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Monatsberichte
der
Königlichen
Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin.
Aus dem Jahre 1864.
Mit 6 Tafeln.
Berlin.
Gedruckt in der Buchdruckerei der Königl. Akademie
der Wissenschaften.
1865.
In Commission in Ferd. Dümmler’s Verlags-Buchhandlung.
Harrwitz und Gossmann.
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Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Januar 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer.
4. Januar. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Klasse.
Hr. Haupt lasEleusinische Miscellen vonHrn. Gerhard.
Die Abhandlung über den Bilderkreis von Eleusis, deren
monumentale Hälfte ich der Akademie im vergangenen Juli vor-
legte, hat mich zu fortgesetzter Sichtung mehrerer Kunstdar-
stellungen veranlalst, welche bei prüfender Betrachtung ihrer
zahlreichen Repliken und Varianten manches überraschende Er-
gebnils darbieten. Hieraus im Einzelnen einiges hervorzuheben
dürfte nicht ganz unbelohnend sein.
41. Triptolemos und die Rückkehr der Kora.
Es sind hauptsächlich zwei Hauptmomente des cerealischen
Sagenkreises, welche hier in Betracht kommen, die Ausstattung
des Triptolemos zur Verbreitung des Saatkorns über den Erd-
kreis und die Wiederkehr der Kora aus dem Schattenreich in’s
Reich des Tages. Jenen ersten Myihes kann ich aus 46 Vasen-
bildern nachweisen, welche mit Ausnahme von nur 7 archaischen
sämmtlich den Styl der vollendeten Kunst an sich tragen. In
umgekehrtem Verhältnils findet jener andere Mythos der wieder-
kehrenden Kora gewöhnlich nur in archaischem Styl mit schwar-
[1864.] #
2 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
zen Figuren sich vor, dergestalt dals neben 35 archaischen Va-
senbildern dieses Gegenstands nur 8 oder 9 mir bekannt sind,
welche ihn und zwar in beträchtlich veränderter und verkürzter
Auffassung mit röthlichen Figuren darstellen. Die Feier der
wiederkehrenden Kora ist als Gegenstand der zu Athen gestifte-
ten kleinen Eleusinien uns bezeugt, deren Zeitpunkt im Früh-
ling auch ungleich mehr diesem Mythos zusagte als die herbst-
liche Jahreszeit der grolsen Eleusinien, in denen dieser von dort
aus uns weniger bezeugte Mythos nur etwa proleptisch in An-
schluls an die mimische Darstellung des Raubes der Kora hätte
gefeiert werden können. Es ist mithin durchaus wahrscheinlich,
dafs die zahlreichen in hieratischer Alterthümlichkeit ausgeführ-
ten Darstellungen der Anodos sämmtlich dem Sagen- und Bil-
derkreis von Agrae, dem Sitze der kleinen Eleusinien, angehö-
ren; eine gleiche Voraussetzung aber findet auch für die Tripto-
lemosbilder Statt, in Erwägung dals dieser eleusinische Günst-
ling der Saatgöliin eben dort ein eigenes von Pausanias mit
frommer Scheu erwähntes Heiligthum hatte, und dafs seine Kunst-
darstellungen sowohl mit der zu Agrae vollführten Einweihung
des Herakles und der Dioskuren als auch mit Scenen der Ano-
dos verbunden werden. Die verschiedene Stylisirung zweier
einander so sehr verwandter und an gleichem oder benachbar-
tem Orte gefeierter Mythen ist daher befremdlich; sie erklärt
sich jedoch, wenn man erwägt, dals die Wiederkehr der Kora
nur als Offenbarung der Mysterien vorausgesetzt werden kann,
dagegen Triptolemos, ein durchaus volksmälsiger Wooblthäter
des Landbaus, der Mystik nur spät und selten anheimfiel und
mithin nicht wie deren geheime Legenden, in alterthümlicher
Form, sondern im gefälligen Styl einer kunsigebildeten Gegen-
wart dargestellt wurde.
2. Dionysos in archaischem Styl.
Ein anderer Umstand, der in jenen beiderlei Darstellungen
verschieden ausfällt, ist das Verhältnils zum Dionysos. Ein
Wechselbezug dieses erst mit dem Fortschritt der Demokratie
zu hohen Ehren gelangten Gottes und der Göttinnen von Eleu-
sis ist aus altattischer Zeit uns nirgends sicher bezeugt und
scheint erst dann aufgekommen zu sein, als das gleichzeitig be-
vom 4A. Januar 1864. 3
gangene Festgepränge der Anthesterien und der kleinen Eleu-
sinien die Gottheiten der beiderseitigen, nicht weit von ein-
ander belegenen, Heiligthümer einander annäherte. Deutliche
Spuren eines solchen Verhältnisses finden sich in den hierati-
schen Festzügen der zu Wagen oder zu Fuls ihre Wiederer-
scheinung auf Erden uns vorführenden Kora. Der bärtige
Dionysos, im Glauben der Mystiker mit Hades identisch, bleibt
entweder im Hintergrund zurück, oder wird dann und wann
auch als ein wie Kora im Lenz neuerstandener Erdgott mit ihr
zugleich ankommend dargestellt. Ganz anders verhält es sich,
dem öffentlichen Charakter des Mythos gemäls, in den Vasen-
bildern der Triptolemossage; obwohl im Grundbegriff einander
verwandt, wie Wein und Brot, pflegen doch Triptolemos und
Dionysos neben einander nicht vorzukommen, aufser in Vasen-
bildern der spätesten Zeit und in einigen andern des nachge-
ahmten altattischen Styls, aus denen vielmehr das Bestreben
baechische Beziehungen einzudrängen als ein ursprünglicher
Wechselbezug cerealischer und bacchischer Mythen hervorgeht.
3. Kunstwerke der Orphiker. Kora und Ariadne.
Die Thatsache solcher gewaltsamer Eindrängung des bac-
chischen Mysterienwesens in die Gefälsmalerei habe ich schon
früher wahrscheinlich und für die Kunstgeschichte fruchtbar zu
machen gesucht. Die seit den volcentischen Funden uns tau-
sendfältig vorliegende Menge irdener Trinkgefälse mit schwar-
zen Figuren ist so überwiegend dem bacchischen Bilderkreis
angehörig, dals, wenn dann und wann auch der cerealische Sa-
genkreis darin sich behandelt findet, eine willkürliche Verschmel-
zung seiner Mythen mit bacchischem Personal in dem bekannten
Bemühen der Orphiker für Verbreitung der bacchischen Lehre
seine natürliche Erklärung findet. Wenn die Sitte der Anthe-
sterien zum geselligen Trunk der Choen zahlreiche Thongefälse
erheischte und von der attischen Töpfergilde erhielt, deren
Stammyater Keramos von Dionysos erzeugt sein sollte, so
konnte deren sinnvolle Bemalung, von bacchischen Gegenständen
ausgehend, bald auch auf die cerealischen angewandt werden,
welche bei dem gleichzeitig und an benachbartem Orte ge-
4*
4 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
feierten Frühlingsfest der kleinen Eleusinien hervorstechend wa-
ren; da nun überdies zur Verbreitung bildlicher Anschauung
kaum irgend ein anderer Stoff so bequem und wohlfeil sich
eignete wie die Fläche der Thongefälse, so war in denselben
ein weiter Spielraum zur Verbreitung der Mythen und Anschau-
ungen des cerealischen sowohl als des bacchischen Mysterien-
wesens gegeben. Die priesterliche Tendenz solcher Verbreitung
ist meines Erachtens in den vorgedachten archaischen Vasenbil-
dern der Anodos und der bacchisch gefärbten Triptolemossage
unverkennbar; sie ist aber auch auf den Archaismus der Kera-
meutik zu beschränken, deren gefälliger stylisirte Vasenbilder
uns auch sofort einen andern Ideenkreis zu erkennen geben. In
jenen archaischen Vasenbildern ist man berechtigt die Genossin
des Dionysos durchgängig für Kora zu halten, statt deren nur
sehr ausnahmsweise sich Arıadne voraussetzen lälst; umgekehrt
pflegt in den Vasen neuattischen Styls mit rothen Figuren, wie
wir besonders aus Nola sie kennen, die mehr volksmälsige
Ariadne dem Dionysos verknüpft zu werden, dessen mystische
Verbindung mit Kora dagegen wegfällt und erst beträchtlich
später in Folge gesteigerter Mystik auf den apulischen und luka-
nischen Vasen durch Einreihung der mit Kora gleichgesetzten
Ariadne in’s Personal der Mysterien sich wiederum kund giebt.
4. Göttervereine auf Vasen.
So augenfällige Unterschiede, wie sie nach den verschie-
denen Zeitaltern des Perikles Alexander oder Pyrrhus und nach
der Verschiedenheit hieratischen oder populären Charakters in
den Vasenbildern sich finden, verdienen mehr als bisher gesche-
hen ist für das Verständnils griechischer Kulte, nächst dem
bacchischen auch des eleusinischen, benutzt zu werden. In den
Göttervereinen archaischer Vasen wird, ihres überwiegend
agonistischen Bezugs ungeachtet, Dionysos nur selten vermilst;
Personal aber und Anlals der Gottheiten mit denen er verbun-
den ist scheinen, mehr oder weniger augenfällig, vorzugsweise
seinem von der attischen Mystik ersonnenen und fortgebildeten
Verhältnifs zur Persephone-Kora zu gelten, woneben haupt-
sächlich Demeter und Athena, Apollon und Artemis, Hermes,
auch wohl Poseidon, selten Hephästos, seltener noch Hestia, sich
vom 4. Januar 1864. 5
vorfinden, Ares und Aphrodite dagegen vielleicht niemals, so
wenig als Zeus und Hera. Weniger Anlafs und Spielraum, die
Wechselbezüge der Gottheiten zu entfalten war in den nolani-
schen Vasen von reinem neuattischen Styl gegeben, die uns den
Dionysos nur mit seiner nächsten Verwandtschaft zu zeigen
pflegen und auch im ansehnlichen Götterverein einer bekannten
nolanischen Triptolemosvase neben den von Hekate begleiteten
Göttinnen nicht den Dionysos, sondern ohne bacchisches Bei-
werk den mit Scepier und Füllhorn versehenen Hades zeigen.
Um so lehrreicher, nämlich für Kultusbezüge einer beträchtlich
späteren Zeit, sind die mancherlei unteritalischen Vasenbilder,
deren umfangreicher Spielraum theils über dem Hauptbild in
oberen Reihen, theils auch als selbstständige Darstellnng die
üblichsten Gottheiten jener Landschaft zusammenstellt. Als
überwachende Mächte im oberen Raum findet man, durch die
Hauptbilder bedingt, eine mannigfache Zahl von Gottheiten,
Zeus, Poseidon, Hera und andere, am häufigsten Pallas Athena,
Apollon und Artemis, auch Aphrodite mit Pan und Eros
(ein nach dem attischen Kolias rückweisender Verein), zusam-
mengereiht. In den Haupt- und Gegenbildern sind Dionysos,
Ariadne und deren Gefolge nicht selten; doch ist das auf
den archaischen Vasen sichtliche Bestreben, dem Wein- und
Unterwelisgott attischer Anthesterien zahlreiche olympische Gott-
heiten beizugesellen, hier dergestalt umgewandelt, dals statt aller
sonstigen Gölterbezüge des Dionysos nur sein aus Delphi be-
kannter Wechselbezug zum Apoll anschaulich wird, woneben
auch sein Antheil am eleusinischen Dienst einigermalsen gestei-
gert erscheint, obwohl keineswegs so vollständig, wie auf den
archaischen Vasen der ältern attischen Zeit. Vielmehr wird das
volle Gewicht nicht in Dionysos, sondern in der ihm vermähl-
ten Göttin der kleinen Eleusinien gesucht und von bacchischer
Einflechtung möglichst frei gehalten. Zu unterscheiden ist
allerdings das göttliche Personal apulischer Triptolemosvasen,
welche neben den elensinischen Göttinnen auch wohl die Athena
und Artemis, mehr oder weniger deutlich, erscheinen lassen und
nebenher auch von dionysischem Personal betheiligt sind (letz-
teıes ungleich weniger als auf den archaischen Vasen), und ande-
rerseits derjenigen Vasenbilder späteren Styls und Geschmacks,
6 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
in denen Dionysos und seine Vermählte (die schon zur Ariadne
oder Libera geworden ist) mehr zum Prunke der Darstellung
als aus Gründen des Kultus von andern Gottheiten umgeben
sind, namentlich von Aphrodite und dem zum Mysteriendämon
ausgeprägten, einfachen oder doppelten, Eros.
5. Aphrodite in den Mysterien.
Den merkwürdigen Gegensatz jener für die Mysterien atti-
schen Ursprungs in verschiedener Zeit so verschieden gestalte-
ten Auswahl der anerkanntesten Gottheiten schärfer zu würdi-
gen, ist es von Wichtigkeit einerseits die schon öfters bespro-
chene Betheiligung der athenischen Burggöttin an den archai-
schen Göttervereinen, andrerseits die später beliebte Mitwirkung
der Aphrodite und das Verhältnils dieser Göttin zu eleusini-
schen sowohl als bacchischen Mysterien zu verfolgen. Aus den
Göttervereinen archaischen Styls, deren naher Bezug auf die
mystischen Hauptfeste Athens unleugbar erscheint, ist kein siche-
rer Beleg für die Theilnahme dieser Göttin, sei es an den Fest-
zügen der wiederkehrenden Kora oder auch an der Abfahrt des
Triptolemos, mir bekannt, dagegen auf Vasenbildern vollendeten
Styls, namentlich auf der Jacchosvase aus Kertsch, Aphrodite
allerdings und zwar in Begleitung von Peitho und Eros das
Personal des eleusinischen Götterkreises vermehrt. Dieser An-
schluls der erst in jüngerer Zeit zu den Göttermächten von
Eleusis herangezogenen Liebesgöttin mag für den Kultus durch
Verschmelzung der Thesmophoriengöttin von Halimus mit der
im benachbarten Kolias verehrten Aphrodite herbeigeführt wor-
den sein; seine Bedeutung wird begreiflich durch den gestei-
gerten Euphemismus, mit welchem die bildende Kunst im Schau-
gepränge des Festgebrauchs die Vermählung des unterweltlichen
Götterpaars umkleidete. Schon auf einem bekannten apulischen
Vasenbild und noch mehr auf den Sarkophagreliefs des Raubs
der Kora erscheint dieser Mythos als eine hochzeitliche Ent-
führung, von Eroten beleuchtet und von der Liebesgöttin will-
kommen geheilsen. Die Einmischung von Aphrodite und Eros
in die Mysterienbilder grolsgriechischer Vasen ist wenigstens
theilweise hiedurch erklärt; doch ist auch der tiefere Grund zu
beachten, den die orphische Gleichseizung der Aphrodite und
vom 4. Januar 1863. 7
Persephone dafür gewährt. Eine solche Gleichsetzung, der Ver-
schmelzung von Zeus und Hades, von Apollon Helios und Dionysos
gemäls, geht augenfällig aus den Kunstwerken hervor, welche
das gangbarste Idol der Unterweltsgöttin, vermuthlich auf Grund
der kleinen Eleusinien, uns in Art der aphrodisischen Spesti-
guren vorführen und auch in zahlreichen 'Thongebilden voll-
endeter Kunst dieselbe aphrodisische Auffassung der Persephone-
Kora aufser Zweifel setzen. Diese Verherrlichung der Todes-
göttin durch anmuthvolle Kunstgebilde konnte kaum fehlen,
wenn die kunstreichen Bildner Athens die im Lenz neu erstan-
dene Göttin in einer ihres Festes würdigen Schönheit scenisch
und plastisch an den kleinen Eleusinien gestalteten; dieselben
Göttinnen, welche laut der Legende um den Besitz des Adonis
gestritten hatten, gingen im Götterdienst der Unterweltsmächte
zu der Gleichsetzung über, laut welcher die Aphrodite griechi-
scher Gräber und die italische Libitina als Todesgöttinnen er-
scheinen, Persephone aber in aphrodisischer Schönheit sich kund-
giebt. Schriftliche Zeugnisse für den Wechselbezug beider
Göttinnen sind nur spärlich vorhanden; doch ist er erwiesen
genug, um auch das Räthsel uns zu erklären, wonach in Samo-
thrake laut Mnaseas dıe Persephone, laut Plinius aber die von
der Hand des Skopas gebildete Aphrodite als Hauptgöttin ver-
ehrt ward.
6. Hermes und Hoekate.
Noch befremdlicher als die Ausschliefsung der Aphrodite
ist im Göttersystem der archaischen Vasen der Umstand, dals
auch Hekate, die dem Raub der Kora verleuchtende Göttin,
deren eleusinische Geltung der homerische Hymnus uns bezeugt,
auf jenen alterthümlichen Gefälsbildern der rückkehrenden Kora
durchgängig fehlt, und zwar offenbar absichtlich, indem ihr Füh-
reramt durch Hermes versehen wird. Den Grund davon könnte
man in der keineswegs sicheren Annahme finden, dals Hekate
als nächtliche Göttin nur abwärts, nicht auch in’s Reich des
Tages zu führen vermöge; wenigstens an den Grenzen der
Oberwelt könnte sie, wie dann und wann der Unterweltsgott,
sichtbar sein. Erwägt man aber, dals eben dieselbe attische
Mystik, der die archaischen Gefälsbilder angehören, auch die
8. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
dreifache Hekate hervorrief welche Alkamenes auf der kimoni-
schen Mauer der Akropolis neben dem Niketempel aufstellte,
so werden wir vielmehr geneigt sein, jene räthselhafte Aus-
schlielsung der Hekate ihrer veränderten Bedeutung und der
gesteigerten Heiligkeit beizumessen, welche sie wie es scheint
nicht sowohl in Eleusis als durch die orphische Mystik Athens
erlangt hatte. Den Triptolemosvasen ist diese Göttin nicht
fremd; sie dient dort vielmehr den Eindruck rein eleusinischer
Auffassung zu unterstützen, welche den cerealischen Gefälsbil-
dern von bester attischer Kunst im Gegensatz der archaischen
Vasenbilder zukommt, in denen der Einfluls der Orphiker sich
nicht verkennen lälst.
7. Die griechische Kunst im Dienste der Mystik.
Ein solches Verhältnifs dann und wann vorzufinden darf
niemand sich wundern, der von dem Einflufs der Orphiker seit
Onomakritos und von der Verbreitung attischer Mysterien über-
haupt Kenntnifs hat. Dabei ist es zwar keinem zu verargen,
wenn er den Gegenstand edler Kunstwerke auf dem Standpunkt
homerischer Anschauung am liebsten auf die olympischen Göt-
ter und deren heroischen Sagenkreis, auf die ihnen geweihten
Festspiele und auf die mancherlei Zweige des täglichen Lebens
zurückführt; doch bleibt es eben deshalb eine Aufgabe der For-
schung die Anerkennung jener dankbarsten Kunstdarstellungen
durch Ausscheidung fremdartiger Elemente, namentlich der My-
sterienbilder, mehr als bisher zu sichern. Einige leitende Grund-
sätze dieser Art sind leicht zu gewinnen. Wer nicht in dilet-
tantischer Auswahl, sondern mit gewissenhaftem Überblick unsern
Denkmälervorrath überschaut, wird sich nicht lange sträuben in
unsern archaischen Vasenbildern den Einfluls bacchischer Orphi-
ker, in den Gräberidolen aus Thon die 'Thesmophoriensitte von
Halimus und Kolias, in den Münztypen kleinasiatischer Cisto-
phoren die Grundlage attischer Eleusinien, in den gespensti-
schen Spiegelbildern Etruriens die Verzerrung kabirischer Weihe
zu erkennen. Man kann die Gefälsbilder Unteritaliens als Denk-
mäler späten Koradienstes, die römischen Sarkophagreliefs als
selbstredende Denkmäler bacchischer Mystik, die Marmorpracht
mystischer Heiligthümer (wie der Fund von 'Tor Marancia ein
vom 4. Januar 1864. 9
solches nachwies) für ebensoviel unverwerfliche Zeugnisse römi-
scher Mysterienbildnerei erkennen. Durch Feststellung solcher,
dem Mysterienwesen engverknüpfter Kunstwerke von unterge-
ordneter Gattung und später Zeit wird man um so entschiede-
ner sich für die Fälle verwahren können, in denen die Willkühr
schwächlicher Kunsterklärer auch die Gefäfsbilder des reinsten
attischen Styls und manches Werk edler Plastik mit dem An-
hauch kränkelnder Mystik heimgesucht hat. Dafs andererseits
auch die griechische Plastik und zwar in den besten Zeiträu-
men der Kunst dann und wann zum Dienst der Mysterien her-
angezogen worden sei, wird niemand läugnen dürfen, obwohl
gerade aus Eleusis nur wenig Bildwerke nachweislich sind.
Wohl aber wird aus den besten Zeiten Athens die Einführung
phrygischen Dienstes in das hauptstädtische Metroon auf die
Künstlerhand des Phidias, die Aufstellung der dreifachen Hekate
hoch auf der athenischen Burg auf Alkamenes, die Ausführung
'eleusinischer Götterbilder für Athen auf Praxiteles, die Ausstat-
tung samothrakischer Mystik auf Skopas zurückgeführt, derge-
stalt dals es nicht erst der Marmorpracht alexandrinischer Zeit
bedarf, um etwa aus dem farnesischen Stier die griechische Pla-
stik im Dienst bacchischer Mysterien nachzuweisen. Man wird
daher statt eines launischen Widerstrebens gegen Mysterien-
bezüge auf Werken der Kunst vielmehr anzuerkennen haben,
dals die Beförderer griechischer Mystik die bildende Kunst für
sich aufzubieten sehr bemüht waren, und wird dieses Element
künstlerischer Erfindung so wenig übersehen dürfen, dals es
vielmehr an der Zeit wäre, neben andern Anlässen der bilden-
den Kunst auch den Einflüssen des Mysterienwesens einen selbst-
ständigen Abschnitt in der Gesammtheit der Kunstgeschichte zu
gönnen.
10 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Hr. Bekker nahm seine bemerkungen zum Homer
wieder auf (s. Mon. Ber. 1862 p. 494).
XXX.
1.
1 57
Ömmoregn 84 For ölos Eoseran
ist ödos Eooeraı gesagt wie
oux, dos Eorı A 698
oder, noch näher, wie
Eoxy,go' mag roı ödos I 44
ovde Kuh zen
auögss Eregy,ovrau, MAX aSavarem 6dos Zar v 112
omn vor vooros a 242
ödos Ö Ereondı mager DEw
HgEirowV &s ra Öizaıe Hesiod. O et D 216.
quaque via est vobis, erit et mihi, dixit, eadem
Ovid. Met. 5 290.
diese letzten beispiele leiten auf örzorsen für ömmortgy. an das
adverbium schlielst sich 58
Eoew de For auboreowIev:
nach dem nominativ wäre «uborsges zu erwarten. eine art von
bestätigung geben auch die adverbien in der nachbarschaft, ev-
Sev 59, rn 62 und 66, zen 69.
2.
Der vers x 313
OnIa yag KÜTWS ln Eraorou meıgyrigun
gibt zwiefachen anstols, durch das unerhörte eisy und durch das
an &zcorov verletzte digamma. nun läfst sich zwar ein aus
seiner modernisirten form leicht zurückversetzen in die ältere:
aber das so gewonnene siseaı bedeutet, wo es sonst vorkömt
(H 226 & 292 840 = 246 w 506), nicht “du wirst gehn” son-
dern “du wirst sehn” oder, was in altgriechischer ansicht das-
selbe ist, “du wirst wissen”. für jenen sinn erhalten wir den
eigenen und unzweifelhaften ausdruck erst wenn wir in EICEAI
die zuge von EICOA erkennen, wie das steht K 450 und + 69,
mit 2£ zusammengesetzt vu 179, überall in so deutlicher futur-
bedeutung wie sie 0 505 zarsın hat neben 504 Zmieisoneı, und
ei A169 420 426. mit eirSe ist denn auch dem digamma geholfen.
vom 4. Januar 1864. 11
3.
oO 290
AA Tıs wUre Sewv Zoplraro za Eordwesv
"Exropa
und %, 372
E \ ’ $) & EN / N?
ETEL M © 0UrTogs EgUTETO Aa ETRWILU
« o ° ° 7
werden wir den unangenehmen hiatus los, wenn wir Yde saweev
schreiben nach vorgang von K 44
[7 \
N ris ze Zousseren ne oawze
"Aoyelovs
und # 286
m \
AAN aye On ve zarlv ErAurona ve vausw.
unangenehm aber muss der hiatus im fünften fuls gewesen sein,
da wir ihn anderwärts geflissentlich vermieden sehn, z. b. durch
ungewöhnliche stellung des pronomens = 2379
aA 3), 49,02 ’ >» ’
[2] ö ELUTRTO Ace _|4 ETRWOEV,
oder durch unnötige wiederholung desselben ö 364
> J I Er b) 7 ’ Ds J
ei aM Tis me Iewv oAochvenro za M EoanTev
und & 74 x, 312 344
E) J
SU de m wieso zul m EAenrov.
dagegen ist der hiatus vor dem fünften fulse gewöhnlich und
natürlich: vgl. Homer. Bl. HAT IZHE
4.
Über » 118—9
ww & ce’ ovAu mare meonTaMEv sÜger Touren,
omoudj maomemıIovres ’OduscHe mroNmogDov
sind schlimme conjecturen ergangen. vermehr’ ich deren zahl,
wenn ich für zavr« vorschlage rsıra? neben dem häufigen
enba 8 Ersıra und avriz Ereıra, und neben des Sophokles
erste Qaıdv d. h. oAlyw Unregov
(Ersıra pevroı Baıov oude aUv Yadvw
opwiasv alurov O. C. 1653 Mein.),
daneben konte vermutlich auch gesagt werden jyvi ereıre d.
h. wyvi Unrsgov. der volle monat passt zu omouöfj wermıSovres
besser als zu meoyoapev eigen zovrov, wenn hiemit, wie kaum zu
bezweifeln, die fahrt nach Troja gemeint ist. wenigstens kömt
Diomedes % 180 von Troja, oder doch von Tenedos, in vier
12 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
tagen nach Argos, und hat wahrscheinlich noch das opfer auf
Gerästos mitgemacht, y 177, das den grösten teil eines tages
wird hingenommen haben, wenn es dabei hergegangen wie bei
ähnlichen gelegenheiten A 472 % 335 ı 556.
9.
Active und passive formen in ungefähr gleicher bedeutung
sind von vielen verben üblich, zumeist von denen die sehen be-
deuten. wir finden etwa 40 mal öo&v und 20 mal ö9&r9aı, über
200 mal iö&v und 90 mal id:sSaı, 9 mal Öegren I gegen 2 Ös-
dogzws und 1 Zögezov, woran sich 1 «veögezev anschlielst, 1 dux-
Ögazcı und 3 £Eozögwzev. dagegen sind nur passiv aüyages>aı
(X 458, Hesiod. O et D478) und oscerde (Eriossopevw Maorıossöne-
ve) mit seinem futur oeode:: denn diese zwei formen gehören
zusammen wie ävirotuev und ävibeı, wescsew und veıeiwv, vigovro und
vabev, 6sce und wre, 00°« und ol, basae und dab: nur actıv
aIonaaı Actsıv Asvoreım Ommevew menrewew (A200 P115). Prerew
kömt allein in Brepagov und masa@Auwes zum vorschein. 1 vo/-
oaro verliert sich unter mehr als 110 voyca:.
vergleichen wir die verben der übrigen sinne, so begegnet
uns &zovew über 130 mal, @xzovero=y7zovev 1 mal (A 331). um
eine sylbe erweitert erscheint es ausschlielslich als medium
(A343 ı7 v9), wiewohl dergleichen erweiterung, und was
ihr nachschlägt, beiderlei gestalt annimt, ayaragev ayvpragew
aruszalew avıacsıw arınadsın EAzUOTaGem euvageın yynAadew vAac-
race laavadsıv veuoragsıv olvororacew meigegew muxageıv buoragew
oromıadew Umomsgragew und dezagsoIa aomagerSar auyadesdaı
youvagssIaı MyagesSaı, alrigew Anayıgew aneyıgew am(em)arrıgsw
Övomadılsw Yapıdav zavayıgew zovaßıcem MoxX,Sıgew meißyrigew
mereMıLew moon Gew aroodanigew und aivıcesdar ev(nere)rgo-
ranıceodaı venerigerde: miyarileo San orgobadıgerVar, Eomugew und
arugesSar. Umsorevayıge B 781 und srevayigero 784: vgl. 1391 und
394. aisıv und #Avew sind nur activ, wie reuSerdeı nur medium.
nur medium ist auch ysvssdaı, was überdies, eine einzige
atelle (og 413) ausgenommen, immer in uneigentlichem sinne
steht,
YEUTOHET AANAWV Aarırgesw Eyyeinew 9 238
ma Kerpav yevoasdaı v 181
vom 4. Januar 1864. 13
sroU ye meWTos ysuserIar EusArev & 98
Öovpos ara Maeregoro
yevceraı © 61.
für Eysusav aurols roü Awrov steht (2 93) ara od: dorav Aurora
racasdaı.
das gefühl stellt sich im particip activ dar (abewvr« Z 322
apeoonw $ 196 audapowr« 8 277 aubapouvras r 926), im
indieativ und im infinitiv als medium («upabouvro o 461 aube-
paasdaı X 373 S 215). das verwandte bavew wird niemals
Vaverdar.
örhgawerSar oder öruacder fehlt, wiewohl day 7 mal vor-
kömt und ööwds: 2 mal. auch das alle sinne umfassende ai-
odaverd: fehlt, gewisser malsen durch vosiv ersetzt.
7. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kronecker trug eine Mittheilung des Curresponden-
ten der physikalisch-mathematischen Klasse Hrn. Heine in
Halle vor: über lineare Differentialgleichungen zwei-
ter Ordnung, so wie über die Existenz und Anzahl
der Lam&@’schen Funktionen erster Art.
In früheren Arbeiten habe ich bereits eine Reihe von Ei-
genschafien aufgefunden, die den Lam@’schen Functionen aller
Ordnungen gemein sind; es war mir aber bisher noch nicht
gelungen, einen Beweis für die Existenz dieser Functionen zu
geben. Zu einem solchen kann man von einer allgemeinern
Aufgabe ausgehend gelangen, wenn man nämlich die Be-
ziehungen aufsucht, welche zwischen ganzen Functionen / (x),
%(x) und I(x) stattfinden müssen, damit die Differentialglei-
chung.
ai VE + a) +8) w=o
wenigstens eine Lösung besitze, welche eine ganze Function
von gegebenem, dem vten Grade nach x ist. Zwar gelang es
4A Gesammtsitzung
mir nicht, die Untersuchung in dieser vollen Allgemeinheit zum
Abschluls zu bringen; ich konnte sie nur führen, sobald sie auf
den für den vorliegenden Zweck ausreichenden Fall beschränkt
wurde, dals der Grad von %, niedriger ist als der von /. Im
Folgenden theile ich meinen Beweisgang seinem wesentlichen
Inhalte nach mit, indem ich eine ausführlichere Bearbeitung mir
für eine andre Veröffentlichung vorbehalte.
Die obige anscheinend rein äulserliche Beschränkung in Be-
treff des Grades von / und 9, ertheilt, wie eine genauere Un-
tersuchung zeigt, den Integralen von (a), von denen vorläufig
noch keines eine ganze Function von x zu sein braucht, einen
bestimmten Charakter. Um diesen anzugeben sage ich von einer
Function U von x, sie seı für einen endlichen Werth <=a
von der Ordnung «, wenn, wie klein auch die positive Gröfse
ge genommen wird, (x—a)**’U und (x—a)*""U für z=a
resp. 0 und 00 ist; für ein unendliches x nenne ich sie von
der Ordnung «, wenn a”*"°U und a”*+°U für x—=00 resp. 0
und co wird. An den Stellen @ oder © braucht hierbei U
selbst weder 0 noch oo zu werden, so dals z. B. sowohl eine
Constante wie auch log x überall von der Ordnung Null ist.
Dies vorausgesetzt findet man: Soll das allgemeine In-
tegral von (a) für = eine bestimmte endliche
Ordnung haben, so mufs der Grad von x, mindestens
um eine Einheit geringer genommen werden als der
von %; soll das Integral für alle Werthe von x, für
die L(x) verschwindet, eine endliche Ordnung be-
sitzen, so kann ve gehörig gehoben, im Nenner
nur ungleiche Factoren behalten.
Da jede algebraische Function von x, jedes Integral einer
solchen Function, auch jede rationale Function von algebrai-
schen Functionen von x und Integralen solcher Functionen über-
all eine endliche Ordnung besitzt, und dem Differentialquo-
tienten dieser Function dieselbe Eigenschaft zukommt, so gilt
also der Satz: Soll das allgemeine Integral von (a) eine
rationale Function von Integralen algebraischer
Functionen werden, so ist der Grad von % und
mindestens resp. um ein und zwei Einheiten niedri-
vom 7. Januar 1864. 15
ger als der von /), und 2 gehörig gehoben, ent-
hält im Nenner nur ungleiche Factoren.
Nachdem ich nun die Bedeutung der Annahme über den
Grad von ' und x, auseinandergesetzt habe, beschränke ich
mich wieder auf den Fall, dals ein Integral von (a) eine ganze
Function sein soll; ist dann ) vom p-+-iten, % vom pten
Grade, so ergiebt sich von selbst dafs S höchstens vom p—1ten
Grade ist, und dafs das allgemeine Integral rational von x und
dem Integrale einer algebraischen Function von x abhängt.
Der folgende Satz erledigt nun die am Anfange gestellte Frage:
Sind die beiden ganzen Functionen (x) und x(x)
gegeben, erstere vom Grade p-+1, letztere vom
(+1) HD) ....(vHp—1)
1.2.2.2.2..(2—1)
verschiedene Functionen I(x), je ein particulares
Integral von (a) eine ganze Function vten Grades
nach «.
Grade p, so wird genau für
Alle diese particularen Integrale sind offenbar verschieden,
so dals man ebensoviele ganze Functionen /F wie ° erhält.
Für p=1 ist unter der oben angegebenen Zahl, die allgemein
durch (v,p) bezeichnet werden mag, 1 zu verstehen. Es ist
hierbei vorausgesetzt, dals die Coefficienten in Y und x, unab-
hängige Grölsen sind; ich nenne hier Grölsen a, 5, etc. unabhän-
gig von einander, wenn zwischen ihnen keine algebraische Glei-
chung mit ganzzahligen Coefficienten besteht. Es mag hier so-
gleich eingeschaltet werden, dals von Grölsen a, 5, etc., die durch
eine oder mehrere solcher algebraischen Gleichungen verbunden,
die also abhängig sind, gesagt werden soll „sie seien noch wei-
ter specialisirt”, wenn aulser den schon bestehenden Gleichungen
noch eine oder mehrere solcher Gleichungen, die natürlich den
ersten nicht widersprechen dürfen, zwischen ihnen gesetzt werden.
Die so eben erwähnte Voraussetzung für das Bestehen des
Satzes verlangt mehr als erforderlich ist; man sagt mit dem-
selben Rechte, eine ganze Function nten Grades von x mit
unabhängigen Coefhicienten verschwinde für rn verschiedene
Werthe von x, während doch hierzu schon genügen würde,
dafs die Coefficienten nur nicht einer bestimmten Gleichung
16 Gesammtsitzung
mit ganzzahligen Coefficienten genügen, nämlich der bekannten,
welche gleiche Wurzeln anzeigt. Auch für das Bestehen un-
seres Satzes reicht hin, dals die Coefficienten gewisse algebrai-
sche Gleichungen in endlicher Anzahl mit ganzen Coefficienten
nicht erfüllen, Gleichungen, die in jedem Falle, nur nicht in
übersichtlicher Form, wirklich gebildet werden können.
Um den Beweis des Satzes zu führen setze man in (a) für
YVF und I ganze Functionen des Grades resp. v und p—1 ein,
nämlich
Wa He,x : Fe r....
Skat! kart ke’ Hr...
Es ist ersichtlich, dals die erforderliche und hinreichende Be-
dingung dafür, dals /7 der Gleichung (a) genügt, darin besteht,
dals gewisse v-+-p Gleichungen erfüllt werden, die linear so-
wohl nach den g als nach den %k und den Coeffhicienten von /
und %, sind. Aus der ersten von ihnen bestimmt sich %, voll-
ständig durch die gegebenen Coefficienten von Y und x; die
folgenden v Gleichungen geben sämmtliche g ausgedrückt durch
dieselben bekannten Coefficienten und die »—1 Unbekannten
kı, kg, etc. Die Werthe der g, aus der zweiten bis v-H1ten
Gleichung in die letzten p—1 substituirt, geben dann p—1 Glei-
chungen höheren Grades zwischen den Unbekannten %,,%z, etc.,
a und den bekannten Coefficienten von \ und %, die nur
rational in diesen Gleichungen auftreten. Sind die k einmal aus
diesen op —1 Gleichungen bestimmt, so giebt die Substitution der
gefundenen Werthe in die zweite bis v-Hite alle g. Heilsen
zwei Systeme von zusammengehörigen k, heilsen also die Sy-
steme %k,, ka, etc., k,_, und K', k’,, etc. k,_, verschieden, wenn
nur nicht jedes % gleich dem # mit demselben untern Index
ist, so sieht man aus der Form der zweiten bis v-H-1ten Glei-
chung mit völliger Gewilsheit ein, dafs jedem Systeme der k
ein System der 8, verschiedenen Systemen der k verschiedene
Systeme der g entsprechen. Man erhält also so viel verschie-
dene Gleichungen (a) und daher so viel verschiedene ganze
Functionen FF vom vten Grade, als es verschiedene Systeme
von k giebt.
vom 7. Januar 1864. 17
Zunächst zeigt sich, dals der Grad der Eliminations-
gleichung höchstens (v, p) ist, dals also nicht mehr
als (v,p) verschiedene Systeme der k existiren kön-
nen. Wirft man einen Blick auf die v+-p Gleichungen, die
man, mit Ausnahme der ersten für %,, für den speciellen Fall
p=3 und wenn aulserdem %,(x) einen besondern Werth be-
sitzt, in meiner Arbeit über Lame@’sche Functionen verschiede-
ner Ordnungen im Borchardt’schen Journal Bd. 60 S. 300 findet,
so wird man die Wahrheit dieser Behauptung vielleicht nicht
sogleich erkennen, und den Grad der Eliminationsgleichung für
höher halten; setzt man aber statt %,, ka, etc. für den Augen-
blick x2, z3, ete., wo die untern Zahlen Indices die obern Po-
tenzexponenten vorstellen, und der Symmetrie halber x, für %,,
so bemerkt man sofort, dals g,, 82, etc., g, ganze Functionen
der x resp. vom Grade 1, 2, etc., v sind, so dals nach der Sub-
stitution die a—1 letzten Gleichungen nach den x vom Grade
v+1,v-+2, etc, v-+p +1 werden, ihre Eliminationsgleichung
also höchstens auf den Grad +1) +2) .... W+p-+1)
steigt. Berücksichtigt man, dafs jedem Werthe von k,,%k,, ka, etc.
resp. einer von x,, Zwei von &;, drei von x;, eic. enispre-
chen, so ist die obige Behauptung erwiesen.
Unter der Voraussetzung, dals die Eliminations-
gleichung nicht identisch verschwindet, wird sie
wirklich jenen Grad erreichen, und (v,p) verschie-
dene Systeme der k geben. Denn es existiren, wie ich
unten zeige, selbst dann noch (v, p) verschiedene Systeme, wenn
die Coefficienten von / und x%, in gewisser Art specialisirt
werden. Dals aber jene Eliminationsresultante nicht identisch
verschwindet, geht aus folgender Betrachtung hervor, welche ich
einer brieflichen Mittheilung meines Freundes Kronecker ent-
nehme. Wenn in der erwähnten Finalgleichung, welche die Functio-
nen (x) und PF(x) bestimmen soll, sämmtliche Coeffhicienten
verschwinden, so bleibt, wie die allgemeinen Principien der Eli-
mination ergeben, mindestens eine der Wurzeln von (x) =0
unbestimmt. Legt man dieser Wurzel nach einander alle Wer-
the bei, für welche (x) verschwindet, so erhält man hierdurch
besondere Bedingungen für die Function xx), welchen diese
[1864.] 2
18 Gesammtsitzung
aber selbst nach den unten vorkommenden Specialisirungen nicht
genügt. Hr. Kronecker fügte in der bezüglichen Mittheilung
hinzu, dafs diese Bedingungen in der That erfüllt sind und eine
der Wurzeln von /F(x)=0 unbestimmt bleibt, wenn ı) und %,
so beschaffen sind, dals für gewisse Functionen (x) beide In-
tegrale der Gleichung (a) ganze Functionen von x werden').
Um über die Anzahl der Systeme bei specialisirten / und
x, zu handeln, setze ich solche Gleichungen zwischen den Coef-
ficienten, dals \/ einen seiner linearen Factoren x — a zweimal,
%, ihn einmal enthält. Dann haben alle 7, welche (a) genü-
gen, die Formen:
U(v); («— a) Uv—1); ..... ; (@«— a)’U(0),
wenn die U ganze, nicht durch x — « theilbare Functionen von
x vorstellen, deren Grad eingeklammert zur Rechten neben dem
Buchstaben U steht. Durch Substitution dieser Formen in (a)
ergiebt sich für jedes U eine Gleichung wie (a), in der statt
ıL und x, wiederum ganze Functionen mit unabhängigen Coef-
ficienten auftreten, die aber nicht mehr auf den Grad +1 und
p, sondern p und p—1 steigen. Nimmt man nun an, der zu
beweisende allgemeine Satz sei bewiesen, wenn ') ein Product
von p linearen Factoren ist — und für ein Product aus zwei
Factoren ist er sehr leicht zu erweisen — so hat man demnach
für den Fall, dafs W aus p-H1Factoren besteht von denen zwei
gleich sind, im ganzen
PN) HeP-hPN HP HPA) t...+(, PN)
*) Führt man die „Wurzeln der Gleichung W(r)=0 als Unbekannte
ein, zu deren Bestimmung also die Gleichungen:
Ur). W'&,)+x(&). W/(ar)=0 für A=1,2,...v
dienen, wenn darin die Coefficienten von W’, W” durch die symmetri-
schen Functionen von xı, Xa ... ersetzt werden, so ersieht man unmit-
telbar, dals eine der Grölsen x beliebig bleibt, wenn die Eliminations-
gleichung verschwindet. Durch eine einfache Umformung dieses Glei-
chungssystems lälsi sich aber auch der Grad der Finalgleichung ermitteln
und zugleich nachweisen, dals gewisse Coefhicienten derselben von Null
verschieden sind, so lange über die Functionen "b und x nicht besondere
Bestimmungen getroffen werden. Kronecker.
vom 7. Januar 1864. 19
d. h., nach Ausführung der Summation, (v, 2) verschiedene 7,
also (v, 2) verschiedene > und eben so viele verschiedene Sy-
steme der &.
Der Satz, der hierdurch bewiesen ist, dient dazu, die Exi-
stenz der Lame@’schen Functionen pter Ordnung (erster Art),
die zu einer ganzen Zahl n gehören, nachzuweisen und ihre
Anzahl zu bestimmen. Es mag im Folgenden der Fallp=1
ausgeschlossen werden, weil in demselben eine Modifikation im
Beweisgange erforderlich ist; er bietet übrigens durchaus keine
Schwierigkeiten dar, sondern führt sogleich auf endliche hyper-
geometrische Reihen.
Jene Functionen sind Integrale von (a), wenn ı) wiederum
vom p--1ten Grade ist, %, aber nicht allgemein bleibt, sondern
gleich 4\l’(x) gesetzt wird. Sie sind ferner nicht ganze Func-
tionen von x, sondern ganze Functionen nien Grades von
Ay, Ag, etc. A,,ı, wenn a,, a,, etc. a,,, die Wurzeln von
(x) =0 vorstellen, und zur Abkürzung
A, —=Vx-a,, do —=Vx-—a,, nr Apzı =Vx-a,,ı
gesetzt wird. Endlich weils man auch, dals sie sich sämmtlich
als Producte von ganzen Functionen von & in ein oder meh-
rere A darstellen lassen.
Ist zunächst n grade, und zwar n=2v gesetzt, so kann man
daher jede in die Form bringen
bist. AA"... A”) Yv—m
I
wenn 4’, A”, etc. je 2n verschiedene von den 4 vorstellen,
Y(v—m) eine ganze Function v—nten Grades von x ist, und
annımmt. Alle Func-
Ri
m alle ganzen Werthe von 0 bis &
Alle Functionen in der Form (b) die, für 79 gesetzt, (a) ge-
nügen und nur solche sind die zu n=2»v gehörenden Lame-
schen Funetionen pter Ordnung.
Durch Einsetzen der Form (b) statt 77 ın (a) findet man
für jedes 7 eine Differentialgleichung von derselben Art wie
(a), in der \) dieselbe Bedeutung behält wie dort, in der aber
für xX,(x)
2 %
20 Gesammtsitzung
CE ZLEJEUIE))
zu nehmen ist, wenn \/,(x) der Reihe nach alle Factoren von
(x) vorstellt, I(&) in L,(x) Yz(x) aufgelöst wird, und
und W, die Differentialquotienten von / und \, sind. Die
Anzahl der Werthe von 7, die einer dieser Gleichungen da-
durch angehören, dafs man X und /, in derselben festhält und
die gehörigen I wählt, ist nach unserm Satze bekannt, nämlich
(„—m,p) wenn /, aus 2mFactoren 4? besteht. Hält man m
fest, und wählt alle möglichen ./,, so erhält man also
(p+1)p(p—1)... (pP +2—2m)
ie BEE 2m Ge
verschiedene Functionen //. Indem man m alle ganzen Werthe
von 0 bis Z giebt, erhält man die Anzahl aller 77 gleich
der Summe von Gliedern (c) von m=0 bis m=". Diese
Summe lälst sich ausführen und giebt die gesuchte Anzahl
der Lam&@’schen Functionen gleich (n,p)+(n—1,p).
Streng genommen konnte hier der Satz über die Anzahl
der ganzen Functionen, welche einer Differentialgleichung genü-
gen, nicht ohne Weiteres angewandt werden, da. und %, nicht
unabhängige Coefficienten enthalten, sondern solche, die linear
von den Coefhcienten von /, und /, abhängen. Die Methode,
durch welche der Beweis jenes Satzes geführt wurde, bleibt aber
noch vollkommen anwendbar. Es beruht dies auf dem Umstande,
dafs der obige Beweis von p auf p+1 noch immer bindend ist;
man sieht nämlich sofort ein, dals wenn « Wurzeln in (x)
gleich oz, von selbst genau «—1 Wurzeln in dem Ausdruck
y=4l' rl);
gleich @ werden.
Wäre n ungrade gewesen, so hätte man dasselbe Resultat
für die Anzahl der Lam@schen Functionen erhalten.
Schliefslich soll noch darauf hingewiesen werden, dafs es
zwar nicht ohne Interesse sein mag, dafs aulser dem Beweise
für die Existenz der Lam@’schen Functionen auch ihre Anzahl
gefunden ist; für die Theorie dieser Functionen hat es aber eine
grolse Bedeutung, dals grade die oben angegebene Zahl sich
vom 7. Januar 1864. 21
herausgestellt hat. Es ist dies nämlich dieselbe Zahl, welche in
meiner Arbeit über die speciellen Lame’schen Functionen in
Borchardt’s Journal Bd. 62, S. 138 vorkommt, und die dort s
heilst. Berücksichtigt man die Bedeutung die sie dort hat, so
erhält man den Satz: Die Anzahl der Lam&’schen Func-
tionen pter Ordnung (erster Art), welche zu n ge-
hören, ist genau so grols wie die Anzahl der will-
kürlichen Constanten in der allgemeinsten homo-
mogenen Function nten Grades W von Grölsen
&, Ei, E2, etc, &,, welche der Differentialgleichung
W 09W 0 W
Een ae ee
genügt. Dieser Satz ist es, welcher gestattet, die Lam@’schen
Functionen pter Ordnung bei der Integration gewisser partiel-
ler Differentialgleichungen ebenso zu verwenden, sie ebenso
mit den speciellen Functionen derselben und der niedrigeren
Ordnungen in Verbindung zu setzen, wie es Lam& für den
Fall p=2 gethan hat. Als ich im Journal f. Math. Bd. 60,
S. 257—259 Andeutungen über solche Übertragungen gab,
mulste ich S. 259 ausdrücklich bemerken, sie beruhen auf
der noch unbewiesenen Voraussetzung, dals eine hinreichende
Anzahl von Functionen vorhanden sei. Die gefundene Anzahl,
grade wie sie der letzte Satz angiebt, ist aber genau die er-
forderliche.
Wenngleich ich nicht beabsichtige, hier die angedeutete
Übertragung auszuführen, welche übrigens kaum Schwierigkei-
ten darbietet, so mag doch mit Beziehung auf dieselbe gleich
hier erwähnt werden, dafs zwar, wie man sofort einsieht, sämmt-
liche gefundene Functionen derselben Ordnung verschieden sind,
d. h. dafs auch nicht zwei von ihnen ein constantes Verhältnils
haben; es ist aber nicht gezeigt, dals nicht lineare Gleichungen
von der Form
EP) 0
unter ihnen bestehen, wenn die c Constante bezeichnen, die
nicht sämmtlich Null sind, der Index s an den FF aber die ver-
schiedenen Individuen derselben, an der Zahl (n,p) + (n— 1, p)
22 Gesammtsitzung
unterscheidet. Ja, noch mehr, es bestehen wirklich solche Glei-
chungen. Es genügt aber zur Übertragung, dals keine Glei-
chungen der Form
DD PH x) Da )ERR EG
unter ihnen stattfinden, wenn die Grölsen x,, xz, etc. allge-
mein bleiben. Solche Gleichungen finden in der That nicht
statt, wie sich mit Hülfe von Betrachtungen zeigt, die man mit
Laplace so häufig angewandt hat, um Coefficienten in Reihen
zu bestimmen, deren allgemeine Glieder linearen Differential-
gleichungen genügen.
Hr. Rammelsberg las die Fortsetzung seiner Unter-
suchungen über die Schwefelungsstufen des Eisens
und das Schwefeleisen der Meteoriten.
Am 18. December 1862 hatte ich die Ehre, der Akademie
eine Reihe von Versuchen über die Schwefelungsstufen des Ei-
sens und über das Schwefeleisen der Meteoriten vorzulegen ').
Die Schlüsse, zu welchen ich damals gelangte, waren folgende:
1) Durch Erhitzen von metallischem Eisen mit überschüs-
sigem Schwefel entsteht je nach der Temperatur: Bisulfuret,
Sesquisulfuret und Sulfuret; wenn aber die Temperatur lebhafte
Rothglühhitze ist, so erhält man nie eiwas auderes als Sulfuret.
Das gewöhnliche Schwefeleisen ist Eisensulfuret, d. h. diejenige
Schwefelungsstufe, welche sich von allen übrigen dadurch un-
terscheidet, dafs sie beim Glühen in Wasserstoff unverändert
bleibt und mit Chlorwasserstoffsäure reines Schwefelwasserstoff-
gas entwickelt. Ich habe gezeigt, woher der Irrthum stammt,
dieses Schwefeleisen sei Magnetkies, ein Irrthum, der sogar
Berzelius zu dem Glauben veranlafste, das reine Eisensulfuret
könne nur unter ganz besonderen Vorsichtsmalsregeln aus sei-
nen Bestandtheilen erhalten werden.
2) Eisenoxyd giebt beim Erhitzen mit überschüssigem
Schwefel in der Glühhitze gleichfalls Eisensulfuret, doch be-
*) Monatsberichte der Akademie 1862 S. 681.
vom 7. Januar 1864. 23
darf es einer wiederholten Behandlung mit Schwefel, um alles
Eisenoxyd in Schwefeleisen zu verwandeln. Stromeyer hatte
auf diesem Wege Magneikies, oder richtiger gesagt, eine schwe-
felreichere Verbindung von der Zusammensetzung des Magnet-
kieses erhalten. Ich behielt mir vor, die Einwirkung beider
Körper in niederer Temperatur noch näher zu untersuchen.
3) Eisenoxyd liefert in Schwefelwasserstoffgas bei einer
Temperatur, die fast Glühbhitze ist, eine constante Verbindung,
ein beim Eisen bisher unbekanntes Oxysulfurei, aus 1 At. Ei-
senoxyd und 3 At. des ihm entsprechenden Sesquisulfurets be-
stehend. Auch hier versprach ich, das Resultat weiterer Ver-
suche später mitzutheilen.
4) Schwefelkies verliert in verschlossenen Gefäfsen in der
Glühhitze % seines Schwefels, und verwandelt sich in die Ma-
gneikiesverbindung. Dieses Resultat bestätigt die Angaben Stro-
meyers, kann aber auch in weit niederer Temperatur (in
Glasgefälsen) durch Hülfe eines indifferenten Gasstroms, z. B.
Kohlensäure erlangt werden.
5) Die bisherigen Analysen des Magneikieses, obgleich
sie hinsichtlich des procentischen Gehalts der Bestandtheile nur
um 1,7 pC. differiren, geben keinen sicheren Anhalt für die
Formel dieses Minerals, welche nach ıhnen zwar stets Fe’ S”’*+!
ist, ohne dafs sich jedoch entscheiden lielse, ob n=6 oder = 11
oder = einer dazwischenliegenden Zahl ist.
6) In den Meteoriien kommt ein Schwefeleisen vor, wel-
ches die Krystallform des Magneikieses hat. Obwohl es nicht
analysirt ist, darf man doch annehmen, es sei jene Verbindung
von Eisensulfuret und Sesquisulfuret, die den tellurischen Magnet-
kies bildet. In dem Meteoreisen hatte ıch aber ein Schwefel-
eisen gefunden, welches ich für Eisensulfuret erklärte, und An-
dere haben das Vorkommen dieser unter den Mineralien für sich
noch nicht bekannten Verbindung im Meteoreisen bestätigt. Ich
suchte nun darzuthun, dals diese Annahme noch nicht ganz
zweifellos sei, und versprach, wo möglich. weitere Aufschlüsse
zu geben.
Ich wünsche heute der Akademie die Fortsetzung meiner
Versuche vorzulegen, und beginne mit der Einwirkung des
24 Gesammtsitzung
Schwefels auf Eisenoxyd. Wenn Stromeyer aus beiden ein
Schwefeleisen von der Natur des Magnetkieses erhalten hatte,
so liels sich erwarten, dafs ein solches sich vielleicht in nicht
so hoher Temperatur bilden würde. Stromeyer sagt auch
ausdrücklieh, er habe den Versuch durch Destillation ausgeführt.
Wenn man die Mischung einer bestimmten höheren Tem-
peratur ausgesetzt, den Schwefelüberschufs verflüchtigt hat, und
das Produkt nach abermaligem Vermischen mit Schwefel von
neuem bei derselben Temperatur behandelt, so gelingt es schliels-
lich, constante Gewichtsmengen zu erhalten. Unterlälst man
aber diese Vorsicht, so bleibt immer etwas Eisenoxyd in dem
Schwefeleisen. Es ist mir auf diese Art geglückt, Eisenses-
quisulfuret zu erhalten, welches sich dadurch auszeichnet,
dals es beim Kochen mit Chlorwasserstoffsäure in Sulfuret und
Bisulfuret zerfällt, von denen letzteres als unauflöslich zurück-
bleibt.
Bei diesen Versuchen stieg die Temperatur kaum bis zum
Glühen; wurde sie etwas niedriger gehalten, so entstand neben
dem Sesquisulfuret auch eine gewisse Menge Bisulfuret.
Wenn Stromeyer die Verbindung von Sulfuret und Ses-
quisulfuret in einem Versuche erhielt, so war dies offenbar ein
Zufall, und ich bezweifleStromeyers Angaben durchaus nicht,
obgleich ich die Magneikiesverbindung nicht erhalten habe.
Aus Eisenoxyd und Schwefelwasserstoff entsteht, wie schon
gesagt, unterhalb der Glühhitze ein Oxysulfuret von bestimmter
Zusammensetzung. Steigert man die Temperatur zum schwa-
chen Glühen, so erhält man Produkte, die weniger Sauerstoff
als jene Verbindung enthalten, die ich aber lediglich als Ge-
menge von Oxysulfuret und Schwefeleisen betrachte. Arbeitet
man aber bei lebhafter Glühhitze und unterhält die Einwirkung
des Schwefelwasserstoffs mehrere Stunden, so gelangt man zu
einem sauerstofffreien Produkt, und dies ist die Verbindung von
Eisensulfuret und Sesquisulfuret, welche den Magneikies dar-
stellt.
Ich mufs bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dals Ar-
fvedson schon vor langer Zeit dieselbe Verbindung durch
Glühen von Halbsulfuret in Schwefelwasserstoff erhielt. Allein
seltsamer Weise ist es Keinem von uns Beiden geglückt, die
vom 7. Januar 1864. 25
Zusammensetzung des Körpers endgültig festzustellen. Ar-
fvedsons Zahlen fallen zwischen Fe’ S® und Fe‘S”; die mei-
nigen zwischen Fe°S’ und Fe’S°, aber die Differenzen sind
sehr klein (sie betragen nur 0,8 pC. Eisen für 100 Th. der
Verbindung).
Ich komme nun zu den Versuchen, welche ich selbst unter-
nommen habe, um die Zusammensetzung des Magnet-
kieses zu bestimmen. Zu dem Ende suchte ich mir das Mi-
neral von den verschiedensten Fundorten zu verschaffen, und
verdanke einen Theil dem Mineralienkabinet der Universität.
Dadurch ist es mir möglich geworden, die Analysen von 8
nickelfreien und von 6 nickelhaltigen Magnetkiesen vergleichen
zu können.
Von den ersteren habe ich wiederholt untersucht: die Ab-
änderungen von Bodenmais und von Treseburg, und zum ersten-
mal die von Harzburg, von Trumbull in Connecticut, von Xa-
lastoe bei Guautla in Mexiko‘) und eine krystallisirte von
unbekanntem Fundort.
Die Analyse der nickelfreien Magnetkiese ist, ihre Reinheit
vorausgesetzt, sehr einfach. Durch vorsichtiges Rösten ver-
wandeln sie sich in Eisenoxyd, wodurch sich die Menge des
Eisens, und aus dieser diejenige des Schwefels ergiebt, und es
ist diese indirekte Bestimmung des Schwefels der direkten weit
vorzuziehen.
Jeder Magneikies verwandelt sich beim Glühen in Was-
serstoffgas in Eisensulfuret. Das Resultat eines Versuches die-
ser Art muls im Einklang sein mit dem der Analyse, d. h. der
Gewichtsverlust in Wasserstoff muls gleich sein der Differenz
des ganzen Schwefelgehalts und desjenigen, welchen das Eisen
bedarf, um Sulfuret zu bilden.
So einfach nun diese Grundlagen für die Ermittelung der
Zusammensetzung des Magnetkieses auch sind, so unmöglich ist
es, bei der Ausführung der Analysen vollkommene Überein-
stimmung der Resultate zu erlangen.
Zunächst geben die verschiedenen Magneikiese nicht
denselben Gehalt an Eisen. Er beträgt wohl immer nahe 60 pC.,
1) Schlielst Granatkrystalle ein.
26 Gesammtsitzung
geht aber, bei Vergleichung von 11 Analysen, von 60,00 bis
61,56 pC. Ferner erhielten verschiedene Analytiker aus Magnet-
kies des nämlichen Fundorts verschiedene Mengen Eisen. So
z. B. gab die bekannte Abänderung von Bodenmais
61,56 pC. H. Rose,
en] ae A } Graf Schaffgotsch,
60,66 „ bei meinem Versuche.
Es bedarf kaum einer Erwähnung, dafs diese Differenzen
zum geringsten Theil auf den unvermeidlichen Versuchsfehlern
beruhen, sondern dafs sie ihren Grund in der nicht vollkom-
menen Reinheit des Materials haben. Selbst das sorgfältigste
Auslesen der Proben schützt nicht vor der Anwesenheit frem-
der Körper, von denen ich blos das Eisenoxydhydrat nenne, in
welches der Magnetkies durch die atmosphärischen Einflüsse sich
verwandelt. Seine Gegenwart verräth sich bei der Reductions-
probe in Wasserstoff durch das Auftreten von Wasser, und
man begreift, dals in solchen Fällen diese Probe ein anderes
Resultat als die Analyse geben müsse. So beträgt der Ge-
wichtsverlust in Wasserstoff bei dem Magnetkies von
Er sollte betragen.
Bodenmais 3,36 3,91 —3,95 (Schaffgotsch)
Brasilien 4,92 3,40 (Plattner)
Fahlun 4,72 5,36 (Plattner)
Trumbull 5,04 4,10 (R.)
Unbek. Fundort 5,05 3,90 (R.)
Wenn der Verlust, wie ın dem vorletzten Falle, gröfser
ist, als er sein sollte, so läfst sich glauben, dafs fremde Körper,
wie Quarz, die beim Erhitzen sich im Gewicht nicht ändern,
die Ursache sein mögen, während das Umgekehrte sich nicht
wohl erklären läfst, wenigstens nicht unter Voraussetzung gleich
beschaffenen Materials für beide Versuche.
Mit Verweisung auf eine am Schluls mitzutheilende Ta-
belle, welche das Detail der Versuche enthält, begnügen wir
uns hier, die daraus sich ergebenden Schlüsse mitzutheilen. In
der Mehrzahl der Fälle wird man bei jedem Magnetkies zwei
von einander etwas abweichende Formeln aufstellen müssen, je
vom 7. Januar 1864. 27
nachdem man die Bestimmung des Eisens oder die Reduction
in Wasserstoff als Basis der Rechnung wählt. Der seltene Fall,
dals beide Versuche übereinstimmen, ist mir blos bei dem Ma-
gnetkies von Bodenmais begegnet. Man übersieht alle diese Ver-
hältnisse, wenn man das Verhältnils des Schwefels, welchen der
Magnetkies mehr enthält als das Sulfuret, zu seinem ganzen
Schwefelgehalt berechnet und mit 1:x bezeichnet. Unter A.
steht dieses Verhältnils, wie es sich aus der Eisenbestimmung,
unter B. so, wie es sich aus der Reduction in Wasserstoff er-
giebt.
4. B.
4. Bodenmais. H. Rose 1:10,8
Schaffgotsch 1: 9,85 1:11,6
R. 1: 8,4 1: 84
2. Brasilien. Platiner 4,5344 18,1
3. Fahlun. Plattner 1: 7,4 1: 84
4. Treseburg. Stromeyer 1: 6,0
R. 1: 5,9 1: 6,0
5. Harzburg. R. a ra) 1: 10,0
c. 1.50 1:38
6. Trumbull. KR. 45:98 ln,
7. Xalastoc. R. 1: 10,6 1:10,0
8. Unbekannt.
Fundort. R. A: ./62 15 %9
Es folgt hieraus, dafs die verschiedenen Magneikiese fol-
gende Formeln zulassen:
sono
|
23
&
o\
un
-
|
=
&
LS
Hl
®&
= Fe’S?’ = Fe’Fe
22
’
:1 Fe’S!’— Fe’Fe
:411 = Fe!’S''—Fe°Fe
ep Pa PB 2 a
(=)
|
nach denen der Eisengehalt von 59,32 bis 61,4 also um 2 pC.
differiren würde.
28 Gesammtsützung
Die erste und die letzte Formel können wohl nicht in Be-
tracht kommen; jene folgt blos aus Stromeyers und meiner
Analyse des Magneikieses von Treseburg, welcher nicht ganz rein
ist. Am wahrscheinlichsten sind offenbar die beiden mittleren,
Fe’S® und Fe?S?, von denen erstere bekanntlich die zeither
für den Magnetkies angenommene ist. Die Formel Fe® S? dagegen
geht aus dem Mittel der Analysen (den M. von Treseburg aus-
geschlossen) hervor, insofern dasselbe 4=1:8,8; B=1:9,1,
also 1:9 ist, und zeichnet sich zugleich durch die gerade An-
zahl der Atome vom Sulfuret aus. Ich würde ihr den Vorzug
vor der gewöhnlichen geben. Der Eisengehalt differirt übri-
gens nach beiden Formeln nur um % pC.
Wie man sieht, begründen auch diese vermehrten Unter-
suchungen die Meinung des Grafen Schaffgotsch nicht, dals
die einzelnen Magnetkiese verschieden zusammengesetzt seien,
wiewohl eine solche Ansicht an und für sich wohl statthaft
wäre. Denn, wollte man die kleinen Unterschiede als begrün-
det erachten, so mülste man ja auch annehmen, dafs z. B. zu
Bodenmais drei verschieden zusammengesetzte Magnetkiese vor-
kommen, von denen der von H. Rose untersuchte =Fe'°S'!',
der von Schaffgotsch —=Fe?S'° und der von mir =Fe°S°
wäre, woran wohl Niemand denken kann.
Schon in einzelnen der bisher erwähnten Abänderungen
findet man kleine Mengen Nickel, so z. B. in der von Harz-
burg 0,65 pC. Weit grölser ist der Nickelgehalt in anderen
Magnetkiesen. Berzelius fand zuerst einen solchen zu Klelva
in Smäland, Schweden (Nickel 3,17 pC.); Scheerer analysirte
später einen anderen von Modum in Norwegen, der nach Breit-
haupt auch krystallisirt sich findet (Nickel 2,82 pC.). Diesen
füge ich jetzt die Analysen folgender Vorkommen hinzu:
4) Von Gap mine in Pennsylvanien, derb, blätirig, mit
Quarz und Glimmer verwachsen. Enthält 5,6 pC. Nickel.
2) Von Horbach in Baden; derb, mit Strahlstein durch-
wachsen. Enthält 3,86 pC. Nickel.
3) Von Hilsen in Norwegen; derb, blätirig. Enthält
4,03 pC. Nickel.
4) Von unbekanntem Fundort; Bruchstück eines ziemlich
grolsen Krystalls, der das Prisma, die Endfläche und die Ab-
vom 7. Januar 1864. 29
stumpfung der Kanten zwischen beiden zeigt, ohne jedoch mels-
bar zu sein. Enthält 3,33 pC. Nickel.
Bei allen diesen Magnetkiesen ist mit Ausnahme des von
Modum, auch der Gewichtsverlust in Wasserstoff ermittelt wor-
den, stimmt aber ebenso wenig mit dem aus der Analyse be-
rechneten, wie bei den früheren '). Nur die letzte krystallisirte
Abänderung gab mir ganz übereinstimmende Resultate; offenbar
ist sie die reinste von allen.
Wiewohl nun für diese und einige andere Varietäten die
Formeln R’S° oder R°S”? sich ergeben, so wage ich doch
nicht die Behauptung, dafs die nickelhaltigen Magnetkiese eine
andere Zusammensetzung haben als die nickelfreien.
Wenden wir uns jetzt zu der Frage, ob das im Meteor-
eisen vorkommende Schwefeleisen Magnetkies oder Eisen-
sulfuret sei, so ist die Beantwortung offenbar nur von der
Analyse eines solchen zu hoffen, welches frei von eingespreng-
tem Nickeleisen ist, weil, wie ich früher gezeigt zu haben
glaube, durch eine Correction des Resultats nach dem gefunde-
nen Nickelgehalt der Zweifel nicht zu lösen ist. Durch Hrn.
G. Rose erhielt ich nun neuerlich eine kleine Menge der Sub-
stanz aus dem Eisen von Seeläsgen, welche die Frage entschei-
den konnte, weil sie weder sichtlich beigemengtes Nickeleisen
enthielt, noch bei der Analyse überhaupt Nickel, sondern neben
dem Eisen nur ein wenig Mangan gab. Ich fand bei zwei
Versuchen
b
[24
Eisen 693,35 63,47
Mangan 0,64 0,64
Schwefel 35,91 (35,89)
99,90 100.
Dies ist aber genau die Zusammensetzung des
Eisensulfurets, FeS, dessen Vorkommen ım Meteoreisen
mithin jetzt feststeht, so dals man den von Haidinger dafür
in Vorschlag gebrachten Namen Troilit annehmen mag.
*) Berzelius erhielt in Wasserstoff 1 pC. Verlust mehr, als er nach
der Analyse hätte erhalten sollen.
610) Gesammtsitzung
Nicht immer jedoch hat sich diese Verbindung so frei von
Nickel in der Umhüllung von Nickeleisen abgesondert. In dem
Meteoreisen von Sevier County, Tennessee, kommt das Eisensul-
furet gleichfalls vor. Eine Probe, die Hr. G. Rose mir mit-
theilte, gab in zwei Versuchen
a. b.
Eisen 62,65 61,80
Nickel 1,96 1,56
(Schwefel) 35,39 36,64
und ist also gleichfalls FeS, jedoch mit isomorpher Beimischung
von NiS (3,04 — 2,42 pC.). Ist auch das Resultat hier nicht
so entscheidend, so glaube ich doch nicht, dafs das Nickel von
beigemengtem Nickeleisen herrührt, weil die sorgfältige Prü-
fung der Substanz mit der Loupe und dem Magnet lehrte, dafs
nur einige wenige metallische Partikel darin enthalten waren
und, ein Nickeleisen mit 8 pC. Nickel vorausgesetzt, 20—24 pC.
desselben beigemengt sein mülsten.
Nur ein einziges Vorkommen von nickelhaltigem Eisensul-
furet ist unter den tellurischen Mineralien bis jetzt bekannt,
nämlich der von Scheerer als oktaedrisch spaltbar beschriebene
Eisennickelkies aus Norwegen, der aus 1 At. Nickelsulfuret und
2 At. Eisensulfuret besteht.
Ich habe das specif. Gewicht aller in dieser Arbeit
untersuchten Substanzen bestimmt, und ın einer Tabelle zusam-
mengestellt, woraus sich auch für die Schwefelverbindungen des
Eisens die sonst schon bekannte Thatsache ergiebt, dals die
Dichte einer Verbindung von den relativen Mengen der Be-
standtheile unabhängig ist.
Tabelle 1.
Analysen von Magneitkies.
Gehalt an Eisen.
Gehalt an Schwefel, indirekt bestimmt.
Schwefel, zur Bildung von Eisensulfuret erforderlich.
Schwefel, den der M. mehr enthält als das Sulfuret;
also B—C.
E. Gewichtsverlust in Wasserstolf, theoretisch = D.
SAWA
vom 7. Januar 1864.
A. Nickelfreier Magnetkies.
4. B. C. D.
1. Bodenmais. H. Rose 61,56 38,44 35,18 3,26
Schaffgotsch 61,15 38,85 34,94 3,91
61,19 38,81 34,96 3,95
R. 60,66 39,34 34,66 4,68
2. Brasilien. Plattner 60,20 39,80 34,40 5,40
3. Fahlun. Plattner 60,29 39,71 34,33 5,36
4. Treseburg. Stromeyer 59,29 40,714 33,88 6,83
R. 59,21 40,79 33,83 6,96
5. Harzburg. R. 60,00 40,00 34,29 5,71
60,83 39,17 34,76 4,41
6. Trumbull. R. 61,03 38,97 34,87 4,10
7. Xalastoc. R. 61,30 38,70 35,03 3,67
8. Fundort unbekannt. R. 60,10 39,90 34,34 89,96
B. Nickelhaltiger Magnetkies.
1. Klefva. Berzelius 61,90') 38,10 35,31 2,79
2. Modum. Scheerer 59,56 40,44 33,98 6,46
3. Pennsylvanien. R. 61,41 38,59 34,97 3,062
4. Horbach. R. 59,82 40,18 34,11 6,07
5. Hilsen. R. 59,73 40,27 34,06 6,21
6. Krystallisirt. R. 59,75 40,25 34,08 6,17
Tabelle I
Specifisches Gewicht der Verbindungen des
Schwefels mit dem Eisen (Nickel).
Bisulfuret, FeS?
a) Schwefelkies 5,0 — 5,2
5) Speerkies 4,85 — 4,88
Sesquisulfuret Fe?S° durch Er-
hitzen von FeS mit Schwefel 4,41 R.
1!) Einschlielslich des oben angegebenen Nickelgehalts.
Gesammtsitzung
32
Magnetkies
a) nickelfreier
Kongsberg, krystallisirt
Fundort unbekannt, krystallisirt
Bodenmais
Treseburg
Harzburg
Trumbull
Xalastoc
5) nickelhaltiger
Klefva
Pennsylvanien
Horbach
Hilsen
Fundort unbekannt, krystallisirt
Fe®S?, durch Glühen von Schwefel-
kies
Sulfuret, FeS
a) meteorisches (Troilit)
Knoxville
Seeläsgen
Sevier County
5) tellurisches nickelhaltiges (Eisen-
nickelkies)
c) künstlich dargestelltes
«) durch Glühen von Schwe-
felkies in Wasserstoff
ß) aus Eisen und Schwefel
4,584 Kenngott.
4,623 G. Rose.
4,546 Schaffgotsch.
4,513 R.
4,580 R.
4,640 R.
4,564 R.
4,674 Berzelius.
4,543 R.
4,70 R.
4,577 R.
4,609 R.
4,494 R.
4,75 Smith.
4,787 R.
4,817 R.')
4,60 Scheerer.
4,668—4,726 G. Rose.
4,694 R.
1,790 R.
*) Das Schwefeleisen aus dem Meteorstein von Parnallee soll nach
Haidinger nur 4,52 wiegen.
soll es nach Wöhler Eisensulfuret sein.
Danach wäre es Magnetkies.
Dennoch
vom 7. Januar 1864. 33
Hr. Rammelsberg las über die natürlichen Ver-
bindungen von Bleioxyd und Vanadinsäure.
Dasjenige Mineral, in welchem Del Rio das Vanadin zu-
erst gefunden hat, ist zugleich das am besten bekannte, weil es
im krystallisirten Zustande, mithin rein vorkommt. Dies gilt
von dem Vanadinerz oder Vanadınit von Zimapan in Mexiko
und von dem angeblich aus der Grafschaft Wicklow in Irland
stammenden, ganz vorzüglich aber von dem von Beresow bei
Katharinenburg und von Windischkappel in Kärnthen.
Vor dreifsig Jahren fand Hr. G. Rose') dals die grünen
Krystalle von Pyromorphit, welche auf den Goldgruben von
Beresow vorkommen, von ebenso gestalteten braunen Krystallen
begleitet werden, welche vor dem Löthrohr die Reaktionen der
Vanadinsäure und, in Salpetersäure aufgelöst, die des Chlors
geben, und also Vanadinbleierz sind.
Die Entdeckung des deutschen Vanadinbleierzes gebührt
dem Custos des kärthnerischen Landesmuseums, Canaval, wel-
cher es an der Obir auf Klüften und Nestern im Kalkstein fand,
einem Gestein, welches durch seine Beiglanzlager (bei Blei-
berg) und das mit diesen verknüpfte Vorkommen des molybdän-
sauren Bleioxyds oder Gelbbleierzes, nämlich zu Bleiberg und
an dem nördlichen Abhange der Zugspitze in Baiern (bei Gar-
misch unweit Partenkirchen) bekannt ist.
Die Güte des Entdeckers setzte mich im J. 1856 in den
Stand, die Form und die Zusammensetzung des Vanadinbleierzes
von Windischkappel näher zu untersuchen ?), was um so inter-
essanter sein mulste, als alle übrigen Vorkommen keine genauere
Bestimmung der Krystallform erlaubten, weil die Krystalle, wie
z. B. die von Beresow, nur Combinationen eines sechsseitigen
Prismas mit der Endfläche sind. An den Krystallen aus Kärn-
then fand ich drei Dihexaeder, von denen zwei auf die Flächen
des sechsseitigen Prismas aufgesetzt sind. Geht man von dem
oberen herrschenden aus, so ist das untere das zweifach schär-
fere, und das dritte, welches zweiter Ordnung ist und zugleich
*) Pogg. Ann. Bd. 29. S. 455.
?) Ebendas. Bd. 98. S. 249.
[1864.] 3
34 Gesammtsiüzung
die Endkanten des schärferen abstumpft, ist dann das erste stum-
pfere desselben und steht zu dem Hauptdihexaeder in derselben
Beziehung, wie die Rhombenflächen des Quarzes zu dessen ge-
wöhnlicher sechsflächiger Zuspitzung.
Meine Messungen dieser Krystalle haben gezeigt, dals sie
mit denen des Pyromorphits, Mimetesits und Apatits überein-
stimmen, und dies ist auch von Schabus bestätigt worden ').
Die chemische Zusammensetzung des Vanadinbleierzes von
Kärnthen ergab, dals es eine Verbindung von 1 At. Chlorblei
und 3 At. dritiel vanadinsauren Bleioxyds ist. Dasselbe Resultat
folgt aber auch aus der früheren Analyse des Erzes von Zima-
pan von Berzelius und der späteren desjenigen von Beresow
von Struve.
Es ist also bewiesen, dafs Vanadinit, Pyromorphit, Mime-
tesit und Apatit eine isomorphe Gruppe bilden, aber obwohl
alle Glieder derselben aus 1 At. Chlormetall von Blei oder Cal-
cium und 3 At. drittel phosphor-, arsenik- oder vanadınsaurem
Salz von Bleioxyd oder Kalk besteheu, so tritt doch der Unter-
schied hervor, dafs die Vanadinsäure 3 At. Sauerstoff, die Ar-
senik- und Phosphorsäure aber 5 At. Sauerstoff enthält.
Die Isomorphie des Vanadinits mit den anderen genannten
Mineralien ist aber nicht blos eine scheinbare, sondern eine
wirkliche, ja der kärnthnerische ist sogar eine isomorphe Mi-
schung der Vanadinverbindung und der Phosphorverbindung (des
Pyromorphits), weil die durchsichtigen Krystalle 0,95 pC. Phos-
phorsäure enthalten, welche in Form von 6 pC. Pyromorphit
als isomorphe Beimischung vorhanden ist, so dafs auf 1 At. des-
selben 15 At. der reinen Vanadinverbindung kommen.
Das Vanadinbleierz von Beresow ist dadurch interessant,
dafs es in Gesellschaft von Pyromorphit vorkommt, und dals
der Kern mancher Krystalle aus letzterem, die Hülle aus Vana-
dinbleierz besteht, welche sich durch die Farbe leicht unter-
scheiden lassen. Kokscharow?) sieht hierin eine Pseudo-
morphose, und nimmt an, der ursprüngliche Pyromorphit sei
allmälig in Vanadinit verwandelt. Wäre dies wirklich der Fall,
') Ebendas. Bd. 100. S. 297.
*) Dessen Mineralogie Rulslands Bd. 2. S. 372.
vom 7. Januar 1864. 35
so hätte man es hier mit einer ganz neuen Art von Pseudo-
morphosen zu thun; denn während der Begriff einer Pseudo-
morphose wesentlich darin liegt, dafs Form und Inhalt im Wi-
derspruch stehen, ist dies hier durchaus nicht der Fall. Die
Form des Vanadinits ist auch die des Pyromorphits. Die Form
der ursprünglichen Substanz wäre also zugleich die des Um-
wandlungsprodukts.
Der Ansicht Kokscharows kann ich nicht beitreten.
Pseudomorphosen gehen aus chemischen Veränderungen hervor,
welche in der Anfnahme von Wasser, Sauerstoff, Kohlensäure,
in dem Verlust der beiden ersteren, oder in der Wechselzer-
setzung bestehen, welche die in den Gewässern aufgelösten
Salze auf die längst gebildeten und oft krystallisirten Verbin-
dungen ausüben. Das Produkt dieser Zersetzung, welches den
Raum der früheren Verbindung erfüllt, ist ein Niederschlag,
d. b. ein Körper, der schwerer löslich als jene und überhaupt
ein Körper anderer Art ist. Bleiglanz verwandelt sich in Weils-
bleierz, Bleivitriol, Gelbbleierz, Pyromorphit und Mimetesit,
und nach Heddle zu Leadhills in Vanadinit, und die Verwand-
lung von Weilsbleierz in Bleivitriol oder Pyromorphit, gleich-
wie die von Witherit in Schwerspath erklären sich leicht.
Gegenüber solchen Zersetzungserscheinungen würde die Ver-
wandlung von Pyromorphit in Vanadinit doch jedenfalls das
Eigenthümliche haben, dals das Zersetzungsprodukt in Form und
Zusammensetzung mit dem Körper, aus dem es entstand, so
aulserordentliche Ähnlichkeit besitzt.
Schon G. Rose vermuthete die Isomorphie beider Mine-
ralien, konnte sie indessen an dem Vorkommen von Beresow
nicht nachweisen, da die dortigen Krystalle, wie schon gesagt,
keine Dihexaederflächen besitzen.
Ich habe bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über den
Turmalin gezeigt, dals zwei isomorphe, aber stöchiometrisch
verschiedene Verbindungen, in regelmälsiger Verwachsung mit
einander vorkommen. Bekannt ist, dafs Krystalle von grünem
Turmalın einen Kern von rothem haben, und umgekehrt. Der
grüne T., mit dem spec. Gew. von 3,07—3,10, enthält 3—6 pC.
Eisenoxyd, der rothe, dessen spec. Gew. nur 3,02 ist, ist eisen-
3*
36 Gesammtsitzung
frei. Jener hat das Sauerstoffverhältnifs 1:9:412, dieser das
von 1:12:15 für die Monoxyde, die Sesquioxyde und die bei-
den Säuren. f
Es liegt nahe, das Zusammenvorkommen von Pyromorphit
und Vanadinit in gleicher Art aufzufassen. Beide kennt man in
ursprünglichen Krystallen, und diese haben eine und dieselbe
Form. Beide verwachsen daher miteinander, trotzdem Phosphor-
säure und Vanadinsäure stöchiometrisch nicht gleich sind. Struve
hat gerade so, wie ich es bei der obenerwähnten Turmalinen
von Paris und Chesterfield thun konnte, an den Krystallen von
Beresow durch leichte Hammerschläge eine Trennung beider
Mineralien erlangt, und ich halte diesen Umstand für eine Stütze
meiner Ansicht, dals hier keine Pseudomorphose vorliegt.
Man hat vielfach gemeint, die Vanadinsäure müsse 5 At.
Sauerstoff enthalten, gleich der Phosphor- und Arseniksäure,
weil man von der Ansicht ausging, die Isomorphie habe ihren
Grund in der analogen Constitution der Körper. Ohne hier
weiter darauf einzugehen, dafs Gleichheit der Mischung und der
Form keinesweges in dem Verhältnifs von Grund und Folge
stehen, sondern nur häufig coordinirte Erscheinungen sind, will
ich hier blos die Deutung zurückweisen, die Kenngott') mei-
ner Analyse des Vanadinits aus Kärnihen zu geben versucht hat.
Derselbe behauptet nämlich, dafs die von mir angegebene Be-
rechnung und Formel den Thatsachen nicht entsprechen.
Jeder weils, dafs Vanadinsäure sich direkt nicht genau be-
stimmen läfst, dafs ein Theil in der Flüssigkeit bleibt, aus wel-
cher das vanadinsaure Ammoniak abgeschieden wurde. Ich habe
dies auch bei meiner Analyse des Vanadinbleierzes bemerkt und
angeführt, bei der Berechnung aber das Fehlende, nämlich 3,2 pC.,
für Vanadinsäure genommen. Es ist aber ebenso klar, dafs auch
die Bestimmung des Bleis in solchen Verbindungen keine abso-
lut genaue ist, dals es namentlich nicht immer gelingt, dieses
Metall als Chlorblei durch Alkohol vollkommen zu scheiden ?).
Es konnte nicht gemeint sein, der Verlust von 3,2 pC. bestehe
nothwendig allein in Vanadinsäure; er mulste bei der Berech-
*) Pogg. Ann. Bd. 99. S. 95.
”) S. weiter unten die Analyse des Eusynchits.
vom 7. Januar 1864. 37
‚nung jedoch als solche gelten, weil es kein Mittel gab, den Ge-
halt an Blei, Chlor und Phosphorsäure zu corrigiren.
Der Sauerstoff des Bleioxyds, welches an Vanadinsäure ge-
bunden ist, beträgt 4,67. Nun enthalten die gefundenen
17,41 Vanadinsäure 4,52 Sauerstoff, und die aus dem Verlust
berechneten 20,62 pC. sind = 5,35 Sauerstoff. Es ist aber
4,67:4,52 = 1:0,97
4,67:5,35 = 1:1,14,
d. h. die gefundene Menge war zu klein: es hatte ein Ver-
lust statt, die berechnete aber ist zu grols: der Verlust be-
steht eben nicht blos in der Säure, sondern auch in etwas Blei.
Kenngott hat die für den Analytiker unerwartete Ent-
deckung gemacht, dals derselbe einen Stoff genau bestimmt habe,
trotz seiner eigenen Versicherung, es sei ihm dies nicht mög-
lich gewesen. Ich glaube, jeder Analytiker wird eine solche
unberufene Correction seiner Arbeiten zurückweisen. Die hier
statt 1:1
erwähnte hat ihrem Verfasser nur dazu gedient, darauf die ganz
unstatthafte Hypothese zu gründen, dafs das Vanadinbleierz eine
höhere Oxydationsstufe des Vanadins, eine Säure mit 5 At. Sauer-
stoff enthalte, dals dadurch die Isomorphie mit der Apatitgruppe
und der Verlust in der Analyse bedingt sei. Es ist kaum nö-
thig, daran zu erinnern, dals beim Behandeln von Vanadinblei-
erz mit Salpetersäure sich ein Theil der gewöhnlichen bekann-
ten Vanadinsäure, und zwar ohne Gasentwicklung ausscheidet.
Kenngott hätte: auch diese Beobachtung in meiner Abhand-
lung finden können.
Es kann natürlich nur die Frage sein, ob die Vanadinsäure
nicht 5 At. Sauerstoff enthält.
Hiergegen spricht zuvörderst die Isomorphie der Vanadin-
säure mit der Molybdän- und Wolframsäure, welche ven A.
Nordenskiöd nachgewiesen ist, und welche sich wahrschein-
lich auch auf die Verbindungen überträgt, denn ich fand in dem
Gelbbleierz von Bleiberg etwas Vanadin, und letzteres begleitet
das Molybdän in gewissen krystallisirten Hüttenprodukten (Ofen-
sauen des Kupferschieferprozesses).
Vor allem aber sprechen die Sauerstoffmultiplen der Oxyde
des Vanadins gegen die Annahme von 5 At. in der Säure.
Berzelius fand, dafs letztere bei der Reduktion in Wasserstoff
38 Gesammisitzung
82,7 pC. des niedrigsten schwarzen Oxyds hinterläfst; ich habe
81,23 pC. erhalten, und Gzudno wicz') erhielt neuerlich im
Mittel 83,16 pC. Berzelius hatte im Vanadinoxyd %, und in
jenem schwarzem Oxyde, welches er Suboxyd nannte, 4 des
Sauerstoffs der Säure gefunden, so dals die Sauerstoffmultiplen
beim Vanadın =1:2:3 sind. Auch wenn sich bestätigt, was
Czudnowicz gefunden hat, dals das Oxyd und das Suboxyd
von Berzelius identisch sind, und dafs die Basis der grünen
Vanadinauflösungen ein selbstständiges Sesquioxyd itt, so wird
die Sauerstoffreihe =1 :1%:3, gleichwie beim Chrom u. s. w.,
nicht aber wie beim Phosphor, Arsenik, Antimon etc.
Aufser dem Vanadinbleierz giebt es noch mehrere Minera-
lien, die Vanadinsäure und Bleioxyd enthalten, nämlich Descloi-
zit, Vanadit, Dechenit, Aräoxen und Eusynchit.
Der Descloizit Damour’s und der Vanadit Zippe’s
haben eine und dieselbe Krystallform; sie sind zweigliedrig.
Jener kommt in den La Platastaaten, dieser in Kärnthen am
Berge Obir, also in der Nähe des Vanadinits vor”). Wir wol-
len den Namen Descloizit für diese Verbindung beibehalten,
deren Zusammensetzung leider noch nicht sicher ermittelt ist.
Denn Tschermak fand in dem D. aus Kärnthen 54,3 pC.
Bleioxyd, und eine Spur Zinkoxyd, so dals er einfach vana-
dinsaures Bleioxyd, PbV, wäre, wenn das Fehlende wirklich
nur in Vanadinsäure besteht (berechnet: 54,68 Bleioxyd, 45,32 Va-
nadınsäure).. Der von Damour untersuchte D. aus Südamerika
ist freilich unrein, denn er enthält die Oxyde von Eisen und
Mangan, so wie Wasser, nebst Zink- und Kupferoxyd. Allein
so viel ist klar, dals diese Abänderung in keinem Fall einfach
vanadinsaures Bleioxyd sein kann, denn alsdann würde gerade
die Hälfte des Bleioxyds, sowie Zink- und Kupferoxyd unver-
bunden bleiben. Die Analyse giebt also halb vanadinsaures
Bleioxyd, Pb?V. Wie man hieraus sieht, liegt ein Wider-
spruch in den Angaben Tschermak’s und Damour’s, der
nur durch eine neue Analyse gelöst werden kann.
*) Pogg. Ann. Bd. 120. S. 17.
*) Er wurde von Schrauf gefunden.
vom 7. Januar 1864. 39
Der Dechenit und der Aräoxen stammen vou einem
und demselben Fundort, dem Lauterthale in Rheinbaiern. Jener
wurde von Krantz aufgefunden und von Bergemann, dieser
von v. Kobell und Bergemann analysırt; beide stimmen in
ihren äufseren Eigenschaften der Art überein, dafs man sie für
eine und dieselbe Substanz halten möchte, und dasselhe gilt
von dem von Fischer beschriebenen Eusynchit von Hofs-
grund bei Freiburg im Breisgau‘). Dabei weichen aber die
Resultate der Analysen qualitativ und quantitativ von einander
sehr ab.
Dechenit Aräoxen Eusynchit
nach nach nach
Bergemann. v. Kobell. Bergemann. Nessler.
Vanadinsäure 46,10—49,27 17,04 45,12
Bleioxyd 53,17—50,57 48,7 33,26 95,70
Zinkoxyd —_ — 16,3 18,36 —
Arseniksäure — _ 10,66 —_
99,28 99,84 99,52 100,82
Hiernach wären Dechenit und Eusynchit einfach vanadinsaures
Bleioxyd, Aräoxen aber eine isomorphe Mischung von drittel
vanadinsaurem und drittel arseniksaurem Blei- und Zinkoxyd.
Kürzlich wurde mir durch den Entdecker des Eusynchits,
Hrn. Prof. Fischer in Freiburg, Gelegenheit geboten, das Mi-
neral selbst zu untersuchen, und ich habe allerdings mich über-
zeugen können, dals die Analyse Nefslers ganz unrichtig ist.
Der Beschreibung des Eusynchits babe ich nichts hinzuzufügen;
sein specif. Gew. fand ich =5,596 (wobei auf beigemengten
Quarz Rücksicht genommen ist).
Das Mineral wurde in Salpetersäure aufgelöst, und die Auf-
lösung mit wiederholt zugesetzter Chlorwasserstoffsäure zur
Trockne verdampft. Nach Abscheidung des Chlorbleis durch
Alkohol wurde die blaue Flüssigkeit erhitzt und hierauf mit Am-
moniak und Ammoniumsulfhydrat behandelt. Obwohl letzteres
im Überschuls angewandt und das Ganze stark digerirt wurde,
war der Niederschlag von Schwefelzink stark vanadinhaltig. Er
?) Auch ein auf Gelbbleierz vorkommendes Mineral von Phoenixville
scheint hierher zu gehören.
40 Gesammtsitzung
löste sich in Chlorwasserstoffsäure bis auf kleine Mengen Schwe-
felblei und Schwefelkupfer auf, und kohlensaures Natron fällte
in der Siedhitze ein noch immer vanadinhaltiges Zinkoxyd, wel-
ches erst durch Schmelzen mit kohlensaurem Natron und etwas
Salpeter, Auslaugen, Wiederauflösen in Chlorwasserstoffsäure
und Fällen mit kohlensaurem Natron vanadınfrei erhalten wurde.
Die überschüssiges Ammoniumsulfhydrat enthaltende Flüs-
sigkeit wurde mit Chlorwasserstoffsäure sauer gemacht, mit etwas
schwelliger Säure erwärmt und durch Schwefelwasserstoffgas ge-
fällt. Es fiel ein wenig Schwefelarsenik, welches in arseniksaure
Ammoniak-Magnesia verwandelt wurde. Das vanadinhaltige Fil-
trat gab dann mit Ammoniak und Magnesiamischung einen Nie-
derschlag von phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia.
Die quantitative Bestimmung der Vanadinsäure aus minde-
stens drei verschiedenen Flüssigkeiten hätte keine Genauigkeit
gewährt.
2,911 Grm. Eusynchit gaben auf diese Art 2,081 Chlor-
blei und 0,01 Schwefelblei; 0,46 Zinkoxyd, 0,02 Kupferoxyd,
0,024 arseniksaure und 0,052 phosphorsaure Magnesia. Oder
in 100 Th.:
Sauerstoff.
Arseniksäure 0,50 0,17 } 0.81
Phosphorsäure 1,14 0,64 / \ 7,09
Vanadinsäure (24,22) 6,28
Bleioxyd 57,66 4,13
Zinkoxyd 15,80 3,12 h 7,39
Kupferoxyd 0,68 0,14
100.
Nimmt man Arsenik- und Phosphorsäure als drittel arsenik- und
phosphorsaures Bleioxsyd an, so gehören dazu 6,77 Bleioxyd
= 0,486 Sauerstoff, und es bleiben 50,89 Bleioxyd, welche
nebst dem Zink- und Kupferoxyd 6,904 Sauerstoff enthalten.
Diese verhalten sich zum Sauerstoff der Vanadinsäure = 1: 0,9,
dahtase it 1l
Da ferner der Sauerstoff von Zink- und Bleioxyd =3:4,
so ist das Mineral drittel vanadınsaures Blei- und Zinkoxyd,
mit drittel phosphor- und arseniksaurem Blei- und Zinkoxyd
in isomorpher Mischung, in der Menge, dals etwa 15 At. der
Vanadate auf 4 At. der Phosphate und Arseniate kommen,
vom 7. Januar 1864. 4
rl + elay
2a Be 2 Zn
Man könnte andererseits davon ausgehen, dafs beide Salze
gleichviel Sauerstoff ı in der Säure und Basis enthalten, dals das
Phosphat also _R5P sei. Unter dieser Voraussetzung würde
die Formel eine kleine Änderung erfahren,
ı Pby> re Pb ”
3 | BD Äs a.
Doch halte ich nach dem, was im eb, über die
Stellung des Vanadinbleierzes in der Apatitgruppe gesagt wurde,
diese letztere Ansicht für weniger wahrscheinlich ').
Der sogenannte Aräoxen würde nach Bergemann’s Ana-
lyse eine ganz ähnliche Mischung sein, jedoch frei von Phos-
phorsäure, um so reicher aber an Arseniksäure, deren Sauer-
stoff = von dem der Vanadinsäure ist; also
ı Pb L Pb)?
RE Äs - 2 Zn L)
oder
5
"2
“
en
Im ersten Fall wäre der Sauerstoff der Basen und der Säuren
=1:1,22, im letzten =1:1. Die Analyse gab 1: 1,09.
Was nun den Dechenit betrifft, so bleibt es immer auf-
fallend, dafs dieses den vorigen so ähnliche und mit ihnen zum
Theil zusammen vorkommende Mineral eine ganz abweichende
Zusammensetzung haben sollte. Zwar hat er das specifische
Gewicht des Descloizits (5,81 — 5,83), welches grölser ist als
das des Eusynchits oder Aräoxens (5,53—5,59), allein die Ana-
lyse verdient eine Wiederholung, da man aus gewissen Erschei-
*) Nachdem ich meiue Untersuchung des E. beendigt hatte, erschien
auch eine solche von Gzudnowicz, welcher das spec. Gew. bis 5,53
und die Zusammensetzung ebenfalls ais die eines drittel-Vanadats von
Blei- und Zinkoxyd fand. (A.a. O.)
423 Gesammtsitzung
nungen bei derselben den Schlufs ziehen könnte, dafs die von
Bergemann abgeschiedene Vanadinsäure zinkhaltig gewesen
wäre. Allerdings verwahrt sich derselbe in einer an mich ge-
richteten brieflichen Mittheilung gegen diese Unterstellung, und
bemerkt, der Dechenit sei äulserst selten im Vergleich zu dem
mit ihm vorkommenden Aräoxen, dessen Zusammensetzung ihm
die eines Gemenges zu sein scheint.
Immerhin bleibt es bemerkenswerth, dafs der Gehalt an
Bleioxyd im Descloizit, im Dechenit, im Aräoxen und im Eu-
synchit von Tschermak, Bergmann, Nefsler, von mir
und von Czudnowicz fast gleich gefunden wurde, während
die Analysen im ersten, zweiten und vierten kein Zink, oder
im dritten und vierten 16—18 pC. Zinkoxyd angeben.
Darauf las Hr. Dove über ein neues polarisirendes
Prisma und zeigte die Anwendung desselben.
Diese Vorrichtung ist ein gleichschenkliges rechtwinkliges
Prisma von Kalkspath, die eine Kathetenfläche senkrecht, die an-
dere parallel der optischen Achse, die Hypotenusenfläche daher 45°
gegen diese geneigt. Diese Rhomboeder-Fläche liegt in der Achse
des vom Verfasser früher construirten Polarisationsapparates an der
Stelle des sonst dort befindlichen Nicols, so dafs das durch die
Collectivlinse concentrirte Licht einer Lampe durch zwei Bre-
chungen in den Kathetenflächen, und eine totale Reflexion auf
der Hypotenusenfläche zur analysirenden Vorrichtung gelangt.
Die grolse Lichtstärke des Apparates gestattet die Anwendung
der am tiefsten verdunkelnden Gläser, um die Sonderung der
verschiedenen homogenen Ringsysteme in voller Schärfe zu er-
halten. Sie bewährt sich in gleicher Weise bei dem Polarisa-
tionsmikroskop und bei der Darstellung der Ringsysteme auf
einer auffangenden weilsen Fläche unter Anwendung des Son-
nen- oder elektrischen Lichtes. Der Mechanikus Langhoff
hat dieses wie ein Nicol wirkende Prisma nach meiner Angabe
geschliffen.
vom 7. Januar 1864. 43
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Nova Acta soc. scientiarum Upsaliensis. Vol. IV, Fasc. 2. Upsala
1863. 4.
Upsala Universitets Ärsskrift 1862. ib. 1863. 8.
Kongliga Svenska Vetenskaps- Akademiens Handlingar. IV, 1. Stock-
holm 1862. A.
Meteorologiska Jakttagelser i Sverige. Bandet III. ib. 1863. 4.
Öfversigt af Kgl. Vetenskaps- Akademiens Förhandlingar. XIX. ib.
1803. 8.
Sveriges ätliga och giftiga Svampar, technade efter naturen under led-
ning af E. Fries. Fasc. 1—6. ib. (1861—63.) 4.
Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. no. 3. Moscou
1863. 8,
Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Octobre 1863. 8.
Verhandelingen var het Bataviansch Genootschap van Kunsten en Weten-
schappen. Deel 29. Batavia 1862. 4.
Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel 11. 12.
ib. 1861—62. 8.
Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift. 4,1. Würzburg 1863. 8.
Würzburger medizinische Zeitschrift. 4,3.s. ib. 1863. 8.
Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie. München 1863. II. 2. 8.
Jahrbücher der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.
Neue Folge. Heft 3. Erfurt 1863. 8.
Jenzsch, Zur Theorie des Quarzes. Erfurt 1861. 8.
Bericht über die Verwaltung der Stadt Berlin in den Jahren 1851—1860.
Berlin 1863. 8. Mit Begleitschreiben des Hın. Oberbürgermeister
Seidel vom 14. Dez. 1863.
Engel, Die Statistik im Dienste der Verwaltung. Berlin 1863. 4.
Mit Schreiben des Hrn, Verf. vom 30. Dez. 1863.
Das Kol. Welfen- Museum in Hannover im Jahre 1863. Hannover
1864. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. von Malortie vom
24. Dez. 1863.
de Berlanga, Monumenta historica Malacitana. Malacae 1863. 8.
Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. 16. Oct. 1863,
44 Gesammtsitzung
44. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. W. Peters las über die Eidechsenfamilie der
Scincoiden, insbesondere über die Schneider’schen,
Wiegmann’schen und neue Arten des zoologischen
Museums.
Scıncvs Laur., Fitz.
4. Subgen. Scincus Fitz.
1. Sc. meccensis (Hempr. et Ehrbg.) Wiegmann,
Archiv für Naturgeschichte III. 1837. I. p. 127.
Das Originalexemplar zu der Wiegmann’schen Beschreibung,
aus Arabien stammend, befindet sich in der herpetologischen
Sammlung des zoologischen Museums unter No. 1178 und ist
in: Hemprich et Ehrenberg, Symbolae physicae, Amphibia
tab. IV. Fig. 3. (nach dem lebendem Exemplar von Hrn. Eh-
renberg colorirt) abgebildet worden. Ich kann die Verschie-
denheit dieser bisher in den systematischen Werken nicht auf-
genommenen Art von Sc. officinalis Laur. aus Aegypten nur
bestätigen und der genauen Wiegmann’schen Beschreibung nichts
Wesentliches hinzufügen.
2. Subgen. Pedorychus Wiegmann, |. c. p. 128.
Wiegmann gibt als Unterschied von der Untergattung Secin-
cus an, dals die Kopfform nicht pyramidal, sondern oval, subpyra-
midal ist, der Canthus rostralis fehlt, die Seiten der Schnauze nicht
senkrecht, sondern sehr schräge abwärts geneigt sind, die Zü-
gelgegend nicht vertieft, sondern abgerundet ist, das Trom-
melfell nicht sichtbar ist, die Nasenlöcher nicht länglich,
eng und nach oben, sondern oval und nach aufsen gerichtet,
die Körperschuppen fein gestreift sind und die Schwanzspitze
kaum zusammengedrückt ist.
2. P. (Sc.) Hemprichii Wiegmann |. c. p. 128 (Symb.
phys. Amphibia. Tab. IV. Fig. 1.).
Das Originalexemplar dieser sehr ausgezeichneten ebenfalls
von keinem späteren Schriftsteller erwähnten Art, aus Massaua
in Abyssinien, befindet sich unter No. 1179 im Museum. Da
bisher nur diese einzige Art bekannt geworden ist, so dürfte
die durchaus richtige Beschreibung Wiegmann’s vollkommen
ausreichend erscheinen. Die Ohröffnung ist zwar vorhanden,
vom 14. Januar 1864. 45
aber sehr eng und vollständig von einer der Schläfenschuppen be-
deckt, die sich von denen der Umgebung durch nichts auszeich-
net, und eben so wenig sind die kleinen Schüppchen vorhanden,
welche man bei Scincus unter der Ohröffnung bemerkt; sie liegt
nach hinten und unten von dem Mundwinkel, etwa 1% Millm.
von demselben entfernt.
3. Nov. subgen. Scincopus.
Kopf oval, pyramidal, mit breiter abgestumpfter Schnauze;
Nasenlöcher zwischen zwei Nasalschildern; Augen grols; äufsere
Ohröffnung sehr weit, von zwei grolsen, nach hinten zugespitz-
ten oder verschmälerten Schuppen gröfstentheils bedeckt; Körper
robust, an den Bauchseiten abgerundet. Schuppen langgestreift, auf
der Mitte des Rückens am grölsten, die grolsen Bauchschuppen
beträchtlich an Grölse übertreffend; Vorder- und Hinterglied-
malsen fünfzehig, von derselben Bildung wie bei Scincus.
Kopfschilder: 1 Rostrale, 2 Supranasalia, 1 Internasale,
2 Praefrontalia, 1 Frontale, 2 Frontoparietalia, 1 Interparietale,
2 Parietalia, 4 Paar Occipitalia; 2 Nasalia, 2 Frenalia.
Diese Untergattung schlielst sich zunächst an Scincus an
und bildet einen Übergang zu Eumeces Wiegm.
3. Sc. fasciatus n. sp.
Sc. supra pallide aurantiacus, nigrofasciatus, subtus fla-
vescens. j
Kopf pyramidal, um ebensoviel länger als breit, wie breiter
als hoch, in der Schläfengegend etwas angeschwollen. Die Au-
gen grols; ihr Durchmesser ein wenig geringer als ihre Entfer-
nung von den Nasenöffnungen, welche nur halb so weit von
einander abstehen. Das Rostrale ist um % breiter als der Ab-
stand der Nasenlöcher unter einander, unten flach, oben convex
und hier mit einem abgerundeten Rande versehen, welcher sich
an die Nasalia anteriora und die Supranasalia legt; die letzteren
sind vierseitig, doppelt so lang wie breit; ihr äufserer und vor-
derer längster convexer Rand stölst an die Nasalia und das Ro-
strale; der hintere innere nächstlange gerade Rand beider Su-
pranasalia zusammen bildet einen fast rechten Winkel zur Auf-
nahme der vorderen Spitze des Internasale, ihr hinterer äufserer
Rand stölst an das Frenale primum, und mit ihrem inneren
Rande stehen sie unter einander in Verbindung. Das Internasale
46 Gesammtsiüzung
ist etwas convex, fast so breit wie lang, rhomboidal oder genau
betrachtet hexagonal; sein vorderer zwischen den Supranasalia
befindlicher Winkel ist so ganz getrennt von dem Rostrale, sein
hinterer von den längsten etwas concaven Rändern gebildeter
Winkel liegt zwischen den Frontalia anteriora und die seitlichen
weiter von einander als von dem vordern abstehenden Winkel wer-
den jederseits von dem Frontale anterius und dem Frenale primum
eingeschlossen. Die unregelmäfsig sechsseitigen Frontalia anteriora
sind etwas grölser und länger als das Internasale und jedes der-
selben steht mit 7 Schildern, nämlich dem Frontale medium,
den beiden vorderen Supraorbitalia, beiden Frenalia, dem Inter-
nasale und dem gleichnamigen Schilde der anderen Seite in
Verbindung. Das Frontale medium ist hexagonal, um % länger
als breit, vorn breiter als hinten; mit seinen äulseren concaven
Rändern stölst es jederseits an das zweite und dritte Supraor-
bitale, mit seinen hinteren kürzesten ebenfalls etwas concaven
Rändern, die in einem sehr stumpfen Winkel zusammenkommen,
an die Frontoparietalia, links aber auch noch an das 4te Supra-
orbitale; die Frontoparietalia sind unregelmäfsig pentagonal und
kleiner als das grolse rhomboidale, vorn breitere und sehr stumpf-
winklige Interparietale.. Die Parietalia sind die grölsten aller
Kopfschilder, viel breiter als lang. Unter den 6 Supraorbitalia
ist das dritte das breiteste. Von den beiden Nasalia ist das
vordere das höchste, doppelt so hoch wie lang, das hintere fast
quadrangulär, über dem hinteren Theile des ersten und dem vor-
deren Theile des zweiten Supralabiale gelegen. Das Frenale
primum ist um % höher als lang, seine Höhe gleich der Länge
beider Nasalia zusammen; das zweite Frenale ist mit dem Fre-
noorbitale inferius verschmolzen, niedriger aber viel länger als
das erste. Die Infraorbitalia sind sehr niedrig, die Temporalia
2-+-2 grofs. Supralabialia sind rechts 10, links 9; von diesen
sind die vorderen quadratisch oder höher als lang; drei Supra-
labialia, rechts das 6. bis 8., links das 5. bis 7., liegen unter
dem Auge; das auf diese folgende ist das grölste von allen.
Hinter dem Mentale folgen auf einander zwei einfache Submen-
talia, welche viel breiter als lang sind. Die sehr grofse Ohr-
öffnung wird fast bedeckt von zwei Schuppen, welche an Grölse
den vorhergehenden Temporalschuppen wenig nachstehen.
vom 14. Januar 1864. 47
Der Körper ist robust, von 24 Längsreihen von Schuppen
umgeben, von denen die des Rückens durch 2 bis 3 vertiefte
Streifen ausgezeichnet sind und die des Bauches an Breite fast
um das Doppelte übertreffen, obgleich sie selbst noch lange nicht
so breit sind wie die beiden mittleren Reihen des Hinterkopfes
und Nackens; die beiden Praeanalschuppen übertreffen selbst
die Parietalschilder an Gröfse. Die vorderen Gliedmalsen rei-
chen bis zur Mitte des Auges und zeichnen sich sowohl durch
die Kürze der Finger, unter denen der dritte der längste ist,
als durch die kurzen, unter der Spitze ausgehöhlten Krallen aus.
Die Hinterbeine sind nur wenig länger; die Zehen nehmen von
der ersten bis vierten progressiv an Länge zu, während die
fünfte eben so lang wie die zweite ist; die Krallen sind an
Gröfse und Gestalt den vorderen gleich, vielleicht ein wenig
kleiner. Der Schwanz ist kurz, an der Basis fast viereckig,
nachher etwas zusammengedrückt; an der Unterseite beginnt
hinter der Basis eine einfache Reihe sehr breiter glatter Schuppen.
Die Farbe der Oberseite des Thieres ist blafs orangegelb,
mit 7 blauschwarzen Querbinden, von denen die erste auf dem
Nacken, die zweite hinter der Schulter, die dritte über der
Mitte des Körpers, die vierte vor der Kreuzgegend und die drei
letzten sich auf dem Schwanze befinden; die letzte dehnt sich
über das letzte Drittel des Schwanzes aus.
Eorelkn se ll nasse non dh (07,224
Von dem Schnauzenende bis After. . . . 2. 0%,147
Von dem Schnauzenende bis Ohr . . . 2... 07,033
Kopbbreite In. All..nos Has ui, 21050805
Koptihöhew iss alle SR eh eh LE. 050255
Länge der vorderen Extremität ER. RE 00
Hanıl mi) Mittelfinger u . ©. nalsheirs ta „isd 08,01%
Länge der Hinterextremität . 2 2.2.2.2. 00,047
HalssmüthwierteröZehe li Ua ia a 03,018
EN LIWENDZ 0 Non a lg 7%
e 0”,033.
Diese Art stammt aus ee an) in walten
wo Hr. Dr. Strauch dieselbe entdeckt hat.
4. Heteropus Fitzinger = Sphenops capistratus
Wagler.
Körperbreite
48 Gesammitsitzung
Es ist bisher nicht bekannt geworden, nach welcher Art
Fitzinger (Neue Classification der Amphibien. Wien. 1826.
p. 23) seine Gattung Heteropus aufgestellt hat, indem er nur
erwähnt, dafs er eine Zeichnung dieser Art aus Arabien ge-
sehen habe, welche ihm von Hrn. Ehrenberg mitgetheilt
sei. Ich kann nun hierüber Aufklärung geben, da das zoologi-
sche Museum unter No. 3736 das Originalexemplar aus Tor
besitzt, welches in der von Hrn. Ehrenberg mir gütigst mit-
getheilten Zeichnung dargestellt ist. Dieses Exemplar stimmt ganz
genau mit Sphenops capistratus überein, abgesehen davon, dals
der Daumen an beiden Vorderextremitäten fehlt, eine monströse
Bildung, welche bei dieser Art öfter vorzukommen scheint, da
auch Gravenhorst (Nova acta acad. Caes. Leop. Carol. nat.
cur. XXIII. I. p. 364. Taf. 39.) von einem seiner drei Exem-
plare aus Aegypten dieselbe beschrieben und abgebildet hat. Der
Gattungsname ist später von Dumeril und Bibron auf ganz
andere Arten aus Indien und Australien angewandt worden und
mag für diese um so mehr beibehalten werden, da auch Fitzin-
ger später in seinem Systema Reptilium. Vindob. 1843 p. 22.
den Heteropus fuscus Dum. Bibr. als typische Art seiner Gat-
tung aufführt.
DipoeLossvs Wiegmann.
5. Diploglossus monotropis Wiegmann. Herpet. mezic.
1834 p. 36. Archiv für Naturgeschichte Il. 1837 p.130 ist,
wie diese Beschreibung und das Originalexemplar, No. 1184 des
zoologischen Museums zeigen, identisch mit Camilia (Tiliqua)
Jamaicensis Gray, Ann. nat. hist. II. p. 293., Catalogue of
Lizards p. 119. Ob diese Art aber dieselbe sei, welche Kuhl
(Beiträge zur Zoologie. 1820. p. 128) unter diesem Namen .be-
schrieben hat, ist zweifelhaft.
6. Eumeces Wiegmann, Herpetol. mexic. 1834. I. p: 36,
Archiv für Naturgeschichte 1835. II. p. 288, ibid. 1837. I.
p- 132.
Wiegmann hatte zwar im Jahre 1834 in seiner Untergat-
tung Eumeces demScincus pavimentatus Geoffr. noch Sc. rufescens
Merrem und Sc. punctatus Schneider hinzugefügt, bemerkte
aber bereits im Jahre 1835, dafs diese beiden letzten Arten von
ihm unrichtigerweise dieser Untergattung von Euprepes hinzu-
vom 14. Januar 1864. 49
gefügt wären, und dals Sc. pavimentatus Geoffr. die typische
und allein dahın zu zählende Art sei. Er wiederholte dieses
nochmals im Jahre 1837 1. c., wo er auf seine (leider verloren
gegangene) Arbeit über die Gattung Euprepes in den Symbolae
physicae verwies. Dieser Sc. pavimentatus Geoffr. = Scincus
Schneideri Isid. Geoffroy St. Hilaire (Description de ?’ Egypte.
Rept. p.135 pl. 3. fig. 3. pl. 4. ig. 4.) = Plestiodon Aldrovandi D.B.
=P. cyprius Guv., ist ebenfalls nach den Exemplaren des zoolog.
Museums No. 1264 und 1255, und mit dem von Hrn. Ehren-
berg nach dem Leben angefertigten Colorit auf Tab. IV. Fig. 4.
der Symbolae physicae dargestell. Ein Exemplar aus Persien
von Hrn. v. Minutuli stimmt ganz mit den ägyptischen über-
ein und weicht daher durch ihre viel schlankere Gestalt und
einige geringfügige Unterschiede in den Kopfschildern von der
var. algeriensis ab. Der Name ZEumeces hat daher um mehrere
Jahre die Priorität vor Plestiodon, die Dum£ril u. Bibron der-
selben Gattung gegeben haben, während sie leider die Wieg-
mann’sche Benennung auf ganz andere Arten verwandten,
welche nach Wiegmanns Ansicht der Untergattung Euprepis
s. s. unterzuordnen wären.
7. Euprepes Lynxe Wiegmann (Herpet. Mexic. p. 36)
No. 1271 Mus. zool. Berol., den Dum&£ril und Bibron fälsch-
lich mit E. guinquelineatus Gm. vereinigt haben, gehört eben-
falls zu Wiegmanns Gattung Eumeces, ebenso wie die übri-
gen von den Autoren zu Plestiodon D. B. gerechneten Arten
(E. laticeps, pulcher etc.), da ein zufälliges Getrenntsein der
Nasenschilder um so weniger in Betracht kommen kann, als
dieses auch bei der typischen Art vorkommt, wie es z. B. an
einem Exemplar der algierschen Varietät, No. 1259 unsers zoo-
logischen Museums, an beiden Seiten der Fall ist.
8. Euprepis rufescens Wiegm. Archiv für Naturg. 1837
p- 132., = Eumeces rufescens Wiegm. Herpet. Mexic. p. 36 =
Scincus rufescens Merrem Ten. syst. amphib. p. 71. = Scin-
cus auratus Schneider e. p. Hist. amph. Il. p. 181 Z. 4—8
„Exemplum maximum” ist identisch mit Eumeces Oppelü Dum.
Bibr. wie das Originalexemplar aus der Bloch’schen Samm-
lung in unserm Museum No. 1214 zeigt, und mufs den Mer-
[1864.] A
50 Gesammtsitzung
rem’schen oder Wiegmann’schen Namen als den älteren be-
halten, indem
9, Euprepis (Scincus) carinatus Schneider Hist. am-
phib. II. p. 183., wie das Originalexemplar, No. 1253 aus der
Bloch’schen Sammlung beweist, = E. Sedbae Dum. Bibr.
= E, rufescens Shaw ist, so dals der Schneider’sche Name
wiederum bei dieser Art die Priorität hat. Wenn Graven-
horst (Acta acad. Leopold. XXIII. I. p. 320) den Sc. carina-
tus Schneider auf den E. Merremüi Dum. Bibr. vom Cap
bezieht, so ist dagegen zu bemerken, dals, wie Schneider
selbst angibt, die eigentliche Beschreibung nach dem von dem
Missionär John aus Ostindien stammenden Exemplar gemacht ist.
10. Euprepes spilonotus Wiegm., Archiv für Naturg.
1837 I. p. 135, No. 1240 Mus. zool. Berol., stimmt bis auf die
Form des Internasale, welches nach Dumeril und Bibron
vorn convex und hinten geradlinig sein soll, mit Eumeces Sloa-
nei (Daud.) Dum. Bibr. überein. Es ist dasselbe Exemplar,
welches von Schneider ZHist. amphib. II. p. 182, 2.17 — 21,
„Exemplum Musei Meyeriani Stettinensis cet.” zu seinem Scin-
cus auratus gezählt wird.
41. Euprepes semitaeniatus Wiegmann I. c. p. 135
= Seincus auratus Schneider e. p. Hist. amphib. 11. p. 181,
zZ. 24—29 „Tertium minimum exemplum cet.”, aus der Bloch-
schen Sammlung, No. 1238 Mus. zool. Berol., ist mit der vorher-
gehenden Art sehr nahe verwandt, vielleicht zu derselben ge-
hörig, zeichnet sich aber aulser der etwas verschiedenen Zeich-
nung auch noch durch zwei hinter einander liegende Frenalia aus.
12. Euprepes pyrrhocephalus Wiegmann, Archiv f.
Nat. 1837. I. p. 133. (Symb. phys. Tab. V. Fig. 1.), No. 1219
und 1120 Mus. zool. Berol., von der Insel Aschik im rothen
Meere, eben so wie
13. Euprepes drevicollis Wiegmann ibid. (Symh. phys.
Tab. V. Fig. 2.), No. 1221 und 1222 Mus. zool. Berol., aus
Abyssinien, sind gute Arten und schon durch ihre zweikieligen
Schuppen ausgezeichnet, welshalb dieselben wahrscheinlich auch
als E. Cociei D. B. in dem Nomenclat. Rept. et Amph. 1856.
p- 18. aufgeführt sind.
vom 14. Januar 1864. 51
44. Euprepes homalocephalus Wiegmann, Isis, 1828
p. 374, ist, wie die Beschreibung und das Originalexemplar un-
sers Museums No. 1239 beweist, übereinstimmend mit Euprepes
Smithü Gray, A. Smith, usir. Zool. S. Africa. Reptilia.
Taf. 31. Fig. 2. und Text.
15. Euprepes (Scincus) auratus Schneider e.p. Hist.
amphib. Il. p. 180, Z. 28 „Medium squamis rotundis cet.”, aus
der Bloch’schen Sammlung, No. 1261 Mus. zool. Berol., ist
dasselbe Exemplar, für welches Wiegmann (Archiv. 1837. I.
p. 134) den Speciesnamen beibehält, und den er als E. zristatus
Daudin betrachtet. Gravenhorst (4ei. Acad. C. Leop. Ca-
rol. nat. Cur. vol. XXIII. I. p. 321, Taf. 32.) hat dieselbe Art
als Euprepes auratus wiederum genau beschrieben und abgebil-
det, auch in der Synonymie l. c. p. 326 nachgewiesen, dals der
Sc. tristatus Daud. eben so gut auf E. guinquelineatus Gm.,
wie auf jene Art bezogen werden könne. Diese Art, welche
in Venezuela und Guiana zu Hause ist, liefert den besten Be-
weis, wie wenig es möglich ist, die Gattungen oder Untergat-
tungen der Scincoiden blols nach der glatten oder gekielten
Beschaffenheit der Schuppen zu unterscheiden, indem einige
Exemplare ganz glatte (Eumeces Spixei D. B. ex parte), andere
dagegen eine mehr oder weniger deutliche feine Streifung (Eu-
prepes auratus Gravenh. und ?Tiligua maculata Gray) der
Schuppen haben.
16. Euprepes (Euprepis) Libanoticus n. sp.
Diese Art ist am nächsten verwandt mit EZ. septemtaeniatus
Beuls, sowohl in Bezug auf den Körperbau, die Proportionen
der Glieder als in der Kopfbeschildung, unterscheidet sich aber
von ihr durch die geringere Zahl uud beträchtlichere Gröfse
der Schuppen, welche in der Mitte des Körpers nicht 36, son-
dern 34 Längsreihen bilden, und von denen sich nicht 8, son-
dern 6 Längsreihen zwischen den beiden oberen seitlichen vom
Supraorbitalrande entspringenden weilsen Längslinien befinden,
so wie durch die grölsere Zahl der schwarzen Rückenlinien, die
nicht 4, sondern 6, auf dem Nacken selbst 7 ist. — Das in
unserm Museum befindliche Exemplar stammt aus der Sammlung
von Hemprich und Ehrenberg und ist auf dem Libanon
A*
52 Gesammtsitzung
gefunden worden. Eine Abbildung desselben befindet sich in
den Symbolae physicae Taf. 5. Fig. 4. unter dem Namen E. Jo-
mardi, mit welchem Namen eine ihr ebenfalls ähnliche (E. viz-
zatus Oliv.), aber doch sehr verschiedene Art benannt wor-
den ist.
17. Euprepes (Euprepis) aeneofuscus n. sp.
Körperschuppen in 30 Längsreihen, die oberen und seit-
lichen mit drei Kielen. Kopf abgeplattet, mit abgerundeter
Schnauze; unteres Augenlid mit durchsichtiger Scheibe; Frenal-
gegend flach concav mit 2 Frenalia, welche höher als lang sind;
Internasale rhomboidal, breiter als lang, vorn mit dem Rostrale,
hinten durch eine Spitze mit dem Frontale medium in Berüh-
rung stehend; Supralabialia 7, von denen die 4 ersten quadra-
tisch, das Ste unter dem Auge befindliche sehr lang ist; Ohr-
öffnung weit, am vorderen Rande ohne verlängerte Schüppchen.
Obere Seite des Kopfes braun, der Rücken dunkler, mit einigen
schwarzen Fleckchen zwischen den Schuppenreihen; Körperseiten
mehr grün und mit stärker hervortretenden schwarzen Flecken;
Unterseite grüngelb, mit dunklerer Randung der Schuppen und
metallischem Glanze, Schwanz röthlich. — Angeblich aus West-
afrıka (Elmina).
18. Euprepes (Euprepis) pleurostictus n. sp.
Körperschuppen in 33 Längsreihen, die oberen mit 3 starken
Längskielen. Kopf pyramidal, mit fast conischer Schnauzenspitze;
unteres Augenlid mit durchsichtiger Scheibe; 2 gleich hohe
Frenalia, von denen das hintere doppelt so grols und quadratisch
ist; Supranasalia stolsen in der Mitte aneinander; 4 Supraorbi-
talia, von denen das 2te bei Weitem das Gröfste ist; Ohröff-
nung weit, doppelt so hoch wie lang, am vorderen Rande mit
vier kleinen abgerundeten vorspringenden Schüppchen.
Oben dunkelbraun, die Ränder oder die inneren Winkel
der Schuppen hie und da schwarzbraun. Körperseiten schwarz-
braun, einige Schuppen mit einem gelben Fleck auf der Mitte;
die unterste Reihe dieser Flecke hängt mit einem gelben vom
Mundwinkel durch die Ohröffnungen gehenden gelben Streifen
zusammen. Unterseite gelb, Schuppenränder dunkel.
Diese Art scheint am meisten mit E. Perrotetü D. B. ver-
wandt zu sein, welcher sich aber sowohl durch die gröfsere Zahl
vom 14. Januar 1864. 53
(6) der Supraorbitalschilder, wie durch die verschiedene Fär-
bung von ihr unterscheidet.
Totallänge 0”,280; Körperbreite 0”,029. — Fundort Ada-
Foah, in Oberguinea.
19. Euprepes (Subgen. Mabuya Gray, Eumeces D. B.
non Wiegmann) Bizaeniatus.n. sp.
Kopf viereckig pyramidal; Auge genau in der Mitte zwi-
schen Schnauzenende und Ohröffnung; unteres Augenlid mit
einer durchsichtigen Scheibe; Ohröffnung klein, rundlich, am
vorderen Rande mit zwei verlängerten Schüppchen; Supranasalıa
schmal, längs dem oberen Rande der Nasalia gelegen; Internasale
rhomboidal, breiter als lang, vorn abgestutzt; Praefrontalia fast
quadrangulär, getrennt oder mit ihrem innern Winkel sich be-
rührend; Frontale kaum länger als breit und kaum länger als
das Internasale, pentagonal. Die beiden vorderen an den Prae-
frontalia liegenden Ränder stolsen in einem fast rechten Winkel
zusammen; die beiden äufseren längsten Ränder legen sich jeder-
seits an das erste und zweite Supraorbitale.. Das einfache Fron-
toparietale ist viel grölser als das Frontale; mit seinem vorder-
sten Rande stölst es an das Frontale; mit seinem vorderen
seitlichen längsten concaven an das zweite, dritte und vierte
Supraorbitale; mit seinem hinteren seitlichen nächstgrofsen etwas
convexen an das Parietale, und mit seinem hintersten kleinsten,
geraden oder concaven Rande an das kleine aber lange Inter-
parietale. 4 Supraorbitalia; 2 Frenalia, von denen das hintere
doppelt so lang wie das vordere ist. 8 Supralabialia, unter
denen das sechste das gröfste ist.
Körperschuppen glatt, auf der Mitte des Rückens ein wenig
grölser als am Bauche, um die Körpermitte in 39 bis 40 Längs-
reihen. Die beiden mittleren Praeanalschuppen sind etwas
grölser als die anderen. Die Gliedmalsen sind wohl entwickelt;
die vorderen ragen fast bis zur Nasenöffnung; der vierte Fin-
ger ist der längste, dann der dritte, während der zweite und
fünfte gleich lang sind. Die hinteren Gliedmafsen sind eben-
falls wohl entwickelt; die vierte Zehe ist um den vierten Theil
länger als die dritte und hat 36 untere Querlamellen, welche
seitlich von den (an allen Fingern und Zehen) breiteren obe-
ren Querschuppen überragt werden. Der Schwanz ist lang, an
54 Gesammtsitzung
der Basis etwas abgeplattet, weiterhin ein wenig zusammenge-
drückt, oben und unten mit einer Längsreihe breiter Quer-
schuppen.
Olivenbraun oder olivengrün, auf dem Rücken mit kleinen
schwarzen und weilslichen Punkten; an der Körperseite eine
schwarze unregelmälsige Längsbinde mit helleren Punkten; Un-
terseite schmutzig gelb.
Totallänge . . . . SEE ER . . 07,235
Abstand des Schkanpeiräitdet von der Ohröffnung . 0,021
Kopfbretteit nk 211.07 11 BEER RE REN OO
Kopfhöhe 21.212007 ID BHrEHk MMS ITEIDERITEFATUI
Länge der vorderen Extremität . . » . 2... 07,033
Länge der Hand mit dem vierten Finger . . . . 0,013
Länge der hinteren Extremität . . . 2 2... 0,043
Länge des Fulses mit der vierten Zee . . . . 0,020
Länge des Schwanzes . . » 2. 2 2.2 0°2..2.. 07,144
Körperbreite . . .. .» Fa a BEE BE 35,
Scheint am nächsten yerwandt zu sein mit E. atrocostatus
(Freycinetii), Baudinü, CGartereti', von welchen sie aber schon
durch die kurze Gestalt des Frontale leicht zu unterscheiden ist.
Von Hrn. Dr. F.Jagor in Paracalı auf der Insel Luzon
und in Catbalongan auf der Insel Samar entdeckt.
20. Lygosoma (Hinulia) Jagoriin. sp.
Körperschuppen in 39 Längsreihen, Supraorbitalia 5, sonst
im Habitus, in der Beschaffenheit des Augenlides, der Ohröff-
nung und in der Färbung sehr ähnlich dem Z. melanopagon
Müll. — Unter den Exemplaren, welche Hr. Jagor auf den
Philippinen gesammelt hat, befindet sich eins, dessen Frontopa-
rietalia verwachsen sind; die genaueren Fundorte sind Boron-
gan auf der Insel Samar und Taclobang auf der Insel Leyte.
21. Lygosoma (Hinulia) acutum n. sp.
L. rostro elongato depresso, subconico; supra brunneum,
nigro maculatum; taenia a rostro per oculum ducta fascüsque
lateralibus nigris; inferiore laterum parte virescente, nigro ad-
spersa; subtus flavescens.
Im Habitus hat diese ausgezeichnete Art am meisten Ähn-
lichkeit mit Z. smaragdinum, von welchem sie sich aber, abgesehen
von der Färbung, durch die kleinen Schüppchen am Hacken,
vorn 14. Januar 1864. 55
durch eine noch längere Schnauze und manche Eigenthümlich-
keiten in der Pholidosis des Kopfes und Körpers leicht unter-
scheiden läfst. Auch Euprepes (Mabuya) Samoensis Hombr.
Jacg. hat mit ihr einige Ähnlichkeit, läfst sich aber als einer
anderen Abtheilung angehörig, welche mit Supranasalia versehen
ist, so wie auch schon wegen der kürzeren Schnauze nicht mit
ihr verwechseln. _
Die Schnauze ist lang, oben abgerundet, die Entfernung
zwischen Auge und Schnauzenende um 2% gröfser als die Ent-
fernung der Augen von einander oder ihre Entfernung von
der Ohröffnung. Das Rostrale ist convex, doppelt so breit wie
hoch, stölst oben mit einem graden Rande an das Internasale
und mit zwei concaven Rändern an das jederseits einfache Na-
sale, welches eine rhomboidale Gestalt hat und in dessen Mitte
das grolse runde Nasenloch sich öffnet. Das grofse Internasale
ist rhomboidal, fast dreieckig, kaum breiter als lang und füllt
den Raum zwischen den Nasalia und den vorderen Frenalia aus;
mit einem sehr stumpfen abgerundeten hinteren Winkel schlielst
es sich den ihm an Länge gleichen Praefrontalia an, welche
nach aufsen mit den beiden hinteren Frenalia, inwendig unter
einander in Verbindung stehen. Das Frontale medium ist rhom-
-boidal; sein vorderer kürzerer Theil legt sich mit sehr concaven
Rändern und einem spitzen Winkel zwischen die Praefrontalia,
während sein hinterer längerer Theil mit der Spitze an ein ein-
faches herzförmiges Frontoparietale stölst, seitlich aber von den drei
ersten Paaren der Supraorbitalia eingeschlossen wird; die beiden
seitlichen, im vorderen Drittel dieses Schildes befindlichen Win-
kel stolsen an das Frenoorbitale superius. Das Interparietale
hat ganz die Gestalt des Frontale, ist aber nur reichlich halb
so grols; die Parietalia sind grols und hinten abgerundet. Jeder-
seits 6 Supraorbitalia, von denen das dritte das breiteste ist.
Hinter dem Nasale folgen drei an Gröfse zunehmende Frenalia
auf einander, von denen das leizte an ein ziemlich langes Ante-
orbitale stölst. Supralabialia 8, länger als breit; das 5te und
6ie, so wie ein Theil des 4ten und 7ten unter dem Auge,
von demselben durch zwei Längsreihen kleiner Schuppen ge-
trennt. Das untere Augenlid undurchsichtig, überall beschuppt.
Die Ohröffnung ist senkrecht elliptisch, mit ganz glatten Rändern.
56 Gesammtsitzung
Der Körper ist von glatten Schuppen bekleidet, welche in
der Körpermitte 27 Längsreihen bilden; der Rücken wird von
4 Reihen breiterer Schuppen bedeckt, von denen die der bei-
den mittleren Reihen besonders breit sind. Eben so decken
den Schwanz oben und unten eine Reihe breiter seitlich nur
durch eine einfache Reihe getrennter Schuppen. Die vorderen
Extremitäten sind gestreckt, reichen aber dennoch nur bis zur
Mitte der Frenalgegend; der dritte und vierte Finger sind die
längsten und fast gleich lang. Auch die hinteren Extremitäten
sind wohl entwickelt und die Zehen schlank, so wie die Finger
etwas seitlich zusammengedrückt; von der ersten bis vierten
Zehe nehmen sie rasch an Länge zu, so dafs diese vierte Zehe
um die Hälfte länger als die gleich lange dritte und fünfte: ist.
Die Oberseite des ganzen Thieres ist chocoladebraun; auf dem
Nacken beginnen zwei Reihen unregelmäfsiger schwarzer Flecken, |
welche meist in der Mitte miteinander verschmelzen. Am Na-
senloch beginnt eine schwarze Binde, welche durch das Auge und
über dem Ohr hingehend an der Halsseite verläuft, und an der
Körperseite durch eine breite Binde schwarzer fast viereckiger
Flecken vertreten wird, welche sich an dem Schwanze verlieren.
Die unter dieser schwarzen Binde befindlichen Theile des Ko-
pfes, Halses und der Körperseiten sind graugrünlich mit klei-
neren schwarzen Flecken, während die ganze Unterseite des
Thieres, mit Ausnahme der schwarz punktirten Infralabialia gelb--
lich ıst. Die Gliedmalsen sind oben auf braunem Grunde
schwarz gestrichelt, die Finger und Zehen abwechselnd schwarz
und gelblich quergestreift, in ähnlicher Weise wie bei EZ. Sa-
moensıs. .
Totallänge . . . 0”,163
Abstand der Schamane von we Obrökfuung: 0”,0107
Koptbreite „al. sltlye sah naeh. io + urehte innen 00098
Kopfhöhe . . . .» ns jahr uenlyh alaart 00
Länge der vorderen Extremität sah ana, ae hl
Länge der Hand mit dem vierten Finger. . . . 0”,009
Länge der hinteren Extremität . . » 2» 2... 0”,037
Länge des Fulses mit der vierten Zeke . . . . 0,017
Länge des Schwanzes . .. .. 1. send rnsan. dl 0099
Körperbreite.. 1» 1. “042.10 lla- Ilsaaduaa Ir urn 05010;
vom 14. Januar 1864. 57
Die Sammlung des Hrn. F. Jagor enthielt ein einziges
Exemplar von Loquilocun, auf der Insel Samar.
22. Eumeces (Wiegm., Plestiodon D um. Bibr.) quin-
quelineatus D. B. var. Japonicus.
Die mit der nordamerikanischen Art vereinigten Exemplare
von Japan scheinen mir davon getrennt werden müssen, da sie,
ungeachtet grolser Ähnlichkeit, sowohl in der Körpergestalt,
wie in der Färbung doch manche Verschiedenheiten zeigen. Ich
will hier nur hervorheben, dafs die Japanische Varietät (oder
Art), nach Exemplaren, welche Hr. Dr. von Martens mitbrachte,
grölsere Körperschuppen hat, welche um die Mitte des Körpers
nur 26 Längsreihen bilden und dafs die Krallen derselben auffallend
länger und weniger gekrümmt sind, als bei der nordamerikanischen.
23. Heteropus Schlegelii n. sp.
Stimmt mit H. fuscus D. B. durch die durchsichtige Scheibe
des unteren Augenlides, durch die glatten Nackenschuppen und
die dreikieligen Rückenschuppen überein, unterscheidet sich aber
von ihm, dafs 1) 2 Frenalia vorhanden sind; 2) von den 7 Su-
pralabialia das fünfte, welches unter dem Auge liegt, fast so
lang, wie die drei vorhergehenden zusammen ist; 3) der vordere
Rand der Ohröffnung mit 3 bis 4 kleinen vorspringenden Schup-
pen versehen ist. Die Farbe ist oben braun, mit einigen hellen
Punkten und drei schwarzen Längslinien, von denen die äulsere
durch einen gelblichen über dem Auge entspringenden Streifen
von einem breiteren dunkelbraunen Seitenstreifen getrennt ist;
die Unterseite ist gelbgrünlich; der Schwanz des einen Exem-
plars ist röthlich, der des andern oben bräunlich mit gelblichen
Punkten.
Totallänge . . . un. werd
Distanz des ne inenendss vom ok ie 0,00
Konikbeeiter „I ann, 6 ne een art. 080078
Konäkohen 2 amsnlsaliteui nahen. 808,006
Länge der.vorderen Extremität . . - - s 09,017
Länge der Hand mit dem dritten längsten Enger » 102,007
Länge der hinteren Extremität . . . 2.2... 07,024
Länge des Fulses mit der vierten Zee . . . . 0,0105
Bance des Schwanzes) u u. 20.2. 0.0.200.20.280,077
Könperbreiten. a nos a an. .e 0000%,
58 Gesammtsitzung
Zwei Exemplare dieser Art befanden sich in einem Glase
zusammen mit E. (Mabuya) cyanurus Less. aus Timor; diese
hat unser Museum bereits vor mehreren Jahren von dem Lei-
dener erhalten. Zwei andere Exemplare hat, wie ich hier nach-
träglich anführen kaun, Hr. Dr. von Martens auf Amboina
gesammelt.
Derselbe übergab der Akademie den Schlufs der Bo-
tanik von seinem Reisewerke „Naturwissenschaft-
liche Reise nach Mossambique” und sprach dabei sein
Bedauern aus, dafs über manche der gesammelten, theilweise
bereits abgebildeten Pflanzen sich keine genauere Nachricht
hätte geben lassen, weil sie späterhin verloren gegangen seien.
Der gesammte botanische Theil (73 Bogen mit 61 schwarzen
Steindrucktafeln) enthält Nachrichten über etwa 600 Pflanzen,
welche meistens in Mossambique, von Mossimboa bis zur De-
lagoa Bay, zum Theil auf der Insel Zanzibar und der Comoren-
insel Anjuan gesammelt worden sind. Über die Hälfte (325) der
angeführten Pflanzenarten sind neu für die Wissenschaft. Sämmt-
liche Pflanzen vertheilen sich in 323 Gattungen, von denen 32
neu sind. Von Zeguminosae sind 91, von Myrtiflorae 3, Calyci-
florae 17, Gruinales 2, Terebinthineae 7, Tricoccae 22, Fran-
gulaceae 5, Polygalinae 3, Acera 3, Hesperides 1, Guttiferae 1,
Columniferae 38, Caryophyllinae 11, Parietales 6, Peponiferae 6,
Nelumbia 3, Rhoeades 17, Polycarpicae 6, Corniculatae 1,
Discanthae 5, Petalanihae 5, Personatae 62, Tubiflorae 33,
Nuculiferae 29, Contortae 27, Caprifolia 22, Campanulinae 7,
Aggregatae 35, Serpentariae 1, Oleraceae 13, Juliflorae 2, Agua-
ticae 1, Principes 7, Spadiciflorae 3, Fluviales 1, Gynandrae 4,
Ensatae 3, Coronariae 6, Enantioblastae 8, Glumaceae 65,
Musci 2, Pilzen und Flechten 6 Arten aufgeführt.
u 46
vom 14. Januar 1864. 59
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 10. Jahrgang. Nürnberg
1863. 4.
Annales des mines. Tome 4, Livr. 4. Paris 1863. 8. Mit Rescript
vom 11. Januar 1864.
Commission royale pour la publication des anciennes lois et ordonnances
de la Belgique. Cahier 11. Bruxelles 1863. 8. Mit Rescript
vom 13. Januar 1864.
Karte über die Production und Circulation der mineralischen Brennstoffe
in Preu/sen im Jahr 1862. Mit Rescript des Handelsministeriums
vom 6. Januar 1864.
Annuaire de Funiversite de Louvain. Annee 28. Louvain 1864. 8.
Peters, Naturwissenschaftliche Reise nach Mossambique. Botanik.
Berlin 1862—1864. 4. Überreicht von Hrn. Peters.
18. Januar. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Beyrich las über einige Trias-Ammoniten
aus Asien.
Im Jahre 1840 wagte Leopold von Buch zuerst!) aus
der Betrachtung eines einzelnen Ammoniten, des dmm. Bog-
doanus, die Folgerung zu ziehen, dals die Formation des Mu-
schelkalkes, welche jenseits der Weichsel völlig verschwunden
schien, mit den ihr eigenthümlichen organischen Resten in der
astrachanischen Steppe zwischen der Wolga und dem Ural wie-
der auftreten müsse; denn dieser Ammonit zeige Loben an den
Rändern seiner Kammern, welche nur der Gruppe der Ceratiten,
daher dem Muschelkalk zukommen können. Wenige Jahre dar-
auf, im Jahre 1845, lehrte der Graf Keyserling eine ganze
Reihe ausgezeichneter Ceratiten kennen, welche Th. von Mid-
dendorff vom Flusse Olenek im äuflsersten Norden von Sibi-
rien nach St. Petersburg gebracht hatte. Nach dieser glänzen-
den und überraschenden Entdeckung, schrieb Buch im J. 1849,
*) Karsten’s Archiv XV. S. 98.
60 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
lasse sich erwarten, dafs man den Muschelkalk nun auch bald
in anderen fernen Ländern auffıinden werde, im Innern von
Asien, in China, in Thibet; und schon im J. 1855 berichtete
Greenough, dafs im Himalaya die Formation des Muschel-
kalks wirklich vorhanden sei, erfüllt von Resten einer Fauna,
welche durch das Zusammenliegen von Ceratiten, Goniatiten
und anderen Ammoniten mit zerschnittenen Loben Ähnlichkeit
erhalte mit derjenigen von St. Cassian in den Alpen. Eine
genauere Beschreibung dieser merkwürdigen Fauna ist nicht be-
kannt gemacht worden; indefs hatte Hr. Suels im Jahre 1862
Gelegenheit, die in London aufbewahrten Sammlungen näher
zu betrachten und bestimmte') eine ganze Reihe von Arten,
unter welchen sich die auszeichnendsten und eigenthümlichsten
Cephalopoden-Formen verschiedener alpiner Trias-Schichten be-
finden. Von Anderem ist das häufige Vorkommen der Holobia
Lommeli bemerkenswerth, welche durch Hochstetter an einem
anderen weit entfernten Punkt auf der südlichen Hemisphäre,
auf Neuseeland, gefunden wurde. Diesen wenigen, noch durch
grolse Erdräume von einander getrennten Gegenden, aus wel-
chen Muscheln, denen des europäischen Muschelkalks oder der
Triasbildungen der Alpen ähnlich, bisher bekannt wurden, lälst
sich als ein neuer Punkt die Insel Timor anreihen, ihrer geo-
graphischen Lage nach sich etwa in die Mitte stellend zwischen
die Triasformation in den indischen Hochgebirgen und die von
Neuseeland. Vielleicht sichrer noch als die Halodia Lommeli
für Neuseeland zeigt der im Folgenden beschriebene Ammonites
megaphyllus für Timor das Vorhandensein einer Formation an,
welche ihren organischen Resten nach sich den Triasbildungen
der europäischen Alpen zur Seite stellen wird; derselbe gehört
zu einer Sammlung von Gebirgsarten und Versteinerungen,
welche der deutsche Arzt Dr. Schneider in der Gegend von
Koepang angelegt und auf Veranlassung des Hrn. Dr. von
Martens an das hiesige mineralogische Museum eingesendet
hat. Zwei andere Ammoniten, deren Beschreibung ich voraus-
schicke, Ammonites peregrinus und drachyphyllus fanden sich
‘) Jahrbuch der k. k, geol. Reichsanstalt von 1862, Verhandlungen
S. 258.
vom 18. Januar 1864. 61
unter andern zum Theil jurassischen Versteinerungen, welche
der Missionsprediger Prochnow aus Ladagh in Kaschmir her-
gebracht hat; sie werden derselben Trias- Formation angehören,
über deren Natur die Mittheilung des Hrn. Suels zuerst einen
bestimmteren Aufschluls gegeben hat.
1. Ammoniies peregrinus.
ANDIN,N,n“
Lobenlinie in natürlicher Grölse.
Ein Bruchstück, welches auf einen Ammoniten von etwa
3 Zoll Durchmesser schlielsen lälst, besteht aus dem dritten
Theil der letzten gekammerten Windung mit einem kleinen
Rest der Wohnkammer, und einem darinsteckenden Theil der
vorhergehenden Windung. Es ist ein Steinkern von blaugrauem
Kalkstein, nicht unähnlich ın der Erhaltung einem Petrefakt aus
deutschem Muschelkalk. Die Lobenlinien sınd auf den vorhan-
denen Theilen der beiden Windungen gut erhalten. Der Am-
monit hatte die Form einer flachen Scheibe mit fast ebenen
Seiten, die sich ohne Absatz sanft zur Naht senken und sich
ebenso ohne Kante zu dem schmalen, gerundeten Rücken um-
biegen. Etwa ein Drittel der inneren Windung wird von der
äufseren umhüllt, so weit, dafs nur ein kleiner Theil des oberen
Lateral-Lobus auf der freiliegenden Seite sichtbar bleibt. Die
Schale war glatt, wenigstens sicher ohne stärker hervortretende
Ornamente, von denen der wohl erhaltene Steinkern Spuren
zeigen mülste. Der Verlauf der Lobenlinie unterscheidet sich
nicht von demjenigen bekannter Arten des deutschen Muschel-
kalks.. Der obere und untere Lateral-Lobus sind von gleicher
Form und Gröfse, getrennt durch einen Lateral-Satiel, der etwas
höher als die benachbarten beiden Sättel ansteigt. Über vier
einander gleichen stärkeren Zähnen, welche in flachem Bogen
den Boden der Loben einnehmen, lassen sich jederseits noch
ein bis drei kleine, an der Seiten der ganzrandig bleibenden
62 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Sättel sich hinaufziehende Zähnchen unterscheiden. Der Verlauf
der Linie vom Ventral-Sattel zur Naht hin läfst sich als ein
unvollkommen ausgebildeter Auxiliar-Lobus deuten, dessen Ven-
tralwand zur Naht nur wenig ansteigt.
Der Ammonites peregrinus steht wahrscheinlich in den Loben
wie in der Form dem ebenfalls aus dem indischen Hochgebirge
herstammenden Ammoniten sehr nahe, welchem Valenciennes
in der Sammlung des Jardin des plantes den Namen Ammonites
Jacguemontü beilegte.e. L. von Buch gab in der Abhandlung
über Ceratiten, in den Schriften der Akademie vom Jahre 1849,
eine Beschreibung, zu welcher ein durch Valenciennes nach
Berlin gelangter Gyps-Abguls die .zur genauen Bestimmung der
Art kaum genügenden Daten lieferte. Die Zeichnung der Lo-
benlinie in der Abhandlung über Ceratiten Taf. VII. Fig. 3.
giebt mehr und Anderes, als an dem Abguls beobachtbar ist.
Der Umstand, dafs alle anderen indischen Ammoniten, welche
durch Jacquemont nach Paris gebracht waren, nur auf Jura-
Formen deutbar waren, scheint die Annahme von Analogieen mit
jüngeren Kreide- Ammoniten hervorgerufen zu haben, die mit
Ceratiten des Muschelkalks nur in sehr gezwungener Weise ver-
glichen werden können. Wohl wäre es wünschenswerth, dafs
das Original des Amm. Jacquemonti in Paris einer genaueren
Untersuchung unterworfen würde; es ist ein Fragment von an-
scheinend ähnlicher Erhaltung wie der Amm. peregrinus.
Wollte man den Ammoniten von Ladagh mit einem Cera-
titen des deutschen Muschelkalks vergleichen, so würde derselbe
in der Form etwa einem stark zusammengedrückten Amm. eno-
dis Qu., Cephalopoden Taf. 3. Fig. 15., ähneln; nach.der Lo-
benlinie aber mülste er solchen Ceratiten des unteren Muschel-
kalks näher gestellt werden, bei welchen sich auf dem involvi-
renden Theil der Kammerwand keine längere Reihe von Auxi-
liarloben ausbildet, wie sie allen unseren Ceratiten des oberen
Muschelkalks zukömmt. Solche ältere Ceratiten sind der Amm.
Ottonis Buch, Ceratiten Taf. IV. Fig. 4. bis 6., dessen Loben,
wie sich an besser erhaltenen Stücken beobachten liels, im Grunde
gezähnt sind wie bei anderen normalen Ceratiten, dann der
Ammonites antecedens in der Zeitschrift der deutschen geologi-
schen Gesellschaft 1858 Taf. 4. Fig. 4.; Ammonites Strombecki
vom 18. Januar 1864. 63
Griep., daselbst 1860 Taf. VII., und wahrscheinlich auch der
Ammonites Schimperi aus dem bunten Sandstein von Sulzbad,
in den M&moires de la soc. d’hist. nat. de Strasbourg von 1853.
Wahre Ceratiten, d. h. Ammoniten mit Loben, welche
wirklich denen des Ammonites nodosus gleichen, können auch
heute noch überall als sichere Leitformen für Triasformationen
gelten. Ammoniten mit wenig zerschnittenen Loben kommen
zwar noch im Jura und in der Kreide vor; aber nie werden
die Loben denen der Ceratiten gleich und nie werden sie so
vollkommen ganzrandig, wie L. v. Buch, getäuscht durch
unvollkommene Erhaltung der beobachteten Stücke, in der an-
geführten Abhandlung für einige Arten annahm. Noch weniger
ist ein wahrer Ceratit in paläozoischen Formationen gefunden
worden. Der Ammonites peregrinus würde daher für sich allein
das Vorhandensein des Muschelkalks im Himalaya mit gleicher
Sicherheit beweisen, wie der Ammonites Middendorffi und seine
Begleiter den nie angezweifelten Muschelkalk an den Rändern
des Eismeers erkennen lielsen.
2. Ammonites brachyphyllus.
D
L l
Lobenlinie in etwa dreifacher Vergrölserung.
Ein stark verdrückter Steinkern eines Ammoniten von der
Form eines jurassischen Coronaten oder mehr noch eines weit
genabelten Macrocephalen, jedoch glatt, ohne Spur von Rippen
oder anderen Ornamenten der äulseren Schale. Der breit ge-
wölbte Rücken verbindet sich in abgerundeter Kante: mit einer
schmalen, dem wahrscheinlich trichterförmig gestalteten Nabel
angehörenden Nahtfläche. Mit Zufügung der nicht erhaltenen
Wohnkammer würde der Durchmesser des Ammoniten kaum
1 Zoll betragen. Die Lobenlinie allein giebt dem Stück Inter-
64 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
esse und führt zu Vergleichungen mit Trias- Ammoniten der
deutschen Alpen. Oberer und unterer Lateral-Lobus sind von
gleicher Form und Gröfse, unten in drei einfache Spitzen aus-
laufend, jederseits mit drei kurzen Einschnitten, über welchen
noch ein oder zwei noch kürzere Kerben in die Sättel ein-
schneiden. Der Dorsal-Lobus unterscheidet sich nur durch die
mittlere Erhebung des Siphonal- Sattels, welcher bis zur halben
Höhe der Seiten aufsteigt. Auf den unteren Lateral-Lobus fol-
gen bis zur Nabelkante noch zwei durch einen schmalen kürze-
ren Sattel getrennte Auxiliar-Loben, deren erster noch die drei-
spitzige Form der Lateral-Loben angedeutet zeigt; ein dritter
kleiner Auxilar-Lobus, nicht deutlich sichtbar, scheint noch auf
der Nahtfläche zu stehen.
Ammoniten von ähnlicher Form und zugleich ähnlichem
einfachen Bau der Lobenlinie sind mehrfach aus alpinen Trias-
Schichten bekannt geworden. Meist sind es klein bleibende
Gestalten, bei welchen die Vorstellung nahe liegt, dals sie nur
den Jugendzustand von Arten darstellen könnten, die im Alter
sehr verschiedene, stark zerschnittene Kammerränder besitzen.
So deutete Giebel die zwei zuerst beschriebenen Arten von
St. Cassian, welche ich in die Reihe der Formen stellen möchte,
mit denen Amm. brachyphyllus vergleichbar ist, den Amm.
Meyeri Klipst. Östl. Alpen Taf. 7. Fig. 2. und den 4mm. Gold-
fussil desselben Autors, a. a. O. Taf. 6. Fig. 4. Indels sind in
den nicht hoch genug zu schätzenden Arbeiten Franz von
Hauer’s andere Arten von Hallstadt und Aussee beschrieben
worden, welche zeigen, dafs die alpine Trias eine mannichfäaltig
sich ausbildende Gruppe von Ammoniten einschliefst, welche
bei analoger Form auch in ausgewachsenem Zustande den ein-
fachen Bau der Loben behalten, wie ihn Klipstein bei den
angeführten Arten von St. Cassian darstellte. Diese sind die
im neunten Bande der Wiener Denkschriften beschriebenen
Amm. Ehrlichi, Amm. alterneplicatus, Amm. inermis und Amm,
decrescens, denen sich der Amm. galeolus der Wiener Sitzungs-
berichte von 1860 wird anschliefsen lassen.
Alle diese Ammoniten könnten als eine besondere kleine
Gruppe der Brachyphyllen zusammengefalst werden, wenn
man sie nicht als Untergruppe mit einer der alten schon von
vom 18. Januar 1864. 65
L. v. Buch unterschiedenen sogenannten Familien und zwar
mit den Macrocephalen als Brachyphylie Macrocephalen verbin-
den wollte. Sie unterscheiden sich von den übrigen unter ein-
ander noch sehr ungleichartigen Ammoniten, welche nach
Quenstedt’s Vorgange unter dem Namen der Globosen zusam-
mengefalst zu werden pflegen, aulser der Einfachheit ihrer Lo-
ben durch die geringe Entwicklung der Auxiliare, von anderen
Triasammoniten mit vergleichbaren einfachen Loben durch die
Form und Skulptur. Den Brachyphyllen liefse sich noch als
Repräsentant einer besonderen, in mannichfaltigerer Entwick-
lung bis jetzt noch nicht bekannt gewordenen Nebenreihe der
Amm. globus Q. anschlielsen, ausgezeichnet durch die ausneh-
mende Breite des Dorsal- und Ventral-Sattels, in deren Mitte
sich ein einfacher langer Secundär-Lobus herabsenkt. Der Name
der Globosen sollte eingeschränkt werden auf Amm. bicari-
natus, Ausseeanus, Gaytani, subumbilicatus und verwandte, bei
welchen die ausnehmend zerschlitzte Lobenlinie mit unpaarig
getheilten Sätteln in eine lange Reihe allmälig an Gröfse ab-
nehmender Auxiliar-Loben ausläuft. Endlich würde noch eine
Gruppe der Tornaten zu unterscheiden sein für solche Arten,
welche die zierlich didymophyllisch getheilten Sättel des 4mm.
tornatus besitzen.
Die Globosen und Tornaten sind der alpinen Trias eigen-
thümliche Ammoniten-Gruppen; den Brachyphylien lassen sich
aber noch die kleinen Ammoniten des unteren und mittleren
Lias, Amm. laevigatus Sow. und Amm. globosus Ziet. anreihen.
Man würde daher auch aus dem Vorkommen des oben beschrie-
benen Ammoniten für sich allein nicht mit entscheidender Sicher-
heit das Auftreten alpiner Trias-Faunen folgern können.
[1864.] 5
66 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
3. Ammonites megaphyllus.
I RA
Lobenlinie in natürlicher Grölse.
Ein grofser, kugeliger Ammonit, ganz involut, etwa 4 Zoll
im Durchmesser bei 3 Zoll Dicke, ohne Wohnkammer. Man
könnte ihn der Form nach für einen grolsen Globosen, einen
Amm. bicarinatus oder Ausseanus halten, ja auch als Gestein
— ein dichter rother Kalkstein, in welchem Reste von Crinoi-
den zerstreut liegen — ist so ähnlich den rothen Kalksteinen,
der deutschen Alpen, dafs man denken könnte, dieser Ammonit
von Timor käme aus den Steinbrüchen von Hallstadt oder
Aussee. Aber nur in der äulseren Eorm ähnelt er einem Glo-
bosen; nach seiner Lobenlinie stellt er sich in die nächste Ver-
wandtschaft eines kleinen, zwar ganz involuten und rundrücki-
gen, aber flach scheibenförmig gestalteten Ammoniten, näm-
lich des Ammonites Jarbas, welchen der Graf Münster zuerst
als einen Ceratiten von St. Cassian beschrieb. Später fand ihn
v. Hauer zu Bleiberg in Kärnthen wieder und dann noch an
vielen anderen Orten in der Formation des Hallstädter Kalk-
stein. Man denke sich die kleine, 4 Zoll grofse Scheibe des
Ammonites Jarbas von St. Cassian zu einer Kugel aufgebläht,
und diese von der Grölse einer ansehnlichen Kanonenkugel, so
gewinnt man ein vollständiges Bild des Amrnonites megaphylus.
Die Lobenlinie des Ammonites Jarbas ist so eigenthüm-
lich, dals ihm kein anderer enropäischer Ammonit in gleicher
Weise zur Seite gestellt werden kann, wie der dmm. mega-
phyllus. Ganz deutlich, wenn auch etwas steif, ist schon die
Zeichnung, welche der Graf Münster gegeben hat, in den
Beiträgen zur Petrefaktenkunde IV. Taf. 15. Fig. 25., besser
vom 18. Januar 1864. 67
sind die Zeichnungen bei Quenstedt in dem Buch über die
Cephalopoden Taf. 18. Fig. 12. und die stark vergrölserte
Hauer’s in der Abhandlung über die Cephalopoden von Blei-
berg Fig. 15. Die auffällige Übereinstimmung wird besonders
in die Augen fallen, wenn man die Zeichnung v. Hauer’s mit
der oben gegebenen Lobenlinie des Ammonites megaphylius ver-
gleicht, wobei zu berücksichtigen ist, dals die letztere in natür-
licher Grölse ist, abgenommen nahe dem Ende der letzten noch
gekammerten Windung. Man sicht, dals hier ein eigenthüm-
liches System des Lobenbaues ausgebildet ist, welches unabhän-
gig von der Grölse des Ammoniten, von den innersten Win-
dungen bis zu den ansehnlichsten Dimensionen hinauf, ohne
erhebliche Änderung oder zunehmende Complicirung sich gleich
bleibt. Durch das Einschneiden eines grolsen, nach oben noch
einmal sich ausbuchtenden, im Übrigen vollkommen einfachen
Zahnes in die Seitenwände der Loben oberhalb ihrer Mitte er-
halten die Sättel die Form kugeliger Köpfe, welche in ihrem
oberen Umfange vollkommen ganzrandig bleiben. Fünf deut-
lich ausgebildete Auxiliarloben folgen dem oberen und unteren
Lateral, das ist die gleiche Zabl von Loben, welche v. Hauer
bei A. Jarbas angiebt. Quenstedt glaubt bis 9 Auxiliare bei
den kleinen Ammoniten von St. Cassian annehmen zn dürfen;
ich kann indels an unseren Stücken auch nur fünf wirklich aus-
gebildete Auxiliar-Loben unterscheiden. Das Einzige, was als
ein etwas wesentlicherer Unterschied zwischen den Loben der
Ammonites megaphyllus und Jarbas angesehen werden könnte,
ist die Theilung der Basis, welche bei ersterer Art in allen
Loben deutlich dreispitzig ist und nur dadurch unsymmetrisch
wird, dafs die seitlichen Spitzen durch die Sättelköpfe der vor-
hergehenden Kammerwand verhindert werden, sich frei auszu-
bilden. Man kann demnach bei unserem Ammoniten die sämmt-
lichen, in den einzelnen Loben vorhandenen Einschnitte auf die
Fünfzahl zurückführen, während Graf Münster und ebenso
v. Hauer die Basis der Loben des Amm. Jarbas symmetrisch
viertheilig, die Gesammtzahl der Einschnitte also sechszählig
darstellen. Quenstedt’s Zeichnung weicht dadurch ab, dals
sie nur den oberen Latcral-Lobus paarig, die übrigen Loben
5*
68 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
unpaarig getheilt zeigt; ich sehe an unseren Stücken sowohl
den oberen wie den unteren Lateral-Lobus constant paarig ge-
theilt und nur die Auxiliare schwanken zwischen unpaariger und
ganz unregelmäfsiger Anordnung der kleinen Zähne.
Als der Graf Münster den Ammonites Jarbas beschrieb,
waren keine anderen Ammoniten bekannt, denen die Art nach
der Lobenlinie hätte verglichen werden können, als die CGera-
titen. Es ist daher auch nicht zu verwundern, dafs er ıhn einen
Ceratiten nannte, vielmehr wäre damals die Vergleichung mit
einem Heterophyllen eine der sonderbarsten Combinationen ge-
wesen, während sie später für Quenstedt eine natürliche
wurde in Folge des Bekanntwerdens der merkwürdigen, zum
Theil wirklich den Heterophyllen ähnlich werdenden Ammoniten
des Hallstädier Kalkes, des Anmonites monophyllus oder Simonyi,
des Amm. neojurensis und anderer verwandter. Man würde
aber das Eigenthümliche, wodurch sich die Cephalopoden-Scehö-
pfung der Trias- Zeit so sehr auszeichnet, gänzlich verwischen,
wenn man dabei bleiben wollte, die Gruppe der Heterophyllen
so weit auszudehnen, dals noch Ammoniten wie Amm. Jarbas
und megaphyllus ihren Platz darin fänden. Auch hier wird es
zweckmälsig sein kleinere Gruppen zu unterscheiden, die nur
solche Formen einschlielsen, welche in unzweifelhaft nahen Be-
ziehungen zu einander stehen.
Es ist leicht, wenn man die Lobenlinie des Amm. Jarbas
oder des megaphyllius betrachtet, in den einfachen Zähnen des
Grundes und der Seitenwände der einzelnen Loben die Ele-
mente zu erkennen, auf welche sich die Hauptbuchtungen auch
in den zerschlitztesten Lobenlinien der jüngeren Ammoneen,
insbesondere auch der Formen mit ganz oder theilweise ge-
streckter Schale, zurückführen lassen. Man kann den tiefen ein-
fachen oder doppelten Zahn, durch welchen die sphärischen
Köpfe der Sättel begrenzt werden, für die einfachste Grund-
form der gewöhnlich zunächst unter den Einschnitten der Sättel
bei den zerschlitzteren Lobenlinien sich auszeichnenden Seiten-
bucht, und die drei oder vier Spitzen der Basis für die Anfänge
der grofsen paarigen und unpaarigen Äste halten, in welche sich
die Loben in ihrem Grunde zerspalten. Dieses deutliche Her-
vom 18. Januar 1864. 69
vortreten der gesetzmälsigen, bei weiterer Zertheilung nicht
wieder verschwindenden Anordnung der noch einfach bleibenden
Spitzen ist der wesentliche Unterschied, durch welchen die Lo-
benlinie dieser Ammoniten sich von denen der Ceratiten ent-
fernt, als eine eigenthümliche zu andern Ammoniten herüber-
führende Zwischenstufe. Aber es wäre willkührlich, in jenen
einfachen Verhältnissen nur die Anlage zur Ausbildung der einen
besonderen Gruppe Heterophyller Ammoniten suchen zu wollen;
eben so gut könnte man sich denken, dals aus den einfachen
Köpfen der Lobenlinie des Ammonites Jarbas durch weitere
Zertheilung in der einen oder anderen Weise die zerschlitzten
Sättel der Globosen oder der Tornaten entstanden seien. Viel-
leicht wäre man zu der letzten Vorstellung gekommen, wenn
statt des Ammonites Jarbas, welcher die Form eines jüngeren
Heterophyllen hat, der kugelförmige Ammonites megaphyllus,
welcher die Form der Globosen besitzt, in den deutschen Al-
pen gefunden wäre. Diese zwei Ammoniten allein können in
einer natürlichen Gruppe als Megaphyllen zusammengestellt
werden.
Den Megaphylien zunächst vergleichbar in der Lobenlinie
sind von anderen zu den Heterophyllen gestellten Ammoniten
der alpinen Trias Ammonites Simonyi Hau. oder monophyllus
Qu., dmm. sphaerophyllus Hau. und Amm, Morloti Hau. Sie
bilden eine andere der alpinen Trias eigenthümliche Gruppe der
Monophyllen, mit ungetheilten grofsen Sattelköpfen wie bei
den Megaphylien, aber mit nur zur Hälfte involuten Schalen
und höchstens drei Auxiliarloben; die Hauptloben der Seiten
haben schon ein entschiedeneres Übergewicht über die Auxiliar-
loben gewonnen und sind breiter zerspalten.
Der einzige zu den Heterophyllen gestellte Ammonit des
Hallstädter Kalks, der wirklich in engster Verwandtschaft zu
anderen jüngeren, jedoch nur im Lias vorkommenden, ebenfalls
zu den Heterophyllen gerechneten Ammoniten steht, ist der
Ammonites neojurensis Qu., die ihm verwandte Art des Lias
der Ammonites mimatensis d’Orb., welchem sich noch der
Ammoniües stella Sow. anreihen lälst, und vielleicht, wenn auch
durch seinen Kiel sehr abweichend, der Ammonites eximius Hau.
70 Gesammtsitzung vom 21. Januar 1864.
In dem Bau der Sättel gleichen diese Ammoniten zwar Hetero-
pbyllen mit geringer Zertheilung der Loben; sie unterscheiden
sich aber wesentlich durch ihre geringe Involubilität und die
schief zur Naht sich senkende Kammerwand. Die im unter-
sten Lias so isolirt erscheinenden Angulaten dürften diesen
Ammoniten zunächst ihren natürlichen Platz finden. Trennt
man sie als eine besondere Gruppe, die Desidenten, so ver-
schwinden die Heteropbyllen ganz aus der Gephalopoden- Fauna
der Trias. Den 4mmonites respondens Qu. oder amoenus Hau.,
der mit Heterophyllen gar nicht mehr vergleichbar ıst, hat
v. Hauer schon seit längerer Zeit aus dieser Familie entfernt,
zuerst in der Tabelle der Heterophyllen in den Sitzungsberich-
ten der Wiener Akadamie vom Jahre 1854.
Die einzigen Versteinerungen in der Sammlung des Dr.
Schneider, welche dem einschlielsenden Gestein nach dersel-
ben Formation auf Timor angehören könnten, wie der dmmo-
nites ımegaphyllus, sınd Inoceramus -Reste, vielleicht von zwei
Arten, deren eine sich durch eine tiefe Furche an der vorde-
ren Seite auszeichnet, und Stengelreste von Crinoiden, nicht
unähnlich denen des Encrinus liliifformis, gleich den Inoceramen
in Menge zusammengehäuft in demselben Gesteinsstück. Alle
anderen Versteinerungen der Sammlung sind von anderer Er-
haltung und beweisen die Existenz einer paläozoischen Forma-
tion mit einer reich entwickelten Fauna des Kohlenkalksteins.
21. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kirchhoff las: Bemerkungen zu den Urkunden
der Schatzmeister der anderen Götter (raum ruv
Mu Iewv).
Öffentliche Sitzung vom 28. Januar 1864. 71
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1866. Berlin 1863. 8.
Perrot, Exploration archeologique de la Galatie et de la Bithynie.
Livr. 5. 6. Paris 1862. folio.
Annales de chimie et de physique. Tome 69. Paris 1863. 8.
Th. Henri Martin, Memoire sur les observations astronomiques envoyces,
dit on, de Babylone en Grece par Callisthene. Paris 1863. 4.
Blanchet, Lettres adressees a la Gazette de Lausanne sur les maladies
des plantes. (Lausanne 1864.) 8.
28. Januar. Öffentliche Sitzung der Akade-
mie zur Gedächtnifsfeier König
Friedrichs II.
Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Hr. Haupt, er-
öffnete die Sitzung mit einem Vortrage über die Beziehun-
gen Friedrichs des Grolsen zur Entwickelung der
deutschen Litteratur.
Hierauf gab er nach der Vorschrift der Statuten eine Über-
sicht über die Geschichte der Akademie seit der letzten Jahres-
feier Friedrichs des Grolsen am 30. Januar 1863. Die Akademie
hat viele und schmerzliche Verluste zu beklagen.
Vier ihrer ordentlichen Mitglieder wurden ihr in dem abge-
laufenen Jahre durch den Tod entrissen.
Am 1. April 1863 starb Jacob Steiner, am 28. August
Elert Mitscherlich, am 20. September Jacob Grimm, am
27. Januar 1864 Heinrich Rose.
Am 22. October 1863 starb zu Frankfurt am Main Johann
Friedrich Böhmer, auswärtiges Mitglied der Akademie.
Am 22. Februar zu Florenz der Herzog Domenico di
Serradifalco, Ehrenmitglied der Akademie.
Die physikalisch-mathematische Klasse hat drei correspondie-
rende Mitglieder durch den Tod verloren.
72 Öffentliche Sitzung
Am 22. Februar 1863 starb zu Kopenhagen Daniel Frie
drich Eschricht.
Am 10. August zu Florenz Giovanni Battista Amici.
Am 20. Januar 1864 zu Turin Giovanni Plana,
Von den correspondierenden Mitgliedern der philosophisch
historischen Klasse sind gestorben:
Im Januar 1863 zu New York Edward Robinson.
Am 28. März zu Brünn Peter von CGhlumecky.
Am 1. Mai zu Genua Alberto della Marmora.
Am 25. Mai zu Christiania Peter Andreas Munch.
Am 13. Juli zu Bonn Johann Wilhelm Löbell.
Am 23. September zu Königsberg Johannes Voigt.
Am 31. October zu Karlsbad Joseph v. Arneth.
Am 16. November zu Paris Louis Ren& Villerme.
Zu auswärtigen Mitgliedern hat die Akademie durch von Sr.
Majestät dem Könige durch Kabinetsordre vom 11. Juli 1863
bestätigte Wahl ernannt die Herren
Wilhelm Weber in Göttingen und
Victor Regnault in Paris,
beide bisher correspondierende Mitglieder der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Zu correspondierenden Mitgliedern der physikalisch - mathe-
matischen Klasse sind gewählt worden die Herren
Karl Claus in Dorpat,
Charles Darwin in London,
Henri Sainte-Glaire-Deville in Paris,
Louis Hippolyte Fizeau in Paris,
Heinrich Eduard Heine in Halle,
Philipp Ludwig Seidel in München.
Vom dem Sekretariate der physikalisch-mathematischen Klasse
ist nach 38jähriger Amtsführung Hr. Encke zurückgetreten.
An seiner Stelle ward Hr. Kummer gewählt und die Wahl
durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 2. December 1863 be-
stätigt.
vom 28. Januar 1864. 73
Die Akademie hatte in dieser Sitzung eine ehrenvolle und
willkommene Pflicht zu erfüllen.
Am 18. Juni 1844 erliefs König Friedrich Wilhelm IV.
ein Patent, in welchem er für das beste Werk, welches im Be-
reiche der deutschen Geschichte je von fünf zu fünf Jahren in
deutscher Sprache erscheint, einen Preis von Eintausend Thalern
Gold nebst einer goldenen Denkmünze auf den Vertrag von Ver-
dun bestimmte.
Nach den ferneren Festsetzungen dieses Patentes und einer
von des jetzt regierenden Königs Majestät am 22. December
1862 erlassenen Ordre bildet der Minister der geistlichen, Unter-
richts- und Medicinal-Angelegenheiten für die jedesmalige Preis-
ertheilung aus ordentlichen Mitgliedern oder Ehrenmitgliedern
der Akademie der Wissenschaften und aus ordentlichen oder
aulserordentlichen Professoren von den sämmtlichen preufsischen
Landesuniversitäten eine Commission von neun Mitgliedern, wel-
che nach Stimmenmehrheit beschliefst. Ihr Beschlufs wird Sr.
Majestät dem Könige zu Allerhöchster Bestätigung vorgelegt.
Die öffentliche Ertheilung des Preises erfolgt in der zur Feier des
Jahrestages Friedrichs des Grolsen stattfindenden öffentlichen Sit-
zung, der Akademie der Wissenschaften.
Diesen Bestimmungen gemäls verkündete die Akademie, dafs
Sr. Majestät der König geruht haben dem ordentlichen Professor
der Geschichte an der Universität zu Heidelberg Dr. Ludwig
Häusser für seine Deutsche Geschichte seit dem Tode Friedrichs
des Grolsen, die in zweiter und dritter Ausgabe vermehrt und
umgestaltet seit der letzten Preisertheilung erschienen ist, den im
Allerhöchsten Patente vom 18. Juni 1844 bestimmten Preis von
Eintausend Thalern Gold nebst einer goldenen Denkmünze auf
den Vertrag von Verdun zu ertheilen.
|1864.] 6
74 Öffentliche Sitzung
Hierauf berichtete Hr. Trendelenburg über den Stand
der Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen.
In den Statuten der Humboldtstiftung für Naturforschung
und Reisen $. 34 wird die öffentliche Sitzung der Akademie der
Wissenschaften zur Feier des Jahrestages König Friederiehs des
Zweiten zu einer Nachricht über die Stiftung bestimmt.
Der vor einem Jahr erstatiete Bericht des Curatoriums
schlofs für den 31. Dec. 1862 mit dem Nachweis eines Kapital-
vermögens in zinstragenden Effecten von überhaupt 44,350 Rthlr.
und 34 Rihlr. 5 Sgr. 11 Pf. baar.
Inzwischen hat sich das Stiftungsvermögen um die zweite
Rate des Allerhöchst bewilligten Königl. Beitrags von 10,000
Rihlr. d. h. um 3333 - Rthlr. gemehrt, wozu noch nachträgliche
bei der K. Regierungshauptkasse zu Aachen eingegangene Beiträge
mit 13 Rthlr. 12 Sgr. 6 Pf. hinzutreten. Darnach betrug das
Stiftungsvermögen am 1. Januar d. J. 48,800 Rthlr. zinstragend
und 41 Rthlr. 29 Sgr. 1 Pf. baar.
Die im vorigen Jahre als verwendbar angezeigte Summe von
3569 Rthlr., aus dem Ertrag zweier Jahre erwachsen, ist statu-
tenmälsig einem wissenschaftlichen Unternehmen überwiesen wor-
den, wogegen an Zinseneinnahme von 1863 nunmehr 2162 Rithlr.
10 Sgr. 2 Pf., oder rund 2150 Rithlr. für 1864 zu Stiftungs-
zwecken bereit sind und für diese zur Verfügung der K. Akade-
mie der Wissenschaften kommen werden.
Es war erfreulich, dafs die Humboldtstiftung in diesem Jahre
den ersten wissenschaftlichen Reisenden entsenden konnte.
Dr.Reinhold Hensel, Lehrer der Naturwissenschaften an der
hiesigen Handelsschule, der gelehrten Welt durch zoologische und
palaeontologische Arbeiten bekannt, von dem eine Abhandlung
über Aipparion mediterraneum in die Denkschriften der Akade-
mie vom Jahre 1860 aufgenommen worden, entwarf den Vor-
schlag zu einer Reise nach Süd-America, um in der Pampasfor-
mation der Argentinischen Staaten und der Banda oriental, so wie
in den Knochenhöhlen Brasiliens in Minas geraes und in der süd-
lichen Provinz Rio grande do Sul fossile Überreste, insbesondere
von Säugethier -Skeleten, planmälsig aufzusuchen und einzusam-
vom 28. Januar 1864. 75
meln. Das gewählte Terrain verspricht Ausbeute und die Ergeb-
nisse werden sich in grölsere Fragen der wissenschaftlichen For-
schung einreihen. Die in jenen Gegenden bisher aufgefundenen
fossilen Skelete und Knochen gehören insbesondere den Edentaten
und Pachydermen so wie den Raubthieren und Affen an, doch
sind bis jetzt nur wenige Skelete dieser urweltlichen Riesenthiere
nach Europa gekommen; von kleinern Thieren, welche leicht dem
unkundigen Auge entgehen, kennt man meistens nur einzelne
Stücke. Daher steht zu hoffen, dals eine umsichtige sachverstän-
dige Nachspürung das Material für wichtige Fragen ergänzen
werde, namentlich für die Fragen, über die genaue systematische
Stellung eines grofsen Theiles der bisher aufgefundenen fossilen
Thiere, über den Anschluls der jetzt lebenden Thierwelt an die
untergegangene, über die Beziehung der jüngern geologischen
Formationen in Europa zu der Pampasformation in Süd-America.
Die physikalisch- mathematische Klasse empfahl den Plan und
sah in Dr. Reinh. Hensel den rechten Mann für ein solches
Unternehmen. Die Gesammtakademie genehmigte ihre Wahl und
demnach überwies das Curatorium dem Dr. Reinh. Hensel für
den Zweck dieser wissenschaftlichen Reise und nach näherer Ver-
abredung die verfügbare Summe von 3569 Rthlr. Das K. Ministe-
rium der auswärtigen Angelegenheiten nahm sich, wie bisher,
auch in dieser Sache der Humboldtstiftung fürsorgend an, und
unterstützte die Bestimmung des Reisenden durch die gesandt-
schaftlichen Beziehungen. Der Königl. grofsbritannische Bot-
schafter, so wie angesehene Hamburger und Bremer Handelshäu-
ser versahen ihn mit guten Empfehlungen. Insbesondere gab ihm
der gerade hier anwesende K. Geschäftsträger in den La Plata
Staaten Generalconsul in Montevideo, Hr. von Gülich wohl-
wollende und erfahrene Anleitung. Auf diese Weise ausgerüstet
schiffte sich Dr. Hensel im September v. J. im Havre nach Bra-
silien ein. Das Curatorium empfing gerade in diesen Tagen
durch die geneigte Mittheilung des K. Ministeriums der auswärti-
gen Angelegenheiten Nachricht von Dr. Hensel’s glücklicher
Ankunft in Rıo Janeiro und seiner Weiterreise nach der Provinz
Rio Grande do Sul. Es ist eine wesentliche Förderung des Un-
76 Öffentliche Sitzung vom 28. Januar 1864.
ternehmens, dals auf Verwendung des Königl. Herrn Gesandten
die Kaiserl. brasilianische Regierung dem Dr. Hensel für seine
Person freie Fahrt auf ihren Dampfschiffen vom Rio de la Plata
bis in den Lorenzflufs tief im Innern Süd-America’s, nämlich von
Montevideo bis Cuyaba in Matto Grosso, gewährt, und ihn den
Präsidenten der Provinzen Rio Grande do Sul, Sao Paulo und
Santa Catharina empfohlen hat. Das Guratorium der Humboldt-
stiftung erkennt dankbar jede Uuterstützung, welche dem Unter-
nehmen und dem Dr. Reinhold Hensel zu Theil wird, und
wünscht, dafs es gelinge, denselben in jenen Gegenden so lange
zu halten, bis seine bewährte Ausdauer und Einsicht wesentliche
Ergebnisse für die Wissenschaft zu Tage gebracht hat.
Möge dies erste hoffnungsreiche Unternehmen der Humboldt-
stiftung, obgleich in seinen Mitteln noch beschränkt und daher
schüchtern begonnen, die thätige Theilnahme und den fördernden
Eifer wieder wach rufen, welche die Gründung einer Stiftung in
Alexander von Humboldts Geiste möglich machten. Die Aufgabe
der Reise ist in seinem Sinne gedacht; die ersten Schritte sind
in seinem Sinne geschehen; mögen die Förderung, auf die sie
hofft, und der Erfolg demselben edlen Sinne entsprechen!
Die Sitzung ward von Hrn. Pertz mit einem Vortrage
über das Jugendleben des Feldmarschalls Neidhart
von Gneisenau beschlossen.
Sur
— RN
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Februar 1864.
Vorsitzender Sekretar: Ar. Kummer.
1.Februar. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Rlasse.
Hr. Schott las einen artikel zur lexicographie der
Japaner.
Kein individuum des japanischen inselstates das schriftstelle-
rischen ruhm oder beförderung im statsdienste oder nur etwas
höhere bildung beansprucht, kann der chinesischen sprache ent-
behren und dem studium der für classisch geltenden geisteswerke
Chinas sich entzihken. Was bis heute von japanischer litteratur
zu europäischer kenntniss gekommen, überzeugt uns dass diese
litteratur vor den zeiten des holländischen einflusses in allen
ıren fächern nach chinesischen mustern sich entwickelte, und
noch jetzt in weitaus den meisten fächern von der chinesischen
schablone keineswegs emancipirt ist ').
Der kühnste schritt den Japan seinen chinesischen lehrern
gegenüber selbständig getan, ist die erfindung einer lautschrift
*) Holländischer einfluss ist z. b. in neueren büchern über heilkunde
und in synchronistischen tabellen der weligeschichte zu bemerken. Da
findet man unter anderem was nach der holländischen schule duftet, Lo-
renz Koster als erfinder der buchdruckerkunst für Europa in eines der
jahrquadrate eingetragen!
[1364.] 7
78 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
gewesen. Dieser schritt war gebieterische notwendigkeit wenn
es nicht auf seine den tatarischen idiomen analoge und vom chi-
nesischen wesentlich verschiedne muttersprache allmälig ganz ver-
zichten wollte. Der ausschliessliche gebrauch einer begriffschrift
hätte den gebrauch grammatischer formen denen im chinesi-
schen nichts entspricht, immer unsicherer gemacht, ja sie wären,
und zwar vorzugsweise für den gelehrten, abgestorbene, nichts
mehr bedeutende sprachglieder geworden. Dank der erfundenen
lautschrift bewahrt die landessprache wenigstens ire grammati-
schen formen in lebendigem bewusstsein, während sie durch
malslose aufnahme chinesischer wörter und phrasen lexicalisch
grolse einbulse erlitten hat.
So gar hoch darf man übrigens die erfindung irer lautschrift
den Japanern nicht anrechnen; denn erstens bildet chinesi-
sche schrift auch hier die grundlage: eine mehr oder weniger
beschränkte anzahl chines. schriftzeichen wurde, mit abstraction
von den begriffen die sie ausdrücken, zu reinen lautzeichen ver-
wendet, — ein verfahren wozu die Chinesen selbst den Japanern
einen starken fingerzeig gegeben indem sie es bei schreibung
ausländischer wörter ebenso machen. Zweitens hat die japanı-
sche lautschrift keineswegs (wie die benachbarte koreanische) zu
einem wahren alphabete sich entwickelt; die grolse mehrzahl irer
48 lautzeichen stellt noch einen consonanten mit folgendem vocale
dar, ohne die leiseste spur versuchter zerlegung in die einzellaute
welche eine silbe dieser art constituiren, daher z. b. ka, ke,
ki, ko, ku unter einander ebenso wesentlich verschieden blei-
ben wie ire ungekürzten chinesischen vorbilder. Für reine con-
sonanten giebt es kein zeichen, das n am schlusse gewisser silben
allein ausgenommen '). Reine vocale (a, e, i, o, u), die man
nur schreibt wenn sie für sich, oder zu diphihonggen gepart,
eine silbe bilden, haben zwar ire besonderen zeichen, aber die
chinesischen charactere auf welche sie zurückgehen, repräsentiren
auch nur kernwörter die aus reinen vocalen (in gewissen gegen-
den mit gelindem consonantischem vorschlag) bestehen.
Von dem was zur höheren litteratur der Japaner gehört,
wird bis auf den heutigen tag das meiste ganz in chinesischer
!) Über der entstehung dieses a schwebt noch ein dunkel.
vom 1. Februar 1864. 79
sprache geschrieben. Auch lebt sich der chinesisch schreibende
japanische gelehrie so gründlich in den geist dieser sprache hin-
ein dass nur gewisse unwesentliche oder rein äusserliche merk-
male auf den japanischen ursprung des werkes hinweisen. Selbst
wenn einer der landessprache als mediums seiner gedanken sich
bedient, pflegt er auf jedem schritt chinesische wörter einzumen-
gen (von denen wenigstens ein gutes teil sehr entbehrlich wäre).
Da aber die chinesischen eindringlinge, nur in japanischer laut-
schrift dargestellt, oft unverständlich würden, so schreibt man
sie dann gewöhnlich mit dem chinesischen begriffzeichen und
überlässt es dem leser, das entsprechende (chinesische oder japa-
nische) wort zu denken, oder man schreibt es noch in lautschrift
daneben! Das betreffende begriffzeichen kann im regelmälsigen
chinesischen schriftcharacter oder in der sehr schwierigen cursi-
ven 'gras’-schrift (£5%&0), von_der es obendrein viele, zum teil
den Japanern eigentümliche modificationen giebt, geschrieben
(resp. geschnitten) sein, und alsdann einem reinen lautzeichen
der schriftgattung firakana (s. w. u.) sehr nahe kommen, ja
mit ıhm zusammenfallen.
Es giebt nemlich der form nach zwei hauptarten japanischer
lautschrift, sofern sie entweder aus regelmälsigen oder aus
tsh&o-characteren entstanden: die leichte und einfache, aber
verhältnissmäfsig wenig verwendete katakana, und die in irem
ganzen umfang überaus schwer zu bemeisternde firakana.
Aber kein einzelnes zeichen der einen oder der anderen darf
neben dem laute auch den begriff darstellen, sonst wären sie
eine miserable erfindung.
Man kann sich daher einer gewissen verwunderung nicht
erwehren wenn herr L. de Rosny, der eifrigste und fruchtbarste
pfleger des japanischen in Frankreich, auf s. 9—10 seines “dis-
cours prononce & l’ouverture du cours de japonais’ etc. (Paris
1863) folgenden ausspruch tut: “Wie ungenügend die lateinische
schrift zur umschreibung der einheimischen wörter ist, wird der
leser leicht einsehen wenn er bedenkt dass die Japaner sich einer
schrift bedienen “qui rappelle & l’Esprit des objets ou des idees,
mais non des sons.. Dies könnte man höchstens von der (un-
veränderten) chinesischen schrift sagen sofern ire einzelnen zei-
chen begriffe darstellen, obschon jedes seiner begriffzeichen für
1 *
80 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
den Chinesen auch lautzeichen ist, denn er lernt keines ohne
dabei zu erfahren wie es ausgesprochen wird. Was also selbst
von den chinesischen characteren, sofern sie begriffe .darstellen
sollen, nicht unbedingt gilt, das hat für die zu japanischer laut-
schrift gewordenen gar keine giltigkeit.
Herr de Rosny fährt fort: ‘So oft man mit homophonen
[gleichlautenden wörtern für sehr verschiedne begriffe] zu tun
hat, sind in lateinische schrift umgeschriebene japanische texte
ganz unverständlic. Um nur ein beispiel zu citiren: die worte
i-wo miru, so in schrift ausgedrückt, lassen im zweifel darüber,
ob man sagen will: “einen arzt sch ich‘, oder ‘ein schwein
seh ich’, oder “einen wilden’, “einen brunnen’ u. s. w. In
caracteres indigenes dagegen wird man gleich erkennen, ob ein
arzt, ein schwein, ein wilder, ein brunnen oder sonst was ge-
meint ist.
Dass es im japanischen manches, mehrere grundverschiedne
begriffe ın sich fassende wort giebt (wie z. b. selbst das deut-
sche ‘reif’ die bedeutungen circulus, pruina und maturum ver-
einigt) ist richtig, zumal wenn man das betreffende wort in
nackter einsilbigkeit stehen lässt und jeden bildungszusatz er-
spart). Auch ist die zahl der homophonen durch eingedrungene
chinesische wörter ansehnlich gewachsen. Um nur bei dem i
des herren de Kosny zu verweilen, so ist dieses schon in zweien
der von ihm angeführten bedeutungen chinesisch, nicht japanisch;
=: (mit dem hohen gleichen accente): arzt; % i (mit dem
tiefen gleichen) wilder). Für beides hat man aber auch ächt
japanische ausdrücke: arzt heisst Aususi und wilder yedisu.
*) Schwein z. b. heisst auch ino%ko, ausserdem dbufa.
*) Da das erste dieser beiden zunächst ‘'heiltrank’, “heilmittel, und
als verbum ‘heilen’, ‘curiren bedeutet, so wird es von den Chinesen selbst
gewöhnlich nicht für sich allein in der bedeutung ‘arzt’ gebraucht, sondern
mit der zugabe AB seng (leben, lebensberuf), oder Eifi sz€ (meister,
lehrer, doctor), also i-seng, i-sze. Die Japaner sagen, wenn sie den
begriff "arzt chinesisch bezeichnen wollen, gewöhnlich i-sya oder i-sa,
was im dortigen dialecte (s. w. u.) dem chinesischen i-ced.i.
heilender, heilmann entspricht.
Das andere wort bedeutete weiland ein volk im westen Chinas, und
vom 1. Februar 1864. 81
Wollen wir nun eine der erwähnten vier oder jede andere
bedeutung eines isolirt hingestellten i? durch schrift unter-
scheiden, so ist dies freilich nur möglich, wenn wir das ent-
sprechende begriffzeichen schreiben, aber in japanischer laut-
schrift (denn nur diese kann der verfasser unter ‘caracteres indi-
genes’ verstehen) ist dies ebenso unmöglich wie in jeder anderen.
Das zeichen für i, wie sehr es sich auch modificiren mag, stellt
nie etwas mehr als den laut z dar.
Man hat in Japan verfasste chinesische wörterbücher worin
alle charactere unter die Ba 214 is sedl pie gebracht
sind. Eines derselben, betitelt Fhk # $& = iszelin yu
phyän(zilin gyok ben)d.ı. ee sylva, pretiosus liber‘,
welchesEl. v. Siebold(1833) in Leyden lithographiren liess, ist nur ein
dürres lexicalisches verzeichniss mit beigeschriebener japanischer aus-
sprache der charactere in katakana-schrift (s. o.).. Es hat nem-
lich in Japan ein eigentümlicher, oft mit der landessprache ver-
wechselter, dialect des chinesischen wurzel geschlagen, der schon
wegen des preisgebens aller s’/ng oder sog. ‘accente' jede münd-
liche verständigung beider nationen unmöglich macht und bei
welchem der Japaner sich befriedigt, da er seit vielen jahrhun-
derten gewohnt ist, die chinesische weisheit nur auf dem papiere
zu bewundern und nicht aus chines. munde zu empfangen ').
Denselben titel, nur mit der zugabe IR IE id tshyuan
(tai sen) d. i. ‘sehr vollständig‘, führt ein anderes wörterbuch
das chinesisch-japanisch ist, d. h. in welchem den begriffzeichen
nicht blofs die in Japan übliche aussprache, sondern auch die
iren bedeutungen entsprechenden wörter der landessprache (alles
wieder in katakana) beigeschrieben sind. Ein exemplar einer
im jahre 1852 ans licht getretenen, "vermehrten und verbesser-
ten auflage (359 blätter in quer-octay) verdanke ich der ver-
wird jetzt, ungefähr wie barbarus, auf alle nicht chinesisch redende aus-
länder bezogen; gewöhnlich setzt man FR sin (mensch) hinzu.
*) Der wesentlichste unterschied des japanisch-chinesischen dialectes
besteht im zerfliessen des ng am schlusse, daher z. b. sei statt seng,
kou oder koo statt kong. Sonst kommt er den dialecien des heutigen
Süd-China am nächsten, von deren nach kurzem vocal hörbaren (jetzt nur
noch angedeuteten) schlusslauten A, p und # die letzten beiden f und £s
werden, die man jedoch auch, wie in China, p und ? ausspricht.
82 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
mittlung meines hochgeehrten freundes, des freiherren Conon von
der Gabelentz zu Poschwitz bei Altenburg. Jedes chinesische
stichwort (begriffzeichen) steht grofs geschnitten in der mitte
eines quadrates deren auf jede volle seite 54 kommen. Links
davon ist der (für Japan überflüssige) accent, rechts die aus-
sprache (articulation) bezeichnet, und unter dem stichwort stehen
ein oder mehrere wörter der landessprache. Hat das zu erklä-
rende wort mehrere oder viele bedeutungen, so sind ihm zwei
oder mehr quadrate gewidmet.
Es giebt aber auch japanische wörterbücher, alle nur
zum besten einigermalsen gelehrter Japaner, da sie kenntniss der
chinesischen begriffschrift voraussetzen '). Diese wörterbücher
erklären den ganzen japanischen und eingebürgert - chinesischen
sprachschatz nach der ordnung der 47 lautzeichen die anfangslaute
vertreten können. Im übrigen folgt man verschiednen methoden.
Das erste in Europa bekannt und zugleich publici juris gewordene
werk dieser art ist ebenfalls auf E. von Siebold’s kosten (1835)
sauber lithographirt, und eine lehrreiche einleitung unseres ver-
dienstvollen landsmanns I. Hoffmann in Leyden demselben vor-
gedruckt. Der titel: 1 E Sr nn => — 2 115
Uö Hän in tsi’ süyen ci khüu (Wa kan won sek syo
gen zi ko) kann mit ‘werarium (oder thesaurus) der bücher-
sprache Japans und Chinas’ übersetzt werden?). Die wörter mit
gleichem initial stehen nicht promiscue, oder streng alphabetisch,
sondern encyclopädisch nach classen verteilt, deren 13 angenom-
men sind. An encyclopädische werke erinnert auch der umstand,
dass eine grolse auswahl mythologischer, geographischer und
historisch-denkwürdiger namen der Chinesen und Japaner nicht
blofs mit aufnahme gefunden, sondern auch von kurzen erläute-
‘) Chinesische gelehrte kümmern sich, beiläufig bemerkt, wenig oder
gar nicht um japanische litteratur. Dieser stehen die Chinesen ebenso
stolz gegenüber, wie die Japaner in politischer hinsicht den Chinesen; die
unbedingte verehrung des geistigen chinesentums hat iren sonstigen patrio-
tismus in keiner art geschwächt. So sind die Mandschu sogar zwingherren
der Chiniesen und dabei wahre heloten irer litteratur geworden.
”) Khuü (ko) heisst ein ort wo viel schätzbares aufbewahrt wird.
Auch das sanskritwort AI oder AIU (gemma floris, aurum, dann thesau-
rus) kann ein “wörterbuch: bezeichnen.
vom 1. Feöruar 1864. 83
rungen, respective biographischen nachrichten, begleitet sind.
Jedes zu erklärende oder stichwort steht in chinesischer begriff-
und japanischer lautschrift über der rein chinesischen definition
oder sonstigen erläuterung. Giebt es für den begriff ein japa-
nisches wort, so drückt die lautschrift dieses aus, sonst nur das
chinesische. Die. chinesischen erläuterungen sind von partikeln
der landessprache und gewissen anderen zeichen gleichsam escor-
tirt, wie es der Japaner gewöhnlich macht wenn er texte der
nachbarsprache, gleichviel ob sie in Japan nur nachgedruckt oder
selbständig verfasst seien, herausgiebt. So lernen weniger ge-
übte erkennen welche grammatische form ires mutteridioms da
und dort anwendung fände und wie beide sprachen in der ord-
nung der satzteile sich zu einander verhalten. Alles japanische
ist übrigens in katakana und somit leicht zu lesen.
Ein anderes wörterbuch nach lauten verdanke ich, wie das
oben besprochene za sen zi lin gyok ben, der vermittlung des
herren v. d. Gabelentz. Dieses, auch ein starker quer-octavband
(839 blätter), ist 1854 gedruckt. Gleich dem in Leyden litho-
graphirten werke, erklärt dieses lexicon japanische und chinesische
wörter und phrasen mit voller gleichberechtigung beider spra-
chen, aber der schlüssel dazu ist hier die firakana-schritt.
Jedes in dieser geschriebene stichwort hat das oder die entspre-
chenden chinesischen begriffzeichen dolmetschend zur seite, und
zwar in zwei schriftarten: der grasschrift (£s%R&o) und der
regelmälsigen (khyai). Dem zshäo-zeichen steht das wort in
firakana und dem khyäi-zeichen eines in katakana zur rechten.
Jede der beiden lautverbindungen kann ebensowol ein chinesi-
sches wie ein japanisches wort für den begriff darstellen: ist das
stichwort (das in firakana) chinesisch, so ist das in katakana ge-
schriebene sein japanisches aequivalent, und umgekehrt.
In jedem der 47 abschnitte bilden die wörter von gleicher
silbenzahl (d. h. die mit der gleichen zahl japanischer lautzei-
chen geschrieben werden, mögen sie nun chinesische oder japa-
nische wörter sein) besondere unterabteilungen'). In der ersten
unterabteilung muss man diejenigen begriffe suchen die der be-
‘) Unterabteilungen von encyclopädischem standpuncie fehlen.
|
84 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse \
treffende laut für sich allein ausdrückt oder ausdrücken kann, in
der zweiten die mit zwei silben geschriebenen, u. s. w.
Beispiele des gebrauches. Das japanische wort naga suche
unter dem 21ten lautzeichen 2a, in der abteilung zweisilbiger
wörter die mit na anfangen. Links von naga steht das als
erklärung dienende chinesische begriffzeichen für ‘lang’, “länge,
in grasschrift, dann das chinesische wort Zsiyau (£syau, tsyoo,
isau, tsoo; in China zsang, tseung) in katakana -lautzeichen,
und auf der äussersten linken dasselbe im regelmälsigen character
der begriffschrifi. Das chinesische wort Zsiyau suche, weil es
drei japanische silben giebt (£si-ya-u) unter dem 8ten laut-
zeichen Zsi, in der abteilung dreisilbiger wörter. Da findest du
bei dem begriffzeichen in 2sh&0-schrift das in firakana geschrie-
bene zZsiyau, und bei dem in khyäi-schrift das in katakana
geschriebene naga.
Der titel des zuletzt betrachteten werkes lautet KR Z&
En 5] ei FH Ei: tshyuan tsüo in tsye yüng
ist (tai sen sau (soo) in sets you (yoo) sif (sip, auch
sits). Die ersten zwei charactere bedeuten, wie wir oben ge-
sehen, “sehr vollständig’ (etwa ‘locupletissimum’), der letzte ist
ein gewöhnlicher ausdruck für “samlung‘. Die worte £s4o in
isye .yüng scheinen eine sprüchwörtliche redensart auszu-
drücken die ich mit “frühe anleitung erspart kosten’ übersetzen
möchte, ohne jedoch die richtigkeit meiner auffassung verbürgen
zu können. Das sprüchwort bildete hiernach den eigentlichen
titel.
Hr. Bekker setzte seine bemerkungen zum Homer fort
(s. p. 10).
6.
degcı steht nur vor einem vocale
deEaı orowe Z46 AAS1 2137 555
decau, yo 0° immwv amoßmyeounı E 227 P 480
Tode Öeco EueD Maga #aAov arsıcov 2 429,
kan also auch d2£e geschrieben werden, und trit dann neben
vom 1. Februar 1864. 85
Bnrso (mo - imı - zaralnceo) Svrso (zaraövreo) AeEso (zurarzge
r 44?) und Ogceo, an welche der form nach passiven imperative
sich activ anschlielst o:re x, 106 481 nebst oiserw T 178 und
oisere I’ 103. und alle diese berechtigen wieder denselben modus
zu erkennen in «Eere T 105 2778, «Eee @ 505 (was ver-
bunden wird mit oivigzo#e 506 wie &Eovro 545 mit oivicovro 546),
oleoSe 2 704, verdooerov K 442 auf Einer linie mit Alters 443.
dadurch ist aber wer«ss«re # 404 nicht ausgeschlossen, so we-
nig wie durch de£so (oder auch dede£o) de£o, was T10 am
ende des verses sieht, oder durch A2&eo A:Zo 2 650, durch ög-
seo und ögreu das dreimalige gro. vielmehr dals solche zwit-
tergebilde sich mit ältern und jüngeren formen nachbarlich zu-
sammen finden verwundert weniger als der widerspruch worein
sie in den zugehörigen moden mit sich selbst geraten, indem
sie aussehn wie futura oder, wenn man will, aoristen, bedeuten
aber, ohne spitzfindigkeit aufgefasst, nichts anders als das prä-
sens, ım indicativ z. b.
WS orE unTye
raıdos geoym nviev 05 Moe Aegeren ümvw A131 (cf. Hesiod.
O eD 9253)
Ws TE eye züne SaAdsong eugumogoıo
vnös Ünrez roywv zarayssrer, Ommor emeiyn
cs avenuv © 382
Towas Eudgavew zaL Towades EAzssımemAous,
oi TE nor SUN, OMEVEL Selov Övrovrer Kyavor H 298,
im optativ
Oboe ci auronarcı Selov Övroiar Ayavcz
48° aurıs moos Sun veoraro 3 376,
im infinitiv
avec #EAsvsv oicemevar DT 120 (vgl. ETwEITrEV covers begew 117)
TyAoSı & ur
aEewev 2E 0geos 2 663 (vgl. H 420),
im particip
0. Ev Övrouzvou “Waregiovos 0: © avıdvros & 24.
IMyıcduv ’Ardayevewv Emireidonevanv
oT auyrob, &gororo 82 Öuronevawv Hesiod. O et D383.
auch Zrı@ysöuevov E46 ist für den sinn nichts anders als Zmı-
Baivovra.
86 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
der umgekehrte fall, bedeutung des futurs in präsensform,
kömt häufiger vor, bis in die prosa hinein. man denke an
Öyeıs de Öiorgeceas Basırzas
vv © sim PIiyvde
n Byv 2Eavum ve zo Ürregov
oiwvor Wuyorai © Egvovar
Towwv zopeeı zUvas
Yaev yo veüueı
2 de zur öbe vereı.
für punccı 2 486 uwoeo zu schreiben auf gewähr des Am-
monius (m. dad. AzE. p. 129 Yalck.) und des Apollonius Soph.
p- 140 34 dürfte kaum ratsam sein, da derselbe aorıst, auch in
andern personen zablen moden, mehr als 40 mal ohne variante
vorkömt.
Ze
Die construction von mgiv und «oos verlangt, wie jede
andre, für Ein subject Einen casus. daher
oUde Tıs Er
mei mıcsıv mai rendaı Ümepnevki Kooviwrı II 481
oVdE © Eyw yeE
mgiv Eyvmv mov mavre avant Euov ambebaaoIon 475
000 ziWv veruumv auevyva gnver
CIMOFOS GrCoV Imev araıv Tergesino muSerIaı A 50
EvS "Wmvos nEv Ensıve mUg0S Aus ooce ich 3 236 (vgl.
B 348 5 46 11839 3 334 $ 294 „384, und von
späteren
Ezvos yao Tv Mor mai AımWv Koaomov zoAıv
Puyn eos "Agyos dran arziv auIaiperos Eurip. Suppl. I30
omws av Werden Otenv
EvIade row naeıw 6 Eevos Aristophan. Av. 1457).
umschreibung oder verkleidung des subjectes stört nicht.
ocdwıv Ö8 meiv weg TeoMOS eiaße baidına vie © 452
ist so viel als üUneis edsisare, woran sich schlielst wgw morsmov
idzsıw, und
moAr« de 0 ang
sonew isranzvu 4 83
vom 1. Kurier 1864. 87
so viel als zorra 8° "Odusseüs woman iotaysvos für das folgende
raw NEAHEOV oU00V iz Iaı.
auch wo von zwei subjecten das zweite unbezeichnet ge-
blieben, findet es sich leicht aus dem zusammenhang.
ö ro AOTEOY,ES eveauıvev
arrıIew "Odveze motgos nv yarav ineoIar & 20 2 331:
izesQcı natürlich nicht TMossıdawv sondern ’Odvs7«. und
N Mer m Aoyowar veor aUv vyı [aeAceiun
iejzvor areiver mom margide yalav izt0Icaı v 426 030:
ie: nicht veo: sondern TrAzuayor.
oud ö Ye mg Aavaoısıv asızaa Aoıyov amWcE
moiv y mo margı diAu domevar EAızwrıda zoVonv A 98:
amodonsven nicht &x7@0ros sondern yu&s. stünde zo As &modo-
cews für mg GmoöduevaL , oo FoD vosrou für mom ind, SO
würde schwerlich jemand fragen wessen heimkehr gemeint sei
und wer zurückgebe. und später wird ja zgw geradezu, wie
magos © 254, als präposition gebraucht: s. den index zu mei-
nem Sextus Empir. unter giv. schon Pindar hat gw we«s
(Pyth. 4 43).
aber befremden muss die zerreilsung Eines subjectes in
zwei casus, schon y 196
unde Fı MEssmyVs VE zaR0V rar m maßnew (’Odvesevs)
meiv ye rov ("OducHe) 75 yans Emı@yuevar, EvIae —,
wo indess die unverkenbare einwirkung von «210 entschul-
digen mag,
meiv ye röv &o Tooimv avaßyusvear, EvIe — (vgl. 8 255):
im höchsten mals B 354,
To MN Tıs Mor EmsiyerTw gizovds veersIer
meiv zıvo mosg Towwv KAOYwm KETRAONAN DT AVot,
gerade wie 00705 un dmirw mov roürov Öeımviscı oder un mooc-
ERONS molv ve HA Süvar.
die zuletzt angeführten verse bieten noch anderes eigene
und seltsame.
zunächst Touwv @Aoyw. warum a@Aoxos gewählt ist für
yuvy begreift sich: die gattin teilt ihre schmach mit dem gat-
ten und verdoppelt sie. aber Towwv &Aox,.os! der dichter, scheint
es, hat erwogen dals die von ihm empfohlene rache jezeitig
nur von Einem an Einer geübt werden kan, und daher seinem
88 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Einen =:s Eine «Aoxos zugeteilt; zugleich aber hat er billig
gefunden die strafe auf alle schuldige zu erstrecken, und darum
hat er das sühnopfer von der gesamtheit nehmen wollen. dem
willen aber hat der wirbel der gedanken nicht gehorcht, son-
dern den blendling geboren, der in die heilige Ilios vielmännerei
oder allmännerei einführt wie vielweiberei herscht auf der Ky-
klopeninsel (115) ').
zareromySgver, sonst nur im eigentlichen sinn üblich (T 427
A 731), wird hier mit hülfe des wag« so viel als ragaögaTew,
magızvew, magarebaodaı, magararareyde , en Syvar (yurn. Hew
suvrBeire T1176) oder Ev deAoryrı eivrdyvan, eüvns Em maevar, Ev BıRo-
zyrı muymver, alles ausdrücke deutlich ohne gemeinheit und schick-
lich ohne zimperlichkeit; welches letztere sich kaum rühmen lässt
von Vossens und Jacobs “mit einer frau ruhen”. was aber das an-
ständig klingende wort rohes und brutales meint, wer fordert
dazu auf? der älteste und weiseste aller Achäer, er von dessen
zunge sülser als honig die rede flielst.
von derselben zunge fliefst (357—9) eine drohung, die dem
Agamemnon oder Odysseus entfahren wirkung tun möchte, den
Zriseclisenex aber in seiner hinfälligkeit eher blos stellt. auch
im ausdruck kan sie nicht eben gelungen heilsen. Zxrayrws 357
mit 29&%eı verbunden ist solitar und hat einen anstrich von vul-
garıtät, weit mehr als Ermayws DISK Horeovro Kaiveran odu-
geraı wöUs@ro. olzovde veecden ist matte und unnötige wiederho-
lung aus 354. der ganze v. 358 ebenfalls wiederholt, aus 170,
mitsamt dem aulserhalb dieser rbapsodie unerhörten doppelepi-
ihet. und v. 356, identisch mit 590, stellt an ögurner« einen
anstols in den weg, den zu heben auch verzweifelte einfälle
versuchen dürfen, &ySynere z. b.
ergibt nun gar ein rückblick auf 346 ff. dals der wesent-
liche inhalt der ganzen sechs verse 354—9 dort oben vorweg
genommen ist, oder vielmehr unmöglich gemacht (denn wer
346 gesagt hat “lass sie laufen”, kan nicht 359 sagen “ich
schlage sie todt auf der stelle”), sollen wir da noch anstehn die
ungeschickte variation aus dem text zu werfen und v. 360 unmit-
*) herscht, wofern nicht exaorcs raldwy no dAsXuy erinnerung ist aus
O 662 und wie dort zu verstehn.
vom A. Februar 1864. 89
telbar an 353 zu hängen? wir können es fürwahr mit so viel
. . . \ er I£
sicherheit wie 353 &r: ös£i” lesen für zmiös£t.
8.
reQvever wiederzugeben hat weder das Latein noch das Deut-
sche eine einfache verbalform, sondern beide sprachen verbinden
zu dem behuf ein adjectiv mit dem substantiven verbum: morzuum
esse, todt sein. wird solche verbindung, wie oft geschieht,
schwierig zu handhaben, so greifen sie zu dem verwandten, aber
in umfang und gehalt der bedeutung beschränkteren sterben,
mit empfindlichem nachteil des sinnes: denn wenn wir einem
den tod wünschen drohen ankündigen, und wir heilsen ihn ster-
ben, so stellen wir ıhn nur an den rand des abgrundes in des-
sen tiefe er hinunter soll. daher auch unsre gewandtesten über-
setzer ihre kunst und ihre mühe verlieren an stellen wie
dawv © Ömmoregw Savaros zur [Rotoe Ferurran
re9vain T 102 (“solcher sterb” Voss,. “der mag sterben”
Jacob)
und
TeSvains © Iooir’ 7 zarreve BeAAsgobovryv 2164 (“tod
dir” V, “stirb du” J)
oder
aürızae reIveiyv 398 (“möcht ich sogleich hinsterben”
V, “stürb’ ich sogleich nur” J),
0S 08 zev Unzu
Brywevos HE TumeIg Iavarov za morWoV Emiony,
re>verw O 496 (“sterb’ er” VJ)
ei Ö& mor ice
TeSvarevat maoc vnusiv "Ayaınv YEAzoyırWvwV,
Bovroneı 2225 (“droht denn das schicksal mir den tod”
V, “wenn mir verhängt ward dafs ich
erlieg” J).
vgl. = 107 u 317 # 155 und den Tyrtäischen wiederhall
Te9vanevaı yoro zaA0v Evi mOoREY,0rTL METgvre
avdg ayaborv.
natürlich dals die bestimtheit und vollständigkeit, womit diese
perfectform den begrif ihres verbums im reinen und scharfen
90 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
gegensatz des lebens') ausdrückt, auch der prosa zu gute kömt,
zumal für gesetze: im besitz einer so bequemen und energischen
redeweise verhängt der gesetzgeber, wo er örı xon maSew 7
aroriscı zu erkennen hat, die strafe fast immer als dauernden
zustand, nicht als übergang oder eintrit in denselben. reIvarı
lautet das urteil, nicht Saverw, ÖederSw, nicht deSIyrw, und den
umständen nach, &euyzrw oder odsıAzrw, nicht duyerw (Exmeserw)
oder öprirw. so Plato Gesetze 9 p. 159 18: Zav &AeuIegav yuvaizar
Pıaeyron, vymowi reSvarw. 12 p. 307 7: 6 de my meuSomevos
dnrus reSvorw. 12 p. 301 16: Zadv nv raIyraı Tois Eoy,ovcı,
iSwens Cirw, Zev 2 al, reSvarw. 11 p.270 6: Zav nv Mavrıs
w% TEgLTOnHOmOS, reSvarw. 9 p. 168 17: av de Tıs obAn, F-
näv ei reSvavaı Xen rov roaodrov. 11 p. 279 1: vv jaev Eevov
Emivra 22 TNS Augas 24 marw &2Iew 7 Savarıı Cnmolo Ser, rov
dordv SE reSvaver. Demosthenes 23 60: Eav degovr@ 7 ayovre
Pie dölws euSus auvvönevos zreivn, vymowi reSvavan. Aeschines
1 16: magadaeıs Tois Evdsza TEeIvarw alöntsegov.
ähnlich 2av ds agyvarov rıunYY, deden In Mexgı dv Exrien
Demosthenes 21 47, 24 64 und 105. dedesIw under Zviauroü
omzgoregov Plato Ges. 9 p. 171 15. roia ern Ösdeodu p. 171 23.
Tıudrw 79 Ötzaorygov aurg zare vonov dederdn: 10 p. 227 9.
SedtorIaı Ews dv amorion 9 p. 1261. ÖsdesIar 8° Ev sy modo-
zanım YMEOOS mevre zov mod Lysias 1016. Edv amodıda zA more:
70 GeyUgıov, apbEesdaı Tu desuav, Zav ÖE un, — dedecSaı De-
mosth. 24 12. doüros ümo 75 aoyns abeicdw Plato 11 p. 2687.
ähnlich auch #gwros 70 meyıorov yeoas dsdortw Plato 11
p. 247 11.
Savaros Errw Srue oder di finden wir nur 12 p. 306 15
und 21.
nemo&oDen in der von Buttmann und Lobeck (Ausführl. Gr.
Gr. p. 277) behandelten Xenophontischen stelle ist gradezu dov-
Asleıw, wie revews der mit dem tod bestrafte, der hingerichtete:
1) (we oy m reöımne ß 132 8 110 837
AAXore uiv (wous' Erepyuepon, KAAore d aure tebräcıw A 303
ei mov Erı (wer nal öpd bios meAioıo
„non Tedınne wol eiv Aldo Bono d 832
rebvavaı B&rtepov n Bioros Mimnermus 2 10.
vom 1. Februar 1864. 91
m 5 \ N m m ’
emeıdn map vv emuIsro aUurov TEeIvenra zu oUde TOD Cyv ovr«@
Ugıov euro Beßawoc Demosth. 19 137.
9,
Kurzes « wird durch augment oder reduplication zu 7, aber
nicht zu langem «. denn &:ov üıs O 252 K 532 © 388 hat frei-
lich das in «ıov av 3% 222 A 463 kurze « verlängert, aber,
weil es augmentirt zu Y:0v yıe in das gebiet von itvar geraten
wäre, nur kraft des privilegiums das jedem kurzen vocal vor
zwei kürzen zusteht (s. Homer. Bl. p. 2775). damit schützt
sich auch #es& und asrausv gegenüber &esav und dere (7 342
y151 490 0 40); damit @sauev = 367, wenn das nicht zusam-
mengezogen ist aus der«pev. |
ferner läfst sich hieher ziehn @&r«uyv 1116 119 T 137),
ein wilder schössling aus der wurzel die auch «&s«ro treibt
neben z&saro A340, daras © 237 neben z&se & 296—7 und
Kacav # 68.
wenden wir unsre regel auf «ro an, das mehr als 20 mal
vorkömt, und auf das einmalige «so (I1 754), so erscheinen
beide als dorismen, gleich «! und ucv, und in der Homerischen
sprache unstatihaft wie jene, ja noch misfälliger dadurch dafs
sie plusquamperfect scheinen trotz ihrer aoristbedeutung und
trotz dem accent ihrer composita, !a«Aro und zaremarro, Erar-
4vos oder ZmiaAaevos und zaremdAusvos, Wera@Auevos, UmegeAro.
dagegen «Aro und «Arco geschrieben, wie auch manche achtbare
codices, der Venediger A z. b., häufig schreiben, werden sie von
diesem widerspruch frei und schlielsen sich an die verwandten
formen AAFro yevro Öerro Aszro Auro Mixto maAro nmyTo Mraro
oreüro ovro xyuro, die in der regel augmentlos bleiben.
mit @Aro steht und fällt wgro, dessen ähnlichkeit mit dem
plusquamperfecte unleidlich wird, weil ein unbestreitbares plus-
quamperfect dawoeıw daneben hergeht. nur gro entspricht dem
imperativ 0000, dem infnitiv 009m, dem particip Öplevos.
') zacdum in dacaro abgewandelt zeigt jene zwischen trochäus und
iambus auf und ab schwingende quantität, die auch in 7% und &x (E 887)
sichtbar wird, in jjev und &yv, @popev 8 539 und opwper, in Kpoviovos und Kpo-
viwvog, in "Ex£vnos IloAvynos und ’Axpovews ’Avaßnoivews, in delos und Bewrepau
y 111, in Öyıoy und d&eiov, in eios und Ews, in ueuxorss B 818 und ueudürss.
92 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
10.
Wird E 265 zu rjs yag ror yeveys, wie allgemein geschieht,
siriv ergänzt, so gehen von da bis 269 zwei sätze, deren einer
erzählt woher des Aeneas pferde stammen, der andere wie diese
herstammung erzielt worden. der zweite begründet also und
erläutert den ersten, und sollte dies sein verhältnis zu demsel-
ben deutlich machen durch eine passliche partikel: statt der
wiederholung r7s yevers 268 durften wir erwarten zaurys yao
oder zu: yag zus!) oder zus meg 1. in solcher erwariung ge-
täuscht sehn wir zurück auf den anfang, und finden die hypo-
these eines ausgefallenen eisiv weder nötig noch förderlich:
geben wir sie auf und setzen nach 267 ein komma, so flielsen
die fünf verse 265—9 in Eine periode zusammen, ohne einbulse
des sinnes, und 'die rede verläuft nun glatt und rund; die wie-
derholung rechifertigt sich mit der länge des zwischengescho-
benen relativen satzes.
schwierig bleibt nur das relative pronomen. ist %s 265
eigentlicher genitiv, zu verstehn wie in 775 yevens exAeıbe oder
in zwv &£ Um Yagircıro marıp amsgeic armowe, so erwächst
dem Zeus ein gestüt oder eine herde von pferden, wie der son-
nengott eine rinderherde hat auf Thrinakien. von dergleichen
ist aber nirgend sonst eine spur. die mythologie kent keinen
ZsÜs irmıos, wenn auch "Hg« irzix in der Altis verehrt wird
neben Hoss:öav immıos (Pausan. 5 15 5). auf dem Olymp zwar
hat der gott, wie seinen wagen, so seine pferde (® 41), und
eben so Hera (E 720) und Ares (E 367 O 119. Hesiod. Scut. 466),
Artemis am Meles (Hom. h. 1 in Dian. 3), in Aegae Poseidon
(N 23), unter der erde Hades (Hom. h. in Cer. 16 376 431):
allein das sind einzelne gespanne, zum leibgebrauch, nicht zum
verschenken. mit verschenkten aber haben wir hier zu tun,
ohue dass wir fragen woher sie genommen sein, sie oder jene
T1 867 % 277; vielmehr teilen wir Odysseus glauben:
1) dafs auf diese weise ein y&p an das andre gehängt würde schadet
nicht; vielmehr ist solche häufung der partikel gewöhnlich. vgl. z. b.
B 12 und A 286 (wo 3 ya? hinter einander stehn) IT 439 A 48 360 E 478
Z 365 H 52 M 344 P 363 545 0 66 (wo 4) 394 524 565 ı 163 205 A 52
r 27 372 A411 p 316 515 577.
vom 1. Februar 1864. 93
Dei Sede y EIEWV zur dgsiovas ne mep orde
Immoug Sweyeaur', Ems Mor begrego: siriv K 556.
und diese verschenkten pferde sind nunmehr seit vier menschen-
altern einheimisch geworden im Troischen lande und berühmt weit
umher, so dafs Herakles ihretwillen einen kriegeszug getan hat
(E 640): dennoch macht sich Anchises in seinem diebesgelüst
nicht an die in seiner nachbarschaft weidenden oder gestallten,
sondern zurück an den wer weils wo gebliebenen bestand der
stammherde. und darum weils Laomedon nicht (269). und da-
her kommen Troische pferde (222).
zu so wunderlichen folgerungen treibt der genitiv nach der
auffassung des Lateinischen übersetzers (ex gua). die Deut-
schen sind bedächtiger zu werke gegangen. Voss sagt
jenes geschlechts ja sind sie, das Zeus Kronion dem Tros einst
gab
und Jacob fast zu einstimmig
denn sıe entstammen der art, die Zeus der berater dem Tros einst
gab.
sie haben also entweder, mit Thiersch Griech. Gramm. $ 344
d, %s für attrahirt von rs yevejs erachtet, so dals 55 Zeus
Suze so viel wäre wie 775 Uno Ars doSeioys, oder geradezu x»
gelesen. und so wird zu lesen sein, da sich von attraction kein
zweites beispiel finden will, nicht bei Homer oder Hesiod, nicht
bei den ältern elegikern und Pindar. denn dafs Thiersch aus der
ullima Thule des Homerischen gesanges, w 31, beibringt
ws oberzs TIWNS amoviaEvos 76 mep AvascEs
raw Evi Towav Iavarov za MOTWoV EmIomEiv,
das ist eitel übereilung: avasceı regirt ja ohne alle attraction
den genitiv (s. Homer. Bl. >. 209 26). und fälle wie zınv
Gmorwesev Yv vw Eoızev oder avöguv oumare IEeryeı wv &IEAsı,
ingleichen oUez oe AySw runs 5 re m Eos rerıuiotaı W 694,
gehören in ein anderes gebiet. auch im Latein: “cum scribas
et aligquid agas quorum consuesti” Luccejus bei Cic.ad Famil. 5 14.
[1864.] 8
94 Gesammitsitzung
4. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bufchmann las die Fortletzung einer Abhandlung
über die cardinalen Zahlwörter der [onorifchen
Sprachen, gehörig zur dritten Abtheilung [einer [onorifchen
Grammatik.
Hr. Mommsen trug eine Mittheilung des Hrn. Professor
Dr. Hübner vor: Über das Alter der Porta nigra in
Trier.
Alter und Bedeutung des antiken Gebäudes in Trier, wel-
ches unter dem seit dem elften Jahrhundert urkundlich bezeug-
ten und den Eindruck deutlich wiedergebenden Namen des
schwarzen Thores bekannt ist, unterliegen sehr weit von ein-
ander abweichenden Bestimmungen. Nachdem die dilettantischen
Ansichten der Lokalforscher von griechischem oder gar etrus-
kischem Ursprung in verdiente Vergessenheit gerathen sind, ver-
fiel die neuere Kunstforschung, hauptsächlich auf den äsiheti-
schen Eindruck der Einzelheiten gestützt, in das andere Extrem
und setzte den Bau allgemein wenigstens nicht vor die con-
stantinische Zeit. Doch schwanken die Meinungen wiederum
zwischen constantinischer, fränkischer und merovingischer Zeit,
also ungefähr zwischen den Jahren 300 und 900 nach Christus.
Kuglers ziemlich unbestimmt ausgesprochene Ansicht, wonach
der Bau eiwa in das fünfte oder sechste Jahrhundert fallen soll '),
scheint wegen der Autorität seines Namens noch immer die
weiteste Verbreitung zu genielsen; obgleich inzwischen wieder
in etwas frühere Zeit, in die des Valentinian und Gratian zu-
rückgegriffen worden ist”). Kaum zu trennen von der Frage
nach dem Alter ist die nach der Bestimmung des Baues. Auch
hierfür hat der äufsere Eindruck der Einzelheiten, nicht eine
genaue Untersuchung der Eigenthümlichkeiten des Plans und
*) S. dessen kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, 2 Th.
Stuttgart 1854, S. 103 ff.
”) Von Dr. P. A. Linde, die Porta Nigra und das Capitolium der
Treviris, Trier 1352.
vom 4. Februar 1864. 95
der Ausführung, den Ausschlag gegeben. Trotz der in dem
volksmälsigen Namen liegenden beachtenswerthen Tradition hat
man meist an einen Palasibau gedacht. Dennoch aber kann
‚selbst bei wenig eingehender Betrachtung, wofern nur die Ana-
logieen anderer antiker Bauten überhaupt gegenwärtig sind und
alle Theile des Baus unbefangen erwogen werden, kaum zwei-
felhaft bleiben, erstens dals die Porta Nigra wirklich ein Thor,
und zweitens dals sie ein Werk der ersten Kaiserzeit ist.
1. Die Porta Nigra ist ein Thor. Die beiden Bogenöff-
nungen neben einander in der Achse des Gebäudes, innen und
aufsen wiederholt; aufsen die beiden vorspringenden halbrunden
Thürme, die propusnacula, ein stehendes Reguisit aller römi-
schen Siadtihore und z.B. an denen von Perugia, Verona, Bar-
celona u. a. erhalten; der Hof zwischen den äulseren und inne-
ren Thoren; die Fensieröffnungen über den Ein- und Ausgängen
innen und aulsen, um den eindringenden und schon eingedrun-
genen Feind von oben anzugreifen, welche ganz an die nur
weniger reich entwickelten Thorbauten von Aosia’) und Au-
tun?) erinnern; der enge und ofienbar organische Zusammen-
hang des ganzen Baues mit der Siadimauer, die sich an beiden
Seiten unmittelbar an ihn anschlielst: alles diels erweist den
fortiieatorischen Charakter des Baus und seine Bestimmung als
befestigies Siadithor. Diese sich fast von selbst aufdrängenden
Erwägungen werden bestätigt durch die sorgfältigste Unter-
suchung aller Einzelnheiten. Gestützt auf die neuesie und vor-
treffiche Publication des Bauwerks von Schmidt?) hat ein
durchaus compeienter Forscher auf diesem Gebiet, der badische
General Krieg von Hochfelden, diese Bestimmung desselben ein-
gehend entwickelt *), indem er der Beirachiung der mittelalter-
*) Val Promis, antichitg di Aosta, Aosta 1862, Querfol. S. 142 H.
*) Vgl Bosny, Aistoire d’Aufun, Auiun 1802, 4. S. 217 und Thomas,
histoire d Autun, Paris 1846, A. S. 38.
*) Chr. W. Schmidt, Baudenkmale der römischen Periode in Trier
und seiner Umgebung, Heft 2, 1545 N. 6 und 7, dazu der Text S. 97 ff.
Auch die Erläuteruugen sind gut; nur seizt auch Schmidt den Bau kurz
vor das Jahr 464 (S. 92).
*) Geschichte der Militärarchitektur des früheren Mittelalters. Stutt-
gart 1859 S. 34 £.
5 =
96 Gesammtsitzung
lichen Bauten als Einleitung eine kurze, aber erschöpfende Cha-
rakteristik der verschiedenen Befestigungsweisen der Römer in
Gallien und Germanien vom ersten bis zum fünften Jahrhun-
dert voranschickt. Der gelehrte Verfasser unterscheidet, ent-
sprechend dem Charakter der kriegerischen Action gegen die
germanischen Stämme, drei Perioden nach den Grundprincipien
der römischen Befestigungsweise: die der Offensive, welche er
vom Jahr 50 vor Chr. bis zum Jahr 18 nach Chr. ansetzt, die
der activen Defensive, vom Jahr 18 bis zum Jahr 235, und die
der passiven Defensive, vom Jahr 235 bis zum Jahr 406. Über
diese Zeitbestimmung lälst sich streiten, doch ändert sie nichts
an der sachlichen Erklärung. An der Vergleichung mit dem am
nächsten verwandten Bauwerk, dem Stadtthor von Aosta, wel-
ches als zur ursprünglichen Anlage der Colonie gehörig allge-
mein und mit Recht als ein Bau des August angesehen wird '),
zeigt der Verfasser, dafs das befestigte Stadithor in Trier den
Anforderungen der zweiten unter den von ihm aufgestellten
Perioden des römischen Befestigungsbaues, der Periode der acti-
ven Defensive, durchaus entspricht. Er erweist die Porta Nigra
als ein selbständiges Fort, obgleich in enger Verbindung mit
dem an beiden Seiten sich anschliefsenden reich gegliederten
Stadtwall, auf welchen kleine Ausfallsthüren hinausführen. Er
zeigt die gegen Aosta verbesserte Construction des Fallgitters,
dessen Art und Lage sich deutlich erkennen lassen, so wie die
Vorrichtung zum Verrammeln der Thore. Die drei Stockwerke
und Fensterreihen, welche die Grundlage der ganz consequenten
Ornamentik des Thorbaues bilden, dienten nach des Verfassers
Ausführungen sowohl zum Angriff von oben als um den grolsen
Sälen zur Unterkunft der Besatzung und der Vorräthe das
nöthige Licht zu geben, während die Decken und Böden der
Stockwerke offenbar durchgehends aus Holz construiert gewesen
seien, um ım Fall des Angriffs schnell zerstört werden zu kön-
nen. Der Verfasser weist ferner hin auf die massive Art der
Construction in dem nur bei Prachtbauten vorkommenden opus
isodomum aus vier bis fünf, ja sieben bis neun Fuls langen
*) Wahrscheinlich aus derselben Zeit wie der Viaduct, den die In-
schrift bei Promis S. 31 Tafel XIV, D in das Jahr 750 der Stadt setzt.
vom 4. Februar 1864. 97
Werkstücken, welche ohne Mörtel nur mit eisernen Klammern
verbunden sind, und auf die Belassung des ganzen im Rohbau,
einer Art der Behandlung, deren Nachahmung erst im elften
Jahrhundert nachweisbar sei. Er kommt nach alle dem zu dem
Schluls, dem Thor, in bewulstem Gegensatz gegen die Kugler-
sche Ansicht, sicher römischen Ursprung und zwar aus einer
dem Bau des Thores von Aosta ziemlich nahe liegenden Zeit
zuzuweisen.
2. Die Porta Nigra ist ein Bau des ersten Jahrhunderts.
So überzeugend die auf die Erwägung des Plans und aller Ein-
zelheiten gestützte Zeitbestimmung ist, und so wenig dagegen
Kuglers Ausführungen von der zu flachen Profilierung der Or-
namente und ähnliches verschlagen, immerhin bleibt es wün-
schenswerth, noch ein äulseres Kriterium und eine womöglich
noch festere Datierung zu gewinnen. General Krieg weist gegen
Ende seiner Darstellung (S. 95; vgl. S. 42) hin auf die auch
an anderen römischen Bauten des Rheinlandes nach seiner Be-
obachtung nicht seltenen römischen Steinmetzzeichen, wie er
sie nennt, welche sich auf den inneren Flächen der grofsen
Werkstücke der Porta Nigra befinden und die er mit den in
Pompeji vorhandenen vergleicht. Diese Zeichen sind von den
einheimischen Schriftstellern zwar nicht ganz übersehen '), aber
nirgends vollständig gesammelt und überall milsverstanden wor-
den. Es gereicht dem gelehrten Kenner der Kriegsbaukunst
nicht zum Vorwurf, dals auch er sie nicht richtig las und
verführt durch die mittelalterlichen Steinmetzzeichen immer nur
einzelne Buchstaben oder Zeichen wie 4, X, <—, v bemerkte.
Bei einem Besuch in Trier im August des vorigen Jahres konnte
ich vorläufig Notiz von den am meisten zu Tage liegenden die-
ser Zeichen nehmen. Sie schienen mir einer genaueren Unter-
suchung um defshalb werth zu sein, weil sich möglicher Weise
daraus ein neues chronologisches Moment ergeben würde. Durch
!) Vgl. Quednows Alterthümer in Trier 1, 1820 S. 54; die sämmt-
lichen daselbst mitgetheilten Aulschriften sind unvollkommene Abschriften
der mir in Abklatschen vorliegenden. Ebenso verhält es sich mit den bei
Schmidt S. 89 ff. nach Steininger gegebenen und höchst verkehrt erklärten
dieser Inschriften.
98 Gesammtsitzung
die Vermittelung des Hrn. Gerhard und die Bemühung des
Hrn. Dr. Ladner, Secretärs der Gesellschaft für nützliche For-
schungen in Trier, bin ich in den Besitz von hundert Abklat-
schen dieser Zeichen gelangt, der Angabe nach aller an dem
ganzen Gebäude auffindbaren; weit mehr als ich verlangt hatte
und als zum Zwecke dieser Untersuchung nothwendig schien.
Die wichtigsten derselben sind auf der beiliegenden Tafel in
getreuen Facsimiles wiedergegeben. Schon eine flüchtige Be-
trachtung der Originale wie der Abbildungen zeigt, dafs der
Ausdruck Steinmeizzeichen nicht palst, sondern dals wir In-
schriften abgekürzter römischer Namen vor uns haben. Es fin-
den sich dieselben, nach den mir gemachten Angaben, überall
auf den inneren Flächen der grofsen Bausteine, und zwar mei-
stens nur bis unter die Balkenlage des ersten Stockwerks; ver-
einzelt auch noch an manchen Stellen bis unter den Gurt des
zweiten. Sie sind, wie auch die Abbildungen zeigen, nicht ein-
gemeilselt (was bei den Steinmetzzeichen der Fall zu sein
pflegt), sondern, wie der Bildhauer, welcher die Abklatsche
machte, angiebt, mit dem Zweispitz eingehauen und mit dem-
selben Instrument vertieft und ausgerieben; viele sind nur sehr
schwach eingeritzt und nicht vertieft. Sie sind, je nachdem der
Stein lag oder wie es dem Arbeiter bequem war eingehauen,
meist von links nach rechts, zuweilen von rechts nach links zu
lesen (mit allerlei Ungenauigkeiten in der Stellung der einzelnen
Buchstaben), und stehen, je nachdem der Stein eingefügt wurde,
häufig auf dem Kopf, zuweilen quer. Mit Sicherheit ist die
Auflösung dieser abgekürzten Namen, bei so vielen gleich an-
fangenden, in den wenigsten Fällen zu geben; doch kommt
darauf auch nicht sehr viel an. Die übrigen in Trier gefun-
denen Inschriften geben, so weit sie bis jetzt vorliegen, keinen
Anhalt dafür. Einige gar nicht mit Sicherheit zu lesende Auf-
schriften übergehe ich.
1. AGE ist der am häufigsten vorkommende Name; zwanzig
Mal ist er ganz deutlich so von links nach rechts geschrie-
ben zu lesen, wobei Form und Gröfse der Buchstaben in
der aus der Tafel (Fig. 1 und 2) ersichtlichen, nicht er-
heblichen Weise wechseln. Nicht ganz sicher ist die Le-
sung sechs Mal; ein Mal steht von rechts nach links 104
vom 4. Februar 1864. 99
(Fig. 3). Ein so anfangendes römisches Cognomen finde
ich nicht; Agens kommt ein Mal meines Wissens vor (BDul-
lett. 1855 S. XXXI); Agenna (Henzen 6899) und Agennia
(Maffeı M. F. 266, 3) kommen nicht in Betracht; Agendus,
Agenda (I. N. 5638) und Agentius (Henzen 6908) sind
spät oder christlich. Griechischer Namen, welche so an-
fangen, wie Agelaos, dgenor, Agesilaos, giebt es allerdings
viele. Aber unter den zahlreichen Beispielen griechischer
Beinamen aus römischer Zeit, die mir vorliegen, findet sich
keiner derselben. Sie müssen also nicht geläufig gewesen
sein. Die Personen aber, um die es sich handelt, scheinen
sämmtlich einheimische, Sclaven oder Peregrini, gewesen
zu sein, mit römischen, den ganz geläufigen griechi-
schen oder keltischen Namen. Da wir uns auf rein kelti-
schem Gebiet befinden, so kann an die Stadt der Senonen
Agedicum bei Cäsar ') und den Töpfernamen Agedillus auf
einem in London gefundenen Gefäls?) erinnert werden.
. Fast ebenso häufig kommt MAR vor, und dieser Name hat
offenbar die Veranlassung gegeben zu der schon in Ur-
kunden des elften Jahrhunderts vorkommenden Bezeichnung
des ganzen Gebäudes als Porta Martis. So MAR geschrie-
ben findet es sich zwanzig Mal (Fig. 4 und 5); das auf
das R in einem Exemplar (Fig. 6) folgende Zeichen scheint
kein Buchstab, cC oder G, zu sein, da es weit flacher und
“ breiter ist als die übrigen Buchstaben, sondern eher ein
Halbmond, wie er auf Inschriften aus den keltischen Län-
dern nicht selten ist. Es ist also wohl Martialis aufzu-
lösen. Ein Mal steht zusammengezogen MR (Fig. 7). Hier-
auf scheint ein Mal (Fig. 8) noch ein anderes Zeichen x
(ähnlich wie in Fig. 6) zu folgen.
. MAG, so zehn Mal geschrieben (Fig. 9), drei Mal von
rechts nach links (Fig. 10), zwei Mal zusammengezogen MG
(Fig. 11); etwa Magnus.
. 9. AIVL (so, nicht ATVL) findet sich vier Mal (Fig. 12),
drei Mal umgekehrt avıa (Fig. 13). Ein Mal sieht es eber
FF
1) Bell. Gall, 6, 44, 3 und sonst.
?) Archaeologia 27, 151.
100
Gesammtsitzung
aus wie vıaı (Fig. 14); doch wird wohl auch hier eher '
umgekehrt ıvıa zu lesen sein. Ob hiermit das ein Mal
ganz deutliche, ein anderes Mal undeutliche AToT (Fig. 15)
zu verbinden ist, bleibt zweifelhaft. Die beiden, wohl kel-
tischen, Namen weils ich nicht mit Sicherheit aufzulösen;
auch die mir bekannten Zusammenstellungen keltischer Na-
men ergeben keine Vergleichungspunkte. Eine entfernte
- Ähnlichkeit hat Zatiucius (Henzen 5804).
10.
. 7. SEC ist vier Mal deutlich (Fig. 16). Ein Mal steht viel-
leicht sııc, doch ist das nicht ganz sicher; drei Mal ist sır .
deutlich (Fig. 17), was auch Se bedeuten kann.» Doch kann
man auch sıL lesen (Fig. 18), wovon eine unvollkommene
Umkehrung vorkommt us (Fig. 19). Vielleicht Secundus
oder Secco, ein keltischer, gerade auch in Trier vorkom-
mender Name'), und Silanus.
. coM steht zwei Mal (Fig. 20), ebenfalls zwei Mal mo»
(Fig. 21). Vielleicht Communis, oder das auf rheinischen
Töpferstempeln nicht seltene Comitialis ?).
. CROBI ist drei Mal ganz deutlich (Fig. 22). Zu vergleichen
ist der Name Grodiscus auf einem in Augst gefundenen
Töpferstempel°).
cm steht drei Mal so zusammengezogen (Fig. 23); wenn
es nicht eine nicht ganz durchgeführte Umkehrung von
MAG ist vielleicht Camillus oder dergleichen.
Wenn die Werkstücke aller römischen Gebäude auf ähn-
liche Inschriften hin untersucht worden wären, so würden sich
wahrscheinlich eine Reihe ähnlicher Beispiele anführen lassen.
Es liegt nahe, die von Henzen früher einmal zusammen-
gestellten Inschriften unbehauener Marmorblöcke aus Rom zur
Vergleichung heranzuziehen‘). Allein bei näherer Betrachtung
erw
Es
ziell
eisen sie sich als gänzlich verschieden von den unsrigen.
sind zuweilen ziemlich ausführliche, zuweilen kürzere offi-
e und datierte Angaben der kaiserlichen Behörde und der
!) Rhein. Jahrb. 16, 1851 S. 67.
*) Vgl. Fröhner inscriptiones terrae coctae vasorum S. 31.
?) Mommsen inser. Helvet. 352, 68.
*) Annali dell’ instituto 15, 1843 S. 333 ff.
_ Monatsbericht d.Akd. Febr. 1864.
SA (x ; =
DIN ENE
ASt
in 07 \
A
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NNRX| COM
DENN e ANNO 94
10 A 92
1 AS
CAR
NL
ae
DO RSS
vom 4. Februar 1864. 101
ausführenden Beamten, welche die Marmorbrüche verwalteten '!),
und daher am nächsten verwandt den Aufschriften von Berg-
werksprodukten, wie z. B. der kaiserlichen Bleibergwerke in
England?). Die Beschaffung des Materials zu den Mauern und
Tboren von Trier mag in ähnlicher Weise geschehen sein,
allein die vorliegenden Inschriften sind wohl nur von den Bau-
leuten gemachte, also mehr private als offizielle Bezeichnungen
für die Einfügung der einzelnen Werkstücke. Hieraus erklärt
sich auch hinreichend die wechselnde Stellung der mit den In-
schriften versehenen Blöcke in den Mauern. Sollte einmal eine
nähere Untersuchung des Bauwerks möglich sein, so werden
sich wahrscheinlich dieselben Inschriften auch auf den nicht
sichtbaren Flächen der Steine finden. Eine grölsere Verwandt-
schaft mit den vorliegenden Inschriften zeigen die freilich auch
nur als Anfangsbuchstaben von Namen zu erklärenden Aufschriften
auf römischen Mühlsteinen, welche Herr de Rossi zusammen-
gestellt hat°). Aus eigener Anschauung aber kann ich ver-
weisen auf die ım flavischen Amphitheater in Rom auf der in-
neren Fläche der grolsen Travertinblöcke mit Minium aufge-
malten ganz analogen Inschriften, von denen ich einige der les-
barsten, wie IVL-ONER... und VRBAN], veröffentlicht habe *). Von
den meisten sind in den dunkelen Gängen nur undeutliche Spu-
ren und zwar auch diese nur bei günstigem Lichte erkennbar.
Ich las mehrere Male wiederholt vrB.... und vRB...I, ferner
GER ...., ATILI VR.. und ähnliches; also auch wohl abgekürzte
Namen. Unzweifelbaft sind auch diese Bezeichnungen (Inschrif-
ten kann man sie kaum nennen) gemacht worden, ehe die Steine
an ihren Platz in das Bauwerk eingefügt wurden. Eis liegt mit-
hin nahe in ihnen wie in den Inschriften der Porta Nigra ent-
weder in den Steinbrüchen oder auf den Bauplätzen (diese Frage
!) Vgl. Henzen 6527 vom Jahr 137: L. Aelio Caesare n(ostro) II et
Balbino co(r)s(ulibus), rationis urbicae, sub cur(a) Irenaei Aug(usti) lib(erti)
proc(uratoris), caesura Juli Saturnini c(enturionis) leg(ionis) AXII Prim(i-
geniae). Auch die kürzeren Inschriften, off(icina) Papi, n(umerus) XCIV,
loco ÄX sind ganz anderer Art.
?) Vgl. Rhein. Museum 12, 1857 S. 347 ff.
?) Annali dell’ instituto 29, 1857 S. 274 ff. tav. d’agg. K.
%) Annali dell’ instituto 1856 S. 71.
102 Gesammtsitzung
kann erst durch fortgesetzte Untersuchung entschieden werden
den) gemachte Bezeichnungen zu erkennen, deren eigentlicher
Zweck freilich so wenig mit Bestimmtheit angegeben werden
kann, wie der der räthselhaften Felsinschriften vom Libanon '),
welche wiederum mehr an die der römischen Marmorblöcke er-
innern. Was aber die Schriftformen anlangt, so ergiebt sich aus
den in den Abbildungen mitgetheilten Beispielen das auf der Tafel
zusammengestellte Alphabet (Fig. 24), welches im wesentlichen
durchaus mit dem der pompeianischen Graffite, vielfach sogar
mit republikanischen in ähnlicher Weise flüchtig eingeritzten
Inschriften stimmt. Es kommen nicht vor die Buchstaben D
FHKNPQ_; die übrigen zeigen keine irgend entscheidenden
Eigenthümlichkeiten späterer Zeit, wohl aber eine Reihe der
besonderen Kennzeichen älterer Schrift; wie sich leicht aus der
Vergleichung mit Ritschls Zusammenstellung dieser Schriftfor-
men?) ergiebt. A kommt selten vor in der später allgemein
üblichen Form mit dem horizontalen und anschliefsenden Mit-
telstrich (Fig. 1. 23), es erscheint fast überall in der alten Form
mit dem gelösten Mittelstrich; c ist überall sehr breit; E hat
stets den mittleren Querstrich ebenso lang, als die beiden an-
deren; bei G ist der Seitenstrich gelöst; L mit dem nach unten
gewendeten Querstrich findet sich ebenso auch auf älteren In-
schriften; M ist stets sehr breit gedehnt und mit der mittleren
Spitze unten aufstehend; o kleiner als die übrigen Buchstaben.
Im allgemeinen ist der Charakter der Schrift quadratisch und
plump; sie steht dadurch offenbar der Zeit des August näher
als der des Traian, in welcher die schlanken Schriftformen be-
ginnen.
Die von General Krieg aufgestellten sachlichen Kriterien
scheinen zu verbieten, den Bau vor das Jahr 18 nach Chr. zu
setzen, obgleich die Verbesserungen der Construction an man-
chen einzelnen Tbeilen des Baus leicht später hinzugefügt sein
könnten. Die Inschriften aber, verbunden mit den Eigenthüm-
lichkeiten und dem imposanten Charakter des ganzen Bauwerks,
machen es in hohem Grade wahrscheinlich, dafs das Thor zur
1) C.1.L.3, 180.
?) C.LL.1 tabulae S. 111 ff.
vom 4. Februar 1864. 103
ursprünglichen Anlage der Colonie gehört. Über die Zeit
der Gründung einer Militärcolonie und der damit verbundenen An-
lage der Befestigungen der früher wohl offenen civizas Treoirorum
giebt es freilich keine bestimmte Nachricht. Die gewöhnliche
Annahme der Gründung durch August, welche einzig auf dem
ganz unsicheren Grunde des Namens Augusta Trevirorum be-
ruht, unterliegt erheblichen Zweifeln, auf welche Zumpt auf-
merksam gemacht hat'). In der Tafel des Agrippa waren die
Trevirer als eine schon früher, das heilst also wohl von Cäsar
oder Augustus, mit der Zibertas, wie die Lingonen mit dem
foedus beschenkte Gemeinde aufgeführt, aber nicht als Colonie.
Ebenso wenig gedenkt Strabo (4, 3, 4 und 5) der Colonie und
Tacitus bezeichnet die Trevirer in den Annalen (1, 41) im
Jahr 14 ausdrücklich als exzternae fidei, wogegen er in den Hi-
storien (4, 62 und sonst) unter Vespasian das Vorhandensein
der römischen Colonie hervorhebt. Danach vermuthete schon
Lipsius (zu der Stelle der Annalen), dem Zumpt folgt, dafs
Claudius der Gründer dieser CGolonie gewesen sei, ebenso wie
der benachbarten in Übierland, der colonia Agrippina. Den Na-
men Augusta habe die civizas, meint Zumpt, schon bei Erthei-
lung der Zibertas durch August erhalten. Doch kann der voll-
ständige Name der Colonie auch Claudia Augusta gewesen
sein, wie der von Lugudunum. Der Charakter des Baues ent-
spricht sehr wohl der Zeit, in der die claudische Wasserlei-
tung und ihr Durchgang bei Porta Maggiore in Rom entstanden
ist. Doch fehlt es noch an einer Bestimmung der feineren
Stilunterschiede in den Bauten aus der Zeit des August und
der des Claudius. Die bisherigen Untersuchungen über den
Gang der alten quadratischen Stadtmauer von Trier, wie sie der
Plan von Schmidt veranschaulicht, zeigen das Thor der bekannten
Regel gemäls grade in der Linie des Decumanus gelegen. Es
kann danach die Porta Nigra recht wohl der alten poria prae-
toria des befestigten Lagers entsprochen haben. Dazu stimmt
auch vollkommen, dafs das Thor, so wenig wie das von Aosta,
jemals eine besondere Inschrift getragen zu haben scheint. Da
es zur ursprünglichen Anlage gehörte und keinen besonderen
") Commentationes epigraphicae 1 S. 385.
104 Gesammtsitzung
Zweck hatte, aulser dem fortificatorischen, so bedurfte es keiner
Aufschrift. Wäre es der schon vorhandenen Anlage später hin-
zugefügt oder auch nur in wesentlichen Theilen wiederherge-
stellt werden, so würde man nach römischem Brauch eine dar-
auf bezügliche Inschrift mit Recht erwarten. An keiner der
Stellen des Baues aber, an welchen die architektonische Regel
eine Inschrift vermuthen lielse, haben sich Spuren davon ge-
funden, dafs jemals eine vorhanden gewesen wäre. Die allge-
meinen Zeitverhältnisse endlich widersprechen dieser Annahme
keineswegs, und aulserdem spricht für sie noch der folgende,
scheinbar unbedeutende Umstand, dessen Kenntnils ich den
Mittheilungen des Dr. Ladner verdanke.
Die “Trierische Kronik’ vom Jahre 1822 S. 62 erzählt, %:
im April des genannten Jahres bei St. Barbara, einer nahe der
Moselbrücke gelegenen Vorstadt von Trier, wo nach den Pro-
spekten des Sebastian Münster und Merian, also noch im sieb-
zehnten Jahrhundert, bedeutende Mauerreste aus römischer Zeit
standen, zufällig Nachgrabungen stattfanden. Unter den Trüm-
mern von römischen Backsteinen, Marmorstücken und römischem
Estrich fand man grofse Sandsteine, regelrecht behauen, auf
denen die Zeichen
CIG
eingemeilselt waren. Spätere Ausgrabungen an derselben Stelle,
aus den Jahren 1825 und 1847, deckten ausgedehnte Reste rö-
mischer Bauten auf.
Die dritte dieser Inschriften ist die Umkehrung von Fig. 7;
die zweite kann ein neuer Name sein, vielleicht Zumilis, wahr-
scheinlich aber ist es ein auf dem Kopf stehendes mAR; die
erste ist schlecht gelesen, vielleicht ein Rest von sec. Offen-
bar sind alle drei Bezeichnungen von derselben Gattung, wie
die der Steine der Porta Nigra. Die römische Umfassungs-
mauer gehört unzweifelhaft zu der ersten Golonieanlage, viel-
leicht des Claudius, die höchstens von seinen nächsten Nachfol-
gern vervollständigt worden sein mag. Finden sich nun auf
den Werkstücken derselben die gleichen Zeichen wie auf denen
vom 4. Februar 1864. 105
des Thores, so ist der Schlufs auf ihre Gleichzeitigkeit geboten
und damit ein neuer Grund gewonnen, den Bau der Porta
Nigra etwa in die Mitte des ersten Jahrhunderts zu setzen.
Hr. Pertz überreichte ein für die Königliche Akademie
bestimmtes Exemplar der von Hrn. Professor Dr. Waitz zu
Göttingen, correspondirendem Mitgliede der Akademie, am
5. December v. J. in der K. Societät der Wissenschaften zu
Göttingen ‚zum Gedächtnils an Jakob Grimm” gehaltenen Rede.
Derselbe legte eine bisher nicht bekannte noch benutzte
Handschrift der Zeges /Wisigothorum vor, welche sich seit der
Mitte des vorigen Jahrhunderts in der berühmten Gräflich
Brahe’schen Bibliothek zu Skokloster in Schweden befindet,
und ihm durch die gewogentliche Vermittelung des K. Mini-
sterii der Auswärtigen Angelegenheiten und des Königlichen Ge-
sandten in Stockholm zur Benutzung für die Monumenta Ger-
maniae hieher mitgetheilt ist. Die Handschrift auf schönem
Pergament in Folio und in zwei Columnen mit Westgothischer
Schrift des 12ten Jahrhunderts geschrieben, gehörte im Jahre
4610 dem Paulus Petavius. Sie enthält den Text der West-
gothischen Gesetze und darauf das Inhaltsverzeichnifs. Der Text
steht unter allen bekannten dem der Handschrift von Cardona
am nächsten, und enthält insbesondere allein mit dieser ein Ge-
setz am Schlusse des Ganzen mehr. Sie gehört also jedenfalls
Catalonien an, und kleine Annalen, welche von etwas spä-
terer Hand als der übrige Text mit kleiner Schrift eingetragen
sind, gestatten ihrem Ursprunge noch näher zu treten. Diese
Annalen beziehen sich in ihrer grölseren ersten Hälfte auf die
fränkischen und französischen Könige vom ersten Pippin an bis
zum Jahre 1180. Darauf folgen Annalen zur Geschichte Cata-
loniens oder der Grafen von Barcellona des 12ten Jahrhunderts.
Diese letzteren sind, wie eine Vergleichung mit der vom Erz-
bischof von Paris Petrus de Marca in dessen Werke de Marca
106 Gesammtsitzung
Hispanica Paris 1688 veranstalteten Ausgabe beweist, für das 12te
Jahrhundert eine Quelle des Chronicon oder eigentlich der Annales
$S. Mariae Ulianensis, eines Stiftes in dem Bisthum von Gerona und
der Grafschaft Empurias. Diese bis zum Jahre 1280 fortgesetzte
Chronik aus einer Handschrift jenes Stifts herausgegeben, weist nun
wohl auf eine Handschrift von Barcellona hin; und glaube ich
daher mit Weahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen, dals die
unserer Handschrift eigenen Annalen als Annales Barcinonenses zu
bezeichnen, und die Handschrift der Westgothischen Gesetze
nebst der von Gardona, als Catalonische Handschriften zu ein-
ander zu stellen. Sie ist nun für die neue Ausgabe benutzt
worden, welche sich auf eine Anzahl von Handschriften stützen
wird, die allen bisherigen Drucken selbst dem Madrider feh-
len und bis auf 200 Jahr älter sind, und geht in diesen Tagen
nach Schweden zurück.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Diplomatarium norvegicum. XI. Christiania 1863. 8.
Norske Rigs Registranter. U,2. ib. 1863. 8.
Stjorn. Norsk Bibelhistorie. Hefte 5. ib. 1862. 8.
Norske Samlinger. 11,4. ib. 1860. 8.
Norske Magazin. II, 1. ib. 1863.. 8.
Iyt Magazin for naturvidenskaberne. X1I,1.2.3. ib. 1863. 8.
H. J. Müller, Framstelling af Sohrigshistoriens vigtigste Begivenheder.
ib. 1863. 8.
H. Meltzer, Smaabilleder af Folkelivet. 1.1. ib. 1862. 8.
Ilsen, Kongs-Emnerne. ib. 1864. 8.
Kraft, Norsk Forfatter- Lexicon. VII. ib. 1863. 8.
Nicolaysen, Norske Fornlevninger. Hefte 2. ib. 1862. 8.
Norwegische Universitäts- und Schulschriften. (16 Nummern.) ib.
18535—63. 8.
Acta socielatis scienliarum fennicae. Vol. VI. Helsingfors 1863. 4.
Öfversigt af Finska Vetenskaps-Societetens Förhandlingar. V. ib.
1858—63. 8.
Bidrag till Finlands Naturkännedom. Häftet 8.9. ib. 1863. 8.
Bidrag till Kännedom af Finlands Natur och Folk. Häftet 5. 6. ib.
1863. 8.
vom 11. Fedruar 1864. 107
Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. no. 59. Edinburgh
1863. 8.
Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXI, 2. ib.
1863. 4.
Rendiconto dell’ Accademia di scienze morali e politiche. Aprile — Oct.
1863. Napoli 1863. 4.
Gasparrini, Memorie botaniche. Napoli 1863. 4.
Silliman, The american Journal of science and arts. New Haven
1863. 8.
Annalen der Münchner Sternwarte. Ater Supplementband. München
1863. 8.
Emil Schlagintweit, Buddhism in Thibet. London 1863. 8. und
Atlas in 4.
H., A. und R. Schlagintweit, Zesults of a scientific mission to India
and Hich Asia. Vol. Il. London 1863. 4. und Atlas in folio.
(Walcker) Tables of heights in Sind, the Punjab, N. W. Provinces and
Central-India. Calcutta 1863. 8.
11. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Riedel las: Über den Kurfürsten FriedrichII.
von Brandenburg und sein Streben nach der Herr-
schaft am ganzen Ostseestrande, namentlich auch
nach dem Erwerbe von Holstein und Lauenburg.
Von grolser Bedeutung für den Werth eines Staatsgebietes
ist immer die Frage, ob es und in welcher Ausdehnung es
Meeresküste besitzt. Denn auch nur als Art der Begrenzung
betrachtet, befriedigt die Meeresgrenze alle Ansprüche, welche
an eine gute Landesgrenze gemacht werden, in ungleich höhe-
rem Grade als jede andere, da die Scheidewand, welche sie
zwischen den Völkern bildet, deren friedlichen Verkehr erleich-
tert und doch ihre feindliche Berührung erschwert. Immer
aber ist das Meer zugleich eine unerschöpfliche Quelle von
Nahrung und Wohlstand für die Bevölkerung, welche seine Kü-
sten bewohnt, und regt, — was die Hauptsache ist, — die in
alle Welt hinausführende bequeme Strafse, welche das Meer dem
Menschen- und dem Waarenverkehre bietet, gewerbliches und
108 Gesammtsitzung
geistiges Leben der Völker mächtig an. Kein grölserer Staat
hat daher für die Dauer ein ‚lebenskräftiges Bestehen zu be-
haupten vermogt, ohne irgendwo mit seinem Gebiete die Ufer
des Meeres zur Grenze gewonnen zu haben, und der Umfang,
in welchem dies einem Staate gelang, war für seine ökonomi-
sche, intellectuelle und religiöse Entwickelung, für seine natio-
nale Kraft und seine politische Macht oft in hohem Grade ent-
scheidend.
Weit blickende Gründer und Lenker von Staaten, wie die
ersten Zollernschen Kurfürsten von Brandenburg waren, mach-
ten daher immer auch den Erwerb von Küstenländern und die
Ausdehnung ihrer binnenländischen Herrschafts-Bereiche bis an
die Gestade des Meeres zum Gegenstande eifrigen Strebens.
Bei der ersten Gründung des Brandenburgisch Preufsischen
Staates tritt diese Richtung besonders in dem Leben des durch
grolse Entwürfe wie durch grolse Thaten gleich ausgezeichne-
ten Kurfürsten Friedrich II. hervor. Die kühne politische Idee,
die dieser Fürst vom Anfange bis zum Ende seiner Regierung
fest im Auge hielt, war keine geringere, als der Plan, — den
die edelsten seiner Nachfolger weiter auszuführen übernommen
haben, — an den Gestaden der Ostsee, im Zusammenhange mit
seinen, von dem belebenden Einflusse des Meeres bis dahin aus-
geschlossenen Märkischen Binnenländern, ein Reich erwachsen
zu lassen, das von Kiel bis über Memel hinaus den Ostseestrand
beherrsche.
Friedrichs erster Schritt zu diesem Ziele war sein am
42. April 1442 geschlossener Erbvertrag mit Mecklenburg.
Opferte er darin auch wohlbegründete Successionsansprüche auf
das Land Wenden; so hätte dessen Erwerb doch nur sein Bin-
nenland um einen geringen Gebietstheil erweitert. Indem er
denselben aufgab, sicherte er sich und seinen Nachkommen da-
für den Anfall der gesammten von der Ostsee bespültien Meck-
lenburgischen Lande für den Fall, dafs das herzogliche Haus,
welches schon damals zu den ältesten Dynastien Deutschlands
gehörte, dermaleinst erlöschen werde.
Unter der Begünstigung von politischen Ereignissen streckte
der Kurfürst seine begehrliche Hand demnächst weiter aus —
vom 11. Fedruar 1864. 109
nach den Ostseeländern sowohl zur Rechten als zur Linken
Mecklenburgs.
Auf der rechten Seite galt sein Erwerbsplan zuvörderst den
Pommerschen Küstenländern.
Ein dem Lehnrechte Mecklenburgs und Pommerns eigen-
thümliches Rechtsinstitut ist das sogenannte Erbjungfernrecht.
Dies wurde von dem Kurfürsten benutzt, um einen Rechtstitel
auf den an Mecklenburg zunächst angrenzenden Küstenstrich von
Ribbenitz über Stralsund hinaus sich zuzueignen. Agnes, Wittwe
seines jüngern Bruders Friedrich, war einzige Tochter eines mit
dem Fürstenthume Rügen und mit den Städten und Landbezir-
ken Damgard, Barth, Loitz, Grimmen, Trebsees und Stralsund
abgetheilten Pommernherzoges. Als dieser ohne männliche Nach-
kommen starb, erschien es zweifelhaft, ob auch auf Fürstenthü-
mer der Rechtsgrundsatz zur Anwendung zu bringen sei, der in
den Slawenländern für den niedern Lehnsadel galt, nach welchem
in die Lehne eines ohne männlichen Descendenz verstorbenen
Besitzers dessen überlebende Töchter folgen durften. Der Kur-
fürst entschied sich mit seiner Schwägerin für die Anwendbar-
keit des Erbjungfernrechtes auf Fürstenlehne und liels sich spä-
ier von der Wittwe die für sie daraus folgenden Ansprüche
abtreten, da die Neffen des verstorbenen Herzogs, ohne des
Anspruchs der Markgräfin zu achten, von den erledigten Landen
ihres verstorbenen Vaterbruders eigenmächtig Besitz genommen
hatten. (Cod. cont. I, 277. 291.)
Mit diesen Neffen des verstorbenen Herzogs von Pommern-
Rügen bekam der Kurfürst es ohnehin zu thun, als den 10. Sep-
tember 1464 die Linie der Herzöge von Pommern - Stettin er-
losch. Auf Grund sehr zweifelbafter Traditionen über eine
Lehnsabhängigkeit aller Pommernherzöge und ihrer Lande von
Brandenburg, nahm der Kurfürst, nach jenem Todesfalle, Otto’s
Verlassenschaft an Landen und Leuten und damit die Meeres-
küste bis zur Grenze Preufsens hinauf, als ihm heimgefallenen
Lehnsbesitz in Anspruch; während die überlebenden Pommern-
herzöge unmittelbare Lehnsabhängigkeit vom Reiche und Suc-
cessionsrecht für sich in die erledigten Lande des ihnen stamm-
verwandten Stettinischen Herzogshauses behaupteten. Fast Frie-
[1864.] 9
4110 Gesammtsitzung
drichs ganze fernere Regierungszeit war einem mit der höch-
sten Anstrengung geführten Kriege für das Geltendmachen jenes
Anspruches gewidmet: und glücklich erkämpfte er darin wenig-
stens den Soldiner Vertrag, bei dem es auch in der Folgezeit
im Wesentlichen sein Bewenden behalten hat. Darnach wurde
dafür, dafs Friedrich seinen Anspruch auf sofort erfolgende un-
mittelbare Besitznahme der Stettinischen Verlassenschaft aufgab,
dem Hause Brandenburg wenigstens für den Fall eines völligen
Erlöschens des in Laster und Schwäche tief versunkenen Pom-
mernsehen Herzogshauses der Anfall aller seiner Lande ge-
sichert.
Nach der Pommerschen folgte die Preufsische Küste. Diese
beherrschte zwar damals der deutsche Ordensstaat noch unge-
theilt, bis zu den Grenzen Litthauens hinauf, aber indem er
über das unglückliche Land eine schmachvolle, grofsentheils von
abentheuerlichen, aus allen Winkeln des heiligen Römischen
Reichs dorihin zusammengelaufenen besitzlosen Junkern gehand-
habte Milsregierung verbreitete. Längst sehnten sich die Preu-
(sen, das Joch der Ordensritter mit der Erbherrschaft eines
Deutschen Fürsten zu vertauschen: und da dieser Wechsel bei
dem Vorschub, den in Deutschland alterthümliche Religiösität
dem Orden leistete, schwer erreichbar erschien, zog ein bedeu-
tender Bruchtheil des Preulsischen Volkes sogar die Unterwer-
fung unter Polnischen Zepter einem längern Ertragen des Or-
densregimentes vor. Kurfürst Friedrich war dabei überall als
kluger Vermittler thätig, besonders zum Schutz des Ordens-
staates gegen die Erwerbungslust der Krone Polen, so wie zur
Erhebung der Deutsch gesinnten Parthei des Volkes über die
Polnische. Dafs Friedrichs berechnende Politik dabei aber nicht
blofs die Wiedererwerbung der Neumark, sondern noch weit
Höheres erstrebte, enthüllt schon im Jahre 1458 ein Schreiben
Niederlausitzischer an Böhmische Landstände, worin jene die
Erweiterung des Herrschaftsbereiches des Kurfürsten auf ganz
Preufsen als Wahrscheinlichkeit oder in Aussicht stehende Mög-
lichkeit hinstellen. Cod. Brand. III, I, 325.
Kurfürst Friedrich II. hat zwar am 10. Februar 1471 die
Augen schliefsen müssen, nach einem grolsen thatenreichen Le-
ben, ohne dals von diesen dem Brandenburgischen Staat er-
vom 11. Februar 1864. 111
öffneten Aussichten eine einzige sich schon erfüllt hatte. Aber
die Idee, den Preulsischen Ordensstaat in ein Herrschaftsgebiet
seines Hauses zu verwandeln, vererbte er mit glücklichem Er-
folge auf seine Nachkommen. Nicht minder sind die Früchte
der von ihm begründeten Anwartschaft auf ganz Pommern, von
unserem Staate bereits eingeerndtet: und die Aussicht auf Meck-
lenburgs dereinstigen Anfall an Preulsen, können wir heute noch
als eine wichtige Errungenschaft des Kurfürsten schätzen.
Aber auch nach der andern — der linken Seite Mecklen-
burgs hin, zeigte dieser Fürst, als ein wahrer Augustus der
Mark, wie ein Zeitgenosse ihn nennt, sich thätig. Wollte Frie-
drich II., wie er in einem Schreiben von 1470 seinem Bruder
Albrecht sagt, Brandenburg zu einem „schier den ganzen Ost-
seestrand” beherrschenden Deutschen Staate erheben; so konn-
ten im Westen nur die Mündungen der Eider einen Grenz-
punkt für seine Erwerbungspläne bilden. Und in dieser Aus-
dehnung falste Kurfürst Friedrich II. vor 400 Jahren die Auf-
gabe des von ihm zuerst begründeten Staates!
Die Zeitverhältnisse werden es rechtfertigen, wenn ich auf
des Kurfürsten historisch noch nicht bekannte und daher auch
literarisch noch nicht besprochene Erwerbs-Verhandlungen, die
Lauenburg und Holstein zum Gegenstande hatten, noch etwas
näher umgehe, wenngleich des Kurfürsten Bestrebungen nach
dieser Seite hin fruchtlos geblieben sind.
Auf das Herzogihum Lauenburg, das natürliche Vermitte-
lungsglied zwischen Mecklenburg und Holstein, seinen Nach-
kommen ein Anfallsrecht zu erwerben, kam Kurfürst Friedrich II.
im Juli 1452 mit dem Herzoge Berend von Sachsen-Lauenburg
in Wilsnack zusammen und besprach er hier mit diesem, unter
Zuziehung beiderseitiger Räthe, eine Einigung, wornach eine
‚Tochter des Kurfürsten dem ältesten Sohne des Herzogs ver-
mählt werden sollte, dem letztern in dessen Streitigkeiten mit
Hamburg, Lübeck und Sachsen-Wittenberg des Kurfürsten Bei-
stand zugesichert wurde, dagegen aber Lande und Leute des
Herzoges dem Kurfürsten die Eventualerbhuldigung leisten soll-
ten, um dereinst, nach einem Erlöschen des herzoglichen Hau-
ses, dem Kurfürsten oder seinen Erben zuzufallen. Die Räthe
wurden beauftragt hierüber förmliche Recesse abzufassen. So
9r
4112 Gesammitsitzung
weit bekundet den Hergang ein im Geh. Staats-Archive aufge-
fundenes gleichzeitiges Protokoll. Cod. Br. Supl. 70. In der Folge
kam die Vermählung einer Tochter des Kurfürsten mit dem
Herzoge Johann von Sachsen - Lauenburg auch wirklich zu
Stande. Aber weitere Verhandlungen über die dem Kurfürsten
zu leistende Eventualhuldigung der Lauenburger und abgefafste
förmliche Recesse sind bis jetzt nicht aufzufinden gewesen.
In Holstein verstarb bekanntlich am Ende des Jahres 1459
Adolph Herzog in Schleswig und Graf in Holstein und Stor-
marn aus dem Schauenburger Hause ohne männliche Descendenz.
Um die Nachfolge bewarben sich einerseits König Christiern aus
dem Hause Oldenburg, der auf seinem Haupte die Kronen der
drei Nordischen Reiche trug und Schleswig ohne Weiteres in
Besitz nahm, andrerseits des Verstorbenen nächster Blutsver-
wandter, Graf Otto von Schauenburg.
Bei der grofsen Nichtachtung der deutschen Reichsgewalt,
die in diesen von deren Mittelpunkte entlegenen Landen ge-
wöhnlich war, nahmen sich die Holsteinischen Landstände des
Streites der Prätendenten an, ohne einer Entscheidung des
Reichsoberhauptes zu warteu. Einer Trennung von Schles-
wig vorzubeugen stifteten sie einen Vergleich, wornach Graf
Otto mit Geld abzufinden war, Holstein und Stormarn sich dem
Könige unterwarfen, aber unter der für ihr staatsrechtliches
Nebeneinanderbestehen mit Schleswig später so wichtig gewor-
denen Bedingung — welche der König von Dänemark am
6. März 1460, bevor ihm die Huldigung geleistet wurde, feier-
lich verbriefen mufste — dafs die Lande Schleswig und Hol-
stein zu ewigen Zeiten zusammen bleiben, auch nach des Kö-
nigs Tode das Recht haben sollten, sich einen neuen Herrn zu
wählen. (Lünigs R. A. P. sp. cont. II. Forts. 2 [B.X.] 17 £.)
Ohne Zweifel war durch diese Ereignisse die Würde des
Deutschen Reichsoberhauptes tief verletzt, zumal da König Chri-
stiern keinen Schritt hat, sich die Belehnung mit den Deutschen
Grafschaften Holstein und Stormarn nachträglich zu verschaffen.
Sollte hier am Saume des Reiches dessen Recht und Würde
gewahrt bleiben, so konnte der Kaiser, der Eigenmächtigkeit des
Dänenkönigs gegenüber, nicht anders handeln, als indem er die
von diesem eigenmächtig in Besitz genommenen Deutschen
vom 11. Fedruar 1864. 115
Reichslande einem Anderen verlieh, dem die Macht beiwohnte,
selbige dem Dänen wieder zu entreilsen.
Unter diesen Umständen war es, dals Kurfürst Friedrich II.
im März 1461 durch einen Gesandten, den er in des Kaisers
Hoflager schickte, um die kaiserliche Belehnung mit Holstein
sich bewarb. Er war damals der einzige Norddeutsche Fürst,
der sich die Stärke zutrauen konnte, den dreifach gekrönten
König mit seinen Dänen aus Holstein wieder herauszutreiben
und die Anerkennung der Zugehörigkeit Holsteins zu Deutsch-
land zu erzwingen. (Höflers Kaıis. Buch S. 80.) Der Kurfürst
hatte damals aulserdem noch durch aufopfernde Hingebung für
den Kaiser in dessen Kampfe mit dem Böhmischen Emporkömm-
ling Georg von Podiebrad, sich besondern Anspruch auf Gunst-
erweise des Kaisers erworben.
Aber Friedrich von Österreich, der die Kaiserwürde be-
kleidete, hatte für empfangene Wohlthaten und für erlittene
Schmach ein gleich kurzes Gedächtnils; und war stets zum
Gegentheil entschlossen, sobald ihm eine Begünstigung des Zol-
lernschen Hauses angesonnen ward.
Dem Kurfürsten wurde auf seine Bewerbung um Holstein,
um daraus den anmafslichen Besitznehmer zu verdrängen, nicht
einmal ein Bescheid zu Theil. Als dagegen Christiern sich nach
Jahren endlich entschlofs, den Kaiser nachträglich noch als
Lehnsherrn von Holstein anzuerkennen, begnügte dieser sich
nicht allein damit, das früher gegen seinen Willen Geschehene
gut zu heilsen, sondern er erwies dafür dem Dänenkönige auch
noch die Gunst, ihm die braven Ditmarsen, die sich der Aner-
kennung eines Dänischen Oberherrn fortdauernd beharrlich ge-
weigert hatten, diesem mit List und Gewalt unterzuordnen.
Dies war der erste Akt des Dramas Schleswig-Hol-
stein und Dänemark, worin damals das Streben des Kur-
fürsten von Brandenburg nach dem Erwerb aller Ostseeländer
eine Rolle mitspielte. Seitdem stellt die Geschichte eine vier-
hundertjährige unheilsvolle Fortentwickelung der damals gestif-
teten Verbindung zur Schau. Möge mit Dem, das beklagens-
werih in unsern Tagen noch hat geschehen müssen, um eine
alte Schuld Österreichischer Sorglosigkeit um die Interessen des
414 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 15. Februar 1864.
Deutschen Reiches wieder gut zu machen, endlich der Schluls
des traurigen Spiels erreicht werden, mit besserer Wahrung
der Würde Deutschlands und des Heils Deutscher Bevölkerung!
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Caspar Henneberger, Landtafel von Preu/sen. 2. photolithographirte
Ausgabe. Königsberg 1863. 4.
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 411. Band. Berlin
1863. 4.
Verhandlungen der 46. Versammlung der schweizerischen naturforschen-
den Gesellschaft. Luzern 1862. 3.
Christener, Die Hieracien der Schweiz. Bern 1863. 4.
Sitzungsberichte der bayrischen Akademie der Wissenschaften. Heft 3.
München 1863. 8.
Nachrichten von der Universität und Gesellschaft der Wissenschaften in
Göttingen. Göttingen 1863. 8.
Die Herren Aufrecht in Edinburgh, von Dorn in St.
Petersburg, Jonckbloet in Groningen, Keil in Pforta, Lotze
in Göttingen, de Rozieres in Paris, Zeller in Heidelberg
wurden zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch-
historischen Klasse der Akademie gewählt.
15. Februar. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Ewald las: Über die Charaktere und das geo-
gnostische Vorkommen der Gattung Monopleura.
Gesammitsitzung vom 18. Februar 1864. 115
18. Februar. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. Braun las: Einige Bemerkungen über Blatt-
stellung.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Portugaliae Monumenta historica. Vol. I. Fasc. 3. Olisipone 1863.
folio.
Lendas da India. Tomo III, Parte 2. Lisboa 1863. 4.
Memorias da Academia real das sciencias de Lisboa. Tomo III, 1.
Lisboa 1863. 4.
Comptes rendus hebdomodaires de TAcademie des sciences. Vol. LVII,
no. 22—26. Paris 1863. 4.
Rendiconto dell!’ accademia delle scienze. Anno II, no. 4—10. Napoli
1863. 4.
Anuario del real observatorio de Madrid. Anno V. Madrid 1863, 8.
Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. 13. Band, no. 3. 4. Wien
1863. 8.
Preufsische Statistik. Heft 4. Berlin 1863. 4.
Scacchi, Dei tartrati di stronziana e di barite. Napoli 1863. A.
Reinaud, Aelations politiques et commerciales de Tempire romain avec
P’Asie orientale. Paris 1863. 8.
Lettres, Instructions etc. du Cardinal de Richelieu Tome V. Paris
1863. 4.
Li Livres dou Tresor par Brunetto Latini. Paris 1863. 4. Mit Mi-
nisterialrescript vom 10. Febr. 1864,
Durch Ministerialerlais vom 17. d. M. wird die Akademie
benachrichtigt, dals Se. Majestät der König mittels Allerhöch-
sten Erlasses vom 3. d. M. die Wahl des ordentlichen Profes-
sors an der hiesigen Universität Dr. Carl Müllenhoff zum
ordentlichen Mitgliede der Akademie zu bestätigen geruht haben.
%
116 Gesammtsitzung
25. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Haupt las über eine ungedruckte griechi-
sche Thiergeschichte.
Hr. W. Peters legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. von
Martens über neue Cyclostomateen und Helicinen
aus dem indischen Archipel vor. \
1. Opisthoporus Sumatranus n. sp. Testa subde-
pressa, mediocriter umbilicata, striatula, flavobrunnea, fusco-ful-
minata; apice cornea; anfr. 4 convexi, ultimus tubulo suturalı
perpendiculari 3 Mill. ante aperturam sito munitus; peristoma
duplicatum, externum reflexum, rubellum, prope suturam parum-
per fornicatim productum. Diam. maj. 11%, min. 95, alt. 7,
apert. 5 Mill.
Sumatra, im Innern an dem Ostabhang der centralen Berg-
kette bei Kepahiang.
2. Pterocyclos Sumatranus n. sp. Testa discoidea,
late umbilicata, striatula, fuscomaculata et unifasciata; anfr. 4%,
supra planiusculi, infra rotundati, ultimus ad aperturam paulo
descendens; peristoma duplicatum, internum haud emarginatum,
externum reflexum, superne in lobulum triangularem brevem,
subtus excavatum, anfractui ultimo adnatum excurrens. ÖOper-
culum planum, spiris margine laciniato-lamelloso. Diam. maj.
23, min. 16, alt. 12; apert. incluso peristomate 10, excluso
7 Mill.
Ebendaher.
3. Cyclotus latistrigus n. sp. Testa discoidea, latis-
sime umbilicata, nitidula, olivacea, superne strigis latis fuscis
picta, apice paulum prominula; anfr. 44, superne planiusculi,
infra rotundati; apertura diagonalis, peristoma duplicatum, ex-
ternum breviter reflexum, ad suturam in lobulum triangularem,
subtus canaliculatum, anfractui penultimo adnatum excurrens.
Diam. maj. 12, min. 9, alt. 5, apert. 4 Mill.
Westliches Borneo bei Singkawang, Lumar, Mandhor und
Mampawa.
vom 25. Februar 1864. 117
4. Cyclotus fasciatus n. sp. Testa depressa, late um-
bilicata, brunneolutescens, fascia peripherica alba; spira promi-
nula; anfr. 5 convexiusculi, ultimus parum descendens; apertura
diagonalis, circularis; peristoma duplicatum, externum late refle-
xum, superne in canaliculum triangularem brevem, anfractui ul-
timo adnatum excurrens. Diam. maj. 28, min. 19, alt. 16%;
apert. incluso perist. 13, excluso 10 Mill.
Südliches Celebes, bei Maros.
5. Cyclotus reticulatus n. sp. Testa turbinato-de-
pressa, modice umbilicata, laeviuscula, albida fuscoreticulata, apice
rufoviolacea; anfr. 44,—5, depresse-teretes; apertura parum obli-
qua; peristoma rectum, obtusum, album, supra distincte dupli-
ealum, internum continuum, externum interruptum. Diam. ma).
15, min. 12, alt. 9, apert. 65 Mill.
Inseln Timor, Flores, Adenare und Solor.
6. Cyclotus succinctus n. sp. Testa turbinata, modice
umbilicata, laeviuscula, cornea, fuscofulminata, apice fusca; spira
subgradata; anfr. 4%,—5, cingulo elevato lato peripherico muniti;
apertura fere perpendicularis, superne obsolete angulata; peri-
stoma rectum, continuum, paulisper adnatum. Diam. maj. 11—
43, min. 10—11, alt. 9—11, apert. 5—6 Mill.
Insel Timor.
7. Cyclotus ptychoraphe n. sp. Testa depressa, sat
late umbilicata, nitida, flavescens, unicolor; spira prominula, ob-
tusa; anfr. 4 convexiusculi, sutura profunda, regione suturali
planata, opace albida, radıatim plicatula; apertura parum obliqua,
peristoma rectum, incrassatum, obtusum. Diam. maj. 12, min.
9, alt. 5%, apert. 5 Mill.
Westliches Borneo, bei Singkawang. Verwandt mit C. su-
turalis Sow. und C. opalinus Mouss. |
8. Cyclotus liratulus n. sp. Testa globoso-turbinata,
anguste umbilicata, striatula et confertim spiraliter lirata, liris
in anfractu penultimo 6, in ultimo 14—18 majoribus, inter-
mixtis minoribus, flavescens; spira conica, acutiuscula; anfr. 4%,
convexi, ultimus rotundatus; apertura vix obliqua, peristoma sim-
plex, continuum, rectum. Diam. maj. 6, min. 5, alt. 5, apert.
34 Mill.
118 Gesammtsitzung
Molukken, auf den Inseln der Amboina- und Banda-Gruppe.
Verwandt mit Cyclostoma pygmaeum Sow. |
9. Cyclotus bicarinatus n. Sp. Testa rotundato - tro-
chiformis, subeylindrice umbilicata, liris elevatis in anfractu
penultimo 5, in ultimo 18 conspicuis, inter quas duae, sexta et
nona, magis prominent, albida; apex globiformis, laevis; anfr. 5,
sutura profunda, ultimus depressus; apertura parum obliqua; pe-
ristoma rectum. Diam. maj. 6, min. 5, alt. 5, apert. 2 Mill.
Insel Ceram (Molukken). i
10. Cyclotus carinulatus. Testa rotundato - trochi-
formis, modice umbilicata, carinis tenuibus in anfr. penultimo
2, in ultimo 10, versus basin magis confertis sculpta, albida;
spira conica, exserta, rubella; anfr. 6, convexi, ultimus depres-
sus; peristoma subincrassatum, paulisper expansum. Diam. maj.
5, min. 4, alt. 4, apert. vix 2 Mill.
Insel Buru (Molukken).
11. Cyclophorus Gaymansi. Testa turbinata, mo-
dice umbilicata, striatula, carinis distantibus 9 sculpta, corneo-
fusca; anfr. 5%, convexi, ultimus parum descendens; apertura
diagonalis, circularis, peristoma duplicatum, externum expansum.
Diam. maj. 95, min. 7%, alt. 8, apert. 5 Mill.
Sumatra bei Kepahiang. Zur Erinnerung an meinen freund-
lichen Wirth, den holländischen Militärarzt Dr. Gaymans, der
mich während meines Aufenthaltes daselbst in meinen Bestre-
bungen wirksam unterstützte.
12. Rhaphaulus GCeramicus. Testa late rimata, pu-
piformis, confertim striatula, corneofusca; anfr. 6 convexiusculi,
ultimus ad aperturam praecipiter descendens; apertura paulum
resupinata, peristoma incrassatum, multiplex, expansum, flavum,
continuum; foramen externum tubuli suturalis oblique sursum
spectans, foramen externum tubuli columellaris margini columel-
ları ipsi parallelum. Long. 10, diam. maj. 4°,, min. 4, apert.
incluso peristomate 4, excluso 2 Mill.
Insel Ceram (Molukken).
13. Omphalotropis bicarinata. Testa conico - tur-
rita, anguste perforata, subtilissime spiratim lineata, nitidula,
brunneoflava, carına filiformi in medio anfractuum et altera
circa perforationem munita; anfr. 7, vix convexi, apertura dia-
vom 25. Feöruar 1864. 119
gonalis, piriformis; peristoma leviter incrassatum, album, expan-
sum, marginibus callo junctis, margine columellari infra auricu-
latim dilatato. Long. 10, diam. 6, aperturae altit. 5 Mill.
Insele Amboina und Buru. Verwandt mit O. rudens Quoy
und Gaimard sp. Die Gattung Ormphalotropis unterscheidet
sich von Hydrocena, womit sie Dr. Pfeiffer im Supplement
seiner Monographie vereinigt, durch den Mangel der Basal-
schwiele, den Mangel eines Fortsatzes am Deckel und die Ge-
stalt der Fühler, welche hier sehr lang und zugespitzt sind, bei
Hydrocena kaum von der Augen-Basis zu unterscheidende Läpp-
chen bilden. Omphalotropis gehört dicht zu Realia (Gray)
Pfr., während Hydrocena des Gebisses wegen in die Familie
der Helicinen zu versetzen ist.
14. Truncatella scalaroides n. sp. Testa rimata, so-
lidula, costis compressis, paulum flezuosis, distantibus sculpta;
anfractus superstites 4, ultimus in cristam compressus. Long. 6,
diam. 2% Mill.
Amboina. Durch den Kamm der letzten Windung von
den verwandten Z'. scalariformis Reeve und Z'. scalaris Mich.
verschieden.
15. Diplommatina constricta n. sp. Testa sinis-
trorsa, ovata, costulis distantibus debilibus parum obliquis scul-
pta, grisea; anfr. 7, convexi, superiores 4 regulariter accrescen-
tes, antepenultimus inflatus, penultimus aliquanto angustior, in
dorso strietura callosa circumscripta insignis, ultimus praecipi-
ter [descendens, rotundatus, amplitudine inter antepenultimum
et penultimum intermedius, haud ascendens; apertura fere ver-
ticalis, circularis, peristoma duplex, externum late reflexum, in-
terruptum. Long. 5, diam. anfr. antepenultimi 2%, apertura
incluso peristomate 3, excluso 1% Mill.
Insel Ternate (Molukken). Dürfte wegen der Verengung
der zwei letzten Windungen und der lokalen Einschnürung auf
der vorletzten eine eigene Gruppe bilden, die man Diancta
nennen könnte.
16. Paxillus rubicundus n. sp. Testa sinistrorsa,
ovatoconica, imperforata, nitidula, aurantio-rubescens, apice ru-
bra; spira conica, acuta; anfr. 8 paululum convexi; ultimus
penultimo paulo angustior, rotundatus, ad aperturam valde ascen-
120 Gesammtsitzung
dens; apertura parum obliqua, quadrangulo-circularis; peristoma
duplex, externum reflexum, internum porrectum et item refle-
xum, margine columellari extrorsum emarginato, plica columel-
lari conspicua, intrante. Long. 7%, diam. 4, apert. incluso pe-
ristomate 2%, excluso 1% Mill.
Westliches Borneo, bei Bengkajang.
17. Alycaeus longituba n. sp. Testa perspective um-
bilicata, conoideo - depressa, conferte striata, alba; spira paulum
prominens, obtusa; anfr. 4%, convexi, ultimus inflatus, 2% Mill.
ante aperturam constrictus et tubulo in ipsa sutura recurrente
2 Mill. longo munitus, inter strieturam et aperturam cristis dua-
bus obliquis, altera abbreviata, instructus; apertura perobliqua,
subeircularis, peristoma duplex, externum reflexum, tenue, album,
internum porrectum, incrassatum, aurantium. Diam. maj. 6,
min. 4%, alt. 4, apert. 3 Mill.
Sumatra bei Kepahiang.
18. Helicina sculpta n. sp. Testa depresse trochifor-
mis, oblique striata et liris elevatis spiralibus 3—4 supra cari-
nam sitis sculpta; spira obtusa; anfr. 45, ultimus obtuse cari-
natus, basıi liris subtilioribus notatus, ad aperturam non descen-
dens;. apertura perobliqua, triangulariıs; peristoma incrassatum,
margine supero recto, infero leviter expanso; columella recte
descendens. Diam. maj. 8, min. 6, alt. 5%; apert. long. et lat.
3, Mill.
Insel Timor.
19. Helicina suturalis n. sp. Testa lentiformis, lae-
viuscula, nitida, corneoflava vel rubescens, fascia ex albo et
rubro articulata suturali et altera carinali picta; spira obtusa;
anfr. 4 plani, ultimus acute carinatus, ad aperturam haud de-
scendens; apertura perobliqua, triangularis, peristoma incrassa-
tum, expansum. Diam. maj. 10, min. 8, alt. 6, apert. long. 4,
lat. 35 Mill.
Inseln Amboina, Ceram und Buru.
20. Helicina Borneensis n. sp. Testa globoso-conoi-
dea, obtuse angulata, nitida, carnea vel pallide flava, fascia su-
turali et altera peripherica albis; spira obtusa; anfr. 4, ultimus
basi tumidus, ad aperturam non descendens; apertura diagonalis,
vom 23. Februar 1864. 121
semicircularis; peristoma leviter incrassatum, levissime expansum,
albidum;, columella subarcuata. Diam. maj. 4%, min. 4, alt. 3,
apert. long. 1%, lat. sive altitudo 2 Mill.
Westliches Borneo, bei Singkawang.
Hr. W. Peters machte ferner eine Mittheilung über
eine neue Percoidengattung, Plectroperca, aus Ja-
pan und eine neue Art von Haifischen, Crossorhi-
nus tentaculatus, aus Neuholland.
PLECTROPERCA nov. gen.')
Habitus von Perca. Sieben Kiemenhautstrahlen. Zähne
sammetförmig auf den Kiefern, dem Vormer und den Gaumen-
beinen, keine Eckzähne; Zunge glatt. Kopf von einer nackten
Haut bedeckt, Operculum und oberer Theil des Suboperculums
mit kleinen Cycloidschuppen; Operkel mit mälsigen Dornen,
Vordeckel hinten gezähnelt, unten mit starken nach vorn ge-
richteten Dornen. Schuppen klein, länglich, cycloidisch, mit
verhältnifsmälsig wenigen, aber sehr erhabenen concentrischen
oder winkligen Linien; Seitenlinie geschwungen, nicht unter-
brochen. Eine Rückenflosse, ziemlich tief ausgeschnitten, mit
zwölf Stacheln; Afterflosse mit drei Stacheln, unter denen die
zweite die stärkste von allen ist; Bauchflosse mit fünf verzweig-
ten Strahlen. Pseudobranchien frei, kammförmig; Appendices
pyloricae zahlreich; Schwimmblase einfach.
Dürfte sich zunächst an Trachypoma_ anschlielsen, welche
Gattung sich aber hinreichend durch den bis zu den Nasen-
löchern beschuppten Kopf und gröfsere (kammförmige) Schup-
pen unterscheidet.
Pl. Berendtii.n. sp.
Pl. argentea, nigromaculata; fascia per oculum versus spi-
nam dorsalem sextam adscendente nigra; pinnis nigromaculatis.
BAR aD .#12,,1455B:346 ;H Ve) 1,55 5A, 991€.
Körperhöhe zur Totallänge wie 1:4; Kopflänge zu der-
selben fast wie 1:3. Der Unterkiefer steht sehr über dem
1) mANRTpor, meoxd.
122 Gesammtsitzung
Oberkiefer vor und die Maulspalte liegt fast horizontal; die
Zähne sind sämmtlich sehr fein, werden nur auf dem inneren
Ende der Zwischenkiefer etwas länger und dicker und bilden
auf den Kiefern und den Gaumenbeinen eine schmale Binde,
auf dem Vomer einen dreieckigen Haufen. Die Profillinie des
Oberkopfes steigt von dem Nacken fast in einer graden Linie
schräg herab und begegnet sich mit der unteren Profillinie in
einem sehr spitzen Winkel. Der Längsdurchmesser des Auges
ist gleich % der Kopflänge und gleich der Entfernung der Augen
von der Schnauzenspitze, während der längsgefurchte Interor-
bitalraum kaum der Hälfte eines Augendurchmessers gleicht.
Die beiden runden Nasenlöcher liegen jederseits hinter einander
und in einem Bogen, der den Supraorbitalrand trifft; die inne-
ren Ränder der Unterkieferhälften berühren sich fast in ihrer
ganzen Länge. Das Operkel hat eine obere platte stumpfe und
eine mittlere platte sehr scharfe Spitze; Sub- und Interopercu-
lum haben glatte Ränder. Der Vordeckel ist hinten mit Zähn-
chen bewaffnet, welche nach unten zu an Länge zunehmen; am
Winkel befindet sich ein viel stärkerer gerader Dorn und an
dem unteren Rande drei nach vorn gekrümmte starke Dornen.
Die Seitenlinie verläuft anfangs bogenförmig dem oberen Kör-
perprofil parallel, etwas unter dem oberen Viertel des Körpers,
nachher ziemlich grade auf der Mitte des Schwanzes. Die
Schuppen sind sehr klein, cycloidisch, aber von eigenthümlichem
Ansehen; sie bilden etwa 130 Quer- und an 90 Längsreihen.
Die Stachelstrahlen der Rückenflosse sind kräftig und neh-
men von dem ersten bis vierten an Länge zu, von dem siebenten
bis zwölften, welcher kaum so lang wie der zweite ist, wieder
an Länge ab; der weiche Theil dieser Flosse ist abgerundet,
kaum höher als der stachlige und wird von 14 Strahlen ge-
stützt, von denen der erste gegliedert, aber unverzweigt, doppelt
so lang wie der vorhergehende Stachelstrahl erscheint und der
letzte ein getheilter Doppelstrahl ist; diese Flosse beginnt gleich
hinter dem Kiemendeckel und hört zugleich mit der kurzen After-
flosse auf. Von den drei Stacheln der Afterflosse ist der mitt-
lere der stärkste von allen, aber kaum länger als der dritte
Rückenstachel; der weiche Theil dieser Flosse ist abgerundet,
* so hoch wie der entsprechende Theil der Rückenflosse und be-
vom 25. Februar 1864. 123
steht aus 9 verzweigten Strahlen, von denen der letzte bis zur
Basis getheilt ist. Die Brustflosse ist schmal und wird nach
hinten nur ein wenig von der Spitze der Bauchflosse überragt.
Die Basis der, aufsen ziemlich lang angewachsenen Bauchflossen be-
ginnt unter der Basis der Brustflossen, so dals die Entfernung ihrer
Spitze vom After gleich der Länge ihres Stachelstrahls ist. Die
Schwanzflosse ist abgerundet und hat, aufser den 15 mittleren
verzweigten, oben und unten 5 bis 6 unverzweigte Strahlen.
Die Grundfarbe ist silberig, der obere Theil des Rückens
schwarzbraun; von schwarzer Farbe sind grofse etwas unregel-
mälsige Körperflecke, welche eine Neigung haben, Querbinden
zu bilden, eine breite von dem Kieferrande schief durch das
Auge nach dem Rücken gegen den sechsten Stachelstrahl der
Rückenflosse aufsteigende Binde, und unregelmäfsige rundliche
oder zusammenflielsende Flecke auf den Flossen.
Totallänge 0”,170.
Das vorliegende Exemplar ist von Hrn. Lieutenant zur See
Berendt bei Yokuhama in Japan gesammelt und mit anderen
werthvollen Naturalien ebendaher und aus Siam dem Museum
übergeben worden.
2. Crossorhinus tentaculatus nov. spec.
Cr. tentaculis culaneis simplicibus, pinnis dorsalibus valde
approximalis; supra brunneus, fasciis latis obscurioribus.
Die Hautlappen sind weniger zahlreich als bei Cr.
barbatus und sämmtlich einfach; es sind ein langer an der
inneren, ein breiter rundlicher an der äulseren Nasenklappe,
ein kurzer an der Mitte des Hautrandes, welcher die Lippen-
grube deckt, zwei ähnliche über und hinter dem Mundwinkel und
einer auf der Hautstelle, welche dem hinteren Ende des Unter-
kiefers entspricht. Mundwinkelfalien, Gruben, Lippenknorpel,
Zähne der Zahl (21 oben, 17 unten) und Gestalt nach wie bei
Cr. barbatus. Spritzlöcher sichelförmig, mit der Convexität
nach oben, liegen weiter nach aufsen als die halb so grofsen
Augenspalten und beginnen hinter derselben Querlinie, wo die
letzteren aufhören; oberes Augenlid am hinteren Theile mit
zwei kurzen conischen Vorsprüngen.
Die drei letzten Kiemenlöcher stehen über den
Brustflossen. Die Brustflossen sind abgerundet viereckig,
124 Gesammisitzung
ebenso die Bauchflossen; beide sınd verhältnifsmäfsig länger als
bei Cr. barbatus. Die erste Rückenflosse steht mit ihrer Basis
noch ein ganz wenig über den Bauchflossen, die Basis der zwei-
ten endet ganz nahe vor der Afterflosse. Beide Rückenflos-
sen sind ziemlich gleich grols, am oberen Rande abgerundet
und stehen nur etwa um den vierten Theil ihrer
Länge auseinander. Die Afterflosse ist klein, an der Basis
viel länger als hoch, schmal und abgerundet. Die Schwanz-
flosse beginnt fast unmittelbar hinter der After-
flosse; sie hat am hinteren Rande einen sehr kleinen und am
unteren Rande einen dreieckigen Ausschnitt, wie bei €. bar-
batus. |
Farbe braun; bei dem jungen Thiere deutliche breite dun-
kle Querbinden, eine auf der Schnauze, eine zweite auf dem
Kopfe, eine dritte zwischen den Brustflossen, eine vierte be-
sonders grolse von der Mitte des Körpers bis zu den Bauchflos-
sen ausgedehnte, eine fünfte, welche den gröfsten Theil der
ersten, eine sechste, welche den gröfsten Theil der zweiten
Rückenflosse einschliefst und drei hinter einander folgende
über dem Anfang, der Mitte und dem hinteren Drittel des
Schwanzendes. Bei den älteren Exemplaren werden diese Quer-
binden undeutlicher, dagegen treten statt deren schwarze zer-
streute rundliche Flecke auf. Die Unterseite ist gelb, an den
Lippen und am Unterkinn braun gefleckt; die Unterseite des
Schwanzes zeigt bei dem jungen Thiere breite Binden, bei dem
älteren mehr verwischte Flecke.
Die Schuppen sind klein, glänzend glatt, viereckig, rhom-
boidal oder trapezoidal. Zwei weibliche Exemplare von ver-
schiedenem Alter zeigen auf dem Kopf, den Schleimröhren ent-
sprechend, so wie auf dem Rücken in unregelmälsigen Reihen
stehend convexe, ovale oder rundliche pockenartige Erhöhungen
der Haut, die an dem grölseren Exemplare eine Länge von
5”® erreichen, vielleicht aber nur temporäre, übrigens in ihrer
Bedeckung durch nichts von der Umgebung ausgezeichnete Haut-
eruplionen sind.
Fem. Fem. jun.
Totallänge Kama, al? u #107 sl
Vom Schnauzenende zum After usli „uMd03592570,188
vom 25. Februar 1864. 125
Fem, Fem. jun.
Vom After zur Afterflosse. . -» = . . 0”,180 0”,113
Länge der Schwanzflosse . . . . .0”,140 0,085
Entfernung der Brust- und Banchflossen . 07,143 0”,075
Länge der Brustflossen. . . . . 2. 0%,113 07,060
Breite der Brustllossen. . . ».. 2... 0,073 0”,036
Länge der ersten Rückenllosse . . . . 0,086 0”,050
Länge der zweiten Rückenflose. . . . 0,081 0,052
Entfernung der beiden Rückenflossen von
Banden. nl. re. 0,023: 07,013
Distanz der Nasenlöcher . - . 2 2. 0”,030 0,020
Distanz der äufseren Mundwinkell . . . 0,080 07,045
Länge der Spritzlöcher. . . . ... . 0°,016 0,010
Augendurchmesser . . e 0”,008 0”,006.
Die vorstehend Heseehenen Beönnlare sind von Hrn.
Richard Schomburgk bei Adelaide in Südaustralien ge-
sammelt worden.
Die Stellung der Flossen, insbesondere die einander so auf-
fallend genäherten Rückenflossen, lassen die Art leicht von Cr.
bardaius Müll. Henle unterscheiden, von welchem letzteren
unser Museum ein Originalexemplar besitzt, welches auch mit
Phillip’s (Foyage to Bosany Bay. 1789. p. 285. Taf. 52 ')
Abbildung ganz übereinstimmt. Auch Broussonet’s (Hisz. de
PAcad. Royale des scienc. Paris. 1780. p- 657) „barbu”, so wie
Gmelin’s Squal. barbatus (Syst. nat. p. 1493.) beziehen sich
deutlich auf Crossorhinus barbatus M. H., wie die Beschreibung
der gefiederten Tentakeln ergibt und nicht auf die gegenwär-
tige Art mit einfachen Hautlappen, was ich delshalb ausdrück-
lich erwähne, weil ich Anfangs vermuthete, dals Schneider’s
Squ. barbatus (Blochii Systema Ichthyol. p. 128.) und Squ. lo-
batus (ibid. p. 137) sich doch auf zwei verschiedene Arten be-
ziehen könnten. Dieses lälst sich jedoch nicht annehmen, wenn
es auch auffallend ist, dals sowohl Gmelin wie Schneider
von den glänzend glatten Schuppen sprechen, während die von
Müller und Henle beschriebenen Exemplare zwar glänzende
!) Der englischen Originalausgabe.
[1864.] 10
126 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
aber doch deutlich gekielte Schuppen haben. Auch die Zeich-
nung ist bei beiden Arten sehr verschieden, indem, wie es auch
die von Müller und Henle gegebene Abbildung zeigt, und
die Beschreibungen der früheren Schriftsteller erkennen lassen,
Cr. barbatus auf den oberen Körpertheilen eine grolse Anzahl
kleiner heller Ringe zeigt, welche bei der vorstehenden Art
nicht zu bemerken sind.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Abhandlungen der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
11. Band. Göttingen 1864. A4.
Abhandlungen der Senchenbergischen naturforschenden Gesellschoft.
5. Band, Heft 1. Frankfurt 1864. 4.
Lotos. 10. Jahrgang. Prag 1860. 8.
Revue archeologique. Paris, Fevrier 1864. 8.
Annales de chimie et de physique. Paris, Janvier 15864. 8.
Birlinger, Bruder Felix Faber’s Gereimtes Pilgerbüchlen. München
1864. 8.
Dudik, Mährens allgemeine Geschichte. 3. Band. Brünn 1864. 8.
Mit Begleitschreiben des Mährischen Landes- Ausschusses, d. d.
Brünn 4. Febr. 1864.
29.Februar. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Klasse.
Hr. Dirksen gab Nachträge zu seiner früheren Unter-
suchung: Über die Collectiv- Bezeichnungen der
Rechtsgelehrten in den römischen Rechtsquellen:
„Weteres und Juris conditores, v. auctores.”
In jener älteren Ausführung (Beiträge zur Kunde d. R.
Reichs, Abhandl. 2. S. 159 fg. Leipz. 1825) war die Andeutung
zwar verlautbart, jedoch nicht weiter verfolgt worden, dals die
beiden fraglichen Terminologieen, welche den Besitz des kaiser-
vom 29. Februar 1864. 127
lich verliehenen Jus respondendi Seitens der R. Rechtsgelehrten
bezüglich zu negiren oder zu affırmiren bestimmt waren, zwar
den gleichen geschichtlichen Ausgangspunkt gemein gehabt haben,
nämlich die Einführung jener K. Verleihung durch August, dals
daraus aber nichts weniger folge, als die Identität der Motive
und Erfolge hinsichtlich der Bildung und Entwicklung jener
zwiefachen Collectiv-Bezeichnung. Die Terminologie zur Cha-
rakterisirung der Träger des ius respondendi war nämlich her-
vorgerufen durch das Bedürfnis der gerichtlichen Praxis, welche
ausdrücklich angewiesen worden, ausschlielslich die Aussagen
solcher patentirten Rechtsgelehrten zu eigener juristischer Be-
lehrung für die Rechtsanwendung zu benutzen. (Gaii inst. 1. 7.)
Wahl und Begrenzung der entsprechenden Collectiv- Bezeich-
nung konnte hier nicht zweifelhaft sein. Nur ein Kunstausdruck
von anerkannter Geltung durfte für den Zweck genügen und
die Benutzung einer vulgären Wortbedeutung, neben der kunst-
gerechten, würde die Lösung der Aufgabe einfach unmöglich
gemacht haben. Als der passendste Kunstausdruck zur Bezeich-
nung für den Inhaber des züs respondendi bot sich dar die Ter-
minologie: Juris conditor, indem die Geltung der Umschreibung:
iura condere für die Thätigkeit der Organe des einheimischen
Juristenrechts feststand. Jedenfalls wird dieselbe ausreichend
beglaubigt durch das Zeugnis des Gaius, indem dieser die
alten römischen Gesetzausleger bezeichnet, als: „vezeres, qui
Ztunc iura condiderunt (IV. 30.), dagegen die modernen
Träger des ius respondendi umschreibt als prudentes, quibus
permissum est iura condere (l. 7.). Der Bildungsgang
der, den Besitz jenes ius respondendi verneinenden, auf die Vor-
gänger des Augusteischen Zeitalters zurückweisenden, Collectiv-
bezeichnung ist ein durchaus verschiedenartiger gewesen. Dem
Bedürfnis der Literatur Rechnung tragend, für die Schilderung
des geschichtlichen Fortganges der Ausbildung einheimischer
Rechtswissenschaft eine angemessene und allgemein verständ-
liche Collectivbezeichnung auch für die Vertreter derselben aus
der Vorzeit zu ermitteln, durfte der Versuch gemacht werden,
einer Terminologie des öffentlichen Verkehrs, neben dem unge-
stört zu erhaltenden vulgären Sprachgebrauch eine engere kunst-
10*
128 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
gerechte Wortbedeutung zuzuwenden. Die Entscheidung fıel
auf den von selbst sich darbietenden Ausdruck Yeteres, der
als gleichbedeutend mit Maiores für jenen Zweck vollständig
ausreichte. Die römischen Rechisgelehrten der Kaiserperiode
haben indels kein Bedenken getragen, nach Umständen auch der
vulgären Bedeutung des Ausdrucks „Feteres” sich zu bedie-
nen und wer daher ohne Unterscheidung nur die technische
Wortbedeutung dieser Collectiv - Bezeichnung bei ihnen voraus-
setzt, kann von belangreichen Irrthümern nicht frei bleiben.
Noch eine andere Rüge blieb nachträglich zu erledigen.
Es war früher versäumt worden, aus der Prüfung der Gräco-
Latinismen der Byzantiner Vortheil zu ziehen für die Kritik der
fraglichen Collectiv- Bezeichnungen: „Juris conditores, v. aucto-
res”. Die den byzantinischen Rechtsquellen geläufige griechi-
sche Bezeichnung eines Rechtskundigen cum iure respondendi
ist: vomoDerys. Der correcten Rückübertragung derselben, näm-
lich der Terminologie: Zegislazor für einen solchen Rechts-
gelehrten, begegnet man bei Priscian: (Instit. grammat.
Zi. III. p. 607.: Grammat. lat. vet. E. Putsch. Hanov. 1604. 4.).
Eine Art Compromiss von antiker und moderner Latinität bil-
det die Formulirung des Prädicats: „iuris lator”, welches der
christliche Dichter Cael. Sedulius (praefat. oper. paschal. ad
Macedon. presb.) dem Rechtsgelehrten Hermogenian, dem
Zeitgenossen K. Constantin’s, beigelegt hat. Im Abendlande
erhielt sich dagegen die alterthümliche Bezeichnung: Zuris
auctor. Dafür legt Zeugnis ab die bei den Gromaiici erhal-
tene, von Boethius (Art. geometr. Dem. p. 399.) wiederholte,
Mittheilung der Textesworte eines Bruchstückes des berühmten
R. Rechtsgelehrten: Cassius Longinus, die von den Allu-
vionen handelnd mittels der Phrase eingeleitet sind: „Cossius
Longinus prudentissimus vir, iuris auctor, hoc statuit.” (Groma-
tici vet. ed. Lachmann. p. 17. 124. Berol. 1848. 8. Vergl. des
Verf. Abhdl. Ueb. Boöthius. S. 79. fg. In den Acad. Abhdll.
Jahrg. 1851. S. 79. fg.)
vom 29. Februar 1864. 129
Hr. Kirchhoff las über die Zeit der pythischen
Festfeier.
Durch das vor Kurzem erschienene Werk der Herren We-
scher und Foucart, /nscriptions recueillies & Delphes. . Paris.
1863, welches die Beachtung der Philologen und Archaeologen
in hohem Grade verdient, ist unser epigraphisches Material
durch die namhafte Anzahl von gegen fünfhundert bisher un-
edirten Delphischen Inschriften vermehrt worden. Zwar gehö-
ren diese Inschriften mit einer einzigen Ausnahme der späteren
makedonisch-römischen Epoche an und können schon wegen der
durchgängigen Gleichartigkeit ihres Inhaltes nicht diejenige Fülle
neuer Aufschlüsse gewähren, welche ihre Masse erwarten lälst;
nichtsdestoweniger bieten sie Stoff zu manchen neuen oder
Altes bestätigenden und ergänzenden Betrachtungen, welche
anzustellen die Herausgeber ihren Mitforschern zu überlassen so
liberal gewesen sind. Zu den wichtigsten Ergebnissen, welche
aus dem jetzt zugänglich gewordenen Materiale sich gewinnen
lassen, rechne ich aber unbedenklich die urkundliche Gewilsheit,
welche sie uns über die Zeit der pythischen Fesifeier verschaf-
fen, eine Gewifsheit, welche mir werthvoll genug erscheint, um
sie an diesem Orte ausdrücklich zu constatiren.
Dals die Pyihien ein penteterisches Fest waren, welches
in jedem dritten Jahre einer Olympiade gefeiert zu werden
pflegte, ist allgemein anerkannt und bedarf eines Beweises
nicht mehr; in welche Zeit des Jahres aber die Festfeier fiel,
ist eine mehr oder weniger bestrittene Frage: Corsini verlegte
sie ın das Frübjahr, Clinton in den Anfang der zweiten Jahres-
hälfte, den Hochsommer oder Herbstanfang, und obwohl eine
Autorität wie Boeckh, wenigstens früher, für die Corsinische
Ansicht eingetreten ist, haben doch die Neuern fast ohne Aus-
nahme, und zwar mit vollem Recht, sich der durch Clinton ver-
tretenen angeschlossen. Im Einzelnen weichen sie freilich wie-
der von einander ab; während einige auf die Zeit des attischen
Hekatombaeon, andere auf den Pyanopsion riethen, hat Boech-
necke sich für den Metageitnion, C. Fr. Hermann dagegen mit
grolser Entschiedenheit für den Boedromion ausgesprochen.
Unsere Inschriften liefern in Verbindung mit den früher im €.
130 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
T. G. und später von Curtius bekannt gemachten den unwider-
leglichen Beweis, dals Boehnecke das Richtige getroffen hatte.
Dafs die Pythien im delphischen Monate Bukatios gefeiert
wurden, war aus einer Stelle des amphiktyonischen Beschlusses
C. I. G. 1688 (z. 45 OvSıa 8° ayovrwv Tod Bouzariov wyvoc
rod zv AcAdois) bekannt und wird bestätigt durch die Freilas-
sungsurkunde bei Wescher und Foucart n. 410, welche datirt
ist Zv Aerdois @gy,ovros IlsıIaryoge mmvos Bovzarıov,IMuSioıs;
dals die Feier etwa auf den siebenten dieses Monates fiel, ist
zwar streng genommen urkundlich nicht zu erweisen, aber nach
der Überlieferung, dafs der Gott selbst das Fest am sieben-
ten Tage zuerst begangen habe, wie er denn nach der delphi-
schen Legende auch am siebenten Bysios geboren ist, mit
höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, Es kommt nur dar-
auf an, die Stellung des Bukatios im delphischen Jahre zu er-
mitteln.
Die Namen der delphischen Monate sind nach den Ergän-
zungen, welche die so eben publicierten Inschriften gebracht
haben, jetzt vollständig bekannt, und lauten in alphabetischer
Reihenfolge: 1) ’Anarıos 2) ’Amerratos!) 3) Boaoos oder Box-
Solos 4) Bouzarıos 5) Bucıos 6) Agdabogıos 7) "Evövsmorrgomios
8) ‘Howios 9) ‘Hoazreıos oder “HoazAeos 10) ©zo&evios oder ®eu-
Etvios 11) Inatos oder Eiratos ?) 12) Ilorrgomıos. Von diesen ge-
hören nach dem Zeugnils der Inschriften zur ersten Jahreshälfte:
4) ’AreAAalos (unvos "AmesAAwiou, PouAsvovruv Tov moWrav
sEapmvov- C. I. G. 1705. Wescher-Foucart n. 353) 2) Bo«9dos
(unvos BoaIoou, PovAsuovruv Tav mowrav EEamnov- W.-F.
n. 387. 423) 3) Bouzarıos (1mvos Bovzariov, BouAsvovrwv Tau
mourav S£aumvov- W.-F. n. 18. z. 160—65, n. 428.) 4) Aade-
bögLos (unvos Agdapoglov, Bovr.svovrwv Tav moWrav EEazumvov
Curtius n. XII.) 5) ‘Howtos (kyvös “Hoaiov, BovAsvevrwv Tau
mowWrav :Eauyvov- C. I. G. 1706. W.-F. n. 28. 160.) 6) Ho:-
Feomıos (Wnvos Ho:ırgoriov, BovAsvovruv Tav mourav :Ealayvov-
C. 1. G. 1709. C. n.XV. XXXV. W.-F. n. 424. 434. 445).
?) umos ’AmoAAwvos bei Wescher-Foucart n. 266 scheint ein Fehler
sei es des Steinmetzen sei es des Abschreibers für ’AreAAatov.
?) "Trualov bei Curtius n, IV. VI. scheint blofser Lesefehler.
vom 29. Februar 1864. 131
Dals die übrigen demnach der zweiten Jahreshälfte angehört
haben, ist selbstverständlich, läfst sich aber zum Überfluls ur-
kundlich von einem jeden einzelnen belegen: 1) ’Aucdıos (ywos
’AuarAlov, Bovrsvovrwv rav dev Tegav EEolunvov - W.-F. n. 426.
446. 447.) 2) Bicıos (unwos Busiou, AovAsvovru av Öevre-
ga» EEalunvov - C. I. G. 1704. W.-F. n. 421. BovAsvovrwv rav
Ösurzgav EEoumvov — za myvos Buciov W.-F.n. 263.) 3) ’Ev-
dusmarrgomos (unvos 'Evdvomoırgomiou, PouAsvovrw rav dev-
TEogav SGaunvov- W.-F. n. 21. 33. 36. 159.) 4) “HocAsıos (un-
vos "HoazAsiov, BovAsvovrwv av Özurepav EEamvov- G.A.
G. 1699. C. n. VII W.-F. n. 32. 429.1) 5) Oso£evios (unvos
Oso&eviov, BovAsvovrwv av Öeuregev SEauyvov- C. I. G.
4700. €. n.XXV. XXXL XXXIV. W.-F. n. 273. 427. Rov-
Asudvruv Tav Ösureoev EEounvov — uyvos ®zo&eviov W.-F.
n. 433.) 6) ’IAaios (umvos ’IRalovu, BovAsvovrwv rav Seursgav
eEamvov- W.-F. n. 27. 48. 430. Pourevövrwv rav Ssurspav
EEaiunvov — unvos ws — Asrbor ayovrı IAalov W.-F. n. 368).
Für die Reihenfolge der Monate sind entscheidend die auf den
neu bekannt gewordenen Inschriften zahlreich auftretenden Glei-
chungen der delphischen mit den entsprechenden phokischen,
welche nicht benannt, sondern einfach gezählt werden und es
dadurch möglich machen die feste Ordnung der mit ihnen in
Parallele gestellten delphischen Monate zu ermitteln. Es ent-
spricht nämlich dem ersten Monate der Phoker der delphische
Heraeos (oroarwyeovros ruv Bunzeuv — umvos meWrou, Ev de
Asicbois Eay,avros — unvös "Hocrov C. n. XXVI. W.-F. n. 62.
122), dem zweiten der Dadaphorios (oroarayeovros Tüv
Bwzeuv — Myvös Ösursgov, Ev AsAcbois de Eoy,ovros —, umvos Aa-
öSadoolou W.-F. n. 105. doy,ovros Ev "Außgussw —, Wmvos
Öeuregov, Ev AsAcbots EEXoVTOS —, mvös Agdaboglou W.-F.
n. 274. 437.), dem dritten der Poitropios (orearayeovros
zuv Burewv —, lanvos Folrou, Ev AsAbols de EEy,ovros —, Ayvos
Ho:rgoziou W.-F. n.50), dem fünften der Bysios (erg«-
J m ’ \ J > m N]
Tayeovros rWv Purewv —, unvos memmrou, Ev AsAdois de ROX,Ov-
F) ums "HpaxAslou, BovAeuoyruv Tay rpwWTav E£oumov - bei W.-F
n, 431 ist jedenfalls verschrieben und für pwray deuripay zu setzen, wie
dies die Namen der Rathmänner unwiderleglich darthun. Vgl. 429. 430.
132 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
705 —, wyvösBuctov W.-F. n. 35), dem sechsten der Theo-
xenios (orearayeovros Tüv Pwrewv —, Wyvös Exrou, &v Ö8
Asrbeis apyovros—, umvöos @eoEeviov W.-F. n. 53), dem sie-
benten der Endyspoitropios (oroarayzovros rAv Bureuw —,
mmves EB domov, Ev Arddois de EEy,ovros — , mwos "Evövrmo:-
rgomiouv W.-F. n. 128), dem achten der Herakleios (org«-
FOyEovTos Tov Duwrzuv —, Myvös Ws Iev Puwxsis Eyovrı oydoov,
Ev AsAbois d8 Eex,ovros —, vos Hoazaeiou W.-F. n. 82.
Srourayeovros zuv Bwzewv —, uyvos oydoov, Ev AsAbois de o-
Xovros —, unvös Hoazrelou W.-F. n. 222. GEy,ovFos ev Xa-
ende —, umvös Eydodou, Ev Acrhüis de KOX,ovros —, unvos Hoa-
#Aetou W.-F.n.429), dem neunten der llaeos (sroar«yeovros
zuv Dwzewv —, umvos Evarou, Ev AsAdbois de aey,ovros —, vos
Ircelou W.-F. n. 47. 81), dem elften endlich der Bukatios
(orgarayeovros rov Bwrzwv —, vos Evdezarovu, Ev AsAbois ö2
Goy,ovros—, wrvös Bouzariou W.-F. n.90). Da es nun fest-
steht, dafs das phokische Jahr mit dem Herbstaequinoctium be-
gann, so ergiebt sich hieraus in Verbindung mit demjenigen,
was oben über die Zugehörigkeit der einzelnen delphischen Mo-
nate zu den beiden Jahreshälften urkundlich ermittelt worden
ist, neben der festen Reihenfolge des grölsten Theiles der Mo-
nate zugleich die Gewilsheit der auch allgemein angenommenen
Thatsache, dafs der Anfang des delphischen Jahres auf die Som-
mersonnenwende zu setzen ist, und läfst sich folgendes Schema
des delphischen Calenders unmittelbar ableiten:
Ilgwry EEoan vos.
7
. Bovzarıos.
1
2
3, MEIN ee
4. “Hoaios.
9 Agdaogıos.
6 Horreomıos.
Ü Ü
Asurspe eEanvos.
a
’
Bueiıos.
’
Oco&esvios.
=
vom 29. Februar 1864. 133
10. ’Evduororreorios.
11. “HoaxAeıos.
12. "Moos.
Der siebente Monat und erste der zweiten Jahreshälfte
mus hiernach der Amalios gewesen sein, weil er der einzige
noch disponible Monat ist, welcher dieser angehört hat, und
damit stimmt, dafs in der Urkunde bei W.-F. n. 213 der Ama-
lios mit dem sechsten, in n. 236 der Dadaphorios mit dem
vierten Monate der Lokrer geglichen wird, woraus folgt,
dals zwischen beiden nur ein Monat gelegen haben kann, wel-
ches eben der Poitropios war. Die noch offenen Stellen der
ersten Jahreshälfte dagegen sind durch den Apellaeos und
Boathoos auszufüllen, welche derselben ausdrücklich zugeschrie-
ben werden. Fraglich ist nur die Folge, in der sie einzuordnen
sind. Da indessen nach der Freilassungsurkunde bei Rangabe
n. 951 im Calender von Lamia der Apellaeos dem Bukatios un-
mittelbar vorangegangen zu sein scheint, und der Boathoos nicht
nur in der Bedeutung mit dem attischen Boedromion überein-
kommt, sondern als dritter delphischer Monat, wie sich sogleich
herausstellen wird, auch der Stellung nach mit demselben in
Parallele kommen würde, so trage ich kein Bedenken, den Apel-
laeos als ersten und den Boathoos als dritten delphischen Monat
zu setzen. Vgl. auch W.-F. n. 202. z. 4.
Was den Schaltmonat betriffi, so lehren die Urkunden,
dals er hinter dem Poitropios, also wie in Athen und an ande-
ren Orten, in der Mitte des Jahres am Schlusse der ersten Jah-
reshälfte eingefügt zu werden pflegte. Der Beweis dafür ist in
dem Umstande gegeben, dafs die Inschriften zwar sehr häufig
einfach den Poitropios nennen, in seltneren Fällen aber einen
ersten und zweiten Poitropios ausdrücklich unterscheiden:
anvos Horgomiou zoü mourou W.-F. n. 112. 164. 197. 243.
unvös Horgomiou roü Seuregou W.-F. n. 86. 154; wobei zu
bemerken, dafs der Schaltmonat der ersten Jahreshälfte zugezählt
wird: nos Horrgomiou Toü Seursgov, BovAsvovrwv av mo wrau
&Eamvov— W.-F. n. 425. Hiermit fällt zugleich die von Cur-
tius aufgestellte Ansicht, welche, so lange ein beschränkteres
Material vorlag, als annehmbar, ja höchst wahrscheinlich gelten
134 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
durfte, dafs nämlich der ’Evövsrergomios (eine Zusammensetzung,
welche ich bis jetzt wenigstens ebensowenig zu erklären im
Stande bin, als dies bisher irgend Jemandem in befriedigender
Weise zu ihun gelungen ist) der Schaltmonat des delphischen
Jahres gewesen sein möge. Diese Ansicht ist umsomehr aufzu-
geben, als, wie wir freilich erst jetzt sehen können, zwischen
dem Poitropios und dem Endyspoitropios volle drei Monate in
der Mitte lagen und der letztere viel häufiger auf diesen, der
Zeit nach verhältnilsmälsig nahe an einander liegenden Urkun-
den erwähnt wird, als dies von einem Schaltmonat erwartet
werden darf.
Da nun, wie nicht zu bezweifeln, die Anfänge des delphi-
schen und des attischen Jahres nahezu zusammenfielen und in
beiden an ebenderselben Stelle eingeschaltet zu werden pflegte,
so felgt, dals sich die delphischen und attischen Monate in fol-
gender Weise entsprochen haben:
Delphi. Athen.
1. ’AmeAAalos. Exraronßawv.
2. Bovzarıos. Merayerrviwv.
3. BoaSoos. Bonögonwv.
4. “Hoaice. Hvavolıwv.
9 Awdacbogros. Maoxrygu.
6. Iloırgomıos @ B. Tlossıdcwv a &.
7. Anadıos. Dapyııwv.
8. Büros. "AuSeoryguv.
9, Ozo&evios. ErabyBorwr.
10. "Evöuomorgomuos. Movviywv.
11. “HoczAcıos. Ongynrmv.
12. "Dalos. Szigoboguwv.
In völliger Übereinstimmung damit wird denn auch in den
Urkunden selbst der Poitropios mit dem attischen Poseideon ge-
glichen: "Aocy,ovros £v Aerbois EdxAtos, rvos Moırgoziov, Bov-
Asvovrwv Tav meuTeV Edlayvov Eidozouv Tov IocEıie, "Ayyaıhdov
Tol Tagavrıyou, YaRjLTEVOVToS ds Hodira Toü "Acandgov, ev de
’Asyvaıs FroarayEovros Bevorntos, unvos Tocsıdewvos W.-F.
n. 424, und in einer von Dodwell ausgehobenen Notiz des
vom 29. Februar 1864. 135
Joannes Tzetzes (vgl. C. Fr. Hermann de anno Delphico p.1
not. 3), welche aus einer guten Quelle stammen muls, der He-
rakleios dem attischen Thargelion gegenübergestellt (‘Ho«-
#Aelou myvös dvros Ev Acibois, "ASıuycı de OagynAıdvos).
Und wenn Plutarch (Quaestt. Gr. 9. ö de Burıog av, ws Mev
oi moAAoL vonigousı, Dusıös Earıv" Eupos yo agyzı zu Ta moAAd
dere ryvizalre za dafAcoreve) den Bysios in den Früh-
lingsanfang versetzt, so weicht auch diese Angabe nicht erheb-
lich von dem Ergebnisse der obigen Gleichung ab, wonach der
delphische Bysios dem attischen Blumenmonate entsprochen hat.
Hiernach ergiebt sich mit grölster Sicherheit, dafs der del-
phische Bukatios im Wesentlichen dem attischen Metageitnion
zu gleichen ist und dals folglich, wenn wir von den Schwan-
kungen absehen, welche die verschiedenartige Beschaffenheit der
beiderseitigen Schaltkreise mit Noihwendigkeit herbeiführen
mulste, die Pythien in der Regel in der ersten Hälfte des atti-
schen Metageitnion, also etwa Mitte August, gefeiert worden sind.
Hr. Bekker setzte seine bemerkungen zum Homer fort
(s. p. 84).
XXXII.
1:
0473
, ev ge Bowirwv avögwv Yv WRUaAos vyÜsg
wird jv auch vor dvögwv gestellt, unbeschadet dem verse, aber
zuwider dem gebrauch, der, wo «vöges zu einem volksnamen
gesetzt wird, beide wörter unmittelbar an einander schlielst:
Alyumziwv avöpuv E 263 9 432, Osrrgwruv avöonv m 65
e 526 = 271, Ogyzuv avöauv K 464 470, Kıppegiov avögwv
114, KumuWzwv avöeuv 85 (denn das komma nach Kr-
“Auzwv scheint vom übel, wie es T 185
Bavyas dvegars aloAomwAous
nach ®ouyas sein würde), Auropayu avdauv \L 311,
Deiovas avöges $ 155, bayzwv avöguv 83 114 202 m 156
867 1 343.
136 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
eine 'ausnahme macht Avzıwv dıyos avöonv H 13 P 140 und
Avziwv Emımeisera avödouv P 194.
die umgekehrte ordnung, avöguv G@esmowruv & 335 r 292,
avöpası Awropayorw ı 91 96, avögacı Hoyer D 6, herscht
bei den appellativen vor:
Kung Bovrnpogos A 144, avyo arzevs ı 391, Evögce #0-
gusryv II 693, audgss emanrngss P 135, avöges vonijes P 65,
avöguv ciyunraav DT 49 P 740, avdauv ardyerawv © 8,
avöpwv gomıorauv © 214, avöguv darupovwv 0 467, av-
dowv Hauav 8 268 %1 629 E97 25 und in zwei verse
verteilt E 746 1524 « 100, avöoav nunaryowv v 396 428
m 29, aveoes aygawrar A 549, dveges ayyınayırai B 604,
dveges inmonogvorei B1 N 677, aveoas aomödwras B 554
II 167:
so lange nicht der vers oder ein gegensatz anders verfügt:
dglaaromnyos avyg A 485, Öguronos avng A 86, ErabrBoros
avig 3 319, zraigos une P 466, oyeryyos ung ® 257,
Bovzoro: audgss v571, Bwroges avögss &102 0 200, Hyn-
Topes avdoss A 686, Anioroges avdges o 426, Texroves av-
öges 4315 N 390, Onuwv avdonv 7 305, AuIewv yEvos
avögWv M 28.
unter den ethnischen namen aber haben die ungriechischen
ein vorrecht auf den zusatz &vögss. den obigen beispielen, wozu
noch Kırizeso’ avdgsrcı 2 297 kömt und Acodavos dvye B 701
II 807, stehn gegenüber allein ’Agzcdes avöges B 611, AirwAös
avne E 379 und, in Troischem munde, ’Axcuıös avng A 167 226.
Zivrıss avöges A 594 sind Pelasger, &ygıopuvo: 3 294. dagegen
sind von der familie entlehnte bezeichnungen, wie zoügo: "Axaısiv
und viss 'Ayaımv, zo0go: "Adyvarsv B 551 Bowrav B 510 Kao-
nsiwv E 807 '), oder die allgemeinen adel aussprechen, wie Nawes
’Aygıor?) und ygwes Anvaoı, nicht üblich für barbaren. allerdings
heifsen die Pelasger öio« K 429 r 177: doch das ist ein zwitter-
tergeschlecht, verbündet mit den Troern B 840 und gelagert
neben Lelegern und Kaukonen K 429, zugleich aber auf Kreta
t) die einzige ausnahme
xrevovro Tpwuv ai "Axauıav vies &pızor u 38
ist fast nur scheinbar.
”) Carm. Hom. 2 p. 463 b 2 lies 'Axauıoi für "Axawr.
vom 29. Februar 1864. 137
angesiedelt » 177 und dem heiligtum in Dodona seinen Zeus
verleihend, den Achilleus anruft TI 233. und eine nicht minder
eigentümliche stellung nehmen die Phäaken ein, die Einmal
(„ 44) heroen heilsen: göttlicher abkunft (e 378 v 130) und den
göttern nah (e 35 r 279), von aller welt aber abgeschieden (Z 204)
beschiffen sie alle meere mühelos und hülfreich (3 32), und ver-
kehren mit den göttern nahezu wie mit ihres gleichen („ 201—6),
verwandt den Giganten, die den menschen, wie die Kentauren
($ 303), entgegengesetzt werden (7 59 = 120).
2.
Antikleia trift ihren sohn, den sie seit langen jahren nicht
gesehn hat, an einem orte wo sie ihn nicht erwartet und, so
lange er lebt, nicht erwarten darf. mit dem takt der mutter-
liebe erkent sie ihn auf den ersten blick und redet ihn an, statt
dafs Penelope später eine umständliche prüfung nötig findet:
RUTIRR Ö Ey
zu % ÖAocbvpopevn Een mregosvror moosyVd 1? 153.
Hera hat ihrem gemal zu gemüte geführt dafs er der schwe-
ster und gattin nicht die rücksicht erweise die er ihr schuldig
sei. er sieht sein unrecht ein, hält sich aber nicht dabei auf
ihr recht zu geben und besserung zu versprechen, sondern un-
verweilt trägt er der Athene auf einzuleiten was Hera wünscht:
oVd amıyyce marno avöguv TE JeWv Te.
auriz A9yvalyv Emen mreposvre moosyude A 68.
und Ajas in dringender not durch einen eilboten um hülfe
angesprochen nimt sich nicht die zeit auf die aufforderung zu
antworten, sondern gibt sie augenblicklich an den kampfgenossen
weiter, der an der hülfe teil nehmen soll:
06 amıyyceE HEyes Teiapuvıos Alec.
aurız OrRıaoyv Ersa mreodevra meooyUd« M 309 365. vgl.
E 713 P 500 $ 419 2 148 323 u 278 376.
der art sind die fälle wo es lohnt den anfang einer rede
oder das hineinziehn einer dritten person in das gespräch als
sofortig und ungesäumt zu bezeichnen, die rede mit «uriz« ein-
zuführen, oder auch mit aula ($ 386 535) und dem der Ilias
eigenen &i9ag (M 353 P 119 707).
hingegen wo sich welche in aller ruhe besprechen, und der
438 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
eine nichts vorbringt was den andern überraschte, aufregte, nach
antwort zu suchen nötigte, da ist natürlich dafs die unterhal-
tung nicht stockt, sondern, wie Ein mund sich zutut, der an-
dre aufgeht, und die erwiderung eben nur als solche erwähnt
wird, als zu ihrer zeit, an ihrer reihe umschichtig erfolgt; was
denn mit den verben ausidsrde: und arapsıdsrIar geschieht,
oder mit den partikeln &vriov onboggov (1 282 501) Ersıra, vor-
nehmlich aber mit ad aure aürıs EEaürıs.
danach solite der unterschied zwischen «urıs und aurize« in
bezug auf reden völlig klar scheinen, zumal die beiden partikeln
meist auch verschieden gestellt werden in vers und satz: aber
keine sind häufiger verwechselt worden. von Wolf mit vor-
liebe für &Urize, das sich schwerlich behaupten wird überall wo
er es, meist auf recht geringe gewähr, gesetzt hat, wie ö 382
398 471 491 554 ı271 368 #487 505 A 145 180 215 404
440 487 „113.
3.
mageE ist vor dem digamma zu wagez geworden 2349
8348 0139 / 16, und wird dazu werden müssen vor andern
consonanten u 276 443 168. aber A 486 steht es unter dem
schutz der interpunction, wie auch v 30
Molvos Ewv moAcoı. oy,sdoIev ÖE oi urdev ’Adzum
dem punkt und der pause nur zoA&sıy zu entsprechen scheint
und / 100 Außen dhuxa nicht zu schelten wäre. dagegen
ist &x#Fegeovoe r 166 für EEegeouse ein versehn, das entgegen-
gesetzte von dem das & 183 und 0 300 ev @Aum gelassen hat
für ze Forwn, 0265 ze aAww für ze Farww, b 342 oi für For.
so schlecht wie 2&, passt 2£ vor das digamma. darum wird
y 266 655 für &£ere’ zu setzen sein &zFer®’ nach dem muster
von &xzadsradwer A 109. EEarFere’ nach E£eFeris I 115 verbittet
sich der vers.
das © abgeben kan auch, nach Homer. Bl. 292 17, &xcs
Y 422
Öngov Exas orewbiet:
zu seinem digamma gelangt das wort, wenn örg0v dem gleich-
bedeutenden 849 weicht, wie 84% mit recht B 435 vor Öygov
gewichen ist, das auch E 885 am ende des verses sieht'').
') nd finden wir nur im innern des verses, und zwar 3 mal apo-
vom 29. Februar 1864. 139
ferner lielse sich II 807
Wa Meromyds oy,edodev (are
neroyyv schreiben, und T' 344
a 6° Eyyüs aryryv
eyyv, gestützt auf dvrızgl und i9v. 6 bw für ös der ist längst
eingeführt.
indess nicht jede unnötige consonantenhäufung darf geho-
ben werden. A 228
Evounsduv vios HroAspeiov
würde die position mit TloAsuadov auslangen: aber wer mag
einen namen antasten, der mit seiner altertümlichen form bis
in die späteste zeit hinunterreicht? nur dafs in Pella und Alexan-
drien wahrscheinlich IIroAouaios gesprochen wurde wie oXodoos').
zwischen zroAsuos dagegen und mörsnos, mrorsulew und vorswew,
mroAsmıorns und woAsniorys ist dem verse die wahl gelassen wie
zwischen zroA:s und zoA:s, und der hat mit ersichtlicher zweck-
mälsigkeit mörsuos über 240 mal verwandt, rorsnoc einige 30
mal, morsutgew gegen 60 mal, zrorsnige 5 mal, worsmorys 13
mal, zroAsmorjs 1 mal, und in fast gleichem verhältnis wdr:s
211 mrorıs 30 mal. aber oAsuytos von jener familie, roXic-
Spov und TroAimog9os von dieser zeigen sich nur in Einer gestalt.
strophirt, 3 mal als spondeus vor orp und (, wo öugov härter gewesen wäre,
und 12 mal als erste sylben eines daktylus, dessen letzte mit einem con-
sonanten anfängt.
position wie das sinn- und stammverwandte Öyy (£ri dyy, ur“ Öny, oüdE
öyy A 416 2 139 ® 126 N 573 II 736 Y 426 7 690 8 36 296 397 e 127
C 33 p 72 x 473) macht weder dn0& noch önpov, wofern man nicht &s xev
dnde x 177 und Zm} önpov d£ nor aluy I A15 für spuren davon will gelten las-
sen. £rı Önpov allein kömt 8 mal vor (B 435 495 895 PA1 7 391 a 203
ß 285 6 155).
!) Ioreuaiov wäre eine so dreiste änderung wie = 338, wo in IyeAo-
mein Ö eime das digamma zu kurz kömt, Imeröry d° ap ferne. Homer kent
den gegen 100 mal wiederkehrenden namen nur fünfsylbig, gerade wie den
13 maligen Ieposböveıx, während er doch mit "Adnvaiy und ’Adym, mit T'upain
und T'ypr, mit "Epneiss und "Epufs, sogar mit "AAxıneöw und "AAxınos, ab-
wechselt. "Acruoxsiw und Acruoxn sind verschiedene personen, wie 3ösve-
Auos und Ztveros. Awtprios für Aatpras haben erst die tragiker, aus Aasp-
Tidöng?
140 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
4.
A 453 und II 237
yusv On wor Euel magos (Euov Emos) ExAves euy,onkvaro,
Tiuysas ev eue, Meya 8 Inlao Adv "Ayaıdv
frägt es sich ob riuneas oder Tunes richtiger sei. wie die
Alexandriner geschrieben wissen wir nicht: unsere ausgaben,
also wol auch die handschriften, haben den indicativ. das par-
ticip scheint der gebrauch zu verlangen, der überall wo das
subject in &#Ausv im fortgang der erzälung subject bleibt, die-
sen fortgang mittelst einer partikel anschlielfst:
roü © Errvs Borßos ’AmoAAwv,
7 de zar Oiruurao A 45
Klriza mala oduvas II 527
TOD Ö° ExAus morvıe Krne —
zopmariws © avedu A 357
ro0 0° ExAus Iarras "A9yvn,
yvia 0° EImzev abo E 121 W771
aurd 8 ou mw dawer $ 328
To0 Ö° &xAvs Myrıera Zeus.
zu 0 Erepov nv Öore II 249
alrina Ö° wisrov Ye Q 314
aurina © Eßgovryce v102
rod de Hocsıdawv meyara zAusv auöycavros.
MUFIX Emeira Folaıvav Au —
YAacev 0 505
Ser de MeU Errvsv auödc
ns al EEerYodce Supes wıEe #311
FoÜ HA ev #AUov Abe miIovro,
Bov 8 ine 5 133
zagmaNuws I Egsugav y 477. |
vgl. H 379 179 0 300 #54 738 £ 247 0220 x,178 J 141: |
überall 32 oder &g@ oder 8’ ap& oder zui 5« oder alla Ö ae, |
ausgenommen vu 157
ad race TIS MA Ev #AUov Node TELDovro.
ca mev Eeinonı Qfoav —
or Ö° auroo — — moveovro v 165
und vielleicht noch Ein beispiel von so eingeteiltem subject.
vom 29. Februar 1864. 141
desto häufiger sind die beispiele von dem uımnsprung aus
particip in indieativ, Abao für nlanusvos: so bequem ist solche
lässigkeit dem versbau. allein in E finden wir
EB ZT: > 7 Nee, 2
evI Erev Acrüvoov zur Vmeısova —
Fov fuEv Umso naloro Qarnv —,
rov © Eregov Eupei —
mrngev 145
»c), b]
eEemrenb ev Aoya
u} Te N ’ £
+09 Teıgojevov, garemos de &E Öesnce Edamre 3IU
q \ \ 7 ’ J
so: ÖE Xen Trade mavra MeAsıv —
> \ ’ m E) /
GEXOUS Arsropevu TYAERAEITWV ETIROVgWV
VWASMEWG EoX.eisen, Rgareonv 9 aroSerSan Zvımyv 490
(statt amoIeuzvw),
5 y ,
NEXE & aga acbıv "Aons za morvı "Evuw,
aA x >,
N Mev Ey,ovse zudoraov —,
„ 7 E)
Agıs Ö° &v zeige mEAWgLoV Eyy,os evwiae 593.
vgl. A 253 N 434 O0 308 3 173 536 2376 ı339 A83 06
e 203 350 \ 351.
— ee -
L1864.] v
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat März 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer.
3. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kiepert las: Beitrag zur alten Ethnographie
der iberischen Halbinsel.
Nachdem die Überlieferung der alten Autoren, zunächst der
Griechen, welche fast alle alten Völker der Halbinsel, wie sie
ihnen vorzüglich seit der Zeit der karthagischen Herrschaft näher
bekannt werden, nach Körperbeschaffenheit Sitte Sprache als zu
einem Stamme gehörig, durch den Gesammtnamen Iberen be-
zeichnen und ihnen als einzige Ausnahme neben den phöniki-
schen Ansiedelungen im Süden eine beschränkte Reihe kelti-
scher Völker im Binnenlande und dem Westen gegenüberstel-
len, durch W. v. Humboldt’s bekanntes Werk (Prüfung der
Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der
Vaskischen Sprache, Berlin 1821) vom philologischen Standpunkt
als wesentlich richtig erwiesen ist, konnte nur noch über die
Priorität der einen oder der andern Völkerschicht auf diesem Bo-
den ein Zweifel bleiben, insofern die heutige historische Wis-
senschaft das Recht hat, wo innere Gründe zu widersprechen
scheinen, auch einstimmige Aussagen der Alten über vorhistori-
sche Vorgänge in Zweifel zu ziehen. Eine Einwanderung
[1864.] 120
144 Gesammtsitzung
nach Spanien, wie wir eine solche nach Öberitalien und den
Donauländern historisch kennen, findet sich zwar nirgend aus-
drücklich überliefert, doch allgemein als selbstverständlich vor-
ausgesetzt, so bei Plin. III. 3. in universam Hispaniam M,
YVarro pervenisse Iberos et Persas (?) et Phoenicas Celtasgue et
Poenos tradit: offenbar in chronologischer Folge ; ebenso Strabon III.
p- 158 oüre Kapyndovioıs Umhogev av zaraorgeN are — za erı
moOTEgoV Tupioıs, sira Keirois or vüv Kerrißnges HoL Bygwves Ho=- -
Aovvreı, und Appıan VI. 2, Kerror MoV doxouct more ryv Tlvoyunv
Üneoßavres aUrois (’Iyes:) euvorycar — hier also geradezu mit
Ausschluls jeder Tradition als eigene Hypothese, was bei einem
solchen Autor nicht zu urgieren, gegenüber der von Niebuhr
geltend gemachten Wahrscheinlichkeit, dafs alle jene Angaben
auf Poseidonios als Quelle zurückgehn ').
Dagegen bei keinem der Alten, die sich sonst überall so
leicht zur Annahme der Autochthonie alter Völker neigen, die
entfernteste Hindeutung?) auf die Möglichkeit des entgegenge-
setzten Vorgangs: Priorität der Kelten und Einwanderung der
Iberen von Süden her, oder nach der noch von Humboldt und
Niebuhr getheilten, noch nicht zur Erkenntnifs der indogermani-
schen Stammverwandtschaft der Kelten gelangten Ansicht: gleich
hohes Alterthum beider Nationen auf dem Boden der Halbinsel,
eine Ansicht, die zwar nicht, wie Zeuls meint, einzig und zuerst
Niebuhr aufgestellt hat, sondern die sich schon, wenn auch nur
?) Lucanus IV. 9, ‘profugigue a gente velusta Gallorum Celtae
miscentes nomen Iberis’ ist aulser den angeführten die einzige directe Aus-
sage; die gewöhnlich in demselben Sinne als Zeugnils angeführte Stelle
Diodor’s V, 33 ff. sagt kein Wort von Einwanderung, sondern nur von
langen Kämpfen beider Völker, die ihrem friedlichen Nebeneinanderwoh-
nen und ihrer Vermischung vorangegangen seien. Die Völkernamen in der
ältesten, uns nur durch des späten Avienus Bearbeitung bekannten (puni-
schen) Quelle könnten als negatives Zeugnils nur dienen, wenn sich be-
weisen lielse, dals keiner derselben einem keltischen Volke angehörte.
”) Wenigstens kann ich nicht mit Niebuhr (Vorträge über alte Län-
der- und Völkerkunde, S. 604) eine solche, sondern nur sehr junge Erfin-
dungen mythisierender Griechen in den angeblichen uralten Druidensagen
über keltische Autochthonie in ganz Westeuropa bei Ammian. Marc. XV. 9.
finden.
vom 3. März 1864. 145
unbestimmt angedeutet bei W. v. Humboldt'), ja schon bei
Leibnitz ?), unabhängig davon zu einem vollständigen System
ausgebildet, wie wir durch Humboldt erfahren, in des gelehr-
ten Spaniers Risco Espana sagrada findet. Allerdings aber hat
Niebuhr seine Hypothese, wenn sie auch zunächst aus dem
Bedürfnils, für die nach Italien und Osteuropa gerichteten Kelten-
wanderungen im äulfsersten Westen einen Grund des Anstolses der
Bewegung zu finden hervorgegangen war, durch sehr scheinbare
Gründe gestützt, unter denen die geographischen von der Verthei-
lung der Wohnsitze beider Völkerstämme hergenommenen oben-
anstehen?) und auch in neueren Behandlungen derselben Frage
1) p. 147: Es wäre nicht unmöglich, dafs Kelten und Iberen anto-
chthonisch in der Halbinsel gesessen hätten. — Auf Diodors und Appians
Nachrichten ist nicht, wie auf etwas historisch ausgemachtes zu fulsen. —
Das einzige Factum war das Zusammenwohnen der beiden Nationen; um
diefs zu erklären, bildete man jene Sage aus. Es ist nicht wahrscheinlich,
dafs sich durch unabhängige Überlieferung eine solche Sage aus so frühen
Zeiten sollte erhalten haben,
2) In derjenigen Abhandlung, welche die Reihe der Druckschriften
unserer Akademie erölfnet (Miscellanea Berolinensia ad inerementum scien-
tiarum ex scriptis soc. reg. scient. exhibitis, Vol. I, 1710, p. 1—16. G. G.
L. Brevis designatio meditationum de origine gentium decita potissimum ex
indicio linguarum) p. 9: Celtae quidquid Europae a Scythis ad mediterra-
neum mare et Oceanum et Gaditanum fretum extenditur impleverunt; p. 14:
Jortasse tamen Vascones et cognatos illis populos excipere oportet, nam Vas-
conum lingua ab omnibus Europaeis mire differt, necdum alia reperta est cui
appropinquaret. — An dicemus Hispaniam ante Celtarum adventum ab Afro-
rum propagine habitatam atque inde Vascones superfuisse? an potius vetus
aliqua gens ex anteriore migratione non Hispaniam tantum sed et Aquita-
niam et omnem vieiniam tenuit ? nam fluminum communia vocabula favent.
3) Röm, Gesch. II, 584, 2te Ausgabe: In dem Gebirge zwischen dem
Iberus und den westlich flielsenden Strömen (Celtiberien) ist eine Gegend
nicht zu verkennen, in der sich eine aus lachenderen Landschaften zurück-
gedrängte Nation behauptet, vereinzelt wie die Celtiker im Westen (in Lu-
sitanien) erhalten sich wohl Theile einer überwältigten Nation, keine (?)
einwandernde hat sich so unter kriegerischen angesiedelt. — Auch nörd-
lich von den Pyrenäen bewohnten die Iberer noch Aquitanien, offenbar
ist, dals sie sich vom Gebirge hinab gegen Norden soweit ausbreiteten, als
Völkerstamme einander folgten.
Mae
146 Gesammtsitzung
durch K. Zeufs (die Deutschen und die Nachbarstämme S. 163)
und L. Dieffenbach (Origines Europaeae, S. 143), wenn darin
auch mit Recht die späte Epoche des Vordringens der gallischen
Kelten an die Mittelmeerküste und die Pyrenäen zu Gunsten der
alten Ansicht geltend gemacht wird, keineswegs völlig widerlegt
sind. Im Gegentheil haben Niebuhr’s Gründe und gewichtige
Autorität seiner Ansicht bei neueren, auch selbständig forschen-
den Geographen so viel Geltung verschafft‘), dafs eine erneute
Untersuchung des Verhältnisses dieser Hypothese zu dem von
Niebuhr unberücksichtigt gelassenen Ergebnisse der Verbrei-
tung der keltischen und iberischen Ortsnamen nicht überflüssig
erscheint. Die anschaulichste Übersicht dieser, bereits von W.
v. Humboldt im einzelnen kritisch geprüften und in allgemei-
nen Zügen ausgesprochenen Vertheilung der geographischen Na-
men wird die hier beigegebene Kartenskizze gewähren, in welcher
mit Ausnahme der evident phönikischen, griechischen und römi-
schen, so wie der nur in Plinius alphabetischen Aufzählungen
oder bei Historikern ohne bestimmte Localangabe vorkommenden,
alle aus dem Alterthum überlieferten geographischen Namen,
auch, da es für den vorliegenden Zweck weniger auf scharfe
Positionsbestimmung ankam, die in ihrer Lage nur approximativ
zu bezeichnenden (z. B. die meisten derjenigen, welche nur aus
Ptolemäos bekannt sind), diese jedoch mit leicht kenntlicher gra-
pkischer Unterscheidung, aufgenommen sind: ihr Vorzug vor dem
geographischen Material, welches W. v. Humboldt zu Gebote
stand (zu mancher irrigen Annahme hat ıhn z. B. der Gebrauch der
sogar mitunter als Quelle bezeichneten ganz unzuverlässigen Rei-
chardtschen Karte verführt) besteht namentlich in Vervollständi-
gung und mehrfach genauerer Fixierung der Ortslagen nach Hrn.
E. Hübners Behandlung der inschriftlichen Topographie.
- Unter denjenigen Namen, welche mit Sicherheit auf kelti-
schen Ursprung zurückgeführt worden sind, nehmen die weit
grölseste Zahl die mit -driga oder -drica (selbst in den Inschrif-
ten beide Formen wechselnd) zusammengesetzten ein, deren häu-
*) Vgl. Ph. Smith’s Artikel Zispania in dem besten und vollstän-
digsten Werke der heutigen Literatur über alte Geographie, W. Smiths
Dictionary of Greek and Roman Geography, London 1854.
vorn 3. März 1864. 147
figes Vorkommen im mittleren westlichen und nördlichen Theile
der Halbinsel bei jedem auch nur oberflächlichen Beschauen der
Karte des alten Spaniens in die Augen fallen muls. Zu der von
W. v. Humboldt (S. 82 ff.) gegebenen Zusammenstellung der-
selben in geographischer Folge lassen sich jedoch mehrfache
Berichtigungen geben, die zur Rechtfertigung der beigegebenen
Karte hier zu begründen sind. Jeradriga (aus dem Itin. Ant.)
und Arabriga (aus Plin. und Ptol.) nebeneinander p. 84 aufge-
führt, sind einerlei Ort, auch die blols aus Reichard’s Karte an-
geführten Caszodrix und Ercoöriga nur schlechte Varianten, jenes
bei Marcian statt Caetodriga, dieses ın einem Fragment des Po-
lybios für Nerco- oder Nertodbriga. Ob Mirobriga in Baeturien
und Oretanien in der ptolemäischen Karte als verschiedene Orte
angeselzt, in der That als solche gelten dürfen, bleibt ungewils,
da die durch Inschriften (Monatsb. 1861 p. 385) gesicherte Lage zu
der Umgebung beider Positionen bei Ptolemäos, dem auch ander-
wärts doppelte Ansetzungen desselben Ortes nachgewiesen wer-
den können, passen würde. Die aus dem Geogr. Rav., als einer
in Orthographie unzuverlässigen Quelle von Humboldt abge-
sondert zusammengestellien Namen, deren Ortslage sich durch
Vergleichung der Stralsenrichtungen, gemäfls dem vom Autor
abgeschriebenen itinerarischen Document, in den meisten Fällen
nahe genug bestimmen läfst, erweisen sich fast sämmtlich nur als
verderbte Lesarten anderweitig, namentlich aus dem Itin. Ant.
bekannter Namen, so Adulodrica statt Amalobriga, Perdriga
(p. 316 ed. Parthey) und Tereörica p. 307, statt Ierabriga, So-
bobrica statt Deobriga, Tenodrica am Ocean statt Flaviobriga,
selbst Tonodrica zwischen Segisamo und Virovesca könnte aus
dem an gleicher Stelle im It. Ant. (p. 449. 454) erscheinenden
Deobrigula entstellt sein, daher keiner dieser Namen in beilie-
gender Karte erscheint. Anderseits fehlen in Humboldts Ver-
zeichnils von den durch das Itinerar in ihrer Lage gesicherten
Städten Zangodriga im nördlichen Lusitanien (bei H. nur aus
dem Geogr. Rav. angeführt) und Dessodriga im Vaccäer- Lande,
von den in der ptolemäischen Karte aufgeführten Arcodriga bei
den südlusitanischen Celtikern und Yolodriga bei den Callaikern;
hinzugefügt können überdiefs werden Tongodrica, südlich von Tagus,
und Caludriga, unbekannter Lage (von Hübner sehr fraglicher-
148 Gesammisitzung
weise in Asturien vermuthet) nach inschriftlichem Zeugnifs (Mo-
natsber. 1861. p. 391. 813) und allenfalls, wiewohl ohne siche-
res Zeugnils aus dem Alterthume (wenn es nämlich nicht etwa
mit der letztgenannten Stadt oder mit dem ptolemäischen Coe-
liobria identisch ist), das erst in westgothischer Zeit vorkom-
mende Calabria (Calabre am Douro, Hübner p. 785), dessen En-
dung die gleiche nur in der Aussprache erweichte zu sein scheint,
wie in dem schon bei Steph. Byz. erwähnen Brutobdria ').
Neben dieser in andern keltischen Gebieten weit seltener
vorkommenden Zusammensetzung mit -driga, treten die dort häu-
figeren Compositionen mit anderen ortbezeichnenden keltischen
Wörtern in Spanien auffallend zurück: -magus und -nemeium
erscheinen gar nicht, -Dona einmal in dem von H. übersehenen
lusitanischen Zguabona, -dunum zwar dreimal: in Caledunum
bei den Callaikern, Sebendunum in Catalonien, Estledunum in
Baetica (Inschr. bei Hübner. Monatsb. 1861 p. 65, der den Na-
men dem Klange nach für keltisch hält), ohne dadurch als kel-
tisch ganz sicher erwiesen zu sein, da es nach Humboldt p. 97
auch im Vaskischen eine gleiche Endung giebt, endlich -durum
einigermalsen gesichert nur in dem von Ptolemaeos bei den
Vaccäern angesetzten Octodurum, einem bekanntlich auch in Gallien
vorkommenden Namen, während das daneben von H. angeführte
Ocelodurum nur irrig von den älteren Herausgebern des It. Ant.
denen Ukert, Mannert, Reichardt u. a. gefolgt sind, aus der Form
Oceloduri abstrahirt ist, welche schon d’Anville als Ocezum Duri
(am Flufse Durius gelegen, "2zsAov bei Ptol.) erkannte, wie auch
die neuen Herausgeber mit Recht in den Text gesetzt haben.
Von den Ableitungsendungen könnte die in Gallien ge-
wöhnlichste auf -aca, -zcum herbeigezogen werden, um Namen
wie Comeniacum (zweimal, offenbar für verschiedene Orte, beim
Geogr. Rav. p. 318, 319 ed. Parth.) Ugultuniacum u. a. als we-
nigstens theilweise keltisch zu bezeichnen (mit dem letzten Na-
’) Aus dessen unverständlicher Angabe: nera£u Baitios moranoo anal
Toypderavav sich über die Lage des Ortes nichts entnehmen lälst; Hum-
boldt’s Angabe: „bei den Carpetanern” (p. 87) ist nur aus der Karte Rei-
chardts entlehnt, dem der zufällige entfernte Anklang des heutigen Orts-
namens Buifrage genügte, die alte Stadt an eine dem einzigen alten Zeug-
nils völlig widersprechende Stelle zu setzen.
vom 3. März 1864. 149
men thut dies H. p. 35 in der That), erschiene nicht dieselbe
Endung auch in Namen, welche Humboldt als ächt vaskisch er-
klärt, wie Urbiaca, Arriaca, Caraca, Lambriaca (p. 31. 39. 47)
u. a.; ich habe daher auch jene unter die unsicheren gesetzt.
Alle übrigen Namen Spaniens, für welche keltischer Ur-
sprung in Anspruch genommen worden ist, sind die der Volks-
stämme Berones, Celtici, Nemetati, und der Städte Brigantium,
Brigaecium, Celti, Ebura, Eburobritiurm, Mediolum, Segestica, Se-
gontia, Segovia, Findeleia. Auch gegen diese kleine Zahl lassen sich
noch einige Einwendungen erheben. Von Ceiti bemerkt Humboldt
(p- 157) selbst, dafs es ın der Gentilbildung Ceiitanus der un-
keltischen Weise der übrigen Orte der baetischen Landschaft
(in welcher es ziemlich das einzige Beispiel eines keltischen
Namens sein würde) folge; er bringt es gleichwohl in Zu-
sammenhang mit dem Volksnamen der Keltiker selbst, wie-
wohl er nicht verschweigt, dafs die Stadt selbst aufserhalb
jenes Volksgebietes liege. Aber die stillschweigende Voraus-
setzung dieser Annahme, dafs der Name der Kelten bei ihnen
selbst in nationalem Gebrauch und in ihrer Sprache bedeutsam
gewesen sei, ist nirgend erwiesen und wird wohl mit grölserem
Rechte gegenwärtig zurückgewiesen, als durch das eine von
Dieffenbach (Orig. Eur. p. 127) angeführte Beispiel eines davon
abgeleiteten gallischen Personennamens Celtillus gestützt. Da
wir vielmehr nur Ga/li als nationale Benennung kennen, ganz
unabhängig davon aber das damit durch keine etymologische Kunst
zu vereinigende K:Arc: den Griechen, nicht allein in Süd-Gallien,
sondern gerade auch, und wie es scheint noch viel früher in Ibe-
rien bekannt wurde (Herodotos und Hekatäos kennen noch keine
anderen als die iberischen Kelten), so liegt die Vermuthung
nahe, dals die Griechen eben jenen Volksnamen durch fremde
Überlieferung, sei es durch Liguren oder Iberen (die ja in
älterer Zeit bis zum Rhodanos wohnten), also in einer den Spra-
chen dieser Völker entlehnten und möglicherweise darin bedeut-
samen Form überkommen haben. Man wird also gut thun, die
Namen Celti, Ceitici (Celtiberi vollends scheint nur eine griechi-
sche Namenbildung zu sein) wenigstens zu denjenigen unge-
wissen Ursprungs zu rechnen, wenn man nicht nach der Ana-
logie der besonders in Baetica häufigen Endung auf -i (auch
150 Gesammisitzung
speciell auf -z, wie Basti, Axati) für den Stadtnamen iberischen
Ursprung wahrscheinlicher finden möchte.
Ebura oder Ebora (beide Formen kommen unterschiedlos
vor, namentlich auch für die bekannteste Stadt dieses Namens,
das heutige Evöra in Portugal, Ebora in Inschriften , "Eßovge
bei Ptol.) ist gleichfalls zweifelhaft; zwar möchte Humboldt sogar
alle Orte dieses Namens in allen Theilen Spaniens ("E&og« bei
Ptol. in Edetanien am Iberus, ein anderes im südlichen Baetica,
wahrscheinlich noch verschieden von 'Efovge bei Strabo, Ebura
bei Mela unfern der Baetis- Mündung, und ein drittes Ebura
Cerealis im oberen Baetica bei Plin., endlich der Hafenort Ebora
in Gallaecien) als keltisch gelten lassen (p. 101. 141), doch nur
wegen der Analogie mit Eburobriga, Eburodunum, Eburomagus,
Eburovices, Eburones in Gallien, Eboracum in Britannien, in wel-
chen Namen nach Davies auch Glück (kelt. Namen bei Caesar p. 115)
ebur auf die in den neukeltischen Dialekten erhaltene Bedeutung
Koth, Lehm zurückgeführt hat, welche allerdings wie Humboldt be-
merkt auf das hoch und felsig gelegene heutige Evora (die ein-
zige der gleichnamigen spanischen Städte, deren Lage sicher
bekannt ist) durchaus nicht palst. Aber dasselbe Wort haben
wir in Edura in Lucanien und den verschiedenen ’Epvo« der
griechischen Länder, in Gebieten gelegen, wo keltische Etymo-
logien völlig ausgeschlossen, iberische mindestens sehr zweifel-
haft sind, so dafs man wohl zufällige Übereinstimmung eines so
kurzen und einfachen Wortes in grundverschiedenen Sprachen
zugeben muls. Eben so wie die mehrfachen Ebura und Epora
am Baetis ist daher auch das zusammengesetzte Eburobritium in
Lusitanien unter die zweifelhaften Namen zu rechnen.
Die mit Seg-, Sego beginnenden Namen werden von
Humboldt als dem Vaskischen besonders fremdartig (p. 72),
und weiterhin, ım Hinblick auf analoge gallische und britan-
nische, direct als keltisch bezeichnet (p. 102), womit Glück
(a. a. OÖ. p. 149), der zugleich eine annehmbare keltische Ety-
mologie giebt, übereinstimmt. Für Segobriga ') und mit anderen
‘) Wenn für die Existenz der östlichen in Edetanien gelegenen von
den beiden auf der Karte angesetzten Städte dieses Namens, das heutige
Segorbe, wenigstens in gothischer Zeit das Zeugnils des Diöcesenregisters
König Wambas, nach Beseitigung der gefälschten Inschriften das einzige,
vom 3. März 1864. 451
keltischen Wörtern zusammengesetzte ähnliche Namen in Gal-
lien wie Segodunum, Segobodium, Segusiavi gewils mit vollem
Recht, fraglicher jedoch für die übrigen abgeleiteten, zum Theil
wohl auch zusammengesetzten Namen, denn ebenso wenig wie
selbst in Gallien Segustero, Segusio, Segosa den eigentlich kelti-
schen, sondern vielmehr den in Besitz der Urbevölkerung ge-
bliebenen Landestheilen (resp. Ligurien und Aquitanien) ange-
hören, dürfen in Spanien Segisamo, Segovia, Segontia') blols der
Anfangssilbe wegen und weil auch in Britannien ein Segontium
genannt wird, als keltisch betrachtet werden, ebensowenig
auch die zahlreichen Segie, Segeda, Segisa, endlich Segesztica
(in Spanien östlich des Iberus ohne genauere Bestimmung
nur bei Livius genannt), welcher Name unverändert in Pan-
nonien wieder vorkommt und an beiden Stellen von Hum-
boldt und Glück für keltisch erklärt wird, während doch Segesze
an den Küsten Liguriens und Siciliens, das letzte griechisch
"Eyesty geschrieben und vielleicht wieder mit den epirotischen Ai-
yesraioı (Steph. Byz.) sich berührend, gewils nicht als keltisch
in Anspruch genommen werden darf’?).
(Hübner, Monatsber. 1861 p. 542) nicht abgewiesen werden darf, so steht
dieses Beispiel eines keltischen Namens im östlichen, sonst aufser römischen
nur rein iberische Namen aufweisenden Küstenlande sehr vereinzelt; kei-
nenfalls jedoch kommt diese Örtlichkeit der berühmten Keltiberer-Haupt-
stadt zu, deren ungefähre Lage nur nach den übereinstimmenden An-
setzungen des Ptol. und Geogr. Rav. (im Int. Ant. scheint der Name
ausgelassen) bestimmt werden konnte.
*) Aulser dem bekannten keltiberischen, dem heutigen Siguenza, noch
mehrere gleichnamige Orte: ein Segontia nahe dem Iberus im It. Ant., fer-
ner aus Ptolemäus Segontia Paramica im Varduler-Lande, ein anderes S.
Paramica bei den Vaccäern, wohl nur irrig in Hss. Zeroyria geschrieben,
was Wilberg in den 'Text aufgenommen hat, 3eropriw oder Zeyopriu-Adxra
bei den Arevakern, wohl aus demselben Namen enistellt, und als Neben-
form ein Sagunlia (diese Form hat für das erstgenannte Segontia Plin. III,
4, dem es auch schon auffiel: quae nomina crebro aliis in locis usurpantur)
im südlichen Baetica, welches wieder von Saguntum und vielleicht Z&-
xuydos nicht zu trennen ist.
*) Zu den ganz unsicheren gehören endlich die von dem Stamme
berg abgeleiteten, von denen Dergidum (in Nordspanien zweimal) und
Bergistani von Humboldt (p. 63, 67) als ächt vaskisch, Bergusia ebenda-
152 Gesammtsitzung
Anderseits sind den von Humboldt nicht bezeichneten kel-
tischen Namen mit Sicherheit zuzurechnen Conzredia (Bedeutung
= owvorzie, Glück p. 29), der nach Analogie von Arelate, Are-
morici, Arecomici mit demselben Worte zred „‚Haus” zusammenge-
setzte Volksname Arotrebae (= Ansiedler) für einen Keltenstamm
auf der Nordwestküste, der sonst Artadbri (wohl mit mehr ibe-
rischer Form, analog dem iberischen Volksnamen Gantabri) ge-
nannt wird, und Aauda am Durius, nicht allein wegen des sonst
im vaskischen unerhörten Anlautes r, der einige wenige un-
sichere Lesarten und römische oder punische Namen abgerechnet,
im alten Hispanien nur in diesem einzigen Beispiele vorkommt,
sondern auch nach der Analogie mit keltischen Namen wie Ro-
dium und Rodumna im mittleren Gallien, Raudii Campi in
Oberitalien '). Fisontium für keltisch zu halten, wiewohl es
keine sichere Etymologie erlaubt, möchten die gallischen Städte-
namen Fesunna und Fesontio verführen, doch könnten auch diese
leicht aus vorkeltischer Zeit zurückgeblieben sein. Dagegen ist
das ächtkeltische Wort Germani als Beiname von Oretum mit
Recht schon von Zeufs (die Deutschen p. 59) als eine sichere kel-
tische Spur gedeutet worden ?).
Als Gesammtresultat dieser Kritik der Ortsnamen stellt sich
heraus, dals in der That diejenige Hälfte der Halbinsel, welche
die Küstengebiete bis tief landeinwärts im Süden und Osten,
selbst ebenso wie das ligurische Zergintrum und das oberitalische Zergo-
mum (dieses gewils mit Unrecht) von Glück (p. 89) als ächt keltisch, also
völlig widersprechend, erklärt werden. Aber das nur von Ptolemäos ge-
nannte Bergusia scheint selbst nur eine Entstellung des in derselben Ge-
gend im It. Ant. vorkommenden römischen Namen Pertusa zu sein.
2) Rodacis (oder Rodaca) südlich vom Tlagus würde, wenn es besser
beglaubigt wäre, als durch den einzigen Ravennaten (p. 312) dasselbe
Stammwort enthalten.
”) Die nur in Grabinschriften von Segovia vorkommenden, möglicher-
weise in dessen Nähe gehörenden Heimathorte Verstorbener, Acco, Baeso,
Caeno, Comenescus, Maiuna, Uccaba, mit Hübner (Monatsb. 1860
p. 332) als „keltisch klingend” zu bezeichnen, finde ich keinen Grund;
selbst Comenescus (vgl. oben $. 148 Comeniacum) findet unkeltische Ana-
logien im samnitischen Cominium und dem ligurischen Volke der Commoni,
so wie dessen Endung im vaskischen escua (Humb. p. 45).
vom 3. März 1864. 153
also gerade die gesegnetsten Landschaften Spaniens zumal die
einzigen ausgedehnten und überaus fruchtbaren Tiefebenen um-
schlielst, keinen einzigen als keltisch beglaubigten Namen ent-
hält, — ein undenkbares Verhältnifs bei der Voraussetzung von
Kelten als Urbewohnern dieser Striche, welche durch eine ibe-
rische Einwanderung von Süden her, analog der späteren arabi-
schen, wie man sich vorgestellt hat, verdrängt worden wären.
In der nordwestlichen Hälfte und dem eigentlichen Binnenlande,
d. h. vorzugsweise der Region der rauheren Hochebenen, finden
sich übereinstimmend mit W. v. Humboldt’s Angabe (doch mit der
von ihm übersehenen wichtigen Ausnahme der nördlichen gallaecisch-
asturisch-cantabrischen Gebirgslandschaft) die keltischen Namen
auch aulserhalb der noch in historisch bekannter Zeit von Kel-
tikern und Keltiberen bewohnten Landstriche, in ziemlich gleich-
mälsiger Vertheilung neben einer nicht geringeren Zahl ent-
schieden oder wahrscheinlich iberischer, als sicheres Zeugnils
dafs jene ganze Landeshälfte in vorhistorischer Zeit einmal von
Kelten entweder (wie Niebuhr annimmt) durchaus bewohnt, oder
wenigstens beherscht gewesen sein müsse. Für die ausschliefs-
liche Möglichkeit der zweiten Annahme entscheiden, abgesehen
von der Unwahrscheinlichkeit der von Niebuhr angenommenen
ältesten Grenzlinie zwischen Iberen und Kelten'), drei Gründe:
der Mangel keltischer Flufsnamen, Bedeutung und Art der
Zusammensetzung der keltischen Ortsnamen, endlich die natür-
liche Beschaffenheit der in dem bezeichneten Umkreise dau-
ernd von keltischen oder von iberischen Stämmen behaupteten
Gebiete. Die Namen der Flüsse, welche schon Leibnitz in
dem oben angeführten Aufsatze ”) mit Recht als von meist unbe-
‘) Sie mülste nämlich, da erweislich die Mittelmeerküste Galliens in
ältester Zeit gleichfalls von Iberen und Liguren bewohnt war und erst
nach der Zeit, aus welcher die Angaben bei Skylax stammen, Kelten dahin
vorgedrungen sind, von der äulsersten südwestlichen Spitze der Halbinsel
diagonal durch dieselbe, die Central-Pyrenäen und Süd-Gallien bis zu den
Centralalpen gegangen sein, eine Linie die als Völkerscheide gedacht ohne
jede Analogie im Bereiche der bekannten Geschichte wäre.
?) Vetustissima linguarum vestigia supersunt in nominibus fluviorum
atque silvarum (ein Zusatz der nur mit grolser Einschränkung gilt) quae
mulalis accolis plerumque persistunt, a. a. O. p. 1.
154 Gesammtsitzung
schränkter Dauer und deshalb vorzüglich wichtig für Erkenntnis
der ältesten Bevölkerungen bezeichnet hat, besonders die der grö-
fseren Ströme, da die der kleineren Gewässer aus naheliegenden
Gründen häufige Ausnahmen zeigen, würden allerdings allein
schon die Frage entscheiden, wenn sie sämmtlich als iberisch
nachgewiesen werden könnten. Diefs ist bis jetzt freilich
gerade in Beziehung auf die grölseren Ströme (Baetis, Anas,
Tagus, Tader, Sucro, Pisoraca'), Vacca) nicht geschehen, sollte das
aber auch überhaupt nicht möglich sein, so würde daraus nichts
anderes folgen, als dafs die Entstehung dieser Namen entweder
einer urältesten aus der jetzigen Form des Vaskischen nicht mehr
zu erhellenden Sprachperiode oder aber einer ganz verschollenen,
auch den Iberen noch vorangegangenen Urbevölkerung verschiedenen
Stammes angehöre; dagegen ist eine im Verhältnils zu der ge-
ringen Zahl der überhaupt aus dem Alterthum bekannten Namen
erhebliche Reihe von Flüssen zweiten und dritten Ranges und
zwar gerade in dem nördlichen, keltischen Einflüssen unterlie-
genden Theile der Halbinsel von Humboldt als ächt vaskisch benannt
nachgewiesen worden: Astura, Areva, Larnus, Metarus, Munda,
Navia, Navilubio, Sanda, Ulla, und wenigstens als wahrschein-
lich vaskischen Ursprungs werden von ihm bezeichnet: Minius,
Salo, Sicoris, Singulis, ja selbst der Name des Hauptflusses
Iberus, welchen allen sich kein einziger evident keltischer
Flulsname gegenüberstellen lälst*), ein Umstand, welcher der
Priorität der Iberen vor den Kelten in diesen Regionen durch-
aus günstig erscheint ’).
*) Dieser zeigt wenigstens eine von H. in Namen wie Malaca, Ma-
liaca, Arriaca, Caracca u. a. als ächt vaskisch nachgewiesene Localendung.
*) Denn die von H. p. 100 vermuthete keltische Etymologie des
grolsen Stromes Durius, aus kymr. dwr = Wasser widerlegt sich durch
die von Zeuls und Glück (a. a. O. p. 35) nachgewiesene ältere Form die-
ses Wortes, dubr. Ebensowenig darf der Name des kleinen Flusses 7a-
mara in Gallaecien, wiewohl er wahrscheinlich keltisches Gebiet der
Arotreben berührte, nur weil er auch in Britannien vorkommt, als keltisch
gelten; gehört doch dasselbe allerdings sehr einfache Wort zufällig auch
den semitischen Sprachen an und erscheint als Tamyras in Phoenicien so-
gar auch als Flulsname.
*) Die wenigen aus dem Alterthum überlieferten Gebirgsnamen
vom 3. März 1864. 155
Zu derselben Anschauung gelangen wir durch nähere Prü-
fung der zusammengesetzten keltischen Städtenamen Spaniens.
Keltische Völker als Urbewohner vorausgesetzt, wäre das ganz
einseitige Vorherrschen der Endung -driga unerklärlich, zumal
wenn auch die Bedeutung derselben berücksichtigt wird; in jenem
Falle würde man wenigstens daneben das Vorkommen von Na-
men erwarten, welche Wörter von der Bedeutung Haus, Heim,
Dorf, Feld u. dgl. enthielten, wie das kaltische sie z. B. in den
in Gallien so häufigen -vices und -magus besitzt'). Die von
Humboldt (p. 110) zur Erklärung jener Erscheinung beige-
brachte Hinweisung auf das provincielle Vorherschen einzelner
beliebter Namenbildungen in andern Sprachgebieten wäre ganz
passend, wenn es sich um beschränkte Landestheile handelte,
während jene Gleichförmigkeit auf einem so ausgedehnten Ge-
biete sich nur aus einer auf einmal erfolgten Besitznahme er-
klären läfst; seine specielle beispielsweise Vergleichung aber mit
deutschen Namen auf -heim, -hausen, -dorf u. dgl. folgt nur
aus der irrigen Zurückführung von -driga als im Grunde mit
magus gleichbedeutend, auf kymr. dro, Brog, Acker, Land (p. 1435),
an deren Stelle Dieffenbach (Orig. Europ. p. 271) und Glück
(a. a. ©. p. 130) die allein statthafie auf kymr. dre'g, ir. Brig
(wurzelhaft mit goth. dairgs, nhd. Berg verwandt) „Berg, An-
höhe” also gleichbedeutend mit dem in Spanien fehlenden gal-
(Hipula, Orospeda, Idubeda, Solorius, Edulius) gehören nach H. zu den am
sichersten aus dem Vaskischen zu deutenden; für keltisch erklärt er nur
Vindius (worüber unten) und Medullius in Gallaecien, bei diesem sich nur
auf die entfernte Ähnlichkeit mit Mediolum, Mediolanum und die Identität
mit dem Volksnamen Medulli in Gallien berufend (p. 103), der aber einem
nicht keltischen sondern ligurischen Stamme angehörte.
‘) Die Annahme, dafs Namen dieser Bildung unter den keltischen in
Spanien zahlreich vorhanden gewesen, aber als unbedeutenden Orten an-
gehörig verschollen sein mögen (wie denn allein die Keltiberen nach Po-
lybios von Strabon III. p. 163 angeführter Notiz über 300 Ortschaften be-
sessen haben sollen, von denen in den uns erhaltenen Quellen kaum ein
Sechstel namentlich erwähnt wird), reicht nicht aus, gegenüber der Erfah-
zung, welche in allen Ländern das zufällige Anwachsen mancher ursprüng-
lich offnen Orte unter Beibehaltung des darauf hindeutenden Namens zu
grölseren Städten aufweiset.
156 Gesammtsitzung
lischen dunum nachgewiesen haben. Dafs manche der also be-
nannten Ortschaften, deren Lage durch noch erhaltene Reste des
Alterthums feststeht, gar nicht auf erheblichen Anhöhen, sogar
wie z. B. Conembrica inmitten weiter Ebene gelegen haben,
darf gegen jene Etymologie nicht angeführt werden, da erfah-
rungsmälsig auch in anderen Sprachen selbst die leiseste kaum
merkliche Anhöhe in ebenen Gegenden als Motiv ähnlicher Be-
nennungen genügt; überhaupt aber mulste ganz natürlich vom
Anfang städtischer Anlage an der Begriff der Anhöhe und der
Befestigung zusammenfallen, wie denn auch in unserer Sprache
aus derselben Wurzel und in ursprünglich nahe verwandter, erst
nach und nach schärfer getrennter Bedeutung sich Berg und Burg
entwickelt haben, und, wie es in Indien sanskritische Bergnamen
auf -gada (Burg) giebt, auch in unserm Lande noch zahlreiche
nie bewohnt gewesene Berghöhen mit Zurg zusammengesetzte
Namen führen, während in Ortsnamen beide Formen wechseln.
Gerade der provincielle Wechsel und die unregelmälsige Verthei-
lung dieser Namen aber ist für analoge Vorkommnisse lehrreich:
während die eigentlichen Gebirgsgegenden Deutschlands arm an
Compositionen mit berg sind, offenbar weil in ihnen eine solche
Benennung nicht hinreichend unterscheidend erscheint, finden sich
dieselben in überwiegender Zahl in den ebenen Gegenden, be-
sonders den östlicheren, wo ein Berg, selbst ein niedriger Hügel
ein auffallenderes Object ist. Die Zahl der Städtenamen auf
-burg, die sich mitten durch Deutschland von Norden nach Sü-
den, von Flensburg und Hamburg bis Regensburg dicht gedrängt
hinzieht, ist im Vergleich mit dem Vorkommen dieser Endung
in anderen Theilen so überwiegend, dafs schon allein daraus ein
denkender Beschauer der Karte Deutschlands, wenn ihm unsere
alte Geschichte unbekannt sein könnte, den richtigen Schlufs auf
eine einstmalige Befestigungslinie der Volksgrenze gegen Osten
ziehen mülste. In den östlicheren, später und zum Theil durch
friedliche Einwanderung wieder deutsch gewordenen Landschaften
dagegen tritt bei den neubenannten Ortschaften die Namenbil-
dung mit burg immer mehr zurück gegen die mit Berg, welche
in einer der zuletzt germanisierten Provinzen, in Schlesien, der-
artig überwiegt, dals hier die volle Hälfte der deutsch benannten
Städte (18 neben nur 4 mit -durg, 4 mit -siadt u. a.) und
vom 3. März 1864. 157
darunter manche in völliger Ebene oder im Thale gelegenen
(wie Löwenberg, Festenberg, Schmiedeberg) sich auf derg en-
digt: ein Beweis, wie stark zufälliger landschaftlicher Sprachge-
brauch die Namengebung beherrscht hat. Die Annahme eines
ähnlichen Vorgangs in Spanien, nämlich des erobernden Eindrin-
gens keltischer Völker, erklärt vollkommen die vorliegende That-
sache der gleichartigen Benennung einer Anzahl theils schon
vorgefundener, theils zum Schutze der eroberten Landschaften
neugegründeter Stadtburgen unter Anwendung eines keltischen
Wortes als zweiter Theil der Composition, während der erste
Theil derselben in den meisten Fällen sich als nichtkeltisch her-
ausstellt, nämlich entweder als römisch (analog mit der rö-
misch-iberischen Composition Graccurris, Gracchusstadt, in Bru-
tobria, Caesarobriga, Juliobriga, Augustobriga, Flaviobriga) oder
geradezu als iberisch, wie Humboldt von Zangodriga, La-
cobriga, Mundodriga, Talabriga, Turobriga !) nachgewiesen hat
(p- 27, 34, 49, 53). Diese beiden Arten hybrider Composition
unterscheiden sich jedoch wesentlich und es ist aus ihnen kei-
neswegs der Schluls zu ziehen, dafs das iberische Element darin
ebenso wie das römische ein später eingedrungenes sein könne,
da es nicht wie dieses in Personennamen besteht, sondern in
Wörtern die aufserdem theils als besondere Namen (Mundo)
theils in Composition mit anderen iberischen (Sepe/acum, Breto-
/acum) vorkommen und noch jetzt im Vaskischen bedeutsam
sind: solche konnten ganz wohl von keltischen Eroberern in
neue Namenbildungen aufgenommen werden, da die Natur der
Sache nur die Bedeutsamkeit des zweiten regierenden Wortes
in der herschenden Sprache verlangt ?): es ist nicht zu übersehen,
dals kein Beispiel der umgekehrten Art, worin ein keltisches
Wort einem iberischen voranstünde, unter den spanischen Na-
‘) Auch Turibriga in Inschriften, Hübner, Monaisber. 1861 p. 384.
”) Also ganz wie in Augsburg, Regensburg u. a., wo gleichfalls die
deutsche Endung an den vorgefundenen Fremdnamen gehängt ist. Umge-
kehrt hat von den europäischen Völkern nur den Russen ausländische
Mode dem Volke unverständliche mit Fremdwörtern zusammengesetzie
Städtenamen, wie Sanktpeterdurg, Olgopol, Ovidiopol u. dgl. gebracht,
Bildungen welche freilich weit überboten werden von der abenteuerlichen
Erfindung deutscher Missionare im dänischen Guinea: Friedrichsropel!
158 Gesammtsitzung
men nachgewiesen worden ist. Die mit römischen Personen-
namen zusammengesetzten beweisen nicht einmal für fortdauern-
den Gebrauch keltischer Sprache unter römischer Herrschaft ;
jene können sehr wohl, wie gewils auch in manchen der
nach Caesar und Augustus benannten Städten Galliens, einen
älteren einheimischen Namenstheil verdrängt haben, so dals
blofs die Endung -driga sich erhielt; wenigstens liegt diese
Vermuthung nahe für Caesarodriga und Augustobriga am Tagus
an der Grenze der Carpetaner und Vettonen, also ächt ibe-
rischer Gebiete, während in der keltiberischen Landschaft über
dem Ebro, wo das zweite Augustobriga sich findet, damals
wohl auch schon die keltische Sprache ausgestorben war. Dals
dagegen die römischen Behörden dem in so zahlreichen Städte-
namen der Provinz vorgefundenen Sprachgebrauche für den in
den Ländern des Westens die gallische, die erste den Römern
vertraut gewordene Barbarensprache geraume Zeit bestimmend
blieb, selbst in Neubildungen folgten, und wohl gerade mit Ab-
sicht bei Städteanlagen ohne römisches oder latinisches Bürger-
recht, ist eine mir von Hrn. Mommsen freundlichst mitgetheilte
sehr ansprechende Vermuthung; aus dieser Erwägung würde sich
am leichtesten die schon von Humboldt (p. 141) als höchst auf-
fallend bezeichnete Benennung von Juliodriga und Flaviobriga
erklären, zwei offenbar römischen Gründungen und gewils den
ersten eigentlichen Städten ') im neueroberten cantabrischen Lande
welches zum grolsen Theil bis auf den heutigen Tag die vaski-
sche Sprache bewahrt und sich ebenso wie von romanischen
gewils auch von keltischen Einflüssen frei gehalten hat?).
*) In Cantabrieis septem populis Iuliobrica sola memoratur sagt Plin.
III, 4. also werden die übrigen, namentlich die in der ptolemäischen Karte
vorkommenden Namen Dörfern oder vielmehr Thalgemeinden angehören,
wie die[s noch heutigen Tages im ganzen nordspanischen Gebirgslande die
Regel bildet, das neben wenigen Städten kaum geschlossene Dörfer besitzt,
sondern mit zerstreuten Höfen bedeckt ist.
*) Man könnte wohl auch auf den Gedanken kommen, es möchten
die als Stützpunkte römischer Herschaft in dem von allen hispanischen zu-
letzt und mit grolsen Anstrengungen unterworfenen Berglande gegründeten
Städte absichtlich nicht mit Landesbewohnern, sondern mit gallischen Co-
lonisten besetzt worden sein und diesen ihre keltischen Namen verdanken;
vom 3. März 1864. 159
Zwischen den ebengenannten beiden Städten Cantabriens — die
nun nicht füglich als Beweise alter keltischer Herschaft werden
gelten können, — im Osten, und den unbezweifelt keltischen Kü-
stenorten der Arotreben im Westen ') und aufser einer dem Namen
nach ebenso unzweideutigen Nemetobriga (,„Tempelburg”), einer
vereinzelten keltischen Niederlassung im innern Gallaecien ?), ent-
hält nun aber das ganze nördliche Gebirgsland Gallaeciens und
Asturiens, namentlich auch die gerade Gallien zugewendete Nord-
küste, unter zahlreichen Orts- und Stammnamen (deren über 70
angegeben, die kleine Hälfte davon auch namhaft gemacht wer-
den, ein selbst in einem von Natur in so viele Thäler gespaltenen
Lande nur für ursprüngliche Ansiedelung, nicht für fremde Erobe-
rer begreifliches Verhältnils) keine einzige weitere keltische
Spur, wohl aber die zahlreichsten Formen ächt vaskischen Ge-
für einen solchen Vorgang scheinen wenigstens Namen der Ebroprovinz zu
sprechen wie Forum Gallorum, Gallicum (beide im It. Ant.) Gallica Flavia
(Ptol.), die, weil evident römischen Ursprungs, unter den oben angeführten
keltischen Namen und in der Karte ausgelassen worden sind. Wenn aber
einmal Colonisten aus weiterer Ferne nach Cantabrien (da der unmittelbar
benachbarte Theil der gallischen Provinz, Aquitanien, durch seine selbst
iberische Sprache und Nationalität ausgeschlossen ist) herbeigezogen wor-
den wären, so doch schwerlich aus dem inneren Gallien, in welchem Falle
man vielmehr Compositionen mit den dort üblichen Endungen -dunum,
-durum od. dgl. erwarten dürfte, sondern eher noch von den südspanischen
Keltikern, auf deren Namen auch der nur aus einer Inschrift (vgl. Mo-
natsber. 1861 p. 828) bekannte römische Stadtname Celticoflavia hinzu-
weisen scheint, von leider unbestimmbarer Lage, doch gewils, wie alle
Städteanlagen Vespasians, dem Norden Spaniens angehörig.
?) Ihrer isolierten Stellung und der oben S. 152 angegebenen Bedeu-
tung ihres Namens nach wäre man bei den Arotreben sogar zu der Ver-
muthung einer über See aus dem westlichen Gallien gekommenen Ansie-
delung berechtigt.
*) Denn Tuntobriga oder -brica (so alle Mss. des Ptol., daher wohl
nicht in Tungobriga zu ändern, welche Form anderwärts inschriftlich be-
glaubigt ist, Monatsber. 1861, p. 391) mufs nach seiner Stellung auf der
alten Karte schon dem südlichen Hügellande angehört haben. Dals übri-
gens die Form Gallaeci als römische Modification der einheimischen Cal-
laici mit dem Gallier-Namen nichts zu thun hat, ist wohl kaum zu erin-
nern nöthig.
[1864.] 13
160 Gesammtsitzung
präges'). Hier erleidet also jene von H. nur nach Süden und
Osten zu aufgestellte Umgrenzung des einst keltisch gewesenen
Gebietes eine wesentliche Einschränkung nach Norden hin und
zwar gerade durch dieselbe asturische Landschaft, welche auch
zur Zeit der von Süden her die Hochebenen Mittelspaniens über-
flutenden arabischen Eroberung den kriegerischen Besten des
überwundenen Volkes die letzte gesicherte Gebirgszuflucht und
den Ausgangspunkt der Wiedereroberung des Innern und des
Südens gewährte. Jene nördlichen von der keltischen Vermi-
schung freigebliebenen Iberen Gallaeciens, Asturiens, Cantabriens
erscheinen also in der That für die nur noch in ihren Nach-
wirkungen erkennbare Epoche der keltischen Herrschaft als von
den stamm- und sprachverwandten Bewohnern der Süd- und
Ostküste losgerissene Theile der ältesten nachweisbaren Bevöl-
*) Humboldt urgiert zwar den keltischen Namen des Gebirges Vindius,
welches er (p. 105) „durch einen grolsen Theil des Gebietes hin, in wel-
chem die celtischen Namen sich vorzugsweise finden, von den Callaikern
bis zu den Cantabrern” sich ziehen lälst — es also mit dem gesammten
galicisch- asturischen Gebirgssysteme identificiert, wohl nur wieder durch
Reichardt’s Karte zu dieser durch die Quellen wenigstens nicht zu erwei-
senden Ausdehnung des Namens verleitet. Wenn, wie wohl wahrschein-
lich, Mons Vinnius in Cantabrien bei Florus und Orosius derselbe Name
ist, so möchte die Emendation der älteren Herausgeber des Ptolemäos
Ovivöios gerechtfertigt sein, doch ist nicht zu übersehen, dafs sämmtliche
Handschriften die von Wilberg in den Text aufgenommene Form Oüyidios
haben, die vielleicht eine vaskische Etymologie zulielse. In jenem Falle
wäre derName auf keltisch vind, weils, zurückzuführen und auch die Lage
in Cantabrien (auf der Ptolemäischen Karte steht es etwas westlicher mit-
ten in Asturien) würde wohl übereinstimmen mit dem noch jetzt (nach
Willkomm’s auf Autopsie gegründetem Zeugnils, Halbinsel der Pyre-
näen S.54, denn in den bis jetzt veröffentlichten Specialkarten fehlt der
Name) Sierras Albas genannten Theile jenes Gebirges, welcher seiner, bei
einer Gipfelhöhe von über 8000 Fuls den grölsten Theil des Jahres dau-
ernden Schneedecke den Namen zu verdanken scheint; da es aber natür-
lich weit sichtbar ist in den südlich angrenzenden mit keltischer Bevölke-
rung bedeckten Hochebenen und überdiels Gesammtbenennungen grolser
Gebirgszüge bekanntlich nur aufserhalb derselben in der Ebene bekannt zu
sein pflegen, so beweiset jener Name nicht das mindeste für keltische Be-
wohner des Gebirges selbst.
vom 3. März 1864. 161
kerung, die Kelten selbst auf den Hochebenen als ein zwischen
beiden Theilen eingedrungener Keil. Selbst der Weg dieser Ein-
wanderung lälst sich ohne Schwierigkeit nachweisen, wenngleich
ein kaum geringerer Zwischenraum, wie zwischen den kleinasiati-
schen Kelten und den nächsten mit dem Mutterlande in Zusammen-
hang gebliebenen Stammgenossen an derDonau, die eingedrungenen
von ihrem Stammgebiete trennte. Weder durch die noch in
römischer Kaiserzeit überaus unwegsamen Centralpyrenäen konnte
jener Weg gehen, noch durch den östlichen Pafs an der Mit-
telmeerküste, woran eine oberflächliche Betrachtung der Karte,
im Hinblick auf die nächsten keltischen Landschaften im südli-
chen Gallien denken lassen könnte; waren doch diese Gebiete
wie oben bemerkt, erst in einer Zeit, als die grofse Keltenwan-
derung nach Spanien schon dem Gedächtnisse der Menschen ent-
schwunden sein mufste, von ihren späteren Herren, den beiden
grolsen, in dem gemeinsamen Volken-Namen zu einer Einheit
verbundenen und überdiels schon durch ihre grofse Ausdehnung
zwischen den 20 kleinen iberisch-aquitanischen Stämmen im We-
sten, den ebenso zahlreichen Bergvölkern ligurischer Nation im
Osten, als neue Eindringlinge erscheinenden Tektosagen und
Arekomikern eingenommen: wie jung das gallische Element hier
war, ergiebt sich aus dem höchst sparsamen Vorkommen kelti-
scher Namen '), während die Angaben des Skylax und Avienus
von altiberischer Bevölkerung auch in dieser Gegend durch die
Ortsnamen selbst der Hauptstädte der beiden Volkenstämme =)
‘) Unter den uns überlieferten in dem ganzen Volkenlande aufser
dem durch seinen Namen als Hauptheiligthum der Arekomiker bezeich-
neten Nemausus und dem Flülschen Vernodubrum (Plin. II. 5.) nur vier
mit -magus zusammengesetzte und auch schon in dieser Eigenthümlich-
keit als von den spanischen Kelten verschieden sich verrathend (Lugdunum
Convenarum ist als römische Anlage nicht mitzurechnen).
?) Indem 7olosa unverändert in einem heutigen Stadtnamen Gui-
puzcoa’s fortlebt, aulserdem in der antiken Composition Zabitolosa (Inschr.
mitg. v. Hübner, Monatsber. 1861 p. 962) erscheint und mit den altspani-
schen Ortsnamen Tolous, Tolobis, Toletum auf eine Wurzel zurückzuführen
ist; Narbo einerseits in dem Callaikerstamme der Narbasi, anderseits in
dem von Humboldt (p. 62) als iberisch erwiesenen Norba seine spanischen
Repräsentanten findet.
13*
162 Gesammtsitzung
bestätigt werden. Aber auch nicht eine ältere den Volken vor-
angegangene Keltenwandernng konnte diesen Weg eingeschla-
gen haben, sie müfste sonst unfehlbar von den herrlichen Thal-
landschaften Cataloniens, von der Tiefebene des Ebro gefesselt
und überhaupt vielmehr über die Länder der Ostküste als nach
dem Westen hin ausgebreitet, Spuren ihrer dortigen Niederlas-
sungen in keltischen Ortsnamen hinterlassen haben. Der ein-
zige durch die geographischen 'Thatsachen angedeutete, überdiefs
bei weitem der leichteste Weg in die Halbinsel war, (wie
Dieffenbach Orig. Eur. p. 145 richtig gesehen hat) derselbe welchen
wenigstens ein Jahrtausend später Eurich seine Westgothen
hineinführte, durch die niedrigen Pässe der WVestpyrenäen
längs der atlantischen Küste. Dieser Weg führte durch die
weiten Ebenen Aquitaniens, ein Gebiet, welches allerdings in
der ganzen Ausdehnung bis zur Garonne nicht nur bis lange
nach Caesar’s Zeit iberisch geblieben ist, sondern nach endlicher
Romanisierung der Sprache in der nördlichen Ebene doch in
Volkscharakter, Sitte und dem Namen Gascogne, so wie inner-
halb der Berge auch am Nordabhang, selbst in der Sprache die
die vaskische Eigenthümlichkeit treu bewahrt hat. Das ist jedoch
kein Grund, dies Land mit Niebuhr für eine Eroberung der Ibe-
rer auf gallischen Boden zu halten und zu fragen, warum denn
die Kelten, wenn ihre Siege sie über das Gebirge nach Süden
führten, nicht wenigstens die nördlich desselben gelegenen Ebe-
nen völlig einnahmen? Der iriftigste Grund dafür ist die un-
verändert gebliebene Naturbeschaffenheit dieser Ebenen, die noch
heutiges Tages unter dem Namen der Zandes als die ödeste, un-
fruchtbarste, scheinbar zu ewiger Armuth verdammte Gegend
ganz Frankreichs im schlechtesten Rufe stehen, während den
Auswanderern jenseit der Pyrenäen die Eroberung reicher üppi-
ger wohlangebauter, zum Theil schon sehr früh von phöniki-
scher Cultur befruchteter Landschaften in lockender, freilich wie
der Erfolg zeigt, trügerischer Aussicht stand. Dafs sie diese
Eroberung nicht über die ganze Halbinsel, namentlich nicht über
ihre schönsten östlichen und südlichen Ebenen ausdehnen konn-
ten, daran mulste sie, aulser der unzureichenden Zahl der
auswandernden, die in jenen Landschaften schon früh geübte
Kunst der Befestigung zahlreicher Städie verhindern, welche ein
vom 3. März 1864. 163
rohes Hirtenvolk, wie die Kelten bei ihrem ersten Auftreten
überall erscheinen, einzunehmen aulser Stande war; aufserdem
bieten bekanntlich die der Ostküste parallel sich erstreckenden
und die die Thalebene des Baetis nördlich begrenzenden Ge-
birge, wie die Kriegsgeschichte aller Jahrhunderte beweist, fast
eben so günstige Vertheidigungslinien, wie die nördlichen Ge-
birge. Aber kein ähnliches natürliches Hindernils stellte sich,
sobald die Keltenschwärme einmal über den obern Ebro her
die nördlichen Hochplateaus erstiegen hatten, ihrer Verbreitung
über das ganze innere Hochland und dessen westliche Abdachung
zum Ocean entgegen: der historisch zwar nirgend ausdrücklich
bezeugte, in der unbestimmteren Ausdehnung des keltiberischen
Namens auf die westlich angrenzenden Stämme bis zu den Lu-
sitanern bei Strabon, Plinius, Appianus nur angedeutete Bestand
dieser Ausbreitung ihrer Herschaft ist es eben, wovon die Orts-
namen das einzige sichere Zeugnils bewahrt haben. Die Be-
schränkung dieser ausgedehnten, aber wahrscheinlich nur kurzen
Herschaft auf die engen Gebiete der speciell sogenannten Kelti-
beren und südwestlichen Keltiker mufs durch eine nationale Er-
hebung der iberischen Stämme und durch jene langdauernden
Kriege erfolgt sein, von denen wir nur durch Diodor’s flüchtige
Andeutung wissen; ihr Ende konnten diese nur in Verträgen
finden, wodurch schliefslich den mit glänzenderen Hoffnungen
eingedrungenen Fremden einzelne ihren noch halbnomadischen
Gewohnheiten des Hirtenlebens entsprechenden, den älteren Be-
wohnern selbst entbehrlicher scheinenden Landstriche überlassen
wurden. Denn von solcher Natur, keineswegs wie Niebuhr auf
ältere irrige Kartenanschauung gestützt meinte, durch Hochge-
birgscharakter zur Vertheidigung bedrängter Völkerreste geeignet
sind die beiden grolsen keltischen Gebiete der Halbinsel. Das
östliche, namentlich das eigentliche Keltiberien, welches sie noch
mit einer an Zahl überwiegenden, daher auch in Sprache und
Sitte endlich obsiegenden iberischen Bevölkerung theilen mulsten,
ist zwar sehr hochgelegen, zwischen 3 und 4000 Fufs über den
Meeresspiegel ansteigend, daher von rauhem Klima, gröls-
tentheils steinig und unfruchtbar, aber dabei verhältnilsmäfsig
ebener als mit Ausnahme der grolsen Stromtiefebenen irgend ein
anderer Theil Spaniens, und bei Waldarmuth jedoch Reichthum an
164 Gesammtsitzung
würzigen Kräutern vorzugsweise zur Viehzucht geeignet, wie
schon die Alten sehr wohl wulsten. Das westliche Keltika zwi-
schen dem unteren Anas und Tagus, den grölsten Theil der
heutigen Provinz Alemtejo umfassend, ist zwar vorherschend
niedriges Hügelland, zum Theil auch sandiges Strandgebiet, im
ganzen aber der dürftigste Theil der ganzen Halbinsel, kaum
besser als die von den Kelten durchzogenen Haideebenen Aqui-
taniens, und ebenfalls nur für die im Alterthum nach Strabons
Zeugnils hier vorzüglich blühende Schafzucht geeignet; daher er-
klärt es sich dafs die Urbewohner ein solches Land den Ein-
dringlingen willig ganz räumten und die letzteren, wie Strabon
angiebt und Plinius namentlich auch schon durch Hinweisung auf
die reinkeltischen Ortsnamen bestätigt, verschieden von den Kel-
tiberen, für unvermischte Kelten gehalten wurden.
Nicht nur in dem vorausgesetzten Gange der Erwerbung,
sondern auch in der Naturbeschaffenheit des schliefslich dauernd
erworbenen Bodens bis auf die Eigenthümlichkeit der Flora und
Fauna hinab hat diese keltische Einwanderung nach dem Süd-
westen ihr völliges Analogon in derjenigen, welche die am wei-
testen nach Südosten vorgedrungenen Bruchtheile derselben Na-
tion bis auf asiatischen Boden hinüberführte. Auch in Kleinasien,
nicht allein wie Niebuhr andeutet, unkriegerischen Phrygern,
sondern zugleich den mit griechischer Kriegskunst gerüsteten
nur unter einander uneinigen Staten von Pergamos, Bithynien,
Kappadokien gegenüber, überschwemmten jene Horden, obwohl
zunächst schwach an Zahl, das ganze westliche Hochland der
Halbinsel (nur nicht das schwer einnehmbare südliche Gebirgs-
land) um nach halbhundertjährigen Kriegen auf den rauhesten
unfruchtbarsten, in seiner baumlosen Öde nur treffliche Schaf-
und Ziegenweide darbietenden centralen Theil der Halbinsel be-
schränkt zu werden und dort noch lange ihr gewohntes Hirten-
leben fortzusetzen; der wesentlichste Unterschied gegen ihr
Auftreten in Spanien besteht darin, dafs sie in diesen Gebieten
uralter Cultur keine Gelegenheit fanden, in neubenannten Grün-
dungen sprachliche Spuren ihrer Herschaft zurückzulassen.
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bezeichnet die heutige Grenze des Vaskischen Sprachgebietes
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TArdabunm Co, Er,
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DIE
IBERTSCHEN
KELTISCHEN
NAMEN
RIISPANIEN
zusainmengestellt von
H.KIEPERT.
Zum. Monatsbericht d.K. Akad.d.Wiss:
März, 1864.
Gebiete keltischer Völker
seltischer Nana
Grenze des sichern Vorkoinens
Unzweifelhaft keltische Namen -poih
Namen welche uls möglicherweise keltisch ungeseien worden zünd,
reoth unterstrichen
Lapidar-SCHRIFT bezeichnet Nanan ‚welche uls unzweifelhaft rück
durch vaskische Etymologie von Mr Hl MBOLDT vachgensesen wunden,
unverstärkte Schrift soicte deren iberuscher Ursprung ı
Ortsnamen gesicherter Lage [nach Inschriften oder len ltineraurien)
haben stehende Schrift ‚solche von unyeuusser Lage, Liegen
Ein % bii dem Namen bezeichnet zwufelkufte Lesart,
”
PEN. =;
as
vom 3. März 1864. 165
Nachträgliche Bemerkung zur Karte.
Bei Bestimmung der als ächt iberisch zu bezeichnenden Namen konnte
ich natürlich in Ermangelung eigner gründlicher Sprachkenntnis und der
Ergebnisse, welche von Hın. Dr. Mahn’s und französischer Gelehrter
Forschungen über das Vaskische noch zu erwarten stehen, nur W. v. Hum-
boldi’s vorsichtigen Schlüssen folgen; es sind also ausschlielslich die von
ihm mit Bezeichnung völliger Sicherheit aus dem Vaskischen erklärten
Namen, welche sich S. 123 seines Werkes übersichtlich zusammengestellt
finden (mit Ausschluls von Malaca und Zucentum deren iberischer Ur-
sprung, zumal für jene phönikische Coloniestadt, bedenklich erscheint) und
solche unter den inschriftlich neuaufgefundenen welche mit jenen iden-
tisch sind, durch stärkere Schrift hervorgehoben, alle übrigen, mit Aus-
nahme der unbezweifelt keltischen, welche sich durch roihe Schrift un-
terscheiden, sind durch leichteren Schriftcharakter als etymologisch weni-
ger sicher bezeichnet, darunter auch die grofse Zahl derjenigen, welche
sich nach Humboldts eigenem Uhrtheil der ersten Klasse als durchaus ähn-
lich in Form und Klang anschliefsen lassen, während auch für den Rest
vielleicht mit wenigen Ausnahmen iberische Abstammung wahrscheinlich
ist; wenn u. a. die im Süden, besonders in Baetica, häufige Endung ippo
von H. (S. 64) als aus dem Vaskischen nicht erklärbar bezeichnet, von
Movers (Phöniz. Alterth. II, 2. S. 144, 649) als ein hier wie in Africa im-
porliertes phönikisches Wort, mit der Bedeutung „Festung” naehgewiesen
ist, so muls es doch, da es im Widerspruch zu semitischer Wortfolge
immer nur als zweiter Theil zusammengesetzier Namen erscheint, als
Lehnwort völlig ins Iberische aufgenommen gewesen sein. Auf andere
von Moversa. a. ©. nach Etymologie oder zum Theil nur nach Anklang
an ähnliche Namen in semitischen oder semitisierten Ländern (wie Nord-
afıica) für punisch ausgegebene Namen vorzüglich des südlichen Spa-
niens (darunter sogar solche wie Ebora, Ulia, Tucci, Ceret, Ucultuniacum
u. a.) ist, gegenüber den gewichtigeren Ansprüchen des lberischen, keine
Rücksicht genommen worden. Um auch die nur vermuthungsweise und
wohl meist irrig als keltisch in Anspruch genommenen Namen leichter
auffinden zu können, sind dieselben in der Karte roth, umgekehrt die
iberischen Bestandtheile keltischer Zusammensetzungen schwarz unterstri-
chen worden.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Sitzungsberichte der Kol. Bayrischen Akademie der Wissenschaften in
München. 1. Heft 4. München 1863. 4.
L. Spengel, Aristotelische Studien. 1. Nikomachische Ethik. Mün-
chen 1864. 4.
166 Gesammtsitzung
10. März. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr.. Beyrich las über eine Kohlenkalk-Fauna
von Timor.
Hr. Magnus machte folgende die Beschaffenheit der
Sonne betreffende Mittheilung.
W.Herschel hat bereits im Jahre 1795 die Ansicht auf-
gestellt '), dals die Sonne aus einem dunklen Kern bestehe, der
umgeben ist von einer das Licht und die Wärme aussendenden
Atmosphäre oder Photosphäre. Zwischen dieser und dem Kern
nimmt er noch eine das Licht reflectirende Atmosphäre an,
welche durch diese reflectirende Eigenschaft die Beleuchtung
des Kerns durch die Photosphäre hindert. Arago bemerkt beı
Erläuterung?) dieser Hypothese, die er als die allgemein ange-
nommene bezeichnet), dafs die Photosphäre den äufseren Rand
der Sonne bestimme, dals sie aber selbst, wie er aus den bei
totalen Sonnenfinsternissen beobachteten Protuberanzen schliefst,
von einer durchscheinenden Atmosphäre umgeben sei. Her-
schel‘) sagt, die Photosphäre sei weder tropfbar- noch elastisch-
flüssig, sondern bestehe aus leuchtenden Nebeln. Nach unserer
heutigen Kenntnils von der Licht- und Wärmestrahlung ist es
schwierig anzunehmen, dafs die Photosphäre, welche die Wärme
der Sonne aussendet, nicht sollte den Kern, den sie umschlielst,
bis zum Glühen erhitzt haben. Die zwischen ihr und dem Kern
angenommene reflectirende Atmosphäre kann wohl die Beleuch-
tung des letztern, nicht aber seine allmähliche Erwärmung hin-
dern. Mit Recht sagt deshalb Kirchhoff’), dafs diese Hy-
pothese, welche aufgestellt worden um die Sonnenflecken zu
erklären, in solchem Grade höheren physikalischen Kenntnissen
widerspreche, dals sie selbst dann verworfen werden mülste,
1) Philos. Transact. for 1795, p. 46.
?) Astronomie II, S. 94.
2) Ebendaselbst, S. 143.
*) Philos. Transact. for 1795, p. 71.
°) Denkschriften der Berliner Akad. d. Wiss, 1861, S. 85.
vom 10. März 1864. 167
wenn man nicht im Stande wäre die Erscheinungen der Son-
nenflecken auf eine andere Weise auch nur einigermalsen be-
greiflich zu machen.
Kirchhoff ist durch seine Untersuchungen des Sonnen-
spectrums zu der Annahme geführt worden, dafs die Sonne aus
einem festen oder tropfbarflüssigen Kern bestehe, der die höch-
ste Glühhitze besitzt, und von einer durchsichtigen Atmosphäre
von etwas niedrigerer Temperatur umgeben ist.
Aus der Wärme, welche von der Sonne ausgeht, hat man,
so viel ich weils, einen Schluls auf ihre Constitution bis jetzt
nicht gemacht; es sei denn, dals man die Beobachtungen von
Secchi') über die geringere Wärme, welche von den Polen
als vom Äquator der Sonne ausgestrahlt wird, hieher zählen
will. Einige Versuche, die ich über Wärmestrahlung ausge-
führt habe, liefern, wie ich glaube, neues Material zur Beur-
theilung der Beschaffenheit dieses Himmelskörpers.
Bringt man in eine nicht leuchtende Bunsensche Gas-
flamme eine kleine Scheibe aus dünnem Platinhlech, so steigert -
sich die Wärme welche die Flamme ausstrahlt sehr bedeutend,
ohgleich sie, da ein Theil ihrer Wärme dazu dient die Platte
zu erwärmen und im Glühen zu erhalten, im Ganzen eine nie-
dere Temperatur hat als zuvor, wo sie nicht leuchtete. Wurde
bei Wiederholung dieses Versuches die Platte etwas dünner oder
dicker angewendet, so war, vorausgesetzt dals sie denselben
Durchmesser behielt, kein wesentlicher Unterschied bemerkbar.
_ Wurde aber die Platte, statt sie dicker zu machen, mit kohlen-
saurem Natron überzogen, so nahm die Ausstrahlung von Neuem
und zwar wieder sehr bedeutend zu. Auch durch Lithion- und
Strontiumsalze trat eine ähnliche Vermehrung der Ausstrah-
lung ein.
Die starke Ausstrahlung des Platins verglichen mit der der
Flamme welche nur gas- oder dampfförmige Producte enthält,
läfst die Herschelsche Hypothese wenig wahrscheinlich erschei-
nen. Die bedeutende Steigerung aber welche das auf das Pla-
tin gebrachte Natron erzeugt, bestätigt Kirchhoff’s Hypothese
in überraschender Weise.
!) Comptes rend. XXXV, 606 et XXXVI, 659.
168 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Nova Acta Academiae Leopoldino-Carolinae. Vol. 30. Dresdae 1864. 4.
Comptes rendus de ! Academie des sciences. Tome 58, no. 2—7. Paris
1864, 4.
Memoires de la societe des sciences de Liege. Tome 18. Liege 1863. 8.
Publications de la societe pour la recherche des monumens historiques de
Luxembourg. Vol. 18. Luxembourg 1863. 4.
Annales des mines, 1863. Livr. 4. Paris 1863. 8.
Abhandlungen der philosophisch- philologischen Klasse der Kal. Bayri-
schen Akademie der Wissenschaften. 10. Band, Abth. 1. München
1864. 4.
Buhl, Festrede am 28. Nov. 1863. München 1863. 4.
Studer, Deorigine des lacs suisses. (Extrait) Geneve 1864. 8.
14. März. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Rammelsberg las über einige Glieder der
Sodalithgruppe, insbesondere Ittnerit und Sko-
lopsit.
Die Sodalithgruppe umfalst eine Anzahl von isomorphen
Mineralien, nämlich Sodalith, Hauyn, Nosean und Lasurstein.
Ihre Form und Spaltbarkeit ıst übereinstimmend die des Gra-
natoeders, was sie in hohem Grade auszeichnet. Nicht weniger
interessant ist ihr chemisches Verhalten. Gleich dem Nephelin
und einigen anderen Silikaten lösen sie sich unter Umständen
in Säuren vollständig auf, aber die Auflösung verwandelt sich
beim Stehen, durch Erhitzen oder Abdampfen in eine vollkom-
mene Gallerte.. Es sind sämmtlich Doppelsilikate von Thonerde
und Natron, und wenn man vom Lasurstein absieht, der bisher
niemals im reinen Zustande untersucht wurde, so stimmen fast -
alle Analysen dieser Mineralien darüberein, dafs der Sauerstoff
des Natrons, der Thonerde und der Kieselsäure = 1:3:4 ist,
d. b. dafs es Singulosilikate sind.
vom 14. März 1864. 169
Aber nur im Sodalith selbst treffen wir das reine Thon-
erde-Natronsilikat
Na? Si + Ai? Sı3,
an. Im Nosean, besonders aber im Hauyn, ist dasselbe mit der
entsprechenden Kalkverbindung
Ca? Si -+r&Äl? Si?
in isomorpher Mischung.
Allein die Zusammensetzung dieser Mineralien ist compli-
cirter. Denn sie enthalten Chlor oder Schwefelsäure oder beide
und zwar in ansehnlicher Menge und als wesentliche Bestand-
theile, als Chlornatrium und als schwefelsaures Natron oder
schwefelsauren Kalk.
Sodalith und Granat sind isomorphe Gruppen im weiteren
Sinne des Wort; die Granate sind lediglich Singulosilikate,
jedoch frei von Alkalien; es liegt nahe, die Isomorphie des
Sodaliths mit den kalkhaltigen Gliedern auch auf den Kalkthon-
granat, mithin auf alle Granate zu übertragen, und in der Ver-
bindung des Thonerde-Natronsilikats des Sodaliths mit dem
regulär krystallisirender Chlornatrium nichts als eine isomorphe
Mischung zu sehen '), was sich dadurch bestätigt, dals der Ge-
halt an Chlornatrium im grünen vesuvischen Sodalith nur 4 von
dem der übrigen Abänderungen ist?). Hieraus folgt aber auch
die Isomorphie des Singulo-Doppelsilikats mit den wasserfreien
Sulfaten des Natrons und Kalks, welche für sich zweigliedrig
krystallisiren.
Der Sodalith ist
*) Die verschiedene Spaltbarkeit dieser Verbindungen giebt keinen
Grund, an ihrer Isomorphie zu zweifeln, denn diejenigen Krystallflächen,
in deren Richtung die Minima der Cohäsion im Innern der Krystalle fallen,
sind auch sonst bei anerkannt isomorphen Körpern nicht immer dieselben.
Man vgl. Augit.
*) Pogg. Ann. Bd. 109. S. 574.
170 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
2NaCl-+n(Na?$i+ Al? Si),
worin n gewöhnlich =3 ist.
Der Hauyn hingegen ist
RS +n(R?Si+ Al? Si’),
und hier ist n=14, während Kalk und Natron ın ihren relativen
Mengen variiren, so zwar, dals die Ägq. beider sich verhalten
im Hauyn
von Albano = 5:7 nach Whitney
vom Vesuv = 4:5 nach R.
vom Vulture = 3:7 nach R
vom Laacher S. = 4:3 nach Varrentrapp
= 3:7 nach Whitney.
Der Nosean endlich ist ganz dieselbe Mischung, vorherr-
schend jedoch die Natronverbindung
2NaS + 3(Na? Sir Al? 5i3),
und enthält nur eine geringe Menge Kalk.
Hauyn und besonders Nosean enthalten aber auch in der
Regel etwas Chlor oder mit anderen Worten eine gewisse
Menge der Sodalithverbindung in isomorpher Mischung.
Zu diesen Mineralien sind in späterer Zeit der Ittnerit
und der Skolopsit hinzugekommen. Der erstere, von Ittner
zuerst beschrieben, wurde schon von Breithaupt für Nosean
erklärt, den Skolopsit unterschied v. Kobell. Der Ittnerit ist
selten krystallisirt in Granatoedern (Fischer), stets aber gra-
natoedrisch spaltbar gleich dem Sodalith, Hauyn und Nosean.
Der Skolopsit ist nur in derben Massen von splittrigem Bruch
bekannt. Sonst stimmen sie in ihren äufseren Eigenschaften der
Art überein, dals man sie nicht zu unterscheiden vermag.
Auch der Fundort von beiden ist derselbe, nämlich der
Kaiserstuhl im Breisgau, und zwar ein dunkelgraugrüner Trachyt
von Oberbergen, der in der Nähe an Kalkstein grenzt. Beide
bilden Gemenge mit einem grünschwarzen Augit und sind der-
artig mit feinen Kalkspaththeilchen durchdrungen, dafs man auch
bier annehmen muls, das Gestein sei nicht mehr frisch, der
kohlensaure Kalk namentlich sei das Produkt einer Zersetzung
vom 14. März 1864. 1471
kalkhaltiger Silikate durch atmosphärische Einflüsse. Nach den
Beobachtungen von Fischer finden sich Itinerit und Skolopsit
in demselben Gestein neben einander '), und glaubt Derselbe,
dals beide durch die Wirkung aufsteigender warmer Mineral-
quellen auf in Trachyt eingeschlossene Kalksteinparthieen sich
gebildet haben.
Somit reducirt sich die Unterscheidung beider Mineralien
auf ihre chemische Zusammensetzung. Den Iitnerit untersuch-
ten C. Gmelin und Whitney, den Skolopsit v. Kobell
und ich?). Kürzlich theilte mir Hr. Prof. Fischer in Frei-
burg ausgezeichnete Stücke beider Mineralien mit, und ich habe
diese Gelegenheit benutzt, beide von neuem zu untersuchen.
Für diesen Zweck war ihre mechanische Trennung von
den Begleitern ganz unmöglich, denn beide sind mit der Augit-
substanz innig durchdrungen, beide brausen mit Säuren, selbst
in ausgesuchten hellen durchscheinenden Körnern. Indels ge-
währt ihre leichte Zersetzbarkeit durch verdünnte Chlorwasser-
stoffsäure ein Mittel, sie vom Augit zu trennen. Ich stelle hier
die Resultate nach Abzug des aus der gefundenen Kohlensäure
berechneten koblensauren Kalks mit den früheren Analysen zu-
sammen,
Ittinerit.
4. 2. 3.
C. Gmelin. Whitney. R.
Chlor 0,73 14,25 0,62
Schwefelsäure 2,86 4,62 4,01
Kieselsäure 34,02 33,69 37,97
Thonerde?) 29,01 29,14 30,50
Kalk 7,26 9,64 3,42
Magnesia — _ 0,76
Natron 12,15 12,57 7,89
Kali 1,56 1,20 1,72
Wasser 10,76 (9,83) 12,04
0 98:35, 1,015 200-008, 0,90
‘) Berichte der naturf. Ges. zu Freiburg 1862 No. 27.
2) Monatsberichte 1862. S. 245.
*) Mit wenig Eisenoxyd.
172 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Skolopsit.
Kobell. R.
früher). jetzt.
Chlor 0,56 1,36 1,27
Schwefelsäure 4,09 4,39 3,96
Kieselsäure 44,06 34,79 38,60
Thonerde 17,86 21,00
Eisenoxyd 2,49 2,70 a
Kalk 16,34 ?) 15,10 12,21
Magnesia 2,23 2,67 1,80
Natron 12,04 11,95 10,84
Kali 1,30 2,80 2,18
Wasser — 3,29 (10,25)
100,97 ° 100,05 100.
Diese Resultate sind wohl hinreichend, um den Ausspruch
zu rechtfertigen, dafs die als Ittnerit und Skolopsit bezeichne-
ten Substanzen keine bestimmte Zusammensetzung haben, und
als wasserhaltige Mineralien der Zersetzung eines Gliedes der
Sodalithgruppe ibre Entstehung verdanken.
Was zuvörderst den Ittnerit betrifft, so ist nach Abzug
von RCl und RS der Sauerstoff von
ee
in 1 = 18,24:1814: 956 = 1:1:0,5
2 = 17,42:18,54: 8,74 = 1:1:0,5
3 = 16,94 : 20,25:10,7 =0,8:1:0,5
Ferner ist der Sauerstoff von
R:R Na(K): Ca
in 1 = 1,06:3 1,45:1
2 = 0,84:3 2,14:1
3 = 0,56:3 at
Im Skolopsit dagegen sind diese Sauerstoffverhältnisse:
1) Monatsber. 1862. $. 245.
2) Einschlielslich 0,86 Mn
vom 14. März 1864. 173
R+&:Si: aq
1 16,73 : 22,87 :0 0,73:1:0
2 =: 18,39 18,25 2,92! ='1,0,:1 : 0,16
3 = 15,66: 20,59: 9,11 = 0,76:1 : 0,44
R:R Na(K): Ca
iıni= 2,9 :3 0,6 :1
on 0,66:1
PN ee: 0,75:
Man darf hieraus schlielsen, dafs das ursprüngliche Mineral
ein Singulosilikat war; das umgewandelte ist bisweilen noch ein
solches geblieben, während es zu einem Hydrat wurde, biswei-
len ist aber ein Theil der starken Basen fortgeführt.
Es liegt wohl nabe, als ursprüngliche Substanz für die Bil-
dung des Ittnerits und Skolopsits den Hauyn oder den No-
sean zu halten, die beiden Sulfat-Silikate der Sodalithgruppe,
welche wegen ihrer leichten Zersetzbarkeit durch Säuren den
Angriffen des Wassers und der Kohlensäure leicht zugänglich
sind. Während der Nosean oft schon 1—2 pC. Wasser ent-
hält, gab eine Probe aus dem Gestein des Perlerkopfs am Laa-
cher See nach vom Rath'):
Chlor 0,74
Schwefelsäure 2,27
Kieselsäure 36,15
Thonerde 28,05
Eisenoxyd 6,72
Kalk 4,20
Magnesia 0,42
Natron 11,82
Kali I
Wasser 3,99
101,23
Sicherlich ist dieser Nosean in den Zustand eines kalirei-
chen Ittnerits übergegangen. Nach Abzug von RCl und RS
1) Zeitschrift d. geol. Ges. Bd. 14, S. 655.
174 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
und des Eisenoxyds als Fe? H? ist in dem Silikat der Sauer-
stoff von-
R+&l:Si:ag=0,95:1:0,1,
von R:Ä1=1,2:3 und von Na, K:Ca=3,1:1.
Der Nosean, der im Gebiet des Laacher Sees häufig ist,
von v. Rath im Phonolith von Olbrück, und von Fischer im
Phonolith des Hohentwiel gefunden wurde, scheint in den Ge-
steinen des Kaiserstuhls nicht mehr unverändert, sondern stets
im Zustande von Ittnerit und Skolopsit vorzukommen. Ist diese
Vermuthung richtig, se würde der Nosean bei seiner Umwand-
lung durch Wasser, welches Kalkcarbonat enthielt, einen Theil
des Natrons verloren und dafür Kalk aufgenommen haben, wäh-
rend gleichzeitig der grölste Theil des Sulfats vom Nosean fort-
geführt wurde.
In manchen Fällen wurde ein Drittel oder zwei Fünftel
des Natrons durch die äquivalente Menge Kalk ersetzt, so dafs
das Ganze ein Singulosilikat blieb, welches sich jedoch gleich-
zeitig in ein Hydrat verwandelte, in welchem der Sauerstoff des
Wassers die Hälfte von dem der Monoxyde beträgt. Diesen
Zustand der Umwandlung bezeichnet der Ittnerit. Ging aber
die Aufnahme des Kalks weiter, so scheint es, dals (unter der
Annahme, das Thonerdesilikat sei von der Umwandlung nicht
berührt worden) überdies noch eine gewisse Menge Kalksingulo-
silikat hinzutrat, während die Aufnahme des Wassers, also die
Hydratbildung, sehr ungleich stattfand. Dies würde den Sko-
lopsit darstellen.
Es darf hier die Bemerkung nicht fehlen, dafs Hr. Prof.
Fischer schon früher die Selbstständigkeit beider Mineralien
bezweifelt hat. Es hat viel weniger Wahrscheinlichkeit, die
beiden Substanzen als veränderten Hauyn zu betrachten. Denn
wenn in demselben (nach Varrentrapp) auf 2 At. Natron
3 At. Kalk kommen, so mülste man umgekehrt eine Fortführung
des Kalks und eine Aufnahme von Natron anzunehmen haben,
wenn daraus Ittnerit werden sollte, und eine Aufnahme von
Kalk- und Natronsilikat, wenn Skolopsit entstehen sollte. Diese
Vorgänge würden mit der Fortführung der Sulfate nicht im Ein-
klang stehen.
vom 14. März 1864. 175
Derselbe lass über die chemische Zusammen-
setzung des Ferberits.
Mit dem Namen Ferberit bezeichnet Breithaupt ein
in der Sierra Almagrera in Spanien vorkommendes Mineral,
welches nach einer Analyse von Dr. Liebe die Bestandtheile
des Wolframs, jedoch in anderen stöchiometrischen Verhältnissen
enthält. Während nämlich im Wolfram der Sauerstoff der Ba-
sen und der Säure =1:3 ist, oder 1 At. Basis mit 1 At. Säure
verbunden ist, verhalten sich im Ferberit die Sauerstoffmengen
—=4:9=1:24, d.h. es sind 4 At. Basis gegen 3 At. Säure
vorhanden, R W°.
Ich bin im Stande, diese Angaben zu bestätigen. Das Ver-
halten des Ferberits ist im Allgemeinen das des Wolframs; er
ist mit Quarz verwachsen, und es hängt ihm ein wenig Braun-
eisenstein an. Ich habe verschiedene Proben analysirt, unter
anderen auch solche, die durch Abschlämmen als schwerster
Theil erhalten worden waren. Die Ühereinstimmung der Re-
sultate, welche hier mit den von Liebe erhaltenen zusammen-
gestellt sind, beweist die homogene Beschaffenheit des Materials.
Liebe. R.
1. 2. 3. 4.
Thonerde 1,17
Zinnsäure 0,14 - 0,16
Wolframsäure Si le (69,06)1 „9/88
Eisenoxydul 23,29 26,68 25,97 25,34
Manganoxydul 3,02 3.09 2,17 3,00
Kalk 175} | 1,52 1,62
Magnesia 0,42
99,90 100. 100. 100.
Sauerstoffverhältnils.
1 = 6,53:14,54 = 1: 2,23
2 = 6,64:14,45 = 1: 2,18
3 = 6,70:14,62 = 1 :2,19
4 = 6,77:14,49 = 1: 2,14
') Die eingeklammerten Zahlen geben die direkt gefundenen Mengen
an. Bei der Berechnung sind statt ihrer die aus der Differenz [olgenden
benutzt.
[1864.] 14
176 Gesammtsitzung
Ist der Ferberit R‘ w>, so muls er als eine Verbindung
von 1 At. einfach und 1 At. zweidrittel wolframsaurem Eisen-
oxydul (etc.) aufgefalst werden,
BW-+-R:’W:.
Bekanntlich sind wenigstens drei Arten von Wolfram zu un-
terscheiden:
FeW +4 Mn W (von Schlackenwalde; braun)
2 FeW-+3MnW (Altenberg, Zinnwald, Schlackenwald, Gon-
necticut)
4 FeW-+-MnW (Harz, Ehrenfriedersdorf, Limoges, Monte
Video).
Der Ferberit ist noch ärmer an Mangan als diese letzte Wolf-
ramvarietät; in ihm kommt nämlich 1 At. Mangan auf 8 At.
Eisen.
Das specif. Gewicht des Ferberits ist nach meinen Wä-
gungen = 7,169 (beim Wolfram ist die niedrigste Zahl 7,19,
die höchste 7,54, beide nach den Angaben des Graf. Schaff-
gotsch).
Im Wolfram ist der Säuregehalt fast durchgängig = 76 pC.,
im Ferberit = 70 pC.
17. März. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ewald las über neue Anhaltspunkte zur Ver-
gleichung norddeutscher und nordfranzösischer Neo-
com-Vorkommnisse.
vom 17. März 1864. 177
Hr. W. Peters machte eine vorläufige Mittheilung über
neue Arten der Säugethiergattungen Geomys, Ha-
plodon und Dasypus.
Geomys Raf.
Die bekannten Arten dieser Nagergattung finden sich im
westlichen Theile Nordamerikas, südlich bis Mexico. Dr. Gray
hat zwar bereits im Jahre 1841 (Proceed. 200. soc. Lond. XI.
p- 79) einer hieher gehörigen Art unter dem Namen „Sacco-
phorus quachil” aus Goban erwähnt, jedoch niemals eine Be-
schreibung derselben geliefert, woraus hervorgehen dürfte, dafs
er dieselbe später mit einer anderen bereits bekannten Art iden-
tificirtt hat. Unser Museum hat durch Dr. Hoffmann und Dr.
v. Frantzius das Fell nebst dem vollständigen Schädel einer
hieher gehörigen neuen Art aus Costa Rica erhalten, wodurch
die geographische Verbreitung der Gattung Geomys in Central-
amerika bewiesen wird. Diese Art stimmt am meisten überein
mit G. mexicanus Licht. in der Gröfse, der Proportion der
Gliedmalsen, der kahlen Beschaffenheit des Schwanzes und der
Beschaffenheit der Behaarung, welche letztere jedoch ein wenig
kürzer und straffer erscheint. Die Färbung ist dunkelbraun, die
der Bauchseite, des Steilses und der Schnauze bräunlich grau
oder weils. Sie unterscheidet sich jedoch sogleich dadurch, dals
die tiefe Längsfurche der oberen Schneidezähne nicht längs der
Mitte, sondern zwischen dem inneren und mittleren Drittel der
Zähne verläuft, weshalb ich für diese Art den Namen Geomys
heterodus in Vorschlag bringe.
HaArıovon (Aplodontia) Richards.
Von dieser merkwürdigen Gattung kennt man bis jetzt nur
eine Art aus dem westlichen Theile von Nordamerika am Puget-
Sunde, den Z. Zeporinus Richards., welcher neuerdings von
Hrn. Spencer F. Baird (Mammals of Nortk America. Phila-
delphia. 1859. p. 353) genauer beschrieben und mit dem Biber
in eine Familie zusammengestellt worden ist, während Hr.
Brandt dieselbe den Sciurini als eine besondere Unterfamilie
mit wurzellosen Zähnen anreiht. Unser Museum hat neuerdings
ein Fell nebst Schädel aus den Gebirgen Californiens erhalten,
und hiernach mufs ich mich der Ansicht Brandt’s mehr an-
schlielsen. Der Unterkiefer stimmt ım Wesentlichen ganz mit
44*
178 Gesammtsitzung
dem von Arctomys überein, wenn man davon absieht, dafs der
hintere Winkel desselben eigenthümlich verbogen erscheint. Die
Foramina incisiva liegen wie bei den Sciurini nur zwischen den
Zwischenkiefern und die Foramina infraorbitalia sind mälsig grols,
kaum gröfser als bei den Zamias. Der allenthalben gleich breite
Gaumen, die Flügelbeingruben und die Gehörbullen sind ganz ähnlich
wie bei Arctomys. Der vordere aufsteigende Theil des Joch-
beins verbindet sich mit einem gleich breiten. Theil des Thrä-
nenbeins, in ähnlicher Weise wie bei Xeros, mehr noch wie bei
den Chinchillina. Die Unterschenkelknochen sind getrennt; lei-
der wissen wir aber noch immer nichts von dem inneren Bau,
nicht einmal ob Schlüsselbeine und Blinddarm, wie es wahr-
scheinlich ist, entwickelt sind. Ob das uns vorliegende Exem-
plar wirklich zu 7. leporinus gehört, ist nicht ganz sicher. Auf-
fallend ist jedenfalls ein ziemlich grofser (15 bis 20 Mm. im
Durchmesser haltender) rundlicher regelmäfsiger weilser Fleck
an jeder Körperseite, ganz nahe vor dem Oberschenkel, dessen
bei der Beschreibung jener Art nicht erwähnt wird. Es ent-
steht dieser Fleck dadurch, dafs die Wollhaare an dieser Stelle
etwas verlängert und mit weilser Spitze versehen sind, so dafs
ich vermuthete, es möchte am Grunde desselben vielleicht
eine Drüse ausmünden. Dagegen spricht jedoch, dafs die Haare
hier ebenso dicht, wie an allen anderen Körperstellen stehen.
Auch erscheint der Schwanz viel kürzer; ohne Haar 13 Mm.
(6 Lin. Engl.), während derselbe nach Baird bei A. leporinus
10 Lin. lang ist. Er könnte jedoch an dem einzigen Exemplar
verstümmelt sein, obgleich es den Anschein hat, als sei er un-
verletzt. Der Schädel zeigt, mit der von Baird gegebenen Ab-
bildung verglichen, sich darin auffallend verschieden, dafs die
obere Backzahnreihe nicht auffallend kürzer, sondern ganz gleich
ist der Entfernung der Schneidezähne von den Backzähnen, dafs
der Ausschnitt hinter dem Processus zygomaticus des Schläfen-
beins ein viel grölserer ist, das Foramen mentale weiter nach
vorn, die hintere Öffnung des Canalis inframaxillaris weiter nach
hinten liegt und letztere von oben sichtbar ist, dals ferner der
Processus coronoideus an seiner Basis breiter erscheint. Ich
werde daher wegen dieser Unterschiede, bis die Identität oder
vom 17. März 1864. 179
Verschiedenheit der Thiere festgestellt sein wird, das Califor-
nische als HZ. Ieporinus var. Californicus bezeichnen.
3. Dasypus Peba Burmeister = Dasypus Kappleri
Kraufs.
Hr. Burmeister hat zuerst im Jahre 1848 (Zeitung für Zoo-
logie, Zootomie u. Palaeontologie. 1. p. 199.) den Desmarest-
schen D. Peba in zwei Arten zerlegt, von denen er die in
Brasilien vorkommende als D. uroceras Lund, später (System.
Übersicht der Thiere Brasiliens. I. p. 296 u. 300) als D. Zon-
gicaudatus Wied von der aus Guiana erhaltenen, für welche
er den Namen D. Peda beibehielt, unterschied. Später hat Hr.
Kraufs (Archiv für Naturgeschichte. 1862. p. 19) eine vor-
treffliche Beschreibung einer angeblich neuen Art, D. Kappleri
aus Surinam gegeben, welche, wie dieses namentlich auch aus
der Beschreibung der gekielten Schwanzschuppen hervorgeht, mit
dem Burmeister’schen D. Peba übereinstimmt, während er
eine andere Art, die vielmehr mit dem D. longicaudatus iden-
tisch zu sein scheint, als D. Peda Burm. beschreibt ').
4. Dasypus pentadactylus nova spec.
Das hiesige zoologische Museum hat durch Hrn. Richard
Schomburgk vor einer Reihe von Jahren einen Dasypus aus
Guiana erhalten, welcher in dessen „Zeisen in British Guiana”
1848. III. p. 782. als Dasypus Peba aufgeführt ist. Das Exem-
plar stimmt im Schädelbau, durch die absteigenden Ränder der
Gaumenbeine und auch im Aufsern mit D. Peda Burm. über-
ein, unterscheidet sich aber durch die Anwesenheit eines kurzen,
abgerundet benagelten fünften Fingers der Vorderextremität, von
welchem sich bei der letzten Art keine Spur findet. Es dürfte
daher zweckmälsig sein, diese beiden Arten, welche sich von
dem D. longicaudatus Wied, (Dasypus Wagl. s. s.; Praopus
Burm.) nicht unwesentlich durch den Schädelbau, besonders der
*) Durch die Güte des Hrn. Prof. Dr. Giebel zu Halle habe ich ein
Originalexemplar von Burmeister’s D. Peba untersuchen und mich so
überzeugen können, dafs dasselbe ganz denselben Schädelbau mit den ab-
steigenden seitlichen Rändern der Gaumenbeine besitzt, wie es Hr. Krauls
von D. Kappleri beschrieben und abgebildet hat. Auch die Kopfpropor-
tionen und das vorn spitzwinklig ausgeschnittene vordere Rückenschild
stimmen bei beiden überein.
180 Gesammtsitzung
Gaumenbeine, unterscheiden, unter einen besonderen Namen 4y-
peroambon zusammenzufassen.
5. Dasypus fenestratus nova spec.
Diese mit D. longicaudatus Wied sehr nahe verwandte Art
findet sich in Costa Rica, von woher unser Museum ein altes
und ein junges Exemplar durch die Hrn. Dr. Hoffmann und
v. Frantzius erhalten hat. Sie unterscheidet sich dadurch, dafs
1. wie bei den Hyperoambon, die hinteren Schilder der Gürtel
nicht den vorderen Rand dieser letzteren erreichen; 2. die klei-
nen Öffnungen des Gaumentheils der Oberkiefer, welche durch
eine Furche mit den Foramina incisiva verbunden sind, nicht
weit vor, sondern zwischen dem ersten Backzahnpaar gelegen
sind; 3. der vordere Rand der Oberkiefergaumennaht nicht zwi-
schen, sondern ziemlich weit hinter dem letzten Backzahnpaar
liegt; 4. die Öffnung des Thränenbeincanals dem Orbitalrande
näher liegt; 9. die Gaumenbeine in der Mittellinie des Gaumens
merklich kürzer sind. Der specifische Name bezieht sich auf die
Form der Schilder der hinteren Gürtelreihen, welche bereits Hr.
Burmeister bei seinem D. Peba sehr passend mit gothischen
Fenstern verglichen hat.
6. Dasypus novemcinctus L. var. Mexicanus.
Das in Mexico vorkommende Gürtelthier, von dem unser
-Museum ein Exemplar aus der Uhde’schen Sammlung erhalten
hat, stimmt am meisten mit dem Brasilianischen Zongicaudatus
überein, jedoch erscheint die Schnauze länger, indem die Ent-
fernung vom Auge bis zur Schnauzenspitze im Vergleich zu der
vom Ohr beträchtlicher ist, als bei dieser Art, ferner sind die
Zügelschildchen weniger breit und zahlreicher, die Temporal-
schilder dagegen breiter und weniger zahlreich, die Kralle des
zweiten Fingers ungleich kräftiger und der Schädel, wie es auch
die Abbildungen Baird’s (Mammals of North America. "Taf. 86.)
darstellen, zeigt sowohl in der Nahtbildung wie in den Propor-
tionen der Zähne Verschiedenheiten, über deren Beständigkeit
sich jedoch erst nach Untersuchung einer grölseren Anzahl von
Exemplaren entscheiden läfst.
1) imepwa, außuv,
vom 17. März 1864. 181
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Les desastres de la guerra. Colleccion de ochenta Taminas in-
ventadas y grabadas al agna fuerte por Don Francisco Goy.a.
Madrid 1863. 4. Mit Schreiben der Akademie der schönen
Künste von San Fernando, d. d. Madrid 28. Dez. 1863.
Morin, Etudes sur la ventilation. Tome 1.2. Paris 1863. 8.
Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. 15. Jahrgang. Ber-
lin 1863. 4.
Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. No. 4. Moscou
1863. 8.
Bulletin de la societe de geographie. Tome 6. Paris 1863. 8.
The Journal of the chemical Society. London, Octobre — Decembre
1863. 8.
94. März. Öffentliche Sitzung zur Feier des
Geburtstags Sr. Maj. des Königs.
Am 21. März hielt die Akademie der Wissenschaften eine
öffentliche Sitzung als Vorfeier des Geburtstages Sr. Majestät
des Königs. Hr. Ehrenberg eröffnete als Sekretar die Sitzung
mit einer Einleitungsrede, in welcher er zunächst darauf hin-
wies, dafs auch in den alten Ursitzen menschlicher Bildung in
Nordvstafrika und Westasien die Anerkennung europäischer gei-
stiger Übermacht bei geistig befähigten und gelehrten Orienta-
len auf seinen und Dr. Hemprichs Reisen ihm selbst sprüch-
wörtlich öfter entgegen getreten sei. Der arabische Denkspruch
lautete: Mali hindustan, Akeli frenkistan, Sultanet and el Osman
(Reichthum ist in Indien, Geistesmacht in Europa, Herrschermacht
bei den Osmanen). Obwohl die Osmanen ihre, jetzt freilich nicht
mehr wie früher glänzende, Herrschermacht hochstellten, so
zeigten sie doch im Denkspruche ihre Achtung vor der geisti-
gen Macht. Diese Weltstellung Europa’s in der alten Welt
sei in unserm Vaterlande als Durchbildung und Besonnenheit
des Volkes allem Aaschein nach am meisten erreicht und wie sie
zum Danke für die hochsinnigen Bestrebungen weiser Vorfahren
182 Öffentliche Sitzung
unsers erhabenen Königs führe, so sei sie wohl auch geeignet
am Geburtstage des Königs ein erfreuliches Bild vorzulegen.
Möchten die wohlgepflegten allseitig gehobenen Kräfte des
Vaterlandes im erfolgreichen Tages-Wettkampfe, sei es im
Wetikampfe der Wissenschaft und Kunst, sei es im Wettkampfe
besonnenen Krieges zur Vertheidigung verletzten Rechtes dem
theuern König und Herrn eine Vertrauen erweckende Bürg-
schaft für fortdauernd gehobene, fortdauernd dankbare Zukunft
geben. Die heut vorantretenden Segenswünsche der Akademie
der Wissenschaften für des Königs persönliches Wohl und für
Gottes Segen bei allen das Wohl des Vaterlandes berathenden
und fördernden Entschlielsungen wurden der Allerhöchsten huld-
vollen Aufnahme empfohlen.
Hierauf wurde über die mannichfachen Arbeiten und An-
regungen der Akademie im vorigen Jahre Bericht erstattet. Es
wurde auf den 1863 erschienenen Band der Denkschriften für
4862 und den im Drucke fortschreitenden Band von 1863, so-
wie auf die ausführlichen bereits im Druck veröffentlichten Mo-
natsberichte des vorigen Jahres, überdies auf die ebenda bereits
erwähnten laufenden grölseren Unternehmungen, neu unternom-
menen Verpflichtungen und die gewährten Unterstützungen aulser-
halb der Akademie liegender Arbeiten in beiden Klassen dersel-
ben einzeln hingewiesen.
Hieran schlols der Redner eine wissenschaftliche Mitthei-
lung über eine neue Erweiterung der Kenninils des
das caspische Meer characterisirenden reichen Le-
bens. Dieselbe stützt sich auf 42 neue Grundproben, welche
seit November vorigen Jahres zu den 89, 1863 im Juni und
Juli geschilderten, durch fortgesetzten wissenschaftlichen Eifer
des Lieutenants zur See Hrn. Ulski auf der Iwaschinzoffschen
Espedition erlangt und an die Petersburger Kaiserliche Akademie
eingereicht worden sind. Auch in diesen vom Staatsrath Dr.
Weifse übersandten 42 neuen, planmälsig gehobenen, in einer
Positionskarte verzeichneten Tiefgründen des südlichen caspi-
schen Meeres, deren Mehrzahl aus 1000 bis 2760 Fufs Tiefe
stammen, konnten dieselben Charactere des caspischen Meeres,
wie sie bereits im Juli 1863 an dieser Stelle geschildert wor-
vom 21. März 1864. 183
den, bestätigt werden. Überall Schlammgrund, daher kein Ab-
flufsgerinn, keine untere Strömung, ächtes massenhaftes Meeres-
Leben, Mangel an Übereinstimmung mit dem schwarzen Meere
und unerschöpfliche Nahrung für Fischbrut, welche wieder selbst
_ überflüssige Nahrung für gröfsere Fische, wie diese für Robben
sein mögen, sind die Haupt-Resultate der Prüfung. Die Ge-
sammtzahl der aus 240 Analysen dieser letzten Proben erhaltenen
Lebensformen beträgt bisher 56 Arten, welche wieder sämmt-
lich in Präparaten vergleichbar vorgelegt wurden. Kieselschalige
Actinocyclen, CGoscinodiscen und Craspedodiscen bilden mit
Spongolithen und einzelnen Polycystinen die reiche Bevölke-
rung auch der grölsten 2760 Fuls betragenden Tiefen. Poly-
thalamien, Cypridinen, kleine Meeres-Bivalven und Celleporen
bilden die feinen Kalktheile besonders deutlich bis zu 570 Fufs
Tiefe. Specielleres ist anderer Zeit aufbehalten.
Hierauf las lIr. Beyrich über eine Kohlenkalk-
Fauna von Timor.
INS
F1364.] 15
373:
' ld Ai anni E17, "art öng un |
ee RER Pe; 4 3b" se Rrer;E rue" Fb ini
KEGEL ES) ind a! Rai 1 (aA ORT aus. 5
linie aba dl ‚astrA 06 Aal sau nam?
sale dr asbanv Igalgior Asch tololgiav m; RR a da
kITT? bi’ REN has 1: sibomisaod er;
ab Hana rrlod nsaleaais Kan a ver
„har na usbasyenlsd a 4 OaVE Asslörg N
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cz aa we sid Billa Brabaonnd Erin mals ib
TEN ERRHT has ssnallsi ne
u. dyııyad
Re ii
erh
a Fa ö
-BIRAÄNFIUDO A 2813 ra
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat April 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer.
4. April. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Klasse.
Hr. Mommsen sprach über das Monumentum Aney-
ranum.
Hr. Bekker gab wieder bemerkungen zum Homer
(s. p- 135).
9.
Verstölse gegen das dıgamma sind in meiner zweiten aus-
gabe ungefähr noch 270 übrig, in der Ilias 20 weniger als in
der Odyssee, den einzelnen büchern nach die meisten (12) in :
und A, die wenigsten (1 und 2) in M—TIs. die zahl wird
abnehmen je tiefer das studium in den sprachgebrauch eindringt.
der berechtiget uns schon jezt & 37
Emreı ma0 oi eimousv Auzig —
uyr alrov Areive unre Kvaoo Tor arorrıv
die präposition zu streichen, die einem anscheinenden zwiefachen
hiatus steuern will. weder kömt goeızeiv sonst vor, auch nicht
[1864.] 16
186 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
wo man es erwarten möchte, wie N 666 P 410, so wenig als
meoayopRoIaı mooaVöRV mooyeyuveiv mooAeyew ')) meobavan; noch
läfst sich absehn wozu es gerade hier dienen könte, wo sich
ungesagt versteht dafs ein verbot, das eine tat verhindern soll,
vor der tat ergehn müsse. dagegen ist das blolse sizeiv für ze-
Asücaı bei Homer und andern, dichtern und prosaikern, ge-
wöhnlich:
eimycı Hocsıdawvı avasrı
maUrasvov moAtuolo TE & meos Öwnag inerIaı O 57
eimare Ö ziew
dnufew zur& Owner dyazAure Eoye meverder y 427
"Aoyrn de were Önwnaıw Esımev
dub: mug oryamı ralmodc I 433 (»ErRero X 442)
simw de yuvaıgiv
deimvov Evi Heyegors reruzsiv o 76
rag Moos Myregee eimwew
Auhimorov Tamiyv Örpuvenev m 151
eimew Te yuvaıkıv
mr Meyagoıo Igas d 235
(was & 381 wiederholt wird mit TyAtuaxos zEierai ve »Anloaı,
wie einw 0 76 mit zeAeucev o 93)
au 0° Ev9ade eine yuvargıv EXIeiw %, 431
Non MeV Ev EyW eimonm zer av
KunorYowv Es omıAov azovrirm %, 262
AR ayet, ws Av Ey eimw, meIwneIe mavres 126 und
an 6 stellen mehr
eimenevae — yorusvar 5 501 und Aaioew o 152
dos Toca Kor negouAze, Owoor AoEiov,
os m im Amor EEanuverter Seas Eurip. Or. 255
Adrıv de Eoy,ovree eimev (Aapetos) yxew ayovra "Egergcos
zo "ASyvoious Plato Menex. p. 388 9.
Wera omouons Asyeraı Tols yyenooı eineiv Boovürov om Sv-
vowro megioWgew Appian. B. Civ. 2 p. 617 32 Bekk.
dafs go oi einousv « 42 aufgenommen wird mit ws Ede”
‘Eousies und nicht mit &s aeossub “Eguns, kömt vielleicht auch
in betracht, schwerlich aber dafs einige mal auf oi folgt dzırev
!) rpoAereyutva “erlesen” N 689 gehört nicht hieher.
vom 4. April 1864. 187
oder 2sımes (v 251 = 412 v 417): darum zu schreiben Erei oi
strousev und dem verse die bukolische cäsur zu nehmen hiefse
die wichtigkeit dieser nach der penihemimeres häufigsten und
natürlichsten cäsur verkennen. eher dürfte sie überall einzu-
führen sein wo das ohne gewaltsamkeit angeht, z. b. durch
blofse weglassung des dem digamma vorgeschlagenen =, wie
0 678 duwsaısizonı und E98 Euwveizos:'), oder des sylbenaug-
mentes, wie £ 9 dsiuaro, $ 10 Sacoaro, n 61 yeivaro?), v 206
MEuMS, eo 412 HEAAEV. 5
ein anderes beispiel leichter herstellung des Aolischen buch-
stabens bietet « 91
MATL Kuyorngsoc Omsımeuev.
setzen wir Auyorignw amosımeuev, so erinnern wir uns erstlich
dals z&oı wuyorngew auch v 402 verbunden ist, und zweitens
dafs der dreisylbige dativ 60 mal vorkömt, der viersylbige 20 mal,
jener freilich meist mit gesenktem ow, aber auch (% 162 = 169
e412 „153 512) mit gehobenem, gerade wie roisıw auroisw
rovroısıw ihre lezte auch heben («151 141 159); dafs ferner
die dritte form worauf man verfallen könte, uvyorigeco’, uner-
hört ist, wie denn überhaupt dative auf ercı selten apostrophirt
werden °), und dafs «mosizw & 373 steht, andre formen dieses
digammirten verbums A 515 T 406 1309 510 T 35 Y 361.
mit gleicher leichtigkeit geht #117 Seoisw ürsigen: über
in Seois Umosicen. vrosicouer haben wir X 602, zwar in wi-
derspruch mit A 294 ürei£ouar, aber gehalten von andern das
digamma bewahrenden formen desselben compositums A 62
A 204 0 200 227 11305 Y 266 = 42.
störriger ist der vers T 75
av amsımovros REyaIunov IlyAswvos, -
1) eixocı steht in der fünften stelle N 260 8 669 ı 209 241 x 208, Eei-
xocı in der vierten A 309 Z 217 1123 139 265 A 34 II 810 837 3 373
470 T 244 X 349 & 280 8 530 u 78 = 250 r 536.
*) yeivaro steht in der fünften stelle noch 13 mal, A 280 T' 233 E 800
896 Z 14 26 N 777 5 324 T 293 ® 109 2 608 { 25 X 299, &yelvaro 4 mal
in der vierten.
*) beispiele, wol die einzigen, sind were’ zavoveoo’ xararpnvece’ KıXi-
neoo’ Asxteoo’ vecao’ wmeoo’ Zubeene morkoo mpuAtene Tpweoe’ duAdxsoo’ xeipsao’,
wovon Tpwese’ 6 mal vorkömt, xeipeoo’ 4 mal, xarampmtce und Zip£eoo’ je
3 mal, vjeoo 2 mal, die übrigen je 1 mal.
16 *
188 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
und fügt sich nur wenn er für ueya9upov aus K 392 und P 557
eintauschen darf &yavoü:
Av &mosımovros ayavol IlyAsiwvos.
dieselben zwei epitheta führt zusammen Neleus o 229, abwech-
selnd Nestor und Tydeus 316 E 565—E 277 235, und die
Troer H 386 K 563—E 27 A 459.
tausch von synonymen empfielt sich ebenso v 121 und 305
Wrasav olad lovrı.
die verderbnis ist erklärt und geheilt, sobald ösz«v an die stelle
von wracsev trit. vgl. v 135 369.
blofser formenwechsel reicht auch hin £ 311, ZubgaivenT
EuxnAov für EubgeiverTaı £#7Aov. der apostroph nach der fünften
arsis findet sich nicht gerade oft, findet sich aber doch, z. b.
v4115 162 165 168 173 182 232.
plural für singular hilft aus x 57
rum ejubis &yovres zeızocaBoıov E4csos,
wo £eızoo@ore so passlich erscheint wie das Eine mal das es
schon steht,
zeırzooaoıe 8° edwzev @ Al;
und K 503
ort zUvrare 2odoı
statt des hergebrachten zuvrarov'). für das digamma an 2odew zeugt
unser werden, das sich in der bedeutung zu jenem verhält
wie bleiben zu Asizew und fallen zu ıpa@rAsıw, wie haerere
zu eigev und libere zu lieben. vielleicht auch ra ze4yu« A 106.
mit einer umstellung kommen wir ab ) 29
Trremaexy,os 6° oc Mıv mancı nOssv Evdov Eovra.
10n marc hat für sich Exev marcı E 371 und Exeı aaAcı v 293,
wie A 207
Tgls de Mor Er Yeıgllv amıf eizehov 7 zus üveiow
ETTAT
i#eAov oxın alle die stellen wo eızsAov oder !zeAov seinem dativ
vorangeht, z. b. B478 2 386 T 282 X 134 r 384 u 88.
6.
» 494
wo 5) ?
TW zu TEYveıWrı voov moge Ilepsedoveıe,
1) tour auro ve mpWTa Mödzw Aristoph. Eg. 786.
vom 4. April 1864. 189
ow menvücSar Tor de oma draus
hat für ro: eine Wiener handschrift ra. das habe ich, wo Plato
den zweiten dieser verse anführt (RP 3 p. 108 17), aufnehmen
müssen aus 10 unter meinen 12 handschriften, und das halte ich
noch für richtig, nicht wegen des bezuges auf ai uxar, den
die scholien zu nehmen scheinen und der allerdings nahe liegt,
aber darum weil beide klassische sprachen für das in einem de-
monstrativen oder relativen pronomen enthaltene subject ge-
schlecht und zahl aus dem prädicat zu entlehnen pflegen. wenn
Schiller sagt
und doch ist dies der alte schauplatz noch
das ist meine tochter, die lang verborgne, die gereitete
das waren goldne stunden, selge tage,
so sagt Homer
oVr0E y "Argsidys T 178
euros ror Amwundss duyp, ovro: SE ra imma K 477
o0rTos 84 Tor, Eeive mareg, domos n 48
aidws ev vüv übe y P 326
Nds de nor vüv YWs Evdszary $ 156
Boozuvos Ev 60° or. Ayıyv —,
ne 6 Emı rourös Arzvos TavubuAAos &Aaty v 345
jde de nor zara Oumov agiorn bawero Bovry B5S117 = 161
alen vor Ölen Zorı Sewv 7 43
Yyag Snwwv din Zrriv E59
ya Seuıs 66 Tıs Üraoen uw 286
Stu dor avag r avdguv y re yuvaıııv 1276
T EmAero veineog 2] X 116
yao ToAzWoU ÖagıoTUs P 228
Rare Ö4 ade Öumara za "Oduchos o 264
Su Se Sao Ne Se So
und Cicero
ista quidem magna dubitatio est
quae tandem ista causa est?
haec est mea et huius fratris mei germana patria
hanc video sapientissimorum fuisse sententiam
is qui appellatur voltus, indicat mores
animal hoc providum, quem vocamus hominem
190
Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
hominem, quod principium reliquarum rerum esse voluit,
generavi2 et ornavit deus
quae ita composita sanctaque essent, eas leges videlicet
nominarunt.
vom Latein haben die Romanischen sprachen diese sitte geerbt,
die Spanische z. b.:
esa fu respuesta de un simplice
esa es carne de mi carne
esta ha de ser la mas famosa aventura que se haya visto
esta si quiero que se tenga por liberalidad
estos si que se pueden decir cabellos de oro. estos si que
son 0jos de esmeralda
aquellos que aqui parecen, no son gigantes, si no molinos
de viento
dudando estoy
si fud muerte 6 si fud vida
la que me dio.
la soledad siempre fue
la que al triste aflige mas.
es esa cosa que la halla
algun tesoro 4 comprar?
siempre ha de ser
pendencias las que ha de haber
entre los dos?
die Portugisische:
esta he a ditosa patria minha amada.
esta a captiva he que o tem captivo.
mas ista he ja costume da ventura.
estes sa0O os remedios verdadeiros.
die Italiänische:
essa € la luce eterna.
quei sono spirti, maestro, ch’ i’ odo?
questi & colui che giacque sopra ’l peito
del nostro pellicano.
questi che indizio fan del mio tormento
sospir non son.
questi fatti saran, quelli fur cenni.
questa era quella Ippalca.
vom A. April 1864. 191
quesia mi pare secura sede.
questi i debiti roghi ai morti fien.
ausnahmen fehlen nicht:
70 ÖE ro #70 eideraı eivar A 228
70 ye vuoo Ererunro W 332
TaÜFE Fo Gyvunsvos Meg AAyIeimv zartlegar n 297
Auy yag ade y Eori w 483
quod alii modestiam interpretabantur Tac. Ann. 4 29
ciö ch’ io vedeva, mi sembrava un riso ,
dell’ universo.
übrigens wie das pronomen, anticipirt auch das adjectiv
seine form aus dem prädicate. non sola vis est quae ad corpus
nostrum vitamque pertinet und omnis vis est quae periculo aut
decedere nos alicunde cogit aut prohibet accedere haben wir zu
verstehn als stünde non solum id vis est quod — und id omne
vis est quod —; und öAiyn de 7 avanveuaıs moAtuoo Il AS erklärt
das scholion richtig öAryov Zarı dr ou avamvsuoıs moAtoUu yivz-
rc, der paraphrast % auamausıs Ö2 ToU moAsuov Mao Mizgav bomnv
yiverca. desgleichen
supbegry © dgern meisı dvöpwp zur mare Auygav N 237
fassen wir wieder mit dem scholiasten: #&: y rüv dvavdgwv zus
dsıAdv Öuvapıs eis raurd auveAboüre dgeryv yevv&, gleichsam 70
Sumeprov
grund aber der ganzen erscheinung ist derselbe der ver-
langt ö Guyp HoRos, 4 Yun auAy, FW MErgozil HoAW, TE Tadıa
zeAe, wo wir für die drei geschlechter und die drei zahlen
ausreichen mit dem Einen schön.
7.
Nestor rät dem Agamemnon das heer nach stämmen und
geschlechtern abzuteilen, und verspricht ihm als frucht dieser
freilich verspäteten organisation
yvuosmı ei za Ieomeoin moAıw our AAumagsıs
7 dvögwv zaxoryrı zur acbgadm moAtuoo B 367.
in beiden fällen also, der göttlichen fügung wie der mensch-
lichen schuld, nimt er an dafs Troja nicht werde erobert wer-
192 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
den, entschieden verneinend woran er so eben noch (348)
höchstens gezweifelt. wodurch ist er umgestimt? und wenn er
den Atreiden für seine dermalige ansicht gewint, muss er ihm
nicht alle lust benehmen zu dem mühseligen geschäft das er
ihm ansint, einen nun bald zehn jahre lang in einander gewir-
ten menschenknäuel von zwölf myriaden (Thucyd. 1 10) in ord-
nung zu bringen? die ordnung führt ja doch nicht zum ziel.
ist aber das ziel erreichbar, so frägt sieh warum es nicht be-
reits erreicht ist, warum der ungewöhnliche aufwand von macht
und tapferkeit und ausdauer bisher nichts eingetragen als zwie-
tracht und ratlosigkeit, was etwa noch zu tun und zu lassen ist
um endlich zu rand zu kommen. auf diese frage antworten
kan der versuch
di far un corpo sol di membri amicı,
‚nicht die zukunft aufklärend, die durch zeichen und wunder
klare, sondern die gegenwart, warum die so ungenügend her-
vorgegangen aus den schweren wehen der vergangenheit. mit
Einem wort, nicht aAar«£esıs ist zu lesen, sondern aAarageıs.
zwischen £ und & haben wir auch A 191 die wahl, wo
einige handschriften Zv&gio: bieten, andre &vegı&or. richtiger als
beides dürfte der aorist sein, &vagicaı, das bei neoungigew ei weit-
aus gewöhnlichste tempus, während das futurum sogar bei 1eo-
lngigew ws oder orws selten ist. auch g 547 ziehn wir das
arvEcı der Augsburger handschrift dem «Av&o: der übrigen vor.
und A 368 stehn wir nicht an mit Zenodot ££evagıgev zu lesen
statt des in den scholien verteidigten, also wol Aristarchischen
2Gevagıgev. machdem Diomedes gesagt
vüv a0 TOUS RAAoUS Erısironat, 0v HE zIy,siw,
fängt er einen neuen abschnit des kampfes an, nicht aber
spricht er jene worte schon wieder im spoliiren begriffen.
vom 4. April 1864 195
Hr. Olshausen legte den Schlufs der Reiseberichte
des Hrn. Prof. Hopf im Auszuge vor.
Neapel, den 9. August 1862.
Die letzten Bände der Registri Angiovini gaben mir noch
eine sehr reiche Ausbeute; ich fand namentlich, dals die ganze
Chronologie des Livre de la Congueste, auf die Buchon fulst,
selbst wo die genauesten Daten angegeben sind, falsch ist, die
Verzeichnisse der neapolitanischen Statthalter von Achaia sind
durchaus ungenau und lückenhaft; Philipp von Anjou, der Schwie-
gersohn Wilhelm’s II. von Achaia, in jener Chronik als Fürst
von Morea genannt, starb ein Jahr vor dem Schwiegervater und
führte niemals den Fürstentitel. Ich fand hier die wichtigen
Verträge zwischen Neapel und den Fürsten von Achaia, Her-
zogen von Athen, Despoten von Epiros und Neopatras, eine
Menge für die Geographie Griechenlands im 13. Jahrhundert
höchst interessanter Urkunden voll bisher unbekannter Namen,
viele Details über die Albanesen von 1272 an und stets neue
Aufschlüsse über die innere Verwaltung des fränkischen Grie-
chenlands. Die Brancacciana habe ich noch fortwährend flei-
[sig besucht und auch auf ihr noch manches Neue gefunden;
die Bibliothek des Museo bot mir indels nur wenig: Auszüge
aus den von mir im Originale durchgearbeiteten Registri, Co-
pien von Handschriften der Brancacciana und einige nicht un-
interessante Porzolani, welche indels schon dem 16. Jahrhunderte
angehören. Auch die Bibliothek der Girolimini sah ich an,
doch bot sie für mich nichts Wichtiges; ihr höchster Schatz
sind verschiedene Manuscripte mit kostbaren Miniaturen. Somit
hätte ich denn hier meine Arbeiten abgeschlossen und treffe
alle Anstalten zur Abreise.
Malta, 27. November 1862.
In einem meiner früheren Berichte erwähnte ich, dals ich
in der Brancacciana bisher unbekannte Auszüge aus einer Ge-
schichte des albanesischen Despoten-Geschlechtes der Musacchi
gefunden und abgeschrieben hätte. Das Manuscript dieser Ge-
‚ schichte war im 17. Jahrhundert im Besitz des Barons Puglia-
nello in Teano aus der Familie Martin de Carles, der von
weiblicher Seite her ein Nachkomme der Musacchi war. Als
194 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
ich schon zur Abreise. nach Palermo bereit war, erfuhr ich zu-
fällig, dals sich im Privatbesitze zu Neapel Notizen über die
Musacchi befänden; ich wandte mich daher sofort an deren Ei-
genthümer, Hrn. Kanzler D. Scipione Volpicella, und derselbe
hatte die Güte, mir das Manuscript zur Benutzung in Neapel
anzuvertrauen. Auf den ersten Blick überzeugte ich mich, dafs
ich hier eine neuere Copie jener alten Familienchronik vor mir
hatte, die um so wichtiger sein mulsie, als uns über die alba-
nesisehen Häuptlings-Geschlechter bisher nur eine einzige höchst
unlautere Quelle in dem zu Rom 1551 gedruckten Arbor con-
sanguineitalis imperalorum, regum, ducum etc. des Andreas An-
gelus-Comnenus vorlag. Letzteres Buch ward von Ducange für
die Darstellung der albanesischen Geschlechtsregister in seinen
Familiae Byzantinae benutzt; er selbst schon hatte wiederholt
an der Echtheit der ihm so überlieferten Notizen gezweifelt;
in Venedig, wo ich das jetzt sehr seltene Buch vorfand, über-
zeugte ich mich, dafs, mit sehr wenigen Ausnahmen (d. h. wo
es sich um allgemein bekannte Familien, z. B. die Palaeologen
handelt), ziemlich alle vor die Mitte des 15. Jahrhunderts fal-
lenden Angaben willkührlich entstellt, meist geradezu erdichtet
sind. Jener Andreas Angelus, der sich darin als einen directen
Nachkommen der byzantinischen Kaiser präsentirt, war ein Aben-
teurer aus Drivasto; er durchstreifte Italien, sich auf seine kai-
serliche Abkunft als Bettelbrief stützend; seine Nachkommen
liefsen sich von deutschen Kaisern (Rudolf IL, Leopold I.) ihre
Abstammung bescheinigen und nahmen den Titel „Fürsten von
Macedonien” an; der letzte Sprosse endlich verkaufte im vori-
‘gen Jahrhundert das angeblich ihm zustehende Grofsmeisterthum
des von ihm erdichteten Konstantin-Ordens an die Herzoge von
Parma; aus der Farnesischen Erbschaft kam auch diese Würde
an die Könige Neapel’s, und bis 1860 blieb der Konstantin-
Orden, eine reine Geldspeculation dieses Abenteurers, einer der
vornehmsten und heiligsten des Königreichs beider Sicilien,
ohne dals Jemand versucht hätte, diesen Betrug zu entlarven.
Um so wünschenswerther mulste es nun sein, einmal authenti-
sche Nachrichten über diese Albanesen - Häuptlinge zu besitzen ;
zwar hatte ich in Venedigs Archive viele einschlägige Notizen
gefunden, die im vollsten Widerspruche mit dem Machwerk des
vom 4. April 1864. 195
Angelus standen, doch nichts Zusammenhängendes. Ein Ver-
gleich dieses neapolitanischen Manuscripts mit meinen venetia-
nischen Auszügen überzeugte mich sofort, dafs ich hier eine
echte Quelle vor mir hatte. Um das umfangreiche Manuscript
abzuschreiben, hätte ich meinen Aufenthalt in Neapel noch
ziemlich ausdehnen müssen; da ich indefls einmal entschlossen
war, baldigst nach Palermo zu gehen, so zog ich vor, dasselbe
in Neapel abschreiben zu lassen; ich erhielt die Copie kurz vor
meiner Abreise von Palermo. Das Ganze führt den Titel:
„Breve memoria de li discendenti de nostra casa Musachi” und
ist von Costantino Musachi um 1560 zusammengestellt; es be-
steht aus drei sehr ungleichartigen Theilen. Costantino hatte
von jenem Andreas Angelus handschriftliche Mittheilungen über
seine Familie erhalten; laut denselben stammt sie von Marcus
Britannius, directem Nachkommen Konstantin’s des Grolsen und
Vater des Giovannı Musacchi, Königs von Serbien, ab. Co-
stantino, geschmeichelt durch den fingirten Stammbaum, hat hier
zunächst für seine Kinder diese durchaus fabelhaften Notizen
zusammengestellt, daneben aber einzelne Nachrichten anderer
Chroniken aufgeführt, die meist mit jenen geradezu im Wider-
spruche stehen — dies der eine, unwichtigste, aber auch sehr
kurze Theil. Der andere enthält einen dem Costantino zu Rom
1535 von dem griechischen Edeln „Teodoro Spandolitio” ge-
schenkten „Zratiato della casa d’ Ottomano”, eine höchst inter-
essante Geschichte der türkischen Eroberungen in Europa mit
besonderer Rücksicht auf Albanien, seine Häuptlinge, die Tocchi
von Epiros, dazu gute Nachrichten über Athen, Achaia u. s. w.
Dieselbe ist indels nur eine von der gewöhnlichen abweichende
Redaction der osmanischen Geschichte des Teodoro Spandugino,
dessen Name hier verstümmelt ist; werthvoll sind darin nament-
lich einzelne in den gedruckten Exemplaren fehlende Nachrich-
ten über das nordwestliche Griechenland. Der dritte Theil end-
lich (im Manuscript der erste) ist der bei weitem umfangreich-
ste und wichtigste. Er enthält die Chronik, welche Costantino’s
Vater, Giovanni (Ghin) seinen drei Söhnen, Teodoro, Adriano
und eben jenen Costantino, gewissermalsen als sein Testament
hinterliels; sie ist im Jahre 1510 geschrieben und führt den
besonderen Titel: „Historia e genealogia della casa Musachia
196 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
scritta da D. Giovanni Musachio Despoto dell’ Epiro”. Nach-
dem er zunächst mit Stellen der Yulgata seine Kinder zur Got-
tesfurcht und Ausdauer ermabnt, schildert er in den ergrei-
fendsten Zügen sein eigenes vielbewegtes Leben: wie er, als
unabhängiger Fürst in Albanien geboren, auf Seiten Skander-
beg’s wacker gegen die Türken gefochten, nach dessen Tode
trey für Venedig gekämpft, allein von der Republik nicht nur
nicht beschützt, sondern geradezu im Türkenfrieden aufgeopfert
sei; wie Sultan Muhammad II. ihm versprochen, ihn ruhig als
Statthalter in seinem Lande zu lassen, falls er zum Islam über-
trat; allein „non volsi lassar la mia santa e vera fede”. Schliels-
lich habe sogar Venedig versprochen, ihn den Türken auszulie-
fern; durch befreundete Edle aus Durazzo gewarnt, habe er
verkleidet bei Nacht sich ın einer Barke nach Apulien geflüch-
tet, während seine hochschwangere Gattin Maria Dukagchin in
dem Hause der Freunde zu Durazzo ein Obdach gefunden und
da den Adriano (getauft als Findling und Sohn eines villano)
geboren habe. Die Türken hätten ihr auch da nachgespürt,
doch, unter Kissen versteckt, wäre sie ihren Nachstellungen ent-
gangen, bis sie ihn in Apulien 1477 eingeholt hätte. Am Hofe
König Ferdinand’s I. habe man ihm, der des Italienischen un-
kundig, glänzende Vorspiegelungen gemacht, ihm die Grafschaft
Apice versprochen, doch schliefslich nicht Wort gehalten; jetzt
wolle er seinen Kindern statt Reichthümer und Herrschaft seine
Erinnerungen hinterlassen. Eingefügt ist in diese Autobiographie
eine ausführlichere Nachricht über seinen Veiter Skanderbeg;
die Besitznahme von Croja durch dessen List wird gerade, wie
bei Barletino, .erzählt; ebenso eine kurze Nachricht über die
Einfälle der Türken in Albanien, ein jüngerer Sprosse seines
Hauses, erzählt er, sei an König Lazar’s Seite bei Kossovo ge-
fallen; sein Grolsvater habe lange gegen Bajasid I. gestritten,
sein Vater sei unter den ältesten Rathgebern Skanderbeg’s ge-
wesen. Hierauf folgt nun die detaillirte Geschichte seines Hau-
ses, die, soweit sie sich controliren lälst, ganz mit den von mir
in neapolitanischen Archiven gefundenen Urkunden überein-
stimmt, bis auf den einen Punkt, dals er den Familiennamen
Musacchi von den alten Molossern (Molossacchi) herleitet —
ein damals und selbst bei den heutigen griechischen Familien,
vom 4. April 1864. 197
z. B. den vor dem 17. Jahrhundert ganz unbekannten „Fürsten
Ypsilanti” nicht ungewöhnlicher Wahn. Die Geschichte der
Musacchi umfafst nun 7 Generationen seit eiwa 1300: den
Sevastokrator Andreas I., Theodoros I., Andreas II., Ioannes I.
(Ghin), Andreas II., Ghbin II. und ihn selbst, Ghin III, dazu
die ausführlichsten Nachrichten über die Seitenlinien, die Be-
sitzungen (geographisch sehr wichtig), die Kriege mit den Ser-
ben und Türken, die Vermählungen der Töchter der einzelnen
Musaechi, bei welcher Gelegenheit er ausführliche Nachrichten
über die Genealogie der einzelnen Geschlechter, mit denen sein
Haus sich verschwägert, der Dukagchin, Kropa, Zardari, der
auch hier als Parvenus dargestellten Kastriota, der Arevaniti und
anderer, liefert. Diese durchaus vollständigen Nachrichten wer-
den in Zukunft den Kern unsers Wissens über die Stammhäupter
der Albanesen bilden. Schliefslich erwähnt er noch sein An-
recht und vertheilt, wie in einem wirklichen Testamente, seine
Besitzungen, falls Gott sie ihm wiederschenke, unter jene drei
Söhne, wobei er ihnen manche vielleicht noch heute nutzbare
Geheimnisse mittheilt, wie z. B. dafs sich an einem näher be-
zeichneten Punkte unweit Horcowa eine reiche Goldader be-
finde. — Mit seinem Urenkel Costantino dem Jüngern erlosch
sein Geschlecht um 1600; von den Seitenlinien des Hauses
sollen noch Nachkommen in den albanesischen Colonien auf
Sicilien existiren. Das berühmteste, aber neueste Häuptlings-
geschlecht Albaniens, das der Castriota-Skanderbeg, blüht noch
in Neapel in zwei Linien fort, von denen die eine durch Hei-
rath das Marchesat Auletta besitzt; sie hat versprochen, mir mit
der Zeit Copien ihrer Papiere zu senden, sowie der Herzog
von Pepoli, D. Carlo Tocco, ein Gleiches für die wenigen noch
vorhandenen Notizen über seine Ahnen zugesagt hat. In Al.
banien selbst existiren, wie ich mich überzeugt habe, keine Ca-
striota mehr; jener Georg Castriota-Scanderbeg, der jüngst ver-
schiedene Aufrufe zur Erhebung an die Albanesen erliels, ist
entweder ein Sprols des in Neapel blühenden Geschlechts, der
erst ganz kürzlich Neapel verlassen haben mülste, oder viel-
leicht gar eine Art Andreas Angelus-Comnenus in bona oder
mala fide. Was demnach die Geschichte der Albanesen anbe-
langt, über welche Hr. von Hahn doch nur Fragmente vor-
198 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
fand, so glaube ich, nach den mir vorliegenden Dokumenten
wenigstens für die Zeit von 1200—1477 eine durchaus voll-
ständige Darstellung derselben liefern zu können.
Von Neapel wandte ich mich nach Palermo. Ich hatte
früher geglaubt — und Zurita’s Nachrichten schienen mich dazu
zu berechtigen — dals die Geschichte der catalonischen Herr-
schaft in Athen, jener „romantischen Ritter- und Räuber-Re-
publik”, wie sie ein deutscher Geschichtschreiber genannt hat,
bisher einer der dunkelsten Punkte mittelgriechischer Geschichte,
in den Archiven von Barcelona begraben liege. Hr. Archivar
Bofarull hatte mir dagegen versichert, dafs dort nur eine mir
aus Aberca’s Reyes de Aragon bekannte Bulle existire; für den
Schlufs des 14. Jahrhunderts mufs jedoch dort noch eine einzige
wichtige Urkunde vorhanden sein, von der ich mir gelegent-
lich eine Abschrift zu verschaffen suchen möchte. Aus den
Considerazioni des Rosario Gregorio ersah ich darauf, dals in
Palermo manche athenische Urkunden existirten; er selbst hat
ein Dutzend derselben, freilich ganz ohne Auswahl, mitgetheilt.
Wie in Neapel, hatte auch in Palermo vormals Buchon gear-
beitet; sei es nun aber, dals er nur specifisch - französische
Zwecke verfolgte und daher die catalonische Herrschaft in Athen
gar nicht berücksichtigte — den Gregorio kannte er wohl nicht
— oder dafs er, wie es scheint, und wie ich auch hier hörte,
sich überall mit einigen wenigen Urkunden begnügte, ohne an
eine Erschöpfung des Materials irgendwo zu denken; genug er
hatte in Palermo nur zwei athenische Urkunden in Abschriften
Gregorio’s (nicht, wie er sagt, Schiavo’s) in der Senats- (jetzt
Municipalitäts-) Bibliothek gefunden. Ich besuchte nun sofort
dieselbe; die Freundlichkeit des Hrn. Isıdoro la Lumia, städti-
schen Deputirten in Bibliotheks- Angelegenheiten, verschaffte
mir dort alle mögliche Erleichterung. Ich sah alle Manuscripte
durch, welche für mich Interessantes enthalten konnten, und
fand in den Handschriften Gregorio’s nicht nur die von Buchon
und ihm selbst veröffentlichten Urkunden in Abschriften vor,
sondern auch eine Anzahl ungedruckter athenischer Dokumenie.
Da dieselben jedoch nur moderne Copien waren, zog ich es
vor, mich an die Originale, welche im Archive liegen, zu hal-
ten, arbeitete eine Zeit lang in den für Sicilianische Geschichte
vom 4. April 1864. 199
und Geschlechter höchst werthvollen nachgelassenen Papieren
des Marchese Villabianca, sammelte Nachrichten über die sici-
lianische Wirksamkeit des Herzogs Johann von Athen und des
Bonifacio de Aragon, Herrn von Karystos, und warf mich dann
mit ganzer Kraft auf die überreichen, leider nur zu sehr ver-
nachlässigten Schätze des Palermitaner Archivs. Der Zutritt zu
demselben stand mir sofort offen; die Archive des Königreiches
Italien sind sämmtlich öffentlich; wunderlich dagegen erschien es
‘ mir, dafs das Archiv zu Palermo unter dem Ministerio des Innern
(von dem ich noch eine besondere Empfehlung durch gütige
Vermittelung unserer Gesandtschaft in Turin erhalten hatte),
das zu Neapel dagegen unter dem Unterrichts - Ministerio
steht. Der Sopraintendente D. Benedetto Castiglia empfing mich
mit grölster Zuvorkommenheit; Hr. Professor Salvatore Cusa
und Hr. Archivar Giuseppe Spata, welcher letztere gegenwärtig
mit der Herausgabe der im Archive Palermo’s befindlichen grie-
chischen Urkunden beschäftigt ist, gewährten mir bei meinen
Arbeiten alle nur denkbare Unterstützung. Leider befindet sich
das Archiv in materieller Beziehung in dem trostlosesten Zu-
stande. Es fehlt an einem passenden Lokale, und so sind die
verschiedenen Register an verschiedenen Orten zerstreut, ein
Theil ist im Kloster la Catena, wo der Sitz der Soprainten-
denza ist, ein Theil im Palast des Tribunals, ein Theil im Klo-
ster S. Domenico; dazu haben noch die Klöster und die Pro-
vinzialstädte ihre eigenen Archive, während in Neapel möglichst
alle Dokumente des Landes, mit wenigen Ausnahmen, vereint
sind. Der Mangel an Raum ist namentlich in dem Palast des
Tribunals, der alten Burg der mächtigen Chiaramonti, so ver-
derblich, dafs die Acten des Z’ridunale del Real patrimonio direct
unter den Dachziegeln in Räumen, in denen kein Mensch auf-
recht stehen kann — dort waren früher die Kerker der Inqui-
sition — dem Wind und Regen ausgesetzt, liegen und theil-
weise völlig durchnäfst vermodern! Hr. Castiglia hat dies öf-
fentlich in dem 1861 erschienenen Inventario officiale del grande
archivio di Sicilia erklärt; ich selbst überzeugte mich, dafs der
Zustand dieser Register eher noch schlechter ist, als dort an-
gegeben wird. Da dieses Invenzario bei uns ziemlich unbekannt
ist, habe ich Hrn. Castiglia ein Verzeichnils der vornehmsten
200 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Bibliotheken und Archive Preufsens mitgetheilt, und wird er
dasselbe den betreffenden Anstalten, sowie der Königlichen Aka-
demie der Wissenschaften übersenden. An älteren Urkunden
ist das Archiv ziemlich arm; aus der hohenstaufischen Zeit lie-
gen dort nur die Dokumente des Deutschordens-Hauses (der
Magiene), deren Verzeichnils Hr. Marchese Mortillaro veröffent-
licht hat. Dafs übrigens nicht Karl von Anjou, wie allgemein
geglaubt wird, die Vernichtung der hohenstaufischen Acten in
Neapel und Sicilien verordnet habe, wird Hr. Minieri-Riccio
demnächst aus Urkunden der Registri Angioini beweisen; jene
sind vielmehr der Zeit und dem Weiter erlegen. Die eigent-
lichen Registri in Palermo beginnen erst mit der Aragonischen
Zeit, die meisten erst mit dem 15. Jahrhundert, nachdem Athen
längst in die Hände der Acciajuoli gefallen war. Nur zwei
Reihen von Aegistri blieben deshalb für mich zu durchforschen,
die des Prozonotaro del regno (seit 1352) und die der Cancel-
leria del Regno (seit 1299). Den einzelnen Bänden, die nicht,
wie die Registri Angioini und die Acten Venedigs, auf Perga-
ment, sondern gleich den hiesigen auf Papier geschrieben sind,
wurden im 17. Jahrhunderte Inhaltsverzeichnisse vorgeheftet;
letztere sind jedoch lediglich für feudale Forschungen nutzbar,
für den Geschichtsforscher dagegen ganz unbrauchbar, da sie
nur die Namen derer, an welche die Urkunden gerichtet sind,
in alphabetischer Reihenfolge enthalten. Ein sachlicher Index
ezistirt im Archive noch nicht; man hat daran neuerdings ge-
arbeitet. Dagegen findet sich ein solcher, freilich höchst un-
vollständiger, von der Hand Antonio’s d’Amico in der Bibliothek
des Principe di Fitalia, D. Pietro Settimo. Der Zutritt zur
letzteren ward mir auf gütige Vermittelung unseres CGonsuls,
Hrn. Krefsner, von der Schwester des abwesenden Besitzers,
Frau Baronin dı S. Giuliano, gestattet; ich fand darin eine
schon von Gregorio citirte Sammlung athenischer Urkunden,
die jedoch lediglich aus den Regiszri geschöpft waren; der Index
ist aber insofern wichtig, als er ziemlich genau die Urkunden
des Kanzlei-Registro von 1340 aufzählt, welches letztere nicht
mehr existirt, sondern mit über 50 andern Bänden (meist aus
dem 15. Jahrhundert) bis auf wenige Blätter von dem Pöbel
Palermo’s 1848 verbrannt worden ist. Ich fand darin eine: inter-
vom 4. April 1864. 201
essante Notiz über Bonifacio de Aragon und Karystos. Die
Numerirung der Kanzleiregister, wie sie heut besteht, weicht
von der früheren, in jenem Index angegebenen beträchtlich ab;
sie stammt aus neuester Zeit. Bei der Unzulänglichkeit dieser
Hülfsmittel blieb mir daher nichts weiter übrig, als die einzel-
nen Register der Reihe nach für meine Zwecke durchzuarbeiten,
und so durchforschte ich denn genau für die Periode der cata-
lonischen Herrschaft in Athen sowohl die Registri des Protono-
taro, als auch die der Cancelleria; einige wenige Urkunden fin-
den sich doppelt, nämlich in beiden zugleich, vor. Ich fand
eine überaus reiche Ausbeute. Bisher waren uns namentlich
die inneren Zustände des Herzogthums Athen unter cataloni-
scher Herrschaft fast ganz unbekannt; wir wulsten die Namen
der aragonisch-sicilianischen Titularherzoge, über welche letztere
der Palermitaner Francesco Serio 1759 eine eigene Abhandlung
veröffentlicht hat; aulserdem hatte ich in Venedig und Wien
eine Anzahl Urkunden über die Beziehungen zwischen der cata-
lonischen Compagnie und Venedig während der ersten Hälfte
des 14. Jahrhunderts gesammelt. Hier fand ich nun nament-
lich für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Fülle reich-
sten Materials. Vor allen Dingen überzeugte ich mich, dafs der
Zustand Athens in dieser Zeit durchaus kein so romantisch-
anarchischer, wie man gewöhnlich meint, sondern wenigstens
im Principe ein sehr wohlgeordneter war. Eine Eigenthüm-
lichkeit bestand allerdings darin, dafs die catalonische Com-
pagnie, auch nachdem sie die Herzogthümer Athen und Neo-
patros colonisirt hatte, fortwährend auf Kriegsfuls blieb; ihre
hauptsächlichsten Feinde waren ihre griechischen Nachbarn,
dann Venedig, gegen welches man sich mit Genua zu verbün-
den suchte, und die immer mehr nach Mittelgriechenland vor-
dringenden Albanesen. An der Spitze dieses kampfbereiten
Heeres stand der Erbmarschall der Herzogthümer, ursprünglich
aus dem Hause Novelles, dann, als dasselbe mit Ermengol er-
loschen war, aus dem berühmteren Geschlecht der Loria (Lluria).
Daneben handhabte die Civil-Verwaltung, deren Sitz in Theben
war, ein Generalvicar, ein sicilianischer Edler, meist auf be-
stimmte Jahre, zuweilen auf Lebenszeit erwählt, z. B. Gonsalvo
[1864.] 17
202 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Ximenes de Arenos, Matteo Moncada, Matteo Peralta, Luis Fa-
drique und andere. Da diese Statthalter jedoch häufig abwe-
send waren, wurden sie durch einen Regierungs -Präsidenten
vertreten. Über einen derselben Petrus de Puteo (offenbar ca-
talonisch En Pere Puig) liegen eine Masse Dokumente vor; er
hatte sich vielfacher Gewaltthaten schuldig gemacht und schliefs-
lich die Wuth des Heeres derartig gereizt, dafs ein Aufstand
in Theben ausbrach, in welchem er 1366 nebst seiner Familie
und seinem Anhange erschlagen wurde. Der damalige Marschall
Ruggiaro de Loria, obgleich selbst an dem Morde mitbetheiligt,
wulste sich so gut zu rechtfertigen, dafs ihm ausnahmsweise so-
gar die höchste Civilgewalt am 14. Mai 1367 übertragen wurde;
viele königliche Schreiben an ihn finden sich in den Registern.
— Die Wahl der übrigen Behörden lag in der Hand der Ge-
meinden; der Herzog (zugleich König von Sicilien) behielt sich
nur die Bestätigung vor; ebenso wurden die Commandanten der
drei Hauptfestungen Livadıa, Siderocastiro und Neopatros ge-
wöhnlich von dem ,Heere” gewählt und nur ausnahmsweise,
in streitigen oder ungewöhnlichen Fällen, direct vom Herzoge
ernannt. Die einzelnen Mitglieder der „„Compagnie” oder des
„Heeres’” besalsen dazu erblich die Lehen, welche ıhnen bei der
Eroberung Athens 1311 zugetheilt worden waren; die ange-
sehensten unter ihnen waren die Grafen von Sula und die Herren
von Aegina, beide Nachkommen des ersten Generalvicars Alfonso
Fadrique de Aragon, eines natürlichen Sohnes Friedrich’s I.
von Sicilien. — Hatten in dem französischen Herzogthume
Athen unter den de la Roche uud Brienne, wie im übrigen
fränkischen Griechenlande die Assisen von Romania gegolten,
die auch in Athen unter den Acciajuoli wieder in Kraft traten,
so brachten die Catalonıer auch ıhre heimischen Gesetze mit;
so wird z. B. im ARegistr. Cancellar. 1364— 1368 fol. 26 aus-
drücklich erwähnt, dafs man sich richte nach dem „rizu et ob-
servantlia et capitulis civitatis Barchinonae diu obtentis et
observatis secundum quos cives et habitatores ducatuum praedicto-
rum vixerunt et viount”. Auch über die geistlichen Angelegen-
heiten erhalten wir vielfachen Aufschlufs; Hauptkirchen waren
Sta. Maria (Parthenon) in Athen, St. Michael in Theben, St.
Georg, dessen Bild das Siegel der Compagnie war, in Livadıia.
vom 4. April 1864. 203
Streng verboten war, einem „elericus, villanus, grecus” Etwas
zu vermachen; derartige Legate finden sich öfters cassirt; ein
eigenes Capitel in catalonischer Sprache ist uns darüber auf-
bewahrt. — Der Handel befand sich grölstentheils in den Hän-
den der Armenier, welche in Theben bedeutende Magazine be-
ss[sen. — Sehr schlecht war die Lage der: griechischen Unter-
thanen; einzelne, welche 1311 sich der Compagnie angeschlossen,
mit ihr gegen Herzog Walter von Brienne gekämpft, oder ihr
wichtige Festungen, z. B. Livadia, überliefert hatten, genossen
Gleichberechtigung mit den Franken, d. h. den Cataloniern;
der Rest schmachtete in Leibeigenschaft, ohne Recht über Hab
und Gut; Ehen zwischen ihnen und Lateinern galten für ein
todeswürdiges Verbrechen, und ausnahmsweise nur gestattete
man z. B. dem Notar Demeirios Rendi, frei über seine Güter
zu verfügen und seine Töchter an Lateiner zu verheirathen.
Seine Tochter Maria ward, wie aus florentinischen Urkunden
hervorgeht, Geliebte des Nerio I. Acciajuoli und Mutter des
Bastards Antonio I., zweiten Herzogs von Athen aus florenti-
nischem Geschlechte. — Die Urkunden enthalten ferner noch
manche interessante Specialität über die untergeordneten Ämter,
die der Krone gehörigen Häuser in Theben, die Sendung eines
Arztes dahin, Beziehungen zu Negroponte und Neapel; mit dem
Jahre 1392 schlielsen sie ab; Aihen selbst hatte die „Com-
pagnie” 1385 verloren.
Zante, 19. Januar 1863.
Auch auf Malta war ich, gleichwie in Neapel und Pa-
lermo, zunächst den Spuren Buchon’s zu folgen bemüht. Mein
französischer Vorgänger hat sich auch dort lange aufgehalten
und in der Bibliothek verschiedene Handschriften durchgesehen;
das Archiv, über welches er allerlei, meist irrige Notizen gibt,
ohne auch nur eine einzige Urkunde desselben zu erwähnen,
hat er, wie ich mich überzeugen konnte, niemals gesehen; viel-
mehr sind auch hier seine höchst unzuverlässigen Angaben fast
lediglich aus gedruckten Werken geschöpft. So mulste ich
denn auch dort meine Arbeit ganz von Neuem beginnen. Die
Bibliothek ward mir von ihrem liebenswürdigen Vorsteher,
: 11°
204 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Hrn Dr. Cesare Vassallo, an den mich Hr. Marchese Mortillaro
empfohlen hatte, mit grölster Bereitwilligkeit zu Gebote ge-
stellt; ich erhielt den gedruckten Handschriften-Catalog zum Ge-
schenk, fand indessen für meine Zwecke nur unbedeutende, längst
bekannte Nachrichten; interessant erschien mir eine unbenutzte
Chronik von Tripolis (oder vielmehr von Fezzän), die für das
16—18. Jahrhundert viele neue Nachrichten enthält, und na-
mentlich über das innere Afrika manches Neue liefert, so dals
sie wohl der Veröffentlichung werth sein dürfte; leider hinderte
mich die Unkenntnils des Arabischen — ich las sie nur in der
beigefügten französischen Übersetzung, die sehr genau sein soll
—, dieselbe abzuschreiben. Im Archive, das unter der treff-
lichen Leitung des Hrn Dr. Vella steht, fand ich nicht blols
die von Buchon erwähnten, für mich unwichtigen Dokumente
zur Geschichte Malta’s seit dem 15. Jahrhundert, sondern, zu
meiner freudigen Überraschung, sämmtliche Urkundenschätze des
Johanniter Ordens vor, wie sie 1521 auf Rhodos existirten und
von da den Orden, schliefslich nach Malta, begleiteten, wo sie
auch nach Hompesch’s schmachvoller Capitulation verblieben
sind. Es ist eine reine Fabel, wenn man noch heute in einem
Thurmgemache auf Rhodos dies Ordens-Archiv versteckt glaubte.
Alles liegt vielmehr in Malta. Dort knüpfte ich verschiedene
Bekanntschaften an, so mit Graf Ciantar-Paleologo, dessen Fa-
milienpapiere mir einige interessante Notizen gaben, ebenso mit
dem Professor der Geschichte, Marchese Testaferrata - Olivier,
der mir erzählte, vor Jahren die Bekanntschaft eines Orienta-
listen aus Kiel in Malta gemacht zu haben, dessen fremdklin-
gender Name ihm zwar entfallen sei, den er jedoch, falls ich
ihn fände, herzlichst zu grülsen bitte.
Was nun die Geschichte des Johanniter-Ordens betrifft,
so lag uns bisher, aulser dem verdienstvollen, obgleich sehr
mangelhaften Codice diplomatico des Sebastiano Pauli, nur ein
einziges urkundlich begründetes Werk in dem ziemlich seltenen
Buche Bosio’s vor, welches, wie ich sah, durchweg auf noch
vorhandene Urkunden basirt ist und, da diese grölstentheils un-
gedruckt sind, bis heute als Quelle galt. Die mehr verbreitete
französische Überarbeitung von Baudouin ist gleichfalls brauch-
vom 4. April 1864. 205
bar, alle übrigen Ordensgeschichten, die von Vertot, von Ville-
neuve-Bargemont, die des Engländers Taaffe, der wenigstens
für sein Vaterland einige neue Urkunden beibrachte, und die
neueste deutsche von Hrn von Winterfeldt sind, für die älte-
ren Zeiten wenigstens, mehr oder minder unkritische, für den
Forscher fast ganz werthlose Auszüge aus Bosio, theilweise mit
vieler Phantasie ausgemalt. Meine Absicht war es nun, jene
urkundlichen Quellen, auf die Bosio seine schon von Ducange
als urkundlich betrachteten Nachrichten über das griechische
Mittelalter basirt, genau zu revidiren, das Betreffende aus den
Documenten selbst auszuziehen, das Wichtigere zu copiren. In
dieser Beziehung bieten die reichste Fundgrube die Ziöri Bul-
Jarum, welche sämmtliche Decrete des Ordens enthalten. Ich
durchforschte dieselben genau bis 1522 — es sind bis dahin
95 Foliobände — und notirte noch einige nachträgliche Notizen
aus den nachfolgenden 20 Bänden. Sie beginnen mit 1346 und
sind, wenigstens von 1385 an, fast ohne Lücke erhalten. Für
die ältere Zeit besitzen wir nur wenige Ordensdecrete, dafür
die iheilweise von Pauli veröffentlichten Acten der dem Orden
gemachten Schenkungen und der ihm verliehenen päpstlichen
Bullen, von der berühmten Bestätigungs- Acte Paschalis II. an,
deren Original nicht im Archive, sondern in den Cimelien-
schränken der Armerie neben dem Schwerte Dragutibeg’s und
der Trompete des Rhodiser Parlamentärs von 1522 aufbewahrt
wird. Für diese Bullen existirt ein eigenes, sehr genaues Re-
gister, das ich genau durchsah; für meine Zwecke fand ich
einige Notizen, dagegen sind dieselben höchst wichtig für eine
kritische Geschichte des Tempelherrn- Ordens; die meisten Do-
kumente des letzteren sind den Johannitern übergeben worden,
und so findet sich für dieselbe in Malta das reichste, soviel ich
weils, bis heute unbekannte oder unbenutzte Material. Die Zidri
Bullarum sind ohne eigentliche Inhaltsverzeichnisse, auf Papier
geschrieben, gleich den Urkunden Palermo’s; da sie jedoch in
verschiedene Abschnitte eingetheilt sind, läfst sich bequemer in
ihnen arbeiten, als in den vermischten Acten von Neapel und
Sicilien. In ihnen liegen noch unendlich viele wichtige Doku-
mente aller Art begraben; jeder Band enthält eine Masse Ur-
206 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
kunden über die deutschen ÖOrdenscommenden, die ebenso ın
den älteren päpstlichen Bullen häufig erwähnt werden; für fran-
zösische und spanische Geschichte sind sie unendlich reich. Ich
mufste mich natürlich auf die „partes citramarinae” beschrän-
ken, unter denen man auf Rhodos Alles verstand, was östlich
vom adriatischen Meere liegt, also zunächst Griechenland. Dort
fand ich denn die ältesten Acten über die Besitznahme von
Rhodos durch den Orden, aus welchen hervorging, dals im An-
fange des 14. Jahrhunderts die Mehrzahl der umliegenden Inseln
von Byzanz aus dem Genuesen Vignolo de’ Vignoli zu Lehen
gegeben waren, während Rhodos selbst in die Hände der be-
nachbarten Selgüken-Fürsten gefallen war; Vignolo rief den
Orden zu Hülfe, um die letztern zu verjagen, und schlols einen
höchst interessanten Theilungsvertrag mit dem Grolsmeister
Villaret ab, in welchem Vertrage seinem Geschlechte viele Gü-
ter und Privilegien verlieben wurden, deren die Vignoli noch
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts genossen. Ich habe
sämmtliche darauf bezügliche Dokumente abgeschrieben, ebenso
alle Actenstücke, welche die bisher so dunkle Geschichte der
Inseln Nisyros, Episkopia, Karchi betreffen; dieselben waren
seit ihrer Eroberung durch den Orden erbliches Lehen der noch
jetzt ın Seitenlinien blühenden Familie Assanti aus Jochia, deren
Hauptstamm 1385 erlosch. Später wurden die Inseln nur auf
Lebenszeit einzelnen Linien, z. B. dem Marschall Bufillo Bran-
caccio, dem Rhodiser Bürger Dragonetto Clavelli (der mit einer
bisher unbekannten Herzogstochter von Naxos, Agnese Crispo,
vermählt war) oder Rittern des Ordens verliehen. Ähnlich war
es mit der Insel Kos und ihren Pertinenzen bestellt, die lange
von einem Deutschen, Hesso von Schlegelholz, beherrscht wur-
den; ich habe über sie die vollständigsten Nachrichten bis 1522
gesammelt. Aufser diesen Inseln besafs der Orden in Griechen-
land viele wichtige Commenden, über welche uns zahlreiche,
bisher unbekannte Urkunden vorliegen, so über das Bailat von
Achaia, die Commende von Negroponte, deren Sitz auf dem
böotischen Festlande, in Sykaminon, war, die von Zante, deren
Überreste ich hier auf der Villa des Hrn Dr. Zezas sah, und
schliefslich auf Naxos seit 1452; letztere, gestiftet von der ver-
wittweten Herzogin des Archipels, Francesca, ist für die Ge-
vom 4. April 1864. 207
schichte der Kykladen selbst sehr wichtig geworden. Aufser
diesen die Besitzungen des Ordens selbst betreffenden Urkunden
fand ich die genauesten Nachrichten über die Verbindungen
desselben mit den Giustiniani von Chios, den Gattilusj von
Lesbos und Aenos, die sich zuweilen sogar mit den Türken
gegen die Rhodiser verbündeten, und allen übrigen Dynasten-
geschlechtern des Archipels. Über eine bisher ganz unbekannte
Linie der Sanudi, Hrn. von los, fanden sich die wichtigsten
Nichrichten in den ersten Bänden dieser kostbaren Sammlung.
Höchst werthvoll sind ferner die Urkunden, welche über die
kurze Herrschaft des Ordens in dem von Tbeodoros I. Palaeo-
logos verkauften Despotate Morea handeln. Nachdem die Jo-
banniter schon 1356 versucht hatten, das fränkische Fürstenthum
Achaia von dem Hause Tarent zu erwerben und eben deshalb
einige dreifsig Jahre später mit den vielen Prätendenten auf
Achaia, den Königen von Neapel, dem Hause Anjou, dem Her-
zoge von Bourbon, dem Fürsten von Piemont und der grofsen
navarresischen Compagnie, die faktisch im Besitze des Landes
war, vielfache Unterhandlungen gepflogen, erwarben sie endlich
zeitweilig das griechische Despotat, bis ihre in ihrer Religion
verletzten Unterthanen sich gegen sie empörten und sie zwan-
gen, das Land den Palaeologen wiederum abzutreten. Über
diese bisher ganz dunkle Episode moreotischer Geschichte ge-
ben nun die Urkunden Malta’s vollständiges Licht. Ich fand da
sämmtliche Belehnungen des griechischen Primaten, Verleihung
von Privilegien an die griechischen Kirchen und ihre Papas,
die genauesten Ausweise über das Steuerwesen, wie über alle
bisher so wenig bekannten inneren Verhältnisse Morea’s. Fast
sämmtliche Urkunden sind in lateinischer oder italienischer
Sprache geschrieben; doch’ fand ich auch verschiedene französi-
sche und provengalische, sowie im Ganzen neun griechische,
welche leiztere ich, obgleich die meisten meinen Zwecken fer-
ner lagen, sämmtlich abschrieb; mein Freund, Professor Joh.
Müller in Padua, wird sie in seinem griechischen .Diplomatarium
veröffentlichen. Ebenfalls meinen speciellen Forschungen fern-
liegend, dürfte von allgemeinerem Interesse ein an alle Fürsten
der Christenheit gerichteter Empfehlungsbrief vom 4. Juni 1448
sein (Zid. Bullarum no. 44. 1446 — 1447 fol. 220 v.) „pro pro-
208 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
vido et discreto viro Marco presbytero de India ordinis Sti. An-
thonü qui alias fuit missus a Domino presbytero Iohanne impe-
ratore Indorum ad $. Dominum nostrum papam Eugenium_ et
e converso redüt responso sıbi dato, et nunc iterum revertitur
ad eundem S. Dominum nostrum papam.” Ich habe Ihnen hier
nur Weniges von der reichen Ausbeute mittheilen können, die
ich in den Ziöri Bullarum fand; ich untersuchte aufserdem die
älteren Urkunden der Zidri Conciliorum, der Lidri Capitulorum
generalium und sämmtliche einzeln bewahrte Ordensacten bis
zum Falle von Rhodos. Aus dem Zidro delle dignita stellte ich
die Listen der Baillifs von Morea und Negroponte, welche Wiür-
den auch nach dem Verluste der Commenden noch bis 1798
fortbestanden, zusammen; in einem Bande Rechnungen von 1551
entdeckte ich ein kostbares Verzeichnils sämmtlicher Lehen des
Fürstenthums Achaia aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, das
sowohl für die Geschichte der Dynastengeschlechter, als auch
für die Geographie des Peloponnesos von grölster Wichtig-
keit ist.
Leider fand sich, nachdem ich meine Studien in Malta voll-
endet, keine Gelegenheit nach den ionischen Inseln, und so war
ich gezwungen, dort noch sechs Tage zu bleiben und schliels-
lich mit dem französischen Dampfschiffe nach Messina zurück-
zukehren. Auch dort fehlte der gewünschte Anschlufs, so dals
ich mehrere Tage dort weilen mulste und erst spät genug mit
dem italienischen Schiffe nach Korfü gehen konnte. Dort ward
mir von Seiten des Hrn CGomithurs Sir Pietro Braila, Secretärs
des Senats, die zuvorkommendste Aufnahme, und bald war ich
mit allen litterarischen Notabilitäten der Insel, sowie mit den
Adelsfamilien, welche noch mittelalterliche Urkunden besitzen,
bekannt. Das Archiv der Stadt, dessen Inventar in der ofh-
ciellen Zeitung vom 18. September 1858 abgedruckt ist, be-
wahrt nur wenige angiovinische Urkunden in Abschriften; ich
habe dieselben sämmtlich hervorgesucht und werde auf meiner
Rückreise das minder Wichtige ausziehen, das Wichtigste ab-
schreiben lassen. Viele interessante Papiere fand ich im Privat-
besitze; meist waren es Dokumente, die der verstorbene Histo-
riograph der Insel, Cav. Mustoxidi, nie gesehen hatte, die mir
dagegen mit gröfster Bereitwilligkeit zur Disposition gestellt
vom 4. April 1864. 209
wurden. Und so fand ich die wichtigsten Aufschlüsse über die
ganze Verwaltungsgeschichte Korfü’s in den Papieren der Hrn
Kavasila, Delvinioti, Balbi-Skordili, Vasilachı und anderer; bei
meiner Rückkehr dahin werde ich alle bisher noch unbekannten
Papiere für mich zusammengestellt finden. Mich zog es von
Korfü nach Zante, wo mich einzelne Urkunden des Hauses
Tocco, der alten Despoten von Epiros und Pfalzgrafen” dieser
Inseln, existiren sollten. Ein hiesiger Lehrer, Hr. Chiotis, hat
vor einigen Jahren eine Geschichte der Insel in zwei Bänden
veröffentlicht, die indels nur bis ins 16. Jahrhundert hinein rei-
chen. Ich hatte gehofft, in diesem umfangreichen Werke sämmt-
liche hier aufbewahrte, bisher ungedruckte Urkunden der Insel-
dynasten zu finden, täuschte mich indefs sehr, da er nur die
seinen griechischen Landsleuten unbekannten Urkunden Buchon’s
wieder abgedruckt, von einheimischen dagegen nur eine ein-
zige mitgetheilt hat. Mit den besten Empfehlungen von Sr. Ex-
cellenz dem Hrn Lord Obercommissär und Sir P. Braila ausge-
stattet, habe ich nun bereits einige Wochen gearbeitet und eine
über alle Erwartung reiche Ausbeute gefunden, über welche
ich mir in meinem nächsten Berichte Näheres mitzutheilen er-
lauben werde; für heute erwähne ich nur eines höchst wichti-
gen Dokuments von 1264, von dem schon in verschiedenen
Werken gesprochen worden ist, das jedoch Niemand genau
durchstudirt, geschweige denn abgeschrieben hat. Ich habe das-
selbe — 53 enggeschriebene Folioseiten — vollständig copirt
und zugleich ein Exemplar der handschriftlich vorhandenen ita-
lienischen Übersetzung (das Original ist, wie die Mehrzahl der
von mir hier entdeckten Urkunden, in griechischer Sprache ge-
schrieben) für mich erworben; dieselbe klärt manche im Origi-
nale dunkle Namen auf; das Dokument selbst ist das älteste
Monument der Frankenherrschaft, das noch in Griechenland exi-
stirt. Ebenso habe ich bereits in Korfü und hier für mich eine
Menge höchst seltener, meist auf den ionischen Inseln gedruck-
ter Werke über deren Geschichte erworben, die meines Wis-
sens in Deutschland ganz unbekannt sind und oft sehr werth-
volle Nachrichten enthalten. Auch hier fand ich bei den No-
tabeln der Insel, namentlich bei den Grafen Lunzi, dem Reggente
Carvellä, dem Vicar Serra und allen übrigen jede mögliche För-
210 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
derung ‘meiner wissenschaftlichen Zwecke und bin ich über-
zeugt, dafs, falls ich meine Reise bis in den Archipel fortsetzen
kann, ich sämmtliche heute noch in Griechenland vorhandene
Dokumente der Frankenzeit sammeln werde. Damit ist es nun
freilich höchste Zeit, denn von Jahr zu Jahr gehen die Urkunden
mehr zu Grunde. In der Zeitschrift Ne« Ilevdwg« sind noch
verschfedene unbekannte Urkunden der Herzoge von Naxos citirt;
das Archiv von Cerigo enthält gleichfalls verschiedene Perga-
mente aus dem 14. Jahrhundert, welche ich, da die Insel mir
abseits liegt, durch Sir P. Braila’s Vermittelung dort copiren lasse.
Aber wie man noch jetzt mit diesen Papieren umgeht, kann
man daraus ersehen, dafs z. B. die einst auf Zante höchst an-
gesehene Familie der Sirigo, um sich demokratisch zu zeigen,
alle ihre alten Pergamente vernichtete, dals Baron Carrer, wie
mir sein Sohn sagt, vor 15 Jahren zwei Kisten alter Urkunden
den Flammen übergab, und selbst der gebildetste Zantiote, Hr.
Präsident T., das vom letzten byzantinischen Kaiser verliehene
Diplom der Familie Mamonas, von der mütterlicher Seits seine
Frau abstammt, dem französischen Gesandten in Athen, Mr.
Bouree, schenkte. Das ganze ältere Archiv von Cefalonia ist
ebenso 1798 muthwillig zerstört worden. So ist zu befürchten,
dals bald die letzte urkundliche Spur der Frankenherrschaft vom
griechischen Boden verschwinden dürfte, wenn deren Überreste
nicht jetzt gesammelt und gerettet werden.
Hermupolis, Syra, 1. März 1863.
Aus Athen bereits würde ich ausführlicher berichtet haben,
hätte ich nicht eingetretener Verhältnisse halber meine Abreise
hierhin nur zu sehr beschleunigt. In der Hoffnung, von hier
aus leicht den ganzen Archipel bereisen zu können, begab ich
mich auf dem Kriegsdampfer ,‚Syros”, an dessen CGapitän ich
durch Hrn Finlay’s freundliche Vermittelung eine officielle Em-
pfehlung von dem Hrn Marine-Minister Kalliphronas erhalten
hatte, hierhin. Als jedoch gleich darauf in Athen ein Minister-
wechsel in Folge der letzten Bewegung stattfand, wollte mein
Capitän hier erst neue Instructionen abwarten, bevor wir die
Rundreise durch den Archipel unternähmen, und so ward ich
denn bis jetzt über 14 Tage hier festgehalten, während deren
vom 4. April 1864. 211
wir nur einen Ausflug nach Andros und Tinos machten. Jetzt
endlich, während ıch immer noch hoffte, trotz der in Athen
eingetretenen Veränderungen mit dem Dampfer die für mich
wichtigsten Kykladen besuchen zu können, habe ich aus Athen
ein Schreiben Hrn Finlay’s erhalten, demzufolge ich darauf ver-
zichten muls, auf diese Weise nach Naxos zu gelangen, indem
der ,„‚Syros’”” nothwendig im Interesse der neuen Regierung ver-
wendet werden müsse. Zugleich hat der Capitän Befehl erhal-
ten, nach dem Golfe von Phokaea zu eilen und dort gegen die
Piraten zu kreuzen, die auch jetzt, wie stets in unruhigen, zu-
weilen freilich auch in sonst friedlichen Zeiten, das Inselmeer
unsicher machen. So habe ich mich denn ungeachtet der un-
günstigen, stürmischen Jahreszeit entschliefsen müssen, ein Se-
gelboot zur Fahrt nach Naxos zu benutzen, und gedenke ich
übermorgen, falls der Wind günstig ist, dahin abzufahren. Nach
den hier eingezogenen Nachrichten darf ich überzeugt sein, dort
für meine Zwecke eine reiche Ausbeute zu finden, und da ich
mit einer Menge vortrefllichster Empfehlungen versehen bin,
hoffe ich, auch dort meine Forschungen auf jede Weise geför-
dert zu sehen. Hier verdanke ich namentlich der berzlichsten
Zuvorkommenheit des Kaiserlich Österreichischen Consuls Hrn
Dr. von Hahn, der mich freundlich in seinem gastlichen Hause
beherbergte, manche Annehmlichkeiten und reichste Belehrung.
Wir arbeiteten zusammen die in Neapel gefundene Geschichte
der Musacchi durch, über deren Wichtigkeit Hr. von Hahn ganz
meine Meinung theilte, indem auch er in ihr die erste und
einzige sichere Grundlage einer Geschichte der Albanesen er-
kannte; er selbst lieferte mir durch seine gründliche Kennitnifs
des Landes den besten Commentar zu dem sehr ausführlichen
geographischen Theile. der Chronik und hegte den Wunsch,
dieselbe möglichst bald, vielleicht von uns beiden gemeinsam,
bearbeitet und herausgegeben zu sehen. Wir verglichen die
Nachrichten, welche Hecquard iu seinem neuesten Werke über
die mittelalterliche Geschichte Albaniens veröffentlicht hat, und
fanden dieselben durchaus ungenügend und falsch. — Daneben
sammelte ich, was sich hier von mittelalterlichen Nachrichten
und überhaupt von Dokumenten aus der Zeit der Inselherzoge
noch vorfindet, so Wappen der Familien Ghisi, Privilegio, de’
212 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Girardi, Urkunden der Gozzadini und namentlich den Stamm-
baum (nebst wichtigen urkundlichen Belegen) der Girardi, deren
Ahnberr Nicolö 1553 von dem Herzoge Jacopo IV. Crispo mit
den Gütern der Familie Baffo auf Naxos belohnt wurde. Lei-
der befindet sich die Originalurkunde, wie mir Hr. Giorgio de’
Girardi sagte, nicht mehr im Archipel, sondern im Privatbesitze
zu Neapel; doch hoffe ich, durch meine dortigen Verbindungen
mir leicht eine Abschrift derselben verschaffen zu können. Ich
machte hier die Bekanntschaft des frühern Bischofs von San-
torini, jetzigen Bischofs von Soli in partibus, Monsignore Nic.
Adolfo Marinelli, welcher an einer Geschichte des hiesigen ka-
tholischen Bisthums arbeitet und dafür reiche Materialien gesam-
melt hat; er stellte mir dieselben bereitwillig zur Disposition.
Die hiesigen Archive sind leider 1617 von den Türken, die den
damaligen Bischof, Giovanni Andrea Carga tödteten, verbrannt
worden; doch enthält eine 1855 zu San Daniele erschienene
Biographie des letztern noch manche interessante Notiz, die
wohl bei uns unbekannt sein dürfte. — Auf Tinos sah ich
manche mittelalterliche Baureste uud erhielt recht interessante
Nachrichten über die Statistik der Insel; verschiedene ältere
Urkunden, die sich dort noch auf den Dörfern im Privatbesitze
befinden sollen, sollen mir durch die gütige Vermittelung des
Hrn Senators Paximudis zugehen. Und so darf ich wohl ge-
trost hoffen, dafs es mir auf dieser Reise vergönnt sein werde,
Alles zu sammeln und zu retten, was überhaupt noch von occi-
dentalisch-mittelalterlichen Überresten auf griechischem Boden
existirt.
Ich bin unendlich erfreut, nach Athen gegangen zu sein,
da diese Stadt, abgesehen von dem Interesse, das sie für jeden
Gebildeten darbietet, für meine Zwecke als Hauptstadt des gleich-
namigen fränkischen Herzogthums noch ein ganz besonderes hat.
Ich begann damit, dafs ich Buchon’s Angaben über die aus der
Herzogszeit stammenden Monumente zu verificiren suchte; ich
stiels dabei auf manche ihm unbekannt gebliebene Überreste,
sowohl auf der Akropolis, als auch im Innern der Stadt, wo
z. B. die sogenannte Srox oıziry Spuren fränkischer Befesti-
gungen aufweist, überzeugte mich jedoch zugleich, dals Buchen,
nur zu sehr bestrebt, jedwedes Monument, an dem sich etwa
vom 4. April 1864. 213
fränkische Kreuze zeigten, seinen Landsleuten zu vindiciren,
nicht selten in arge Irrthümer verfallen ist, wie denn z. B. die
alte Kathedrale, deren Erbauung er dem ersten Grolsherrn der
Stadt, Otto de la Roche zuschreibt, unstreitig ein weit älteres
byzantinisches Werk ist. Der viereckige Thurm auf der Akro-
polis, gemeiniglich als venetianisches Bauwerk (wie so manche
andere mittelalterlichen Ruinen Griechenlands, z. B. die Festungs-
werke von Patras und Lepanto) bezeichnet, ist ohne Zweifel
von der catalonischen Compagnie aufgeführt worden; letztere
steht noch bei den heutigen Athenern in so schlimmem An-
denken, dafs der Name Karıravo als eins der ärgsten Schimpf-
worte gilt. Höchst interessant sind die mittelalterlichen In-
schriften auf den Stelen des Parthenon, des Theseion und auf
andern Kirchen; sie sind schwer zu entziffern; die meisten, d.
bh. die in griechischer Sprache, sind aus der "Epnusgis Boy, ao-
Aoyızr in das letzte Heft des Corpus inscriptionum übergegangen.
Einige wenige lateinische sind in dem griechischen Journale nur
faesimilirt werden; der Herausgeber hat sie mit gewohnter Un-
genauigkeit zu deuten versucht; es sind die Epitaphien des De-
cans der athenischen Metropole Nicolaus ( 2. März 1415) und
des Abts Peter von Däphni (} 20. August 1412), die der Re-
gierungszeit des Herzogs Antonio I. degli Acciajuoli angehören.
— Die Universitätsbibliothek, die ich demnächst besuchte, ist
zwar sehr reich an gedruckten Werken über griechisches Mit-
telalter, befindet sich aber leider noch in vollständiger Unord-
nung; nicht einmal die Manuscripte sind bis jetzt catalogisirt
worden; einzig das damit verbundene Münzcabinet ist von Hrn
Postolakkas sehr gut geordnet worden, allein der äufserst be-
schränkte Raum ist auch in diesem Institute sehr hinderlich.
Ich untersuchte die Handschriften, die indels meist kirchlicher
Natur sind; doch fand ich auch drei Chrysobullen, welche die
Kirchen von Monembasia und Joannina betreffen; zwei dersel-
ben hatte bereits, was man freilich in Athen nicht zu wissen
schien, Mustoxidis in seinem “ErArvcouvruuv herausgegeben, und
die dritte war erst von Buchon, dann zweimal in der Nex Ilav-
Öwg« (zuletzt nach einer bessern auf Cerigo aufbewahrten Co-
pie) herausgegeben worden. Sehr interessant für Neugriechen-
land sind die Zidri di Parga, die ich zu Hause benutzen konnte;
214 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
*
eine kurze ungedruckte Chronik von Malaxos war leider nicht
aufzufinden; doch sehe ich nachträglich einer Abschrift dersel-
ben entgegen. Um so reicher war für mich die Ausbeute aus
gedruckten Werken, die grofsentheils wohl niemals über die
Gränzen Griechenlands hinausgekommen sind, und von denen
mein Freund, Hr. Paul Lambros, eine sehr vollständige Samm-
lung besitzt. Ich selbst erwarb eine Menge der seltensten
Schriften, unter. andern auch sämmtliche für mich interessante
Nummern der Ievöwor, die leider bei uns nur zu wenig be-
kannt ist und aufser vielen heraldischen Notizen sehr wichtige
numismatische Abhandlungen von Lambros, einzelne Urkunden
(z. B. ein von dem Regenten von Naxos, Francesco Coronella
1578 dem Marino d’Argenta aus Santorini verliehenes Privileg),
mittelgriechische Studien von Hrn Paparrhigopulos und die von
den Hrn Rhangabe und Nerutzos besorgten Übersetzungen
meiner Abhandlungen über Karystos und Andros enthält. Ich
zog die wunderliche 1774 zu Leipzig gedruckte Geschichte von
Trapezunt, die neben vielen Fabeln doch auch ein sehr inter-
essantes Chrysobull enthält, aus, ebenso die Geschichte der Ne«
Movr, auf Chios, das für den Archipel wichtige Neov Asınuvegıov,
Monographien über Lesbos, Kandia, Philippopolis, Kappadokien,
die Petitionen des Giorgio Orsini Dukatarios, Prätendenten auf
Santa Maura, an Kaiser Rudolf II. und seinen angeblichen
Verwandten Wilhelm von Rosenberg und zahllose andere bei
uns verschollene Schriften; auch das seltene Werk des Giro-
lamo Giustiniani über Chios, das ich bisher ın allen Bibliothe-
ken vergeblich gesucht hatte, fand ich endlich neben manchem
andern Unbekannten in der schönen Sammlung Hrn Finlay’s.
Mit letzterem, sowie mit allen hervorragenden Gelehrten Athens,
die sich verwandten Studien widmen, war ich in fortwährender
Verbindung, und so ward mir nicht nur der Zugang zu sämmt-
lichen mich interessirenden Privatsammlungen geöffnet, sondern
es gelang mir auch, was mir bisher durch Correspondenzen zu
erreichen unmöglich gewesen war, die Theilnahme der griechi-
schen Regierung meiner Arbeit zuzuwenden. Fand ich schon
überhaupt bei allen Gelehrten des Landes die wärmsten Sym-
pathien für meine Forschungen, so veranlalste insbesondere Hr.
Gregorios Pappadopulos, Unterstaatssecretär im Unterrichts-
vom 4.,April 1864. 215
Ministerium, den damaligen Minister, Hrn. Deligeorgis, ein Cir-
cular für mich an das gesammte Lehrerpersonal des Königreichs
zu erlassen, mit der Aufforderung, alle noch irgendwo vorhan-
denen mittelalterlichen Überreste für mich zu sammeln und Co-
pien resp. Zeichnungen derselben dem Ministerium einzusenden.
Hr. Pappadopulos stellte mir aufserdem mit gröfster Liberalität
seine eigenen schönen Sammlungen zur Disposition; ich fand
darin u. a. einen interessanten Katalog der Athos-Handschriften,
ein seltenes Bild von Syra mit kurzer französischer Beschrei-
bung der Insel, ebenso eine sehr exacte Karte derselben, die
bedeutend besser ist, als die an manchen Ungenauigkeiten lei-
dende Graviersche (auf der z. B. die Bay delle Grazie wunder-
lich genug als Krasi-Bay aufgeführt ist) und eine Menge un-
edirter griechischer und lateinischer Inschriften aus dem Mittel-
alter, aus Ochrida (Stiftung der Kirche 55 Ilevayızs ZayAou-
iriscas durch den Caesar Gurgures), aus Iskup, aus Patras
(darunter zwei hebräische; ich selbst copirte dort die lateinische
Inschrift im Castell, welche von der Stiftung desselben durch
den Fürsterzbischof Pandolfo Malatesta handelt; die das näm-
liche Factum besagende griechische ist im Corpus inseriptionum
veröffentlicht worden), aus dem Kloster Omblos und manche
andere aus Bulgarien und der Walachei (darunier eine freilich
spätere, allein höchst interessante in rumänischer Sprache, mit
slawischen Buchstaben, von 1632). Eine interessante lateinische
Inschrift aus Chios erhielt ich von Hrn Finlay in einer von
Hrn Newton angefertigten Abschrift; Hr. Finlay hat zugleich
Letzteren gebeten, mir eine Abschrift seiner auf Lesbos ge-
sammelten mittelalterlichen Inschriften, von denen eine u. a.
die Befestigung der dortigen Hauptstadt durch ihren ersten ge-
nuesischen Herrn, Francesco I. Gattilusio, beurkundet, nach
Deutschland zu senden. Eine andere, noch wichtigere Inschrift
fand ich in den Papieren des Hrn Lambros verzeichnet; sie be-
trifft die Stiftung der Kirche des heiligen Michael zu Lesnovo
bei Kratova 1344 durch den Despoten Joannes Liveris, einen
der Feldherren des grolsen Serbenkaisers Stefan Dusan, seine
Gattin Maria Liverissa und seine Söhne Kraekos und Damianos;
da diese serbischen Dynasten bisher nur sehr wenig bekannt
waren, ist diese Inschrift für ‚sie nicht minder bedeutungsvoll,
216 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
als die von Hrn von Hahn in Albanien gefundenen für das
Dynastengeschlecht der Thopia. Überhaupt ist die Sammlung
des Hrn Lambros bei weitem die reichste, die ich in Athen
gefunden habe; neben den zahllosen gedruckten Seltenheiten
enthält sie die vollständigste Reihe mittelgriechisch - fränkischer
Münzen, mittelalterliche Siegel und nicht wenige kostbare Ma-
nuscripte, die mir sämmtlich zum unumschränktesten Gebrauche
zu Gebote standen. Über die Münzsammlung, welche alle be-
kannten Münzen der fränkischen Dynasten, der Fürsten von
Achaia, Herzoge von Athen, Herren von Lesbos und Aenos,
Maonesen von Chios und anderen, enthält, werde ich später in
meiner griechischen Geschichte ausführlich handeln; doch darf
ich wohl hier schon bemerken, dals es mir ohne genaues Stu-
dium dieser Schätze rein unmöglich geworden wäre, etwas nur
einigermalsen Vollständiges und Sicheres über diesen so inter-
essanten Theil mittelalterlicher Numismatik zu liefern. Ich
werde nächstens mit Hrn Lambros zusammen in der Ne« Iev-
öwoe eine Monographie über verschiedene bisher ganz unbe-
kannte fränkisch-griechische Münztypen veröffentlichen, von Mar-
tino Zaccaria, Herrn von Chios, von demselben und seinem
Bruder Benedetto, von dem nämlichen Martino als Herrn von
Damala, von Giorgio Ghisi, Herrn von Tinos, von Thomas II.
und Thomas III. von Salona, von Helena von Karytena, vom
Despoten Johann von Arta, von Angelos Komnenos Ducas Se-
bastokrator von Neopatras (deren Deutung früher von S. Quin-
tino ohne Erfolg versucht worden ist), von Nicolö Il., Herzog
von Naxos, und von Andrea Dandolo, dem spätern Dogen, als
Herrn von Gaidaronisi; Hr. Lambros wird dabei den rein nu-
mismatischen, ich den historischen Theil bearbeiten. Ferner
besitzt Hr. Lambros eine Anzahl mittelalterlicher Siegel, von
denen ich sehr schöne Abgüsse erhalten habe; es sind darunter
verschiedene der Feudalherren Achaia’s und des Archipels, z. B.
der Isabella de Niola, des Robert Desprat, Camillo Ruggieri
und anderer, des Gaucher de Chatillon, CGonnetables von Cy-
pern, des Nevelon de Villers-le-Boulanger, des Klosters Stroniki,
des Despoten Michael II. von Epiros, eines Erzbischofs von
Thessalonich u. s. w. — Unter den Handschriften des Hrn Lam-
bros nehmen für meine Zwecke den ersten Rang zwanzig unge-
vom 4. April 1864. 217
druckte griechische Urkunden Stefan Dusan’s, des „Kaisers und
Selbstbeherrschers von Serbien und Romania”, aus den Jahren
1346— 1352 ein; die Originale derselben befanden sich in dem
Kloster Johannis des Täufers auf dem „Mevoizsiov 0905” bei Ser-
rae und wurden 1856 von einem gewissen Joannidis abgeschrie-
ben. Hr. Lambros überliels mir freundlichst seine Copie dieser
Urkunden, die für mich ein um so grölseres Interesse haben,
als sie die wenig bekannte Geschichte Nordgriechenlands wäh-
rend der Herrschaft des grolsen serbischen Eroberers aufhellen;
einzelne derselben werfen namentlich auf die Zustände Akarna-
niens und Aetoliens ganz neues Licht. Auch eine Original-
urkunde aus der angiovinischen Kanzlei fand ich bei Hrn Lam-
bros, Verleihung von Privilegien an den griechischen Clerus auf
Korfü durch die Königin Johanna Il.; sie fehlt in den Registri
des neapolitanischen Archivs. Auch verschiedene einst der Sy-
nagoge in Korfü gehörige Bände sind in Hrn Lambros Besitz
gelangt, so die Privilegien der ursprünglich cretensischen Fa-
milie Mavrogonato, deren Ahnherr, der Jude David, 1463 dem
Rathe der Zehn die Verschwörung des Joannes Gavala (ent-
hauptet den 19. November 1463) entdeckte und dafür reich-
lichen Lohn empfing. Diese Privilegien wurden bis ins 17.
Jahrhundert hinein fortwährend erneuert und erweitert und sind
dadurch besonders interessant, dafs wir in ihnen recht gute .
Notizen über die Register der Archive Kandia’s finden. So er-
wähnen sie z. B. die A4cza, Memoriali, Libri receptarum und
Libri extraordinarii der herzoglichen Kanzlei, die Zidri .dellx
provedaria, die Terminazioni, Particolari, Proclami, Mandati und
Diversi del generalato di Candia, die Letiere della segretaria,
die Registri messarum, die Atti der Rettoren von Kanea und
der Kanzlei von Rethimo und viele „auzientica in membrana et
bambasina”, die leider noch immer unzugänglich sind, da sie
noch unausgepackt in den untern Räumen des grolsen Archives
zu Venedig modern, während das Notariatsarchiv der Insel längst
aufgestellt ist. Vielleicht liefse sich die Kaiserlich Österreichi-
sche Regierung doch endlich bewegen, diese für mittelalterliche
Geschichte so wichtigen Schätze öffnen und ordnen zu lassen;
ich selbst hegte schon längst den Wunsch, dals es mir ver-
[1864.] 18
218 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
gönnt würde, dieselben zu ordnen und zugleich auszubeuten;
doch war bei Gelegenheit meines frühern Aufenthaltes in Ve-
nedig noch keine Hoffnung dazu vorhanden. — In Athen habe
ich ferner die Handschriften des Hrn Pittakis, denen der ver-
storbene Fallmerayer eine so hohe Bedeutung beilegt, geprüft,
so die Chronik von Athen von einem gewissen Antonios (nicht
Anthimos, wie dort radırt ist); sie ist eine für das Mittelalter
ganz werthlose Compilation aus Farelli’s Azene Attica und 1814
geschrieben; ich copirte nur das Verzeichnifs der türkischen
Woywoden Athens von 1754— 1800, das noch ungedruckt ist;
von den Notizen über die Herzogsgeschichte hatte ich bereits
vor Jahren eine Abschrift durch meinen Freund Konst. Xan-
thopulos erhalten. Vier Papierblätter aus dem Kloster der Anar-
gyroi, von Fallmerayer besonders stark benutzt und sehr feh-
lerhaft nebst andern „Urkunden” in der ’Ebyuegts Aoy,aoAoyızy
abgedruckt, sind von ganz neuem Datum, von der Hand eines
noch Lebenden geschrieben; ich werde mich später über sie
ausführlicher auslassen, indem sie beweisen, dafs die Sucht zu
Fälschungen in Griechenland keine vereinzelte Erscheinung ist.
— Endlich habe ich noch durch Hrn Professor Paulos Kalligas
eine sehr genaue Abschrift des früher in Zante befindlichen,
hernach in den Besitz des Kaiserlich Französischen Gesandten
zu Athen, Hrn Bourde, gelangten Argyrobulls des letzten Pa-
laeologen-Kaisers erhalten, in welchem derselbe, damals noch
Despot von Morea, im Februar 1444 dem Demetrios Mamonas
Gregoras die diesem durch den Joannes Frankopulos verliehenen
Besitzungen in Morea, das Dorf Prinikon und andere Güter,
bestätigt.
Hamm, 2. Mai 1863.
Mit einem Segelboote gelangte ich glücklich nach kurzer
Fahrt von Syra nach Naxos, dem ehemaligen Sitze der Herzoge
des Archipels, deren Geschichte bisher noch überaus dunkel und
durch die allgemein für ächt gehaltenen Erdichtungen des Je-
suiten Sauger völlig enistellt war. Ich kehrte bei Hrn Cru-
sino Sommaripa, einem Nachkommen der alten Herren von
Andros und Paros, ein und fand bei ihm, wie bei seinem Schwie-
gersohne, Hrn Mavrogeni, die bereitwilligste Unterstützung für
vom 4. April 1864. 219
meine Forschungen. Ein Municipal - Archiv existirt dort nicht;
dagegen hoffte ich mit Recht, in dem Archive des katholischen
Erzbisthums, sowie im Privatbesitze noch manches interessante
Dokument zu finden. Wirklich besitzen verschiedene katholi-
sche Primatengeschlechter — es blühen deren von den ältern,
die bei der katholischen Kirche verblieben sind, noch die Som-
maripa, Grimaldi, Barozzi und Girardı auf Naxos, zu denen in
späterer Zeit noch die la Rocca, die Barone Lastic de Vigou-
roux und die (päpstlichen) Grafen Frangopulo gekommen sind,
während die aus Venedig stammenden Familien Balbi, Basegio
und Cocco das griechische Dogma angenommen haben — noch
einzelne interessante Papiere; da die Mehrzahl der Familien
jedoch völlig verarmt ist, sind sie darauf bedacht, dieselben
möglichst theuer zu verkaufen, und so wurden mir z. B. für
6 Urkunden 30 Drachmen, für ein ziemlich seltenes gedrucktes
Werk 200 und für eine Abschrift der von einem deutschen
Jesuiten, Ignaz Lichtle, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
abgefalsten Chronik von Naxos gar 300 Drachmen abgefordert.
Ich erwarb jedoch nichts von diesen Schriften, sondern machte
nur Auszüge aus jenen 6 Urkunden und erhielt dann von Hrn
Baron Lastic eine freilich unvollständige Copie der Lichtleschen
Chronik, die aber doch insofern meinen Wünschen entsprach,
als der ganze das Mittelalter betreffende Theil darin unverkürzt
enthalten ist. Diese Chronik, bei deren Zusammenstellung der
Verfasser das Werk Sauger’s nicht benutzen konnte, behandelt
hauptsächlich die alte Geschichte, die Geographie und Statistik
der Insel; doch enthält sie auch eine gedrängte Geschichte des
mittelalterlichen Herzogthums und Verzeichnisse der Herzoge
und Erzbischöfe (letztere erst seit 1520). Unter den jetzt
lebenden Primaten von Naxos haben zwei, die Hrn Jacopo Gri-
maldi und Crusino Girardi, diese Chronik fortgesetzt und er-
gänzt, und ward es mir vergönnt, ihre Handschriften für meine
Arbeit durchzusehen. Hr. Girardi bat namentlich für die neuere
Zeit (seit Ende des 17. Jahrhunderts) manche interessante Zu-
sätze; daneben fand ich verschiedene Urkunden von 1575—1750,
Acten der Gozzadini von Siphnos, päpstliche Breven für die Erz-
bischöfe von Naxos und einen Theilungsvertrag zwischen Marco
18*
220 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Sommaripa, „Sohn des erlauchten Herrn Francesco, Herrn von
Andros”, und seinen Neffen vom Jahre 1617. Die Papiere des
Hrn Grimaldi enthielten u. a. ein vollständiges Verzeichnifs der
lateinischen Geschlechter, von dem sich in Lichtles Chronik nur
ein magerer Auszug befindet, einen Katalog der vornehmsten
Grundbesitzer mit Angabe ihrer Güter und ihres Beitrags zum
Karag’ von 1670, der namentlich für die Topographie von Na-
xos sehr wichtig ist, die Privilegien des Jesuiten- Ordens und
den Stammbaum der Grimaldi, welche aus ihrer Heimath Genua
zuerst nach Lesbos zu ihren Verwandten, den Gattilusj, deren
Minister lange ein auch aus Inschriften bekannter Sprols des
Geschlechts, Oberto, war, dann 1462 nach Chios und von da
endlich nach Naxos übersiedelten. Gewissermalsen ergänzen sich
diese Nachrichten durch andere, die ich auf einem Blaite im
Kapuzinerkloster fand und die, 1700 von dem Mönche Polycarpe
de Boville zusammengestellt, namentlich die Geschichte dieses
Klosters betreffen. Im Archipel, wenigstens unter den lateini-
schen Notabeln, ist die Neuzeit noch gar nicht eingetreten;
alle Welt lebt noch von den Reminiscenzen aus der feudalen
Herzogszeit, und so ist der Historiker gezwungen, indem er
hier ein ganzes lebendes Stück Mittelalter vor Augen hat, auch
die innere Geschichte der Insel und ihrer Geschlechter in den
Kreis seiner Forschungen zu ziehen. Dieser Gedanke leitete
mich namentlich, als ich das Archiv des lateinischen Erzbisthums
durchforschte. Der Erzbischof, Monsignore Cuculla, ein alter,
jovialer Herr, wunderte sich freilich sehr darüber, dals ein Frem-
der sich mit der Geschichte seiner Insel beschäftigen könne;
was er darüber gelesen und kenne, seien lauter Fabeln — und
so Unrecht mochte er nicht haben, wenn er dabei an Sauger’s
ihm vielleicht bekanntes Machwerk dachte. Auch die griechi-
sche Bevölkerung der unteren Stadt schien kaum begreifen zu
können, was ein Teguaves oder Ipwssos auf ihrer Insel zu su-
chen habe; in den ersten Tagen meines längeren Aufenthaltes
daselbst lief ich überall Gefahr, für einen Emissär der gestürz-
ten Dynastie gehalten zu werden, so dals sogar mein Hauswirth
sich bei dem Unterpräfekten für meine friedlichen Absichten
verbürgen mulste. Intelligenter waren der Coadjutor des Erz-
bischofs, Monsignore Bergeretti, bisher Bischof von Santorini,
vom 4. April 1864. 221
und der erzbischöfliche Kanzler, Hr. Canonicus Barozzi; letzte-
rer unterstützte mich auf jede Weise bei meinen archivalischen
Forschungen und fand für mich manche interessante Urkunde
auf, leider keine einzige aus der Herzogszeit, doch dafür viele
vom Anfang des 17. Jahrhunderts an. Dann zog ich sämmtliche
noch vorhandene Kirchenbücher, die gröfstentheils bei dem la-
teinischen Pfarrer aufbewahrt und bald in lateinischer, bald ın
italienischer, französischer und griechischer Sprache geschrieben
sind, sorgfältig aus, da allein mit ibrer Hülfe sich die zerstreu-
ten Nachrichten aus anderen Urkunden über die Primatenge-
schlechter ordnen lassen; doch hatte ich noch kein Mulse, diese
Auszüge ordentlich zusammenzustellen. — Unter den Privat-
leuten besals der verstorbene Kanzler Konstantinos Kokkos frü-
her manches interessante Dokument, das Hr. Professor Curtius
bei seinem früheren Aufenthalt auf Naxos abgeschrieben hatte;
seine Copien, die er mir mittheilt, sind für mich um so werth-
voller, als jene Papiere jetzt völlig verschwunden sind, und der
Sohn des Kanzlers mir nur einen Siegelabdruck (Petschaft des
Jacopo Cocco) und das Dociordiplom für Francesco Cocco von
1601 mittheilen konnte; eine Copie des Phrantzes, die er gleich-
falls besals, war erst in diesem Jahrhundert nach der Ausgabe
von Alter angefertigt worden.— Von den Papieren der Coronello,
der letzten Erben der Herzoge von Naxos, behaupteten die beiden
Lokalchronisten mit Bestimmtheit, dieselben seien von dem ver-
storbenen Saverio Coronello dem Fürsten Pückler- Muskau ge-
schenkt oder verkauft worden; doch erwies sich diese Angabe,
der ich gleich von Anfang wenig Glauben beimals, später als
ein Irrthum. Ich suchte nämlich auf dem Rückwege in Athen
den jungen Antonio Coronello auf, der gegenwärtig Offizier ist
und sich noch lebhaft des Besuches der Hrn Curtius und Gei-
bel in seinem elterlichen Hause erinnert, und erfuhr von ihm,
dals man absichtlich jenes Gerücht verbreitet habe, weil nach
dem Tode seiner Mutter, der letzten vom alten Herzogshause
der Crispi, ein gewisser Crispo als nächster Erbe der Herzoge
diese Papiere gefordert habe, welcher Crispo übrigens in gar
keiner Beziehung zu diesem alten Geschlechte stehe, sondern
von höchst unedler Abkunft, Enkel eines Hofnarren der Wa-
lachischen Fürsten, Namens Griffo, sei und später so seinen
222 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Namen umgewandelt habe — eine Behauptung, die sich hernach
als vollkommen wahr bestätigte. Hr. Coronello besitzt noch
sämmtliche Familienpapiere, so wie sie Hr. Professor Curtius
sah und auszog, die zwei Stammbäume der Crispi, die ich genau
collationirt und, da Hr. Curtius sie nur theilweise abgeschrieben
hatte, auch fortsetzte, sowie die Originalurkunde von 15. Juli
1577, welche die Belehnung des Francesco Coronello durch den
jüdischen Inselherzog Josef Nasi enthält. Da Hr. Curtius nur
Anfang und Ende derselben, also einzig die Kanzleiformeln, ab-
geschrieben und in seiner Abhandlung über Naxos abgedruckt
hat, habe ich dieselbe jetzt vollständig copirt und auch den In-
halt für des Abdruckes nicht unwerth erachtet. — Auf Naxos
selbst besitzt die schönste Sammlung mittelalterlicher Urkunden
Hr. Giorgio Sommaripa; es sind die Papiere, auf die allein Sau-
ger das wenige Wahre, was sich in seinem Buche befindet,
basirt hat; mir wurde gestattet, von allen Abschriften zu neh-
men. Zunächst finden sich zwei sehr vollständige Stammbäume
der Herzoge von Naxos und ihrer Verwandten und des Hauses
Sommaripa, mit ausführlichen Anmerkungen begleitet, vor; es
sind die exactesten, die ich kenne, und sie enthalten noch
manche mir bisher unbekannte Namen; von ersterem fand ich
auch noch eine Abschrift beim Hrn Dr. Damiralis vor (letzterer
theilte mir aufserdem seine vollständige Copie der Lichtleschen
Chronik freundlichst zur Benutzung mit), von dem der Som-
maripa gleichfalls eine neuere Abschrift bei Hrn Francesco Som-
maripa. Unter den Original- Urkunden befinden sich verschie-
dene Patente Ludwigs XIV. für einen Sommaripa, dann drei
lange türkische Fermane für die ehemaligen Herrscher von An-
dros, die ich jedoch leider unberücksichtigt lassen mufste, dann
aber zwei Diplome des Herzogs Giovan Galeazzo von Mailand
vom 27. und 28. Juni 1401 für Gasparo Sommaripa, Herrn von
Paros und Antiparos, eine Entscheidung des Bailos von Negro-
ponte, Maffeo Donato, vom 21. August 1433, wodurch Cru-
sino I. Sommaripa in den Besitz eines Drittels von Euboea
eingesetzt wird, sowie eine Procelsverhandlung über die Güter
des Andrea Longo vor dem Bastard Jacopo Crispo, der, wie zu-
erst aus diesem Acte hervorgeht, nach der Ermordung des Her-
zogs Giovanni III. so lange den Archipel verwaltete, bis Ve-
vom 4. April 1864. 223
nedig ihn besetzte. Ferner besitzt Hr. Giorgio Sommaripa
das Petschaft des „Curssinus (IIT.) Sumarippa d(ominus) Andri”,
von dem ich mehrere Abdrücke nahm, Waffen aus der Her-
zogszeit und andere interessante Reliquien. — Wie die Be-
wohner, hat auch das sogenannte Schlofs von Naxos, d. h. die
obere, fast ausschliefslich von Lateinern bewohnte Stadt, einen
durchaus mittelalterlichen Anstrich. Der Herzogspalast selbst
liegt in Trümmern, auch die zu Hrn Curtius Zeit von dem
alten Coronello bewohnte Kanzlei ist nur noch eine Ruine;
allein noch steht einer von den vielen Thürmen, die einst das
Castell schützten, und überall, an den Thüren und Fenstern
der Häuser, findet man die Wappen der ehemaligen Herzoge,
ihrer Verwandten und Vasallen, der Sommaripa, Basegio, Ba-
rozzi, Coronello und aller andern Primatenfamilien, u. a. ein
Wappen des letzten Herzogs Jacopo IV. mit der Jahreszahl
4564 und ein anderes des M(arco) C(rispo) mit dem Datum
4556. Wunderlich haben in der untern Stadt manche Familien
mit den alten Wappen geschaltet; da befindet sich z. B. ein
barbarischer Löwe von S. Marco, den ein von den ionischen
Inseln im vorigen Jahrhundert eingewanderter Grieche Manesi
mitgebracht und an seinem Hause nahe dem Strande einge-
mauert hat; ein Hr. Jacopo Basegio baut sich ein neues Haus,
kauft als Zierde dafür ein altes Wappen mit dem Datum 1499
und zwei Engeln als Schildhaltern, läfst dann das frühere Wap-
penbild (angeblich das der Crispi) austilgen und setzt dafür
seinen Namen in den leeren Schild hinein! Solche Umwande-
lungen könnten leicht einmal zu historischen Fehlern verlocken;
sie beweisen aber wiederum, wie sehr noch diesen Geschlech-
tern der feudale Sinn inwohnt. An der Kirche des Propheten
Elias fand ich das Wappen der Crispi mit dem der Palaeologen
gepaart; wahrscheinlich ward sie von der Herzogin Ginevra
Gattilusio gestiftet, deren Geschlecht zugleich mit der Insel
Lesbos das Recht erhielt, das Wappen der byzantinischen Kai-
serdynastie zu führen. An den Portalen der lateinischen Ka-
thedrale sieht man die Wappen der Sanudi und Crispi, drinnen
eine Inschrift über die Eiuweihung der Kirche unter dem ersten
Sanudo, auf dem Fufsboden zahlreiche Leichensteine der Base-
gio, Giustiniani, Grimaldi, Sforza-Castri, Barozzi, Crispi, Som-
224 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
maripa, Dambi; im Kapuzinerkloster Inschriften der Castro, Co-
ronello, Loredani; vor der griechischen Metropole Steine der
Grimani, Scleri, Priuli, Sanudi und dalle Carceri; allein von
dem Sarge des dritten Herzogs Marco II. Sanudo, der zu Hrn
Curtius Zeiten aufgefunden sein soll, wulste mir Niemand Kunde
zu geben, und nirgendwo fand ich eine auf diesen Herzog be-
zügliche Inschrift, so dafs entweder Hrn Curtius Angabe auf
einem Irrthume beruhen mufs — ich fand den Grabstein eines
Michele Sanudo von 1630 —, oder der Stein an irgend einen
reisenden Engländer verkauft sein wird. Höchst interessant war
mir die verfallene Kirche S. Antonio am Hafen; sie gehörte
der Rhodiser-Commende Naxos, deren Stiftungsurkunde ich auf
Malta gefunden; an den Pfeilern sieht man noch die Wappen
der Crispi und das Ordenskreuz, in einer Nische einen Grab-
stein mit der verwischten Aufschrift „Sepulerum nobilis”, der
sich durch das darauf befindliche Wappen als der des Marco
Crispo, jüngern Sprosses der Herzoge und ÖOrdenscomthurs,
ausweist.
Gern hätte ich von Naxos aus noch Santorini besucht;
allein in dieser Jahreszeit war es unmöglich, eine Gelegenheit
dahin zu finden, und so mufste ich mich damit begnügen, mich
mit den Hrn de Cigala und de Lenda in Correspondenz zu
setzen und dieselben, die mit der Geschichte ihrer Insel voll-
ständig vertraut sind, zu bitten, das für mich Interessante ab-
zuschreiben und an Hrn Consul von Hahn einzusenden; ich
hoffe, demnächst ihre Mittheilungen über Berlin zu erhalten.
Auf Paros fanden sich einzelne mittelalterliche Wappen, so das
der Girardi im Hafen Nausa; Hr. Mavrogeni, der von dort
stammt, besitzt noch eine Anzahl Parischer Urkunden, die er
gegenwärtig in Galacz, seinem bisherigen Aufenthaltsorte, auf-
bewahrt, mir aber demnächst gleichfalls zusenden wird. Von
Paros kehrte ich zurück nach Syra; dort sollte sich im Jesui-
tenkloster eine sehr interessante handschriftliche Relation über
den Archipel befinden, von der auch eine Abschrift im Fran-
ziskanerkloster auf Tinos sei; doch erwies sich mir dieselbe als
das zwar seltene, mir jedoch lange im Drucke bekannte Werk
des päpstlichen Visitators Sebastiani. Nachdem ich in Hermu-
polis noch etliche Tage verweilt, kehrie ich nach Athen zurück,
vom 4. April 1864. 225
vollendete dort meine Arbeiten, widmete einige Tage den dor-
tigen Alterthümern und begab mich durch den Saronischen
Meerbusen, über den Isthmns und durch den Golf von Korinth,
vorbei bei Salona, Vostitza, Lepanto und Patras, wiederum nach
Zante, um dort gleichfalls meine Forschungen zu beschliefsen.
Die berühmte, bereits von Remondini und Buchon citirte ’Ave-
ygacbrn der auf Kephalonia gelegenen Güter des lateinischen Bis-
thums habe ich schon früher erwähnt, sowie dafs ich zuerst sie
in dem mir freundlichst von Monsignore Serra’ geöffneten Ar-
chive der katholischen Kirche S. Marco abgeschrieben
habe. Sie datirt vom 12. Juli 1264 aus der Zeit des Bischofs
Heinrich und des Grafen Richard von Zante, der in der im
Castell S. Giorgio ausgestellten, von ihm eigenhändig unter-
schriebenen und besiegelien Acte als „s UnlrAdroros zar zugw-
zuros Kovrns "Peziapdos 6 Fol marariou zur alSevryg Kedaryvies,
YazivSov zar ISc#ys” bezeichnet wird. Schon dieser Titel ist
interessant, weil er die bisher unentschiedene Frage, wem Ithaka
im 13. Jahrhundert gehört habe, löst; dann aber finden sich über
die Dynastie, welcher Graf Richard angehörte, manche inter-
essante Andeutungen. Der Name des ersten Herrn der Inseln
Zante und Kephalonia, des berühmten sicilianischen Admirals
Margaritone von Brindisi (700 Masyagyrod) begegnet uns wie-
derholt; mit ihm scheint eine sicilianische Colonie herüberge-
wandert zu sein, wie die wiederholt vorkommenden Vornamen
Roger, Karl, Orlando und der Beiname ö Byovryaunvös bezeugen.
Margaritone’s Nachfolger und Richard’s Vater, der Pfalzgraf
Matteo Orsini, wird in der ’Av@ygady nicht erwähnt, dagegen
ein Kovrs Ozodwgos, den ich für einen Bruder Richard’s halten
möchte; Matteo war Vasall des Hohenstaufers Friedrich’s II.
und kaiserlicher Pfalzgraf; er besals die Inseln nicht, wie man
bisher annahm, in Folge des vierten Kreuzzugs, sondern bereits
seit 1197 als sicilianischer Vasall. Aulser diesen Namen der
Inseldynasten begegnen uns manche andere höchst interessante
Namen von theilweise noch auf Kephalonia blühenden Familien,
z. B. der Metaxä, Anino u. s. f.; andere weisen auf slavische
(z. B. 6 oMaßos, eraßos; 6 IAußorepyns, y eINaorerge),
wlachische (6 PAaxos) und orientalische (z. B. xög "Iraßegns
6 "Apraßcröys) Colonisten hin. Auch die Endung -zouAos,
226 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
welche angeblich sich erst seit Einwanderung von Moreoten im
15. Jahrhundert auf den ionischen Inseln eingebürgert haben
soll, begegnet uns schon hier; z. B. Haraomavomouros, ci Me-
mareEomovro: u. s. w. Für die Topographie von Kephalonia,
dessen neuester Historiker Hr. Zervos diese Urkunde nicht be-
nutzt hat, ist diese "Avaygaby unschätzbar; sie erwähnt u. a.
auch die &yı “Iegovsaryu, den vielbestrittenen Sterbeort Robert
Guiscards. Aulser dieser Rolle besitzt das Archiv von S. Marco
noch eine Anzahl griechischer, lateinischer und italienischer Ur-
kunden aus der Zeit des Despotengeschlechtes der Tocco und
der mit ihnen verwandten Erbstatthalter von Zante aus der Fa-
milie Ariano, so z. B. Auszüge aus den von der Fürstin Fran-
cesca und ihrem Neffen, dem Despoten Carlo Il., verliehenen
Privilegien des Jacopo da Ariano, ein fast unleserliches, doch endlich
von mir entziffertes Diplom des Francesco da Ariano für die Gio-
vanna, Wittwe des Nuccio Siguro, allem Anscheine nach eine natür-
liche Tochter Carlo’s I., ein Breve Pius II. über das Canonicat der
Sti. Anargyri auf Kephalonia, ein Edict des Jacopo Marcello, Pro-
veditors von Morea, über die nach Zante eingewanderten Mo-
reoten, zahlreiche Schenkungen und Privilegien des Despoten
Leonardo III. zu Gunsten der lateinischen Kirche und ihres Bi-
schofs, Giovan Antonio Scardanelli, Verleihungen des letztern
und seiner Nachfolger für die Familien da Farana und Laskaris,
einen Erlals des Kämmerers Ambrogio Monauli für den Prin-
zen Carlo (Ill.) und ebenso viele Dokumente aus der ersten
Zeit der venetianischen Herrschaft, die ich sämmtlich (sowie
ein handschrifiliches Verzeichnils der Bischöfe und der katholi-
schen Geschlechter) genau abschrieb. Auch den Stammbaum
der alten genuesischen Familie Serra, die aus Chios nach Zante
einwanderte, erhielt ich durch die Güte des Hrn Generalvicars
zur Abschrift mitgetheilt. — Die griechische Kirche auf
Zante besitzt eine einzige mittelalterliche Urkunde, deren An-
fang von Hrn Chiotis in seiner neuesten Geschichte der Insel
mitgetheilt ist; derselbe ist jedoch ziemlich nichtssagend; von
den Urkunden der lateinischen Kirche ist ebenfalls in seinem
Buche nur ein kurzes Fragment der ’Avaygaıpy gedruckt wor-
den. Jene, in griechischer und italienischer Sprache abgefalst,
befindet sich in dem Codex der zerstörten Kirche ro0 Heoögerov,
die innerhalb der Ringmauer des Castells Kopsidato lag; auf
vom 4. April 1864. 227
einen Befehl des Despoten Leonardo III. folgt eine Verfügung
des Kämmerers Monauli vom 26. März 1478, durch welche die
Güter der Donna Cleopa, einer Verwandten der Tocco, den
Kirchen roü Hgoögouov (Johannes des Täufers) und S. Nicolö
überwiesen worden. Eine Copie dieser für die Topographie
sehr wichtigen Acte verdanke ich einem jungen Nobile der In-
sel, Hrn Nicolö Martelao, der mir aulserdem die Genealogien
seiner Familie, der Zangiacomo und Nomicö, sowie manche an-
dere Familienpapiere, unter andern verschiedene ungedruckte
patriotische Predigten seines Oheims, des Dichters Antonio Mar-
telao, schenkte. — Das Municipal-Archiv enthält leider
keine Original- Urkunden der Tocco, da seine Acten, die ich
genau durchsah, erst mit dem Jahre 1485 beginnen. Der erste
Band der darin aufbewahrten Ordini enthält eine Copie des
Friedensvertrages zwischen Venedig und Sultan Selim I. von
4517; ich kannte ihn bereits aus den 1854 in Venedig durch-
gearbeiteten Commemoriali,; um so interessanter und werthvoller
waren mir dagegen einige freilich schlechte Copien von Privi-
legien der Familie Pelegano aus Trani, die sich in den Ordini
von 1583— 1794 befinden, zunächst ein Act des Leonardo II.
Tocco, apanagirten Herrn von Zante, von 1405, durch welchen
er den Francesco Pelegano die dessen Vater Nicolö von seinem
Vater Leonardo I. verliehenen Besitzungen bestätigt, dann zwei
Diplome Leonardo’s III. von 1459 und 1479 für einen andern
Francesco Pelegano und dessen Sohn Giovanni, denen die frü-
heren Güter bestätigt und mit neuen vermehrt werden, und
endlich verschiedene Erlasse der venetianischen Statthalter (vom
13. Juni 1485 an) für dasselbe Geschlecht und seine Erben,
die Grafen Mandricardi. — Aufser diesen in öffentlichen Ar-
chiven aufbewahrten Urkunden fand ich zahlreiche andere Do-
kumente im Besitze von Privatleuten. Der alte Hr. Barbiani
schrieb mir das Stück der ihm gehörigen handschriftlichen Ge-
schichte Zantes von Nicold Serra ab, welches die Zeit der Tocco
behandelt und manche Zusätze zu Remondinis Schrift bietet;
ebenso copirte er mir seinen Stammbaum, der mit Ricciardo
Barbiani, einen Sprossen des jetzt noch blühenden Hauses der
Fürsten Belgiojoso, Gouverneur und Grofsconnetable von Zante
1483 beginnt. Andere Stammbäume erhielt ich von der aus
228 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Cypern 1571 eingewanderten Familie de Rossi und dem Hrn
Grafen Costantino Macri, Besitzer der unweit von Zante
gelegenen kleinen Insel Marathonisi; sein Geschlecht beginnt
mit dem Protospatharius Joannes 1486. Hr. Präsident Giulio
Tipaldo theilte mir seine Copie der Geschichte Kephalonias
von Loverdo mit, die namentlich für die venetianische Zeit sehr
interessant ist; bei Hrn Chiotis fand ich aulser andern Hand-
schriften die Szoria di Zante von Curzola, ferner die Verfügun-
gen der venetianischen Syndici für Morea von 1690 — 1704,
eine Abschrift des goldenen Buches von Zante, in das auch die
erloschenen Geschlechter der Insel eingetragen sind, sowie Aus-
züge aus einem zu Turin in der königlichen Privatbibliothek
aufbewahrten griechischen Gedichte, welches das Leben des Al-
banesen Mercurio Bua behandelt, zugleich aber auch sehr inter-
essante Nachrichten über Mercurio’s Ahnen, die mittelalterlichen
Herren von Angelokastron und deren Kämpfe mit den Tocco
enthält. Hr. Chiotis hat ın einem kleinen Schriftchen eine
ziemlich ausführliche Analyse dieses Gedichtes geliefert; mir
verstattete er, den ganzen für mich interessanten Theil aus sei-
nen Papieren abzuschreiben. Endlich fand ich bei ihm eine
Copie der Familienpapiere des Hauses Vlastos, über die ich
hernach Einiges bemerken werde, sowie verschiedene Privilegien
der Familie Logothety und ihrer Verwandten, so die Bestä-
tigung der vom Despoten Leonardo III. der Kirche Sta Maria
de Argassi verliehenen Freiheiten, durch Venedig 1510 für den
Patron der Kirche Stefano Logothety ausgefertigt, und auch ein
Diplom Kaiser Karl’s V. (vom 13. Juli 1533) für Nicold Manora
aus Korone, den er zum Ritter und Statthalter von Zarnata er-
nennt. Hr. Dr. Pojago, der ebenso freundliche, als gelehrte
Herausgeber der bei uns höchst seltenen „Leggi municipali delle
isole Ionie”, stellte mir gleichfalls seine ganzen Sammlungen zur
Disposition. Ich fand darin ein sehr vollständiges, mit vor-
trefflichen Noten begleitetes Verzeichnils der Erzbischöfe von
Korfü von 1359 an, noch exacter, als das früher von mir in
Brescia entdeckte; diese urkundlich belegten Kataloge sind um
so schätzbarer, als der gegenwärtige katholische Erzbischof von
Korfü durchaus nicht von der Liberalität, welche Hrn Monsignore
Serra auszeichnet, beseelt ist, sondern seine Archive gegen jeden
vom 4. April 1864. 229
Forscher unerbittlich verschlielst. Hr. Dr. Pojago besitzt aulser-
dem noch das Siegel des Erzbischofs Giovannı Balbi, sowie
verschiedene Angiovinische Urkunden in Copien, z. B. einen
Auszug aus der Stiftungsacte des Erzbisthums durch Philipp I.
von Tarent von 1317 und eine von Philipp II. 1371 dem
Mönche Methodius aus Acrida ausgestellte Schenkungsurkunde, in
der u. a. der Erzbischof Castellino Romanopulo, kaiserlicher
Rath, als Zeuge figurirt. — Auf Zante lernte ich endlich auch
Hrn Dr. Caluci aus Cerigo kennen, dessen Vater aus der Erb-
schaft des Hauses Venier einen Theil dieser Insel erworben
hatte; er theilte mir eine Menge alter Familienurkunden nebst
dem vollständigen Stammbaum seines Geschlechtes, sowie eine
reiche Sammlung ungedruckter Municipalgesetze von Cerigo mit,
die ich, da ich meinen zweiten Aufenthalt auf Zante beschrän-
ken mulste, mit seiner gütigen Erlaubnifs mitnahm und hier
durcharbeiten will. Er hat mir noch eine Menge anderer Ur-
kunden aus Cerigo zugesagt, die zum Theile in der kurzen ge-
druckten Geschichte der Insel von Dr. Stai citirt sind; ein sehr
interessantes Dokument von 1765, Verpachtung der Renten von
Cerigo durch den damaligen Hauptbesitzer der Insel, Sebastiano
Venier, an Giorgio Murmuri, fand ich in einer auf Veranlassung
des Senats-Secretärs Hrn Comthurs Braila angefertigten Ab-
schrift auf Korfü vor. Ebenda bewahrt man eine auf Cerigo
gefundene Grabschrift eines gewissen Grafen Paulos, die zu er-
klären man dort vielfache verfehlte Versuche gemacht hat; ich
möchte sie dem Paulos Daemonogiannis zuschreiben, welcher
nach Vertreibung der Venier während des 13. Jahrhunderts län-
gere Zeit die Insel beherrschte und wiederholt in venetianischen
Urkunden genannt wird. Endlich erhielt ich noch auf Zante
durch Hrn Gerasimo Galati aus Ithaka (dessen Geschlecht
dort alleinig zur Führung des Prädikats Zlustrissimo berechtigt
war, während dort kein goldenes Buch existirte) aulser seiner
Genealogie eine von dem Proveditor von Kephalonia 1558 vi-
dimirte und von über 20 seiner Nachfolger bestätigte Urkunde
über die Privilegien, welche die Galati von dem Despoten Leo-
nardo Ill. für ihre auf Ithaka gelegenen Besitzungen erhalten.
Da auf den ehemals an Urkunden so reichen Inseln Kepha-
lonia und Santa Maura keine Archive mehr existiren — die der
230 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
letztern wurden von den Türken, die der erstern nebst allen
Privaturkunden 1798 von den Einwohnern selbst verbrannt —,
kehrte ich von Zante nach Korfü zurück, um dort gleichfalls
meine früher angefangenen Forschungen zu beenden. Nicht
nur erwarb ich diesmal wieder eine Menge seltenster Werke,
z. B. Pojago’s Municipalrechte, Mustoxidi’s unvollendete Ge-
schichte von Korfü, desselben ‘EAryvopvinwv u. s. w., sondern
ich hatte auch Gelegenheit, noch manche andere verschollene
Drucksachen zu benutzen, darunter das goldene Buch der Insel,
dessen älteste Daten freilich erst den letzten Jahrzehnten des
47. Jahrhunderts angehören, verschiedene Schriften Petrizzo-
pulo’s, der in seinen Arbeiten über Santa Maura gar Vieles er-
dichtet und gefälscht hat, zahlreiche Flugschriften und fliegende
Blätter. Namentlich bin ich hier den Hrn Sir Pietro Braila
und Professor Joannes Romanos für die freundliche Unter-
stützung, welche sie mir auf jede Weise gewährten, zum herz-
lichsten Dank verpflichtet; mit letzterem und anderen Freunden
habe ich verschiedene mittelalterliche Denkmäler der Insel be-
sucht, Inschriften copirt und Traditionen aus dem Munde des
Volkes, z. B. über das Dorf Skariä (Scheria), die angebliche
Heimath des Judas Iskarioth, den bereits Schriftsteller des 12.
Jahrhunderts um oder auf Korfü geboren werden lassen, ge-
sammelt. Auch ward es mir durch sie möglich, wenigstens den
gedruckten Nachlals Mustoxidis durchsehen zu können, während
seine handschriftlichen Sammlungen leider noch unzugänglich
sind; doch copirte ich wenigstens aus den niemals abgedruckten
letzten Correcturbogen zu seinen „Cose Corciresi” ein Privileg
der Kaiserin Maria von Konstantinopel (vom 6. März 1365) für
die korfiotische Judenschaft und ein anderes der Königin Jo-
hanna I. von 1375 für den Edlen B£noit de St. Maurice. —
Das Archiv des Municipiums habe ich an der Hand des
sorgfältig gedruckten Inventars gleichfalls fleilsig benutzt und
darin namentlich über die grolsen Baronien, in welche die In-
sel zerfiel, und deren Verhältnisse und Vererbung bisher aus
Marmora und der Relation Grimani’s nur sehr unvollkommen
bekannt waren, die besten Materialien gesammelt. Es liegen
dort verschiedene Inventare der Baronien, Processe über die
Nachfolge in denselben und sämmtliche Belehnungsurkunden bis
vom 4. April 1864. 231
1797. In letzteren befinden sich viele Acten aus dem 14. Jahr-
hundert, die abzuschreiben mir leider die Zeit nicht genügte;
Hr. Romanos aber hat sich sofort erboten, dieselben sorgfältig
nach meiner Angabe zu copieren und mir in meine Heimath zu
senden. Ein Gleiches gilt von dem ältern ungedruckten gol-
denen Buche der Insel, das mit dem Ende des 16. Jahrhunderts
beginnt; ich excerpirte selbst nur einzelne Notizen, z. B. über
die Pendamedi, zu denen der Historiker Arsenio gehörte, die
Venier von Cerigo, die mit der Hälfte von Paxö seit 1513 be-
lehnten Avramı und andere; den Rest wird Hr. Romanos füz
mich abschreiben. Auch drei sehr wichtige Acten über die
Lehen des Hauses St. Ippolito von 1310, 1381 und 1382, von
Mustoxidi citirt, allein nicht abgedruckt, wird Hr. Romanos aus
den Papieren des Hrn Vasilaki, die ich im Übrigen genau
durchsah, und in denen ich treffliche Notizen über die Lehen
der Vitturi und ihrer Erben fand, copiren. Die berühmte,
gleichfalls im städtischen Archive aufbewahrte „Bolla d’oro della
communita di Corfü’” sah ich dagegen nur oberflächlich an, nach-
dem ich mich überzeugt, dals sämmtliche darin enthaltene Stücke
nur Copien aus den mir längst bekannten Registern des vene-
tianischen Senates sind. — Gleichwie auf Zante, beeilten sich
auch auf Korfü die Privatleute, mir ıhre Urkunden mitzutheilen;
Hr. Alexachı gab mir Notizen über die seinem Ahnherrn
Alexios, dem Haupte der Exocastrini, von Johanna I. und
Karl III. (nach seiner falschen Angabe um 1280 und 1300)
verliehenen Privilegien; bei Hrn Cavasila schrieb ich ein An-
giovinisches Diplom von 1373, betreffend die fremden Einwan-
derungen in Korfü ab, das mit dem wohlerhaltenen Siegel des
dortigen Statthalters Simonello Spina de Scala versehen ist;
von Hrn Delvinioti erhielt ich den mit urkundlichen Noten
versehenen Stammbaum der mächtigen, aus Trani stammenden
Adelsfamilie Petrattin, welche vielfach mit den venetianischen
Nobilis verschwägert war, sowie zwei die Familie Altavilla be-
treffende Acten von 1362 und 1364; andere Auszüge aus sei-
nen reichhaltigen Papieren werde ich noch nachträglich durch
Hrn Romanos, der überhaupt sich erboten hat, sämmtliche Pri-
vatsammlungen der Insel in meinem Interesse zu. erforschen,
mitgetheilt erhalten. Sehr wichtig für mich waren ferner die
232 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Handschriften des Hrn Barons Prosalendi; sie handeln von
den verschiedenen Baronien des Hauses Gatti, der Grafen von
Martina, der della Pace und der venetianischen Malipiero, wel-
che die kleinen umliegenden, jetzt im Besitze des Dr. Antonio
Luviselli befindlichen Inseln Vido, Fano, Merlere und andere
besalsen. Hr. Balbi-Scordili gab mir aulser dem Stamm-
baum der Kretensischen Scordili noch die Copie eines von dem
griechischen Statthalter Kreta’s 1182 dem Konstantinos Skordi-
lis und seinen Verwandten verliehenen Privilegs, welches wohl
derselben Sammlung angehört, aus der die auf Zante abgeschrie-
benen, bisher nur theilweise von den Hrn Chiotis und Bernar-
dos in ihren Werken über Zante und Kandıa publicirten Pa-
piere der Vlastos angehören. Die Originale müssen, falls diese
Dokumente ächt sind, in dem noch in Venedig liegenden Ar-
chive von Kandia existiren, aus dem sie 1453 abgeschrieben
worden sein sollen; wären sie ächt, so würden sie höchst wich-
tig für innere Geschichte des byzantinischen Reiches sein, in-
dem sie die Existenz des Lehnswesens auf Kandia 1182 (die
Insel wird in 12 erbliche Eparchien unter ebenso viele Archon-
tenfamilien vertheilt) beweisen; doch haben diese Gopien für
mich noch manche verdächtige Seite, so dafs erst ein genaueres
Studium derselben die Frage, ob ächt oder unächt, lösen kann.
Von Korfü bin ich endlich über Ancona und Bologna, wo
sich das für den Archipel so wichtige Archiv des Hrn Grafen
Gozzadini, von mir schon früher ausgebeutet, befindet, nach
Mailand und von da über den Splügen in meine Heimath zu-
rückgekehrt, in welcher ich nunmehr den Rest der leihweise
mitgenommenen Dokumente erledigen und demnächst zur Aus-
arbeitung des Geschichtswerkes, dem ich bisher meine For-
schungen gewidmet, schreiten möchte.
Hamm, 2. September 1863.
In Korfu war ich nicht im Stande gewesen, bei meiner
etwas beschränkten Zeit selbst alle für mich wichtigen Doku-
mente abzuschreiben und hatte ich daher Hrn Professor Roma-
nos gebeten, sowohl eine Anzahl von mir verzeichneter Ur-
kunden zu copieren, als auch weiterhin bei Privaten der Insel
nach Schriftstücken, die mich interessiren könnten, zu forschen.
vom 4. April 1864. 233
Ich erhielt bis jetzt von ihm, aufser einigen seltenen Druck-
werken (darunter eine Notiz über den gelehrten Naxioten Fran-
cesco Cocco), Abschriften der im Archive, sowie im Besitze
der Hrn Prosalendi und Vasilachi befindlichen Angiovinischen
Urkunden, sodann Auszüge aus dem alten ım Stadtarchive auf-
bewahrten Zidro d’oro, die namentlich die Baronien der Insel
betreffen, ferner einige interessante Inschriften, Urkunden und
dokumentirte Genealogien aus dem Archive des Grafen Ales-
sandro Marcello, eines der Barone von Corfü, griechische Ac-
tenstücke aus dem 14. Jahrhundert u. s. w. Über eine Anzahl
anderer Baronien der Insel, welche mit der Zeit aus den Hän-
den Corfiotischer Edlen in die venetianischer Patricier über-
gingen, finden sich in Corfü nur sehr ungenügende Nachrichten,
wegen deren Ergänzung ich mich nach Venedig an Hrn Ci-
cogna, den langjährigen treuen Freund meiner Forschungen,
wandte. Derselbe hat mit gewohnter Bereitwilligkeit trotz sei-
nes vorgerückten Alters sofort meinen Wunsch erfüllt und mir
die ausführlichsten Nachrichten über venetianische, auf Corfü
mit Baronien belehnte Geschlechter, die Girardi, Baffo, Bar-
baro, Marcello, Donato, Duodo, Tron und die am Besitze von
Cerigo mitbetheiligten Polani zugesandt. Über Cerigo habe
ich gleichfalls jetzt sehr reiches Material vorliegen. Nachdem
ich die mir von Hrn Caluci zur Benutzung mitgetheilten Mu-
nicipalgesetze der Insel ausgezogen, habe ich neuerdings durch
seine Vermittelung eine andere Sendung aus Cerigo erhalten.
Dieselbe umfalst die ausführlichsten Nachrichten über die Feu-
dalherren (compartecipi) von Cerigo, welche in Gemeinschaft
mit Venedig, anfänglich auch allein, die Insel besalsen. Ich
hatte über dieselben früher bereits in Venedig manches Mate-
terial gesammelt, mich aber bald überzeugt, dafs dasselbe noch
lückenhaft war, indem es nur eines der fünf feudalen Geschlech-
ter, die Venier aus Venedig, betraf; hier fand ich nun alle
diese Lücken durch höchst interessante Actenstücke ausgefüllt
und neben vielfachen Notizen über die Venier aus Venedig aus-
führliche Nachweise über die andern vier mitbesitzenden Fami-
lien, die Venier del borgo, die Venier Cogiaco, die Polani und
deren Nachfolger, die Ricardi, welche in Gemeinschaft den grö-
[1364.] 19 _-GAN In
234 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
fseren Theil von Cerigo bis 1797 besalsen. — Auch wegen der
auf der Insel Santorin, die ich leider nicht besuchen konnte,
aufbewahrten Dokumente hat mich meine Hoffnung, dieselben
von dorther mitgetheilt zu erbalten, nicht getäuscht. Dort
blüht noch eine Anzahl italienischer Geschlechter, zum Theile
in grolsem Wohlstande, während die Katholiken auf Naxos meist
verarmt sind. Ihre Familienpapiere sind in dem dortigen bischöf-
lichen Archive niedergelegt worden, und obwohl letzteres im
46. Jahrhundert durch ein Erdbeben, im 17. durch eine Feuers-
brunst gelitten hat, und auch im Anfange dieses Jahrhunderts,
als der bischöfliche Sitz von dem alten Castell Skauros nach
der heutigen Stadt Thera verlegt wurde, manche Papiere ab-
handen gekommen sind, ist dieses Archiv doch weit reicher und
vollständiger, als das von mir untersuchte erzbischöfliche Archiv
auf Naxos. Früher freilich war dasselbe ziemlich vernachlässigt;
der Abb& Pegues, der ein dickes Buch über Santorin geschrie-
ben, hat dasselbe gar nicht benutzt, und erst der gegenwärtige
Pfarrer, Hr. Murat, hat angefangen, die Dokumente zu sichten,
zu classihieiren und abzuschreiben. Freilich wird diese Arbeit
erst in einigen Jahren vollendet sein; allein ich habe die Ge-
wifsheit, dafs Alles, was sich dort für mich noch vorfinden
sollte, mir regelmälsig zugehen wird. Was sich bis jetzt dar-
aus zusammenstellen liels, habe ich bereits erhalten. Hr. Gas-
paraki Delenda sandte mir die Nachrichten, welche das dortige
Archiv über seine Familie, eine der angesehensten des Archipel,
sowie über die Familie Sirigo enthält, vollständige dokumen-
tirte Genealogien; der Ahne der Delenda, Francesco, war Bailo
des Herzogthums Naxos 1445, der der Sirigo, Giovanni, ver-
mählt mit Fiorenza Crispo aus dem Herzogsgeschlechte des Ar-
chipels, ward 1580 zum Statthalter von Santorin ernannt und
wird in den Papieren des Hauses Gozzadini, welche ich aus
Bologna mitgetheilt erhielt, als Herr der Insel bezeichnet. Um-
fangreicher noch sind die Papiere, welche ich der Güte des
Hrn Giuseppe de Cigalla verdanke. Sie umfassen nicht nur
seine eigene Familiengeschichte (Carlo Antonio ward von Kai-
ser Rudolf lI. in den Grafenstand erhoben; Giovan Andrea
und Battista erhielten 1616 von Kaiser Matthias einen Wap-
penbrief), sondern auch die da Corogna (Dynasten von Sifanto
vom 4. April 1864. 235
seit 1307), die d’Argenta (die Belehnungsurkunde für ihren
Ahnherrn Marino 1445 fand ich in Neapel; sie spielen auch in
der Zurcograecia des Martin Kraus eine Rolle), die erstgenann-
ten Sirigo (z. B. eine Urkunde von 1589 betreffend die Über-
tragung ihres Lehens) und viele andere blühende und erloschene
Geschlechter der Insel.
Auch anders woher sınd mir in letzterer Zeit viele wich-
tige Beiträge zu meinen Forschungen zugegangen, so u. a. ein
ungedruckter Bericht über die Eroberung Konstantinopels durch
die Türken von einem Augenzeugen, dem Genuesen Adamo de
Montaldo, der mir durch die Güte des Hrn Dr. Vermeulen aus
dem Provinzial- Archiv zu Utrecht übersandt ward und um so
werthvoller ist, als er über den Antheil der genuesischen Co-
lonie in Galata am Untergange des Byzantinerreiches sehr un-
zweideutige Nachweise liefert; ferner aus München durch Ver-
mittelung Eines hohen Ministerii eine Anzahl bisher nur un-
vollständig ausgezogener Reisebriefe des Cyriacus von Ancona,
den Archipelagos betreffend; aus Petersburg durch Hrn Akade-
miker Kunik eine Sammlung der bei uns kaum kaum dem Namen
nach bekannten russischen Werke, welche die occidentalische
Herrschaft in Griechenland behandeln, u. s. f.
Die in den Monaten Januar, Februar und März d. J. an
dem Fundort der pränestinischen Fasten im Auftrag der Aka-
demie vorgenommenen Ausgrabungen haben keine neue Bruch-
stücke derselben zu Tage gefördert, dagegen die sehr bestimmte
Angabe Fogginis, dals das halbkreisförmige Gebäude, in dessen
- Nähe sich die Fragmente fanden, dasjenige gewesen sei, an dem
diese Fasten sich ursprünglich befunden haben, das von Sueton
erwähnte Hemicyclium des Verrius Flaccus, als irrig erwiesen
und gezeigt, dals dasselbe vielmehr die Apsis einer etwa dem
sechsten oder siebenten Jahrhundert angehörigen christlichen
Kirche ist. Damit wird wenigstens eine Angabe beseitigt,
die die Topographie des alten Praeneste bisher in die grölste
Verwirrung gebracht hat, indem die Lage jenes Hemicycliums
19*
236 Gesammtsitzung
vor der Stadt mit der Angabe Suetons, dafs dasjenige des
Verrius am Markte gelegen habe, sich in keiner Weise ver-
einigen liels (s. C. 7. L. I. p. 311). Die Überlieferung, dafs
die Ausgrabung im J. 1771 nicht zu Ende geführt worden
sei, fand sich indels bestätigt; es schien darum angemessen,
auch nachdem sich der Irrthum Fogginis über jenes halb-
kreisförmige Mauerwerk herausgestellt hatte, die zu beiden
Seiten der Fogginischen Ausgrabung unberührt gebliebenen
Schuttmassen aufräumen und durchforschen zu lassen. Indefs
hat sich hiebei nichts weiteres gefunden als einige antike Sculp-
turfragmente und Terracotten, so wie verschiedene altchristliche
Inschriften und Bildwerke, über welche Hr. G. B. de Rossi in
seinem Bullettino di archeologia Cristiana demnächst nähere
Nachricht geben wird. — Die Leitung der Ausgrabungen hat
im Auftrag der Akademie zunächst Hr. Prof. Henzen in Rom
und an Ort und Stelle selbst der Correspondent des archäolo-
gischen Instituts Hr. Cicerchia geführt, dessen gewissenhafte
und kundige Thätigkeit die verdiente Anerkennung fand. .
14. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. du Bois. Reymond las über die räumliche
Ausbreitung des Schlages der Zitterfische. (Siehe
im nächsten Monatsbericht.)
Hr. Dove las über die optische Eigenschaften
des Carthamin.
Im Bericht 1857 pag. 209 habe ich eine Methode beschrie-
ben durch binoculare Betrachtung den Eindruck eines lebhaften
Farbenglanzes an Substanzen hervorgerufen, welche bei gewöhn-
licher Beleuchtung keine Spur desselben zeigen. Die Methode
besteht darin, dafs man vor das eine Auge ein farbiges Glas
hält, vor das andre ein anders farbiges, und durch beide ein
vom 14. April 1864. 237
Bild betrachtet, in welchem dieselben Farben so neben einande-
gelegt sind, dafs eine in der einen Farbe ausgeführten Figur
auf dem farbigen Grunde der andern ausgeführt ist, wie es
z. B. bei den Bildern der Fall ist, durch welche Wheatstone
die Erscheinung der fatternden Herzen hervorruft. Diels er-
innerte mich daran, dafs schillernde Seidenstoffe, welche man
changeants nennt, weil Kette und Einschuls von verschiedener
Farbe sind, eben so Flügel gewisser Käfer, endlich die von
Haidinger untersuchten dichroitischen Platinverbindungen, be-
sonders die welche im reflectirten Licht lebhaft grün, im durch-
gelassenen tief roth erscheinen, den Eindruck eines Glanzes er-
regen, welcher sich dem des Metalles sehr nähert. Auch wird
ein schon vorhandener Metallglanz durch eine Combination mit
einer andern Farbe wesentlich erhöht, wie sich deutlich zeigt,
wenn man dieselben anlaufen läfst oder mit einer dünnen die
Interferenzfarben hervorrufenden Schicht galvanoplastisch über-
zieht. Hierher gehören ferner die voriheilhaften Veränderungen
des Farbeneindrucks, welche man an frisch gegossenen Statuen
wahrnimmt, nachdem sie längere Zeit der Wirkung der Atmo-
spbäre ausgesetzt sind. Treten diese Veränderungen schnell
hervor, so verlieren sie durch Verdunkelung bald an Schönheit,
und man sieht daraus, dals eben die Farben in einem bestimm-
ten Verhältnifs zusammenwirken müssen, um den vortheilhafte-
sten Eindruck hervorzurufen.
Von dem im Handel als Tellerroth weniger rein vorkom-
menden Carthamin ist bekannt, dafs es auf Tellern eingetrocknet
einen gelblichen Metallglanz und mit der Zeit eine grünliche
Oberfläche erhält. Auf Glasplatten aufgetragener Carthamin
zeigt einen Schimmer von Bronze, welcher aber später ver-
schwindet. Hr. Dr. Stahlschmidt hatte die grolse Güte mir
eine Reihe von Glasplatten zu bereiten, in welchen reines Car-
thamin mit gröfstmöglichster Gleichförmigkeit aufgetragen ist.
Sieht man durch sie hindurch, so erscheint die ganze Platte
tief roih. Betrachtet man die einseitig belegte Glasplatte so
im reflectirten Licht, dafs das Cartbamin die untere Seite bil-
det, so erscheint die Glasplatte gleichförmig grün. Hält man
hingegen die Platte umgekehrt, dals das Tageslicht, welchem
man den Rücken zuwendet, von der Carthaminschicht zurück-
238 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
geschickt wird, so glaubt man eine polirte Messingplatte zu
sehen. Trägt man das Carthamin auf ein blaues, gelbes, rothes
oder grünes Glas, so verschwindet die im ersten Falle gesehene
grüne Reflexionsfarbe, während im zweiten Falle der Metall-
glanz unverändert erscheint. Derselbe entsteht also durch die
Combination des reflectirten grünen Lichtes und aus dem In-
nern zerstreuten rothen.
Das reflectirte grüne Licht erscheint in bedeutender Inten-
sität, wenn man die Platte ın der Lage, wo die Carthamin-
schicht die Unterlage bildet, durch ein Nicolsches oder das von
mir pag. 42 beschriebene polarisirende Prisma betrachtet. Die-
ses wirkt in der Reflexionsebene so, wie ein Nicolsches Prisma
senkrecht auf den Hauptschnitti. Der Grund dieser Vertiefung
der Farbe ist die Fortschaffung des auf der äulsern Oberfläche
des Glases in der Reflexionsebene polarisirten Lichtes. Ist hin-
gegen die Garthaminschicht nach Oben gekehrt, so zieht die
Drehung des Nicols das gelbliche Licht allmählig immer mehr
ins Grün. Durchgelassenes polarisirtes Licht depolarisirt das
Carthamin sehr schwach.
Bei dieser Gelegenheit will ich nachträglich bemerken, dafs
das von mir angegebene polarisirende Prisma vorzugsweise bei
Versuchen mit strahlender Wärme Vortheile darbietet. Ich habe
dasselbe oft der concentrirten Sonnenwärme in der Weise aus-
gesetzt, dals der einfassende Kork anfıng zu brennen, ohne dafs
das Prisma selbst irgend Schaden erlitt. Bei Anwendung Ni-
colscher Prismen ın Sacharimetern leiden dieselben bei starker
Annäherung einer Flamme oft dadurch, dafs die verbindende
Schicht des Canadabalsam blasig wird. Dasselbe gilt bei Un-
tersuchungen über Polarisation der strahlenden Wärme. Als
analysırende Vorrichtung hat das Nicolsche Prisma den Vorzug,
dafs das Object stehen bleibt, während in dem von mir con-
struirten es sich als Spiegelbild dreht. Als polarisirende Vor-
richtung empfiehlt das letztere sich aber durch die Gröfse des
Sehfeldes.. Vor dem Foucaultschen hat es den Vorzug, dals
bei diesem sich leicht in die trennende Zwischenschicht trübende
Feuchtigkeit niederschlägt, während die Oberflächen des von
mir construirten sich stets leicht reinigen lassen.
vom 14. Aprü 1864. 239
Darauf las derselbe über«die optischen Eigenschaf-
ten des Quarzes von Euba.
Es ist bekannt, dals die isochromatischen Curven sowohl
optisch einaxiger als zweiaxiger Krystalle in Zwillingskrystallen
eine verwickeltere Form annehmen. Ich habe im Jahr 1835
bereits gezeigt, dals es Kalkspathzwillinge giebt, welche senk-
recht auf die optische Axe des umschlielsenden geschliffen, im
innersten Ringe vollständig die zu einer 8 geschlungene Lem-
niscatenform zweiaxiger Krystalle zeigen und durch Einschalten
eines Glimmerblattes zwischen zwei genau centrirte das regel-
mälsige Ringsystem einzeln gebende Platten diese Erscheinung
nachgebildei. Es ist klar, dafs, wenn nur so zusammengesetzte
Krystalle für die optische Untersuchung zugänglich wären, der
Nachweis, dals der Kalkspaih einaxig sei, Schwierigkeiten dar-
bieten würde. Die merkwürdige Erscheinung, welche ich (Pogg.
Ann. 35. p. 380) beschrieben habe, dafs die von Nörrenberg
am Gyps und Borax entdeckte Unsymmetrie der Farbenerschei-
nungen in den Ringsystemen der beiden Axen am Diopsid sich
nicht zeigt, ist von Hrn. Ewald darauf zurückgeführt worden,
dals die in ihm gesehenen Ringsysteme wirklich zwei verschie-
denen mit einander verwachsenen Individuen angehören. Dies
ist ein sehr schöner Beleg dafür, dafs durch Zwillingsverwach-
sungen Erscheinungen hervorgerufen werden können, welche
sich nicht in dem Krystallsysteme zeigen, dem der Krystall an-
gehört, sondern denen entsprechen, die das Bezeichnende eines
andern Systems sind. Wie mannigfach, verwickelt aber in ihren
prachtvollen Verschlingungen der Farbencurven doch symme-
trisch die durch Aufeinanderschichtung von Krystallplatten ent-
stehenden Erscheinungen werden können, darüber erstaunte
gewils jeder, welcher die schönen Glimmerpräparate von Nör-
renberg zu sehen Gelegenheit hatte. Dazu kommt noch, dals,
wie ich (Bericht 1861 p. 884) an dem Arragonit nachgewiesen
habe, aufser den Farbencurven, welche zu dem Namen: idiocy-
elophanische Krystalle, Veranlassung gegeben haben, noch andre
Interferenzfarben an der Berührungslläche beider Individuen her-
vortreten, wie sie in dem Nicolschen Prisma an der Grenze des
dunkeln und hellen Raumes sich zeigen. Endlich kann die Ge-
stalt der Farbencurven durch Verbiegung sich modificiren, wie
240 Gesammtsitzung
es z. B. deutlich der Talk zeigt. Öffnet sich unter solchen
Umständen bei einem einaxigen Krystalle das schwarze Kreuz,
so erinnert ein solcher Krystall an die Erscheinungen eines
zweiaxigen mit kleinem Axenwinkel. Diefs macht es wünschens-
werth, in solchen Fällen ein entscheidenderes Prüfungsmittel zu
erhalten, als der Anblick der Curven oder des sie durchschnei-
denden Kreuzes.
Das von mir (Bericht 1860 p. 104) beschriebene Dichroo-
skop giebt ein solches an die Hand. Bei diesem wird die zu
unterscheideede Krystallplatte von zwei senkrecht auf einander
polarisirten verschieden farbigen Lichtmengen durchstrahlt und
dann durch die gewöhnliche analysirende Vorrichtung betrach-
tet. Die polarisirende ist ein Glassatz, von welchem das durch
ein farbiges Glas z. B. ein tief rothes gehende Licht durch
Reflexion polarisirt wird, während von einem dem Glassatz pa-
rallelen Spiegel zurückgesendetes ein anders farbiges z. B. grü-
nes Glas durchdringt und dann durch Brechung senkrecht auf
die Reflexionsebene polarisirt wird. Hier legen sich also nicht
zwei complimentare Ringsysteme einander neutralisirend über
einander, sondern zwei verschieden farbige, eins mit dunklen das
andre mit hellen Kreuz. Das letztere erscheint daher intensiv
gefärbt, die Farbencurven aber überdecken einander vollkommen
regelrecht dem Unterschiede der Wellenlängen entsprechend.
Diels erfolgt, wenn der zu untersuchende Krystall ein wirklich
zweiaxiger. Ist er hingegen es nur scheinbar durch Unregel-
mäfsıgkeiten der Bildung oder eingewachsene Zwillingsindividuen,
so braucht man ıhn nur in der Weite des deutlichen Sehens
im Apparat zu betrachten. Man sieht im ersteren Falle unre-
gelmälsig begrenzte Flecke der einen Farbe auf dem farbigen
Grunde der andern, im zweiten die Gestalt des eingewachsenen
Individuum in ähnlicher Weise scharf begrenzt. Das erste zeigt
sich in dem durch sein gebrochenes Kreuz besonders bekannten
Beryll, das letztere im Arragonit.
Brewster hat zuerst gezeigt, dafs die Ameihyste Gombi-
nationen rechts und links drehender Quarze sind. Ich habe
später dasselbe von den Bergkrystallen mit beiderlei Trapez-
flächen, denen mit abwechselnden matten und glänzenden Stel-
len auf den Pyramidalflächen und den sehr seltnen mit abwech-
vom 14. April 1864. 241
selnden grünen und röthlichen Stellen auf denselben Flächen
nachgewiesen, welche sämmitlich sich von den Amethysten vor-
zugsweise dadurch unterscheiden, dafs die rechts und links dre-
henden Individuen keilartig hinter einander liegen, so dals die
Airyschen Spiralen hier unmittelbar in grölster Schärfe hervor-
treten und in einander wie bei Umkehrung einer Doppelplatte
übergeben. Wie mannigfach diese Abwechselung werden kann,
geht aus einem (Pogg. Ann. 40. p. 607) von mir damals unter-
suchten Krystalle hervor, welcher in einer auf die Achse senk-
recht geschliffenen Platte die Figur zeigte, welche gewisse
Kalkspathzwillinge zeigen, nämlich bei parallelen Nicols acht in
einer Kreisperipherie herumliegende gleich weit von einander
absiehende schwarze Flecke, bei gekreuzten Nicols hingegen
das durch das schwarze Kreuz getheilte Ringsystem, aber in den
vier Quadranten des innern Ringes vier symmetrisch in der
Mitte derselben liegende schwarze Punkte. Zur Hervorbringung
dieser Erscheinung sind, wie leicht ersichtlich, wenigstens fünf
aufeinanderfolgende Individuen nöthig, von denen ein Paar rechts
drehend, ein Paar links drehend sein muls.
In einem (Pogg. Ann. 121. p. 326) erschienen Aufsatz
„über den Quarz von Euba und über optische Zweiaxigkeit
tetragonaler und hexagonaler Krystalle” bezeichnet Hr. Breit-
haupt diesen Quarz als optisch zweiaxig. Hr. G. Rose hatte
Krystalle dieses Fundortes von Hrn. Breithaupt erhalten und
bat mich, dieselben optisch zu untersuchen. Bei der Kleinheit
der Individuen bot diels einige Schwierigkeit dar, aber schon
in einer gewöhnlichen Turmalinzange zeigte sich das Ring-
system des Bergkrystalls mit farbiger Mitte deutlich, aber die ver-
zogene Gestalt der Ringe deutete auf eine zusammengesetzte
Bildung.
Ob ein Bergkrystall einfach oder zusammengesetzt ist, läfst
sich bei gröfseren Platten daraus beurtheilen, dafs man ihn
aus der Weite des deutlichen Sehens in einen Polarisations-
apparat betrachtet. Ist er nämlich einfach, so erscheint die
ganze Platte in der Farbe des Centralfleckes gleichförmig ge-
färbt, ist er hingegen zusammengesetzt, so sind in der sonst
gleichförmig gefärbten Platte, die zusammengesetzten Stellen
farblos oder schwarz, häufig aus Weils in Schwarz wie bei
242 Gesammtsitzung
übereinander gelegten Keilen eines rechts und links drehenden
Individuum übergehend. Bei der Kleinheit der Platten zeigte
sich zwar, dals der Krystall zusammengesetzt war, aber nicht in
welcher Weise. Die Platten wurden daher unter ein Schiek-
sches Mikroskop mit polarisirender Vorrichtung gelegt und hier
erschien besonders die eine Platte genau, wie die gewöhnlichen
Amethyste. Von der Anordnung der Farben wird man sich
eine sehr deutliche Vorstellung auf folgende Art bilden können.
Man denke sich ein gleichseitiges Dreieck mit den von den
Ecken desselben nach seinen Schwerpunkt gezogenen geraden
Linien, dann die Ecken durch den Seiten parallel gezogene
Gerade abgestumpft. Der Umfang stellt die Krystallplatie dar,
in welcher die drei durch den Schwerpunkt gezogene Geraden
gleichförmig aber verschieden gefärbte Räume trennen.
Die von mir untersuchten Krystalle geben also genau die-
selbe Erscheinung, welche die Amethyste zeigen. Dals bei die-
sen, wenn man sie unmittelbar vor der analysirenden Vorrich-
tung vorbeiführt, grade an den Stellen, welche im Mikroskop
als abwechselnd dunkle und helle parallele Gerade sich darstellen,
das Kreuz sich abwechselnd schliefst und zu hyperbolischen
Aesten öffnet, ist eine jedem, welcher Amethyste mehrfach un-
tersucht hat, bekannte Erscheinung.
Unterscheiden sich also die Quarze von Euba von den
übrigen, so könnte es nur durch die Weite der Ringe sein,
welche mir mit einer gleich dicken Platte eines gewöhnlichen
Quarzes verglichen, grölser schien. Aber die mir zur Verfü-
gung stehenden Individuen waren zu einer messenden Unter-
suchung nicht geeignet, welche von denen angestellt werden
kann, welchen dazu geeignetere zur Hand sind. Die Überein-
stimmung mit Amethyst ergab sich besonders an einer Ame-
ihystplatte, welche auch nach dem Urtheile andrer, denen ich
diese Versuche zeigte, fast als identisch bezeichnet werden
mulste.
Bei meiner ersten Arbeit über die Bergkrystalle hatte ich
die Gelegenheit mehrere hundert Platten, welche zu Brillen
verschliffen werden sollten, zu untersuchen. Ich habe in den
seitdem verflossenen 28 Jahren alle mir zugänglichen Bergkry-
stalle, Rauchquarze und Amethyste untersucht und glaube daher
vom 14. April 1864. 243
mit den Modificationen,, welche aus rechts und links drehenden
Theilen zusammengesetzte Quarze zeigen, vertraut zu sein. Für
die behauptete Zweiaxigkeit des Eubaer Quarzes dürfen daher
strengere Beweise verlangt werden, als die bei jedem Amethyst
sich zeigende Öffnung des Kreuzes in oft bläulich erscheinende
Hyperbeln. Hr. Breithaupt führt an, dals Hr. Bergrath
Jenzsch sowohl links drehende, als rechts drehende Individuen
beobachtet habe. Diese müssen also nicht zusammengesetzt sein,
da diefs doch wohl sonst angeführt wäre, indem der Sinn der
Drehung für das vorwaltende Individuum gelten würde. Ob
und wie bei diesen die Zweiaxigkeit ermittelt, ist leider nicht
erwähnt. Es wäre sehr wünschenswerth, dals diefs geschehe,
da hier von einem Öffnen des Kreuzes zu hyperbolischen Ästen
nicht die Rede sein kann.
Hr. W. Peters zeigte das Junge eines Aye-Aye, Chi-
romys madagascariensis, vor, und erläuterte an dem
Schädel desselben das Milchgebils dieser Säuge-
thiergattung.
Durch Hrn. Owen’s trefflliche Monographie über Chiromys
sind viele wichtige neue Punkte bekannt geworden, welche diese
Gattung den Halbaffen nähern, während andererseits zugleich
durch die Bildung der Schneidezähne, welche hiernach nicht,
wie Blainville angegeben hatte, ringsum, sondern nur vorn
mit Schmelz bedeckt sind, eine neue wichtige Übereinstimmung
mit den Nagern nachgewiesen wurde. Von um so grölserer
Wichtigkeit war es daher, das Milchgebils dieser Gattung ken-
nen zu lernen und zu erfahren, ob, wie Blainville wegen des
scharfen Kieferrandes zwischen Back- und Schneidezähnen ver-
muthete, in früherer Zeit hier Zähne vorhanden seien oder nicht.
Zwischen den grofsen Schneidezähnen, wo nach Blainville’s
Vermuthung sich in früherer Zeit noch ein Paar Schneidezähne
finden sollten, sind keine vorhanden, dagegen befindet sich jeder-
seits hinter und etwas entfernt von denselben nahe vor
dem Öberkiefer ein sehr kleiner und hinfälliger Schneidezahn,
und an dem vorderen Ende des Oberkiefers ein etwas stärkerer
244 Gesammtsitzung
aber kürzerer Eckzahn. Weiter hinten befinden sich im Ober-
kiefer zwei Backzähne, von denen der vordere sehr klein und
hinfällig ist, der hintere aber in seiner Form und Gröfse ganz
ähnlich dem falschen Backzahn des ausgewachsenen Thieres er-
scheint. Er bleibt jedoch nicht, wie Hr. Owen vermuthete,
sondern es findet sich über demselben bereits eine Zahnhöhle
mit dem Keim eines neuen Zahns. Im Unterkiefer findet sich
keine Spur von Zähnen, welche dem hinteren oberen Schneide-
zahn und dem Eckzahn entsprechen, dagegen an der linken Seite
zwei den oberen entsprechende Backzähne, während rechts nur
einer, der hintere (bereits von Gervais beobachtete) vorhan-
den ist. Der Kieferrand zwischen diesen Backzähnen und den
Schneidezähnen ist von einer ganz glatten Haut überzogen, so
dafs, wenn hier in einer noch früheren Zeit andere Zähne
vorhanden gewesen sein sollten, diese äufserst klein gewesen
sein müssen. Von den drei oberen und unteren wahren Back-
zähnen sind nur die Kronen theilweise entwickelt und die Kno-
chenwand des Kieferrandes ist noch nicht ganz resorbirt. Die
Formel für das Milchgebils dieser Gattung würde daher folgende
.. 2 11—-1—1-—-11 2 N 2 k
Sein: nn, gr, Bu; Di Diese erinnert am meisten an
die Insectivora, bei welchen so häufig, bei beträchtlicher Ent-
wickelung des vordersten Schneidezahns, eine Verkümmerung
der hinteren Schneidezähne, des Eckzahns und der Lückenzähne
eintritt. Als fernere Unterschiede dieser Gattung von den Gä-
res wurde hervorgehoben, dafs bei dem Weibchen, der Mutter des
vorgelegten männlichen jungen Thieres, die Entfernung zwischen
der Anal- und Genitalöffnung eine sehr beträchtliche ist und der
zweihörnige Uterus in seiner Form von der bei den Nagern vor-
kommenden abweicht. Von Zemur und Microcebus zeigt sich
in sofern ein Unterschied im inneren Bau, als die Gallenblase
in gewöhnlicher Weise ihren Fundus nach vorn und nicht nach
hinten gewandt hat. Wenn man nicht nach Brandt’s Vor-
schlage eine besondere zwischen den Affen und Nagern stehende
Ordnung aus dieser Gattung bilden will, so dürfte es wohl am
richtigsten sein, sie als eine aberrante Form der Halbaffen zu
betrachten und mit diesen nach Isidore Geoffroy’s Vorgange
als Repräsentanten einer besonderen Familie zu vereinigen. Die
vom 14. April 1864. 245
wichtigsten Merkmale, welche hierbei in Betracht kommen,
scheinen mir, aulser der Beschaffenheit der Sohlen und des ent-
gegenstellbaren Hinterdaumens die Bildung der Schädelkapsel
und des Gehirns zu sein. In Bezug auf das Gebils würde es
von grolsem Interesse sein, zu erforschen, ob bei den Güres zu
irgend einer Zeit des Fötuslebens Spuren der dem Milchgebifs
des Chiromys entsprechenden Zähne vorkommen.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Bibliotheca indica, no. 196—200. New Series, no. 33 — 41. Calcutta
1863. 8.
Journal of the Asiatie Society of Bengal. no. 291—292. ib. 1863. 8.
Journal of the Royal Asiatic Society. Vol. XX, 3.4. London 1863. 8.
The Numismatic Chronicle. London, Dez. 1863. 8.
Proceedings of the natural history Society of Dublin. Vol. 1IV,1. Du-
blin 1864. 8.
The American Journal of science and arts, no. 109. New Haven 1864. 8.
The Journal of the chemical Society. London, Dez. 1863 — March
1864. 8.
Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. Deel 24— 26, ı. 2.
Batavia 1862—1863. 8.
Atti della societa italiana di scienze naturali. Vol. 1—5. Milano
1859—1863. 8.
Annuaire de UInstitut des provinces. Tome 16. Caen 1864. 8.
Revue archeologigue. Paris, Mars 1864. 8.
Annales de chimie et de physique. Paris, Fevrier 1864. 8.
Meibauer, Theorie der gradlinigen Strahlensysteme des Lichts. Ber-
lin 1864 4. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Cordesha-
gen 29. März 1864.
Lagarde, Die vier Evangelien arabisch aus der Wiener Handschrift
herausgegeben. Leipzig 1864. 8. Mit Schreiben des Hrn. Her-
ausgebers, d. d. Berlin 8. April 1864.
Mareschal-Duplessis, Geographie. Mercator et Hippargue. Dia-
logue des moris. Vendome 1864. 8. (Extrait.)
Purgotti, Articolo intorno alecuni scritti inediti di M. Poggioli. Roma
1863. 8. (Estratto.)
Reumont, Cause diplomaliche italiane. Roma 1864. 8. (Estratto.)
246 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Longo, Zieerche storiche sulla legatura delle vene e delle arterie. To-
rino 1864. 8.
Escalona, Protosofia. Napoli 1863. 8.
Bond, Onthe new form of the. achromatic object-glass introduced by
‘ Steinheil. (Cambridge 1863.) 8.
Dana, On the classification of animals. no. 3. (New Haven 1864.) 8.
Astronomical and Meteorological Observations made at the U. St. Naval
Observatory during the year 1862. Washington 1863. 4.
18. April. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Kummer las über die Flächen vierten Grades,
mit sechzehn singulären Punkten.
Die Fresnelsche Wellenfläche ist eine Fläche vierten Gra-
des, welche 16 singuläre Punkte hat, von denen vier in der
einen Hauptebene liegende real, acht in den beiden anderen
Hauptebenen liegende imaginär sind und die übrigen vier in einer
unendlich entfernten Ebene liegen. Hieraus ersieht man zu-
nächst, dafs Flächen vierten Grades mit 16 singulären Punkten
thatsächlich existiren. Mehr als 16 singuläre Punkte können
aber Flächen vierten Grades nicht haben; denn die reciproke
polare Fläche der allgemeinen Flächen vierten Grades ist vom
36ten Grade, durch jeden singulären Punkt aber wird dieser
Grad um zwei Einheiten erniedrigt, bei mehr als 16 singulären
Punkten würde daher der Grad der reciproken Polaren bis auf
zwei oder noch tiefer herabsinken, welches unmöglich ist.
Um die allgemeinen Eigenschaften der Flächen vierten Gra-
des mit 16 singulären Punkten zu erforschen, betrachten wir
den einhüllenden Kegel derselben. Dieser Kegel ist für jede
Fläche vierten Grades vom 12ten Grade, wenn aber der Mit-
telpunkt desselben in einen singulären Punkt der Fläche vier-
ten Grades fällt, so wird er nur vom sechsien Grade. Hat die
Fläche vierten Grades 16 singuläre Punkte, in deren einem der
Mittelpunkt des einhüllenden Kegels liegt, so müssen die 15 gra-
den Linien, welche von diesem nach den übrigen 15 singulären
vom 18. April 1864. 247
Punkten der Fläche gehen, Doppelkanten des einhüllenden Kegels
sein. Ein irreductibler Kegel vierten Grades kann aber nicht
mehr als zehn Doppelkanten haben, derselbe mufs daher hier in
Kegel niederer Grade zerfallen, und damit diese Kegel niederer
Grade zusammen 15 Doppelkanten haben, müssen sie noihwen-
dig nur aus sechs Ebenen bestehen, die durch denselben Punkt
gehen, und in der That 15 Durchschnittslinien je zweier darbie-
ten. Die sechs Ebenen, aus welchen der einhüllende Kegel be-
steht, dessen Mittelpunkt in einem der 16 singulären Punkte
liegt, müssen, als einhüllende Ebenen, die Fläche vierten Grades
in Curven berühren, welche nothwendig Kegelschnitte sind, durch
jeden der 16 singulären Punkte der Fläche gehen also sechs sin-
guläre Tangentialebenen, welche die Fläche in Kegelschnitien
berühren. Da ferner die 15 Durchschnittslinien der sechs durch
einen und denselben singulären Punkt gehenden singulären Tan-
gentialebenen durch die übrigen 15 singulären Punkte gehen, und
je fünf derselben in einer dieser sechs Ebenen liegen, so folgt,
dals in jeder singulären Tangentialebene sechs singuläre Punkte
liegen, und hieraus ergiebt sich, dals im Ganzen genau 16 sin-
guläre Tangentialebenen vorhanden sein müssen. Also:
Jede Fläche vierten Grades mit 16 singulären
Punkten hat zugleich 16 singuläre Tangential-
ebenen, und diese Punkte und Ebenen liegen so,
dafs jede der 16 Ebenen 6 von den Punkten
enthält, und dals durch jeden der 16 Punkte 6
von den Ebenen hindurchgehen.
Die je sechs in einer Ebene liegenden singulären Punkte
haben stets die besondere Lage, dals sich ein Kegelschnitt durch
dieselben legen lälst; denn sie gehören nothwendig zu denjeni-
gen Punkten, welche die singuläre Tangentialebene mit der Flä-
che gemein hat, also zu den Punkten des Berührungs-Kegelschnitts.
Ebenso haben die sechs singulären Tangentialebenen, welche
durch einen singulären Punkt gehen, die Eigenschaft, dals sie
Tangentialebenen eines bestimmten Kegels zweiten Grades sind,
und zwar des die Fläche vierten Grades in dem singulären
Punkte osculirenden Kegels zweiten Grades; denn als singuläre
Tangentialebenen der Fläche, welche dieselbe in Curven berüh-
ren, die durch den singulären Punkt hindurchgehen, müssen diese
248 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Ebenen auch Tangentialebenen des die Fläche in diesem Punkte
osculirenden Kegels sein.
Man erkennt in diesen Beziehungen der 16 Punkte und der
16 Ebenen zu einander offenbar ein reciprok polares Verhältnifs,
welches darin seinen Grund hat, dals die reciproke polare Fläche
einer Fläche vierten Grades mit 16 singulären Punkten selbst
eine Fläche vierten Grades mit 16 singulären Punkten ist, und
dafs in der reciproken polaren Fläche jeder singuläre Punkt zu
einer singulären Tangentialebene wird und umgekehrt.
Um die allgemeine Gleichung aller Flächen vierten Grades
mit 16 singulären Punkten zu bilden, wähle man unter den 16
singulären Tangentialebenen vier von der Art aus, dafs die vier
Ecken des von ihnen gebildeten Tetraeders zugleich vier von
den sechzehn singulären Punkten sind, welcher Bedingung stets
auf mehrfache Weise genügt werden kann. Bezeichnet man die
Gleichungen der vier in dieser Art gewählten singulären Tan-
gentialebenen mit
BIT FU
wo p, 9, r, s ganze lineare Funktionen der drei Coordinaten
sind, so kann man die gesuchte allgemeine Gleichung dieser Art
von Flächen vierten Grades als eine homogene Gleichung vier-
ten Grades unter den vier Variabeln p, g, r, s auffassen. Nach
der Voraussetzung, dals die vier Eckpunkte des aus den Ebenen
p=) g9=, r=0, s=0 gebildeten Tetraeders singuläre Punkte
der Fläche sein sollen, muls nun diese homogene Funktion vier-
ten Grades, welche gleich Null gesetzt die Gleichung der ge-
suchten Fläche darstellt, zugleich mit ihren vier ersten, nach
den Variabeln p, 9, r und s genommenen Ableitungen gleich
Null werden, sobald drei dieser Variabeln gleich Null gesetzt
werden. Hieraus folgt, dafs in der Gleichung der Fläche keine
Glieder vorkommen können, welche die vierten Potenzen der
Variabeln enthalten, und dals auch alle diejenigen Glieder in
derselben nicht vorkommen können, welche einen Cubus einer
dieser Variabeln enthalten. Enthielte nämlich die Gleichung
z. B. ein Glied 4p*, so würde sie nicht erfüllt sein, wenn
zugleich g=0, r=0, s=0 gesetzt würde, enthielie sie ein
Glied 3p?g, so würde die nach g genommene erste Ableitung
vom 48. April 1864. 249
nicht gleich Null sein, wenn zugleich g=0, r=0, s=0 gesetzt
würde. Die Gleichung der Fläche ist daher in Beziehung auf
jede einzelne der vier Variabeln p, g, r, s nur vom zweiten
Grade. Weil ferner die genannten vier Grundebenen singuläre
Tangentialebenen der Fläche vierten Grades sein sollen, und jede
singuläre Tangentialebene aus der Fläche zwei sich deckende
Kegelschnitte ausschneidet, so folgt, dals für »=0 die Gleichung
der Fläche zu einem vollständigen Quadrate einer homogenen
Funktion zweiten Grades der drei übrigen Variabeln werden
muls, und in gleicher Weise auch für g=0, für r=0 und für
s=0. Setzt man nun die allgemeinste Form einer homogenen
Gleichung vierien Grades unter den vier Variabeln p, g, r, s
an, welche in Beziehung auf jede derselben einzeln genommen
nur vom zweiten Grade ist, und bestimmt die unbestimmten
Coefficienten dieser Form den angegebenen Bedingungen gemäfs,
so erhält man folgende allgemeinste Form der Gleichung:
a?g?r? +b?r?p? +c’p?’g?+d’p’s? He’g?s’ + f?r?s? +2bcp?gr
-+22acpg? r-H2eabpgr”+22'cdp? gs-H22'”cepg?s+-22”depgs’+-2bdp?rs
+ 2bfpr?s-+2dfprs? +2aeg’rs-H2afgr’s-+2efgrs? — 4gpgrs=0,
wo a, db, c, d, e, f.und g beliebige Constanten sind, =, e', e”
aber nur drei Einheiten, deren jede die beiden Werthe +1
haben kann. Diese allgemeine Form enthält alle Flächen vierten
Grades in sich, welche vier singuläre Tangentialebenen haben und
vier in den Ecken des von diesen gebildeten Tetraeders liegende
singuläre Punkte, unter welchen die Flächen mit sechzehn singu-
lären Punkten mit inbegriffen sind. Um diese letzteren daraus
auszuscheiden ist merkwürdigerweise eine weitere Specialisirung
durch Bedingungsgleichungen unter den Constanten nicht erfor-
derlich, es reicht vielmehr dazu eine richtige Wahl der drei un-
bestimmten Einheiten e, =’, 2” vollkommen aus, nämlich die, dafs
sie alle drei gleich —1 genommen werden; jede andere Wahl
dieser Einheiten ergiebt nur Flächen mit weniger als 16 singu-
lären Punkten.
Die allgemeinste Gleichung aller Flächen vierten Grades mit
16 singulären Punkten ist demnach:
[ 1864. ] 20
250 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
4., a®g?r? + b?r?p? + c?p2g? + d?p2s? + e?g?s? + f?r?s?
++ 2bcp?gr —2acpg?r —2abpgr? —2cdp?gs-+2cepg?s— 2depgs?
+ 2bdp?rs + 2bfpr?s-+2dfprs? +2 aeg?rs-+2afgr?s-H2efgrs?
— 4gspgrs—=0
Von den sieben Constanten a,b, c, d, e, f, g kann man vier
dadurch entfernen, dals man sie mit den vier beliebigen linearen
Funktionen p, 9, r, s verbindet, es bleiben also von diesen nur
vier als wesentliche Constanten übrig; da aulserdem in p, 9, r, s
15 Constanten enthalten sind, so folgt, dafs die allgemeine Glei-
chung der Flächen mit 16 singulären Punkten 18 Constanten
enthält.
Die allgemeine Gleichung (1.) läfst sich leicht in folgende
Form setzen
2, p’=apyl,
wo
d=agr Hbrp+cpg + dps-tegs+frs,
V=abr? +des? + acgr + cdps+-g'rs,
e=8+7(ad+be+-cf),
und in gleicher Weise noch in fünf vollständig entsprechende
Formen, in denen im zweiten Theile der Gleichung statt pq die
Produkte pr, gr, ps, gs, rs hervortreten.
Addirt man auf beiden Seiten der Gleichung (2.) die Gröfse
4kpgp-+-4k”p?g”, so erhält man
(P-+2kpg)=Aipg (V+-kb+-k?pg).
Bestimmt man nun die unbestimmte Constante k so, dafs die
Gleichung zweiten Grades
VHkp+k’pg=0
eine Kegelfläche darstelle, so erhält man für k eine Gleichung
sechsten Grades, welche nur das vollständige Quadrat von fol-
gender Gleichung dritten Grades ist:
I fe +6 — — — — en
vom 18. April 1864. 251
giebt man aber dem % einen der drei, dieser cubischen Glei-
chung genügenden Werthe, so wird
Vkp+k’pg=0
nicht blofs die Gleichung einer Kegelfläche zweiten Grades,
sondern dieser Ausdruck zerfällt sogar in zwei lineare Faktoren,
welche mit p’ und g’ bezeichnet werden sollen. Die allgemeine
Gleichung der Flächen vierten Grades mit 16 singulären Punk-
ten nimmt demnach auch folgende Form an:
4., (agr +örp+e(1-+2k)pg-Hdps-tegs +frs)*
—4ik(kH1)pgpg’ =D
wo
5 N dr ds
) Er ART
es
q '=op+- 7. oe —_
Dieselbe Gleiehung lälst sich noch auf fünf verschiedene andere
Weisen in entsprechende Formen setzen, in welchen, wenn
aulserdem gesetzt wird:
bp ag
6. zZ ea
i k Fe Zen, k
dp eg
Ve: ET
eh PT
anstatt der vier linearen Faktoren pgp'g’ die je vier Faktoren
rsr's‘, gsg’s', prp'r', psp’s’, grg’r' hervortreten.
Eerkınders bemerkenswerth ist auch die irrationale Form
dieser Gleichung der Fläche:
1a Vrpp' +V (kH+1)g99’ + V-ır =o
welche, wenn für p', g’, r’ die bei (5.) und (6.) angegebenen
Ausdrücke gesetzt werden, rational gemacht mit (4.) vollkom-
men identisch wird. Die vier Gleichungen
Pa! r=0,s=0
stellen zwölf von den 16 singulären Tangentialebenen der Fläche
dar, nämlich wenn man dem in denselben enthaltenen % seine
20*
252 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
drei Werthe giebt, die der cubischen Gleichung (3.) genügen;
die übrigen vier singulären Tangentialebenen sind
Pad) ga raus).
Man kann in diesen Gleichungen, welche die Constante g nicht
direct enthalten, diese Constante als durch die neue % vollstän-
dig ersetzt ansehen, so dals a, b, c, d, e, f, k die sieben nicht
in p, 9, r, s enthaltenen Constanten der Fläche darstellen. . Die
beiden anderen mit &, und %k, zu bezeichnenden Wurzeln der
cubischen Gleichung (3.) werden alsdann als die beiden Wur-
zeln von folgender BE Gleichung bestimmt:
2 == es
Fri + - - 5
oder was dasselbe ist, durch die beiden Gleichungen:
ad
8., . kıka = cfk
oe
(kı H1)(k2 + ee
Man kann die Gleichung (7.) auch in folgender Form dar-
‚stellen, in welcher die Spuren ihrer besonderen Entstehung aus
(1.), welche sie in ihren Coeffhicienten noch an sich trägt, gänz-
lich entfernt sind:
9, Voßa+yr+3)+Vel@p+yr+38)+Vr@P+ß"g48”)=0
mit den heiden Bedingungsgleichungen
yteB— Py=ı,
a’ r B”y RLae aß” fl
Ohne diese beiden Bedingungsgleichungen unter den Coeffhicien-
ten ist die Gleichung (9.) gleichbedeutend mit
VER VE Ver.
wo p, 9, T, p, g, r' sechs ganz beliebige lineare Funktionen
der drei Coordinaten sind, und giebt eine Fläche, welche nur
44 singuläre Punkte hat.
vom 18. April 1864. 253
Endlich möge hier noch eine Formveränderung erwähnt
werden, welche man mit der Gleichung dieser Flächen vorneh-
men kann. Wählt man die vier in der Form (4.) enthaltenen
singulären Tangentialebenen
pay,gau,pP=y,g-)
als die Fundamentalebenen, also p, g, p', g’, als die vier homo-
genen Coordinaten, und bezeichnet demgemäls die beiden letz-
teren durch r und s, so erhält man folgende Form der Glei-
chung:
10., op? = 16 Kpgrs,
wo
o=p? +g9°-+r?-+s’+2a(gr-Hps) +2b(rp-+9s) +2c(pg + rs)
K=a?-+r5? rc? —2abce—1.
in welcher die sieben Constanten a, b, c, d, e, f, k jener Form
auf die richtige Anzahl von drei Constanten a, d, c eingeschränkt
ist. Wählt man in dieser Form die Coeffhicienten der linearen
Ausdrücke p, g, r, s real, und die drei Constanten a, 5, c eben-
falls real und abgesehen von den Vorzeichen alle drei grölser
als Eins, so erhält man nur Flächen, in denen die sechzehn sin-
gulären Punkte alle real sind, und ebenso auch die sechzehn
singulären Tangentialebenen mit ihren sechzehn Berührungs-
kegelschnitten alle real sind.
Um über die Lage dieser 16 Punkte, 16 Ebenen und 16
Kegelschnitte eine möglichst klare Anschauung zu gewinnen,
habe ich dieselben in dem vorliegenden aus Drähten angefer-
tigten Modell dargestellt. Die vier Fundamentalebenen p, g, r, s
sind in diesem Modell so gewählt, dafs sie die vier Seitenflächen
eines regulären Tetraeders bilden, und um die Regularität der
Figur vollständig zu machen, sind die drei Constanten a, d, e
einander gleich nämlich alle gleich 2 gewählt. Die vier den
Fundamentalebenen angehörenden Berührungskegelschnitte sind
Kreise, welche alle auf einer und derselben Kugel liegen, die
den übrigen 12 singulären Tangentialebenen angehörenden Be-
rührungskegelschnitte sind Hyperbeln. Von den 16 singulären
Punkten liegen 12 in den Endpunkten der um gleiche Stücke
verlängerten sechs Kanten des regulären Tetraeders und auch
254 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
in der Kugelfläche, welche die vier Berührungskreise enthält,
die vier übrigen singulären Punkte liegen in den über die
Spitzen des Tetraeders hinaus verlängerten vier Höhen dessel-
ben. Durch jeden der 16 singulären Punkte gehen sechs von
den Berührungskegelschnitten, also sechs von den dieselben dar-
stellenden Drähten. Die Fläche selbst besteht aus 12 geson-
derten Theilen, welche unter einander nur mitiels der 16 sin-
gulären Punkte in Verbindung stehen. Vier von diesen Theilen,
welche von einander vollständig getrennt sind, setzen sich mit
je drei Punkten an vier andere Theile an, die Basis eines jeden
derselben geht bis nahe an eine der vier Tetraederflächen heran,
sie werden in grölserer Entfernung von dieser Basis immer
dicker und erstrecken sich jeder für sich in’s Unendliche. Vier
andere Theile der Fläche sind endlich und ihre Gestalt kommt
der von dreiseitigen Pyramiden nahe, jeder derselben steht mit
dreien der vorherbeschriebenen Theile durch je einen singulären
Punkt in Verbindung und aulserdem in einem singulären Punkte
noch mit einem der übrigen vier Flächentheile. Jeder dieser
letzteren sieht im Ganzen kegelförmig aus, steht mit den übri-
gen Theilen nur in einem einzigen Punkte in Verbindung, und
erstreckt sich von diesem Punkte aus in’s Unendliche. Jeder
der vier Berührungskreise wird durch die sechs singulären Punkte
die er enthält in sechs Theile getheilt, von denen drei nicht
angränzende auf je dreien der zuerst beschriebenen Flächen-
theile liegen, die übrigen drei aber auf drei von endlichen, py-
ramidalisch gestalteten Theilen. Von den 12 Berührungs-Hy-
perbeln enthält je ein Ast vier, der andere zwei singuläre
Punkte, und jeder der vier singuläre Punkte enthaltenden Äste
liegt auf einem der zuerst beschriebenen vier Flächentheile, auf
zweien der anderen Art, und auf zweien der dritten Art, mit
welchen er in’s Unendliche geht; jeder der zwei singuläre Punkte
enthaltenden Hyperbeläste aber liegt auf einem Theile der zwei-
ten Art, und geht alsdann nach beiden Seiten hin, auf zwei
Theilen der ersten Art liegend, in’s Unendliche.
Die Flächen vierten Grades mit 16 singulären Punkten
stehen, obgleich sie nur 18 wesentliche Constanten, also 16
weniger enthalten als die allgemeinsten Flächen vierten Grades,
doch noch auf einer solchen Stufe der Allgemeinheit, dals aus
vom 48. April 1864. 255
ihnen alle ebenen Curven vierten Grades sich ausschneiden las-
sen, oder umgekehrt:
Durch jede gegebene ebene Curve vierten Gra-
des kann man Flächen vierten Grades mit 16
singulären Punkten hindurchlegen.
Um diefs zu beweisen nehme ich die gegebene ebene Curve
vierten Grades in der Form
11., Vpo(Apo+A190+Aero) +Vgo(Bpo+Bıg90+Bero) +
+ Vro(Cpo+C,g0+Car0) =,
wo Po 90, Fo beliebige lineare Funktionen der zwei Coordi-
naten x und y sind. Dals die allgemeinste Curve vierten Gra-
des sich in dieser Form darstellen läfst, hat zuerst Hr. Hesse
in seiner Abhandlung über die Doppeltangenten der Curven
vierter Ordnung in Crelle’s Journal Bd. 49 gezeigt, wo er
pag. 301 die dieser Form gleichbedeutende rationale Form ent-
wickelt und in Gleichung (47.) aufgestellt hat. Ich nehme fer-
ner in der bei (9.) aufgestellten Form der Gleichung der Flä-
chen vierten Grades mit 16 singulären Punkten
p=po taz, g=go +b2, r=r, ter, s=po tmgotnrg da.
Der Schnitt dieser Fläche durch die Ebene z=0 wird alsdann
identisch mit der gegebenen Curve, wenn folgende 11 Glei-
chungen Statt haben:
Dr ß, B=$ +, C=3"+a”,
A,=md+ß, B,=md, CG=mö’+Lß”,
12, As=nd+y, B,=nd+y, 02 men
ey He’ B—-Ay=0, a a N ”"—g
aus welchen die 11 Gröfsen £, y, d, «, y’, 8, «”, 8”, 8”, m
und rn bestimmt werden, während die vier Coefficienten a, 5, c, d
ganz beliebig bleiben. Um die Auflösung dieser Gleichungen
in der einfachsten Weise auszuführen, führe ich eine Hülfs-
grölse u ein, indem ich setze
Y
13., SEEN
die beiden letzten der 11 Gleichungen bei (12.) geben alsdann
256 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
u+1 a N
ee)? uri=om
u
und wenn man die aus den ersten 9 Gleichungen unmittelbar
zu entnehmenden Werthe von £, y, &, y, «”, Q” in diese
einsetzt, so erhält man die drei Gleichungen:
An?’— (A, +-Cu)n+ Czu=0,
14., A(u-+-1)m? —(4,(u+1)— Bu)m— B,u=0,
C;(u+1)m?—(C, (u-#1)— B,)mn— B,n?’=0.
Eliminirt man aus diesen die beiden Gröfsen » und n, so er-
hält man eine cubische Gleichung zur Bestimmung von u, wel-
che in Form einer Determinante, so dargestellt werden kann:
2ud, uB—-(u+H1)4, AstruC
15, |uB—(u+1)4, —2(u+1)B,, Ba —(u+H1)C,|=0
As+tuC, B;,— (u-H1)C,, 2C,
Zu jedem der drei Werthe des u, welche diese Gleichung giebt,
gehören zwei Werthe des n, ferner zu jedem dieser sechs
Werthe des n ein Werth des m und ebenso ein Werth von
B, ya, y, 9, @”, Q”, 8”, die vier Constanten a, 5, c, d
aber bleiben vollkommen beliebig. Der oben aufgestellte Satz
kann also folgendermalsen näher bestimmt werden:
Durch jede gegebene ebene Curve vierten Gra-
des kann man sechs verschiedene vierfach un-
endliche Schaaren von Flächen vierten Gra-
des mit 16 singulären Punkten hindurchlegen.
Wenn eine Fläche vierten Grades mit 16 Doppelpunkten
durch eine ebene Curve vierten Grades geht, so dals diese Curve
auf der Fläche liegt, so schneidet jede singuläre Tangential-
ebene der Fläche aus der Ebene der Curve eine Doppeltangente
derselben aus. Die sechzehn singulären Tangentialebenen der
Fläche ergeben also sechzehn von den 28 Doppeltangenten der
Curve. Legt man durch dieselbe Curve eine andere der oben
bestimmten sechs Flächen, so schneiden die 16 singulären Tan-
gentialebenen derselben ebenfalls 16 Doppeltangenten aus der
Ebene der Curve aus, welche zum Theil dieselben sind, zum
Theil aber andere. Legt man durch die Curve vierten Grades
alle 6 Flächen, so werden von den 96 singulären Tangential-
vom 18. April 1864. 257
ebenen derselben alle 28 Doppeltangenten der Curve ausge-
schnitten und zwar werden, wie eine genaue Untersuchung, die
ich hier nicht ausführen will, mir ergeben hat, sechs Doppel-
tangenten je sechsmal, sechs Doppeltangenten je zweimal und
16 Doppeltangenten je dreimal ausgeschnitten.
Hiermit hängt eine sehr bemerkenswerthe ziemlich tief lie-
gende Eigenschaft der Flächen vierten Grades mit 16 singulä-
ren Punkten zusammen, welche folgendermaalsen daraus ent-
wickelt wird. Durch einen jeden Punkt des Raumes gehen
bekanntlich 12 grade Linien, welche eine allgemeine Fläche
vierten Grades doppelt berühren, betrachtet man nun alle die
Fläche zweimal berührenden graden Linien, so bilden dieselben
ein Strahlensystem, welches die Fläche zur Brennfläche hat, und
welches ich als ein Strahlensystem der zwölften Ordnung be-
zeichne, weil durch jeden Punkt des Raumes zwölf Strahlen
desselben hindurchgehen. Wird die Fläche vierten Grades durch
eine beliebige Ebene geschnitten, so hat die ausgeschnittene
Curve 28 Doppeltangenten, welche zusammen alle in dieser
Ebene liegenden Strahlen des Systems ausmachen, ich nenne
dasselbe deshalb ein Strahlensystem der 28ten Klasse. Ist nun
die Brennfläche vierten Grades des Strahlensystems eine solche,
welche 16 singuläre Punkte hat, und folglich auch 16 singuläre
Tangentialebenen, so erniedrigt sich die Klasse dieses Strahlen-
systems um 16 Einheiten, wenn man alle diejenigeu Strahlen
aussondert, welche in den 16 singulären Tangentialebenen lie-
gen und dieselben vollständig ausfüllen, weil jede in einer sin-
gulären Tangentialebene willkürlich gezogene grade Linie eine
zweifach berührende Linie der Fläche ist. Das Strahlensystem
wird also eines von der 12ten Ordnung und von der zwölften
Klasse. Betrachtet man nun die zwölf in einer beliebigen Ebene
i=0 liegenden Strahlen, welche zwölf von den Doppeltangenten
der aus der Brennfläche durch diese Ebene ausgeschnittenen
Curve sind, so kann man sich dieselben dadurch construiren,
dals man aulser der einen Fläche mit 16 Doppelpunkten, welche
schon durch die ebene Curve vierten Grades geht, noch die
fünf anderen zugehörigen hindurchlegt, deren singuläre Tan-
gentialebenen diese Strahlen aus der Ebene z=0 ausschneiden.
Unter diesen fünf anderen Flächen ist eine, welche durch die _
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258 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Coefficienten der gegebenen Fläche und durch die Coefficienten
der schneidenden Ebene rational ausgedrückt wird. Mit der
gegebenen Fläche ist nämlich eine Wurzel x der Gleichung
dritten Grades, von welcher die Auffindung der 6 Flächen ab-
hängt, zugleich mit gegeben, und zwar rational durch die Coef-
ficienten der Fläche und Ebene ausgedrückt. Wählt man nun
als zweite Fläche diejenige, welche zu derselben Wurzel der
cubischen Gleichung gehört, und zu dem anderen WVerthe
der quadratischen Gleichung, welcher hier ebenfalls rational
wird, da der erste Werth rational ist, so schneiden, wie die
vollständige Ausführung der Rechnung zeigt, die 16 singulären
Tangentialebenen dieser zweiten Fläche acht von den zwölf
Strahlen aus der Ebene aus. Ferner zeigt sich, dafs diese acht
Strahlen ebenso wie die singulären Tangentialebenen welche sie
ausschneiden paarweise genommen, d. h. je zwei durch eine
einzige Gleichung gegeben, durch die Coefficienten der gege-
nen Fläche und der schneidenden Ebene rational ausgedrückt
werden. Hieraus folgt, dafs das Strahlensystem zwölfter Klasse
in vier besondere Strahlensysteme zweiter Klasse und in eines
vierter Klasse zerfällt, welche abgesondert für sich durch Glei-
chungen darstellbar sind. Betrachtet man die polaren Strahlen-
systeme zu diesen, so erkennt man sogleich, dafs die vier Strah-
lensysteme zweiter Klasse auch von der zweiten Ordnung sein
müssen und dafs ebenso das Strahlensystem vierter Klasse auch
von der vierten Ordnung sein muls. Man hat also folgenden
Satz:
Das vollständige Strahlensystem 42ter Ord-
nung und 28ter Klasse, welches eine allge-
meine Fläche vierten Grades zur Brennfläche
hat, besteht, wenn diese Brennfläche vierten
Grades 16 singuläre Punkte hat, erstens aus
16 Strahlensystemen, deren jedes nur aus allen
in einer Ebene liegenden graden Linien be-
steht, zweitens aus vier Strahlensystemen zwei-
ter Ordnung und zweiter Klasse, und drittens
aus einem Strahlensysteme vierter Ordnung
und vierter Klasse.
vom 18. April 1864. 259
Durch diese besondere Eigenschaft der Flächen vierten Gra-
des mit 16 singulären Punkten, welche ich bei meinen Unter-
suchungen über algebraische Strahlensysteme, die ich später zu
veröffentlichen gedenke, gefunden und auf ganz anderem Wege
bewiesen habe, bin ich zuerst auf die Wichtigkeit dieser Flä-
chen vierten Grades aufmerksam gemacht worden. Man kann
diese Eigenschaft auch noch aus anderen Gesichtspunkten be-
trachten, z. B. wenn man die beliebige Ebene, in welcher die
12 Strahlen der vier Systeme zweiter Klasse und des Systems
vierter Klasse liegen, zu einer Tangentialebene der Brennfläche
werden läfst, so vereinigen sich je zwei dieser 12 Strahlen zu
einem einzigen; dieselben werden zu den sechs die Fläche in
einem und demselben Punkte berührenden Tangenten, deren
jede dieselbe noch in einem anderen Punkte berührt. Also:
Die Gleichung sechsten Grades, durch welche
auf der allgemeinsten Fläche vierten Grades
die sechs Tangenten bestimmt werden, die
einen Berührungspunkt gemein haben, und die
Fläche aufserdem jede noch einmal berühren,
zerfällt für die Flächen vierten Grades mit
16 singulären Punkten in vier Faktoren ersten
Grades und einen Faktor zweiten Grades, wel-
che durch die Coordinaten des gemeinsamen
Berührungspunktes rational ausgedrückt wer-
den.
- Nennt man die zwei Berührungspunkte einer und dersel-
ben Doppeltangente der Fläche ERGEBEN ON Punkte der-
selben, so folgt hieraus weiter:
Auf jeder Fläche vierten Grades mit 16 singu-
lären Punkten kann man auf vier verschiedene
Weisen einem jeden Punkte der Fläche einen
andern so zuordnen, dafs die Coordinaten des
zugeordneten Punktes durch die des gegebe-
nen und ebenso die Goordinaten des gegebe-
nen Punktes durch die des zugeordneten ra-
tional ausgedrückt werden.
Auf die Fresnelsche Wellenfläche angewendet werden diese
Sätze noch einfacher, indem für diese und alle ihr collinearen
260 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Flächen .das Strahlensystem vierter Ordnung und vierter Klasse
noch weiter in zwei Strahlensysteme zweiter Ordnung und
zweiter Klasse zerfällt.
Hr. W. Peters legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. von
Martens vor über eine neue Art von Rochen, Trygo-
noptera Javanica, aus Batavia und über neue Heli-
ceen aus dem indischen Archipel.
"1. Trygonoptera Javanica nov. spec.
Im Juli 1862 kaufte ich auf einem der Fischmärkte Bata-
via’s mit mehreren andern Knorpelfischen auch einen Rochen,
welcher der Gattung Z’rygonoptera angehört, die bis jetzt nur
nach einer Zeichnung und Beschreibung aus dem Ende des vori-
gen Jahrhunderts bekannt war.
Scheibe rundlich, wenig länger als breit; die Schnauzenspitze
bildet einen stumpfen Winkel; die vordern Ränder der Brustflossen
sind schwach convex, die hinteren stärker bogenförmig, die äulseren
Winkel völlig abgerundet, die hinteren nur abgestumpft, einem rech-
ten sich nähernd. Der Interorbitalraum verschmälert sich allmälig
von vorn nach hinten; der Rand des oberen Augenliedes ist in der
Mitte schwach convex. Die Spritzlöcher liegen nach aulsen und hin-
ten von den Augen und sind von spitz-ovaler Gestalt, mit der Spitze
nach vorn und aulsen gerichtet; ihr Rand ist einfach, ohne zahn-
artigen Ursprung; ihr Durchmesser übertrifft den der Augen
um %. Die Schnauzenlänge beträgt nicht ganz das doppelte der
Mundbreite. Die Nasenlöcher sind, abgesehen von den Klappen,
von halbmondförmiger Gestalt, mit der Convexität nach vorn,
und nur durch eine schmale Scheidewand von einander getrennt;
sie sind aber grolfsentheils durch die innere Nasenklappe be-
deckt, welche nur über einen kleinen Theil derselben am äu-
fsern Winkel sich nicht erstreckt. Diese innere Nasenklappe ist
länglich-dreieckig, an der Spitze abgerundet, nach hinten und
aulsen gerichtet und überragt den hintern Rand des Nasenloches;
ihr Rand ist leicht und ungleichmälsig ausgezackt. Der äufsere
Rand der Nasenlöcher ist abgerundet und von einem länglichen
vom 18. April 1864. 261
Knorpel wie bei Zrygon unterstützt. Längs der äulseren Hälfte
des hintern Randes der Nasenlöcher erstreckt sich, wie bei der
genannten Gattung, eine klappenartige Haut-Duplikatur nach
vorn, doch ohne den vorderen Rand der Nasenöffnung zu er-
reichen und von der inneren Nasenklappe überdeckt. Der Mund
ist schwach wellenförmig gebogen. In beiden Kiefern stehen
Pflasterzähne von quer-rhombischer Gestalt, mit kleinen Quer-
wülsten versehen, annähernd gleich grols, in quincuux geordnet
und sich allseitig berührend. Die Mundwinkelfalten sind ganz-
randig und laufen am Oberkiefer jederseits in die Nasescheide-
wand aus, treffen aber am Unterkiefer in der Mittellinie zusam-
men und bilden dadurch gewissermaalsen eine Unterlippe, welche
an der Innenseite strahlig gefältelt ist. Hinter den Zähnen des
Oberkiefers werden bei geöffnetem Munde drei Hautfalten (Kie-
fersegel) sichtbar, das vordere und hintere ganzrandig, das mitt-
lere stumpf gefranzt.
Bauchflossen nahezu quadratisch, mit abgerundeten Ecken.
Schwanz kürzer. als die Scheibe, stielrund, doch etwas brei-
ter als hoch. Die Oberseite desselben trägt in der Hälfte sei-
ner Länge (von den Bauchflossen an gerechnet) eine niedrige,
halbherzförmige Rückenflosse, in deren hinterem Theil sich fünf
Strahlen erkennen lassen. Darauf folgt Ein spitzer, zweischnei-
diger Stachel, der die Flosse an Höhe übertrifft und dessen Sei-
tenränder mit mehr als 20 nach rückwärts gekehrten Zähnchen
besetzt sind; die oberen Zähnchen sind schlanker und spitzer
als die unteren; die obere Fläche des Stachels ist nahe der Ba-
sis mit einer Längsrinne versehen. Der obere Lappen der
Schwanzflosse beginnt beträchtlich weiter hinten als der untere,
letzterer nämlich beinahe gegenüber der Einfügung des Stachels.
Die Haut erscheint auf den ersten Anblick ganz glatt; nur
mit der Loupe erkennt man im mittleren Theil der oberen Fläche
der Scheibe kleine weilse Knötchen und bemerkt daselbst beim
Darübergleitenlassen des Fingers einen schwachen Widerstand.
Die Farbe der Oberseite ist dunkelbraun, mit zahlreichen
hleinen helleren und dunkleren Flecken, welche nur wenig her-
vortreten. Die Unterseite ist blafs röthlichgrau. Die Brust-
und Bauchflossen sind auch auf der Unterseite dunkelbraun ge-
färbt und strahlig gezeichnet.
262 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Ausmessungen.
Totallänge ‚in zdarıtıan aölamal ab ahnt, 1108338
Breite der Scheibe. . . . . 07,191
Von der Schnauzenspitze zum Hilktenen Winkel
der Scheibe . . . . aaa. Ron. BRBr198
Von der Schnauzenspitze zum handgi „ualiewe „ı10#5052
Vom Mund zum After . 2.2.2.2.020.202 07,121
Schwanzlänge vom After ana .... « 0,150
Schwanzlänge von der rn der Barickflöss
sen an . - rd) un.aniusi bOr,435
Entfernung der Pibckenflüseh vom hinteren Ende
der Einfügung der Bauchflossen. . . . . 07,069
Länge der Basis der Rückenflose. . . . . . 0,0155
Höhe der Rückenflose . . . 07,006
Länge des oberen Lappens der Scheanzlklsser - 07,031
Länge des unteren Lappens der Schwanzflosse . 0”,057
Entfernung zwischen dem Stachel und dem obe-
ren Lappen der Schwanzfllose . . . . .. 0%,022
Geringste Breite zwischen den Augenhöhlen . . 0,016
Gröfster Durchmesser der Augen . . . . 2. 07,010
Gröfster Durchmesser der Spritzlöcker . . . . 0”,012
Breite der Augen . . » 2 2 2.202.200. 07,004
Breite der Spritzlöcker . . - - 07,006
Entfernung der Nasenlöcher von eftfändar bei zu-
rückgeschlagenen Klappen . . . . 07,004
Entfernung der von der inneren Klappe acht ker
deckten Theile der Nasenlöcher von einander 0,020
Entfernung der äufseren Winkel der Nasenlöcher
vorbemandent.] 1alı intünsgey mienind Eaiien 05023
Mundbreite ... 2 ce. es 6. 185.007
Entfernung des Mundwinkels vom ersten Kite I
lochsb. Inasımaa. Inu am rt . 07,027
Entfernung des ersten Kinnenteihn vom kerzten - 0”,027
Entfernung des letzten Kiemenlochs vom After . 0”,073
Breite des Schwanzes unmittelbar hinter den
Bauchllossen . . »- » .» .. 07,015
Höhe (Dicke) der Scheibe serischeh de Ange .. 07,0125
Höhe (Dicke) der Scheibe an der Schwanzwurzel 0”,014.
vom 18. April 1864. 263
Die Gattung Zrygonoptera wurde 1841 von J. Müller
und Henle (Systematische Beschreibung der Plagiostomen
S. 174) aufgestellt nach einer handschriftlichen Beschreibung
und Zeichnung eines neuholländischen Rochens aus der Samm-
lung von Sir Joseph Banks, dem Gönner und Freunde Cooks,
Solander’s u. a., welcher sich bekanntlich um die Förderung
der speziellen Naturgeschichte zu Ende des vorigen Jahrhun-
derts so vielfach verdient gemacht hat, ohne selbst als Schrift-
steller darin aufzutreten. Aus der von Müller und Henle
gegebenen Gattungs-Diagnose sind die Worte: „Zähne spitz
(dentes acutiusculi)” und diejenigen: „Schwanz am Ende brei-
ter (cauda lanceolata-anceps, obtusa)” zu entfernen. Die Zähne
unseres Exemplars könnte man ohne genauere Betrachtung ihrer
Querwülste wegen auch noch unter den Begriff dentes acu-
tiusculi bringen und der gradweise Unterschied in der Schärfe
der Zähne gilt bei den Rochen überhaupt nicht als Gattungs-
charakter. Die Form des Schwanzendes ist aber näher so zu
bestimmen, dafs es mit einer wirklichen, strahligen Endflosse
versehen ist, wie auch die genannten Verfasser schon nach der
Zeichnung vermuthen.
Diese neuholländische Art, ZTrygonoptera testacea Müller
und Henle, unterscheidet sich nach den vorliegenden Materia-
lien von 7. javanica neben den allgemeineren aber geringeren
Abweichungen in Scheibenform und Färbung noch durch einige
bestimmte Merkmale: das obere Augenlied soll am Rande ge-
kerbt sein und erscheint in der Zeichnung deutlich von den
allgemeinen Bedeckungen abgegränzt, während bei 7. javanica
eine solche Gränze nicht in die Augen fällt; der innere Rand
der Spritzlöcher hat einen zahnartigen Vorsprung; am Schwanz
sind zwei Stacheln vorhanden und die Haut wird als überall
glatt (tota laevis) beschrieben. Die Farbe der Oberseite soll
ziegelroth (pallide testaceus) sein. Die Scheibe ist nach der
Zeichnung etwas breiter als lang (225 zu 203 Millimeter), bei
T. javanica etwas länger als breit. Die Skizze der Mundansicht
von T. testacea in dem genannten Werk scheint in kleinerem
Maalsstabe gegeben zu sein, als die Zeichnung der Rückenseite;
wäre der Maalsstab der gleiche, so würde sich 7. zestacea durch
264 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
auffallende Schmalheit des von der Nase und Mund eingenom-
menen Raumes auszeichnen.
In der Bildung von Mund und Nase stimmt Trygonoptera
mit Zrygon überein. Der einzige Unterschied zwischen beiden
Gattungen bleibt die Rückenflosse, welche bekanntlich bei Zry-
gon nicht vorhanden. Defshalb Z’rygonoptera in eine andere
Unterfamilie zu stellen, mag wohl zur Erleichterung des Auffin-
dens dienlich, also in einem sogenannten künstlichen Systeme
gerechtfertigt sein, aber nicht in einem natürlichen, dessen Ab-
theilungen die Grade allseitiger Verwandtschaft darstellen sollen.
2. Diagnosen neuer Arten von Heliceen aus dem
indischen Archipel.
1. Nanina sulfurata n. sp.
Testa anguste perforata, depressa, leviter siriatula, supra
sulfurea, fuscofasciata, infra albida; spira convexiuscula, obtusa;
anfr. 4, ultimus rotundatus, haud descendens; apertura diagona-
lis, late lunata; peristoma simplex, acutum, margine columellari
ad insertionem paulisper reflexo.. Diam. maj. 25, min. 20, alt.
47; apert. long. 13, alt. 12 Mill.
Inseln Batjan und Halmahera, Molukken.
2. Nanina parcipila n. sp.
Testa angusta perforata, globoso-depressa, striatula, supra
pilis raris brevibus obsita, infra nitida, cereo-albida, fascia unica
lata fusca; spira convexa, obtusa; anfr. 4%, subplani, sutura ap-
pressa, opace alba conjuncti, ultimus obtuse angulatus, basi
convexus, antice haud descendens; apertura diagonalis, lunato-
rotundata; peristoma simplex, acutum, margine columellari bre-
viter reflexo. Diam. maj. 50, min. 23%, alt. 20, apert. long.
175, lat. 16% Mill.
Insel Adenare bei Flores.
3. Nanina Riedelii n. sp.
Testa vix perforata, convexe lenticularis, acute carinata,
tenuis, striatula, supra lineis spiralibus confertis subtilibus sculpta,
infra nitida, pallide-lutea, carina opace flavido-alba; anfr. 4?, planı,
sutura marginata notali, ultimus basi sat convexus; apertura
diagonalis, securiformis; peristoma simplex, aculum, ınargine
vom 18. April 1864. 265
columellari ad insertionem breviter reflexo.. Diam. maj. 19, min.
16, alt. 12; apert. long. 11, lat. 10% Mill.
Nördliches Celebes, bei Manado, dem zoologischen Museum
zugeschickt von Hrn. J. G. F. Riedel, holländischem Beam-
ten daselbst, ausgezeichnet in der Kenntnifs der Völkerverhält-
nisse und Landessprachen jener Gegend, welcher auch für die
spezielle Naturgeschichte derselben wiederholt werthvolle Bei-
träge geliefert hat.
4. Nanina amphidroma n. sp.
Testa modo dextra, modo sinistra, aperte perforata, subco-
noideo-depressa, supra striis obliquis confertis argutis subtiliter
granulosis sculpta, cinnamomea, infra striis laevibus radiata, ca-
stanea; spira breviter conoidea, subtilius striata; anfr. 7, lente
erescentes, planiusculi, ultimus angulatus, antice non descendens;
apertura valde obliqua, semielliptica; peristoma expansum, album,
margine basali antrorsum convexo. Diam. maj. 43, min. 34,
alt. 26, apert. long. 25, lat. 19 Mill.
Sumatra, im Hügelland längs der Flüsse Musi und Lama-
tang; in einzelnen Strecken scheinen rechtsgewundene, in an-
dern benachbarten linksgewundene häufiger zu sein.
5. Nanina Albersi n. sp.
Testa sinistra, anguste perforata, depresse conica, subangu-
lata, supra et infra striis obliquis subundulatis confertis et lineo-
lis spiralibus subtilissimis sculpta, luteo-brunnea, infra paulo
obscurius castanea; spira sat elata, conoidea; anfr. 6 convexi,
ultimus infra sat convexus, antice non descendens; apertura pa-
rum obliqua, dilatato-lunata; peristoma rectum, acutum. Diam,
maj. 27, min. 23, alt. 18; apert. long. 15, lat. 13 Mill.
Fundort wahrscheinlich Malakka.. In der Albers’schen
Sammlung unter dem Namen Janus.
Eine weitere, bald rechts bald links gewundene Nonina des
indischen Archipels, aus Borneo, halte ich für dieselbe Art,
welche Chemnitz als Zelix Janus bifrons nach einem links-
gewundenen Exemplar beschrieben hat; dieser Name ist aber in
späteren Werken und Sammlungen für verschiedene andere Ar-
ten milsbraucht worden; das Nähere hierüber in der ausführ-
licheren Bearbeitung der von mir gesammelten Landschnecken.
[1864.] 21
266 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
6. Nanina (Orobia) hyalinan. sp.
Testa semiobtecte perforata, orbiculata, striatula, valde nı-
tida, corneoflava; spira vix prominula, sutura marginata, viola-
scenti-rufa; anfr. 6%, convexiusculi, ultimus rotundatus, antice
non descendens, regione umbilicali excavata; peristoma rectum,
acutum, marginibus distantibus, columellari in ipsa excavatione
umbilicali reflexo.. Diam. maj. 21%, min. 18, alt. 12; apert.
long. 11, lat. 9 Mill.
Westliches Borneo, oberhalb Pontianak.
7. Nanina (Orobia) fuloocarnea.n. sp.
Testa perforata, orbiculata, striatula, lineis spiralibus con-
fertissimis subtilissimis sculpta, satis nitida, supra aurantiobrun-
nea, subtus in roseum vergens; spira brevis, conoidea; sutura
marginata, plicatula, nigricanti-violacea; anfr. 5, vix conviusculi,
ultimus rotundatus, antice non descendens; apertura parum obli-
qua, late lunata; peristoma rectum, acutum, marginibus distanti-
bus, basalı leviter antrorsum convexo, columellari perobliquo,
paululum reflexiusculo.. Diam. maj. 17, min. 14, alt. 10, apert.
long. 9%, lat. 7 Mill.
Manado, von Hrn. Riedel erhalten.
8. Nanina (Orobia) aurean. sp.
Testa subobtecte perforata, orbiculata, distincte striatula,
nitidissima, aureofulva, infra paulum pallidior; spira breviter et
coneave conoidea; sutura marginata, violacea; anfr. 5, supra non
convexi, ultimus rotundatus, basi convexa, antice non descen-
dens; apertura fere verticalis, oblique lunata; peristoma rectum,
acutum, margine basali antrorsum convexo, columellari ad inser-
tionem breviter reflexo.. Diam. maj. 12, min. 10%, alt. 6%,
apert. long. 6%, lat. 5% Mill.
Mittleres Sumatra, bei Kepahiang.
9. Hyalina Amboinensis.n. sp.
Testa depressa, anguste umbilicata, oblique striatula, splen-
dida, corfleofulva, subtus paulum pallidior; spira paulum promi-
nula, apice rubicunda; sutura albida; anfr. 5, convexiusculi, ul-
timus rotundatus; apertura subdiagonalis, oblique lunata; peri-
stoma simplex, acutum, margine columellari valde obliquo, haud
reflexo. Diam. maj. 15, min. 12, alt. 8%, apert. long. 8, lat.
6 Mill.
vom 18. April 1864. 267
Molukkische Inseln der Amboinagruppe: Buru, Amboina und
Banda-Nera.
10. TZrochomorpha appropinguata.n. sp.
Testa latiuscule umbilicata, acute carınata, conoideo-lenti-
cularis, striatula, supra et infra lineis spiralibus confertis subti-
libus sculpta, corneoflavescens, concolor; spira breviter conica,
anfr. 5, paulum convexiusculi, ultimus antice non descendens;
apertura diagonalis, securiformis, peristoma simplex, acutum, mar-
gine supero stricto, infero arcuato. Diam. maj. 11, min. 9
alt. 5, apert. long. 5, lat. 4 Mill.
Westliches Borneo bei Bengkajang. Nächst verwandt mit
Trochomorpha approximata (Helix) Guillou, non Pfr., von
I
Ternate und Zr. Javanica m. = Helix planorbis var. Javanica
Mouss. Über Trochomorpha als Gattung vgl. Pfeiffers ma-
lakologische Blätter, IX. 1863, Seite 116.
41. Trochomorpha lardea n. sp.
Testa modice umbilicata, lenticularis, acute carinata, stria-
tula, lardeonitens, pallide corneo-flava, concolor; spira paulum
prominula; anfr. 5, vix convexiusculi, ultimus antice non descen-
dens; apertura valde obliqua, securiformis; peristoma rectum,
intus albolabiatum, margine supero stricto, basali sigmoideo.
Diam. maj. 14, min. 12, alt. 5%, apert. long. 6%, lat. 5 Mill.
Wahai auf Ceram (Molukken).
12. Trochomorpha bicolor n. sp.
Testa modice umbilicata, depresse conica, carinata, striatula,
nitida, supra lineis spiralibus subtilibus sculpta, castanea, zona
suturali, carina et regione umbilicali albidis; spira altitudine va-
rians; anfr. 55—6, convexiusculi, ultimus peripheria carinatus et
basi prope umbilicum subangulatus, antice haud descendens;
apertura diagenalıs, securiformis; peristoma rectum, acutum, mar-
gine basali arcuato. Diam. maj. 13, min. 12, alt. 5—6, apert.
long. 5, lat. 4 Mill.
Im mittleren Sumatra und im westlichen Theil von Bor-
neo gesammelt. Diese Art verbindet Z’r. conus (Helix) Phil.
mit Tr. planorbis Less. und ihren Verwandten.
13. Helix quadrispira n. sp.
Testa perspective umbilicata, depressa, confertim costulata,
sericeo-nitidula (brunnea?); spira paulum convexa, sutura pro-
21*
268 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
fundiuscula, anfr. 4, celeriter crescentes, ultimus subangulatus,
infra magis convexus, antice paulatim descendens; apertura valde
obliqua, anguloso - piriformis; peristoma rectum, obtusiusculum,
marginibus conniventibus, supero stricto, basali et columellari
arcuatis. Diam. maj. 5%, min. 4%, alt. 3, apert. long. 2%, lat.
1%, Mill.
Wahai auf Ceram, Molukken. Verbindet Gröfse und Scul-
ptur einer typischen Pazula, z. B. Helix ruderata, mit der Form
und geringen Windungszahl der Gruppe Ahytida.
14. Helix lutea n. sp.
Testa perspective umbilicata, discoidea, striatula, epidermide
oleoso-nitente, lutea vestita; spira plana, sutura profundiuscula;
anfr. 3,—4, supra vix convexiusculi, ultimus supra complanatus,
peripheria et infra rotundatus; apertura mediocriter obliqua, se-
mielliptica; peristoma simplex, rectum, acutum, marginibus di-
stantibus, supero stricto vel paululum inflexo, antrorsum con-
vexo. Diam. maj. 11, min. 9, alt. 5%, apert. long. 4%, lat.
4 Mill.
Insel Buru (Molukken).
Verwandt mit Helix obscurata A. Adams (Arthurü Pfr.),
vernicosa Krauls, cosmia Pfr., und mit diesen eine Mittel-
gruppe zwischen Rhytida, Paryphanta und Macrocyclis bildend.
15. Helix endoptychan. sp.
Testa anguste umbilicata, depressa, oblique striatula, niti-
dula, fulvobrunnea; spira vix elevata, anfr. 5, sutura profunda
divisi, ultimus ad aperturam valde descendens et impressione
oblique antrorsum descendente, intus prominente insignis; aper-
tura semiovata; peristoma incrassatum, reflexum, album, margine
supero arcuato-sinuoso, infero strietiusculo et plica oblique in-
trante insignis. Diam. maj. 16, min. 13, alt. 8; apert. long. et
lat. 7 Mill.
Molukken, auf den Inseln Ternate und Batjan. Der eigen-
thümliche Einkniff erinnert an Helix pellis serpentis, liegt aber
viel weiter nach vorn.
16. Helix instricta.n. sp.
Tesia umbilicata, subdepressa, striatula, corneo-alba, rufo-
quadrifasciata, fascia infima umbilico appropinquata; spira de
pressa, anfr. 44, convexiusculi, ultimus basi turgidus, ad aper-
vom 18. April 1864. 269
turam gibbosus et distincte constrictus; apertura semiovata, obli-
qua; peristoma incrassatum, reflexum, album, margine utroque
arcuato. Diam. maj. 15, min. 12, alt. 8; apert. long. 8, alt.
7 Mill.
Molukken, auf den Inseln Ternate, Mareh und Kajoa; Gruppe
Planispira Beck.
17. Helix aurizta.n. sp.
Testa anguste umbilicata, depressa, oblique striatula, albida,
rufotrifasciata; spira plana, anfr. 4%, sutura superficiali juncti,
ultimus basi planatus, ad aperturam valde descendens ibique in
facie inferiore leviter constrictus; apertura fere horizontaliıs,
oblique securiformis, marginibus sat distantibus, ad angulum ex-
ternum sursum flexa; peristoma tenue, reflexum, album, angus-
tum, in angulo externo dilatatum. Diam. maj. 27, min. 19,
alt. 12; apert. long. 16, alt. 11 Mill.
Molukken, auf der Insel Moti. Ebenfalls zur Gruppe Pla-
nispira gehörig.
48. Helix anozonan. sp.
Testa anguste umbilicata, supra plana, infra inflata, subti-
liter striata, tenuis, alba, in facie superna fasciis rufofuscis varlıs
pieta; apex paulum immersus; anfr. 4%, convexiusculi, ultimus
ad aperiuram breviter descendens, non constrictus; apertura dia-
gonalis, lunato-rotundata, ampla; peristoma tenue, reflexum, al-
bum, callo tenui junetum, margine columellari arcuato. Diam.
maj. 20, min. 15, alt. 13; apert. long. et lat. 11 Mill.
Molukken, Insel Batjan. Ähnelt von oben gesehen der
Helix margaritis Pfr., von unten der ZH. cornieulum Hombr.
et Jacg.
19. Cochlostyla pubicepa n. sp.
Testa imperforata, subglobosa, tenuis, striatula, pilis brevi-
bus quincunciatim dispositis pubescens, fuscocornea, fascia peri-
pherica rufa, utrinque pallidelimbata cincta; spira convexa, anfr.
9, ultimus ad aperturam sat descendens, inflatus; columella pa-
rum oblique descendens, callosa, angulum distinctum subrectum
cum margine basali efficiens; apertura parum obliqua, lunato-
rotundata; peristoma tenue, reflexum, rufescens. Diam. maj. 36,
min. 28, alt. 205, apert. alt. et lat. 21 Mill.
Von der Insel Halmahera (Djilolo) und Batjan.
270 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
20. Cochlastyla sulcocincta.n. sp.
Testa imperforata, subdepressa, solidula, oblique striatula,
rugis reticulatis et impressionibus quasi malleatis exarata, carina
peripherica rugulosa et paulo infra hanc carinulis nonnullis (8)
levioribus cincta, purpureofusca; spira brevis, obtusa, oblique
striatula; anfr. 5 vix convexi, ultimus ad aperturam modice de-
scendens; apertura perobliqua, lunato-ovalis; peristoma anguste
expansum, non incrassatum, aurantio -flavescens, margo columel-
laris valde obliquus, inerassatus, angulum distinctum cum mar-
gine basali efficiens. Diam. maj. 59, min. 46, alt. 32; apert.
long. et lat. 29 Mill. N
Insel Halmahera. Ahnlich der €. eryptica (Helix) Brod.
21. Clausilia Sumatranan. sp.
Testa ventricosa, solidula, oblique striatula, striis grossiori-
bus intermixtis, vix nitidula, brunneorufa, ad suturam pallida;
spira sensim attenuata; sutura marginata; anfr. 9, convexiusculi,
ultimus angustior, non compressus; apertura oblique piriformis,
violacea; lamellae validae, divergentes, supera compressa, margi-
nem attingens, infera obtusiuscula, a margine remota; lunella
nulla; plicae palatales 6, profundae, suprema elongata, ceterae
perbreves; plica subcolumellaris non emersa; peristoma conti-
nuum, solutum, late expansum. Long. 25, diam. 6, apert. long.
7, lat. 6 Mill.
Im Gebirge von Sumatra, bei Kepahiang gefunden. Nächst
verwandt mit Cl. Javana Pfr., äulsere Form die der Cl. Al-
missana Küster. |
22. Clausilia Moluccensis n. sp.
Testa cylindraceo-fusiformis, gracilis, subtiliter oblique ru-
gosa, opaca, brunnea; anfr. 10, primi subglobosi, ceteri planati,
ultimus vix angustatus, non compressus; apertura late piriformis;
lamellae medioeres, divergentes, supera marginem attingens; lu-
nella nulla; plicae palatales 3, suprema elongata, media brevis,
tertia punctiformis; plica subcolumellaris inconspicua; peristoma
continuum, solutum, crassum, expansum, album. Long. 17, diam.
3, apert. long. 3, lat. 2% Mill.
Insel Halmahera (Djilolo). Verwandt mit Cl. Cumingiana
Pfr., aber gröber gestreift.
vom 18. April 1864. 271
Hr. W. Peters las ferner über neue Amphibien
(Typkloscincus, Typhlops, Asthenodipsas, Ogmodon).
Trypnıoscrnevs nov. gen.!)
In der Kopfbeschildung und Beschaffenheit der Körper-
schuppen mit Didamus übereinstimmend, aber ohne Extremitä-
ten. Hr. Schlegel hat zwar die Behauptung aufgestellt, dafs
bei den Didamus nur die Männchen mit hinteren Extremitäten
versehen, die Weibchen dagegen fulslos seien, indessen dürften
hierüber noch ferner Untersuchungen anzustellen sein, da von
den vorliegenden drei Exemplaren der Gattung Zyphloscincus
nicht allein nur ein Weibchen, sondern auch zwei Männchen
fulslos sind. Eine Verschmelzung des grofsen Supralabiale mit
dem Rostrale kommt bei derselben Art vor und ebenso findet
wahrscheinlich auch eine solche des Mentale mit den Infrala-
bialia zuweilen statt.
1. T. Martensii nova sp. (Fig. 1.)
Dunkelbraun, mit violeitem Schimmer, unten blasser; Kör-
perschuppen in 24 Längsreihen; Schwanzschuppen in 36 Quer-
reihen. — Von Hrn. Dr. E. von Martens auf Ternate
entdeckt.
2. Typhlops flaviventer nova spec.
Kopf um zwei Fünftel breiter als hoch; Augen deutlich,
fast ganz nach oben gerichtet; Dorsaltheil des Rostralschildes ellip-
tisch, um die Hälfte länger als breit; Nasale vollständig von dem
Frontonasale getrennt, unten von dem ersten und der Hälfte des
zweiten Supralabiale begrenzt; der hintere Rand des Fronto-
nasale bogenförmig eingebuchtet; Praeoculare und Oculare gleich
breit, unten durch das mit einem spitzen Winkel aufsteigende dritte
Supralabiale getrennt; Praefrontale, Frontale und Supraorbitale
fast gleich grols; Interparietale etwas breiter; Parietalia doppelt
so breit. Körper etwas abgeplattet; Schuppen in 22 Längs-
reihen; Schwanz mehr als doppelt so lang wie breit, conisch
zugespitzt, etwas gebogen, mit 18 Querreihen von Schuppen.
Die Farbe ist oben ebenholzschwarz, unten gelb; submarginale
1) TubAös, ariyaos.
272 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Linien der Kopfschilder und Querstriche nahe der Basis der
Rückenschuppen ebenfalls gelb.
Totallänge 0”,320; Kopfbreite 0”,005; Körperbreite 0,0056;
Körperhöhe 0”,005; Schwanzlänge 0”,0115; Schwanzbreite 0”,005.
Ebenfalls von Ternate, wo Hr. Dr. E. von Martens
ein einziges Exemplar entdeckte.
Diese Art ist sehr nahe verwandt mit Z. nigroalbus, Mül-
leri, Diardi, Horsfieldii und Jagorü, unterscheidet sich aber von
diesen durch den platteren Kopf, den gestreckteren Körper, von den
meisten durch die geringere Schuppenzahl und den längeren spitzigen
Schwanz. Es ist möglich, dals alle diese Arten zusammengehören,
jedoch besitzen wir noch kein hinreichendes Material, um zu unter-
scheiden, wie grofse Verschiedenheiten in der Beschuppung, in
der Form der Kopfschilder und in der Länge des Schwanzes
bei einzelnen Arten stattfinden können.
3. Onychocephalus (Ophthalmidion) tenuicollis nova
spec. (Fig. 2.)
Körper sehr gestreckt, drehrund, am Kopfende merklich
dünner als am Schwanzende. Augen nicht sichtbar. Dorsaltheil
des Rostrale wenig länger als breit, abgerundet, convex; Nasale
vor dem Nasenloch mit dem Nasofrontale verschmolzen, unten
mit dem ersten und der vorderen Hälfte des zweiten Supra-
labiale zusammenstofsend; Nasofrontale hinten flach bogenförmig
eingebuchtet; Praeoculare und Oculare sehr ähnlich an Gestalt
und Grölse, unten durch das spitzwinkelig aufsteigende dritte
Supralabiale getrennt. Praefrontale und Frontale sehr breit,
viel breiter als die gleich grolsen Supraorbitalia und Parietalıa.
Interparietale nicht grölser als die übrigen Körperschuppen, wel-
che 22 Längsreihen bilden. Der Schwanz kurz, so lang wie breit,
mit 12 Schuppenquerreihen. Die Farbe ist olivenfarbig, oben
mehr bräunlich, unten gelblich; die Rückenschuppen sind in ihrer
grölseren Hälfte bräunlich, nach beiden Seiten hin dunkler, so
dals dadurch bei oberflächlicher Betrachtung dunkle Längslinien
zwischen den Schuppen entstehen.
Totallänge 0”,365; Kopfbreite 0,0032; Körperbreite in
der Mitte 0”,0057; Schwanzlänge 0”,0047.
Das einzige mir vorliegende Exemplar soll angeblich aus
vom 18. April 1864. 273
dem Himalaya stammen und wird gegenwärtig in unserm Museum
aufbewahrt.
Diese Art ist am nächsten verwandt mit Ophth. longissimum
D. B., welches sich aber nach der Beschreibung zu urtheilen
von ihr durch die viel kleineren Frontalia, das kleinere Oculare,
den längeren Schwanz und ganz andere Färbung unterscheidet.
ASTHENODIPSAS Nov. gen. ')
Zähne der schwachen kurzen zusammengedrückten Ober-
kiefer wenig zahlreich, solide und ungefurcht; Os pterygoideum
externum fadenförmig; Unterkieferzähne sehr zahlreich, ganz
allmälig kürzer werdend. Körper zusammengedrückt mit glatten
Schuppen (in 15 Reihen) bedeckt; die Schuppen der mittleren
Reihen viel breiter, hexagonal. Kopf viel breiter als der Hals
mit stumpfer breiter Schnauze, kleinen Augen (mit runder Pu-
pille?) und wenig gespaltenem Maul. (Nasale einfach, kein Fre-
nale, 14 grofses Anteorbitale, 2 Postorbitalia; Praefrontalia bil-
den einen Theil des Orbitalrandes, Supraorbitale klein; 1 ein-
faches vorderes, 1 einfaches breites hinteres und 2 Paar breite
mittlere Submentalia. Anale einfach,) Subcaudalia doppelt.
Durch die schwachen Kiefer und den Habitus schliefst sich
diese Gattung am nächsten an Dipsadomorus an, von welchem
sie sich aber durch die Beschildung des Kopfes, das kleine Auge,
die wenig zahlreichen Zähne des Oberkiefers und die gleich
langen Unterkieferzähne leicht unterscheiden lälst.
4. Asthenodipsas Malaccana nova sp. (Fig. 3.)
Bostrale viel breiter als hoch, mit seiner hinteren Spitze
oben kaum sichtbar; Internasalia breit, triangulär mit äufserem
abgerundeten Winkel; Praefrontalia sehr breit, hexagonal, sto-
fsen vorn an das Internasale, aulsen an das Anteorbitale, hinten
an das Auge, das Supraorbitale und das Frontale; dieses letztere
ist sehr breit, breiter als lang, und hat genau betrachtet 6 Rän-
der, von denen die beiden kleinsten an die kleinen Supraorbi-
talia stolsen; die Parietalia sind sehr lang und nach hinten ver-
schmälert; das einfache Nasale ist sehr grols, vorn verbreitert,
hinten abgerundet und steht unten mit den drei ersten Supra-
1) dadevys, Önbas.
274 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
labialia, hinten mit dem sehr grofsen einfachen Anteorbitale in
Verbindung; acht (links durch Verschmelzung des ersten und
zweiten sieben) Supralabialia, von denen das vierte vorn und
unten, das fünfte unten ans Auge, das sechste an das sich vor-
drängende untere Postorbitale stolsen und das letzte das grölste
von allen ist; zwei sehr lange Temporalia, von denen das obere.
an das obere Postoculare, das untere an ein vorderes kurzes
Temporale stolsen, hinter ihnen und dem letzten Supralabiale
eine Querreihe von drei trapezoidalen Schuppen. Das Mentale
ist kürzer und stölst hinten seitlich an das erste Paar der In-
fralabialia, in der Mit*e dagegen an ein einfaches Submen-
tale, welches gröfstentheils von dem zweiten Paar der Infra-
labıalıa begrenzt wird und auf welches noch zwei Paar sehr
breite und grolse Submentalia folgen, an die sich hinten ein
sehr grolses breites einfaches Submentale anschlielst, mit wel-
chem die Reihe der Abdominalschilder beginnt. Die Körper-
schuppen sind kurz, ganz glatt, ohne Endporen und stehen in funf-
zehn Reihen, von denen die Mittelreihe aus grölseren breiten hexa-
gonalen Schuppen gebildet wird. Abdominalschilder 156, 1 ein-
faches Anale, 28 Paar Subcaudalia und eine lange Endschuppe.
Oberkieferzähne 5, Gaumenzähne 5, Pterygoidalzähne 16,
Unterkieferzähne 24.
Der Kopf, die Mitte des Bauches und eine Reihe grolser
breiter viereckiger, oft unregelmälsiger, getrennter oder zusam-
menhängender Flecke auf dem Rücken und Schwanz weils (in
Weingeist), die übrigen Körpertheile schwarz, an der Unter-
seite des Schwanzes braun oder bräunlichweils.
Totallänge 0”,215; Kopf 0”,011; Kopfbreite 0”,0057;
Schwanz 0”,028.
Das einzige uns vorliegende Exemplar hat Hr. W. Baum-
garten in der Nähe von Malacca gesammelt.
OcmoDon nov. gen.')
Im Oberkiefer zwei lange durchbohrte und gefurchte Gift-
zähne, denen sich unmittelbar eine Reihe gefurchter, allmählig
an Gröfse abnehmender Zähne anschliefst; Gaumen- und Pite-
rygoidalzähne zahlreich, ebenso die des Unterkiefers. Habitus
1) Oymos, öwv.
vom 18. April 1864. 275
der Calamarien. Kopf zugespitzt; Augen klein, mit runder Pu-
pille; 2 Internasalia, 2 Praefrontalia, 1 Frontale, 2 Parietalia;
kein Frenale; ein sehr langes Anteorbitale; Nasenloch sichelför-
mig, in dem vorderen mit dem ersten Supraorbitale
verwachsenen Nasale gelegen; dahinter ein Postnasale.
Körperschuppen glänzend glatt, abgerundet rhomboidal, ohne
Grübchen (in 17 Längsreihen). Abdominalia mälsig breit; Anale
und Subcaudalia getheilt.
Diese Gattung hat eine so täuschende Ähnlichkeit mit den
giftlosen Calamariae, dafs ich Anfangs selbst nach Untersuchung
der Zähne nicht glaubte, eine Giftschlange vor mir zu haben,
vielmehr dachte, dals das Thier ein Zycodont mit gefurchten
Zähnen sei. Erst eine sehr genaue und wiederholte Untersu-
chung liels mich den Giftcanal in den vordersten Oberkieferzähnen
erkennen, so wie ich nun auch die allerdings deutliche, wenn
auch ziemlich kleine Giftdrüse nebst ihrem Ausführungsgange
ganz wie bei andern Giftschlangen deutlich wahrnehmen konnte.
5. Ogmodon Vitianus nova spec. (Fig. 4.)
Rostrale convex, höher als breit; Internasalia klein, trape-
zoidal; Praefrontalia sehr grofs und breit, stehen in Verbindung
mit den Internasalia, Postnasalia, dem zweiten Supralabiale, dem
Anteorbitale, dem kleinen Supraorbitale und dem Frontale und bil-
den einen Theil des vorderen Orbitalrandes; Frontale pentagonal,
länger als breit, hinten zugespitzt, viel kleiner als die grolsen
Parietalia, welche sich hinter dem einfachen Postorbitale mit dem
sehr grolsen letzten (sechsten) Supralabiale verbinden. 6 Supra-
labialia; das zweite höher als das erste und dritte; das vierte
liegt unter, das fünfte unter und hinter dem Auge. 6 Infra-
labialia, von denen das erste Paar hinter dem Mentale zusammen-
stölst; zwei Paar schmale Submentalia, welche eine kleine mittlere
Schuppe umgeben. Körperschuppen in 17 Reihen; Abdominalıa
139 bis 140; 1 getheiltes Anale, 27 bis 30 Paar Subcaudalia.
Die Farbe der Oberseite ist chocoladenbraun oder schwarzvio-
“ let, unten gelblich, unregelmälsig schwarz gefleckt, die Bauch-
schilder an den Seiten mehr oder weniger schwarz gefleckt und
am vorderen Rande mehr oder weniger schwarz.
Im Oberkiefer steht eine ununterbrochene Reihe von 8, nach
hinten allmählig an Gröfse abnehmenden gekrümmten Zähnen,
276 Gesammtsüzung
von denen die beiden ersten gefurcht und durchbohrt, die übri-
gen gefurcht sind; Gaumenzähne ebenfalls 8, aber viel kürzer
und glatt; Pterygoidalzähne 29; Unterkieferzähne 18.
Totallänge 0",355; Kopf 0",014; Schwanz 0”,042; Kopf-
breite 0”,007; Körperbreite 0”,0085.
Diese sehr merkwürdige Schlange ist von Hrn. Dr. Gräffe
in zwei Exemplaren auf den höchsten Gebirgen der Fidji-Insel
Viti-Levu entdeckt worden, wo derselbe im Auftrage der
ebensosehr durch ihre rege Theilnahme an wissenschaftlichen
Unternehmungen wie durch ihren grolsartigen Handelsverkehr
bekannten Hamburger Herren Godeffroy gesammelt hat.
Erklärung der Tafel.
Typhloscineus Martensü Peters. Fig. 1. Kopf von oben; 1°. von der
Seite; 1°. von unten; 1°. Schwanz von unten.
Onychocephalus (Ophthalmidion) tenuicollis Peters. Fig. 2—2°, wie
oben.
Asthenodipsas Malaccana Peters. Fig. 3—3°, wie oben; 34. Kiefer-
gaumenapparai.
Ogmodon Vitianus Peters. Fig. 4—44, wie oben; 4°, Kiefergaumen-
apparat von unten.
21. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Borchardt las: über die Multiplicatoren hö-
herer Ordnungen der gewöhnlichen Differential-
gleichungen.
Hr. Pertz trug vor einen Nachtrag zu dem Berichte
über die Berliner und Vaticanischen Blätter des-
Augusteischen Virgil:
Das als Geschenk der Akademie an die Vaticanische Biblio-
ihek gelangte Exemplar der Vorlesung über die Blätter des Au-
gusteischen Virgil hat bei seiner Ankunft in Rom durch einige
ISIN DIN
II
NRIIDIIIIPSD
Y
1. Typhloseineus Martensii 2 Onyehoceph tennicollis
3Asthenodipsas Malaceana Osinoden Vitianus
MET;
ER EN
SAN REN
VENEN
vom 21. April 1864. 277
darin enthaltenen Nachrichten über die äufsere Geschichte der
Handschrift unangenehmes Aufsehen erregi, und zwar durch
solche die sich auf Silvestre’s anscheinend auf den Augenschein
und sonst wohl begründete Äufserungen stützten. Herr Sil-
vestre begleitet seine schöne Abbildung des oberen Theils eines
der Vaticanischen Blätter mit folgender Erklärung:
Des renseignements exacts, tires de Phistoire de la biblio-
ihegue du Vatican, nous apprennent, que les fragments dont une
des pages a fourni le sujet de la planche jointe & cette notice,
consistaient d’abord en quatorze feuillets; que deux de ces feuil-
lets, le troisieme et le quatrieme, furent perdus, lorsque, & Poc-
casion de lincendie de la bibliotheque des livores imprimes, on
transporia precipitamment les manuscrits dans un autre local.
Il ne reste donc aujourd’hui que douze feuilllets d’un manuscrit
qui, dans son integrite, devait en contenir plusieurs centaines.
Ils portent le no. 3256.
Cette circonstance de son histoire, n’est pas la seule dont
nous ayons a entretenir le lecteur, et quelques penibles regrets
que nous devions exciter en lui, nous ajouterons que ces admi-
rables fragments, auquels on ne peut en comparer aucun autre,
et qui attestent Pexistence d’un monument litteraire dont il y eut
peu d’egaux dans VantiquitE meme, appartenaient judis & la
Krancesa.h. 220.
Ces fragments, en effet, ont &tE connus de nos diplomatistes
comme faisant partie de la bibliothegue de M. M. Pithou, dont
le plus jeune des deux freres mourut en 1621.
Une auire indication plus ancienne, relative aussi a Vexi-
stence en France des ces precieux fragmenis, se trowe sur la
j@re page du 1° feuillet, ob on lit, en une E&criture cursive, qui
date d’environ deux siecles, ces mots latins: Claudius Puteanus
Fulbio Ursino D. D. Or Claude Dupuy, le frere des savants
Jacques et Pierre Dupuy, mourut en 1594, et Fulius Ursinus
six annees plus tard, en lannee 1600.
Nachdem er darauf Mabillons Abbildung einer anderen Hand-
schrift des Virgil erwähnt hat, fährt er fort:
Peu de temps apres la mort du tres-savant benedietin fran-
gais, survenue en 1707, un de ses doctes confreres, D. Ruinarz,
nous apprend, en 1709, que Yauteur du Traite de Diplomatique
278 Gesammtsitzung
avalt eu Poccasion de retenir quelque temps entire ses mains,
d’admirer et de faire admirer a ses amis, a D. Ruinart lui-m&me,
ces memes fragments de Virgile de la bibliotheque de Pithou .....
„Virgilü fragmentum quod ex bibliotheca Pithoeana aliquandiu
prae manibus habuit ipse Mabillonius, mihi et aliis nonnullis non
sine admirationis sensu ostendit”; et a la suite de ce passage
D. Ruinart publia un fac-simile, tirE de ces fragments et con-
tenant quaire vers de l’Eneide, commencant par le mot T'hyias.
Il est vraisemblable que Mabillon vit ces fragments a Rome lors
de son voyage en lItalie, qui date des annees 1685 et 1686.
Diese Äufserungen, deren Richtigkeit hinsichtlich der In-
schrift auf der ersten Seite gleich auf meine erste Anfrage und
auch jetzt wiederholt aus Rom bestätigt ist, berechtigten zu dem
Schlusse, dafs Mabillon sowohl als Silvestre jene Blätter, von
denen Ruinart einige Zeilen abgebildet hat, im Vatican be-
wundert haben, den sie ja seit Orsini’s Zeit nicht verlassen
hatten; und da Silvestre weiter berichtet, dafs in jenem Brande
der Vaticana von den ursprünglichen 14 Blättern das dritte
und vierte (also den Georgica angehörende) verloren und zu
seiner Zeit also im Jahre 1841 nur noch 12 vorhanden seyen,
so konnte man auch nicht zweifeln, dals unter diesen auch
das von Mabillon und Ruinart gesehene, der Aeneis angehörige,
noch vorhanden sey. Aber nach der mir jetzt durch Hrn. Pro-
fessor Dr. Brunn zugekommenen amtlichen Nachricht ist keins
von beiden der Fall.e. Es fehlt in der Handschrift nicht nur das
Blatt der Aeneis, sondern wir werden authentisch belehrt, dafs
es, so wie sieben andere, seit Aufnahme der Handschrift in
die Vaticana auch niemals dazu gehört hat.
Diese von Hrn. Dr. Ulrich Köhler in Rom verfalste
Erklärung lautet wie folgt:
„Über die vaticanischen Blätter des Virgil aus dem
Besitze Glaude Dupuy’s.
„Hr. Geh. Rath Pertz in seiner Publication der von ihm
neuerdings für die Berliner Bibliothek acquirirten Blätter einer
alten Virgilhandschrift hat erkannt, dafs dieselben ursprünglich
Theile derselben Handschrift bildeten, zu welcher auch die in
der Vaticana unter No. 3256 aufbewahrten Blätter gehörten.
vom 21. April 1864. 279
Über die Handschrift des Vatican giebt derselbe an, sie habe
bis zum Jahre 1841 aus wenigstens 12 Blättern bestanden, in
diesem Zustande habe sie während der Jahre 1685 und 1686
Mabillon gesehen und aus ihr die nach seinem Tode von Rui-
nart im Appendix p. 655 gegebene Nachbildung einiger Zeilen
aus dem 4. Buche der Aeneis entnommen. Da die Handschrift
nun heutigen Tages nur 4 Blätter enthält, so müssen die übri-
gen 8 in der Zeit seit 1841 abhanden gekommen seyn. Diese
Angaben sind irrig, die vaticanische Handschrift hat nachweis-
bar bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht mehr
als die noch jetzt vorhandenen 4 Blätter umfalst, welche Bruch-
stücke aus den Georgica enthalten, und Mabillon also seine
Schriftprobe aus ihr nicht nehmen können. Der Catalog der
Vaticana nämlich, welcher das Familienwappen der Barberini
trägt und also nicht jünger seyn kann als das Jahr 1644, das
Todesjahr Urban des Achten, des letzten Pabstes aus dieser Fa-
milie, enthält unter no. 3256 folgende eigenhändig von mir
copirte Angabe: „Firgili fragmentum libri primi Georgicon Igna-
rosg; viae mecum. Ex Perg. c. s. n’.4. In folio grandiori in
litteris Majusculis vetustissimus” — C. s. n°®. 4 d.h. carte scritte
n°.A und 4 beschriebene Blätter enthält die Handschrift noch
jetzt. Was dagegen Mabillon anlangt, so sind die Worte Rui-
narts über die mitgetheilte Schriftprobe folgende (p. 635): „pri-
mum locum in ea (tabella) obtinet Romana si quae umquam
alia, elegantissimis charatteribus exarata scriptura ex Virgilü
fragmento expressa, quod ex Bibliotheca Pithoeana aligquamdiu
prae manibus habuit ipse Mabillonius mihique et alüs nonnullis
non sine admirationis sensu ostendit.” In diesen Worten ist
durchaus Nichts enthalten, was dazu berechtigte anzunehmen,
Mabillon habe das von ihm benutzte Virgilfragment in der Va-
ticana gesehen; die Angabe, dasselbe habe zur Bibliothek Pi-
thou’s gehört, spricht vielmehr dagegen, es mit dem in der
Vaticana unter No. 3256 aufbewahrten Fragment zu identifici-
ren, da dieses nach der Überschrift Dupuy gehörte und von
diesem an Orsini geschenkt wurde; dafs es aber vor Dupuy Pi-
thou gehört, erscheint auch Herrn Pertz nicht wahrscheinlich.
Die Angaben im Nouveau traite de diplomatique III, p.41, wo
die Schriftprobe aus Mabillons Werke wiederholt ist, beruhen
dd
280 Gesammitsitzung
einzig und alleın auf der Autorität des letzteren und enthalten
demnach nichts Neues. Dagegen sind die vaticanischen Blätter
von Silvestre benutzt worden, welcher aus einer noch jetzt in
derselben vorhandenen Stelle der Georgica eine Schriftprobe
mittheilt (Paleographie univ. 1841 B. II.). Bei Silvestre findet
sich meines Wissens zum ersten Male die Angabe, die Hand-
schrift bestehe aus 12 Blättern, nachdem bereits früher bei Ge-
legenheit eines Brandes 2 Blätter desselben verloren gegangen
seien; derselbe vermuthet ferner, dals diese Blätter dieselben
seien, welche Mabillon gesehen habe. Dafs die Angabe über
die verlorenen Blätter, nach Silvestre das dritte und vierte, so
nicht richtig sein könne, hat bereits Hr. Pertz bemerkt, aus
welcher Quelle aber diese Nachricht stamme, habe ich auch hier
in Rom nicht erfahren können; sehr leicht möglich, dafs die-
selbe auf der Aussage eines der Scopazori beruht. Fügt aber
Silvestre weiter hinzu, die Handschrift habe noch damals, als
er sie sah, aus 12 Blättern bestanden, so kann man nach dem
oben angeführten sichern Zeugnils aus dem 17. Jahrhundert vom
Gegentheil nicht anstehen, hier ein grobes Versehen von Seiten
desselben anzunehmen. Die Sache verhält sich nämlich so, dafs
sowohl vor als nach den beschriebenen 4 Pergamentblättern je
4 leere Papierblätter eingeheftet sind, so dafs, wenn man diese
mitzählen will, die Handschrift allerdings noch heute aus 12 Blät-
tern besteht. Davon dafs das von Mabillon benutzte Fragment
mit dem der Vaticana identisch sei, kann hiernach selbstver-
ständlich nicht mehr die Rede sein, wohl aber ist es nach der
von ihm gegebenen Schriftprobe zu schliefsen mehr als wahr-
scheinlich, dafs sämmtliche 3 Fragmente, das von Mabillon ge-
sehene, das in der Vaticana befindliche und das der berliner
Bibliothek Theile einer und derselben Virgilhandschrift sind.
Wo Mabillon das Fragment gesehen habe und wo sich dasselbe
jetzt befinden möge, darüber können nur Nachforschungen über
die spätern Schicksale der Bibliothek Pithou’s Aufklärung geben,
die ich hier in Rom nicht im Stande bin anzustellen.
Rom im März 1864. Dr. Ulrich Köhler.”
So weit diese Berichtigung, zu deren Bestätigung ich hin-
zufüge, dafs nicht Ruinart sondern Germain Mabillons Reise-
vom 21. April 1864. 281
gefährte in Italien und Deutschland gewesen ist, also allerdings
die Vermuthung nahe liegt, dafs Mabillon nicht auf jenen Rei-
sen sondern zu Paris oder in der Normandie, wohin ihn Ruinart
im Jahre 1684 begleitete, dem Ruinart und anderen jenes Blatt
der Aeneide gezeigt haben möge.
Dafs jenes Blatt, mag Mabillon es in Rom oder anderwärts
gesehen haben, ursprünglich mit unseren und den Vaticanischen
Blättern zu einer und derselben Handschrift gehört hat, läfst sich
nicht bezweifeln. Dagegen halte ich Hrn. Köhlers Erklärung, Hr.
Silvestre habe die vorhandenen acht weilsen Papierblätter mit den
vier Pergamentblättern Virgils zusammen für zwölf Virgilsblätter
gerechnet, und diese Zahl sammt der Nachricht über früheren
Verlust zweier anderen Blätter als „renseignements exacts tires de
Phistoire de la bibliotheque du Vatican’” drucken lassen, für äufserst
gewagt; und wird jedenfalls Herrn Silvestre’s Erklärung darüber
abzuwarten seyn.
Hr. Borchardt übergab ein Exemplar der „Recherches sur
les surfaces du second ordre par PAbbe Aoust”, welches ihm der
Verfasser für die Akademie zugesandt hatte.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Memoires de la Societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve.
Tome XVII, Partie 1. Geneve 1863. 4.
Journal de Pecole polytechnigue. Tome 23. Paris 1863. 4.
Revue archeologigue. Paris, Avril 1864. 8.
Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 6. Jahrgang. Wien
1862. 8.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preu/sischen Rheinlande.
20. Jahrgang. Wien 1863. 8.
Mulder, Scheikundige Verhandelingen. 11,3. Rotterdam 1864. 8.
Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie. 1. Heft. München 1864. 8.
Würzburger Medizinische Zeitschrift. 4. Band, Heft 5.6. Würzburg
1863. 8.
[1864.] 22
282 Gesammtsilzung
Carl Schmidt, Lebensbild von Prof. Dr. Carl Claus. Dorpat 1864.
8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d. d. Dorpat 8. April 1864.
28. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kummer las über die algebraischen Strahlen-
systeme, insbesondere über die der ersten Ordnung
und die der ersten Klasse.
Hr. Dove machte Mittheilungen aus einem von Hrn. Poey
in Havanna an ihn gerichteten Briefe vom 19. März d. J., wel-
cher eine Bestätigung des Drehungsgesetzes in der Bewegung
der Wolken enthält.
Hr. Haupt übergab ein von dem Verfasser ihm für die
Akademie übersandtes Exemplar eines Heftes der Revue archeo-
logique, in welchem Hr. H. Martin die predictions declipses
behandelt.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Memoirs of the geological Survey of India. Vol. II, 6. IM, 1. Calcutta
1863. 4.
Schriften der Kgl. Physikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königs-
berg. 4,2. Königsberg 1863. 4.
Verhandlungen der Zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. 13.Bd.
Wien 1863. 8.
Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. 12. Heft. Graiz
1863. 8.
Natural history Review. No. 14. London 1864. 8.
vom 28. April 1864. 283
Czyrnianski, Neue chemische Theorie. Krakau 1864. 8.
Brandis, Geschichte der Entwicklungen der griechischen Philosophie.
2. Hälfte. Berlin 1864. 8.
Bavaria. Band II, 2. München 1864. 8.
Bi
Y,
RE,
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Mai 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
2. Mai. Sitzung der philosophisch -histo-
rischen Klasse.
Hr. Trendelenburg trug einige Belege für die
nacharistotelische Abfassungszeit der magna mo-
ralia vor.
42. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kronecker las: Über den Gebrauch der Di-
richletschen Methoden in der Theorie der quadra-
tischen Formen.
Die klassische Abhandlung Dirichlet’s, welche im 19ten
und 21sten Bande des Journals für Mathematik veröffentlicht
ist, und in welcher seine „Untersuchungen über verschiedene
| Anwendungen der Analysis des Unendlichen auf die Zahlen-
theorie” ausführlich dargelegt sind, enthält die Lösung zweier
Hauptprobleme aus der Theorie der quadratischen Formen, näm-
L1864.] 23
286 Gesammtsitzung
lich die Bestimmung der Anzahl der Klassen und der Gattun-
gen. Die hierbei entwickelten Methoden haben seitdem ihre
grolse Fruchtbarkeit in vielfacher Weise bewährt. Namentlich
sind dieselben für analoge Fragen aus höheren Gebieten der
Arithmetik mit Erfolg benutzt worden. Die Arbeiten Di-
richlet’s über quadratische Formen mit complexen Coefh-
cienten, diejenigen des Hrn. Kummer über complexe Zahlen,
welche aus Wurzeln der Einheit gebildet werden, so wie end-
lich meine eigenen Untersuchungen über die arithmetischen Ei-
genschaften der singulären Moduln der elliptischen Functionen
verdanken die werthvollsten und überraschendsten Resultate der
Anwendung eben jener Methoden. Aber auch für die Lehre
von den gewöhnlichen binären quadratischen Formen kann man
noch weiteren Nutzen daraus ziehen und sogar fast diese ganze
Theorie mit Hilfe analytischer Betrachtungen entwickeln, wenn
nur die einfachsten arithmetischen Grundbegriffe zuvor festge-
stellt sind. Bei einer derartigen Behandlungsweise der quadra-
tischen Formen ist die Eintheilung des gesammten Stoffes in
zwei verschiedeneTheile, wie sich dieselbe in der fünften Section
der „disquisitiones arithmeticae” vorfindet, im Wesentlichen bei-
zubehalten. Indessen ist ın dem ersten elementaren Theile die
Lehre von der Reduction der Formen gänzlich auszuschlielsen,
weil die wichtigsten Resultate, zu deren rein arithmetischer Be-
gründung sie dient, sich anderweit ergeben. Ferner ist die
Lehre von den ambigen Klassen aus dem ersten Theile in den
zweiten zu verweisen, welcher die tiefer liegenden Eigenschaf-
ten der quadratischen Formen behandelt, weil bei einer solchen
Darstellungsweise die Theorie der Ambigen durch die der Com-
position begründet werden muls.
Nach diesen Vorbemerkungen will ich in kurzen Umrissen
andeuten, wie sich eine systematische Entwickelung der Theorie
der quadratischen Formen gestaltet, wenn man von den Di-
richletschen Methoden Gebrauch macht und zugleich rein arith-
metische Betrachtungen so viel als möglich ausschliefst. Ich
werde hierbei zuvörderst Gelegenheit nehmen, einige nicht
unwesentliche und in mancher Hinsicht vortheilhafte Modifica-
tionen jener Methoden anzugeben, alsdann aber zu dem Haupt-
zwecke der vorliegenden Mittheilung übergehend eine der wich-
vom 12. Mai 1864 287
tigsten Eigenschaften der quadratischen Formen in ganz directer
Weise auf analytischem Wege herleiten.
Bedeuten (4, B, C) und (a, 5, ce) eigentlich primitive For-
men einer Determinante D, welche nur keine positive Quadrat-
zahl sein darf, so hat man vermöge des Begriffes der Äquivalenz
‚die rein formale Gleichung:
I. 7.23F(A,B)=3F(aa’-+ 2b0y-+cy?,auß + b(ad + By)-H+cyd),
wenn F irgend eine eindeutige Function zweier Variabeln be-
zeichnet, und wenn die Summation links auf alle möglichen Werthe
von A und B erstreckt wird, rechts aber einerseits auf alle Zah-
len a, 6, c, welche einem Systeme nichtäquivalenter Formen
angehören, andrerseits auf alle ganzzahligen Werthe von «, ß, 5, ö,
für welche «&ö — £y=1 ist. Mit dem Buchstaben r ist die An-
zahl der 'Transformationen einer Form in sich selbst bezeichnet
und es ist hierbei zu erinnern, dafs, wie die einfachsten arith-
metischen Betrachtungen zeigen, diese Anzahl mit derjenigen
der ganzzahligen Werthe von £, u übereinstimmt, für welche
die Gleichung: ?? — Du? =1 stattfindet. Hieraus erhellt un-
mittelbar, dals » den Werth 2 hat, wenn D negativ und seinem
absoluten Werihe nach grölser als Eins ist. Ebenso leicht ist
einzusehen, dals für positive Determinanten r entweder gleich 2
oder unendlich grols sein muls. Dafs aber der letztere Fall ein-
tritt, d. h. dafs die Pellsche Gleichung stets unendlich viele Lö-
sungen darbietet, soll hier nicht als bewiesen angenommen, und
es soll auch die Endlichkeit der Anzahl der Formen (a, 2, c)
nicht vorausgesetzt werden, da sich diese beiden Eigenschaften
der quadratischen Formen als Folgerungen aus der obigen Glei-
chung I. ergeben. — Wenn man in dieser Gleichung nur je
eines der unendlich vielen Werthepaare für £, beibehält,
welche zu denselben Zahlen «, y gehören, so dürfen links für
jedes bestimmte 4 nur solche Werthe von B genommen wer-
den, welche für den Modul 4 mit einander incongruent sind.
Bezeichnet man die Anzahl derselben mit (4), so ist als-
dann, wenn die Function F(A, B) von B unabhängig ist, die auf
die verschiedenen Zahlen 3 bezügliche Summation durch Hin-
zufügung des Factors (4) zu ersetzen. Die Gleichung I. ver-
23*
288 Gesammtsitzung
wandelt sich demnach, wenn z eine unbestimmte Gröfse be-
deutet und für F(4, B) die Function einer einzigen Variabeln:
f(Az) genommen wird, in folgende:
II. 73,(4).f(A)=3f((aa? +200y + 0y?)2);
und man kann sich in derselben alle diejenigen Glieder wegge-
lassen denken, in denen die unter dem Functionszeichen stehende
ganze Zahl negativ ist, so wie diejenigen, in welchen sie einen
gemeinsamen Factor mit irgend einer durch die Determinante
theilbaren graden Zahl ? hat. Alsdann sind für 4 sämmtliche
positiven Zahlen zu setzen, welche zu ?P prim sind und von
denen D quadratischer Rest ist. Alle diese Zahlen, welche of-
fenbar die Eigenschaft haben, dafs D auch quadratischer Rest
von jedem ihrer Primfactoren ist, mögen jetzt durch % bezeich-
net werden; durch v dagegen alle diejenigen Zahlen, von deren
sämmtlichen Primfactoren D Nichtrest ist, und welche überdiefs
ebenfalls zu ? relativ prim sind. Da nun die oben definirte
Function (u) die Anzahl aller Lösungen der Congruenz:
B? =D mod. 1 bedeutet, oder — was dasselbe ist — die An-
zahl aller Systeme relativer Primzahlen w’, A”, für welche
k=wp" wird, so ist
D
Y@=2(7)
und also:
I. »2(7) (ww) = 3f((aa’+2bay+cy?)z),
wo unter dem Summenzeichen links sowohl für w als für a”
alle Zahlen » zu nehmen sind, jedoch mit Ausschlufs derjenigen
Werthsysteme, für welche # und 4” einen gemeinsamen Factor
mit einander haben. Diese Einschränkung für die Werthe von
#, #’ kann aber wegfallen, wenn man zugleich auf der rechten
Seite für &, y nicht blofs wie früher relative Primzahlen son-
dern auch solche ganzzahlige Werthe nimmt, deren gröfster ge-
meinsamer Factor irgend eine Zahl u ist; denn für alle Zahlen
&, y und resp. für alle Zahlen ’, #”, welche eine bestimmte
Zahl u als grölsten gemeinsamen Theiler haben, gilt ebenfalls
vom 12. Mai 1864. 289
die obige Gleichung IH., da dieselbe, wenn e=a,%, y=Yılı
W"=hıl, W —=Mgi, 20° =’ geseizt wird, in:
D ;
2 (fer) — I>f((ac} +2ba,y, + cy?)z’)
Mı
übergeht und hier %,, #25 “ı , Yı resp. die Bedeutung haben,
welche ursprünglich in der Gleichung IH. den Buchstaben
rw, 2”, &, y beigelegt worden ist. Berücksichtigt man endlich,
dafs die auf alle Divisoren v’ einer Zahl v ausgedehnte Summe
x(7) den Werth Eins oder Null hat, je nachdem v ein voll-
v
ständiges Quadrat ist oder nicht, so erhält man für eine belie-
bige Function & die Gleichung:
(7)? )=200),
wo für v, v’, v” resp. sämmtliche oben definirte Zahlen v zu
nehmen sind. Man hat demnach, wenn
D
P9=r2(F)/@w)= Sf((ae? +28ay+0y°)2))
gesetzt wird:
D
2(7,)/Wr) — Zf((a«? +2bay-4-cy?) v)
oder, wenn man die Producte «'v’, w’v”, av, yv resp. durch die
9 „Mv,„an Y
Bezeichnungen n, n’, x, y zusammenfalst:
N. r (Z)/ (nn) = &f(ax? +252y+cy?),
wo unter den Summenzeichen für a, 5, c alle CGoefficienten eines
Systems nichtäquivalenter Formen, für z, n’ nur alle positiven,
für x, y aber alle ganzzahligen Werthe mit alleiniger Ausnahme
derjenigen zu nehmen sind, für welche die unter dem Functions-
zeichen stehenden Zahlen einen negativen Werth oder einen
gemeinsamen Theiler mit ? bekommen. Auf diese Weise ist
also die fundamentale Dirichletsche Gleichung, welche im 21sten
Bande des Journals für Mathematik zuerst entwickelt ist, direct
290 Gesammtsitzung
und mit Umgehung der unendlichen Producte herzuleiten. Ich
bemerke dabei, dafs eine ähnliche Herleitung sich auch in einem
der verdienstvollen Supplemente findet, welche Hr. Dedekind
seiner überaus dankenswerthen, mit geschickter und sorgsamer
Hand veranstalteten Herausgabe der Dirichletschen Vorlesungen
über Zahlentheorie beigefügt hat.
Um nun zuvörderst den Nachweis zu liefern, dals für po-
sitive Determinanten die Anzahl der Transformationen einer
Form in sich selbst unendlich grofs ist, braucht man auf der
rechten Seite der Gleichung IV. nur diejenigen Glieder zu neh-
men, in denen (a, d, c)=(1, ,—:D), in denen ferner sowohl
x als y nicht negativ und z«==1 mod. 2D, y aber grade ist.
Die Summe aller dieser Glieder ist:
33 f(@DE-+1)?—4D4?),
wo die beiden Summationen auf alle diejenigen nicht negativen
ganzen Zahlen &, n auszudehnen sind, für welche der unter dem
Functionszeichen stehende Ausdruck positiv und zu P prim ist.
Die letztere Bedingung ist an sich erfüllt, wenn man — wie es
erlaubt ist — P=2D seizt. Bedeutet nun p eine positive
Grölse und nimmt man f(z)=z7'"?, so ist die einfache auf &
allein bezügliche Summe grölser als:
Sf (epe+ 1)? —4.Dn?) dE,
wo die untere Grenze u durch die Gleichung: 2Du=2,YD-++2D—1
bestimmt wird. Da dieses Integral selbst eine mit wachsendem
n abnehmende Function dieser Grölse ist, so folgt ferner, dals
jene obige Doppelsumme grölser sein muls als der Werth des
Doppelintegrals:
j® S stepe+»° — 4.Dn?)dE
d. h. grölser als:
|
|
vom 12. Mai 1864. 291
Für positive Determinanten mufs daher, wenn man sich bei der
über die Function f gemachten Annahme die Gleichung IV.
erst mit od multiplicirt denkt und alsdann 5 ins Unendliche ab-
nehmen lälst, selbst ein Theil der aus lauter positiven Gliedern
bestehenden rechten Seite schon jede beliebige Gröfse über-
steigen, während die auf der linken Seite mit dem Factor +
multiplicirie Summe auch für o=0 einen endlichen Werth be-
hält. Also ist die Anzahl der Transformationen einer Form in
sich selbst und ebenso die Anzahl der Auflösungen der Pellschen
Gleichung unendlich grols. Nachdem dieser eine Fundamental-
satz des elementaren Theils der Theorie der Formen erwiesen
ist, sind für den Fall positiver Determinanten die Summations-
beschränkungen in der Gleichung IV. wie gewöhnlich einzufüh-
ren. Die Gleichung:
IV. „r2 (2) sem) = 3f(ax? H2bxy+-cy?)
ist demgemäls in folgender Weise aufzufassen:
4. Unter den Formen (a, 5, c) sind nur solche zu verstehen,
in denen a positiv ist.
2. Bezüglich der Werthe von z, n’ bleiben die früheren Be-
stimmungen malsgebend. Was ferner die Summationsbuch-
staben x, y anlangt, so erhalten diese für negative Deter-
minanten alle möglichen ganzzahligen Werihe, für positive
Determinanten aber nur solche, die den Ungleichheitsbe-
dingungen :
ax + (btyD)y>0,
ax+(b--YD)y t+-uyD
u ee, =
TDax-+-(5b—yD)y. t—uyD’
wo YD positiv zu nehmen ist, genügen. Überdiels sind
in beiden Fällen diejenigen Werthsysteme auszuschlielsen,
für welche ax? +25xy --cy? einen Primfactor von P
enthält.
3. Für negative Determinanten ist r—=2, für positive dagegen
7=m anzunehmen, vorausgesetzt dafs im letzteren Falle
+uyD=(T-+ UyD)”
292 Gesammtsitzung
ist, während Z, U die kleinsten positiven der Gleichung:
7?” — DU? =1 genügenden ganzen Zahlen bedeuten.
Die wesentlich formalen Umgestaltungen der Gleichung I,
welche zu der Gleichung IV. geführt haben, sind in gewissem
Sinne für jede beliebige Function f gestattet; aber es ist nicht
nöthig hierauf näher einzugehen, da die Zulässigkeit jener Um-
wandlungen an sich klar ist, wenn man speziell f(z)=g* setzt,
und da schon aus dem Bestehen jener Gleichung für diesen be-
sondern Fall deren allgemeinere Gültigkeit und Bedeutung un-
mittelbar hervorgeht. Die aus dieser Gleichung weiter zu ent-
wickelnden Folgerungen erlangt man auf die einfachste Weise,
wenn man wie Dirichlet für die Function f(z) eine negative
Potenz von z nimmt, deren Exponent seinem absoluten Werthe
nach grölser als Eins ist, obwohl auch andre Specialisationen
von f(z) — wie z. B. die Annahme: f(z)=g° — zu eben den-
selben Resultaten führen.
Setzt man der Kürze halber
(ax? + 26xy Hy’) =),
so hat man, um die Endlichkeit der Klassenanzahl zu beweisen,
zuvörderst den Werth jeder einzelnen auf eine bestimmte Form
(a, 5, c) bezüglichen Summe: 93 P(x, y) für o=0 zu ermitteln.
Diefs kann, ohne den allgemeinen Dirichletschen Satz (J. f. M.
Bd. 19 pag. 326.) zu Hilfe zu nehmen, in einfacher Weise ge-
schehen, wenn man von der Bemerkung ausgeht, dals der Werth
von:
Zr y)
zwischen den beiden Werthen des Ausdruckes:
+p( Nrfo@N)ar
Ay
liegt, sobald für die ganze Zahl s die Ungleichheiten: Ay <s<Ay-+1
stattfinden. Hiernach wird nämlich, wenn ah? +2bh-+-c von
Null verschieden ist, der Werth der Doppelsumme:
= = =oo
e3 2 Play)
y=1 #7
vom 12. Mai 1864. 293
für e=0 durch die einfache Summe:
=» x
> d.
2, re x
dargestellt und diese reducirt sich nach Substitution von
ax +by=ıy auf:
oo
dz
z?— D'
ah-+b
“ı
p2
Da nun g&$(x, 0) gleichzeitig mit g verschwindet, so wird der
gesuchte Werth von g3P(x,y) für positive Determinanten iden-
tisch mit dem der obigen Doppelsumme, also auch mit dem da-
für gefundenen Integrale, wenn darin en gesetzt wird.
u
Man hat daher in diesem Falle für o= 0:
1 t+uyD
See) m IS um
Für negative Determinanten ist der gesuchte Werth identisch
mit demjenigen der Doppelsumme:
yz 7r=+0
223 23 d(&y)
yl 2 =—-0
wenn o ins Unendliche abnimmt. Zerlegt man hierin die auf
x bezügliche Summe in zwei Theile, von denen der eine die
positiven der andre die negativen Werthe von ax-+dy um-
falst, so ergiebt die obige Bemerkung für jede der beiden hier-
durch entstehenden Doppelsummen den Werth:
[0.3
f- dz
9
z®—D
{0}
so dals ın diesem Falle für o= 0:
eB3p(m,y)= ven
wird. Die beiden auf positive und negative Determinanten be-
294 Gesammisitzung
züglichen Resultate können nunmehr in folgender Weise zu-
sammengefalst werden:
„Es ist für o=0:
e > (ax? + 2bxy + cy?)'? =4n,
Ev
wenn mit A der kleinste reelle positive Werth bezeichnet
wird, welchen der Ausdruck:
1
7D
für irgend welche der Gleichung: 27 — Du? =1 genü-
gende reelle ganze Zahlen ?,, z, überhaupt annehmen kann.”
Bei der angegebenen Bestimmung des Grenzwerthes von
e3&(x,y) sind diejenigen Zahlen x, y, für welche der Werth
der quadratischen Form durch eine der verschiedenen in ? ent-
haltenen Primzahlen p theilbar wird, noch nicht ausgeschlossen.
Diese Ausschlielsung ist aber leicht zu bewerkstelligen, wenn
man berücksichtigt, dals die obigen Ausführungen auch für nicht
primitive Formen (a, 6, c) ihre Geltung behalten. Man hat
nämlich von dem gefundenen Gesammtwerthe von g3$(x,y)
nur den Werth derjenigen Theile abzuziehen, in welchen die
Form durch eine der Primzahlen p theilbar wird, und dadurch
reducirt sich derselbe auf:
+7.0(1-—)(1-—),
p p
D o . G
wo e=0 oder :=(-) zu setzen ist, je nachdem p ein
p
log (£, +u,YD)
Primfactor von 2D ist oder nicht. Die obige Gleichung TV.
ergiebt daher:
()an = 432.0 (ı- -)(:-=)
für o=0, wenn H die Anzahl der Werthsysteme a, d, c d.h.
also die Klassenanzahl bedeutet. Die Endlichkeit dieser Anzahl
erschliefst man demnach ebenso wie oben die Auflösbarkeit der
Pellschen Gleichung daraus, dals der Ausdruck auf der linken
vom 12. Mai 1864. 295
Seite einen endlichen bestimmten Werth hat; und bei dem hier-
für erforderlichen Nachweise bildet bekanntlich das Reciproci-
lätsgesetz die zahlentheoretische Grundlage. Die Anwendung
der Dirichleischen Meihoden zeigt daher, dafs dieser Funda-
mentalsatz aus der Theorie der quadratischen Reste merk-
würdiger Weise auch als eigentliche Quelle für jene beiden
elementaren Haupteigenschaften der quadratischen Formen ange-
sehen werden kann.
Im zweiten Theile der fünften Section der „disquisitiones
arithmeticae” sind folgende drei Punkte als Hauptziele der Un-
tersuchung zu betrachten:
erstens: die Bestimmung der Anzahl der Ambigen;
zweitens: der Nachweis, dals alle zum Haupigenus ge-
hörigen Klassen durch Duplication zu erzeugen sind, oder
— was damit unmittelbar zusammenhängt — dafs sämmt-
liche Formen des Hauptgenus quadratische Werthe an-
nehmen können ');
drittens: die Ermittelung der Anzahl der Genera.
Durch die rein arithmetischen Methoden von Gauls werden
diese drei Punkte in der angegebenen Reihenfolge erledigt, wäh-
rend dieselben bei Anwendung der analytischen Hilfsmittel in
umgekehrter Ordnung erörtert werden müssen.
Die Anzahl der in irgend einem Genus enthaltenen Klassen
ist nach Dirichletscher Weise zu bestimmen, indem die Function f
in der obigen Gleichung IV. so gewählt wird, dafs
3 f(ax” + 2bxy + cy?)
7
für jede dem gegebenen Genus angehörige Form einen und den-
selben Werth hat, für jede andre Form aber verschwindet. Diefs
geschieht unter Anderm, wenn man
fd)=:.7'" I(1+ 8.x,()),
und alsdann o=0 setzi. Die sämmtlichen Einzelcharaktere des
*) Näheres über den erwähnten Zusammenhang findet man auch in _
zwei Abhandlungen des Hrn. Arndt (J. £. M. Bd. 56.). ink IC,
296 Gesammtsitzung
betreffenden Genus sind hierbei durch ©, x, bezeichnet, derge-
stalt, dafs die Gleichungen:
Hnla) = 90, Kula) 0, Kela) per er 5
in denen sämmtliche ö bestimmte Werthe #1 haben, das Sy-
stem der Charaktere bilden. Da bekanntlich alle zulässigen Cha-
raktere einer Form (a, 5, c), in welcher @ keinen Theiler mit
2D gemein hat, durch Angabe der Werthe von
ne
und (in gewissen Fällen) auch von (—) bestimmt werden
a
können, wenn je nach den verschiedenen Zahlformen von D mod. 3
unter 945 92 935 - «+.» sämmtliche Primfactoren der Determi-
nante verstanden werden oder einer derselben weggelassen wird,
so hat man oben
und eintretenden Falls auch
—1
x@)=(Z)
zu setzen. Man kann demnach den Werth der Form unter dem
Functionszeichen x, durch den ersten Coefficienten a ersetzen.
Alsdann tritt bei der Summation über alle Werthe von x, y
der Factor:
I(1+8.%(e))
heraus, und dieser hat offenbar, wenn » die Anzahl aller zuläs-
sigen Einzelcharaktere bedeutet und wenn (a, 2, c) eine Form
aus jenem bestimmten Genus ist, den Werth 2*, während der-
selbe für alle übrigen Formen verschwindet. Da nun überdiels
e 3 (ax? + 2dxy + cy?)'"?
für alle Formen einer und derselben Determinante einen be-
stimmten von dieser allein abhängigen Werth S hat, wenn
vom 12. Mai 1864. 297
g=0 gesetzt wird, so ist bei der obigen Bestimmung von f in
der That:
> f(ax? +2bxy-+ cy’)=2*.S oder =,
z97
je nachdem (a, 5, c) zu dem gegebenen Genus gehört oder
nicht. Benutzt man diese Function f in der Gleichung IV., so
erhält die linke Seite derselben den Werth: 4.5, während die
rechte Seite gleich: 2*.G.S wird, wenn @ die gesuchte An-
zahl der in dem gegebenen Genus enthaltenen Klassen bedeutet.
Dieselbe wird demnach durch die Relation:
2".G=H
bestimmt, aus welcher zugleich die Anzahl der Genera resultirt.
Für die Erledigung des zweiten der oben erwähnten drei
Punkte sind die Dirichletschen Methoden bisher noch nicht be-
nutzt worden; sie sind aber in der That auch darauf anwendbar
und ergeben in bemerkenswerther Weise eine directe Bestim-
mung der Anzahl aller derjenigen Klassen, durch welche Qua-
drate darstellbar sind, d. h. solche, die keinen Theiler mit 2D
gemein haben. Es können nämlich alle diese Klassen offenbar
durch Formen (4°, B, C) repräsentirt werden, in denen 4 eine
ungrade keinen Primfactor der Determinante enthaltende ganze
Zahl ıst. Die Anzahl aller dieser Formen sei G und das Pro-
duct sämmilicher in 2D, A, A’, A”, ...... enthaltenen verschie-
denen Primzahlen sei gleich P. Setzt man nun fest, dafs durch
[», y] der Werth Eins oder Null bezeichnet werden soll, je
nachdem die beiden Zahlen x, y relativ prim sind oder nicht,
so kann die obige Gleichung II. mit Beibehaltung der Bedeu-
tung von # und /(w) in folgender Weise dargestellt werden:
73Y(e).f(W) = [x y] (ax? + 2627 + cy?).
Für die auf a, 5, c, &, y bezügliche Summation gelten hierbei
die auf pag. 291 angegebenen Bestimmungen, und wenn man in
denselben für den Fall einer positiven Determinante
{+uyD=(T-+-UyD)?’
setzt, so erhält r sowohl für positive als auch für negative De-
298 Gesammtsitzung
terminanten den Werth Zwei. Es ist also bei diesen Fest-
setzungen:
V. 23, (a) .f(u) = = [x y]f(ax? + 20x + cy?),
während in der Gleichung:
VL. FE). fl) = E[E, H]flaE? + 25&4 + en?)
der Factor 7’, je nachdem D negativ oder positiv ıst, den Werth
Zwei oder Eins erhalten muls, wenn man die für x, y auf
gestellten Bedingungen auch für die Summationsbuchstaben £, 7
gelten läfst, jedoch mit der Malsgabe, dals darin für positive
Determinanten
t#uyD=T-+-UyD
angenommen wird.
Man kann die Formen (a, d, c) so wählen, dafs sämmtliche
Formen (4°, B, C) darunter vorkommen; ferner kann man unter
f(n) eine solche Function der ganzen Zahl n verstehen, die
verschwindet, sobald n kein vollständiges Quadrat ist, die aber
für jede Quadratzahl n den Werth: (Yn)-'-* erhält. Alsdann
bleiben auf der rechten Seite der Gleichung V. nur diejenigen
Glieder übrig, welche die Formen (4°, B, C) enthalten, und
es wird, da offenbar /(»?)= (u) ist,
2) (WERT 3[%, y](4?x? + 2Bay + Cy)—zur,
wo nunmehr zu den für x, y geltenden Bedingungen noch die
hinzukommt, dals 4°x? -+2Bxy+Cy? ein vollständiges Qua-
drat sein muls. Andrerseits ergiebt die Gleichung VI., wenn
darin f(z)=2z7'"' genommen wird:
FEL). ut =E[E, na? +2)
so dals also die Relation:
23 [En] +2) =
A
#3 [x, y](4°x? + 2Bxy + GEN
stattfindet. Der Grenzwerih der in Beziehung auf &, n allein
genommenen Summe:
vom 12. Mai 1864. 299
g
eZ[E, n]CaE? Hin),
für o=0, ist von den Coefficienten a, 5, c unabhängig. Der-
selbe ist, wenn man ihn mit AR bezeichnet, durch die Glei-
chung:
1
7?’,R=27.I
bestimmt, in welcher A, p, = die auf pag. 294 angegebene Be-
deutung haben. Es ist daher:
2.2 entire)
VI. 2zRA=ro3[|a,y](4’x” +2Bxy-+Cy ) 5
wenn man die auf 4, B, C, x, y bezügliche Summation unter
den angegebenen Modalitäten ausführt und alsdann o=0 setzt.
Zum Zwecke der erwähnten Summation sind vor Allem
die Bedingungen zu ermitteln, unter denen der Werth der Form
ein vollständiges Quadrat, also
A’x? +2Bxy-+Cy’ =u?
wird. Da zugleich weder 44 und 2D noch auch 4 und u einen
gemeinsamen Theiler haben sollen, so folgt aus der Gleichung:
(4’x + By + Au) (A?x + By — Au)=Dy?,
dafs die beiden Factoren auf der linken Seite resp. gleich:
2 2
—d.6°, = Dr
sein müssen, wo n, 6, d, ö ganze Zahlen bedeuten, für deren
letztere .ö=D ist, und wo r=1 oder 2 genommen werden
mufs, je nachdem y grade oder ungrade ist. Die Zahlen 1, 6, 4, #
können als positiv vorausgesetzt werden, während die Vorzei-
chen von d und Ö nur durch die Gleichung: &.°=D zu be-
schränken sind. Da nun:
rd4’x= a9? —2 Bin + 89°, ry=20n
wird, so folgt: = By mod. A, und also, wenn man 2 un-
grade voraussetzt und mit e eine durch die Congruenz d&e=Z1mod. 4
definirte ungrade Zahl bezeichnet:
300 Gesammtsitzung
= Bye + ArE.
In den hier aufgestellten Gleichungen für x, y, 8 sind die
nothwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür enthalten,
dafs der Werth des Ausdrucks: A?x? +2Bxy +Cy? ein voll-
ständiges Quadrat werde; nämlich wenn für d, & irgend welche
der Gleichung: d°=D genügende Zahlen und für &, n irgend
welche beliebige ganze Zahlen gesetzt und alsdann x und y in
der angegebenen Weise bestimmt werden, so ist:
4’2” + 2Bxy + Cy?= (IE + 2m + nn?) ",
wo der Kürze halber die drei ganzen Zahlen:
BED =
drA, deB, 77
beziehungsweise durch 2, m, n bezeichnet sind. Demgemäls han-
delt es sich nur noch darum, diejenigen Bestimmungen für
r, d, ö, &, n zu ermitteln, welche bewirken, dafs x und y auch
die übrigen oben für die Summation aufgestellten Bedingungen
erfüllen.
Was zuvörderst den Werth von r anlangt, so sieht man
leicht, dals derselbe sowohl Eins als Zwei sein kann, wenn D
durch 8 theilbar oder von der Form 4n +3ist. In allen andern
Fällen kann für r nur der Werth Eins angenommen werden.
Was ferner die Wahl der beiden Divisoren der Determinante @
und & betrifft, so ergiebt eine einfache Diskussion der bei den
Zahlen &, y, A, 1» vorausgesetzten Eigenschaften hierfür die fol-
genden Bedingungen: erstens müssen d und ö den gröfsten ge-
meinsamen Factor Zwei haben, wenn D grade ist und r=2
angenommen wird; zweitens dürfen in allen übrigen Fällen @
und ö gar keinen Theiler mit einander gemein haben; drittens
sind d und ö dem Zeichen nach so zu bestimmen, dals 4 stets
positiv ist. Endlich resultiren in ähnlicher Weise für & und y
die einschränkenden Bestimmungen, dafs sie relative Primzahlen
sein und für den Fall positiver Determinanten den Ungleich-
heitsbedingungen :
vom 12. Mai 1864. 301
1E+(mtyD)y>0,
!E+(m+VDyn_T+0yD
SE+m- Ds T-DyD
genügen müssen, so wie dals der Werth von 7&? -H2m&y+-nn?
keinen Primfactor von P enthalten darf.
Giebt man den Gröfsen r, d, ö, &, n alle hiernach zulässi-
gen Werihe, so erhält man alle durch die obigen Bedingungen
gestatteten Systeme von Zahlen x, y und keine andern; und
zwar erhält man jedes dieser Systeme sovielmal als der Werth
von 7’ angiebt d. h. einmal oder zweimal, je nachdem die De-
terminante positiv oder negativ ist. Denn die Zahlen a, ö, 6,
sind in dem ersteren Falle durch x, y eindeutig bestimmt, im
zweiten aber so, dals für ein und dasselbe System a, ö die Zah-
len 6, 4 und —#, —y genommen werden können.
Aus vorstehenden Erörterungen folgt unmittelbar die Glei-
chung:
u ir kun
7 3[%,y](4 xz°+2Bxy + Cy?)
== [5,7]Q&° + 2mEn m)",
wenn die Summation links über alle gestatteten Werthe von
%, y ausgedehnt wird, rechts aber einerseits über alle zulässigen
Werthe der in den Ausdrücken von Z, m, n enthaltenen Zahlen
r und d, andrerseits über alle den obigen Bedingungen genü-
genden Zahlen &, „. Die in dieser Weise in Beziehung auf
&, n allein genommene Summe:
e2[Er]QE’+2mEn mn)
hat aber für g=0 den oben definirten Werth A, dam’ —In=D
ist und die so eben für &, n aufgestellten Summationsbedingun-
gen mit denjenigen genau übereinstimmen, welche auf pag. 298
für &, n festgesetzt worden sind. Hiernach wird für o=0,
wenn die Anzahl der für r, @ zu wählenden Werthsysteme mit N
bezeichnet wird:
4
02 [x,y](4°x? + 2Bxy + Cy?) UP _N. R,
und die rechte Seite dieser Gleichung ist noch mit G@ d.h. mit
der Anzahl der Formen (4°, B, C) zu multipliciren, wenn die
[1864.] 24
302 Gesammtsitzung
Summation links nicht blofs über alle Werthe von x, y son-
dern auch über alle diejenigen von 4, B, C ausgedehnt wird,
Vergleicht man dieses Resultat mit demjenigen, welches durch
die Gleichung VII. ausgedrückt ist, so erhält man zur Bestim-
mung der gesuchten Zahl G die Relation:
NG=2JH,
in welcher nur noch der Werth von N näher zu untersuchen
ist. — Zu diesem Zwecke bemerke man, dals die Anzahl der
vermöge der obigen Bedingungen gestatteten Werthsysteme von
d, ö gleich 2® ist, wenn durch ® die Anzahl der verschiedenen
in der Determinante enthaltenen Primfactoren bezeichnet wird.
Die Anzahl der zulässigen Werthe von r ist aber, wie schon
oben erwähnt worden, gleich Eins, wenn D==1, 2, 4, 5 mod. 3
und gleich Zwei, wenn D==0, 3, 7 mod. 3 vorausgesetzt wird.
Hiernach ist je nach den beiden unterschiedenen Fällen:
ZN, — 22 oder N — Da
d. h. es wird, wenn die Zahl z in dem auf pag. 296 definirten
Sinne genommen wird, in jedem Falle N=2**'. Die Zahl G
wird somit durch die Gleichung:
De un
bestimmt und ist also identisch mit der oben gefundenen An-
zahl der in jedem einzelnen Genus enthaltenen Klassen, welche
dort ebenfalls mit G bezeichnet wurde. Die Anzahl aller der-
jenigen unter einander nicht äquivalenten Formen, welche die
Eigenschaft haben, dafs ungrade, keinen Factor der Determinante
enthaltende Quadratzahlen durch dieselben dargestellt werden
können, ist also gleich der Anzahl aller verschiedenen zum
Hauptgenus gehörigen Formen; und da es einleuchtend ist, dafs
nur solche Formen die erwähnte Eigenschaft haben können,
so folgt dals alle diese Formen auch eben jene Eigenschaft haben
müssen.
Nachdem hiermit auch das zweite der drei oben angeführ-
ten Haupttheoreme mit Benutzung analytischer Methoden bewie-
sen worden, läfst sich das erste derselben, welches die Anzahl
der ambigen Klassen bestimmt, mit Hilfe der Theorie der Com-
vom 12. Mai 1864. 303
position leicht ableiten. Man bedarf hierzu nämlich blofs des
Begriffes der Composition von Klassen, welcher sich sehr ein-
fach auseinandersetzen lälst, wenn man aus den zu componiren-
den Klassen solche Formen auswählt, deren mittlerer Coefhicient
identisch ist. Werden alsdann die ambigen Klassen als solche
definirt, die mit sich selbst zusammengesetzt die Haupiklasse er-
geben, so kann man sich im Wesentlichen der bei Gaufs vor-
kommenden rein arithmetischen Schlüsse bedienen, um die Iden-
tität der Anzahl der Ambigen und der Genera nachzuweisen.
Hr. W. Peters legte eine junge Coecilia glutinosa
(Epierium khypocyaneum) mit Kiemenlöchern aus Ma-
lacca vor.
Es sind bekanntlich die Kiemenlöcher der Caecilien zuerst
an einem 4% Zoll langen Exemplar der C. glutinosa in dem Lei-
dener Museum von J. Müller (Tiedemann und Trevira-
nus Zeitschrift für Physiologie. IV. II. p. 195. Taf. 18. Fig. 1. A.)
entdeckt und später nach einem 5 Zoll 5 Lin. langen Exemplar
des Wiener Museums genauer beschrieben und abgebildet wor-
den (Archiv für Anatomie und Physiologie. 1835. p. 391. Taf. VII.
Fig. 12. 13.). Das vorliegende Exemplar, welches dieselbe Grölse
wie das von Hasselt auf Java entdeckte des Leidner Museums
hat, ist in der Nähe von Malacca ebenfalls im Wasser gefangen
worden. Die Kiemenlöcher liegen, bei einer Totallänge von
0”123, 0”,010 von dem Schnauzenende entfernt und nicht, wie
es die Hasselt’sche Abbildung (Schlegel, Adbildungen. Taf. 39.
Fig. 1.) zeigt, in der Mitte des gelben Streifens, sondern am
oberen Rande desselben. Es sind auch hier nur zwei Kiemen-
spalten jederseits vorhanden, welche aber fast gleich lang sind,
während an dem etwas gröfseren Exemplar des Wiener Mu-
seums Müller die vordere Spalte um die Hälfte kleiner fand.
Deutliche Kiemen sind auch hier nicht mehr vorhanden, jedoch
ragt die äulsere Haut neben und zwischen den Kiemenöffnungen
etwas hervor und erscheint etwas gezackt, so dals ohne Zweifel
an diesen Stellen längere Kiemen befindlich gewesen sind. Die
24*
304 Gesammtsitzung
Augen sind viel deutlicher als bei dem erwachsenen Thier und
unmittelbar vor jedem derselben befindet sich eine winklige Ver-
tiefung, welche viel gröfser ist als der unter und vor dem Auge
am Lippenrande befindliche Porus. Die 1% Mm. lange After-
spalte befindet sich 35 Mm. von dem Körperende, welches zu-
sammengedrückt und mit einer senkrechten Hautflosse umgeben
ist, die auf dem Rücken 7% Mm. vor dem Körperende beginnt.
Hr. Rudorff machte folgende Mittheilung:
In einer 1863 in Greifswald erschienenen kleinen Schrift,
die Denkmäler aus Rubenows Zeit betreffend, giebt Hr. Dr. K.
Th. Pyl eine vorläufige Notiz über die in einer Kapelle hinter
dem Chor der dortigen Nicolaikirche aufgestellte Bibliothek,
welche aulser 2000 gedruckten Werken, theilweise noch aus
Schöffers und Koburgers Officin, 93 Handschriften theologi-
schen, philosophischen und juristischen Inhalts enthält. Müh-
lenbruch, welcher diese letzteren, 23 an der Zahl, während sei-
ner Professur in Greifswald untersuchte, leitete die Erwerbung
derselben von den beiden italiänischen Juristen Petrus und Vin-
centius von Ravenna her, welche Bogislav X. 1498 nach Greifs-
wald berufen hatte. Hr. Dr. Pyl dagegen weist nicht nur ihren
älteren Ursprung, sondern auch ihren Übergang in die Biblio-
thek der Nicolaikirche nach, indem er ausführt, dafs sie der
Bibliothek der Juristenfacultät entstammen, der sie durch Schen-
kungen oder Vermächtnisse ihrer vier ältesten Ordinarien zuge-
wendet waren und dals sie in die Kirche erst übersiedelten
nachdem sie ihren Werth für die seit 1539 protestantisch reor-
ganisirte Hochschule verloren hatten. Unter diesen juristischen
Handschriften selbst haben freilich nur zwei, nämlich die an-
scheinend allein noch ungedruckte Zeczura Tacobi de Zochis su-
per quartum Decretaium de anno 1440 und der Casus super
discordiüs inter duces Slesvicenses Henricum Adolfum et Gerhar-
dum aique regem Daniae Ericum XIl de anno 1423 ein mehr
als locales Interesse. Bemerkenswerther ist ein mit kleinster
Minuskel geschriebenes Fragment eines Katalogs civilistischer
und canonistischer Texte, Summen, Casus und Quästionen aus
vom 12. Mai 1864. 305
der Glossatorenzeit, mit beigefügter Quaternenzahl und Taxe.
Es ist auf dem Deckel einer Handschrift als Makulatur verwen-
det und erst durch Reagentien wieder lesbar geworden. Hr.
Dr. Pyl hält es für den Katalog der Greifswalder, früher im
Amtslocal der Juristenfacultät aufgestellten, von den Ordinarien
dieser Facultät gestifteten und verwalteten ältesten rechtswis-
senschaftlichen Bibliothek. Er beruft sich darauf, dafs unter
No. 21. des Verzeichnisses anonyme (Quaestiones doctoris iuris
civiis und unter No. 22. eben solche Quaestiones doctoris. in
iure canonico vorkommen, dals diese auf den ältesten Ordinarius
der Juristenfacultät Heinrich Rubenow zurück zu führen seien
und dafs Rubenow durch Schenkung vom 11. November 1456
seine sämmtlichen Textualien, Lecturen, Summen und Sexternen,
deren Werth er über tausend Gulden schätzte, der Juristen-
facultät zu Greifswald überwiesen habe. Allein der Katalog
scheint weder zu den noch vorhandenen juristischen Handschrif-
ten zu stimmen, noch zu dem frühzeitigen Verbrauch zum Ein-
binden. Es muls also eine andere Vermuthung versucht wer-
den. Bekanntlich enthalten die mittelalterlichen Universitäten
Italiens und Frankreichs Bestimmungen über die Bücher, welche
die Stationarien stets vorräthig halten müssen, über die Anzahl
ihrer Quaternen und Petien, endlich über den Miethpreis, wel-
chen die Abschreiber für den Gebrauch des Ganzen zu ent-
richten hatten. Einem solchen Statut scheint unser Bruchstück
anzugehören. An Paris ist freilich wegen der civilistischen
Werke nicht zu denken, an Bologna nicht, weil das dortige
Verzeichnils (Savigny Geschichte des röm. Rechts im Mittel-
alter III, S. 601— 605) mit dem Greifswalder nur theilweise
übereinstimmt, an Modena nicht, weil der dortige Büchervor-
rath ein bei weitem beschränkterer war. Die Einrichtung be-
stand aber auch in Vercelli, Padua und anderen Rechtsschulen,
deren Kataloge wir nicht kennen und ein Fragment eines die-
ser noch unbekannten Verzeichnisse könnten wir in den 40 Num-
mern des Greifswalder Verzeichnisses vor uns haben. In jedem
Fall wird es unter den Zusätzen der Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter zu registriren sein.
306 Gesammtsitzung vom 12. Mai 1864.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Astronomische Nachrichten. Band 61. Altona 1864. 8.
Comptes rendus de l’academie des sciences. Tome 58, no. 8—15. Paris
1864. 4.
Kecueil de voyages et de Memoires publie par la societe de geographie.
Tome VII, 2. Paris 1864. 4.
The Anthropological Review. no. 2—4. London 1862—64. 8.
The quarterly Journal of the geological Society. Vol. XX,1. London
1864. 8.
The Journal of the Royal Geographical Society. Vol. XXXIl. London
1862. 3.
Rendiconti del reale Istituto lombardo. Vol. 1. Milano 1864. 8.
Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft. XVIN, 1. 2.
Leipzig 1864. 8.
Urbanski, Vorträge über höhere Physik. .1. Band, Lfg.1. Lemberg
1857. 8. (2 Ex.)
de Colnet-d’Huart, Nouvelle theorie mathematique de la chaleur et
de l’electrieite. Partie 1. Luxembourg 1864. 8.
H. Martin, Memoire sur la periode egyptienne du Phenix. Paris
1864... 4.
Memoire sur le rapport des lunaisons avec le Calendrier
des Egyptiens. ib. 1864. 4.
Hr. Kummer übergab zuerst eine von dem Prefecien der
Provinz Pisa Hrn. L. Torelli ihm übersendete, für die Aka-
demie bestimmte Medaille mit dem Bildnisse Galilaei’s, zur
Feier des dreihundertjährigen Geburtsfestes desselben geprägt.
Das sein Werk erläuternde Begleitschreiben des Hrn. C ol-
net-d’Huart d.d. Luxemburg 1. Mai, wurde der physikalisch-
mathematischen Klasse zur specielleren Kenntnifsnahme mitgetheilt.
Ein Dankschreiben der Direction der Lemberger Universi-
tätsbibliothek für den Empfang der Bände der älteren Abhand-
lungen der Akademie von 1770 bis 1804, d. d. 26. April wurde
vorgetragen.
Sitzung der phys.-math. Klasse vom 23. Mai 1864. 307
Pfingstferien.
23. Mai. Sitzung der physikalisch -mathe-
matischen Klasse.
Hr. Borchardt lass Anwendung der Theorie der
Multiplicatoren höherer Ordnungen auf die isope-
rimetrischen Differential-Gleichungen.
Von dem correspondirendem Mitgliede, Hrn. Helmholtz
in Heidelberg, lag eine Mittheilung, Versuche über das
Muskelgeräusch betreffend, vom 15. d., vor.
1. Das bekannte und oft bezweifelte Muskelgeräusch hört
man sehr deutlich und unter Umständen, wo Reibung des Ohrs
oder des Steihoskops an der den Muskel bedeckenden Haut ganz
ausgeschlossen sind, wenn man sich an einem stillen Orte, am
besten des Nachts, die Ohren mit Pfropfen aus Siegellack oder
aus nassem Papier dicht verstopft, und dann Muskeln des Ko-
pfes z. B. die Masseteren in kräftige Zusammenziehung bringt.
So lange die Muskeln in gleichmälsiger Spannung bleiben, hört
man ein dumpfes, brausendes Geräusch, dessen Grundton durch
vermehrte Spannung nicht wesentlich verändert wird, während
das damit vermischte Brausen stärker und höher wir.
Nicht blos die Spannung der kräftigen Kaumuskeln, der
Masseteres, Pierygoidei und Temporales, sondern auch die der
viel schwächeren Gesichtsmuskeln, der Orbiculares oris und pal-
pebrarum, des Platysma myoides, des Levator labü superioris alaeque
nasi, der Zunge u. s. w. giebt hörbare Geräusche, die alle im
Wesentlichen von demselben Charakter sind, nur lauter, deutlicher
und reiner, wie die ‚bekannten Geräusche, welche man hört,
wenn. man das Stethoskop auf die zusammengezogenen Muskeln
des Armes setzt.
Die Höhe des Grundtons des musikalischen Thbeils dieser
Geräusche zu bestimmen ist sehr schwer, weil er an der un-
teren Grenze der wahrnehmbaren Töne liegt. Hr. S. Haugh-
308 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
ton!) hat ihn kürzlich durch mehrere Personen bestimmen las-
sen, er entsprach bald dem C von 32 Schwingungen, bald dem
Dvon 36; 35 bis 56 war auch die höchste Zahl, welche Wol-
laston dafür gefunden hat. Ich finde dasselbe für meine Kau-
muskeln, dagegen ist der Ton für die schwächeren Gesichts-
muskeln etwas tiefer.
2. Ich wiederholte diese Beobachtungen, aber so, dafs ich
die Zusammenziehung der Muskeln nicht durch meinen Willen,
sondern durch einen Inductionsapparat mit schwingender Feder
hervorbrachte, der bei passender Einstellung bis 130 Schwin-
gungen der Feder, und ebensoviel Öffnungsschläge geben kunnte.
Der Inductionsapparat stand in einem durch zwei geschlossene
Thüren getrennten Zimmer, so dafs unmittelbar durchaus nichts
von seinem Tone gehört werden konnte. So wie ich aber die
Electroden an meinen Masseier ansetzte, und ihn dadurch in
kräftige Contraction brachte, hörte ich den Ton der Feder des
Inductionsapparats. Wurde derselbe von einem Gehülfen durch
andere Einstellung der Schraube verändert, so hörte ich die
Veränderung.
Dals der Ton aus dem zusammengezogenen Muskel gehört
wurde, und nicht durch eine directe Wirkung der electrischen
Ströme auf das Ohr, ging namentlich daraus hervor, dafs der
Ton erst dann hörbar wurde, wenn die Stromstärke genug ge-
steigert wurde, um eine Zusammenziehung des Muskels zu geben.
3. Ebenso gelang es, wenn auch weniger stark, den Ton
mittels des Stethoskops zu hören aus den Armmuskeln eines
jungen Mannes, welche durch die sie durchflielsenden Inductions-
ströme in Zusammenziehung gebracht waren. In diesem Falle
wurde das Ohr und der Gehörnerv des Beobachters selbst gar
nicht von den electrischen Strömen getroffen. Man hätte aber
daran denken können, dals der electrische Strom den gespannten
Muskel direct, wie einen gespannten Drath, in Erschütterung
setzte. .Um auch diese Möglichkeit auszuschlielsen, liels ich end-
lich den Strom durch den Nervus medianus am Oberarm gehen,
und schwächte seine Stärke so, dafs er direct auf die Muskeln
') Outlines of a new theory of muscular action, being a thesis read for
the degree of Doctor in Medicine etc. London 1863.
vom 23. Mai 1864. 309
applicirt, diese nicht in Zusammenziehung brachte. So wie der
Strom den Nerven kräftig genug traf, dals starke Contractionen
der Vorderarmmuskeln entstanden, hörte ich aus diesen den Ton
der stromunterbrechenden Feder deutlich heraustönen. Wenn
ich dagegen die Electroden am Oberarm ganz wenig zur Seite
schob, dafs die Wirkung auf die Vorderarmmuskeln aufhörte,
so verschwand auch der Ton.
Daraus geht hervor, dafs die periodische Bewegung, welche
der Drath dem Nerven zuleitete in Form von electrischen Stö-
fsen, vom lebenden Nerven mit unveränderter Periode zum
Muskel geleitet wurde, und in diesem endlich wieder in eine
mechanische Erschütterung, in Schallschwingungen, umgesetzt
wurde. Die Zahl der Schwingungen’ betrug hierbei 130 in der
Secunde.
Diese Versuche scheinen mir erstens jeden Zweifel an der
Existenz eines eigenthümlichen, von dem Zustande der Con-
traction abhängigen Muskelgeräusches und jede Erklärung dessel-
ben aus einer Reibung des Muskels an den umliegenden Theilen
oder dieser an einander zu beseitigen.
Dafs ein scheinbar gleichmäfsig zusammengezogener Muskel
in der That in einem schnellen Wechsel entgegengesetzter Mo-
lecularanordnungen begriffen sei, war von Hrn. E. du Bois-
Reymond schon aus der Erscheinung des sogenannten secun-
dären Tetanus gefolgert worden. Die Geschwindigkeit dieses
Wechsels ist einer der wesentlichsten Gründe, dafs die electri-
schen Wirkungen der Muskeln auf die Existenz sehr kleiner
electromotorischer Molekeln zurückgeführt werden müssen. Aber
der Beweis eines solchen Wechsels beruhte hauptsächlich nur
auf dem Umstande, dafs der Muskelstrom eines tetanisirten Mus-
kels, durch einen andern Nerven geleitet, dessen Muskel eben-
falls tetanisirt. Dazu würden etwa zehn Wechsel in der Se-
cunde ausreichen. Wenn es nun auch schon äulserst wahr-
scheinlich erscheinen mochte, dafs die Zahl der inneren Verän-
derungen eines durch eine Reihe von Inductionsschlägen tetani-
sirten Muskels der Zahl der electrischen Schläge gleich käme,
so glaube ich doch, dals ein directier Beweis davon, wie er
durch den Ton des Muskels geliefert wird, unter diesen Ver-
hältnissen von Wichtigkeit ist.
310 Gesammtsitzung
Ich bemerke, dafs ich auch in meinen Untersuchungen über
die Tonempfindungen genöthigt war, die Möglichkeit von etwa
130 getrennten Erregungen in der Secunde für den Gehörner-
ven anzunehmen.
Im Augenblicke hatte ich keine Apparate, um mit Sicher-
heit mehr als 150 Öffnungsschläge in regelmälsiger Periodicität
zu geben, doch zweifle ich nicht, dafs sich viel höhere Töne
in den Muskeln werden erzeugen lassen. Als ich eine Stimm-
gabel von 120 Schwingungen den Strom unterbrechen liels
hörte ich im Muskel verhältnifsmälsig stark auch den Ton von
240 Schwingungen, die höhere Octave des Tones der Gabel,
welcher durch die gleichzeitig wirkenden 120 Öffnungsschläge
und die etwas schwächeren 120 Schlielsungsschläge hervorge-
rufen zu sein schien. Der Unterschied in der Stärke beider Ar-
ten von Schlägen war in diesem Falle weniger grols, weil die
Unterbrechung des Stromes aus Quecksilber geschah.
Andererseits habe ich durch Stimmgabeln, die zwischen
den Schenkeln von Electromagneten stehen, und welche mit
dem Bogen gestrichen durch ihre Bewegung electrische Ströme
von der Form regelmälsiger Sinuswellen in der Drathumwicke-
lung der Electromagneten erzeugten, Froschschenkel in Tetanus
gesetzt, und gefunden, dals selbst 600 ganze Schwingungen in
der Secunde noch Tetanus geben; indessen war ich bisher noch
nicht im Stande Schallschwingungen der Froschmuskeln wahr-
nehmbar zu machen.
26. Mai. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. Weber las über die Räma Upanishad. Einlei-
tung, Text und Übersetzung.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Annales de chimie et de physique. Mars. Paris 1864. 8.
Revue archeologique. Mai. Paris 1864. 8.
Bulletin de la societe geologique de France. Mars. Paris 1864. 8.
vom 26. Mai 1864. 311
Archiv des historischen Vereins von Unterfranken, Band 17, Heft 1.
Würzburg 1864. 8. :
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 14. Band, Heft 1. Wien
1864. 8.
Sitzungsberichte der Gesellschaft der Wissenschaften in Prag. Jahrgang
1863. 8.
Sitzungsberichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1864
Heft 2. München 1864. 8.
Quellen und Erörterungen zur bayrischen und deutschen Geschichte.
Band 3, Abth. 2. und Band 9. München 1863—64. 8,
L. Vaucher, /n M. T. Ciceronis libros philosophicos curae criticae.
Fasc. 1. Lausannae 1864. 8.
Demnächst kam Folgendes zum Vortrag:
1. Ein Schreiben des vorgeordneten K. Ministeriums vom
20. Mai, welches die Akademie benachrichtigt, dals die von ihr
vollzogene Wahl des Professors der orientalischen Sprachen in
Berlin Dr. Emil Rödiger zum ordentlichen Mitgliede der
Akademie in der philosophisch-historischen Klasse auf Antrag
des Herrn Ministers durch Allerhöchsten Erlafs am 7. Mai be-
stätigt worden ist. Das anwesende neue Mitglied begrülste der
vorsitzende Sekretar.
2. Ein Schreiben des ordentlichen Mitgliedes Hrn. Prings-
heim vom 22. Mai, worin derselbe der Akademie seinen Ent-
schluls anzeigt am 1. Juli Berlin zu verlassen und als Professor
ordinarius der Botanik und Director des botanischen Gartens an
die Universität Jena überzusiedeln. Hr. Pringsheim wird daher
vom 1. Juli ab in seine Rechte eines Ehrenmitgliedes der
Akademie eintreten.
3. Eine Empfangsbescheinigung der Monatsberichte von
1863 von der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heil-
kunde, d. d. Giefsen 9. Mai, und eine ähnliche der Abhand-
lungen von 1862 von der Königl. Böhmischen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Prag, d. d. 28. März c.
Die Akademie hatte zur Beglückwünschung des Hrn. v.
Martius, Geheimenrathes und Sekretars der K. Bayerischen
312 Gesammtsitzung
Akademie der Wissenschaften, ehemaligen Professors der Bota-
nik und.Directors des botanischen Gartens etc. in München,
ihres langjährigen correspondirenden Mitgliedes, bei seinem 50 jäh-
rigen Doctor- Jubiläum am 30. März 1864 demselben folgendes
Schreiben gesendet, worauf von ihm das sich anschlielsende
Dankschreiben eingegangen ist.
Glückwunsch-Schreiben der Akademie.
Als sich vor nun 49 Jahren der den Wissenschaften zuge-
thane König Maximilian Joseph I. von Bayern angeregt fand,
den von Alexander von Humboldt, mit eigener Kraft, der
ernsten Wissenschaft friedlich eroberten neuen Welttheil Ame-
rica weiter durchforschen zu lassen und es zur ehrenvollen Auf-
gabe der geübten Kräfte seines Landes machte, nicht blofs die-
sen Pfaden zu folgen, sondern auch neue lehrreiche Einsichten
in die räthselvollen überreichen Gelände, Urwälder, Bergsysteme
so wie Thier- und Menschenverhältnisse Brasiliens zu eröffnen,
da fiel die Wahl der hierzu beauftragten K. Bayerischen Aka-
demie der Wissenschaften auf zwei ihrer Mitglieder, auf Spix
den schon gereiften Zoologen und Martius den jugendlich be-
geisterten und thatlustigen feinen Botaniker. Sie, hochverehr-
ter Herr, als letzterer, waren kurz vorher zum Doctor medi-
cinae promovirt und bald zum Akademiker erwählt worden.
Gottes Segen hat Sie durch alle Gefahren der unwirthbaren
weiten Erdstriche zurückgeführt und bis heute begleitet. König
Maximilian Josephs Wünsche haben Sie nicht blofs durch
Sammeln von Naturkörpern, was Viele vermögen, sondern auch
durch seltene Empfänglichkeit für die offenen und verborgenen
Lebens-Eindrücke aller Art und deren ansprechende Darstellung
befriedigt. Zwei Schwester-Reiche wetteiferten damals gleich-
zeitig mit deutscher energischer Kraft, um unsers Humboldt’s
viel und begeisternd entwickelnde „Ansichten der Natur”
schnell zu erweitern. WVie viel, wie Herrliches Sie mit Ihrem zu
früh verstorbenen Freunde und Heisegefährten, am meisten aber
Sie allein geleistet haben, liegt in vielen Einzelheiten und in
grolsen monumentalen Werken jetzt offen vor.
Freudig begrülst diese Akademie der Wissenschaften die
50 jährige Wiederkehr Ihres 1814 am 30. März zuerst einfach,
vom 26. Mai 1864. 313
jetzt gewils in weiten Kreisen gefeierten medicinischen Promo-
tionstages, um Ihnen einen Dank zu senden, wozu sie um so
mehr angeregt ist, als dieselbe bereits vor mehr als einem Men-
schenalter, vor 32 Jahren, Sie, Ihrer damals allmälıg hervortre-
tenden wichtigen Leistungen halber, sich angeschlossen hat.
Wie sehr auch die Kreise der menschlichen Bestrebungen
verschiedenartig segensvoll sind und wie sehr es auch die Auf-
gabe akademischer Körperschaften ist, jede über das Egoistische
und den Tagesverbrauch hinausreichende, die Erkenntnils der
Natur und Menschenverhältnisse in irgend einer Richtung för-
dernde That mit Freuden zu begrülsen, so sind doch begeisterte,
aufopfernd eifrige und ergiebige Thätigkeiten, wie die Ihrigen,
deshalb besonders erfreulich, weil sie weitergreifenden Kreisen
angehören, welche die nöthige Grundlage des richtigen Den-
kens über die den Menschen überall bestimmende Natur, nicht
vereinzelt, sondern massenhaft bilden, deren Werth die tieferen
Denker stets zu schätzen wulsten. Wohl ist es ein anzuerken-
nendes Lob, dafs die Vertreter der Botanik Ihren botanischen
Hauptwerken nachrühmen, wie die von Ihnen unterschiedenen,
die Länder charakterisirenden, Genera und Arten, denen von
Linn& und Robert Brown gleich, nicht phantastisch unhalt-
bar, sondern, der gründlichen Auffassung halber, sofort annehm-
bar und der allgemeinen Systematik einzureihen waren.
Wie sehr aber auch nicht blofs die im Grofsen geübte
systematische specielle Botanik, der Sie den gröfsten Theil Ihrer
Jugend- und Manneskraft so rühmlich gewidmet haben und deren
vorragendes Haupt Sie unter den Zeitgenossen jetzt bilden, das
Ziel Ihres Denkens und Sinnens geblieben, können alle diejeni-
gen leicht beurtheilen, welche die vielen sinnigen Denkreden
ins Auge fassen, in denen Sie die verschiedensten wissenschaft-
lich thätigen Zeitgenossen rücksichtlich ihres Einflusses auf die
Gesammtheit des zeitgemälsen Wissens, im Kreise der K. Baye-
rischen Akademie der Wissenschaften so geistvoll zu würdigen
und zu ehren mit Erfolg gesucht haben.
So sei Ihnen selbst denn dieses Wort der Theilnahme zu-
gewendet, es sei ein einfacher, aber erwogener, berechtigter
Dank für Ihre angestrengten Leistungen und bleibe Ihnen für
alle einzelnen Unterschriften eine freundliche Erinnerung bis in
314 Gesammtsitzung
späteste, wie wir hoffen und wünschen, Ihnen stets wohlihuende
Zeiten.
Berlin am 11. März 1864.
' Die Königliche Akademie der Wissenschaften.
Es folgen die Unterschriften.
Erwiederung des Hrn. v. Martius.
Hohe Akademie der Wissenschaften!
Der gütige Zuruf, dessen die K. Preuls. Akademie d. W.
mich bei Gelegenheit meines Doctor-Jubiläums gewürdiget hat,
ist so ehrenvoll für mich, er hat so mächtig die tiefsten Saiten
meines Gemüthes zu stolzer Freude angeregt, dafs ich mich
aufser Stande fühle, dafür die entsprechenden Dankesworte zu
finden.
So empfangen Sie denn diese meine Entgegnung aus dem
Grunde eines tiefbewegten dankbaren Herzens!
Sie, hochverehrte Herren! haben Ihrer gütigen und nach-
sichtsvollen Beurtheilung meiner geringen Arbeiten eine beson-
dere Weihe dadurch ertheilt, dafs Sie dieselben mit meinem
ganzen Lebensgange verbunden. So fallen die Äufserungen Ihrer
wohlwollenden Sympathie wie ein lichter und erwärmender
Strahl auf mein ganzes geistiges Wesen; und es ist mir, als
dürfte, ja mülste ich Ihrer grofsen, imposanten geistigen Ge-
meinschaft, die mich überdiefs schon lange Ihrer Collegialität
gewürdigt hat, zum Danke für so viele Güte in einem ver-
trauensvollen Bekenntnils von meinem innern Lebenslaufe mich
selbst darbringen.
Die Akademie spricht den Namen Alex. v. Humboldts
aus. Unter dem Eindrucke der wunderbaren Leistungen dieses
Genius traten Spix und ich unsere Unternehmung an; wir
nahmen ihn allerdings zum Vorbilde, aber schon wenige Wo-
chen auf dem Schauplatze unserer neuen Tbätigkeit mulsten uns
überzeugen, dals Vorbereitung, Studienrichtung und Begabung
uns andere Ziele anwiesen. Die Absendung der bayerischen
vom 26. Mai 1864. 315
Naturforscher mit der östreichischen Expedition war im Oct.
1816 angeregt, im November uns mitgetheilt worden, am 6. Febr.
1817 befanden wir uns bereits, nur mangelhaft vorbereitet und
ausgerüstet, auf dem Wege. Unsere Abwesenheit und die zur
Disposition gestellten Fonds waren auf zwei Jahre bestimmt,
eine Entfernung vom Hoflager in Rio de Janeiro nicht beabsich-
tigt. Indem wir mit diesen Hülfsmitteln die Reise ins Innere
eines fast unbekannten Landes ausdehnten und verlängerten, er-
gab sich die Beschränkung unserer Thätigkeit ohne jene mathe-
matisch-physikalische Unterlage, welche den Arbeiten des gro-
(sen Vorbildes ihren monumentalen Charakter verleiht. Nicht
um die Gebrechen unserer Leistungen zu beschönigen, sondern
sie vor Ihrer hohen Körperschaft zu erklären, möchte ich hier
davon Act nehmen.
Wofür übrigens den bayerischen Reisenden eben so wie
ihrem grolsen Vorgänger eine erweiterte Weltanschauung zur
Schule ward, das ist ein geläuterter Philanthropismus, der selbst
auf den niedrigsten Stufen der Civilisation den göttlichen Fun-
ken in menschlicher Natur anerkennt, — ist der Glaube an des
grolsen Leibnitz Monarchia divina, — ist die Ehrfurcht vor
jeder, auch der geringsten Errungenschaft an Wahrheit. Darin
habe ich Befriedigung gefunden, wenn es mir auch nicht ge-
stattet war, Gesetze aufzustellen, und in das Gebäude der Wis-
senschaft einen Eckstein einzufügen, so doch Sandkörner zum
Mörtel hinzuzutragen.
Die Reise in ein unvollkommen aufgeschlossenes Land weist
den Beobachter auf zahlreiche Einzelheiten hin; — sein Fleifs
mag eher multa als multum beschaffen, glücklich, wenn es ihm
verliehen ist, mit synihetischer Begabung, das Vielerley in ästhe-
tischer Form zu begreifen, oder mit seiner ethischen und philo-
sophischen Grundanschauung in Einklang zu bringen. Grofs ist
die Verlockung für den zwischen unübersehbare Reichthümer
verseizten Geist, sich am Reize des Neuen genügen zu lassen,
Einzelnes in Hast einzuthun, darum sich nicht in jene Tiefe
der Beobachtung zu versenken, wo dem visionären Genius des
Analytikers plötzlich der Carfunkel einer neuen Wahrheit von
unberechenbarer Wirkung entgegenleuchtet. Indem ich von
diesem Gesichtspunkte aus meine botanischen Arbeiten betrachte,
316 Gesammtsitzung vom 26. Mai 1864.
bin ich mir wohl bewufst, wie weit sie von dem Ziele entfernt
liegen, das zu erreichen!
Aber um so beglückender sind für mich die Worte der
hohen Akademie, welche ich für ein Zeugnils annehmen darf,
dafs Sie dem fleilsigen Wanderer selbst auf halbem Wege ein
wohlwollendes „Glück -auf!” zuruft.
Sie, meine hochverehrten Herren! haben jene reinmensch-
liche Güte gegen mich bethätigt, deren höchste Schule eben die
Wissenschaft selbst ist. Diese Humanität, entsprungen aus dem
Cultus der Wahrheit, betrachtet den treuen Arbeiter am Tem-
pelbaue der Wissenschaft mit Neigung, mit Nachsicht; er aber
kann, gestärkt von der Anerkennung der Edelsten, der Besten,
getrost die letzten abschüssigen Steige wandeln, denn, „wer den
Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zei-
ten!”
Und so nehmen Sie denn diese meine Bekenntnisse als den
tiefsten und wahrsten Ausdruck meiner Dankbarkeit und Ver-
ehrung gütig entgegen!
München, 28. April 1864.
Dr. Carl Fr. Ph. v. Martius.
Am 14. Mai sprach die Akademie durch ihre Sekretare, so
wie bei einem gemeinsamen Mittagsmahle, dem seit nun 50 Jah-
ren (14. Mai 1814) in ihrer Mitte, auch als Sekretar, so besonders
fruchtreich thätig gewesenen Mitgliede Hrn. Boeckh ihre
Glückwünsche und ihren Dank aus. Erfreulich durchdrang die
frische Theilnahme des Jubilars die seltene Feier.
Nachtrag.
14. April. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. du Bois-Reymond las über die räumliche Aus-
breitung des Schlages der Zitterfische.
8. I. Einleitung.
Die höchste und letzte Frage in Betreff der Zitterfische
ist natürlich die nach dem Mechanismus, wodurch die elektri-
schen Platten vorübergehend in Spannung gerathen. Die Be-
antwortung dieser Frage, obschon vermuthlich nicht so schwierig,
wie die der Frage nach dem Mechanismus der Muskelverkürzung,
ist doch noch in weitem Felde. Sie wird, wenn überhaupt,
erst spät auf dem Wege einander ergänzender morphologi-
scher und experimenteller Ermittelungen erlangt werden, der
allein vermag, uns mit den hier noch gänzlich fehlenden Zwi-
schengliedern bekannt zu machen; und der Fortschritt in dieser
Richtung dürfte, wie oft bei solchen Bestrebungen, zum Theil
das Werk des Zufalls sein.
Es giebt aber noch eine andere Art, das Problem der Zit-
terfische anzugreifen, welche anspruchloser und minder ver-
lockend, doch jener voraufgehen muls, und aufserdem das für sich
hat, dafs sie sich ihrem Ziele mit methodischer Sicherheit nä-
hert. Ich meine die, welche im Gegensatz zur physikalischen
Theorie, worauf die erstere Bemühung es abgesehen hat, gleich-
sam nur eine mathematische Theorie bezweckt, indem sie die
Erscheinungen nach Raum, Zeit und Intensität scharf aufzufas-
sen, sodann nach bekannten Gesetzen aus einer ihrer Natur
nach unbestimmten, wohl aber gleichfalls nach Raum, Zeit und
[1864.] 25
318 Gesammtsitzung
Intensität festgestellten Ursache herzuleiten sucht. Wie die
mathematische Theorie der galvanischen Kette, des Magnetes,
unabhängig von jeder Voraussetzung über die elektromotorische
Kraft, den Magnetismus, möglich war, und erst die Grundlage
für die Erörterung der in der Kette, dem Magnet wirksamen
Ursache abgab: so ist eine ähnliche Betrachtung des Schlages
der Zitterfische nicht nur möglich, sondern vor Allem nöthig,
und wird dem Sinn nach eine mathematische Theorie heilsen
dürfen, auch wenn der Gegenstand nicht erlaubt ihr die mathe-
matische Form zu geben.
Bereits in meiner ersten Abhandlung, im Jahre 1842),
habe ich mich auf diesen Standpunkt gestelli, und habe ver-
sucht, die wichtigsten, die räumliche Ausbreitung des Zitter-
fisch-Schlages betreffenden Thatsachen aus der morphologisch
und . physiologisch wahrscheinlichsten Meinung abzuleiten, das
elektromotorische Element des Organes seien die damals zwi-
schen dessen queren Scheidewänden angenommenen Gallert-
scheibehen, an deren Stelle jetzt die von Bilharz erkannte
elektrische Platte getreten ist. Meine damaligen Äufserungen
wurden theils von Solchen mifsverstanden, welche von jedem
Theoretisiren über das elektrische Organ verlangten, dafs da-
durch auch gleich die Elektricitätsentwickelung erklärt würde?);
theils blieben sie unbeachtet, weil sie in gröfster Kürze, ohne
experimentelle Belege, hingeworfen waren. Es wird deshalb
nicht ungehörig sein, wenn ich ausführlicher darauf zurück-
komme, um so weniger, als ich jetzt nicht allein die Theorie
in sich besser zu begründen, sondern auch einige Versuche zu
deren Stütze beizubringen vermag.
Es soll zunächst nur gezeigt werden, dals was über die
Richtung und Stärke der Elektricitätsbewegung in der leitenden
Umgebung der Zitterfische bekannt ist, nach den Leitungsge-
setzen der Elektricität mit der Vorstellung stimmt, wonach im
Augenblick des Schlages die eine Fläche der elektrischen Plat-
X) Vorläufiger Abrifs einer Untersuchung über den Muskelstrom und
über die elektromotorischen Fische. Poggendorff’s Annalen u. s. w.
1843. Bd. LVII. S. 1.
*) $. die Fortschritte der Physik im Jahre 1846. Berlin 1848. $. 466.
vom 14. April 1864. 319
ten positiv, die andere negativ wird. Ihrer Natur nach fällt
diese Aufgabe gänzlich in das von den Hrn. Kirchhoff,
Helmholtz u. A. bearbeitete Gebiet der Fortpflanzung des
Stromes in nicht linearen Leitern. Die allgemeinen Grund-
sätze, nach denen hier mathematisch zu verfahren wäre, stehen
fest. Aber wie in der Lehre vom Muskelstrom ist man wegen
der verwickelten Gestalt der zu betrachtenden körperlichen Lei-
ter meist nur auf die Anschauung und auf Versuche an schema-
tischen Vorrichtungen angewiesen. Nur unter gewissen Bedin-
gungen von idealer Einfachheit vermag die Theorie Richtung und
Stärke der Strömung in einem beliebigen Punkte einer den Fisch
umgebenden leitenden Masse bereits jetzt mit Schärfe anzugeben.
$. II. Entwickelung einer Hypothese über die Me-
chanik des Zitterfisch-Schlages.
Obschon, wie gesagt, die Aufstellung einer physikalischen
Hypothese über die Ursache des Zitterfisch-Schlages hier eigent-
lich nicht beabsichtigt wird, so erfordern doch Gründe, die so-
gleich einleuchten werden, dafs wir zuerst einer solchen Hypo-
these unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
Schon Athanasius Kircher sprach, mit Rücksicht auf
den Zitterrochen, von den innumeris circa hunc piscem nuga-
mentis'), zu denen beizusteuern er natürlich nicht versäumte.
Seitdem aber Adanson die elektrische Natur des Schlages am
Zitterwelse vermuthet?), Walsh sie am Zitterrochen erwiesen °)
hatte, ist kaum ein Schritt in der Elektricitätslehre geschehen, der
nicht zu einer neuen Hypothese über den Mechanismus des elck-
trischen Organes Anlals ward. Nicholson verglich die Säulen
des Organs Elektrophoren aus Glimmer*), Volta sah darin
Säulen nach Art der seinigen’), J. W. Ritter secundäre Säu-
*) Magneticum Naturae Regnum. Amstelodami 1667. 12. p. 192.
?) Reise nach Senegall übersetzt von Martini. Brandenburg 1773.
S. 201.
®) Philosophical Transactions etc. For the Year 1773. p. 461.
®) Gilbert’s Annalen der Physik. 1806. Bd. XXI. S. 276.
°) Collezione dell’ Opere ec. Firenze 1816. t. II. p. II. p. 99.
25*
320 Gesammltsüzung
len, die vom Gehirn aus geladen würden '), P. Erman glaubte,
dafs die von ihm entdeckte unipolare Leitung gewisser Stoffe
den Schlüssel zum Problem enthalte?), und zuletzt fehlte es
sogar nicht an Solchen, welche diesen Schlüssel in der In-
duction suchten’). Hypothesen der letzteren Art, denen es an
jeder wirklichen Grundlage gebrach, fielen natürlich zu Boden,
kaum dafs sie ausgesprochen waren. Aber auch der Volta-
schen Vorstellung, der doch der blofse Anblick des Torpedo-
und Gymnotus- Organs das Wort zu reden schien, standen bei
näherer Überlegung ernste Schwierigkeiten entgegen. Ich rede
nicht davon, dals nach Volta’s ursprünglicher Meinung feuchte
Leiter, so wenig wie Metalle, unter sich eine wirksame Anord-
nung abgeben sollten. Dies Bedenken, worauf er schon bei
seiner Erklärung der Zuckung ohne Metalle gestolsen war,
umging Volta bekanntlich, indem er seine zweite Klasse der
Leiter in eine zweite und dritte spaltete‘). Allein erstens
wufste man im Organ die drei ungleichartigen Bestandtheile
nicht anzugeben, welche zum Wesen der Kette gehören; zwei-
tens wirkt die Säule beständig, während das Organ sichtlich nur
schlägt, wenn es dem Fisch beliebt. Die Hypothesen, welche
Volta selber, und nach ihm mehrere Forscher erdacht haben,
um über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen, laufen meist
darauf hinaus, beim Schlage entweder den Fisch gewisse Be-
wegungen vornehmen zu lassen, um die elektromotorischen Be-
standtheile seiner Batterie erst gehörig in Berührung zu brin-
gen’), oder einen bis dahin fehlenden leitenden oder elektro-
!) Beiträge zur nähern Kenntnils des Galvanismus und der Resultate
seiner Untersuchung. Bd. II. St. 3.4. 1805. S. 243. Anm.; — Geh-
len’s Journal für die Chemie, Physik u. s. w. 1807. Bd. IV. S. 644. Anm.
?) Gilbert’s Annalen der Physik. 1806. Bd. XXI. S. 44. 45.
®) R. Böttger in Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1840. Bd.L.
S.39; — Masson in einer mir nicht zugänglichen These; — Henry in
Transactions of the American PhilosophicalSociety etc. New Series. 4. 1843.
Vol. VIII. p.11. (1840). —S. auchPianciani, Comptes rendus etc. 3 Oc-
tobre 1842. t. XV. p. 692.
*) S. meine Untersuchungen u. s. w. Bd.I. S. 92. 93.
°) So Volta selbst (Collezione dell’ Opere. £. II. p. II. p. 113. 114;
—- Brief an Configliachi ‚‚Sopra esperienze ed osservazioni da inter-
vom 14. April 1864. 321
motorischen Bestandtheil durch den Willen des Thieres zu-
fliefsen zu lassen'). Als elektromotorische Bestandtheile aber
dachte man sich dabei theils die gewöhnlichen Thierstoffe, seh-
nige Scheidewände, Nerven, Blut und eiweilsartige Flüssigkeiten,
theils auch das sogenannte Nervenfluidum ?).
Dals keine dieser Hypothesen mehr war, als ein mülsiges
Spiel der Phantasie, würde nöthigenfalls dadurch bewiesen, dals
deren keine auch nur Einen neuen Versuch hervorrief. Was
den letzteren Punkt betrifft, so habe ich gezeigt, dals die thie-
rischen Gewebe sich elektromotorisch gleichartig verhalten °),
und ich hatte daher gewils Recht, als ich, an der oben S. 318
angeführten Stelle, einfach die damals im Organ beschriebenen
Gallertscheibchen unter dem Einfluls des Willens elektromoto-
risch wirksam werden liels. Die elektromotorischen Bestand-
theile, aus denen die Elementarketten der Fischsäulen bestehen,
sind nicht in optisch unterscheidbaren Gebilden, in einander
berührenden ungleichartigen Geweben oder thierischen Flüssig-
keiten zu suchen, so wenig, wie man mit dieser Annahme
zur Erklärung des Muskel- und Nervenstromes ausreicht. Viel-
mehr ist der Sitz der elektromotorischen Kraft auch hier in
das Innere eines morphologisch einheitlichen Gebildes zu ver-
legen, der jetzt sogenannten elektrischen Platte. In Betreff der
darin elektromotorisch wirksamen Stoffe und der Lebhaftigkeit ihrer
elektrochemischen Wechselwirkung, haben wir alsdann für unsere
Vorstellungen freies Feld. Statt Blut, Nerven, Bindegewebe und
prendersi sulle Torpedini”, ivi, p. 259; — deutsch in Gehlen’s Jour-
nal für die Chemie, Physik u. s. w. 1807. Bd.IV. S. 616) und Hr.
Becquerel d. V. (Traite experimental de PElectricite et du Magnetisme.
1836. t. IV. p. 289).
*) So Alex. v. Humboldt (Reise in die Aequinoctial-Gegenden des
neuen Continents in den Jahren 1799—1804. Stuttgart und Tübingen
1820. Th. Il. S. 321) und Hr. Valentin (Artikel „Elektricität der
Thiere” inR.Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie u. s. w. Bd. I,
Braunschweig 1842. S. 276. 277; — Beiträge zur Anatomie des Zitter-
aales u.s. w. Neuchatel 1841. 4. S. 58).
°) Vergl. z.B. Pacini, Sulla Struttura intima dell’ Organo elettrico del
Gimnoto e di altri Pesci elettriei ec. Firenze 1852. p. 27 e seg.
*) Untersuchungen u. s.w. Bü.1. S. 481 ff.
322 Gesammtsitzung
ähnlicher Dinge, die sämmtlich nur eine schwach alkalische
Reaction besitzen, und von denen nie einzusehen war, wie sie
zu einer mächtig wirksamen Säule zusammentreten sollten’), kön-
nen wir uns jetzt, wenn wir wollen, einerseits die elektronega-
tivsten Substanzen, wie Ozon, andererseits die elekiropositivsten,
wie Wasserstoff, in regster Wechselwirkung denken. |
Von hier aus lag mir eine Vermuthung sehr nahe, welche
geeignet schien, zu erklären, wie das Organ nur unter dem
Einfluls der Nerven elektromotorisch thätig würde, und welche
zugleich den Vortheil bot, diese Thätigkeit mit der der Mus-
keln und Nerven unter Einen Gesichtspunkt zu vereinigen. Diese
Vermuthung war, dafs in der elektrischen Platte, wie in den Mus-
keln und Nerven, dipolar elektromotorische Molekeln vorhanden
seien, welche im Zustand der Ruhe ihre Pole entweder nach allen
möglichen, oder zu zweien nach entgegengesetzten Richtun-
gen kehren, so dafs ihre Wirkung nach aufsen verschwindet,
beim Schlagen aber sämmtlich ihre positiven Pole schnell der
Fläche des Organs zuwenden, von der der positive Strom aus-
geht”). Die elektromotorischen Molekeln muls man sich auch
hier als verschiebbare und um ihren Schwerpunkt drehbare Heerde
einer im Sinne ihrer Axe stattfindenden chemischen Thätigkeit
denken, derselben etwa, welche die Athmung der Organe aus-
*) Vergl. Schönbein, Archives de V’Electricite. 1. I. 1841. p- 456.
*) Zu meinem Erstaunen habe ich lange Zeit nachher gefunden, dals
dieser Gedanke nicht neu, sondern im Wesentlichen bereits von einem
scharfsinnigen Forscher sogar zwölf Jahre früher ausgesprochen war, als
ich in meinem Werke dieHypothese von elektromotorischen Molekeln in den
Nerven und Muskeln entwickelte. Bei Gelegenheit seiner bereits 1831 zu La
Rochelle angestellten Versuche am Zitterrochen sagte 1836 Hr. Golladon:
„Dans cette hypothese, les organes electriques des torpilles seraient composes
„d'un faisceau de piles latentes formees d’elements bi-polaires tres- petits
„mageant dans un fluide et disposes sans ordre dans les tubes aponevrotiques.
„Ces elements bi- polaires, sous un acte de volonte de l’animal, ou par une
„action nerveuse artificielle, se disposeraient subitement dans un ordre regu-
„lier et tourneraient tous ou presque tous leurs pöles posilifs vers une des
„faces de l’animal. Sous laction volontaire le pöle positif serait toujours
„tourne vers le dos de la torpille: cette disposition reguliere des elements ne
„durerait qu’un temps tres-court, et le fluide lance' sur les:deur faces se reu-
vom 14. Aprü 1864. 323
macht '). Es können mehrere Molekeln hintereinander in der
Dicke der Platte liegen, so dals die Organe Säulen von noch
ungleich grölserer Gliederanzahl wären, als sie vermöge der
Anzahl der Platten bereits vorstellen.
Dafs der Fisch durch wiederholtes Schlagen ermüdet, deu-
tet im Verein mit dem Gefälsreichthum der Organe darauf,
dals darin, wie in den Muskeln und der grauen Substanz, im
Gegensatz zu den gefälsarmen Nervenstämmen und der ebenso
beschaffenen weilsen Substanz, ein bedeutender Stoffverbrauch
stattfindet, und insbesondere die Thätigkeit der Organe begleitet.
Dies liefse sich, unter gewissen Bedingungen, so verstehen, dafs
der verstärkte Strom einer säulenartig angeordneten Molekel-
reihe in deren Innerem von rasch erschöpfender Elektrolyse
begleitet sein kann, während die Elektrolyse der Molekeln durch
ihren eigenen Strom viel kleiner ausfällt, vollends aber, wenn
in der Ruhe die Ströme je zweier Molekeln einander grolsen-
theils aufheben. Eine Annahme über die Anordnung der Mo-
lekeln im Ruhezustande, wobei das Letztere eintrifft, ist derje-
nigen, wobei die Molekeln ihre Pole nach allen Richtungen
kehren, auch deswegen vorzuziehen, weil bei dieser dieselbe
Schwierigkeit stattfindet, auf die Hr. Dove bei der Theorie der
Elektromagnete aufmerksam gemacht hat, dafs man nämlich nicht
sieht, weshalb die einmal gerichteten Molekeln nicht in der
neuen Lage bleiben”). Nimmt man dagegen auch in der Ruhe
eine besondere Anordnung der Molekeln an, so setzt man damit
zugleich Kräfte, um die Molekeln, nachdem sie aus der Ruhe-
„nirait immediatement soit dans le corps de la torpille, soit au travers des
„corps conducteurs au contact avec une portion de sa surface. Les varia-
„tions d’intensite dependraient du nombre des elements qui seraient diriges
„vers les faces par un effort plus ou moins violent.” Diese Stelle ist mei-
nes Wissens nur im Institut, 1836. t. IV. No. 181. p. 350 abgedruckt.
Die Comptes rendus ete. 24 Octobre 1836. t. III. p. 490, die Annales des
Sciences naturelles etc. 2e Ser. t. VI. Zoologie. 1836. p. 255 und Poggen-
dorff’s Annalen u, s. w. 1836. Bd. XXXIX. S. 411 enthalten nur Hrn.
CGolladon’s Versuche.
*) Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv u.s. w. 1863.
S. 595. 596.
*) Untersuchungen im Gebiete der Inductionselektricität. Berlin.
1842. 4. S.54.
324 Gesammtsitzung
lage gebracht wurden, in diese zurückzuführen. Der Übergang
der dipolaren Molekeln aus der peripolaren in die säulenartige
Anordnung, und umgekehrt, wie ich ihn im Nerven zur Erklärung
des Elektrotonus angenommen habe, würde der Form nach
derselbe Vorgang sein, wie der beim Schlagen des Organs.
Man kann sich auch die Molekeln des Organs peripolar ange-
ordnet denken, nur nicht mit ihren Axen der Richtung des
Schlages parallel, da von mir an Malapterurus'), von Hrn.
Eckhard an Torpedo ?) gezeigt wurde, dals ein in jener Rich-
tung aus dem Organ geschnitiener Streifen zwischen seinen Pol-
flächen und seinem Umfang in der Ruhe keinen Strom giebt.
Übrigens bin ich im Besitze von Thatsachen, welche die
vorgetragene Hypothese insofern unterstützen, als sie dadurch
sehr einfach erklärt werden. Ich will jedoch jetzt nicht weiter
darauf eingehen, wo diese Hypothese, welches auch sonst ihr
Werth sei, nur deshalb zur Sprache kam, weil sie mein Freund,
Hr. Kirchhoff, auf meine Bitte zur Grundlage einer Betrach-
tung über die räumliche Ausbreitung des Zitterfisch-Schlages ge-
macht hat, die hier für uns natürlich vom unmittelbarsten In-
teresse und von der grölsten Wichtigkeit ist. Er hat mir
dieselbe in einem Schreiben aus Heidelberg, vom 1. October
1857, mitgetheilt.
8. Il. Hrn. Kirchhoff’s Theorie der elektromotori-
schen Molekeln und des elektrischen Organs.
„Die Theorie einer elektromotorischen Molekel ist sehr ein-
„fach, wenn man von der Polarisation, die stattfinden muls, ab-
„sieht und annimmt, dafs die Leitungsfähigkeiten der Theile der
„Molekeln und der Flüssigkeit gleich sind. Es sei — um mit
„der Betrachtung eines speciellen Falles zu beginnen — die
„Molekel eine Kugel, die zur Hälfte aus einem, zur Hälfte aus
„einem andern Metalle besteht; die beiden Metalle berühren
„sich in einer Fläche, die durch eine Kreislinie begrenzt ist;
„ın dieser Kreislinie treffen die drei Leiter, die zu betrachten
„sind, zusammen. Wenn die Gestalt der Molekel irgend wel-
„che andere ist, so wird es doch auch immer eine in sich zu-
!) Diese Berichte, 1858, S. 105.
2) Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Giessen 1858. 4. Bd. 1.
S. 161. 162.
von 14. April 1864. 325
„rückkehrende Curve geben, in der die drei heterogenen Leiter
„zusammentreffen; von der Gestalt dieser Curve hängen einzig
„und allein die Strömungslinien unter der gemachten Voraus-
„setzung ab. Es stimmt nämlich in Richtung und Gröfse die
„Strömung in einem Punkte P — in der Flüssigkeit oder in
„der Molekel selbst — überein mit der Kraft, welche auf einen
„Magnetpol im Punkte P ausgeübt wird von einem elektrischen
„Strome, welcher in jener Curve fliefst. Es fallen daher die
„Strömungscurven zusammen mit den Kraftlinien jenes elektri-
„schen Stromes in Bezug auf einen Magnetpol. Sind viele
„elektromotorische Molekeln neben einander vorhanden, so
„stimmt in derselben Weise die Strömung in einem Punkte in
„Richtung und Gröfse überein mit der Kraft, welche auf einen
„Magnetpol in diesem Punkte ausgeübt werden würde von elek-
„trischen Strömen, die die Molekeln in den bezeichneten Cur-
„ven umflielfsen. Die Richtung der Strömung ist überall die
„Richtung, die eine unendlich kleine Magnetnadel unter dem
„Einflufs der gedachten Ströme annehmen würde.”
„Der Beweis für diese Behauptung ist der folgende: Es
„seien x%, y, z die rechtwinkligen Coordinaten eines Punktes
„des betrachteten Systemes und u die elektrische Spannung
„(oder das elektrische Potential) in diesem Punkte; Er Er A &r
dx dy dz
„sind dann proportional mit den Componenten der Stromdich-
„dichtigkeit nach den Coordinatenaxen für denselben Punkt.
„Es besteht dabei die Gleichung
du du d’u
Gen nn
„und zwar muls dieselbe, wenn die Flüssigkeitsmasse nach allen
„Richtungen sich bis in die Unendlichkeit erstreckt, wie oben
„stillschweigend vorausgesetzt ist, für alle Punkte des unendli-
„lichen Baumes gelten, mit Ausnahme der Punkte der Be-
„rührungsflächen der heterogenen Leiter, in denen u sich
„sprungweise ändert. Es soll der Kaum, den die Flüssigkeit
„einnimmt, 0 heilsen, der Raum, den die Theile der Molekeln
„von der einen Art einnehmen, 1, und der Raum, welchen die
„Iheile derselben von der andern Art erfüllen, 2; es soll wei-
326 Gesammtsüzung
„ter u bezeichnet werden durch v,, u, oder u,, je nachdem
„der Punkt, auf den es sich bezieht, in dem Raume 0, 1 oder
„„2 liegt; es sollen endlich (0, 1), (1, 2), (2, 0) die elektrischen
„Differenzen je zweier der heterogenen Leiter genannt werden.
„Es muls dann
„für die Grenzflächen von o und w— u, =(0, 1)
„9 EL) » 1» 2 u—-n=(l, 2)
9» „ 29, ww -w=(, 0)
du du du
dx’ ay’ P
„keine Sprünge zeigen. Endlich müssen dieselben Differential-
„quotienten in der Unendlichkeit verschwinden. Durch diese
„Bedingungen ist die Funktion u bis auf eine additive Gon-
„stante vollständig bestimmt'); man findet dieselbe durch die
„folgende Erwägung.”
„Für einen geschlossenen elektrischen Strom lassen sich
„nach einem bekannten von Ampere aufgestellten Satze in
„Beziehung auf seine magnetischen Wirkungen magnetische
„Flüssigkeiten substituiren, die auf einer beliebigen durch die
„Stromescurve begrenzten Fläche auf gewisse Weise vertheilt
„sind. Diese Substitution ist nur dann nicht erlaubt, wenn es
„sich um die Wirkung des Stromes auf einen in der gewähl-
„ten Fläche liegenden Punkt handelt. Ist v das Potential der
„magnetischen Fläche in Beziehung auf einen Punkt (x, y, 2),
„„so erleiden bei dem Durchgange durch die Fläche a Re
dx day’ dz
„keine Sprünge, v selbst aber ändert sich sprungweise um 4ri,
„wenn 3 die Intensität des Stromes bedeutet, für den sich die
„magnetische Fläche substituiren lälst.”
„Man wird hiernach den für « aufgestellten Bedingungen
„vollständig genügen, wenn man u gleichsetzt dem Potentiale
„von magnetischen Flüssigkeiten, welche auf den Grenzflächen
„der heterogenen Leiter in gewisser Weise vertheilt sind, näm-
„lich: auf den Grenzflächen von 0 und 1 so, dafs diese Flächen
„sich substituiren lassen für Ströme, die ihre Contouren mit
„sein. Ferner müssen an diesen Grenzflächen
1) Vergl. Poggendorfl’s Annalen u. s. w. Bd. LXXV. S. 189.
vom 14. April 1364. 327
„der Intensität durchfliefsen, auf den Grenzflächen von
(0, 1)
Te
„it und 2 'so, dafs diese Flächen sich substituiren lassen für
(1, 2
4T
„flielsen, auf den Grenzflächen von 2 und 0 endlich so, dals
„diese Flächen sich für Ströme substituiren lassen, die mit der
(2 0)
am
„Ströme, die mit der Intensität
ihre Contouren durch-
„Intensität ihre Contouren durchflielsen. Die Contouren
„der drei Gattungen von Grenzflächen fallen zusammen und
„bilden die Curve, in denen die drei heterogenen Leiter zusam-
„menstolsen; die bezeichneten magnetischen Flächen lassen sich
„daher zusammen für Ströme substituiren, die diese Curve mit
„der Intensität
— (6) +69+@ 9)
„durchfliefsen. Die Differentialquotienten des Potentials dieser
„Ströme (die eindeutig sind, während das Potential selbst viel-
„deutig ist) müssen hiernach überall den Differentialquotienten
„von u gleich sein; mit andern Worten: die Kraft, die von
„diesen Strömen auf einen Magnetpol ausgeübt wird, der an
„irgend einem Punkte sich befindet, muls der Richtung und
„Gröfse nach die Strömung darstellen, die an diesem Punkte
„von den elektromotorischen Molekeln hervorgerufen wird.”
„Es soll nun der Fall näher betrachtet werden, dafs inner-
„halb eines durch zwei senkrechte Grundflächen begrenzten Cy-
„linders eine unendliche Menge gleichartiger unendlich kleiner
„elektromotorischer Molekeln gleichmälsig und so angeordnet
„ist, dals ıhre Axen der Cylinderaxe parallel sind. Die be-
„stimmenden Ströme (um diesen Ausdruck zu gebrauchen)
„derjenigen Molekeln, welche in einem Querschnitte des Cy-
„linders liegen, lassen sich in Beziehung auf jeden Punkt
„aulserhalb des Cylinders ersetzen durch einen Strom, der die
„Contour des Querschnitts durchfliefst und dessen Intensität sich
„verhält zur Intensität der einzelnen Ströme wie die Summe
„der von diesen umflossenen Flächen zur Fläche des Quer-
„schnitts. Für jeden äufseren Punkt lassen sich also die be-
328 Gesammtsitzung
„stimmenden Ströme durch ein Solenoid ersetzen, das die Ober-
„fläche .des Cylinders bildet. Dieses Solenoid läfst sich für
„jeden äufseren Punkt weiter ersetzen durch zwei magnetische
„Flächen, die mit den Grundflächen des Cylinders zusammen-
„fallen und von denen die eine mit nördlicher die andere mit
„südlicher Flüssigkeit von gleichmälsiger Dichtigkeit belegt ist.
„Die Richtung, die unter dem Einflusse dieser magnetischen
„Flächen eine unendlich kleine Magnetnadel in irgend einem
„äulseren Punkte annimmt, ist die Richtung des Stromes, den
„die elektromotorischen Molekeln hervorrufen, in diesem Punkte.”
„Es soll nun noch angenommen werden, dals der Quer-
„schnitt des Cylinders unendlich klein ist, während seine Länge
„endlich ist. Für die beiden magnetischen Flächen können dann
„ın Beziehung auf alle in endlicher Entfernung von ihnen lie-
„genden Punkte magnetische Pole gesetzt werden. Eine Magnet-
„nadel, die auf der Verbindungslinie zweier ungleichnamigen
„Pole sich befindet, stellt sich in die Richtung dieser. Daraus
„folgt, dafs die Strömungen, die durch die elektromotoriscben
„Molekeln hervorgerufen werden, in den Punkten der Ober-
„fläche des sie enthaltenden Cylinders parallel der Axe sind,
„also in der Oberfläche selbst fliefsen. Es gilt dieses nur nicht
„für die Punkte der Oberfläche, die den Enden des Cylinders
„unendlich nahe liegen. Wenn man in einem Leiter eine
„Fläche, die aus Strömungscurven besteht, isolirend macht, so
„wird dadurch nirgend die Strömung weder in der Richtung
„noch in der Grölse geändert. Es wird deflshalb auch ohne
„jeden Einfluls sein, wenn der die elektromotorischen Molekeln
„enthaltende Cylinder mit einer isolirenden Schicht bekleidet
„wird, sobald nur in unendlich kleiner Ausdehnung an den En-
„den die Mantelfläche frei bleibt.”
„Wenn der Querschnitt des Cylinders ein endlicher ist, so
„wird seine Oberfläche, wenn sie nicht isolirt ist, von den Strö-
„mungscurven geschnitten; es wird dann also eine Änderung
„der Strömungen in Grölse und Richtung eintreten müssen,
„wenn die Mantelfläche des Cylinders mit einer isolirenden
„Schicht belegt wird. Diese Änderung anzugeben, scheint mir
„aber eine sehr schwierige Aufgabe zu sein.”
vom 14. April 1864. 329
Hrn. Kirchhoff’s schöne Theorie setzt, wie man sieht,
eine beständige Wirksamkeit des elektrischen Organs voraus.
Zu den darin gemachten Annahmen der Unpolarisirbarkeit, der
gleichen Leitungsgüte aller leitenden Stoffe, und der Unend-
lichkeit der umgebenden leitenden Masse, kommt also noch hinzu
die Vernachlässigung der Induction, welche die Entladung be-
gleitet, und von der zu untersuchen wäre, ob sie die räumliche
Ausbreitung des Schlages beeinflulst. Doch ist dies, bei der
geringen in diesem Gebiet erreichbaren Genauigkeit der Beob-
achtung, gleichgültig. Wir können uns der Ergebnisse jener
Theorie in den dadurch umfafsten Fällen als einer ersten An-
näherung bedienen, und zwar unabhängig davon, ob der Mole-
cularhypothese etwas Wahres zu Grunde liegt oder nicht. Denn
wir können, wenn wir wollen, die elektrischen Platten als im
Sinne ihrer Axe platigedrückte elektromotorische Molekeln an-
sehen, und von ihren bestimmenden Strömen, wie von denen der
Molekeln sprechen; oder wir können noch einfacher uns das
elektrische Organ als eine aus elektromotorischen Flächen auf-
gebaute Säule vorstellen, deren stromerzeugende Wirkung in
einem äufseren Punkt ersetzbar ist durch die magnetische Wir-
kung, welche eine in diesem Punkt befindliche Magneinadel von
Seiten derselben Flächen erführe, wären diese Flächen unendlich
dünne, mit den beiden Magnetismen belegte Scheiben. Die ver-
einte Wirkung der elektromotorischen Flächen kann alsdann,
wofern das Organ als ein Prisma mit senkrechten Grundflächen
schematisirbar ist, durch die Wirkung dieser Grundflächen er-
setzt werden, deren eine mit nördlichem, die andere mit süd-
lichem Magnetismus belegt wäre. Es verdient gewils die höch-
ste Bewunderung, dafs Hr. Faraday im Wesentlichen schon
im Jahre 1838, sieben Jahre ehe Hr. Kirchhoff das erste
Problem über Strombewegung in nicht prismatischen Leitern
behandelte, diesen Satz durch die Anschauung gefunden und
behauptet hat'). Leider ist dessen Anwendbarkeit, wie bereits
) Experimental Researches in Electricity. Reprinted from the Philo-
sophical Transactions etc. Vol. II. London 1844. Ser. XV. November
1838. p. 12. Io. 1784. — Pohl hatte zwar schon 1826 die Strömungs-
curven mit den magnetischen Kraftlinien verglichen (s. meine Untersu-
330 Gesammtsitzung
angedeutet wurde, sehr beschränkt, da abgesehen von den Schwie-
rigkeiten, die dafür aus der Gestalt und aus der vielleicht nicht
überall gleichen Kraft der Organe erwachsen, die Magnetkraft-
linien nicht mehr mit den Strömungscurven zusammenfallen,
sobald isolirende Scheidewände in’s Spiel kommen. Wo man
aber mit hinreichender Genauigkeit einen Magnet für das elek-
trische Organ setzen kann, giebt es fortan ein einfaches Mittel,
sich einen beliebigen Durchschnitt durch das zugehörige Strömungs-
flächensystem zu verschaffen. Dazu braucht man nur in der
wagerecht gestellien Ebene des verlangten Durchschnittes ein
mit Eisenfeilicht bestreutes Papier anzubringen und zu erschüt-
tern, bis die magnetischen Curven sich ausgeprägt haben. Nicht
blos die Richtung des Stromes wird sich durch die Anordnung
der Späne, sondern auch dessen Dichte durch ihre grölsere oder
geringere Anhäufung aussprechen.
8. IV. Von der Abwesenheit ısolirender Hüllen am
elektrischen Organ.
Von Allem mufs nun ein Punkt in’s Klare gebracht wer-
den, der, obschon im Grunde ganz unbedenklich, doch lange
für Viele ein Anstofs und der Ursprung einer grolsen Verwir-
rung gewesen ist. .
Bekanntlich verglich Volta bereits in seinem Brief an
Banks die Säule dem Organ der Zitterfische, ja er schlug da-
für den Namen eines künstlichen elektrischen Organes vor.
Volta wulste, dafs im Inneren eines Thieres, also auch der Zit-
terfische, nicht gut ıisolirende Häute denkbar seien, und wies
aus diesem Grunde Nicholson’s oben S. 319 erwähnte Theo-
rie zurück. Dennoch setzte Volta bei seinem eigenen Ver-
gleich des Organs und der Säule voraus, dals letztere bis auf
chungen u. s. w. Bd.1. S. 565), allein dieser Vergleich beruht bei ihm
nur auf der naturphilosophischen Lehre von der Polarität, und insofern
es sich in seiner Vorstellung dabei nicht, wie in Hrn. Faraday’s, um
ein unbegrenztes leitendes Mittel handelte, war ich im Recht, als ich a.
a. O. sagte, dals derselbe keinen Sinn habe.
vom 1A. April 1864. 334
ihre Pole isolirt unter Wasser versenkt sei’). Später vermuth-
lich auf diesen Widerspruch aufmerksam geworden, nimmt er
seine Zuflucht zu der Annahme, dafs beim Schlage die Organe
sich seitlich von den sie umgebenden Geweben ablösen ?). Noch
später hat er sich zwar durch Versuche überzeugt, dafs starke
Säulen schlagen, auch wenn sie in ihrer ganzen Länge mit nas-
sen Binden umwickelt sind. Dennoch, heilst es, liebt Volta
noch sich vorzustellen (ama di figurarsi), dals die einzelnen
Säulen des Organs von einer isolirenden, wenn auch noch so
dünnen, vielleicht fettigen Schicht umhüllt seien °).
Deluc stellte gleichfalls Versuche mit untergetauchten Säu-
len an, und da er fand, dafs diese dabei ihre Wirkung ein-
büfsten, so schlofs er, dafs die Kraft der Zitterfische nicht Elek-
tricität, oder dafs letztere wenigstens in diesen T'hieren noch
mehr umgewandelt sei, als seiner Meinung nach schon in der
Säule selber *).
Auch Ritter hat sich, ohne bestimmten Erfolg, mit der-
gleichen Untersuchungen befafst ?).
Noch im Beginn der vierziger Jahre schrieb Hr. Valentin
den die Säulen des Zitterrochenorgans begrenzenden sehnigen
Scheidewänden die Rolle isolirender Hüllen zu‘), undHr.Schön-
bein neigte sich zu der Ansicht, dals der Gymnotus sich will-
kürlich von dem umgebenden Wasser isoliren könne”).
So haben also bis zu verhältnilsmälsig neuer Zeit Physiker
und Physiologen eine Schwierigkeit darin gefunden sich vorzu-
*) Collezione dell’ Opere ec. Firenze 1816. t.IJ. p. II. p. 117.
*) lvi, p. 268; — Gehlen’s Journal für die Chemie, Physik u.
s. w. 1807. Bd. IV. S. 631.
®) L’Identita del Fluido elettrico col cos: detto Fluido Galvanico vit-
toriosamente dimostrata con nuove Esperienze ed Osservazioni. Memoria
communicata al Signore Pietro Configliachiec. Pavia 1814. 4. pP. 75.
*) Traite elementaire du Fluide electrico-galvanique. Paris 1804.
2. II. p. 253.
°) Gehlen’s Journalu.s.w. A.a. O.S.633 ff. Anm.
°) R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie u. s. w. Artikel
„Elektricität der Thiere”. Bd. I. Braunschweig 1842. S. 277.
?) Archives de lElectricite. 1841. t. I. p. 459.
332 Gesammtsitzung
stellen, wie im elektrischen Organ auch ohne Isolation eine
Summirung der Elementarwirkungen stattfinde. Gleich in mei-
nem „vorläufigen Abrils” habe ich diese Schwierigkeit als eine
illusorische bezeichnet, und mittels des Princips der Deckung
der Ströme das Zustandekommen der Summirung folgender-
mafsen veranschaulicht.
Befindet sich in einem körperlichen Leiter irgendwo ein
elektromotorisches Flächenelement, so wird die Masse des Lei-
ters von der dadurch erregten Strömung erfüllt. Die von be-
liebig vielen und beliebig gelegenen solchen Elementen aus-
gehenden Strömungen setzen sich in jedem Punkte (nach dem
Parallelogramm der Kräfte) zusammen. Sind die Elemente in paral-
lelen Ebenen hinter einander und gleichsinnig angeordnet, so wird
eine Verstärkung der Wirkung des einzelnen auf einen gegebenen
Punkt stattfinden. Setzt man an Stelle der elektromotorischen Flä-
chenelemente die Platten des elektrischen Organs im Augen-
blick der Entladung, so hat man ein Bild davon, wie, trotz der
mangelnden Isolation, die Wirkungen summirt werden.
Diese an sich einleuchtende Vorstellung ist jetzt durch eine
strenge, von Hrn. Helmholtz gegebene Ableitung völlig gerecht-
fertigt '), und für den Fall unbegrenzter Ausdehnung des körper-
lichen Leiters ergiebt sich dasselbe auch auf dem von Hrn. Kirch-
hoff vorgezeichneten Wege. Durch folgende Versuche wird übri-
gens die Möglichkeit der Summirung ohne Isolation, wenn es
nöthig sein sollte, aufser Zweifel gesetzt.
Der einen langen Seite eines 182”” langen, 119”” breiten,
38” = tiefen, 25”” hoch mit Brunnenwasser gefüllten Porzellan-
troges entlang wurden zwei 50”” hoch mit Fliefspapier beklei-
dete, 25°” breite Platinplatten als Enden des Muskelmultiplica-
tors?) in 130”” Abstand symmetrisch so aufgestellt, dafs die
Ebene der Platten zur Wand des Troges senkrecht war. Diese
Platten heiflsen die Ableitungsplatten. Die elektrischen
Platten nachzuahmen, dienten 24 aus Platin und Zink zusam-
mengelöthete Plattenpaare. Sie waren quadratisch, von 25°”
Seite, und 3°” dick, das Zink verquickt. Eine gröfsere oder
1) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1853. Bd. LXXXIX. S. 212.
®) Untersuchungen u.s.w. Bd.I. S. 162.
vom 14. April 1864. 333
geringere Zahl derselben, je nach Bedürfnifs, wurde in säulen-
artiger Anordnung mit der Kante auf eine Leiste gekittet, wo-
bei zwischen je zwei Platten 1”” Zwischenraum blieb'). Mittels
der Leiste wurde die Säule plötzlich längs der anderen langen
Seite des Troges in symmetrischer Stellung versenkt, und der
Ausschlag abgelesen. S. Bogen 1inFig.I., wo, wie auch in den
übrigen Figuren, die dunklen Begrenzungen das Platin oder Ku-
pfer, die lichten das Zink vorstellen; @, a’ sind die Ableitungs-
platten.
Diese Art der Beobachtung, dieselbe, welche mir zu den
Versuchen an den elektromotorischen Muskelmodellen diente,
war durch die doppelte Polarisation geboten, in Folge deren die
beständige Ablenkung sehr schwach und unregelmälsig ausfiel.
Viel besser wäre es gewesen, statt der Zinkplatinplatten Elek-
trodenpaare beständiger Ketten in einer Flüssigkeit anzuwenden,
worin sie nicht polarisirt würden, und ebenso die Ableitungs-
platten unpolarisirbar zu machen, also z. B. als Flüssigkeit
schwefelsaure Zinkoxydlösung, als Elektroden und Ableitungs-
platten verquicktes Zink zu nehmen, und die beständigen Ab-
lenkungen an der Spiegelbussole zu beobachten. Zur Zeit jener
Versuche besals ich diese Hülfsmittel noch nicht; ich mache die
Versuche aber bekannt, wie sie sind, weil ich voraussehe, dafs
ich noch lange keine Mufse finden werde, darauf zurückzukommen,
und weil sie, im Wesentlichen, doch auch so ihren Zweck er-
füllen.
Bei der beschriebenen Anordnung erhielt ich im Mittel aus
140 Versuchen von
1, 3, 3% 4% 6.8 10, 12, 16, 20 Plattenpaaren
13.7, 16.0, 17.3, 22.2, 29.4, 39.8, 49.5, 55.2, 63.7, 90°-+ x Ausschlag.
Man sieht, wie die Wirkungen mit der Zahl der Plattenpaare
wachsen. Allerdings war deren absolute Stärke sehr klein. Zwar
erfolgten Zuckungen eines unter Wasser befindlichen stromprü-
fenden Froschschenkels, wenn in der Nähe seines Nerven ein
Zinkplatinplattenpaar rasch eingetaucht wurde, und sogar nach
Abtrennung des Nerven fuhren Zuckungen fort durch unmittel-
*) Das Aufkitien geschah nämlich, indem ich zwischen den Platten
1”=® dicke Fournierplättchen brachte, welche nachher entfernt wurden.
[1864] 26
334 Gesammtsitzung
bare Reizung zu erscheinen. Aber auch vom leisesten subjectiv
wahrnehmbaren Schlage war keine Rede '), und trotz der gro-
fsen Zahl der Säulenglieder bei den Zitterfischen, mufs man,
um deren ungeheure Wirkungen zu verstehen, doch immer eine
sehr grolse elektromotorische Kraft ihrer Elementarketten vor-
aussetzen ?).
Dafs Deluc von seiner unter Wasser versenkten Säule keine
Wirkung erhielt, erklärt sich so, dals das Wasser zwischen das
Silber und Zink der einzelnen Paare drang, daher auch die aus
dem Wasser genommene und äufserlich abgetrocknete Säule un-
wirksam blieb°). Mit anderen Worten, Deluc’s versenkte Säule
war keine Säule mehr.
') Eine Prüfung auf elektrischen Geschmack finde ich in meinem Ta-
gebuch nicht angegeben.
?) Ich habe 1852 in London mit den Hrn. Faraday, Bence Jones
und Anderen, Folgendes gesehen. Wir wollten erfahren, wie sich der
Gymnotus der Polytechnic Institution gegen fremde elektrische Schläge ver-
halte, da er für seinen eigenen unempfindlich scheint. Auf der Bahn des
Fisches, der ruhig den Wänden seines etwa 2” langen und 1”.5 breiten
Troges entlang schwamm, wurde gleichsam ein Thor aus breiten Kupfer-
platten gebaut. Vielleicht weil er erblindet war, liels er sich dadurch in
seinem gewohnten Kreise nicht stören. In dem Augenblick, wo der Kopf
des Fisches sich zwischen den Platten befand, entlud Hr. Faraday durch
sie eine Leydner Batterie, oder ich machte die Platten zu Elektroden der
secundären Rolle meines Magnetelektromotors. Allein obschon wir die
Schläge allmählich bis zur grölsten Stärke steigerten, welche die Vorrich-
tungen gerade zulielsen, gelang es uns nicht, den mächtigen 'Temblador aus
seinem Gleichmuth zu bringen. Aus doppeltem Grunde kein Wunder;
einmal weil unstreitig der Gymnotus mit dem Malapterurus die seitdem
von mir an diesem entdeckte relative Immunität gegen elektrische Schläge
theilt (S. diese Berichte, 1858. S. 106ff.);, für’s zweite, weil sich ergab, dals
wegen der Ausbreitung des Stromes in der bedeutenden Wassermasse auch
ein Mensch, der die Hände zwischen den Kupferplatten hielt, von den
Magnetelektromotorschlägen nichts empfand. Als aber, während ich die-
sen Versuch anstellte, dem an der anderen langen Seite des Troges befind-
lichen Gymnotus ein Frosch auf den Rücken gesetzt wurde, und der Gym-
notus, das Lebendige spürend, nunmehr seine Batterieen entlud, erhielt
ich einen Schlag bis in die Elbogen, der mir reichlich Anlals gab, über die
grolse Überlegenheit der elektrischen Organe nachzudenken.
*”) Ibidem p. 256.
vom 14. April 1864. 335
Es hat also nicht allein keine Schwierigkeit, zu begreifen,
wie ohne Isolation die Summirung der Wirkungen geschehe,
sondern die Schwierigkeit liegt eher auf der entgegengesetzten
Seite. Nur wenn eine Säule aus verschwindend kleinen Ele-
menten in einer Strömungscurve gebogen ist, gelingt es bereits
jetzt, die Wirkung einer die Säule umgebenden isolirenden Hülle
wirklich scharf zu bestimmen, und alsdann ist diese Wirkung
Null, wie stets, wenn eine Strömungsfläche isolirend gemacht
wird (vergl. oben S. 328). Für den Fall einer anderen Bie-
gung ist zwar die Wirkung nicht Null, aber zu vernachlässi-
gen, da das Eintauchen eines beliebig gebogenen Glasfadens in
eine Flüssigkeitsmasse, in die zwei punktförmige Elektroden
‘ tauchen, die Strömung nicht merklich ändert. Für den Fall
eines endlichen Querschnittes der Säule, wie auch sonst unter
anderen als den obigen Annahmen, läfst sich der Unterschied,
den die Hülle in der Ausbreitung des Stromes bewirkt, noch
nicht angeben. Bestimmt lälst sich nur sagen, dafs der von
jeder elektromotorischen Fläche ausgehende Strom dabei schwä-
cher wird, weil der Widerstand, den er zu überwinden hat,
um den Widerstand der Säule wächst. Bei dem Bestreben aber,
mittels der blofsen Anschauung abzuleiten, dals die Summe die-
ser schwächeren Wirkungen auf einen äulseren Punkt gröfser
ausfalle als vorher, stölst man auf Bedenken, die kaum anders
als durch die Rechnung zu beseitigen sein werden.
Auch der Versuch, in der beschriebenen Art angestellt,
liefs mich im Stich. Beim abwechselnden Eintauchen der Säule
hinter einem Glasstreifen und ohne denselben, fielen die Wir-
kungen zu unregelmälsig aus, um ihnen etwas sicheres zu ent-
nehmen. Mit dem Eintauchen des Streifens nachdem die Wir-
kung der Säule beständig geworden, war auch nichts anzufangen,
da die Bewegung des Wassers die Polarisation störte‘). Viel-
leicht hätte sich der Unterschied zwischen beiden Anordnungen
deutlicher ausgeprägt, wenn die Wasserschichten zwischen den
Plattenpaaren gar nicht um den Rand dieser herum mit einan-
der in Verbindung gestanden hätten.
*) Vergl. Untersuchungen u. s. w. Bd. I. S. 212. Anm. 1.
26*
336 Gesammitsitzung
Da es am elektrischen Organ keine isolirende Hülle giebt;
da, wie soeben gezeigt wurde, die Summirung der Elementar-
wirkungen auch ohne eine solche Hülle vor sich geht; und da,
wie die Folge lehren wird, die wichtigsten in der Ausbreitung
des Zitterfisch-Schlages bemerkten Eigenthümlichkeiten sich an
nicht isolirten, unter Wasser getauchten Säulen gleichfalls nach-
weisen lassen, so wird in der Theorie dieses Schlages fortan
von der Isolation abzusehen sein. Es folgt zugleich, dafs man
am elektrischen Organ genau genommen nicht in der Art von
Polflächen reden kann, wie dies bisher geschehen ist, oder
dafs wenigstens dieser Ausdruck hier ebenso uneigentlich ge-
braucht wird, wie am Magnet'). Der strenge Begriff von
Polflächen ist der zweier Flächen von verschiedenem, aber '
für eine jede constantem Potential, deren Umrisse durch eine
Kraftlläche zusammenhängen. Eine untergetauchte, bis auf ihre
letzte positive und negative Fläche isolirte Säule aus metalli-
schen Plattenpaaren hat daher an diesen beiden Flächen wahre
Polflächen, und die mantelförmige Grenze zwischen Wasser und
isolirender Hülle ist die Kraft- oder, wie sie hier heilst, Strö-
mungsHläche. Fällt die isolirende Hülle fort, und setzt man die Lei-
tungsfähigkeit der Plattenpaare gleich der des Wassers, so hören
nicht blos die früheren Polflächen auf, iso@lektrische Flächen zu
sein, sondern auch der Mantel wird schräg von Strömungscur-
ven geschnitten. In diesem Sinne palst auf die Art, wie im
elektrischen Organ, im elektrotonisirten Nerven, in der den
Neigungsstrom erzeugenden Grenzschicht am schrägen Muskel-
querschnitt?), in innerlich polarisirten Leitern) die Summirung
der Elementarwirkungen geschieht, der in meinem „Abrifs”
vorgeschlagene Name der unvollkommenen Säulenbil-
dung’).
*) Vergl. diese Berichte, 1858, $. 103.
?) Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv u. s. w. 1863.
S. 589 ff.
?) Diese Berichte, 1856. S. 450; — 1859. S. 68.
*) A.a. 0.5.30. 8.76.
vom 14. April 1864. 337
$. V. Nachahmung der Wirkungen zwischen ver-
schiedenen Punkten der Länge des Zitteraals
und Zitterwelses.
Hr. Faraday hat am Gymnotus gezeigt, 1. dafs jeder
Punkt des im Wasser befindlichen Fisches oder seiner nächsten
Umgebung sich negativ verhält gegen jeden davor, und positiv
gegen jeden dahinter am Fisch gelegenen; 2. dals die Wirkun-
kungen um so kräftiger sind, je weiter auseinandergelegene
Punkte man berührt; 3. dafs sie verschwinden, wenn die ab-
geleiteten Punkte symmetrisch zur Axe des Fisches liegen ').
Ranzi?) und ich’) haben die nämlichen Gesetze am Zitter
welse nachgewiesen.
Ich habe entsprechende Erscheinungen an der unter Was-
ser befindlichen Säule aus 24 Platinzinkplattenpaaren erhalten.
Sie wurde, auf eine Leiste gekittet, zuerst wieder längs der einen
langen Seite des Troges symmetrisch eingetaucht. Doch be-
fanden sich diesmal die Ableitungsplatten nach dem Eintauchen
ihr ganz nahe. Diese liefsen zwischen sich einen beständigen
Abstand von 25"”. Welche Stellung ich ihnen auch längs der
Säule gab, stets erfolgte beim Eintauchen ein Ausschlag in der
Richtung, dals die dem Zinkende der Säule nähere Platte sich
positiv gegen die andere verhielt (Bogen 2, 3, 4 Fig. 1.).
Als die Ableitungsplatten der Mitte der Säule gegenüber
standen, und ihr Abstand
4, 2, 67 4°° betrug, erfolgten
315, 69.0, I90-+x, 90+X° Ausschlag
im Mittel aus zwei Versuchen. Die stärkste Wirkung trat
ein, wenn die Ableitungsplatten eine Verlängerung der Säule
vorstellten (Bogen 5). Die Wirkung wurde schon ansehnlich
schwächer, wenn ich die Platten aus dieser Lage in ihrer Ebene
um ihre Breite verschob (Bogen 6).
*) Experimental Rescarches in Electricity. Reprinted ete. London
1844. vol. II. p. 6. 9—11. No. 1764. 1773—1781.
®) Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv u. s. w. 1859.
S. 209.
*) Diese Berichte, 1858,S. 103.
338 Gesammitsitzung
Wurde die Säule so versenkt, dafs ihre Axe mit der des
Troges-.und ihre Mitte mit dessen Mitte zusammenfiel, während
die Ableitungsplatten ihr zur Seite standen, so war die Wir-
kung Null. Es machte keinen Unterschied, ob die eine Platte
sich der Mitte der Säule näher befand, als die andere.
Diese Versuche zeigen, dafs aus den darin nachgeahmten
Erscheinungen für die im vorigen Paragraphen entwickelte Lehre
kein Hindernifs erwächst. Bei gröfserer Vollkommenheit einer-
seits der Versuche an den Zitterfischen selber, andererseits der
schematischen Versuche und der Theorie böte sich so Gelegen-
heit zu einem neuen Beweise dafür, dafs die Seiten des Organs
nicht isolirt sind. Denn wenn ich mich auch irrte, als ich im
„vorläufigen Abrifs” sagte, bei seitlich isolirtem Organ bliebe ein
Theil der hier besprochenen Erscheinungen unerklärt'), so
würde doch alsdann die Stärke des Zweigstromes eine andere
Function der Stellung der Ableitungsplatten sein. An ein Ver-
gleichen der Stärke des Zweigstromes bei verschiedener Siel-
lung der Ableitungsplatten am lebenden Fisch mit der, die sie
gemäls der Theorie und dem schematischen Versuch bei isolir-
tem und bei nicht isolirtem Organ sein sollte, ist aber um so
weniger zu denken, als schwerlich alle Querschnitte des Organs
gleiche elektromotorische Kraft haben. Hr. de la Rive giebt
zwar an, dals der Schlag des Zitteraals, wenn seine ganze Länge
in den Kreis des Multiplicators eingeschaltet ist, genau doppelt
so stark ausfalle, als wenn nur die vordere oder hintere Hälfte
sich darin befinde?), doch ist dies wohl nur eine Ausdrucks-
weise dafür, dafs keine augenfällige Abweichung von dem an-
gegebenen Verhältnifs bemerkt wurde. Beim Zitterwels über-
trifft, wie ich zeigte ’), die vordere Hälfte des Organs die hin-
tere sehr beträchtlich an Wirksamkeit, ein Umstand, auf den
ich anderswo zurückzukommen gedenke.
ı) A.a. ©. S. 27.8. 70.
2) Archives de l’Electricite. 1845. t. V. p. 805; — Traite de PElec-
tricite theorique et appliquee etc. t. III. Paris 1858. p. 76.
?) Diese Berichte, 1858, S. 103.
vom 14. April 1864. 339
$. VL. Erklärung und Nachahmung der Colladon-
schen Ströme am Zitterrochen.
Colladon’sche Ströme nenne ich die von diesem For-
scher am Zitterrochen zwischen asymmetrischen Punkten des
Rückens und Bauches 1831 entdeckten Ströme. Keinen Strom
erhält man nach Hrn. Colladon nur, wenn man symmetri-
sche Punkte einer jener Flächen berührt. Jeder den Organen
nähere Punkt verhalte sich am Rücken positiv, am Bauche nega-
tiv gegen jeden entfernteren ').
Hr. Matteucci, der kurz zuvor das Dasein solcher Ströme
ausdrücklich geläugnet hatte *), berichtete das Jahr darauf, jedoch
ohne sich auf Hrn. Colladon zu beziehen, dafs die Punkte des
Organs über den Eintrittsstellen der Nerven am Rücken
positiv, am Bauche negativ gegen die übrigen seien ’). Vermuth-
lich schwebte ihm bei dieser Auffassung der Colladon’schen
Ströme jene falsche, von Galvani*) und Ritter’) ausge-
gangene, von Hrn. Becquerel d. V. wieder aufgenommene °)
Theorie vor, die er sich damals angeeignet hatte, dafs die Elek-
tricität der Zitterfische ihrem Gehirn entspringe’); da sonst
*) S. an den oben $. 323 angeführten Stellen.
*) Comptes rendus etc. 11 Juillet 1836. t. II. p. 49.
?) Comptes rendus etc. 2 Octobre 1837. t. V. p. 502.
*) Memorie sulla Elettrieita animale ec. al celebre Abate Lazzaro
Spallanzaniec. Bologna 1797. 4. p. 66. 67.
°) Beiträge zur nähern Kenntnils des Galvanismus u. s. w. Bd. II.
St. 3.4. 1805. S. 243. Anm.
°) Traite experimental de lElectrieitd et du Magnelisme. t. IV. Paris
1836. p. 289. 290.
7) Comptes rendus etc. 3 Octobre 1836. #. IH. p. 430; — Ibid,,
2 Octobre 1837. t. V. p. 601; — Annales de Chimie et. de Physique. De-
cembre 1837. t. LXVI. p. 426. 427; — Bibliotheque universelle etc. Vou-
velle Serie. Novembre 1837. t. AVII. p. 378. An den beiden letzten Stellen
sagtHr. Matteucci wörtlich: „Z’element necessaire a la.decharge electrique
„de la torpille.... est produit par le dernier lobe du cerveau, et transmis par
„les nerfs dans la substance de l'organe .... Ce n’est pas dans lorgane et par
„lorgane que cet element est prepare ... Cet element, que je regarde comme
„analogue au courant electrique, et comme le courant electrique lui-meme, a
„besoin, pour fonctionner, d’une disposition moleeulaire dans les nerfs etc.” —
Joh. Müller hat diese Lehre des Hrn. Matteucci widerlegt im Hand-
340 Gesammtsitzung
nicht zu verstehen ist, wie den Eintrittsstellen der Nerven eine
besondere Bedeutung in elektromotorischer Hinsicht zukommen
sollte.
Auch Hr. Zantedeschi scheint von der nämlichen Meinung
beherrscht gewesen zu sein, denn er bezeichnet die dem Ge-
hirne nächsten Punkte des Rückens und Bauches beziehlich als
die positivsten und negativsten ').
Es genügt indels, einen senkrecht auf die Medianebene
durch die Organe des Zitterrochen geführten Schnitt zu be-
trachten, um sogleich den Gedanken zu fassen, den ich in mei-
nem „vorläufigen Abrif[s” aussprach, dafs Hrn. Matteucci’s
Wahrnehmung auf der verschiedenen Höhe der Säulen beruhe,
aus denen die Organe zusammengesetzt sind?). Das positive
Ende einer höheren, d. h. aus mehr Gliedern bestehenden Säule
verhält sich positiv, das negative negativ gegen das gleichna-
mige Ende einer minder hohen Säule. Da nun die Säulen des
Zitterrochen vom inneren Rande des Organs, wo die Nerven
eintreten, nach dem Umfange der Scheibe hin um etwa die
Hälfte niedriger werden, so folgt nothwendig das in Rede ste-
hende Verhalten.
Hr. Matteucci hat denn auch seitdem, jedoch ohne sich
auf mich zu beziehen, seine Ausdrucksweise in Betreff dieses
Gegenstandes allmählich abgeändert. Zuerst heifst es nur, der
Strom sei stets von dem der Medianlinie näheren Punkte zu dem
davon entfernteren gerichtet?), wobei nicht bemerkt wird, dals
buch der Physiologie u. s. w. Bd.I. 3. Aufl. 1838. S. 69. Neuerdings
hat Hr. Armand Moreau Versuche zu demselben Zweck beschrieben
(Annales des Sciences naturelles, 4e Serie, 1862. t. AVIII, p. 6). Darauf
erwiederte Hr. Matteucci (den doch Hr. Moreau gar nicht einmal ge-
nannt hatte): „Je sens la necessitE de retablir la verite historique.....
„Jamais ni moi, ni aucun autre, n’a dit que l’electricite se produit dans le
„cerveau” (Archives des Sciences physiques et naturelles. lVouvelle Serie.
1. XV. 1862. p. 41).
t) Comptes rendus etc. 28 Mars 1842. t. XIV. p. 288; — 30 Mai.
pP. 839.
2) A.a2. 0.8. 27.8. 71.
*) Legons sur les Phenomenes physiques des Corps vivants. Paris
1847. p. 194.
vom 14. April 1864. 341
dies nur am Rücken gilt, und dafs am Bauche das Verhalten um-
gekehrt ist. In späteren Schriften aber läfst Hr. Matteucci
den Strom am Rücken von den diekeren zu den dünneren Stel-
len gehen'). An den dickeren Stellen ist übrigens nach ihm
der Strom zwischen den beiden Flächen stärker als an den dün-
neren ?).
Ich meinestheils habe mich von der Richtigkeit meines
Schlusses seitdem durch den Versuch überzeugt. Auf ein Brett-
chen kittete ich nebeneinander vier Säulen von abnehmender
Höhe, wie Fig. II. zeigt. Die Zahl der Glieder in den vier
Säulen war 10, 7, 5 und 2; zwischen den Säulen blieb 2””.5
Abstand. Diese Vorrichtung, in Wasser getaucht, entsprach also
im Wesentlichen einer durch zwei parallele, senkrecht auf die
Medianebene geführte Schnitte begrenzten Scheibe aus dem einen
Organ des Zitterrochen. Befanden sich die Ableitungsplatten
zu beiden Seiten der Vorrichtung, se verhielt sich die an der
Zink- oder Rückenfläche AR positiv gegen die an der Platin-
oder Bauchfläche 3 (Bogen 1 in der Figur). Der Strom war
stärker, wenn die Platten die hohen, als wenn sie die niedri-
gen Säulen zwischen sich hatten. Befanden sich die Platten auf
einer Seite des künstlichen Organs, so war die den höheren
Säulen nähere die positive oder negative, je nachdem es sich
um Rücken oder Bauch handelte (Bogen 2, 3). Zwar unter-
scheidet sich unsere Anordnung von der natürlichen am Zitter-
rochen insofern, als der Fisch sich an der Luft befand, doch
kann dies von keinem Einfluls auf das Ergebnils sein. Und damit
scheint die Angelegenheit erledigt; allein die folgenden Ver-
suche lehren, dafs wir ihr noch nicht ganz auf den Grund ge-
gangen sind.
In einen mit Brunnenwasser gefüllten Trog von angemes-
sener Grölse tauchte ich ein zusammengelöthetes Zinkkupfer-
t) Lezioni di Elettro- Fisiologia. Corso dato nell’ Universita di Pisa -
nel’ anno 1856. Torino 1856. p. 7.
°) Comptes rendus etc. 17 Aoüt 1846. t. XXII. p. 357. 358. — Ar-
chives des Sciences physiques et naturelles. 1846. t.]]. p. 401.— Annales de
Chimie et de Physique. 1847. 3e Ser. t.XA1. p.167 ;— PhilosophicalTrans-
actions etc. For ihe Year 1847. P.IJ]. p. 240; — Corso di Elettro-Fi-
siologia in sei Lezioni date in Torino ec. Torino 1861. p. 118.
342 Gesammisitzung
plattenpaar in Gestalt eines Rechteckes von 210”” Länge und
30”” Breite den verschiedentlich aufgestellten Ableitungsplatten
gegenüber ein, wie es bisher mit den zu Säulen verbundenen
quadratischen Zinkplatinplattenpaaren geschah. Standen die Ab-
leitungsplatten zu beiden Seiten des Erregerpaares, so verhielt
sich natürlich die am Zink positiv gegen die am Kupfer (Bo-
gen 1 Figur IIl.). Standen die Platten gegenüber der nämlichen
Seite, so blieb das Eintauchen, wirkungslos nur, wenn die Plat-
ten sich symmetrisch zur Mitte befanden (Bogen 0). Im ande-
ren Falle verhielt sich am Zink die der Mitte, am Kupfer die
dem Ende oder der Zinkkupfergrenze g,, g’ nähere Platte po-
sitiv gegen die andere (Bogen 2, 3), und der Strom war um
so stärker, je grölser der Abstand der Ableitungsplatten, und
je näher, bei gleichem Abstande, die Platten sich der Grenze
befanden. Den stärksten Strom der Art lieferte die Verbin-
dung eines Punktes gegenüber der Mitte mit einem solchen
in der Nähe der Grenze; die Stromstärke wuchs noch, wenn
die Ableitungsplatten das Erregerpaar zwischen sich nahmen.
Mit anderen Worten, die Ströme vor dem Zink befolgten im
Wesentlichen dasselbe Gesetz, wie die schwachen Ströme des
Muskel-Längsschnittes, die vor dem Kupfer dasselbe wie die
schwachen Ströme des Querschnittes. Diese Ergebnisse sind
nicht neu; ıch habe sie schon in meinem Werke in der Unter-
suchung über die „flachen Erregerpaare” beschrieben, von denen
die gegenwärtige Anordnung in der That nur ein besonderer
Fall ist. Aufser der Theorie der Erscheinung im Allgemeinen
findet man dort den Grund eines sehr auffallenden Umstandes,
der bei diesen Versuchen hervortritt, uns aber hier nichts an-
geht, der grölseren Stärke nämlich, welche die Ströme vor dem
Kupfer im Vergleich zu denen vor dem Zink zeigen ').
Ersetzt man das lange Erregerpaar durch eine Reihe kür-
zerer, welche in derselben Ebene befindlich, Lücken zwischen
sich lassen, z. B. durch eine Anzahl der vorher angewendeten
Zinkplatinplattenpaare, so bleibt im Wesentlichen die Wirkung
unverändert. Man kann auch, noch immer mit dem gleichen
Erfolge, Säulen an Stelle der einzelnen kürzeren Erregerpaare
') A.a.0. Bd.l. S. 596-618.
vom 14. April 1864. 343
setzen. Die 24 Zinkplatinplattenpaare brachte ich in sechs
nebeneinander befindlichen viergliederigen Säulen so an, dals
die entsprechenden Platten der sechs Säulen in denselben Ebe-
nen lagen, und die Enden der Säulen eine gemeinschaftliche
Zink- und Platinfront darboten (s. Fig. IV., wo aber nur 16 Plat-
tenpaare abgebildet sind). Der Abstand der Säulen von einander
betrug wieder 2””.5. Es zeigte sich, bei derselben Versuchs-
weise wie vorher, ein Strom vor der Zinkfront von der Mitte
zu den Enden, vor der Platinfront von den Enden zur Mitte,
und nur bei symmeitrischer Stellung der Ableitungsplatten war
vor beiden Fronten der Strom Null.
Der Strom entsteht hier ähnlich wie, nach der Molecular-
hypothese, die schwachen Ströme am Längs- und Querschnitt
des Muskels. Man denke sich jedes der nebeneinander in Einer
Flucht aufgestellten Plattenpaare, beziehlich jede Säule von einem
rechteckig prismatischen Hof feuchten Leiters symmetrisch um-
geben, wie die punctirten Linien in Fig. IV. es andeuten.,
Alsdann stolsen, beim Zusammenfügen der Prismen, Curven von
gleichem Potential aufeinander, und es entsteht kein gemeinsamer
Strom vor der Front der Anordnung. Ableitungsplatten, dieser
Front parallel davor aufgestellt, deren Breite die der einzelnen
Plattenpaare vielmals überträfe, würden sich in jeder Stellung
gleichartig verhalten. Wenn aber, wie in unserer Vorrichtung,
der feuchte Leiter sich über die beiden Enden der Front hin-
aus erstreckt, so entsteht vor der Front ein Gesammtstrom, von
dem durch die Ableitungsplatten ein Zweig in den sie verbin-
denden Bogen übergeht ').
Die letztbeschriebene Vorrichtung kann für das Schema eines
Zitterrochen-Organs gelten, in welchem alle Säulen gleich hoch
wären. Es würden also auch bei gleicher Höhe der Säulen in
einem solchen Organ Ströme zwischen verschiedenen Punkten
seiner Rücken- und Bauchfläche stattfinden. Nennen wir den
positivsten und negativsten Punkt dieser Flächen die Pole des
Organs, so mülsten diese Pole nicht am inneren Rande, sondern
in der Mitte der betreffenden Flächen liegen. Dals sie in
‘) Vergl. Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv u. s. w.
1863. S. 581 £f.
344 Gesammtsitzung
Wirklichkeit medianwärts verschoben sind, erklärt sich aus der
nach dorthin zunehmenden Höhe der Säulen. Doch wird sich
zeigen, dafs dies nicht die einzige in diesem Sinne wirksame
Ursache ist. Wir haben jetzt nämlich noch zu untersuchen,
wie etwa diese Ströme durch das Zusammenwirken der beiden
Organe verändert werden.
Hierzu vertheilte ich die 24 Plattenpaare in zwei Gruppen,
deren jede ein aus gleich hohen Säulen bestehendes Organ vor-
stellte. Jede Gruppe bestand aus zwei sechsgliederigen Säulen,
zwischen denen wieder 2.””5 Zwischenraum blieb. S. Fig. V.,
wo ındels die Zahl der Glieder kleiner ist. Die beiden Grup-
pen lielsen zwischen sich eine Lücke von veränderlicher Breite.
So lange die Lücke ein gewisses Maas nicht überschritt, brachte
sie keinen Unterschied in der Wirkung hervor. War sie brei-
ter, z. B. wie in der Figur so breit wie die Gruppen selber,
so nahm das Stromsystem eine scheinbar sehr verschiedene und
verwickelte Beschaffenheit an. Jetzt verhielt sich die Mitte jedes
Organs (um mich kurz so auszudrücken) positiv nicht allein ge-
gen die nach aufsen gelegenen Punkte, sondern auch gegen alle
Punkte zwischen ihr und der Mitte des anderen Organs, am
stärksten gegen die Medianebene; positiv ferner gegen die jen-
seits der Mitte des anderen Organs gelegenen Punkte. Punkte
in der Umgebung der Medianebene verhielten sich negativ gegen
Punkte in der Nähe des äufseren Randes jedes Organs. Ertheilte
ich der einen Ableitungsplatte eine Stellung « in des Nähe des
äulseren Randes des einen Organs 4, so fanden sich für die an-
dere Platte drei Stellungen, wo der Strom verschwand, nämlich
auflser der aufdem anderen Organ B der ersteren symmetrischen @’,
noch zwei symmetrisch zur Medianebene zwischen der Mitte
eines jeden Organs und dessen innerem Rande gelegene a”, a”;
so dafs es im Ganzen sechs Stellungen der Platten vor der ge-
meinschaftlichen Front der beiden Organe gab, in denen kein
Strom erfolgte. Innerhalb gewisser Grenzen gelingen diese
Wahrnehmungen bei um so kleinerer Breite der Lücke, je we-
niger Glieder die Säulen enthalten.
Sie erklären sich einfach, wenn man die Vertheilung der
Spannungen (Potentialwerthe) vor der Fläche eines unserer Plat-
tenpaare berücksichtigt. Tragen wir die Spannungen als Or-
vom 14. April 1864. 345
dinaten auf eine der Ebene des Plattenpaares parallele Gerade
aa’ auf, welche die Punkte enthält, um die es sich handelt,
so kann die entsprechende Curve nicht viel anders aussehen,
als die ausgezogene Curve ss’ in Fig. VI., wo die punctirten
Curven die Curven gleichen Potentials sind, 2 die Mitte des
Plattenpaares, g die Zinkkupfergrenze vorstellt. Bei Verbindung
zweier Punkte der Abscissenaxe durch einen Bogen geht der
Strom im Bogen von dem Punkt, dem die grölsere, zu dem,
welchem die kleinere Ordinate entspricht, und der Unterschied der
Ordinaten milst bei gleichem Widerstande die Stärke des Stro-
mes. In Fig. V. ist die ausgezogene Curve die Resultirende
aus den punctirten Curven der vier Säulen. Wie hieraus die
obigen Ergebnisse flielsen, bedarf nicht der Ausführung.
Man erkennt zugleich, dals durch das Zusammenwirken der
beiden Organe der Pol eines jeden Organes etwas medianwärts
rücken muls, um so weniger freilich, je breiter die Lücke. Im
Versuch war dies auch bei schmaler Lücke schwer nachzuwei-
sen, weil überhaupt in Folge ungleicher Wirksamkeit der ver-
schiedenen Plattenpaare die Lage der Pole schwankte; am Zit-
terrochen aber ist die Lücke zwischen den Organen, wie in
Fig. V., so breit wie jedes Organ, daher der Einfluls, den das
Zusammenwirken der Organe auf die Lage der Pole übt, nicht
grols sein mag.
Die Colladon’schen Ströme zwischen verschiedenen Punk-
ten des Rückens und Bauches des Zitterrochen sind damit,
soweit die Beobachtung reicht, vollkommen erklärt, ja auf
einen doppelten Grund zurückgeführt. Wir sind aber sogar im
Stande, mit grofser Bestimmtheit zu behaupten, dafs die Beob-
achtung selber noch lückenhaft ist. Es lälst sich vorhersagen,
dafs man mit hinreichend feinen Mitteln Ströme am Rücken vom
inneren Rande der Organe nach der Medianebene, am Bauch
im entgegengesetzten Sinne finden wird. Genau genommen ist
das Dasein dieser Ströme in der von Hrn. Colladon, und in
der ersten von Hrn. Matteucci gegebenen Bestimmung (S.
oben S. 339) bereits angedeutet. Denn wenn in der ersten
die dem Organ näheren Punkte am Rücken positiv, am Bauch
negativ gegen die davon entfernteren heilsen, und wenn nach
der zweiten die Stellen über und unter dem Nerveneintritt die
346 Gesammtsitzung
Pole sind, so müssen in beiden Fällen fulgerichtig die Punkte
der Medianebene sich am Rücken negativ, am Bauch positiv
gegen den inneren Rand der Organe verhalten. In Hrn. Mat-
teucci’s späteren Aussagen (S. oben S. 340) werden alle der
Medianebene näheren Punkte als positiv gegen alle davon ent-
fernteren bezeichnet, was ebenso mit seiner früheren Angabe,
wie mit der Theorie im Widerspruch steht, und somit schliefs-
lich zur erneuten Prüfung des Sachverhaltes am Zitterrochen
selber auffordert.
8. VIL Nachahmung des Experimentum crucis des
Hrn. Matteucci am Zitterrochen, und Widerlegung
des von ihm daraus gezogenen Schlusses.
Hr. Matteucci spaltete das eine Organ eines lebenden
Zitterrochen senkrecht auf die Axe der Säulen, und brachte in
den Spalt eine Glasplatte, so dafs die beiden Abschnitte des
Organs dadurch von einander getrennt wurden. Gleichviel wie
er nun die beiden natürlichen Flächen am Rücken und Bauch
und die beiden künstlichen Flächen mit dem Multiplicator ver-
band, stets erhielt er beim ‘Schlage den Strom in der gewöhn-
lichen Richtung, nämlich so, dafs die dem Rücken nähere Platte
sich positiv gegen die dem Bauche nähere verhielt. Dabei er-
hellt nicht klar, ob das Organ in seiner ganzen Ausdehnung in
eine obere und in eine untere Hälfte getrennt, oder ob nur ein
seitlicher Einschnitt daran angebracht war. Doch ist aus meh-
reren Gründen das letztere wahrscheinlich.
Auf Grund dieses Versuches behauptete Hr. Matteucci
die Unmöglichkeit eines Vergleiches zwischen der Säule und
dem elektrischen Organ; „denn”, sagt er, „wo man auch eine
„Säule unterbreche, erzeugt man zwei neue Pole: das mit dem
„positiven Pol verbundene Ende wird ein negativer, das mit
„dem negativen Pol verbundene ein positiver Pol”'), wovon
hier das Gegentheil eintreffe. Erst nachdem ich im Jahre
1843 die entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen, und in Bezug
auf jenen Versuch ohne weitere Erläuterung bemerkt hatte, „er
1) Archives de l’Electricite. 1841. t.I. p. 673; — 1843. & II.
p- 157. 158.
vom 14. April 1864. 347
„enthalte nichts, was nicht nach der hier gegebenen Theorie
„der Fall sein mülste” '), erklärte auch Hr. Matteucci, dafs
das Organ einer Säule zu vergleichen sei?); ohne sich auf mich
zu beziehen, und ohne zu sagen, wie er denn jetzt über die aus
seinem Versuch erwachsenden Schwierigkeiten hinwegkomme.
Diese angeblichen Schwierigkeiten will ich jetzt, heben. Es
versteht sich, dafs hier nur die Rede sein kann von der Ver-
bindung der oberen mit der unteren künstlichen Fläche. Dafs
die obere und untere Hälfte des Organs noch im richtigen Sinne
schlugen, kann nicht Wunder nehmen, und dafs zwischen dem
Rücken und Bauch, dem Rücken und der unteren künstlichen
Fläche, endlich dem Bauch und der oberen künstlichen Fläche
der Schlag richtig erfolgte, versteht sich ebenso von selbst.
Sodann ist, wie ich schon im „vorläufigen Abrifs” bemerkte, vor-
auszusetzen, dals Hr. Matteucci, wie er es bei solchen Ver-
suchen zu thun pflegte, das andere Organ mittels Durchschnei-
dung seiner Nerven gelähmt hatte. Sonst hätte er zwischen
den beiden künstlichen Flächen den Schlag dieses Organes gehabt.
Um die Verhältnisse, welche hier in Betracht kommen,
sicherer zu übersehen, ist es nöthig, dals wir uns zuerst mit
dem Fall einer unterbrochenen Säule beschäftigen. Trennt man
zwei Plattenpaare einer untergetauchten Säule durch eine Lücke,
und bringt man in diese Lücke die Ableitungsplatten, so erhält man
stets einen Strom in der Richtung des Stromes in der Säule
selber, d. h. die an das Zink der Lücke grenzende Platte ver-
hält sich positiv gegen die dem Platin benachbarte (S. Fig. VII.).
Der Strom ist am stärksten, wenn die Lücke sich in der Mitte
der Säule befindet, er wird am schwächsten jenseits der beiden
äulsersten Plattenpaare, wie folgende Versuche mit einer neun-
gliederigen Säule lehren, wobei die Ableitungsplatten 30”" von
einander entfernt waren.
°) A. a. 0. 8. 29. 8. 72.
?) Comptes rendus etc. 8 Septembre 1845. t. XAT. pP: 876. 877; —
Archives de l’Electrieitde. 1845. t.W. p. 494; — Annales de Chimie et de
Physique. 1847. 3e Serie. t. AAI. p. 164.
348 Gesammtsitzung
Ableitungsplatten jenseits des Zinkendes. . . . . :17.3°
3 zwischen 1. und 2. Paar . . . . : 26.3
= „ ZUNGTNDNS ZEN I RD
” „ I. : 341
„ ” 4. 2. » : 29.8
” ” 5.» 6 : 33.3
„ ” 6. u, dy : 27.2
k ih 7 00 09. Dis g : 24.5
% RN 8. B:lEh, vunlan : 19.3
jenseits des Platinenöts EHSROR OR : 13.9
Die Zahlen sind das Mittel aus drei Beobadhtahgkn, Ist die
Lücke grölser als der beständige Abstand der Ableitungsplatten,
die Gliederanzahl zu beiden Seiten der Lücke aber ungleich, so
fällt der Strom stärker aus, wenn die Ableitungsplatten dem
grölseren Abschnitt näher sind, schwächer im entgegengesetzten
Falle. Wird endlich zwischen die Ableitungsplatien eine Glas-
platte (GP in der Figur) oder ein gefirnilster hölzerner Klotz
gebracht, so wächst die Stromstärke im Multiplicator.
Denkt man sich also das Organ in seiner ganzen Äus-
dehnung in eine obere und in eine untere Hälfte getrennt,
welche nur noch durch die übrigen Gewebtheile des Thieres
zusammenhängen, so wird Hrn. Matteucci’s Beobachtung in
der That unverständlich. Alsdann käme dem Strom die entge-
gengesetzte Richtung von der zu, die er wirklich zeigte. War
dagegen das Organ nur seitlich eingeschnitten, so bedeutet Hrn.
Matteucci’s Erfolg nichts, als dafs der von den ungetrennten
Theilen des Organs ausgehende Schlag den Schlag übertraf, der
von den zerschnittenen Theilen ausging. Nichts ist leichter, als
dies mit unseren schematischen Vorrichtungen nachzuahmen,
indem neben die unterbrochene Säule, mit der wir eben expe-
rimentirten, noch eine zusammenhängende gebracht wird (Fig. VIII.).
Indem man die Gliederzahl der einen vermehrt, der anderen ver-
mindert, kann man natürlich stets der ersteren die Oberhand
verschaffen, d. h. nach Belieben den von Hrn. Matteucci be-
schriebenen oder den entgegengesetzten Erfolg beobachten. Zwi-
schen diesen beiden äulsersten Fällen liegt ein mittlerer, worin
man bald die eine, bald die andere Wirkung vorwiegen sieht.
Auffallend war dabei in meinen Versuchen, dals die beiden ein-
vom 14. April 1864. 349
ander bekämpfenden Ströme, der der zusammenhängenden und
der der unterbrochenen Säule, einen verschiedenen zeitlichen Ver-
lauf hatten, und zwar sank der Strom der unterbrochenen Säule
rascher als der der zusammenhängenden. Dies sprach sich darin
aus, dafs, wenn beide Ströme der Gleichheit nahe waren, erst
ein Ausschlag im Sinne der unterbrochenen Säule geschah, wel-
chem auf dem Fufls einer im Sinne der zusammenhängenden
folgte. Der Grund dieser Erscheinung ist mir nicht deutlich;
da sie aber zweifellos auf der Polarisation beruhte, so ist sie
für unseren gegenwärtigen Zweck gleichgültig.
Am Zitterrochen giebt es zwei Umstände, wodurch der
zusammenhängenden Säule, d. h. dem noch ungetrennten
Theile des Organs, die Überlegenheit über die unterbrochene
Säule, d. h. dessen gespaltenen Theil gesichert wird. Erstens
liegt es in der Natur der Dinge, dals letzterer durch die Spal-
tung selber in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt ist. Zweitens
gehört er noihwendig dem Rande des Organs an, so dafs seine
Elemente nicht allein weniger wirksam, sondern auch minder
zahlreich sind, als die des anderen Theils.
Um nichts unversucht zu lassen, stellte ich noch eine An-
ordnung her, welche den natürlichen Verhältnissen etwas näher
kam, als die zuletzt beschriebene. Wie bei den Versuchen über
die Colladon’schen Ströme wurden vier Säulen von abneh-
mender Höhe, nämlich folgweise von 9, 7, 5 und 3 Gliedern,
nebeneinander aufgestell. Die beiden letzten Säulen waren
durch eine sich seitlich in sie hinein erstreckende Lücke unter-
brochen, in der sich, durch eine Glasplatte getrennt, die Ab-
leitungsplatten befanden (Fig. IX). Stets flog beim Eintauchen
der Säule die Nadel an die Hemmung im Sinne der zusammen-=
hängenden und gliederreicheren Säulen. Wurden diese wegge-
brochen, so trat die schwächere und verkehrte Wirkung der
unterbrochenen Säulen hervor.
Durch diese Versuche ist meine Behauptung. im „‚vorläufigen
Abrils”, Hirn. Matteucci’s vermeintliches Experimentum cerucis
folge aus meiner Theorie, gewils völlig gerechtfertigt.
[1864.] 27
350 Gesammisitzung
$. VII. Vom Schlage des gekrümmten Gymnotus.
Hr. Faraday hat einmal beobachtet, dafs der Gymnotus,
um einen Fisch zu erschlagen, sich in einer Spirale darum
krümmte, von der der Fisch einen Durchmesser einnahm. Hr.
Faraday fügt hinzu, es habe in diesem Falle durchaus den An-
schein gehabt, „als ob das Herumwinden des Zitteraales um seine
„Beute absichtlich geschehe, um den Schlag zu verstärken. In
„der That ist dies Verfahren, mit Hinblick auf die wohlbe-
„kannten Gesetze der Entladung von Strömen in Massen lei-
„tender Materie, zur Erfüllung dieses Zweckes ganz vortrefflich
„geeignet, und obschon der Fisch diesen Kunstgriff nicht jeder-
„zeit in Anwendung bringen mag, so ist es doch sehr wahr-
„scheinlich, dafs er sich des dadurch erlangten Vortheils bewufst
„ist, und ım Fall der Noth seine Zuflucht zu ihm nimmt” ').
Wenn der Gymnotus einen Kreis um sein Opfer schlielst,
so hat dies möglicherweise nur zum Zweck es am Entweichen
zu verhindern; vielleicht aber auch, wie Hr. Faraday zu glau-
ben geneigt ist, die Wirkung auf das Opfer zu verstärken. Um
die letztere Meinung zu stützen, mülste man zunächst zeigen,
dafs wirklich durch die beschriebene Anordnung die Wirkung
verstärkt werde, was nicht so in die Augen springt, und auch
nicht so unbedingt der Fall ist, wie Hr. Faraday will.
Von einer spiraligen Krümmung des Gymnotus wird dabei
abzusehen sein; da die Länge der Organe nur etwa 0.3 von der
des Fisches beträgt, so entsteht der Anschein einer spiraligen
Krümmung, sobald der Fisch die Enden des Organs einander
nähert.
Die Wirkung des gekrümmten Gymnotus läfst sich vor-
läufig mit Schärfe angeben, nur wenn man den Querschnitt des
Organs, nebst: allen Leitungsunterschieden und der Induction
vernachlässigt, und das leitende Mittel als unbegrenzt annimmt.
Alsdann wird der Fisch seine Wirkung auf einen äulseren
Punkt allerdings dadurch verstärken, dafs er die Enden des
Organs einander nähert, aber das Opfer .muls sich nicht in
einem Durchmesser der Curve befinden, sondern in der ihre
Enden verbindenden Geraden, und wenn man sich einen auf
1) L. c.,p. 13. No. 1785.
vom 14. April 1864. 351
diese Gerade oder deren Verlängerung senkrechten Kreis denkt,
durch dessen Mittelpurkt die Gerade geht, so werden alle
Punkte dieses Kreises eine gleich starke Wirkung erfahren, d.h.
ein Punkt im Inneren des vom Fisch gebildeten Ringes wird
nicht stärker getroffen, als ein symmetrisch zur Verbindungs-
linie der Pole aufserhalb gelegener Punkt.
Bei endlichem Querschnitt kann man sich das Organ der
Länge nach in unendlich viele unendlich dünne Fäden zerlegt
denken, auf deren jeden die obige Schlufsfolge palst. Da auf
der concaven Seite des Ringes der Abstand der Endflächen des
Organs kleiner ist als auf der convexen, wird allerdings dort der
Strom etwas dichter sein als hier, und ein innerer Punkt wird
einer etwas stärkeren Wirkung unterliegen als ein symmetri-
scher äulserer Punkt. Doch sieht man nicht, wie ein Durch-
messer des Ringes der Sitz einer besonders starken Wirkung
sein solltee Um mir eine Anschauung des hier stattfindenden
Strömungscurvensystems zu verschaffen (S.oben S. 320), liels ich
einen weichen Eisenstab von 19”” Durchmesser so biegen, dals seine
Axe einen Kreis von 83”” bildete, der in einem Stück von
17°®,5 offen blieb. Den Stab bewickelte ich mit 400 Win-
dungen eines 0””.75 dicken Kupferdrahtes, und elektromagne-
tisirte ihn mittels einer zweigliederigen Grove’schen Säule. In
die Ebene seiner Axe brachte ich wagerecht einen Bogen Karten-
pappe, worin die Figur des Magnetes ausgeschnitten war, und
bestreute den Bogen mit Eisenfeilicht. Der lehrreiche Anblick
der sich ausprägenden Magnetkraftlinien bestätigte die obige
Meinung. Die Sache läuft also wohl darauf hinaus, dafs der
Gymnotus das Opfer zwischen die einander genäherten Enden
seines Organs zu bringen sucht, dafs er aber, da ihm dies
begreiflich nicht sicher gelingt, die Stellung des Opfers inner-
halb der aufserhalb des Ringes vorzieht, nicht weil der Durch-
messer des Ringes eine besondere Rolle spielt, sondern weil
er so des Opfers gewisser ist.
Bei seitlich isolirttem Organ würde allerdings das Innere
des Ringes mehr vor dem Äufseren bevorzugt sein, insofern der
Körper des Fisches als isolirender Schirm die Strömung auf
der concaven Seite des Ringes vor der Ausbreitung in den jen-
ZU
332 Gesammtsitzung
seitigen Raum schützte. Doch kann dies keinen Grund abge-
ben, eine isolirende Hülle um das Organ anzunehmen.
Ich habe auch versucht, die Zunahme der Wirkung un-
tergetauchter Säulen auf einen stromprüfenden Froschschenkel
durch Biegen der Säulen zum Kreise nachzuahmen. Es gelang
aber nicht, eine krümmbare Säule herzustellen, und beim Ver-
gleichen der Wirkungen einer gekrümmten und einer geraden
Säule aus gleich viel Gliedern kamen so viel Zufälligkeiten in’s
Spiel, dafs damit auch nichts anzufangen war.
$. IX. Nachahmung des Versuches von Humboldt’s
und Gay-Lussac’s.
Von Humboldt und Gay-Lussac haben gezeigt, dals
man einen Zitterrochen ungestraft zwischen zwei metallischen
Schüsseln halten könne, vorausgesetzt, die Schüsseln berühren
einander irgendwo am Rande '). Es ist leicht, einen entspre-
chende Versuch an den untergetauchten Säulen anzustellen.
In der That reicht es aus, um jede Wirkung der Säule nach
aulsen abzuschneiden, diese mit einem auf die hohe Kante ge-
stellten, zu einer geschlossenen Curve gebogenen Blechstreifen
zu umgeben.
8. X. Teleologische Betrachtungen über die Schup-
penlosigkeit der elektrischen Fische und über die
Gestalt der verschiedenen elektrischen Organe.
Der zuletzt beschriebene Versuch war ursprünglich zur Er-
läuterung der von mir in meinem „vorläufigen Abrils”?) geäulserten
Vermuthung bestimmt, die sämmtlichen bisher bekannt gewor-
denen Zitterfische möchten, teleologisch gesprochen, deshalb
schuppenlos sein, weil die Schuppen zu gut geleitet hätten.
Jetzt, wo wir Grund haben, anzunehmen, dals die Knochenkerne
der Schuppen jedenfalls nicht besser, eher schlechter leiten, als
andere thierische Gewebe, kann von jener Vermuthung nicht
mehr die Rede sein’). Man könnte umgekehrt eher glauben,
!) Gilbert’s Annalen u. s. w. 1806. Bd. XXI. S. 8.
2) A.a.0. 5.29. 8.73.
?) Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. II. 1860. S. 190.
vom 14. April 1864. 353
dals die Schuppen durch ihren Widerstand geschadet hätten.
Es lfst sich aber aulserdem noch sagen, dals Fische, mit
einer Schutz- und Angriffswaffe gleich dem elektrischen Or-
gan versehen, keines Schuppenpanzers bedurften. Vielleicht wäre
auch dadurch die Reizbarkeit der Haut, welche bei den elektro-
motorischen Fischen sehr grofs ist und durch Reflex zu ihrem
elektromotorischen Vermögen in Beziehung steht, beeinträch-
tigt worden.
Erinnert man sich, dafs der Zitteraal und Zitterwels Süfs-
wasserfische sind, die Torpedineen dagegen die See bewohnen,
deren Wasser, nach einer freilich unzulänglichen Bestimmung
von Carendish') und Marianini?), 100mal besser leitet, als
destillirtes Wasser: so ist es unmöglich, nicht mit diesem Um-
stand den so ausgesprochenen Unterschied zwischen den Or-
ganen der beiden ersteren, und denen der letzteren Fische in
Verbindung zu bringen. Der Zitterwels und Zitteraal besitzen
ein langgestrecktes Organ, von vergleichsweise kleinem Quer-
schnitt, die Torpedineen nur ein kurzes, von vergleichsweise
sehr grolsem Querschnitt. Die grölsere elekiromotorische Kraft
wenigstens des Zitteraales, im Vergleich zum Zitterrochen, ist
dabei auflser Frage. Dies ist aber gerade die Einrichtung, die
als die zweckmälsigste erscheint mit Rücksicht darauf, dafs der
Strom der ersteren Fische einen grofsen, der der letzteren
einen kleinen aulserwesentlichen Widerstand zu überwinden hat).
Diese Skizze, zu deren Ausführung es mir, wie gesagt,
inmitten wichtigerer Angelegenheiten an Mulse gebricht, reicht,
\) Philosophical Transactions etc. For the Year 1776. p. I. p. 198.
*) Annales de Chimie et de Physique. 1826. t. XXXUI. p. 152; —
Schweigger’s Jahrbuch der Chemie und Physik. Bd.XIX. 1827. S.298;
— Fechner’s Lehrbuch des Galvanismus und der Elektrochemie.
Leipzig 1829. S. 236. Anm. 1.
®) Hr. de la Rive hat schon versucht, zwischen dem Bau des
Organs bei Gymnotus und bei Torpedo, und der verschiedenen Leitungs-
güte des See- und sülsen Wassers, eine Beziehung aufzudecken. Dem
Gymnotus schreibt er 96 Säulen von 4000 Gliedern und 50 Quadratmilli-
metern Querschnitt, dem Zitterrochen 940 Säulen von 2000 Gliedern und
nur 7 Quadratmillimetern Querschnitt zu. Er sagt dann: „La surface pro-
°
354 Gesammitsitzung vom 14. April 1864.
wenn ich nicht irre, doch bereits aus, um die Natur der hier
zu lösenden Aufgaben und die dazu führenden Wege zu zeigen,
und um so die Grundlinien eines interessanten Kapitels der
Elektrophysiologie festzustellen.
„portionellement plus grande et le nombre plus petit de diaphragmes elec-
„triques dans le gymnote, comparativement a la torpille, ne proviendraient-
„is pas de la difference des deux milieux dans lesquels ils sont appeles a
„vivre, leau douce moins conductrice pour le premier, lcau salce plus
„conductrice pour le second?” (Traite d’Electricite theorigue et appliguee
etc. t. III. Paris 1858. p. 77. 78. 80.) Hier scheint ein doppelter Irr-
thum obzuwalten. Es ist erstens klar, dals, wenn Gymnotus weniger,
aber grölsere Elemente hätte als Torpedo, nicht dieser Fisch, sondern jener
mehr für die See geeignet wäre; und esist zweitens klar, dafs die Art,
wie Hr. de la Rive die Zahl und Grölse der Elemente berechnet, unzu-
lässig ist. Sieht man von der oben S. 323 erwähnten Möglichkeit ab,
dals in einer elektrischen Platte mehrere Elemente hintereinander liegen,
so ist die Zahl der Elemente gleich der Zahl der hintereinander, ihre
Oberfläche gleich der Summe der Oberflächen der nebeneinander befind-
lichen Platten. Dann hat, mit Zugrundelegung der von Hrn. de laRive
benutzten Zahlen, das Gymnotus-Organ 4000 Platten von 96 x 50—4800,
das Torpedo-Organ 2000 Platten von 940 x 7 = 6580 Quadratmillime-
tern Oberfläche; d. h. jenes ist grofsen aulserwesentlichen Widerständen
gewachsen, dieses mehr für kleine geeignet. Hr. Valentin zählt übri-
gens an den Säulen des Zitteraals etwa 5000, an denen des Zitterrochens
durchschnittlich nur etwa 300 Platten (Handwörterbuch der Physiologie
u. s. w. Bd. I. S. 254. 268), was unserer Ansicht noch günstiger ist.
— Na —
Menatsberzcht: ıd.Ak.Mar 1504
m
I
I
mo camel ooo-
A. Schutze mu Stein get.
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Juni 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
2. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Parthey las über den Oberlauf des Nil nach
Ptolemaeus.
Durch die letzten Entdeckungen von Speke und Grant ist
die Aufmerksamkeit der Geographen von neuem auf das nord-
östliche Afrika gelenkt worden. Unsere Kenntnils von dem
oberen Stromlaufe des Nil hat durch jene kühnen Reisenden
eine wesentliche Bereicherung erhalten. Selbst der unerquick-
liche Streit, der wegen des Baumes von Miani entstanden ist
(Petermann Mitth. 1864 p. 83), hat dazu beigetragen, einige
wenn auch unwesentliche geographische Punkte in ein helleres
Licht zu setzen. Hier, wie bei allen Untersuchungen über ver-
gleichende Erdkunde, ist ein Zurückgehn auf die älteren Anga-
ben, besonders auf Ptolemaeus unerlälslich. So in dem gründ-
lichen v. Klödenschen Werke (das Stromsystem des oberen Nil)
das alle Entdeckungen bis zum Jahre 1856 zusammenfalst, so
bei Cooley (Claudius Ptolemy and the Nile. 1854.), bei Beke
(the sources of the Nile. London 1860.) u. a.
Aber in allen diesen Schriften werden immer nur einzelne
Stellen des Ptolemaeus behandelt, entweder um ihre Überein-
[1864.] 28
356 Gesammtsitzung
stimmung mit den Daten der Reisenden zu zeigen, oder um ihre
Abweichung davon, nicht selten auf etwas gewaltsame Weise
zu erklären. So hielt z. B. Cooley (p. 77) die Stelle des Pto-
lemaeus (307,15 Wilb.) über die Mondberge, aus deren Schnee
die Nilquellen gespeist werden, für eingeschoben, weil er an
dem Vorkommen von Schneebergen in diesen Breiten zweifelte.
Daher wird es, wie wir glauben, der Wissenschaft förderlich
sein, wenn wir im folgenden versuchen, ein klares Bild des
oberen Nillaufes zu geben, wie es sich aus den im vierten
Buche des Ptolemaeus zerstreuten Positionen zusammenstellen
läfst.
Überschauen wir zuvor im allgemeinen die Länge des gan-
zen Nillaufes bei Ptolemaeus, so reicht diese vom 13. Grade
südlicher Breite bis zum 31. Grade nördlicher Breite, umfalst
also einen Meridian von 44 Graden, nahezu % des ganzen Erd-
umfanges. So weit gehn die neusten Entdeckungen noch nicht:
denn sie erstrecken sich im Süden des Äquators erst bis zum
3. oder 4. Grade. Die Zukunft muls es lehren, ob die Nach-
richten, denen Ptolemaeus folgte, keine zuverlässigen waren,
oder ob ein weiteres Vordringen nach Süden sie bestätigt. Dürfte
man nach der Analogie der Ostküste von Afrika schlielsen, so
ist es wahrscheinlicher, dafs Ptolemaeus Recht behalten wird.
Er setzt. hier die Insel Menuthias unter dem 12. Grade Süd-
breite an (307,9 Wilb.), auf demselben Parallelkreise mit dem
Mondgebirge. Menuthias gilt für Madagaskar, dessen nördliches
Ende auch bis zum 12. Grade reicht, danach mülste also einst
das Quellgebiet des Nil bis in dieselbe Breite hinabgerückt
werden.
Gehn wir nun zum Einzelnen über, so setzt Ptolemaeus
das Mondgebirge, dem die Nilquellen entströmen, vom 57. bis
67. Grade der Länge unter 12 Grad Südbreite (307, 15) an.
Südlich davon ist unbekanntes Land, (zyvweros yy) das bis zum
Südpole noch 74 Breitengrade, oder fast % des ganzen Erdqua-
dranten einnimmt (308,4). Wenn man sich diese grofse Ent-
fernung auf einem modernen Globus betrachtet, so wird es recht
deutlich, wie sehr Vasco de Gamas Umschiffung von Afrika
den geographischen Horizont nach dieser Seite hin erweitern
mulste.
vom 2. Juni 1864. 357
Das unbekannte Land erstreckt sich nach Ptolemaeus auch
südlich von Aethiopien und dem inneren Libyen bis zum west-
lichen Meere. Über seine Beschaffenheit weils er (307, 23)
nichts weiter anzuführen, als dals es von weilsen Elephanten,
Nashörnern und Tigern bevölkert sei.
Wie viele der Nilquellen seien, wird nicht angegeben; sie
fliefsen in 2 Seen zusammen, welche von den Schneemassen des
Mondgebirges gespeist werden (307, 12). Der westliche See
liegt unter 57° Länge und 6° S. Breite, der östliche unter
65° Länge und 7° S. Breite (303, 6. 7.).
Aus jedem der beiden Seen geht ein einzelner Strom nord-
wärts durch das Zimmetland (305, 2); sie durchschneiden den
Aequator, und vereinigen sich unter 60° Länge und 2° N,
Breite. Nun flielst der Nil in Einem Bette durch das Land
der Elephantenesser (305, 1) und Straulsenesser (304, 16), bis
er sich unter 61° Länge und 12°N. Breite mit dem von Osten
kommenden Astapus vereinigt (302, 27).
Der Astapus entspringt aus dem See Kolo& (KoAoy) der in
69° Länge gerade unter dem Aequator liegt (303, 8). Die
gleichnamige Stadt Kolo@ wird unter 62° Länge und 4° 15’ N.
Breite angesetzt (305, 12). Im Lande der Auxumiten unter
62° 30’ Länge und 11° 30’ N. Breite vereinigt sich der Asta-
pus mit dem Astaboras (303,1), über dessen Herkommen und
Quelle kein Aufschluls gegeben wird, der aber in seinem wei-
teren Laufe die Insel Mero@ im Osten begränzt, während der
Nil an ihrer Westseite hinströmt (302, 183—20). Die Nach-
richten über Mero&@ beschränken sich auf die Nennung von den
drei Städten Mero&, Sakplche, Eser und dem Flecken Daron
(302, 22—25).
Von hier an bis zum grolsen Katarakte wird der Lauf des
Nil durch die an seinen Ufern liegenden Ortschaften bezeichnet.
Es kann für diese Gegenden keine bessere Bezeichnungsart ge-
ben, denn landeinwärts zu beiden Seiten des lebenbringenden
Flusses liegt die todte, wasserlose ganz unbewohnte Wüste.
Demnach werden auf dem östlichen oder rechten Ufer von Sü-
den nach Norden folgende Orte angesetzt (302, 5—17):
.
28*
358 Gesammtsitzung
Primis die große. . » 2 .2..2.0..60° 17°
Orbadaru:i:. wurd.) maoh mob, bat 9462940 wg?
Sandake 1 lin Baia HE, Bar 1638 18° 30’
Sakoleit. uhr tor a I eat 19° 30’
Napata° 20 U. „PR ar rl 20° 15’
Arbis! wie doie baten eis ol3.,p7760% 30, 1850
Primis die klene. . 2. 2 22.020. 60° 19° 30’
Pontyrisiw Kl) „LEETUR) Eee 20°
Pataetasilel. ah „ih ED hat aaa6l 40 7205
Gerbo VA LTEEEOTN ENREAC2S 2418
Berethis. salsaaie 1» das 2998 sehlsd 6 21° 30’
Pnup -. - 62° 22°
auf dem aiestlickeh der linken Ufer (301, 21—302, 4)
Mathis dab sin GTR 17°
INakıis BR). ne TOT 628 19° 307
Moruir lan BREI En INES SAN:
Satachtha . . „Hlta OR aRialsser 600
Erchoas . . » dl ara. Karren
Speicher des Karibyses PER ta) era 18°
Abüunkis bi. 900 Asa bike 3012598095202
Ptemithisi dat a aha. mir. 061° 20° 15’
Pistrebi 2. Beimian NR MINE AED 20° 40’
Phthurt cdot aaa. dia. CR IE REST
Autobaioa ai sel mb „buiw aslagas SIu61280, 2130
Boonwliar ut). al ai Sara, 1362? 21° 40’
Tasita -. - - - lad. 2926073045722 °,
Der grosse Katarakt Miegt unter. . » 60° 30’ 22° 30’
Südwestlich davon bis zu den äthiöpischen Gebirgen erstreckt
sich die Gegend Triakontaschoenus (304, 23) die auch schon im
ersten Buche des Ptolemaeus (1, 9. p. 31, 19 Wilb.), aber sonst
nirgend erwähnt wird.
Zwischen dem grossen und kleinen Katarakte liegt die Ge-
gend Dodekaschoenus (290, 3) mit den am Ostufer befindlichen
Orten
Hiera Sykaminus © » : 2 2.2.2. .61° 45° 23° 40’
Philae. 4 208). Istsaugas srl! ahnnaleb 195405 83501
Metakompso . ., - . . 61? 40° 23° 5’
und dem am westlichen Ufer odlesenen
vom 2. Juni 1864. 359
Beelens u we. „ahaniunb sah, Ns 6LNSON 23932
(290, 7—11).
Bei dem kleinen Katarakte, dem von Syene, unter 61° 50’
und 23° 45’ beginnt der Unterlauf des Nil durch Aegypten, der
so vielfach untersucht ist, dals wir bei ihm nicht länger zu ver-
weilen brauchen.
Der Ober- und Mittellauf des Nil, den wir im vorherge-
henden von den Quellen bis zu seinem Eintritte in Aegypten,
also von Süden nach Norden zu zeichnen versuchten, wird von
Ptolemaeus in der umgekehrten Richtung, vom Mittelmeere aus
bis nach dem innersten Aethiopien, also von Norden nach Sü-
den an verschiedenen Stellen behandelt. Es zeugt von dem
wohlangelegten und durchdachten Piane des Werkes, dafs diese
einzelnen Stücke ohne Lücken und Verschiebungen sich anein-
ander reihen, und ein anschauliches Bild des gewaltigen Strom-
gebietes geben. Nur bei der Vereinigung des Astapus mit dem
Astaboras (303, 1) könnte man eine Auslassung annehmen: denn
man erfährt nichts über den Lauf und die Quellen des letzten
Flusses, den man sich offenbar als von Osten herkommend den-
kend muls; auch ist es nicht klar, wie der Astapus bald nach
seiner Vereinigung mit dem Astaboras sich in den westlich
fliessenden Nil ergiessen kann. Erwägt man indessen, dals nur
der kleinste Theil des Stromlaufes, wahrscheinlich nur die ver-
hältnifsmässig geringe Strecke vom Mittelmeere bis nach Syene
durch astronomische Beobachtungen festgestellt wurde, dals alles
übrige auf den höchst unsicheren Reiseberichten der Karavanen
aus dem Innern von Afrika und auf den danach zu machenden
Schätzungen beruht, so muls man über die relative Richtigkeit
der Positionen erstaunen.
Zur Vervollständigung der ptolemäischen Ansicht müssen
wir hier noch einer andern Beschreibung des Nillaufes geden-
ken, die im allgemeinen der ptolemäischen Darstellung folgt,
aber mehrere Einzelheiten enthält, aus denen sich schliessen
läfst, dals sie später als Ptolemäus falle. Sie steht unter den
geographischen Bruchstücken (’Arosmasuarız yanygapıza), wel-
che Hudson (Geogr. gr. min. t. 4. p. 38. ed. 1717) vermuth-
lich aus einer bodleianischen Handschrift bekannt gemacht hat,
und ist von den neueren Geographen fast ganz unbeachtet ge-
360 Gesammtsitzung
blieben, vielleicht mit aus dem Grunde, weil sie in der Aus-
gabe des vierten Theiles der Geographi gr. minores von 1710
fehlt. Cooley (p. 90. Anm. 9) hält sie für ein Machwerk des
7. oder 8. Jahrhunderts. Alle in diesem Bruchstücke als &r«&
sügyuetve vorkommenden Fluls- und Städtenamen, von denen
Cooley einige erklärt, sucht man selbst in dem neusten Pariser
Stephanus vergeblich. Wir dürfen hoffen, dafs Karl Müller in
der vortrefllichen Ausgabe der Geographi gr. minores auch die-
sen unscheinbaren aber wichtigen Überbleibseln der geographi-
schen Litteratur seine Aufmerksamkeit zuwenden werde.
Das Bruchstück lautet: die Quellen des Nil haben folgen-
den Ursprung. Dem grossen Mondgebirge entströmen acht
Flüsse, vier aus dem westlichen, und vier aus dem östlichen
Theile. Mit den westlichen Flüssen verhält es sich so: der
erste gegen Westen heilst Cherbalas, der zweite Chemset; diese
beiden vereinigen sich bei der Stadt Metis. Der dritte heifst
Chiagonas, der vierte Ganbalas. Alle vier ergiessen sich in
den See Kataraktas. Von den 4 östlichen Flüssen ist der erste
im Lande der Pygmäen unbenannt, eben so der zweite; diese
vereinigen sich zu Einem Strome. Auch der dritte ist unbe-
nannt, der vierte oder östlichste heifst Charalas. Diese vier
letzten Flüsse ergiessen sich in den Krokodillensee. Der See
Kataraktas entsendet zwei Flüsse, die sich bei der Stadt Chiera
und Chaza vereinigen. Gleicherweise entsendet der Krokodillen-
see zwei Flüsse, die sich bei der Stadt Singos und Aba verei-
nigen. Die beiden letzten Flüsse und die bei Chaza zusammen-
geflossenen vereinigen sich im Lande der Elephantenesser und
erhalten den Namen: der Grosse Flufs. Zwischen ihnen liegt
das Zimmetland und wohnen die Pygmäen. Der Grosse Fluls
geht nun weiter bis zu den Champesiden. Jhm vereinigt sich
der Astapus, der aus dem See Kole oder Kolea herkömmt. Vor-
her aber vereinigt sich dem Astapus der Astaboras, ein bedeu-
tender Flufs aus dem Lande der Auxumiten. Zwischen dem
Astaboras und Astapus wohnen die Straussenesser. Nachdem
nun der Astapus und Astaboras sich im Lande Auxumitis ver-
einigt, münden sie in den Grossen Fluls bei den Makrobiern;
dann trennen sie sich wieder: der Grosse Fluls gegen Westen
nimmt in sein Bett einen andern Fluls, Namens Gabache auf,
vom 2. Juni 1864. 361
der aus dem See Psebole herkömmt: die vereinigten Flüsse
Astapus und Astaboras gegen Osten vermischen sich wiederum
mit dem Grossen Flusse, der eine Jnsel Mero&, ungefähr so
grols wie der Peloponnes, umfalst. Von da an flielst der Nil
ungetheilt mit vielen Krümmungen, und ergielst sich mit sieben
Mündungen in das grosse Meer, das bei Pharus.
Die Verwandtschaft dieses Bruchstückes mit dem Ptole-
mäus ist nicht zu verkennen. Das Mondgebirge, die beiden
Seen, in denen die Flüsse sich vereinigen, der Astapus und
Astaboras, der See Kolea und die Insel Mero&@ gehören offen-
bar in das von Ptolemaeus entworfene Netz des Flufsgebietes.
Dafs die Namen der einzelnen Flüsse, Städte und Seen einer
späteren Zeit angehören, die in der Kunde jener Gegenden wei-
ter vorgeschritten war, ist sehr wahrscheinlich. Wären jene
spezielleren Notizen schon zur Zeit des Ptolemäus bekannt ge-
wesen, so würde er gewils nicht unterlassen haben, sie in sein
Werk aufzunehmen. Der so oft gemisbrauchte Beweis vom
Stillschweigen der Schriftsteller lälst sich hier mit grosser Si-
cherheit anwenden.
Den See Psebole finden wir unter dem Namen Pseboa bei
Strabo (822) und Psebo bei Artemidorus (Steph. Byz. Y=£w)
wieder. Die Champesiden hält Cooley (p. 90. Anm. 9) für die
Habessinier.
Kehren wir nun zu der im Anfange erwähnten Reise von
Speke zurück (Journal of the discovery of the sources of the
Nile. 1863. 8.), so sind deren Resultate sehr hoch anzuschla-
gen. Wie vor kurzem sein Landsmann Livingstone in einer
mehr südlichen Breite den ganzen afrikanischen Kontinent von
Westen nach Osten durchmessen hat, so ist es jetzt dem be-
harrlichen Speke geglückt, von Zanzibar an der Ostküste in das
Quellgebiet des Nil einzudringen, und über Aegypten nach Eu-
ropa zurückzukehren. Auf diesem beschwerlichen Zuge, der
zwei Jahre und fünf Monate gedauert, wurden 104 Orte astro-
nomisch bestimmt, deren südlichster unter 7° 32’ 17” S. Breite
lieg. An 36 Orten wurde die Meereshöhe gemessen; die
gröste betrug 5,148 engl. Fuls. An 17 Orten wurde die ma-
guetische Abweichung beobachtet, ausserdem ein Herbarium von
750 Arten aus 96 Familien gesammelt.
362 Gesammisitzung
Schon auf einer früheren Reise hatte Speke den Tangan-
jika-See unter 3—8° S. Breite besucht und für einen der Quell-
seen des Nil gehalten, jetzt fand er an dem Ukerewe (Nyansa-
Victoria) See fast genau unter dem Aequator den Punkt, wo
einer der Hauptzuflüsse des Nil dem See entströmt. Von an-
dern gegen Osten und Westen gelegenen Seen zog er Erkun-
digungen ein.
Wie gewaltig die Ausdehnungen im Jnnern von Afrika
seien, zeigt sich am besten durch eine Vergleichung mit den
uns allen bekannten europäischen Länderstrecken. Petermann
(Geogr. Mittheil. 1863 Tafel 10) hat seiner Karte des Nilquell-
gebietes ein sehr belehrendes Kärtchen der Alpen-Seen in dem-
selben Maafsstabe 1: 6,000,000 beigefügt. Danach nimmt der
Ukerewe-See, der in seinem südöstlichen Theile noch gar nicht
erforscht ist, einen Flächenraum ein, auf dem die ganze Schweiz
vom Genfer See bis zum Lago di Garda und vom Boden- See
bis zum Lago Maggiore bequem Platz finden würde.
Es leuchtet ein, dals der Ukerewe identisch ist mit dem
Kolo@ bei Ptolemaeus, der auch unter dem Aequator liegt, und
dem gegen Norden der Astapus entströmt. Ob der Tanganjika
und die anderen gegen Südwesten zu suchenden Binnenwasser
den Quellseen des Ptolemaeus oder dem Katarakten- und Kro-
kodillen-see des unbenannten Geographen entsprechen, ist durch
die neusten Höhenmessungen zweifelhaft geworden, nach denen
der Tanganjıka bedeutend tiefer liegen soll als Gondokoro, die
jetzt verlassene Missions-station am Weissen Nil unter 5° N. Br.
(Petermann Mitth. 1864. p. 68). Es ist ein vergebliches Be-
ginnen, schon jetzt Vermuthungen über diesen und andere
Punkte der vergleichenden Erdkunde aufzustellen. WVenn Speke
(p- 468), gestützt auf die Aussage der reisenden Araber, der
Ansicht ist, dafs der Ukerewe aus den Schneeregionen der öst-
lich und südöstlich gelegenen Gebirge Kilimandjaro und Kenia
keine Zuflüsse erhalten könne, so hat die Ansicht von Meinicke
(Zeitschr. f. allg. Erdk. 1860. Th. 9. p. 42), der das Gegen-
theil für wahrscheinlich hält, ein eben so grosses Gewicht.
Wenn Speke auf seiner Karte die Mondberge im Norden und
Westen des Rusizi-Sees unter 2—4° S. Breite ansetzt, so kön-
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vom 2. Juni 1864. 363
nen dies nicht die Mondberge des Ptolemaeus sein, die unter
12° S. Breite liegen.
Kann man demnach die Untersuchungen über das Quell-
gebiet des Nil noch nicht für abgeschlossen halten, so muls man
doch Spekes Bemühungen die vollste Anerkennung zollen. Neue
wissenschaftliche Reisen nach dem Jnnern von Afrika sind be-
reits angetreten. Mehr als jemals ist jetzt die Aussicht vorhan-
den, dafs endlich eine Frage gelöst werde, die schon das ganze
gebildete Alterthum beschäftigte. Vom Könige Psammetichus
wird berichtet (Clearch. bei Athen. 8 p. 345e), er habe, als er
die Nilquellen erforschen wollte, Knaben mit Fischen ernähren
lassen, vermuthlich um sie an die Speise der Jchtbyophagen zu
gewöhnen, andere zur Durchforschung der libyschen Wüsten
bestimmte Knaben habe er im Ertragen des Durstes geübt, aber
nur wenige seien glücklich davongekommen. Vielleicht liegt in
dieser Erzählung ein Aufschluls über das gar zu naive Kinder-
märchen vom Psammetichus (Herod. 2, 2), dessen Name jedoch
von Herodot selbst (2, 28) mit den Nilquellen in Verbindung
gebracht wird.
Auch der Kaiser Nero sendete zwei Hauptleute aus, um die
Quellen des Nil zu erforschen. Aus ihrem Munde erfuhr der
Philosoph Seneca (nat. quaest. 6, 8), sie seien, vom Könige
Aethiopiens mit Empfehlungen an die nächsten Könige versehn,
bis zu ausgedehnten Sümpfen vorgedrungen, deren Ende den
Einwohnern selbst nicht bekannt war. Nur auf einem kleinen
Fahrzeuge konnten sie weiter kommen, und sahen zuletzt zwei
Felsen, aus denen der mächtige Flufs hervorbrach. Es ist nicht
schwer, hier das grosse Sumpfgebiet des Gazellenflusses zu er-
kennen. Man kann nur bedauern, dals Seneca uns so wenig
über diese älteste Reise nach den Nilquellen mittheilt, deren
offizieller Bericht gewils in den römischen Staatsarchiven auf-
bewahrt wurde, und aus welchem Plinius (6, 181. 184) noch
einige wenige Notizen erhalten hat.
Auf der beifolgenden Karte sind zum allgemeineren Ver-
ständnils die Namen aus dem Ptolemaeus und aus dem Hudson-
schen Bruchstücke lateinisch eingetragen.
364 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Comptes rendus de lacademie des sciences. Tome 58. no. 16—20.
Paris 1864. 4.
Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. VIII, no. 2. 3.
London 1864. 8.
The Anthropological Review. no.5. London 1864. 8.
Quarterly Journal of the Geological Society. London 1864. 8.
Jenaische Zeitschrift für Mediein und Naturwissenschaft. 1. Band, Heft 1.
Leipzig 1864. 8. Mit Circular der Redaktionscommission d. d.
Jena 5. April 1864.
Az Erdelyi Muzeum-Egydet Evkönyvei. Fasc. II. Klausenburg 1863. 4.
G. Dattino, Arringhe officiose. Napoli 1863. 8.
J. Vass, Erdely a Romaiak Alatt. Klausenburg 1863. 8.
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. Frankfurt
1863. 8.
Würzburger Medizinische Zeitschrift. 5. Band, Heft 1. Würzburg
1864. 8.
Denkschriften der botanischen Gesellschaft zu Regensburg. V,1. Re-
gensburg 1864. 4.
Compte-rendu de la commission imperiale archeologique pour l’annee 1862.
St.-Petersbourg 1863. 4. u. folio.
W. Doellen, Die Zeitbestimmung vermittelst des tragbaren Durch-
gangsinstruments im Verticale des Polarsterns. Petersburg 1863. 4.
Von der Geological society of London wurde ein Dank-
schreiben für den Empfang der Monatsberichte von 1863 vor-
gelegt, d. d. 27. April 1864.
6. Juni. Sitzung der philosophisch -histo-
rischen Klasse.
Hr. Lepsius las eine Fortsetzung seiner Abhandlung über
eine hieroglyphische Inschrift am Tempel zu Edfu.
vom 6. Juni 1864. 365
Hr. Bekker fuhr fort in seinen bemerkungen zum
Homer (s. p. 182).
8.
Wer z 549 liest
RAX zomev" O4 yag 40t Emrschgade mörvın Kia,
darf fragen ri Ertbgadev; weil er sonst immer bei &redg«dov ein
object entweder findet, sei es als accusativ oder als infinitiv oder
auch als relativen satz
7 de Mar aürıze margcs Emschgudev Unbegedss 0w 0 424
ci ma Tor (oVre Ti nor) mag Zuvös Emebowde morvin Wyrng
I 37 und 51
zosmaoev bogjanyıyar Anyetov
aurod Ümeg zepargs zur Emebgude yepnıv Erzaheı I 68
vo 7 0 odıv Emsbaadov HyspeterIu K 127
em y e& Tor aurös ’Odusseus
mebgad omws rertsı r 557
(vgl. & 273 444 m49 3142 E3 7250 477 1 206 w 346),
oder mit leichter mühe aus dem zusammenhang ergänzt, wie aus
dem was zunächst vorhergeht 5 335 v&: und 500 »«or, aus dem
was zunächst folgt #138 zeradeiwvar. sollen wir also etwa
auch hier aus touev herausnehmen ivar? gewis nicht. oder ist
ein vers ausgefallen, der was mangelt enthalten hat? etwa
vorrov Omws EAYwm diAyv Es margide yalov
nach & 77? oder endlich, ist hier, wie A 795 und folglich auch
in den aus II angeführten versen, zervıx eingedrungen für $-
opera? das wären die
Serba$ & nor Kioxn nuSyraro m 155,
ähnlich jenen des Tiresias A 151 und des Melampus A 297 ').
=”
Ale mit seinem genitiv und accusativ kömt 19 mal vor, ie
in allen casns 10 mal. der hiatus den es 2 mal macht
!) &obara mars an der letzten stelle lielse sich verstehn wie bei
Herodot röv rar Acyov 4 179, 6 2 und z&r ro nayrnov 6 35, als may dcov rı
zo dilnras nal &deAoucı EEeupeiv 6 52 oder z&y ocoy rı xal Bovrenı muheoda:
6 69. aber auch was das digamma zu fordern scheint, Berdarz oi eimöyrn,
würde dem sinne genügen. denn xareımövre, nach xaraZaıs und (A 151)
nur beobar EAefev, dürfte noch zu dreist sein. verschieden sind derdare
adyra h. in Merc. 472.
366 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
£v de in buy & 569
Zu de in ran 1319
läfst sich tilgen durch de pi« und d& nn oder durch & 7 ie
und de * if. das digamma zu bemühn untersagen die andern
stellen, A437 A 174 N 354 1 173 3 251 X 477 2496 & 435.
10.
Abgesandt um Priamos in das Achäische lager zu geleiten,
nimt Hermes nicht allein menschliche gestalt an (xaAszo: Seor
Paives-Iar Evagyeis) sondern stellt sich auch als kenne er seinen
schützling nicht: es könte den alten ja nur beunruhigen, wenn er
sich gleich im anfang seines wagnisses von fremden augen be-
obachtet sähe. daher die anrede (m«rsg 2 362 yzgov 379) nicht
wie an einen fürsten sondern wie an irgend einen zum ersten
mal gesehenen (vgl. 9145 408 9553 122 x199 — E37
c410 w 244); daher in der weiteren rede alle persönliche be-
ziehung vermieden, kein wort gesagt das nicht zu jedem Troer
von gleichem alter in gleicher lage gesagt sein könte. aber
diese freundliche schonung des unglücks wird plötzlich aufge-
geben v. 385, ohne grund und ohne zweck. denn Öözidıores 384
ist deutlich durch zoios yaa dung warsros 0AwAsv, und wer der
beste mann sei, das weils jedweder in der stadt und vor der
stadt: olos yag Egusro "IRıov "Errwg: vor allen aber weils es der
vater, den der frische schmerz um seinen verlust jetzt eben in
todesgefahr führt. wozu dem die nähere bezeichnung mit cos
eis? die obenein kaum eine nähere heilsen darf, da die kind-
schaft ganzen neunundvierzig andern Priamossöhnen gemein ist.
und was will oö yyv Yag Tı Mans Emedsver "Ayamv? “er er-
mangelte nicht des kampfes der Achäer.” meint das “er hat
mit den Achäern genug gekämpft”, genug um als bester erkant
zu werden, so ist es ein unklarer und matter ausdruck für das
aulserordentliche vedienst des helden ; und doch ergeben die worte
nicht mehr. der scholiast B fasst sie zwar anders: oUx, Ucregıgev
Zv ro morsuw av EAAyvwv, und ihm stimt der paraphrast bei:
oVdnrums Yap Fol morenou Evdens Av "Erryvwv, desgleichen der La-
teinische übersetzer: non enim quidguam pugna inferior est Achivis,
und Damm: non sane pugnando inferior est Achaeis, und Voss
vom 6. Juni 1864. 367
“nichts wich er an mutigem kampf den Achäern”, alle, so
scheint es, fulsend auf
TWoAAV zeivwv Emidsven: avdanv E 636.
freilich bedeutet da Zmidevscde: inferiorem esse: aber dadurch
wird Hector Achivis inferior nicht begreiflicher: denn ein anderes
ist doch Einen sohn des Zeus vergleichen mit den übrigen, über viele
geschlechter und länder und zeiten verteilten, also immer mehr
einzeln gedachten; ein anderes den Troerrecken mit dem gan-
zen auf Einen fleck versammelten Achäervolke. und nicht we-
niger unbegreiflich bleibt die verbindung von Zmiösverdar mit
zwei unter einander unabhängigen genitiven, die uns gemahnt
wie weilwv zebards "Ayansuvovos, und sich nicht berufen darf
auf $ 253, wo ins Zmidsvsss zilsv so vollständig ist wie 183
Bins Emıdeutes Yrav, der zweite genitiv aber, avrıYEou ’Odurfos,
zu rocov 255 gehört.
Rays Emidsvone E 670 wird von dem dichter selbst er-
klärt nexys adarpwv sin, so hier zu verstehn hindert der zu-
satz 'Aycıwv, der den Griechen eine besondere weise des kam-
pfes, eine eigentümliche waffen- und kriegführung beimessen
würde; wie Herodot 9 46 sagt !risasIe tous Mydous zu ryV
pay alruv, und 1 79 von den Lydern 4 d2 naxn abewv Nv
am izmuv, und von den Sagartiern 7 85 # ds naxm Tourwv Tüv
dvöguv A0s. dergleicheu wird aber auch H 237 ff. nicht erwähnt,
wo anlass dazu war.
endlich dals Priamos in den nächstfolgenden versen sich
ohne bedenken kund gibt, diese unwillkürliche aufwallung der
väterlichkeit wirkt um so ergreifender je leiser die andeutung
bleibt, die dem greise sein geheimnis entlockt.
11.
Wie 2385, ist auch 3 272 schwierig zugleich und ent-
behrlich,
Towwv" ei ag %% mo dm oVaros woe yEvorro.
das erste wort zieht durch die stelle die es einnimt und durch
die isolirende interpunction die aufmerksamkeit an: aber wohin
mit dem worte? auf zuves zu yürss bezogen wird es lächerlich:
wer frägt nach eines raubvogels herrn oder landsmann? auf woAAoUs
aber ist es zum mindesten überflüssig, da niemand zweifelt dafs
368 Gesammtsitzung
die fliehenden, um die Pulydamas besorgt ist und die in die
stadt hinein möchten, stadtangehörige sind. also blofse ausfül-
lung des verses, weil der nicht auslangte mit den übrigen worten,
die.entlehnt sind aus X 454 und durch substitution von &de für
os um die correcte construction gebracht.
9. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen hielt einen Vortrag über die seit dem
15. Jahrhundert verloren gegangenen Quaternionen
der Festus-Handschrift.
Hr. Braun legte eine Abhandlung von Hrn. Max Wi-
chura in Breslau, über die Bastardbefruchiung im
Pflanzenreich, erläutert an den Bastarden der Wei-
den, vor, theilte auszugsweise die wichtigen Resultate dieser
Arbeit mit und zeigte getrocknete Exemplare zahlreicher durch
künstliche Befruchtung von Hrn. Wichura hervorgebrachter
binärer bis senärer Weidenbastarde vor.
Hr. v. Olfers legte den Fund an zahlreichen alterthüm-
lichen Schnallen und Hefteln nebst Schöpfgeschirr und drei Rö-
mischen Münzen vor, welcher im Brunnen von Pyrmont bei
Aufräumung eines Theiles desselben 1863 gemacht worden ist,
und fügte einige Bemerkungen hinzu.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. XII, 1. Berlin
1864. 4.
Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins in Heidelberg.
II, 3. Heidelberg 1864. 8.
vom 9. Juni 1864. 369
Indicazione degli Intonachi dipinti del Museo nazionale. Napoli 1863. 12.
Fortschritte der Physik im Jahre 1862. Bogen 1—24. Berlin 1864. 8.
H. v. Schlagintweit, Aumerical Elements of Indian Meteorology.
(Philosophical Transactions 1863.) 4.
Ferd. Müller, Fragmenta Phytographiae Australiae. Vol. III. Mel-
bourne 1863. 8.
Demnächst kam ein Rescript des vorgeordneten K. Mini-
steriums, die Bestätigung des Ankaufs eines Chiromys (Aye Aye)
betreffend, zum Vortrag.
16. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Reichert las einen Beitrag zum feineren Baue
der Gehörschnecke des Menschen und der Säuge-
thiere. Erste Abtheilung.
Hr. Magnus theilte mit:
Beiträge zur Kenninils derKohlentheerfarbstoffe
von Hrn. A. W. Hofmann in London, Correspondent der
Akademie.
Im Laufe des verflossenen Jahres habe ich ') einige Ver-
suche über die Zusammensetzung des schönen blauen Farbstof-
fes veröffentlicht, welcher nach einem von den Hrn. Girard
und De Laire aufgefundenen Verfahren durch die Einwirkung
des Anilins auf Rosanilin und seine Salze erhalten wird.
Aus diesen Versuchen war eine sehr einfache Beziehung
zwischen dem rothen Farbstoffe und dem daraus abgeleiteten
Blau hervorgetreten, insofern sich letzteres als triphenilirtes Ro-
sanilin zu erkennen gegeben hatte.
H,
C,H
C,.H,:N;,H,0 +3] °_ ’\NI=3H,N-+C g
204, o9N3,H, +] =. I 3N+ 20(C,H,)
N,,H,0
3
‘) Hofmanu, Compt. Rend. LY1 945; LVII 25.
370 Gesammtsitzung
Derselbe Gegenstand ist seitdem von Hrn. Schiff') bear-
beitet worden. In einer kurz nach meiner ersten Mittheilung
veröffentlichten Note theilt derselbe das Ergebnils seiner Versuche
über die Zusammensetzung des Anilinblaus mit, welches von
dem meinigen wesentlich abweicht. Nach Hrn. Schiff ist das
Anilinblau, nicht wie ich angegeben ein 'Triamin von derselben
Constitution wie das Rosanilin selbst, sondern ein Tetramin,
welches sich als eine Verbindung von Rosanilin mit Triphenyl-
amin betrachten lälst.
C,H,
G;;H;.N.,,H,0 =C;,.H, N; + CN H,O.
C.H,
Diese Formel ist minder einfach, als die von mir aufge-
stellte, sie ertheilt dem Blau eine Constitution, welche kaum
von einer Analogie getragen wird, endlich bedingt sie eine ver-
wickeltere Bildungsgleichung.
Obwohl nun Hr. Schiff die von ihm aufgestellte Formel
als das Resultat einer unvollendeten Untersuchung bietet, so
legten mir seine Angaben nichts destoweniger die Pflicht auf,
die aus meiner Arbeit hervorgegangene Ansicht über das Ani-
linblau durch weitere Versuche zu bethätigen.
Im folgenden sind die Analysen, aus welchen die Formel
des Analinblaus abgeleitet wurde mit @ bezeichnet; die mit 5
bezeichneten sind neue Analysen, welche mit Producten einer
spätern Fabrication ausgeführt wurden. Die Versuchszahlen sind
jedesmal mit den theoretischen Werthen der Formel des Hrn.
Schiff und der meinigen zusammengestellt.
‘) Schiff, Compt. Rend. LVI 1234.
C;;H3;N,O
(Schiff.)
C;,; 456 80.85
H;; 36 6.38
N, 56 9.93
O 16 2.54
564 100.00
C;;H; ;N,Cl
C;; 456 78.28
H;;s 35 6.01
N, 56 9.61
Cl 35.5 6.10
582.5 100.00
G; sH; sN,Br
Gzs 456 72.73
H;; 35 5.58
N, 56 8.93
Br 80 12.76
627 10000
G; sH3 sN;0;
C;,; 456 74.88
H;,; 35 5.75
N, 70 11.9
0; 48 7.88
609 100.00
[1864.]
vom 16. Juni 1864. 371
Freie Base.
C;sH; ;N;0 Versuch.
(Hofmann.) (Hofmann.)
a.
en, N en
Isa 456 83.36 83.81 83.89 83.13 —
H;; 33 6.03 6.20 6.18 6.04 —
N, 012 7.69 - .— — 8.416
(0) 16 2.92 — EIFARL VEN.
547 100.00
Chlorid.
C; ;H;,N;Cl a: b.
nn en, (un er
C;,; 456 80.64 80.58 80.57 — — EN
H;, 32 500. TOTEN NT —
N, 42 TAZBRR— IE WMERRNE — 7.76 —
cl 355 627 — — 6.10 6.73 — — 6.12
565.5 100.00 y
Bromid.
C;5H32N;Br a.
C;; 456 7475 7460 — —
H;. 32 5.25 5.37 — —
No sn ng
Br 80 13.12 — — 12.59
610 100.00
Nitrat.
C;;sH;:N,O; a.
7C., 456°. 7703 ENGE
H;. 32 5.40 5.36 5.41
N, 56 9.46 a
O0; 48 8.11 — —
592 100.00
Triphenyl-Leucanilin.
G;;H;;N;
a.
C;,; 456 85.88 85.75
H;; 33 6.21 6.15
N; 42 7.91 —_
531 100.00
29
372 Gesammtsitzung
Die vorstehenden Analysen scheinen mir die Zusammen-
setzung des Anilinblaus in hinreichender Weise zu begründen
und ich nehme keinen Anstand, die von mir für diesen Korper
aufgestellte Formel aufrecht zu erhalten.
Die Wiederaufnahme des Studiums des Anilinblaus hat eh
zu einigen Beobächtungen geführt, in denen eine weitere Be-
stätigung meiner Ansicht gegeben ist.
Unterwirft man Rosanilın der trockenen Destillation, so
erfolgt eine unregelmälsige Zersetzung; unter reichlicher Am-
moniakentwickelung geht eine beträchtliche Menge flüssiger Base
über (zwischen 40 und 50 pC.), während eine aufgeblasene
Kohle in der Retorte zurückbleibt. Der Hauptbestandtheil des
flüssigen Destillats ist Anilin.
Aethylrosanilin, das käufliche Anilinviolet, wie es von den
Hrn. Simpson; Maule und Nicholson bereits im. Grolsen
fabricirt wird, zeigt beigt bei der Destillation ganz ähnliche Er-
scheinungen. Aus dem flüssigen Destillat läfst sich durch frac-
tionirte Destillation eine erhebliche Menge Aethylanilin ab-
scheiden, dessen Gegenwart durch die Untersuchung des um
salzes festgestellt wurde.
Über die Beziehung des mittelst Jodäthyls dargestellten
Anilinviolets zu dem Anilinroth konnte kein Zweifel obwalten.
Wenn nun, wie die Analyse andeutet, das Anilinblau zu dem
Anilinroth in einem ähnlichen Verhältnifs steht, so durfte man
erwarten, dals sich unter den Destillationsproducten des Anilin-
blaus d. h. des phenylirten Rosanilins, das phenylirte Ani-
lin, das Diphenylamin würde auffinden lassen. Der Ver-
such hat diese Voraussetzung auf das Unzweideutigste bestätigt.
Mein Freund, Hr. Charles Girard zu Lyon, hat die
grolse Gefälligkeit gehabt, eine beträchtliche Menge Anilinblaus
für diesen Versuch zu opfern. Das mir‘ übersendete Destilla-
tionsproduct war braun und dickflüssig. Bei der Rectification
ging eine schwach gefärbte Flüssigkeit über und das bei 300°
stationär werdende Thermometer bekundete die Destillation einer
bestimmten Verbindung.
Als die zwischen 280 und 300° übergehende Flüssigkeit mit
Chlorwasserstoffsäure versetzt wurde, erstarrte sie alsbald zu
einem zumal in concentrirter ‘Chlorwasserstoffsäure schwerlös-
vom 16. Juni 1864. 373
lichem Chlorid, welches durch Waschen mit Alcohol und end-
lich durch Umkrystallisiren aus Alcohol leicht gereinigt wurde.
Mit Ammoniak zersetzt lieferte es farblose Öltropfen, welche
sich nach einigen Augenblicken in eine harte, weilse Krystall-
masse verwandelten.
Die so erhaltenen Krystalle besitzen einen eigenthümlichen
Blumengeruch, und aromatischen, hinten nach brennenden Ge-
schmack. Sie schmelzen bei 45° Celsius zu einem gelben Öle,
welches constant bei 300° C. siedet. In Wasser sind sie fast
unlöslich, in Alcohol und Äther leicht löslich. Weder die wäs-
srige, noch die alcoholische Lösung zeigt irgend welche alcali-
sche Reaction. Mit concentrirter Säure übergossen verwandeln
sich die Krystalle augenblicklich in die entsprechenden Salze,
welche aber aulserordentlich geringe Bestännigkeit besitzen.
Schon beim einfachen Überziehen mit Wasser scheidet sich die
Base in Gestalt von Öltropfen ab, welche alsbald zu Krystallen
erstarren. Aus dem chlorwasserstoffsaurem Salze z. B. läfst sich
jede Spur Säure durch längeres Waschen mit Wasser entfernen.
Die Analyse der Base hat zu der Formel
C,.H,.ı N
geführt. Die Zusammensctzung des chlorwasserstoffsauren Sal-
zes, welches sich durch Umkrystallisiren aus Alcohol in weilsen,
an der Luft bald blau werdenden Nadeln erhalten läfst, ist:
C,,H,,N, HCl.
Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich diese Base
als Diphenylamin
CH,
Gut = N
H
anspreche.
Es verdient jedoch bemerkt zu werden, dals der streng ex-
perimentele Beweis für diese Betrachtung noch fehlt, indem ich
bei der Äthylirung auf Schwierigkeiten gestolsen bin, welche
sich bis jetzt nicht haben beseitigen lassen. Ich bedaure diese
29*
374 Gesammtsitzung
Lücke um so mehr, als frühere Erfahrung bei dem mit dem Di-
phenylamin isomeren Xenylamin
C,H’ C,H,
Col. N> HIN-CHIN
H H
welches ich längere Zeit für Diphenylamin gehalten, die Noth-
wendigkeit systematisch durchgeführter Äthylirung für die Er-
kenntnils der wahren Natur on Körper aufs Neue bestä-
tigt hatte.
Das Diphenylamin zeigt eine eigenthümliche Reaction, wel-
che diesen Körper von allen ähnlichen bis jetzt bekannten leicht
unterscheiden läfst und gleichzeitig einen Nachweis seiner Be-
ziehung zu dem Farbe erzeugenden Anilin liefert.
Mit. concentrirter Salpetersäure übergossen färbt sich das
Diphenylamin so wie seine Salze alsbald prachtvoll blau. Die
Farbe zeigt sich am schönsten, wenn man: die Base mit con-
centrirter Chlorwasserstoffsäure übergielst und alsdann tropfen-
weise Salpetersäure zusetzt. Sogleich färbt sich die ganze Flüs-
sigkeit tief indigoblau. Mittelst dieser Reaction lälst sich die
Gegenwart selbst kleiner Mengen von Diphenylamin nachweisen.
Es gelang mir auf diese Weise, die Base unter den Destilla-
tionsproducten des Rosanilins, des Leueanilins und selbst des
Melanilins nachzuweisen, oder seine Gegenwart unter den De-
stillationsproducten dieser Körper wenigstens wahrscheinlich zu
machen, denn es könnten sich ja immer noch andere Körper
finden, welche ähnliches Verhalten zeigen.
Die Bildung aus dem Melanilin ist besonders interessant,
insofern sie eine allgemeine Methode für die Darstellung der
secundären aromatischen Monamine andeutei.
Der Körper, welchem diese blaue Farbe angehört, bildet
sich auch bei der Einwirkung anderer oxydirender Agentien.
Versetzt man die Lösung des chlorwasserstoffsauren Salzes mit
Platinchlorid, so erhält man stets eine blaue Lösung, aus der
sich nur bei starker concentration der Lösungen das Platinsalz
unerquicklich stark gefärbt absetzt.
Mischt man Diphenylamin mit Tolnidin und behandelt die
Mischung nach einem der Verfahren (mit Quersilberchlorid oder
vom 16. Juni 1864. 375
Arsensäure), welche, wenn man Phenylamin angewendet hätte,
Anilinroth geliefert haben würde, so erhält man eine Schmelze,
welche sich ın Alcohol mit prachtvoll violetiblauer Farbe löst.
Der so entstandene Körper, wahrscheinlich
H
C,;H,;3N;, H, 0=C, ) N;, H, 0,
46
besitzt die Eigenschaft eines wahren Farbstoffes.
Eine alcoholische Lösung von Diphenylamin liefert auf Zu-
satz von Brom eine gelbe krystallinische Fällung, welche, in
kaltem Alcohol schwer löslich, aus siedendem in schönen seidi-
gen Kryställchen anschielst. Die Analyse zeigt, dals sie
C,,H,Br,N
enthalten, eine Formel, welche die Gruppirung
C,H; Br,
C,H;Br, h N.
H
wahrscheinlich macht.
Mit Benzoylchlorid entsteht beim Erwärmen ein dickes Öl,
welches beim Erkalten krystallinisch erstarrt. Mit Wasser und
Alcali gewaschen und aus siedendem Alcohol — in dem sie
schwerlöslich — umkrystallisirt, wird die neue Verbindung in
schönen Krystallnadeln erhalten. Die Analyse bestätigte die theo-
retische Voraussetzung:
C,H,
C,H,NO=C,H, In
G,H,0
Dieser Körper ist der Ausgangspunkt einiger Versuche ge-
worden, welche hier kurz erwähnt werden sollen, auf welche
ich indessen später zurückzukommen gedenke. Mit gewöhnlicher
Salpetersäure übergossen verwandelt er sich in der Kälte in eine
gutkrystallisirende lichtgelbe Verbindung
C,H,
C,;H,,N,0; =(C,H,(NO,) N
C,H,0O
376 Gesammtsitzung
welche sich mit scharlachrother Farbe in alcoholischem Natron
löst und dabei in Benzoisäure und prachtvolle gelbrothe Nadeln
eines neutralen Körpers
C, H,
C, 2 H, oN; 07 = G, ROG9) 5
H
zerfällt.
Wendet man statt der gewöhnlichen Überschufs der stärk-
sten rauchenden Salpetersäure an, so fällt auf Zusatz von Was-
ser eine etwas tiefer gelb gefärbte krystallinische Substanz,
wahrscheinlich
C, ;9H, 3N; 0, = G, H,(NO,)
C;,H,(NO,)
1%
C,H,0
In alcoholischem Kali löst sich dieser Körper mit der pracht-
vollsten carmoisinrothen Farbe und auf Zusatz von Wasser fällt
ein gelbes krystallinisches Pulver, während benzoäsaures (?) Kali
in Lösung bleibt.
Das gelbe Pulver schielst aus Alcohol in rothgelben Nadeln
mit metallisch blauem Reflex an, deren Zusammensetzung
C, .H; N; 0, —_ G, H, (NO,)
C,H,(NO,)
In
H
durch die Analyse festgestellt ist.
Mit der chemischen Gesehichte dieser Verbindungen hoffe
ich die Akademie durch eine besondere Mittheilung bekannt zu
machen.
vom 16. Juni 1864. 377
Hr. Magnus theilte mit: Ergebnisse einer Untersuchung
des Hrn. Dr. R. Weber hierselbst über die Verbindung
der chlorsalpetrigen Säure mit Schwefelsäure.
Die unter den dampfförmigen Zersetzungsprodukten des ge-
linde erwärmten Königswassers befindliche chlorsalpetrige Säure,
welche mit mehreren flüchtigen Chlormetallen krystallisirbare
Verbindungen eingeht'), kann mit wasserfreier Schwefelsäure
zu einer nach einer einfachen Formel zusammengesetzten, kry-
stallinischen, weilsen Verbindung vereinigt werden. Zur Dar-
stellung derselben verfährt man folgendermalsen: In einem klei-
nen Kölbchen mit abgeschliffenem Rande fängt man die aus
starkem Vitriolöl entwickelten Dämpfe von wasserfreier Schwe-
felsäure auf, wendet zur Kühlung des Kolbens nur kaltes Was-
ser, nicht Eis an, und erhält dann die wasserfreie Schwefelsäure
als Flüssigkeit, welche beim Erkalten, und nach einiger Zeit
auch bei gewöhnlicher Temperatur, in zugeschmolzenen Ge-
fälsen erstarrt und krystallisirt. In das die noch flüssige Säure
enthaltende, von Aulsen gut gekühlte Kölbchen lälst man die
durch Erwärmen von Königswasser erzeugten Dämpfe, nachdem
man sie zuvor vermittelst Chlorcalcium entwässert hat, eintreten,
indem man das Zuleitungsrohr durch eine Öffnung in der Glas-
platte einführt, mit der man den Kolben möglichst dicht ab-
schliefst. Die Verbindung findet unter sehr energischer Wärme-
entbindung statt, so dals man den Zutritt des chlorsalpetrig-
säure-Dampfes mälsigen und für gute Abkühlung Sorge tragen
muls.. An den Wandungen des Kolbens flielst eine Flüssigkeit
von öliger Consistenz herab. Wenn die Heftigkeit der Ein-
wirkung nachläfst und der Inhalt des Kolbens mehr und mehr
erkaltet, so wird die Masse fest und über ihr verbleiben Dämpfe
von Chlorsalpetrigen-Säure, welche von der durch die erzeugte
Verbindung eingeschlossenen, noch unverbundenen Schwefelsäure
nur schwer absorbirt werden. Alsdann mus man gelinde er-
wärmen, und auf die geschmolzene Masse die Dämpfe der chlor-
salpetrigen Säure noch längere Zeit einwirken lassen. Die Ab-
1) Berl. Akad. vom 5. März 1863.
378 Gesammtsitzung
sorption ist beendigt, wenn gelbrothe Dämpfe über der bei ge-
linder Wärme geschmolzenen Masse sich erhalten.
Die auf diese Weise erzeugte Verbindung ist weils blät-
trig krystallinisch, sie erinnert im Äufsern an Stearinsäure, sie
ist unzersetzt schmelzbar, färbt sich in der Wärme gelb. Bei
stärkerem Erhitzen entbindet sie Dämpfe, zersetzt sich beim
Destilliren und regenerirt sich in der Vorlage zum Theil wie-
der. An der Luft wird sie bald feucht, mit Wasser zerlegt sie
sich unter Bildung von Salzsäure, Schwefelsäure, Stickoxyd etc.
Behufs der Ermittelung ihrer Zusammensetzung wurde eine
gewogene Menge derselben in Wasser gebracht und dann aus
der erhaltenen Auflösung zunächst das Chlor, darauf die Schwe-
felsäure durch Silber und Barytsalze gefällt. Folgende Zahlen-
werthe wurden bei der Untersuchung dieser Verbindung er-
mittelt:
Substanz. Chlorsilber. Schwef. Baryt.
2,863 — 2,932 — 4,702
3,130 — 2,745 — 5,236
Hieraus ergiebt sich der Gehalt an Chlor und Schwefelsäure auf
100 Theile der Verbindung berechnet:
Chlor 22,04 — 21,60
Schwefelsäure 36,455 — 57,49
Die Zusammensetzung dieser Verbindung ist demnach durch die
Formel:
250, +N0,Cl
ausgedrückt, nach welcher der Gehalt an den genannten Kör-
pern sich berechnet auf:
Chlor 24,32
Schwefelsäure 55,045.
Dafs Jdie Übereinstimmung der gefundenen Werthe mit den
berechneten nicht vollständiger ist, liegt wohl darin, dafs die
Verbindung bei der Bereitung trotz aller Vorsicht etwas Was-
ser anzieht.
Zur Bestätigung der obigen Formel wurden Bestimmungen
über die Menge des an Eisenvitriol übertragbaren Sauerstoffs
vom 16. Juni 1864. 379
(resp. Chlors) unternommen, und hierbei in derselben Weise
verfahren, wie bei der Untersuchung der Bleikammerkrystalle '),
sowie der Verbindungen der chlorsalpetrigen Säure mit Chlor-
metallen. Die Verbindung, in einem engen Röhrchen befind-
lich, wurde in einem Kolben gebracht, in dem eine durch Schwe-
felsäure und Salzsäure angesäuerte Lösung von Eisenvitriol sich
befand. Die Luft war durch Kohlensäure verdrängt. Die durch
den übertragenen Sauerstoff nicht oxydirte Menge des Eisen-
vitriols wurde mit Übermangans. Kali titrirt.
Auf diese Weise ergab sich, dals die von der Verbindung
abgegebene Menge des Sauerstoffs betrug:
Substanz. übertragener Sauerstoff.
3,006 0,157 = 5,24
2,992 1,480 = 5,62
Nach der obigen Formel mufs die Menge des von der Verbin-
dung an dem Eisenvitriol übertragbaren Chlors (auf Sauerstoff
berechnet) betragen 5,50%. Hieraus erhellet, dafs dieselbe chlor-
salpetrige Säure und nicht Chloruntersalpetersäure enthält, da
in diesem Falle die doppelte Menge von Eisenyitriol hätte oxy-
dirt werden müssen.
Mit Wasser zersetzt sich, wie oben bemerkt, die Verbin-
dung unter heftiger Gasentbindung. Es entweicht Stiekoxyd-
gas. Aber selbst englische Schwefelsäure bewirkt schon durch
ihr Hydratwasser die Zerlegung dieser Verbindung. Bringt man
die geschmolzene Masse in reine englische Schwefelsäuse, so
entwickelt sich stürmisch Chlorwasserstoffgas; beim Erhitzen
destillirt eine klare, farblose Flüssigkeit, welche im Wesentli-
chen aus der von Williamson beschriebenen Verbindung von
Chlorwasserstoff und Schwefelsäure (250, + CIH) besteht.
Wird das Gemisch von engl. Schwefelsäure mit der beschrie-
benen Verbindung in einem offenen Schälchen einige Zeit zum
Sieden erhitzt, so wird sämmtliches Chlor beseitigt; die zurück-
bleibende Flüssigkeit ist frei von Chlor, entwickelt aber beim
Verdünnen mit Wasser erheblich Stickoxyd, wonach also die
salpetrige Säure von der Schwefelsäure zurückgehalten und die
Chlorverbindung vollkommen zersetzt wird.
!) Berl. Akad, v. 13. Febr. 1862.
380 Gesammtsitzung
Ein aus englischer und aus wasserfreier Schwefelsäure nach
der Formel 250, -+-HO gemischtes Hydrat löst dagegen die
obige Verbindung unzersetzt dem Anscheine nach auf. Dasselbe
Hydrat absorbirt auch reichlich die Dämpfe von chlorsalpetriger
Säure unter Bildung einer gelbrothen, dicköligen Flüssigkeit, aus
der aber selbst nach längerer Zeit Krystalle sich nicht aussondern.
Hiernach ist kaum anzunehmen, dafs ein krystallisirtes Hy-
drat der schwefelsauren chlorsalpetrigen Säure, ein Analogon der
Bleikammerkrxstalle, sich wird erhalten lassen.
Hr. Weber trug eine Mittheilung des Hrn. Dr. Kern in
Benares über einen von ihm aufgefundenen Theil der
Gargaramhitä, Namens Yugapuräna, vor.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Gube, Die Ergebnisse der Verdunstung und des Niederschlages nach
Messungen auf der meteorologischen Station Zechen. Berlin 1864.
8. (2 Ex.)
Silliman American Journal of seience and arts. no. 110.110. New Ha-
ven 1864. 8.
Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. Annee 1864, no. 1.
Moscou 1864. 8.
Memorie dell’ I. R. Istituto veneto di scienze, lettere ed arti. Vol. XI,
1.2. Venezia 1862. 4.
Atti del medesino. Vol. 8. ib. 1862—1863. 8.
Koninkl. Akademie van Wetenschappen:
Verhandelingen. Letterkunde. Deelll. Amsterdam 1863. 4.
Verslagen en Mededelingen. Natuurkunde: Vol. 15.16. Letterkunde:
Deel 7. ib. 1863—1864. 8.
Giacoletti, De Lebetis materie et forma Carmen didascalicum. ib.
1863. 8.
B. de Haan, Aedevoering. Deventer 1863. 8.
Enschede et Six, Catalogue du Cabinet des monnaies et medailles de
l’Academie des sciences. ib. 1863. 8.
vom 16. Juni 1864. 381
Es ward eine Verfügung des vorgeordneten K. Ministeriums
vom 10. Juni vorgelegt, welche von den von der Akademie zu
Nachgrabungen in Palaestrina zur Verfügung gestellten nur theil-
weis verwendeten 500 Rthirn. die General-Kasse nach den Ab-
sichten der Akademie ermächtigt die Summe von 350 Rthlrn.
an Hrn. Dr. Nissen in Rom als Unterstützung der von ihm
in Angriff genommenen Chorographie Mittel-Italiens zu zahlen.
Ferner kamen ein Dankschreiben der K. Akademie der Wis-
senschaften zu Amsterdam, d. d. 26. Febr., für Empfang der
Abhandlungen von 1862; und ein gleiches vom Zszizuto di scienze
lettere ed arti zu Venedig, d. d. 24. April, für die Monatsbe-
richte von 1863 zum Vortrag.
2. Juni. Sitzung der physikalisch -mathe-
matischen Klasse.
Hr. Weierstrafs las: Über ein die elliptischen
Funktionen betreffendes allgemeines Theorem.
Hr. W. Peters berichtete über einige neue Säuge-
thiere(Mormops, Macrotus, Vesperus, Molossus, Ca-
promys), Amphibien (Plaiydactylus, Otocryptis, Eu-
prepes, Ungalia, Dromicus, Tropidonotus, Xenodon,
Hylodes) und Fische (Sillago, Sebastes, Channa,
Myctophum, Carassius, Barbus, Capoeöta, Poecilia,
Saurenchelys, Leptocephalus).
MAHUMALIA.
4. Mormops megalophylla n. sp.
Mormops Blainvillii Peters (non Leach), Abhandl. Berlin.
Akad. Wissensch. a. d. J. 1856. p. 287 sqq. Taf. 1.
Erst durch Hrn. Dr. Gundlach’s Güte bin ich genauer
mit der Art bekannt geworden, auf welche Leach die Gattung
382 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Mormops gründete und der er den Namen Biainvillii gab. Hr.
Dr. Gundlach hat dieselbe bereits in Jahre 1840 im Wieg-
mann’s Archiv für Naturgeschichte als Zodostoma cinnamomeum
beschrieben. Sie ist nicht allein durch ihre viel geringere
Gröfse, die ganz mit der von Leach gegebenen Abbildung
übereinstimmt, sondern auch durch das viel kleinere hintere Na-
senblatt, die in der Mitte weniger entwickelte Unterlippenfalte
und die niedrigeren Ohren deutlich von der von mir beschrie-
benen Art verschieden, wie dieses alles auch bei einer Verglei-
chung meiner und der Leach’schen Abbildungen zu ersehen
ist. Aulserdem bewohnen beide Arten verschiedene Gegenden,
indem M. Blainvillii Westindien, M. megalophylla dem Fest-
lande, insbesondere Mexico angehört ').
Die in meiner Abhandlung sehr ausführlich begründete Stel-
lung der Mormopes in die Nähe der Phyllostomen ist zwar von
Hrn. de Saussure (Gu£rin, Revue et Magasin de Zoologie.
1860. p. 49) bestritten worden, hat aber durch Hrn. Tomes,
der sich speciell mit den Flederthieren beschäftigt, neuerdings
(Proceed. Zoolog. Soc. 1863. p. 84) eine Vertheidigung gefunden.
2. Macrotus minor Gundlach n. sp.
Auf Cuba findet sich neben dem Macrozus Waterhousi
Gray noch eine zweite Art (oder Abart?), welche vorzüglich
durch die geringe Grölse verschieden ist, indem der Vorderarm,
statt 0”,055, 0”,047, die Ohren statt 0”,030, 0”,025, der Na-
*) In meiner erwähnten Abhandlung ist Mormops megalophylia den
mir gegebenen Notizen zufolge als aus Cuba stammend aufgeführt. Da
aber diese Art ganz mit der in Mexico vorkommenden übereinstimmt und
dieselbe, wie ich in der Abhandlung über Certurio (Abh. Berl. Akad. a. d.
J. 1854 p. 82) angeführt habe, sich in einem Glase befand mit dieser und
anderen Gattungen, nämlich Glossophaga s. s. und Phyllostoma s. s., deren
Vorkommen auf den westindischen Inseln bis jetzt gar nicht bekannt ist,
so bezweifle ich sehr die Richtigkeit dieser Notizen. In dem bei den Acten
des Museums befindlichen Verzeichnifs derjenigen Thiere, welche Otto in
dem Gebirge Taburete, District Gallajabas auf Cuba gesammelt und
an das hiesige Museum abgeliefert hat, finde ich nur ein einziges Exem-
plar einer Fledermaus als „Dysopes (Molossus)” aufgeführt, welches auch
in der Sammlung aufbewahrt und weiter unten beschrieben ist. Centurio
und Mormops megalophylia sind daher aus der westindischen Fauna zu
streichen.
vom 20. Juni 1864. 383
senbesatz statt 0,010, nur 0”,005 lang ist. Auch ist das ganze
Thier im Vergleich zu gleich grolsen ausgewachsenen Exem-
plaren von M. Waterhousii zarter gebaut und die Ohrklappen
sind länger zugespitzt.
3. Vesperus Segethii nov. spec.
Oben gelbbraun, unten grauweils, sämmtliche Haare an der
Basalhälfte graubraun. Die Ohren länger als der Kopf, der
Ohrdeckel lang, unten breit, allmählig zugespitzt, am inneren
Rande grade. Der hinterste obere Backzahn gleich zwei Drit-
tel des vorhergehenden.
Totallänge 0”,110; Kopf 0”,018; Ohr 0”,024; Tragus
0”,012; Vorderarm 0”,045; 3ter Finger 0”,077; Tibia 0”,019;
Fufs 0”,010; Schwanz 0”,043.
Vaterland: Chili; durch Segeth.
An Gröfse und Farbe ıst diese Art unserem 7, serotinus
sehr ähnlich, unterscheidet sich aber leicht von ihm durch die
oben angegebenen Merkmale.
4. Dysopes (Molossus) gigas.n. sp.
Verschieden von M. perotis Wied 1) durch etwas kürzere
Ohren, welche nicht mit einander verwachsen sind, sondern nur
auf dem Schnauzenrücken ganz nahe aneinander treten; 2) durch
den höheren, aber kürzeren Ohrkiel; 3) durch die kleinere Ohr-
klappe; 4) durch die ziemlich weit sowohl unten wie oben auf
der Schenkelflughaut ausgedehnte Behaarung, so dafs auf dem
Rücken nur drei, nicht fünf Schwanzglieder in der Schenkel-
Aughaut sichtbar sind.
Unsere Sammlung besitzt nur ein einziges, wie aus der
unvollkommenen Verknöcherung der Gelenkenden hervorgeht,
junges Exemplar dieser Art, welches Otto in dem Gebirge Ta-
burete, District Callajabas auf Cuba gefangen hat. An Gröfse
übertrifft es noch M. perotis, wie aus der Vergleichung mit
einem etwas älteren Exemplar dieser brasilianischen Art hervor-
geht, indem selbst in diesem unreifen Zustande die Länge des
Vorderarms 0,075 beträgt. Sie ist weder mit dem beträchtlich
kleineren Molossus ferox Gundlach, noch mit dem von mir
in London untersuchten einer anderen Gruppe angehörigen Nyc-
tinomus macrotis Gray zu verwechseln.
384 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
5. Capromys melanurus Poey, n. sp.
Supra nigro ochraceoque variegatus, pilis singulis rigidis
vel nigris vel ochraceo annulatis; fronte fuscoferruginea; rostro,
capitis lateribus, digitisque fuscis; gastraeo canescente; regione
anali, caudae basi, femorumque parte posteriore rufis; cauda re-
liqua vibrissisque nigris. 7
Long. ab ap. rostri ad caud. bas. 0",31; caud. 0”,280; cap.
0”,076; aur. 0”,021; palmae 0”,038; plantae 0”,070.
Hab.: Manzanillo, Insula Cuba; Dr. J. Gundlach
misit.
Diese Art, welche sich von C. prehensilis nicht allein durch
etwas geringere Grölse, sondern auch nach Hrn. Poey durch
ihre Färbung beständig unterscheidet, findet sich nur in dem
östlichen Theile der Insel Cuba und wird hier von den Be-
wohnern Andaraz genannt ').
AMPHIBIA.
1. Platydactylus (Tarentola) Americanus Gray var.
Cubanus Gundl. et Pet.
Diese Art würden wir unbedingt zu dem uns aus eigener
Anschauung nicht bekannten und nur nach einem einzigen aus
New-York stammenden ?7. Americanus Gray (Pl. Milbertü
Dum. Bibr.) stellen, wenn die beiden Exemplare, von denen
eins bei Cabo Cruz, ein anderes in einem Walde bei Habana
gefunden worden, nicht dadurch von jenem abwichen, dafs die
Tuberkeln stark gekielt und viel zahlreicher sind, indem sie in
der Körpermitte an zwanzig Längsreihen bilden. Im Übrigen,
in der Beschuppung des Kopfes, der Beschaffenheit der Ohröff-
nung und selbst in der Färbung stimmen sie mit der Beschrei-
bung von Dum£ril und Bibron überein. Der Körper zeigt
eben so wie der Schwanz breite schwarze Querbinden, von dem
Auge geht ein schwarzer Streifen über dem Ohr nach der
Schulter hin und zwischen den Augen entspringen zwei nach
hinten auseinander weichende schwarze Linien, zwischen denen
auf dem Hinterkopf noch eine mittlere Längslinie entsteht.
*) Hr. Poey schreibt mir noch von einer zweiten neuen Art, C. pal-
lidus, welche sich von allen anderen durch ihre geringere Grölse und die
blonden, ungeringelten Haare unterscheidet.
vom 20. Juni 1864. 385
2. Otoeryptis (Japalura) nigrilabris.n. sp.
Gelbbraun, mit schwarzen schräg nach hinten gerichteten,
aus Punkten und Binden zusammenflielsenden Querbinden, schwar-
zen Lippen, schwarz gestreiftem Unterkinn und schwarzen Punk-
ten und Flecken auf den Extremitäten. Die kleinen Schuppen,
welche die Kehlfalte bedecken, senden eine feine Spitze von
der Mitte aus. Die Supraorbitalschuppen, die der Supraorbital-
ränder, so wie die querstehenden Schuppen auf dem vorderen
seitlichen Theile der Schnauze sind scharf gekielt und merklich
gröfser als die anderen.
Die vorstehende Art, von der Hr. Dr. von Martens ein
einziges Exemplar in Pulo Matjan auf Borneo fand, scheint
mir obne Zweifel zu Gray’s Gattung Japalura (Ann. Mag.
Nat. Hist. 1853. XII. p. 387) zu gehören und ist von der dort
kurz beschriebenen J. variegata leicht zu unterscheiden. Übri-
gens ist diese Gattung kaum von O%ocryptis zu trennen und nur
durch die quere Kehlfalte und die längere fünfte Zehe der Hin-
terexiremität zu unterscheiden; sie dürfte daher nur als Unter-
gattung zu betrachten sein.
3. Otocryptis (Aphaniotis) fusca nov. subgen. et n. sp.
Kinfarbig dunkelbraun, au den Seiten des Halses und an
der Unterseite gelblich. Der Nackenkamm ist höher; Supra-
und Infralabialia 7 anstatt 10; die Schuppen der Kehle, der
Hals- und Körperseiten sind feiner als bei ©. Biviztata und die
fünfte Zehe, welche bei dieser nicht länger als die erste ist,
übertrifft bei dieser neuen Art noch die dritte an Länge. Die-
ses letztere war mir anfangs so aufgefallen, dafs ich diese Art
als Typus einer neuen Gattung, Aphaniotis, betrachtete, da sie
aber sonst in der Beschuppung, in den Proportionen des Kör-
pers und der Gliedmafsen mit jener übereinstimmt, so scheint
eine generische Trennung mir nicht hinreichend begründet
zu sein. Übrigens bemerke ich nur noch, dafs die Gattung
Otoeryptis keine anderen Eckzähne hat, als in dem Sinne, wie
sie sich auch bei anderen Agamen, z. B. bei Calotes und Draco
finden, indem auch hier der dritte oder der zweite und dritte
Zahn jeder Seite in eine längere Spitze ausgezogen sind.
Das einzige Exemplar ist in der Nähe von Malacca (Fo-
rest Hill) gefunden worden.
386 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
4. Otocryptis (Ptyctolaemus) gularis nov. subg. et n. sp.
Auch diese Art zeigt eine grolse Ähnlichkeit mit Ozocryptis
bivittata, selbst in der Färbung, abgesehen davon, dafs die bei-
den weilsen Rückenlinien fehlen, die aber den weiblichen Indi-
viduen dieser letzteren ebenfalls abgehen. Gelbbraun mit schwach
metallischem Glanz, mit dunkleren breiten Flecken an jeder Seite
des Rückens, Querbinden auf dem Schwanze und den Glied-
mafsen, eine helle von dunklen begrenzte Binde zwischen den
Augen, ähnliche Binden von dem Auge auf den Lippenrand aus-
strahlend und der vordere Theil der Oberlippe ebenfalls mit zwei
schwarz eingefalsten Querflecken, wie bei ©. Bivittata. Ein
sehr niedriger Kamm kleiner Schuppen auf dem Nacken und
jederseits auf dem Rücken, durch drei Schuppenreihen getrennt,
eine Reihe etwas grölserer Schuppen. Die Seiten des Hinter-
kopfes, des Halses und des Körpers, wie bei O. Bivittata und
der vorhergehenden Art mit zerstreuteu grölseren gekielten
Schuppen. Die fünfte Zehe der Hinterextremität ist lang wie
bei O. fusca. Was diese Art aber besonders auszeichnet, sind
drei jederseits an der Kelile befindliche bogenförmige, mit viel
kleineren Schüppchen ausgekleidete und durch ihre schwarze
Farbe ausgezeichnete vertiefte Falten, welche vorn einander
parallel laufen, hinten aber convergiren und durch flachere Fal-
ten mit einander verbunden werden.
Ein Exemplar aus Calcutta; gekauft.
5. Euprepes (Mabuya) Samoensis A. Dum.') var. Mo-
luccensis.
Oben olivenbraun mit metallischem Glanze und unregel-
mäfsig schwarz gesprenkelt, unten grüngelb. Die Supranasalia
?) Hr. Dumeril stellt diese Art zur Gattung Zumeces Wiegm.,
welche aber, wie anderswo (Monatsberichte. 1864. p. 48) gezeigt wurde,
mit Plestiodon D. B. identisch ist. Ich behalte aber den Autornamen stets
für die Species als das in der Nomenclatur unveränderliche bei, anstatt
nach Änderung oder Auffindung eines Gattungsnamens alle Species mit
eigenem Namen zu bezeichnen, wie manche Autoren oft mit keinem andern
Erfolge als einer Vermehrung der Confusion in der Synonymie zu thun
pflegen. Die Unterschiede zwischen den sogenannten Gattungen der Scin-
cus beruhen zum Theil auf so geringen und unwesentlichen Merkmalen,
wie gekielte und glatte Schuppen, getrennte und verwachsene Supranasal-
vom 20. Juni 1864. 387
viel kleiner und die Ohröffnungen enger, sonst in der Gestalt
und Pholidosis so sehr mit E. samoensis übereinstimmend, dafs ich
schildchen, dafs hiernach oft Individuen derselben Art in verschiedene Gat-
tungen kommen würden. Man vergleiche z. B. die folgende Übersicht
der s. g. Gattungen, welche sich nicht durch ganz besondere Eigenthüm-
lichkeiten, wie Diploglossus, Gongylus, Amphiglossus, Cyclodus von Sein-
cus unterscheiden.
A. MitSupranasalia.
a. Unteres Augenlid ohne transparente Scheibe.
& Schuppen glatt.
. Seincus Laur.
. Pedorhychus Wiegm.
. Seincopus. (Übergangsglied von 1. zu 4)
Wo »
. Eumeces Wiegm. = Plestiodon D. B. Mit Gaumenzähnen; ein
oft bei den Scincoiden sehr unzuverlässiges Merkmal.
5. Otosaurus (et Eumeces) Gray = Eumeces Dum. Bibr. ex parte.
ß. Schuppen gekielt.
10. Euprepis Gray = Euprepes Dum. Bibr. ex parte; mit Gau-
menzähnen.
B. Ohne Supranasalia, Schuppen glatt.
a. Unteres Augenlid opak.
11. Hinulia (Elania et Keneuria) Gray.
12. Lygosoma Gray, mit etwas kürzeren Beinen
S ß. Schuppen gekielt.
E 6. Tiliqua (et Dasia) Gray.
"I
& b. Unteres Augenlid mit transparenter Scheibe.
= &. Schuppen glatt.
B 7. Mabuya Gray. as
X 8. Riopa Gray, mit etwas kürzeren Beinen als 7. | _eces
< 9. Senira Gray, mit kürzeren Beinen und mit kür- Dum. Bib.
ne zeren Zehen als 8. ex parte.
on
B
©
“
I
5
5
als 11.
13. Podophis Wiegm., mit gestreckterem Körper| = Zygosoma
und kürzeren(?) Beinen als 11. Dum. Bibr,
b. Unteres Augenlid mit transparenter Scheibe.
14. Mocoa Gray. Ohne Gaumenzähne. = Zuprepes
Wagl. et Wiegm. e. p.
15. Liolepisma Dum. Bibr., mit Gaumenzähnen.
Hierzu ist beispielsweise zu bemerken, dals Mabuya cyanura sehr oft ge-
kielte Schuppen, Senira bicolor oft keine getrennten Supranasalia, verschie-
[1864.] 30
388 Sitzung der physikalisch-mathematische Knlasse
nicht wage, das einzige Exemplar, welches Hr. Dr. v. Mar-
tens auf der Molukkeninsel Moti eingesammelt hat, davon zu
trennen.
6. Ungalia(Lionotus) maculata var. semicinctaGund-
lach et Peters.
Diese Varietät unterscheidet sich von U. maculata Bibr.,
mit der sie das Vaterland, Cuba, zusammen hat, beständig da-
durch, dafs die Schuppen ganz glatt sind und sich an jeder
Seite des Körpers nur eine einzige Reihe grolser schwarzer vom
Rücken bis zum Bauche herabreichender, oft mit einander zu
breiten Binden verschmelzender runder Flecke zeigt. Sonst
stimmt sie in der Zahl der Schuppenreihen, so wie in der Be-
schildung des Kopfes ganz mit V. maculata überein, wobei zu
bemerken ist, dafs die Internasal- und Praefrontalschilder oft
abnormer Weise in mehrere kleinere, aber regelmälsig gestellte
Schilder zerfallen.
7. Dromicus (Alsophis) angulifer Bibr. var. adsper-
sus Gundlach et Peters.
Die Varietät unterscheidet sich dadurch von D. angulifer,
dals sie 1) stets kleiner ist; 2) die Farbe viel heller gelbbraun
ist und es nicht zur Bildung von winkligen Querbinden kommt,
dagegen viele Schuppen mit schwarzem Pigment bestäubt sind,
welches namentlich auf der vorderen Körperhälfte kleine schwarze
zerstreute oder zusammenflielsende Flecke bildet. Ebenfalls auf |
Cuba (Caimanera) zu Hause.
8. Dromicus (Dromicus) clavatus n. sp.
Schuppen glatt, ohne Gruben, in 19 Längsreihen. Rostrale
convex, oben mit seiner Spitze zum Vorschein kommend. 8 Su-
pralabialia, von denen das vierte und fünfte das Auge begren-
zen; 9 Infralabialia, von denen 5 an die Submentalia stolsen;
Frenale rhomboidal, etwas länger als hoch; Frontale lang, pen-
tagonal, um die Hälfte länger als breit und etwas kürzer als die
Parietalia; 1 Anteorbitale, 2 Postorbitalia; 3 sehr lange Tem-
dene Zuprepis oft keine Gaumenzähne, manche Arten von Mabuya, wie
z. B. die vorstehende so winzige Supranasalia, als einzigen Unterschied
von Mocoa haben, dals dieses Auseinanderreilsen so ganz nahe stehender
Arten offenbar sehr gewaltsam ist.
vom 20. Juni 1864. 389
poralia, 1-+2; 127 Ventralia, 1 getheiltes Anale und 89 Paar
Subcaudalia.
Oben hellbraun mit drei dunkeln Längslinien, eine längs
der mittelsten, und eine jederseits auf der viertuntersten Schup-
penreihe; Bauchseite gelb. Kopf oben braun, mit einem dun-
keln Längsstreif auf dem Frontale; jederseits eine gelbe vom
oberen Rande der Nasalia entspringende, durch den oberen
Theil des Auges durchgehende und hinter diesem sich keulen-
förmig erweiternde Linie; vom Nacken entspringt hinter dem
Ende dieser Keulenzeichnung eine gelblichbraune breitere Binde,
welche sich aber bald in die braune Grundfarbe des Körpers
verliert. Die Labialia weilsgelb, durch eine schwarze Linie an
ihren oberen Rändern von der braunen Grundfarbe scharf ab-
gegrenzt.
Totallänge 0”,240; Kopf 0”,0095; Schwanz 0”,087.
Mexico; gekauft.
9. Tropidonotus melanogaster Wiegmann.
Körperschuppen in 17 bis 19 Reihen, die der untersten
Reihe glatt, die übrigen und besonders die des Rückens stark
gekiel. 8 Supralabialia, von denen das vierte und fünfte,
letzteres aber nur mit einem kleinen Theil ans Auge stolsen;
9 Infralabialia, 6 in Berührung mit den Submentalia; 2 Ante-
orbitalia, 3 Postorbitalia; Frontale lang, mit fast parallelen Sei-
tenrändern. 144 Abdominalia, 1 einfaches Anale (Euiaenia Baird
et Girard.), 56 Paar Subcaudalia.
Oben olivenfarbig, längs der zweituntersten Schuppenreihe
eine helle, undeutlich begrenzte Binde; Bauchseite olivengrün,
längs der Mitte des Bauches eine schwarze an der Kehle spitz
anfangende Binde, welche sich unter dem Schwanze weniger
deutlich fortsetzt.
Diese Art ist bereits von Wiegmann (Preisverzeichnijs
der Säugethiere, Vögel, Amphibien, Fische und Krebse, welche
von Hrn. Deppe und Schiede in Mexico gesammelt worden.
Berlin 1. Sept. 1850. — Wieder abgedruckt in Cabanis Jour-
nal für Ornithologie. 1863. p. 54.) benannt und unter dem obi-
gen Namen versandt und verkauft worden, ohne dafs jedoch
bisher eine Beschreibung davon erschienen wäre. Hrn. Dr. € ope
30*
390 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
fiel bei seiner Anwesenheit diese Schlange auf, als besonders
merkwürdiges Verbindungsglied zwischen den in Nordamerika
aufgestellten Untergattungen von Zropidonotus. Unser Museum
besitzt nur ein einziges Exemplar dieser Art aus der Deppe-
schen Sammlung, dagegen noch zwei andere aus der Uhde-
schen Sammlung, ebenfalls aus Mexico.
10. Xenodon angustirostris.n. sp.
Kopf pyramidal, Schnauze so hoch wie breit, mehr zuge-
spitzt als bei irgend einer anderen Art; Auge mälsig grols;
Rostrale höher als breit; Internasalia länger als breit; Frontale
sehr lang (wie bei X. Neuwiedi Gthr. Ann. Mag. Nat. Hist.
1863. Taf. 5. Fig. C.); Frenale trapezoidal, länger als hoch;
4 Anteorbitale, 2 Postorbitalia, 8 Supralabialia, Temporalia 1-+2,
sämmtlich wie bei Neuwiediü gestaltet; 10 Infralabialia, unter
denen das fünfte bei Weitem das gröfste ist, und von denen 5
mit den Submentalia in Verbindung treten. Körper etwas zu-
sammengedrückt, Schuppen glatt, mit einem Endgrübchen, in
19 Längsreihen, die der mittleren Reihen kaum breiter, die der
untersten Reihe merklich breiter. Ventralia 143; Anale einfach;
Subcaudalia 45 Paar.
Gelblich, auf dem Körper mit zwölf, auf dem Schwanze
mit drei breiten braunen, vorn und hinten schwarzgeränderten
Querbinden, welche durch hellere auf dem Rücken rhomboidale
gelbgeränderte Flecke getrennt werden. Kopf oben braun, mit
einer gelben bogenförmigen Gesichtsbinde vor den Augen, und
jederseits einer gelben, von der Supraorbitalgegend entspringen-
den über die Schläfe sich hinziehenden Binde, welche unten
von einem schwarzbraunen über der Mitte des ersten Temporale
und den oberen Rand der beiden letzten Supralabialia verlau-
fenden Streifen, nach oben durch den schwarzen Rand des brau-
nen Oberkopfs begrenzt wird; am Nacken ein ähnlicher Fleck
wie auf dem Körperrücken, der aber vorn mit der braunen
Farbe des Kopfes zusammenflielst und hier einen gelben, schwarz-
geränderten Nackenfleck einschlielst; die Bauchseite ist gelb,
unregelmälsig schwarz gesprenkelt.
Aus Veragua durch Warszewicz.
11. Hylodes varians Gundlach et Peters n. sp.
Oben braun oder grau, ein dreieckiger mit der Spitze
;
J
\
;
vom 20. Juni 1864. 391
nach hinten gerichteter Fleck zwischen den Augen, die Schnauze,
Punkte oder Marmorirungen auf dem Rücken und mehr oder
weniger deutliche Querstreifen auf den Extremitäten dunkler
braun; unten heller braun oder grau.
Gaumenzähne in zwei, weiter hinten und mehr nach innen
als die Choanen liegenden convergirenden Reihen; Öffnungen der
Tuben klein, quer dreieckig, kaum grölser als die Choanen, welche
um * weiter von einander als vom Schnauzenende entfernt lie-
gen; Zunge länglich herzförmig, hinten flach ausgeschnitten.
Kopf so lang wie breit und breiter als der Körper. Schnauze
flach, Canthus rostralis deutlich, fach concav eingebogen; Na-
senlöcher seitlich, gleich hinter dem abgestutzten Schnauzenende.
Trommelfell deutlich, rund; sein Durchmesser gleich dem halben
Augendurchmesser. Haut der Oberseite glatt, einige kleine
Wärzchen hinter dem Mundwinkel; Kehle und Brust glatt, letz-
tere durch eine quere Hautfalte von dem Bauche abgesetzt,
welcher so wie die Unterseite der Oberschenkel granulirt ist.
Die vordere Extremität ragt bis zum After; die Finger sind
frei, die Haftscheiben aber wohl entwickelt und eben so grols
wie die der Zehen; die subdigitalen Vorsprünge sind mälsig
grols. Die hintere Extremität ragt mit dem Unterschenkelende
ans Auge und ist an der Sohle ganz glatt.
Der Kehlsack des Männchens ist deutlich; jederseits neben
der Zunge führt eine grolse schiefe Spalte in denselben hinein.
Worllanzefsheits ob. ‚neiemnosnhäisuh 2.075040
Länge des Kopfes -. » 2 2 2.2 2.02.00. 0%,0195
Länge der vorderen Extremität . . 2 2... 07,024
Länge der Hand mit dem längsten Finger . . 0”,010
Länge der hinteren Extremität . . . 2... 0%,055
Länge des Fufses mit der vierten Zee . . . 0,025
Auf Cuba entdeckt von Dr. J. Gundlach.
Pıisces.
1. Sillago Schomburgkii n. sp.
Körperhöhe zur Totalläinge wie 1:5% bis 1:5%; Kopf
4% Mal in der letzteren enthalten. Die Distanz der Augen ist
etwas grölser als ihr Längsdurchmesser und gleich der Hälfte
der Schnauzenlänge. Der Ventralstachel ist dünn. Körper gol-
392 ‚Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
dig, mit der Lupe betrachtet schwarz punctirt. Die Strahlen
der Rücken- und Schwanzflosse schwarz punctirt; die zweite
Rückenflosse mit schwarzen Längsbinden; Bauchflossen schwe-
Telgelb.
D. 11 4; A. 55; Lin. lat. 76; transv.
Adelaide; von Richard Schomburgk.
2. Sebasties meleagrisn. sp.
6—7
9—10°
Acanthopomus meleagris Ehrenb. in litt.
Braunschwarz mit silber- oder perlmuttierglänzenden run-
den Flecken auf dem Körper, dem Kopf und der Rückenflosse;
Brust- und Schwanzflosse mit drei schwarzen Querbinden;
Bauchflossen mit einem runden weilsen Fleck und die Afler-
flosse an der Basis mit drei weilsen Flecken, dann mit einer
schwarzen, hierauf mit einer weilsen Längsbinde und am Rande
schwarz. Auf dem Kopfe keine Stacheln; Praeoperkel am hin-
teren Rande mit 7 bis 8, am unteren Rande mit 3 bis 4 klei-
nen Dornen und am Winkel mit einem sehr langen fein ge-
zähnelten Stachel; Operkel mit 2 gröfseren und 2 kleineren
Dornen. Schuppen sehr klein. D. 11, 13; A. 3, 8; V. 1,5.
— Von Hrn. Ehrenberg in 4 sehr kleinen, bis 0”,025 lan-
gen Exemplaren bei Massaua im rothen Meer entdeckt.
3. Channa ocellata n. sp.
Körperhöhe zur Totallänge wie 1:7%; Kopflänge gleich
* derselben. Der Interorbitalraum ist flach, die Distanz der
Augen gleich 1% Augendurchmesser; der Oberkiefer ragt nur
ein wenig weiter nach hinten als der Orbitalrand. Die Zähne
sind, mit Ausnahme der äulsersten etwas stärkeren Unterkiefer-
zähne, sammtförmig und bilden auf den Zwischenkiefern und
dem Unterkiefer eine breite, auf dem Vomer und den Gaumen-
kuochen eine schmale (aber aus mehreren Reihen gebildete)
Binde. Die Distanz des Auges vom Kiemendeckelwinkel ist
etwas mehr, die Länge der Brustflossen etwas weniger als drei
Augendurchmesser. Die Schuppen der Oberseite des Kopfes
sind ziemlich grols und bilden zwischen der Orbita und dem
Winkel des Praeoperculums 7 Reihen. Die Seitenlinie wird
von 54 Schuppenreihen gebildet und nach dem ersten Drittheil
des Rumpfes gebrochen; zwischen ihr und der Rückenflosse
a un u
vom 20. Juni 1864. 393
liegen 4, unterhalb derselben bis zum After 13 bis 14 Längs-
schuppenreihen. Die Schuppen des Unterbauches sind auffallend
kleiner als die der Körperseiten. D. 44; A. 27.
Oben braungrün, unten silberig; ein dunkler Streif vom
hinteren Rande des Auges bis zum Rande des Kiemendeckels;
Körper mit winkligen Querbinden, längs der Bauchhälfte mit
dunklen Längslinien; vor der Basis der Schwanzflosse ein schwar-
zer, weilsgesäumter Augenfleck. Rücken-, After- und Schwanz-
flosse mit schwarzen und weilsen Fleckchen, welche gebrochene
Binden bilden.
Totalläinge 0”,103; Kopf 0”,026; Augendistanz 0”,0075;
vom Unterkieferrande bis zum After 0”,045; Körperhöhe 0",014;
Schwanzflosse 0”,016.
Fundort unbekannt.
4. Myctophum megalopsn. sp.
Nahe verwandt mit M. Boops Richards., aber mit noch
viel grölseren Augen, schmälerem Praeoperculum, breiterem Ober-
kieferende, weniger tief gespalienem Maule und etwas hinter
den Bauchflossen stehender strahliger Rückenflosse. Körperhöhe
und Kopflänge zur Körperlänge (ohne Schwanzflosse) wie 1:4%,
Augendurchmesser etwa gleich der Entfernung des Auges von
der Brusiflosse. Ende des Oberkiefers ragt gleich weit nach
hinten wie der hintere Orbitalrand und ist breiter als die Ent-
fernung des Auges vom hinteren Rande des Praeoperculums.
Strahlige Rückenflosse beginnt um 4 Augendurchmesser hinter
den Bauchflossen und hört etwa dem vierten Analflossenstrahl
gegenüber auf. Die Fettflosse steht dem vierten und fünftletz-
ten Analstrahl gegenüber. Die Brustflossen ragen nicht ganz
bis zum Ende der Bauchflossen, welche mehr als halb so lang
sind, wie die ersteren. Schwanzflosse gabelförmig. D. 14;
A. 20. Die Zahl der sehr breiten Schuppen der Seitenlinie ist
32 bis 33. — Zwei Exemplare von 0”,115 und 0”,055 Länge
von Cap Horn; gekauft.
5. Carassius vulgaris Nilss. var. capensis.
Aus der Sammlung des Dr. Bergius in Südafrika be-
sitzt unser Museum 2 Exemplare einer Karausche, welche bei
der länglichen Körpergestalt des Giebels sich durch eine tief
ausgeschnittene Schwanzflosse und geringere Schuppenzahl aus-
394 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
zeichnen, indem die Seitenlinie durch 27 Schuppen gebildet
wird, oberhalb derselben nur 4 bis 5, unterhalb derselben (bis
zu der Bauchflosse) 5 Schuppenreihen befindlich sind. D. 3, 17;
A. 2,5 bis 2, 6.
6. Barbus serra.n. sp.
Körperhöhe zur Totallänge wie 1:5%. Kopf etwas weni-
ger als 3% Mal in derselben enthalten. Abstand der Augen
nicht ganz 15 Augendurchmesser; ihre Entfernung von der:
Schnauzenspitze gleich 2 Augendurchmesser, von dem hinteren
Rande des Kiemendeckels ein wenig mehr. Die Schuppen sind
ziemlich grofs, fein gestreift, oberhalb der aus 44 Schuppen mit
einfachen Röhrchen gebildeten Seitenlinie in 6 bis 7 (bis zu
Anfang der Rückenflosse), unterhalb derselben (bis zu den Bauch-
flossen) in 5 Längsreihen geordnet. Die Rückenflosse steht in
der Mitte zwischen der Schwanzbasis und der Mitte des Kie-
mendeckels und beginnt genau hinter der Insertion der Bauch-
flossen, wird aus vier einfachen (zwei sehr kurzen und einem
vierten sehr starken, zusammengedrückten, stark gezahnten) ud
8 verzweigten Strahlen (von denen der hinterste ein Doppel-
strahl ist) gebildet. Die Bauchflossen stehen in der Mitte zwi-
schen der Brust- und Afterflosse, jedoch der ersteren ein klein
wenig näher. Die Basis der Afterflosse ist viel kürzer als die
der Rückenflosse (wie 9:12); sie steht genau in der Mitte zwi-
schen Schwanz- und Bauchflossen und hat 5 verzweigte Strah-
len. Die Schwanzflosse ist gabelförmig und hat 16 verzweigte
Strahlen. — D. 4, 8; A. 3, 5; V. 2, 8; C. 5/1616. — Die
‘ Farbe ist in Weingeist oben schwärzlichgrün, die Seiten und
Backen sind metallischglänzend, die Flossen schwärzlich.
Totallänge 0”,180; Kopf 0”,041.
Wir besitzen ein Exemplar dieser Art aus der Krebs-
schen Sammlung vom Cap der guten Hoffnung.
Diese Art gehört, abgesehen von den ganz eben so gebil-
deten Schlundzähnen, wegen des vorgestreckten Mauls, des nach
vorn verlängerten Infraorbitale, so wie der Bildung des Mundes,
der Bartfäden in dieselbe Abtheilung wie unser Barbus Auvia-
zilis, und steht den aus Nordafrika beschriebenen Arten durch
die Gröfse der Schuppen und die Flossenstrahlenzahl am näch-
sten.
vom 20. Juni 1864. - 395
7. Barbus (Capoöta) afer n. sp.
Die Körperhöhe ist gleich der Kopflänge und 4% Mal in
der Totallänge enthalten. Der Augendurchmesser ist 1% Mal in
der Augendistanz und 4% Mal in der Kopflänge enthalten. Die
Bartfäden sind wohl entwickelt. Die Seitenlinie ıst nach unten
gekrümmt und hört dem Ende der Afterflosse gegenüber auf;
man zählt 26 Schuppen vom Operkel bis zur Schwanzbasis, 4
Reihen derselben über und 3 unter derselben (bis zu den Bauch-
flossen). Die kurze Rückenflosse, welche zugleich mit den
Bauchflossen beginnt, besteht aus zwei schwachen einfachen und
sieben verzweigien Strahlen; die noch kürzere Afterflosse hat
5 verzweigte Strahlen. Schwanzflosse gabelig mit 17 verzweig-
ten Strahlen. Schlundzähne 2.3.5 — 5.3.2. Über die
Farbe läfst sich nichts mehr mit Sicherheit sagen, indem man
nur noch mit Deutlichkeit den metallischen Glanz der Iris und
der Seitentheile des Kopfes erkennt. — D. 2, 7; V. 2, 7;
A. 2, 5; C. 6/1715.
Totallänge 0”,110; Kopf 0”,022.
Drei Exemplare vom Cap der guten Hoffnung aus der
Krebs’schen Sammlung.
8. Poecilia') Bensoniin. sp.
Oberseite des Kopfes platt, in gleicher Ebene mit dem
Rücken bis zur Dorsalflosse, welche drei Mal so weit von dem
*) Hr. P. Bleeker (Naiuurk. Verhandl. Holl, Maatsch. Wetensch.
Haarlem. XVII. 2. 1863. Mem. sur les Poissons de la Cöte de Guince
p- 117.) hat sich kürzlich dahin ausgesprochen, dals die von A. Dume-
zil als Poeciliae vom Gabon beschriebenen und abgebildeten Fische gar
keine Poecilien seien, sondern theils zu Aplocheilus, theils zu einer neuen
Gattung Aplocheilichthys gehörten. Die hier von mir beschriebenen Arten
stehen ganz ohne Zweifel den Dumeril’schen Arten sehr nahe. Ich habe
daher nicht allein frische Exemplare von Poecilia vivipara aus Südamerica,
sondern auch das Originalexemplar von Poecilia vivipara Bl. Schn. vergli-
chen, ohne dals ich einen generischen Unterschied finden konnte. Die In
termaxillaria sind bei den westafricanischen Arten etwas kleiner als bei den
americanischen, doch kann dieses kein wesentlicher oder Gattungsunter-
schied sein, indem wir dergleichen graduelle Verschiedenheiten der
Kieferknochen so vielfach bei den verschiedenen Arten anderer Gattun-
gen, z. B. bei Mugil bemerken. A. Dumeril (Repties et Poissons de
396 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Schnauzenende wie von der Schwanzbasis entfernt steht, an der
Basis halb so lang ist, wie die Afterflosse und zur Hälfte über
dem hinteren Ende dieser letzteren steht. Bauchflossen in der
Mitte zwischen dem Kiemendeckel und der Afterflosse. Inter-
orbitalraum breiter als 15 Augendurchmesser, Schnauze kürzer
als dieser letztere und Abstand des Auges vom hinteren Kie-
mendeckelende gleich dem Augendurchmesser. Rücken braun-
grün, Backen und Bauch silberig, Oberseite des Kopfes schwärz-
lich; Bauchflossen blals, die übrigen schwärzlich.
D. 7; A. 13; P. 14; V. 6; C. 6/1415. Schuppenquer-
reihen 26, Längsreihen 8.
Totallänge 0”,058.
Liberia; von Präsident Benson.
9. Poecilia sexfasciata n. sp.
Oberseite des Kopfes platt, Interorbitalraum gleich 1% Augen-
durchmesser, Schnauze kürzer als dieser letztere. Rückenflosse kurz,
fünfmal weiter von dem Schnauzenende als von der Schwanz-
basis entfernt und zur Hälfte über der Afterflosse stehend, deren
Basis gleich + der Totallänge ist. Der Abstand der Bauchflossen von
den Brustflossen ist um die Hälfte grölser als der von der Afterflosse.
Farbe grünlich gelb, mit 6 schwarzen Querbinden, die erste auf dem
?Afrique occidentale. Taf. 22. Fig. 7b.) bildet das Gebils ab und hiernach
findet sich aufser der vorderen Reihe grölserer Zähne hinten noch eine Binde
sammtartiger, welche sowohl von Bloch, Schneider, wie von Valen-
ciennes wegen ihrer Feinheit anfangs auch bei den americanischen Poeciliae
übersehen waren. Ich bemerke hierbei, dafs das Originalexemplar vonBloch
(N0.3465 unserer Sammlung) ganz vortrefflich zu der Abbildung (Systema Ich-
thyol. Taf. 86.) palst, welche das Thier von der Bauchseite gesehen darstellt,
indem es dieselbe Grölse hat und auch der mitJungen angefüllte Bauch noch
in derselben Weise klafft; auf dem Boden des Glases liegen Junge in ver-
schiedenerEntwickelung, die eben da abgebildetsind. DasExemplar ist schon
sehr verblichen, sieht aber bräunlich aus und hat an manchen Stellen die
Schuppen verloren, wodurch es ein schwach gebändertes Ansehen erhält.
Ferner ist die Schwanzflosse etwas verletzt und längs der Mitte aufgeris-
sen. Hierdurch erklärt sich die allerdings zum Theil ganz unrichtige Seiten-
ansicht des Fisches mit regelmälsigen Querbinden und gabeliger Schwanz-
flosse, welche letztere in der That abgerundet ist, wie bei /. Surinamen-
sis Val., mit der er mir vollständig übereinzustimmen scheint.
vom 20. Juni 1864. 397
vorderen Theil des Kiemendeckels, die zweite in der Mitte zwi-
schen Brust- und Bauchflossen, die dritte den vorderen Theil,
die vierte die Mitte der Afterflosse, die fünfte das Ende der
Rückenflosse treffend und die sechste vor der Basis der Schwanz-
flosse befindlich. Die Afterflosse hat drei Querbinden, der drit-
ten, vierten und fünften Körperbinde entsprechend, und der
hintere Theil der Rückenflosse ist ebenfalls schwarz.
D. 7; A. 14; P. 14; V. 6; C. 6/14/5; Schuppenquer-
reihen 25, Längsreihen 7.
Das einzige Exemplar hat eine Länge von 0”,030.
Ebenfalls von Liberia durch Präsident Benson').
10. Saurenchelys cancrivora nov. gen.)
In der Gestalt ganz mit Neitastoma übereinstimmend, mit
eben so langer Schnauze und einem in eine sehr feine Spitze
ausgezogenen Schwanz, an dessen Spitze die lange Rücken-
und Afterflosse zusammenllielsen. Keine Brustflossen. Das vor-
dere Nasenloch bildet seitlich hinter der Schnauze eine schräge,
das hintere nahe vor dem Auge eine grade Spalte. Die über
den Unterkiefer vorragenden Zwischenkiefer sind (von vorn
nach hinten gezählt) mit etwa fünf Reihen dicht gedrängter
spitzer Zähne bedeckt, von denen die hintersten und die längs
der Mitte die grölsten sind; längs der Mitte des Vomer eine
Reihe sehr viel stärkerer spitzer conischer Zähne, an jeder
*) Aulser diesen erhielt unser Museum durch Präsident Benson
noch folgende Fischarten aus Liberia: Mesoprion goreensis Val. (M.
guineensis Blkr.), Hemichromis fasciatus Pet., Gerres melanopterus Blkr.,
Gobius humeralis Dum., Periophthalmus papilio Bloch et Schn., Eleotris
maculata Dum., Muraena (Poecilophis) Peli Kaup, Alausa platycephalus
Blkr.? (stimmt in den Flossenstrahlen und in der Zahl der Schuppen, nur
nicht mit der Abbildung, insofern in dieser letzteren der Abstand der Af-
terflosse von den Bauchflossen kürzer ist als die Länge der Basis der Af-
terflosse, während bei den Exemplaren aus Liberia das Umgekehrte der
Fall ist), Myrophis longicollis Cuv. (M. punctatus Lütken. NB. Von vier
Exemplaren sind zwei kleiner und zwei grölser, als das von Dr. Lütken
abgebildete Exemplar; die ersteren haben ebenso geformte und doppelreihige
gestellte Zähne, wie Lütken angegeben, die letzteren dagegen nur ein-
reihige spitze Zähne.)
2?) awupa, EyxeAus,
398 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Seite derselben etwa drei Reihen viel kleinerer; die Gaumen-
beine sind mit drei Reihen kleiner Zähne bewaffnet und die
Ober- wie Unterkiefer zeigen drei bis vier Reihen Zähne, von
denen die der inneren Reihe lang und spitz, doch noch merk-
lich kleiner als die der mittleren Vomerreihe sind. Körper
etwas zusammengedrückt, schuppenlos, mit einfacher Seitenlinie;
Schwanz um % höher als breit. Die Kiemenöffnung bildet eine
ovale Spalte an dem unteren Theile der Körperseite; die Kie-
menhaut wird von 8 Strahlen gestützt und es sind 3% Kiemen
vorhanden. Der After liegt um % weiter von der Kiemenöff-
nung als diese von der Schnauzenspitze entfernt. Die Augen
liegen nur um ihren halben Durchmesser von einander entfernt
und die Länge der Schnauze ist gleich drei Augendurchmesser.
Die Rückenflosse beginnt gleich hinter der Kiemenöffnung, die
Afterflosse hinter dem After. Ich finde weder appendices py-
loricae noch eine Schwimmblase, welche letztere, wenn sie vor-
handen wäre, jedenfalls äufserst dünnhäutig sein müfste, was
sonst bei den Aalen nicht der Fall ist. Der langgestreckte Ma-
gen enthielt eine Garneele, Nika edulis Risso.— Körper farb-
los; Auge, Backen, Kiemendeckel, Kiemenhaut und Peritonaeum
silberig. Rücken- und Afterflosse nach dem Ende hin schwarz.
Totallänge au: san mb .egadl, ma ads 5 0270
Von der Schnauzenspitze bis zum Mundwinkel . 0”,0125
Von der Schnauzenspitze bis zur Kiemenöffnung . 0,024
Von der Schnauzenspitze bis zum After. . . . 0”,055
Körperhöhe . . . 0”,006.
Nach der Eeerobans) ea er en Er p- 119)
zu urtheilen, unterscheidet sich Neitastoma malanurus nicht allein
durch die tubulöse Beschaffenheit des vorderen und die ver-
schiedene Lage (nicht gerade vor, sondern über dem Auge) des
hinteren Nasenlochs, sondern auch durch die Bezahnung und
doppelten Seitenlinien von der vorstehenden Art. Die Bezeich-
nung der oberen Gesichtsknochen ist eine andere als die von
Richardson und Kaup gebrauchte; wenn aber die äulseren
Knochen nicht die Kiefer- sondern die Gaumenbeine sein sol-
len, so weils ich nicht, wie man die jederseits nach innen,
seitlich und nach hinten vom Vomer gelegenen ebenfalls be-
zahnten Knochen nennen will.
vom 20. Juni 1864. 399
Das einzige Exemplar ist mir mit einer Sammlung indi-
scher Fische zugekommen, dürfte aber nach den im Magen be-
findlichen Krebs entweder aus dem Mittelmeer oder dem Atlan-
tischen Ocean stammen.
11. Leptocephalus(Diaphanichthys)brevicaudusn.sp.
Körper ganz platt zusammengedrückt, die Profillinie der Bauch-
seite convex, die des Rückens fast gerade. Schnauze sehr spitz, vor
dem Auge convex, ein wenig kürzer als der Augendurchmesser;
Maul bis unter die Mitte des Auges gespalten, jederseits oben und
unten mit 8 geraden spitzen, und hinten im Oberkiefer mit noch
einigen kleineren spitzen Zähnen bewaffnet. Die hinteren Nasen-
löcher liegen auf der Schnauze, den Augen etwas näher als der
Schnauzenspitze. Die Augen liegen in der Mitte des Kopfes.
Kiemenspalten sehrneg. Keine Brustflossen. KeineRücken-
und Afterflosse, indem das Körperende nur von der Schwanz-
flosse umfalst wird, welche sich oben und unten auf 1% Milli-
meter ausdehnt. Die untere Körperhälfte ist in der Körpermitte
reichlich % höher als die obere Hälfte. — Der farblose Körper
zeigt längs der Rückenfirste so wie jederseits neben dem Darm-
canal eine Reihe schwarzer Pünktchen und unter der Chorda,
dem Anfange der ventralen Muskelabtheilungen entsprechend,
feine schiefe Linien von derselben Farbe.
Totallänge 0”,088; Kopf 0”,0035; von der Schnauzenspitze
bis zum hinteren Augenrande 0”,002; vom After bis Schwanz-
ende (ohne Flosse) 0,0033; Höhe der Körpermitte 0,013.
Jüngere Exemplare von 0”,060 Länge und 0”,007 zeigen
ganz denselben Bau und dieselben Proportionen, was wohl ein ge-
nügender Beweis sein würde, wenn es noch eines solchen bedürfte,
gegen die aufgestellte Hypothese, dals die Zeptocephali nur Lar-
venzustände von Cepola oder anderen Bandfischen seien. Wir
haben Gelegenheit gehabt, ganz junge Exemplare von Cepola
und anderen Bandfischen zu beobachten und haben in allen Fäl-
len, ungeachtet der bekannten Eigenthümlichkeiten des Jugend-
zustandes, stets wenigstens die Gattung erkennen können.
Hr. Dr. F. Jagor, dem wir diese schöne Art verdanken,
fischte 8 Exemplare derselben von verschiedener Gröfse in der
offenen See zwischen Maybate und Luzon.
400 Gesammtsitzung
23. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Kiepert las eine Abhandlung des Hrn. Weber über
100 Sprüche des Cänakya.
Böhtlingk’s treffliche Sammlung indischer Sprüche, von
welcher so eben der zweite Band (die Buchstaben p—r umfas-
send) erschienen ist, hat mich an die auf der hiesigen Königl.
Bibliothek befindliche Sammlung von Sprüchen des Cänakya
(ms. or. fol. 165 = A, und 167 = B, je mit nebenstehender
persischer Übersetzung, s. mein Verz. d. S. H. pag. 221) erin-
nert, die ich hiermit als einen Nachtrag dazu veröffentliche.
Die von Böhtlingk mitgetheilten Sprüche des Cänakya
sind der Haeberlinschen Sanskrit-Anthology (wo 110 vv.), dem
Samskritapäthopakäraka, d. i. Yates’s Sanskrit Reader (wo 27
vwv.), und Galanos’s Ilgoögonos (wo 8 capp. mit 86 vv.) entnom-
men. In den Anmerkungen sind von ihm auch die Varianten
der im übrigen mit der Haeberlinschen identischen Sammlung
derselben, welche in der unter dem Titel niisamkalana von
Kali Krishna Bahadur (Seramp. 1831) publicirten Anthologie
enthalten ist, angeführt, sowie Schiefner’s Mittheilungen über
eine tibetische Übersetzung — dieselbe bildet einen Theil des
Tandjur (nro. 3659) —die wie die des Galanos in 8 capp. (mit
260 vv.) zerfällt, benutzt worden. Alle diese Sammlungen gehen
unter sich in Bezug auf Identität der Sprüche, sowie auf Zahl,
Anordnung und Textbestand der identischen unter ihnen weit
auseinander. Ebenso ist auch die hier von mir mitzutheilende
Recension eine völlig selbständige. Von den 109 vv., die sie
umfalst, werden nur 46 auch sonst dem Cänakya zugetheilt ').
27 (alle bei Böhtlingk) sind anderweitig, hie und da freilich
mit erheblichen Varianten, — im Manu (102), Paricatantra (19. 26.
1) Unter diesen übrigens mehrere, die auch anderweitig, ins-
besondere im Hitopadega, resp. andern Vff. zugeschrieben, vor-
komnen, so 7. 8. 16—18. 20. 29. 31. 36. 48. 52. 53. 74. 78.
81.86. Von 21. 44 und 92 ist der Text bisher nicht bekannt, nur
die Übersetzung des Galanos (zu v. 44 s. jedoch Haeb. 88):
21 wird im Tibetischen, 87 im Cabdakalpadruma dem Cänakya
zugetheilt: die übrigen 42 hat Haeberlin.
vom 23. Juni 1864. 401
45. 56. 64. 99. 100.), Hitopadega (14. 39. 47. 50. 65. 82. 93),
Vikramacarita (25.), Cärngadhara’s Paddhati (34. 91.), im Gab-
dakalpadruma (108.) — vorliegend oder als dem Bhavabhüzi (5.11),
Uabhota (73. 101.), Fetälabhatta (89. 95.), Yyäsa (77.), den
Präficas (62) zugehörig überliefert. Es bleibt ein Bestand von
36 vv., den ich bis jetzt nirgends sonst, weder als dem Cänakya,
noch als einem andern Dichter zugeschrieben, nachzuweisen ver-
mag. Um übrigens den Gesammtüberblick nicht zu beeinträch-
tigen, habe ich im Folgenden sämmtliche Verse, auch die bereits
bekannten, mitgetheilt, und sie resp. auch sämmtlich mit einer
Übersetzung, im Original-Metrum, versehen. In den Anmerkun-
gen habe ich mich möglichst kurz gefalst, besonders bei denjeni-
gen Sprüchen, die bereits Böhtlingk behandelt hat; und bei
denen ich mich meist nur auf die Angabe der Orte, wo sie an-
derweitig vorkommen, und der hauptsächlichsten Varianten be-
schränkt habe.
Dals die in diesen verschiedenen Sammlungen enthaltenen
Sprüche nur sehr apokryphe Ansprüche darauf haben, dem alten
Vishnugupta Cänakya aus Taxagilä, Minister des Königs Cand-
ragupta (jüngern Zeitgenossen Alexander’s des Grofsen, s. Las-
sen Ind. Alt. II, 199. 203— 205.) zuzugehören, bedarf keiner
besonderen Erörterung. Geben sie sich ja doch auch selbst aus-
drücklich (hier v. 2, Haeberlin v. 1.) als eine aus „verschie-
denen gästra gemachte” Sammlung an. Cänakya’s Name ist
ihnen nur in majorem gloriam zugetheilt. Hiemit soll indels
nicht gesagt sein, dafs nicht auch einige echte unter ihnen sein
könnten, wo dann z. B. diejenigen, die auch anderweitig unter
Cänakya’s Namen wiederkehren, die nächsten Ansprüche darauf
haben möchten, und unter ihnen wieder die nächsten etwa die-
jenigen wenigen Verse, welche sich speciell auf die Pflichten des
Königs beziehen. Nach den Angaben Dandin’s im Dagakumära
(183, 7. 8 ed. Wilson) nämlich scheint zu dessen Zeit noch
ein Lehrbuch der dandaniti, policy, in 6000 gZoka vorhanden ge-
wesen zu sein, welches als von F/ishnugupta für den Maurya
(-Fürsten) verfalst galt; Dandin theilt auch einige Citate daraus
mit (184, 4 catväringatam Cänakyopadishtän äharanopäyän,
188, 12). Sollten etwa von den zahlreichen Versen, welche das
402 Gesammtsitzung
Mudräräxasam dem Cänakya in den Mund legt, einige diesem
seinem angeblichen Lehrbuch entlehnt sein? Handeln sie doch
in der That, dem Charakter jenes Dramas entsprechend, fast alle
von Staatskunst'). Die in den oben aufgeführten verschiedenen
Sammlungen vorliegenden Cänakya-Sprüche dagegen, obwohl sie
noch ausdrücklich (s. v. 2, Haeb. v. 1.) sich als eine räjaniti-
Sammlung bezeichnen, verrathen eigentlich in keiner Weise
irgend welche besondere Beziehung auf die Pflichten und Oblie-
genheiten der Könige, die im Gegentheil mehrfach ziemlich scharf
mitgenommen werden. Der sie durchziehende Grundgedanke ist
eher die Verherrlichung der Wissenschaft als solcher, und
die Regeln der Lebensklugheit oder die sonstigen Lebensan-
sichten und Urtheile, die sie enthalten, sind ganz allgemeiner
Art, nicht auf irgend einen bestimmten Stand beschränkt. Mög-
“lich etwa, dafs unter den in Indien sonst noch unter dem Namen
des Cänakya erhaltenen Sammlungen sich eine finden mag, die
mehr den Vorstellungen entspricht, welche die Inder sich von
diesem „unerreichten Muster eines weisen Staatsmannes” (Brock-
haus in den Verhandl. der Kön. Sächs. Gesellschaft der Wiss.
4, 62. 1848) gemacht haben. Die über Indische etc. Bibliothe-
ken mir zugänglichen Angaben geben für eine dgl. Vermuthung
freilich keinen direkten Anhalt. So enthält z. B. die Bibliothek
des College des Fort William in Calcutta in nro. 168. 661. einen
cänakyasärasamgraha (ob etwa mit dem unsern hier identisch?),
so wie in nro. 168 ein cänakyakusumam von Rämamohana:
und nro. 1960 der Bibliothek des Sanskrit- College ebendaselbst
wird als ein vrihaccänakyam, 125 gloka auf 14 Blättern, be-
zeichnet. Ein dem Yriddha-Cänakya zugeschriebenes räja-
nitigästram in 8 capp. mit 116 vv. findet sich in Oxford, s.
1) Auch in dem unter dem Namen des Kömandaki, nach
Räjendra-Läla-Mitra’s Angabe eines Schülers des Cänakya, er-
haltenen Nitigastram, welches sich im Eingange ausdrücklich auf
Vishnugupta beruft, könnten vielleicht einige derartige Bruch-
stücke enthalten sein? (Von den darin citirten Lehrern werden
Vigdläxa 8, 28, Bahudantisuta 10, 17 und Parägara 8, 39 auch
im Dagakumära 186, 11 als tanzrakäräs erwähnt.)
vom 23. Juni 1864. 403
Aufrecht Catal. p. 131: in dem daselbst mitgetheilten Ein-
gangsverse bezeichnet es sich als „Auszug aus verschiedenen
eästra.” In dem von W. Taylor verfalsten Catalog der-
Oriental Mss. des College Fort St. George (Madras 1857, vol. I)
finden sich noch mehrere dergl. Sammlungen erwähnt, und sind
resp. bei einigen derselben ein paar Verse übersetzt, aus denen
sich ein mit den uns bekannten Sammlungen völlig gleicher Cha-
rakter ergiebt. So pag. 336 no. 1573 Cänakyam, 90 gloka,
with a ticä in Canarese, incomplete (als specimen v. 31): —
pag. 337 no. 1581 Cänakyam, 104 gloka (als specimen v. 74). —
pag. 340. No. 1683 Cänakyam, 202 gloka (die specimina z. Th.
wegen zu grolser Abkürzung ') nicht nachweisbar). — pag. 475
No. 1593 nitieästram, von Cänakya, incomplete (als specimen
v. 78). — pag. 533 No. 1659 Chanangki d. i. Canaresische Über-
setzung des Cänakyam, 116 gloka with a Canarese ticä (ohne
specimen). — ibid. No. 1674 dasselbe ohne Angabe der Verszahl
und ohne specimen. — pag. 663 No. 1643 nitisastram, by Cha-
nacya in Grantha-Schrift ebenfalls ohne Angabe der Verszahl
und ohne specimen, aber mit speciellen Angaben über den Inhalt,
wonach diese Handschrift einen ziemlichen Umfang zu haben
und eine weit systematischere Eintheilung zu befolgen scheint, als
dies sonst der Fall ist. Da Taylor’s Catalog bei uns sehr selten
ist (auf der hiesigen Kön. Bibl. befindet er sich nicht), lasse ich
die Angaben hier in extenso folgen: „On the six great sins
käma, krodha, lobha, dvesha, maia (mada?), mätsarya, or lust,
anger, avarice, backbiting, or envy, false zeal, malice; sometimes
otherwise enumerated. — On shad dharma, or six kinds of
duties to be done. An injustly taking away a neighbour’s goods
is censured. — A discrimination termed äcramabheda, on the
duties of brahman (d. i. brahmacärin), of householder, of hermit
ı) „One ought not to associate with evil people; nor io marry
a woman of bad disposition; the race becomes ülustrious by good
sons; the evil dispositions of lust, anger, malice etc. should not
be found among men.” — „Benefits should not be done to ene-
mies. It is not right to intermarry in one’s own gofra, but with a
woman of another tribe.”
[1s64.] 31
404 Gesammtsitzung
and of strict ascetic: yugadharma or duties and obligations
proper to the krita-, tretä-, dväpara- and kali-yugas.”
Die 109 Verse der nachstehenden Sammlung sind nur in A
enthalten, da die beiden ersten derselben in B fehlen. In der
Zählung derselben in 4 finden mannichfache Versehen statt; so
sind die vv. 2—4 gar nicht gezählt, v. 5 ist als 2 bezeichnet: die
Zahlen 59 und 86 sind in der Zählung übersprungen, der letzte
Vers (109) wird somit als 108 gezählt (während man 106 er-
warten sollte). Überhaupt ist 4 voll Fehler, die indefs meist
korrigirt sind, vermuthlich durch den Schreiber von B, der we-
nigstens allemal diejenige Lesart schon als erste hat, welche in
A eben erst hineinkorrigirt ıst. In einigen Fällen ist freilich
auch B ebenso verderbt wie A, s. die vv. 25. 35. 45. 54. 56.
65. 80. 83. 86. 90. 98. 103. 106. 108.
Die persische Übersetzung, deren Vergleichung an diesen
Stellen ich der Güte unsers verehrten Collegen Roediger ver-
danke, giebt sich, durch Theilnahme an mehreren dieser Fehler als
eine eben nach diesem Mspt. erst gemachte Arbeit zu erkennen,
siehe z. B. v. 56 und insbesondere diejenigen Fälle (v.25.91), wo
der Übersetzer die Sanskritworte nicht verstanden und sich daher
mit deren blofser lautlicher Umschreibung begnügt hat. Für das
Verständnils mehrerer Versez.B. 29. 37. 58.70. 80.83. 94.98 ist
mir diese Übertragung übrigens von wesentlichem Nutzen gewesen.
Zur besseren Übersicht schicke ich dem Text ein alphabeti-
sches Verzeichnifs der Versanfänge und eine Zusammenstellung
der Parallelstellen bei Haeberlin (H) und Böhtlingk (B)
voraus.
Die mit einem Sternchen markirten Verse finden sich bis jetzt nur hier.
ajayuddham 91 *ashlottaragatam 1
ajarämaravat 11 asamtushtä 36
atithir bälakag 87 äjagäma 95
*antahsära 69 äpadarthe 8
abhrachäyä 45 ähäro dvigunah 81
amritam cigire 26 uttamasyäpi 50
avidyam 6 upakäragrihio 83
avancajanito 67 upäyena hi 100
*alasasya kuto 35 rinakartä 29
vom 23. Juni 1864.
ekäkinä na 56
ekenä ’pi kuvrio 27
— pi suvrixena 28
*zicvaryät saha 105
. *kälaxepo 10
*kim karishyati 106
kudegag ca 30
*krishikä rüpao 80
kokilänäm 18
khalah karoti 82
gangähino 39
*gamyate yadı 98
*gunino ’pi hi 107
gurur agnir 48
calaty ekena 593
eitä cintä 62
*jalarekhä 72
jirnam annam 37
*inänam yatra 90
taskarasya kuto 59
*ilärdham 66
Zyajanti cürpao 108
*tyaja putra 68
dätäram kripanam 777
*dJäridryam yauvane 49
duradhitä visham 78
dushtä bhäryä 7
düratah cobhate 52
*dürväyä bhüshanam 24
drishtipitam 102
*devo räjä 88
dhaninah crotrio 41
*na ca mätä 104
na ca vidyäo 4
naditire... yü ca 44
naditire... parahasta 46
nadinäm 31
namanti 21
*narasyäübharanam 43
nänägästra 2
*nästi maitram 103
*nä ”häram 38
nirvänadipe 89
patha putra 92
pathato nästi 34
panditeshu gunäh 20
payahpänam 73
paradärän 9
paroxe käryao 74
pustakasthä 57
*pürvajanmärjitä 15
prastävasadricam 47
prathame närjitä 13
buddhir yasya 64
*bhäryä yasya 94
bhrätribhir d
*maxikä vraram 58
mätä yasya 86
— catruh 17
*_ surect 97
*mukham padma» 71
mülasütram 3
*yad ichet 22
yasya nästi 61
yasyäm tasydm 14
*yena-yena ca 32
*yo yatra 42
ratigaktir 40
*räjaputra 109
rüpayauvana 16
lädanäd 84
ldlayet 85
*Jokah priched 12
vanäni dahato 99
varam eko 23
— pandita 19
3a:
405
406
*vidyate cicu 54
*yishayf timiräo 70
garvaridipakag 25
vastrahinam 63
* itabhitäc 96
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47 249
43 1207
29 335
30 1698
nur hier
32
nur hier
93 1857
2429
nur hier
72637
9 2170
46 741
1680
4 1678
Gal.
nur hier
10 2743
nur hier
2968
198
14 547
Gesammtsitzung
cästram sucintitam 65
saguno nirguno vä 101
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
92
33
54
sarpah krürah 75
sevitavyo 60
*svanämä purusho 79
*svabhävo yädrico 76
hast! hastao 33
*hrishyanti devatäh 51
hinasevä 93
H. B.
13 551
45 507
39 694
27 1862
nur hier
28 3348
1677
nur hier
80 277
79 975
nur hier
809
52 .2077
36 1670
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(88) Gal.
194
94 1395
1880
49 868
nur hier
443
nur hier
15 1210
32 905
nur hier
66
75
76
H. B.
55 3021
147
83 1809
nur hier
60 1007
92, 9293
109 2436
910
51. -2762
2440
2977
nur hier
& 240
nur hier
489
18 1729
26 3197
nur hier
72
98 4173
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78 412
vom 23. Juni 1864.
H. B. H. B. H. B.
82 799 92 Gal. 101 3095
Bar 22 483 93 3353 102 1232
sa 12 2664 94 nur hier 103
85 11 2665 95 EZ 104
86 44 2168 96 105 nur hier
87 Cebdakalp. 97 | nur hier 106
88 nur hier 98 107
89 1610 99 2716 108 2876
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408
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vom 23. Juni 1864.
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409
410 Gesammtsitzung
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60.
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411
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90.
Gesammtsitzung
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vom 23. Juni 1864. 413
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14.39 mn Rat aa a 9 0 ae !
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105. Tzratras Ted A Ra arte!
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106. anafa FEnTt: zepTrar Zr: ı
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414
Gesammtsitzung
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108. rastet Jderz TITLE Ten: ı
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109. sıga iR mer HI ea geagaen ı
m ar me ar tar sag HT Teer HT me
. Nun einhundert und acht Verse, wie von Cänakya sie gesagt, |
Durch deren blofse Erkenntnifs der Menschen Einsicht zu-
nimmt schon. |l
. Aus verschiedenen Lehrbüchern gezog’ne Weltklugheit ich
lehr’. I
Diesem Lehrbuch entkeimt Alles, dem Cänakya-Compendium. I}
. Die Grundlehren ich will künden, wie von Cänakya sie ge-
sagt, |
Durch deren blofse Erkenntnils der Dumme wird zum Klugen
schon. Il
. Kein Freund der Wissenschaft gleich kommt, kein Feind
kommet der Krankheit gleich, |
Keine Lieb’ gleicht der zum Kinde, keine Macht kommt dem
Schicksal gleich. Il
. Man theilt es nicht mit den Brüdern, vom Dieb auch wird es
nicht geraubt, I
Man verliert nichts beim Weggeben, Wissens-Kleinod ist
höchster Schatz. II
. Ohn’ Wissen leer ist das Leben, ohne Freund’ ist die Ge-
gend leer, |
Ohne Söhne das Haus leer ist, die Armuth ist von Allem leer. II
. Böses Weib, falscher Freund ferner, und widerspänstge Die-
ner auch, |
Wohnung im Haus, das voll Schlangen — das ist der Tod.
Kein Zweifel dran.
. Für's Unglück hüte Reichthümer, für's Weib opfere diese
auch, |
Dich selbst hüte du beständig, opfere Weib und Reichthum
auf. I
10.
11.
12.
13.
14.
13.
16.
10.
18.
vom 23. Juni 1864. 415
. Fremdes Weib, fremdes Gut meide! und schmäh’nd Bereden
Anderer!!
So wie Verspottung des Lehrers, und Unstetheit im Wohn-
ort meid’! I
Woll’ deine Zeit nicht vergeuden! das Leben schwindet Tag
für Tag, |
Und König Yama schaut stets auf den mannichfachen Gang
der Pflicht. I.
Als gäb’s nicht Alter noch Sterben, der Weise Wiss’n und
Gut bedenkt: I
Wie schon gepacket vom Tode am Haar, übet er fromme
Pflicht. U
Die Welt fraget wohl, so redend „befindet sich dein Körper
wohl?” I
Woher käme uns wohl Wohlsein? das Leben schwindet Tag
für Tag. Il
Im ersten Alt’r wer nicht Wissen, im zweiten Reichthum
nicht erwarb, |
Im dritten nicht gewann Tugend, was soll der wohl im vier-
ten thun? Il
Gebor’n von welchem Weib immer, wer tugendhaft, der wird
geehrt. |
Erlauchten Heldenstamms selber, wer tugendlos, verachtet
wird. Il
In frührem Dasein welch Wissen, und welchen Reichthum
man erwarb, |
Welche Tugend man drin übte, das laufet immerfort voran. Il
Schönbheit-Jugend-geschmückt wer da, edlem Geschlechte auch
entstammt, |
Doch ohne Wiss’n ist, nicht glänzet der, gleich g’ruchlosem
Kincuka. \l
Feind ist die Mutter, der Vater dem Knaben, den sie lehr-
ten nicht, |
Der nun im Kreis, wie ein Kranich in der Flamingoschaar,
nicht glänzt. ll
Die Stimm des Kokila Zier ist, Gattentreue des Weibes Zier, I
Milsgestalteter Zier Wissen, des Asketen Zier ist Geduld. Il
416
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
27.
29.
Gesammtsitzung
Den klugen Mann zum Feind haben ist besser als den Thor
\ zum Freund. |
Der Lieblingsaff’ den Fürst'n umbracht’, ihn schützt’ der
dieb’sche Brähmana. \\
Alle Tugenden im Weisen, im Thoren Febler nur allein: I
Darum mehr als ein ganz Tausend Thoren ein einz’ger Wei-
ser gilt. I
Fruchtbeladene Bäum’ neigen, sich neigen tugendsameLeut’: I
Trocknes Holz aber und Thoren spalten nur, niemals neigen
sich. Il
Wer da wünscht stetigen Frieden, der darf dreierlei üben
nicht: |
Würfelspiel, Jagen nach Reichthum, heimliches Stelldichein
mit Frau’n. ||
Ein einz’ger Sohn, der voll Tugend, besser als hundert
thör’ge ist. |
Der Mond allein der Nacht Dunkel vertreibt, die ganze Stern-
schaar nicht. Il
Das Hirsengras sein Blatt zieret, der Bäume Zier die Blume
ist, |
Das eigne Werk den Mann zieret, der Gatte ist des Weibes
Zier. \l
Der Mond dient als der Nacht Leuchte, die Sonne giebt dem
Morgen Licht: |
Tugend erleuchtet die Dreiwelt, ein guter Sohn den Stamm
bestrahlt. II
. Nektar ist's Feuer beı Kälte, Nektar ein wohlgerathner Sohn, I
Ein tugendsames Weib Nektar, Nektar der Kinder Stammeln
ist. I
Von einem Baume, der bös ist, in seiner Höhle Feuer nährt, |
Der ganze Wald dort verbrannt wird: so durch den bösen
Sohn der Stamm. Il
. Von einem Baume, der gut ist, in Blüthe steht, wohlduftig
ist, |
Der ganze Wald wird durchduftet: so durch den guten
Sohn der Stamm. Il
Feind ist der Vater, der Schulden macht, Feind die Mutter,
die ausschweift, |
IB
DE EEE ET Be
0.
31.
32.
33.
34.
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vom 23. Juni 1864. 417
Feind eine schöne Ehgattinn, Feind ist ein ungerathner
a Sohn. Il
Schlechter Ort, schlechte Beschäft’gung, schlechtes Weib,
wer an Nägeln krank, I
Schlechter Freund, schlechte Speis’, alles dieses meiden die
Klugen stets. ll
Flüssen, bewaffneten Männern, Thieren, die Klau’n und Hör-
ner führ’n, |
Ist nicht zu trauen je irgend, noch Frau’n und Königsdie-
nern je. II
Von welcher Seit’ der Wind immer der Regenwolke Wasser
treibt, |
Nach der Seite des Wind’s immer der Kluge hält den Re-
genschirm. Il
Dem Ilf um tausend Handbreiten, um hundert (weich’) dem
Rosse (aus), |
Hornthieren um zehn Handbreiten, vor Bösen räum’ den gan-
zen Platz. Il
Wer lernt, befreit sich von Thorheit: wer betet, fällt der
Sünd’ nicht heim, |
Wer schweigt, bewahrt sich vorm Zanke. Woher Friede
dem, der nichts weils? Il
Woher Wissen dem Geistfaulen? Woher Friede dem, der
nichts kennt? |
Woher Freundschaft Besitzlosem? für den Freundlosen woher
Glück? N
Unzufriedene Brähmanen, zufriedne Kön’ge gehn zu Grund)!
Zu Grund die schamhafte Hure, die schamlose Matrone geht. II
Erst wenn verdaut, die Speis’ rühme, die Gattin erst, der’n
Jugend hin, |
Den Held erst, der vom Kampf heimkehrt, Höfliche nach
ihr'm Thun zu Haus. ||
Der Weise denk’ nicht an Nahrung, an seine Pflicht denk’
er allein: |
Die Nahrung wird ja dem Menschen mit der Geburt zugleich
gebor’n. II
Weh dem Land, wo nicht strömt Gangä, dem Geschlecht
ohne Wissen Wehl! I
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42.
43.
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Gesammtsitzung
Dem kinderlosen Weib wehe! dem Opfer ohne Priester-
lohn! Il 5
Mannskraft beim Lieb’sspiel mit Frauen, Efslust, wenn Speise
vor dir steht, I
Geben-Können beim Reichthume, — dies ist nur schwerer
Bufse Lohn. N
Reiche, ein König, Schriftkundge, ein Flufs, ein Arzt zum
Fünften dann, |
Wo diese fünf sich nicht finden, da schlage nicht die Woh-
nung auf. Il
Wer irgendwo stets hingehet und genielst ohne Unterlafs, |
Den wird man da (bald) leicht achten, wär’ er dem Gakra
ähnlich auch. II
Schöne Gestalt den Mann zieret, Tugend der Schönheit
Zierde ist, |
Der Tugend Zierde ist Einsicht, der Einsicht Zierde ist Ge-
duld. U
Bäume stehend am Flufsufer, eine Frau ohne Schutz-Anhalt, |
Ein König ohne Rathgeber, — deren Leben nicht lange
währt. Il
Wolkenschatten, der Bös’n Freundschaft, Erde am Meeres-
uferstrand, |
In kurzer Frist die gehn unter, Jugend gleichfalls und Reich-
thum auch. ||
Bäume stehend am Flufsufer, Geld das in Fremder Händen
ruht, |
Und was zu thun ist von Frauen, All das pflegt unfruchtbar
zu sein. ||
Dem Zweck entsprechende Rede, seiner Natur gemälse
Lieb’, |
Der eignen Macht nicht entwachsnen Zorn wer versteht, der
Mann ist klug. ll
Das Feuer ehr’'n die Brähmanen, den Brähmana die Kasten
alla
Die Gattinn den Gemahl einzig, Alle den angekommnen
Gast. I
In (frischer) Jugendzeit Armuth, keine Mutter zur Knaben-
zeit, |
5.
51.
92.
33.
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59.
vom 23. Juni 1864. 419
Keine Söhne im Greis’nalter, — des Leben alles Glücks
k entbehrt. II
Auch für die höchste Kast’nstufe der Niedrigste, der’s Haus
betriti, — |
Dem ist Ehre zu erweisen, üb’rall ist der Ankömmling Gast. I!
Alle Gottheiten sich freuen, die Rishi singen (froh) dazu, |
Es tanzen all die Vorväter, wenn ein Gast in das Haus ein-
tritt. 11.
Der Thor glänzet nur von weitem, gehüllt in flatterndes Ge-
wand, |
Er glänzet drin nur so lange, als er nicht spricht ein einzig
Wort. Il
Mit einem Fuls nur macht auf sich, hält mit dem andren an,
wer klug: I
Erst wenn er ganz hat durchforschet den neuen Stand, den
alt’n er läfst. Il
Beim Knaben findet Unstetheit, beim Brähmana Askese sich, |
Beim Gemeinen du findst Rohheit, Mitleid findet bei Guten
sich. Il
Nicht jeder Berg birgt Kleinode, Perlen nicht jedes Ilfen
(Stirn): I
Nicht überall es giebt Gute, nicht jeder Wald hat Sandel-
bäum. H
Allein mögest du nicht wandern, wenn’s auch hundert Ge-
schäfte sind, ‚l
Blos durch ein ärmlich Krebsweibchen die schwarze Schlang’
getödtet ward. Il
Wissenschaft, die im Buch ruhet, Geld, das in Fremder Hän-
den ruht, — |
Wenn die Zeit des Gebrauchs kommet, ist das nicht Wissen,
ist nicht Geld. Il
Fliegen suchen sich auf Wunden, Bienen suchen sich Blu-
men auf, |
Gute suchen sich auf Tugend, Gemeine suchen Schäden auf. II
Woher käme dem Dieb Rechtssinn? woher dem Bösen käm’
Geduld? I
[1864.] 32
420
60.
61.
62.
63.
64.
63.
66.
67.
68.
Gesammtsitzung
Woher Zärtlichkeit den Huren? woher Wahrheit dem Buhl’n
(der Maid)? Il
Grofse Bäum’ muls man hochbhalten, die Früchte geb’n und
Schatten auch: I
Wenn durch Zufall mal Frucht fehlet, was ist’s wohl was dem
Schatten wehrt? U
Wer da nicht hat von selbst Einsicht, was soll das Lehrbuch
helfen dem? I
Wer beider Augen entbehret, was soll der Spiegel helfen
dem? II
Holzstols, Sorge, — von den Zweien ist die Sorge die
schwerere: |
Der Holzstols brennt den Leblosen, die Sorge brennt das
Leben selbst. U
Wenn ohne Kleidung, Schmuckzierrath, — Speise, die ohne
Schmalz gekocht, — |
Ein Weib, des Busens ermangelnd, — diese meide der Kluge
stets. Il
Wer Klugheit hat, der hat Stärke. Woher Stärke dem Un-
klugen? I
Siehe, der Löwe, krafttrunken, vom Häschen wurde hinge-
streckt. Il
Lehrbücher, wohl auch überdacht, immer neu bedenke!
Mannherrscher, günstig auch gestimmt, du mit Argwohn
scheue! I
Jungfrauen, selbst die dir auf dem Schoofs, du mit Sorgfalt
hüte!
Lehrbücher, Könige und Frau’n aller Obhut spotten. Il
Ein halbes Sesamkorn eigner Zucht, ’ne saftlose Brustbeer-
frucht |
Ist bessre Nahrung als Fremdes: Staub sogar bess’r als frem-
des Haus. Il
Ein Fürst aus niedrem Stamm stammend, ein Kluger, der ’nes
Thoren Sohn, |
Arme, gelangt zu Reichthümern — achten die Welt‘ ’nem
Strohhalm gleich. Il
Lafs, Sohn, Verbindung mit Leichten! nur der Guten Ge-
sellschaft pfleg?! I
69.
70.
71.
73.
74.
73.
76.
77.
vom 23. Juni 1864. 421
Hör’, kleine Schlange! merk’ dir es, ein Frosch brachte ’ne
Hydra um. Il
Wer inn’ren Werthes entbehret, was nützt dem der Ge-
fährte wohl? I
Ob’s auch im Ma?’ya-Berg stehet, Rohr bleibt nur Rohr,
wird Sandel nicht. Il
Der Sinnliche schwankt im Dunkel, achtet nicht mal auf Hö-
here: I
Auf Unglückliche blos einzig(?) imm’r wieder schaut, wer
herzensrein. II
Der Mund wie Lotusblatt holdig, die Rede kühl’ndem Sandel
gleich, |
Das Herz ähnlich wie Glutbfeuer — dreifach des Schurken
Marke ist. Il
. Die Wasserwog’, der Bös’n Freundschaft, ein Krug der halb
! voll Wassers ist, — |
Selbst wenn man auf dem Kopf trüg’ ihn, der Böse doch
schwankt hin und her. Il
Den Schlangen dienet Milchtrinken einzig zur Mehrung nur
des Gifts: I
Unterweisung auch dient Thoren nur zum Entstell’n, zur
Sänftgung nicht. Il
Wer hinterrücks dir thut Schaden, in der Gegenwart Liebes
spricht, |
Solchen Freund möge man meiden, — ’nen Giftkrug, wo
Milch oben schwimmt. Il
Schlangen und Böse sind furchtbar, doch der Bös’ ist der
schlimmere: |
Die Schlange Spruch und Kraut bändgen. Wer aber wehrt
dem Bösewicht? II
Welche Natur zukömmt Jemand, die verlässet ihn nirgend-
wie:!
Ob hundertmal man wäscht Kohlen, sie geb’n nicht ihre
Schwärze auf. II
Geizhals nenn ich den Freigeb’gen, im Tod noch läfst kein
Gut er rück. |
Wer nicht giebt, der ist Verschwender: sein Gut rücklas-
send geht er hin. Il
32*
422
78.
u
80.
81.
83.
84.
83.
86.
87.
88.
Gesammtsitzung
Schlecht erlernet, ist Gift Wissen, — Nahrung, wenn unver-
daut, ist Gift, I
Gesellschaft ist Gift für Arme, ein jung Weib ist dem Grei-
sen Gift. II
Eignes Namens, der Mann hehr ist, — mittel, vom Vater
wer benannt, |
Wer nach der Mutt’r heifst, gilt niedrig: niedrigst, wer nach
dem Oheim heilst. I
Ackerwerk tilget die Schönheit, Rosse-Halten verzehrt das
Geld, I
Ein Schwägerlein das Hauswesen, alles verzehrt die Feuers-
brunst. Il
Doppelt, heilst’s, ist der Frau’n Nahrung, vierfach aber ist
ihr Verstand, |
Ihre Beharrlichkeit ist sechsfach, achtfach ist ihre Liebeslust. 1
. Der Böse böses Werk übet, die Folgen dann der Gute trägt: |
Rävana die Sit& raubte, in Banden kam dadurch das Meer. Il
Den Feind hol’ man sich zu Hülfe und zieh’ damit ’nen an-
dern aus: I
Einen Dorn in die Hand nehmend, zieh man den Dorn ım
Fufs heraus. Il
Verhätscheln bringet viel Fehler, Prügeln viel’ Tugenden
hervor: 1
Darum Schüler und Sohn prügeln besser ist, als verhätscheln
sie. Il
Man hätschele erst fünf Jahre, prügele dann zehn Jahre lang, |
Wenn das sechszehnte Jahr kommet, behandle man den Sohn
als Freund. ||
Wem keine Mutt’r im Haus weilet, noch auch ein Liebes-
redend Weib, |
Der mag nur in den Wald gehen. Sein Haus dem (öden)
Walde gleicht. II
Ein Gast, ein Knabe, ein König, und eine Gattinn ebenso, |
„Ists da, ists nicht da” nicht kümmert’s die: „gieb nur, gieb”
heilst’s immerfort. Il
Götter, Könige, Weib, Lehrer, Ärzte und Sternekundge Seh’r,—I
vom 23. Juni 1864. 423
Mit leerer Hand die nicht gehen. Geh’n sie, so leidet das
Geschäft. Il
89. Wenn aus die Lamp’, hilfts dann Öl zuzugielsen ?
‘Wenn fort der Dieb, hilfts dann was aufzupassen? |
Wenn’s Wasser fort, wozu ’ne Brücke bauen ?
Wenn Jugend aus, wozu das Spiel mit Mädchen ? Il
90. Wo Einsicht ist, da weilt Frieden. Wo Kühe sind, da giebt
es Glück. I
Wo’s gut dir geht, da magst leben. Wie dein Ehweib, so
dein Geschick. Il
91. Ziegenkampf, rishi- Män’nfeier, am Morgen Wolkenansamm-
lung, | *
Und Streit zwischen zwei Ehgatten — wenig Folgen bei
vielem Schein. Il
92. Beständig, stetig, Sohn! lerne. Nimm die Silben zu Herzen
dir! I
Der Fürst in seinem Land einzig, Wissen wird überall ge-
ehrt. II
93. Gemeinen seı man nicht Diener, schlielse sich nur anHohe an:!
Die Ziege durch des Leu’n Gnade im Walde furchtlos streift’
umher. It
94. In wessen Hause beständig weilt ein zu dünkelvolles Weib, |
Dessen Glück (bald) zu Grund gehet, wie des Monds in der
| schwarzen Hälft’. U
95. (Unversehens) das Glück kommet, gleich dem Saft in der Ko-
kusnulfs: I
(In einem Nu) es geht wieder, wie ein Ilf schluckt kapittha-
Frücht. \
96. Brähmanen, die da scheu’n Kälte, Krieger, die vor dem Kampf
sich scheu’n |
Eine Frau, die da scheut ’s Feuer, — die drei kommen zum
Himmel nicht. Il
97. Sureg? ihm Mutter, Mahega Vater,
Schaar'nherr er selbst, Sieg’r aller Hindernisse, |
(Trotz dess) ohn’ Kopf ist er, ’nen Ilfkopf tragend,
der Gott ohne Ende. Da ruh’ denn Alles. It
424
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
Gesammtsilzung
Wenn man hineinkommt in des Leu’n Behausung,
trifft man wohl auf Per!’n aus den Wang’n der Ilfen, |
Wenn man hineinkommt in ’ne Hundehütte,
‚trifft man nur auf Knochen, Klau’n, Schwänz’ in Haufen. I}
Dem Feuer, das den Wald ausbrennt, gesellt der Wind sich
zu als Freund: I
Die Lampe aber weht aus er. Wer hat vorm Schwachen
wohl Respekt? Il
Denn was da ist durch List möglich, das ist nicht möglich
durch Gewalt: I
Durch des Krähweibchens Goldkette die schwarze Schlang’
getödtet ward. II
Sei kraftvoll oder sei schwach er, ein Gefährte verstärket
stets: |
Der Hülse auch nur entbehrend das Reiskorn keine Spros-
sen treibt. Il
Erst sieh’, dann setz’ den Fufs nieder! erst seih’s klar, dann
das Wasser trink’! I
Wahrheitgeklärt sei dein Reden, herzensrein sei der Wan-
del dein. Il
Mit Kön’gen halte nicht Freundschaft, nicht Freundschaft
halt’ mit Bösen du!!
Auch mit Unklugen nicht Freundschaft! mit Schlangen soll
man spielen nicht. Il
Mutter nicht, Vater nicht mitgeht, nn der leibliche Bru-
der auch:
In Glück aber und in Unglück ah mit dem jungen Kalb
die Küh’. Il
Mit hoher Herrschaft Verbindung schlielse man Nauen ir-
gendje: |
Geht sie, dann der Respekt aufhört: kommt sie, kostet es
vieles Geld. Il
Was soll Verbindung wohl helfen? üb’r die Natur kommt
man nicht weg. |
Sıeh! wird durch ae Frucht-Mischung ein herber Saft
wohl jemals süls? U
Auch Tugendsame sind lässig, wenn Niemand ihre Tugend
braucht; I
vom 23. Juni 1864. 425
Auch ein Wasserkrug sinkt unter im Brunnen, ob auch gut
und voll. Il
108. Die Guten wie die Kornschwinge lassen was schlecht, hal-
ten was gut: |
Die Bösen wie das Sieb aber halten was schlecht, lassen
was gut. Il
109. Königssohn ! du mögst lang leben! — lebe gar nicht, Asketen-
sohn! |
Stirb oder lebe du, Guter! — Jäger! du weder leb’ noch
stirb! Il
Anmerkungen.
v.1. Vermuthlich nur ein Schreiberstück: päda 1 ist ver-
derbt und auch die Änderung ashtottaragataglokam giebt nur
ärmliche Hülfe. Zwar finden sich grammatische Irregularitäten
auch sonst in diesen Versen mehrfach, s.26. (34.) 39.53. 63. 76.
77.89.98.105.107. Unser Vers indefs, dessen päda 2.3.aus v.3.
entlehnt sind, ist wohl eben nur sekundäre Flickarbeit. Zu vgl.
ist der sehr ähnliche Vers, der sich nach Böhtlingks freund-
licher Mittheilung am Schluls der Cänakya-Sprüche im nitisam-
kalanam (ohne mitgezählt zu werden) vorfindet: yasya vijnäna-
mälrena nrinäm prajnä prajäyate | gatam ashtottaram padyam
Cänakyena prayujyate. — Cänakya wird hier wie in 2. 3 (und
zwar in v.ö auch von 2) irrig mit dentalem n geschrieben. —
2. Haeberlin hat gäszroddhritam. Das erste Hemistich kehrt
als zweites Hemistich des ersten Verses bei Friddha Cänakya
(aber gäszradhritam) wieder, s. Aufrecht a. a.0.—3.4.Haeb.
— 5. wird dem Bhavabhiti zugeschrieben. Der Anfang differirt
(s. Böhtlingk): jnätibhir vantyate naiva. — 6. Die hiesigen
Lesarten sind besser als die bei Haeberlin. — 7. Haeb., der
Plural Srrizyag® ebenso wie hier auch im Hitopadeca. — 8.Haeb,.,
ein sehr verbreiteter Vers, der auch bei Manu, im Mahäbhärata,
Hitopadeca, Vikramacarita etc. wiederkehrt. In päda 4 liest A
von erster Hand pagvädärai(r) dhanair api.— 9. Haeb. hat pa-
radöram, was nicht so gut. — AB lesen parihäsyam. Dem Me-
irum nach gehört sträne zu guroh: also etwa „im Stande des Leh-
426 Gesammtsitzung
rers”, d.i. wenn man Lehrer ist, meide man Spott: ich ziehe indels
die obige Auffassung vor. — 11. dem Bhavabküt, und dem
Fyäsa zugewiesen: auch sonst noch vorkommend. „Gemächlich”
und „ohne Säumen” sind die beiden Gegensätze. — 13. Haeb., zu
den Locativen ist ägrame zu ergänzen. — 14. Kehrt im Hitopa-
dega wieder, mit Varianten (s. Böhtlingk): das zweite Hemi-
stich ist doppelsinnig: dhanus kann auch Nomin. zu dhanu (Mas-
cul.) sein: „einBogen, ob auch aus reinem Rohr, was kann ohne
Sehn’ er thun?” — 18. Haeb., auch im Zitop. Nur 41 hat
pativratä, dagegen A2. B Ovratam.—19.Die hiesige Recension
dieses Verses weicht von der des Paficatantra (s. Böhtlingk)
wesentlich ab. Der leitende Gedanke desselben kehrt, in anderer
Form indessen, im buddhistischen Makasajätaka wieder, s.
diese Monatsberichte 1858 pag. 266. Ind. Stud. 4, 389. —
20. Haeb., wird auch dem Yararuci zugeschrieben und findet
sich im Zitop., zum Theil mit den hiesigen Lesarten, die ich den
von Böhtlingk recipirten vorziehe: vijna findet sich nur hier,
in AB. — 21. Findet sich bei Galanos unter dessen Yarr.
v. 155 und nach Schiefner’s freundlicher Mittheilung auch in
der tibetischen Übersetzung des Cänakya (7,29). — 23 Haeb.,
auch im Zizop.; die hiesigen Lesarten mürkhagatäny, und ganas
tatha sind besser als die dortigen °gatair und °ganair api, die
sich hier nur in 4 von erster Hand finden. — 24 vrixänäm push-
pabhüshanam A von erster Hand. suma, Blume, ist wohl aus
sumanas abgekürzt, und kusuma erst eine weitere Bildung (s.
Ind. Stud. 8, 168). — 25 Kehrt im Pikramacarita wieder (s.
Böhtl. 2968), woher ich dAarmah entnommen habe, wofür AB
varshah, was der Perser durch 525 _» umschreibt, lesen! dagegen
ist das hiesige uddipaka besser als das dortige einfache dipaka,
und suputrah besser als sapuzrah. — 26 Zu vergl. ist, insbeson-
dere für den Anfang, der Spruch des Paficat. bei Böhtlingk
198. gunavadbhäryä ıst irregulär. putra panditah und guna-
vati A1. Der samdhi-Mangel am päda-Schluls (3 und 4) kehrt
in diesen Sprüchen noch mehrfach wieder, s. v. 34. 35. 51 (auch
im päda). 62 (im päda). 64. 78. 80. 105. — 27. 28 Haeb.;
hier hat nur A von erster Hand am Schlusse yarha&.—29 Haeb.,
auch im Zitop.: A hat gatrur dvicärini, mit einer Marke über
vom 23. Juni 1864. 427
dem ravi, welche dasselbe als falsch bezeichnet. vicärin? herum-
streichend, ausschweifend ist besser als vyabhicärini. Der Perser
hat BERN übelthuend.. — 30 Haeb., mit accusativer Construc-
tion und demgemälser Differenz am Schlusse: kunakh? (4B und
auch der Perser) statt des bei Haeb. sich findenden kunadim er-
scheint als ältere Lesart. Der „mit hälslichen Nägeln Versehene”
wird (s. Böhtlingk-Roth im Wört. s. v.) in älteren Texten,
vom Yeda abwärts, mehrfach als zu meiden aufgeführt: was dabei
zu Grunde liegen mag, erhellt nicht recht. Furcht vor An-
steckung kann es nicht sein, es muls somit irgend ein physiologi-
sches oder gentiles Motiv diesen Widerwillen begründen. —
31 Haeb., auch im Panicat., Hitop. Fikram.: die obigen Les-
arten sind die des Zitop.: von erster Hand hatte 4 indessen ähn-
lich wieH a eb. nadinäm ca nakhinäm ca cringinäm gastrapänınam.
— 33 Haeb. — 34 In Cärngadhara’s paddhati: der vierte päda
differirt: kalaham (AB) als neutrum ist ungewöhnlich (als mas-
cul. z. B. auch v. 91) s. indels gana ardharcädi. — 35 alagasya
AB.— 36Haeb., auch im Hitop. Das hiesige samzushiäg caiva ist
besser als das dortige Osht& iva: dagegen ist Olajjäg ca ku® wohl dem
hiesigen Olajjäh suku® vorzuziehen. — 37 Haeb. Zu päda 2
vgl. v.29c. So lange die Frau jung und schön, hat man immer
noch zu besorgen, dals sie sich in Liebschaften einlälst, ist sie
somit noch nicht sicher. 4 hat gaödhyam, mit der Marke der
Änderung über dem g, B demgemäls sabhyam, was der Perser
durch &45 0,» wiedergiebt. Böhtlingk’s Correciur sasyam
gäbe den Sinn: „Korn (lobe man) erst, wenn’s sicher im Hause
ist”. — 39 Kehrt im Hitop. wieder, aber mit hato yajnas tv ada-
xinah, wogegen die neutra der hiesigen Lesart (4) sehr unvor-
theilhaft abstechen. Vgl. dazu noch Haeb. v. 100.— 40 Haeb.,
die hiesigen Lesarten sind aber bei weitem besser. „Nur schwe-
rer”, wörtlich „nicht geringer”: nur, wer in diesem Leben
schwere Bulse übt, hat im künftigen Dasein die Genüsse der
Liebe, des Gaumens, des Reichthums zu erwarten. So auch der
Perser: „durch Frömmigkeit gewinnt man alle dre.”—41 Haeb.
— 44 S. Galanos 7 und vergl. Haeb. 88 (Böhtlingk 2426.
2427). — 45 Variante zu einem im Paäcat., Hitop. sich findenden
Spruche, s.B öhtlingk.— ABlesen irrig agrachäyä. — 46 Haeb.
428 Gesammtsitzung
mit verschiedenen Varianten: sirinäm cäpi A von erster Hand.
—47 kehrt im Hitop. wieder, wo sadbhäva®. — 48 Haeb., auch
im Hitop. Der Schlulspöda auch im Drama Nägänanda !) 12, 17
citirt (aber sarvasy@®). — 49 nihphalam AB. — 50 Das erste
Hemistich kehrt im Zitop. wieder, das zweite differirt. — 51 gä-
yanti ca pitämahöh A von erster Hand. — 52 Haeb., auch Hiz.,
s. Böhtlingk 2225 (1210). — 53 Haeb., auch im Pancaz.
Hit. Die hiesige Lesart dsamixya lälst sich so erklären, dals
das Gerundium mit ö „bis zu” komponirt wäre, wie dies aller-
dings sonst nur mit Accusativen zu geschehen pflegt. — 54 pä-
rukhyam AB., däy& B. — 55 Haeb., mauktikam AB, wie
Böhtlingk conjicirt hat. Vgl. v. 98 und gajamuktd, gaja-
mauktika im Petersb. Wörterbuch. — 56 Zu vgl. ist der Spruch
aus dem Panicat. bei Böhtl. 147. kälasarpo ist Conjectur s.
v. 100: 4B lesen käka sarpo: ebenso der Perser (215), der dazu
auch eine Fabel von der Krähe auf dem Baume und der Schlange
darunter aufführt. — 57 Haeb. Im zweiten Hemistich hat 4
von erster Hand käryakäle na cet pürnam na vidyä na ca tad
dhanam. — 58 pämara, gemein, so der Perser As od, schlech-
ter Mann. „Schäden”, entweder den Schaden Anderer oder die
Fehler Anderer. — 59 Haeb., wo käminäm. — 60. 61 Haeb.
— 62 wird den präjicah zugeschrieben, s. Böhtl. 910. —
63 Haeb. Zu den irregulären Neutren im ersten päda s. v. (34).
39. 89. 98. Der vierte päda differirt. — 64 Kehrt im Panic.
Hitop. wieder, in letzirem Werke mit denselben Lesarten wie
hier. — 65 wird dem Uabhata zugeschrieben und kehrt noch
sonst wieder, s. Böhtl. 2977, von wo ich für päda 2 parican-
kaniyah statt des hiesigen (4B) pariraxaniyah entlehnt habe.
Der Schlufs differirt. — 67 Haeb., die hiesigen Lesarten sind
bei weitem besser: jabhito A 1., janito A 2., janito B. — 68 Of-
fenbar auf eine analoge Fabel wie 56. 64. 100 bezüglich. Der
Perser führt dieselbe auf. — 69 venur venur eva AB. — 70 mä-
iram als Adjektiv „einzig, allein” ist ungewöhnlich. Der Flecken-
lose (Herzensreine) denkt immer nur an die Unglücklichen: der
Sinnliche achtet nicht einmal auf die, welche über ihm stehen
') Dem Werke des räja gri Harshadeva (1, 15).
vom 23. Juni 1864. 429
(1) ws‘). Das zweite Hemistich übersetzt der Perser mit:
„der Kluge und der Gutthätige erkennen die Kleinen neben sich
für grols”. — 71 väkyam gitalam candanam \ hridaye ’rkasam-
äyuktam A von erster Hand. — 72 dhäryamäne A, mäno B. —
73 kehrt im Panicat. Hitop. etc. wieder, und zwar im Hitop. wie
hier, während sonst die beiden Hemistiche umgestellt sind. Unsre
Lesart (AB) viripäya, statt prakopäya, lälst sich wohl halten. —
74 Haeb., kehrt auch im Zitop. wieder. — 75 Haeb., wo sarpät
statt zasmädt. — 76 dhauta als nomen actionis: Waschen. — 77 Eben-
so mrita. Der Freigebige hinterläfst nichts, weil er Alles fortge-
geben. Der Vers wird dem Yyäsa zugeschrieben, s. Böht-
lingk. — 78 Haeb., auch im Hitop. — 79 Offenbar Polemik
gegen die Sitte der Nayren auf Malabar: gyäla, Schwager, be-
zieht sich hier offenbar auf den Vater des Benannten, nicht auf
diesen selbst, bedeutet resp. den Mutterbruder des letztern.— 80 42
lesen krishikim. „Unnütze Pferde im Haus halten”, der Perser.
— 81 Haeb., auch im Hitop. (und s. Paficarätra I, 14, 96):
sirinäm, striyah AB statt des dortigen tösäm, smritah.— 82 kehrt
ım Hitop. wieder, wo wie hier durvritiam, was Böhtl. in %im
geändert hat. — phalam besser als das dortige nünam, ebenso
’harat besser als karet, wie hier auch 4 von erster Hand liest.
—83Haeb., von wo ich °hitena, pädalagnam, kantakeneva ent-
lehnt habe, statt des von AB gebotenen °%0 hi, pade lagnam, kan-
Zakenaiva. „In die Hand nehmend”, so der Perser SC g mn.
— 84. 85 Haeb. Die Ablatıve in 4B. sind besser als die Lo-
cative bei Haeb.: auch die Formen Zlädanäd, lädayet (statt läla°)
erscheinen als älter und richtiger. — 86 Haeb., auch im Paüicat.,
wo ca priya°, während Haeb. ebenso wie hier 4B cä'priya?,
was Beides allenfalls auch geht: doch ziehe ich die Änderung in
vä priya® vor. — 87 wird auch im Cabdakalpadruma unter nästi
dem Cänakya zugetheilt. — 88 sidhyate A 1. Zu vgl. ist Böht-
lingk 2632. 2633. — 89 wird dem Yetälabhatta zugeschrie-
ben und kehrt auch im padyasamgraha wieder, beide Male mit
einigen Varianten (s. Böhtl. 1610), aber mit der auch hier von
AB gegebenen Lesart kim u sävadhanam, die als sävadhänatä
zu fassen sein wird (Böthl. konjicirt kim utä ’vadhänam). Es
ist dies eine irreguläre Form, ebenso wie vayogate und payogate
für gate vayasi, gaie payasi, und wie das Neutrum sefubandham
430 Gesammtsitzung
grammatische Irregularitäten sind. — 90 yazra sädhuh AB, wohl
aber das Adverb. besser: ubi bene ibi patria. — 91 kehrt in
Cärngadhara’s paddhati wieder, wo ajäyuddham, wie hier 4
von erster Hand. Das riskicräddham (vom Perser beibehalten),
Opfer an die Manen der rishi, ist mit grolsem Glanz zu feiern:
die Angabe des Verses ist nun wohl Zweifel an seiner Wirksam-
keit ausdrückend? oder vgl. Böhtl. 3034. — Hier prabhäte (AB),
dort pratyüshe. Der vierte päda differirt. — 92 Dieser Vers
wird auch bei Galanos 66 dem Cänakya zugetheilt. Zum zwei-
ten Hemistich vgl. auch Haeb. v. 3. Böhtlingk 2804 (auch
im Paficat.). — 93 kehrt im Hitop. wieder, in einigen Texten
desselben indels nur das erste Hemistich s. Böhtlingk adl. —
94 auch der Perser hat „ein stolzes Weib”. — 95 wird dem
Vetälabhatta zugeschrieben (Varianten samäyäti sadä und vinir-
yäti sadä). „Unversehens”, „in einem Nu”, so auch der Perser.
— Die Elephanten schlucken die kapittha-Früchte (feronia ele-
phantum) gierig hinter. — 97 Wenn sogar Ganega trotz seiner
hohen Abkunft von Durgä und Civa, trotz seiner eigenen Macht,
doch keinen eignen Kopf hat, wozu dann alles Mühen, selbst
etwas zu erreichen. Da ‚ruhe lieber Alles” (unser: „da hört
Alles auf”). garyam AA, saryam A2. — 98 sthishurapuxasam-
cayam AB. Die Correctur pucha wird durch den Perser (3)
bestätigt. Die Neutra #/ayam und samcayam sind auffällig. Zu
den Perlen in den Wangen der Elephanten s. v.55. Der Löwe
zerreilst und verspeist die Elephanten, daher in seiner Höhle die
Nester derselben. — 99 kehrt im Paricat., Vikramacar. wieder:
im vierten päda Differenz. — 100 kehrt im PaAic. Hitop. wieder,
das erste Hemistich hier mit den Lesarten von AHiz., das zweite
mit denen von Pac. — 101 wird dem Udbhata zugeschrieben,
mit der Variante pariöhrashiah. „Verstärket”, wörtlich „ıst stär-
ker”. — 102 kehrt im Manu wieder, mit kleinen Differenzen, s.
Böhtl. 1232. Vgl. unsers Luther’s: „ıls was gar ist, trink
was klar ist, red’ was wahr ist”. — 103 yäti AB. — 105 saha
mit dem Ablativ konstruiri! — 106 kakhäyo AB. — 107 ced
neben yadi! — 108 sürpavad AB, ebenso Gabdakalpadruma, wo
einige Varianten, s. Böhtlingk. — 109 Der Jäger ist nicht
werth zu leben noch zu sterben.
|
vom 23. Juni 1864. 431
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Comptes rendus de l’Academie des sciences. Tome 58, no. 21—23.
Paris 1858. 4.
Revue archeologique. Paris, Juin 1864. 8.
Annales de chimie et de physique. Paris, Avril 1864. 8.
Abhandlungen der Senckenbergischen WNaturforschenden Gesellschaft.
5. Band, Heft 2. Frankfurt a. M. 1864. A.
Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des
Osterlandes. 6. Band, Heft 1. Altenburg 1863. 8.
de Rouge, Aapport sur la mission accomplie en Egypte. Paris 1864. 8.
(Cavedoni) Nuovi studi sopra la statua di Cesare Augusto. (Modena
1864.) 4.
A.S. Taylor, /ndianology Series 1—4. (The California farmer, San
Francisco 22. Febr. 1860 — 11. Sept. 1863.) f[olio.
Ein Schreiben des Hrn. Malte-Brun, d.d. Paris 10. Juni
c., meldet den Empfang der Monatsberichte von 1863 seitens
der Geographischen Gesellschaft zu Paris.
30. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Rudorff las über den Zider de officio Procon-
sulis.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Libros del saber de astronomia del Rey Don Alfonso Ä de Castilla.
Tomo 1.2. Madrid 1863. folio.
Memorias de la Real Academia de ciencias de Madrid. Tomo II, 3.
VI, 1. Madrid 1863—64. 4.
Natuurkundige Verhandelingen. Vol. 18. Haarlem 1863. 4.
Fr. Lenormant, Monographie de la voie sacree Eleusienne. Livr. 1—3.
Paris 1864. 8.
432 Gesammitsitzung vom 30. Juni 1864.
Ch. Lenormant, Memoire sur les peintures que Polygnote avait execu-
tees dans la Lesche de Delphes. Bruxelles 1864. 4.
M. Paic’, System einer Universal-Sprache. Wien 1864. folio.
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat Juli 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
4. Juli. Sitzung der philosophisch -histo-
rischen Klasse.
Hr. Homeyer hielt den Schlufsvortrag über den Drei-
fsigsten, vgl. den Monatsbericht von 1862 S. 537, von 1863
S. 640.
Der erste Vortrag führte das Institut von seinen frühsten
Keimen bei Israel in Egypten bis zu seiner Gestalt im deut-
schen Mittelalter hin, und zwar nach seiner dreifachen Seite,
der religiösen, der welilich festlichen und der juristischen. Der
zweite verfolgte die kirchliche und weltliche Feier bis zur Ge-
genwart, überliels die weitere Entwickelung der rechtlichen
Bedeutung dem heutigen Tage.
Die juristische Seite zeigen die deutschen Quellen in
einer schwachen Spur erst im zwölften Jahrhundert. Doch bald
darauf tritt der Dreifsigste als Rechtsinstitut im Sachsenspiegel
so ausgebildet hervor, dafs an einer langen Vorgeschichte nicht
zu zweifeln, s. den Monatsber. von 1862 S. 539, 540. Seit-
dem begegnen wir ihm unter jenem Namen, oder als Vierwo-
chentag, maniverst d. ı. Monatsfrist, und — vielleicht daraus
entstelli — manivest, durch die sechs Jahrhunderte die uns von
Eike v. Repkow trennen bis zur neusten Zeit in Quellen aller
[1864.] 33
434 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Art und der verschiedensten Gebiete. Es haben etwa 180 ihn
betreffende Bestimmungen aus den Rechtsbüchern, den Weis-
thümern, Urtheilen, Statuten, Landrechten, von Frankfurt a. M.
und Bregenz bis Liv- und Esthland, von Siebenbürgen bis
Schleswig hin sich zusammengefunden. Diese Zeugnisse ergeben
auch, dafs der Dreilsigste seit dem Einflusse des römischen
Rechts zwar durch eine Verknüpfung mit den Lehren von der
Antretung der Erbschaft, der Überlegungsfrist, der heredizas ja-
cens, dem letzten Willen u. s. w. mehrfach eine andre Anwen-
dung gewann, doch keinesweges den fremden Satzungen erlag.
Noch Leyser versichert: hodie etiam tricesimus per totam fere
Germaniam usu servatur. Späterhin hat seine Geltung manche
Einbufse erlitten. Die neuern weithinreichenden Codificationen
des A. Preufsischen Landrechts, des Code civil, des Österreichi-
schen Gesetzbuches nehmen ihn nicht auf. Dennoch erkennen
ihn noch zahlreiche jetzt anwendbare Normen, worunter ja der
Sachsenspiegel selber, namentlich der sächsischen und thüringi-
schen Gebiete an. Selbst das neueste bürgerliche Gesetzbuch
des Königreichs Sachsen v. J. 1863 bewahrt dem Dreilsigsten
eine Bedeutung.
Die bei jenen einzelnen Bestimmungen waltenden Grund-
gedanken sind dahin zu fassen. Um das Gedächtnils des Tod-
ten zu ehren, soll dem Sterbhause das weltliche Getriebe, soll
den Hinterbliebenen die Sorge um die Nachlalsgeschäfte noch
für diejenige Zeit fern bleiben, welche das Christenthum als
Tage der tiefen Trauer in den Büchern Mosis vorfand. Zu-
gleich soll den Hausgenossen, vor allem der Wittwe die bis-
herige Lebensgewöhnung nicht in zu raschem Wechsel entzo-
gen werden. Diesen Anforderungen stellt sich freilich der Satz:
der Todte erbet den Lebendigen, der sofortige Eintritt des Er-
ben in die Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers entige-
gen. Die Rechtssitte aber sucht beides, jene Stille des Sterbe-
hauses, die Scheu vor einer plötzlichen Umkehr und diese
Befugnisse und Obliegenheiten des neuen Herrn gegen einander
auszugleichen.
Die nähere Weise der Vermittlung ist darzulegen, indem
zunächst die rechtliche Stellung der Betheiligten bis zum Drei-
[sigsten, sodann dessen Eintritt selber mit seinen Folgen ange-
vom 4. Juli 1864. 435
geben, in jedem dieser Stadien aber die rein deutsche Gestalt
den aus der Berührung mit dem römischen Recht hervorgegan-
genen Erscheinungen vorangeschickt wird. Also schematisch
I. Die Zeit zwischen dem Tode und dem Dreifsigsten.
A. Das ältere deutsche Recht auf der Grundlage des Sach-
senspiegels.
1. Stellung des Erben. Das sächsische Landrecht sagt I 22
$ 1 “der Erbe mag wohl fahren zu der Wittwe in das Gut
vor dem Dreilsigsten, damit er bewahre, dafs nichts von dem
verloren gehe, was ihn ireffe (alias ihm gebühre, an ihn er-
storben ist)’. Also das Erbe gehört ihm schon, aber vorläufig
soll er nur ein Auge auf den Nachlafs haben, ihn bewachen
dürfen. Weiter: “mit seinem Rathe soll auch die Frau das
Begräbnils und den Dreifsigsten ausrichten”. Also derjenigen
liegt die Besorgung ob, welche bisher das Hauswesen leitete
und zugleich am innigsten mit dem Verstorbenen verbunden
war. Aber sie bedarf dabei der Zustimmung des Erben, denn
aus seinem Gute werden doch vorzugsweise die Kosten der
geistlichen und weltlichen Feier bestritten. Auf diese beiden
Stücke beschränkt sich zunächst des Erben Einwirkung, denn
“anders soll er keine Gewalt haben an dem Gute bis an den
Dreifsigsten”. Er wird also auch bis dahin keine Erbschafts-
forderungen einklagen dürfen.
Die Neueren sind getheilter Meinung darüber, ob die obi-
' gen Bestimmungen dem in das Haus ziehenden Erben die Be-
sitznahme des Nachlasses gestatten. Die Frage ist mit der
Glosse zu Ssp. I 22 dy erve sal sik des erves vor deme drütti-
| gesten nicht underwinden zu verneinen. Der Ssp. sagt nicht
etwa: der Erbe dürfe das Gut in seine Gewere nehmen, oder
sitze mit der Frau in den Geweren. Er bedarf auch, da er
doch über den Nachlals nicht zu schalten und zu walten hat,
keiner Besitznahme; zum “Bewahren” aber, dafs nichts von dem
Ererbten ihm entfremdet werde, reicht vor der Hand das Auge
| hin, bei der Gefahr eines Verlustes die Anrufung richterlicher
, Hülfe.
Die Sätze des Ssp. werden durch spätere Statuten oder
| durch die Praxis noch in manchen Punkten ergänzt. Dem Er-
ben werden z. B. vor dem Dreilsigsten doch unaufschiebliche
33*
436 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Handlungen gestattet. Gleichwie der Erbe des Mannes zu der
Wiitwe, so mag auch der Erbe der Frau zu dem Wittwer ein-
fahren. Jene Bestimmungen werden auf den Fall beschränkt,
wenn beim Tode des Ehegatten keine Kinder vorhanden sind.
2. Stellung der Wittwe. Schon die obigen Worte des
Ssp. lassen schliefsen, dafs sie bis zum Dreilsigsten im Hause
bleibe, von den Vorräthen zehre und die Verwaltung führe.
Spätere Quellen und die Jurisprudenz bestätigen dies ausdrück-
lich. Eine eigenthümliche Ausdehnung dieses Rechts auf ein
ganzes Trauerjahr gewähren der Wittwe das Liv- und Cur-
ländische Recht, auch das Pommersche Lehnrecht; jedem der
überlebenden Ehegatten das Hamburger Recht.
3. Der Ssp. gedenkt auch I 22 $2 des Gesindes. Man
soll es “halten” bis zum Dreilsigsten, damit es sich wieder ver-
miethen möge, falls nicht der Erbe, wie er darf, es bis zu der
bedungenen Zeit behalten will. Immerhin braucht es den etwa
im Voraus empfangenen Lohn nicht zurückzuzahlen.
Während neuere Gesindeordnungen zwar bei dem Grund-
satze verbleiben, dafs der Erbe den Dienstvertrag gegen eine
gewisse Entschädigung lösen dürfe, aber die Schadloshaltung
richt grade durch das Halten bis zum Dreilsigsten gewähren,
hat das neueste Sächsische Gesetzbuch den Gedanken des Ssp.
in folgender allgemeineren Fassung festgehalten.
& 2249. Personen, welche mit dem Erblasser bis zu sei-
nem Tode in häuslicher Gemeinschaft lebten, und auf
seine Kosten unterhalten wurden, sind befugt, bis zum
30ten Tage nach dem Tode des Erblassers in dem Ge-
brauche der Wohnung und des Hausraihes zu bleiben
und den erforderlichen Unterhalt für Rechnung der Erb-
schaft zu beziehen.
4. Die über dem Vermögen waltende Ruhe wirkt also ein-
mal gegen den Erben durch die Beschränkung seiner Herr-
schaft. Aber ferner auch für ihn. Der Ssp. hält IIT15 $$ 1, 2
eine Klage gegen ihn auf ein Nachlafsstück erst nach dem
Dreilsigsten für möglich. Diese Sistirung trifft, aufser den An-
sprüchen der Miterben auf Theilung, zunächst die Ansprüche
der Successoren in besondre CGomplexe, welche als Gerade,
Heergeräthe, Mustheil, Morgengabe, Sterbfall, Lehn aus dem
vom 4. Juli 1864. 437
eigentlichen “Erbe” ausgeschieden werden. Grade das älteste
Zeugnils über die rechtliche Bedeutung des Dreifsigsten, das
Soester Hofrecht (Mon.-B. 1862 S. 539) gewährt dem Herrn
des verstorbenen Hörigen das morzuarium erst celebrato triee-
sino. Sodann ruhen noch die durch des Erblassers Anordnun-
gen von Todes wegen begründeten Ansprüche auf Leibzucht,
freiwillige Morgengabe, Vermächtnisse. Endlich die Forderun-
gen der Erbschaftsgläubiger, denen dann auch andrerseits vor
dem Dreilsigsten keine Verjährung läuft. Selbst eine richier-
liche Auspfändung oder Beschlagnahme im Wege der Execu-
tion ist nach der Glosse zu Ssp. I 22 nicht zur Störung des
Begräbnisses und des Dreilsigsten gestattet. Und nach der
Praxis soll ein Arrest zur Sicherung eines Anspruches nur in
den dringendsten Fällen angelegt werden. Andrerseits, will sie
freilich pi@ legata et ea quae defuncius statim post mortem solvi
voluit, auch vor dem Dreilsigsten erfüllt wissen.
5. Aus dem dergestalt noch ungesonderten Nachlafs, dem
noch gemeinen Gute werden, wie das Begräbnils und der Drei-
[sigste, so auch die Kosten des Haushalts während der Monats-
frist bestritten.
B. Wie wirken nun die Grundsätze und Institute des frem-
den Rechts auf diese Zeit der Vermögensruhe?
1. Das römisehe Recht fordert regelmälsig zum Erwerbe
der Erbschaft aulser dem Anfall noch eine Antretung seitens
des Erben. Ist nun dieser Antritt schon vor dem Dreilsigsten
gestattet? Gewils, denn die blofse Erklärung, Erbe sein zu
wollen, stört die Ruhe nicht, bricht nicht den szazus quo. An-
drerseits ist in jenem Einfahren des Erben, und in der Mitbe-
sorgung des Begräbnisses noch keine adizio zu erblicken.
2. Jenes Erfordernifs der Antretung kann zu einer längern
Herrenlosigkeit des Nachlasses führen. Das römische Recht
füllt die Lücke zwischen dem Tode des alten und dem Eintritt
des neuen Gebieters durch die Vorstellung, dafs die erblos dar-
nieder liegende Erbschaft selber vice personae fungiere. Dieser.
hereditas jacens steht scheinbar der bis zum Dreilsigsten ruhende
Nachlafs so nahe, dals die sächsischen Juristen seit dem 16ten
Jahrhundert zu dem Ausspruche verleitet wurden: die kereditas
sei stets bis zum Dreilsigsten eine jacens und repräsentiere den
438 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Verstorbenen. Sie giengen noch weiter durch die Aufstellung
der Fiction: der Verstorbene sei dreilsig Tage nach seinem
Tode noch als lebend zu denken. In diesem Satze meinten sie
den Schlüssel zu allen einzelnen Bestimmungen über den Drei-
[sigsten, das juristische Princip des Instituts gefunden zu haben,
welches dann auch die Lösung der in den Quellen unentschie-
den gelassenen Fragen biete.
Die neuere Jurisprudenz ist von dieser Anschauung mehr
und mehr zurückgewichen. Sie hält auch in der That nicht
Stich. Nach der deutschen Sitte soll auch dann, wenn bei dem
Todesfall der neue Hausherr sofort feststeht, dreilsig be-
stimmte Tage lang die Ausübung der den Nachlals beiref-
fenden Rechte sowohl für den Erben als gegen ihn möglichst
ruhen. In der römischen hereditas jacens dagegen soll statt
des noch fehlenden neuen Gebieters und grade so lange er
feblt ein Vertreter gefunden werden, und zwar damit die Ver-
mögensthätigkeit nicht unterbrochen werde. Die Aereditas
jacens vertritt ferner in ihrem richtigeren Sinne nicht unmititel-
bar den Erblasser, sondern vicarıirt für den dereinstigen, den
Erblasser repräsentirenden Erben. Die Fiction sodann von
dem Fortleben des Erblassers wird in keiner Quelle ausgespro-
chen. Sie palst auch nicht zu den einzelnen Bestimmungen,
dafs der Erbe befugt ist, sofort in das Haus einzufahren, dafs
die Gläubiger mit ihren Forderungen warten müssen, dafs den
Dienstboten kein Lohn über den wirklichen Tod hinaus ge-
bührt. Sonach ist auch die Lösung jener weiteren Fragen nicht
durch diese Fiction zu suchen.
3. Der deutsche Erbe, wenn er gleich schon mit dem An-
fall am Todestage die Erbschaft erwirbt, ist doch als befugt zur
Ablehnung zu erachten. Die Erklärung hierüber mag er natür-
licherweise bis zu dem Tage verschieben, da seine Herrschaft
in volle Wirksamkeit treten soll. So versammelt der Königs-
sohn Josaphat am dreilsigsten nach des Vaters Tode die Grolsen
zur Gedächtnifsfeier und verkündet ihnen dann seinen Verzicht
auf die Nachfolge. Und solche Benutzung der dreilsig Tage
als einer Art Besinnungsfrist tritt auch schon während des
deutschen Mittelalters immer deutlicher hervor.
vom 4. Juli 1864. 439
Das römische Recht nun heischt nicht nur einen besondern
Act des Erben zum Erwerbe, sondern läfst auch den Nachfolger
in stärkerem Maalse als das deutsche für die Verbindlichkeiten
des Erblassers haften, legt also überhaupt der Erklärung des
Erben eine gewichtigere Bedeutung bei und räumt ihm zu dem
Ende ein bestimmtes spatium deliberandi ein. Beim Eindringen
des fremden Rechts ist aber doch die alte Sitte vielfach dahin,
dafs der Erbe sich bis zum Dreifsigsten nach dem Tode zu er-
klären habe, bestätigt worden; während andern Orts theils eine
eigenthümliche Frist, theils eine Annäherung oder gar, wie in
der sächsischen Praxis, ein entschiedener Anschlufs an die römi-
schen Bestimmungen zu Tage kommt.
4. Seit dem Ende des Mittelalters findet sich in Deutsch-
land eine Versiegelung des Nachlasses ein. Sie knüpft sich
theils an die deutschrechtliche Befugnils des Erben, den Nach-
lals zu beaufsichtigen, und zwar für einzelne besondre Fälle,
z. B. wenn der Erbe unmündig oder ein Auswärtiger ist, an;
theils dient sie dem römischen denefcium inventarü als Vorbe-
reitung zur Aufnahme des Verzeichnisses und tritt dann als all-
gemeine Regel ein. In dieser oder jener Weise aber soll die
Versiegelung bald nach dem Ableben geschehen, mag also durch
sie die Stille des Sterbehauses allerdings Abbruch leiden.
I. Der Eintritt des Dreilsigsten mit seinen Folgen.
A. Der entscheidende Tag berechnet sich nach dem Tode
des Erblassers, nicht nach der Wissenschaft des Erben vom
Tode, wie Manche nach falschen Analogien haben annehmen
wollen. Dagegen ist es, weil der rechtliche Termin sich an
die kirchliche und weltliche Feier anschlofs, diese aber nicht
strenge die 30 Tage innehielt, wohl geschehen, dals auch die
juristischen Folgen nicht genau mit dem Ablauf dieser Zeit ein-
traten. Es bedurfte hier zuweilen gesetzgeberischen Einschrei-
tens. Ferdinand I. verordnete für Österreich, dals “weil die
Dreiflsigsten oft erst nach vielen Monaten angestellt würden,
doch hinsichtlich der Erben die Zeit eines Dreilsigst nicht
weiter als auf 30 Tage nach dem Tode” sich erstrecken solle.
Im protestantischen Deutschland band sich, als die kirchliche
Feier schwand, die rechtliche Wirkung von selbst wieder ge-
nauer an den Monat. Übrigens zeigt sich, dals der Umschwung
440 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
in der rechtlichen Stellung, also die Besitznahme des Erben,
seine Erklärung, die Entsiegelung, die Theilung etc. zwar regel-
mälsig nach der Feier, aber noch an demselben Tage statt-
findet oder doch beginnt. So berichtet noch für die Gegen-
wart Hr. Kyd in Brunnen (s. Mon.-Ber. 1863 S. 642): “Nach
dem letzten Besuch des Grabes am 30sten kommen die Erben
in das Haus des Verstorbenen. Man löscht das Dreifsigstlicht,
das bis dahin im Zimmer des Verstorbenen Tag und Nacht
brannte Nach dem Essen fangt man an ein Inventar zu zie-
hen, die Theilung vorzunehmen etc.”
Die einzelnen Folgen des Eintritts sind nun:
1. Die Wittwe räumt Haus und Hof mit den ihr gebüh-
renden Vermögensstücken, mit der Gerade, der Morgengabe,
der Leibzucht etc. auch der Hälfte des Mustheils d. i. des nach
dem Dreifsigsten übrig gebliebenen Speisevorraths, I 22 S 3.
Gehören zu der Morgengabe Gebäude ohne den Grund und
Boden, so hat sie zu deren Wegführen noch 6 Wochen Frist
nach dem Dreifsigsten, 1 20 $2. Zeigt sie sich beim Begräb-
nils oder auch nur am Dreifsigsten schwanger, so bleibt sie in
des Mannes Hause, bis sie des Kindes genesen ist und ihren
Kirchgang gehalten hat, I 33. Es versteht sich, dals wenn sie
nach dem ehelichen Güterrecht mit des Mannes Erben, insbe-
sondre mit den Kindern in ungezweieten Gütern sitzen bleibt,
alle jene besondern Folgen des Dreilsigsten für sie wegfallen.
2. Der Erbe mag nunmehr sich des Gutes unterwinden.
Einer feierlichen symbolischen Besitznahme wird in unsern
Quellen für Privatpersonen nicht gedacht, doch deutet der Ri-
tus der Besteigung des Stuhls zu Aachen seitens des neuer-
wählten deutschen Königs, die Einnahme des Hochsitzes in Skan-
dinavien (Mon.-Ber. 1862 S.541), der yrfestöl bei den Angel-
sachsen darauf hin, dals in ferner Vorzeit auch der germanische
Erbe den Beginn seiner Gewalt mit der Einnahme des väter-
lichen Sitzes bezeichnete. Macht am Dreilsigsten kein Erbe
seine Rechte geltend, so nimmt die richterliche Gewalt den
Nachlafs an sich, um ihn noch Jahr und Tag für den sich spä-
ter Meldenden zu bewahren. |
3. Am Dreilsigsten beginnt die Auseinanderseizung unter
den am Nachlasse Betheiligten, insbesondre die Theilung unter
vom 4. Juli 1864. 441
den Miterben. Das bezeugt zwar nicht der Sachsenspiegel aus-
drücklich, aber eine Reihe andrer Quellen. Noch Stryk sagt
allgemein: praxi Germaniae receptum volunt, hereditatis divisio-
nem ante irigesimum a morte diem suscipiendam non esse und
antwortet auf die Frage, ob denn nicht, falls keine Wittwe
vorhanden, die Erben unter sich vor dem Dreifsigsten theilen
mögen: vulgus existimat, turbari quietem defuncti et huic ma-
culam inferri, si citius hereditas dividatur. Dieses Hinausschie-
ben der Theilung hat zwar nicht im gemeinen Sachsenrecht —
wohl weil der Ssp. schweigt — aber anderswo z. B. in Frank-
furt a. M., im Gebiete des Solmsischen Landrechts, in der
Schweiz sich erhalten.
4. Mit dem Dreilsigsten werden gegen den Erben die bis
dahin ruhenden Ansprüche auf das Lehn, die Gerade, die Leib-
zucht, die Vermächinisse u. s. w. wach. Dabei hat sich die
viel erörterte Frage erhoben, ob fruchtiragende Gegenstände
dieser Art, z. B. ein Lehngut, von dem Lehnfolger mit den
Früchten seit dem Tode des Erblassers gefordert werden kön-
nen, oder ob sie bis zum Dreilsigsten ins Erbe fallen. Die
Chursächsische Constitution III 32 läfst für den besondern Fall,
dals Zinsen und Kornpächte zu einem Lehn gehören, diese Ci-
vilfrüchte, falls sie noch innerhalb des Dreilsigsten fällig oder
betagt werden, den Allodialerben folgen. In diesem Aus-
spruche fand die Doctrin des Landes die Anerkennung des obi-
gen Princips, dafs der Erblasser noch bis zum Dreifsigsten als
lebend gedacht werde. Sie hat daher diese Entscheidung auch
für andre von dem Erben herauszugebende Vermögensstücke
und für andre Arten von Früchten, für Industrial- und Natural-
früchte angewendet. Die Jurisprudenz dagegen der thüringi-
schen Länder, die zwar das gemeine Sachsenrecht, aber der
Regel nach nicht den Inhalt der Chursächsischen Constitutionen
für sich anerkennen, hat sich von diesen Grundsätzen frei ge-
halten, und mit Recht. Dafs der Erbe die Ausantwortung jener
Gutscomplexe an die Wittwe, die Lehnsfolger, die Schwert-
magen, die Legatare u. s. w. bis zum Dreilsigsten hinausschie-
ben darf, thut dem Erwerbe ihres Rechts am Gute zur Zeit
des Todes selber keinen Eintrag. Der natürlichen Folge, dafs
den Berechtigten auch die Früchte des Erworbenen seit dem
442 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
Erwerbe gebühren, tritt der Ssp. nirgends entgegen. Die
Herleitung einer widerstrebenden allgemeinen Regel aus einer
den Verstorbenen vertretenden Aereditas jacens und aus einem
Fortleben des Verstorbenen bis zum Dreifsigsten zerfällt mit
diesen Fictionen selber. Hienach ist die specielle Bestimmung
jener Constitution von 1572 eng zu deuten und weder auf
andre Vermögensstücke, noch auf andre ihrer Früchte, noch auf
andre Landesgebiete auszudehnen.
B. Auch für die Zustände nach Eintritt des Dreilsigsten
zeigt sich ein Einfluls des römischen Rechts und der neuern
Reichsgesetze.
1. Als das fremde Recht mit der Forderung eindrang, der
Erbe habe den Nachlals aufzeichnen zu lassen, wenn er sein
eigen Gut gegen die Haftung für die Schulden des Erblassers
sichern wolle, gieng eine ältere Ansicht dahin, dals diese In-
ventarisierung noch vor dem Dreilsigsten erfolgen müsse. Die
neueren Juristen und gesetzlichen Bestimmungen, insoweit sie
hier überhaupt den Dreifsigsten berücksichtigen, wollen dagegen
den Act nur aulserordentlicher Weise vor dem Dreilsigsten, in
der Regel erst nachher vorgenommen wissen. Das entspricht
sicherlich dem Sinne des Instituts; denn wie vermöchte die
Stille des Sterbhauses mit der genauen Aufzeichnung eines ir-
gend erheblichen Nachlasses zu bestehen.
2. Seitdem Testamente üblich geworden, hat man deren
Eröffnung und Publication häufig in folgerechter Weise auf den
Dreilsigsten gesetzt. So bestimmt schon ausführlich die Tyroler
Landesordnung von 1526. Auch das neueste Sächsische Gesetz-
buch verordnet $ 2227, dals der Richter von Amtswegen ge-
richtlich niedergelegte Testamente eröffne, wenn seit dem Tode
30 Tage abgelaufen sind.
3. Die Reichspoliceiordnung hat ja den Satz, dafs nicht nur
die impuberes sondern auch die minores unter Vormündern ste-
hen sollen, bestätigt und die Obervormundschaft der öffent-
lichen Behörden weiter ausgebildet. Seitdem findet sich in
vielen Stadt- und Landrechten bestimmt, dafs die Verwandtschaft
der Pflegebedürftigen deren Bevormundung binnen dem Drei-
fsigsten beantragen, nach dessen Ablauf aber der Richter von
Amtswegen für dieselbe sorgen soll.
vom 4. Juli 1864. 443
Schliefslich möge noch auf die innern Ursachen des Ab-
bruchs, den die rechtliche Seite des Dreilsigsten seit einem
Jahrhundert erlitten hat, zurückgeblickt werden.
Ein Hauptgrund liegt doch in dem häufigen Wegfall des
kirchlichen und in Folge dessen auch des weltlichen Begängnis-
ses am Dreilsigsten, also in dem Zusammensinken zweier Ele-
mente, mit denen das rechtliche aufs innigste im Leben sich
verbunden hatte. Damit schwächt sich zunächst die Pietät ge-
gen diese bestimmte Frist als Zeit der tiefern Trauer, das Be-
wulstsein des Volks von einer Bedeutung des Dreilsigsten über-
haupt. Sonach treten auch die rechtlichen Folgen zurück, wo
sie nur auf dem Herkommen beruhten, nicht durch gesetzlichen
Buchstaben gehalten wurden.
Aber auch das geschriebene Recht sagte sich, wenn man zu
einer neuen Redaction, oder gar zu umfassenden Codificationen
schritt, bei dem Suchen nach dem allgemein Vernünftigen oder
doch Zweckmälsigen, los von der alten, im Volksleben erster-
benden Zahl. Allerdings mag ja ein monatliches Ruhen der
Disposition über den Nachlafs, ein so langes Hinausschieben der
Theilung oder der Ansprüche mancherlei industrielle Nachtheile
herbeiführen. Es kann überhaupt zweckgemälser erscheinen, den
Wiederbeginn der Thätigkeit nicht an eine ein für allemal be-
stimmte Zeit zu binden, sondern den Termin dem Gutbefinden
der Behörden, der Übereinkunft der Betheiligten je nach den
besondern Umständen zu überlassen.
Dennoch ist, nach der Macht welche dem Bestehenden an
sich beiwohnt, auch da, wo jene Feier des Dreilsigsten ge-
schwunden, doch seine juristische Bedeutung häufig bewahrt
geblieben. Wie einerseits der heutige jüdische Gebrauch die
30 Tage noch als reine Trauerzeit, ohne Einwirkung auf die
Stellung des Erben auffalst, so sind diese Tage andrerseits in
den Ländern des gemeinen Sachsenrechts, in Liv- und Esthland,
in vielen Städten für diese rechtliche Stellung allein einfluls-
reich geblieben. Und endlich giebt es Gebiete, wo noch in
alter Weise an demselben hergebrachten Tage für die Seele des
Verstorbenen gesorgt, auf sein Gedächtnis getrunken, und sein
Gut gänzlich in die Hände der Erben gelegt wird. Den Be-
richten aus Bayern, aus der Schweiz (M.-B. 1863 S. 642 ff.)
444 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
tritt noch einer aus Westfalen hinzu. In der Gegend von Bra-
kel, zwischen Driburg und Höxter, war es, wenigstens vor
20 Jahren noch Gebrauch, dals die zur kirchlichen Feier des
Dreifsigsten herbeigekommenen Verwandten und Hausfreunde
zugleich die neuen im Haus- und Güterwesen nöthigen An-
ordnungen besprechen. Bis zum Dreilsigsten dauert die tiefe
Trauer fort. Bis dahin bleibt alles im alten Gange; es gilt als
ein arger Verstols gegen die den Eltern schuldige Pietät, gegen
die gute Sitte, wenn ein Erbe daran denken wollte, vor dem
Dreifsigsten das Testament zu eröffnen oder andre Verände-
rungen eintreten zu lassen. Erst am Dreilsigsten betrachtet
sich der Sohn als Nachfolger auf dem väterlichen Erbe; die
Geschwister, selbst die Mutter reden nun von ihm als “unserm
Herrn”.
Eine weitere Forschung mag der Sitte auch sonst noch in
vorherrschend katholischen Gebieten des nördlichen Deutschlands
begegnen.
Hr. Bekker setzte seine hemerkungen zum Homer
fort (s. p. 185).
XXXIV.
1.
Was ich Homer.Bl. p. 316 2—9 von ?he gesagt habe, auf
eine einzige und aus dem zusammenhang gerissene stelle ge-
stützt, nehme ich zurück, nachdem ich bei W. Carey Hazlit:
(Remains of the early popular poetiry of England) an fünf stel-
len gefunden so mote I the (The kyng and the hermyt v. 120
204 312 342 432) gleichbedeutend mit so mote 7 thrive (v. 144);
woraus erhellt dafs zre unser gedeihen ist, mit r7 aber nichts
gemein hat.
2.
Die verse E61—65 würden natürlicher so auf einander
folgen:
vom 4. Juli 1864. 445
Y ya FToU ye Seo: zara vorrov Eöycav,
d6 nv Em Evdurtws Ecbirsı za Arc Omassev,
oizov FE 2A Hnoov TE WorUMUAOTYV TE YUvalAe,
ci Fs m orzne auae EUDunos Edwzev,
©: 0 moAAE zaumoı, Teos Ö Em Eoyov een.
»rycw, ın der umfassenden bedeutung die später 0205 übernimt
(s. Xenophon Oecon. 1 5), verlangt die theile woraus sie be-
steht unmittelbar:
zricw Zuyv, Öndas Te zur Unbegepes neye Sana T 333,
wo noch falsch interpungirt ist, 7 225 = 526. vgl. Homer. Bl.
p- 229 14.
dafs in dem letzten verse (65) Aristarch gelesen habe
sünogbov «een, wird den scholien schwerlich jemand glauben.
wollte der grammatiker etwa Zupmogcbov für zoruwvioryv? denn
dies beiwort konte ihm leicht zu vornehm scheinen für die
Suwy. Muyeras @Aoyovs haben des Priamos söhne und schwie-
gersöhne (Z 246 250), und Achilleus 1399, Agamemnon « 36,
Iphidamas A 242, Odysseus A 177; und woruuuyern PBasirsıe
heifst Penelope 8 170 .L 149'); um Nausikaa werben die edlen
im lande £ 34 284, um Pero alle ringsum i 288. den knecht
überhob der herr uvnorVos doyanens; der wahl und der qual, da-
durch dals er ihm die erste beste 3:z:%5 verordnete.
&
Das neunte buch der Ilias hängt mit dem achten zusam-
men ungefähr wie das zweite mit dem ersten. dort folgt auf
Zeus zuSeüde fast sofort Ai © oUx Eye vnöumos Umvos: hier
stehn wir am ende einer nacht und erwarten die ereignisse des
folgenden morgens, werden aber zurückgeführt in den tag des-
sen sonne bereits © 485 untergegangen ist.
die Troer halten wache, die Achäer hält $vge« (L1). in
dem wiederholten und entgegengesetzten halten finden die scho-
lien eine schönheit: mancher wird darin eine nachlässigkeit fin-
den, oder eine spielerei, die um so weniger anspricht als duc«
überall dasselbe ist mit duyy (s. #140 O 62 366 P 388 £ 269
e 438) wie mebuforss mit mebeuyorss oder mebuyusvor, puyn
aber eher treibend und jagend als haltend gedacht wird. wenn
“ ) ihre base Helena kent Homer weder als solche noch als umworben
von den fürsten insgesamt (Isokrates 10 39, Eurip. Iphig. in Aul. 51,
Apollodor 3 10 8).
446 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
sodann diese buge doßou #gudevrog Eraioy heilst, so wird, weil
&oßos gewöhnlich auch nichts anders ist als buy, puyn duyns
£roion. da ist doch des 7’ He Boßos ein besser assortirtes
par (A 440 A 37 O 119).
den gesamten zustand des Achäischen heeres anschaulich zu
machen wird eine vergleichung angestellt (4—8). aber zwei
winde, die beide von Einem lande her wehen, entziebn sich
selbst der anschauung; und dem von der flut ausgespülten tange,
was entspricht dem in der bewegten menschenbrust oder in der
aufgeregten menge?') nichts zu sagen von dem schwer ver-
ständlichen mugeE ara (7): für map I dros?
wer eine versamlung beruft &s yzAv zeradvuvre«, handelt
non, Grag oU ara zosaov (y 138). indess hat es Hektor ge-
tan © 489, und Agamemnon tut es ıhm nach 19—12. dafs er
die sache nicht den herolden überlässt wie B 50, sondern sich
selbst darum bemüht unter den ersten (herolden?), das begrei-
fen wir allenfalls, wenn wir T40 eine solche berufung von
Achilleus allein besorgt sehn, so dals wir auch A 54 und ® 484
ähnliches eingreifen der helden annehmen müssen, immer wohl
mit hülfe der dss«, wie sie B93 sich tätig erweist: dafs er
aber den helltönenden aufgibt nicht zu schreien sondern nament-
lich einen jeden einzeln einzuladen (11), und dafs dies die neun
(B 97) an mehr als hunderttausend menschen bei nächtlicher
weile zu stande bringen, wer begreift das? die scholien haben
es nicht begriffen, helfen sich aber damit dafs sie die &yogy7 ohne
weiteres in das gerade gegenteil (B53 y 127) verkehren, in eine
BovAn yegavruw. das passt höchstens zu der anrede v. 17, passt
aber nicht schon zu der einleitung dieser anrede v. 16, und
nicht dazu dals die versammelten vies ’Aycısöv genant werden
v.30, oder gar zu v.50 (ravres Erioy,ov vies "Ayaııv); ferner
nicht zu v. 66, wo die dogr« nicht der fürsten sind die Aga-
memnon bewirtet, sondern der Acı, wie H 370 380 466
*) was dieser vergleichung abgeht, bestimtheit des gegenbildes,
daran hat kurz vorher (© 555 ff.) die grols und prächtig angelegte be-
dauerlichen überfluss, indem sie der unendlichkeit des gestirnten himmels
eintausend lagerfeuer mit funfzig Troern um jedes gegenüber stellt, erin-
nernd an das rechenexempel in dem wettstreit des Homer und des Hesio-
dus mevryxovr Hay mUpos koxdpaı U. Ss. W.
le er
vom 4. Juli 1864. 447
A 730 3298 317 #55 2 2, und nicht zu v. 68, wo die zo0go:
anwesend sind, wie sie denn auch gleich von hier ab auf ihre
posten ziehn.
somit halten wir fest an der «yogy, und was in der art
sie zu berufen geneuert ist, betrachten wir als ungeschickte
nachahmung von K 68. zu sagen aber hat Agamemnon der
&yogy nichts als wort für wort was er ihr schon im zweiten
buch mit bedenklichem erfolg gesagt hat. und Diomedes, der
nach ihm spricht, begnügt sich eine persönliche beleidigung auf
den beleidiger zurückzuwerfen und für den äulsersten fall von
sich und seinem waffenbruder einen verzweifelten entschluss
anzukündigen '): an das ende der reden gelangt er nicht (56),
den punkt worauf alles was dermalen vorgebracht wird abzielen
sollte, berührt er nicht, die wurzel des übels, den zwist der dem
heere seinen unentbehrlichen vorkämpfer raubt. diesen mangel
bemerkt Nestor, und rügt ihn, mit allerglatiesten worten, wie
sie nötig sein mochten um den zornmütigen Aetolier nicht
aufs neue zu reizen?): seinen eigenen rat führt er ein mit
einer gnome, die deutlich zeigt dals er erkent was not tut, die
auch alles was noch weiter in diesem neunten buch verhandelt
*) der entschluss ist in einen gleich unverständigen wunsch umge-
setzt II 97—100.
2) eine phrase des «vos ist unglaublich schief geraten. nera Tayras
öundunns EmAeu Apıcros (54) meint offenbar vayrwy ei apıaros, sagt aber ei xei-
pigTos, wenn wir vergleichen
Nipevs ds #AAıcTOs Ayjp Ümo "IAsoy Her
ray Array Aayadv ner duuuovz Inreiova B 673 P 279 A 469 549
05 Apıcos nv Eidos TE Öeuds TE
advray Baımnuy ner duyuoa Auodauare 6 116
ai ne mer "Apyeln "Ertym ndAdıcaı Zwow I 140 282
a zarte Önuov dpisevavcı meh’ nueas 6 652
Mo) KaAAITTOUS MET ayarAuröv Rpiwa A 310
(denn so wird zu lesen sein)
elyoy 7 RaAAızoy idoy werd Meuvova Ötov A 522
andızoı reredoucı neh’ alua re aa) yevos wurav 0 582
Toy mer "Axıadya pnänvopa ri uarıca II 146
magı werempere Mupnidöverew
£yxeı mapyacdaı werd IlyAeiwvos Eraipov II 194.
und doch ist diesem idiotismus = 419 nachgebildet ned’ opAınas Zunev apızov.
448 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
wird begründet und verbindet, und so zum kern desselben wird.
allein von der allgemeinen wahrheit die nächste anwendung zu
machen, mithin die sünden der könige vor allem volk zur spra-
che zu bringen, das kan der man der vorwärts und rückwärts
sieht nicht zweckmälsig finden: vielmehr beeilt er sich seine zu-
hörer mit ihres leibes nahrung und der sicherheit ihrer nächt-
lichen ruhe zu beschäftigen, die hauptsache aber schiebt er an
den ort wo auch die Germanen des Tacitus die wichtigsten an-
gelegenheiten beraten '). die schroffheit des überganges und
den grellen widerspruch gegen das versprechen v. 61 würde ein
gewandter dichter freilich vermieden oder gemildert haben: aber
mit einem meister des stils haben wir es hier überall nicht
zu tun.
4.
Zu aAAore 1ev Smreudorrı TrOgEIMWEVELL arrore 6 aüre 3 472
ergänzen die scholien 4 omsudovr.. aber die swoud) kan dem
meister nicht ausgehn der ein wunderbar reiches werk herstellt
mit wunderbarer schnelligkeit: wohl aber braucht er in ver-
schiedenen stadien seiner arbeit verschiedene grade der hitze,
mithin bald stärkere bald schwächere einwirkung der bälge, so
dafs die schickliche ergänzung eher TEoepejahEVELL sein dürfte,
d. h. zavssSaı (vgl. 8 103) oder duarsızew. jedenfalls fehlt im
zweiten gliede, vermöge einer durch pause oder gebärde ver-
ständlichen ellipse oder aposiopese?), die negation von dem
hauptieil des ersten gliedes. denn für solche negation kan nicht
evre gelten, das freilich, wie rursus, auch contra und vice versa
bedeutet, aber doch, so wenig wie rursus, je für sich allein das
prädicat bildet, und zumal mit ö2 oder «r«o verbunden die ad-
versative partikel, welche es oft geradezu vertrit, nur ausführt
und bestimt, wie at vero, sed vero, ast auiem, sed autem. und
den folgenden vers (473) allein mit dem zweiten gliede zusam-
!) de reconciliandis in vicem inimicis, — de pace denique ac bello in
convivüs consultant. c. 22.
?) nicht unähnlich dem wegfall des verbums nach «; öt xal auro/ I A6
oder des nachsatzes A 136 und häufig nach dem wünschenden ei ydr. nur
ei ö &ye möchte ich nicht hieher ziehn.
vom 4. Juli 1864. 449
men zu nehmen, wie der paraphrast tut (@AAore d& d4 moos 6 6
"Hoaısos ovroıro zu: To Epyov ErsAsıoöro), das heilst übersehn
dafs das erste glied gleich abhängig ist von dem willen des
gottes und gleich förderlich zum werke, und der wechsel eben
durch beides bedingt. sollte diese bedingung nicht ausgespro-
chen werden, so konte v. 473 wegbleiben, und die construction
war darum nicht weniger grammatisch vollständig.
arrors mv — arAore Ö aure kömt auch 8102 = 331 und
?302 vor, wenn wir absehn von $ 466, wo sich die be-
sten handschriften für ö° «u mit d2 begnügen. dürften wir in
* die figur annehmen die wir in 3 unleugbar erkant haben, so
würden wir v. 303 los, der an dreifachem gebrechen leidet.
denn zunächst ist die run 303 nicht, wie dasselbe wort in so
grolser nähe wiederholt erwarten liels, eine und dieselbe mit
der zı.4 301, sondern hier, wie e 335'), die göttlichkeit, dort
die abwechselung zwischen leben und tod. sodann ist Asroy-
sw, wie wir aus achtung vor dem digamma und auf gewähr
der scholien zu IT’ 243, des Harleyschen codex und des Eusta-
thius lesen, analogiewidrig”) und keineswegs gestützt durch das
eben so verwerfliche repvx&cw 114, wofür, trotz Herodian,
repursı zurückzuholen sein wird (vgl. = 63). endlich aber, wie
können die Dioskuren is« Secirw geehrt sein, da der götter
teil doch vor allen dingen die unsterblichkeit ist, die ganze und
vollständige.
9.
zods in rad ixavw T A407 2172 und 700° izavsaıs Z 298 309
275 ist nicht so viel wie ZvIade
1) wo für &£&unope zu schreiben ist E£ Eumope. so steht Zunope rıuns
A 278 1 338.
2) vgl. Hermann de emend. rat. p. 444. leidlicher fast ist &opyav Ba-
trachomyom. 179: wer perfect und ersten aorist in fünf endungen zusam-
menfallen sah, & as ev auev are, konte verführt werden auch die sechste
dem gemäls zu bilden. so ist yeydare (Batr. 143) gefolgert aus yeydacw.
Antimachus (Anecd. Bekk. p. 1436) hatte vielleicht veveuxao’ geschrie-
ben. Nikander hat toxAyx&cı Ther. 789: aber dieser ‘Ourpeios, wie er sich
selbst nent (957), hat auch Erovaw dieunt (508 738).
steterunt war nahe gelegt durch steterint und steterant. dals es nicht
blos in dichterischem gebrauch gewesen, bezeugt steitero.
[1864.] 34
450 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse
2vIa0 iacvn 0 A92 m 31
oder w&de
"Hoaısre moonor wos $ 392 '):
sonst würde nicht mitunter öeügo daneben stehn
Öeügo or OvAdurov 700 izavn 3 309
evSev O4 vüv Öeügo 700° 12m (i#ero) op 444 524.
denn tautologe bäufung dürfen wir bei Homer nicht leichthin
annehmen, nicht in rarıw aurıs z.b. (B 276 E 257 P 533 Y 229
E356 o 431) ab aürıs (0 335 O 364 s 157 & 139 166 .L 146)
und örissw aurıs (4 437), von welchen partikeln die eine den
ort die andre die zeit anzeigt, noch in «ir 2Ewürıs (N 642
O 287), was an «ivoSev aivws erinnert. auch bezeichnet der
accusativ rods, den Apollonius de ade. p. 591 5 freilich mit oizovde
zusammen stellt, nicht das ziel, wie in oUgavov is, reAos iso, rev
y !Eeraı: dazu ist er, wenn auch durch den anhang de einiger
malsen localisirt, doch in seinem hauptbestandteil zu unbe-
stimt: sondern wenn wir ın betracht ziehn dals Herodot
sagt &mı Bagmmdovins &rons moLsUmEvos AV amıEw (7 58) und dafs
jedes verbum sich umschreiben lälst mit woresIa: und dem sub-
stantiv der handlung, so werden wir in 760° iz&vw erkennen
zrvde Tuv apıEw mov oder ode 70 izdvaw izavw. eben so
ist TeraproV roüro Emı ryv "Arrızav amızousvor (Herodot 5 76) zu
verstehn als Teragryv Tauryv TyV apıEw momransvo. wir kom-
men dem sinn am nächsten mit unserm mal: “dies mal, damit”
oder “daran zum vierten mal”. zu vergleichen ist auch &2%0 5 249
40% Yag ME zu @2ANo Ten Emwvursev Ebern;
und 709% für zorrdzıs B 798 P 430—1 u 273 v 29°).
1) das Alexandrinische vorurteil gegen &oe in örtlichem sinne wider-
legt an dieser stelle Hefästos selber: denn auf den zuruf pour &de kömt
er nicht, wie Aristarch verlangt, ourws ws &xe: oder, in Homerischer sprache,
BUTWsS (& 198), sondern wohl gewaschen. oder wäre das :Awp alyroy rein-
licher und anständiger als die Charis? das würde ihm nicht so hingehn,
ohne lob oder ohne spott.
in der von den scholien zweimal angeführten und zweimal verderbten
stelle dudizora: 576 ourw amömpobev ( 218 passt die Aristarchische erklärung
nicht besser. eher vergleicht sich mit dem oürw das roloy in awyn Tolov
8 776 n 30, Zmısinea rolov F 246, vapdanıy ara raolov v 302.
2) Zywye vn ToDs HovÖuAous oUs mOAAK Di m moAADls
Averxgounv &u maıdlou Aristoph. Eg. 411 Mein.
vom 4. Juli 1864. 451
6.
Es ist vorgeschlagen worden die verse T 242—3 zu strei-
chen als eine gnome aulser zusammenhang. grade der zusam-
menhang kan sie nicht entbehren.
das gespräch worein sie verwoben sind, geht aus von der
frage, wie Aeneas dazu komme gegen Achilleus in die schran-
ken zu treten. ohne einzugehn auf das thöricht eigennützige
motiv das ihm der gegner unterschiebt, hält sich des Anchises
sohn für berechtiget zum kampfe durch ebenbürtigkeit und glei-
che tapferkeit. jene weist er ausführlich nach: diese kan er
sich, nach dem kläglichen ereignis das ihm die verse 185—94
ins gedächtnis zurückrufen, nicht beimessen, aber wohl hoffen
dals eine gabe die Zeus nach belieben verleiht und entzieht,
auch den einmal unterlegenen wieder aufrichten werde.
eine andere gnome behauptet sich 5 81:
03 yag Tıs venesıs Duyeew manov, oUd dva vurre.
Berrsgov 65 bevyuv maodUyn zazov 7 zev Au.
was schon die zusammensetzung wahrscheinlich macht und der
zusaiz deuywv und der gegensatz «un, bestätigt sich an den
fünf stellen wo das verbum noch sonst vorkömt (Z 502 H 309
A 340 ?1 107 x, 325), dals wgobuyeiw bedeutet @26uysiv oder
Ümszbuyeiv; auch Urszmgobuyeiv kömt ja viermal vor. also zeigt
der erste vers den versuch der flucht, der zweite den erfolg; jener
was zu tun ist, dieser was zu hoffen. was wäre daran einerlei
oder zu viel? das asyndeton aber passt hier wie O 511 und 2 232.
und damit der guten dinge drei werden: wenn 3 134 The-
tis zu ihrem sohne sagt
BM RW zaraövrso MwAov "Agnos
und 189 der sohn
Kirne Ö ou me duAm may y ea SupyoreoIar,
so lernen wir dafs Suoncseo Ian auch synonym von z«r«öüveı
MRWAoV "Agyos sein kan, und dals, weil solch ein SweyssesIa
auch ohne besitz eines Swey& möglich ist, der vers
ayıyeros ANGE Seove am ’OAyurov Supysceodaı
ohne alle veränderung & 167 so schicklich steht wie A 715. auch
A 748 scheint ®wgyosesSe: in weiterem sinn genommen zu
werden, und II 218, nachdem Patroklos den Swey& schon 133
angelegt hat.
34*
452 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 4. Juli 1864.
i 7a
Die zweiundzwanzig verse die ın = aus ö wiederholt wer-
den, sind ineptissimum emblema interpolatoris oscitantis geschol-
ten. worden, weil wir nicht wülsten wer die @vaazıdes seien
nr 124. i
wir bleiben am liebsten aus dem spiele. aber Telemachos
berichtet an seine mutter dafs er in Sparta von den zuständen
auf Ithaka die ganze wahrheit gesagt hat, und die vielumfreiete
fürstin soll nicht wissen dafs er vor allen dingen über der freier
unfug wird geklagt haben! Menelaas spricht von schwachen die
sich dem starken in das bett legen möchten, und die genossin
dieses bettes soll nicht wissen dals er mit den schwachen die
freier meint! das könte einem leser begegnen der zuerst an
dieser stelle in die Odyssee geriete, ohne keninis der verhält-
nisse und umstände. der erführe freilich fürs erste nur dafs es
dergleichen leute gibt: “es wollen sich betten die da selbst
schwach sind.” denn das bedeuten die worte dem der nicht
mitbringt was zu vollem verständnis gehört. avaazıdes ayror
Eovres ist für so einen leser or zwes auroı avammıdss eisiv, wie
in ocov re yeyuvs Boycas das particip so viel ist als ds zıs
oder os &v» onen und in
Ude zEv aAAWS
#gImaluEVoS AeEaıro Kara mroAwW avögers «eis rous w 107
so viel als ös rıs oder &i rs zgivaıro. nicht anders in der prosa.
Taure age ovra FW 1Ev Konnara ETW de oÜ Aontuorror Äeno-
phon Oecon. 110 = Erw go & Taura ovre u. Ss. W. Ne Asywv
“es kam einer und sagte” ders. Heil. 31 19. 79» mega zo ’Iv-
doU Aare ayovrzs Cyr. 6 2 1. roUs Auyıs Iyouvres moAAE Tey,-
vogousw Mem. 311 8. usora: ui 6dor mogevonzvuv mag’ ENAMAoUsS,
[kecror de oi Xopoı Eoyaßopsevum Cyr.7 46.
7. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des
Leibnizischen Jahrestages.
Hr. Trendelenburg, an diesem Tage vorsitzender Se-
kretar, leitete die Sitzung mit folgendem Vortrag ein:
Alljährlich führt uns Leibnizens Jahrestag auf die Stiftung
der Akademie; und in Leibniz, dem schöpferischen Mathematiker,
Öffentliche Sitzung vom 7. Juli 1864. 453
dem gelehrten forsehenden Historiker, dem tiefsinnigen und licht-
vollen Philosophen, in Leibniz, dem umfassenden Geiste, der
keine Richtung der Wissenschaft von sich ausschlofs, sondern
die Wechselbeziehung aller in grofsen Gedanken trug, in Leib-
niz, der für die gemeinsame Förderung der Wissenschaften die
Gelehrten aller Länder mit sich verknüpfte, in Leibniz, dem
Gründer, erscheint der Akademie, wie in einem hellen Stern
der deutschen Nation, die Aufgabe ihres Berufes.
Dankbar verlegt die Akademie auf Leibnizens Jahrestag ein
Stück ihrer Geschichte, auf dals es ihm gleichsam mitgehöre;
denn sie erinnert sich an diesem Tage solcher abgeschiedenen
Mitglieder, welche sich in dem Leben der Wissenschaften eine
besondere Bedeutung erwarben.
Wir brechen daher der Ehre Leibnizens nichts Ar wenn
heute die Akademie, welche er in einer fast undeutschen Zeit zu
einer „teutsch gesinneten Societät” berief, vor allem Andern
ihres Jacob Grimm gedenkt, den sie seit dem letzten Leib-
niztage verlor, wenn sie heute seinem Gedächtnils den eigent-
lichen Raum gewährt.
Leibnizens Leben, das tief innerlich in den Wissenschaften
arbeitete, ist zugleich an so vielen äulsern Zeitbeziehungen
reich, dals wir seinen Namen so gut in die politischen, wie in
die gelehrten, so gut in die kirchlichen wie in die wissenschaft-
lichen Fragen seiner Gegenwart verflochten sehen und wir z. B.
in diesen Beziehungen vor seinem weitverzweigten Briefwechsel
staunen. Leibniz bewegte sich auf den Höhen des Lebens und
an den Höfen der Fürsten. Vielleicht zeigt er dabei hie und
da eine zu grolse Biegsamkeit, um sich der gegebenen Macht
zu assimiliren, wie in seinen jungen Jahren am Hofe zu Mainz,
da er dem churfürstlichen Krummstab das Bücherwesen Deutsch-
lands unterordnen will. Aber allenthalben giebt er mit dem
weitschauenden Blick, der ihm eigen war, Antriebe zu bedeu-
tenden Plänen, wie er schon in Mainz den Gedanken einer
deutschen Akademie falste, den zu verwirklichen ihm ein Men-
schenalter später ın Berlin gelang. In Hannover und Berlin,
am Wiener Hofe und in seinen Beziehungen zu Peter dem
Grofsen wirkte er durch anregende Entwürfe und fachte den
Ehrgeiz zum Grolsen und Guten an.
454 Öffentliche Sitzung
Wenn Leibniz ım preufsischen Königshause ein Gast war,
den das ‚Vertrauen der ersten Königin, der geistvallen und an-
muthigen Königin Sophie Charlotte, auszeichnete: so lälst sich
auf ihn des Dichters Wort anwenden, dals der Genius, den du
bewirthest, dir ein grölseres Gastgeschenk zurücklasse; und
Leibniz liefs als ein solches nicht blos die Theodicee zurück,
mit der der Name der Königin verflochten ist. Sein ergiebiger
Geist läfst es am könlglichen Hofe nirgends, auch nicht im
Praktischen, an Gaben, die er darbietet, fehlen.
Wir erinnern an Bekanntes und fügen aus einigen inter-
essanten Schriftstücken, welche das K. Geheime Staatsarchiv ent-
hält und zur Einsicht gestattete, noch eiu paar Züge hinzu.
Mit der Gründung der Akademie betrieb Leibniz die Ka-
lenderverbesserung. Indem er die Annahme des seit mehr als
einem Jahrhundert von den Evangelischen zurückgewiesenen
gregorianischen Kalenders beförderte und auf einige Berichti-
gungen aufmerksam machte, half er die Uhr der Völker,
die Uhr der Geschichte nach der Sonne stellen. Bald darauf
half er am Hofe eine Frage des diplomatischen Ceremoniells
ordnen. Gesandte fremder Staaten brachten damals den Glück-
wunsch zum preulsischen Königthum; und es wurden Zweifel
laut, ob sie gehalten seien, auch bei den Brüdern des Königs
Audienz zu nehmen. Leibniz bejahte die Frage in einer fran-
zösischen Ausführung, die noch das K. Staatsarchiv besitzt, und
zwar ebenso sehr aus innern Gründen als aus Gründen des
Herkommens'). So wahrte Leibniz nach dieser Seite die Aner-
kennung der jungen Königskrone, für deren Bedeutung er auch
in einer Zeitschrift, den monatlichen Auszügen, die öffentliche
Meinung stimmte.
In der Sache der oranischen Erbschaft bediente sich der
König des gelehrten und staatsrechtlichen Urtheils Leibnizens
und im hiesigen K. Staatsarchiv wird ein französisch geschrie-
1) Im Geheimen Staatsarchiv findet sich diese Erörterung auf 4 Sei-
ten ohne Datum und Unterschrift, aber von Leibnizens Hand. Als der
Aufsatz verfalst wurde, erwartete man die Gesandischaft des grolsbritan-
nischen Hofes. Von fremder Hand ist die Aufschrift „wegen der Audien-
zen, so fremde Minister bei denen Königlichen Herrn Brüdern nach der
anderwärts etablirten Coutume zu nehmen haben”.
vom 7. Juli 1864. 455
benes Bedenken aus dem Jahre 1704 aufbewahrt, eine Staats-
schrift, in welcher von Leibnizens Hand Anweisungen und Ver-
besserungen stehen ').
Leibniz hatie früh die Einigung der. gespaltenen Kirchen
als ein grolses Ziel ins Auge gefalst und für dasselbe mit ka-
tholischen Theologen und angesehenen Männern der katholisehen
Kirche Verbindungen unterhalten. Die Empfindung des aus
dem Streit der Kirchen in dreilsigjährigem Kriege über die Welt
hereingebrochenen Elends war noch frisch und es war des Gei-
stes Leihnizens würdig, mitten in den aufgeregten Gegensätzen
die Einheit des Wesens anzuschauen und in der Einheit die
gemeinsame Stärke zu suchen. Aber Leibniz wurde auf der
Höhe seines Standpunktes nicht verstanden, und wenn er in der
äulsern Trennung die innere und wesentliche Gemeinschaft gel-
tend machte, erfuhr er den Vorwurf gleichgültiger Gesinnung.
Als die Anstrengungen nach der katholischen Seite vergeblich
wurden, hörte Leibniz nicht auf, wenigstens unter den Prote-
stantischen und Evangelischen, namentlich zwischen Reformirten
und Lutheranern den Gedanken der Einigung zu fördern. Es
ist bekannt, wie Leibniz in diesem Sinn sich mit dem gelehr-
ten und gemälsigten Hofprediger Jablonski verband, der am
kurfürstlichen Hofe zu Berlin die Unionsbestrebungen vertrat,
und es ist bekannt, dafs nach der Vermählung des reformirten
Kronprinzen mit der lutherischen hannoverschen Prinzessin und
der von dem Könige der letztern zugesicherten Bekennitnifsfrei-
heit die ganze Frage für den Hof an praktischer Bedeutung
verloren hatte und darnach ruhte. Aber es ist nicht in glei-
chem Mafse bekannt, wie Leibniz noch wenige Monate vor sei-
nem Tode, von Jablonski benachrichtigt, dals König Friederich
Wilbelm I. den ‘Unionsgedanken geneigt sei, die Sache wieder
lebhaft ergriff, und die Anwesenheit des Königs Georg I. von
England in Hannover benuizt wissen wollte, um auch die eng-
lische Kirche in diese Einigung der Evangelischen hineinzuzie-
hen. Einige Briefe Jablonski’s und Leibnizens, welche das K,
*) Representation des raisons de droit sur la succession de Guillaume
Ill roi de la Grande Bretagne, decisive pour Frederic roi de Prufse contre
Jean Guillaume Frisor prince de Na/sau a l’egard des biens venus de layeul
des deux rois. Handschriftlich.
456 Öffentliche Sitzung
Geh. Staatsarchiv aufbewahrt, sind ein anziehender Beleg dieser
letzten Thätigkeit, welche Leibniz der Angelegenheit widmete.
Leibniz starb mit Friedensgedanken für die streitenden Kirchen.
In diesen Richtungen griff Leibniz in Berlin praktisch ein
und noch in einer andern wurde er ein Impuls; und zwar
gerade in der Zeit, da er den Gedanken der Societät der Wis-
senschaften in Schwang und Schwung brachte. Die Thatsache
ist bisher unbekannt geblieben und nur ein Anfang. Aber an
Leibnizens Gedächtnilstage mag auch ein kleinerer Zug nicht
verschmäht werden; denn auch das stille grüne Blatt gehört zum
vollen Kranze.
Die frühsten Schriften Leibnizens sind juristische; und sie.
zeigen den reformatorischen Geist in der gebehrten Jurispru-
denz. Die eine ist eine neue Methode die Rechtsgelehrsamkeit
zu lernen und zu lehren und eine andere erstrebt im zusam-
mengetragenen corpus iuris Ordnung und Übersicht des Systems
und fügt ein Verzeichnifs dessen hinzu, was in der Rechtswis-
senschaft vermifst wurde. Andere Äufserungen Leibnizens thun
den reformatorischen Gedanken für die Praxis des Rechts kund.
So schreibt Leibniz noch 1716 an Kestner, Professor des Rechts
in Rinteln, der im Sinne und nach den Principien des ältern
Cocceji die allgemeine Ansicht des Rechts auffalste:
„Es ist zu wünschen, dafs bei uns das corpus der alten
Gesetze nicht die Geltung eines Gesetzes, sondern die Kraft
der Vernunft, und, wie die Franzosen sagen, eines grolsen Leh-
rers des Rechts (magni doctoris) habe, und dafs aus den römi-
schen Gesetzen und andern Denkmälern des vaterländischen
Rechts und-aus dem gegenwärtigen Rechtsgebrauch, aber vor-
züglich aus einleuchtender Billigkeit ein neuer Codex kurz, klar,
ausreichend mit öffentlicher Autorität verfalst werde, damit das
Recht, das durch die Menge, Dunkelheit, Unvollkommenheit der
Gesetze, durch die abweichenden Sprüche der Gerichtshöfe,
durch die Streitigkeiten der Rechtsgelehrten verfinstert und zu
‚einer merkwürdigen Ungewilsheit herabgekommen ist, endlich
in helles Licht gesetzt werde.”
Ein solcher Wunsch mufs, in dem Briefe an einen Ge-
lehrten hingeworfen, ein frommer Wunsch bleiben. Aber Leib-
niz hatte ihn auch da betrieben, wo Schritte zu seiner Ver-
vom 7. Juli 1864. 457
wirklichung geschehen konnten; Leibniz hat ıhn, wie aus einem
Actenfascikel des K. Geheimen Staatsarchivs erhellt, auch in
Berlin angeregt. i
In einem Vortrag über die Justizreform Friederichs des
Grofsen ist vor nicht langer Zeit gezeigt worden, wie der Plan
dazu in die früheren Regierungen zurückgeht. In den Acten,
welche die Kammergerichtsordnung vom 1. März 1709 vorbe-
reiten, findet sich nun zu Anfang ein Erlals des Staatsministers
Paul von Fuchs an die juristische Facultät zu Frankfurt a. O.
vom 6. Nov. 1700. Man sieht daraus, der König, damals noch
Kurfürst, hat befohlen, in causis dubiis gewisse Constitutionen
zu verfassen und hat dabei die Verbesserung des Justizwesens
und zwar zunächst eine Kammergerichts- Ordnung im Auge.
Die juristische Facultät stellt die Schwierigkeiten vor, aber der
Minister besteht auf den Auftrag. In diesem Anfang des Acten-
stücks liegt der Anfang der ganzen Justizreform. Und was
steht noch vor diesem Anfang? Ein Folioblatt, ohne Datum,
ohne Unterschrift, aber unzweifelhaft von Leibnizens Hand. Der
Inhalt lehrt, mit den folgenden Blättern verglichen, dafs er
jenen Erlassen, welche Hand ans Werk legen, als ein allge-
meiner Antrieb vorangegangen. Da Leibniz im Mai 1700 in
Berlin eintraf, so ıst das Blatt vielleicht zwischen dem Mai und
November 1700, und schwerlich später, jedoch möglicher Weise
früher, geschrieben. Der kurze mit juristischen .Terminis un-
termischte Aufsatz lautet, wie folgt:
„Es ist kein Zweifel, dals unter denen glorwürdigsten Un-
ternehmungen eines grolsen Fürsten sich auch die Verbesse-
rung des Justizwesens befinde; immalfsen in richtiger Hand-
habung der Gerechtigkeit das Amt eines Regenten und der
Unterthanen Wohlfahrt nicht zum minsten Theil besteht.”
„Das Justizwesen nun hat zweene Puncten, nehmlich quae-
stionem facti, so durch den Procefs zu erläutern, und quaestio-
nem iuris, so in denen Gesetzen und deren Verstand, auch na-
türlicher Billigkeit enthalten. Eines aber ohne das andere ist
nicht zulänglich, und daher, obschon der Reichsabschied zu Re-
gensburg de anno 1654, und hernach der sogenannte code Louis
den Procels zu verkürzen begriffen gewesen; ist dennoch das
Recht sebr ohngewils blieben, also dafs auf einerlei Acza@ in un-
458 Öffentliche Sitzung
terschiedenen Gerichten und colegüs oft unterschiedene Urtheil
erfolgen.”
„Es ist doch auch in dem Procefs viel annoch zu verbes-
sern übrig, davon an seinem Ort ausführlich zu handeln nöthig
sein würde; ja denn man dafür hält, dafs dafern es dem Rich-
ter an Verstand Autorität und guien Willen nicht fehlet, aus
den meisten Sachen, in kürzerer Zeit als man vermeinen sollte,
mit völliger Ergründung des faczi, so viel man darin Licht ha-
ben kann, genugsam zu erlangen, wenn die Procelsordnungen
gebührend gefalst wären, dals nicht nur die Parteien, sondern
auch der Richter selbst von der rechten Bahn nicht wohl ab-
weichen könnten.”
„Allein das ius an sich selbsten betreffend, weilen viel Un-
gewilsheit darin entstanden, so dem verkehrten arditrio iudiecis
und casibus pro amico Raum geben, und daher man sich oft
seines Rechten wenig versichern kann, sondern gleichsam des
Glückes, nachdem die acta an einen oder andern Ort verschicket
werden oder sonst die Affecten und Interessen walten, er-
warten muls. So würde nöthig sein, die coniroversias iuris
practicas utiliores, worin die zZribunalia und collegia iuridica zu
variiren pflegen, publica auctoritate zu decidiren.”
„Dergleichen hat auch der berühmte Churfürst Augustus
zu Sachsen durch seine bekannte conszitutiones in etwas vor
andern gethan, und damit die gloriam eines Iustiniani Saxonici
erlanget. Weilen aber seine Entscheidungen anderswo vim legis
nicht haben, auch viel guaesziones übergangen worden, überdies
auch nach der Hand sich viel mehr noch unerledigte conzrover-
siae herfürgethan: so würde nöthig sein, dafs dann, wie von
Churfürst Augusto auch geschehen, denen faculatibus iuridicis
und scabinatibus aufgegeben würde, dergleichen conzroversias
principis decisione dignas zu colligiren, und ihre Meinungen dar-
über einzuschicken.”
„Denen Regirungen aber und denen zridunalibus könnte
überdies aufgetragen werden, die iura localia vel statutaria cuius-
que provinciae vel loci und deren consensum eum iure communi
vel ab eo dissensum, per compendium mit ihrer epicrisi an Hand
zu geben; und solche iura recepta, nicht weniger als was strei-
tig, zu bemerken.”
vom 7. Juli 1864. 459
„Da denn hernach dasjenige, so der gesunden Vernunft,
der Unterihanen Wohlfahrt und Aufnahme und der Gelegen-
heit jedes Orts am meisten gemäls, erwählet und festgestellet
werden könnte. Welchem grolsen Exempel, so den vorgehen-
den Potentaten zu unsterblichem Lob gereichen würde, andere
Herrn und endlich das Reich selbst nachfolgen dürften.” —
Salvo etc.
Man hört es dem Aufsatze an, dals er bestimmt war, einen
Regenten anzuregen, und der Erlals des Kön. Ministers an die
Juristenfaeultät in Frankfurt a. O. führt einen Theil dieses
Rathschlags aus. In wenigen klaren Sätzen ist hier die Justiz-
reform vorgezeichnet. Samuel von Cocceji’s Verfahren ist spä-
tier kein anderes. So denkt Leibniz im Anfang des Jahrhunderts,
was nach langer Anstrengung am Ende desselben durch das
Landrecht zu Stande kommt; und in dem grolsen Vorgang der
Justizreform ist Leibniz ein kleines, aber erstes Glied.
Hierauf hielt Hr. Müllenhoff als neu eingetretenes Mit-
glied der philosophisch-historischen Klasse folgende Antrittsrede:
Die Berliner academie, schon bei ihrer stiftung auf die
pflege der muttersprache hingewiesen, hat das glück gehabt
während eines ganzen jahrzehends die drei männer zu vereini-
gen, die zuerst eine deutsche philologie begründet und geschaf-
fen haben; und sie ist bis zuletzt zeuge gewesen von der rastlosen
thätigkeit, mit der der älteste von ihnen auch noch zu arbeiten
fortfuhr, als ihm schon der jüngere freund, dann der bruder
vorangegangen war. als auch er dahingieng, mag sich mancher der
an diesen studien theilnimmt wohl die frage, wie das begon-
nene werk zu fördern und weiterzuführen sei, von neuem vor-
gelegt haben, obgleich jeder der sich zur mitarbeit berufen
fühlt, um seine eigne thätigkeit zu bemessen und einzurichten,
sich längst eine antwort darauf gegeben haben muls. eine be-
sondere veranlassung sie hier wieder aufzunehmen liegt für mich
vor durch die ehrenvolle wahl, durch die die academie mich be-
rufen hat hinfort die deutschen studien in ihrem kreise zu ver-
treten. das bekenntnis das ich hiemit gleichsam vor Ihnen ab-
460 Offentliche Sıtzung
lege, wird wenigstens erkennen lassen in welcher weise ich
mich meiner wissenschaft und zugleich Ihnen für die gerniellie
ehre verpflichtet fühle.
Was Jacob Grimm geleistet, wird noch heute ein bered-
terer mund ausführlicher schildern. er hat unserer wissenschaft
den breitesten grund gelegt und das weiteste feld eröffnet. aber
es war nicht seine art, wissenschaftliche gedanken ihrem gan-
zen zusammenhange nach, punkt für punkt in strenger methodi-
scher folge bedächtig prüfend, durchzuführen und zu entwickeln.
ein einziger mächtiger trieb erfüllte seine ganze seele, die un-
bewust nach ihrem drange und ihrer noihwendigkeit aus sich
schaffende natur des menschlichen geistes in der ganzen fülle
ihrer äulserungen und gestaltungen in sprache, poesie, glauben,
sitte, recht zunächst des eignen volkes, dann auch der verwand-
ten und benachbarten völker zu erfassen. es ergetzte ıhn das
unscheinbare und selbst unbedeutende hervorzuheben und das
nach zeit und raum weit auseinander liegende zu verknüpfen,
weil er überall denselben trieb der gestaltung wahrnahm. dals
er dabei mit seinen combinationen auch auf abwege gerieth,
braucht nicht verschwiegen zu werden. aber jenem triebe sei-
nes geistes und seiner immer gleichen frische und spannkraft
verdanken wir jene reihe von werken, von denen eines allein
ein ganzes menschenleben hätte ausfüllen können, in denen die
schätze der ausgebreitetsten belesenheit, der regsten beobach-
tungsgabe und des unermüdlichsten fleilses aufgespeichert liegen
und die doch nicht blofse fundgruben des wissens sind, sondern
zugleich quellen an denen die forschung sich erfrischt und belebt.
Aber neben ihm dem gewaltigen und wunderbaren trägt
auch der bruder einen unverwelklichen kranz. ich rede nicht
von dem feinen sinn mit dem er dichter und dichterwerke auf-
zufassen und zu characterisieren verstand, und von der sorgfalt
und sauberkeit mit der er sie bearbeitete und herausgab, auch
nicht von den märchen deren sammlung er mit dem bruder
gemeinschaftlich unternahm, deren pflege aber bald ihm allein
zufiel und die nun schon eine über den ganzen erdball sich
verbreitende litteratur zur folge gehabt und auf die würdigung
alter und neuer poesie den entschiedensten einfluls geübt haben.
ich hebe nur den aufsatz „über die entstehung der altdeutschen
vom 7. Jul 1864. 461
poesie und ihr verhältnis zur nordischen” hervor, den Wilhelm
Grimm als einundzwanzigjähriger jüngling schrieb und von dem,
wie jugendlich er ist, doch unsere bessere einsicht in das we-
sen und leben der sage und volksdichtung datiert, nicht blofs
für unsre deutsche alterthumskunde, sondern überhaupt für die
philologie. die zusammenstellung der zeugnisse über die deut-
sche heldensage und die vergleichung ihrer verschiedenen dar-
stellungen führte dann zu einer erweiterung, berichtigung und
besseren begründung der gewonnenen einsicht und muste auch
den gedanken an eine geschichte der durch mehr als ein jahr-
tausend des lebens unserer nation sich hinziehenden epischen
dichtung nahe rücken.
Den brüdern schlofs sich Lachmann an. von der classi-
schen philologie ausgehend wandte er zuerst ihre methode auf
die altdeutschen dichter an; den unterschied der volks- und
kunstpoesie im auge, bestimmte er ihre eigenthümlichkeit und
besonderheit schärfer, stellte die abfassung ihrer werke chrono-
logisch und überhaupt den gang der poesie genauer fest, zeigte
die zusammensetzung eines volksepos aus einzelnen liedern und
seine wesentliche verschiedenheit von dem höfischen epos und
liefs durch seine kritik der Nibelungensage ein licht fallen auf
einen punkt, von dem aus mir wenigstens nach und nach unser
ganzes alterihum ein anderes aussehen bekommen hat.
Noch ist der briefwechsel vorhanden den diese männer un-
tereinander, zum theil auch mit Benecke in Göttingen in den
jahren führten, als Lachmann zuerst die gesetze des altdeutschen
versbaus entdeckte und die ersten kritischen ausgaben altdeut-
scher dichter vorbereitete und veranstaltete, als Wilhelm Grimm
mit der schrift über deutsche runen beschäftigt war, dann die
heldensage von neuem aufnahm und als Jacob über den ersten
bänden der grammatik seine grofsen grammatischen entdeckungen
machte, darnach sich zu den rechtsalterthümern wandte. über
alle hauptfragen suchten sie sich zunächst unter einander zu
verständigen und die mittheilungen erfolgten so rückhaltlos dafs
z. b. die ausbildung von Lachmanns ansicht über die Nibelun-
gensage in erörterungen mit Wilhelm Grimm vollständig vor-
liegt, ja sogar seine ausbildung der theorie der verskunst
mit aller vollständigkeit der belege. so haben sie damals mit
462 Öffentliche Sitzung
einander gearbeitet und mit einander auch die deutsche
philologie begründet, deren aufgabe in der vereinigung ihrer
bestrebungen und richtungen auf &in gemeinsames ziel gege-
ben ist.
Darf ich nun nach der besondern richtung meiner studien
und nach der verehrung die ich ihm zolle einen der jüngeren
noch diesen männern anreihen, einen der an gelehrsamkeit wohl
würdig ist neben ihnen genannt zu werden, einen freund ern-
ster prunkloser wissenschaft und in ihrem dienst an hingeben-
der treue und entsagung grols wie wenige, so nenne ich Kaspar
Zeufs. er hat die nachrichten der alten und des früheren mit-
telalters über die völkerwelt des europäischen nordens zuerst im
lichte der neuern sprachforschung, vor allem der forschungen
Jacob Grimms, betrachtet. gerade in der aufstellung der deut-
schen völker und stämme und in der auffassung ihrer geschichte
ist er, wie ich glaube, am wenigsten glücklich gewesen. aber
wie oft man auch mit ihm ım einzelnen nicht einverstanden
sein mag, sein buch ist und bleibt doch die grundlage für alle
untersuchungen auf diesem gebiet, ebenso wie die bücher Jacob
Grimms für andre disciplinen der deutschen philologie, und irre
ich mich nicht, so ist es der erste nothwendige schritt weiter
nach dem ziele hin, das uns die gründer unserer wissenschaft
vorgezeichnet haben.
Denn gewis ist es offenbar, wie der griechische weltweise
sagt, dals wir von den anfängen kunde nehmen müssen, wenn
wir sagen wollen, dals wir etwas verstehen. dieselbe nothwen-
digkeit, die die forschung immer wieder auf die anfänge und
älteste verfassung des römischen staats, auf die stamm- und ur-
geschichten Griechenlands zurückführt, liegt auch für uns vor.
und glücklicherweise fallen die urzustände unseres volks, sein
heldenalter, die bildung seiner heldensage in den bereich der
beglaubigten geschichte, so dafs unsre alterthumskunde selbst
eine lehrreiche analogie für die älteste geschichte andrer völker
aufstellen kann; weil wenn sie nur alle ihre mittel gebrauchen
und auf das @ine ziel hinlenken lernt, es ihr möglich ist bis
zum anfange des volkes selbst hinabzusteigen und von da aus
die stufen seiner ersten, naiven, rein nationalen entwickelung
nach allen seiten hin zu bestimmen. dals damit unsre spätere
vom 7. Juli 1864. 463
geschichte einen andern hintergrund und in unsern augen eine
andre gestalt gewinnen muls, liegt auf der hand. die bedin-
gungen für eine weitere, rein nationale entwicklung waren im
deutschen heidenthum nicht vorhanden. es muste eine neue reli-
gion und fremde cultur aufgenommen werden. aber je dürfti-
ger und eingeschränkter die von Karl dem grofsen gepflanzte
litterarische und wissenschaftliche bildung blieb, um so weniger
füllte sie das leben aus. es trug eine andre farbe und redete
eine andre sprache, als die chroniken und urkunden, die von
ihm melden, auf den ersten blick erkennen lassen. wir werden
dessen erst völlig inne, wenn wir auf die heldensage und die
volksdichtung zurückgehen, deren geschichte, wie dürftig unsre
quellen scheinen, sich doch im grolsen und ganzen herstellen
und verfolgen lälst. ihr breiter strom wird wohl nach und nach
eingeengt und ein paar mal genötigt seinen lauf zu ändern,
aber er bleibt klar und rein, bis unter dem einfluls der fremde
eine neue höfische laiendichtung neben ihm aufsteigt. erst von
da ab trübt sich sein gewässer und flielst in immer seichterem
bette dahin, um endlich zu versiegen. die höfische poesie zu
ende des zwölften und zu anfang des dreizehnten jahrhunderts,
glänzend und blendend in ihrer erscheinung, vollendete den
schon von der seite der geistlichkeit her vorbereiteten bruch
mit der vergangenheit und überlieferung des volks. es begann
ein zersetzungsprocess, in dem nach und nach jeder begriff
menschlicher bildung zu grunde gieng. er muste auf einer ganz
neuen basis hergestellt werden. die reformation errang dem
individuum seine freiheit und brach damit der wissenschaft bahn.
das siebzehnte jahrhundert irrte dann im suchen freilich noch
einmal weit ab und führte von neuem in unnatur und entar-
tung. das achtzehnte aber fand desto sicherer durch wissen-
schaft und poesie den weg zurück zu uns selbst. unsre bildung
ruht seitdem auf einer durchaus universellen grundlage und ihr
ideal ist ebenso ein allgemein menschliches. ein grolser kreis-
lauf war damit in der geschichte geschlossen, als das jahrhun-
dert die reinste erfüllung seines ideals im Griechenthum fand,
aber auch der alte tausendjährige streit, der das leben unseres
volkes seit der ersten anknüpfung an die cultur der alten welt
erfüllte, war damit geschlichtet, weil jedes ideal in dem indi-
464 Öffentliche Sitzung
viduum wurzelt und nur in und an demselben, soweit es über-
haupt geschieht, verwirklichung findet. die arbeit, die darnach
die deutsche philologie begann, war eine arbeit der selbster-
kenntnis. sie entsprang aus innerer nothwendigkeit, und im
gefühl dieses ursprungs werden auch wir in dem bemühen fort-
fahren, das dunkel über den früheren perioden des bildungs-
ganges der nation zu zerstreuen und die verborgenen seiten
und wege ihres eigensten und geheimsten lebens aufzudecken,
unbekümmert um den äufsern erfolg und die wirkung die eiwa
zu erreichen.
Hr. Rödiger, der ebenfalls seit dem letzten Leibniztage
als Mitglied der philosophisch-historischen Klasse in die Aka-
demie neu eingetreten ist, fügte seiner Seits folgende Worte an:
Durch eine wohlwollende, mich zu aufrichtigem Dank ver-
pflichtende Wahl als ordentliches Mitglied in die K. Akademie
der Wissenschaften berufen, habe ich mich heute vor derselben _
zu erklären über das wissenschaftliche Gebiet, in welchem Nei-
gung und Studium mich bisher vorzugsweise fesselten, und für
welches ich von nun an auch im Kreise der Akademie nach
Kräften thätig zu sein gedenke.
Meine Lehrjahre fielen zum Theil noch in eine Zeit, wo
ein junger Theolog sich träumen lassen konnte, auf seiner Stu-
dienwanderung nicht nur die klassische Litteratur fest im Auge
zu behalten, sondern auch Schritt für Schritt den ganzen Orient
zu erobern, der Sprachen und Litteraturen, der Geschichte und
der Alterthümer Asiens Herr zu werden; und nicht etwa im
Fluge nur, nicht in oberflächlicher Überschau, nein, mit aller
Gründlichkeit sollte das geschehen. Mit dem Hebräischen zu-
nächst glaubte man bald zu Stande zu sein, solchen Aufschwung
hatte es genommen, eine lichte und leichte Methode hatte ihm
Vorschub geleistet. Die andern semitischen Sprachen wurden
damals bei uns hauptsächlich nur erlernt, um dem Hebräischen
zu dienen, und weiter Hergeholtes ging nebenher.
Wir waren aber an der Grenze dieses, wie er uns jetzt
erscheint, einigermalsen naiven Zustandes angelangt. Denn eben
vom 7. Juli 1864. 465
damals begannen die Nebel sich zu zerstreuen, die über dem
Orient geschwebt hatten, die Aussicht klärte sich mehr und
mehr in die Weite, in die Höhe, in die Tiefe, weit hinaus
über das Land der Bibel bis zum Himalaya und dem gelben
Meer, bis in die Grabkammern der Pyramiden und in die ver-
schütteten Paläste von Ninive. Im Spiegel des genauer erkann-
ten Sprachenzusammenhangs wurden die Strafsen der alten Völ-
kerzüge sichtbar; es ergab sich, dals auch wir wie alle unsre
Vettern im Westen weither gekommen aus Arischen Landen.
Wir schauten über das Taciteische „Indigenat der Germanen”
hinaus nach unsren vorhistorischen Ursitzen, und der neu ge-
wonnene „vergleichende” Umblick und dazu die herrliche For-
schung des gefeierten Meisters der deutschen Sprachwissenschaft
lehrten uns unser eigen Haus erst kennen und machten uns
heimisch darin. |
Die neue Belebung der orientalischen Studien in Deutsch-
land fällt ungefähr zusammen mit der Gründung der Asiatischen
Gesellschaft zu Paris; und diese ging vornehmlich aus der orientali-
schen Fraction der dortigen Akademie hervor, welche sich schon
seit Jahren dieser Studien mit Energie angenommen hatte. Dort
war der grolse Lehrer des Arabischen thätig, für dessen Schü-
ler sich auch die deutschen Arabisten bekennen. Ebendort war
die chinesische Grammatik an’s Licht getreten, dort falste die
Entzifferung der Hieroglyphen zuerst festeren Boden und dar-
auf die Analyse der schwierigen Zendsprache. Holland hatte
neben seinen Celebritäten der klassischen Philologie längst auch
eine fleilsige orientalische Schule. Die Bekanntschaft mit indi-
scher Sprache und Litteratur war uns aus Indien selbst gekom-
men durch Vermittelung der englischen Gelehrten, die sie an
der Quelle schöpften. Rufsland beschäftigte sich eifrig mit den
Sprachen seiner muhammedanischen Einwohner und erzog einen
deutschen Mann zum ersten Kenner der arabischen Münzkunde.
Deutschland’s ureigene Geisteskraft hatte sich ihre Philoso-
phie geschaffen, und in aller Wissenschaft pulsirte ein frisches,
sich rasch entfaltendes Leben, das insbesondere auch die klassi-
sche Philologie durchdrang und zu einer nachhaltigen Durch-
forschung des Alterihums führte, während ihr zur Seite die
[1864.] 35
466 Öffentliche Sitzung
rein-deutsch-geborene Wissenschaft der Sprachvergleichung dazu
einen grofsartigen linguistischen Neubau herrichtete. Die Män-
ner, die dieses neue Leben geweckt haben, stehen uns noch
nahe, unsre Akademie kennt und ehrt ihre Veteranen; auch die
Dahingeschiedenen leben in ihren Werken und in dankbarem
Gedächtnifs.
An die klassische Schwester sich anschliefsend, ergriffen
von dem allgemeinen wissenschaftlichen Streben und durch jene
Anregungen von aulsen her unterstützt, nahm auch die orien-
talische Philologie neuen Aufschwung. Aber angesichts des
massenhaften, immerfort anwachsenden Materials und eingedenk
der strengeren Anforderungen der Wissenschaft, die besonders
an die Behandlung der Sprachen, z. B. auch der hebräischen
Sprache, gestellt wurden, gewann jeder gewissenhafte Arbeiter
auf diesem weiten, in seinem vollen Umfange kaum überseh-
baren Felde bald die Überzeugung, dals der stürmische Anlauf
des Einzelnen auf das Ganze jetzt ein zielloses Wagnifs, dafs
hier eine Theilung der Arbeit, die Beschränkung des Einzelnen
auf ein engeres Gebiet geboten sei, wenn die Forschung der
erforderlichen Vertiefung und Gründlichkeit nicht ermangeln
sollte.
So ist es gekommen, dafs ein Orientalist heutigen Tages
in der Regel einem besonderen Stück Orient seine Sorge und
Arbeit widmet, obwohl es ihn nur fördern wird, wenn er da-
bei den Zusammenhang seiner Parzelle mit dem grofsen Gan-
zen und die gleichartige Thätigkeit seiner Genossen im Auge
behält. Für das Zusammenstehen der Genossen haben wir auch
durch ein äufseres Band gesorgt, als wir vor nunmehr zwanzig
Jahren die „Deutsche Morgenländische Gesellschaft”” gründeten,
welche durch Vereinigung der zerstreuten Arbeitskräfte aner-
kannter Maafsen schon manches Erhebliche zu Stande gebracht
hat, und Gröfseres leisten würde, je nachdem ihre äufseren
Mittel in ein günstigeres Verhältnils zu der grolsen Aufgabe,
die sie sich gestellt hat, gebracht werden könnten.
Das Gebiet nun, bei dessen Bearbeitung ich mich vorzugs-
weise betheiligt habe, das Gebiet der semitischen Völker, diese
meine Parzelle, ist ein umfängliches Stück Land in Vorder-
asien. Es schlielst eine der ältesten Domänen europäischer
vom 7. Juli 1864. 467
Wissenschaft in sich, die des hebräischen Alterthums, die aber
doch erst seit ungefähr vierzig Jahren nach gedeihlichen Grund-
sätzen bewirthschaftet wird. Daran stöfst die kleine phöniki-
sche Küstenstrecke, die sich durch ihre Handels -Colonien im
Mittelmeere ergänzt, mit deren nachgelassenen Inschriften wir
uns auch erst seit Kurzem eingehender beschäftigen. Weiter
gehört dazu das alte Aramäa, d. i. Syrien und Mesopotamien,
dann Babylonien, und eigentlich auch Assyrien. Die jüngst erst
zu Tage gelegten assyrischen Monumente, wie die uralten Rui-
nen von Babel mit ihren Keilinschriften boten viele Räthsel dar,
aber auch zu ihrer Lösung dringt die Forschung muthig vor.
Aus den neuerlich herbeigeschafften Resten der syrischen Lit-
teratur sind belangreiche Schriftstücke zur näheren Kenntnis
gebracht, und ist noch mehr zu erwarten. Die syrische Sprache
galt lange Zeit für ausgestorben, da tauchte plötzlich in den
kurdischen Bergen und Weideebenen ein damals unabhängiger,
von einem Patriarchen regierter Christenstaat auf, von dessen
Existenz wir kaum eine Ahnung hatten, und im Munde seiner
Bewohner herrschte, wie auch in benachbarten Gegenden, als
lebende Muttersprache das Syrische, allerdings im Laufe der
dunklen Jahrhunderte zu einem modernen Syrisch geworden.
Auch dies gehört ın die Reihe der vielen Entdeckungen, die in
den letztverflossenen Jahrzehenden im Orient gemacht wurden,
es war mir beschieden, in Deutschland davon die erste Kunde
zu geben.
Abgesehn von einigen kleineren Enclaven, die zu diesem
Gebiete gehören und auf die ich jetzt nicht eingehen kann,
steht zuletzt noch zu erwähnen der arabische Grund und Bo-
den, — Arabien selbst mit der alten Colonie der Habessinier
und mit den über das eigentliche Arabien nach allen Seiten
weit hinausreichenden Provinzen, welche durch die Eroberungen
des Islam dem Khalifat unterworfen wurden. Über alle diese,
zum Theil fernab liegenden Provinzen verbreitete sich die ara-
bische Sprache, die sich damit, nicht eben zu ihrem Vortheil,
von ihrer heimatlichen Reinheit entfernte und in unzählige
Volksdialecte zersplitterte. Weniger wurde die Schriftsprache
von Verderbnils getroffen; denn wenn auch arabische Dichtung
334
468 Öffentliche Sitzung
und gelehrte Schriftstellerei gerade in den eroberten Ländern,
in Persien und Transoxanien, in Syrien und Aegypten, im nörd-
lichen Afrıka und Spanien in wuchernder Fülle sich aufthat, so
lehnte sie sich doch in Betreff der Sprache an die alte Muster-
poesie und den Koran an, die fremden Gelehrten und Dichter
studirten die Sprache, bearbeiteten sie grammatisch und lexica-
lisch und lernten sie geschickt handhaben, so dals sich in die-
sem ausgebreiteten Schriftthum eine allerdings nicht geringe
Verschiedenheit mehr nur durch Erweiterung des behandelten
Stoffes, durch Einmischung fremdländischen Geschmackes und
je nach Schule, Bildungsart und Begabung der Schriftsteller
ergab.
Die ältere arabische Sprache mit ihrem wohlerhaltenen Or-
ganismus hat im semitischen Sprachkreise ungefähr die Stellung,
welche das Sanskrit unter den indogermanischen Sprachen hat.
Sie ist für die vergleichende semitische Grammatik der wich-
tigste Factor, ohne welchen eine tiefere wissenschaftliche Er-
fassung der übrigen Sprachen dieses Stammes, auch der hebräi-
schen, nicht gelingen kann.
Eine Abzweigung des Altarabischen, das sogenannte Aethio-
pische, die Sprache der habessinischen Christen, bietet uns eine
kleine, hauptsächlich nur biblisch-kirchliche Litteratur dar. Auch
die äthiopische Schrift ist ein Abkömmling der südarabischen,
welche letztere sich nur in Inschriften aus der Zeit der sabäisch-
himjaritischen Herrschaft erhalten hat. Zu der Enizifferung
dieser Inschriften und der Ermittelung ihrer Sprachform habe
ich in den Jahren 1837 bis 1842 den ersten Grund legen
helfen.
Die eigentliche arabische Litteratur aber hat, nachdem sie
etwa ein Jahrhundert vor Muhammed in Mittelarabien von Iyri-.
schen Poesien ihren Ausgang genommen, mit dem Auftreten
und der Machtenifaltung des Islam Schritt haltend, einen so
aufserordentlichen Umfang und eine so reiche in die verschie-
denartigsten Wissens- und Culturzweige eingreifende Entwicke-
lung gewonnen, dals sie ein mächtiges Glied in der Kette der
fortschreitenden Weltbildung darstellt. Was von arabischen
Schriften durch Druck und Bearbeitung bereits zugänglich ge-
worden, ist heute nicht mehr ganz wenig, macht aber dennoch
vom 7. Juli 1864. 469
nur einen geringen Bruchtheil der gesammten Büchermasse aus,
die in europäischen Bibliotheken handschriftlich vor uns liegt.
Selbst von den Hauptwerken und den nöthigsten Handbüchern
sind noch viele ungedruckt. Es fehlen uns beispielsweise zum
grolsen Theil noch die Texte, die unter den Arabern selbst für
die klassischen gelten, die älteren Gediehtsammlungen, bedeu-
tende Geschichtsquellen, Schriften die den Übergang griechi-
scher Litteratur an unser Mittelalter vermittelt haben oder die
sonst für die Culturgeschichte auch des Abendlandes von Be-
lang sind. Dergleichen mülste meines Erachtens vor allem An-
dern publicirt, übersetzt, ausgezogen, bearbeitet werden. Dazu
wären aber dem Arabisten auch noch manche nöthige Hülfs-
mittel in die Hand zu geben, grammatische und lexicalische Ar-
beiten der Araber über ihre Sprache, ihre bedeutenderen Com-
mentarschriften, Werke die zur Litteraturgeschichte gehören,
biographische, encyclopädische, u. a. m. Es würde sich so nach
und nach ein Stück zusammenhängender Culturgeschichte erge-
ben, welches wir jetzt nur äufserst lückenhaft vor uns haben.
Die handschriftlichen Schätze der hiesigen Königlichen Bi-
bliothek, welche durch die Fürsorge der Hohen Behörden und
durch Königliche Freigebigkeit in neuerer Zeit so bedeutenden
Zuwachs erhalten haben, bieten dazu ein reichliches und theil-
weise vorireffliches Material dar; denn gerade die arabische Ab-
iheilung der Sammlung ist äufserst werthvoll an Zahl und Ge-
halt der Handschriften, und die grolse Masse der muhammeda-
nisch-persischen Manuscripte bietet einen willkommenen Anhang
dazu. Da liegt Arbeitsstoff, für Generationen ausreichend. Ich
meinestheils bin bereit und vorbereitet, zur wissenschaftlichen
Verwerthung dieser kostbaren Vorräthe das Meine beizutragen.
Und in dieser und den andern von mir angedeuteten Richtun-
gen denke ich auch der Akademie meine Dienste zu weihen.
Hierauf erwiederte Hr. Trendelenburg, Sekretar der
philosophisch -historischen Klasse, Folgendes:
Es ist mir die Pflicht zugefallen, die einem Würdigern ge-
bührte, Sie, hochgeehrte Genossen, ın der Akademie zu be-
470 Öffentliche Sitzung
grülsen, und ich erfülle sie mit Freuden. Aber es sind andere
wissenschaftliche Gebiete, andere Gesichtskreise, welche sich
Ihnen aufthun. Ich schaue nur Ihrer Arbeit zu und freue mich
Ihrer Ergebnisse, so weit sie mir zugänglich sind. Ich habe
auf Ihren Feldern keine eigene Furche gezogen; höchstens bin
ich bei dem, was dort gewachsen und gereift, je einmal zu
Gast gegangen. Ergänzen Sie daher die mangelhaften Worte,
die ich an Sie richte, durch Ihr Wohlwollen.
Gern knüpfen wir am Leibniztage an Leibniz an. Wie
Sie, Herr Müllenhoff, in grolsem und weiten Sinne in der
Dinge Anfänge zurückweisen, so folgen wir Ihnen und ver-
säumen es für unsern engen Kreis am heutigen Tage nicht.
Leibniz, der Forscher in der deutschen Geschichte, hatte in
einer dem Deutschen entfremdeten Zeit die Pflege der deutschen
Sprache als eine Aufgabe dieser Akademie ins Auge gefalst, und
er berief zu dem Ende einen würdigen Mann, der ıhn selbst
eine Zeit lang im Russischen unterwiesen hatte, einen Mann,
dessen Wörterbuch wir noch heute mit Erfolg aufschlagen,
Johann Leonhard Frisch, damals Subrector am Gymnasium
zum grauen Kloster, einen vielseitigen Mann, der in der Zoo-
logie der Insecten und Vögel einen Namen hat und dem Jacob
Grimm in der Vorrede zum Wörterbuche ehrende Worte wid-
met. Er nennt sein Werk das erste gelehrte deutsche Wör-
terbuch, das mit weiter Umsicht ferner liegende Urkunden,
Chroniken und Gedichte zu Rathe ziehe und gründliche beson-
nene Wortableitungen aufstelle, das nicht veralte. Frisch er-
wähnt in der Vorrede zu seinem Wörterbuche, das er 1741
herausgab, dankbar der Theilnahme der Societät der Wissen-
schaften, die ihm den kräftigsten Trieb gegeben. - Als er 1743
starb und zwar als Director der Societät in classe historico-
philologico-Germanica, wie sie damals hiels, da wich schon das
deutsche Zeitalter der Akademie dem französischen, und es
dauerte zwei Menschenalter, ehe in der Akademie der Wissen-
schaften Leibnizens ‚‚teutsch gesinnete Societät” wieder erstand.
Es geschah in jener Erneuerung, die mit der Gründung unserer
Universität in schönem Zusammenhang steht. Sie haben an die
klassische Zeit erinnert, da ın der Akademie Lachmann und Ja-
cob und Wilhelm Grimm die deutsche Philologie vertraten,
vom 7. Juli 1864. 471
gelehrt und schöpferisch, scharfsinnig und selbst poetisch. Es
war ein schönes und kräftiges Dreiblatt, das sich später, da
Lachmann früh schied und in ihm das Eine Blatt abbrach, in -
einem neuen Sprols noch einmal voll ergänzte; aber dann brach
auch das zweite und dritte Blatt nur allzu bald. Es war eine
klassische Zeit, zumal wenn wir uns die Männer in dem Ver-
ein mit den Meistern verwandter Forschungen denken.
Sie haben in diesem Zusammenhang mit leisem Finger die
Punkte bezeichnet, an welche Ihre Arbeiten anknüpfen. Sie
erweiterten die Poesie des deutschen Volks in Sagen, Mährchen,
Liedern, die Sie auf dem Boden Schleswig- Holsteins sammel-
ten; in Ihrem heimischen Dittmarsen suchten Sie die alten
Helden, nach den plattdeutschen Worten des Chronisten,
„friske, riske, starke Degen,
De ehr Höved in den Wolken dregen,”
Sie horchten dem Volke und folgten jenem Worte Luthers: ich
möcht mich der wundersamen Historien, so ich aus zarter Kind-
heit herübergenommen, oder auch wie’sie mir vorkommen sind
in meinem Leben, nicht entschlagen um kein Gold. Dann för-
derten Sie die Geschichte des Epos und der Heldensage. Hier
sammeln Sie gelehrt und kritisch alte deutsche Sprachdenkmäler,
dort forschen Sie im ganzen weiten Gebiet des deutschen Al-
terihums und ziehen, was so noch nicht geschehn, in den Ur-
sprüngen die ethnographische Seite in besondere Erwägung.
Die Akademie weils, was Sie in diesen Richtungen vorbereiten
und freuet sich, von nun an daran Theil zu haben. Es ist
schön, solche Bahnen solcher Vorgänger fortzusetzen und wei-
ter zu verzweigen. Es ist schön, in dem deutschen Alterthum
und der deuischen Sprache einen Gegenstand zu erforschen, der
in der Geschichte mit der lautern Bewunderung eines Tacitus
beginnt und von der wachsenden Liebe unsers Volks zu seinem
eigenartigen Wesen wie auf Schwingen getragen wird, einen
Gegenstand, dessen Erschlielsung in geschichtlicher Selbster-
kenntnils diese Liebe stärkt und veredelt.
Noch ferner als der Wissenschaft des Herrn Müllenhoff —
denn bis zu einer gewissen Grenze leben wir alle auf dem va-
terländischen Boden der deutschen Philologie — noch ferner,
noch fremder stehe ich dem weiten Felde, auf dem Sie sich,
472 Öffentliche Sitzung
Herr Rödiger, mit beherschendem eindringenden Blick bewe-
gen. In anziehenden Zügen haben Sie uns eben ein Bild der
morgenländischen Studien entworfen, wie sie sich in den 40 Jah-
ren Ihres Gedenkens aus der Einheit gedrungener Anfänge zu dem
mannigfaltigsten in sich verzweigten Wissen ausdehnte und der
wachsende Stoff mehr und mehr Theilung der Arbeit erforderte,
ein Bild reger immer neu anschielsender Entwicklung — und
diese Entwicklung lebten Sie mit, bald durch eigene Arbeiten
eingreifend, bald fremde mit zusammenfassender Darstellung
überschauend und mit sichtendem Urtheil in die Wissenschaft
einreihend. Die ausschweifenden Pläne des jungen Theologen,
die Sie wie einen Jugendtraum schilderten, blieben kein Traum;
sie wurden zu jener umfassenden Gelehrsamkeit, welche wirk-
lich, wo Andere den getheilten Gebieten nachgingen und in
ihnen verharrten, den Höhenpunkt des umfassenden Blickes be-
wahrte und eine vielseitige Betheiligung möglich machte.
Es wäre am Leibniztage nicht schwer, das Studium der
Sprachen der Völker, in welchen die Sonne der geschichtlichen
Menschheit aufgegangen, auch an Leibniz anzuknüpfen. Wir
würden aulser seinen Gedanken an Missionen nach China und
Indien, mit welchen er Zwecke der Wissenschaft verband, an
jene unsern Miscellaneen vom Jahr 1710 einverleibte Abhand-
lung erinnern, in welcher er den Spuren der Sprachen scharf-
sinnig folgend über die Ursprünge der Völker handelt, wie in
einem prophetischen Vorblick heutiger Wissenschaft. Aber es
. bedarf keiner Erinnerungen. Die morgenländischen Studien, von
den Verkehrswegen der Menge weit abgelegen und selbst unter
den Beschäftigungen der Gelehrten nicht selten in. einsamer
Gröfse dahin gehend, sind recht eigentlich der vereinigten Pflege
der Akademien zugewiesen, in welchen, über das gemeine Mals
des Nutzens erhaben, ein warmes Herz für jede wissenschaft-
liche Untersuchung schlägt und der grofse Zusammenhang be-
nachbarter oder entfernterer Felder eine ermuthigende belebende
Theilnahme erzeugt. Es ist aus demselben Gesichtspunkt be-
greiflich, dals die Stiftung der morgenländischen Gesellschaften,
der Pariser zuerst, dann der deutschen, an*deren Gründung Sie
mit Männern wie Fleischer und Olshausen besondern Antheil
vom 7. Juli 1864. 473
hatten, eine Epoche für das Studium und die Förderung der
orientalischen Wissenschaften bildete.
Es war anziehend zu hören, wie sich in dem Anbau. dieser
Studien die Gelehrten und Akademiker der Nationen begegnen
und wir vernehmen darin einen sprechenden Gegensatz gegen
die deutsche Philologie, die ihre Forscher und Förderer meist
nur auf der heimischen Erde oder im Bereich des germanischen
Lebens hat. Wo wir auf das Gebiet Ihrer Studien treten, ha-
ben wir in ihren Repräsentanten die weltverbindende Wissen-
schaft vor unsern Augen. Insbesondere ragt in den orientali-
schen Studien die Pariser Akademie hervor und die Schule, die
sich dort gebildet hat, sammelte sich namentlich um die hand-
schriftlichen Schätze der Bibliothek, die ihr weiten Stoff zu
erfolgreicher Arbeit gewährten. In Ihrer Darstellung begegnen
einander der in bedeutenden Schülern fruchtbare Meister des
Arabischen Silvestre de Sacy in Paris und ein Deutscher ın
Petersburg Martin Frähn, der arabische Münzen erklärt, Cham-
pollion, der die verschwiegenen Hieroglyphen reden macht,
Abel Remusat, an das äufserste China hinweisend, und Eu-
gene Burnouf, der Kenner des Zend und Sanskrit, und mit
ihnen wieder forschende Deutsche, wie Gesenius und Ewald,
Wilhelm von Humboldt und Bopp. In Ihrer Darstellung be-
gegnen sich die Nationen, um hier das Hebräische, die alte
philologia sacra, anzubauen, dort die grolse eigenthümliche Cul-
turwelt der. Araber der Wissenschaft zu öffnen, um hier die
indische Sprache und das indische Leben zu erschliefsen und
dort in dem erforschien Zusammenhang der Sprachen die ver-
borgenen Ursprünge der Völker zu beleuchten und aus dem
Dunkel des Unbewulsten und Vergessenen in das Licht des Be-
wufstseins zu ziehen. Sie selbst schaffen hier, schaffen dort,
— an dem hebräischen Sprachschatz, Ihres Gesenius thesaurus
vollendend, in der Litteratur der Perser und Araber, unter An-
derem in der Erklärung altarabischer Schriftmonumente, an dem
Küstensaum Phöniziens und Syriens, bald in phönizischen In-
schriften, bald die Spuren des sonst ausgestorbenen Syrischen
in dem Munde eines Stammes entdeckend, bald in der Erfor-
schung des Kurdischen, die Sprachvergleichung berücksichtigend.
Vor Allem freuen wir uns, dafs sich nach und nach Männer
474 Öffentliche Sitzung
finden — und Sie gehören unstreitig dazu — welche den in
der Handschriftensammlung der K. Bibliothek verborgenen Schatz |
heben und für die allgemeine Theilnahme der Wissenschaft an
das Licht des 'Tages bringen wollen. Die Akademie knüpft an
diese mannigfaliigen Beziehungen Hoffnungen des Gewinnes auch
für ihre Gemeinschaft.
So heilsen wir Sie beide, verehrte Genossen, in der Mitte
der Akademie herzlich willkommen, überzeugt, dals das Wech-
selgespräch, das die vereinzelten Wissenschaften in diesen Räu-
men unter einander führen sollen, auch durch Sie an Bedeutung
und Vielseitigkeit gewinne.
Hierauf erstattete Hr. Kummer den Bericht über die Preis-
fragen.
Die physikalisch - mathematische Klasse der Akademie hatte
im Jahre 1861 eine Preisaufgabe aus dem Ellerschen Tsgate
gestellt, welche also lautete:
Die Akademie verlangt eine Reihe experimenteller Unter-
suchungen, durch welche der Ursprung der unter verschiedenen
Formen auftretenden Luftelektricität befriedigend nachgewiesen
werde. Namentlich wünscht sie dadurch festgestellt zu sehen,
ob die periodischen Spannungserscheinungen, welche auch bei
heiterem Himmel beobachtet werden, und die wechselnden Span-
nungen, so wie die Entladungen, welche bei den verschiedenen
Formen der Gewitterbildung vorkommen, gleicher oder unglei-
cher Entstehung sind, und im ersteren Falle, in welchem Zu-
sammenhange beide Erscheinungen mit einander stehen. Sollten
die Versuche ergeben, dafs beide Klassen von Erscheinungen
verschiedenen Ursprungs sind, so würde die Akademie sich schon
befriedigt fühlen, wenn sie auch nur für eine derselben eine ge-
nügende Erklärung aufgestellt sähe.
Auf diese Preisfrage ist eine Bewerbungsschrift in franzö-
sischer Sprache rechtzeitig eingegangen mit dem Motto: Zes
verites les plus simples sont toujours celles que !’homme apprend
ä connaitre les dernieres. Bei der Prüfung dieser Schrift hat
sich jedoch ergeben, dals sie mit Ausnahme der Einleitung nur
vom 7. Juli 1864. 475
die wörtliche Übersetzung eines italienischen Aufsatzes ist, wel-
cher von Herrn Palmieri in der Königlichen Gesellschaft zu
Neapel am 24. Juli 1862 gelesen, und in den Berichten dieser
Gesellschaft gedruckt worden ist. Diese Schrift kann darum den
Preis nicht erhalten, und weil die Akademie über bereits ge-
druckte Arbeiten überhaupt niemals ein Urtheil abgiebt, so kann
auch auf eine Beurtheilung ihres wissenschaftlichen Werthes nicht
eingegangen werden.
Nach Vorschrift der Statuten wird der versiegelte Zettel
mit dem Namen des Verfassers uneröffnet verbrannt.
Die physikalisch-mathematische Klasse stellt in diesem Jahre
folgende mathematische Preisfrage aus akademischen Mitteln:
Die Theorie der elliptischen und Abel’schen Functionen,
welche schon jetzt fast ın allen 'Theilen der Mathematik die
Lösung von Aufgaben möglich gemacht hat, für welche die früher
der Analysis zu Gebote stehenden Hülfsmittel nicht ausreichten,
ist ohne Zweifel noch zahlreicher weiterer Anwendungen fähig;
und es stellt daher die Akademie folgende Preisfrage:
„Es soll irgend ein bedeutendes Problem, dessen Gegenstand
„„der Algebra, Zahlen-Theorie, Integral-Rechnung, Geometrie,
„Mechanik und mathematischen Physik angehören kann, mit
„„Hülfe der elliptischen oder der Abel’schen Transcendenten
„vollständig gelöst werden.”
Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der dieser Auf-
gabe gewidmeten Schriften, welche nach der Wahl der Bewerber
in’ deutscher, lateinischer oder französischer Sprache abgefalst sein
können, ist der 1. März 1867. Jede Bewerbungsschrift ist mit
einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äulsern des ver-
siegelten Zettels, welcher den Namen des. Verfassers enthält, zu
wiederholen.
Die Ertheilung des Preises von 100 Ducaten geschieht in
der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monat
Juli des Jahres 1867.
Unser am 1. April vorigen Jahres verstorbener College
Steiner hat der Akademie ein Legat von 8000 Rithlrn. ver-
macht mit der Bedingung den Reinertrag der Zinsen alle zwei
Jahre zu Preisen zu verwenden, für von ihr gestellte Aufgaben
in dem Bereiche der synthetischen Geometrie, hauptsächlich mit
476 Öffentliche Sitzung
Berücksichtigung der von ihm aufgestellten Methoden und Prin-
cipien. Dieses Legat hat durch allerhöchste Cabinets-Ordre vom
1. Juni 1863 die landesherrliche Genehmigung erhalten, und die
Akademie ist zugleich ermächtigt worden diejenigen Summen,
welche in Folge nicht bewirkter Lösung der den Stiftungsbe-
stimmungen gemäls gestellten Aufgaben zurückfallen, zu Preisen
für verwandte Arbeiten in der Geometrie überhaupt zu verwen-
den. Nachdem nun das Capital dieser Stiftung erhoben und
zinsbar angelegt worden ist, stellt die physikalisch-mathematische
Klasse der Akademie heut zum ersten Male eine Preisfrage aus
dem Steinerschen Legate, welche also lautet:
In einer in den Monatsberichten der Akademie vom Januar
1856, sowie in dem 53. Bande des Crelle’schen Journals veröf-
fentlichten Abhandlung hat Steiner eine Reihe von Fundamental-
Eigenschaften der Flächen dritten Grades mitgetheilt, und dadurch
den Grund zu einer rein geometrischen Theorie derselben gelegt.
Die Akademie wünscht, dafs diese ausgezeichnete Arbeit des
grofsen Geometers nach synthetischer Methode weiter ausgeführt
und in einigen wesentlichen Punkten vervollständigt werde.
Dazu würde es zunächst nothwendig sein, die gröfstentheils nur
angedeuteten oder ganz fehlenden Beweise der aufgestellten Haupt-
sätze zu geben; dann aber mülste die Untersuchung auch auf die
von Steiner nicht berücksichtigten Fälle, in denen die zur geo-
metrischen Construction der in Rede stehenden Flächen dienenden
Elemente zum Theil imaginär sind, ausgedehnt werden. Aufser-
dem ist eine genaue Charakterisirung der verschiedenen Gattungen
von Raumcurven, in welchen zwei solche Flächen sich schneiden
können, zwar nicht unumgänglich erforderlich, würde aber von
der Akademie als eine wichtige Ergänzung der Steiner’schen
Theorie betrachtet werden.
Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der dieser Auf-
gäbe gewidmeten Schriften, welche nach der Wahl der Bewerber
in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache abgefalst sein
können, ist der 1. März 1866. Jede Bewerbungsschrift ist mit
einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äufsern des ver-
siegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu
wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 600 Thalern ge-
vom 7. Juli 1864, 477
schieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage
im Monat Juli des Jahres 1866. -
Nach diesen Vorträgen schlols Hr. Haupt die Sitzung mit
einer Gedächinifsrede auf Jacob Grimm.
14. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Bufchmann las den Anfang feiner zweiten Abhand-
lung über die Zahlwörter der fonorilchen Sprachen, ge-
hörig zur 3ten Abtheilung feiner fonorilchen Grammatik.
»
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien:
Denkschriften der math.-naturw. Klasse. Band 22. Wien 1864. 4.
Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse. Band 42—44, ı.
Sitzungsberichte der math.-naturw. Klasse. Wien 1863. 8.
Archiv für Kunde östreichischer Geschichtsquellen. Band 30, Heft 1. 2.
Fontes rerum austriacarum. 1. Band 4.
Akademischer Almanach für 1863.
Separatabdrücke: 87 Nummern in 8., 5 Nummern in 4.
Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 14, Heft 6.
Band 15, Heft 1. 2. Zürich 1863—64. 4.
Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. XXIV, Literature 1. An-
tiquities 1. Science 3. Dublin 1864. 4.
Proceedings. Vol. 8, Part 1—6. Dublin 1862—64. 8.
Philosophical Transactions of the Royal Society. Vol. 153, Part 2.
London 1864. 4.
Proceedings, no. 57—64. ib. 1864. 8.
Journal of the Royal Dublin Society. no. 30. Juli. Dublin 1863. 8.
Proceedings of the Zoological Society of London. 1863. 1864, no. 1.
478 Gesammtsitzung
Bibliotheca indica, no. 201. 202. New Series. no. 42, 43. Calcutta
1863. 8. |
Schriften des Archäologischen Instituts in Rom. Jahrgang 1863.
Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 19. Jahrg,, Heft 1.
Stuttgart 1863. 8. Mit Schreiben vom 1. Dez. 1863.
Abhandlungen der naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. III. Band,
41. Hälfte. Nürnberg 1864. 8.
Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Zürich
1862. 1863. 8.
The Numismatic Chroniele. London, March 1864. 8.
Gerhard, £truskische Spiegel. 3. 4. Band, Lieferung 10. 11. Berlin
1864. 4. (20 Exemplare.)
Hincks, On the Assyrio-Babylonian Phonetic Characters. Dublin
1852. 4.
Levi, La patologia cellulare. Venezia 1863. 8.
B. Borghesi, Oeuvres completes. 'Tome 2.3. Paris 1864. 4.
. Carrington, Observations of the spots on the Sun from 1853—1861.
London 1863. 4.
Lenormant, Monographie de la voie Eleusienne. Livr. 4. Paris
1864. 8.
N. J. de Coronei, La situazione e lo stato delle Russie. Napoli
1863. 8.
‚Historiae patriae Monumenta. Vol. 10. 11. Augustae Taurinorum
1861. 1863. folio. Mit Rescript vom 6. Juli 1864.
Ein Schreiben des vorgeordneten K. Ministeriums, d. d.
12. Juli, zeigt an, dals die General- Kasse angewiesen worden,
die von der Akademie zur Ausführung der neuen Redaction
der Besselschen Zonenbeobachtungen bewilligten das Unterneh-
men abschlielsenden 200 Rthlr. an Hrn. Ruppel in Königsberg
zu zahlen.
Ein ähnliches Schreiben vom 14. Juli veranlafst die Aka-
demie sich über die neuerlich als zweckmälsig erkannten Bedin-
gungen der Blitzableiter zur practischen Verwendung für ge-
wisse bestimmte Fälle gutachtlich zu äulsern. Die Akademie
überweist ihrer pbysikalisch-mathematischen Klasse die Erledi-
gung des Auftrages.
Ein Schreiben im Auftrage des Kaiserlich Französischen
Hausministers, d. d. Paris 25. Juni, begleitet den auf Kaiser-
vom 14. Juli 1864. 479
lichen Befehl übersandten zweiten und dritten Band der Oewores
de Bartolomeo Borghesi für die Bibliothek der Akademie.
Der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. zeigt den Em-
pfang der Monatsberichte von 1862 am 1. Januar 1864 an, die
naturforschende Gesellschaft zu Zürich den der Monatsberichte
von 1862 und 1863 am 1. März 1864.
Der Würtembergische Verein dankt unterm 1. Dec. 1863
für den Empfang der Monatsberichte von 1854, 1855, 1856
und 1863 und die Academie de Nancy unterm 2. Juli für die
Monatsberichte von 1863.
18. Juli. Sitzung der physikalisch-mathe-
matischen Klasse.
Hr. Reichert las: Beitrag zur feineren Anatomie
der Gehörschnecke beim Menschen und den Säuge-
ihieren. Zweite Abtheilung.
41. An den Wänden des häutigen Schneckenkanals sind zu
unterscheiden: das die Höhle auskleidende Epithel und das
Substrat. Letzteres enthält der Hauptmasse nach Bindesub-
stanzgebilde (hyalinen Knorpel — Faserknorpelgewebe ohne und
mit elastischen Elementen, Bindesubstanzlamellen reich an elasti-
schem Stoff) in verschiedener oft sehr zierlicher Form und Blut-
gefälse. Elemente des Nervensystems, Nervenfaser und Nerven-
körper, sind im Substrat des häutigen Schneckenkanals nicht
nachzuweisen. Zu den angeführten beiden Bestandtheilen tritt
da, wo der häutige Schneckenkanal eine freie Fläche der Höhle
des Schneckengehäuses zuwendet, — also an der Pauken- und
Vorhofswand, — das Epithel der perilymphatischen Räume, —
nämlich der Pauken- und Vorhofstreppe, desgleichen am Vor-
hofsblindsack des von mir beschriebenen perilymphatischen Rau-
mes des Vorhofs, — hinzu.
Es ist unpassend das aus der Umwandlung der Cueis ent-
standene Substrat, welches an der Zasnina spiralis ossea und an
der äufseren Wand des häutigen Schneckenkanals mit der Bein-
480 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
haut der knöchernen Schnecke in continuirlicher Verbindung
steht, .als Fortsetzung dieser Beinhaut in die anatomische Be-
schreibung aufzunehmen (Kölliker).
2. Das den perilymphatischen Räumen angehö-
rige Epithel verhält sich an den freien Flächen des häutigen
Schneckenkanals nicht anders als dasjenige, welches mit ihm in
continuirlicher Verbindung steht und auf den freien, den peri-
lymphatischen Räumen, resp. Treppengängen u. s. w., zugewen-
deten Flächen der Wände der knöchernen Labyrinthkapsel sich
ausbreitet. Die histologische Form dieses Epithels stimmt im
Wesentlichen mit derjenigen des Epithels an den serösen Flä-
chen der Pleura, des Peritonaeum u. s. w. überein; es ist ein
polyedrisches Plattenepithel mit häufig rhomboidalen, selbst spin-
delförmigen Zellen, deren Contouren nur im ganz frischen Zu-
stande oder nach Anwendung geeigneter Reagenzien zu erken-
nen sind.
Das Epithel besteht aus mehr plattgedrückten gekernten Zel-
len und kann durch Zerrung in eine mehr weniger parallel ge-
streifte Substanz verwandelt werden, an welcher nur die Kerne
und nicht die eigentlichen Zellencontouren gesehen werden. In
diesen Zuständen kann es mit sogenannten unreifen Bindesub-
stanzgebilden, auch mit Nerven-Gebilden verwechselt werden.
An der Vorhofswand des häutigen Schneckenkanals sind die ein-
zelnen Epithelzellen gröfser als an der Paukenwand. An letz-
terer besitzen die Zellen eine länger gezogene rhomboidale und
selbst deutlich spindelförmige Begrenzung; der Längsdurchmes-
ser der Zellen ist der Längsaxe des Kanals parallel gerichtet.
Die von M. Schultze und Deiters im Bereiche der Pa-
piüla spiralis H. und des CGortischen Apparates beschriebenen
varicösen Nervenfaserenden des Schneckennerven lassen sich als
gezerrtes Epithel der Paukentreppe nachweisen. Auch die Stütz-
fasern, welche nach Deiters die Cortischen Fasern stützen
sollen, sind auf dieses Epithel zu beziehen. Kölliker deutete
dieses Epithel als Bindewebskörpercheu (Handbuch der Gewebl.
1863. S. 715.). Ebenso hat derselbe das gezerrte Epithel der
Vorhofstreppe als eine Lage „einfacher Bindesubstanz”, welche
aus dichten Netzen von Bindegewebskörperchen bestehen und
auch Kapillargefälse führen soll, beschrieben (a. a. O. S. 706.).
vom 18. Juli 1864. 481
3. Das Epithel der perilymphatischen Räume und Treppen-
gänge fehlt in der Schnecke und im Vorhofe an keiner Stelle
der diesen Räumen zugewendeten Fläche. Die Angabe, dafs
dasselbe an einzelnen Stellen nicht vorhanden sei, ist dadurch
entstanden, dals man dasselbe im gezerrten Zustande als Nerven-
oder Bindesubstanzgebilde u. s. w. gedeutet hatte. (Kölliker:
Hdb. d. Gewebl. 1863, S. 119. — Hensen: Zeitschr. f. w.
Z. Bd. XIH. S. 483.)
4. Das der Hauptmasse nach aus Bindesubstanzgewebe be-
stehende Substrat des häutigen Schneckenkanals unter-
hält, wie ich es in meinem Vortrage am 16. Juni auseinander-
gesetzt habe, an der äuflseren Wand und an der inneren oder
Spindelkante, desgleichen an den von mir bezeichneten Stellen
der ierminalen Blindsäcke, eine so innige continuirliche Verbin-
dung mit den Bestandtheilen (Beinhaut) der knöchernen Labyrinth-
kapsel, dals scharf hervortretende Abgränzungen nicht bemerkbar
werden ').
Die feinsten mit Hülfe des Mikroskops nachweisbaren Tex-
tur- und Strukturverhältnisse lassen sich am Haupttheile des häu-
tigen Schneckenkanals am zweckmälsigsten nach drei Wänden
erläutern, wobei die innere Kante mit der Zona carzilaginea der
Lamina spiralis membranacea zur Paukenwand hinzuziehen ist.
5. Das Substrat der Vorhofswand ist die unter dem
Namen Cortische Membran beschriebene elastische Bindesub-
stanz-Lamella, welche Corti und auch Reilsner in Bezug auf
!) Hensena.a. O. 488 hat darauf hingewiesen, dafs man das aus
der Cutis sich entwickelnde Substrat des häutigen Schneckenkanals, wie
ich dies ursprünglich gethan habe, von der Beinhaut des Schneckenkanals
trennen müsse und nicht so darstellen dürfe, als wenn es aus demselben
hervorgegangen wäre. Er kommt hiebei in Widerspruch mit der von ihm
vertretenen Ansicht, dals das häutige Labyrinth, wie Remak und Köl-
liker behaupten, aus dem die Anlage der Cutis bedeckenden Epithel
(meine Umhüllungshaut, Remaks Hornblatt) sich bilde. Den von ihm
für das Substrat des häutigen Schneckenkanals vorgeschlagenen Namen
„Stratum conjunctivum” halte ich nicht für glücklich gewählt; auch sind
ihm nicht alle zum Substrat des häutigen Schneckenkanals gehörigen Be-
standtheile bekannt gewesen. An der Vorhofswand hat er dasselbe nicht
auffinden können a. a. ©. S. 484.
[1864.] 36
482 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
die querstreifige Zeichnung richtig beschrieben haben. An dem
äufseren Rande ist von mehren Beobachtern (Böttcher, Dei-
ters) eine netzförmige Zeichnung bemerkt worden. Dies ist
die Randpartie, welche von der äufseren Wand des häutigen
Schneckenkanals abgerissen ist. Am inneren Winkel des häuti-
gen Schneckenkanals tritt das Substrat der Vorhofswand auf den
innern Rand der Crisza acustica über. Ich habe an dieser Stelle
keine auffällig hervortretende knorplige Leiste (Crista Reifsneri)
erkennen können. Das Substrat der dünnen Vorhofswand geht
continuirlich in die Grundsubstanz der hyalinknorpligen Crisza
acustica unmittelbar über.
Mit Reifsner lassen sich an derselben zwei Bezirke unter-
scheiden, ein innerer und ein äulserer, der in die äuflsere Wand
des häutigen Schneckenkanals übergeht. Die Streifung ist in der
inneren Zone geringer, auch gelingt es hier schwieriger eine
Spaltung in Fasern zu bewirken. Die innere Zone muls bedeu-
tend dünner sein (Corti, Hensen) als die äulsere, da beide
durch Zerrung leicht von einander getrennt werden können.
Der äulsere Bezirk liegt dann frei und fällt aus dem Segment
der Schnecke leicht heraus; der innere dagegen legt sich auf die
Crista acustica, rollt sich auf, nimmt das kleinzellige Epithel der
Höhlenfläche in sich auf und schiebt sich in den Suleus spiralis
der Crista acustica hinein. Das bezeichnete Epithel ist es wahr-
scheinlich, welches die Köllikersche Epithelwulst am Sulcus
spiralis darstellt, und welches Hensen mit dem Namen Organon
Köllikeri belegt hat.
6. Der wichtigste Theil am häutigen Schneckenkanal ist in
dem Substrat der Paukenwand gegeben. Hier ist es, wo
die akustischen Apparate ausgebildet sind, durch welche die auf
die Endolympha fortgepflanzten Schallwellen - Bewegung regulirt
und mit dem Schneckennerven in Verkehr gesetzt wird. Es
gehören zum Substrat dieser Wand: die Pars cartilaginea und
membranosa der Zona Valsalvae, der Gortische Apparat, die
Larmina reticularis (Köll.).
In Übereinstimmung mit dem feineren Bau können am Sub-
strat der Paukenwand, im Haupttheile des häutigen Schnecken-
kanals (nicht in den terminalen Blindsäcken), drei der Länge
vom 18. Juli 1864. 483
nach neben einander hinziehende und auch in der äulseren Form
ausgedrückte Abschnitte oder Zonen unterschieden werden: 1) die
innere Zone, oder Pars cartilaginea Zonae Valsalvae; 2) die
mittlere Zone, oder die Papilla spiralis, Huschke; 3) die äu-
(sere Zone, oder die Zone pectinata.
Die am inneren Rande des häutigen Schneckenkanals gele-
gene Pars cartilaginea Zonae Falsalvae istin die Halb-
rinne der knöchernen Zamina spiralis so eingefügt, dals ihre
eigene Paukenlefze auf der die Enden des Schneckennerven ent-
haltenden Paukenlefze des knöchernen Spiralblattes ruht, und
hier wie an allen Berührungsstellen innig mit der Letzteren ver-
bunden ist. Nach der Höhle des häutigen Schneckenkanals hin
bildet sie den Swlcus, oder Semicanalis spiralis, der mit dem
Labium vestibulare oder der Crista acustica frei (von dem Epi-
thel abgesehen) in die Höhle des häutigen Schneckenkanals hin-
einsieht und zu den bekannten Gehörzähnen oder Cortischen
Zähnen erster Reihe ausgebildet ist. Das mit der Paukenlefze
des knöchernen Spiralblattes eng verbundene Zabium tympani-
cum der knorpligen Spiralfurche setzt sich unmittelbar in die
Bestandtheile des Substrats der Papilla spiralis H. fort. .
Das Substrat dieser Papille tritt in Form einer halbeylindri-
schen Erhabenheit gegen die Höhle des häutigen Schneckenkanals
hervor und ist in drei durch Hohlräume von einander
getrennte Schichten oder Blätter geschieden. Die gegen
die Höhle des häutigen Schneckenkanals gewendete und am Man-
tel des Halbeylinders hinziehende Lamella ist Zamina reticu-
laris Köll.; für die an der Durchschnittsfläche des Halbeylin-
ders gelegene, und in der Hauptrichtung der Paukenwand des
häutigen Schneckenkanals hinziehende und gegen die Pauken-
treppe gewendete Lamella werde ich den Namen „Lamina oder
Membrana basilaris” beibehalten; sie enthält das innere
Spiralgefäls. Die zwischen beiden eingeschobene mittlere La-
melle wird von den Gortischen Fasern gebildet und stellt
den Cortischen Apparat dar. Am Rande des Substrats der
halbeylindrischen Papilla spiralis setzen sich die drei Lamellen
einerseits in das Zadbium tympanicum der Pars cartilaginea Z.V.,
36*
484 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
anderseits und nach Aufsen !') in die Zona pectinata unmittelbar
fort; doch gelingt es diese beiden Theile den drei Lamellen des
Substrats der Papilla spiralis entsprechend in einzelne Schichten
zu zerreilsen. Aufserdem ist die mittlere Lamella am Scheitel
des Halbeylinders auf das Innigste mit der Zomina reticularis
vereinigt, so dals der zwischen diesen beiden Lamellen mehr we-
niger spaltförmige Hohlraum in zwei Abtheilungen
geschieden ist, während der zwischen den Cortischen Fasern
und der Lamina basilaris gelegene etwa dreiseitig begrenzte
Hohlraum die einfache Höhle des Cortischen Organs
darstellt. Die eben bezeichneten Hohlräume stehen durch die
zwischen den CGortischen Fasern hındurchdringenden Spalten
untereinander in offener Verbindung; in denselben öffnet sich
ferner ein in der Paukenlefze der Pars cartilaginea Z. V. gele-
genes radıiäres Kammersystem durch kleine etwa kreisförmig be-
grenzte Öffnungen, die zu diesen Kanälen führen. Die beiden
Hohlräume zwischen der Zamina reticularis und den beiden Ab-
theilungen (Fasern) des Cortischen Apparats stehen endlich
durch zwei Längsreihen von Öffnungen, die sich in der ersteren
befinden und zu der von mir sogenannten Zona fenesirata der-
selben gehören, in offener Communication mit der Höhle des
häutigen Schneckenkanals. Die Zona pectinata entspricht
dem früher mit gleichem Namen belegten Theile der Zona Yal-
salvae. Sie setzt sich an der Paukenkante des häutigen Schnecken-
kanals unmittelbar in das knorplige und in der Wurzel sowie ın
der ersten Windung des Körpers der Schnecke verknöcherte
Spiralblatt fort.
Aus der mitgetheilten Beschreibung geht hervor, dafs ich die
Ansicht Köllikers, die Zähnchen der Crista acustica und die
Cortischen Fasern seien Epithelialgebilde und die M. reticularis
eine Art Cuticula, in keiner Weise zu vertreten im Stande bin.
!) D. h. nach der Axe hin. Es ist leider nicht zu vermeiden, bei
der Beschreibung der Schnecke die Worte ‚„innen”, „innere” und „aulsen”,
„aulsere” im zwiefachen Sinne zu gebrauchen. Mit diesen Worten wird
sowohl das verschiedene Lageverhältnils zur Schneckenaxe als, — na-
mentlich in Betreff des häutigen Schneckenkanals, — dasjenige zum Hohl-
raum des häutigen Schneckenkanals bezeichnet.
vom 18. Juli 1864. 485
7. Der Boden des Sulcus spiralis ist quer gefurcht,
wie schon Böttcher angegeben. Die erhabenen Leistchen
setzen sich einerseits ın die Zähne der Crist@a acustica, ander-
seits, an Höhe abnehmend, auf die Paukenlefze fort, und zwar
zunächst in die Gegend mit den scheinbaren Zähnen Corti’s,
sodann in die sogenannte Habenula perforata, woselbst sie in die
inneren Gortischen Fasern auslaufen.
Die zum Sulcus spiralis ausgebildete Knorpelsubstanz der
Zona cartilaginea an der inneren Kante des häutigen Schnecken-
kanals nimmt nach dem Vorhofs- und Kuppelblindsack hin gleich-
zeitig mit der Zumina spiralis ossea an Dicke ab. Hiermit in
Übereinstimmung wird die Furche nach den Blindsäcken hin
enger. Gleichzeitig nimmt die Paukenlefze, namentlich nach dem
Kuppelblindsack hin, an Breite zu. Die Criste acustica mit den
Zähnchen dagegen wird allmälig schmäler und stellt schliefslich
eine Reihe papillenartiger Auswüchse dar, welche von der Pau-
kenlefze an der Stelle ausgehen, wo die Vorhofswand unter einem
spitzen Winkel mit ihr zusammentriff. An dem Kuppelblind-
sack setzen sich einige Zähnchen auf die Wand desselben fort,
obgleich die Pars cartilaginea nicht mehr als Furche, auch nicht
als Paukenlefze ausgebildet it. Auch nach dem Vorhofsblind-
- sack hin finden sich noch einige Zähnchen an dem Verbindungs-
bogen beider Spiralblätter in einer Gegend, wo gleichfalls die
nervenhaltige Paukenlefze nicht mehr aufzuweisen ist. Hieraus
geht hervor, dals die Crista acustica mit den Zähnchen, obgleich
sie ım grölsten Theile des häutigen Schneckenkanals mit der
Paukenlefze im Sulcus spiralis vereinigt auftritt, gleichwohl auch
unabhängig von derselben und ohne Bildung eines Sulcus spiralis
sich vorfinden kann.
Die Paukenlefze setzt sich vom Grunde der Spiralfurche
in die Paukenwand des häutigen Schneckenkanals in der Art wei-
ter fort, dals sie zuerst in zwei Blätter, in die Zamina reticularis
Kölliker’s und in den Theil sich trennt, für welchen ich den
Namen Zona perforata beibehalten möchte. Letztere spaltet
sich später in die mittlere Schicht mit den Cortischen Fasern
und in die Zamina basilaris der Paukenwand, welche von Köl-
liker Habenula tecta genannt worden ist. Die Gortische Fa-
486 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
serschicht und die Lamina reticularis enthalten gar keine Ge-
fälse, die Zamina basilaris das innere Spiralgefäls. Für die ana-
tomische Vorstellung der Paukenwand des häutigen Schnecken-
kanals möchte es zweckmälsig sein, die gefälshaltige Larmnina
basilaris als den substanzvolleren Träger der Vorhofswand, die
mittlere Cortische Faserschicht und die Zamina reticularis hin-
gegen als davon abgelöste Lamellen anzusehen. Von : diesem
Standpunkte aus lälst man das Zabium tympanicum in die Mem-
brana basilaris sich unmittelbar fortsetzen, nachdem die beiden
andern Blätter sich davon getrennt haben. Der Übergang in
diese Schicht erfolgt unter allmäliger Zuschärfung.
Nach der Höhle des häutigen Schneckenkanals hin ist das
Labium tympanicum, wie schon angegeben, dem Grunde des Sul-
cus spiralis zunächst nur schwach radiär gefurcht (Denis appa-
rents Gorti’s), indem die Leistchen aus dem Grunde des Sulcus
spiralis sich hier weiter fortsetzen. An diesem innern Bezirke
des Zabium tympanicum inserirt die Lamina reticularis; hier
habe ich Theile derselben festsitzen gesehen, hier beobachtet man
noch häufiger abgerissene Fetzen derselben. Die Leistchen des
Labium tympanicum ziehen aber nach Auflsen hin weiter fort,
nehmen allmälıg an Höhe zu und gehen unmittelbar in die drei-
seitigen Insertionsplatten der innern Cortischen Fasern über.
Nach Entfernung der Lamina reticularis und der Corti-
schen innern Fasern bleiben die Insertionsplatten der letzteren
nicht selten an der Paukenlefze haften. Die Höbhlenfläche der
Paukenlefze zeigt dann gerade auffälliger radiär gestellte dunkele,
schattige Stellen, die zum Theil durch die bezeichneten Inser-
tionsplatten der inneren Gortischen Fasern bewirkt werden.
Dies ist die Gegend, welche Habenula perforata genannt
worden ist, indem man, in vielen Fällen wenigstens, die dunkel
schattirten Stellen auf Öffnungen bezog, durch welche die an
senkrechten Durchschnitten der Paukenlefze sichtbaren Kanälchen
sich öffnen und die Enden des Schneckennerven aus der Zamina
spiralis ossea zum Gortischen Organe hindurchtreten lassen.
8. Das Zadium tympanicum enthält in dem Theile, welcher
einerseits in die Membrana basilaris, anderseits in die Zamina
spiralis ossea mit dem Schneckennerven übergeht, ein „radiä-
vom 18. Juli 1864. 487
res Kanalsystem”, das, wie schon bemerkt, an senkrechten
Durchschnitten, aber auch bei Flächenansichten erkannt werden
kann. Im letzteren Falle müssen die Zamina reticularis und die
Cortischen Fasern mit ihrer Fortsetzung in die Denzs appa-
rents vorsichtig entfernt werden, da der Schattenwurf dieser
Theile die Contourlinien der radiären Kanälchen und: die Öff-
nungen mehr weniger verdeckt.
Die hohlcylindrischen Kanälchen verlaufen in radiärer Rich -
tung nahezu parallel nebeneinander unter dem Boden der Fur-
chen, welche die in die Insertionsplatten der inneren Corti-
schen Fasern sich fortsetzenden Leistchen bilden. Sie öffnen
sich mittelst einer kreisförmigen, oder der Kreisform sich nähern-
den elliptisch begränzten Öffnung an der Übergangsstelle der
Leistchen in die Insertionsplatten. Nach dem durch den Margo
crenulatus ausgezeichneten Ende des Schneckennerven hin
sieht man die Kanälchen zu zwei, drei-und, je nach der Breite
jedes Vorsprunges dieses Randes, in vermehrter Zahl convergiren
und in einen Hohlraum einmünden, der sich saumartig um die
in einem Vorsprunge des Margo crenulatus enthaltenen Nerven-
fasern herumzieht. Sind die inneren CGortischen Fasern und
die Dents apparents mit Bestandtheilen des Zabium tympanicum
in den Furchen zwischen ihnen entfernt worden, so zeigen sich
die Kanälchen künstlich mehr weniger geöffnet. Solche Öffnun-
gen sind dann langgezogen und spaltförmig. Manche Zeichnun-
gen der Autoren von den Öffnungen dieser Kanälchen scheinen
diesen künstlich gebildeten Spaltöffnungen zu entsprechen. Da
der Schneckennerve an der Paukenseite des Zabium tympanicum
gelegen ist, so steigen diese Kanäle schräg nach aufsen durch
die Dicke der Lefze hindurch, um an der Höhlenfläche sich zu
öffnen.
9. Die meisten Forscher lassen durch die Kanälchen des be-
schriebenen radiären Kanalsystems den Schneckennerven sich
fortsetzen. Wie der Schneckennerve an dem Margo crenulatus
(Mensch) endet, habe ich bisher mit genügender Sicherheit nicht
verfolgen können. Ich habe frische Präparate aus der Gegend
des Hamulus vor mir gehabt, an welchen Schlingenbildungen
der einzelnen Fasern, wie sie früher schon Böttcher gesehen
488 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
haben wollte, ganz täuschend zu beobachten waren; ich habe
aber die Enden der Schlingen nicht deutlich verfolgen können
und halte es noch immer für möglich, dals eine Täuschung vor-
liege. Mit völliger Sicherheit mufs ich mich aber dafür ausspre-
chen, dafs durch die bezeichneten Kanäle kein Bestandiheil eines
Nerven, auch keine aus Albuminaten bestehende feste Substanz
hindurchtritt oder in denselben sich befindet. Die Kanäle
können nur von einer Flüssigkeit erfüllt sein, wel-
che, wie die Endolympha, eine sehr geringe Menge
gelöster Eiweiflssubstanz enthält; an den von mir
bezeichneten Margo crenulatus des Schneckenner-
ven in der ZLamina spiralis premaria muls ich das
peripherische Ende desselben setzen.
10. Die den Sulcus spiralis bildende Substanz besteht aus
hyalinem Knorpelgewebe, welches von Gefälsen durchzogen
wird. Die Knorpelkörperchen sind in derjenigen Schicht, die
als Crista acustica ausgebildet ist, entsprechend den Furchen
zwischen den Zähnchen in radiären Reihen gruppirt. Die Leist-
chen, welche in die Zähne der Crista acustica auslaufen, bestehen
nur aus Grundsubstanz des hyalinen Knorpelgewebes. Auch im
Labium tympanicum sieht man bei Erwachsenen nur Grundsub-
stanz und keine Knorpelkörperchen. Im übrigen Theile des
Knorpels sind die Knorpelkörperchen gleichfalls in Gruppen von
zuweilen spindelförmiger Umgrenzung geordnet, scheinen jedoch
in verschiedene Richtungen hinzuziehen. Die Aufstellung eines
besondern Gewebes unter dem Namen „spindelförmiges Knorpel-
gewebe” (Deiters, Hensen) ist nicht gerechtfertigt.
11. An der Lamina reticularis sind zunächst zwei
Zonen zu unterscheiden: die mittlere am Scheitel der Papilla
spiralis gelegene von Epithelium freie, und die auf den
beiden Abhängen des Vorsprungs der Papille sich ausbreitende
mit Epithelium bedeckte.
An der ersteren unterscheide ich noch den mittleren
häutigen Theil und die zu beiden Seiten desselben gelegene
von Öffnungen durchbrochene gefensterte Zone, Zona fene-
strata interna und extierna. Der mittlere häutige Theil
entspricht der Pars membranosa Deiters und wird gewöhnlich
vom 18. Juli 1864. 489
durch die mit ihr vereinigten Scheitelplatten der Gortischen
Fasern scheinbar in quere Felder abgetheilt. Die Öffnungen der
Zona fenestrata entsprechen den schon von Deiters beschrie-
benen oberen und unteren Löchern an der Membrana velamen-
ztosa. Die schmalen Brücken oder Septa, welche die Öffnungen
der äulseren Zona fenestrai« von einander trennen, sind die
Deiterschen Stäbe der Zamina reticularis, die derselbe irr-
thümlich von den Scheitelplatten der Gortischen Fasern aus-
gehen lälst.
An dem zweiten von Epithelium bedeckten Bezirke der
Membraona reticularis sind gleichfalls zwei Zonen oder Theile zu
unterscheiden. Der zunächst an die Löcher, namentlich an die
äulseren, anstolsende, zeigt das reticulirte Ansehen, welches der
ganzen Zamina den Namen verschafft hat. Das reticulirte An-
sehen wird aber nicht durch ein Fasernetz erzeugt, da zwischen
den vorgeblichen Fasern eine, jene scheinbaren Maschen füllende,
häutige Substanz nachzuweisen ist (Kölliker). Das reticulirte
Ansehen ist vielmehr von einer in Alveolen zur Aufnahme von
grölseren Epithelialzellen ausgearbeiteten häutigen Lamelle abzu-
leiten. An dem äufseren Abhange lassen sich drei bis vier (?)
alternirend gestellte Reihen solcher Alveolen nachweisen, deren
Zahl jedoch nach dem Vorhof und der Kuppel hin sich vermin-
‘dert. An dem inneren Abhange konnte ich nur zwei Alveolen-
Reihen unterscheiden. Nach Innen und Aufsen von der Regio
alveolaris, also nach der Anheftungsstelle hin, zeigt die in Rede
stehende Lamelle keine deutliche alveolare Ausbildung und geht
vielmehr als ebene, sich leicht faltende Lamelle einerseits in die
Zona pectinata, anderseits in die Zona perforata über. Die An-
heftungsstelle dieser beiden Zonen findet sich ganz in der Nähe
der Anheftungsplatten der Gortischen Fasern. Die zwischen
den Alveolen hinziehenden und demnach gleichfalls alternirend
auftretenden Sepia sind die Deiterschen Phalangen.
12. An den im normalen Zustande unter einen abgestumpf-
ten, etwa rechten Winkel gestellten Cortischen Fasern sind
zu unterscheiden: die beiden Endstücke und das Mittel-
stück.
490 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Das Mittelstück ist mehr weniger cylindrisch und bei den
inneren. Cortischen Fasern etwas dicker und zugleich etwas
kürzer.
Die mit der Pars membranosa vereinigten Endstücke werde
ich die Scheitelplatten nennen; sie liegen an der abge-
stumpften Kante des Gortischen Organs, welche die Corti-
schen Fasern hier an der Vereinigungsstelle mit der Pars mem-
branosa des Stratum reticulare bilden. Nach meinen Unter-
suchungen muls ich diese Scheitelplatten für häutige Platten hal-
ten, welche die Form eines spitzen gleichschenkligen Dreiecks
haben. Mit der Basis des Dreiecks stolsen die Scheitelplatten
der Cortischen Fasern aneinander und zwar so, dals, wie schon
bekannt, drei innere Scheitelplatten auf zwei äulsere fallen. Die
Spitze des Dreiecks setzt sich unmittelbar in das Mittelstück fort,
indem es allmälig an Dicke zunimmt und cylindrisch wird. Bei
der Biegsamkeit und Weichheit der Substanz, aus welcher die
Cortischen Fasern bestehen, kann es geschehen, dafs die Spitze
unter starker Krümmung unmittelbar an der Platte selbst in das
Mittelstück übergeht. Wird in solchen Fällen die Scheitelplatte
von der inneren an der Memdrana reticularis angrenzenden Flä-
che gesehen, so kann die bezeichnete Umbeugungsstelle der Spitze
in das Mittelstück wie ein Loch, oder wie eine Einkerbung am
Rande der Scheitelplatten, in andern Fällen auch als kernartiger
Körper gedeutet werden. Präparate dieser Art haben Deiters
veranlalst, die von ihm sogenannten Stäbchen der Rezieularis in
eine Einkerbung der Scheitelplatten (äulsere Mittelglieder Dei-
ters) einzufügen.
Die Anheftungsplatten der Gortischen Fasern sind
gleichfalls dreiseitig begrenzt und, wie der Name es aussagt, als
platte Körper aufzufassen. Die Anheftungsplatte der innern
Cortischen Fasern stellt ein ungleichseitiges, stumpfwinkliges
Dreieck dar, welches mit der Basis auf die Paukenlefze senkrecht
aufgesetzt ist und in die Leistchen (Dents apparents) derselben
unmittelbar übergeht. Bei Abtrennung der Anheftungsplatten
von dieser Lefze können daher mehr weniger lange Abschnitte
dieser Leistchen zugleich abgezogen werden. Von den beiden
“anderen Seiten ist die längere gegen den zwischen der Zamina
vom 18. Juli 1864. 491
reticularis und den inneren Cortischen Fasern gelegenen Hohl-
raum gerichtet; der kürzere etwas concaye Rand wendet sich
nach dem von den CGortischen Fasern selbst umspannten Hohl-
raum. Die Spitze des Dreiecks geht in das Mittelstück über.
Die Flächen der Platten sind gegeneinander gewendet und be-
grenzen jene schattigen Furchen, welche in der Zabenula perfo-
rata gesehen werden.
Die Anheftungsplatten der äulseren Cortischen Fasern kön-
nen in der Begrenzung eines gleichschenkligen, spitzen Dreiecks
aufgefalst werden. Die Basis des Dreiecks geht unmittelbar in
die Zona pectinata über. Mit der gegen die Paukentreppe ge-
wendeten Fläche, ist sie auf dem Strazum basilare befestigt; mit
der zweiten freien Fläche begrenzt sie den Hohlraum zwischen
den äufsern Cortischen Fasern und dem äufsern Abhange der
Lamina reticularis. An der nach innen gerichteten Spitze und
der angrenzenden Partie der Höhlenfläche geht das allmälig an
Dicke zunehmende Mittelstück in die Platte selbst über. Der
scheinbare Durchschnitt der Übergangsstelle von kreisförmiger
Umgrenzung ist von Deiters für eine Höhle gehalten und des-
halb die ganze Platte mit einer Glocke verglichen worden.
143. Die Substanz der Zamina reticularis und der
Cortischen Fasern, namentlich aber die der Letzteren, ist
ein an elastischem Stoff sehr reiches Bindesubstanzgewebe, wel-
ches bei Erwachsenen selten Bindesubstanzkörperchen erkennen
läfst. Die Cortischen Fasern, wie die Sepza oder Stäbchen
der Zona fenestrata lassen sich aufserordentlich in die Länge
ziehen, ohne zu zerreilsen. Sie sind ferner so biegsam, dals sie
in beliebige spirale und wellenförmige Form gekrümmt sein kön-
nen. Die Biegungen können so klein sein, dals sie wie Knöt-
chen an den Fasern erscheinen. Das sind die Varicositäten Köl-
liker’s, die ihn früher dazu verleitet hatten, die Cortischen
Fasern für Nervenelemente zu halten.
144. In dem Substrat der Papilla spiralis der Pauken-
wand des häutigen Schneckenkanals sind zwei oder richtiger drei
Hohlräume, wie schon angedeutet, enthalten.
Zwischen dem CGortischen Organ und dem Stratum basi-
lare befindet sich ein einfacher Hohlraum von dreiseitiger Be-
492 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
grenzung. Die Kante, in welcher die beiden Cortischen Fa-
sern zusammentreffen, ist abgestumpft; sie wird durch die mit
der Pars membranosa des Stratum reticulare vereinigten Schei-
telplatten der Cortischen Fasern gebildet. In diesem Hohl-
raum befinden sich keine zelligen Gebilde (Kölliker), keine
Stützfasern (Deiters); sie enthält nur Endolympha. Dieser
Hohlraum communicirt durch die Spalten zwischen den Corti-
schen Fasern mit den beiden andern Hohlräumen, desgleichen an
der inneren Kante der Anheftungsplatten der innern Cortischen
Fasern mit den radiären Kanälchen des Zadium tympanicum.
Zwischen den Cortischen Fasern und der Zamina reticu-
laris liegen zwei Hohlräume von mehr spaltförmiger Beschaffen-
heit. Auch sie sind nur von Endolympha erfüllt, welche durch
die Zona fenestrata mit der Endolympha des häutigen Schnecken-
kanals in Verbindung steht.
15. Das Substrat der äulsern Wand des häutigen
Schneckenkanals geht mittelst eines zugeschärften Vorsprunges
(Lamina spiralis accessoria) in die Zona pectinata des Substrates
der Paukenwand über und besitzt in der Nähe dieser Lam. spir.
acc. einen zweiten frei in die Höhle des häutigen Schnecken-
kanals vorspringenden Theil, welcher das äußere Spiralgefäls
(Breschet’sche Vene) enthält, so dals zwischen beiden Vor-
sprüngen eine flache Furche gebildet wird, die dem Sulcus spi-
ralis gegenüberliegt. Die Substanz dieser Wand besteht der
Hauptmasse nach aus elasisch hyalinem Knorpelgewebe. Die ela-
stischen Fasernetze sind besonders zahlreich in dem von der Zam.
spir. access. zur Beinhaut der äufsern Wand der Paukenireppe
auslaufenden Theile; im Allgemeinen haben sie aber sowohl an
dieser Stelle als an der äufsern Wand des häutigen Schnecken-
kanals selbst einen gegen die Zam. spiral. access. ausstrahlenden
Verlauf. Zwischen den Fasernetzen sind in der hyalinen Grund-
substanz Gruppen von Knorpelkörperchen scheinbar in die Ma-
schen der elastischen Fasernetze eingelegt. Die in der Zona
pectinata vorspringende Lamina spiral. access. und der Boden
der Furche zwischen ihr und der das äufsere Spiralgefäls enthal-
tenden Leiste ist frei von Knorpelkörperchen und elastischen
Fasern. Auch nach der Paukentireppe hin bleibt ein scheinbar
vom 18. Juli 1864. 493
von Knorpelknörpelchen und elastischen Fasern freier Saum hya-
liner Grundsubstanz sichtbar. Zwischen der Anheftungsstelle
der Vorhofswand und dem das Spiralgefäls enthaltenden Vor-
sprunge breitet sich in der gegen den Hohlraum gewendeten
Schicht dieser Wand die Szrie vascularis aus; hier fehlen
gleichfalls elastische Fasern und Knorpelkörperchen. Auf dem
Übergange zum Substrat der Vorhofswand ist diese Schicht ge-
wöhnlich ohne Gefäfse und reilst leicht netzfaserig ein.
16. Der zweite Hauptbestandiheil der Wand des
häutigen Schneckenkanals ist das die Höhlenfläche des Letzteren
bekleidende Epithel. Es giebt eine Gegend, in welcher ich
niemals Epithelzellen vorgefunden habe; dies ist die Scheitel-
gegend mit der Papilla spiralis H., an welcher der epithelfreie
Bezirk der Membrana reticularis mit der Pars membranacea und
den beiden Zonae fenestratae völlig frei liegt. Den Wasser-
wellen der Endolympha des häutigen Schneckenkanals ist hier
durch die Öffnungen der gefensterten Zone der freie Verkehr
mit der Endolympha in den Hohlräumen des Cortischen Or-
gans und des radiären unmittelbar auf die nachweisbaren Enden
des Schneckennerven auslaufenden Kanalsystems gestattet.
Das Epithel wechselt seine Beschaffenheit an den verschie-
denen Wänden und selbst im Bereiche einer und derselben
Wand. Auf den Abhängen der Papilla spiralis, in der Regio
alveolaris der Membrana reticularis besteht das Epithel aus kur-
zen cylindrischen Zellen, die in die Alveolen eingesetzt sind und,
wie letztere, in den einzelnen Reihen alternirend zu einander
gestellt sind. Die auf dem äulsern Abhange gelegenen gewöhn-
lich in'drei Reihen geordneten Epithelzellen sind die bekannten
Cortischen Zellen. Auf diese cylindrischen Epithelzellen folgt
ein einfaches Plattenepithel, dessen Zellen vollsaftiig und in etwa
zwei bis drei Reihen nebeneinander geordnet sind. Sie liegen
in der Gegend, wo die Abhänge der Papilla spiralis einerseits
ın die Zona pectinata, anderseits in den Sulcus spiralis über-
gehen. Durch Diffusion sah ich diese Zellen in jene grofsen
runden Zellen sich umwandeln, welche zuerst von Claudius
beschrieben worden sind. Auf der Zona pectinata und perfo-
raia ist im Anschluls an die eben beschriebenen Epithelzellen
494 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
ein durch die Kleinheit seiner Zellen ausgezeichnetes Plattenepi-
thel ausgebreitet. An der Zamina spiralis secundaria und ım
Bereiche des Suleus spiralis und der Crista acustica werden die
Zellen des Plattenepithels wieder gröfser. Die Höhlenfläche der
Vorhofswand (Gortische Membran) dagegen ist durch ein klein-
zelliges Plattenepithel ausgezeichnet, welches sich auch eine
Strecke entlang auf die äuflsere Wand des häutigen Schnecken-
kanals herüberzieht.
Aus der Beschreibung geht hervor, dals die Memdrana reti-
cularis nicht über den freien Flächen der Epithelzellen (Papilla
spiralis H.), sondern unterhalb der letzteren ihre Lage hat und
zu dem bereits beschriebenen Substrat der Wand des häutigen
Schneckenkanals dieser Gegend gehört.
An nicht gezerrten Präparaten sind im Bereiche der Papilla
spiralis H., andere Formen als die beschriebenen von mir nicht
vorgefunden. Sind aber die Präparate gezerrt, — und dies muls,
nach den Zeichnungen zu urtheilen, auch bei den Präparaten von
Deiters der Fall gewesen sein, — so zeigen sich mikroskopi-
sche Bilder, welche die Auffassung sogenannter Stachelzellen,
Fadenzellen u. s. w. veranlaist haben.
An den mit den gewöhnlichen Reagentien behandelten Prä-
paraten sind die Kerne namentlich der kleinzelligen Epithelien
durch die dunkle Contour und den starken Glanz sehr ausge-
zeichnet. An zerstörten Präparaten liegen dieselben frei in gro-
(ser Anzahl über die Paukenwand des häutigen Schneckenkanals
verbreitet; sie adhäriren natürlich sehr leicht an solchen Stellen,
wo Vertiefungen und Erhabenheiten sich vorfinden, wie z. B.
in den Furchen der Zona pectinata an den Anheftungsplatten
der Cortischen Fasern, woselbst sie als diesen Theilen ange-
hörige Körper beschrieben worden sind (Kölliker).
vom 18. Juli 1864. 495
Hr. Kummer machte folgende Mittheilung über die
Strahlensysteme, deren Brennflächen Flächen vier-
ten Grades mit sechzehn singulären Punkten sind.
In einer am 18. April d. J. gelesenen Abhandlung über die
Flächen vierten Grades mit sechzehn singulären Punkten habe
ich nachgewiesen, dafs die Gesammtheit aller ihrer doppelt be-
rührenden Tangenten stets aus mehreren getrennten Strahlen-
systemen besteht, namentlich aus vier Strahlensystemen zweiter
Ordnung und zweiter Klasse und einem Strahlensysteme vierter
Ordnung und vierter Klasse. Ich habe ferner bemerkt, dafs
dieses letztere Strahlensystem bei der Fresnelschen Wellenfläche
und den collinearen derselben ebenfalls in zwei getrennte Strah-
lensysteme zweiter Ordnung und zweiter Klasse zerfällt. Seit-
dem habe ich die Untersuchung: ob jenes Strahlensystem vier-
ter Ordnung und vierter Klasse für die allgemeinen Flächen
vierten Grades mit 16 singulären Punkten noch weiter zerleg-
bar ist, vollständig durchgeführt und gefunden, dals dasselbe
stets aus zwei getrennten Strahlensystemen zweiter Ordnung
und zweiter Klasse besteht, so dafs also jede solche Fläche die
Brennfläche von sechs besonderen Strahlensystemen zweiter Ord-
nung und zweiter Klasse ist.
Um diels zu beweisen, will ich diese sechs Strahlensysteme
für die Fläche vierten Grades mit 16 singulären Punkten, wel-
che in der Form
(eyz+bzx +clt+?2k)ey-+dx-+ ey + fe)—ik(k +1)zyp'g’ =),
A 2 bz d
. =cy + —— ae
9 p Y 7 A BD
DR az e
q a naer
gegeben ist (siehe Gleichung 4., pag. 251 der Monatsberichte
d. J.), vollständig entwickelt geben. Es seien x, y, z die Co-
ordinaten eines beliebigen Punktes im Raume, &, x, £, seien
proportional den Cosinussen der Winkel, welche die durch
&% Y, z gehenden Strahlen mit den drei Coordinatenaxen bilden,
so wird ein jedes Strahlensystem zweiter Ordnung und zweiter
Klasse durch zwei Gleichungen unter den Gröfsen x, y, z,&, m
gegeben, deren eine in Beziehung auf &, 7,9 homogen und vom
496 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
zweiten Grade ist, die andere homogen und vom ersten Grade,
und welche so beschaffen sein müssen, dals sie ungeändert blei-
ben, wenn statt x, y, = gesetzt wird @+g&, y+en, z-+e%.
In dieser Weise dargestellt, hat man folgende sechs verschie-
dene Strahlensysteme, welche die obige Fläche zur Brennfläche
haben:
FE Rh
L., — cfk)E* + a?’xnd
k —
— (abx + af)g& — (a?z+ ac + ae)Ey =(.
bzE +y—biıl=0,
ad(k--1) be
k k+1
— (aby + bf)ng > (dcy — aa ba)En =|.
1., ![adz—dcx+ — cf(k + 1)]7° a2 ygE
ey& a
d [7
HI, (aey—bex+ = = — — cfk) 9? + c?z&4
+ (bez + ed)Eg — (acz + c?x + ce), =.
IV., ( rau Z)E- eG cr nem —)"
Vor deren
VL, Ken — (kH+1)ygE +: =0.
Dieses letzte Strahlensystem stellt drei verschiedene dar, weil k
drei verschiedene Werthe hat, welche als Wurzeln der cubi-
schen Gleichung
cfk® + (8 2-4 - %®
2
za ie Daun
2 2 2
gegeben sind. In den drei Strahlensystemen I., II. und II.
kommt k nur in der Art vor, dals sie für alle drei Werthe des
k dieselben bleiben.
vom 18. Juli 1864. | 497
Für die Form dei Gleichung der Brennfläche
B., p°? =16Kxyz,
wo
p=x°’+y° +2? +H1+2a(yz+x%) +2b(zX+y)-+2c(xy + z)
K=a? +5? +c? —2abc —1i
(m. s. Gleichung 10., der genannten Abhandlung), werden diese
sechs Sirahlensysteme in der Art symmetrisch dargestellt, dafs
es hinreicht ein einziges derselben hinzuschreiben, nämlich :
VE ++ &=0,
AE® + Ba? + 02? +2Drg + 2BBEH2FE=0,
wo
d=-—2y,
B=2(a— Va? —1)z,
=—2y,
D=2[5 — c(a— Va? — 1)]& — (a — Va? —-1)y#+z,
E=— 2by,
F=x-+2c(a — Va? —1)z2+a— Vo? —1,
Y=—-(a+Va?—-1)y—- z,
B=(a-+Va?—1)c-+1,
C=x-+ra+rlVa?: —ı.
Aus diesem einen Strahlensystem erhält man die übrigen fünf,
indem man die je drei Zeichen x, y, 2; & m 9; a,d,c; A, B,C;
D, E,F; U, 8, & gleichzeitig vertauscht und den drei Qua-
dratwurzeln Ve? —ı, Vo? —ı, Ve? —1 ihre je zwei Werthe
giebt.
_ Die Brennfläche dieses Strahlensystems kann durch folgende
Determinante dargestellt werden:
A, F,E, 4%
F,B,DB|_,
—us7
E,D, c,€&
4,8060
>
=
=
[1864.] 37
498 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
welche gehörig entwickelt mit der gegebenen Fläche vollkom-
men übereinstimmt.
Weil das vollständige Strahlensystem aller doppelt berüh-
renden Graden einer Fläche vierten Grades mit 16 singulären
Punkten aus sechs Strahlensystemen zweiten Grades besteht,
und je zwei Strahlen sich zu einem einzigen vereinigen, wenn
der Punkt von dem sie ausgehen auf der Brennfläche selbst
liegt, so folgt, dals man einem jeden Punkte der Fläche sechs
andere so zuordnen kann, dals die Coordinaten derselben durch
die des gegebenen Punktes rational bestimmt sind, und dafs
jeder der sechs zugeordneten Punkte mit dem gegebenen eine
und dieselbe Tangente hat. Nimmt man x, y, z als den gege-
benen Punkt der Fläche und nennt x, y’, 2’ die Coordinaten
des entsprechenden Punktes der reciproken polaren Fläche, ge-
nommen in Beziehung auf die Kugel &=°-+y°-+2?=1, be-
zeichnet man ferner die Coordinaten des dem x, y, z ın Be-
ziehung auf das erste Strahlensystem entsprechenden Punktes
mit &,, Yı, 21: so hat man
_(a+Va? —1)y’—:
(a+Va? 1). —y'
— (a-+Va? —1)x =
IE N RE
(a+Va? —ı) —1).’—y'
en
24
ende
Durch passende Änderung der Buchstaben und der Vorzeichen
vor den Quadratwurzeln erhält man hieraus ebenso die übrigen
fünf entsprechenden Punkte. Man erkennt hieraus, dals die
reciproke polare Fläche der ursprünglichen collinear ist, und
dals es sechs verschiedene collineare Verwandlungen der reci-
proken polaren Fläche giebt, welche so beschaffen sind, dafs
der einem Punkte der gegebenen Fläche zugehörende Punkt der
reciproken Polaren in einen der sechs entsprechenden Punkte
der gegebenen Fläche übergeht.
Die Gleichung der reciproken polaren Fläche für die Fläche
op? = 16 Kıyz
vom 18. Juli 1864. 499
läfst sich in folgender Form darstellen:
$? — 46 Kpgrs,
wo
®=p? +9? +7? +5? +2a(gr+ps) +26 (rp +95) -H2c(pg+rs),
p=(a+Va N) +1,
g=i'— (@ E Ve’ —ı)y,
r=y’—(a+Va?- ı) 6
s=—-x-a-— a’ —1,
aus welcher man durch Vertauschung der Buchstaben und der
Vorzeichen der Quadratwurzeln noch fünf andere analoge Dar-
stellungen erhält.
Hr. Weierstrafs theilte die folgende Abhandlung des
Hrn. Aronhold mit: Über den gegenseitigen Zusam-
menhang der 28 Doppeltangenten einer allgemei-
nen Curve 4ten Grades.
Die Theorie der homogenen Functionen 4ter Ordnung von
drei Veränderlichen führt in sehr vielen Fällen ihrer Anwen-
dung auf ein Problem, dessen geometrische Interpretation die
Bestimmung der Doppeltangenten einer allgemeinen Curve 4ten
Grades ist. Dieses Problem bietet aber insofern eine Schwie-
rigkeit dar, als man genöthigt ist, Eigenschaften von Geraden
aus einem Punktgebilde abzuleiten, dessen Behandlung als Li-
niengebilde die Kenntnis dieser Eigenschaften voraussetzt. Die
Untersuchungen von Steiner und Hrn. Hesse im 49. Bande
des Crelleschen Journals pag. 265, pag. 243 und pag. 279,
welche im Wesentlichen die bisher bekannten Gesetze geliefert
haben beziehen sich in der That zumeist auf die Eigenschaften
der Berührungspunkte der Doppeltangenten, aus welchen frei-
lich auch sehr wichtige Beziehungen der letztern hervorgehen.
Es ist mir aber gelungen durch blofse Betrachtung von Linien-
gebilden direct einen sehr einfachen Zusammenhang der Dop-
peltangenten unter einander zu finden, zu welchem weder die
37*
500 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
angegebenen Untersuchungen noch neuere bisher geführt haben.
Dieses soll der Gegenstand der folgenden Mittheilung sein.
Da eine Curve 4ten Grades durch 14 Elemente gegeben
ist, so kann man ohne Weiteres 7 beliebige Gerade zu Grunde
legen und verlangen, dafs dieselben Doppeltangenten einer Curve
dien Grades sind. Ich will daher voraussetzen, dals die Curve
durch 7 ganz beliebige d. h. projectivisch von einander unab-
hängige Doppeltangenten gegeben ist und hieran die folgenden
Entwicklungen anknüpfen.
I) Durch 7 Gerade ist allemal eine doppelt unendliche
Schaar von Curven dritter Klasse bestimmt, von denen jede die
sämmtlichen Geraden berührt. Nimmt man eine beliebige 8te
Gerade hinzu, so kann man jedesmal aus der doppelt unend-
lichen Schaar eine einfache ausscheiden, welche alle 8 zu Tan-
genten hat und aulserdem eine nothwendige 9te, wie aus der
Inversion des Prinzipes der nothwendigen Punkte sofort her-
vorgeht. Man kann daher sagen, dals je zwei Curven der dop-
pelt unendlichen Schaar, welche die 7 Geraden berühren, noch
zwei gemeinschaftliche Tangenten auflserdem besitzen, welche
gleichzeitig die ganze zugehörige einfache Schaar berühren. Diese
beiden Tangenten und ihren Durchschnittspunkt will ich das
letzte Tangentienpaar und den Scheitel der einfachen
Schaar nennen.
I) Es gilt alsdann das folgende Fundamentaltheorem:
„Wenn C,, C,, C; .... die sämmtlichen Curven Ster
Klasse der doppelt unendlichen Schaar bezeichnen, wel-
che 7 Gerade G,, G3, G3, Ga, Gs, Ga, Gr, zu ge-
meinschaftlichen Tangenten hat, und man construirt zu
einer derselben, die mit C bezeichnet werde, die sämmt-
lichen letzien Tangentenpaare, welche sie mit allen
übrigen gemeinschaftlich hat, so liegen allemal die
Scheitel derselben auf einer Geraden 7, und diese
Gerade ist zugleich eine Tangente der Gilse er
Die Tangente 7 ist keine singuläre, aber sie ist eine aus dem
Curvensystem hervorgehende, daher will ich sie die Systems-
tangente der Curve C nennen. Da von einem Punkte an
eine Curve öter Klasse nur 3 Tangenten gelegt werden kön-
nen und die Systemstangente bereits die dritte ist, welche vom
vom 18. Juli 1864. 501
Scheitel des letzten Tangentenpaares ausgeht, so überzeugt man
sich auch leicht davon, dals jede Curve C nur eine Systems-
tangente hat.
Um das Theorem zu beweisen betrachte man 3 beliebige Cur-
venC,,C;,C, der doppelt unendlichen Schaar und bezeichne mit
S,25, 843, S2z die respectiven Scheitel ihrer gegenseitigen letz-
ten Tangentenpaare, dann kann man C,S33, CzS,3, C3S,z als
Curven 4ter Klasse ansehen, von denen jede in einen Punkt und eine
Curve Ster Klasse zerfällt. Es haben daher C,S,,; und€,S, , 16
gemeinschaftliche Tangenten, von denen 3 nothwendige sind, d.h.
jede Curve 4ter Klasse, welche 13 derselben berührt, hat auch
die übrigen 3 Tangenten. Eine solche Curve ist aber C,S;;,
sie hat nämlich aufser den 7 Tangenten G die beiden von $,>
an C, und C, gelegten, sowie die beiden von S,; an C, und
C,; gelegten, insofern als die Curve C, zu ihr gehört, ferner
die beiden von S,, an C, und C, gelegten, weil $,; zu ihr
gehört, was im Ganzen 13 giebt. Es bleiben noch die 3 Ver-
bindungslinien von S, 5, S;3, Sz3, welche die 3 nothwendigen
Tangenten sind, von diesen gehen zwei durch den Punkt $,;,
die übrig bleibende Verbindungslinie von S,;z und S,, muls
daher Tangente der Curve C, sein, und in Folge dessen die
oben definirte Systemstangente 7, denn da von S,, nur eine
dritte Tangente an die Curve C, gelegt werden kann, und statt
der C, jede andere C; gewählt werden darf, so folgt, dals der
Ort aller mit S,,; analogen Scheitel S,; die gerade Linie 7
sein muls.
I) Aus dem Theorem folgt zunächst, dals alle Systems-
tangenten der Curven einer einfachen Schaar durch den Schei-
tel ihres letzten Tangentenpaares gehen müssen. Man kann
daher die Systemstangente 7 einer jeden Curve € dadurch con-
struiren, dals man zu der letztern und einer beliebig andern Cy
den Scheitel des letzten Tangentenpaares construirt und von
demselben an € die dritte Tangente legt.
IV) Es gehört umgekehrt zu jeder beliebig angenommenen
Geraden der Ebene eine und nur eine Curve, zu welcher
die Gerade Systemstangente ist. Um dies einzusehen beachte
man dals in einer einfachen Schaar sich zwei Curven befinden,
welche durch den Scheitel des letzten Tangentenpaares hindurch
502 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse _
gehen, nämlich diejenigen beiden Curven, welche je eine. der
Geraden des Paares im Scheitel selbst berühren und in Folge
dessen, wegen Ill), diese Gerade zu ihrer Systemstangente
machen. Soll daher eine beliebige Gerade Systemstangente
einer Curve C werden, so betrachte man sie zuerst als ge-
wöhnliche Ste Tangente einer einfachen Schaar und bestimme
den auf ihr liegenden Scheitel d. h. den Punkt, wo die 9te
nothwendige sie schneidet. Die verlangte Curve C ist dann
diejenige in der einfachen Schaar, welche die gegebene Gerade
in dem bezeichneten Scheitel berührt.
V) Die Sätze I, II, III, IV enthalten alle Elemente zur
Erledigung des vorliegenden Problemes. Es läfst sich nämlich
zunächst auf folgende eindeutige Weise eine allgemeine
Curve 4ten Grades finden, welche die 7 Geraden G zu Dop-
peltangenten hat. Man zerlege die doppelt unendliche Schaar
Curven dritter Klasse in solche einfache Schaaren, deren letztes
Tangentenpaar jedesmal aus zwei zusammenfallenden Gera-
den besteht. Die Curven einer solchen einfachen Schaar werden
sich alsdann sämmtlich in ein und demselben Punkte berühren,
und der Berührungspunkt wird der Scheitel der einfachen Schaar.
Die Curve 4ten Grades ist nun der Ort dieser Berührungs-
‘punkte. Da nämlich nach III) alle Systemstangenten der ein-
fachen Schaar durch den gemeinsamen Berührungspunkt gehen,
so kann man den letzten auf jeder Curve C dadurch finden,
dals man den Durchschnittspunkt ihrer Systemstangente mit ihr
selbst aufsucht. Eine Curve dritter Klasse ist aber vom 6ten
Grade, ihre Tangente schneidet sie daher noch aufserdem in
4 Punkten. Nach IV) kann die Systemstangente jede beliebige
Gerade der Ebene sein und jeder der 4 Durchschnittspunkte mit
derselben gehört nach der obigen Entwicklung der verlangten Orts-
surve an, daher wird dieselbe von jeder Geraden in 4 Punkten
geschnitten und ist somit vom 4ten Grade. Es bleibt noch zu
beweisen, dafs sie die 7 gegebenen Geraden G zu Doppeltan-
genten hat. Hiezu bemerke man, dals in der doppelt unend-
lichen Schaar 7 specielle Curven 3ter Klasse existiren, von
denen jede eine der Geraden G zur Doppeltangente hat und da-
durch bestimmt ist. Da diese nach IV) gleichzeitig die Sy-
vom 18. Juli 1864. 77503
stemstangente der Curve ist, so fallen von den Durchschnitts-
punkten einer solchen Systemstangente mit ihrer Curve zwei
und zwei zusammen, also auch mit der Ortscurve Aten Grades,
welche demnach nicht allein die Doppeltangenten, sondern auch
die Berührungspunkte selbst mit der Curve öter Klasse ge-
mein hat.
VD Es existiren in der doppelt unendlichen Schaar der
Curven Stier Klasse 28 specielle Curven, deren Systemstan-
genten die gesuchten Doppeltangenten sind. Denn es giebt er-
stens 7 Curven von denen jede eine der Geraden G zur Dop-
peltangente hat, und von welcher diese Eigenschaft unter V)
bewiesen ist. Zweitens giebt es Curven, welche in Punkt und
Kegelschnitt zerfallen, d. h. in solche, welche von dem Durch-
schnittspunkt zweier der Geraden G und dem Kegelschnitt ge-
bildet werden, der die 5 übrigen G berührt. Die Anzahl die-
ser Kegelschnitte ist offenbar = =21. Ich werde diese Ke-
gelschnitie, z. B. den welcher die Geraden G;, G,, Gs, Go, €
berührt, durch (34567) bezeichnen, den Durchschnittspunkt
der beiden Geraden G, und G, durch (12). Indem ich alsdann
beweise, dafs die Systemstangenten dieser 21 Kegelschnitte die
übrigen 21 Doppeltangenten der Curve 4ten Grades sind, ge-
lang ich zu dem Satze, dals jeder Kegelschnitt, welcher
fünf der sieben Doppeltangenten G berührt, immer
noch eine und nur eine der übrigen 21 Doppeltan-
genten zur 6ien Tangente hat, und führe somit die
Construction derselben aufdasBrianchonsche Sechs-
eck zurück. |
VII) Ich gehe nun zum Beweise des so eben unter VI) gege-
benen Hauptsatzes über. Wenn eine Curve 3ter Klasse, welche in
Punkt und Kegelschnitt zerfällt, als Curve 6ten Grades betrach-
tet werden soll, so muls man als zu derselben gehörig die. bei-
den von dem Punkt an den Kegelschnitt gelegten Tangenten mit-
rechnen und zwar doppelt. Eine beliebige Tangente des Ke-
gelschnittes schneidet die zerfallende Curve, zu welcher er ge-
hört, nur auf diesen beiden Tangenten, also in zwei und zwei
zusammenfallenden Punkten, wählt man hiezu die Systemstan-
gente, so folgt ohne Weiteres, aus V), dals sie Doppeltangenie. —
A
Q
504 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
der Ortscurve Aten Grades wird. Construirt man also eisen
Kegelschnitt, welcher fünf der Doppeltangenten G berührt, :. B.
(34567), so ist die Systemstangente desselben eine neue Dop-
peltangente der Curve 4ten Grades und ihre Berührungspunkte
mit der letztern sind die Durchschnittspunkte der vom Punkte
(12) an den Kegelschnitt (34567) gelegten Tangenten. /
VIII) Construction der. Systemstangenten der 2i Kegel-
schnitte.e. Man wähle 3 Kegelschnitte, welche 4 Gerade G zu
gemeinschaftlichen Tangenten haben, z. B. (14567), (24567),
(34567), und bestimme zuerst den Scheitel des letzten Tan-
gentenpaares für die beiden zerfallenden Curven 3ter Klasse:
(23) (14562) und (15) (24567). Da von (23) bereits die Tan-
gente G, an (24567) gelegt ist, so lälst sich die zweite Tan-
gente von dem Punkte (23) sofort durch das Brianchonsche
Sechseck lineär construiren, und da von (13) bereits die G, am
(14567) gelegt ist, so findet man ebenso die zweite von (13)
an (14567) gehende Tangente. Diese beiden zweiten Tangen-
ten sind aber die Ste und 9te der beiden Curven 3ter Klasse
und ihr Durchschnittspunkt in Folge dessen der gesuchte Schei-
tel. Bezeichnet man diesen Scheitel mit S,,z und construirt
auf analoge Weise die Scheitel S,;z und $,, für alle drei oben
gewählten Kegelschnitte, welche die 4 Geraden G,, G,, Ge, Gr
berühren, so sind die drei Verbindungslinien von S,2, Sı3, S23
die entsprechenden Systemstangenten, weil nach III) jede der
"letztern durch zwei der genannten Scheitel gehen muls. Es
folgt daher, dals diese 3 Verbindungslinien, welche ich mit
Tı, Ta, Tz3 bezeichnen will, drei neue Doppeltangenten der
Curve Aten Grades sind. Man kann nun in derselben Weise
statt G4, Gy, Go, G, allmälig andere 4 der gegebenen Gera-
den G, als gemeinschaftliche Tangenten von drei Kegelschnitten
einführen und so durch eine analoge Construction alle Doppel-
tangenten finden. Um indessen Wiederholungen zu vermeiden,
ist es zweckmälsiger, nachdem man die 7/,, 7,, 7; construirt
hat, welche den drei Kegelschnitten mit vier gemeinschaftlichen
Tangenten G,, G;, G,, G, angehören, vier Systeme von drei
Kegelschnitten aufzustellen, von denen jedes nur drei der letzt-
genannten Tangenten zu gemeinschaftlichen hat. Ich will da-
her die drei Doppeltangenten, welche als Systemstangenten der
vom 18. Jul 1864. 505
drei Kegelschnitte (23567), (13567), (12567) auftreten durch
0,, 9,, 9; bezeichnen, und diesen Buchstaben obere Indices
geben, wenn statt G,: G, oder G, oder G, allmälig fortge-
lassen wird. Mit der Darstellung eines Systemes der ©, ist
aber nicht allein die independente Construction der andern Sy-
steme ©, sondern auch aller übrigen Doppeltangenten gegeben,
denn es fehlen alsdann nur noch 6 Doppeltangenten, welche wie-
derum Kegelschnitten mit drei gemeinschaftlichen Tangenten
G,, @3, Gz angehören, und daher aus zwei Systemen von je
drei bestehen, von denen das eine mit dem System der 7, das
andere mit dem der © analog ist.
IX) Jede Verbindung von zwei aus Kegelschnitt und Punkt
bestehenden Curven dritter Klasse führt zu einem Abhängig-
keitsgesetz der Doppeltangenten; ich hebe von diesen nur eines
hervor, welches das bemerkenswertheste ist und zugleich die
einfachste Construction der ©,, ©,, ©; gewährt. Man stelle
nämlich die beiden Kegelschnitte (23567) und (14567) zusam-
men, von denen der erste ©,, der zweite 7, berührt, dann ist
der Durchschnitispunkt von ©, und 7, wegen III) der Schei-
tel des leizten Tangentenpaars für die Curven (14) (23567)
und (23) (14567), eine der Tangenten dieses Paares ist aber
die Verbindungslinie von (14) mit (23), daher folgt der Satz:
Die Verbindungslinie der Durchschnittspunkte
von irgend zwei Paaren der gegebenen Doppeltan-
genten wie (G,G,) und (G,G;) geht immer durch den
Durchschnittispunkt eines bestimmten dritten Paa-
res (0,7,) der gesuchten Doppeltangeniten.
Vertauscht man allmälıg @, mit G, oder G, oder G, und
bezeichnet die mit ©, analogen resp. durch ©, ©, ©, so
bleibt der Punkt (23) für die entsprechenden Verbindungslinien,
auf welche sich der vorstehende Satz bezieht, derselbe, daher
folgt weiter:
Durch den Durchschnittspunkt irgend eines
Paares der gegebenen Doppeltangenten (G,G;) ge-
hen ımmer 4 Gerade, auf welchen sich jedesmal
noch die Scheitel von zwei bestimmten Paaren der
übrigen Doppeltangenten befinden, nämlich von
506 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
(G,6,) und (8,7,), von (G,6,) und (®,7,), von
(G, Ge) und (87 7,) von (G,G,) und (07 7,).
Wegen dieses Abhängigkeitsgesetzes ist es nicht überall
gestattet an Stelle gegebener Doppeltangenten ebenso viele der
übrigen zu setzen, da durch Einführung von abhängigen Tan-
genten die Curve 4ten Grades unbestimmt wird; indessen wird
aus der folgenden analytischen Darstellung ohne Weiteres her-
vorgehen, dals es erlaubt ist an Stelle der gegebenen G,, G,,G;,
respective die 7,, 7',, 7; zu setzen. Wendet man dänn den
oben bewiesenen Satz auch in dieser 'Vertauschung an, so er-
giebt sich sofort eine leicht ersichtliche Construction der Dop-
peltangenten ©.
Die vorstehende Theorie liefert noch mannigfache andere
Beziehungen sowohl der Doppeltangenten als der Tangenten
der Curve 4ten Grades überhaupt, ich will indessen hievon nur
noch eine sehr einfache Definition der Curve Aten Grades als
Tangentengebilde geben. Es existirt nämlich aufser den 7 Cur-
ven Ster Klasse, welche die 7 Geraden G zu Doppeltangenten
haben, noch eine Schaar derselben, von denen jede überhaupt
eine Doppeltangente besitzt. Da die Systemstangente einer sol-
‘chen Curve dieselbe nur noch in zwei auf der Curve liegenden
Punkten schneidet, während die beiden andern auf der Doppel-
tangente zusammenfallen, so muls eine solche Systemstangente
eine gewöhnliche Tangente der Curve 4ten Grades werden,
daher folgt, dafs man die Curve 4ten Grades als Curve
12ter Klasse erhält, wenn man die Umhüllungscurve
aller derjenigen Systemstangenten bestimmt, deren
zugehörige Curven öter Klasse eine Doppeltangente
haben.
X) Um aus der vorstehenden Theorie algebraische Resul-
tate zu ziehen, will ich in Kurzem eine analytische Darstellung
derselben geben. Es mögen x, y, z Punktcoordinaten, u, v, w
die entsprechenden Liniencoordinaten bedeuten und irgend drei
der gegebenen 7 Geraden G, als Coordinatendreieck verwendet
werden, ferner sollen G=0, C=0 u. s. w. gleichzeitig die
Gleichungen der Gerade G, der Curve C u. s. w. sein. Hat
man die Gleichungen C,=0 C;,=0 C,;,=0 von irgend drei,
die 7 Geraden G berührenden Curven 3ter Klasse auf Linien-
vom 18. Jul 1864. 507
coordinaten bezogen, so ist die Gleichung jeder andern von der
Form kC, #+!C;,-+-mC,;, =0, wo k, I, m beliebige Constan-
ten sind. Ich wähle als C,, Cz, C3 drei solche Curven, wel-
che in Punkt und Kegelschnitt zerfallen, und zwar soll der
Punkt jedesmal eine Ecke des Coordinatendreiecks sein und der
Kegelschnitt sowohl die gegenüberliegende Seite als die 4 aufser
dem Coordinatendreieck gegebenen Geraden G berühren. Dieses
vorausgesetzt will-ich zunächst beweisen, dals die Gleichungen
von 3 Kegelschnitten, welche je eine Seite des Coordinaten-
dreiecks und aulserdem 4 beliebige Gerade der Ebene gleich-
zeitig berühren, in ihrer allgemeinsten Form die folgenden sind:
1. IV rV =, vw W —-uU=0), uU —-ı / =0
wo
2. U=o,utagv raw, P=ß,urBv + Bzw,
W=yu+tyv + y3®
beliebige lineäre Functionen bezeichnen. Das Charakteristische
der Gleichungen 1. besteht darin, dals in denselben aulser u, v, »
nur drei lineäre Functionen vorkommen, denn schon aus ihrer Form
folgt, dafs jeder der 3 Kegelschnitte, welche sie darstellen, je
eine Goordinatenaxe berührt, und dafs sie, weil jede dritte eine
lineäre Folge der beiden andern ist, 4 gemeinschaftliche Tan-
genten haben. Um also zu zeigen, dafs diese Tangenten ganz
beliebige Gerade der Ebene sein können, hätte man die 8 Ver-
hältnisse der «, ß, y .... so zu bestimmen, dafs zwei der
Gleichungen 1. Kegelschnitte darstellen, welche 4 beliebig ge-
gebene Gerade berühren, was 8 lineäre Bedingungen zwischen
diesen Verhältnissen gäbe. Allein die Coefficientenabzählung
ist kein ausreichender Beweis für die allgemeine Gültigkeit der
Gleichungen 1. Es könnten in der That die beiden ersten
Gleichungen die Formen vP—w»QO=0, wP, —uQ, =0 haben,
wo P, Q, P,, @, 4 lineäre Functionen der w, v, » bedeuten,
und alsdann die dritte als lineäre Folge aus den beiden abge-
leitet werden. Um nun zu zeigen, dals sich die 4 Functionen
auf drei reduciren, setze man, was erlaubt ist, je einen Coef-
ficienten in den beiden vorstehenden Gleichungen =1 nämlich
den Coefficienten von » in © und ?,, schreibe die Gleichun-
508 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
gen überhaupt: v(P+?.0)—w(Q-+42v)=0w(P, +Ru)—u(Q, +uw)=0
und bestimme A und «so, dafs die Gleichung O+%v=P, +uu
identisch stattfindet, dann ist U=Q0,+uw, V=P-+2w,
W=Q+?%Ww=P,-uu, w.z.b. w. Man sieht hieraus, dafs
die Constanten &, £, y .... wirklich und zwar als rationale
Funtionen der Constanten der 4 Geraden G bestimmbar sind,
und dafs auch die lineären Functionen U, F, 9 von einander
unabhängig bleiben, so lange die 4 Geraden es sind.
Die drei Curven dter Klasse C,, C,, C; haben in Folge
von 1. die folgenden Gleichungen
3 GC, =uwW# -»W)=0, Ge
C; =w(Uu—Vo)=0
und irgend eine andere der Schaarschaar:
kuw# -— UF) + u» WF — uU) + mw(ulU —vF)=0.
Bezeichnet man mit U,, Fo, FF. die Werthe von 9, F, WW,
wenn man in 2. u=u,, v=v,, w=w, Setzt, so kann man
Loy Vo, wo immer so bestimmen, das k= U, !=F,m=WMW,
wird, und daher die vorstehende Gleichung auch schreiben:
C= U,uw FW) HF vw FW — uU) + W ,w(uU—vF)=0
oder auch als die folgende Determinante:
U, U, vw
4, CZ er 10
WoW ,uv
und hierin ug, Yo, ®o als die veränderlichen Parameter ansehen.
In dieser Fassung erkennt man sogleich, dafs diese Para-
meter die Constanten einer Tangente der Curve GC,
sind. Diese Tangente (zu, vo wo), welche ich mit 7’, bezeich-
nen will, ist nun, wie ich sogleich zeigen werde, die unter I)
definirte Systemstangente der Curve G,.
Wenn man nämlich analoge Bezeichnungen anwendet, so
gehört zur Tangente (u, v, »,) d. h. 7, die Curve
vom 18. Juli 1864. 909
3. CG,=|/,, Pf, wu |=0
und will man von dem Durchschnittspunkt der 7, und 7,, die
beiden andern Tangenten sowohl an die Curve C,, als an die
Curve C, legen, so hat man in 4. und 5.
vu=u, ru, v=v, +, v=wo tw,
zu seizen und A zu bestimmen; dies giebt aber, nach Fortlas-
sung des Factors A, für beide Curven ein und dieselbe qua-
dratische Gleichung:
6. P+HQO)+R’=0
wo
Oo, U, vowo U,, Ü,, vow, vw
P= Vor 7 "oUoh 0= Fo FM, wou, tw,uo |,
e WM puovol WoW in) uovıtu,vo
U, U,, vw,
R=|P,.Fı, wıu,
Wo FV „ud
ist. Hieraus folgt, dafs die beiden durch 6. ermittelten Tan-
genten, die gemeinschaftlichen 8ten und 9ten beider Curven sind,
und der Durchschnitt von Z und 7, der Scheitel dieses letzten
Tangentenpaares ist. Man überzeugt sich auch leicht, dafs die
Gleichung 6. unverändert bleibt, wenn man an Stelle von C, —0
irgend eine Curve der einfachen Schaar C, + 1C, =0 setzt,
nur tritt dann statt (z, v, ®,), die Tangente
(uo Hau, vo tv, wo + uw,)
ein, was zur Folge hat, dafs alle Tangenten 7, durch den Schei-
tel des letzten Tangentenpaares gehen, also wie unter III) die
Systemstangenten sind. Die weitern analytischen Beweise
der unter I) II) III) IV) gegebenen Sätze übergehe ich jetzt,
um Wiederholungen zu vermeiden, und will nun die Gleichung
der Curve 4ten Grades hinaus ableiten, welche die 7 Geraden
310 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
G zu Doppeltangenten hat. Zu diesem Ende ist noch VI) er-
forderlich, solche Curven C, und C, zu wählen, welche ein-
ander berühren und den Ort dieser Berührungspunkte zu be-
stimmen. Die Bedingung hiefür ist aber, dafs die quadratische
Gleichung 6. gleiche Wurzeln hat, d. h. dafs ihre Discriminante
4PR — Q*? verschwindet. Setzt man
8. 9 vw =, wu, —wiu—=y, Ut, uw =z
so stellen x, y, z die Coordinaten des Tangırungspunktes dar,
und es ist leicht ersichtlich, dafs die Gleichung 4PR— Q°=0,
sich in eine Gleichung zwischen &, y, z verwandeln läfst. Es
gehen in der That die partiellen Determinanten, welche in
P, Q, R vorkommen, nämlich
PAW— FW: WO, — WU, UF, -UP,
über in
9. K=a,ata;y+az2,. Y=b,x-Hb3y+b;2, Z=c,x%4#c,y4-C32,
wo a,, d,, €, u.s.w. die partiellen Determinanten der &,, 4, Yı
u. s. w. sind, also a, =Agy3 —Bs3 Ya etc., ist hierdurch wird
P= Xvowo + Yowouo + Zuovo
Q=Xlvowm; +VRw0) + Yrou, +w,U0) + Z(uov, + u,vo)
R=Xvw, + Yw,u, + Zu,v,,
also nach einem bekannten Determinantensatz:
410. 4PR-Q°?=X?x?+-V?’y?+Z°’2’—2YZy2:—2XZxz—2XYay=0,
welche Gleichung sich auch in
Vra+Vy +VZ=0
verwandeln läfst, und die Gleichung einer allgemeinen Curve
Aten Grades in derjenigen Form ist, welche zuerst Hr. Hesse
in Crelles Journal Bd. 49. pag. 301 für dieselbe aufgestellt hat.
Ich habe hienach die Gleichung 10. aus einer ganz andern
Quelle abgeleitet, und gelange in Folge dessen auch zu einer
neuen Art aus derselben die Doppeltangenten abzuleiten.
Es stellt nämlich (u, vo wo) jedesmal eine Doppeltangente
dar, wenn die Discriminante 4JPR— 0? aus 6., in Be-
vom 18. Juli 1864. 511
zug auf u,, v,, w,, als Variabeln, ein rationales Qua-
drat ist, denn in Bezug auf diese Variabeln betrachtet, ist
4PR— Q°=o die Gleichung der 4 Punkte, welche die Gerade
(to; %o, ®0) mit der Curve 4ten Grades gemein hat, und diese
müssen je zwei zusammenfallen, wenn (wo, vo, ®,) eine Dop-
peltangente werden soll. Es wird aber die Discriminante 4PR— Q°
auf doppelte Weise ein vollständiges Quadrat, nämlich wenn
entweder die Gleichung P=0 identisch stattfindet,
wodurch sie in —@® übergeht, oder wenn die quadratische
Gleichung6.: P+QrR + Rr”=orationale Wurzeln hat,
weil die Discriminante dem Quadrate von der Differenz der
Wurzeln gleich ist. (Die Gleichung R=o lälst sich im All-
gemeinen nicht identisch erfüllen, und kann daher als Bedin-
gung nicht gelten.)
Soll nun erstens P>identisch verschwinden, so müssen, wie
aus 7. ersichtlich ist, die Bedingungen:
11. uw Fa —voPo)=I volwuU, wo WF,)—0
wo (voFo -u0,)=0
erfüllt werden. Diese Bedingungen haben aber die
Bedeutung, dafs die (u,, v0, ®0) eine Doppeltangente
der zu (ug, %o, ®o) zugehörigen Curve C, ist, wie man
sich sofort überzeugt, wenn man die 3 partiellen Ableitungen
von 4. nach den Variabeln für die Werthe u,, vo, wo der
letziern verschwinden lälst. Die vorstehenden Bedingungen
lassen sich aber auf 7fache Weise erfüllen, nämlich wenn man
entweder zwei der Unbekannten u,, vo, wo selbst = Null setzt,
was die 3 Doppeltangenten z<=0,y=0, z=:0 liefert, oder
wenn man
12. uU, =Vv Mm = Wo
setzt, und diese beiden in Bezug auf u,, vo, wo quadratischen
Gleichungen auflöst, was 4 Werthensysteme für leiztere giebt.
Lälst man % allmälig die Zahlen 4, 2, 3, 4 bedeuten, so will ich
die Auflösungen durch „=u,, vv =v,, wo=w; und daher
durch
13. he G =yuatyytewz=0
512 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
die 4 andern Doppeltangenten bezeichnen, welche aus 11. her-
vorgehen.
.Es wird zweitens die andere Bedingung, welche die Dis-
eriminante 4PR— Q° zum vollständigen Quadrat macht, erfüllt,
wenn die entsprechende Curve C, in Punkt und Kegelschnitt
zerfällt. Geht man nämlich auf die Entstehung der Gleichung 6.
zurück, so sieht man leicht, dafs sie aus einer cubischen her-
vorgegangen ist, welche einen evidenten rationalen Factor,
nämlich A hatte. Die cubische Gleichung muls aber, wenn C,
zerfällt, einen zweiten rationalen Factor erhalten, also ist es auch
der dritte, und es hat in Folge dessen die quadratische Glei-
chung 6. zwei rationale Wurzeln, was der Discriminante die
verlangte Eigenschaft ertheilt. Die Anzahl der zerfallenden Cur-
ven C, beträgt, wie ich unter VIII) gezeigt habe, 21 und die
zugehörigen uo, vo, wo geben alsdann die übrigen 21 Doppeltan-
genten auf rationale Weise ausgedrückt durch die (v;, v;, w;)
in 13., wie auch noch die später folgende Rechnung zeigen wird.
Geht man demnach von der Gleichungsform:
VXx+VYy +Vz:=o
einer allgemeinen Curve 4ten Grades aus, so ist zunächst erfor-
derlich die den X, Y, Z entsprechenden lineären Functionen
U,Y,W der wv,w zu bilden. Die Vergleichung von 2.
mit 9. zeigt aber, dafs man ohne weiteres hiezu gelangt, wenn
man die Gleichungen 9. als eine Substitution an-
sieht, zu derselben die inverse transponirte Substi-
tution bildet und die u, v, w als Variabeln der letz-
tern einführt. Geometrisch ausgedrückt, sind U=0 /=) W=0
die Gleichungen der 3 Punkte, in welchen die Geraden
=0, Y=0, Z=0 sich schneiden. Vermittelst der U, F, W
erhält man dann einerseits die Gleichungen 4. der doppelt un-
endlichen Schaar Curven C,, anderseits die beiden Gleichungen
zweiter Ordnung 12., aus welchen sich die 4 Doppeltangenten
G, (43.) durch Auflösung einer biquadratischen Gleichung er-
geben. Eine weitere Irrationalität ist zur Berechnung der übri-
gen Doppeltangenten nicht mehr erforderlich, aber auch
diese Irrationalität kann vermieden werden, wenn
man gleich von vorne herein die Constanten a, ß,Y....
vom 18. Juli 1864. 513
von 0, #,V/F durch die 4 Systeme „,,v;,, w, ausdrückt,
was, wie ich am Anfange dieses Artikels (pag. 507)
gezeigt habe, ein ganz bestimmtes auf rationale
Weise zu lösendes Problem ist, und alsdann an
Stelle von a, 2, c... die partiellen Determinanten der
%/,%y... als Constanten der X, Y, Z einführt.
XI) Ich werde in der Folge die Gonstanten «, £, y u. s. w.,
also auch a, 5, ce u. s. w., als bekannte Functionen der 4 Sy-
steme u;, v;, ®; betrachten und zeigen, dals sich vermittelst
derselben die Gleichungen der sämmtlichen 28 Doppeltangenten
auf eine sehr einfache Weise explicite darstellen lassen.
Die ersten 7 Doppeltangenten sind
a=,y=0, 2=0 6,0, 6 =, 6; =0,G, =0,
die letztern 4 betrachte man als gegeben oder durch (X, 12)
bestimmt.
Die übrigen gehören nach VI) allemal zu einem Kegelschnitte,
welcher fünf der vorstehenden sieben Geraden berührt und da-
durch bestimmt ist, und zwar ist je eine der 21 übrigen Dop-
peltangenten die 6te Tangente des zugehörigen Kegelschnittes.
Ich werde nun ihre Gleichungen zunächst aufstellen, und dann
die Herleitung derselben angeben.
Man findet 3 Doppeltangenten durch
1. x{=0,’Y=0Z=:ı,
und ihre zugehörigen Kegelschnitte:
V-oW =, W —-uVU=0, ui,
sie berühren allemal die 4 Geraden G und eine Seite des Coor-
dinatendreiecks (x, y, 2).
Ferner erhält man 12 Doppeltangenten, wenn man k=1, 2, 3, 4
setzt aus
r(G, —u,x)—-— U,X=0
2 r(G —vy) IV, Y=0 r=3#+0,0,9;.
r(G, — 2) - W,;,Z=0
Die Gleichungen der zugehörigen Kegelschnitte sind
[1864.] 38
514 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
uUVP, MW, + u,(a,vwU; + BzuwP, + c5uvP,)=0
veVW, U; + v;,(a,vwÜU, u b,uwF, + c;uvWV,) =
wWU;, V; + [177 (a,vwÜU, -- b,uwV,;, + c;uvPP,) = 0,
sie berühren allemal zwei Seiten des Coordinatendreiecks und
je drei der Geraden G. Endlich erhält man die 6 übrigen Dop-
peltangenten, wenn man mit x,, Y„, 2, eine von den 6 Ecken
des Vierseits (G,6,6;@,), mit X,, Y,., Z, die entsprechenden
X, Y, Z bezeichnet, und in
I a,Y,Z,x+b5;2,X,y + (3X, Y,2=0
n allmälıg 1, 2, 3, 4, 5, 6 setzt. Die zugehörigen Kegelschnitte _
berühren alle drei Seiten des Coordinatendreiecks (x, y, 2) und
zwei der Geraden G, nämlich diejenigen beiden, welche sich
in der diametralgegenüberliegenden Ecke (&,, Ymy Zm) zu
(&23 Ya» 2»): schneiden, ihre Gleichungen sind:
vwX,. + wuY, + uZ, =0
wo m=1, 2, 3, 4, 5, 6 ıst.
Die Gleichungen der zugehörigen Kegelschnitte findet man
zwar aus ihren 5 Tangenten, aber auch dadurch, dafs man die
Coeffhicienten der entsprechenden Doppeltangente statt 9, vo, #0
in die Gleichung (X, 4) substituirt. Dieselbe erhält alsdann
einen a priori bekannten lineären Factor, während der andere
den gesuchten Kegelschnitt darstellt. Auch kann dadurch die
_ Richtigkeit der Gleichungen 1. 2. 3. eingesehen werden, man
leitet sie aber auf folgende Weise direct ab:
Die Gleichungen 1. folgen ohne Weiteres aus der Gleichung
der Curve Aten Grades, weil die letztere unverändert bleibt, wenn
man x, y, z mit X, Y, Z vertauscht. Die Gleichungen 2., welche
die unter IX) mit © bezeichneten Doppeltangenten darstellen, wer-
den aus dem, auf dieselben bezüglichen und dort bewiesenen
Satz hergeleitet, wonach die jedesmalige ®© zu 3 Paaren von
Doppeltangenten gehört, deren 3 Scheitel auf ein und derselben
Geraden liegen. Stellt nämlich die erste der Gleichungen 2.
die ©, dar, so liegen die Durchschnittspunkte von ©, =0 und
X=0, vony=0und z=0, endlich von 6;,=0 und @=0 auf
einer Geraden, welche wegen der beiden letzten Bedingungen
vom 18. Juli 1864. 515
die Gleichung G,— u,x=0 hat, also it 9, =, — u —IX=1,
wo ? noch zu bestimmen ist. Aber wegen der oben angege-
benen Symmetrie der (x,y,2) und (X Y, Z), muls dieselbe Gerade
auch die Gleichung r.G;, — 0,xX—?%,x=0 haben, daher folgt
5 A V,
aus der Vergleichung beider Formen = — ne ale
r
r(G;, —wx)— U,Ä=0w. zb. w.
Es bleiben noch die 6 Doppeltangenten 3. abzuleiten. Zu
diesem Zwecke stelle ich die 3 zerfallenden Curven C,, C;, C;
(X, 3) mit derjenigen Curve € zusammen, deren Systemstangente
die Doppeltangente 3. ıst. Nach dem unter II) bewiesenen
Theorem müssen die Scheitel der Tangentenpaare von C und C,,
von C und C,, von C und C, auf dieser Doppeltangente lie-
gen. Die Ste gemeinschaftliche Tangente von C und C,, auf
welcher der Scheitel des letzten Tangentenpaares der beiden
letzteren Curven liegt, ist, wie leicht ersichtlich, die Verbin-
dungslinie des Punktes v=0 mit dem Punkte (x,, y., 2,), die
Gleichung derselben ist daher von der Form Au+ux, +vy, +wz, =),
derselbe Scheitel liegt aber auch auf der Systemstangente X=0
von C,, setzt man also statt w, v, w die Coefficienten von X,
so, ergiebt sich Aa, + a,x, + asy. + a@32, =0 also
u(a;%, + @2yn + 032.) —a,(ur, HU, + w.,)=0
für den gesuchten Scheitel. Setzt man noch wie bisher
a,x, +a:y. + @32, = X, und überdies der Kürze halber
ux, -uy„ +wz, =N und beachtet, dals durch Vertauschung
der Variabeln, die andern beiden Scheitel sich ergeben, so er-
hält man die Gleichungen von allen dreien:
ul, —a,N=0 vıF, —b;,N=0 v„Z, —cN=0
Diese drei Gleichungen müssen einerseits neben einander be-
stehen und geben in Folge dessen, die für die Folge zu be-
nutzende Relation:
(Dr baYn Cz3 2,
4. — ++ =1,
andrerseits liefert ihre Auflösung u:v:»v =
516 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
welche die Constanten der die drei Punkte verbindenden Geraden
d. h. der gesuchten Doppeltangente 3. sind.
Die Relation 4. führt zu Sätzen, welche für die Untersu-
chung der gegenseitigen Abhängigkeit der Doppeltangenten von
Wichtigkeit sind. Dieselbe geht nämlich, ohne Accente ge-
schrieben, in folgende Gleichung einer Curve öten Grades über:
5. T=a,xYZ +b3zyXÄZ +c32:XY— XYZ=0
welche sich auch, wie a priori aus dem symmetrischen Verhal-
ten der xyz und XYZ zu schliefsen ist, in
5*, T=r(a,Xyz + P,Yxz + y3Zıy —ayz) =0
identisch umformen läfst. Aus beiden Formen für T erhellt,
dafs ein und dieselbe Curve T dritten Grades gleich-
zeitig durch die Ecken des vonx=0, y=0, z=0 wie
des von X=0, Y=0, Z=o gebildeten Dreiecks, fer-
ner durch die Schnittpunkte von x und X, von yund
Y, von z und Z, und endlich durch die 6 Ecken
(&,3 Yn3 2.) des von den Doppeltangenten 6,,6,,6,,6,
gebildeten Vierseits hindurch geht.
Endlich kann man aus den bei 4. gefundenen Werthen der
Constanten u, v, w, welche einer der 6 Doppeltangenten 3. an-
gehören, umgekehrt X,:Y,:Z, = UN PB: 2 ziehen, dıe zu-
u U wow
gehörigen x, :y„:z, bestimmen und sowohl in 5. als 5*., wel-
chen Gleichungen sie genügen müssen, substituiren. Diese Sub-
stitution giebt eine Curve Ster Klasse X, deren Gleichung die
beiden folgenden Formen annimmt:
K=a,Uvww + 65;F uw +c;Wuv— ruvww=0
6. K=a,uP W + Rz vUW + y3;w UV — UVW =0
und den Satz liefert, dals zwölf Dopppeltangenten,
nämlich <—=0, y=0, z—=0; A=u, K—ZUNZ Zur sowie
die 6 Doppeltangenten d., deren zugehörige Kegel-
schnitte je zwei der Seiten des Vierseits G,,6@,,6;,@,
berühren, gleichzeitig Tangenten ein und dersel-
ben Curve Ster Klasse sind, welche überdies noch
die Verbindungslinien entsprechender Dreiecke wie
vom 18. Juli 1864. 517
ayz und XYZ sind. Die Curve X ist dieselbe, welche Stei-
ner mit K, in seiner Abhandlung Crelles Journal Bd. 49.
pag- 267 bezeichnet, und von welcher er auch den vorstehenden
Satz, so wie verschiedene andere Beziehungen angiebt, deren
Entwicklung ich hier übergehe. Steiner hat an der citirten
Stelle auch eine Curve 3ten Grades G, welche mit der obigen
Curve T' nicht verwechselt werden darf. Neben einer Curve
Sten Grades trıtt nämlich immer eine Curve äöter Klasse und
umgekehrt auf, welche reciproke Eigenschaften besitzen, wie
aus der Theorie der cubischen Formen hervorgeht, nach wel-
cher die Gleichungen der beiden Curven durch die erste Co-
variante d. i. die Hessesche Determinante und durch die erste
zugehörige Form d.h. durch diejenige, deren Coefficienten die
partiellen Ableitungen der Invariante Aten Grades sind, gege-
ben werden. Steiner, welcher die Beziehungen beider Curven
als Sätze über seine Kerncurven früher kannte, als deren ana-
lytischer Beweis gegeben war, hat daher mit der Curve X die
Curve G zusammengestellt, welche respective einer zugehörigen
Form und einer Hesseschen Determinante desselben Systemes
entsprechen. Die pag. 267 von demselben gegebenen Sätze
sind daher geradezu die bekannten gegenseitigen Beziehungen
der Hesseschen Determinante und der zugehörigen Form ein
und derselben cubischen Grundform. Die Gleichung der Stei-
nerschen Curve G wird in der That als die Functionaldetermi-
nante der quadratischen Functionen xX, yY, zZ in folgenden
beiden Gestalten erhalten:
7 G=r(a,Xyz + B,Yrz + y3Zxy) HXÄYZ=0
: ne, + c3:XY + r’ay =).
Überträgt man dieselben Verhältnisse auf die Curve T' der
hier vorliegenden Theorie, so kann man mit dieser eine analoge
Curve Z zusammenstellen, welche die Functionaldeterminante
der drei Functionen uU, vP, »VP ist, die Gleichung dersel-
ben wird
H=a,Uıw +5,Puw + c;Ww+- UVWV =0
. H=a,uVW + Bz,vUW + y3zw UV + ruw=0;
man muls aber T' als erste zugehörige Form zu einer Grund-
518 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
form im Systeme der u, v, w ansehen, während 4 die erste
Covariante desselben Systemes ist.
Die cubischen Grundformen beider Systeme sind verschie-
den, ihre Bildungsweise kann aus dem bekannten zuerst von
Hrn. Hesse gegebenen Theorem abgeleitet werden, wonach man
immer eine vrsprüngliche cubische Form so bestimmen kann, dafs
ihre Determinante eine gegebene ist, dieses führt im Allgemei-
nen auf eine cubische Gleichung, aber in dem vorliegenden
Falle ist die Grundform immer rational und es beruht dieses
auf einem Satz des Hrn. Hermite, nach welchem irgend drei
homogene Functionen ®,, ®,, ®; der zweiten Ordnung von
drei Variabeln immer auf lineäre Weise aus den ersten partiel-
len Ableitungen einer homogenen Function ® dritter Ordnung
zusammengesetzt werden können, so dals
dO dO dO dd d® dO
9 og, =/— Fa Me 6, = a Be Pre
i ® dy 2 dz’ 2 7 Fran d 2 dz’
do d® dd
& = Kae VE AOREEEE
: ” dx Er Pi dz
ist. Hr. Hermite hat im 57ten Bande des Borchardschen Jour-
nals p. 374 nicht allein diesen Satz bewiesen, sondern auch die
Bildungsweise der Constanten 7, m, n..., so wie die Function
© in schlielslicher Endform angegeben. Wenn nämlich
ulvrlwo, murmv+m’w, nufnv-tn’w
die drei simultanen lineären zugehörigen Formen der Functio-
nen ®,, ®,, ®; sind und wenn man mit %,, X25 %s die trans-
ponirten inversen Functionen der ersteren bezeichnet, so ist
O=xXıPı + XeP2 + %XsP3-
ar man nun einerseits
Neon, nenn 9 =a2-
so ist die vorstehende Function © die Grundform der die bei-
den Curven G und X darstellenden Formen. Verwandelt man
andrerseits in der obigen Theorie überall die Variabeln x, y, z
in u,v,w und setzt dann ®, =uU, 8, =vV, $,=wW, so ıst
die entsprechende © die cubische Grundform der beiden durch
T' und Z bezeichneten Formen.
vom 18. Jui 1864. 519
Die gegenseitigen Beziehungen der auf diese Weise ent-
stehenden 6 cubischen Formen und der Curven, welche sie
darstellen, erfordert aber eine umfangreiche Auseinandersetzung,
welche über die hier gesteckten Grenzen hinausgeht, es möge
mir daher gestattet sein nur einige Andeutungen hierüber zu
geben.
Ich gehe von einer allgemeinen Transformation der biqua-
dratischen homogenen Functionen von drei Veränderlichen ver-
mittelst quadratischer Substitutionen aus, welche eine ganze
Reihe canonischer Formen in sich einschlielst. Ist nämlich
F(x,, &3, &3) die gegebene biquadratische Form, so
verwandele ich dieselbe in eine homogene Function
zweiter Ordnung $p=Xa,,u,u,, in welcher die Va-
riabeln z,, w,, u, die ersten partiellen Ableitungen
einer Form 3ter Ordnung f(x,, x3, x3) sind, so dals
ff af
10. F(x, 2 23)= 3a; \ Fe] A
wird.
Man kann sich auf mehrfache Weise davon überzeugen,
dals diese Transformation nicht allein möglich, sondern dafs sie
auch bestimmt ist, wenn man nur berücksichtigt, dals eine
leicht ersichtliche Constante, welche die Form nicht ändert,
nothwendigerweise unbestimmt bleiben muls.
Betrachtet man nun Ya, , wi A = 0 als Gleichung der
dx, dx,
Curve 4ten Grades, so findet man ihre Beziehung zu der Curve
3ien Grades f(x ,,.%g, &3)=0, wenn man die Form Y(x,,%3,%3)
bildet, deren zugehörige Sa, ‚u,u, ist. Es stellt nämlich
L=0o einen Kegelschnitt dar, der die Eigenschaft
hat, dafs die Polaren zweiten Grades jedes Punkies
desselben in Bezug auf die Curve f, die Curve 4ten
Grades in 4 Punkten berühren, und es geht über-
haupt jede andere Polare zweiten Grades in Bezug
auf die Curve f durch die 8 Berührungspunkte von
zwei solchen Kegelschnitten, welche die Curve 4ten
Grades in 4 Punkten berühren. Hieraus erkennt man
alsbald die Beziehung zu den Doppeltangenten. Wählt man
520 Sitzung der physikalisch mathematischen Klasse
nämlich einen solchen Punkt auf dem Kegelschnitt \, dessen
Coordinaten gleichzeitig der Gleichung Af(x,, x, x23)=0 ge-
nügen, wo Af die Functionaldeterminante von f ist, so zerfällt
bekanntlich der Polarkegelschnitt desselben in zwei Gerade und
diese müssen nach dem obigen Satze Doppeltangenten der Curve
Aten Grades werden. Die Gleichungen /—=0 und Af=0 füh-
ren aber auf eine allgemeine Gleichung 6ten Grades und liefern
6 Werthensysteme, welche ich mit xY), x%), x%) bezeichnen
will, wo k=1...6 ist; bildet man daher die 6 Gleichungen
so stellen dieselben 6 Doppeltangentenpaare dar. Man wird
hienach direct auf die Steinersche, Crelles Journal Bd. 49.
pag, 268. 1, gegebene Gruppirung zu je 12 geführt, und kann
von hier aus seine Sätze leicht beweisen. Ich hebe hier nur
hervor, dafs diese 12 Doppeltangenten überhaupt in projectivi-
scher Abhängigkeit zu einander stehen und zwar in der bekann-
ten, dals die 8 Berührungspunkte von je zwei Paaren derselben
mit der Curve 4ten Grades auf einem Kegelschnitte liegen. Zu-
folge des obigen Satzes ist derselbe ein Polarkegelschnitt in
Bezug auf die Curve f, und der Pol desselben der Durchschnitts-
punkt von je zwei in zwei der Punkte af’, a%’, x%’ an den
Kegelschnitt \ gelegten Tangenten.
Im Übrigen verlasse ich die Steinersche Gruppirung, wel-
che nach einer andern Richtung führt, als die principiell in
dieser Abhandlung befolgte, und will jetzt zeigen in welcher Be-
ziehung die Form 10. zur Hesseschen steht. Zu diesem Zwecke
betrachte man drei der Punkte (x4?, x%’, xG?) als Ecken eines
Coordinatendreiecks und transformire auf dasselbe gleichzeitig
die Curve dritten Grades f und den Kegelschnitt \. Bezeich-
net man die neuen ÜCoordinaten mit x, y, z und mit u, v, w,
und die transformirten Formen mit denselben Buchstaben wie
die ursprünglichen, so ist alsdann
V=ay-+x2 -+yz; p=u? vu’ + mw?’ — 2vw — 2uw — 2uv,
d d d
A;
also findet man durch Substitution von vu= —, v=
p) =
vom 18. Juli 1864. 521
7,.yZ.y7-
ee Pre
als Gleichung der Curve 4ten Grades, welche der Form 10.
entspricht und es ist dieselbe gleichzeitig die Hessesche, weil
jetzt H, ER gi in Factoren zerfallen. Hieraus folgt, dals die
dx dy dz
Function ©, welche ich nach der Theorie des Hrn.
Hermite für die Form VxX+VyY-+VzZ oben abge-
leitet habe, eine specielle transformirte Form der
allgemeinen cubischen Function f ist, und es ergiebt
sich hienachauch die allgemeine Gültigkeit der Form 10. für F.
Überdies sind x, X; y, Y; =, Z in der Hesseschen Form, drei
Paare von Doppeltangenten der Steinerschen Gruppirung, wäh-
rend die andern drei dazu gehörigen Paare aus der Gleichung 3.
hervorgehen.
Die Doppeltangentenpaare xX, yY, zZ in der Form
VexXi-E VyY + VzZ stehen in der oben schon angegebenen auch
direct aus dieser Form sich ergebenden projectivischen Abhän-
gigkeit zur Curve, dals durch die 8 Berührungspunkte von je
2 Paaren mit der Curve Aten Grades ein Kegelschnitt hindurch
geht, ich will solche 6 Doppeltangenten kürzer ‚‚die Doppel-
tangenten der Hesseschen Form’ nennen und zunächst angeben,
wie nach der gegenwärtigen Theorie eine 7te Doppeltangente
in diese Form einzuführen ist. Sollen nämlich 6 beliebige
Gerade Doppeltangenten der Hesseschen Form werden, so ist
diese Form dadurch noch nicht bestimmt. In jeder der lineären
Functionen X, Y, Z von x, y, z ıst nämlich immer noch eine
Constante beliebig, und man muls genauer, wenn g,, 83, 85
Constanten bedeuten,
11. Vg,xX +VsyY + Vg;:Z =0
als Gleichung der Curve betrachten. Bezeichnet man nun mit
u, v, » die Constanten einer 7ten Geraden, so kann man eine
solche Bestimmung der Constanten g verlangen, dals die Curve
11. die Gerade (u,v,®) zur Doppeltangente erhält. Die gegen-
wärtige Theorie löst diese Aufgabe auf eine bemerkenswerth
einfache und von der vorhandenen Theorie abweichenden Weise
922 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
dadurch, dafs sie die Gleichungen (X 12) liefert, welche für die
Form 11. die folgenden sind:
42% 828;uUU = 838 ,vVV =g,8:wW,
und 8, :82:85; =uU:vVF : wVWP liefern.
Es ist demnach
13. VuUxX + VvPyY + VoW:Z = 0
eine durch 7 Doppeltangenten vollständig bestimmte
. Form der Curve 4ten Grades, jedoch mit der Be-
dingung, dals 6 dieser Doppeltangenten die oben
angegebene projectivische Abhängigkeit besitzen.
Aus der Form 13. geht hervor, dafs 7 Doppeltangenten,
von denen 6 Doppeltangenten der Hesseschen Form sind die
Curve nicht mehr eindeutig bestimmen, weil’man die ange-
deutete Abhängigkeit für je 6 aus den 7 gegebenen beliebig
einführen kann. Die Bestimmung der Curve, sowie der übri-
gen 21 Doppeltangenten ist auch nicht mehr rational, sie er- |
folgt aber, da die“andern Wurzeln von 12. sofort
unabhängige Doppeltangenten liefern, immer durch
algebraisch auflösbare Gleichungen. Es ist indessen
hiebei vorausgesetzt, dals die 7te Doppeltangente eine beliebige
Gerade der Ebene ist. Giebt man diese aus der Steinerschen
Gruppe von 6 Paaren, zu welchen die drei ersten Paare bereits
gehören, so wird die Curve Aten Grades unbestimmt, und man
kann leicht zeigen, dals alsdann eine ganze Schaar Cur-
ven Aten Grades existirt, welche aulserdem eine
nothwendige Ste Dohpeikansenee haben.
Die Form 13. muls nun wenn man die oben angegebene Me-
thode verfolgen will auf doppelte Weise in die Form 10. umgesetzt
werden, je nachdem man x, y, z oder u, v, w als Variabeln ansieht.
Während man im ersten Fall ein Polarensystem mit einer Curve
dritten Grades als Basis erhält, findet man ım zweiten Fall
ein Polarensystem mit einer Curve dritter Klasse als Basis, und
in diesem System erhalten die unter 5. und 8. gefundenen Cur-
ven T' und ZH der vorliegenden Theorie dieselbe Bedeutung,
welche die Steinerschen X und G im ersten besitzen. Man
sieht überhaupt dafs die Gleichung 13. gleichzeitig eine Curve
vom 18. Juli 1864. 523
Aten Grades und Äter Klasse, mit vollständig reciproken Eigen-
schaften darstellt, je nachdem man x, y, z oder u, v, w als Va-
‚riabeln ansieht. Mit Hülfe der von Hrn. Hermite begründeten
Theorie der formes types kann man beide Polarensysteme auf
eine sehr zweckmälsige Weise analytisch behandeln.
Hr. W. Peters theilte Diagnosen neuer Heliceen
aus dem ostasiatischen Archipel von Hrn. Dr. Ed. von
Martens mit.
4. Helix Friedeliana n.
Testa late et profunde umbilicata, conoideo -depressa, obli-
que leviter striata, olivaceo-brunnea, concolor; spira prominula,
anfr. 5%, vix convexiusculi, ultimus subtus paulo magis con-
vexus, subangulatus, antice deflexus; apertura valde obliqua, sub-
ovata; peristoma leviter incrassatum, expansum, album, margi-
nibus conniventibus. Diam. maj. 18, min. 15, alt. 10; apert.
long. et lat. 8 Mill.
Bei Nangasakı von Dr. C. Friedel, Marinearzt auf dem
Kgl. Schiff Elbe, während der ostasiatischen Expedition gesam-
melt. °
2. Helix Sumatranan.
Testa late umibilicata, depressa, utrinque subaequaliter con-
vexa, striatula, nıtida, griseofusca, ad peripheriam et deinde circa
umbilicum obtuse angulata; anfr. 5, vix convexiusculi, ultimus
dellexus, apertura diagonalis, rotundato-lunata, peristoma tenue
album, margine supero vix, basali breviter, columellari latiuscule
expanso. Diam. maj. 13, min. 11, alt. 7; apert. long. 6, lat.
55—6 Mill.
Im Innern von Sumatra, am Berg Serillo und bei Kepa-
hiang.
Verwandt mit ZH. rotatoria und VVinteriana Pfr.
3. Helix conulus n.
Testa perforata, elate trochiformis, filo-carinata, leviter
striatula, griseoflavida; anfr. 6 convexiusculi, ultimus antice pau-
lum deflexus, bası leviter convexiusculus; apertura diagonalis,
subrhombea; peristoma tenue, album, margine supero vix, basali
bene, columellari late expanso; margo basalis arcuatus, columel-
924 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
larıs subverticalis. Diam. maj. 11, min. 9%, alt. 11%; apert.
long. 6%, lat. 4 Mill.
Sumatra bei Kepahiang.
Verwandt mit 4. infula Bens.; scheint zur Gruppe Fru-
Zicicola ın einem ähnlichen Verbältnifs zu stehen, wie H. ele-
gans Gm. und H. trochoides Poir. zu den Xerophilen.
4. Helix milium n.
Testa parva, subobtecte perforata, conicoglobosa, subtilis-
sime striatula, nitidula; spira elevata, convexa, sutura sat pro-
funda; anfr. 6, convexiusculi, ultimus inflatus, rotundatus, haud
deflexus, apertura subperpendicularis, anguste lunata, peristoma
simplex, rectum, margine columelları leviter incrassato, ad inser-
tionem reflexo.. Diam. maj. 6, min. 5, alt. 5; apert. long. 35,
lat. 2% Mill.
Amboina. ‘
Erinnert an die südafrikanische Gruppe Pella, namentlich
Helix Tollini Albers.
5. Helix mendax n.
Testa globoso-depressa, mediocriter umbilicata, striatula,
corneofulva; anfr. 3%, conveziusculi, ad suturam paulum excavati,
ultimus subangulatus, bası convexus, antice valde deflexus; um-
bilicus angulo cinctus; apertura valde obliqua, elliptica; peri-
stoma tenue, reflevum, testae concolor, marginibus inler-se ap-
proximatis, columellari arcuato, dilatato. Diam. maj. 11, min. 9,
alt. 6%; aperi. long. 6, lat. 5 Mill.
Insel Timor bei Atapupu.
Einer jungen Helix argillacea Fer. täuschend ähnlich, aber
durch die Mündung sich als erwachsen ausweisend.
6. Helix unguiculasira n.
Testa discoidea, anguste umbilicata, leviter et latiuscule
striata, parum nitidula, castanea; spira plana, sutura sat profunda;
anfr. 5, ultimus tumidus, rotundatus, antice deflexus; apertura
parum obliqua, late lunaris; peristoma haud incrassatum, undi-
que breviter et aequaliter expansum, violascens. Diam. maj.
26—22, min. 22—18, alt. 14—11; apert. long. 15—114, lat.
44—10 Mill.
Inseln Amboina und Buru.
vom 18. Juli 1864. 525
Schon in Seba thesaurus Band III. Taf. 41. Fig. 20. abge-
bildet, mit Helix unguicula Fer. verwandt, aber kleiner, einfar-
big und mit weit engerem Nabel.
7. Helix calcar n.
Testa aperte umbilicata, depressa, lenticularis, superne cin-
gulo elevato et ad peripheriam carına acuta munita, rugis gros-
sis obliquis sculpta, nigricanti-fusca; spira fere plana, anfr. 41,
convexiusculi, ultimus utrinque subaequaliter convexus, antice
valde deflexus; apertura subhorizontalis, ovata, extrorsum acuta,
'intus fuscescens; peristoma undique reflexum, album, continuum.
Diam. maj. 23, min. 17, alt. 9; apert. long. 12, lat. 9 Mill.
Insel Halmahera (Djilolo) bei Dodinga.
Verwandt mit Helix rota Brod.
8. Helix flaveola n.
Testa anguste umbilicata, subdepressa, leviter striatula, pal-
lide carneoflava, rufo-unifasciata; spira vix prominula, anfr. 4%,
convexiusculi, ultimus bası inflatus, circa umbilicum subangula-
tus, antice deflexus et levissime constrictus; apertura parum obli-
qua, lunato-semiovata; peristoma undique breviter reflexum,
crassiusculum, carneum, marginibus sat distantibus, supero valde
arcuato, basali strictiusculo, subcalloso.. Diam. maj. 19, min. 15,
alt. 10; apert. long. 95, lat. 9 Mill.
Südliches Celebes, bei Maros.
Ein etwas abweichendes Glied der Gruppe Planispira.
9, Helix mersispiran.
Testa anguste umbilicata, depressa, striatula, concolor al-
bida; spira paulum immersa, anfr. 4, convexiusculi, ultimus de-
pressus, ad peripheriam rotundatus, basi paulo magis convexus-
et circa umbilicum subangulatus, antice deflexus et infra con-
stricetus; apertura valde obliqua, lunato-circularis, extrorsum ro-
-tundata; peristoma undique breviter expansum, tenuiusculum, al-
bum, marginibus appropinquatis, supero parum, infero magis
arcuato. Diam. maj. 24, min. 18, alt. 11%; apert. long. 14,
lat. 12 Mill.
Insel Moti (Molukken).
Verbindet die Gruppen der Z. zonaria und der H. ungu-
lina untereinander.
e7
526 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
10. Helix Bbiconvexan.
Testa anguste umbilicata, lenticularis, acute carinata, levi-
ter striatula, lineis spiralibus subtilibus confertis sculptä, alba,
fuscofasciata; spira plana, anfr. 4, supra convexiusculi, ultimus
utrinque aequaliter planatus, antice deflexus et parte inferiore
constrictus; apertura subhorizontalis, securiformis, extus resupi-
nata; peristoma vix incrassatum, album, superne rectum, subtus
breviter reflexum, marginibus sat appropinquatis, supero recti-
lineo, infero arcuato. Diam. maj. 26%, min. 19, alt. 95, apert.
long. 14, lat. 11 Mill.
Insel Klein-Tawalli (Molukken).
Verwandt mit H. Scheepmakeri Pfr., deren Unterseite
aber ganz flach ist.
41. Bulimus leucoxanthus n.
Testa conico-elongata, leviter striatula, nitida, citrina, vitta
suturali lata alba pictus, varicibus solitariis fusco-nigris, apice
alba; anfr. 7, sat convexi, sutura appressa; apertura rotundata
2— 2, longitudinis occupans, subverticalis; peristoma incrassatum,
album, breviter expansum, callo parietali albo, margine columel-
ları stricto, subperpendiculari. Long. 49%, diam. maj. 28%, min.
23; apert. alt. 22 Mill.
Bis jetzt mit B. perversus L. sp. sive cirinus Brug. zu-
sammengeworfen. Reeve’s Figur 187° stellt diese Art kennt-
lich dar. Vaterland nock nicht sicher bekannt. Nahe verwandt
mit ihm ist der birmanische 2. azrıcallosus Gould.
12. Bulimus suspectus n.
Testa sinistra, ovato-conica, leviter striatula, nitidula, lute-
scenti-albida, basi fasciis 2 nigris totidemque flavis picta, re-
gione umbilicali rosea, apice fusco-nigro; anfr. 6, convexiusculi;
apertura ovata, 7—% longitudinis occupans; peristoma modice.
incrassatum, breviter expansum, fuscoviolaceum, margine co-
lumellari valde dilatato, reflexo, bifido, pallidiore, callo parietali
ad angulum externum unidenticulato. Long. 31, diam. maj. 17%,
min. 14, apert. alt. 14 Mill.
Timor bei Kupang. Steht zwischen 2. contrarius und B.
laevus Müll. sp., letzterem näher.
13. Bulimus Sumatranus n.
Testa sinistra, elongato-conica, laevis, valde nitida, luteo-
vom 18. Juli 1864. 527
albida, maculis fuscis seriatis et bası fasciss 2—5 fuscis picta,
apice pallido; anfr. 6, subplani; apertura ovata, °, longitudinis
occupans; peristoma crassiusculum, album, expansum, callo parie-
tali nullo, margine columellari tenui, rectilineo, subverticali, an-
gulum distinctum cum basali efficiente, supra plane adnato,
Long. 33, diam. maj. 17, min. 145, apert. alt. 15 Mill.
Sumatra bei Kepahiang.
Verwandt mit 2. porcellanus Mouss.
44. Buliminus spilozonus n.
Testa semiobtecte perforata, tenuis, confertim leviter stria-
tula, alba, seriebus macularum duabus et bası fascus duabus fus-
cis pieta, regione umbilicali colorata, versus apicem corneo- fla-
vescens; anfr. 65, convexiusculi, ultimus basi rotundatus; aper-
tura paulum obliqua, ovata, superne acuta, dimidiam longitudinem
testae occupans; peristoma tenue, rectum, margine columellari
leviter torto, superne reflexo. Long. 17, diam. maj. 9, min.
65, apert. alt. 9 Mill.
Celebes und Timor, in zwei durch die Details der Färbung
verschiedenen Varietäten.
Gehört zur Gruppe Rhachis Albers.
15. Cionella Sumatrana n.
Testa subconico -turrita, minute striata, nitida, laete casta-
nea, apice pallidior; anfr. 7—8, convexi, ultimus basi sensim
attenuatus; apertura subverticalis, piriformis, % longitudinis oc-
cupans; margo columellaris excavatus, tortus, infra oblique trun-
catus. Long. 13%, diam. maj. 5, min. 4%, apert. alt. 4%, lat.
25 Mill.
Sumatra, bei Kepahiang.
Verwandt mit C. (Achatina) oreas und Jerdoni Bens.
16. Clausilia excurrens n.
Testa fusiformi-subulata, levissime striatula, glabra, solida,
pallide cornea; spira valde elongata, gracilis; anfr. 11, convexius-
culi, ultimus attenuatus, non compressus, antice paulum solutus;
apertura piriformis, alba; lamella parietalis superior valida, com-
pressa, marginem attingens, infera humilior, a margine remota;
lamella spiralis disjuncta; plica subcolumellaris inconspicua; lu-
nella distincta; plica parietalis unica, elongata, peristoma album,
528 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
crassiusculum, undique solutum. Long. 20, diam. 4, apert. alt.
5, lat. 4 Mill.
Sumatra bei Kepahiang, selten.
Unterscheidet sich durch die vorhandene Mondfalte von
den meisten, durch das frei vortretende Stück der letzten Win-
dung von allen mir bekannten Clausilien Ostasiens.
47. Pupa ascendens n.
Testa clause rimata, conico-ovata, costulis sat distantibus
sculpta, aurantico-rubens, nitidula; spira in conulum brevem
apice promineate terminata; anfr. 6, tumidi, priores celeriter
crescentes, antepenultimus et penultimus subaequales, ultimus
angustior et brevior, basi rotundatus, antice valde ascendens et
penultimum maxima ex parte obtegens; apertura oblique sursum
spectans, subeircularis, edentula, peristomate continuo, incras-
sato, breviter expanso. Long. 4, diam. maj. 34, min. 2%, apert.
alt. et lat. vix 2 Mill.
Amboina. Verbindet das allgemeine Aussehen und die Scul-
ptur der Gruppe Gulella Pfr. mit einer Mündung, welche der-
jenigen von Hypotrema (Anostoma Boysü Bens.) nahe kommt.
18. Streptaxis Johswichin.
Testa oblique ovato-cylindrica, aperte umbilicata, albida,
confertim costulato -striata, nitidula; anfr. 6%, convexiusculi, ul-
timus valde devians, ad suturam subangulatus, costulis fortioribus
et arcuatis sculptus, latere aperturali laevigatus; apertura sat
obliqua, semielliptica, pariete aperturali uniplicato; peristoma
latiuscule reflexum, solum ad angulum externum attenuatum,
margine externo bidenticulato, basali unidentato. Long. sive
alt. 15, diam. maj. 12%, min. 8; apert. alt. 7, lat. 5% Mill.
Siam, bei Petchaburi.
| Genannt nach meinem Reisegefährten, dem Stabsarzt Dr.
Johswich, welcher mir beim Sammeln von Land- und See-
ihieren, sowohl sonst, als namentlich in Siam, so vielfach be-
hülflich und förderlich war.
49. Nanina rugata n.
Testa anguste perforata, depresse-conoidea, angulata, rugis
äperturae parallelis confertis supra minute granulosis sculpta,
brunneo-rufa, peripheria pallida; anfr. 6, convexi, ultimus antice
non deflexus; apertura diagonalis, Iunato-rhombea; peristoma
vom 18. Juli 1864. 529
rectum, obtusum, margine basali valde arcuato, columellari bre-
viter reflexo. Diam. maj. 48, min. 37%, alt. 32; apert. long.
27, lat. 23 Mill.
Celebes, bei Maros.
Gleieht in Gestalt und Färbung der N. Humphreysiana
Lea, ist aber durch die Sculptur von derselben verschieden.
Hr. W. Peters gab eine Übersicht der im Königl.
zoologischen Museum befindlichen Myriopoden aus
der Familie der Po/ydesmi, so wie Beschreibungen
einer neuen Gattung, Trachyjulus, der Juli und
neuer Arten der Gattung Siphonophora.
SPHAERIODESMUS NOY. gen.
Glomeridesmus Saussure (non Gervais).
Hr. de Saussure (Essai d’une Faune des Myriapodes du
Mexique. 1860. p. 18) hat bereits Zweifel erhoben gegen die
generische Vereinigung seines Gl. mexicanus mit Gl. porcellus
Gervais, welche mir vollkommen begründet zu sein scheinen.
Denn während nach Gervais die grölste Körperbreite zwischen
das 2ie und 3te Segment fällt, also diese beiden Segmente die
grölsten sind, sind bei Gl. mexicanus das 4te und 5te am mei-
sten entwickelt. Auch die Antennen und das hintere Körperende
sind ganz anders gestaltet, wenn auch in Bezug auf die verschie-
dene Zahl der Fulspaare, welche Gervais auf 32 angibt, höchst
wahrscheinlich von Seiten des Leizteren ein Irrthum stattfindet
(cf. Walckenaer, Hist. nat. des Apteres. IV. p. 87.).
1. Sph. (GL) mexicanus Sauss. — Mexico, Cor-
dova; H. de Saussure. Ein Männchen, No. 13.
OnIscoDesmvs Gervais').
Das 1ste Körpersegment klein, das 2te grofs, das letzte Dor-
salsegment klein, zwischen den abgerundeten Kielen des vorher-
*) Der von Hrn. H. de Saussure in diese Gattung gestellte O. me-
zicanus gehört offenbar nicht hieher und die von Hrn. de Saussure Hrn.
Gervais gemachten Vorwürfe sind zwar zum Theil, wie die in Betref[f
[1864.] 39
530 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
gehenden eingeschlossen. Wie bei den übrigen Polydesmus bei
dem Weibchen 31, bei dem Männchen 30 Fulspaare, indem bei
letzterem das siebente (nicht das fünfte) vorn die Copulations-
organe, hinten ein einziges Fufspaar trägt.
2. O. aurantiacus.n. sp.
Von ganz ähnlicher Gestalt wie O. oniscinus Gervais und
von diesem dadurch unterschieden, dafs’ 1) das erste schildför-
mige Segment halbkreisförmig, der vordere Rand gerade, der
hintere convex bogenförmig und nicht concav ist, 2) der umge-
schlagene vordere Rand des grölsten zweiten Segments sehr viel
stärker ist. Die hintere Abtheilung der Segmente ist ähnlich‘
wie Gervais (l. c. p.91) sie von „einem andern Exemplar” be-
schreibt, fach höckerig (aber nicht allein hinten, sondern auch
vorn) und durch eine, im getrockneten Zustande sehr deut-
liche Querfurche in zwei Hälften getheilt; das untere Praeanal-
segment ist abgerundet dreieckig und zweispitzig. Das Männ-
chen ist etwas länger als das Weibchen. Im Leben gelbroth;
in Weingeist oder getrocknet gelbweils.
Mas. Fem.
Danger U rn 02 UN:
Breite me ENTER OU EN
In Caracas von J. Gollmer entdeckt, welcher darüber
folgende Notiz giebt: „Leben auf der Erde unter faulem Holz,
„woran sie auch ihre Kapseln behufs ihrer Verwandlung kleben.
„Diese sind erbsengrols, weich und öffnen sich oben mit einem
„runden Deckel; leer sind sie papierartig zerbrechlich. Farbe
„des Thieres gelbroth.” — 2 Expl., Mas et Fem., No. 245.
der Zahl der Fufspaare und der Abbildung der Antennen, aber nicht alle
begründet, indem sowohl Beschreibung wie Abbildung des letzten Körper-
‚segments mit einander übereinstimmen und naturgetreu sind. Ich würde
daher, wenn man den Oniscodesmus mexicanus Sauss. von Sphaeriodesmus
wegen der Proportionen der Segmente, von denen nicht das Ate und te, son-
dern das 3te und Ate die grölsten sind, und wegen ihrer höckerigen Be-
schaffenheit trennen will, für denselben den Namen Cyphodesmus vorschla-
gen. Cyrtodesmus steht ihm ebenfalls nahe, hat aber wieder andere Pro-
portionen und eine andere Form der Segmente.
vom 18. Juli 1864. 531
Porrossmvs Latr.
Fontaria Gray. Die kieltragenden Segmente können ganz
aneinanderstolsen und das zweite Glied der Beine ist
mit einem Dorn versehen; das letzte Dorsalsegment ist
zugespitzt.
3. P.virginiensis Drury. — Südcarolina; Zimmer-
mann. 7 Expl., No. 1.
A. P. oblongus Koch. — Südcarolina; Zimmer-
mann, J. Cabanis; 3 Expl., Mas, Fem. und Mas jun., No. 3
und 4.
5. P. fraternus Sauss. — Mexico; Saussure. 1 Fem.,
No. 202. Oaxaca, F. Deppe, 2 Expl., Mas et Fem., No. 2.
(Polydesmus mexicanus Mus. Berol.)
6. P. Montezumae Sauss. — Mexico, Anahuac; H.
de Saussure. 1 Fem., No. 203.
7. P. viecinus Sauss. — Mexico, Anahuac; H. de
Saussure. 1 Fem., No. 204.
8.P. limax Sauss. — Mexico, Gordova; H. de
Saussure. 1 Fem., No. 196.
9. P. Martensiin. sp.
Convex, die Kiele von der Mitte der Ringe ausgehend und
in der Richtung der Rückenkrümmung absteigend. Die, wie bei
allen Arten, verdickten Ränder der Kiele sind vorn abgerundet,
hinten zugespitzt. Die Poren öffnen sich seitlich. Das erste
Segment ist fast so lang wie die drei folgenden zusammen, am
hinteren Rande flach eingebuchtet und an den Seiten zugespitzt;
das untere Praeanalsegment ist abgerundet zugespitzt, aulser dem
kleinen Endhöcker mit zwei seitlichen Höckern versehen. Hell-
bräunlich, die Kiele gelb; Fühler und Beine weils (getrocknet
ganz gelblich weils).
Länge 0”,024; Breite mit den Kielen 0”,0043; ohne Kiele
0”,003.
Yokuhama; Dr. von Martens, 2 Männchen, No. 255.
Strongylosoma. Die kieltragenden Segmente können sich
nicht dachziegelförmig decken; das zweite Glied der
Beine ist ohne Dorn und das letzte Dorsalsegment ist
39 *
552 Sitzung der physikalisch-malhematischen Klasse
‚zugespitzt. An dem Seitentheil der ersten Segmente
findet sich nahe der Bauchseite ein schwacher, dem obe-
ren fast paralleler Kiel.
Sect. I. Oxyurus Koch (Leptodesmus Sauss.). Die
Kiele sind wohl entwickelt und der Halstheil ist daher
so breit oder breiter als der übrige Körper.
40. P. dilatatus Brdt. — Brasilien; Virmond. 2
Originalexemplare, Fem., No. 7.
11. P. acanthurus n. sp.
An Gestalt, in der Entwickelung der Kiele und durch die
langen Beine und Fühler sehr ähnlich der vorhergehenden Art.
Das kieltragende Segment verschmälert sich aber unter den Kie-
len viel mehr und wird durch eine vertiefte schräge Linie in
eine kleine hintere und in eine grölsere vordere Abtheilung ge-
theilt, welche letztere über den Beinen einen kurzen Dorn bildet;
letztes Dorsalsegment zugespitzt, neben der Spitze mit zwei klei-
neren und weiter vorn mit zwei etwas grölseren Nebenspitzen;
unteres Praeanalsegment dreieckig, spitzwinklig. Blals kirschroth,
Kiele, Fühler und Beine gelblich.
Länge 0”,060; Breite mit den Kielen 0”,010; ohne Kiele
0”,0067.
Veragua,;, Warszewicz. 3 Expl., No. 256.
12. P. Goudotii Gervais. — CGolumbien; Goudot,
Moritz, Martin. Männchen flacher und mit etwas spitzeren
Winkeln als das Weibchen. 3 Expl., No. 5, 6, 238 getrocknet;
2 Expl., No. 239, in Weingeist.
13. P. luctuosus.n. sp.
In der ganzen Körperform, der Gestalt der einzelnen Seg-
mente, der langen Fühler und Beine schliefst sich diese Art der
vorhergehenden an; die kieltragenden Segmente sind aber durch
eine Querlinie in eine vordere und hintere Hälfte getheilt, wie sich
dieses bei 2. Beaumontii, piceus etc. findet, so dals sie ein Verbin-
dungsglied zwischen diesen beiden Gruppen bildet. Das Weib-
chen ist convexer und hat die Kiele weniger entwickelt als das
Männchen. Die Drüsenöffnuugen liegen ganz seitlich und das
letzte Dorsalsegment bildet eine cylindrische Spitze. — Farbe
schwarz, die Ränder des ersten Segments, die Kielränder, der
vom 18. Juli 1864. 533
hintere Rand der Körpersegmente, die Basis der Fühlerglieder und
die Beine sind schmutzig rostbraun.
Mas. Fem.
Länge . NETTE ER TE 0”,048; 07,044.
Breite mit den Kielen. . . .. . 0,007; 0”,0062.
Breite ohne die Kielle. . . . .. 0”,0045; 0”,0048.
Ceylon, Rambodde; J.Nietner. 2Expl., Mas et Fem.,
getrocknet, No. 257; 2 Männchen in Weingeist, No. 258.
14. P. decoratus.n. sp.
Cylindrisch, glatt, aber ohne Glanz; Kiele mäfsig, vorn ab-
gerundet, hinten sehr spitz; Poren nach oben und seitlich geöff-
net, nahe der Endspitze des Kiels. Die wulstigen Ränder der
ersten Segmente und die Kiele der folgenden stärker ‘entwickelt,
als bei ?P. Mauritii, dem diese Art sonst ähnlich ist; unteres
Praeanalsegment abgerundet, am Ende mit 3 kleinen spitzen
Knötchen. — Dunkel röthlichbraun ; die Antennen, Beine, so wie
der äufsere Rand und die Spitze der Kiele röthlich gelbbraun;
getrocknet ganz weils.
Länge 0”,036; Breite mit den Kielen 0”,0052; Breite der
vorderen Segmenttheile 0”,0037.
Caräcas (Toras und Chacao); J. Gollmer. 3 Expl.
trocken, No. 246; 6 Expl. in Weingeist No. 247 und 248.
15. P. aztecus Sauss. — Mexico (Puebla); H. de
Saussure. 1 Expl., No. 207.
16. P. subterraneus Sauss. — Cuba; H. de Saus-
sure. — 3 Expl., No. 208.
17. P. Mauritii Brandt. — Portorico; Moritz. —
1 Originalexemplar, No. 70.
18. P. fallax n. sp.
An Gröfse und Form dem ?. Mauritii sehr ähnlich; aber die
Kiele, welche auf der ersten Hälfte des Körpers fast eben so
stark entwickelt sind, verschwinden auf der letzten Körperhälfte
bis auf den porentragenden Theil fast ganz; die Poren sind
nach der Seite und kaum nach oben gerichtet. — Kopf, erstes
Segment und die kieltragenden Abschnitte blals rosenroth; die
vorderen Segmentabschnitte, Fühler, Beine und Bauchseite röih-
lichweils.
534 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Länge 0,031; Breite in der Körpermitte mit den Kielen
0”,0045; Breite der vorderen Segmenttheile 0",0037.
Diese Art würde wegen der schwachen Kiele zu den siron-
gylosoma s. s. zu zählen sein, wenn die entwickelten Kiele der
ersten Segmente sie nicht davon trennten. — Brasilien, St.
Cruz; v. Olfers. — 1 weibl. Exemplar, No. 69.
19. P. notatus.n. sp.
Körper cylindrisch; die kieltragenden Segmente durch eine
Querlinie in zwei Hälften getheilt; Kiele kurz, aber die ganze
Länge des kieltragenden Abschnitts einnehmend; Poren seitlich,
am hinteren Ende der Kiele befindlich. Antennen, Kopf und Kör-
per dunkelbraun. Die Kiele, die Spitze des letzten Dorsalseg-
ments, der vordere Rand und ein querer Fleck am hinteren Rande
des ersten Segments gelb; die übrigen Ringe haben am hinte-
ren Rande einen rothen Sirich, welcher von einem breiten halb-
mondförmigen Fleck umschlossen wird; Beine gelbroth.
Länge 0”,0194 ; Breite 0”,002.
Columbien; Moritz. 1 weibl. Expl., No. 77.
20. P. coarctatus Saussure? — 1 Expl. ohne Kopf,
0”,034 lang, als P. specztabilis Mus. Berol. bezeichnet, befindet
sich unter No. 24. in dem Museum aufgestellt, und scheint zu
dieser Art zu gehören.
Sect. II. Sztrongylosoma Bdt. s. s. (Tropisoma Koch).
Die Kiele sind rudimentär und der Halstheil ist dünner
als der übrige Körper.
21. Str. aculeatum Peters. — Mossambique, Boror;
W. Peters. 1 weibl. Originalexemplar, No. 249 1).
22. Str. Hartmannin. sp.
Diese schöne Art steht der vorhergehenden in Bezug auf die
ganze Körpergestalt, die Bildung der Kiele, die grofse Länge der
Antennen und Beine äufserst nahe, unterscheidet sich aber sehr
von ihr durch die Färbung. Kopf, Mitte des ersten und der
?) Durch einen Schreibfehler steht in der Beschreibung dieser Art
(W. Peters, Naturw. Reise nach Mossambique. \V. p. 532, 2.15 von
unten) „das erste und sechste Glied” statt „das erste und siebente
Glied”.
vom 18. Juli 1864. 5353
grölste Theil der übrigen Segmente rothbraun, braun oder
schwarzbraun; der Rand des ersten Segments, so wie der hintere
Band der folgenden Segmente, die Kiele, zwei Flecke auf den
vorderen Segmenttheilen und die Spitze desletzten Segments ocher-
gelb; Antennen dunkelbraun, an den Gelenken gelb; Beine und
Bauchseite graubraun.
Länge 0”,027; Breite 0,0023.
Sennär; Dr. Hartmann. 1 männl. Expl., getrocknet,
No. 250; 2 Expl. in Weingeist, No. 251.
23. Sir. Nieinerin. sp.
Cylindrisch, weniger knotig als Sir. pallipes, mit entwickel-
teren Kielen, spitzerem, nach hinten vorragenden Seitenfortsatze
des ersten Segments und die Kiele des zweiten und dritten Seg-
ments in eine hintere kurze Spitze ausgezogen. — Oben schwarz
' gebändert, indem das erste Segment und der hintere Theil der
folgenden Segmente braunschwarz, der vordere Theil der Seg-
mente, der Kopf und das letzte Körpersegment, so wie die An-
tennen rostgelb sind; Unterseite und Beine ochergelb.
Länge 0",033; Breite 0”,0033.
CGeylon, Rambodde; J. Nietner. 1 weibl. Expl., ge-
trocknet, No. 227; 3 Expl. in Weingeist, No. 228.
24. Str. Gervaisii Lucas. — Van Diemensland;
Schayer. — 1 Mas; No. 76.
25. Str. Luzoniensen. sp.
Sehr ähnlich den beiden vorhergehenden; die Kiele ein we-
nig schwächer als bei Sir. Nieineri; Fühler, Kopf und Körper
schwarz, der hintere Rand der Segmente braun; Kiele und Beine
bräunlichgelb. |
Länge 0",021; Breite 0",002.
Luzon, Bosoboso; Dr. von Martens. — 2 Expl., Mas
et Fem.; No. 252.
26. Sir. Japonicumn. sp.
Das erste Körpersegment mit abgerundeten Seitenwinkeln,
das zweite an den Kielen am breitesten, das Endsegment und das
untere Praeanalsegment zweispitzig; die fulstragenden Segmente
weniger convex und die Kiele ein wenig entwickelter als bei
596 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Str. pallipes. Graubraun; Antennen, Beine, Spitze der Kiele und
des Endgliedes, so wie die Bauchseite gelblichweißs.
Länge 0”,014; Breite 0”,0015.
Yokuhama; Dr. von Martens. — 1 Fem., No. 253.
27. Str. Guerini Gerv. — Madeira; Dr. von Mar-
tens. 2 Expl., Mas et Fem., getrocknet; No. 216. 6 Expl. in
Weingeist; No. 217.
28. Str. pallipes Oliv. — Südfrankreich; 1 Expl.,
No. 75. — Var. A. Österreich, Mehadia; Ulrich, Stein;
3 Expl., No. 74. — Var. B. Mehadia; Dr. F. Stein; 1 Expl.,
No. 122.
29. Sir. concolor Gerv. — Brasilien; Sello. 1 Mas,
No. 78.
30. Str. vermicularen. sp.
Cylindrisch und glatt; die Kiele sind nur durch einen obe-
ren vorspringenden Rand angedeutet, während sie unten nicht
abgesetzt sind; das letzte Segment ist spitz, das untere Praeanal-
segment schwach dreispitzig. — Blals chocoladenbraun, die vor-
deren Segmenttheile, Antennen und Beine blals, gelblich.
Länge 0”,018; Breite 0”,0016.
Caräcas, Chacao; J. Gollmer. 1 Fem., No. 254.
31. Str. glabrum n. sp. |
Ähnlich der vorigen Art, aber ganz ohne Spur von Kielen
und nur an einigen Ringen die Poren mit wulstigen Rändern.
— An jeder Körperseite ein brauner Längsstreif, der Rücken
mit Einschluls des letzten Segments und die Bauchseite blals
bräunlichgelb; Kopf und Fühler braun; Beine bräunlichgelb.
Länge 0”,019; Breite 0”,0022.
Columbien; Moritz. 1 Fem.; No. 79.
Rhachidomorpha Saussure.
32. P. rosascens Brdt. — Brasılien; Virmond. —
Originalexemplar, Mas; No. 28. ;
33. P. nodosusn. sp.
Kieltragende Segmente dicht mit kleinen Granulationen be-
deckt; die Kiele der vorderen Segmente rechtwinklig, am Rande
undeutlich gezähnelt; die Poren öffnen sich an der Spitze einer
vom 18. Juli 1864. 537
kleinen warzenförmigen Vorragung, welche den hinteren Winkel
der Kiele bildet. Braungrau.
Länge 0”,030; Breite mit den Kielen 0”,003, ohne die Kiele
0",0022.
Neu Granada; Goudot. 1 Mas, No. 27.
Rhacophorus Koch (Rhachis Saussure).
34. P. Schomburgkii Erichson. — British Guiana;
R. Schomburgk. — 3 Originalexpl., No. 12.
35. P. rubescens Gerv. — Brasilien; v. Olfers.
2 Expl., No. 18.
36. P. Hoffmannin. sp.
Etwas convexer und die Kiele weniger entwickelt als bei
den vorhergehenden; der Rand der Kiele abgerundet, die Poren
nach oben gerichtet und in einem aus der Mitte des Randes her-
vorgehenden Vorsprunge befindlich; nur an den hinteren Segmen-
ten ist der hintere Winkel des Kielrandes deutlich. Dunkeloli-
venbraun, die Enden der Kiele gelb.
Länge 0,052; Breite mit den Kielen 0”,0067; ohne Kiele
0",0047. i
Costa Rica; Dr. Hoffmann. — 1 Expl., Fem., No. 197.
37. P. Olfersii Brandt. — Brasilien; v. Olfers. —
Originalexemplar, No. 30. Ist nicht, wie Hr. Gervais ver-
muthet (Walckenaer, Apzeres. IV. p. 113), 1% Zoll lang und
6 Linien breit, sondern wie Hr. Brandt angegeben, 6 Linien
lang und 1% Lin. breit.
Polydesmus Latr. s. s.
38. P. complanatus L., Fabr. — 4 Expl. getrocknet,
No. 31. — Berlin, Dr. A. Gerstaecker; 4 Expl. in Wein-
geist, No. 231.
39. P. degyptiacus.n. sp.
Verschieden von dem vorhergehenden, mit dem er in der
Gröfse übereinstimmt, durch die stumpfwinkligeren Kiele, die
weniger ausgebildeten Granula und die überall rostbraune Farbe.
Aegypten; Ehrenberg. — 3 Expl., No. 73.
538 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
40. P. tenuis n. sp.
Sehr verwandt mit macilenzus Koch, unter welchem Namen
diese Art auch in der Sammlung stand, aber verschieden durch
die gezähnelten Kielränder.
Länge 0”,014; Breite 0”,0015. -
Berlin; Erichson. — 5 Expl., No. 34.
41. P. cavernarumn. sp.
Sehr nahe verwandt mit dem vorigen, von dem sich diese
Art aber leicht unterscheidet, indem 1) das erste Segment viel
länger, % so lang wie breit, bei jenem dagegen kaum halb so lang
. wie breit ist; 2) die Kiele viel mehr abgerundet und an ihrem
hinteren Winkel nicht in eine scharfe Spitze ausgezogen sind.
Ganz weils.
Länge 0,010; Breite 0”,0008.
Adelsberger Höhle; Hoffmann. — 1 Expl., No. 71.
42. P. Ehrenbergiin. sp.
Das erste Segment klein und schildförmig, wie bei P. maci-
lentus, an den Seiten von den vorspringenden Enden des zwei-
ten Segments umfalst; die Kiele fallen in der Richtung des flach
convexen Rückens ab, sind am Rande mit drei bis vier kleinen
Zähnchen versehen, bilden am hinteren Winkel eine scharfe Spitze
und die Segmente zeigen die drei Reihen der an Grölse abneh-
menden Granula sehr deutlich. Getrocknet schmutzig weils.
Länge 0”,012; Breite 0”,0015.
Aegypten; Ehrenberg. — 8 Expl., No. 72.
43. P. Lusitanicus.n. sp.
Ebenfalls am nächsten verwandt mit ?. zmacilentus. Das
erste Segment ist schmäler als der Kopf, schildförmig, vorn und
hinten convex, an’ den Seitenwinkeln abgerundet, mit drei Reihen
Granula, von denen die der hintersten Reihe am deutlichsten,
die der mittleren am längsten sind. Das zweite Segment um-
falst mit seiner vorderen Concavität den hinteren Rand des er-
sten. Die Kiele steigen in der Richtung des schwach convexen
Rückens ab, sind am Rande schwach dreizähnig und am hinteren
Winkel scharfspitzig. Die Granula, wie gewöhnlich, in der er-
sten und zweiten Reihe 4, in der dritten 6, sind sehr deutlich.
vorn 18. Juli 1864. | 539
Die Farbe des Kopfes und der Fühler braun, des Rückens grau-
braun; Beine weils.
Länge 0”,011; Breite 0”,0015.
Portugal; Graf Hoffmansegg. 1 weibl. Expl., No. 35.
44. P. serratus Say. — Pennsylvanien,; Zimmer-
mann. — 9 Expl., No. 32.
Scytonotus Koch.
45. P. granulatus Say =Sc. scabricollis Koch. —
Nordamerica; Zimmermann. — 5 Exspl., No. 33.
46. P. arcticollis.n. sp.
Körper cylindrisch, Kopf und Hals viel dünner. Rücken con-
vex, Kiele wenig vortretend, wie eine unmittelbare Fortsetzung
des Rückens erscheinend, am Rande abgerundet, mit einem papil-
lenartigen Vorsprung für die seitlich sich öffnenden Poren; nur
an den hinteren Segmenten bildet der Rand der Kiele einen
Winkel oder eine Spitze. Das erste Segment ist vorn convex,
hinten in der Mitte flach eingebuchtet, aufsen spitz; aufser der
allen kieltragenden Segmenten zukommenden dichten feinen Gra-
nulation trägt dieses Segment ringsum eine Reihe grölserer Gra-
nula. Die vordere Abtheilung des zweiten, dritten und vierten
Segments bildet je einen queren ziemlich hohen Kamm, auf dessen
Firste sich eine Reihe gröfserer Granula befindet. Das 16te, 17te
und 18te Segment haben hinten und seitlich eine Reihe grölserer
Granula, das 19te Segment hat drei Reihen derselben und das
20ste Segment trägt an der Spitze 2, unmittelbar vor derselben
4 und auf der Mitte eine Reihe gröfserer Granula. Die Fühler
sind länger als die ziemlich kurzen Beine. Die granulirten Theile
der Segmente sind dunkelbraun, die übrigen Theile, so wie die
Fühler und Beine, bräunlich weils.
Länge 0”,024; Breite mit den Kielen 0”,004, ohne Kiele
0”,003; Breite des zweiten Segments ohne den Kiel 0”,0018.
Caräcas; J. Gollmer. — 2 weibl. Expl., 1 getrocknet,
4 in Weingeist, No. 259, 260.
Paradesmus Nob. (Paradesmus Sauss. e. p.)
Von Oxyurus nur durch das breitere zweispitzige Körper-
ende verschieden.
540 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
47. P. Beaumontii Le Guillou. — Java; Göring,
Melly. 2 Expl. getrocknet, No. 23. und 25., 4 Expl. in Wein-
geist, No. 261. — Borneo, Mandhor; Timor, Kupang;
Dr. v. Martens. No. 262 und 263.
48. P. piceus Brandt. — Manila; Meyen, Jagor. —
2 Expl., No. 26 (Originalexemplar) und 205.
49. P. Liberiensisn. sp-
Körper cylindrisch, Rücken flach, mit horizontalen oder auf-
steigenden Kielen, welche vorn und hinten abgerundet, vom
10ten Segment an am hinteren Winkel zugespitzt sind und die
Poren am zugeschärften Rande gerade nach der Seite gerichtet
haben. Das erste Segment hat einen vorderen convexen Rand,
die Seitenwinkel spitz, den hinteren Rand convex, in der Mitte
eingezogen. Das hinterste Dorsalsegment ist am Ende abge-
stutzt, zweispitzig und hat etwas weiter zurück am Rande noch
jederseits eine Spitze. Die kieltragenden Segmente sind durch _
eine mittlere Querlinie in zwei Hälften getheilt und dicht mit
feiner Granulation bedeckt; die vordere Abtheilung der Segmente
ist fast glatt. Antennen und Beine lang. Ganz schwarz, Füh-
ler und Beine rostroth, die angewachsenen Basalsegmente kirsch-
roth.
Länge 0”,034; Breite mit den Kielen 0”,0043, ohne Kiele
0”,003. z
Liberia; Präsident Benson. 1 männl. Expl. in Wein-
geist, No. 290.
50. P. ornatus n. sp.
Körper cylindrisch, Rücken flach convex, mit horizontal ab-
gehenden Kielen. Das erste Segment hat den hinteren Rand
sehr convex, in der Mitte ausgebuchtet, die Seitenwinkel spitz.
Die kieltragenden Segmente des 2ten, 3ten und Aten Gliedes
sind mit ihren spitzen seitlichen Winkeln, welche schmale wul-
stige Ränder haben, nach vorn gerichtet. Die Kiele der mittle-
ren Segmente sind am Rande abgerundet und haben die Poren
nahe dem Rande nach oben geöffnet; die hinteren Körpersegmente
haben den hinteren Winkel ihres Kiels spitzwinklig und nach
hinten gerichtet, das letzte Körpersegment ist wie bei der vor-
hergehenden Art vierspitzig. Die kieltragenden Segmente sind
vom 18. Juli 1864. 541
fein granulirt. Farbe oben schwarz, die Lippenränder, die Au-
fsenränder des 2ten, öten, der Rand der porentragenden Kiele
und die Ränder der Analklappen goldgelb; Fühler, Beine und
Unterleib weinroth.
Länge 0”,045; Breite mit den Kielen 0,008, ohne Kiele
0”,006.
Guinea, Ada Foah; Ungar; 1 weibl. Expl., No. 291.
Euryurus Koch (Paradesmus Sauss. e. p.)
Mit breitem Körperende und einander sehr genäherten Anten-
nen; Kielränder wulstig.
51. P. erythropygus Brdt. = E. maculatus Koch
—=P. Carolinensis Sauss. — Carolina; Zimmermann,
H. de Saussure. — 3 Expl., No. 19 und 206.
52. P. dealbatus Gerv. — CGolumbien; Goudot.
British Guiana; R. Schomburgk. 2 Espl., No. 20
und 21.
53. P. erythropus.n.sp.
Von der Grölse und dem Ansehen von P. erythropygus,
aber viel convexer, die Kiele mehr entwickelt, am vorderen Win-
kel abgerundet, am hinteren in einen Dorn ausgezogen, das Ende
des letzten Gliedes breit abgerundet. Glänzend glatt. — Braun,
Ringe vorn und hinten blasser, die wulstigen Kielränder, Fühler
und Beine schön rosenroth.
Länge 0”,036; Breite mit den Kielen 0”,005, ohne Kiele
0”,003.
Fundort unbekannt. 1 Expl., No. 121.
54. P. polygonatus Gerv. — Columbien; Goudot.
— 14 Expl., No. 22.
55. P. Klugii Brandt. — Mexico; F. Deppe —
2 Expl., Mas et Fem., No. 13.
6. P. ater n. sp.
Sehr nahe verwandt mit P. Klugii, nur etwas convexer, die
polygonalen Erhabenheiten auf den kieltragenden Segmenten fla-
cher und die Ränder der Kiele wulstig, Die Farbe des ganzen
Thieres oben und unten ist blauschwarz, die der Antennen und
Beine rostroth; getrocknet sind nicht allein der Körper, sondern
542 Sılzung der physikalisch-mathematischen Klasse
auch die Fühler und Beine bleifarbig, während ein junges Exem-
plar ganz weils ist.
Länge 0”,060; Breite mit den Kielen 0”,009, ohne Kiele
0”,0055.
Caräcas; Gollmer. 2 Expl. trocken, 1 in Weingeist,
No. 277 und 278.
57. P. Erichsoni Brdt. — Mexico; Deppe. — 1 Ori-
ginalexpl., No. 14.
98. P. tricuspidatusn, sp.
Breit und convex; Kiele fallen in der Richtung der Rücken-
krümmung ab. Das erste Segment ist dreimal so breit wie lang,
hat einen vorderen geraden, einen seitlichen schräg abgestumpf-
ten und einen hinteren convexen, in der Mitte eingebuchteten
Rand, welcher mit den seitlichen Rändern jederseits einen spitzen
Winkel bildet; hinter dem vorderen Rande ist es eingedrückt
und vor dem hinteren Rande hat es eine Reihe deutlicher aber klei-
ner Granula, deren sich drei Reihen auf den übrigen Segmenten
finden. Der vordere Winkel der Kiele ist abgerundet, der hin-
tere. an den letzten Segmenten zugespitzt. Der Endrand des
letzten Segments zeigt zwei mittlere Doppeltuberkeln, daneben
jederseits einen kleinen Dorn, und vor diesem zwei andere eben
solche. Das untere Praeanalsegment endet mit drei ziemlich lan-
gen Dornen, von denen der mittlere der kürzeste ist. Dunkel-
braun, Granula und Kiele schwarz, die langen Antennen und
Beine rostgelb.
Länge 0”,080; Breite mit den Kielen 0”,915, ohne Kiele
0”,0092.
Guinea; Buquet. 2 Expl., Fem., No. 17.
39. P. flavomarginatus n. sp.
Sehr ähnlich dem vorhergehenden im ganzen Bau, nur in der
Farbe verschieden. Kiele und Beine gelb, erstere an der Basis,
letztere an der Oberseite rostroth, Fühler rostbraun, an den Ge-
lenken gelb.
America (?); Dr. Taubener. 1 Expl., Mas, in Wein-
geist, No. 279. (War unter dem Namen ?. Klugii aufgestellt.)
vom 18. Juli 1864. 543
Odontodesmus Sauss.
60. P. javanus Sauss. — Java; Göring. — 1 defec-
tes Expl., No. 264.
61. P. moluccensis.n. sp.
Kieltragende Segmente mit drei Querreihen sehr hervortre-
tender Tuberkeln; Rand der Kiele mit 2 bis 3 kleineren und 1
grolsen hinteren Zahn. Braun, eine mittlere gelbe Längslinie.
Molukken, Moti; Dr. v. Martens. Hintere Körper-
hälfte eines Exemplars, No. 265.
Stenonia Gray (Platyrhacus Koch).
62. P. clathratus Gerv. — Columbien; Goudot. —
1 Expl., No. 9.
63. P. Dunalii Gerv. — Columbien, Goudot. —
1 Expl., No. 237.
64. P. python.n. sp.
Am nächsten verwandt mit P. mexicanus und clathratus,
aber glatt und ohne deutliche Granulation; die Ränder der Kiele
mit einem hintersten hakenförmigen Zahn und 3 bis 4 kleineren
Zähnen vorher. Schmutzig weils, auf den kieltragenden Seg-
'menten vor der Basis der Kiele ein dunkler Fleck; Kopf, Fühler
und Beine schmutzig braun.
Länge 0”,100; Breite mit den Kielen 0”,021, ohne die Kiele
0”,012.
Costa Rica; Dr. C. Hoffmann. — 1 weibl. Expl., No. 8.
65. P. fimbriatus.n. sp.
Der Körper cylindrischer, die Kiele höher abgehend und ho-
rızontaler, am vorderen Winkel allmählig abgerundet, so dals
der äufsere Rand derselben schmäler ıst als bei ?P. mexicanus;
kieltragende Segmente fein granulirt am hinteren Rand mit einer
Reihe gröfserer Granula; erstes Segment vorn und hinten mit
einer Reihe und auf der Mitte mit zerstreuten Granula; letztes
Segment und unteres praeanales Segment wie bei P. clathratus.
Körper, Antennen und Beine dunkelbraun, die Ränder des ersten
Segments, der Kiele und die grölseren Granula gelb.
Länge 0",095; Breite mit den Kielen 0”,018, ohne Kiele
0”,009.
Veragua; Warszewicz. — 1 Expl., Fem., No. 11.
544 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
66. P. Druryi Gray. — British Guiana; R. Schom-
burgk. — 4 Expl., No. 10.
67. P. concolor n. Sp-
Nahe verwandt mit P. margaritiferus Gerv. Sehr convex,
die Kielränder mit drei fein abgerundeten Zähnchen, von denen
das vorderste und hinterste die grölsten sind; die Kiele fallen
ganz in derselben Richtung wie der convexe Rücken ab, sind da-
her nicht abgesetzt und nicht oder wenigstens nicht merklich
verdickt. An dem hinteren Rande der dicht und fein gekörnten
kieltragenden Segmente eine Reihe grölserer Körnchen. Körper
und Gliedmalsen einfarbig dunkelbraun.
Länge 0”,060; Breite mit den Kielen 0”,010, ohne Kiele
0”,0054.
Ternate, Dodinga, Moti; Dr. v. Martens; 9 Expl.,
No. 241—244, 280, 281.
68. P. margaritiferus Gerv. —= P. Meyenii Brdt. =
? PL. fuscus Koch. Manila; Meyen, F. Jagor. 5 Exspl.
trocken, No. 16 und 198; 2 Expl. in Weingeist, No. 282.
69. P. dorsalis n. sp.
Der vorhergehenden Art sehr nahe verwandt, die Kiele etwas
horizontaler stehend, an den scharfen Rändern deutlich gezähnelt,
mit einem hinteren etwas längeren Zahn. Ganz schwarzbraun, mit
einer goldgelben (den Kielen an Breite gleichkommenden) Rücken-
binde, welche von dem Scheitel bis zur Mitte des letzten Dorsal-
segments geht.
Luzon; F. Jagor. — 1 männl. Bapl in Weingeist,
No. 240.
70. P. pilipes n. sp.
Ebenfalls mit P. margaritiferus sehr nahe verwandt, die
Granulationen der kieltragenden Segmente aber viel gröber, der
hintere Rand der Kiele spitzwinkliger und der Rand der Kiele
mit glatten stumpfen wulstigen Zähnen bewaffnet. Die Beine
mit kurzen starren Haaren und die festgewachsenen Basalglieder
der Beine mit einem kurzen Dorn versehen. Einfarbig dunkel
umberbraun.
Länge 0”,070; Breite mit den Kielen 0”,011, ohne Kiele
0”,006.
vom 18. Juli 1864. 545
Borneo, Pulo Matjan; Dr. v. Martens. — 2 Expl.,
No. 283 und 284.
71. P. Malaccanus.n. sp.
Der vorhergehenden Art sehr ähnlich, mit derselben Behaa-
rung der Beine, aber der viel feineren Granulation und deut-
licher polygonaler Eintheilung der Oberfläche der kieltragenden
Segmente wie P. margaritiferus, von dem sie sich aulserdem
durch das breitere fünflappige Schwanzende auszeichnet. — Braun,
die Kielränder heller. — Körperproportionen wie bei der vor-
hergehenden Art.
Singapore; Dr. v. Martens. — 1 weibl. Expl. in Wein-
geist, No. 285.
72. P. subvittatus .n. sp.
Schliefst sich der vorhergehenden an, ist aber viel convexer,
die Granulationen lassen keine polygonalen Abtheilungen erken-
nen, wie bei der vorigen, das Endglied ist mehr abgerundet, die
Fühler und Beine sind behaart und die Basalsegmente der Beine
sind mit je einem spitzen, 1 Millim. langen Dorn versehen.
Braun, mit einer blasseren Binde längs dem Rücken.
Länge 0”,065; Breite mit den Kielen 0”,011, ohne Kiele
0”,007.
Linga; Röttger. — 2 Expl., Mas et Fem., No. 15.
73. P. punctatus.n. sp.
Flach convex, die Kiele fast horizontal, am Rande sehr ver-
dünnt, von vorn nach hinten allmählig verschmälert, mit 6 bis
7 Zähnen; die kieltragenden Segmente fein granulirt und mit
drei Reihen von grölseren Granula und polygonaler Figurenbil-
dung, das letzte Dorsalsegment am hinteren winkelig von den
Seitenrändern abgesetzten Rande abgerundet, jederseits mit zwei
divergirenden Kielen. Fühler und Beine stark behaart; die Ba-
salsegmente der letzteren mit einem kurzen aber deutlichen Dorn.
Auf einem hellgelbbraunen Grunde befinden sich auf jedem kiel-
tragenden Segment zwei Querreihen kleiner punctförmiger und
auf den kiellosen Segmenten 2 grolse rostbraune Flecken. .
Länge 0”,080; Breite mit den Kielen 0”,015, ohne Kiele
- 0,009.
[1864.] 40
546 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Borneo, Pulo Matjan; Dr. v. Martens. — 1 männl.
Expl. in Weingeist, No. 286.
74. P. pietus.n. sp.
Rücken flach convex, mit breiten horizontalen oder etwas
aufsteigenden Kielen, welche an den vorderen Segmenten nach
vorn gerichtet sind, so dafs das zweite das erste pentagonale von
hinten und den Seiten einschliefst, die folgenden gerade nach der
Seite und die hinteren allmählig immer mehr nach hinten gerich-
tet sind; die Ränder der Kiele sind zugeschärft, haben vorn und
hinten einen platten abgerundeten Zahn und dazwischen 2 bis 5
kleinere. Die kieltragenden Segmente sehr fein granulirt, mit“
einer Reihe grölserer Granula am hinteren Rande der grölseren
Segmente. Die Fühler und Beine mit kurzen, sparsamen, star-
ren Haaren, die Basalglieder der Beine mit einem kurzen, coni-
schen Dorn. — Diese prachtvolle Art ist längs der Mitte des
Rückens goldgelb oder blaugrau; die kieltragenden Segmente
zeigen zwei oder drei Querreihen von schwarzen, aus der helle-
ren gelbgrauen oder graublauen Grundfarbe deutlich hervortre-
tenden Flecken; die vorderen Theile der Segmente haben drei
gelbe oder weilse Flecke, welche zwei grofse schwarzbraune
Flecke einschliefsen. Der Kopf ist schwarz bis auf zwei kleine
gelbe oder weilsliche Flecke vor den Fühlern; das Körperende,
die Kiele, Fühler und die Beine sind schwarz oder schwarz-
braun.
Länge des grölsten Exemplars 0",130; Breite mit den Kie-
len 0”,020, ohne Kiele 0”,0105.
Borneo,PuloMatjan,Bengkajang, Mandhor, Mon-
trado; Dr. v. Martens. — 7 Expl., 3 getrocknet, 4 in Wein-
geist, No. 266—272.
75. P. scutatusn. sp-
Der vorhergehenden Art in dem Körperbau ganz ähnlich,
glatt und überall einförmig glänzend schwarzbraun.
Pulo Matjan; Dr. v. Martens. — 1 männl. Expl.,
No. 289.
Wenn man die Polydesmi, die bisher sehr vernachlässigt
sind, erst genauer kennen wird, müssen diese durch die Dornen
der Basalglieder der Beine ausgezeichneten Arten generisch von
vom 18. Juli 1864. 547
den anderen Stenonia geschieden werden und schlage ich für die-
selben den Namen Acanthodesmus vor.
76. P. Sumatranus.n. sp.
Diese Art hat auf den ersten Anblick die gröfste Ähnlich-
keit mit den Rhacophorus, von denen sie sich aber sogleich durch
das erste schmale pentagonale, das letzte breite Dorsalsegment
und die oberen von dem Rande entfernt liegenden Poren unter-
scheidet. Der Körper ist cylindrisch, der Rücken flach convex
und die breiten, scharfrandigen, zuweilen etwas wellenförmigen,
vorn und hinten stumpfwinkligen (mit Ausnahme der letzten hin-
ten spitzwinkligen) Kiele stehen horizontal ab. Die kieltragen-
den Segmente sind bis auf die feingranulirten Kiele selbst glatt.
Das leizte Dorsalsegment ist abgerundet, genau betrachtet, am
Bande fünflappig und jederseits nahe dem Rande mit zwei glat-
ten Tuberkeln versehen. Wie bei den vorhergehenden sind die
Fühler und Beine mit kurzen starren Härchen und die Basalglie-
der der Beine mit einen Dorn bewehrt. Die Farbe ist bis auf
die gelblichen‘ Kielränder braun.
Länge 0”,051; Breite mit den Kielen 0”,007, ohne Kiele
07,004.
Sumatra, Muara Enım, Lahat; Dr. v. Martens. —
2 männl. Expl., No. 287, 288.
EUuRrYDEsmus Sauss.
77. E. Mossambicus Peters. — Mossambique, Sena;
W. Peters. — 4 Expl. No. 200 und 4 junge, No. 201.
78. E.oxygonus Peters. — Mossambique; W.Pe-
ters. — 1 Expl., No. 199.
STRONGYLODESMUS Sauss.
Ä 79. Str. viridis Sauss. — Mexico, F. Deppe. — Ein
jung. Expl., No. 29.
TrAcaysuLvs nov. gen.!)
Die Seitentheile (Maxillae Sav.) der Unterlippe
bilden kaum die Hälfte derselben, sind in ihrer Ba-
1) Tpaxüs, louAos.
40*
548 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
salhälfte verschmälert und reichen bis zur Basis;
das mittlere unpaare Stück bildet reichlich die Hälfte
des Chilariums und reicht fast bis zum vorderen
Lippenrand. Von den beiden Basalstücken der Man-
dibeln ist das erste mittelmälsig und unter der ver-
breiterten und herabragenden Schläfengegend des
Kopfes verborgen. Die deutlichen Augen stehen in
einer einfachen Querreihe Die Antennen haben
das 2te, 3te, 4te und öte Glied verlängert, die bei-
den letzteren keulenförmig und das 6te und T7te
sehr kurz. Körper lang cylindrisch mit Reihen von
dornigenLängskielen; dieSeitenporen öffnen sich an
der Spitze eines solchen Dorns. Das 1ste, 2te und
Ste Segment mit einem Fulspaar, das 4te (bei den
Männchen auch das 7te) fulslos, die übrigen mit
zwei Fufspaaren.
Eine Gattung, welche hinsichtlich des Chilariums eine Mit-
telform zwischen Spirostreptus und Spirodolus bildet, durch die
Form der Antennen, der Mandibeln, des Kopfstückes, die ge-
streckte Körperform und die Entwickelung der Fülse sich zu-
nächst an die erste Gattung anschliefst, eigenthümlich durch die
einfache Außenreihe so wie die Entwickelung der Kiele, welche
letztere sich indels auch bei Julus (Glyphiulus) granulatus Ger-
vais (Hist. nat. Apteres. IV. pag. 170. Taf. 44. Fig. 10.) mit
dreieckigen Augenfeldern findet. Bemerkenswerth ist, dals
die letzten drei Segmente und nicht das letzte allein fulslos sind,
was bei anderen Arten ein Zeichen der Unreife ist, während
von den fünf vorliegenden Exemplaren die grölseren ausgewach-
sen zu sein scheinen.
1. Tr. Ceylanicus.n. sp.
Der Kopf ist glatt, convex, am Labialrande zugeschärft und
hier mit sehr kurzen borstenförmigen Vorsprüngen versehen.
Sieben Augen bilden jederseits eine quere Reihe, hinter den Füh-
lern und grade vor der Stelle, wo das Hinterhaupt anfängt.
Die Antennen sind länger als die Kopfbreite und etwas zusam-
mengedrückt. Das erste Körpersegment ist verhältnilsmälsig
klein, vorn glatt, hinten durch 15 Längsrippen ausgezeichnet;
nn.
vom 18. Juli 1864. 549
seine äulseren Winkel sind fast rechtwinkelig, kurz und an der
Aulsenfläche etwas concav. Die folgenden Ringe sind in ihrer
vorderen Hälfte glatt, während die hintere 13 bis 21 Längskiele
zeigt, von denen jeder aus zwei spitzen, zusammengedrückten
Dornen besteht. Von dem fünften Ringe an beginnen die Öff-
nungen der Seitendrüsen, welche an jedem Ringe jederseits auf
der Spitze eines vorderen abgestumpften Dorns ausmünden, und
zwar mehr nach der Rückenseite, indem nur fünf Dorsalkiele sich
zwischen denselben befinden. Das letzte Dorsalsegment ist glatt,
breit abgerundet, hat einen wulstigen Rand und überragt die
abgerundeten Analklappen; das untere Praeanale ist abgestumpft.
Die Beine sind dünn, so wie die Antennen fein behaart und an Länge
ungefähr gleich der halben Körperdicke. — Die Farbe der Ober-
seite, des Kopfes und der Antennen ist einfach schwarzbraun oder
es zeigen sich längs dem Rücken zwei dunkelrostbraune Streifen ;
die Unterseite und die Beine sind rostfarbig.
Totallänge 0",085; Breite des Kopfes 0”,002; Breite des er-
sten Segments 0",0026, des vierten Segments 0”,0022; Breite
der Körpermitte 0",0043.
Von Hrn. J. Nietner in Rambodde auf Ceylon entdeckt.
SIPHONorHoRA Brandt.
Den beiden bekannten Arten, $S. Portoricensis Brdt. und
S. luteola Gervais, haben wir zwei neue hinzuzufügen und ge-
ben zugleich eine Notiz von der bisher nicht beschriebenen er-
sten Art, von der die ÖOriginalexemplare sich in unserm Museum
befinden. Der Körper ist breiter als hoch, oben flach convex, un-
ten noch flacher; die Antennen sind siebengliedrig; das sechste
Glied ist das längste, das erste und siebente sind sehr kurz, das
dritte, vierte und fünfte nehmen allmählig an Breite zu und sind
meist breiter als lang. Bei den Männchen befinden sich die Co-
pulationsorgane am siebenten fulslosen Ringe.
1. 8. Portoricensis Brdt.
Körperform linienförmig; das erste Körpersegment ist wor
der Mitte tief eingebuchtet zur Aufnahme des Kopfes und so lang
wie die beiden folgenden Segmente; die Seitenporen öffnen
sich unten an den Körperseiten und meist in der Mitte der
(hinteren Abtheilung der) Segmente; mit der Loupe betrach-
550 Sitzung der phys -math. Klasse vom 18. Ju 1864.
tet erscheint der Körper sparsam wollig behaart; das letzte Kör-
persegment ist am Ende abgerundet und bedeckt die Analklappen
von oben; der hintere Rand des unteren praeanalen Segments
ist flach convex. Zahl der Körpersegmente 71 bis 72. Farbe
des Weibchens graubraun, des Männchens gelbbraun ').
Das ein wenig längere und breitere Weibchen ist 0”,020
lang und 0”,001 breit; Länge der Antennen 0”,0008.
Zwei Originalexemplare, Männchen und Weibchen, von
Puerto Rico durch Moritz.
2. S. lineata n. sp.
Körper breiter und überhaupt kräftiger, die Beine länger
und dicker äls bei der vorhergehenden Art. Die Antennen sind
kaum länger als der Rüssel. Das erste Körpersegment winklig
ausgeschnitten zur Aufnahme des Kopfes und länger als die bei-
den folgenden Segmente. Die Behaarung stärker als bei der
vorhergehenden; die Seitenporen öffnen sich seitlich nahe dem
unteren Ende der Dorsalsegmente. Das letzte Dorsalsegment ist
hinten convex abgerundet, ebenso wie das Praeanalsegment. Das
grölste Exemplar hat 48, ein kleines 42 Dorsalsegmente. Ocher-
gelb (getrocknet blalsgelb), mit einer schwarzbraunen Linie längs
dem Rücken. j
Totalläinge A. . 0,009; Körperbreite . 0,001.
>; B7 2.2 020445; a -. .07,0019.
Gollmer fand am 13. September 1857 vier Exemplare die-
ser Art zugleich mit einigen Polydesmus in nassem faulen Holz,
in der Palmenregion, in der Quebrada von Chacao (Venezuela).
3. 8. Luzoniensis n. sp.
Das erste Körpersegment ist zur Aufnahme des Kopfes vorn
winklig ausgeschnitten und so lang wie die beiden folgenden Seg-
mente; die Antennen sind doppelt so lang wie der Rüssel; der
ganze Körper, mit der Loupe betrachtet, sparsam wollig hehaart
und die Körpersegmente mit einigen unregelmäfsigen Granulatio-
i ‘) Die von dieser Art gegebene Abbildung in „C. L. Koch, die My-
riapoden. Halle 1863. I. Taf. 40. Fig. 78.” gibt eine allgemeine Vorstel-
lung von derselben, kann aber auf keine grolse Genauigkeit Anspruch
machen, indem z. B. weder das Kopfstück, noch das erste Körpersegment
nalurgetreu sind.
Gesammtsitzung vom 24. Juli 1864. sol
nen; die Seitenporen öffnen sich ganz nahe dem unteren und
hinteren Rande der Dorsalsegmente und an der Spitze kleiner
aber deutlicher dornförmiger Höcker; das letzte Dorsalsegment
ist am Ende abgerundet und bedeckt von oben die Analklappen;
hinterer Rand des unteren Praeanalsegments abgerundet. Farbe
einfarbig graubraun.
Von den beiden Exemplaren ist das Männchen bei fast gleicher
Breite auffallend kürzer als das Weibchen und hat 86 Dorsal-
segmente, während das letztere deren 95 hat.
Mas. Fem.
Balingen „07,050: 07,042;
Korperbreite .-» > 0.0.2 22.20, .2.,0%,0023;: 07,0025;
Länge der Antennen. . . . . 0”,0015; 0”,0015.
Von der Insel’Luzon, durch Hrn. F. Jagor.
21. Jul. Gesammtsitzung der Akademie.
Von Hrn. Gerhard wurde eine Abhandlung über den
Bilderkreis von Eleusis, dritte Abhandlung, vorgetragen.
Hierauf legte Hr. Pinder ein römisches Silberrelief vor
und machte darüber Mittheilungen.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Sitzungsberichte der Kgl. Bayrischen Akademie. no. 3. München
1864. 8.
Bulletin de lacademie des inscriptions. 8. Annee. Paris 1864. 8.
Alfred Maury, Z’ancienne Academie des: inseriptions et belles - lettres.
Tome 1. 2. Paris 1864. 8.
Flora batava. Afl. 187. Amsterdam 1864. A.
Th. Henri Martin, Eramen de louvrage allemand intitule: „Mathema-
tische Beiträge zum Kulturleben der Völker von Dr. Moritz Cantor.'”
Rome 1864. 4.
Bavaria. 111. Band, Abtih. 1. München 1864. 8.
952 : Gesammtsitzung
28. Jul. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Pöggendorff las: Über eine neue Klasse von
Inductions-Erscheinungen.
Die hier im Auszuge mitgetheilte Untersuchung ist her-
vorgegangen aus derjenigen, welche der Verf. der K. Akademie
im Novembermonat des verflossenen Jahres übergab ').
In dieser Untersuchung zeigte er, dafs Drahtrollen, welche
in die Bahn eines Inductionsstroms eingeschaltet worden sind,
die Schlagweite desselben vermöge eines in ihnen erregten Ex-
trastromes schwächen, und er fügte hinzu, dafs eine solche
Schwächung möglicherweise bei geraden Drahtleitungen ent-
weder gar nicht oder nur in sehr geringem Grade stattfinden
werde. r
Eigene Erfahrungen darüber hatte er damals nicht, und er
unterliels auch solche einzusammeln, weil er ın der Meinung
befangen war, dals zur Erlangung eines einigermafsen befriedi-
genden Resultats Drahtleitungen von mehren 1000 Fuls Länge
erforderlich sein würden, welche anzuwenden seine beschränkten
Localitäten doch nicht gestattet hätten.
Spätere Überlegungen veranlafsten ihn, wenigstens einen
Versuch in dieser Richtung zu machen, und indem er denselben
ausführte und abänderte, sah er zu seinem nicht geringen Er-
staunen, dals, ganz gegen alle Analogie, gerade oder ausge-
streckte Drähte von relativ sehr unbedeutender Länge, unter
gewissen Umständen, schon einen beträchtlichen Einfluls auf die
Schlagweite des Inductionsstroms ausüben können. Diels spornte
ihn an, der Sache weiter nachzugehen.
Das hierzu vorzugsweise benutzte Inductorium ist nur von
mälsiger Kraft. Seine secundäre Rolle enthält in 10 Abthei-
lungen ungefähr 15000 Fuls Kupferdrabt von 0,25 Mllm. Dicke.
Es ist mit zwei primären Rollen versehen, die abwechselnd an-
gewandt wurden. In der einen ist der Draht 1,5 Mllm., in der
andern 1,25 Mlim. dick. Das Drahtbündel war für beide das-
selbe.
‘ Zur Unterbrechung des Stroms diente meistens der Fou-
cault’sche Quecksilber - Unterbrecher, weil er stärkere Wirkun-
1) Monatsberichte, 1863. S. 502.
vom 28. Jul 1864. es
gen giebt als der gewöhnliche Wagner’sche Hammer, der übri-
gens in einigen Fällen auch angewandt wurde, ohne im We-
sentlichen andere Resultate zu liefern.
Der Condensator bestand für gewöhnlich aus einer beleg-
ten Glimmertafel, von dessen Staniolblättern ein jedes 15,8 par.
Quadratzoll mals. Zuweilen wurde auch ein Condensator aus
drei solchen Tafeln oder ein noch grölserer aus Wachstaffent
angewandt.
Die den inducirenden Strom liefernde Batterie war in der
Regel aus drei jener kleinen Grove’schen Elemente zusammen-
gesetzt, deren Thonzeilen, eine jede, nur etwa ein Loth Sal-
petersäure fassen. Gröfsere Elemente sind bei dem beträcht-
lichen Widerstand der primären Drahtrolle überflüssig, wenn
man nicht den Strom sehr lange unterhalten will; für einige
Stunden reichen die kleinen vollkommen aus.
Erst vor wenigen Wochen, nachdem die Mehrzahl der
weiterhin beschriebenen Thatsachen bereits aufgefunden worden,
war der Verf. so glücklich, aus den Werkstätten von Sie-
mens und Halske einen jener grölseren Apparate zu erhalten,
zu welchen die K. Akademie die Mittel bewilligt hat. Derselbe
enthält in seiner secundären Rolle 20500 Fufs Kupferdraht von
0,25 Mllm. Durchmesser, und ist mit drei primären Rollen ver-
sehen, von denen aber bis jetzt die mit dem dicksten Draht
benutzt wurde, unter Anwendung einer Batterie von sechs der
genannten Grove’schen Elementen.
Aulser diesen beiden Inductorien, von denen das grölsere
zunächst nur zur Bestätigung der mit dem kleineren erhaltenen
Resultate diente, wurde noch ein Hülfsapparat angewandt, wel-
cher Ableiter heifsen mag.
Derselbe besteht aus einem horizontalen Platinstifi, getra-
gen von einem isolirenden Ständer, aber verbunden mit dem
Erdboden durch einen dünnen Kupferdraht. Auf einem am
Tische festgeschraubten Schlitten, der eine Skale. besitzt, ist er
verschiebbar, rechtwinklig gegen die Bahn der Funken zwi-
schen den Spitzen des mit der Inductionsrolle durch Drähte
verbundenen Mikrometers, und da letzteres wiederum vorn an
dem Schlitten hin und her geschoben werden kann, so lälst
sich das vordere Ende des ableitenden Platinstifts jedem Punkt
354 Gesammtsitzung
der Funkenbahn und somit auch jeder der Polspitzen selbst be-
liebig und melsbar nähern.
Mittelst dieses Ableiters hat man Gelegenheit verschiedene
bemerkenswerthe Erscheinungen zu beobachten.
Angenommen zuvörderst, die beiden Poldrähte, d. h. die
von den Enden der Inductionsrolle zu den Platinspitzen des
Mikrometers führenden Drähte, seien kurz und gleich lang,
jeder von beiden etwa 8 bis 12 Zoll, und der gegenseitige Ab-
stand dieser Spitzen, die kurzweg Pole heilsen mögen, sei ein
mittlerer in Bezug auf das Maximum der Schlagweite, welche
der Apparat zu geben vermag.
Unter diesen Umständen zeigt sich nun Folgendes. Nähert
man den Ableiter einem der Pole bis zu einem gewissen Ab-
stande, so schlagen Funken zwischen beiden über, ohne dals
dadurch die Hauptfunken, nämlich die Funken zwischen den Po-
len, sonderlich beeinträchtigt werden.
Der Abstand, bei welchem die Nebenfunken am Ableiter
zum Vorschein kommen, scheint gleich zu sein für beide Pole,
wiewohl es dem Verf. auch manchmal vorkam, als sei er bei
dem positiven Pol etwas, jedoch immer nur wenig, grölser als
beim negativen. Er ist ferner um so gröfser, je weiter die
Pole auseinander stehen, oder anders gesagt: je länger die Haupt-
funken, desto länger auch die Nebenfunken.
Bis soweit hat die Erscheinung nichts auffälliges; aber
räthselhaft scheint das Folgende zu sein.
Nähert man den Ableiter dem positiven Pole weiter, so
kommt ein Punkt, bei welchem die Hauptfunken vollständig ver-
schwinden; nähert man ihn dagegen dem negativen Pole weiter,
so werden dieselben verstärkt. Manchmal ist dazu eine wirk-
liche Berührung zwischen Ableiter und Pol erforderlich, manch-
mal dagegen treten beide Vorgänge schon bei einem kleinen
Abstande ein. Wesentlich scheint zu sein, dafs die Nebenfun-
ken von der letzten Spitze des Pols ausgehen, wozu bisweilen
erforderlich ist, dals die Spitze des Ableiters etwas vor die Pol-
spitze gestellt werde.
Selbst wenn man die Pole so weit auseinander gerückt hat,
dals keine Funken mehr zwischen ihnen überschlagen, äufsert
vom 28. Juli 1864. 555
sich die verstärkende Wirkung des Ableiters am negativen Pol,
und gerade ın diesem Falle sehr auffällig, denn, wenn man den
rechten Punkt getroffen hat, werden dadurch augenblicklich die
vorbin verschwundenen Hauptfunken wieder hervorgerufen.
Überhaupt werden die Hauptfunken durch die Wirkung des
Ableiters breiter und heller, wogegen die Nebenfunken schwä-
cher und lichtschwächer sind.
In dem Bisherigen wurde vorausgesetzt, dafs die Spitze des
Ableiters nicht eigentlich in die Bahn der Hauptfunken, also
nicht zwischen die Pole gestellt war. Geschieht dieses, so ge-
stalten sich die Dinge etwas anders. Man hat dann in einer
und derselben Bahn zweierlei Funken: breite und helle zwi-
schen dem Ableiter und dem entfernteren Pol, schmale und
lichtschwache zwischen ihm und dem näheren Pol. Mitten zwi-
schen den Polen haben die Funken zu beiden Seiten des Ab-
leiters ein gleiches, aber man möchte sagen confuses Ansehen,
indem sie, bei im Ganzen geringer Lichtstärke, an einigen Rol-
len heller, an anderen dunkler sind, und damit fortwährend
wechseln. Geht man nun mit dem Ableiter von der Mitte aus
auf den positiven Pol zu, so hat man anfangs die eben erwähn-
ten zweierlei Arten von Funken schön ausgebildet, aber bei
einem gewissen Abstande von diesem Pol hören mit einem Male
die Hauptfunken plötzlich auf. Bei Annäherung des Ableiters
an den negativen Pol sieht man nichts dem Ähnliches, im Ge-
gentheile scheint bei einem gewissen Abstande von diesem Pol
ein Maximum der Wirkung zu liegen.
Bekanntlich wird die Schlagweite der Inductionsfunken ein
wenig vergröfsert, wenn man der Spitze am positiven Pol eine
Kugel oder Scheibe am negativen gegenüberstellt. Es liels sich
daher vermuthen, dals die verstärkende Wirkung des Ableiters
am letzteren Pol hiemit in Zusammenhang stehe, obwohl sie
sich schon ohne Berührung zeigt und selbst bei der Berührung,
die Spitze eines dünnen Drahts doch nur eine unbedeutende
Vergröfserung der negativen Polfläche herbeiführt.
Um diesen Gedanken zu prüfen, wurde zum negativen Pol
successive eine neusilberne Kugel von 2% Lin. Durchmesser und
eine Kupferscheibe von 8 Lin. Durchmesser genommen. In
der That war nun die verstärkende Wirkung des Ableiters, was
336 Gesammtsitzung
Vergröfserung der Schlagweite betrifft, nicht mehr wahrzuneh-
men; aber es liels sich doch deutlich erkennen, dafs die Häu-
figkeit der Funken, so wie die Helligkeit derselben, besonders
nach Seite des positiven Pols, wohin sie sich bekanntlich ver-
schmälern, zugenommen hatte. Dagegen zeigte sich die schwä-
chende Wirkung des Ableiters am positiven Pol so gut wie
ungeschmälert. Bei gehörigem Abstande der beiden Pole von
einander, liefsen sich die Hauptfunken vollständig fortnehmen.
‚Ziemlich ähnlich verhielt es sich, wenn eine Kugel zum
positiven und eine Spitze zum negativen Pol genommen oder
an jedem Pol eine Kugel angebracht ward ').
') Alle diese Versuche wurden mit dem kleineren Induetorio ange-
stellt. Bei Wiederholung derselben mit dem grölseren Apparate, wobei
sich die angeführten Resultate noch deutlicher herausstellten, hatte der
Verf. Gelegenheit eine anderweitig interessante Erscheinung zu beobachten.
Wenn man bei einem etwas kräftigen Inductorie die Polspitzen bis
auf 2 bis 3 Lin. zusammengeschoben hat, so unterscheidet das Auge, selbst
bei mäfsig schnellem Gang des Hammers, nicht mehr einzelne Funken,
sondern erblickt statt deren einen scheinbar continuirlichen Lichtstreifen
von verwaschenen Umrissen, geringer Helligkeit und röthlicher Farbe.
Nähert man nun diesem Lichtstreif, etwa in der Mitte, den Ableiter
ungefähr bis auf eine Linie, so wird er, wie schon Perrot beobachtete,
zerlegt, in ziemlich helle Funken, die sich dem Ableiter zuwenden, und
in einem schwächeren Lichtstreif, der zwischen den Polen ausgestreckt
bleibt und die von Du Moncel entdeckte Eigenschaft besitzt, dals er
sich durch einen Luftstrom fortschieben oder zu krummen Lichtlinien aus-
dehnen lälst.
Als der Verf. diesen Versuch ohne Ableiter wiederholte und zwar in
der Weise, dals am negativen Pol statt der Platinspitze eine Kupferscheibe
von 8 Linien Durchmesser genommen ward, stiels er auf folgende Erschei-
nungen, die, wie es scheint, Perrot und Du Moncel nicht beobachtet
haben.
Unter den angegebenen Umständen und überhaupt bei relativ kleiner
Schlagweite erhält man nämlich auf der Scheibe einen kleinen blauen oder
bläulichen Fleck. Bläst man nun durch ein Glasrohr auf diesen Fleck,
etwa unter einem Winkel von 45° gegen die Scheibe, so wird er fortge-
schoben oder, richtiger, in zwei Theile zerlegt, in einen weilsen Fleck, der
an der Stelle bleibt, und in eine aus lauter kleinen schön blauen Fünkchen
bestehende Lichtlinie, die radial auf der Scheibe fortgeht, sich noch über
den Rand der Scheibe hinaus erstreckt, und dort mit einem vom positiven
vom 28. Juli 1864. 557
Hienach und auch aus anderen später zu erwähnenden
Gründen dürfte es noch zu früh sein, sich über die Ursache
der Wirkung des Ableiters schon jetzt entschieden auszu-
sprechen.
Nach dieser Auseinandersetzung geht der Verf. zu dem
eigentlichen Gegenstand seiner Untersuchung über, nämlich zur
Betrachtung der Erscheinungen, welche durch die Wirkung lan-
ger ausgestreckter Drähte hervorgerufen werden.
Nimmt man zu einem der Poldrähte, z. B. zum positiven,
einen wohl isolirt in der Luft ausgespannten Kupferdraht von
ungefähr 20 oder auch nur 10 Fufs Länge, während der an-
dere seine gewöhnliche Länge von 8 bis 12 Zoll behält, und
läfst man nun Funken zwischen den Polen überschlagen, so bie-
ten sich folgende drei bemerkenswerthe Erscheinungen dar.
Fürs Erste sind die Funken heller und mälsiger, wie. in
dem normalen Fall, wo beide Poldrähte eine geringe Länge
hatten.
Zweitens findet man mit dem Äbleiter, wenn man ihn suc-
cessiv dem positiven und dem negativen Pole nähert, dafs
die Schlagweite der Nebenfunken an dem ersteren Pol klei-
ner und an dem letzteren grölser ist, wie in dem norma-
len Fall.
Drittens endlich zeigen alle Theile der primären, induci-
renden Kette (Voltasche Batterie, primäre Drahtrolle, Eisen-
kern, Strom-Unterbrecher und Condensator), selbst wenn sie
nicht besonders isolirt worden sind, freie Elektricität,
vermöge welcher man stechende Funken bekommt, wenn man
sie mit der Hand zu berühren versucht. Und wenn man diese
Elektricität mit dem Elektrometer prüft, findet man sie mei-
Pol herkommenden gekrümmten Lichtbündel von röthlicher Farbe vereint.
Diels artige Schauspiel, welches an Polspitzen nicht zu beobachten ist,
beweist also, dals das blaue negative Licht gleichen Karacter wie die s. g-
Atmosphäre der Funken besitzt, und es möchte damit schwer die Ansicht
Rijke’s zu vereinbaren sein, dals diese Atmosphäre herrühre von der
Vereinigung der elektrischen Fluida, die auf den der Mitte zuliegenden
Theilen des Inductionsdrahts befindlich sind, — da man doch nicht anneh-
men kann, dafs das blaue negative Licht einen solchen Ursprung habe. .
558 Gesammtsitzung
stens negativ d. h. ungleichnamig mit der Elektricität desje-
nigen Pols, der mit dem langen Draht versehen ward.
Hat man dagegen den negativen Poldraht lang genom-
men und den positiven kurz gelassen, so ist die freie Elektri-
cität auf der inducirenden Kette positiv, und auch mit der
Schlagweite der Nebenfunken verhält es sich umgekehrt wie
vorhin: sie ist am negativen Pol kleiner und am positiven
grölser, wie im normalen Fall.
Eine Abnahme in der Schlagweite der Hauptfunken ist in
beiden Fällen nicht zu bemerken.
Anders verhält es sich dagegen, wenn man beiden Pol-
drähten eine gröfsere Länge giebt, z. B. von 10 oder 20 Fuls.
Dann zeigt sich die Schlagweite dieser Funken merklich ver-
ringert, oder wenigstens erscheinen sie bei derselben Schlag-
weite sparsamer wie im normalen Fall, aber mit noch mehr er-
höhten Glanz.
Dabei findet man die Schlagweite der Nebenfunken wie-
derum gleich an beiden Polen, aber kleiner wie im norma-
len Fall.
Endlich ist die freie Elektricität auf der inducirenden Kette
so gut wie vollständig verschwunden, — bis auf jene geringe
Spur, welche man auch bei kurzen Drähten bemerkt, wenn man
entblöfste Stellen der vom Unterbrecher zum Condensator füh-
renden Drähte leise mit der Aufsenfläche der Hand berührt.
Die Dicke der Drähte, welche zu der Verbindung mit den
Polen genommen werden, hat auf die eben beschriebenen Er-
scheinungen nur einen geringen Einfluls, wenigstens innerhalb
der vom Verf. untersuchten Gränzen.
Es wurden Kupferdrähte von 0,9, von 0,25 und von
0,16 Milm. Dicke angewandt, alle 20 Fuls lang.
Paarweise die von gleichem Durchmesser zu Poldrähten
genommen, geben sie Wirkungen, die so wenig von einander
unterschieden waren, dafs man sie ohne nähere Prüfung sicher
für gleich gehalten haben würde. Wenn aber ein dünnerer
mit einem dickeren dieser Drähte combinirt wurde, erschien so-
gleich freie Elektricität auf der inducirenden Kette, und die
Schlagweite der Nebenfunken erwies sich ungleich, in dem Sinne,
vom 28. Jun 1864. 559
dafs daraus eine stärkere Wirkung des dickeren Drahts hervor-
ging.
Der Unterschied in den Wirkungen war aber keineswegs
so grols, dals man diese als umgekehrt proportional dem Wi-
derstande der Drähte oder den Quadraten ihrer Durchmesser
hätte annehmen können. Denn alsdann würden sie sich wie
4:2,44:31,64 verhalten haben, und solche Verhältnisse wür-
den ohne Zweifel auch bei paarweiser Benutzung gleich dicker
Drähte wahrnehmbar gewesen sein.
Mehr als die Dicke ist die Länge der Drähte von Ein-
flufs. Diels ergab sich bei Anwendung von zwei 300 Fuls
langen und 0,25 Mlim. dicken Kupferdrähten, welche auf einem
etwa 12 Fufs langen und 4 Fufs breiten Rahmen isolirt ausge-
spannt waren. Sie bildeten auf demselben eine einzige Lage
von Windungen, deren gegenseitige Abstände ungefähr einen
halben Zoll betrugen.
Gewils wäre es zweckmälsig gewesen, diese Abstände grö-
[ser zu nehmen oder die Windungen ganz zu beseitigen; denn
die Drähte sowohl wie ihre Windungen wirkten auf einander.
Wenn der eine als Poldraht benutzt, und der andere ganz
aufser aller Verbindung mit dem Inductorium gelassen wurde,
gab dieser, sobald man den Apparat in Thätigkeit setzte, fühl-
bare Anzeigen von freier Elektricität, ungeachtet die nächsten
Windungen der beiden Drähte um einen ganzen Zoll ausein-
ander lagen und alle folgenden einen fortschreitend grölseren
Abstand hatten, auch die Drähte mit Seide besponnen und mit
dem zur Anfertigung von Inductionsrollen dienenden Kitt über-
zogen waren. Bei der beschränkten Localität des Verf. konnte _
dieser Übelstand nicht beseitigt werden und gewils hat er die
Wirkung geschwächt, aber doch nicht in dem Maalse, dafs da-
durch der Einfluls der Länge ganz verdeckt worden wäre.
In der That waren alle Wirkungen stärker als bei den
Drähten von 20 Fufs, aber freilich nicht in dem Verhältnifs,
wie man es nach der 15 Mal gröfseren Länge hätte erwarten
sollen.
Als Beispiel diene die maximale Schlagweite des kleineren
und des grölseren Inductoriums, als beide durch 6 der kleinen
560 Gesammtsitzung
Grove’schen Elemente animirt wurden, und jeder der beiden
Poldrähte, immer bei 0”,45 Dicke, die folgende Länge hatte:
Länge jedes Kleineres Grölseres
Poldrahts. Inductorium.
4 Fuls 10% par. Linien. 33 par. Lin.
20 3 7% ” » 22 7 I)
300 „ Gin 18 5»
Die Abnahme der maximalen Schlagweite bei vergröfserter
Länge der Poldrähte ist, wie man sieht, bei beiden Instrumen-
ten eine ungefähr proportionale; doch darf darauf kein grolses
Gewicht gelegt werden, einmal wegen der Unsicherheit, welche
die Bestimmung dieser Schlagweite mit sich führt, und dann,
weil hier noch ein anderes Element mitwirkt, auf welches der
Verf. künftig näher zurückzukommen gedenkt, nämlich die Dicke
des primären Drahts, der die Inductionsfunken hervorruft. Im
vorliegenden Fall hatte dieser Draht in beiden Apparaten so
ziemlich dieselbe Stärke, nämlich 1 Mlim., bei einem dünneren
und demgemäls längeren primären Draht ist die Abnahme der
Schlagweite mit Verlängerung der Poldrähte eine geringere.
Alles, was bisher von Drähten gesagt ist, gilt auch von
langen Metallstreifen, wenn sie zur Polverbindung benutzt
werden. Ä
Es wurde dieses nachgewiesen an zwei Paaren Stanniolstrei-
fen von 0”,01 Dicke. Die Streifen des einen Paares waren
20 Fufs lang und 1 Zoll breit; die des andern hielten 12 Fufs
in Länge und 6 Zoll in Breite, waren also an Fläche beinahe
34 Mal so grofs als die ersten.
In Bezug auf die Eigenschaften, bei Combination mit einem
kurzen Draht, einen Spannungs-Unterschied an den Polen und
demgemäfs freie Elektricität auf der inducierenden Kette her-
vorzurufen, kommen diese Streifen den Drähten von 20 Fufs
ziemlich gleich, standen aber darın den Drähten von 300 Fulfs
nach. Ähnlich war ihr Verhalten in Bezug auf die Verkürzung
der Schlagweite der Hauptfunken, wenn die von gleicher Breite
paarweise als Poldrähte benutzt wurden. So erhielt der Verf.
unter gleichen Umständen wie vorbin:
vom 23. Juli 1864. 561
Schlagweite des
kleineren grölseren
Als Poldrähte: Inductoriums. °
Schmale Stanniolstreifen 8%, Lin. 225 Lin.
Vergleicht man diese Resultate mit den durch Drähte er-
haltenen, so erweisen sie sich als nicht sehr verschieden von
ihnen. Aber hinsichtlich der Beschaffenheit der Funken ist ein
grolser Unterschied vorhanden. Die Funken, welche man mit-
telst der Stanniolstreifen bekommt, sind aufserordentlich hell
und compact und erinnern durch ihren Glanz an die, welche
auf bekannte Weise mit Hülfe der Leidner Flasche erhalten
werden, und im Wesentlichen nichts anders sind als Entladun-
gen dieser Flasche. Jedoch haben letztere unter gleichen Um-
ständen eine viel geringere Schlagweite, sind heftiger und er-
folgen mehr stolsweise.
Wie bei den Drähten die hen. Wirkung weniger
von der Dicke als von der Länge abhängt, so ist auch bei den
Streifen die Breite oder Flächengröfse von geringerem Einflufs,
wenigstens auf die Schlagweite, als die Länge.
Es geht diels schon aus den angeführten Beispielen hervor,
da die breiten 12 Fufs langen Stanniolblätter, trotz ihrer 3% Mal
grölseren Oberfläche, keine sonderlich stärkere Wirkung auf die
Funkenlänge ausübten als die schmalen 20 Fuls langen Streifen.
Nur die Helligkeit und Mäfsigkeit der Funken war bei ihnen
eine grölsere.
Specieller noch überzeugte sich der Verf. hievon, als er
zwei Stanniolblätter von nur 2 Fuls Länge, aber 1 Fuls Breite,
also von 288 Quadratzoll Fläche anwandte. Sie. übertrafen die
20 Fuls langen und 1 Zoll breiten Streifen noch um etwa % an
Flächengröfse. Dennoch gab ein solcher Streifen, combinirt
mit einem dieser breiten Blätter eine entschieden stärkere Wir-
kung als letzteres. An seiner Seite waren die Nebenfunken
ungleich kürzer und lichtschwächer als an Seite des Blattes,
und auf der primären Kette erschien freie Elektricität in be-
deutendem Maafse.
[1864.] 4
562 Gesammtsitzung
Die schwächende Wirkung langer Polverbindungen, mögen
sıe nun aus Drähten oder Streifen bestehen, ıst nicht allein auf
Funken oder sonstige Spannungs - Äulserungen beschränkt, son-
dern erstreckt sich eben so auf die thermischen und galvano-
metrischen Eigenschaften des Inductionsstroms.
Als die Funken des kleineren Inductoriums eine Strecke
von 3 Lin. durchsprangen, stieg das Thermometer am negativen
Pol im Maximo
auf 60°,5 bei Anwendung der 1 Fuls langen Drähte,
dagegen nur
auf 50°,5 bei Anwendung der 300 Fufs langen Drähte
und
auf 45°,5 bei Anwendung der breiten 12 Fuls langen
Stanniolblätter.
Gleichergestalt nahm die Ablenkung der Magnetnadel be-
deutend ab, als die 1 Fuls langen Drähte gegen 300 Fuls lange
vertauscht wurden.
Selbst in einer ganz metallischen Schliefsung des Induc-
tionsstroms äufsert sich die Wirkung langer Poldrähte unver-
kennbar.
In seiner früheren Arbeit (Monatsberichte 1863 S. 502)
hat der Verf. gezeigt, dafs wenn eine Drahtrolle metallisch mit
dem Inductorium verbunden wird, sowohl in dieser Rolle als
auf den Verbindungsdrähten freie Elektricität auftritt, die sich
noch steigern lälst, wenn man ein Eisendrahtbündel in die
Rolle schiebt.
Bei allen damaligen Versuchen zur Ergründung dieser Er-
scheinung wurden zur Verknüpfung der Rolle mit dem Induc-
torium kurze Drähte angewandt. Als jetzt der eine dieser Drähte
- durch einen 300 Fuls langen Draht ersetzt ward, zeigte sich
die freie Elektricität auf dem andern kurz gelassenen Draht so
gesteigert, dals mit dem Ableiter Funken von 1% Lin. Länge
aus ihm gezogen werden konnten.
Dabei kam auch freie Elektricität auf der primären Kette
zum Vorschein, von welcher bei kurzen Verbindungsdrähten
nichts zu spüren ist.
vom 28. Juli 1864. 563
Die Drahtrolle verhält sich also ähnlich wie die Funken-
strecke bei den vorhergehenden Versuchen, mit dem Unter-
schiede nur, dafs die Wirkungen weniger kräftig sind.
Es kann nun wohl die Frage anfgeworfen werden, was die
Ursache aller der beschriebenen Erscheinungen sei.
Dafs diese keine Widerstands- Phänomene sein können, ist
wohl vorweg klar, denn Drahtlängen von 10, 20 und selbst
300 Fufls sind doch zu unbedeutende Bruchtheile von den 15
und 20tausend Fuls Draht der angewandten Inductionsrollen,
als dafs sie vermöge ihres Widerstandes die angeführten Er-
scheinungen hervorzurufen im Stande gewesen wären.
Zweitens verschwinden alle diese Erscheinungen
vollständig, so wie man die Drähte aufrollt, wodurch
doch ihr Widerstand nicht geändert wird.
Hievon überzeugte sich der Verf. als er die 20fülsigen
Drähte von 0””,25 und 0”",9 Dicke auf Glasröhren wickelte,
in solcher Weise, dafs sie nur eine einzige Lage von Windun-
gen bildeten, damit keine Funken zwischen diesen übersprän-
gen, was auch hiedurch und durch den gut isolirendeu Über-
zug der Drähte vollkommen verhütet ward.
Ein so aufgewickelter Draht combinirt mit einem ausge-
streckten von geringer Länge, gab keine Spur von Spannungs-
Unterschied an den Polen oder von freier Elektricität auf der
inducirenden Kette; und wenn auf jeder Seite der Funkenbahn
ein solcher Draht eingeschaltet ward, zeigte sich auch keine
Verringerung in der Schlagweite der Hauptfunken. Der einzige
Unterschied zwischen der Wirkung der langen aufgerollten und
der der kurzen ausgestreckten Drähte bestand darin, dafs bei
“ersterer die Funken spitzer oder schmäler waren als bei letz-
terer. |
Bei den 0””,9 dicken Drähten halten sich, vermöge ihrer
Steifigkeit, die Schraubenwindungen in freier Luft, und diels
gestattet, sie durch Ausziehen beliebig von einander zu enifer-
nen, während der Strom durch sie hingeht. Auf diese Weise
fand sich, wie vorauszusehen, dafs der aufgerollte Draht sich
41*
564 Gesammtsitzung
desto mehr einem ausgestreckten nähert, je weiter man ihn aus-
einander zieht; aber selbst bei einem Abstand von 1% Lin. und
mehr zwischen den Windungen war der dämpfende Einfluls
dieser noch nicht aufgehoben.
Bekanntlich wirken die Windungen eines aufgerollten Drahts
inducirend aufeinander. Es scheint demnach natürlich zu sein,
die dämpfende Wirkung derselben dieser Induction zuzuschrei-
ben. Als indefs 60 Fufls des 0"",25 dicken Drahts in zwei
"Lagen auf eine Glasröhre gewickelt wurden, auf solche Weise,
dafs die Windungen der äufseren Lage denen der inneren ent-
gegenliefen, waren die Wirkungen, weiche der Draht im aus-
gestreckten Zustande gezeigt haben würden, eben so vollstän-
dig vernichtet, wie wenn die Windungen gleiche Richtung in
beiden Lagen gehabt hätten. Und doch mufste hier die Induc-
tion, wenn auch nicht ganz, doch wenigstens grölstentheils auf-
gehoben sein.
In Zusatz hiezu sei auch bemerkt, dals gleich wie Draht-
rollen nicht die Eigenschaften ausgestreckter Dräthe besitzen,
sie auch nicht die Wirkungen derselben verringern oder auf-
heben. Ein ausgestreckter langer Draht oder Stanniolstreif mit
einer Drahtrolle verbunden, wirkt genau ebenso wie ohne diese
Rolle. Es zeigt dies abermals, dals der Widerstand hier ohne
alle Bedeutung ist.
Allein den schlagendsten Beweis dafür liefert die merkwür-
dige Thatsache, dafs es, um die oft erwähnten Erscheinungen
hervorzurufen, gar nicht nöthig ist, die langen Drähte
oder Stanniolstreifen von dem Inductionsstrom
durchlaufen zu lassen, sondern dafs es vollkommen
hinreicht, sie — natürlich im gut isolirten Zustande — mit
sinem ihrer Enden an die kurzen Poldrähte anzu-
hängen, während man das andere frei in der Luft
auslaufen läfst.
Oft wiederholte und abgeänderte Versuche überzeugten den
Verf. von der Richtigkeit dieses Satzes; selbst in der Stärke
der verschiedenen Erscheinungen konnte er keinen Unterschied
bemerken, es mochten die Drähte oder Streifen in den Strom
eingeschaltet oder ihm blofs angehängt sein.
vom 28, Juli 1864. 565
Diese Thatsache, verbunden mit der zuvor angeführten,
dafs Drahtrollen die Wirkung ausgestreckter Drähte nicht schwä-
chen, liefert ein einfaches Mittel, mit einem einzigen Draht den
Einfluls verschiedener Drahtlängen zu untersuchen.
Dazu genügt es, den Draht auf eine isolirende Rolle auf-
zuwickeln und das freie Ende desselben mit einem der Poldrähte
zu verbinden. Man wickelt dann wiederum so viel von dem
Drahte ab, als man gerade untersuchen will.
Auf diese Weise hat der Verf. einen 200 Fufs langen
Draht von 10 zu 10 Fufs untersucht, um zu sehen, ob sich bei
dieser successiven Verlängerung des Drahts irgend eine Perio-
dicität in der Wirkung zeigen würde. Allein es war nicht der
Fall. Die Wirkung nahm fortdauernd, obwohl langsam mit der
Verlängerung zu.
Gleichwie die Wirkung langer ausgestreckter Drähte nicht
einem Widerstande beigemessen- werden kann, eben so wenig
läfst sie sich einer theilweisen Ableitung der Elektricität nach
dem Erdboden zuschreiben; denn die Drähte und Stanniolstrei-
fen waren aufs beste isolirt. Bi
Wohl aber lälst sich einsehen, warum, wenn die Spannung
an einem Pole der Inductionsrolle durch irgend eine Ursache
geschwächt worden ist, dadurch freie Elektricität auf der indu-
cirenden Kette zum Vorschein kommen muls. Es wirkt näm-
‚lich der Strom der Inductionsrolle, wenn er durch Funken un-
terbrochen ist, in doppelter Weise auf die primäre Rolle: in-
ducirend und influencirend. In dem gewöhnlichen Fall,
wo die Poldrähte beide kurz sind, und auch in dem, wo beide
lang sind, ist die von beiden Hälften der Inductionsrolle aus-
geübte Influenz gleich stark, und die Wirkung auf die induci-
rende Rolle wird aufgehoben. Ist aber durch Schwächung der
‚Spannung die Influenz der einen Hälfte jener Rolle geschwächt,
so überwiegt die der anderen Hälfte und ruft freie Elektricität
auf der inducirenden Kette hervor. Daher erscheint denn auch
hier allemal freie Elektricität, so wie man einen der Pole der
Inductionsrolle auf irgend eine Weise ableitend berührt.
566 Gesammtsitzung
Durch alle diese Betrachtungen wird indefs die Wirkung
der langen ausgestreckten Drähte nicht erklärt. Der Verf. kam
daher auf den Gedanken, dafs hiebei vielleicht hin- und herlau-
fende Ströme erzeugt werden möchten.
Er verband demnach zuvörderst Geilsler’sche Röhren und
andere evacuirte Glasgefäfse mit der Inductionsrolle, in solcher
Weise, dafs er die Poldrähte entweder beide kurz oder beide
lang, oder den einen kurz und den andern lang nahm. Alle
diese Veränderungen waren aber gleichgültig. Selbst Stanniol-
streifen, die einen so entschiedenen Einfluls auf die Beschaffen-
heit der Funken ausüben, erwiesen sich hier als völlig wir-
kungslos. Immer waren die Erscheinungen denen gleich, wel-
che einem einfachen, in einer einzigen Richtung gehenden
Strome zukommen. Auch war bei ungleicher Länge der Pol-
drähte nichts von freier Elektricität auf der inducırenden Kette
wahrzunehmen.
Es ging hieraus hervor, dafs zum Auftreten der oft ge-
nannten Erscheinungen nothwendig Funken in freier Luft mit
in der Schlielsung begriffen sein müssen.
Der Verf. änderte daher die eben beschriebenen Versuche
ın der Weise ab, dals er das Funkenmikrometer zunächst mit
einer Geilsler’schen Röhre verband und darauf dieses System
durch Poldrähte mit der Inductionsrolle verknüpfte, so dafs der
Strom nach einander durch Luft von gewöhnlicher Dichte und
durch Luft oder Gas in stark verdünntem Zustand gehen mulste.
Bei Anwendung zweier kurzen Poldrähte oder eines kur-
zen und eines langen Drahts waren die Erscheinungen durch-
aus dem vorhergenannten gleich; nur dnrfte, um dieselben un-
unterbrochen zu erhalten, den Funken keine zu grolse Schlag-
weite gegeben werden.
Als indels zwei lange Drähte oder Stanniolstreifen zur
Polverbindung benutzt wurden, einer auf jeder Seite des ge-
nannten Systems, trat eine merkwürdige Veränderung ein.
Die Geilsler’sche Röhre nämlich, die bis dahin, aulser dem
positiven geschichteten Lichte, welches mit weilslicher Farbe
dem gröfsten Theil ihrer Länge erfüllte, nur ein blaues Licht
am negativen Ende gezeigt hatte, liels jetzt, in Zusatz dazu,
Re CHTENG
vom 28. Juli 1864. 567
am positiven Ende ein schön gelbes Licht sehen, ähnlich
in Farbe dem gelben Uranglase. Dasselbe umgab den in dieses
Ende hineinreichenden Platindraht ringsum und war gegen den
übrigen Theil der Röhre scharf abgeschnitten, erfüllte das In-
nere der Röhre offenbar nicht, sondern ging sichtlich von dem
Glase aus, das glänzend durchsichtig erschien, — kurz es war
das anderweitig schon bekannte Fluorescenzlicht.
Aber von dem blauen Lichte, welches sonst diese Fluores-
cenz zu erzeugen pflegt, war merkwürdigerweise im Innern des
positiven Theils der Röhre nichts zu erblicken. Im Gegensatz
dazu entwickelte, eben so merkwürdig, das blaue Licht am ne-
gativen Ende so gut wie keine Fluorescenz im Glase, denn nur
die äufserste Kuppe der Röhre zeigte daselbst in geringer Aus-
dehnung einen schwachen gelblichen Schein.
Ohne die Funken in freier Luft erhält man, wie gesagt,
selbst mit langen Poldrähten diese Erscheinung nicht; aber auch
mit den Funken bekommt man sie nicht bei jeder Schlagweite.
Wenn man die Polspitzen des Mikrometers, nachdem sie
zuvor in Contact gesetzt worden, langsam auseinander rückt, so
sieht man bis zu einem Abstande von einer halben oder ganzen
Linie nichts als die gewöhnliche Erscheinung d.h. blaues Licht
am negativen Ende und geschichtetes Licht im übrigen Theil
der Röhre. Erst bei fernerer Vergröfserung des Abstandes tritt
die gelbe Fluorescenz am positiven Ende auf und wird nach
und nach immer deutlicher.
Geht man noch weiter, so gelingt es einen Punkt zu er-
fassen, bei welchem das Phänomen in eine neue Phase triti, ın-
dem die Schichtung des positiven Lichts und der dunkle Raum
zwischen diesem und dem negativen Licht vollständig verschwin-
den. Die ganze Röhre, von einem bis zum anderen Ende, zeigt
sich nun erfüllt von einem homogenen violettlichen Nebellicht,
welches zu dem unverändert gebliebenen gelben Fluorescenz-
licht am positiven Ende im lebhaftesten Contraste steht.
Diels schöne Phänomen erfordert eine gewisse, nicht zu
grolse Intensität des Inductionsstroms. Am ausgebildetsten, mit
vollkommner Ausschliefsung aller Schichtung, erhielt es der
568 Gesammtsitzung
Verf. mittelst des kleineren Inductorium, wenn es durch den
dünneren seiner primären Drähte angeregt wurde.
Dasselbe zeigt sich übrigens mit und ohne Anwendung des
Condensator; mit demselben jedoch lichtstärker. Auch wird es
etwas modificirt, wenn man im Mikrometer die Funken zwischen
einer Spitze und einer Scheibe überschlagen läfst. Bildet die
Scheibe den negativen Pol, so ist Alles wie vorhin; bildet sie
aber den positiven Pol, so entwickelt das blaue Licht am nega-
tiven Ende der Röhre eine stärkere gelbe Fluorescenz als zu-
vor, und am positiven Ende ist diese Fluorescenz schwächer,
jedoch immer ohne Anzeige von blauem Licht.
Eine zweite Geifsler’sche Röhre bot unter den obigen Um-
ständen, im Ganzen genommen, dasselbe Schauspiel dar.
Sie ‘unterschied sich von der vorigen nur durch ein Paar
Eigenschaften. Fürs Erste zeigte sie nämlich am negativen
Ende kein blaues Licht, sondern statt dessen ein weilsli-
ches, vermuthlich weil bei ihrer Anfertigung der entsprechende
Draht mit einer Spur irgend einer fettigen Substanz beschmutzt
worden, da diefs nach Hrn. Magnus Beobachtung eine solche
Farbenveränderung nach sich zieht. Zweitens rief diels weils-
liche Licht schon unter gewöhnlichen Umständen, d. bh. bei kur-
zen Poldrähten und ohne Hülfe von Funken in der Schlielsung.
eine starke ‚gelbe Fluorescenz an derselben Seite hervor.
Bei Verknüpfung mit langen Poldrähten und dem Funken-
mikrometer trat dieser negativen Fluorescenz noch die positive
hinzu, so dafs dann beide Enden der Röhre mit gelber Farbe
erglänzten, während der mittlere Theil von geschichtetem weils-
lichem Lichte eingenommen ward, welches sich durch angemes-
sene Vergröfserung der Schlagweite in das vorhin erwähnte vio-
lettliche Nebellicht auflösen liels.
Ungeachtet in beiden Röhren die gelbe Fluorescenz am po-
sitiven Ende von keinem blauen Licht begleitet war, welches sie
hätte hervorrufen können, so nımmt der Verf. doch keinen An-
stand, aus den angeführten Versuchen den Schluls zu ziehen,
dals lange ausgestreckte Drähte, sobald sie zu beiden Seiten der
Funkenbahn angebracht sind und die Schlagweite der Funken
vom 28. Juli 1864. 569
eine gewisse Gröfse besitzt, zur Bildung von hin- und herlau-
fenden oder Doppelströmen Anlafs geben.
Bestärkt in diesem Schlufs sieht sich der Verf. durch das
Verhalten einer dritten Röhre, die derselbe vor längerer Zeit
von Hrn. Dr. Paalzow erhielt. Diese nur 5 Zoll lange und
4 Lin. dicke Röhre ist offenbar nicht sehr luftleer; denn sie
zeigt unter gewöhnlichen Umständen d. h. bei kurzen Poldräh-
ten, nichts von Schichtung, sondern statt deren einen gelblich
weilsen compacten und ziemlich scharf begränzten Lichtfaden,
der sich von der Spitze des positiven Drahts bis nahe zum ne-
gativen Draht erstreckt, während letzterer mit blauem Licht
überzogen ist.
Dieselbe Erscheinung bietet diese Röhre dar, wenn man
sie durch lange Drähte mit der Inductionsrolle verknüpft und
zugleich ein Funkenmikrometer in die Schlielsung eingeschaltet
hat, — vorausgesetzt, dals den Funken eine kleine Schlagweite
gegeben ist. So wie man aber diese Schlagweite vergrölsert,
fängt auch der positive Draht an, sich mit blauem Lichte zu
überziehen, obwohl nicht so stark wie der negative. Hier hat
man also eine untrügliche Anzeige, dals der Strom anfangs ein
einfacher und später ein doppelter ist.
Von gelber Fluorescenz ist an dieser Röhre keine Spur zu
sehen. Dagegen zeigt sie eine andere Erscheinung, die unge-
mein auffallend ıst. Von dem Moment an nämlich, wo nach
eben genannter Anzeige der einfache Strom in einen doppel-
ten übergeht, bläht sich der gelblichweifse Lichtfaden zwischen
den Drähten zu einer intensiv violetten Lichtmasse auf, welche
diesen mittleren Theil der Röhre seinem ganzen Querschnitt
nach erfüllt. Der Contrast mit der anfänglichen Erscheinung,
die man durch einen die Polspitzen verbindenden Drahtbügel
augenblicklich wieder herstellen kann, ist ein aulserordentlicher.
Nach allen diesen Erfahrungen schien es interessant, ja
nothwendig zu sein, das Verhalten unzweifelhafter Doppel-
ströme vergleichend zu untersuchen. Solche Ströme erhält man
am leichtesten, wenn man in die Bahn der Inductionsfunken
eine Franklin’sche Tafel einschiebt. Als nun diefs Verfahren
570 Gesammtsitzung
bei den Geilsler’schen Röhren angewandt wurde, fand sich da-
durch die gelbe Fluorescenz am positiven Ende derselben ver-
stärkt, zugleich kam aber auch daselbst ganz unverkennbar blaues
Licht zum Vorschein, was ohne Franklin’sche Tafel nicht sicht-
bar war. Ähnlich verhält es sich mit der dritten Röhre.
Es sind also doch die supponirten Doppelströme etwas
verschieden von den ächten, vermuthlich weil bei ersteren die
Ströme der einen Richtung denen der anderen nicht ganz gleich
sind. Damit stimmt auch überein, dafs bei mehren Versuchen,
bei welchen blofs das Funkenmikrometer durch zwei lange
Drähte oder Stanniolstreifen mit der Inductionsrolle verbunden
war, die Temperatur sich am negativen Pol stets grölser als
am positiven ergab, was bei hin- und herlaufenden Strömen
von gleicher Stärke nicht hätte der Fall sein können.
Wie dem aber auch sein mag: die Bildung hin- und her-
laufender Ströme unter den obigen Umständen kann wohl kei-
nem Zweifel unterliegen. Allein auf welche Weise sie durch
ausgestreckte Drähte und Streifen erzeugt werden, weshalb sie
nur unter Mitwirkung von Funken zu Stande kommen, warum
diese Drähte und Streifen zu beiden Seiten der Funkenbahn an-
gebracht sein müssen, — darüber, so wie über manche andere
Fragen, wagt der Verf. sich für jetzt noch nicht auszusprechen,
um so mehr als sich die übrigen Eigenschaften ausgestreckter
Drähte und Streifen keineswegs auf das Dasein solcher Doppel-
ströme zurückführen lassen.
Bietet sich hier auch mehr als eine Hypothese dar, so hält
der Verf. es doch für besser sie zurückzuhalten, als eine Er-
klärung aufzustellen, welche er bei weiterer Verfolgung des
Gegenstandes, wie er sie beabsichtigt, vielleicht zurücknehmen
mülste.
re ir
Zara
vom 28. Juli 1864. 571
Hr. Pertz übergab 1) ein ihm eingesandtes von dem Ver-
fasser für die Akademie bestimmtes Exemplar des Werkes: Concor-
danza delle Scienze naturali e principalmente della Geologia con
la Genesi vom Portugiesischen Marschall Herzog von Saldanha
zu Rom 1863 herausgegeben;
2) ein ihm von Hrn. Boucher de Perthes zu Abbeville
zugesandtes Blatt der Zeitung von Abbeville No. 59. vom
19. Jul. mit einem ausführlichen Berichte über die von Hrn.
de Perihes im verflossenen Monate angestellten Ausgrabungen,
welche zu weiteren Entdeckungen menschlicher Überreste, unter
andern oberen und unteren Kinnladen, geführt haben, und sich
an die früheren Bemühungen des Herrn Einsenders schlossen.
Fi
Hr. Pinder machte folgende Mittheilung über eine bei
Beckum gefundene Münze.
Bei Beckum im Regierungsbezirk Münster sind, wie be-
kannt, neuerlich eine bedeutende Anzahl von Alterthümern aus-
gegraben. worden, welche sich auf einem weit ausgedehnten
Leichenfeld nahe der Oberfläche befanden. Die Ausgrabungen
sind auf Staatskosten unter der geschickten Leitung des Bauin-
spectors Borggreve und des Hofraths Essellen ausgeführt
und die gefundenen Gegenstände dem Verein für Geschichte
und Alterthumskunde Westfalens überwiesen worden.
Über das Zeitalter, welchem diese Funde angehören, sind
verschiedene Vermuthungen hervorgetreten, welche zwischen
einer Anzahl von Jahrhunderten, von der Varusschlacht bis zur
Merovingerzeit schwanken.
In den sorgfältigen Verzeichnissen und Notizen der Hrn.
Borggreve und Essellen wird auch eine im Herbst 1863
ausgegrabene unkenntliche Münze erwähnt, die ein Arbeiter nach
seiner Aussage im Munde einer Leiche fand. Da sich hoffen
liels, wenigstens aus dem allgemeinen Charakter derselben auf
die Zeit, der sie angehört, schliefsen zu können, wie dies schon
972 Gesammtsitzung
bei der im Jahr 1861 ebenda gefundenen barbarischen Münze
der Fall war, so wurde von hier aus die Einsendung der Münze
veranlalst. So verdorben das Gepräge derselben ist, so hat doch
eine genaue Untersuchung ein genügendes Resultat ergeben.
Die Münze ist ein römischer Denar der Kaiserzeit, und zwar
ein Subärat, wie solche an den Grenzen des römischen Reichs
besonders oft vorkommen. Der Kaiserkopf ist zu zerstört um
sicher erkannt zu werden. Von der Umschrift desselben ist
aulser den Buchstaben AVG über dem Kopf kaum eine Spur
noch vorhanden. Die Rückseite zeigt eine linkshin stehende
Fortuna mit dem Füllhorn in der Linken und dem Steuerruder
in der Rechten. Bei der Sicherheit dieser Darstellung, welche
sich auch von der ihr ähnlichen Darstellung der Felicitas mit
dem Füllhorn hinlänglich unterscheidet, ist es gleichgültig, dafs
von der Umschrift FORTVNA AVGVST das erstere Wort
gänzlich weggefallen ist. Die Lesung des zweiten Wortes kann
nicht in Zweifel gezogen werden. Die Bestimmung des Kaiser-
kopfes hängt nun von der Ermittelung ab, auf welchen Kaiser-
denaren genau diese Darstellung mit .dieser Umschrift vorkommt,
wobei auch die ganz sichere Abkürzung AVGVST, hinter wel-
cher kein A oder I gestanden hat, zu beachten ist.
Zuerst kommt auf Münzen die stehende Fortuna mit Füll- '
horn und Steuerruder bei Galba vor, aber mit der Umschrift
FORTVNA AVG. Unter Vespasian steht FORTVNA AVGVST,
aber bei einer Fortuna auf dem Altar. Genau die Rückseite
unserer Münze findet sich nur bei Domitilla, Titus und Nerva,
während spätere Darstellungen der Fortuna abweichende Um-
schriften haben. Aber Domitilla und Titus sind dadurch aus-
geschlossen, dals auf der Vorderseite ihrer Denare nicht die hier
noch erkennbaren Buchstaben AVG über dem Kopfe stehen,
was dagegen bei den Denaren des Nerva ganz so wie auf un-
serer Münze der Fall ist. Die Beckumer Münze gehört also
dem Kaiser Nerva an. Die Vergleichung seiner Denare aus den
Jahren 96 und 97 nach Ch. ergiebt die völlige Gleichheit. Sie
tragen auf der Kopfseite die Umschrift IMP NERVA CAES
AVYG PM TR P COS II PP (Jahr 96), und eben so, jedoch
COS II PP (Jahr 97). |
vom 28. Juli 1864. 573
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Poema de Alfonso XI, Rey de Castillay de Leon. Madrid 1863. 8,
Mit Rescript des vorgeordneten Ministeriums vom 18. Juli 1864.
Journal of the American Oriental Society. Vol. III, 1. New Haven
1864. 8.
Societa Reale di Napoli. Atti. Vol. 1. Napoli 1863. 4.
Rendiconto. ib. Nov. 1863 — Febr. 1864. 4.
Duca de Saldanha, Concordanza delle scienze naturali con la genesi.
Rome 1863. 8.
Ein Rescript des vorgeordneten K. Ministeriums, d. d.
26. Juli, theilt der Akademie mit, dafs am 11. Juli die bei der-
selben stattgefundene Wahl des Professor Dr. Philipp von
Martius in München zum auswärtigen Mitgliede die Aller-
höchste Bestätigung erhalten habe.
Ein gleiches Rescript vom 20. Juli bestätigt die von: der
Akademie dem Privatdocenten bei der hiesigen Universität Dr.
Roth als Entschädigung für Ausführung einer geognostischen
Revision des Eifelgebiets zugebilligte Summe von 300 Rithlrn.
Eine Bescheinigung der American Oriental Society meldet
vom Mai 1863 den Empfang der Monatsberichte von 1862 und
der philologischen und historischen Abhandlungen von 1862.
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Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat August 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Ehrenberg.
1. August. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Klasse.
Hr. Petermann las: Des gelehrten Ärmenier’s,
Emiu, Ansichten über die Entwickelung der arme-
nischen Schrift.
4. August. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. Hanssen las: Die Grundzüge der Geschichte
der Dreifelderwirthschaft. 2
Hr. Braun sprach über das fortschreitende Gedeihen der
im botanischen und Universitäts-Garten cultivirten Nardoo-
Pflanzen (Marsilia sawatrix Hanst. und M. Drummondi A. Br.)
aus dem Inneren Neuhollands, stellte reichlich fruchttragende
lebende Exemplare derselben zur Ansicht auf und berichtete so-
dann über die neueren Untersuchungen des Hrn. Dr. Han-
stein, durch welche die früher gebliebenen Lücken in der
[1864.] 42
576 Gesammtsitzung
Kenntnils der Fortpflanzungsverhältnisse dieser Gewächse end-
lich ausgefüllt werden. Die nachfolgende Mittheilung des Dr.
Hanstein wurde vorgelesen und durch Vorlage ausführlicher
bildlicher Darstellungen, welche der Verfasser beigefügt hatte,
erläutert.
Die Befruchtung und Entwicklung der Gattung
Marsilia, beobachtet an den Nardoo-Pflanzen.
Als es mir gestattet war, der Akademie über die Entwick-
lungsfähigkeit der sogenannten Nardoo-Früchte, d. h. der Frucht-
behälter einer neuholländischen Marsiiia-Art, und über die dabei
beobachteten Vorgänge zu berichten'), hatte ich an den weni-
gen zuerst von Alex. Rose eigesendeten Früchten weder die
Befruchtung noch die Entwicklung der Keimpflanze verfolgen
können, da fast alle Vorkeime unbefruchtet geblieben waren.
Seitdem ist es mir bei wiederholten Aussaatversuchen, zu denen
von Hrn. Osborne aus Melbourne mitgetheilte?), so wie
neuerlich von Dr. Ferd. Müller, dem Director des dortigen
botanischen Gartens, eingesendete Früchte verwendet wurden,
gelungen, die von dieser Gattinng bisher noch nicht bekannte
Zeugung und Keimung sich vollziehen zu sehen, und es sei mir
daher erlaubt, auch hierüber Mittheilung zu machen.
Sobald die kleinen und grolsen Sporen auf die früher be-
schriebene’) Weise ins Wasser gelangt und aus ihren Sporan-
gien hervorgetreten sind, werden nach etwa vier Stunden die
ersten Veränderungen an ıhnen wahrnehmbar.
In den kleinen Androsporen hat sich aus dem Gehalt an
Stärke und Protäinsubstanz eine gleichmälsigere plastische Masse
hergestellt, sich rings etwas vom Rande zurückgezogen und nahe
demselben nur einzelne Körner zurückgelassen. Dieselbe theilt
sich nun durch drei senkrecht aufeinander stehende Halbirungs-
ebenen schnell hintereinander in acht gleiche Theile, deren jeder
alsbald noch nach zwei verschiedenen schiefen, gegeneinander und
gegen die vorigen geneigten Richtungen in je vier Theile zer-
1) Diese Berichte, Jahrg. 1862 p. 103, Sitzung vom 6. Februar.
*) Desgl., Jahrg. 1863 p. 414.
*) Vgl. die Schilderungen und die Abbildungen a. a. O.
vom 4. August 1864. 577
legt wird, die wie Tetraäder-Ecken zu einander gelagert sind.
Es entstehen somit 32 gleiche Plasma-Portionen durch einen
Act der Theilung, der an den Durchfurchungsprocels im thie-
rischen Eidotter erinnert, und erst nach Beendigung desselben
bildet sich um jede eine Zellhaut.
In jeder dieser 32 Zellen, die in regelmäfsiger Anordnung
verharren, entwickelt sich ein Spermatozoid. Die vier Sperma-
tozoidien jeder tetraädrischen Gruppe liegen in den einander
zugekehrten Hälften der vier Zellen. Dieser Vorgang ist in etwa
48—22 Stunden vollendet. Bald darauf bricht das derbe Exo-
sporium der Androsporen auf, und der von der zarten Innen-
haut umschlossene Inhalt drängt sich heraus, diese entweder
beim Austreten selbst sprengend, oder sich draulsen erst noch
einmal wieder zu einer durchsichtigen Kugel gestaltend, aus der
die Tochterzellen dann nach und nach hervorbrechen und die
Spermatozoidien entlassen.
Diese sind schon vorher in wirbelnde Bewegung gerathen;
sie sprengen einzeln ihre Mutterzellen und eilen pfeilge-
schwind davon. Jedes Spermatozoid besteht aus einem kork-
zieherförmigen Schraubenfaden, an dessen letzten auffallend wei-
ten Windungen eine grolse kugelige Blase haftet, die in klarer
Flüssigkeit zahlreiche Stärkekörnchen enthält, und einer mit ge-
nügend fester Haut umgebenen selbstständigen Zelle gleicht.
Diese ist nichts weniger als ein Theil der Mutterzelle, welche
vielmehr nach dem Ausschlüpfen des Spermatozoids leer zurück-
bleibt. Der Schraubenfaden hat 12—13 Windungen, ist an der
Spitze sehr eng gewunden, und besonders an den unteren wei-
teren Windungen mit vielen sehr langen Wimpern besetzt, die
beim Schwimmen nach vorn gekrümmt die Schraubenspitze oft
überragen.
Inzwischen hat sich auf den Makrosporen der Vorkeim mit
dem Archegonium entwickelt. Schon vor dem Austritt der gro-
[sen Spore ist der warzenförmig aufgetriebene Scheitel dersel-
ben mit gelblichem feinkörnigem Plasma erfüllt, während der
übrige Raum die bekannten grolsen Stärkekörner, Öltröpfchen
und Proteinstoffe enthält. Mehrere Stunden nach dem Austre-
ten der Spore ist diese linsenförmige Plasma-Masse noch durch-
aus durch keine nachweisbare Scheidewand von dem übrigen
42*
978 Gesammtsitzung
Innenraum der Spore getrennt, also keine fertige Zelle. Erst
etwa 5—6 Stunden danach schlielst sie sich durch eine eigene
Zellstoffhaut ab. Bald darauf sondert sich in ihrem plastischen
Inhalt eine rundliche centrale Hauptmasse von einer peripheri-
schen, nach der freien Oberseite zu stärkeren Schicht, welche
sich sodann in erst gröfsere, dann immer kleinere Plasma - Por-
tionen abtheilt, welche jene centrale Masse in einfacher Schicht
umlagern. Noch zerflielsen die so angelegten aber noch nicht
vollendeten Zellkörper bei leisester Berührung. Dann umgeben
sie sich, zuerst der mittlere, zuletzt die peripherischen mit wi-
derstandsfähigen Zellwänden, die. in festen Zusammenhang mit
einander treten.
Die Centralzelle ist nun die Hauptzelle des entstehenden
Archegoniums, die Mutterzelle des Keims; die peripherischen
Zellen bilden den Vorkeim. In der Mitte der Grundfläche des-
selben berührt die Centralzelle zuweilen unmittelbar die Scheide-
wand zwischen Vorkeim und Sporenraum, liegt also excentrisch.
Genau auf dem Scheitel desselben übertreffen bald vier regel-
mälsig gestellte Zellen die anderen an Grölse, und erheben sich
zu einem Wärzchen, indem sich jede noch einmal durch eine
Querwand theilt, die von aulsen nach innen gegen die allen
vieren gemeinsame Berührungskante geneigt ist. Durch fernere
Erhebung der vier oberen Toochterzellen vollendet sich der Hals-
theil des Archegoniums.
Etwa 20—24 Stunden nach dem Austritt der Sporen ist
das Archegonium empfängnilsreif und die Befruchtung erfolgt,
ohne an eine bestimmte Tageszeit gebunden zu sein'). Aus
der gelblichen Plasma-Masse der Centralzelle sondert sich unter
dem Scheitel derselben eine Portion farblosen Schleimes ab und
erfüllt einen etwa linsenförmigen Raum unterhalb des Archego-
nium-Halses, der oft von dem mehr contrahirten kugligen Plasma
durch scharfe Grenzlinien gesondert erscheini?). Dieser Schleim
‘) Ich sah das Schwärmen der Spermatozoidien auch um Miiter-
nacht.
”) Die genaue Beobachtung der stofflichen Veränderungsvorgänge im
Inneren der Centralzelle ist durch die geringe Durchsichtigkeit des Vor-
keims behindert.
vom 4. August 1864. 579
quillt auf, drängt nach oben, bricht plötzlich ın gewaltsamer
Explosion zwischen den vier Zellpaaren des Archegoniums nach
aufsen durch .und öffıret dadurch erst den Halskanal desselben,
der nun von aufsen ins Innere der Centralzelle führt. Die Aus-
wurfsmasse bleibt oft Tage lang unverändert nahe der Mün-
dung liegen.
Von den heranschwärmenden Spermatozoidien pflegen jetzt
schon viele zur Hand zu sein. Sie suchen nicht nach dem Ein-
gang ın die Schleimumbüllung der Gynospore, sondern durch-
dringen dieselbe, wo sie ankommen. Das Stärke -Säckchen ist
dabei hinderlich; durch energisches Wirbeln befreien sie sich
von demselben und schwimmen nun auf die Archegonium-Mün-
dung zu, meist mit der Spitze der Schraube voran, wie bisher
sehr schnell, oder umgekehrt und dann langsamer.
Unmittelbar nach dem Auswerfen des Schleimes sah ich ein
Spermatozoid herbeieilen, die Schraubenspitze in die Mündung
bineindrehen, einen Augenblick, als ob es einen inneren Wider-
stand zu überwinden hätte, sich heftig um seine Axe drehen
und dann plötzlich im Inneren des Archegoniums versehwinden,
wo es die Undurehsichtigkeit des Vorkeims nicht weiter zu
verfolgen erlaubte. In einem Fall verschwanden zwei nach ein-
ander in demselben Archegonium. Alle späteren wurden zu-
rückgewiesen, ohne dals ein Hindernils ersichtlich gewesen wäre.
Die Zahl der Spermatozoidien, die sich in der Schleimhülle
einer Gynospore anhäufen , beläuft sich oft auf viele Hunderte.
Ganze Büschel hängen mit ihren Spitzen an den Mündungen
der befruchteten Vorkeime, deren Halskanal sich schnell bräunt.
Vor den unbefruchteten finden sich bald jene kleinen wimmeln-
den Körperchen ein, von denen ich früher‘) berichtet habe.
Doch habe ich mich durch Absperren der männlichen und weib-
lichen Sporen jetzt überzeugt, dafs sie in ihrer Entstehung we-
der von diesen noch von jenen in unmittelbarer Abhängigkeit
stehen, sondern sich bei beiden, ja selbst bei Rückständen aus
anderen Theilen der Marsilia-Frucht einfinden. Es sind mona-
denartige Wesen, die bald wie wahre Monaden einzeln lebhaft
umherschwimmen, bald zur Ruhe gekommen sich zu kettenför-
!) A. a.O.p. 114.
580 Gesammtsitzung
migen Reihen vermehren, wie gewisse Vibrionen-Arten. Auf-
fallend bleibt die völlige Übereinstimmung ihrer Form und ihres
Auftretens in allen beobachteten Fällen. Die eigenthümliche
Art jedoch, in der sowohl diese Körperchen als auch die
Spermatozoiden sich vor den Archegonienmündungen anhäufen,
drängt immer noch die Ansicht auf, dafs die Mündung selbst
der Sitz irgend einer mechanisch anziehenden Bewegungsursache
sei, obwohl diese sich bisher der directen Beobachtung entzieht.
Nach der Befruchtung zieht sich der Inhalt der Central-
zelle zu einer freien kugelähnlichen Masse zusammen, die wie
der Vorkeim selbst von kreisrtundem Querschnitt ist, und ge-
staltet sich durch Entwicklung einer Zellhaut zur Urzelle des
Keimpflänzchens.
Nach etwa 12 Stunden beginnt die Theilung derselben mit
einer, — wenn ich die Makrosporen -Längsachse mir aufrecht
gestellt denke, — nahezu senkrechten Wand, welche sie in zwei
etwas ungleiche Hälften theilt, deren gröfsere sich zum Stamm-
theil entwickelt, und defshalb als vordere bezeichnet werden
mag. Beide theilen sich sofort wieder, die vordere durch eine
horizontale Wand in zwei gleiche, die hintere durch eine nach
hinten geneigte in zwei ungleiche Theile. Der Keim ist nun
scheinbar fast über’s Kreuz in 4 Zellen getheilt, deren vordere
obere zum ersten Blatt, deren hintere obere zur ersten Wurzel
wird. Die vordere untere wird alsbald durch eine an der hori-:
zontalen Wand ansetzende nach vorn absteigende Wand aber-
mals in zwei Zellen zerlegt, deren obere, — jetzt die mittlere
der vorderen drei, — die Urzelle der weiterwachsenden Knospe
ist. Die abgetrennte untere Zelle der vorderen Seite jedoch
entwickelt in Gemeinschaft mit der unteren hinteren eine pa-
renchymatische Masse, die als sogenannter Fuls die junge Keim-
pflanze lange im Vorkeim und auf der Gynospore festhält. Jede
der drei anderen Zellen geht ihren eigenen Entwicklungsgang.
Aus der Ur-Wurzelzelle schneidet sich durch drei nach
einander entstehende Wände, die in ihrer Lage und Krümmung
dem Zellumfang folgend nach innen gegeneinander geneigt sind,
eine die Grenze des Keimes hinten und oben berührende Wur-
zel-Scheitelzelle heraus, und in dieser sondert sich alsbald die
peripherische Seite als kappenförmige äulsere Zelle von einer
ee hin u. 1 Mi
vom 4. August 1864. 381
inneren dreiseitig pyramidalen. Jene ist die Anfangszelle der
Wurzelhaube. Sie theilt sich erst über’s Kreuz in vier neben-
einander liegende Flächenzellen, und dann so fort durch bald
quer- bald längsgelegte Wände. Die innere Zelle, jetzt die
eigentliche Scheitelzelle, fäbrt fort abwechselnd nach drei Rich-
tungen seitliche Theilzellen abzuscheiden, die ebenfalls durch
Längs- und Querwände das erst sehr einförmige Gewebe der
Wurzel heranbilden. Doch geht dieser ganze Vorgang zuvör-
derst nur langsam von Statten.
Am schnellsten eilt das erste Blatt voran. Seine Urzelle
zerfällt zunächst, zugleich mit den zwei darunter liegenden Zel-
len der vorderen Keimbhälfte, in einer senkrecht gegen die ersten
drei Theilungswände stehenden Ebene in zwei gleiche seitliche
Hälften. In beiden geschieht die fernere Theilung jetzt über-
einstimmend so, dals wechselnd von oben und von vorn nach
innen zu gegeneinander geneigte Theilungswände entstehen, welche
von der sich nach vorn und oben :hebenden Scheitelzelle schei-
benförmige Theilzellen abgliedern. So gewinnt das Blatt bald
eine immer spitzer werdende Kegelform, die schliefslich durch
wiederholte Streckung und Theilung der Zellen zweiten und
dritten Grades in die spreitenlose Fadengestalt, die das erste
Blatt behält, übergeht.
Langsam nur folgt die Knospe in ihrer Fortbildung. Ihre
Anfangszelle wird durch die eben erwähnte senkrechte Scheide-
wand in zwei dem Anblick nach fast gleiche, dem Werth nach
ungleiche Zellen zerlegt, die neben einander stehen. Die eine
wird zum zweiten Blatt, die andere bleibt Scheitelzelle der wer-
denden Stammaxe, und damit ist die Symmetrie der Vorder-
seite des Keims für den Augenblick gestört.
In der Scheitelzelle gliedern sich durch drei nach dem In-
neren zu gegeneinander geneigte, den drei Seitenwänden nahezu
gleichlaufende Scheidewände drei fernere Theilzellen ab, erst
eine obere, dann eine untere, dann eine innere seitliche, dem
zweiten Blatte anliegende; sie lassen die Scheitelzelle verjüngt
zwischen sich, und entwickeln aus sich keine selbstständigen
Theile. Die Axe der nun dreiseitig pyramidalen mit nach vorn
gewendeter stark gewölbter Grundfläche versehenen Scheitelzelle
giebt jetzt die fernere Entwicklungs-Richtung der Stammknospe
582 Gesammtsitzung
genau an. Eine siebente Theilwand erst, die der vierten ähn-
lich läuft; doch an der dem zweiten Blatt gegenüberstehenden
Seite stärker herabgekrümmt ist, und eine grölsere Tochterzelle
abschneidet, giebt dem dritten Blatt seine Entstehung, welches
mithin dem zweiten nun gegenübertritt, und die Symmetrie der
Knospe wiederherstellt.
Jetzt folgen aus der Scheitelzelle wieder, ihren drei Wän-
den entsprechend, dreigliedrige Cyklen von Interstitialzellen, bis
dann das vierte und fünfte Blatt in gleicher Richtung und in
gleicher Weise wie das zweite und dritie aus ihr hervorge-
hen. Ein Gesetz über die Zahl dieser Zwischenzellen , die
zwischen den ersten Blättern schnell wächst, hat sich noch nicht
ermitteln lassen. Die zunehmende Bedeckung der Knospe durch
Haare und die grolse Verletzlichkeit des jungen Vegetationspunk-
tes erschweren die Beobachtung der Entwicklung. Doch zeu-
gen alle bis jetzt gewonnenen Ansichten dafür, dafs die Schei-
telzelle ihre fernere Entwicklung auch in der fortwachsenden
Stammknospe der alten Pflanze in gleicher Weise fortsetzt. Die
Blätter erscheinen stets genau zweitheilig, an der Oberseite der
horizontalen Axe etwas genähert. Es ist mithin anzunehmen,
dafs alle ebenso wie die ersten nur aus den Zellen der zwei
oberen Reihen, die aus der Scheitelzelle hervorgehen, ihren Ur-
sprung nehmen, während die dritte aulser Internodial-Zellen nur
Wurzel - Anfänge liefert.
Dieser ganze Zelltheilungsvorgang Be also, dafs die
erste senkrechte Wand den Keim in die Urzelle des Stammes
und der Wurzel theilt, die ideale Hauptaxe des frei entstande-
nen Keimes mithin als horizontal zu denken ist. Von der Stamm-
zelle trennt sich durch die erste Scheidewand das erste Blatt,
das den Werth eines Keimblaties (Cotyledons) hat. Die zweite
trennt ein Stück, welches, da es mit einer Wurzel - Theilzelle
gleicher Ordnung gemeinsam einen nur parenchymatösen gegen
die Axe seitlich gelagerten Körper bildet, nicht als umgewan-
deltes Blatt, sondern als Internodialtheil aufzufassen ist, wie derglei-
chen viele ja auch später abwechselnd mit den Anfangszellen der
Blätter aus der Stamm-Scheitelzelle hervorgehen. Somit nimmt
auch die erste Wurzel, die genau in der Rückwärtsverlängerung
der Stammaxe liegt, die Lage und Richtung einer Hauptwurzel
Te 0 EEG
vom 4. August 1864. 583
ein. Für die Ansicht dagegen, dafs der Fufls die eigentliche
verkümmerte Hauptaxe, die erste Wurzel und die erste Knospe
jedoch nur Adventiv-Organe seien, spricht weder die Lage noch
die Folge der Theilungswände in und zwischen den constitui-
renden Anfangszellen des Keims.
Das erste Keimblatt liegt in der Mediane des Keims, die
ferneren zu beiden Seiten. Zwischen dem ersten und zweiten
Blatt ist die Divergenz etwa = !, die übrigen folgen unter %-
Divergenz mit fortwährend umschlagender Richtung der Spirale.
Dagegen geht die Theilung der Scheitelzelle selbst schnell in
eine homodrome Spirale mit %-Divergenz über. Vom zweiten
Blatt an beginnt die Zellvermehrung nicht mehr mit einer senk-
rechten Spaltungswand, vielmehr sogleich mit seitlich gegenein-
ander geneigten Wänden. Ihre Ausbildung ist der von anderen
Farnblättern bekannten ähnlich. Nach und nach gelangen sie
zu immer vollkommnerer Spreiten- Entwicklung, die etwa beim
40—12 Blatt erst zum Abschluls kommt.
Der Entwicklung des Keimes selbst folgt der Vorkeim sei-
nerseits durch selbstständiges Wachsthum, der Keimgestalt sich
anschlielsend. Endlich sprengt ihn das zu schnell wachsende
Blatt oben, die Wurzel später unten. Sie dringt nun in den
Boden, während die Würzelchen des Vorkeims denselben auf diesem
‚befestigt hatten. Der Fufs ist unten innig an das Gewebe des
Vorkeims angesogen, und überspannt die obere Öffnung der
Spore, um ihren Nährstoff in sich aufzunehmen, und den ande-
ren Theilen des Keims mitzutheileu. Die junge Knospe bleibt
noch lange eingehüllt. Erst später bricht auch diese hervor
und die abgestreiften Reste des Vorkeims verkommen.
Die speciellere Schilderung des gesammten Entwicklungs-
Vorganges, zumal der Zelltheilung des Keimes, das Auftreten
der Gefälsbündel und der ferneren Wurzeln und die Ausbil-
dung der Blätter werden demnächst mit den nöthigen Abbil-
dungen an anderem Ort') veröffentlicht werden, für welche
eingehendere Erörterung zugleich die Besprechung früherer Be-
obachtungen und abweichender Ansichten über den untersuchten
Gegenstand, deren ich mich hier enthalten habe, vorbehalten
bleiben mögen.
*) Pringsheim’s Annalen, Bd. IV. Hfi. 2.
584 Gesammtsitzung
Hr. Pertz legte eine Handschrift der Brancaccianischen
Bibliothek’zu Neapel vor, welche durch Vermittelung des K. Mi-
nisteriums der auswärtigen Angelegenheiten und der Königlichen
Gesandtschaft in Turin von der dortigen Königlichen Regierung
zur Benutzung für die neue Ausgabe der Langobardischen Ge-
setze ın der den Monumentis Germaniae auf eine kurze Zeit hie-
her verabfolgt worden ist. Die Handschrift besteht aus 200 Fo-
lioblättern Pergament, die Linien sind mit dem Griffel gezogen,
die Textschrift ist eine sehr regelmälsige zierliche Beneventani-
sche Minuskel des zwölften Jahrhunderts, 38 und 39 Zeilen auf
der Seite, hin und wieder mit’Randnoten Beneventanischer und
Römischer Schrift des 12ten, 13ten und folgender Jahrhunderte.
Der Band enthält, wie bereits im Sten Bande des Archivs für ältere
deutsche Geschichtskunde von mir angegeben ist, einen sehr aus-
führlichen Commentar der systematischen Lombarda, von einem
auch des Römischen Rechts kundigen übrigens nicht genannten
Verfasser; das Werk ist in Oberitalien entstanden, wie mehrere
der erzählten Beispiele in den besprochenen Rechtsfällen zeigen,
und wird jetzt für die von Hrn. Geheimen Justizrath Bluhme
bearbeitete Ausgabe der Monumenta benutzt.
Hr. Magnus machte folgende Mittheilungen:
1. Von Hrn. Dr. Adolph Baeyer: Über die Syn-
these der Aceconitsäure aus der Essigsäure.
Alle organischen Säuren, die nur C,H,O enthalten, lassen
sich von ‘der Ameisensäure ableiten, indem man an die Stelfe
des einen WVasserstoffs in derselben einen Kohlenwasserstoff,
Alkohol, Aldehyd oder eine aus diesen bestehende complicirtere
Gruppe setzt. Es zerfällt demnach eine jede Säure in die Amei-
sensäuregruppe COHO, die wir Carboxyl nennen wollen, und
in einen Rest. Die Basicität der Säure hängt ab von der An-
zahl der in derselben enthaltenen Carboxyle, eine Regel, die zu-
erst von Kekule, wenn auch in etwas anderer Form, ausge-
sprochen ist.
Die Synthese einer solchen Säure ist hiernach auf drei ver-
schiedenen Wegen möglich. Entweder fügt man irgend einer
u eh
vom 4. August 1864. | 585
Gruppe Carboxyl hinzu, oder man vergrölsert den Rest einer
schon Carboxyl enthaltenden Substanz d. h. einer Säure, oder
man vereinigt endlich mehrere Säuremoleküle zu einem neuen
Molekül. In die erste Klasse gehören die Synthesen durch Zu-
führung von Kohlensäure auf direktem Wege oder durch Ver-
mittelung von Cyan, in die zweite die Bildung von Zimmtsäure
aus Benzoesäure und Chloraceten, in die dritte die von Löwig
beobachtete Reduktion des Oxaläthers. Diese letztere Reaktion,
wobei sich aus der Oxalsäure Desoxalsäure bildet, ıst von be-
sonderem Interesse, weil sie direkt von einer einfachen zu einer
sehr complicirten Säure führt. Indessen ist der von Löwig
beobachtete Fall so verwickelt, dafs er nicht wohl zu einer Ver-
allgemeinerung geeignet ist, und ich habe mich daher bemüht
eine ähnliche Reaktion unter möglichst einfachen Bedingungen
herzustellen.
Man kennt übrigens schon lange einen Vorgang, der in
dieselbe Gruppe von Erscheinungen gehört, nämlich die freiwil-
lige Verdreifachung der Brenztraubensäure. Diese Säure ent-
hält als Rest einen Aldehyd, welcher sich von selbst wie der
gewöhnliche Aldehyd verdreifacht und das dazugehörige Carboxyl
mit in die neue Verbindung hinübernimmt, so dafs eine dreiba-
sische Säure gebildet wird. Benutzt man diesen Fingerzeig, so
ist zur Bildung einer complicirten Säure aus einer einfachen nur
nöthig, dafs man den Rest der letzteren in einen labilen Zu-
stand versetzt, der ihn: geeignet macht ähnlich wie der Aldehyd
zu dritt sich aneinander zu lagern.
Die Essigsäure, von welcher ich ausgegangen bin, ist eine
Verbindung von Methyl mit Carboxyl. Handelt es sich nun
darum diese Säure zu einer ähnlichen Condensation wie die der
Brenztraubensäure zu veranlassen, so mufs das Methyl in einen
labilen Zustand versetzt werden. Und da bietet sich als ein-
fachstes Mittel die Methode dar, welche man zur Darstellung der
Alkoholradikale benutzt, nämlich Einführung von Brom und nach-
herige Wegnahme desselben durch Natrium. Ich liefs daher die-
ses Metall auf den Ather der Bromessigsäure einwirken und er-
bielt in der That einen Äther, der sich von einer verdreifachten
Essigsäure ableitet, indem 3 At. Brom und 1 At. Wasserstoff
austreten:
586 Gesammtsitzung
3C,H,BrO }o= C,H,0,
6;H, (GC; H,);
Bromessigäther. Aceconitäther.
10; +3Br +H.
Läfst man Natrium auf Bromessigäther in der Hitze ein-
wirken, so erhält man eine schmierige braune Masse, die sich
an der Luft unter Schwärzung zersetzt. Im Vacuum destillirt
giebt dieselbe einen Äther, der unter gewöhnlichem Druck nicht
destillirt werden kann, im leeren Raum dagegen etwas über 200°
ohne Zersetzung übergeht. Dieser Äther besitzt sehr viel Ähn-
lichkeit mit dem Aconitsäureäther und zeigt auch fast dieselbe
Zusammensetzung; er ist indessen ein Gemisch der Ätherarten
zweier neuer Säuren der Aceconitsäure und .der Citracetsäure.
Man kann dieselben nicht trennen, sondern muls zu diesem
Zwecke die Barytsalze darstellen. Der rohe Äther löst sich
leicht ın Barytwasser, und giebt beim Eindampfen ein schwer
lösliches Salz, den aceconitsauren Baryt, und ein leichtlösliches,
den eitracetsauren Baryt. Die Aceeconitsäure zeigt in ihren
Salzen die Zusammensetzung C;H,;O, und ist eine dreibasische
Säure. Mit Bleizucker und salpetersaurem Quecksilberoxydul
giebt sie einen weilsen Niederschlag, mit salpetersaurem Silber
einen körnigen, und zeigt mit Kalkwasser erhitzt dieselbe Er-
scheinung wie die Citronensäure, indem sich die Lösung beim
Erwärmen trübt und beim Erkalten wieder klärt. Die freie Ace-
conitsäure krystallisirt in warzenförmig vereinigten Nadeln wie
die Aconitsäure, aber leichter wie diese, und ist ebenfalls in
Äther leicht löslich. Beim Erhitzen schmilzt sie, verbrennt mit
Hinterlassung von wenig Kohle und giebt im Röhrchen erwärmt
kein krystallisirendes Sublimat wie das von Dessaignes beob-
achtete Reduktionsprodukt der Aconitsäure.
Die Citracetsäure scheint nicht zu krystallisiren und
bietet der Untersuchung einige Schwierigkeiten dar, so dafs die
Formel noch nicht mit Bestimmtheit hat festgestellt werden kön-
nen. indessen kann dieselbe von der der Aceconitsäure wohl
nicht viel abweichen, da die gemischten Äther fast genau die
Zusammensetzung des Aceconitäthers zeigten. Sie ist eine drei-
basische Säure, indessen scheint das dritte Metall nur schwach
gebunden zu sein, da das dreibasische Barytsalz stark alkalısch
reagirt. Die Silber- und Blei-Salze sind amorphe Niederschläge,
erde Me ee
vom 4. August 1864. 587
welche sich in Wasser lösen; ersteres schwärzt sich sehr schnell
am Lichte.
Die Formel der Aceconitsäure kann folgendermalsen ge-
C,H, .C,0,
10)
1}
schrieben werden: 3, indessen muls man da-
bei berücksichtigen, dafs, der Entstehung nach, der Kohlenwas-
serstoff C,H, der Grund des Zusammenhanges der drei Kohlen-
oxyde ist. Ferner ergiebt sich aus der Bildung dieser Säure,
dals die Kohlenoxyde mit dem Reste in derselben Weise ver-
bunden sind, wie dies in der Essigsäure der Fall ist. Da nun
zum vollständigen Verständnifs einer mehrbasischen Säure es nur
erforderlich ist, die Natur des Restes und die Art und Weise
zu kennen, wie die CGarboxyle mit demselben verbunden sind,
so bleibt bei der Aceconitsäure nur die Natur des Kohlenwas-
serstoffs C,H, aufzuklären. Wenn derselbe mit dem Allyl iden-
tisch ist, so dürfte die Aceconitsäure mit der Carballylsäure
übereinstimmen, welche Simpson aus dem Allyltrieyanid erhal-
ten, aber noch nicht näher beschrieben hat. Die Beziehungen
der besprochenen Säuren zu der Citronensäuregruppe bleiben
noch aufzuklären.
2. Von Hrn. Theodor Deichsel: Über die Mesoxal-
säure.
Die Mesoxalsäure, deren Harnstoffverbindung das Alloxan
ist, wurde von Liebig und Wöhler entdeckt, aber nur un-
vollkommen beschrieben. Seitdem haben nur Svanberg und
Kolmodin in den Verhandlungen der schwedischen Akademie
einige Angaben über diese Säure gemacht, die aber unrichtig
sind. Andere Chemiker haben sogar die Existenz derselben be-
zweifelt wahrscheinlich wegen der schwierigen Darstellung, wel-
che aber immer nach der Liebig- und Wöhler’schen Methode
sicher von Statten geht, wenn man nur einige Vorsichtsmalsre-
geln beobachtet.
Die aus dem Blei oder dem Barytsalz gewonnene Säure
krystallisirt aus der syrupdicken Lösung im Exsiccator in deut-
lich ausgebildeten prismatischen Krystallen, die an der Luft au-
fserordentlich schnell zerflielfsen. Die Säure besitzt bei 100°
388 Gesammtsilzung
getrocknet die Zusammensetzung: C,;H,O, und schmilzt bei 115°
unter theilweiser Zersetzung. Die concentrirte Lösung zersetzt
sich aber schon bei 70—80°. Die Krystalle sind in Alkohol
löslich, nicht in Äther.
Die Mesoxalsäure ist eine starke zweibasische Säure und
bildet vorzugsweise Salze mit zwei Metall. Die Salze enthalten
wie die freie Säure ein Molekül Wasser mehr, wie die Formel
50h 110: verlangt mit Ausnahme des Ammoniaksalzes, ein Ver-
nn welches auch die Glyoxalsäure zeigt.
Der mesoxalsaure Baryt krystallisirt in deutlich ausge-
bildeten Krystallen und zeigt bei 120° getrocknet die Zusam-
menzetzung C,Ba,0, + 3ag.
Das mesoxalsaure Natron C;Na,0, + 2agq bildet feine
Blättchen.
Basisches mesoxalsaures Bleı C,;,Pb,0O, +2PbHO
bildet sich auch bei Anwendung freier Mesoxalsäure als amor-
pher Niederschlag, der sich zu einem körnigen Pulver zusam-
mensetzt.
Das mesoxalsaure Silber C;Ag,O, + 2aq, bildet
schwerlösliche Nadeln.
Das mesoxalsaure Ammoniak C,(HN,),O, ist das
einzige wasserfreie Salz und krystallisirt körnig. Die wässrige
Lösung färbt sich an der Luft roth ähnlich wie Murexid, und
es verdankt daher dieser Körper seine Färbung wahrscheinlich
einem Amide der Mesoxalsäure.
Der Äther der Mesoxalsäure entsteht durch Erhitzen
des Silbersalzes mit Jodäthyl, welches zweckmälsig mit dem dop-
pelten Volum Äther vermischt wird. Es ist ein nicht ohne
Zersetzung flüchtiges, dickflüssiges Öl, welches sich mit Wasser
sogleich in Mesoxalsäure und Alkohol spaltet. Die Analyse gab
Zahlen, welche auf die Formel C;(C,H,)z,0,; +H;O führen,
vielleicht gehört das Wasser, welches allen Salzen mit Ausnahme
des Ammoniaksalzes hartnäckig anhängt, zur Constitution der
Säure.
Eine verdünnte Lösung von Mesoxalsäure wird durch 24-
stündiges Behandeln mit Natriumamalgam in Tartronsäure
vom 4. August 1864. 589
übergeführt, welche mit der von Dessaignes aus der Nitro-
weinsäure erhaltenen übereinstimmt:
C,H,0O, -0O = C,H,O,
Mesoxalsäure Tartronsäure,
Nach dem Neutralisiren mit Salpetersäure erhält man mit salpe-
tersaurem Silber einen amorphen Niederschlag, der sich bald in
. körnige Krystalle verwandelt und in kaltem Wasser schwer, in
heifsem ziemlich leicht löslich ist. Derselbe ist tartronsaures
Silber C,H, Ag, 0O,, er verpufft beim Erhitzen ziemlich stark.
Wenn die Mesoxalsäure wirklich die Formel C; H,O, be-
sitzt, so kann man sie als Dioxymalonsäure betrachten:
C,H,0, C, H(HO)O, - C,(H0),0,
A Dar 5} 0; 130:
Malonsäure Tartronsäure Mesoxalsäure
und mülste dann die Bildung des wasserärmeren Ammoniaksalzes
und des Alloxans durch einen ähnlichen Wasseraustritt wie bei
der Entstehung der Fumarsäure aus Apfelsäure erklären.
C,(H0),0, C;0;
0,-H,0 =
A. r 7 u). r
Jedenfalls ist dieses Verhalten auch für das Studium der Gly-
oxalsäure interessant, da man diese Säure auch als Dioxyessig-
säure betrachten kann:
-G6,H,0 C,H,(HO)O C, H(HO),O
a0 u)0
Essigsäure Glykolsäure Glyoxalsäure.
Die aus Alloxan dargestellte Mesoxalsäure ist identisch mit
der von Baeyer durch Oxydation der Amidomalonsäure erhal-
tenen. Da die Mesoyalsäure durch Reduktion Tartronsäure giebt,
so ist jetzt auch experimentell nachgewiesen, dafs die Diatur-
säure die Harnstoffverbindung derselben ist, und somit sind
sämmtliche Säuren aus der Harnsäure dargestellt, deren Harn-
stoffverbindungen die Glieder der Alloxangruppe bilden.
390 Gesammtsitzung
3. Von Hrn. Burg: Über die Ölsäure.
Über das Verhalten der Ölsäure zu Chlor und Brom exi-
stiren nur sehr oberflächliche Angaben, die mich veranlafsten die
Einwirkung von Brom auf diese Säure einer genaueren Unter-
suchung zu unterwerfen. Tröpfelt man Brom zu reiner krystal-
lisirter Ölsäure so entweicht unter Erwärmung viel Bromwas-
serstoff, und es bildet sich eine bromhaltige Säure, welche merk-
würdiger Weise die Zusammensetzung C;,;H,,Br;O, besitzt,
also durch Verdoppelung des Ölsäuremoleküls unter Eintritt von
3Br entstanden ist. Die Bromölsäure ist eine dicke Flüssig-
keit von angenehmen Geruch, die sich in Alkohol und Äther
löst und bei 170° zersetzt. Sie ist eine einbasische Säure, und
giebt Salze, die nicht krystallisiren und schmierig sind. Der
bromölsaure Baryt ist eine zähe gummiartige Masse, die in
Äther löslich und daraus durch Alkohol fällbar ist.
Die Einwirkung des Broms auf die Elaidinsäure ist ganz
verschieden, es findet dabei keine Bromwasserstoff- Entwicklung
statt und es bildet sich ein einfaches Additionsprodukt. Die
Bromelaidinsäure besitzt die Zusammensetzung C, ;H,,Br,O,
und bildet eine weilse krystallinische Masse, welche bei -+ 27°
schmilzt und in Alkohol und Äther löslich ist. Sie ist einba-
sisch, das Barytsalz gleicht dem bromölsauren Baryt, trocknet
aber zuletzt zu einer zerreiblichen Masse ein. Natriumamalgam
nimmt das Brom weg und giebt wieder die ursprüngliche Elai-
dinsäure von 45° Schmelzpunkt. i
Oxyölsäure C,;H;,O, entsteht beim Kochen der Brom-
ölsäure mit Wasser und Silberoxydhydrat, und ist eine sehr
dicke Flüssigkeit von ranzigem Geruch, die nach langem Stehen
fest wird. Sie ist einbasisch, das Barytsalz ist eine zähe zer-
fliefsliche Masse.
Aus den angeführten Thatsachen ergiebt sich, dafs nicht die
Ölsäure in die Reihe der Angelikasäure gehört, welche sich, wie
Jaff& gezeigt hat, direkt mit Brom verbindet, sondern vielmehr
die Elaidinsäure. Diese Säure stimmt auch in ihrem Verhalten
gegen Natriumamalgam mit der Angelikasäure überein, indem
dieses Reagens aus den Bromverbindungen das Brom wegnimmt,
ohne dafür Wasserstoff eintreten zu lassen. Die Elaidinsäure
bildet sich übrigens nur aus reiner Ölsäure. Behandelt man an
vom 4. August 1864. sy
der Luft veränderte mit salpetriger Säure, so bekommt man nicht
Blätter sondern Warzen, welche sich auch mit Brom verschie-
den verhalten und ein Gemenge von Bromölsäure und Bromelai-
dinsäure zu liefern scheinen. Vielleicht ist daher die warzige
Elaidinsäure eine Verbindung von Ölsäure mit der blättrigen.
Über die Natur der Ölsäure schwebt noch ein Dunkel, in-
dessen spricht die leichte Zersetzbarkeit und die Fähigkeit der-
selben sich zu condensiren und mannigfaltige Umwandlungspro-
dukte zu geben dafür, dafs sie ein aldehydartiger Körper ist.
Vielleicht steht sie zur Elaidinsäure in derselben Beziehung wie
der Aldehyd von Church zur Essigsäure.
4. Von Hrn. Jaffe: Über die Bromangelikasäure.
Die Angelikasäure addırt sich direkt zu Brom und giebt
eine krystallisirende Verbindung die Bromangelikasäure
C,H,Br,O,. Zur Reinigung derselben stellt man das Kalisalz
dar und fällt dasselbe durch überschüssige Kalilauge, in der es
unlöslich ist. Aus der wässrigen Lösung des Kalisalzes fällt
dann Salzsäure die Bromangelikasäure als schnell krystallisirendes
Öl, welches in Wasser schwer, in Alkohol und Äther leicht
löslich ist. Die Säure schmilzt bei 76° unter Zersetzung.
Die Bromangelikasäure ist einbasisch und giebt mit den Al-
kalien und Erden leicht lösliche krystallisirbare Salze, mit den
meisteu schweren Metallen unlösliche Verbindungen. Die Salze
sind unbeständiger als die Säure selbst. Das Baryt und das
Silbersalz zersetzen sich schon bei gewöhnlicher Temperatur.
Die Bromangelikasäure giebt bei Behandlung mit Natrium-
amalgam sehr leicht das Brom ab und liefert wieder Angelika-
säure, ein Verhalten das ganz von dem der Fumarsäure und
der Citraconsäure abweicht, und beweist, dals die Neigung der
Angelikasäure sich mit 2 Atomen Wasserstoff zu verbinden
eine sehr geringe ist. Es scheint übrigens dieses Verhalten
für die ganze Angelikagruppe charakteristisch zu sein, da
Burg bei der so weit abstehenden Elaidinsäure dasselbe beob-
achtet hat.
[1364.] 43
592 Gesammitsitzung
Erwärmt man bromangelikasaures Kali mit wenig Wasser
so destillirt unter Entwicklung von Kohlensäure ein Öl über,
welches bei der Rectification zum gröfsten Theil zwischen 80
‘und 90° übergeht und gebromtes Butylen oder diesem isomer zu
sein scheint. Die Zersetzung würde dann folgendermaflsen vor
sich gehen: HHlzBne ea O=C,H, Br+KBr-+CO,, und
K
ein Mittel an die Hand geben durch das Studium des C,H,bBr
die Natur der Angelikasäure aufzuklären.
Diese Untersuchungen sind in dem, von Hrn. Dr. A.
Baeyer geleiteten, Laboratorium des K. Gewerbe-Instituts hier-
selbst ausgeführt.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Comptes rendus de lacademie des sciences. Tome 58, no. 24— 26.
Tome 59, no. 1. Paris 1864. 4.
Annales des mines. Livr. 1. Paris 1864. 8.
Bulletin de lacademie de Belgique. no. 7. Bruxelles 1864. 8.
The Natural History Review. no. 15. London 1864. 3.
Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. VIII, no.4. Lon-
don 1864. 8.
Schweizerisches Urkundenbuch. 1,1. Bern 1863. 8.
Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde. VII, 3—4.
IX, 1—4. Zürich 1862—1863. 8.
Hidber, Gesammelte historische Aufsätze. Bern 1864. 8.
Bericht über die 3te Versammlung von Berg- und Hütienmännern. Wien
1864. 8.
Poncelet, Applications d’analyse et de gcometrie. Tome II. Paris
1864. 8.
vom 11. August 1864. 593
41. August. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Ehrenberg las einen Theil seiner Untersuchun-
gen über das den Schlammgrund bildende Meeres-
leben des Süd-Oceans bei Japan und theilte neue Bei-
träge zur Kenntnils des mikroskopischen Lebens
der Molukken-Inseln mit.
Hr. Magnus trug folgendes vor: Über Wärmestrah-
lung.
Vor einiger Zeit sind in einer Note über die Beschaffen-
heit der Sonne Versuche über das Ausstrahlungsvermögen des
Natrons, Lithions, Kaliums u. a. m. für die Wärme von mir
mitgetheilt worden'). Sie waren in der Art angestellt, dafs
die Ausstrahluug einer, in einer Bunsenschen Flamme befind-
lichen Platinplatte verglichen wurde mit der einer ganz gleichen
Platte, die mit geschmolzenem kohlensaurem Natron oder Li-
thion u. s. w. überzogen war. Es schien nicht unwahrschein-
lich dafs das grolse Ausstrahlungsvermögen dieser Substanzen
darin seinen Grund habe, dafs in der hohen Temperatur, der
dieselben ausgesetzt wurden, sich fortwährend einzelne Theile
losreilsen, welche das intensive, eigenthümlich gefärbte Licht der
Flamme hervorbringen. Diese Theilchen kann man in dem Au-
genblick wo sie sich losreilsen, als ebensoviele Spitzen betrach-
ten, und es wäre defshalb möglich, dals die Ausstrahlung durch
diese Spitzen, oder durch die Rauheit der Oberfläche der glü-
henden Substanzen bedingt werde. Denn bekanntlich strahlen
die metallischen Oberflächen, mehr Wärme aus wenn sie
rauh, als wenn sie glatt sind, sei es wegen der Spitzen
welche sie darbieten, oder wie Mellonı?) und Knoblauch?)
behaupten, weil sie im rauhen Zustande von geringerer Dich-
tigkeit sind als im glatten.
t) Monatsberichte für 1864. p. 166. Poggendorff’s Annalen
CXXTL. 510.
*) Thermochröse p. 90. Anmerk.
*) Pogg- Annal. LXX. 340.
43*
594 Gesammtsitzung .
Um zu ermitteln ob die gröfsere Ausstrahlung des Natrons
und der: ähnlichen Substanzen von dem Losreifsen. jener klei-
nen Theilchen abhänge, wurde ihr Ausstrahlungsvermögen bei
100° C. mit dem des Platins verglichen. Hierzu diente ein
besonders construirter kleiner Apparat, der durch Wasserdämpfe
erhitzt wurde, und an dessen strahlender Fläche, die 22”” im
Durchmesser hatte, abwechselnd verschiedene Platten angebracht
werden konnte. Das Ergebnifs war, dals auch bei 100° eine
Platinplatte, auf der geschmolzenes Natron sich befindet, sehr
viel mehr Wärme ausstrahlt als eine Platinplatte ohne solchen
Überzug. Es ist schwierig genaue Messungen über das Ver-
hältnils dieser Ausstrahlungen anzustellen, da das kohlensaure
Natron eine so starke Cohäsion oder Tropfenbildung besitzt,
dals es leicht an einer Stelle der Platte zusammenfliefst und sich
nicht nur nicht gleichmälsig über dieselbe verbreiten läfst, son-
dern sich häufig von einzelnen Theilen der Platte ganz fort-
zieht. Allein die Versuche haben doch so viel gezeigt, dals
das Verhältnils der Ausstrahlung zwischen dem Platin und dem
Natron bei 100° C. ähnlich wie bei der Temperatur der Bun-
senschen Flamme ist.
Hieraus geht hervor, dals das grofse Ausstrahlungsvermögen
des Natrons, und der ähnlichen Substanzen, nicht von den in
der Glühhitze losgerissenen Theilchen herrührt.
Das Ausstrahlungsvermögen dieser Theilchen ist überhaupt
nur sehr gering, viel unbedeutender als in der Note „über
die Beschaffenheit der Sonne” in Pogg. Anal. a. a. O.
angegeben ist. Erneute Versuche haben gezeigt dals die durch
Natron leuchtende Flamme, bei Anwendung aller Vorsichts-
malsregeln, wenn durchaus keine von einem festen, nicht zur
Flamme gehörenden Körper ausgehenden Strahlen zur Säule
gelangen, kaum mehr Wärme ausstrahlt als im nichtleuchtenden
Zustande. Die Theilchen des Natrons, welche sich in der
Flamme befinden, genügen zwar ihr Leuchtvermögen zu stei-
gern, aber ihre Masse ist zu gering um die Ausstrahlung der
Wärme bedeutend zu vermehren.
Bei der Temperatur von 100° C. fehlen diese Theilchen
ganz und doch ist das Verhältnifs zwischen der Ausstrahlung
vom 41. August 1864. 595
des Natrons und des Platins nicht geringer, als wenn beide
glühend sind.
Das Platin selbst zeigt übrigens in Bezug auf seine Aus-
strahlung grofse Verschiedenheit. Überzieht man eine glatte
Platinplatte mit Platinschwamm, sei es indem man Platinsalmiak
auf dieselbe bringt und stark glüht, oder indem man Platin
galvanoplastisch darauf niederschlägt, so wird ihr Ausstrahlungs-
vermögen so grols, dals es dem des Natrons gleich kommt,
bisweilen dasselbe sogar übertrifft.
Man könnte bei den Versuchen in der Bunsenschen Flamme
diese Steigerung der Ausstrahlung davon herleiten, dafs der Pla-
tinschwamm, wegen seiner lockeren Beschaffenheit, eine höhere
Temperatur annimmt als die feste Platte, mit welcher er ver-
glichen wird; allein auch bei der Temperatur von 100° €.
strablt eine mit Schwamm überzogone Platte mehr Wärme
aus, als ohne diesen Überzug und zwar in demselben Verhält-
nifs wie in der Flamme. Bei 100°, wo die Erwärmung der
Platte von ıhrer Rückseite aus stattfindet, kann aber der
Schwamm, der seine Wärme erst von der Platte erhält, in kei-
nem Falle wärmer sein als diese.
Drückt man den Schwamm mittelst eines Polirstahls zu-
sammen, so nimmt sein Ausstrahlungsvermögen ab, und in dem
Maafse, als man ihn’ durch Drücken, Hämmern oder auf andere
Weise dichter macht, nimmt die Ausstrahlung ferner ab. Dies
Verhalten kann aber nicht als Beweis angesehen werden, dals
die Ausstrahlung von der Dichtigkeit und nicht von der Rauh-
heit bedingt werde, denn mit dem Dichterwerden des Schwam-
mes nımmt seine Rauhigkeit zugleich ab.
Es schien von Interesse zu erfahren wie sich die Aus-
strahlung des sogenannten Platinschwarzes verhalte, das bekannt-
lich auch nur metallisches Platin, aber in einem Zustande sehr
viel gröfserer Vertheilung als. der Schwamm ist. Dieser Kör-
per, der sich nur bei niederer Temperatur anwenden lälst, war
schwierig behufs seiner Erwärmung zu befestigen. Ich habe
kein besseres Mittel gefunden, als eine Platinplatte ganz dünn
mit etwas Fett gleichmälsig zu bestreichen und darauf das
Platinschwarz leicht anzudrücken. ‚Schütte man dann die
Platte, so bleibt das Schwarz gleichmälsig haften. So über-
396 Gesammtsitzung
zogene Platten strahlen etwa 25 pC. mehr Wärme aus, als
wenn sie mit Platinschwamm überzogen sind.
Von ganz ähnlicher Stärke wie das Ausstrahlungsvermögen
des Platinschwarzes ist das des Kienrulses oder Lampenschwar-
zes, wenn dasselbe in ähnlicher Weise auf der Platinplatte be-
festigt wird. Ob beide auch in Bezug auf ihre Wärmefarbe
sich gleich verhalten mufs dahingestellt bleiben.
Für jede Theorie, welche die Erscheinungen der Wärme
auf Bewegung zurückführt, ist die Frage, ob die Gröfse der
Ausstrahlung durch die Rauhigkeit der Oberfläche bedingt wird,
von besonderer Wichtigkeit. Melloni') und Knoblauch’)
behaupten, dafs sie nicht von der Gestalt, sondern nur von der
Dichtigkeit der Oberfläche abhänge. Unter den sinnreichen
Versuchen, welche Melloni für seine Behauptung anführt, hat
wohl keiner eine so grolse Beweiskraft als die Beobachtung, dals
nicht alle Substanzen bei rauher Oberfläche mehr Wärme aus-
strahlen als bei glatter. So strahlen nach ihm Marmor, Jei,
Elfenbein, Quarz, Gyps und andere im rauhen Zustande nicht
mehr Wärme als im glatten aus. Ebenso verhält sich, wie ich
gefunden habe, Glimmer, sowohl weilser als schwarzer von
Miask, und sehr viele nicht metallische Substanzen. Alaun, als
feines Pulver angewandt, schmilzt bei 100° C. und zeigt bei
geschmolzener Oberfläche fast dieselbe Ausstrahlung wie als
rauhes Pulver. Zucker, in Pulverform angewandt, strahlt kaum
mehr aus als im geschmolzenen Zustande.
Andererseits giebt Melloni zu, dals die Metalle, wenn
sie in dem Zustande von chemischen Niederschlägen, also in
grolser Vertheilung auf die Flächen des Leslie'schen Würfels
gebracht werden, ein sehr grolses Ausstrahlungs-Vermögen
zeigen.
Ebenso verhalten sich Feilspähne. Auch diese vermehren,
wenn sie auf eine rauhe metallische Oberfläche desselben Me-
talls gebracht werden, die Ausstrahlung sehr bedeutend. Um
jedem Einwande gegen diesen Versuch zu begegnen, habe ich
die Platinplatte, auf welcher die Feilspähne sich befanden, so
ı)A.20.
*) Desgl.
vom 11. August 1864. 397
dünn gewählt, dafs die hervorragendsten Spitzen dieser Spähne
der Thermosäule nicht näher waren, als die vordere Fläche einer
dickeren, rauhen damit verglichenen Platte, welche aus dem-
selben Metallstück geschnitten war, von welchem die Spähne
erhalten worden.
Mit gleichem Erfolg wurde der Versuch mit Aluminium
angestellt. Dies Metall strahlt übrigens, sowohl glatt als rauh,
verglichen mit Platin oder Silber, mehr Wärme aus als diese.
Melloni bemüht sich die grölsere Ausstrahlung auch bei
den pulverförmigen Körpern, bei denen sie statifindet, auf eine
Verschiedenheit der Dichtigkeit zurückzuführen, indem er sagt,
dals die getrennten Oberflächen der kleinen Theile weniger
dicht seien als die glatte zusammenhängende Oberfläche des-
selben Metalls. Diese Ansicht möchte wohl nicht Stich halten.
Man wird schwerlich behaupten können, dafs die Feilspähne
weniger dicht seien als die rauhe Oberfläche des Metalls, aus
dem sie erhalten worden, und ebensowenig wird man zugeben
können, dafs das Platinschwarz weniger dicht sei als der Pla-
tinschwamm, sondern nur, dals es sich in einem Zustande grö-
fserer Vertheilung befindet. Man wird delshalb genöthigt an-
zunehmen, dafs aufser der Dichtigkeit, auch der Grad der
Vertheilung bei den Metallen einen Einfluls auf die Ausstrah-
lung ausübt. Welches aber auch der Zustand des Metalls sein
mag bei welchem die gröfsere Ausstrahlung eintritt, geringere
Dichtigkeit oder gröfsere Vertheilung der Substanz, man ist
immer genöthigt zuzugeben, dals die Bewegungen der Theile
des Körpers selbst, oder des zwischen seinen Theilen enthal-
tenen Äthers, welche wir als Wärme bezeichnen diese ihre
Bewegung an den, die Wärme durch den Raum fortpflanzen-
den Äther, schwieriger abzugeben vermögen, wenn sie sich in
der glatten Oberfläche des Metalls befinden, als wenn diese
Oberfläche rauh oder weniger dicht ist, oder die Substanz sich
auf derselben in einem Zustand gröfserer Vertheilung befindet.
Weshalb die Änderung der Dichtigkeit und der Verthei-
lung gerade bei den Metallen eine so sehr verschiedene Mit-
theilung dieser Bewegung bedingt, dafür lälst sich wohl
‘eine Voraussetzung machen, und aus solcher Voraussetzung
5398 Gesammtsitzung
ergiebt sich dann leicht ein einfacher Zusammenhang zwischen
der Ausstrahlung, der Absorption, der Diathermansie und der
Leitung der Körper für die Wärme.
Hr. Professor A. W. Hofmann aus London hielt einen
Vortrag: Beiträge zur Kenntnifs der Kohlentheer-
farbstoffe. Zweite Mittheilung: Phenyltolylamin.
Die Auffindung des Diphenylamins unter den Zersetzungs-
producten des Anilin-Blaus (Triphenyl-Rosanilin), welche ich
vor Kurzem der Akademie mitgetheilt habe (Sitzungsberichte 1864
pag. 369), mulste mich veranlassen, das Verhalten analog ge-
bildeter Körper ın ähnlicher Richtung zu untersuchen. Meine
Aufmerksamkeit hat sich zunächst dem Farbstoffe zugewendet,
welchen man als Toluidin-Blau bezeichnen kann.
Erhitzt man ein Rosanilinsalz, das Acetat z. B. mit dem
doppelten Gewichte Toluidin, so wiederholen sich sämmtliche
Erscheinungen, welche man bei dem entsprechenden Versuche
mit Anilin beobachtet. Unter starker und dauernder Ammo-
niakentwickelung durchläuft das Rosanılin nach und nach sämmt-
liche Nuancen von Violet, bis es endlich nach fünf bis sechs
Stunden in eine braune metallglänzende Masse verwandelt ist,
welche sich in Alcohol mit tiefindigoblauer Farbe auflöst.
Diese Masse ist das essigsaure Tritolyl-Rosanilin.e Durch Be-
handlung mit alcoholischem Ammoniak und Wasser Zusatz er-
hält man die Base, aus der sich die verschiedenen Salze darstel-
len lassen. Ich habe nur eines, das chlorwasserstoffsaure, ana-
Iysırt. Mehrmals aus siedendem Alcohol umkrystallisirt erhält
man dasselbe in Gestalt kleiner blauer, in Wasser unlöslicher
Krystalle, welche bei 100° getrocknet nach der Formel:
H,
C, ıH; sN;Cl = C;o (C,H,);
N,, HCI
zusammengesetzt sind.
Die Bildung des Toluidin-Blaus ist mithin der des Anılin-
Blaus vollkommen analog:
vom 41. August 1864. 599
C,0H,sN;, a 0+3 eh
AR H,e C,H,0
=3H, N+Ceo.c.H,), Ns; Hy 10.
Ich habe mich nicht damit aufgehalten, die Eigenschaften
dieser neuen Reihe von Farbstoffen im Einzelnen zu verfolgen.
Sie sind im Allgemeinen löslicher, als die entsprechenden Phe-
nylverbindungen und deshalb minder leicht im Zustande der Rein-
heit zu gewinnen.
Unterwirft man eines dieser Salze, z. B. das Acetat, der
trocknen Destillation, so entweicht zuerst Wasser und Essig-
säure, alsdann erscheinen unter Ammoniakentwickelung ölige
Producte, welche im Verhältnifs als die Temperatur steigt mehr
und mehr dickflüssig werden und endlich krystallinisch erstar-
ren. Vorausgesetzt dals man nicht in allzugrolsem Malsstabe
gearbeitet hat, bleibt eine verhältnilsmälsig geringe Menge leich-
ter poröser Kohle in der Retorte zurück. Das ölıge Destillat
enthält verschiedene Basen. Die von niedrigerem Siedepunkte
sind fast ausschliefslich Anilin und Toluidin. Der Hauptantheil
des bei hoher Temperatur siedendem Products ist eine aufser-
ordentlich schön krystallisirende Base, welche sich mit grofser
Leichtigkeit reinigen läfst. Durch Aufgiefsen von kaltem Spi-
"ritus auf die Masse verfilzter Krystalle entfernt man schnell eine
braune Mutterlauge, welche noch andere Verbindungen enthält;
man hat alsdann nur noch aus siedendem Alcohol umzukrystal-
lisiren, um die Base im Zustande vollkonımenster Reinheit zu
gewinnen.
Der neue Körper zeigt in seinem Verhalten viel Ähnlich-
keit mit dem Diphenylamin. Wie letzteres vereinigt er sich
mit den Säuren zu lose zusammengehaltenen Verbindungen,
welche in Berührung mit Wasser, durch Erwärmen, ja schon
im luftleeren Raum in ihre Bestandtheile zerfallen. Mit Salpe-
tersäure übergossen nehmen die Krystalle sofort eine blaue
Farbe an, die vielleicht mehr ins Grüne spielt, allein der ana-
logen Farbenreaction des Diphenylamins in so hohem Grade
gleicht, dals man nach diesem Kennzeichen allein beide Sub-
stanzen mit einander verwechseln würde. Die beiden Basen
600 Gesammtsitzung
unterscheiden sich aber wesentlich in ihren Löslichkeitsverhält-
nissen, in Schmelz- und Siedepunkt, besonders aber in ihrer
Zusammensetzung. Die neue Base ist in Alcohol viel schwerer
löslich als das Diphenylamin; sie schmilzt erst bei 87°, während
der Schmelzpunkt des Diphenylamins bei 45° liegt, ihr Siede-
punkt endlich ist 334°,5 (corr.), bei welcher Temperatur sie
ohne Zersetzung übergeht, während das Diphenylamin bei 310°
(corr.) siedet.
Die bei der Analyse erhaltenen Zahlen führen zu der Formel
C,H, ;N.
Ein chlorwasserstoffsaures Salz, welches man durch Zusatz
von concentrirter Chlorwasserstoffsäure zur alcoholischen Lö-
sung der Base in Blättchen erhält, zeigte über Kalk getrocknet
die Zusammensetzung:
C,;H,;N, HCl
Bildungsweise und sein Verhalten characterisiren den neuen
Körper als das gemischte secundäre Monamin der Phenyl- und
Tolyl-Reihe, als Phenyltolylamin '):
C,H,
H
Das gleichzeitige Auftreten des Phenyl- und Tolyl-Radicals
in dem Molecül der neuen Base, lieh dem Verhalten derselben
1) Es verdient bemerkt zu werden, dafs die Kohlenstoffprocente des
Diphenylamins, des Phenyltolylamins und des Ditolylamins nahe zu zu-
sammenfallen;
Diphenylamin. Phenyltolylamin. Ditolylamin.
Kohlenstoff 85,21 85,24 85,28
Wasserstoff 6,51 7,10 7,61
Allein die Wasserstoffprocente characterisiren die drei Körper. Bei der
Analyse des Phenyltolylamins wurden folgende Zahlen erhalten:
| 1. 1.
Kohlenstoff 85,10 85,11
Wasserstoff 7,30 7,33.
vom 11. August 1864. 601
unter dem Einflusse wasserstoffentziehender Agentien besonde-
res Interesse und in der That, nachdem ich die Natur derselben
erkannt hatte, war einer meiner ersten Versuche, sie mit Queck-
silberchlorid zusammenzuschmelzen. Beide Körper vereinigen
sich zu einer dunkeln Masse, welche sich in Alcohol mit pracht-
voller violettblauer Farbe auflöst. Der so gebildete Körper zeigt
im Allgemeinen das Verhalten der durch Substitution aus dem
Rosanilin abgeleiteten Farbstoffe. Es dürfte bei den besonde-
ren Eigenschaften dieser Klasse von Substanzen schwer sein,
die neue Verbindung in hinreichender Menge für eingehende
Untersuchung darzustellen, allein der Bildungsweise nach zu
schlielsen darf man erwarten, dals sie sich als Tolyldiphenyl-
rosanılin
G; 0 H, 6
En). N,, H,O
C,H,
herausstellen wird.
Noch mögen folgende Versuche, welche ich mit dem Phe-
nyltolylamin angestellt habe, kurze Erwähnung finden.
Benzoylchlorid wirkt beim Erwärmen heftig ein. Die lange
flüssıg bleibende Verbindung wird bei geeigneter Behandlung
mit Wasser, Alcalı und Alcohol zuletzt fest und liefert alsdann,
aus siedendem Alcohol anschielsend, wohlausgebildete Krystalle
C,H,
C,H,-,NO=C,H, {N
C,H,0
welche löslicher sind, als der entsprechende Diphenylkörper.
Bemerkenswerih ist die Leichtigkeit, mit der sich die neue
Verbindung nitrirt. Mit gewöhnlicher starker Salpetersäure
übergossen werden die Krystalle sofort flüssig; fährt man mit
Zusatz von Salpetersäure fort, bis sich die Krystalle lösen, so
fällt Wasser aus der Flüssigkeit eine gelbe krystallinische Di-
nitroverbindung
C;H,(NO,)
C,,H,;N;0,;, =C,H,(NO,); N
C,H,0
602 Gesammtsitzung
welche durch Umkrystallisiren aus siedendem Alcohol in kleinen
gelbrothen Nadeln erhalten wird. Bei ganz ähnlicher Behand-
lung liefert die entsprechende Diphenylverbindung das Mononi-
trosubstitut. Bei der Einwirkung kalter rauchender Salpetersäure,
welche die Diphenylverbindung in das Dinitrosubstitut verwan-
delt, bildet sich aus dem benzoylirten Phenyltolylamin ein Ni-
troderivat, welches nach einer annähernden Bestimmung 5 Atome
NO, enthält.
Das Dinitrophenyltolylbenzoylamid löst sich in alcoholischer
Natronlauge mit schwach carminrother Farbe auf. Nach dem
Aufsieden hat diese Verbindung ihr Benzoylatom verloren und
die nunmehr anschiefsenden, durch Auflösen in siedendem Al-
cohol leicht zu reinigenden Krystalle enthalten
C,H,(NO,)
C,H,,N;0,=C,H,(NO,) N.
H
Endlich mit Reductionsmitteln behandelt geht der dinitrirte
Phenyltolylbenzoylkörper in schöne weilse Krystallnadeln einer
neuen Base über, auf die ich später besonders zurückzukommen
denke, sobald ich mir gröflsere Mengen von Phenyltolylamın
verschafft haben werde.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, dals man zur Ge-
winnung dieses Körpers nicht erst das reine Toluidin-Blau dar-
zustellen hat. Es genügt, eine Lösung des gewöhnlichen, kry-
stallisirten und getrockneten essigsauren Rosanilins in dem dop-
pelten Gewichte Toluidins einige Stunden lang in einem Kolben
mit aufgesetzter Röhre im Sieden zu erhalten und die blau ge-
wordene Masse alsdann über freiem Feuer zu destilliren. Das
Destillat wird mit Chlorwasserstoffsäure und alsdann mit Was-
ser versetzt. Auf diese Weise bleiben Anilin und Toluidin,
so wie andere das Phenyltolylamin begleitende basische Körper
als salzsaure Salze gelöst; die sich abscheidende Ölschicht er-
starrt in der Regel, oder kann durch Rectification leicht gerei-
nigt werden. Die erhaltenen Krystalle werden aus Alcohol
umkrystallisirt.
In ganz ähnlicher Weise kann man bei der Darstellung
des Diphenylamins verfahren.
vorn 11. August 1864. 603
Wenn ich dem Diphenyl- und dem Phenyltolyl-Amin viel-
leicht grölsere Aufmerksamkeit gewidmet habe, als sie auf den
ersten Blick zu verdienen scheinen, so geschah dies in der Hoff-
nung weitere Anhaltspunkte für die Erforschung der merkwür-
digen Farbstoffe zu gewinnen, von denen sich diese Basen ab-
leiten. Die Constitution und Bildungsweise dieser Farbstoffe
ist noch immer in Dunkel gehüllt. Die Theorie ist, wie es so
oft zu geschehen pflegt, hinter der Praxis zurückgeblieben. Die
Erwartung, welche ich in einer früheren Ahhandlung aussprach,
dafs sich aus dem Verhalten Farbstoffe unter dem Einflusse ver-
schiedener Agentien die wahre Natur dieser Körper enthüllen
werde, hat sich nur sehr theilweise erfüllt. Es ist bis jetzt
weder gelungen die atomistische Construction der gedachten
Verbindungen, noch den Mechanismus ihrer Bildung in befrie-
digender Weise zu ermitteln, und es würde sich daher kaum
der Mühe lohnen, diese Frage vor ihrer definitiven Lösung
nochmals zu berühren, wenn nicht die Veröffentlichung irriger
Angaben über die Bildung des Anilinroths von Hrn. Schiff
die Forschung der Chemiker von diesem Gegenstande abzulen-
ken drohte.
Nach Hrn. Schiff bildet sich das Anilinroth aus dem Ani-
lin durch die Einwirkung des Zinnchlorids') nach der Glei-
chung:
2C;,H,N-+10SnCl,;, =3(C,.H,;N;, HCI) +6(C,H,N, HCl)
+ H,NCI + 10SnCl + 4C,H,N.
Durch Quecksilbernitrat *) nach der Gleichung:
22C,H-N + 1#HgNO, — 04, oN;, HNO,)
+6(C,H,N, HNO,) + H,N, NO, + 10 Hg,NO, + 4C;H,N.
Letztere Bildung mittelst des Nitrats vollendet sich bereits
bei 80° und ist nach Hrn. Schiff so elegant, dafs es ihm mög-
lich war quantitative Untersuchungen anzustellen. „Bis auf
einige Hundertel, sagt er, haben wir die verlangten Mengen der
gedachten Stoffe erhalten.”
') Schiff, Compt. Rend. LVI. 271.
?) Schiff, Compt. Rend. LV1. 545.
604 Gesammtsitzung
Die Gleichungen des Hrn. Schiff empfehlen sich weder
durch Einfachheit noch durch Eleganz, allein sie sind vollkom-
men unzulässig, insofern sie das eigentliche Wesen des Proces-
ses ganz und gar ignoriren. Ich habe bereits vor einiger Zeit
nachgewiesen, dafs die Rosanilinbildung an das gleichzeitige Vor-
handensein des Anilins und des Toluidins geknüpft ist.
Reines Anilin liefert kein Rosanılin, ebensowenig rei-
nes Toluidin. Diese Thatsache habe ich seitdem durch viel-
fach wiederholte Versuche ım Kleinen, wie im Grolsen über
allen Zweifel festgestellt ').
In den von Hrn. Schiff aufgestellten Gleichungen figu-
rirt ferner das Ammoniak als wesentliches Glied. Auf die Ge-
genwart von Ammoniaksalzen in der rohen Rosanilinschmelze
ist bekanntlich von Prof. Bolley zuerst aufmerksam gemacht
worden. Allein dieses Ammoniak, welches, wie ich selber be-
stätigen kann, niemals fehlt, ist, meiner Ansicht nach kein noth-
wendiger Begleiter des Anilinroths. Ich habe mich durch spe-
cielle sorgfältige Versuche überzeugt, dafs sich bei geeigneter
Behandlung und zwar bei niedrig gehaltener Temperatur durch
die Einwirkung von (uecksilberchlorid auf eine Mischung von
_ Anilin und Toluidin sehr erhebliche Mengen von Rosanilin bil-
den können, ohne dals sich mehr als eine Spur von Ammoniak
abscheidet. Das in der Regel auftretende Ammoniak gehört
1) Die Rosanilinbildung wird auf diese Art ein Mittel zum sichern
Nachweis für die Gegenwart des Toluidins. Der Toluidingehalt des rohen
Anilins kann unter eine gewisse Grenze sinken, so dals sich dasselbe we-
der durch Destillation noch durch Umwandlung in oxalsaure Salze länger
abscheiden lälst. Seine Gegenwart lälst sich aber alsdann immer noch
mittelst Quecksilberchlorids oder Arsensäure, welche alsbald beim Erwär-
men die carmoisinrothe Farbe hervorbringen, nachweisen. Aus gewissen
Indigosorten durch Destillation mit Kalihydrat dargestelltes Anilin liefert
bei der Behandlung mit Sublimat Spuren von Rosanilin. Ich schlieflse
daraus, dals das so gewonnene Anilin Toluidin enthält. Die Entstehung
des Toluidins aus dem Indigo liefse sich ohne Schwierigkeit erklären.
Ich erinnere an die Beobachtung von Cahours, nach welcher unter ge-
wissen Umständen Salicylsäure aus dem Indigo entsteht. Das aus kry-
stallisirten Isatin dargestellte Anilin liefert keine Spur von Rosanilin.
vom 11. August 1864. 605
einer andern Phase der Reaction, zumal der stets gleichzeitig
stattfindenden Blaubildung an.
Wollte man die Beziehung des Rosanılıns zu den Körpern,
aus denen es entsteht, ın Formeln fassen, so würde man in der
Gleichung
C,H,N+2C,H;,N=(C,,H,;3N; +#6H
einen der Wahrheit nahekommenden Ausdruck haben. Der
Wasserstoff würde als Wasser, als Chlor-, Brom-, Jodwasser-
stoff etc. entfernt werden.
Allein selbst diese Gleichung giebt über den Mechanismus
dieses merkwürdigen Processes keinen Aufschluls und es darf
die Lösung dieses chemischen Räthsels erst dann erwartet wer-
den, wenn die Spaltung des Rosanilins in die es zusammensetzen-
den Atomgruppen gelungen sein wird. In dieser Richtung ist
bis zum Augenblick nur geringer Fortschritt gemacht worden.
Gleichwohl erhellt schon jetzt aus der Bildung des Anilin- und
Toluidinblaus, so wie der durch Substitution von Alcoholradi-
calen entstehenden verschiedenen Violeite, dafs das Rosanilinmo-
lecül noch 3 Atome typischen Wasserstoffs enthält und dafs somit
das Atomencomplex C,,H,.; mit dem Werthe von 6 Atomen
Wasserstoff in dem Triamin fungirt. Hiemit ist aber auch die
Summe der ermittelten Thatsachen abgeschlossen. Über die Art
und Weise, wie die Kohlenstoff- und Wasserstoff-Atome in dem
Complex C,,H,, zu einfacheren Radicalen gruppirt sind, kann
man im Augenblick höchstens speculiren. Aus den Radicalen
Phenyl C,H, und Tolyl C,H, unter dem Einflusse Wasser-
stoff entziehender Agentien entstanden, könnte dieses Atomen-
complex die bivalenten Radicale Phenylen C,H, und Tolylen
C,H, enthalten,
(C;H,)”
(C2 oH,.)”=(C,H,)”
(C; H;)”
und wir hätten alsdann
Anilinroth. Anilinblau. Anilinviolet.
(C;H,)” (C,H, )” (C,;H,)”
(C,H,)2 EN, H,O (C,H,)} EN, H,O Come H,O.
H; (C,H,)3 (C,H,);
606 Gesammtsitzung vom 11. August 1864.
Allein man darf nicht vergessen, dafs dies eine einfache Hy-
pothese ist und dafs die Elementar-Atome in der Gruppe C,H, s
auch noch in mannigfach anderer Weise geordnet sein können.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Würtembergische Naturhistorische Jahreshefte. Jahrgang 19. Stutt-
gart 1863. 8.
Annalen der Sternwarte in München. 13. Band. München 1864. 8.
Bulletin des sciences naturelles. Tome 7. Luxembourg 1864. 8.
Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.
Naturwissenschaften. 1862. Heft 3. Breslau 1862. 8. Phi-
los.-hist. Abtheilung. 1864. Heft 1. Breslau 1864. 8. 41. Jah-
resbericht. ib. 1864. 8.
Denkschrift im Namen der Familie von Montmoreney gegen den Herrn
Adalbert von Talleyrand-Perigord. (Paris 1864.) 4.
Östreichische Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches
Leben. no. 22. Wien 1864. 38.
Sandras, Du role des phosphates dans lorganisme. Paris 1864. 8.
Elie de Beaumont, Tableau les donnees numeriques. (Extrait des
Compies rendus.) Paris 1863—1864. 4.
Aulserdem kam zum Vortrag die Empfangsbescheinigung
für die Monatsberichte von 1863 von Seiten des Würtembergi-
schen Vereines für vaterländische Naturkunde, d. d. Stultgart
24. Juni c.
——mI FD
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
in den Monaten September, October 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
Sommerferien.
43. October. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Mommsen las über die römischen Inschriften
Siebenbürgens.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. XIII. Washington
1864. 4.
Smithsonian Miscellaneous Collections. Vol.5. ib. 1864. 8.
Patent Office Report for 1861. Arts and Manufacture. Vol.1. 2. ib.
1863. 8.
Report of the Superintendent of the Coast Survey, showing the progress
of the Survey during the year 1861. ib. 1862. 4.
Nautical Almanac for 1865. ib. 1863. 8.
17. Jahresbericht der Staats- Ackerbau-Behörde von Ohio. Columbus
1863. 8.
(A. Winchell) First bicunial Report of the Progress of the Geological
Survey of Michijan. Lansing 1861. 8.
[1864.] 44
608 Gesammtsitzung
Proceedings of the California Academy of natural sciences. Vol. II.
1858—1862. San Francisco 1863. 38.
Journal of the Academy of natural sciences of Philadelphia. Vol. V,
no. 4. Philadelphia 1863. A.
Proceedings of Ihe Academy of natural sciences of Philadelphia. Phila-
delphia 1863. 8.
John Dean, The Gray Substance of the Medulla oblongata and Trape-
zium With plates. Washington 1864. A4.
A. D. Bache, Records and Results of a Magnetic Survey of Pennsyl-
vania. Washington 1863. 4.
Annual Ieport of ihe Trustees of the Museum of comparative zoology.
Boston 1863—1864. 8.
Boston Journal of natural history. Vol. VII. Boston 1863. 8.
John A. Andrew, Address to the two branches of the Legislature of
Massachusetts. Boston 1864. 8.
Memoires de t'academie des sciences de Montpellier. Sciences: Tome
4,3.5. Lettres: Tome 3, 2—4. Medecine: 3, 3—5. 4, ı. Mont-
pellier 1860—1864. 4.
Nova Acta regiae societatis Scientiarum Upsaliensis. Vol. 5, fase. 1.
Upsaliae 1864. 4.
Upsala Universitets Ärsskrift. Upsala 1863. 8.
Annales academici, 1860—1861. Lugd. Bat. 1863. 4.
Meteorologische Waarnemingen. Utrecht 1864. 4.
Transactions of the Linnean Society of London. Vol. 24, 2. London
1863. 4.
Journal of the Linnean Society. Zoology, no. 27—29. Botany, no.
27—30. London 1863. 8.
Journal of the chemical Society, April—June. London 1861. 8.
Journal of the Asiatice Society of Bengal. No. 293. Calcutta 1864. 8.
Silliman, Journal of science and arts. no. 112. New Haven 1864. 8.
Oversigt over det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger
i Aaret 1862. 1863. Kjobnhavn 1863. 1864. 8.
Memorias de la real Academia de ciencias de Madrid. Ciencias exactas
1,2. Madrid 1863. 4.
Bulletin de Moscou, 1864, no. 2. Moscou 1864. 8.
Mittheilungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Pesth. Band 2,
Heft 1. 2. Pesth 1862—1864. 8.
Publikationen der Kgl. Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 10
Hefte in 4, 39 Hefte in 8. Pesth 1862—1863.
Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. 6. Band, Heft 1. 2.
Kronstadt 1863. 1864. 8.
Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die
gesammien Naturwissenschaften. Band 20. Zürich 1864. 4.
vom 13. October 1864. | 609
Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft bei
ihrer Versammlung zu Samaden. Chur 1863. 8.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft zu Bern. Bern 1863. 8.
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Band 22.23. RBer-
lin 1563. 1864. 8.
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. 18. Bd., Hft. 3.
Leipzig 1864. 8.
Abhandlungen der mathematisch - physikalischen Klasse der Kgl. Sächsi-
schen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 6. 7. Leipzig
1864. 4.
Berichte über die Verhandlungen der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der
Wissenschaften. Historisch-philologische Klasse, 1863, Heft 1—3.
1864, Heft 1. Mathematisch-physikalische Klasse, 1863, Heft 1. 2.
Leipzig 1863—1864. 8.
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. Band 17, Heft 2. Ber-
lin 1864. 4.
Crelle's Journal für die reine und angewandte Mathematik. Band 63.
Berlin 1864. 4.
Astronomische Nachrichten. Band 62. Altona 1864. 4.
Die Sammlungen des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaf-
fenburg. Abtheilung 1—3 Würzburg 1856—1864. 8.
Fr. von Hauer, Geologie Siebenbürgens. Wien 1863. 8. mit Karte.
G. Krauss, Siebenbürgische Chronik. 2. Theil. Wien 1864. 8.
Fr. Müller, Deutsche Sprachdenkmäler aus Siebenbürgen. Hermann-
stadt 1864. 8.
Baumgarten, Enumeratio stirpium Transsylvaniae Tomus IV. Ci-
binii 1846. 8.
Notice sur la carte de U’ Afrique sous la domination des Romains. Paris
1864. 4. et folio. Mit Ministerialrescript vom 7. Sept. 1864.
M. deBerlanga, Monumentos historicos del municipio Flavio Malaci-
tano. Malaga 1864. 8. Mit Schreiben des Hrn. Herausgebers
d. d. Malaga 15. Juli 1864.
Recueil des ordonnances de la principaute de Stavelot, 648 — 1794.
Bruxelles 1564. folio. Mit Ministerialrescript vom 16. Sept. 1864.
J.E. Rietz, Ordbog öfver Svenska Allmoge-Spraket. Hält 4. 5.
Lund 1863. 4. un
Ed. delaBarre Duparcegq, Aistoire de lart de la guerre. Partie 1. 2.
Paris 1860— 1864. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, d.d.
St. Cyr, 2. Sept. 1864.
Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. Band 1:
Bluntschli, Geschichte des allgemeinen Staatsrechts und der Po-
litik. Band 2: von Kobell, Geschichte der Mineralogie. Mün-
chen 1864. 8.
4u*
610 Gesammtsitzung vom 13. October 1864.
Joseph Graf Teleki, Hunyadiak Kora. Vol. VI, 4. Pesten 1863. 8.
E. Fries, Monographia Hymenomycetum Sueciae. Vol. II. Upsaliae
1863. 8.
Th. Rupp, Aus der Vorzeit Reutlingens. Reutlingen 1864. 8.
Plantamour, Resume meteorologiqgue. Geneve 1863. 1864. 8.
et Hirsch, Determination telegraphique de la difference
de longitude entre les observalions de Geneve et de Neuchatel. Ge-
neve 1864. 4.
J.B. Telfy, Sententiae scriptorum Graecorum. Pestini 1864. 8.
B. Rey, Galerie biographique des personnages celebres de Tarn - et-Ga-
ronne. Montauban (18... 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfas-
sers, d. d. Montauban 15. Sept. 1864. |
Fournet, Zesume des observations meteorologiques, faites a Lyon.
Lyon 1863. 8.
Filippo Cervo, Legge per la religione in Italia. Napoli 1864. 8.
Pictet, Note sur la succession des Mollusques gasteropodes pendant
Tepoque eretacee. Geneve 1864. 8.
A. Brix, Bericht über die im Jahre 1863 angestellte Vergleichung zweier
Metermaa/se mit dem Urmeter der Kaiserlichen Archive zu Paris.
Berlin 1864. 4. (10 Ex.) Mit Ministerialrescript vom 29. Sept.
1864.
Hermann Lotze, Mikrokosmus. 3. Band. Leipzig 1863. 8.
Preufsische Statistik. Heft 6. Berlin 1864. 4.
Ahrens et Grotefend, Philologos paedagogosque Germanos a. 1864
Hannoveram convenientes salvere jubent. Hannoverae 1864. 8.
Mit Begleitschreiben des Hrn. Prof. Grotefend, d.d. 9. Oct.
1564.
Zum Vortrag kamen:
1. Ein Schreiben des Hrn. von Martius in München
vom 10. v. M., in welchem derselbe seinen Dank für die Er-
nennung zum auswärtigen Mitgliede ausspricht.
2. Ein Schreiben des Hrn. von Baer in St. Petersburg
vom 5. v. M., in welchem derselbe die Zuschrift der Akademie
zu seinem medizinischen Doctor-Jubiläum freundlich erwiedert.
Sitzung der phys.-math. Klasse vom 17. Oct. 1864. 611
17. October. Sitzung der physikalisch-mateh-
matischen Klasse.
Hr. Braun las über die Gattung Najas in mor-
phologischer Beziehung.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung von Hrn.
Prof. Gerlach in Erlangen, vom 2. Sept. d. J., über die
photographische Darstellung von Injections-, Im-
bibitions- und Blutkörperchen-Präparaten in ihren
natürlichen Farben, vor.
Schon lange beschäftigt man sich ın der Photographie mit
Versuchen, welche bezwecken, statt der bisher allgemein ge-
bräuchlichen Copirmethode mittelst Chlorsilbers, ein Verfahren
ausfindig zu machen, welches eine absolute Garantie für die
Dauerhaftigkeit der Bilder giebt, was bekanntlich bei der Copir-
methode mit Chlorsilber nicht der Fall ist. Aber erst in der
jüngsten Zeit führten diese Versuche zu Resultaten, nach denen
man die Aufgabe, absolut dauerbafte Abzüge, welche an Fein-
heit. der Zeichnung den Chlorsilberbildern in Nichts nachstehen,
darzustellen, als gelöst betrachten mufls. Der Engländer J. W.
Swan verbesserte nämlich das schon früher vielfach versuchte
Copirverfahren mit Chromsalzen, Leim und Kohle dadurch,
dals er als unmittelbare Unterlage für die genannten Stoffe statt
des Papieres eine Collodiumschichte anwandte und damit es mög-
lich machte, dafs die tiefsten Stellen der Kohle führenden Leim-
Chromschicht zuerst von dem Lichte getroffen wurden, in der
Art, dafs es kaum einem Zweifel unterliegen kann, dals der Co-
pirmethode, deren Grundlage die Wirkung des Lichtes auf
Chromsalze bildet, die Zukunft in der Photographie gehört. Der
einzige Grund nämlich, weshalb sich früher die Chromotypien
nie Geltung verschaffen konnten, der Mangel der Mitteltöne,
ist durch das Verfahren von J. W. Swan vollkommen be-
seitigt.
Mir wurde das Verfahren von Swan zuerst durch dessen
Mittheilung in dem diesjährigen Maihefte des photographischen
612 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
Archivs ') bekannt. Swan benutzte als Färbemittel die Kohle
unter der Form fein geriebener chinesischer Tusche, bemerkt
jedoch, dafs zur Änderung des Tones der Abdrücke auch andere
Farbstoffe, wie Indigo oder Carmin, der chinesischen Tusche
zugesetzt werden könnten. Diese letztere Andeutung brachte
mich auf den Gedanken Versuche mit jenen Farbstoffen anzu-
stellen, welche bei mikroskopischen Untersuchungen zur Dar-
stellung von Injections- oder Imbibitionspräparaten angewandt
werden. Zuerst hielt ich mich an das von mir in die mikro-
skopische Technik eingeführte carminsaure Ammoniak, als an
denjenigen Farbstoff, durch welchen sowohl die schönsten In-
jeetions- wie Imbibitionspräparate wenigstens bisher dargestellt
wurden. Schon bei den ersten Versuchen hatte ich die Freude
zu sehen, dafs das neue Verfahren nicht nur die Anwendung
körniger Farbstoffe, wie die der Tusche, sondern auch vollkom-
men diffuser, zu welchen das carminsaure Ammoniak gehört,
zuläfst. Es gelang mir alsbald mit diesem Farbstoff Abbildun-
gen von Injections- und Imbibitions-Präparaten in einer Voll-
endung darzustellen, dafs der Beobachter kaum einen Unter-
schied zwischen dem in dem Sehfeld des Mikroskops vorliegen-
den Präparate und dessen photographischer Abbildung wahrneh-
men dürfte. Die Photographie verbürgte dabei die absolute
Naturtreue der Zeichnung, und die Farbe der Abbildung war
ja durch denselben Farbstoff erzielt, welcher zur Darstellung
des Präparates gedient hatte. Auf diesem Wege liegt jedenfalls
die Möglichkeit die vollendetste bildliche Darstellung von Na-
turobjecten, zu erreichen d.i. absolute Gongruenz in Zeichnung
und Farbe zwischen Object und Abbildung.
Durch den Erfolg mit dem carminsauren Ammoniak ermu-.
thıgt wandte ich mich sogleich zu Versuchen mit den in der
mikroskopischen Technik gebräuchlichen blauen Farbstoffen,
dem Berlinerblau und dem Indigocarmin oder dem indigoschwe-
felsauren Kali. Das Berlinerblau gebraucht man bekanntlich zur
Darstellung der Injectionen von Lymphgefälsen und Drüsenaus-
führungsgängen, wozu sich das carminsaure Ammoniak weniger
') Ein neues Kohleverfahren von J. W. Swan. Photographisches
Archiv._Bd. V. S. 255.
vom 17. October 1864. 613
eignet, den Indigocarmin dagegen zur Darstellung blauer Imbi-
bitionspräparate. Beide Farbstoffe sind jedoch durchaus unge-
eignet zur Anfertigung farbiger Chromotypien. Mit Berlinerblau
erhält. man Abdrücke von dunkler schmutzig blauer Farbe und
die Lösung von Indigocarmin verliert durch Zusatz einer Lö-
sung von doppelt chromsaurem Ammoniak ganz und gar die
blaue Farbe, indem der Indigo durch den hohen Sauerstoffge-
halt des Chromdoppelsalzes entfärbt wird. Ich nahm nun meine
Zuflucht zu den Anilinfarben und erhielt in der That mit Ani-
linblau vortreffliche Resultate. Die im Handel vorkommende |
weingeistige Lösung dieses Farbstoffs wurde mit der zehnfachen
Wassermenge verdünnt und der das doppelt chromsaure Ammo-
niak enthaltenden Leimlösung zugesetzt. Die mit dieser Mi-
schung dargestellten Copieen zeigten in der Farbe die grölste
Übereinstimmung mit den Injections- und Imbibitionspräparaten,
zu deren Anfertigung Berlinerblau und Indigocarmin verwandt
worden war.
Hierauf versuchte ich thierische Farbstoffe und zwar zu-
nächst den Farbstoff des Blutes zur Darstellung farbiger Blut-
körperchen. Einfach geschlagenes Blut konnte aus dem Grunde
nicht angewandt werden, da bekanntlich die Eiweilskörper durch
Chromsäure gefällt werden. Ich setzte daher geschlagenes Blut der
Siedhitze aus, entfernte durch Pressen mittelst dichter Leinwand
soviel wie möglich das Wasser des Coagulums und zerrieb das-
selbe unter Zusatz von wenigem Wasser in der Reibschale.
Die auf diese Weise erhaltene Flüssigkeit wurde durch einen
dünnen Leinwandlappen filtrirt und das Filtrat zur Darstellung
der farbigen Blutkörperchen benutzt. Eine Lösung ‚des Blut-
farbstoffs konnte natürlich nicht erhalten werden und es war
daher in den von mir angefertigten Abbildungen der Blutkör-
perchen des Frosches und des Menschen, welche mit dem Blute
des Schweines dargestellt worden waren, ein körniges Verhalten
nicht zu verkennen; allein ich zweifle kaum, dafs durch mög-
lichst sorgfältiges Abreiben des Blutcoagulums in der Reibschale
und durch Anwendung feinerer Filter vollkommen befriedigende
Resultate erhalten werden dürften.
Mit anderen thierischen Farbstoffen z. B. jenem der Galle
zur Darstellung der in den Fäcalmaterien vorkommenden, un-
614 "Gesammtsitzung
verdauten und mit Galle gefärbten Muskelfäden habe ich bis
jetzt noch keine Versuche angestellt.!
(Der Mittheilung lagen zwölf Photographieen von injicirten
Blut- und Lymphgefäfsen, Drüsenausführungsgängen, Imbibitions-
und Blutkörperchenpräparaten in den natürlichen Farben bei.)
20. October. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Dove las über die Temperatur des verflosse-
nen Sommers.
Hr. du Bois-Reymond legte eine Mittheilung des Hrn.
Dr. Werner Siemens über Erwärmung der Glaswand
der Leydener Flasche durch die Ladung vor.
Da es mir wahrscheinlich war, dafs die Glaswand der Ley-
dener Flasche durch deren Ladung und Entladung erwärmt wer-
den mülste, so habe ich mir einen Apparat zusammengestellt,
durch welchen sich schon sehr geringe Erwärmungen mit Sicher-
heit erkennen lassen. Das Resultat der damit angestellten Versuche
entsprach meinen Erwartungen vollständig. Die Construction des Ap-
parates ist folgende: Ich liels feinen Eisen- und gleich starken Neu-
silberdraht mit Seide bespinnen. Diese Drähte wurden darauf
in etwa 1 Dm. lange Stücke geschnitten und je ein Neusilber-
draht mit einem Eisendraht zusammengelöthet. Die so verbun-
denen Drähte wurden auf eine mit Kitt aus Kolophonium und
Schellack überzogene Glasplatte gelegt, so dafs die Löthstellen
von 180 Drähten, ohne sich zu berühren, etwa einen Raum
von 1 I Dm. einnahmen. Durch Niederdrücken mit einem er-
wärmten Eisen wurden die Drähte im Kitt eingeschmolzen
und so auf der Platte befestigt. Nachdem nun die benachbarten
freien Enden der Drähte mit einander verlöthet waren und da-
durch eine Thermosäule von 180 Elementen gebildet war, ward
eine ebenfalls mit Kitt überzogene zweite Glasplatte mit der
Kittläche auf die erste gelegt. Durch vorsichtige Erwärmung
vom 20. October 1864. 615
wurde, der Kitt zwischen den Glasplatten darauf erweicht und
ein Theil desselben mit den vereinzelten Luftblasen, welche er
umschlols, herausgeprelst. Die Thermosäule befand sich mithin
jetzt in einer luftfreien Kittfläche genau in der Mitte einer circa
5”” dicken Glasplatte. Der sämmtliche innere Löthstellen be-
deckende mittlere Theil der Glasplatte wurde nun auf beiden
Seiten mit etwa 1 [] Dm. grofsen Stanniol-Belegungen versehen,
welche mit isolirten Zuleitungsdrähten verbunden wurden. Eben
so wurden die beiden frei gebliebenen Enden der Thermosäule.
mit Kupferdrähten verbunden, welche zu einem empfindlichen
Spiegelgalvanometer führten. Der ganze Apparat, mit Inbe-
griff der äufseren Löthstellen, wurde sorgfältig vor jeder
Temperaturänderung geschützt. Es genügte dann schon eine
kurze Folge von Ladungen und Entladungen mittelst eines
Volta-Inductors von etwa 1 Zoll Schlagweite um die Scale
meines Galvanometers aus dem Gesichtsfelde zu treiben, und
zwar im Sinne der Erwärmung der zwischen den Belegun-
gen liegenden Löthstellen. Diese Ablenkung geht nach Auf-
hören der Ladungsfolge sehr langsam auf Null zurück. Erst
nach mehreren Stunden verschwindet sie gänzlich. Sie ist un-
abhängig von der Richtung des Ladungsstromes und anschei-
nend proportional der Zahl der Ladungen und der Schlagweite
bis zu welcher die Ladungstafel geladen wurde. Die Bewegung
der Scale beginnt sofort nach der ersten Ladung und schreitet
dann regelmälsig vor. Berührt man dagegen eine der Belegun-
gen mit dem Finger, so bleibt die Scale noch 2 bis 3 Secun-
den unbewegt stehen bevor sie ihre Bewegung beginnt, die
gewöhnlich erst aulserhalb des Gesichtsfeldes endet.
Die beobachtete Erwärmung kann weder durch Leitung der
Glasmasse noch durch die Compression derselben durch die An-
ziehung der Belegungen, noch endlich durch das Eindringen der
Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glasmasse
entstehen. Der erste Einwand wird durch die Anordnung des
Apparates und die beschriebenen Versuche direct beseitigt. Die
Erwärmung durch Compression würde durch die auf sie folgende
gleich starke Abkühlung durch Expansion ausgeglichen werden,
könnte also keine dauernde Erwärmung hervorbringen, selbst
wenn die äulserst geringe Anziehung dazu ausreichte. Eben so
616 Gesammtsitzung
wenig kann die Ursache der Erwärmung im Eindringen der
Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glasmasse
gesucht werden, da die Ablenkung dann nicht sofort, sondern
erst nach Verlauf etlicher Secunden beginnen könnte. Nimmt
man dagegen mit Hrn. Faraday an, dafs die Ladung und Ent-
ladung auf einem moleculären Bewegungsvorgang in dem die
Belegungen trennenden Isolator beruhe, so hat die Thatsache
der Erwärmung dieses Isolators nichts Auffallendes mehr.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Report of the 33*” meeting of the british Association for the advancement
of science. London 1864. 8.
Journal of the chemical Society. London Juli—Sept. 1864. 8.
Almanaque nautico para 1865. Cadiz 1863. 8.
Annales des mine. Tome V, Livr. 2. Paris 1864. 8.
Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt. XIV, 3. Wien 1864. A4.
Zeitschrift der morgenländischen Gesellschaft. 18..Band, Heft 4. Leip-
zig 1864. 8. {
Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. 3. Band, Heft 2—4.
Leipzig 1864. 8.
Alti della societä italiana di scienze naturali. Fasc. 22—24. Milano
1364. 8.
Heronis Alexandrini Geometricorum et Stereomelricorum Reliquiae ed.
Hultsch. Berol. 1864. 8.
J. Plateau, Sur un probleme curieur de magnetisme. (Bruxelles
1864.) 4.
27. October. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. G. Rose las über die Gabbroformation von
Neurode in Schlesien.
Zum
vom 27. October 1864. 617
Hr. W. Peters lieferte einen Nachtrag zu der am
18. Juli [Monazsberichte. 1864. p. 529')] gegebenen Über-
sicht der Polydesmi des Königl. zoologischen Mu-
seums.
Die Sammlung der Polydesmi unseres Museums ist seit
meiner letzten Mittheilung, worin 79 Arten aufgezählt wurden,
theils durch ein Geschenk des wegen seiner Verdienste um die
Kenntnils der Myriopoden und Arachniden rühmlichst bekannten
Hrn. Dr. L. Koch zu Nürnberg, theils durch einen Ankauf von
Hrn. Lindig aus Bogotä um 23 Arten vermehrt worden, von
denen ıch mir erlaube, hier Nachricht zu geben.
ONISCODESUUS Gerv.
1. Oniscodesmus rudriceps n. Sp.
Übereinstimmend mit O. aurantiacus durch die allgemeine
Form des ersten Segments und eben dadurch sogleich unter-
schieden von O. oniscinus. Verschieden von der ersten Art,
dals 1. die scharfe Kante des vorderen Randes vom zweiten
Segment sich nicht oder nur sehr wenig auf die vordere Fläche
desselben (hinter oder oberhalb des hinteren Randes des ersten
Segments) fortsetzt; 2. die Querfurche der kieltragenden Kör-
persegmente sich bis an den Rand der Kiele forsetzt und nicht
wie bei ©. aurantiacus oberhalb der Seitenporen aufhört;
3. die Seitenporen auf dem Rande der die Kiele in eine vor-
dere und hintere Hälfte theilenden Querleiste und nicht hinter
derselben, daher nicht dem hinteren, sondern eher dem vorderen
Bande der Kiele näher zum Vorschein kommen. Diese Seiten-
poren öffnen sich übrigens auf denselben Segmenten und sind
daher auch in derselben Zahl bei beiden Arten vorhanden, wie
bei Polydesmus. Die Farbe der oberen Körperseite ist dunkel-
braun, die des Kopfes und der Antennen violetroih, die der
Unterseite und der Beine weils.
Länge 0”,012; Breite 0”,0046.
Zwei Exemplare aus Bogotä.
1) In dieser Übersicht ist p. 547 zu ändern: Z. 7 von unten, 2 Expl,,
No. 199, statt 1 Expl.; Z. 5 von unten, Str, cyaneus Sauss., stalt Sir.
viridis.
618 Gesammtsitzung
CraroDssmus Gervais.
2. Cyrtodesmus asper n. sp.
Körper etwas zusammengedrückt, jedoch etwas breiter als
hoch. Das erste Körpersegment klein, bogenförmig, sein vorderer
längster Rand flach convex, sein hinterer diesem paralleler Rand
concav, die seitlichen Ränder von vorn nach hinten und innen schräg
abgestutzt; das zweite Segment grols, mit seinen seitlichen, platten,
senkrecht absteigenden am Rande abgerundeten Fortsätzen das erste
Segment und den Kopf einschliefsend. Die Kiele der folgen-
den Segmente fast quadratisch, am vorderen Winkel abgerundet,
ihr abstehender platter Theil hinten durch eine kleine Incisur
von der Basis getrennt, nicht [wie bei O. veluzinus')] nach
vorn von dem mittleren Theil der kieltragenden Segmente über-
ragt, sondern diese überragend. Das letzte Segment halb ellip-
tisch, höher als breit, mit einem unteren graden Rande. Stirn
und kieltragende Segmente mit rauhen ganz kurze Spitzchen
oder Härchen tragenden Granulationen. Stirn und kieltra-
gende Segmente auf den ersten Anblick schwarz; bei genaue-
rer Betrachtung sieht man am vorderen Theil der kieltra-
genden Segmente jederseits zwei olivenfarbige Flecke, von
denen die mittleren sich nach vorn als divergirende Streifen auf
denjenigen Theil der vorderen Segmente fortsetzen, welche bei
dem Aufrollen des Thieres frei bleiben; auf den hintersten Kör-
perabschnitten treten diese Streifen so nahe zusammen, dals sie
eine mittlere schwarze Linie einfassen; eben so findet sich auf
jedem Kiele über der hinteren Incisur ein kleiner olivenfarbiger
Fleck, den man auf den ersten Anblick für den Seitenporus
halten möchte. Die Fühler sind roth, das Vordergesicht bis
eben über den Antennen, die Seitentheile des Kopfes, die Un-
terseite des Thieres (mit Ausnahme der kieltragenden Segmente)
und die Beine weils.
Länge des grölsten Exemplars 0”,018; Breite 0”,0027;
Höhe 0”,0023.
Bogotä; 6 Exemplare.
Durch die quadratischen, hinten nicht spitzwinklig ausge-
zogenen Kiele unterscheidet sich diese Art sogleich von den
durch Hrn. Gervais beschriebenen beiden Arten, von denen
der C. granosus ihr am nächsten zu stehen scheint.
‘) Walckenaer, Apteres, Taf. 44. Fig. 6,
vom 27. October 1864. 619
Poırpesmvs Latr.
Strongylosoma Brdt.
Sect. 1. Oxyurus Koch.
3. P. chloropus n. sp.
In seinem ganzen Habitus am nächsten verwandt mit P.
dilatatus und acanthurus. Während die erste von diesen Ar-
ten aber ganz glatt ist und die zweite die kieltragenden Seg-
mente zumal nach hinten hin unregelmälsig fein granulirt hat,
sind bei der vorliegenden die kieltragenden Segmente lederartig
gerunzelt, aufserdem die Kiele viel mehr entwickelt und die
Seitenporen mehr nach oben gerichtet. Die kieltragenden Seg-
mente bilden wie bei 2. acanthurus (aber nicht bei ?. dilata-
zus) über der Basis jedes vorderen Fulses einen kleinen Dorn,
über der jedes hinteren Fulses eine quere Leiste. Farbe dunkel-
braun, an der Unterseite mit einem violeten Anfluge; der äufsere
Band der Kiele, besonders unten mit einem helleren olivengrü-
nen Anfluge; die Basis der Beine und die sie umgebende Ge-
gend der Segmente grünlich violet; der übrige Theil der Beine
und die Fühler gelblichgrün.
Totallänge 0”,057; Breite mit den Kielen 0”,0115; ohne
Kiele 0",0064.
Bogotä; zwei männliche Exemplare.
4. P. Bogotensis n. sp.
Äufserst nahe mit DP. decoratus verwandt; verschieden von
diesem durch die glänzend glatte Beschaffenheit, die etwas we-
niger entwickelten Kiele, hinter denen die betreffenden Seg-
mente noch etwas hinausragen, und die sich nicht in Spitzen
hinter den Poren verlängern. — Chocoladenfarbig, die hintere
Hälfte des ersten Segments, der obere Theil der kieltragenden
Segmente und das Körperende mehr bräunlich, der Kopf, die
vorderen Segmenttheile und die Unterseite mehr bläulich; An-
tennen und Beine rostbraun.
Länge 0”,040; Breite mit den Kielen 0”,005; ohne Kiele
0”,0037.
Bogotä; 2 Expl.
5. P. serridens n. sp.
Durch die cylindrische Gestalt sich dem vorhergehenden
anschlielsend. Kopf und erstes halbmondförmiges, hinten flach
620 Gesammtsitzung
eingebuchtetes Segment glatt. Die folgenden Segmente durch
eine dichtgedrängte, flache (nur mit der Loupe sichtbare) nach
dem hinteren Rande hin weniger feine Granulation ausgezeich-
net. Die Kiele wenig entwickelt, die der vorderen Körper-
hälfte bei den Weibchen am Rande vorn und hinten abgerun-
det, bei den Männchen am hinteren Winkel in einen kurzen
spitzen Zahn ausgezogen, welcher an den Kielen der hinteren
Körperhälfte immer sehr entwickelt, nach hinten gerichtet und
an seinen innern Rand mit sehr feinen Nebenzacken bewehrt
ist. Das letzte Segment ist, genau betrachtet, au der Endspitze
abgestumpft, mit zwei kleinen seitlichen Nebendornen, und wei-
ter vorn mit zwei oberen kleinen Höckern versehen. Die run-
den Poren öffnen sich nach der Seite und ein wenig nach oben
am hinteren Ende des äufseren Kielrandes. Fühler und Beine
sind mälsig lang. Die Farbe ist’ entweder ganz grauweils oder
die vorderen Abtheilungen der Segmente sind ee, so dals
das Thier ein geringeltes Ansehn erhält.
Länge 0”,021; Breite mit den Kielen 0”,0023; ohne Kiele
0”,002.
Bogotä; 3 Expl.
6. P. sculptus n. sp.
Sehr nahe verwandt der vorhergehenden Art, mit derselben
cylindrischen Körperform und Convexität des Rückens, mit eben
so wenig entwickelten Kielen, die sich nach hinten in einen
spitzen Dorn .verlängern. Verschieden vorzüglich dadurch, dafs
dieser Dorn keine Nebenzähne an seiner innern Seite hat und
dals die kieltragenden Segmente eine andere Structur zeigen,
indem sich auf ihrer vorderen Hälfte zerstreute in unregelmälsi-
gen Querreihen stehende punctförmige Granula, auf der hinte-
ren dichtgedrängte in Querreihen geordnete Längswülste und
namentlich am hinteren Rande feine kurze Härchen zeigen. Die
Farbe ist braungrau oder weilsgrau.
Länge 0”,018; Breite mit den Kielen 0”,002; ohne Kiele
0”,0013.
Bogotä; 6 Expl.
Rachidomorpha Saussure.
7. P. alutaceus n. sp-
Dem P. nodosus Pirs. sehr nahe verwandt, verschieden
vom 27. October 1864. 621
von ihm dadurch, dafs die Kiele nicht so weit oben, mehr von
der Seite ausgehen, daher weiter von einander entfernt stehen,
mit Ausnahme der letzten nicht aufsteigen, sondern eine hori-
zontale Richtung haben und daher, von der Seite betrachtet,
von den flach convexen Rücken überragt werden. Die langen
Fühler und Beine, so wie die Granulation wie bei jener Art.
Farbe graubraun.
Länge 0”,029; Breite mit den Kielen 0”,0033; ohne Kiele
0” ,002.
Bogotä; 1 männl. Expl.
Cryptodesmus nov. subgen.
Mit Ahacophorus übereinstimmend durch den cylindrischen
Körper, flachen Rücken, die sehr entwickelten mehr oder weni-
ger horizontalen Kiele, verschieden von derselben Untergattung
durch das vorragende den Kopf vollständig von oben verdeckende
erste und das abgeplattete letzte Körpersegment.
Hieher zähle ich aulser ?. Olfersü Brdt. die folgende neue
Art aus Bogotä, denen vielleicht noch P. gabonicus Lucas
(Thomson, Archiv. entomol. Il. p. 442) anzureihen ist.
8. P. alatus n. sp.
Das erste Segment viel breiter als lang, fast halbmondför-
mig, mit vorderem bogenförmigen Rande, spitzen Seitenwinkeln
und am hinteren graden Rande mit drei flachen, einer kleineren mitt-
leren und zwei grölseren seitlichen, flachen Einbuchtungen; seine
Oberfläche ist dicht mit gleichförmigen Körnchen. besetzt, von
denen man längs der Mitte (von vorn nach hinten) 6 Reihen
zählt. Die kieltragenden Segmente haben drei Querreihen von
Tuberkeln, welche an den zugeschärften Rändern der fast kör-
perbreiten flügelförmigen Kiele in abgerundete Zähnchen aus-
laufen. Die Seitenporen sind klein und liegen auf der oberen
Seite der vorderen Hälfte der Kiele, von den Randzähnchen
überragt. Das Endsegment ist länger als breit und hinten ab-
gerundet. Der Kopf, welcher ebenfalls sehr abgeplattet er-
scheint, ist ganz unter dem ersten Segment versteckt; die An-
tennen sind ziemlich kurz und nach dem Ende hin spindelförmig
verdickt. — Die Farbe des ganzen Thieres ist violetroth.
Länge der grölsten Exemplare 0”,011; Breite mit den Kie-
len 0”,0027; ohne Kiele 07,001.
622 Gesammtsitzung
Bogotä; 3 Expl.
Diese äulserst zierliche Art steht dem ?. Olfersii sehr nahe;
letzterer unterscheidet sich aber leicht durch das grölsere und
weilsgefärbte erste Körpersegment, das breitere, dreieckig zu-
gespitzte Endsegment und die viel gröfseren und dem Rande
näher stehenden Seitenporen.
Polydesmus Latr. s. s.')
9. P. macilentus Koch. — Rheinpfalz; Dr. L. Koch.
— 1 Expl. — Sehr leicht von P. complenatas auch dadurch zu
unterscheiden, dals die Seitenporen ganz am äulseren Kielrande
liegen.
10. P. pilidensKoch.— Franken; Dr. L. Koch. — 2Espl.
41. P. collaris Koch. — Idria; von Hrn. Dr. L. Koch
ein Originalexemplar aus der Sammlung seines verstorbenen Va-
ters, des berühmten Kreisforstrathes C. L. Koch.
12. P. mucronatus n. sp.
Diese, noch mehr aber die beiden folgenden Arten, schlie-
fsen sich unter allen bekannten südamericanischen am nächsten
den europäischen an. Kopf glatt, mit einer flachen linienför-
migen Längsvertiefung; Antennen lang und sparsam wollig
behaart. Erstes Körpersegment so breit wie das zweite, fast
halbmondförmig; indem der vordere bogenförmige Rand sich
durch einen spitzen in einen kurzen Dorn auslaufenden Winkel
scharf von dem hinteren in der Mitte eingebuchteten Rande
absetzt. Rücken flach convex; die Kiele wohl entwickelt und
etwas aufsteigend, am äulsern Rande verdickt und undeutlich
zwei- bis dreizähnig, vorn abgerundet, hinten in einen sehr
spitzen, inwendig gezähnelten, ziemlich langen Dorn ausgezo-
gen. Vordere grölsere Hälfte der kieltragenden Segmente durch
vertiefte Linien in zwei, hintere in etwa 6 flache Erhabenheiten
getheilt, dabei aber wie das ganze Thier glänzend. Seitenporen
ganz lateral, vor der Basis des Dorns. Das Endsegment ist
zugespitzt, mit zwei kleinen Seiten- und vier oberen Neben-
höckern. — Oben grauschwarz, unten schwärzlichgrau, jung
graubraun mit weilsen Kielspitzen.
Länge 0”,018; Breite 0”,002; ohne Kiele 0,0012.
Bogotä; 8 Expl.
t) Monatsberichte p. 539, Z. 5 von oben ist hinzuzufügen: ?. glau-
cescens Koch=P. serratus Say.
vom 27. October 1864. 623
413. P. angulifer n. sp.
Erstes Segment uicht ganz so breit wie das zweite, mit
einem vordern convexen und einem: hintern in der Mitte flach
eingebuchtetem fast graden Rande, welche durch einen abge-
rundeten spitzen Winkel in einander übergehen. Der Rücken
flach convex und die Oberfläche der einzelnen Segmente durch
linienförmige Eindrücke in flache Erhabenheiten getheilt, unter
denen zwei grölsere vordere mittlere, jederseits eine oder zwei
grofse seitliche, zwei mittlere und vier bis sechs hintere sich
unterscheiden lassen. Die Kielränder sind zwar verdickt, aber
dennoch schneidend, vorn abgerundet und etwas vorspringend,
hinten in einen spitzen durch eine hintere Einbuchtung abge-
setzten Winkel ausgezogen. Oben und nach innen von den
Kielrändern und im letzten Drittel öffnen sich die Poren am
Ende wulstiger kleiner Längserhabenheiten. Das Körperende
dreieckig zugespitzt. Dunkel graubraun.
Länge 0”,0085; Breite 0”,0012; ohne Kiele 0,0007.
Bogotä; 4 Expl.
14. P. funiculus n. sp.
Das erste Segment schmäler als der Kopf, von diesem und
dem zweiten Segment umschlossen, vorn und hinten convex mit
abgerundeten Seitenwinkeln. Die Oberfläche der folgenden Seg-
mente durch Quer- und Längslinien in drei Querreihen von
Erhabenheiten getheilt, unter denen die beiden vorderen mitt-
leren die grölsten sind. Die Kiele und Poren ähnlich wie bei
der vorigen Art, aber erstere viel weniger entwickelt, so dals
der Körper viel schmäler, strangartig, erscheint. Graubraun.
Länge 0”,008; Breite 0”,001; ohne Kiele 0”,0006.
Bogotä; 2 ganze Expl. aulser mehreren unvollständigen.
Trachelodesmus nov. subgen.
Die ganz eigenthümliche verdünnte Gestalt des Halses bei
cylindrischer und verhältnilsmäfsig wenig gestreckter Körper-
form, die ziemlich langen Beine und dünnen Fühler, an welchen
letzteren die gestreckten Glieder vom zweiten bis sechsten ganz
allmählig an Länge abnehmen, geben den hieher gehörigen Arten
ein sehr eigenthümliches Aussehen. Die erste hieher gehörige
Art ist P. arcticollis Pirs., eine zweite ihr sehr verwandte ist
die folgende.
[1864.] 45
624 Gesammtsitzung
15. P. constrictus .n. sp.
Verschieden von 2. arcticollis dadurch, dafs 1. die Ober-
seite der kieltragenden Segmente mit einer gröberen, flache-
ren und glänzenden Granulation bedeckt ist; 2. die vor diesen
Segmenten befindliche ziemlich tiefe Querlinie sehr zierlich und
deutlich von vorn nach hinten gestreift ist. Die Farbe der kiel-
tragenden Segmente ist bläulich oder grünlich grau; die übrigen
Theile nebst den Gliedmalsen sind bräunlichweils.
Länge 0”,018; Breite 0”,003.
Bogotä; 6 Expl.
Euryurus Koch').
16. P. albocarinatus.n. sp.
Das von mir zu P. dealbatus Gerv. gestellte Exemplar aus
British Guiana, obgleich dieser Art sehr nahe stehend, glaube
ich bei wiederholter Untersuchung von ihr trennen zu müssen,
indem 1. das erste Segment nicht breiter, sondern schmäler als
das zweite und aulserdem an seinen Aufsenwinkeln spitzer ist,
als bei 2. dealbatus; 2. die Kiele stärker entwickelt stehen und
mehr nach aufsen gerichtet sind; 3. die weilse Farbe nicht so
weit ausgedehnt ist, indem blofs die Kiele diese Farbe haben,
die äulsersten Spitzen der Kiele so wie das leizie Dorsalseg-
ment denselben olivenfarbigen Anstrich haben, wie die ganze
Oberseite des Thieres.
Länge 0”,051; Breite mit den Kielen 0”,0073; ohne: Kiele
0”,005.
17. P. fumigatus n. sp.
Ebenfalls sehr nahe verwandt mit P. dealbatus Gerv. (dessen
Abbildung in Castelnau’s Expedition dans ’Amerique du Sud.
Myriapodes. pl.1. Fig. 2. sehr viel zu wünschen übrig lälst, da unter
anderem sowohl das erste wie das letzte Körpersegment keineswegs
naturgetreu sind). Entweder ganz dunkel schwarzblau, auf der
Mitte der kieltragenden Segmente, den Kielen und Beinen braun
durchschimmernd, oder die kieltragenden Segmente mit einer
verwaschenen weilsen und braunen Querbinde und die Beine
deutlich rostbraun, oder auch die Kiele weils.
*) Den Namen der p.541 unter 53. als ?. erythropus aufgeführten Art
habe ich in ?. callipus umgeändert, da Hr. Lucas bereits eine zu Para-
desmus gehörige Art P. erythropus benannt hat.
vom 27. October 1864. 625
Länge 0”,037; Breite 0”,005; ohne Kiele bei den Weib-
chen 0”,0037, bei den Männchen 0,003.
Bogotä; 7 Expl., welche eine schöne Reihe in Bezug auf
die Farbenschattirung bilden.
18. P. tripunctatus n. sp.
Der vorhergehenden Art sehr nahe verwandt; der Körper
eben so glänzend, die Körpergestalt und die Kiele, die nach un-
ten gerichteten Poren ganz ähnlich, wie bei den vorhergehenden
gebaut. Schwarzbraun oder bleifarbig, auf jedem Segment drei
gelbe Punkte, einer auf der Mitte und jederseits einer auf dem
Kiel. Beine graubraun oder grau. Leicht zu unterscheiden
durch das erste Segment, dessen vorderer Rand jederseits sehr
deutlich eingebuchtet und dessen Seitenfortsatz viel länger und
spitzer ist.
Länge 0”,032; Breite 0”,0045; ‘ohne Kiele 0”,0033.
Bogotä; 20 Expl.
19. P. uncinatus n. sp.
Von der vorhergehenden Art durch die höher abgehenden,
stärker entwickelten Kiele und Kielspitzen, auffallend längere
Antennen und Beine leicht zu unterscheiden. Dunkelbraun,
Beine rostbraun.
Länge 0”,031; Breite 0”,0037; ohne Kiele 0,0023.
Bogotä; 1 männl. Exemplar.
20. P. semicinetus n. sp.
Die Seitenfortsätze des ersten Segments spitzer und die
Kiele viel weniger entwickelt, sonst dem P, dealbatus Gerv.
sehr ähnlich. Die Mitte des ersten Segments, so wie Quer-
binden, welche den vorderen mittleren Theil der kieltragenden
Segmente und den grölsten Theil der vorderen Segmentitheile
einnehmen, dunkelbraun, alle übrigen Theile weils.
Länge 0”,025; Breite 0”,0034.
Bogotä; 1 Exemplar.
21. P. areatus n. sp.
Deı vorhergehenden Art äufserst nahe stehend, aber die
Scitenfortsätze des ersten Segments weniger spitz, die Fühler
viel länger und die kieltragenden Segmente, obgleich glatt, bei
der Betrachtung durch die Loupe mit zwei Querreihen länglich
45 *
026 Gesammlsitzung
polygonaler Figuren. Überall, sowohl in Weingeist wie ge-
trocknet, grauweils.
Bogotä; 1 Expl.
22. P. hybridus n. sp.
Körper glänzend glatt, cylindrisch, sehr convex, indem die
absteigenden Kiele unter der Mittellinie nahe der Bauchseite ent-
springen, sonst aber eine ähnliche Entwickelung, wie bei den
vorhergehen haben und hinten in einen spitzen Dorn verlängert
sind, auch die sehr engen Poren nach unten geöffnet haben.
Das erste Segment ist sehr entwickelt, so dals das Thier hier
am dicksten erscheint; sein vorderer und hinterer Rand laufen
fast parallel und seine fast senkrecht absteigenden Seitenfortsätze
sind gleichmälsig abgerundet. Das letzte Segment erscheint am
hintern Ende flach eingebuchtet. Die mittellangen Fühler, an
denen das sechste Glied länger als die vorhergehenden vier fast
gleich langen erscheint, so wie die Oberseite des. Körpers sind
braun, die Beine und Unterseite weils.
Länge 0”,019; Breite 0”,002.
Bogotä; 2 männl. Expl.
Obgleich diese Art sich am nächsten der vorstehenden an-
schlielst, so zeigt sie durch die tiefere Lage der Kiele, wodurch
die Bauchseite ein flacheres Ansehn erhält, eine Hinneigung zu
den Oniscodesmus und verwandten Gattungen.
23. P. taenia n. sp.
Das erste Segment am vorderen Rande flach convex, in der
Mitte des hinteren Randes flach eingebuchtet, die Seitenwinkel
spitz abgerundet, nicht über das zweite Segment herabragend.
In der Convexität und Entwickelung der Kiele dem P. polygo-
natus Gerv.ähnlich, so wie auch in der seitlichen Lage der Po-
ren am hinteren Theile der äufseren Kielränder und in der Form °
des Endsegments. Aber der hintere Winkel der wulstigen Kiel-
ränder bildet nur an den hintersten Segmenten einen deutlichen
Dorn. Oben zeigt nur der hintere Rand der kieltragenden Seg-
mente Spuren von polygonalen Figuren; unten zeigen sich auf
der Oberfläche dieser Segmente zerstreute kleine Granula und
über der Basis jedes hinteren Fulspaares eine feine undeutlich ge-
zackte erhabene Querlinie. —Die Antennen, die Mitte des Rückens,
der Bauchseite, die Kiele und die Beine sind ochergelb (beim
vom 27. October 1864. 627
Eintrocknen blasser); jederseits befindet sich aber eine breite
schwarze Binde, welche mit einer Spitze nach innen von den
Antennen anfängt und an der Basis des letzten Dorsalsegments
endet, aus deren Mitte die Reihe der ochergelben Kiele hervortritt.
Länge 0,050; Breite 0,007; ohne Kiele 0,0045.
Bogotä; 2 weibl. Expl.
Hr. Lepsius theilte der Akademie mit, dafs der Aegyp-
tische Reisende Hr. Dümichen in den neu aufgedeckten Rui-
nen des Osiris- Tempels zu Abydos eine neue Königsliste, und
zwar ın Bezug auf das Alte Reich die vollständigste von allen
bisher bekannten, entdeckt und ihm übersendet hat. Sie war
ursprünglich identisch mit der längst bekannten Tafel von Aby-
dos, bis auf den jüngsten König, da die letztere eine Regie-
rung später, nämlich unter Ramses II, die jetzt gefundene aber
unter dessen Vorgänger, Sethos I, angefertigt wurde. Die Ram-
ses-Tafel hatte, was von Hrn. Lepsius schon früher als Ver-
muthung aufgestellt worden war, jetzt aber erwiesen werden
kann, eine ganze oberste Schilderreihe verloren; die zweite
Reihe ist zur Hälfte zerstört. Erst im vergangenen Monat ist eine
ähnliche Königstafel durch Hrn. Mariette publicirt worden '),
welche bereits vor vier Jahren in einem Privatgrabe der Ne-
kropolis von Memphis zu Tage gekommen, aber bisher noch
unbekannt geblieben war. Diese machte uns schon mit einer
Anzahl neuer Königsschilder des Alten Reichs bekannt, über-
geht aber den grölsten Theil der in der Ramses- Tafel von
Abydos genannten, und ist aufserdem nachlässig und daher viel-
fach incorrekt geschrieben. Die Sethos-Tafel giebt nun die sämmt-
lichen Schilder beider Monumente und vermehrt sie noch an-
sehnlich. Sie enthält 65 Schilder des Alten Reichs in chrono-
logischer Ordnung und vollständig erhalten, während die Tafel
von Memphis nur 41, darunter mehrere fragmentirte, und die
RKamses-Tafel von Abydos nur 19 und darunter auch mehrere
halbzerstörte enthält. Die Sethos-Tafel giebt gerade die ersten
*) Revue Archeologique. 1864, Septembre. cf. 1860, Avril.
628 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 31. Oct. 1864.
Manethönischen Dynastieen, vom ersten Könige Menes an, sehr
vollständig. Sechzehn Schilder des Alten Reichs waren vor der
Auffindung dieser Tafel und der von Memphis noch ganz un-
bekannt.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Comptes rendus de !academie des sciences. Tome 59, no. 2—15. Paris
1864. 4.
Bulletin de la societe de geographie. 7. Tome. Paris 1864. 8.
Annuaire de cing departemens de la Normandie. Annee 30. Caen
1864. 8.
Annuaire de linstitut des provinces. Caen 1864. 8.
The Natural history Review. no. 16. London 1864. 8.
The Quarterly Journal of the geological Society. No. 79. London
1864. 8.
Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. VIII, no. 5. Lon-
don 1864. 8.
Die Hrn. Eduard Weber in Leipzig und Karl Ludwig
in Wien, wurden zu correspondirenden Mitgliedern der Akademie
in der physikalisch-mathematischen Klasse gewählt.
31. October. Sitzung der philosophisch-histo-
rischen Klasse.
Hr. Pinder las über das Material der Ehrendenk-
mäler im Alterthume.
— NEN —
Rn A
RE
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat November 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
3.Nov. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. Braun las über die neuholländischen Marsilia-
Arten.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Bulletin de lacademie royale de Belgique. No. 8. Bruxelles 1864. 8.
Numismatie Chroniele. No. 14. London 1864. 8.
Journal of the Asiatie Society of Bengal. No. 2. Calcutta 1864. 8.
Berthelot, Zegons sur les methodes generales de Synthese. Paris
1864. 8.
Madras Journal of literature and science. Third Series, no. 1. Madras
1864. 8.
Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou, no. 3. Moscou
1864. 8.
(Cavedoni) Zsiratto dalla Rivista della Numismatica antica e moderna,
dal Prof. A. Olivieri. (Asti 1864.) 8.
Anecdota graeca, Fasc. 1. ed. Valentin Rose. Berol. 1864. 9.
[1864] 46
6350 Gesammitsitzung
10. Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
En, Ranke las über Bischof Burnet und dessen
Geschichte seiner Zeit.
Hr. Magnus trug die folgende Mittheilung über die
Dispersion des Lichts in den Gasen von Hr. Dr. Ket-
teler vor:
Je lebhafter das Interesse wird, mit welchem man gegen-
wärtig das Problem der Abhängigkeit der Fortpflanzung des
Lichtes von der Dichte und chemischen Zusammensetzung der
Körper seiner Lösung entgegenzuführen sucht, um so mehr
wird die Überzeugung durchdringen, dals blols ein allseitiges
Studium der Refractions- und Dispersionserscheinungen der gas-
förmigen Körper eine Erkenntnils relativ einfacher Gesetze er-
möglichen und durch diese auch für das Gebiet der ungleich
complicirteren festen und flüssigen Körper einen sichereren
Weg anbahnen werde. Ich habe es daher unternommen, die
genannten Eigenschaften der Gase einer genaueren Untersuchung
zu unterwerfen. Dieselbe ist in ihrem physikalischen Theile der
Hauptsache nach abgeschlossen, und ich erlaube mir, in Folgen-
dem die Resultate dieser Arbeit der Königl. Akademie vorzu-
legen.
Wenn es mir gelungen ist, die Brechungsindices der Gase
sogar für die einzelnen Fraunhofer’schen Linien scharf zu be-
stimmen und das Gesetz ihrer Abhängigkeit von der Dichte auf-
zufinden, so verdanke ich das wesentlich der von mir einge-
schlagenen Methode. Ich habe nämlich den bisher fast aus-
schlielslich betretenen Weg der prismatischen Analyse verlassen
und meine Apparate auf das Prinzip der Interferenz gegründet.
Bedenkt man, dals nach den älteren Versuchen von Arago
und Biot der Überschuls des Index über die Einheit, also eine
Grölse, welche bei der Interferential-Methode zum direkten Be-
‚obachtungsobjekte erhoben wird, der Dichtigkeit proportional
ist; erwägt man ferner, dafs der gedachte Vortheil für das Stu-
dium der Dispersion eine noch höhere Bedeutung erlangt, inso-
fern genaue Coincidenzen von Franzen verschiedenfarbiger Sy-
steme sehr leicht zu constatiren sind und überdiels von Form-
u u ee Zu
vom 10. November 1864. 631
veränderungen der Verschlulsplatten ziemlich unbeeinflufst blei-
ben, während andererseits ein feineres Einstellen auf die Linien
eines kurzen, nur nach Sekunden zählenden Spektrums beinahe
unmöglich erscheint, — so wird zugegeben werden müssen,
dals die eingeschlagene Methode die ausschlielslich geeignete ist.
Natürlich bedurfie man verschiedenfarbiger homogener Licht-
quellen und mulste die Franzen, ohne Einschaltung von Com-
pensatoren, wo nöthig, nach Tausenden verfolgen. Ein derar-
tiges Verfahren ist also, wie man sieht, erst durch die Ent-
deckungen der Hrn. Bunsen und Kirchhoff praktisch aus-
führbar geworden.
Die folgenden Versuche sind gröfstentheils im neuen natur-
wissenschaftlichen Institute zu Heidelberg angestellt, wo Hr.
Prof. Kirchhoff mir mit grolser Liberalität die Benutzung ge-
eigneter Räumlichkeiten und Apparate gestaltete und dadurch
überhaupt die schwierige Unsersuchung erst möglich gemacht hat.
Zur vollständigen Bestimmung der optischen Verhältnisse
der Gase bedurfte es einer zusammenhängenden und gleichför-
migen Messung aller dazu nothwendigen Elemente. Zunächst
mufsten die Wellenlängen der drei, von mir benutzten ho-
mogenen Lichtquellen, nämlich die Wellenlängen der Li-
thıum-, Natrium- und Thalliumflamme mit grölserer Schärfe
bestimmt werden, als solches bisher geschehen war. Man ver-
fuhr hierbei nach der von Fizeau') vorgeschlagenen Methode,
suchte nämlich bei gleichzeitiger Beleuchtung eines passenden
Systems von Newton’schen Ringen durch je zwei der vorhin
genannten Flammen die entsprechenden Coincidenzen. Bei An-
wendung eines Apparates, welcher die zur Hervorrufung jener
Ringe nothwendigen Platten enthielt, und zwar so, dafs die
obere fest war, aber zur unteren in jede beliebige Neigung ge-
bracht werden konnte, während letztere ohne jede Drehung
mittelst eines, durch eine Mikrometerschraube bewegten Hebels
vertikal auf- und niedergeschoben werden konnte, erhielt man
beispielsweise für die zwischen zwei Coincidenzen eingeschlos-
senen Ringe, folgende, wirklich beobachtete Zahlen:
‘) Fizeau, Annal. de chim. ei de phys. 3 serie LXVI, 429.
46*
632 , Gesammtsitzung
MN _ 1156 Men _ TEA) ln a 1537
Ar 00152 UNI A 025
Dabei war die Empfindlichkeit des Apparates eine so
grolse, dafs der den Hebel bewegende Finger eine Strecke von
über 10°" zurückzulegen hatte, um nur eine einzige Franze zur
Verschiebung zu bringen. — Als Mittelwerthe aus 23 derarti-
gen Beobachtungen ergaben sich die Verhältnilszahlen:
2 _ 4138953; 7 —4,101568; 2 = 1,254638.
In Ips Ipr
Das Produkt aus den beiden ersten giebt: 1,254634.
Was die absolute Grölse dieser Wellenlängen betrifft, so
mufste für /y der Fraunhofer’sche Werth 0””,0005888 gesetzt
werden, da die von Fizeau in Aussicht gestellte Wiederho-
lung dieser Messung noch nicht veröffentlicht ist und eine eigene
Bestimmung dem eigentlichen Zwecke meiner Arbeit ferner lag.
Dadurch erhält man in Hundertmillionstel Millimeter:
1, =67061,6; iv =58880,0; 17, = 53451,0,
Zahlen, deren fünfte Stelle (relativ) als noch ziemlich sicher zu
betrachten ist.
Sonach konnte zur eigentlichen Untersuchung der Disper-
sionsverhältnisse der Gase vorgeschritten werden. Untersucht
wurden folgende fünf: Luft, Kohlensäure, Wasserstoff, Cyan
und schweflige Säure.
Dieselben wurden in Röhren zwischen dicke, von Jamin
angegebene und wiederholt von ihm beschriebene ') Interferen-
tialplatten gebracht, die wieder hübsche und sehr gut zu ver-
folgende Franzensysteme erzeugten. Zur Einfüllung diente eine
Geifsler’sche Quecksilberluftipumpe?), zur Compression oder
Dilatation eine zweite Pumpe, bestehend aus einem metallenen
Cylinder, in welchem ein Kolben mit möglichst starker Reibung
und zwar mittelst einer geeigneten Vorrichtung langsam und
continuirlich hinein- oder herausgeschraubt werden konnte. Die
‘) Jamin, Annal. de chim. et de phys. 3 serie LII, 166.
?) Meyer, Beobachtungen über das geschichtete elektrische Licht.
Berlin 1858.
vom 10. November 1864. 633
Druckveränderungen wurden an einem aus 15”” weiten Glas-
röhren bestehenden Manometer mittelst eines Kathetometers ab-
gelesen und konnten vom gewöhnlichen Druck aus, wenn nö-
thig, selbst bis zu 4 Atmosphären gesteigert werden. Es war
nun Plan, von einer ersten Coincidenz ausgehend, bei gemisch-
tem, z. B. roth-gelbem Lichte und allmählig fortschreitender
Compression die zweite, dritte u. s. w. aufzusuchen und gleich-
zeitig die entsprechenden Manometerstände zu notiren. Indels
schon die ersten, mit Luft angestellten Versuche vereinfachten
das Verfahren sehr.
Man fand nämlich für die drei möglichen Farbencombina-
tionen folgende, fortschreitende Reihen von Streifen, die mög-
lichst genau mit einander coincidirten:
Gelb -Roth. | Grün - Gelb.
8 21
104 8 735 24
mn u er
200 8 17 2%
Bean
304 8 | 315 A
Ss = -15= 1,10526
Grün-Roth.
= = 1,26316
240 24
Dann
336 24
14= 1,26316
634 Gesammtsilzung
Gleichzeitig erhöhte sich. der Druck von 1 auf 2,56 Atmo-
sphären..
Eine ähnliche Versuchsreihe, bei der die Luft folgeweise
bis zu 0,63 Atmosphäre verdünnt wurde, ergab genau dieselben
Zahlen, so dafs dieselben zwischen den entfernten Gränzen von
1—4 thatsächlich ihre Gültigkeit bewahren.
Erweitert man dieselben, natürlich unter Vorbehalt der
dann etwa nöthig werdenden kleinen Modificaiionen, und be-
rücksichtigt dabei die bekannten Gleichungen:
L(n', = n4) =myAa
L(n’z — n5) = MpAB9
wo L die Länge der Röhren, A, und Az zwei gegebene Wel-
lenlängen des dispersionsfreien Raumes bedeuten, denen für einen
Anfangszustand die Indices 2, 25, für einen beliebigen Endzu-
stand die Indices n’, und n’z und die gleichzeitig verschobene
Streifenzahl n,, resp. mz entsprechen, so gelangt man zu fol-
gendem, ebenso einfachen als wichtigen Gesetze:
Nimmt man als Endzustand den des leeren Raumes, so
wird nn, =n',; =1, folglich:
I nı—1
—= Const.
np —
Die Consequenzen dieses interessanten Gesetzes sind fol-
gende:
1. Betrachtet man die Variation eines, einem beliebigen A
entsprechenden Brechungsindex mit zu- oder abnehmender Dichte
(d), so hat man im allgemeinen:
n—1=F(a,‘)
oder nach I.:
n-1=0(4)./0)
Setzt man nun als einfachste Annahme &(d)=d, also:
1. n—1=df(})
vom 10. November 1864. 635
und berücksichtigt, dafs (rn — 1) innerhalb der Gränzen der Be-
obachtungsfebler mit %(n? — 1) zusammenfällt, so führt das Ge-
setz I. auf das ältere der Constanz des Brechungsvermögens
zurück. Dals in der That obige Annahme gerechtfertigt ist,
haben direkte, unten zu besprechende Versuchsreihen erwiesen.
re Ma ea Ale
— e —, welcher an der
ng —1 Ag — Ip 14
2. Der Quotient
Gränze d=0 übergeht in einen Difierentialquotienten von der
di 7 B akt & .
Form Sr . Sy und hier das Verhältnils der Verkürzungen zweier,
B Ma
bestimmten Schwingungsdauern entsprechender Wellenlängen
angibt, lälst sich füglich als Maafs für die Grölse der Disper-
sion betrachten. Die dispergirende Kraft wäre demnach von
der Dichte unabhängig und wesentlich an die Beschaffenheit der
Moleküle geknüpft.
Der Übersicht wegen stelle ich sämmtliche, an den ge-
nannten Gasen gemachte Beobachtungen zu folgender Tabelle
zusamıdmen:
Es kommen auf 10000 rothe Streifen:
Bei der geometrischen Verzögerung
des einen der interferirenden Strhlen gelbe: grüne:
durch Verlängerung des Weges in
Luft: 11389,53 | 12546,36
Bei der physikalischen Verzögerung
durch Verdichtung in
Luft und Kohlensäure: 11428,6 12631,6
Wasserstoff: 11441,4 12659,6
Cyan: 11460,5 12698,1
Schweflige Säure: 11463,4 12705,7
Berechnet man, wie das geschehen konnte (vgl. unten), die
Zahlen der zweiten Columne aus denen der dritten, so beträgt
die mittlere Differenz zwischen Rechnung und Beobachtung etwa
7 Einheiten der 6ten Stelle.
Interessant ist namentlich die starke Dispersion des Was-
serstoffs.
636 Gesammtsitzung
Nunmehr erübrigt blofs, die Indices für eine Farbe,
z. B. bei Natriumlicht, zu bestimmen, um auch die für die bei-
den andern zu kennen. Zu diesem Zweck wurden Versuchs-
reihen in der Art angestellt, dafs man die z. B. je 25 verscho-
‚benen Streifen entsprechenden Druckerhöhungen notirte.
Zur Orientirung theile ich eine solche, wie sie mit Luft
erhalten wurde, hier mit:
m | Pı | Pa | Pi | Pı | Temperaturen.
m
oje 8331 0 RN
25 |+-99,09 |+-98,78 | 3,9784 | 3,9644 | Zu Anfang:
50 | 199,42 | 198,92 | 3,9966 | 3,9962 | 18°,35 Röhren.
75 |299,19 | 298,71 | 3,9952 | 3,9941 | 18°,42 Manomet.
100 | 399,01 | 398,62 | 3,9950 | 3,9943
125 | 498,85 | 498,30 | 3,9950 | 3,9925 Zu Ende:
150 | 598,34 | 598,27 | 3,9927 | 3,9933 | 18°,60 Röhren.
175 | 697,76 | 697,58 | 3,9906 | 3,9901 | 18°,50 Manomet.
200 | 797,58 3,9911
Columne m» enthält die Streifenzahl, die mit p überschrie-
benen Columnen geben die zugehörigen Druckerhöhungen und
zwar p, bei zunehmender, p,; bei wieder abnehmender Dichte.
Die Quotienten F sind (abgesehen von den beiden ersten) bis
zn
auf eine kleine Abnahme, welche durch die Temperaturverhält-
nisse der verschiedenen Theile des Apparates ihre genügende
Erklärung findet, vollkommen constant.
Was nun die Indices betrifft, so erhielt ıch als Mittelwerth
aus zwei mit gewöhnlicher Luft (angestellten und nur wenig
differirenden Versuchen folgende, für die Temperatur von 0°
und den Normalbarometerstand geltende Zahl:
nv = 1,00029470,
ein Resultat, welches mit den bisherigen, von Delambre,
Arago und Biot gegebenen Zahlen ganz übereinstimmt.
Es folgt daraus weiter:
vom 10. Novernder 1864. 637
n; = 1,000293669
nn = 1,000294704
nr, =1,000295669
Durch Multiplikation der Zahlen in die oben gegebenen
mitgetheilten Wellenlängen erhält man endlich für die Wellen-
längen des luftleeren, dispersionsfreien Raumes die Werthe:
?, = 67081,2 Ay =58897,3 Ar, = 53466,8
Hinsichtlich der Indices für die übrigen Gase muls ich auf
die vollständige Abhandlung, welche demnächst als besondere
Schrift erscheinen wird, verweisen.
Mit Hülfe einiger allgemeiner Betrachtungen und mit be-
sonderer Berücksichtigung der hier ausgeführten Gesetze so-
wie der für feste und flüssige Körper vorliegenden Messungen
ist es mir gelungen, für die Abhängigkeit des Index von der
Dichte und Wellenlänge folgende ‚umfassende und aulserordent-
lich einfache empirische Formel zufzufinden:
II. n -l1=a ——
A °. ®. ..
wo wieder 2=— die innere Wellenlänge bedeutet und 4
n
und & Constanten sind.
Dieselbe gibt, zumal wenn letztere bei gegebener Dichte
aus zwei Beobachtungen berechnet werden, in allen Aggregat-
zuständen den Brechungsindex sehr genau als Funktion der Wel-
lenlänge. Ihre Constanten 4 und & charakterisiren ferner eine
jede Substanz in dem Grade, dals sie für die genannten drei
Zustände wenigstens nahe identisch bleiben.
Obige Formel schreibt sich auch folgendermafsen:
0? — 2)? —N)=elt,
wo ß=?, als eine Wellenlänge des dispersionsfreien Raumes
aufgefalst ist. Es würde daraus folgen, wenn das dem A, ent-
sprechende 7, Z, und der zugehörige Index n, genannt wird:
5 —%h
TE =n?-1=V-«a=V-14.0
0
638 Gesammtsitzung
Dadurch erhält Gleichung III. die Gestalt:
RM —-P)R -M)u=n—-K)A— U)!
oder eleganter:
(1-5 NE - - )= (&- ),
wo P die Gesehwindigkeit des Lichtes im vacuum, v und v,
die den Schwingungsdauern 7 und 7, entsprechenden Ge-
schwindigkeiten desselben in einem mit ponderabler Materie er-
füllten Raum bedeuten, der eben durch v, und 7, optisch cha-
rakterisirt wird.
Andererseits lälst sich die von Christoffel') vorgeschla-
gene, abgekürzte Cauchy’sche Formel:
v)
(e) ZT RERZ
auf die Form:
bringen, während Gleichung III. zu folgender Reihe führt:
Bel, 22 Bi +
«,(1+, +7 at)
Beide differiren also nur wenig.
Dals genannte Gleichung sich den Beobachtungen über
die Dispersionsverhältnisse der Gase sehr vollständig an-
schliefst, ist bereits oben angeführt.
Ich habe ferner die bessern Messungen von Brechungsex-
ponenten der Fraunhofer’schen Linien, die man von Fraun-
hofer, Dutirou, Rudberg und Andern besitzt, mit ihr ver-
glichen und ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung gefunden.
Da dieselben indels von Fehlern, die durch Temperaturschwan-
kungen veranlalst sein mögen, nicht frei zu sein scheinen und
‘) Christoffel, Monatsberichte der Akademie. 1861. October
14 und 31,
vom 10. November 1864. 639
überdiels zu ihrer Berechnung nicht vollkommen genau be-
stimmte Wellenlängen benutzt werden mulsten, so habe ich die
drei Spektra des Lithiums, Natriums und Thalliums gebraucht,
um die entsprechenden Indices eines Prisma von schwerem Fa-
raday’schen Glase möglicht correct zu messen.
Mit Hülfe eines Steinheil’schen Spektrometers aus der hie-
sigen physikalischen Sammlung, dessen Benutzung mir Hr. Pro-
fessor Kirchhoff gütigst gestattete, ergaben sich folgende
Brechungsindices:
n, = 1,683879, nn = 1,691361, nr,= 1,698533.
Dagegen berechnete sich aus der ersten und letzten für die mitt-
lere Zahl
nach Formel III. n’y = 1,691329, nach ce n”y = 1,691356,
so dafs in Einheiten der öten Stelle n—n’=9,2, n—n"=0,5
beträgt. Da nun die Genauigkeit der Messung schwerlich die
Gränze von 3 Einheiten derselben überstiegen haben dürfte, so
stimmen beide Rechnungsmethoden gleich gut mit dem Experi-
ment überein.
Was endlich die Größe E=%, betrifft, so ist dieselbe
für Gase, Flüssigkeiten und feste Körper von derselben Ord-
nung. Es berechnete sich z. B.
für Luft x, = 0,0000723
Wasserstoff —= 0,0000831
Cyan = 0,0000958
während andererseits
für Wasser ?o = 0,0000749
Schwefelkohl. = 0,0001042
Fliniglas — 0,0000815
gefunden wurde. Der Gedanke an eine strenge Constanz der-
selben beim Übergang aus dem einen in den andern dieser Zu-
stände liegt somit, zumal da A, als Wellenlänge des leeren
Raumes auftritt, nahe genug. Ich habe denselben am Schwe-
felkohlenstoff und vornehmlich an schwefliger Säure geprüft.
640 Gesammtsitzung
Letztere wurde daher auch in ıhrem flüssigen Zustande
einer sorgfältigen Messung unierzogen. Man erhielt die Indices:
n, = 1,33574, ny =1,33835, nr, = 1,34108.
Nun folgt aus Formel I. für die Combination von n,
und nN®
?0 = 0,0000845, «= 0,76198
und hieraus n’z, = 1,34084, somit n—n’=2,4.
Ein Resultat, wie es bei den begreiflicher Weise höchst
schwierigen Verhältnissen des Versuches nicht besser erwartet
werden konnte. Die Temperatur betrug 24°,1 C.
Man erhält nun für die
Schwellige Säure
im tropfbar flüssigen Zustand:
a=1,482 (nach Pierre), 4= = 0,514, ?0= 0,0000845
im gasförmigen Zustand:
d= 2,216. 0,0001293 (Dulong), A=0,450, %, = 0,0000981.
Wie man sieht, bleiben beide Constanten selbst innerhalb
so aulserordentlich weiter Gränzen nahe dieselben.
Wenn ich einleitend auf die hohe Bedeutung des opti-
schen Verhaltens der gasförmigen Körper für die gesammte
Dispersionslehre hinwies und für die Untersuchung selbst die
Interferentialmethode der gebräuchlicheren, prismatischen Ana-
lyse vorziehen zu müssen glaubte, so werden die mitgetheilten
Versuche diese Überzeugung wohl befestigt haben. Es ist mög-
lich gewesen, über ein so delikates Problem, wie die Farben-
zerstreuung der Gase, zum ersten Male zu erfolgreichen Mes-
sungen zu gelangen, und es konnte durch sie das wichtige Ge-
setz constatirt werden, dals die dispergirende Kraft in höherem
Grade der wirksamen Substanz als solcher als der’ mehr oder
minder dichten Aggregation ihrer Moleküle zukommt. Eine
Fortsetzung der Untersuchung, welche sich unter Anderm auch
auf homologe Reihen zu erstrecken haben wird, behalte ich
mir vor.
vom 10. November 1864. 641
Was endlich die vorgeschlagene Formel betrifft, so mag
dieselbe, so lange es ihr an einer präciseren, theoretischen Be-
gründung fehlt, als Interpolationsformel aufgefafst werden. Auch
möchte ich hervorheben, dafs überhaupt derartige einfache Be-
ziehungen nur für den gasförmigen Zustand strenge erfüllt wer-
den können, während die bei den übrigen Aggregationszustän-
den stark hervortretenden Cohäsionskräfte eine solche Einfachheit
stören oder wenigstens in die Constanten Modificationen hin-
eintragen, so etwa, dals letztere als Funktionen der Dichtig-
keitszuwüchse erscheinen, mithin für jeden gegebenen Abstand
der Moleküle besonders berechnet werden müssen. Jedenfalls
ist das Wasser, dessen Index nach den Beobachtungen Jamin’s
und Anderer unterhalb 4° GC. mit abnehmender Dichte wächst,
auch hier als Ausnahme zu betrachten.
Ich schliefse diese Mittheilung mit einer Angabe der Bre-
chungsindices der Luft für sämmtliche Fraunbofer’sche Linien:
n., = 1,00029286 nz = 1,00029584
nz = 1,00029345 nz = 1,00029685
nc = 1,00029383 ne = 1,00029873
nn = 1,00029470 nz = 1,00030026
Dieselben sind (relativ) auf wenige Einheiten der letzten
Stelle sicher.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Memoires de la societe des sciences naturelles de Cherbourg. Paris
1863. 8.
Oldham, Palaeontologia indica. Vol. II, 2—5. Calcutta 1864. 4.
Silliman’s American Journal of science and arts. no. 113. New Haven
1864. 8.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins in Heidelberg. Band 3,
no. 4. Heidelberg 1864. 8.
Cristoforo Negri, Memorie storico-politiche sugli antichi Greci e Romani.
Torino 1864. 8. (2 Ex.)
Mulsant, Souvenirs d’un voyage en Allemagne. Paris 1862. 8.
Minervini, Notizia di aleune iscrizioni di Cales. Napoli 1864. A4.
Flora batava. Afl. 188. Amsterdam 1864. 4.
Biardot, Zrplication du symbolisme des terres cultes greeques de de-
stinalion funeraire. Paris 1864. 8.
642 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
14. Nov. Sitzung der Bayı-ballaniı= mathe-
matischen Klasse.
Hr. Kronecker las über die verschiedenen Fak-
toren des Discriminante von Eliminations-Glei-
chungen.
Hr. W. Peters legte eine neue Art der Baumvi-
pern, Atheris polylepis, aus Liberia vor.
Die bisher nur ın Westafrika gefundenen Baumvipern stim-
men mit den Echis durch die einfachen Subcaudalschilder über-
ein, unterscheiden sich aber von diesen und den übrigen Vipern
durch ihren zusammengedrückten Körper, die etwas winklig ge-
krümmten Bauchschilder und den Greifschwanz und vertreten
so in Africa die kletternden Grubenottern Americas und Asiens,
unter denen sie einerseits durch die einfachen Schwanzschilder
den Bothriechis, andrerseits durch die gekielten Kehlschuppen
den Tropidolaemus sich annähern. Da die von Bonaparte
(Proceed. z0ol. soc. London. 1849. p. 145.) gegebene Notiz ') von
einer neuen Gattung „Chloroechis Schlegel” es sehr zweifel-
haft lälst, ob sich diese auf Schlegels Denaraspis, („von der
Gestalt der Dendrophis”) oder auf dessen Fipera chloroechis („eine
echte Viper”) oder vielmehr auf alle beide bezieht, so wird der
später von Hrn. Cope (Proceed. Acad. nat. scienc. Philadelphia.
1862. p. 337) vorgeschlagene Name 4Azheris anzunehmen sein,
wie es auch von Hrn. Dr. Günther geschehen ist, welcher
dieselbe Gattung, ehe ihm Copes Arbeit zugekommen war,
Poecilostolus genannt hatte.
A. polylepis n. sp.; supralabialibus utringue 12, infra-
labialibus 13 vel 14, squamis infraocularibus bi- vel triseriatis,
corporis 31- vel 33-seriatis, seriei infimae religuis multo majori-
bus; supra olivaceo-viridis, fascüs maculisgue aurentiacis oblite-
ratis, subtus virescens, maculis lateralibus albidis; cauda supra
*) 1. c. The green colour of this poisonous serpent from Ashantee, as
well as its forms, recall de Dendrophidinae, and make it, though a true
Viperine, lead an arboreal life.
vom 14. November 1864. 643
nigro fasciata, subtus maculata. — Scuta abdominalia 160, anale
simplex, subcaudalia 54. — Liberia, Africa occidentalis.
Der breite herzförmige Kopf ist von dem schmalen Hals-
theile deutlich abgesetzt und wird von gekielten Schuppen be-
deckt, welche auf der mittleren Scheitel- und hinteren Stirnge-
gend am grölsten und zum Theil zweikielig sind. Das Rostrale
ist niedrig, stölst oben an vier Schuppen, seitlich an das erste
Supralabiale, welches länger als die drei folgenden ist und nach
oben an das Nasale grenzt. Das mälsig grolse Auge mit senk-
rechter Pupille liegt über dem öten, 6ten und T7ten Suprala-
biale, wird aber von ihnen durch zwei bis drei Reihen kleiner
Schuppen getrennt. Die oberste Reihe dieser Schuppen bildet
einen Theil eines das Auge umgebenden, aus 20 fast gleich gro-
[sen Schuppen gebildeten Ringes. Das einfache Nasale ist läng-
lich oval oder polygonal, vorn etwas schmäler, vom Auge durch
drei bis vier Schuppenreihen getrennt, in der Mitte von der
quergestellten fast sichelförmigen Nasenöffnung durchbohrt. Das
Mentale ist dreieckig, viel breiter als lang, am hintern Winkel
in eine kurze Spitze ausgezogen, durch das hinter ihm zusam-
mentretende erste Paar der Infralabialia von den beiden läng-
lich oyalen, zusammen eine herzförmige Figur bildenden Sub-
mentalia getrennt. Hinter diesen Submentalia befinden sich noch
ein oder zwei Paar Schuppen, die sıch von den anderen durch
ihre grölsere Breite auszeichnen, aber gekielt sind. Infralabialia
sind rechts 13, links 14. Die Körperschuppen sind lanzettför-
mig oval, in den unteren Reihen breiter, sehr deutlich gekielt
und auf der Endspitze mit einem einfachen Grübchen versehen.
Sie bilden 31 bis 33 Längsreihen. Die Schuppen der untersten
Reihe sind breit, rhomboidal, zwei bis drei Mal so grols wie
die übrigen und an Zahl geringer als die Querreihen, indem in
der Mitte des Körpers 5 bis 6 Schuppenreihen 4 Schuppen der
untersten Reihe entsprechen. Die unregelmälsig eingeschalteten
Schuppenreihen entsprechen den aufsteigenden zugespitzten seit-
lichen Enden der Bauchschilder, so dals also der vordere obere Rand
der grolsen Schuppen der untersten Reihe bald von einer, bald von
zwei Schuppen gedeckt wird. Die Kiele der einzelnen Schuppen
bilden zusammen erhabene nach hinten allmählig absteigende Li-
nien. Die Bauchschuppen steigen mit ihrem seitlichen Ende in
644 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
die Höhe, ohne jedoch eine Kante zu bilder. Die Schwanz-
schuppen sind mehr rhomboidal und ihre Kiele bilden grade
Längslinien. Man zählt 160 Bauchschilder, ein einfaches Anale,
ein geirenntes und 54 einfache Subcaudalia, von denen das letzte
zusammengedrückt, nagelförmig und mit der Spitze nach unten
gekrümmt ist.
Die Farbe der Oberseite ist olivengrün, mit verwaschenen
orangegelben, auf dem Hinterrücken deutlicheren, zum Theil mit
schwarz gesäumten Querflecken oder Querbinden und noch un-
deutlicheren gelben Flecken auf den Körperseiten. Die äulser-
ste Spitze der Schuppen: ist ebenfalls gelb und die Haut zwi-
schen den Schuppen, eben so wie zwischen den Bauchschildern
schwarz. Die Unterseite des Kopfes und Bauches ist blals
gelbgrünlich oder grünlich. Einige Bauchschuppen sind an ihrem
seitlichen Erde so wie die daran stolsenden Schuppen weils.
Der Schwanz ist oben mit schwarzen unregelmälsig gezackten
Querbinden oder zickzackförmigen Linien, unten mit mehr oder
weniger 'zusammenflielsenden schwarzen Flecken, an den Seiten
ähnlich wie der Körper mit weilsen Flecken geziert.
Das einzige Exemplar ist aus einer Sammlung aus Liberia
zugleich mit Pelomedusa gabonica A. Dum. und Dasypeltis
fasciatus Smith') angekauft worden.
*) Ein damit übereinstimmendes Exemplar besals das zoologische
Museum bereits seit dem Jahre 1819 aus der Sammlung des Grafen von
Borcke. Das eine Exemplar hat 247 Bauchschilder und 78 Paar Sub-
caudalia, das andere 256 und 86. Smith giebt 20 Schuppenreihen an,
bei dem unsrigen finden sich dagegen 24, wobei die kleinen Schuppen der
dritt- und viertletzten Reihe mitgezählt sind. Das Museum enthält aufser
zwei Exemplaren des Dasypeltis scaber vom Cap der guten Hoffnung noch
folgende Local-Varietäten derselben Art.
1. var. mossambicus Ptrs. stimmt in Bezug auf die Temporalschilder
mit var. abyssinicus A. Dum., das Supraorbitale und die Postorbitalia da-
gegen mehr mit scaber var. capensis überein. Ein erwachsenes Exemplar
(Nr. 1858) aus Teite hat jederseits zwei Anteorbitalia, ferner 248 Abdo-
minalia, 60Paar Subcaudalia und 27 Schuppenreihen;, ein junges (Nr. 1856)
ebendaher hat jederseits ein einfaches Anteorbitale. Ein drittes ausge-
wachsenes Exemplar (Nr. 1857) aus Boror mit einfachem Anteorbitale hat
239 Abdominalia, 58 Paar Subcaudalia und 25 Schuppenreihen. Das Auge
vom 14. November 1864. 645
Die von dieser Gattung bisher beschriebenen Arten sind
leicht von der vorstehenden zu unterscheiden.
1. A. chloroechis Schlegel (Versi. Kongl. Akad. Am-
sterdam. 1855. III. p. 317.), die ihr zunächst stehende Art, hat
11 obere, 13 untere Labialia, aber nur 23 Längsschuppen-
reihen. Aus Guinea, Boutry, Dabo-Krom.
2. A. sgquamigera Hallowell (Proceed. Acad. nat. hist.
Philadelphia. VII. p. 193.) hat 11 obere (nach CGope 10 un-
tere) Labialia, von denen das Ste bis 8te die gröfsten sind und
das Ate bis 6te dem unteren Augenrand gegenüberstehen, nur
18 Körperschuppenreihen, von denen „die seitlichen und unteren
an Gröfse nicht von den übrigen verschieden sind”. Von den
Schuppen des Augenringes sind die beiden vorderen gleichgro-
fsen am gröfsten. — Westafrika, Gabon.
3. A. Burtionii Gthr. (Proceed. zool. soc. London. 1853.
p. 16. Taf. IIT.), hat 9 obere, 10 untere Lippenschilder und 19
Körperschuppenreihen. Der Abbildung nach weichen auch bei
dieser Art die Schuppen der untersten Reihe wenig von den an-
deren ab und das Auge ist nur durch eine einzige Schuppen-
reihe von den Supralabialia getrennt. Ganz citronengelb mit
einigen grünen Flecken. — Westafrica, Camaron.
ist wie auch bei fasciatus auffallend grölser als bei var. capensis. Die
Zeichnung ist ähnlich wie bei dem capschen scaber, aber die Grundfarbe
ist heller gelblich. j
2. var. breviceps Ptrs. Der Kopf ist kürzer, das Auge mit der sehr
deutlichen senkrechten Pupille fast um das Doppelte grölser, die Kopf-
schilder sind überhaupt kürzer als bei dem Capschen scaber. Das zweite
Supralabiale berührt nur mit einer feinen Spitze das Anteorbitale, welches
rechts in zwei Schildchen getheilt ist. Temporalschuppen 3+4+5 +6
gekielt. Bauchschilder 204, Subcaudalia 61 Paar, Körperschuppen in
24 Reihen. Die Grundfarbe mehr grau und die Flecke ähnlich geordnet
aber kleiner und mehr verwaschen. Ein Exemplar aus dem Kafferlande.
3. var. abyssinieus Dum. Bauchschilder 227, Subcaudalia 60 Paar,
Schuppen in 23 Reihen. Ein Exemplar, von Hrn. Lepsius aus dem
Sennär.
[1864.] 47
646 Gesammtsitzung
17. Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Dove las über die Gestalt d’er Isametralen in
Nordamerika.
Der Goldreichthum Californiens, Dakotas, Colorados, Ida-
hos, Washingtons, so wie die Silberschätze Nevadas äulsern eine
solche Anziehungskraft nach dem „fernen Westen”, dafs die
grolsartige Gebirgsnatur der Rocky Mountains, welche Pike
und Fremont zuerst uns eröffnete, bald in ihren Einzelheiten
gekannt sein wird. Wenn auch die tief eingeschnittenen Ca-
nons nach gewissen Richtungen hin das Vordringen unmöglich
machen, so wissen wir doch, dafs nicht nur viele Gipfel mit
den höchsten Spitzen der Alpen wetteifern (Gray’s Peak 14245’ e,
Pikes Peak 14216’e in Colorado, Mt. Schasta 14440’ e in Ca-
lifornien), sondern dafs die Höhe der Städte in Colorado von
Deaver City mit 5303’ bis 9932 in Tarryal steigt, und die
Höhe des Georgia Pals und Berthoud Pals 11300’ überschreiten
und nur im South Pals bis zu der des St. Bernhard herabsin-
ken. Wir finden hier ein Plateau, auf welchem die Baumgrenze
12000’ erreicht, von’ einer Mächtigkeit, wie es seines Gleichen
sucht, Hochebenen, deren Querschnitt den des Plateaus von
Mexico um das Doppelte übertreffen, zwischen der Breite von
34° und 45° eine Anschwellung des Bodens von 5000 bis
7000 Fuls, welche den Raum zwischen den eigentlichen Fels-
gebirgen und der Sierra Nevada Californiens ausfüllt. Das so-
genannte „innere Thal” zwischen den Felsgebirgen und Alle-
ghanys stellt daher für die Luftsröme ein Flufsbett dar, welches
sich auf seiner Westseite an einen mächtigen Wall lehnt, wäh-
rend es an seiner Ostseite durch einen schmalen, niedrigen
Damm eingesäumt wird. Die eigentliche Flufsrinne liegt, da
der Boden von den Prairien des Missouri sanft nach Westen
hin aufsteigt, an der Seite dieses niedrigen Walles, und es ist
daher natürlich, dafs Polarströme ihrer durch die zunehmende
Drehungsgesebwindigkeit entstehenden Tendenz in Ostwinde sich
zu verwandeln, nicht folgen können, sondern an jenem nicht zu
durchbrechenden Walle sich in Nordwestwinde verwandeln.
Während warme Äquatorialströme durch die sich mindernde
Drehungsgeschwindigkeit in Südwestwinde und Westwinde ver-
vom 17. November 1864. 647
wandelt im Winter Europa überströmen und durch die Con-
densation der sie begleitenden Wasserdämpfe die Winterkälte
brechen, fehlen diese im Winter in Nordamerika, denn die von
stillen Ocean aufsteigenden Dämpfe verdichten sich an dem
schmalen Küstensaume von Californien, Oregon bis Sitcha hin-
auf und zwar schon an den Seealpen der Nordwestküste, an
dem Cascadengebirge Oregons und an der Sierra Nevada Cali-
forniens, so dals das innere Becken von Utah nur wenig Regen
empfängt. Die vom mexicanischen Meerbusen aufsteigenden
Dämpfe nach Norden fliefsend, streifen, da sie eine südwest-
liche Richtung annehmen, hauptsächlich nur den diesseits der
Alleghanies liegenden Küstensaum der Vereinigten Staaten, ohne
die Westseite des Innern zu berühren. Auf diese Weise er-
klärt sich im Winter der Mangel südlicher Windesrichtungen, der
die mittlere Richtung zu einer nordwestlichen macht, während
sie in Europa dann eine südwestliche ist. Das Einströmen der
polaren Luft kann aber, da das Hochland von Grönland die
NOwinde abhält, vorzugsweise nur vom Parryschen Archipel her
stattfinden, d. h. aus der Gegend der niedrigsten Temperatur
und man begreift auf diese Weise, warum die Winterisother-
men mit einer so entschiedenen dem Norden zugewendeten Con-
cavität im Innern Nordamerikas auftreten, während die Küsten
des stillen Oceans von dieser auffallenden Abkühlung frei bleiben.
Da die folgenden Untersuchungen sich nur auf die Erschei-
nungen des Winters beziehen, so ist es nicht nöthig darauf
einzugehen, wie das Hochland in gleicher Weise im Sommer
eine Scheide bildet zwischen der kalten niedrigen Temperatur
des stillen Oceans und der hohen Wärme des ınnern Fest-
landes.
In der mittleren Vertheilung der Wärme ruft, wie wir ge-
sehen haben, die meridianartige Richtung der Gebirge in Ame-
rika klimatische Gegensätze von Ost nach West hervor, wovon
die skandinavischen Alpen bei uns das einzige Analogon in ver-
kleinertem Maalsstab geben, da, wie schon Eratosthenes bemerkte,
in der alten Welt die Erhebungsrichtung fast aller Gebirge von
Ost nach West gerichtet ist. Die nicht periodischen Verände-
rungen der Temperatur entstehen aber durch das einseitige Vor-
walten und gegenseitige Verdrängen eines Polar- und Äquato-
47 *
648 Gesammtsitzung
rıalstromes, die in veränderlichen Betten fliefsend sich oft ein-
ander stauen, häufiger noch unter Winkeln in einanderfallend,
einander schnell aus der Stelle drängen. Wäre der Boden,
über welchen diese Ströme flielsen, ein geebneter, wie die Ober-
fläche des Meeres, so würde der Verlauf des Kampfes ein bald
sich entscheidender sein. Aber ich habe für Europa nachge-
wiesen, dafs besonders im Herbst der Äquatorialstrom oft lange
an der von Ost nach West gerichteten Mauer der Alpen als
stürmischer Föhn seinen Wasserdampf in mächtigen Regen oder
ungeheueren Schneefällen verliert, ehe es ihm gelingt, dieses
Wehr zu überfluthen, wo er dann als stürmischer SW. über
Deutschland hereinbricht. Anders mufs sich natürlich dieser
Kampf auf den weiten Ebenen gestalten, welche vom Mexicanı-
schen Meerbusen bis zum Eismeer zwischen den Rocky Moun-
tains und Alleghanies sich erstrecken. Wochen lang andauernde
Witterungsgegensätze, wie wir sie zu sehen gewohnt sind, wer-
den dort zu plötzlichen Sprüngen ausarten, so dals man sich an
demselben Tage aus dem Sommer in den Winter versetzt
glaubt. Wiederum anders wird sich diels in Nordasien gestal-
ten. Der ruhige Luftsee Sibiriens, auf einem Boden ruhend,
der bei Jakutzk Jahr aus Jahr ein bis zu 500 Fuls Tiefe ge-
froren ist, aber sich oberflächlich im Sommer so erwärmt, dals
der Königstieger sich dann bis in die Breite von Hamburg verirrt,
wird nur in seltnen Fällen durch eine hineinschlagende Welle
des bewegten europäischen Luftmeers aufgeregt. Das Hochland
von Tibet scheidet diesen See von der heilsen indischen Nie-
derung und im Sommer versucht der Monsoon vergebens die
Lücke auszufüllen, welche durch die thermische Auflockerung über
Centralasien entsteht. Sündfluthartige Regen bezeichnen dann
den Südabhang des Himalaja, aber die Schneedecke liegt nörd-
lich einige tausend Fuls höher, da in der trocknen Luft der nur
noch dünn fallende Schnee schnell verdunstet.
Als ich im Jahr 1827 das Drehungsgesetz auf zwei einan-
der am Beobachtungsort abwechselnd einander verdrängende
Luftströme zurückzuführen suchte, sagte ich (Pogg. Ann. 13.
p- 991): „‚aus dieser Betrachtung ergiebt sich, dafs nie dieselbe
klimatische Eigenthümlichkeit auf der ganzen nördlichen Hälfte der
Erde stattfinden kann, dafs sich immer eine Differenz zwischen
vom 17. November 1864. 649
östlichen und westlichen Gegenden finden muls. Eine sehr
strenge Kälte im westlichen Europa läfst also in Sibirien oder
Amerika eine mildere Witterung erwarten, feuchte Sommer hier
trockne dort, denn je entschiedener an einem Orte der nörd-
liche Strom ist, desto entschiedener muls auch der daneben flie-
[sende südliche sein”. Eine auf Beobachtungen gegründete Be-
stätigung dieser Annahme war damals aus Mangel jeglichen
Materials unmöglich, ich habe sie später in 8 Abhandlungen
über die nicht periodischen Veränderungen der Wärmeverbrei-
tung auf der Oberfläche der Erde, und zwar dargestellt durch
monatliche, zehn- und fünftägige Mittel, gegeben. Die letztere
Untersuchung ist die strengere, sie kann aber auch heute noch
nicht für Amerika gegeben werden. Der grolse Gegensatz,
welchen oft Amerika zu Europa zeigt, hat sich aber selbst in
den Monatsmitteln herausgestellt. Wenn man aber auf den
früher besprochenen Unterschied der Gebirgsrichtungen beider
Continente Rücksicht nimmt, so läfst sich von Vorn herein ver-
muthen, dafs die wirkenden Luftströme in ihrem Effect auf die
temporäre Temperatur sich dort anders darstellen werden, als in
Europa. Eben wegen der anhaltenden Dauer derselben in Europa
sınd diese hier geeigneter in den monatlichen Mitteln ihren
Charakter auszuprägen, als diels bei dem raschen Hin- und Her-
werfen derselben in Amerika der Fall sein wird. Diels zeigte
sich, als ich die neben einander flielsenden Ströme durch Isa-
metralen chartographisch darzustellen suchte, d. h. durch Linien,
welche Orte verbinden, an welchen die temporäre Erniedrigung
unter die normale Wärme oder der Überschufs über dieselbe
gleich grofs ist. Aufserdem war ich bei dem Entwurf dieser
Charten stets von Europa ausgegangen, d. h. ich hatte gefragt,
wie ist die Temperatur in Amerika bei einem sehr strengen oder
ungewöhnlich milden Winter in Europa. Natürlich fällt in
einem solchen Falle, da die Isametralen dicht an einander
gedrängt sind, die Mitte des eompensirenden Stromes auf den
atlantischen Ocean, wo es nicht möglich ist, ihn im Detail
nachzuweisen.
Die von mir veröffentlichten Charten zeigten, dafs die Län-
genachse der die relativ kältesten und wärmsten Stellen um-
schlielsenden Isametralen in Europa überwiegend von NO. nach
650 Gesammtsitzung
SW., häufig von Ost nach West gerichtet is, Es war mir
nun wahrscheinlich, dals wegen des orographischen Reliefs von
Nordamerika diese Richtung eher von Nord naclı Süd oder von
NW. nach SO. sein mülste. Natürlich mufste aber dann von
Amerika ausgegangen werden, um sicher zu sein, in der Mitte
eines Stromes sich zu befinden. Ich werde in dieser Beziehung
hier drei ausgezeichnete Beispiele erörtern, von denen das eine
deswegen besonders merkwürdig ist, weil hier Amerika und
Asien die Betten der entgegengesetzt flielsenden Ströme dar-
bieten.
Die Beispiele sind:
December 1829 (die Isametralen für Europa sind entwor-
fen Tafel 14. des Atlas (die Monats- und Jahresiso-
thermen in der Polarprojection nebst Darstellung
ungewöhnlicher Winter durch thermische Isame-
tralen 1864).
December 1831.
Februar und März 1843.
Die Abweichungen in Reaumurschen Graden mit negativen
Zeichen bedeuten die Erniedrigung des respectiven Monats unter
den vieljährigen mittleren Werth desselben, Zahlen ohne Zei-
chen den Überschuls über denselben.
December 1829.
Amerika.
+6) Cherry Valley 6.14, Johnstown 6.10, Hartwick 6.08.
+5) Fi. Winnebago 5.52.
-+-4) Ft. Madison 4.50, St. Lawrence 4.44, Ft. Niagara 4.43,
North Salem 4.36, Montreal 4.30, Canandaigua 4.21,
Ft. Gibson 4.20, Montgomery 4.19, Lansinburgh 4.14,
Oxford 4.12, Ft. Crawford 4.12.
+3) Ft. Watervliet 3.96, Union Hall 3.92, Dutchess 3.92,
Hudson 3.88, Ft. Howard 3.80, Lowville 3.78, Au-
burn 3.77, Marietta 3.77, Middlebury 3.73, Ft. Inde-
pendence 3.63, Ft. Snelling 3.63, Ft. Brady 3.57, New-.
burgh 3.56, Pompey 3.56, Cambridge Washington 3.56,
Westpoint 3.56, Ft. Constitution 3.49, Onondaga 3.49,
Ft. Columbus 3.46, Concord 3.46, Hancock barracks
vom 17. November 1864. 651
3.40, Ft. Monroe 3.40, Clinton 3.39, Philadelphia 3.33,
Jefferson barracks 3.33, Ft. Armtrong 3.31, Augusta
Arsenal 3.29, New Bedford 3.20, Hamilton 3.11,
Washington 3.10, Utica 3.04, Boston 3.03.
+2) Ft. Mackinak 2.96, Franklin 2.96, Kingston 2.87, Al-
bany 2.69, Ft. Preble 2.64, Ft. Sullivan 2.61, Ft. Pike
2.39, Pensacola 2 30, Ft. Wolcott 2.26.
+1) Reykiavig 1.86, Ft. Jesup 1.52, Havannah 1.45, Baton
Rouge 1.16.
+0) Ft. Brooke 0.20.
Europa.
— 9) Zapplau — 9.27, Breslau — 9.26.
— 8) Neisse — 8.65, Krakau — 8.60, Kl. Kniegnitz am Zob-
ten — 8.57, Polnisch Wartenberg — 8.44, Leobschütz
— 8.27, Gotha — 8.14, Brzeczina — 8.05, Bochum
— 8.00.
— 7) Kreuzburg — 7.86, Smetschna — 7.84, Berlin [— 7.74,
Tetschen — 7.42, Salzufeln — 7.25, Bodenbach — 7.02.
— 6) Zittau — 6.94, Arolsen — 6.88, Rotenhaus — 6.85,
Tepl — 6.82, Neu Bistritz — 6.77, Mastrich — 6.75,
Hohenfurth — 6.73, Elberfeld — 6.73, Dresden — 6.69,
Tilsit — 0.68, Augsburg — 6.52, Bremen 6.42, Fünf-
kirchen — 6.41, Rehberg — 6.28, Saaz — 6.25, Mün-
chen — 6.25, Danzig — 6.18, Heidelberg — 6.17, Frei-
berg — 6.17, Baireuth — 6.14, Eger — 6.13, Wien
— 6.11.
— 5) Herzogenaurach — 5.97, Wilna — 5.95, Stuttgard — 5.91,
Schiedam — 5.01, Landskron — 5.88, Regensburg — 3.79,
‘ Zwanenburg — 5.77, Pilsen — 5.73, Paris — 5.70,
Prag — 5.56, Stralsund — 5.55, Sirasburg — 5.51, Darm-
stadt — 5.46, Deutschbrod — 5.45, Peissenberg — 5.43,
Arnsberg — 5.27, Cherson — 5.11.
Carlsruhe — 4.97, Hohenelb — 4.96, Peissenberg — 4.43,
Mitau — 4.40, Chambery — 4.24, St. Gallen — 4.17,
Bern — 4.16, Chalons sur Marme — 4.10, Harlem
— 4.07.
— 5) Basel — 3.95, Wilten — 3.95, Kremsmünster — 3.83,
— 4
2
652
Gesammtsiützung
Kopenhagen — 3.60, St. Bernhard — 3.50, Genf — 3.28,
Wien — 3.15, Nizza — 3.10.
— 2) Gosport — 2.85, Bologna — 2.80, Ackworth — 2.62,
Kasan — 2.52, Odessa — 2.39, Brescia — 2.38, Metz
— 2.32, Bedford — 2.24, London — 2.17, St. Jean de
Maurienne — 2.17, Isle of Man — 2.00.
— 1) Kendal —1.91, Petersburg — 1.90, Mailand — 1.90,
Moscau — 1.81, Manchester — 1.78, Sympheropol — 1.55,
Sebastopol — 1.46, Trient — 1.46, Applegarth — 1.40,
Taganrog — 1.10.
— 0) Clunie Manse — 0.73, Edinburg — 0.68, Tambow — 0.65,
Stromness — 0.64, Rom — 0.57, Palermo — 0.04, Pe-
trosawodsk — 0.04.
-+- 0) Kinfauns 0.02.
+ 2) Torneo 2.91, Jakutzk 2.09.
Grölste Differenz zwischen Europa und Amerika 15.41.
December 1331.
— 7) Ft. Armstrong — 7.84, Ft. Howard — 7.54, Ft. Craw-
ford — 7.41.
— 6) Jefferson bar. — 6.79, Marietta — 6.48, Ft. Monroe
— 5)
—4
nr
— 6.29, Ft. Hamilton — 6.25, Ft. Snelling — 6.05.
Hartwick — 5.96, Cambridge Washington — 5.93, Fre-
donia — 5.90, Watervliet Ars. — 5.85, Cherry Valley
— 5.58, Lewiston — 5.55, Concord — 5.51, Lowville
— 5.35, Lansinburg — 5.34, N. Salem — 5.32, Kinder-
hook — 5.32, Ft. Washington — 5.32, Redhook — 5.30,
Washington — 5.26, Erasmus Hall — 5.25, Kingston
— 5.22, Ft. Johnston — 5.18, Ft. Wolcott — 5.15, Ft.
Constitution — 5.14, Ft. Leavenworth — 5.14, Mont-
gomery — 5.11, Ft. Winnebago — 5.09, Boston —5.08,
Utica — 5.08, New Bedford — 5.02.
Albany — 4.99, Middlebury — 4.99, Union Hall — 4.99,
Oneida Conferenz — 4.94, Ft. Independence — 4.94,
Ft. Sullivan — 4.90, Ft. Jesup — 4.89, Pompey — 4.89,
Ft. Gratiot — 4.77, Ft. Severn — 4.76, Ft. Preble
— 4.74, Baton Rouge — 4.70, Ft. Mc. Henry — 4.56,
Hudson — 4.40, St. Lawrence — 4.39, Canandaigua
ee rc
vom 17. November 1864. 653
— 4.32, Fairfield — 4.31, Oxford — 4.27, Augusta Ars.
— 4.24, Montreal — 4.24, Philadelphia — 4.22, Mount
Pleasant — 4.22, Houlton — 4.21, Cayuga — 4.13, Ft.
Mackinak — 4.08, Ft. Brady — 4.05.
— 3) Ft. Moultrie — 3.98, Ft. Gibson — 3.98, Gouverneur
— 2)
=)
—0)
=6)
5)
— 4)
—5)
— 2)
— 3.94, Ft. Pike — 3.77.
Ft. Madison — 2.68, Westpoint — 2.58, Ft. Niagara
— 2.48, Ft. Marion — 2.13.
Reykiaveg — 1.45, Ft. Brooke — 1.06.
Key West — 0.64.
Februar 1843.
Amerika.
Cambridge — 6.94, Ft. Snelling — 6.92, Norvay House
— 6.39, Ft. Crawford — 6.39.
Muscatine — 5.60, Ft. Brady — 5.56, Jefferson barrack
— 5.06.
Middlebury — 4.84, Ft. Leavenworth — 4.73, Ft. Win-
nebago — 4.33, St. Louis — 4.29, Cherry Valley — 4.29,
Ft. Trumbull — 4.26, Lansinburgh — 4.19, Union — 4.04.
Marietta — 3.82, Watervliet Ars. — 3.78, Ft. Madison
— 3.78, Ft. Mackinak — 3.71, Newbury — 3.68, Onon-
daga — 3.66, Hudson — 3.65, Auburn — 3.49, Toronto
— 3.48, Rochester — 3.47, Fredonia — 3.44, Westpoint
— 3.39, Oxford — 3.39, Cincinnati — 3.33, Ft. Alle-
ghany — 3,25, Lowville — 3.24, Ft. Smith — 3.14, Car-
lisle — 3.13, Oneida — 3.12, Fi. Scott — 3.08, Ft.
Niagara — 3.05, Augusta Ars. — 3.05, Ft. Gratiot
— 3.02, New Bedford — 3.02.
Utica — 2.93, Lewiston — 2.93, Mendon — 2.91, Al-
bany — 2.90, Hamilton — 2.89, Dover — 2.87, Nash-
ville — 2.87, Gouverneur — 2.85, Erasmus Hall — 2.84,
Fairfield — 2.84, Pompey — 2.83, Cambridge Washing-
ton — 2.80, Mount Pleasant — 2.74, Ft. Mc. Henry
— 2.71, Sitcha — 2.70, Ft. Ontario — 2.68, Iıhaka
— 2.67, Steubenville — 2.53, Ft. Adams — 2.48, N. Sa-
lem — 2.47, Granville —241, Ft. Washita — 2.39,
Cortland — 2.34, St. Lawrence — 2.31, Kinderhook
654 Gesammtsitzung
— 2.30, Boston — 2.24, Union Hall — 2.17, Ft. Jesup
— 2.13, Dutchess — 2.13, Ft. Columbus — 2.12, Ft.
Pike — 2.03, Ft. Monroe — 2.02, Newwark — 2.00,
Providence — 2.00.
Newburgh — 1.98, New Mexico — 1.98, Ft. Gibson
— 1.88, New Orleans — 1.86, Hamilton — 1.84, Clin-
ton — 1.75, Cayuga — 1.65, Houlton — 1.64, Ft. Moul-
trie — 1.64, Ft. Brooke — 1.61, Ft. Johnston — 1.57,
Ft. Sullivan — 1.44, Mount Vernon — 1.33, Ft. Tow-
son — 1.09.
— 0) Ft. Monroe — 0.82, Natchez — 0.73, Savannah — 0.67,
Baton Rouge — 0.23.
-+- 1) Hebron 1.67, Nain 1.58.
+2) Neu Hernhut 2.97.
+ 4) Godthaab 4.74.
+ 6) Lichtenau 6.92.
—1
DW 2
Asıen und Europa.
—+- 8) Swislotsch 8.26.
+7) Orel 7.50, Pultawa 7.39, Kiew 7.38, Slobodskoi 7.30.
+6) Wologda 6.87, Tobolsk 6.58, Kasan 6.40, Bogoslowsk
6.31, Ustjuk Weliki 6.27, Moscau 6.27, N. Novgorod
6.21, Kowno 6.20, Charkow 6.20, Wolokolamsk 6.13,
Catherinenburg 6.01.
+ 5) Kursk 5.89, Wjätka 5.87, Kostroma 5.81, Warschau
9.72, Saratow 5.66, Wladimir 5.62, Uralsk 5.55, Lu-
gan 5.93, Dorpat 5.43, Glatz 5.29, Warschau 5.27,
Ussolje 5.22, Nicolajef 5.06.
4-4) Zamartin 4.98, Slataust 4.96, Pensa 4.96, Odessa 4.88,
Leobschütz 4.86, Oppeln 4.74, Petersburg 4.68, Sta-
nislau 4.64, Kreuzburg 4.63, Kupferberg 4.50, Tilsit
4.50, Arys 4.50, Seelau 4.49, Sebastopol 4.40, Hohen-
elb 4.31, Czaslau 4.30, Neurode 4.28, Archangel 4.24,
Stargard 4.12, Hohenfurth 4.11, Wien 4.10.
+3) Ofen 3.95, Krakau 3.91, Astrachan 3.89, Salzburg 3.86,
Mitau 3.85, Breslau 3.84, Rehberg 3.78, Schössl 3.75,
Deutschbrod 3.73, Stettin 3.51, Görlitz 3.48, Prag 3.46,
Schwenningen 3.38, Königsgrätz 3.29, Giengen 3.27,
vom 17. November 1864. 655
Peissenberg 3.14, Kremsmünster 3.12, Karlstein 3.10,
Leitmeritz 3.08, Pürglitz 3.06, Nertschinsk 3.04.
+ 2) Amlishagen 2.98, Brocken 2.97, Mittenwald 2,94, Pil-
sen 2.90, Oehringen 2.90, Hanau 2.89, Libotitz 2.88,
Smetschna 2.87, Zürich 2.78, Schopfloch 2.77, Mühl-
hausen 2.55, Winnenden 2.47, Berlin 2.45, Venedig
2.32, München 2.29, Hohenheim 2.29, Genf 2.22, Be-
resov 2.22, Carlsruhe 2.17, Oberstetten 2.12, Köthen
2.11, Wangen 2.11, Bissingen 2.10, Jakutzk 2.09,
Lenzburg 2.03, Darmstadt 2.03, Issny 2.01, Bologna
2.00.
-+ 1) Irkutzk 1.97, Barnaul 1.91, Hinrichshagen 1.83, Metz
1.76, Basel 1.72, Stuttgard 1.71, Torneo 1.69, Itten-
dorf 1.67, Arnstadt 1.64, Stralsund 1.61, Mailand 1.60,
Florenz 1.56, Palermo 1.51, Chalons 1.48, Nürnberg
1.32, Braunschweig 1.28, Sülz 1.25, Mannheim 1.24,
St. Bernhard 1.18, Peking 1.16.
+0) Rom 0.89, Gütersloh 0.83, Kopenhagen 0.79, Pfullin-
gen 0.60, Lübeck 0.50, Loewen 0.33, Neapel 0.32,
Gent —0. ‚28, Barcelona 0.24, Madrid 0. ie, Aachen 00.5.
— 0) London — 0.97, Paris — 0.39.
— 1) Oxford — 1.84, Dublin — 1.78, Bäinburg. — 1.61, Ap-
plegarth — 1.37, Brüssel ar Boston — 1.09.
— 2) Stromness — 2.08.
Gröfste Differenz zwischen der alten und neuen Welt 15.20.
März 1843.
Amerika.
— 11) Ft. Snelling — 11.88, Ft. Crawford — 11.66, Ft. Lea-
venworth — 11.01.
— 8) Ft. Winnebago — 8.99, Fi. Smith — 8.91, Muscatine
— 8.81, Jefferson bar. — 8.70, Ft. Scott — 8.26.
— 7) Ft. Jesup — 7.99, St. Louis — 7.54, Fi. Washita — 7.47,
Marietta — 7.02.
— 6) Nashville — 6.91, Cincinnati — 6.55, Norway House
— 6.45, Ft. Towson — 6.40.
656
—e.
— 4)
— 5)
29)
24)
— 0)
+1)
+2)
+5)
+7)
Gesammitsitzung
Ft. Gratiot — 5.87, Ft. Alleghany — 5.76, Lansin-
burgh — 5.66, Middlebury 5.65, Ft. Gibson — 5.64,
Ft. Pike — 5.64, Mount Vernon — 5.58, Ft. Brady
— 5.53, Ft. Mc. Henry — 5.40, Lancaster — 5.39,
New Orleans — 5.39, Carlisle bar. — 5.29, Oxford
— 5.28, Natchez — 5.19, Hamilton — 5.07, Cam-
bridge — 5.05. }
Ft. Monroe — 4.98, Cherry Valley — 4.95, Onon-
daga — 4.91, Ithaka — 4.91, Hudson — 4.84, West-
point —4.83, Frankfort Arsenal —4.72, Oneida — 4.70,
Baton Rouge — 4.65, Ft. Severn — 4.62, Mendon
— 4.62, Pompey — 4.60, Cortland — 4.58, Ft. Trum-
bull — 4.55, New Bedford — 4.53, Cayuga — 4.48,
Mount Pleasant — 4.47, Ft. Columbus — 4.43, Ft.
Moultrie — 4.38, Fi. Johnston — 4.36, Albany — 4.32,
Franklin (N. Y.) — 4.31, Pensacola — 4.29, Rochester
— 4.26, Granville — 4.20, Savannah — 4.18, Erasmus
Hall — 4.15, Fairfield — 4.14, Dutchess — 4.08, North
Salem — 4.04.
Gouverneur — 3.99, Augusta Ars. — 3.97, Ft. Nia-
gara — 3.97, Union Hall — 3.96, Watervliet Ars.
— 3.92, Union — 3.84, Kinderhook — 3.80, Utica
— 3.79, Toronto — 3.77, Ft. Marion — 3.65, Ft. Ma-
dison — 3.65, Lewiston — 3.64, Lowville — 3.52, New-
burgh —3.51, Johnstown — 3.51, Cambridge Washing-
ton — 3.48, Fredonia — 3.41, Ft. Hamilton — 3.22,
Newwark — 3.19, Ft. Adams — 3.00.
Ft. Ontario — 2.99, Mendon — 2.94, Boston — 2.88,
New Mexico — 2.84, Providence — 2.69, Auburn
— 2.53, Ft. Preble — 2.51, Newbury — 2.24, Dover
— 2.13, Ft. Brooke — 2.08, St. Lawrence — 2.04.
Ft. Sullivan — 1.51.
Houlton — 0.71, Sitcha — 0.39.
Hebron 1.98, Neu Hernhut 1.02.
Nain 2.82.
Godthaab 5.45.
Lichtenau 7.48.
Gröfste Differenz zwischen den Vereinigten Staaten und
Grönland 19.36.
ee er
vom 17. November 1864. 657
Der Winter von 18% ist in Europa von einer furchtbaren
Strenge, ungewöhnlich mild in den Vereinigten Staaten. Die
Wärme umfalst das ganze zugängliche Beobachtungsterrain, da
aber das Maximum derselben in den Staat New - York fällt, so
greift der erwärmende Luftstrom nothwendig weit in den at-
lantischen Ocean hinein. In der That bezeichnet Kinfauns Castle
in Schottland die Grenze des kalten über Europa von Ost nach
West fliefsenden Stromes. Der warme Strom als südlicher ist
daher wahrscheinlich nach Norden vordringend immer westli-
cher geworden, daher zeigt Torneo einen bedeutenden Wärme-
überschufs. Eye
Der December 1831 ist ziemlich normal in Europa und den
wenigen Beobachtungen zu Folge auch in Sibirien. Hingegen
ist Amerika sehr kalt, von Island bis zur Südspitze von Florida.
Der compensirende warme Strom fällt daher wahrscheinlich auf
die zwischenliegenden Meere. Die stärkste relative Kälte fällt, so
weit sie sich nach Ost hin verfolgen läfst, nach Wisconsin. In
dem Statistical Report of the sickness and mortality of the Army
of the United States from January 1855 to January 1860,
Washington 1860, findet sich p. 293 von der Station Scott in
Utah folgende Notiz: „Von alten Jägern höre ich, dafs der Buf-
falo in den letzten 30 Jahren nicht mehr westlich von den
Rocky Mountains gesehen worden ist, obgleich diese Gegend
vorher einer seiner Lieblingsweideplätze war. Diels beweisen
zahlreiche Schädel und andre Theile seines Gerippes, welche
bleichend auf der Prairie in jeder Richtung in dem Thale zwischen
den Rocky Mountains und der Sierra Nevada gefunden werden.
Die Thatsache steht fest, dafs er sich zu seinem jetzigen Auf-
enthalt auf den Prairien des Missouri und Arkansas zurückge-
zogen hat vor der Annäherung der Niederlassungen aus Virginia
und Kentucky. Die einzige Erklärung, welche ich für diese
auffallende Thatsache babe angeben hören, ist, dafs vor etwa
30 Jahren alle Buffalos durch einen ungewöhnlich strengen
Winter getödtet worden sind.” Vielleicht ist der hier unter-
suchte dieser Winter.
Eine zwei Monate umfassende bedeutende Temperaturernie-
drigung, wie sie der Februar und März zeigt, mag wohl zu den
grölsten Seltenbeiten in Amerika gehören. Die Compensation
658 Gesammtsitzung
für den Februar bildet Asien. Eine Abweichung von 19 Grad ist
das grolsartigste Beispiel anomaler Wärmeverbreitung, welches
mir bekannt ist. Diese Kälte rückt im innern Thal entschieden
von Nord nach Süd fort, aber auch hier muls ihr Einfliefsen nicht
von Nordost her stattgefunden haben, denn Labrador und Grön-
land sind zu warm und das letztere sehr bedeutend. Die Ge-
stalt der Isametralen zeigt die Längenachse aller die kälteste
Stelle umschlielsenden von Nord nach Süd gerichtet und zwar
im März in einer Erstreckung bis zum mexicanischen Meerbusen.
Darauf las derselbe über die barometrische Jah-
rescurve der arktischen Zone, über die Dämmerung
der-Wärme in der Winternacht der Polarländer und
über die Insolation auf der südlichen Erdhälfte.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Annales de l’observatoire physique central de Russie. Annee 1860. 1861.
St. Petersbourg 1863—1864. 4.
Compte-rendu annuel. Annee 1861—1863. ib. 1862—1864. 4.
Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. VII, no. 6. Lon-
don 1864. 8.
Würzburger Naturwissenschaftliche Zeitschrift. 4,2.3. 5,1.2. Würz-
burg 1863—64. 8.
Würzburger Medizinische Zeitschrift. 5, 2. 3. Würzburg 1864. 8.
BR. Fresenius, Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse. 5. Auf-
lage. Braunschweig 1864. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf.
d. d. Wiesbaden 18. Nov. 1864.
v. Malortie, Beiträge zur Geschichte des Braunschweig-Lüneburgischen
Hauses. Heft 4. Hannover 1864. 8. Mit Schreiben des Hın.
Verf. d. d. Hannover 10. Nov. 1864.
Miklosich, Lexicon palaeoslovenico-graeco-latinum. Fasc. V. Wien
1864. 8.
Marignac, Aecherches sur les acides silicotungstiques. (Extrait.) Paris
1864 8.
Me Ze u >
vom 24. November 1864. 659
Perrot, Exploration archeologique de la Galatie. Livr. 7. 8. Paris
1864. fol.
Goya, Los proverbios. Madrid 1864. follo.
Gerhard, Etruskische Spiegel. 3. und 4. Theil. 12. Lieferung. Ber-
lin 1864. 4. (20 Ex.)
24.Nov. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Weierstrafs las Bemerkungen über die Sin-
gularitäten der algebraischen Curven.
Hr. Magnus trug die folgende Note des Hrn. Dr. Kundt
über die Doppelbrechung des Lichts in tönenden
Stäben vor.
Biot machte ım Jahre 1820 die Entdeckung '), dafs ein
langer, in longitudinale Schwingungen versetzter Glasstreifen
einen Einfluls auf die Polarisation des durch denselben hindurch-
gehenden Lichtes ausübe. Er brachte einen etwa 2 Meter lan-
gen Streifen von Spiegelglas zwischen 2 gekreuzte polarisirende
Spiegel und rieb denselben longitudinal. In dem Moment, in
dem der Streifen ertönte, erschien derselbe hell glänzend in
dem analysirenden Spiegel und dieser Lichtschein erlosch sofort,
wenn der Ton verklang. Der Versuch ist später wiederholt
und auch erweitert; so giebt Hr. Professor Dove im 3öten
Bande von Poggendorffs Annalen (pag. 595) an, dals als er eine
Kalkspathplatte zwischen den tönenden Glasstreifen und den
Analyseur eingeschaltet, sich das schwarze Kreuz der Figur zu
öffnen schien; und ferner dafs eine Klangscheibe senkrecht ge-
gen einen polarisirten Strahl gehalten, überall keine Wirkung
auf die Polarisation übte. Dennoch ist die Erscheinung noch
nicht hinreichend bekannt. Bıot meinte, es entstände in dem
ganzen Stabe durch das Tönen eine Spannung, die ähnlich der-
jenigen durch Druck oder Temperatur hervorgebrachten, eine
ähnliche Doppelbrechung zur Folge habe.
*) Ann. de Chim. et de Phys. Ser. 2. XII.
660 Gesammtsitzung
Es wird sich im Folgenden zeigen, in wie weit dies der
Fall ist.
Es läfst sich nämlich nachweisen, dafs ein Glasstreifen
während des Tönens zwar wirklich doppelbrechend ist, dafs
diese Doppelbrechung aber nichts Constantes ist, dals vielmehr
die Helligkeit, die wir beobachten, nur die Summe sehr schnell
regelmälsig auf einander folgender Erscheinungen ist. Jede
Stelle des tönenden Glasstreifens ist nur doppelbrechend, wenn
an derselben während des Tones eine Verdichtung oder eine
Verdünnung stattfindet; in dem Zeitmomente, der zwischen bei-
den liegt, wo also weder das Eine noch das Andere stattfin-
det, ist der Glasstreifen an der bezeichneten Stelle auch nicht
doppelbrechend.
Um dies zu zeigen, bringe man eine passende Stelle des
tönenden Glasstreifens in passender, sogleich anzugebender Lage
fest zwischen zwei Nicolsche Prismen. Sodann lasse man ein
schmales verticales Lichtbündel durch das polarisirende Nicol-
sche Prisma, den Glasstreifen und das analysirende Prisma gehen.
Ist dies durch Kreuzung der Nicols vollständig verdunkelt, so
wird man beim Tönen des Stabes dasselbe hell aufblitzen sehen.
Lälst man es jedoch nun, statt direct ins Auge, auf einen
Spiegel fallen, der um eine verticale Axe rotiren kann, so wird
man in dem Spiegel, wenn derselbe in Drehung versetzt ist,
nicht die Lichtlinie in die Breite gezogen sehen, wie es sein
mülste, wenn dieselbe eine constante Erscheinung wäre, son-
dern man wird im Spiegel eine Reihe heller und dunkler Strei-
fen erblicken, ın die jener Lichtschein durch die Rotation des
Spiegels zerlegt wird. Es ist klar und man überzeugt sich bald
‘ davon, dals jeder helle Streifen den Momenten entsprechen
muls, in denen an der bezeichneten Stelle der Stab doppelbre-
chend ist, das heilst, in einer Richtung dichter oder weniger
dicht als ın den andern ist; dagegen die dunkeln Stellen des
Spiegels den Zeitpunkten entsprechen, die zwischen jenen lie-
gen, wo also die Elasticitätsverhältnisse des Stabes denjeni-
gen bei ruhendem Stabe vollkommen gleich sind. Während
jeder ganzen Schwingung ist ein Stab an jeder Stelle, mit Aus-
nahme der sogleich zu besprechenden, zweimal im Maximum
doppelbrechend, dazwischen nicht, und nur das schnelle Auf-
vom 24. November 1864. 661
einanderfolgen der Schwingungen lälst uns den intermittirenden
Lichtschein continuirlich während des Tones erblicken.
Ist aber die Doppelbrechung während des Tones wirklich
nur an die Verdichtungen und Verdünnungen geknüpft, so folgt
daraus, dafs an den Stellen des Glasstreifens, wo solche nicht
stattfinden, auch derselbe während des Tönens nicht hell er-
scheinen kann. In eiuem longitudinal tönenden Stabe finden
aber, wie bekannt, die Verdichtungen und Verdünnungen im
Maximum in den Knotenpunkten statt, ın der Mitte zwischen
zwei Knotenpunkten und an den freien Enden gleiten die Theil-
chen zwar hin und her, es wird aber dieElasticität hier nicht wesent-
lich geändert. Als ich daher die verschiedenen Stellen eines Glas-
streifens vor einem grölseren polarisirenden Spiegel vorüber-
führte, und während des Tönens mit einem Nicol betrachtete,
zeigte sich in der That, dafs das Maximum des Hellwerdens in
den Knotenpunkten auftrete; in der Mitte zwischen zwei Kno-
tenpunkten und an den freien Enden blieb der Stab stets dun-
kel. Biot hatte freilich schon bemerkt, dafs die freien Enden
des Stabes das Licht nicht affıcirten, und erklärt sich dies da-
durch, dafs die Theilchen hier ihre Bewegung frei gegen die
Luft ausführen könnten; .dals der Glasstreifen ebenso wenig
zwischen zwei Knotenpunkten die Polarisation ändere, scheint ihm
entgangen zu sein, wenigstens erwähnt er Nichts davon, wenn-
gleich er noch besonders angiebt, dafs der Stab mit 1, 2, oder
selbst 3 Knotenpunkten getönt habe.
Ferner sind in zwei benachbarten Knotenpunkten eines longi-
tudinal schwingenden Stabes bekanntlich die Phasen entgegen-
gesetzt; wenn in dem einen das Maximum der Verdichtung statt-
hat, herrscht im andern ein Maximum der Verdünnung. Könnte
man also die Lichtstrahlen, nachdem dieselben durch einen po-
larisirenden Nicol und den einen Knotenpunkt des Glasstreifen
gegangen, ohne ihre Polarisation weiter zu afficiren, in einem
benachbarten Knotenpunkt durch den Glasstreifen zurückschicken,
und dann analysiren, so dürfte während des Tönens kein Auf-
blitzen beobachtet werden können, ebenso wenig wie zwei hin-
tereinandergestellte Glaswürfel, von denen der eine ebenso stark
[1864.] 48
662 Gesammtsitzung
comprimirt, wie der andere in derselben Richtung dilatirt ist,
Erscheinungen der Doppelbrechung zeigen. — Der angegebene
Versuch läfst sich nicht gut anstellen, da man das Licht, um es
durch einen zweiten Knotenpunkt zurückzuschicken, von Spie-
geln reflectiren muls, wodurch seine Polarisation geändert wird.
Es ergab sich aber doch, dafs bei der angegebenen Anordnung
selbst beim Tönen sich die Helligkeit des Lichtbündels gar nicht
änderte. Liefs ich die Lichtstrahlen jedoch statt im zweiten
Knotenpunkt durch den Glasstreifen hindurch, über dem-
selben hinweg gehen, und analysirte sie, so wurde jedesmal
beim Tönen das Gesichtsfeld sehr deutlich hell.
Die Elasticitätsläche irgend eines Punktes des Stabes, die
bei ruhendem Stabe eine Kugel ist, ist im Momente einer Ver-
dichtung ein verlängertes Rotationsellipsoid, dessen Hauptaxe in
der Richtung der Längsaxe des Stabes liegt, im Moment einer
Verdünnung ein abgeplattetes Rotationsellipsoid, dessen Haupt-.
axe in derselben Richtung liegt. Während einer ganzen
Schwingung geht die Elasticitätsfläche continuirlich von der
einen Form, durch die Kugel, in die andere über, wobei die
Richtung der Hauptaxe immer dieselbe bleibt, und die Haupt-
axen aller Punkte immer unter einander und mit der Längsrich-
tung des Stabes parallel sind. Daraus folgt unmittelbar, dafs die
Polarisationsebenen nach denen das einfallende Licht zerlegt
wird, in allen Stellen des Glasstreifens in der Richtung der
Längsaxe desselben und senkrecht dazu liegen. Fällt also die
ursprüngliche Polarisationsebene des Lichtes mit einer dieser
Richtungen zusammen, so werden die Strahlen beim Durchgang
durch den Glasstreifen auch während des Tones gar nicht ge-
ändert, sie werden nicht in zwei interferirende Strahlenbündel zer-
legt; der Stab kann mithin auch nicht hell erscheinen. Dies
wird dagegen im Maximum der Fall sein, wenn die Polarisa-
tionsebene des einfallenden Lichtes im Azimuth 45° zur Längs-
richtung des Stabes liegt. Der Versuch bestätigte dies voll-
kommen; fiel die Längsrichtung des Stabes mit der ursprüng-
lichen Polarisationsebene zusammen, oder machte 90° mit der-
selben, so blieben alle Stellen des Stabes während des Tönens
dunkel, lag die Längsaxe jedoch unter 45° zur ursprünglichen
vom 24. November 1864. 663
Polarisation, so erschienen die Knotenpunkte beim Tönen
sehr hell.
Da ferner das verlängerte Elastieitätsellipsoid allmählig
und continuirlich durch die Form der Kugel in das abge-
plattete übergeht, so nimmt damit auch der Grad der Doppel-
brechung allmählig ab und wieder zu, und wenn die Doppel-
breehung überhaupt so stark ist, dals durch dieselbe Farben
entstehen können, so würde, wie man leicht sieht, daraus fol-
gen, dals die Streifen im rotirenden Spiegel farbig erscheinen
müfsten, und zwar mülsten in jedem Streifen von der dunklen
Mitte aus nach der hellen Mitte hin die Farben der Kalkspath-
platte mit dunklem Kreuz auftreten. Die Streifen zeigen sich
nun zwar wirklich bei starkem Ton farbig gesäumt, aber die
Streifen sind zu schnell verschwindend, als dafs man Genaueres
an ihnen beobachten könnte. Oft dagegen zeigt der ganze
Glasstreifen an und für sich, wenn man ihn nicht im rotirenden
Spiegel, sondern direkt durch den analysirenden Nicol betrach-
tet, und der Ton recht kräftig ist, ein farbiges Flimmern.
Schaltet man sodann ein farbengebendes Gypsblättchen zwi-
schen den analysirenden Nicol und den Glasstreifen ein, so
wird bei schwachem Ton: die Farbe des Gypsblättchen ge-
schwächt und verwischt, bei starkem Ton verschwindet sie ganz.
Der Grund ist hievon, wie man leicht einsieht, der, dals wegen
der Veränderlichkeit der Doppelbrechung des Glasstreifens, das
Licht welches von demselben zum Gypsblättchen kommt, nach
einander alle möglichen Arten der Polarisation hat, und über-
dies noch, wenn es in einem Moment der Verdichtung etwa
rechts elliptisch war, im entsprechenden Moment einer Verdün-
nung links elliptisch ist. Dadurch muls die Farbe des Gyps-
blättchens verwischt werden. Aus demselben Grunde verwischen
sich und verschwinden die farbigen Ringfiguren doppelbrechen-
der Platten die man einschaltet.
Wurden endlich zwischen Polarisator und Analyseur zwei
Glasstreifen parallel hinter einander gebracht, und während beide
zugleich tönten, die Erscheinung im rotirenden Spiegel betrach-
tet, so zeigten sich, wie vorauszusehen, nicht äquidistante helle
Streifen, wie bei einem Glasstreifen, sondern eine complicir-
4s*
664 Gesammisitzung
tere Erscheinung, die eine durch die beiden Doppelbrechungen
der Stäbe zusammengesetzte Interferenzerscheinung war.
Nachdem ich die Polarisationserscheinungen longitudinal
tönender Glasstreifen untersucht hatte, bemühte ich mich fest-
zustellen, ob und wie weit transversal schwingende Glasstreifen
Ähnliches zeigen möchten. Wurde ein längerer Glasstreifen so
in transversale Schwingungen versetzt, dals die Ein- und Aus-
biegungen zwischen zwei Knotenpunkten in dieRichtung der durch-
gehenden Lichtstrahlen fielen, so konnte ich bei diesen Stäben,
ebenso wenig wie Hr. Professor Dove bei Klangscheiben,
einen Einfluls auf die Polarisation wahrnehmen; sind die Ein-
und Ausbiegungen jedoch senkrecht zur Richtung der durchge-
henden Strahlen, so zeigt ein transversal schwingender Stab sehr
wohl Polarisationserscheinungen. Der ganze Stab zeigt eine
scharfe schwarze Linie, die seiner Längsrichtung parallel läuft,
und in den Knotenpunkten und an den freien Enden breitere
schwarze Streifen, die zu jener ersten Linie und der Längsaxe
des Stabes senkrecht sind. Die andern Theile des Stabes er-
scheinen hell. Die Erklärung dieser Figur liegt auf der Hand.
Durch Brewster und Neumann sind die Polarisationser-
scheinungen durchgebogener Glasstreifen sorgfältig untersucht.
Ein durchgebogener Glasstreifen zeigt in seiner Mitte eine
seiner Länge parallele schwarze neutrale Zone, die sich
nach den Unterstützungspunkten hin erweitert. Zwischen der
convexen Seite des durchgebogenen Streifens und dieser neu-
tralen Zone sind alle Theilchen durch Dilatation, zwischen der
letzteren und der concaven Seite durch Compression doppel-
brechend. Da sich nun beim Schwingen des Stabes die Theile
zwischen je zwei Knotenpunkten biegen, so muls bei jeder Aus-
und Einbiegung dieselbe Figur sich zeigen, wie beim mechani-
schen Durchbiegen. In dem Moment freilich wo der Stab durch
seine Ruhelage geht, wird derselbe keinen Einfluls auf die Po-
larısation üben. Da nun aber bei einer Biegung nach oben oder
unten von dieser Ruhelage immer dasselbe Bild entsteht, die
lineare Grölse der Durchbiegung beim Schwingen aber sehr un-
bedeutend ist, so werden sich die beim Ein- und Ausbiegen
entstehenden Bilder für unser Auge auf einander legen und wir
vom 24. November 1864. 665
sehen eine constante Erscheinung. Dafs dieselbe in der That
nichts Constantes ist, dals jedesmal wenn der Stab von seiner
Ausbiegung nach oben durch seine Ruhelage nach unten geht,
gar keine Figur entsteht, davon überzeugt man sich leicht durch
Betrachtung der Erscheinung im rotirenden Spiegel. Ein schma-
les Lichtbündel, welches abgesondert und während des Tönens
im rotirenden Spiegel betrachtet wird, löst sich ebenfalls in
helle und dunkle Streifen auf, die hier nur, bei gleicher Dre-
hungsgeschwindigkeit, viel weiter auseinander liegen, als beim
oben betrachteten longitudinalem Schwingen, da im Allgemeinen
die transversalen Töne sehr viel tiefer sind als die longitudi-
nalen. —
Es ist bisher nur das zwischen zwei Knotenpunkten ent-
stehende Bild betrachtet; durch das Aneinanderreihen der Figu-
ren zwischen je zwei Knotenpunkten entsteht aber das Bild des
ganzen Stabes, und es ist klar, dals, da sich nach den Unter-
stützungspunkten hin beim Biegen die neutrale Zone erweitert,
sich beim Schwingen des Stabes in den Knotenpunkten brei-
tere zur Längsaxe des Stabes verticale schwarze Banden bilden
müssen, die durch die aneinander stolsenden erweiterten neutra-
len Zonen gebildet werden. An den freien Enden zeigt natür-
lich ein schwingender Stab nicht genau die Erscheinung, die
der Stab von einem Knotenpunkt bis zur Mitte zwischen ihm
und dem nächsten erkennen lälst, sondern eine etwas andere
Zeichnung und zwar diejenige, die ein Stab bildet, der an einem
Ende fest und am andern Ende durch ein Gewicht herauf oder
herunter gezogen ist.
‘Von den longitudinal tönenden Stäben unterscheiden sich
die transversal schwingenden also hauptsächlich dadurch, dafs
während bei den ersten in den Knotenpunkten das Maxi-
mum der Doppelbrechung stattfindet, und zwischen je zwei
Knotenpunkten sich eine schwarze Stelle findet, bei den trans-
versal schwingenden das Gegentheil statt hat. Die Knoten-
punkte affıciren hier die Polarisation nichtund zwischen ihnen
findet das Maximum der Doppelbrechung statt. Da die Axen
der Compression und Dilatation beim Durchbiegen eines Stabes
immer sehr nahe senkrecht zur Längsrichtung des durchgeboge-
666 Gesammisitzung
nen Stabes liegen, so werden auch beim Tönen die Polarisa-
tionsebenen nach denen das einfallende Licht zerlegt wird, senk-
recht zur Längsaxe des Stabes und parallel derselben liegen
müssen. Die Polarisationsebene des einfallenden Lichtes muls
also auch hier 45° mit der Richtung des Stabes machen, wenn
man die entstehende Figur im Maximum der Deutlichkeit er-
blicken will. ;
Bei transversalem Tönen läfst sich der Versuch leicht an-
stellen, einen Strahl, nachdem derselbe oberhalb der neutralen
Zone durch d.n Glasstreifen gegangen, unterhalb der Zone durch
denselben zurückzuschicken und dann zu analysiren. Da hier,
— wie beim longitudinalen Tönen in zwei benachbarten Knoten-
punkten — Verdichtungen und Verdünnungen in jedem Mo-
ment oberhalb und unterhalb der neutralen Zone entgegenge-
setzt stattfinden, so zeigte sich bei dem angegeben Versuch
auch beim stärksten Ton kein Aufblitzen der durchgegangen
Strahlen. —
Die Farbe eines eingeschalteten Gypsblätichens, oder das
Ringsystem einer Kalkspathplatte wurden auch beim transversa-
len Tönen, aus demselben Grunde, wie oben, verwischt oder
ganz vernichtet.
Farben wurden an dem tönenden Stabe und an den Strei-
fen im rotirenden Spiegel ebenfalls nur hin und wieder und
nicht sehr hervortretend beobachtet.
Endlich drängte sich mir noch der Gedanke auf, sowohl
bei longitudinal wie bei transversal schwingenden Stäben die in
dem rotirenden Spiegel erscheinenden Streifen zur Bestimmung
der Schwingungszahl der Stäbe zu‘benutzen, denn bei gegebe-
ner Drehungsgeschwindigkeit des Spiegels wäre es nur nöthig
die Anzahl der Streifen zwischen zwei festen Punkten, etwa zwei
Fäden eines Fernrohres zu zählen, um daraus die Schwingungs-
zahl zu finden. Ich habe mich indels überzeugt, dafs diese Me-
thode, wenngleich sie ausführbar ist, doch an Genauigkeit mit
andern bekannten Methoden sich nicht messen kann, und dels-
halb nicht anwendbar ist.
Bewundernswerih aber ist es, dafs wir also durch das Licht
nicht nur die kleinsten Änderungen in den Spannungsverhält-
vom 24. November 1864. 667
nissen eines Mediums zu erkennen im Stande sind, sondern auch
noch einen periodischen Wechsel dieser Spannungen mit glei-
cher Genauigkeit wahrnehmen, selbst wenn dieser Wechsel über
tausendfach in einer Secunde ist.
Hr. Dove theilte eine Beobachtung über mangeln-
den Farbensinn mit.
Betrachtet man eine schmale weilse Linie auf schwarzem
Grund durch ein rothes Glas, so entfernt man, um sie deutlich
zu sehen, das Auge weit mehr von ihr, als wenn man nach ihr
durch ein tief blaues Glas blickt. Auf diese Erscheinung habe
ich die Erklärung des lebhaften Glanzes zurückgeführt, welchen
man sieht, wenn man vor das rechte Auge ein Glas hält, des-
sen Farbe eine andre ist als die des vor das linke Auge gehal-
tenen Glases, und nun binocular eine Zeichnung betrachtet,
welche in der Farbe des einen Glases ausgeführt ist auf einem
Grunde, dessen Farbe die des andern Glases ist. Ich habe
früher gezeigt, dafs Individuen, welche bestimmte Farben nicht
zu unterscheiden vermögen, sich bei dem zuerst angeführten
Versuch genau so verhalten, wie normal sehende. Die Ver-
schiedenheit der Entfernung, in welcher verschiedene Farben
deutlich gesehen werden, bleibt also für sie bestehen, obgleich
sie selbst unmittelbar diese nicht zu unterscheiden vermögen.
Nach der von mir gegebenen Theorie des Glanzes war es da-
her wahrscheinlich, dafs sie bei dem zweiten Versuch sich des-
selben bewust werden müssen. Dieses war auch in der That
bei einem Herrn von sehr entschieden ausgesprochenem man-
gelnden Farbensinn in so hohem Grade der Fall, dafs er ver-
sicherte, er glaube eine Glasplatte zu sehen.
Bei Untersuchungen über mangelnden Farbensinn hat man
bisher vorzugsweise nur zu beantworten gesucht, was damit be-
haftete Individuen nicht sehen. Um eine Anschauung davon zu
erhalten, welchen Eindruck die Gegenstände auf diese machen,
scheint es ebenso nothwendig festzustellen, was für sie bei den
durch Farbengegensätze hervorgerufenen Erscheinungen, jenes
668 Gesammtsitzung vom 24. November 1864.
Mangels ungeachtet, noch wahrnehmbar bleibt. In dieser Be-
ziehung hat der ältere Seebeck bereits nachgewiesen, dafs
diels für die Absorptionserscheinungen gilt. Da ein rother Ge-
genstand durch ein rothes Glas betrachtet hell, durch ein grü-
nes dunkel erscheint, und umgekehrt ein grüner durch dieses
hell und jenes dunkel, so können auf die Weise die, welche
grün und roth für gleichfarbig halten, beide Farben unterschei-
den. Die von mir angestellten Versuche zeigen, dafs die von
der verschiedenen Brechung des verschieden farbigen Lichtes
abhängigen Erscheinungen ebenfalls deutlich von ihnen erkannt
werden. Welchen Eindruck aber die von ihnen nicht unter-
scheidbaren Farben auf sie machen, habe ich dadurch zu be-
stimmen gesucht, dafs ich zwei Pigmente, welche für ein nor-
males Auge sehr verschieden, von ihnen als gleich bezeichnet
wurden, durch binoculare Betrachtung vermittelst eines vor das
eine Auge gehaltenen Spiegelprismas zum Decken brachte. In
der That entsprach die Beschreibung des Eindrucks, welchen
sie bei directem Betrachten erhalten, dem Eindrucke welchen ein
normales Auge durch die auf die angegebene Weise combinirten
Farben erhält.
In dieser Sitzung wurde die im Statut der Humboldtstif-
tung $. 14. 3. 4. und 5. angeordnete Wahl für das Curatorium
vollzogen und zwar auf 4 Jahre. Es wurden wiedergewählt
Hr. Trendelenburg, Sekretar der Akademie,
Hr. Magnus, Mitglied derselben,
und Hr. Geheimer Commerzienrath Alexander Mendels-
sohn.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Proceedings of the scientific Meetings of the Zoological Society of Lon-
don for 1863. With Illustrations. London 1863. 4.
Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 23. Nov. 1864. 669
Transactions of the Zoological Society of London. Vol. V, 3. London
1864. 4.
75. Publikation des Literarischen Vereins in Stuttgart. Stuttgart 1864. 8.
Sitzungsberichte der K. Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 1. 4.5.
I. 1. München 1864. 8.
Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu
Freiburg im Br. Band III. Heft 2. Freiburg 1864. 8.
28. Nov. Sitzung der philosophisch -histo-
rischen Klasse.
Hr. Bufchmann las den Schlufs feiner zweiten Abhand-
lung über die Zahlwörter der [onorifchen Sprachen,
gehörig zur dritten Abtheilung [einer fonorilchen Gramnaatik.
—Yye—
[1864.] 49
ei N . TEEN BY ae
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x
Bericht
über die
zur Bekanntmachung geeignetenVerhandlungen
der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin
im Monat December 1864.
Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg.
1. Dec. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Magnus las über die Verschiedenheit der
Wärme von rauhen und von glatten Oberflächen.
Durch die Beobachtung, welche der Akademie im August
d. J, mitgetheilt wurde, nach welcher Platin, in der Flamme
eines Bunsenschen Brenners erhitzt, nahe doppelt so viel Wärme
ausstrahlt wenn es mit Platinschwamm bedeckt ist als im glat-
ten Zustande, bot sich die Möglichkeit einigen Aufschluls zu er-
halten über die merkwürdige Verschiedenheit der Wärmestrah-
lung einer und derselben Substanz, je nachdem ihre Oberfläche
glatt oder rauh ist, namentlich ob die in der rauhen Oberfläche
befindlichen materiellen- oder Äthertheilchen sämmtlich gröfsere
Amplituden machen als in der glatten, oder ob die von beiden
Oberflächen ausgesandten Strahlen von verschiedenen Wärme-
farben sind.
Wären nämlich die Strahlen, welche von beiden Ober-
flächen ausgesendet werden, von gleichen Wellenlängen, und
wären auch die diesen Wellenlängen entsprechenden Amplituden
gleich, so könnte die grölsere Erwärmung, welche die rauhe
Fläche hervorbringt, nur darauf beruhen, dals mehr Theilchen
in ihr vorhanden sind, welche die Wärme aussenden. In die-
sem Falle würden von den Strahlen beider Flächen, wenn sie
[1864.] 50
672 Gesammtsitzung
durch verschiedene Medien hindurchgehen, stets proportionale
Mengen absorbirt werden. Wenn dagegen die rauhe Platte
andere Wärmefarben aussenden sollte als die glatte, so ist an-
zunehmen dafs unter den verschiedenen Medien, durch welche
man die Strahlen gehen läfst, sich einzelne finden werden, wel-
che gewisse der neuhinzugetretenen Farben in einem stärkeren
Verhältnifs als die übrigen absorbiren. Es wurde delshalb der
Durchgang der von beiden Oberflächen ausgesandten Strahlen
durch verschiedene Medien untersucht und mit einander ver-
glichen.
Es war hierbei nicht möglich die Strahlen des glühenden
Platins allein anzuwenden. Zwar konnten die Strahlen des seit-
lich befindlichen Theils der Flamme durch Diaphragmen abge-
halten werden, nicht aber die des vor dem Platin, oder richtiger
zwischen diesem und der Säule befindlichen Theils. Indefs war
die Wirkung desselben, und der ganzen nicht leuchtenden
Flamme, wenn sie kein Platin enthielt, so gering, dals sie ver-
nachlässigt werden konnte.
Durch einen für den Zweck dieser Nersuche besonders
construirten Apparat konnten zwei ganz gleiche kreisrunde
Scheiben von Platin genau an dieselbe Stelle in die Flamme
eines Bunsenschen Brenners vor die Säule gebracht werden.
Die Flamme dieses Brenners, zu dem das Gas durch einen Re-
gulator gelangte, war sehr constant. Zunächst wurden beide
Platinscheiben glatt, unplatinirt, angewendet, um zu erfahren,
ob sie beide in diesem Zustande gleich viel Wärme gegen die
Säule strahlten. Nur wenn dies der Fall war konnte man sicher
sein, dals die eine genau die Stelle der andern einnahm und
dafs die Flamme sich hinreichend constant erhielt. Danach
wurde Platinschwamm in gleichmälsiger Schicht auf die eine
Scheibe gebracht und die Ausstrahlung beider mit einander ver-
glichen; sowohl wenn sie direkt gegen die Säule strahlten, als
auch bei Einschaltung einer grölseren Anzahl von Substanzen,
die als parallele Platten von sehr verschiedener Dicke angewen-
det wurden.
Eine Anzahl dieser Platten absorbirte proportionale Men-
gen von der Wärme beider Quellen, so dals wenn Z die Gröfse
des Ausschlages bedeutet, welchen das Galvanometer machte,
vom 1. December 1864. 673
wenn die Säule von der glatten Platinscheibe direkt bestrahlt
wurde und : den Ausschlag bei Einschaltung von einer der er-
wähnten Platten, und wenn ebenso 7, und i, die entsprechen-
den Ausschläge für die platinirte Platte bezeichnen, so war
N]
or
e Ü
Bei einer andern Anzahl von Platten ergab sich 7 stets grölser
i d 2 :
als 7 Der Unterschied war bei verschiedenen Platten ver--
1
schieden, bei den meisten jedoch unbedeutend. Als aber eine
Platte von Alaun eingeschaltet wurde, war der Unterschied
sehr auffallend und zwar war die absolut hindurchgegangene
Wärmemenge von beiden Platten kaum verschieden. Dies Re-
sultat wurde nıcht mit einer, sondern mit sechs verschiedenen
Platten von Alaun von 1,5”” bis 9,5”” Dicke erhalten.
Ähnlich wie Alaun verhielt sich auch Copal von verschie-
denen Sorten. Auch bei diesem war der Unterschied von z
und 1 viel bedeutender als bei den übrigen, doch waren die
1
absolut hindurchgegangenen Wärmemengen nicht gleich.
Da nicht proportionale Mengen der Wärme beider Quel-
len von den verschiedenen Platten, namentlich vom Alaun und
Copal, absorbirt werden, so müssen entweder von der platinir-
ten Platte andere Wärmefarben als von der glatteu ausgehen,
oder es muls die Zunahme der Intensität, welche durch das
Platiniren erfolgt, nicht für alle Farben in gleichem Maafse
stattfinden; wobei nicht ausgesehlossen ist dafs auch beides der
Fall sein könnte, sowohl dafs neue Farben entstehen, als auch
dals einzelne von der glatten Platte ausgesandte in grölserer In-
tensität als die übrigen von der platinirten ausgehen. Welches
von diesen stattfindet liels sich durch Versuche über Absorption
nicht entscheiden. Es wurde delshalb versucht durch Zerlegung
der ausgesandten Wärme mittelst eines Steinsalzprismas Aufschluls
zu gewinnen. Hiefür wurde eine lineare Thermosäule ın Ver-
bindung mit einem sehr empfindlichen Galyanometer angewendet.
3055
674 Gesammtsitzung
Statt des früher ') beschriebenen mit zwei fast astatischen Stahl-
spiegeln, wurde nämlich eins von veränderter Construction mit
zwei Magnetnadeln angewendet, unter denen, in der Verlänge-
rung des sie verbindenden Stäbchens, ein versilberter Glasspie-
gel angebracht war. Dieses Sysiem aus Nadeln und Spiegel
hat ein sehr viel geringeres Trägheitsmoment als zwei Stahl-
spiegel, wenn sie auch noch so dünn verfertigt sind. Die Aus-
schläge, welche dieses Galvanometer liefert, waren defshalb viel
gröfser als bei dem früher benutzten mit zwei Stahlspiegeln.
Als ausstrahlende Flächen wurden statt der kreisrunden
Scheiben ein Paar Streifen aus Platin benutzt. Zunächst wur-
den beide glatt angewendet, um sicher zu sein, dals nicht nur
die Spectra, welche sie erzeugten, genau an dieselbe Stelle fie-
len, sondern dals auch die Erwärmung in den verschiedenen
Theilen dieser Spectra dieselbe war. Erst nachdem man sich
überzeugt hatte dafs die 'Thermosäule, wenn sie sich an den
verschiedenen Stellen des Spectrums befand, stets dieselben Aus-
schläge des Galvanometers lieferte, das Spectrum mochte durch
den einen oder den andern Streifen erzeugt sein, wurde der.
eine Streifen mit Platinschwamm überzogen und die Erwär-
mungen an den einzelnen Stellen des Spectrums bestimmt,
indem beide Streifen nach einander auf die an derselben Stelle
befindliche Säule einwirkten.
Die erhaltenen Werthe wurden graphisch auf die Weise
zusammengestellt, dals die am Gslvanometer in Millimetern be-
obachteten Ausschläge auf verticale Linien von einer horizon-
talen aus aufgetragen wurden. Die Abstände der verticalen von
einander sind gleich der dreifachen Gröfse, um welche die Säule
von einer Beobachtung zur andern verschoben wurde. Die
durch diese Ahscissen und Ordinaten gebildeten Curven stellen
die Vertheilung der Wärme im Spectrum dar. Da dieselbe
aber nicht von den Platinstreifen allein herrührte, sondern auch
von dem vor denselben befindlichen Theile der Flamme, so
wurde auch die durch die Flamme allein in den verschiedenen
Theilen des Spectrums erzeugte Erwärmung bestimmt, und ob-
gleich dieselbe überhaupt nur gering war, von der durch die
Platinstreifen mit der Flamme erzeugien in Abzug gebracht.
') Monatsbericht für 1862. 570.
vom 1. December 1864. 675
Die nach dieser Verminderung der Ordinaten entstandenen
Curven zeigen, dafs das Maximum der Erwärmung sowohl bei
Anwendung des platinirten wie des glatten Platins an dieselbe
Stelle des Spectruws fällt und dafs die Zunahme der Intensität
die bei dem platinirten stattfindet, hauptsächlich von den im
Roth und diesem zunächst liegenden Wellenlängen herrührt,
das sind die Wellenlängen, welche auch unter den von dem
glatten Platin, wie überhaupt von glühenden Körpern, ausge-
sandten, die gröfste Intensität haben.
Wahrscheinlich sind die Wärmespectra von beiden ange-
wandten Streifen continuirlich. Indels wäre es auch möglich,
dafs sie an einzelnen Stellen unterbrochen sind und dals die
fehlenden Stellen sich, wegen ihrer geringen Breite der Beob-
achtung, mittelst der Säule entziehn. Geht man aber davon
aus, dals sie continuirlich sind, d. h. dafs in dem ganzen Raume,
in welchem noch eine Temperaturerhöhung beobachtet ist, con-
tinuirlich alle Wellenlängen vorhanden sind, dann kommen in
der von dem platinirten Platin ausgesandten Wärme keine an-
dere Wellenlängen vor als in der von dem glatten; denn sonst
müfsten die Spectra beider Quellen verschiedene Ausdehnung
haben, was nicht der Fall ist.
Es scheiut dafs die nach dem Blau hin liegenden Wel-
lenläingen von dem Alaun vorzugsweise durchgelassen wer-
den. Bis jetzt hat es indels nicht gelingen wollen dies auf
direktem Wege nachzuweisen. Denn als bei den prismati-
schen Versuchen eine Alaunplatie eingeschaltet wurde, waren
die Ausschläge, wegen der geringen Menge von Wärme, wel-
che der Alaun überhaupt durchläfst, so klein, dafs daraus kein
zicherer Schlufs gezogen werden konnte. Durch die Unitersu-
chungen von Jamin und Masson') über die Vertheilung der
Wärme im Sonnenspectrum wird es jedoch wahrscheinlich dals,
wie von der Sonne, so anch von der Wärme des glühenden
Platins die dem farbigen Theil des Spectrums angehörenden
Strahlen vorzugsweise von dem Alaun durchgelassen werden.
Auffallend war bei diesen Versuchen, dafs das platinirte
Platin, das fast doppelt so viel Wärme ausstrablt als das glatte,
1) Comptes rendus XXXI. 14; Jamin Cours de Physique II. 238.
676 Gesammtsitzung.
nicht mehr leuchtet als dieses. Im Gegentheil erschien die
Lichtintensität desselben stets geringer als die des glatten. Es
könnte dies davon herrühren, dafs es in der Flamme nicht ganz
die Temperatur des glatten erreicht, da es etwas mehr Masse
und grölseres Volumen hat als dieses. Sollte dies der Fall sein
so wäre die Stärke der Wärmestrahlung noch auffallender. Da
übrigens die angewandten Platin-Scheiben und Streifen ganz von
der Flamme umgeben waren, und ein im Vergleich zur Flamme
nur geringes Volumen hatten, so ist nicht anzunehmen, dafs
das jedenfalls sehr wenig dickere, platinirte Platin eine andere
Temperatur als das glatte gehabt haben sollte, wenn beide hin-
reichend lange in der Flamme sich befanden.
Hr. Mommsen legte den von den Herren Henzen und
Hübner so wie den von ihm selbst erstatteten Bericht über
den Fortgang der Arbeiten am Corpus inscriptionum Latinarum
während des Arbeitsjahres 1. Nov. 1863 — 31. Oct. 1864 vor.
— Hr. Henzen hat den inschrifilichen Ertrag seiner vorjähri-
gen Bereisung Oberitaliens, namentlich die Papiere Muratoris
und Goris, so wie die bisher noch zusammengehaltenen Barbe-
rinischen, ferner die von den Herren Nissen und Zange-
meister in Etrurien und den Marken genommenen Original-
copien dem Apparat eingeordnet und mit der Bearbeitung der
stadtrömischen Inschriften fortgefahren, zunächst derjenigen, die
in den vor und in dem 15. Jahrhundert entstandenen Sammlungen
auftreten. — Hr. Hübner hat den Druck des zweiten Bandes
bis zum 30. Doppelbogen fortgeführt, womit die Provinz Bae-
tica mit Ausschlufs des letzten Viertels (Gerichtsbezirk von Cor-
dova) beendigt ist. — Die Ausnutzung der von Paris mitge-
tbeilten Handschriften wurde fortgesetzt und namentlich die
Originalhandschrift von Seb. Macci ausgenutzt und grolsentheils
copirt, wobei manches besonders für Umbrien und die Marken
Werthvolle sich fand, zugleich aber dieser Sammler sich als
arger Fälscher herausstellte. — Hr. Mommsen hat den Druck
des dritten Bandes bis Bogen 16 weiter geführt, womit die In-
schriften Aegyptens, Asiens, Griechenlands und Makedoniens
vom 1. December 1864. 677
zum Abdruck gebracht sind. — Schlielslich wurde über die vor-
bereitenden Schritte für die Bearbeitung der Inschriften des
Rheingebiets berichtet.
An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit-
schreiben wurden vorgelegt:
Leibnitii de expeditione aegyptiaca scripta quae supersunt omnia, ed. Onno
Klopp. Hannoverae 1864. 8. Mit Ministerialrescript vom 24. Nov.
1864 und Schreiben des Hrn. Klopp vom 26. Nov. 1864.
A. Erdmann, Sveriges Geologiska Undersöhning. No. 6—13. Stock-
holm 1863—64. 8. mit Atlas in folio.
Hoek et Oudemans, Sur les contractions dans n melanges de liquides.
La Haye 1864. 1,
Astronomical Observations made at the Royal Observatory, Edinburgh.
Vol. XII. Edinb. 1863. 4.
Recherches astronomiques de l’observatoire d’Utrecht. Livr. 2. Utrecht
1863. 4.
Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. XXIV. Antiquities.
Part 2. Dublin 1864. 4.
Czerwiakowski et Warszewicz, Catalogus plantarum horti bo-
taniei Cracoviensis. Cracoviae 1864. 8.
Bulletin de !academie de Belgique. no. 9—11. Bruxelles 1864. 8.
Verhandlungen des Museums in Klausenburg. 3. Jahrgang, Heft 1.
Klausenburg 1864. A4.
Jahresbericht der Wetterauischen Gesellschaft zu Hanau. Hanau 1864. 8.
Leon de Rosny, Aapport annuel fait d la societe d’ethnographie. Paris
1864. 8.
Haughton, On the reflexion of polarized light from polished surfaces.
(London 1864.) 4.
On the tides of the arctice Seas. (London 1864.) 4.
8. Dec. Gesammtsitzung der Akademie.
Hr. Schott las über die ächten oder eigentlich
so zu nennenden Kirgisen.
678 Gesammtsilzung
Hr. Pertz legte von der durch Servais Kruffter in dem
Jahre 1518 oder folgenden veranstalteten Ausgabe des Tyl Eu-
lenspiegel das eine der beiden bis jetzt vorhandenen Exemplare,
welche jedoch beide unvollständig waren, das der hiesigen König-
lichen Bibliothek gehörige vor. Es ist an sie mit der Meuse-
bach’schen Bibliothek gekommen, und entbehrte die ersten drei
Lagen, so wie dem anderen, der Wiener Hofbibliothek gehö-
rigen, eine der mittleren und die letzten Lagen fehlten. Unter
diesen Umständen vereinigten sich die Chefs beider Anstalten,
mittelst des Lichtsteindruckes beide Exemplare zu vervollständi-
gen und zugleich den Abzug einer geringen Anzahl vollständi-
ger Abdrücke für Bibliotheken und Freunde der älteren deut-
schen Litteratur zu veranlassen. Dieser Gedanke ist nach Über-
sendung des Wiener Exemplars bieher durch Hrn. Burchard
ausgeführt, indem die Aschersche Buchhandlung die erforder-
lichen Kosten bestritt. Es wurden demnach der K. Akademie
4) das jetzt- vervollständigte Exemplar der K. Bibliothek und
2) einer der neuen vollständigen Abdrücke vorgelegt, und ge-
währten einen neuen Beweis von der Zweckmälsigkeit des Bur-
chardschen Verfahrens für ähnliche Zwecke.
Hr. W. Peters las über das normale Vorkommen
von nur sechs Halswirbeln bei Choloepus Hoffmanni
Ptrs.
Nach der allgemeinen Regel haben sämmtliche Säugethiere,
so wie der Mensch, mögen sie nun einen sehr langen (Giraffe)
oder einen sehr kurzen (Walthiere) Hals haben, sieben Hals-
wirbel. Von dieser Regel kannte man bisher nur zwei Ausnah-
men, die eine bei der Gattung Bradypus, bei deren Arten eine
Vermehrung der Halswirbel gewöhnlich um zwei, seltener um
einen ') oder drei stattfindet, die andere bei den Trichechus L.
*) In den meisten Fällen bei Zradypus torquatus, für welchen, wenn
er als besondere Gattung wegen des verschiedenen Baus des Schädels, des
Zungenbeins und des Oberarmsbeins von den anderen Zradypus-Arten ab-
getrennt werden sollte, ich den Namen Scaeopus vorschlagen würde, da
der Name Zradypus nach Linne und Illiger den letzteren bleiben mufs.
vom 8. December 1864. 679
(Manatus Cuv.), bei denen normaler Weise sechs und nur
selten sieben Halswirbel gefunden werden.
Im Jahre 1858') hatte ich die Ehre, der Akademie eine
Mittheilung zu machen über eine neue Art von zweizehigen
Faulthieren aus Costa Rica, welche von mir nach seinem
Entdecker, Dr. Carl Hoffmann, Choloepus Hoffmanni ge-
nannt wurde. Erst später sind mir durch den Reisegefährten
des verstorbenen Hoffmann, Hrn. Dr. A. von Frantzius,
vollständige und unvollständige Skelete, z. Th. aus dem Nach-
lasse des Dr. Hoffmann und von Hrn. Carmiol zugegangen,
welche ein zweites Vorkommen von nur sechs Halswirbeln
unter den Säugethieren und zugleich ein neues Merkmal dieser
kurzzehigen Art liefern, zur Unterscheidung von dem langzehi-
gen Ch. didactylus mit der normalen Zahl von sieben Halswir-
beln aus Nordbrasilien und Guiana.
Die Zahl sämmtlicher Wirbel beträgt bei fünf mir vorlie-
genden Skeleten sechs und vierzig; bei einem sechsten Skelete
von einem ganz jungen achttägigen Exemplar sind die letzten
Schwanzwirbel abgeschnitten. Alle haben nur sechs Halswir-
bel, so dals man diese Zahl wohl als die normale bei dieser Art
betrachten darf. Von diesen Skeleten zeigen vier die Halswir-
bel getrennt, eins den zweiten und dritten. Halswirbel mit ein-
ander verwachsen, wie A. Wagner”) dieses auch bei Ch. di-
dactylus beobachtet hat, und eins aulser der Verwachsung des
zweiten und dritten auch eine Verschmelzung des sechsten Hals-
wirbels mit dem ersten Rückenwirbel. Vier Skelete haben 23
Rückenwirbel und Rippenpaare, 3 Lendenwirbel und 8 Kreuz-
beinwirbel, eins hat 23 Rückenwirbel, 4 Lendenwirbel (indem
der letzte Lendenwirbel nicht mit dem Darmbein verbunden ist)
und 7 Kreuzbeinwirbel und eins zeigt 24 Rückenwirbel und
Rippenpaare, nur 2 Lendenwirbel (indem der erste noch als
Rippen tragend zu den Brustwirbeln gezählt ist) und 8 Kreuzbein-
wirbel. Alle (mit Ausnahme des verstümmelten jungen Thieres)
baben sechs Schwanzwirbel, von denen bei einem Exemplar die
beiden letzten mit einander verwachsen sind. Überhaupt scheint
') Monatsberichte etc. 1858. p. 128.
?) Schreber, Säugethiere. Supplement. IV. p. 155.
680 Gesammtsitzung vom 8. December 1864.
bei den Faulthieren eine grofse Tendenz zur Knochenbkildung
und Verschmelzung der Skelettheile vorhanden zu sein.
Den bereits von anderen Autoren erwähnten Beobachtun-
gen über die Verwachsung der Schädelknochen, so wie der
Fufs-, Mittelfuls- und Mittelhandknochen kann ich noch hin-
zufügen, dals zuweilen bei Bradypus (infuscatus) der Zungen-
beinkörper mit seinen Hörnern zu einem einfachen Bogen ver-
wächst, dals ebenfalls bei Dradypus (tridactylus) eine Verwach-
sung des Jochbeins mit dem Jochfortsatz des, Schläfenbeins vor-
kommen kann, so dals der Jochbogen dann vollständig erscheint
und dafs sowohl bei BZradypus wie bei Choloepus die beiden
Schenkel des Steigbügels Anfangs getrennt sind und nur später
durch Ablagerung neuer Knochenmasse zu einer Platte oder Co-
lumella verschmelzen, welche man als diesen Thiergattungen
eigenthümliche normale Formen dieses Gehörknöchelchens be-
trachtet hat. Ai
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Bulletin de lacademie des sciences de Petersbourg. Tome 5, no. 3. —
Tome 7, no. 1. 2. Petersbourg 1863—64. 4.
Memoires de Facademie des seiences de Petersbourg. Tome 5.6. ib.
1863. 4.
Öfversigt af Kgl. Vetenskaps Akademiens Förhandlingar. Vol. 20.
Stockholm 1864. 8,
Meteorologiske Jakttagelser i Sverige. Bandet 4. ib. 1864. A4.
Memorie della societa italiana delle scienze. Tomo 1. Modena 1862. 4.
Atti della societa italiana di scienze naturali. Vol. VI, no. 3. Milano
1864. 8.
12. Dec. Sitzung der physikalisch -mathe-
matischen Klasse.
Hr. Rammelsberg las über ein neues Natronphos-
phat und das Vorkommen von Vanadinverbindungen
in Sodalaugen.
In verschiedenen Sodafabriken hat man die Bemerkung ge-
macht, dafs das bei der Darstellung der kaustischen Soda aus
Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Dec. 1864. 681
den Laugen vor vollständigem Eindampfen auskrystallisirende
kohlensaure Natron mit kleinen gelben und rothen Krystallen
gemengt ist, welche, wie mein früherer Assistent, Hr. Schöne,
fand, ihre Färbung einem Gehalt an Vanadin verdanken. Lei-
der ist es bis jetzt nicht gelungen diese kleinen Krystalle, wel-
che Oktaeder und oktacdrische Aggregate bilden, von den übri-
gen Salzen, in denen sie sparsam eingemengt sind, so zu tren-
nen, dals sich über ihre Natur etwas Bestimmtes sagen lielse,
namentlich ob sie, was mir wahrscheinlich istj, in die Kategorie
jener merkwürdigen Verbindungen von Phosphorsäure, Vanadin-
säure (Kieselsäure) und Natron gehören, welche Berzelius
beschrieben hat. Denn ich fand Phosphorsäure in diesen
Krystallen wie überhaupt in der ganzen Salzmasse, welche we-
sentlich aus kohlensaurem Natron, kieselsaurem, unterschwellig-
saurem Natron, Chlornatrium etc. besteht. Behandelt man die
ganze Masse mit Wasser, filtrirt das aus Kieselsäure, Schwefel-
eisen etc. Bestehende ab, und lälst sie in der Kälte krystallisi-
ren, so erhält man zuerst drittelphosphorsaures Natron
in Krystallen.
Allein dies ist ein neues, bisher unbekanntes Hydrat, wel-
ches sich im Äufseren von dem 24 At. Wasser enthaltenden
sehr unterscheidet. Es bildet farblose durchsichtige reguläre
Oktaeder'), deren Kantenwinkel 109° 8’ — 16’ — 23’ — 38’
— 46’ gefunden wurden. Sie sind einfach lichtbrechend, also
sicher regulär. An der Luft sind sie vollkommen beständig,
verwitiern nicht im mindesten; ihre Auflösung reagirt stark al-
kalisch, und giebt mit Silbersalzen einen gelben Niederschlag
und ein neutrales Filtrat. Bei etwa 100° schmelzen sie in
ihrem Krystallwasser, verlieren aber das letzte Atom erst beim
Glüben. In der Glühhitze schmilzt das wasserfreie Salz,
welches nach dem Wiederauflösen sich gegen Silbersalze wie
vorher verhält und frei von kohlensaurem Natron ist.
A. Phosphorsäurebestimmung. Die Auflösung wurde
mit einem schwachen Überschuls von salpetersaurem Silberoxyd
gefällt, der ausgewaschene Niederschlag in verdünnter Salpeter-
‘) Briegleb hat bekanntlich ein Doppelsalz von je 1 Atom
Na°® P + 24 aq und Na Fl ebenfalls in Oktaedern dargestellt.
682 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
säure aufgelöst, wobei immer ein wenig Chlorsilber (entspre-
chend einer Beimengung von 0,1 — 0,5 pC. Chlornatrium) zu-
rückblieb, worauf das Silber durch Chlorwasserstoffsäure ent-
fernt, die Phosphorsäure aber durch Magnesiamischung gefällt
wurde. Sechs Versuche gaben:
20,16 pC. Phosphorsäure
20,54 , 35
20,32 »
20,56 „ ”
20,50 „ >
20,08 „ MD)
20,36 im Mittel.
B. Natronbestimmung. Das Filtrat vom phosphorsau-
ren Silberosyd wurde mit Chlorwasserstoffsäure zur Abschei-
dung des Silberüberschusses versetzt, die Flüssigkeit uuter Zu-
satz von jener abgedampft und der Rückstand mit Chlorammo-
nium erhitzt. Das Chlornatrium war frei von Kali. Ihm ent-
sprechen
27,11 pC. Natron
28,21 „ „
laser,
28,12 „ im Mittel.
C. Wasserbestimmung. Eine Probe, anhaltend auf
410° erhitzt, verlor 48,71 pC.; als sie bis 150° erhitzt wurde,
fand kein weiterer Verlust statt, beim Glühen aber entwiechen
noch 2,46 pC. Wasser, so dafs der gesammte Wassergehalt
51,17 pC. beträgt. _
Hiernach enthält das Salz
Sauerstoff.
Natron 28,12 7,45 3,2
Phosphorsäure 20,46 11,49 5
Wasser 51,17 45,48 19,8
99,65
Die Formel
Na? P-+ 20 aq
vom 12. December 1864. 683
verlangt:
3 At. Natron 93 = 27,04
1 At: Phosphorsäure = 71 = 20,64
20 At. Wasser 180 = 52,32
: 344 100.
4 At. Wasser = 2,61 pC. ist nach dem zuvor Erwähnten fe-
ster gebunden als die übrigen 19 Atome.
Das bisher bekannte Drittel-Phosphat des Natrons enthält
bekanntlich 24 At. Wasser. Es kıystallisirt in sechsseitigen
Prismen mit gerader Endfläche; ob es aber symmetrische, wie
Graham sagt, oder reguläre sind, ist noch nicht entschieden,
denn die Beschaffenheit der vertikal gestreiften Flächen verhin-
dert genaue Messungen; ich habe für die Kantenwinkel 119? 55’
— 121° 30’, oft nahe 420° erhalten, und eine optische Prüfung
muls entscheiden, ob die Prismen zweigliedrig oder sechsgliedrig
sind. Nach Graham schmilzt das Salz beim Glühen nicht,
nach meinen Versuchen sintert es stark zusammen. Nach Ger-
hardt hält es bei 100° gleichfalls 1 At. Wasser zurück, d. h.
2,37 pC.; da aber Gerhardt 5,2 pC. angiebt, so würde dies,
wenn die Zahl richtig ist, eher 2 At. (4,74 pC.) entsprechen.
Dieses Wasser soll vollständig beim Glühen entweichen, wäh-
rend Graham angiebt, dals im geglühten Salze noch 1 pC.
Wasser enthalten sein kann, dessen Entfernung ein Zerreiben
und wiederholtes Glühen erfordert.
Die Zusammensetzung ist:
Graham.
3 At. Natron = 93 = 24,48 24,50 — 24,81
1 At. Phosphoräure = 71 = 18,68 18,60
24 At. Wasser = 216 = 56,84 36,03 ')
380 100.
Das haben beide Hydrate mit einander gemein, dals sie
beim Umkrystallisiren an der Luft durch den Einfluls der Koh-
lensäure zum Theil zerseizt werden, wobei halb-phosphor-
!) Nach eigenen Versuchen beträgt der Glühverlust 55,4 pC., so dafs
1,4 pC. Wasser zurückgehalten werden.
684 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
saures Natron anschielst, die Mutterlauge aber kohlensaures
Natron enthält. Das erstere zeichnet sich durch die Leichtig-
keit, mit welcher es verwittert, und die ihm eigene Krystall-
form aus. Das aus dem oktaedrischen Drittel- Phosphat erhal-
tene hatte alle Eigenschaften des gewöhnlichen phosphorsauren
Natrons, und gab bei der Analyse
Natron 17,47 — 17,24
Phosphorsäure 19,65 — 20,34 — 20,48
Wasser 61,20 — 61,22 — 62,47
während die Formel
Na: B +25ag, -
2 At. Natron = 62 = 17,32
1 At. Phosphorsäure = 71 = 19,83
25 At. Wasser = 225 = 62,85
358 100
erfordert.
In den bei den Analysen dieser Phosphate erhaltenen Sil-
berniederschlägen wurde der Silbergehalt mehrfach bestimmt.
Der gelbe Niederschlag aus dem Drittel- Phosphat (a) und der
aus dem Halb-Phosphat (6) gaben
a. b. Ag? B
Silberoxyd 82,60 82,75 345 = 83,06
Phosphorsäure 17,35 71 = 16,94
99,95 419 100.
Das Pyrophosphat aus dem geglühten Halb-Phosphat gab
Ag? B
Silberoxyd 76,76 232 = 76,57
Phosphorsäure 23,40 71 = 23,43
100,16 3035 100.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dals das krystallisirte Drit-
tel-Phosphat und das aus ihm erhaltene Halb- Phosphat Spuren
Monatsberichte d.R.Akad Wissensch. Berlin. 1864. p.688.
Odobaenus Rosmarıts 1.
JDJ Franz Waßner bez ılith Ä Druckv. Gebr Delius.
vom 12. December 1864. 685
von Vanadin enthielten. Diesem Umstande schreibe ich es zu,
dals das letztere nach dem Glühen einen gelblichen Silbernie-
derschlag giebt, und auch die geglühte pyrophosphorsaure Ma-
gnesıa öfter gelblich erscheint.
Hr. W. Peters las über das Milchgebifs des Wal-
rosses, Odobaenus Rosmarus L.
Hr. A. J. Malmgren, welcher im Jahre 1861 als Zoo-
loge eine schwedische Expedition nach Spitzbergen begleitete
und dem wir aulser anderen sehr interessante Mittheilungen
über das Walrofs verdanken, hat eine besondere Abhandlung ')
über das Gebils dieses Thieres geliefert, in welcher er nach der
Untersuchung eines ausgewachsenen Fötus die bisher seit Wieg-
mann fast allgemein angenommene Formel des Milchgebisses,
K2 Li 6 er un für unrichtig erklärt und dieselbe in
- nn umgewandelt haben will. Er beruft sich hier-
bei vorzüglich darauf, dafs Wiegmann’s Ansicht sich nur auf
einen einzigen Fall stütze, in welchem eine bereits wieder aus-
gefüllte Alveole das Vorkommen eines fünften oberen Backzahns
habe vermuthen lassen, dafs ein solcher aber von keinem andern
Schriftsteller erwähnt worden sei. Er habe vergeblich nach
einem solchen fünften oberen Backzahn gesucht, denselben aber
an keinem der vielen von ihm untersuchten Walrofsschädel aus
verschiedenen Altersstufen gefunden. Wenn daher ein fünfter
überzähliger Milchbackzahn in der grofsen Lücke zwi-
schen dem dritten oberen Backzahn und dem vierten
Milchbackzahn vorkomme, so sei dieses als ein nicht nor-
maler Fall zu betrachten.
Das zoologische Museum hat nun den vorliegenden Schädel
eines jungen Walrosses aus Labrador erhalten, dessen Alter
1) Diese Abhandlung, welche ich der Güte des Hrn. Verfassers ver-
danke, findet sich in: Öfversigt K. Vetensk. Akad. Förhandl. für 1863.
Stockholm. 1864. p. 505.
686 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse
nach der Höhe der Eckzähne (auf der äufseren Seite 0,040) zu
urtheilen, aufanderthalb Jahr zu schätzen sein dürfte und welcher
aufser den bleibenden Zähnen, — — -———- — — , im Unter-
kiefer die beiden äufseren Milchschneidezähne, im Oberkiefer
rechts den vierten und fünften, links den vierten und die flache
Alveole des fünften Milchbackzahns zeigt. Dabei haben diese
Backzähne an beiden Seiten eine so regelmälsige Stellung, nicht
zwischen dem vierten Milchbackzahn und dem drit-
ten bleibenden Backzahn, sondern weiter hinten, fast
auf gleicher Querlinie mit dem hinteren Rande des
Oberkieferjochfortsatzes, dals sie nicht wohl als ano-
male Gebilde betrachtet werden können und daher einen neuen
Beweis für die Richtigkeit der von Wiegmann aufgestellten
Formel liefern. Die Kenntnils des Milchgebisses dieser Säuge-
thiergattung ist defshalb so wichtig, weil sich allein dar-
aus die im Gebils des ausgewachsenen Thieres vorkommenden
überzähligen Zähne erklären lassen, die als regelwidrig sehr spät
sich entwickelnde Milchzähne zu deuten sind. Dahin ist meiner
Ansicht nach nicht allein ein grolser unterer vierter Backzahn
zu rechnen, der sich (aulser dem Eckzahn) an dem Unterkiefer
von zwei mittelwüchsigen Thieren der zootomischen und eines
alten ausgewachsenen Thieres unserer zoologischen Sammlung
und zwar auffallenderweise an allen drei Schädeln nur an der
linken Seite findet, sondern auch ein anomaler rechter zweiter
oberer Schneidezahn von der Form eines Pilzes, welcher an einem
alten mit 0”,530 langen Hauern versehenen Schädel vorhanden ist.
Ebenso dürfte die auch bereits von Wiegmann') als eine
Bestätigung seiner Ansicht angeführte Beobachtung Fremery’s
über das Vorkommen von fünf wahren oberen Backzähnen
(von denen die beiden hintersten sehr klein sind) zu deuten
sein, welches von diesem letzteren sogar als eins der Kennzei-
chen zur Unterscheidung von zwei besonderen Arten von Wal-
rossen hervorgehoben wurde.
In Betreff der systematischen Stellung des Wallrosses läfst
sich allerdings nicht leugnen, dals die von Steenstrup und
‘) Archiv für Naturgeschichte. 1838. I. p. 127.
vom 12. December 1864. 687
Sundevall in osteologischer Beziehung hervorgehobene Ver-
wandtschaft der Zuirina mit den Pinnipedia eine sehr grofse ist
und dals sogar in manchen Punkten das Walrols und die Oia-
riae mehr mit Zuira als mit den Phocina übereinstimmen. Einen
ununterbrochenen linearen Übergang von den Ferae durch die
Lutrina zu den Pinnipedia, wie er von jenen ausgezeichneten
nordischen Naturforschern angenommen wird, kann ich jedoch
nicht darin finden, und erlaube mir nur darauf aufmerksam zu
machen, dals, ganz abgesehen von der grade bei den Zuzrina
so ausgezeichneten Entwickelung des durch verschiedene Bil-
dung der Backzähne eigenthümlichen Raubthiergebisses, die Pin-
nipedia durch andere anatomische Eigenthümlichkeiten, wie z.B.
durch die Entwickelung eines besonderen hakigen Unterkiefer-
fortsatzes und die traubige Beschaffenheit der Nieren viel mehr
mit den Bären verwandt sind. Es scheint mir daher auch, dafs
die Entscheidung der Frage, ob eine besondere Abtheilung der
Pinnipedia fallen zu lassen oder aufrecht zu halten sei, ebenso
wie die über die von Anderen angenommeue Vereinigung der
Sirenen mit den Hufthieren von individuellen Ansichten abhän-
gig bleibe, über die sich natürlich nicht streiten läfst.
Erklärung der Tafel.
Fig. 1. Oberes Gebils eines jungen Walrosses aus Labrador in natürlicher
Grölse. :
i, bleibender oberer Schneidezahn.
c, bleibender oberer Eckzahn.
m: — m’, bleibende obere Backzähne.
d* und d°, hinfälliger vierter und fünfter Backzahn.
Fig. 2. Unteres Gebils desselben.
i, hinfälliger unterer Schneidezahn.
c, bleibender unterer Eckzahn.
m' — m°, bleibende untere Backzähne.
[1864.] 51
688 Gesammtsitzung vom 15. December 1864.
15. Dee. Gesammitsitzung der Akademie.
Hr. Dirksen las über die in Isidor’s von Sevilla
Encyklopädie benutzten Quellen ‘des römischen
Rechts.
Hr. Mommsen legte eine Anzahl Inschriften vor, welche
ihm durch das auswärtige Ministerium mitgetheilt und von dem
Hrn. Viceconsul in Galacz Blücher zu Iglitza, dem alten
Troesmis abgeschrieben waren, so wie andere, die Hr. Gerichts-
assessor Justus Friedländer in Bukarest theils im National-
museum daselbst, theils in der Privatsammlung des Hrn. Majors
Papazoglou abgeschrieben hat.
An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:
Bulletin de la societe des sciences naturelles de Meuchatel. Tome VI,
cahier 3. Neuchatel 1864. 8.
Bulletin de l’academie des inseriptions. No. 2—6. Paris 1864. 8.
Perrot, Memoire sur l’ile de Trasos. Paris 1864. 8.
Troisieme Rapport du Secretaire de la commission pour la publication des
Oeuvres completes de Bart. Borghesi. (Paris 1864.) 8.
Namen -Resgister.
(Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind im Monatsberichte nicht aufgeführt.)
Aronhold, Über den gegenseitigen Zusammenhang der 28 Doppeltangenten
einer allgemeinen Curve Äten Grades, 499.
Aufrecht, gewählt, 114.
Baer, von, Jubiläum, 610.
Baeyer, A., Über die Synthese der Aceconitsäure aus der Essigsäure, 584.
Bekker, Bemerkungen zum Homer, 10. 84. 135. 185. 365. 444.
Beyrich, Über einige Trias-Ammoniten aus Asien, 58. *— Über eine Koh-
lenkalk-Fauna von Timor, 166.
Boeckh, Jubiläum, 316.
du Bois-Reymond, Über die räumliche Ausbreitung des Schlages der Zit-
terfische, 236. 317.
*Borchardt, Über die Multiplicatoren höherer Ordnungen der gewöhnli-
chen Differentialgleichungen, 276. *— Anwendung der Theorie der
Multiplicatoren höherer Ordnungen auf die isoperimetrischen Differen-
tial- Gleichungen, 307.
“Braun, Einige Bemerkungen über Blattstellung, 115. *— Über die Gat-
tung Najas in morphologischer Beziehung, 611. *— Über die neuhollän-
dischen Marsilia - Arten, 629.
Burg, Über die Ölsäure, 590.
“Buschmann, Über die cardinalen Zahlwörter der sonorischen Sprachen,
94. *— Über die Zahlwörter der sonorischen Sprachen, A477. 669.
Deichsel, Th., Über die Mesoxalsäure, 587.
Dirksen, Über die Collectiv-Bezeichnungen der Rechtsgelehrten in den rö-
mischen Rechtsquellen: „Veteres und Juris conditores, v. auctores”, 126.
*Dirksen, Über die in Isidor’s von Sevilla Encyklopädie benutzten Quel-
len des römischen Rechts, 688.
Dorn, gewählt, 114.
Dove, Über ein neues polarisirendes Prisma, 42. — Über die optischen
Eigenschaften des Carthamin, 236. — Über die optischen Eigenschaften
des Quarzes von Euba, 239. *— Über die Temperatur des verflossenen
Sie:
51882
690 Namen - Register.
Sommers, 614. — Über die Gestalt der Isametralen in Nordamerika, 646.
°_ Über die barometrische Jahrescurve der arktischen Zone, über die
Dämmerung der Wärme in der Winternacht der Polarländer und über
die Insolation auf der südlichen Erdhälfte, 658. — Eine Beobachtung
über mangelnden Farbensinn, 667.
Ehrenberg, Rede zur Feier des Geburtstags Sr. Maj. des Königs, 181.
— Über das mikroskopische Leben des caspischen Meeres. 182. *— Un-
tersuchungen über das Schlammgrund bildende Meeresleben des Süd-
Oceans bei Japan und neue Beiträge zur Kenntnils des mikroskopischen
Lebens der Molukken - Inseln, 593.
° Ewald, Über die Charaktere und das geognostische Vorkommen der Gat-
tung Monopleura, 114. *— Über neue Anhaltspunkte zur Vergleichung
norddeutscher und nordfranzösischer Neocom -Vorkommnisse, 176.
Gerhard, Eleusinische Miscellen, 1. — Über den Bilderkreis von Eleusis,
551.
Gerlach, Über die photographische Darstellung von Injections-, Imbibi-
tions- und Blutkörperchen-Präparaten in ihren natürlichen Farben, 611.
Häusser, erhält den grofsen Geschichtspreis, 73.
*Hanssen, Die Grundzüge der Geschichte der Dreifelderwirthschaft, 575.
Hanstein, Die Befruchtung und Entwicklung der Gattung Marsilia, beob-
achtet an den Nardoo-Pflanzen, 575. y
Haupt, Rede zur Gedächtnilsfeier Friedrich U., 71. *— Über eine unge-
druckte griechische 'Thiergeschichte, 116. *— Gedächtnilsrede auf Ja-
cob Grimm, 477.
Heine, Über lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung, so wie über
die Existenz und Anzahl der Lame’schen Funktionen erster Art, 13.
Helmholtz, Versuche über das Muskelgeräusch, 307.
Hensel, Reinhold, erhält das Stipendium der Humboldtstiftung, 74.
Henzen, Bericht über das Corpus Inser. Lat., 676.
Hofmann, Beiträge zur Kenntnils der Kohlentheerfarbstoffe, 369. 598.
Homeyer, Über den Dreilsigsten, 433.
Hopf, Schluls seiner Reiseberichte, 193.
Hübner, Über das Alter der Porta nigra, 94. — Bericht über das Corpus
Inscr. Lat., 676.
Jaffe, Über die Bromangelikasäure, 591.
Jonckbloet, gewählt, 114.
Keil, gewählt, 114.
®* Kern, Über einen Theil der Gargaramhitd, Namens Fugapurdna, 380.
Ketteler, Über die Dispersion des Lichts in den Gasen, 630.
Kiepert, Beitrag zur alten Ethnographie der iberischen Halbinsel, 143.
“Kirchhoff, Bemerkungen zu den Urkunden der Schatzmeister der anderen
Namen - Register. 691
Götter (rauiaı ray arrwy Bew), 70. — Über die Zeit der pythischen Fest-
feier, 129.
Köhler, Ulrich, Über die vatikanischen Blätter des Virgil, 278.
Kronecker, Über den Gebrauch der Dirichletschen Methoden in der Theo-
rie der quadratischen Formen, 285. *— Über die verschiedenen Fakto-
toren der Discriminante von Eliminations-Gleichungen, 642.
Kummer, Über die Flächen vierten Grades, mit sechzehn singulären Punk-
ten, 246. *— Über die algebraischen Strahlensysteme, insbesondere über
die der ersten Ordnung und die der ersten Klasse, 282. — Über die
Strahlensysteme, deren Brennflächen Flächen vierten Grades mit sech-
zehn singulären Punkten sind, 495.
Kundt, Über die Doppelbrechung des Lichts in tönenden Stäben, 659.
*Lepsius, Über eine hieroglyphische Inschrift am Tempel zu Edfu, 364.
— Über eine neue Königsliste aus dem Osiris-Tempel zu Abydos, 627.
Lotze, gewählt, 114.
Ludwig, gewählt, 628.
Magnus, Über die Beschaffenheit der Sonne, 166. — Über Wärmestrah-
lung, 593. — Über die Verschiedenheit der Wärme von rauhen und von
glatten Oberflächen, 671.
Martens, v., Über neue Cyclostomaceen undHelicinen aus dem indischen Ar-
chipel, 116. — Über eine neue Art von Rochen; Trygonoptera Javanica,
aus Batavia und über neue Heliceen aus dem indischen Archipel, 260.
— Diagnosen neuer Heliceen aus dem ostasiatischen Archipel, 523.
Martius, v., bestätigt, 573. — Jubiläum, 311. 610.
° Mommsen, Über das Monumentum Ancyranum, 185. — Über vorgenom-
mene Ausgrabungen in Präneste, 235. *— Über die seit dem 15. Jahr-
hundert verloren gegangenen Quaternionen der Festus-Handschrift, 368.
*— Über die lateinischen Inschriften Siebenbürgens, 607. — Bericht
über das Corpus Inser. Lat., 676. *— Vorlegung von Inschriften, 688.
Müllenhoff, bestätigt, 115. — Antrittsrede, 459.
Nissen, Chorographie Mittel- Italiens, 381.
*Olfers, v., Bemerkungen über den Fund an alterthümlichen Schnallen und
Hefteln nebst Schöpfgeschirr und drei Römischen Münzen im Brunnen
von Pyrmont, 368.
Parthey, Über den Oberlauf des Nil nach Ptolemaeus, 355.
Periz, Über eine bisher nicht bekannte noch benutzte Handschrift der Ze-
ges Wisigothorum, 105. — Nachtrag zu dem Berichte über die Berliner
und Vaticanischen Blätter des Augusteischen Virgil, 276. — Über eine
Handschrift der Brancaccianischen Bibliothek zu Neapel, 584. — Über
den Kruffterschen Druck des Tyl Eulenspiegel von 1518, 678.
*Petermann, Des gelehrten Armenier’s, Emiu, Ansichten über die Entwicke-
lung der armenischen Schrift, 575.
692 Namen - Register.
Peters, Über die Eidechsenfamilie der Scincoiden, insbesondere über die
Schneider’schen, Wiegmann’schen und neue Arten des zoologischen
Museums, 44. — Über den Schluls der Botanik von seinem Reisewerke
„Naturwissenschaftliche Reise nach Mossambique”, 58. — Über eine
neue Percoidengattung, Plectroperca, aus Japan und eine neue Art von
Haifischen, Crossorhinus tentaculatus, aus Neuholland, 124. — Über neue
Arten der Säugethiergattungen Geomys, Haplodon und Dasypus, 177.
— Über das Milchgebils der Säugethiergattung Aye-Aye, Chiromys ma-
dagascariensis, 243. — Über neue Amphibien (7yphloseincus, Typhlops,
Asthenodipsas, Ogmodon), 271. — Eine junge Caecilia glutinosa (Epi-
erium hypocyaneum) mit Kiemenlöchern aus Malacca, 303. — Über
einige neue Säugethiere (Mormops, Macrotus, Vesperus, Molossus, Ca-
promys), Amphibien (Platydactylus, Otocryptis, Euprepes, Ungalia, Dro-
micus, Tropidonotus, Xenodon, Hylodes) und Fische (Sillago, Sebastes,
Channa, Myctophum, Carassius, Barbus, Capoeta, Poecilia, Saurenchelys,
Leptocephalus), 381. — Übersicht der im K. zoologischen Museum be-
findlichen Myriopoden aus der Familie der Polydesmi, so wie Beschrei-
bungen einer neuen Gattung, Trachyjulus, der Juli und neuer Arten der
Gattung Siphonophora, 529. — Nachtrag zu der am 18. Juli gegebenen
Übersicht der Polydesmi des Königl. zoologischen Museums, 617. —
Über eine neue Art der Baumvipern, Atheris polylepis aus Liberia, 642.
— Über das normale Vorkommen von nur sechs Halswirbeln bei Cho-
loepus Hoffmanni, 6718. — Über das Gebils des Walrosses, Odobae-
rus Rosmarus L., 685.
*Pinder, Mittheilungen über ein römisches Silberrelief, 551. — Über eine
bei Beckum gefundene Münze, 571. *— Über das Material der Ehren-
denkmäler im Alterihume, 628.
Poey, Briefliche Mittheilung, 282.
Poggendorff, Üher eine neue Klasse von Inductions-Erscheinungen, 552.
Pringsheim, scheidet aus, 311.
Bammelsberg, Über die Schwefelungsstufen des Eisens und das Schwefel-
eisen der Meteoriten, 22. — Über die natürlichen Verbindungen von
Bleioxyd und Vanadinsäure, 33. — Über einige Glieder der Sodalith-
gruppe, insbesondere Ittnerit und Skolopsit, 168. — Über die chemische
Zusammensetzung des Ferberits, 175. — Über ein neues Natronphosphat
und das Vorkommen von Vanadinverbindungen in Sodalaugen, 680.
® Ranke, Über Bischof Burnet und dessen Geschichte seiner Zeit, 630.
Reichert, Feinerer Bau der Gehörschnecke des Menschen und der Säuge-
thiere, 369. 479.
Riedel, Über den Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg und sein Stre-
ben nach der Herrschaft am ganzen Ostseestrande, namentlich auch nach
dem Erwerbe von Holstein und Lauenburg, 107.
Namen - Register. 693
Rödiger, bestätigt, 311. — Antrittsrede, 464.
Bose, G., Über die Gabbroformation von Neurode in Schlesien, 616.
Roth, Geognostische Untersuchung des Eifelgebiets, Ya
Rozieres, de, gewählt, 114. i
Rudorff, Über den Greifswalder Stationarienkatalog, 304. *— Über den
liber de officio Proconsulis, 431.
Ruppel, neue Reduction der Bessel’schen Zonenbeobachtungen, 478.
Schott, Ein Artikel zur Lexicographie der Japaner, 77. *— Über die äch-
ten oder eigentlich so zu nennenden Kirgisen, 677.
Siemens, W., Über Erwärmung der Glaswand der Leydener Flasche durch
die Ladung, 614.
* Trendelenburg, Einige Belege für die nacharistotelische Abfassungszeit
der magna moralia, 285. — Bericht über die Humboldtstiftung, 74. —
Rede zur Feier des Leibnizischen Jahrestages, 452. — Erwiederungs-
rede in der Leibnizsitzung, 469.
“Weber, A., Über die Rdma Upanishad, 310. — Über 100 Sprüche des
Cänakya, 400.
Weber, Ed., gewählt, 628.
Weber, R., Über die Verbindung der chlorsalpetrigen Säure mit Schwefel-
säure, 377.
® Weierstrass, Über ein die elliptischen Funktionen betreffendes allgemei-
nes Theorem, 381. *— Bemerkungen über die Singularitäten der alge-
braischen Curven, 659.
* Wichura, Über die Bastardbeftuchtung im Pflanzenreich, erläutert an den
Bastarden der Weiden, 368,
Zeller, gewählt, 114,
Sach -Register.
Abydos, Königsliste im Osiristempel, 627.
Aceconitsäure, 584.
Aegyptische Königsliste im Osiristempel zu Abydos, 627.
Alycaeus longituba v. Mart., 120.
Ammonites brachyphyllus Beyr., 63. — megaphyllus, Beyr., 66. — peregri-
nus Beyr., 61.
Amphibien, Neue Gattungen und Arten, 44. 271. 303. 384. 642,
Anatomie, Feinerer Bau der Gehörschnecke, 369. 479. — Injections-, Im-
bibitions- und Blutkörperchen-Präparate, 611.
Aosta, Thorbauten, 95.
Aphrodite, 6.
Ariadne, 3.
Asthenodipsas malaccana Pirs., 273.
Astronomie, Beschaffenheit der Sonne, 166.
Athen, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 212. 217.
Atheris polylepis Ptrs., 642.
Attraction, grammatische, 93.
Autun, Thorbauten, 95.
Aye-Aye, 243.
Barbus afer Ptrs., 395. — serra Ptrs., 394.
Bastardbefruchtung, 368.
Baumviper, Neue Art, 642.
Bleioxyd, 33.
Blitzableiter, 478.
Botanik, Schlufs des botanischen Theils von Peters Reise nach Mossam-
bique, 58. — Einige Bemerkungen über Blattstellung, 115. — Bastard-
befruchtung der Weiden, 368. — Über die Gattung Najas, 611. — Über
die neuholländischen Marsilia-Arten, 629. — Die Befruchtung und Ent-
wicklung der Gattung Marsilia, 575.
Bromangelikasäure, 591.
Sach- Register. 695
Buliminus spilozonus v. Maıt., 527.
Bulimus leucoxanthus v. Mart., 526. — sumatranus v. Mart., 526. — su-
spectus v. Mart., 526.
Caecilia glutinosa, 303.
Cärakya, Sprüche, 400.
Capromys melanurus Poey, 384. — pallidus Poey, 393.
Carassius vulgaris Nilss. var. capensis, 393.
Carthamin, Optische Eigenschaften desselben, 236.
Channa ocellata Ptrs., 392.
Chemie, Schwefelungsstufen des Eisens und das Schwefeleisen der Me-
teoriten, 22. — Natürliche Verbindungen von Bleioxyd und Vanadin-
säure, 33. — Über einige Glieder der Sodalithgruppe, insbesondre Itt-
nerit und Skolopsit, 168. — Über die chemische Zusammensetzung des
Ferberits, 175. — Beiträge zur Kenntnils der Kohlentheerfarbstoffe,
369. 598. — Verbindung der chlorsalpetrigen Säure mit Schwefelsäure,
377. — Synthese der Aceconitsäure aus der Essigsäure, 584. — Mes-
oxalsäure, 587. — Ölsäure, 590. — Bromangelikasäure, 591. — Neues
Natronphosphat und Vorkommen von Vanadinverbindungen in Sodalau-
gen, 680.
Chiromys madagascariensis, 243. 369.
Chlorsalpetrige Säure, 377.
Choloepus Hoffmanni Pirs., 678.
Cionella sumatrana v. Mart., 527.
Clausilia excurrens v. Mart., 527. — moluccensis v. Mart., 270. — suma:
trana v. Mart., 270.
Cochlostyla pubicepa v. Mart., 269. — sulcocincta v. Mart., 270.
Corpus Inscriptionum Latinarum, Jahresberichte, 676.
Crossorhinus tentaculatus Ptrs., 123.
Cyclophorus Gaymansi, 118.
Cyclostomaceen, Neue aus dem indischen Archipel, 116.
Cyclotus bicarinatus v. Mart., 118. — carinulatus v. Mart., 118. — fascia-
tus v. Mart., 117. — latistrigus v. Mart., 116. — liratulus v. Mart., 117.
— ptychoraphe v. Mart., 117. — reticulatus v. Mart., 117. — succinctus
v. Mart., 117.
Cyrtodesmus asper Pirs., 618.
Dasypus fenestratus Ptrs., 180. — Kappleri Krauss, 179. — novemeinctus
L. var. mexicanus, 180. — Peba Burm., 179. — pentadactylus Ptrs.,
179.
Delphische Monate, 130.
Dionysos, 2.
Diploglossus monotropis Wiegm., 48.
Diplommatina constricta v. Mart., 119.
696 Sach- Register.
Dispersion des Lichtes in den Gasen, 630.
Doppelbrechung des Lichts in tönenden Stäben, 659.
Drehungsgeseiz, bestätigt, 282.
Dreilsigste, der, 434,
Dromieus angulifer Bibr. var. adspersus, 388. — clavatus Ptıs , 388.
Dysopes gigas Ptıs., 383.
Eidechsenfamilie der Scincoiden, 44.
Eisen, Schwefelungsstufen, 22.
Eleusinischer Bilderkreis, 1.
ereita, 11.
Epierium hypocyaneum, 303.
Essigsäure, 584,
Eumeces Wiegm., 48. — quinquelineatus D. B. var. japonicus, 57.
Euprepes aeneofuscus Ptıs., 52. — auratus Schneid., 51. — bitaeniatus
Pirs., 53. — brevicollis Wiegm., 50. — carinatus Schneid., 50. — ho-
malocephalus Wiegm., 51. — libanotieus Ptrs., 51. — Lynxe Wiegm,,
49. — pleurostietus Pirs., 52. — pyrrhocephalus Wiegm., 50. — rufe-
scens Wiegm., 49. — samoensis A. Dum. var. moluccensis, 386. — se-
mitaeniatus Wiegm., 50. — spilonotus Wiegm., 50.
Farbensinn, Beobachtung über Mangel desselben, 667.
Ferberit, 175.
Fische, Neue Gattungen und Arten, 121. 260. 317. 391.
Friedrich 11., Kurfürst von Brandenburg, 107.
Gabbroformation von Neurode, 616, \
Gehörschnecke des Menschen und der Säugethiere, 369. 479.
Geomys Rafın., Säugethiergattung, 177. — heterodus Ptıs., 177.
Göltervereine auf Vasen, 4.
Greifswald, Bibliothek der Nicolaikirche, 304.
Griechenlands Geschichte im Mittelalter, 193.
Haifisch, Neue Art aus Neuholland, 123.
Halswirbel von Choloepus Hoffmanni Ptrs., 678.
Haplodon Richards., Säugethiergattung, 177.
Hekate, 7.
Helicina borneensis v. Mart., 120. — sculpta v. Mart., 120. — suturalis v.
Mart., 120.
Heliceen, Neue aus dem indischen und ostasiatischen Archipel, 264. 523.
Helicinen, Neue aus dem indischen Archipel, 116.
Helix anozona v. Mart., 269. — aurita v. Maıt., 269. — biconvera v.
Mart., 526. — conulus v. Mart., 523. — calcar v. Mart,, 525. — endo-
phyta v. Mart., 268. — flaveola v. Mart., 525. — Friedeliana v. Mart.,
523. — instrieta v. Mart., 268. — lutea v. Mart., 268. — mendaz v.
Mart., 524. — mersispira v. Mart., 525. — milium v. Mart., 524. — qua-
Sach- Register. 697
drispira v. Mart., 267. — sumatrana v. Mart., 523. — unguiculastra v.
Mart., 524.
Hermes, 7.
Heteropus Fitz., 47. — Schlegelü Ptrs., 57.
Holstein, 107.
Homerisches, & verlängert, 91. — active und passive Formen, 12. — Ad-
jectiva im Geschlechte des Praedicates, 191. — &Aro, 450. — aAdore d'
aöre, 448. — Karo, 91. — draccew, 93. — ördoes bei Volksnamen, 135.
— Anfang der Rede, 137. — Apostroph nach der fünften Arsis, 188.
— Aitraction, 93. — auriza und aörıs, 138. — Dative auf eocı apostro-
phirt, 187. — öu5x, 138. — Önpor, 138. — Digamma, 138. 185. — &yyy,
139. — eirrely, 186. — Eiche, 10. — Exds, 138. — Futurum, Form mit
Bedeutung des Praesens, 85. — Helena, 441. — Hiatus im fünften
Fulse, 11. — ia, uia, 365. — Imperative, 85. — Indicativus nach dem
Partieipium, 141. — xräcıs, All. — Asdöyxacı, A49. — pesonyu, 139.
— nie, ia, 365. — Namen, 139. — öpro, 91. — max, 138. — Partici-
pium für öorıs mit dem Verbum, 452. — Partikeln gehäuft, 92. — reabv-
xocı, 449. — morsuos mrörsuos und dergl., 139. — worAd, 450. — Prae-
sens in der Bedeutung des Futurums, 86. — posımelv, 185. — Prono-
men in Geschlecht und Zahl des Praedicates, 189. — mpobuyely, 451.
— Quantität zwischen Trochaeus und lJambus schwankend, 91. — Tau-
tologie, 450. — röde, 449. — üde, 450. — Ilias A, (191) 192. (368)
192. (453) 141, B (353 £f.) 87. (367) 191; T (344) 139; E (227) 84.
(265) 92; Z (46) 84; © (555 ff.) A446; I(1££) 446. (54) 447. (319)
366; K (503) 188; A (131) 84; & (81£.) 451; O (290) 11. (678)
187; II (97 ff.) 447. (237) 141. (807) 139; P (480) $4; 3 (189) A51,
(272) 367. (472) 448; T (75) 187. (242 £.) 451. (333) 445; T (422)
135; (266. 655) 138; Q (137) 84. (385) 366. (429) 84. (486) 86.
(555) 84. — Odyssee « (37) 185. (91) 187; ß (311) 188; e (335) 449;
C (9 £.) 187; m (61) 187. (114) 449. (196) 87; » (494) 188. (549) 365;
A (207) 188; u (57) 10. (276. 443) 138; » (121) 188. (206) 137. (305)
188; & (61 ff.) A44. (98) 187. (168) 138. (183) 138; o (300) 138.
(473) 135; ” (313) 10, Ip (125) 452. (412) 187. (547) 192; « (265)
138; r (166) 138; u (30) 138; & (569) 366, x (372) 11; ‘% (29) 188.
(342) 138; w (31) 93. (118 £.) 11.
Humboldtstiftung, 74. 668.
Hyalina amboinensis v. Mart., 266.
Hylodes varians Gundl. et Pirs., 390.
Iberische Halbinsel, Ethnographie, 143.
Imperative, dbeicdw dedtrhu dedondu opeırerw rebrarw beuyeru, 90.
Inductions -Erscheinungen, Neue Klasse von, 552.
698 Sach - Register.
Inschriften, Athenische aus dem Mittelalter, 213. — Delphische, 129.
— auf den Werkstücken der Porta nigra in Trier, 213.
Isametralen, Gestalt derselben in Nordamerika, 646.
Ittnerit, 168.
Japanesische Lexicographie, 77.
Jubiläum von v. Baer, 610.— vonBoeckh, 316. — von v. Martius, 311.610.
Juris auctores, iuris conditores in den Römischen Rechtsquellen, 126.
Kaspisches Meer, Mikroskopisches Leben, 182.
Kohlentheerfarbstoffe, 369. 598.
Kora, 1. 3.
Korfü, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 208. 230.
Langobardische Gesetze, Handschrift der Brancaccianischen Bibliothek in
Neapel, 584.
Lauenburg, 107.
Leptocephalus brevicaudus Pitıs., 399.
Leydener Flasche, 614.
Licht, dessen Dispersion in den Gasen. 630. — dessen Doppelbrechung in
tönenden Stäben, 659.
Lygosoma acutum Ptrs., 54. — Jagorü Piıs., 54.
Macrotus minor Gundlach, 382.
Malta, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 203.
Marsilia Drummondü A. Br., 575. — salvatrix Hanst., 575.
Mathematik, Über lineare Differenzialgleichungen zweiter Ordnung, so wie
über die Existenz und Anzahl der Lame’schen Funktionen erster Art, 13.
— Über die Flächen vierten Grades, mit sechszehn singulären Punkten,
946. — Über den Gebrauch der Dirichlet’schen Methoden in der Theo-
rie der quadratischen Formen, 285. — Über die Strahlensysteme, deren
Brennflächen Flächen vierten Grades mit sechszehn singulären Punkten
sind, 495. — Gegenseitiger Zusammenhang der 28 Doppeltangenten
einer algebraischen Curve Äten Grades, 499.
Medaille zur Galileifeier, 306.
Mesoxalsäure, 587.
Meteoriten, 22.
Meteorologie, Drehungsgesetz, 282. — Gestalt der Isametralen in Nord
amerika, 646.
Mikroskopisches Leben des caspischen Meeres ist massenhaft im Grunde
nicht Sülswasser-, sondern Meeres-Leben, 183. — des Schlammgrundes
bei Japan und der Molukken-Inseln, 593.
Milchgebils des Chiromys madagascariensis, 243. — des Walrosses, Odo-
baenus Rosmarus L., 685.
Mineralien, siehe Bleioxyd, Ferberit, Ittnerit, Natronphosphat, Quarz, Sko-
lopsit, Schwefeleisen, Sodalithgruppe, Vanadin.
ee
Sach - Register. 699
Mollusken, Neue Gattungen und Arten, 116. 264. 523.
Monate, Delphische, 130. — Phokische, 131.
Monopleura, Charakter und geognostisches Vorkommen, 114.
Mormops megalophylla Ptıs., 381.
Mossambique, Inhalt des botanischen Theils von Peters Reisewerk, 58.
Münze des Kaisers Nerva, 572.
Muskelgeräusch, 307.
Myctophum megalops, Ptrs., 393.
Myriopoden, Neue Gattungen und Arten, 529. 617.
Mystik der griechischen Kunst, 8.
Nanina Albersi v. Mart., 265. — amphidroma v. Mart., 265. — aurea v.
Mart., 266. — fulvocarnea v. Mart., 266. — hyalina v. Mart., 266.
— pareipila v. Mart., 264. — Riedelii v. Mart., 264. — rugata v. Mart.,
528. — sulfurata v. Mart., 264.
Natronphosphat, Neues, 680.
Naxos, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 219.
Neapel, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 193.
Nekrolog, 71.
Neocom- Vorkommnisse, 176.
Nerva, Münze des Kaisers N., 572.
Nil, Oberlauf nach Ptolemaeus, 355.
Odobaenus Rosmarus L., 685.
Oelsäure, 590.
Ogmodon vitianus Ptrs., 275.
Omphalotropis bicarinata, 113.
Oniscodesmus aurantiacus Ptrs., 530. — rubriceps Pirs., 617.
Onychocephalus tenuicollis Ptrs., 272.
Opisthoporus sumalranus v. Mart., 116.
Optik, Neues polarisirendes Prisma, 42. — Eigenschaften des Carthamin,
236. — Eigenschaften des Quarzes von Euba, 239. — Dispersion des
Lichtes in den Gasen, 630. — Doppelbrechung des Lichts in tönenden
Stäben, 659. — Mangelnder Farbensinn, 667.
Orphische Kunstwerke, 3.
Otocryptis fusca Ptrs., 385. — gularis Ptrs., 386. — nigrilabris Ptrs., 385.
Paläontologie, 'Trias- Ammoniten aus Asien, 59. — Kohlenkalkfauna von
Timor, 70.
Palermo, Urkunden zur Geschichte Griechenlands im Mittelalter, 198.
m&pos, Construction, 86.
Paxillus rubicundus v. Mart., 119.
nenpacdaı, 90.
Percoidengattung Plectroperca, 121.
Phenyltolylamin, 598.
700 Sach - Register.
Phokische Monate, 131.
Photographie‘, Darstellung von Injeetions-, Imbibitions- und Blutkörper-
chen-Präparaten in ihren natürlichen Farben, 611.
Physik, s. Inductions-Erscheinungen, Meteorologie, Optik, Waärmelehre.
Physiologie, Räumliche Ausbreitung des Schlages der Zitterfische, 236.
317. — Versuche über das Muskelgeräusch, 307. :— Mangelnder Far-
bensinn, 667.
Platydactylus americanus Gray, var. cubanus, 384.
Plectroperca Berendtü Ptrs., 121.
Poecilia Bensonii Pirs., 395. — sexfasciata Ptrs , 396.
Polydesmi, 529. 617.
Polydesmus acanthurus Ptis., 532. — aegyptiacus Ptıs., 537. — alatus
Pirs., 621. — alutaceus Ptrs., 620. — angulifer Ptrs., 623. — areticol-
lis Ptrs., 539. — areatus Ptıs., 625. — ater Ptrs., 541. — bogotensis
Ptrs., 619. — albocarinatus Ptrs., 624. — cavernarum Ptrs., 538. — chlo-
ropus Ptrs., 619. — concolor Ptrs., 544. — constrietus Ptrs., 624. — de-
coratus Ptrs., 533. — dorsalis Pirs., 544. — Ehrenbergü Pirs., 538.
— erythropus Ptrs., 541. — fallax Ptis., 533. — fimbriatus Ptrs., 543.
— flavomarginatus Ptıs., 542. — fumigatus Ptrs., 624. — funieulus
Pirs., 623. — Hoffmanni Pixs., 537. — hybridus Ptrs., 626. — liberien-
sis Ptrs., 540. — luctuosus Ptrs., 532. — lusitanicus Ptrs., 538. — ma-
laccanus Ptrs., 545. — Martensü Pirs., 531. — moluccensis Ptrs., 543.
— mucronatus Ptrs., 622. — nodosus Ptrs., 536. — notatus Pirs., 534.
— Olfersii Brandt, 537. — ornatus Ptıs., 540. — pietus Pirs., 546.
— pilipes Ptrs., 544. — punctatus Ptrs., 545. — python Ptrs., 543.
— sculptus Ptrs., 620. — scutatus Ptıs., 546. — semicinctus Pirs., 625.
— serridens Ptrs., 619. — subvittatus Ptis., 545. — sumatranus Ptıs.,
547. — taenia Ptrs., 626. — tenuis Pixs., 538. — trieuspidatus Pirs.,
542. — tripunctatus Pirs., 625. — uncinatus Pirs., 625.
Pränestinische Fasten, 235.
Präparate, Photographisch dargestellte, 611.
Preisaufgaben, Neue Aufgaben: Lösung irgend eines bedeutenden Panblesns
mit Hülfe der elleptischen oder der Abel’schen Transcendenten, 475.
— Weiterführung der Steinerschen Abhandlung über die Fundamental-
eigenschaften der Flächen dritten Grades, 476.
pi, Construction, 87.
Prisma, Neues polarisirendes, 42.
Pronomen in Geschlecht und Zahl des Prädicates, im Griechischen, Latei-
nischen, Spanischen, Portugiesischen, Italienischen, 189.
Protozoa, 182. 593.
Pterocyclos sumatranus v. Mart., 116.
Ptolemaeus, Oberlauf des Nils, 355.
Sach - Register. 701
Pupa ascendens v. Mart., 528.
Pythische Festfeier, 129.
Quarz von Euba, 239.
Reden zur Gedächtnilsfeier Friedrich II. von Haupt, 71. — zur Geburts-
tagsfeier Sr. Maj. des Königs, 181. — zanr Feier des Leibnizschen Jah-
restages von Trendelenburg, 452. — Aetrittsrede von Müllenhoff, 459.
— Antrittsrede von Rödiger, 464. — Erwiederung von Trendelenburg,
469. — Gedächtnilsrede auf Jacob Grimm von Haupt, 477.
Ithaphaulus ceramicus, 118.
Rochenart, Neue aus Batavia, 260.
Säugethiere, Neue Gattungen und Arten, 177. 243. 381. 678. 685.
Saurenchelys cancrivora Ptıs., 397.
Schwefeleisen der Meteoriten, 22.
Schwefelsäure, 377.
Schwefelungsstufen des Eisens, 22.
Seincoiden, 44.
Seincus fasciatus Ptrs., 45. — Hemprichii Wiegm., 44. — meccensisHempr.
et Ehrb., 44.
Sebastes meleagris Ptrs., 392.
Sillago Schomburgkiü Ptrs., 391.
Siphonophora lineata Ptrs., 550. — luzoniensis Pirs., 550. — portoricensis
Brandt, 549.
Sitzung, Öffentliche, zur Gedächtnilsfeier Friedrichs IL, 71. — zur Feier
des Geburtstags Sr. Maj. des Königs, 181. — zur Feier des Leibnizi-
schen Jahrestages, 452.
Skolopsit, 168.
Sodalithgruppe, 168.
Sonne, Beschaffenheit der, 166.
Sphaeriodesmus mericanus Sauss., 529.
Sphenops capistratus Wagl., 47.
Stationarienkatalog in Greifswald, 304.
Steinmetzzeichen, 97.
Streptaxis Johswichi v. Mart., 528.
Strongylosoma glabrum Ptrs., 536, — Hartmanni Ptıs., 534. — japonieum
Pirs., 535. — luzoniense Ptrs., 535. — Nieineri Pirs., 535. — vermicu-
lare Ptrs., 536.
redyavaı, 89.
the, 444.
Thorbauten, römische, 95.
Trachyjulus ceylanicus Ptrs., 547.
Trias-Ammoniten aus Asien, 59.
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02 Sach- Register.
Trier, Porta nigra, 94.
Triptolemöos, 1.
Trochomorpha appropinquata v. Mart., 267. — bieolor v. Mart., 267.
— lardea v. Mart., 267.
Tropidonotus melanogaster Wiegm., 389.
Truncatella scalaroides v. Mart., 119,
Trygonoptera javanica v. Mart., 260.
Typhlops flaviventer Ptrs., 271.
Typhloscincus Martensü Ptrs., 271.
Ungalia maculata, var. semicincta Gundl. et Ptrs., 388.
Vanadinsäure, 33.
V
anadinverbindungen in Sodalaugen, 680.
Vesperus Segethü Ptrs., 383.
Veteres in den Römischen Rechtsquellen, 126.
V
irgilius, Berliner und Vaticanische Blätter, 276.
Wärmelehre, Beschaffenheit der Sonne, 166. — Wärmestrahlung, 593.
— Erwärmung der Glaswand der Leydener Flasche durch die Ladung,
614. — Verschiedenheit der Wärme von rauhen und von glatteu Ober-
flächen, 671.
Walrofs, Odobaenus Rosmarus L., dessen Milchgebils, 685.
Weiden, 368.
Wisigothische Gesetze, Handschrift der Braheschen Bibliothek, 105.
XÄenodon angustirostris Pirs., 390.
Z
ante, Urkunden zur Geschichte Griechenlaeds im Mittelalter, 209. 225.
Zitterfische, 236. 317.
Z
oologie, Über die Eidechsenfamilie der Scincoiden, 44. — Neue Cyclo-
stomaceen und Helicinen aus dem indischen Archipel, 116. — Neue
Percoidengattung, Plectroperca, aus Japan, 121. — Neue Art von Hai-
fischen, Crossorhinus tentaculatus, aus Neuholland, 123. — Neue Arten
der Säugethiergattungen Geomys, Haplodon und Dasypus, 177. — Mi-
kroskopisches Leben im caspischen Meere, 182. — Über das Milchge-
bils der Säugethiergattung Aye-Aye, Chiromys madagascariensis, 243.
— Neue Rochenart aus Batavia, Trygonoptera javanica v. Mart., 260.
— Neue Heliceen aus dem indischen und ostasiatischen Archipel, 264.
523. — Neue Amphibien, 271. — Eine junge Caecilia glutinosa (Epi-
crium hypocyaneum) mit Kiemenlöchern aus Malacca, 303. — Schlag
der Zitterfische, 236. 317. — Neue Säugethiere, 177.381. — Neue Am-
phibien. 384. — Neue Fische, 391. — Übersicht der im K. zoologischen
Museum befindlichen Myriopoden aus der Familie Polydesmi, 529. 617.
— Neue Gattung Trachyjulus, 547. — Neue Arten von Siphonophora,
549. — Untersuchungen über das Schlammgrund bildende Meeresleben
Sach - Register. 703
des Süd-Oceans bei Japan, und neue Beiträge zur Kenntnils des mikro-
skopischen Lebens der Molukken- Inseln, 593. — Neue Art von Baum-
vipern, Atheris polylepis, aus Liberia, 642. — Über das normale Vorkom-
men von nur sechs Halswirbeln bei Choloepus Hoffmanni, 678. — Über
das Milchgebils des Walrosses, Odobaenus Rosmarus L., 685.
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