  gemessen  durch  Edel- 
mann's  absolutes  Taschengalvanometer.)     (Vgl.  S.  226.) 

10.     Leichte    Radiaiisläbmung    ohne    quantitative    und    qualitative  ■  Erreg- 
barkeitsveränderung.    (Vgl.  S.  282.) 

Pauline  F.,  39  Jahr  alt,  hatte  sich  am  26.  April  1879  durch  Druck  auf  den 
rechten  Oberarm  während  des  Schlafes  (etwa  ^  Stunde)  eine  rechtsseitige  Lähmung 
der  Hand-  und  Fingerstrecker  zugezogen. 

30.  April  1879:    Prüfung  mittelst  des  faradischen  Stroms. 
Von  der  Umschlagsstelle  des  N.  radialis  (vgl.  S.  252)  am  Oberarm  aus  beider- 
seits bei  55—6  Ctm.  R  A.  (Rollenabstand  der  sekundären  Spirale  von  der  primären) 
deutliche  Reaktion  der  Streckmuskeln. 

Prüfung  mittelst  des  galvanischen  Stroms: 
Rechts  vom  Nervenstamm  aus  (Umschlagsstelle) : 
KaSz  bei  2"  N.A.  (Nadelausschlag) 
AOz  bei  5"  N.A.  (kurze,  blitzartige  Zuckungen). 
Links  (an  der  gesunden  Seite)  von  derselben  Stelle  her: 
KaSz  bei  2—2^»  N.A. 
AOz  bei  4"  N.A. 

(iOigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 


474  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

11.     Leichte  Radialislähmung  ohne  quantitative  und  qualitative  Errogbar- 
licits Veränderung.     (Vgl.  S.  282.) 
45 jähriger  Maurer  R.    hatte    am   8.    Olttober    1877    ^   Stunde    während    dea 
Schlafes  seineu  linken  Oberarm  gedrückt. 

Linksseitige  Lähmung  im  Radialisgebiet,  geringes  subjektives  Taubheitsgcfühl 
am  Rücken  des  Daumens. 

18.  Oktober  1877:    Von   der  Umschiagsstelle   am   Oberarm   her  bei  Prüfung 
mit  dem  faradischen  Strom  Zuckung  R.  (gesunde  Seite)  bei  5,8  R. A. 
L  (kranke  Seite)  bei  6,2 
Muskeln  reagiren  (direkt  gereizfi  beiderseits  bei  5  —  6  Ctm.  R.  A. 
Prüfung  mittelst  des  galvanischen  Stroms: 

L.  (kranke  Seite)  R  (gesunde  Seite) 

Stamm  des  Nerven: 
5"  KaSz  5«  KaSz 

10«  AOz  12§"  AOz 

Muskulatur : 
10»  KaSz  10"  KaSz 

(kurze  blitzartige  Zuckuiigen  ) 
Von  der  Achselhöhle  aus  erfolgen  bei  faradischer  Reizung  rechts  (an  der  ge- 
sunden Seite)  bei  6  Ctm.  R. A.  deutliche  Zuckungen  im  Radialisgebiet,  links  gar 
nichts.  Mit  der  Rückkehr  aktiver  Beweglichkeit  (schon  vom  20.  Oktober  ab)  er- 
folgt auch  links  bei  etwas  höheren  Stromstärken  als  rechts,  bei  Reizung  von  der 
Achselhöhle  aus  Reaktion 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

12.  Leichte  rechtsseitige  Radialislähmung  (etwas  erhöhte  Erregbarkeit 
des  gelähmten  Nerv-Muskelgebiets).  —  Keine  Besserung  im  Ver- 
laufe von  sechs  Wochen,  während  welcher  der  Kranke  nicht  be- 
handelt ist;  sofortige  Besserung  nach  elektrotherapeutischor 
Behandlung.  (VgL  S.  397.) 
Ein  28 jähriger  Mann  hatte  sich  eine  Woche  vor  Weihnachten  187.9  im  Schlale 
durch  Druck  eine  noch  am  9.  Februar  1880  deutlichst  ausgeprägte  rechtsseitige 
Radialislähmung  zugezogen. 

Rechts  erzielte  man  von   der  Umschlagsstelle   her  und   bei  direkter  Muskul- 
reizung  bei  6  Ctm.  R.  A.  deutlichste  Reaction ; 

Lijiks  (gesund)  erst  bei  5  Ctm.  R.  A.  deutliche  Reaction 

Von  der  Umschlagsstelle  aus  rechts  KaSz  2|" 

KaSTe  8" 
links  KaSz  2|" 
rechts  AOz  2|" 
links  AOz  4" 
bei  direkter  Muskelreizung  rechts  KaSz  4" 

■ASz  5" 
links  KaSz  4" 
ASz  5» 
Unmittelbar  nach   der   ersten  Sitzung  (konstanter  Strom,   Ka  an  der  Um- 
schlagsstelle, A  auf  den  Streckmuskeln ;  danach  Faradisation)  deutliche'  Besserung 


diagnostische  und  elel<trotlierapeutisclie  Beobachtungen  an  Kranken.  475 

des  wochenlang  unverändert  gebliebenen  Zustandes ;  nach  etwa  8  weiteren  Sitzungen 
im  Verlauf  von  2|  Wochen  Heilung. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

13.     Peripherfsche  Radialislähmung   mit  Wochen   lang  andauernder 

Steigerung  derFarado-  und  Galvanokontraktilität  bei  direkter  und 

indirekter  Reizung  ohne  qualitative  Aenderung  der  Zuckungsformel 

(Bernhardt,  Virchow's  Archiv.  1879.  Bd.  78.  S.  267).     (Vgl.  S.  285.) 

Nach  I  stündigem  Schlafe  auf  seinem  rechten  Arm  bemerkte  der  sonst  ge- 
sunde Maurer  R.  am  19.  Juli  1879  nach  dem  Erwachen  ein  taubes  Gefühl  in  der 
Haut  über  dem  Os  metacarpi  priraum  und  dem  basalen  Daumengliede  rechts  und 
über  dem  ersten  Spat,  inteross. ;  die  Nagelphalanx  des  Daumens  an  der  Rückseite 
war  frei.  Ausserdem  bestand  eine  Lähmung  in  fast  allen  vom  N.  radialis 
innervirten  Muskeln  am  Vorderarm. 

Faradischer  Strom: 

R.  L. 

Umschlagsstelle  des  Nerven  am  Oberarm. 

7,8  R.A.  6,5  R.A. 

Deutliche  Kontraktionen  der  Streckmuskeln. 

Galvanischer  Strom: 

R.  L. 

■  KaSz  Nadel  rührt  sich  kaum  KaSz  3" 

AOz  3"  AOz  5» 

ASz  8»  ASz  10" 

Direkte  Reizung  des  M.  cxtens.  digit.  communis: 
KaSz  5»  KaSz  7^« 

ASz  7|"  ASz  7V," 

Die  Kontraktionen  der  Muskeln  auf  der  kranken  Seite  bei  direkter  wie  indi- 
rekter Reizung  erfolgen  prompt  und  blitzartig. 

1.  August  1879  (\A  Tage  seit  Beginn  der  Erkrankung): 
Faradischc  Reizung: 
Stamm : 
R.  L. 

8,1  R.A.  6,5  R.A. 

Bei  direkter  Muskelreizung: 
6,5  R.A.  6,5  R.A. 

Konstanter  Strom: 
Nervenstammm: 


KaSz  1" 

KaSz  2i' 

AOz  2^» 

AOz  6" 

ASz  5" 

Muskeln : 

KaSz  5" 

KaSz  5" 

ASz  5" 

ASz  6" 

lg  der  Lähmung. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 


476  Einige  olektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 


14.  Schwere  linksseitige  Radialislähmung  (die  Supinatoren    einbegriffen) 
durcli   Druck   (während  des  Schlafes   entstanden).  —   Trotz  wochcn- 

langer  Behandlung  keine  Heilung. 

Oberteiegraphist  G ;  krank  seit  Juli   1877.     Untersuchung  vom   oltcn 

August  1877. 

Links  erzielte  man  (6.  Krankheitswoche)  von  der  U rasch lagsstelle  des  N.  radialis 
am  Oberarm  aus  bei  sehr  starkem  Strom  (Induktion)  bei  3 — 2  R.A.  nichts,  eben- 
sowenig bei  direkter  Muskelreizung.  Rechts  bei  7  R.A.  und  G|  R.A.  (direkte 
Muskel reizung)  deutliche  Reaktion. 

Konstanter  Strom: 
R.  (gesund)  L  (krank) 

Umschlagsstellc  des  N.  radialis: 
■     KaSz  5"  Auch  bei   10"  kein  KaSz; 

AOz  8"  desgl.   nichts    bei  Anodenreizung. 

Muskeln  selbst: 
KaSz  15"  KaSz  7|"  f  üväge,  langgezogene 

ASz  5"     \     Zuckungen. 
(Keine  Oeffnungszuckungen.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

15.  Rheumatische   (VDruck-)   Lähmung    des  N.    radialis    sinister.   —   Vor- 

handensein partieller  Entartungsreaktion  mit  indirekter  Zuckungsträgheit. 

(Vgl.  Seite  297.) 

Periphere  Drucklähmung  des  linken  N.  radialis  bei  einem  40jährigen  Lumpen- 
sammler: bei  der  ersten  Untersuchung  erweist  sich  der  Nerv  unterhalb  der  Um- 
schlagsstelle elektrisch  erregbar,  oberhalb  nicht.  Etwa  8  Wochen  später  ergab 
sich  bei  elektrischer  Prüfung  das  Vorhandensein  partieller  Eatartungsreaktion. 
Die  faradische  und  galvanische  Erregbarkeit  des  N.  radialis  ist  quantitativ  nicht 
vermindert,  eher  etwas  gesteigert.  Dabei  haben  die  vom  Nerven  aus  zu  er- 
zielenden Zuckungen  der  Extensoren  einen  deutlich  trägen  Charakter:  und 
zwar  ist  dies  der  Fall  sowohl  bei  KaS  wie  bei  AO,  welch'  letztere  sehr  lebhaft 
wirkt;  ferner  bei  faradischer  Reizung  des  Nerven  sowohl  bei  frei  schwingender 
Feder,  als  mit  einzelnen  Oeffnungsschlägen.  Ausserdem  aber  zeigt  sich  auch  bei 
mechanischer  Reizung  des  Nerven  (Beklopfen  mit  dem  Perkussionshammer) 
sehr  deutlich  träge  Zuckung.  Die  Extensoren  am  Vorderarm  zeigen  die 
gewöhnlichen  Erscheinungen  der  Entartungsreaktion  und  reagiren  auf  den 
faradischen  Strom  ebenfalls  träge.  —  Langsame  Besserung  im  Laufe 
mehrerer  Monate.  —  Bei  galvanischer  und  faradischer  Reizung  des  Nerven  ist  zwar 
noch  etwas  Zuckungsträgheit  vorhanden,  aber  sehr  viel  weniger  als  früher. 
Bei  direkter  galvanischer  Reizung  der  Muskeln  ist  die  Zuckung  noch  immer  deut- 
lich träge,  KaSz  >  ASz.  —  Der  N.  radialis  ist  noch-  mechanisch  erregbar:  die 
dabei  auftretende  Zuckung  erscheint  immer  noch  etwas  träge. 

(Beobachtung  von  Erb,  Neurol.  Centralbl.  1883.  No.  8.) 


diagnostische  und  elelctrotherapeutische  Beobachtungen  an  Kranken.  477 


IG.     Schwere   traumatische   Radiaiislähmung;    Rückkehr   der   willkürlichen 

Beweglichkeit     trotz     fortbestehender     vollkommener    En  tart  ungs- 

reaktion  (September  1878.)     (Vgl.  S.  301.) 

Der  16jährige  Hugo  D.  wurde  im  November  1877  durch  einen  Stich  in  den 
linken  Oberarm  unmittelbar  an  der  Ansatzstelle  des  linken  M.  deltoideus  verwundet. 
Der  Stich  war  von  oben  nach  unten  gerichtet  und  hatte  den  N.  radialis  gerade 
bei  seinem  Hervortreten  von  der  inneren  nach  der  äusseren  Seite  des  Oberarm- 
knochens getroffen.  Nach  10  Monaten  war  Folgendes  zu  konstatiren :  der  Kranke 
kann  seine  linke  Hand  bis  zur  Horizontalen  bringen,  auch  die  basalen  Phalangen 
schon  wieder  strecken  und,  wenn  die  Finger  in  die  Hohlhand  eingeschlagen  sind, 
die  Hand  dorsal  üektiren.  Trotzdem  reagiren  die  Radialismuskeln  weder  bei 
direkter,  noch  indirekter  Reizung  selbst  auf  sehr  starke  Induktionsströme,  eben- 
sowenig auf  galvanische  indirekte  Reizung  und  nur  sehr  schwer  und  in  träger 
Weise  bei  direkter  galvanischer  Reizung  mit  sehr  starken  Strömen.  In  Bezug  auf 
die  Sensibilität  besteht  ein  subjektives  taubes  Gefühl  an  der  Rückseite  des  Daumens 
und  der  beiden  ersten  Metakarpalknochen,  sowie  an  der  Streckseite  des  Vorderarms 
vom  Ellenbogen  ab  bis  zur  Handwurzel  hin  an  der  Radialseite. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

17.    Rechtsseitige  (leichte)  Radialislähmung  durch  KrDckendruck;  M.   triceps 
mit  ergriffen.     (Vgl.  S.  401.) 

Mann  C  .  . . . ,  Mitte  der  zwanziger  Jahre ,  bediente  sich  seit  einiger  Zeit  der 
(schlecht  gepolsterten)  Krücken  (Amputation  des  linken  Unterschenkels  wegen  Karies 
der  Fusswurzel).  —  Am  17.  April  1880  bestand  seit  5  Tagen  eine  Lähmung  der 
rechten  Hand-  und  Fingerstrecker  sowie  der  Supinatoren:  aktive  Streckung  des 
gebeugten  rechten  Vorderarms  unausführbar.  Parästhesien  im  Gebiet  des 
ersten  Zwischenknochenraums  der  Hand  auf  der  Rückseite  und  an  der  Rückenfläche 
des  Daumens.  —  Vom  Erb 'sehen  Supraclavicularpunkt  aus  keine  Reaktion  im  Bereich 
der  rechten  Supinatoren.  Von  der  Umschlagsstelle  des  Nerven  am  Oberarm  aus 
rechts  wie  links  bei  gleichem  Rollenabstand  für  den  faradischen  Strom  gut  er- 
haltene Erregbarkeit. 

Konstanter  Strom: 
Vom  Stamm  aus  rechts  KaSz  21"   /  also  etwas  erhöhte  Erreg- 
(kranke  Seite)  AOz  3"      \       barkeit. 
ASz  undeutlich  bei  12" 
Direkte  Muskelreizung  KaSz  5" 
Vom  Stamm  aus  links  KaSz  S^" 
(gesunde  Seite)  AOz  5" 

ASz  undeutlich  bei   10" 
Direkte  Muskelreizung  KaSz  3^". 
Behandlung:  Ka  in  der  Achselhöhle,  A  in  der  Oberschlüsselbeingrube;  öftere 
Wendungen;    zeitweilige  Faradisation ;    nach  20   Tagen    (etwa   12   Sitzungen)    fast 
geheilt  entlassen. 

(Eigene  Beobachtung.    B  e  ruh  a  r  d  t.) 


478  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

18.  Isolirte  Lähmung  des  N.  muscuio-cutaneus  sinistei  nach  Oberarm- 
luxation.  (Vgl.  S.  401.) 
Der  bis  dahin  gesunde  37jährige  Tischler  Habel  war  am  Abend  des  19ten 
Januar  1877  ausgeglitten  und  hatte  sich  den  linken  Oberarm  ausgefallen.  Die 
Einrenkung  des  luxirten  Oberarmkopfes  wurde  am  folgenden  Tage  (20.  Januar) 
nach  etwa  15  Stunden  vorgenommen.  Am  10.  Februar  stellte  sich  der  Kranke 
zum  ersten  Male  vor:  er  konnte  den  Arm  im  Schultergelenk  wieder  frei  heben 
und  nach  allen  Seiten  bewegen,  ebenso  vermochte  er  die  Hand  und  die  Finger  zu 
beugen  und  zu  strecken  und  den  Vorderarm  zu  proniren  und  zu  supiniren:  die 
Beugung  des  Vorderarms  aber  zum  Oberarm  kam  gar  nicht  oder  nur  mühsam  und 
allein  durch  die  Hilfe  des  M.  supinator  longus  zustande:  sonst  hing  der  A^'order- 
arm  extendirt  schlaff  herab  und  beim  angestrengtesten  Versuch  ihn  zu  beugen, 
blieb  die  Beugemuskulatur  am  Oberarm  weich  und  untätig.  —  Subjektiv  empfand 
der  Kranke  ein  Gefühl  von  Taubheit  nur  an  der  Rückenfläche  der  Mittelhand. 
Weder  vom  Nerven  aus  noch  bei  direkter  Reizung  lösten  die  stärksten  faradischen 
Ströme  Kontraktionen  aus:  bei  direkter  Reizung  mit  dem  konstanten  Strom  er- 
folgten bei  geringeren  Stromstärken  als  auf  der  gesunden  Seite  träge  Schliessungs- 
zuckungen, von  denen  die  ASz  gleich  den  KaSz  waren.  —  Alle  übrigen  Nerven 
und  Muskeln  des  Oberarms,  Vorderarms  und  der  Hand  waren  in  normaler  Weise 
für  beide  Stromesarten  gut  erregbar. 
(Eigene  Beobachtung.     Bernhardt.    Vgl.  Virchow's  Archiv.   1879.  Bd.  78.  S.  277). 

19.    Traumatische  (schwere)  Lähmung  des  rechten  M.  deltoideus  und  triceps. 

Im  Juni  1879  erlitt  der  Böttcher  K.  dadurch,  dass  ein  Wagenrad  ihm  über 
die  rechte  Schulter  und  Brust  ging,  einen  mehrfachen  Rippenbruch  rechts  und  eine 
schwere  Kontusion  der  rechten  Schulter.  Im  August  kam  Patient  aus  dem  Kranken- 
hause. Nur  mit  Mühe  konnte  der  rechte  Arm  bis  zur  Horizontalen  erhoben  wer- 
den ,  etwas  besser  in  der  Sagittal  -  als  Frontalebene ;  ihn  nach  hinten  zu  bringen 
ist  unmöglich.  Die  Streckung  des  Vorderarms  kommt  nur  sehr  schwach  zu  Stande 
und  ist  auf  das  Leichteste  zu  unterdrücken.  Alle  anderen  vom  N.  radialis  oder 
den  übrigen  Armnerven  innervirten  Muskeln  sind  vollkommen  frei:  der  Deltoideus 
und  Triceps  sehr  atrophisch.  Beide  reagiren  weder  bei  direkter  noch  indirekter 
Reizung  auf  den  faradischen  Strom.  An  beiden  Muskeln  lassen  sich  bei  Anwen- 
dung hoher  Stromstärken  mittelst  galvanischer  Reizung  schwache  und  träge  ASz 
und  KaSz  (von  gleicher  Intensität)  auslösen. 

Die  Sensibilität  ist  im  Bereich  der  ganzen  den  rechten  M.  delt.  bedeckenden 
Haut  vermindert. 

(Eigene  Beobachtung.     Bernhardt.) 

20.     Schwere  Lähmung  in  Folge  von  Neuritis  im  rechtsseitigen 

ülnarisgebiet.  (Vgl.  S.  413.) 
Ohne  prägnant  nachweisbare  Ursache  fing  der  jetzt  (Mai  1883)  54jährigen 
Frau  R.  vor  etwa  einem  halben  Jahre  an,  die  Kraft  der  rechten  Hand  und  Pinger 
zu  erlahmen  und  die  Hand  selbst  abzumagern.  Wenngleich  erheblichere  Schmerzen 
nie  empfunden  wurden,  machte  sich  doch  bald  ein  taubes  Gefühl  in  der  Ulnarseite 
der  Hand,   am   ausgeprägtesten   im  Bereiche   des  5.   und  4.    Fingers   (dort   an   der 


diagnostische  und  elektrotherapeutische  Beobachtungen  an  Kranlcen.  479 

Ulnarseite)  geltend.  Die  ganze  linke  obere  Extremität  blieb  intaijt,  desgleichen 
rechts  sämmtliche  Bewegungen  der  Schulter,  des  Oberarms  und  des  Vorderarms. 
Die  rechte  Hand  kann  mühelos  gestreckt  werden,  desgleichen  die  Basalijhalangen 
der  Finger,  auch  die  Beugung  der  Hand,  ihre  Ad-  und  Abduktion  kommt  zu  Stande 
und  ebenso  auch  die  Beugung  der  Finger,  welche  sehr  wohl  zur  Faust  geschlossen 
werden  können.  Die  Bewegungen  des  Daumens  sind  bis  auf  die  Adduktion  frei. 
Die  Finger  stehen  (von  der  Rückseite  her  betrachtet)  etwas  von  einander  ab  und 
sind  (besonders  deutlich  der  .5.  und  4.)  im  basalen  Glied  hyperextendirt ,  in  den 
beiden  anderen  Phalangen  gebeugt:  Spreizen  und  Wiederannähern  der  Finger  ist 
unausführbar.  Die  Zwischenknochenräume  sind  eingesunken,  besonders  der  erste: 
in  auffallendem  Gegensatz  zu  der  atrophischen  schlaffen  Muskulatur  des  KLeinfinger- 
ballens  steht  die  wohlerhaltene  Thenarrauskulatur.  Der  M.  flexor  carpi  uln.,  sowie 
der  Flexor  digit.  profundus,  desgleichen  sämmtliche  vom  N.  raedianus  und  radialis 
innervirte  Muskeln  sind  direkt  und  indirekt  durch  beide  Stromesarten  in  normaler 
Weise  erregbar.  Vom  N.  ulnaris  oberhalb  des  Handgelenks  aus  erfolgt  auch  bei 
sehr  starkem  faradischen  Reiz  keine  Reaktion:  bei  direkter  Reizung  der  M.  inter- 
ossei  und  der  Hypothenarmuskeln  erfolgt  eine  eben  noch  sichtbare  Reaktion.  Er- 
folglos ist  auch  die  indirekte  galvanische  Reizung  vom  N.  ulnaris  oberhalb  des 
Handgelenks  aus:  die  Mm.  interossei  direkt  galvanisch  gereizt,  geben  bei  hohen 
Stromstärken  träge  schwache  Ka-  und  A-Schliessungszuckungen.  Die  Sensibilität 
ist  am  ganzen  kleinen  und  an  der  Ulnarseite  des  4.  Fingers  erheblich  gegen  die 
verschiedenen  Reize  (auch  die  Haut  des  Kleinfingerballens  nimmt  an  dieser  Sensi- 
bilitätsabnahrae  Teil)  herabgesetzt,  aber  nicht  erloschen.  —  Unter  fortgesetzter 
Galvanisatio^^  des  erkrankten  Nerv-Muskelgebiets  empfindet  die  Kranke  zur  Zeit  zu- 
nächst eine  subjektive  Besserung. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 


21.  Lähmung  im  Bereich  des  rechten  Plexus  brachiali.s  (Erb'sche 
Lähmung).  Quantitativ  herabgesetzte  Erregbarkeit  für  beide  Stromes- 
arten, keine  Entartungsreaktion.   Heilung.   (April,  Mai  1880).  (Vgl.  S.  402.) 

Ein  um  die  rechte  Schulter  herumgehendes  Tragband  drückte  dem  60jährigen 
Arbeiter  P.  beim  Transport  eines  schweren  Gegenstandes  stark  gegen  die  rechte 
Regio  supraclavicularis.  Neben  Schmerzen  in  dieser  Gegend  stellte  sich  eine  Läh- 
mung verschiedener  Muskeln  der  rechten  oberen  Extremität  ein  und  zwar  des 
M.  deltoideus,  biceps,  bracliialis  internus  und  supinator  longus  (der  Arm  konnte 
nicht  zur  Horizontalen  gehoben,  der  Vorderarm  nicht  gebeugt  werden).  Auch  die 
Rollung  des  Arms  nach  aussen  war  mangelhaft;  Druck  in  die  Regio 
infraspinata  sehr  empfindlich.  Kriebeln,  taubes  Gefühl  in  allen  Fingerkuppen  (die 
fünfte  ausgenommen):  alle  anderen  Bewegungen  der  Hand  und  Finger  frei.  Die 
Untersuchung  mit  dem  faradischen  und  konstanten  Strom  ergab  nun  zunächst,  dass 
man  vom  Erb 'sehen  Punkte  in  der  Regio  supraclav.  aus  alle  gelähmten  Muskeln 
wenngleich  weniger  energisch  als  rechts  und  erst  bei  bedeutend  höheren  Strom- 
stärken in  Kontraktion  versetzen  konnte.  Dasselbe  konnte  auch  bei  der  indirekten 
Reizung  von  den  einzelnen  Nervenstämmen  aus  und  bei  direkter  Reizung  der 
gelähmten  Muskeln  erzielt  werden:  nie  trat  späterhin  im  Verlauf  der  Krankheit 
Entartungsreaktion  auf.  Stets  verliefen  die  deutlich  gegen  links  schwäcliercn 
Zuckungen  prompt  und  blitzartig,  stets  überwog  KaSz  die  ASz;  AOz  fohlte  nicht 


480  Einige  elektrodiagnostisclic  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  clektro- 

und  KaOz  war,  wenn  überhaupt,  nur  bei  höchsten  Stromstärken  zu  erzielen  (durch 
das  Galvanometer  kontrollirte  Befunde).     (Vgl.  S.  284.) 

Behandlung:  Ka  stabil  am  Erb 'sehen  Punkt,  A  am  Nacken;  labile 
Ströme  längs  der  erkrankten  Muskeln  und  Nerven;  zeitweilige  indirekte  und  direkte 
Faradisation.  Besserung  innerhalb  vierwöchentlicher  Behandlung :  zunächst  schwanden 
die  Sensibilitätsstörungen  im'Medianusgebiet,  dann  kehrte  die  Kraft  der  Arnibeuger 
und  des  M.  supin.  longus  zurück:  erst  später  fing  der  abgemagerte  M.  deltoideus 
an  seine  Beweglichkeit  wieder  zu  erlangen,  während  an  der  Rückseite  der  Schulter 
das  Eingesunkensein  der  Fossa  supra-  und  infraspinata  die  Teilnahme  der  ent- 
sprechenden Muskeln  an  der  Parese  und  Atrophie  deutlich  bekundeten. 

(Bernhardt.     Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  IV.  Heft  3.  1882.) 

22.  Schwere  Lähmung  im  Bereich  des  rechten  Plexus  brachialis 
(Crb'sche  Lähmung).  Entartungsreaktion.  Trotz  längerer  Behandlung 
nur  geringe  Besserung.  (September,  Oktober  1881). 
Der  32jährige  Fuhrmann  H.  war  im  Juli  1881  vom  Wagen  fallend  mit  der 
rechten  Schulter  stark  auf  die  Deichsel  aufgeschlagen.  Grosse  Empfindlichkeit  der 
rechten  Schulter-,  Hals-  und  Nackengegend.  Totale  Lähmung  des  rechten  M.  del- 
toideus, biceps,  brachialis,  Supinator  longus  und  Supinator  brevis,  desgleichen 
endlich  des  M.  infraspinatus  und  supraspinatus.  Taubheitsgefühl  an  der  Rüclc- 
seite  des  Daumens,  sich  die  Radialseite  des  Vorderarms  bis  zu  dessen  Mitte  hin- 
ziehend, desgleichen  an  der  Volarseite  des  Daumens,  des  Daumenballens  und  der 
die  äussere  Partie  des  M.  deltoideus  überziehenden  Haut.  Eine  Reizung  vom  Erb- 
schen Punkt  aus  oder  der  einzelnen  gelähmten  Nerven  erwies  ein  fast  vollkommenes 
Erloschensein  der  Erregbarkeit  für  beide  Stromesarten:  Bei  direkter  Reizung  mit 
dem  faradischen  Strom  fand  sich  dasselbe :  die  direkt  galvanisch  gereizten  Muskeln 
reagirten  in  träger  Weise  und  in  gleicher  Stärke  bei  KaSz  und  ASz,  aber  erst  bei 
in  Anspruchnahme  höherer  Stromstärken.  Mit  Ausnahme  der  Mm.  supinatores 
reagirten  alle  übrigen  vom  N.  radialis  innervirten  Muskeln  in  normaler  Weise  auf 
beide  Stromesarten,  ebenso  die  vom  N.  ulnaris  und  medianus  innervirten  Muskeln. 
Schwer  gelähmt  erwies  sich  auch  in  Bezug  auf  die  Erfolge  elektrischer  Exploration 
der  M.  infraspinatus:  die  tiefe  Lage  des  M.  supraspinatus  verhinderte  eine  ge- 
nauere elektrische  Untersuchung.  Deutliche  Atrophie  der  gelähmten  Muskeln. 
Behandlung:  wie  in  dem  vorangehend  beschriebenen  Falle:  erst  nach  Monaten 
massiger  Erfolg,  sieh  kundgebend  in  der  Rückkehr  der  Kraft  der  Vorderarmbeuger. 
(Bernhardt.     Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  IV.  Heft  3.  1882.) 

23.  Linksseitige  Peroneuslähmung  (Neuritis?)  Mittelform.  (VgL  S.  403.) 
Ohne  nachweisbare  Ursache  hatte  sich  seit  etwa  Mitte  Juni  1880  bei  einer 
34jährigen  Frau  eine  Schwäche  in  der  Bewegungsfähigkeit  des  linken  Fusses  ein- 
gestellt. Derselbe  konnte  nicht  dorsalflektirt  werden,  Zehenstreckung  unausführbar. 
Der  ganze  linke  Unterschenkel  dünner,  als  der  rechte.  Parästhesien  im  ersten 
linken  Spat,  inteross.  bis  zum  Sprunggelenk  hin  und  weiter  nach  oben  an  der 
vorderen  Fläche  der  unteren  Unterschenkelgegend.  Indirekte  faradische  und  gal- 
vanische Reizung  bewirken  an  der  kranken  Seite  von  1  —  2  Ctm.  oberhalb  des 
Gap.  fib.  aus  deutliche,  nicht  träge  Zuckungen  bei  etwas  grösseren  Stromstärken, 
als  rechts  (R.  KaSz  T^,  links  KaSz  121")-  Dagegen  erfolgt  rechts  an  der  gesunden 
Seite  bei  direkter  galvanischer  Reizung  des  M.  tib.  ant.  KaSz  bei  7|"  (kurz,  blitz- 


diagnostische  und  elektrotherapeutische  Beobaclitungen  an  Kranken.  481 

artig),  links  KaSz  5"  (träge),  ASz  bei  7$"  (träge).  Behandlung:  Galvanischer 
Strom,  Anode  oberhalb  des  Cap.  fib.  am  Nerven,  Kathode  (labil)  über  die  gelähmten 
Partien.     Bedeutende  Besserung  (Ende  Juli).     (Vgl.  S.  295.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhard  t.) 

24.  Linksseitige  Peroneuslähmung  (schwere  Form). 
Im  Laufe  einiger  Monate  trat  bei  dem  42jährigen  Mann  S.  (Oktober  1880), 
ohne  dass  eine  Verwundung  eingewirkt  hätte,  aus  ihm  unbekannter  Ursache  eine  Läh- 
mung der  vom  linken  N.  peroneus  innervirtcn  Muskeln  ein.  Dorsaltlexion  des  Fusses, 
Zehenstreckung  unausführbar.  Gehen  schlecht,  ermüdend;  grosse  Schwierigkeit,  den 
linken  Fuss  mit  dem  Stiefel  zu  bekleiden.  Parästhesien  vom  inneren  linken  Fuss- 
rand  an  über  den  Fussrücken  bis  zur  4.  Zehe  hin  (nicht  am  äusseren  Fussrand) 
und  hinauf  bis  zur  Mitte  der  Aussen-Vorderseite  des  linken  Unterschenkels.  Um- 
fang des  linken  Untersclrenkels  geringer  als  der  des  rechten.  Normale  Reaktion 
des  Tibialisgebiets  links.  Vom  N.  peron.  aus  lassen  sich  links  weder  mit  (starkem) 
faradischem  noch  galvanischem  Strom  Reaktionen  erzielen. 

R.  (gesunde  Seite)  vom  Nerven  aus  T^"  KaSz 

15»  ASz 
20»  AOz 
Direkte  Reizung  des  M.  tibialis  ant.  (rechts)  KaSz  15"  (kurze  Zuckung). 
L.  (kranke  Seite):  bei  direkter  galvanischer  Reizung  des  M.  tibialis  antic.  er- 
folgen träge  Schliessungszuckungen  KaSz  5",  ebenso  ASz  5". 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

25.     Lähmung  des  rechten  N.  peroneus.  —  Mittelform. 

Bei   dem   34  jährigen  Mann  S (Tabiker)   besteht  seit   Ende   September 

eine  Lähmung  des  rechten  Fusses:  derselbe  kann  nicht  dorsalflektirt ,  die  Zehen 
nicht  gestreckt  werden  etc.     Eigentliche  Ursache  unbekannt.     (Vgl.  S.  392.) 

Mit  dem  faradischen  Strom  erzielt  man  zwar  auch  rechts  bei  indirekter  Reizung 
Reaktionen,  indess  sind  die  Zuckungen  auch  bei  Anwendung  bedeutender  Strom- 
stärken recht  schwach,  wenn  gleich  deutlich. 

Konstanter  Strom: 

L.  .(gesunde  Seite)  R.  (kranke  Seite) 

Nervenstamm  etwas  hinter  und   über   dem   Cap.   fibulae: 

KaSz  10«  (blitzartig)  KaSz  30"  (blitzartig) 

M.  tibialis  anticus  (direkt) : 

KaSz  22«/^^.,      ^.  KaSz  ,    ._     ..   ^^„  /  beide 

.  o     o^,i     {  blitzartig.  .  ^      beide  bei  10"  <    ^  .. 

ASz  30"     l  *  ASz  l    trage. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

2fi,  Atrophie  der  rechtsseitigen  Unterschenkels trecker  nach  Ueber- 
anstrengung  (durch  übermässige  Dehnung V).  Einfache  quantitative  Herab- 
setzung der  elektrischen  Erregbarkeit.  (Vgl.  S.  284.) 
Frau  R.,  33  Jahre  alt,  hatte  im  Februar  1880  eine  schwere  Last  (Korb  voll 
Wäsche)  erst  4  Treppen  hinab,  dann  ebenso  hoch  wieder  hinauf  zu  tragen  und 
sich  dabei  sehr  angestrengt.  Einige  Tage  hernach  verspürte  sie  zunächst  eine  ge- 
wisse Schwäche  im  rechten  Knie  und  bald  nachher,  im  Laufe  einiger  Wochen  stets 
zunehmend,   stellte  sich   eine   erhebliche  Schwäche   des   rechten  Beins   ein.     Hüft- 

Roseiithal  u.  Bernhardt,  Elektri/.itiUslelire.     III.   Aufl.  31 


482  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

bcugung  und  ebenso  Streckung  der  Hüfte,  sowie  Kniebeugung  frei,  desgleichen  die 
Fussbcweguiigen :  ganz  kraftlos  sind  dagegen  die  Unterschenkelstrecker.  Erst  bei 
bedeutenden  Stromstärken  erzielt  man  rechts  vom  N.  cruralis  aus  schwache 
Zuckungen  in  der  atrophischen  Quadricepsmuskulatur  (Umfang  des  rechten  Ober- 
schenkels 10  Ctm.,  oberhalb  des  oberen  Patellarrandes  36  Ctm.,  des  linken  39  Ctm.) 
am  besten  noch  im  M.  tensor  fasc.  latae  und  Vastus  extei'nus;  kaum  erregbar  er- 
scheinen der  Vastus  internus,  Rectus  fem.  und  cruralis.  Erst  bei  sehr  hohen  Strom- 
stärken erscheinen  bei  galvanischer  Reizung  schwache,  aber  deutlich  blitzartig  ab- 
laufende Zuckungen  (bei  Stromesschluss)  im  Quadricepsgebiet 

Behandlung:  Konstanter  Strom  labil  und  stabil  über  das  leidende  Nerv- 
Muskelgebiet,    abwechselnd  mit   Anwendung  mittelstarker    faradischer  Ströme.   — 

Besserung.  — 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

27.  A.  Schmidt,  18  Jahre  alt,  leidet  seit  mehr  als  einem  Jahre  an  einer 
rechtsseitigen  Schultergelenkentzündung.  Der  Kranke  kann  den  Arm  in 
der  Schulter  nicht  bewegen  oder  heben  (heftige  Schmerzen):  deutliche  Atrophi  e 
des  rechten  M.  deltoideus.  Alle  anderen  Muskeln  der  rechten  oberen  Extre- 
mität gut  genährt  und  frei  beweglich, 

26.  Mai  1882:    Bei  Prüfung  der  Erregbarkeit  mittelst  des  faradischen  Stroms 

kommen  links  bei  direkter  und  indirekter  Reizung  bei  6,0  —  6,5  R.A.   deutliche, 

ausgiebige   Zuckungen   zu  Stande,   rechts   an  der  kranken  Seite  bei   5  R  A.   nur 

Spuren    (wenigstens    in    der    mittelsten   Partie   des   Muskels:    die    vordersten    und 

hintersten  Abschnitte  reagiren  leidlich  gut.) 

Links  (gesunde  Seite):  KaSz  2|" 

ASz  7^» 

AOz  25" 

Rechts  (kranke  Seite):  KaSz  20»  }  ^ei  direkter  Muskelreizung. 

ASz  25« 
kein  AOz 

Diese  Zuckungen  sind  nur  schwach,  aber  deutlich  von  blitzartiger  Form, 
nicht  träge. 

Quantitative  Verminderung  der  elektrischen  Erregbarkeit 
(keine  qualitativen  Aenderungen).     (Vgl.  S.  284.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

28.  Akute  atrophische  Spinallähmung  der  Kinder.  (VgU  S,  298,  384.) 
September  1882  wurde  mir  der  9  jährige  Knabe  A.  Borgwart  vorgestellt.  Im 
Alter  von  einem  Jahre  stellte  sich  unter  Schmerzen  (das  Kind  schrie  sehr)  angeb- 
lich im  Laufe  einer  Nacht  eine  noch  jetzt  bestehende  Lähmung  der  rechten 
oberen  Extremität  ein.  (Da  die  Mutter  um  die  Zeit  des  Beginns  der  Erkran- 
kung von  dem  Kinde  fern  war,  so  liess  sich  über  einen  etwaigen  Fieberzustand 
oder  darüber,  ob  Krämpfe  beim  Einsetzen  der  Krankheit  vorhanden  waren,  nichts 
mehr  eruiren.)  Die  gesammte  rechte  Schulter-Oberarmregion  ist  enorm  abgemagert: 
es  besteht  eine  deutliche,  tiefe  Lücke  zwischen  dem  Akromion  und  dem  Oberarm- 
kopf, der  ganze  rechte  Oberarm  ist  spindeldürr,  ein  deutlicher  Gegensatz  zu  dem 
normalen  Volumen  des  linken  Oberarms.  Die  Schulter  kann  gehoben  werden,  der 
rechte    Oberarm    ist    durchaus    unbeweglich:    ebensowenig    kommt    Beugung    oder. 


diagnostische  und  elektrotherapeutisclie  Beobachtungen  an  Kranken.  483 

Streckung  des  Vorderarms  zu  Stande:  hat  man  (passiv)  den  rechten  Vorderarm 
zu  beugen  angefangen ,  so  wird  bei  einer  gewissen  Winkelstellung  diese  Beugung 
mit  Hilfe  des  M.  ulnaris  internus  zu  Ende  geführt.  Supination  des  Vorderarms 
■unausführbar:  Hand-  und  Fingerbewegungen  sämmtlich  frei.  Das  Gebiet 
des  N.  medianus  und  des  N.  ulnaris  ist  elektrisch  intakt,  desgleichen  das  des 
N.  radialis:  ausgenommen  sind  der  M.  triceps  und  beide  Supinatoren.  Die  Mm.  delt., 
biceps,  brachialis  internus,  sapin.  long,  et  brcvis  sind  weder  direkt  noch  indirekt 
(mit  beiden  Stromesarten)  erregbar. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

29.  Akute  atrophische  Spinallähmung  der  Kinder. 

Bis  Mitte  September  1881  war  der  25jährige  Rudolf  D...  gesund  gewesen: 
zu  dieser  Zeit  erkrankte  er  fieberhaft,  bekam  Diarrhoen  und  konnte  schon  etwa 
2  Tage  nach  Beginn  der  Krankheit  nicht  mehr  stehen.  Krämpfe  waren  nicht  da- 
gewesen. —  Sitzen,  Stehen,  Gehen  war  anfangs  unmöglich:  allmählich  besserten 
sich  die  Erscheinungen  und  beschränkten  sich  (Mitte  Mai  1882)  darauf,  dass  er 
hinkte.  Die  ganze  linke  untere  Extremität  erscheint  etwas  magerer  wie  die 
rechte;  aber  die  Muskulatur  des  Oberschenkels  reagirt  auf  den  faradischen  Strom, 
das  Kniephänomen  ist  vorhanden:  Beugung  in  der  Hüfte  und  Streckung  des  Unter- 
schenkels frei.  Am  linken  Unterschenkel  erscheint  im  Vergleich  zur  rechten  Seite 
ganz  besonders  dünn  die  Wade,  der  Fuss  steht  in  Valgusstellung,  Dorsalflexion  und 
Abduktion  frei:  Der  M.  tibialis  anticus,  die  Zehenstrecker  und  die  Mm.  peronei 
waren  elektrisch  intakt.  Gelähmt  und  faradisch  unerregbar  erscheinen  der 
M.  tibialis  posticus,  die  Zehenbeuger  und  die  eigentliche  Waden- 
muskulatur: erst  bei  hohen  Stromstärken  erzielt  man  mittelst  galvanischer 
(direkter  Reizung)  träge  KaS  und  AS  Zuckungen.  —  ASz  =  KaSz.    (Vgl  S  403.) 

(Eigene  Beobachtung.     Bernhardt.) 

30.  iikute  atrophische  spinale  (Kinder-)  Lähmung. 

Das  zur  Zeit  der  Beobachtung  (13.  September  1881)  5  Jahre  alte  Gretchen  N. 
war  vor  5  Wochen  fieberhaft  erki-ankt,  hatte  über  Hinterhauptschmerzen  geklagt, 
2  Wochen  zu  Bett  gelegen  und  war  danach  an  beiden  unteren  Extremitäten  ge- 
lähmt gewesen.  —  Sie  konnte  nicht  mehr  gehen,  aber  auch  nicht  mal  mehr  sitzen. 
Die  Schwäche  des  linken  Beins  besserte  sich  schnell:  zur  Zeit,  wo  -sie,  wenngleich 
lahmend,  wieder  geht,  besteht  nur  am  rechten  Bein  eine  totale  Lähmung 
der  Hüftbeuger  und  der  Untersc.henkelstrecker:  die  Beuger  des  Unter- 
schenkels (an  der  Hinterseite  des  Oberschenkels)  und  sämmtliche  Muskeln  am 
Unterschenkel  intakt.  Das  sehr  unruhige  Kind  bot  der  genaueren  Untersuchung 
enorme  Schwierigkeiten:  konstatirt  konnte  nur  werden,  dass  sehr  starke  faradische 
Ströme  schwache  Reaktionen  der  Muskulatur  an  der  Aussenseite  des  rechten  Ober- 
schenkels zur  Folge  hatten.     (Vgl.  S.  384 ) 

(Eigene  Beobachtung.     Bernhardt.) 

31.     Akute  atrophische  Spinallähmung  (einer  Frau)   in   gleichsam   hemi- 

plegischer  Form  (selten)  auftretend. 

Anfang  Oktober  1882  wurde  eine  bis  dahin  gesunde,  etwa  2.5  Jahre  alte  Frau 

nach  voran fgegangner  Erkältung  und  während  eines  einige  Tage  andauernden,   mit 

Verdauungsstörungen    koraplizirten   fieberhaften  Zustandes   von    einer  hochgradigen 

31* 


484  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

Schwäche  der  rechten  Extremitäten  befallen.  —  Anfang  November  1882  fand   sich 
(kurz)  folgendes: 

Psyche,  Sinnesorgane,  Sprache,  Schlucken  intakt.  Urin-  und  Stuhlentleerung 
normal.  Die  linke  obere,  wie  untere  Extremität  frei.  Heben  der  Schulter  rechts,' 
Kopfbewegungen  in  normaler  Weise  ausführbar.  Absolut  unausführbar  war: 
das  Heben  des  rechten  Arms,  Beugung  und  Supination  des  rechten  Vorderarms, 
Drehen  des  ganzen  Arms  nach  aussen  und  sehr  schwach  nur  kam  Streckung  des 
Vorderarms  zu  Stande.  Intakt  war:  Streckung  und  Ad-  sowie  Abduktion  der  Hand 
und  Finger,  Beugung  der  Hand  und  der  Pinger,  Pronation  des  Vorderarms.  Fara- 
disch weder  direkt  noch  indirekt  erregbar  erwiesen  sich:  M.  deltoideus,  biceps, 
brachialis  internus,  beide  Mm.  supinatores,  die  Mm.  supra-  und  infraspinatus  und  der 
Triceps.  Bei  direkter  galvanischer  Reizung  (die  indirekte  war  erfolglos)  erfolgten 
träge,  langsame  Zuckungen,  aber  nur  bei  der  Schliessung  KaSz  und  ASz  fast  gleich. 
(Vgl.  S.  40-2) 

Am  rechten  Bein  waren  nur  schwache  Plantarbewegungen  der  Zehen  und 
des  Pusses  übrig  geblieben:  sonst  war  jede  Bewegung  aufgehoben.  Die  durchweg 
schlaffen  und  im  Laufe  weniger  Wochen  stark  atrophisch  gewordenen  Muskeln 
reagirten  wie  oben  (komplete  Entartungsreaktion).  —  Die  Sensibilität  hatte  nicht 
gelitten,  Schmerzen  bestanden  nicht  Das  Kniephänomen  war  rechts  verschwunden, 
links  vermindert.  Trotz  zweckentsprechender  galvanischer  Behandlung  (Position 
beider  Elektroden  eines  galvanischen  Stroms  auf  Hals-  und  Lendenwirbelsäule,  bezw. 
labile  Behandlung  der  gelähmten  Muskeln  mit  der  Ka,  während  A  auf  der  Wirbel- 
säule ruht)  keine  sichtbare  Besserung  im  Laufe  mehrerer  Monate.  (Uebrigens 
wurde  Patientin  im  Winter  1883  leicht  und  schnell  entbunden.)  —  Die  Beuger 
der  Hand  und  Finger,  die  Daumen-  und  Kleinfingerballen  sowie  die  Zwischen- 
knochenmuskeln der  Hand  waren  durchaus  intakt  geblieben. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

32.     Akute  atrophische  Spinallähmung  eines  Erwachsenen  (in 
späteren  Stadien). 

Der  42jährige  Arbeiter  N.  war  bis  Mitte  April  1880  gesund  gewesen,  hatte 
sich  aber  in  der  letzten  Zeit,  in  einer  Holzschncidemühle  arbeitend,  vielfachen 
Erkältungen  ausgesetzt.  Seit  dem  15.  April  etwa  fühlte  er  sich  täglich  matter 
werden:  am  17'.  nahm  dieser  Zustand  so  überhand,  dass  er  (ein  Arbeiter)  mit  der 
Droschke  nach  Hause  fahren  musste.  Mit  Hilfe  des  Kutschers  ersteigt  er  noch 
die  Treppe  zu  seiner  Wohnung  und  legt  sich  zu  Bett.  Erst  nach  Mitternacht  fühlt 
er  sich  sehr  unwohl;  da  die  Schwäche  auch  alsbald  seine  Arme  ergriff,  wird  Patient 
am  1 9.  April  nach  dem  Krankenhause  gebracht.  Nur  einmal  noch  ging  er  an  eben 
diesem  Tage  zum  Kloset:  dann  ging  er  drei  Monate  lang  überhaupt  nicht 
mehr,  er  musste  auch  diese  ganze  Zeit  gefüttert  werden.  Erst  Ende  Juli  (1880) 
fing  er  ganz  schwach  wieder  an  zu  gehen;  die  Bewegungen  der  oberen  Extremitäten 
waren  erst  seit  September  wieder  zurückgekehrt.  Die  Psyche,  die  Funktion  der 
Hirnnerven  war  stets  intakt  geblieben,  die  Sensibilität  hatte  zu  keiner  Zeit  ge- 
litten, Dekubitus  war  während  des  ganzen  Verlaufs  der  Krankheit  nicht  einge- 
treten: dagegen  hatte  während  der  ersten  Krankheitstage  der  Urin  einige  Male 
durch  den  Katheter  entleert  werden  müssen.     (Nie  Secessus  inscii.) 

Im  Oktober-  1880  machte  der  Kranke  schon  wieder  lange  Wege  allein:  die 
Abmagerung  der  unteren  Extremitäten  war  nur  eine  massige :    die  Kniephänomene 


diagnostische  und  elektrotherapeiitische  Beobachtungen  an  Kranken.  485 

waren  vorhanden,  die  elektrische  Reaction  auf  beide  Stromesarten  war  vorhanden 
und  nur  quantitativ  verändert  (vermindert).  An  den  oberen  Extremitäten  bestand 
beiderseits  am  Deltoideus  und  den  Oberarmen  deutliche  Abmagerung,  Erhebung 
der  Schultern  und  Adduktion  der  Schulterblätter  nach  hinten  kam  gut  zu  Stande. 
Dagegen  konnten  die  Arme,  besonders  der  rechte,  nur  mit  Mühe  bis  zur  HorizontaTen 
erhoben  werden.  Beugung  und  Streckung,  Pro-  und  Supination  der  Vorderarme 
gelang  beiderseits,  aber  links  wieder  freier  und  kräftiger,  als  rechts.  Beide  Hände 
hingen  volarflektirt  herab  (Anschwellung  der  Sehnenscheiden  auf  dem  Handrücken) ; 
weder  sie  noch  die  basalen  Pingerphalangen  konnten  dorsalflektirt  oder  auch  nur 
bis  zur  Horizontalen  gebracht  werden:  Am  besten  von  allen  Bewegungen  kamen 
die  Beugebewegungen  der  Hände  und  der  Finger  zu  Stande, 

Dem  Induktionsstrom  gehorchten  beiderseits  das  Medianus-  und  Ulnarisgebiet 
bei  direkter  und  indirekter  Reizung  am  besten;  es  folgten  in  Bezug  auf  erhaltene 
Reaktion  der  M.  supinator  longus,  weniger  gut  reagirten  biceps,  triceps,  deltoideus, 
am  wenigsten  die  Extensoren  am  Vorderarm. 

Bei  Reizung  mit  dem  konstanten  Strom  reagiren  Delt.  und  Biceps  erst  bei 
hohen  Stromstärken:  Die  Trägheit  der  Reaktion  tritt  hier  nicht  deutlich  zu 
Tage,  die  Zuckung  ist  überhaupt  nur  schwach,  erfolgt  aber  in  einzelnen  Muskel- 
bündeln schnell:  exquisit  träge  ist  die  Reaktion  der  Extensoren  der  Hand  und 
Finger,  KaSz  fast  gleich  ASz  —  Links  verhält  sich  Alles  fast  ebenso,  nur  sind 
die  Reaktionen  sich  noch  mehr  der  Norm  nähernd,  wie  rechts. 

Leider  entzog  sich  der  Patient  sehr  schnell  der  eingeleiteten  Behandlung. 
(Vgl.  S.  386.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

33.  Bleilähmuug;   einseitig,   von  sehr  massiger  Ausdehnung  (nur  ein 

Teil  des  M.  extens.  digit.  communis  erkrankt). 

Der  ■27  jährige  Maler  A.  Kaps  ist  seit  1863  beim  Gewerk.  Krst  im  Jahre  1878 
hatte  er  zum  ersten  Male  Bleikolik.  Im  August  1879  wiederholte  sich  das  Leiden: 
es  traten  aber  Krampfanfälle  und  Hallucinationen  hinzu.  Seitdem  besteht  eine 
lähmungsartige  Schwäche  nur  der  rechten  Hand:  die  linke  ist  ganz  frei.  — 

Rechts  ist  die  Dorsalflexion  der  Hand  (auch  bei  ausgestreckten  Fingern)  frei 
ausführbar,  ebenso  der  Zeigefinger,  Daumen  und  Kleinfinger  frei  beweglich  und 
streckbar;  nur  der  3.  und  4.  Finger  bleiben  unter  dem  Niveau  der  Horizontalen. 
Supinatoren  ganz  i'rei.     Ausgeprägter  Bleirand, 

Alle  Muskeln  der  rechten  oberen  Extremität  reagiren  auf  beide  Stromesarten 
in  normaler  Weise:  Bei  direkter  Reizung  des  M.  extensor  digit.  communis  dexter 
mit  galvanischen  Strömen  erzielt  man  träge  Zuckungen  und  KaSz  =  ASz.  (Vgl. 
S.  301) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

34.  Bleilähmung;   einfache  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  der  ge- 

lähmten Muskeln,  keine  Entartungsreaktion. 
Albrecht,  42  Jahre  alt,  Bleirohrleger,  ein  bleicher,  kachektisch  aussehender 
Mann  (exquisiter  Bleirand),  zeigt  eine  doppelseitige,  rechts  mehr  ausgeprägte,  Läh- 
mung der  Hand-  und  Fingerstrecker,  Bewegungen  in  den  Schulter-  und  Ellen- 
bogengelenken, ebenso  Pro-  und  Supination  beiderseits  frei.  Nur  bei  eingeschlagenen 
Fingern  kann  rechts  die  Hand  und  dann  nur  mit  Mühe   bis   zur  Horizontalen   ge- 


486  Einige  elektrodiagnosiisehe  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  eleklro- 

bracht  werden.  Fingerstreckung  sehr  mangelhaft.  Dauincnbewcgungen  frei.  Links 
kommt  die  Streckung  der  anderen  Finger  leidlich  und  gerade  die  des  Daumens 
weniger  gut  zu  Stande. 

Durch  starke  Induktionsströme  sind  alle  Muskeln  indirekt  und  besser  noch, 
z.  B.  beim  Extens.  digit.  communis,  direkt  zu  erregen:  auch  auf  Reizung  mit  dem 
konstanten  Strom  reagiren  alle  Muskeln,  auch  der  Extensor  digit.  commun. ,  mit 
kurzen,  schnellen  Zuckungen,  die  KaSz  sind  vorherrschend  vor  den  ASz,  die  an- 
zuwendenden Stromstärken  sind  ziemlich  bedeutende.     (Vgl.  S.  389.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

35.     Bleilähraung;  ausgesprochene  Mittelform. 

Der  32jährige  Feilenhauer  S.  hatte  im  b.  Jahre  seiner  Tätigkeit  als  solcher 
zum  ersten  Mal  die  Bleikolik  überstanden,  der  sich  lähmungsartige  Schwäche  beider 
Hände  zugesellt  hatte.  Zu  anderer  Beschäftigung  übergehend,  blieb  S.  darauf  Jahre 
lang  gesund.  Die  letzten  G  Jahre  arbeitete  er  wieder  als  Feilenhauer;  Anfang  1879 
neue  Erkrankung  (reissende  Schmerzen  in  den  Gliedern,  Unterleibsbeschwerden, 
blutige  Durchfälle ,  grosse  Mattigkeit) ;  Genesung.  Seit  einigen  Wochen  wieder 
Hand-  und  Fingerlähmung;  zur  Zeit  keine  Schmerzen.  Spuren  eines  Bleirandes: 
rechte  Hand  schwächer  als  die  linke.  Die  rechte  Hand  kann  bis  zur  Horizontalen 
gestreckt  und  bei  eingeschlagenen  Fingern  sogar  dorsalflektirt  werden.  Beim  Aus- 
strecken der  Finger  bleiben  der  vierte,  namentlich  aber  der  dritte  unter  der  Hori- 
zontalen. Die  Seitenbewegungen  der  flach  auf  einer  Unterlage  liegenden  Hand  sind 
frei,  ebenso  die  Supination  des  Vorderarms;  der  Daumen  kann  gestreckt,  nicht 
aber  von  der  Hand  abduzirt  werden.  Der  erste  Zwischenknochenraum  der  Hand 
ist  eingesunken,  ebenso  bietet  auch  der  Daumenballen  ein  atrophisches  Aussehen 
(auch  ist  die  Erregbarkeit  dieser  Muskeln  erheblich  herabgesetzt).  Links  sind  die 
Verhältnisse  im  Ganzen  dieselben.     (Vgl.  S.  388.) 

Vom  Stamm  des  N.  radialis  an  der  Umschlagsstelle  am  Oberarm  aus  (alles 
dies  rechts  mehr  ausgeprägt,  als  links)  konnte  man  bei  einer  etwas  höheren  Strom- 
stärke wie  bei  einem  Gesunden  durch  den  faradischen  Strom  deutliche  Kontraktionen 
nicht  allein  der  frei  gebliebenen  Mm.  supinatores,  sondern  auch  der  eigentlichen 
Hand-  und  Fingerstrecker  erzielen. 

Bei  Prüfung  mit  dem  konstanten  Strom  ergab  sich: 
Vom  Stamm  (Umschlagsstelle)  aus: 
KaSz  10"  \  die  Zuckungen,  auch  im  M.  extensor  digitor.  com- 

ASz  und  AOz  15"    /       munis  waren  kurz,  blitzartig. 
Bei  direkter  Reizung  der  Hand-  und  Fingerstrecker  ergab  sich: 

KaSz  5"    ■»   die    Zuckungen    waren    langgezogen,    träge,    die    ASz    trat 
ASz  25"    /       früher  ein,  als  die  KaSz. 
Auch  bei  faradischer  (direkter)  Reizung   reagirten  die  gemeinsamen  Finger- 
strecker bei  etwas  erhöhten  Stromstärken  deutlich  mit   schnellen  Zuckungen.     Die 
Mm.  deltoidei,  bicipites,  supinatores  verhielten  sich  elektrisch  durchaus  normal. 

Behandlung:  Konstanter  Strom  längs  des  Cervicalmarks  resp.  Anode  Nacken, 
Ka  Plexus  brachialis  stabil,  alsdann  labil  über  Nerv  und  Muskel;  mittelstarke 
faradische  Ströme.    Erhebliche  Besserung  innerhalb  7  Wochen.    (Vgl.  S.  301,  388.) 

(Bernhardt.     Virchow's  Archiv.  Bd.  78.   1879.) 


diagnostische  und  elelitrotherapeu tische  Beobachtungen  an  Kranken.  487 

36.     Beginnende  progressive  Muskelatrophie. 

Die  24jährige  Plätterin  Auguste  Qu.  fühlte  schon  seit  einem  halben  Jahre 
den  ganzen  linken  Arm  schwächer  werden:  besonders  schienen  Hand  und  Finger 
abgestorben,  jedenfalls  waren  diese  Glieder  abgemagert.  Schmerzen  bestanden 
weder  dort,  noch  im  Verlauf  des  linken  N.  medianus  und  ulnaris  am  Vorder-  und 
Oberarm.  Sie  plättet  viel  und  legt  dabei  die  linke  Hand  auf  die  rechte,  um  so 
einen  stärkeren  Druck  ausüben  zu  können.  Der  linke  Daumenballen,  ebenso  die 
linken  Spatia  interossea  sehr  atrophisch:  Bewegungen  des  Daumens  höchst  mangel- 
haft, ebenso  das  Spreizen  und  Wiederaneinanderbringen  der  Finger  (Strecken  der 
Mittel-  und  Nagelphalangen  geht  leidlich  gut).  Die  Muskulatur  des  Kleiufinger- 
ballens,  des  Vorder-  und  Oberarms  links  intakt.  Rechts  überhaupt  keine  Anomalie. 
Die  Muskeln  des  Hypothenar  reagiren  auf  beide  Stromesarten  normal,  die  Mm.  inter- 
ossei  reagiren  erst  bei  sehr  hoher  Stromstärke  auf  den  faradischen  Strom,  die 
Daumenballenmuskeln  fast  gar  nicht. 

Die  atrophischen  Muskeln  reagiren  rechts  wie  links  bei  denselben  Strom- 
stärken auf  den  konstanten  Strom:  rechts  sind  die  Zuckungen  blitzartig,  kurz, 
links  langgezogen,  träge  ASz  =  KaSz.     (Status  vom  7.  Oktober  1880.) 

Vom  N.  ulnaris  (am  Olecranon)  aus  erfolgt  links  wie  rechts  in  den  langen 
Beugemuskeln  der  Hand  und  Finger  prompte  Reaktion,  für  beide  Stromesarten 
gleich  auf  beiden  Seiten.     (Vgl.  S.  390.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

37.  Aehnlich  ist  die  Krankheitsgeschichte  der  45jährigen  Plätterin  Steinert: 
Dieselbe  hat  sich  Anfangs  Januar  1881  beim  Wäschespülen  stark  erkältet,  darauf 
anhaltend  geplättet.  Die  linke  Hand  wurde  schwach,  die  Zwischenknochenräume 
sanken  ein.  Die  Muskeln  des  Daumenballens  blieben  gesund:  die  Mm.  int  er- 
es sei  sind  durch  den  faradischen  Strom  kaum  zu  erregen  und  reagiren  auf  den 
direkten  galvanischen  Reiz  (auch  erst  bei  bedeutenden  Stromstärken)  lang- 
sam und  träge.  Die  Reaktionen  vom  Stamm  des  N.  ulnaris  aus  sind  beiderseits 
gleich  gut  erhalten  und  prompt  für  beide  Stromesarten.  Bei  direkter  Reizung  der 
an  der  Ulnarseite  des  linken  Vorderarms  gelegenen  Flexorenmuskulatur  erfolgen 
die  Kontraktionen  zwar  bei  demselben  Rollenabstand  (bei  faradischem  Reiz)  wie 
rechts,  aber  nicht  tonisch,  sondern  in  Absätzen,  vibrirend. 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

38.  Progressive  Muskclatrophie. 
Der  etwa  50jährige  Herr  M.  leidet  seit  etwa  einem  Jahre  an  zunehmender 
Schwäche  und  Abmagerung  seiner  oberen  Extremitäten,  besonders  der  Hände. 
Beiderseits,  mehr  aber  noch  rechts  wie  links,  sieht  man  die  Daumenballen  atrophisch, 
die  Spatia  interossea  eingesunken :  Spreizen  und  Adduziren  der  Finger  selir  mangel- 
haft, leidlich  gut  kommt  noch  die  Streckung  der  Mittel-  und  Nagelphalangen  zu 
Stande.  Auch  auf  der  Streckseite  des  rechten  Vorderarms  ist  eine  Abflachung 
deutlich  wahrnehmbar:  die  Hand  kann  nicht  wie  die  linke  dorsalfleklirt  werden. 
Die  Arme  können  nicht  ganz  bis  zur  Vertikalen  erhoben  werden :  an  den  Mm.  delt. 
biceps,  supinator  longus  sind  beiderseits  deutlich  fibrilläre  Zuckungen  wahrzunehmen. 
Vom  Erb 'sehen  Punkt  aus  sind  der  M.  biceps  und  supinator  sehr  gut,  weniger 
gut  der  M.  delt.  zu  erregen,   ebenso  reagiren  auch  die  übrigen  Muskeln  auf  beide 


488  Einige  elektroriiag'noslische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  elektro- 

Stromesarteu  prompt,  mit  Ausnahme  der  eigentlichen  Fingerstrecker,  der  Mm.  inter- 
ossei  und  der  Muskeln  des  Daumen-  und  Kleinfingerballens.  Bei  direkter  galva- 
nischer Reizung  reagiren  diese  atrophischen  Muskeln,  besonders  deutlich  die 
Mm.  interossei  mit  langsamen,  trägen  Zuckungen;  KaSz  =  A  Sz.  —  Die  unteren 
Extremitäten  sind  bisher  noch  ganz  intakt,  ebenso  die  Funktionen  der  Blase  und 
des  Mastdarms.  Die  Psyche  normal;  Sprechen,  Schlucken  wie  früher;  Zunge 
durchaus  frei  beweglich;  Sinnesorgane  intakt.  Sensibilitätsstörungen  fehlen  durch- 
aus.    (Einmalige  Untersuchung  am  1.  Mai  1883.)     (Vgl.  S    299,  300.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

39.  Pseudohypertrophia  musculorum.  Beginnende  Erkrankung.  — 
Interessante    erbliche,    fast    normale    elektrische    Verhältnisse.    — 

(Oktober  1882.) 

Von  den  Eltern  der  zur  Zeit  der  Beobachtung  7jährigen  Hedwig  H  . .  ist 
die  Mutter  ganz  gesund.  Der  Vater  leidet  an  „Kopfkolik".  Die  Grossmutter 
väterlicherseits  starb  an  der  „Auszehrung",  der  Grossvater  durch  einen  Unglücks- 
fall. Die  Grosseltern  mütterlicherseits  waren  gesund.  H.  hat  noch  8  Geschwister : 
von  diesen  sind  7  gesund,  eine  (jetzt  18jährige)  Schwester  kann  sich  seit  dem 
13.  Lebensjahre  nicht  mehr  allein  fortbewegen:  sie  ist  „sehr  stark",  muss  aber 
immer  sitzen,  kann  mit  ihren  Händen  arbeiten.  —  Des  Vaters  Bruder  hat  drei 
Töchter:  alle  drei  waren  in  ähnlicher  Weise  krank  gewesen,  wie  jetzt  Hedwig:  die 
Krankheit  begann  auch  bei  ihnen  im  7.  Lebensjahre  und  raffte  sie  im  Alter  von 
22—23  Jahren  dahin. 

H.  ist  für  ihr  Alter  gut  gebaut,  kräftig.  Beim  ruhigen  Stehen  des  ent- 
kleideten Mädchens  fällt  nur  der  abnorm  dicke  Umfang  beider  Waden  auf,  während 
die  Mm.  sacrolumb.  nur  etwas  mehr,  als  gewöhnlich  ausgeprägt  sind  und  die  Ober- 
schenkel- sowie  die  Glutäalmuskulatur  zwar  kräftig,  aber  nicht  auffällig  hervortritt. 
Die  übrige  Muskulatur  ist  entsprechend  entwickelt,  nirgends  Atrophien.  (Umfang 
des  linken  Oberarms  in  der  Mitte  16  Gtm ,  Umfang  des  oberen  Drittels  des  linken 
Vorderarms  16^  Ctm ,  Umfang  der  linken  Wade  2fi  Ctm.)  Die  Muskeln  sind  prall, 
aber  doch  etwas  weichlich  anzufühlen.  Leichte  Lordose;  das  Kind  geht  leidlich 
gut,  ohne  zu  „watscheln",  beim  Treppensteigen  setzt  sie  immer  nur  einen  Fuss 
vor,  den  andern  nachziehend  (nicht  abwechselnd) :  sie  fällt  leicht  vor  dem  kleinsten 
Hinderniss:  schon  im  vorigen  Jahre  wurde  von  einer  der  oben  erwähnten,  inzwischen 
verstorbenen  Kousinen  bemerkt,  dass  die  damals  6jährige  H.  ihr  ähnlich  werden 
würde.  Soll  die  Kranke  am  Boden  liegende  Gegenstände  aufheben,  so  merkt  man 
schon  die  Mühe  beim  Aufrichten  des  Rumpfes,  nicht  so  beim  Aufstehen  von  einem 
Stuhle  oder  Hinsetzen.  Schon  sind  Andeutungen  der  charakteristischen  Kletter- 
bewegungen zu  sehen,  wenn  H.  sich  aus  der  horizontalen  Lage  wieder  allein  er- 
heben soll.  Haut  der  Ober-  und  Unterschenkel  marmorirt.  Intelligenz  intakt. 
Schlaf,  Appetit  etc.  lassen  nichts  zu  wünschen  übrig. 

Elektrische  Exploration: 

Linker  N.  tibialis  KaSz  5" 
AOz  • 

ASz     '' 
Wadenmuskulatur  direkt  KaSz  20" 
ASz  30« 
keine  AOz. 


diagnostische  und  elektrolherapeutische  Beobachtungen  an  Kranken.  489 

Bei  der  Reizung  mit  dem  faradischen  Strom  erfolgen  bei  7  Ctm.  R.  A.  deut- 
liche Zuckungen  (vom  N.  tibialis  aus)  in  der  Wadenmuskulatur,  desgleichen  reagiren 
auch,  wenn  auch  erst  bei  höheren  Stromstärken,  die  direkt  gereizten  Muskeln  deut- 
lich. Alle  Kontraktionen  (bei  galvanischer,  wie  faradiseher,  direkter,  wie  indirekter 
Reizung)  sind  kurz  und  blitzartig      (Vgl.  S.  284,  391.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

40.     Rechtsseitige  Abducenslähmung,   durch   den  konstanten  Strom 
erheblich  gebessert. 

Der  49jährige  Arbeiter  S.  war  4  Wechen  vor  Beginn  der  Beobachtung  vom 
Gerüst  gefallen  und  einige  Stunden  bewusstlos  gewesen.  An  den  Extremitäten 
keine  Lähmung,  auch  die  Facialisgebiete  waren  beiderseits  frei.  Hörvermögen 
beiderseits  erhalten.  Rechtes  Auge  steht  nach  innen,  kann  nicht  zum  äusseren 
Lidwinkel  hingewendet  werden.  Patient  hatte  bald  nach  dem  Unfall  erbrochen: 
Blutung  aus  dem  Munde. 

Die  Abweichung  der  gleichnamigen  Doppelbilder  (Untersuchung  von  Dr.  Horst- 
mann) betrug  durch's  Prisma  gemessen  am  7.  November  1879  20".  Behandlung 
mit  dem  konstanten  Strom,  Ka  an  der  rechten  Schläfe  und  am  äusseren  rechten 
Augenwinkel  (bezw.  am  Auge  selbst  bei  geschlossenen  Lidern).  Am  16.  Januar  1880 
betrug  die  Ablenkung  nur  noch  2^ — 5°.  —  Augenhintergrund  normal.    (Vgl.  S.  429.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

41.  Rechtsseitige    Abducenslähmung,    durch    den    konstanten    Strom 

erheblich  gebessert. 
Die  34jährige  Schneiderin  Mathilde  K.  litt  seit  14  Tagen  (nach  vorauf- 
gegangenen reissenden  Schmerzen  in  der  rechten  Kopfhälfte)  an  einer  rechtsseitigen 
Abducenslähmung.  Am  25.  November  1879  betrug  die  Ablenkung  (durch  Prismen 
gemessen,  nach  Dr.  Horst  mann)  44";  Behandlung  mittelst  des  konstanten  Stroms 
(Anode  Nacken,  Kathode  an  der  rechten  Schläfe,  bezw.  am  rechten  äusseren  Augen- 
■winkel)  bis  Januar;  am  16.  Januar  1880  war  die  Beweglichkeit  des  rechten  Auges 
nach  aussen  hin  fast  zur  Norm  zurückgekehrt:  die  Ablenkung  betrug  jetzt  nur 
noch  14".  (Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 

42.  Taubheit  nach   Meningitis;   Ohrensausen:   Dämpfung   desselben 
beiderseits  durch  die  Anodenwirkung;  paradoxe  Reaktion  des  nicht 

armirten  Ohres. 

Louise  Stuff,  12  Jahre  alt,  hat  im  April  1881  eine  Hirnhautentzündung  über- 
standen. Seit  Mitte  Mai  war  das  Gehör  verloren.  Sie  geht  noch  etwas  schwankend, 
ist  sonst  wohl.  Trommelfelle  beiderseits  leicht  getrübt,  Tubenkatheterismus  wegen 
Ungeberdigkeit  unausführbar.     Sprache  gut  (18.  November  1881). 

Anode  in  der  linken  Hand;  Kathode  am  linken  Ohr  (äussere  Anordnung): 
Sausen  links  vermehrt  (KaD),  rechts  gemindert.  —  Anode  am  linken  Ohr  dämpft 
links  bei  10—15"  N.A.  das  Sausen  und  lässt  es  rechts  stärker  hervortreten.  — 
Anode  am  rechten  Ohr  dämpft  das  Sausen  rechts  (10 — 15"  N.A),  verstärkt  es 
links:  verringert  man  die  Widerstände  des  in  Nebenschluss  eingeschalteten  Rheo- 
staten,  so  erfolgt  die  umgekehrte  Reaktion.  Die  Kathode  am  rechten  Ohr  dämpft 
das  Sausen  des  linken  Ohres  und  erhöht  es  am  rechten  (10"  N.  A  ).    (Vgl.  S.  310,  434  ) 

(Eigene  Beobachtung.    Bern  h  a  r  d  t.) 


/ 


490  Einige  elektrodiagnostische  Beobachtungen  an  Gesunden,  sowie  etc. 

43.     Chronischer    Mittelohrkatarrh;    doppelseitige    Schwerhörigkeit 
und  Ohrensausen;  doppelseitige  Hyperästhesie  des  Hörnerven;  para- 
doxe Reaktion  des  nicht  armirten  Ohres. 

Oskar  Hellmuth,  26  Jahre  alt,  seit  2  —  3  Jahren  an  Schwerhörigkeit  und 
Ohrensausen  leidend.  Hört  links  die  Uhr  am  Ohr  nicht  (auch  nicht  durch  die 
Kopfknochen) ;  Flüsterstimme  gehört  dicht  am  Ohr.  Hört  rechts  die  Uhr  am  Ohr 
und  Plüsterstimme  in  1  Fuss  Entfernung. 

20  Elemente  (Rheostat  im  Nebenschluss) :  Ka  am  rechten  Ohre;  schon  bei 
1"  N.A.  (125  S.E.  im  Nebenschluss)  wird  rechts  das  Sausen  stärker,  bei  KaO 
wird  es  links  stärker  und  schwindet  rechts. 

Anode  am  rechten  Ohre:  Bei  1"  N.A.  (300  S.E.  im  Nebenschluss)  wird  das 
Sausen  links  stärker,  rechts  schwächer,  bei  AO  wird  es  rechts  sehr  laut  und 
schwindet  auch  links  nicht. 

Anode  am  linken  Ohr:  Bei  10"  N.A.  deutliche  Verstärkung  rechts,  erheb- 
liche Abnahme  links;  Kathode  am  linken  Ohr  dämpft  rechts  das  Sausen  vollkommen, 
verstärkt  es  links;  bei  KaO  wird  es  links  gut  und  geht  nach  rechts  hinüber. 

Behandlung  mit  gespaltener  Anode  (an  jedem  Ohre),  Kathode  ruht  in  der 
Hand.  Bedeutende  Beruhigung  während  der  Sitzung  und  (leider  nur  kurze  Zeit) 
nachher,     Patient  entzieht  sich  der  Behandlung.     (Vgl.  S.  310,  435.) 

(Eigene  Beobachtung.    Bernhardt.) 


Literat  ur-Verzeichiiiss  *). 


1.  M.  Meyer,  Die  Elektrizität  in  ihrer  Anwendung  auf  praktische  Medizin. 
Berlin  1883.     IV.  Auflage.     (I.  Auflage  1854.) 

2.  Kratzenstein,  Briefe  eines  Arztes  über  die  Anwendung  der  Elektrizität  in 
der  Medizin.     Halle  1746. 

3.  Jallabert,  Experiences  sur  l'electricite  avcc  quelques  conjectures  sur  ses 
causes  et  sur  ses  effets.     Geiieve  1748. 

4.  Mauduyt,  Memoire  sur  le  traitement  electrique  applique  ä  82  maladies. 
Paris  1779. 

5.  Duchenne  (de  Boulogne),  De  l'electrisation  localisee  et  de  son  application 
ä  la  Physiologie,  a  la  pathologie  et  a  la  therapeutique.  .  Paris  1855  (I.  Auf- 
lage).    Paris  1872  (III.  Auflage). 

6.  Erdmann,  Die  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  praktischen  Medizin. 
III.  Auflage.  1860.     Leipzig  1877  (IV.  Auflage.) 

7.  E.  Baierlacher,  Die  Induktions-Elektrizität  etc.    Nürnberg  1857. 

8.  Althaus,  Die  Elektrizität  in  der  Medizin.  Berlin  1860.  Neueste  Auflage 
(Englisch)  1874. 

9.  V.  Ziemssen,  Die  Elektrizität  in  der  Medizin.  Berlin  1857  (I.  Auflage). 
II.  Auflage  1864.     III.  Auflage  1866.     IV.  Auflage.  1872. 

10.  Benedikt,  Elektrotherapie.  Wien  1868.  —  Nerveupathologie  und  Elektro- 
therapie.    Leipzig  1874/1876. 

11.  M.  Rosenthal,  Die  Elektrotherapie,  ihre  Begründung  und  Anwendung  in  der 
Medizin.     Wien  1865.     II.  Auflage  1873. 

12.  R.  Remak,  Galvanotherapie  der  Nerven- und  Muskelkrankheiten.  Berlin  1858. 
Zahlreiche  Aufsätze  (von  1856  ab). 

13.  Brenner,  Untersuchungen  und  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  Elektro- 
therapie.    Leipzig  1868/1869. 

14.  Erb,  Ueber  die  Anwendung  der  Elektrizität  in  der  inneren  Medizin.  Volk- 
mann's  Sammlung  klinischer  Vorträge  No.  46.  (17.)  —  Handbuch  der  Elek- 
trotherapie.    Leipzig  1882.     Ausserdem  zahlreiche  Arbeiten;  siehe  später. 

15.  Rossbach,  Lehrbuch  der  physikalischen  Heilmethoden.     Berlin  1882. 

16.  E.  Remak,  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie.  Wien,  Leipzig  1880. 
(Eulenburg's  Realenzyklopädie.) 

17.  F.  Fieber,  Kompendium  der  Elektrotherapie.     Wien  1869. 

18.  R.  H.  Pierson,  Kompendium  der  Elektrotherapie.  Leipzig  1878  (IL  Auf- 
lage); 1882  (III.  Auflage). 

19a.  J.  Rosenthal,    Elektrizitätslehre     für    Mediziner.      Berlin    1862;    IL    Auf- 
lage 1869. 
19b.  P.  Zech,  Die  Physik  in  der  Elektro-Therapie.     Tübingen  1875. 
19c.  V.  Beetz,  Grundzüge  der  Elektrizitätslehre.     Stuttgart  1878. 
20  a.  R.  Reynolds,   Lectures  on  the   clinical   uses   of  electricity.     London  1871. 
20b.  A.  de  Watteville,  Practical  introduction  to  medical  electricity.  London  1878. 
20e.  E.  Cyon,  Principes  d'Electrotherapie.     Paris  1873. 
20 d.  Onimus  et  Legres,  Traite  d'electricite  medicale.     Paris  1872. 


*)  Gilt  nur  für  den  II.  Teil. 


492  Literatur-Verzeichniss. 

20e.  Ouiinus,  Guido  pratique  d'EIectrothcrapie.     Paris   lb82. 

20f.   W.  B.  Neftel,  Ualvano-Therapeutics  etc.     New-York  1871. 

20g.  G.  M.  Board  und  A.  Rockwell  (Deutsch  von  R.  Väter),  Praktische  Ab- 
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21.  Brenner,  Elelvtrotherapie.     Bd.  II.  S.  22. 

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25.  Runge,  Ein  Rheostat  für  die  ElektrotheraxDie.  Deutsch.  Arch.  f.  klin  Medic. 
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26.  v.  Hesse,  Ueber  ein  absolutes  elektrisches  Maasssystem.  Centralbl.  f.  Nerven- 
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27.  M.  Bernhardt,  Zur  Galvanometerfrage.     Ebendort.  1880.  No.  9  und  12. 

28.  Fr.  Müller,  Zur  Messung  und  Dosirung  des  galvanischen  Stroms  in  der 
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29.  Böttcher,  Siehe  im  Pierson  (18)  (III.  Auflage).  S.  222. 

30.  V  Ziemsse n,  Edelmann's  absolutes  Einheitsgalvanometer  Deutsch  Arch. 
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(Vgl.  auch  No.   186,  IL  Aufl.) 

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No.  15. 

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410.  Maienfisch,  Schweizer  Korresp.-Bl.    1881.    XL    22. 

411.  Bernhardt,  Deutsche  med.  Wochenschr.    1883.    No.  19. 

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413.  Voltolini,  Der  Elektromagnetismus  in  der  Augenheilkunde.  Deutsche 
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Namen-  und  Sachregister. 


A. 


Abadie  434. 

Ableitender  Bogen  93. 

Ableitung  zur  Erde  9,  22;  bei  Induk- 
tionsrollen 97. 

Ableitungsgefässe  von  du  Bois-Reymond 
137. 

Ablenkung  der  Magnetnadel  durch  den 
Strom  26,  35,  52;  freiwillige,  astati- 
scher Nadelpaare  121  ;  durch  die 
Drahtmassen  122;  Kompensation  der- 
selben 123. 

AbramoYski  439. 

Absorption  der  strahlenden  Wärme  171. 

Absolutes  Galvanometer  126,  225. 

Absteigende  Stromesrichtung  265. 

Abstossung  gleichnamiger  Elektrizitäten 
1,  12,  "13. 

Adamkiewicz  301,  456,  460. 

Ageusie,  Behandlung  313,  437. 

Agnew  428. 

Akkumulatoren  41. 

Aktuelle  Elektroden  271,  277,  278. 

Alavoine  443. 

Allgemeine  Elektrisation  35 1 ;  Faradisa- 
tion  352 ;  Galvanisation  365 ;  Anwen- 
dung in  Krankheiten  427. 

Allgemeine  Empfindlichkeit  der  Haut  für 
den  elektr.  Reiz  315ff. 

Alternative,  Volta'sche  279. 

Althaus  110,  204,  303,  312,  824,  343, 
425,  426,  453. 

Amalgamirung   des  Zinks  48,   49,    137. 

Amalgamirflüssigkeit  48. 

Amaurose,  elektrotherapeutische  Behand- 
lung 432. 

Amblyopie,  elektrotherap.  Behandlung 
432. 

Amenorrhoe,  elektrotherap.  Behandlung 
453. 

Ampere  (Einheit  der  Stromstärke)  58. 

— ,  Regel  35. 


Amyotrophische  Lateralsklerose  394 ; 
elektr.  Verhalten  394;  ihre  Elektro- 
therapie 394. 

Anaesthesie  323;  Prüfung  323;  Vor- 
kommen 347,  381,  424,  437;  Behand- 
lung 347,  355,  424,  438,  464. 

Anelektrotonus  265;  Verwertung  des- 
selben in  der  Therapie  355. 

Anelektrotonische  Zone  271. 

Aneurysmen,  Behandlung  durch  Galvano- 
punktur  192. 

Angina,  tonsillaris,  Behandlung  derselben 
361;  pectoris,  elektrotherap.  Behandl. 
419. 

Angiome,  Behandlung  derselben  durch 
Galvanopunktur  194. 

Anidrosis,  elektrother.  Behandl.  456. 

Anion  38. 

Anode  38,  214;  elektrother.  Verwertung 
355. 

Anodenbad  369. 

Anodenöffnungs  (zuckung)  268;  tetanus 
284,  408. 

Anodenschliessungs  (zuckung)  268;  teta- 
nus 269. 

Anordnung  (Helmholtz'sche)  am  Magnet- 
elektromotor HO;  äussere  bei  galv. 
Reizung  des  N.  acusticus  306 ;  innere 
306. 

Anosmie,  Behandlung  312,  437. 

Antagonisten,  deren  Kontrakturen  und 
elektr.  Erregung  bei  Lähmung  der 
oberen  Extremit.  378. 

Antlitzzone  (elektrokutane  Sensibilität) 
314. 

An  Ziehung  ungleichnamiger  E  lektrizitäten 
1,  12,  13. 

Aperiodische  Schwingung  des  Magneten 
132. 

Aphonie  (hysterische)  Behandlung  424, 
441,  442. 

Apostoli  455. 

Arcoleo  428. 


504 


Namen-  und  Sachregister. 


Armrauskeln ,  motorische  Punkte  249, 
250;  Lähmung,  Behandlung  derselben 
400,  401. 

Armstrong's  Hydroelektrisirmaschine   3. 

Arndt  380. 

Arnold'sche  Elektrode  238. 

Arsenikvergiftung,  Lähmungsform,  Be- 
handlung 396. 

Arthritis,  nodosa,  eigentümliche  Reak- 
tionen 337;  Behandlung  440,  441. 

Arthuis  462. 

Ascites,  elektrotherapeutische  Behandl. 
448. 

Aspermatismus  siehe  Impotenz. 

Asphyxie,  z.  B.  nach  CO  Vergiftung,  Be- 
handlung 348;  locale  des  extremites 
420. 

Astasie  120,  131. 

Astatisches  Nadelpaar  120;  freiwillige 
Ablenkung  desselben  121. 

Asthenopie,  Behandlung  derselben  (ak- 
kommodativer und  muskulärer)   431. 

Asthma,  Behandlung  443. 

Ataxie,  Behandlung  392,  396. 

Athetose,  Behandlung  381,  425. 

Atonie ,  der  Stimmbänder  442 ;  des 
Magens  445 ;  Darms  446 ;  der  Sphink- 
teren  447;  und  deren  Behandlung 
ebenda. 

Atrophie  und  Behandlung:  des  Gesichts 
(halbseitige)  421 ;  der  Muskeln  480 
(siehe  progressive  M.- Atrophie);  der 
Nerven  (siehe  Entartungsreaktion)  292; 
des  N.  opticus  432. 

Atrophische  Spinallähmung,  akute,  chro- 
nische 383  (der  Kinder,  der  Erwachse- 
nen), Behandlung  derselben  385,  482, 
485 ;  Elektrodiagnost.  Verhältnisse  298, 
299,  384. 

Aubert  455. 

Auflösung  von  Blasensteinen  194, 

Aufsteigende  Stromesrichtung  265. 

Auge,  siehe  Gesichtssinn,  Elektrodia- 
gnostik  303. 

Augenbewegung,  bei  Galvanisation  durch 
den  Kopf  326. 

Augenmedien,  Absorption  der  Wärme- 
strahlen in  ihnen  171. 

Augenmuskeln,  elektrische  Reizung  der- 
selben 244,  429. 

Augenmuskellähmung ,  Behandlung  der- 
selben 429  ff. 

Auslader  24. 

Ausschleichen  aus  der  Kette  221,  409, 
410. 

Ausserwesentlicher  Widerstand  61. 

Auswahl  der  Elemente  und  Batterien 
68,  239. 


B. 

Bad,  elektrisches  366;  elektrostatisches 
463;  hydroelektrisches  366;  Einrich- 
tung 367;  Verwendung  425,  427. 

Bärwinkel  205,  437. 

Bäumler  339. 

Baierlacher  204,  294,  362. 

Ballet  462. 

Ballouhey  447. 

Basedow'sche  Krankheit,  Behandlung  der- 
selben 418,  419. 

Bastelberger  289. 

Bastings  443. 

Batterie,  elektrische  1 7  ;  galvanische  3 1  ; 
Wahl  und  Behandlung  68,  239;  zur 
Galvanokaustik  72;  Sekundärbatterie 
41,  73;  Einrichtung  der  Batterien  211; 
Brenner'sche  Einrichtung  215;  trans- 
portable Batterien  68,  228,  239. 

Baucheingeweide,  Elektrisation  derselben 
338  ff. 

Bauchmuskeln,  elektrische  Krregung  259, 
260. 

Beard  205  (20),  333,  351,  366,  371,  426, 
465. 

Beau  454. 

Becquerel :  ThermoelektrischeSpannungs- 
reihe  161;  Wärmeentwicklung  beider 
Muskelkontraktion  170;  ferner  455. 

Beer  357. 

Beetz:  Widerstand  von  Zinkvitriollösun- 
gen 59 ;  seine  transportable  Batterie 
71,   188,  205  (19),  230;    ferner  439. 

Behandlung  galvanischer  Batterien  68, 
215,  239. 

Beleuchtung,  elektrische,  für  diagno- 
stische Zwecke  200. 

Benedikt:  205,  300,  303  (110),  336, 
337  (167),  352,  380  (513),  404,  408. 

Bennet  (Hughes),  Universalelektrode  238. 

Berger,  0  ,  205,  285  (64),  299  (100),  394, 
405. 

ßermond  461. 

Bernhardt,  M.,  208  (23),  225,  227  (23), 
284  (63),  285  (64)',  285  (65),  285  (66), 
289  (74),  290  (79),  294,  295,  297 
(66\  299  (100),  300,  301  (105),  301 
(106),  301  (107),  310  (121),  314,  316, 
323,  362,  366  (411),  3.i6  (188),  386 
(100),  387  (222),  389,  391,  401  (242), 
402,  420. 

Berührungselektrizität  28. 

Berzelius  19,  38  (elektrochem.  Theorie). 

Beschäftigungsneurosen ,  deren  Behand- 
lung 406,  407. 

Bestimmung  des  Widerstandes  55 ,  86 ; 
elektromotorischer  Kräfte  143,  147; 
der  Stromstärke  52,   129,  223,  225. 

Bettnässen,  Behandlung  450,  415. 


Namen-  und  Sachregister. 


505 


Bifilare  Aufhängung  10. 

Bi-  (abdomino-)  inguino-uterine  Faradisa- 
tion  454. 

Bipolare  Methode  der  Galvanisation  186; 
bipolares  Bad  (dipolares)  369. 

Bird  461, 

Bischoff'sche  Elektrode  238. 

Blackwood  465. 

Blake  436. 

Blase,  Methode  ihrer  elektrischen  Reizung 
339;  Elektroden  zur  Reizung  235; 
Lähmungen,  Behandlung  derselben  449, 
450. 

Blasensteine,  Auflösung  derselben  194. 

Bleikolik,  elektrotherap.  Behandlung  415. 

Bleilähmung,  elektrodiagnostische  Unter- 
suchung 299:  abnorme  Reaktionen 
bei  derselben  301 ;  diplegische  Kon- 
traktionen hei  solcher  337 ;  Formen 
der  Lähmung  388;  Behandlung  der- 
selben 389,  485. 

Blepharospasmus,  siehe  Facialiskrampf. 

Blitzrad  104. 

Blut,  Einwirkung  galvanischer  Ströme 
auf  dasselbe  192. 

Blutgefässe  173;  siehe  katalytische  Wir- 
kung. 

—  der  Haut  unter  elektrischer  Einwir- 
kung 320. 

Blutgeschwülste,  deren  Behandlung  193, 
194;  siehe  Aneurysma,  Angioma. 

Blutung,  deren  Vermeidung  bei  der 
Galvanokaustik  195;  im  Hirn,  Elektro- 
therapie 347,  374  ff. 

Böttcher's  absolutes  Vertikalgalvano- 
meter 225. 

Böttger's  Amalgam   14. 

du  Bois-Reymond  93;  unpolarisirbare 
Elektroden  49;  innere  Polarisation  50; 
Rheochord  81,  84;  Schlitteninduk- 
torium  105;  zeitlicher  Verlauf  der 
Induktionsströrae  111;  Ableitungsge- 
fässe  1 37 ;  Kompensationsmethode  1 45 ; 
Muskelunterbrecher  1 53 ;  Zeitbestim- 
mung mit  aperiodischen  Magneten  153: 
siehe  ferner  129,  205,  207,  209,  417. 

Bollinger  320. 

Bosscha  93. 

Boucherun  428. 

Boudet  410. 

Brenner  205,  208,  214,  215,    267,    275, 
284  (63),  285  (64),  294,  303,  305  bis 
311,  325,  329,  344,  392,  401,  434  ff., 
443. 
Brown-Sequard'sche   Lähmung,   Behand- 
lung derselben  395. 
Brücke,  Wheatstone'sche  87. 
Brücke,  Absorption  der  Wärmestrahlen 

durch  die  Augenmedien  171. 
Brückner  276,  357. 


Brunner'sche  Elektrode  238. 

Bruns,  v.,  196,  357. 

Brustorgane,  elektr.  Reizung  derselben 
338  ff. 

Buch  380. 

Bucquoy  447. 

Bulbärparalyse,  Elektrotherapie  bei  der- 
selben 379;  elektrodiagnostische  Ver- 
hältnisse 299. 

Bunsen's  Kette  44;  Chromsäureelement 
45 ;  Chrombatterie  46 ,  69 ,  72 ;  elek- 
tromotorische Kraft  der  Kette  74; 
Amalgambereitung  14. 

Burckhardt  267,  324,  329. 

Burdon-Sanderson  135. 

Burq,  V.  459. 

Buzzard  301  (105),  305. 

c. 

Callot'  (Trouve')  sches  Element  370. 

Caragiosiadis  338. 

Cardialgie,  Behandlung  415. 

Carre'sche  Influenzmaschine  461. 

Cephalaea,  Behandlung  415;  siehe  Kopf- 
schmerz. 

Cerebrale  Lähmungen  374;  Elektrodia- 
gnostik  378;   Behandlung  375,   376  ff. 

Cerebrasthenie  426,  427. 

Cervico-Brachialneuralgie ,  Occipitalueu- 
ralgie  411;  Behandlung  411. 

Charcot  295,  394,  425,  459,  462. 

Chauveau  362. 

Chemische  Einwirk,  des  galvan.  Stroms 
auf  die  Haut  321. 

Cheron  457. 

Chirurgie,  Elektrizität  in  der   192,   194. 

Chorea,  Behandlung  423;  Steigerung  der 
elektr.  Erregbark.  285. 

Chorioidea,  Krankheiten  derselben  und 
Behandlung  429,  432. 

Chouet  447. 

Christiani  107,  133,  153,  163,  166. 

Chrombatterie  (Bunsen)  46. 

Chvostek  338,  408,  419,  448,  457. 

Ciniselli  370. 

Clemens  462. 

Clubbe  426. 

Coccygodynie  412. 

Colica  saturnina  415,  siehe  Bleikolik. 

Conjunctivitis,  Behandlung  428. 

Contractionen,  diplegische  337. 

Contracturen,  bei  Hemiplegien,  Behand- 
lung 351  ;  bei  Facialislähmungen,  Be- 
handlung 400. 

Convulsible  Reaktion  300. 

Coordinatorische  Beschäftigungsneuroseii 
406;  Behandlung  407. 

Cornea,  siehe  Hornhaut. 

Coulomb's  Drehwage  7. 


506 


Namen-  und  Sachregister. 


Crookes  26. 

Cyon  205  (19),  276. 

Czemicki  447. 

D. 

Da  Costa  396. 

Dana  465. 

Daniell'sche  Kette  42;  Modifikationen 
von  Meidinger  44 ;  Siemens  und  Halske 
44,  211. 

Darm,  elektrische  Reizung  339 ;  Erkran- 
kungen 346,  446;  Behandlung  346, 
446. 

Darmlähmung,  Behandlung  346,  446. 

Darmnerven,  Erkrankung,  Behandlung 
447. 

Daumenballenmuskulatur,  deren  elektr. 
Erreg.  251. 

Deckel  (zum  Elektrophor)  19. 

Degeneration  der  Nerven  291 ;  der  Mus- 
keln 292;  Entartungsreaktion  bei 
solcher  285 ,  292 ;  sekundäre  des 
Rückenmarks  379 ;  graue  (der  Hinter- 
stränge) siehe  Tabes  392. 

Dementia   paralytica,    Behandlung   380. 

Dempsey  455. 

Depressionszustände,  psychische,  Behand- 
lung 350,  380. 

Diabetes  insipidus  425;  Behandlung  425; 
mellitus  425;  Behandlung  426. 

Dichte  der  Elektrizität  8;  des  Stromes 
75 ;  in  unregelmässigen  Leitern  92 ; 
Bedeutung  für  die  Elektrodiagaostik 
und  Elektrotherapie  186,  274. 

Differente  Elektrode  261. 

Diphtherische  Lähmung  395;  Elektro- 
diagnostisches  395;  Behandlung  396; 
Ataxia  diphtherica  396. 

Diplegische  Contractionen  337. 

Dipolares  (elektr.)  Bad  369. 

Diplopie,  siehe  Augenmuskellähmung. 

Direkte  Muskelreizung  180,  182,  240. 

Dörffel  433. 

Doppelsehen,  siehe  Augenmuskellähmung. 

Doppelelektrode  (v  Ziemssen-Heller)  234. 

Dor  432. 

Dove  103. 

Drahtbündel,  Kerne  der  Induktions- 
spiralen 102. 

Drehwage  von  Coulomb  7. 

Drosdoff  316,  439,  465. 

Druckpunkte  355 ;  Wichtigkeit  derselben, 
darauf  gerichtete  elektrische  Behand- 
lung 392,  393,  404,  411,  413. 

Drüsengeschwülste,  elektrische  Behand- 
lung 457. 

Duchenne  (de  Boulogne)  92,  175,  176, 
178,  180,  182,  204,  208,  240,  241, 
321,  384,  402,  419,  457. 


Dumontpallier  459. 

Dynamoelektrische  Maschinen   116,    198 

(zur  Galvanokaustik). 
Dynamometer,  Weber'sches  156. 
Dysmenorrhoe,  Behandlung  453,  464. 
Dyspepsie,  Behandlung  445. 

E. 

Ebonit  5. 

Eckhard  190,  205. 

Ectasien  des  Magens,  Darms,  Behand- 
lung 444,  446. 

Edelmann's  absolute  Galvanometer  126, 
225. 

Edlund's  Versuch  zum  Nachweis  des 
Extrastroms  100. 

Einfache  Kette  31. 

Einführen  von  Medikamenten  durch  den 
galvanischen  Strom  194,  357. 

Einheit  des  Widerstandes  57 ;  der  Strom- 
stärke 58;  der  Elektrizitätsmenge  40, 
51;  der  elektromotor.  Kraft  57. 

Kinsauger  14. 

Eisenkern   der   Induktionsspiralen    101. 

Eisenlohr  300,  337  (167),  380(213),  408. 

Elektrizitätserregung  durch  Reibung  2; 
durch  Verteilung  12;  durch  Kontakt 
28 ;  durch  Induktion  95 ;  durch  Tem- 
peraturdifferenz 159;  auf  dynamoelek- 
trischem Wege  116. 

Elektrizitätsmenge  39,  51 ;  Messung  der- 
selben 157. 

Elektrisation ,  allgemeine  als  Heilmittel 
351,  427. 

Elektrisation  localisee  175. 

Elektrische  Erregbarkeitsverhältnisse  (Er- 
regung); a.  normale  des  Gehirns 
324 ff.;  des  Rückenmarks  329 ff.;  des 
Sympathikus  332  ff. ;  der  peripherischen 
Nerven  261;  der  Muskeln  261;  der 
organischen  Muskeln  339 ;  der  Sinnes- 
organe 303 ff.  b.  Aenderungen  der 
elektrischen  Erregbarkeitsver- 
hältnisse bei  Krankheiten  des  Ge- 
hirns 297,  378,  379;  des  Rückenmarks 
297,  383  ff. ;  der  peripherischen  Nerven 
282,  285 ff.;  der  Muskeln  288 ff.;  der 
Sinnesorgane  305,  309. 

Elektrisches  Gefälle  34. 

Elektrische  Hand  351 ;  Anwendungsweise 
352  etc. 

Elektrische  Maasseinheiten  57. 

Elektrische  Mexe  347. 

Elektrischer  Pinsel  176,  238,  318,  347, 
393,  410,  420,  424. 

Elektrische  Reizung  der  motorischen 
Nerven  und  der  Muskeln  172ff.,  240ff. 
siehe  motorische  Punkte ;  der  sensiblen 
Nerven  176,  177. 


Namen-  und  Sachregister. 


507 


Elektrische  Ströme,  deren  "Wirkungen 
21,  24,  172;  chemische,  elektrolytische 
192,  356;  elektrotonische  265,  268, 
275 ff. ;  erfrischende  355;  katalytische 
356;  kataphorische  144,  357;  kau- 
stische 194,  195;  krampfstillende  355, 
360;  lähmende  351;  resorptionsbeför- 
dernde  358;  schmerzstillende  350, 
355;  thermische  194,  195,  343;  vaso- 
motorische 173,  327,  331,  332 ff.; 
Gehirn  324  ff. ;  Geschlechtsorgane 
(männliche  45 1 ,  452 ;  weibliche  453  ff.) ; 
Geschmackssinn  312;  Gesichtssinn 
303 ff.;  Geruchssinn  312;  Haut  31 3 ff.; 
Herz  339;  Muskeln  172;  Nerven,  mo- 
torische 173;  sensible  318,  355; 
Rückenmark  329;  Sympathikus  332; 
Verdauungsorgane  444 ;  Eingeweide 
im  Allgemeinen  444 ;  Schlafbefördernde 
344,  352,  382;  Wehenbefördernde  455. 

Elektrische  Untersuchung,  siehe  Elektro- 
diagnostik  261. 

Elektrische  Zeitmessung   151. 

Elektrischer  Hauch  463. 

Elektrisirmaschine  5. 

Elektrobioskopie  349. 

ElektrocutaneSensibilität,  Untersuchungs- 
methoden 314  ff.,  318. 

Elektroden  38,  175;  verschiedene  Grösse 
derselben  191,  232;  Anwendung  für 
therapeutische  Zwecke  175,  176,  191; 
differcnte,  indifferente  261;  unpolari- 
sirbare  49,  232;  Doppel-  235:  mit 
Unterbrechungs-  und  Stromwendungs- 
vorrichtung 238;  für  die  verschiedenen 
Organe  234 ff.;  aktuelle,  virtuelle  277, 
278. 

Elektrodenhalter  231. 

Elektrodiagnostik(undElektrophysiologie) 
der  Sinnesorgane  303 ;  des  Hirns  324 ; 
des  Rückenmarks  329 ;  der  motorischen 
Nerven  261 ;  der  sensiblen  Nerven 
313;  der  Brusteingeweide  338,  339; 
der  Baucheingeweide  338 ;  der  Organe 
im  Becken  339. 

Elektrodynamometer  156. 

Elektrolyse  37 ;  Anwendung  derselben  in 
der  Therapie  192. 

Elektrolyte  38. 

Elektromagnetismus  94,  95. 

Elektrometer  3,  7. 

Elektromotorische  Kraft  30,  51 ;  Messung 
derselben  143,   147. 

Elektromotorische  Kräfte  der  Elemente 
73,  74. 

Elektromotorische  Oberfläche  141. 

Elektromotorische  Wirkung  tierischer 
Teile  138. 

Elektromuskuläre  Sensibilität  321. 

Elektrophor  19. 


Elektropunktur  349  (des  Herzens) ;  siehe 
ferner  Galvanopunktur. 

Elektrosensitive  Naturen  372. 

Elektroskop  3. 

Elektrotherapie,  Allgemeines  172,  341, 
354;  siehe  die  einzelnen  Organe  und 
deren  Krankheiten. 

Elektrotonus  265;  am  lebenden  Menschen 
276,  277,  278.' 

Elemente  42ff. ;  siehe  Kette. 

Elementenzähler  188;  ?iehe  Stromwähler. 

Emminghaus  348. 

EndolaryngealeElektrisation,  siehe  Intra- 
laryngcaTe  Elektr. 

Endopharyngeale  Elektrisation ,  siehe 
Intrapharyngeale  Elektrisation. 

Endoscopie,  Batterien  zur  72,  200. 

Engelhorn  352,  426. 

Entartungsreaktion  285 ,  292 ;  partielle 
294,  29.Ö;  faradische  296;  partielle 
mit  indirekter  Zuckungsträgheit  297; 
Vorkommen  derselben  285,  297,  301  ff. ; 
vgl.  die  einzelnen  Krankheiten;  Histo- 
risches über  dieselbe  294. 

Entbindungslähmungen  402. 

Entero(algien)pathien  447. 

Entzündungen,  elektrotherapeutische  Be- 
handlung 346,  361. 

Enuresis  nocturna,  Behandlung  450,  451. 

Epidermis,  Leitungswiderstand  derselben 
189,  190,  262. 

Epilepsie,  elektrotherapeutische  Behand- 
lung  422. 

Erb:  205,  223,  249,  263,  272,  276,  278, 
280,  286,  292,  294,  296,  297,  299 
(100),  299  (101),  300  (102),  301  (105), 
301  (106),  306  (118),  310,  318,  320, 
322,  324,  329,  352,  363,  380  (213), 
386  (100),  387,  389,  390,  394,  402, 
405,  408,  426,  432,  435,  446. 

Erbrechen,  Vorkommen  bei  der  Galvani- 
sation 328. 

Erdmann  204. 

ErfrischendeWirkung  galvanischer  Ströme 
355. 

Erlenmeyer  402,  464. 

Erloschensein  der  faradischen  und  galva- 
nischen Erregbarkeit  279;  Bedeutung 
279,  286,  289. 

Ermüdung  des  Gehörs,  Behandl.  nach 
Tröltsch  311. 

Ernährung,  Bedeutung  der  Elektrizität 
für  dieselbe  358. 

Erregbarkeit,  primäre,  sekundäre,  tertiäre 
276,  468. 

Erregung  der  Muskeln  und  Nerven  27, 
101,  172,  179;  siehe  elektrische  (fara- 
dische, galvanische)  Erregbarkeit. 

—  des  N.  acust.  durch  Induktionsstrom 
311. 


508 


Namen-  und  Sachregister. 


Erschöpfungsreaktioii  300. 

Erwärmung  der  Haut  durch  den  galvan. 
Strom  321. 

—  der  Muskeln  durch  den  farad.  Strom 
343. 

Eulenburg:  205,  276,  278,  299  (101), 
333,  337  (167),  368,  418,  419,  420, 
460. 

Exsudate,  elektrotherap. Behandlung  346. 

Extensorenlähmung,  Behandlung  388, 
401  ;  siehe  BleiläTlimung,  Radialislähmg. 

Extrakurrent  100. 

Extramuskuläre  Reizung  241,  261. 

Extrastrom  99,  100;  Einfluss  auf  die 
Ströme  der  sekundären  Spirale  103; 
seine  Anwendung  zur  Muskelerregung 
182,  208;  über  etwaige  spezifisch  ver- 
schiedene Wirkung  desselben  vom 
sekundären  Strom  bei  Lähmungen  290. 

F. 

Facialis-Erregung  241  ff. ;  Lähmung  399; 
Elektrodiagnostik  399:  Prognose  399, 
400;  Therapie  400. 

Facialiskrampf  405. 

Faraday's  Benennung  der  Pole  u.  s.  w. 
38 ;  Gesetz  der  festen  elektrolytischen 
Aktion  40;  Induktionsströme  95,  175, 
Historisches  204. 

Faradisation,  allgemeine  35 1 ;  lokalisirte 
175;  direkte  240;  indirekte  240;  der 
Muskeln  240;  der  Nerven  240,  261; 
der  Sinne  311,  436;  des  Gehirns  344; 
des  Rückenmarks  344:  des  Sympa- 
thikus 334,  335:  lokalisirte  175,  240; 
der  Organe  in  der  Brust  349;  Bauch 
346 :  Beckenhöhle  347 ;  der  Kehlkopfs- 
muskeln 245;  des  Pharynx  244;  des 
Zwerchfells  348 ;  Untersuchungsme- 
thode 261 ;  Anwendung  bei  Anaesthe- 
sien  347,  381;  bei  Blasenlähmung 
449,  450;  cerebralen  Lähmungen  344; 
Gehirnkrankheiten  344 ;  Psychosen  350, 
380 ;  Rückenmarkskrankheiten  345 ; 
bei  Lähmungen  überhaupt  342,  343; 
bei  krampfhaften  Affektionen  351  ;  bei 
Contrakturen  351 ;  bei  neuralgischen 
Affektionen  350,  410,  412;  bei 
Knochen-  und  Gelenkkrankheiten  343, 
439  ff. ;  bei  peripherischen  Lähmungen 

343,  345;    bei    spinalen   Lähmungen 

344,  393;  bei  Anomalien  der  Secretion 
und  Excretion  455,  456;  bei  Krank- 
heiten der  männlichen  451,  der  weib- 
lichen Geschlechtsorgane  453 ;  als 
Wehen  beförderndes  Mittel  455;  in 
der  Geburtshilfe  überhaupt  4.t5;  als 
Geschwülste  zerteilendes  Mittel  346, 
457;  bei  Entzündungen  346. 


Paradische  Entartungsreaktion  296. 

Faradische  Erregbarkeit  und  ihre  Modi- 
fikationen 282  ff. ;  Steigerung  284; 
Herabsetzung  283;  Verhalten  bei  der 
Entartungsreaktion  285,  286  ff. 

Faradische  Mexe  347,  350. 

Faradischer  Pinsel  347,  350;  Behand- 
lung mittelst  desselben  der  Anaesthe- 
sien  347;  der  (tabischen)  Analgesien 
347;  bei  cerebralen  Lähmungen  347, 
348,  381 ;  bei  Gehirnkrankheiten  über- 
haupt 377;  bei  Gelenkrheumatismus 
439;  bei  Lähmungen  überhaupt  347; 
bei  Rückenmarksaffektionen  393;  bei 
Neurosen  4 14  ff. ;  bei  Neuralgien  350, 
410,  412;  bei  Erkrankungen  von 
Sinnesorganen  432 ;  bei  asphyctischen 
Zuständen  348. 

Faradischer  Strom  209*;  siehe  Faraday's 
Induktionsströme ;  ferner  208, 209,  261. 

Faradokutane  Sensibilität  314;  siehe 
Elektrokutane  Sensibilität. 

Faradomuskuläre  Sensibilität  321;  siehe 
Elektromuskuläre  Sensibilität. 

Pick  170. 

Fieber  205,  337   (167),   437,   461,   462. 

Filehne  205,  270,  277,  362. 

Finger,  elektrokutane  Empfindlichkeit 
derselben  315,  318. 

Finkeinburg  371. 

Fischer,  F.  352,  380,  381,  426. 

Fischer,  G.  334,  337. 

Flächen,  isoelektrische  141. 

Flies  444. 

Flüssigkeiten,  elektrische  1. 

Flüssige  Leiter  26;  Zersetzung  derselben 
37;  Widerstand  58. 

Flüssigkeitsrheostaten  89,  217. 

Fortführende  Wirkung  des  Stromes  194, 
356,  357. 

Franklinisation  465. 

Freie  und  gebundene  Elektrizität  13. 

Freiwillige  Ablenkung  astätischer  Nadel- 
paare 121. 

Fremdkörper  (metallische)  im  Auge  433. 

Frey  387  (222). 

Friedreich  406. 

Pritsch  443. 

Frommhold  351,  404. 

Frühgeburt,  künstliche  Einleitung  solcher 
mittels  Elektrizität  455. 

Fürstner  338,  445. 

Functionen  der  einzelnen  Muskeln  241  ff. 

Fundamentalversuch  von  Volta  28. 

Funke ,  elektrischer  24 ,  35 ,  97 :  in  der 
Therapie  463. 

Fussmuskeln  259;  deren  elektrische  Rei- 
zung 259. 

Fusspunkte  des  ableitenden  Bogens  93, 
138. 


Namen-  und  Sachregister. 


509 


Fussrücken  (-sohle),  deren  elektrokutane 
Sensibilität  315;  deren  Muskeln 
259. 

Fussschweisse ,  unterdrückte ,  Behand- 
lung 456. 

0. 

Gänsehaut  320. 

Gärtner  262,  321. 

Gaiffe's  Galvanometer  225. 

Gallenblase,  Elektrisation  derselben  448. 

Galvani  27,  203. 

Galvanisation,  allgemeine  365;  zentrale 
325,  366;  bei  Gehirnkrankheiten  375; 
bei  Rückenmarkskrankheiten  385  ff. ; 
des  Sympathikus  336,  337 ;  bei  Krank- 
heiten der  peripherischen  Nerven  359, 
397;  bei  Muskelaffektionen  439;  bei 
Gelenkaffektionen  439 ff. ;  bei  Krank- 
heiten der  Sinnesorgane  428  ff. ;  bei 
Neurosen  4 1 4  ff. ;  bei  Krankheiten  d  er 
Brust-  419,  443;  der  Bauch-  444ff.; 
der  Beckenorgane  449  ff. ;  bei  Läh- 
mungen 355,  358;  bei  Krampfzu- 
ständen 355,  404  ff  ;  bei  Neuralgien 
355,  409  ff. ;  bei  vasomotorischen  Neu- 
rosen 420;  bei  funktionellen  Nerven- 
krankheiten 414  ff. ;  bei  Krankheiten 
der  tropbischen  Nerven  421;  Arten 
der  Anwendung  333 ,  36 1 ;  am  Halse 
337. 

Galvanisation  des  Hirns,  Elektrophysio- 
logie  325  ff. 

Galvanisation  des  Rückenmarks,  Elektro- 
physiologie  329  ff. 

Galvanische  Batterien,  Wahl  und  Be- 
handlung 68,  72,   191,  215,  239. 

Galvanische  Erregbarkeit  272,  und  ihre 
Modifikationen  282;  Steigerung  284; 
Verminderung  283 ;  Erloschensein  286  ; 
siehe  elektrische  Erregbarkeit. 

Galvanischer  Pinsel  318,  355;  Anwen- 
dung 215,  318. 

Galvanischer  Strom ,  Anwendungsarten 
361;  peripherische,  zentrale  366; 
stabile  364;  labile  364;  sehr  schwache 
370;  aufsteigende  Richtung  265;  ab- 
steigende Richtung  265;  Anwendung 
der  Anode  355,  404,  409,  410;  der 
Kathode  355,  361;  seine  Wirkungen 
184,  354;  chemische  191;  elektro- 
lytische 191,  321,  356;  thermische 
194,  321;  erfrischende  355;  kataly- 
tische  356;  kataphorische  194,  357; 
elektrotonische  276,  354;  siehe  übri- 
gens Galvanisation. 
Galvanismus,  vgl.  Galvanisation. 
Galvanofaradisation  371. 
Galvanokaustik  194. 


Galvanometer  119  u.  f.;  Erb'sches  223; 
absolute  126,  2-2b;  vgl.  Multiplikator, 
Tangentenbussole,  Spiegelbussole. 

Galvanopunktur  192;   des  Herzens   349. 

Galvanoskop   119,  223. 

Gasanalyse  25. 

Gastralgie,  Behandlung  415,  445. 

Gaumen,  Elektrisation  der  Muskulatur 
dess.  244. 

Gaumensegellähmung,   Behandlung  395. 

Gebärmutter,  elektrische  Reizung  235; 
Behandlung  der  Erkrankungen  der- 
selben 454,  455. 

Gebundene  Elektrizität  13. 

Geburtshilfe,  Verwendung  der  Elektrizität 
bei  solcher  455. 

Gefälle  (elektrisches)  34,  140. 

Gefässe,  deren  Reaktion  auf  den  elek- 
trischen Reiz  173,  320,  327,  333, 
336. 

Gehirn,  Treffbarkeit  durch  elektrische 
Ströme  324  ff. ;  Elektrophysiologie  des 
Hirns  325  ff. 

Gehirnkrankheiten,  Behandlung  derselben 
durch  Elektrizität  374 ;  Methoden  375  ; 
Zeit  der  Behandlung  376;  Wahl  der 
Elektroden  und  Ansatz  derselben  375; 
elektrische  Reaktionen  bei  cerebralen 
Lähmungen  378 ;  zentrale  Behandlung 
375;  peripherische  Behandlung  377; 
Sympathikuselektrisation  376. 

Gehörnerv,  Elektrodiagnostik  305;  bei 
Erkrankung  desselben  309  ff. ;  Behand- 
lung 434  ff. 

Gehörorgan,  Behandlung  bei  Erkrankung 
desselben  434  ff. 

Gehörshallucination,  Behandlung  380. 

Geissler'sche  Röhren  26. 

Geissei,  elektrische  347;  Anwendung 
derselben  377. 

Geisteskrankheiten,   Elektrotherapie  bei 

ihnen  380. 
Gelenkaffektionen,   Elektrotherapie  439; 
bei  akuten  439,  440,   bei  chronischen 
Gelenkentzündungen   44 1  ;   bei  hyste- 
rischen 414;  bei  Gelenkneurosen  und 
Neuralgien  414,  415. 
Gelenkrheumatismus,  akuter  439;  chro- 
nischer, Elektrotherapie  440. 
Gelenksteifigkeit,  Elektrotherapie  441. 
Gelle  459. 
Gemsbart  3. 

Genitalien,    Erkrankung    derselben    bei 
Männern   451;   Behandlung   452;    bei 
Frauen  453;  Behandlung  453,  454. 
Gerhardt  333,  338,  396,  405,  448. 
Gerinnung  des  Eiweisses  durch  sekundär 

elektrolytische  Wirkung  192. 
Geruchssinn,    elektrische    Reizung    des- 
selben 312,  437. 


510 


Namen-  und  Sachregister. 


Gesässmuskeln ,  deren  elektr.  Reizung 
25(;. 

Geschichtliche  Data  203,  294,  362. 

Geschlossene  Kette  30;  Spannung  im 
Schliessungsbogen  32,  33. 

Geschmack,  Klektrodiagnostik  312;  -em- 
pfind ung  während  der  Galvanisation 
312;  bei  Galvanisation  am  Halse  und 
Kopfe  312;  Anomalien  313;  Prüfung 
mittelst  der  Elektrizität  313;  Behand- 
lung derselben  437. 

Geschwüre,  elektrische  Behandlung  der- 
selben 346,  457,  458. 

Geschwülste,  Behandlung  durch  perku- 
tane Farad  isation  457 ;  durch  perkutane 
Galvanisation  457;  Spalten  derselben 
346,  457. 

Gesetz,  der  festen  elektrolytischen  Aktion 
40;  Ohm'sches  54. 

Gesichtsatrophie,  halbseitige(progressive), 
Behandlung  421. 

Gesichtsmuskeln,  ihre  Erregung  und 
Funktion  241  ff. 

Gesichtsmuskelkontraktur  nach  Lähmung 
400;  siehe  Facialislähmung. 

Gesichtsmuskelkrampf  405;  Elektrodia- 
gnostik  404,  405;  Elektrotherapie  405. 

Gesichtsnervenlähmung  399,  400;  vgl. 
Facialislähmung. 

Gesichtsschmerz  409;  vgl.  Neuralgie  im 
Trigeminusgebiet. 

Gesichtssinn,  Elektrophysiologie  303 ff. ; 
vgl.  N.  opticus,  Auge. 

Gicht,  Behandlung  440. 

Giommi  447. 

Giraud-Teulon  428. 

Glaselektrizität  3. 

Glaskörper,  Elektrotherapie  bei  Leiden 
desselben  428,  429,  433. 

Glax  448. 

Gleichartiger  Bogen  138^ 

Gleichnamige  Elektrizität  12. 

Glockenmagnet  133. 

Glühen  von  Drähten  durch  den  Strom 
19.i. 

Glühlicht,  elektrisches  zu  chirurgisch- 
diagnostischer Beleuchtung  200. 

Gnauck  425. 

Goldblattelektroskop  4,  16. 

Goldschmidt  289. 

Good  454. 

Graduirung  des  Multiplikators ,  des 
Thermomultiplikators  166. 

Gramme  117. 

Granville,  M.  410. 

Grapengiesser  204,  324. 

Grasset  348. 

Grenet'sche  Kette  45. 

Grotthuss'sche  Theorie  der  Elektrolyse  38. 

Grove'sche  Kette  43. 


Grünhagen  286. 
Guttmann  418. 
Gynäkologie,  Anwendung  der  Elektrizität 

in  derselben  454. 
Gyrotrop  66. 

H. 

Haecker  290. 

de  Haen  203. 

Hagen  435. 

Hahn'scher  Auftriebs-Motor  465. 

Halbseitenläsion  des  Rückenmarks,  Be- 
handlung 395. 

Halle  294. 

Hallucinationen ,  elektrotherap.  Behand- 
lung 380. 

Hals,  elektrokutane  Empfindlichkeit  314, 
315;  Muskeln  246,  247;  Galvanisation 
am  Halse  33  / ;  Krampf  der  Hals- 
muskeln 405 ;  Lähmung  derselben  400. 

Halske'scher(Wagner'scher)  Hammer  104  ; 
Element,  siehe  Siemens-Halske. 

Halsmark,  Galvanisation  desselben  336 ; 
vasomotorisches  Centrum  in  ihm  331  ff. 

Halsnerven,  deren  Reizung  246,  247. 

Halssympathikus ,     Elektrophysiologie 
332  ff. ;    Faradisation    desselben    334, 
335;     Galvanisation     desselben     333; 
Krankheiten  desselben  418;  deren  Be- 
liandlung  417,  418;  vgl.  N.  sympathik. 

Hammer,  elektromagnetischer  Halske- 
scher oder  Wagner'scher  104. 

Hand,  elektrische  351  ;  Muskeln  der- 
selben 25 1  —  254  ;  Nerven  derselben 
251  —  254;   deren  Reizung  251 — 254. 

Handrücken,  elektrokutane  Empfindlich- 
keit 315. 

Handzone  (elektrokut.  Sensib.)  315. 

Harnblase,  Elektrisation  derselben  235, 
449;  Elektroden  zur  Elektrisation  der- 
selben 235;  Elektrophysiologie  ders. 
449 ,  450 ;  Krankheiten  der  H.  und 
deren  Elektrotherapie  449  ff. 

Harnstoffausscheidung  bei  Sympathikus- 
durchschneidung  335 ;  bei  Leberfara- 
disation  448. 

Harzelektrizität  3. 

Hauptschluss  (Rheostat  in)  217;  Ver- 
wertung dieser  Anordnung  222,  467. 

Haut,   Elektrophysiologie  320;   Reizung 
derselben    320;   mit  dem   faradischen 
Strom    320;     mit    dem    galvanischen        j 
Strom  320,  321.  1 

Hautnerven,  deren  Reizung  177;  deren  ^ 
elektrische  Empfindlichkeit  313;  gegen 
faradische  314,  gegen  'galvanische 
Ströme  318;  vgl.  elektrokutane  Sen- 
sibilität; Reizung  derselben  zu  thera- 
peutischen Zwecken  347  ff. ;  bei  Gehirn- 


Namen-  und  Sachregister. 


511 


377,  381  ;  Geistes-  350,  380;  Rücken- 
markskrankheiten 344,  393  ;  bei  Leiden 
der  Sinnesorgane  432. 

Hebelelektrode,  M.  Meyer's  232. 

Heidenhain's  mechanischer  Tetanomotor 
105 ;  Wärmemessung  bei  Muskelkon- 
traktion 170;  ferner  355. 

Heller's  (v.  Ziemssen's)  Doppelelektrode 
234,  235. 

Helmholtz  93 ;  Modifikation  am  Magnet- 
elektromotor 109;  Prinzip  der  elek- 
trischen Oberfläche  142;  Zeitmessung 
153;  Wärmebildung  bei  Muskelkon- 
traktion 170;  ferner  272,  278,  303,  363. 

Hemianästhesie ,  deren  Elektrotherapie 
381,  424,  459  ff. 

Hemianopsie  305,  433. 

Hemiatrophia  facialis  progressiva,  Be- 
handlung 421. 

Hemikranie,  Behandlung  417;  vergl. 
Migräne. 

Hemiplegie  374;  Elektrodiagnostik  378; 
Elektrotherapie  375,  376;  Folgezu- 
stände derselben  381  ;  deren  Behand- 
lung 381,  382. 

Hemmung  am  Multiplikator  124. 

Henle  247. 

Herabsetzung  der  elektrischen  Erregbar- 
keit 283;  Vorkommen,  Bedeutung 
284  ff. 

Herz,  elektrische  Reizung  desselben  339 ; 
Elektropunktur  desselben  349. 

Herzleiden ,  funktionelle  und  deren  Be- 
handlung 444. 

Hesse,  v.  225.  • 

Hexenschuss  439;  Behandlung;  siehe 
Lumbago. 

Hinterstränge,  Graue  Degeneration  391, 
392;  siehe  Tabes. 

Hirschberg  429,  433. 

Hirschmann  71,  210,  224,  228,  229,  235. 

Hitzig  205,  227,  232,  272,  290,  3U8, 
321,  325,  363,  380. 

Hoedemaker  (ten  Gate)  249,  402. 

Hörnerv,"  siehe  Gehörnerv,  N.  acusticus. 

Holst  352,  367,  417,  426. 

Holtz'sche  Influenzmaschine  18,  184,  461. 

Homcn  379  (212). 

Hornhauterkrankungen,  Behandlung  346, 
428. 

Hübner,  v.  419. 

Hufeland  204. 

Husten,  bedingt  durch  Galvanisation  am 
Nacken  330. 

Hydrops  Ascites  448. 

Hydroelektrisirmasche    (Armstrong's)    3. 

Hydroelektrisches  Bad  366  ff. 

Hyperämie ,  des  Gehirns ,  Rückenmarks, 
Augenhintergrund,  deren  Behandlung 
377,  432. 


Hyperästhesie  des  Hörnerven  309;  nebst 
Modifikationen  309,  310;  Elektrodia- 
gnostik 309;  Therapie  434,  435 ff.; 
siehe  ferner  Neuralgien. 

Hyperidrosis,  Behandlung  456. 

Hypertrophie,  der  Muskeln  vgl.  Pseudo- 
hypertrophie  39 1 ;   der  Prostata   457. 

Hypopyon,  Behandlung  346,  428. 

Hypothenar,  Muskeln  desselben  und  deren 
Reizung  252. 

Hysterie,  Behandlung  423,  424,  459 ff. 

I.  J. 

Jallabert  203. 

Jansen  171. 

Ikterus  448. 

Ileus,  Behandlung  446,  447. 

Impotenz,  Behandlung  451. 

Inconstanz  der  Kette  40. 

Incontinentia  alvi  447;  urinae  449; 
Behandlung,  ebenda. 

Indifferente  Punkte  261. 

Indirekte  Reizung  der  Muskeln  240; 
katalytische  Wirkungen  des  Stroms 
336,   358. 

Induktion  94;  Ströme  durch  Bewegung 
von  Leitern  95;  durch  Schliessung 
und  Oeffnung  96 ;  durch  Bewegung 
von  Magneten  101;  zeitlicher  Verlauf 
111  ;  Apparate   108,  208,  210. 

Induktionskonstante  1U7. 

Induktorium  97. 

Influenz  12,   13. 

Influenzmaschinen  18,  184,  461,  465; 
Anwendung  derselben  184,  461  ft\ 

Innere  Anordnung  bei  Acusticusreizung 
306. 

Innere  Faradisation  des  Kehlkopfs  245, 
442;  Schlundes  244;  Magens  338; 
Darms  339 ;  der  Blase  339 ;  des  Mast- 
darms 339:  des  Uterus  449  ff.  Vgl. 
Kap.  26,  27. 

Inspirationsmuskeln,  deren  Reizung  247, 
259;  siehe  N.  phrenicus. 

Insuffizienz  der  Augenmuskeln,  deren 
Behandlung  431. 

Intensität  des  Stromes  51 ;  Bestimmung 
derselben  147,  150. 

Intercostalmuskeln ,  deren  Reizung  259. 

Intercostalneuralgie,  Behandlung  411. 

Intraauriculäre  Galvanisation  236. 

Intrabuccale  Faradisation,  Galvanisation 
244. 

Intralaryngeale  Faradisation,  Galvanisa- 
tion 245. 

Intramuskuläre  Reizung  240. 

Intraocularer  Druck,  Einwirkung  des 
galvanischen  Stroms  auf  denselben  305, 

Intrapharyngeale  Reizung  244. 


512 


Namen-  und  Sachregister. 


Intratubale  Reizung  300,  311. 

Invagination  des  Darms,  Behandlung  447. 

Jod,  kataphorische  Einleitung  in  den 
Körper  194,  357. 

Jodkalium,  Elektrolyse  zur  Polbestim- 
mung 181,  214;  Einführung  in  den 
Körper  durch  den   galv.   Strom   357. 

Jeffrey  440. 

Jolly  280,  336,  380. 

Ionen  38. 

Iris,  Erregbarkeit  derselben  333,  335, 
431. 

Irritabilität  der  Muskeln  295. 

Irrsinn,  vgl.  Geisteskrankheiten. 

Ischias,  Behandlung  412. 

Ischuria,  Behandlung  449. 

Ishewsky  368. 

Isoelektrische  Kurven  und  Flächen  141. 

Isofaradische  Reaktion  der  Muskeln  301. 

Isogalvanische  Muskelreaktion  301. 

Isolatoren  5. 

Isolirte  Erregung  einzelner  Nerven  und 
Muslveln  240 ff.;  siehe  lokalisirte  Elek- 
trisation. 

K. 

Kapillarelektrometer  134. 

Käst  296. 

Katalytische  Strorawirkungen  356  ff. ; 
indirekte  334,  358;  des  faradischen 
Stroms  345. 

Kataphorische  Stromwirkungen  194,  356, 
357. 

Katarakt  429;  Behandlung. 

Katelektrotonus  265;  beim  Menschen 
276;  negative  Modifikation  277;  Ver- 
wertung in  der  Therapie  354. 

Katelektrotonische  Zone  271. 

Kathode  38 ;  Unterschied  von  der  Anode 
214;  elektrolytische  Wirkungen  38 ; 
therapeutische  Verwertung  354,  355, 
359,  369  ff. 

Kathodenöffnungszuckung  269. 

Kathodenschliessungstetanus  268. 

Kathodenschliessungszuckung  268. 

Kation  38. 

Katyschew  335,  436. 

Kaumuskeln,    Erregung    derselben   244. 

Kehlkopfmuskeln,  elektrische  Reizung 
245;  Lähmung  441  ;  Behandlung  442. 

Keiser's  (und  Schmidt's)  Leclanche- 
Batterie   230. 

Keown,  Mac  433. 

Keratitis,  siehe  Hornhautentzündung. 

Kette,  einfache  30,  31 ;  zusammengesetzte 
32;  konstante  42;  Daniell'sche  42; 
Grove'sche  43;  Bunsen'sche  44;  Mei- 
dinger'sche  44 ;  Siemens  u.  Halske'sche 
44,    211,    212;    Leclanche   44;    Gre- 


net'sche  45;  Warren  de  la  Rue  und 
MüllerCPincus'jsche  47 ;  Wahl  der 
Ketten  68,  239. 

Kienmayer's  Amalgam  14. 

Kinderlähmung,  akute  spinale  (atro- 
phische) 383,  384;  Elektrodiagnostik 
298,  384;  Behandlung  385. 

Kirchhoff'sche  (Formeln)  78,  93. 

Klangsensation  durch  galv.  Reiz.  307. 

Klavierspielerkrampf  407;  Behandlung 
407. 

Klein  333. 

Kleist'sche  Flasche  14,  17. 

Klemmschrauben  65. 

Knallgas  39. 

Knallgasvoltameter  39. 

Knapp  429". 

Kniescheibenzone  (elektrok.  Sensib.)  315. 

Knight  461. 

KöUiker  320  (136). 

Kolik,  Behandlung  415. 

Kombination  der  Elemente  64. 

Kommutatoren  114;  siehe  Stromwender. 

Kompensation  der  Ablenkung  durch  die 
Drahtmassen  1 23 ;  elektromotorischer 
Kräfte  143;  des  Erdmagnetismus  bei 
Spiegel -Tangentenbussolen  131;  der 
Thermoströme  169,  170. 

Kondensator  15  (Volta's). 

Konduktor  14,  463. 

Konstante  Ketten,  siehe  Ketten. 

Konstanter  Strom,  Anwendung  in  der 
Therapie  185;  vgl.  galvanischer  Strom 
Galvanisation. 

Kontaktelektrizität  28. 

Kontaktströme  30. 

Konvulsible  Reaktion  300. 

Kopf,  Erscheinungen  bei  der  Galvanisa- 
tion desselben  325  ff. 

Kopfschmerz,  Behandlung  4 15  ff. 

Kotbrechen,  vgl.  Ileus  446. 

Kotstauung,  Behandlung  447. 

Krafft-Ebing,  v.  290. 

Krampf  zustände,  Anwendung  des  galva- 
nischen Stroms  für  Behandlung  der- 
selben 355 ;  des  faradischen  Stroms 
351 ;  Druck-  (Schmerz-)  Punkte  bei 
solchen  404;  epileptische  Zustände, 
Behandlung  422;  hysterische  Krämpfe, 
Behandlung  423;  Krampf  der  Gefässe 
(vasomotorische  Neurose),  Behandlung 
417,  420;  Beschäftigungskrärapfe  407; 
Facialiskrampf  405 ;  Accessoriuskrarapf 
405;  Inspirationskrampf  406 ;  Elektro- 
diagnostik bei  diesen  Zuständen  404; 
vgl.  übrigens  die  einzelnen  Nerven, 
Muskeln,  Organe. 

Kratzenstein  203. 

Krauspe  336. 

Kreisrheochord  145. 


Namen-  und  Sachregister. 


513 


Kropf,   elektrotherap.   Behandlung   457. 

Krückenlähmung  401,  477. 

Krüger,  R.    107,  208,    209,   210,   228, 

235,  316. 
Kuchen  (Harz)  zum  Elektrophor  19. 
Künstliche  Frühgehurt,  Erregung  solcher 

auf  elektr.  Wege  455. 
Kugeldämpfer  133. 
Kupferpol  31. 
Kupfervoltameter  39,  40. 
Kurbelrheostat  216. 
Kurven:    Strömungsk.   92,    140;    Span- 

nungs-  oder  isoelektrische  Kurven  141. 
Kurz  448. 
Kussmaul  408,  445. 

L. 

Labile  Behandlungsmethode  364. 

Lackmuspapier  zur  Polbestimmung  215. 

Ladung  der  Kleist'schen  Flasche  17. 

Lähmung:  Elektrodiagnostik  und  Be- 
handlung im  Allgemeinen  342,  343, 
355,  358;  cerebrale  374;  spinale  383, 
482  ff  ;  peripherische  397;  trauma- 
tische 401;  neuritische  413:  vaso- 
motorische 417,  418;  nach  akuten 
Krankheiten  395,  396;  nach  Infek- 
tionskrankheiten 396;  in  Folge  chro- 
nischer Vergiftungen  387,  396,  485; 
der  Sinnesnerven  428  ff. ;  vgl.  übrigens 
die  einzelnen  Nerven,  Muskeln,  Organe. 

Lageveränderungen  der  Gebärmutter, 
deren  elektrother.  Behandl.  454. 

Landolt  459. 

Lane's  Maassflasche  25. 

Lannois  420. 

Lateralsklerose,  amyotrophische,  Elektro- 
diagnostik 394;  Therapie  394. 

Leber,  elektrische  Reizung  derselben 
448. 

Leclanche  Element,  Kette  44. 

Leegard  284,  300. 

Le  Fort,  Leon  370,  428. 

Legres  205  (19),  327,  409,  457. 

Lehr  370. 

Leiter  der  Elektrizität  5. 

Leiter's  endoskopische  Apparate  200. 

Leitungsdrähte  65,  241. 

Leitungsvermögen  56;  der  Metalle  58; 
der  Flüssigkeiten  58 ,  59 ;  Abhängig- 
keit von  der  Temperatur  59  ;  tierischer 
Teile  190. 

Leitungswiderstand,  siehe  Widerstand. 

Lessing's  Modifikation  des  Leelanche- 
Elements  71. 

Letourneau  327. 

Leube  338,  423,  445. 

Leyden  314. 

Leydener  Flasche  17. 

Uospiitlial  n.  B  e  r  II  lia  rdt,  Elektvizitiitslelire 


Linse,  Erkrankungen  derselben  und  Elek- 
trotherapie 429. 

Lippmann's  Kapillarelektrometer  134. 

Löwenfeld  327,  330,  344,  360  (396), 
375,  393,  406,  419,  426. 

Lokalisirte  Elektrisation  92 ;  Faradisa- 
tion  240. 

Lucae's  Ohrelektrode  236. 

Luchsinger  287. 

Lückenreaktion  300. 

Lumbago  439. 

Lungen ,  Elektrophysiologie  derselben 
338;  Behandlung  deren  Krankheiten 
443. 

Luys  459. 

Lymphdrüsengeschwülste ,  Behandlung 
457. 

M. 

Maasseinheiten,  elektrische  57,  58. 

Maassfiasche  25. 

Mackenzie  455.  "' 

Mader  448. 

Magen,  Elektrisation  desselben  338 ;  Elek- 
trophysiologie desselben  338 ,  339 ; 
Krankheiten  desselben  und  Behand- 
lung 346,  444,  445. 

Magnetapplikation  bei  Hysterischen  460. 

Magnetelektromotor  106;  Helmholtz'sche 
Anordnung  an  ihm  HO. 

Magnetnadel,  Ablenkung  derselben  durch 
den  Strom  52;  astatisches  Magnet- 
nadelpaar 120;  freiwillige  Ablenkung 
desselben  121. 

Magneto  -  Elektrische  Rotationsapparate 
114. 

Magnus  103. 

Maienfisch  352. 

Mann  453. 

Maschine,  Holtz'sche  Influenz  18,  461, 
465;  Saxton'sche  oder  magneto- elek- 
trische 114;  Siemens  dynamoelektrische 
117. 

Massage,  elektrische  352,  353. 

Mastdarm,  Elektrisation  desselben  339; 
elektrotherapeutische  Maassnahmen  an 
ihm  447. 

Mastodynie,  Behandlung  412. 

Mauduyt  203. 

Mayer,  N.  370. 

Mechanische  Erregbarkeit  der  Muskeln 
(Steigerung  ders.)  292. 

Medulla  oblongata,  Wirkung  elektrischer 
Ströme  auf  diese  331,  336. 

Meidinger'sche  Kette  44. 

Melancholie,    elektrotherapeutische    Be- 
handlung 380,  381. 
Melloni's  Thermosäulc   163. 
Mendel  380,  409. 
III.  All«.  33 


514 


Namen-  und  Sachregister. 


Menge  der  Elektrizität,  Messung  der- 
selben 57,  58. 

Meningitis  spinalis,  Behandlung  395. 

Menorrhagie,  Behandlung  453,  454. 

Menstruation,  Wirkung  der  Elektrizität 
auf  solche  453,  464 ;  Störungen  solcher, 
Behandlung  453,  454,  464. 

Messung  von  Widerständen  54,  57,  58, 
88,  263;  elektromotorischer  Kräfte 
147;  der  Stromstärke  52,  53;  kurz- 
dauernder Ströme  150;  kleiner  Zeiten 
151;  von  Temperaturen  169;  der 
Absorption  von  Wärmestrahlen  171; 
veränderlicher  Ströme  157. 

Metalloskopie  458 ff. 

Metallotherapie  458  ff. 

Metritis,  Behandlung  454. 

Metrorrhagie,  Behandlung  455. 

Meyer,  M.  203,  204,  208,  209,  232,  294, 
312,  333,  337  (167),  392,  419,  440, 
445,  456,  457. 

Middeldorpf,     Galvanokaustik     194; 
Schneideschlinge  196. 

Migräne,  Behandlung  417. 

Milchsekretion ,  Anomalien  derselben, 
Behandlung  455. 

Milliampere    126. 

Milz,  Reizungsmethode  448. 

Milztumoren ,  elektrotherapeutische  Be- 
handlung 448. 

Minimale  Zuckung (Elektrodiagnost.).  262. 

Mitteilung  der  Elektrizität  5. 

Mittelform  der  Lähmungen  295,  470. 

Moderator  208  (des  Stromes). 

Modifizirende  Wirkung  des  Stromes  276, 
277,  278. 

Modifikation  der  I<]rregbarkeit  des  Nerven 
276;  positive  276,  277;  negative  276, 
277. 

Moebius  318,  352,  372,  416,426,452,  454. 

Moeli  335,  431. 

Moellendorf  417. 

Moewig  231. 

Monopolares  (elektr.)  Bad  369. 

Morbus  Basedowii,  Behandlung  418,  419. 

Moreau-Wolf  457. 

Mosengeil  238. 

Motorische  Nerven,  Stromwirkung  auf 
solche  173,  261,  272;  Veränderung 
deren  Erregbarkeit  durch  den  fara- 
dischen Strom  343;  durch  den  galva- 
nischen Strom  275,  276 ;  Reizung  am 
lebenden  Menschen  173,  261,  272; 
Degeneration  derselben  291;  Regene- 
ration derselben  291  ;  Entartungsreak- 
tion 292;  Erregbarkeitsprüfung  durch 
den  faradischen  Strom  261  ;  durch  den 
galvanischen  Strom  272;  Läsionen  der- 
selben 397  ff. ;  Zuckungsgesetz  der- 
selben am  lebendenMenschen  267, 268  ff. 


Motorische  Punkte   180,  240  ff. 

Motorische  Zone  (an  der  Hirnrinde)  405. 

Moxe,  elektrische  347. 

Müller,  Joh.  303  (111). 

Müller  (Graz)  225,  299  (100),  301  (107), 
386  (100). 

Müller'scher  Muskel  (Sympath.)  333. 

Multii)le  Sklerose,  elektrotherapeutische 
Behandlung  395. 

Multiplikator  36,  123;  seine  Graduirung 
124;  Thermomultiplikator  165. 

Munk,  H.  357. 

Muskeln,  Wirkung  des  Stromes  auf  diese 
174,  179,  280;  isolirte  Erregung  175 ; 
elektrische  Reizung  der  einzelnen 
Muskeln  siehe  §  100-105,  S.  241  bis 
261. 

Muskelatrophie  aus  luaktivität  343;  bei 
Gelenk-  und  Knochenleiden  343;  bei 
Gehirn-  377 ;  bei  Rückenmarkskrank- 
heiten 384,  390;  elektrotherapeutische 
Behandlung,  ebenda. 

— ,  progressive  389 ;  elektrische  Unter- 
suchungsergebnisse  bei  dieser  299,  390; 
diplegische  Kontraktionen  337 ;  Be- 
handlung 390,  486,  487. 

Muskelerregbarkeit  174;  faradische  174, 
179;  galvanische  280;  Steigerung  der- 
selben 284;  Herabsetzung  derselben 
283;  Qualitative  Aenderungen  der- 
selben 288. 

Muskelhypertrophie  391  ;  siehe  ferner 
Pseudohypertrophie  39 1 . 

Muskelrheumatismus,   Behandlung    439. 

Muskelsteifigkeit  und  M.- Hypertrophie 
391. 

Muskelunterbrecher   153. 

Muskelzusammenziehung,  zeitlicher  Ver- 
lauf 153,  154;  Wärraebildung  bei 
derselben  169;  Hervorbringung  27, 
101,  172,  179. 

Mydriasis,  Behandlung  430,  431. 

Myelasthenia  427. 

Myelitis,  akute  383 ;  chronische  Formen 
386  ff. ;  elektrische  Erregbarkeitsver- 
hältnisse 383 ff. ;  Behandlung  Kap.  22. 

Myelomeningitis  395. 

Myotonia  congenita  391;  siehe  Muskel- 
steifigkeit. 

N. 

Nachwirkungen  des   konstanten  Stromes 

276  ff. 
Nackenmuskeln,  elektrische  Reizung  260; 

Krampf  derselben,    Behandlung   405. 
Nadeln  zur  Klektropunktur   192. 
Nadjeschda  Suslowa  322. 
Narben,  Galvanisation  solcher  422. 
Nasenmuskeln,  elektrische  Reizung  243. 


Namen-  und  Sachregister. 


515 


Nebeuapparate  zur  Ausübung  der  Elek- 
trotherapie 212,  231;  Elektroden  49, 
231  ff.;  Leitungsschnüre  231 ;  Galvano- 
meter 126,  223;  Rheostat  88,  216. 

Nebenschliessung  88 ,  89 ;  Anwendung 
bei  Induktionsapparaten  208;  Rheostat' 
in  Nebenschluss  217;  Bedeutung  89, 
218,  219;  Verwertung  219,  220. 

Neftel  205  (20),  304,  323,  338,  362, 
415,  429,  443,  445,  453. 

Negative  Elektrizität  1. 

Negatives  Metall  31. 

Negative  Modifikation  nach  Katelektro- 
tonus  276,  277;  Nachweis  beim  leben- 
den Menschen  277,  278. 

Negativer  Pol  31 ;  Erkennung  desselben 
181,  209,  214;  seine  stärkere  Wir- 
kung bei  der  Muskelerregung  181  ;  bei 
Erregung  sensibler  Nerven  355. 

Nerven,  Wirkung  des  Stromes  auf  diese 
172 ff.;  240 ff. 

Nervenerregbarkeit  261,  272;  vgl.  unter 
motorische,  sensible,  Sinnes-,  vasomo- 
torische, trophische  Nerven. 

Nervenkrankheiten,  Kap.  21ff. ;  vgl. 
unter  Gehirn-,  Rückenmarkskrank- 
heiten; ferner  Krankh.  periph.  N.  etc. 

Nervenschwäche  426;  siehe  Neurasthenie. 

Nervus  abducens,  Lähmung,  Behandlung 
430,  489. 

—  accessorius,  Reizung  desselben  246; 
Krampfzustände  405 ;  Lähmungszu- 
stände  400. 

—  acusticus ,  l'^lektrophysiologie  305 ; 
bei  Krankheiten  desselben  309;  Be- 
handlung 434;  siehe  Gehörnerv,  Gehör- 
organ. 

—  auricularis  posterior,  elektrische  Rei- 
zung 242. 

—  axillaris,  elektr.  Erregung  249;  Läh- 
mung desselben  401,  402. 

Nn.  cervicales,  Neuralgien  derselben,  Be- 
handlung 411. 

N.  cruralis,  Reizung  desselben  255 ;  Läh- 
mung 403;  neuralgische  Zustände  411. 

—  dorsalis  scapulae,  elektr.  Erreg.  247. 

—  facialis,  elektr.  Reizung  241;  vgl. 
Gesichtsmuskellähmung,    Krampf  etc. 

—  (M.)  frontalis,  elektr.  Erreg.  243. 
— •  glossopharyngeus  313. 

Nn.  glutaei,  elektr.  Erreg.  256. 

N.  hypogiossus,  elektr.  Erreg.  244. 

Nn.  intercostales,  Erregung  259;  neural- 
gische Zustände  derselben,  Behand- 
lung 411. 

N.  ischiadicus,  elektr.  Erreg.  256;  Läh- 
mung desselben  403;  Neuralgien  des- 
selben 412. 

Nn.  laryngei,  elektr.  Erreg.  245;  Läh- 
mungszustände  441. 


N.  medianus,  elektr.  Erreg.  250;  Läh- 
mung, Behandlung  401,  402. 

—  musculo-cutaneus ,  elektr.  Erregung 
249;  Lähmung  401,  402,  478. 

—  obtui'atorius ,  elektrische  Erregung; 
2o6. 

—  occipitalis,  neuralgische  Zustände, 
Behandlung  41 1. 

—  oculomotorius,  siehe  Augenmuskel- 
lähmung 429,  430. 

—  olfactorius,    Elektrophysiologie   312. 

—  opticus  Elektrophysiologie  303;  Elek- 
tropathologie  304;  Erkrankungen  des- 
selben 432ff. ;  vgl.  Gesichtssinn,  Auge. 

—  peroneus,  elektr.  Erreg.  258;  Läh- 
mungszustände  in  seinem  Gebiet  403, 
4S0,^481. 

—  phrenicus,  elektr.  Erregung  247,  339 ; 
behufs  künstlicher  Respiration  348; 
Zuckungsgesetz  desselb.  339,  340. 

—  radialis,  elektr.  Erreg.  252,  253; 
Lähmungszustände  401,  402,  474. 

—  recurrens,  elektr.  Erregung  246 ;  Läh- 
mung 441. 

Nn.  splanchnici,  neuralgische  Zustände 
in  deren  Bereich  415. 

—  subscapulares  249. 

N.  suprascapularis  249,  402. 

—  sympathicus,  Elektrophysiologie  des- 
selben 332,  335  ff. ;  Lähmungszastände 
418;  Reizungszustände  418. 

Nn.  thoracici  anteriores,  elektr.  Erreg. 
249;  thor.  longus  248;  Reizung  248; 
Lähmung  400;  posteriores,  Reizung 
247,  248. 

N.  tibialis,  elektr.  Erreg.  259;  Lähmungs- 
zustände in  seinem  Gebiet  403. 

—  trigeminus .  Neuralgien  ,  Behandlung 
409  :  Krampfzustände  405 ;  Lähmungen 
400. 

—  trochlearis  430,  431;  vgl.  Augen- 
muskelnerven, -lähmung. 

—  ulnaris,  elektr.  Erreg.  252;  Lähmung 
401,  478. 

—  vagus,  elektr.  Erreg.  247. 

Neumann  205,  291,  292,  294,  452. 

Neuralgien,  Allgemeines  über  deren  Be- 
handlung 350,  355,  4(19;  des  Trige- 
minus 409,  410;  der  Cervico-Occipital- 
nerven  411;  der  Interc'ostalnerven  411; 
Neuralgia  lumbo-abdominalis  411;  cru- 
ralis 411;  obturatoria  411;  des  N. 
ischiadicus  412;  vgl.  Coccygodynie, 
Mastodynie  412;  der  Gelenke  414; 
viscerale  Neuralgien  415;  vgl.  ferner 
die  einzelnen  Nerven,  die  einzelnen 
Organe. 

Neurasthenia  426;  cerebralis  426;  spi- 
nalis  427;  Behandlung  427;  vgl.  Cere- 
brasthenie,  Myelasthenie. 


516 


Namen-  und  Sacliresisler. 


Neuritis  413;  elektrische  Erregbarkeits- 
verhältnisse 413;  Behandlung  der- 
selben 413;  optica,  Behandlung  432; 
vgl.  die  einzelnen  Nerven. 

Neuroretinitis,  Behandlung  432. 

Neurosen,  funktionelle  422;  vasomoto- 
rische 420;  trophische  421,  Behand- 
lung 420  ff. 

Neutralelektrischer  Zustand  1. 

Nichtleiter  5. 

Nicht  prismatische  Leiter  91,  138. 

Nobili's  astatisches  Nadelpaar  121. 

Noe's  Thermo-Stern-Säule  163,  164. 

Normalformel  (Brenner's)  für  das  elektr. 
Verhalten  der  motor.  Nerven  268,  269  ; 
des  Acusticus  308. 

Nothnagel  323,  335,  421. 

Noyes  429. 

0. 

Oberarm,  elektr.  Reizung  der  Muskeln 
desselben  249,  250;  elektrokutane 
Sensibilität  315. 

Oberextremitätenlähmung  401,  402;  vgl. 
Armlähmung,  Radialislähmung,  Läh- 
mung durch  Krückendruck,  nach  Luxa- 
tionen. 

Oberfläche,  elektromotorische  141. 

Oberschenkel,  Muskeln  und  Nerven,  deren 
elektr.  Reizung  255 ,  257 ;  elektro- 
kutane Sensibilität  315. 

Oberschenkelzone  315. 

Obstruction  446 ;  (vgl.  Stuhlverstopfung) 
Behandlung  446,  447.       . 

Oeffnung  des  Stromes  34. 

Oeffnungsinduktionsstrom  103;  physio- 
logische Wirkung  103,  113;  zeitlicher 
Verlauf  109. 

Oeffnungstetanus  (Anoden-)  408. 

Oeffnungszuckung  268;  Anoden-  268; 
Kathoden  269. 

Oesophagus,  elektr.  Reizung  desselben  234. 

Offne  Kette  30;  Spannung  an  den  Polen 
32. 

Ohm  (Einheit  des  Widerstandes)  5". 

Ohm'sches  Gesetz  54. 

Ohr,  siehe  Gehör,  Gehörorgan,  N  acustic. 

Ohrelektroden  235,  236. 

Ohrenkrankheiten,  elektrotherapeutische 
Behandlung  434  ff. 

Ohrensausen,  elektrotherapeutische  Be- 
handlung 435. 

Ohrmuschelmuskeln ,  elektr.  Erregung 
derselben  242,  243. 

Ohrmuskeln ,  des  Mittelohrs ,  elektrische 
Erregung  311,  436. 

Olfactorius,  vgl.  N.  olfact. 

Onimus  205  (19),  294,  327,  330,  349, 
360,  409.  428,   457. 


Opticus,  vgl.  N.  optic. 
Orchitis,  elektrotherap.  Behandlung  457. 
Organe,   innere,   deren   elektr.  Reizung 
338  ff. 

Paalzow,  Widerstand  von  Schwefelsäure- 
mischungen 59. 
Paradoxe  Reaktion  des  N.  acusticus  309, 
434,  435. 

Paralysis  vgl.  Lähmung;  agitans,  Be- 
handlung 425. 

Paramyoclonus  multiplex  406. 

Partielle  Entartungsreaktion  295 ;  mit 
indirekter  Zuckungsträgheit  297. 

Paul,  C.  366,  425. 

Pentzoldt'sche  Elektrode  236,  237. 

Perkutane  Elektrisation  der  Kehlkopfs- 
muskeln 245;   des   Sympathikus  335. 

Peripolare  Zonen  271,  277. 

Peripherische  Behandlung  bei  Krank- 
heiten des  Gehirns  377;  des  Rücken- 
marks 385,  389,  393  ff. 

Peripherische  Lähmungen  282;  deren 
elektrotherap.  Behandlung  397  ff. 

Pes  anserinus,  elektr.  Reizung  243. 

Peters  391. 

Petrone  391. 

Peyrani  335. 

Pfaff  204. 

Pflüger  205,  266,  322. 

Pharynx,  elektr.  Reizung  244 ;  Lähmung 
der  Phar.- Muskulatur,  BehandL  395. 

Physikalische  Wirkungen  des  galvani- 
schen Stroms  191,  357. 

Pierson  205. 

Pincus'sche  Kette  47;  Batterie  231. 

Pinsel,  elektrischer  178,  238;  faradischer 
238 ,  347 :  galvanischer  215;  Anwen- 
dung 215^  318. 

P.  Place  48. 

Plexus,  Nerven-Muskelstrom  364. 

Plexus  brachialis,  elektr.  Erregung  247 ; 
Lähmungen  desselben  402,  479. 

Poggendorff's  Spannungsreihe  30. 

Pohl'sche  Wippe  66. 

Points  d'election  180,  240. 

Points  douloureux,  vgl.  unter  Druck- 
punkte, Schmerzpunkte. 

Pol,  positiver,  negativer  31;  Unterschei- 
dung desselben  beim  Induktionsstrom 
181,  209;  beim  galvan.  Strom  214. 

Polare  Methode  bei  der  Galvanisation 
186,  362;  P:  Untersuchungsmethoden 
am  lebenden  Menschen  186,  267;  Ge- 
schichtliches 362. 

Polarisation  41  ;  innere  50;  an  der 
Grenze  ungleichartiger  Elektrolyte  48, 
189. 


Namen-  unrl  Sachregister. 


517 


Polarisationsströme  41. 

Poliomyelitis  antica  (acuta)  383;  Elek- 
trodiagnostisches  298,  299,  384 ;  Elek- 
trotherapie 385;  chronica,  Elektro- 
therapie 386,  387. 

Pollutionen,  elektrotherap.  Behandlung 
452. 

Polyarthritis  439 ;  siehe  Gelenkrheuma- 
tismus (akuter). 

Popow  448. 

Positive(s)  Metall  31 ;  (r)  Pol  31 :  Elek- 
trizität 1 ;  Anwendung  des  positiven 
Pols  355 ;  Unterscheidung  vom  nega- 
tiven 181,  209,  214;  positive  Modifi- 
kation der  Erregbarkeit  276,  277. 

Primäre    Erregbarkeit    (Brcnner's)    276. 

Primäre  Spirale  (Rolle)  97 ;  Extrastrom 
derselben  99 ;  Einfluss  derselben  auf 
den  Verlauf  der  sekundären  Ströme 
103,  110;  Anwendung  für  Muskel- 
erregung 182,  207 ;  Etwaige  Differenzen 
in  der  Wirkung  von  der  sekundärer 
Ströme  290 ;  Möglichkeit  der  Regulirung 
seiner  Stärke  durch  den  Rheostat  208. 

Princip  der  elektromotorischen  Oberfläche 
141. 

—  der  Superposition  elektromotorischer 
Kräfte  142. 

Prismatische  Leiter  77. 

Probekügelchen  7. 

Prognoseustellung  mittelst  der  clektro- 
diagnostischen  Untersuchung  bei  Läh- 
mungen 398,  399. 

Progressive  Bulbärparalyse  379;  Muskel- 
atrophie 389,  487;  halbseitige  Ge- 
sichtsatrophie 421. 

Prolapsus  ani,  Behandlung  447. 

Prostatakrankheiten,  Behandlung  457. 

Przewoski  334. 

Pseudohypertrophie  der  Muskeln,   Elek- 
trodiagnostik    391;    Behandlung    391, 
488. 
Psychosen,  Elektrotherapie  350,  380,  381. 

Puls,  Beeinflussung  desselben  durch 
Sympathikus-Galvanisation  333. 

Punkte,  motorische  240 ;  Druck-(Schmerz-) 
Punkte  und  ihre  Wichtigkeit  für  die 
Elektrotherapie  350,  355,  392,  404, 
409,  423  etc. 

Pupille,  Wirkung  elektr.  Ströme  auf 
solche  333,  431 :  Verhalten  bei  Sympa- 
thikusreizung 333,  334,  335. 

Purkinje  303  (111). 

Quadrantelektrometer  (Thomsen's)  9. 
Qualitative  285,   Quantitative  283,   Er- 
regbarkeitsveränderungen 282  fi". 


Rachen,  vgl.  Pharynx. 

Ranke  330,  360,  409. 

Ranvier  296. 

Raynaud  420. 

Reaktion,  Lückenreaktion  300:  convul- 
sible  300;  der  Erschöpfbarkeit  300; 
paradoxe  des  (nicht  armirten)  Ohres 
309,  434. 

Recto-uterine,  vesicale  Elektrisation  454. 

Reflektorische  Wirkungen  des  elektr. 
Stromes  336,  337,  344,  348,  349. 

Regeneration  der  Muskeln  und  Nerven 
291,  292. 

Regnard  459. 

Regnauld's  unpolarisirbare  Kombination 
49. 

Reibungselektrizität  2. 

Reibzeug  14. 

Reiniger  46,  229,  238. 

Reizbarkeit  des  Gehirns  324 ff. ;  des 
Rückenmarks  329  ff. 

Reizung,  elektrische,  vgl.  Erregung. 

Remak,  R.  (Vater)  180,  205,  240,  294, 
320,  337,  345,  351,  354,  362,  404, 
440,  457. 

Remak,  E.  (Sohn)  205,  208,  221,  224, 
225,  227,  275,  276,  296,  299  (100), 
299  (101),  301  (106),  386  (100),  401, 
402. 

Respiration,  künstliche,  durch  Elektrizität 
348. 

Respirationsmuskel -Krampf  406;  Läh- 
mung 348,  400. 

Retina,  Elektrophysiologie  303 ;  Elektro- 
pathologie  304,  305;  Erkrankungen 
derselben  und  Behandlung  305,  432. 

Retinitis,  Behandlung  432. 

Retino-Chorioiditis,  Behandlung  432. 

Reynolds  205  (19),  432. 

Rheochord  60,  80 ;  von  du  Bois-Reymond 
81;  einsaitiges  83;  kreisförmiges  von 
du  Bois-R.  84;  Benutzung  zu  Wider- 
standsmessungen 86,  87;  zur  Messung 
elektromotorischer  Kräfte  147  ff. 

Rheoscop  (physiologisches)  119. 

Rheostat  vonWheatstone  60;  vonSiemens 
und  Halske  61;  Flüssigkeitsrheostate 
89,  217:  Einschaltung  derselben  in 
die  Kette  216,  219;  in  den  farad. 
Strom  208. 

Rheotora  158. 

Rheumatismus,  akuter  (der  Gelenke)  439; 
chronischer  440;  der  Muskeln  439; 
rheumatische  Lähmungen  397,  400. 

Richter  446,  447. 

Richtung  des  Stromes  23,  31,  181,  265, 
364;  der  Induktionsströme  95;  Be- 
ätimmung  derselben  35,  124,  181,  214. 


518 


Namen-  und  Sachregister. 


Riegel  33ß. 

Ritter  303  (111),  312. 

Rockwell  205  (20),  333,  351,  370,  42G, 
465. 

Rodolfi  428. 

Rolle  (primäre,  sekundäre)  97;  Abstand 
207. 

Roseiibach  423. 

Rosentbal.  J.  190,  205,  205  (19\  279, 
312,  313. 

Rosentbal,  M.  205,  299  (100),  304,  312, 
348. 

Rossbach  205,  246,  410,  448,  451. 

Rotationsapparate ,  magneto  -  elektrische 
116. 

Rothe  454. 

Rückenmark,  Elektrophysiologie  desselben 
3-j;9if. ;  Faradisation  dess.  329;  Galva- 
nisation desselben  329. 

Rückenmarkskrankheiten  3^3;  Elektro- 
diagnostik  384  ff. ;  Elektrotherapie 
384—390;  vgl.  unter  Myelitis,  Halb- 
seitenläsion ,  Poliomyelitis ,  Spinaler- 
krankung, Tabes  -etc.  etc. 

Rückenmuskeln,  elektr.  Erregung  der- 
selben 2r.0,  261. 

Rückschlag  27. 

Rumpf  (Tb.)  295,  336,  344,  377,  432. 

Rumpfmuskeln  259  (elektr.  Reizung). 

Rumpfzone  (elektrokut.  Sensib.)  314. 

Runge   190,  227,  276. 

S. 

Salomon  298,  384. 

Samt  276. 

Saxton'sche  Maschine   114. 

Scarpari  446. 

Schädel,  Galvanisation  durch  denselben 
324,  325. 

Schäfer  444. 

Scheintod,  die  Elektrizität  als  diagnosti- 
sches Mittel  349;  Mittel  zur  Wieder- 
belebung 349. 

Schiel  328. 

Schiff  286,  460. 

Schlafbefördernde  Wirkung  der  Elektri- 
zität 380,  381. 

Schlaf(druck)lähmung  des  N.  radialis 
401,  473,  474. 

Schlagweite  25. 

Schliessungsbogen  30;  Stromrichtung  in 
demselben  31. 

Schliessungs- Induktionsstrom  96,  103; 
Verzögerung  desselben  103;  zeitlicher 
Verlauf  111. 

Schliessungszuckungen  266. 

Schliessungstetanus  268,  269. 

Schlingbewegungen  auf  galvan.  Wege 
ausgelöst  379. 


Schlinglähmung,  diphtherische,  Behand- 
lung 395. 

Schlitteninduktorium   105,  207. 

Schlittenmagnetelektromotor  105. 

Schlüssel  85. 

Schlundmuskeln,  deren  elektr.  Erregung 
244. 

Schmerzempfindlichlfeit  für  den  elektr. 
Reiz,  Prüfung  31.'i,  318. 

Schmerzpunkte,  Wichtigkeit  für  die 
elektrotherap.  Behandl.  bei  Krampf- 
zuständen 404;  Neuralgien  350,  355; 
Hysterie  424;  Tabes  392. 

Schmerzstillende  Wirkung  der  elektr. 
Ströme  350,  355,  416,  417,  463. 

Schmidt  (u.  Keiser)  230. 

Schmidt  (u.  Eulenburg)  333. 

Schmitz  444. 

Schneideschlinge,  galvanokaustische  196. 

Schönbein  313. 

Schreibekrampf,  elektrotherap.  Behandl. 
406. 

Schröder  448. 

Schüttellähmung  425;  siehe  Paralysis 
agitans. 

Schulter muskeln ,  elektr.  Erreg.  247  bis 
249. 

Schulterzone    (elektrokut.    Sensib.)   314. 

Schultze,  Fr.  408. 

Schulz  204. 

Schwanda  184,  361,  461,  462. 

Schweisssekretion,Hervorrufung  derselben 
durch  Galvan.  des  Sympath.  333; 
durch  Elektrisation  der  peripherischen 
Nerven  456;  Anomalien  derselben  456, 
457. 

Schwellende  Ströme  351,  405. 

Schwere  (peripherische)  Lähmungen,  Elek- 
trodiagnostik 285 ff.;  Therapie 397,  398. 

Schwerhörigkeit,  elektrotherap.  Behand- 
lung 311,  435. 

Schwindel,  Entstehung  desselben  durch 
Galvanisation  325,  326;  Elektrophy- 
siologie  325,  326. 

Sclerodermie,  elektrother.  Behandl.  421. 

Sclerose  laterale  amyotrophique  394; 
Elektrodiagnostik  394;  Elektrotherapie 
394,  395;  der  Seitenstränge  des  Marks 
394,  multiple  395  ;  der  Hinterstränge 
392. 

Secretionen,  Anomalien  derselben,  Be- 
handlung 455  ff. 

Seeligmüller  205;  S.'sche  Elektrode  für 
die  Galvanisat.  des  Rückenmarks  237 : 
ferner  238,  296,  367,  391,  396,  402, 
412,  418,  451. 

Sehnerv,  s.  N.  opticus,  Gesichtssinn. 

Seidel  425. 

Seifert  423. 

Seitenstrangsclerose  394. 


Namen-  und  Sachregister. 


519 


Sekundärbatterien  41. 

Sekundäre  Ströme  4 1 ;  vgl.  ferner  Induk- 
tionsströme. 

Sekundäre  Spirale  (Rolle)  97. 

Sekundär  elektrolytische   Wirkung  192. 

Sekundäre  Erregbarkeit  (Brenner's)  276. 

Sensibilität ,  elektrokutane  313,  314; 
elektromuskuläre  321;  Prüfung  der- 
selben 31 4  ff. ;  für  den  galvan.  Reiz 
318. 

Sensible  Nerven,  Erregung  derselben  176, 
177,  303,  314,  318;  zu  therapeutischen 
Zwecken  344,  347,  377,  393 ;  Prüfung 
von  deren  Erregbarkeit  314 ;  Zuckungs- 
gesetz derselben  322 ;  elektrotonische 
Verhältnisse  ders.  278. 

Siemens:  Widerstandseinheit  57;  dyna- 
moelektrische Maschine  117;  Anwen- 
dung zur  Galvanokaustik  198 ;  Glocken- 
magnet 133. 

Siemens  u.  Halske:  Modifikation  der 
Danieirschen  Kette  44,  211,  212; 
Rheostat  61,  88. 

Sigrist  448. 

Simpson  455. 

Sinnesnerven  303;  Erregung  derselben 
303 ff.;  Elektrophysiologie  303;  Elek- 
tropathologie  428  ff. 

Sitzungen,  bei  einer  elektrotherap.  Kur 
372;  Dauer  373;  Anzahl  372,  373. 

Spalten  von  Geschwülsten  346,  457. 

Spamer  61),  71. 

Spamer'scher  Induktionsapparat  210; 
konstante  Batterie  228. 

Spannung  der  Elektrizität  8;  der  Ketten- 
pole 30;  im  Schliessungsbogen  32,  33. 

Spannungselektrizität ,  elektrotherapeut. 
Verwertung  461  ff. 

Spannungskurven  141 ;  Bestimmung  der- 
selben  143. 

Spannungsflächen  141. 

Spannungsreihe:  Volta'sche  29;  Poggen- 
dorff'sche  30;  thermoelektrische  160, 
161.  , 

Spannungsströme  461. 

•  Spannweite  des  ableitenden  Bogens  93, 
138. 

Spastische  Spiuallähmung  394  ;  Elektro- 
diagnostik  394  ;  elektrotherap.  Behand- 
lung 394. 

Speichelsecretion   173. 

Speiseröhre,  vgl.  Oesophagus. 

Spermatorrhoe ,  elektrotherap.  Behandl. 
452. 

Spezifischer   (Leitungs-)   Widerstand  56. 

Spiegeltangentenbussole  129. 

Spillmann   357. 

Spinal  Irritation,  vgl.  Neurasthenie. 

Spinallähmungen,  Elektrodiagnostik  298, 
383;    akute   atrophische   bei   Kindern 


298,  384,  482 ;  bei  Erwachsenen  299, 
386,  483;  chronische  atrophische  bei 
Kindern  387 ;  bei  Erwachsenen  386 ; 
spastische  Sp.  394;  Brown-Sequard'sche 
395;  vgl.  Poliomyelitis  etc. 

Spirale  (primäre,  sekundäre),  siehe  Rolle. 

Stabile  Behandlungsmethode  364. 

Statische  Elektrizität  184,  203,  461; 
Anwendung  bei  Krankheiten  203,  461  ff. 

Steigerung  der  elektr.  Erregbarkeit  284, 
285. 

Stein  352,  353,  365,  366,  426,  446,  447, 
462,  465. 

Steiner  349. 

Steinitz  445. 

Sternsäule   164. 

Stimmbandmuskulatur,  elektr.  Erregung 
245,  246;  Atonie  ders.  442;  Lähmung 
ders.  442;  Krampf  ders.  443. 

Stimmgabel,  elektr.  410. 

Stirnzone  (elektrokut.  Sensib.)  314. 

Stintzing  466,  469  (414). 

Stöhrer  72,  114,  208,  225,  229,  233. 

Stöpselrheostat  88. 

Stolnikow  448. 

Strom ,  elektrischer  2 1  ff. ;  galvanischer 
30;  faradischer  94,  95ff. ;  Richtung 
95;  Wirkung  23,  27,  173,   174ff. 

Stromabstufung  durch  den  Rheostat  89, 
220,  467. 

Stromdichte  75;  in  unregelmässigen  Lei- 
tern 92;  ihre  Wichtigkeit  in  Bezug 
auf  die  Erregung  der  Nerven  und 
Muskeln  175,   186,  189,  274. 

Stromkurven  in  nicht  prismatischen  Lei- 
tern 90,  91;  ferner  140. 

Stromlauf  217ff. 

Strom(es)richtung  31;  aufsteigend  264, 
367;  absteigend  264,  364:  der  Induk- 
tionsströme 95. 

Stromschwankung  274,  308. 

Stromstärke  51,  58;  Messung  ders.  53, 
107,  128,  147,   150,  225. 

Stromverteilung  in  nicht  prismatischen 
Leitern  91,  92. 

Stromverzweigung  77. 

Stromwähler  213. 

Stromwender  66,  67,  214. 

Stromwendung,  elektrodiagnostische  und 
elektrotherap.  Bedeutung  279. 

Strümpell  391. 

Struma,  Behandlung  457. 

Stuhlverstopfung,  elektrotherap.  Behandl. 
346,  446. 

Stupor  350,  380,  381;  (vgl.  Psychosen) 
Behandl. 

Sulzer  312. 

Superposition  elektromotorischer  Kräfte 
142. 

Supraclavicularpunkt  (Krb\s)  21'.». 


520 


Namen-  und  Sachregister. 


Svetlin  333. 

Sycianko  361. 

Sympathikus ,  Galvanisation  desselben 
332  ff. ;  Elektrophysiologie  333  ft\ ;  Elek- 
trodiagnostik ,  Methoden  333 ;  vgl.  N. 
sympath. 

Szpilinan  287. 

T. 

Tabes  B92 ;  Erregbarkeitsverhältnisse  bei 
dieser  392 ;  elektrokutane  Sensibilität 
bei  dieser  393 ;  Behandlung  derselben 
392,  und  ihrer  einzelnen  Symptome 
393. 

Tangente  des  Ablenkungswinkels  53. 

Tangentenbussole  53;  mit  Spiegelab- 
lesung 129. 

Taschengalvanometer  (Edelmann' s)  127, 
226,  239. 

Tascheninduktionsapparat  353. 

Taubheit  435,  436,  489 ;  vgl.  Gehörnervs- 
Erkrankungen.- 

Teilung  des  Stromes  77. 

Teleangiectasien,  Behandlung  194. 

Telephon  als  physiol.  Rheoskop  135. 

Temperatursteigerung  faradisirter  Musk. 
343 ;  der  Haut  bei  der  Galvanisation  32 1 . 

Terax^eraturbestimmung  (absolute)    169. 

Tertiäre    Erregbarkeit   (Brenner's)    276. 

Tetanie,  Elektrodiagnostik  408 ;  Elektro- 
therapie 408. 

Tetanus ,  Elektrotherapie  409 ;  Beein- 
llussung  des  künstlich  bei  Tieren  er- 
zeugten durch  den  galv.  Strom  330, 
409. 

Thenarmuskeln ,  deren  elektr.  Erregung 
251. 

Theorie  des  Stromes  21,  32,  33;  der 
Kette  54;  der  Elektrolyse  nach  Grott- 
hus  38;  der  Stromverteilung  in  un- 
regelmässigen Leitern  89 ,  90 ;  der 
elektromotor.  Wirkung  tierischer  Teile 
138;  der  isolirten  Erregung  einzelner 
Muskeln  und  Nerven   175  ff. 

Therapeutische  Verwendung  der  Elek- 
trizität 341,  354,  374  ff. 

Thermoelektrizität  1 60. 

Thermoelektrische  Spannungsreihe  161, 
162. 

Thermoelemente  163. 

Thermomultiplikator  165,   166. 

Tliermonadeln  167. 

Thermosäule   163. 

Thermoströme  159. 

Thomsen'sche  Krankheit  391. 

Thomson's  Quadrantelektrometer  9. 

Tic  convulsif,  Elektrotherapie  405. 

Tic  douloureux ,  elektrotherap.  Behand- 
lunir  409. 


Tigges  381. 

Töpler's  Influenzmaschine   18. 

Torticollis,  Behandlung  405. 

Torpor  des  Hörnerven  311,  435;  des 
Sehnerven  305,  432. 

Trachom,  elektrotherap.  Behandlung  428. 

Trägheit  der  Muskelzuckung  (Entartungs- 
reaktion) 288. 

Trägheitsmoment  schwingender  Magnet- 
stäbe 131. 

Transportable  Batterien  228. 

Tremor,  Behandlung  425;  alkoholicus, 
mercurialis,  senilis. 

Tripier  453,  454. 

Tröltsch  311,  436. 

Trommelfell ,  Trübung ,  elektrotherap. 
Behandl.  434. 

Trophische  Neurosen  421. 

Trousseau'sches  Phänomen  408. 

Trouve'sches  Element  370. 

Tscherbatscheff  304. 

Tschiriew  316. 

Tschulowski  448. 

Tumoren,  Behandl.  durch  elektr.  Ströme 
457. 

u. 

Uebererregbarkeit  degenerirter  Muskeln 

288. 
Ulcerationen,  elektrotherap.  Behandlung 

457,  458. 
Umgekehrtes    Verfahren    (Elektrostatik) 

463. 
Umkehr  der  Normalformel  des  Acust.  31 1 ; 

bei  progressiver  Muskelatrophie  300. 
Unbeständigkeit  der  Kette  40. 
Unelektrischer  Zustand  1. 
Ungleichnamige  Elektrizität  12. 
Unipolare    Induktionswirkung   97,    113; 

ihre  Verhütung  98;  Reizungsmethode 

186,  267,  361. 
Unpolarisirbare  Elektroden  49,  232. 
Unregelmässige  Leiter  89,  90. 
Unterbrecher,  selbsttätiger  elektromagne- 
tischer 104;  Muskelunterbrecher  155. 
Unterbrochener    Strom ,    s.    faradischer, 

Induktionsstrom . 
Untere  Extremitäten,   deren  elektrische 

Reizung  (Muskeln  und  Nerven)  255  ff. ; 

Lähmung   derselben  403,    481,   483; 

Krampf  derselben  405,  406. 
Unterschenkel,   vgl.   untere   Extremität. 
Untersuchungsmethoden,  Kap.  XIV,  XV  ff. 
Unvollkommene  Schliessung  der  Induk- 
tionsspiralen 98. 
Uspensky  330,  360. 
Uterus,  elektr.  Erregung  desselben  235, 

454;    Lageveränderungen    dess.   454; 

deren  elektrotherap.  Behandl.  454, 


Namen-  und  Sachregister. 


521 


T. 

Vagus,  vgl.  N.  vagus. 

Valtat  370. 

Vasomotorische  Neurosen  420;  Elektro- 
äiagnostik420,4"21 ;  Elektrotherap.421. 

Veränderliche  Ströme  157. 

Verbindung  der  Elemente,  hinter,  neben 
einander  63,  64. 

Verdauungsorgane,  elektr.  Erreg,  der- 
selben 338;  elektrotherap.  Behandl. 
von  Krankheiten  derselben  444. 

Verhütung  unipolarer  Erregung  99. 

Verlauf,  zeitlicher,  der  Induktionsströme 
111  ;  der  Muskelzusammenziehung  155. 

Verteilung  der  Elektrizität  1 1 . 

Vertikalgalvanoskop   125,  223. 

Verzweigte  Leitungen  77. 

Vesico-uterine  Elektrisation  454. 

Vierordt  296,  402. 

Vigouroux,  P.  462. 

Vigouroux,  E.  289,  460,  462. 

Violinspielerkrampf,  elektrotherap.  Be- 
handlung 406. 

Virtuelle  Elektroden  271,  277,  278. 

Volt  57. 

Volta  15,  27,  29,  203,  279,   303  (111). 

Volta'sche  Alternative  279;  Kondensator 
15;  Pundamentalversuch  29;  Span- 
nungsreihe 29. 

Voltameter  39. 

Voltolini  433. 

Vorderarmrauskeln ,  deren  elektr.  Erre- 
gung 251  ff. ;  Lähmung  ders.  401  ff. 

Vorfall  des  JVIastdarms,  elektrotherap. 
Behandlung  447. 

Voss'sche  Influenzmaschine  461. 

Vulpian  289,  344,  347,  350,  377,    420. 

w. 

Wachsmuth  379. 

Wärmebildung  bei  Muskelzusammen- 
ziehung 169,   170,  343. 

Wärmestrahlen  171;  Absorption  ders.  171. 

Wagner's  Hammer  101. 

Wahl  der  Ketten  68,  182;  für  thera- 
peutische Zwecke  69,   239. 

Wahlpunkte  240. 

Waller  275,  277. 

Wange,  elektrokut.  Sensibilität  314,  315. 

Warren  de  la  Rue's  und  Müller's  Kette 
47,  231. 

AVasserzersetzung  37 :  zur  Erkennung 
der  Pole  21-1. 

de  Watteville  :^05  (20),  225,  271,  272, 
275,  277,  279,  316,  363,   371. 

Weber,  W.  57. 

Weber-Liel  436. 

Weber's  Elektrodynamometer  156. 


Webster  429. 

Weise  410. 

Weisflog  346,  366,  368,  428. 

Weiss  (M.)  296,  420. 

Weiss  (N.)  226,  269,  408. 

Weiss  (u.  Ziemssen)  294. 

Wernicke  295. 

Wesentlicher  Widerstand  61. 

Westphal  336,  391,  460. 

Wheatstone's  Ptheostat  60 ;   Brücke    87. 

Widerstand  54;  der  Metalle  58;  der 
Flüssigkeiten  58,  59;  Abhängigkeit 
von  der  Temperatur  59;  des  Körpers 
190;  der  Epidermis  262. 

Widerstandseinheit  57  ;  spezifischer  W.  56. 

Widerstandsmessungen  86,  87,  190;  am 
lebenden  Menschen  190,  222,  262,  275. 

Wiedemann :      Spiegeltangentenbussole 
129;  thermoelektrische  Messungen  160. 

Wilhelm  357. 

Winkelzellenbatterie  46,  229. 

Wippe  (Pohl'sche)  66. 

Wirbelsäulenerkrankung  395;  Schmerz- 
punkte an  ihr  392,  423. 

Wirkungen  des  Stromes  26,  27,  35,  37, 
173,   174  ff. 

Y. 

Y-Form  der  Elektroden  238. 

z. 

Zech  205  (19),  224. 

Zehenzune  (elektrokut.  Sensib.)  315. 

Zeitlicher  Verlauf  der  Induktionsströme 

111;  der  Muskelzusammenziehung  155. 
Zeitmessung,  elektrische   löl. 
Zentralorgane  d.Nervensystems  191, 324  ff. 
Zentrale  Galvanisation  366,  375.  385  etc. 
Ziemssen,   v.   180,   205,   225,   232,  240, 

241  etc.,  267,  294,  303,  320,  321,  324, 

325,  329.   338,    339,   343,   348,   420, 

423,   444. 
Zinkpol  3  i . 

Zittern  425;  vgl.  Tremor. 
Zone,   anelektrotonische ,    katelektroton. 

271,  272. 
Zonen,  elektrokut.  Sensibilität  315. 
Zuekungsgesetz    der   Muskeln   280;    der 

motor.  Nerven  266;  der  sensiblen  N. 

322 ;  der  motorischen  Nerven  am  leben- 
den Menschen  267,  268  ff. 
Zungenbeinmuskiilatur,  elektr.  Erregung 

243,   247. 
Zungenmuskulatur,  elektr.  Erregung  244. 
Zungeuzone  (elektrokut.  Sensib.)  314. 
Zusammengesetzte  Kette  31. 
Zweigströme  75. 
Zwerchfell,   elektr.  Erregung  247,  348; 

Lähmujio"  348,  400. 


Gedruckt  bei  L.  Schumacher  in  Berlin. 


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