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Full text of "Philosophen-Lexikon; Leben, Werke und Lehren der Denker"

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UNIV.OF 

Toronto 

ÜBRARK 


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Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2011  with  funding  from 

Univers ity  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/philosophenlexikOOeisl 


PHILOSOPHEN- 
LEXIKON 


LEBEN,  WERKE  UND  LEHREN 
DER  DENKER 


VON 

Dr.  Rudolf  eisler 


BERLIN  1912 

VERI  EOT  BEI  ERNST  SIEGFRIED  MITTLER  UND  SOHN 
KÖNIOLICHE  HOFBUCHHANDLUNQ     ss     KOCHSTRASSE  68    71 


■•k 


Alle  Rechte  aus  dem  Gesetze  vom  19.  Juni  1901 
sowie  das  Übersetzungsrecht  sind  vorbehalten. 


V  o  r  w  o  r  t. 


I  )ieses  historische  „Philosophen-Lexikon**  ist  ein  neu--,   -elh- 
-tiindiges  Buch,  zugleich  aber  auch  ein,  von  vielen  Seiten  gewünscht 
Ergänzungswerk    zu    meinem   im    gleichen   Verlage    erschienenen 
„Wörterbach  der  philosophischen  Begriffe"   (3.  Aufl.,  3  Bde..  1910  . 
mit  dem  zusammen  es  nun   ein   vollständiges   philosophisch 
Lexikon  bildet. 

Wahrend   das   ..Wörterbuch"  die   einzelnen   philosophischen  Be- 
griffe und  Ausdrücke  erklärt  und  sie  mit  den  chronologisch-sachlich 
geordneten  Definitionen  der  Philosophen  belegt,  geht  das  vorliegende 
Lexikon  von  <l»*n  Philosophen  selbst  aus  und  bringt  ihre  Systen 
Lehren.    Standpunkte   in   ihrem    eigenen   Zusammenhange    zur  mög- 
lichst   objektiven    Darstellung.      In  der  Regel   irerden    zunächst 
wichtigsten   biographischen  Daten    (soweit  sie  notwendig  und  zu 
ermitteln  waren)  angeführt;    hierauf  folgt  gewöhnlich  eine  Charak- 
terisierung des  Philosophen  oder  seiner  Richtung;  sodann   irerden 
seine  Lehren   dargestellt    oder    sein    Standpunkt    gekennzeichn 
in    der    Weise,     daß     sich    neben     einer    grollen     Zahl    mehr    oder 
weniger   ausführlicher  Artikel    auch   kurze    und   —    zwecks    Er- 
gänzung der  Bibliographie  —  auch  noch  einige  linden,  die  vorläufig 
nur  Daten    und   Literaturangaben    enthalten,   aber   doch    erwünscht 
sein  werden     Die  Darstellung  der  Lehren  der  Philosophen  erfolg 
möglichst    auf   Grund    ihrer  eigenen   Werke    und  vielfach    mit   An- 
führung von  Stellen    )  daran-,  teilweise  natürlich  auch  mit  BenutlUl 
von    Monographien    und    anderen    Hilfsquellen    (Noack,    [Jeberw< 
Heinze,  Brdmann,  Zeller.  Siebert  n.  a.).     Den  Schluß  jedes  Artii 
bildet  die  Aufzählung    der   Schriften    des    Philosophen   (zum  Teil 


v  Stellen-  I  Seitenangabe]]  aus  den  Originalwerken  der  Philo- 

sophen   timl.t    man    im     ,  Wörterbuch    der    philosophischen    !'■■  worin 

•    auch   Beine  eigenen    Anschauungen    darlegt.      Vgl.   mich   d 
..Kr  Einführung  in  die  Philosophie"  (Berlin,  19 


IV 

auch  von  Zeitschrift-Abhandlungen);  dazu  kommen  noch  viel- 
fach \achwcise  ausgewählter  Literatur  über  den  betreffenden 
Autor.  Nach  Möglichkeit  wird  auch  angegeben,  von  welchen 
Denkern  die  Philosophen  beeinflußt  sind  und  welche  Schüler 
und  Anhänger  sie  selbst  haben.  Kurz,  es  findet  sich  wohl  alles, 
was  man  in  einem  solchen  Hand-  und  Nachschlagebuch  suchen 
kann. 

Indem  der  Verfasser  sich  tunlichster  Gedrängtheit  der  Dar- 
stellung befleißigte  und  überall  das  Wesentliche  hervorhob,  wurde 
es  ihm  nicht  nur  möglich,  die  klassischen  und  andere  bedeutende 
Denker  relativ  ausführlich  zu  behandeln,  wodurch  besonders  dem 
Bedürfnisse  der  Studierenden  Rechnung  getragen  wurde,  sondern 
auch  moderne  in-  und  ausländische  Autoren  in  größter  An- 
zahl zu  berücksichtigen,  sowie  endlich  auch  Vertreter  von  Grenz - 
schaften  (Soziologie,  Biologie,  Pädagogik,  Theologie,  Juris- 
prudenz. Physik  usw.),  soweit  sie  für  die  Philosophie  Bedeutung 
haben,  anzuführen.  Zusammenfassende  Artikel  wie  Gnostiker,  So- 
phisten usw.  sollen  hauptsächlich  nur  zur  Kenntlichmachung  der 
wichtigeren  Mitglieder  der  betreffenden  Schulen  dienen. 

Die  Verteilung  des  gewaltigen  Stoffes  auf  einen  einzigen,  wenn 
auch  stattlichen  Band,  bot  nicht  geringe  Schwierigkeiten,  und  so 
wird  man  gewiß  Nachsicht  üben,  wenn  hier  und  da  ein  Artikel  im 
Verhältnis  etwas  zu  kurz  oder  zu  lang  ausgefallen  ist,  oder  wenn 
Bonst  noch  etwas  vermißt  wird.  Es  möge  ferner  beachtet  werden, 
lei  Verfasser  im  Nachtrag  am  Schluß  des  Werkes  noch  eine 
Autoren,  Schriften,  Daten  usw.  anführt,  die  aus  diesem  oder 
jenem  Grunde  Doch  nicht  im  Texte  enthalten  sind.  Eine  absolute 
Volk  Jieit   der  Daten   war   freilich  nicht  zu  erzielen.      Der  Ver- 

fasser darf  wohl  hoffen,    daß  man  über   die  Mängel,    von  denen  ein 
Weri  l**'i  seinem  ersten  Inslebentreten   kaum  ganz  frei  sein 
.    nicht    die   Menge   des   Gebotenen    und    das   Ausmaß   des   selb- 
Krarbeiteten  übersehen  wird. 

kt    sich    ain-h    der    Stoß"  des    vorliegenden    Lexikons    erklär- 

nn    wesentlichen    mit    demjenigen     großer    philosophie- 

toichtlicher  Kompendien  —  wobei  hier  aber  doch  auch  manches 

rachl   wird  -  .   so  bat  doch  auch  die  lexikalische  An- 

ordnung   ihre   besonderen    Vorzüge;    vor  allem  den,   daß  die  Dar- 

Btellung  jede«   Philosophen   luv  sich   allein,  nicht  als  Mitglied  einer 

Gm]  ine  Lehren  oft  schärfer  und  geschlossener  hervortreten  und 

long,  indem  sie  Wertungen,  Klassifizierungen,  Ein- 

ordn  ermeidet,  den  Eigenwert  jedes  Denkers 


bestehen  läßt.  Ein  mehr  äußerlicher,  aber  doch  bedeutsamer  Vorteil 
ist  die  Übersichtlichkeit  und  das  schnelle  Zurechtfinden ,  die  jedes 
lexikalische  Werk  gewährt  und  die  es  zu  einer  Ergänzung  jeder  anderen 
Behandlungsweise  desselben  Gebietes  machen.  So  dürfte  das  V 
wohl  geeignet  sein,  dem  Studierenden  bei  der  Repetition 
Philusophiegeschichte,  dem  Lehrenden  als  Hilfsbuch,  dem  Biblio- 
thekar. Schriftsteller  usw.  als  Nachx-hlagebuch,  dem  Laien 
zur  Erleichterung  bei  der  Lektüre  philosophischer  Autoren  zu  dienen; 
dem  Fachmann  werden  auch  die  Daten  und  Literaturangaben  will- 
kommen sein,  die  er  hier  schnell  aufrinden  kann. 

Für  Mitteilungen  von  Daten  u.  dergl.,  Berichtigungen.  Fin- 
sendung  von  Publikationen,  deren  Verwertung  jedesfalls  späteren 
Auflagen  zugute  kommt,  spricht  der  Verfasser  schon  jetzt  Beinen 
Dank   ans. 

M  ige  das  Werk  die  gleiche  günstige  Aufnahme  finden,  die  das 
„Wörterbach  der  philosophischen  Begriffe"  erfahren  hat 

Wien.   Frühjahr   L9U. 

Der  Verfasser. 


A. 


lull.  Anathon,  Professor  in  Kristiania. 

Schriften:  Der  Logos.  Geschichte  seiner  Entwicklung  in  der  griech.  Philos.  u. 
<1.  chmfl.  Literatur,  1896—99.  —  H.  Taine,  1898.  —  Macht  und  Pflicht,  1902.  — 
Zur  Frage  der  Hemmung  bei  der  Auffassung  gleicher  Reize,  Zeitschr.  f.  Psychol.  d. 
Sinnesorgane,   Bd.   47,   1908. 

lars.   K.  Birch-Reichenwald,    Privatdozent   m  Kristiania.     -    A.   vertritt 
eine  ,,Projektionsphilo8ophie",    in  welcher  die   ..Kn\artun:_r-"  von  Bedeutung  ist 
Dei  Gegenstai  laglanbe  ist  nur  eine   Form  des  Eausalglanbens   and   dieser  die 
-.Erwartung"   eines   wiederholten  Zusammenhanges;  die   Projektion    [der   V« 
genheit  in  die  Zukunft)   schafft   die   Dauer  des  G  indes      Die  Natur« 

sind   nicht-  selbständig   Wirkliches,    sondern    beziehen   sich   aui    Eigen- 
schaften und  Kraft.'  der  Substanzen. 

8    Driften:     Die    Autonomie    der    Moral,     1896.  Di«    Erwartung,   Xeits.hr.  f. 

Psychol.  d.  Sinnesorgane,   Bd.    22,    1900.   —   Zur   psychologischen   Analyse   der  Welt,    194 
—  Zur   Bestimmung    des   Verhältnisses    zwischen    Erkenntnistheorie   u.    Psychologie,    Zeit- 
rift  f.   Philos.  u.  philos.   Kritik,  Bd.   122,   1903.    —    Pragmatumaa   und    Bapiriaaraa, 
1.  c   Bd.    135,    1909.    -      La    nature  de    la    penseY    logiqae,    B**as    de    M'-taphvs.    et   de 
Moral«,  XVII,  1909.         Habe*  diu  NstargeaetM  Wirklichkeit-  1907.  —  Gut  und  B 
Idee,   1910. 

Ihülarri  (Abeillard,  Abelard),  Petrus,    «ich.  1079  in  Pallet  (oder  Palet) 
bei  Nantes,     Er  genoß  den   Unterricht   der  Scholastiker  Roscelinus,    Wilhelm 
von  Champeauz  n.  a.    Er  lebte  and   lehrte  an  verschiedenen  Orten,   besond 
in  und  bei  Paris   (Schlofi  tfelun,  (  -        Liebesverhältnis   mit    Seloise 

Briefwechsel  zwischen  beiden,  Reclams  I  oireraalbibliothek),  der  Nichte 
des  Domherrn  Pulbert,  verlief  bekanntlich  schliefilich  so,  daß  sowohl  Heloise  als 
Abälard  ins  Kloster  gingen.  \.  Btarb  1142  in  der  Priorei  St.  Marcel  bei  Chalons. 
AI-  Lehrer  hatte   \.  einen  grofien   I  aber  auch  heft 

in  Bernhard  von  Clairvauz.    Wiederholl  verwarf  die  Kirche  -         Lehren. 

A.  ist  cin.r  der  bedeutendsten  Vertreter  der  alteren  Scholastik.     Er  betont 
mit  großem  Freimut  das  Recht  der  Vernunft    und  di-<  Zweifels   gegenül 
bloßen    Autorität      Der  Glaube    ist    wohl  das    Höchste,   aber   die   Verum. 
muß  die  Gründe  des  Glaubens  darlegen    und  auch  entscheiden,   welcher  Aal 
ritftl   za   folgen   ist.     In    ..m.    et  aon"   werden    einander  widersprechend«     \ 

iche  von   Autoritäten   vorgeführt    und  die  Methode  angegeben,    s 

1 


Abälard  —  Abbt. 


den  Widersprach  lösen  könne;  die  Schrift  ist  das  Vorbild  zu  den  theologischen 
gummen"    (Scntenzensaimnlungen).     Die  Dreieinigkeit  Gottes   wird  so  auf- 
faßt, daß  Gott    Vater  die  Macht,   Gott  Sohn  die  Weisheit  und  der  heilige 
ist   die  Güte  oder  Liebe  ist.     Die  „Dialektik"  hat  nach  A.  zur  Aufgabe  die 
Dnterscheidung  des  Wahren   vom  Falschen  („veritatis  seu  falsitatis  discretio"). 
Voraussetzung   der  Logik    ist    die  Physik.    Die  Worte   sind  Erfindungen  der 
Menschen,  Btehen  aber  zu  den  Dingen  in  natürlicher  Beziehung. 

In  beziig  auf  den  V  n  i  vcrsalienstreit  vertritt  A.  einen  vermittelnden 
Standpunkt,  wobei  er  aber  dem  Nominalismus  nähersteht.  Das  Allgemeine 
liegt  nicht  in  den  Worten  selbst,  sondern  in  den  Aussagen  („sermones",  Sermo- 
oismus),  in  den  Bedeutungen  der  Worte.  Das  Allgemeine  ist  ein  „sermo  prae- 
dicabilis",  eine  begriffliche  Bedeutung  (Konzeptualismus) ;  es  ist  das  von  vielem 
Aussagbare  („quod  de  pluribus  natum  est  praedicarr)-  Das  Allgemeine  ist  daher 
kein  Ding,  keine  selbständige  Wesenheit.  Die  Universalien  (oder  die  Ideen) 
stieren  vor  der  Schöpfung  nur  als  „coneeptus  mentis"  (Gedanken)  im  gött- 
lichen ( raste. 

Am  bedeutendsten  ist  A.'s  Ethik.    Diese  zeigt,  wie  das  höchste  Gut  durch 

die  Tugend    erreicht   wird.     Auf    die  Gesinnung,    den    guten   Willen    sowie 

auf  das  Gewissen  kommt  alles  an,  nicht  auf  äußere  Werke,  die  an  sich  weder 

gut   noch  schlecht  sind.     Die  Tugend  ist  „bona  in  habitum  solidata  voluntas". 

I  tas  Sittliche  liegt  stets  in  der  „intentio  animi",  die  Sünde  in  der  Zustimmung 

zum  Bösen,   in  der  Absicht,   in  dem,  was  das  Gewissen  verwirft  („non  est  pec- 

catum  nisi  contra  conscientiam").     Wenn   eine  Handlung   sowohl   objektiv   als 

subjektiv  richtig  ist,  dann  ist  sie  gut,  immer  aber  kommt  es  auf  die  Gesinnung, 

sittliche  Bewußtsein  an,  das  freilich  irren  kann.    „Intentio  faciendi  propter 

im  quod  convenit  et  dimittendi  quod  non  convenit  sola  in  se  bona  est;  opus 

ven»  (|u<nlcunque  numquam  ex  se  bonum  appellatur,   nisi  si  ex  bona  intentione 

procedit.     Intentionis  igitur  bonitas  est  propria,   operis  vero  tantum  communi- 

Bcito  te  ipsum,    C.  7).       Das   objektiv   Gute   ist   das   dem   göttlichen 

Willen  Gemäße  und  dieses  ist  das  natürliche  Sittengesetz.    Höchstes  Gut  ist 

Gott   und  die  Liebe  zu  ihm. 

h  riften:  Historia  calaraitatum  mearum.  —  Theologia,  1616  (nur  der  erste 
Teil).  —  Scito  te  ipsum,  1721  (Ethik).  —  Dialogus  inter  philosophum ,  Judaeum  et 
ChrUtunon,  1831.  —  Die  Schriften:  Sic  et  non  (1851),  die  Dialektik  und  das  Frag- 
ment: De  generibus  et  speciebus  u.  a.  sind  enthalten  in:  V.  Cousin,  Ouvrages  inedits 
d'AbtUrd,  1836.  —  De  unitate  et  trinitate  divina,  1891.  —  Gesamtausgabe  der 
Schriften  (mit  Ausnahme  der  letztangefiihrten)  von  Cousin,  1849 — 59.  —  Vgl. 
CH  DB  EtBMUBAT,  Abelard,  1845.  —  S.  M.  DEUTSCH,  Peter  Abälard,  1883.  — 
\.  II"  ■•■•■.■in.  I  Abälard,  1893.  —  Tu.  ZlEGLER,  Abälards  Ethica,  Zeller-Fest- 
•chrift,    II 

thht.    Thomas,    geb.   1738    in  Ulm,    1761—02   in  Berlin  (Verbindung  mit 
n  d.  a.),  gest.  1700  in  Bückeburg.  —  A.  gehört  zu  den  aufklärerischen 
Popularphiloaophen. 

Vom    Verdienste,   1765.    —    Vermischte  Schriften,   herausgegeben  von 
ai,    1768  —  81    0.    1700,   u.   a. 


Abel  —  Achklis. 


%Im»I.   J.  Fr.,    geb.   1 7 ."> l    in  Vaihingen,   seil   1790   Professor  in  Tuning 

■■.  daselbst  1810.  =  Eklektiker,  gemäßigte]    Gegner  Kants.     A.  war  auf  der 
Karlsschule  der  Lehrer  Schill« 

Schriften:  Einleitung  in  die  Seeleulehre,  1786.  —  Über  die  Quellen  der 
menschlichen  Vorstellungen,  1786.  —  Versuch  über  die  Natur  der  spekulativen  Vernunft. 
1787,   u    a.   —  Ygl.    V.    AJDEB8,   J.    Kr.   Abel  als  Philosoph,   1893. 

\  hiebt.  .1.  H..  geb.  1762  in  Volkstedt  bei  Rudolstadt,  ><it   17'.»"  Prüfet 

in   Krlaii,Lr*-n.  Beil    l^'l   in   W'ilna.    daselbst   gest    1816.  Kaiitiani-ii-nntl,   auch 

von  Reinhold  beeinflußt 

Schriften:  Versuch  einer  krit.  Untersuch,  über  das  Willensgeschäft,  1788.  — 
Neues  System  einer  philos.  Tugendlehre,  1790.  —  Philosophie  der  Erkenntnisse,  1791. 
—  System  der  Elementarphilosophie,  1795.  —  Revidierende  Kritik  der  spekulat.  Vernunft, 
1799.  —     P-\-  hologische   Anthropologie,   1801.    —    Enzyklopädie  der  Philosopbie,   1804. 

Abraham  ben  David  ans  Toledo,  jüdischer  Philosoph  des  12.  Jahr- 
hunderts. --    Für  Aristotel)  den  Nenplatonisn 

Schriften:  Emunah  Ramah  (der  erhabene  Qlaube),  1160;  mit  deutscher  Über- 
MtSOBg    1  - 

ihuharcr      Lbu  Beirr  .  .  .   Ihn  Tofail),   arabischer   Philosoph,   geb.  am 
LlOOzn  Wadi-Asch   Guadix)  in  Spanien,  gest  lls">  in  Marokko.  =  Bein  Haupt- 
werk  ist:    Hajj   Jbn  Jokdh&n;    dentsch:    Der  Naturmensch,    übers,  von  .1 
Eichhorn,  1781,  ein  j>hil«.-.  Roman.    Ein  auf  einer  einsamen  Insel  aufwachsender 
Naturmensch   entwickelt   Bich  bis  cur  Erkenntnis   Gottes  als  Geist»  in 

jen    I   schauung  die  höchste  Seligkeit  besteht  (Efa 

%«•■■.  Narziß,  geb.  1871     Professor  in  Königsberg.  A.  hat  auf  Grund 

psychologischer     „Reaktionsversuche"     eine    Reihe     theoretischer     Ergebe 

ironnen.  Unter  „determinierenden  Tendenzen"  versteht  er  die  „im  l'n- 
bewuAten  wirkenden,  von  «In-  Bedeutung  der  Zielvorstellung  ausgehenden, 
auf  die  kommende  Bezugsvorstellung  gerichteten  Einstellungen,  di<'  ein  -jMin- 
tanes  Auftreten  der  determinierten  Vorstellungen  nach  uch  ziehen."  Die 
^Determination"  geschieht  bo,  <lai'»  die  „durch  die  Zielvorstellung  in  Berett- 
Schaft  gesetzten  Tendenzen    unter  den  von  der  Bezugsvorstelluj  henden 

Reproduktionstendenzen  diejenigen  rerstarken,  welchen  <li«-  Bedeutung  der  Ziel- 
entspricht."      Durch    <li<-    determinierenden    Tendenzen    \sinl    «b-r 
rdnete    and    zielbewußte,    apperzeptive    Verlauf    d  stigen    Geschehene 

bestimmt 

hriftea:    Über  die  WilleMtltigksit  und  dai  Dfiik.  i  (auf  asperimenta 

Grundlage).    —  Irt  und  Temperament,  -    Beitrlge   /ur  P  md 

Krkentitnistheorie,    1909    ff.    (Sammlung   von    "  ;bien    v.  • 

\«'li<'li^.   Mi.  lebte  als  Gjmnasialpi  in  Bremen, 

Wnndt  n.  a.  beeinflußt 

hniton:    Kthik.    L898,           Boaioiogi                       kdL    190t,  \  md» 

HwiBsenscliaft .                                philo«,    Bedaatong   d<  —    1)*» 

Eweekptisnp  ia  der  modei                                                h.  d.  Philoi    l\.  M    Lama 

II    Bteintkel,   1898.  —  1     x 


\.  Uli  1  im    —    ADICKES. 


\<  hillini.    Üexander,  geb.  L463  ra  Bologna,  gest.  1518  daselbst.  =  A. 
ilelei  nach  dem  Kommentar  des  Avenues.    Die  „Universalien" 
in  den  Dingen  (gemäßigter  „Realismus"). 

triam.  Charlea-Ernest,  geb.  1857,  Rektor  der  Universität  Nancy,  Verfasser 
ichüicher  Arbeiten,  über  F.  Bacon  (1890)  n.  a. 

jagement  osthötique,   1885.  —  Etudes  sur  les  principaux 
phUotophcw,  It0&  —  La  pkilotophia  m  Fnmoe,  1894,  u.  a. 

ldam*oii.  i: —m.  iieb.  1852  zu  Edinburgh,  gest.  als  Professor  der  Logik 

\.    lehrt    .inen    kritischen    Empirismus   und   Eealismus. 

md    Subjekt  beiden    sich    aus    einem   ursprünglich  einheit- 

l  recheinungen  sind  Arten  der  AVirklichkeitsverfassung.    Geist 

un,l    .  und  Manifestationen  eines  einheitlichen  Prozesses. 

riften:     Kovelopment  of  Modern  Philosoph)-,    1903.    —    Abhandlungen  in  der 
•;,:.     1\.   cd.   und  im   „Mind". 

lri<larri  ron   Bath,   englischer  Scholastiker,   um  1200.    =    Vertreter  der 
ffer.-n /lehre",    nach    der  dieselben    Objekte  je   nach    der    Betrachtung    ein 
eines  oder  ein  Allgemeines  sind. 

De    eodra    et   diverso,   um    1110;    auch    in:    Beiträge    zur    Gesch.   d. 
Mittelalt,    herausg.    von    Baeumkcr   und   G.   v.    Hertling,    1903.     Quaeationes 
Dttarales 

Idick«  -  Professor  in  Tübingen. 

\.  itehJ   in  seinen  Anschauungen  Panlsen   nahe,   er  ist  kritischer  Empirist 

Kantianer.      I  >i«-  Philosophie  ist  Theorie  des  Denkens  (Logik, 

ad  Metaphysik,  im  weiteren  Sinne  umfaßt  sie  auch  Psyeho- 

ihik  und   Ästhetik,  aber  nicht  die  Soziologie.   Sie  hat  die  „allgemeinen 

und   Prinzipien  des   Denkens  und  Erkennens   zu  untersuchen  und 

•■■■•/•.-•.;!•  ü     dari  niehi  in  die  Binzerwissenschaften  eingreifen.     Apriorische 

and    ni<ht    apriorische    Erkenntnisse;    durch   innere  Erfahrung 

I        Minimum    ^c>  Apriorischen    ist   nur   anzunehmen. 

metrischen  Axiome  ohne  Apriorismus  möglich;    es 

imetrie  um  einfachste,  Leichtest  übersehbare  Verhältnisse 

chiede    die   ein    Cur  allemal  gelten.    Nicht  die  fertige 

/  nur  der  Zwang,  räumlich  und  zeitlich  anzuschauen, 

terie    ist    als    solche    „ein  Werk    unseres  Geistes,   sie 

Körper    gibt     es     nur    für    ein 

»ni'ier   des   Verstandes".     In  uns  haben  wir 

<l   die    Dinge   psychisch,   Glieder   eines 

•  •'-    ■  .nuiinni  die   als  Körper  erscheinen 

Li  e   absoluten,   wohl  aber  allgemein- 
this<  he   Relativismus  und 
v:  I  >eU  rminismua  sind  berechtigt. 

or,    1887.    —    Kantstudion, 
Die  i.ilrn     Kräfte    in   Kants 


Adickes  —  Agbiff  \ 


philos.  Entwicklung,  Kantstudien  I,   1897.  —  Philosophie,  Metaphysik   und   Einzelwissen- 
f.chaften,    Zeitachr.  f.  Philos.  u.   philos.   Kritik,    Bd.    113,   1898.    —    Ethische   Prinzip, 
fragen    (Zeitschr.  f.   Philos.    u.    philos.    Krit.,    Bd.    116  — 117).    —    Kant    contra    Haeckel, 
1901  ;   l.   A.    1906.   —  Charakter  und   Weltanschauung,   1905,  u.   a. 

\<I|«m.  F»-lix,  Professor  der  Ethik  in  New- York,  Gründer  der  amerika- 
nischen  Gesellschaft  für  ethische  Kultur. 

Schriften:     Die     ethischen     Gesellschaften,     189S.     —     Der    Morahmterrieht    der 

Kinder,    1894. 

\<ll«kr.   -M.i\.   Wien.  A.  Bucht  den   Marxismus  mit  dem    Cantscheu 

[deaüsmuB  eh  rerbinden  und  will  auch  Hegels  „Dialektik*4  als  „TotalitJ 
denken'4  zur  Geltung  bringen.  Kr  tragt  nach  den  Vnraiinnntmngfii  des  sozialen 
Bewußtseins  und  findet,  dafl  das  individuelle  Denken  von  vornherein  ani  art- 
gleiches Denken  bezogen  ist  Der  gesellschaftliche  Charakter  igt  also  schon 
im  Zustande  jedes  Einzelwesens  gegeben.  Der  Stofi  der  Sozialwiseenschaft 
iteht  wohl  in  WiDenshandlungen  und  ZweckBetzungen ,  aber  die  sozio- 
logische  Methode  ist  die  kausale,  die  teleologische  nur  sekundär,  mir  regula- 
tiver Art  (gegen  Stammler,  Etickert  u.  a.).  Ideen  sind  „bewußt  gewordene 
Wirkung  ,Formen   der  sozia]    gewordenen   BelbsterhaltungM.     I>i«'  Idee  ist 

als  „Richtungselemenl   der  Kausalität^  die  „Triebkraft44  der  Geschichte,   i 
nicht  die    ,Maschine"  des  sozialen  Lebens,  welche  ökonomischer  Art  ist. 

n  ritten:    Kausalität   und  T.-U-ologie,    1904.  Marx  als  Denker,    1908.     — 

PoraUÜpaychitche     in     historischen     Materialismus.    \-    •     Zeit,    26.   Jahrg.   1,    1908.     — 
Ethik   0.   Naturalismus,    19 in,   u.  a. 

taajwslliM  ron  Colonna  (Romanus),  mit  dem  Ehrennamen  „doctor 
rurkbuisaünus**,  ur»i'.  1247  in  Born,  gest.  L31Ö  in  Avignon.  Verbindet  Lehren 
des  heil.  Augustinus  mit  dem  Thomismus. 

trifte»:    Quodlibeta,   1481.  —  De  ento  et  essentia,    1493.   —   De  anima,    14(.M. 
—  Quaestiones  ractapl  1  4 99.  —    De  regUUBC  prim ipum,  1473   —  Vgl.  l!.  ><  HO 

Aegjydiai  roe  Bon,  1908. 

\«kn«ka^  v.in  (ia/:i  (Syrien),  lebte  in  der  2.  Hälfte  des  5.  Jahrh.  d.  Chr. 
\i  ii.   bestreitet    die  Praexistenx  der  Beele  und  die  Ewigkeil  der  Welt    und 
lehrt  eine  beständige  Schöpfung  der  Seele. 

phraatuh"   nun    I-  \  .-!.  Aeneas  (iazaeus   et   Xacharias 

leneena  de   inuniirtalitate  animae,  ed.  Boiieoasdo.    L88tf. 

\<'iieMi<l<'iii<»M  b.  Ainesidemos. 

toMhtaesj  b.  Aischines. 

i^ricola.  Rudolf  (Holet   Euysmann),   geb.  1442  zu  Bailo  bei  Qroenin{ 
■.  1485.         Einer  der   Begründer   des    Humanismus    und  Gegner  da   Scho- 
lastik.    1  >;i-  Wesen  der  Dinge  ist  nicht  völlig  erkennbar. 
8    triften:    De  iarentione  dialectica,   i4so.   —  (| 

\^ii|>pa.  Skeptiker  aus  dem  2.  Jahrh.  d.  <  "1 » r .  -  A.  führt  die  Bahn 
skeptischen  „Tropen*     Gesichtspunkte)    aui   fünf   surück.      l.  1  h     w    I  nstreil 

der  Meinungei  «c).     '-'.   Das    Himiu^lautcn  d.-   I*.  w. 


PPA   —   i>"  \  1 1  IV- 


immer   neuen    Beweisen   (d  «.t<'>   r;;c  et?   chcetgov   exjzuooecog). 
.:   and  Subjektivität  der  Erkenntnis  (<$  äwo  ror  ^oc  n).     4.  Unbe- 

?).    5.  Zirkelbeweis  (d  diäXXrjkog  zQojrog). 

g    BlCPIBICüS,    DIOGENE8    l.u'iM'irslX,    ZELLER,    Philosophie  der 

ha  in. 

Igrippa     II.  in  rieh  Cornelius     von    Nettesheim,    geb.  148G    in   Köln, 
Leben,  beschäftigte  sieh  mit  „Magie"  u.  dgl.,  gest.  1535  zu 

Neuplatonismus  und  der  Kabbala   beeinflußt.     In  seiner  ersten 

t't  lehrt  er  die  Schöpfung  der  Welt  aus  dem  Nichts  gemäß  den  göttlichen 

S      ..ii  Gottes  sind  die  von  ihm  ausgehenden  Strahlen  („Sephiroth" 

bala       Bb  gibt  drei  Welten:  das  Elementarreich,  die  Welt  der  Gestirne 

und   dir    inteüigible    Engelswelt       Eine  allgemeine   Sympathie   verbindet   alle 

und    l>iiiLT«     und   darauf   beruht   die  Magie.    Eine  Weltseele  („Spiritus 

wirkt  in  den  Dingen.    Der  Mensch  besteht  aus  Seele,  Lebensgeist  und 

sitzt    einen    Atheiieib    und    wirkt   im  ganzen  Körper.     Die 

M*f:  ihe    die    verborgenen    Kräfte   der   Dinge   erkennt,   ist   die   höchste 

Wknenschatt.     in    der  Eweitgenannten  Schrift  wird  A.  zum  Skeptiker,   der  die 

aller    menschlichen    Wissenschaft    und   den     alleinigen    Wert   des 

ibens  und  der  Offenbarung  betont. 

riften:     De  oeculta  philosophia,   1510.    —    De  incertudine  et  vanitate  scienti- 
arwe.  —    <>pera,    1550,    1660:    deutsch  1856.    —    Vgl.  MORLAY,    The  Life  of 

I     i 

Ihren»*.    Heinrieh,    geb.    1808    zu    Kniestedt   (Hannover),    studierte    in 

•i     ward    d..rt   Dozent,    ging  dann  nach  Brüssel  und  Paris,  wo  er  Vor- 

hielt     1834    wurde    er  Professor   in  Brüssel,    1850  in  Graz,    1860  in 

Salzgrtter  L874.    =    Schüler  Chr.  Krause's.     Das  Recht 

Ganze    der    von    der  Willenstätigkeit   abhängigen 

Veiwiridichnng    der    Gesamtbestimmung    des    menschlichen 

l-  -•'-  iukI  d.-r  darin  enthaltenen  wesentlichen  Lebenszwecke." 

■ie    droit    natural,    1838,    5.   ed.    1849.    —    Naturrecht,  1852, 
t.   A 

l!"'°"  "'    Nikomedien,  lebte  im  14.  Jahrhundert  (gest.  1369). 

Maimonides, 

ubaom),    hrs^-   1841.    —   Vgl.   .T.  FÜRST,  Gesch.    d. 
65. 

IlicalM         Kappnd  est.  um  355  n.  Chr.,  Schüler  des  Neuplato- 

rt4    in   lv, 

'  x,i'-  Alliaco),   geb.  1350  zu  Compiegne,  gest.  1425 

Nominaliet     Die  Gewißheit  des  A.ußen- 

I       b  02  des  l'lis.    Gott  könnte  die 
doch  -Ii.-  iufieri    Wahrnehmung  lassen.    Das 

Omtkn  (J  ■->  •).••:•  h  ni'-hi  b-w.-i.-«-n.  nur  glauben. 


n'Aiu.s   —  Alanus. 


Schriften:  Quaestiones  super  libros  seutentiarum,  1490;  Tractatus  de  anima  (in: 
Tractatus  et  sermones,   1490).  —   Vgi    P.  T-<  ha«  KERT,   Peta«  tob   Ailly,    1877. 

line^idonio*   ans  K'  lehrte  am   70  n.  Chr.   in   Alexandria.    = 

Skeptiker,  Erneuerer  des  Pyrrbonismus.  Ein  sicheres  Wissen  ist  ireder  durch 
Smneswahrnehmung  noch  durch  das  Denken  zu  gewinnen.  Zehn  „Tropen" 
iQonoi%  Wendungen)  bezengen  dies.  1.  Die  Verschiedenheit  der  Lebewesen 
und  ihres  Werdens.  2.  Die  Verschiedenheil  der  Menschen  und  ihr-  Besonder- 
heiten. 3.  I>i-  Verschiedenheil  der  Binnesorj  i.  Die  Verschiedenheit  der 
Zustände  des  Menschen.  ~>.  Die  Verschiedenheil  der  Lagen  und  Entfernungen. 
6.  Das  Vermischtseio  des  Wahrgenommenen  mit  Anderem.  7.  Di<  Verschie- 
denheil der  Erscheinungen  je  Dach  der  Art  der  Verbindung.  B.  Die  Relativität 
überhaupt.  '.'.  Die  durch  die  Anzahl  der  Erlebnisse  bedingt  Verschiedenheit. 
1".  Die  durch  Bildung,  Bitten,  Gesetze,  Philosoph»  mr  usw.  bedingte  Ver- 
schiedenheit (Sextus  Empir.  Pjrrh.  hyp.  I.  •"♦">  f.;  Diog.  Laert  IX.  79  f.)« 

9   hriften.     lIvQQwrsUov  X6y<ov  dxt(  VgL    NATOBP,    Forsch,   z. 

Gesch.  (1.   Erkenntnisproblems,   1884.   —   R.   Ri<  HTEB,  Der  Skeptizismus  in  der  Philo«. 
1,    1901.    —    A     GrOKDBGKEMETEB,   Gesch.  d.  griechischen   Skeptizismus,   1905. 

li<*<*lliii<w  aus  Athen,  um  1  <>  ..  I  hr.  -  Schriften:  Sieben  Dialoge. 
—    Vgl.   Dl<'<  .   1.  MIM  .  II,  60  ff.  —  Hi:iMl\w.  De  A.-,hinis  Socratici  reliquiis,  1850. 

li*<'liiii<k<«  aus  Neapel,  um  l''*1  \.  Chr.,  einer  der  Vorsteher  «1er  Pla- 
tonischen >chulf  zu  Athen. 

Ikademiker:  Philosophen  au-  der  Schul.  Piatons  Akademie)  in  Athen. 
.Man  unterseheidet  die  altere,  mittlere  und  neuere  Akademie;  dir  beiden 
letzteren    umfassen    die  zweite,   dritte,    vierte   und    fünfte  Ak.     Der  älteren 

-«•renj  A.  gehören  an:  Bpeusippos,   Krates,   Herakleides   au-  Ponl 
Philip|>08  aus  <>pn-.   Hermodoros,   Polemon,   Krates  aus  Athen.     Der 
zweiten  A.   welche  eine  skeptische  Richtung  vertritt :  Arkesilaos,  Karnead 
Der  dritten:  Kleitomachos.    Der  vierten:  Philo n  von  Lariasa.    Der  fünften: 
Antiochoa    von    Askalon.      In    der   mittleren    A.    herrschte   ein    gemäßigter 
Skeptizismus,  in  der  neueren  ein  Eklektizismus. 

iksakow.  Alexander,  Staatsrat  in  Petersburg         Spiritist. 

ritti-n      ..ArniiiiMiius   und    SptlitUmOS",    18 

Alami^  ah  insulis     Etyssel,  AUain  de  rille),  gest.   um   1203  in   Citeau. 

Unter  dem  Einflüsse  von  Aristoteles,  Boethius,  Gilbertus  Porretanus,  Tnierr] 
von  ( 'hart  ii-.  Die  Schrifl  .1  ><•  arte  Bdei  catholicae"  befolg!  eine  annliche  Methode 
wie  die  „Ethik**  Spinozas  (Definitionen,  Postulate,  Axiome),    [n  dem  Lehrgedichte 

\  iii-( 'laudianu-"     wird    eine    Xu-aunm  nta-Minu    dt-    geil  sehen     Wi-><  n- 

I  >i-   Schrifl  „De  planctu  naturae"  enthält  Naturphilosophische*     (Jotl 
i-t   di.    Ursache   des    Formalen    und    Materiellen   der  Dil  wirkt    in  den 

I  >ing<  n    ist  eine  Einheil  i  „moni 

briftem:   I*  ra  theolo^i».     Di 

Ptfrolog.    T    110.   -      «         II.    r.MM«.\iMMi:      In.-    PaJIoi    .1     v  i 


g  AI  BKRICB  Ai ,i;i:i:t   DBB   GB0S8E. 


Uberftrh  von  Kheims,  Zeitgenosse  des  Abälard.  =  Gegner  des  Nomi- 

y^rieu  GeBtilto,  geb.  L551,  gest.  Hill  als  Professor  zu  Oxford.  = 
\  orlSuf  r  von  11.  Grotius. 

.    tkaibu,  l  685.  —  De  iure  belli,  1558.  —  De  iustitia  bellica,  1590, 

\1Imi!   <I<m    Große    von    Bollstädt    (Albertus   Magnus),   geb.  1193   zu 

-  hwaben),  studierte  in  Padua  und,  nachdem  er  in  den  Dominikaner- 

.  in  Bologna  oder  Paris.     A.  lehrte  dann  Philosophie  in  Köln, 

dann    wieder   in    Köln.     Eine   Zeitlang   war   er   Bischof   von 

starb  1280  in  Köln.     Durch  seine  große  Gelehrsamkeit  war  er 

ne   nicht    unbeträchtlichen    naturwissenschaftlichen  Kenntnisse   ver- 

•  ii  ihm  den  Ruf  ein«    Zauberers." 

oer  der  bedeutendsten  Scholastiker.    Er  stützt  sich  in  allem,  was 

hren  der  Offenbarung  betrifft,  die  von  denen  der  Philosophie  scharf 

«  otlich  auf  Aristoteles.    Als  einer  der  ersten  Scholastiker  zieht 

is  i      Philosophie  heran  und  benutzt  auch  deren  arabische 

ii.  Altaräbi.  Avicenna,  Averroes  u.  a. ;  auch  Ihn  Gebirol  („Avice- 

tfaimonidee  zitiert  er  häufig. 

Metaphysik   („philosophia  prima")    handelt   vom   Seienden   und   dessen 

Prädikaten   (Einheit,    Wahrheit,   Güte).    Das    Allgemeine   ist 

den  Dingen   im  Geiste  Gottes,  in  den  Dingen  als  Gattung,. 

als  Begriff.   Das  Prinzip  der  Individuation  (Vielheit)  liegt 

in  dl     M  \s  Substrat    der   Form.     Die  Vielheit  ist  durch  die   , .Division" 

In  der  Materie  ist  nur   der  potentielle  Beginn  der  Form 

i  inchoationis  formae").    Da-  Werden  ist  die  „Eduktion"  der  Form. aus 

Da«  Allgemeine  liegl  nur  in  der  Form.  —  Gott  ist  „ehs  a  se'*,. 

nicht  vollkommen   begreiflich;  durch   den  kosmologischen  Be- 

D  - ein   festgestellt     Er  ist   eine  Einheit,  die  besonders  als  tätiger 

aus  der  andere  Intelligenzen   hervorgehen.    Die  Welt  ist 

»ndern  von  Gott  aus  Nichte   geschaffen,  was   für  uns  ein  Wunder 

Dil    M  ebenfalls   geschaffen,   auch   die  Zeit   hat    einen    Anfang. 

-  Wille  und  Ventand  wirken  in  der  Welt;   das    Wesen   Gattes  trägt  alle 

wären.  m  der  Dinge  ist  das  (in  ihnen  treibende) 

W<  I  dii    Dinge  dem  göttlichen   Intellekt   entstammen,. 

Di(    [Bedeutung  von  Erfahrung  und  Beobachtung  für  die 

von  A.  betont. 

Substanz    und    „actus",   die  aktive    „Form" 

U       -••  •  irinzip    |  prineipium     physici     corporis 

■■'    habentis").      Die    vernünftige   Seele   ist    im  körperlich 

Intellekt   M   ein  Teil  der  Seele   und    der  Träger 

ppetitiven   und   bewegenden   Kräfte,  die  ins- 

Die     Seek    isl     unsterblich    („manet 

Den  „intellectus  posaibaw",  der 

Ist    mir  ein  potent ieller 


Albert  des  Crosse  —  d'Alembert. 


Verstand.    Der  Mensch  hat  einen  freien  Will  eo  („liberum  Arbitrium").    Prinzip 
der  Sittlichkeit  ist  das  Gewissen,  welch.-  als  allgemeines  Prinzip  angi 
ist,  wenn    ee   ancfa    im   einzelnen    irren    kann.      Untrüglich    ist   hingeg 

der  ..Funken-  d<  Im  ursprüngliche,  reine 

Sittttchkatsbewußtsein    ..-.  mp.r  inclinana  id  bonnm  et  remurmorans  malo,  in 
null.)  D6C  riatore  nee  damnato  exstinguitur  in  fcoto"),  das  niemals  erlischt      D 
Ausdruck  ..-viit.ivm.---  suers!  bei  Hieronymns,  dann  bei  Basilim    G 
dem  Großen,  Tertnllian,  Maximus  Confessor,  Alexander  von  Hui.-  n. 
Die  Tugend  definiert  A.   irie  Augustinus  und  unterscheidet  von  den  vier  Pla- 
tonischen Kardiiialtugenden  und  den  übrigen  „virtutes  acquiaitae"  die  drei  theo- 
logischen Tagenden  (Glaube,  Boffnnng,  1.  s  ,,virtutes  infusae".     Die  selig« 
Schauung  Gottes  ist  das  End/ie]  des  Menschen.  —  Die  Anhänger  Alberts  winden 
ala  „Albertisten"  bezeichnet.    Ajb  größter  Bchüler  ist  Thomas  \<»n  Aquino  b.  d.) 

Hauptwerke:    Summa  theologica.  —  Summa  de  creaturis.  —  Opera,    L651 ; 
ständiger,    ed.    Borguet,     1890  tf.    —    Vgl.    .1.    Siohakt.    Albertus    Magnus.     1857.     — 
<  >.    I»  A-s.Mi.f.v.  Albert  le  Grand,  1870.   —   G.  v.  Hi'ini.iNf,,  Albertus  Magnu-.  188 
—  .1.    1>.\(  ff,   Des   A.   M.   Yerhältn.  zur  Erkenntnislehre  d.  Griech.  u.  Römer,   Araber  u. 
Juden,   1881.    —    h.   Mhh\i:i.    A.  d.    Große,    Zeitschr.    f.    katho).  Theol..  Bd.    _ 
Bd.   IT.    •        \     ><  UM  nun,   Di.-    Ptyehologifl   A.  d.  Grollen    1,   1903. 

Albert   »on   Sachsen   (de  S  •      Lehrer  an  der   Pariser  Universität, 

L390.        Scholastiker,  Nominalist. 

briften:   QoaeräoMl   in    libros   de  coelo  et   de   mundo,    1497.  \^..  PrAXTL, 

Gesch.  d.  Log.  1\  . 

\lhino*.  lehrte  am  151     152  n.  Chr.  in  Smyrna.        Platoniker. 

hriften:    Kommentare   zu  Piaton.    —    i  i    rot    // 

llhino*.  um   i1  - 1  ii.  ein.        Neuplatoniker. 

\l<*iiiiiu*.  Albinius,  geb.  7:;.'»  in  York.  Lehrte  Beil  7^_'  am  ILO   Karle 

Grotten  an  der  Hochschule,  dann  Abi   von  Tours,  gest.  904  daselbst  =  Durch 

dir  Begründung  ron  Klosterschulen  verdient    Schrieb  über  Dialektik,  Rhetorik, 

au.-h  Psych  ..1>.   animae  ratione**),  «reiche  ron  Augustinus  beeinflußt  ist 

•  immateriell,  ansterblich,  mit  freiem  Willen  begabt. 

:   (»pera,    L615,   1777.  VgL  I..>i:i\ix.    Aikuin-'    Leben,    1 

\l<'iiiaiiiii.  Vir         Salerno.        Positivistische  Richtung. 

i.  iilt.n:    Intindu/.ioiir    ad    una   psitologia   dcl    dubbio,    Kiv.  ili  filosotia.  — 

ssitato  peichico,    1903.         1'.  Cnretti,    1904,  u.  a. 

d*  ilcnilx'if.  Jean  le  Bond    geb.  1717  in   Paris,  gest  Ibsi   als 

■  i.u  der  Akademie. 

Mit  Diderot  o.  b   ec   die   für  die    Aufklärung  leutsame     I 

ctopeclie  ou  dictionnaire  raieonne'  des  Bciences,  des  arts  et  de*  mätiers"   11 
heran-.      Die    Einleitung  dazu   (Discoun   preliminairej   ist    von    ihm.     Im    \ 
Bchlusse  an   I.  Baooo  gibt  er  darin  eine  Einteilun(  lenschaften  und 

erörtert  deren  l  raprung. 

I'  Uemberl  \<-rtntt    .nun    Pusitivismua   und   Relativismus     w 


D   \i  imi;h:i  \i  i\  \NPKU. 


Relationen  swiBchen  den   uns  gegebenen  Erscheinungen, 

deraelben.     Prinzip  der  Moral  ist  das  wohlverstandene  In- 

untwohl  berücksichtigt.     Das  Wesen  der  Materie  und 

:,:„.     Alles  Erkennen   geht  aui  Empfindung   zurück.    Das 

Kombinieren,  Verknüpfen,  Ordnen.    Dct  Substanzbegriff  ist  leer, 

eine  abkürzende  Bezeichnung  für  quantitative  Relationen. 

iitti  rature,  d'histoire  et  de  philosophie,  1752  u.  1770.  — 
,     •  Oeuvres    philos.,   histor.    et    litter.    1805,    1820.    — 

.    1887.  —  Vgl.  M.  FÖRSTER,  Beiträge  zur  Kenntnis 
de*  Charakter  l'hilos.  d'Alomberts,  1892. 

Mexander  ron  Aigai,   im   1.  Jahrh.  n.  Chr.  =  Peripatetiker,  Lehrer 

iften   des   Aristoteles. 

tlcvamler.    Beruft,   Prof.  in  Budapest.    —    Schriften:    Der   Pessimismus 
de,  1884.  —  Kants  Lehre  vom  Erkennen,  1876  u.  a.,  ferner  ungarische 

iften  über  Kant,  Psychologie,  Ästhetik  u.  a. 

\I«\.iimI<i  .  Samuel.    =  Evolution  istischer  Ethiker.   Das  individuell  Gute 

Einhaltung  der  Harmonie  /.wischen    den   verschiedenen  Funktionen   der 

mens  \   •.       Sozial    gul    ist    die   der   gesellschaftlichen   Stellung  ent- 

,  !:iii.ilui._  Sittlicher  Endzweck  ist  das  im  Gleichgewicht  er- 

.    l.ln  aller   Personen,  „an  order  or  system  in  which  the  functions 

maintained'',  „the  health  or  vitality  of  the  society".    Zwischen  den 

steh.1   ein  Wettbewerb;  das  als  passendstes  sich  erhaltende 

« lute. 

riften:   Moral  Order   and  ProgresB,  1889,    2.  ed.    1891.    —    Abhandlungen    im 

%l<'\aii<lcr  ron  Aphrodisias  (Karien),  der  „Exeget",  lehrte  zwischen 
Chr.   in    Athen    Philosophie.     Berühmt    als   Kommentator  des 

hie  Lehre  von   der  Durchdringung  der  Körper  sowie 
•••  '     '  ,iiii~iini-.     I»;i-  Allgemeine  als  solches  ist  nur  im  Denken. 

Leibes  i-t   vergänglich,   nur  der  (göttliche)  tätige  In- 
blich.   So  lehrten  auch  die  italienischen  „Alexandristen"  in  der 

nmontare   ist   erhalten,   ferner  die  Schriften:  liegt  ipvxfjg  (De 
'      (Dfl    lato,     1824),    Ihm    fltgecog    (1527),    Quaestiones 

1  '•:;■'•     ntar.    n   aristol    tsphya.,   L847.    Weitere  Kommen- 

rliii.r  Aristotelee-Aoagabe.    —  Vgl.  Freupenthal 
b:  Abtsr.  zu  Berlin,  lssr,. 

ItoUMs^et  k us,  um  170  n.  Chr. :     Peripatetiker  in  Athen. 

%,#  ^"i.i.r  ii, :.        poctOT   irrefxagabilis",  ans    der   Grra&chaft 

tmte  Philosophie  des  Aristoteles  und  einen 
innt  und  sie  zur  Begründung 


ALEXAJTDEB   —  AliFREDÜS   An«. LH  I  B.  U 


der  Dogmen  benützt  hat.     Bezüglich  der  (Jniversalien  ist         B  alist".    Vor  den 

Dingen  sind  die  Universalien  im  göttlichen   Geeiste.     All  haffene  l»«>sfeht 

au-  Materie  und  Form  (wie  nach  Um  Gebirol  . 

Schriften:  Summa  univereae  theologiae,  147ä,  läTG.  —  Vgl.  .1.  A.  ESnDUSB,  Des 
AI.  von   H.  Leben  u.  psychol.   Lehre,  in:  Philoe.  Jahrb.   1888. 

Alexander  >V<dkam.  lehrte  um  1180  in  Pari-,  Btarb  um  1217  bei 
Worcester.  =  Scholastiker,  vertritt  den  „Realismus"   betreffe  «ler   [Jniversalien. 

Schriften:  De  naturis  rerum,  hrsg.   von   Wright,   1863. 

\ lexamlriner:  1.  Vertreter  der  jüdisch-griechischen  Philosophie  in 
AJexandrien  (Ägypten),  wie  Philo  Judaeus  u.  a.  2.  Neupythagoreer  fs.  d.) 
wie   Nigidius   Figulus  u.  a.  und  Neuplatoniker  (s.  d.).     :;-  Die  christlichen 

<.ri".-tik.i     au-    drr    Katechetenschule    zu    Alexandrien,    Clemens,    <>n_ 

n«  -    u.   a. 

Vgl.  Hassei.i;a<  h,  De  »chola,  quae  Alexandriae  lloruit,  catechetica,  1826.  — 
Va<  HSEOT,   Histoire  critique  de  l'ecole  d'Alexandrie,   1846 — 51. 

ll<kxaiidri*ten  8.  Alexander  von  Aphrodisias. 

llexino*  an-  Kli-.  um  300  v.  Chr.    Schüler  des  Ektbulidee  von  Ifegara. 

—  Kristike,    (s.  «1.  ■ 

Schriften:  liegt  äycoytfc  (Fragment  bei  Philodemos).  —  VgL  DlOO.  I.ai  i:i.  11, 
1«'-  tf. 

llfarahi  |  U>u  Nasr  Mohammed),  arabischer  Philosoph,  geb.   am  900  eh 

Halali  Turki-tani.  -tu«li«Tt«'  und  Lehrte  in  Bagdad,  ging  oach  Damaskus  und 
Aleppo,  wo  er  von  dem  Lehrer  der  Süfu  beeinflußt  wurde,  Btarb  950  in 
I  Damaskus. 

\.  hat  zuerst  unterdes  Arabern  die  Logischen  Schritten  des  Aristoteles 
kommentiert  Im  übrigen  steht  er  unter  dem  Einflüsse  de-  Neaplatoniamus. 
Er  unterscheidet  „logica  docens"  und  .,1.  uten- ■■  Das  Allgemeine  ist  in  den 
Dingen,  nicht  selbständig.  <;<>n  ist  da-  notwendige  Bein,  welches  die  Vor- 
aussetzung der  ganzen  Kau-alreihe  des  Uniyersnms  ist     EJr  ist  Weisheit,  Macht. 

Will«     und    «l.i-    (inte.      Ali-    der    göttlichen     Einheit    emaniert    der    Intellekt 

diesen]  die  Weltseeli  .  au-  dieser  gehen  «li«  sinnlichen  Seelen, 
die  Elemente,  «li«-  Materie  .mit  der  «li«'  Form  verbunden  ist)  hervor.  l>i<-  Ver- 
nunftseele des  Menschen  i>t  unsterblich,  sie  ist  der  wirkende  Intellekt. 
der  au-  «lein  potentiellen  durch  <l«'ti  göttlichen  aktiven  Intellekt  geformt  wird 
(erworbener  Intellekt).  Das  Sein  ft  Beiner  Form  nach  mit  der  Nanu  des  l 
kennenden,  dem  Intellekt,  identisch. 

B    triftta:    Dt  iriftiii  ■.  Do  inta  Opera,  L688.         KontM 

Bttita  am,   La:    BthmSldtr,    Documenta   philotopfeiat  Aralmm,   L836.  —  A.«  phi 
a.baaad).,   tag    rot    Dietsriei,    1890,   itatat*    1891.         vgl    Mink.   M»'-itnge«,  p 

II    8  I  I  IN-«  HM  IM  i:      \.    im    aral..    Philo»     LsbCI    u.    v 

llfrtMlii«    anglicnM,    /ait  Lr<  uosse   von    Rogei    Ba  Die  Beete   i-t 

zugleich  <li<    Lebenskraft  und  hat  ihren  Siti  im  Berten. 

triftta     Dt  motu  tordia,  ui :    Bil  phoraai    ntditt    ictatia, 

Barata,  n,  i- 


\l  Q  \/il.   —    Al.LlHN. 


%i-a/«.|    \      i     mid Mohammed  Ihn  Mohammed  Ihn  Achmed  AlghazzÄli),, 
aml,  in  Ghaczaleh  (Persien),  studierte  in  Tus,  lehrte- 

i  SAfi  m   Damaskus  u.  anderen  Orten,  starb  1111. 

Irthodoxie  mit  Skeptizismus  in  der  Philosophie 
h.  n  [deen.     Betreffs  der  Universalien   ist  A.  Konzeptualist 
nur  im  Denken).     Die    Kausalität   ist    kein   festes    Gesetz, 
h.  ebenso  die  Schöpfung  aus  Nichts.    AVährend  er  in  der 
1  al  hlÄsifa"  (Zielpunkte  der  Philosophie),  1506,  1888,  be- 
sonders \  enna  beeinflußt  ist.  bekundet  er  in  „Tahiifut  al-faläsifa"  („De- 
phorunr')    seinen    philosophischen    Skeptizismus  und    in   ,,Ihijä 

ine  < Orthodoxie. 
Mt>i  ei  i:.   Ilssüi  sur  les  ecoles  philos.  chez  lee  Arabes,   1842. 

llkenrii     Abu  Juauf  Jacub   Ibn    Ishak   AI   Kindi),  geb.   zu  Basra  um/ 

-t   und  m    Bagdad,  starb  um  870.     Arabischer,  Arzt,    Mathema- 

lora;   dei  Philosoph    bei   den   Arabern     =    Aristoteliker,  vom 

ius  und    V ■uplatonismus    beeinflußt.     Die  Mathematik   ist  die 

dler  Wissenschaft. 

•>n:   Philos.  Schriften  hrsg.  von  A.  Nagy,  in:  Beitr.  zur  Gesch.  d.  Philos* 
i:telait.,  hr«_\   von   Raeuinker  u.   Hortung,   1897.   —    Vgl.   SCHMÖLDERS,    Essai    sur 
loa.  ehez  les  Arabes  S.   131  ff.  —  G.  FLÜGEL,  Al-Kindi,   1857. 

%lkid;ini;i-.  .in  Sophist,  der  über  das  natürliche  Recht  gesprochen  hat. 
I  -•.     AKI8T01  i  i  i  3,   fthetor.  1,  3. 

llkinoo*    -"11    ein    IMatoniker    gewesen    sein.      Die  ihm   zugeschriebene 
Udaaxaltxos    '">>■    TDmt6vcov    doyfidxcov    (Introductio  in  Platonis 
»hl  von  Alltinos  her.  —  Vgl.  J.  Freudenthal,  Helie- 
m»ti»  II.  5,   187». 

llkmaion    :m^    Kn.ton,   Zeitgenosse   und   Schüler  des  Pythagoras,   Arzt 
A     führt    die  pythagoreische  Lehre  von  den   Gegensätzen 
3     le  hat,    wie  er  /u.  ist   lehrt,   ihren   Sitz  im  Gehirn;   sie  bewegt. 
j. findung. i,  -«langen  durch  „Poren"  in  die  Seele. 

Diels,  Vorsokrat.  [,  100  ff).    —   Vgl.  J.  WACHTLER, 

%,h*n-  ÜSCher    Ästhetiker.    —    Schriften:    Physiological 

1879.  The  Evolution  of  the  Idea  of  Godr 

~~  ,)-  •    im  „Kind". 

*■*•▼•  l'rot.   m  Turin.   =   Idealistische   Richtung. 

antropologia  e  logica,   5.   ed.    1900.  —    Saggi 
•    e   Dell1  ordine  pedagogico,   1883.  —  L'uomo  e 
studi  p«da  ._  Opiucoij  pedagog.  1908,  u.  a. 

lmi"'-  rieh  Theodor,  geb.  1811,  gest.  L885  bei  Cöthetn.  = 

Di«  Qnmdlehren  «I.  allgemeinen  Ethik, 


Alrutz  —  Amerba«  h. 


Airatz,    Sidney,   Prrvatdosent   in    öpsala.   =    I»'-;    Böhmen   ist   nach  A. 

■eine  besonder«-  Empfindung  des  Hantaiimes. 

Schriften:    Über  den  Schmerzsinn,   1901.    —    Zur    Physiologie  u.  Psychologie  d. 
Gemütsbewegungen,   1901. 

llstedl.  Job-  Heinrich  (Alstedius),   geb.  1588    gesl   U    3.       Gern 

Anhänger  des  Petrus  Raum-,  einer  der  ..S-mi-Kamisten'  . 

B    hritten:    Clavis  artis  Lullianae  et  verae  Logicae,   1609.    —    Corupendium  philo- 
sophiae,   1626. 

\l(lin>iu>  (Althus),  Johannes,  geb.  1557   zu   Diedenhansen,  gest    LI 
=   Rechtsphilosoph,   l«hn   <li<-  Souveränität   des   Volkes,   dessen    Rechte  durch 
<lie  „Ephort'ir-  gewahrt  werden. 

Schriften:   Politica,    1605,    1610.   —    VgL  O.  GlERKE,  Joh.  Althusius.   in:    l'ntcr- 
.  /.ur  deutschen  Staats-  u.   Rechtsgesch.,   1880. 

Imafiiiin*.     einer    der   ersten    Römer,    der    über    Philosophie   schrieb. 
Epikureer,  nur  aus  Cicero  bekannt. 

tmalri<'li    (Amalricus)   von   Bens    Amaury  de  Bennes),   geb.  im  Gebiet 
von  Chartres,   lehrte   in   Pari-,    mußte   widerrufen,    '_re»t.   iL'1  '7.     Seine  Sehn 
heißen  A  ms  1  ri  es  d  er. 

\.  lehrt  unter  dem  Einflüsse  von  Job.  Bcotus  Eriugena  einen  Pan- 
theismus. Gott  isl  das  Wesen  aller  I  > i 1 1 ix» •  und  ihr  einheitliches  Sein.  Tm<- 
[deen  sind  geschaffen  and  schaffen  selbst  Alle  Dinge  kehren  schließlich  sur 
ttlichen  Einheit  zurück  und  bleiben  unveränderlich  in  ihm.  Nach  der  Lehre 
der  Amalricaner  isl  Gott  Urheber  nnseree  (guten  oder  schlechten)  Willens. 
I  >i>-  Abhandlung  „Contra  Amaurianos"  isl  von  Garnerius  von  Rochefort 
(um  1210). 

.     Ki:«»M.i:r  Dg.   Studien    n.    Kritiken,    L847.     —     BAEUMKEB,   Jahrb.    1. 

Philos.  u.   ppekul.  Theoi.    \  11.    1893;   VIII,    l.s'.M. 

Iininoxi.  Luigi,  Privatdocent  in  Rom.        A.  vertritt  einen  „dynamische) 
Monismus",  wonach  die  Materie  an  sich  Geist  ist. 

8    "i  SJgi°  "ll"    IirnnsgiiissMms,  1891.  —  La  paicologia  doli'  Immagina/. 

1   j.rin«  ijii    di  —     Che   cos'   e    la   niateria,     1899.     —     1 

ulla    tilosotia :     1.    Puoologia,    -l     cd.     1910.       11.    1.  I,    ad.     1910; 

111.   Etica,  •-'.  ad.   L9( 

iiiM'lio^   (Gentilinianus)   aus   Ameria,   3.  Jahrb.  n.  Chr.     Schüler  des 
Plotinos.  liw  Gegensatz   zu    Plotin   lehrt   er  <li»-  Einheit  der  Seelen  in 

Weltseele       im   göttlichen    i  •        -im  1    drei     II  u:    das   Seiend« 

»ende  und  des  Schauend«  ■ 

.•■-   Plotin  im   Ajihing  zu 

iiiM'iii .    Carl    Wilhelm,  [Bamberg.  riaklasg  i 

und    Daakaa   baiaa    Kii  e    —    Begrifl  und  B<  r  Kindei 

.   KiBdaneslaakuada,  I.  a.   L9 

tllH  llHH  ll.     \  M    Witt. 

-tritt    mit    Melanchthon    ar<  gen    -I«  i    I 


\mi:ki.  v<  11   —   Anw  uiORAS. 


Ihm     Melanchthon:     ..Kndeleeheia").    —    Schriften:    De 
inima.    1542.   —    Dt  pkÜMOphia  naturali,   1549. 

tiiimnii.   Otto.  Sozialbiologe,   betont  die  Bedeutung-  der  natürlichen 

1     lese  für  die  menschliche    Rasse,   die  dureh    Beseitigung  alles  Antiselekto- 

Iho  natürliche  Aiulete    beim    Menschen,   1893.    —    Die  Gesellschafts- 
on  Grundlagen,  2.   A.  189G,  u.  a. 

Imnionio*    nm    Alexandria,   im   ersten   Jahrh.    n.   Chr.   Lehrer   des 
Chaironeia. 

tiiimoiiio«  llermiae  (Sohn  des  Hermias),  lehrte  um  500  n.  Chr.  in 
-  büler  des  Prokli 

olia  in  Piatonis  Phaedrum,    ed.  Couvreur,  1901.    —    Commen- 
ias  et  Porphyrii  Isagogen,  1545. 

Immonios    Sakkas     (der    ^ackträger),     lebte   um   200   n.    Chr.    in 
mdrien.     Hat  nichts  geschrieben.    Begründer  des  Neuplatonismus. 

ZELLER,  Grieeh    Philo«.  111,  2*    —   L.  Dehaut,  A.  S.,  1836.   —   G.  V. 
sei   \.  s.,  1874. 

\iii|m  re.   Andre*  Marie,  geb.  1775  in  Lyon,  Prof.  der  Mathematik  und 

16  in  Marseille. 

•  ilt  die  Wissenschafteo  in  „sciences  cosmologiques"  und  „noologiques" 

laften)    »-in.      Die   durch    das    wissenschaftliche    Erkennen    be- 

.  den   konstanten    Relationen  der  Dinge  zugrundeliegenden  Wirklich- 

er  ah      Noumena".     Die  Erkenntnisfunktion  besteht  in  der 

rstellnngen    vermittelst  der  Relationen,  die  wir   zwischen 

'  nt'l«<-ki-ii. 

-ai   sur    Ja    philosophie   des    sciences,    1834 — 43,    2.  ed.    1857.  — 
mi1   M.  de   Iüran    bei   Uarthol.    Saint-Hilaire ,    Philos.    des    deux  Ampere, 
18S6,  u.  J.  J  .   [ntrodaetion  h  Ja  philosophie  de  mon  pere,  1855. 

%nutolio«.  Schüler  des  Porphyrioe,  Lehrer  des  Jamblichos. 

\iia\;i-ni ;»-  Kkzomenae  (Kleinasien),   geb.  um  500  n.  Chr.,  lebte 

I      and   da    Perikles,    wurde   der   Gottlosigkeit   angeklagt,  ging 
irb  dort    um  427   n.  ( Ihr. 

riechischen    tfatiirphilosophen.     Er  lehrt  eine 

Werden    und    Vergehen    ist   gleichbedeutend  mit 

>  und  Trennung  (SidxQtoie)  von  unveränderlichen  Teilchen. 

;   men"  in  ,;„,,,,, ,t\  der  Dinge;    Dach   dem   Vorbilde 

ter  „Homöomerien"  {öfniofiigeuu)  genannt,   weil 

I  told-   und  andere  Teilchen)  sich  zu  den 

verbinden    oder    wenigstens  in  den  be- 

entlich   ist    „alles  in  allem"  (ndvra  iv 

M    welchem   alle  Teilchen  onge- 

od  ruhten.      Neben  diesen  materiellen 

tanz  oder   Kraft,   den    „Geist" 


Anax.u.ora-         An.wimi.n'  8. 


Der  „Geist*4  ist  unbegrenzt,   für  sich  Betend,   rein,  der   Grund  der   I 

wegunir  und  Ordnung   (sl&a  6  ■  Wm»  ovrd  (V  r).      Kr  i-t   allwissend 

:)  und  allmächtig,  eins  mit  der  Gottheit  [Stofflich  i-t  er  nach 
Peipers,  Dilthey,  Gomperz,  Windelband,  Zeller  o.  a..  immaterieU 
nach  Heinze,  Arleth  u.  a.  .     [ndem  der  „Geist"  zunächst  an  einem  Panl 

hwung    bewirkte,    welcher    immer  weiter  um  -ich  griff,  a  ill- 

mahlich  die  Sonderang  dir  aligleichartigen    und    die    Verbindung  der  gleich- 
artigei)   Teilchen.     Da  ist    da-   Zweckprinzip,    von   dem    alter   (wie 

Aristoteles   es    ihm   vorwirftj    A.    keinen    weiteren    Gebrauch    macht.      Den 
Pflanzen   schreibt   A.   Beseelung   zu.     sie  und  die  Tiere  sind  au-  Keimen. 

die  aus  dem   Äther  aut   die   Erde   Geld  nden   (damit    Bind   neuere  ..!, 

■In  ■•  Hypothesen,  /.  B.  bei  Arrhenins,  zu  vergleichen). 

Die  Sinne  empfinden  Wanne  durch  Kalte  USW.,  d.  h.  durch  Ungleich- 
artig en  Empedokles).  Wahre  Erkenntnis  ist  aber  ein  Werk  dee 
Denkens,   da   die   sinne   nicht    genügend    analysieren.         Schüler  des  A.  Bind 

Archela<>-  und  Metrodoro>  von  Lampsakos. 

ritten:    lln/i   (pvoeOH   bei   Diels,   Vorsokrat.  1,   293  1t.  —    Vgl    BCHAUBAGH, 

Anax.   Clazoni.   Fragm.,   1 8 -J 7 .   —    l'.i:i Hl:.   Die   Philo«,  d.   Anaxa^r..   1840.   —    Hl.IN/l. 
l'ber  «i.    »ef,-   des  A.,   1890.   —    K.    Ami  Ml,    1'     I. ihren    d.  A.    vom  Geist  u.  d.    - 
Arrh.   f.    Gesch.  d.    Thilos.,   Bd.    13.i. 

Aiiaxai'clio*  aus  Abdera,  Schüler  des  Demokritos,  skeptische  Richti 
her  Endzweck  des  Handeln-  ist  die  Glückseligkeit 

liiuximaiirior  aus  Mihi.  geb.  am  610  v.  ehr.  l—^ 

A.  gehört  eh  den  jonischen  Natarphilosophen.  Als  Prinzip  der  Ding 
stimmt  er  einen  qualitativ  imbestimmten  [Jrstoff,  das  „Unbegrenzt«  '  \;  ron 
.  welches  ansterblich  and  anvergänglich  ist.  Kr  ist  wohl  nicht  ein 
Gemenge  wie  Aristoteles,  Kitter.  Teichmüller  o.  a.  meinen),  Bondern 
eine  Substanz,  welche  die  Qualitäten  der  Dinge  nur  potentiell  enthielt  (Zeller 
u.  a.i.  Da  i  rgrund  mufi  anendlich  sein,  damit  das  Werden  sich  oicht  • 
schöpfe.  Alles  stammt  ans  dem  Apeiron  and  alle  Dinge  kehren  in  dasselbe 
zurück,  ..tun  zu  büfien  tür  ihr  Verschulden  nach  der  Ordnung  der  Zeit  ><k 

<;tv    y<u    dtxijv    ifjt    ädixiat    xata     r,ti     roC    /<_-'■  An-    dem 

Lpetron  gehen  durch  Scheidung  zunächst  Warme-  and   Kalte-  und   dann   ans 
di- -cm  das  Feuchte,  die  lade,  die  Luft  and  das  Feuer  hervor.    Eine  unendliche 
Anzahl  von  Welten    folgt    aufeinander.     Der  ursprüngliche  Zustand  da   I 
war  ein  Flüssiger.     I  >i<    l  haben  sich   ans  dem   Feuchten   unter  dem  Kin- 

tlni.  der  Warme  entwickelt.     An-  Beetieren  -ind  die  Landtiere  h  en, 

darunter  auch   die    Menschen.     Hier  -ind   also    Anfänge   einer   Entwicklung 
theorie  vorhanden.     Di(    Se<  Menschen  ist  luftai 

.•riftei.      //  i\k-l.   Dialt,    V.THokr.    I.    11  lt.).    —    Vgl«    Sch 

UAGHD,    \\W.    111.  Bd.  Niiii\i-ii:.    A.    Mile*  LVATORP, 

Philo«.  Monatr 

\i.a\iii.<ii<  ^    ml   Milet.  lehrte   um  urb    uro    528  v.  Uhi 

Einer  der  Uteren   jooiachen   Naturphiloaophfn ,     Ak    Prinzip,    i 


\\v\imim>        Inselmus. 


L,uft     Sie   ist    unendlich    und   beseelt  (Hylozoismus).     Alles 

nhl  auf  Verdichtung  {xvmvomhc)  und  Verdünnung  (uärwaig,  dgatmatg) 

| ■:•,;.     1  , ,;,  i    w  »er  gehen   aus  der  (Ur-)Luft  hervor.    Auch  unsere 

\\  !«■  unsere  Seele,  die  Luft  ist.  uns  zusammenhält,  so  umfaßt 

und    Lull    das    All  v'7V    '/    n/*e*SQa   &VQ   °$aa   ovyxQaxst  r//t«c, 

ua    xai  aijg  nsQiixsi).     Ähnlich   lehren  Diogenes  von 

und  Id.  ii  Hirnen. 

i'  wkrmtiker  l,   17  lt.         TEICHMÜLLER,  Studien,  S.  71  ff. 

tmillnn.    .'.    P.    Friedrich,    1767—1837,   preußischer   Minister.  =  Von 
:    Glauben    und    Wissen    in    d.    Philosophie,   1824.    —   Pensees    sur 

tmliY'.    V.  M..    1675   -1764.     Jesuitenpater   und   Philosoph.    =    Schüler 

t«a:   Oeuvres,    1 766,    1843. 

\ndnae.    Antonius,    „Doctor  dulcifluus",  Scholastiker  des    14.    Jahrh., 
-   Dune  Scotus. 

ri  ften  :  Kommentare  zn  Petrus  Lombardus,  Aristoteles  undBoethius. —  Quaestiones 
ti.us  1 1 ri n c i i . ii <   rerum   naturalium,    1489. 

tiiriroiiiko*  von  lihodus.  lehrte  um  70  v.  Chr.  in  Rom.  =  Ordner 
Schriften  (mit  der  Logik  beginnend)  und  Kommentator. 
ITIG,   A.   v.   Rh..    1894—95. 

\n-<'ll.   James    Roland.    Prof.    in    Chicago.  =  Vertreter  der  experimen- 
Pi  1905   ii.   a. 

lagetau  Silestaa  -    ächeffler. 

\  BBlkerlt  J  aus  Kyrene,  gehört  zu  den  Kyrenaikern  (Schule 

Ziel  des  Handelns  ist  die  Lust,  aber  nicht  bloß  die  egoistische, 

-  der  Mitgefühl,  Dankbarkeit,  Freundschaft  u.  dgl.  erwächst. 

l  '■>  it. 

■MflBHHi  Canterbury,   geb.    I1  >:;:'»   zu   Aosta   (Piemont),   wurde 

"■  KJoefc  formandie),  1063  Prior  des  Klosters  und 

M.t.   1093  Erzbischof  von  Canterbury,  gest.  1109. 

Begründern    der  Scholastik.     Die   Dogmen  der  Kirche 

ihnen  hat  alles  Denken  Beinen  Prüfstein.   Ohne  Glauben 

m  Glauben    ist    zur    Erkenntnis   (der  Gründe   des 

[ch  glaube,    um    zu   verstehen"    —   „Credo,  ut  in- 

tinus,  de  vera  relig.  5  u.  ö.).    Nie  aber 

biütteri  werden;  «Ins   Unbegreifliche 

Qommen    werden.    Es   gibt    nichl    nur   ein 

Wahrheit  an  sich  und  die  ist   Gott,  das 

ind  etwa«  I:  Realismus"), 

i  Ideen.  Urbilder  der 


AHBELMUfl  Am  iiwter.  17 

Dinge  im  gottlichen  Geis!  •  hat  die  Welt    tm  Nichte  geschaffen.     I 

menschliche  Geist  ist  ein  Abbild  des  göttlichen  und  hat  wie  diu 
Ventand  und  Liebe,  welche  im  Glauben  wurzelt.    Der  menschliche   Will' 
von  Natur  frei,  auf  das  Gute  ^'-richtet. 

Berühmt   ist  A.  durch  Bein    „ontologiseh-  iment   für  die   Dm 

_ium).    Aas  dem  B<  Gottes  irird   dessen  Rxisten?!  gefolgert 

Das  .  was  wir  denken  können,  ist  Gott    Gott    ist    mnichst    als   Inhalt 

unseres    Denkens   wirklich.    Zur   vollen    Realität    gehört    aber   noch  das   Sein 
außerhalb  onseree  Denkens,   wie  es  die  Außendinge  haben,    Würde  nun  Gott 
nieht  real  außer  ans  existieren,  dann  wäre  er  Dicht  das  Größte,  weil  ihm  et? 
eben  die  Ej  istenz  außerhalb  <U>>  Gedachtwerdens,  fehlte.    Also  muß  Gott,  zu 
(h-ssen    Begriff   ial-    ..Größtes4']   das    Sein    gehört,   existieren.      Was   aber   das 
ißte  ist,  begreift    selbst   der  Tor.   der  Gottlose.    „Convincitur  ergo  insipiens 
v.l  in  inteUectn  aliquid  bonum  quo  malus  cogitari  nequit,   quia  hoc  quinn 
audit  intelligil  et  quidqnid  intelligitur  in  inteUectn  est    At  certe  id  quo  maius 
gitari  oequit,  non  potest  esse  in  inteUectn  solo.    Bi   enim   quo  maius  cogitari 
neu  potest,  in  solo  intellcctu  foret,    atiqne  eo   quo   maius  cogitari   nun  jx.r 
mai  ergo  procu]  dubio  aliquid,  quo  maius  cogitari 

non  valet,  et  in  inteUectn  et  in  re*4  (FrosL 

II  wandte  der  Mönch  Gaunilo  (aus  dem  Kloster  Marmoutiers  l>»-i 

I      n    m  der  Schrift  „über  \>n>  insipiente"  ein,  aus  dem  Verstehen  des  Gott 

riffs  folge  noch  Dicht  das  Bein  Gottes  im  Intellekte  und  a  m  nicht  ein 

reales  Bein  Gottes.    Aui  diese  Weise  könnte  man  die  l     itenz  aller  mögüehwi 
Fiktionen  erweisen,  während   in   Wahrheit   die    Realität    eines   Objektes  schon 
tsteheo  mui'..  bevor  aus  dessen  Wesen  etwa«  wird.    Anselm   betont 

im  „über  apologeticus  contra  Gaunilonem",  sein  Argument  gelte  eben  nur  für 
das  „Größte**.  In  «Irr  Folge  ist  wiederholt  der  Versuch  gemacht  worden,  das 
ontologische  Argument  Den  zn  formulieren  und  zu  retten  iv-1.  Descartes 

In  „Cur  Dens  homo"  entwickelt  A.  die  Lehre  von  der  Erbsünde  und  vmi 
der  „steUVertretenden  Genugtuung1'  (Sa  tief  actione  theorie)  für  die  unendliche 
Menschengeschlechts  durch  den  Mensch  gewordenen  <;<>tt. 
hriften:   Dialogus  de  gnmntlico,  -     Inalotfu»   de   ?eritato.   -  sinn.  — 

quinn  Dei),         Da  Li  litrio,   —    dir  Deut  hono:     Oj.era,    i: 

i")T  aTisjns,    PatrologiM      mos,   T 

l:.    II  k88B,    fl  1  >«»Mi  i    DE    \'<>i: 

\ii(i^ono^     von     K  um     225    \.    Chr.,     \  von     | 

beschrabungen  von  Philosophen.        7gl,  1:.  Cöpke,  I 

llltiodlO*    von    Askali          -                     -i.     um  Chr.      W 

'  hr.  Lehrer  I                Schüler  Philons  von  i  runder  der  fünften 

idemischen  Richtung    bexw.    der  späteren   Akademie.  Eklektiker,   »tark   roo 
dei   -            influßt 

<    II  LPPl   !- 

%iiii|»at<'i-  ■ Kyn        -  hüler  d<  ip|>os. 

■ 


\\  iir.\  in;  —   APELT. 


lailpalfi  B  Nachfolger  DiogenesMes  Babyloniers  im' 

\ 

%,ni|».iMi  i  am  45  v.  Ohr.  in  Athen,  Stoiker. 

iiiiiplioii.  -  äse   des   Sokrates,   Verfasser  einer  Abhand- 

Vgl.  DlELS,   Vorsokratiker,  II. 

lattfrtfcCTfi       ;      \;  am  366  v.  Chr.,   Schüler   des   Gorgias, 

lehrte  im  Gymnasium  Kynosarges,  Gründer  der  kynischen 

- 

\  ,  aui  ethischem  Gebiete.    Es  gibt  nur  ein  Gut,  die  (auf 

ml:  alles,   was  zwischen  ihr  und  dem  Laster  liegt,  ist 

Adiaphoron.     Es    gibl    nur  eine  Tugend,   und  sie  reicht   zur 

Lbstgenügend   (Autarkie).    Genuß  ist  zu  verwerfen, 

;   und  Geringschätzung  aller  Güter  der  Menschen  geziemt  dem 

stets  tugendhaft  bleibt  und  wahrhaft  frei  ist,  indem 

d.  h.  das  zu  unserer  Natur  Gehörige  {plxsiov)  tut.    Der  Weise 

und    verehrt    nur   den    einen,    nicht   aus    Bildern 

n  ist  döga  <u>/i')))g  fistäXöyov,  die  Definition  geht  auf 

xo  xi  ,tv  /)  eou  di]X&v.   Es  läßt  sich  nicht  widersprechen 

und   es   gibt    nur    identische  Sätze,   wie:    der   Mensch   ist 

i .  VI.  —  MULLACH,  Fragmenten.  —  F.  DÜMMLER,  Antisthenica, 
•"  u.  der  xenophontische  Sokrates. 

In  ton in*  Andreae  b.  Andreae. 

\|n'lh*-.  -1'  n.  Chr.,  BchüleT  des  Marcion,  Gnostiker.     Lebte 

drien,   dann    wieder    in    Rom.    =    A.  unterscheidet   von    dem 
ii.  der  die  Welt  geschaffen   hat   und  von   diesem 
Seelen  zur  Verleiblichung  verführte. 

I  ■  Apellis  gnosi  monarehica,   1874. 

%|m-i.  an  der  „freien  Bochschule"  zu  Berlin.  =  Kritizistischer 

u.   seine  Stellung  zur  Metaphysik,   1895  u.  a. 

IpH,  :ün.        Von  G.  Thiele  11.  a.  beeinflußt 

bio  Überwindung  des  Materialismus,  2.  A. 

1  IM 

*l»'  •'.  zu    Eteichenau  (Sachsen),  Professor  in 

I  Die    formale   Apperzeption   ist   die 

Dil    meto]  en  Grundsätze  entspringen  aus  der 

D      [nduktion  basiert  auf  einem  an- 

'  li'H  det  Erkennens,  setzt  das  A  priori 

I     ilotophie   1840.   —  Theorie  der  ln- 
»phie,  L8< 


AI'mi.i.inajlI-  —  Akdh  19 


Apollinari*  von  Hierapolis  (PI  .  um  \rJ  v.  ehr.  =  Apolog 

Schriften:  A<'r<>:   vneq  nUsxBfOq.      TIq6q    /:'/./.>, i<u\     liegt   ai 

Apollmari*  von  Laodicea,  gest  ")90.  =  Patristiker. 

Vgl.  DBÄ8EKE,   A.   t.   L.,   1892. 

Apollodoro*  aus  Athen,  am  I  \.  Chr.  =  Epikiu 

Apollodoro*.  Z  adonius.  =  Btoiker. 

\  polloiii<l<«.  Freund  des  jüngi        (  ato.  —  Btoiker. 

ipolloniuM  der  Syrer,  Platoniker  ans  der  Zeit   ffadrians. 

IpollonioN  von  Tyana  (Kappadokien),  lebte  unter  Nero,  als  Theurg  und 

.M.._i.  c  viel  auf  Renen,  au  „Wundertäter"  berühmt,  wurde  als  neupythagoreische 
Idealgestalt   dem  Stifter  de«  Christentums  gegenübergestellt,    gest  in  Ephee 
=  Von  den  Göttern  unterscheidet  er  den  einen,  höchsten  Gott,  der  nur  durch 
den  Geist  erfaßt  wird  und  nicht  mit  Worten  zu  oennen  ist 

Ihm    •irntön-   u.   a.,    nichts    erhalten    aulier    öö    (wahrscheinlich    nicht 
echt-  El  3EBITJ8,   praep.   evan-ol.   IV,   13.    -     PHILO8TBATU8,    Vita 

71  ;  deal  BS.  —  J.   <  rÖTTSCHIKG,   A     v.    1  ..    18J 

Ipollonios  v<»n  Tvni-.  Btoiker  aui  dem  Letzten  Jahrh.  v.  ehr. 

iLpalelofl  von  Madaura  (Numidien),  geb.  um  I30n.  Chr.  =  Eklektischer 
Platoniker.    I>ic  [deen  liegen  im  göttlichen  [ntellekt. 

Verfasser   eines   satirischen   llomans    (mit    dem    Märchen    Amor    und     1'-  ttet*- 

morphw.Tnn    -ivc    de    asino    aureo    libri    XI*4    (1869.         I1  nan 

Piatonis.    Opera,  1781  .  —  Vgl.  I'kaml,  Qeseh.  d.  Logik,  I.  —  JI.  BfeCKBR, 

.ia     ApuN  -7'.'.     —    Tu.    BlNKO,     De      \pu.ci    Bt     All.ini    doctrina.      1"  r    :.i.ae 

adombratione,   LS 

%<|iiina«.  -    Ihomaa  von  Aquino. 

IrdicIaoM  aus  Athen  (oder  Milet),   Schüler  des  Anaxagoras.        Er  hat 
vielleicht  das  ursprünglich  -  misch  als  Luft  bestimmt,  als  eine  Mischung  von 

Geist    und    >t. .it    und   die    Göttlichkeil    von    Luft   und    Geist    gelehrt      D 

in  nicht  von  Natur  c,  mdern  durch  Satzung  I 

Vgl,  1>ii.i  B,  Vonokxat  i. 

\i-<*h>  ia«.  ."ii  Tarent,  Staatsmann,  am  40  v.Chr.        Pyth 

„tu.,  td.   <»rclli,  Opaecala    Qneeonm    rater.  m   et    noralia,   11,    LG 

<  .i:t  PPB,    I  A..    I  - 

\i  <li-ö.   I:  |fi  18  in  Padua. 

\    ist   der   bedeutend«  treter  des   italienischen    Positiviamu 

lachen  Bind  uns  all  Bewußtseinsinhalt«  n:  der  <  Subjekt 

und  Objekt  i-t  das  Resultat  psychischer  Prozesse,  dir  Verarbeitung  \>>n  an  ajen 
Elementen  („indifferenza  primitiva  dell<  Subjektives  und 

•  i  Bind    Korrelate,   Sonderungen   ein      i  tarnen,    weit  ; 

iin-.—  hicdrn  ist.  des   ..I ndi-tint. >■*  (im    i         schiede   vom   „distinto").     Ei 
:m  sich  nur  eine  einheitliche,  peycho-physische   Realität,    deren    beiden    £ 
da«  Psychische  und  das  Ph  arallcl 


Aristippos. 


ijctophyrischef  Monismus").      Pas   „Indistinto"   ist   kein   tran- 

m,r  ein   relativ  unerkanntes  Absolutes.     Materie  und  Kraft 

3  Wirklichen,  nichts  Geschiedenes.   In  der  ganzen  Natur  besteht 

r  8     derung,  so  auch  im  Geistigen   und  in  der  Gesellschaft,  aus 

herausfbrmen.     Das  Denken  ist  Verarbeitung,  Ver- 

rapfindungen.     Der  Wille    ist    der    [nbegriff  der   die   sinnlichen 

benden    Bewußtseinstendenzen;   determiniert  ist  er  nur  durch 

and    ist    daher   verantwortlich,     Prinzip    der   Ethik   ist  der 

l     Seilschaft  die  Gerechtigkeitsidee. 

Schrif:  ,1882  ff.  (Bd.  III:  Ethik,  Logik,  Bd.  IV:  Soziologie, 

Bd.  bM  und  Psychologisches).    —   Vgl.    G.  MARCHESINI,  La 

di    EL    A.    190  f.    —   HÖFFDING,    Moderne    Philosophen,    1905.    — 

K.  üsch.  Beilage  der  Philos.  Gesellsch.  in   Wien,  1908. 

lF€l—    IMdyiiio*    aus   Alexandrien,   im   letzten    vorchristl.    Jahrh.  = 

i  Exzerpte).    Fragmonte  davon   bei   Stobaeus.  —  Vgl.  DlELS, 
Doxogn.  I  9  tf. 

\r«'«.;i«..     i-  I'ythagoreer  aus  [Jnteritalien  (Kroton)  genannt  (bei  Stobaeus). 

%r«'i«».    I     ht-r  und  Schülerin  des  Kyrcnaiker  Aristippos. 

«I*  %r^«'ii^.  J.  II.  B.,  gest.  1771.  =  Popularphilosoph,  der  einen  gemäßigten 

tritt  und  «lic  Existenz  einer  Seelensubstanz  und  Willensfreiheit 

V     Stellungen  kommen  aus  den  Empfindungen.    Das  Wirken  der 

innt.     ...Tai    toujours    suivi    mon  premier  dessein,  qui  etoit 

i-  du  monde'\ 

La  philoaophie  du   bon    sens,  1737,    2.    ed.    1740;    deutsch    1756.  — 

re  de  l'esprit  et  du  coeur,  1744;  deutsch  1764.  —  Oeuvres 

4a   Mi 

\  i  i'ianho-  -        -.    um   280   v.   Chr.,  lehrte  die  Umdrehung   der 

ind    um    die   Sonne;    ebenso    Seleukos   von    Seleukeia, 

I 

arl^eas,  eher   Verfasser   eines   Briefes  an  Philokrates,  worin  die 

sahl!  wird  (unecht).  =  Allegorische  Schrift- 
bedürfnisloseu  höchsten  Herrn,  wird  dessen  alles 
Herrschafi    unterschieden,     Die  Tugend   stammt 

ed    Wendland,  nun. 
*>«-ii<l«-..    v  um    1!"  n.   Chr.     Altester  Apologet.   =   Gottes 

18  (in  :  /ahn,  Forsch,  z.  Gesch.  d.  neutest. 
Kjmm). 

Mni       "'  der kyrenaischen  Schule,  um 435 y. Chr. 

:n  Hole  des  älteren]  (Zusammen" 
lehrte  zuletzt  in  Kyrene. 


Akimii'I'm-  —  ARISTO!  i.i  21 


A.  ist  »in  Schüler  des  Sokrates,  der  die   Ethik  hedonistisch  begründet 
Die  Glückseligkeit   ist   das  Ziel   des   Handelns  and  rtehl    aus   einzelnen 

Lustgefühlen,  so  daß  die  (einzeln<  iwirtige,   positive)   Lust  Kmlziri   und 

höchster  Wert  ist;  die  Tagend  ist    wertvoll  sJs  Mitte]  sur  Last    l)i.-  Last  ist 
Selbstzweck,  sn  sich  <-iu  Gut  [ij  x<u  aya&or),  auch  wenn 

von  Schlechtem  ausgeht.     l>i>'  Lost  ist   die  sanfte  Bewegung  in   am  im- 

xhnj€tr),  liegt  also  im  ruh  .  er  ni<ht  zu  schwachen)   l  von  einem 

Zustand  nun  andern.  All*  Lost  ist  qualitativ  gleichwertig,  aber  durch  ihre 
Intensität  und  Dauer  verschieden.  Daher  gehört  Einsicht  zum  richtigen  I 
oiefien  and  innere  Freiheit,  welche  verhindert,  daA  wir  Sklaven  der  Lust  werden 
In  der  Brkenntnislehre  ist  A.  Sensualist  und  Sabjektivist 
bezw.  „Positivisf).  Gegeben  sind  nur  die  Empfindungen  {xa&ij),  aicht  das 
diese  bewirkende  Ding  (ro  forde  bxoxBifuvov  xai  ro€  na&ovs  7totrjxue6r),  welches 
anbekannt  ist.  Wir  wissen  nicht  einmal,  ob  die  Empfindungen  unserer  Mit- 
menschen mit  den  onsrigen  abereinstimmen.  Zu  den  Kyrenaikern  gehören  auch 
Ante.  Aristippos  der  jüngere  (Enkel  des  Siteren  A..  Svstematiker),  Antipater 
\.»n  Kyrene,  Theodoros  der  Atheist,  Begesias,  Annikeris  der  jüngi 

Vgl.  IM I.  M  Kl.  11.  •  ".  t!.:  h:    -.  0  cogr.  —  H.  DE  STEIN,  Do  philos.  Cyronaica  I, 

NATOBP,    AmIi     t     (ienh.   ,1.    Philos.  111. 

\i-Ntohnlos,  jüdischer  Theologe,  lebte  in  Alexandrien  anter  Ptolemaeus 
Philometor  (181-  146  w.  Chr.).  —  A.  wies  aui  (angeblich)  Orphische  Dichtungen 
hin.  am  darzutun,  dal',  schon  dir  alt.  -  bische  Weisheit  einer  alten  Öber- 

ui-  des  Pentateuchs  entstamme.    Gott  i<t  ansichtbar  und  überweltlich  and 

wirkt  durch  seine  Kran.-. 

hriften:    Kommentar    zum    Pentateui.b  ;     Brnchstticke    daraus    bei     Clemens    von 

Alexandrien     Stn-m     I,   V,    VI)   und   Eusebius  (I'raep.   evang.    VII,    Y1II,     IX,     XU  1  .    — 

JOfiT,  i.    Judentums    1.    i>  EL    BINDE,    ArutobaJ     Studien    1  — 11, 

I       Tu 

\ri««tokl('N  b.  Platon. 

IristeUcfl  aui  Messene,  Peripatetiker  des  dritten  Jahrh.  o.  Chr, 

aMistoii  au>  Ab-xaiidrirn.  um  50  u.  Chr.  =  Peripatetiker. 

IriMon   von   Ghios,   Stoiker.     -   Außer  der  Sittlichkeit  i-t  alles  gleich- 
gültig; die  Logik  i-t  unnütz,  die  Physik  anerreichbar. 
\.   I  >\  aoFF,  Dm   I  1897. 

irtston  von  Kcos,  um  lHJO  ii.  ('hr..  Peripatetiki 

Ariston  von  K<.-.  Schüler  des    \.  ron   sTi 

\riMo*  \"ii  Aakalon,  um  66  v.Chr.,  Schüler  dea  Antiochos  von  Askalon. 

artatoteles,  84  r.  CShr.  au  6  ä  rhrakien 

<    alkidike),   all   Sohn   des   (einer  alten  Dtstammenden)    \ 

Nikomachos.       i  i     kam    etwa    in    »etnem    L8L    Jahre    Dach    Athen,    wo 
rwanzig  Jahre  Schüler  l'latonn  war.     Nsu-h  «1« — »n    I  •  r  mit   V 

Dokrates  ra  den  Freunde  Eiermias  von  Aüum-us,  u   \    hu-  (und    Vd 


•»->  Aristoteles. 


h   dem    Regierungsantritt    Alexanders  dos  Gr.  heiratete.     Von 

:,   oaefa   Mitylene,   von  wo  ihn  Philipp  d.  Gr.  von  Ma- 

-    Lehrer   Beines  Sohnes   Alexanders  berief  (343),  der  ihn  später  in 

-      mtangen)  unterstützte.     Im  Jahre  334  ging  er  nach  Athen, 

-  »phische   Schule  gründete,   und  zwar  im  Lykeion,  nach 

K    auf  welcher!    man    hin   und  her  ging,   die  Schüler 

iiini     wurden.      Er   hielt    (nach    Gellius)    „akroamatische" 

\   irtrage  über  schwierigere  und  entlegenere  Themen, 

scheu.  dgL  für  weitere  Kreise).    Als  einer  der  ersten 

IHbliothek    und    umfassende    Sammlungen.     Nachdem  er 

in  Athen  gelehrt  hatte,  wurde  er  —  wegen  seiner  Beziehungen  zu 

niern   mißliebig  —  der  Gottlosigkeit  (Asebie)  beschuldigt   und  floh 

I     ilkis,  i  '  v.  Chr.  an  einem  Magenleiden  starb. 

ben:    .\i>.  Siaiir,    Aristotelia   I,    1830.    —    LEWES,    Aristotle, 
.    l'rommanns  Klassiker  d.  Philos.,   2.  A.   1902. 

des    \.    waren    teils   in  dialogischer,    teils   in    zusammen- 

ikroamatißcher)  Form  verfaßt;  erhalten  sind  nur  die  letzteren.     Es 

i        -  \u-  Schriften    (als   Ganzes   „Organon'"    genannt):   Kazr]yogiai 

:    (De   interpretatione) ;    'Avakvuxa    Tigörega    (Ana- 

Schluß)    und  'AvaX.   vciega   (Analytica  posteriora,   Beweis, 

Einteilung  ;     l'<<:uy.ü  (Topica,  über  Wahrscheinlichkeitsschlüsse);  De 

über  Trugschlüsse  und  deren  Auflösung).     2.  Metaphysik 

weil  in  der  Sammlung  des  Andronikos  von  Rhodos  nach 

Schriften   gestellt),  bei  Aristoteles  selbst  „erste  Philosophie" 

1    Bücher).      3.   Naturwissenschaftliche    (bezw.    naturphilo- 

-  hriften:    Physik    (8  Bücher).     De  coelo.    jeeol  yevsoscog  neu  epftogag 

eorruptione).      .Meteorologie.      IIsqI    rä    £a>a    lotogiac,    jieqi 

d.    a.       1.    Psychologische   Schriften:   jteqi   yvxfjg   (De  anima, 

psychologische  Schriften  („Parva  haturalia"):  negl  aloftv)- 

urji    y.'il  &vafivrjoea>g,  ztsgl  vjivov,  jtsqi  ETtvjcvioiv  u.  a. 

Ethica  Nicomacheia  (in  P>ücher,  ethische  Hauptschrift). 

Ethica  Budemeia"  (7  Bücher)  rührt  von  Eudemos,   dem  Schüler 

<k»  rnoialia  (Auszug  aus  beiden).    Politik  {jiofozixä,  Staatslehre, 

he    Schriften:     Poetik    {neql   noirjTixfjg,    unvollständig). 

Sammler  und  Ordner  der  A.schen  Schriften 

Ethodus.     Durch  Syrer,  Araber  und  Juden  besonders 

"'   den   Schriften  des    \.  bekannt.     Sie  erschienen 

mil  den  Kommentaren  des  Averroes),  griechisch 

k    von   der   Berliner   Akademie  der  Wissenschaften 

Bd.  IV:  Schoben;   Bd.  V:  Index  Aristo- 

be  und    meistens  zitiert.     Kinzelwerke 

'    /    l    i"  der   Philos.  Bibl.     Kommentare  zu 

ademie). 

"  Ifi     «.  TeICHMÜLLBB,    Sind.    z.  Qesch. 

BONITZ,   Ariitotel.   Studien, 


AkI-ToI  Kl  1  - 


1862—67.  —  Ti:i.M»i:i.].M:ri:<..  Klementa  logices  Arist.,  1836.  —  F.  BRENTANO, 
D.  Psychol.  d.  Aristoteles,  1867.  —  LUTHABDT,  D.  Ethik  d.  Aristot.,  Kst;9.  _ 
A.    DÖRING,   D.   Kunstlehre  d.  Aristot.,    1> 

A.  i-t  Schaler  Platane,  dessen    [deenlehre   ex  ■  kämpft, 

vor  allem  das  Geschiedenseiri  der  Ideen  von  den  Dingen.     Plann  iber 

i-t  er  tmt/.  meines  Rational ismus   mehr  der  Erfahrung  und  Wirklichkeil   zuj 
wandt;   ergeht  Met-  von  rom    Besonderen   au-,   wenn  auch  das  AI1 

meine,   zu   <1«jh   er   fortschreitet,   schließlich   in    onmittelba]  mm) 

Einsichten  der  Vernunft   Beine  Grundlage  hat.     A.  i-t  entschieden  nüchterner 
als  Piaton,   mehr  auf  Zu<annu»'iita<>imur  des  Erfahrnngsmaterials  —  er  i-t 
ein  gut  achter  —  gerichtet,  mehr  »-in  systematischer  Kopf.     Er  i-t  einer 

»fiten  Gelehrten  aller  Zeiten,  ein  Polyhistor  ersten  Ranges.  Was  die 
-  stematisierung  der  Erkenntnisse  anbelangt,  steht  er  im  Altertum  unerreicht 
da.  Er  hat  .im-  Weltanschauung  entworfen,  du-  viele  Jahrhunderte  hindurch 
Wissenschafl  und  Philosophie  mächtig  beeinflufil  hat.  Eine  Reihe  von  Dis- 
ziplinen (Psychologie,  L<»uik.  Ethik)  hat  er  eigentlich  erst  begründet 

Die  Philosophie  ist  bei  A.  noch  die  Gesajntwissenschaft  Sie  gliedert 
rieh  in  die  theoretische,  praktische  und  poietische  (auf  das  Bchaffen  sich  !)«■- 
ziehende)  Philosophie.  Zur  theoretischen  Philosophie  gehört  die  Metaphysik, 
di<  dowHpia,   auch    (hoioyixri   genannt),  die  auch 

Erkenntnistheoretisches  enthalt 

Die   Logik  mausen    erst    von    A.   begründet   worden.      -      tritt 

sentlich  als  ..Analytik--  auf,  als  zergliedernde,  die  Denkelemente  und  Schlufi- 
fonni-n  heraussondernde  Wissenschaft,  die  sich  stark  an  der  spracht-  und  deren 
mich  orieutiert   (wie  dies  Trendelenburg  zueret  bezüglich  der  Kategorien 
.'  hat i.     I>i.    Logik  des  A.   i-t   formal,   aber  nicht   formalistisch,   da  sie  die 
ehungen   der    Denkformen    cum    Beienden    berücksichtigt      Ihr    Inhalt   ist 
das,  was  den  Kern  der  meisten  Logiken   bis   sur  Gegenwart   gebildet  hat 
handfit  vom  Begriff,  vom  Urteil,  vnin  Bchlufi,  \<»ni  Beweis  usw.     Der  Begriff 
geht   aut  das  Wesen  (o  das    im    Einzelnen    enthaltene   Allgemeine 

die  zeitlose   Wesenheit   [x6  xi  fjr  eha   .      1  -   gibt    Allgemein-    und 
Einzelbegriffe.     „Materieller   Begriff"  (/.<.';■"-   vktpoe)  i-t   der  objektiv«    Begriffs- 
inhalt, den  da-  Denken  aus  dem  i  and.    heraushebt.     Was  nicht  im  I- 
erfaßt  wird,  i-t  zum  Teil  akzidentell   m  -.-,.    Auch  die  Definition 
•  ht  aut  da-  Wesen.    Bie  besteht  in  der  Angabe  der  Gattung  und  der 
Artmerkmale                 e  *<u  duupoQänr\  genus        differentiae  BpeciMcai       B 
und   Nominaldefinitionen   sind   zu  unterscheiden.     Das  urteil    äx6<pan 
iteht  in  der  Verknüpfung                     der   Vorstellungen,   in  der  Synthese  ron 
Begriffen;  es  ist  bejahend   oder  verneinend.     Wahrheit   gibt  es  Dicht  in  den 
Vorstellungen,  sondern  nur  im  Urteil;  sie  ist  die  Übereinstimmung  des  Denkens 
mit  dem  Sein,  der  VorstellungBverknüpfung  mit  der  £  rknüpfung       Wahr 
I    teil,    welches  von  dem  Beienden   aussagt,    d             -t.  \<m  dem  dicht- 
enden, dar.  es  Dicht  i-t.     Die  Wahrheit    liegt  Dicht  in  den  Dingen,   sondern 
im   '  rteil   über  die    Dinge    {ov  ;■<<«.  laxt  > 

r  .  .  /(/./.'  ev  6i  Wir  denken   aber  etwa-   als  wahr,    weil 


Abistoi 


ktiviamw  .      Der  Schluß   ist  die  Ableitung  eines  Urteils  aus 

i  drei  Gliedern  {&*Qa  und  oqoq  ueoog,  terminus  medius) 

-    ttlußfiguren  {ojtft*a*a  ro€  ovMoytopoQ)  auf.    Es  gibt  drei. 

as,   der  (deduktiv)   vom  Allgemeinen  zum  Besonderen 

dialektische  (Wahrscheinlichkeits-),  eristische  Schlüsse.    Die 

gehl  von  einer  Reihe  von  Einzelfällen  zum  Allgemeinen; 

Induktion  ist  exakt.     Das  Allgemeine  ist  von  Natur 

auch   für   uns  (rjfrfv)   und    der  Zeit  nach  das 

leinste  ist  Belbstgewiß,   Grundlage  alles  Schließens  und 

einen  Denkens  (vovs).     Das  oberste  Denkgesetz. 

i    Widerspruchs,    an    den   sich   der  Satz   des   ausgeschlossenen, 

1  >ie  K  ■  i  egor  i  e  n  (xatriyogiai,  praedicamenta,  Aussagen)  sind 

inaten  Denk-  und  Seinsformen.    Es  sind  ihrer  zehn:  Sub- 

Quantität  [xoow\  Qualität  {jioi6v)t  Beziehung  (jigög  u),  Ort  (nov),. 

u),    Haben  [hsiv),   Tun  {noieiv),  Leiden  (jidoxsiv).     An- 

\ .  ,; ..     n  iden  letzten  Kategorien  aus  oder  stellt  der  Substanz  die- 

n  als  Bestimmungen  dieser' entgegen.     Auch  von  drei  Kate- 

Subetanz,   Eigenschaft,    Beziehung.     Die  Kategorien  sind 

subjektiv«  sondern  Aussagen  über  ein  objektiv  Seiendes;, 

Lehre  Kants  n.  a.  zu  vergleichen. 

.  k.      Unter   der   XQtoxi]    q-doooqpia   versteht  A.  die   allgemeine 

Seienden    als   solchen  (rö  öv  [/  6V),    von  den  Urgründen  oder 

■•■>r  oqx&v  y.ai  aixiwv)   der   Dinge.     Während    nach    Plato 

di(    „Idee",   getrennt  von  ihm  existiert,    hält  A.  solche 

bewirkende    Ideen   nur   für    unnütze   Verdoppelungen    der 

I>a>  Wesen    der    Dinge,    das   Allgemeine,    die   Gattungseinheit   be- 

-    h,  objektiv,  aber  nur  in  den  Dingen  selbst.     Das  Allgemeine 

ist  das,  was  einer  Vielheit   von    Dingen   naturgemäß  zukommt  (o  im  nkeiövcov 

8< dbstandige    Existenz   hat   freilich   nur   die  Substanz 

während  die  Gattungen  nur  sekundäre  „Substanzen"  sind 

\     ■    die   Bubstanz  ist  zugleich  das  Allgemeine,    Gattungs- 

■  •  ■ -•     ■■     :-     !■•  ■■•/. . ■:.;  _■. ;,.  dai  dem    Begrifi    Entsprechende,   das  eigentliche 

!  »renn  es  auch  nur  am  Einzelnen    und  durch 

•  ii   zum   Allgemeinen  erkannt  wird,  für  uns  also  nicht 

der    Dinge    sind:    Form    oder    Wesen    {slöog, 

■■    ",>r<,v,    zo    ߣ   ov),   bewirkende 

Kiv^cetoi  ■  Zweck  Uo  ,/r  hexa,  dyaööv).      Das  ein- 

•H   und    Form.      Die  Form 
ein   Wesen  verleiht,    was  den   Stoff  zu  einem  be- 
ll  das  begriffliche  Sein  des  Dinges  (■// 
oichl    nm-    die   äußere    Gestalt,    sondern 
D  Dgi      die  von  innen  ans  erfolgt  und  durch 
m  i<"  h  ein  aktive«  Prinzip,  während 
i  ind    ewig,    unvergänglich,   keinem 


..  -»lirh 


Abistoteij 


Werden    unterworfen,    sondern    selbst  Prinzipien  da    Werden-.      I  »• 
das    Substrat    der   Dinge,    das   freilich   nur    begrifflich    ohne    Form    existii 
wahrend  in  Wirklichkeit    jeder    Stoff    schon   geformt    ist    und  nur  im  Hinblick 
.int    eine   weitere   Gestaltangsfänigkeil    Stoff    i-t     /.   B.   Marmor-Statue).     Dei 
-    ff  ist  nicht  (wie  bei  Piatun)  ein  Nichtseiendes,  aber  auch  kein  rolles  Wirk- 
liches,   sondern    das    Unbestimmte    [dögim  ae    Möglichkeit  zu  etwas,   eine 
Potenz  (dvrafus),  ein  der  Möglichkeit  Dach  S<  fordfut  <Vn.  wie  /    B.  da 
Keim   zu   einer   bestimmten    Pflanze.      Der  Stoff  i-t   die  Grundlage  aller  l 
Staltimg,  das  „weibliche'4  Prinzip,   trage,   unbegrenzt,    für  rieh  allein  nicht  er- 
kennbar.   Es  gibt  sinnlich  wahrnehmbaren  und  «lenkbaren  Stoff.   Allen  I )in _ 

wohnt   ein   und   dieselbe   Materie  inne.      Di«-   ("nnateri-  nur 

in  der  Abstraktion,      ulme  Materie  ist  nur  Gott      Die   Materie   i-t    der  Grund 
Zufälligen,     Akzidentellen .    Mechanischen.       Das    Werden    besteht    in    dein 
Übergänge  -    Efea  zur  Form,  also  in  einer  Entwicklung,    Formung,  in  der 

Verwirklichung  ia)  und  Vollendung  [InelizBta)  de-  Dinges.     Das  „Wirk- 

liche" im  engeren  sinne  eis  Verwirklichtet   und   Wirksames  im  also  die  Form 
ew.   da-   geformte  Ding).     Form.  Ursache  und  Zweck  werden  von  A.  alz  in 

Wirklichkeit    zii-annnentalleiid    dem    Stoffi  -teilt.      Dafl    '  Meli 

.-•II     v..n    den     Hemmungen,    welche    der    Stoff     bietet)    ein    zweck 

-tiinint. -.      Die  Formen  dt'>  Dinges   sind  zugleich  deren  immanente   Zwecke 

Ziele),   die  gie  bewegen,    indem  die  Dinge  ihnen   (als  ihren  Formen  und  Y..II- 

endungszustande]]     lustreben     „Zielstrebigkeit",   wie  die-  später  EL  F.  r.  Baer 

annt  hat  .    Wohl  ist  auch  das  Mechanische  und  Zufällige  {atnöfxaxo 
im  Geschehen  zu  berücksichtigen,    wesentlich  herrscht  aber  in  dem  System 
A.  die  Teleoli  deutlicher  Begründer  er  ist.    Die  Natur  wirkt  nie 

ohne  Ziele  ,1.    Oberstes  Ziel  alle-  Qeechehenfl  i-t  Gott    Kr  i-t  die 

erste  und  letzt«  Ursache  aller  Zweckmäßigkeit,  der,  nach  dem  alles 
dafl  er  die  Dinge  EU  flieh  hinzieht  wie  das  (ieli.bte  {xnn  ..',,-  .•:,„., iu ).,,).  Die 
F\i-ten/  eines  Gottes  wird  durch  den  (später  so  genanntenl  kosmologischen 
Beweis  dargetan.  Alle-  Werden  besteht  in  der  Aktualisierung  einer  Potenz 
durch  ein  Wirkliches.  Dies  führt  schließlich  zu  einem  Wirklichen,  das  eicht 
Wirkung,  nur  Ursache,  nicht  Stoff,  sondern  reine  Form,  also  immateriell  i-t. 
/.u    einem   ersten   Bewq  S     ist  Gott  reine  Enerj  iter 

„actus  jiuin---  genannt),    leidlos,   einfach,  ewig,   unbewegt,  alles  bewegend,     l 
i-t    ( iei-t     ,  eines  Denken,    Denken    seiner   selbst 

seligste  und   beste  Leben,   weil  er,   als    Denken   des    Besten,    reränderungsl 
rätigkeil    1-  yeia   &xtvt)oiae\    rgL  darübei    I     C.  B.  8  biller,    Hums    - 

n  i-t  da-    Beste,   weil  er   rein<  i-t.   denn   da-   Behauen   (die 

i-t  das  Schönste  and  Beste  (intellektualistiscb  gefärbter  afonotheism 
Naturphilosophie     Die    ..Physik-   (Naturwissenschaft     i-t    die    Lehre 
rom  Physischen,  d.  h.  roo  di m.  wa-  da-  Prinzip  der  Bewegung    Veränderui 
ui   -ieh   hat.    denn   ;ille-  dieses,    all.  -   \i  randerliehe    Stoffliche   ist    und  ur 

Nattu  .        meb  da-  Prinzip  dir  Veränderung  bedeutet,  soweit 

nicht    ein-   i-t    mit    dem    Inbegriff    der   materiellen    Diii--.       \    bekämpft 
ng   mechanistische    und    atomistische  Natui  [1     m <k nt    und 


ARISTOTELES. 


e  qualitative  und  teleologische,   in  welcher  der  Be- 

|  ta  Kxaftprinzip  herrscht   und  die  Dinge  als  Qualitätenkom- 

|.     Die  Bewegung  ist  von  Natur  aus  zweckmäßig,  trotz- 

\   benwirkungen   bestehen;  der  Zweck  ist  Ziel  (tttog)  des 

tdiura   einer   Entwicklung,  die  Wirklichkeit  und  Wirk- 

a    Potenzielle  sich   aktualisiert,     Die  Veränderung  (jisxa- 

Bntetehen  und   Vergehen  oder  Bewegung  (Veränderung  im 

Diese  isl  quantitativ  (Zu-  und  Abnahme),  qualitativ 

ler  räumlich  (Ortsveränderung,   yoga).     Der  Raum  (Ort 

aere  Grenze   des    umschließenden   Körpers   (ro  rov  negiexortog 

inen    Leeren    Raum,   sondern   die   Bewegung   vollzieht   sich 

im    Vollen    (durch   nrn.-Tsgioraoig).      Wie  die  Welt  ist  der 

denn    das    Unbegrenzte  ist  unvollkommen.     Die  Zeit  ist  die 

in«;   betreffs   des   Früheren   und  Späteren  (dgidpog  .  .  xivrjar}cog 

:    da    das   Zählen  ein  Akt  der  Seele  ist,  so  würde 

aufler  uns)    keine   Zeit  als  solche  geben   (Lehre  von  der  sub- 

beit  der  Zeit).     Die  Zeit  ist  stetig  und  unendlich,  ohne  Anfang 

•  dal',  die  Welt  ewig  existiert.      Durch  die  Vollkommenheit  ihrer 

g  unterscheidet  sich  die  Fixsternsphäre  des  Himmels  von  den 

Sphären.      <n>tt    setzt    unmittelbar   den    Fixsternhimmel   in    Bewegung 

I    Führung**;  und  diese  Bewegung  teilt  sich  den  übrigen  Sphären, 

festigt  Bind,   mit;   die  Erde  ist  unbewegt.     Die  Materie 

der  Äther,  das  erste  Element,  welches  als  das  den  vier  Empe- 

Klcnienten   hinzugefügte  später  das  fünfte  heißt  {jiEfxnrov  orotxsTov, 

davon    „Quintessenz").      Die   vier   übrigen   Elemente    (Erde, 

dnd    Kombinationen   des   Warmen,   Trocknen,   Kalten. 

■  11  i  sin en    sind    /weckvoll   eingerichtete   Wesen.     Die 

durch    Zeugung    von    gleichartigen  Eltern,    die   niedrigsten 

Schlamm    oder    tierischen    Aussonderungen.       Bei   der 

Männliche  das  Aktive,  Formende,  das  Weibliche  das  die  Form 

Aul  dem  Gebiete  der  Zoologie,  deren  Begründer  A.  ist,  besaß 

Kenntnisse,  in  klassifikatoriseher  wie  auch  in  anatomisch- 

cht. 

\-   ist    der   Begründer   der  empirischen  Psychologie  und 

Dualismus.     Das    Leben    ist  nach  A.  (wie  nach  den 

hon  eine   Funktion   der  Seele,   die  also  zugleich 

wk   im  Mittelalter   gelehrt  wird)   die  Lebenskraft  ist. 

l-   rper  noch  eine  immaterielle  Substanz  als  besonderes 

D  il  ;..i,   sondern    die   „Form"   des   organischen 

-  und    Vollendung   und  zugleich  das  Ziel 

Ziel  in  sich  Habendes),  genauer 

vxbUxbux    r)     u „;tt,i    oebftarog    yvoixov 

!:         d  i    Kraft    der   psychischen   Betätigung 

Denkens)  und   die  psychische  Auswirkung 

potenz  ist)   selbst   (dynamisch-aktualer 


Ajobtoi  i.i 

3    lenbegriff).  Bie  ist  die  ,,Funktk)msverwirklfcuung"  d<  Ismus,  die  lebend 

Tätigkeit  desselben.     Der  Körper  i-r   nicht   selbst   die  Seele,  Banden)  en    -• 

Seele  ist  die  „Form0  eines  Körpers,  der  das   Vermögen   zum   Leben   bat 
die  vollendete   Wirklichkeit   (Entelechie    eines  Bolchen    Körpers,  den 
zusammenhält   und  dessen   Wesen  sie  bildet    Trennt    man  da-   Seelische   vom 

inismus,  so  ist  dieser  kein  Organismus  mehr,  dessen  Ziel,  Vollendung 
ist     Ware  das  Auge  ein   lebendigem   Wesen,  so   würde  das  Beben    Bein«    S 

-  begriffli«-hi  Bein  des  Auges  ist,  und  das  Auge  ■wäre  dann 
nur  der  -  des  Sehens,  ohne  das  Sehen  aber  kein  wirkliches  Auf  -  i  ist 
auch  ohne  die  Seele  der  Organismus  nur  dem  Namen  nach  ein  solcher.  Hieraus 
folgt)  dal',  die  Seele  vom  Körper  nicht  trennbar  ist.    Die  Seele  ist  kein  Körper, 

etwa-  am  Körper  und  im  Körper,  dessen  Verwirklichung  sie  ist    I>:    9 
i-r  Ursache  und  Prinzip  des  lebenden  KörperB,  auch  Ziel  und  Zweck  desselben, 
denn  alle  natürlichen  Körper  sind  Werkzeuge  der  Seele;  die  Körper  der  Pflanzen 
und  Tiere  sind  nur  wegen  der  Seele  da. 

Wie  die  Organismen  treten  auch  die  Seelen  aui  verschiedenen  Entwicklui 
-tuten  ant.     In  den  Pflanzen  ist  die  Seele   nur  Bildungakraft   (ögexu* 
leitet   die    Ernährung    und    Zeugung;    in    den    Tieren    wirkt    rie    auch    als 
Empfindendes   akHhjTixdr),  Begehrendes  {6q*xxix6v)  und  I  (xtnjxuct 

Sitz  <\<v  Empfindung  Herz.     In  der  menschlichen  Seele  kommt  zn  den 

übrigen  Kräften  noch  der  Geeist  {duxvotfrtxSv),  die  vom  Leibe  trennbare  Denk- 
kraft [povg)  hinzu.  Die  Empfindung  (oder  Smneswanrnehmunf 
die  Verwirklichung  von  Qualitäten,  die  vorher  nur  potentiell  ,in  uns  und  in 
den  Dingen)  vorhanden  waren,  durch  die  sinne,  ein  Geformtwerden  dieser,  aber 
kein  Aufnehmen  fertiger  Formen,  sondern  ein  ,, Verähnlichen*1  durch  Annahme 
der  ..Forur'  »b--  Dinges  ohne  dessen  StofJ  (xo  dexxtxdv  x&v  a  ildtov  & 

.  wie  das  Wach-  das  Zeichen  des  Biegelringes  ohne  das  Elisen  aufnimmt 
I».  •  ;i  einen  und  denselben  Akt  wird  das  Ding  tonend,  das  Ohr  hörend.     I 
sinn  leidet,  bo  lange  er  nicht  übereinstimmt  mit  dem  Wahrnehmbaren,  weichet 
zu  seiner  Funktion  bedarf;  durch  da-  Erleiden  seitena  desselben  wird  er  diesem 

h  gemacht.    Jeder  sinn  hat  sein  spezifisches  Wahrnehmbares  (Färb 
-  Licht  ist  die  Wirklichkeit   (Energie)  dee    „Durchsichtigen*';   die    Farbe  i-t 
eine  Bewegung  des   Durchsichtigen   (Goethe,  Hegel,   Schopenhauer  haben  <1: 
Lehre  weitergebildet).     Durch  die  Binne  gemeinsam   werden    Bewegung,   Ruhe, 

i  .  Zahl  Größe  wahrgenommen.  Mit  der  Sinneewahrnehmung  beginnt 
alle  Erkenntnis,  wenn  auch  da-  Wesen  der  Dinge  nur  dem  Denken  -ich  ent- 
hüllt Die  Erinnerung*-  und  Einbildungs Vorstellung  (q anaaia)  i-t  eine 
psychische,  beharrende  Nachwirkung  der  Sinneswahrnehmung.    Ohn< 

Wahrnehmungen    kommen    keine    Vbretellungei     zustande.      Die    1  i 
innerung  beruht  aui  dem  Beharren  des   Eindrucks  in   der  -  D 

Assoziation  nach    Berührung   in    Kaum   und  Zeit,   Ähnlichkeit    und 

i\  otrast)  kennt    \.  schon.     Die  Besinnung  i-t  vom  Willen  geleitet  und  unter- 
scheidet -ich  dadurch  von  der   passiven   Briiwerung.     F      B      ehren   knüpft 
-ich  vermittelst  der  Gefühle  an  das  Empfinden,   Vorstellen   und   Denken.     D 
Mensch  besitzt  aufler  den  sinnlichen    Seelen kräften   einei    i  Intcllekl 


A.J 


H  und  ..von  Bußen4«  <  in    ihn   gelangt    Ohne  Vorstellungs- 

ken  sich  nicht  betätigen   (ovddjtota  vosX  ävsv  <pavrüo[iazog 

ich  nicht  aus  ihnen  entspringt,  kein   Leiden,  sondern  eine 

-     ,    ist.     Indem  der  Intellekt  die  „Formen"  der  Dinge 

selbst  dem  Vermögen  nach  ein  Inbegriff  solcher  Formen 

nw\-).    Die  denkende  Seele   ist  der  „Ort  der 

wirkliche   Wissen    ist    mit  seinem   Gegenstande  identisch;  die 

(maßen  das  ..All  der  Dinge",  die  Vernunft  ist  die  „Form  der 

A.  unterscheidet  einen  ..passiven"  und  einen  „aktiven"  Geist  (7ia!)>j- 

noiTjxixög  genannt).     Der  passive  Intellekt,  ist 

a :, ••  {-  nuiiiiaT.-roy),  insofern  er  nur  die  Potenzen  zu  den  Be- 

nthalt,  dir  in  ihm  durch  den  aktiven  Geist  (der  zugleich  das  Gedachte, 

fttiftJisierl    werden.     (Kein    Sensualismus,   wie  etwa  bei   Condillac.) 

in,!!    i<t  teils   so,  daß  sie   alles   wird,   teils   so,   daß    sie  alles  bewirkt, 

Lichte,  welches  die  potentiellen   zu  wirklichen  Farben  macht.    Die 

Mich  das  Kinhcitsprinzip  im  Denken.    Nur  der  aktive  Geist   ist 

(hon    vor   dem   Leben  existierte,    dauert    er   nach   dem 

eom   Leibe  trennbar  (/(»giorög),   einfach,    leidlos   (änadrjg),   rein 

■  i    man    nicht    an   eine   individuelle  Unsterblichkeit  zu  denken 

denn  Dach  A.  hört  mit  dem  Tode  die  Erinnerung  auf.    Das  Gefühl 

und    Inli  kehl    in   der    Wirksamkeit    des    wahrnehmenden   Mittel- 

ptmkl  dem  Guten  oder  Schlechten  hin,  es  weist  auf  die  Förderung  oder 

er  iiaturgemäßen  r»c><  haffenheit  des  Organs  hin.   Aus  dem  Gefühle 

das   I'.-  gehren  (6  xifrufjUa)  als   Streben  nach  Lust,   nicht  ver- 

l<  :.    Wahrnehmungsvermögen.     Begehren   und   Verabscheuen   be- 

•  ii  und  Verneinen  eines  Guten  oder  Schlechten.    Das  Begehren 

i-  d.i.  teils  L:«Lr<ii  dir  Vernunft.    Der  Wille  ist  vom  Intellekt 

vom    sinnlichen  Begehren.    Eine   Willensfreiheit 

isrhen   und   ethischen  Sinn.    Freiwilligkeit  und   Wahlfrei- 

mbehindertes  und  überlegtes,  vernunftgemäßes  Handeln  stehen 

und  unvernünftigen   gegenüber.    Von  dem  bloß  Freiwilligen 

i'  ii.   Wahlfreiheit  (die  xcgoaigeoig)  zu  unterscheiden,  welche 

I    -'iii   wählt,    o  daß  die  'rügend  bei  uns   steht   (i<pl  fj/uTv 

'■'  -      •      \    ist   'iid;imo  n  ist  i  seh  (aber  nicht  hedonistisch) 

Betonung    der    richtigen     Betätigung).      Sie    ist 

' :*      -■  -  ;-        •■   -i«    in   einem   Ziele   den   obersten   Maßstab   des   Ethischen 

tlich  Güter-  und  Tugendlehre;  der  Begriff  der  Pflicht 

Bolle.     Die  Aristotelische    Ethik   ist  psycho- 

.  ;  auch  in  ihrer  Anwendung  von   großer  Menschen- 

n  und  tritt  als  ein  Teil  der  Staatslehre  auf.  — 

Gut     Stet«  besteht  es  in   der  Verwirklichung 

i    und    in    Beziehung 

Sandeins,  <\u-  um  Beiner  selbst  willen 
h      h    t.   Gut.    Ein  solches  Ziel   ist  am 


Aristoteles. 


meisten  die  Glückseligkeit  [eMai/$o*la)t  da  wir  diese  immer  um  ihrer  selbst 
willen  erstreben.     Überall  bestellt  sie  In  der  einem  N\  Tätigkeit 

Die  menschliche  Glückseligkeit  also  beruht  auf  der  dem  Wesen  des  Menschen 

oäßen    (olxtJor)  Betätigung   {h   r<z  ■:o;,^>),  d.  h.  im  vernunftgemäßen  = 
tugendhaften    Leben   [xaf    dgrafy  raUfar);    die    Lusl    ist    nicht    das   Ziel, 

lern  nur  der  Bnd&monie  beigemischt,  deren  VoUendnng.  Äußere  Güter  sind 
•ebenfall-  nicht  das  oberste  Ziel  des  Handelns,  sondern  mir  Mittel  zur  Budämonie. 
Die  höchsten  Güter  sind  die  geistigen;  Bie  sind  die  beständigsten  und  können 
zugleich  vielen  zuteil  irerden.  Die  Tugend  ist  die  (aus  einer  Anlage  durch 
Übung  and  Einsicht  entwickeitel  Fertigkeit  (££i?)  zum  vernunftgemäßen  Handeln 
oysta  xmä  /.<>■/<>}■).  Die  Tugend  besteht  im  besten  Handeln  und  in 
der  testen  Gemütsrichtung  dazu,  vermöge  welcher  der  Mensch  gut  wird  und 
sein  Werk  gut  verrichtet  Ei  kommt  hier  nicht  (wie  nach  Bokrates)  auf  das 
blo!  sen  an,  sondern  Gewöhnung,   Übung  ist    vonnöten.     Wir  haben  die 

Tugenden  nicht  von  Natur,  sondern  müssen  sie  erst  erwerben,  auf  Grund  einer 
Anlage  zum  Guten.    Erst  durch  Übung   im  gerechten    Handeln   wird  man 
recht:  aus  gleichmäßigen  Handlungen  gehen   dauernde  Gemüts-   und   Willens- 
richtungen hervor.    I>i<'  „praktische  Vernunft"  entscheidet  aber  das   Rieht 

bewährt  rieh  im  Maßhalten  und  zwar  in  den  „ethischen"  (f7#<x<i/)  Tugen- 
den, den  Tugenden  d<->  Charakters,  welche  von  den  „dianoetischen"  (dun 
1  igenden,  den  Tugenden  des  Verstandes,  unterschieden  werden.  Dhter 
„ethischer"  Tugend  versteht  A.  die  dauernde  Willensrichtung  (££««  xQotuQsztxri\ 
welche  auf  die  rechte  Mitte  (/uadnje)  zwischen  dem  Zuviel  und  Zuwenig  geht, 
d.  h.  sich  von  der  Vernunft  leiten  läßt  und  die  Extreme  vermeidet  (z.  B.  ist 
die  Tapferkeit  die  rechte  Mitte  zwischen  Feigheit  und  Tollkühnheit).  Zu  den 
ethischen  Tugenden  gehören  Tapferkeit  jeder  Art,  Mäßigkeit  (oaxpQoc  Frei- 

_rk«it.   Wahrhaftigkeit   u.  a.,    besonders   die   Gerechtigkeit     dixeu 
die   vollkommenste  Tugend  /.>/»«  i.  die  ganze   Tugend 

Im  engeren  sinn.-  ist   sie  entweder  austeilende  [h  mi;  dum  oder 

ausgleichende  l  G   rechtigkeit;  erstere  waltet   nach  geome- 

trischem, letztere  nach  arithmetischem   Verhältnis   (z.  B.  l><i  der  Strafe),  ohne 

iicksichtigung   des   persönlichen    Wertes   (juridisch  nüber  der   sozialen 

echtigkeit  .     Dazu  kommt  Doch  das  Billige  (biutxic).     Die  diano§tischen 

enden    sind   die   intellektuellen   Tüchtigkeiten    in   Theorie   und    Praxis,  im 
Denken,  Handeln  und  Gestalten.    Dazu  gehören  Vernunft,  Wissenschaft,  W< 
heit.  Knn-:  und  Einsicht  (t  welche  die  rechte  Vernunft 

D      [atigkeit  der  theoretischen  Vernunft,  die  Spekulation  (6 
ist  das  Höchste,  das  Stetigste  und  Beglückendste,  sie  ist  an 
lieh  [ntellektualismn 

tatsphilosophie.      Gegenüber    dem     Platonischen 
das  Aristotelische  Staatsbild  realistischere,  die  bistoris  ordene  Wirklich! 

wehr  berücksichtigend«    l        tut     Wie  Plato  i-t  abi 
wahrhaft  menschliche,  sittliche  Leben  nur   Im    -  rar  voll< 

n  kann.     1 1  ch   ist   von    Natu] 

^  •  -■  ii  auf   da  haftsleben 


ARISTOTE]  l  s. 


ixixov  Zfyov  ton,   Polit.   I  2,  1253  a  1), 

S'aturprodukt   (<pvoei)  und    brüher  als  der  Einzelne  (jtqoxsqov 

auch  historisch  aus  Familien  und  Gemeinden  her- 

uvcovia  ir/.rnK  jtöXig),  so  hat  er  doch 

dem  Ziele  Dach   ist    er  das  Erste,  wie  das   Ganze  den 

Lebens  willen   triebmäßig  (durch  og/nij)  entstanden, 

sation  /um  guten  und  sittlichen  Leben   (ev  £jjv),  ein  Mittel 

n.     Bin  Motiv   der   sozialen  Verbindung   ist  auch    der 

\  ""//  ociiy njov).    Die  Gesinnung   soll  die  Bürger   zur 

-i :    einer  Gütergemeinschaft    (deren   Schäden  A.  im  Einzelnen 

icht     Die  Verfassung  [nokitsia)  des  Staates  soll  den  Ver- 

-        ■..  n.  muß  aber  immer  vernünftig  sein,  dem  Gemeinwohl  und. 

dienen.     Gute    Verfassungen    sind   (je   nach   den   Umständen) 

die  und   „Politie"   (.-rohrsia),  gemischte   („republikanische") 

die    beste    von    allen.      Schlechte    Verfassungen    sind 

hie  und  „Demokratie*'  (Ochlokratie).     Das  Ideal  ist  die  Herr- 

-    n    und    Sittlichsten.     Bürger   können    nur    Freie   sein; 

Naturgemäßes,  solange  wenigstens  keine  Maschinen  erfunden 

die  Sklavenarbeit  ersparen.    3Ianche  Völker  und  Individuen 

i  ii.    und    es  gibt  Herrscher   von    Natur   aus.     Aufgabe 

Staatsordnung   vorzuschlagen,    deren    bereit- 

ihme  und  mögliche  Aufrechterhaltung  zufolge  der  bestehenden  Zu- 

i    zu   erwarten    ist.      Der  Staat  ist   der   beste,  in    welchem  der 

Island  herrscht     Der  glücklichste  Staat  ist  der,    welcher  auch   der  beste, 

Der  Gi  setzgeber  hat  zu  sehen,  wie  der  Staat  zum  tugend- 

nnd  zur  Glückseligkeil  gelangen  kann. 

der    Kinder    isl    eine   soziale   Angelegenheit,    denn    die 

/u    tüchtigen    Staatsbürgern    herangebildet   werden.      Von  der 

Kinder  körperlich  zu  kräftigen,  in  jeder  Hinsicht  geschickt 

auch  intellektuell   und   sittlich    zu  bilden,  kurz  sie 

1       -i    und  Charakter  tüchtig  zu  machen. 

Kunst  c.'/r,,)   im  weiteren  Sinne  ist  Fähigkeit  des  Ge- 

V,!ur  nicht  Vollendbare  ausführt  oder  aber 

Hierbi        x  r  geht  sie  auf  das  Allgemeine  an  den  Dingen, 

:  em    „philosophischer"  als  die  Geschichte.    Es 

N    chahmungstrieb  und  eine  Lust  an  den  Gebilden 

darl    keinesfalls    eine   sklavische   sein,    sondern  muß 

>ne  k'nihi  dict  der  Ergötzung  und  Er- 

ihle  auslöst,  Bedürfnisse  nach  gefühlsmäßigem  Aus- 

on    ihre,,   Affekten   (und  deren  Übermal',; 

ai  ein  ruhiges  Maß  herabstimmt,  eben  durch 

und  Läuterung,  Katharsis  {xadagou), 

bewirkt ;  di<  je  ist  die  nachahmende  Dar- 

neii    und  maßvollen  Band- 

:  '  pr<  chender   Sprache,   durch 


ARISTOI  ELE8    —   AUKJ>II.  \ 


handelnde  Personen  und  nicht  mitteki  Erzählung,  zum  Zwecke,  durch  Mitleid 
und  Furcht  die  Reinigung  solcher  Affekte  [bezw.  von  solchen    zu  bewirke] 

ikeov  y.ni  t&p   xoiovxtov   Ttctdij/Mrcov  x<  Peel     ' 

Über  die  Auffassung  der  Katharsis  —  ob  Reinigung  von  den  Affekten  oder 
der    Affekte    selbe!    oder    beides    — :    tgL    LE88XBTG      Eambarg.   Dramst.    74  ti.  , 
Gk>ETHE     WW.  XXIX.   490),    ÖEBEBWEG    (Wapcshaffhng  von   Affekten),    .1     BEBJTAY8 
(Zwei    Abhandl.    üb.    d.    Aristot.    Theor.    d.    Drama,    188u:     k.    =.    „erleichternde 
ladun^'-  .    A.    DÖBTJTG     Kunstlehre  d.  Arietot.,  1876),  II.   LEHB    I>    Wirkung  d.    Tn 
nach    Aristot.)   u.   a.    (vgl.    ÜEBEBWEG-HeINZE,    «.nindr.   V 

iri-toteliker*  (Peripatetiker):  die  Schüler  und  Anhänger  des  Aristot 
Im  Altertum  :Theophrastos  von  Li  Ldemoa  ?on  Ethodus,  Aristoxenus 

von  Tarent,  Dikaearch  von  Messene,  Strato  von  Lampsakus,  Alexander 
von  Aphrodisias,  Simplicius  u.  a.  (die  teilweise  in  eklektischer  Weise  Ari- 
stotelische Lehren  mit  Bolchen  Piatos,  der  >t.>iker  oder  der  Neuplatoniker  ver- 
binden . 

Die  mittelalterliche  Philosophie  kennt  zunächst  dae  0  i  mon",  dann  be- 
schäftigen sich  die  Araber  und  Juden  mit  den  Schriften  des  Aristoteles  und 
(seil  dem  Anfang  dea  13.  Jahrhunderts)  auch  die  christlichen  Scholastiker. 
Aristoteles  wird  teilweise  zur  weltlichen  Autorität  der  Scholastik,  /um  ..{»rat  - 
cursor  Christi  in  naturalibus".  In  der  Benaissance  kommt  /in  r>t  der  Plato- 
nismus  auf,  dann  auch  der  Aristotelismus,  zuerst  in  Averroistischer 
Alexandrinistiscner  Form,  dann  reiner  bei  Gennadius,  Theodorus  Gaza, 
Kelanchthon,  Goclen  u.  a.  In  der  späteren  Scholastik  (Suarez  u.  a.) 
wirkt  er  weiter.  Durch  den  Empirismus  Bacons  u.  a..  sowie  durch  den  B 
nalismus  Descartes  u.a.  sowie  durch  die  immer  mächtiger  anstrebende  Natur- 
forBchung   (Galilei,   Kepler  usw.)  wird   der  Aristotelismus  zurückg  t,  um 

dann  ien  von  der  NFeuscholastik)  im  19.  Jahrhundert  vereinzelt  wieder  her- 

ooben  zu  werden,  ><>  von  Trendelenburg,  Brentano  u.  a.  Elemente 
der  Ari-tMt.ii~.iien  Philosophie  finden  sich  bei  -ehr  vielen  Denkern,  von  den 
Stoikern,  Neuplatonikem  ai  en  bis  aut  die  Gegenwart 

\  rlstoxeiMMi  l  irent,  der  Musiker,  ein  (von  Pythagoreischen  Lehren 

beeinflußter)  Aristoteliker.  -  I1  Seele  ist  ihm  die  „Spannung"  (intentio) 
und  Harmonie  des   l.    bes,  der  harmonische  Altlaut  der  Leib  en. 

briften:    .  .in-    Harmonie44,    grieeh.   u.  doir  \^-. 

WALDT,    De   A.    T  -   sentent.,    1 

Irkesllaofl     trkeailas),  geb.  um  315  v.  Chr.  zu  Pitane  (Aeolii        §     äler 
[heophra  Polemon,    Diodoros,    Pyrrhon,  Haupt  der  mittleren 

Akademie,  gast  um  _'ll  v.  Chr.         A.   trug   skeptische  Grun<  wahr- 

icheinlich   aber   nur  als    Vorbereitung  für  das  Studium    rhu  l  da.- 

ii  -..  -  hr  bestritten  haben,  dar.  wir  auch  nicht  wissen,  <•!>  man  nicht* 
kann      \  M.   esse  ijuid(|uam,    quod  sciri   possit,    ne  illud  quidem  ipsum, 

•  \ ■ . .■!.  |        I,  12),     I  »;■    I  ii-  ilsenthalttu 

itscheid  empfohlen.      Für  das  praktische  Verhalten 

<li-    Wahrscheinlichkeit  (t  i  -        he  Kriterium  der  Wahrheit 


ÄJtKE8ILA08   —    ASPASIOS. 


\    retellung  könne  „kataleptisch"  richtig  erscheinen 

I.  pofl     LI, 

18  ff.    -    R.  ElBZELi   Unters,  zu  Ciceros  phil.  Schrift.  III. 

Vrmaiul    \.-!i    IVauvoir.    Scholastiker   des   14.  Jahrh.,   Schüler  Occams, 

Iriiaultl.    Antonie.   p'l>.    L612  in  Paris,   seit  1643  Lehrer  an  der  Abtei 

in    Lüttich.     Jansenist   und   Philosoph,   Anhänger 
\v]    -xWx  seine   „Objeetiones  novae"   und  die   „Responsiones 
Gegner  7on  Malebranche. 

t  dos  faosaes  idees,    1683.  —  Oeuvres  completes,  1775 — 
.    1843.    —    Zusammen   mit   Pierre   Nicole:    L'art  de  penser 
.     1662;    auch    1879    (lange    benutztes    Lehrbuch).    —    Vgl. 
II.    -  \  all   Philosoph,    1897. 

Irimhiii*  Mlfl    \frika  (Africanus),  lebte  um  300  n.  Chr.  in  Sicca. 

\.  j^ehörl  zu  den    Lateinischen    Kirchenvätern.     In  seiner  Psychologie  und 

hre   ist   er  von  der  Stoa   beeinflußt.     Alle   Erkenntnis   beruht   auf 

tnd  Wahrnehmung.     Vor  aller  Erfahrung  ist  die  Seele  des  (einsam 

Menschen    leer     Ähnlichkeit  mit  der  späteren  Lehre  von  der 

und  der  ,,ßtatue"  des  Condillac).     Angeboren  ist  nur  die  Gottee- 

D      8     Le  ist  körperlich    und  durch  ihre  Natur  vergänglich,  nur  Gottes 

verleiht     ihr    die    Unsterblichkeit.       Gott    hingegen    ist    immateriell 

Ad  versus  gentes,  1543,  1816,   1875.    —    Vgl.  K.  B.  FRANCKE,  Die 

Krkenntnislehre   des  Arnobius,   1878. 

\riinhl       ii    Villanova,    gest.  1312,   Arzt   und   Schüler   des  R.  Lullus. 

. 

\inoMt.    I  mil,    L828     19  G.   Kantforscher.    —   Schriften:    Kritische   Ex- 
Kant-Fonchung.      (Gesamm.    Schriften.    IV — V.)       Gesammelte 

Vi  ii.mu^.   I  !    .!  Klkomedien,  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.      Schüler  des 

■-•■"  l.'linn  in  den    I laxqtßal  (Dissertation  es)  zusammenstellte. 
\  i 'ii-inidoi-oM.  Stoiker,  lebte  in  Rom  unter  Trajan. 

Lsklepladei  Bithynien,  lebte  unter  Pompeius  als  Arzt  in  Rom.  = 

lußtei  A-tomistiker.     Die  Atome  sind  nicht  unteilbar  und 
/  oßender  Massen  entstanden. 

"  B.    Philosoph   A.   v.    B.,   1893. 

Ukl>pla4efl  Phlius,  im  3.  Jahrh.  v.Chr.,  Freund  des  Menedemos, 

nie. 

Ukleptotetoi  andrien,  Ar/.i  und  Schüler  des  Proklos,  lebte 

*"P  Jahrh-   d.  ehr      Peripatetik»r,    schnei» 


Ast  —  Aimhim  33 


Ast,   Friedrich,  geb.  1778  in  Gotha,  Professor  in  Landshnt  und  München. 
daselbst  1841.  =  Bchellingianer. 

Schriften:  Handbuch  d.  Aesthetik,  1805.  —  GrundJin.  d.  Philosophie.  f.  A  1809. 
—  Grundr.  d.  Gesch.  d.  Philos.,  1807,  2.  A.  1825  (konstruktiv).  —  Piatons  Leben  u. 
•Schriften,   1816.  —  Lexicon  Platonicum,  1834  —  39. 

AMtafjew,    184G — 1893,   Prof.   in   Moskau.    =    Von    Leibniz    beeinflußt, 
Vertretet  einer  Monadologie,  einer  nach  dem  Muster  der  inneren  Erfahrung 
Dinge  deutenden,  apnritnaliatiaehen  Weltanschauung. 

Schriften    (russisch):    Monismus    oder    Dualismus,    1873.    —    Der   Sinn    der 
schichte,  1885.  —  Der  Wille  zum  Wissen,    1892.  —  Glauben  und  Wissen,   1893. 

Asturaro,  A.  Italienischer  Soziologe.  —  Schriften:  La  sociologia  e  le 
science  sociali,   1893.   —  La  sociologia  morale,   1900,  u.  a. 

AthanasiiiM   von    Alexandrien,    296—373   n.   Chr.    =    Begründer   des 
thanasianismus",    weicht  en    Arius)   die   W.  -  i-hheit    (Homous 

nicht  blofi  Ähnlichkeit:  Homoiousie)  dea  Logos  [Christus)  und  des  heiL  l 
mit  <  iott  Vater  lehrt. 

Itliona^oraM  von  Athen,  christlicher  Ajwloget  des  2.  Jahrh.  n.  Chr. 
=  Urbild  und  Schöpferkraft  aller  Dinge  ist  der  ewig  in  <  i « »t t  seiende  Log 

hriften:  üßsoßtla  rrnu  Xijinrmydjy  (um  177',  1557  (nebst  der  Schrift: 
lln/t  dvatnaoacoe  x&v  nxg&r),  1857,  1891.  —  YgL  VoiGTLlNDER,  Di«  Philo«. 
des  A.,   19 

Athenodoro*  aus  Tarsos.    -  Stoiker,  Freund  d«s  jür. 

Attain«*.  Stoiker,  lebte  in  Born  unter  Tiberius.  =  Lehrer  S 

IttUfW)  um  1 7*  >  11.  Chr.  =  Platoniker,  bekämpf!  die  Aristotelische  Lehre 
von  der  Ewigkeit  der  Welt. 

.tii£ii*tiiiu<«.  AureUus,  geb.  354  zu  Thagaste  (Numidien)  ak  Bonn  dea 
Patriciua  und  der  Christin  Monica. 

Er  wurde  ron  Beiner  Mutter  fromm  erzogen  und  kam  dann  nach  Madaura  in 
<lir  Bhetorenschule  Bald  ergab  er  sich  einem  ausschweifenden  Leben,  da  er  ein 
unjibch-leidenschaftlichee  Temperamenl  hatte,  das  erat  durch  die  Beschäftigung 
mit  der  Philosophie  (Cioeros  „Hortenaius")  einer  anderen  1  irl  \\  i<*h.  nicht 

ohne  daß  aber  der  leidenachaftliche  [Jntergrund  uoehofl  sur  Geltung  kommt,   l 
war     -•  Lehrer  der  Rhetorik  in  Karthago,  Rom     183)  und  .Mailand  md 

Zeitlang    unter  dem  Einfluß  dea    später  ron  ihm  bekämpften    Man  ich 
inus,   dann    dea  Bkeptizismua   und  dea  Neuplatonismus,      Durch  die  Predigten 
dea    Bischohi    Ambrosiua    dem    Christentum    Eugeführt       3        wurde  er  /um 
1'ri^  and  endlich  >n   Hipp     R]  Nord- 

afrika),  wo  er  130  atarb.     Beine    Biographie   schrieb   sein  Freund  Possidius. 
Zu   seinen   philosophisch    bedeutsamen   Werken   gehören:    De  pulchi 
(verloren),    Contra  aeademi    -    Gegen  die  8kep4  De  beata  rita.     1  >. 

<ini.     Vom  Bösen  und  Qutei        3oliloquia  (Selbstgespräche).     1  »«•  immortalita 
animae,      De  quantitate  animae.      De  duabus  aninu-     G     en    die   Manichiü 

arbitrio.       I N  ligione.       I  •■■    trinital  1 ' 

ler,  Phil 


AUGUSTINUS. 


ractationea    (Übersicht    über    die    Schriften).      Confessiones 

\\.   bei    Reclam  erschienen;   enthalten   auch   Philosophisches,. 

.   Außenwelt).     Gesamtausgabe  der  Werke:    1506,  1679— 

te   unter   den   Kirchenvätern,   seine  Wirkung  —  nicht  bloß 

i ...  odern  auch  in  der  Geschichte  der  Philosophie  —  war  eine 

-  ine   Weltanschauung  ist  streng   christlich,   ist  aber  doch  nicht 

in  allen  Punkten  von  der  Kirche  rezipiert  worden.     In  manchem  verrät  sich 

besomlti  Eänflufl   Piatos,   auch  der  Neuplatonismus  macht  sich  geltend* 

Ue  Harmonie  dir  Gedanken  hat  A.  nicht  immer  erreicht. 

rkenntnis    anbelangt,     so    ist   der    Glaube    der   Kern    alles- 
«l.r  Weg  /nr  Erkenntnis.     Ohne  Glauben    können  wir  nicht  einmal 
oe  Außenwelt  gibt  (Confess.  VI,  7).    Der  Skeptizismus 
inhaltbar.      In    der    inneren    Erfahrung   unseres   eigenen   Lebens   und 
steht    eine    unmittelbare,    allem   Zweifel   entrückte    Gewißheit.      In 
rem  Innern  wohnt  die  Wahrheit;  Selbsterkenntnis  ist  die  feste  Grund- 
-   I>.nkens.      Wer  zweifelt,   existiert,  lebt  und  denkt  und  kennt  damit 
t:    „Quando  quidem,   etiam  si  dubitat,    vivit,    si  dubitat,   cogitat"  (De 
trinit.  X,  14).      Wenn  ich  zweifle  oder  irre,    so  muß   doch  ich,  der  Zweifelnde,. 
1    impanella,    Descartes).      Es   gibt   also   einen   festen   Maßstab   der 
Dies     selbst  ist  unwandelbar,  von  unserem  Denken  unabhängig, 
•     tt  M-lbst  ist  die  Wahrheit  an  sich,  die  Einheit  aller  Wahr- 
er in  ihm,    dem    höchsten   Lichte,    erkennen.      Die  ewigen  Wahr- 
i  in  ihm  Bind  die  ..rationes  rerurn",    die  Ideen,   die  Urbilder  der  Dinget 
te  principales  formae  (juaedam  vel  rationes  rerum  stabiles  atque  incommu- 
formatae   non   sunt  .  .  .,   quae  in  divina  intelligentia  conti- 
.ii.  (|u.  16). 

Wesen,   das   Allerrealste   („ens   realissimum"),    das 

die  höchste  Liebe   und   Schönheit,   über  die  Kategorien  erhaben. 

r  Grund  aller  Dinge,   welche  dadurch  wurden,  daß  er  sie  (vorzeitlich) 

ist  ül  .erweit  lieh  und  zugleich  in  der  Welt  wirksam,  die  Dinge 

Dia  Igitur  Mint  in  ipso").    Er  ist  dreieinig  (Macht,  Weisheit, 

Dreiheil   hat   ihren    Abglanz  in  allen  Dingen,    besonders  in 

•    Liebe  n.  dgl.).      Gott  hat  (aus  Liebe)  die  Welt 

!.  li.  sie  id    nicht  durch  Emanation,  noch  durch 

M;iteri.-    entstanden.     Die  Erhaltung  der  Welt  ist 

.      Schöpfung,    mit  der  zugleich  erst  die  Zeit 

höchsten  Gutes  ist  die  Welt  selbst  gut  (Op- 

"  •      '  Positives,    sondern    nur    eine    „Beraubung" 

n   durch   einen    Abfall   seitens  des  Willens;    es 

I         •  rBUms  keinen  Abbruch  tun. 

'   «-in.    immaterielle,    vom    Leibe  trennbar.'  Sub- 

Iche  im  ganzen  Körper  ihren  Sitz  hat,  da 

rperlich,  einfach,  einheitlich  („in  singulis 

•i  organischeD  Leib  /.um  solchen,  ist  der 


An.t  -nxrs  —  AvKN.\i:n>.  35 

Vernunft  teilhaftig.    Die  Grundfunktionen  der  Bede  sind  Gedächtnis,  Verstand 
und  Wille,   welch   letzterer  in  tUen   BewnAtseinsznstinden  (auch  im   Denk« 

[^Tohmtas   est   quippe  in  omnibos",    Voluntarismus).      Bchon   der   Wahr- 
nehmung geht  ein  Streben  voran  („appetitus  videndiw).    Auch  der  (ihn. 
ein  Willensakt     Der  Wille  ist   ein  Vermögen,   sich  selbst   zu   bestimmen,   er 
i-t  der  Kern  des  Menschen.     I'      Seele  i-t   ansterblich,   weil  Bie  die  ewi| 
Wahrheiten  zu  erkennen  vermag  und  von  der  ewigen  Vernunft  nicht  trennbar 

ihn-  Kraft  ist  unbegrenzt  „infinita  animae  \i-'->.  —  In  bezug  auf  die 
Willensfreiheit  schwankt  A.  einigt  rmaßen.  Die  absolute  Willeiistreiheit 
(„posse  non  peccare')  besaß  nur  Adam  rar  dem  Bündenfalle.  Jetzt  hat  der 
Mensch  nur  das  Vermögen  der  Belbstentscheidung,  die  psychologisch-ethische 
Freiheit  Der  gute  Wille  ist  wohl  unser  Wille,  aber  Letzten  Budes  ron  <e>n 
abhängig,  dessen  Gnade  UUS  -rundlos  zum  Guten  bestimmt  hat.  während 
andere  von  Anfang  an  zum  Bösen  und  damit  zur  Verdammnis  prädestiniert 
sind  (gegen  Pelagius).  In  Adam  hat  sehen  die  ganze  Menschheit  irt-iin«! itrr 
I  .rb-ünde"). 

Milien  ethischen  Dualismus  bekundet  die  Lehre  vom  „Gottes Staat", 
(hm  Reiche  der  Guten,  und  dem  weltliehen  Staat:  ersterer  i-t  prädestiniert, 
ewig  /n  blühen,  letzterer  i-t  dem  Teufel  verfallen.  Die  Geschichte  i-t  nur 
eine  Entwicklung  dieser  zwei  Reiche,  welche  in  (drei  oder  genauer)  Bechs  Btui 
erfolgt  ( Kindheit.  Knabenalter  usw.i:  die  Letzte  Periode  beginnt  mit  Christus.  Von 
der  Zeit   des  Naturzustandes  erfolgt   der  l'i  cum  Zustand  di 

und  dann  eu  dem  der  Gnade.    -  Endziel  des  Lebens  i-t  die  Anschauung  und 
Liebe  Gottes,   die  im  Jenseits   rollendet    wird,  höchstes  Gut    i-t    „frui   1  >• 
I>;i-  Bitt<  Sttlieh,   ewif  st    »scripta  in  oordibus  hominum". 

Di<-  Tugend  i-t  der  Wille  zum  rechten  Leben  i..qua  reete  viritur"),  di<    l 
zu  allem  je  nach  dessen  Werte  („ordo  amoris 

-    triften:    KigM,    PatroL,    Bd    :i J  —  4  7.    —    Vgl,    Iundim ans  .    Dm 

1844—1869.    —     A.   DOBHER,    August.,   is7:i.     —     II.   Kit  TSR,    ae| >tin. 
Studien,   1887. 

iur<M>lim  b.  Petrus  Aureolus. 

lu^tin.  John,  17  9.  =  Utilitaristischer  Rechtsphilosoph. 

B     ftf    ftea:  Lo<ture*   <>n   Juri*pruiltM 

k\  <'iii|»a<'«'    Um  B&daha),  arabischer  Ar/t.  Mathematiker  und  Philosoph, 

Ende  dei  lL.lahrh.  in  S  -a.   lebte  in  Sevilla.  ( Jranada,  Marokko. 

itarb  L138  eh  Fez.   =    I  »i<-  Schriften  des    \    und   meistens   verloren 

Dil    Beele  erhebt  sieh  von   ihrem   triebartigen  Verhalten   bis   zum    .  nen 

Intellekt-.     I>i-  eine  Emanation  »ttlichen  aktiven  rntellel 

Vgl,    Ml   \K.    M-   ;e,.  .alt    der    Schritt    „LtitSBg   dat    I 

Is cai ■■!■■,  Rieha]  ran-,  i1      nt   in   Leins 

1877   Prof.  in  / 

\    vertritt  eine  An   Positivismus,  den  Empiriokritizismus",  d.  h. 
einen    Empirismus,    der   die    Erfahrung    von    allen    metaphysischen 
reinigen  will  und  nur  Erfahrbarefl     ,Vorgefunden<  kennt.    Nachdem  A 


V\  FNARIUS. 

-    -ritten  die  Bedeutung  des  Ö  konomieprinzips  für  das  see- 

und  das  Erkennen  erörtert,  gab  er  in  der  zweiten  die  Grundlegung 

qub,  der  nichl  vom  Bewußtsein,  Ich  oder  Denken,  auch  nicht 

lenten  Dingen,  Bondern  vom  unmittelbar  Gegebenen  ausgeht  und  die 

Erfahrung  prinzipiell  für  gleichberechtigt  hält.  Die  Kritik  geht 

ill.s  zu  eliminieren,  was  nicht  reine  Erfahrung  ist,  d.  h.  was  nicht 

Auesageinhali     „E-Wert")  ist.  der  durch  die  „Umgebung"   selbst  bedingt   ist. 

Erfahrung    enthält    nichts    anderes    als    Erfahrungsbestandteile,    welche 

|i  nun  nur  Umgebungsbestandtteüe  voraussetzen.    A.  gibt  seiner  Erkenntnis- 

biologische  Grundlage.    Das  vorfindende  Individuum  ist  repräsentiert 

und  zentralisiert  im  „System  C"   (im  Großhirn),   welches  beständig   einem  Er- 

haltnngsmaximum  seiner  Kräfte  zustrebt,  indem  die  „unabhängigen  Vitalreihen" 

■nf  Minderung  und  Authebung  der  „Vitaldifferenzen",  der  jeweiligen  „Störungen" 

Pureh  diese   Prozesse    sind  die    „abhängigen   Vitalreihen",   die    Be- 

--■■  und  Erkenntnisinhalte  (zu  deren  „Elementen"  die  „Charaktere", 

d.  h.  gefuhlsmifiigeD  Auffassungsweisen  hinzukommen)  funktional  bedingt;  die 

ss».  im  ..System  0'  sind  wiederum  von  den    Umgebungsbestandteilen  (R) 

_.  ferner  von    Stofhvechselveränderungen    (S),   also   von   zwei  „partial- 

gjstenuiti-«  hu   Faktoren'.     Das  „System  C"  ist  im  Erhaltungsmaximum,  wenn 

:    Ki    =    f  (S     ist.     ,, Vitaldifferenz"    ergibt    sich  durch   die    Entfernung   vom 

Maximum  <1<  r  Erhaltung,  von   der  „Systemruhe".     Was  wir  nun   „Erfahrung" 

und  „seiende  Bachen"  nennen,  steht  in  bestimmter  Abhängigkeit  vom  „System 

md  der  „Umgebung".    Sie  ist  „rein",  wenn  alle  von  dieser  nicht  abhängigen 

-ageinhalte  eliminiert  sind. 

der   ..Mnltiponiblen"  höchster   Ordnung,   der  Endbeschaffenheit   des 

der  „Weltbegriff"  abhängig,  der  sich  auf  die  „Allheit  der  Um - 

mdteile"  bezieht  und  der  den  „natürlichen"  Weltbegriff  restituiert,  in - 

Introjektinn"  ausschaltet,  welche  die  ursprüngliche  Weltanschauung 

.  1  »i--  ursprüngliche  „Prinzipialkoordination"  besteht  in  der  Existenz  eines 

Individuum)  und  seiner  „Gegenglieder",  über  die  es  Aussagen 

1 '   '   ■  ■  •::•     I  ntrojektion"  (Einlegung  von  Innenzuständen  in  die  Menschen) 

I  ■-■  ■  ommenen  Umgebungsbestandteile  zu  „Vorstellungen  in  uns". 

'      \inl  ein  ..in  mir",  ein  Bewußtseinsinhalt,  eine  Erscheinung 

1      Gegensatz    von    Subjekt   und    Objekt,   Innen-    und 

irch  die  Well  verdoppelt,  die  Erkenntnis  verfälscht  wird.    In 

einzige  A  rl  des  Seins.    Es  gibt  auch  keine  Dualität 

ehem.     „Psychisch"  ist  ein  Vorgang  nur  als  „Ab- 

rung  im      System   <       und   insofern  er  „mehr  als  mecha- 

d    h.  ein  Erlebnis  bedeutet. 

besonder!    Carstanjen,    Petzoldt,    Willy, 
•  I.   Kodis,  M.  Klein  u.  a.,  beeinflußt  sind 
i    a.    \'-l    l..  Mach. 

U  als    Denken    der    Welt   gemäß    dem    Prinzip    des    kleinsten 

Kritik    der   reinen    Erfahrung,    1888—90.   —    Der 

1905.     -     Vierteyahwechr.   f.   wissenBch.  PhiloB. 


AVKHAKIUe   —   AVZEROfl 

Bd.   18 — 19,   1894—93  u.  a.  —  Vgl.  Ca.  K.  Avenarius;  biomechan.  Urundleg. 

d.  reinen    allgem.    Erkenntnistheoiie,    1894.    —    WUWDT,    Philo«.    Stud.    XIII,     1896. 
—  EWALD,  B.   Avenarias,   1905. 

\  >  cn<  chrol  b.  Avicebron. 

\\  «»ndeatti    Avendear)  oder  Johann«   Hispanus,  zum  Christentum 
kehrtrr    spanischer    Jude    im    13.   Jahrhundert.     t'\»  -  Driften 

Ar;-  Avicenna  u.  a.  UM  dem  Arabischen. 

Averroe*  (Aböl  Walid  Mohammed  .  .  .  Ibn  Roschd),  der  bedeuten 
an  inch  Ar/t  u.    .     _     .      _     eu  Cordova,  war  eine  Zeit] 

iiter  in  Sevilla  und  Cordova,  wurde  1182  Leibarzt   des  <  Shalifen  Abu  Jakub 
Jussuf,  unu  -  m  Bohne  kurz.    /       Statthalter.     I>-r  Ketzerei  verdächJ 

wui  Nahe  von  Cordova  rerbannt  und  dann  nach  Marokko  berufen, 

b.    Anfier  Kommentaren  zu  Aristoteles  schrieb  er  u.  a. :  Tehi 
al  Tehafot   (Destractio  deatroctioii  -     _ ■_        '.  _  lateinisch    1497   iL   1" 

Quaesita  in  libi         -  ii  Bl   tetia.     De  eonnexione  intellectue  abstracti  cum 

nomine.     I>-    animae  beatitudine.     I    er  den  potentiellen    und  materiellen   In- 
tellekt.   <  >j  72,1553.   J.Müller,  i]  oL,  übersetzt,  18 
A.  verbindet  den   religiösen    Glauben   mit    einer  Philosophie,   die  in  vielem 
in   der  Logikj   sich  an    Aristoteles  anschlieflt,  in  anderem  vom 
■uns   beeinflußt   ist.     I>i«     Religion    ist    als   büdlich-allegorische 
Weltanschauung  für  di<    Menge,  während  der  Philosoph   zur   begrifflich  reinen 
Wahrheit  t                        mit   der  thi            oen    nicht    unnu  unmenfaDen 
mufi  (Ursprung  der  Lehre  von  der  doppelten  Wahrheit   bei   Occam  u.  a.  .     In 
hung  nimmt  A.  an.  <lai >  die  Universalien  in  den  Dingen  si 

durch  Abstraktion  im  Intellekt  entstehen  i..int«-llectu- 
in  fern  -  hon  Avicenna  bemerkt).    Gott 

Weltprinzip,  die  Urform,  der  (nnl  ger  und  Endaweck   »1er 

D  Einheit  aller  Dinge,  die  schöpferische  Natur.     Eine  Emanation  der 

ttheü  ist  der  göttliche,  universale  ..aktive  Intellekt--,  welcher  die  Bublunarieche 
Welt  beseelt.     Die  See!   •  n    ist   die   ..Form--   des  Organismus   und 

zwar  i.-t  in  allen  Menschen  eine  allgemeine  Seele  (Monopsychismus),  freie] 
in  ihnen  individualisiert.     Es  gibt  in  allen   Menschen    nur   einen   aktiven  In- 
tellekt, der  die  den  ..pa»iven-'  Intellekt)  zum  „erworbenen"  In- 
tellekt gestaltet,     unsterblich  ißt  der  Geist    our  e  i  er  nach  dem  T 
in  den  universalen  aktiven  Intellekt  zurückgenommen  wird,  also  nicht  all  P 

Di    Formen   der  sind   in  dar  Materie  ichon  potentiell  ent- 

halten und  werden  durch  höhere  Formen  zur  Entfaltung  unit 

I  Philosophie  ist  die  Welt  d  Verwi 

lieh« n  von  Potenzen. 

Der  Averroismui  übte  aine  nicht  .  VVirl  i  and  wurde 

der   christlichen    Kirche  wiederholt    verdammt,   besonden    von  Thomas 
Aqujiio   bekämpft      Italienische  in   Padi  lern 

1 i.  Jahrh,  sind  H\      \ '  ■  n    as,    \  1- •  \.  Achillini,  Aug.  Niphus,  Andr< 
pinus,  < '  aesa  mon in  i  u. 


ATERROfiS  —  AVICENNA. 


;    EDiÖLDE&i  Documenta  philosophiae  Arabum,  1836.    —    DE    BOER,    Gesch. 
in.    1901.    —    RENAN,    Averroe«    ot    l'averroisme,    3.    ed.    1869.  — 
-.    p.  418  ff.    (tgl.  Dictionn.  philos.   1885  I).   —    MANDONNET,    Siger 
de  Bratuuit  ot  l'averroisme  latin  au    13mo    siecle,  1889. 

[mn lw Ion  b.  Averroee. 

tvioebroii     arencebrol),   der  von   den  Scholastikern  sogenannte  (für 
ahaltene)  jüdische    Philosoph   und  Dichter  Salomo  ben  Jehuda 
biroJ  (Gabirol),  geb.  um  1020  in  Malaga,  lebte  zuerst  in  Saragossa  und 
•i  in  verschiedenen  spanischen  Städten,  gest.  um  1069  in  Valencia. 

Philosophie   ist   eine   von    Aristoteles   beeinflußte,   stark    neu- 
>te  Kmanationslehre,    welche    ihrerseits   die  Kabbala  beeinflußt 
manchem  Punkte  auch  christliche  Scholastiker,  besonders  Duns  Scotus). 
Wichtigste    Isi    seine   Lehre   von   der   Materie   und    vom   göttlichen 
Willen.     Kr  nimmt  (wie  schon   Plotin)  an,   daß  (mit  Ausnahme   Gottes)  alles 
h  die  Seele)  aus  Form  und  Materie   bestehe;    neben  der   sinn- 
lichen, körperlichen  gibt  es  auch  eine  geistige  Materie,  d.  h.  eine  Grundlage 
italtang  und   des  Wirkens.     Form  und   Materie  werden  durch   die   Be- 
bnnden.     Die   Materie    existiert   nur   durch    die   Form,    denn    die 
rührt  von  der  Form  her;  daher  bewegt  sich  die  Materie,  um  die  Form 
pjen,  um  aus  dem  Schmerz  der  Nicht-Existenz  herauszukommen.     Die 
die  Verschiedenheit   rührt  von   der  Form  her.    Materie  und 
m  Bind  vom  göttlichen   Willen  abhängig.    Es   gibt   neben   der   allgemeinen 
m   allgemeine,  universale  Materie,  ferner  eine  Weltvernunft,  eine  Welt- 
ond  eine  Natur,  welche  alle  aus  Gott  emanieren,  wobei  das  Körperliche 
in  Urbild  hat. 
ler  alles  Sein  überragt  und  seinem  ureigensten  Wesen  nach  unfaß- 
bar ist.  wirkt   in   der   Welt   durch   den    aus   ihm   emanierenden  schöpferischen 
Willen  in  weitere  Kräfte  emanieren.    Dieser   Wille   ist   eine  göttliche 

eiche  alles   bewegt  und  von  der  alles  abhängig   ist,   da  er  in 
•      Alle  Dinge  Btreben    nach  Vereinigung.     Der  Wille  ist  der  Erzeuger 
Materie,  die  er  mit  einander  verknüpft.    Die  menschliche  Seele 
w  eltg<  istes. 

•  :   Hauptwerk:  Mekor  chajjim  (Föns  vitae),  von  Sehern  Tob  ibn  Falaquera 
Hebriiwrhe  übersetzt,  bei  Munk,  Melanges  1857;  lateinisch  1892—95  (ed.  Baeuraker). 
\).   Philos.  d.  Sal.  Ibn  Gabirol,    1889,    ferner  die  historischen 
Arbeiten  ras  D.  ]  M.   ElBLER,  M.  JoEl,  D.  NeüMARCK. 

Iv  Iren  na  ribn  Sina),  arabischer  Philosoph  und  Arzt  (als  solcher  durch 

Kanon"  lange  berühmt),  geb.  980  in  der  persischen  Provinz 

rin  und  Philosophie,    führte  ein   unstetes   Leben,   schrieb 

irb  1087   zu    Ramadan.    Außer   einer  großen   wissen- 

ondera  Kommentare  zu  Aristotelischen 

ondo.    Metaphys.  Logic.  Phys.  u.  a.).   Metaphysica, 

>ähi  rte  \.  die  neuplatonische  Gedankenrichtung 


AVKKNNA    —    BaADKK. 

desselben    dem    Arislotelismue.      Wichtig   ist    sunächst    Beine   Universalien- 
lehr--.  \\ t-lche  spii*        Scholastiker   beeinflußt    hat.     1      -    11t   den    .^atz    auf: 
„InteUectus  in  fornua  agit  aniversalftaiem",  wonach  daavergleichend-abstral] 
Denken  da.-    logisch   Allgemeine  („genus   logicum")  auf   Grand    des   in   den 
Dingen  Bteckenden  realfii  Allgemeinen  gewinnt     Vor  den  Dingen  existiert 
Allgemeine  nur  im  göttlichen  Intellekte*     Das  Allgemeine  als  logisches  Gebilde 
i-t  Gegenstand  der  Reflexion  („inten tio  Becunda").    Daa  Prinaip  der  Vielheit, 
der  ludivitluation   ist  die  Materie.    Diese   ial   ewig,   d.  h.   sie  geht   wie  der 
Weltgeist  (aktive  Intellekt)  und  wie  die  Welt    ewig  ans  Gott   hervor,     l 
Himmelsephären  sind  durch  je  eine  Seele  bewegt    Die  Vernunft 
unsterblich.    Sie  ist   einfach   und   vom  Leibe  trennbar.    K-   gibt    iuflere  und 
innere  Sinne.    Zu  den  letzteren  gehört  der  Gemeinsinn.    Auch  eine  Theorie 
Sehens  gibt  A.,  der  als  Psychologe  nicht  ohne  Bedeutung  ist 

l'KANH.  Gesch.  d.  Log.  II2,  S.  325  tf.  —  M.  Wintkk,  l'ber  Aricennas 
Opus  egregiam  de  aniraa,  1903,  auch  die  im  Artikel  Averroes  zitierten  Schriften  Ton 
Ml   NK    u.   DE    BOSS. 

■■a¥ffi|  P.  H..  gest.  1875.  =  Bensnaliatischer  Psychologe  und  SosialphiloBoph. 

Schriften:  Cours   de   philosophie    generale,   1821 — 24.   —  Des  compensations  dans 
les  destinees  humaines,  3.  ed.   1847. 


I*. 


Baader.  Frans  (von»,  geb.  1766  in  München,  Btudierte  Medizin  und 
B  i.   war   höherer  Beamter  (Bergbau),  Beil    1826    Professor   in    München. 

1841. 

B.  ist  ein  aui  kathol  weinen  Boden  selbständig  Bpekulierender  (von  Jacobi, 
Bchelling,  auch  von  der  Kabbala,  .1.  Böhme,  V.  Weigel,  Baint-Martin beeinflußt 
Philosoph,  dosen    Lehren   einen   gnoetischen,  mystischen,   theosophischen 
<  'harakter  haben  und  vieltaeh  ein   Präralieren  der  symbolisierenden   Phanti 

dem  reinen  Denken  aufweisen.  In  seiner  Erkenntnislehre  ist  eigenartig 
die  organiache  Auffassung  des  ESrkenntnisaktes,  dessen  Analogie  zur  Zeugung 
betont  wird,  wie  äberhaupt  bei  1>.  (ieisti<re>,  auch  Kelijiiuses  ra  erotischen 
Begi  Efen  in  Beeiehung  gebracht  wird.  Erkennen  ist  ein  »Durch-  und  Kin- 
drii  in  „Umgreifen",  ein  Bilden  und  Gestalten,  ein   Erhnbenwerden 

Durchdrungenen  in  das  ESn-  und  Durchdringende.    Der   Brkenntniatrjeb  geht 
aui  e  Zeugung,  wobei  ron  den  auAern,  mechanischen  das  innere, lebend 

dynamische    Erkennen    zu    onterscheiden    ist      Nicht     „cogit*  im" 

l  H  moJ  h    hauten,   Bondern  r",  denn    dj  kennen    i-t   ein 

Ifitwissen  des  göttlichen  Wiesen*,  ein  QewuAtwerden,  indem  nne  Qotl  innewohnt 
rt  y  erkennend  und  wollend,  „aktooae*4  Einheit,  ■         Sein  und  Word 

ein   sieh  entfaltend«  n,  das    sieh    seihst    ^ehielt,    Sich    innerlich   und   äui 

lieb  offenbart.    In  Gott  ist  all  Qngrund  die  ewige  Natur  enthalten.    Gott  er- 

kfimi  -i<h   nur,  indem   er   sich  her  vm  bringt    und    umgekehrt,  es   besteht  - 

ewige    Sfll»-t.  r/.  u-iin-     <i«>tte>.       I1        I        ■  h    wollend    V-     \ 


Haapek  —  BA<  0. 


;i  aus   dieser  Fassung   immer   als   Geist  in   die  Weisheit. 

b  durch  das  Wort  (den  Sohn)  erst  selbst  offenbar.     Wie  in 

von   Geist,   Socio,   Leib  besteht,  so  ist  Gott  der  „Urternar'V 

Welt   einen  „Quaternar"  bildet.     „Sich   selbst   verzehrend   in  der 

s,  kehrt  Gott  als  Geist  wieder  vom  Gezeugten  in  sich  zurück, 

mit  Wohlgefallen  ruhend  und  doch  wirksam  oder  schöpferisch  tätig 

tun  a  lagehend."    ..l>rei  sind  hervorgebracht:  Sohn,  Geist  und  Welt,  und 

nicht  hervorgebracht :  der  Vater'.    Der  „immanente"  Lebensprozeß  Gottes 

iiancntnr  \  durch  den  erst  Gott  dreipersönlich  wird.  Die  Schöpfung 

is  der  ewigen  Natur)  ist  ein  Akt  der  Liebe.    Die  Materie  (sowie 

in-Zeit  und  das  Mechanische)  ist  erst  durch  den  Sündenfall  bedingt. 

Das  vollkommene  Leben  ist  die  wahre,  ewige  Zeit.    Der  Mensch  war  Ursprung- 

D-weiblich;  durch  den  Bündenfall  ist  er  dem  wahren,  zentralen  Leben 

in  einer  Unnatur,  von  der  er  zu  erlösen  ist.    Die  Ethik  gründet  B. 

auf  den  Glauben  an  eine  innere  Wiedergeburt.    Prinzip  des  Gesellschaftlichen 

Lutoritat;   das  Ideal  ist  ein  theokratischer,  christlicher  Staat,  ohne  daß- 

unbedingten  Papsttum  ergeben  wäre. 

1'..  hat  besonders  auf  Bchelling,  Molitor  u.  a.  eingewirkt.    Schüler  Baader» 

i  Soffmann,  Lutterbeck,  Hamberger. 

riften:  Beiträge    zur    Elementarphysiologie,    1796  (von    Schelling  benutzt).    — 

d«*    jiUhagoreische  Quadrat    in    der   Natur,    1798.    —   Beiträge    zur    dynamischen 

;^09.  —  Über  den    Blitz   als  Vater  des   Lichts,    1815.    —    Über  den  Ur- 

tcrntr,   181  Über  den  Begriff  der  Zeit,  1818.  —  Fermenta  cognitionis,    1822 — 25. 

Vorlegungen    über   Sozietätephilos.,    1832.    —    Vorlesungen    über   spekulat.   Dogmatik, 

1828—38.  —  Sämtliche  Werke,  1851—60  (im   15.  Band    die  Biographie  B.'s  von  Hoff- 

M.   Schriften  und  Aufsätze,  1832.  —  Vgl.  HAMBERGER,   Die   Kardinal- 

pankte  in  H. 'sehen  Philos.,   1855.  —  H  OFFMANN,  F.  v.  Baader,    1856    u.    Die  Welt- 

-      NOACK,  Philos.-geschichtl.   Lex.,  S.  87  ff. 

It.t<  hmaiiii.  C.   lt..  geb.  1785   in   Altenburg,  seit  1812   Prof.  in   Jena, 
I  jsI    Anhänger  Bchellings  und  Hegels  („Die  Philos.  u.  ihre  Gesch.,, 
■    i  -• .  tier  I  [egels. 
■    :'  rte»  der  Logik,   1828.  —  Anti-Hegel,  1835. 

HachofVii.   .1.   .1..    \£  37.     Die  Schrift  „Das    Mutterrecht",    1861, 

Lehre  vom  „Matriarchat"). 

•*««•••  -•         Doctor   inhabilis",    geb.    um  1214  bei    Ilchester,. 

' :    i  in  Paris  Theologie,  aber  auch  Mathematik  u.a., 
,::i  l.-lini-      .Ich    lioberl    Grosseteste    (Greathead)    in    den 

ikaner-Orden  ein,  beschäftigte  sich  de!  mit  Naturwissenschaft,  auch  durch 
lebte  1257    '*>:   in    Frankreich,  wurde  der  Zauberei  ange- 
ll Kerker,  starb  1294  in  Beiner  Heimat. 

der   wenigen   Scholastiker,  die  den   Wert  der   Er- 

Neben    phantastischen    Einfällen    hat    er    schon    gute 

Von   Aberglauben   nicht  frei   (Astrologie  u.  dgL) 

baftliche  Kenntnisse,   so  besonders 


Baco  —  Bacon. 


in  der  Optik,  in  seiner  Theorie  des  Sehens,  die  auch  den  Emfiufl  da  Urteils 
iicksichtiirt.  Stark  betont  er  den  Wert  der  Mathematik  ond  der  Sprach- 
forschung. Die  syllopstische  Logik  schätzt  er  (wie  spiter  Francis 
gering.  Außer  der  demonstrativen  Erkenntnis,  welche  für  sich  allein  den 
Zweifel  nicht  ganz  behebt,  gibt  es  das  empirische  Erkennen,  ohne  welches 
nicht-  :  11t  wenlen  kann  („sine  azperientia  nihil  snfflcienter  Bciri  p 

Die  Erfahrung  ist  entweder  auflere  (^>er  aenaua  exteriores"),  welche  die  Natur 
zum  <  t»  Lr*-i i -t;i 1 1«  1« •  hat,  oder  innen-,   auf  das   uberainnliche  gerichtete,   auf  ..In- 
spiration",  göttlicher  Eingebung  beruhende   („scientia  interior",    „iUuminati 
Von  dieser  letzteren  Art  der  Erfahrung  gibt  es  neben  Stufen,  auf  denen  man 
zur  mystischen  Ekstase  gelangt    EX  c  „intellectus  ins  mit  dem  I. 

welcher  die  Seelen  der  Menschen  erleuchtet,  indem  das  göttliche  Licht  in  ans 
eindringt  (dafl  dies  nicht  mit  dem  Averroismua,  ron  dem  r>.  bnmerhin  beein- 
flußt ist,  zu  rerwechseln  ist,  aeigt  Mandonnet  in:  Biger  de  Brabant,  ]v 
Die  Philosophie  ist  der  Theologie  untergeordnet,  und  so  ist  die  Erkenntnis 
Bchliefilich  dem  Glauben  ontertan,  welcher  dem  Wissen  vorangeht.  Wahrend 
die  Philosophie  die  Tatsachen  in  ihrer  qualitativen  und  auch  quantitativen 
Beschaffenheit  sowie  ihrer  Ursächlichkeit  oach  erforscht,  verfahrt  die  Theo! 
teleologisch  und  traut  nach  den  Zwecken  des  Geschehens. 

Schriften:  Opus  maius,  1773.     Opun  minus  (Auszug  aus  dem  vorigen).     I  .um. 

<  «»inpendium    philoeophiae.      0  I.     8,     BrSMT,    18.r>9.    —    Vgl.    ES.    CHABJ 

R.  Haco,  1861.  —   K.  WERNER,  PayeboL,  Krk.  u.  W  if-senschaftelehro  des  R. 
Kosmologio  u.   allg.  Xaturlehre  des  R.   B.    1879. 

Kacon  dat.  Baco),  Francis  (von  Verulam),  geb.  22.  Januar  1561  in  London 
als  Sohn  eines  hohen  Beamten,  studierte  in  Cambridge,  widmete  sich  der 
Jurisprudenz,  wurde  ECronanwalt,  Mitglied  des  Parlaments;  1618  wurde  er  Lord- 
kanzler und    Baron   von   Verulam.  dann    VisCOUnt     VOD    St    Albana.     Er    wurde 

21)  der   Bestechlichkeit  beschuldigt    und   (vom  Parlament)  an   einer  großen 

Geldstrafe  und  zum   Verlust   seiner  Ämter  verurteilt.     Vom    König    (J  be- 

idigt,  lehn   er  nur  noch  iriat«nschaftlich.en  Btndien  und   starb  am  9.  April 

1626  zu    Highate  bei    London.      Sein   Charakter  war.   wenn   auch   bei  weitem  kein 

fleckenloser,  doch  nicht  so  schlimm,  als  es  oft  behauptet  wurde. 

Bacon  gehört  zu  den  Begründern  der  neueren  Philosophie,  indem  er  schart 
dem  rein  begrifflich-syllogistischen  Verfahren  der  Scholastik    entgegentritt,   aut 
das  Studium  der  Natur  rerweiat  und  als   Grundlage  des   Erkennens  d 
fahrung    und    Induktion   anaieht,   so  dal',    er   der  Begründer  d<  ren 

Empirismus  ist.     Er  hat   zwar   nicht    (wie  Galilei  o.  a.)  die   Naturforschu 
reichert,  aber  troti  mancher  Unzulänglichkeiten   und    [rrtümer  kritische   und 

iv<  !.•  .'.•:  ant  dem  Gebiete  der  Methodolog  Erkenntnis-  und  Wissen- 
ichaftslehre  erzielt     Der  praktische  Sinn  des  Engländers  zeig!   sich  darin,  dafl 

•  tintni-  die  Aufgabe  euweist,  dl     I  i      ■  h<  n  Ix-sser  zu 

stalten.    „Wissen   ist    Macht"    bat    seine  I1  i  mtum   j>ossuinus,   (|uantum 

scimus"),      Um   aber   frahres    Wissen   zu   erlangen.   hrdart   es  einer  fundamentalen 
Erneuerung  der   Wissenschaft,    wie   denn    auch    die    Schriftei        1' 
und  ..Noviiiu  Organon"  Teile  einer  „inntauratio  m  bilden  sollten. 


Bacon. 

In  4      g       !t  JDe  dignitate"  scheidet  B.  scharf  das  Gebiet  der  Philosophie 
der  Theologie  (wobei  die  Lehre  von  den  „zweifachen  Wahrheiten" 
kommt  and  erklärt   wird,   wenig  Philosophie  führe   von   Gott   ab, 
hie   wieder   zu   ihm    zurück)    und   gibt  eine   Übersicht   über   den 
tualis",  eine  Einteilung  und  Begriffsbestimmung  der  Wissen- 
Dieee  Einteilung  hat  ein  psychologisches  Prinzip:  dem  Gedächtnis 
Geschichte,  der  Einbildungskraft   die  Poesie,  dem  Verstand   die 
Philosophie.     Dl  lichte  zerfällt    in    „historia  naturalis"   und    „historia 

.  u  der  die  postulierte  National-,  Literatur-  und  Philosophiegeschichte 
1 »     Philosophie,  die  begriffliehe  Gesamtwissenschaft,  ist  die  Wissen- 
Gott,   der    Natur   und    dem   Menschen.     Die    „philosophia  prima" 
dis)  handelt   von  den  obersten  Grundbegriffen  und  Grundsätzen 
hatten  (von  den  „commuoia  et  promiscua  scientiarum  axiomata"). 
Naturphilosophie    ist    teils   theoretisch   (spekulativ),    teils   angewandt 
Mechanik,  natürliche  „Magie");  die  erstere  zerfällt  in  Physik  (Lehre 
ii  und  Kräften)  und  Metaphysik  (Lehre  von  den  „Formen"  und 
Die    Anthropologie    ist    „philosophia    humana"    und    „philosophia 
-   Latsphilosophie).     Neben   der  Physiognomik  und  Physiologie  ist  die 
_  •     Psychologie,    Logik    (wesentlich    Erfindungskunst)    und   Ethik. 
Psychologie  B.'8  ist  hervorzuheben   seine  Unterscheidung  der  sinn- 
der  Vernunftseele  (Geist)   und   die  Ansicht,   daß   (unbewußte)  Per- 
l'.mpfindungsfähigkeiten)   allen  Dingen  zukommen   (Panpsychismus). 
dp    der    Ethik   ist   der   soziale    Eudämonismus,    das    Gesamtwohl.     Die 
3     l'-nlebens  ist  für  die  Ethik  wichtig,  da  man  z.  B.  wissen  muß, 
daß  Affekte  wieder  nur  durch  Affekte  zu  bekämpfen  sind  (vgl.  Spinoza).    Eine 
- •aiiNphilosophie  ist  die  (nicht  vollendete)  Utopie  „Nova  Atlantis" 

■ii"  geht  B.  zunächst  kritisch  vor.   Wollen  wir  die  Natur 

Wissen  beherrschen,  dann  müssen  wir  ihr  zuerst  gehorchen,  ihren 

folgen,  sie  getreu  auffassen  und  interpretieren.    („Ea  demum 

;-hia.  quae  mnndi  ipsius  voces  quam  fidelissime  reddit  et  veluti 

mundo  oonscripta   est."     „Naturae   imperare   parendo.")    Dazu  ist  es 

daß    wir   uns   unserer  Vorurteile   („Idole")   entledigen, 

Erkenntnis   trüben    und    verfälschen.    Es   gibt   erworbene   und   an- 

r.  n«    Vorurteile;  letzten-  inharieren   der  Natur  des   Intellekts  selbst.    Vier 

Art'  es:  1.  Die  Idole  des   Stammes  („idola  tribus"),  d.  h. 

blichen     Natur    begründeten    Vorurteile   (Antropo* 

".  dgL  Die   Idole  der  „Höhle"  („idola  specus"),   die  indivi- 

Böhle"  erinnert  an  die  Höhle  Piatons,  in  der  die 

itten  der  vorüberziehenden  Gegenstände  sehen.)    3.  Die 

i  ),  die  durch  die  Gesellschaft  und  besonders  durch 

Irrtum«  i.    1.  Die  Idole  des  „Theaters"  („idola  theatri"),  die 

!•!    Aristotelischen    Philosophie   mit  ihrer  Über- 

luk-tivcii  Verfahrens,  des  Syllogismus,  der  (wie  die 

>t)  mir  i    W'.it   hat, 


Bacox  —  Bagehot. 


Die   richtige  Methode   dar    Naturerkenntni«   i-t   nicht    die  deduktive  (die 
•  an  zweiter  Stelle  kommt),  sondern  die  auf  Beobachtung  and  Erfahrung  be- 
ruhende    Induktion.     Aber   Dicht    von    der  ..vairen-,    gemeinen,    sondern 
der  methodisch  geregelten  Erfahrung  ist  anaaugelien.     Ebenso  isl  die  gewöhn- 
liche Induktion    (per   enumerationein    sunplicem)   durch   eine    „wann  ikte 
Induktion  zu  ersetzen,  welche  auf  Grund   von   Beobachtungen,   Vergleichunf 
und  Experimenten  erst   zu  Batzen  von   mittlerer  Allgemeinheil    und  dann  . 
diesen  ins  zu   allgemeinsten  Batzen  und  i          en   aufsteigt,   wobei   sie   neben 
den  jM.sitivfn  auch  besonders  die  negativen  [nstansen  berücksichtigt,  siehaui 
die   (27)  „Prärogativen"    (d.   li.   besonderen    Erkenntniawerl   aufweisenden)    In- 
stanzen   stützt    und   quantitative    Beziehungen    („tabula    graduum1*)   feststellt 
„Spes  es!  una  in  induetione  venu"     ..!>'■  Bcientüs  tum   demum   sperandum 
quando  per  Bcalam  reram  et  per  gradus  continuos  et  noo  intermissos  au1  biuleoi 
a  paiticularibus  ascendetur  ad  axiotuata  minora   et    deinde    ad    media,  alia   aliis 
superiora,  et  postremo  demum  ad  generalisaima"    (Nor.  Organ.  104).     In  der 
empirischen   Naturwissenschaft   Bind  als   Ursachen  („Vere  scire  est   per  cau 
acire"),    Kräfte   und  Gesetze,  nicht    verborgene  Qualitäten,  „Formen"   und 
Zwecke  zu  erforschen.    (Unter  den  ..Formen"    versteht    B.   aber  auch   gesetz- 
mäßige   Konstitutionsweisel]   der    Dinge:    Nov.  Org.   II.  17.)     Das   Verfahren, 
welches  B,  als  induktive  Methode  empfiehlt,   ist  infolge  Beinef  [Jmständlichkeit 
zum  Teil  veraltet.     In  neuerer  Zeit  hat   J.  St.  Mill  die  Methoden  der  Induktion 
neu  formuliert. 

3  hriften.  Essays  moral,  economical  and  political,  1597,  auch  1862.  —  De  dignitate 
et  augrnentis  scientiarum  (erst  englisch,   1605),   1623,  deutsch  1783.   —  Novum  Organum 

tiaruin  lauf  Grundlage  der  Cogitata  et  visa,  1612),  1620,  1839,  dcuUch  1870  (Phil. 
Bihl.).  —  Sylva  sylvarum,  1627  (Nur  Materialien  zur  Naturgeschichte).  —  Werke  1663, 
1825—  84,  I8.r>7  —  69,  mM  Letten  and  Life  of  F.  Bacon,  1862  —  72.  —  Vgl.  K.  FlSCHKE, 
1.  Bse.  \  Verul.,  1856,  2.  A.  1875;  Bacon  und  seine  Schule,  Gesch.  d.  neueren  Philos. 
X.   :  •    i  EL  Hii—i  r.i :.  K.  Bacon  u.  s.  geschieht]    Stellung,  1889.  —  E.A.ABBOTT, 

ri     Bl    ,    1885. 

Baroiitliorp.  John,  gast.  L340.  =  Bcholastiki 

B     hriften:      Super    (juatuor    sententiarum     lihrin,     1510.    —    (Juaestione«     quiMJ- 
iies. 

Kiu'r.  Karl  Ernst  v.,  1792 — 1876b  =   Als  Biolog  berfihmt,  für  die  Philo- 

hie  durch  seine  tel<  h  <   laitwicklungslehre  bedeutsam*     Die  Natur 

:  das  Wirken  einer  Gottheit  hin,  sie  enthalf  Vernunft  und  Harmonie. 

wirkt     nach    Zwecken.      F>  kommt    dir  ..XieUtivliiejkeit"  zu.  ein   niclit   i>»  wüßtes 

li  aut  bestimmte  Ziele,  die  durch  « 1  i •  -  inechaniaehe  Gesetzlichkeit 
reicht  werden. 

hriften:     Reden    und    kleine    Aufsätze,   1864  —  77,  I.    A.    L886,    —    Studien    auf 
der    Naturwissenschaften,    1874.  —    Vgl.    BTÖLZ]  l.    K,    B     I      Haer   u.    M 
WtltSBMbaoai  liriften    \,.n    1»|  nm  i:  i     u.    a. 

Ita^diot.   Walt  Uacha  Bosi  Panrinistiacher  Standpunkt, 

I  o n ur  der    IIa  —  - 

v     »irittei,  •   lad    Politks,    1872.    —    Der  Ursprung  der   Natinno 


Baggeskn  —  Baut. 


KnsifC»*«1!!.  .Ten^.  dänischer  Dichter,   1764—1826.  =    Anhänger  Jacobis. 
tffenbarung  Gottes. 

-       .;  :  Thilos.  Nachlaß,  1858— 63. 

llnlijii  (Bachja)  ben  Josef,  jüdischer  Philosoph,  um  1100,  Verfasser  einer 
die    Berzenspflichten  (1490,  1846,  deutsch  1836),   die  er  von  den 
pflichten"   unterscheidet   und  zu  denen  er  u.  a.  Liebe  zu  Gott,  Demut 
rechnet     Diese  Pflichten  bilden  die  Grundlage  der  Gesetzestreue. 

Italm^cii.  Julius,  geb.  1830  in  Tondern,  Gymnasiallehrer,  gest.  1881  in 
=  B.  isl  besonders  von  Schopenhauer  beeinflußt. 

hen  Dialektik    stellt  B.   eine    „Kealdialektik"    gegenüber,   eine 

n mistische    Metaphysik,   nach   welcher  das  Ding  an  sich,   der  Wille, 

,  sich  selbst  im  Gegensatz  steht.    Der  Wille  ist  nicht  ein  Wesen,  sondern 

ine   Vielheit    von    Individuen   („Henaden")   zerspalten,   die   zueinander   in 

/    treten.      Der  Wille  ist  überall    „selbstentzweit",    das   Seiende  die 

rang    des    Wollens   mit   einem   widersprechenden   Nichtwollen".      Der 

Wille  will  eigentlich  das  Nichtwollen,   strebt   aber   immer  wieder.     So  ist  das 

antilogisch",  die  Zwecke  des  Willens  sind,  als  einander  widersprechend, 

erbar.      Das  Denken   kann  das  Sein   nicht   bewältigen,   weil  im   Sein 

W  iderspruch  steckt,  eine  „Realdialektik".     Die  „Weltnegativität"  ist 

ifhebbar,   das   Logische  führt  sich  selbst  ad  absurdum.     Die  Realdialektik 

Resultat  des  ..in  verschiedenen  Richtungen  auseinanderstrebenden,  selbst- 

d    Willens".     Die  Ideen  sind  Willensinhalte.     Der  Wille  liegt  aller 

_.   Kraft  usw.  zugrunde,  er  ist  das  Movens  alles  Geschehens. 

riften:    Beiträge  zur  Charakterologie,    1867.    —    Zur  Philos.  der  Geschichte, 

—    Das   Tragische  als   Weltgesetz,    1877.    —    Der  Widerspruch   im   Wissen  und 

We«cn  der  Welt,   1880 — 81   (Hauptwerk).    —    Wie  ich  wurde,    was  ich  ward,   hrsg.  von 

Hain.  Alexander,  geb.  1818,  Professor  in  Aberdeen,  gest.  1903. 

rl  zu  den  bedeutendsten   englischen    Ass  oziation  psycho  logen; 

atlich  von  J.  St.  Mill  beeinflußt.     Außen-  und  Innen- 

1  »bjekl  und  Subjekt  sind   Korrelate,    die   Dinge   sind    uns  nur  in   Be- 

Dserem    Bewußtsein    gegeben.      Für  das  Außenweltsbewußtsein 

Hü.  der  zugleich  Kraftsinn  ist,  von   Bedeutung,    indem  die 

enwell    nur  die  Gesamtsumme  der  Anlasse,   Energie  zu  entfalten,  ist  („the 

tnonfl  for  putting  forth  active  energy").    Kein  Objekt  ohne 

;  („We  can  Bpeak  only  of  a  world  presented  to  our  own 

und   Physisches  sind  nur  zwei  „Aspekte"   einer  und  der- 

Wirkliehkeit    (Identitatsstandpunkt).      Den    Empfindungen    gehen 

ran,    dir-  durch    Nerven  Impulse  ausgelöst  werden,  in- 

i   i    Natur  de«   lebenden  Organismus  gehört.     Die  „spon- 

•   rieh  triebhaft  von  Anfang  an.     sie  ist  das  Urelement 

iation    zwischen    Bewegungsvorstellungen    und 

bt    Dai  Gefühl  der  Lust  Deruht  auf  der  Harmonie, 

Konflikt    zwischen    unseren    Empfindungen.     Alles 


Bai>*  —  Bai.i.aii. 


-leben  beruht  aut  (emfacher  oder   zusammengesetzter   oder  kon-trukn. 
Assoziation.     Es  gibt  Assoaistioii   durch   Kontinuität    (Berührung  in  Raum 
und  Zeit)  und  durch  Similaritat.       Auf  einer  Assoziation  zwischen   Sinnes-  und 

Mu-keleni{»tindungen  beruht  die  R  au  m vorstell  u  ng. 

Schriften:    The  Senses  and  the  Intellect,    lb.'ö,   4.  ed.   1894.    —    TW    I 
and  the   Will,   1859,   4.  ed.    1899.  —  Logic,   1870.    —     Mind  and  Body.    1*73:    deutsch 
2.  A.   1881.  —  Autobiography,    1904.  —   Abhandlungen  im  „Mind". 

Balriinotti.  Oesare,  gest.  nach  1820.  =  Empirist. 
Schriften:   Do  recta  humanae  mentis  institutione,   1787,  u.  a. 

Kalriwin.  .1.  Mark,  Professor  in  Baltimore. 

B.  erörtert  in  Beinen  evolutionistisch-sozialpsychologischen  Ar- 
beiten wichtige  Begriffe,  wie  den  der  Nachahmung,  der  ..Projektion"  des  Ich-, 
der  ..organi-ch.ir  Selektion  u>\v.  Seine  ,. Logik"  steuert  auf  einen  ..ästhono- 
mJBchen  Idealismus",  welcher  dir  (relativ  berechtigten)  „Dualismen"  des  Ver- 
BtandeeBtandpnnktefl  überwindet.    Gegenüber  den  sitzen:  Subjekt  —  Ob- 

jekt, Geist    -  Körper  usw.,   welch.'  die  Reflexion  nicht  zu  überwinden  venu 
isthetische  Erfahrung"   auf   ehe   Einheil  der  Gegeu-at/.-.     In  di< 
Erfahrung,   welche  »ine  einheitliche  Synthese  i-t.  „ erlebt  das  Bewußtsein  seine 
vollkommenste   und    unmittelbarste,   endgültigste   Auffassung  dessen,   was  die 
Wirklichkeit  i-t  und  bedeutet"   (Genet  Log.  I.   8.  X  f.  .     Die  „aesthetic  con- 
templation"  ist  aberlogisch  und  uberpraktisch,  nicht  auf  Teilinteressen  bezogen, 
sondern   ihr  Ideal  i-t  Vollständigkeil  und  Verbindung  von  [ch  und  Nicht-Ich 
.■•hol.  Review,  1906).    Gefunden  wird  diese Ar(  Erkenntnis  durch  die  ..Iteal 
;.  ••.    welche  die  „Genetic  l  ergänzt   —   Ober  den  Begrifl  i  di- 

tatskoerrlzienten"  rgL  Mind  XVI. 

-     briften:     HandbookB    of    Psychol  .    L890.     —     Mental    Developiumt   in   tho   Cl 

and   in   tbe    Kai.-,    I89ü    (deutsch   1898).    —    Social   and   Mental    Interpretation»   in   Mental 
■tat,    1«98    (deutsch    1907).     —    Story   of  tbe   Mind,    1898.    —    D«T6]opm0ftt    and 
ution,    1902.    —    Dictionary   «.f  l'bilos.  and  Psychol.,   1901,   1905.    —    Tboogkta  and 
Thtngi  ideut.-.h:    Dtt    henken   u.  die  Dinge  -ehe  Logik,   1908  f.). 

ItalConr.  Jamee    englischer  Staatsmann  und  Philosoph.   =   Gegner 

Naturalismus",  d.  h.  der  Identifikation  der  (allein  praktisch  wertvollen)  An- 
schauung der  Naturwissenschaft  mit  der  endgültigen  Weltanschauung,  welch.' 
sich  aui  einen  Glauben  stützt,  der  durch  die  Naturwissenschaft  —  die  auch 
im  Glauben  ihre  Grundlage  hat    -    nicht  n  erschüttern  i-t.     l>ie   Bedeute 

der  Autorität  wird  von  B.  betont. 

nriften:     The    Fuundati<>nn    ol  —     Refidctioni 

lau.b    deuUch). 

Itallaii<*li<>,   Pierre  Simon,   neb,   1776  in   Lyon,  gest,   1847  in  Paria.  = 
B       •  >nl   den   Zusammenhang   zwischen    Geschichte   und   Offenbarung,  d< : 

•  lukt  dii    -        be  ist 

:  Falii  -•  ••  •  üe  sociale  i  MI 

Itallauf.    Ludv.  Et  ilschuldirektot  in    \  Oldenbui 

Von  !'"  m  k<  I I  iner. 


Ballauf  —  Barth. 


unttte    d«    Psychologie,    1877;    3.  A.  1890.    —    Die  Grund- 
..  u.  a.  (viele  psychologisch-pädagogische  Aufsätze). 

Kalme«.  Jahne   Luciano,    geb.  1810  zu  Vieh  (Spanien),   gest.  1848.  = 
wohl  den  französischen  Sensualismus  wie  die  idealistische  Spe- 
ii.  a.  und  nimmt  (mit  gewisser  Selbständigkeit)   einen   scho- 
Bchen  Standpunkt  ein. 

riften:    Filosoüa    fundamental,    1846;    2.  A.    1849;    deutsch  2.  A.    1861.  — 
tiloeofia  elemental,  1847;   deutsch  1852—53.  —  Vermischte  Schriften,  deutsch 

Itaracli.  C.  8.  =  Ethischer  Idealismus. 

riften:  Die  Wissenschaft  als  Freiheitstat,   1869,  u.  a. 

Barbara^    Hermolaus   (Ermolao),   geb.   1454  in  Venedig,   gest.  1493. 

d  Kommentaren  zu  Aristoteles.  =  Gegner  der  Scholastik. 
B    driften:  Compendinm  scientiae  naturalis  ex  Aristotele,  1545,  u.  a. 

Iiar<le«»auie*.   geb.  um  154  n.  Chr.  bei  Edessa  (Syrien),  gest.  um  225. 
=  Gnostiker.    Gott   ist  der  „Urvater",   mit  dem  die  Urmutter  verbunden  ist; 
—  Im   ist   ehr  himmhsche  Christus,   welcher  die  „Achamoth"  erlöst,  die 
,  mit   ihm  verbunden  wird. 

Bpicilegium  Syriacum,   1855.   —  A,  MeRX,  B.  von  Edessa,  1863. 

Karriili.  Christoph  Gottfried,   geb.  1761  in  Blaubeuren,   gest.   1808  in 

tten.   =    Seine  Lehre  ist  ein   „rationaler  Realismus",  für  welchen  das 

Prinzip  das  (objektive,  in  uns  subjektiv  werdende)  Denken  ist.     Die  Welt 

Manifestation  des  Denkens,    dessen  Prinzip   die  Identität,    die  unend- 

ederhorui  Einen  im  Vielen  ist.    Das  Denken  bedarf  eines  Stoff  es ; 

kt   nicht   durch  das  Denken  zu  „zernichten"  ist,   ist  dessen  Form. 

in  jedem  Gegenstande  enthalten  (vgl.  Hegel). 

Allgemeine   praktische    Philosophie,    1796.    —    Über   die  Gesetze  der 

ldeenauoziation,   1797.    —    Briefe   über   den  Ursprung  der  Metaphysik,  1798    (Betonung 

de«    I  PantheUmu»).    —    Grundriß    der   Logik,    1800    (Hauptschrift).      In   dieser 

[.0    15.    Kant 

ltiir«'iil>a<-h.    Fr.  (eigentL  Medveczky),   ungarischer  Philosoph.    Deutsch 

nken    über  die  Teleologie  der  Natur,   1878.    Prolegomena  zu 

Philoe.    1879    (=    1.  Teil  der  Grundleg.  d.  krit,  Philos.).  — 

Ethü   (1886,   1889)  und  Staatslehre  (1887).  —  Kriti- 

IS.ii  t  jilt.  1844—81.    =    Evolutionist  und  Hylozoist  (das  Gefühl 

•    enden).     Das  Gefühl  ist  auch  die  Wurzel  der  Moral. 

1809.     -     PhyricftJ   Motempiric,   1883.    —    Abhand- 
ln» II  . 

i*«ttli.  Leipzig.     Herausgeber  der  Vierteljahrsschrifl  für 

I  \C 

Wundf   beeinflußt.     Der  Wille  ist  das  Movens 
d( ;  Stufe  des  assoziativen  die  des  apper- 


Barth  —  Basii.im  ~.  4< 


septiven,   aktiven    Geisteslebens  zu   unterscheiden  ist     S     .-»logie  und  I 
schicbtephüceophie   sind   eins.     .  Eine  roflkommene  Soziologie  .  .  .  wurde  rieb 
mit    der  Geschichtsphilosophie   ganz   und    gar   decken.14       1.-    gibt    nur   eine 
Wissenschaft  der  Bcbickaale  der  menschlichen  ( lattung,  die  <  teschichtBpbii 
und  di< t         fi  Soziologie  ist  der  „Versuch  der  Wissenschaft  d 

Veränderungen,  die  die  Gesellschaften  in  der  Art  ihrer  Zusammensetzungen  er- 
leiden'4 fl'h.  d.  <;.  I.  i  ffj.  Gegenstand  der  Soziologie  sind  die  „prinzipiell 
wichtigen  Veränderungen  des  menschlichen  Willens".      Die  Gesellschaft  ist  ein 

stiger  Organismus,  ein  System  von  Willenseinheiten"  l>a-  soziale  Leben 
i-t  wesentlich  Willensleben,  und  der  Wille  verbindet  sich  mit  Beinesgleichen, 
um  besser  den  Kampf  ums  Dasein  zu  röhren.  Schon  verhältnismäßig  früh 
wird  die  Gesellschaft  dem  Einflüsse  des  apperzeptiven,  wissenschaftlichen 
Denken-  unterworfen.  In  der  Geschichte  sind  [deen  als  geistige  Kräfte  wirk- 
san  den  Marxismus);   sie  haben  einen  direkten  oder  indirekten  KintluiJ 

auf  da-  Li  len  und  pflanzen  sich  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  fort  Auch 
die  Geschichte  der  Erziehung  hat  I>.  sozidop-eh  untersucht  Die  Päda- 
gogik baut  er  auf  psychologischer  and  ethischer  Grundlage  auf,  mit  Berück- 
sichtigung  der   experimentellen    Arbeiten.     Die  Erziehung  definiert  er  als  die 

rtpflanzung  der  <  Gesellschaft'*. 

B     iiriftin:    Die  Geschkhtsiihilos.  Hegels  u.  der  Hegelianer,    1890.  —  Die  Philoa. 
d.   Geschichte  aN  -7.   --   Der  Beweggrund  des  sittlichen   Handelns,    1899. 

—  Die  Stoa,  2    A.    19o8.    —    Die  Elemente    der  Erziehung.-;-  u.   Unterriehtalehtf 

S.   —   Abhandlungen    soziologischen    u.   geschichtsj.hilos.    Inhalts    in  •  der    Viertelet 
sehr.  f.   wis«.   Phil.   '  Bd.   23   u.  a.,   besonders:  Geschichte  d.   Erziehung  i. 

Ha*»«'<lo*»v .    Job.    Bernhard,    Lr<'i>.    Kl':;    in    Hamburg  runder 

..I'hilunthn.pinunr    1774     gest  1790.   =   Aufklärer,   Päd  ler  da-  Natur- 

betont (Anklang  an  Rousseau).     I'».-  praktische  Philosophie  ist  eudämo- 
nistisch ;  auch  das  Erkennen  soll  dem  Glücke  dienen. 

9     hriften:     l'hilalethie ,     1764.     —     Theoret.     System     «ler    gesunden     Vernunft, 
.   u.  a.   —   Prakt.   Thilos,   1777.   —   Elementarhu«  h.    17  74,    1909. 

Ita^ilid«  <*    I  Antiochis  fSyrien),  lehrte  um  126  n.  Chr.  in 

Alexandrien.     Fragmente  aus  seiner  Schrift  ßnden  sich  bei  Cl(  rrenäus 

Hipporj  tue. 

B   gehört  zu  den  bedeutendsten  Gnostikern,  welche  christliche  Lehren 
unter   dem    Einflüsse   orientalischer    persischer]    [deen    eu   einem    System 
Emanation    verarbeiten,    wobei    die    religiöse    Entwicklung  om 

Juden-  /um  Christentum)   metaphysisch   ausgedeutet    wird.     Aus  dem  namen- 
losen göttlichen  Urvater,  welcher  nicht  geworden  i-t.  geht  der  Nu-    i 
diesem  der  L         uerroi      dann   emanieren    Phrones  mnenh<         -  phia 

w  -  ;-!.•        I'      unii    Ifs  ;      I      echtigkeit  und  Friede    Alledi«      I      .        men 

(ilden  mit  dem  I  Himmel,  aus  dem 

Himmelsephären    emanieren.  lind    ihrer   365,    welche    Zahl    da 

.  Lbraxai      symbolisiert.      Der  Judengott    steht  in  dii         Ordnung  tu  untei 

bafft   aus  dem   (  1 1  idle   d-  -    '  die  Well       Die 

Ifateri«  i  \       als  ( 'hristus.     1  •  ■    I 


Basilideb  —  Baumann. 


Dichtseienden  Gott  und  dessen  Willen,  von  der  Einheit,  in  welcher 
der  ganzen  Well  lag,  von   den  „ Sohnschaften",  vom  „über- 

-uiumc"  u.  dgL 
Tili  hoiin.  Das  basiliiliau.  System,  1855.  —   BAUR,  Theoi.  Jahrbücher,  1850. 

Itu— »o.  Sebastian,  17.  Jahrhundert.  =  Atomistiker. 

ritten:   Philosophia  naturalis,  1621. 
Ita-tian.   Adolf,    1826—1904.    Ethnolog  und  Völkerpsycholog.  =  Unter 
irgedanken"  vorsteht  B.  die  bei  allen  Völkern  sich  gemeinsam  finden- 
Grundanflchauungen,    unter    , .Völkergedanken"    die   verschiedenen    Welt- 
hauungen  der  Völker. 

trifte»:    Beiträge  z.  vergleich.  Psychol.,  1868.  —  Der  Völkergedanke  im  Auf- 
:,er  Wissenschaft  vom  Menschen,  1881.    —    Die  Welt  in  ihren  Spiegelungen  unter 
dem  Wandel  des   Völkergedankens,   1887.   —  Ethnische  Elementargedanken  in  der  Lehre 
Mo!>.hen,  1895.  —  Die  Lehre  vom  Denken,  1903,  u.  a.     (Viel  Material.) 

ItaiKMii.    Charles,    1713  —  1780.    =    Prinzip   der   Kunst   ist   die   Nach- 
der   schönen  Natur:   die   „Nachahmung"   besteht   aber  in  einer   aus- 
leo  und  verschönernden  Wiedergabe  der  Natur. 
-    h ritten:   Les  beaux  arts  reduits  ä  un  meme  principe,  1746;  deutsch  1752. 

Itaucli.   Bruno,  Privatdozent  in  Halle.    =    Kantianer.     Die  Ethik  ist  die 

schaff  vom  Werte  des  menschlichen  Handelns".     Der  Wertmaßstab  ist 

■•  r  Vernunft,   dem  Inbegriff  des  Geltens,  zu  entnehmen.     Das  Sollen  hat 

unmit  G   wrißheit     Sittlich  wertvoll  ist  allgemeingültiges  Wollen,  Handeln 

ichtbewußtsein  des  reinen  Willens. 

ritten.    Glückseligkeit   u.    Persönlichkeit   in    der   kritischen   Ethik,    1902.    — 

Die    Thilos,  im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts    (hrsg.    von    Windelband).    — 

lyo'j,   u.   a. 

ItaiHT.   Bruno,  geb.  1809  in  Eisenberg,  Privatdozent  in  Berlin  und  Bonn, 

i:  (dort  =   Herausgeber  der  „Allgemeinen  Literaturzeitung"  und 

fauer  einer  B  □  Arbeiten,    in  welchen  er  das  historische  Christentum 

'm.-llen  scharf  kritisiert.     B.  war  anfangs  Anhänger  der  (theistisch- 

Rechten"    der    Segeischen    Schule,    dann   einer   der   radikalsten 

Linken". 

Die  gute  Sache  der  Freiheit,   1843.    —    Kritik  der  Evangelien,  1850 
—   Kritik  der  paulininchen  Briefe,   1850  tf.,  u.  a.  —  Ferner:  Die  Posaune  des 
•  1.    —     Hegels  Lehre  von  Religion  und  Kunst,   1842.    —    Philo, 
Renan  and  Im  Di  um,   1874,  u.  a. 

It.iiiiiiaim.  .!  geb.  L837  in   Frankfurt  a.  M.,  Prof.  in  Göttingen. 

□    [dealrealismus.      I'hilosophieren   heißt,    „sich   durch 

Weif  orientieren".      Die  Erkenn tnislehre  beginnt  mit  dem 

•    kennen   bloß   unsere  Vorstellungen,   nicht  die  Dinge 

mg  einer  absoluten  Realität  läßt  sich  die 

ich  machen   lind  so  Biegt  der  Realismus.      Unseren 

rmen  entspricht  etwas  in  den  Dingen  selbst, 

i    nicht    ohne   Grundlage   in  der  Wirklichkeit, 


Baumavs  —  BÄÜMK] 

durch  welch«-  das  Wissen   bedingt   ist     G  -    and   Körperliches   sind 

schieden  und  nicht  auseinander  ableitbar;  doch  sind  die  psychischen  Funk- 
tionen an  die  physiologischen   gebunden.     l>i»-  Bubstanz  der  Beele  ist  tun 
störbar;  eine  Unsterblichkeit  besteht,  indem  die  Wiederkehr  der  Beele  in  einem 
neuen  Organismus  möglich  ist  (Elem.  d.  Philos.  B.  l-  Die  Annahme 

Existenz  Gottes  beruht  aui  sittlichen  Motiven.  Die  Welt  ist  eine  Manifestation 
des  göttlichen  Denkens.  Moralprinzip  ist  die  „Erhaltung  and  Förderung  der 
Menschheit"    1.  c  B.  158  ff.)- 

8  briften:  Philnsophi«-  als  Orientierung  über  die  Welt,  1872.  —  Sechs  Vor1: 
auf  dem  Gebiete  der  praktischen  Philos.,  1874.  —  Handbuch  d.  Moral  nebst  Abriß  der 
Rechtephilos.,  1879.  —  Elemente  d.  Philos,  1891.  —  Über  Willens-  u.  Charakterbild., 
1897.  —  Die  grundle^.  Tats.  z  e.  wiw.  Welt-  u.  Lebensansch.,  2.  A.  1901.  —  Die 
Grundfrage  d.  Religion,  1895.  —  Kealwiss.  Begründ.  d.  Moral,  d.  Rechts-  u.  d.  Gottes- 
lehre, 1898.  —  Über  Religionen  u.  Religion,  1905.  —  Die  Lehren  Ton  Raum,  Zeit  u. 
i.ematik,  1868.  —  Gesch  d.  Philos.,  1890.  -  Deutsche  u.  außerdeutsche  Philos.  »1. 
letzten  Jahrzehnte,   19<>:$   u.   a. 

Bmwmeistor .    Friedr.   Christian,     17"'.'     1785.    =    Anhanger    Lettmiz' 
stabilierte  Harmonie]  und  Chr.  Wolffs. 

-    hriften:     Philosophie  detinitiva,    1735.   —    Institutiones  philos.   rationalis,   II 
—  Inst.  metai>hys.,    1738,   1751.    —   Historia  doctrinae  de  mundo  optirao,   1741. 

Bmmmagmrtem,    Alexander   Gottlieb,    geb.   1714,    17  Dozent    in 

Halle,  dann  Prof.  in  Frankfurt  a.  Oder.  gest.  daselbst  17Ö2. 

B.  ist  der  bedeutendste  Anhänger  Chr.  Wolffs;    für  die  Ausbildung  der 
philosophischen  Terminologie   und  die  BystemaHsierung  der  Philosophie  hat 
viel  getan.     Beine   Lehrbücher   wurden   von   Kant    (in  dessen   vorkrit  Peri< 
den  Vorlesungen  als  Text  zugrunde  gelegt.     Die  Philosophie  definiert  er  als 
die  Wissenschaft  von  den  Eigenschaften,  die  durch  blofie  Vernunft   erkennbar 
sind.  0  I  tenkprinzip  ist  der  Satz  des  Widerspruches,  aus  dem  der  8 

des  Grundes  wonach  alles  Grund  ist  und  Polgen  hat     Den  Dingen  lief 

einfa  :he  Kräfte,  Monaden  zugrunde,  die  zueinander  im  Verhältnis  der  prae 
bilierten  Harmonie  stehen.  Das  Dasein  Gottes  ergibt  Bich  durch  den  onto- 
logischen  Beweis.  In  der  Ethik  ist  B.  Perfektionist  wie  Chr.  Wolff.  Beine 
Elauptbedeutung  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Ästhetik  (der  Ausdruck  Btammt 
von  ihm).  1'  Gnoseologie  Erkenntnislehre)  zerfällt  in  die  1.  _  und  in 
<\u-  „Ästhetik",  <li«  Lehre  ron  der  Biederen  sinnlichen  Erkenntnis  („scientia 
gnitionis   sensitiv  ooseologia    inferior1*).     Der  Zweck    derselben   ist   <Ü" 

V  rvollkommnung  der   sinnlichen   Erkenntnis,  und  in  dem   vollkommenen  An- 
schauen   und   Vorstellen   besteht   die  Schönheit  (Ästhet.  §1,14),      D     Bei 
heil  scheinende  Vollkommenheit 

heiten  der  Buchen  Ästhetik  -  in«  1  ohne  Bedeutung. 

.  |  ■     —   Ktl.i  740.   — 

— 1758.   —    Initia    p]  IT'".     —     ACTOtMl    I  — 

-  -      I  I  1 1       I 

ItÜlllllk«    I.    <    1'  IIP  I, 


BIumkeb  —  Beattie. 


-    h  ritten:    Das  Problem  der  Materie  in  d.  griech.  Philos., 
-    Uii  ,1    Siger,   1898.  —  Domin.    Gundissalinus,  1899.  —  Abhand- 
Jahrb.,    Aroh.  f.  Gesch.    d,    Philos.   u.   a.     Mit  v.   Hertling:    Beiträge 
i,  d.  Mittelalters  (Monographien  verschiedener  Autoren). 

Itanr.  Ferd.  Christian,  1792—1860,  Theologe,  von  Hegel  beeinflußt. 
Dia  christl.  Gnosis,  1835.  —  Die  Tübinger  Schule,  1859,  u.  a. 

Itanium.    Louis,    geb.  1796  in  Paris,   gest.   daselbst   1867.    =    Schüler 
V.  Cousins. 

riften:     Le<jons   dieses  de   philosophie  morale,    1818    (Fichteisch).  —  Philo- 
riatuaiame,  1835   (kirchlich).  —  Philos.  morale,  1842.    —    L'esprit  humain 
»•  faculteV,   1859.  —  Manuel  de  philos.,  1866. 

Ittiylo.  Pierre,  geb.  1647  zu  Carlat  als  Sohn  eines  reformierten  Predigers, 

bei  den  Jesuiten    scholastische  Philosophie,   war  Prof.  d.  Philos.  in 

i  and  Rotterdam,  gest.  1760.     In  der  1737  (aus  seinem  Nachlaß)  heraus- 

i   Schritt:   Systeme   de  la  philosophie  ist  B.  Kartesianer,   sonst  meist 

.   vor  allem  in  dem  für  die  Geschichte  der  Aufklärung  sehr  wichtigen 

aißtorique  et  eritique,  1695—97,  1702,  1740,  1820;   deutsch  1741 

—174  ur   die   philosophischen    Artikel).     Oeuvres  diverses,   1727 

Starke  liegt  in  Beiner  Kritik,  wie  er  denn   auch  die  Anschauung 

<li<-   menschliche   Vernunft    nur   in    der  Feststellung  von  Irrtümern 

W     sse XI    und    Glauben    stehen   in  schärfstem  Gegensatze  zuein- 

B.  Bich  insofern  schwankend  verhält,  als  er  zuerst  für  das  Wissen, 

r  für  die  Rechte  des  Glaubens  eintritt,  der  Gemütsbedürfnissen  dient, 

klart  er  als  Aufklärer,  ist  besser  als  Aberglaube;   Toleranz  ist  zu 

Atheisten    ist   durchaus   möglich.      Es  gibt  selbstgewisse 

Vernunft    und  des  Willens,   eine  vom  ursprünglichen  Lichte  (vgL 

innen  naturale"   Deseartes')  erleuchtete  Einsicht.     Die  kirchlichen 

widersprechen  der  Vernunft,  sind  aber  zu  glauben. 

IfAIZEAÜZ,    La    vie    de  P.  B.,    1730.    —    L.  FetjERBACH,    P.  Bayler 

W.  Botin,  r.  Bayie,  1905. 
HawlioiT«'!-.    Karl  'Ihr oder,    1812—1888.   =   Erst  Anhänger,  dann  zum 

Tunrlprohleme  der  Metaphys.,   1835.  —  Beiträge  z.  Naturphilos.^ 

RfiattiC,  eb.  L735  m  Lawrencekirk  (Sehottland),  Prof.  in  Edin- 

B       •    ein    Vertreter   der   Schottischen    Schule,   welche 

H  I     meinsinn1'   (common  sense)   die   Quelle   der   allge- 

'.  irelche  ..- ibstgewifi"  sind.    Was  wir  infolge  unserer 

rahr. 

naturo  and   ii.miutability  of  truth,    1770;  deutsch   1772, 

iOM    inoral    and    eritieal,    1783.     —    Elements   of   moral 

,    1779.  —   Vgl.  FORBE8,  Account  of  the  Life, 


Bbaunis  —  Beck.  51 


Keamii*.  H..  Psychophysiologe.  Heraus!  oo  ..1/Ann.'  psychologique". 

Schriften:  Les  sensations  internes,  1889  —  Nouveaux  elements  de  physiologie 
huraaine,   1896.  —  Der  künstlich  hervorgerufene  Somnambul.,   1889,  u.  a. 

Beauvai«*  -    Vincent, 

Becraria,  italienischer  Jurist  des  18.  Jahrh.  (Utilitarist).  —  Schriften: 
Trattatto  dei  delitti,  1704:  deutsch  1870  (für  die  Aufhebung  der  Todesstrafe).  Vgl. 
Bentham. 

Beober,  Erich,  Prot  in  Münster.  =  B.  vertritt  einen  kritischen  Realis- 
mus und  verteidigt  die  mechanische  (bezw.  die  ,fkinetische'')  Physik 
die  rein  phänomenologische  und  energetische  Theorie.  Die  Entwicklung  der 
modernen  Physik  (Elektronentheorie  u.  a.)  hat  die  Berechtigung  der  mecha- 
nistischen Naturanfhusung  wah  neue  dargetan:  anch  wenn  man  Hypothee 
wie  die  des  Athen  onterlaflt,  bleibt  die  Gültigkeil  jener  bestehen.  Die  Hvpo- 
these  einer  realen  Außenwelt,  welche  durch  die  Regelmäßigkeit  des  (Geschehens 
ordert  ist,  bewahrt  sich  durchaus,  sie  hat  einen  hohen  Grad  von  Wahr- 
scheinlichkeit. Die  Wirksamkeit  ist  das  Merkzeichen  der  nicht  in  meinem 
Bewußtsein  oen   Existenzen.     Die  Raumvorstellung   mag  subjektiv   Bein, 

die  Zeit  aber  ist  objektiv.    Jedenfalls  aber  müssen  Raum  und  Zeit  irgend  eine 
objektiv <•   Grundlage    haben.     Körper   sind    rtraumerfüllende  Qualitäten"-.     Es 
Bind   das  Qualitäten,  die  mit    denen   der   Bmneswahrnehmung   nicht  identisch 
Bind,  Mindern  die   realen   Korrelate   derselben   bilden.    Bubstanzen   buk!    Kom- 
plexe   beharrender    Qualitäten.      Pur    die    kinetische    (mechanische)    Natur- 
anffassung  sprechen  verschiedene  Motive,  sie  ist  eine  der  Erfahrung  entnommene 
Hypothese,  aber  auch  mitbedingt  durch  das  Wesen   onseres  Erkennena,  —  Di« 
Gültigkeit  des   Prinzips  der  Erhaltung  der  Energie  auch  für  die  Organismen 
•   B.  an  d<r  Hand  der  Versuche  von  Rubner,  A.twater  u.  a. 
Die  Ethik  begründet  B   im  Sinne  eines  wohlverstandenen  „Utüitarismus" 
Eudämooismus  .    „Das  Streben  nach  Glücksverwfrklichung  Bchlechthin  erscheint 
■a\<  das  Beinsollende.     I>a^   erreichbare   Maximum    von   <;iück   der   Gesamtheit 
aller  fühlenden  Wesen  zu  erringen,  ist  die  tiefet«  Forderung  onseres  vernünftigen 
Höchstes  Willenszie]  ist  das  Beiige  Leben. 

Iriftas:  Krkenntnistheoret.    Untersuchungen   zu   St.    Mills   Theorio  der  Kausalität, 

1906.    —   Philo«.  VofSBMSts.   d.  oxakton    Naturwissenschaft,    L907.   —  Dio  Grundfrage  d. 

Ethik,    1908.    —  Zeits.hr     f     Piyehol,     Bd.    4ä      46    ( iiher     Krhaltung    der     1                 ind 

Parallelismus).    -  Der  Darwinismus  u.  die  soziale   Ethik,    1  '."•'.•. 

li«k«*lil«»r«Mv.  W.  v,  —  Sehriftaa:  Die  PenfeHchkeit  s   ihre  Batwickl.,  i 

—    Psyche   und    Lehen.    1 '.»08. 

Beck,  Jakob  Sigiamund,  geb.  L761  bu  Marienburg  (Preuitn),  horte  in 
Königsberg  Kant,  wurde  1799  Prot  in  Rostock,  gast  \SA 

\\.  will  die  Konsequenz  aus  dem  Kritizismus  Kam-  siehen  und  vertritt 
einen  rein  idealistischen  Standpunkt.  Das  »Ding  an  sich"  und  dessen  Ein- 
wirkung huI  das  Subjekt  ist  eine  Inkonsequenz,  denn  die  Kai  der 
Kausalität  gilt  nur  für  Erscheinungen  offiziell  wird  das  Subjekt  nur  durah 
die  Erscheinunf          Sowohl  die   Mam             keil   ab  die    Einheil    im   U 


Bender. 


-  Subjekts,  ilos  „ursprünglichen  Vorstellens"  der  a  priori  ver- 

knÜ!  Btätigkeit.     Die   Arachauungstbrmen    entspringen  der- 

wie  die  Kategorien,  sie  sind  ursprüngliche  Verknüpfungsarten. 

he  Anerkennung*'  objektivierl  die  Erzeugnisse  der  apriorischen 

ibl  auch  ein  ursprüngliches  Sollen. 

lften:    Krläutermler    Auezug    aus    den    krit.    Schriften    d.    Herrn    Prof.    Kant, 

Bdfl  .  davon  Bd.  111:   Einzig  möglicher  Standpunkt,  aus  welchem  die  kritische 

«.  beurteilt  worden  muP.  --  Grundriß    d.    krit.    Philos.   1796.  —  Kommentar   über 

kanU  Mo  l.   Bitten.     Lehrbuch  d.  Logik,  1820.  —  Lehrb.  d.  Naturrechts,  1820. 

Kecker».   EL,   18  6      1889,  Prof.  in  München.  —  Schriften:  Üb.  d.  Wesen 

—  Aphorismen  über  Tod  u.  Unsterbl.,  1869,  u.  a.  (Anhänger  Schellings). 

Iteria     Venerabilis),    (547 — 735,    angelsächsischer    Mönch.    —    Schriften: 
.    wie:    Do   rerum  natura.     Opera,  1521  u.  ö\,  1643 — 44.  —  Vgl. 
K     WeRNEB,  Beda  der  Ehrwürdige  u.  seine  Zeit,  1875. 

|{<— iKliii.  Jacques    (Wegelin),    geb.    1721    in  St.  Gallen,   gest.    1791    in 
l  ■■  Bchichtephilosoph ;  unterscheidet  „forces  mortes"  und  „forces  vives" 
I     »  bichte. 

Schriften:  Hi&toire  universelle,  1776.    —   Briefe   über   den    Wert  der  Geschichte, 
'     ■    rar  la  philos.  de  Thistoire  (Berl.  Akad.  1770 — 74). 

Ito-iH'lin.  Nicolas  de  (Wegelin),  Schweizer,  1714—1789  (gest.  in  Berlin). 
=  Eklektifc 

riften:  Abhandlungen  in  den  Hemoires  de  l'academie  de  Berlin".     Essai  d'une 
iation  de  la  metaphysique  de  Leibniz  avec  la  physique  de  Newton  (Berliner  Akad.),  1766. 

Itohreml.    I  .  —  Schriften:  Psychologio  u.  Begründung  einer  Erkenntnislehre, 

:.er  Standpunkt.) 

»«'kk«'i'.  Balthasar,  1634—1698.  =  Kartesianer.  —  Schriften:  De  philosia 

—  Die  bezauberte   Welt,   1690  u.  ö.  (gegen  den  Hexenglauben). 

Itfii<lavi<l.  Lazarus,  geb.  17G4  in    Berlin,   hielt  dort  seit   1790  (privat) 
•   Kanteche  Philosophie,  gest.  1832. 
ersaeh  über  das  Vergnügen,  1794.   —   Vorlos.    üb.    d.    Krit.  d.  rein. 
-   Vorlea.  Hb.  d.  prakt.  Vern.,   1796.  —  Vorles.  üb.  d.  Krit.  d. 

Ib.  d.  Zweck  d.  krit.  Philos.,  1796.  —  Versuch  einer  Rechtslehro, 
'      &r«pl  I  Kantseber  Standpunkt.) 

l*«»»<l«i.  =B.  macht  den  „Versuch  einer  Neubegründung 

Weltanschauung  Spinozas  unter  Zuhilfenahme  der  Ato- 

•  Inständigen  Auffassung  der  Kantschen  Lehren  von  der 

i  derZeit"  (gemäßigter  Idealismus).    Das  (nicht  positiv 

;  nbedingte,  die  Substanz  im  Sinne  Spinozas, 

einzelnen  Dinge,   ihrer  Akzidentien  denknotwendig  ist. 

dien  nur  bedingt  realen  Erscheinungen  gemein- 

ml   allen   ihren  Elelationen   in  sich    Be- 

ubjektiv,   aber    objektiv   bedingte   An- 

•  dachten)    \  i  om  e  sind   nur  relativ  selb- 

Ich. 


Bendeb  —  Beneke. 


hriften:  Die  Substanz  als  Ding  an  sich,  Zeitschr.  t  Philos.,  1884.  —  Die 
Idealität  von  Kaum  und  Zeit,  1.  c  1885.  —  Zur  Lös.  d.  metaphys.  Problems,  1886.  — 
Üb.   d.   Wes.   d     Sittlichk.,    1891.   —   Philos.,  Metaphys.   u.  Einzelforsch.,   1897. 

Itender.  Wilhelm,  1845—1891,  Theologe  und   Philosoph.  =  Die   Quelle 
der  Religion  i-t  das  Streben  nach  Überwindung  des  Gefühls  unserer  Ohnmacht 

Schriften:    Das    Wesen   d.    Religion.    4.     A.    1888.    —    Mythologie    u.    Metaphys. 
1899,  u.  a. 

Benedikt.  M"  an  der  medizinischen  Fakultät  in  Wien. 

=  Psychophysiologischer  Standpunkt 

S    hriften:  Die  Seelenkunde  des   Mt.^hen,   1895.   —  Das  biomechanische  Denken 
in  der  Medizin  u.  in  d.   Biol<  9   u.  a. 

Ben«kke.  Friedrich  Eduard,   geb.   17.  Februar   1798  in    Berlin,  studi« 

Theologie  und  Philosophie  in  Halle  und  Berlin,  wurde   L820  Dozent   in  Berlin. 

_'  wurden  -ein.'  Vorlesungen  Bistiert,  1824   habilitierte  er  ßich  in  <;<"»ttin_ 

"in  Berlin,  wo  er  aber  ini  -  es  Hegelianismus  wenig  Hörer 

hat-         -   2  wurd-   er  Professor  und   starb  als  solcher  am   1.  Mär/   1864  (viel- 
leicht durch  Selbstmord  •. 

I>.  gehört  /u  den  Begründern  der  neueren  Psychologie  und  hat  auch  die 
_:ik  beeinflußt.  Beeinflußt  i-t  er  von  Kam.  Schleiermacher,  Schopen- 
hauer, Tri«-.  Eierbart,  Th.  Brown  u.  a.  Kr  i-t  ein  Gegner  rein  begrifflicher, 
über  alle  Erfahrung  hinausgehender,  konstruierender  Spekulation.  San  Stand- 
punkt ist  der  eines  philosophischen,  kritischen  Empirismus,  für  den  die 
Erfahrung  dir  Grundlage  all»-  Philosophierens  i-t,  besonders  die  innere  Er- 
fahrung   und   die  aui    sie   sich   stützende  Psychologie.     Erkenntni  iber 

nicht  da-  passive  Produkt  d»-r  sinnlichen  Erfahrung,  sondern  da-  Resultat 
denkender  Verarbeitung  des  Erfahrungsinhalts.  Die  Anschauungsformen 
I  nicht  rein  subjektiv  und  apriorisch,  sondern  allgemeine,  konstante  Formen 
d«r  Erfahrung,  denen  in  den  Dingen  etwas  "'in«'  Ordnung)  entspricht.  Sein, 
Inh.ii.ii/.  Kausalität  sind  uns  unmittelbar  durch  innere  Erfahrui  en  und 

werden  dann    auch   in    die  Objekte  hinein  verlegt.     Überhaupi    beruht  alle    I 
Kenntnis    fremder   Wesen  aui  Analogie,   aui    Deutung   derselben   als  seelen- 
artigi    K 

l>i.   Metaphysik  ergänzt  die  äußere  durch  den  Befund  der  inneren  Wahr- 
nehmung.    Letztere  ändert  am  Sein  nicht  das  gering  dem   hat   absolute 
Wahrheit,  gehl  aui  das  ..An  Bich"  unseres  w             I     n  r  psych  3<  in  i-t  nicht 
Erscheinung,  es  wird   unmittelbar   erfaßt,  in  die   Dinge   hinetnverlegl    und 
Objekte  werden  als  Erscheinungen  eine-  psychischen  Sei]  löst 
hierdurch  das  Rätsel,  wii   wir,  obgleich  rein  aufm  -     ü           schränkt  und  in 
un-  selber  bleibend,  doch   mit    unserem    Empfinden    und    Vorstellen   tu   einem 
i   außer   uns    hinüberkommen   können"  (Lehrb.  d.  PsychoL  g            Syst.  d. 
M<      -                 Seele  und  Leib  sind  nur  graduell  verschieden,  nur  verschiedi 
tuen  und  Auffassungen  d<                      w  irklichkeit,   wobt 
\n  -ich    des  Leibes  numerisch  verschieden  ist     I1 
wie  es  das  An  Bich  «1-1         -    auch   ist,    nu                     unlich  und 


BfiNEKE. 

-      ist  keine  absolut  einfache  Substanz,  sondern  ein  sich  entwickelndes 
ein   mit  dem   ..An  sich"   des   Leibes  in   Wechselwirkung  stehen- 
Uee  Wesen,  aus  gewissen  Grundsystemen  bestehend,  welche  eins 
d.  Psycho!  £  38  f.;   Met  S.  414  ff.).    Der  Leib  ist  an  sich   eine 
An.     Die  Seele  besteht  aus  „Urvermögen";  die  das   Geistige 
„Spuren"  nehmen  immer  mehr  zu  (Dynamischer  Seelenbegriff). 
h  die  immer  reichere  Ausbildung-  ihrer  Kräfte  wird  schließlich  das  Leben 
-      e  nach   innen   gezogen,    Ins    dann  der  Tod    eintritt,   mit  dem  vielleicht 
insqueU  eröffnet  wird  (Met.  S.  385  ff.). 
Psychologie    B.8    will    nichts    von    den    „Seelen vermögen"    wissen, 
durch   innere  Erfahrung  möglichst  getreu  (mittelst   „naturwissen- 
Methoden     erkannte   psychische    Geschehen    dynamisch   erklären. 
dnd  der  Seele  nur  „Urvermögen"  (Kräfte),  durch  welche  die  Auf- 
md  Aneignung  der   Reize  erfolgt.     Diese    „sind    schon    vor    allen  Ein- 
druck .ntlich,  mit  einem  Aufstreben,  einer  Spannung  behaftet 
und  all.  r  Aktivität  von  seiten  unserer  Seele  voran.     Diese   Spannung  der  Ver- 
rird  dann  allerdings  aufgehoben  durch   die  Befriedigung,   welche  ihnen 
rfüllungen   durch  die  von    außen  kommenden  Reize   gewähren."    Jedes 
strebt  schon  vor  der  Anregung  dem  Reize  entgegen  und  es  wächst 
wie  mehrere  „Angelegtheiten"  gebildet  werden.    Reizempfänglich- 
_-;.;.    Beharren,   Verarbeitetwerden,  sich  Verbinden  und  Wirken 
wm  in  der  Seele  auf  Grund  der  Reize  und  psychischen  Akte  sich 
t,  ist  der  Kern  der   B.schen  Psychologie.    Unter  „Spur"  versteht  er 
unbewußt   B«  harrende,  soweit  es  Nachwirkung  von  Reizungen 
als  Bedingung  weiterer  psychischer  Entwicklung  Anlage,  „An- 
Lehrb.  d.  PsychoL  §  27).     Die  „Spur"  ist  das,  „was  von  früheren 
innerlich    fortexistiert",    eine    psychische    Disposition.      Die    vier 
1  rnindpr  und  das  Gesetz  der  Reizaneignung  (Empfindung), 
enden    Bildung    neuer  Urvermögen  (aus   Spuren),   der  Aus- 
eglicher   Elemente,  der  Verbindung   gleichartiger  Elemente 
aus  dem    Bewußtsein   geschwunden  ist,  erhält  sich  im 
unbewußten    Seelenseil]    weiter  als   Spur,   die   zugleich    „Strebung"  ist 
-  rebungsraum''). 

hl   bei   B.  auf  der  Werttheorie,  welche  wiederum  psycho- 

oätzen  die  Werte    der    Dinge    ,,nach   den  (vorüber- 

•  •■■  .-'.■.•.'••:■ :    .!  ■ :!.  ••  i]<  -     Steigerungen  und   Eerabstimmun  geü,  welche 

nnere  psychische  Entwicklung  bedingt  werden."    Die  Höhe 

md  Herabsetzungen   wird   bedingt  „teils  durch  die   Natur 

teils  durch  die  Natur  der  Reize  oder  Anregungen, 

die    den    tiefsten    Grundgesetzen    der  psychischen 

den   Aneinanderbildungen  der  aus  den   Ver- 

nden  Akte."    „Inwiefern  .  .  .  eine  Steigerung  als 

auch  de;   Wert,  welcher  durch  sie  rorge- 

:i   höherer/-     Ei   gibl    also   eine   natürliche 

rollei  ab  das  Sinnliche),  wenn  es  auch 


Beneke        Bentham. 


-  rangen  der  Wertschätzung  gibt  (Lehn  vom  „üoennaäigen  Schitzungsraum" 
des  Niederen).  Die  sittlichen  (Jrtefle  entwickeln  uch  aus  Wertgefühlen. 
Sittlich  geboten  ist,  ..was  nach  der  (objektiv-  und  subjektiv-)  wahren  Wert- 
schätzung als  das  Best«-  [das  Natürlich -Höcli  >t"  Lehrb. 
<1.  Psychol  j  856ff.  QrandL  «I.  SittenL  I.  231  tt.:  II.  411  n...  Die  rieht 
Wertschätzung  kommt  im  Gefühl  der  Pflicht,  des  Bollen*  zum  Ausdruck.  Das 
oberste  Bittengesetz  ist  ein  Produkt  psychischer  Entwicklung,  wie  überhaupt 
alles  Geistige  (Vernunft,  Wille.  Denken  usw.)  Bich  aus  einfachen  psychischen 
Prozessen  durch  Verbindung,  3  rung  usw.  entfaltet  (Genetischer  Stand- 
punkt). —  Von  Gott,  den  wir  als  da-  Unbedingte  denken  miis^rn.  j 
k<in*j  rechte  Erkenntnis. 

Anhänger  Benekes  Bind  Dressier,   Dittes   und   andere   Pädagogen, 
einflufit  von  B.  sind  Fortlage,  CTeberweg  u.  a. 

B     hriften:  Erkenntnislehre,    1820.   —  Erfahrungsseelenlehre,    1820.  —  De    • 
>b.  initiiB,   1820  (gegen  die  dialektische  Methode).  —  Neue   Grundlegung    zur    Meta- 
physik,  1822.  —  Grundleg.  z.   Physik  d.   Sitten,   1822.    —    Psychol.   Skizzen,   1825- 

—  Das  Verhältnis  von  Seele  u.  Leib,   1826.  —   Kant  u.  d.   philos.  Aufgabe  unserer  Zeit, 

n  die  erfahrungsfeindliche  Spekulation).  —  Lehrbuch  d.  Logik,  1832.  — 
Lehrbuch  d.  Psyvhol.  als  Naturwissenschaft,  1833,  4.  A.  Ib77  Hauptwerk).  — 
Philosophie,  1«33.  —  Erziehungs-  u.  Unterriehtalehre,  1835 — 36,  4.  A.  1876.  —  Er- 
läuterungen üb.  d.  Natur  u.  lJedeut.  meiner  psychol.  Grundhypothe-en,  1836.  —  Grundlin. 
<1.  natürl.  Systems  d.  prakt.  Philo«  ,  1837  — 1840.  —  System  d.  Metaphys.  u.  Eeligi 
pblkM.,  1840.  —  System  d.  Logik,  1842.  —  Die  neue  Psychol.  1845.  -  rni^inatische 
hil..  L860.  —  Lehrbuch  d,  pragmat.  PtyehoL,  lb53.  —  Archiv  t".  pragm.  Psychol.. 
1851— y.',.  —  Vgl.  0.  ÖRAMZOW,  lr.  Ed.  B.,  18«Jö  ;  Fr.  Ed.  &■  Philos.  1899.  — 
lli.Wl.i:.   Bj   Krkenntnipthcnr..  l'Ji'-j.  .\.   \\'.\  M  •  ><  1  ■  1 : 1 1  »KR,   D.    MeUph] 

Itciitliuiii.  (  '.  lsl"'  in  Btoke  bei  Plymouth,  gest.  L884,  N 

von  .1.  Bentham. 

S    hriften:    An    Outline  ol   a  Nl-\s    System    of    Logie,    ls.'T      Mathematische  Logik  . 

Kciitlium.  Jerem y,   geb.    L748  in    London,  ersl    Advokat,  dann    Privat- 
gelehrter,  gest.  1832  in  London. 

B.  i-t  der  eigentliche  Begründer  des  (systematischen)  Utilitarismus,  den 
ror  allem  in  der  Gesetzgebung,  dann  auch  in  der  Ethik  durchgeführt  wissen 
wilL    Der  „Nutzen*4  (utility)  ist   das   Prinzip  alles   Handelns  und  bezieht  sich 
aut  di(  baft  einer  Sache,  Lust  zu  bat  propertj   in  any  oby 

whereby  it  tendt  to  produce  benefit,   adyantage,  pleai  od,  or  happinee 

[ntrod.  I.  eh.  1 1.    Jan.-   ansittliche   Handlung    ist   nur  eine   mische   Bewerti 
des  |m  r-..iili.lirii    inti-rr».-       I    ,  -ii*I   ist   all«-,   was.   zum  Glücke  beitragt,  die 
Lust  rt  und   die  Unlust  rerringert.     I>;i-   Handeln   ist   gut   oder  ichlecht 

Proportion  >\^  m  tends  atre  <>u  a  diminuer  la  aomme  du  bonhenr 

public.'4     Die   Lust    und   das   Lusterregende   ist   das   höchst*    Gut.     Ei   kommt 
nur  daran!  an,  richtig  zu  werten,  den  wahren  Nutzen  anzustreben  und  dahei 
«•in  Lustkalkül  („hedonic  calculus'*)  notwendig    und   ein  „moralisches   Bud| 
durch  welches  l»«i  jeder  Handlung   die  nützlichen  und  schädlichen   Folg« 

werden     K-  kommen  für  die  Wertung  der  Lust  und  Unli  ht: 

[ntenaität,  Dauer,  Sähe  det   Lust  u.  .  M  dei   Indiridu 


Bentham  —  Berq.ee. 


werden.    Ea  gibt  eine  Ökonomie  der  Lust  und  Unlust,  und 

wohlverstandenem   Interesse  auch  die  Lust  anderer  zu 

abgesehen  von  der  Sympathie,   die  wir  andern  gegen- 

Daa  Glück    der  Gemeinschaft  ist  die   Summe  der  Lust  der 

ait    der    Förderung    des    Wohles    anderer    und    des   Gesamtwohles 

a  selbst    Die  Ethik  lehrt,   den  Egoismus  zu  regulieren,  ihn  ver- 

kmäßig  zu  gestalten.    Die  Tugend  besteht  in  der  Opferung  einer 

wärtigen  Befriedigung,  die  als  Versuchung   auftritt,  gegenüber 

entfernteren  Befriedigung.    Der  extreme  Egoismus  erweist 

dlich;  es  Lsl   gut,   erst  zum  mindesten   uneigennützig  zu  scheinen 

lann  auch  wirklich  zu  sein.     Das  Ziel  des   sittlichen  Handelns  ist  die 

5  Gl  uckes,  der  Lust,  das  „größtmögliche  Glück  der  größt- 

lichen    Anzahl4'    („the   greatest  happiness   of   the   greatest   number",    „the 

aible   quantdty   of   happiness",   Deontol.  u.  Princ.   II,  eh.  17;  das 

aria   u.  Hutcheson).     Die    „Deontologie"   (Lehre   vom 

-  Menden)  klärt   uns  über  die  besten  Mittel  zur  Erreichung  des- 

kea  auf.     l>i<-  ..Stininlantien"  zum  Handeln  sind   die  „Sanktionen",  welche 

wichl    gegen   Versuchungen  abgeben,   als  Vorstellungen  strafender 

Paktoren.     Es  gibt  eine  physische,  soziale,  moralische,  politische 

-  inktion  (Deontologie  I,  109  ff.). 

:iften:  Introduction  to   the  Principles    of   Morals  and  Legislation,  1789,  1876. 

Jslation  civile    et    pönale,  trad.    par    E.    Dumont,    1802,  2.  ed.   1820; 

•neke,   1830.  —  Deontology,  or  the  Science  of  Morality,  ed.  by  J.  Bowring, 

-isch  u.   deutsch,  1834—35.  —  Works,  1843.  —   Vgl.  L.  STEPHEN, 

tiiitarians,   1900,  I.  —  E.  ALBEE,  A  History  of  Engl.   Utilit.,    1902.   — 

<  ».   K  Z  .r  Theorie  d.  Wertes.     Eine  Bentham-Studie,  1902. 

BtreilgAr  W*D  Tours,  999 — 1088.  —  Schriften:  De  sacra  coena,  1834  (An- 

-  Vgl.  J.  Schnitzer,  b.  v.  t.,  1890.  —  A.  Clerval,  Le& 

KciU.  I      L821.   =   Gegner    SchellingS.  —  Schriften:    Epikritik 

Her: ImiIiih.  i    •  :.  geb.  1849.  =  Gegner  des  Naturrechts.  —  Schriften: 

i  .    1892,   u.   ;.. 

It«  i  - <  iiiann.    |';nil,  «reb.  L862,  Direktor  in  ßtriegau.   =  Sittlicher  End- 

Kulturfortschritts". 

iltorphilotophie,  1904   (Evolutionistisch).  —  Soziale  Päda- 
ologie,   1901. 

Berget1,  J  .  1771'  auf  der   [nsel  Fünen,  1814  Prot,  in 


b     on    Kam,   Fichte  und    Eegel  beeinflußt. 

b   in  demselben  Zusammenhange  wie  das  Sein, 

/      Vernunft.    I)i<:    Natur   isl    einheitlich;   an   sich 

materielle  Natur;  Bie   ist    der   Entwicklung 

inen  Zweck  in  sich  selber,  dieser  ist  die 


Bergee        Bergson. 


•  aakraft     Da  Mensch  ist  vielleicht  ans  dem  Affen  hen  -tt 

nicht    als   außerweltlioh   zu    denken,    er   offenbart    sich    in    den    Geistern 
( temäßigter  Theismas  >. 

Schriften:  Philoe.  Darstell.  d.  Harmonie  d.  Weltalls,  1808.  —  Allgemeine  Gruud- 
züge  zur  Wissenschaft,  1817 — 2  7.  I.  Analyse  des  ErkenntnisveriiKig.il-,  1817.  II  Zur 
philos.  Xaturerkenntnis,  1821.  111  Brands,  d.  Anthropol.  u.  Ptychol.,  L884.  IV. 
Grandz.  d.  Sittenlehre,  d.  philos.  Kc<  hts-  u.  Staatslehre  u.  d.  Religionsphiloa.,  1827.  — 
Vgl.    H.    EtATJEN,   J.  B.   v.  B.s  Lehen,  1835.  —  NOA<  K.  Pbilos.-gsseh.  Lex..  8.  ISS 

BCFgCF»    Moritz.   —   Schriften:   Der  Materialismus  im  Kampfe  mit  d.  S]  .. 

u.   Idealismus,   18b.'!       (Mstsril 

Dcrgcr—  b.  t  lyrano. 

ISoi  ^iiiaiui.  Julius,  geb.  1840,  Prof.  in  Königsberg  o.  Marburg,  geet  1 

r».    ist    besonden   von    Fichte   beeinflußt     Er   \ «ti ritt    einen   objektiren 

Idealismus.     Die  Außenwelt  als  solche  ist  wederein  Ding  an  -ich.  noch  bloß 

subjektiv,   sondern    Inhalt    eine-    göttlichen    Universalbewußtsei 

und   insofern  anabhängig  vom  erkennenden   Subjekt.    Das  Ich.  <lie  Geistigkeit, 

rußtsein    ist   nicht  Erscheinung,  sondern  ein   Sein  an  sich.    An  sieb  ist 

ein  „Ich".     Die  Körper  sind  Erscheinungen  von   Monaden,  die  aber 

nicht    selbständig,   sondern   nur   in    Gemeinschaft   existieren.     Allee    Existieren 

-  Zusammenhängen  mit  unserem  Ich  and  „Zugehörigkeil  cum  Weltganzen", 
„Enthaltensein  in  der  Welt".  Allee  Beiende  »lenken  wir  ale  ryausammenseiend 
mit  unserem  Ich  in  einem  Ganzen"  (Arch.  f.  syst.  Philos.  II.  1896).    Di«  G 

(he  Natur  Bind    Folgen   <\r-  ans  «lern   Wesen  des   Weltgrundee  hervorgehenden 

i  Gesetzes.     In  Gott,  dem  anwandelbaren  Grunde  der  ewigen  Veränderung, 

ist  alles  ak  Inhalt,   bezw.  zugleich  als   selbstbewußte   Einheit    3         enthalten. 

-  if  i-t  im  Grunde  „sich  selbst  perapierendes  Bewußtsein".  Bo  ist  die  Meta- 
physik, als  die  Wissenschaft  vom  Sein,  ron  der  Dingheit,  zogleicb  die  Lehre 
\Min  Bewußtsein,  von  der  [chheit  (Met  s.   MJO 

riften:     l  :-l.    d     Ontologio,  18G.*).    —   Qrandlin.   sin.     Theor.  d. 

waßtneias,  1870.  —  Heine  La  rkennsn,  ib8o.   —  1).  Seid,  i 

-l.  —  D.  Qrandprobl.  d.  Log.,  1882,  2.   A.  ibbö.      -Material.   ■.  Moniu 
Ober  d.  Riehtige,    1888.   —  Üb.  d.  Dtilitsrism.,  is83.  —  Vorlen.  üb,  Ifet 
188t,  üb.  d,  -  nane,   1887,        Genen,  d.  1  f.  —   (Jnteranch.  Hb. 

punk-  '.   —  System  d.  objekt    [donlUmai 

Bcf|iSl,  Henri,  geb.    1859   in    Tau-,  seit    16  F.  in   Paris    i  i^ 

I    . 

Beeinflußt  ist    B.  von   Ravaisson,  Lachelier,  Boutroux  u.  a.    Wie  di 
tritt   er  einen  „Neo-Spiritualismus",  der  zugleich   ..l'anvitali-mu---  ist,  ii 
nach  ihm  d.  en"  da-  wahr«    Sein  ist.     Verwandtschaft  bat  ehre  in 

einem  mit  Anschauung«  n  voü  Leibniz,  Bchelling,  Schopenhauer,  Jai  i<     Mach, 
\  etzsche,  Wundt  u.  a.   Methodisch  (nicht  erkenntnistheoretisch,  da  er  ein  \ 
/.  B.  in  der  Raumvoretellung  zugibt]  iet  B.  Empirist  und  /war  betont  er  die  inn< 
Krfahrui  Erkenntnisquelle.    In  G         »atze  zur  dialektischen,  panlopsiisrlini 

Philosophie  ist   I'-.-  Lehre  ein  „Irrationalismus 

Di<    Metaphysik   I'».-   -t<  II'    sich   ii    i  trakten    V  «  i  - 


Bergson. 

.  deren  praktische,  für  die  Zwecke  des  Handelns,  des 

;e  und  notwendige  Leistung  aber  anerkannt  wird.    Dort,  wo  es 

Antizipation,  Berechnung  der  Dinge  und  des  Geschehens 

hat  die  äußerliche,  mechanistische,  analytische  Auffassung  und  Zu- 

ler  Wirklichkeit  ihre  Berechtigung.    Denn  dieses  Erkennen  dient  ja 

glich  nur  praktischen  Zwecken  (insoweit  nur  ist  B.  „Pragmatist"). 

iE  wahre,  unmittelbare,  absolute  Sein  der  Dinge  kann  uns  keine  verstandes- 

ffliche,  abstrakte,  symbolische,  analytische  Erkenntnis  enthüllen.   Die 

lern  Instinkt  geborene  In  tu  ition  leistet  hier  viel  mehr.    Durch  „Intuition" 

(und  Einfühlung  n  wir  in  und  außer  uns  das  konkrete,  individuelle,  absolut 

iheitliehe,  stetigwerdende,  sich  schöpferisch  entfaltende,  lebendige 

-  liehen,  welches  die  begrifflich-analytische  Erkenntnis  verräumlicht, 

licht,  mechanisiert,  stabilisiert,  zerstückelt  (Gegen  den  Intellektualismus). 

ad  ist  nur  .,1a  faculte*  de  fabriquer  des  objets  artificiels"  (Evol.  creatr. 

hat  es  nur  mit  Delationen,  nicht  mit  Dingen  selbst  zu  tun.    Der 

banismns  ist    nur  ein  Denkmittel.    Es   gibt  eben  zwei  Richtungen   des 

die  eine  geht  auf  das  Relative,  Äußerliche,  Mechanische,  Starre,  Not- 

die  andere  auf  das  Absolute,  Aktive,  Stetige,  Lebendige,  Freie  (1.  c.  p.  243). 

die  Kategorien   (Einheit,  Vielheit.  Kausalität  usw.)   erhabene 

ben.     Es  ist  innere,  stetige  Entwicklung,  Streben,  Aktivität,  ist 

-lution  cr&itrice").    Mit  einem  „61an  originel",  der  sich  in 

iduen    and   Grattangen    differenziert,   durch   alle   Generationen    nachwirkt, 

Es  ist    eine  Tendenz,   auf  die  anorganische   Materie   einzuwirken, 

i  werten,    in   die  Materie   die    größtmögliche   Summe   von 

einzuführen;  nur  infolge  von  Hemmungen  wird  die  Entwicklung  diver- 

i  i      K  n  t  wicklung  ist  „schöpferisch'',  indem  das  Leben  beständig  neue 

Evol.  creatr.  p.  31  ff.).      Sie    ist   weder    mechanisch,    noch 

n   «lein    Sinne,  als  ob  sie   auf  äußerliche   Ziele  eingestellt  wäre.    Das 

i  Fendenz"    (Voluntarismus),   ein    Streben,   das  beständig   neue 

ind    durchläuft,    ein    fortwährendes   Neuschaffen  von  Formen  und 

seiner  positiven  Richtung  geistig,  Bewußtsein  (im  weiteren 

Stauung  und    Bückströmung  unbewußt  wird  und  sich 

i.  daß   das    Körperliche  gleichsam  in  das  Geistige  einge- 

:n  bedeutet  „hesitation  ou  choix",  Wahl.    Intensiv  ist  es,  wo 

«stehen;  es  mißt  den  „Abstand  zwischen  Vorstellung 

ziationistische  und  atomistische  Psychologie  verfälscht 

die  Äußerlichkeit,  Koexistenz,  kurz  die  Eigenschaften 

Erfahrung  übertragt.    Aus  der  rein  qualitativen 

d    Bewußtseinsverlaufes   (der   ,, reinen   Dauer") 

[ntensives,  Extensives,  Mechanisches;  wir  ver- 

-  i  Li  che.     Der  Raum  ist  apriorisch  und  sub- 

Zeit  der  äußerer  Erkenntnis  eigentlich 

n  ine  Dane,-  („duree  pure"),  der  stetige 

teil   selbst  erhaltenden  und  steigernden,  vor- 


Bkrchso*. 

warte  strebenden   Geschehens,   die  schöpferische  Zeit   („temps-inventeuj 
absolut  real  ist.    Sie  ist  das  Innere  \N'«t«1*-ii ,  eich   Entfalten   und  Wachsen  dee 

Lebens  selbst,  das  Bichdnichdringen  aller  Momente  des  Bewußtseins 
<1<t  Einheit  des  sich  im  Flusse  seiner  Erlebniss  setzenden  and  erhaltend 

[chs,  wobei  die  Vergangenheil  im  Gegenwärtigen  nachwirkt  and  die  Gegeni 
sich  in  die  Zukunft  erstreckt  (Ebb.  p.  74  tt..  170  ff.;  Hat  et  mem.  p.  225  ff.).    I». 
„reine  Dauer44  ist  „le  progres  continu  du  pa— .'••■    I-><        ••:.  ;.         l>a-  seelische 

scheuen  isl  kein«-  Bnmme  von  Elementen  oder  Zuständen,  sondern  ein  Strom, 
ein  Verlauf,  ein    Qineinwirken    der  Vergangenheit   in  die  (Gegenwart. 

So   isl   das  reine,    geistige   Gedächtnis    der   Kern  dee    Bewußtseins; 
„di  —ante   ei    nreversible4'.     l>as   „reine  Gedächtnis"    ist   mit    der   Vor- 

stellung verbunden  und  seinem  Wesen  nach  vom  Gehirn  anabhängig  (Mai 
mem.  p.  67  ff.).  K-  isl  vom  körperlichen  Gedächtnis  zu  unterscheiden,  d.h.  von 
der  Aufspeicherung  von  Gewohnheiten,  von  notorischen  Mechanismen.  Repro- 
duziert werden  in  der  Rege]  nur  die  nützlichen  Erinnerungen.  l)a<  Gehirn 
i-i  keine  Quelle  döB  Bewußtseins,  sondern  nur  ein  motorischer  Apparat,  ein 
„internu  i  ntre  les  Bensations  et  les  motrvements",  ein  Werkzeug  zur  Aus- 

wahl der  Bewegung  speichert   nur  die   *mecaiiismes  moteurs"  der  Vor- 

auf.    Der  psychophysische  Parallelismue  ist  ein  „Paralof 
mus".     Eß  ist  nicht  wahr,  dal',  allen  Bestimmtheiten  der  psychischen  V< 
Bestimmtheiten  der  Gehirnprazesse  parallel  gehen.     Im   Gehirn,   einem   bloßen 
Teile  der  \\ Vit,  kann  cl  -i  nicht  in  der  1  >arBtellung  vertreten  sein.    Den  ( 

hirnprozessen  entsprechen  nur  motorische  Wirkungsmöglichkeiten  der 
Vorstellungen,  nicht  diese  selbst  als  reine  Bilder.  I  demselben  Gehirnzustand  können 
verschiedene  psychische  Zustände  korrespondieren,  nämlich  alle,  welche  dieselben 
!:•  Tendenzen    haben.       Das   Gehirn    ist    ein    Werkzeug,   durch   dessen 

zahlreiche  Aktionsmöglichkeiten  der  Gewohnheit,  dem  Automatismus  entgegen- 

rirkt  und  die  Freiheit  aufrechterhalten  wird,  also  ein  Instrument  dee  G 
Bt  und  Materie  sind   nicht   swei  Wesenheiten,  denn  die  Materie  bestehl 
chon  aus  den   objektiven   WahrnehmungBbildern    (vgl.  Mach,  ATenarius 
u   a.'.  mit  denen  ansere  Empfindungen    usw.   verbunden  Bind.      Der  „Dualis- 
mus"  ist   dahin    EU  deuten,  daß  die    Materie  die    ..I  'mkehrir  -    ibilisieru] 

•  niiin-  de-  l.  h  isstromea  danteilt,  daß  sie  die  „Zerstreuung",  Auflöst] 
des  stetigen  Werdens  in  eine  Summe  statischer  Elemente,  eine  „Entspannui 
des  ist    Dai  Leben  in  der  reinen,  seh  hen  Zeit  isl  das  Geist 

leben;  das  Materiell. •  igt  das  venäuniUcute  Geschehen,    i».    i,  ist  strebt  immer 
über  die  Automatisierung  hinan-,   gestaltet  (in  und  durch  das  Nerven 
die  Mai.rie  xn  einem  Werkzeug  für  seine  Aktivität,  für  sein«    Freiheit,  welche 
«•ine   (rein   begrifflich   nicht   /n    bestimmende    Spontaneität   des   aus  den    I 
ralen   [chs  entspringenden  Strebens  und  Handeln-  i-t. 
Anhänger  r.  -  Bind  Luquet,  !■'..  I  •  Etoj    Wil       1,  Dwelahauveri  d 

v    1.  n  f  t  i-t.  :    BnaJ  »ur  lc«  .! 

1910.       Hstfti  n  sti  -  Lern 

L910;  dsstssfe  1910.  —  L'ivolat  -Asksadlm 

intellcctuelle,  Hcv    philo«.,   L90I,    -  I.'ul.-o  ds  siaal  Silo*,   LtOI         Ist  i  1» 


Bergson  —  Bebkeley. 


m^  :ilt  t.  et  de  murale,  1903;  deutsch  1910.  —  Le  paralogisme  psycho-phyaiol., 

Lo  Boavenir  du  präsent  et  la  fausse  reconnaissance,  Kev.  philos.,  1908. 

DELB08,  Rot.  de  mei.,  1897.  —  Rauh,  ib.  1897.  —  Couturat, 

GUREWTT8CH,    Archiv     f.    syst.    Philos.  II.      —      A.    STEENBERGEN, 
itire  Thilos.,  1909.  —  R.  IvEONKR,  H.  Bergson,  Zeitschrift  „Logos",  1910. 

Berkeley«    George,   geb.    12.  März  1684  zu  Killerin   (Irland),  studierte 

rie  in  Dublin,   war  1713,   1714,    1715   in   Frankreich   (Bekanntschaft  mit 
Malebranche)    und    Italien  (bis  1720),  wurde  1724  Dechant,   lebte  1728—31   in 
rika,  wurde  1734   Bischof  von  Oloyne  (Irland),  lebte  seit  1752  in   Oxford, 
1  inuar  17."»:')  starb. 

ausgehend,   begründete   B.  den  neueren  erkenntnistheoretischen 

alismus   als   ,Jmrnaterialismus".     Ansätze   zur   idealistischen  Auffassung 

\    Benwell    finden    sich    schon    in    der   ersten   Ausgabe   der  „Theorie   des 

in    welch«!  '    wird,    daß   Farbe   und   Licht  nur  Empfindungen 

and  daß  die  Eni  Eernung  u.dgl.  nicht  direkt  wahrgenommen  wird,  sondern 

urteil  beruht     In    dem    Hauptwerke,   den   „Principles",   bekämpft   B. 

-    dir  Lehre  von  den  abstrakten  Ideen.     Er  ist  entschiedener  „Nomi- 

-  nach  ihm  weder  außer  noch  im  Geiste  so  etwas  wie  ein  allge- 
ind  abstraktes  Dreieck  u.  dgl.  gibt,  sondern  bloß  Einzelvorstellungen, 
insoweit   allgemein  sind,   als  sie  (vermittelst   des    Wortes)   eine   ganze 

sentieren,  vertreten.  (Eine  Vorstellung  wird  allgemein  „by  being 
represenl  or  Btand  for  all  other  particular  ideas  of  the  same  sort".)    Ein 

-  weder  gleichseitig  noch  ungleichseitig  noch  schief  winkelig  usw. 
iii  höchstens  „in  den  Köpfen  der  Gelehrten". 

B.  \.>r  allem  bekämpft,  ist  die  Annahme  einer  außerhalb  des  Geistes. 
»tellens  und    Wahrnehmens,   also  an  sich  existierenden   Materie,   die 
I      ling,  ein  [Inbegriff  ist.     Eine  solche  kann   es  nicht  geben ;  sie  ist 
i   durch  dir   Sinne  noch   durch   das  Denken  konstatier  bar,  auch  könnte  sie 
Inwirken,  wäre  überhaupt  ganz  unnütz.     Es  gibt  vielmehr 
d.  h.   perzipierende  und  wollende  Wesen  (Subjekte)  und 
-Inhalte,    zu   denen  auch  die   Objekte   oder  Außendinge, 
Gegeben   sind  mir   mn    Vorstellungen   (ideas)  und   diese 
■  '.  nichl  ani;<r  mir.     \)\,    Dinge  (Körper)   nun  sind  mir  nur  als  Vor- 
siehe ich  das  Vorstellbare  von   ihnen  ab,  so  bleibt  nichts 
erhalb    der  Vorstellung  ist  ein   undenkbares  Unding,  ein 
erliche    Dinge    Bind  also  uicht    Dinge  an  sich,   aber    auch 
gen;   sie  sind    als   Vorstellungen   Avirklich  da,  wo  wir  sie 
iii   und   in   d.r  Zeit,   unter   bestimmten    Bedingungen  für 
9  nne    Dal  «n  aber   eben    nur    in    Beziehung    zum 

rein   passive  Wahrnehmungs-inhalte,  als  Komplexe 
Empfindungsqualitäten,  als   gesetzlich    ver- 
i  Tönen,  Drücken  usw.      Nichl    bloß   die  ..zweiten" 

a.  meinten),  mich  di<  ...  rsten"  Qualitäten  (Aus- 
nur  subjektiv,  nur  ak  Wahrnehmungsinhalte, 
Qualitäten  (Farbe  usw.)   nicht   denkbar  („In 


Berkei  1  ! 

ahoit,  extension,   figure  and   motion,   abetracted    Erom   all  other   gualit 

in«. .rn«ival)l»'-  .    Alle  Bewegung  ist  nur  relativ,  einen  absoluten   Raum  gibt 
nicht,  nur  einen  VorateUongBTEum,  der  nicht  außerhalb  des  Geistes  existj 
osowenig  wie  die  Zeit,  die  nichts  anderes  i-t  als  die  Aufeinanderfolge  dei 
Vorstellungen.    Eine  unendliche  Teilbarkeil  gibt  ea  nicht,  denn  keine  endliche 
Ausdehnung  kann  ans  unendlich  vielen  Teilen  bestehen     Die   Dinge  sind 
Empfindungskomplexe)  oder  diese  seihst  sind  die  Dinge,  denn  auch   der    narre 
Mensch  versteht   unter  diesen    nichts  anderes  als  Beine  Wahrnehmungsinhalte. 
Ein    ..l^-itm-inu---.    wie   ihn    Bpiter   .1.  Bt.  Mill.   1".  Mach  u.  a.   erneuerten.) 
Die  „Existenz"  der  von  mir  nicht  wahrgenommenen  I  tbjekte  bedeute!  nur 
die  Fortdauer  der  betr.  Wahiuehmungsinhalte  in  anderen  Subjekten  oder  die 
Möglichkeit,  daß  ich  sie  unter  bestimmten  Bedingungen  haben  werde,  wo- 
bei  wir  in  der  Regel  an  ans,  die  Subjekte,   vergessen,   von   ihnen   abstrahieren. 
\  i  mal-  ahrr  können   wir  von   einem   wahrnehmenden    Subjekte   überhaupt 
abstrahieren.     So   ist    alle-   (äußere)   Sein   ein   Vorgestelltsein  („their   tesse4    is 
pereipi"),  das    ganze    räumliche   dniversum   setzt    -ich   au-    Empfindungskom- 
plexen  znsammen  („thal  all  the  ehoir  of  heaven   and  rurniture  of  the  earth,  in 
a  wnrd  all  those  bodies  which  composes  the  mightj  frame  "t  the  world,  b 
oot    any   Bubsistence   without    a  mind,   that    their   being  i-  to  be  pereeived  <»r 
known").     1  »;i  Vorotellungen  wieder  um-  Vorstellungen  ahnlich  sein  können 
kann  <-  keine  von  ihnen  verschiedene,   extramentale   DL  len,    deren   Ab- 

bild.: KopienJ  sie  «raren.  Unsere  Vorstellungen  sind  selbst  die  Dinge  —  aber 
nicht  unser«  Phantasievorstellungen,  sondern  nnsere  intensiven,  lebhatten,  kon- 
stanten, geordneten,  zusammenhangenden  Wahrnehmungsinhalte,  die  -ich  uns 
in  regelmäßigen  Reihen  aufdrängen,  von  unserem  Willen  unabhängig  -ind. 
nai  lieh   auttreten,    verschwinden   und  -ich   miteinander  verbinden.     D 

ind  feste  Regel  der  Verbindung  von  Wahrnehmungsinhalten 
in  einer  von  ans  anabhängigen  Ordnung,  die  uns  eine  Art  von  Voraussicht 
behufs  Eweckvoller  Lebensgestaltung  ermöglicht  i..a  s<>rr  <>t  foresight,  which 
enables   os  ilate  our  actions   for  the  benefit   «>t  lifo").     Die   Kausalität 

nicht    in   den    Dingen   selbst    darin.     Der   Urheber  dieser  V 
langen  i  =   Dinge)   and  der   aaturgesetzlichen  Verbindungen  derselben  kann 
nur  ein  aktives   Wesen,  ein  Geist  sein.      Gott   selbst  prägt  uns  die  Objekt- 
vorstellungen '=  DingeJ   in   bestimmter  Ordnung  auf.     (»The   ideas   iinprinl 

the  Bensei  bj  the  autor  ««t  oature  are  called  real  thingt         -      'kennen 
wir  all«    Dingi        G         ümlichkeit  mit  der  Lehre  Malebnu  n   «reichem 

i  uns  nicht  wahrgenommen«      D    ge  ihren  Bestand  haben  i..-nb-i-i  in  the 
mind  <-t  Borne  eternal  apirit 

Eis  gibt  keine  andere  Substanz  als  der  Geist,  d 
Wollende.     Min  materielle-  -  \i-tiert  nicht,  alle  Vorstellungen  sind 

|..i--i\  .    sie    wi~.ii    an!    oichte    Wirksa  hin.    «reichem 

hen   könnten.     Di«    Kausalität  besteht   nur  dann,  dal 
natürliche-    Zeichen    für   das  Aufl  iner  andern   dient,  in 

in  Wirken  der  1  hnge  selbst.     K 

denken  und  Wollen.     1 1 


Berkeley  —  Bernhard. 


ist    in  jedem   Falle   eine   „unkörperliche   aktive   Sub- 

,  u-it  is  one  simple,   undivided,   active  being").     Da  der 

di<    „Idee"    passiv    ist,   so   kann  es  von  einem   Geiste  kein  Vor- 

»bild,  mir  einen  „Begriff"  Lotion")  geben,  indem  der  Geist  vermittelst 

-  Wirkungen   erkannt    wird   und    wir   wissen-,   was  das  Wort  „Geist"  be- 

Cremden    Geister   erkennen    wir  aus   der    Analogie   zu   unserem 

i      h  einen  Schluß. 

Im  Sinne  von  B.   ehrt  Oollyns  Simon,  verwandte  Anschauungen  betreffs 

,1t  finden  sich  bei  Hume,  J.  St.  Mill,  E.  Mach  u.  a. 

.iften:    Theory  of  Vision,    1709.    1711,    1733.    —    Treatise  on  the  principles 

..man  knowledge,   1710  (Hauptwerk);  deutsch  in  der  Philos.  Bibl.  1869,  4.  A.  1906. 

—  Threo  Dialogues    between    Hylas   and    Philonous,    1713;    deutsch  1781,    1901   (Phil. 

—    Ahiphron   or   the   niinute  philosopher,  1732;   deutsch  1737.    —    Siris,  1744. 

—  Mindlam  —  Works,  1784,  1871  (ed.  Fräser).  —  Vgl.  FRÄSER,  Berkeley. 

ÖEBERWEG,   />.   f.   Philos.,   1869,    1871.    —    E.  BÖHME,  D.  Grundlagen  d. 
B. sehen   lnnnaterialismus,  1893. 

It<  rnard.  ('laude,  1813 — 1878,  Prof.  in  Paris.  =  Gegner  des  Vitalismus 

ahme   einer   Lebenskraft,    der  aber   den  Mechanismus  im  Organischen 

intim  n«  c  vitale-   unterordnet   und    von    einem    „plan   organique"   spricht 

79). 

:  iften:  Introduction  ä  la  medecine  experimentale,  1865.  —  La  science  experi- 

wentaJe,  1878  u.  a. 

Ben^Scj  Maurice,  Soziologe.  —   Schriften:   Sociologie  et  morale,  1895,  u.a. 
|  Katholischer  Standpunkt). 

Itornliurri  ^ilvestris  (von  Tours),  im  12.  Jahrhundert.   =   Platonisie- 

t-iiker.     Die  Vorsehung  Gottes   bezeichnet  er  als  „Noys".     Die 

inl   durch  die   Weltseele  (Endelychia)  geformt.      In  der  gött- 

rnunft  >in<l  die  Ideen,  die  „formae  exemplares"  (Urbilder)  der  Dinge, 

H'inze,  Grundriß  II9,  S.  216  f.). 

8chriften:  De  mundi  universitate,  in:  Bibl.  philosophor.  mediae  aetatis,  hrsg.  von 

Itci  iih;ir<l       in  Chartres,    piaton isierender  Scholastiker   des  12.  Jahr- 
naefa  1124.  =  Die  Univenalien  sind  nach  B.  ewige  Ideen  in  Gott, 
■mento    bei  Joh.   von  Salisbury,    Metalogicus  I,  II,  III,  IV;    Poli- 
M.   Dl  WULF,  Hist.  de  la  philos.  m6die>ale,  1900. 

It«mhn»<l        d  Olairvaus   (Clarevallenßiß),  „Doctor  mellifluus",   geb. 

Burgand),    Beil   L115  Abi   des  Klosters  Clairvaux,   Gegner 

B.  v.  CL  Lei  der  Begründer  der  christlich-orthodoxen 

den    rvueensdunkel,  die  Dialektik,  die  Schätzung  des 

!!>-t  «rillen.      Das    Höchste   ist   die   Liebe   zu   Gott,   die 

ihn,  die  Kontemplation  bis  zur  Ekstase,  in  der  man  in 

rnj.tu    munrli.       Dt   <  f.TiKideratioric.       Do  deligcndo  Deo.       Dfr 
87,   ITlt.    —    Vgl.    NBAKDBE,   B.  v.  OL,    3.  A.  1865. 

'.    188C. 


Bkknhard  —  BlEDERH  \\  \. 
.Bernhard  von  Trilii  Schüler  dea  Thomas  ron  Aquino. 

Schriften:  Quaestiones  de  cognitione  animae  (nur  handschriftlich,  Paris). 

Bernheini.  Eni  .  1850,  Prof.  in  Greifswald.  =  Materiale  und  formale 

ichichtsphilosophie  ^ind  ra  unterscheiden.     Die  historische  Erkenntnis   ]• 
nicht  ans  Gesetzen  und  Begriffen  omtorwisseiischafüicher  An  ab,  ne  betracfa 
das  Einzelne  im  Zusammenhange  der  Entwicklung. 

Schriften:  Lehrbuch  der  histor.  Methode,   6.   A.   1908.  —  Einl.  in.  d.  Geschi 
wiss.   (Sammlung  Göschen')    1905,  u.  a. 

Bernier.  Francoia,  1  *j20 — 1688.  =   Anhän,Lrer  Qassendis. 

hriften:    Abrege  de  la  philos.  de  Gassendi,   1678,   1684.  —    Traite  du  libr 
du  Tolontaire,   1685. 

Berniew.    Victore.     —    Schriften:    Spiritualite"    et   immortalite,    1901,    u.  a. 
^für  die  Unsterblichkeit). 

Bernoiilli.    Daniel,    1700—1782.    —    Schriften:    De  mensura  sortis,    1738 
(Ansätze  zum  ,,Weberschen  Gesetz*'). 

Bernstein.  Eduard,  geb.  L8B0,  Kantianer  und  „revisionistischer"  Socu 
!'.•  rlin.=  B.  betont  die  Wirksamkeil  auch  des  [deologischen  in  der  (beschichte.     D 
rein  ökonomisch«]  Ursachen  Bchaffen  ranachst  nur  die  Anlage  zur  Aufnahme  be- 
stimmter  Ideen,   wie   aber  diese   dann   aufkommen    und   -i<-h   ausbreiten   und 
welche  Form  ne  annehmen,  hangt  von  der  Mitwirkung  einer  ganzen  Beute  von 
Einflüssen  ab." 

9    hriften:    Aufsätze  in  der    „Neuen  Zeit".    —    Die   Voraussetzungen  des  Sozialis- 
lhb'.1.    LtOS.   —  Zur  Theor.  u.  Gesch.  d.  Sozialism.,  4.  A.   1904,  u.  a. 

Berolzheiiiier.  Fritz,  geb.  1869.  =  Von  Kohler  beeinflußt.--  Schriften: 

Mitherausgeber  des  „Archiv  für  Rechts-  u  Wirtschaftsphilos.4',  Rechtaphilos.  Studien,  1 9 
—  Syst.   (I.    Rechte-   u.   Wirtschaftsphilos.,   1904  f.   u.   s. 

Berthelot,   Ben£.   =    Der  Mechanismus  und   Evolutionismus  weisl  aui 
Weltvernunft  hin. 

'.  riften:   Kvolutionisme  et   Platonisme,   1908,   u.  a. 

Bortraiitl.   Alexis,   geb.    1860,  Prof.  in   Lyon.  —  Schriften:  Psychologie  de 
l'effort,   1889  (Das  Streben  als  da«  Wesi-n  der  Dinge).  —   Lexique  de  philos.,  1893,  u.  a. 

B<k«*.'iiii.    Annie,    geb.    1847.    —   Schriften:   Theoaophi-    •    -  hriftetelleria. 

.    u.    a.    (Okkultismus  . 

Ocaiaiiai,  geb.  L408  ra  Trapecunt,  trat   rar  lateinischen  Kirche  über, 
wurde  Kardinal,  gest  L472  au  Ravenna.   =    B,   rerteidigl  den    Piaton, 
dessen    Lehren   denm  d«->  Christ<ntuma  nicht  widersprechen,  ohne  (wie  and 
..Hat. .niki-i-  der  Renaissance)  den  Aristotelei  /u  »chmlhi  n. 

driften:     Adversus  calumiiiatomu   PlstoaJa,     li     ■  —   Opera,  Migne 

trol.  T.  i»;i.   ib«»6    —  VgL  B    Vast,  Li  mdiai 

Bia*  ron  Priene,  wird  unter  den  „sieben  Weisen14  genannt.  =  Aussprüche 
1 1  •  ten  Menschen  sind  schlecht  |  u.  a, 

Illcitlm ■■■■ ,   Aloii    Rmannel,    geb.    L819  In   Winterthnr,    Prof.   dei 
ir  in  Zürich  L885.        Von   Hegeln   Panloginmutj  beeinfli 


Biedermann  —  Bilfinger, 


a  inlicher,    absoluter,    unendlicher   Geist,   der  sich  im  menschlichen 
in  und  Weltgrund  ist     Der   unendliche  Weltprozeß    hat  in  Gott 
,d  und  Bein   Endziel.      Der  religiöse  Glaube  enthält  nebst 
,hl    und  Willen.      Die  Religion  ist  die  „Wechselbeziehung 
als  unendlichen  und  dem  Menschen  als  endlichen  Geist/' 
riften:  Christi.   Dogmatik,   1869,  2.  A.   1884. 
lti<Ml<M-mmiii.   Gustav,  geb.  1815  zu  Böhmisch-Aiche,   Arzt  in   Boden- 
:    beeinflußt      Die  Philosophie  ist  die  Wissenschaft  vom 
Natur  und  vom  Leben.    Die  Wissenschaft  vom  Geist  zerfällt  in 
:n  Bewußtsein,  die  Lehre  vom  Geiste  und  die  Seelenlehre. 

DU  V\  issenschaftslehre,  1856  —  60.   —   D.  Wissensch.  d.  Geistes,  3.  A. 
—    Metaphys.,  1870.    —    Zur  log.  Frage,  1870.    —    D.  Naturphilos.,  1875.    — 
-     i-    lie-ritiswissenschaft,    1878—80.   —  Philos.    d.  Geschichte,    1884.  —  Philos. 
<1.  (.;.  —  Naturphilos.,   1888.    —  Religionsphilos.,  1887,  u.  a. 

ItiedtM  nimm.    Karl,  Prof.  in  Leipzig,  geb.  1832  in  Leipzig,  gest.  1901. 
riften:  Zeit-  u.  Lebensfragen  auf  d.  Gebiete  d.    Moral,    1899.  —  D.  deutsche 
Kant  bis  auf  unsere  Zeit,   1842 — 43,  u.  a. 

Kiol    Byel),   Gabriel,    der  „letzte  Scholastiker",   geb.  in  Speier,  gest.  1495 
I       •  _  ;  .     =    B.   i-t    Anhänger  Occams,    also    Nominalist.      Das  Kriterium 
■  II-  i-t  die  i unmittelbare  oder  mittelbare)  Evidenz. 

ift.-n:     In   quatuor   sententias ,    1501.    —    Collectorium    ex   Occam,    1512.  — 
I.I\-KM ANN.  Theologische  Quartalsschrift,  1865. 

Sterling*  E.  I!     geb.  1841.  —  Recht   ist   „alles,   was   Menschen,    die   in 

dwelcher  Gemeinschaft  Leben,  als  Norm  und  Regel  dieses  Zusammenlebens 

.  anerkennen". 

ritten:  Juristische  Prinzipienlehre,  1895  f.  —  ZurKrit.  d.  jur.  Grundbegr.,  1877  ff. 

Biete,  Alfred,  geb.  1856,  Gymnasialdir.  in   Neuwied.    =    B.   betont   die 

pher  in  der  Ehrkenntnis. 

n:    iJie  Philos.  d.  Metaphorischen,   1893.  —  Das  Assoziationsprinzip  u.  d. 
'1.   Ästhetik,   1896.    —    Die   Entwicklung  des  Naturgefühls  bei  d. 
1).    B.  d.  N.  im  Mittelalt.  u.  d.  Neuzeit,   1892. 
Sie*«,  1.  -  Hegelianer. 

Propädeutik,   1845     -    D.  Philos.  d.   Aristoteles,  1835  —  42. 

Bllfiager       ich  Imidin-  >rg   Bernhard,   geb.  109a  in  Cannstatt, 

und  Tübingen,  gest.  1750  in  Stuttgart. 

Leibniz'    und    W'ollls;    von    ihm    stammt    der    Ausdruck 

Philosophie".    In  manchen]  weicht  er  aber  von  L,  und  W. 

die  er  wie  L.  annimmt,   sind  nicht  alle  vorstellend, 

enden  Kräften  begabt.    Die  prästabilierte  Bar- 

i  afi  die  inneren  Zustande  in  den  vorstellenden  und  nicht 

nder  entsprechen.      Die  Sphäre  des  Vorstellens  der 

.     Die  Grundtätigkeiten  der  Seele  sind  Vorstellen 

m    Wechselwirkung   stehen,   bo  dal)  die  Vor- 

en     und     umgekehrt.        Ba    besteht     eine 

"  ollen  oie  ohne  zureichende  Gründe  erfolgt. 


Hl!. KINGER   —    BLA»  HE. 


Schriften:  Disputatio  de  triplici  rerum  cognitione,  1722.  —  Commentatio  de 
harraonia  animi  et  corporis,  1724.  —  Commentationes  philo«,  de  orig.  et  penuisa.  raali, 
1724.  —  Dilucidationes  philos.  de  deo,  anima  hamana,  mundo,  1725  (Hauptwerk  i.  — 
Vgl.  R.  WAHL,  Zeitschr.  f.  Philos.,  Bd.  85,  1884. 

Killiarz,  Alfons, geb.  18: s* '•.  war  Direktor  des Laiidesspitals  m  Siginaringen. 
=  B.  ist  von  Schopenhauer  beetnfuaflti  Van  JbeUozentrischeii"  Standpunkt. 
au-  -ind  die  Dinge  an  -i«-h  Subjekte  wie  wir,  Willenskräfte.  Die  Auflenweil 
i-i    na«  li  Analogie  unserer  inneren  Erfahrung  zu  deuten.      Kraft    iBi   dai  TOD 

■nflm  gesehene  Wille,  Wille  da-  [nneneein  dei  Kratt.  Wie  fthr  die  Psycho- 
logi»-  der  Kraftbegriff,  bo  ist  für  die  Physik  der  Willensbegriff  mterpretatorisch 
bedeutsam, 

Schriften:  Der  heliozentrische  Standpunkt  der  Weltbetrachtung,  1879.  —  Meta- 
pl  yp.  als  Lehre  vom  Yorbewul'ten,  1890 — 97.  —  Metaphys.  Anfangsgründe  d.  mathemat. 
Wfoenaehsftea,   1880.   —   Die  Lehre  vom  Leben,   1902.  —  Neue   Denklehre,   1908 

Ifiillrotli.  Job.  Gust  Fri.dr..  1808-1830  (gest.  ak  Prot  in  Halle).  = 
Anhanget  C.  11.  Woiflco. 

Schriften.  Beiträge  z.  herrschenden  Theo!.,  1831  —  Vorles.  über  Religions- 
philot.,   hrsg.    1837.   2.   A.    184  J. 

Kinot.   Alfred,   geb.  1867,  Prof.  in  Pari-.  =   Experimenteller  Psycho) 
Direktoi  des  peychoL  Laboratoriums. 

B  hriften:  latrodact.  k  la  psychologie  experimentale,  1894.  —  Psychologie  du 
raisonnement,  1886.  —  L'äine  et  le  corps,  1905.  —  Les  alterations  de  la  personnalite, 
1892,   u.   verschiedene  psychol.   Aufsätze  (in:   L'annee  ps\<ho!og.,  Revue  philos.). 

Ition  von    Borysthenes,    i.  Jahrh.  t.  Chr.     Fragmente  bei   Stobaeus.   = 
Popularisierender  Kyniker,  Verfaaeei  tod  „Diatriben",  beeinflußte  Bonus. 
Itiran  8.  Main«-. 

liinmh».  I".  II.    -    Von  <;.  Bennes  beeinflußt     Im.-  empirische  Psycho- 
■II   „die  psychischen  Zustände  in  ihren  naturgemäßen  Zusammenhai 
darstellen,  so  irie  sie  einander  bedingen,  voraussetsen,  veranlassen  und  verur- 
ien*\    Erkenntnis,  Gefühl  und  Begehren  sind  die  drei  Seelenvermögen.    I 

ein  äberainnlicher,  apriorischer  Begriff,  die  ^Grundform,  in  irelche 
wir  alles,  irai  ist  und  erscheint,  selbständig,  obgleich  mit  Notwendigkeit, 
hineinschlagen". 

einer  systemat.   Behandl.  d.   enipir.    1'-     i.    .. 
lii\l>V.  I'.   —   -    hriften:  The  Ethics  of  Erolotion,  1901,  u.  ■  (Evolutioi 

lilam*.  Elie,  geb.  1846,  Prof  .  in  Lyon.        Neoecholastiker.       SehrifJ 

Train-  «!<•  philos.  •' l.    1909     —    Di  ttonoaire  de  i.  a 

Itlaii«*.  Louis,  1811-     W  Sozialist  riftei.  du  tra- 

vail,    1841;   deati  I    1  - 17. 

Klaii<|iii.   Louii    l"        1881.         Lehre   eom   Kreis  lau  1   i 
(vgl,  Sie!  -In  -  ,.'w  ige  Wiederkunft 
:.  riftei 

ItliiHchv.    Bernh  Beinrich,   geb.   1776  in 


BLASOBE   —    BOKTHIUS. 


-  hellingianer.     Das  Böse   existiert  nur  für  den  beschränkten  end- 
-  uidpunkt      Jedes    Beinßelement    kommt    irgendeinmal    zur   Unsterb- 

l>as    Böse    im    Einklang    mit  der  Weltordnung,    1827.    —    Philos.   d. 
ls-.'i).  —   Philos.   Unsterblichkeitslehre,    1831. 

lilavat«ky.     H.    P.    =     Theosophin.    —    Schriften:     Die    Geheinilehre* 
0  tf.  >. .-hlüssol  zur  Theosophie,   1907.  —  Isis,   1907  ff.,  u.  a. 

ItlonuVl.  Maurice,  "Prof.  in  Aix.   =   Religionsphilosophie  mit  Betonung 

:    Aktivität   d  der  freien  Tat,  des  Willens,  als  Grundlage  aller 

Erkenntnis  und  Lebensgestaltung.     Der  Wille  will  sich  die  Welt  erobern.     Er 

im   seh  aber   nicht    selbst  genügen  und  muß  etwas  Überlegenes  anerkennen,. 

Lauben,  in  dem  die  menschliche  Aktivität  zur  Ruhe  gelangt. 

ritten:   L'action,   1893,  u.  a. 

Itloiuit.    Charles,    1654—1693.    =    Anhänger    Herberts   von    Cherbury,. 
1  »•  ist  I  Naturreligion). 

ritten:  De  aninia  mundi,   1679.   —  Orakel  der  Vernunft,   1693. 

Itohrik.   Bd.  =  Herbartianer.  — Schriften:    Freie  Vorträge  über  Ästhetik* 
ies  prakt.   Syst.   d.  Logik  I,   1838. 

Itnilin     Bodinus),   Jean,   geb.  1529  oder  1530  zu  Angers,  gest.  1596  oder 

u  Laon.    =    B.    ist  in  der  Rechtsphilosophie  ein  Vorläufer  von   Montes- 

D  Verfassung  ist  die  durch  göttliche   und   natürliche  Gesetze 

schrankte  Monarchie.      Im  „CoUoquium"  predigt  B.   Toleranz,   da  alle  Reli- 

■n«  ii  etwas  Wahres    haben    und   nur  Formen  der  natürlichen    Religion    sind 

Methodus    ad    facilem    historiarura    cognitionem,    1566.    —    Six   livres 

de    la  republique,    1577,   lat.    1584.    —    Demonomanie,    1581    (Annahme    von    Dämonen, 

\en    u.    dgl.j.    —   Colloquium    heptaplomeres,    1841    (Guhrauer),    vollständig  hersg.  von 

—  Vgl.    BATJDBILIiABT,  J.   B.,   1853.  —  E.  HANCKE,  Bodin,   1896. 

Kodmir.    Bigmund,    Ungarischer  Geschichtsphilosoph,  betont   die  Idee 
-  shriften  darüber  1892,  1894,  1898). 

lio<:thiii*,  Anicius  Manlius  Torquatus  Beverinus,  geb.  um  480  n.  Chr.  in 

iann  und  Günstling  des  Königs  Theodorich,  wurde  später  bei 

1     fängnis  geworfen  und  525  hingerichtet.    Er  verfaßte 

und    Kommentare,   u.  a.   Commentarii   in    libr.    Aristotel. 

":-     I  Porphyrii  comment.,  1906  (diente  im  Mittelalter 

er  Arbeiten  über  die  Schlüsse,  über  Einteilung  u.  dgl.    Seine 

tandene)  Trostschrift:    De  Consolatione 

ch  in  der  ßeclam'schen  Bibliothek. 

B.   Liej  allem  darin,  daß  er  im   Mittelalter  lange 

der  Aristotelischen  Philosophie  war.     Er  genoß 

ei   schlechthin  als  „auctor"   bezeichnet    wurde.    Seine 

I     toisch  gefärbt.     Sie   ist    in  der  „<  Jonsolatio" 

•  q.    Die  „Philosophie"  erscheint  dem  B.  und 

h  Lbst  i-zohnt,    uns   nicht    genommen 


BOKTHIl>    —    l'.ÖKME. 


werden    kann.     Das    Böse   i-t    etwas    Nichtiges;   auch  das  l         gereicht    /um 
Guten.    Auf  Gott,  dessen  Vorsehung  alles  weiß  und  leitet,  ist  zu  vertrauen. 

Vgl.  FR.   NtTXBCH,  Das  System  des  B.,   1860.    —    A.  HlLDEBKAM'.  B.  u.  seine 
Stellung  zum  Christentum,   1885. 

Boethins,  Daniel,  1751—1810.  Prof.  in  Upsala.  =  Von  Kant  beeinflußt 
Unser  Wesen  fordert  Harmonie.     Die  Sittlichkeit  i-t  ein  Leben  in  Gott. 

ßoethoa;    li  Schüler  des  Andronikos  von  Rhodos,  Peripatetiker.    2)  B. 
au-    Sidon,    Stoiker.    =    B.    nimmt    verschiedene    Kriterien    der    Wahrheil   an 
Wahrnehmung,   Denken,  Streben,    Wissenschaft),  behauptet  die  Ewigkeit   der 
W<  dii    „Ekpyroe&B'']  und  nähert  sich  dem  AriatotelismuB. 

Vgl.  DlOG.    La£BT.    Vll,  54. 

Böhm,  Andreas,   1720—1790  (Gießen).    =     Wolffianer.    —    Schriften: 

Logica.   174'.'.   —   MetapliNsira.    1753. 

Böhm.  Karl.  geb.  1846,  angarischer  Philosoph.  =  B.  vertritt  erkenntnis- 

tfaeoretiach   den    l'hanomenali-mu-. 

Schriften:    Der  Mensch  u.  seine   Welt,   1883  —  93  (ungar  i.    —  Aufgabe  u.  Grund- 
I»r<>blein  (1.   Werttheorie,  1900  (ung.),  u.  a. 

Böhmes  Christian  Priedrich,  1766—1844.   =   Kantianer.   —  Schritte*: 

Über  die  Möglichkeit  sviithet.    Urteile  a  priori,    1801. 

Böhme.  Jakob,  geb.  1575  in    Alt-Seidenberg    (Oberlausitz),  hatte  schon 
als  Knabe  Visionen,  las  auf  der  Wanderschaft  religiöse  und  astrologische  Schriften, 
wurde  1504  Schuhmachermeister  in    Görlitz;  als   solcher  las   er  Schriften   von 
Mystikern,  schrieb  1612  die   .Aurora",  der  Bett  1619  Doch  viele  andere  Schriften 
<  n.    ]'..  arurde  von  den  Orthodoxen  angefeindet  und  Btarb  1684, 
.1.  Böhme,  der  Mphilosophus  teutonicus",  ein  Autodidakl  von  höchst  Erommem 
nüt,   gibt   in  schwerfälliger,   aber   oft    emdringlich-lebendiger    W<  nen 

mystisch-theosophischen,    von    Paracelsus  u.  a.  (besonders   Alchymist 
beeinflußten  [deen  Ausdruck.     Die  An  -ein.-  Denken-  erinnert   an  die  älteren 
Gnostiker.    Da-  Christentum  bekommt  bei  ihm  eine  pantheistisehe  Färbt 
und  «in  religiöser  Dualismus  tritt  auf.  für  den  neben  dem  ( inten  auch  das  ! ; 
ein  allen  Dingen  innewohnende-,  als  aufgehobenes  Moment  (als  „bittere  Qual", 
die  hier  „Freudenquell"  i-ti  auch  in  Gott  enthalten«-  Weltprinzip  i-t.    G 

II-!'  ..der  Quellbaum"  d<  Gottes    Leih:    in    ihr   hat   -ich  '. 

kreatürlich    -'macht     Aurora  Kap.    1   f.).      I  tt/    von    „licht"    und 

:  -temi-  •  spielt  hier  eine  große  Rolle.    Alles,  «ras  i-t.  i-t  an-  dem  „Ungrtu 
in  Gott     Für  sich  allein  (als  Vater    i-t    Gott   der    Wille   des   l  ngrunda,  der 
aber  all    i  rhaben,   insofern  alles  und  nichts  ist,  ein  Wille,  der  im 

Nichts14  ontändet  und  ein  .. I <  1 » i -  * .  ein  Btw  den  will.     D 

führt  /ur  Sei  b  nba  rung  -  hauung  i 

findung    in    -einem    Sohne    vermittelst    des    h<  '  um 

«rahrhafl  Gott  ro  sein,  sich  offenbaren,  er  ruu  indlich  werden  und 

die  Welt   aus  sich  n    lassen.      Kein    bestimmtes    und 

ohn<   '  itz.    D  '  v  hm 

II  aller   I  Knge,   der  Wille  /um   B 


BÖHME   —   BOLINGBROKE. 


und  Y  -tändliehung  führt  das  Eine  in  die  „Schiedlichkeit" 

'i   bedarf  eines  „Gtegenwurfs",  der  Welt.    In  Gott  ist  Liebe,  aber  auch 

or-  und  so  bestehen  alle  Dinge  in  ,,Ja  und  Nein";  das  Ja  ist  Kraft 

aber   ohne   das  Nein  gäbe   es  keine  Bewegung,  keinen  Trieb  zur 

rang.     In  Gott  sind  beschlossen  die  sieben  „Quellgeister"  (Qualitäten), 

d.  h.  die  Qrundkräfte   dos  Seins  und  Geschehens,  die  psychischer   Art  sind 

und   im  Materiellen  znin  Ausdruck  kommen.      Sie  werden  (ewig)  im  „Blitz  des 

Aurora.  S.  81,  159  ff.),  nämlich:    Begierde,  Bewegnis,   herbe 

oalitat",  Feuerblitz,  Liebe.  Verständnis    (Hall    oder    Schall)   und  deren 

immenfassnng.      Die    Welt    ist   eine  Manifestation    göttlicher  Kräfte,    ein 

gel   der    Gottheil    und  seiner   Dreieinigkeit,  ein    Gleichnis   derselben.      Die 

..hcrU'-    und   die    „süße"    Qualität,    das    „Zorn-"   und    „Liebesfeuer"  und   die 

anderen     Klüfte,    die    in    Gott    liegen,    äußern    sich    in    allem,    so    auch    im 

hen,    dessen   Seele  das  Böse,  Teuflische  überwindet,  wenn  sie  in  Gott 

und  Christas  ihre   Wiedergeburt  feiert,    Gottes   Wesen  anzieht,   dieses  in  sich 

walten  läßt  ;  denn  Himmel  und  Hölle  sind  in  uns. 

Anhänger  Böhmes  sind  Chr.  v.  Frankenberg,  B.  Walther,  Werden- 
n.    J.    Ct.   Gichtel,    J.   Pordage   u.  a.;    beeinflußt    von    ihm    Saint 
.Martin.  Bchelling,  Baader,  Schopenhauer  u.  a. 

Schriften:     Aurora  oder  die  Morgenröte  im  Aufgang,   1612,  1656.     —    "Von  den 

■Irei  Prinzipien    göttlichen    Wesens.  —    Vom   dreifachen     Leben   des    Menschen.     —    Von 

>ech»  mystischen  Punkten.  —  Der  Weg  zu  Christo.  —  Mysterium  magnum,  u.  a.  Werke, 

1682;    1831—47,    1861.      In    Auswahl,    hrsg.    von    Classen,     1885  ff.    —    Vgl. 

WW,  111,  XIII.  —  A.  PEIP,  J.  Böhme,  1850.  —  DEUSSEN,  J.  B,  1897.  - 

I.  B.,   1897. 

liölniMi.  Hermann.  =   Nazistischer  Standpunkt  bezüglich  der  Eaum- 

n :     Die  .Sinneswahrnehmung,    1863.    —    Die  physiol.   Theorie  d.  Sinnes- 
isorj.   —   Die  physiol.  und  psychol.  Prinzipien  d.  Sinnenlehre,   1868. 

Ilona«  .  I     ,il,  geb,  1851,  Rektor  der  Akademie  zu  Dijon.  =  B.  ist  ein  be- 

Leibniz  beeinflußter  Phanomenalist.   Ein  Sein  außerhalb  des  Denkens 

I  Objekte  sind  Erscheinungen,  Inhalte  eines  universalen  Denkens, 

1      -    Isubjekf   unabhängig.     Die  Substanz    ist  das   universale 

'■    lanke   der    die    Phänomene   verknüpfenden   Beziehung.     Die 

Einheit,  das  lebendige  Gesetz  der  Vorstellungen. 

ph.'honwi.e,   1891.    —    La  psychologie  inconnue,  1908,  u.  a. 

Hoi*  K<  >  moml       |)u  Bois-Beymond. 

,toh"-    '"■  ■■  .    Prof.    in    Helsingfors.     Mifli<Tansgeber  der 

he  Werken.  =  Anhanger  Feuerbachs. 

L891,  u.  ;.. 

i;«»h,._t.:  .,K...  (Henry    St   John),   geb.    L662   bei     London, 

Bmpirisl  (von  Lorke  beeinflußt),  der  die  Un- 

und   Haterie  betont,  Gegner  aller 

und  Deist;  die   positire   Religion    isl 


BOLINGBROKE  —   BOLZAXO. 


mir  ein  Mittel  für  Btaatszwecke  und  muß  den  Y"lk«-  erhalten  bleiben,  damit 
dieses  dadurch  geleitel  werde  Die  Existenz  eines  Gottes  und  einer  Vorsehung 
steht  durch  das  Lieht  der  Vernunft  fest. 

Schriften:  Letters  on  Study  of  History,  1738,  1752;  deutsch  1794.  —  Works, 
17Ö3 — 54,   1808  —  9,   1849.   —  Vgl.  BROSCH,  Lord  B..   1883. 

Holland.  G«  J.  P.  J.j  Prof.  in  Leiden.  =  Anhinger  E.  v.  Bartmanns, 
aber  spftter  mit  Modifikationen  und  jetzt  mit  Hinwendung  zu  Heg 

Schriften:  Collegium  logicum,  1904  f.  —  Denken  u.  Wirklichkeit,  1905 
iholländ.  i,  u.  a. 

Bölsehe.  Wilhelm,  geb.  1861,  lebt  in  Berlin.  =  Evolutionist  und  Monist 

Schriften:  Entwicklungesch.  d.  Natur,  1893  f.  —  Das  Liebesleben  in  der  Natur, 
1901.  —  Naturgeheimnis,    1905,  u.  a. 

ßoltzmaiiii,  Ludwig,  gest  1908,  Prot,  der  Physik  in  Wien.  =  Für  die 
mechanistisch -atomis tische  Physik;  Atome  Bind  al>  Denkmittel  not- 
wendig (gegen  die  rein  „phänomenologische"  Physik).    Die  Außenwelt  «xi-t i.rt 

nnaKh&ngig   von    im-. 

Schriften:  Über  die  Frage  nach  der  objektiven  Existenz  des  Vorgestellten. 
Populin  riften,   1905.   —  Wissenschaftl.  Abhandlungen,   1909,  u.  a. 

Kolzano.    Bernard,   geb.  178]  in  Prag,  seil  lv"~'  Priester  und  Profee 
der  Religionswissenschaft,  1820  suspendiert,  gest  ih 

B.  (der  jetzt  durch  Husserl,  Paligyi  n.  a.  zur  Geltung  kommt)  ist  in 
seiner    (heute    erst    beachteten)    Logik    (Wissenschaftslehn  entlieh    von 

Leiltniz  beeinflußt  Kr  ist  ein  Gegner  des  Subjektivismus  und  stellt  die 
Lehre  ron  den  „Wahrheiten  an  Bich"  auf.  Vom  (Jrteilsakl  unterscheidet 
er  den  objektiven  Inhalt  des  Urteils,  den  Sinn  des  Sattes,  den  „8ats  an  sich", 
der  unabhängig  vom  Denken  j^ilt.     Er  i-t   ..eine  Aue  dai  etwas  Ist  oder 

oicht  ist ;  gleichvie]  ob  diese  Aussage  wahr  oder  misch  ist,  ob  sie  ron  irgend 
jemand  in  Worte  getaut  oder  nicht  gefaßt,  ja  auch  im  Geiste  nur  gedacht  oder 
nicht  gedacht  worden  ist".  Eine  raum-zeitliche  Existenz  hat  der  „8ats  an 
-idr  aber  nicht,  nur  ein  ideales  Sein  (Wissenschi  I.  8.  76  tt.:  II.  g  122 
„Wahrheiten  an  sich'4  sind  „Wahrheiten,  abgesehen  davon,  ob  sie  von  jemand 
erkannt  oder  nicht  erkannt  werden"  (L  c  I.  Die  objektive  ^Wahrheit 

eicht  durch  das  Denken  gesetzt,  auch  Gott  erkennt  sie  nur.  weil  sie   ist 
l ..      ,/.     Die  gedachte,  erkannte  Wahrheit   i-t   die  „logische"    Wahrheit  (vgl. 

1 1  ii  —  tri  . 

Das   Schöne    bezieht    \).  aut   die    an^emcsM-iie   Am- 1:1111-    im- r.  ■     l'.rkennt- 

Diskriftft      1       -  ii»t   ein    imbedingt    verptüchtendes   Bittei 

die  Förderung  des  Gcsamtwohles  fordert      Die    Staatslehre  Bj  liegt  nur 

im   Manuskript    n                       ann,  L  c  S.   I                       ~~  i,"> 

Wohle  und  der  Sittlichkeit  der  Menschen  sn  dienen.     I  igentum  il  dux  soweit 

anzuerkennen,    als    es    tiir  das    allgemeine   Wohl    dienlich   i>t    und 

nützlichste  Verwendung  findet    Auch  Inder  Metaphysik  ist  B.  n      I      >nis 

al.l  Di(     I1  '••heu    BUS     .M-madi  ir\   welch«-  alle  «•mptiud«  11.   w< 

•  -    ah«  1    auch     ..lu-rrsehende"     Monaden,    S<  ■•  -b-n    pht.      Die  Schöpfung     ist    1 


Bolbako  —  Bonaventura. 


Welt     ist     unendlich.       Zwischen    den    Monaden    besteht    wahre 

Lebensbeschreibung,  1836,  2.  A.  1875.    —    Für  die    Mathematik 
Beitrage  ku  einer  begründeteren  Darstellung  d.  Mathematik,  1810.  —  Para- 
cet   Unendlichen,    hrsg.    von    Prihonsky,   1851,    2.   A.    1889,  u.  a.    —   Für   die 
Lehrb.     d.    Religionswissenschaft,    1839,    u.    a.     —     Philosophisch: 
1S38.  —  (Über  Unsterblichkeit):   Wissenscbaftslehre,    1837.    — 
1   Begriff  d.  Schönen,   1843.  —  Über  d.  Einteil.  d.  schönen  Künste,  1843.  — Drei 
philos.  Abhandl.,   1851.  —  Was  ist  Philos.?   1849.  —  Vgl.  PRIHONSKY,  Neuer  Anti-Kant, 
—    V.w  A.GYI,   Kant  u.  Bolzano,    1905.   —   G.  GOTTHARD,    Bolzanos   Lehre  Tom 
.    1909.   —    H.  BERGMANN,    Das  philos.  Werk  B.  Bolzanos,    1909  (die 
zur  enthaltend).  —  KREIBIG,  Über  e.  Paradoxon  in  d.  Logik  B.'s,   1900. 
Hon.   I  b.  1871,  lebt  in  Leipzig.   =  B.  hält  das  hypothetische  und 

-  llcn .    das    „Angeratenwerden"    und   das   ,,  Geboten  werden" 
irf  auseinander. 

riften:     Die  Dogmen  d.    Erkenntnistheorie,    1902.   —  Ueber   das  Sollen  u.  d. 
.   1898.   —   Grundz.  d.  wiss.  u.  techn.  Ethik,   1896. 

Bon.  Le,  -.  Le  Bon. 

ISonald.    Louis   Vicomte  de,   geb.  1754,   reaktionär  -  legitimistischer   Ab- 

r  und  Pair,  gest.  1840.  =  B.  gehört  zu  der  „theologischen"  Schule  der 

ditionalisten",    jener  französischen   katholischen    Philosophen,  welche    eine 

Uro  t  fenbarung  lehren,  aus  der  die  Sprache  stammt,  die  wiederum 

Quelle  aller  Erkenntnis  ist.      Ohne  die  Sprache   kann  der   Mensch  nicht 

denken.     Der  Mensch  ist  ein  soziales  Wesen;  Gesellschaft,  Staat,  Gesetze  sind 

lezw.  der  Religion  und  Kirche  untergeordnet, 
riften:     Theorie   du   pouvoir   politique  et  religieux,  1796,  4.  6d.  1860.  —  La 
legisUti-n  primitive,   1802.  —  Oeuvres,   1817—30,  1857—75.    —  Vgl.  G.  BüSCHBELL, 
Philo«.  Jahrb.  XII. 

ltona(<  IIL  I      geb.  1830.  =  Von  Herbart  u.  a.  beeinflußt.   Das  Psychische 
i  den    Dingen   und    für  dieselben  geschieht,  das    Physische  eine 
riechen  den  Dingen.    Die   Seele  ist  eine  immaterielle  Substanz 
unsterblich. 

Schriften:     Pensiero  e  conoscenza,  1864.  —  La  coscienza,   1872.  —  Intorno    alla 
eoMscibilite  dell'  Jo,  1902.  —  II  concetto  della  vita,  1904,  u.  a. 

Ho  im  Ventura    (eig.   Johann   Fidanza),    „Doctor  seraphicus",    geb.  1221 
I  Franziskaner,    <  hdensgeneral,    Schüler   des    Alexander 

'  '  kanonisiert. 

Hauptvertreter  der  mittelalterlichen  Mystik,  der  (neben 

m  Plato,  Augustinus,  älteren  Mystikern,  Alexander  von  Haies,  Avi- 

-'.     Die  „Ideen"    Bind   Gedanken  Gottes.    Die  Indivi- 

reh   die   Vereinigung   von    Form  und  Materie,   die  auch  in 

teht     Allee   begriffliche  Wissen  ist  nichtig  gegen- 

nnd  Ekstase,   in   welcher  sich  die  Seele  zu  Gott  auf- 

/     tand,  der  erst  nach  Zurücklegung  verschiedener 

haulichkeil  erreicht  wird.    Bin  reines,  asketisches 


Bonaventura  —  Bobdas-Dsmoulut.  .1 

Schriften:     Perlustratio    in  quatuor    libros  sententiarum,    1495.    —    Centiloquium. 
De     septem    gradibus    contemplationis.      Soliloquiura.     De    eeptem    itineribus  aeternitati« 
Itinerarium   mentis    in    Deum.     Breviloquium  (die  beiden  letzten,   1862)  u.  a.    —    Opera, 
1482,  1861  ff.,  1882  ff.  —  Vgl.  K.  WERNER,  D.  Psychol.  u.  Erkenntnislehre  d.  J.  Bonav.. 
1876.   —    Ed.  LüTZ,  Die  Psychologie  B.s,   19<>9. 

Bonnet,  Charles,  geb.  1720  in  Genf,   irorde  schon   früh   infolge   seiner 
natorwissenschaftlichen    Beobachtungen   Mitglied  gelehrter  Gesellscn 
au!  Beinem  Gute  am  Genfer  8 

I..    dessen  Schriften    von   Rinflnfl  ani   verschiedene   dentsche   Psycholog 
Feder,    Hissmann,  v.  [rwing   u.  a     waren,   ist    ein   (von    Locke   beeinfluß! 
I     tpirist,  der  in  der  Psychologie  die  Verbindung  der  psychischen  V. 
mit  den  Nervenprozessen    Vorgangen  in  «Im  ..Fibern-)  betont,  aber  dabei 
die  Reaktivität  und  Aktivität  der  Seele,  die  nach   ihm   eine  immaterielle  Sub- 
stanz ist,  beachtet.     Die   Psychologie  beruht   auf   Beobachtung  und   Erfahrung 
Ess.  anal,  jir.'t.  .      1  tie  Bewegungen  der  Nervenfibern  Bind  natürliche  Zeichen" 
der  pM'wulitseinsvorj  Die  Vorstellungen  entspringen  teils  au-  den  Sinnen, 

teils  aus  der  Reflexion,    Vor  aller  Erfahrung  hat  die  Seel«'  keine  Vorstellungen, 
•ras    B.  (ähnlich  wir  Condillac)  durch   Vergleich  des  Menschen  mit  einer  Bild- 
le  zeigt    Die  Verbindungen  der  Vorstellungen  Assoziation),  die  Reproduktion 
usw.  hängt  von  den  Verbindungen  der  Nervenbewegungen  ab.     Der  Begriff  der 
Disposition  (als    Spur,  Anlage    in  den  Gehirnfibern]   besteht    hier  schon,     l1 
Aufmerksamkeit   ist   eine  Reaktion  der  Seele  auf  ihre  Eindrücke,  wodurch 
schwächere    Eindrücke    verstärken    kann.     S      ist    „une    modification    de 
l'activite'   de  l'äme",    ..un  certain  exercise  d<-  la  tonnt'  motrice  de  l'&me  but  les 
fibres  de  bod  cerveau".     Die  Seele  besitzl  einen  ätherartigen  L<-il>  als  unverlier- 
bares    Organ,    «reiches   die    Erinnerungen    des    ISrdenlebena   aufbewahrt, 
diesem  Atherleib  geht  sie  in  andere  Körper  ein,  worauf  die  „Palingenesie",   die 
Auferstehung  der  in  der  jetzigen  Weltperiode  verstorbenen  Lebewesen  in  einer 
künftigen  Weltperiode  beruht   (ähnlich   wie   Whiston,   Nova   telluris  theoria, 
i  _1.  Offner,  1.  c  3.  Die   organischen    Keime  bestehen   auf  drv 

I'.nl.-  von  Anfang  an  and  entwickeln  sich  im  sinn.-  der  Präformation. 

8     lirifton:      Essai  de  paycholo^i«'.    17  7."*;    deutsch    177."».  BwSl  inalytiqafl 

les  fuculti'-s  de  l'ftm«,   1760;  dt-ut- h.   1770 — 71.  —  La  pah: 

7'  —    I  diisid"  -nttions    aur  iipn»-,    17 ''■•_'     —     1  - 

libeni)  1747,  —  Oeavrat,   1 779.  —  7g  .    \.   Lemodtb,  0a.  B„  1860.  —  M.  OFFN1 

die   Pij  B  -.    1893. 

i.ool«'.  I  r  der  mathematischen  (symbolischen)  I -< »1:1k. 

natiral    Analysis   of  Logl  .    1M7.   —  Ai  Law« 

of  i  baaakt,  I  - 

Korda«-  lloiitoiilin.  Jean,  1798     lv  thematiker  und   Philoaoph. 

1er  Cousins.  =  B.  ist  besonders  von  Malebranche  beeinflußt.     Dk   Wirkl 
k.it   ist    [dee.      Die   mathematisch-mechanische    Betrachtung    macht    aus   dem 
Unwirkliches;  die  Wirklichkeit  selbst  i-t   Kraft,  [dee,  VollkomuM 

Substanz  besteht   aus  zwei   Elementen     i  und   Vollkommenh 


Bordas-Demoülen  —  Boström. 


In  der   allorganischen    Welt   herrscht   die   Größe   oder  Aus- 
geht, in  der  organischen  die  Kraft. 

Lettro   sur  l'öclecticisnie,    1834.    —    Le  Cartesianisme,    1843.    —    Me- 
:vüg.,  1855.  —  Oeuvres  posthumes,  1861. 

HorHiu*.  J.  .'••  geb.  1823.    Schwedischer  Philosoph.  =  Hegelianer,  aber 
M   difikationen. 

•iiton:   Über  d.  Satz   d.    Widerspruchs,    Philos.    Monatshefte,    1881.  —  Blicke 
jpg    i  lp.  d.  Philos.,  1886,  u.  schwedische  Schriften  (1849,  1853,  1857). 

Itorclli.  Pasquale,  1782—1859.  =  Von  Th.  Brown  beeinflußt. 

B    hriften:   Priiuipii  dolla  genealogia  del  per.sicro,   1825. 

Bo>an<|iiel.  Bernard,  geb.  1848.  =  B.  vertritt  (ähnlich  wieBradley)  einen 

ktiven  Idealismus,   nach  welchem  die  Wirklickeit,  auf  die  sich  unsere 

Urteile  beziehen,  in  einem  einheitlichen  System  besteht,  dessen  analytische  £r- 

se  durch  Begriffe  vermittelt  wird.    Das  Wesen   des  Urteils  besteht 

:    Beziehung  eines  ideellen  Inhalts  auf  die  Wirklichkeit  („reference  of  an 

.1  content  to  reality"). 

8<  hriften:    Knowledge   and    Reality,    1885.    —   Logic,    1888.    —    An  History    of 
t-tic«,   1892.   —  The  Essen tials    of  Logic,    1895.  —  Psychology   of  the  Moral    Seif, 
—  Aufsätze  im  „Mind",  „Monist",  „Intern.  Journ.  of  Ethics"  u.  a. 

BoMCOvicli«  1^-  Josef,  geb.  1711  in  Ragusa,  Jesuit,  Prof.  d.  Mathematik 
::.  Philosophie,  Astronom  und  Physiker,   gest.    1787  in   Mailand.   =  B.   ist  in 
Physik  A  t  (unis  t  i  ker.     Die  Atome  sind  räumlich  bestimmte  (aber  unaus- 
•.     Kraftzentren,  mit  abstoßenden  Kräften  begabt. 

hriften:  Diasertationes  duae  de  viribus  vivis,   1745.  —  Theoria  philos.  natural, 
A     1762.  —  De  continuitatis  lege,   1754. 

lto*trüm.  Christopher  Jakob,   der  bedeutendste  schwedische  Philosoph, 

in  Pitea,  Beil  1840  Professor  d.  Philosophie  in  Upsala,  gest.  1866. 

I'..-   Lehre  isl  «in  ..rationaler1'  Idealismus  und  spiritualistischer  (von  Leibniz 

Personalismus.    Alles  Sein  ist  an  sich  Selbstbewußtsein,. 

ii    aus    Monaden,    geistigen    persönlichen    (d.  h.  in  irgend 

'  '  empfindenden  oder  bewußten)  Wesen,  und  die  Außenwelt  als 

Inhalt    des  Erlebens  oder  Bewußtseins  der  persönlichen  Wesen,  eine 

•  .der  übersinnlichen  Welt.     (Objektiver  Phänomenalis- 

auch  der  Leib  nur  die  Erscheinung  der  Seele  des  Geistes.    Das- 

Wirkliche   und   ursprünglich    Seiende".      Gott    ist   die 

aLmoI i  önlichkeit,  in  der  alles  enthalten    ist  (PanentheismusV 

das  Vollkommene,  nichts   außer  sich  haben.    Es 

/       mal    Veränderung   erhaben,   ist    reines   Selbstbewußtsein. 

[uteri   sind    Subjekte   und  Zentren   für  die  Auffassung 

Stufenordnung   niederer   und   höherer  Wesen   im 

ite  Persönlichkeit  und  zugleich  ein  Reich  persönlicher 

nicht    ohne    Gott,   aber  Gott   setzt  jene    nicht 

sind  die  ewigen  Ideen  Gottes,  dessen  Leben 

'    und   allein   immanent   ist.    Die  Körper  als- 


Boentöif  —  Boütkrwbk. 


solche   sind   Phänomene,   <1.  h.  die   Art   und    Weise,    wie   dai   Bein   rieh   den 
einzelnen  Geistern    in    «Im    suhjektiv-relativen    A n-<liauuiiL:-1i -iiihii    i  Kanin    und 
Zeit)  darstellt.  —  Die  Sittlichkeit  besteht  darin,  an  der  Realieiernng  an» 
[dee  und  des  Reiches  Gottes,  der  Vernunft  zu  arbeiten.    Die  Gesellscn 
ist  ein  Organismus,  eine  eigene  göttliche  Idee,  welehei  Persönlichkeit  und  Wille 
zukommt  —  Schüler  B.s  sind  Bibbing,  Nybläus,  Bahlin  u.  a.  (vgl  !'••' 
II.  inae,  <-rundr.  IV10.  -  !f.). 

driften:   1883—1901.  —  Vgl.  Philos.  Monatshefte,  3.  Bd.,  1869. 

Houglt*.  Charles,  Soziologe.  —  Schriften:  Les  sciences  sociales  en  Aliens. 
1896,  u.  a.  —  Lo  solidarisme,  1907.  —  Qu'est  ce  que  la  sociologie?  u.  a. 

BonilltV  b.  Bovillus. 

Bonillier,  Francisque,  1813—1899.  Prof.  in  Orleans  und  Lyon,  dann 
Direktor  dar  Ecole  Normale.  =  I>.  ist  biologiachar  „Animist".  Die  Seele  ist 
zugleich  Lebensprinzip,  gestalte!  selbst  den  Organismus. 

B    hriften:  Histoire  et  Critique  du  Uartesianieme,   1842.    —    De    l'unite    de    lame 
pensante  et  du  principe  vital,    1858.  —  Le    principe    vital    et    l'äme    pensante,    180:'     - 
«'d.   1873. 

Bontemck.  Friedrich,  geb.  1766  bei  Goslar,  Prof.   in  Göttingen,  _ 

Unter  „Apodiktik"  versteht  B.  die  „Wissenachalt,  durch  welche  der  Grund 
d  gefunden    und  ror  der  Vernunft  gerechtfertigt  wird--  (Apod. 
I.  6      fcs     terGÜlt  in  logische,  transzendentale  und  praktische  Apodiktik.    1 
reine  Denken  reicht  nu  Erkenntnis  nicht  ans.    Nur  ein   nnmittelbai 

kennen   tindet   die   Wirklichkeit,   welche  das    Denken   al>  solche  bewahrt.     Durch 

innert'  Erfahrung  erfassen  wir  dm  absolut  Wirkliche.  Diese-  i-t  über  den 
Gegensatz  von  Subjekt  und  Objekt  erhaben,  ee  ist  der  Triger  heider.  ist  die 
Einheit  der  Kran«-  und  Widerstände,  in  der  wir  und  die  Dinge  sind,  ea  ist 
„absolute  Virtualität",  wie  alle  Dinge  an  neh  Kraft  Bind  („Virtualisrnini 
.  Ki n 1 1  in  un~  oder  anaW  dm  ist  relative  Bealität.  Widerstand  i-t  entgegen- 
tzte,  also  auch  relative  Realität.  Heide  vereinigt  sind  Virtualität  Durch 
Virtualität  sind  wir.--  ..Die  absolute  Realität  ist  nicht-  and«!.-  als  eben  d 
Virtualität,  die  in  uns  j§t,  nie  wir  in  ihr  sind.  Bie  ist  das  Absolute,  das  durch 
sich  Belfast  ist"   (Apod.  11  Der   Mensch  erfaßt    -ich   \u   seinem   Willen 

als  endliehe  Virtualität  und  niui»  midi  Beine  Nebenmenschen  ahi  Bolche  be- 
bandeln. Auf  das  Unbedingte  geht  der  „Glaube",  den  I>.  in  -einen  Arbeiten 
s.it  |  :  ker  betont. 

Bj    ron  Grillparzer  gelobte)  Ästhetik  hat  eine  psychologisch«  Grundl 
hat   .  zu  erklären,  was  wir  empfinden,    wenn    wir    mit     Recht    arteilen,    d 
etwas  schOn  i-t  .     .      Lath.  I.  Das  ästhetische  Gefühl   i-1   dai  „mansch- 

lieh-     I   rgefühl'',    in  dem    die    menschliche     Natur    als    ein   <  iiinzes    wirkt.      1 
^       I   isl    mit    der   Kunst    verwandt.      I>        5       ine    Ix-ruht    aut    dem    <■•  i.  r 

harmonischen  Tätigkeil  aller  .  K  I  auf  inner«    Harmonie, 

ftsth<  ■  Einheit  im  Mannigfaltig 

rtas:   l'leo  einer  Ap<>dikt>k.    L7M   (flsnpftwerk). —  Anfangsgründe  der  tp 


BOUTEEWEK  —  BOUTROUX. 


Utitfn   Philosophie.   1800.  —  Ästhetik,  1806,  3.  A.   1824.  —  Ideen  zur  Metaphysik  des 
808.   —  Praktische  Aphorismen,  1808.  —  Lehrbuch  der  philos.  Wissenschaften, 

Die  RaKgion  der  Vernunft,   1824.   —  Die  beiden  letzten  Schriften  nähern  sich 

51  -  Inunkt  Jacobis  sehr. 

Hontionx.  Emile,  geb.  1845  in  Montrouge,  Prof.  in  Paris  (Sorbonne). 
B.     ist     ein     von     Kant     n.    a.     beeinflußter     „Neospiritualist",     der    die 
.  vität  und   Freiheit  des   Geistes   betont,  eine  Freiheit,   deren   Abglanz 
mehr  oder  weniger  die  Welt  erfüllt.    In  der  Welt  herrscht  eben   nicht  starre 
rendigkeit,  sondern  auch  ,.Kontingenz"  und  schöpferische  Entfaltung.    Die 
der  verschiedenen   Disziplinen   und  deren  Gesetzlichkeiten  ordnen  sich 
-     nber.   daß   von   der  relativen   Notwendigkeit  des  Mechanischen  bis 
zur  freien  Aktivität  des  Geistes  Übergänge  stattfinden,  die  überall  Neues,  aus 
\  ederen  nicht  völlig  Ableitbares  aufweisen;  auch   die  Notwendigkeit  des 
Mechanischen    ist    nur   durch   Gewohnheit  mechanisierte   Spontaneität  (vgl. 
James  n.  a.).     I>ie  Naturgesetze   sind   nur   annähernd    strenge  Gesetze,    sie 
i  der  Kontinenz,  der  Individualität  des  Wirkens,  der  Freiheit  Raum.    Die 
Nati  formulieren  nur  die  Folgen  der  Wechselwirkung  der  Dinge  selbst, 

.  ihnen  nicht  voran.  Sie  sind  „die  Summe  der  Methoden,  die  wir  er- 
funden haben,  am  uns  die  Dinge  anzueignen  und  sie  in  den  Dienst  unseres 
Will.  stellen"  (Aktivismus).     Das   Sein   ist  an  sich  „contingent  dans  son 

Conting.  d.  lois,  p.  43).    Die  Aktivität  des  Geistes 
aui   Beherrschung  der  Natur.    Der  Geist  entwickelt  sich  mit  der  Wissen- 
schaft seit»    ist   es   der   Verstand,    der   die    Wissenschaft   macht   .   .   . 
And<               irkt  das  Werk  auf  den  Arbeiter,  und  das,  was  wir  die  Kategorien 
Standes  nennen,  ist  nur  die  Gesamtheit  der  Gewohnheiten,  die  der  Geist 
nommen  hat,  indem  er  sich  bearbeitete,  um  sich  den  Erscheinungen  anzu- 
■ 

Metaphysik  und   Religion  haben  gegenüber  dem  abstrakten  Standpunkt 

liatt   und  ihres    Determinismus  endgültige  Bedeutung  für   die  Be- 

-  n-  der  Wirklichkeit.     Der  Pragmatismus  und  die  „Aktions- 

;•      (Blonde!  u.  a.)  enthalten  berechtigte  Momente,  sind  aber  einseitig, 

_-■!!  die  objektive  Bestimmtheit  des  Erkennens  bezw.  die  Bedeutung 

-  auch  für  die  Religion.    Die  Wissenschaft  ersetzt  die  Dinge  durch 

welche  dac    Allgemeingültige  der  Objekte  darstellen;  sie  drückt  die 

durch  Quantitäten    aus.     Aber  die   Wissenschaft  vermag  die  Dinge 

•'  ii.   auch   ist   sie   unpersönlich.    Es  besteht  daneben  noch 

M  und  dae  Bedürfnis,  die  Dinge  vom  Standpunkt  des  Individuums 

deren,  wie  dies  die   Religion  tut,  welche  die  Persönlichkeit 

Glauben  an  die  Wirklichkeit  und  den  Wert  der  Individualität  ein 

I  II''  menschliche  Leben  stellt  andere  Forderungen  als  die  bloße 

ion  nun  bietet  dem  Menschen  ein  reicheres  und  tieferes 

tandesm&fiige  Leben,   sie  ist  „eine    Art    Synthese   oder 

i    und   geistiger   Vereinigung  des   Instinkts   und  Ver- 

■   ist  „der  Glaube  an  die  Pflicht,  das  Forschen  nach 

Liebe".     Das    religiöse   Prinzip  offenbart  sich 


BOUTBOUX  —  Bradley. 


immer  mehr  ab  die  Behauptung   der   »cliöpferischen   Macht    des    ( ■■  istes   and 

verkörpert  sich  in  Symbolen. 

Schriften:  De  la  contingence    des    lois   de   la   nature,    1874.    4.    ed.   1902.  — 
Tideo  de  loi  naturelle,  1895   (auch  deutsch,  1908).  —  Questions  de  morale  et  de  pedagogie. 
1896.  —  Etudes  d'histoire  de   la   philos.,    2.    6d.    1901.  —  La  psycho!«    du    mvaticisme. 
1902.  —  Science  et  relijjion,   1908;  deutsch  1910,  u.  a. 

Itovilln**.  Carolas  (Charta  BouilU  >.  um  1470  b«  Amiens,  Schüler 

.!■-  Faber  Btapolensia,  Mathematiker  und  Philosoph,  gest.  um  L"353. 

B.  ist  ein   Anhänger  von  Nikolaus  von  Cusa.    Der  Intellekt   ist  ein  3] 
des   Universums.      Gott    erfassen    wir    durch    ..doeta  ignorantia-   (s.   Xik.   von 
Coea).    Die   Well    ist   ans  dem  Nichts   geschaffen.     Dil    Beeli     st   die  „Form- 
oismus. 

Schriften:  De  sensibus.     De  intellectu.     De  nihilo,  u.  a.    —    Vgl.  Dll'PKl..   Vor-, 
vi!.    Iiirstell.  d.   Philos.  d.  C.  Bov..   1865. 

Uoyle.  Robert,  1627—1691,  Chemiker.  =  Für  die  Philosophie  i>t  B. 
durch  Beine  Atomistik  Bowie  durch  Beine  Lehre  von  der  Subjektivität  der  (von 
I.    ke  „sekundär^  genannten)  Qualitäten  (Farbe  usw.)  von  Bedeutung. 

8    hriften:  Tra<  tatus  do  ipsa  natura,    1682.    —    Considerationes  et  experimenta  de 
origine    qualitatum   et   fnrraarum,   1688.    —    Vgl.   S.    H08BB80HET,    R.  B.    als   Philosoph, 

Bradley.  Francis  Herbert,  Prof.  in  Oxford,  geb.  18 
B.  bt  ein  tob  Kant  und  Segel  beeinflußter  »britischer  [dealist",  der  aber 
den  [ntellektualismus  teilweise  bekämpft  und  auch  dem  <  Jttiihl   eine   Etolle   im 
Erkennen   zuschreibt    (Nach    B,   i-t    da-   OniverBum  nicht    «'in    „ungreifbs 
Einschlag  gespenstiger  Abstraktionen   oder  ein   aberirdisches    Ballet    blutleerer 
Kategorien*'.)    Wahrheil    und   Wirklichkeit   decken   sich  nicht     I1  bu- 

näcbst  die  Theorie  des  Urteils.  Dieses  ist  Logisch  die  Qualifizierung  der 
Wirklichkeil  durch  einen  Begriff,  indem  es  einen  ideellen  Inhalt  aui  die  Wirk- 
1  i« -1 1 k « i t  bezieht  f„the  ad  which  refers  an  ideal  content  .  .  .  t<>  ■  reality  beyond 
the  act").     Der  Reelle   Inhalf,  dir  „logische   [dee*   i-t    dir    Bedeutung    des 

lachten,  nicht  »-in  psychisches  Gebilde,  sondern  ein  Symbol  für  da-  Wirk- 
liche, das  diesem  aber  nie  adäquat  bt.  ob/war  es  ein  Teil  der  Wirklichkeit 
selbst   i-t   i  .\n  id.-a  ran  be  i  i*  -    Prädikat   i-t   rin   Zeichen   für  die 

Wirklichkeit,  dir  Wirklichkeit  selbst  i-t  das  Subjrkt  des  Urteils  (L  c. 
I  '.  Die  Wahrheit  des  Urteils  ist  allgemein,  begrifflich,  relativ;  das  Denken 
bt  ideell  und  »-in-xit i^r  und  kann  dir  konkrete,  individuelle,  rolle  Wirklich- 
keit nicht  ab  solche  erreichen.    Die  Wirklichkeit   i>t  konkret,  einheitlich  «u- 

imenhängend,  individuell,  alle  Verschiedenheit  in  rinn-  umfassenden  Harm 
einschließend,  Für  3<  d  (,^Belf-existent"),  die  Begriffe  aber,  durch  "•' 

wi!  timmen,  sind  allgemein  und  unselbständig  ral  and  adj< 

n  etwas  ab  einzelnes  Oedachtes  dem  absolut  Wirklichen  nicht  entspricht, 
indem  es   in   sich   widerspruchsvoU    i-t.  i-t   es,    mau  «•-  an<i.  tieren44,   1  i 

aeinung,  l»  1  ncheinung  i-t.  ab  da-  Widerspruchsvolle,  Relative  unwirk- 
lich, wenn  -i«   auch  in  der   Wirklichkeit    sei  Stelle   bat.     Die    l' 


BEADLEY  —  B&A88AJ. 


Ine,  uiisdbstandige  Denkobjekte,  die  Relationen  aller  Art:  Raum, 
Kausalität,  Veränderung,  Bewegung  sind  phänomenal,  ent- 
Q6D  „Widerspruch"    in  sich  selbst.    Auch   das   Ich   ist   Erscheinung. 
3eele  sind  nur  „phänomenale  Konstruktionen".    Die  Wirklichkeit 
i   tricht  widerspruchsvoll  sein;  Übereinstimmung  mit  sich  selbst  („seif- 
st   ihr   Kriterium   („Ultimate  reality  is   such,   that   it  does  not 
contradid  itsolf).    In  ihr  müssen  alle  Differenzen,  Widersprüche,  Gegensätze 
,;.  r  Erscheinungen  aufgehoben  sein,  sie  muß  alle  Erscheinungen  als  aufgehobene 
Momente  enthalten,  Subjekt  und  Objekt  umspannen,  absolute  Totalität  sein. 
solute  ist  eine  individuelle  lebendige,  geistige  Einheit,  wie  sie  ähnlich 
in   unserem    noch   undifferenzierten  Gefühl   sich   darstellt,   ein   harmonisches 
tem",  die  allumfassende,  sich  selbst  durchdringende  („self-pervading")  Er- 
fahrung, die   sich  in   den   Subjekten   und  Objekten   entfaltet,   so   daß  in  der 
Einheit  des  göttlichen  Geistes  alles  Einzelne  beschlossen  und  aufgehoben  („trans- 
formiert" ist  (absoluter  Idealismus).    Die  volle  Harmonie  des  Seins  ist  für  das 
an  Relationen  gebundene  Denken  ein  nie  erreichtes  Ideal. 

riften:  Ethical  Studies,  1876.  —  The  Principles  of  Logic,  1883.  —  Appea- 
rance  and  Reality,  1893;  2.  ed.  1897.  —  Abhandlungen  im  „Mind"  (VIII,  IX,  XI,  XII, 
XIII  u.  ff.\  —   Vgl.    IL    EVANS,  F.  H.  B.s  Metaphysik,  1902. 

Brad wardine,   Thomas,    gest.   1349.    =    Anhänger   des   Thomas   von 
\<|uino. 

Iirai£.  Carl,  geb.  1853,  Prof.  in  Freiburg  i.  B.  =  Katholischer  Philosoph, 
lift  Lastiacher  Standpunkt. 

Schriften:  Enzyklopädie  d.  theoret.  Philos.,  6.  A.   1886.    —    Vom  Donken,  1896. 
Vom   Sein,   189G.   —   Vom  Erkennen,   1897. 

lirandN.  Christian  August,  geb.  1790  in  Hildesheim,  Prof.  in  Berlin  und 

1  ^17. 
Schriften:    Handbuch    d.    Gesch.    d.    griech.-röm.    Philos.,    1835  ff.    —    Gesch.    d. 
Kntwickl.  d.  griseh.  Philos.,   1864. 

BMMriMj  Julius,  geb.  1792   in  Breslau,  Prof.  in   Breslau,  gest.  1873.  =s 

n    Schleiermacher,    Steffens,   Hegel   beeinflußt.    Die  Metaphysik   hat 

loluten  Edee  aus  den  Weltbegriff  zu  bestimmen  und  zu  entwickeln". 

Wirklichkeit    ist    Doch    nicht   abgeschlossen,   der   Geist  gestaltet   sie  ziel- 

nften:  Die  Logik  in  ihr.  Verh.  z.  Philos.,   1823.   —  Grundr.  d.  Logik,  1829. 
<1.   Mc-Uiphys.,   1834,   u.  a. 

PrartttlgM,  Gcbhard,  Ulrich,    1754—1813,  Gymnasialrektor  in   Stutt- 
se   ein    Gegner    Kants    und    Anhanger  der  Leibniz- Wolf f sehen 

t.  über  Kants   Kritik  d.  reinen  Vernunft,   1790.  —  U.  ü.  K.e 
1792.  —    Untersuch,    üb.  d.  Grund  uns.  Glaubens   an    Gott 

BraaMsi,  .  1797-  Prof.  in  Klausenburg.    Ungar.  Philosopl 


Brassai  —  Breotano. 


•  i 


=  r-j.irit uali-tischer  Standpunkt.     Die  Binzetoceleo  sind   Teile   der   göttlichen 
Weltseele. 

Itranhach.  Wilhelm.  =  Gegner  des  Materialismus.  —  Schriften:  Köhler- 
glaube  u.  Materialismus.   1872.  —  Neues  Fundaniental-Organon  d.  Thilos.,   ls 

Kran ii,  Otto,  Lreb.  1885,  lebt  in  Hamburg.  =  Von  Schelling,  Hartmann 
und  Encken  beeinflußt.  I>.  vertritt  einen  aktivistischen,  „tatkräftigen  Ideali-- 
mus".  Eine  ,,s-hat'tenstheorie1'  i-t  der  Erkenntnistheorie  an  die  Seite  zu  stellen. 
„Ideales  und    Bf lfH  wird  nur  im  Schaffen  umspannt. ■• 

Schriften:  Schellings  geistige  Wandlungen,  1906.  —  Hinauf  zum  Idealismus, 
1908.  —  Monismus  u.  Ethik,  in:  D.  Monism.,  hreg.  ron  Drews,  1908.  —  El).  V.  H ART- 
MANN.  1909. 

Brentano.  Franz,  geb.  1838,  früher  katholischer  Theologe,  Professor  in 
Würzbarg  und  ^Vien,  lebt  seit  1902  in  Florenz. 

B..  der  von  Aristoteles  and  der  Scholastik  in  manchem  beeinflußt  ist,  i-t 
„Psychologist".  Die  Psychologie  ist  die  Grundinge  der  Philosophie,  auch 
der  Logik.  Die  Psychologie  muß  in  erster  Einie  beschreibend,  deskriptiv 
sein;  sie  i-t  die  Wissenschaft  von  den  psychischen   Erscheinungen  und   intro- 

tiv.  aui  innerer  Wahrnehmung  beruhend.  Die  innere  Beobachtung  ist 
durch  das  Gedächtnis  vermittelt.  Das  Psychische  hat  unmittelbare,  absolute 
Realität,  da-  Physische  ist  uns  nur  als  Phänomen  gegeben,  nicht  in  seiner 
unmittelbaren  Wirklichkeit.  Die  Empfindungen  sind  physisch;  psychisch  sind 
nur  die  psychischen  Akte,  «reiche  „intentional"  (als  Inhalt)  einen  Gegenstand 
enthalten.  „Jedes  psychische  Phänomen  ist  durch  das  charakterisiert,  was  die 
Scholastiker  .  .  .  dir  intentionale  (auch  wohl  mentale)  [nezjstens  eines  Gegen 
nannt  haben  .  .  ■  Jedes  enthält  etwas  als  Objekt  in  -ich  1'-.  hol. 
Einzuteilen  nnd  die  psychischen  Phänomene  in  Vorstellungen,  Urteile, 
Gemütsbewegungen  (Phänomene  der  Liehe  und  des  Hasses). 

Das  Urteilen  setzt  da-  Vorstellen  voran-,  i-t  aber  ron  diesem  fundamental 
unterschieden,    ein    eigener,    unableitbarer    Bewußtseinsakt    („Idiogenetische" 
Urteilstheorie:    F.   Billebrand).     Das    Urteil   i-t    (ähnlich   schon  Occam,   J.  S 
Mill  ii.  a.i  »-in   (als  wahr)   Anerkennen   oder  (als  misch    Verwerfen  einer  Vor- 

lung      \    ist .    \   i-t   nicht'.     E-   kommt    hier  /um    Vorstellen   eine   /w 
intentionale  Beziehung  hin/u.  ein  Existenzbewußtsein.     Die  Erteile  lassen   sich 
alle  aul  K\i-teiitial-ät/e  wirückführen,  es  i-t  für  sie  nicht  wesentlich,  au-  Subjekt 
und  Prädikat  zu  bestehen.    Die  Jünpeisoualien"  („subjektlosen"  £ 

M  ister  de-  Erteilen-,  da  sie  nur  ..anerkennen--  oder  „verwerfen".     I  '  U7." 

i-t  au-  dem   Urteil   abzuleiten.     ..A   ist41  beißt:  ...\  wird  als  wahr  anerkam 

in  Erteil  i-t  wahr"  oder  ..-ein  <•■  id  existiert'  ich 

dasselbe.     ..Wir   nennen   etwa-   walir.   wenn  die    daran!    bezügliche   Anerkennt! 

rieht  i                   ad    Verneinung  sind    die    Formen   d«    i  rteils,   die 

Unterschiede  der  „Quantit             ...reu    nur   zur                   •-    ' 

I .  .    i           iber  dei                           l 

in  u  l-  vier  (nicht  dl                         I  ermini  .                                        nio 

ninorum"  k.-in   Fehler  i        P      hol.  I.    '•" '■'• :  .m-j.  fuhrt   von   Hillebi 


Breb  i 'ANO  —  Brüder. 


der   Ethik    ist    1>.    ,Jntuitionist".    Es   gibt   eine   Evidenz    des   Gutenr 

Sittlichen.     Eine   ..innere   Richtigkeit"   zeichnet  die  sittlichen   Willensakte  ans. 

ist  „das  mit   richtiger  Liebe  zu   Liebende"   (Vom  Urspr.   sittl.   Erk., 

Anhänger  Brentanos  sind  Marty,  E.  Arleth,  Miklosich,  Fr.  Hille- 
brand,  0.  Kran-.  Kastil,  H.  Bergmann  u.  a.  Ausgegangen  von  B.  sind 
Meinong,  Boiler  n.  a.  (Meinong-Schule). 

-  :.  ritten.  Die  Psychologie  des  Aristoteles,  1867.  —  Psychol.  vom  empir.  Stand- 
punkt I,  1874.  —  Vom  Ursprung  sittl.  Erkenntnis,  1889.  —  Das  Genie,  1892.  —  üa& 
Schlechte  als  Gegenstand  dichter.  Darstell.,    1892.  —  Üb.  d.    Zukunft   d.    Philos.,   1893. 

lUe  \ier  Phasen  der  Philos.,  1895.  —  Untersuch,  zur  Sinnespsychol.,   1907. 

Brooke.  Lord  (Robert  Greville),  1608  —  1643.  =  B.  vertritt  einen  „spiri- 
in;ilistischen    Idealismus-,   nach   welchem    Raum    nnd   Zeit   subjektiv   und   die 
da  solche  Phänomene  sind. 

-  h ritten:  The  Nature  of  Truth,   1641.  —   Vgl.  0.  FREUDENTHAL,  Archiv  für 
Muhte  der  Philosophie  VI. 

Bltmmnlrij  F.  J.  V.,  1772—1838,  Militärarzt,  dann  Prof.   an  der  medi- 
ben  Fakultät  in  Paris.  =  Von  Cabanis  und  Gall  beeinflußt.  —  Die  Seele 
tige  Gehirn  („cerveau  agissante"),  das  Psychische  ist  (auf  Grund  der 
Phrenologie)  physiologisch  zu  erklären. 

riften:  Traite  de  l'irritation  et  de  la  folie,  1828. 

Br<nvii(e),    Peter,    gest.    1735.    =    Gegner    Lockes;    Hinwendung   zum 
alismus.     Alle  Vorstellungen  entspringen  aus  der  äußeren  Wahrnehmung. 
hl  von   anBerem   seelischen  als  vom   göttlichen   Sein  können  wir  nur  per 
Mi  sprechen. 

nriften:  The  procedure,  extent  and    limits   of   human    understanding,    1729.   — 
ine  and  supornatural  coneeived  hy  analogy  with  things  natural  and  human,  1733. 

Brown,  Thomas,  schottischer  Philosoph,  geb.  1778  bei  Edinburgh  (Kirma- 

-      il<r  von   Dugald  Stewart,  Prof.  in  Edinburgh,  gest.  1820. 
B.  zu   den    Begründern   der  neuen   Assoziationspsychologie.    Er  be- 

orrufung  einer  Vorstellung  durch  eine  andere  als  „Suggestion" 
d  d<r   „simpl«    Suggestion"   die   Denkvorgänge  als  „relative 
t)l    im   Grunde   mir  ein   Assoziationsgesetz,    das   der    „Be- 
in  Raum    nnd    Zeit.     Die   Aufmerksamkeit  ist   die   Ver- 
mif   der  Vorstellung   („the  coexistence  of  desire  with 
the  objeet").     Die  Muskelempfindungen  haben  in  der  Psycho- 
eutung.     hie  Kausalität   beruht  auf  Gewohnheit,  ist  aber 

irei  on  tno  philos,  of  human  mind,  1820,  19.  ed.  1856. ' —  Lecturos^on 
ounti  of  tho  lifo  and  writings  of  Th.^B.,  1825.Jj 

Braeli  b,  1696     177'».  =_   Einer  der  ersten    Historiker  der 

7  42 — 44. 

iSiinl»-!'.  Brüder. 


Bbunheb  —  Bruno. 


Brnnner,  Cnii-taiitin  ilv.  tüiL.  Wertheimer),  geb.  1868.=  Di« 
sind  die  zur  Höhe  der  Spinozistischen  AU-Einheitalehre  sich  Aufschwingenden, 
vom  Mythus  und  dem  Anthropomori»lii-inu-  der  positiven  Religionen  freien, 
wahrhaft  Beiende  Erkennenden;  alle  anderen  (auch  Denker  wie  Kant  u. 
hören,  mögen  de  ooch  bo  ecliarnminig  Bein,  nun  „Volke".     Alle  Erscheinung 
— i 1 1 cl  aut   „Ben  im  weiteren  Sinne)  zurückzuführen,  aber  nur  rar  d 

praktischen  Verstand. 

S  hriften:  Die  Lehre  von  den  Geistigen  u.  dem  Volke,  I,  1908.  —  Spinoza 
gegen  Kant,   1909,  u.  a. 

Itruno,  Giordano,  geb.  1548  in  Nola  (Campanien),  lernte  in  Neapel 
Logik  and  Dialektik,  wurde  1563  Mönch,  beschäftigte  rieh  als  solcher  mit  den 
Schriften  antiker  and  mittelalterlicher  Philosophen,  aber  auch  mit  der  Lehre 
des    Kopernikus,    Nicolana    von    Cusa,   Oardanos,   Telesias    u.   a.      Er    mal 

Beiner  freien  Anschauungen  das  Kloster  verlassen,  ging  1576  nach  Genua, 
dann  Dach  Venedig,  Mailand  o.a.  Städten,  lebte  eine  Zeitlang -in  <  it-nt.  Touli 

1579  in  Paris  als  Lehrer  an  der  Sorbonne  und  als  Dichter  (Drama  .,11  cande- 

•)  und  mit  der  „Lull'schen  Kun-f  beschäftigt  1583  ging  B.  nach  London, 
weitere  Schriften  ausarbeitend.  1584  schrieb  er  die  mh:  S  scio  della  bestia 
trionmnte"  Austreibung  d<-r  menschlichen  Gemeinheit),  dann  (!:■  i  «da 
del  eavallo  Pegaseo  oon  L'aggiunta  del  asino  GDlenicc/'  (Rinke  des  I'  hen 

wie    die   halb    poetische,    halb    i'n isa-8chrift    „Dej  lici   furori" 

i    »er  die  heroische  Etaserei,  d.  h.  den  Enthusiasmus  für  das  göttliche  Unendliche, 
für  das  der  Philosoph  in  Liebe  und    Bewunderung  erglüht).     Die  Schrift  „La 
cena  delle  oeneri"    (Aschermittwochsmahl)   enthalt    Gespräche  über  die   Welt- 
aiischauung  des  NicoL  Cosanus.    Von  England  ging  r>.  aber  Wittenberg,  Pi 
Helmstedt,  wo  er   Vorlesungen  hielt,  Dach   Venedig,  wo  er  am    '      M 
i 1 1 1 .  Denunziation   eine-   Edelmannes,   Ifocenigo,   von  der  [nquisitions- 

behörde  verhaftet  worde.     Vor  allem   verübelte  man  ihm   seine  heliocentru 
Weltanffassung.     Er  wurd«  i    Etom  gebraoht,  sieben  Jahre  im   Kerker 

dten,  L600  com  Tode  verurteilt  und   am    17.   Februar  auf  dem  Campi 
in  Rom  als  Ketzer  verbrannt,  ohne  widerrufen  zu  haben.     Im  19.  Jahrh.  wurde 
ihm  eine  Statue  in  Neapel,  dann  auch  in  Etom  errichtet.     Im  Jahre  1900  wurde 
der  dreihundert  inzend  gefeiert  and  hienen  \i<-le  Publi- 

kationen über  ihn.     In  Deutschland  wurd«  «in   „Giordano  Bruno-Bund" 

(mit   Flugschrift  Kuhlenbeck  u. 

B.  war  eine  künatlerisch-reli  erichtete  Natur;  in  seinem  Phil« 

phieren   kommt    die   Leidenschaftlich    •  Phantasie  zu   v< 

in  einem  lebendigen  Rinheitsschauen  und  Einheitsfühli  x 

der  mittelalterlichen   Philosophie  so  "tt  verachtet   od<  i'/t  wui 

für  ihn  dae   Höchsl  ittlich,  ja  (als  „natura  natu 

B.  ist  \"n  der  Naturphilosophie  seiner  Zeit,    insl  l 

Kopernikus,  die  Lh  .  beeinflußt 

den  Neuplatonikern,  u.  a.     Wie  die  Lehre  der  ?* 

tilU  i    na  t  n  r;i  I  .  imi  - .      i  im 

ihm  eim  uheit,   deren  I>  rki    und    an    di 


Bruno  —  Brunschvicg. 


M    lifikation  ist     l>as  All  ist  unendlich,  ewig  besteht  es  und  im  unend- 

ilamn  existieren  unendliche  Welten,  die  alle  ihre  Seele  haben.     Gott  ist 

natura  naturalis--,    die  wirkende  Natur,   der  innere  Urgrund,    das    Prinzip, 

I  mheit.  die  Substanz  der  Dinge,     Gott  ist  der  Welt  immanent,   die  Einheit 

Gegensätze  und  in  allem  ganz  enthalten.     Alles  ist  in  und  aus  Gott;   aus 

ihm  geht  alles  ohne  Willkür,  ohne  zeitliche  Schöpfung,  mit  innerer  Notwendig- 

bervor.     Die   Welt  (..natura  naturata")  ist    (wie  bei  Nie.  von  Cusa)  die 

entfaltete  Gottheit,  die  auf  absolute   Weise  alles  sein  kann  und  ist.     Gott  ist 

das  positiv  Unendliche,   Unteilbare,  das  Maximum  und  das  Minimum,  Einheit 

und  Mannigfaltigkeit,  die   Viel-Einheit,   die  ewig   wirksame  und    im    Wechsel 

•  Irr  Formen    sich  gleichbleibende    Substanz  und   Weltseele.      Macht,  Weisheit 

und    I  id  seine  Prädikate. 

M    terie  ist  nicht   trag,  nicht  leblos,  der  Form  nicht  entgegengesetzt, 

nicht    von    der    Kraft    verschieden,    sondern  aus   ihr   selbst   entfalten   sich  alle 

F«»rnicn  und  wirken  in  ihr.     Das  Universum    ist  ein  lebendiges  Wesen.     Die 

Dinge  sind  Modifikation,  Erscheinungsweisen  der  einen  Substanz;  nur  sie,  als 

eine,    sind   vergänglich    und   veränderlich.      Die    Weltseele  durchdringt 

II    alles  harmonisch-zweckmäßig  zusammen   zu  höchster  Schönheit,  so 

dal*  die  Natur  höchst  ,, liebenswürdig"  ist  (Ästhetischer  Pantheismus).     Die  Übel 

i   nur  zur    Harmonie   der   Welt    bei    (Optimismus).      In  allen    Dingen  ist 

(wen  1er    Anlage,    Potenz  nach)   Leben,    Seele,    Empfindungsfähigkeit 

I  Panpsychiai] 

Die    Dinge    bestehen    aus    Elementen    („Monaden",    „Minima"),    welche 

sehe  (abec  nicht  ausgedehnte)  Kraftzentren  sind,  die  zugleich  empfindungs- 

rJylozoismus).     Solcher  Einheiten   gibt  es  unendlich  viele  und  ver- 

lene.     Die   höchste   Monade,  die    Monade  der   Monaden,  ist  Gott.     Eine 

-t  ainh  die  unsterbliche  (aber  nicht  immaterielle)  Seele.    Der  Mensch 

Mikrokosmus,  ein  Spiegel  des  Universums.    Seine  Seele  ist  eine  Modifi- 

■  der  V\  Alles  ist  entwicklungsfähig,  zielstrebig  und  niemals 

I  <li»-  Entwicklung  abgeschlossen,  immer  neue  Formen  gehen  aus  der  sich  im 

i'l.-ii  Bubstanz  hervor. 

tlui;    wurden    J:.~    Lehren   auf   Spinoza,    Leibniz,'   Herder, 

3    hell  i  ng  u.  a, 

iften:     Außer  den  schon    genannten:    De  umbris  idearum  et  arte  rnemoriae, 

priadpio  et  uno,    1584;  deutsch  von  Lasson,  Thilos.  Bibl.,   1872, 

a.  Kuhlcnb-ck,    1005.    —    De  l'infinito,  universo  e  mondi,    1584;    deutsch,     1893, 

i<:i   furori,   1585.  —   Lampas  combinatoria  logicorum,    1587.    —    De 

•    moiiiura,   1591.    —    De  nionado,  numero    et  figura.     De    immenso    et 

'1.   —  Opero,   1829—30  u.   1888-89  (italien.    Schriften).    —    Opera 

.'•sammelte  philos.  Werke  (Kuhlenheck),    1890  ff.    — 

!  .   i.    1'hyniol.   1819  ff.,    II.  5.  r>AI!TIIOLMl>, 

i:    Makiaxo,   (,.  Hr.,    1881.    —    Brujtnhofeb, 

-   Weit«..  JI.    g|,   OHAMBEKLAIN,   in:   .).    Kant,    1905. 

BruschTleg,    L     Pi   •     in    Paris.    =    Dae    Geistesleben    weist    eine 

I    wirkt   vereinheitlichend,  synthetisch. 
e   de  l'wprit,  L900,  a.  a. 


Brivkke  —  BUDDHHMUB.  81 

Brnyere,  Ea.  1639—1696.= Moralist  DerEe^asmui  ist  die  Quelle  der  Mond. 

Schriften:  Caracteres,   1687,   1862   u.  Ö. 

Bryson  (oder  Dryson)  war  entweder  ein  Schüler  dei  Stilpon  oder  ein 
Schaler  des  Euklid  von  Megan.  =  Er  .-oll  an  Lelirer  des  Pyrrhoa  gewesen 
-rin  und  ncfa  an  Demokrit  BUgeschlossen  haben. 

Baohcz.    Philippe    Joseph     Benjamin,     179»)  — 1860.      Mi tb»*ir runder    der 
revolutionären    ..Societe*    des    amis    du    peuple"    (1830).   =    Katholisch-theol 
«ierende  Richtung,  verbanden  mit  sozialistischen  [deeo. 

Schriften:  Introduction  ä  la  science  de  l'histoire,  1833.  —  Essai  d'un  traue 
«omplet  de  philo«.,   1832. 

Itüu'luicr.  Ludwig,  geb.  1884,  Ar/.t  In  Darmstadt,  gest.  181 
B..  dessen  ..Kraft  und  Stoff"  außerordentliche  Popularität  genoß,  ist 
Materialist,  der  aber  in  den  fundamentalen  Begriffsbestimmungen  schwankt. 
Die  Naturwissenschaft  ist  die  Grundlage  aller  Philosophie,  Metaphysik  ist 
vtua-  Rückständiges.  Das  Wirkliche  ist  so,  wie  Physik,  Biologie,  Entwickln' 
tbeorie,  Physiologie  ei  ssigen.  Aller  Dualismofl  von  Geist  und  Materie,  Seele 
und   Leib  ist  su  bekämpfen.     Es  gibt  nurein  Seieades,  welches   zugleich 

Kraft  und  Stofi  ist  „Keine  Kraft  ..hne  Stoff  —  kein  Stoff  ohne  Kraft". 
Bie  sind  nur  zwei  Seiten  oder  Erscheinungsweisen  Sinei  und  dnanolbcii  Wesens. 
El  gibt  nichts  Im  materielles.  Die  Kraft  ist  Bewegung  des  Stoffes  oder  Ursache 
einer  solchen.     Materie  und    Bewegung  sind  ewig.     Btoffj   Kraft   und  Geist   Sind 

nur  verschiedene  Ausdrücke  rar  ein  Beiendes.  Das  Geistige  ist  an  die 
Materie  gebunden,   DJehtB  Selbständiges.    „Seele"   ist   ein  Kollektivbegriri  für 

die  <  iehirnfunktionen.     Wie  das  Leben  so   ist    auch  dal   Denken   nur  eine  !».•- 

sondere   Form   der   allgemeinen    Naturbewegung.    In   der   Natur   Lribt  es  nur 
Gesetzlichkeit,   nur  Kausalität,    keine  Zweckursachen.     Der   Menach 

i-t    cm     Naturgebilde,    ein     Produkt    der    Entwicklung,    in    »einem    Wollen    und 

Sandeln  durch  die  Natur  determiniert.    Die  menschliche  Beele  i>i  das  tiehirn 
Bt  und  daher  sterblich.    Gk)tt  ist  Dichte  all  die  Natur  seil 

B    hriftsa:      bafl    und    Stotf,    L866,    II.   A.    1904.     —     Natur    und   Geist,    18 

-   Vorles    üb     d.    Darwinn.  he  Theor.,   1868.  —  Dsi  M< M U  h  u.  s.  Stell, 
in   d.    Natur,    1869.     —     Der  Qottecbegliff,      ls74.     —     Das    künftig-    Leben     u.    d.   inod. 
Winwuch.)   I.   A.    L88t.   —    Am   Sterbelager  d.  Jahrhund.,   1897.   —    Die  Macht    d.    \ 
•rbmg,  I    \    LSOS  u.  a. 

ltiK'klo.  Thomai  11  1821  in  I.         est.  1862.  =  Abhängigkeit  der 

chichte   rom    Naturmilieu    und    besondere    Holle  dei    intellektuellen 

Faktor-,  der  allein  den  Fortschritt  bedii 

-     hnften:    H  in    England,    1867—61,    LS 

L    L901.    —    Mi-ollaneous  and   poithum.   Work*. 

Ituri<l<>   (Buddec        I  67   eu    Inclam    (Pommern),   Pr 

in    Halle   und   .1  n- r  Chi.    Wollt-.    Bklektifc 

•  ria«»    jdn  tint.    phl 

'. .  —   Eistoria  Lirii  natura»'.  LfSfl         Dt  ij  philoaophico,  1701    —  Klementa 

••ophiae,    1 703,   u.  a. 
ItllddhisiiiiiH.  |  1ha-   (ui  I 


Buddhismus  —  Buridan. 


:1t  der  B.  nicht,  wohl  aber  eine  Ethik  auf  Grundlage  des  Pessimismus,  da 

Buddha  alles  individuelle  Sein  nichtig  und   mit  Schmerzen  behaftet  ist. 

aber   nichts  Reales,   Dauerndes;    wenn   die   Begierde   zum  Leben 

lieh  erlischt,  dann   hört  alle  Seelenwanderung  auf  und  wir  treten  aus  der 

oichtigen  Welt  der  „Sansara"  in  das  „Nirwana",  wo  alle  Individualität  erlischt. 

ritten:       Ygi.    T.    W.    Rhys    DAVIDS,    Buddhisra,    1878;    deutsch    in    der 

ore.-Bibl.  —  II.  OLDENBKRGj  Buddha,  5.  A.  1906.  —  H.  KERN,  Der  Buddhismus, 

1—84.  —  Buddhas  Kodon,  deutsch  von  K.  E.  NAUMANN,   1896  ff. 

HufTier.    Claude,    1640—1737.     =     Jesuit,   von    Descartes   und    Locke 
nflul'.t. 
S    hriften:     Cour6  des  sciences  sur  des  principes  nouveaux  et  simples,  1732. 

Kut'tbn.  G.  L.  L.  de,  der  berühmte  Naturforscher,  1707 — 1788.  =  Hylo- 
.  Annahme  emptlndungsfähiger  Kürperelemente,  Ansätze  zum  Evolutionismus, 
rifton:     Histoire  naturelle,   1749—88. 

Kuhle.  Jöh.  Gottlieb  Gerhard,  1763—1821.  =  Kantianer.  —  Schriften: 

irf  einer  Transzendentalphilos.   1798.   —   Lehrb.  d.  Naturrechts,  1799.  —  Lehrb.  d. 

•  .  d.  Philos.,   1796  —  1804  (8  Bde.).  —   Gesch.  d.  neueren  Philos.,  1800—05  (6  Bde.). 

Unilair.  Emil.  =  Standpunkt  der  „Immanenzphilosophie".     Nach  B.  ist 

mpirische  Sinnenwelt  weder  als  (reales)  Subjekt  noch  als  Objekt  gegeben, 

wird  erst  als  beides  gedacht.    Damit  ist  aller  Dualismus  erkenntnis- 

iicr    Art    überwunden.      Der    Standpunkt   der   erkenntnistheoretischeir 

Unmittelbarkeit  ist  der  Standpunkt  der  „Bewußtseinsunrnittelbarkeit". 

triften:    Das  Probl.  d.  Philos.  I,    1895.    —  D.   Bewußtseinsproblem,    Archiv    f. 
»y.steni.  Philos.,  1900.  —  Erkenntnistheorie    u.    Psychologie,    Archiv    f.  systemat.    Philos., 
—  Das  Problem  der  Erkenntnis,   Zeitschr.  f.  Philos.,    1908.  —  Zwei   Fragen  der 
irie,  Bericht  über  den  111.  intern.  Kongreß  f.  Philos.,   1909. 

Iiun^<'.  Gustav   von.  geb.    1844  in  Dorpat,  Prof.   in   Basel.   =    Psycho- 
Richtung.     In    der   (psychischen)  Aktivität   steckt   das  Rätsel   des 
nur  von  der  inneren  Erfahrung  aus  zu  verstehen  ist. 
riften:      Vitalismus  u.  Mechanismus,    1886    (in:    Lehrb.    d.  physiol.  u.  pathol. 
—   Lehrb.   d.  Physiologie,   1905. 

Iiiuda<li.  Karl  Friedr.,   177(1— 1817.  =  Von  Schelling  beeinflu/lt. 

ine  Leben,  1842—48.  —  Der  Mensch,  1836,  2.  A.  (Anthropol.)r 

Itm-idaii  eb.  in  Bethune  gegen  Ende  des  L3.  Jahrh.,  Schüler 

in  Pari  Dach  L3 

Er  hat   rieh    besondere   mit  dem  Problem  der  Willens- 

I    und  «I  ob  der  Wille  unter  gleichen  Umständen  sich 

tscheiden,  dae  Entgi  tzte  wollen  könne,  für  un- 

\ntinonin-  gefunden,  wobei  der  Versland  eher  für 

be  und  die  .Moral  für  den  Indeterminismus  Bpricht. 

nur  zwei  iußerungen  der  Seele,    welche  denkt    und 

I    d(  m    urteil,   kann  aber  die   Entscheidung 

Buridan",  der  zwischen   zwei  gleichen    Beu- 


Btjrlda»  —  Bue  B3 


bündeln  stehend  verhungern    müßte,    weil   er  von   beiden    8  gleich    stark 

motiviert  würde,   findet   -ich  in   den   Schriften  des  I!.   nichts,  iroh]  ah  i 
Ähnlich'-  bei   Aristoteles  (De   coelo  II,  13)  and   Dante    (Paradis,  IV).    Anch 
von  der   ..K-i-l-i>ni<-k»--    zur  Auffindung   des   Ifittelbegriffs  in  Schlußfiguren) 
ist  nicht  die  Bede. 

Schriften:     Sumnaa  de  dialectica,   1487.   —   Conipendium   logicae,   1489.  —   K 
mentare  („Quaestiones"  i  zu   Aristotel.  Schriften,  1516  u.  ff.  —  Vgl.    l'i:  \Nir„  Gesch.  d. 
Log.  IV 

Barke,  Edmund,  geb.  1728  in  Dablin,  1794  Rektor  der  Univenitä 

st  L797. 
Als  Ästhetiker  hat  B.  Leasing,  Mendelssohn,  Kant,  Schiller  u.a.  beeinflußt 
\-th<-tik  i-t  psychologisch  begründet    Dem  Belbsterhaltangstrieb  entspricht 
da-  Rrhabene   dem  Geselligkeitstrieb  das  Schöne.     Das  Gefühl  des  £r haben en 
erweekl  ein  Großes,  Unendliches,  das  in  ans  Schrecken,  Schauder  em 
daß  wir  ihm  entrückt  sind,  ans  -i<-h<T  fühlen  (Inqair.  I,  7i.     Die  Bchönh 
•  in'-  sociale   Emotion   |  al  quality"),  indem  ans  da-  Schöne  /um  Zu- 

mensein   mit  ihm   reizt,   in   ans   Liebe  zu   ihm   erweekl  (L  <•.  I.  10).     1 
fallt  ohne  Beriehang  ani  einen  [praktischen)  Zweck    vgl.  Kai 

Schriften:     A     Vindikation    of    natural    society,    1756.     —     A    philosophical    inquiry 
inte   *  nal  of  our  ideas  of  tl.e  sublime  and  the  beautiful,   17äG;  deutsch   IT 

ISnrlei^li   (Burlaeus),    Walter,   geb.    1273   in  Oxford  in 

Oxford.     -  Schüler  des   Dons   Scotus.     Das   Allgemeine  i-t  real,  es  i-t  am 
halb  des  Vorstellene  i  on  derNatm  ckt,  sowie  da  iren 

sich  auf  AlL  -  überhaupt)  richtet. 

9     hriften:    Kumraentar  zu   Aristoteles. 

Kurt  liom;«*.  Richard,  im   17.  Jahrh.  =  B.  ist  vielleicht  ron  Geulincz  be- 
einflnßt,  in  mancher  Beziehung  ein  Vorläufer  Berkeleysund  Kant-.    l>i<   Kate- 
Sein    Substanz,  Ursache  u.  a.)  sind  nicht  objektiv,  sondern  subjektiv, 

men  der  I  tenkt&tigkeit  I  >ie  I  ringe  sind  für  uns  nur.  soweit  >i<-  durch  uns  erkannt 
sind.    Als  anmittelbare  Objekte  sind  sie  Gedankendii 
Phänomene  („appearances*'),  die  nicht   an  -ich  („in  the  thinga  themselvef 

tieren.     Hin      I1  I  nur  ein   „modus  coneipiendi",  ein    B  ootion), 

nur  die  subjektive  Auffassung  der  Wirklichkeil  dity   ii-tli-  .    ..All 

the  sentiments  the   mind,  and  even  mere  objeetive  noti« 

not  thü  Lundane  and  externa]  existence,  but  of  '"Lritati<.ii  and 

ootion;  intentional,  not  real   things"     CTpon   reason   IV.  eh.  Die»     P 

menalismus  wird  metaphysisch  durch  einen  Bpiritualismi  i/t,  ind< 

Dinge   an    -i<h    ab  I.  M  diflkationen    der    U  mit 

werden. 

non  and  the 

natu;  G.  Lyon,  1 

iki .]:,  Das  Brkemnti 
Ka»^(k,  1 

und    M 


Busse  —  Cabanis. 


B    ist  hauptsächlich  von  Lot/o  beeinflußt.    Tatsachen,  Prinzipien  und  Werte 
sind  dtt  Inventar  der   Wirklichkeit,    mit  dem  es  die  Philosophie  in  ihren  ver- 
;len    zu    tun    hat.       In   der  Erkenntnislehre   ist   B.   kritischer 
.Konvhitivisnuis"),  indem  er  die  vom  Erkennen  unabhängige  Existenz 
AnAendinge  annimmt.     Die  Zeit   ist  keine   bloß  subjektive  Anschauungs- 
i1         da  -■  <  lisrhes   Sein   ohne  Zeit  nicht   denkbar  ist,  das    Seelische 
miXimiii  im  weitesten  Sinne)  eine  absolute  Realität  ist,  und  wir  das  An  sich 
der  Dinge  als  seelisch   auffassen  müssen,  so  gehört  die  Zeit  zur  Existenz  der 
Dinge  selbst,  wenn  auch  die  Raumform  als  solche  subjektiv  ist.     An  sich  sind 
die    Dinge   Komplexe  von  Monaden,   da  alles  Sein  „Für  sich  sein"  ist;   die 
Moosdi  ii  sind  relativ  selbständige  Modi  des  göttlichen  Wesens,  des  Weltgrundes. 
Die   Seele   i-t   eine  Monade,   welche  mit  dem   Leibe  in   Wechselwirkung 
steht.      In    ausführlicher    Weise    erörtert    B.    alles,   was    gegen    den    psycho- 
physisehen  Parallelismus    aller  Arten    und   für  die  psychophysische  Wechsel - 
w  i  rk  d  D  g  spricht.    Die  parallelistische  Theorie  vermag  zu  den  geistigen  Werten, 
zur  n    Aktivität    und    Freiheit    und   vor    allem    zur    Einheit    des    Be- 

wußtseins  kein   physiologisches   Korrelat   aufzuweisen  und    führt   zum  psycho- 
Automatismus,  der  aber  undurchführbar  ist.     Weder  das  Kausalprinzip 
h  das   Prinzip   der  Konstanz  der  Energie   (Aquivalenzprinzip)  machen    die 
bopkynsclie  Wechsel  Wirkung  unmöglich;  der  Satz  der  „geschlossenen  Natur- 
ditäf  aber  i-t  nur  eine  „petitio  prineipii". 

Schriften:  Philos.  u.  Erkenntnistheor.,  1894.  —  Leib  u.  Seele,  Zeitschr.  f. 
Philos.,  Bd.  114,  1889.  —  Die  Wechselwirkung  zwischen  Leib  u.  Seele,  1900.  —  Geist 
u.  Körper,  Seele  u.  Leib,  1903.  —  Wechselwirk,  oder  Parellelismus,  Zeitschr.  f.  Philos., 
Bd.  116,  1900.  —  Zur  Beurteil,  d.  Utilitarism.,  Z.  f.  Ph.,  Bd.  105  u.  a. 

Kutler,  Joeef,    1092  -  1752,  Bischof.    =    Von   Shaftesbury   beeinflußter 
r  des  Eudämonismus,  da  wir  bei  sittlicher  Beurteilung  nicht  an 
Qlück  zu  denken  haben.    Das   Gewissen  ist  unmittelbare  Erkenntnis  des  Sitt- 
lichen (Infcütionismus);  ihm  sind  die  Affekte  zu  unterordnen. 

r.  riften:     The  analogy  of  religion,  natural  and  revealed,  to  Ihe  Constitution  and 
r*e  of  nature,   1736;  deutsch   1756.   —   Fifteen  sermons  upon  human  nature,  1726.  — 
176.   -    Vgl.   \\\    L  COLLINS,   Hutler,  1899. 

Iiiit*<hlj.  Otto,  geb.  1848,  Prof.  in  Heidelberg.  =  Gegner  des  Vitalismus. 
Melanismus  und  Vitalismus,   1901. 

Bjei, 

c. 

«  ■■■■!■,  «  geb.  1751    in  (Josnac,   Arzt,  Mitglied  des 

In*:-  [e  Hu.il  bei   Paj 

behandeil  B.  auf  physiologischer  Basis.    Aus  der  Gesetzlich- 

& msibüitätf  entspringen  sowohl  die  Bewegungen 

pfindungen,    Bedürfnisse,   Triebe  usw.    Das  Leben  ist 

Lußerungen  eines  „Instinkts",  dessen  niederste 

ischen  Prozesses  sich  äußert.    Das  Gehirn 


LSIB   —    (AI.KIN-. 


ist  selbst  die  Seele,  soweit  wir  sie  kamen,  es  denkt  _  m>,   wie  der  M  ,. 

v»nlaut  odef  die  Leber  Galle  absondert,  verarbeitet  die  Empfindungen  zu  Be- 
tten und  Urteilen.  Der  Tastsinn  i-t  die  Quelle  der  übrigen  sinn.,  welche 
-  msammenwirken.    Alle  psychischen  Vorgänge  sind  organisch  beding!  und 

influßt  —  15.  wird  öfter  TOD  Schopenhauer  zitiert   und  war  von  Einfluß  auf 

den  deutschen  Materialismus  (G.  Vogt  u.  . 

B     hriften:     Traite    du    physique    et    du    moral  de    l'horaiue,   1802    (in    späteren 
Auflagen  „Rapports  .   .  .«).  8.  ed.   1844;  deutsch   1808. 

Cabasilas  s.  Nicolaus. 

Cabet.    Ktienne.    1788-  ls.">0.    =    „Utopist".    —    Schritte»:     Voyage   en 

ia,   2.  M.    184t;  deutsch   1848  (Staatsronian). 

Caenalpiiin*  |  ( Sesafpino),  And:  .  1519  in  Arezzo,  Arzt,  Naturforscher 

and  Philosoph,  gest.  1603  in  Rom.  =  Aristoteliker,  der  den  Averrotsmus 
pantheistisch  weiterbildet.  Gott  ist  reine,  einfache  Form,  über  den  Gegeftf 
von  Kndlieh  und  Unendlich  erhaben,  unveränderlieh,  als  Endzweck  von  allein 
nicht  selbst  rielstrebig.  Gott  ist  die  Allseele  (,.anima  aniyersalis"),  die  alle- 
belebt,  an  der  slles  teilhat  und  von  der  alles  eine  Modifikation  ist  Die  allen 
Dingen  immanente  Kraft    -  wenn  such  die  Eüiseldinge   sie  solche  ver- 

•  n.      Die    Li   bewesen    sind    an-  einein   Urschlamm  unter  dein   Einfluß  der 

Warme  hervorgegangen.  Die  Seele  de-  Menschen  hat  im  Herzen  ihren  sitz 
und  enthält  etwas,  was  nach  dem  Tode  weiter  besteht 

-  briftoo:     I  nipoteticao,  1571,  1598. 

Caird,,  Edward,  Prof.  in  Oxfon  8.  =  C.  ist  kritischer  [dealist, 

v.  n  Hege]  beeinflußt  AU  Bewußtsein  einer  den  Gegensatz  ron  Subjekt  nnd 
Objekt  aberwindenden  Einheit  ist  da-  Religiöse  ein  Paktorallee  Bewußtseins. 
Das  Unendliche  offenbart  rieh  in  den  Dingen  und  i-t  zugleich  der  slles  End- 
lieh«-  aberragende  göttliche  Geist 

-  SriftSB:    Bogol,    1888.   —  The  Critical   Philosoph}-   of  J.    Kant,    1880.    —   Essays 
«.n   Literat,  and.   Philo-  _'    ed.    1910.   —  The  Evolution  of   ftoHgioo,   1893. 

Caird.  John,  1820-   L898.  Bruder  tob  E.  Caird.  =  Von  Begel  beeinflußt 

-  sriftsm:     Uttrodoetkn   to   the  Pkikw.  of  Bsbg^   1889,  1891;  deutoeh  1893.— 

and   Matter.    188b.   —   'l'he   Fundament*!   IdSOJ   of   I  ity. 

C'itld<krvt  ood.  Henry.  3  Anhanger  Bamiltons,  der  aber  die  Unerkenn- 

iiarkeit  de-  Ali-Linien  bestreitet 

-  Sriftsa:    Phil«  the   Infinite,    18.04,    f.   SO.    18G1.   —    Kvolution,    1893. 

€  alker.  Friedrieh  ran,  geb.  1790  m  Neudietendorf,  Prot  in  Born 
1870.  -  Anhanger  von  Pries.  Di«  Philo-.. phie  ist  Selbsterkenntnis  des  4 
in  welchem  wir  di<  tze  dee  Wahren,  (inten  und  Schönen  finden. 

(1.     Wal. riii.    (int. «ii  l'rupadcut. 

d.    Phile«.  II  D tsUslUN     OSSt    Logik    u.    Dialektik.    181 

(alkinx.   W.   M    i  Amerikanerin).       -     C,    plädiert    tnr    di.     B 
einer  philosophischen,  roluntaristischen  P  ;.  •  neben  ein«  süonistioch- 

stomistischen   Psycholof 

:u.  tum   t      P  I»er    IsSfSha    Standpunkt 

■     i 


C.U.YIX  —  Campanklla. 


Calvin.  Jean,  1509-  1564.  =  Der  berühmte  Theologe  ist  dureh  seine  Prä- 
nations  lehre  für  die  Geschichte  des  Freiheitsproblems  von  Bedeutung. 
riften:     lustitutio  religionis  Christianae  u.  a.     Opera,   1863  ff. 

Caiupanolla.  Tommaso,   geb.  1568  bei  Stilo  (Calabrien),   Dominikaner- 

h.  müde  nach  einem  unsteten  Leben  1598  verhaftet  und  27  Jahre  gefangen 
;.  Lebte  dann  in  Koni  und  später  in  Paris,  wo  er  1639  starb. 
bekämpft    den  Aristoteles  und  verlangt  ein   selbständiges   Studium  der 
Natur,  in  Anlehnung    besonders  an    Telesius.     In  der  Erkenntnislehre  be- 
tont G.j    dal»    alle    (weltliche)    Erkenntnis    auf   Wahrnehmung    und   Erfahrung 
beruht  daß  alles,  was  im  Verstände  ist,  aus  den  Sinnen  kommt,  um  dann  aber 
beurteilt  zu  werden,  da  die  Sinne  allein   täuschen  können.    Nur  aus  der   Be- 
trachtung  der  Natur  selbst  ist  für  die   Metaphysik  Erkenntnis  möglich.    Denn 
\ Vit  ist  ..das  zweite  Buch,  darinnen  ewiger  Verstand  selbst  eigene  Gedanken 
..der  lebendige   Spiegel,  welcher  uns   das  Antlitz  Gottes   im  Keflexe 
innere  Erfahrung  zeigt  uns  unser  Ich  als  etwas  absolut  Gewisses. 
Ich  kann  mich  nicht   über  mich   täuschen,    wenn  ich    nicht  bin    (Univ.  philos. 
Der  Anfang  aller  äußeren  Erkenntnis  ist  die  Empfindung.   „Omnes 
i ml   causant  totius  rei   cognitionem".     „Duce   sensu  philosophandum 
^-c  existimamus".    Die  Erinnerungsvorstellungen  entstehen  durch  Abschwächung 
Empfindungen.     Das   Denken  ist   ein    „sentire   languendum  et   a   longe" 
Es  gibt  in  uns  ,,notiones  communes",  allgemeingültige  Begriffe, 
«reiche  die  sichersten  Prinzipien  der  Wissenschaften  sind  (1.  c.  I,  2,  5). 

Daß  Gott  existiert,   wissen  wir  absolut  gewiß,   denn   die  Vorstellung  des 

tdlichen  kann  nur  von  diesem  selbst  stammen,   nicht  von  einem  endlichen 

1      :  ist  das  unendliche,  über  alles  Endliche  erhabene  Sein,  das  Über- 

Die  allen  Dingen  eigenen  Prinzipien  („Primalitäten")  des  Seienden: 

können),  Weisheil    (Wissen)  imd  Liebe   (Wille)  sind   in   ihm  unendlich. 

b  seine  Macht  und  Liebe  hat  Gott  die  Welt  aus  nichts  geschaffen  und  sie 

rdnet     Alle   endlichen  Dinge  enthalten  die  „Proprinzipien"  des 

und  Nichteeins,   d.  h.   neben   den   positiven  Bestimmtheiten  auch  Mängel 

•  n  des  Erkennen-  usw.     Gott  hat  zuerst  die  Ideen  und  die  Welt- 

'ii.    die    in    allem    wirkt.     Die  Urkräfte    sind  Wärme  und   Kälte, 

der  Matoie    wirksam   sind   (De  sensu  rer.  II,  5;  wie  Telesius).    Alle 

d  durch  „Sympathie"  miteinander  verbunden,  worauf  die  Magie  beruht. 

ten   Elemente  ist  alles  beseelt,    strebend    und    empfindend  (De 

er.  1  D      Seele  des  Menschen  ist  unsterblich,   ein  Ebenbild  Gottes, 

M  K)  le  •    Geschöpfe  Liebt.     Das  Stieben  nach  Selbstvervoll- 

Quelle  der  Sittlichkeit.  —  [m  „Sonnenstaat"  gibt  C.  (von 

Bild  eines  vollkommenen  Staates,   in    welchem  Priester- 

i  !.  «in    Kommunismus    in   allen    Dingen   besteht,   Ehe  und 

itet    sind     In   späteren  politischer!  Schriften   fordert 

unter  die  Kirche. 

lenumitrata,   1.096.    —  Prodromus  philos.,  1611, 

UIoh   epilogicticM  partes  IV;   1623   (Anhang: 

BUH  triuniphatuH,   1631.    —  Philos.  rationaüs  ot  realis 


Cami'am.lla  —  Casltle.  B1 

partes  V,  1638.  —  Universalis  philos.  seu  metaphyücarun  renin  iuita  propria  dogmata 
partes  III,  1638  (Hauptwerk).  —  Vgl.  KlXNl.i:  u.  HlBER,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  l'hvsiol. 
H.  6.  —  SlGWART,  Kleine  Schriften  I.  —  H.  WüTTIO,  Erkenntnislehre  u.  Ethik 
bei  GL,  1897. 

Cantoni.    Carlo,    geb.   1840,  Prof.    in    Pavia,    Herausgeber   d 
filosofica".   =   Durch  Beine   DarBtellung   der  Lehren    Kant-  und  Beine   eigene 
kritizistische    Philoeophie   für  den    philosophischen   Unterricht  in   [tauen    sehi 

-am. 
Schriften:  Corso  elementare  di  filosofia,   1896.  —  Emanuele   Karr,  -84. 

Canz,  J.  G.,  1600—1753.  =  Eklektiker  (Lcibniz-YVolft--  h.    Phil  - 
riften:  Ontologia  polemica,    1741.  —  Meditationes  philosophicae.    IT 

Capito  b.  <  rreathead. 

i  aprooln««.  Johann  lll-l.  —  Thomistischer  Btandpunkt 

liften:   In  libros  sententiarum,   1589. 

Caitlailla«.   '     I    8.,  1766—1845.   ==   Eklektiker.    —  Schriften:   Btndei 

r       flfl   [>hilosophi 
i  »i'<lailli>     I  '   '     mo      QieronymUB,   geb.    1">(,1    in    Pavia.    Ar/t    in  Pavia   n. 

Bol  in  Rom  1576. 

Mit  nicht  geringen  Kenntnissen  und  Einsichten  in  tuuVurwissenscnaftlichen 
Dingen  rereinigt  C,  der  an  Qalloainationen  litt,  Aberglauben  und  unkritische 
Lekhtglanbigkeit.      Beeinflußt    isl  m    Aristoteles,    dem    Neupiatonismus, 

Nie. lau-  Cn-ami-  n.  a.  l»i.'  Welt  i-i  das  Produkt  einer  ewigen  Schöpfung  und 
1    tfaltung  i  tuid  und  in  allem  ron  der  Zahl  beherrscht,  bo  daß  die  Mathe- 

matik  für  da-   Erkennen  der  Natur  wesentlich   ist.    I>i--  Dinge  bestehen   ans 
drei  Elementen  (Luft,  Wasser,  Erde).     I  > i* -   formale   und  aktiv«    I  nacht 
Geschi  die  Wärm.-,  die  materielle,  passi?edie  Feuchtigkeit;  beide  sind 

„prineipia   generationis".     I>i<-  himmlische   Wärme   ist   das   allgemeine  Lebens- 
prinzip, die  Weltseele,  durch  die  alles   lebt    und   in  Verbindung  (Sympath 
mileinander  Bteht;  di«--.-  Sympathie  ist  ein  „consensus  rerum".     Empfindung 
und   9         ii   i-t   allen  Dinj  en  (Panpsychismus).     Von  der  rergänglicl 

vitalen  Beele  ist  der  ansterbl  Geist   ra   unterscheiden,     Der   Mensch    ist 

zur  Erkenntnis  Gottes  and  rar  Beherrschung  der  Natur  geschaffen.    Das  Höcl 
i-t  die  Schaum      i      tes  in  der  Ekstai 

De  rita  propria,    164*,    1676.         Dt  Motilität  L664. 

van.-t.ite   r-Tiim.    L566.    —    <>|>ora.    L668.  Vg       lliwil;     u.    SlBER, 

«1.   Phytiol.,   H 

<  ar«\v.  '••  Oh.,  i<"  Lmerikaner).  =  I1     -    Iologie 

aut    mechanisch     G  Gravitation  usw.)  basiert. 

t.  r  i  l  ton  :    l'r  iticiplo«   i  dar 

Caiij  l«».  Thomas,  1795     1881.   =   < '.   i-t    vom   deutschen    [dealism 
•11«  1»  r-  von  Pichte  beeinflußt     Nach  dem     natural  rapernaturalism1' 
1  im  das  Kleid,  die  Bälle,  das   Symbol  des   göttlichej    1 

in    Natur  und   ( t«>»K'hk'hte  nianit.-ti.  1 1.      In   (1<  tiii'hte    konill 


ILYLB  —   CARRIERE. 


auf  die  führenden  Geister,  die  „Helden",  die  großen  Persönlichkeiten  an.    Die 
hiehte  ist  geradem  ..die  Geschichte  der  großen  Männer". 

•.  iften:  Sartor  resartus,   1834;  deutsch    1882    (Philos.  Roman).   —   Heroes  and 
Wmüdp.   1S41;  deutsch    1853,   auch  in   der    Reclamschen   Bibl.  (Ueber  Helden  u. 
ohrung).  —  Works,   1870—71.  —  Sozialpolit.  Schriften,  1894—97.  —  Works. 
S.  _  Vgl     IIfn-ki..  Th.  Carl.,   1900  (Frommans  Klassiker  d.  Philos.). 

C'arncM-i.  Bartholomäus,  1821  —  1909,   lebte  in  Marburg  (Steiermark),  war 

ordneter.  =  C.  ist  Evolutionist  und  „agnostischer"  Monist.    Geistiges 

und  Körperliches  sind  zwei  Seiten  des  Wirklichen.    Was  der  Stoff  an  sich  ist, 

D  wir  nicht ;  auch  der  Geist  ist  Erscheinung.    Nicht  die  Materie,  sondern 

ganismua   denkt.     Unser   Bewußtsein    ist   Funktion   des   zentralisierten 

inismus.  Der  Wille  ist  (innerlich)  determiniert.  C.  vertritt  in  der  Ethik 
«inen  „praktischen"  Idealismus,  der  die  Sittlichkeit  als  eine  sozial  bedingte 
Lebensform   auffaßt    Der  Staat  bildet  ein  soziales  Ideal  heraus,  welches  für 

Verhalten  des  Einzelnen  den  Wert  einer  Eichtung  hat.  Das  ethische  Ideal 
i<t  der  ..wahrhaft  glückliche  Mensch".  Unter  der  Herrschaft  der  Vernunft  er- 
weitert sieh  unser  Ich  zu  einem  Ich  der  Menschheit. 

-  hriften:  Sittlichkeit  u.  Darwinismus,  1871,  2.  A.  1903.  —  Gefühl,  Bewußtsein, 
Wille,  1876.  —  Grundlegung  d.  Ethik,  1881 ;  (Volksausgabe  11.— 15.  Tausend  bei  Kröner). 
—  Entwicklung  u.  Glückseligkeit,  1886.  —  Der  moderne  Mensch,  1891,  5.  A.  1901.  — 
Empfind,  u.  Bewußtsein,   1903,  2.  A.   1906  u.   a. 

Cai-o.  E.,  1826  -1887,  Prof.  an  der  Ecole  Normale  u.  Sorbonne  in  Paris.  = 

hört  zu  der  (von  V.  (  ousin  beeinflußten)  französischen  spiritualistischen 

Schule.    Er  verficht  die  Idee  des  persönlichen  Gottes  und  der  Unsterblichkeit. 

hriften:  L'idee  de  Dieu,   1864,   1889.   —  Le  Pessimisme  au  XIXe  siecle,  2.  exL 

1881.  —  Le  materialisme  et  la  science,  4.  ed.   1883  u.  a. 

Carpenter,  William   Benjamin,    1813 — 1885.   =    Anhänger    Martineaus,. 
odera  die  hemmende,  regulierende  Funktion  des  Willens  betont. 
.  ften:  Principles  of  Mental   Physiol.,   1874.  —  Nature  and  Man,  1888.  —  Ab- 
handlungen in  „Modern   Review'*   (1880,  1882,   1884). 

(  Hiriere,   Moritz,   geb.    1817    in    Griedel   (Hessen),   seit    1853    Prof.    in 
. 

II'  gel,  dann  von  J.  Ji.  Fichte  u.  a.  beeinflußt.    Er  lehrt  einen 

nach  welchem  Gott  in  der  Welt  sich  entfaltet  und  die  Welt  in 

Einheit  in  der  Allheit1',  das   „Ich  des  Universums",  Geist, 

nlichkeit     I  ter  Bind  „»eine  einzelnen   Willensakte,  die  sich  in  ihm 

ligkeil   erheben,  weil  er  nach    seiner  Freiheit   nur   in    freien   Wesen 

■n  kann"    Ästhet  [,  46;  BittL  Weltordn.  B.  384;   „ßemipantheis- 

lie   Veräufierlichung,   Bewußtsein   die   Verinnerlichung  der 

binden  sieh  zur  Barmonie  einer  einheitlichen,  sittlichen 

•  ist  die  Substanz  der  Dinge,  das  All  ein  „System 

i  eiend"  ist     Der  weltordnende  sittliche 

eine  Ziele.     In  der   Einigung  des  individuellen 

t<  hl    das   sitt  lieh   Gut  e,    BchöD    ist   die 


carkikke  —  Gase. 


Form  nur  al>  ..Ausdruck  des  Innern",  die  „Idee,  welche  ganz  in  der  Enebeül 

genwärtig,  die  Erscheinung,  welche  ganz   von  der  [dee   gebildet   und   durch- 
leuchtet iat"  (Ästhet.  I.  B.  VII  n..  : 

Schriften:  Die  philo».  Weltanschauung  d.  Reformationezeit.    1-47,   S.  A.  1886.   — 
Ästhetik.   1859,  3.  A.    1885.   —  Die  Kunst  im  Zusammenhange  der  Kultureiitwickl.  u.  d. 
Idee    d.    Menschheit,    1863  ff.,   3.    A.    1877  ff.  —    Über    d.  sittliche   Weltordnung.    L871 
2.  A.   1890.  —   Erkennen.  Erleben,  Erschließen,  1893.  —  Gesammelte  Werke,  1886- 

Car*»taiijen«  Friedrich,  Zürich*   =  Anhänger  von  AYenariue,  auch  in 

der  Ästhetik,  die  er  bio-psychologisch  begründet 

Schriften:  Avenarius'  biomechanische  Grundleg.  d.  reinen  allgera.  Erkcnnti.i-' 
1894.   —    Der  Empiriokritizismus,   Vierteljahrsschr.   f.   wiss.  Philos.,    1898   u.  a. 

Cartesins  s.  Descartea. 

CwU|  Friedrich  August,  geb.   1770  in   Bautzen,    Prot,   in   Leipzig 

:.  =  Von  Kant  und  .Jacobi  beeinflußter  Psychologe. 

Schriften:  Psychologie,  1808.  2.  A.  1823.  —  Geschichte  d.  Psycho!..  180S.  — 
Ideen  zur  Gesch.  d.  Menschheit,  1809.  —  Moralphilos.  u.  Religionsphilos..  1810,  u.  ;t. 
(Nachgci.!--.  :  ■    Werke  1808—10.) 

CaraH,  Karl  Gm  in  Leipzig,  Ar/t  und  Prof easor  der  Medizin 

in    Dreadej  -    Von  Bchelli  nflnflter  Pantheist.    Als  einer 

des  Eroten  hat  C.  rergleichende  Psych  trieben. 

v    hriften:    N  orlesungen    über    Psychologie,    1831.    —    Psyche;    zur    Entw. 
gesch.  d.  Seele,   1846,  3.   A.    1860.   —    V  erbleichende  Psychologie,   1866.  —  Organon  der 
Erk.  d.  Natur    und  des  Geistes,    1855.    —   Xatur  u.   Idee.    1861   u.  a.    —    Vgl.    (  A  i 
Lebenserinnerungen   und  Denkwürdigkeiten,    18t 

(arns.  Paul.  geb.  L852  in    Uaenburg,   Prof.  in  Chicago,  Herauagebei 
M  : ..-•■.  Begründer  von  „The  Open  Court*'  (Publikationen  . 

C.  iat   Positiyist   und  Monist     Nach   seiner  „unitarischen"    Auffassung 
sind  Objekt  und  Subjekt,  Geist  und  Materie,  Seele  und   L<-il>.  <;<>n   und  Weit 
nur  Seiten  einer  einheitliehen,  konkreten  Wirklichkeit,  deren  Einheit  der  Gegen- 
stand der  Philosophie  iat    Eine  Metaphysik,  die  aui  Erfahrung  fußt,  i-t  m 
lieh  kgnoetuasmus).     Die  Subjektivität    Selbstheit)  ist  das  Innensein 

des  Wirkliehen,  die  Objektivität  der  auflere  Aspekt  derselben.  In  allem  iat 
L<eben  („Panbiotismue"),  «renn  auch  erat  in  den  Organismen  das  -  oe  auf- 
tritt Gott  iat  Weltseele,  die  der  Welt  immanente  Allmacht  („Entheismtu 
Macht  der  sittlichen  Weltordnung.  Die  Unsterblichkeit  besteht  in  dem  Weiter- 
leben d<  -  d  in  den  Nachkommen,  in  denen  sie  sich  immer  weiter  entwickeln. 
M. •.,;,!.    ikf   issi     deou  Bthieal    Problem,    18*0.  — 

.    IS91.  —    l-uiKh.iniM.tul    Problems,    lb'.u.  —   Prima«   of  Phil« 

—     Monistn  Idea    o(    God.  •    ■• 

—   Philmmplj  as  a  - 

(an'.  Ihunia»  IL.  Prot,  in  Oxford  as  C.  lehrt  erkenntniatheoretiaeh  einen 
BeaHamna,    nach    welchem   wir    \ « «n    den    unmittelbar    wahrgenommenen, 
Anflendingi  den    reilen    und  Zuständen   di      v 

inAendinge  -« shlii  i'«n.  wetehn    all  Körp  ktomen  besteh 

ll  KcaliM.i.   L888.    -  UZ, 


Oasmann  —  Cassirer. 


C  u«niaiui.  Otto,  Koktor  und  Prediger,  gest.  1607  in  Stade.  ==  Schüler 
lenias. 
.  it'ton:  Psychologie  »nthropologica,  1594  (eines  der  ersten  Bücher,  welche  den 
gie"   führen). 

Caspari,    Otto,    geb,    1841,    Prof.   in  Heidelberg,    war   Herausgeber  des 

i  .  vertritt  einen  „kritischen  Empirismus"  (Zus.  d.  Dinge,  S.  192).   In  aller 
antnifl  wirken  Subjektives  und  Objektives  zusammen.    Angeboren  sind  nur 
allgemeinsten    Elemente  des  Bewußtseins,  nicht  die  Erkenntnisgebilde  als 
...  die  ersl  das  Produkt  einer  Entwicklung  sind.    In  dieser  spielt  die  Aus- 
bildung der  Sprache  eine  große  Rolle.    Nach   der    „Adaptionstheorie"    vollzog 
die    Höherentwicklung   der  Sprache   zugleich  „durch  die  in  Familie  und 
auftretende  unwillkürliche  Leitung  der  Mitteilung  und  mitteilsame  Be- 
lehrung" (Zus.  d.  Dinge,  S.  393  f.).    Es  gibt  in  der  Natur  kein  starres  Sein,  keine 
gi  Ltenden  (Jesetze,  sondern  stete  Entwicklung  (auch  neuer  Gesetze).    Es 
auch  keinen  Weltzweck.   Die  Materie  besteht  aus  „Synaden",  empfindenden 
Elementen,  die  überall  nur  in  Verbindungen  und  Gruppen  vorkommen  („Kon- 
Ltionalismus 

ritten:   Die  Urgeschichte   d.    Menschheit,  2.  A.   1877.    —   Die   Grundprobleme 

«l.   Krkeinitnistätigkeit,    2.    A.    1879.    —    Der    Zusammenhang   der   Dinge,    1881.    —  Das 

Erkenntnisproblem,    1881.    —    Drei   Essays    über    Grund-    u.    Lebensfragen    d.     philos. 

I :.aft,   1886.  —  D.   Erkenntnisprob],  m.  Rucks,  a.  d.  herrsch.  Schulen,  1908  u.  a. 

CaNsiodorus    (Cassiodorius)    Senator,  Magnus  Aurelius,  geb.   um  477, 

jekretär   Theodorichs,    seit   540    im    Kloster   Vivarium   wissenschaftlich 

.    -  < '.  war  für  die  Ausbildung  des  wissenschaftlichen  Unterrichts  im  Mittel- 

durch  seine  Arbeiten   von  Bedeutung.    Die   Einteilung   der  sieben  freien 

ad  Wissenschaften  in  das  „Trivium"  (Grammatik,  Dialektik,  Rhetorik) 

„Quadrivium"   (Arithmetik,   Geometrie,  Musik,  Astronomie)  geht  auf  ihn 

zurück.     AI-   Philosoph   ist  er  von    Augustinus,   Boethius,   Claudianus   Mamer- 

!  I      Seele  des  Menschen  ist  geistig,  unsterblich,  ganz  in  allen 

I . 

itutiones    divinarum    et    saeculariuni    leotionum;    davon   das    zweite 
artibuH   ao   diseiplinil    liboralium.     De    anima.     Opera,    1679,    1729.    —   Vgl. 
M.   Am-.  QftMiod.,   1872. 

Cassirer,  1,  Privatdozent  in  Berlin.  =  Neukantianer.  Stand- 

Methodischer  Idealismus").   Jede  Epoche  besitzt  „ein  Grundsystem 
Begriffe  and  Voraussetzungen,   kraft  deren  sie  die  Mannig- 
Lhr  Erfahrung  und  Beobachtung  bieten,  meistert  und 
hl--  Urteilsformen   sind  Motive  des  Denkens,  die 
iltigkeil   seiner  Gestaltungen  hindurchgehen   und   sich   ,,in 
Formulierung  immer  neuer  Kategorien  betätigen". 

inen    wit  entchafü.   Grundlagen,    1902.    —   Das 
iphifl  und   Wi»ien»chaft  der  neueren  Zoit,  1906—07.  — 
»7.  -  Substanz  and   Fanktionibegriff,   1010. 


i ro  —  <  91 


Castro,  Prederico  de,  Prof.  in  Sevilla.  =s  Schüler  von  del  Rio. 

Lriften:   Metafisica,   1888—93,  u.  a. 

Cathrein.  Victor,  geb.  1845,  Jesuit,  Prof.  in  Valkenburg.  =  Die  tforal- 
philosophie  i-t  „die  ans  den  höchstei]  Vernunftgrundsätzen  mit  dem  natür- 
lichen Lichte  der  Vernunft  ipfte  Wissenschaft  vom  sittlichen  Bandeln". 
Das  Gute  ist  das  der  veroünftigeD  Natur  des  Menschen  Angemessene.  Ei 
gibt  eine  uatürliche  Rechtsordnung:  alles  Recht  stammt,  unmittelbar  oder 
mittelbar,  aus  dem  göttlichen  Willen. 

Schriften:  Moralphilosophie,  4.  A.  1904  (Hauptwerk).  —  Philosophia  moralis,  2.  A. 
189  5.  —  Naturrecht  u.  positives  Recht,  1901.  —  Die  kathol.  Weltansicht,  2.  A.   1909  u.  a. 

C  attaiM'o.  Carlo.  L801  -1869.  =  Positivist    Die  Völkerpsycholoj 
i-t  die  Lehre  von  der  Wechselbeziehung  der  Geeister. 

Schriften:  Scritti  di  filosofia,   1892   (darunter:  La  Psicologia  delle  menti  associate). 

Cattoll.  J.   M.     Amerikanischer    Psychologe.  —  Schriften:  Experimental- 
bol.  Arbeiten  über  Assoziation  u.  a.  (Mind  XI.  XIV,  XV  ;  Philo«.  Studien  111 — IV,  u.  a.  . 

Caii**!-.  über  de  (Die  Schrift  von  den  Ursachen),  enthält  meist  Auszüge 
au-   der   „Institutio   theologica-"    dt-<   Prokios,    verfaßt    von  einem   .luden   oder 
Araber,  in-  Lateinische  übersetzt   von   Gerhard   von  Cremona  (um  1167 
1552  'in  Latein.  Ausgaben  <!»•>  Aristoteles),  1882  ihr--,  von  Bardenhewer).    \ 
vielen  Scholastikern  gekannt. 

Celwu*,  Cornelius,  in    Born,  zur  Schule  der  „Sextier"  (s.  <1.)  gehörend. 

Colwu«  (J  um   17<>  n.  ein-.    Schrieb  «las  Christentum  eine 

Ahhandlum  ).  —  K.  i-t  ein  (vom  Stoizismus)  beeinflußter  PI 

uiker.    Die  Ubd  fährt  er  auf  die  in  der  Materie  liegende  Notwendigkeit  zurück, 
mit  der  die  Vergänglichkeit   gegeben   i-t.    Die  Wirkung  auf  die   w 

i-t   Hin-   eine  mittelbare.     Die  Seele  des   Menschen  [<\  unsterblich.    (Segen  die 
i  .  auf  das  Christentum,  dem  er  all--   M ■■_:■         rorwirft 
eine  Apolog 
In.  Ki. im.  Cstas'  „wahr«   Wort",  is73.   —  B.  Arm:.  EBstoin   des  po 
entii  .,'lise,  l> 

<  errion    EGerdon    aus  Syrien,  um  140  u.  ehr.  in  Rom.  =  Gnostiker. 

I  p  i  \  \  i .i  -.     /  yrsvöan  1853.  1.  — 

HlPPOl  N  n  'atiuiiis    oninium    haeresium  libroruni    decem    quao    supersunt,    1- 

—  A.   11 1 1  <o  m  i.i  i'.  Cevdon  uimI   M  hr.  f.  wissensch.    Fl  \\: 

(Vrctti.  P.  =    Von  Hegel  beeinflußt.  —  Sohriften:  Saggio  circa  li 

i  .H  tut?-  1888  \i  --r.  \  i  m.  I    -  pal 

C VrinthiiK  Eerinthos),  um  il.~>  d.  ehr.  in  Kleinasien.  =  Gnostiker,  der 
den  Judengott  vom  höcl  Gotte  unterscheidet. 

\i  i  -  ii    HiPPOLYn  r.i.»n).   ferner  A .  Wubm,  Striata,   Theol. 

€  «'-<a.  Giovanni,    Lrel>.    1859    in    .M---in.i.  I  .    betont    die    Akti\. 

und    vertritt     einen    „Humanismus",     eine    dem      Leben     und     Handeln 

dienende  Philosoph 

B    .  1  .ue  del    prineipio  tli   <au*alitä,  ' 


\  —  Charrox. 


uratniti,    1902.   —    La   filosotia    della   vita,    1903.   —   L'attivitii    psichica,    1904.    —   La 
filoaolia  delf  irione,  1907.  —  Die   Lehre    vom   Selbstbewußtsein,   Viertelj.   f.   wissensch. 
-.   U.  Bd    1887,  u.   a.   (auch  Schriften  über  Lotze,  Wundt  u.  a.). 

t  liairemon.  Stoiker,  Lehrer  Neros  und  vielleicht  Vorsteher  einer  Schule 

Alexandria. 

Chalybacus,  Heinrich  Moritz,  geb.  179G  zu  Pfaffrode  (Sachsen),  Prof. 
1862  in  Dresden.  =  C.  gehört  zu  jenen  Gegnern  Hegels,  welche 

D  der  Immanenz  Gottes  dessen  Transzendenz  und  Persönlichkeit  betonen. 
Gott  ist  Einheit  von  Denken  und  Sein,  absoluter  Wille,  absolute  Persönlichkeit 

sensch.   E  Philosophie  ist  die   „Wissenschaft,   durch   denkende  Er- 

kenntnis die  Wahrheit  hervorzubringen".  Sie  ist  nicht  nur  theoretisch,  sondern 
auch  Wille  zur  Weisheit,  zur  ^Realisierung  des  menschlichen  Zwecks. 

3(  hriften:  Historische  Entwicklung  d.  spekulat.  Philosophie  von  Kant  bis  Hegelr 
'>.  A.  1860.  —  Phänomenologische  Blätter,  1841.  —  Die  moderne  Sophistik, 
l>43.  —  Entwurf  eines  Systems  der  Wissenschaftslehre,  1846.  —  System  d.  spekulat. 
Ethik,  1850.  —  Philos.  u.  Christentum,  1853.  —  Fundamentalphilos.,  1861. 

Chaniberlain.  Houston  Stewart,  geb.  1855  in  Portsmouth,  lebte  früher 

in  Wien,  jetzt   in  München,  naturalisierter  deutsch  schreibender  Engländer.  = 

Von  Plato,  Goethe,  der  Romantik  beeinflußt,   vertritt  Ch.  eine  organisch-teleo- 

be  Weltanschauung  (Wirksamkeit  der  „Idee"   im  Lebensprozesse).    In  der 

,ichte  ist  die  „Rasse"  von  höchster  Bedeutung;  Träger  höchster  Kultur  ist 

Gea        •      Grundl.   d.  19.   Jahrh.  I,  16  ff.,  481  ff.),  dem  der  „Jude"   als 

minderwertig  gegenübergestellt  wird. 

Schriften:  Die  Grundlagen  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  1889,  8.  A.  1907.  — 
J.   Kant,  1905;  2.  A.  1908.  —  Arische  Weltansch.,  2.  A.  1906  u.  a. 

C'Iiampeaux  s.  Wilhelm  von  Ch. 
t  liaiiiei-       I     rean. 

i  harron.  Pierre,  geb.  1541  in  Paris,  Kanzelredner,  Kanonikus,  gest.  1003 
in   Pi 

<  h.  i~t  ein  von  .Montaigne  beeinflußter  Skeptiker.     Die  Weisheit  besteht 

erkenntnk  und  in  dem  auf  ihr  beruhenden  Handeln.    Weisheit  ist  es, 

halten  („consentir  ä  la  nature'*),  sich  in  die  Ordnung  der 

r  einzul  ich  durch  nichts  fesseln  zu  lassen  und  seine  innere  Freiheit 

zu  bewahren.     Eine  sichere  Erkenntnis  des  Wesens  der  Dinge  ist  weder  durch 

durch    Vernunft   möglich.     Die  Wahrheit  ist  für  uns  nicht 

Gott,  der  Mensch   aber  „ne  fait  et  n'entend  rien  ä  droit, 

mme  il  faut"  (De  la  sag.  I,  14).    Wir  müssen  daher  unser 

ii.  uns  mit  Wahrscheinlichkeit  begnügen,  um  die  leidenschafts- 

Ds    rittlich  Gute  ist   das  Naturgemäße  und  be- 

Geainnung.    Sittlichkeit,  Bechtechaffenheit  („preud'- 

ßeligioi]    sondern  diese   auf  jener.     Der  Atheismus 

be  ersetzl  dai  Wissen. 

!re  touH  athf'es,  1594.  —  Hauptwerk:  De  la  sagesse, 


Charrox  —  Cir-ERO.  93 


1601,  2.  ed.   1604  (modifiziert);  deutsch   1801.  —  Oeuvres.  1635.  —  Vgl.  L.  \\'i>- 
Die  Ethik  Ch.'s,   1904.  —  R.  RICHTER,  Der  Skeptizismus  in  d.  Thilos.  II.   1908. 

Chartren  s.  Bernhard  von  Gh. 

Chateaubriand,  Vicomte  de,  1 7 ♦  >* » — 1848.  =  Qegnei  der  Auildarung, 
der  die  (katholische)  Beügion  als  Bedingung  der  menschlichen  Höherentwicklung 

ansieht. 

Schriften:  Genie  du  Christianisme,   1802.   1836. 

Chauvin.  Etienne,  Lr»-1>.  1610  in  Ktmes,  Prof.  am  rrsiisösischeu  Gymnasium 
in  Berlin,  gest.  1725.  =  Kartesianer. 

Schriften:  Leiicon  rationale,    1692,   1713. 

Cherbnry  t.  Herbert. 

Chiapelli«  Akssandro,  geb.  1867  in  Pistoja.  =  Von   Kant    beeinflol 
[dealist 

Schriften:  Xuovi  studi  sul  eriticisnio,    1885,  u.  a. 

Christiansen,  Broder,  =  Bickertscher  Standpunkt.  —  Schriften:  Kr- 

keBBtaUthaoria  u.   Psychologie  d.   Erkennens,   1902.  —  Philos.  d.  Kunst,   1909. 

ChrywippoH,  geb.  um  2S1  v.  Chr.  in  Soloi  oder  Tarsus  (Kiliki.ni.  Nach- 
folger dei  Deanthei  in  der  Btos  (Athen),  gest  am  206  r.  ehr.  =  0.  ist  der 
3  itemaiiker  dei  Stoizismus  and  -«'11  Über  7""  Büchei  rerfaft  haben,  von  denen, 
nur  Fragmente  erhalten  -i n<l. 

VgL  J.  V.  Arnim,  Stoicorum  veteruni  fra^menta.  1903.  —  l'ber  die  Lehre  des 
C'hrysipp  Tgl.    MnlKl'.Il. 

Chwolson,  rassischer  Physiker.  =  Betonnng  des   Entropie-Satzes  u.  a. 

B    hriften:    Hegel,    Häckel,   Kossuth   u.  d.    zwölfte  Gebot,    1'.'  H   sksl.) 

Ci«*«»ro.  M.  Tuttius,  der  berfihmte  Bedner,  geb.  106  v.  Chr.  in  Arpinum, 
wurde  durch  Phldrue  mit  der  Epikureischen  Philosophie,  durch  Phüou  von 
Pari— a  mit  den  Lehren  der  neueren  Akademie,  durch  Diodotoe  mit  dem  Btoi 
um«  bekannt.  7^  77  \.  I  hr.  lebte  er  in  Athen,  wo  er  Antiochoe  run  Askalon 
hörte,  dann  in  Bhodos,  wo  er  Schüler  uVs  Posidonius  war.  Bett  ">i  lebte  er, 
schriftstellerisch  kitig,  sni  seinem  Landgute  Tnscuhun.     Er  itsxb  l  hr. 

I  .  ist  in  Beinen  Arbeiten  (die  vielfach  nur  Bearbeitungeil  griechischer 
Schriften  und  besonders  ron  der  neueren  Akademie  and  deren  gem&Aigtem 
Skeptizismus,  in  der  Ethik  \>>n  den  Stoikern  abhängig,  daneben  von  PI  i 
Aristoteles  o.  a.  Pur  «li<-  Ausbildung  der  lateinischen  j >li i  1« •-.  TerminoL 
er  rou  Bedeutung;  in  ethisch-rechtsphilosophischer  Hinsichl  hat  er  nsa  in  «ii«- 
aeuere  Zeit  hinein  gewirkt.  Die  Philosophie  i-t  ihm  ror  allem  «-in«-  praktisch- 
sittlichen  Zwecken  dienend)  Wissenschaft;  Bie  ist  Erkenntnis  der  menschlichen 
iiihI  göttlichen  Dinge  and  der  Prinsipien  der  Dinge,  Studium  d<  l1 

finibns  II.  I '.in  aiebi        Kriterium  der  Wahrh.-it   jii.i 

das  Daseüi  I  iltigkeit   dee  Sittlichen   ist   ans  darch  die  Dbi 

einstimmung  oller  Völker  l,.con  entimu")  und  durch  ^emeins 

■  oaununes" 1  and  ai  i  „notiones  in  I         disput. 

I 


Cicero  —  Clarke. 


mpft  den  Atheismus  und  die  Atomistik   der   Epikureer,   sowie'  den 
len  Zufall.    Gottes  Vorsehung  waltet  in  der  Welt.    Die  Seele  des  Menschen 
inkörperliche  Natur  (Academica  IV,  39)  und  unsterblich  (Tuscul.  disp. 
.     [,27,66;  I.  49).    Das  Sittliche  („honestum") ist  das  zu  Billigende 
n.  II.  14);  es  i>t  zugleich  das  sozial  Nützliche  (Über  d.  Pflichten,  S.  25  ff., 
Wenn  wir  dem  Naturgesetz  folgen,  so  folgen  wir  damit  dem  uns  an- 
■ttlichen  Gesetz,  der  rechten  Vernunft.     Die  Tugend  ist  „perfecta 
ratio",  vollkommene  Vernunft  und   vollkommene  Natur;  die  Glückseligkeit  ist 
dun!  lob  gegeben.    Strenge  Pflichterfüllung  ist  zu  fordern,  ebenso  Unter- 

drückung der  Leidenschaften. 

riften  (zum  Teil  unvollständig    erhalten):   De    re   publica.  —    De    legibus.  — 
Parai:  S     uoruni.    —   Academica    1   u.    II.   —   De   finibus   bonorum    et  malorum.    — 

Horte  o  de  philosophia.  —  Tusculanae  disputationes.  —  De  natura  deorum.  —  Cato 

maior  sive  de  senectute.  —  De  fato.  —  Laelius  sive  de  amicitia.  —  De  divinatione.  — 
De  offieiis  (Über  die  Pflichten,  Reclam).  —  De  virtutibus  libri  fragmenta  coli.  —  Opera 
philcsophica,  1881.  —  ClCEROS  philos.  Schriften,  deutsch  1840—41.  —  R.  HlRZEL, 
Untersuchungen    zu    Ciceros    philos.    Schriften,    1877 — 83.  —    SCHMEKEL,    Phil.  d.  m. 

Ci<k*zkowsk.i9   August  von,   1814—1895,   Pole.  =  Geschichtsphilosoph, 

Hegel  beeinflußt.  Die  Geschichte  hat  drei  Phasen,  deren  dritte  die  de& 
Willens  und  der  Tat  ist;  sie  ist  der  dialektische  Entwicklungsprozeß  des  Welt- 

-.  C.  bekämpft  aber  den  Pantheismus  und  erklärt  sich  für  die  Persönlich- 
niid  die  Unsterblichkeit  der  Seele. 

Schriften:  Prolegomcna  zur  Historiosophie,  1838,  2.  A.  1908.  —  Gott  und  die 
Pilngenene,   1842   (deutsch)  und  polnische  Schriften. 

<  lapartMlo.  Ed.,  Prof.  in  Genf.  =  Gegner  der  rein  assoziationistischen 
Psychologie.     Der  Prozeß  des  Assoziierens    selbst   fällt   nicht    ins   "Bewußtsein. 
!.•  vnifitseinsinhalte  haben  die  Tendenz,  sich  zu  assoziieren. 
h  riften:  L'association  des  idees,   1902.  —  Psychol.  de   l'enfant,   1909   u.  a. 

Clarke,  Samuel,  geb.  1075  in  Norwich,  studierte   in  Cambridge  Mathe- 
und  Philosophie,  später  Theologie,  trat  energisch  für  Newtons  Lehren  ein, 
er  in  London  und  starb  1729. 

bei  Beziehung  schließ!  sich  Ol.  an  Newton  an;  wie  dieser  be- 

Raum   als  das  .;S<nsorium  Gottes".     Das   Dasein  Gottes,   die 

Seele,  die  Willensfreiheit  sucht  er  sicherzustellen.    In  seiner 

ik    nimn  Den  intuitionistiflch-objektivistischeii   Standpunkl  eia    Das 

srem  Willen   unabhängig  und  beruht  letzten  Endes  auf 

der  die  Well  nach  (in  der  Natur  der  Dinge  selbst  liegenden) 

'i  und  Gesetzen  eingerichtet  hat,  die  zur  Harmonie  des 

sollen.  nun  oberstes  Bittengesetz,   die  Dinge 

ch  ihrem  Verhältnis  zu  anderen  Dingen  und  zur  Welt- 

Wori     II.  80  II.  .    Aul'  der  Angemessenheit  („fitness") 

deren   Behandlung  beruhen  unsere    Pflichten, 

rnünftige    Wesen    zu   behandeln  und  daher 


CLARKE    —    (  LEMEXS. 


Schriften  :     A    demonstration    of    the     being    and    attributes    of    God,    1705  —  6; 
deutsch   1756.  —   A  discourse    concerning  the  unchangeable  obligations  of  natural  religion, 
1708.    —    Remarkß  upon  a  book  ontitled  a  philosophical    enquiry  concem.  hum.  lil, 
1715.  —  Cl.s  Briefwechsel  mit  Leibniz  in:    A   collection  of  papers,   1717:   deutsch   IT 
—   Works,   1738—42.  —   Vgl.   R.   XlMMl  i:.M ANN,  Cl.s  Leben  u    Lehre,   ls; 

C'law*.  Gustav,  geb.  1836  in  Nieeky  (Oberlausitz),  Prof.  in  Tubingen  und 
Erlangen,  _ 

( '.  isl  ein  von  Kant  und  Lutz«-  beeinflu fiter  Vertreter  <!•  -  den  Idealis- 

mus and  Spiritualismus.    Die  Wirkliehkeil  i-t  an  sieh  ein  Reich  dee  i 
sohl   vom  absoluten,  aber  persönlichen  göttlichen  Geist,  der  Eänh 
aolnten  Denken  und  absolutem  Ich.    Die  menschlichen  Seelen  sind  unsterb- 
lich.   Soweit  sie  individuell  sind,  ist  ihr  Leben  eu  oalistisches",  sofern 
von                   gedanklichen  Inhalten  erfüllt  und  bewegt  sind,  i-  shlich". 
e,  historische  Inhalte  sind   lebensvolle  Gedankensysteme  von   aberindivi- 
duetter  Qeltung  und  Macht,   aber  nur   in   lebendigen  Geistern  bestehend,    von 
ihnen  erfaßt  und   gedacht.     Religion,    Recht    und  Mural.    Kultur   -ind  die  drei 
Ideen,  aus  denen  rieh  unbedingt  gebietende  I  mpe'rative  ergeben  und  welche, 
als  Ideale,  die  freie  Entwicklung  des  Menschlichen  leiten.    Mit  den  Geistern  und 

d  Inhalten  hat  es  die  ,J*neumatologie4<  eu  tun.    (tott  offenbart  sich  ans  im 

iil  der  Abhängigkeil  von  ihm. 

-     hriften:      Ideale   und   Güter,    18t?G.      —      Untersuchungen   zur  Phänomenologie  u. 
ogifl  iL  iiieiiscl.li-  li.   Qeifltea,   189o.      —      Die    Realität    d.    Gotte.«idee,    19<»4.   — 
11     EtUBT,  G.  Class'  Philosophie,  1909. 

ClamncM,    \'  -  ist.        Anwendung  der  Kant'schen  Erkenntnislehre  aui 
Psychophysj  3      os. 

Schriften:     Physiologie  '1  577.  —   Wie  orientieren   wir  uns  im 

Räume  dun  i  -inn,    187 

C  lauiMki -^.  Johann,  geb.  1622  in  Solingen,  Prof.  in  Herborn  und  Duis- 
burg, Lr« -t.  1665.  =  Kartesianer,  der  sich  durch  «li«-  Zurückführung  der  Wechsel- 
wirkung zwisch«  .  and  Seele  auf  den  Willen  Gottes  dem  Okkasionalismus 
eines  Geulina  u.  a.  nähert  Die  Welterhaltung  betrachtel  er  als  andauernde 
Schöpfui 

Schriften:     Difterentia  inter    phili  daBan  et  —    Li 

vetus   ot    no\;i.    I1  —      0n1  — 

..,   1691. 

<  lamliaiiu^  liamertus,  um   Kon.  Chr.,  P 

influBt,  tum  Teil  auch  rom  Neuplato 
die   Lehn  alitäl  d<     -  als  un 

der  Räomlichkeil   nicht  onterworfen,    einheitlieh,    rein   q  and    inta 

-ich  i  rnd  auffaßt.     D       Seele  ist   in  ihrem    [> 

pei     l  ••  .  1.  1.")  ii.  i  IM. 

i.riften:       l»o    btatu  I    f.     —     \ 

M     &  Hl 

<  h'iiicii*    \ 


Clemens  —  Clifforp. 


Sehüler  des  Pantänus,  floh  infolge  einer  Christenverfolgung  nach 
.adokien.  gest.  211  n.  Chr. 

der    Lehrer   an   der   Katechetenschule  zu    Alexandrien   war,    ist    nebst 

der   bedeutendste    Vertreter  der  orthodoxen  Gnosis,   welche   ihre 

ibe  darin  setzt,  den  Glauben  zum  Wissen  zu  erheben,  die  Lehren  der  Reli- 

uiul  die  Geschichte  des  Christentums  selbst  philosophisch  zu  begreifen  und 

zu  begründen,  ohne  aber   (wie  die   „häretischen"  Gnostiker)  historisch-religiöse 

Momente  and  Prosesse  metaphysisch-theosophisch  zu  hypostasieren.    Beeinflußt 

den    v,.n   Plato.    Aristoteles   und   den    Stoikern,   auch  von    Philo 

Judai 

\  ich  <      stammt  alle  Erkenntnis  vom  göttlichen  Logos  her,  welcher  schon 
roden,  aber  auch  Heiden  —  die   großen  Philosophen   (besonders  Plato)   — 
erleuchtet  hat    Die  Philosophie  ist  daher  nicht  zu  verachten,  sondern  viel- 
mehr zur  Vollendung  des  Glaubens  zu  verwerten.     Der  Glaube   ist  der  Prüf- 
der  Erkenntnis,  diese  darf  ihm  nicht  widersprechen,  aber  erst  die  „Gnosis", 
iare  Erkenntnis  alles  dessen,  was  im  Glaubensinhalt  liegt,  ist  das  Höchste. 
I  Manbe  enthält    einen  freien  Willensakt  der  Zustimmung   (vgl.  Strom.   II, 
IV.  VI.  VII).     Gott  ist  über  alle  endlichen  Prädikate  erhaben,  sogar  über  die 
Einheit;  erkennbar  ist  eigentlich  nur  Gott  als  der  Logos.   Dieser  ist  vom  Vater 
_  schaffen,  das  Urbild  der  Welt,  alles  durchdringend  und  erkennend,  die 
Einheit  der  Ideen  und  göttlichen  Kräfte.     Die  menschliche  Seele  besteht  aus 
einem  leiblichen  und  vernünftigen  Teil   (Strom.  VI,  16).     Der  Gnostiker,  d.  h. 
.  überwindet  das  Sinnliche  und  Weltliche  und  strebt  nach   geistiger 
gung  mit  Gott,  in  dem  seine  Seele  ruht. 
Schritten:    Aöyog  -Tnnroejiriy.ög  Jigog  "Elh]vag  (Ermahnungsrede  an  die  Hellenen). 
Ihn*  Hrzieher).  l'unonareig  („Teppiche").    Opera,  1550,  1831—34,  1869,  1905  f.; 

T.  \  III — IX.  —  Fragmente  verlorener  Schriften  in:  Supplementum  Clementinum, 
-  .  F.  J.   WlNTEB,  D.  Ethik  des  Cl.  von  AI.,  1882.  —    P.  ZlEGERT,  D. 
hol.  d.  Cl.  AI.   1892,   1894.  —  ERNESTI,  Die  Ethik  des  C,   1902. 

Clement  inen  heißen  die  (fälschlich  dem  Clemens  Romanus  zugeschriebenen) 

tionen"  und  „Homilien",  zwei  philosophisch-theologische  Schriften  (um 

i.  Chr.).  =  in  diesen  Schriften  wird  die  Einheit  des  Juden  und  Christen- 

die  Formen  einer  ursprünglichen  reinen  Religion  sind,  welche  schon 

-'--'•ii  hat  und  die  verschiedentlich  offenbart  wurde.   Juden  und  Christen 

d  <."tt.   den  Schöpfer  der  Welt;   das  Christentum  ist  nur  die 

rang  des  Judentums.    Auf  die  Befolgung  «ler  göttlichen 

■  i     Well  baut  eich  ans  einer  Reihe  von  Gegensätzen  auf. 

Bomanil  qOM  feruntur  homiliac,  1854.   —  Clementina,  ed.  P.   de 

iones  CK,   1838.     —    Vgl.  G.   ÜHLHORK,  Die  llomil.  und 

.   1664. 

«  HH'orrt.  .   Kingdon,   L845 — 1879,    Mathematiker  und  Philosoph, 

I  und  idealistischer  Positivist  (ähnlich  wie  Mach 

•  dun  Erscheinung  eines  Psychischen.    Die 

sehen   Atomen.    Aus  diesem   „Seelenstoff" 

pfmdungen  zusammen.    „Ein  bewegtes  Teilchen 


(    I.I1  1  (»KD    —   COHEN. 


dar  Materie  besitzt  weder  Bede    noch  Bewußtsein;  aber  n   nennt  '-in    kleinefl 
Stückchen  Sedenstofl  Bein   eigen."     Erst    in  der  komplizierten   Verbindung   zu 
ganischer  Substanz,  /.um  Nervensystem  bilden  die  psychischen    Elemente  das 
^entliehe  Seelische  (Gefühl  usw.)  und  ein   Bewußtsein.      Die   au-    Seeknstoft 
rnsammengesetzten    Empfindungen    (feelings)  existieren  objektiv,  als  das      I' 
im  sich"   «Irr   Materie.     Bie   bedürfen   keines   Tragers,   sind    selbständig.     Die 
Physik  hu?  es  mit  „wirklichen  oder  möglichen  Empfindungen"  zu  um.    Uns 
Vorstellungen  sind  onyollkommene  Repräsentationen  derselben,  ihnen  aber  ähn- 
lich.   Hin  „Objekt"  i-t  nur  eine  Gruppe  von  Empfindungen,  von  Veränderunj 
in  meinem   Bewußtsein.    In'»-  Empfindungen   anderer   Subjekte  kann  ich  nicht 
/um  Objekt  meiner  Wahrnehmung  machen,  ich  folgere  sie   aber  und    projizi 
-i.-  au-  mir  herauf  als  „Ejekte",  von  denen  eben  ein  Teil  unpersönlich,  an  sich 
existiert. 

B    i.  rit'tt'ii:      Seeing  and  Thinking,   1879.     —     Lectures    and   Essaus    1879,  2.   ed. 
36     darunter:    .,<)n    the    Xature    of   Things  in  themselves";    deutsch   1908).      —     The 
nion    Sense    of    the   Kxact    Sciences,    1885.     —     Über    d.    Ziele  u.    Werkzeuge 
ns,  1896.   —  The  Ethics  of  Belief,  deutsch:   Wahrhaftigkeit,   1909. 

<  loriiu*.  ('in-.  Ar,:.   II- im.,  geb.    1 7 7 _*    in  Altenburg,    Prof.  in    Leipzig, 
i^.;ti  in  Leipzig.    -  Erst  Anhänger  Kant-,  dann  Jacobis. 

B    hriften:      (irundril'   d.   lüg— ein—    Religionslehre,    1808.   —   Gott  in  der  Natur, 
in  der  M  beschichte  and  in   BewaBtoein,  1818 — IS 

Coeceji.    Heinrich   \..   1644—1719.     -      Wie  Bein    Sohn    Samuel  \ 
(1679—1755)  führt  er  das  Naturrecht  aui  den  göttlichen  Willen  zurück. 

v     hriften:      .Iuris   poblici   prudentia,    1695.     —    Anatoniia  iuris   gentium,    1718.  — 
itil  '  i'iiu.     171!'. 

<  ohen.  Hermann,  geb.  L842  b    I  Lnhalt),  Prof.  in  Marbui 

-i  das  (von  Plato,  aber  auch  ron  Pichte  und  Hege]  beeinflußte)  Haupt 
\  nkantianismus  rationalistischer  Sichtung,  der  seine  Anschauung 
allmählich  ra  einem  über  Kant  hinausgehenden  „methodischen  [dealismus44  ent- 
wickell  hat.  Nachdem  ( '.  in  Beinen]  Kant-Buche  die  rein  Logische  (nichl 
psychologische  Bedeutung  des  \  priori  und  die  Einheit  des  Bewußtseins  be- 
tont, sowie  tlar--l'_i  hattr.  dai;  .-  sich  l>»-i  Kant  um  eine  Theorie  der  Erfahrung 
handle,   gibt  er  im  ersten  Teile  Beim  -  -  i  ine  objektive,   nichl    von    den 

Voi  im  Binzelbe wußtsein  ausgehende,  antipsychologische,  transzendentale 

1.  >gik,  di<  zugleich  Erkenntnislehre  und  Ontologie  ist,  da  das  Sein  nichts 
anderes  ist  als  Denken  (bezw.  Gedachtsein).  Die  Logik  (bezw.  der  „methodische 
Idealismus")  gehl  ron  den  „sachlichen  Weiten  der  Wissenschaft,  den  reinen 
Erkenntnissen"  aus,  nimmt  nichts  ab  n  an,  was  nicht  durch  i  ken 

;i|-   lolchea    bestimmt    ist,    fängt    also   nicht    (wie  Kam  Sinnlichfc 

Bondern  mit  dem  Denken  an.     Die  Logik  I  -     indem 

dem  im  Denk  Eten  [nfinitesimalen   als  dem  Ursprung  all« 

die    Pin. n     Krkcnntniss»'    ableitet.       I»  das       l>enk 

Die  Loj  l       k  der  math  x 

Denl 


Cohen. 

Idealismus'*.    Die  Idee  ist  ihr  die  „Hypothesis",  die  Grundlegung 
dies  Krkennens  und  Seins,  das   wahrhafte  Sein,  das  zugleich  Denkinhalt  ist; 
denn  im  Bein  darf  kein  Problem  stecken,  „für  dessen  Lösung  nicht  im  Denken 
die  Anlaur   m   entwerfen    wäre".      Indem    das    Denken    die    „Grundlagen    des 
-  t/t  und  sieh  selbst  zur  Rechenschaft  zieht,  wird  die  Logik  „Dialektik". 
.Nur  das  Hinken  kann  erzeugen,  was  als  Sein  gelten  darf",  es  muß  den   „Ur- 
spnmg"   alles    Inhalts    in    sich    selbst   legen    und    finden.      Der    Inhalt   des 
Denkens  ist  Dicht  der  Stoff  des  Bewußtseins,  sondern  „Einheit".    „Die 
Einheit   des  Urteils   erzeugt  die  Einheit   des  Gegenstandes  in  der  Einheit  der 
Erkenntnis."     I>a-  Bewußtsein  ist  eine  Kategorie;  der  Geist  ist  Bewußtsein 
Wissenschaft   erzeugt.     Die  Einheit  des   Bewußtseins,   der    „trans- 
sendentalen   Apperzeption"  ist  nichts  Subjektives,  sondern  die  objektive 
„Einheil  des  wissenschaftlichen  Bewußtseins",  sie  ist  den  Kategorien  nicht  über- 
-  mdera  entfaltet  sich  im  System  der  Kategorien  selbst. 
I1      Kategorien   sind   nicht    angeborene    Begriffe    oder    der    Erfahrung 
rarangehende  psychische  Funktionen  des  Subjekts,  sondern  sie  sind  Produkte  des 
Urteils  and  zugleich  die  Grundlagen,    Bedingungen   und   Voraussetzungen  der 
sie  sind  „die  Grundformen,   die  Grundrichtungen,   die   Grund- 
in  denen  das  Urteil  sich    vollzieht".     „Die   Kategorie   ist   das   Ziel   des 
da,  und  das  Urteil  ist  der  Weg  zur  Kategorie."    Die  Logik  ist  eine  „Logik 
Urteils".     Das  Urteil  „erzeugt  die  sachlichen  Grundlagen,  als  die  Voraus- 
ingen   der  Wissenschaft".      Das   Urteil  tritt  in  vier  Klassen  auf:    Urteile 
setze  i  Ursprung,  Identität,  Widerspruch),  der  Mathematik  (Realität, 
Mehrheit,   Allheit),   der    mathematischen  Naturwissenschaft    (Substanz,    Gesetz, 
:t  .   der    Methodik   (Möglichkeit,    Wirklichkeit,  Notwendigkeit).     Eine  Üf* 
teüsart  kann  also  eine  Mehrheit   von   Kategorien  enthalten  und  eine  Kategorie 
kann  zugleich  in  mehreren  Urteilen  enthalten   sein.     Die  Kausalität    beruht 
nicht  ant    Bukzession,    sondern    auf  „Erhaltung"   eines   Vorganges   im  andern. 
tanz    bedeutet    „Immanenz   der   Erhaltung   in   der  Bewegung",  die 
H   ]•'!:•  Bis"  der  Veränderungen.     Auch  Raum  und  Zeit  sind  Kategorien,  ebenso 
ZahL     Die   Leistung  des  Raumes  ist  das  im  Urteil  der   Allheit  erzeugte 
:•  ii-    und  „Außen".     „Das  Ändere  ist  in  der  Tat  das  Innere;  aber  das 
Innen-  verwandelt  rieb  zum  Äußern  in  dem  Fortschritt  des  Erzeugens  von  Zeit 
Die  Allheit  im   Denken  erzeugt  die  des  Raumes."    Die  Gegen- 
M'Hiient    de-    Raumes.       Das   Charakteristikum    der  Zeit   ist    die 
1       Zukunft    enthalt    und   enthüllt  den  Charakter  der  Zeit. 
mtipizierte  Zeit  reiht  sieh,  rankt  Bieh  die  Vergangenheit.    Sie  war  nicht 
ondern  zuerst  ist  die  Zukunft,  von  (\cr  sich  die  Vergangenheit  abhebt/' 
!  i      Antizipation".    Sukzession  und  Zugleichsein 

•  dem  werden  denkend  erzeugt.     Die  Zeit  wird,  als  das 
der  Kontinuität.     Die   Zahl   hat  ihren  l'r- 
i:     ußteeins.     I);is  „Urteil  der  Realität"  erzeugt  die 
Mittel  für  die  Erzeugung  des  Gegenstandes,  als  Funda- 
astand   -eine   Realität  empfängt.    Indem  die  Zahl 
das  Beon  bedeuten.     Auf  .Mathematik 


DDT.  99 

mu(;  alles  reduziert  werden  können,  was  ah  Naturwirklichkeit  soll  behau] 
wiid.ii  können.  I>ie  Axiome  der  Mathematik  Bind  Erzeugnisse  des  reinen 
Denkens,  und  bo  wurzelt  alles  Sein  im  Denken.  Audi  die  ...Mehrheit-  wird  als 
Einheit  des  Denkens  erzeugt  In  den  Zahlen  erzeugt  die  Zeil  einen  »Kosmos 
des  reinen  Denkens",  die  „Einheiten  der  Mehrheit".  Auch  der  Zweck  ist 
eine  Kategorie,  eine  Methode.  Die  Naturwissenschaft  als  solche  mufl  aber 
Btreng  kausal-mechanisch  verfahren;  hier  hat  der  Zweckbegrifl  nur  regulative 
Bedeutung. 

Allee  Bein  ist  „Sein  des  Denkens".      Die  Realität  hat    ihren   Ursprung 
im  Denken.     Das  Unendlichkleine    ist  „Grund  und  Werkzeug  des   realen 
Gegenstandes",   in   ihm   wird   als  Beinern    Ursprünge  das    Endliche  gegründet 
Prinz,  d.  [nun.  8.  3  f.).    Realität,  die  von  der  „Wirklichkeit''  zn   unter- 

scheiden i-t.  ist  eine  besondere  Leistung  des  Denkens.  „Dafl  ich  ein  Element 
selbst  an  und  für  sich  setzen  darf,  das  ist  das  Desiderat,  welchem  das 
Denkmittel  der  Realität  entspricht.*  Realität  bedeutet  „uitensive  GröA 
In  der  Gewißheit  der  Infinitesimal-Analysis  ruht  die  Gewißheit  der 
Wissenschaft,  die  Objektivierung  der  Empfindung,  ihr  „Entsatz"  durch  ein  rein 
gedanklich  bestimmtes  Element  (Atom  n.  df 

Wie  die  Logik  auf  dem  reinen  Denken,  so  beruht  die  Ethik  auf  dem 
i  mit  der  praktischen  Vernunft  identischen)  rei  ne  □  Wi  llen.  Sie  ist  die  „Logik 
der  Geisteswissenschaften",  die  Prinzipienlehre  der  Rechts-  und  Staatsphilosophie, 
auf  die  Rechtswissenschaft  orientiert,  indem  sie  sich  selbst  als  Rechts- 
philosophie durchfuhren  muß.  I  >i<-  Ethik  i-t  Ethik  des  ..reinen  Willens",  ihre 
Methode  i-t  nicht  psychologisch,  Bondern  transzendental.  Der  reine  Wille  voll- 
zieht sich  in  d.r  Handlung,  und  -o  kommt  es  nicht  1>1. «i;  auf  die  Gesinnung 
an.  Als  „Willensgefühl"  bildet  der  Affekt  einen  Bestandteil  der  Willenshandlu 
Der  sittliche  Wille  geht  auf  Einheit  im  Wollen  (Gesinnung)  und  Handeln. 
Nur  in  Recht  und  Staat  i-t  Sittlichkeit  möglich;  das  sittliche  Ideal  wird  nur 
in  der  Gemeinschaft  realisiert,  in  welcher  erst  die  rechte  Einheit  des  Willens 
zur  Geltuns  kommt.  Der  GesamtwiUe  i-t  der  „geeinte  repräsentative,  ideale 
Wille".  I  >ie  Einheil  da  Ifenschen  i-t  nur  in  der  Allheit  des  Staates  gesichert. 
In  der  juristischen  Person  des  Staates  wird  < las  Selbstbewußtsein  zur  ethischen 
son.     Die   fundamentale  Tugend   des   Staates   i-t  die  Gerechtigkeit.     Durch 

Recht  «rird  das  ethische  Subjekt  zum  Objekt  der  Geschichte.    Die  Kontroll- 
instant  allei    I        .den   i-t   die  Humanität,   das   „Gnu  der  sittlichen 

Harmonie".     Aui  ein  ..Reich  der  Zwecke"  strebt  alle  sittliche  Entwicklung  hin. 

Di<     Gei  einschaft  auto ler  Wesen"  ist  der  Inhalt  des  formalen  Sittenj 

rund.  d.  Ethik,  2.   Lfi     ''        Das  sittliche  Wesen  ist  Zweck  an  sich, 
Endzweck.     Der  reine  Wille   i-t  der  autonome,  freie    Wille,   der  niemals   bl 
Mittel.  -Mildern  immer  zugleich  /weck  i-t.     „Die  Autonomie,  dii    •  all- 

ing,     i-t    Autotelie."       Im   ethischen    Sollen     wird    • 
che  Verbindung  autonome]   Wesei      w       .1;     h  der  Zwecke".       D 
sittliche  Ideal  wird  dureii  die  [des  Gottes  ii  itzt,  als  diese  dii    \ 

bindung  zwischen  Natur  und  Sittlichkeit  herstellt    Gott  Zentrun  aller 

d<  i   Wahrhi  it",  d  - 


Cohen  —  Cohn. 


Menschen  als  Seibetzweck   führt  zu  einem  ethischen  Sozialismus  (vgl. 
Kinl.il.  m.  kritischem  Nachtrag  zu  F.  A.  Langes  Gesch.  d.  Materialismus,  1890, 

-       i  \ 

riftea  :    Kants  Theorie  d.  Erfahrung,  1871 ;  2.  A.  1885.  —  Kants Begründ.  d.  Ethik, 

\     i9io.   —   Das  Prinzip  der  lnfinitesirualmethode,   1882.    —     Kants  Begründ. 

-thetik,   1889.  —  Einleit.  m.   krit.  Nachtrag  zu  F.  A.  Langes  Geschichte  d.  Matorialis- 

-  "  .  -    A    1008.  —  Svtera  d.  Philos. :  I.  Logik  der  reinen  Erkenntnis,  1902.  IL  Ethik 

d.  reinen  Willens.   1904:  2.  A.   1907.  —  Religion  u.  Sittlichkeit,  1907.    —    Kommentar 

zu  J.   Kants   krit.  d.  rein.   Vernunft,   1907   (Philos.  Bibl.),  u.  a. 

Colin.  Jonas,  geb.  1869  in  Görlitz,  Prof.  in  Freiburg  in  Br. 

l>i<   Ästhet  ik  ist  nach  C.  eine  kritische  Wertwissenschaft,  für  welche  die 
um-     eine     Hilfswissenschaft     ist.      Der    ästhetische    Wert    hat 
lerangBcharakter",  will  allgemeingültig  sein.    Das  Schöne  tritt  da  auf,  wo 
der  „Ausdruck*4  ganzlich  in  der  Form  sich  offenbart. 

In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  weist   C.  Verwandtschaft  mit 
Bickert   auf.    Die   Logik   und  Erkenntnistheorie  ist  nicht   auf  Psychologie  zu 
ren.     Die    Ehrkenntnistheorie  fragt,    ,,was   muß   gelten   oder   vorausgesetzt 
werden,  damit  sie,  sei  es  Erkenntnis  überhaupt,   sei  es  eine  bestimmte  Art  von 
Erkenntnis,  möglich  ist";   es  handelt    sich   hier  um  eine  rein  logische  Genese, 
n  von  den    Folgen  zum  Grunde.     Die  Grundsätze   des   Erkennens 
sind  von  Weiten  und  Zielen  abhängig.     Der   „Satz   der  Immanenz"  besagt, 
dal',  „alles,  vras  erkannl    werden  soll,   unter   den   Bedingungen  der  Erkenntnis- 
n. im.  ii   stehen   muß".     „Alles  zu    Erkennende  und  alles    Erkannte    steht  unter 
Bedingungen   des  erkennenden  Ich."     Aber   nicht  um   das  psychologische, 
individuelle  [ch  handelt  es  sich  hier,   sondern  um   das  reine  Erkenntnissubjekt, 
.ii  ideales  Ich,  welches  Norm  und  Ziel  des  Erkennens  ist.     „Im  Erkennen 
strebt    das   individuelle  Ich  danach,  sich  von  seiner  Individualität  zu  befreien." 
dl  sich   auf   den    Standpunkt    des  überindividuellen  Ich  erheben,    welches 
ofies   Objekt    Bein    kann,   sondern    als    „Einheit  der  Formen   alles  zu  Er- 
kennenden" vorausgesetzt  wird    (vgl.  Kants   „Bewußtsein  überhaupt",   Rickerts 
tmtnistheoretisches    Subjekt").     Eine   metaphysische  Existenz'  hat    dieses 
[ch    nicht.     Dingheil    und  Einheit   sind   Erzeugnisse  dieses  Ich,  welches 
ist   kein   Ding  ist  (vgl.  Fichte).     Die  Ichheit  ist  die   „ Zusammenfassung 
iner  Forderung".     Voraussetzung  des  Erkennens  ist  „das  zur 
!'•-  Erkennens  teleologisch   Geforderte".     Ziel  des  Erkennens  ist 
Z  lang;    reines   ErkenntniszieJ    ist  ein  Urteilszusammenhang. 

I  riebniswirklichkeit"    ist    das    überlogische    Erkenntnisziel,    der 
mmenhang  aller  Wertgebiete.     Unter  einem  „Wertgebiet''    versteht   C.  den 

durch  die  Beurteilung  nach  einen  Wert  zusammen- 
Dea  zusammenhaltende  Wert  ist  der  „leitende  Wert".   „Wahr- 
Wert  dee  Ehrkenntnisgebietes;   wahr  ist  das  Urteil  als  Er- 
Urteilen.    Urteile  sind  die  einzelnen  Gegenstände  oder  Be- 
et«   dei    Erkenntnis,   aui   die  der  leitende  Wert  Wahr- 
Wo  d(  i    G(  g<  ostand   dec    Wertes   durch   eine  Tätigkeil 
ZieL 


Cohx  —  CoM  1  i..  1"1 


hriften:     Geschichte  d.    Unendlubkeitsprohlems  im  abendlind.   Denken  I.    LS 

—  Beitr.  z.   Lehre  von  d.   Wertungen,  Zeitschr.   f.   Thilos.,  IM» 7.    -   Allgemeine  Ästhetik, 
19dl.    —    Psychologie  u.  kritische  Begründung  der  Ästhetik,  Archiv  f.  ijttenat   l'l 

\    [904.  —  Voraussetzungen  u.  Ziele  d.  Erkennens,  1908.  —  Führende  Denker,  19U7,  u.  a. 

C'oit.  Btanton,  geb.  1857.  1* -1  >r  in  London,  einer  der  Begründet  der  Gesell- 

-  hiitt  für   ethische   Kultur. 

Schriften:    Die  ethische  Bewegung  in  der  Religion,  deutsch    180«». 

i  olajamii.    KTapoleone,  geb.  1S47  in  I  iovanni,  Prot  der  Statistik 

in  Neapel  =  C.  betont  die  soziale  Bedingtheil  des  Verbrechen«;. 

S    hriften:     Criniinologia  sociale,   1889.  —  Socialisrao  e  Sociologia  criminale,  18 

G'ollard,  s.  Beyer. 

•Collier.  Antun-,  geb.  1680  bei  Salisbury,  Btudierte  in  Oxford,  als  Pfarrer 
17:12  gest. 

( '.  ist  von  Malebranche  (und  .T.  Nbrris)  beeinflußt  und  hat   -'hon  1708  (in 
einer  ungedruckten  Abhandlung  d   dem   BerkeleyBchen  ähnlichen   [mma- 

terialismue  und  [dealismne  vertreten.  Wabrnehmungsobjekte  gibt  es  nur 
in  Abhängigkeit  vom  Empfinden  i..in  dependance  on  ite  respective  ta<uh 
nur  in  Beziehung  su  einem  Bewußtsein  („respectivery  on  the  mind").  Alles 
Sein  der  Dinge  ist  immanent  („inexistence  in  mind*'),  v  gestelltsein.  Eine 
unabhängig  existierende  materielle  Außenwelt  würde  /.u  Widersprüchen  rühren 
und  unwahrnehmbar  Bein  (dar.  univ.  |».  3  ff.,  64).  Dil  K  irper  sind  nur 
Vorstellungen  in  den  vorstellenden  Geistern,  von  Gott  in  ihnen  geordnet  be- 
wirkte Wahrnehmungsinbalte. 

9    hriften:     <la\i»  universalis  0»  ■  Dan  inquiry  at'ter  truth,  being  s  demonatrat 
of  tho  ii  inbilit]    <>t"  U  world,    1713,    1^37,     1910;  de.: 

\.    I\'»\\  \l  l.w  -KI.    Krit.    Analyse   ron    A     '  197. 

<  ollin».  Anthoi  1676  zu  Bestem,   gest.  1729  als  Schatzmeister.  = 

C.  ist  ron  Locke  beeinflußl  und  eines  der  Häupter  der  englischen  ,,Freidenki 
und  „Deisten".     Er  tritt    energisch    für  das   den   Autoritäten    gegenüber  fn 
selbständige  Denken  ein,  das  Für  die  Religion  nicht  gefährlich,  sondern  geradezu 
nützlich  und   notwendig  Bei.     Seine    Anschauungen    riefen   viele    Diskussionen 
(auch  in  Deutschland)  und  Gegenschriften  hervor,  so  besonders    1710  vonseiten 
des   Philologen  I;.  Bentley  (als  Phileleutherus  Iipeienf 

9efcrif1  \  dueovrae  of  breethinking,   1718;  (rsnioa.     1714     unopt  — 

l'hi  .    on«iuir\  hum.    libeitj,    1  7  1."».  \    « 1 1  — 

of   tho   I  1734.  Liberi  -  >.     —     x 

I  'HOB»  iiMii».   Krit    I  •  \    I '  -.   I  . 

(ollyii^-Simoii  -    Simon. 

C'omiiH'r.    Ernst,    geb.   184*4    in    Berlin,    Prof.  d.  Theol.  in   Wien. 
Katholisch-scholastischer  Standpunkt 

i.rii  tti       Di«  pi.i. ...    ff  •  •  in  d.  Philooophii 

-  1 1  ltiiin. 

Comt«».  Auguste,   geb.    19.  Jan.  1798  in  Montpellier,  Btudierte   am    dem 
eum  und  der  polytechnischen  Pchule,   gab  dann   in    Parii    Privatunterricht, 
rkehrte  lsls    22  mit  Saint-Simon,  von  dem   er  r.ui      I 


COMTE. 

seit  1825  private  Vorträge   über  Beine  Philosophie,  die  er  nach   einem  kurzen 

Dthalt   im  Irrenhaus  wieder  aufnahm,  wurde  1833  Repetent  für  Mathematik 

und  Mechanik  an  der  Polytechnik,   verlor  aber  diese  Stelle  bald  und  lebte  als 

atmann,  nachdem  er  (1845)  die  von  ihm  schwärmerisch  verehrte  Clotilde  de 

Yaux  kennen  gelernt  hatte,  bis  er  5.  Sept.  1857  starb,   von   seinen   Anhängern 

ab  Seiliger  angesehen. 

Oomteisl  der  Begründer  des  neueren  Relativismus  und  Positivismus 
ider  Ausdruck  stammt  von  ihm),  d.  h.  einer  metaphysikfreien,  bloß  auf  Tat- 
sachen der  Erfahrung  beruhenden,  diese  systematisch  zusammenfassenden  Philo- 
sophie. „Positiv"  bedeutet  hier  tatsächlich,  gewiß,  objektiv  gegeben.  Die 
Philosophie  in  ihrem  positiven  Stadium  ist  „le  Systeme  ge'neral  des  coneeptions 
humaines".  K-  gibt  nämlich  drei  Stadien  in  der  Entwicklung  der  Wissen- 
schaft i..K'is  «les  trois  6tats";  vgl.  schon  Turgot,  St.-Simon),  welche  einen  Fort- 
schritt vom  phantasiemüßigen  zum  wahrhaft  wissenschaftlichen  Denken  darstellt. 
Stadium  ist  das  theologische,  in  welchem  die  Naturvorgänge  aus 
natürlichen  (dämonischen,  göttlichen)  Willenskräften,  also  anthropomorphisch, 
erklärt  werden.  Im  metaphysischen  Stadium  —  das  keineswegs  noch 
überwunden  ist  treten  an   die  Stelle  persönlicher   Faktoren  unpersönliche, 

akte,  logische  Wesenheiten,  Prinzipien,   Kräfte,  Ursachen.     In  der  dritten 
positiven,  wird  alles  Metaphysische  eliminiert;  man  erklärt 
nicht   durch   Rückgang  auf   unbekannte  Faktoren  (Kräfte,  Ursachen),  sondern 
:.:••  'il»t    die   empirisch   beobachtbaren    Zusammenhänge   und"  Re- 
lationen,   die  Koexistenzen   und   Sukzessionen,   regelmäßigen,  gesetzmäßigen 
Verbindungen  der  Phänomene  selbst,   über  die  wir  nicht  hinaus  können. 
Dm  einzige  Absolute  ist  nach  C,  daß  es  nichts  Absolutes  gibt.)    Die  „coordi- 
uation  des  faits  observeV'   ist  Ziel  der  Forschung.     „Tout  les   bons  esprits  re- 
connaissent  aujourd'hui  que  nos  etudes  reelles  sont  strictement  circonscrites  a 
phenome.nes  pour  d^couvrir  leurs  lois  effectives,  c'est-ä-dire  leurs 
r«  lations  constantes  de  succession  ou  de   similitude,  et  ne   peuvent  recllement 
eonoezner  leur  oature  intime  ni  leur  cause  ou  premi&re  ou  finale,  ni  leur  mode 
••s-enticl     (1.      produetkm"     (Cours    I,    5  ff.,    28).       Die     Wissenschaft     dient 
prar  n  Zwecken;   sie  will  den  Lauf  der  Dinge  voraussehen   und  so 

beherrsch«  t  pour  prevoir").    C.  betont  aber  dann  auch  die  Ordnung 

der  Tatsachen  durch  das  Denken  gemäß  dem  Prinzip  der  Denkökonomie  (s. 
lisch),  irelche  direkte  Beobachtung  erspart.  Die  Biologie  geht  vom  Ganzen  zu 
«Jen  Teilen  und  mnfl  eine  Einheit  annehmen,  zu  welcher  alles  konvergiert,  ein 
/       dem  all<-  '{< ...   zustreben. 

Nach  dein  Grade  der  Kompliziertheit  und  abnehmenden  Allgemeinheit  der 

rieh  eine  Hierarchie  der  Wissenschaften,  bei  der  jede 

dei   rorangehenden  basiert,  indem  sie  sich  auf  deren  Gesetzmäßig- 

/  .!>  ich  aber  ihre  Sondergesetzlichkeiten  hat,  so  daß  sie  doch  nicht 

dwi  Jenschaft  zurückführbar  ist.    Mathematik  (die  sicherste 

*  -   mit  dem   Einfachsten   und    Allgemeinsten  zu  tun  hat), 

U  halt,     lerner    Astronomie,    Physik,    Chemie, 

■    Bechi   Grundwissenschaften.    Zur  Biologie  gehört 


;  PF 

auch  ials  ein  Teil  der  Physiologie)  die  Psychologie,  die  nicht  „intzoop ktiv 
Bein    kann,   weil  eine   innere  E&bstbeobachtung    anmöglich   ist    (L  e,  I.  30  EL, 
III.  766  tu.    Auf  der  Biologie  fußt  dir  komptizL  md  wichtigste  Wissen- 

taft,   die  Soziologie  (Ansdruck   von  ('«Mut.-,  die  zugleich   Ethik   und  I 
schichtsphilosopbie  i-t. 

Di»-  Methode  der  Boziologie  '-der  „phvsiquc  socialaJ  mofl  dir  „positive" 
Beobachtung,  Analyse,  Vergleichnng,  Induktion.  Naturgesetze  (biologisch- 
l>-ychologiseher  Art)  walten  in  der  Gesellschaft  [He  sociale  Statik  hat  es  mit 
den  unTerinderlichen  Faktoren  und  Wechselbeziehungen  der  Gesellschaft  zu 
tun.  dir  boc.  Dynamik  mit  deren  Etatwicklung,  dem  Fortschritt  der  (  tesellschaften 
(nach  drin  Gesetze  der  „drei  Stadien").  Dir  Gesellschaft  i-t  ein  „kollektiver 
tni-mu--.  dessen  Etatwicklung  durch  das  Natunnilieu  bedingi  ist  Diese 
Etatwicklung  i-t  eine  geistige,  in  erster  Linie  eine  intellektuelle,  so  aber 
daß  da-  Gefühl  im  Ethischen  und  Religiösen  sur  Geltung  kommt.   Der  Mensch 

durchaui  für  da-  Gemeinschaftsleben  bestimmt,  nur  in  diesem  entfalten  sich 
seint  Fähigkeiten.  Dir  [ntellekl  wird  im  Laufe  der  sozialen  Etatwicklung 
immer  mehr  /um  Herrschet  über  das  rein  Affektive.  Den  intellektuellen 
Stadien  entsprechen  die  sozialen  der  Herrschaft  <\rv  Priester  und  Könige,  der 
Philosophen  und  Juristen,  der  Gelehrten  und  industriellen,  welche  Letzteren  in 
der  rechten  Gesellschaftsordnung  zugunsten  <\<v  großen  Massen  regieren  und 
wirtschaften  -»»Hrn.  Die  sozialen  Neigungen  bedingen  den  Altruismus  (Aus- 
druck von  Oomte),  die  Quelle  aller  Moral.  Das  Sittliche  i-t  da-  sozia]  Heilsame 
(Oat  posit  |».  278  ff.  . 

Die     Humanität    ist    das  <  >hjekt     und    /irl    aller    Kthik    und    Religion, 

welche   (nach  ('«'int«-    späterer    Lehre)    vMenachheit8religionM    i-t.   nicht   einen 
sönlichen  Gott  u.  <  1  ltI  . .  sondern  das  „große  Wesen14  (grand  eure),  che  Mensch- 
heit verehrt  »md  dorrm  y,mßfin  Rcpriarintantrin  huldigt.     Der  „positive  Kalender* 

enthalt  du-  Naiurii  der  großen  Ifenschen,  denen   ein  Kultus   gewidmet  wird; 

jährlich  finden  sl  r.-t.  -tau  u-w..  es  «riht  neun  Sakramente  und  es  herrscht  eine 

AhnenkultUS,   der  viel   Schwärmerisches  enthält,   wie  denn   auch   Oomte  sich 

ganz  alfl  Priester  gab  und  (besondere  seit  -rinn-  r,  ^  gnung  mit  Clotilde  de  Vau  | 
zum  M\  Btiker  wurde,  der  von  der  Mutter  Erde  als  „großem  Fetisch"  und  von 
einem  neuen  „Fetischismus'1  sprach,  demgemäß  der  in  allen  Dingen  -ich 
manifestierende  Wille  und  die  überall  wirksame  Liehe  su  verehren  i-t.  In 
mancher  Beziehung  nahm  r.  Formen  des  Katholizismus  in  seine  positivistische 
l;  jion  hinein  (Dreieinigkeit  de-  „Großen  Medium4'  =  Kaum  Gh  len  Fetisch'4 
Erde  und  „Großen  Wesen'1  -  Menschheit).  Kim  Unsterblichkeit  gibt  •-  Dach 
I       nr  mI-  ESrinnerung  in  den  Nachkommen. 

l»-i     .  l'o-iti\  i-nni--'     hat     in    der    Folge    nch    in    Frankreich.    Kurland     und 

I  >•  itschland    usw.   verschieden   entwickelt    und    i-t    von   dem    t'ueitivismus    im 

eren  Sinne  wohl  zu  unterscheiden.    Anhänger  <  'omtes  sind  Lattittr.  Litt 
n.  a..   im   weiteren  Sinne  Tai  ne  u.  a.     iVul.    l'eherwej     ll<in/<,    Qrundr.    d. 
h.  d.  Philot,  IV. 

1  .  .  itioiu    philo«,    m    len    isiSMSi    «t    Isi    uYinti,    1825    (neb«t 

asdti  itsma  «lo  politique  i>oiitn  in  de  phlltt 


Com  it.  —  Con  mit  \< . 


12,  .").  dl.  1803  —  94;  die  letzten  3  Bände  (Soziologie)  auch  deutsch 
HIU.  Diaooui  sur  L'esprit  poaitif,  1844,  1909.  —  Discours  sur  l'ensemble 

—  Catiehiame  poaitmste   1852;  deutsch   1891.    —    Synthese   sub- 
logiqve  positive').    Lettre«  d'A.  C.  ä  J.  St.  Mill,  1877.  —  Vgl.  J.  Rmr 

•.-.-..  i  -->:■;     B4.  —  H.  Schneider,  C.s  Einleit.  in  d.   posit.   Philos., 

-    LlTTRE,   A.   C,    1863,  3.  ed.   1877.  —  MlLL,  A.  C,   1865;  deutsch  1874.  — 

n -Kill  Hl.   La  philos.  d*A.  C,  1900;  deutsch   1902.  —   H.  WÄNTIG,  A.  C.  u.  seine 

it  f.  d.  Entwiekl.  d.  Soznihvissensch.,  1895.  —  MEHLIS,  Die  Geschichtsphil.  C.s,  1909. 

4  niiriilluc.  Etienne Bonnot  de,  geb.  1715  in  Grenoble,  wurde  Abbe,  verkehrte 

mit  Diderot  und   Rousseau,  will  durch  den  Verkehr  mit  einem  Fräulein  Ferrand 

-  osualismus  gekommen  sein,  wurde  Erzieher  des  Infanten  Ferdinand, 

eren   Herzogs   von    Parma,    für  den  er  einen  „Cours  d'etude"  (1755)  in  13 

len  schrieb,  wurde  .Mitglied  der  französischen  Akademie  und  starb  1780  auf 

in  Landgute  Flux  bei  Beaugency. 

kr  ausgehend,  hat  C.  den  neueren  Sensualismus  begründet,  in- 
dem er  nur  eine  Quelle  der  Erkenntnis,  die   Sinnesempfindung  annimmt,  aus 
auch  die  Vorstellungen  der  Lockeschen  „reflexion"  entspringen:  „Le  prineipal 
de  faire  voir  comment  toutes  nos  connaissances  et  toutes 
nennen!  des  sens,  ou,  pour  parier  plus  exaetement,  des  sensations.u 
An    der    Fiktion    einer    empfindungsfähigen    Statue    (vgl.    Arnobius,    Bonnet, 
ettrie  u.  a.i.   deren    Sinne    allmählich   erwachen   (zuerst  der  Geruchssinn), 
er,  wir  alle   Vorstellungen  und    psychischen   Vorgänge    (Aufmerksamkeit, 
eichen,   Urteilen,   Wille   usw.)   sich   aus   Empfindungen    bilden,   da  es 
it  nichts  Angeborenes  gibt.    Die  Empfindung  selbst  wandelt  sich  sukzessiv 
/ur  Aufmerksamkeit  usw.  um,  alles  ist  nur  „Sensation  transformee".    Die  Emp- 
findung (Sinneswahrnehmung)   schlieft  alle  psychischen   Fähigkeiten  ein.    Im 
ifindeD  verhalt  rieh  die  Seele  rein   passiv,  aufnehmend,  aber  sie  ist  doch 
-   Empfindens,  i<t  das  Empfindende  („c'est  l'äme  seule  qui  sent  ä 

-  i.  ist    eine   immaterielle  Substanz.     In   genetischer  Weise 
wie  als   Spur  der   Empfindung   die   Erinnerung   entsteht,    Avie   die 

"ii   Empfindungen   zum  Vergleiche  zwischen   ihnen  führt,    wie 

durch   Festhaltung  des  Gemeinsamen  Begriffe  entstehen,   wie  der  Tastsinn 

sinn  unterstützt  und   eine  Bolle  bei  dem  Bewußtsein  der  Existenz 

kußendi  Körpern)    und    bei    der    Bildung   der   Raumvorstellung 

Gefühl,    Begierde,    Wille,    Vernunft    usw.   sich   entwickeln,  wie  Er - 

•'hr  e  kommt  und  verwertet  wird  u.  dgl.    Das  Denken  ist  auch 

1  'ii    urteilen    heißt,    Ähnlichkeit  oder  Verschiedenheit,  eine 

ten  zwei   Vorstellungen   gewahren.     Die  (passive  oder  aktive) 

mkeit,   die   hierbei    wirksam    ist,    ist   selbst   nur  eine   Lebhaftere 

osation  plus  rive  que  toutes  Les  autres").   Das  Begehren 

ist  durch  ein  Bedürfnis  ausgelöst.    Ek  wird  zum 

B<  raßteein   haben,  daß  das  Begehrte  in   unserer  Macht 

ißtsein)  hangt  mit  der  Erinnerung  zusammen  (das  [ch 

cedecequN  Ue  est  et  Le  souv<  uir  de  ce  qu'elle  a  etc.") 

oll   üon)  von   Empfindungen   und   Erinnerungs- 


(   ...VDILLAC  —    <  <>\  |  i. 


baldern,  also  ron  der  Seele  selbst  zu  unterscheiden.  Die  Dinge  können  an 
sich 'ganz  anderes  Bein,  als  wir  sie  erkennen  (Traft,  d.  Bens  IV,  ~>.  L).  Dil 
Sprache  fahrt  C«  aui  Schreie,  Assoziation  und  Übung  zurück. 

-  hriften:   Essai   sur   l'origine  des   eoutwaMM  httmi  ieut-- h   1780.   — 
Trait6  des  systemes,   1749.   —   Recherrhea  »ur    l'origine                 es  que   nous  avons    de  la 
i.eautt-,   1749.  —  Trait6   des    sensations,    1754.    1&85    (nebst    „Extrait"  daran*);  deu- 
1870  (Hauptwerk;.  —  Tratte*  dea  enimaax,   1755  (gegen  Button).   —   Logiqne,   L781,  1- 

—  Oeuvres,  1795,  1803,  18-J'2.  —   Vgl  E&EXHOBB,  C.  ou  l'empirüme  et  le  i 
—   L.   DewAULE,  Cond.  et  la  psychol.  anglaise  contemporaine, 

Condorwt.  .Mari.-  Jean  Antoine,  Marquis  de,  geb.  1743  zu  Ribemont 
(Picardi  2   in   Pari-,   wissenschaftlich  tatig,   während   der    Revolution 

ingnk  geworfen,  wo  er  1794  durch  Gift  Btarb.  =  Nach  C.  ist  der  mensch- 
liche Fortschritt  festen  psychologischen]  Gesetzen  unterworfen.  Die  Vervoll- 
toinmnungBfahigkeit  des  Menschen  ist  unbegrenzt.  In  der  französischen  R< 
Lotion  erbtickt  0.  die  Realisierung  der  Idee  einer  Berrschafl  der  Vernunft 
Eine  sittliche  Volksbildung,  welche  Egoismus  und  Altruismus  in  das  rechte 
Verhältnis  Beizt,  ist  Dotwendig. 

-o  d'un  tableau  hietorique  rit  huniain,  IT 

C  onfiH'iu*  (Khung-tse,   K  Kong-fu-tse),   551     17^   v.   Chr.,  der 

Jahre  lang  Minister,  riele  Jahre  aut   Reisen  mit  seinen   Schülern,  d< 
der  chinesischen  Staatsreligion,  der  aber  an  das  Alte  anknüpft        Die  Ethik 

•  ist  altruistisch,  Bie  basiert  auf  dem  Satze:  Was  du  nicht  willst,  das  man 
dir  tu  usw.  und  aui  dem  Prinzip  des  Mafihaltens,  der  Harmonie.  Menschlich- 
keit, Pietät,  Treue,  Rechtlichkeit,  Milde  werden  betont.  Die  Tugend  ist  erlern- 
bar 8  ■•  ::i''  -  . 

r»  HON-YÖNG     Der   nwandell  mgrnnd;   dentacn    1878.     —   Ta-HIO, 

Die  erkabeac  lehaft,  1875.   -     J.    JI.    PLATH,  I      .    -•  B  htlec  Leben  and 

Lehren,    18G7-    74.  —  V.  l>.  <  iAilii  \  I  /  38.         P.  I    \i:i- 

L902,  •     L907.     Kaegfai  n   EU   Wilhelm,    i 

Coming.  Sermann,  I60ß     1682,  Prof.  in  Helmstädt        Aristoteliker. 
v    hriften:   De  drill  prndentia,    1669.         PropoHtiea,    tine    introdoctio   in 
jihil'  irrecht). 

<  <»ii*Hl<''i-aiit.  Viel  1893.  -     Anhänge]    1   nriers. 
Schriften 

4  onta.  Basilius,  Rumäne,  Prot  in  Bukarest,  Evoluti» 

und  (kritisch  U  rialist. 

-  i  :  .  •  Pstalisi  .  rheoric  ......    u 

i  »nenti   de   la    M<  I  — 

l:  \i",i  i  &  i  -P<  >G0N1  4JTÜ,   Leben  o.  Phil 

<  oiiiaiini.  Oasparo,  Kardinal,  1483     1642,        I        Schüler  d«    l 

dm  die  1  rnsterblichkeit  d( 

Dt    unortalitato    ;tn  1  iii;i .-.       Primae    ;  liiun, 

<  onti.    \  Von  Mamiai infinit. 


\ti  —  Cornelius. 


riften:   U  boooo  nel  WO,   8.  ed.   1884.  —  II  vero  nell'   online   o   ontologia  e 
i.  a. 
Oipe.  1  .  R.  geb.  L840  in  Philadelphia,  amerikanischer  Evolutionist  (La- 
riften:    The  Origin  of  the  Fittest,  1887.  —   The  primary  factor  of 
itioB,   L896. 
forcloinoy.    Giraud    de,    gest.    1084.    =    Kartesianer,   der    schon    den 
„Okkasionalismus"  vertritt,  wonach  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Seele  und 
durch  <  toti  vermittelt  sind,  so  daß  z.  B.  bei  Gelegenheit  bestimmter  Willens- 
impulse  bestimmte  Körperbewegungen  auftreten  und  umgekehrt. 
B    h  riften:  Le  disocrnement  de  l'äme  et  du  corps,  1666. 
Cornelia*.  Bans,  Prof.  in  München,  geb.  1863  ebenda. 

b1  idealistischer,  kritischer  Positivist,   von  Kant  beeinflußt,  in 
manchem  neb  Mach  u.  a.  nähernd.    Die  Grundlage  aller  erkenntnistheoretischen 
_   ist  die  ..Analyse  und  Beschreibung  der  unmittelbar  gegebenen 
eben  dee  Bewußtseins",  die  Psychologie.    C.  ist  aber  ein  Gegner  der 
istischen'1  Psychologie,  indem  er  jeden  psychischen  Vorgang  als  Moment 
-amt/u-aminenhanges  betrachtet.     Die   Psychologie   hat   die  Tatsachen 
gen  Lebens  nicht  physiologisch  zu  erklären,  sondern  „vollständig  auch 
in  der  einfachsten   Weise  zu  beschreiben".    Die   Schwächen   der   Assoziations- 
iml  da   auffällig,   wo  es  sich  um   die  Erklärung  derjenigen   Tat- 
ii  handelt,    für  deren   Zustandekommen   der  „Zusammenhang  unserer  Er- 
ror  Einheil    des  Bewußtseins'*   maßgebend  ist.    Die  Assoziation  s- 
Bind  notwendige  Folgen  der   Bedingungen,   ohne   welche  die  Einheit 
Bewußtseins   nicht   gedacht   werden   kann.     Von  verschiedenen   Asso- 
ziationen   (durch  Berührung  oder  Ähnlichkeit)   ist   die    eingeübtere   die   wahr- 
Es  gibt   keine  eigentliche  „Reproduktion",  nur  eine  „symbolische 
Funktion"    der  Gedachtnisbilder,    denen   eine  durch  die    umgebenden   Inhalte 
.  •    >yRelationsfärbnngt<  (vgL  James)  anhaftet.    Die  Merkmale  der  Komplexe 
Empfindungen,  durch  welche  sich  die  Komplexe  von  der  Summe  der  Merk- 
Bestand  teil«  ■  unterscheiden,  sind  Gestaltqualitäten.    Von  Wichtig- 
st   überhaupt,    daß    unsere    Bewußtseinsinhalte    jederzeit    als   Teile    von 
D  auftreten  und  so  in  Beziehungen  zu  anderen  Inhalten  stehen. 
Relationsbegriffe  oder  Anschauungsformen  sind  die  Begriffe  Gesamt- 
I    i.  Zahl,  Mehrheit,  Zeit,  Ähnlichkeit,  Gleichheit,  Konstanz,  Veränder- 
Qnbewußte  psychische  Tatsachen   sind  die  „dauernden 
/    «ammenhänge,  welche   unser  gesamtes  psychisches  Leben  be- 
I  Empfindungen  müssen   bestimmten  physischen  Vorgängen 

-  ••        reü   die    physischen   Vorgänge   nichts   anderes  sind,  als   die 
-■      Zusammenhange,    denen    wir  unsere   Empfindungen    einordnen, 
i  sich  an  die  Empfindungen  anschließt,  besteht 
physiologischer   Parallelvorgang.     Der   Glaube  an   eine   Un- 

!:'■}). 

l(  hre  betrachtet  0.  als  das  A  priori  des  Erkennens 

1  <>n oni ic.     Alle   Erklärung  ist  identisch  mit  dem 

Erkenntnis".   I>as  Prinzip  der  Denkökonomie 


Cült  N  KI.  II 

ist    das   Grundgesetz  sller  Verknüpfung  anseier  Erfahrungen,  es   ist   nur  d 
Ausdruck  unserer  Begriffsbild unp-n .  welche  au>  den  „notwendigen  Bedingung 
für  die  Einheit  unserer  Elfabrangen'4  herfließen.     Du  Streben  nach  „Begriffen 
für  die   Zusammenfassung  «In-  Erscheinungen*    ist    von    Anfang   an   wirksam. 
]>i.    ..naturalistischen--  Begriffe  <  1  >i utr.  Ich.  Raum  usw.)  sind  kritisch  zu  \ 
arbeiten,  aul  ihren  Ursprung  in  der  Erfahrnng  und  deren  Verarbeitung  zuriick- 
Euffihren.      Die  Kategorien    sind    Formen   des    ErfahmngftTusammenhanjj 
Erkenntnis  LeM  vereinheitlichte  und  vereinfachte  Znsanimeiifassnng  wirklicher 
und  möglicher  Erfahrungen,  ohne  metaphysische  Zutaten. 

Die  Gegensätze  von  Objekl  und  Bubjekt,  Innen-  and  Außenwelt  u.dgl. 

werden    in    der    Einheit    des    Erfahnuigszusammenhanges    überwunden.     Hin 

unerkennbares  „Ding  an  sieh"   ist   unvorstellbar,  widerspruchsvoll,   die  Objekte 

Bind    mit  Ausnahme  des  fremden  [ch)  nur   mögliche  Bewußtseinsinhalte.    Die 

rAuflenwelt"  ist  nur  der  „einfachste  zusammenfase ende  Ausdruck   tür  die  < 

theii  unserer  sinnlichen  Wahrnehmungen".    Aber  da  stand  ist  nicht 

ein  bloßes  Zusammen,  sondern  ein  gesetzlicher  Zusammenhang  ron  Wahr- 
nehmungen, die  niemals  gleichzeil  en  sind.  l>ie  Inhalt«',  die  wir  unserem 
Ich  Eurechnen,  gehören  dem  „Zusammenhang  nnseree  Bewußtseins*'  an.    Die 

ititat  des  Ich  ist  oichl  Schein,  weil  das  Ich  immer  denselben,  durch  ein 
eigenes  Gefühl  charakterisierten  Zusammenhang  bedeutet  Durch  psychische 
.  bilden  Bich  Begriffe  „konstanter  Faktoren  onserer  Persönlichkeit'', 
dauernde  Dispositionen.  Stets  bedeutet  beharrende  Existenz  Wahrnehmungs- 
möglichkeiten (vgl  J.  St  Mill),  welche  erwartet  werden.  Existieren  ist  dauern- 
des Stehen  in  gesetzmäßigen  Zusammenhängen.  I>as  bleibende  Sein  ist  nur 
das  bleibende  Gesetz  für  die  Veränderung  der  Erscheinungen.  Das  Bxistential- 
fühl  ist  die  „besondere  Belationsfärbung,  die  jeder  aui  den  (Gegenstand 
bezüglichen  Vorstellung  vermöge  der  vielfältigen  ErfahrniigBausaminenhäi 
zukommt,  in  welche  wir  dieselbe  aui  Grund  onserer  Erfahrungen  einordnen 
müssen."  Durch  eine  begrii  fliehe  Ordnung  schließt  sich  das  Chaos  nnai 
Erlebnisse  zur  Einheil  des  Ernahriingsganzen  (mit  konstanten  Teilen)  zusammen. 
Prinzipien  dieser  Ordnung  sind  die  logischen  Axiome,  die  Anschauungsmrmen 
und  endlich  die  Begriffe,  welche  dem  Mechanismus  unserer  Eifahrungsurteile 
entspringe]  Ding  Eigenschaft,  Kaum.  Kausalität).  Die  Welt  ist  ..ein  Fluß 
d.i   Erscheinungen,   innerhalb  dessen   di  etzmäßige  Zusammen- 

hang  sich  als  das  einzige  Bleibende  bewährt".  —   Werte  (wertroll)  sind  i 
Qualitäten,  welche  wir  den  Dingen  vermöge  ihrer  erfreulichen  Wirkungen  aui 
anseien  Qefühlszustand  beilegen.     Bedingungen   aller  übrigen   Werte   sind  die 
Persöiüichkeitswerte".    Ein  Wert  kann    für  uns  bestehen,  ohne  dar.  wir  ihn 
kennen.    Im«-  Aulgabe  der  Ethik  besteht  in  der  „allgemeinen  Bestimmung  i 
wertvollen  Ziele  unserer  Entwi  klune.- .    l>:i~  mm-    -->«-t/   lautet:  ..Handle 
daß  dein  Ziel  nach  dem  stand.-  deiner  Erfahrung!  n  als  das  positiv  Wertvoll 
unter  allen   möglichen  Zielen   erscheine."     Eigene  und    fremde  Persönlich^ 
werte  sind  zu  fördern.    Die  Dinge  wind  i  begriff  lieh  symlwlU 
Znsammenhänge  \<»n  Wahrnehmungen. 

l.nfttMi:     Psychologie    lli     Krf«hrun««wi»»tfiiichaft.  d    d. 


Cornelius  —  Cournoi 


—  Versuch  einer  Theorie  d.  K\istentialurteils,  1894.  —  Elementargesetze 
.    1908,    u.   :i. 

Cornelius  Karl  Sebastian,  geb.  L819  in  Ronshausen,  Dozent  in  Halle, 
Anhänger    Berbarts,    Die   Körperatome  sind   von  Ätheratomen 
welche   die   Verbindung    der   Wirklichkeitselemente,    der   „Realen", 
aitteln.     Zwischen  Seele  und  Leib  besteht  eine  Wechselwirkung. 

Ueber  d.   Bildung  d.  Materie  aus  einfachen  Elementen,  1855.  —  Theorie 
Sei      -  u.  räumlichen   Vorstellen*,   1861.  —  Zur  Theorie  des  Sehens,  1864.  —  Gründ- 
en« Molekularphysik,   1866.    -•    Ueber   d.    Bedeutung   d.  Kausalprinzips,   1867.  — 
rischen  Leib  und  Seele,  2.  A.  1875.  —  Zur  Theorie  d.  Wechsel- 
wirk.  zw.  L.  u.   8.    L880.  —   Abhandlungen  zur  Naturwissenschaft  u.  Psychologie,  1887. 
.ab  auch  die  4.  Auflage  der  Volkmannschen  Psychologie  heraus. 

Coeh    James  ML,  1811—1894,  Amerikaner.  ==  Anhänger  der  Schottischen 
Schule  (Keid.  Th.  Brown  u.  a.),  lehrt  einen  Realismus. 

riften:  The  Intnitione  of  the  Mind,   J  860.  —  The  Scottish  Philosoph)-.   1874, 

Sopenatural,  1862.  —  The  Realistic  Philosophy,   1887.  —  The  Prevailing  Types 

1891.    —   Cognitivo   Powers,   u.  a. 

<  oniiiaim.   Paul  Nikolaus.  München,  geb.  1869  in  Baden-Baden.  =  Die 

Kausalität  hat  Allgültigkeit,  aber  nicht  Alleingültigkeit,  so  daß  für  die  Fina- 

lität   Kaum  bleibt     Diese  besteht  im  Zusammenhang   dreier  Zustände:    Ante- 

-    Medium,  ßukzedens:  M  =  F  (A,  S),  wobei  S  (Wirkung)  konstant  ist. 

riften:  Elemente  d.  empirisch.  'Ideologie,  1899.  —  Aphorismen,  1898;  2.  A.  1902. 

Costa    "ii  Luca.   Arzt  in  Baalbek,  zwischen  864—923. 

riften:    I)<"   differentia    spiritus    et    aniinae  (ins  Lateinische  von  Joh.  Hispanus 
ragen);    hrsg.  von  Barach,    1878.    —    Physiologische  Betrachtungsweise  des  Psychi- 

.     l'eberweg-lieinzc,  Grundr.  II9,  273). 

Coiirnot.    Antoine,    1807—77,    Prof.   in   Lyon,   dann    Studien-Inspektor,, 

ELtiker  und   Philosoph. 
AN  Methodologe   bedeutend,  betont  C.   das  „Zufällige",  die  „Kontingenz" 
i      vertritt  einen  logischen    „Probabilismus",   der  die  Wahr- 
inlichkeil  als  etwas  Objektives  aulfaßt,  insofern  sie  Ausdruck  des  Zu- 
falls   -t.      Dieser  besteht   in  der  Kombination   oder  Zusammenkunft  von  Vor- 
die   unabhängigen   Reihen  des  Geschehens  angehören  (Ess.  I,  52).     In 
1  gibt  et    Für  ans,   wenn   auch   im   allgemeinen  Ordnung, 

keit    und    Regelmäßigkeil    vorherrschen,    „kontingente"   Vorgänge 
imordiauz,  arbitraires  ei  contingents").     1  >i<-  Idee  einer  vernühftigen 
Ordnui  in  Produkt  der  in  der  Well  herrschenden  Ordnung  selbst  und 

II    |».  173  ff.,  384  f.i.      Die    Naturgesetze   gelten 
mit    höchster    Wahrscheinlichkeit,   die   für  den   Physiker  der 
hkommt,   »renn  auch   aichl   logisch   ist.      Noch  weniger 

h !  ch  te  se,   hier  spielen  der  Zufall  und  die  In- 

fi* '■'•     -■•  aber,  daß  die   Vernunfl   sieh  in   ihr  zu  reali- 

iea   Chinese   et   des    probabüitet,    1843.  — 
1861.   —    De«  methodei  dans  les  sci'iM«^ 


I  OUBNOT  —  OODTURAT. 

de  raisonneraent,    1865.  —    Considerations    sur    la   niarche    des    idees    et   des    erenem 
dans  )es  temps  modernes,   1872.    —    Material isme.  .   rutionalisme,   1875.   —    Vgl. 

Revue  de  llltsphys.  et  de  Morale,  Mai   191 

Cousin.  Vi<-tor.  ^reb.  28.  Nov.  IT'.»-'  in  Paris,  wunl.-.  nachdem  er  unter 
(l.in  Einflüsse  von  Laromigoieie,  M.  de  Biran  n.  a.  gestanden  hatte,  1814 
Professor  an  der  Sorbonne,  reiste  dreimal  Dach  Deutschland,  von  wo  er  (nach 
der  /weiten  Reise)  die  Hegelsche    Philosophie  mitbrachte,   die  er  1-  ror 

ein. -in  riesigen  Zuhörerkreise  entwickelte,    wurde  Mitglied   der  Akademie,    Pau- 
li, a..  1840  Minister,  sog  sich  1848  ins  Privatleben   roröck   and  Btarb  14.  Jan. 
1867.    Ki-  war  ein  glänzender  Redner  und   hat   dadurch    wie  auch  durch    - 
energisches  Einsetzen  für  einen  von  der  Kirche   anabhängigen   philosophischen 
Unterricht  stark  gewirkt 

1  .  i-t  ein  „Eklektiker",  der  entschieden  nur  gegen  Empirismus,  Bensualismus 
und  Materialismus  kämpft,  selbst  aber  'ine  Art  Bpiritnalismns  und  [deaüsmua 
vertritt,  der  durch  Plato,  die  Schottische  Schule,  Kant.  Bchelling,  Hegel,  M 
Biran   u.  a.  beeinflußt   i»t.     Die   IJegriftV    ..Idn-    und    ..Vernunft"   spielen    in 

•  n  Lehren  eine  Hauptrolle.    Von  der  inneren  Erfahrung  gehl  die  Philosophie 
aus   und  erhebt   sich   rar  Spekulation    Ober  das   Absolute,   das   wir  durch 
unsere   Vernunft   erfassen,   die  an  -ich  anpersönlich  ist     Die  „raison   impea 
im'11< ••■    ist    di<-   Quelle   der   Kategorien    (Substanz  und  Kausalität).     Sie  ist  an 

aichts  Individuelles,  sondern  allgemein  und  mit  der  Individualität  nur 
verbunden,  in  deren  Tiefen  sich  ihr  offenbarend  (Du  vrai  p  100  f.).  Später 
(1828)  lehrt  er:  I>i<-  drei  Grundideen  Bind  das  unendliche  (Gott),  das  Endliche 
(Welt)   and   die  Beziehung   zwischen   beiden.     Gott   ist  in  der  Welt,  die   Welt 

d  Gott  und  erschöpft   das  göttliche  Wesen   niemals  (Panentheismus).     l>i- 
Aktivität  des  Geistes  und  die  WiUensfreiheit  werden  von  C.  stete  betont     I» 

ichichte  ist  der  Fortschritt  des  Geistes,  die  Entfaltung  der  [deen.  In  der 
Ethik  ist  C.  „Intuitionist";  das  Gute,  das  der  vernünftigen  Natur  des  Menschen 
Entsprechende  wird  anmittelbar  als  solches  beurteilt 

i    (\   beeinflußt    sind    Jouffr«  Garnier,     Bouillier,     Tissot, 

aisson  u.  a. 

orangen   (Plsto)    und    Bditione  und 

uen    Arbeits.  itoire    de  la  philosophie    modex  141; 

i.    1846.   —  in/.eln    und    unr^tNirhcitrt  :    I'rtMui.r  yhie.    4 

Da  \rai.  da  bess  et  <lu  bin  (1887),  18.  M    1878,     -  Pbiloaopbis  ■»■■■■lirtn. 

.i.     —     Philo*     dfl    K;n.t.     I 

—     lanzrln:    Introdaotioi  !a  philo* 

:i    philo»,   jusqu'ü   la   tin   du    WH 
—   PlSgiU— ti    philoBt.j.ni-,  .ii.  a.    —     \        C.    E.    PüCHS, 

l  -    ,  -         i  i  \\,   La  philo«,  da   \     • 

4'mitiirut.    I  Prof.  in    Pl  (  bnlich  wie   Russell 

eine   logisch-deduktive    Auffassung   der   Mathematik    bezw.  ••in«-   mathem 
Auffassung  der  Logik. 

— 

M  l 


no  Oowabd  —  Groll. 


4  nuartl.  William,  Ar/r,  geb.  1656.  =  Von  Hobbes  beeinflußter  Materialist. 

ritten:   i'ogitationes  de  anima,  1702. 
rreijjtiton,.!.  F..  geb.  1843  in  Carlisle,  gest.  1901  in  London.  =  Seh  ri  f  ten:ln- 
ggg,  _  Abhandlungen  in  der  „Philos.  Review"  (1897,  1903,  1904,  1906). 

4  remoiiiiii.  Cesare,  geb.  1552  in  Cento  (Modena),  Prof.  in  Padua,  dort 

!  AU   Lehrer  berühmt,   interpretierte  er  den  Aristoteles  im  Sinne 

\     rroismus,  teils  des  Alexandrinismus.    Die  Seele  ist  die  „Form"  des 

den  Leib  durch  die  allen  Elementen  innewohnende  Wärme. 

-    h  ritten:     Außer    Kommentaren    zu    Aristoteles:    Disputatio    de    coelo,    1613.   — 

De  calido  innato  et  somine,    1634.    —    Tractatus   tres:  de  sensibus  externis,  de  sensibus 

le  häutete  annetitiva,  1644,  u.  a.  —  Vgl.  MABILLEAU,  Etüde  historique  sur 

la  philos.  de  la  renaiss.  en  Italie,   1881. 

(irnz.  Priedr.  Casimir  Carl  von,  geb.  1724  in  Homburg,  als  Staats-  und 

il,  heimrat    177"    gest.    =    Von    Leibniz  und  Locke  beeinflußt.      Die  Seele  ist 

nicht  absolut  einfach,  sondern  enthält  Teile,  die  eine  Einheit  bilden;  sie  ist  ein 

Mittelding  zwischen  Einfachem  und  Zusammengesetztem,  ein  „Einfachähnliches",. 

immateriell  und  unsterblich. 

iften:     Versuch   über   die  Seele,    1753.    —    Vgl.  EleüTHEROPULOS,  F.  C. 
Erkenntnistheorie,   1895. 
CrpCCj  K'-nedetto,  geb.  1866.  =  Von  Hegel  u.  a.  beeinflußt. 

Ästhetik    ist    nach   C.   „Wissenschaft   des   Ausdrucks".      Die   Vor- 
stellung ist  zugleich  ein  Ausdruck,   eine   „Sprache"    im   weiteren   Sinne.     Das 
:      Verhalten  ist  eine  von  Gefühlen  begleitete  Erkenntnisform.     Schön 
ist  der  gelunj  -druck.     Die  Philosophie  der  Sprache  spielt  bei  C.  eine 

Rolle,   auch  in  der  Logik,    die  nicht  formalistisch  sein  darf  (Lehre  von 
„reinen    Wahrnehmung").     Zwei  Arten  der  Erkenntnis  gibt  es:  Intuition 
und    begriffliche    Erkenntnis;     ersterc    geht    auf   Individualität   und   Vielheit, 
auf  Allgemeinheit  und  Einheit.    Mit  den  „reinen  Begriffen"  hat  es  die 
zu  tun.      Die    reinen    Begriffe   sind   Synthesen  von  Gegensätzen,  lassen 
sich  aber  nicht    dialektisch  ableiten.     Der   reine   Begriff   stellt   sich   auch   als 
Urteil,   Schluß   und   Definition  dar.      Raum  und  Zeit  sind  ideell.     Die  „Wert- 
sind kein.-  Urteile,   sondern    lassen  auf  ein  Urteil  den  „Ausdruck  eines 
Wertausdruck").     Das   Sollen  ist  Ausdruck   eines   Wollens 
tafühls,  eine  zweite  Wirklichkeit  neben  dem  Sein.      Ein  Dualismus 
cht  hier  aber  nicht,   denn  der  Gedanke  ist   Denken  des  Tuns,    das  Tun  ein 
Tun  I'  Denken    und    Wille    Bind    untrennbar.      Voraussetzung   der 

i  im    reinen    Willen.     Der   historische   Materialismus 

hat  nur  Wert  als  „simple  canon  d'interpr£tation  historique",  nicht 
hiloHophie. 

rao  itorico  od  economia  mandata,  1900,  2.  ed.  1907;  französ. 
ii,   1  H!U;     —    Lineamenti  di  una  Logica  come  scienza  del 
1909.  —   Ehtetica,  1902,  1910;  deutsch  1905.   —    Lebendiges 
•  I". 

<«<>il  L890.   =   Vereinigung  von   Bvolutionismus 

PJ    otophical   Batii  oi   Brolution,    1890.  —  The 
o.  a. 


CROUSAZ   —    CüDWOBTH.  111 


Crousaz.  Jean  I'itrr.-  de,  geb.  161  .  in  Lausanne  und  Gröning 

Erzieher  de«  Prinzen  Friedrich  von  Hessen-Kassel,  gest.  1748.  =  (Gegner  der 
Leibnix-\V<>ln--h.ii  Philosophie,  bekämpf!  die  Monadologie  und  dk  Lehre  von 
der  prastaJbilierten  Harmonie.  In  der  Ästhetik  betont  C.  die  Einheil  in  der 
Mannigfaltigkeit. 

Schriften:     Trait»'-  du   beau,    1712,   2.  fd.    1724.    —    La  logique,   3.   64.    1 7 2 "»     — 
De  l'esprit  humain,   173U     —    Examen  du  Pyrrhonisme  anden  et  moderne,   173:. 
Bayle  u.  a.).  —  Observations  critiques  sur  l'abrt'ge  de  la  logique  de  Chr.  Wnlti,   1744. 

CrastMj  Christian  August,  geb.  1712  zu  Leuna  bei  MerBeburj  .  in 

I.-  ip 

« '.    von  Rüdiger  u.  a.  beeinflußt)   isl   der  bedeutende     I  r  der  Leib- 

niz-Wolffschen  Philosophie.  In  Beinern  Bestreben,  Wissen  und  Glauben,  Philo- 
sophie und  Tlimloirir  zu  vereinbaren,  sowie  in  -»einer  Aufteilung  materialei 
Grundsätze  der  Erkenntnis  hat  er  Kant  beeinflußt.  Es  ist  ihm  sehr  am  die 
Rettung    der   Willensfreiheil  zu  tun.      D  _•  rieh  schon  in  seiner  B 

kämpfa  -  vom  aureichenden  Grunde  in  dessen  üblichen  For- 

mulierung; es  folgen  nicht  alle  Wirkungen  notwendig  ans  ihren  Ursachen. 
l)i.-  Denkgt  -  sd:  der  Bali  des  Widerspruchs,  der  Satz  des  nicht  zu  Tren- 

nenden, dir  >at/  des  nicht  /u  Verbindenden.  Kriterium  der  Wahrheit  ist  die 
Denkbarkeit:  Wahr  ist.  was  sich  nicht  anders  denken  läiit.  Mit  absoluten 
Vemunftwahrheiten  hat  es  die  Metaphysik  zu  tun.  Alles  Endliche  isl  in 
Kaum  und  Zeit,  sonst  würde  es  eben  nicht  „existieren";  Kaum  und  Zeit  selbst 
sind  nur  Abstraktionen.  C.  bekämpft  die  Lehr'-  von  der  prästabilierten  Har- 
monie, den  Satz  7on  der  Erhaltung  der  bewegenden  Kraft,  den  Determinismus 
und  strengen  Mechanismus,  den  Optimismus  (die  Welt  ist  relativ  gut,  aber 
nicht  die  beste  der  möglichen).  Die  Seelen  Btreben  ewigen  Zielen  so  und  Bind 
unsterblich.  I >»r  Wille  ist  trei.  motiviert,  aber  nicht  determiniert.  I>ie  Sitt- 
lichkeit i-t  objektiv  zu  begründen,  sie  besteht  in  der  Befolgung  des  göttlichen 
Willen-.  Tugendhaft  Bein  beißt  „ans  Gehorsam  gegen  Gott  und  Erkenntnis 
Der   Schuldigkeit    handeln44   (Vernuuftwabrh.  §  -IM  |.      l>ei    „Gewissenstrii 

•  den  Pflichten  zugrunde. 
9    b  ritten:    l»e  usu  et  limitiboi    prineipü    determinantia,    vu 

i  beerbeil  äaweiMuig,    rernfinftig  zu  leben,  174-1.    —    Betwarf 

.    veraaaftwahrheiteB,    1745.  W  eg  •  ••   Qewifiheit  und  Zuvei  I  d. 

.7  17.         AaleitaBg,  über  natürl.   i  lentlkh  und 

vorsi'htm   na<  b/.u<hnken,     171  \     MABQUABDT,    Kant   u 

i  .   1880    —  <  .   Festfeb,  0.  sie  slstaphyaksr,   Lf 

< miwoiih.    Ralph    geb.  1617   in   Aller  (Sommerset),   Btudierte  in  Gern- 

•  n  1646  Prot  daselbst,  gest  LI  88. 
1     ist  d«r  Haupti  der  platonisierenden.  eut  Mystik  und  'II 

Bophie  i  Philosophen.     '  nthält    i 

Ideen    als    Urbilder    der   Dinge    und    all.'    Krk.-n nt nifl   1-1    «in   Teilhaben   am   -"tt- 

lieh.n   l  Ei   gibt   angeborene  [deen  (von  Gott    dem  Sittlichen  m 

und  es  gibt  ewig«  unveränderliche  Wahrheit«  halten  im  göttl 

d  naind").     Unwandelbar,  abaolul  illem  di  ind 


CUDWOBTfl   —   CZOLBE. 


Urteile  entspringen  mit  Evidenz  aus  der  Vernunft.     In  der  Welt 
eine  Harmonie,  die  auf  das  Wirken  von  Zweckursachen  zurück- 
bren  ist      Kino   Ali   Weltseele,   eine    ..plastische  Natur"    (,,plastic  nature") 
und  ordnet    die    Bewegungen   der  Materie  im  Sinne  der  göttlichen  Vor- 
Auch   das   Leben   beruht   auf  der  im  Organismus  wirksamen  plasti- 
\atur.     Die  Beele  ist  unsterblich. 
riften:    The    true   intellectual    system   of  the   universe,    1678;    lateinisch    (von 
Systeme   intellectuale   huius  universi,    1733,    1773.    —    Treatise    concerning 
ü  and  numutable  morality,    1731.    —    Vgl.  H.  v.  STEIN",    Sieben  Bücher  zur  Ge- 
il,  riatonismus   III.  —   LOWEEY,   The  Philosophy  of  R.  C,   1885. 

C  nffelor.  Abraham  .Johann,  Utrecht.  =  Anhänger  Spinozas. 

-       riften:  Speoinien  artis  ratiocinandi,  1684.  —  Principia  pantosophiae,   1684. 

<  iiiiiImm  land .   Richard,  geb.  1632  in  London,  als  Bischof  von  Peter- 
ragh  1719  gest.  =  C.  ist  in  der  Ethik  Gegner  Hobbes'.    Neben  dem  Egois- 

e&  in  uns  ein  ursprüngliches  Gefühl  des  Wohlwollens.    Indem  wir 
das  allgemeine  Wohl    fördern,    fördern  wir  zugleich  unser  eigenes.     Unterord- 
des   eigenen   unter  das  allgemeine  Wohl  ist    Sittlichkeit  und  Kriterium 
■litt -!i  <  resellschafteordnung. 

riften:    De    legibus    naturae    disquisitio    philosophica,    1672;    englisch   1727; 
franz.-.   1744.    —    Vgl.  F.  E.  SPATJLDING,  R.  C.  als  Begründer  d.  engl.  Ethik,   1894. 

i  npr.  Frau/,  1821 — 1882  in  Prag.  =  Herbartianer. 

riften:    Sein  oder  Nichtsein    der    deutschen  Philosophie  in  Böhmen,   1848.  — 
Grundri!'.  d.  empir.   Psychologie,   1852. 

< 'Uranus,  s.  Nikolaus. 

Cj  ulker  b.  Kyniker. 

t  von.  Elie  de,  Prof.  in  Paris.  =  C.  findet  in  den  Bogengängen  des 
das  physiologische  Organ  der  Raumvorstellung  und  der  geometri- 
briome,  im  Labyrinth  das  Organ  der  Zeitvorstellung  und  der  Arith- 

-  le  und  Leib  Bind  verschieden  (Dualismus). 

riften:  Leib,  Seele  und  Geist,  1909.   —  Dieu  et  Science,  1910  (Theismus),  u.  a. 

<  \r;mo  de  Bergerac,  geb.  1619  in  Paris,  gest.  1655.  =  C.  ist  ein  (von 

-  beeinflußter)  Schüler  Gassendis.     Wie  dieser  ist  er  Hylozoist,  indem 

lementen    Empfindungsfähigkeit   zuerkennt.      Auch    lehrt    er 

Entwicklung    der   Materie.     ,,Tous   les  etres   dans  la  nature 

•  t  aspirent  a  devenii  hommes"  (Oeuvres  I,  156). 

1741.  —  Vgl.  A.  W.   LOEWENSTEIN,    Die  natur- 
'     de  B.,   ArchiT  f.  Geschichte  d.  Philos.  XVI,  1903. 

<  \i<  luiiUrr  ■.  Kyrenaiker. 

<  /m  /<  i  in       i  Bchitscherin. 

<  ioHw  L9   bei    Danzig,  Oberstabsarzt  in   Königsberg, 

:     Naturalismus",  der  in  seiner  ersten 
I  harakter  hat,   um    sich  Bpätei  «lern  Bpinozis- 


I   ZOLBE   -       l».\i  113 


mos  zu  nihern.     I>i<-  philosophische  Erkenntnis  hat  alles  i  berrinnliche  pn 
zugeben  und  nur  anschauliche,  empirisch  fundiert    B  so  verwenden.    In 

der  zweiten  Schritt  wird  das  Psychische  auf  Ben  zurückgeführt     I 

Selbstbewußtsein  erklärt  C.  durch  Annahme  einer  „Leitung  der  Gehirn- 
bewegung in  kreisförmiger  Linie,  wodurch  in  jedem  Punkte  Anfang  und  Ende 

uunmen  Bind",      l)i»-  Wahrnehmung  der  Außenwelt  nibt   Abbilder  von  den 
Eigenschaften    der    Dinge   selbst.      D  anische  ist   ebenso  ursprünglich 

wie  das  Anorganische.  In  der  dritten  Schrift  wird  dieser  Gedanke  beibehalten, 
aber  der  Materialismus   a  en.     Die  Existenz  einer  ..^  •  wird 

lehrt,  welche  die  Körperwelt  durchdringt,  und  die  Empfindungen  werden 
als  räumlich  ausgedehni  betrachtet.  In  der  vierten  Schrift  endlich  kommt 
dazu  die  Auffassung  des  Weltraums  als  der  Weltsubstanz,  deren  Inhalt  die 
Weltseele  ist  und  die  zugleich  in  Atom«  liedert;  die  Zeil  ist  dir  vh 

Dimension  des  Raumes.  Da  Geist  ist  eine  Äußerung  der  Weltseele,  welche 
durch  das  Nervensystem  nur  vermittelt  wird.     Empfindungen  und  Gefühle  sind 

■  kti\  im  Weltraum  enthalten   und   werden  durch  ihre  Verdichtung  bewußt. 

werden  ..au-  dem  die  Körperwelt,   mithin   auch  das  Gehirn   der  Menschen 

und   Tiere   durchdringenden   unbegrenzten    Räume,    in    welchem    sie   als   sein 

ruhender  Inhalt,  als  lote,  ansichtbare  Spannkraft  überall  verborgen  Bind,  durch 

/  bestimmte  Gehirnbewegungen  als  lebendige,   zum  Bewußtsein   kommende 
Kräfte   freigemacht    oder   ausgelöst''    (Grenz,   a.   Urspr.  d.   m.   Brk.  8 
Di«   menschliche  Seele  ist  eine  Summe  von  ,,Mo8aikbildern".     Das  I  > i  1  •  1  unseres 
K  rpers  befindet  sich  neben  d<  sgedehnten)  Empfindungen  ohne  Projektion 

im  Räume.  Der  in  der  Welt  herrschende  Zweckzusammenhang  ist  sine 
„höhere  Potenz  oder  Kombination  des   KausalzusammenhangBa.     Endzweck  ist 

-  möglichste  Glück  aller  Wesen,  bo  daß  der  Eudamonismus  das  ethische 
Prinzip  ist 

S    triften:     Kens    Danteila  Sensualismus,    1866.    —    Die    Eni  de« 

Selbstbewußtseins,    1866.    —    Die  Grenzen  u.  d.   Ursprung  d.   meneehl.  Eikenntnis   1865. 
mndsflfa    ein.  Krkenntnislheorie,    1875     —    Vgl,    V  \  I  HI  N< .  ER,    Die 

dr.i   Phasen   <\     C  '■  ituralisinu-,   Philos.  Monat-:    fte,    Bd 


i>. 


l>*  \<M|iii«>to.  Benedetto,  1780     1867.  :     Anhänger  Giobertis 
9    briften      Element)  di  t\  udsmenti  nta   uni- 

1850.  —  <li   ideolegia,   1858    —  Vg     GlOVANWI»  D*A 

IVAlDj       d'Ailly. 

II'  \ h'iiilM'rt  b.  d'Alembert. 

llallM'i-^.    Karl  Theodor   ron,    1744     181^  R 

Fürstprimas  des  rheinischen  Bundes.  =   Popularphilosoph. 

.    U.    a.  : 

l .     —     \ '(nn    BewaflUein     *la    doi 


114  Djllgabno  —  Darwin. 


I>üI- ai  im».    George,    geb.   1627  in  Aberdeen,    gest.   1688  in  Oxford.   = 
ekannt 
riften:   Ars  signorum,   ?ulgo  character  universalis  et  lingua  philosophica,  1661. 

Daiiia^conn^  b.  Johannes. 

DamasklOS    Damascius),    letzter  Vorsteher  der  Platonisehen   Schule  in 

Wien,  wanderte  nach  Schließung  der  Schule  durch  Kaiser  Justinian  im  Jahre 

ich    Persien   aus    und    kehrte   mit  anderen   Neupiaton ikern  533  ins  Ost- 

imißche  Reich  zurück.  =   1>.  vertritt  die  neuplatonische  Emanationslehre,  nach 

her  aus  dem  unerkennbaren  Einen  alles  hervorgeht. 

riften:    Quaeetiones  de  prinüs  prineipiis,    ed.  Kopp,  18261*  ed.  Ruelle,   1889. 

—  Vgl.  Ruelle,  Lo  phiiosophe  D.,  1861. 

Dam  hon.  Jean  Philibert,  1794 — 1862,  Prof.  in  Paris,  war  auf  dem  Ge- 
U    .:.  •    Philosophiegeschichte  tätig. 

ritten      Essai  6ur  l'histoire  de  la  philosophie  en  France   au    19.  siecle,   1834; 
is34.    —    Essai  sur  l'hist.  de  la  philos.  en  France   au  17.  siecle,    1846.    —    Me- 
moire? pour  servir  ä  l'hist.  de  la  philos.  en  France  au  18.  siecle,  1858 — 64. 

Dante«*.  Le,  Felix,  geb.  18C9,  Physiologe.  Paris.   =  Jedes  Ding  ist  ein 

Gleichgewicht   von    Kräften;    in    allem   besteht   die   Tendenz    zur  Einheit  und 

Stabilität     Das  Bewußtsein  ist  ein  Epiphänomen,  ist  unwirksam.    Das  elemen- 

ein  chemisches  Phänomen.     Das   Leben  eines  Menschen   ist  die 

ilti.nnde  der  „synergischen"  Funktionen  von  Milliarden  „Piastiden". 

9<  h  riften:  Theorie  nouvelJe  de  la  vie,  1896.  —  Le  determinisme  biologiquer 
1897.  —  Les  lois  naturelles,  1904.  —  Elements  de  philosophie,  1907.  —  De  l'hoinme 
ä  la  ecience,  1907,  u.  a. 

1>"  Irgena  s.  d'Argens. 

Daijefl  Daries),  Joachim  Georg,  geb.  1714  in  Güstrow,  Prof.  in  Jena 
and  Prankfurt  a.  d.  Oder,  gest.  1792.  =  Eklektiker,  teilweise  Gegner  Chr. 
Wo\i  ii    den    Determinismus,    gegen  die  prästabilierte  Harmonie    usw.), 

lieh  wie  Crusius.     Die  Monaden  betrachtet  er  als  ausgedehnt. 

lutroductio    in    artcui    inveniendi    sive    Logicam,    1742.    —    Elementa 

•■-,    1743  —  44.   —    Anmerkungen  über  einige  Sätze  der  Wölfischen  Metaphysik, 

»8.  Irfinde    der    philo*.    Sittenlehre,    1755.    —    Via   ad    veritatem,    1755; 

Darwim,  I     arles,  L809     1882,  der  berühmte  Naturforscher,  ist  auch  durch 

I  bre,   welche     neben    der   Spencerschen)  zu  einer  evolutio- 

PhÜOSOphie  und    Ethik  geführt  hat,  von  Bedeutung. 

I>.  hat  eine  gan»   Reihe  von  Evolutionisten  zu  Vorläufern,  von  Empedokles 

/n    Lamarck,    Erasmus   Darwin,   Goethe,  Owen,   Spencer  u.a. 

dl    Selektionstheorie,  so  daß  der  Darwinismus  eine  be- 

Bvolutionismue   und  der  Deszendenztheorie  ist. 

h    von  Anfang  an  fertig  geschaffen  worden,  sondern  haben 

teo  Formen  von  Lebewe  en  erst  entwickelt    Sie  sind 

m  Varietäten   entstanden  und  viele  Arten  sind  bereits 

•   walten  aber  nicht  Zweckursachen,  es  gibt  keim 


I  >\i: WIN. 

Zielstrebigkeit,    Bändern    die   Zweckmäßigkeit    ist   das   noiwen-li..    Resultat 
natürlicher,    rein    kausal  wirkender  Faktoren.     D  uoische  Entwicklung 

erfolgt    meist   durch   allmanliche  Anhäufung   kleiner   Variationen,   di< 
vererben.     Von  Malthua  (Essay  on  Population,  1798)  beeinflußt,  setzl  D.  voraus, 
daß  die  Vermehrung   der  Lebewesen  stets  über  das  Blaß  erreicl  bens- 

mittel   hinausgeht.     Dies  führt    eu   einem    „Kampf  umi    Da» 

zu  einem  Wettbewerb  um  die  Existenzbedingungen,  bei  demdii  relativ 
Lebensfähigsten,  t i "i « •  1 1 1 i _r - 1 * m i    Individuen  und  Arten  sich  erhalten,  gleichsan 

Natural]  i   werden   („Natürliche  Auslese*4    analog    der  Wahl    seitens 

-  Züchters).     Die  Variationen,  welche  bei   den  Individuen  auftreten,   w< 

rb1  und  indem  die  Selektion  wiederholt  die  günstigen  Variationen  zum 
Weiterbestande  gegenüber  den   mit   nngünst  tteten  Individuen  bringt, 

entstehen,  oft  erst  nach  langen  Zeiträumen,  aus  Varietäten  neue  Arten.  ..In 
dem  Überleben  der  begünstigten  Individuen  und  Rassen  im  stets  wiederkehrenden 
Kampf  ams  Dasein  sehen  wir  eine  mächtig  und  immer  wirkende  Form  der 
natürlichen  Zuchtwahl  Der  Kampf  ums  Dasein  erfolgt  unvermeidlich  aus 
ganischen  W<  aeinsamen  hohen  Vermehrung  im  geometrischen 

Verhältnis» 

Durch  die  Selektion  «n. -I_rt   die   Anpassung  an  die  Lebensbedingungen; 

mg  isl  eine  passive  und  indirekte.     Es  gibt   aber  auch  eine  aktive 

und  direkte  Anpassung,   denn    Milieu   und   Funktion  (Übu  elen,   wie    1 ». 

r  mehr  betont,   auch   eine  Rolle   als    Entwicklungsfaktoren.      rWachBtum 
Fortpflanzung,  Erblichkeit,   die   fast   in  der  Fortpflanzung  enthalten    ist; 
Variabilität  zufolge  indirekter  und  direkter  Wirkungen  der  Lebensbedingui 
und  Gebrauch  und  Nichtgebrauch;  ein  so  hohes  Vermehrungsmaß,  daß  es  zum 
Kampf   ums  Dasein   führt    und    infi  •  n   zur   natürlichen    Zuchtwahl   die 

Divergenz  des  Charaktere  und  das  Erloschen  der  minder  verbesserten  Formen  ent- 
hält.''    Neben  der  natürlichen  gibt   es  auch  eine  sexuelle  Auslese   im    V 
bewerbe  der  Männchen   um  die   Weibchen.     Der  liensch   hat   sich  aus  äffen- 

ii  Vorfahren  (nicht  aus  einer  Lebenden  Affenart)  entwickelt  Auch  die 
psychischen  und  sittlichen  Eigenschaften  des  Menschen  sind  das  Produkt  einer 
Entwicklung.     Unter  den    auf   vererbten  Gewohnheiten  beruhenden)  Instinkten 

Rere  befinden  Bich  auch  schon  soziale  Triebe,  die  Quelle  der  Sittlichkeit 
beim  Menschen.  Die  sittlichen  Gefühle  sind  durch  Selektion  aus  sozialen 
Impulsen  hei  ngen.    Ziel  des  sittlichen  Banddns  ist  das  allgemeine  Wohl, 

das  nicht  in  Lust,  sondern  in  Lebenstüchtigkeil  i..tull  rigor  and  health")  besteht 

I  Hauptwerke!  :      Ol     th«     Oligfs      <>t     BpSOlM      bj     "  natural 

ls«tMl     in     ist     l  in\.-r.i|pl.      —     'II        Di  and     S»-: 

in   relation    to    sex,    1*7  1.    >l.  ut- •  I.    m    SSV    I  niv.-ltibl.    —     Ths    Expression    o(    i 
in    Man   and    Animal-.    1875.    —    Thi    Variation*    nf    Plant«    lad     A*imaJl    ■  uieati- 

<ati..i,.  VgL    K.    I  >  LBWTjr,    I-it"   ami    I 

l»i-'   Literatur  Ibec  Üarwia  sad  Derwimiaani  i«t  a>.  i 

lh\ii\.     Hvmkii.     I  i:     BCHULTH,    /.\«h\i:i\         II      SriTZKK,     IM. ATI 

\\  I   IBM  \W.     Wl«i  VM».    <  ."I   l'-<   III   II' 

Dm  um.    Brasmui     Int    Orot  on   Cd     Darwin,    1731     iv 


1X6  Darwin  —  David. 


äderten  Lebensbedingungen  bewirken  eine  Anpassung  der  Organismen. 

alle  auf   ähnliche  Art   aus    einem    einzigen  lebenden  Filamente" 

anden.     Die   Bedeutung  der   Assoziation   für  das  Seelenleben  wird  von 

llt. 

:  in  en.  Temple  of  Naturo  (Lehrgedicht).  Zoonomia  or  the  Laws  of  Organic 
Life,  1794—96. 

I>aub.  Karl.  geb.   1765  in   Cassel,  Theologe,    Prof.    in    Heidelberg,  gest. 

Erel  Kantianer,  dann  von   Schelling  beeinflußt  (Theojogumena,  1806). 

Bpiter  Begelianer.  —  D.   bleutet  Form  und  Gehalt  der  Religion  im  Sinne  des 

Ischen    Idealismus,   nach  welchem  Gott  in  unserer  Erkenntnis  Gottes  sich 

sl  weiß. 

ritten:     Die  dogmatische  Theologie  jetziger  Zeit,  1833.    —    Über  den  Logos, 
—      Philos.    u.    theol.    Vorlesungen,    1838 — 44.       —      Vgl.    K.  ROSENKRANZ, 
Erinnerungen    an  K.  D.,   1837.   —   W.  HERMANN,  Die  spekul.  Theol.  in  ihrer  Entwickl. 
durch  D..    L847 

Dannier.  Georg  Friedrich,  geb.  1800  in  Nürnberg,  Gymnasiallehrer,  gest. 
in  YVürzburg. 

riften:  Der  Anthropologismus  und  Kritizismus  der  Gegenwart,  1844  (gegen 
hruno  Bauer  und  L.  Feuerbach,  Bekämpfung  des  Naturalismus).  —  Eeligion  d.  neuen 
Weltalters,   1850,  u.  a. 

Ilaui-iac.  L.,  geb.  in  Brest.  =  Vertreter  des  Phänomenalismus. 

riften:  Croyance  et  Realit6,  1889.  —  L'idße  de  categorie  chez  Renouvier, 
L900,  u.  a. 

David    der  Armenier,   um    500  n.  Chr.,   Schüler   des   Nenplatonikers 

Syrianoe  in  Athen.  Verfasser  von  Kommentaren  zu  den  „Kategorien"  des  Ari- 

Prolegomena  zur  Isagoge  des  Porphyrios  u.  a.  (im  4.  Bd.  der  Akademie- 

Aristoteles).     Opera,  1823. 
1      F.  NE1  mann.  Memoire  sur  la  vie  et  les  ouvrages  de  D.,  18'20. 

I>;t\i<l    "ii  A.ugsburg,  gest.  1271.  =  Mystiker. 
I  .    PFEIFFER,  Deutsche  Mystiker  1. 

DttTld       ii  Dinanl  'Frankreich),  gest.  um  1200. 

I).  lehrl  (ähnlich  irie  Amalrich  von  Bennes)  im  Anschluß  an  Avencebrol 
und  unter  dem  Einfluß  von  .loh.  Scotus  n.  a.  einen  Pantheismus.  Gott, 
1  dem   Wesen  nach  eins.    An  sich  ist  alles  eins  („omnia  esse 

iiiiiim  Bimpli<  hi'    Körper  bestehen  aue  der  Materie  (Hyle),  die  Seelen 

und   in   den  ewigen  Bubstanzen   ist   das  „primnm 

lii  jee  aber  i-t   eins  („et  haec  tria  esse  nimm  et  idem'', 

\'jnino,  In  Libr.  II.  sententiar.   dist.  XVII,  quaest.  1,   art.  1). 

Tincipium  materiale  omnium",    er   ist  alles    und   in    allem,   dir 

wie   der    Seelen    (bei   Albertus   Magnus,  Summa  theol.  T. 

:.   I     tr    IV,  qu.  20;    I,  tr.   Will,   qu.    70).     Die    Formen 

nungen  der  'inen,  materiellen  und  zugleich  geistigen 


1>AYII>    —    DKM0KRIT08.  11. 


x    driften:     De  fa  est   de  divisionibus    (nur    aus     \     •  ri   und  ThoflMU   be- 

kannt). —   \-'i    Haikkai.  Bistoire  de  la  pbil  -  utiqoa  U 

Dawydow,  J.  J.,  1794—1863,  Prof  in   Moskau.       Anhänget  BcheU 

S    hriften:     Elemente  der   Logik,    1821.    —    Über  die  Möglichkeit  dei  ;>bie 

als  Wissenschaft,    1826   u.  a.  (russisch). 

Dc*;;'('i'aii<Io.  Joseph  Marie  de,  L772-  1842.  Der  eiste  kritische  Historiker 
der  Philosophie  in  Frankreich. 

Schriften:      Histohe    comparoe    d>  le    la    philosophie,    1804;    2. 

j—2i;  deutsch   1806—7. 

I><>ll>o<>iif.  .1..  1831—1896  Prof.  in  Lüttich.  =  Als  Psychologe  and 
Psychophysiker  bedeutend,  Vertreter  der  symbolischen  (msthematischenj  Logik, 

>    hriften:     Essai  de  logiquo  scientifique,   1865.    —    Theorie    generale  de  la  sen- 
i!it6,  1876.  —  La  psychologie  comme  scicnce  naturelle,  1876. —  Logique  algorithmique. 
1877.    —    Psy<  hophyßique,   1882.    —    Examen   critique  de  la  loi  psychophys..    1883.   — 
Matiere  brüte  et  matiere  vivanV.    1887 

DelfT,    II   -      geb.  1840  in  Busum  daselbst   1898.    =    1>.  vertritt 

eine  religiös  orientierte  Philosophie,  deren  Methode  die  geistige  Anschauung, 
nicht  die  Induktion  i-t.  I  >i«  Einheit  ist  das  Absolute  im  Bewußtsein,  die  Be- 
dingung alles  Erkennens,  welches  sich  in  den  Formet  gorien)  des  Bewußt- 
ollzieht.  Di(  Geschichte  ist  eine  Offenbarung  des  Absoluten  und  Lri|>trlt 
im  <  Ihnstentum. 

Schriften:  Ideen  zu  einer  philos.  Wissens«  halt  ii.  Geietee  u.  d.  Xatur,  186ö.  — 
QrOBdlehrea  d.  philos.  Wissenschaft,  l.sG'J.  —  Die  Hauptprobleme  d.  Philos.  u.  Religion. 
1886.   —    Philosophie  des  Gemüts,   1K'.I2,  u.   a. 

Off  ii  low  der  Eyniker,  lebte  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.,  war  ein  Freund 
uii'l  des  Thraseas  Paetus;  wegen  Beiner  LTneigennützigkeit  berühmt 

HriiH'tiio^  ton  Phaleron  (Phalereus),  der  bekannte  Staatsmann,  in  der 
Mitte  des  i.  Jahrh.  v.  <  In-..  Bchüler  des  Theophrast.        Von  Beinen  zahlreichen 
riften  ist  nicht-  erhalten. 

Chi:.  (  toi  i  km  ans.  1)..   L847. 

I><kmokrito<«  ron  Abdera  Thrakien  .  geb.  um  160  r,  Chr.,  nach  größeren 
•  n  in  seiner  Bebnal  um  371 1  w.  ( fhr.  gest. 

1).,  «In  ant   allen   Wissensgebieten   Beiner  Zeit   große   Kenntnisse  bee 
eileicht  als  Bchüler  Leukippe)  der  Begründer  der  mechanistisch-atomi- 
itisehen  Weltanschauung.    Mit  den  Eleaten  stimmt  er  darin  überein,  daß 
Wirkliche  ein  onTerinderliches,   beharrendes,  ewiges   Bein    ist.     [ndem  er  sbec 
eine  Vielheit  des  Seienden  annimmt,  wird  ihm  das  Werden,  die  Veranden 
eu  mehr  als  einem  bloßen  Schein,  nämlich  rar  Verbindung   und  Trennt 
einfachen  Beinselemente,     Der  Schein   liegt    nur  in  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmung, welche  nna  die  Dinge  als  Eai  and  usw.  darstellt,  wahrend  in 
W;ihrh<  it    dien     Qualitäten     nur    in     unserem    Bewußtsein  nicht 
o  l»jtk  1 1  \  existieren    i 

■■■ii. i  not  x/x-ii.     In  Wirklichkeil  >;-tnrt    nur 

Voll«  nd  das      I  •  •  i-  -•  i<ml.     und    N i < •  1 1 1 - • 


Demokri  i 

d.  h  erie  and  der  leere  Kaum.    Das  Wesen  der  Dinge  ist  nur  durch 

.  rfassen,  nur  dieses  verschafft  uns  die  echte  (yn/aitj)  Erkenntnis 
ui  dunklen  (oxoxty),  verworrenen  Erkenntnis   der  Empfindung. 
iende"  nun   ist   der  Leere  Raum,  der  existieren   muß,   damit   die 
trung  der  Körper   möglich  ist:  das  ..Seiende"  besteht  in  einer  unendlichen 
;hl  iviu  geometrisch-kinetißch  bestimmter  Körperelemente,  der  „Unteilbaren". 
Atome    {arofia,  auch    „Gestalten",  oyi)uara,  löku  genannt).     Sie   sind   unent- 
sUnden,  unvergänglich,  unveränderlich,  einfach,  verschieden  an  Gestalt  (ajpftua), 
Lage  (#«nff);  von  der  Größe  der  Atome  hängt  deren  Schwere 
Innere   Eigenschaften   oder   Klüfte  kommen  ihnen   nicht   zu.     Die  Dinge 
sind  Komplexe  (ovyxQipaTa)   von  Atomen.     Ein    ursprünglicher   Zustand    dieser 
ist    die    Bewegung.     Alles   Geschehen    ist   mechanischer  Art,   beruht   auf 
Druck  und  Stoß  der  sieh  bewegenden  Atome.    Es  gibt  keine  Zweckursachen, 
Bondern  alles  erfolgl  streng  notwendig,   kausal,   indem   alles   einen   Grund 
hat.  aus  dein  es  notwendig   hervorgeht   (ovSsr   XQfj/ua  fxdxrjv   yirsxai,   dkkd  nö.vxa 
it  xal  vst   ävdyxrjs),   so  daß  es  keinen   Zufall    gibt  (Leukippos),  eben- 
en iLr  »ine  Schöpfung  aus  Nichts  (lu/Ser  xs  ex  xov  fxrj  ö'vxog  ylvsodai). 
Indem  die  nach  allen  Richtungen  sich  bewegenden  Atome  zusammenstoßen, 
heu   Wirbel  {divtj),  welche  zur  Bildung  unzähliger  Welten  und  Körper 
führen.     Immer   neue   Welten    entstehen    und    vergehen    auf   rein  mechanische 
'  Organismen  haben  sich  aus  feuchter  Erde  gebildet.   Die  Seele 
\-\  materiell,  Bie  besteht  aus  den  feinsten,  sphärischen,  beweglichen,  den  Feucr- 
atomeo  gleichenden  Atomen,  welche  den  ganzen  Körper  durchdringen,   ihn  be- 
ilud beseelen,  wobei  das  Gehirn   der  Sitz   des  Denkens  ist.     An  das  Ein- 
und  Ausatmen  von  Seelenatomen  ist  das  Leben  geknüpft.    Die  Empfindung 
äinneswahrnehmung,  aiadfjaig)  beruht   ebenfalls   auf   der  Wirkung   der 
Ee  gehen  von  den  Atomgruppen  „Bilderchen"  (el'dcoka)  aus,  welche  die 
modifizieren   und   zur   Produktion   der  Sinneswahrnehmung   nötigen  (xr/r 
/-//   trjv  vöijoiv  yivfoüui   ridco/.cov   z^eoftev   jtgooiövxcov).     Die  Wahrheit 
gl   in  der  Tiefe  [ev  ßv&qi),  sie  kann  nur  durch  das  Denken  erfaßt  werden, 
«reiches  den  Sinnenschein  durchdringt  und  das  Verborgene  (ädrjka)  ergreift. 

Ethik   !>.-  ist  eudamonistisch,  betont  aber  stark  die  Gesinnung,  die 

vor  dem    Unrecht    und   dem   Willen    dazu,    den   sittlichen   Willen.    Die 

,i^keit  besteht   nicht    in    der   sinnlichen   Lust,   sondern    in    der  rechten 

in  der   heiteren,   frohen   Seelenruhe  (ev&v/biir),  eveoxw,  dxuga^d], 

\>       Glück    liegl    in    uns    selbst,    in    unserem    Seelenfrieden    (vy// 

Ohne    Mäßigung    und    Einsieht   ist  kein   Glück  möglich. 

kterland  des  Weisen   das  Universum  ist,  so  muß  man  doch 

u  esen  \\  irken. 

Demokril    gelten    Nessas,    Metrodoros   von  Chios, 
Diogenes  *on  Smyrna,  Nausiphanes.   Erneuerer  des  Atomis- 

•    1  in*: n    EahlreicheB   Werken   [Mixqöq   didxoo/toe,  Jhgl  (pvaewg 

■  1    Diog.   I.aijrt.   IX,   46  ff.)    Bind    nur    Fragmente  erhalten. 

:  1  ;.'    .    Qrteoor.    I.    —    DlELS,    Fragmente    der    Vor- 


DeMOKBITOS  —  Dbbcari  119 

f-okratikcr  I.    —     NATORP,    I    räch,    z.    Geschichte    des    Erkenntnisproblcms,    S.    164  iL, 
Hthika  des  D.3   1893.  —   DYBOFF,   Demokriistudien,    1- 

UllOMT    geb.  cu  n.Chr.,  in  Athen,  ein  von  Lukian 

in  einer  besonderen  Schrift  (Vita  Demonacl  eiertei  Kyniker. 

PEITZBGHB,    I'  'I-    D.Miionactis   phüoi 

I>«>llll<>l  t.  Eberhard,  geb.  1861   in  Pützerlin,  Prof.  in  Godesberg. 
des  Darwinismus,  von  Wigand  and  K.  K.  v.  Baer  beeinflußt.    !>!<■  Entwickli 
ist  teleologisch  (Zielstrebigkeit),  das  Leben  ist  nicht  rein  mechanisch  zu  begreifen 
Neovitalismus).    Die  Schöpf erkraft  Gottes  betätigte  sich  bei  der  Entstehung 

ens  und  des  menschlichen  G  Theismus).    Die  Zi<  Istrebigkeit,  die  Zweck- 

mäßigkeit und  die  Individnation  des  Weltalls  sind  mit  Gott  ii  erklären 

als   "In  knerkennnng   des   streng    kausalen,    gesetzmäßigen    Zu- 

samme         \   -         I  eechehnisse  schließt  die  leleologie  nicht  aus.     Die  Zweck- 
mäßigkeit in  der  WVlt  setzt  eine  „kosmische  Intelligenz'4  vi. ran-. 

S    hriften:  Di  intwickL  d.  D  theorie,  1890.   —    Diel 

<1.  Xatui  -i.  —  Vom   Sterbelager  d  iniama«,  1902;  I.    \. 

Bibel  und  Natur  tft,  S.  A.  1904.  —  Darwinivtii  tum.  l 

—  I)ie  baonng   dei  modernen 

I  >«'i  hani.  William.  1657     1735.  =  Es  wird  ?on  D.der  teleologische  I 

-  für  das  Dasein  Gottes  zu  führen  gesucht  and  der  Optimismus  verkündet. 

ritten:   PL  .    1  71  8.    —    A  15. 

Derityllid«»««.    .  6  n.   Chr.,  pythagoreisierender    Platoniker.     Wird 

unter  jenen  genannt,  welche  die  Platonischen  Dialoge  in  Tetralogien  einteilten; 

II  auch  eine  Schrift  über  die  Platonische  Philosophie  verfaßt  haben. 

Deseartes*    Rene*    Renata«  Carteeius),   geb.  31.  Man   1596   in   Labs 
fouraine),  wui  m  College  der  Jesuiten   in    Lafleche  (Anjou) 

i.  aachdem  er  ron   der  scholastischei]  Philosophie  unbe- 
friedigt geblieben,  in  Paris  mit  Mathematik  (l»d.">     16),  ging  dann  zum  Kr: 
« 1 1 •  - » i — t  über  (1617—21)  und   machte  die  Schlacht  am  weißen  Berge  mit.     Dann 

.ini    Reisen    und    lrl>n-    von    l * *.i_". »     i:>    in    verschiedenen    Ortschafl 
Hollands,    wissenschaftlicb    und    schriftstellerisch  tätig     wobei   er  dreimal   aul 
kurze  Zeit  oach  Tan-  reiste.     Der  Ruhm  1).'-  als  Philosoph  wuchs  unterdessen 
Eusehends.     1649  folgte  I).  einer  Einladung  da  Königin  Christine  von  Schwed 

hter  Gustav     \ « I « » 1 1  — »  und   ging    nach    Stockholm,    wo  er  aber  infolge  des 
ungewohnten  Klimas  am  11.  Februar  1650  starb.     1>.  ist  nicht    nur  als  Philo- 
soph grandlegend  geworden,  sondern  auch  als  Mathematiker  (Analytisch    i 
metrie)   und    Physiker  (Lichtbrechung     Regenbogen    a.   a.i.    teilv  ich   als 

Physiologe     !.'•  fl<  cbewegunf  hervorragend. 

I».  i-'  der  Begründer  der  rationalistischen  Richtung  der  neueren  Philo- 
sophie und  des  neueren  Dualismus.     In    G        satz  zu   I     Racon  u  tont 
er  nichi  die  induktive,  sondern  die  deduktiv«    M             und  stützt  er  die  I 
kenntnii  nicht  auf  sinnliche  Wahrnehmung           lern  aul   die  Gewißheit  klai 
und  deutliche]   Vernunfteinsichten  und  Anschau  n                     ihm  die  Mathe- 
matik  mit    ihret    Bvidenx   zum   Vorbild  dient,     \n-tatt   Autoritäten  /u    folg 
uro              [fliehen,    nichtssagenden    Spielei                li    liin/u-.  in-n.    wdl    1».   »«-Il»- 


1  )ES\  Ä.RTES. 

lenken    nichts  auf  Treu  und  Glauben  hinnehmen,  ohne  Voraussetzungen 
philosophieren,  nur  der  Stimme  der  Vernunft  gehorchen,  nur  dem  logisch  Fest- 
Uten,  aus  nuumßtößlichen  Tatsachen  Deduzierten  trauen.    Ohne  eine  ein- 
lassige Methode   kann  kein  sicheres  Wissen  zustande  kommen. 
Methode  besteht    formal    in   der  Ordnung   und   Disposition    des   Wissens- 
i,   Stufenweise  ist  vom  Einfacheren  zum  Zusammengesetzte^,  fortzuschreiten. 
Grundregeln  haben  sieh  bewährt,   welche   viel   wichtiger   sind   als  die 
der    formalistischen    Logik.     1.  Nichts   für   wahr   zu   halten,    was   nicht 
sicher  und  mit  Evidenz  als  wahr  erseheint,  was  nicht  so  klar  und  deutlieh  ist, 
dafi  es  auf  keine  Weise  zu  bezweifeln  ist.     2.   Jede   Schwierigkeit   in   Teile  zu 
um  Ihrer  besser  Herr  zu  werden.     3.  Nach  einer  bestimmten  Ordnung, 
vom  Einfachsten  und  Leichtesten  zum  Schwierigeren  und  Zusammengesetzteren 
eich  zu  erheben.     I.  Sich  der  Vollständigkeit  der  Untersuchung  zu  vergewissern 
1>-    la  mäthode  II).    Das  Muster  aller  Demonstration  ist  die  Mathematik.    Die 
Sicherheit  der  Arithmetik  und  Geometrie   beruht  darauf,   „daß  sie  gar 
nichts   voraussetzen,   was  die   Erfahrung   unsicher   zu  machen   imstande   wäre, 
Bondern    ganzlich    in     verstandesmäßig    abzuleitenden    Folgerungen    bestehen" 
In  /ur  Leitung  d.  Geistes,  II).    Nur  was  wir  durch   „klare  und  evidente 
Intuition  oder  durch  sichere  Deduktion"   feststellen  können,    dürfen  wir  unter- 
suchen il.  c.  III).     Die  Fähigkeit,   die  Wahrheit  zu  erfassen,   eignet  nur  dem 
.  >enken),  doch  muß  er  von  den  Sinnen,   dem  Gedächtnis  und  der 
Einbildungskraft    unterstützt   werden  (1.   c.  XII).     In   uns  ist  ein    „natürliches 
Licht"   (lumen    naturale),  eine    angeborene  Fähigkeit  des  Geistes,  das   Sichere 
und  Wahre  als  das  Denknotwendige  und  Evidente  zu  erfassen,  auch  unabhängig 
von  der  Erfahrung  (also  a  priori).     Diesem  Lichte  der  Vernunft,   welches  uns 
auch  die  Existenz  <i<>n<'s  verbürgt,  müssen  wir  vertrauen,   es   ist  uns  von  Gott 
■  il. 
Zu    seinem    Kationalismus    kommt    D.    durch    Überwindung    des    metho- 
dischen  Zweifels  („doute  methodique"),  der  in  der  vorläufigen,  durch  Sinnes- 
die  Erscheinungen  des  Traumlebens    und   sonstige  Irrtümer   ver- 
anlagt.-n  Annahme  besteht,  alles,    was   wir   bisher  als   wahr   und   wirklich  an- 

•    talsch  und  illusorisch;   vielleicht  ist   selbst  die  ganze 

Außenwelt  nur   «ine  Art   Traum,   nur  eine  Summe   von   Vorstellungen   in  uns. 

der  philosophischen   Prüfung   des  Gegebenen   darf  man  an  allem  zweifeln, 

denn  allef   kann   Täuschung    Bein.    Aber   bald    findet  sich   der  gesuchte    feste 

spunkt  der  Erkenntnis.     Denn  mag  auch  alles  falsch  und  unwirklich 

unbedingt    sicher  und    wirklich,    nämlich   die   Tatsache, 

ich  zweifle  und  damit  irgendwie  denke.   Logisch  und  durch  innere 

I.  schon  Augustinus,  Occam,  Campanella)  steht  die  Existenz  eines 

-    denkenden    [chfl    fest,    sicherer    als    alles    Sein    der    Außenwelt 

tmeren    Erfahrung).     „Ich   denke,   also   bin    ich"  (Cogito   ergo 

feste  Basü  aller   Erkenntnis.     Niemand,  auch  nicht  Gott, 

dl  i   ich  denke,   nicht  bin   („egO  Mini,  ego  existo,  quotics 

iö  l(   concipitur.  oecessario  esse  verum",  Meditat.  II),    Die 

wird  durch  eine  „prima  notio",  ohne  Syllogismus, 


I  »l  -<    \l:  i  i  9.  121 

mit  Evidenz  eingesehen.     Das  Denken   kann   ?om   Ich  nicht   getrennt   werd 
das  Ich  ist    seinem   Wesen   nach  ein   „denkendes"   Wesen  tans       ind 

hat  damit  die  sicherste  Wirklichkeit.     ^Facile  Bupponimus  nulluni  esse  Deom, 
nulluni  coelum,  nulla  corpoia;  Dosqne  etiam  ipses  oon  habere  manu-,  ne 
aec  deniqne  ullum  corpus;  oon  antem    ideo  nosqui  talia  cogitamofl  nihil  et 
repugnat  enim,  ut  putemus  id,  quod  cogitat,  eo  ipso  tempore,  <|iio  cogitat,  non 
existere.    Ac  proinde  haec  cognitio:  ego  coj  ko,  ergo«  -    omninm  prima 

eertisaima"  i  Princ.  philos.  I.  7i. 

Die  Einsicht  in  die  Existenz  des  denkenden  [chs  isf  also  untrüglich.  L'nd 
nun  findet  1>-  rasch  den  Zugang  zu  weiteren  Erkenntnissen  fbezw.  zu  deren 
Bechtfertigung).  Wahr  ist  alles,  «ras  die  .Merkmale  jener  Einsicht  hat,  Dämlich 
Evidenz.  ..Klarheit  und  Deutlichkeit"  Bind  daa  Kriterium  der  Wahrheit. 
Klar  („clarum")  ist,  was  dem  aufmerksamen  Geiste  einsichtig  („aperta" 
deutlich  („distinetum"),  was  zugleich  so  von  anderem  anterschieden  wird,  daß 
nur  Klan-  in  sieh  enthalt.  „Video  pro  reguls  generali  posse  Btatuere,  illud 
omni   • --•    verum  quod   ralde   clare  ei    distinete   pereipio"    (Medü    III  .     D 

diese   Merkmale   ans   nicht    trägen,  dal',  ans   mit   den   klaren   und    dein  liehen    B 

Efen  nicht  ein  allmächtiger  Dämon  täuscht,  -nein    1>.  durch  den  Beweis  der 
Existenz   Gottes   darzulegen,  zu  dessen  Attributen  die  Wahrhaftigkeil 
citai  ort.     Diese   verbürgt    uns   die   absolute   Richtigkeit   des   Wahrheits- 

kriteriums,  denn   Gotl   kann   un-   nicht   täuschen    wollen,  Bondern  hat  ans  das 
..lumeii  naturale",  das  Existenzbewußtseij  o.    Der  Irrtum  aber  isf  nur 

unsere  Bchuld,  indem  wir  weiter  denken,  entscheiden  *  "1  len .  als  es  dei  Intellekt 
dessen    Fähigkeiten    nicht    unendlich  sind;   so   entspringt    der    Irrtum 
u im >  quod  cum  latiu-  pateal  roluntas  quam  intellectus,  illam   non   intra 

dem  limites  contineo,  ^*\  etiam  ad  Qla, quae  non  intelligo,  extendo"  (Med.  1  V  . 
Nur  im  Urteil,  nicht  in  den  Dingen  und  Vorstellungen  liegen  Wahrheit  und 
Irrtum.  Außer  den  von  außen  erzeugten  (rideae  adventitiae")  und  unseren 
PhantasieyorBtellungeri  a.  dgl.    „s  me  ipso  faetae"    gibt  es  auch  anj  ne 

i  .innai;te- 1  Ideen,  die  der  Geist  auf  Grund  ?on  Anlagen)  aus  sich  selbst 
winnt.  wie  /.  B.  die  Idee  Gottes.  Sie  entspringen  aus  der  Denkfähigkeit  mit 
Notwendigkeit  („a  sola  tacultate  cogitandi  Decessitate  quadam  naturae  ipsius 
iiienti-  manant").  Es  gibt  ewige  Wahrheiten,  welche  unbedingt  und  zeitlos 
gelten,  wenn  sie  auch  keine  Existenz  außerhalb  des  Denkens  haben,  z.  B.  der 
-  .  daß  ans  nichts  nichts  geschieht.  Die  mathematisch-logischen  Grund- 
sätze   gelten    absolut        Die    mathematischen     Krkenntnisse    sind    klar    und 

deutlich  und  daher  gewiß,  sie  enthalten  etwas  Apriorisches;  Intuition  und  v 
stand  sind  an  ihnen  beteiligt    D  metrie  wird  grundlegend  tür  die  Erkennt] 

der    K  «.  rper  w  e  1 1  .   indem  alle   aoi   den    Mimen  -lammende  Qualitativ        I    U 

•    usw.    ihm    rabjektii     ..in    n-'-tra  tantuin  cogitation<  wählend    Aus- 

dehnung, Groß«    G    talt,  Bewegung  den  Körpern  selbst  zukommt,  welche  also 

metrisch-quanutatir  bestimmt  werden  (vgL  auch  Galilei  u.a.'.     Die  Sin  n< 
qualitäten    Bind    nur   Reaktionen   des   empfindenden  Bubjekts   aul    di<    I 
Wirkungen    der    Dinge;    -e    sind    ohne    objektiven    Krkenntniawert,    halten    nur 

biologische    l'.edeiitn- 


Desoab  ii- 

i    systematischen  Philosophie   D.s  (seiner  Metaphysik  und 
\  ,  In    der   Begriff  Gottes,   den   D.   im  Sinne  des  Theismus 

allmächtig,  allwissend  usw.,  er  ist  Geist,  eine  allgegen- 

stanz  und  ist   uur  durch  die  Vernunft  erfaßbar  (mit  dem  Kirchen- 

sucht    D.  möglichst   in   Obereinstimmung  zu   bleiben,-  wie  er  auch  — 

k  ens  nach  anr.rn  hin   —  die  Kopernikanische  Theorie  ablehnt).    Daß  Gott 

ii  ans  der  nns  eingeborenen  Idee  vom  göttlichen  Unendlichen  her- 

die  als  [Jnendlichkeit8idee  nicht  von  uns  endlichen  Wesen  erzeugt  sein  kann 

-hon   Campanella).     Die   in   der  Gottesidee  enthaltene  „objektive"  (d.  h. 

,     l;,  ilität  weist,  da  sie  die  Realität  alles  Endlichen  überragt,  auf  Gott 

-  Urheber  der  [dee  hin.     Ich  selbsi  könnte  ohne  Gott  nicht  existieren,  da 

oich  nie-;  erzeugt  habe  und  die  Reihe  meiner  Erzeuger  schließlich  zu 

ten  Ursache  führt,  die  alles  im  Dasein  enthalt.    Außerdem  bedient  sich  D. 

-■heu   Gottesbeweises,    wonach  im  Begriffe  Gottes  als  des  voll- 

lensten  Wesens  auch  die  Existenz,  das  notwendige  Sein  liegt,  welches  von  Gott 

antrennbar  i-i  l  Princip.  philos.  I,  14).    Nur  Gott  ist  im  strengsten  Sinne  des  Wortes 

tanz,  die  endlichen  Dinge  sind,  als  von  Gott  geschaffen  und  in  ihrem  Sein 

_.   nur  relative  Substanzen   (Ausgangspunkt  Spinozas).     Substanz    ist 

etändige,    in    seinem    Sein    Unabhängige,    für    sich    Bestehende.     „Per 

antiam    nihil   alind    intelligere  possumus,    cruam   rem   quae   nulla  plaue  re 

ad  exislendum.     Et    quidem  snbstantia  qnae  nulla  plane  re  indigeat, 

a  tantnm  potest  Lntelligi,  nempe  Deus."    Die  endlichen  Substanzen  existieren 

durch  den  „coneursus  Der  (Princ.  philos.  1,51),  durch  göttliche  Assistenz. 

äsen  wird  die  Substanz  ans  ihren  Attributen,  ihren  konstanten  Eigen - 

ten,  wie  Ausdehnung  und  Denken.    Bestimmtheiten  der  Attribute  sind  die 

Lselnderi   Modi,    wie  Figur,    Empfindung  usw.     Es   gibt   zwei  Arten   von 

Gi  ist  und  Körper  (Dualismus"),  die  einander  schroff  gegenüber- 

ii  und  völlig  verschiedene  Eigenschaften  haben.     („Snbstantia  corporea" — 

i  tans",   „mens").     Der  Unterschied  zwischen   Körper   und  Geist 

identer,    klarer  und   deutlicher  und    daher  realer.      „Itemque  ex  hoc 

i    unusquisque    Lntelligat    sc  esse  rem  cogitantem  et  possit  cogitatione 

iiikiii  aliam  substantiam,  tarn  cogitantem  quam  extensam, 

tinnmqnemque  sie   speetatum,    ab  omni    alia    substantia  cogitante 

omni  Bubetantia  corporea  realiter  distingui"  (Princ.  philos.  I,  00). 

körperliche  Bubstanz  wird  von  D.  rein  geometrisch  bestimmt.    Sic 

iumlicb  Ausgedehnte,  der  konkrete  Kauminhalt,  ohne  innere  Qualitäten 

D     K.rpcr  werden  nicht  eigentlich  durch  die  Sinne  erfaßt,  sondern 

ihnm    konstanten    Eigensein    nach    durch   das   Denken  (Urteil) 

Vfeditationes).    Die    Körper   sind    nichts   als  erfüllter  Baum,  daher 

liehe  teilbar,  wenn  sie  auch   ans  „Korpuskeln"  bestehen,  die 

ii  Atomen  zu  verwechseln  Bind.     In  allen  Körpern  ist  ein  und 

.'dehnt    und    beweglich   ist;   von  den  Bewegungen  der 

Veränderungen  ab.    Alle    Bewegung   ist   Ortsbewegung, 

;  ii  und  keines  Leeren  Raumes  bedarf.    Wie  die  Materie, 

onstant,  Btete  von  gleicher  Menge  (Bewegungsgröße: 


De»  uites. 

im  ,.  w  ; 1 1 1 1 1 t •  r  I  baffen  hat  und  >[>■  unveränderlich 

erhalt.     Der  kaum  ist  die   dreidimensionale  Ausdehnung  und  von  der  kür) 
liehen  Ausdehnung  nur  in  straktion  unterschieden.     Einen  absolut  leeren 

Baum  _       es  nicht     Kaum  und  Materie  sind  unbegrenzt   indefinit).     Die  Zeit, 
die  ein  Modus  d<->  Bewußtseins  ist,  ist  das  Mai  dex  B  di<    Dauer  d 

ü.    Aus   einem   chaotischen   Zustande   Bind   durch   Wirbelb  gen  die 

Weltkörper  entstanden.     Abgesehen    von  der  Schöpfung   Lr<-ht  in  der  Natur 
all<  _    mechanisch   (durch    Druck  und  B  i,  ohne  Eing  <>n 

/     ckunachen,  dir  nichts  erklären  (Princ.  philo-.  111 

h  das   organische    Leben    wird    ron   1>    mechanistisch  erklärt.     Ee 
keine  Lebenskraft  Leben  eine    Wirkung 

gen   Aristoteles  und    die  Scholastik).     Es   gibt   k<in<-    Pflanzen-    und    keine 
•II,  in  allen  Organismen  ist  da-  Leben  rein  physisch  bedingt,  ein  Produkt 
wob  I'"  ii      I >■  ■  weit,  dal»  er  den  Tieren  alles  Bewußtsein  (auch 

-  hmerz  u.  dgL)  abspricht,  sie  Bind  reine  Automaten  („credere  debemusj  omnes 
motus  vitales,  qui   nun   pendent  a  oogitationi  lius  corporif  -.  aaim. 

I.   .  .    g     ist    1».  \  einer  mechanistischen  Biologie,   die  leicht 

bei  ie)  materialistisch  weitergebildet  werden  konnte. 

1  >i<  Seele  Eaßt  1  >..  im  Sinne  des  anthropologischen  Dualismus,  als  eine 
Körper  qualitativ  und  numerisch  verschiedene,  immaterielle,  einfache,  unzerstörbare 

-  ./.  auf.  l>i-  Seele  isl  die  „denkende"  Substanz,  sie  denkt  immer,  denn 
das  Denken  (cogitatio)  im  weiteren  sinn.-  gehört  zu  ihrem  Wesen.  Seele  und 
Lei  sind  „unvollständige  Substanzen",  die  durch  <iott  miteinander  vereinigt 
sind  und  (vermittelst  der  „Assistenz"  ( •  liteinander  in  Wechselwirkung 

stehen,  so  aber,  dar.  die  Seele   uicht    die   Menge,  nur  die  Richtung  der  B 
wegung  zu  beeinflussen  vermag.     Wenn  auch  die  Seele   mit  dem  ganzen  Leibe 

ninden  ist,  so  wirkt  Bie  doch  vorzugsweise  vom  Qehirn  aus  und  /war  von 
der  Zirbeldrüse  glandula  pinealis).  Von  hier  aus  verbreiten  sich  die  (aus  dem 
Blut  aufsteigenden    .1.  spiritus  animales)  durch   die   Nerven  und 

wirken  vermittelst    der   Bduskeln    motorisch.      Rein    tätig    ist   die  Seele  nur  im 
D<  tken  und  Wollen,  in  ihren  sinnlichen  Vorstellungen,  Gefühlen  und  Gemü 
bewegungen  ist  sie  zum  Teil  \<»m  Leibe  und  dessen   Zuständen  abhängig.     D 
Empfindungen  entstehen    durch  Affektion  der  Seele  vermittelst  der  Lebei 

n  den  Nerven,  welche  seitens  der  l>n  gl  werden;  sie  Bind   daher 

zwar  objektiv  veranlaßt,  selbst  aber  nur  Zustande  der  8  mentis  affection< 

Beim  v>  llen  ist  die  Seele  den  im  Gehirn  zurückgebliebenen  Spu 

Eindrücke,    den    [deenbildern   („ideae    rerum    materialium'*)   zugewandt.      Aul 
diesen  Spuren   beruht    auch   die   Assoziation   der 

idearum    mecuanica").     Das   Denken    ist   \<>ni  Willen  geleitet,  indem  das  1  i 
teil    dea   *actus  iudicandi"    in  einer  Zustimmung  des  Willem  i,.a>- 
steht    ...\ttirniai.    aegan    dubitare  sunt  diversi  modi  volendi"  ( Princ.  philos,  I 
I      gibt  eben  außen  luid  innere  Willenshandlungen.    \-  besteht  Willem 
.    it.  iiiil<iii    wir  die    Fälligkeit  der  Wahl   haben  und  u  tistimniu 

•  n  können,  bis  wir,  durch  eine  klare  und  deutliche  E£insi<  In  bei  influ 
akth   /u  handeln    vermögen.      Di<     I  iften    (Affekte,    Gemü 


DKSCARTE8    -     DESSOIR. 


_.n.    „passionee    animae")  knüpfen    sich   an   bestimmte   Vorstellungen    und 
lurch  Bewegungen  der  Lebensgeister  ausgelöst.    Die  sechs  Grundaffekte 
sind:    Bewunderung,    Liebe,    Haß,    Begierde,    Freude,  Trauer  (Pass.  anim.  IL 
Disziplinierung   unserer   Affekte    ist  notwendig,   damit  die  Ver- 
nunft tot  Herrschaft  gelangt    Die  geistige  Liebe  zu  Gott  (vgl.  Spinoza)  ist  der 
Aifekt 
Die  Ethik  (welche  auf  ,,Physik",  d.  h.  hier  Psychologie,  zu  gründen  ist)  hat 
1>.  ni«ht  ausgebaut     In  der  Abhandlung  über  die  Methode  gibt  er  einige  Sitten- 
•i.  in  welchen  von  Anpassung  an  die  Landesverhältnisse,  von  Mäßigung,  Folge- 
richtigkeit  des  Handelns  die  Rede  ist.    Die  Glückseligkeit  knüpft  sich  an  die 
Tugend,  den  sittlichen  Willen,  das  reine  Gewissen  (Epist,  I,  1). 

Trotzdem  der  Kartesianismus  seitens  der  Kirche  und  der  Jesuiten  be- 
kämpft wurde,  fand  er  doch  schnell  viele  Anhänger,  wie  Penerius,  Ludwig 
Ainauld.  Nicole.  Begis,  Rohault,  de  Cherselier,  Heere- 
rd,  Bekker,  Chr.  Sturm,  Glaub  er  g,  Cordemoy,  Mersenne  (Freund 
Ojb  q  a.  Ausgegangen  sind  von  D.  die  Okkasionalisteu  Geulincx  und 
If alebranche,  ferner  Spinoza,  der  aber  neue  Wege  ging  und  an  Stelle  des 
Dualismus  »inen  Monismus  und  Pantheismus  setzte. 

8  L ritten:  Discours  de  la  methode  (nebst  Dioptrique,  Äleteores,  Geometrie  unter 
dem  Titel:  Essais  philosophiques),  1637;  lateinisch  1644;  deutsch,  in  der  Philos.  Bibl. 
und  in  der  L'niv.-Bibl. — Meditationes  de  prima  philosophia,  1641;  1642  (nebst  den  Ein- 
wänden, „Objeetiones"  von  Caterus,  Hobbes,  Arnauld,  Gassendi  u.  a);  deutsch  in  der 
Philos.  Bibl.  und  Univ. -Bibl.  —  Principia  philosophiae,  1644;  deutsch  in  der  Philos. 
Bibl.  —  Les  passions  de  l'äme,  1650.  —  Aus  dem  Nachlaß:  Le  monde  ou  traite  de  la 
.  1667.  —  Traite  de  l'homme,  1664.  —  Briefe,  1657—67.  —  Opera 
poftthuma,  1 7 (' l  (Darin:  Kegulae  ad  directionem  ingenii;  Inquisitio  veritatis  per  lumen 
naturale)  Gesamtwerke:     1650,    1670,     1692,     1701    (französisch),    1824—26    (ed. 

frans.),     1897  ff.  (ed.  Adam  und  Tannery).  —  Oeuvres  inedites,   1859  —  60.  — 
imtausgabe  in  der  Philos.  Bibl.    —    Vgl.  A.  BAILLET,  La  vie  de  Mr.  D.r 
I      BOTJILLIER,    tiiatoire  de  la  philos.  Cartesienne,  1854,    3.    ed.    1868.    — 
K.  FlBCB  h.  d.  neuern  Philos.,   1897   ff.,  I.  —  A.    HOFFMANN,  B-  Descartes, 

■■ULM   Klassiker  d.   Philos.).     —      A.  KOCH,  Die  Psychologie  D.',   1881.    — 
NaTORP,   D.'     Erkenntnistheorie,    1882.    —     Revue   de    Metaphys.   et    de    Morale,    189G 
-Heft).   —    K.wni..   Stud.   ■/..  neuer.  Erkenntni&th.  I,  1909. 

D— € fc«MDi,   Legei  .Marie,  geb.  1710  in  Poitiers,  Benediktiner,  gest.  1774. 

D    ifl   Eylozoid  und  Pantheißt,  indem  nach  ihm  die  Dinge  Erscheinungen  des 

^enmnfl    )>>  \||>  sind.     Zugleich  predigt  D.  die  Gütergemeinschaft. 

ft.jn:     Lettres  sur  IVsprit  du  siecle,   1769.    —    La  voix  de  la  raison,   1770. 

'      BEA1  3811  ts  de    rilegelianisme  dans  la  philos.  francaise.      Dom 

<o)e  d'aprcR  un  manuscrit  et  des  correspondances  inedites 

K.    BO  \z,   I).,  in  der  Zeitschrift  „Der  Gedanke"    VII. 

!»«-< laates,  A.   1.   B.,   L690-1757.   —   Schriften:    HUtoire  critique  de  la 

BnUa   Philosophie-geschichtliches   Werk  in  Frankreich. 

I>«--«».  ■'■:  in  Berlin,  Prof.  ebenda,  Berausgeber  der  „Zeit- 


1  »E8&OIB    —   J»J>i  im. 

Nach   D.  besteht   die  Persönlichkeit    aus   mehreren,  unter  (Jmständen 
anhören  und  voneinander  ganz  verschiedenen,  voneinander  nicht-  wissenden 
-     aren.  deren   jede    für  -i<-h  durch  eine  Erinnerung  insammAngehalt 

wird.    ,,Der  Nbrmalmensch  ist  aktuell  ein  Einfaches    potentiell  ein  Mehrfach 
da  er  in  sich  die  Möglichkeit  einer  verschiedenen  Gruppierung   von  Persönlich- 
keitselementen  birgt.*4    „Wirtri  eichsam  eine  verfa  rg        Bewußtaeinaspfa 

in  uns,  die,  mit  Verstand,  Empfindung,  Willen  begabt,  eine  Reihe  \<>n  Hand- 
Lungen  zu  bestimmen  fähig  ist.  Das  gleichzeitige  Zusammensein  beider  Sphären 
nenne  i«-h  Doppelbewußt  sein."  Mehrere  Bewußtseinszusammenhänge  können 
gleich  und  nacheinander  in  einem  Individuum  auftreten,  Aus  dem  Wirten 
des  „Unbewußten*4  Bind  die  hypnotischen,  „spiritistischen"  u.  a.  Phänomene  zu 
erklären,  auch  die  Erscheinung  der  „Depersonalisation". 

Die  Ästhetik  bedient  sich  der  Psychologie  als  Hilfswissenschaft,  ist  aber 
kein  Teil  derselben.  \>\>-  Ästhetik  ist  <li«-  Wissenschaft  von  den  äußeren  und 
inneren  Bedingungen  gewisser  Wertvorgfinge.  Im«'  I 't  1  i<  lir  einer  allgemeinen 
Kunstwissenschaft  ist  es,  der  großen  Tatsache  der  Kunst  in  allen  ihren  Bezuj 

echt  su  werden.     I>a-  Schöne  i-t  nicht  mit  «lern  künstlerisch  Wertvollen  reu 
verwechseln,  d<  unack  kann  Bich  unabhängig  von   «ler   Kunst  entwickeln. 

1 ».  betont,  ..«Ial'»  die  im  I  enosseni  Schönheil  und  die  in  der  Kunst  reene 

nicht  dasselbe  sind".  Die  Kunst  hat  nicht  ästhetische  Funktionen.  Sie  hat 
ni<ht  das  Schöne,  sondern  h"<-h<trn<  Bchön  darzustellen.  Die  ästhetischen  Kate- 
•  n  Bind  die  möglichen  Formen  der  ästhetischen  Apperzeption  im  allgemeinen. 
1'  iathetische  Eindruck  i>t  der  notwendige  Erfolg  eines  objektiven  Tatbestandes, 
eine  „anschauliche  Notwendigkeif'.     I > I •  •  Am.  Kunst  i-t  es,  „ein  durch 

Bubjektive  Zutaten  abgeändertes  Bild  «1er  Beelisch-körperlichen  Realität  zu  bieten". 
Das  künstlerische  Schaffen  hängt  mit  der  Lust  am  Anderssein  zusammen.  Gegen- 
über  dem  „ästhetischen  Subjektivismus"  verficht  1>.  den  „ästhetischen  Objekti- 
vismus"! ,i:l('n  welchem  Spiel  und  Kunst  „Sphären  besonderer  Gesetzmäßigkeit' 
bilden  und  das  ästhetische  Sein  <>l>jrktivr  Wirklichkeit  und  Wert  besitzt 
i.riftcii:  Bibliographie  de«  ■odaraaa  Hypaotumaa,  1888,  1891 
:    ..    A 

394;  S.    \     1897   l.  l,  .  ,ir  Ästhetik,    i 

matiache  Philo«.,  Bd.  V     \i  Ästhetik  a.  allgemeine  Kaaatwiaaeaachaft, 

.  Bapport  au  \  l.  ■  l'  ie,   H»09.    — 

bandlangen    ia    der    ,./  •  br    t.    Psycho]     d.   Siaac 

D 
,it   1'.  Ueaser  .  I.    \  a. 

Deatutt  d<    i  kntoine  Louis  Claude,  geb.    I.  der  K 

Btituierenden,  lebte  dann  auf  seinem  Qute  '"  i  Auteuil,  wo  Bich  • 
Bammelten,  wurde  unter  Napoleon  Senator,  unter  den  Bourbonen  i 
I  Ihter  dem   Einfluß  ron    Loci      l  i  rundete  D 

Ideologie  als  die  Wissenschaft   von  den   Ideen,  von  den  i^vchi  Uebilden 

und   Y  ti,  als  die  allgemeine,  der  psych«  logiKchcu    Vnal  ude 

und  /.ur  Grundlage deT  Ethik  und  Politik  diei  I 

M    d«    Biran  u.    i    iru 


DESTÜ  IT    -     l  >  l  l  SSEN. 

gewollten    Bewegung   und   des   empfundenen   Wider- 

<t;lI  erleidet,  als  Kern  des  Außcnweltsbewußtaeins  (vgl.  schon 

a  Condülacschen  Hauptwerkes).     ..(Test  a  la  faculte  de  vouloir, 
oelle  de  dous  mouvoir  ei  de  sentit   que   nous  devons  la  connaissance 
-  |  la  certitude  de  la  realite*  de  lern-  existenoe."    „Action  voulue  et 
sentie  d'one  part,  et    resistance  de  l'autre:    voilä  le  lien  entre  notre  moi  et  les 
antra  lern.  1.  147,  431).     Her  Wille  in  uns  ist  ein  den  Empfindungen 

-    Aktivitätsprinzip.     Das  Urteil  besteht  in   der  Erfassung  der  Be- 
ziehung  einer   Vorstellung    zur   andern    (1.  c.  p.  53).      Die    Sprache    ist    als 
,i  eine  Bedingung  der  Erkenntnis.     Die  Sittlichkeit  beruht  auf 
!  rinzip  des  wohlverstandenen  Interesses. 

riften:     Elements     ^Ideologie,     1803    ff.,    1817,    1825  f.     —     Traite     de    la 
volonte  et  de  ses  ett'ets,   1815.      -    Commentaire  sur  Tesprit  des  lois,   1819. 

UewSMsea«  Paul,  geb.  1845  in  Oberdreis,  Prof.  in  Kiel. 
1».  i>t   Anhänger  Schopenhauers,   dessen  Lehren  er  im  Sinne   des  Christen- 
[18  und  der   indischen  Philosophie   auffaßt.      Nach   D.    besteht   die 
cimlich  ausgebreitete  Welt  nie  und  nirgends  außer  im  Bewußtsein.    Die 
<  »lij.-kt.-  Bind   Vorstellungen,  zu   denen   auch   die  Sinnesorgane  und  das  Gehirn 
gehört     Die  Außenwelt  ist  dem  Bewußtsein  immanent,  sie  hat  „transzendentale 
Idealität",  aber  zugleich  „empirische  Realität".     Das  empirische  Bewußtsein  ist 
\rt.  wie  das  Bewußtsein   erscheint,  das  transzendentale  Bewußtsein 
i-t  «la-    Bewußtsein    an    sich.     Dieses  erzeugt  Raum,    Zeit   und  Kausalität,  die 
rieüe   Eracheinungswelt;  es   ist  der  Träger   der  empirischen   Realität,  das 
Subjekt  des   Erkennens,  ewig  unerkennbar,   räum-  und  zeitlos,  eins.    Empirisch 
erscheint  das  Bewußtsein  als  Gehirn,  die  Empfindung  als  Affektion  der  Nerven - 
i         las  empirische  Bewußtsein  ist  nur  die  Empfindung,  für  das  tran- 
szendentale die  in  ihm  von   jeher  fertig  vorhandene   Ausspannung  der  Körper- 
gebene;  vom  empirischen  Bewußtsein  ist  also  die  Welt  unabhängig. 
ich    i-t    räum-  und  zeitloser,  daher  für  uns  transzendenter  In- 
iheil der  Ideen  ist  eine  Hilfskonstruktion  für  die  Philosophie.     In 
sich  Mas  Ding  an  sich  als  unbewußter  Wille.     Dieser  ist  die 
■kraft    d  enen    Lebens    wie   der  ganzen   übrigen   Natur".     Aber  wir 

ach   ihn    nur.    sofern    er  erscheint:    als  Leib  und  als  Wollen   (d.  h.  aus- 
iii   die    Bubjektiven    Anschauungsformen    von  Raum  und  Zeit). 
\n  -i'h    der   Körper   and    Kräfte   ist    überall  der  Wille,  der  zunächst  als 

blinder  Trieb"  auftritt.    Unser  Leib  ist  der  räum- 

inte  Wille.      In    den  Organismen    arbeitet    der   Wille   zweckmäßig 

i.     Die    Unsterblichkeit  des  Willens  ist  dessen  ünab- 

„Unzerstörbarkeit    ohne    Fortdauer".      Betreffs    der 

derer  Prägen  lehrt   1).  ganz  im  Sinne  Schopenhauers. 

*   besteht  im  Altruismus,  in  den  Tugenden  der  Gerechtig- 

Uler  Egoismus  muß  überwunden  werden.    Das  höchste 

Willem  zum  Lebe,,,  welcher  mythisch  als  „Abfall" 

-lern  das   Leid  verbunden  ist.    Durch  Erkenntnis 

■   d  e&     Abfalls  wird  die  Erlösung  angebahnt. 


Deussen  —  Diderot. 


Das  Prinzip  der  Verneinung,  das   nicht  als  persönlich  gedacht  werd 

Gott    ißl   eine   „überweltliche   Kraft.   ♦  -i ? *    weltwendendes   Prinzip",    mit 
dem  wir  im  Grande  identisch  Bind.    Gott    ist  das    „Prinzip  der  Weiter!» 

rieh  in  uns  kundgibt  als  jene  Kraft,  welche  die  Wendung  »!••<  Willens  zur 
Vernemung  des  individuellen  Seins  bewirkt    Das  Höchste  ist  d  i    .Fr 

Elemente  der    Metaphysik,    1877     I     L    r.">7.  Des  katof 

Imperativ,   1891;  8.  A.   1903.  —   Das  System  der  Vedute,  1 883 ;  S.A.   1906. 
I  panishada  des   Veda,    1897.   —  Ü.   Geheinilehre    dos   Veda,   3.    A.    L909.    — 
■  i.-hte  «1.  Philosophie,   1394  tf.  l.   A.   1906  f.  (Indische  Pkiloeopbie). 

I>entin^<M'.  Martin,  lslj — 1864,  lehrte  in  Freising  und  Dillingen  Philo- 
sophie   =    D.  ist    besonders   von    Schelling   und    Baader   beeinflußt     In   der 

thetik  vertritt  er  eine  idealistische  Aufhissung  (Gestaltung  Dach  innerer  I 
durch  die  sinnst).     Im  Selbstbewußtsein,  in  der  Aktivität  des  Denkens,  welches 
vom  WilLn  in  Bewegung  gesetzt  wird,  liegt  die  Voraussetzung  alles  Erkenn* 

(jrundlinien    einer    positiven    Philosophie    als    Vorlauf.    Versuch  einer 
Zurückfuhr,  aller  Teile  d.  Philos.   auf    christliche  Prinzipien,   184.3  —  4'.*:    1.   Propäde  . 
11.   Beelenlehre,  III.   Denklehre,    IV.  —  V     Ästhetik.      —      VI.   Moralphilosophie     — 
-Mnd   der  den*- heu    Philos.,    1866.    —    Vgl     I.     Kästner,  M.    D.'l    L 
-  driften,   l 

Dewey,  John,  geb.  1869  in  Burlington,  Prot,  an  der  Columbia-l 
sitäl  (Amerika).  =  I>.  i<t  Vertreter  des  „Pragmatismus",  einer  voLnntarist  » 
den  Zweck-  und  \\  ihtspunkt   betonenden   Auffassung   des  Denkens   und 

Erkennen*    b.  James).     Wahr  und   wirklich   i-t   das,   was  als  riehen    Baste  Kur 
Erfahrungen  mal  Sandlungen  dienen  kann  (8tucL  {».  106  f.). 

>logy,   1886.  —  Ethics,  1891.  —   Studie*  in    I 

I M'vippo*.  um,  330  n.  Chr.        Neuplatoniker. 

h.   arietot  catogoriae  dabitetionee  et  solutiones,  ed.  Bpengei,    Lf 

Diderot.  Imw-.  geb.  1713  in  Lau;:!--,  studierte  in   Paris   und  widn 
sich    bald    da    wissenschsitlich-Uterarischen   Tätigkeit;    seit    1749  war  ei     mit 
d'Alembert)  Qeraui  ler  „Encyclopecüe"  (vgl.  d'Alembert).     Katharina  i 

Rußland  kaufte  ihm  Beine   Bibliothek  ab,   die  er   aber  Belbet  als   Bibliothekar 
(in  Paris)  verwaltet      \  em  kurzen    Aufenthalte  in  Rußland  (1773- 

kehrte  I>.  nach  Paris  zurück,  wo  er  1784  Btarb. 

I>.  /u  den  Häuptern  der  Französischen  Auf lärung.    Voi    I '.    unus 

n,  hat  er  Bich  rar  Natnrreligion  des  Deismus,  dann  nun  II  \1 
mai   und   Pantheismus   bekannt,   beeinflußt    von   Locke,    Leibnil    Bpino 
Bobinet,  afaupertuis  u.  a.     Wsa  die  Mathematik  betrifft,  so  «rk! 
mathematische  Gebilde  habe  keine  reale  BxJsten  „une  .  de  con- 

Pens,  -iii  llnterprät  de  li  nat  MI  .    Di<    Philosophie  muß  lieh 
.tut  EkfahjrungBtatsachen  stutzen.     I>i<    Analyt  Itomen, 

die  scholl  im  AnorgasJachen  eine  latente  Empfindungsfähigkeit  (noch  ohne 

ritzen     ..- n-ilulitr  sourde").      Vus  ni^lrrston  cmpfindui 
Elementen    können  sich  d  inism  in  entwickelt    h  W  es   der 

■   Qlaube  erlauben,  so  könnt   man  annehmen,   ..<jm    l'animatit' 


Diderot  —  Dietrich. 


Diente  particuliers  Spare  et  confondus  <$ans  la  masse  de  la 
,u  il  est  arrive  ä  cefi  i'lements  de  so   rSunir,  parce  qu'il  ftait  possible 
in  que  L'embryon  forme"  de  ces  Zements   a  passe"  par  ime  infinite" 
sa  ions  <  t  de  deVeloppements*'.  Zwischen  Organischem  und  Anorganischem 
ht  nur  der  Unterschied  in  der  Organisation   und   wahren  Spontaneität  des 
Die  teleologische  Erklärung  des  Geschehens  ist  zu  verwerfen.    Nicht 
o,  BOödern  das  Wie  ist  anzugeben.     „Le  comment  se  tire  des  etres,  le 
pourquoi    de    afare    entendement".     In    „Entretien"    nimmt    D.    an,    daß   das 
Universum  ein    im    Wechsel    des   Geschehens  sich   konstant   erhaltendes    In- 
dividuum sei.     Alks   in   der  Natur    ist    dem   Werden    unterworfen.     Das  Ich- 
ißtsein  beruht  auf  der  Stetigkeit  und  Langsamkeit  der  psychischen  Ver- 
_     .     Der  Wille  ist  stets  (innerlich)  determiniert. 
Philo«.  Schriften:  rrineipes  de  la  philosophie  morale,  1745  (Anschluß  an  Shaftes- 
bnry,  Theismus,   Unsterblichkeit  der  Seele).  —  Promenade  d'un  6ceptique,  1747  (Skeptische 
Periode).  —  Pensüe  philosophiques,  1748  (Deismus).  —  Lettre  sur  les  aveugles  a  l'usage 
oz  qui  voient,   1749.  —  Lettre  sur  le6  sourds  et  muets,  1751  (Ursprung  der  Sprache). 
—  Pensiea  sur    i'inlerpretation  de  la  nature,   1754  (Hylozoismus).  —  Sur    la   mauere   et 
le  mouvement,  17  70.    —    Entretien    entre    d'Alembert  et  Diderot  ou  le  reve  d'Alembert 
^31   (Pantheismus)    —  Oeuvres  philos.   1772;  Oeuvres  1798,   1821,   1875  ff.   — 
-pondance   philos.    et  critiquo  de    Grimm    et  D.,   1829.    —  Memoires,  correspond.  et 
nuvrages   inedits,    1830.    —   Vgl.    K.    ROSENKRANZ,    D.s    Leben  u.   Werke,    1866.    — 
ÜOBIiET,   1>.   and   the   Encyclopaedist,    1886. 

Diel*.  Hermann,  geb.  1848  in  Biebrich,  Prof.  in  Berlin. 

riften:  Doxographi  graeci,   1879.  —  Parmenides,   1897.   —  Elementum,  1879. 
HerakleitoB,  1901.  —  Poetae  philosophi,   1902.  —  Die  Fragmente  der  Vorsokratiker, 

.  :   S.   A.   1906.  u.   a. 

Dleterlch,  Konrad  von,  1847—1888,  Prof.  in  Würzburg. 
I).  lehrt  eine  Art.  von  Kant  und  Herbart  beeinflußten,  „Spinozismus".    Die 
Metaphysik    untersucht    die    „allgemeinsten,    mit    unwiderstehlicher 
sich   jedermann   aufdrängenden,  m.  a.  W.    die  a  priori  gültigen 
der  Wirklichkeit."     I  >ie  Anschauungs-  und  Denkformen  sind  a  priori, 
-:h\.  aber  durch  objektive  Verhältnisse  bedingt.     Die  obersten  Gesetze  sind 
uz-  und   das    Kausalgesetz.    Der  zweckmäßige  Erfolg  einer 
rieh   zugleich    als    mechanisch   notwendiges    Produkt   der   Wechsel- 
dtr   konstanten    Naturelemente   betrachten   lassen.     Die  Dinge  sind 
eibständige   „Modifikationen   eines  einzigen   absolut  selbständigen,  d.  h. 
n  durch  sich  und  für  Bich  existierenden  Wesens",  der  unendlichen 
Dil    „Monaden",  deren  Erscheinungen  die  Atome  sind,  sind   kon- 
ii'-n  dereinen  Substanz.     Das  Leben  ist,  wenn  auch  den  Wirklich- 
•  in<   I  endenz  zukommt,  mechanisch  zu  erklären.  Die  psychischen 
Erlebnisse  in  für  aich  seienden  Modifikationen  der  Weltsubstanz, 
•  Ibständiger  und  dauernder  seelischer  Einheiten. 

n,    1 H77.    —    Philosophie    und    Naturwissenschaft,    2.    A. 
M  '  iphynk,   L885,  d.  a. 

Dietrich  Lei   von  Freiberg),  im  13.  Jahrhundert,  Domini- 


Dietrich  —  Dii.ihi  v  12'.» 


kaner,  »in  vom  Neuplatonismus  stark  beeinflußter  Mystiker  (Kmanationsstand- 
jmnkt,   Lehre  vom  „aktiven    Intellekt"  i. 

Vgl,   \V.   l'REGER,  Geschichte  der  Mystik,    1875,  1.    —    K.    Ki:j:bs.    Stadien  über 
IftcutSC  Dietrich,   1903. 

Digby,    Everard,    geb.   um   1550.    =    Englischer    Philosoph,    Eklektiker 
Verbindung  von  Aristotelismus  und   Neuplatonismus  . 

3     hriften:  Theoria  analytica,  1579.  —  Vgl,  FREUDKNTHAL,  Ar.hiv  f.  Ges.  hichte 
der   Philosophie  IV — V. 

Digby,  Kenelra,  englischer   Philosoph  des   17.  Jahrhunderts.  --  1>. 
binde!  nrhofaintinehf  mit  neueren,  mechanistischen  Anschauungen.    Das  Bein  i-t 
der  Grundbegriff  des  Erkennen*,  dem  alles  untergeordnet   werden  mufl    ..nihil 
mente  conerpi  qnod  -üb  entis   notione  oon  apprehendamus").    Die  Einheit  in 
den  Objekten  zu  erlassen  ist   die  ( Jrundfunktion  der  Seele. 

-    hriften:    Demonstratio    iramortalitatis    animae    ratimialis    (englisch    1644),    1664. 
—    Vgl.    l.\--wiiz.   Qsaefc.  d.    Atomistik,  11.   —   i    \  —  I K I .  i; .   Das  Krkenntnisproblem,  11. 

Dikainrchos  von  Iffessene,   I    Jahrb.  v.  Chr..  Schüler  de«  Aristoteles.  = 
Peripatetiker,  der  die  Lehre  des  Aristoteles  von  der  Seele  im   naturalistischen 

sinne  modifiziert.     Die  Beele  ist  nicht   eine  immaterielle,   bee lese  Bubstans, 

lern  die  allen    ( Organismen  eigene  Fähigkeit  des   Lebens  und  Empfindens. 

\.!ii  esse  omnino  aiiimum   et   1.        »    nomen    totum   inane  .  .  ..    nenne   in 

horaine  inesse  animura  vel  animam,  nee  in  bestia,  vimque  omnem  eam,  qua  vel 

onus  quid,  vel  sentiamus,  in  omnibus  oorporibus  viyis  aequabüitei  esse  fusum, 

nee  separabilem  s  corpore  esse,  quippe  quae  nulla  sdi  nee  rif   qutdquam    nisi 

corpus  unum  et  edmplez  ita  Rguratum,  n1  temperatione  naturae  vij  »entiatf4 

l  Tuscul.  disput.  I.  10,  21  . 

Dicssarchi  quae  mpsrrant,  cd.  M.   Fl  m:.   1841. 

Dille-*.  Ludwig,  geb.  ls~"  in  Hiebt/,  lebt  dort.  =  Von  Bpinoza  und 
Herbert,  auch  \<>n  Feuerbach  beeinflufit  Die  Empfindungen  sind  eine 
„BrachrealiüU  vom  unermeßlichen  Reiche  des  ödenden"  sie  enthalten  Hinw< 
aul  die  Außenwelt  und  das  [eh.  I>ie  Außenwelt  ist  „ein  Zeichensystem, 
ein  Balancebild  für  das  [eh  im  Gleichgewichiskampi  nm  seine  Position."  Die 
Dinge  und  Subjekte  wurzeln  im  AU-Einen,  der  gemeinsamen  Basis  aller 
[chwesen  („Panmonismus").  Durch  sein  „Mehrseinwollen"  setzt  sich  das  Ich 
in  einen  (ethisch  zu  überwindenden)  Gegensatz  zum  Allsein, 
tu  •  ■  zur   kUtaphysik,    r." 

llililK'.v.  Wilhelm,  :■        -  Biebrich.  Prof,  in   Berlin. 

I>.  historische    Urbeiten   zugleich  eine   Analyse   nnd   Synth* 

schiedener  Seiten  und  Momente  des  philosophischen  Denkens  enthalten,  gründet 
die  Philosophie  aut  die  innei  ihrung  und   vertritt    so  eine    iri   id. 

■tischen  Positivismus  oder  positivistischen  Idealismus.    Di   Metaphysik 
hat  ihre  Rolle  susgespiell  ibt    nur   Seiten    dej    Wirklichk( 

•  -luti.it  Rrfahrungsmomente,  führt  zu  Antinomien  und  unl< 

hai  nur  noch  die    lui  u   isenschafl 


DlLTHEY. 

in  einer  allgemeinen  Weltansicht  abzuschließen".  Die  Philosophie  ist  „die 
Grundwissenschaft,  welche  Form,  Regel  und  Zusammenhang  aller  Denkprozesse 
zu  ihrem  Gegenstände  hat,  die  von  dem  Zweck  bestimmt  sind,  gültiges  Wissen 
hervorzubringen."  Sic  erfaßt  die  Wirklichkeit  der  reinen  Erfahrung  und  zer- 
gliedert sie.  erfaßt  sie  auch  in  ihrem  Zusammenhange.  Die  Funktion  der 
Philosophie  ist  es.  „die  inneren  Antriebe  einer  Kultur  zum  Bewußtsein  ihrer 
seihet  zu  erheben  und  so  dieser  Kulturbewegimg  die  Klarheit  ihrer  Ziele  und 
die  Energie  ihres  Wollens  zu  verstärken,  ihr  die  letzten  Generalisationen  der 
erworbenen  Begriffe  auszubilden".  Ihre  Methode  ist  die  „Selbstbesinnung" r 
die  über  erkenntniskritische  Analyse  hinausgeht  und  im  „Strukturzusammen- 
des  [chfl  ihre  Quelle  und  ihre  Bedingungen  hat.  Nicht  das  Denken 
aDein,  sondern  auch  der  Wille,  das  einheitliche  Seelenleben  überhaupt 
gehört  zu  den  Erkenntnisfaktoren  (gegen  den  Intellektualismus);  die  abstrakt- 
analytische  Betrachtungsweise  wird  dem  stetigen  Zusammenhang  des  Geschehens 
Dicht  gerecht  (gegen  das  „Atomisieren"  u.  dgl.;  vgl.  Bergson).  Die  Kategorien 
Substanz  und  Kausalität)  stammen  aus  ursprünglichen,  konkreten  seelischen 
Zosammeiihängen  (Identität,  Wesen,  Wirken,  Zweck  u.  a.)  und  sind  auf  diese 
nicht  abertragbar.  Es  gibt  also  keine  psychische  Kausalität,  keinen  äußer- 
lich, n  Nexus  zwischen  gesonderten,  selbständigen  Elementen,  sondern  nur 
einen  stetigeren  inneren  Zusammenhang,  welcher  final  ist,  so  daß  im 
stesleben  der  Zweck  herrscht. 

l>i<    ( i  eisteswissenschaften   sind   von   den   Naturwissenschaften   scharf 
Odern;  sie  haben  es  mit  der  unmittelbaren,  vollen  Wirklichkeit  sowie 
mit  Werten,  Zwecken  und  Normen  zu  tun.    Ihr  Gegenstand  ist  die  „geschieht- 
Ikm-gesellschaftliche  Wirklichkeit",   deren   Manifestationen    wir  „nachzuerleben 
und  denkend   zu   erfassen"  haben;   sie  untersuchen   die    Zweckzusammenhänge 
(Kultursysteme)  und  deren  objektive  Gestaltungen.    Eine  „Kritik  der  historischen, 
Vernunft"  tut  not.     Aufgabe  der  Geschichte  ist  nicht  die  Erforschung  von 
idern    die    künstlerische    Darstellung   des    Einmaligen    in   dessen. 
Zusammenhange.      Die   Grundlage    der    Geisteswissenschaften    ist    die    (nicht 
iationistisch-atomistische   oder   physiologische,   sondern    teleologische,   be- 
schreibend-analytische)   Psychologie,   welche   die  Gleichförmigkeiten   in   der 
der  seelischen    Struktur  beschreibt.     Sie   ist   „die    Darstellung   der   in 
i    entwickelten    menschlichen    Seelenleben   gleichförmig   auftretenden   Be- 
•<il<-  nnd  Znsammenhänge,  wie  sie  in  einem  einzigen  Zusammenhang  ver- 
bonden  sind,  dei    nicht  hinzugedacht  oder  erschlossen,  sondern   erlebt  ist."     In 
der  i!  Erfahrung  sind  auch  die  Vorgänge  des  Erwirken«,  die  Verbindungen 

I    inktionen     gegeben.       Der    psychische    Strukturzusammenhang,     dessen 
durch    das   Trennen,    Unterscheiden    usw.   nicht  aufgehoben   wird,  ist 
•    [Auswahl    der    Eindrücke   usw.).    Eine  „innere  erlebbare 
det  die  psychischen  Vorgänge  zu  «-iner  primären  Einheit, 
rchischer  Elemente  ist    „Die  Natur  erklären  wir,   das 

am  all  sinnlich  vermitteltes  Phänomen  gegeben- 
elt    inr  das  bloße  Vorstellen.     Hingegen  ist  am 


I  MI. HU. Y    —    1  >IOGEN]  B.  l'M 


in  unserem  ganzen  wollend-fühlend  vorstellenden  Wesen  <li«  äufVre  Wirklich- 
keit gegeben,  als  Korrelat  und  Gegensatz  zu  unserem  Ich,  dem  sie  Widerstand 
leistet.  Der  Glaube  an  die  Außenwelt  ist  zu  erklären  „nicht  aus  einem  l)enk- 
xnsammenhang,    sondern   aus   einem    in    Trieb,    Wille    und    Gefühl  oen 

Zusammenhang  des  Lebens,  der  dann  durch  Prozesse,  die  den  Denkvorgingen 
äquivalent  sind,  vermitteil  ist.--  Indem  trotz  des  erlebten  Widerstandet  der 
Willensimpuls  fortwährt,  fühlen  wir  uns  gehemmt  und  Eassen  die  Hemmi 
als  BetStignng  eines  fremden  Faktors,  einer  wfllenaartigen  Krafl  auf.  Die 
Objekte  (Empfimdungsverbande  als  permanente  Ursachen  von  Wirkungen)  er- 
weisen in  den  von  unserem  Willen  unabhängigen  Gleichförmigkeiten  des  Wirk 
id.  b.  den  Gesetzen)  ihre  selbständige  Wirklichkeit. 

hriftcn:  Schleiermachors  Leben,  1870.  —  Einleitung  in  die  Geisteswissenschaften 
1,  1883.  —  Dichterische  Einbildungskraft  u.  Wahnsinn,  1886.  —  Die  Einbildungskraft 
des  Dichters,  1887.  —  Das  Erlebnis  u.  d.  Dichtung,  2.  A.  1910.  —  Beiträge  zur  Lösung 
der  Frage  vom  Ursprung  unseres  Glaubens  an  d.  Realität  d.  Außenwelt,  Sitzungsber.  d. 
l'reuß.  Akad.  d.  Wissensch.,  1890.  —  Das  Schaffen  des  Dichters,  Zeller-Festschrift,  1887. 
—  Ideen  über  eine  beschreibende  u.  zergliedernde  Psychologie,  Sitnmgtbsr.,  1894.  — 
Beiträge  wam  Studium  d.  Individualität,  Sitzungsber.,  1896.  —  Studien  zur  Grundlegung 
iL   Geisteswissensch.,   Sit/  1905.   —   Auffass.   u.  Analyse  d.   Menschen    ira    15.  a. 

16.  Jahrb.,  Art  li.  f.  Gesch.  d.  Philo«.  IV— V.  —  Das  natürl.  System  d.  Geisteswissensch. 
im  17.  Jahrh.,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philo«.  V  —  \  I.  —  Die  Autonomie  d.  Denkens,  der 
konstruktive  RationalimvJ  u.  d.  pantheist.  Monismus  im  17.  Jahrh.,  Anh.  f.  Gesch.  d. 
M.,  VII.  —  Der  entwicklungsgeschichtl.  PaatheUnun,  Archiv  f.  Geach.  d.  Plulos., 
XIII,  1900.  —  Das  Wesen  d.  Philosophie,  Kultur  d.  Oegeowsrl  1,  f..  1907.  —  Die 
Jugendgeschichte  Hegels,   1905,  u.  a. 

IHorioro*  Kronofl  ans  Kariei  .'»7  v.  Chr. 

I).  gehört  ror  Bchnle  der  Hegariker,  die  als  Dialektiker  berühmt  waren, 
üiieh  durch  ihre  Trugschlüsse  unter  dem  Namen  „Kyrieuon"  {xvQtefow  Myoe) 
ist  D.'a  Argument  bekannt,  dafl  nur  «las  Wirkliche  möglich,  das  Nicht- 
wirkliche aber  anmöglich  sei  („Id  solum  Ben  posse,  quod  auf  verum  aü 
aut  rerum  futurum  Bit",  Cicero«  de  Eato  17;  \_l.  ,;  12;  Epiktet,  Diasertal  II. 
19,  l  .  Wenn  von  iwei  Alternativen  eine  irirklich  ist,  so  ist  di<  zweite  an- 
glich, kann  daher  nicht  möglich  werden.  I  >.  erklärte  Bich  auch  (dialektisch) 
di<    Möglichkeit  der  Bewegung  (Bext  Empirie.  Adv.  Phys,  II.  I 

Vgl.  Zr.i.i.i.i:.  BiUuBgsborichtfl  d.   Berliner  Akademie. 

Diodoi'o*  von  Tyru-.  Peripatetiker  im  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Diodoto*   von   Bidon,   Bruder  da    Boethiuß,   Peripatetiker  im  I.  Jahrh. 

V.   Chr. 

IlioriofoN.  Stoiker,  ein  Lehrer  <  ic<  rt.  am  80  v,  ehr. 

Iii4>^<kii<>«*  der  Babylonier,  b.  I>.  von   I  u 

DtoajCBM   I .  i  i  '  I     ii.  < Ihr.  '■  ■ 

Dt  ririi  im), 

1"    l.i.   i  |     u.    latein.    [860    I     "..     deutn  1.  MatenalicrigtmmlunK   und    I 

Kr«;  ,    kompil  t    I  ob©rwo<.  -  II 

tinindn.      , 


Diogenes  —  Dionysius. 


Dioceaefl  von  Apollonia  (Kreta  oder  Phrygien),  lebte  im  5.  Jahrh. 
\    Chr.  in  Athen.    —    D.,   ein   Zeitgenosse  des  Anaxagoras,    bildete   die    Lehre 

Anaxiincnes  weiter.  Allen  Dingen  liegt  ein  ewiges  Prinzip  zugrunde,  die 
..Lut'f.  welche  alles  beherrscht  und  durchdringt  und  zugleich  geistig,  ver- 
nünftig, die  Gottheit  ist.  Alles  Geschehen  beruht  auf  Verdichtung  der  Luft 
und  Verdünnung  des  Verdichteten.    Auch  die  Seele  ist  „Luft". 

Schriften:  Ihoi  q  vaecos  (nur  Fragmente).  —  Vgl.  DlELS,  Vorsokratiker  I.  — 
>.  SLEDERMACHEB,  WW.  Abt.  III,  Bd.  II.  —  PANZERBIETER,  De  Diog.  A.  vita  et 
Kripti»,   U 

Diogenes  von  Oinoanda,  Anhänger  des  Epikur.  —  Vgl.  Diog.  Ocnoand. 

ucnta,  ed.  J.  William,   1907. 

Diogenes  von  Seleukeia  (der  Babylon ier),  Nachfolger  des  Zenon  von 
Itoreuii  in  der  Stoa,  gehörte  mit  Kritolaos  und  Karneades  zur  Gesandtschaft, 
(\\e  15^—156  v.  Chr.  in  Rom  war.  =  D.  setzt,  wie  die  anderen  Stoiker,  das 
sittlich  Gute   in    das  der  menschlichen  Natur  Gemäße  und  unterscheidet  dann 

Nützliche  als  dessen  Folge. 

Vgl.  C.  F.  THIERY,  De  Diog.  B.,  1830. 

I>iO£enes  von  Sinope,  Schüler  des  Antisthenes,  wegen  seines  starken 
..f  vnisiiius"  (Bedürfnislosigkeit,  Hinwegsetzung  über  die  sozialen  Werte  usw.) 
Hund)  genannt,  eine  Zeitlang  Erzieher  der  Söhne  des  Xeniades  in  Ko- 
rinth  I'iitirredung  mit  Alexander  dem  Großen),  gest.  um  323  v.  Chr.  = 
Schriften  hat  er  wohl  nicht  verfaßt,  er  ist  nur  durch  seine  oft  derben  und 
«ritzigen  Aussprüche  bekannt. 

I\.   W.   GÖTTLIXG,  Diog.  d.  Kyniker,  Gesammelte  Abhandl.  I,   1851. 

Dio^ene*  von  Smyrna,  war  ein  Anhänger  Demokrits. 

IMokles  wird  als  Pythagoreer  genannt.. 

IMoklos   von  Magnesia,  1.  Jahrh.  n.  Chr.  —  Schriften:   Bioi  ydooöcpoor; 
rt   <i  tXoooq  (,,)■  (Materialiensammlungen). 

l>ion     «n  Prusa  (Chrysostomos),  Rhetor,  Kyniker  (unter  Trajan). 

Dion.  Prn«.  .  .,  ed.  Arnim,    1893-96.  —  Leben  u.  Werke  d.   D.  von   Pr.,  1898. 

Dtonysiu«   Areopagita  (Pseudo-Dionysius).     Unter  dem  Namen  des 

der  als   erster   Bischof   von   Athen   genannt  wird,   laufen  Schriften 

liehen  Autor-  aus   der   /.weiten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts,    die  im 

nen  nicht  geringen  Einfluß  (auf  Maximus  Confessor,  Joh.  Scotus, 

ä  bolastiker  und  Mystiker)    geübt   haben    und   deren   Unechtheil 

i   der    Efumanisl    Laurentius   Valla   (15.  Jahrh.)   behauptet   hat.     Es  sind 

</ .     liegt  (ivozixrJG   fteoAoylag.     JIsqI  zfjg  ieQag%iag  ot)Qa- 

Briefe.   —   Opera   1539,    L834   u.  ö., 

Patrologiae  cursus;  deutsch  von  Engelhardt,  L823. 

h   von   Plotin,   aber  auch   von  Jamblichoe  und  Proklua 

•   die  christliche   Lehre  dem    Emanationssystem  zu, 

aufzugeben.      Er  unterscheidet  von  der  positiven 

auxr/)  Theologie,   welche  Gott  ;ds  den  über 


DlONYSIUS   —   DÖRU 


alle  Prädikate  Erhabenen,  Übe»e£enden,  überguten.   ubereinen  betrachtet,  den 
wir  nur  durch  ein  Nichtwissen  "■>-  ävatdlhjzt,  rgj.  die  „docta  ignorantia" 

dee  Nikolaus  von  Cusa   erfassen.     .Mit  Gott  »in-  zu  werden,  sich  ihm  n  \ 
ähnlichen  (im  Behauen)  ial  das  höchste  Ziel,  welches  di<  Menschheit  ab  Gar 
•  Inrch  Reinigung,    Erleuchtung  und  Vollendung,   rom  I.  .        interstützt,   er- 
reichen kann. 

In  Gott  sind  die  Ideen,  die  ewigen  Formen  und  Grunde  der  Dinge,  Dach 
denen  sie  gestaltet  sind.  Das  Bein  als  Bolchei  ist  gut;  das  Böae  hat  keine 
Existenz,  es  wurde  Bich  Belbai  aufheben.  In  allem  wirkt  die  göttliche  Vor- 
sehung. 

Vgl.   <  >.   SiEBBRT,  L>ie  Metapbys.   u.  Ethik  des  Paeudo-Dionysius,   1894. 

Dittes,  Friedrich,  geb.  1829  in  [rfersgrün  (Vogtland),  als  Leiter  des 
Pädagogiums  in  Wien  est  =    Anhanger    Benekea,   der   drei    psychische 

Grundprozesse   annimmt:    Rezeptions-,    Verschmelzungs-    und    A.usgleichun( 
prozeß.     Bh  gibt  sinnliche,  geistige  und  der  äußeren  und  inneren  Wahrnehmung 
insame  Kategorien. 

-    h  rillen:   Das  Ästhetische,  1854.   —  Xaturlehre  des  Moralischen,  1866.  --    I 

die  sitt.  iheit,   1860,  2.   A.  1892.    —  Grundriß    «1er  Erzichungs-  u.    (Titerrichta- 

lehre,    180h.    —     Lehrbuch    d.    ft  S,  6     A      1876  LehrbocS    d.    praktisch« 

k.    7.    A     1884,  u.  a 

Dominien««  Gundisalvi,  s.  GundisalyL 

I>oiniii i<u»  Botho,   1494—1560,  spanischer  Bcholastiker  (Thornkt),  be- 
kannt  all   Vorlauf«  II    _     Grotius    durch    seine    Schrift:    1»'-  insthaa 
iure,  r 

Dtjrlnf,  August,  geb.  L834  in  Elberfeld,  Professor  in  Berlin. 
Nach  1>.  ist  die  Philosophie  „Güterlehre".    Diese  ist  die  phflosophische 
Zentnlwiasenachafl  (rgjL  Ober  den  Begriff  der  Philosophie,  1878      Di<   Gut 
lehre  ial   „die  Wisaenschafl  von  den  allgemeingültigen  Werten  und  vom  I 
lamtwert".     Ein  (»ui  ist  etwa-.  da>  Wert  hat,  indem  es  Lust  erreg  ein 

Bedürfnis   befriedigt.     Böchstes  Gul   ist   das  „Bewußtsein  objektiven  ^ 
die  „begründete  SeUTstschitzung".     Die   Ethik    muß   unabhängig    ron   M- 
j.hysik  und  Religion,  auf  „menschlicher  Grundlagi  rundet  werden;   sie  ist 

altruistisch,  sozial  —  seh.     Der  größte  Teü  der  sittlichen  Vorschriften  be- 

sieht rieh  aui  das  „keinem  Wechsel  unterworfen«  Verhältnis  von  Menschen". 
Die  oberste  sittliche  Vorschrift  ist,  „keinem  fühlenden  Wesen  ohn<  N  nne 
swingenden  Grund,  Leid  suzufügen,  riehnehi  Fühlende  W<  nel  wir 

mögen,   in    seinem    Wohlsein    su   fördern41.     Die  Gesellschaft   ist   aichl  der 
l.t.  .  .1,-  Handelns,  aber  eines  der  wicht  Mittel  dazu.     Kur  Sitt- 

lichkeit gehört  nieht  der  btoft  ädern  die  Absicht  rar  Förderung  und 

die  Km-i'-lit   in  da*   wirklich   Heilsame,     Das  Sittliche  ist  demnach  ..<!,•    \ 

.im-  fremden  Wohlseins  als  Zweck,  oder  doch  die  1'nierl  von  Hand- 

lungen einzig  aus  dem  Grande,   wfü  sie  fremdes  Wohls«  D 

liehe   Motiv    ist    das    recht    rerstandene    1  is   der   Bell  u         Da» 

direkte  Sittliche  sind  di«    l  •  .  •  nden  d<  i      I  it". 


134  DÖRING  —  Drbal. 


Du  Bedürfnis  ist  (subjektiv)  das  Streben  nach  Erfüllung  der  Er- 
haltungsbedingungen,  ein  „potentielles  Gefühl",  der  letzte  Wertmesser.  Es 
gibt  materiale  und  formale  oder  Funktionsbedürfnisse.  Funktionelle  Bedürf- 
en dem  Ästhetißchen  zugrunde  (vgl.  Zeitschr.  f.  Psychol.  I,  1890). 
Kaum  and  Zeit  sind  Ingredienzien  der  Welteinrichtung,  aber  ohne  Wirksamkeit. 

Schriften:  Die  Kunstlehre  des  Aristoteles,  1876.  —  D.  Begr.  d.  Philos.,  1878. 
—  Grundzüge  d.  allgemeinen  Logik,  1880.  —  Philos.  Güterlehre,  1888.  —  System  der 
Pädagogik,  1894.  —  Über  Raum  und  Zeit,  1894.  —  Handbuch  der  menschlich-natür- 
lichen Sittenlehre,  1898.  —  Gesch.  d.  griech.  Philos.,   1903. 

Uorneiv  August,  geb.  1846  in  Schiltach,  Prof.  in  Königsberg. 

D.  i-t  besonders  von  Kant  und  Schleiermacher  beeinflußt.  Die  An- 
Bchanungsformen,  Kaum  und  Zeit,  sind  nicht  bloß  subjektiv.  Der  Raum 
n  reales,  aber  unwirksames  Ingrediens  der  Welt.  Ebenso  haben  die 
Kategorien  (Kausalität  usw.)  objektive  Geltung,  sie  weisen  ins  Transzendente, 
physische  hinaus.  „Daß  unser  Denken  gezwungen  ist,  Kategorien  zu 
bilden,  die  über  das  bloße  Denken  hinausgreifen,  beweist  uns  .  .  .,  daß  es  in- 
telligible  Realitäten  gibt,  die  die  Vernunft  beeinflussen,  Kategorien  zu  bilden, 
mit  denen  sie  sich  diese  Realitäten  vergegenwärtigt."  An  sich  existieren  Sub- 
stanzen, die  miteinander  in  Wechselwirkung  stehen,  deren  Erzeugnis  der 
Kaum  ist.  Leib  und  Seele  sind  numerisch  verschieden  und  stehen  in  Wechsel- 
wirkung. 

Gotl    ist   absoluter,   selbstbewußter  Geist,   über  die  Welt  erhaben  und  ihr 

ich  immanent,  Einheit  von  Vernunft  und  Wille;  in  Natur  und  Geschichte 

iar1    rieh   sein    Wirken.     Die  geschichtliche  Entwicklung  ist  teleologisch. 

reo  Edeen,   Normen,  vom  Sollen  beherrscht.     Der  Mechanismus  ist  ein  Werk- 

Eeng  des  <  soweit  er  ihn  nicht  hemmt.     Die  Religion  beruht  auf  dem 

EinheitsbedärfniB,  welches  den  Gegensatz  zwischen  Geist  und  Natur  überwinden 

ttill.     Der   Mensch   kann   seine  Abhängigkeit  von   der  Welt  nur  überwinden, 

wenn  es  eine  Macht   gibt,   die  der  Naturobjekte  mächtig  ist.     Die  Religion  ist 

so   „die  Beziehung  zu  einer  dem   Ich  übergeordneten    transzendenten  Sphäre''. 

Für  die  I  eligion  der  Gottmenschheit  ist   Gott  dem  Menschen  als  Geist 

immanent     und    zugleich    der    alle    Seelen    überragende    absolute    Geist.      Die 

eine    normative;  Wissenschaft.      Sie  zerfällt  in  Pflichten-,   Tugend- 

und  Güterlehre  und  betont  die  Rationalisierung  und  Harmonisierung  der  Natur 

dun-h   dai    menschliche    Handeln   im  geschichtlichen    Prozesse.     Das  ethische 

ideal  i-t  das  Reich  der  Persönlichkeiten. 

riften:     <\'ber   d.   Prinzipien  d.  Kantschen    Ethik,  1875.    —    Das    menschliche 

Erkennen,   1887.    —    Das    menschliche   Handeln,  1895.    —  Zur   Geschichte  d.  sittlichen 

l«u    u.    LebeM,   1901.    —    Religionsphilosophio,   1903.  —    Individuelle  und   sozialo 
l.ii/yklopädie  der  Philosophie,    1910,  u.  a. 

I>ibal.    Ilatthi  39—1885,    gest.    in    Brunn  als  Landesschulinspektor. 

8ch  Natur  der  Sinne,   1860.  —  Lehrbuch  der  propädeut.  Logik, 

.  4    A.   1886.    _  Psychologie,    1868,    6.   A.   1897.    —    Darstellung  der 

unde  und   Seelenlohre,   1872  f. 


I)  r.EHER  —  Drew-.  135 


Dreher,  Eugen,  geb.  1841,  gest.  1900  in  Berlin.  =  I).  ist  ein  Gegner 
<Jes  Materialismus.  Gott.  Freiheit,  Unsterblichkeit  Bind  Poetnlate,  die  empirisch- 
wissenschaftlich  nicht  zu  widerlegen  sind.     Die  Seele  ist  müsrnrnfln^wintit,  eine 

An  Staat. 

Schriften:  Der  Materialismus  eine  Verirrung  <1.  menschl.  Qeütet,  lbOJ.  —  Der 
Darwinismus  u.  s.  Stellung  in  d.  Philos.,  187  7.  —  Der  Darwinism.  u.  s.  Konsequenzen, 
1882.  —  Über  d.  Begriff  d.  Kraft,  1885.  —  Die  Grundlagen  d.  exakten  Naturwissen- 
schaften, 190<i.  —  Kritizismus  u.  Materialismus,  1893.  —   Philos.  Abhandlungen.  1  0<»3,  u.  a. 

Dressel,    Lodwig,    geb.  1840.    Prof.    in    Vslkenbarg.    =  ^Thomistischer 

Standpunkt. 

Schriften:   Der  belebte  und  unbelebte  Stoff,   1883,  u.  a. 

Dreßler,  Johann  Gottlieb,  1799—1867,  pjest  sie  Direktor  des  Lehrer- 
Beminan  in  Bautzen.    =   Standpunkt  Benekes.    —    I».-  Bonn   ist    0.  Dreßler. 

(Grundriß  der  psychoL  Anthropologie,  1868.  —  Lehrbuch  der  Anthropologie,  lv. 

Schriften:     Beiträge  zu  einer  bessoren  Gestaltung  d.  Psychol.  u.  Pädagogik,   1840 
— 1846.     —    Praktische    Denklehre,    1852.    —    Die    Grundlehren    d.    Psychol.    D.   L< - 
1867.    .;.    A.    1872,   und   viele   Aufsätze. 

IlrelHer.  Max,  geb.  1863  in  Karlsruhe,  Prof.  an  dir  Akad.  der  bilden- 
den Künste  daselbst.  =  D.  Lehrt  einen  roluntaristischen  ..M<»ni-mu-  <\>v 
Selbstentwicklung".  Subjekt  und  <>l>jckt  sind  in  untrennbarer  Einheil  die 
Form  des  lebendigen  Wissens,  des  Selbst,  Korrelate.  Das  Wissen  vom  Hin- 
ist nur  Mittel  tiir  das  Wissen  vom  Selbst,  welches,  höchste  Aktivität  i-t. 
dai;   alles    Dingliche,    Passive  nur   Durch|  tadium  ist.      Das  Sein   ist   das 

Belbstgewollte  Mittel   zur  Selbsterkenntnis;   die  Dinge  entspringen  dem  Willen 
/um  Wissen.     Das  Selbst   ist   „lebendige  Selbsterkenntnis   durch   schöpferische 

istdarstellung".     Der  Will«-  /um   Selbst   i-t  Schöpfer  <\>v  Welt,  Mittel  /um 
Seibetsein.     Im--  Weltentwicklung  i-t  Wissensentwicklung. 

-    hriften     Vorlesoagei  ül»«- 1    Psychologie.     Die  Welt  als   Willo  zum  Selbst,   1  • 

—  1:  i-the,    1904.   —   Der   lloaumu  dos  Gesetzes   u.   dtt   Ideal   d.    Freiheit,    19 

—  A nf--.it/ce   in  den   Preuß.   Jahrbib  bern. 

DrowSf  Lrthur,geb.  1865  in  l  Fetersen,  Prof. an  d.techn.  Hochsch.in  Karlsruhe 
1  >.  ir-t  Aidian-.     1       .  Bartmanns.    Kr  betont,  daß  rem  Ich  kein  /.  . 
zur  absoluten    Wirklichkeit    besteht     Das    Ich  i-t    kein   reales   Subjekt,   k«in 
keine  Substanz,    nur  dir  „Form"  des  Bewußtseins,   und  dirsts  i-t  nur 
di.    DasstTe,   unwirksame    Erscheinung  des  Dinges   au   -ich.   d.  h.  dei  „Unbe- 
wußten", welchee  Will«'  und  [dee  ist    und   rieh  in  eine  Mannigfaltigkeit   von 
Akten  (den  Individuen    gliedert     Das  Dynamische  im  Sein  i-t  der  NN."  i  1 1  *  - .  das 
ische  die  Ldee>     Gott   hat  an  -ich  weder  Bewußtsein  noch   Persönlich^ 
ist    Einheit   in  dir  Vielheit    („konkreter  Monismus4*).     1'      9  das 

lebendige   System  ron   unbewußten  .  .  .  WUlensakten  der  absoluten  Substanz, 
deren   äußere  Erscheinung   unser   Leib   und  deren   innen    Erscheinui 
■amtheit  unserer  bewußten  psychischen  Punktionen  bUdet        Du    Wirklichkeit 
meiner  telbst   kann  ich  nicht  erleben,  nur  erschließen.     Sein  und    l  ein 

Bind    auch    in    im-    nicht    identisch;    ein    Bewutttaein    an    zieh    gibt    t>    nicht. 


Däewb  —  Driesch. 


an    sich    existiert    nur    das    Unbewußte   als   gemeinsames    Wesen    von    Natur 

und  Quat. 

riftOB  :    Die  Lehre  von  Kaum  und  Zeit  in  der  nachkantisehen  Philos.,  1889. 

Die  deutsche   Spekulation  seit  Kant,   1893;   2.  A.  1895.  —  Kants  Naturphilos.,  1894. 

I  ber  d.   Verhältnis  d.  Naturwissenschaften  zur    Philos.,   1896.  — ■   Das  Ich  als  Grund- 

il    Metaphvsik,  1897.    —   Ed.  v.  Hartraanns    philos.    System  im  Grundriß,   1902. 

HMtaaehea  Philosophie,  1904.    —    Die   Religion    als    Selbstbewußtsein  Gottes,    1900. 

Der  Monismus   19(>8.  —  Plotin  und  der  Untergang  der  antiken  Welt,   1908.   —    Die- 

i'hriatus-MvtW,    1909,  u.  a. 

Dreyer,  Friedrich,  geb.  18Gb'  in  Gotha,  lebt  in  Wenigenjena. 
Schriften:     Wege  biolog.  Forschung,  1892.  —  Studien  zur  Methodenlehre  u.  Er- 
kenntniskritik, 1895 — 1903,  u.  a. 

Dreyer.  Hugo.  geb.  18G0  in  Ludwigsburg.  =  Personalistischer  Stand- 
punkt (vgl.  L.  W.  Stern). 

Schriften:  Pereonalismus  und  Realismus,  1905.  —  Der  Begriff  , Geist'  in  der- 
deutschen  Philosophie  von  Kant  bis  Hegel,  Kantstudien  V,  1907,  u.  a. 

Driesoli,  Hans,  geb.  1867,  Privat-Dozent  in  Heidelberg. 
I».  i>t  rin  vitalistischer  Biologe,  der  erkenntnistheoretisch  von  Kant  (An- 
nahme eines  A  priori,  Kategorien  als  Bedingungen  der  Natur),  naturphilosophisch 
von  Aristoteles.  Ed.  v.  Hartmann  u.  a.   beeinflußt  ist.     Das  Leben   ist  etwas 
Autonomes,  es  hat  eine  Eigengesetzlichkeit,  ist  mechanisch  nicht  restlos  zu  er- 
klären.   Die  Prozesse  der  Pegulation,  Restitution,  Regeneration,  Selbststeuerung. 
Tatsache  der  ..harmonischen  Aquipotentialität''    (Umgestaltung  von  Bruch- 
stücken ganismufi   zu   einem   verkleinerten    Ganzen),    die   Tatsache   der 
.  Bandlung",  der  historisch-individuelle  Faktor  des  Lebens,  der  die  Funktionen 
immer    im    bestimmten    Sinne    ausfallen    läßt,    zwingen    zu    einer   dynamischen 
logie.      Was  in  den   Organismen    zweckmäßig    wirkt   und  auch  der  „pro- 
spektiven l'otenz"  des  Keimelementes  zugrunde  liegt,  ist  ein  besonderer  Natu r - 
faktor,    dem    Psychischen   analog  („Psychoid"),  aber  nicht  psychologisch-sub- 
jektiv,  sondern   objektiv,    als   „Entelechie"   zu  bestimmen,   als  ein  nicht-energe- 
Xiel  in  sich  tragendes  und  verwirklichendes  Prinzip,  eine  Konstante 
\rt,  welche  gestaltend,  organisierend,  hemmend  und  regulierend  wirkt, 
lie   ..Individnalitätskonstantc",   indem    die   Individualität   nach    I ). 
ist      Eine   der   Hauptkomponenten  der  Handlungen  ist, 
•     wh<    Reaktionsbasis"    die   individuelle   Geschichte  des  Organismus. 
lechie"    isl    die   Grundlage    des   Ci-sprungs   eines  organischen  Körpers  und 
rnndlagi   di     Handlung  -i  eine  Mannigfaltigkeit  typischer  Art,  keine 
mdero    eine    „intensive    .Mannigfaltigkeit",    deren    Leistung    nidii 
renn   sie  auch  Räumliche*  schafft.     Es  gibt  verschiedene  Arten 
i  ntelechu  morphogenetica,  E.  psychoidea  usw.). 

Ei    ^it.t    freilich    im   Organismus    viele    Prozesse   rom 

i    pus,    <l.   h.    Prozesse,    »reiche    auf  Grundlage    einer 

•  li  oder  zweckmäßig  verlaufen;  aber  die  Entelechie 

en;    und   so  hat    itatische  Teleologie  ihre  Wurzel   in 

Entelechie  kann  zur  Entfaltung  gebrachJ 


DRIE84  n  —  Drobi-<  li.  137 


werden  durch  eine  Verinderung  in  der  körperlichen  Natur  ....  und  aui  der 
■öderen  Beite  kann  ICnttl*<liit'  ihrerseits  /u  Änderungen  der  körperlichen  Natur 
führend     Da  der  Entelechie  alle  quantitativen    Kennzeichen    fehlen,   sie  nur 

eziehende  Ordnung*4   ist,    kann   sie   nicht    Energie   Bein.     Sie   kann    1 
oichl  rennehren,   nicht   auslösen,   Dicht   in   ihrer   Bichtui  Indern,  Bondern 

nur  möglichee  GSeechehen  bo  lange    ^suspendieren",    wie   -  ötig   hat 

nur   fähig,   ^diejenigen   Reaktionen,   welche   Ewischen  den  in  einem  System 
vorhandenen  Verbindungen  möglich  lind  und  ohne  die  Dazwischenkunft  \<>n 
Entelechie  geacheheo  würden,  so  lange  /u  inapendieren,  wie  sie  • 
hat--.     „Wir  laaaen  I&telechie  nur  dai  b  Aktualität   Beizen,   was   Bie   Bell 
vordem  gehindert,  wa- -ie -rll.-i  Boapendierl  hatte"  (Fhiloal  d.  Organischen  II 
Die  Selektion  ist  nur  ein  oegativer  Entwicklungstaktor,   sie   Betet    das    Zweck- 
mäßige  schon    roraus    und   i-t   nur   Ausmerzung   des    unzweckmäßigen.      Di< 
Finalit&t"  i-t  eine  [Jnterklaase  der  Kategorie   der   Individualität.     Was  wirkt, 

Dicht  das  Ende,  Bondern  „das  lande  in  Beiner  Einbildung  haben".  I1 
übliche  psychophysische  ParalleliBmufl  iat  abzulehnen.  Es  gibt  nur  •inen 
„Parallelismus"  /wischen  dem  bewußten  Selbeterlebten  der  mtrapayehischen 
Reihe  und  den  Tätigkeiten  des  „Psychoid".  Metaphysisch  aber  tritt  da-  Wirk- 
lich' ii  beide  Seiten  das  Psychische  und  das  Psychoid  sind,  mit  dem 
Wirklichen,  welches  wir  in  der  Erscheinungsform  de-  Mechanischen  oder 
Energetischen  kennen,  in  Wechselwirkung.  —  Die  Natur  besteht  au-  einem 
vollständig  räumlichen  und  au-  einem  nur  teilweise  raumlichen  Teil-; 
alao  nicht  bloß  ein  mechaniaches  System.  Eine  K  tegi  rie  i-t  auch  die  „Mora- 
litäf.  die  ein  Bestandteil  der  (idealen)  Natur  iat.  <">"  "der  das  Absolute  i-t 
die  primäre  Entelechie  der  Bauordnung  der  Welt. 

9    hinten:     Ihn-  d.  (jrundlagen  der  Krkmntni-.  Die  B 

Lige  Graadwiaaeai  Die  orj  gntetioaen, 

•1.   organischen  Entwicklung,  1894.   —    I'  einentanr  Naturfkktor,    19< 

l»ie     IfauebUM  «1.      \.e\>  Na'  .1  :  «'_'iitte    uml     Natiirurtei.c,      1904. 

Philosophie  d    Ol 
III.    int.    KoBgrefi  f.   ri.il.......    L909,    S.    :>\-l    lt       -      Zwei     \ 

Naturen  i  1910,  n.  a. 

l>iol»i<Mli.  Moritc Wilhelm,  geb.  1802 in  Leipzig,  Prof. daselbst 
I  >.   iat    wesentlich    Eerbartianer.     Aufgabe  der  Logik   i-t  d 

der  „Norm  .        k-s    Denkens,      h      l ,-ik   i-t  eine  formal«    Wissensc! 

und    von   der    Psychologie    nnabh  i-t    eine  aormative   Wissenschaft, 

Voraussetzung  der  L<"jik  i-i  da-    konkrete,    mit  dem   Erkennen    verschi 
Denken,     au-    welchem    sie    ihre    Grundformen    durch     \   itri  nnt. 

Formen  ohne  Inhalt  kennt  sie  nicht,   sondern  nur  solche, 
sonderen    Inhalt,   der  sie  erfüllen   mag,    nnabh fi  D       \   I 

meine  uml  Notwendige  ;-t  na<h  I».  kein  Ergebnis  der  Kit. dum,  lern 

Denkens,  d.h.   „derjenigen  Verknüpfung    dei    B<  areiche  d«    I 

Bchaffenheit  und  den  Verh&ltniasen  de-  in  ihnen  Gedachi  N 

die    |;.  .  n,-t    Bind   von   der   Erfahrung    unabhü  h,   nur 

knüpfoi  I      gibt    nur  ii<  -t  \\ .  ndli  i    I   rtril«    und   Schlu 


Drobisch  —  Duboc. 


notwendigen  Begriffe,"     Die  Axiome  der  Mathematik  haben  unmittelbare  Evi- 
hen  der  Anschauung  von  assertorischer  Geltung.     Das  Denken 
er  Funktion  nach,    ein   „Zusammenfassen    eines  Mannigfaltigen  in  einer 
-,;r.       Im   Denken,   im   Urteil   erst  entstehen    die   (logischen)    Begriffe. 
Das  Denken  bildet  ans  den  Vorstellungen  Begriffe,  indem  es  das  zu  dem  Was 
stellten  Gehörige  zum  Bewußtsein  bringt   und  das,    was    nicht   dazu 
>ri.   absondert.      Dies  geschieht  in  den  Urteilen,    die   daher  teils   b ei- 
le,   teils    absprechende    sind."      Das    Urteil    ist    die    „Denkform, 
durch  welche  Vorstellungen  zu  Begriffen  ausgebildet  werden". 

IdBBO&Ation  und  Reproduktion  sind  die  psychischen  Grundprozesse.    Mit 

Hemmungen   und  Bewegungen  der  Vorstellungen  haben  es  die  Statik  und 

M-rhanik    zu    tun.   —   Die  Religion  ist  ein  Produkt   der   Bedürftigkeit   des 

Menschen   nach   Befreiung  und   Erlösung   von   dem   Druck   der   Natur.      Die 

ligionsphilosophie  hat  das  Dasein  Gottes  objektiv  zu  erweisen.     Der  teleolo- 

•••sbeweis  verfügt   über  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit,  höher  steht 

er    das    ethiko-theologische   Argument,    indem    (der    persönliche)     Gott    als 

lingnng     der    Verwirklichung     des    sittlichen     Weltzweckes     durch    unser 

Bandeln  zu  denken  ist. 

B  hritten:  Neue  Darstellung  der  Logik,  183G;  5.  A.  1887.  —  Grundlehren  der 
Religionsphilos.,  1840.  —  Empirische  Psychologie,  1842;  2.  A.  1898.  —  Erste  Grund- 
linien d.  matheraat.  Psychologie,  1850.  —  Die  moralische  Statistik  u.  d.  menschliche 
Willensfreiheit,  1867.  —  Über  d.  Fortbildung  d.  Philos.  durch  Herbart,  1876.  — 
Kants  Dinge  an  sich  u.  s.  Erfahrungsbegriff,  1885.  —  Vgl.  NeubeRT-DrOBISCH, 
W.   Drobisch,   1902. 

Droftbaclu  Max.  =  D.  ist  wesentlich  von  Leibniz  beeinflußt,  Die  Dinge 
tehen  aus  Atomen,  die  —  indem  sie  innere  Zustände  besitzen  —  als 
Monaden  gedacht  sind  und  eine  Stufenreihe  bilden,  an  dessen  Spitze  die  dem 
Universum  immanente  Gottheit  als  höchste  Intelligenz  und  Macht  steht.  Die 
-  ele  ist  unsterblich.  Wir  nehmen  nicht  Erscheinungen,  sondern  die  Ursachen 
solcher,  die  Kräfte  wahr,  die  mit  uns  in  Wechselwirkung  stehen. 

hriften:    Die    individuelle    Unsterblichkeit,     1853.    —   Die    Harmonie    der    Er- 
Vaturforsch.  mit  d.  Forderungen  d.  menachl.  Gemüts,    1858.    —   Die  Objekte 
r  sinnlich«  n   Wahrnehmung,   1865.   —  Die  Genesis  des  Bewußtseins  nach  atomistischen 
-.zipi-n,    18GG.    —    Über    Erkenntnis,    1869.    —    Über    d.    verschiedenen    Grade    der 
.   d.  Natur,   1873.  —    Über  Kraft  u.  Bewegung,  1876.  —  Über  d.  Ausgangs- 
punkt o.  d.  Grundlage  d.   Philoa.,   1881.   —  Über   die    scheinbaren    u.  d.    wirklichen   Ur- 
d.    Welt,   1884. 

DiiIhh*.   Juli«  L905,    lebte    in    Dresden.    =    D.    bekennt    sich  zu 

I  utionist  isch-monistischen   Weltanschauung  und  zum  Atheis- 

t  in    ihrer    höchsten    Verfeinerung,    die    Glückseligkeit    ist    das 

'i<-    Handelns,    aii'li    des    sittlichen.      Der   ethische    Imperativ   lautet:  Tue, 

dei  tfenschheitewille  in  dir  verlangt.    (Sozialer  Eudä- 

Gott,   Untersuchungen  über  d.  ethischen  Gehalt  d.  Athois- 
D«  miuh  al»  Weltanschauung,  1881.  —  Grundriß  einor  Trioblchre 


Imuoc  —  Duhamel. 


Tom  Standpunkt   des    Determinismus,    1892.    —    Jenseits   vom   Wirklichen,   1897.  —  Die 
Lust  als  sozial-ethisches  Entwicklungsprinzip,   1900,  u.  a. 

Dn  Bois-Reymond.  Emu,  geb.  1815  in  Berlin.  Prof.  der  Physiologie 
daselbst,  gest.  1896. 

D.  ist  durch  sein  „IgDonbumu"  in  weiten  Kreisen  bekannt  geworden. 
Von  den  sieben  „Welträtseln''  sind  der  Ursprung  des  Lebens,  die  Zweckmifl 
keit  der  Organismen  und  die  Ausbildung  der  Vernunft  und  Sprache  im  Prinzip 
losbar.  Hingegen  bleiben  unlösbar,  transzendent  vier  Probleme:  Wesen  von 
Kraft  und  Materie,  Ursprung  der  Bewegung,  Entstehung  von  Empfindung  und 
Bewußtsein,  Willensfreiheit.  Wenn  man  auch  noch  so  genau  den  Bau 
Gehirns  und  das  mechanische  Zusammenwirken  der  Moleküle  und  Atome  kennen 
wird,    kann   man    daran-  doch  nicht    im  geringsten    das    Psychische  als   solches 

greifen  und  ableiten.    Dies  gilt  selbst  für  einen  unendlichen  („Laplace-eh- ■ 
st,  der  ans  der  Kenntnis    der  Lage    und  Bewegungen  der   Atome  eu  einer 

stimmten  Zeil  alles  Zukünftige,  soweit  es  mechanisch  abläuft,  vorauszusehen 
rennag.  Troti  ihrer  .Mängel  und  Schwierigkeiten  (z.  B.  des  Atombegriffs)  isl 
doch  di«-  mechanistische  Naturerklarung  die  einzig  she.    .dl-  gibt  für  ans 

kein  anderes  Erkennen  als  das  mechanische,  ein  wie  kümmerliches  Surrogat  für 
wahre-  Erkennen  es  auch  sei,  und  demgemäß  nur  eine  wahrhaft  wissenschaft- 
lichc  Denkform,  die  ph\ -ikali-<h-n^it li.tnat i-<h«--.  „Die  theoretische  Natur- 
srissenschaft  ruht  nicht  eher,  als  bis  sie  die  ErscheinungBwell  auf  Bewegung 
letzter  Elemente  zurückführt,  vrelche  nach  denselben  Gesetzen  ror  Bich  gehen 
>\ ic  die  der  gröberen,  sinnfälligen  Materie"  (Bed.  I.  232, 

Schriften:  (iesammelto  Abhandlungen  zur  allgemeinen  Muskel-  und   Nervonpl. 
1875  tf.    —    Über    dio    Grenzen    der    Xuturerkenntnis,    1872.     —    Die    sieben    W 
1882.  —   Reden   u.   Aufsätze,   I.   A.    1SSG   (enthalten  auch  die  beiden  genannten  Yortr.t. 

Duho*.  Jean  Baptiste,  1660—1742.  =  Drn. nun-  des  Gefühls  im  Ästhe- 
tischen, der  reinen  Affekte  im  Dntenchiede  von  jenen  des  realen  Lebens. 
Kunst  und  ästhetischer  Genua  entspringen  dem  Triebe,  die  Seelenkräfte  in  an- 
genehme Punktion  zu  setzen. 

8     I  ritten:    BSBSziOM   l  riti^ues  sur   la  poesie,   la   peinture   et    la   niu.-ique,    1719. 

IMi-.ihl  Stewart  s.  Stewart. 

DssgssBj  Louis,  geb.  is7i  in  Portici  =   Die  Sprache  bedeutet  eine  a 
kürzung   des   Denkens  durch   [Jnterdrückung   der  anschaulichen  Vbrstelluni 

(..im  pouToir  d'arret  1<-  Suspension  des  ü  Das   sprachliche,  rerein- 

fachte  Denken  ermöglicht   Allgemeinheit   der  Erkenntnis,  indem  es  symbolisch 
i-t      Doch  dart  es  nicht  bis  /um  „Psittazismus"    kommen,   sro  die  Worte  all«- 
•  huiit  haben,  leer  sind. 

-  briftta:   Lt  pdtt  st  la  per  boliqae,  1896.  —    \'- 

LVOS,    —    Ie   |.robl.  de   iV-duratinn,    1  ««09. 

Duhamel,   i.    1797—1872,   Mathematiker.        D     Grui  Bender 

Mathematik,   Natur-   und  fieiBteswisseiischuften  wind  die  Analyse  und   Synth.—  . 
1 1  •    Anal  die  Method«   der  Bntdeckui 

-  briften:    1'  'lann  len 


140  DUHBM   —   DÜHRING. 


IMiliem.  Pierre,  geb.  1861  in  Paris,  Physiker,  Prof.  d.  Physik  in  Bordeaux. 
Vertreter   der   „phänomenologischen",    begriff  lieh  -  mathematischen    Physik. 
tausche  Theorie  wird  .  .  .  ein  System  logisch  aneinandergeketteter 
e,  eicht  aber  eine  zusammenhängende  Folge  mechanischer  oder  algeb- 
M  delle  sein."     Da  dieselben  Tatsachen  die  verschiedenste  theoretische 
ing  erhalten  können,  so  ist  in  den  physikalischen  Theorien  manches  Kon- 
ventionelle und  kommt  hier  die  „Denkökonomie"  (s.  Mach)  zur  Geltung. 
B     Lriften:  Ziel  und  Struktur  der  physikalischen  Theorie,   1908,  u.  a. 

I>üliriii£.  Eugen,  geb.  1833  in  Groß-Zehlendorf  bei  Berlin,  1863  Privat- 
t    in    Berlin,   verlor   die    venia   legendi   wegen    seiner    Angriffe   auf   ver- 
ladene Professoren. 

D..  der  von  Feuerbach,  Comte  u.  a.  beeinflußt  ist,  lehrt  einen  dem  Materialis- 
Euneigenden    Positivismus,    eine    „Wirklichkeitsphilosophie",     welche 
nichts   anerkennt,   als  denkend    verarbeitete    Tatsachen    der   Erfahrung.      Die 
Philosophie  ist  aktivistisch  zu  gestalten,   sie  soll  ein  „Prinzip  allseitiger  Ge- 
stalt um:  des  Lebens"  sein.     Sie  ist  die  „Entwicklung  der  höchsten   Form  des 
Bewußtseins   von   Welt   und   Leben".     Sie  ist   Wirklichkeitsphilosophie, 
:_r   das  Bein  ..ausschließlich  am  Leitfaden  der  Materialität  oder,  was  das- 
am  Leitfaden  der  wahrnehmbaren  Kräfte".     „Sie  beruft   sich   nur 
auf  Augen  und  Ohren  und  auf  Verstandesschlüsse."     Sie  ist  Kealismus  und 
Objektivismus,    Gegnerin   alles    Subjektivismus   und    Idealismus   (Kants  u.  a.)- 
Denken   und  Sein   sind  insofern   identisch,  als  die  Gesetze  beider  einander 
entsprechen,  als  das  Sein  durch  das  Erkennen   nachgebildet  wird,   so  daß  alles 
s   zu  begreifen  ist.     „Die  Xaturwirklichkeit   muß   genau   dem   Gedanken 
rechen/'     Die  Empfindungsqualitäten,  die  Anschauungsformen  (Kaum 
und    Zeit),   die   Kategorien   (Kausalität   usw.)   sind   objektiv.     Letztere   sind 
Schemata]   „deren  gegenständliche   und  an  sich  vorhandene  Seite  das  Grund- 
-•  ins   und  der  Seinsverhältnisse,  also   die  Grundgesetze  der  Seins- 
Ibet   vorstellt."     Unsere  Erkenntnisformen  sind   durch  die   ihnen 
vorausgehendes  s  insformen  bedingt,  sie  sind  subjektive  Kopien  objektiver  Ver- 
hältnisse.     Hingegen    sagt   das    „Gesetz   der   bestimmten   Anzahl"    (vgl.   auch 
ede  gegebene  Zahl   und  Größe  als   solche   endlich  sein   muß, 
I  nendlichkeil  also  nur  in  unserer  subjektiven  Fähigkeit,  immer  weiter  zu 
Eine  abgezahlte  Unzahl  oder  Unendlichkeit  von  Einheiten  wäre 
Widerspruch."     Das  Geschehen  (nicht  das  Sei]])  hat  einen  Anfang; 
Gi    'ii-tiick    zur    „subjektiven    Schrankenlos^  keif"'   der 
•Im-    WVlt    [gl    endlich    in    bezug   auf  Zeit,   Raum   und    Kausalität.    Die 
mfaßl  di<'  für  all*-  Sein  geltenden  Prinzipien. 
I  ze  haben  objektive  Korrelate;  so  gibt  es  in  der  Wirklichkeit 

Denken)  keinen  Widerspruch,  nur  einen   „Antagonismus  der 
•    Logik44    der   Dinge.     Das   Geschehen    in   der 
eher  Art     •     hat   einmal  als  ein  erster  Zustand  des   an 
Beharrung  und  Entwicklung  gehören  untrenn- 
l  h  Bchehenf  i-t   die  Materie,  deren  Zustand 
al    aus    Atome,,.     Ein    Produkt   des   Natur- 


Dühbietg  —  DuHa  Boon  s,  141 


-■•hehens  ist  toset  die  Empfindung.    Eine  immaterielle   Seele   i-r  ein  Un- 
ding; die  BewuAtsetasYorgange  beruhen  auf  den   Wiiknogen  besonderer  Teile 

des  Gehirns.  Die  Natur  ist  auf  die  Entstehung  da  Empfindung  angelegt, 
hat  diese  /um  Ziele,  indem  die  Ordnung  der  Kausalreihe  sie  notwendig  zur 
Folge  hat.  Immer  höhere  Seinsstufen  zu  produzieren,  i-t  das  Ziel  der  Natur. 
Troti  der  in  ihr  vorkommenden  Störungen  ist  ne  ab  Ganzes  gut  (Optünismt 

—  Die  „denkerisclie--  Ethik  D.s  ist  altruistisch,  sie  betont  die  Gerechtigkeit 
und  die  vernünftig:  geleitete  Sympathie  (Mitleid).  In  dem  „sozieunn  System" 
sind  Individualismus  und  SosJahsmue  rereinigt;  die  GleichbereehtiLMinLi  aller 
ist  za  (ordern,  der  Wegfall  aller  Unterdrückung  und  Gewalt  Die  Religion 
ist  dann  überflüssig  (Atheismus). 

9  hriften:  De  tempore,  epatio,  .  ausalitate  atque  de  analysis  infinitefiimalis  log 
1861.  _  Watten,  Kapital,  Arbeit,  2.  A.  1906.  —  Natürliche  Dialektik,  1865.  —  I 
War!  des  Lebens,  1865;   6.  A.  1902.  —    Krit.  Grundlegung  d.  Volkswirtschaftslehre,   l€ 

—  Krit.  Geschichte  d.  Philos.,  1869;  4.  A.  1891.  —  Krit.  Geschichte  d.  Nationalökonomie 
u.  «1.  Sozialismus,  1871;  3.  A.  1871».  —  Krit.  Gesch.  d.  allgem.  Prinzipien  d.  Mechanik, 
1878;  8.  A.  1887.  —  Kursus  der  National-  u.  Sozialökonomie,  1873:  2.  A.  1876.  — 
Korrai  d.  Philosophie,   1875.   —  Logik  u.  Wii  ftatheorie,    1878;    2.  A.    L905.  — 

I.    1  cinde,    1882;   2.   A.    1902.    —    Der    Ersatz    der    Religion  durch   Voll- 
koflnnenerw,    1888;   3.  A.  19o6.  —  Gesamtkursus   d.   Philos.,    1894  ff.   —   Die  Judenfr;. 
ItOl.  —  Wirklichkeit»philo».,  1895.  —  Soziale  Rettung  durch  wirkl.  Bockt,  1907.  —  ff 
\'.MHI\<.r.i:.    Hartmanu,    Dthriog   u.    Lant;e,    1876.   —   Fr.    ETOKLB,     Bern    Dührinir- 
Um« finnig  <L    wleeeMchefl,    ists;    5.    \.    1904    i..Ai.ti-Dührii  -  DmUBKOWm, 

I.     ;..,    i«89.  —   ^     POBNBR,    ibrifl  d.   Phil.»     E.    1»>.    1906. 

Dnmoiit.  Louis,   1837-  1877.     =    Dm   Gefühl   tsl   ein   Reflex   eon    Emp- 
findungen.   Lust   entsteht,  «renn  eine   Vermehrung  der   Kraft   in  der  Bpo 

-  Bewußtseins  zutage  tritt.    [Jrsache  der  Unlust   ist   ein  Btarkcs  Abweichen 
v.  >n  der  molekulsren  Gleichgewichtslage  der  tfervensubstanz. 

-    briftc       !.•  -  dl   rite,   1868.    —  d    and   Bchii  rs,   u.  a. 

Iiunaii.  Charta  1849  in   Nantes,   Prof.  in   Paris.   =    Betreffi  der 

EtaumTorstellnng   vertritt  D.  den    N  Die  „Kontingenz"  führl   I>.  auf 

die  Unendlichkeit  zurück. 

rtoi     Theorie    p«]   bologiqse   de    l'eopaos,  1895.  —  Sur  les   forme«  a  priori 
d«  de    [ihilooophie  '1     1808.    —    Lee    d 

isuieo,   1810. 

IIuiim  s<*otu*».   Johannes,    „doetor   subtilis",    geb.  I    "• 

Dunston   (Northumberiand)   oder   in    Dun   (Irland),   wurde    Franziskaner   and 
Professor  in  Oxford,  lehrte  dann  in  Paria,  wh  19ÜÖ  in  Köln; 

l>  Haupt  einer  eigenen  Richtung  der  Scholastik;  erat  bei  ihm  und 

den  „Skotisten"   findet   sich   eigentlich   jene   subtile,   oft 
An  dm  Unterscheiden!  und    Irgumenuerens,  di< 
wortei,  wird.    Beeinflußl  ist  1>.  u.  a.  auch  rom  Platoniamui  und  Neap 
um-,  von  Augustinus,   ron   Aricebron.     Polemik   und   Kritik   fielen  in   -in.  n 
-  hriften  eine  grofle  R«»li-  -*«•  sk.|  den  herkörnmlicJ 

um.  nten  für  d  in  Gottes  usw.  n  rbindet  lieh  mit 

keit.     Gegenüber  den   Schwächen   loj  en   in   th<  hrn 


142  Duns  Bcotus. 


Dingen  wird  auf  die  Offenbarung,  den  Glauben,  den  Willen  rekurriert.     Wie 
Augustinus  ist   D.  Voluntarist,  er  betont  den   Primat  des  Willens  vor  dem 
Vkr  und    tritt    so    zu   Thomas    von   Aquino   in  einen   gewissen  Gegensatz. 
Während  die  Philosophie  die  theoretische  Wissenschaft  vom  Wesen  der  Dinge 
hat  die  Theologie  mehr  praktischen  Wert  als  logische  Bedeutung. 
Der  Allgemeinste   Begriff   ist   der   des  Seienden   (ens);  dieser  Begriff  ist 
über   alle  Gegensätze   von   Substanz,   Akzidens  usw.    erhaben.    Ein    Ding   ist 
alles,  was   eine  Wesenheit    (quidditas)  und  eine  Form   hat  und   existiert   oder 
existieren   kann:   im   engeren   Sinne  ist   das   Ding   das  für  sich  Seiende.     Das 
Nichts   i<t  entweder  absolutes   oder   relatives   Nichts.    Die  Allgemeinheit 
(Universalität)  ist  die  Indifferenz,   vermöge  deren   das,   was   durch  sich  ist,  die 
>hkt.it    enthält,   von   allem   ausgesagt    zu  werden   (,,ut   dicatur  de   quovis 
Bnpp  lie  Einzelheit  („singularitas",   „individuatio")   bedeutet  nur   die 

doppelt«    Negation   der  realen  Verschiedenheit  („realis  alteritatis")  in  sich  und 
Identität   in  bezug  auf  Anderes.     Das    Allgemeine  ist  vor  den    Dingen 
ials  [dee  in  Gott),  in  den  Dingen  (als  „quidditas")  und  nach  den  Dingen  (als 
ff).     D.  ist  also  „Realist",  da  nach  ihm  das  Allgemeine  wirklich  („forma- 
liter",  daher  die  Skotisten  auch  „Formalisten"  genannt  werden)  in  den  Dingen 
.    wenn  auch  nicht  getrennt    von   ihnen   ist.      ßesondert,   individualisiert 
wird  es,  durch  die   „haeeeeitas"  (das  Sosein-Bestimmende,  die  Einheit  der  in- 
dividualisierenden Momente,  z.  B.  Socratitas,  die  zur  Wesenheit  des  „Menschen" 
hinzukommend   den    Sokrates     ausmacht).      „Haeeeeitas    nihil    aliud    est,    nisi 
quidam    modus   intrinsecus,   qui  immediate  contrahit   et  primo   quidditatem  ad 
esse  ...  et  nominatur  differentia  individualis"  (Prantl,  Gesch.  d.  Log.  III,  290). 
Zu  den  ..transcendentalia"   gehören  (außer  „ens")  die  „passiones  entis"  (unum, 
bonnm,   verum;    idem-diversum,  contingens-necessarium,    actus-potentia).     Von 
dei  realen  ist  die  numerische  Einheit  zu  unterscheiden.     In  den  Dingen  gibt 
De  dreifache  Zahl:   die  essentielle,   welche   allem  das   Maß   der  Dingheit 
•  ..•  -im it Sit i-  mensuram")  gibt,  die  formale  (oder  natürliche),  nach  welcher,  und  die 
akzidentelle  (oder  mathematische),  durch  welche  gezählt  wird.    Zahl  und  Zeit 
-ind   ron   den    Dingen  bezw.  Bewegungen  nicht  real  verschieden.    Material  ist 
Z         nur  die  Kontinuität  der  Dauer  oder  der  Sukzession  („continuum  dura- 
tionii  ssionie  motus"). 

•  immaterieU  („actus  puras"),  absolute  Kraft  („agens  absolute");  er 

wird  hauptsächlich  aus  Beinen   Wirkungen  erkannt,  als  erste  Ursache  und  End- 

deren    Urbilder    in  seinem    Geiste   liegen.     Der  göttliche 

^  Hie  ist  die  ..prima  causa"  der  Dinge,   die  er  aus  Nichts,   ohne  Notwendig- 

Erkennens  („non  aliqua  necessitate  vel  essentiae  vel  scientiae 

d   es    mera   übertäte"),    ohne    jede   auch   nur   innere,   geistige 

tenniniernng  frei  geschaffen  bat,   so  (\-,\i\  die  Welt  nicht  existieren 

der  Welt).    Gotf   Biehl   in  Einem  alle  Gegensätze,  ohne  sie 

/u  -'der..     Was  Gotl   (die   „causa   libera")  in   seiner  All- 

•  dadurch  gnt,  daß  ei  ee  will,  denn  der  göttliche  Wille 

nach   Avicebron)   Form    und   Materie;  auch 


Drrare  Scotus  —  Duprat. 


den  Seelen   kommt    eine    (unkörperliche)   Materie   zu.     Die   tonnlose    Urmafc 

subiectum  omnifl  receptionis")  ist  die  „materia  primo-prima",  die  <e»tt  ge- 
m  -haften  hat.  Die  „m.  secundo-primu"  i-t  das  Substrat  des  Entstehens  und 
Vergehens,  die  ,,m.  tertio-prima",   die   schon    geformte,   aber   noch  zu 

formende  Materie  ix.  B.  Marmor).  Die  Urmaterie,  <lie  allem  zugrunde  liegt,  ist 
..radix  et  semiiiariunr-  der  Welt,   deren   Blüten    die    verminte  -  eleu,   deren 

Frucht«-  die  reinen  Intelligenzen  (Engel)  sind.  Die  Natur  strebt  immer  nach 
Vollkommnerem,  nach  der  Individualität  Ihre  Einheit  bestehl  in  der  Ordnung 
ihrer  Teile  und  in  der  Harmonie  aller  Körper. 

Die  edelste  Materie  ist  die  organische  des  Menschen,  weil  sie  nicht  nur 
die  sinnliche,  sondern  auch  die  vernünftige  Seele  aufnehmen  kann.  Die  Beeli 
ist  die  (von  der  ..t<»rma  corporeitatis"  zu  unterscheidende)  wesentliche  Form 
(„forma  essentialia")  des  Menschen;  sie  ist  ganz  im  ganzen  Leibe.  Sie  erkenn! 
sich  selb>t,  indem  rie  ihr  eigenes  geistiges  Bild  (species)  erfaßt,  also  Dicht 
völlig  unmittelbar.  Die  Kräfte  der  Seele  sind  nur  formell  verschieden  („- 
direraitate  reali  potentiarum").  Die  Sinneswahrnehmung  (Empfindung)  er- 
i-Lrt  durch  Aufnahme  einer  „species"  (Form)  des  Wahrgenommenen,  «reiche 
zunächst  im  Gegenstande,  dann  im  Medium  existiert,  durch  das  Organ  (hier 
aber   „magu   Bpiritualiter").     Der    Intellekt    erkennt    (vermitfc  Nmderer 

„species"]  das  Allgemeine  in  den  Dingen;  angeborene  Begriffe  gibt  <-  Dicht 
I»'-r  Entellekt  gibt  das  Willensobjekt  („Imperat  autem  roluntae  non  quidem 
itationi  primae,  quae  praecedit  omne  relle")i  bestimmt  aber  nicht  den 
Willen  selbst,  «reicher  autonom  ist  und  der  Motor  des  Seelenlebens  ist  ..■<.. 
in  toto  regno  animae"  und  dem  Intellekt  gebietet  („imperanfl  inteUectci 
Der  Wille  i>t  absolut  frei  (Indeterminismus),  ex  kann  grund-  und  motirlot 
«rollen,  wird  dureli    den    Intellekt    nicht    determiniert,    kann    Bich   für    das    Ent- 

te  entscheiden   („voluntaa  übers  est  ad  oppositofl  actus");  er  gibt 
frei  den  Ifotiren  seine  Zustimmung,  auch  im   Denk«  isensus  roluntatin"). 

Willensgrund   ist   stete  wieder  der  Wille  ..ut   roluntatifl  causa  sit   ipsa 

voliinia.-    .    Gut  ist  der  Wille,  wenn  er  inhaltlich  und  dem  Motive  nach  dem 
liehen  Willen   gemäfl  ist,  ron  dem  Gut   und    Bös-    abhangen,  so  dal»  eine 
[Jmkehrung   der   Werte  auch   möglich  sen   «rare,    wenn   nämlich  Gott 

and«  "Ut  hätte. 

ZudenSkotisten  gehören  PranciscusMajronis,  Antonius  Andri 
!'■  tei  ron  A.quila,  Walter  Burleigh  u.  a. 

lone»  qoodKbetalea,   L606.  LS  rapar  l\    librot  senten- 

Piriairaae),    1517      18.    -      QoMatioaei    in    Ari.-v  ■•  — 

Qoftf  i    lihrog   de   aninia,    L6S8  in  <jiiatu«>r  li  Miarum 

mho),     1610,    u.    h.    —    Oper»,     L6S    .     1891      16.    —    V^l.    K.    \\i  i:\ik. 

r.  D  - i.       h.  Bubi  <i.  Piiloa.  i.  i b 

Philo*,    u.    philo«.    Kritik    15.1  B  :     111'.:  i.     -       BERG,  D 

IMiprat.  G    I.         Nach  1».  ist  die  Gesellschaft  ein  System  ron  Zweck 

I     ideii/en.  r.ediirtni--.  n.   Inter«s-en,  Funktionen.  <  »rgunni     I  Li   sehen.     D 
densen  objektivieren  Bich  in  Institutionen. 


lHl'UAT    —    DüRKHEIM. 


3<  h ritten:     Science  sociale  et  demoeratie,   1900.    —    Le    mcnsonge,    1902;    2.  ed. 
,    La  morale,  1901.   —  Les  causes  sociales  de  la  folie,   1900. 

I>n  Prel  s.  Prel. 

I>nran<l  de  »ii«>-  (geb.  zu  Gros),  1826—1900,  Pseudonym  Dr.  Philips 
,  Electrodynamisme  vital  ou  les  relations  physiol.  de  Fesprit  et  de  la  matiere,  1855). 

D.  i-t  ein  Gegner  des  Positivismus  und  Materialismus.    Er  lehrt  eine  idea- 

li,     Bpiritualißtische)   Metaphysik,    nach   welcher  es   Monaden,   psychische 

Kräfte  gibt,  die  mit  ein  ander  in   Wechselwirkung  stehen  und  durch  ihre  gegen- 

_.  ii  Anpassungen  zur  Weltharmonie  führen.  Leben  und  Entwicklung  sind 
durch  die  Reaktionen  der  psychischen  Kräfte,  die  mit  den  verschiedenen  Nerven- 
zentren verbunden  sind,  bedingt  (Ganglienseelen  usw.;  ähnlich  Pflüger,  Preyer 
I  SeeL  i-t  zusammengesetzt,  ein  „Polyzoismus"  oder  „Polypsychismus" ; 
als  Substanz  ist  sie  unsterblich,  wenn  auch  ihr  Bewußtsein  sich  nicht  erhält. 

-  hriften:  Essais  de  physiologie  philos.,  1866.  —  Ontologie  et  psychol.  physiol., 
ori^ines  animales  de  l'homme,   1891.   —    Genese  naturelle  des  forraes  ani- 

.  1888.  —  Le  raerveilleux  scientifique,  1894.  —  L'idee  et  le  t'ait  en  biologie,  1896. 
—    X-iuvelles  rocherches  sur  l'esthetique  et  la  morale,   1900.  —  Varietes  philosophiques, 

p.   —  Questions  de  philos.  morale  et  sociale,  1901. 

Durand  de  St.  Pourcain   (Durandus  de  Sancto  Portiano),  Wilhelm, 

..Doctor  resolutissimus",  lehrte  in  Paris,   wurde  Bischof  von  Meaux,  gest.  1332. 

1 ».  war  erst  Anhänger  des  heil.  Thomas,   wandte  sich  aber  dann  dem  No- 

niinalisiiius   zu.     Das  Allgemeine   ist  nicht  in  den  Dingen  (abgesehen  von  den 

Ideen   in    Gott),  welche   nur   Individuen    sind,   sondern    es   wird   durch  unser 

Denken    mittelst    Abstraktion    gewonnen.      Die   Gattung   bezeichnet  auf  unbe- 

Btimmte  Weise  dasselbe,    was   das   Individuum   auf  bestimmte  Weise  darstellt; 

und    Individuelles   bilden  nur   ein  Objekt   und  sind  nur  nach  der 

Auffassung   verschieden.      „Universale  est  unum  solum   secundum   conceptum, 

singulare   irero  esl    unum    secundum  esse  reale."    ,, Universale  ...    est   aliquid 

formatum  per  Operationen)  intelligendi.  per  quam  res  secundum  considerationem 

strahitur  ;i  condicionibus  individuantibus"  (In  1.  II  Sentent.,  dist.  3). 

.ritten:      In  «ententias  commentarium,    1508. 

IMirriik.  geb.  1837,  Prof.  in  Prag,  gest.  1903.  =  Wesentlich   von 

Jl'-r  in  floßt. 

!.:      Leibniz  und   Newton,   1869.  —  Über  das  üesamtkunstwerk,   1880,  und 
tik,    1875,    Psychologie,   1882,   System   d.   Philos.    1904,   u.  a.). 

Hiirklifim,  Emile,  geb.  L858  in  Epinal,  Prof.  in  Paris,  Herausgeber  der 

.  U|1K;<\   IS'.iS   ff. 

D.    \m11  Soziologie   als   eine    nichl    auf    (Individual-)    Psycholog \r 

induktive  Wissenschaft  vor  den  sozialen  Tatsachen  durch- 

Bpezifischee   sind.     Bieeind  von  den  Individuen  als  solchen 

!it;'it    der  Gruppen   ist  nicht  die  der   Einzelnen;  sie  h;il 

Eine  soziale  Tatsache  ist  „jede  mehr  oder  minder  fest- 

ßhe  di<-   Fähigkeit    besitzt,  auf  den  Einzelnen  einen 

iben".     Der     Zwang",  der  von  der  Gesamtheit,   von  den 


DtTBKHETM   —   DY»  14" 


G  ippen  and  Institutionen  ausgeht,  rer&hnelt,  vereinheitlicht  die  Individuen. 
Di    Formen  des  sozialen   Sein-  Bind   ß  cdene  Arten  und  Ordnung 

Handelns,  als  wiche  etwas  Objektives.  „Normal"  ist  eine  soziale  Tatsache,  so- 
bald Bie  im  Durchschnitte  der  Gesellschaften  einer  Arl  in  der  entsprechenden 
Etatwicklungsphase   auftritt     Zn    erklären   sind   Boziale  Täte  nur   durch 

andere  nnd  aus  dem  sozialen  Milieu.     Das   Gesamtbewußteein  als  I   begriff 

einsamen   Denkens   und  Fühlens  i*-t  etwa-  Reales.     Die  Bolidai 
durch  die  Ähnlichkeil  der  Individuen,  besonders  aber  durch  die   Arbeitsteilung 
bedingt;   dii    G      Uschaft    ist    ein  Mittel    rar  Organisation   der  Arbeitati  ' 
fm  Recht   ist    die  Solidarität  objektiviert.     Sittlich   ist   die  sozial  sankti« 
Reg<     des  Verhalt« 

i .  r  i  f  t  e  ri :  Elements  de  sociologie,  1889.  —  La  division  du  travail  social,  1893; 
2.  6d.  1901.  —  I.-  :  -  gles  de  Ja  m6thode  sociologique,  lt<95 ;  deutsch  190s.  —  Le 
suiride,   1897,  u.  a. 

Dürr.  Ernst,  Prof.  in  Bern,  .  in  Würzburj 

D.  rerficht  in  der  Erkenntnistheorie  einen  kritischen  Realismus 
,.Koireiatm8mu8"),  Dach  welchem  die  Dinge  ron  ans  anabh  ind  nnd  die 

Transzendenz  eine  Eigentümlichkeit  des  B<  siehungBbewußtseins  ist  Die  Auf- 
merksamkeit besteht  in  einer  „besonderen  1 L« dii-  des  Bewußtseinsgrades",  Bie 
ist  keine  Tätigkeit,   kein    Willensakt.     Wille   esrt   „jede  zentral   bedingte,  eine 

d  n .■•    Erwartung  erfüllende  Lebensluflerunf 

B    hriften:    ('ber  die  Grenzen  dar  Gewißheit,  1903.    — Grundzüge  d.   realistischen 
WeltSBtthaamg,   1907.   —   Die   Lehre   ras   d.   Aufmerksamkeit.    1907.     —     Hinfuhr,   in  d. 
ik,   1908.   —  Gruudzüge  d.   Ethik,   1909,  u.  a. 

Dwelshanvers.  <<..  I'mf.  in  Brüssel  =  Mit  Bergson  verwandt;  betont 
die  Aktivität  und  Schöpferkraft  des  Geist 

3   kriften:  Lst  principe«  da  rldst).  teientif.,   1892.  —  Bealisme  nslfet  r.  critiqoe, 

.    —   La  syntheso  mentale,   1908.  —  Paychol.  de  l'appereeption.    1890,  u.   a. 

DjroiY,  Adolf,  geb.  1866  in  Aschaffenburg,  Prof.  in  Bonn. 

tieren  heißt,  „daß  der  stand  des  Qedankens  mehr  ist  als  eine 

bloße  Fiktion,  ein  Erzeugnis  reiner  Willkür  oder  ein  einfaches  <  ledankenerzi 

D       Aufmerksamkeit    ist    nach   I>.   Dicht   eine    I  baft  des  Willens 

n.  dgl.,  sondern  „das  Ergebnis   m  i        nständlicln-  inenden  p 

chischen  Verhaltens".     Wollen    und    Fühlen   Bind   miteinandez   verwandt; 
Wollen  kann  rieh  in  einem  Gefühle   •■  n   und  Willensakte 

den  Gefühlen  ab.    Aber  der  Wille  ist   Dicht  als   [Jnterart   d<     l  inau- 

■  n.  er  hat  einei    i  iktiv,  auf  die  Zukunft  . 

■chaulich  osw.     Das  Denken  ist  nicht  mit  dem  Wollen  ident 
lieh  i  in   Buhen  im  Objekte,   das  Wollen  aber  eine  aui   die  0  ade 

I  .     M     i\    wird  /n   sinem  solchen   erst   durch  >\<\i  Willen 
nicht    v..i,    vornherein.      Du     Seeli  d    wähl 

fühlendes,  den]  und  wollend 

>' 
\i  ,i   „l-  Dsmearltrtaatsa,  1899. 


Ebbinghaus  —  Eberhard. 


Kbhiii^iians.  Hennann,  geb.  1850  in  Barmen,   Prof.  in  Halle,  zuletzt 
Prof.  in  Breslau  u.  Herausgeber  der  „Zeitschr.  f.  Psychol.  u.  Physiol.  d.  Sinnes- 
_    ä 

K.  nimmt  in  der  Psychologie   einen  vermittelnden  Standpunkt   ein.     Ohne 
Anhänger   des  psychologischen    Atomismus  zu  sein,  hält  er  die  Zerlegung  des 
Bewußtseins  in  Elemente  für  notwendig.    Bei  der  Assoziation  stellt  die  Seele 
ichst  „die  umfassenderen  Verbände  und  größeren  Einheiten  wieder  her,  in 
genwärtig  fragmentarisch  und  lückenhaft  in  ihr  Hervorgerufene- 
früher  (.-riebt  hat".     Die  Aufmerksamkeit  besteht  in   dem  „lebhaften  Her- 
vortreten und  Wirksamwerden  einzelner  seelischer  Gebilde  auf  Kosten  anderer". 
ähle  sind  „Nebenwirkungen  derselben  Ursachen,  die  den  begleitenden 
Empfindungen  und   Vorstellungen  zugrunde  liegen".     Es  gibt  keine  einfachen 
Willensakte,  sondern  nur  Kombinationen  von  Empfindung  (bezw.  Vorstellung} 
und  Gefühl;  Wille  im  engeren  Sinn  ist  der  „vorausschauend  gewordene  Trieb". 
Gedächtnis  weist  folgendes  Gesetz  auf:    „Die  Quotienten  aus  Behaltenem 
und  x  im  in    verhalten    sich   etwa   umgekehrt   wie   die    Logarithmen    der 

richenen    Zeit/'      Alle   psychischen   Prozesse   haben    biologische  Be- 
ug, dienen  Lebenszwecken.     Seele   und  Nervensystem   sind  „ein  und 
"     Verband,    nur    dieser    in    verschiedenen    und   auseinander    fallenden 
BCanifestationswei  Seele  ist  dieser  reichhaltige  Verband,  so  wie  ersieh  gibt 

und  darstellt   für  seine  eigenen  Glieder,  für  die  ihm  angehörigen  Teilrealitäten  - 
be  Verband,  so  wie  er  sich  anderen  analog  gebauten  Verbänden. 
lentitätstheorie).     Es   besteht  ein   psychophysischer   Parallelismus, 
bselwirkung  zwischen  Seele  und  Leib. 

er  das    Gedächtnis,   1885.    —    Theorie  d.  Farbensehens,   1893.  — 

/ur  Prüfung  geistiger  Fähigkeit,  1897.    —    Grundzügo  der  Psychologie  I, 

Abriß  d.   Psychol.,   1908;    2.   A.   1909  (vgl.  Kultur  der  Gegenwart  1,  G). 

le  u.  beschreib.  Psychol.,  Zeitschr.  f.  Psych.  IX  (gegen  Dilthcy),  u.  a. 

IOIm'I.  Kaspar,  Prof.  in  Gießen,  gest.  1004.  =  Aristoteliker. 

.,    1638.  -     Logik,  1G45. 

Eberhard,  Johann   August,    geb.    1739  in    Halberstadt,  Prof.    in  Halle, 

jtehl  ;uil  dem  Boden  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie,  die 

idigt,   dessen  Lehren  mir   soweit  richtig  seien,  als  sie 

finden    sind.     (Dagegen    Kants   Abhandlung  „Über   eine 

772.  —  Allgemeine  Theorie  d.  Donkons 

Hauptwerk).    —     Vom    Begriff   d.    Philosophie  u. 

■    G<  ehichte  <l.  Philo«.,  1 788.  —   Sittenlehre  der  Ver- 

Ketaphyaik,   1794.  -  Bandbnch  der  Ästhetik,   1803- 


KHAKI»  E<  KHA]  147 


1805  (vgl.  Theorie  der  schönen  Wissenschaften,    17»;,'.    -  Maga/in, 

1787 — 92.   —   Philo«.   Archiv,    1793—95.  —   Vgl.   FeRBER,    D  eit   zwischen 

J.   Kant   u.    i:  .    18 

Flierl.  Johann  Jakob,  1737—18  l  in  Witte  Popolarphilo- 

soph,  Wolffi         Standpunkt 

3    hriften:      Unterweisung  in   d.    Anfangsgründen   d.    Vemunftiehr«.-.    ."..    A.    L790. — 
Der  Philosoph   für  jedermann.    1784.   u.   u. 

EImtI\.    FeKa    p       L826  in   Berlin,  gest  lvM   als  »Prof.  in  Breslau.  = 
Von  Schlefcnnacher  beeinflußt 

n  r  i  t  ton:     V<  ,iuf  dem   Gebiete  des  Xaturrechts,    1852.     —     Über  Gut   und 

1855.   —  Gedanken  über  Raum,  Zeit  u.   Ewigkeit,   3.   A.    l  - 

Kc-Iiekrntcv»  wird  als  einer  der  Letzten  Pythag  genannt 

Kckhni-t  (Eckenard),  Johann,  geb.  am  ha,  wnrde   Domini- 

kaner, Btndierte  in  Köln  and  Paris,  lehrte  dort  mit   Unterbrechungen,  auch  in 

schiedenen   Städten  Deutschlands,   wurde  130*1  ralvikar,   war  von    l 

an  in  Köln,  w<  I      ren  von  der  Kirche  vei  gest  1327. 

I     ist  der  bedeutendste  christlich«    Hystiker.    Vom  Neuplatoiüamus,  von 
Hu-.   Dionysius  An  i    u.  a.  beeinflußt,  auch  scholastische  Lehren 

benützend,   will   erden  Inhalt  des  Glaubens   nicht  antasten,   sondern    vertu 
und   lebendig  zu  Gemüte  führen.     Das  Höchste  i-t    ihm  di  oigung  der 

ü  ( ;<-tr.  die  Schauung  <  lottes  durch  Versenkung  in  die  Ti<  fen  der  eigenen 
-    le,  in  der  sich   für  den,  der  sich    von  den  Schranken    dea  I  los- 

macht,  Gott    selbst    offenbart      Unser    Erkennen    Gottec  5      sterkenntnis 

in  ans,  welche  erfolgt,  wenn  wir  uns  von  aller  Vielheil  and  K  ch- 

keit  abscheiden,  am  in  der  Schauung  Gottes  zu  ruhen.    Durch  ein  Nichtwis 
erkennen  wir  Gott      .  ..  N        .      «    .  :  wir  müssen  ans  aufgi 

in  •:  oiedenheit"  gehen,  nm  mitGott  »'ins  zu  werd<  ann 

wird  Gott  in  unserer  S  n,   nur  er  isl  und  wirkt  in  uns  und  wir  sind 

ich!      Die  Seelenkraft,   welcher  dies  gelingt,  nennt    1  ,  Fünklein", 

in    Erinnerung  an   die   „scintUla",  als    welche  die  „Synt  bei   den    Scho- 

lasti  unel  wird.     Dieses  „Licht''  da    5  ht   ihr 

r   alles  dial  i  nnen   als  Einh 

hinan-. 

Dei  Jen  Verhältnis  zur  Well  hat  bei  E.  tn 

ind    tri 
Wendu  I  r   Panenth .  I 

nicht  ala  die  vor  der  v; 

im   und   mit    dem 
die   „ungenatui 

selber   unbekannt.      Gott  i-t    nicht  dem,   w 

All!  -  -  i  allen  1  * 

in  d(  !  kommt 

I 
i 


E<  khabt  —  Edwards. 


Schaffen  ist   ein  Gebären  seines  Sohnes,  der  ein  Wort  und   ein 

Bild  des  Vaters  ist    Gott  ist  in  allen  Dingen   wie  in  den  Seelen,  in  denen  er 

bien.  in  allem  liebt    er  sich  selbst,   indem   er  alle  Kreaturen  liebt, 

alle  nach  ihm  streben.  Ohne  Beeng  auf  Gott  sind  die  Dinge,  deren  Ur- 
.  .  ewig  in  Gott  waren,  nichts,  ohne  Wesen;  ohne  die  Welt  war  die 

heit   nicht   Gott      Die   Selbsten tfaltung  Gottes   ist  also  zugleich  der  (zeit- 

Proaefi  der  Weltentstehung,  und  wie  Gott  in  seiner  Dreiheit  immer  wieder 

-ich  als  Einheit  zusammenfaßt,  zu  sich  zurückkehrt,  so  kehrt  alle  Vielheit  der 

ge  zur  Einheit  und  Ruhe  in  Gott  zurück,  strebt  alles  nach  dem  „Entwerden'1, 
nach  d- :    Vi  rgottlichung. 

In  demütiger  Liebe  sich  Gott  hinzugeben,  ist  denn  auch  das  rechte, 
sittliche  Verhalten  des  Menschen;  aus  dieser  lauteren  Gesinnung,  aus  dieser 
Gottinnigkeit  fließen  dann  von  selbst  die  guten  Werke,  die  nicht  an  sich  wert- 
roll, aber  auch  nicht  zu  verachten  sind.  Die  Seele  des  Menschen  ist  eine 
immaterielle  ..Form*-  des  Leibes,  ein  ,, einfaltig"  (einfaches)  Wesen,  die  in  Gott 

datierte  und  zu  ihm  zurückkehrt.     Gott  ist  Mensch  geworden,  damit   wir 

werden,  wie  wir  in  Christus  alle  nur  ein  Mensch   sind  und  unsere  Seele 

in  ihn  m  Kräften   das  Abbild  Gottes   ist,   besonders  in   ihrem  vernünftigen  Er- 

,cn. 

Schüler  E.s  sind  Tauler,  Suso,  femer  der  Verfasser  der  „deutschen 
Tbo  11.  Jalirh.,  von  Luther  entdeckt),  Euysbroek  u.  a. 

Die  deutschen  Schriften  E.s  finden  sich  bei  F.  PFEIFFER,  Deutsche  Mystiker, 
IM.  11,  1&Ö7:  2.  A.  1906.  —  Die  lateinischen  Schriften  z.  T.  bei  DENTFLE,  Arch.  f. 
Liter,  u.  Kirchengesch.  d.  Mittelalters  II,  1886.  —  Meister  E.s  myst.  Schriften,  hrsg. 
von  G.  Landauer,  1903;  hrsg.  von  H.  Büttner,  1903  f.  —  Schriften  und  Predigten, 
hr»g.  ron  Büttner,    1902  f.   —  Vgl.  Ad.  LaSSON",  Meister  E.,   18G8. 

Kclwanls,  Jonathan,   geb.  1703  in  Windsor  (Connecticut),  gest.  1758  in 

aerikanißcher  Theologe  und  Philosoph. 

E.  lehrt  einen   von  Malebranche  und  Berkeley  beeinflußten,   in   manchem 

Kant  erinnernden   Idealismus  (bezw.  Spiritualismus).     Die  Körper 

-■    Existenz,  sie  existieren  an  sich  nur  in  Gott,  sind  nur 

'   divine   power«.     Die  Körperwelt  ist   nur  ideell   („ideal 

riff   von    Ideen  nach  festen   Gesetzen   („the  law  of  creating  and 

if  eonstant  and  regulär").    Alles  ist  im  göttlichen 

"r    all'~    "  all-r-omprehending   mind")  enthalten.     Ohne   Gott 

'  "''■,lt  »an«    Gott    wl    der  unendliche  Raum  („Space  is  God").    Die 

„mental   Buccession").     Raum  und  Zeit  sind 

that  the  existence  of  all  exteriors  things  is  ideal").   Gott 

Vernunft    und   Wille.      Die    Beele    isl    in    ihrem    Wirken 

'  mi<  Gott,  in  dem  sie  lebt,  in  Verbindung,  wird  von  ihm 

istanten,  stetigen  Schöpferkraft  und  den.  Willen  Gottes 

nun  ist  die  Selbstoffenbarung  Gottes  and  seiner 

I      Wahrheit  ist  nach   E.  die  Gbereinstimmnng  unserer 

"  •   consistency  and  agreement  of  our  ideas  with 

ontnis    führt   zu    einer   Reihe  von  Antinomien 


Edwards  -     Ehbeni  i  l& 


_l.  Eint);  bo  kann  /..  B.  die  Vernunft  nicht  begreifen,  wie  die  Wechselwir] 
zwischen  Leib   and  Seele  möglich  ist     J>i«-  B  B  Lern 

der  Inbegriff  ihrer  Kräfte  („the  bouI  ts  oothing  besidefl   its  pt  D 

Existenz  Gottes,  die  irir  annehmen  müssen,  i-i   (wie  nach  Kant)   nicht  logisch 
zu  beweiseii  (Primat  der  praktischen  Vernnni 

Tagend  ist  Liebe  zum  Seienden  („true  virtae  eonsists  in  Iot<    to  being  in 

leral")  je  nach  Beiner  Bedeutung,  bo  daß   die  Liebe  zu  Gotl    unendlich 
Der  Zweck  des   Menschen   ist   die  Ausübung  Beiner   Kräfte  im  Di«. 
Vervollkommnung,  welche  auch  die  Unterblichkeil  verbürgt.     Moralisch 
sind  soziale  Triebe  („moral  agents  are  social   agents")  und  die  Gesellschaft 
eine  Art    Stadt,    in    der  Gott    und  di<    Bürger  durch  Verkehr,  Gesprach    eon- 

lation)  und  Liebe  miteinander  vergesellschaftet  sind.    Lieb«-  L.holy  Ii 
der  Kern  der  Religion. 

-    hriften:   Works,  1829,  184<>.  —  Selcctions  t'ruin  Ü.e  Uapobhabed  WritingsofJ 
16.  —  Vgl.  A.  V.  G.  ALLEN,  J.  i:..  1880.  —  CUKTTS,   Kantiaai  Blema»U  ia  i.  i:.- 
Philos.,  Abi    M.    Hcinze  («widmet,  Ml     ÜRAGKBV,  J.   K.s   Idealismus,    l 

EliroiifVK.  Christian  Freiherr  von,  geb.  1859  in  ßodaun,  Prot  in  P 
E.  sondere  ron  Brentano  and  Bdeinong  beeinflußt     Das    .Begehren" 

i,  Wollen)  ist  ein  auf  «-in  Ziel  gerichteter  Akt,  „nämlich  entweder  auf 
die  Existenz  oder  <li«'  Entstehung  eines  Dinges,  das  Eintreten  oder  Zutreffen 
ein«  V  ler  aber  auf  die  Nichtexistenz  oder  Vernichtung  eines  I>in 

das  Eintanbleiben  oder   Aufhören   •■int--    Vorj  Das    Begehren    ist   kein 

spezifisches  Bewußtseinselement,  sondern  nur  „die  -  eine  relative  <  tlücksförderung 
rundende  Vorstellung  ron  «In-  Ein-  oder  Ausschaltung  irgend  eines  <  >1>- 
jekts  in  der  oder  ans  dem  Kausalgewebe  am  «las  Zentrum  der  gegenwärtig 
[chvontellung".  Der  liotivenkampi  ist  ein  spezieller  Fall  der  gelungenen  oder 
Bistierten  allmählichen  Ausbildung  des  Wunsches  zum  Streben  oder  Wollen. 
1»  -  MotJyationsgeBetz  ist  das  Gesetz  <I<t  „relativen  Glücksförderung'  D 
Werl  eines  Dinges  ist  seine  ,,Begehrbejrkeit".  «Wert  ist  eine  Beziehung 
zwischen  einem  Objekte  und  einem  Subjekte,  welche  ausdrückt,  daß  das  Subjekt 
das  Objekt  entweder  tatsächlich  begehrt  oder  doch  begehren  würde,  falls  «-von 
dessen  Existenz  nicht  aberzeugt  wäre".  I  -  gi  A  „Eugen"- und  „Wirkungswerte". 
Der  höchste  amoralische  Wert  ist  das  3  q  Dach  dem  größtmöglichen  Wohl 
der  Gesamtheit.  I>a-  biologisch-sozial  Förderliche  i-t  das  Feste  in  der  Ho- 
ralentwicklung.  „Gestaltqualitäten"  oennt  (zuerst  1.  p  ütive  Vorstellui 
inhalte,  wirb.-  tn  das  Vorhandensein  ron  VorsteüungBkomplexen  im  Bewußt- 
banden sind,  dk  ihrerseits  m\^  voneinander  trennbaien  (d.  b.  ohne  ein- 
ander rorstellbaren    Elementen  bestehen". 

I  tqoalitftSB,    \  ierteljahrasclir.   f.   wineen 
—  vTsrtthsorie  rtefy.  t  w.  Ph„   imi:<  r.  Von  dar  Wertd<  .-um 

\p  I      t      ijrtsai.     Pailo«.    H.  —     Zur     Paik».     «I.     Mathematik, 

i  Otflhle,  I  t  *  i.  189S.  — 

-98.   —    Üi><  b.  W<  ■■'■'.  Bitaassjsaei    l<  Ukad.  <i 

sateh.  in    Wie»,   L908.  -     Bali  »nmlen  d    Nnturphilw».  lil 

(inin.ll.CK'ritlx    d.    Btftik,    L907.  %• 


Ehrlich  —  Elsenhans. 


Ehrlich,  Joh.  Nepomuk,  geb.   1S10  in  Wien,  Prof.   in  Graz  und  Prag, 

;.    =    Katholischer  Standpunkt,  von  Jacobi  beeinflußt.     Philosophie 

ist   die     Wissenschaft    vom  Übersinnlichen   aus  reiner  Vernunft".     Seele  und 

:         sind    verschiedene,    miteinander  in  Wechselwirkung  stehende  Substanzen. 

-  driften:  Metaphysik  als  rationale  Ontologie,  1841.  —  Die  Lehre  von  d.  Be- 
stimmung d.  Menschen  als  rationale  Teleologie,  1842.  —  Fundamentaltheologie,  1862 — 64. 

Etaler,   Moritz,    bekannt   durch  seine  „Vorlesungen   über  die  jüdischen 

Philosophen  des  Mittelalters",  1870  ff. 

Eisler,    Robert,    geb.  1S82  in  Wien.   =   Von  Avenarius  beeinflußt,  bio- 
hol. Standpunkt. 

8i  h  ri  f  t  e  n  :  Studien  zur  Werttheorie,  1902.  —  Die  Erkenntnistheorie  d.  ästhet.  Kritik, 
Beil.  d.  Philos.  Gesellsch.  in  Wien,  1902.  —  Der  Wille  zum  Schmerz,  l.  c.  1904.  — 
nmantel  u.  Himmelszelt  (Beziehungen  zwischen  Mythus  u.  Philosophie),   1910,  u.  a. 

Bitte,  Johannes,  geb.   1855  in  Göppingen,    1892  Dr.  philos.   (Tübingen), 

-1910    Prof.   am    evang.-theolog.    Seminar   in   Urach,   seit   1910   Ephorus 

Anstalt  =   Theistischer  Standpunkt,   gegen  den  Evolutionismus. 

Schriften:   Grundlinien  zu  e.   Theorie  d.  Erkenntnis,  1890.  —  Grundriß  d.  Philo- 

..    1892.  —  Friedrich  Schleiermacher  in  „Schmid,  Gesch.  d.  Erziehung"  IV,   1898. 

Ekpliantos    wird  als  Pythagoreer  genannt,    der   die   Zahlen   mit   den 

inen  identifizierte. 

Eieaten:    Philosophen,   welche   in  Elea   (Velia)  in  Unteritalien  lehrten 
v.  Chr.),  nämlich  Xenophanes,  Parmenides,  Zenon,  Melissos. 
Einheit  und  Unveränderlichkeit  des  Seins,   die  Nichtigkeit  des  Werdens, 
Vielheit,  des  Sinnenscheins  ist  der  Kern  ihrer  Lehre. 

I  l<  ii(1m  iopulo*.  Abraham,  geb.  1870  in  Konstantinopel,  Privatdozent 

in  Zürich   =    E.  mitersucht  u.  a.  die  Abhängigkeit  der  philosophischen  Welt- 

lanung    von    den    sozialen   und    wirtschaftlichen    Verhältnissen.     In  der 

!  Bind  Form  und  Inhalt  zu  unterscheiden,  erstere  bleibt  bei  allem  Wechsel 

teren  ("des  Lebensgesetzes)  erhalten.      Die  geistige  Entwicklung  ist  auf 

1     [tendmachung  des  Menschlichen  gerichtet. 

i  iften:     Die  Philosophie    als  d.    Lebensauffassung   d.    Griechentums,   1898.    — 

Krit.  I  reinen  rechtlich  gesetzgeb.   Vernunft,   2.  A.   1898.    —  Die  Sittlichkeit,   1899.— 

•   u.    Philo«.,    1900  f.    —    Einfuhr,    in    eine    Wissenschaft!.    Philos.,  1906.     — 

_'    A.    1908.     —    Das   Schöne,   1905.    —    Eechtsphilos.,    Soziologie  und 

-,   u.   a. 

I  li-«lM-  Sohule:  Die  von  Phaidon  aus  Elifl  (s.  d.)  begründete  Richtung, 
Menedemofl  und  Asklepiades  gehörten. 

Rl>m,  Adolf,  geb.  1855  in   Elberfeld,  gest.  1895  als  Prof.  in  Marburg. 

btt    die   Ptychophyiik,   1886.    —  Die  Deutung  des  psychophysischrn 
Ge^L  ...   Monatshefte,   24.   Bd.,   1898. 

l.NciiliaiiH,  Theodor,  geb.  1862  in  Stuttgart,  Prof.  an  der  Technischen 
len. 

!..  di    „Wissenschaft   rom  sittlichen  Bewußtsein".   Es 


Ij.-INH  W-  EmPEDOKI 


ein  absolutes  Sittengesetz,  dessen  Äußerungen  aber  der  Entwicklung  unter- 
liegen.     Die    Wurzel   der  sensanfiernng  in    der    unprünglichen 
Menschennatur.     Das   Gewissen    isi             sittliche    Bewußtsein   in   der   An- 
wendung auf  sein  eigenes  Subjekt  oder   in  Beiner  reflexiven  Anwendung 
unbedii              trolle  liegt  objektiv   in   den  höhen  ibjektiv 
in  den  daran   sich   knüpfenden  Gefühlen.   —   Wahrheitskriterium   i-t  das 
!            gefühl,  <la<  mit  dem  Vernunftglauben  sich  verbindet     I>i-    Psychol 
rarbeü  zur  Erkenntnistheorie,  die  ihr  Augenmerk  aui  die  Bezieh 
von  Subjekt    und  Objekt  richtet     Das  A  priori  wird  a  posteriori  (durch  im. 
Erfahrung    erkannt 

Schriften:      Psychologie   u     Logik,    1890;    4.  A.   1903    (Sammlung  Göschen).    — 
-en   und   Entstehung  des  Gowiseens,   1894.    —    Selbstbeobachtung    und   Kxperiinent  in 
<ler  Psychologie,   1897.   —  Fries  und  Kant,   1906.  —  D.  Aufgabe  c.  Psychol.  d.  Deut 
.    Tita  Rassentheorie,   1904.  —  Cbarakterbildui.^.    1908,   u.   s. 

Uvcnich.   P.  •'.-    geb.  1796  in  Embken,  _  -  Prof.  in  Breslau. 

=  Anhäi 

S    hriften:      1  >  i  *  -   Moralphilosophie,    18 

Kmor^oii.  Ralph  Waldo,  _  Boston,  eine  Zeitlang  Geistlicher, 

i  ( ioncord 
I'..  \ «rt ritt    den   „transzendentalen  [dealismus"  im    Sinne   einer   Bpiritua- 
Listiscb  gefärbten  Weltanschauung,  nach   welcher  der  I  las  W<  - 

Dinge,  das  Körperliche,  «In-  Natur  nur  Erscheinung  ler  Mittelpunkt 

der   Natur,   der  Bich    in   uns  offenbart     In   allein  offenbart    uch   < ; « » 1 1 .      i 
Universum   i-t  roll  Leben,  all-    Dinge   haben  einen   „moralischen  Zweck". 
„Überseele"  umfaß!  räum-  und  zeitlos  alles;  die    Web  ist    „das  ewig  «rührende 
Wunderwerk  d      -  Im.'  Seele   -«haut    beständig  voraus,  eine  Well   vor 

Bich   erschaffend    und    Welten   hinter  Bich  lassend."     „Unaussprechlich    i-t  die 
und  des  Menschen  in  jedem  Akte  der  Seele." 
hri  ften:  Works,   18*  lentseh   1904  t.  -  mv, 

Bibl.,  H  —  I '    B.  Sah  dbobn, 

—    1  H  GARD,    !•:  .    I 

lliii|M'(Iokl<'«»  von  Agrigent,  geb.  um  483  v.  Chr.,  durch»  hiedene 

der  als  Sühnpriester  und  Redner,  als  «rundertätig  berühmt     Dis  ihm 

von  -einen   Mitbürgern    angebotene   Königs  würde  -"II  er  ausgeschlagen  hab 

\       leiner  Vaterstadl  verbannt,  durfte  er  im   Peloponm  n;   sein 

:  wurde  sagenhaft  imückt.  -<>  -"II   er  Bich  in  den    Krater  dea    Ätna 

ir/t  haben,  u.  dgl. 

I .  _•  hört  / n  den  jüngeren  griechischen  Naturphilosophen.  weJ 
insgesamt    eine   Vielheil  de-  Seienden  annehmen.     Wie  die   Kleaten    betool 
daß  es  ein  eigentliches  Werden  □  Entstehen  an-  und  ein  Vergehen 

nichts  nicht   gibt,   sondern   nur  Mischung  und    Entm 

i    len.     Wai  sich  rerbindel  mal  trennt.  I  l  eme  d  I 

bei  !..  „Wurzeln"  D  heißen   und   die   Belbei    unveränderlich 

sind:   Feuer,   laut.  Wasser  und  lade.     In.    Kräfte,    welche  dem   i 


Empedokles  —  Engels. 


gründe  liegen,  sind  Liebe  oder  Freundschaft  (tpiXöxrjg,  g-dia)  und  Haß  oder  Streit 

sprünglich  sind  die  Kiemente  in  einer  Kugel  (oyalgog)  miteinander  zur 

eit  vermischt,  da  gibl  es,  indem  die  Liebe  herrscht,  nur  Buhe,  keine  Vielheit 

einander  entg  seteter  Dinge.    Durch  den  Haß  erfolgt  die  Bildung  von  Einzel- 

;i.  ja  die  Trennung  kann  so  weil  gehen,  dal >  nur  Elemente  ohne  Komplexe 

ren.  bis  dann  die  Liebe  wieder  überwiegt,  zur  Bildung  von  Ding-Komplexen 

und  >chließlieh  wieder  zum  Sphairos  führt  —  ein  Prozeß,  der  sich   unendliche 

Male  wiederholt     Der  Sphairos   als  solcher  ist  göttlich;   denn  Gott  ist  kein 

-  henahnliehes  Wesen,  sondern  die  (zugleich  geistige)  Welteinheit. 

Durch  Verbindung  der  Elemente  sind  auch  die  Organismen  entstanden 

und  zwar  gingen  aus  der  Erde  zuerst  die  Pflanzen,  dann  die  Tiere  hervor.    Erst 

traten,  indem  einzelne  Teile   (wie  Augen  ohne  Gesichter,  u.  dgl.)   sich  einseitig 

ausbildeten.  Mißgebarten  auf,    die   nicht  lebensfähig  waren  und  verschwanden, 

wahrend   andere  Organismen   sich  erhielten  (Vorahnung  der  Selektionstheorie). 

i    die   Pflanzen  besitzen   Empfindung  und   Streben.     Die  Sinneswahr- 

iir Innung  beruht  darauf,  daß  von  den  Dingen  Ausflüsse   (äjzoQgoa!)  ausgehen 

und    in   die    Poren    (nögot)   der    Sinneswerkzeuge   eintreten,   wo  sie  sich  (beim 

Sehen)  mit  den  aus   diesen  kommenden   Ausflüssen  begegnen.     Gleiches    wird 

durch  Gleiches  (in   uns)  erkannt.    Wärme   durch  Wärme   usw.    (f)   yv&oig   xov 

v    niiouo).     Die   Seele   muß    wegen   ihrer  Schuld   im   Zustande   der 

Präexi-tenz   durch   verschiedene  Leiber  wandern    (ti]v  ipv%r}v  TiavioTa  el'di]  £<pa>v 

y.nl  9  riv,r  frdveo&ai).     Es  ist  dies  ein  Anklang  an  Lehren  der  „Orphiker"  und 

E     eer.    Durch  Reinigungen  muß  sich  der  Mensch  zu  einem  höheren 

Zustande  erheben. 

Pseudo -Empedokles:    Eine  dem  Empedokles  fälschlich  zugeschrieben o 

Schrift  über  die  Elemente  hat  im  10.  Jahrh.  ein  Araber  aus  Cordova,  Mohammed 

S£<  sarra,  Dach  Spanien  gebracht  und   diese  ist  in  lateinischer   Übersetzung 

lern  12.  Jahrhundert  öfter  zitiert  worden.    Aus  der  von  Gott  geschaffenen 

I  rmaterie  emaniert  der  Intellekt,  aus  diesem  die  Seele;  die  Einzelseelen  sind  Teile 

Welteeele,  aus  der  die  Natur  hervorgeht. 

\  "Fi    seinen    Schriften:    Tleoi    <pvotwg    und  Kadag/ioi    sind  Fragmente  erhalten. 

Ngl.    DlELB,    PoStaram    philos.    fragni.     Fragm.    der  Vorsokratiker  I.  —   H.  STEIN, 

1852.  Winnki  i;ld,  Die  Philos.  d.  E.,  1862. 

Fim«»l.  Johann  Jakob,  geb.   1771   in  Parchim,  Lehrer  in   Berlin,  Mitglied 
da  Akademie,  Oberdirektor   des   Theaters,   gest.   1802.    =    Popularphilosoph, 

',-—  "  Aiit-;ir/,.   im   ^Philosoph    für  die  Well-'   (Herr  Lorenz   Stark  u.  a.)  sehr 
orden  lind. 
fton:     Jjer    Philosoph    für  die  Welt,    1775,  1777  (auch  in  der  Univ.-liibl.). 
Ml    Mimik,   1786     HG.     —     Memoire   «ur    l'orig.    de    l'ideo    de    Ja    ibrce, 
dar  Kraft  aus  der  MoakolampflndaDg).  —  Schriften,  1803—7,  u.  a. 

■"-«!-.  I     edrieh,  1820—1895.=  Mit  K.  Marxhat  E.  die  „materialistische*1 

1       ;  chtaautfaasung  begründet  (s.  Marx).     Die  ideologischen" 

Religion    usw.)    reagieren    aufeinander   und   wirken   auf 

icl      o  dai  Bchliefilicn  der  Mensch  aktiv  seine  Yer- 


el Epik  i  i 


-    hriftcn:     Ludwig   Feuerbach  und  der  Ausgang  der  klassischen  Philosophie,  I 
—   Der  Ursprung  der  Familie,  des  Privateigentums  u.  d,  \.    1894 

kommuniemupi.  —   Herrn  E.  Dfthringi  ' 'mwiüzung  d.  Wissenschaft  („Anti-DfihriBg"),    lv 
\.  1*94.   —  Die  Entwicklung  d.    SosUEtmtU,    1883;  4.   A.,    189G.   —   Brief«,   in: 
itlistischo    Akademiker,     1895.    —    Vgl.    W.   BOMBABT,    Fr.    F..    1895.    —    1'.   Mr.H- 
EHNG,   -Aus   dem    litcrar.   Xachlal'   von    K.   Marx,   Fr.    K.    u.    F.    Lasialle,    1 

Em-iqu«»«».  vTl.    Prof.   der  Mathematik    in   Bologna,    = 

\  .  b    I  .   sind  der  subjektive  und  objektive   Bestandteil    der  Erkenntnis  nicht 

dnzible  Elemente   «Irr  Ehrkenntnis,   sondern    verschiedene  Aspekte  dersel 
Das  objektive  Element  ist  überall   da,   wo  eil       i    »ereinstimmung  dei    v 
sieht"   vorhanden   ist.    Unser  Glaube  an   «In1    Realität    eines  Dinges   Betzl   i 

»amtheil  von  Empfindungen  voraus,  die  ans  gewissen,  willkürlich  hergestellten 
Bedingungen  in  unveränderlicher  Weise  folgen,  ferner  eine  assoziative  Beziehung 
zwischen     Empfindungen.     Der    Charakter   der   Wirklichkeit     besteht    in    der 

I  bereinstimmung    der    Empfindungen     mit    der   gewollten    E Wartung".      D 
Wirklichkeit  ist  „eine  Invariante  in  dem  Verhältnis  zwischen  Wille 
und  Empfindungen". 

riften:    Problemi  della  scienza,   1906  ;  deutsch   1910,  u.   a. 

I  i»i<  liarinoN.  geb.  um  gest  um  160  in  Syrakus.  Komödiendichter. 

Von  ihm  sind  auch  manche  philosophische  Aussprüche  bekannt. 
i. ritten:    Fragmente,   L834     -   Vgl.    1  > 1 1  i  - .  Vonokratiker  1. 

Fpiktct   aas    Rierapolie   (Phrygien),    Sklave  des   Bpaphroditos  in   Rom, 
dann  Freigelassener;  94  n.  ehr.  aus  Rom  verbannt,  lebte  er  in  Nikopc 
wo  er  viele  Schüler  hat         -  in«    Reden  hat   sein   Freund  Arrianus  ans  Niko- 
medien   aufgezeichnet:      luxxQißcU  (dissertationes),   B  Bücher,   davon    i  erhalten, 
und  'F.y/nnihim  (Manuale,    Bandbüchlein);  beide  zusammen  17'.' 
deutsch  1866,  das  „Handbüchlein"  auch  in  der  Univ.-Bibl.  u.  bei  Kröner. 

I  .  ist  ein  Stoiker,  der  in  manchem  den  Cynikern  verwandt  ist  und  d<  - 
Lehren  teilweise  auch  an  solche  des  Christentums  erinnern.     I>i<-    Philoe 

teht    nicht    im    blöden    Wissen,  sondern    in    Lebensweisheit;   im    i-i« -li t :  _ 
Handeln  bewährt  sie  sieh.    Anwendung  ■  <1.  i-  ( trundsät»  im  Leben  ist  die  Haupt- 
sache.    Weise  sind  wir  nur.  wenn  wir  der  Natur  folgen  und  das,  was  in  uns« 
Gewalt  i'v  steht,   was  nni  frei  und  stark  macht,  kennen,  in  ans  selber 

anser  Glück  suchen.    „Hältst  du  aber  nur  das  Deine  rar  dein  eigen,  das  Fremde 
aber  rar  das,  was  es  auch  ist    für  fremd,  so  wird  niemand  je  dich  zwingen, 
mand  dich  hindern  .         „Wenn  du   nun  allein  dem  auszuweichen  Buchst 
naturwidrig  ist    und  mgfafoh  in  deiner  Macht  steht,  so  verfällst  du  überhaupt 
nicht   in   etwas,   wogegen   du   Abneigung  empfindest."     Nicht   die  Dingt    »el 
nur  onaere  Vorstellungen    von  ihnen   machen   ans  glücklich  oder   unglücklich, 

inruhigen  ans.      Vernunft   und  Witte  lassen  ans  den  rechten  I  ran 

unseren  Vorstellungen    niachen.     \\  ;.-.   wir   sieht    ändern    können,    i  wir 

ruhig   hiiin.lnn.il.  (inte*  und  s-hl«rhtt-».     Ülei  ist  schließlich  - 

1 1  1t  .    der   der    Vatei    der    Menschen    ist,    von   «!«-■■■    un>.       -  um 

und   mit   den  wii  It  sind.     „Aushalten   und 


Epiktet   -  Epikitros. 


enthalten'  v  xai  ebr^ov)  ist  die  große  Devise.     Wir  müssen  uns  in  den 

Willen   der  Gottheit    Bchicken  und  nicht  über  das  grollen,  was  naturgemäß  ist. 

lichten  gegen  unsere  Mitbürger  und  gegen  den  Staat  werden  wir  erfüllen, 

auch  die  ganze  Welt  unser  Vaterland  ist  und  wir  alle  Brüder,  als  Kinder 

-  sindjallgemeineMensehenliebe,  Wohltun  gegenüber  jedem  ziemt  demEdlen. 

BONHÖFFER,    E.  u.  die  Stoa,   1890.  —  Die  Ethik  des  Stoikers  E„   1894.  — 

S<  iiKANKA.  D.   Stoiker  E.,   1885. 

Epiknros.  geb.  342  oder  341   v.  Chr.  in  dem  Athenischen  Gaue  Gar- 
gettos [oder  in  Samos?)  als  Sohn  des  Lehrers  Neokles,  wurde  in  Samos  erzogen, 
war    dort    Schüler    des    Demokriteers     Nausiphanes,    lehrte    in   Mytilene   und 
Lampeakos  und  begründete  306  eine  eigene  Schule  in  Athen,  in  einem  Land- 
aus Garten   die  Statte   der  Unterredungen  der  Epikureer  bildete,  die 
zu  einer  Art  Freundschaftsbund  sich  vereinigten  und  eine  heitere  Geselligkeit 
,■!).   die   von    den    Ausschweifungen,  die   spätere   „Epikurerer"  berüchtigt 
machten,   nichts  aufwies,  trotzdem  auch   Frauen  dazu  gehörten.     E.   starb  271 
Zu   den    Epik r, rem   gehören:   Metrodoros  aus  Lampsakus,  Her- 
bes, Polyainos,  Timokrates,  Kolotes,   Polystratos,  Apollodoros,   Zenon  von 

von  Tarsos,  Philodemos,  T.  Lucretius  Carus  u.  a. 
Von  den  vielen    (angeblich  300)    Schriften   des   E.   sind  nur  Fragmente  er- 
hallen,  außerdem  eine  Zusammenstellung  der  Hauptlehren  in  der  Art,  wie  sie 
inen  Schülern  zum  Auswendiglernen  gab  (bei  Diogenes  Laertius  X).   Frag- 
mente aus   den   37   Büchern   jtsgi  cpvoscog    sind   seit  Ende   des   18.   Jahrh.    aus 
Papyrusrollen  in  Herkulanum  veröffentlicht  worden :  Herculanensium  voluminum 
Bupereunt,  I,  1793—1855;  II,  1861— 187G.    Epicuri  Fragmenta,  ed.  Orellius, 

i  -  ener  (Epicurea),  1887. 

E.  erneuert  einerseits  die  mechanistisch-atomistische  Weltanschauung  Demo- 

anderseite   die  Ethik    der  Kyrenaiker.     Bei   ihm    ist   die   Philosophie 

ttißche  gerichtet,    sie  soll   uns   eine  gesicherte,    von    aller   Unruhe   und 

allem  Drucke  des  Aberglaubens  freie  Lebensauffassung  geben;  sie  ist  Vernunft* 

volles    S  i    nach  Glückseligkeil   (tqv  (pdoaocpiav  etvat    Xoyoig   xai   dtaXoyiOfxolg 

\cUfiora    ßlw    neguioiovoav).      Sie    gliedert    sich   in    Physik,    Ethik   und 

Logis  und  Erkenntnislehre),  die  Lehre  von  den  Normen  {xävcoveg) 

der  Wahrheit   und    Wirklichkeit.     In    der  Erkenntnislehre  ist   E.  Empirist,   ja 

1       Basis  aller  Erkenntnis  ist  die  unmittelbare  Gewißheit,  Evidenz 

~    mim  -Wahrnehmung,    aus   der  alle    Begriffe   entspringen   (at 

t&v  alo&fjc  y6vaoi  .  .  .  nag   yag  Xöyog  djtb  xä>v  aloOrjoecov 

Di<    Wahrnehmung  ist    immer  wahr,   sie   kann   durch  nichts  wider- 

denn  auch  die   Vernunft    muß,  um  etwas  als   wahr  zu   erweisen, 

rnehmung  rekurrieren.     Die  Wahrnehmung  und  deren  Evidenz  ist 

las  K  der  Wahrheit,  das  Gefühl   das    Kriterium  des  Handelns.    Inso- 

tellungeB  uns  erregen,  haben  sie  ebenfalls  eine  Wirk- 

ellung  {nQÖXtjtpig)  definiert  E.  als  die  Erinnerung  an  das 

»mmene   {xa&oXixrjv    vdrjoiv    ivanoxsifiivrjv,  tovreatt  [j,vr}fj,rjv 

Durch   die    Portdauer  der  Eindrücke   in    uns 


Kpiki  :  155 

die  Meinung  oder  Annahm«  e  nach  dem 

/    ignia  der  Wahrnehmung)    richtig   oder   falsch    ist     I  ber   [ndnktion   and 
Analogie  findet    sich   bei  Philodemofl    //  ■•    •■■ 
Gomperz,  Berkulanische  Stadien  I.  1865)  manches  Bichl 

In  der  Physik  bei        !.  Demokrit),  dafi  ans  nichts  nichts  wir«!  und 

daß  nichts  zu  nichts  wird.    Alles  Wirkliche  ii  -  nicht  der  !•   re  Raum 

körperlich  (Materialismos):    ro  xäv  icvt  o&pa.     Ein   Körper  ist  das  drei- 
dimensional Ausgedehnte,   Widerstand    Leist 
Ti-.-Tt<u~r.  di<  Körper  rerbürgl  ans  die  Wahrnehmung 

Bind  Komplexe  [ovyxQtoeie)  von   Atomen  Die 

aften  der  Atome,  deren  An/ald  (aber  oicht  Formen)  anendlich  sind,  Bind 
•alt  und  Schwere  (ßaQoc).  Allee  in  der  Well  geschieht  Btreng  kansal, 
rein  mechanisch,  ohne  Eingreifen  übernatürlicher  Kräfte  und  ohne  Zweck- 
arBachen.  Anfangs  bewegten  >i«-li  die  Atome  mit  gleicher  Geschwindigkeit 
durch  den  teeren  Kaum  vermöge  ihrer  Schwere  in  gerader  Richtung,  dir  ihnen 
natürlich  i-t  („ferri  deorsum  buo  pondere  ad  Lineam,  hone  oaturalem  i 
omnium   corporum   motum",  Cicei  inib.  I.  Mannigfaltigkeit   <\i- 

benenn  und  dir  Bildung  ron   Atomkomplexen    erklärt    E.   durch  die  An- 
nahme einer  willkürlichen  (zufällig  ingen  Entfernung  vom  geraden  Falle, 
lurch  die   Atome   zusammenstoßen,    Wirbelbewegungen    and    Körper  (bezw. 
Welten)  entstehen                      i  &xo/m  ■■  xaxa  ota&priv 
y.'/.inir.    „Declinare  dixit  atomum  perpaulum,  quo  nihil  posset    fieri   minus;  tte 
'efficj  complexiones  et  copulationes  et   adhaesiones  atomorum   inter  s 
<\<-  tiniii.  I.  L8;  „decellere  paulum",  Lucrez,  de  rer.  nat  11,217  eclinand 
II.                  i       Raum  muß  anendlich  sein,  unendlich  i-t  auch  di»'  Anzahl  der 
Welten     i                                 x6of*ok  SxstQol  eloi             end  welche  Vbrsehu 
oder  Zweckbestimmung  L;il»i  es  nicht;  auch  da-  Zweckmäßige  i-t   Produkt    i 
\\'  thanismuSj   da-  GrhaltungBgemäße.     Die  <i'">tter  kümmern  rieh    nicht   um 
den  Laut  der  Welt  and  um  dir  Schicksale  der  Menschen,  erhaben  über  alles 
Leid  führen  Bie  ein  seliges    Leben   in  den   „Intermundien"   (Zwischenwi 
bestehen  au-  den  feinsten  Atomen.     Wir  haben  Bie  nicht   zu  Fürchten,  -«'ml. tu 
ehrfurchtsvoll  zu  bewundern. 

I»     Orj  inismen  Bind  durch  Urzeugung   entstanden  (Lucrec,  de  rer.  nat 
II  Die  8  i<  materiell,  eine  au-  feinsten  Atomen  bestehende,  den 

I.    i>  durchdringende  Bubstanz  {p&pa  l 

dtaq  i~<>  die  Seelenatome    Bind    von  d<  men 

rerBchieden;  rgL  Demokrit       Die  Seele  enthält 

I         i   asterblichkeil    gibt   es   nicht,  Bondern   nach  dem    I 
treuen  sich  die  Seelenatome.     Der  Tod  braucht    ans   nicht    tn    kümmea 
denn  wir  Bind  dann  nicht  mehr  da  und  Bolange  wir   leb  r  Tod  i 

da  i         ro,  Tuac.  disp.  I  u.  <  lato  maior  ls.  i 

Di<    Empfindung  erklärt    i:..  ähnlich  wie  Demokrit,  dorch  ..  \u-tln--.--  und 
Iderchen  .  „rerum  limuli  welche  von  dt  i     { 

rm«  u  und  durch  die  Luft  rat    -  gl.  Luci  IV 


Epikukos  —  Erdmann. 


<.   Von  der  (motoriBchen)  Vorstellung  geht  der  Wille  aus  (Liiere/. 

de  ler.   nat    [V,    B78ff.)«     Eine  psychologisch-ethische  Willensfreiheit    be- 

(xo  .tu<j  i'jfiir   lidto.ioTO)),   indem   das    vernünftige   Handeln   unser  aktives 

Werk  ist  („sua  cuiqoe  voluntas  principium  dat",  „esse  in  pectore  nostro  quiddam 

qnod  contra  pugnare  obetareque  possit",  Lucrez,  de  rer.  nat.  II,  266  ff.). 

Die  Ethik  basiert  E.  auf  das  Prinzip  der  Lust,  also  auf  den  Hedonismus» 
-•     sl    Prinzip  und  Ziel  des   glücklichen   Lebens    (rjöovijr  ägx*)v  xal  xelo> 
im»  rtnu  rar  fioxagitog  :>))•) ;   sie  ist  das  erste,   unserer  Natur  gemäße  Gut 
■yaiiöv  txqwxov    xal    avyysvixov   eyrcoxev).      An    sich   ist    keine    Lust 
schlecht    ovdefua  y.alV  eavxijv  ydor?/  xaxör).    Ein  wahres  Gut   ist   aber  nur  die 
Lost  in  der  ßuhe  (xataorijfiazixr}  ySovy),  jene  Lust,  der  keine  Schmerzen  folgen, 
.Lim   das    Fehlen   von   Unlust,   Schmerz   u.   dgl.   ist   das  eigentliche  Ziel  (fit'jxe 
nojiut,    in'jie    raoaneoüai    natu   y>i'/jjv.    —  xovxov    yäg    %agiv    äjiavxa 
MQaxjOfuv,  ojcoig  u/jt'  aXywfisv  ut)re  xagßco/ner).    Die  Abmessung  (ov[i/uhg)]otg)  der 
Lust  und  deren  Folgen  ist  Sache  der  rechten  Einsicht  ((fgör>]ocg),  ohne  welche, 
als  d  tliche   Tugend  (Maßhalten  usw.),  ein  glückliches  Leben  nicht  mög- 

lich ist.     Die  höchste  Lust  ist  die  geistige   (ovxcog  ovv  xal  jusi'Covag  qdoväg  etvat 
vz*fc).     Die  Begierden  zerfallen    in   natürliche   (qvotxai)   und  nichtige 
(xtraf);  von  den  ersteren  sind  einige  notwendig.     Auf  die  Pflege  der  Freund- 
schaft wird  von  E.  großes  Gewicht  gelegt.   Der  Staat  beruht  auf  Vertrag  zum 
Benutz   gegen    Feindseligkeiten    und   Übergriffe,    ebenso   das   Recht,   welches 
nicht    von  Natur   aus   existiert   (ovx  riv  u  xati*    eavxb  öixaioavvi],   äXX   7)  ev  xalg 
■/././//.<»)■  ovfjiipoQCug  —  xo  yug  xrjg  (pvaeo)g  ölxaiöv  ioxe  ov/iißokov  xov  ovfMpegov- 
zxetv  allrjXovg  /d)  de  ßlä:zxeoßai;  vgl.  Lucrez,  de  rer.  nat.  947  ff.). 
Der  Weise  halt  sieh  möglichst  fern  vom  politischen  Leben  {lade  ßicooag). 

36ENDI,    De    vita,    moribus    et    doctrina    Epicuri,    1647    (Erneuerung    der 

Atomistik,    vgl.    Gassendi).    —    KREIBIG,    E.s    Persönlichkeit   u.    s.    Lehren,    1886.    — 

11:.     Kpicurea,    1887.    —    Verschiedene    Abhandlungen    von    TtT.    GoMPERZ.    — 

LU,   La  morale   d'Epicure,    2.    ed.    1881.    —   A.  V.  Gleichen-BuSSWURM,    E.'s 

l>l»iiii<'nid<>*    von    Knossos   (Kreta),   Weihepriester  zur  Zeit  des  Solon, 

:'l~  V  einer  „Theogonie"  genannt.  =  Als  Welterzeuger  traten  hier  Luft 

nnd  Nacht  auf,  aus   denen   der  Tartaros   und   das   Weltei  hervor- 

DlELS,   Sitzungsberichte  d.  Berliner  Akad.,   1891. 

Frei  mann.  Benno,  geh  L86J   in  Guhrau,  Prof.  in  Berlin. 
1  -  aUem  als  Logiker  bekannt.    Erkenntnistheorie  ist  die  Wissen- 

deren Aufgabe  ee  ist,  die  allen    Einzel  Wissenschaften  gemeinsamen  Vor- 
über die  materialeu  Grundlagen  unseres  Erkennen!  zu  untersuchen. 
. -:  •   allgemeine  Wissenschaft  von  den  Arten  und  der  Geltung 
üonen,  d.  i.  den  formalen   Voraussetzungen,   die  allem  •rissen- 
n  zugrunde  Hegen".    Sie  abstrahiert    aielri   von  allem  Denk- 
'  fchologie,   keine  Tatsachenwissenschaft,  sondern   „die 
normative  Wissenschaff  von  den  methodischen  Voraus- 


Kill 'MANN. 

ungen  des  ihaftlichen  Den!  Ihr  Mai'.-tal>  ist  das  „Ideal  durch- 

r  Allgemeingültigkeil  oder  Wahrheit".  Nach  der  „Einordnungstheorie" 
(einer  Abart  der  [nhaltstheorie  i-t  du  Urteil  eine  „Glrichheitsbeziehung  der 
Einordnung"  und  fei  gültig,  wenn  das  Prädikat  aki  [nbaltsbestandtei]  da 
Subjekt«  vorgestellt  werden  kann    „Logische  Immanenz*'  Dave 

Urteü  ist  <lie  durcli  den  Satz  sich  rollziehende,  durch  die  [nhaltsgleichheit  der 
materialen  Bestandteile  bedingte,  in  logischer  [mmanenz  i  stellte  Ordnung 
eines  Gegenstandes   in   den    Inhalt   eines   andern.*4     Urteile   ü)><t    Urteile  Bind 

orteUungen".  —  Die  Axiom«-  der  Geometrie  sind   empirischen  Ursprui 
(induktiv).    Nur  Bofern   die    Etaumvorstellung   durch  psychische  V.  er- 

zeug!   wird,  i-t   rie  apriorisch.    Unsere   Urteile  beziehen  sich   aui  ein  Trans- 
zendentes) welches  aber  nur  symbolisch,  vermittelst  der  Phänomene  erkannt 
wird,  ebenso  der   postulierte   dynamische  Zusammenhang.     I)if  Außenwelt   als 
Phänomen   is1  ..nur  ein   besonderer   Ausschnitt   ans  unseren]   vorstellenden    I'. 
wußtsein". 

Die  Dualität  der  Erscheinungen  i-t  unaufhebbai  steht   aber  zwischen 

Psychischem  und  Physischem  keine  Wechselwirkung,  sondern  ein  Parallelis- 
mus.   Psychisches  und   Physisches   sind  koordinierte  Erscbemungsreihefi   des 

-  •  öden,  das  die  kausale  Grundlage  der  Innen-  wie  der  Außenwelt  bildet,  in 
im--:'  Be?  ißtsein".  ..I>;t-  Mechanische  ist  das  von  außen  erfaßt  S  sehe, 
das  Seelische  das  von  innen  erfaßte  Mechanische  unseres  Körpers."  Alles 
L  gl  seelisch,  alles  Geschehen   auch  psychisch   („Doppelnatur" 

-  wird  der  Panpsychismus  ein  „phänomenologischer  Dualismus  aui  monistischer 

Ein   Teil   des  psychischen  Geschehens  i-t  unbewußt.    1-   gibt 
«•in  „erregtes"  und  „üb  Unbewußtes.    l>i'   Gedachtnü  sind  „unbe- 

wußte Bedingungen  möglichen  Bewußtseins".  Mit  dem  vorliegenden  Bewußtseins- 
bestande sind  „unbewußt  i  Gedächtnisresiduen"  verflochten  Assoziation, 
gpn  chen    Lesen  usw .  . 

•ritten     M.    Knutzen,    187tj.  kau:-    Kritizi-niuo,     lr-77.  Dm    Axiom«   dar 

—      Zur    The«>rio    «I.    Apperzeption,   Viertelj;ihrssclir.    t.    wi--.    Philo«,   X 

-  Die  psycho!.  Grundlagen  der  Beaehnngen  twiaehen  Sprecht!  und  Denken, 

11 — 111.  -  i'-;       ..  <l.   Denken«,    Sigwtrl  i •••-•-  hrift;    I.   I  • 

hol.    Untenachnngen   ober  dai    Leaen,    1898    (mit 
Dodge  .  tl.  Kinde*,  1901.  -  mg  d    K 

W\ iel  ifl     i  ••  Bypothentn  Iber  Leib  1907  n.  a. 

i:i  «liiiaim.  Johann    Eduard,  geb.    l^1"»   in   Wolmar  (Livland),   Prof.   in 
Halle,  | 

I'..  m   Begebenen  „Rechten"  (beew.  zur  „Mitte")  und  vertritt  stn 

die  dialektische  Methode;  freier  isl  er  in  sein«  . i«h t .*  der  Philosophie,  die 

in  der  neuen  Bearbeitung  viel  benutet  wird,    i1  mmenhang  von  Leib  und 

le  besteh!  darin,  „daß  •  ■-  ein  und  dasselbe    Wesen  i.-t.  u.l<! 
faltiges  und  Außen  darum   der   Außenwell     V  und    ihr    Aui- 

bloHsenea   Leib,  ab    I  und   innen  ii anente  Zw« 

die  Mannigfaltigkeit   ideell  tetst   und   durchdi 
theoi 


Kkpmaxn  —  Erhardt. 


Schri  '    rleaungen  über  Qlauben  u.  Wissen,    1837.  —  Seele  u.  Leib,  1837; 

Natur  oder  Schöpfung,   1840.   —   Grundriß  d.  Psychologie,   1840;    5.  A. 

-   Grundriß  d.  Logik  u.  Motaphysik,  1841;  5.  A.  1875.  —  Vermischte  Aufsätze, 

Psychologische   Briefe,    1851;    7.    A.    1896.    —    Philos.    Vorles.    über  d.  Staat, 

Grundriß    d.    Geschichte    d.    Philosophie,    1866;    4.    A.    1896    (bearbeitet    von 

m  Sohne  Benno  Erdmann). 

Ereiiuios   (Herennius),  Schüler   des   Amnionitis  Sakkas,   Neuplatoniker. 
ihm    zugeschriebene    Schrift    sie   ta   iisrä   rä  yvoixä   stammt    erst  aus   der 
Renaissance-Zeit. 

Vgl.   E.    II  KITZ,  Sitzungsber.  d.  Berlin.  Akadem.   1889,  S.  1167  ff. 

Eretriker  heißen  die  Philosophen  der  Elischen  Schule  (s.  d.),  nach  der 
Stadt  Eretria,  wo  Menedemos  und  Asklepiades  lehrten. 

lähardl.  Franz,  geb.  1864  in  Niedertrebra,  Prof.  in  Eostock. 
L..  der  von  Lotze  beeinflußt  ist,    tritt   für  das  Eecht   einer   kritischen 
aphysik  ein.     Die  Ans.chauungsf  ormen    (Eaum    und   Zeit)   sind   als 
Bolche   Bubjektiv.     Der   (aus    der  inneren   Erfahrung   stammende;    Begriff   der 
Kausalität  hingegen  ist  das  letzte   Prinzip   der  Erklärung  alles  Geschehens. 
Körper  weit   ist   (als   Materie)  phänomenale  Erscheinung.     Die  Kräfte 
Bind  das  An  sich  der  Materie,  sie  haben  „absolute  Realität",   sind  die  eigent- 
lichen   Substanzen;    sie   sind    immateriell.     Alle   mechanischen    Vorgänge   sind 
Leimingen  d y n am i scher  Prozesse.    Der  Dynamismus  schließt  die  (imma- 
ologie   als   Teil  in  sich.    Es    gibt   nur    „causae  efficientes",   von 
i  al»er  ist  ein   Teil   teleologisch;    der  Zweck  wirkt    nur   durch   eine  Kraft 
(Willenskraft),  nicht   als  ein  Zukünftiges.     Schon  in  der  anorganischen  Natur 
gibt  es  Kräfte,  welche  auf  die  Erreichung  eines  bestimmten  Zieles  hinarbeiten 
In  den  Lebewesen  gibt   es    „spezifisch  organische  Kräfte"    und  der 
reibet  ist  durch  planvoll  und  zweckmäßig  wirkende  Kräfte  gebildet, 
die  im  befruchteten  Ei  selbst  liegen  und  ohne  Bewußtsein  wirken. 

In  der  Körperwelt  geht  also  alles  im  weiteren  Sinne  mechanisch  zu,  d.  h. 

all«-  Veränderungen  in  derselben  sind  Bewegungen.    „Aber  weder  geht  alles  im 

Sinne  mechanisch,  noch  physikalisch-chemisch  zu.     Denn   die  Gesetze 

gen  oichts  aus  über  die  Beschaffenheit  der  Materie,  des  Subjektes 

nd    iilx-r    die   Qualität    der  Kräfte,  durch  welche  Bewegungen 

I    werden    sollen."      Die    Geisteswissenschaften    untersuchen    die 

nlassungen  c  Bewegungen.     Eine  Erklärung  sämtlicher 

ohne  Berücksichtigung  psychischer  Faktoren  ist  unmöglich 

!)'•   Theorie    d<  ihophysischen    Parallelismus).     Die 

ii    Leib  zusammensetzen,  stehen  mit  der  Seele  in  Wechsel- 

•  neu  Natui  kausalitäl    ist    nur  ein«'  petitio 

l  anfachen  Autinomienlehre,  1888.  —  Mechanismus  und  Tcloo- 
Prinzip  d.  Schließen^,  L891.  —  Metaphysik  l: 
Iwirknng    zwischen    Leib    u.    Seolo,    18*J7.    — 

I    Ldealiimus,   i  900.  —  I)üh  hi-t«.!  i  ■ 
i  im   Lichte  der  Kritik,   1<K>8. 


Ekhardt  E»  HENMA^  I 


Erliardr.  Simon,  geb.  1776  in  Ulm,  Pro!   in  Erlangen   und  Hei 
=  Schellingian< 

Schriften:  Philos.  Enzyklopädie,   1818.   —  Grundlage  der  Ethik,  1821.  —  Bin 
in  d.   Studium  d.  gesamten   Philosophie,  u.  a. 

Erio    Beiricus)  von  Au  ,  studierte  in  Fulda,  begründete  im 

1     rmain  zu  Auxerre  eine  Schul«-,  geet  tun  881.     I  -•  n    zur 

peeude-augustinischen    Schrifl     I       goriae",   die  V.  Cousin  publiziert   hat   (In: 
-   ineclits  d'Abelard).   =    E.  erblickt  in   nominalistischer    Weis*    in 

[Jniversalien  (Gattungen)  nur  sprachliche  Zuaammenfaasungen. 

Vgi.    II  \IJ:  KAI  .   Histoire  de  la  philos    scolastiqur    1. 

Ertettker  b.  M<  gariker. 
Ertagena        '      i  S     tu*. 

Krinolao  Barbaro  -.  Barbar 

IN<h<'mii;i v<  r.    Karl  Adolf,  geb.    1786  in   Neuenbürg     Württemfo 

In  Kirchheim. 
E.  i-t  vi»u  8chellin|  h  dann  aber  (unter  dem  Min 1 1 

von  Jacobij  einer  Bupranaturalistischen  Olaubensphilosophie  zugewandt     Vom 
Wissen  ist  zum  Glauben,  zur  „Nichtphiloeophii 

Gute,  Wahre  usw.  unmittelbar  ei  wird   durch   innen    Offenbar 

dun  S  bauen  erkannt.    In  im-  deT  Maßstab 

für  Natur  und  Leben,  <t   überl  a    und    i'y\ 

auf  die  Natur.  Die  Kategorien  sind  durch  die  rationale  Psych 
[chheil  zu  deduzieren.  In  dem  Grundgesetz  d  S  bstbewul 
Form  schon  mit  di      i  >en  und  on  ihm  aus  erhält  der  logische 

ine  Kategorien,  .  'undamental  r  dann 

auf  die  ihm  anderwärts  her  dargebotene  Materie  di  a  I  Denkens  anwendet"  Psychol. 
Dil    Ide<  ii   sind    „Urtypen,  die    vor  allem    Einzelnen  und   Wirk- 
lich« tnden  haben  und  dir  das  Einzelne,  Wirkliche  o    und  ihm  ihr 
Wesen  leihen".     Die  Natur  i-t  ein  Reflex  d<                ha-\\ 

jin-11  d<  ..Im  Worl  ist  die  Allweisheil  und  Allmacht,  ihre  «  i 

bam  Schöpfung,  und  in  ich  der  <  l 

und  der  Natur  .  .  .     Allen  ah  n  Plan  zur   Entwicklui  . 

turphil«  -  Id. .  ii  d<  -  Wal  -  bönen  und  ' 

nheiten,   in  der    S 
Abbild«  ler  difl  t",    im  £ 

ndividuelle  i  all   bilden   die    I 

ionen'1.     „Im   <  I  i-t    da«    I ']  ei<     im  1  bt,   im    \ 

Leiblichen  Bind    beide  im  < 
..nur  der  dii  In  der   Mitte  d<  r    W 

üttlichei     ' 
alle  phj  »ich   ihr» 

und 

und  ii    darin,  \\ 

rollkommenheil  in  i 


ESOHENMAYEB  EüOKEN. 


-  hriften:  Sätze  aus  der  Natarmetaphysrik,  auf  chemische  und  medizinische  Gegen- 

wandt,  1797.   —   Die  Philosophie  in  ihrem   Uchergange  zur  Nichtphilosophie, 

;u\   1817.    —   System    der   Moralphilosophie,    1818.    —    System    des 

1 S 1 0 — 20.    —    Religionsphilosophie,    1818 — 24.    —    Grundriß    der    Natur- 

-  :.i  \    18S8.  —  Grundzüge  der  christlichen  Philosophie,  1840,  u.  a. 

I  Soiibeck  b.  Ni 

Cfiplwnnj    Altml.   geb.  1844  in  St.  Florentin,  Prof.  in  Paris.   =  Die  Ge- 
schäft   ist    nach  E.   eine  Art  Organismus,   ein   Individuum,   ein   „lebendiges 
1 U  vrußtsein  oder  ein  Organismus  von  Ideen''.    Die  Gesellschaft  ist  eine  Kooperation 
von  Individuen,  ,.un  concours  permanent  que  se  pretent  pour  une  meine  action 
-  individus  vivants,  separees". 

-  hriften:   Les  societes  animales,   1877;  2.  ed.  1878  (auch  deutsch,   1879).  —  La 

-  phie  experimentale  en  Italie,  1885.  —  La  philosophie  sociale    du    XVIllmo  Siecle 
8,  u.   a. 

|] ii  1)11  Udos  von  Milet,  Vertreter  der  Megarischen  Schule,  als  Dialektiker 
knnnt. 
Verschiedene  Sophismen  (Fangschlüsse)  werden  ihm  zugeschrieben.    1)  Der 
evS6f*evog):   Ein   Kretenser  sagt:   alle  Kretenser   sind   Lügner.    Also 
-elbst   eine   Lüge.    Also   sind   nicht   alle   Kretenser  Lügner. 
Oder:  Wer  ein  Lügner  ist  und  hierbei  zu  lügen  erklärt,   lügt  und  spricht  zu- 
ich  die  Wahrheit.    2)  Der  Verhüllte  {eyxexaXvfÄ^svog)  oder  die  Elektra  (ähn- 
lich): Kennst    du   diesen  Verhüllten?     Nein.    Es   ist   dein  Vater;    also  kennst 
du  deinen  Vater  nicht.     3)  Der  Kornhaufe  (Sorites):  Wie  viel  Körner  machen 
en    Haufen?     Ähnlich   der   Kahlkopf   {(pa)MQxog):    Wie   viel  Haare    müssen 
ausfallen,  bis  man  ein  Kahlkopf  wird?    4)  Der  Gehörnte  (xsQativrjg) :   Hast  du 
Hörner  verloren.    Xein.    Also  hast  du  sie  noch,  du  bist  gehörnt. 
DlOGEX.  La  i;in\  II. 

Eacken,  Rudolf,  geb.  1846  in  Aurich,  seit  1874  Prof.  in  Jena. 

E.   Lehrt,   unter  dem   Einfluß   besonders   von   Plato  und   Fichte,   einen  ob- 

en    rdealismus    als    Weltanschauung,   der  aber  nicht    intellektualistisch 

»ndern  auf  selbständige,  aktive  Gestaltung  des  Lebens  gerichtet  ist  (Akti- 

Ee    ist    ihm    überall  um  eine   Erhöhung   des    Lebens  zu  tun,   um 

n  Standpunktes,  von  dem  aus  das  Leben  Sinn  und  Wert 

indem   es   als    in    einem    universalen    Geistesleben   verankert   er- 

/•i  dem  es   sich  aktiv   im    Kampfe   gegen   alles  bloß  Naturhafte   und 

erheben  hat.     E.  gehl  nicht  von  der  Bsyche  des  Einzelnen,  nicht 

I  idern  „noologisch'1,  vom  geistigen  Lebensprozeß  und  großen 

tenhängen  aus.     Da«  „Geistesleben"  umspannt  Gott  und  Welt, 

in    einer  selbständigen,   übergeordneten   Einheit.    —   Die 

Z  sammenhange   vod   Lebensanschauungen    und   Lebenstendenzen 

teme"  oder  „Syntagmen".     Di<-  Einseitigkeiten   derselben, 

UektualismuSjÄsthetizismus,  werden  von  E.  scharf  beleuchtet. 

Kultur  muß  dem    Menschen   eine  selbständige  Stellung  in 

An  des  Seins,  eine  Erhöhung  seines  Wesens,  eine 

die    aber   Natur   und    Intellekt    hinausfuhrt    in   das 


EU<  ki.n      -   Ei  DEMOS.  101 


Reich  des  Geistes  und  seiner  Werte.  Das  Geistesleben  mnfl  in  uns  immer 
voller  und  reiner  zum  Durchbrüch  kommen,  unser  Leben  mmvoU  erfüllen,  ans 
erhöhen  und  vom  Druck. •  <k-<  Daseins,  des  [chs  befreien. 

Der  bei  sich  selbst   befindliche   Lebensproeefl  ist  Geist     Dieser     • 
fuia  -einem  Schaffen  eine  neue  Wirklichkeil    und  will  die  lern     1. 

<l;iniit  umwandeln".  Im  Bchaffenden  Geistesleben  erfolgt  ein  „Aufsteigen  der 
Wirklichkeit  zu  einer  innern  Einheit  und  zu  voller  Selbständigkeit".  Durch 
Kampf  und  s.  li»-i tat i-k.it  nrafl  die  geistige  WeK  immer  neu  erobert  werden; 
dss  Geistige  i-t  aktive  Belbetentwicklung.  In  der  Geschichte  eröffnet  lieh 
uns  dss  an  sich  selbständige  —  Geistesleben  durch  die  Arbeit  der  Gesamt- 
heit. Das  Geistesleben  ist  eine  an  sich  bestehende  selbständige  Wirklichkeit, 
aber  für  unser  Bewußtsein  und  unsere  Tätigkeit  i-t  es  erst  zu  gewinnen  und 
anzueignen,  nur  damit  kann  es  eine  deutliche  Gestalt  und  einen  bestimmten 
Inhalt  gewinnen.  Die  Geschichte  der  Ifenschheit  i-t  nur  dadurch  mißlich, 
dal'»  hier  „eine  Eröffnung  des  Geistesleben-  al-  einer  neuen  Stufe  der 
Wirklichkeit  in  Fluß  kommt  und  vordringt".  Ein  Gesamtgeschehen 
trigt  alle-  Einzelne,  tnibt  alle-  einein  gemeinsamen  Ziele  zu.  Die  Natur 
i-t  Vorstufe  des  Geistes,  ein  Trieb  zum  Geistigen  wirkt  schon  in  ihr.  Die 
Wirklichkeit    i-t    nichts    Abgeschlossenes]   daher  auch    nicht    rein    begrifflich 

böpfbar.      Unser    seelisches    Leben    wird    ron    der    (transzendenten    und 
zugleich   immanenten)    Einheit    der    göttlichen    All-Person    getragen    und    zu 
einem    „personalen    LebenssyBtem"    verknüpft.      Von    vornherein    geboren   die 
Einzelwesen  einem  universalen  I'ersonallebcn  an.    Die  Entfaltung  eines  wahr" 
hat t   personalen  (einheitlich-aktiven)  Geisteslebens  i-t  eine  unendliche  A 
die  einerseits  durch  unsere  Selbsttätigkeit,  anderseits  durch  das  uns  tragende, 
in    unser    Leben   hineinreichende    Wirken   der   geistigen    uberwell    ermöglicht 
wird     Daher  i-t  die  (universale    Religion  eine  wahre  Lebensmacht     Ei 
hört  zu  ihr.  dal',  sie  ..der  nächsten  unmittelbar  vorhandenen  Welt  eine  and< 
An  des  Beins,  eine  neue  überlegene  Ordnung  der  Dinge  entgegenhalt11. 

Von     E.    beeinflußt    sind    0.    sieben.    .1.    Goldstein,    0.    Braun, 
IC.  Sc  heier,  IE  Leser,  E    Fuchs,  0.  Trübe,  0    Kästner  u.  a. 

te  der  philo«.  Terniaologie,  1879.  —  Beitrage  rar  Gei 
<1.  neuer-  j-hio,  l  s^  -    |    \    1906.  —  Geschichte  u.  Kritik  der Qnwdbegrii 

war  j.    \.    1  .•■■   9ti  dta  not).  —    Prolegomena 

ragM    IbSff    «1.    Einheit   d.   QeÜtSslsbSSS,     \H#5.    —    Di«'    Einheit  ^    in 

Bewußtsein    und    Tai  ..heit,    1888.  Dia     Lei 

'.    —    Der  Kampf  im»  |  i.   I.,-l..-i.-ini.a,:.   1 

—  Das  Wsras  der  Religio»,  1901.        Der"?  dl  der  Religio«,  1901;  ■-'.  A    19 

—  TboraM    '  ..!i"    ii.    Kant,     1901;    I.    A.    L910.    —    Q  •     — 
iptprobL  d.  Retigionap]                            '.         Qrandli                                                  ••  — 

Dst  sinn  ii    Wm\  •!- -   Lebera,   1908;  I    \    1910.        Biafthi    I  ites- 

.   u.   a.   -       \         0.  SlEBBRT,  B     !    -   Welt«  .■..,.• 

F.ii<l<>iiio>    v<»n    EIi.kIh-.    Shul.  i    d«    I 
und   nur  Fragmente  und   teilweise    die  (früher  dem 
Endemische    Ethik'-    erhalten  Mit    rheophj         hat    i     di<     \r 

I  l 


Etjdemos  —  Eusebios. 


_-ik  in  manchem    ergänzt,    so  in  der  Lehre  vom  Urteil   und   vom   Schlusses 
In  der  Kthik  macht  sieh  eine  Tendenz,  zu  theologisieren,  bemerkbar. 

Kudemi  Rhodii  peripatetici    fragnienta,    ed.  Spengel,    ed.  II,    1870.    Eude- 

■tMha   Kthik,  hrsg.  von  Fritzsche,   1851. 

Endoros  von  Alexandrien,   um  30  n.  Chr.,   platonisierender  Eklektiker. 
Kr    sehrieb    Kommentare  zu   Aristoteles    und    verfaßte    eine    Sammlung   philo- 
JÜSCher  Lehren. 

Eudoxos  von  Knidos,    um   370  v.  Chr.,    Schüler   Piatons,    studierte   in 
Heliopolis  Astronomie,   lehrte  in  Kyzikos  und  Athen,  errichtete  in  Knidos  eine 
Sti  rnwarte.  =  Nach  E.  ist  (im  Gegensatz  zu  Piaton)  die  Lust  das  höchste  Gut. 
Diog.  Laert.  IV  u.  VIII. 

I :  u  li emerns  (Euemeros),  lebte  um  300  v.  Chr.  am  Hofe  des  makedonischen 

Königs    Kassmdros.      Aus  seiner   Schrift  (isgd  ävayga<prj)   sind  nur  Fragmente 

erhalten.  =  Nach  seiner  Lehre,  dem  „Euhemerismus",  sind  die  mythologischen 

ttheiten  und  Heroen  nur  vergötterte  Menschen,    die  Großes  geleistet  haben. 

und  dafür  verehrt  werden. 

Schriften:    Euhemeri  reliquiae,    coli.  Nemethy,  1889.  —  Vgl.  R.  BLOCK,  Euhe- 
mere,   1870. 

Enk leides    von    Megara   (nicht   der   Mathematiker!),   Begründer   der 

M  •_  irischen  Schule,  Schüler  des  Sokrates,  soll  sechs  Dialoge  verfaßt  haben. 

E.  vereinigt  Lehren  des  Sokrates  mit  solchen  der  Eleaten  und  identifiziert 

S    <-nde  mit  dem  Guten.      Wirklich  ist  nur  das  Gute,   d.  h.  das  Seiende, 

die  Vernunft  {tpQÖvrjoig,  vovg),    Gott.     Das   Nicht-Gute   ist   nicht   (rä  de  ävti- 

xsifiera  ko  dyaüol  dv/joec,  //?)   elvat   cpäaxcov,    Diog.  Laert.  II,  106).      Das    Gute 

unveränderlich  („quod  id  bonum  solum  dicebant,  quod  esset  unum  et  simile 

ulem   semper",    Cicero,    Acad.  II,  42).     E.    wird   auch   als    Begründer   der 

(eristiachen)  Dialektik  genannt;  er  griff  nicht  die  Voraussetzungen,  sondern  die- 

mgen  an  {dXXa  xat   emyoQav).    Ob  die  Lehre,  daß  das  Seiende  aus  rein 

nttlifh    zu    erfassenden  J'ormen   (el'örj)  besteht,   von  E.  vertreten   wird  (vgl. 

Piaton,  Bophistes  246 B  ff.),  ist  sehr  fraglich. 

Laj-rt.  11.    —    MALLET,   Histoire   de    l'ecole   de  Megäre,    1845.  — 
l'i:\M  i  d.  Logik  1. 

EalealMU-g,   Franz,  geb.  1867  in  Berlin,  Prof.  d.  Nationalök.  in  Leipzig. 
lehriften:     Über   d.  liögl.    e.    Sozialpsychologie,    1900.    —    Gesellschaft  u.  Natur, 
I    -     D.  mm  QesehiehtnriM.,  1907,  u.  a. 

B«ler,  Leonhard,  L707-1783,  der  Mathematiker  und  Physiker.  =  Gegen 
'  i  die  Bealitäl  de«  Raumes  („qu'il  y  a  quelque  chose  du  rdei 
I    qui  repond  a  cette  idee"). 

es:     BJflaxioiu  sur  l'eqmoe  et  Je  tempt,  1748.    —    Theoria   motus,    1765. 

Euapftot  Bardes,  im.  360  u.  Chr.,  Neuplatoniker. 

phontni  et  topbiitarum,  1822,  1849. 
,:,,s,*,,,'  Neuplatoniker  im  A.  Jahrh.  n.  Chr.:  seine  Vor- 


Euotai  moe  —  I"  leer.  163 


Enstathios,  Neuplatoniker  im   1.  Jahrb.  n.  Chr. 

Enmtratins,   Metropolit    von    Nicaea,   im   12.  Jahrh.     Kommentare  eh 

Aristotelischen  Schritten,  1534,  1536,  1541,  1542. 

Enttiydemos  ans  China,   Sophist,  dessen  hohl»-   Dialektik   Piaton  (im 
Dialog  ..Kuthydemos")  verspottet. 

Ewald.  Oskar,  geb.  1S81  in  St.  Georgen,  Privatdozenl  in  Wien. 

E.  bekämpft  den  Relativismus,  Subjektivismus  und  Psychologisinus  und 
steht  der  Neu-Frieaschen  Schule  nah«'.  Die  Gültigkeit  und  der  Wert  der 
Kategorien  i-t  von  der  Erfahnm-.  auch  der  inneren,  anabhängig,  ab.-r  das 
Vorhandensein  der  Kategorien  wird  durch  innere  Brrahrnng  konstatiert  „Wir 
sind  wohl  Psychologen,  aber  nicht  Psychologieten."  Die  logische,  aj>ri<>- 
ristische  Deduktion  ial  onmöghch,  ebenso  i>t  die  teleologische  Methode  abau- 
lehnen.  I > i* -  Kategorien  sind  „letzte  Vernnnftakte"  von  objektiver  <;«ln, 
die  „idealen,  reinen  Formen  .  .,  die  die  Wahrnehmungen  zur  Erkenntnis  ver- 
edeln". I>;i~  eigentliche  A  priori  in  ihnen  entspringt  aus  den  Denkgeset/. n 
Bowie  der  Einheit  und  Identität,  die  sie  beherrscht;  sie  bestehen  aus  einem 
\  priori  der  Zahl  und  des  tureichenden  (irundes  sowi.-  ans  „empirischen 
Formen".  So  ist  von  einer  „empirischen  Behaftnng  der  Kategorien*4  so 
sprechen.  Ein  A  priori  Lei  die  rein  \  Bchaunng  als  Prinzip  der  Iffannig- 
falti-k.it.  Die  Zahl  entspringt  der  transzendentaler]  Apperzeption  als  Syn- 
th»-,■  roo  Anschauung  und  Denken.  E.  ist  auch  ein  Gegner  der  „atomistischi 
\  Baoziationspeycholi  ■. 

Schriften:     EftetSKhsi    Lehren    in   ihren    (irumlbe-i  iilen,    L90S.    —    Romantik  und 
gl  nwart   1,    1 9«>4.    —    B.   Avenarius,   190Ö.     —     Kants   Methodologie,   1906.    —    Kant* 
Kritischer  Idealismus,    1908.    —     Gründe   und   Abgründe,    L909.     —     Erkenntniskritik   und 
BrkSBBhuatheorie,   VFiseenseh.   Beilage  der  Philos.  floeollsrh    in    Wien,   1910.   —   Lebens- 
fragen,  1910,   u.  a. 

Rner,    Franz,   geh    L802  in    Wien,    1827  Prof.  daselbst,    1832  in  Pl 
Ministerialrat,  gest  1853  in  Padua.  =  Durch  Beinen   Einflui)   wurde  die 
Berber t sehe   Philosophie  in  Oeeterreich   rar  lange  Zeit  an  den  Universitäten 
und  in  den  Gymnasien  (Propädeutik)  herrschend. 

er    N.'iuiiiiilismufl    u.     BeeJismos,    1841.    —     Die  .,'ie    der 

Sehale,    L841     A4.    —    Über   Leibnis1   öni 

Lehre    von    der    Einheit    des    Uenken«    und    Seins,    18  1.,. 

Exnier,  Bigmund,  geb.  1846  in  Wien,  Professor  der  Physiologie  in  Wi 
Die  Lokalination  der  Punktionen  in  der  Grofihirorinde,   L881.         I 
warf  e,  physiol.   I  sangen,  1894,  u.  a. 


F. 


I  ';iImt  Btapulenai  qnes  Lefevn  I    \\ ■  •      P 

lehrte  in  P  I  i  di<    W<  N  I 

l'-  ■  I  li.iii.hr.   rertrit  t  1  I  ■  rminian 

ir 


Faber  —  Fechner. 


B  hriften:  Paraphrasen  zu  Aristoteles,  1525,  1526.  —  Introductio  in  Aristotelis 
ethica.  politica  et  oeconomica,  1514.  —  Intr.  in  Aristot.  libros  de  aniraa,  1538,  u.  a. 

Faber,  Philipp,  1570—1630.  =  Italienischer  Scholastiker  (Skotist). 

hriften:     Philosophia     naturalis.        Coramentarii    in    IV    libros    sententiarura, 
1618,  u.  a. 

Fabianns.  Papirius,  Zeitgenosse  des  Seneca,  gehört  zur  Schule  der 
&  \tier  (s.  d.). 

Fabri.  Honort',  geb.  1607.  =  Eklektiker. 

Schriften:  Philosophia  universa,  1646.  —  Logica  analytica,  1646.  —  Metaphysica 
demonstrativa,   1648. 

Fastt'i  •  Adolfo ,  Pavia.  =  Vertreter  einer  kritizistisch-positivistischen 
Philosophie.  Der  psychophysische  Materialismus  ist  als  Arbeitsmethode  (nicht 
metaphysisch)  gültig. 

Schriften:  Principii  di  psicologia  moderna,  1895 — 97.  —  II  materialismo  psico- 
fisico,  1901,  u.  a. 

Falekenberg,  Richard,  geb.  1851  in  Magdeburg,  Prof .  in  Erlangen.  ±=  Nach 
F.  ist  Lotze  der  bedeutendste  Philosoph  in  der  Zeit  nach  Hegel.  Einer  idealistischen, 
den  Ergebnissen  der  Erfahrung  und  der  Wissenschaften  gerecht  werdenden 
Philosophie,  welche  den  Gehalt  der  Fichte-Hegelschen  Spekulation  bewahrt, 
gebührt  die  Zukunft,  Die  Abneigung  der  „Marburger"  Schule  (Cohen  u.  a.) 
gegen  das  Psychologische  in  der  Vernunftkritik  geht  zu  weit. 

Schriften:  Über  den  intelligiblen  Charakter,  1879.  —  Grundzüge  d.  Philos.  des 
Nie.  Cusanus,  1879.  —  Geschichte  der  neueren  Philosophie,  6.  A.  1908.  —  Über  d. 
gegenwärtige  Lage  der  deutschen  Philosophie,  1890.  —  Hilfsbuch  d.  Geschichte  d. 
Philos  seit  Kant,  1899;  2.  A.  1907.  —  H.  Lotze,  I,  1901.  —  Kant  n.  d.  Jahr- 
hundert, 2.  A.   1907. 

Fai'della,  Michel  Angelo,  1650—1718.  =  Kartesianer. 
Schriften:   Universae  philosophiae  systeraa,  1691. 

Farge&9  Adolphe.  =  Thomistischer  Standpunkt. 
Schriften:   Etudes  philosophiques,   1887 — 94,  u.  a. 

I  avoiinus  aus  Arelate  (Gallien),  um  150  n.  Chr.  =  Skeptiker.  Da 
für  alles  sowohl  Grande  als  (legengründe  sich  erbringen  lassen,  ist  Urteils- 
mthaltmig  zu  empfehlen. 

1       ;  i'.u  !  — o\,   Über  F.,   1906. 

Fechser,  Gustav  Theodor,  geb.  19.  April  1801  in  Großsärchen  (Lausitz). 

da    Physik   and   später  der   Philosophie  in  Leipzig,  gest.    18.  November 
(arische)    Schriften    verfaßteer  unter   dem    Pseudonym 

prochensterj  Tatsachensinn  und  empirische  Grundlegung 

it    hohem  spekulativen  Schwünge,  bei  dem  die  Phantasie 

Beeinflußt  ist  F.  von  Spinoza,  Leibniz,  Kant,  Schelling  u.  a. 

I   ei  zi.  ndei    einer  idealistischen    [dentitätslehre,    eines 

aen  Parallelismns,    Panpsychismus  und 


i'ij  mm. 

objektiven    Idealismus   geworden,    wonach  das    An    neb 

•  n  ist)  was  von  außen  als  materiell  erscheint 

Zunächst  ist  aber  F.  auch  Begründer  da  Psychophysik  al-  - 
matischer  Wissenschaft  E.  II.  Weber  hatte  das  Gesetz  aufgestellt,  «laß  die 
Veränderung  der  Empfindung  proportional  dem  Verhältnis  des  Kei//uwa< ! 
ecfolgt  Nach  Fechners  psychophysischem  Gesetz  entsprechen  ^  N  i«ht-ii  rela- 
tiven EUunmtencbieden  gleich«-  rntersehiede  der  E^mpfindungsintensititen. 
Während  die  Reizintensitäten  im  geometrischen  Verhaltnisse  zunehmen, 
irachsen  die  EmpfindungBintensititen  nur  in  arithmetischer  Progression,  <  >der 
die  Ordnungszahl  der  Empfindungen  wächst  proportional  dem  Logarithmus 
d<r  Beizintensität,  wobt-i  sie  Einheit  der  Schwellenwert  des  Beizes  gilt    Di 

seta  mli  t iir  die  Beziehungen  zwischen  psychischen  und  leiblichen  Funk- 
tionen, also  psychophysisclL  Am  das  Verhältnis  der  Nervenprosesse  zu  den 
inAeren  Reizen  beziehen  dsj  Gesetzt  \,  I".  M  u  Her,  Spen  o  er  u.  a.  Psychologisch 
-  Vi  rgl<  ii'hungsprozessen)  interpretieren  das  Gesetz  Delboeut.  Ziehen, 
\\" uii dt  und  Lipps  u.  a.:  nach  beiden  letzteren  ist  das  Gesetz  ein  ..Apper- 
septioni  •  ii  ( lesetz  der  „apperzeptiven  Vergleichung".  Betreffs  der  Gültig« 

keil  des  Fechnerschen  Gesetzes  werden  auch  verschiedene  Bedenken  geiui 

Die   Atome   sind   nach    F.   iinansgedehntc  Kraftpunkfc       ä     sind  weder 
Dinge  an  sich  noch   Fiktionen.   sondern    ..ein»-   für  die   Konstruktion  des  I 

hu.  ii     notwendige    Grenzrorstellung  des   Gegebenen".      Der    Beweis    ihrer 
Realität  Liegt  in  der  ..mathematischen  Notwendigkeit,  sie  zn  gebrauchen". 

F.  stellt  der  „Nachtansicht'',  welche  von   allen  Qualitäten  der  hinge 
strahiert  und  sie  als  ruhllose  Mechanismen   anfraßt,  die  „Tagessusicht"  gegen- 
aber,  tür  welche  die  Wirklichkeil  von  dem  Leuchten  und  Klingen  und  von  den 
anderen  Qualitäten,  die  wir  an  ihr  gewahren,  Belbsi  etwa-  verspürt    Alles  ist, 
entweder  selbständig  oder   nur  als  Teil   eine-   oinisssenderen  Zusammenhaj 

seelisch.    Aber  es  gibt  keim  „Monaden'4  und  keine  substantiellen  Beelen, 

die  mit    dem    Leib.-   -ich    verbinden.     Es    gibt    mir    eine    Art    defl    Wirklichen. 
\\  ie  ein  und  derselbe  Kreu   VOn  der  einen  Seite  konvex,  von  der  anderen  konkav 

h' mt.  so  und  auch  Materie  und  Geist    nur  „zwei   Erscheinungsweisen  des- 
selben Wesens",  deren  Gemeinsames  in  der  „untrennbaren  Wechselbedingtheit" 

teht      »Wal    <lir   auf    innerem    Standpunkt     al-    dein    Geist    erscheint, 

der  du  selbst  Geist  bist,  erscheint  auf  tuflerem  Standpunkt  dagegen  als  die-e- 
Geistei  körperliche  Unterlage.44     D  Psychisch*    ist  das  Innen-,  das 

Belbstaein,  die  „Selbster-cheinunL:--   de-    iMii-c.   dessen  Aul'.eiiMite  od.r      l-'remd- 
1 1«  i  1 1 1 1 1 1  lt"    der   Leib  [das    Physische)   ist     Je  muh  dem   Standpunkt   erscheint 

das  Wirklich,   sli  I  der  al-  Körper,  wobei  die  leibliche   Erscheinung  all 

Äußerung   dei  en    Belbsterscheinung  dienen  kann.     „Vom   Grundwesen 

selbst,  was  beiden  Eirschemungsweisen  in  uns  unterliegt,  läfit  sich  oichti  in 

en,  al-  dafl  es  eben  nur  ein-  i-t.  wa-  sich  durch  da-   Vermögen  beider  I 
icheinungsweisen  zweiseitig  charakterisiert,   ul  ■  .    \\ . 

selbst,  al-  leibliche-.  Boten  es  einem  andern  al-  -ich  selbst  zu  erscheinen 

I  I  .■  /.Wel-eit|eke|l    •    de-     \\ ',  »    |,-     I    .   _'  M  .'lell 

\n!  desselben   gegründet     Der  Li  iuedruck,  andem 


136  Fechxer. 

ler  ..>i(/"  oder  Organ  der  Seele.  „Das  Leibliche  ist  die  äußere 
Hülle  des  Geistigen,  sofern  die  leibliche  Erscheinung  nie  das  Selbst  gibt,  sondern 
nur  dessen   äußere   Erscheinung  für  ein  anderes." 

Zwischen  Psychischem  und  Physischem  besteht  keine  Wechselwirkung, 
sondern  ein  universaler  Parallelismus.  Es  entspricht  die  eine  Seite  oder 
teinungsweise  der  anderen,  hat  ein  Korrelat  in  ihr.  Was  aber  auf  der 
Außenseite,  im  Physischen,  eine  Vielheit  ist,  kann  im  Psychischen  als  Ein- 
heit auttreten.  Ein  Teil  des  Psychischen,  das  physiologischen  und  physischen 
Prozessen  parallel  geht,  ist  (relativ  oder  absolut)  unbewußt,  wobei  F.  annimmt, 
dal"1,  das  Unbewußte  durch  „Mechanisierung"  des  Bewußtseins  entstanden  ist 
und  jetzt  im  allgemeinen  Bewußtsein  ununterschieden  aufgeht.  Da  es  zwischen 
Psychischem  und  Physischem  keine  Wechselwirkung  gibt,  so  ist  nicht  die  Be- 
wegungals  solche,  sondern  das  Innensein  derselben  Ursache  unserer  Empfindung. 
Ein  und  derselbe  Kausalzusammenhang  in  uns  läuft,  je  nach  der  Betrachtung, 
auf  zwei  Weisen  ab.  Das  Wirkliche  verhält  sich  wie  eine  Uhr,  „die  sich  selbst 
in  ihrem  Gange  als  geistig  sich  regendes  Wesen  und  einem  Gegenüberstehen- 
den  als  ein  Getriebe  und  Treiben  materieller  Eäder  erscheint". 

Die  Welt  ist  nach  F.  eine  Stufenordnung  von  Bewußtseinseinheiten. 

Die  höheren  umfassen  die  niederen  und  wissen  von  ihnen,  während  diese  von 

jenes  kein   unmittelbares   Bewußtsein   haben.    Das  höchste  Sein   ist  das   alles 

umfassende  und  zugleich  allem  immanente  göttliche  Allbewußtsein,  dessen  relativ 

selbständige  (ilieder  die  Einzelgeister  sind.    Die  diesen  zunächst  übergeordneten 

i ßtseinseinheiten  sind  die  Planetenseelen,  die  den  „Engeln"  der  Religion 

rechen.    Die  Erde  ist  ein  lebendiger  Zusammenhang,  sie  hat  ihr  Nerven- 

!ii,   indem   die  Einheit   aller  Menschenhirne   ihr  Gehirn  bildet.     Die  Erde 

i-r  onsere  Mutter,  deren  Sinnesorgane  die  Lebewesen  sind.     Die  Erdseele  ist 

länheit  des  p-yehischen  Seins  der  Lebewesen.     „Trieb  und  Wille  der  Ge- 

Bchöpfe  verknüpfen  sich  nun  ebenso  in  einem  höheren  darüber  hinausgreifenden 

Willensgebiete  der  Erde,  als  Empfindung  und  Wissen  derselben  in  einem  höheren 

gebiete."     Das  Leben  geht  dem  Tode,  das  Organische  dem  Anorganischen 

voran.     Das  ..K"-morganischea  der  Erde  hat  sich  einerseits  in  die  Organismen, 

nette    in   das   Anorganische  gegliedert.     An  der  Entwicklung   der    Or- 

ni«  n  sind  psychische  Faktoren  beteiligt.    Die  Pflanzen  haben  eine  Seele 

(Empfindung  usw.),  denn  es  besteht  ein   Gewebezusammenhang,  der  auf  eine 

he  ah  hm«  buh  -in  hinweist  und  als  Substrat  derselben  hinreicht;  ein  Nerven- 

<ii  ist  nicht   Bedingung  des  Seelenlebens  überhaupt,  sondern  nur  Ausdruck 

-  besonderen,  differenzierten  Seelenlebens. 

Menschen    ist  keine  Substanz,  sondern  der  einheitliche  Zu- 

ohanj    psychischen  Geschehens,    dessen    Ausdruck   und   Außenseite  der 

and  d«  Zentralnervensystem  ist.    Unsterblich  ist  die  Seele  nicht 

dem  akinal,  in  der  Sphäre  ihres  Wirkens,  indem  sie  sich  schon 

einen  Denen  Organismus,  einen  „Tatenleib"  schafft.     Der 

die  der  Mensch  hinterläßt,  wird  sein  individuelles  Wesen 

forterhalten,  verborgen    für  die  Hinterbliebenen,  aber 

de*   Menschen    erhält    sieh    in    dem    um  lassen  deren 


I'j:<  iinki:.  ]•;, 

.   in   «las  ei  eingeht  und  schließlich   im  göttlichen  Geiste  in  eu 
Denen,  höheren  Form  der  Bewußtheit.    ..Das  jenseiti  n   unserer  G 

verhalt  sich  zu  dem  diesseitigen  ähnlich,  wie  ein  Ernmerungsleben  /u  dem  An 
schaunngsleben,  ans  dem  es  erwachsen  i>t.--    .,Uusere  kiint't:_  stenzen  i 

lauten,  stören,  ver wirren  sich  deshalb  eicht,  «lall  wir  uns  mit  onseren  Wirkung 
und  Werken  alle  derselben  Welt,  demselben  großen  Leibe  einverleiben.*4 
Gott  weiß  alles,   was  in  den   Geistern  vorgeht     Kr  ist  anendlichi 
dessen  Leib  die  Well  ist,  der  „Allgeist",  ein  „einiges,   höchst  bewußtes,   wahr- 
haft allwissendes,  d.  h.  alles   Bewußtsein  der   Weh  in  sich  tragendes  und  hier- 
mit auch  das  Bewußtsein  aller  Eänzelgeschöpfe  in  höheren  Beengen  and  höchc 
Bewußtseinseinheil  verknüpfendes  Wesen".    Gott  isl  ond  wirkt  alles  in  allem:  als 
•die  Totalität  <h-s  Seins  und  Wirkens  hat  er  keine  Außenwelt  außer  -ich.    „Alle 
n   -ich  in  der    Innenwelt   seines   G  die    Körper    in    der  Innen- 

weh seines  l      es."    Alle  Entwicklung  ist  Entfaltung  in  Gott,  in  dem  es  an 
-ich  nichts  B  see  gibt;  die  übel  bestehen  nur  im  Gebiete  <\<-  Einzelnen.    Ein 
und  dasselbe  Wirkliche  ist    einerseits  Gott,   göttlicher  <>ci-t.  anderseits  Natur. 
^Dasselbe   Ganze,    was   dem    EÜnselgeschöpi    und   mittels  de-   Binzelgeschö] 
•i   in   äußerer    Anschauung  als    Katar   erscheint,   erscheint    sich   selbst  im 
/en  als  göttlicher  Geeist."    Alle-,   was  i-t.   i~t    in   Gott     Panentheismua),   i-t 
1:1    und    Inhalt    des    göttlichen    Bewußtseins    (Objektiver    [dealismus).     Der 
Glaube  an  Gott  ist  ein  praktisches  Bedürfnis,  dessen  objektive  Grundlage  die 
Vernunft  auf»  ij 

l>ic   Ethik   I  eudamonistisch.     Gut  i-t  die  Lust   schlechthin,  wahr- 

lt   da-.   u;i-   j  i-t.  den   GlÜckseligkeitBZUStand   der  Welt    /n    fördern. 

Das    Maximum  der   Lust    des    Universums   als  solchen  i-t   der  Endzweck 
Tlandelns.  -<>  dal»  der  E/goismus  abzulehnen  i-t.       F.  gehört  eu  den  Begründern 
rperimentellen   Ästhetik    ..von  unten  auf-'.    Wichtig   i-t   seine   Unter- 
scheidung   zwischen  dem   „direktem-   und  dem    „assoziativen"    Faktur  des   A-ihe- 

1  bdienden.  „Direkt  .  .  i-t  der  Eindruck  emes  Gegenstandes,  insofern 
er  Bubjektiverseite  von  der  angeborenen  «»der  nur  durch  AufmerkBamkeit  und 
Übung  im  Verkehr  mit  den  gleicher  Art  entwickelten  und  verfeinerten 

inmren  Einrichtung  abhan  iziativ,  insofern  er  ron  einer  Einrichtung  an- 

hingt, die  dadurch  entstanden  i-t.  daß  sich  der  Gegenstand  wiederholt  in  \' 
bindung  und  Beziehung   mit   gegebenen  Gegenständen  anderer   Art  dargeboten 
hat      Vorschule  der  Isthet  I.  l_'i  i. 

Anhänger  l '.-  Bind  mehr  oder  weniger  Pauls«  n,  B,  Wille,  W.  Pastor, 
K.  Lasswitz,    P.   Iföbius   u.  a.     Beeinflußt    ron    I'.   sind    Wundt,    11 

maus,   n.   a. 

:    :  •  i  in  vom  Labes  sm  h  den  Tod« 

<la«  höchste  I  I  EVaaai  ids   Pflai  \. 

I        -     Zendavönta    ..der    ui.cr    dit  D.    <l     .lonnoiU,     1  A. 

L  '■■>■]  «i.  pbvaikal.  u.  philo*  Atonsa  •  der 

Payehopayril  A.18M  ►!.—  Cbsrd.fl  I       Medrei 

lade  «1.  (ilaubenn,  -  •  e«n 


Fechxer  —  Ferguson. 


A  l897  f.  —  in  Sachen  d.  Psychophysik,  1877.  —  Die  Tagesansicht  gegen- 
über der  N;uht ansieht,  1879;  2.  A.   1904.  —  Revision  der  Hauptpunkte  d.  Psychophysik,, 

Ober  d.  psychischen  Maßprinzipien  u.  d.  Webersche  Gesetz,  Philos.  Stud.  IV,. 

-  Kollektivmaßlehre,  1897.  —  Kleine  Schriften,  1875.  —  Vgl.  J.  E.  KüNTZE, 
8,  Th.  F.,  1892.  —  K.  LASSAVITZ,  G.  Th.  F.,  1896;  3.  A.  1910  (Fromraans  Klassiker 
d.  Thilos.).  —  WUNDT,  G.  Th.  F.,  1901.  —  W.  PASTOR,  G.  Th.  F.,  1904. 

Feder,  -loh.  Georg  Heinrich,  geb.  1740  in  Schornweisach  (bei  Bayreuth), 

G   Hangen,  Direktor  des  Georgianum  in  Hannover,  gest.  1821.   =   F. 

der  auch  durch  seine  Verstümmelung  der  Garveschen  Eezension  der  Kantschen 

..Kritik  der  reinen  Vernunft"    (Göttinger  gelehrte  Anzeigen,   1782)  bekannt  ist 

—  gehör!  zu  den  von  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie  ausgehenden 
Eklektikern.     Er  hat  wesentlich    praktische    Gesichtspunkte  und  betrachtet   als 

iitliche    Objekt  der  Philosophie  den  Menschen,    dessen  Handeln    und 

Denken  zu  einem  richtigen  gestaltet  werden  soll.     Die  praktische  Philosophie 

ine  ..Kunst,  zu  genießen".    Quelle  der  Moral  ist  die  Sympathie. 

Schriften:     Grundriß  d.   philos.  Wissenschaften,  1767.    —    Logik  u.  Metaphysik, 

:    7.  A.   1790.    —    Lehrbuch    d.   praktischen   Philosophie,    1770;  4.  A.    1776.     — 

l'ntersuchungen  über  d.  menschlichen  Willen,  1779 — 93.    —   Über  Raum  und  Kausalität, 

zur  Prüfung  der   Kantschen    Philosophie,    1787.     —    Über    d.   moralische  Gefühl,    1792. 

—  Grundsätze  d.  Logik  u.  Metaphysik,  1794,  u.  a.  —  Mit  Meiners  Herausgeber  der 
Zeitschrift  „Philos.  Bibliothek",  1788—91.  —  Vgl.  K  A.  L.  FEDER,  J.  G.  H.  F.s 
Leben.  Natur  und  Grundsätze,  1825. 

Feldegg,   Ferdinand  Fellner  Ritter  von,   geb.  1855,  Prof.  an  der  Staats- 
rbeschule  in  Wien.  =  Das  An  sich  der  Dinge  ist  das  „Gefühl'',  in  welchem 
Subjektives  und  Objektives  zur  Einheit  verbunden  sind. 

Schriften:  Das  Gefühl  als  Fundament  der  Weltordnung,  1890.  —  Grundlegung 
einer  Kosmobiologie,  1891.  —  Das  Verhältnis  der  Philosophie  zur  empirischen  Natur- 
wiaaenpchaft,  1894.  —  Beiträge  zur  Philosophie  des  Gefühls,   1900. 

Feldner,  1'.  <  rundisalvus,  Magister  S.  Theologiae,  geb.  1849  zu  Prägraten. 
Timl.  lebt   in  Wien.  =  Thomistischer  Standpunkt. 
v    hriften:     Die  Lehre  des  hl.  Thomas  von  Aquino  über  d.  Willensfreiheit,  1890-. 

I'elix  b.  MinuciuB. 

I-Y'iielon,  Krzl>isrhof  von  Cambray,  1651 — 1715.  =  Anhänger  Male- 
bmnehes,  L609  vregen  Beines  Mystizismus  verurteilt. 

hriften:  De  l'existence  et  des  attributs  de  Dieu,   1861.  —  Oeuvres,  1838,  u.  a. 

I-V»re.  Charles,  geb.  1852,  Prof.  in  Paris,  Schüler  Charcots. 

riften:  in    et  mouvement,    1887;    2.  od.   1900.    —    La  pathologie    des 

IS.   —    L«   iiiü^rifHisrne  animal,   1887,   u.   a. 

l-VrgiiMon.  Adam,  geb.   1724  bei  Perth,   Prof.    in   Edinburg,   gest.   1816 

Lethiker;    <r    betrachtet    den    Mensehen    als    soziales   Wesen. 

die  Kenntnis  dessen,  \\;i>  sein  soll,  die   Wissenschaft 

Willens.     Diese   sind:  das   Gesetz  der  Selbsterhaltung, 

i    Wohlfahrt    der  Nebenmenschen),   das  Gesetz 


Ferguson  —  Feukbbai  h. 

der    Wertschätzung.      I>as    Wohl    der   ( ..-<ll-«hatt    w    zugleich   das    Wohl 
Kin/.»lnen.    Di«'   Sympathie  mit  den    Nebenmenschen   ist   ebenso   orsprünglich 
wie  der  Egoismus.     Tugendhafte  Handlungen  sind  Mitte]   zur  Förderung  der 
eigenen   Vollkommenheit     Die   vier  Haupttugenden    und:    Gerechtij 
Rechtschaffenheü,  Klugheit,  Mifiigung  und  Mut.    Die  Mensch* 
m  Gesellschaft    gelebt,  erkannten  immer  ..sowohl   ein    allgemednee    Beste«   der 
ganzen  Gesellschaft  als  ein  Bestes  der  einzelnen  Personen". 

Schriften:    Essay    on    the    history   of  civil    soeiety,   1766;    asataefa    1768 
stitutes  of  moral  philosophy,  1769;  deuts.  h  (Fergusons  Grundsätze  der  Moralphilos.,  177 

I'rinciples    of    moral    and    political    ■eiaiSSi    1792;    deutsch.    1.  Bd.,    1795.     — 

IMa.ii   K.VNEKO,  Die  Moralphilos   A     Im,   1904. 

Ferrari,  Giuseppe,  geb.  1812  in  Mailand,  gest.  187»;  ab  Prof.  in  Born.  = 
Positivistischer  Geschichtsphiloeoph.  Revolutionen  und  Reaktionen  tvechseln  in 
der  <  beschichte  ab. 

Schriften:  Filosofia  della  rivoluzione,  2.  ed.    1873  u.  a. 

Ferrero.  Guglielmo  L871  in  Portici,   Historiker.    =    Die  Funktion 

•  di<    Bervuriufnng  eines  bestimmten   Bewnfltseinsinhalts,  durch 

Bedürfnisse  des  sozialen  Lebens  bedingt    Ee  gibt  intellektuelle  und  emotionelle 

I  )ir  Symbole  sind  Eteste  alter  ( Gewohnheiten,  [ursprüngliche  Äußerungen 

des  Fühlena  und  Wbüens. 

Schriften:    I   Siraboli,    1893.   —  Les  lois  psyehologique  du  symbolisme,  189"*.  u   a. 

Ferri,  Enrio  L856  in  San   !'••  Po,  Pro!   in    Rom.  =  1".  ist 

in  der  I  lex  Willensfreiheil   Btrenger   Determinist     Das   Verbrechen   fährt 

:  L 1 1  t  Boaiale  Mißstände  zurück. 

Schritten       Teoria  del'  iniputabilitä,    1878.   —    La  sociologie   eriniinelle,    189S.   — 
•nza  positiv«,    1894.     —     Das   Verbrechen    als  soziale    Kr-  du  -in  U  | . 

Ferrii  Lnigi.  geb.  1826,  Prof.  in  Florenz  und  Rom,  gest  1895.  =  1".  ist 

ein  von   M.  de  Kran,   Mamiani  u.  a.  beeinflußter  Bpiritnabst     „Dynamischer 
Monismus":    Das  Wesen  der  Dinge  isl  Kratt  Am. 

t.nft.n:    La  Pli  •  de  1'sMociatiioi  depeil   Sobbai  jasqa'i  so«  jour-. 

italienisch,   1894.   —   Abhandlungen   in   Aia.l.   Lhied    1887  — 1888  u   a.  —  Vgl.  TABOZZI, 

L;i    vita    e    i!    psarfSTO   "li    L.   1    .    1  s95. 

F«»rrier.  Jamei  Frederick,  geb.  i^"v.   lYot.  /u  st.  AimI^ 
=    F.  isl   Idealist  und  [inmaterialiat    wie  Berkeley.     Eine  selbständig 
gibt  es  nicht,  alles  Bein  der  Außendinge  ist  ein  Bein  für  Subjekt       I     gibt 
nur  Geister   und   deren    Vorstellungsinhalte,   deren  objektiver  Teil  (die 
Außenwelt)  vom  göttlichen  G  ibhängig  iat 

iriftea:     Institutes  of  Metaplasie»,  L864,   L866.    —Works,  — 

I.    B.   II  \i  1. 1  \i  .   i    i..  l  arrier,   LI 

l  cii4'ri>a<'li.  An-. im.  i,  Fenerbach,  P   J,    \. 

FerM'i'hncli.    Lodl  28.    Juli    ls°l    in    Landshui     i 

Kriniinahaten  An-.  Im  von  Feuerbach.    1823  studierte  er  in  Heide] 

dem   Hegelianer   Daub,    L824  |  h    Berlin,    wo   Bf   bajond* -r-   ll< 


170  Feuerbach. 


hört  Mirdo  er  Privatdozent  für  Philosophie  in  Erlangen.     Nachdem  er 

sich  öfter  vergeblich  (wegen  seiner  Schrift  „Gedanken  über  Tod  u.  Unsterblich- 
keit".  1830)  uni  eine  Professur  beworben,  verheiratete  er  sich  mit  Bertha  Löwe 
and  nahm  (1836)  seinen  Wohnsitz  im  Dorfe  Bruckberg  (zwischen  Ansbach  und 
Nürnberg).     Dezember  1848  bis  März  1849  hielt  er  im  Heidelberger  Rathaus- 
-aal  Vorlesungen.     In  sehr   ungünstigen  Verhältnissen   lebend,    übersiedelte  er 
nach  dem  Recheoberg  bei  Nürnberg  und  starb  dort  13.  September  1872. 
F.   ist   der   Begründer    des    neueren    Naturalismus  und   Anthropolo- 
gismus,    indem  er   an  die  Steile  der  Verehrung  übernatürlicher  Wesenheiten 
die    Natur    in    ihrer    Unendlichkeit    setzt.      Ausgegangen    von    Hegel,    tritt    er 
.-atz  /uni  absoluten  Idealismus,   indem  er  als  das  Wirkliche  nicht 
dir    [dee,    nichts    Abstraktes,   Übersinnliches,    sondern  das  konkrete  Sein   setzt, 
welches  wir  äußerlich  und  innerlich  wahrnehmen.     So  vertritt  Feuerbach  einen 
itivismus,  Empirismus  und  Realismus.     Insofern  F.  den  Gegensatz 
von   Spiritualismus   und   Materialismus   durch  Betonung    des    Einheitlichen   im 
-chen  zu  überwinden  sucht,   ist  seine  Lehre   „Anthropologismus".     „Gott 
war  mein  erster  Gedanke,  die  Vernunft  mein  zweiter,   der  Mensch  mein  dritter 
und  letzter  Gedanke." 

In  der  Schrift  über  „Tod  und  Unsterblichkeit"  ist  F.  noch  idealistischer 
Pantheißt.  Die  Realität  des  Geistes  ist  das  Ewige.  Der  Mensch  als  Indi- 
viduum ist  nicht  unsterblich,  sein  Tod  ist  ein  wahrhafter  Tod,  bedeutet  die 
Auflösung  im  unendlichen  Sein.  Die  Unsterblichkeit  kommt  nur  dem  allge- 
meinen Geist  zu  und  dem  Ganzen  der  Menschheit,  in  welchem  wir  als  Er- 
innerung weiterleben. 

Die  Hauptbedeutung  Feuerbachs  liegt  in  seiner  Religionsphilosophie, 
Methode   die   psychologisch-kritische   ist.      Scharf  betont  F.   den 
osatz    zwi-chen    Theologie    und    Wissenschaft;    erstere    hat    den    Willen, 
re   di<     [dee    zur   Grundlage.      In  der  Religion  spielt  die   Phantasie,   das 
Irrationale   eine   große    Rolle;    das  Dogma   als  solches   ist  vernunftwidrig,   der 
<  rlaube  hat  »ein  eigenes  Prinzip.     Es  gilt,  den   Inhalt  des  religiösen  Glaubens 
seine  psychologische  Wurzel  zurückzuführen,  zu  zeigen,  daß  alle  Theologie 
.^Anthropologie^  ist.    Die  Religion  ist  aber  deshalb  nicht  eine  wertlose  Illusion. 
Religion  i-t  der  Traum  des  menschlichen  Geistes.    Aber  auch  im  Traume 
den  wir  ans  nicht   im    Nichts  oder  im  Himmel,  sondern  auf   der  Erde  — 
Reiche  der  Wirklichkeit,  nur  daß  wir  die  wirklichen  Dinge  nicht  im  Lichte 
der    Wirklichkeit    und    Notwendigkeit,    sondern   im  entzückenden    Scheine   der 
jination   und    W'illküi    erblicken/'     Die  Religion  ist  „das    Bewußtsein  des 
heu  von   Beinern,    und    zwar  nicht  endlichen,   beschränkten,   sondern  un- 
endlichen   W  Dei    Mensch  kann  nicht  über  sein  wahres  Wesen  hinaus. 
denkt    und  gesinnt  ist,   <<>  i-t  sein  Gott.     „Das  Bewußtsein  Gottes   ist 
•  ■  M    des    Menschen."      Das   göttliche  Wesen  ist  „das  Wesen 
ionderl    von   den   Schranken  des  individuellen,  d.  h.  wirk- 
Menschen,    rergegenständlicht,  d.  h.  angeschaut    und  verehrt 
imterschiedenee    eigenes  Wesen". 

Wesen  des  Menschen",  das  „offenbare   Innere, 


Feuerbai  h.  171 


das  ausgesprochene  Selbst  des  Menschen",     i  ter  Bind  Wunschwesen, 

„dir  al-  wirklieh  gedachten,  die  in  wirkliche  Wesen  verwandelten  Wünsche 
Menschen".     In  den   Dogmen    liegen    lauter   realisierte    Wünsche   vor.      I» 
Abhängigkeit    vom    All.   ans  der  die   Religion  entspringt,  zeitigt  diese  al-  ein 
Mittel,    unseren    GlückseligkeitBtrieb   zu    befriedigen.     Gott   i-t   die  Liebe,  die 
nnsere   Wünsche  erfüllt;  Wir-.-   Liebe  ist  dir  hypostasierte  Liebe  des  Menschen 
zu  sich  selbst     ..Die  Liebe  i-t  dir  wahre  Einheit  von  Gott   und    Mensch,    von 
Geist  und  Natur."    Der  Glaube  i-t  das  Bewulltsriu  dessen,  was  dem  Menschen 
heilig   ist    und   so  ist  Gott    für  den  Menschen    „das    Koüektaneenbuch    »einer 
höchsten   Empfindungen   und  Gedanken".     „Gott  ist  das  von  aller  Widerlich- 
krit  befreite  Selb>t^retuhl  des  Mcn-rhrn."     „Die   Grnnddogmen    des    Christ 
turne   sind   erfüllte    Berzenswünsche         das    Wesen   de-   Christentums  i-t  das 
Wesen    dee   Gemüts."     „Christus  ist   die  Allmacht   der  Subjektivität,  das  von 
allen    Banden   und    Gesetzen   der   Natur  erlöste   Berz."     „Die  Religion  ist  das 
Verhalten    des  Menschen  au  seinem  eigenen  Wesen  —  dann  liegt  ihre  Wahr- 
heit  und  sittliche  Beilkraft     -,  aber  zu  seinem  Wesen  nicht  als  dem  seini^en. 
sondern    als    einem    andern,    von   ihm    unterschiedenen,    ja   entgegengesetzten 
Wesen        darin   liegt   ihre  Unwahrheit,   ihre   Schranke,   ihr  Widerspruch    mit 
Qunft  and  Sittlichkeit".     Der  wertvoll,- Kirn  der  Religion  i<t  die  Liebr  gar 
Menschheit   als  Gattung,   /um    reinmenscblichen  Wesen.     In  ihr  Liebe  i-t   I 
Losung    des   Menschen    LreLrebm.     Jeder  hat  Religion,  der  ..einen   Zweck    hat) 
einen  Zweck,  der  an  sich  wahr  und   wesenhafl   ist".      Endzweck   i-t    „die  Ein- 
heil von  Natur  and  Geist  im  Menschen".    „Vernunft,  Liebe,  Willenskraft  sind 
Vollkommenheiten,   sind   die  höchsten    Kräfte,   Bind   das  absolute    Wesen 
Menschen  ab  Menschen  und  der  Zweck  -ein,-  Daseins.1'     Die  Vollkommenheit 
und  Unendlichkeit  der  Gattung  i-t  das  Göttliche  im  Menschen. 

1.  i-t  ein  Gegner  der  „absoluten"  „immateriellen*1  Spekulation.  „Ich 
brauche  /um  Denken  die  sinne.  \<>r  allem  die  Augen,  gründe  meine  Gedanken 
aal  Materialien,  die  wir  uns  stets  nur  vermittelst  der  Sinnentatigkeit  aneignen 
können,  erzeuge  aichl  den  i  stand  au-  dem  Gedanken,  sondern  umgekehrt 

den  Gedanken  an-  dem  Gegenstande,  abei  G        stand  ist  nur,  was  außer  dem 
Kopfe  existiert."     „Ich  bin  [dealist  nur  aui  dem  Gebiete  der  praktischen 
Philosophie.'*     „Kurz,   die    [dee  i-t    mir  nur  der  Glaube  an  die  geschichtliche 
Zukunft,  an  den  Bieg  der  Wahrheit    und  Tugend.4'     Theoretisch  aber  irilt  nur 
der  Realismus  und  der  (kritische,  die   Leistung  de-  Denken-  betonende)   „Sen< 
sualismus".     I '.-  Philosophie  macht  tu  ihrem  Prinzip  „das  wahre  ,l".n-  realii 
iiniiii'.  den  Menschen,  also  das   positivste  Realprinzip1*.      Mit  dem  Wirk- 
lichen,   Bestimmten.    Iaidli<h- n   hat   es  die   Philo-. .phie  zu   tun.  mit  dem  Sinn- 
Fälligen,   dem    Konkreten.     ..Die   Philosophie  i-t    die   Krknmtnis  d.-.— m.    w 
i1      Wirkliche  i-i  das  ^Sinnliche'1  dm  weitesten  Sinne:  da-  in  Letzt 
[in  bauliche).     Das  Sinnliche  i-t  die    „wahre,   nicht    gedachte   und   . 

m:i<  I  mdern   existierende    Einln-ii    d- -   Matnirllni   und   i  \ 

♦  in   -innlieh,      Wesen    i-i    ein    wahrt-,    ein    wirklieh.-    \\  .    ■  \  .   h    das    |<h 

i-t  ein  -innlieh-     Wesen;  der  Leib  in  seiner  Totalität  i-t  mein  Ich,  mein  w  . 
-elher.     i  •-  und  KörjM'rlichcM  Bind  nur  Seiten  de-~.lben   |i 


Feuerbach. 


ismus,  Sinnlich  —  d.  h.  für  die  Sinne  des  Naturforschers,  für  den 
Blick  de-  Philosophen  gegeben  —  ist  auch  die  Natur  als  das  Unendliche,  von 
dem  wir  abhängig  sind.     Die  menschlichen  Empfindungen  haben  metaphysische 

.--. :,_.  wir  erfassen  durch  sie  das  physische  Sein  wie  die  psychischen  Zu- 
stände unserer  Mitmenschen.  Unsere  Empfindungen  sind  objektiv  bedingt. 
Per  Begriff  des  Objektes  ist  ursprünglich  der  Begriff  eines  anderen  Ichs.  Die 
liebe  ist  der  wahrt'  Beweis  vom  Dasein  äußerer  Dinge.  Raum  und  Zeit  sind 
objektive  Formen  der  Existenz  der  Dinge. 

Die  Wissenschaft  ist  „das  Bewußtsein  der  Gattungen".  „Wahr  ist,  was 
mit  dem  Wesen  der  Gattung  übereinstimmt,  falsch,  was  ihr  widerspricht.  Ein 
anderes  Gesetz  der  Wahrheit  gibt  es  nicht/'  Übereinstimmung  mit  den  Neben- 
menschen  ist  das  erste  Kennzeichen  der  Wahrheit,  weil  die  Gattung  das  letzte 
Mali  der  Wahrheit  ist.  Die  Wissenschaft  ist  „ein  gemeinschaftlicher  Akt  der 
hheit".  Die  Vernunft  ist  ein  Kulturprodukt,  ein  Produkt  der  mensch- 
lichen Gesellschaft.  „Nur  in  der  Rede,  einem  gemeinsamen  Akte,  entsteht  die 
Vernunft.  Fragen  und  Antworten  sind  die  ersten  Denkakte.  Zum  Denken 
gehören  ursprünglich  zwei."  —  „Gemeinschaftliches  Leben  nur  ist  wahres,  in 
sich  befriedigtes,  göttliches  Leben." 

Die  (altruistische)  Moral  kann  nur  aus  der  Verbindung  von  Ich  und  Du 

-itet  werden,  aus  der  beide  umfassenden  Glückseligkeit.  „Mein  Recht 
ist  mein  gesetzlich  anerkannter  Glückseligkeitstrieb,  meine  Pflicht  ist  der 
mich  zu  seiner  Anerkennung  bestimmende  Glückseligkeitstrieb  des  andern" 
(Werke  X.  06). 

NTon  F.  beeinflußt  sind  sein  Bruder  Friedrich  Feuer bach  (Grundzüge 
:  Religion  d.  Zukunft,  1843—45),  K.  Beyer.  K.  Grün,  K.  N.  Starcke, 
L  Knapp,  Moleschott,  D.  Fr.  Strauß,  K.  Marx  u.  a.,  ferner  W.  Bo- 
lin. Fr.  Jodl  u.  a. 

-    hriften:    De  ratione  una,    universali,  infinita,  1828.    —    Gedanken  über  Tod  u. 

Unsterblichkeit  (anonym),  1830;   3.  A.  1876.   —  Geschichte  d.  neueren  Philosophie,  1833; 

2.  A.   1844.  —  Darstellung,  Entwicklung  u.  Kritik  d.  Leibnizschen  Philosophie,  1837.  — 

yle,   1838;  2.  A.   1844.  —  Über  Philos.  u.  Christentum,  1839.  —  Das  Wesen  des 

•iitums  (Hauptwerk),  1841;  auch  in  der  Univ.-Bibl.  —  Vorläufige  Thesen  zur  Keform 

i.ilos.,   1842.   —  Grundsätze  d.  Phil.  d.  Zukunft,  1843.  —  Das  "Wesen  der  Religion, 

A.  1849,  1908.  —  Vorlesungen  über  d.  Wesen  d.  Religion.    Theogonie,  1857.  — 

i.eit  u.  Unsterblichkeit.    —    Sämtliche  Werke,    1846 — 83;    hrsg.  von  Bolin 

u.  Jodl,   1903  lt.   -      Briefe  von  und  an  L.  F.,  hrsg.  von  Bolin,   1904.  —  Vgl.  K.  GRÜN, 

U  Fcaerbadi,  1874.  —  Fe.  Engels,  L.  f.,  1888.  —   W.  Bolin,  L.  f.,  1891.  - 
JODL,    L    P.,     1904     (Frominaiii    Klassiker    der    Philosophie).    —    A.    KoHUT, 
I 

1  <u«rha<li.    Paul    Johann    Anselm,  1775—1833,    Prot,   in    Jena,   Kiel, 

Berühmter    Kriminalist,   (Abschreckungstheorie   der   Strafe).     In 

phii  ron    Kani    beeinflußt.    Dan  Naturrecht  ist  „die 

.   '-l-.ti  dnnh    Vernunft   gegebenen   und  durch    Vernunft  erkanntes 

Daa  Recht    entepringl   der  „praktisch-juridischen  Ver- 


Feuerbach  —  Fichte.  1.  • 


nunft".    Es  ist  „ein  von  der  Vernunft  um  des  Sitt«i,_  willen  bestimmt 

Erlaubtem  des  Zwanges'*. 

Schriften:   Kritik  des  natürlichen  Rechts,  1796. 

Fenerleio,  Emil.  =  Von  Hegel  beeinflußt 

Schriften:  Die  philosophische  Sittenlehre  in  ihren  geschichtlichen  Hauptformen, 
1857—59. 

Fichte.  Immanuel  Hermann,  geb.  1797  in  Jena  (als  Sohn  Jon.  Gottlieb 
Fichtes),  Prof.  in  Bonn  und  Tübingen,  gest.  1879  in  Stuttgart 

F.  vertritt  einen  (von  Kant,  J.  G.  Fichte,  Hegel,  Herbart  u.  a.  beeinflußten) 
„ethischen  Theismus".  In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  ist  er  Ideal-Realist: 
die  AuIVnwelt  i>t  ihm  Erscheinung  eines  Systems  realer,  dynamisch  bestimmter 
Wesen  geistiger  Art  Kräfte  Bind  die  „realen  Wesen"  durch  ihn-  Verbindung 
mit  anderen  und  durch  ihre  Behauptung  der  Qualität.  Die  Anschauungs-  und 
I  »'-nkformen  sind  apriorisch,  aber  objektiv  gegründet  Der  Kaum  ist  die 
immittelbare  Folge  der  Selbstbehauptungen  der  realen  Wesen,  eine  Expansions- 
tat.    I>t-r  „göttliche  Kaum--  ist  die  Grundbedingung  jeder  Wechselwirkung. 

Auch  die  Seele  ist  ein  raumsetzendee  Wesen,  sie  ist  ein  individuelles, 
beharrlichei  Reale,  eine  ., Geistesmonade"  mit  rarempirischen  Anlagen  und 
Trieben,  ein  „Triebwesen".  Sie  ist  dynamisch  ganz  in  ihrem  Leibe.  Das  Be- 
wußtsein ist  der  ideale  Ausdruck  der  Bede;  es  ist  nicht  produktiv,  sondern  be- 
gleitet  nur  die  ian  sieb  unbewußten)  m «lisch* n  Vorginge.  Gott  ist  der  Welt 
immanent,  aber  auch  ein  transzendenter,  absoluter,  pcrsünlieher  (iei>t,  seh<"»|»n 
risches  Denken,  welches  der  Welt  vorangeht.  Persönlichkeit  ist  die  höchste 
Perm  des  Seins.  Gott  ist  selbstbewußte  Persönlichkeit,  welche  alle  endlichen 
Wesen  in  sich  befaßt,  sie  zum  System  einer  Weltordnung  rarknüpft  Gotl 
wirkt  in  der  Welt,  offenbart  sich  in  Natur  und  Geschichte. 

Schrifti-n:    t'ber  Gegensatz,   Wendepunkt  und  Ziel  heutiger  Philosophie,    L8t1  f.  — 
Dm     Krkenn.'i»    als    Selhstorkennen,     1833.     —    Grundz.    z.    Syst.    d.   Thilos.,    1833  f.    — 
Die    Idee    der     Pinöeliehkeit     und    der    individuellen     Fortdauer, 
I.   A.    1855,   —    Spekulative  Theologie,   1846—47.  —  System  der  Ethik.      - 
Aathropologie,    1856;    3.   A.    1876.     —    Zur   Seelenfrage,    1859.    —    Pajohok 
lt.    -  -    Die  rtdauer    und    die    WelUtollung    de«    Menschen,    1867.    —    Ver- 

mi.  hte  Schriften.  1869.    -  Die  th<  ttaäeht,  1873,  u.  a.  —  Vgl.  (.  I   ,  SOHB 

1.    11.   1-.   u.  seine  Gotteslohre,   1902. 

Fi<*lito.  Johann    Gottlieb,  geb.  19.  Mai  1762  in  EUummenan  (Oberlausita) 

ah    Sohn    eine»     liandwirki  Kr    b.-suehte     177  1—80    die    Schule    in 

studierte  in  Jena  und  Leipzig  Theologie  und  gab  Privatetunden.     l.  wttt 

Hauslehrer  in  sächsischen  Orten,  l  i N^   -90  in  Zürich,  wo  er  sich  mit  einer 
Nichte   EQopstocks,  Johanna   Kahn,  rarlobte.     I  •  er  in    Leipzig 

Studenten  Unterricht  in  der  Kantechen  Philosophie,  die  ihn  selbst  von  seinen 
anhanglichen  Determinismui   und   ßpinoziamui  abbrachte.     1791   gii  roB 

Warschan,  iro  et  eine  Erzieherstelle  bitte  bekommen  sollen)  nach   K.n 
w<»  er  sieh  mit  dem  Manuskript   seim  uk  aller  Offenbaru         K 

Ute,  der  ihn  sehr  wohlwollend  aufnahm  and    den   Druck    d 
mithin-,  die  nach  ihrem  Ersehen  K  <i   sugeachrieben 


1 14  Fichte. 

wurde.  Kurze  Zeit  war  F.  Hauslehrer  beim  Grafen  von  Krokow  bei  Danzig, 
dann  ging  er  (1793)  wieder  nach  Zürich,  wo  er  schriftstellerisch  tätig  war  und 
heiratete.  1794  wurde  er  als  Professor  der  Philosophie  nach  Jena  (an 
Stell»-  von  Beinhold)  berufen  und  hatte  dort  eine  große  Hörerschaft.  1798 
brachte  Forbergs  „Philos.  Journal''  einen  Aufsatz  Fichtes  „Über  den  Grund 
unseres  Glaubens  an  eine  göttliche  Weltregierung"  im  Anschluß  an  Forbergs 
Abhandlung  „Über  die  Bestimmimg  des  Begriffs  der  Keligion".  Fichte  be- 
stimmte hier  Gott  als  die  „sittliche  Weltordnung"  und  wurde  nun  des  Atheis- 
mus beschuldigt  Er  erhielt  einen  Verweis  und  wurde  —  da  er  erklärt 
hatte,  im  Falle  eines  solchen  werde  er  seinen  Abschied  nehmen  —  entlassen, 
ing  nun,  1799,  nach  Berlin,  wo  er  öffentliche  Vorlesungen  hielt.  1805 
erhielt  er  eine  Professur  in  Erlangen,  wro  er  aber  nur  ein  Sommersemester  las. 
1806  hielt  er  Vorlesungen  in  Königsberg,  1807—8  in  Berlin  die  „Reden  an  die 
deutsche  Nation".  1809  wurde  er  Professor  an  der  neubegründeten  Berliner 
Universität,  deren  Rektor  er  1811  war.  Er  starb  am  27.  Januar  1814  an  einem 
N»  rvenfieber,  das  er  sich  bei  der  Pflege  seiner  Frau  zugezogen  hatte.  In 
Fichtes  Natur  fehlt  alles  Weiche,  Schmiegsame.  Er  war  ein  strenger,  oft  starrer, 
BtaiTsinniger,  aber  höchst  lauterer,  ehrlicher  Charakter,  ein  Willensmensch, 
dessen  Denken  ein  Ausdruck  seiner  nach  Aktivität  und  innerer  Freiheit  streben- 
den, die  Geistes-  und  Willenskraft  aufs  höchste  schätzenden  Persönlichkeit  ist. 
Er  war  ferner  ein  höchst  national  und  patriotisch  denkender  Mann,  der  uner- 
schrocken seine  Ideen  verfocht  und  durch  seine  aufrüttelnde  Energie  stark  und 
breit  wirkte. 

F.  ist  von  Kant  ausgegangen  und  hat  dessen  Kritizismus  zu  einem  vollen 
(„subjektiven"  oder  besser  „ethischen")  Idealismus  ausgestaltet,  indem  er  das 
„Ding  an  rieh"  ganz  streicht  und  Inhalt  wie  Form  der  Erfahrung  aus  dem 
..!<  h"  (dem  allgemeinen,  überindividuellen  Subjekt)  ableitet.  Da  nach  Fichte 
Primäre  nicht  das  Sein,  sondern  das  Tun,  die  Handlung  ist,  so  ist  seine 
Philosophie  Aktualismua  und  Aktivismus;  den  Primat  der  „praktischen 
Vernunft"  führt  F.  konsequent  durch. 

Die  Philosophie  ist  ein  Ausfluß  der  ganzen  Persönlichkeit.     „Was  für 

eine  Philosophie  man   wähle  .  .  .,   hängt  davon  ab,  was  man  für  ein  Mensch 

Aue}]  in   dom   theoretischen   Teile   hat  sie  es  mit  dem   Handeln   zu   tun, 

d  auch  mit   der  rein   geistigen,   inneren   Richtung  desselben,   mit  der  aber 

zugleich  die  Setzung  des  Äußeren,  des   Objekts,  der  Außenwelt  verknüpft  ist. 

hie  untersucht,  was  im  (leiste  an  ursprünglichen  „Tathandlungen" 

ht  und  in  welchem  Zusammenhange  sich  diese  entfalten.    So  ist  sie  „Er- 

die  rieb  selbst  werden  rieht,  genetische  Erkenntnis",  „Erkenntnis 

Erkenntnis".     Sie   ist    Wissenschaftslehre.     Diese   ist   „eine 

1     schichte  des  menschlichen   Geistes",   die  Ableitung  alles  Seins 

dem  Geiste,  die   Begründung  des  Wissens;   ihre  Aufgabe 

Ugemeine  und  absolute  Wissen  in  seiner  Entstehung  zu  sehen"'. 

zendentaler   oder   metaphysischer    Psychologie   wird 

i  rfahrung  und  die  Form  derselben  aus  vorbewußten 

leduzii         So   ist    die  Quelle  der   philosophischen   Er- 


Fichte.  175 

kenntnis  die  Intellekt  uale  Anschuuuni:  als  ..da-  anmittelbare  Bewußtsein, 
daß  ich  handle  und  was  ich  handle;  sie  ist  das,  wodurch  ich  etwas  weif'..  « 
ich  es  tue-.  I)ie  logische  Methode,  deren  sich  F.  bedient,  ist  dialektisch 
ntli. -tisch");  sie  besteht  in  der  Aufsuchung  des  Übereinstimmenden  im  Ent- 
gengesetzten  nach  dem  Bchema:  Th<--i-.  Antithesis,  Bjnthesis.  Dogmatisch 
ist  nach  F.  jede  Philosophie,  welche  ?om  Bein,  von  Dingen  ausgeht,  also  o 
das    I<'h  hinausgeht     Die   kritische   (idealistische)    Philosophie   hingegen    gehl 

vom    [ch   au-,   i-t    ..immanent",   weil   sie    ..all'-   in   da-    Ich   Betet**,    alles    au-    dem 

Ich  (Kant-  „transzendentaler  Apperzeption'4)  ableitet,  die  Well  als  Produkt 
Aktivität  begreift 
Der  Idealismus  muß  (wie  schon  Reinhold  betont)  all.-  au-  einem 
einzigen  Grundsati  ableiten;  er  geht  nicht  von  Tatsachen  au-,  sondern 
v.m  „TathancQungen",  von  absoluten  „Betzungen"  de-  Ich-,  welches  kein  Ding, 
sondern  „absolute  Tätigkeil  und  nicht-  als  Tätigkeit"  i-t.  Dieses  Ich  i>t  das 
allcu  Einzel-Ichs  gemeinsame,  ihnen  logisch  vorangehende,  da-  bewußte, 
intelligente  Ich  ebenso  wie  « 1  i « -  Außenwelt  erst  in  -ich  setzende  reine,  absolute, 
aktive,  «Irin  empirischen  Bewußtsein  vorangehende  Ich,  die  „Ichhett",  das 
„absolute   Subjekt",   dessen    Bein   l>l"i'>   darin   besteht,   daii   es  sich  selbst    al- 

•  / 1 .  i-t  es;  nnd  so,  wie  es  ist,  setz t  es  sich, 
und  das  Ich  i.-t  demnach  föi  das  [ch  schlechthin  und  notwendig."  Substanz 
i-t  das  Ich  nur  als  „den  ganzen  schlechthin  bestimmten  Umkreis  aller  Reali- 
täten umfassend".  1'.-  i-t  da-  Prinzip  aller  Bewegung,  alles  Lebens, 
aller  Tat  und  Begebenheit4'.  AI-  Subjekt  hat  es  das  Objekt  zum  Korrelat 
aber.  dal',  da-  „Nicht-Ich"  selbst  Bchon  ein  Produkt  der  absoluten  [ch-Tätigkeit 
ist  und  al-  unabhängig  vom  Ich  nur  erscheint  I>a>  absolute  Ich  i-t  die 
Identität  de-  Bewußtseienden  und  Bewußten,  die  allen  gemeinsame  Vernunft, 
die  erst  in  dem  Ich  al-  Idee,  dem   idealen   Ich   (als  Strebensziel)   vollkommen 

eali-ieit    i-t. 

1''  i      mdsatz  alle-  menschlichen  Wissens  -'»11  „diejenige  Tat- 

handlung ausdrücken,  die  .  .  .  allem  Bewußtsein  /um  Grunde  liegt  und  allein 
lieh  macht".  AI-  Thesis  nimmt  F.  den  Satz:  A  ist  A  (A  \  .  welcher 
schlechthin,  ohne  allen  weiteren  Grund  gewiß  ist  Man  schreibt  >i<-h  damit 
das  Vermögen  /u.  „etwas  schlechthin  zu  setzen".  Gesetzt  i-t  hier  aber  Dicht, 
daii   \  dem:  Wenn  A  i-t.  so  i-t  B,  also  ein  notwendiger  Zusammenhs 

zwischen   A    und    B.      und   /war  wird  er  im    [ch   und  durch  da-  [<  t.  d.  h. 

daß   im    Ich    etwa-     i-t.    wa-    -ich  leicfa     i-t.    SO    dal',    man 

en  kann  [ch        [ch,  bh  bin  I«h.     In  diesem  Satze  ir-t  da-  [ch   schlechthin 
letzt  (nicht,   wie   A.  bedingt),   er   bedeutet    soviel    wie:    [ch  bin.    Es  i-t 
klarungsgrund   all«      ratsachen    de-  empirischen   Bewußtseins,   daß    vor   allem 

en  im   [eh  vorher  da-    [ch    selbst  et    Allem    Urteilen 

bh  hin  rugrunde.     her  reine  Charakter  des  G  Ich  i-t 

das  Bändelnde  und  rogletcb  sein  Produkt    „Sich  «  ten  und  Sein  und, 

vom  [<  ucht.  völlig  gleich",    [ch   bin  daher  schlechthin,  weil  ich    ; 

i.t  .-ich,  daß  ni'ht  der  Bati  A        I  Ich  bin,  sondern  daß  i 

mehr  dieser  den  ersteren  begründet    denu  ich  durch  Abstrakt 


176  Fichte. 

vom  Gehalt  des  enteren.    Abstrahiert  man  von  der  Handlungsart  des  Geistes, 
so  hat  man  die  Kategorie  der  Realität.    Was  durch  das  Setzen  irgend  eines 
gesetzt  ist,  ist  in   ihm   Realität,   ist  sein   Wesen.    „Alles,   was   ist,   ist 
nur  insofern,  als  es  im  Ich   gesetzt  ist,    und    außer   dem  Ich  ist  nichts."     An 
Band  des  Satzes  vom  Widerspruch  (Non-A  nicht  -A)  weist  F.  das  „Ent- 
setzen- als  Tathandlung  auf.     Das  dem  Ich  Entgegengesetzte  ist  „Nicht- 
k-lr-  (Objekt).    Dem  Ich  wird  schlechthin  entgegengesetzt  ein  Nicht-Ich.    „Von 
allem,  was  (.lern  Ich  zukommt,  muß  kraft  der  bloßen  Gegensetzung  dem  Nicht- 
[ch  das  Gegenteil  zukommen".    Die  Reflexion   auf   die   Form   der  Folgerung 
vom  Entgegengesetzten  auf  das  Nicht-Sein  ergibt  die  Kategorie  der  Negation. 
[ch  und  Nicht-Ich  sind  beide  „Produkte  ursprünglicher  Handlungen  des  Ich". 
schränken  sieh  gegenseitig  ein,  d.  h.  ihre  Realität  wird  partiell  aufgehoben : 
Ich  und  Nicht-Ich  werden  als   teilbar  gesetzt.    Es  ergibt  sich:  „Ich  setze  im 
Ich  dem  teilbaren   Ich  ein  teilbares   Nicht-Ich   entgegen".    Die  Reflexion  auf 
die  bloße  Form  der  Vereinigung  Entgegengesetzter  durch  den  Begriff  der  Teil- 
barkeit  ergibt    den   Satz  des  Grundes   (A  zum  Teil  =  Non-A),   aus  dem   die 
garie    der    Bestimmung    (Begrenzung,    Limitation)   folgt.      Aus    dieser 
Svnthesis  folgen  alle  anderen  apriorischen  Grundsätze  und  Kategorien.    In  ihm 
irrlei:  1.  „Das  Ich  setzt  das  Nicht-Ich  als  beschränkt  durch  das  Ich" 
—    die   Grundlage   der   praktischen  Wissenschaftslehre;   2.    „Das   Ich   setzt 
-ich  selbst  als  beschränkt  durch  das  Nich-Ich"  —  die  Grundlage  der  theore- 
I  ische  n  W issenschaf tslehre. 

Die  Kategorien  entstehen  (zugleich   mit   den   Objekten)   durch   die  Tat- 
handlungen des  Ichs.    Aus  der  Verbindung   von  Tätigkeit  und  Leiden  im  Ich 
ergibt  sich  die  Wechselbestimmung   (bei  Kant:   Relation).    Das   Nicht-Ich 
hat  nur  Realität,  sofern  das  Ich  leidet  (d.  h.  sich  selbst  beschränkt).    Es  wird 
hier  dem    Nicht -Ich   Tätigkeit   zugeschrieben,   dieses   gilt   als  Ursache   und  so 
haben  wir  die   Kategorie  der   Wirksamkeit    (Kausalität).     Das   Ich    als   um- 
fassend  alle  Realitäten  ist  Substanz,  nämlich  insofern   alle  möglichen  Hand- 
tungsweisen  (Seinsweisen)  in  das   Ich  gesetzt  werden.    Das  unendliche  Ich  ist 
Ems  und  Alles,  da  es  an  sich  unendlich  ist.    „Leiden"  ist  nur   ein  geringeres 
Quantum  der  ins  Unendliche  gehenden  Ich-Tätigkeit,  die  sich  selbst  begrenzt. 
H     tdeln  ist  nur  dadurch  begrenzt,   daß  es  dem    Ich   ein    Nicht-Ich   ent- 
/•  ii   muß.     Das    Gesetz   des   Bewußtseins   lautet:   „Kein  Subjekt,   kein 
•t:  kein  Objekt,  kein  Subjekt". 

Die     Unix  v.iif.t)    die    Anschauungsinhalte    und    deren     Formen     setzende 

Funktion   i-t    die   der  (produktiven)    Einbildungskraft,   durch  welche  das 

-ich  begrenzt.    „Es   kann    nichts   in   den   Verstand   kommen,   außer  durch 

:i.l>ildiiii<j-kj;itt.'-     Der  Wechsel  des  Ichs,  daß  es  sich  endlich  und  unend- 

setzt,   i-t   das  Vermögen  der  Einbildungskraft,   welche  zwischen 

ind   unendlichem  in   der  Mitte   schwebt.     Für   uns   entsteht,  alle 

die  Einbildungskraft     Die   Empfindung   ist   eine    Bandlung 

he    diese«    etwas    in    sich    aufgefundenes   Fremdartiges    in 

hauung  ist  die  Zusammenfassung  eines  Mannigfaltigen. 

AüStofi"    auf    die,   Tätigkeit    des    Ichs,    die    nach  innen 


Fi«  hm.  1,  , 

getrieben  und  reflektiert  wird,  bo  daß  da-  Angeschaute  alz  VcrstelluiigBinhall 
dem  [ch  gegenübersteht  Das  Angeschaute  als  Bolches  wird  produziert  I 
Anschauen  ist  ein  Schweben  der  Einbildungskrafl  zwischen  widerstreitenden 
titungen  and  wird  erst  durch  den  Verstand  (die  „durch  Vernunft  fixierte 
Einbildungskraft'^  fixiert,  womit  ersl  Realität  gesetsl  ist,  das  Ideale  zum  Realen 
wird.  Als  „gegeben"  erscheint  das  Beale,  ireil  \\ir  ans  der  Arl  seiner  Produktion 
nicht  bewußt  werden.  Der  „Zwang"  des  Objektiven  ist  nur  die  „Unmöglichkeil 
der  entg  setzten  Tätigkeit"  des  Ichs.    Als  Ursache  der  Anschauung  wird 

das  ala  denkbar  Beurteilte  gedacht  Die  Anschauungsformen  (Baum  und 
Zeil  |  entstehen  zugleich  mit  dem  Anschauungsinhalte  und  Bind  ideell  wie  dies 
Das  vorstellende  [eh  ist  Intelligenz;  dies  ist  es  aber  nur  in  Beziehung  aui 
das  Nicht-Ich,  da  die  Vorstellung  nur  durch  einen  ...\n-t<.i;--  auf  die  [ch-Tätigjkeil 
möglich  ist.  Erst  die  praktische  Wiseenschaftslehre  erklärt  diesen  Ansti 
Der  Grenzpunkt  liegt,  wohin  in  die  Unendlichkeit  ihn  das  Ich  Betzt  Das  [ch 
ist  endlich   weil  es  -  ein  soll.    Ez  ist   die   Forderung  der  praktischen 

Vernunft,  ..dal)  allea  mit  dem  [ch  übereinstimmen,  alle  Realität  durch  das  Ich 
schlechthin  gesetzt  Bein  Bolle".    Setzen   einer   Bchranke  und  stete  Erweiterung 
per  Schranken  i-t  onsere  Aulgabe. 

l>a-  [ch  setzt  <in<   Außenwelt,   um  praktisch-sittlich  wirken   zu  können, 
l>ir  Außenwelt  ist   das   „▼ersinnlichte   Material   unserer   Pflicht1'.    „Objekt   und 
Sphäre  meiner  Pflicht".    .»Weil  das  [ch  sich  im  Selbstbewußtsein  nur  praktisch 
zen  kann,  überhaupt  aber  nichts  denn  ein  Endliches  setzen  kann,  mithin  ro- 
ch eine  Grenze  Beiner  praktischen  Tätigkeit  setzen  muß,  darum  muß  es  eine 
Welt  außer  sich  setzen". 

Den  l  bergang  zur  Ethik  bildet  die  Untersuchung  des  praktisch  sich  ver- 
haltenden [chs.  Das  [ch  setzt  Bich  als  tätig  und  bei,  inwiefern  es  ein  Eiandeln 
oder  Sein  ans  seinem  Begriffe  erklärt.  Das  Geistige  im  [ch,  unmittelbar  ala 
Prinzip  einer  Wirksamkeit  angeschaut,  ist  Wille,  dessen  Objektrration  der 
Li  b  ist  rgL  Schopenhauer).  Alz  wollend  finde  ich  mich  durch  intellektuelle 
Anschauung.  [endenz  zur  Selbsttätigkeit  um  der  Selbsttätigkeit  willen-  i-i 
das  Wesen  des  [chs;  diese  Tendenz  ist  ein  Trieb.  Das  vernünftige  [ch  ist 
frei,  autonom.  I>a-  Prinzip  der  Sittlichkeit  ist  der  notwendige  Gedanke 
der  Intelligenz,  „daß  sie  ihre  Freiheit  nach  dem  Begriffe  der  Selbständig! 
schlechthin  ohne  Ausnahme,  bestimmen  sollte".  Endzweck  alles  sittlichen 
Handelns  ist,  „daß  die  Vernunft,  und  nur  sie,  in  der  Sinnenwelt  herrsche4'. 
Ule  physische  Krafl  soll  der  Vernunft  untergeordnet  werden.*4  Sittlichkeit 
^•»11  in  der  Gerneinschaft  vernünftiger  Wesen  herrschen.  Das  : —  »itli.-Ii«-  1-1 
Lbstzweck,  da  die  Natur  als  solche  nichtig  und  wertlos  fi  .  I 

der  menschliche  Leib  nur  „ein   Werkzeug    zur   R 

in  der  Sinnenwelt".    l>a-  Sitfc  inen,  absoluten 

[ch  in  der  Individualität    Kultivierung  der  Sinnlichkeit   ist  ein  sittliches  Ziel 
Die  Pflicht  gebietet  unbedingt,  ohne  jede  Bücksicht  auf  Glückt  u.dgl. 

Di     Leben  ist  Zweck  nur  um  der  Pflicht  willen.    „Mein  empirisches  Selbst  ist 
nur  lüttel  zur  Erreichung  des  Zwecks  dei  Vernunft" 

Objekt  des  £  V<  rnunft    iiberhau] 

Irr.   Philosophon-  !•  eik 


Fichte. 

Ganze  der  vernünftigen  Wesen  ist  die  „Darstellung  des  reinen  Ich".  Mein 
Grandtrieb  ist  die  Übereinstimmung  des  -wirklichen  mit  dem  idealen  Ich  (Unter- 
Bcheidung  lies  ..reinen"  Triebes  vom  ..Naturtrieb'-).  Das  Gewissen  ist  „das 
unmittelbare  Bewußtsein  unserer  bestimmten  Pflicht",  das  „Bewußtsein  unserer 
höheren  Natur  and  absoluten  Freiheit".  Die  allgemeinste  ethische  Forderung 
lautet:  „Erfülle  jedesmal  deine  Bestimmung!"  (Forderung  des  sittlichen  Triebes). 
(Hier:  ..Handle  stets  nach  bester  Überzeugung  von  deiner  Pflicht",  oder: 
..Handle  nach  deinem  Gewissen".  Das  ist  das  Prinzip  der  Moralität  (Gesinnung), 
-  formale  Sittengesetz.  Das  Sittengesetz  gebietet,  „jedes  Ding  nach 
Beinern  Endzwecke  zu  behandeln".  Moralist  aller  vernünftigen  Wesen  ist 
Bndzweck;  wir  sollen  alle  gleich  handeln. 

In  seiner  Rechts-  und  Staatslehre  deduziert  F.  zuerst  die  Existenz  von 
vernünftigen   Individuen    außer   dem  Ich.     Ohne   die    Setzung   freier,    aktiver, 
vernünftiger  Wesen,  welche  das  Ich  zur  Selbstbestimmung  veranlassen  und  mit 
ihm   in  Wechselwirkung  stehen,  kann    sich   das  Ich   als  Vernunftwesen    nicht 
denken.    Deduziert  wird  das  Rechtsverhältnis  also  aus  dem  Ich,  aus  der  „reinen 
Form  der  Vernunft",  unabhängig  von  der  Ethik,  d.  h.  vom  guten  AVillen.     Es 
i  Verhältnis   gegenseitiger  Einschränkung   freier  Wesen.     Das   Recht  ist 
Bedingung  einer  Gemeinschaft  solcher  Wesen,  ist  durch  die  Vernunft  gefordert. 
Eb  gibt  kein   besonderes  Natur-    oder    Vernunftrecht,    sondern    alles  Recht    ist 
seiner  Idee  nach  Vernunftrecht.     Der  Zweck  ist  der  Grund  und  Maßstab  des 
Rechtes.     Das  allgemeine  Rechtsgesetz  lautet:  „Ich  muß  das  freie  Wesen  außer 
mir  in  allen  Fällen  anerkennen  als  ein  solches,  d.  h.  meine  Freiheit  durch  den 
Möglichkeit  seiner  Freiheit  beschränken".     „Urrechte"  sind  die  An- 
sprüche des  Vernunftwesens  auf  Freiheit  seines  Leibes  als  Organs  der  sittlichen 
Pflichterfüllung  und  seines  Eigentums.    Zur  gegenseitigen  Sicherheit  vereinigen 
sich  die  Individuen  in  einem  gemeinsamen  Willen  und    es  entsteht  der  Staats- 
rtrag.    Der  Staat  ist  „das  Recht  selbst,  zu  einer  zwingenden  Natur- 
gewall Lr<-worden",   er  ist  ein  Organ    der   Vernunftverwirklichung,    sein  letztes 
Ziel  i-t  di<-  Sittlichkeit;  er  geht  auf  seine  eigene  Vernichtung  aus:  '„Es  ist  der 
k   aller   Regierung,    die  Regierung   überflüssig   zu    machen".     Kontrolliert 
wird  der  Staat  am  besten  durch  „Ephoren".   Im  „geschlossenen  Handelsstaate", 
«reicher  die  Produktion!  Gütcrverteilung,  die  Preise  regelt,  nur  ein  „Landesgeld" 
duldet,  kurz   möglichst    selbständig  ist,    hat   jeder   das  Recht   auf  Arbeit    und 
•••uz,  aber  auch  die  Pflicht  zur  Arbeit  (Staatssozialismus). 
I  »aiiiit  sind  wir  bei  derSozial-  und  Geschichtsphilosophie  F.s  angelangt. 
llschafl  ist   nach  ihm  die  „Beziehung  der  vernünftigen  Wesen  aufeinander". 
sie   Iri'b  i<-t  ein  Grundtrieb  des  Menschen,  dieser  ist  bestimmt,  in  der 
Ischafl  zu  leben,    da    er    nur    in    dieser  ganz   Mensch  ist.     Das    Leben    im 
-i     ein    Mittel    zur    „Gründung    einer    vollkommenen    Gesellschaft". 
rirkung  durch  Freiheit"   i~t    der  Charakter  der  Gesellschaft.    Durch 
Vervollkommnung    der   Gattung;   gemeinschaftliche    Vervoll- 
er Ziel    in    der  Gesellschaft     Kultur  als   Gestaltung   und 
per  und    innerer  Verhältnisse   durch  die  Vernunft  ist   End- 
n    <i     aich    in    der    Geschichte    immer    mein-    niihert. 


l'!<  II  I  1.. 

In  ihr  wirkt  die  Vernunft  erst  als  Instinkt  (Stand  der  Unschuld),  dann  als 
Autoritätszwang,  es  kommt  /ur  Auflehnung  gegen  diese,  biß  endlich  eine 
Synthese  eintritt,  bei  der  all*--  frei  durch  Vernunft  organisi  rl  wird,  die  Mensch- 
heit ihr  Leben  aktiv-bewußt,  rationell-sittlich  gestaltet  Endphase  ist  der  Bland 
der  „vollendeten  Rechtfertigung  and  Beiligung".  Eine  besonder  Aufgabe  hat 
in  der  Gesellschaft  der  Gelehrte,  er  ist  der  Vertreter  der  Vernunft,  er  widmet 
-in  Leben  der  [dee.  —  Ideen  zu  einer  National-  und  Sozialpädagogik 
führt  l-\,  unter  dem  Einfluß  von  Pestalozzi,  in  den  „Reden  a"  die  deutsche 
Nation--  ans.  Nur  durch  innere  Umwandlung  kann  das  deutsche  Volk  wied 
sich  erheben,  auf  <lif.Iuu.-nd  muß  man  einwirken.  Die  Erziehung  ist  (wie  nach 
Plato)  eine  Bache  des  Staat.-  der  daraui  zu  Beben  hat,  daß  die  Jugend  in 
•-•n  Anstalten  aittüeh  und  national  erzogen  wird.  Eine  „deutsche 
Nationalcr/i.huii---  tut  not  Wichtig  ist  vor  allem  die  Erziehung  zu  einem 
festen,  Dicht  schwankenden  Willen:  denn  der  Wille  ist  die  „Grundwurzel 
Menschen  selbst".  I>ie  Lieh.'  zum  Guten  als  solchen  muß  zur  Entfaltung  _ 
langen.  Die  eigene  Tätigkeit  des  Zöglings  anzuregen,  ist  notwendig.  Für  die 
Förderung  des  Vernunftzwecks  ist  auch  ästhetische  Bildung  höchst  wirksam. 

Auf  dem  Gebiete  der  Religionsphilosophie  erklärt  F.  in  der  ..Kritik 
aller  Offenbarung'4  die  Offenbarung  als  Erziehungsmittel  für  möglich.  Bollen 
Wesen,  deren  Natur  gegen  das  Bittengesetz  teilweise  widerstreitet,  die  Sittlich- 
keit nicht  ganz  verlieren,  bo  mußte  diese  durch  Offenbarung  gefördert  werden. 
In  der  Sehritt,  die  ihm  den  Vorwurf  des  Atheismus  zuzog  („Über  den  Grund 
nnseree  Glaubens  an  eine  göttliche  Weltordnung")  bezeichnet  F.  Gott  als  che 
lebendige,  aktive  ,,morali8che  Weltordnung"  (als  „ordo  ordinans").  Ee  bedarl 
keines  andern  Gottes;  Gott  ist  kein  Ding,  keine  besondere  Bubstanz.  In  der 
rAppeUationsschrift"  erklärt  er.  keineswegs  Atheist  zu  Bein;  seine  (  welche 

nur  ihre  Wünsche  personifizieren,  für  die  also  Got(  nur  „Geber  des  Genuas 

seien  die  eigentlichen  Atheisten,  religionslos.  Später  identifiziert  er  <i<>tt 
mit  dem  onendlichen,  absoluten  Welt-Ich,  der  die  Welt  setzenden  absoluten 
Vernunft,  di<-  reine  Tätigkeit  ist     Dann,  in  der  Abhandlung  „Über  das  W 

Gelehrten*',    Eaßt    er  Gott    als   ein    unendliches    „Leben"   auf,   dessen    I 
Bcheinung  die  Welt  ist.    Das  Bein  ist  „lebendig  und  in  sich  tätig".    I>a-  Leben 
aus  und  durch  Bich  ist    ,das  Leben  Gottes  oder  des  Absoluten''      D 
und  für  sich  ..rein  in  rieh  selber  verborgen",   es   ist   Blies  Bein,   i-t   ohn     \ 
änderung.     Seine    Äußerung,    Darstellung,   äußerliche    Existenz   ist    die    Welt 
„Das  göttliche  Lehen  an  sich   ist   eine  durchaus  in   -i<-h  geschlossene  Einheit, 
ohne  alle  Veränderlichkeil   oder   Wandel  ...     In   der    Darstellung    irird   das- 
selbe  .  .  .  ein  ins  Unendliche  sich  fortentwickelndes  und  immer  höher  steigendes 
Leben  in  einem  Zeitflusse,  «Irr   kein  Ende  hat".     I>ie  immer  «rieder   tu  ül 
windend.-  Schranke  des  Lebens  ist  die  Natur,   ein  be- 

Bchlossfffiffli  Dasein.  Aus  dem  göttlichen  Leben  Dießt  das  „Zeitleben".  Wo 
die  göttliche  [dee  rein  und  ohne  Beimischung  des  natürlichen  Antriebes  «in 
U    ■■•    ewinnt,  da  haut  sie   neu    Welten   aui  (vgL  Eucl  Brat   in  der   I 

scheinung  zerfällt  das  eine  Leben   in    Individuen,     hie    Idee   -<lh-t   \  ersehn 
sich  im   Menschen  «in  aelb  Leben   und  gestalu 


Fichte       Ficinus. 


.11  die  Welt  nach  Bich.  Dieses  Leben  der  Idee  stellt  sich  dar  als 
Liebe,  als  Liebe  zur  [dee.  Die  Schrift  „Anweisung  zum  seligen  Leben"  führt 
aus,  wie  das  göttliche  Leben  im  mit t ergebenen  Menschen  rein  zur  Äußerung 
gelangt,  wie  die  Seligkeit  in  der  Liebe  besteht. 

Unter  dem  Einflüsse  Scheüings  hat  F.  später  (von  1811  an)  seine  Lehre 

dahin  modifiziert,   dafi   er  das    göttliche    Sein   dem    Wissen    voranstellt.     Das 

Sein  ist,  „Insichsein",  unveränderliches  „Beruhen   auf  sich  selbst,  Absolutheit". 

Alke  ist   Bild,   Erscheinung  des   einen  Seienden,  Gottes.     Das  Wissen  ist  das 

dee  -ins  durch  ein  Bild,  die  Erscheinung  des   Seins,  die  sich  als  Bild 

i'.t  und  so  in  der  Form  des  Ichs  auftritt,  für  die  es  erst  Dinge  gibt. 

Anhänger  Fichtes  sind  Forberg,  Niethammer,  J.  B.  Schad,  Mehmel 
n.  a. :  weitergebildet  wurde  seine  Lehre  durch  Schelling  und  Hegel.  Von 
dm  .»Neukantianern"  sind  stark  von  Fichte  beeinflußt  Windelband,  Rickert 
u.  ;i.  („Neuüchteaner"),  aber  auch  Cohen,  Natorp  u.  a.  Ferner  Wundt, 
Lipps  u.  a..  besonders  Eucken,  J.  Bergmann,  Schellwien,  F.  Medicus, 
Münsterberg,  teilweise  I.  H.  Fichte,  Fortlage,  Harms  u.  a. 

riften:  Aphorismen  über  Keligion  und  Deismus,  1790.  —  Versuch  einer  Kritik 
aller  Offenbarung,  1792;  auch  in  d.  Philos.  Bibl.,  1872.  —  Zurückforderung  der  Denk- 
freiheit von  den  Fürsten  Europas,  1793.  —  Beiträge  zur  Berichtigung  der  Urteile  d. 
Publikums  über  d.  französ.  Revolution,  2.  A.  1795.  —  Über  den  Begriff  der  Wissen- 
schaftslehre, 1794.  —  Grundlage  der  gesamten  Wissenschaftslehre,  1794;  2.  A.  1802 
(Hauptwerk).  —  Über  die  Bestimmung  des  Gelehrten,  1794;  auch  in  der  Univ.-Bibl. 
—  Grundriß  des  Eigentümlichen  der  Wissenschaftslehre,  1795.  —  Grundlage  des  Natur- 
rechts, 1796.  —  Erste  Einleit.  in  d.  Wissenschaftslehre  usw.  Versuch  einer  neuen  Dar- 
stellung der  Wissenschaftslehre,  1797.  —  System  der  Sittenlehre,  1798.  —  Über  d. 
Grund  unseres  Glaubens  an  eine  göttliche  Weltordnung,  1798.  —  Appellation  an  das 
Publikum  gegen  die  Anklage  des  Atheismus,  1799.  —  Die  Bestimmung  des  Menschen, 
1800:  auch  in  der  Univ.-Bibl.  —  Der  geschlossene  Handelsstaat,  1800;  auch  in  der 
.  —  Darstellung  der  Wissenschaftslehre,  1801.  —  Grundzüge  des  gegenwärtigen 
Zeitalters,  180G.  —  Anweisung  zum  seligen  Leben,  1806.  —  Über  das  Wesen  des  Ge- 
lehrten, 18<)G.  —  Beden  an  die  deutsche  Nation,  1808;  auch  in  der  Univ.-Bibl.  — 
Die  Tatsachen  des  Bewußtseins,  1810.  —  Staatslehre,  1813;  erschienen  1820,  u.  a.  — 
Samt.  rke,  hrsg.  von  1.  H.  Fichte,  8  Bde.,  1845 — 46.  —  Nachgelassene   Schriften, 

-.,  1834.  —  Briefe,  hrsg.  von  Weinhold,  1862.  —  J.  G.  F.s  Leben  und  literar. 
Briefwechsel,  bng.  von   1.  H.   lichte,    1830;    2.  A.    1862.  —  Werke   in   Auswahl,   hrsg. 

;.   Medicus.  —    VgL  J.  H.    LÖWE,    Die    Philosophie    F.s,    1862.    —  K.    FlBCHER, 

...    d.    neueren    Philo«.    VL  W.    KABITZ.    Studien    zur    Entwicklungsgesch.    d. 

ittslehre,    1901.    —    E.     LtASE,    F.s    Idealismus    u.  d.    Goschichte, 
\     LEOV,   La  Philosophie  de  Fichte,  1902.  —  MEDICUS,  F.,  1905. 

I  h-imi».  Marsiliua  (Ficino,  Marsiglio),  geb.  1433  in  Florenz,  Lehrer  der 

phie  an  der   Platonischen   Akademie  in    Floren/,,  gest.  1499.    Er  iiber- 

ie  Werke  Platoni  [1483    84),   Plotins  (1492)  u.  a.  und  verfaßte  außer 

dium  theologiae  Platonicae"  besonders  eine  „Theologia  Platonica", 

1576. 

om    Neuplatonismus  inspirierte  Mystik.    Die  Erkenntnis 
d.  i  im-.  Ki,  ( ,.  i .  i  erleuchtet    Ks  gibt  in  der  Seele  ver- 


Ficnojfi  —  Fiw  Mi  isi 


borgene.  bt-i  Anlaß  der  Erfahrung  sich  entfaltende,  angeborene   Begrifft 
mittelst  welcher  der  Geist   alle  ESrkenntnu  aus  sich  erzengt    Durch  diese  an- 

"irenen  liegriffe  tiiim.ni  wir  uns  wieder  der  Ideen,  der  in  göttliche! 

itehenden  ewigen  Urbilder  der  Dinge.     Die  Ideen   Bind  zugleich  Naturkri 
<;.»tt   ist  höchste  Intelligenz  nnd  höchste   Güte,    aber   alle   Veränderung   and 
Vielheil  erhaben.     Ea  ^i i > » r  eine  anvergängliche  Weltseele   und  ebe 
menschlich    B        alz   rernünfl        B  ele   ansterblich,  ds   sie  ron  Gott   stammt, 
dessen  Kid  sie  isi  und  dem  Bie  rieh  immer  mehr  zn  rer&hnlicheo  und  zu  . 
einigen  Btrebt. 

■fck,  Adolf,  geb.  1829  in  Kassel,  gest  1901  in  Blankenberghe.  =  F. 
[ehrt,  ähnlich  wie  Schopenhauer  and  Helmholtz,  daß  die  Setzung  ron  Objekten 
al-  Irsarlif  d«-r  Kmpfindung  auf  •■in. in  anbewußten  Bchlufl  beruht,  der 
durch  das  apriorische  Kausalgesetz  veranlaßt  ist  Auch  Raum  und  Zeil 
len  der  Erfahrung  roran.  Bei  der  Entwicklung  der  bewußten  Erkennt- 
oii  von  den  Eigenschaften  des  Raumes  spielt  die  Erfahrung  eine  Rolle. 
Auch  Kratt.  Kasse,  Bewegung  osw.  sind  nur  subjektive  ESrkenntnisformen. 
Die  Atome  Bind  absolut  ausdehnungBlos,  Systeme  von  „Kraftächtungen".  Die 
materielle  Well   ist   „dae  Gespinst    um  en   rntellekte".     Die  Dinge  an 

sich  sind  anerkennbar. 

Schriften:    Dio    Welt    als    Vorstellung,     1870.    —    Obst     [Tiiclui    uml    Wirking, 
\.    1882.   —  Thilos.   Versuch   iib.-r  Üfl   Wahrscheinli.hkeiten,   1883. 

Firianza  b.  Bonaventura. 

lili|>l>ow.    M.    M..    1868  -1903,   russischer    Philosoph,    Verfasser   einer 
WirJdichkeitsphUosophie"  (188  I  rolutionisl  und  Monist. 

PiMteer9  Engelbert  Lorenz,  geb.  L846  in  AffchafTftnburg,  Stadtpfarrer  in 
Würzburg. 

1".  steht  auf  <l»iu  Boden  der  kaiholischen  (Aristotelischen)  Philosophie,  ist 
■i  in  vielem  selbständig.  In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  isi  er  „kritischer 
Realist*4  oder  „Ideal-Realist",  da  wir  oach  ihm  /.war  oichl  bloße  Bewußtseins- 
inhalte, aber  auch  nicht  das  An  sich,  die  Substantialitäi  der  Dinge,  Bondera 
deren  Kraftänßerungen  objektive  Erscheinungen)  wahrnehmen.  Die  Außen- 
dinge sind  nicht  im  Bewußtsein,  Bondern  dieses  bezieht  sich  auf  jene  als  Obj< 

Bewußtseins,   deren    Erscheinungsweise   vom    Subjekt    abhängig    ist       D 
Dinge  sind  an  sich  Systeme  von  Kräften,   haben  also  alle  Energie.    Die  Seele 
isi    'in    Em  adersi    Art,    .1. — en   Zustände   nicht    räumlieh   und 

ni«ht  in  physische  Energien   umsetzbar  Bind.     Et  Lril»t   aber  (  die  allen 

\\  ■  leinsam  angehören  und  vermöge  deren  sie   ein    harmonisches  System 

(dei  „Vernunft-Einergißmus")  bilden.    Gott  ist  die  absolute  Vernunft! 

Sei  :  übst    dai    Gstoti    dn    Bntwicklang  am 

ui.iMiiuv    L880,  —   Dm    Probten   »los  i  beb   ii 
-    Cher  (1     l'ni./ij.  .1.   OrgHÜMtfOl   B.  d.  Grundfragen 

.Irr    Krkmntni-tl  •  1-         Das  »irund- 

probJSM    «l.^r    M.-t  a  i  .J.  \  - 1  k ,    I8f4i  l»er   Triompf  d<  — 

: .  I     •  -    Dor  i.  a. 


Fischeb       Fischhaber. 


r  isolier.  <••  0.  =  F.  ist  strenger  Determinist  und  Materialist.  Das  Be- 
wußtsein ist  nur  eine  ..Funktion  des  Gehirns",  eine  „materielle  Bewegungs- 
leinung".  Das  Denken  ist  ein  Naturprozeß,  der  Gedanke  materiell.  Die 
ist  dw  ^Inbegriff  aller  materiellen  Funktionen  des  menschlichen  Gehirns". 
Das  Bewußtsein  ist  eine  Begleiterscheinung,  eine  Art  Schatten,  rein  passiv. 
Der  Wille  ist  eine  Bewegung;  alles  Handeln  ist  Wirkung  von  Naturfaktoren, 
deren  Zusammenhang  ein  mechanischer  ist, 

S    hriften:  Die  Freiheit  des  menschlichen  Willens,    2.   A.    1871.  —  Das  Bewußt- 
.    1874. 

Fischer,  Karl  Philipp,  geb.  1807,   Prof.   in  Erlangen,  gest.  1885.  =  F. 
bildet  (von  Baader  beeinflußt)  Hegeische  Lehren  zu  einem  spekulativen  Theis- 
mus um.     Gott  ist  nach  ihm  das  Ursubjekt,  der  Urgeist.     Die  selbstbewußten 
Individuen  sind  Einheiten    eines   geistigen  Reiches,    welches   die   Manifestation 
-  göttlichen  Ursubjektes  ist. 

S    hriften:  Die  Freiheit  des  Willens,  1833.  —  Wissenschaft  der  Metaphysik,  1834. 
Die   Idee  der  Gottheit,  1839.  —  Grundzüge  des  Systems  der  Philosophie,  1848  f.,  u.  a. 

Fischer«  Kuno.  geb.  LS24  in  Sondewalde  (Schlesien),   Prof.   in   Heidel- 

_    gest.  190S. 

1  •'..  der  als  Vortragender  hohen   Ruhm   genoß,    ist  vor   allem  durch  seine 

[lichte  der  neueren  Philosophie  und  deren  glänzende  Diktion  bekannt.     In 

eigenen  Lehren  zeigt  er  sich  als  (teilweise  Kantianisierender)  modifizierter 

Hegelianer.      Die   Logik    ist   zugleich   Erkenntnislehre   und   Metaphysik.     Die 

dialektische  Entwicklung  geht  vom  Sein  durch  das  Wesen  zum  Zweck.   Gegen- 

Trendelenburg   erklärt  F.,  die  von  diesem  behauptete   „Lücke"  in  Kants 

_  imenten    für  die  Subjektivität  der  Anschauungsformen  bestehe  nicht.    Es 

•■■■•:   Willensarten:  die  Willkür,  die  durch  Erkenntnis  geleitet  ist,  und  das 

allem    Erkennen    und   bewußten    Handeln   vorausgehende,   unbewußte  Wollen. 

Affekte    sind     Willenszustände.      Der    ganze    Leib   ist    eine    „Willens- 

aeinung";  im  Gehirn  manifestiert  sich  das  Erkennenwollen.     Der  Wille  ist 

Quelle  der  Lebenstätigkeiten.    Was  in  uns  Willeist,  ist  in  der  Natur  Kraft. 

Der  Wille  ist  das    Wesen   des   Menschen,   der  Geist   ist    seine   Begabung.    Im 

Ästhetischen  liegt  <in   spielendes   Verhalten   vor,    eine   Sammlung    und   Einheit 

:ill*r  unserer  Fähigkeiten.     Der  Witz   ist  ein   „spielendes  Urteil".    „Was  noch 

ni<-  vereinl  um.  isi  mit  einem  Male  verbunden,  und  in  demselben  Augenblick, 

int  dieser  Widerspruch  noch  frappiert,  überrascht  uns  schon  die  sinnvolle 

achtunfj 

Diotims,  die  Idee  des  Schönen,  1 849.  —  System  der  Logik  und  Metaphysik, 

\.  1909.  —  Geschichte  der  neueren  Philosophie,  10  Bde.,  2.-5.  A., 

ptverk).    —    Philo».    Schriften,    1891  f.;    5.    A.     1902  ff.    (Einleit.    in 

Philo«.;     Kritik    der   Kantischen   Philos.,  u.   a.)   —    Kloine  Schriften, 

/      i  ber  die  menschl.  Freiheit;  Das   Verhältnis  zwischen  Willen 

Schüler  all    Philosoph,  1858;  2.  A.  1892.  —  Schiller-Schriften, 

brüten,   1888—00.  —  Goethe«  Faust,  4.  A.   1003,  n.  a. 

i  i^<  hh.iiM  i .  Gotüob  Christian,  1779~1829,  Gymnasialprofessor  in  Btutt- 
Kantianer, 


FlSCHHABEB    -    FLÜGEL. 


B    hriften:   Über  das   Prinzip  u.  die  Hauptprobleme  de«  Fichteechl 

—  Lebrbuch  der  Logik,    1818,  u.  a. 

Fiske,  John,  amerikanischer  Philosoph,    L842— 1901.  —  F.  vertritt   i 
evolutjonistische   und    zugleich  theologisch-teleologische   Naturphilosophie,   ver- 
bunden    mit   dem    Glauben    an   Unsterblichkeit.     Die    Entwicklung    seigt    ein 
wachsendes  I      rgewichl  da  psychischen  Lebens,  rein  Ziele  treten  beim 

Menschen  in  den  Vordergrund.    l>i<-  natürlich«'  Zuchtwahl   tritt   gegenüber  der 
Zuchtwahl  durch  den  Menschen  zurück,  der  Kampf  ums  Dasein  bort  hier  auf. 

S    hriften:   Outlines  of  Cosniic  Philosoph)-,  1884.  —  Destiny  ui"  Man,  1881  :   de  . 
\..n    l"i.    Kirchner,    1890.   —    K\';ursions  of  an   Evolutiuni>t,    4.   ed.    1884. 

Flechsig,  Paul,  geb.  1847  in  Zwickau.  Prof.  der  Psychiatrie  in  Lei] 
=  ,Ea  gib!    nach    F.   eine  Vielheit   von    Gehirnprovinzen   und  »ine   Reihe  \<m 
„Assoziationszentren",    Zentren    der    Verarbeitung     der    Binneseindrücki 
Denk'  da    JKogitaaonBrentren"). 

Behriften:  Gehirn  und  Seele,  2.  A.  1896.  —  Die  Lokaüeation  c  gen  Vor- 

e,    1896   u.  a. 

Flicll.  Wilhelm,  geb.  w>s  in  Arnswalde,   Arzt  in  Berlin.    =     Lehre  von 

der  Periodizität  der  Lebensprozi  J.  auch  Bwobod 

5    hriften:  Der  Ablaaf  .   190G.  —  In  eigener  •'.,  u.  a. 

Flint.  Robert,  geb.  iv-iv  in  Dumfriesshire,  Prot    in   Edinburgh.    =    Vi 
Martincaii  beeinflußt,  aber  zum  Teil  gegen  diesen  polemisierend.    Theistischei 
Standpunkt 

i. ritten:    TheiMu,    l«7T:    10.   ed.  1902.   —    Anti-theutic    Theorie«,    1878.   — 
itorj   et  Uic  r  tUetary,   1893.  —   BocieJum,    1894.    —  Philosoph),   i  • 

Flouren«».  M.  J.  1'..  1784  1867,  Begründer  der  experimentellen  Gehirn" 
Physiologie,  war  Prot  am  College  de  France.  =  Nach  F.  sind  alle  Hirnpartien 
funktioneU  gleichwertig,  es  gibt  keine  Lokalisation  im  Gehirn. 

9    hriften:    Psychologie   eompnree,   18,"»4.   —   De  la  rie  et  de  l'inl 

—  ])••  l'inetincl  et  de  l'intelligence  dea  inimsnx,  4.  ed.   1861,  u.  a. 

Flournoy.  Theodore,  Prof.  in  Genf.  Anhänger  der  Lehre  vom  psycho- 
physischen  Parallelismus. 

ritten:    M<  '  et    P»J  a. 

Fludtl.  Robert  (R,  de  Fluctibtu  .  1574   in    Ifilgate  (Kent      Arzt   in 

:<■,:;;.  :_  Von   der   Kabbala    und    besonder»  von    Paracelsus 
einflufit.    (Jnti  i-t  das  ewige  Licht,  der  unendliche  Geist     Prinzipien  der  DL 
sind  Licht  und  Finsternis,   Liebe   und    Mai;.  Sympathie   und    Antipathü      D 

uind  in  der  Weltseele  vereinigt.    I  >i<   .Mann-   entstammt  der  Finst 
im-,   das     Leben    dem    Lichte,    dessen    Ausstrahlung    auch    der    Intellekt    i 
Menschen  ist,  der  gut  und  Belig  wird,  wenn  er  Bich  dem  göttlichen  I 
hingibt,     Makro-    und    Mikrokosmus    Btehen    miteinander    in    w  •    bselwirkui 

lli-tu!    .  1617.  —    Clevii    pl..  al- 

■  18.  —  l'i.  .   || 

I  lii^^i.    Ott  1842  in  Lfitien    l'  in  DOlau  bei    Malle,  ii 

/    •     brifi   für  Philos.  u.  I  igik. 


Flügel  —  Forel. 


F.  Bteht  wesentlich  auf  dem  Boden  der  Hcrbartschen  Philosophie,  deren 
pluralistische  Realen-Lehre  er  gegen  jeglichen  Monismus  verteidigt.  Die  Wirk- 
lichkeit beetehl  aus  Monaden,  aus  einfachen  Wesen  mit  qualitativen,  inneren 
Zustanden,  die  erst  im  Zusammensein  zu  Kräften  werden.  Die  Seele  ist  eine 
mir  dem  Leibe  in  Wechselwirkung  stehende  Substanz.  Das  Dasein  Gottes 
isl  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit    (besonders  auf  Grund  der  Zweckmäßigkeit 

Welt)  zu  erschließen.  In  der  Geschichte  wirken  auch  geistige  Faktoren, 
Ideen  (Gegen  die  ..materialistische''  Geschichtsauffassung). 

Schriften:  Der  Materialismus,  1865.  —  Die  Probleme  der  Philosophie,  1876; 
4.  A.  1906.  --  Die  Seelenfrage,  1878;  8.  A.  1890.  —  Die  spekulative  Theologie  der 
Gegenwart,  1881:  2.  A.  1887.  —  Das  Ich  u.  die  sittlichen  Ideen  im  Leben  der  Völker, 
1885;  4.  A.  1904.  —  Das  Seelenleben  der  Tiere,  1884;  3.  A.  1897.  —  Über  die  per- 
sönliche Unsterblichkeit,  1888.  —  Über  die  Phantasie,  1892.  —  Der  substant.  u.  d. 
aktuelle  Seelenbegriff,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Päd.  III,  1896.  —  Idealismus  u. 
.Materialismus  der  Geschichte,  1898.  —  Der  Wille,  1899.  —  Die  Bedeutung  der  Meta- 
physik Herbarts  für  die  Gegenwart,  1902.  —  Herbarts  Lehren  u.  Leben,  1907.  — 
Abr.  d.  Logik,  4.  A.  1901.  —  D.  Seelenleb.  d.  Tiere,  1897.  —  Monismus  u.  Theol. 
3.   A.   1908  u.  a. 

Fonsegrive,  G.  L.,  geb.   1852  in  Saint-Capraise  de  Salinde,  Professor 

in   Bordeaux.   =    Indeterministischer   Standpunkt.     Der  Begriff  der  Kausalität 

ine  Quelle  in  der  Erfahrung  des  Denkens   über  den  Zwang,  von   einem 

Inhalt    zum    andern    überzugehen.     Die   wirkende    Ursache   ist   eins    mit   der 

knrsache,    Zweck   der  Welt   ist  die  objektive  Darstellung   von  Gedanken. 

(tott  ist  die  oberste  geistige  Ursache  von  allem. 

riften:  Essai  sur   le   libre    arbitre,    sa    theorie    et    son    histoiro,    1887.   —  La 
•  ausalite  erficiente,   1893,  u.  a. 

Fontenelle,  B.  L.  de,  1657—1757.  =  Kartesianischer  Standpunkt. 

h  riften:    Entretiens   sur   la   pluralite   des   mondes,    1686,    1750,    1864;    deutsch 
1724,  u.  a. 

Forberg,  Friedrich  Karl,  geb.   1770  in  Meuselwitz  (Sachsen),  gest.  1848 

alt  Kirchenral   in  Hildburghausen.    Durch  seinen  Aufsatz  im  „Philosophischen 

Journal",  1798  über  die  „Entwicklung  der  .Religion"  gab  er  Veranlassung  zum 

Fichteschen    Atheismusstreite   (s.  Fichte).     Er  verfaßte  dann  noch  (1799)  eine 

leinet    angeblichen   Atheismus.      Die   Religion    definiert    er    als 

Glauben  an  eine  moralische  Weltordnung,  basiert  sie  also  auf  die  Ethik,   auf 

Stämme  ,:  issens,  nicht  auf  den  Glauben.    Das  schließliche  Gelingen 

Inten  in  der  \\  dl  ist  der  Sinn  der  moralischen  Weltordnung,  deren  Prinzip 

Pwel,    l  >.  1848  in  Morges,  früher  Prof.  der  Psychiatrie  in  Zürich. 

Monis!  und  Determinist.    Zwischen  den  psychischen  Vorgängen, 

■'"-•""    und    der   Qehirntätigkeit    besteht  das    Verhältnis    der 

•  prichl  jedem  psychologischen  Vorgang  ein  Komplex  von 

in  den  Nervenelementen  des  Gehirns.    Die  ..Introspektion" 

cheinung  jeder  Nerrentätigkeil  (elementar-metaphysisch 

':  .In  der  anorganischen   Natur  ist   schon 


i  i.   -  Fori  läge. 


das  Seelische  potentiell  enthalten.    ..Alk-  i-t  -  |  wie  Kraft  und  S 

Grotl    ist   die   unpersönliche   Allmacht.     I>k   Außendinge   erkennen   wir  durch 
Symbole.     l>ic    Psychologie   muß   wesentlich    vergleichende    Psych«  sein. 

Besonders  eingehend  hat  sich  F.  mit  den  Ameisen  und  deren  psychischem  Leben 

Schriften:   Das  Qedsehtaii   und  seine   Abnormitäten,   1885.    —    Der    Hypaotismae, 
:   4.   A.  1902.  —Gehirn  und  Seele,   1894;    11.   A.    1910.   —  Über  die  Zusehaai 
fahJgkeit   d.   normalen   Menschen,    1902.   —   Das   Sinm-leben    der   Insekten.     1910. 
{»sycho-physiologische  Identitätstheorie    als    wiaaeaacbafUichei   Postulat,    1906.  Sexaelle 

Kthik,   S,   A.   1908.  —  D.  sex.   Präge,    19<»5.    —    Verbrechen    u.    konstitutionelle    Seelen- 
«boormititen,  1907.    —   Leben    a.   Tod,    1908.    —    Psychologie   comparoV,   theorie   di 
raneme  et  dAterminiarae,   1910,  u.  a. 

rorye.    Louifl  de  l;i.   Ar/t    in   Saiimur.   Karte-iaiier.     =   de   la   F.    i-t    schon 

«•in  Vertreter  des  „Okkasionalismus",  wonach  die  r,.  ,nr 

Veranlassungen  zur  Qervorbringung  der  entsprechenden   psychischen  Vo 
sind,  die  letzten  Endes  von  < ; « » t t  verursacht  Bind. 

triften:   Traite  de   l'esprit  de   fhoinme,    1GG4    (166G).   —  Vgl     II.   S  IM. 

L.  de  la  F.,   1887. 

Forarey,  Job.  Qeinr.  Samuel,  geb.  1711  in  Berlin]  da  Sekretär  der 

Akademie  1797.    =  Eklektischer  Popularphilosoph,   in  der  Ethik  Anhänger  des 
Perfektionismus  (Die  Glückseligkeil  besteht  in  der  Verrollkommnung  . 

8    hriftea:   La  l< >uri «j u<*  sei  rraiaemblaneea,   1747.  —  Rc<  hon  hes  sur  les  eleu 
de  la  aiatiere,   IT  IT    —   Lo  lyatame  'in  rrai  boaheor,   1760.  —   Baaai  sur  la  tion, 

»1.   —    Principe«,  do  inorale,   1761  —  »ij.  —  Melaagei  pbiloaophiqsaa,   1T.">4.  a.  a. 

Fairster,  Friedrich  Wilhelm,  geb.  L860  in  Zürich  (Sohn  de-  Astronomen 
Wilh.  Förster    de-  Hauptes  der  Deutschen  Gesellschaft  rur  ethische  Kultur). 

Bezüglich  des  Willensproblems  i-t  V.  psychologischer  Determinist  Di< 
sittliche  Freiheil  i-t  die  ..relative  Unabhängigkeit  des  Menschen  von  der  Innen- 
welt, -eine  Abhängigkeit  von  seiner  Gedankenwelt,  insbesondere  von  den  Vor- 
stellungen, welche  der  Ausdruck  der  Anpassung  an  da-  soziale  Leben  sind". 
Die  [des  der  Verantwortlichkeil  wird  im-  den  Einzelnen  zur  Quelle  seiner  Bitt- 
lichen  Freiheit.  F.  i-t  besonden  auf  dem  Gebiete  der  Moral-Pädagogik 
t.iti-.  die  er  aber  nicht  mehr  \uii  der  Religion   ganz    frei    halten    will,   da 

ter  Grundlagen   bedarf,  die   mir  die   Religion    geben    kann   (Katholisierende 
Tendenzen,  obwohl  I-'.  Protestant  ii 

Schriften:  Willeaifreibeit  u.    sittliche   Verantwortlichkeit,   1898  '  -- Ik 

T  Lebssafthnwg,   1909,  a.  a. 

l,öi,«»<er-\i<»ty.^«,lie- Elisabeth,  Weimar.  Schi  riedrich  N  hes 

1846  in   l;        m.     Verwalterin  ron  Nietzsches  Sarhlail. 
tbea  i- 1  i  ti. 

F<niiii-c,  Kai!,  geb.  1806  in  Osnabrück,  !'i"t.  in  Je  -l. 

I ■'.  i-t  Im-smihUth  von  Kam.  Fichte  und   Bcnek<    beeinfluß!      I  i  lehrt  einen 
inasendenten    Pantheismus",    aach    welchem    <>"tt    da-   absolute    ich.    i 
i-t.  in  welchem  alle   Einzel-Ichs  enthalten   sind.     D      Substai    en    sind 


ts,,  Fortlage  —  Fouillee. 


Pnxiukte  ewig  wirkender  Kräfte".  Die  Seele  ist  ein  Triebwesen.  Das 
B<  wufit8ein  kommt  durch  eine  „Triebhemmung"  zum  Vorstellungsinhalt  erst 
hin/u:  OB  ist  die  Richtung  dos  Triebes  auf  eine  antizipierte  Anschauung.  Es 
gibt  einen  unbewußten  Trieb,  unbewußte  Assoziationen  usw.  Die  seelische 
Grundkraft,  aus  der  durch  Umwandlung  Aufmerksamkeit,  Frage,  Überlegung 
gehen,  ist  der  Trieb.  Das  Subjekt  ist  „ein  Grund  trieb  nach  Mani- 
festation seiner  Belbst",  Selbsterhaltungstrieb.  Die  Befriedigung  des  Triebes  ist 
die  Lustempfindung.     Die  Begriffe  sind  Produkte  der  „Denktriebe". 

g    briftea:  Die  Lücken  des  Hellsehen  Systems,   1832.  —  Darstellung  und  Kritik 

der  Beweise  für  das  Dasein  tiottes,   1840.  —  Genetische  Geschichte  der  Philosophie  seit 

•_'.   _   System  der  Psychologie,    1855.    —    Acht    psychol.    Vorträge,    1868.    — 

.    1869;   2.  Ä.   1872.   —   Vier  psychol.  Vorträge,  1874.  —  Beiträge 

■/.uy   Psychologie,   1875. 

Pouche!*,  Simon,  geb.  1644  in  Dijon,  Kanonikus  daselbst,  dann  Abbe 
in  Paris.  gest  1696.  =  Von  Descartes  ausgegangen,  wandte  sich  F.  einem  ge- 
mäßigten Skeptizismus  zu  und  war  u.  a.  ein  Gegner  der  Leibnizschen  Lehre 
von  der  prastabilierten  Harmonie. 

8(  h  ritten:  Ciitique  de  la  recherche  de  la  verite,  1675  (gegen  Malebranche).  — 
D<-  hi  sagessc  des  anciens,   1682.  —   Histoire  des  Academiciens,   1690. 

Fouillee,  Alfred,  geb.  1838,   war  Prof.  in  Paris,  lebt  jetzt  in  Mentone. 
F.  i-t  der  Hauptvertreter  des  französischen  idealistischen  Evolutionis- 
iii  u  -.    Ei-  stellt  eine  Synthese  her  zwischen  dem  Platonischen  Ideenbegriff,  dem  Be- 
tritt der  Kraft  und  der  Aktivität  und  dem  Evolutionsbegriff  und  vertritt  so  einen 
tuschen  Monismus,  eine  psychistische  Identitätslehre,  nach  welcher  das 
sehe  das  wahre  Wesen  der  Dinge,  die  Triebkraft  des  Geschehens,  der  innere, 
wahre  Faktor  der  Entwicklung  ist.    Ausgegangen  ist  F.  von  dem  Gedanken,  daß 
di.-  Idee  der  Freiheit  sieh  selbst  verwirklicht,  uns  durch  das  Streben  nach  ihrer 
Realisierung  frei  macht  (Autodeterminismus).    Er  schließt  dann  weiter,  daß  alle 
Bewußtseinsinhalte    als    gefühlsbetonte,    ein    Streben    einschließende 
dynamische  Faktoren,  „idees-forces",  Kraftideen  (bezw.  Ideenkräfte) 
sind.     Nach   dem     »empirischen   Monismus"    (,,monisme   experimental")   ist  das 
»sehe  die  objektive   Seite   dessen,  was  in  seiner  Unmittelbarkeit  psychisch 
i-t  iatz  von    Innen  und  Außen,  Objekt   und   Subjekt  fällt    in    das 

ii  selbst    „Der  Unterschied  zwischen  unseren  inneren  Erfahrungen 
und  den  von  im-   objektivierten   Erscheinungen,  die  wir  äußere  nennen,   rührt 
den  eerschiedenen  Mitteln  her,  wodurch  wir  das  eine  Wirkliche  mit  seinen 
Eigenschaften  erfassen."     Je  nachdem  Gesichtspunkt    ist  alles  für   uns 
oder  subjektiv.     Da  unsere  Grundreaktionen  die  des  Strebens  und  der 
I.  h.  de-  räumlich  aufgefaßten  Strebens)  sind,  so  ist  die  Well,  auf 
^'•in    projizieren,    Streben    und    Bewegung,    wobei  das 
•itli'-li  Reale  i-t  (Voluntarismus).    Die   Bewegung  ist   das   Ab- 
-   betitution   innerer  Veränderungen,  die  psychischer  Ari 

dÖtsein    haben    wir  den  Typus  aller  wahren  Wirksamkeit. 

•  zugleich  ein  sensorisch-motorischer   Prozeß,  unmittel- 

;n    der    Beziehung    der    Kraft    ZU    anderen    Krallen, 


FOUILLEE  I  Ol  EU£B.  \8rt 


Kraft-Idee.  Das  Bewußtsein  i-t  wahrhaft  dynamisch,  aktiv,  kein  . .Kj»ij 
nomen",  kein  bloßer  Reflex.  I>i«-  Kraft  der  Idee  isl  „das  Bewußtsein  der 
tätigen  Wirklichkeil  Belbst,  die  strebend  und  empfindend,  al-'>  geistig 
l>i.-  [dee  druckt  eine  WillensrichtuDg  aus.  Trieb,  Streben,  Will«-  sind  die 
Motoren  des  Seelenlebens,  auch  des  Denkens,  dessen  apriorische  Formen 
Kategorien)  zugleich  WiUensformen  Bind.  Die  Seele  ist  die  psychische  Ein- 
heit des  Oiganismus,  steht  also  nicht  mit  einem  von  ihr  verschiedenen  Leibe 
in  Wechselwirkung  (Parallelismus). 

Der  Wille  ist  der  Kern  alles  Seins   und  so  Bind  die  psychischen  Pros 
ml  Strebungen  (,,app£titionB",  „vouloir"  .    In  jedem  Bewufitseinsyi    _  i 
ist  Streben,  „impulsion  volontaire".    l>;i-  Streben  liegt  allem  Vorstellen,  Denken 
und  Erkennen  sugrunde,   es   ist   der  Hanptfaktor  aller  geistigen   Entwickle 
die  au!  einem  TriebTorj  processus  app&itif")  beruht.    Das  psychische  l 

Beheben  ist  zielstrebig;  denn  der  Wille  ist    ,.la   tendance   de   L'etre   au  plus 

md  bien-etre,  ä  la  oonservation  et  a  L'expansion  *\<-  la   vi.-.    Der   Wille  ist 
die  Einheit  von  Kausalität  und  Finalital  fvgL  Lachelier  u.  a.).    Auch  die  bio- 

gische  Entwicklung  beruht  aui  inneren  Kräften,  auf  Strebungen.  KU  :  - 
wirken  [deenkrifte  in  der  sozialen  Entwicklung,  wie  man  überhaupt  das 
Universum  sls  eine  Gesellschaft  betrachten  kann.  Die  Gesellschaft  ist  ein 
Willensorganismus,  der  sich  selbst  verwirklicht,  ein  „organisme  contractuel", 
indem  der  VTertrag  die  ..idee  drrectrice"  der  höheren  Gesellschaftsordnung  wird. 
1»;.-  volle  Eigenleben  Bchließt  da-  Leben  für  andere  ein. 

Der  Kern  der  Sittlichkeit  ist  die  Hingebung  des  lehn  an  die  Gesamt- 
heit; rSndzweck  ist  die  Identifikation  von  Individuum  und  Gesamtheit.  I>i<  sitt- 
lichi  [dee  rerwirklicht  sich  Belbst,  indem  sie  in  ans  su  einem  ,,persuasifu  wird. 
uns  bo  innig  durchdringt,  dafl  anser  Bandeln  durch  sie  motiviert  wird,  ohne 
Zwang  and  ohrn    Eigennutz  (vgL  Guyau). 

Schritten:    La   pfciloaophie   de   Piatun,    1809:    l.   üd.    188.;.  Ls   pl 

.    L874.  —   Bietoixe   de    la    philosophie,    187."»:  6.    M.    L892.  —  La   libexti  st 
i iiiiiii-iuf.   L81  L901.   —    Critiqoe   da«   ■yateenea   da   neotale    eontenporaiae, 

is8:i:  4.  61   1894.  —  L'idee   modere*    du    droit,    ist  —  La  i 

L   lb85.  —    L'a\cnir  da  !a  mAtaphyaiqoe,   1889  :  •_'.  <-d. 
—   La  in«  .  la   religio«   d'apree  Garen,    1889.  —  L'ivotutio&aiame 

ideea-Cu  (Haoptwerk).  —  La  ;  .  ;«■  de«  id 

—  Le  moafeanaat  ;  I   la  concej>tii>n    tocioli 

—  Le  in  -UN i'iiiont  ideeüete  et  ia   reaetioa  eoato 

payebol.  de«  peuples  cur 
■MBSI    <"  -     Lea   clriiienta    - 

da*  -    l.<-   ftoeiaüaaie  st  Ii   -  •    ■•   — 

Vgl.    8.    I'awi.I'  ki     i  -   as«s    rheorie  aar    LdeeeJurftJ  D.    Pasmaxik, 

\m  her  Honiamoi    l  *09. 

I  om  iei-.  <  Ihaiiee,  1772     18  l  u  den 

isten.     l'.r  rerkündet  das  riecht   aui  Arbeil    verbunden    mit    Arbeitspflicht. 

Dil    Produktion    -"II    kollektivistisch    in  „Phalan8terieir<  I 

wird  je  nach    Arbeit  und  I  Die  < 


Kot  Kl  KR  —  FRANCKE. 


interpretiert    F.    psychologisch;     die    Individuen    werden    durch    gegenseitige 
\    jungen  verbunden. 

rifte»:    Theorie    des    quatres    mouvements,    1818.   —   Traite  de  l'association, 
—    Lo    nouveau   monde    imlustriel,    1829.    —    Theorie  de  Turnte  univers.,  1841  f. 
—  Oeuvres  corapletdB,   1841—46.  —  Vgl.  BEBEL,  Ch.  F.,  3.  A.   1906. 

I  owler.  Thomas,   geb.  1832  in  ßourthon-Stather,  Prof.  in  Oxford,  gest. 
daselbst  =  Anhanger  J.  St.  Mills,  Utilitarist  und  Perfektionist. 

ritten:     Elements    of  Deductive   and    Inductive   Logic,     1869.    —    Progressive 
Morality,   1886.   —  The  Principles  of  Morals,  1886—87. 

Frnc»a*toro.  Girolamo,  Arzt  und  Naturforscher,  geb.  1483  in  Verona, 
1553.  =  F.  gibt  eine  Psychologie  des  Erkennens,  welches  durch  sinnliche 
Symbole  erfolgt  („cognitionem  onineni  per  rerum  simulacra  fieri'-).  Verknüpfung 
und  Trennung  sind  die  Grundfunktionen  des  Denkens. 

Schritten:  Turrius  sive  de  intellectione,  Opera  1555.  —  Vgl.  CäSSIRER,  Das 
Eikenntnisproblem   1,  208  ff. 

France,  Raoul  H.,  geb.  1874  in  Wien,  Direktor  des  „Biologischen  In- 
stitutes" in  München.  Herausgeber  der  „Zeitschrift  für  den  Ausbau  der  Ent- 
wicklungslehre". 

F.   i>t   evolutionistischer  Monist,    Panpsychist,    Pantheist.      Das  Leben  ist 

eine    Äußerung   psychischer   Faktoren    („Psychovitalismus"),    die   Entwicklung 

beruht  wesentlich  auf  direkter,  funktioneller,  aktiver  Anpassung  (Neo-Lamarckis- 

-  .     Die  Pflanzen  haben  eine  Psyche  (Empfindung,  Unterscheidung,  Streben). 

L  ■  ii- Vorgänge  sind  bedürfnisgemäße,  immanent-zielstrebige  Reaktionen, 
optimale  Kt-izverwertungen.  Von  der  unbewußten  „Körperseele"  ist  die 
„Gehirnseele"  (mit  Ichbewußtsein  und  assoziativem  Gedächtnis)  zu  unter- 
gehe« 

Schriften.  Das  Leben  der  Pflanze,  1905  ff.  —  Grundriß  einer  Pflanzenpsychologie, 
Z.  f.  d.  A.  d.  E.,  1907  f.  —  Der  Wert  der  Wissenschaft,  3.  A.  1908.  —  Der  heutige  Stand 
der    Darwinschen    Frage,    1908.    —    Das    Sinnesleben  der  Pflanze,    2.  A.  1907.    —    Das 

»letal  der  Pflanze,  20.  A.   1908,  u.  a. 

rraiifiMfiis  <l<  Mavronis,  „Doctor  illuminatus",  Lehrer  an  der  Sor- 
bonne  in   J';i  L325.   =    Schüler  des  Duns  Scotus.     Der  Intellekt  erfaßt 

Einzelne  in  allgemeiner  Weise.    Die  Ideen  sind  ewige  Urgründe  der  Dinge, 
die  durch  sich  selbs!  ihr  Wesen  haben, 
riften:  Opera,   1620. 

I  r;ui<  k,  Adolphe,   L809-  L893,   Prof.  in  Paris.  —  Schriften:  La  Cabbale, 
1892.  Philosophie  du  droit  pönal,   18G3.    —    Dictionnairo   des   sciencea 

UM,    184  4  —  ö 2  ;    '.',.    6d.    1885    u.   a. 

i'i-aiM-k«-.  Samuel,    1773-1840,   Prof.  der  Theologie  in  Kiel.  = 

.  Wolfl  beeinflußt 

i     'li<-     Ki/cr.Ml, alten     der    Analysis     u.    d.     analyt.     Methode     in 
b     über    die    neueren     Schicksale    des     Spinozisinus, 

a. 


Prantz  —  Freud. 


Frantz.    Constantin,     1817—1891.    —    I.  li   .     -.    dann 

ScheOingB  spaterer  Richtung 

Schriften:     Die    Philosophie    dir    Mathematik.    184kJ   i  Hegelscher  Standpunkt).   — 
\<.rschule    zur    Physiologie    der    Staaten,     18.07.     —    Die  Naturlehre    d 
(Organischer    Standpunkt).    —     PbilosophUains    und    Christentum,     1876.    —     Schell 
ÜTfl   Philosophie,    1879  f.  —    Weltpolitik,    1882. 

Fräser,  Alexander  Campbell,  geb,  1819  zu  Ardchattao  Man--.  Prof.  in 
Edinburgh.  Fj   Standpunkt   ist   zum  Teil  dein  afartineaus  u.,a.  verwandt. 

Kin  sittlicher  Glaube  Ist  die  Grundlage  der  Weltanschauung,   die  nicht   restlos 
aui    V»  -  u   bringen   ist.     Die  Welt  ist  ein  [nbegriff  von  Wesen,  die   im 

anendlichen  göttlichen  Geiste  enthalten  sind. 

Schriften:  Essays  in   Philoeophj,   1856.   —   Rational  Philosoph)-,   1858.   —  Philo- 
of  Theism,   1895 — 07,  u    a.   (auch    Ilerausgeher  von   Berkeleys  Werken). 

I  raueiiMädt.  Julius,  geb.  1813,  lebte  in  Berlin,  gest.  18 

In  den  ersten  Schriften  erst  von  Hege]  abhängig,  vertrat  F.  später  einen, 
von  dem  Schopenhauerschen  teilweise  abweichenden,  Voluntarismus.  !»• 
Vielheit  der  Individuen  ist  mehr  als  bloßer  Schein  („Objektiv-phänomenaler 
Individualismus'') ;  die  Einheit  des  Weltwillens  umschließt  eine  Vielheit  relativ 
selbständiger  Wesen.  Wie  der  Wille  ist  auch  <la-  Vorstellen  ein  alL 
meines  Attribut  des  Beienden;   der   Intellekt    ist   ein  ebenso  ewiges  Prinzip  wie 

Wille  Wie  die  Ajischauungsformen  i  Kaum  and  Zeit)  ist  auch  die  Denk- 
form der  Kausalität  objektiv  bedingt;  die  eigentliche  Ursache  alles  Geschehens 
i-t  der  Wille.  Auch  den  Pessimismus  leimt  I-'.  ab.  In  der  Geschichte 
wirken  ..immanent«-  Kräfte  und  Triebe  der  menschlichen  Natur-.  ..l>a-  Ziel 
schreibt  der  Wille  vor,  den  Weg  zeigt  der  Entellekt."  Im  Ästhetischen 
nimmt  der  Wille  eine  objektive  Richtung. 

B    hriften:    Die  Freiheit  des  Menschen    und   die    Persönlichkeit   Gottes,  is;js.  — 

Die    Hfl  mg   Gotte«,    1839.    —    Studien     uml     Kritiken    zur    Theologie    und    Philo- 

M--,    1840  Ästhetische    Fragen,    185S.    —    IJriefo  Aber  die  Schopenhauer! 

Philosophie,  den  Materialien  .  —     Briefs   übet   die  natür'.: 

igion,   1868    —  Da«  sitt!  —    A    Schopenhauer,   1868.  —  Blicke 

ellektaelle,  physische  and  mors!  W{    .     -    I,         -  bopenhener-Lexikon,  l  - 

—  S  ■en l.;iuers.  he   Philosophie, 

Frcdcgifjsj.as  sie    kbt   des  Klosters  von  St  Martin  in  Tour-. 

-  hüler   Alcuins.         Nach  l.  i-t  das  Nichts   (al     i        nstand  eines    I 
ein  Seiendes,  etws  als  die  Materie  \on  allem  Dinglichen. 

briftea:  ,.1>"  i  ••    M 

M.   A  n\  ER,   I  I-  ■  Toara,  18" 

Prc««l,  -    gmund,  N        oheükunde  in  Wien,    H 

Schriften  rar  angewandten  Seelen  kund« 

i     ••  :    Psych  "an  1 1  j  le   vi  rato  at    F.   dl     aufdeckt  \ 

V<  -  elenleben".      In   -'inen      i 

Untersuchungen  beb        F.  den  Ante;:  Sexuellen   am   ISeelenlel 

die  Rolle  des  Unbewußten.      I  die  nicht   bei  werden  und 


1^.  Freud   -  Fries. 

„abreagiert"  sind,  drängen  nach  Erfüllung,  nehmen  dabei  oft  eine  andere 
Richtung  („symbolische"  Befriedigung).  Der  Traum  ist  wesentlich  „Wunsch- 
erfüllung".  Ein  nicht  zur  Erledigung  gelangter  „Tagesrest",  ein  „latenter 
Iraumgedanke",  der  wahrend  des  Taues  aufgebaut,  aber  nicht  zur  Erledigung 
gelangt  ist.  wird  durch  die  Traumarbeit  in  einen  Traum  verwandelt.  „Der 
ans  den  Traumgedanken  hervorgehende  Wunsch  bildet  die  Vorstufe  und  später 
den  Kern  des  Traumes."  Der  „manifeste"  Traum  ist  nach  F.  eine  „ver- 
kappte Erfüllung  verdrängter  Wünsche",  eine  Entstellung  der  „latenten 
Traumgedanken".  Der  Witz  beruht  auf  unbewußt  hergestellten  Vorstellungs- 
verbindungen. 

3<  h ritten:  Der  Witz  und  seine  Beziehungen  zum  Unbewußten,  1905.  —  Die 
Traumdeutung,  1900;  2.  A.  1909.  —  Studien  über  Hysterie  (mit  J.  Breuer),  1895; 
-.  A.  1909.  —  Drei  Abhandlungen  zur  Sexualtheorie,  1906;  2.  A.  1910.  —  Samm- 
tmg  kleiner  Schriften  zur  Neurosenlehre,  1910.  —  Zur  Psychopathologie  des  Alltags- 
lebens,  :>.   A.   1910.  —    Cber  Psychoanalyse,   1910,  u.  a. 

Freiideilthal  •  Julius,  gest.  1907.  —  Schriften:  Beiträge  zur  Ge- 
schichte d.  englischen  Philosophie,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.,  Bd.  IV — V,  1891.  —  Spinoza- 
Stadien.  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik,  Bd.  108—109,  1896—97.  —  Die  Lebeus- 
getthichte  Spinozas,  1898.   —  Spinoza,  sein  Leben  und  seine  Lehre,   1904  f.,  u.  a. 

Freytas,  Wilhelm,  geb.  1873  in  Jüterbog,  Prof.  in  Zürich.  =  Gegner 
•  -  Phänomenalismus,  Vertreter  des  kritischen  Realismus;  die  Erkenntnis  be- 
riehl  weh  auf  das  Transzendente,  jenseits  des  Bewußtseins  Liegende. 

Schriften:  Der  Realismus  und  das  Transzendenzproblem,  1902.  —  Die  Erklärung 
der  Außenwelt,  1904.  —  Zur  Frage  der  Realität,  1906.  —  Ober  die  Erkenntnistheorie 
der   Inder,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.   1905,   1908. 

Pri€S,  Jakob  Friedrieh,  geb.  23.  August  1773  in  Barby,  besuchte  die 
Schule  der  Brüdergemeinde,  studierte  in  Leipzig  und  Jena,  war  eine  Zeitlang 
Hauslehrer  in  der  Schweiz,  wurde  1801  Dozent  in  Jena.  1805  Professor  in 
Heidelberg,  1810  in  Jena,  gest.  daselbst  10.  August  1843. 

F.   will    (gegenüber  der  Spekulation  Schellings  u.  a.)  den  Standpunkt  des 

von  der  Erfahrung  ausgehenden,  Wissen  und  Glauben  scharf  unterscheidenden 

Kritizismus     vertreten    und    die   Kantsche   Vernunftkritik   in   neuer    Weise 

lüden,   nämlich  auf  dem  Boden  der  „ philosophischen  Anthropologie",   der 

inneren    Erfahrung.     Aber  dies  soll  nicht  empiristisch  und   (wie  man  sich 

ausdruckt)  „psychologistisch",  wenn  auch  psychologisch  geschehen.    Denn 

die  apriorische,    von    der    Erfahrung    unabhängige   Geltung  der  Anschauungs- 

•  n  und  der  Kategorien  bleibt   unangetastet,  durch  innere  Erfahrung  wird 

!'■■  rtand  an  diesen  apriorischen  Formen  und  Grundsätzen   festgestellt; 

lApriorische  wird  also  durch  Innere  Krfahrung  entdeckt,  stammt  aber  nicht 

der  Erfahrung,  sondern  liegt  im  Wesen  des  Geistes,  der  Vernunft. 

üithropologie  gibt  eine  „Theorie  der  inneren  Natur  unseres 

ing    der    geistigen    Organisation    unseres    Lebens".      Die 

/•    sind  aus  „anthropologischen"  Voraussetzungen  zu 

durch  empirische  Psychologie  zu  beweisen.     Den  in  der 

Selbsttätigkeil    des    Erkenntnisvermögens",    kraft 


Fkii>.  191 

deren  die  Erkenntnis  unter  den  notwendigen  Gesetzen  der  Einheil  Bteht)  liegen- 
den ISrkenntnisformen  kommt  unmittelbar  Evidenz  zu«      Die  Vernunft  ist 
..unmittelbar«'  Vermögen  der  Erkenntnisse  in  uns",  der  V  ratend  macht   dii 
nur  bewußt.     Abstraktion  und  Vergleichung  dienen  dem  Denken  nur.  um  die 
„sonst   gegebenen    Erkenntnisse  der  Einheit  in  unserem  Geiste  zu  beobachten". 
Durch    die   psychologische  Methode   erkennen    wir,   welche   apriorischen    Ein- 
Bichten   die  Vernunft   besitzt    und   wie  sie  in  ihr  entspringen.     IM»-   ursprüng- 
liche Selbsttätigkeit   des   Bewußtseins   bekundet   sich  in  den  Anschauung 
und   Denkformen.     Durch  die  produktive   EinbüdungBkraft    entsteht    die   An- 
schauung.    Di«-   reinen,   apriorischen   Anschauungen   (Baum  nnd  Zeit)  sind 
„ursprüngliche  Arten  der  Verknüpfung  der  Mannigfaltigkeit,   welche  nicht  aus 
der    Empfindung   entspringen".      Formal    ist,    was   zur    Einheit    gehört.     Die 
Kategorien   Bind    Formen    der   Vernunfttätigkeit,    Einheitsformen.      „Beine 
Apperzeption     ist    die   eigene   >ell»ttäti<:keit    des   Geeistes,   das    „reine   Bell 
bewußtseür*.      „Transzendentale    Apperzeption'4    ist    das    „unmittelbare    Ganze 
der  Erkenntnis4'.     Die  Selbsttätigkeit,  Aktivität.   Willkürlichkeit   des  logischen 
„oberen  Gedankenverlaufes'4  ist  rom  gedächtnismäßigen,  assoziativen,  „unteren44 

tanken rerlaui  zu  unterscheiden.  Der  innere  sinn  ist  das  „Vermögen  der 
inneren  Wahrnehmung  unserer  geistigen  Tätigkeiten".  Das  reine  Selbstbewußt- 
sein sagt  nur  (als  unbestimmtes  Gefühl),    daß  ich  bin,   nicht   was  ich  bin;   zu 

em   „qualifizierten44    Selbstbewußtsein    wird   ob   erst,    indem    innere   Sini 
anschaunngen  hinzukommen.     Die  iußere  Anschauung  bezieht  sich  unmittelbar 

auf   ein   Objekt;    die   Vorstellung  eines  (  ;._, n.-i.indes    kommt    nicht   erst   durch 

Eteflezion  hin/u.  „Die  Anschauung  in  der  Empfindung  hat  für  sich  allein 
unmittelbare  Evidenz,  indem  sie  den  Gegenstand  als  gegenwärtig  vorstellt.44 
Wir  erkennen  aber  nicht  das  Ding  an  sich,  Bondern  allei  Wissen  hat  es  nur 
mit  Erscheinungen  der  Dinge  an  sich  zu  tun,  ist  also  relativ.  Alle  Erschei- 
nungen unterstchen  den  allgemeinen  E£rkenntnisgesetzen.  Die  Natur  als  das 
Ganze  der  Sinnenwelt)  der  Inbegriff  raum-zeitlicher  Phänomene,  ist  nur  quan- 
titativ, mathematisch,  kausal,  mechanistisch  zu  erklären.  Die  Naturphilosophie 
soll  ..<!  e  möglicher  Hypothesen  über  die  Natur  der  Körper**,  die  Vor- 

■etzungen  der  Naturobjekte  geben.  Vollständige  Naturerkenntnis  ist  nur 
die  ISrkenntnis  „der  Welt  der  Gestalten  und  deren  Bewegungen".  Auch  das 
Organische  ist  luuisal-mechaniach,  ohne  Teleologie  zu  erklären.  Seele  und 
I.'  ib  -md  zwei  ESrscheinungBweisen  eines  und  dgonelbon  Wesens.  Dem  empi- 
rischen liegt  der  intelligible  Charakter  zugrunde,  so  daß  das  Ich  an  sich  frei 
in  der  Erscheinung  determiniert. 

1'.  spricht    von   der   [dee  einer  „intelligiblen  Welt  freiwollender  In- 

telligenzen, «reiche  durch  die  Gottheit,  das  Ideal  des  höchsten  <;ut.-.  den 
heiligen  Urgrund  dieser  Welt,  als  ein  Reich  der  /.wecke  besteht,  in  dem  die 
[dee  der  persönlichen  Würde  das  Gesetz  gibt4".  Der  höchste  Glaube  ist  der 
Glaube  an  das  höchste  Gut,  an  das  Reich  der  /  Das   unbedingt  Gute 

i-t  der  guti    Wille.     Die   Vernunft    hat    absoluten    Wert,   ist    Zweck    an   sich. 
Die  Naturale  zweckmäßig   beurteilen    heißt    schließlich,   sie  ani  die   Idi 
ewigen  Gute«  beziehen.     ..Nur  in  dem  vollendeten  <  Ja n/en  d<  inOrdmi 


192  l"i:n>. 

Dinge   liegt   für  unseren   Glauben   dieses   Gesetz   des  Endzweckes  im  Sein 

Dinge,   Dicht   aber  in   den  zerstreuten  wechselnden  Bildern  der  erscheinen  - 

Natur.      Wir  behalten    in    der  Betrachtung    der   Natur   nur   eine   Ahnung 

höheren,    geheimwaltenden    Gesetzes  durch  die  Zusammenstimmung'  der 

mannigfaltigen   Formen    einzeln    autgefaßter   Organisationen  mit  den  Gesetzen 

der  Schönheit  und  Erhabenheit  für  eine  bloß  ästhetische   Beurteilung   für   das 

Gefühl."     Überall  gilt  der  Satz,  daß  das  Endliche  Erscheinung  des  Ewigen  ist. 

-'  die  empirische  Äußerung   unseres  AYillens  in  der  Natur  die  Erscheinung 

a    ..intelligihlen    Charakters    unseres   freien   Willens  in  der  ewigen  Ordnung 

der  l>in_ 

Auf  da-  Absolute,  Unbedingte,  Ewige  geht  nicht  das  Wissen,  sondern  (wie 
DachJacobi)  der  (Haube,  eine  unmittelbare  Überzeugung  der  Vernunft.  Der 
Inhalt  desselben  ist  uns  in  den  (von  der  Beschränkung  der  Kategorien  freien) 
ben  (Idee  des  Absoluten,  der  Einfachheit,  der  Totalität,  der  Frei- 
heit, der  Gottheit  usw.).  Das  Gebiet  der  Ideen  ist  das  Reich  der  Vernunft- 
zwecke,  in  welchem  der  Geist  Zweck  an  sich  ist.  Dieses  Eeich  ist  eine  Welt 
von  Dreien,  wollenden  Wesen  unter  dem  Sittengesetz,  welches  ein  Wert- 
und  Zweckgesetz  ist.  Die  menschliche  Würde  ist  die  Basis  der  Ethik,  die 
den  absoluten  Wert  der  Persönlichkeit,  des  Geistes  zur  Voraussetzung  hat. 
Die  Einheit  von  Wissen  und  Glauben  ist  die  Ahnung  („Ahndung"),  die 
„Überzeugung  nur  aus  Gefühlen  ohne  bestimmten  Begriff",  die  ganz  dem  Ge- 
fühl gehörende  Beurteilung  der  Natur  nach  den  Ideen  des  Schönen  und  Er- 
i'ii.  Dir  Ahnung  gibt  uns  einen  Reflex  des  Wesens  der  Dinge  in  deren 
heinnngen,  deren  ewigen  Sinn  sie  erfaßt,  im  Schönen  wie  im  Religiösen. 
Für  diese  ästhetische  Weltanschauung  ordnet  sich  die  Natur  den  Ideen 
unter,  sie  wird  zu  einem  sinnvollen  Zweckzusammenhang  in  Gott  („Weltzweck- 
lehre").  Die  Ahnung  ist  also  auch  das  Organ  der  Religion,  der  ästhetisch- 
-vnibolwh.il  Erfassung  des  Göttlichen  in  der  Schönheit  und  Erhabenheit  der 
Well  („Ästhetischer  Rationalismus"). 

Anhänger   von    Pries    sind   Apelt,    Mirbt,  van  Calker,   Schieiden, 

Ballier,  de  Wette,  J.  H.Th.  Schmid,  Schlömilch,  teilweise  J.B.Meyer 

Beeinflußt    von    F.    sind    Chr.   Weiß,    Beneke,    Elsenhans    u.    a. 

Abhandlungen    der    Friesschen    Schule,    1847  ff.     Der   neuen    Fries  - 

ßhören  an:  L.  Nelson,  K.  Kaiser,  G.  Hessenberg  u.  a.,  z.  T. 

0.    Ewald.     V'_'l.    Abhandlungen    der   Friesschen    Schule,   Neue   Folge, 

ritten:   Beinhold,   Höhte  u.   Sehelling,   1803.  —  Philos.  Rcchtslchre,   1804.  — 

ala  eridenter   Wissenschaft,   1804.  —    Wissen,  Glaubo  und  Ahn- 

l,   .\     1905.   —  Neue  Kritik  der  Vernunft,   1807;   2.  A.   1828—31    (Haupt- 

m   der   Logik,    1S11  ;    3.   A.    18:J7.        •    Grundr.  d.  Log.,  3.  A.   1827.   — 

•    prakti  Philosophie,    1818  (Ethik)  —1832  (Beligion«philo>ophie).  — 

Anthropologie,    1820—21  ;  2.  A.  1837—39.  -    Mathematische 

12.     —    Julius    und    KvaK'oras,    ein    philo«.    Roman,    1822,    1910.  — 

.   'ilauh.   u.  d.  Hoffe.,   1823.    —   System  der  Metaphysik,   1824.  — 

;7  — 40,  u.  a.  —    VgL   EENKE,  J.  F.  Friei,  au«  leinera 


FRUS   —    FK0HS<  h  LMM]  i:. 

handschriftlichen  Nachlai)  dargeetellt,   1867.    —    J'.i.H.Mi  \  \  -.    1  ri.-«,  und   Kant,   19(." 
—     Fries    als    Erkenntnistheoretiker,     1906.     —    TÖSGHMA1TN,     Du     Wertprobleni    bei 
1  ..    LS 

Frisolieiweii-üöliler,  Max,  geb.  1878,  Privatdozent  in  Berlin. 

B<  hritten:     Moderne    Philosophie,     1907.    —    \Virkli<  hkeit.serkenrit:  ...    f. 

Thilos*.,  XIV,   1908,  u.  a. 

FritxM<*lie9  Dr.  Richard,  geb.  1856  in  Leipzig,   Prot.  u.  Konrektor  am 

<  r\  iniia-iuin  in  ESchneeberg.    -   Vbluntaristischer  Standpunkt,   von  Wandt  n.  a. 

Mtlllßt. 

Schriften:    Vorschule  der  Philosophie,   1906. 

I  Yoelilicli .  Joeei  Anselm,  geb.  1855  in  Bchönmn,  Oberstabsarzt  in 
Dresden.  =  F.  lehrt  eine  -  rang  der  Kräfte  zu  immer  höheren  Einheiten 
durch  den  in  allem  wirksamen  göttlichen  Willen. 

Schriften:    Das   Gesetz  v<m  der   Erhaltung  der  Kraft  und  der  Geist  ■  «ten- 

tuni-,    1908.    —     l»«-r   Wille    zur    höheren    Einheit,    1905.    —    Freiheit    uml    Notwendig- 
keit,   19<  B,   u.  a. 

l'i'oli^olianiiiK'r.  Jakob,  geb.  1821,  katholischer  Priester,  Prof.  der 
Tln  •■  dann  der  Philosophie  in  München,  gest.  lv 

F.  begründet,  von   Leibniz,   Fichte,  Bchelling  n.  a,  beeinflußt,    eine  idea- 
listische  Metaphysik,   «reiche  als  das  schaffende,  gestaltende  Prinzip  in  Natur 
und    Geist   die   „Phantasie"    setzt      I>i<'   Metaphysik    muri    \<»n   laßerer   and 
innerer   Erfahrung    ausgehen,     sich  auf  die    Tatsachen   der    Natur    and    l 
schichte   Btützen.      l>ii'    Philosophie   erklärt    alles    aus    einem    Prinzip,   der 
Phantasie,  vermittelst  der  Gott  in  der  Weh  wirkt.      In  der  Natur  ltü »' 
eine  objektive,   unbewußte,   schöpferische,   gestaltende  Weltphantasie,   eine 
„BildungBkraft",  die  ursprünglich   mit  der  Materie  innig  verbanden  war.     D 
ganze  Naturentwicklung  erfolgt  anter  ihrem   Einfluß,  sie  ist  auch  das   Lebens- 
prinzip  in  den  Organismen,   <1;  taltende   im    Beelenleben,   in  dem  sie  (als 

subjektive,  bewußte  Phantasie)  zur  Erscheinung  gelangt     Ebenso  isl  sie  in  der 

ellschaft    und    in    der   Geschichte  wirksam.    Der  Weltprozeß  ist  die  ob- 
jektive Imagination  Gottes,   aus   ihm   entspringend,   aber  nicht   mit  ihm  id 

h.      Ideell   Bind  in  ihr  alle  Formen    enthalten,   welche   naturgesetzlich    n 
wirklicht    werden.     Dorch    Veräußerlichung   im   Weltpn  ommt   die  ob- 

jektive Phantasie  zur  Belbstrealisierung  in  immer  höheren  Gebilden,   in  imn 
bewußteren    [ndividoalisationen.      Überall   entfaltet    sie  sich   als    Einheit 
Stoff,    Kraft    und    Norm.     Die  Zweckmäßigkeit    der    Natur   beruht    aui   einer 

Istrebigkeit,  auf  [deen,  die  in  den  Organismen  zur  Entfaltung  treil 
und  all  Denk-  und  Willensziele  im  menschlichen  I 

Im    Menschen    wird   <lii-    Phantasie    individuell-selbstbewußt 
Prinzip  auch  d<  tischen  Lebens,  durchdrimrt  all»'  Seelniknift«-  und  \ 

bindet  lie  zur  Einheit  al  nisationskraft  und  bewi  kvoUei 

taltungsprinzip   (das    Psychische    modifiziert    den    i  Der   In 

- 1  i  ii  k  t   ist   dir   fiebern  und  wenn  subjektiv  -h  nicht  tx 

doch  objektiv    urteilende   und  und   |  b  wirkci 


FROHSCHAMMER    —   GABLER.    , 


Taft".  Per  menschliche  Geist  ist  ein  Entwicklungsprodukt 
schöpferischen  Weltphantaeie ;  die  Einzelseele  entsteht  aus  dem  Gattungs- 
triebe der  Menschheit  durch  die  Generationskraft  der  Eltern  (Generationismus), 
sie  ist  ein  synthetisch« -s  Formprinzip,  belebt  den  Leib  und  entwickelt  sich  mit 
ihm.  Die  Seele  differenziert  sich  zum  selbstbewußten  Ich.  Psychologisch  ist 
die  Phantasie  ..das  Vermögen,  das  Geistige  in  sinnliche  (oder  sinnlich- 
peychische)  innere  Formen.  Vorstellungen  zu  bringen".  Sie  ist  zugleich,  durch 
die  [deen,  das  Organ  dw  höheren,  idealen  Wahrheit.  Die  Anschauungs- 
formen (Saum  und  Zeit)  und  Kategorien  (Sein,  Kausalität,  Möglichkeit 
u.  a.)  sind  nicht  angeboren,  sondern  Formen  der  gestaltenden  Phantasie  im 
Anschauen  und  Denken.  Die  Kategorien  wohnen  dem  Geiste  insofern  inne, 
als  er  selbst  in  seiner  Realität  und  Wirksamkeit  deren  Realisierung  ist.  Sie 
sind  „gleichsam  die  Organe,  wodurch  das  Material  der  Sinneswahrnehmung  in 
die  Einheit  des  psychischen  Organismus  aufgenommen  werden  kann".  Sie 
sind  subjektiv  und  objektiv  zugleich.  —  Die  geschichtlich-soziale  Entwicklung 
dient  der  Realisierung  der  Idee  der  Menschheit,  der  Humanität. 
Anhangei  Fjb  sind  Fr.  Kirchner,  ß.  Münz  u.  a. 

Schriften:  Der  Ursprung  der  menschlichen  Seele,  1854.  —  Menschenseele  und 
Physiologie,  1855.  —  Einleitung  in  die  Philosophie  und  Grundriß  der  Metaphysik, 
—  Über  die  Aufgabe  der  Naturphilosophie,  1861.  —  Über  die  Freiheit  der 
Wissenschaft,  1861.  —  Das  Christentum  und  die  moderne  Naturwissenschaft,  1868.  — 
Das  neue  Wissen  und  der  neue  Glaube,  1873.  —  Die  Phantasie  als  Grundprinzip  des 
Weltprozesses,   1877.  —  Monaden  und  Weltphantasie,   1879  (die  beiden  Hauptwerke).  — 

—  Über    die    Genesis  der  Menschheit  und  deren  geistige  Entwicklung  in  Religion,  Sitt- 
lichkeit und  Sprache,   1883.    —    Die  Philosophie  als  Idealwissenschaft  u.  System,  1884. 

—  Über    die    Organisation    und    Kultur    der    menschlichen    Gesellschaft,    1885.    —    Die 
Philosophie  des  Thomas  von   Aquino,    1889.    —    Über   das    Mysterium    magnum    des   Da- 

—  ins.   1891.  —    System  der  Philosophie  im  UmriH,   1892.  —  Herausgeber  der  Zeitschrift 
„Athenaeum"  (1862  ff.).  —  Vgl.  B.  MÜNZ,  J.  F.,  1895;  Briefe  von  und  über  F.,   1897. 

Fachs,  Emil,  geb.  1874  in  Beerfelden  i./O.,  Pfarrer  in  Küsseisheim  a./M. 
=  Von  Bocken  beeinflußt. 

riften:      Schleiermachers    Religionsbegriff,     1901.     —    Vom     Werden     dreier 
Denker,   1904.   —  Wesen  und  Werden  der  Sittlichkeit,  1906.  —  Gut  u.  Böse,   1906. 

lu  Horton.   George   Stuart,   Prof.   an   der   Columbia-Universität  in  New 
York.  =   F.   sucht   eine   Synthese   /.wischen   Idealismus   und  Realismus  herzu- 
stellen,  indem  er  die  Anßendinge  als  vom  individuellen  Subjekt  unabhängige, 
ogültige  Phänomene  bestimmt. 

The    (Jorisciousness   of   the    Infinite,  1887.    —    Sameness  and  ldentity, 
.;    hniiiortality,   1899.  —    Metaphysics,   1904.  —  Introd.  to  Philo- 
i     a. 


QaMer,  i  geb.  1786  in  Altdorf,  seil   1835  als  Nachfolger 

L863.        Hegelianer. 


I  rABLEE  <  rALL. 


Schriften:    Lehrbuch  der  philosophischen  Propädeutik  I  ■.    Kritik  des  Bewul'.t.- 
1827,   1901.   —    Die  Hellsehe  Philosophie,  I,   1843,  u.  a. 

(jiahriel  Biel  s.  Biel. 

Oale,  Ineophilus,  1628—  I • » 7 7 .  =  <i.  gehört  zu  den  englischen  Pli 
uikem  des  17.  Jahrhunderts,  [Jnsere  Erkenntnis  isl  nach  ihm  ein  symbolisc] 
Erfassen  der  den  Dingen  zugrunde  liegenden  göttlichen  Weisheit. 

Schritten.     The  Court  of  the  yentiles,    1669 — 77   (Aula  deorum  gentilium,   14 
Philosophia  universali-). 

Galeno*.   Claudius,  geb.  131   n.  Chr.  in  Pergamos,  Arzt  in  Alezandrien, 
dann  (ab  Leibarzt  des  Kaisers  Commodus)  in  Born,  gest.  am  200  n.  Chr. 

G.  «rar  das  ganze  Hittelalter  hindurch  die  höchste  Autorität  auf  medizi- 
nischem Gebiete  Die  Logik  behandelt  er  nach  Aristoteles  and  zwar  in  syn- 
thetischer Weise  (ähnlich  wie  Euklid  die  Mathematik).  \h>-  vierte  „Galenische" 
Schlußfigur  schließt  an  die  Bchon  bei  Theophrast  vorhandenen  Schlußmodi 
an.  I>i»-  vier  Aristotelischen  Prinzipien  ergänzt  <L  durch  den  Begriff 
Mittels  [dt   ■■'  .     I  >i»'  Lebenskraft  nennt  <;.  (wie  die  Stoiker]  Pneumi  ua); 

im    Gehirn    and    in   den    Nerven    wirkt    das    Seelenpneuma   (xrevfta    v'7'^ 
Doch  gibt  es  vielleicht    auch   eine   unmaterielle   Beele,   die   vielleicht    ansterb- 
lich i-f. 

Schriften:    Optra,    1679,   1821—81,   1884  11.   —    Vgl    E,   CHA1  vr.r.    La   pt] 
logie   de   Gal.,    1860—67.    —    La  thfologk    de   IL,    ls73.    —    La  lopique   de  (i„    1881, 
u.  a.    —    Die   Pseudogalenische   Schrift    Ihm    q  iXoodq  ov    Unogiat  nur 

»in   Auszug  aus  den  pseudoplutarohischen   „Plaeita". 

4ilalileK  Galileo,  1564  1641,  der  berühmte  Physiker,  kommt  auch  für 
die  Geschichte  der  Philosophie  in  Betracht 

<..  ist  der  eigentliche  Begründer  der  neueren  mechanistischen  Welt- 
anschauung. Alles  Geschehen  ist  Verbindung  und  Trennung  der  Atome,  ist 
Bewegung,  die  durch  mechanische  Kran  beschleunigt  wird.  I>i»'  Kraft  (im- 
petus)  ist  die  stetige  Folge  momentaner  Impulse.  1>:i-  Qeset  der  Trägheit 
wird  zuerst  ron  <>.  formuliert  Farben,  Töne  usw.  sind  blofl  subjektive 
Empfindungen  i..n<l  corpore  senaitivo**),  an  sich  existieren  nur  (Gestalt, 
Größe,  Bew<  l>i>-  wahr.-  Methode  der  Naturwissenschaft  ist  «li»-  quan- 

titative,    ant     Grund     von      Beobachtung     und     Experiment    analytisch 
.  nirt.xio  risolutivo")  vorgehende.     l>i«-  mathematischen   Erkenntnian 
halben  eine  apriorische  Ghrundlage  („da  per  - 

.'.ritten:  11    naggiatnrc,    16*23.    —    I)ial<  I  i  dot  ■■anmi    Ul 

(1,  dout«..h   L891.     -     Optra,    1841—58,    i*b7  tr.  Vgl.   NatORP,  Q,  sli  PhÜo- 

...    Philo«.  MonaUhefte,    1882.    —    L   Mi  I  i .\i :i:,    Di«   BtdtetU 
■ophie,   i- 

<;all.   Frans  Josef,  geK  L756  in  Tiefenbrunn,  M 

rougebeJ  Paria.       <-.  ist  der  Begründer  da  Phrenolof  i      I  i  nimmt 

(„innere  Sinne")  an,  die  alle  an   bestimmten   BteUen  des    bTirnei  und 


Call  —  GABVE. 

idelfi  Lokalisiert  sein  sollen.  Auch  von  einem  Sprachzentrum  ist  schon  bei 
G.  die  Rede, 

S    hriften:  Anatomie  et  Physiologie  du  systörae  nerveux,  1810  1t'. 

(.alluppi.    Pasquale,  geb.    1770  in  Tropea  (Calabrien),   Prof.  in  Neapel, 

igi    von    Deecartes,    Locke,    Iveid,    Kant  u.  a.    beeinflußt   und    vertritt 

einen  kritischen  E  m  piris  m  u s ,  nach  welchem  äußere  und  innere  Erfahrung 

die    Quellen    der    Erkenntnis    bilden.      Die   Relationen    aber    sind   keine  Er- 

kihrun-sinhalte,  sondern  Produkte  der  Denktätigkeit.    Der  Begriff  der  Ursache 

stammt   ans  der  inneren  Erfahrung.      Mit  dem  Ichbewußtsein  ist  zugleich  das 

Bewußtsein    äußerer   Objekte   gegeben,   deren   Existenz  also  unmittelbar  gewiß 

jgj     Eiern,  di  filos.  I.  155  ff.).    Die  Seele  ist  einfach,  unteilbar  und  unsterblich. 

teil  unseres  "Willens  sind  wir  uns  unmittelbar  bewußt.     In  der  Ethik 

-  ark  von  Kant  beeinflußt. 

Schriften:    Dell'  analiei  e  della  sintesi,    1807.    —    Saggio    filosofico    sulla   critica 

della    conoscenza,    1819  ff.,     1846.    —    Elementi    di    filosofia,    1820—27,     1838  f.    — 

Lezioni  di  logica  e  metafisica,  1832 — 36.   —  Filosofia  della  volontä,  1832 — 40,  u.  a.  — 

\0,  G.  e  la  filosofia  italiana,   1897. 

Galtoii,  Francis,  geb.  1822.  =  G.  ist  Evolutionist ;  besonders  wichtig  sind 
Beine  Studien  auf  dem  Gebiete  der  Vererbungslehre  (Statistische  Methode)  und 
der  „Eugenik",  der  Verbesserung  der  Menschenrasse  durch  Beeinflussung  der 
Selektion.  Die  allgemeinen  Vorstellungen  nennt  er  „generic  images"  oder 
..hl« nded  memories",  indem  er  sie  aus  der  Vermischung  der  Differenzen  von 
Vorstellungen  eines  und  desselben  Gegenstandes  ableitet. 

Schriften:  Hereditary  Genius,  1869;  2.  ed.  1892;  deutsch  1910.  —  Inquiries 
into  the  Human   Faculty  and  its  Development,   1883.  —  Natural  Inheritance,  1889,  u.  a. 

Gandavensis  s.  Heinrich  von  Gent. 

<»an*.    Eduard,    geb.    1708  in   Berlin,    Prof.  der  Jurisprudenz  in  Berlin, 
ffeg<  lianer. 
Dai    Erbrecht  in  weltgeschichtlicher  Entwicklung,  1824  —  35,  u.  a. 

(»aquo  in.   K;nl.  geb.  L839  in  Darmstadt,  lebt  in  Wiesbaden. 

:       Die   Freiheit  des  Willens,  1873.    —    Die  Grundlage  der  Spencerschen 
Die  transzendentale  Harmonie  hei  E.  Marcus,   1907  f. 

<«;iriii<i  .    Adolphe,    geb.    1801   in   Paris,    Prof.   an  der  Sorbonne,    gest. 

ädere  von  Jouffroy  beeinflußt.     Die  Seelen  vermögen  sind: 

nng,   Wille,   Intellekt. 

hrifr  ychologie,   1830.    —    Essai  sur  la  psychologie  et  la  plm'- 

'    ill).  —   Tratte"  de  morale  sociale,   1850.  —  Traite  des 

fftcolt^«  i  i,  ,':,j.   L865  Olauptwerk). 

ßrnrv«  L742  in  Breslau,  kurze  Zeil    Dozent   und    Prof. 

Leipzig,  ■  -  in  Breslau,     Er  übersetzte  Schriften  von 

I  ongen),  Borke,  Cficero  (Von  den  Pflichten,  L783), 


GABYS  —  Ga  i  ak  Vf. 


Paley,  A.  Smith;  Aristoteles  (Ethik  und  Politik,  ersten-  mit  historisch-kritu 

Ausführungen  aber  Ethik). 

G.  ist  ein  geistreicher,  aber  eklektischer  PopularphUosoph,  <I«t  vom  • 
lischeu  Empirismus  beeinflußt  ist.  Die  Smnesqualitäto  d  Bind  uach  ihm  Wir- 
kungen der  Dinge  auf  den  Orgsnismas.  Unlust  entsteht,  wenn  der  K 
Teile  verliert  oder  «renn  sich  andere  anhäufen;  Lust  entsteht,  irenn  jener 
Mangel  ersetzl  wird  oder  dieser  Überfloß  wegfällt,  Der  „Trieb  zur  Wirk- 
samkeit"  i-t  vielleicht  der  Grund  aller  übrigen  Triebe  (Begriff  des  funktionellen 
Bedürfnisses,  BammL  einiger  AhhandL',  I. 

Schriften:  Über  die  Verbindung  der  Moral  mit  der  Politik,  1788.  —  Verroch 
über    verschiedene  Gegenstände,    1792—1802;    2.   A.   1821.    —     Vgl.    BCäHBO,    Chr.   Q., 

17ie.t.  A.   Sij;kn.    Über  die  Beziehungen  Chr.   (i.s  zu   Kant,   Leipz.  Dissert 

Gasaendi    i  '■'»•  1592  in  Champtersier  (Proveno      Prot 

in  Alz,  Kanonikus  in  Dijon,  gest.  L655  in  Pari-. 

<i.  ist  der  Erneuerer  des  Epikureismus,  wobei  er  die  mechanistisch- 
atomistische  Natuiauffassung  mit  dem  Theismus  rerhindet  Des- 

cartes  erhebt  er  sine  Reihe  von  Einwänden,  so  /.  B.  daß  es  anmöglich  i-t.  an 
allem  zu  zweifeln,  dafi  ans  jeder  Tätigkeit  des  Menschen  (nicht  bloß  aus  dem 
Denken)  auf  die  Existenz  des  Ichs  geschlossen  werden  kann.  osw.  Die  Körper 
bestehen,  da  die  Teilung  derselben  schließlich  zu  etwas  Unauflöslichem  rühren 
muß,  aus  Atomen,  die  durch  ihre  Größe,  Gestalt  und  Schwere  voneinander 
verschieden  sind.  l>i<'  Zahl  der  Atome  ist  unbestimmt  groß,  aber  nicht  un- 
endlich. Die  Atom.'  sind  ron  Gott  aus  dem  Nichts  geschaffen  und  haben  von 
ihm  einen  unverlierbaren  Antrieb  (impetus)  rar  Bewegung  erhalten,  der 
während  der  Ruhe  nur  gehemmt  ist.  Alles  Geschehen  in  der  Natur  besteht 
in  Bewegungen,  auch  in  den  Organismen,  die  aus  (empfindenden) 
Atomen  zusammengesetzt  sind.  Die  Ordnung  der  Natur  Btamml  von  Gott;  in 
der  Wissenschafl  abei  kommt  es  nur  aui  die  sekundären  Ursachen  an.  Die 
tierische  Seele  i-t  ein  feinster  Körper,  die  vernünftige  Seele  aber  immateriell. 
Der  Wille  ist,  wie  das  Denken,  frei  Die  Erkenntnis  entspringt  aus  der 
Sinneswahrnehmung;  bei   der  Geburt  ist  die  Seele  eine  leere  Tafel.     Das  Ziel 

Handelns  i-t  die  Glückseligkeit,  die  nur  durch  Tugend  erreicht  wird. 

iftei:    Exereftstionei   peradozieae  advorsu*  arietoteleoe,    16x4     59.         Die- 

Ai.ti.  ;irti'hi;u  ;i.-.    L648.    —    De   vita,    moribai  17.   — 

Syntanina  pliilusophiae  Bpicuri,  l ti4'.t  (Hauptwerk),  ii.  a.        Opera,  1668,  1717.  - 
l'.i  i:\  DER,    Abregi  d«  ia  pbiloe.  de  G.,    1678,    —    F.  THOMAS,    Li 

II.  8<  um  ii»i  Et,   Die   Btellaag   G «  n    l 
Hetapkrnk,  1  • 

G—t,  P<  U   II.  Köeelitz),  Weimar,  geb.  ls"»i  in  Annaberj     Ifft  liker, 

u  ar  der  tu  uesfc    1  'reund  Nietzsch< 

4-lllnkcr.     rhOD  .     London. 


Gaii.tikr  —  (ii:i»i.i:K. 


<«aul(ioi' .  Jules  de.  =  Von  Kant  und  Nietzsche  beeinflußte  Er- 
kenntnislehre. 

-       ritten:    De    Kant   ä   Nietzsche,  1900. 

<>;uniilo.  ein  Mönch,  im  Kloster  Marmoutier  bei  Tours,  angeblich  ein 
Früherer  Graf  von  Montigni,  im  11.  Jahrh.,  Verfasser  eines  „Liber  pro  in- 
sipiente  adversua  Anselmi  in  Proslogio  ratiocinationem".  —  Vgl.  Anselm. 

Gan^^.  Karl  Friedrich,  1777  —  1855,  der  berühmte  Mathematiker.  Durch 
Beine  „Disquisitiones  generales  circa  superficies  curvas"  (1828)  für  die  Geschichte 
dir  Nuht-Kuklidischen  Geometrie  und  der  „metageometrischen"  Spekulationen 
von  Bedeutimg.    Werke.  1863—1906. 

(■:i/.a.  Theodorus,  geb.  um  1400  in  Thessalonichi ,  ging  als  Flüchtling 
na<h  Italien,  lehrte  in  Ferrara,  lebte  später  in  Rom,  Neapel,  Ferrara,  wo  er 
Btarb.  Kr  übersetzte  Schriften  des  Aristoteles  und  Theophrast  und  war 
Aristoteliker. 

\. :..  L.  STEIN,  Der  Humanist  Th.  G.  als  Philosoph,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos. 
11,  l« 

(■ehirol  b.  Avicebron. 

Geifer.  Lazarus, ' geb.  1829  in  Frankfurt  a./Main,  Lehrer  an  der  israeli- 
tischen Realschule  daselbst,  gest.  1870. 

Nach  Geiger  ist  die  Sprache  und  mit  ihr  die  menschliche  Vernunft  ein 
Entwicklungsprodukt,  an  dem  der  „Zufall"  großen  Anteil  hat.  Hervorgegangen 
Sprache  aus  dem  „Sprachschrei",  der  sich  an  Affekt-erregende  Gesichts- 
eindrücke  reflektorisch  knüpft.  Für  die  Wahl  der  Ausdrücke  war  dann  je  ein 
hochbegabtes  Individuum  maßgebend.  Vor  der  Sprache  war  der  Mensch  ver- 
Dunftlos,  denn  erst  an  und  in  der  Sprache  entwickelt  sich  die  Vernunft,  das 
Denken.  —  In  metaphysischer  Beziehung  ist  G.  Anhänger  eines  hylozoistischen 
Monismus,  oacb  welchem  den  Elementen  der  Dinge  Empfindung  und  Bewegung 
•  i  Bind. 

•iftcn:    Über    Umfang    und   Quelle   der    erfahrungsfreien  Erkenntnis,   1857.  — 

.tc  der  Menschheit  im  Lichte    der    Sprache,    1868.   —   Der    Ursprung   der 

.    —    Ursprung   und    Entstehung    der    menschlichen  Sprache  und  Vernunft, 

.    —    Vgl.    L.    A.    ROBENTHAL,    L.    Geiger,    1883;     Die   monistische 

• 

CiiHjer.    E,   <>..    1783—1847,    Prof.    der   Geschichte   in   Upsala,   war  als 

l'hil  Vorlesungen  aber  die  Geschichte  des  Menschen,  1856)  Pancntheist; 

die    anendliche    Persönlichkeit,     welche    die   endlichen    Geister    ein- 

Beljer«    Reinhold,   geb.    184'J;    Prof.    in    I'psala.   =  Von   Boström   be- 

Axbeiiea  üb«  Latze  (1885,  1801;    vgl.  HSffding,    Philo«.  Monatshefte 
u  (\hh:',),  aber  dsi  GewiMen  d.  a. 

ÖelBler,  ..    I    50,   lebt   in    Lonay  (Schweiz;.    =    Das   Kontinnier- 

[öglichkeil    einer   jeden    beliebigen    „Weitenbehaftung". 


GEI68LEB        Gentilis.  L99 


Das  Weser  des  Unendlichen  liegt  darin,  daß  es  - .■  h  „als  je  ein  <;li<<l 
Btimmter  Art  mit  bestimmten  Beziehungen  und  Grundsätzen  einordnet  in 
Reihe  der  „Weitenbehaftungen". 

Schriften:   Ober  Begritle,  Definitionen   und  mathematische  Phantai        18  Die 

GrondaStee  und  das  Wesen  des  Unendlb-hiMi,  L902.  —  Zeit  u.  Kaum,  I8*ö.  —  Grund]. 
<•.  Hetaphjs.  «1.  Möglichkeiten,  1900.  —  Dai  Willenaproblem,  l'.tüT.  —  Über  Lehren 
i  Wesen  des  Seins,  Yierteljahrsschr.  f.  wiia,  Philoa.  Bd.  29.  —  Ist  die  Annahme  \>>n 
Absolutem  in  d.  Anschauung  u.  im  Denken  möglich?  Archiv  t".  s\-t.  Philo«.  IX.  —  l 
Notwend.,  Wirklii  hkeit,  Iföglichk.  n.  d.  Grundlagen  d.  Mathematik.  1.  c  XI.  —  Moderne 
VeiillUBgeil  auf  philo«. -mathemat.  Gebieten,  1909.  —  üdg).  Wesciiserklär.  f.  Kaum, 
Zeit,  d.    L'nendl.   u     d.    Kausal.,    1900,   D     a. 

CjJellei't,  Christian  Fürchtegott,  17].") — 1 T » »,. ♦ .  Prof.  in  Leipzig, der  bekannte 
Dichter,  i-t  auch  als  Moralist  zu  verzeichnen,  =  Tiefe  Religiosität  ist  die 
Grundlage  der  Gellertscheu  Moral. 

Schriften,  1769 — 7n;  Moralische  Vorlesungen.  177»».  —  Vgl.  <  Hl:.  GARVE, 
Sammlung  einiger  Abhandlungen  1-,  lt 

Ciiflliii**.  Aul ii- .  um  150  n.  Chr. —  Schriften:  ed.  M.  H 

;,  1886  (Sammlung  philo«  ichiehtlicher  Materialien). 

flf  IMlioa  b.  Plethon. 

Ggacrtbwi  et  Bpeciebus,  De,  eine  von  V.  Cousin  dem  Abälard  fälsch- 
lich zugeschriebene  Bchrift  aus  dem  12.  Jahrh.  (VgL  Oeuvres  inecL  d'AbaeL, 
p.  507fi;  Üeberweg-Heinze,  Grundr.  d.  Gesch.  d.  Phil«.-.  II     -  Stand- 

punkt des  gemäßigten  „Realismus"  betreffs  der  Universalien;  das  Allgemeine 
inhaliert  einer  Gesamtheit  von  Individuen  (,,Omnis  natura,  quae  pluribus  inhaeret 
individuis  tnaterialiter,  speci 

f  -  *  -ii  n;i«liu«H    (Georgius   Bcholarius),    geb.    in    Constantinope]  um 

1464   (Patriarch    von    Kbnstantinopel,   dann    Mönch).  Aristoteliker;  Bchrieb 

Kommentare   zu    Porphyr   und    Aristoteles    und   eine   Bchrii  d    Plethona 

Kritik  des  Aristoteles  (ed.  Minas,  1858). 

^  ;_'l    \\  .  GAS8,  ßennadini  irad  Pletho,   1844. 

Cii<»iiov<k^i.  Antonio,  geb.   171:!  in  Castiglione  l)«i   Balerno,   Weltpries 
und  rint.  in  Neapel,  g«--t.  L769.       (;..  der  auch   als  Nationalökonom   (Lezioni 
«li  commercio  e  di  Oeconomia  civile,    I7."»h  \ •  m   Bedeutung   i-t.   i-t    u.  a.  i 
I    cke,  Leibniz,  Chr.  Wolff,  Vico  beeinflußt    Wir  erkennen  nach  ihm   nur  «li-- 
beinungen  der  Ding«      In  der  Ethik  i-t  <i.  Ehidämonist 
I.        mti    di    sciciize    ii  (lateinii 

B    llateiniacli    1746).   —  Heditaaionc  "©   e   la 

D    ■■■  nna,   i  :•;•;    -     !>.•.;»•  i  iei  ie  nv  b.  a.  —  \  i  n  i  . 

Dal  I  al  Oallappi,   19< 

Cr«3BtliB«j   Giovanni.         So    Hegelianer.   -  dell' 

ideali>mn.    L9<     .  Dal  <  al  Uallujipi.    1904,   u.  a. 

(»«»mili«.   Albericui  L551    in  der  Mark  P 

i.  ICH.        ( ;.  ist  ein  Vorläufe!  des  H         i      itius.     I  '.i-  Voll 


(iiN  ni.is  —  (Jerbert. 


als  du   Teil  i liehen    Rechtes   der   Natur   an.    Das   Naturrecht   ist   ein 

unveränderlicher  „instinetus  naturae".    Von  Natur  aus  ist  der  Mensch  gesellig, 
rii'ten:   De  iure  belli,   1558.  —  De  iustitia  bellica,  1590. 

George»  Leopold,  geb.  1811  in  Berlin,  Prof.  in  Greifewald,  gest.  1874. 
=  G..  der  teilweise  von  Schleiermacher  beeinflußt  ist  (in  der  Psychologie), 
Bucht  die  Eegelsche  Dialektik  weiter  zu  bilden,  indem  er  eine  aus  neun  Mo- 
menten bestehende  dialektische  Entwicklung  durchführt,  die  wie  bei  Hegel  vom 

.ti  des  Nichts  ausgeht. 

Schriften:  Lber  Prinzip  und  Methode  der  Philosophie,  1842.  —  System  der 
Metaphysik,  184  4.  —  Die  fünf  Sinne,  1846-  —  Lehrbuch  der  Psychologie,  1854.  — 
Die  Logik  als  AVissenschaftslehre,  1868.  —  D.  Prinzip  d.  Philos.  bei  Hegel  u.  Schleier- 
macber,    L842. 

Georjjins  Pachymeres,  um  1260  in  Konstantinopel.  —  Aristoteliker. 
*Exnoftri  tjfs  'AQtototiXovs  loytxfjg,  1584,  latein.  1560  (als  Teil  der  Epitome  in 
oniveraam  fere  Aristotelis  philosophiam). 

Geor^ins  Scholarius  s.  Gennadius. 

Georgias  Trapezuntius,  geb.  1396  (wohl  auf  Kreta),  ging  nach  Florenz, 
Venedig,  Padua,  wurde  in  Rom  apostolischer  Sekretär,  ging  1452  nach  Neapel, 
dann  nach  Venedig,  starb  1484  in  Rom.  =  Gegner  Piatons  und  Plethons,  An- 
hänger des  Aristoteles. 

Schriften:  Comparatio  pbilosophorum  Piatonis  et  Aristotelis,  1464,  1523.  —  De 
re  dialectica,  1513,  1559,  ferner  Übersetzungen. 

Georgias  Vene  tu  s  s.  Zorzi. 

Georgy,  Ernst  August,  lebt  in  Halle,  geb.  1858  in  Weimar.  =  Im  Sinne 
der  Hebbelschen  Weltanschauung  wird  hier  das  Tragische  als  Gesetz  jeder 
Entwicklung  zum  Vollkommneren  aufgefaßt  und  die  Identität  von  Natur  und 
künstlerischem  Schaffen  gelehrt. 

ritten:  Das  Tragische  als  Gesetz  des  Weltorganismus,   1905,  u.  a. 

Berber,  Gustav,  geb.  1820  in  Berlin,  Realgymnasial-Dircktor  zu  Brom- 
-  -•-'•  IÖ01  in  Berlin.  =  G.  leitet  die  Sprache  aus  einem  „Kunsttrieb" 
ab  und  betont  die  Bedingtheil  der  Erkenntnis  von  der  Sprache.  Die  Er- 
kenntnis i-t  femer  nichl  bloß  ein  Produkt  des  Intellekts,  sondern  auch  des 
Pfthlens,  welches  ans  die  P.ewußtseinswelt  durch  sprachliches  Denken  zum 
Weltbild  gestalten  läßt  I>;i~  rolle  Ich  des  Mensch  gestaltet  erkennend  und 
handelnd  <!;■-  Weltbild,  indem  es  sich  den  Dingen  einbildet.  Gott  ist  Ichheil 
and  so  wird  das  Ich  /.um  Weltprinzip. 

ft'":    ]  ho    als  Kunst,    1871,    2.  A.   1885.  —  Die  Sprache    und   das 

Dai   Leb   als  Grundlage  unserer  Weltanschauung,   1893. 

Gerteert,  später  Papst  Sylvester  II.,  gest.  L0Ü3.  =  G.  unterscheidet  von 
der  rein   intelligibleii  Wesen  gehörigen  den  nur  akzidentellen 
olicher  Vernunftwesen. 

ttionali    et    raÜODfl    uti,  in:    Oeuvres    de    Gerbert,    1867.    —    Vgl. 

>■•■•  i>m.  —  K.  Werner,  G.  von  Aorillac,  t.  a.  i88i. 


<  rERDIL   —   <  -).!  'l  !\ 


Gerdil,  Giacinto  Sigismondi     a        1718  in  8        en,  Kardinal,  gest  > 
in  Rom.  =  ('.  ist  wesentlich  von  D--  ind  Bfalebranche  beeinflußt    l 

ist  der  Ort  der  Ideen,  deren  Abbilder  er  dem  menechlichen  Geiste  einpi 

S    hriften:   Introduzzione  allo  studio    della    religione,    17."-.")     —    Ke<  ueil    de  di*ser- 
tation«  sur    quelques    principes    de    philos.    et    de    religion,     17  0»».    —   Anti-Kmi. 
gegen   Ilousseau).   —  Oeuvres,   181)6—  S 

4-<"i  inain.  Sophie,  1776—1831,  Mathematikerin;  alt  Philoeophin  in 
manchem  eine  Vorlänierin  Comtes.  Nach  8.  (i.  besteht  in  ans  ein  Gefühl 
für  Einheit.  Ordnung  and  Proportion  als  Maßstab  für  unsere  theoretisch- 
praktischen  urteile.  \\" i r  Bachen  zu  jeder  Tatsache  eine  Ursache,  weil  eine 
Tatsache  ans  immer  als  ein  Brachstück  erscheint,  zu  dem  irirdas  Ganze  suchen 
iini-- 

-  hriften:   Oeuvres   philosophiques  de  S.   G  ,    lv7'.'.    1896.    —    Vj       II.    Göl 
hr.    f.    Philo«,    ii.    philos.    Kritik,    J'.d.    91,    1887.  BlEDENKAPP,    B     1 1  .    1 

Gersoo    Johann  Charlier  i  rson   bei    Rheimc      _  Schüler 

vmi  Pierre  «l'Ailly.  Kanzler  der  Universität  Paris,  gest.  1429.  =  <i.  ist  ein  ?on 
den  Grafen  von  St  Victor  und  von  Bonaventura  o.  a.  beeinflußter  Mystiker, 
der  in  der  Logik  dem  Nbminaliiunufl  zuneigt  (Das  Allgemeine  ist  nur  im 
Intellekt,  aber  in  den  Dingen  begründet)  Die  mystische  Theologie  Btützl  sich 
auf  die  im»  and  Offenbarung  der  Vernunft  (ratio)  Bteht  die 

„intelligentia",  «reiche  anmittelbar  das  Wesen  der  Dinge  erfaßt 

-  hriften:    Opera,   14-...   lözl,   L70G.  —  Vgl     A.  .1.   Wabson,   Jeu    «...    LS 

QersoMldeaj  b.  Levi  ben  Gereon. 

<»<Miliiicx     Genlincs,  Geulinx),    Arn. .Id.    geb.   1625  in    Antwerpen,    - 

Prof.  in  Löwen,  1658  entlassen,  Prof.  in  Leiden,  gest  l( 
G.  ist,   von    Descartef   aasgehend,    der  eigentliche  Begründer  i  ka- 

tionalismas,  Systeme  der  Gelegenheitsureachen".    Die  Seele  wirkt  nicht 

auf  den  Leih,  dieser  oicb.1  auf  die  Seele  ein,  Bondern   Gott    hat   die  Zustande 
in  beiden  bo  miteinander   in   Obereinstimmang  gebracht,   dafl   ans    Anlaß  <\rv 
einen  ootwendig  die  entsprechenden  anderen  auftreten.     Eine  direkt. •   Wechsel- 
Wirkung    zwischen    Leib   und    Seele   ist    oicht    möglich,   weil   beide   total    • 
Bchiedene  Substanzen  sind  und  weil  wird  len  wir  ans  oicht  bewußt  sind 

daß  und  wie  wir  ee  tan,  oicht  tun  f.,Quod  oescis,  quomodo  Bat,  id  oon 
All-  ■  in  Leib  und  Seele   .^absque   olla  causalitate,   qua  alterura   hoc  in 

altero  oansai,  sed  propter  menun  dependentiam,  qua  atrumque  ab  eadem  .< 

iinih  industris  constitutum  est       Eth       I        t  II,  8  -i.    luv   l; 
im  Leihe  vind  oicht  Wirkungen  des  Psychischen,  sondern  nur  !'-  heinunf 

selben,  Seele  und  Leib  korrespondieren  einander  ..-im-  ulla  alteriui  in  alteruni 
inslitate  \el  inthixii ■•.    Sie  rerhalten  sich  wie  zw«  ;  mit- 

einander in  Ubereinstunmung  gebracht  werden  (?gL  Leibniz). 

Die  Körper  -ind  modi  des  anendlichen   K  i  modi   i 

tlichen    I  Summ    igitur  modi   mentii  modun 

ipe<    l'  Metaphys,  Wir   -ind    Zusehet  l    n    in    ans 

bewirkt    Daher  ist  «In-  Demut  (humilitai 


Geuu&tcx  —  Gilbert. 


beruht,  die  Haupttagend,  denn  es  gilt  der  Satz:  „Ubi  nihil  vales,  ibi  nihil 
Wir  müssen  Gott  lieben,  wie  Gott  uns  liebt  (vgl.  Spinoza),  uns  ohne 
allen  Egoismus  der  göttlichen  Vernunft  hingeben  und  in  reiner  Gesinnung 
-  iv   Pflicht  erfüllen. 

In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  betont  G.  schon,  daß  wir  modi 
unseres  Penkens  als  Dinge  zu  betrachten  gewohnt  sind  („solere  homines  illos 
modos   Buarum   cogitationum    in   res   obieetas   transfundere",  Opera  II,  204  f.). 

DL  _  sind  an  sich  nicht  so,  wie  wir  sie  erfassen  („rem  non  esse  ita  in  se, 
nt  apprehenditur  a  nobis")« 

Schritten:  Quaestiones  quodlibeticae,  1653,  2.  A.  1665.  —  Logica,  1662,  1698. 
—  Methodus  invcinendi  argumenta,  1663.  —  Disputatio  ethica  de  virtute,  1664.  —  De 
virtut  —   rv&öt   oeavTOV  sive  Ethica,  1675,  1696.  —  Physica  vera,    1688.  — 

Metaphyrica  rera,  1091.  —  Annotata,  1690  —  91.  —  Opera  philosophica,  3  Bde.,  ed. 
Land.  1891-93.  —  Vgl.  E.  PFLE1DEEER,  A.  G.,  1882.  —  J.  P.  N.  LAND,  A.  G., 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  IV.  A.  G.,  1895. 

Geyer9  August,  geb.  1831  in  Asch  (Böhmen),  gest.  1885  in  München.  = 
Herbartscher  Standpunkt. 

riften:  Geschichte  und  System  der  Rechtsphilosophie,   1863,  u.  a. 

Gejser,  Josef,  geb.  1869  in  Erkelenz,  Prof.  in  Münster  i.  W. 

Schriften:  Grundlegung  der  empirischen  Psychologie,  1902.  —  Das  philosophische 
Gottesproblem,  1899.  -  -  Naturerkenntnis  u.  Kausalgesetz,  1906.  —  Lehrbuch  der  allge- 
meinen Psychologie,   1908.  —   Grundlagen  der  Logik  und  Erkenntnislehre,   1909,  u.  a. 

Giddings,  Franklin  Henry,  geb.  1855  in  Sherman,  Prof.  an  der  Columbia 
Universität  (New  York).  =  Die  Soziologie  ist  die  Wissenschaft  von  den 
natürlichen  Gruppen  und  dem  kollektiven  Verhalten  lebender  Wesen.  Es  gibt 
eine  „intermental  action",  durch  welche  Solidarität  entsteht,  ferner  ein  Gattungs- 
bewußtsein („consciousness  of  kind")  und  einen  Sozialwillen  (als  „coneert  of 
individnal  wills").     Die  Gesellschaft  ist  eine  Organisation,  kein  Organismus. 

sozialen  Kräfte  sind  Willenskräfte,  welche  zielstrebig  sind. 

-  h  riften :  The  Province  of  Sociology,  1890.  —  The  Theory  of  Sociology,  1894.  — 
The  Printiplcs  of  Sociology,  1896  ;  deutsch  1911.  —  The  Elements  of  Sociology,  1899,  u.  a. 

QllWrt  de  La   Porree  (Gilbertus  Porretanus  oder  Pictaviensis),  geb.  um 
in  Poitiers,  Bchüler  Bernhards  von  Chartres,  Anseimus  u.  a.,  1142  Bischof 
v<»n   |  -i.l  158. 

V<m  den  Kategorien  sind  Quantität,  Qualität  und  Belation  der  Substanz 

inhärent,  <li<-  übrigen  Bind  nur  „assistierende"  Formen.    Die  Substanz  bedeutet 

sistierende  wie   die  Bubsistenz.    Das    Allgemeine  ist  in  den 

•ii  iiii*1    wird    durch    den    Verstand,   der   auf   die   Ähnlichkeit   der   Dinge 

•    herausgehoben,  abstrahiert,  gesammelt.    Die  Dinge   bestehen    aus  Form 

rie  (im  Aristotelischen  Sinne);  nur  Gott  ist  ohne  Stoff,  reine  Form 

.••it.     Die  Gottheil  (deitas)  ist  die  Form,   die   in  drei  Personen 

die  Kategorien   Bind  auf  ihn   nicht   anwendbar.     In  Gott  sind 

■  ii  Formen  der  Dinge.    Seele  und  Leib  vereinigen  sich  zur 

•  •ii. 

zu  BoStbitu  in  den  Schriften    des  letzteren   1570;  Migne, 


Gilbert  —  <  Iiovenale 


I'atrologiae  cursus,  lid.   ti4.   —    De  sex   priaeipiia,    lö<'7.    —    Vgl.   A.    BeSTHAUD,  ij.de 
la  P.  et  sa  philosopLu-,    L892.   —   A.   ClERVAL,  Les  ecoles  de  Chartre-.    1895. 

Gilbert,  I-'".  geb.  1862  in  Gralatz,  lebt  in  Wim.  =  <,.  betont  dir  Ein- 
h.-it  von  Energie  und  Materie   (Nene  Energetik,  1911). 

Ciiiolx'i'ti.  Vincenzo,  geb.  L801   in  Turin.  Btudierte  Theologie,  wurde  ] 
Professor  in  Turin,  1833  politisch  verdächtigt  und  verbannt,  Lebte  dann  in  Paria 
and    Brüssel  (ah  Lehrer),  Betete  rieh  für  «'in   reformiertes  Papsttum  ein,  durch 
welches  [talien  seine  nationale  Einheit  erhalten  sollt«  L862  in  Paris. 

Von  Plato,  Malebranche,  Leibniz,  Begel  n.  a.  beeinflußt,  will  (..  eine 
katholische,  Wissen  und  Glauben  rereinigende,  aui  „Offenbarung"  sich  stützende 
Philosophie  geben,  dir  ei  als  „Ontologismus"  bezeichnet  und  dem  „Psycho- 
Logismus4*,  d.  h.  dem  Ausgehen  vom  [ch,  vom  Bewußtsein  wie  bei  Descartes  u.  a. 
und  bei    Rosmini,  entg<  stellt    Er  wiD   dir  Dialektik  der  Bchöpfung  ent- 

werfen   und   das    Existierende   au-   dem    göttlichen    Sein    ableiten.    Gott,   das 
-    ende  wird  durch  seine  Idee,  durch  Selbstoffenbarnng  im  menschliche]   i 
(als    Gegenstand    einer    „Buperintelligenz")   erfaßt     Die    ontologische    Forme] 
lautet:     Das    Beiende    erschafft    das    Existierende    („L'ente    eres    L'eaistenl 
[ntrod.  I.  i  .    Au-  drin  absoluten,  göttlichen  Sein  geht  da-  Endliche,  Existierende 
durch  Bchöpfung  hervor  in  einer  Weise,  die  der   Begriffeentwicklung  der  Ver- 
nunft entspricht     Das  Beiende  als  solches  ist  stand  der  „scienza  ideale". 
Di.-  Dinge  Bind  Besonderungen  der  ewigen  [dee;  diese  ist  zugleich  da-  Ziel  i 
s    ebens,  welches  schließlich  aui    die   Einigung   des   Endlichen  mir    dem   gött- 
lichen Bein  geht     Durch  seine  Monadenlehre  und  Beine  dynamistische  Physik 
-«.wie  durch  die  Annahme  einer  prastabilierten  Harmonie  nähert  Bicfa  <>.  Leibniz. 
Di.-  „Protologie"  ist  dir  „erste  Philosophie",  die  Wissenschaft  von  der  Schöpfer- 
tätigkeit i..la  scienza  dell'  atto  creativo").     Da-  Gute   und   da-  Schöne  Btehen 
in  Beziehung  zur  göttlichen  Vollkommenheit 

B  huler  G.s  sind  Massari,  Pornari,  1*.  Luciani,  d'Acquisto,  Tos- 
cano,  Di  Giovanni,  Garzilli  u.  a.    -  Beeinflußt  von  G.  i-t  MamianL 

riftei       1      :    i    tfl    -   \ranaturaK.    L838.  [ntrodosiona    allo    studio    della 

40    Hauptwerk),  t'r:ir.^  -.   im:..     -   Del   ball©,   1841.         Del  baoao, 
daatack   l  ^ 4 s .  —  n    geaaita   moderno,    184G— 47.    —    Opnaaoli    politid,    18A0.   —    Dal 
rinBOTamanto   ii\i:t>   d'ltalia,   1851.    —    Delhi    ftloaofia   della   ri?alaai  16.    —   Della 

protolugia,    1857.    -       Eticordi    bi  orrupoadaaaa,    18 

SPAVEHTA,  La  .    «'.,   1868.         GenTILE,  V.  Giobarti,   IS 

Gioja.  Melchiorre,  geb.  1 7 • ; 7  in  Piacenza,  Direktor  des  Statistischen  Amtes 
in  Mailand,  gest  1829.       Von  Kam.  aber  auch  von  Condillac,  Destutt  d<    I 

eeinflußt    Er  betont  den  Werl  der  Statistik  für  die  Moral-  um  i         schafts- 
wiasenschaften  und  dir  Ökonomische,  kraftersparende  Punktion  d( 

a  »tatisti.a,   1803.         Blemaati  dl 

Gtol  malo.  Mönch   au-  Tirol         Lehrt   ähnlich    wie 

Malebranche. 

iae    lami 
\     CJNE8OTT0     La  «lottritia  dal    P 


Gizycki  —  Glogau. 


Gizyc-ki.  Georg  von.  geb.   1851,  Prof.   in   Berlin,  gest.  1895.  =  G.,  der 
zu  den   Begründen!  der  deutschen  Gesellschaft,  für  ethische  Kultur  gehört,  ist 
•hikor    sozialer   Utilitarist.     Die   Moralphilosophie  hat   die    Aufgabe, 
dem  Menschen  ein  klares  Bewußtsein  über  sein  sittliches  Leben  zu  verschaffen. 
Die  Quelle  des  Sittlichen  ist  das  Gefühl,   das   Ziel   der  Sittlichkeit  die  all- 
gemeine Wohlfahrt.     Nützlich  ist.  was  mittelbar,  aber  in  einem  höheren  Maße, 
Freude    erzeugt      Subjektiv    und    objektiv    Nützliches    sind    zu    unterscheiden. 
Vgl.  über  den  Utilitarismus,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  Bd.  8.) 
Schriften:   Konsequenzen  der  Lamarck-Darwinschen  Entwicklungstheorie,  1876.  — 
Grundzüge  der   Moral,    1883.    —    Moralphilosophie,    1888.    —    Vorlesungen    üher    soziale 
Ethik,    180;..   u.  a. 

(wlanville,  Josef,  geb.  163G  in  Plymouth,  Geistlicher,  gest.  1680  in  Bath. 

Die  Kausalität  wird  nach  G.  nicht  wahrgenommen,  nur  erschlossen,  und 
Schlu!1.  kann  trügerisch  sein.  „All  knowledge  of  causes  is  deduetive, 
for  wc  know  none  by  simple  intuition,  but  through  the  mediation  of  their 
.tt.it-  Bo  that  uv  cannot  conclude  any  thing  to  be  the  cause  of  another  but 
from  it-  continual  accompanying  it,  for  the  causality  itself  is  insensible.  But 
no*  t"  aigue  from  a  concomitancy  to  a  causality  is  not  infallibly  conclusive, 
yea  in  this  way  lies  notorious  delision"  (Scepsis  scient.  23,  p.  142).  Es  folgt 
nicht  notwendig  ..hoc  est  post  illud,  ergo  est  propter  illud".  Die  Erkenntnis 
ruht  also  auf  unsicheren  Grundlagen,  besonders  wenn  sie  rein  begrifflicher  Art 
i-t.  während  die  empirisch-induktive  Wissenschaft  immer  mehr  fortschreiten 
kann,  indem  sie  die  Tatsachen  selbst  beschreibt. 

3<  triften:   The  vanity  of  dogmatizing  or  conlidence  in  opinionä,   1661-  —  Scepsis 

Käentitica,  1665  (Hauptwerk).  —  De  incrementis  scientiarum,  1G70.  —  Plus  ultra,  or  the 

progress    and    advancement    of  knowledge,    1668.     —     Sadducaeismus    triuraphans,    1681, 

deutsch     1701    (Sammlung    von    Spukgeschichten,    für    die   GL    sich    einsetzt).    —  Essays, 

a. 

<*ley.  M.  E.  E.,  geb.  1857  in  Epinal,  Prof.  der  Medizin  in  Paris. 

riften:  Etudes  de  psychol.,  physiol.  et  pathol.,  1903,  u.  a. 

Cjili*«»oii.  Francis,  geb.  1596,  Prof.  der  Medizin  in  Cambridge  und  London, 
HJ77.  :     Nach  <..  -i  ml  die  Substanzen  an  sich  unausgedehnte,  empfindende 
und  strebende  Kräfte,  schon  ähnlich  wie  bei  Leibniz  die  Monaden. 
I    fton:   '1'ractatuB  de  natura  suhstantiae  energetica,   1672. 

Ciloxan.  Gustav,  geb.  1844  in  Tilsit,  Prof.  in  Kiel,  gest.  1895. 

von  Bteinthal    ausgegangen,  später  aber   von  Plato,   dem  Christen- 

beeinfltüft    worden.     Er  ist    ein   Gegner  des   Intellektualismus 

Mystik.    Die  Kräfte  des  Geistes  entfalten  sich  in  der  Geschichte 

mißten  Anlagen.     In  der  Weit  herrscht  Vernünftigkeit,  Zwecksetzung. 

Geisl    Bind    [Jnterschiede   innerhalb  des    Bewußtseins.    Alle  Dinge 

<in.    weich,-,    aber  von    den    Naturwissenschaften    in   seiner 

ng  betrachte!    wird.     Die   Seele   ist    eine   Monade*  unter 

•    bangen    alle   Wesen   einheitlich    zusammen.     Daß   <!<>n 

ie  meine  eigene  Existenz,   die   auf   ihn   hinweist.    Ans 


<  rLOGAU  <  rO<  LENIU6. 


Gott  stammt  die  Ideenwelt   des  fahren,  Guten  und  Schönen.    Diese  [deen 
üben   in   den  Geistern   eine   „Sollizitation"   ras,   welche  üe   zu 
»luktioiifii    antreibt      Wir   haben    eine    intellektuelle    Anschauung    das 
wählen   Seine    und  Geschehens.     Das   Denken    schafft    nichl    <! 
material,   sondern  zeigliedeii    und  deutet   es  nur.  —  Es  besteht  ein«      i      gau- 
[lschaft",  die  seit  1899  Jahrbücher  publizu 

Schriften:  D;t>  Wesen  und  die  Qrradlsgen  der  heutigen  Psychologie,  1877.  — 
Abriß  der  philosophischen  Grundwissenschaften,  1880 — 88  |  Hauptwerk).  —  Grundril'»  der 
Psychologie,  1884.  —  Die  Phantasie,  1884.  —  Die  Schönheit,  189t.  —  Hauptlehren 
der  Lo^ik   u.    AN ':  re,  1894.   —  Vorlesungen  über    Keligionsphilosophie,    1898, 

u.  a.   —   Vgl.   H.   C  lasen,  ZeHacfcr.   f.   Philos.,    1901— 1902. 

i « iio*tik<T    von  yvoMHs,  Erkenntnis)   heißen   besonders   jene  Philosophen 
in  den  ereten  Jahrhunderten  nach  Chr.,  welche  auf  Grund  neuplatonischer  I 
danken   die   Entwicklung   der    Religion   zum    Christentum    metaphysisch    und 
mythisch  als  Weltprozeß  auffassen,   der   mit    der  Bmanation   des   I  ind 

der  Seele  aus  dem  göttlichen  Sein  einsetzt,  zum   Abfall  fährt,  i 

dann  schließlich  durch  Christus  erlöst  wird.    Vom  Glauben  zum  Wissen   fort- 
ichreiten,  das  Wesen  des  im  Glauben  Enthaltenen  spekulativ  zn  erfassen,  ist 
Tendenz  des  Gnostizismus,  der  wesentlich  vom  Orient  herstammt  und  /.  T.-ii 
Elemente    des    Parsismus    enthalt    (Manichäei  .     Zn    diesen    ..har.ti-<-hrir- 
Gnostikern    gehören   Basilides,    Valentinus,   Cerinthus,   Saturninus, 
dmi.  Afarcion,  Apelles,   £arpokrat<  rdesaneB,   die  Ophiten 

lassener)  und  Peraten.  Die  orthodoxen  „Gnostiker",  die  nur  den  Glauben 
durch  Erkenntnis  stützen  wollen,  ohne  ein  Eknanationssystem  mit  Demiurg, 
Äonen  flsw.  aufzustellen,  Bind  Clemens  Alexandrinus  und  Origen« 

ÜATTEB,   Biatoin  eritiqa«  da  .  :  I.   id.    \b\:;.  —  \\  Chi:. 

Bai  i:.    Di«    chritUi  de,    1885.    -      EL    A.    LlPSIUB,   Gnoränmnas,    1860.   — 

!I\I:\\<k.    Dogmei  ;    Zur    Quellenkritik    der    I 

I..   II.  8<  iimii  i.  Dis  Gnosu,  190S.        W.  8<  m  i.i/.  Dokomemte  der  l 
1910.  —   Vgt  reraer:   Pirtu  Sophie,   L851.   —   LBENAE1  8,    EXeyxoe    xlfc  \ 

HlPPOL^  ii  3,    /'."/"-   xata   naatbv  a  .  ed. 

r,   1861. 

ChoIhih'uii.  Jos.   Arthur,  Graf,   geb.   IM'-  in    Bordeaux,   Diplomat  und 
entalist,  gest.  lss_   in   Paris.        <;.  gründet   die  Geschichtstheorie  auf  den 
Rassenbegriff.     Die  Port- und  Rückschritte  da  Gesellschaft  sind  nur  Wirkung 
von   Rassenmischungen,  welche  letzteren  in  der  Regel  zui   D  rühren, 

stärkeren  I:  ursprünglich  zur  Herrschaft 

Heaptwerk:    Essai   Mir    riDegeliti  d  i    hamsines,   deal  — 

SCHKMANN,  0.   0.  die  deetseh«    Kultur.    1910;   G  HO. 

Qodeniva    Gö  Rudolf,   geb.   r>i7  in  <  M 

G.  verbindet  die  Dialektal  trus  Ramus  mit  der  ben 

tri   also  zu  den  S em i-Bamist<  d. 

ut'-rhrii  vi»n  d«  ii  Vorlesungen  Melanchthon  dir  di  um  führt. 

■eh  ii.'H 

— 


i  k)<  lenius  —  Goethe. 


i.iao  naturalis  libri  11.   1596.  —   Metaphysica,    1597.  —  Lexicon   philosophicum, 
1613,  a.  a. 

Goethe,  1749-1832,  ist  zwar  kein  „Fach-Philosoph",  durch  seine  Äufic- 
rungerj  über  philosophische  Ideen  aber  doch  auch  für  die  Philosophiegeschichte 
höchst    beachtenswert.     Beeinflußt    ist    er    zum    Teil    von    Spinoza,    er    nähert 
Bich   aber  auch    in    manchem  Giordano  Bruno  u.  a.  (z.  B.  Paracelsus,  Leibiiiz, 
Leasing,    Berder).     In   Betracht    kommen   besonders   die  „Sprüche  in   Prosa", 
„Psychisches -.  die  ..Farbenlehre",  „Metamorphose  der  Pflanzen",  Aufsätze  wie: 
THe  Natur-.   „Der   Versuch  als  Vermittler  von   Objekt   und   Subjekt",    „Ein- 
wirkung der  neueren  Philosophie",  „Anschauende  Urteilskraft",  „Bedenken  und 
n.  a.     Vgl.  WW.,  Hempel;  Eckermanns  Gespräche  mit  Goethe. 
Gjb  Weltanschauung  ist   monistisch,    pantheistisch   (bezw.  panentheistisch), 
ganisch:    Geist   und  Materie  sind   an  sich  eins,  alles  Körperliche  ist  beseelt, 
alles  Seelische  tritt  in  materieller  Form  auf.    Betreffs  G.s  Definition  des  Schön  en. 
\_'l.  den  Art.  „Hemsterhuis". 

Krkenntnistheoretisch    betrachtet    ist    G.s    Denken    „gegenständlich"    und 

allem    eigentlichen    Subjektivismus    abgeneigt.      Wir   erkennen   nach   G.   zwar 

nicht    das   gottliche  Unendliche  als  solches,    wohl   aber  seine  Manifestationen, 

also  nicht  bloß  subjektive  Erscheinungen.    Kant,  von  dem  G.  manchen  Einfluß 

[»fangen  hat   und   mit  dessen  „Kritik  der  Urteilskraft"  er  sehr  sympathisiert 

Bonden  mit  der  Lehre  von  der  Zweckmäßigkeit  ohne  äußeren  Zweck),  kommt 

„nie  zum  Objekt.",  G.  hingegen  will  überall  die  „Urphänomene"  der  Dinge  er- 

sen.      Freilich  betont  er  wieder,  daß  wir  gar  nicht  wissen,  wie  anthropomor- 

phistisch  wir  denken,  daß  wir  von  keiner  Welt  und  Wahrheit  als  in  beziig  auf  den 

Menschen    wissen.     Gedanklich  geleitete  und  synthetisch  vereinigte  Erfahrung 

ist  der  Weg  su  Erkenntnis  der  Dinge  („Kationeller  Empirismus").   Die  „höhere" 

Erfahrung    besteht    aus   mehreren  anderen  und  stellt  „die  Formel  dar,   unter 

welcher    unzählige    einzelne   Rechnungsexempel   ausgedrückt   werden".      Jeder 

Versuch  hat  seinen  Wert  erst  durch  Vereinigung  und  Verbindung  mit  anderen. 

Die  „anschauende  Urteilskraft"  geht  auf  das  „Urbildliche,  Typische",  sie  erfaßt 

die  [dee   der  Bache,    die  aber  in  der  Erfahrung  niemals  völlig  zur  Darstellung 

•.     Wir  müssen  in  «1er  Erkenntnis  zu  den  „Urphänomenen"  gelangen.  — 

Den  höheren  Formen  der  Pflanzen  und  Tiere  liegt  ein  „Urbild"  zugrunde.    Eine 

Metamorphose*'  (Entwicklung)  besteht,  bedingt  durch  einen  „Bildungstrieb  und 

durch  lufiere  Einflüase".    Das  <  tesetz  eines  jeden  Wesens  bedingt  dessen  Werden, 

ir.it/  aller  äußeren  Zufälligkeiten  erhalt  sieh  der  Typus  und  die  Individualität 

..'.:■  i   Entfaltung. 

'  und  Natur  Bind  einander  immanent  („Gott  in  der  Natur,  die  Natur 

V  ein  Gott,  der  nur  von  außen  stieße."     „Ihm  ziemt's,  die 

anern  zu  bewegen,    Natur  in  sich,    sich    in  Natur  zu  hegen."      Die 

:, tth.it    lebendiges   Kleid".      Wirksani    ist   die  Gottheit  nur  in. 

:  Werdenden  und  sich  Verwandelnden,  nicht  im  Gewordenen 

Ulvernunft,   der  uns  durchdringende  Weltgeist. 

endlichen,   ohne  Teile  desselben  zu  sein.    Gott  ist  die 


(  rOETHE  I  rOLD8<  SEID. 


Weltseele,  die  ewig  in  allem  -i<-h  regl  und  in  der  doch  auch  alle«  Dring) 
Ringen,  Werden  ewige  Kühe,  ewiges  Sein  ist  l>i'-  Natur  wirkt  ..ua-h  ewigen, 
notwendigen,  göttlichen  Gesetzen".  Die  Natur  umfallt  alles,  wir  können  nicht 
ans  ihr  heraus.  Sie  Bohafft  ewig  oeue  Gestalten,  alles  ist  neu  und  doch  immer 
das  Alte.  Sie  -••heim  alles  ani  Individualität  angelegt  an  haben  und  macht  sich 
nichts  aus  den  Individuen.  ..Ks  i-t  ein  ewiges  Leben,  Werden  und  B 
in  ihr,  und  doch  rückt  sie  nicht  weiter.  Sic  verwandelt  -ich  ewig  und  ist  kein 
Moment   Stillestehen    in    ihr.-      „Allee   ist    ihre   Schuld,    all»--   ihr   Verdient 

rall  gibt  »•>  in  der  Natur  ..Polarität--  und  „Steigerung'4  (wie  nach  Schell 
und   die  Materie   ist    beseelt  (Hylozoismus).     ..Weil   aber  die  Materie  Die  ohne 

9t,  der  Geist  nie  ohne  Materie  existiert  und  wirksam  Bein  kann,  so  ren 
auch  die  Materie  sich  zu  steigern,  sowie  rieh's  der  Geist  nicht  nehmen  labt. 
anzuziehen  und  abzustellen. •■  <  iri>t  and  Materie,  Wille  und  Bewegung  Bind  die 
„notwendigen  Doppelingredienzien  des  Umversums"  (Identitätstheorie).  Die 
Welt  ist  »-ine  in  „Monaden"  oder  JEntelechien"  („Seelen")  gegliederte  Einheit; 
«liest-  Elemente  sind  alle  unzerstörbar  (wie  nach  Bruno.  Leibniz).  Die  Monaden 
scheiden  nur  aas  den  alten  Verhältnissen,  am  auf  der  Stelle  wieder  neue  ein- 
zugehen (rgjL  Herder).  ..Hei  diesem  Wechsel  kommt  alles  darauf  an,  wie 
machtig  die  Intention  sei.  die  in  dieser  "der  jener  Monas  enthalten  ist."  Un- 
verwüstlich ist  in  allem  der  Lebenstrieb.  „Kein  Wesen  kann  zu  nichts  zerfallen/4 
„Die  Überzeugung   ron  unserer  Portdauer  entspringt  mir  aus  dem  B  der 

Tätigkeit;   denn   wenn   ich   bis   an   mein  Ende  rastlos   unke.   -..  ist  die  Natur 
verpflichtet,    mir  eine  andere  Form   des  Daseins  anzuweisen,   wenn  die 
meinen  Geis!  nicht  mehr  aaszuhalten  renn 

Vgl    K.  VORLÄNDER,  G.s  Verhältnis  zu  Kiitt,  Kantstndien  1  111.  —    II.Sn  i;i:<  C, 

r,   1901;  I.  A.  UM)."*    Prammaaa  Klassiker  d.  Philo».).  —   M.    Hiyna-  HER, 

3.1    Philosoph!«  aus  seinen   Werken,   1905  (Philos.  Bibl.).    —    U  BT.   ChAMRERLAIH, 
J.    Kant,    |90€. 

<-ol<Ifri<kdri<»li.  .1..  geb.  1870  in  Bantzen,  lebt  in  Leim  \itz.       1 1  • 

Ideen  wirken  als  psychische  Paktoren  in  der  Geschichte.    Mit  Relationen  hat 
alle  Erkenntnis  zu  tun ;  die  höchste  Stufe  derselben  ist  eine  ^»Relationssystematik**. 

lhe   lud  eine   in    Deutschland,   1901,   u.   a. 

Oliartieid,  Rudolf,  geb.  L870  in  Wien,  lebt  daselbst 
G.  rertritt einen  aktiristischen  Bvolutionismusund  „n  illenskritischen^ 
Idealismus,   indem  die  „ideale  Weltwollung"  zum   sozialen   Aktirismus  führt 
Die  ..aktivi-ti-'-h.  Wendung  samten  Wissenschaftsbetriebes"  ist  zu  fordern. 

Ahcuweisen    ist    aller  Pafatriamaa.    Wir  können  die  Richtui 

iitlu-srii.   denn    unser  Wille  ist   eine   ,3ichtungBintensität"  anter  anderen; 
die  Welt    i^r    ein   System   ron   ,JUchtungBelementen"   und  der  G 
Energie,  die  Bich  als  Wollen   und  Sollen  darstellt  und  als  Richtung«  keil 

wirkt.       I   •          >!     keine    besonderen     ..Richtkrftfte",    BOndem    aller   Kratt     ist    die 

Richtung   immanei  i  den  Vitalismui       Di«  Willenskritik  (Willens- 

theorie) ist  das  Korrelat  zui  Erkenntnisth«  aht  zu  den  „Gnindbedin- 

dee  Willens*4  zurück  und  ontenucht  das  Können  des  Willen-  gegenüber 


(  rOLDSCHEID  (  rOLDBTEIN. 


\  -  .    fragt,  „welchen  Einfluß  seinerseits  sowohl  der  rohe,  wie  der  ge- 

büdete  und  verbildete  Wille  einerseits  auf  das  eigene,  geistige  Sein  und  ander- 
-  auf  die  nächste  Umgebung,  auf  die  äußere  Natur,  auf  die  ökonomischen 
Verhältnisse,  auf  die  sozialen  Institutionen,  mit  einem  Worte  auf  die  geschicht- 
liche Entwicklung  auszuüben  vermag".  Wir  dürfen  nicht  eher  ruhen,  bis  wir 
die  Zweckmäßigkeit  des  Geschehens  bewerkstelligt  haben. 

Aktive  Anpassung  des  Milieu  und  der  sozialen  Verhältnisse  an  unsere 
Zwecke  ist  das  Wesen  menschlicher  Höherentwicklung.  Die  Selektion 
spielt  hier  eine  untei  geordnete  Rolle  und  der  Kampf  muß  immer  mehr  zurück - 
treten.  I  I  gen  den  extremen  soziologischen  Darwinismus  bei  Amnion  u.  a.)  Jede 
Art  erhält  >ich  entweder  durch  Steigerung  der  Quantität  oder  durch  Ver- 
se rang  des  Nachwuchses.  Unsere  Art  der  Erhaltung  fordert  nun  das  letztere; 
die  scharfe  Selektion  ist  für  den  Kulturmenschen  etwas  Unökonomisches.  (Gegen 
den  Malthusianismus  im  Darwinismus.)  In  der  Gesellschaft  ist  es  unökonomisch, 
„wenn  man  mit  dem  Entwicklungswert  Mensch  verschwenderisch  umgeht,  um 
Ekitwicklungswerte  niedrigerer  Ordnung  zu  produzieren".  Der  Mensch  selbst 
r  uns  der  höchste  Entwicklungwert.  Für  die  „Entwicklungs Werttheorie' 
hat  nur  das  wahren  Wert,  was  geeignet  ist,  im  Interesse  der  Höherentwicklung 
wünschbare  menschliche  Begehrungen  zu  befriedigen.  Die  „Menschenökonomie" 
fordert  ökonomische,  möglichst  zweckvolle  Verwendung  und  Pflege  der  Menschen- 
kräfte, so  daß  ..organischer  innerer  Mehrwert"  produziert  und  die  Entwick- 
lung nach  jeder  Hinsicht  die  bestmögliche  wird  („Entwicklungsökonomie''). 
<..   isi   entschiedener  Sozialist,    aber  nicht  streng  orthodoxer  Marxist.     (Gegen 

\    relendungstheorie,  Betonung  des  psychologischen  Faktors.) 

Schriften:  Zur  Ethik  des  Gesaratwillens  I,  1903.   —   Grundlinien  zu  einer  Kritik 

der  Willenskraft,   1905.  —   Der  Richtungsbegriff  und  seine  Bedeutung  für  d.  Philosophie, 

Annal.    d.    Naturphilos.,     1906.    —    Yerelendungs-    oder    Meliorationstheorie,    1906.     — 

o^ie  u.  Gesellschaftswissenschaft,  Annal.  d.  Nat.    1908.  —  Entwicklungswerttheorie, 

i'.klungsökononiie,  Menschenökonomie,  1908.  —  Darwin  als  Lebenselemcnt  unserer 
modernen   Kultur,   1909.   —  Höherentwickl.  u.  Menschenökon.,   1911,  u.  a. 

Qoldsehmidt,    Ludwig,  geb.   1853  in    Sondershausen,  Gymn.-Professor 
otha.  --   Streng   Kantscher  Standpunkt  mit  Betonung   der  Unmöglichkeit 
r  Metaphysik  (gegen  Paulsen). 

riften:   Kant  und   Helmholtz,   1898.  —  Zur  Würdigung  der  Kritik  der  reinen 
—     Kantkritik  oder  Kantstudium,   1901.    —     Kant  über   Freiheit,    Un- 
—    Baumanni    Anti-Kant,    1906.    —    K.s   Privatmein.   üb.  d. 
•   ;  ■•  n    Elickel,  1906,  u.  a. 

CtoMfttefn,  Julius,   geb.  1873  in  Bamburg,  Privatdozent  an  der  Tech- 
H  chsehule  in    Darmstadt.   =    Von   Eucken  beeinflußt.     Es  gibt  eine 

■    .  ..  •■ 

•  ;i  zum  Koltarproblem  der  Gegenwart,  1899.  —  Die  cra- 

10g  D.  Borne«,   L908  ''gegen  den  BrnpirUmai  in  der  Geschichte). 

lauang,    DeaUche    Etandacfcaa,    82.  Jahrg.    11.  5.   —    Moderne 

\  8.  Jahrg.  No.  l.    -    Soziologie  der  Technik, 

ozialwissentchaft,  Arch.  für  Sozialwiuon n  aafl  u.  Sozial- 


I  rOl  08  l  EIB  I  rOMPERZ. 


politik,   Bd.  31,   H.   l.   —   W.  James,  Deutsche  Rundschau,  De/.eml..r   1910.  —   Wamllun- 
dei    Philosophie  «lcr  Gegenwart.    1911,  u.   a, 

<;olnbinsky.  Th.  A..  1779—1854,  Prof.  in  Moskau.  Von  Kant   und 

bi  beeinflußter  Theißt 

Behriftcn:  Vorlegungen  Aber  Philosophie,   1S84  lt..  u.a.  (rassii 

lNOln<*Iiow«ki.    Joeef,    geb.  1797,    Prof.  in  W'üi  An- 

hänger Schellings 

Ciiomperz.  Heinrich,  geb.  1873  in  Wien,  Privatdozent  in  Wien. 

<  I.  ist  vnn  Av.'iiarins.  Kant.  1 1- _.  1  u.  a.  beeinflußt     Er  vertritt  (wie  Mach  U.  a.t 

einen  „Monismus  des  Geschehens*',  für  den  die  Well  eine  Ordnung  ron  Vbr- 
ist.  Nach  dem  „Pathempirismus''  ist  die  Form  des  Erkennens  Gefühl. 
1»  i  „Formgefühle"  (mit  den  „Charakteren''  von  Avenarius  verwandt)  gehöre) 
„reaktiven  Erfahrung"  an  im  Unterschiede  vom  ErfahxungBinhalt;  aus  jenei 
entspringen  di<  Kategorien  als  Formgefühle,  welche  den  Inhalt  der  Erfahrung 
vereinheitlichen.  Der  „Aussageinhalt''  ist  der  logische  Gehalt,  der  den  Sinn 
der  Aussagen   ausmacht;    ..An-  '  sind  di     I  itsachen,   aut  die  sich 

die   Aussage   bezieht.      Der   Aussageinhalt    isl   ein    ^.gegliederter   Komplex   von 

erell-typischen  Totalimpressionen".     Die  Logik   ist  nicht  eine  psychologische 
Wissenschaft,  aueh  nicht  normativ.    l>i.      \  Lei   der  Teil  der  „Kosmo- 

theorie",   der  Bich   mit   dem  Widerspruch  zwischen  subjektiven  und  objektiv 

lanken    und  den  Problemen  darauf  iftigt     Ihre  Aul  -    ,.jene 

Widersprüche   auszugleichen,   die   Bich   ans   der  sachgemäßen  Bearbeitung   der 

lanken  in  der  Logik  einerseits,  in  der  Psychologie  anderseits  ergeben". 

fällt  in  „Semasiol  i  n  den  Denkinhalten)  und  „Aletholog        Lehre 

von   den    Denkwerten).     Die    „Weltanschauungslehn       Kosmoti    orie    ist   jene 
Wissenschaft,  welche  die  Aufgabe  hat,  „einen  widerspruchslosen  Zusammen)» 
aller  jener  Gedanken  herzustellen,  die  von  den  Einzel  Wissenschaften,  sowie  vom 
praktischen  Leben  zur  Nachbildung  der  Tatsachen  verwendet  werden". 

Das    Kausalgesetz   ist    «in    Postulat,   indem  wir  uns  entschließen,   du    I 

»weil    als    möglich   gesetzlich   aufa  Hierbei    verhall   sich 

unsere  Welt  unserem  „Ordnungsstreben'    gegenüber   wie  ein  S  >n  mittl 

Bildsamkeit  Ei  ist  denkbar,  daß  Bchon  die  materiellen  Elemente  individu« 
und  momentan«  B  -  nderheiten  ih  \  rhaltens  zeigen,  die  Bich  aber  komp 
sieren  und  ers(  im  Organischen,  noch  mehr  im  Psychischen,  im  Willen  hen 
treten.    iVach  dies  tan  istischen  Theorie"  wären  di<    S  U 

In  des  stofflichen  Massenverhaltens".     Bineallg 
an   sich  existiert   nicht,    noch   weniger  ein   allgemeiner  Zwang      D«   Will. 
weder  durch  di<    Ifot        leterminiert,   noch,  wählt  er  frei  zwischen  ihnen,     i 
l  eit  der  Motive  ist  keine  konstante  Gl  fi  v 

di.   I  -  für  jedes  Moth 

Dauer    des    Schwankun^-pm/csM-s    nimmt    dir    ai 

Kraft  zu  (vgl.  über  die  Wahrscheinlichkeit  derWill« 

d.  K.  Akademie  der  Wiss.  in  Wien,  Philo»  !'• 

■ 


GOMPERZ   —    GÖRRES. 


disidub,    1898.    —    Die  Welt   als  geordnetes  Ereignis,  Zeitschr.  f.  Philos.  Bd.    118, 

—  D.  Lcbensauffass.  d.  griech.  Philosophen  u.  d.  Ideal  d.  inneren  Freiheit,  1904. 

Woltansohauungslehre  I— II,    1905  —  08.    —    Das  Problem  der  Willensfreiheit,  1907. 

(«omporz.  Theodor,  geb.  1832  in  Brunn,  Prot*,  in  Wien. 

3  briften:  Philodemi  de  ira,  1864.  —  Herkulan.  Studien,  1865  f.  —  Bruchstücke 
Kpikurs  über  d.  Willensfrage,  1876.  —  Pbilodera,  1891.  —  Griechische  Denker,  1896  ff., 
1902  ff,  u.  a.    —   Uebersetzer  von  J.  St.  Mill  (s.  d.).   —  Essays  u.  Erinnerungen,  1905. 

Gor^ia*  au-  Leontim  (Sizilien),  geb.  um  380  v.  Chr.,  kam  427  nach 
Atlun.  war  Lehrer  der  Beredsamkeit  und  Sophist,  gest.  um  375  v.  Chr.  In  der 
Naturphilosophie  ist  er  von  Empedokles  beeinflußt,  sonst  von  den  Eleaten. 
VOil  Beiner  Schrift:  JJeoi  rov  tu)  övTog  y  .-regt  cpvaecog  finden  sich  Fragmente 
bei  Sextus  Empiricus  (Adv.  Mathem.  VII). 

\  r  h  Gjb  erkenntnistheoretischem  (dialektischem)  „Nihilismus"  ist  nichts 
oiiv),  gibt  es  kein  Seiendes;  denn  es  kann  ein  solches  weder  geworden  noch 
ewig  (unendlich)  sein  (das  Unendliche  ist  weder  in  sich  selber  noch  in  einem 
anderen).  Wäre  aber  anch  etwas,  so  wäre  es  unerkennbar  und  undenkbar 
[ayroxrtov  y.<u  avemvdijzov),  denn  dann  müßte  das  Gedachte  sein  und  das  Nicht- 
seiende  nicht  einmal  gedacht  wTerden  können.  Gäbe  es  aber  auch  eine  Erkennt- 
-  so  wäre  sie  nicht  mitteilbar,  da  die  Worte  Zeichen  sind,  die  von  dem 
Bezeichneten  verschieden  sind. 

Vgl.  DlELS,  Fragmente  der  Vorsokratiker  II.  —  H.  E.  FOSS,  De  G.  Leontino,  1828. 

—  DlELS,  G.  und  Empedokles,  Sitzungsber.  d.  Akad.  d.   Wissensch.  zu  Berlin,   1884,  I. 

—  Vgl.  auch  den  Platonischen  Dialog  „Gorgias". 

Grörin^-.  Carl,  geb.  1841,  Prof.  in  Leipzig,  gest.  1879. 

<;.  i-t  kritischer  Empirist  und  Positivist,  da  er  alle  Erkenntnis  auf 

Erfahrung   und  Tatsachen  derselben  basiert.     Die  Aufgabe  der  philosophischen 

Kritik  i<t  es,  „den  festen  Punkt  aufzuzeigen,  von  welchem  alles  Erkennen  und 

d  ausgeht".    Es  gibt  eigentlich  weder  ein  A  priori  noch  ein  A  posteriori; 

ine    ist    nicht   früher  als  das  andere,  sondern  ,,der  subjektive  und  der  ob- 

jektive  Faktor  sind   gleichzeitig  in  der  Erkenntnis  verbunden".     Das  unmittel- 

nßteein,  das  subjektiv  gewisse  Erkennen  liegt  in  der  Sinneswahrnehmung, 

•   das  vermittelt.'  Wissen,    welches  in  Schlüssen,   Urteilen,  Begriffen  be- 

i~t    das   Werkzeug    der  wissenschaftlichen  Erkenntnis  (Betonung  der  Be- 

der  Sprache,    des    „namentlichen"   Wissens).     Wahrheit    und  Irrtum 

i    nur  im  vermittelten  Wissen.     Urteil  und  Begriff  beruhen  schon  auf  einem 

lilosen,  primitiven  Schluß.     Der  Wille  ist  an  sieh  unbewußt,  blind;   er  ist 

•  miniert. 

riften:    System  der  kritischen  Philosophie,   1874—75.    —    Über    die    mensch- 
ttd    Xuro'LmnigHfahigkeit,     1876.    —    Über   den    Begriff   der    Erfahrung, 
r  schalt! .   Philosophie    Bd.   1  —  2,   1877  —  78. 

Ctfrrefl,       v.,  1776—1848,  der  bekannte  erst  revolutionäre,  dann  katholisch 
'      Philosoph   von  Schelling  beeinflußt. 
n  '1er   Physiologie,   1805.  —   Glaubo  und  Wissen,  1806.  — 
Ist  MistiMhMi   Welt,  1810.    —     Heb«  die  Grundlage,  Gliederung  und 


6ÖBBE8    —    G  RA  PEN  Gl  ESSER.  211 


Zeitenfolge    der    Weltgeschichte,     1830     —    Die    christliche    Mystik,    1836—42;     2    A. 
I  f.  —  Gesammelte  Schriften,   1854  —  74,   u.  a 

GÖNchel,  Karl  Friedrich,   geb.  1781  in  Langensalza,   L845  Präsident  des 

K-insi-tnriuni-    für    die    Provinz    Sachsen,    gCBt    lsoi;   in   Naumburg.      -    <i.  ist 
Begelianer,   gehört  zur  innersten   „Rechten'4  der   Hegelschen   Schule   (Chr 
lieher  Standpunkt). 

S    hriften:   Aphorismen  über  Nichtwissen   und  absolutes  Wissen   im  V  /um 

«Üichen  Glaubensbekenntnis,   1829.  —   Der  Monismus  des  Gedankens,    1893.  H 

und  seine  Zeit,  mit   Rücksicht  auf  Goethe,   1832.  —  Von  den  Beweisen   für  die   ("n«terb- 
lichkeit  der  menschlichen  Seele,   1835.    -    Beiträge  zur  spekulativen  Philosophie  \ 
dem   Menschen  und  dem  Gottmenschen,   lh 

Gtithal*  b.  Heinrich  von  Gent. 

Gottfried    ron    Fontain«  defredus  <!•■  Pontibus),    Lehrer  an  der 

Kanzler,  gest  mn  1290.  =  Anhinger  des  Thomas  von  Aquino, 
aber  sieht  in  der  Frage  der  Individuation.  die  ihm  mit  dem  Akt  der  Existenz 
selbst  identisch,  also  ursprünglicher  An  ist 

-    liriften:    (Juodlibeta  (vgl.  Haun'-au,   Philos.  scolastique  II). 

C^ottl.    Friedrich,    Edler   r.   Ottlilienfeld,   geb.   1868   in    Wim.    : 
Privatdozenl  in  Heidelberg,  1Ö02  Prof .  in  Brunn,  19  v  Prof.  an  der  Technischen 

Hochschule  in    München. 

I  >a-   „ideographische1'4  Verfahren    bedarf  der  Mitwirkung   „nomothetischer'4 
Erkenntnis   und  eines  Bteten  Bezuges  auf  innere  Zusammenhange,  einer  „idio- 
iphischeu  Reibenbildung".     I>a-  Typische  ist  nicht  nur  im  Gesetzlichen  ent- 
halten,  auch    in    der  idiographischeu  (mdividualisierenden]  Darstellung  kommt 
es  zum  Ausdruck.   Die  empirische  Wirklichkeit  Belber,  die  „Totalität  des  Erlebten" 
1    genstand  der  Geschichte.     Historii   ist  „Interpretation  von  Bein,  um 
jchehen   zu    erschlieflen".     Kosmogenie,    Entwicklungsgeschichte  n.  dgl. 
hören  sur  „Metahistorik".    I>i<-  Historii  erschließt  ein  Geschehen,  das  wir  rom 
Boden   d»T  logischen   Denkgesetze  aus  als   ein   „Geflechte  vernünftigen  Tuns*4 

hliefien.     Die  Grenzen   der  Geschichte  sind   zugleich  die  Grenzen  ansei 
Erkenntnis. 

Die  <ir»-;, um    der    Geschichte.   1904.    —    l  her    den   l  raprmg  dsi 
:906.    —    Ar.-hiv   für   Sozialwissenschaft   Bd.    18—  M,    L906,    B.   a. 

<*ot(*<-li<Ml.    Joh.    Christoph,    1700—1766,    der    bekannte    Dichtet    und 
Kritiker,  ist  als  Philosoph  Anhänger  Chr.  Wollt-. 

Schriften:     !.:-•      Qrül   l(     ist      ■  -:imten    Weltwei^heit,     17.".  I.     I      A.     L7I 

7.   A     IT'.1-',   u.   a. 

(iiaiii/oiv.  Ott  i  in  Greiffenberi     I1    ent  an   der   Humboldt- 

Akademie  in  Berlin.       Anhänget  von  EL.  Arenarias. 

1898.    —     Fr.    U 
l  190t.  ..'•,.  ter 

Philosophie  Mit   Kaat,   L90I   f..  u.  a. 

i- 1  .i|Miiy;l«»lJ<'i-.   OarL    =    Anhängei    ron   Fri  B   liriftsi     äs 

Kritik    der    n-inen    \  ernunft    u.    .;-•••:      I  Udang    durch     I     I 


(  r RA  SSM  WX   —   GREEF. 


<-i  aßninim.    Robert,    geb.  L815  in  Stettin,  gest.  1901  daselbst.   =   Die 

Philosophie  muß  auf  Erfahrung  und  Mathematik  basieren.    Die  Dinge  bestehen 

aus  „Körben"  (Atomen)    bezw.  , .Korbbällen"  (Molekülen).    Die  Metaphysik  ist 

Lehre  vom  „Weltleben"  in  dessen  atomistischer  Gliederung.     Jedes  Atom 

hat   eine    Atherhülle.     Die  Atome  selbst  bestehen  aus  unausgedehnten  Punkt- 

Die  Moleküle  sind   belebt.     Im  Mensehen   kommt   als  neu   das  Geist- 

hinzu.  welches  mit  seiner  Atherhülle  einen  „Geisteskorb"  bildet. 

3    brüten:     Die    Wis8enschaftslehre    oder    Philosophie,    1875.    —    D.    Weltleben, 

1881.  —   Einleitung  in  das  Gebäude  des  Wissens,   1882.    —   Das  Gebäude  des  Wissens, 

it.    —    Die   Logik   und   die    anderen    logischen  Wissenschaften,    1890.    —   Wesens- 

890.   —  Das  Menschenleben,   1900. 

Gratrr.  Auguste,  geb.  1805  in  Lille,  wurde  Artillerieleutnant,  dann 
Priester.  1863  Prof.  an  der  Sorbonne,  gest.  1872  in  Paris. 

G.  ist  ein  Gegner  des  „Hegelianismus"  (gegen  Vacherot,  Renan  u.a.)  und  tritt 
für  eine  christliche  Philosophie  ein,  welche  „induktiv"  (analog  der  Platonischen 
Dialektik  und  der  „Infinitesimal-Methode")  zum  Transzendenten,  Unendlichen 
aufsteigt  und  Gott  als  Gegenstand  innerer  Erfahrung  betrachtet.  Das  göttliche 
Wort  offenbart  sich  in  der  menschlichen  Vernunft;  Gott  ist  die  Quelle  unserer 
Freiheit,  unserer  Willenskraft  durch  die  Liebe.  Der  Körper  ist  ein  Abbild  der 
die  Seele   ein  Abbild  der  göttlichen  Natur.     Die  Seele  ist  zugleich  das 

ensprinzip. 

Schriften:  Etüde  sur  la  sophistique  contemporaine,  1851.  —  De  la  connaissatue 
■i  •  Dieu,  1855.  —  Logique,  1856.  —  De  la  connaissance  de  l'arae,  1857.  —  Philo- 
sophie du  Credo,  1861.  —  Les  sophistes  et  la  critique,  1864.  —  La  morale  et  la  loi 
d'hi-toire,  1868.  —  Über  d.  Erkenntnis  d.  Menschen,  deutsch  1859.  —  Vgl.  FLOEOKNER, 
Krit.  d.  Grundelem.   d.  G.schen  Systems,   1889. 

Qravesmnde,  Wilhelm  Jacob,  geb.  1688  in  Herzogenbusch,  Prof.  in 
I>f-.v,:  1742.  =  Anhänger  Lockes  und  Newtons. 

•ebriften:  Introductio  ad  philosophiara,  Logicam  et  Metaphysicam,   1736;    deutsch 
•  vrcs  philos.   et  mathematiques,   17  74. 

f-rcatliead,    Robert  (Grosseteste,  Capito),   geb.  in  Strodbrook,   Kanzler 

Bischof   von    Lincoln,   gest.  1253.    =    G.   vereinigt  Platonische  mit 

sehen  Lehren.    Die  Physik  beschäftigt  sich  mit  den  dem  Stoffe  bnma- 

1  Milien.    Stofflose  Formen  sind  Gott,  die  Seele,  die  ewigen  Ideen. 

riften:    An*zug    aus    den    acht  liüchern    des  Aristoteles:    Summa   in  octo  phv- 

telii  libros   1498,    1688.    —   Kommentare  zu   Pscudo-Dionysius  und   Aristo- 

G     V.    LbCHLER,   l:.  Orosseteste,  1867.    —    L.   BAUER,  Domin. 

•  ■ 

Grecf,  Emil  de,  Prof.  in  Brüssel        Bodeii  und  Bevölkerung  bilden  die 
baft.     Die  Wirtschaft  ist  das  soziale  Grundphänomen. 
keu  biologischer  Organismus,  sondern  (wie  nach  Fouille'e) 
Di<    Soziologie   ist   die  Wissenschaft  von  den  Be- 
ben zueinander. 

:  386  ;!       -    Lei  loii  tociologiqoM,    1893, 


t  rREBF   —   «  -HI  f  N 


lOob.  —  La   f-tructure   gent-rale   des    !■•■  :•■••«    1908.    —    & 

1Ö94.   —  Le  traiisfcirraisme  social,   189.0.   —  La   sociologie  famoaüqoe,    1904,  u.  a. 

Green,    Thomas   Hill,   geb.    7.    April   1836   in    Hirkin   (Yorkahire),    l'i      1/ 
in  Oxford,  gast  26.  .Mar/  18 

G.  ist  der  Haupt? ertreter  des  englischen  kritischen  Idealismus,  der 
von  Kant,  Fichte  und  Hegel  beeinflußt  ist.    Das  Wirkliche        der  Inbegriff 

Tatsachen  —  besteht  in  emem  System  von  Relationen  für  ein  Bewußt- 
sein, als  eine  gesetzlich  verknüpfte  Summe  möglicher,  zusammenhängender 
Erfahrungen,  im  Unterschiede   von  den   Bubjektiy-mdividueUen  E  •  n. 

«reiche   vielmehr   von   diesem  objektiven  System   selbst    abhäi  id.    Dies 

I"rfahrung8sy6tem    ist    aber    auch    kein    Ding   an    sich,    sondern    Inhalt 
universalen,  über  Kaum  und  Zeil    erhabeneil]   uberindividuellen  Bewußt- 
Beins,   im   Unterschiede    vom    empirischen    Bewußtsein,   in  dem   es    zur   reit- 
lichen  Entfaltung   gelangt.     Die    Einheit,   die    all«-    Erfahrungsrelationen    um- 
faßt (Kants   „transzendentale  Apperzeption",    Pichtee   „absolutes  Ich1     Heg 
„Idee"),    ist  da-   unendliche,    absolute  Subjekt,    das   ewige,    reine    8<  I    - 
Im- wußtsein,   da-   seitlose   synthetische  Einheitsprinzip,    welches  sich   in   den 
Individuen  manifestiert.     Das  seitlose,   intelligible  Bewußtsein    liegt   allt-m  cu- 
gi  inde  und  in  ihm  Bind  die  Relationen  der  Dinge  ewig  beschlossen.    „We  must 
hold,  that   ther  oneciousness  for  which  the  relations  ol  Eact,   that  forme 

the   object  of  our  gradually   attained  knowledge,   already  and  eternallj  ea 

and    that    the   growing    in   knowledge    of    the    individnal    i-    ;i    Di  tOWaids 

rliis  consciousne-- ••  Das  menschliche  Erkennen  i-t  also  nur  eine  annähernde 
Urproduktion  der  absoluten,  unendlichen  Erkenntnis  dei  göttlichen  Welt- 
\.  nmnft,  die  zugleich  freier  Will«-  und  Liebe  ist 

Die  Seele  i-t  ein  unterscheidendes  und    synthetisches  Prinzip   und  im  als 
Modifikation  des  absoluten  Denkens  unsterblich.    Kaum  und  Zeit  sind  ideell, 
zugleich  aber  synthetische  Relationen  der  Dinge  selbst,  die  ja  nur  in  Beziehu 
eu    einem  Subjekt    existieren.     Die  Kategorien  sind  Bedingungen  des  objek- 
tiven Erfahniiiur-/n-aiiirneiihanL:e-.  notwendige  Relationen.     Aber  al-   IfodttS  des 

•luten  Bewußtseins  i-i  der  llenach  nicht  der  Kau-alitat  unterworfen,  sondern 
eine  freie  Ursache  ause),  d.h.  eine  sich  selbst  bestimmende,  selbst  inoti- 

ende  Aktivität.     Das  Motiv   bestimmt   notwendig  da-    Bandeln,    wird  al 
selbst  durch  einen  ..aet  ..t  self-consciousn<  baffen,  wie  aueb  das  Subjekt 

selbst  seinen  < 'harakter  trei  zu  dem  bestimmt,  ab  was  er  <  recheint  Gutist         -  in 
Beziehung  zum  Begehren,  und   /.war  i-t   da-  wahrhaft  «inte  für  alle  Menschen 
Sittlich  gut  i-t  dasjenige,  worin  da-  leb  -ein  wahr--  Wesen  möglichst 
volikommen  rerwirkheht;    Endzweck  des  sittlichen  Willen-  i-t  ein  Leben  nach 

Vernunft,    möglichst    Annäherung    an   da-   rem.,    göttlich«    s 
Vollkommenheit  wir  niemal-  erreichen,  der  wir  aber  immer  nachstrebi 

Schriftcii:     lntr.xlu.  ti<.  UJUBs'l    PhÜM.  •  — 

l'iulegomena  I«  l.'i.i. -.    LSI        I.  «d. 

•acal  ObHgstum,    1896.    —    Vgl.    FaJBBBOTHJ  SS», 

I.   —  A.  <ii:ii  vi.  Dm  .  ip  ir,  sei    I  i    EL  Qreeai  — 

1     Jamkp,  T.  H.  ts  m  d 


(  Jregoe  —  Groiimaxn. 


(■im'üoi'  von  Ariniinum  s.  (J.  von  Kimini. 

Grejjor  von  Nazi  an  z,  geb.  um  330  n.  Chr.,  gest.  390,  Freund  Basilius' 

-  Großen,  Schüler  oV>  Athnnasius.  =  Tri  ni  tut  sichre. 

K.  Iii.maxn,  G.  t.  N.,  1825. 

Gregor  von  Nyssa,    geb.  331  in  Caesarea  (Kappadokien),    ein   Bruder 

-  Basilius,  Beil  372  Bischof  von  Xyssa,  gest.  394. 

<;..  der  von  Origenes  beeinflußt  ist,  von  dem  er  u.  a.  dadurch  abweicht, 
daß  er  keine  Präexistenz  der  Seele  kennt,  sucht  die  Dogmen  der  christlichen 
Kirche  vernunftgemäß  zu  begründen    und   zur   Einheit  zu  verknüpfen.     Gott 

ach  ihm  das  einheitliche  Wesen,  welches  in  drei  Personen  (Hypostasen) 
sich  darstellt  Die  zweite  Person,  der  Logos,  ist  ewiges  Leben,  dem  Willens- 
uml  Schöpferkraft  zukommt.  Vermittelst  der  ocxpoi  re  xal  zeyvixol  Xoyoi,  der 
Vernunftkrafte,  durchdringt  Gott  alles.  Die  Welt  hat  Gott  durch  seine  Ver- 
nunft geschaffen  und  den  Menschen  aus  Liebe  als  Ebenbild  Gottes,  mit 
Willensfreiheit   begabt,   wobei   Gott  wußte  und  weiß,  wie  der  Mensch  sich 

beiden  wird.  Nur  das  sittlich  Böse  ist  ein  Übel,  ein  Produkt  des  Ab- 
talls, zugelassen  um  der  Freiheit  willen.  Schließlich  aber  werden  alle  gerettet 
werden,  es  wird  eine  allgemeine  Wiederbringung  (djroxardotaotg)  aller 
Dinge  und  deren  Vereinigung  mit  Gott  erfolgen.  Die  Materie  besteht  aus 
immateriellen  Qualitäten.  Die  Seele  ist  eine  immaterielle,  einfache  Substanz 
y.'u  uovröeroz  qwoig),  sie  ist  ganz  in  ihrem  Leibe,  mit  dem  sie  zugleich 
geschaffen    ist.    den   sie  durchdringt  und  der  in  ihr  ist.     Bei  der  Auferstehung 

:n-t   h.'  -ich  wieder  mit  ihrem  Leibe. 

Schriften:  Aoyog  y.artjyjjrixog  6  [xkyag.  IJeqi  tpvyfjg  xai  dvaozdoecog  (deutsch: 
l'ner  die  Seele  und  Auferstehung,  1864),  u.  a.  —  Opera,  1615,  1865.  —  Deutsche  Aus- 
wahl in  (Dehlers  Bibliothek  der  Kirchenväter  I,  1-4,  1858—59.  —  Vgl.  J.  RlTPP, 
G.8  des  Bischof-,  von  Xyssa  Leben  und  Meinungen,  1834.  —  STIGLER,  Die  Psycho- 
i"_'ie  dee  heil.  (i.  von  Xyssa,  1857.  —  W.  MEYER,  Die  Gotteslehre  des  G.  v.  X., 
I      l'KKGER,  Die  Grundlagen  der  Ethik  des  G.  v.  X.,  1897. 

Gregor  von   Bimini  (Ariminensis),  Augustinermönch,  hielt  Vorlesungen 
Park  Ordensgeneral   in  Bimini,  gest.   1358.  =  Von  Augustinus  und 

beeinflußt. 

i»  ritten:    Lectura  jtrimi   libri   sontentiarurn,    1482.    —    In    seeundum    librum   sen- 
irora,  1494,  u.  a. 

Qrcgorl—  l'ahtnius.  um  L'350,  Metropolit  von  Thessalonichi. 

ritten:   TlQOOWJlOJioita,    L558,    1884.      (Erörterungen    über  Seele    und    Leib). 

Qrtopenkerl,  Friedrich  Konrad,    ^<1>.   1782  in   Peine,  Gymnasiallehrer 
-t.  1849.    -  Herbartianer. 

■  i    des  Logik,  1  828 ;  2.  A.  1831. —Lehrbuch  der  Ästhetik,  1827. 

Grimm,  Eduard,  geb.  1848,  Pastor  in  Hamburg.  —  Schriften:  Dcscartcs' 

l' Leen,    1873.  —  A.  Qenlincx'  Erkenntnistheorie,  1875.  —  Zur 
ras,  1890.  —  Theorie  d.  Keligion,  1908,  u.  a. 

f»roimiuim.  i  bristian,  geb.    1770  in  Groß-Corbetha,    Professor  in 


Ml  MANN     —    GBOT. 


Wittenberg  und  Hamb  mnasium),  gest  1817  in    Dresden.  =  Vron    Kant 

iflußt.    Begründer  der  Kindespsycholof 

Schriften:  Ideen  zu  einer  physiognomischen  Anthropologie,  1791.  —  Über  das 
Verhältnis  der  Theorie  zur  Praxis,  1 7 i •  .0 .  —  Neue  Beiträge  zur  kritischen  Philosophie, 
179G,  1798.  —  Über  das  Verhältnis  der  Kantschen  Kritik  zur  Herderschen  Metakritik, 
1802.  —  Psychologie  des  kindliehen   Alters,   181 1'.   u.   a. 

diroos,  Karl.  geb.  1861  in  Heid*  Prof.  in  Basel  and  Gießen. 

G.  behandelt  die  Ästhetik  auf  psychologischer  und  biologisch-evolutionistischer 
Grandlage.    Der  ästhetische   Genuß   i>t  ein    „spielendes  Bensorisches  Erleben", 

edelste  Spiel  des  Menschen.  Das  Zentrum  des  ästhetischen  Genießens 
ist  das  „innerliche  Miterleben",  die  ..iimtr.-  Nachahmung".  l>i«1  ästhetische  An- 
Bchannng  ist  eine  „innere  Nachahmung  ußerlich  Gegebenen,  dorch  «reiche 

Bich  das  Bewußtsein  das  innere  Kid,  den  ästhetischen  Schein,  erzeugt  und  in  der 
Erzeugung  dieses  Scheins  Bpielend  verweilt".  Die  „monarchische  Einrichtung"  des 
Bewußtseins  beeinflußt  die  künstlerische  Darstellung.  Das  allgemeinste  Motiv 
dieser  entspringl  dem  „BdÄtigungsdrang,  der  «las  Spiel  in  Beinen  verschiedenen 
Formen  hervorruft".  Neben  dem  Prinzip  der  „Selbstdarstellung*'  Bind  das 
Prinzip  der  „ßchöngestaltung"  und  das  der  „Nachahmung"  wirksam.  D 
psychologische  Ästhetiker  kann  normativ  verfahren,  indem  er  Wertentscheidungen, 
\.)ii  deren  Richtigkeit  er  überzeugt  ist.  all  anbedingt  geltend  annimmt  and 
(hypothetisch)  andere  Wertentscheidungen  davon  ableitet.  (Die  Philos.  im 
Beginne  des  30.  Jahrhand.  I.  145.  l>n~  Spiel  ist  am  Beiner  Belbsl  willen 
lustvoll,  es  entspringt  angeborenen  Trieben,  Bedürfnissen  und  bat  biologische 
Bedeutung.  Be  ist  ein  „Ergebnis  der  natürlichen  Auslese",  dient  zur 
Schwächung  der  ererbten  Instinkte  und  zur  Entwicklung  der  Intelligenz,  zur 
Übung  für  den  Lebenskampf.  Bb  ist  eine  „Einübung  unfertiger  Anlagen",  eine 
„Vorübtu 

:i  :    Die   reine    \  ernunt't  llt,     1889.   —     Kinleitung   in   <lie     \ 

Di«   Spiele  der    Tiere,   1896;  2.   A.    1907.  —    Dil     3  'los   Manschen,   1- 

—  Dm  be  Qeauß,   L901  Die  Ajnfiage  der  Kunst.    —    1        9    ■'.enleben 

Kit  .  B.  —  Di  mgta  dei  1909,  a,  a 

(>KM)(  -   ( Irotius. 

(■roppali.  Aleasandro,  geb.  1SM  in  Cremona,  Prof.  in  Modena.  = 
Von  Ardigo  beeinflußter  Sozioi 

triften:  di  sociologia,    1899.   —   Filosofia  del   diritt«»,    Ifl 

GrON   -.    1  »nrand. 

Qfiie!    Bi  in  Stendal,   teb1  in  Tokio.         i  th 

kulturgeschichtliche  Ableitung  der  K'un-i. 

Behril  ■*  I  nerkeaabaren,   l  B90.  —   '' 

-  Kaaeti  be   Btad  0.  —  I>.   Pormea   <l     raasilie  u.   d.  R 

C^rot.    Nikolaus    VOn,    18t  •.    IW.    in    Odessa,    dann     ■       V 

Physische  und  psychische  I  und  nach  G.  ineinander  ui 

eine  Erhaltung  psychisch«  r  Energi  I  Hl   eine    I 

chischen   Kreisläufe*"    auf.     Dieser    Kreislauf    «in  M 


Orot  —  Gruppe. 

glichkeil    (Empfindung    und   Vorstellung),    subjektive   Empfänglichkeit 

ihl),    subjektive  Tätigkeit    (Stieben),    objektive   Tätigkeit   (Bewegung).     Im 
All  tonnt  der  Wille  die  Materie  und  strebt,  sie  zu  unterdrüeken. 

riften:  Psychologie  der  Gefühle,  1880.  —  Über  die  Seele,  1886.  —  Archiv  für 
l'hüosophie  IV,  1898.  (Der  Begriff  der  Seele  und  der  psychischen  Energie.) 

Grote,  I        -      1701—1871.  —  Der   bekannte  Historiker   ist  als  Ethiker 
l'tilitarist. 

i.rifteu:  Fragments  on  Ethical  Subjects,   1876.  —  Minor  Works,  1874. 

Groteiifelt.  Arvid,  geb.  1863  in  Helsingfors,  Prof.  daselbst.  =  Es  gibt 

relative  Weltmaßstäbe  in  der  Geschiehte.    Ohne  Rücksicht  auf  die  allgemeinen 

ss     ist  die  Erforschung  des  Einmaligen  nicht  möglich.     „Wir  fixieren 

das   Individuelle  dureh  Zusammenstellung  von  Vorstellungen,   die  jede  für  sich 

etwas  Allgenieines  bedeuten. " 

S(  hriften:  Das  Webeische  Gesetz,  1888.  —  Die  Wertschätzung  in  der  Geschichte, 

;    —  Geschichtliche  Weltmaßstäbe,  1905,  u.  a. 

(■rotiii*».  Hugo  (Huig  de  Groot),    geb.    1583   in   Delft,    Generaladvokat, 
ied  der  Generalstaaten,  lebte  zehn  Jahre  in  Paris,  wurde  dann  schwedischer 
.mit  er  am  französischen  Hofe,  gest.  1645  auf  der  Reise  (in  Rostock). 
G.,  der  von  der  Stoa,   Bodin   u.  a.   beeinflußt    ist,    ist   der   eigentliche    Be- 
gründer   der    Völkerrechts-Theorie    und    des   neueren    Naturrechts. 
Y<»n  ..ins  divinum",  welches  auf  den  Geboten  des  alten  und  neuen  Testaments 
beruht,  ist  «las   ,,ius  humanuni"    zu  unterscheiden.     Dieses  ist  „naturale"  („ius 
naturae")   oder  .,voluntariuru"    („ius  civile",    „ius  gentium").     Das   Naturrecht 
beruht  letzten  Endes  auf  dem  göttlichen  Willen,  würde  aber  auch  ohne  diesen 
gelten  und  kann  selbst  von  Gott  nicht  geändert  werden,   es  ist  unveränderlich. 
Es    liegt    unmittelbar  in   der  zur  Geselligkeit   treibenden   menschlichen    Natur, 
i  Vernunft  angemessen  und  die  Bedingung  der  Erhaltung  der  menschlichen 
Ischaft     Die  Menschen  haben  einen   „appetitus  societatis".     Das  positive 
..in-  voluntarium")  ist  eine  Anwendung  des  Naturrechts  im  Staate,  der 
dnreb  Vertrag  entsteht,  „iuris  fruendi  et  communis  utilitatis  causa". 

riften:  Mare  liberum,  1609  (Für  die  Freiheit  des  Handels).  —  De  veritate 
>oii  -hriHtianae,  1619.  —  De  iure  belli  et  pacis,  1625;  deutsch  1869  (Philos. 
:   Hauptwerk).  —  Kommentar  dazu  von  den  beiden  Cocceji,  1751.  —  Vgl.  H.  LUDEN, 

Qrabbe,  Samuel,  1786—1853,  Prof.  in  Upsala.  =  Von  Biberg  beeinflußter 
Vertri  spekulativ«]  Theismus,   der  die   Sittlichkeit  auf  den   göttlichen 

Wüten  zurückfuhrt    Die  endlichen  Geister  sind  ewige  Gedanken  Gottes.   Raum 
l       -in*l  nur  subjektiv. 

e   Arbeiten   über  Ethik,    Phänomenologie,    Itechtsphilosophic, 

ÖHUi,  Anhänger  Feuerbachs.  —   Schriften:  L.  Feuerbach,  1874. 

:ll,    1876. 

c"ri,l>l><-.  ■    L80d  in  Danzig,   Prot.,  Sekretär  der  Akademie  der 

7').   =    <;.    iri    ein    Gegner    aller    metaphysischen 


i-;;;,  )>vv  —  0ÜNTH1  B 


-  ekulation  und  tritt  für  den    Empirismus  and  Relativismus  ein.     1»      I 

i  schon  Niederschlage  ron   '  rteilen,  mit   denen   Bie  -i<-h   weiter  entwickeln. 

-    hriften:    Antueus,    1831.     —    Der    Wendepunkt    dar    Philosophie    im    19.     ; 
hundert,  1834.         Gegaawart  '      inft  der  Philosophie  is  DsatseJüaad,   1864. 

iiina^tella.  Cosmo,  in   Miailmeri,   Prof.  in  Palermo.  ist 

Empirist  und  Phänomenalist:  uur  betreffs  der  Ahnlichkeits-  und  Verschieden- 
heitsrelationen gibt  i  ische  I  Irteile. 

9    hriftei  ria  della  conoscenza,    1905]   a.  a. 

(■iimplow  icz.  Ludwij  -  in  Krakau,  Prol  in  Graz,  gest.   . 

<;~  Soziologie  ist  naturalistisch,  auf  den  Begriff  des     Rassenkampl 
stützt     Die  So  •    -      ou  den  sozialen  Gruppen,  ihrem  •_ 

_•  :.  Verhalten  und  ihren  dadurch  bedingten  Schicksalen".  I>i«-  Gruppe  ist 
das  soziale  Element,  <la-  Individuum  nur  ein  „passives  Atom"  in  der  Gruppe. 
I  •:-  Boziale  Tätigkeit  ist  .,8elbsterhaltung  der  Gruppe,  'li-1  Mehrung  ihrer 
Macht,  Begründung  und  Kräftigung  ihrer  Eferrschaft   oder  *  l« »« -  li   ihrer  sozialen 

-  llung  in  Staat  und  Gesellschaft  zum  Zwecke  hat--.  Der  „Kassenkampf" 
bat  folgend  '  de;-  inächtigere  ethnische  oder  soziale  Element  strebt 
danach,  das  in  seinem  Machtbereich  befindliche  «><1»t  dahin  gelangende  schwächere 
Element  seinen  Zwecken  dienstbar  eu  machen."  I>;i-  Recht  ist  eine  Resultante 
ron    Machtfaktoren,    dei    £  tat    eine   Machtorganisation,    eine    „naturwüchf 

ganisation  der  Herrschaft  behufs  Aufrechterhaltung  einer  bestimmten  Rechts- 
ordnung" (Allg< 

Anhänge]  G.s  sind  Ratzenhof  er,  8a  vorgn  an,  teilweise  aueb  F.  <  tppen- 
,u« -r.    Ähnlich  lehren  nun  ! «  ü  L.  v.  Haller,  Cattaneo,  Sietzsche  u.  a. 
B    hriftes:  Der  Rasssakarapf,    J8«:j-,  •_'.  .\.    1908.    —    Qraadafige  der  Soaioloj 
1885;    -    A     1905.  --   Di«   -  ^taatsidee,   1899;   9.   A     1909.   —   B 

Staatstheoriaat,   1906.     -  gi«  im   (Jmrifi,    1910. 

(■initli^al vi     Uun<   -   -      Domin icus,    lebte    im    12.  Jahrb.,    Archi- 

diakonus  \  <  »i i  Segovia,  Übersetzer  des  AriHtoteles  aus  dem  Arabischen.    Piatoni- 
ender  Aristoteliker.    Alle«   Seiende  il    ans    Form    und    Materie,   wo 

die  Einheit  begründet.     D     Seele  ist  unkörperlich  und  unsterblich. 
3    arifti   i     l  '•■    taitaU  et  oao,  -  b.  il    Philoa.  d.  Mir- 

.kci.    Bd.    1.    1,    1-  uima,  \\i  Ds   imortsl.  inis 

1891      -    De  difiaioM  phi  .  —  Vgl    BaeuMKKR,   D.O., 

CiiiikI I in^,.    Nicolau»    H  mus,  1 ' > 7 1     172  in   Halle.  =  Von 

Tbomasius  beeinflußt,  unterscheidet  schart  zwischen   Recht  und  Moral. 

B    hriftsa:  Jus  natura?  iura,  1 7 1  I,  -  Via  ad  reritatem  raon 

I 

(«iiiitlirr.    knton,  ■_■  i  in    Lindenau     Böhmen     studierte  in    Ra 

wurde  1820  Weltpi  in  Wien.     I85i    arurden   §ein<    Lehren    von 
Kirche  verdammt 

bekämpft  den  Pan  b<  S  :.-             uiul    Hobeln,   i*i    aber  doch  ron 

nflußt  und  vers  II            lialektische*  Prinzip  in  m                    l 

irüekgreifiMiili'ii  Dualismus  hinein.    Dir  Philosophie  kann  zv 


GÜNTHER. 

nicht  das  „Wie"  des  Weltgeschehens  erklären,  aber  das  „Warum''  von  allem, 
auch  der  Mysterien,  muß  sie  zu  ergründen  trachten.  Der  Glaube  muß  sich 
um  Wissen  erheben.  Gott  steht  über  der  Welt  und  ist  persönlich.  Er  denkt 
sich  selbst,  unterscheidet  sich  von  sich  und  verbindet  seine  Gegensätze  zur 
Einheit  des  gottlichen  Selbstbewußtseins.  Der  absolute  Prozeß  des  göttlichen 
qs  vollzieht  sich  in  drei  realen  Momenten,  die  untrennbar  zusammenhängen. 
Der  militärische  Prozeß  der  Objektsubjektivierung  ist  ein  Selbstwerdungsprozeß. 
<;..u  ist  auch  die  absolute  Liebe  der  drei  Personen  zueinander.  Mit  Weglassung 
alles  ländlichen  sind  die  Geisteskategorien  auch  auf  Gott  zu  übertragen.  Ohne 
dir  Weltidee  kommt  die  persönliche  Gottesidee  nicht  zustande.  Die  Welt  hat 
Gut  als  seine  ..Kontraposition"  geschaffen.  Das  Ich  kann  sich  nicht  selbst 
denken,  ohne  Gott  als  das  Unbedingte  mitzudenken.  Ebenso  muß  das  Ich, 
-  sich  als  das  Prinzip  seiner  Tätigkeit  erfaßt,  auch  die  anderen  Dinge  auf 
ein  reales  Prinzip  zurückführen,  auf  die  Natur.  Diese  ist  das  ,,Eine  in  Vielen'', 
das  Realallgemeine,  die  Substanz  der  Dinge. 

Die    Natur   entfaltet   und   verinnerlicht   sich   immer   mehr  bis   zur  Seele 
(Psych   .  welche  sowohl   Lebensprinzip,    als  Prinzip  des  Empfindens,   Strebens, 
iederen  Urteilens  usw.  ist.   Das  Naturprinzip  ist  als  Lebensprinzip  seelisch; 
nachdem  es  im  materiellen  Bilden  die  äußerste  Grenze  erreicht  hat,   gelangt  es 
vermittelst  der  organischen   Individuen   zum   Vorstellen,  zum  Bewußtsein  (aber 
ohne  Selbstbewußtsein).     Die  lebendige  Natur  ist  nicht   bloßes  Objekt,  sondern 
auch  Subjekt  für  sich.     Den  Gegensatz  zur  Natur   (samt  der  Seele)   bildet  erst 
der  immaterielle  Geist,  der  Träger  des  Selbstbewußtseins,  des  aktiven  Denkens 
und  Wollens,    im   Unterschiede   von    der   Seele,    die   nur   das    organisierte    und 
subjektivierte  Xaturprinzip  ist.     Geist   und    beseelter  Leib   stehen   in   Wechsel- 
wirkung.     Da-    ..^listige"    Denken    und    Wollen    wirkt    auf   das    „psychische" 
Denken  und  Wollen   (und  umgekehrt)   ein.     Die   Materie   ist  nur   ,,eine   Er- 
oung  des  Naturprinzips",  kein  selbständiges  Sein  neben  dem  Geiste. 
Das    Denken    der    bloßen    Naturwesen   (Tiere)   ist  ohne  Bewußtsein.     Beim 
sehen  i-t  die  Existenz  des  Ichs   die  unbezweifelbare  Tatsache  des   Selbst- 
bewußtsein8,  in  welchem  sich  das  Subjekt   als   Identisches,   als  reales   Sein,  als 
tanz,  als  kausales  Prinzip  auffaßt.    Das  „cogito  ergo  sum"  ist   ein  „onto- 
der    ..ideeller"    oder    „Vernunftschluß".      Das    Bewußtwerden    des 
ein    Wissensprozeß.     Das   Drrecht   des  Geistes  ist   es,   alle  Objekte 
-  Wissens  dem  Gesetze   seines  Erkennen s   zu   unterwerfen.     In   sich  selbst 
findet  er  (|i.    i  und   Formen   seines  Erkennens.    Aus  dem   Selbstbewußt- 

em sind  die  Kategorien  zu  entwickeln  und   auf  die  Objekte  zu  übertragen, 
om  unbestimmten  Sein  angefangen.     Auch  Kanin  und  Zeit  sind  Kategorien. 
I      men,  zuerst  Lebensformen  im  Geiste  (Nach-  und  Nebeneinander 
I  b      dann    Formen  jedes   geschöpflichen    Seins.    Die  Wurzel- 
Relation  treibt  drei  Stämme:   die  Stammkategorien  der  Substanz, 
und   de-    Zweckes.      Die    Kategorien    sind   (subjektiv)  apriorische 
-     bstbewußtseins,     Bedingungen     desselben;    zugleich     haben    sie 

•■   Geltung.     Di*'  Kategorien  sind  „das  reflektierte  Belbst- 
ich  an-  dem  Priusdes  reinen  Geisteslebens.     Die 


Gl  n  mi:i:    —  (irvAi.  219 


Grundideen  Bind  Geist,  Natur,  Mensch  und  Gott  Der  höhere  subjektive  Zweck 
des  Geeistes  liegt  in  der  praktischen  Verwirklichung  der  eigenen  Idee,  der  höchste 
objektive  Zweck  in  der  Vereinigung  mit  Gott 

intheriancf  -in«!  J.  H.  Pabst,  C.  von  Hock,  E.  Melzer,  J,  Herten, 
P.  Knoodt,  Veith,  V.  Knauer,  Elvenich,  Th.  Weber,  Löwe,  Kau- 
lich, Volkmuth,  Kreuzhage,  I.  \.  Bchmid  u.  a.  Gegner  Gj  -in<l 
11  schinger,  I".  J.  Clemens,  Fr.  Michelis  u.  a. 

9    liriftcn   i  teils  bizarr  und   satirisch  gehalten):     Vorschule   zur   spekulativen     1  I 
logic  des  positiven  Christentums,   1828;    2.  A.   1846 — 48.   —   Süd-    und    Nordlichter    am 
Horizonte   spekulativer    Theologie,    1832.   —  Janusköpfe,    1884.    —    Thomas  ;t  Knipn 

").   —   Die    Juste-milieus    in    der    deutschen     Philosophie,     1838.    —     Em  und 

Herakles,    1843.    —    Antisavaresc,    hrag.    von    P.    Knoodt,     1883,   u.    a.    —  Gesammelte 

nften,    1881,  —  Lydia,    1849—54   (Zeitschrift).     -    Vgl.    1'.    KNOODT,    A.   0.,    18 
und  Anhang   zu   .,Anti-Savarese".    —    E.    MELZER,   Erkenntnistheoret.   Erörterungen    ftbex 
die  Systeme  von   Ulrici   d.  Günther,    1886.  —  OlSCHINGER,    Die    GKnche  Philos ,    18 

Gntberlckt,  Oonstantin,  geb.  1837  in  Geismar,  Prof.  in  Fulda.  —  Katho- 
lisch-scholastischer Standpunkt.  Dualistische  Auffassung  von  Geist  und  Körper, 
Natur  and  Gott,  Ableitung  der  Sittlichkeil  aus  dem  göttlichen  Willen  usw. 
Die  Seele  ist  eine  immaterielle  Substanz.  „Daß  wir  für  die  ganz  eigentümlichen 
l  tigkeiten  der  Seele  auch  ein  entsprechendes  Sein  setzen,  i-t  eine  Forder 
der  Vernunft."  Gegenüber  dem  naturalistischen  Monismus,  dem  Darwinis- 
nsw.  besteht  die  teleologische  Weltanschauung  zu  Recht 

-  briften:    Lehrbach    der    Philosophie    1*78  tt  :         \     1900  ff.,   4.     \ 

ik  u.  Erkenntnistheorie,    Metaphysik,    Naturphilosophie,    Bthik).  — 
.■tz    von  der  Hrlialtung  der  Kraft,  1882.  —   Ethik  und  Religion,  1898.         Die  V, 
i.eit  und  ilire  Gegner,  1898.  —  Der   mechanische    Ifonismns,    1*9:5.  ■—  Der 
—  Der   Kampf  um  die  Seele,   1898,    2.   A.    1908.    —    Pej 

—  Vernunft  a.  Wunder,   1905.         Der  Kosmoo,   r."1*.  a.  e. 

(«iiiihi.  Carl,  geb.  1848  in  Beichenstein,  Prof.  in  München,        Kantscher 

-  indpunkt  dfii    1  '-\  «h<  -I. »_:  i-ni  ii-. 

-  !:::•■        l»    i      tei    i  •    eiteglaabe,   1890        Wiesen  und  Glaaben,  I    A. 
i.  -    Psycho!    ii.  Philo«.,   1898.         L    Okeu,   1884,  o.  a. 

(»iiyau.  Jean  Marie,  1854     L888,  Sti<  fsohn  Fouill6es  und  Schüler  desselben. 

<;.    i-t    der    b  Verkünder    eil  »lutionistischeo    Welt- 

anschauung, die  (bei  aller  Entfernung   \<>m  bloßen  Individualismus)  durch  ihre 
Betonung   des  Lebens   und   dessen  Wertes   an    Nietzsche  erinnert.    Kraft 
Leben,  der  Lebenstrieb  ist  der  Kern  alles  Seins,  «-in   universaler   I 
besteht.    Je  intensiver  das  Leben,  desto  expansiver  Ist    es  zugleich.     Leben 
„eine  Art  auf  sich  selbi  cte  Schwerkraft".    Es  strebt  nach  möglichster  Ent- 

faltung, denn  Leben  ,,heifit  ebensosehr  ausgi  ben  wie  ein  nehmen".    Der  Indivi- 
dualismus selbst  fördert  and  bedingt  also  den  BoUdarismua,  da«  Leben  auch  füi 
andere  die  Hingabe  an  <la^  universale  Leben  aus  Kraftüberschufl     Dai  Wachs 
tum  der  Solidarität    ist   «In  tsamc    Prinzip   von    Sittlichkeit     l: 

und  Kunst      I»      Entwicklung    geht    aut    immer   umfassendei      S  und 


Guyau  —  Haacke. 


-     darität;    im    Kaum    und    in   der    Zeit  wird    immer   mehr    alles  Seiende    zur 
idarischen  Einheit  des  Universums  verknüpft. 
Die  Ethik  bedarf  keiner  kategorischen  Imperative,  keines  Zwanges,  keiner 
äußeren  Verpflichtung.     l>ie  Sittlichkeil  entspringt  vielmehr  dem  Lebensdrange 
st     Pflicht  leitet  sich  aus   Kraft   ab,  die  notwendig   zur  Tat  drängt.     Das 
ii  gibt  sich  selbst  das  Gesetz  durch   den  Drang,  sich   unausgesetzt  zu  ent- 
falten.    „Ich   soll,    weil    ich    kann."     „So  lebt   in    unserem    Handeln,    unserem 
Denken,  unserem  Fühlen  ein  Drang,  der  sich   in  altruistischem  Sinne  betätigt, 
eine  Expansionskraft,  die  ebenso  mächtig   ist    wie   die  Kraft,  die  den   Sternen 
ihre    Bahnen    vorsehreibt,    und    diese   Expausionskraft    gibt    sich   den    Namen 
Pflichtj   sobald  sie  ihrer  selbst  bewußt  geworden  ist."    Es  besteht   eine  sitt- 
liche „Anomie",  welche  Autonomie  ist,  ferner  eine  soziale  „Synergie". 

In   der  Kunst   erreicht  das  Leben   sein  Maximum  an   Intensität  und  Ex- 
pansion.   Durch  die  Kunst  wird  die  Solidarität  und  Sympathie  erweckt  und  ge- 
n.    ihr    Ziel    ist    die    Hervorbringung    einer    „emotion   esthetique    d'un 
caractere  Bociai",   und  „d'agrandir  la  vie  individuelle  en  la  faisant  se  confondre 
M ne  vie  plus  large  et  universelle".    Die  Religion  definiert  G.  als  „Soziabilität, 
die   den    Menschen    nicht   nur   mit  allen    ihm    erfahrungsgemäß  als  lebend  be- 
kannten Wesen  verbindet,  sondern  auch  Geistesgebilde,  mit  denen  der  religiöse 
Sinn  die   Welt  bevölkert  hat,  in  diesen  Kreis  zieht".     Religion   ist  „universeller 
Soziomorphismus",    eine    „soziologische    Welterklärung    in    mythischer   Form". 
Die   .Jrreligion"    (Areligion)    ist    nicht   Antireligion,    sondern   nur   Verneinung 
Dogmas,   aller  Offenbarung,  aller  Wunder,  alles  Mythus  und  Ritus.     Sie 
i-t    religiöse    Unabhängigkeit    oder   Anomie,   religiöser  Individualismus.    In  ihr 
wird  sieh  das  Wertvolle  der  Religion  erhalten:  „der  Zusammenschluß   auf  dem 
ete  intellektueller,  ethischer  und  ästhetischer  Bestrebungen,  die  Solidarität 
dem  All-Leben." 

-    )i  ritten:  La    raorale    d'Epicure,    1878;    3.    ed.    1886.   —   La   morale    Anglaise 

OQBteaporaiae,   1870;  6.  ed.   1902.  —  Vers  d'un  philosophe,  1888;  deutsch  1910.  —  Les 

probKmes  de  l'estheticiue  conteraporaine,    1884;    G.  ed.   1901.  —  Esquisse    d'une    morale 

*aiiB    obligatio*    ni    eanction,    1885;    5.    ed.    1903;    deutsch:    Sittlichkeit    ohne   „Pflicht", 

M.-M2iolog.  Bücherei,  in  der  auch  noch  andere  Werke  G.s  deutsch  erscheinen 

—   L'irreligion   de  l'avenir,   1887;   7.  ed.   1904;  deutsch   1910.  —  L'art  au  point 

"logique,  1889;   .0.   6d.    1901.  —  Education   et  heredite,  1889;  5.  ed.  1900.  — 

'Je  l'idee  de  temps,   1890;  2.  ed.   1898.  —  Vgl.  FOUILLEE,  La  morale,  l'art 

od   d'apre*  G.;   1889.   —    E.   ÜAELEBACH,  G.s    metaphysische    Anschauungen, 

—    WlLLKNBÜCHEB,   <> .i  »oziolog.   Ästhetik  I,   1900. 

Gyatraw,   E.,  Pseudonym  für  Helipach. 


II. 

Haacke,  Wilhelm,  geb.  1855  in  Clenze,  Leb!  in  Ottemdorf. 

t  die  Gesamtheil  der  unmittelbar  gegebenen  Inhalte  der  Wahr- 

röne  nsw.)  das  Wirkliehe  der  Natur.      Es  ist  ein  „Strom" 

i   mit   ratim-zeitlichen    Bestimmtheiten,   ein   Zusammenhang   von 


Ha  ACRE  —   Haeckel. 


„Naturaten".      Das    Ech   ist   ein    „Mundulus",   «in  oder    Inhaber  der 

Naturate*4,   ein   VerschmelzungBprodukl   der  „Grundnaturate"  mit  den  ül>n. 
Naturaten.     Die  einzelnen  Bfunduli  >in<l   „Knoten  des  Weltstromnetzes44.     Di 
Welt  ist  ein  „Stromnetz  von  Gedanken".     I>i<-  Natura!.'  unseres  Mundulus,  die 
„Empfindungen",   sind   die  „psychische"    Energie.     Eigentlich  gibt  es  nur  •  •in<- 
Welt,  die  weder  physisch   n..<-]i  psychisch  ist,   Bondern   einlach   aus   Naturaten 
besteht   (vgL    Mach  n.  a.).      l>i»'  linnduli   Bind  Träger  der  Energie.     Alles  I 
Beheben   ist   Beinern   Wesen   nach    „psychisch",   lei  es  in  uns,  sei  es  in  anderen 
Naturaten;    illem    Geschehen    liegt    „gestörter    Gleichmut"    zugrunde.      Die 
Natural.-   »im!    Letzten    Endes    Inhalt«'  und   Erzeugnisse  des  All.  „Dem 

ewigen,    nicht    in    Raum    und   Zeit    gebannten  Urquell  des  Geistes   entspringt 
in  jedem  Zeitpunkte  neu  geschaffen,   der  Wirklichkeitsstrom  <1«t   uns   zugäng- 
lichen  Welt   der    Naturate.     Es  ist   der  Geist,   der  Naturate   schafft   und  zu- 
sammenfügt." 

3  h  ritten:  Di«  Schöpfung  de«  lienechen,  1895.  —  Vom  Strome  de«  Sein«,  1 9  <  >  ."> . — 
I).  Schöpf  d.  Tierwelt,  L893.   —   Gestalt  u.  Vererbung,  1893.  —  K.  E.  v    Beer,  1906,  u.  ■ 

llarik«  I.  Ernst,  geb.  16.  Februar  1834  in  Potsdam,  seit  91  Prof.  der 
Zoologie  in  Jena. 

II  ist  der  Efauptvertreter  des  naturalistisch-evolutionistischen 
Monismus  in  Deutschland,  Er  ist  ein  Bcharfer  Gegner  aller  transzendenten 
Spekulation,    alles    Theismus,     Dualismus,    Spiritualismus,    aller    Teleolof 

genüber  Dubois-Reymond   halt  er  alle  „Weltratsel"  für  lösbar.     Alle  nna 
Begriffe  stammen  aus  der  Erfahrung.     Bin  „Ding  an  sich"  '_ril»t  es  nicht;  dann 
aber  heifit  es  wieder,  wir   kennen  «la<   letzte  Wesen  der  Dinge  nicht     Ein  | 

Schwanken   findet    sieh    überhaupt   öfter.     Unter   Monismus   versteht 
II.  die  „einheitliche  Auffassung  der  Gesamtnatur",  die   Ansicht,   dsfl  die  Welt 
eine   „kosmische   Einheit"    bQdet    und    daß    Gott    und    Welt    eins    sind      D 
Monismus  ist  die  naturgemäße  Weltanschauung,  die  allen  „Anthropismus"  u 
windet   und  rein  auf  den  Ergebnissen  der  Naturwissenschaft  und  Entwicklui 
theorie  fDarwinismus)  beruht.     II-   _il>t    im   Universum   nur  eine  einzige  Sub- 
stanz, die  „Gott  und  Natur"  zugleich  ist.      Körper   und   Geist    (oder    Materie 
und    l       _;••!   Bind   untrennbar  verbunden.     Materie  und  Geist   Bind  die  Attri- 
bute der  universalen    Substanz     „Realmonismus")«     l>:'  alles,  auch  das    Itom 
(hier  macht  sich  ein  Pluralismus,  die  Annahme  einer  Vielheit  von  Element 
geltend),   belebt,  beseelt   ist,  alles    Fühlung  (Äithesii)  und   Strebung     I 
besitzt    (wenn  such   zum  Teil   unbewußt),   bo   ist    die   Substanz    physisch    und 
psychisch    zugleich   [Hylozotsrous).      In   den    „Lebenswundern"  " 

Materie    Kimm    l  i     und   „Psychom"  (Empfindung)  all  Attribut«  Snb- 

-tan/.      Di    Subita]  -'   dai   Gesetz    von   der   Erhaltung   der   K 

and    d<      -  zugleich    dai    universale     Entwieklunf 

Weltall   ist   ewi  ndlich   und   unbegrenzt,    ewig   bewegt,    in  allem  W 

ewig  lieh  erhaltend  („Axiom  ron  der  Konstanz  dei  Univei  I 

•  i/  m  seiner  kosmischen    Deutung    iit  sbzulehnei        M     J.  G    Vogl   ist 
„pyknotische"    Bubstanzbegrifl    an/u:  wonach  die   I  rkrafi  Verdicht  i 

i  n    Raum   st(  tig    erfüllend«      H  leren   K 


Baeckei  . 

streben  die  „Pyknatome"  entstehen.  Nur  die  Masse,  nicht  der  Äther  ist  in 
Atome  gegliedert  Bei  Verdichtung  entsteht  Lust,  bei  Spannung  Unlust. 
Äther  und  Masse  stehen  in  Wechselwirkung.  Überall  herrschen  nur  physi- 
bdisch-chemische  Gesetze,  wirken  nur  mechanische  Kräfte,  gibt  es  nur 
„Werkursachen",  keine  Zweckursachen.  Die  „Dysteleologieu  (Unzweckmäßig- 
keitslehre)  widerlegt  die  teleologische  Naturauffassimg.  Alle  Zweckmäßig- 
keit ist  rein  kausal-mechanisch  entstanden,  ein  Produkt  des  Kampfes  ums 
in,  der  Selektion  oder  der  Übung.  Ohne  jede  Zielstrebigkeit  ist  die  Vervoll- 
kommnung („Teleosis")  der  Organismen  zu  erklären.  Von  einer  Lebenskraft 
kann  nicht  die  Rede  sein,  das  Leben  ist  ein  physikalisch-chemischer  Prozeß. 
Durch  Urzeugung  ist  das  Plasma  entstanden;  die  niedrigsten  Lebewesen  sind 
die  Moneren.  In  der  Entwicklung  herrscht  das  bekannte  „biogenetische 
Grundgesetz",  wonach  die  Ontogenese  eine  kurze  und  schnelle  Rekapitulation 
der  Phylogenese  ist.  Der  Mensch  stammt  nach  der  „Pithekoidentheorie" 
von  einen]  affenartigen  Vorfahren  ab  und  ist  ein  Glied  der  Natur  wie  alles 
ändere. 

Die  Psychologie  ist  nur  ein  Teil  der  Physiologie.     Einen  immateriellen 

gibt  es  nicht.     Das  Seelenleben  ist  vielmehr  ,,eine  Summe  von  Lebens- 

<  rscheinungen,    welche  gleich  allen  anderen  an  ein  bestimmtes  materielles  Sub- 

>trat    gebunden    sind''.      Dieses    Substrat    ist    das    „Psychoplasma",    bei    den 

höheren    Tieren  das   „Neuroplasma".      Durch  Differenzierung  und   „Assozion" 

hat   -ich    das    menschliche    Geistesleben    aus    dem    tierischen    entwickelt.      Die 

Psyche  ist  nur  ein  „Kollektivbegriff  für  die  gesamten  psychischen  Funktionen 

-   Plasma'.     Empfindung    kommt    schon    den    niedersten   Organismen   zu;   es 

gibt    ferner   „Zellseelen",    „Gewebeseelen",   „Nervenseelen".       Die   Psyche   des 

Menschen     i  ■ntsteht     durch    „Seelenmischung"    aus    der     Verschmelzung    der 

en"   der   Sperma-  und  Eizelle.      Die  empfindenden   organischen   Moleküle 

nennt    EL    „Pastidule".       Das   eigentliche   Bewußtsein   ist  an    ein    zentrali- 

-    Nervensystem    geknüpft.     Der  Wille  ist  streng  determiniert,  teils  von 

der    Außenwelt,    teils    durch    die    Organisation    des    vollendeten    Individuums 

selbst,    die  wiederum  durch  die   Vererbung  bedingt  ist.      Das   stärkste   Motiv 

gibt    beim    Handeln    stets    den    Ausschlag.      Nach   dem  „Thanatismus"  ist  die 

ter blich.    -   Der  Mensch  ist  ein   „soziales  Wirbeltier".      Neben   dem 

der  Altruismus  ein  ursprüngliches  Gefühl  und  muß  in  der  Gesell- 

'    mit    jenem    in    Einklang    gesetzt    werden.      Das    „goldene    Sittengesetz" 

laotet:    Du  lollsl  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst.     Die   Sittlichkeit 

■1*0  nach  H.  eine  biologisch-soziologische  Basis. 

Alle  D     '1,1,    positiver    Religionen    sind   abzulehnen.     Gott,   die    Summe 

turkrafte,    ist    für   den    Pantheismus   eins  mit  der  Natur,    die  Natur 

im  Innern  der  Substanz  als  Kraft  oder  P^nergie  tätig.    Dieser  Pontheis- 

eich  Atheismus,  da  es  nach  Ihm  keinen  Gott  außerhalb  der  Natur 

Geologische)  Christentum  übt   II.  scharfe  Polemik. 

M.    entstand  1896  der  „Deutsche   Monistenbund",  dessen 

Ostwald  ist.     Organ  desselben   ist  die  Zeitschrift    „Der 

bei   unter  dem  Titel  „Blätter  des  deutschen  Monisten- 


Hai.«  kj.i  IIa ma.w. 

bundes").     Außerdem  gibt  der  Monistenbund  Flugschriften  heraus.     Schriften 
_•  •_.  n  Haeekel  und  den  naturalistischen  Monismus  verfaßten  Adickes,  Paul- 
Ben,  Loofs,  Wobbermin,  Engert,  Br.  Weiß,  Gutberiet,  V.Brand« 
Dennert,  ßeinke,  Chwolson  u.  a. 

Schritten:  Generelle  Morphologie  der  Organismen,   186G,  —    Anthro] 

i;    5.   A.   1904.    —    Ziele  und   Wege  der   heutigen   Entwicklungsgeschichte,    1875.   — 
Die  heutige  Entwicklungslehre  im   Verhältnis  zur  Gesanitwissenschaft,   187S — 79.   —    . 
l'erigenesis  der  PJeetidale,   1876.    —  Gesammelte  populäre  Vorträge  aus  dem  Gebiete  der 
BntwicklMgagtoehichtej    1878 — 79;    2.   A.    1902.    —    Natürliche    Schopfangsget 
1886;     11.  A.    1909.    —    Der  Monismus   als    Band  zwischen    Religion    und    Wissenschaft, 
I89.i;    10.  A.  1900.  —  Die  Wclträtsel,  1899,  1903  u.  5.  —  Die  Lebenswunder,    1904    . 

—  Der    Kampf  um  den  Entwicklungsgedanken,   1905.    —  Monismus  u.  Naturgesetz,    19 

—  Zellseelen  und  Seelenzellen,  1909.  —  Freie  Wissensch.  u.   freie  Lehre,   1908.  —   1 
Weltbild  vom   Da*oin   u.   Lamarck,    1909,  u.  a.  —  Vgl.  H.  SCHMIDT,   Der  Kampf  um  dio 
W.-l  trätsei,    1900.    —    K.    HOKNIGSWAID,    K.    HL,    1900.     —    W.    BÖL8GHE,    B.    H„ 

0.   —   AD»  KI>.    Kant  contra   H,   1901.    —    l'.U  I.SE.V,    Philosophie  militans,   1901. 

—  ÜAIMANN,  Hu  Welträtsel,  1900.  —  BELABT,  H  -  Naturphilos.,  1905.  — 
W.   May.    i;    11..    t909   (mit  Literatur  über  B.).  —  Kl-i  KK.  Gesch.  d.  Monism .,   1910 

llaffiior.    Paul,    geb.   ls_".'  in   H<-rt.  Prof.  in   .Main/,  u.  Bischof,   gest. 
.  =  Katholisch-thomistischer  Standpunkt 

B    liri  f  t  en:  I). Materialismus,  1865.  —  Grundlinien  d.  Gesch.  d.  Philosophie,  1881  —  -  1. 

Ila^oniaiui.  Georg,   geb.  1  s:i2.   Pro!  in  Min  Scho- 

lastischer Btandpunkt,  du&listisch-theistisch.  Die  Logik  ist  formal,  aber  nicht 
formalistisch;  de  bedari  nicht  da  Psychol  - 

-  I.  ritt. ■!.:   Logik  und  N«.i  tik,  8.   A.   1909.  —   Metaphysik,   18G9;   6.    A     1901.  — 

7.   A.    1905.  —  De  veritatis  prineipio,    1892,  u.   a 

Mal«"»  -.  Alezander. 

Hall.    G    Stanlq  1846,   Präsident  der  Clark-UniYersitj    (Vereinij 

iten),   Begründer  des   ersten    Laboratoriums  für  experimentelle  Pftycholof 
in  Amerika  (1881).  =  II.  vertritt  einen  idealistischen  Evolutionismus. 

b  r  i  f  t  en  :  Adolescence, its  Pi  f,  1904 (Begründer  der  Reli(  u.a. 

Ilallicr.  I -iii-i .  geb.  183]  in  Bamburg,  Prof.  in  Jena,  gest  1904  in 
Dachau,  Botaniker.    =  Anhänger  von  Fries. 

-  hriften:    l)ie    W(  :uung  de.-   Natur!'  1875,    u.   .i. 

Hamann.  Johann  (  17:;"  in  Königsberg,    machte  Studien  auf 

dem  Gebiete  der  Theologie,  Jurisprudenz,  Philologie,  unternahm  .  ■  seu, 

kehrte  lr.v.t  nach  K« ui:  surück,    irurde  1777   PackhofVerwalter  daselbst, 

verkehrte  lim  k u  i    Hippel  n.  a.,  war  literarisch  tat..  v>  der 

Dunkelheil   Beines  oft   barocken  Stils  führte  er  den  Beinamen  d<       M  im 

Norden". 

II.  vertritt  neben  Jacobi  <in<  „GUubensphiloeophie"  aul  christlicher 
Grundlage  and  ist  ein  Gegner  aller  Aufklarung,  alles  „Rationalismus".  Alle 
<lie  i  die  d(  i   Vi  retand  in  des  Welt    and   in   deren   Verhältnis  tum 

Göttlichen  findet,  fallen  in  Wahrheit  Eusammen  (wie  in  <l<r  „cotneidentia 
oppositorum"  !><i  <i.  Bruno       G   tl  und  Mensch,    Geist   und    Natur,    Vernui 


I  I  AM  VNN     —    IT  AMI   IM  f  Sfi 

und  Offenbarung,  Idealismus  und  Realismus,  Materie  und  Form  usw.  sind  in 
Wahrheil  nicht  zu  trennen.  Der  trennende  Verstand  mit  seinen  abstrakten 
ffen  kann  das  Ursprüngliche,  Absolute  nicht  erfassen;  auf  Erfahrung, 
auf  die  ,,Offenbarungen"  der  Sinne  usw.,  auf  die  Tradition,  auf  das  unmittel- 
bare Erlebnis,  auf  den  Glauben  ist  zurückzugehen.  Unser  eigenes  Dasein  und 
die  Existenz  der  Außendinge  muß  geglaubt  werden.  Das  Kriterium  der  Wahr- 
heil liegt  in  der  festen  Überzeugung-  des  Subjekts:  das  gilt  auch  von  religiösen 
Dingen  (Dogmen).  Die  Trennung  von  Sinnlichkeit  und  Verstand  bei  Kant  i-i 
«■ine  künstliche.  In  der  Sprache  sind  beide  geeinigt.  Sprache  ist  das  v()i- 
ganon  und  Kriterion"  der  Vernunft,  Überlieferung  das  zweite  Element.  „Das 
ganze  Vermögen  zu  denken  beruht  auf  Sprache. •'  Die  Wörter  sind  reine  und 
sinnliche  Anschauungen  und  Begriffe  zugleich.  .Vernunft  ist  Sprache."  „Die- 
ganze  Philosophie  ist  Grammatik."     Sie  nimmt  Wörter  für  Begriffe,  diese  für 

Ding«  selbst.  Allen  Sprachen  liegt  als  allgemeine  Sprache  die  Natur  zu- 
grunde. Natur  und  Geschichte  sind  die  Kommentare  des  göttlichen  Wortes, 
alles  ist  ein  Spiegel  der  Offenbarung;  alles  ist  göttlich  und  menschlich.  Das 
wahre  Leben  ist  das  Leben  in  Gott,  an  dem  wir  Anteil  haben. 

S  liriften:  Biblische  Betrachtungen  ein6s  Christen,  1758.  —  Sokratische  Denk- 
würdigkeiten, 1750.  —  Kreuzzüge  eines  Philologen,  1762.  —  Golgatha  und  Schcbli- 
mini.  Metakritik  über  den  Purismum  der  reinen  Vernunft  (gegen  Kant),  1800,  u.  a.  — 
Briefwechsel  mit  Jacobi  in  Jac.s  Werken,  Bd.  IV.  —  Werke,  hrsg.  von  Roth,  1821  ff'.; 
von  Gildemeister,  1857  ff. ;  von  Claasscn,  1878 — 79.  —  Vgl.  HaMANInT,  Sibyllinischo 
Blätter  des  Magus,  ausgewählt  und  eingeleitet  von  E.  Unger,  1905.  —  H.  WEBER, 
H.   und  Kant.   1904.  —  E.  ÜNGER,  H.s  Sprachtheorie,   ]905. 

Haiiiberger.  Julius,  geb.  1801  in  Gotha,  1841  Prof.  am  Kadettenkorps 
München,  1872  Lyzealprof.  daselbst,  gest.  1885  in  Berlin.  =  Schüler  Baaders. 
Schriften:     Kardinalpunkte    der    Fr.  Baaderscheit    Philosophie,    1855.    —    Funda- 
meatalbegriffo  von   Fr.  Baaders  Ethik,    Folitik   und    Beli<iionsphilosophie;    1858.  —  Phy- 
t&ca  sacra,   1SG9.    —    Gott    und    seine    Offenbarungen  in  Natur  und  Geschichte,    Christen- 
tum  und  moderne   Kultur.    —    Ein    Wort   über    Franz    Baaders  Ethik  und  Politik,  18G9. 
—    hin   Blick   auf  Jakob  Böhmes  Lehrsystem,    1875.    —   Die    göttliche   Präsenz    und  dio 
riltliche  Freiheit,  1881.    —    Die  Präexistenz   des  Gottmcn  sehen,   1881.    —    Erinnerungen 
m  Leben.    1883,   u.   a. 

Ilamoliii.    ( »..     Prof.   in    Paris,   gest.    1908.     =    Von  Plato   und    Hegel 
influßt. 

Clements  prineipaux  de  la  roproaentation,   1907. 

IIhiimm  lin-.    Robert,   der  bekannte  österreichische  Dichter,    1830-1  1889, 

auch  ah  Philosoph  betätigt,  in  der  „Atomistik  des  Willens".    1891.  = 

»ich   hier    als    Voluntarist    und    idealistischer    Evolutionist.     Der 

die   Triebkraft    alle-  Beins.    „Dasein  isl  notwendig  Selbstbejahung, 

Das  Beiende  isl  subjektiv  Ich,  objektiv  Atom.     Das  Ding 

Will«  Erscheinung  die  Matern    ist.     Das  Atom  isl  an  sieh 

d    ein   Lebens-  und  Kraftpunkt,  eine  Willenseinheil   mit 

Itomgefühl).      Gott   i  Ul-Sein,   der   All-Wille. 

aul  dem  „Allsinn-  . 


II.VMII    : 

Hamilton.    Bir   William.  Mär/    I7SS   in   Glasgow,    wurde   : 

Prof.   der   Geschichte  in  Edinburg,    1836  Prof.   der   Logik    und  Metaphysik, 
it.  6.  Mai   1856.     Herausgeber  der  Werke    Beidfl  (2.  ed.   1849  mit  Erläute- 
rungen usw.). 

H..  einer  der  bedeatendsten  englischen   Philosophen  des  19.  Jahrhund« 
ist  hauptsächlich  von  der  Schottu  -  Reid  o.  a.    und   von  Kam  be- 

einflußt    Er   ist   ein   Gegner  alles   Skeptizismus   und   subjektiven   Idealismus, 
alles    r,Beprasentationismus",    dem  er  die  Lehre  von  der   unmittelbar,  n   Wahr- 
nehmung der  Realität   (den  „presentationism"  oder  ..natural  realism",   w.-il 
auch  im  Sinne  des  „common   Bense"   ist)   a  letzt     Zugleich   betont 

ii iih«r  der  idealistischen  Spekulation  Scheüings  u.  a.  die  Relativität 
unserer  Erkenntnis,  insofern  das  Absolute  von  uns  nicht  denkbar  und  erkenn- 
bar ist.  Endlich  lehrt  H.  die  Apriorität  (Notwendigkeit  und  Allgemeinheit) 
gewisser  ursprünglicher  Relationen    der  Anschanungs-  und  Denkfonn 

Die  Philosophie  des  Geistes  zerfallt  nach  II.  in    1.  ..Phänomen.  Be- 

schreibung der  geistigen  Tatsachen),  2.  „Nomologie"  Darstellung  der  Gesetze 
des  I  sieben*),  bestehend  aus  Logik,   Ästhetik,  Ethik,  und   :;.  „Ont 

Metaphysik),  welche  es  mit  dem  [ch,  der  Außenwell  und  dem  Dasein  Gottes 
zu  tun  hat  Das  Absolute  (das  Unbedingte  und  Unendliche)  ial  weder  denk- 
bar aoch  erkennbar,   weil  es  eben  nicht  bedingt  ist   und  nach  dem     I 

lingten"  ...law  ot  the  c litioned")   alles   Denken  ein  Bedingen  („to  think 

U  to  conditiou'')  und  alles  Denkbare  durch  ein  Undenkb  d  ist,   über 

das  wir  oicht  hinauskönnen  ..t hat  the  conceivable  is  in  ever}  relation  bounded 
li\  the  inconceivable")«  Alles  Erkennbare  i-t  bedingt  und  relativ,  weil  es 
innerhalh  des  Gegensatzes  Subjekt-Objekt  liegt  und  raum-zeitlich  ist  Eine 
ursprüngliche  Bewußtseinstatsache  ist  zunächst  die  Überzeugung  von  der 
Existenz  (Realität)  unseres  I  chs  und  der  Außenwelt,  wiche  beide  unmittelbar 
wahrgenommen  werden,  eins  als  Gegensatz  zum  andern:  ..NW  maj  .  .  .  lay  it 
<l«i\\n  n-  ;m  undisputed   truth,  that   consciousness  gr  an  ultimate  Eact,  ■ 

primitive  duality;  a  knowl  o  in  relation  and  contrast  to  the  non- 

The  ego  and  •  are  thus  given  in  an  original  antithesis,  as  opp 

in  the  contrariety  of  existence."  Die  Wahrnehmung  enthalt  Bchon  I  nter- 
Scheidung,  Vergleichung  usw.  Je  mehr  der  affektive  Bestandteil  der  Wahr- 
nehmung (die  „Sensation")  zurück-  und  die  „pereeption"  der  objektiven  Quali- 
täten hervortritt,  desto  stärker  ist  das  i  aftandsbewußtsein.  I 
Bewußtseinstatsachen  sind  ferner  die  logischen  Da  Kaum  und  Z 
Kausalität,  Bubstanz  und  andere  K  ■  rien.  Die  Kausalität  bedeutet,  daß 
wir  keine  Existenz  als  beginnend  denken  können,  daß  wir  alles  i  nen  als 
Modifikation  eines  Identischen  auffassen  müssen. 

Dai    Bewußtsein   ist   ein  anmittelbares   Wissen,   welches   im  psychischen 
Erleben   selbst    liegt;    im  q  Sinne  ist   es  der     0  Prinaipit 

•lled.-  Apriorischen.     Alles   psychische    I  ist   aktii    und 

gleich,   nur  überwiegt   bald  d.  bald  da-   andere  Moment.     1  ben 

ist  intellektuell,    i  motionell  und  volitionell.     Die  A 
ruhen    auf   der   ..law  of  redintegration",    dem      i  I 

I      -  ier  ,   Phil 


Hamilton  —  Hardenberg. 


welchem  Vorstellungen,  die  einmal  einen  einheitlichen  Zusammenhang  bildeten, 
.    adenz    haben,   einander  zu  reproduzieren.      Das   logische  Denken   besteht 
r  Verknüpfung  und  Trennung  der  Begriffe.    Das  Urteil  ist  ein  einfacher 
P.i  wulUseinsakt,    eine    Aussage   von  Verhältnissen    zwischen   den  Begriffen,   ein 
Leichen  des  Umfangs  von  Subjekt  und  Prädikat  (Identitätstheorie  des  Uni- 
kums:   Subjekt    und   Prädikat   sind  dem  Umfange  nach  identisch).      Die  Lehre 
von  der   ..Quantifikation  des  Prädikats"   berücksichtigt  den  Umfang  nicht  bloß 
-    Subjekts,    sondern    auch   des    Prädikats.      Das  Urteil  ist   eine    Gleichung 
/wischen  Subjekt  und  Prädikat  („an  equation,  an  identification").     „The  predi- 
cate  has  allways  a  quantity  in  thought,   as  much  as  the  subjeet,  although  this 
quantity  be  frequently  not  explicitly  enounced  .  .  .  The  predicate  is  as  exten- 
sive as  the  subjeet."      Der  Begriff  ist   ein   „implizites  oder  unentwickeltes  Ur- 
teil"   Leetur.  I,  204  f.;  II,  225  ff.,  272  ff.). 

Schriften:  Discussions  on  Philosophy  and  Literature,  1852;  3.  ed.  1866.  — 
Leetures  on  Metaphysics  and  Logic,  1859  ff.,  1865  f.  —  Vgl.  J.  St.  MlLL,  Examination 
of  Sir  W.  Hamiltons  Philosophy,  1865;  4.  ed.  1874;  deutsch  1908.  —  ULRICI,  Zeit- 
schr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik,  1855.  —  J.   VTEITCH,  Memoir  of  Sir  W.  H.,   1869. 

Elanneqaiii .  Arthur,  1856—  190S,  Prof.  in  Lyon.  =  Raum  und  Zeit 
sind  wohlbegründete  Erscheinungen.  Der  Atomismus  ist  ein  Postulat  der 
Naturwissenschaft,  bezieht  sich  aber  nicht  auf  das  An  sich  der  Dinge,  welches 
einheitlich  ist. 

Schriften:  Essai  critique  sur  l'hypothese  des  atomes  dans  la  science  contempo- 
raine,  1894;    2.  ed.   1899.    —    Etudes  d'histoire  des  sciences  et  d'hist.  de  philos.,  1908. 

flansch,  Michael  Gottlieb,  geb.  1683  in  Müggendahl  (bei  Danzig),  hielt 
-11  in  Leipzig  Vorlesungen,  gest.  1752.  =  Leibnizianer. 
hriften:    Selecta  moralia,  1720.    —    Ars  inveniendi,   1727.   —    Leibnitzii  prin- 
cipia  philosophiae,   1728.  —  Medicina  mentis,  1728,  u.  a. 

Hannseh  (Hanns),  Ignaz,  1812  —  1869,  l)öhmischer  Philosoph.  =  Hege- 
lianer. 

Schriften:  Handbuch  der  wissenschaftlichen  Denklehre,  1843;  2.  A.  1850.  — 
Handbuch  der  philosophischen  Ethik,  1846.  —  Grundzüge  eines  Handbuches  der  Meta- 
physik,  1845,  u.  a. 

Hardenberg,  Friedrich  von  (Novalis),  1777 — 1801,  der  bekannte  Dichter,. 

i-t  nach  sie  Philosoph  beachtenswert,   als  ein   von   Hemsterhuis  und  besonders- 

von  \\,-.   ■    Pichte  und  Schelling  beeinflußter  Romantiker.    Außer  dem  Roman 

rieh  von  Ofterdingen"  kommen  hier  besonders  die  „Fragmente"  in  Betracht, 

Menge  philosophischer  Aphorismen  enthalten. 

erkunde!  'inen  „magischen  Idealismus",  der  von  der  Macht  des  Geistes 

Natur  durchdrungen  ist.    Aus  dem  Geiste  allein  ist  die  Natur  zu  bc- 

od  durch  den  Geist  wird  sie  beständig  gestaltet,  erneuert.   Die  Philo- 

Heimweh,  ein  Trieb,  überall   zu    Hause  zu  sein",   das  „Poem  des 

Erregung  des  wirklichen  [eh  durch  das  idealische  Ich",  die 

W<        tem  a      den  Hefen  unseres  (leiste-  heraus  zu  denken.  „Ersl 

em  aller  Wissenschaften  wird  die  Philosophie  recht  sieht- 


Hardenberg. 


bar    sein".      Philosophie    ist     ..da-    Ideal    der    \\iss(  oschaft    überhaupt",    die 
„vollendete  Intelligenz".     Die   wahre   Philosophie   ist    „realistischer  [desJitmns" 
und  lx-ruht  auf  „höherem  Glauben";  sie  behandelt  die  „Ehe  ron  Natur  andOek 
Die  Kategorien  kommen  nur   verbunden  vor.    Sie  sind   das   „Alphabet 

gitationum   homananun,   worin    jeder    Buchstabe    eine   Handlung  ift", 

Raum  und  Zeil  entstehen  zugleich  und  Bind  eins.  ..Kaum  ist  beharrliche 
Zeit,  Zeit  ist  fließender,  variabler  Raum".  Jeder  Körper  ist  ein  ..ausgefüllter 
Trieb",  ein  „Baumerfuüungsindmdunm."  Das  leh,  die  „Selbstheit"  i-t  der 
Grund  aller  Erkenntnis,  der  Zentralpunkt,  in  dem  wir  alle  identisch  sind. 
Wir  müssen  uns  erst  zum  wahren  leh  erheben,  wir  Bind  ea  noch  dicht  ganz.  1 1 
Welt  i-t  tin  „Unirersaltropus  des  Geistes,  ein  Bymbolisches  I > i  1 » l  desselben". 
Wir  schaffen  eine  Well  aus  um  heraus  und  werden  damit  immer  freier.    „Wir 

ssen  nur.  insoweit  wir  machen."  Die  Natur  i-t  ein  „enzyklopädischer, 
systematischer  fades  oder  Plan  unseres  Geistes".  Sie  i-t  eine  „versteinerte 
Zauberstadt",  und  -m  hat  sich  wohl  mit  wachsender  Kultur  wesentlich  rerindert; 
der  Mensch  erlöst  die  Natur.  Die  Natur  ist  ein  ,,gehemmter  PerBonifikations- 
prozefi".  Alles  Lehen  i-t  ein  „Enieoeruiigsprozeß",  ein  „ununterbrochener 
Btrom",  „Opposition  gegen  den  Mechanismus '  (vgl.  Bergson).  Die  Mathematik 
i-t  realisierter  Verstand;  das  höchste  Lehen  i-t  Mathematik,  rein.-  Mathematik 
i-t  Religion.  Der  „innige  Zusammenhang,  die  Sympathie  des  Weltalls"  i-t  die 
\\a-\>  der  Mathematik.  Zahlen  Bind  Ertcheinungen,  ihre  Verhaltnisse  Bind 
„Weltrerhaltnits e".  „Die  reim  Mathematik  ist  die  Anschauung  des  Verstandes, 
al-  Universum".  Echte  Mathematik  ist  das  „eigentliche Element  des  Magiers". 
-  •  ist  echte  Wissenschaft,  weil  Bie  „gemachte  Kenntnisse  enthalt,  Produkte 
i  Selbsttätigkeit".  Wahrscheinlich  gibt  es  in  der  Natur  eine  „wunder- 
bare Zahlenmystik",  auch  in  der  Geschichte.  Philosophie  i-t  die  „UniTersal- 
oder  höhere  Mathematik". 

Die  Welt  werden  wir  rerstehen,  wenn  wir  ans  selbst  verstehen.  Wir  Bind 
Gotteskinder,  göttliche  Keime;  einst  werden  wir  -•■in.  was  unser  Vater  i-t. 
Die  Weh  i-t  „Resultat  einer  Wechselwirkung  zwischen  mir  und  der  Gottheit". 
„Alles,  wsa  i-t  und  entsteht,  entsteht  aus  einer  Geisterberünrung.i<  Gott  ist 
„das  Ziel  der  Natur,  dasjenige,  mit  dem  sie  einst  harmonieren  boU".  Du 
Natur  -<>ll  moralisch  werden.  In  allem  offenbart  sich  <;<»u.  er  ist  die  Liebe. 
Der  Glaube  i-t  wundertltig,  Gott  i-t  in  dem  Augenblicke,  al-  ich  um  glaube. 
Glaube  i-t  „Wahrnehmung  des  realisierten  Willens".  Wahn  Religion  i.-t 
Christentum.  „Die  christliche  Religion  ist  die  eigentliche  Religion  der  Wollust 
l>i.-  Sund.-  i-t  der  grofie   Reu  tür  die  Liebe  der  Gottheit'4    Das   System   der 

Moral    mui;  ein  Bystem   der    Natur  werden.      Unter  -ntlieher   Will.-   i-t    EUg» 

der  göttliche  Will.'.    Wir  -ind   die   Erziehet  der   Natur.    Unter   Körper  -«>ll 

uillkiirlieh,    in.     •       Setl          jatii-h    werden.      Wille    i-t     ..ma-i-. -In  -.    kiatti-.- 

Denkrermögen"  und  fähig,  die  Natur  zum  Autdruck  und  Werkzeug  des  G 
zu  Gedanken  tu  coachen;  wer  chesTermag,  i-t  der  „magisch«   fdealitt"     Ms 
i-t    ..Kun-t,   dm   Binnenwelt    willkürlich    iu    gebrauchen".     „Die    Welt    mui 
romantisiert  werden.     Bo  findet  man  den  ursprünglichen  Sinn  wieder.     Roman- 
tisieren i-t  nichts  al-  eine  qualitativ«    P  tenzierunj 

iv 


228  Habdenberg  —  Earms. 


hriften:  Novalis'  Schriften,  1802;  hrsg.  von  Meissner,  1898,  von  Hoilboni, 
1000.  von  J.  Minor,  1907;  von  H.  Friedemann  (Goldene  Klassiker-Bibl.).  —  Vgl. 
V.   HeTLBORN,  X..  der  Romantiker,   1901.  —  E.  FRIEDELL,  N.  als  Philosoph,   1904. 

—  II.   SIMON,  Die  theoretischen  Grundlagen    dos    magischen    Idealismus   von  N.,  1905. 

—  R  HüCH,  Die  Blütezeit  der  Romantik,  2.  A.  1901. 

Harms,  Friedrich,  geb.  1819  in  Kiel,  Prof.  in  Berlin,  gest.  1880. 
H.  ist  von  Fichte  beeinflußt,  ist  aber  erkenntnistheoretischer  Realist.    Die 
Philosophie  ist  nach  ihm  die  Wissenschaft   des  Absoluten  ans  den  Grund- 
Efeu  der  Erfahrung,  die  „Wissenschaft  von  den  Grundbegriffen   und  den 
objektiven    Voraussetzungen    der   einzelnen    Wissenschaften".     Die   Logik  ist 
nschaftslehre,  Wissenschaft  vom  Wissen,  zugleich  Metaphysik,  indem  sie 
das  Wissen  in  dessen  subjektiven  und  objektiven  Bestandteilen  untersucht.    Im 
•  n  Sinne  handelt  die  Logik  von   den   Formen    und   Methoden,    die  Meta- 
physik von   den   Gegenständen   des   Erkennens.     Natur-   und    Geschichts- 
!     ssen  sc  haften  sind  zu  unterscheiden.     Die  Natur  ist  das  Reich  der  Be- 
ugsvorgänge  des  Konstanten,  die  Geschichte  (und  Ethik)  das  Reich  der 
Willenskräfte,    des    Neuen.     Die   geistige    Kausalität   ist    „Kausalität   der 
Willenskräfte  des  Geistes".    „Geschichte  ...  ist  ein  stets  fortschreitendes,  neue 
Gestaltungen    der    Wirklichkeit   erzeugendes    Geschehen,   welches   nur    durch 
Willenskräfte  stattfinden  kann". 

Die  Materie  ist  „das  Bewegliche  mit  bewegender  Kraft".     Die  „Materie" 

ist  die  An  laue,  der  „Samenznstand"  jedes  Dinges.    „Alles  wird  ans  der  Materie. 

Sie  ist  das  anfänglich   gegebene   Sein,   woraus   alles   wird.  .  .  .    Nimmt   man 

Atome  und  einfache  Stoffe  an,  so  sind  das  die  Samen  aller  Dinge.    Man  wird 

sie  aber  zugleich   als   Monaden  oder  geistige   Anlagen   denken   müssen."     Die 

\ai  iir  fällt  nicht  mit  der  Körperwelt  zusammen,  denn  nicht  alles  Körperliche 

i-t  Objekt  der  Naturwissenschaften   (die  Artefakte).    Es   gibt  ferner   auch  eine 

Natur'-;  auch  in  der  Seele  ist  eine  Natur.    Im  Gegensatz  stehen  Natur 

und  Vernunft.     Letztere  ist  das   „Vermögen   der  Freiheit",   während   Natur 

notwendig  Geschehende"  ist.     Die  positive  Freiheit  ist  der  Wille  selbst. 

„Weil  der  Geisl   sich  in  der  gegebenen  Wirklichkeit  befangen  und  unbefriedigt 

fühlt,  will  er.     Und  sein  Wille  geht  auf  die  Umgestaltung   der  gegebenen  und 

Produktion  einer  neuen  Wirklichkeit."    Der  Wille  setzt  selbst  den  Zweck, 

c  realisiert,  er  hat  Selbstgesetzgebung.     Die  Natur  hat  keinen  Willen,  die 

sittliche  Welt  beruht  auf  dem  Willen,    sie  ist   das  „Reich   der  Freiheit".    Die 

W  dt  i.-t  .in  „Ineinandersein  von  Natur  und  Vernunft".    Gott  ist  das  Absolute. 

insuchl    nach   dem   Absoluten    ist  <-in  Zeugnis    vom  Absoluten."    Gott 

Well  rind  nicht  eins.    „Gott  ist  das  Seiende,  welches  vollkommen  ist;  die 

-    i  nde,    welches    rollkommen    wird."    Gott  ist  der  Grund   der 

der  Welt,  der  Anlagen  aller  I > i n ^ < .  das  Vollkommene  im  Sein. 

t  und  Körper  sind   voneinander  unterschieden.     Erscheinungen  gib! 

dai  erscheint,    und   ohne   ein   anderes,   dem  es  erscheint. 

andern  erscheint,  i-t  der  Körper;  das  alter,  dem  alles  erscheint, 

aeinung  i-t  also  ohne  die  Duplizität  von  Geist  und  Materie 

Materie    und   Geisl   ~in<l   <li«'   Bedingungen  aller    Er- 


Barms  —  Haui  ley.  229 


Schonungen."     IVide  Elemente  der  Erscheinung  sind  gleich  positiv  und  real 
Da-  West  n  des  Geistes  besteht    in    reflexiblen  Tätigkeiten;   das   Bewußtsein 
i-t  ..dir  Wirkung  oder  dir  TIfigkeil   ednee  Dinges  am   sich  selbst".     [>     Gh 
hat   da-  Bewußtsein    nur  durch   Beine  Tat     Da-    Ich   al-   Objekt    i.-t    dir    I    - 
Bcheürang  des  Ich  al-  Subjekt,  der  einheitlichen  Seele  (Mona 

Schriften:  Prolegomena  zur  Philosophie,  1852.  —  Abhandlungen  zur  systematischen 
Philosophie.  1868.  —  Über  den  Begriff  der  Psychologie,  1874.  —  Die  lleform  der 
Logik,  1874.  —  Über  den  Begriff  der  Wahrheit,  1876.  —  Die  Philosophio  seit  Kant, 
1876.  —  Die  Formen  der  Ethik,  1876.  —  Geschichte  der  Psychologie,  1878. 
-.  Lichte  der  Logik,  1881.  —  Metaphysik.  1885.  —  Logik,  18ö6.  —  Ethik,  1889.  — 
Begriff   Formen   und  Grundlagen  der  Rechtsphilosophie,   1889.  — Naturphilosophie.   lv 

—  Psychologie,   1897.  —  Vgl.  F.   /.IMMER,  Grundriß  der  Philosophio    nach    P.   Harcu, 

llarper,  Thomas.  =  Scholastischer  Standpunkt.  —  Schriften:  The  M 
physica  o(  the  BekooU,  1879  £ 

llaipf.   Adolt.   -»■!).  1857   in  Graz,  lebt  in  Leoben.  =    Da-   Gemeinsame 
von  Natur  und  Gleist  i-i  dir  Formgebung. 

-  hriften:  Goethes  Erkenntnisprinzip,  1883.  —  Die  Ethik  des  Protagoras,    1884. 

—  Darwin   in  der  Ethik,   1901.  —  Natur-  u.  Kunstschaffen,   1910. 

Ilarpokrarioii,  ein  Neuplatoniker,  der  an  Numenioe  sich  anschloß. 

Harri«.  William  T..  geb.  1835,  amerikanischer  Pädagoge,  Begründer  des 
„Journal  "f  Bpeculative  PhDosophy4'  1 1 

-  hriften:    Exposition    of    Hegers    Logic,    1890.   —  Introduction    to    Philoso; 
189U.  —  Psychologie   Fuundations  of  Education,    1898. 

II aiii^oii .    Frederick.  Behriften:  The   rhilosophy  of  Commoi 

1907.   —    Kcaütics  and  ideale,   1908,  u.  a. 

Hartenstein.   Gustav,   geb.    lSM^   in    Plauen,    Prot,    in    Leipzig,  Ober- 
bibliothekar  in  Jens  L    -  Berbartianer 

Schriften:    Die    Probleme    u.    Grundlehron    der   allgemeinen  Metaphysik,   1- 
Die  Grundbegrilfe  der  ethischen   Wissenschafton,    1844.  —   Hiatoriaeh-philoaopbifl 

handlungen,    1870|   u.  a.   —   Herausgeber  von   Horbarts   und    Kants    \\    : 

llaitlev.  David,  geb.  170d  in  Qlingworth  oder  Armley,  Arzt,  gest 
in  Bath. 

II.   gehört    zu    den    Begründen]    der    Assoiiationspsycholoj  Di< 

psychischen  Vr<  und  deren  Verbindungen  sind  nach  ihm  ron  bestimmten 

—  iiw  ingungen  in  den  Nerven  \\w^\  im  Gehirn  abhängig.   Durch  Wiederholi 
ähnlicher  Schwingungen  entstehen  im  Gehirn   Dispositionen  zu   kleineren  ann- 
lichen Schwingungen  i... Miniatur,  in.    Diese  Schwingungen  reproduaieren  aolche 

_.ii.  mit  denen  sie  einmal  assoziiert  waren  und  dem  entsprechen  die 

\'.>!-i.lliiiiur-a— ../i:iti(»m-ii,     u.hh,     -yn«hr«  »ni-i  i-.li    odrr     -nk/r— 1\     -md.       Kinr 

rendenz  der  Vorstellungen  nach   Ergänzung    l»«--t.in.    Dm.  h   A--.>/iau.-n  nn- 

Btehen  zuaamnft  te  Ideen  und  Vorstellungsreihen  („traij  G  Ihle 

und  Willenavoi  und   ron   Merrendis]  funktionell  ahhäi  D- 

i     Sterblichkeit  der  Seele  bestreite!    II.  nicht. 


ll.vini.KY  —  Hartman  N". 


-    hriftea:  Coniecturao    quaedam    de   motu,    sensus    et   idearum    generationo,    1746. 
wationos  on  Man,  his  frame,  his  duty  and    his  expectations,    1749,  6.  ed.   1834; 
1 7  7J — 73.  —  Vgl.  Spencer  Bower,  H.  and  J.  Mill,  1881.  —  B.  Schoen- 
vnk.   H    u    Priestley,    1892. 

Ilarliuaiiii.   Eduard   von,  geb.   1842    in   Berlin,   wurde  Offizier,   mußte 
s  Leidens  wegen  1865  seinen  Absehied  nehmen,  promovierte  1867  in  Rostock 
und  lebte  dann   als   Schriftsteller  in   Groß-Lichterfelde  bei  Berlin,   wo  er  1900 
starb.     Seine   erste  Gattin,   Agnes  geb.   Taubert,  wie    seine    zweite,    Alma   geb. 
Lorenz,    waren    ebenfalls    schriftstellerisch    tätig.     Die   „Philosophie  des   Unbe- 
wußten" machte  gleich  nach   ihrem    Erscheinen    großes   Aufsehen    und   erlebte 
viele  Auflagen,  obgleich  infolge  der  geänderten  Strömung  später   das   Interesse 
des   Publikums  für   derartige  metaphysische  Spekulationen  erheblich   nachließ, 
v.  Hartmann  ist  ein  philosophischer  Systembildner,  der  eine  Synthese  von 
Schelling,  Schopenhauer  und  Hegel  unternimmt  und  auf  Grund  der  Ergebnisse 
der  Wissenschaften  „spekulative  Resultate  nach  induktiv-naturwissenschaftlicher 
Methode"  geben  will.    Den  irrationalen  „Willen"  Schopenhauers  (und  Schellings) 
verbindet  er  mit  der  Hegeischen   „Idee"    zum    Begriff    des    „Unbewußten"    als 
Einheit  von   Wille  und  Idee   (Vernunft),    als    zweckvoll    wirkende    Urkraft,  als 
anpersönliches,    göttliches   Absolutes.      Eine   Metaphysik   ist   möglich,    aber 
nicht  als  aprioristische,  apodiktische,  sondern  nur  als  hypothetische  Wissenschaft, 
olche  aber  braucht  sie   nicht   bei    der  Erfahrung   und    beim    Bewußtsein 
i  zu  bleiben,    sondern  sie  kann  durch  Schlüsse  zum  Transzendenten  und 
Unbewußten,  zum  Ding  an  sich  vordringen. 

Erkcnntnistheoretisch  bekennt  sich  H.  zum  „transzendentalen  Realis- 

oach  welchem  Außen-    und    Innenwelt  (Ich)  Erscheinungen   eines   Ding 

■h   sind,    dessen   Existenzweisen   die   objektiven   Grundlagen    unserer   An- 

Bchauungs-  und  Denkformen  bilden.     Am  Leitfaden  der  Kausalität  erschließen 

wir  aus    nnserei]    Wahrnehmungsinhalten    die    Welt   des   Ding    an   sich.     „Die 

szendente   Kausalität    zu    meiner   Empfindung  hinzuzudenken,    dazu    fühle 

ich    mich   dadurch  gezwungen,    daß    meine   Empfindung    etwas   von   mir  nicht 

»Utes,  mir  Aufgezwungenes  ist.  daß  ich  sie  als  das  Endglied  einer  Kollision 

nen  einem  fremden  Willen  und  meinem  eigenen  Willen  fühle."    Vermöge 

Organisation    wird    der   gefühlte    Zwang    „unwillkürlich    und 

a  priori  als  dynamischer  Zwang  eines  fremden  Willens  gedeutet".     Betreffs  des 

Ursprung  der  Erkenntnis  sieht  v.  II.  auf   dem  Boden   des  Kritizismus,  nur  be- 

ijektive  Bedingtheil   der    Erkenntnisformen,   welche  als   solche   aus 

rischen  unbewußten  Synthesen   entspringen.    Das  A  priori  (dessen    Fest- 

lichl   selbst  apriorisch  ist)  ist  ein  vom  Unbewußten  Gesetztes,  das  nur 

ultal    in-  Bewußtsein   fällt.    Schon  die  Empfindung  ist   das  Produkt 

[ntellektualfunktionen",  nämlich   „eine   für  das   Bewußtsein  des 

'ii    Individuums   überschwellige  Synthese  aus  unterschwelligen 

und  Gefühlen  der  umspannten   Individuen  nächsttieferer  Stufe, 

eine  indirekte  Synthese  aus  qualitätslosen  Lust-  und  Unlust- 

.      Produkte    von   Synthesen    mit    objektiver  Geltung  sind 

Z<    '      Apriorisch  ist  nur  die  Räumlichkeit,  nicht   die  konstruierte 


HA  IM  MANN. 

EtauniaiiBchauung.  Der  Raum  ist  nicht  bloß  subjektiv,  er  ist  eine  Außenu 
form  des  Wirklichen  Belbet  I>i«-  ßäumlichkeil  ist  Bchon  eine  Kategorial- 
funktion,  eine  subjektiv-ideale  Rekonstruktion  (1<t  transzendent-realen  Raum- 
Verhältnisse  der  affiriereuden  Dinge  an  mch.  Der  objektive  Raum  ist  das 
Produkt  des  Aufemanderwirkena  der  Atomkräfte.  Der  absolute  Kaum  wird 
durch  den  absoluten  Willen  (—  das  eine  Attribut  des  Ding  an  sich  realisiert. 
Di«  Zeitlichkeit  des  Bewußtseinsinhalte  kann  nur  aus  einem  zeitlichen  unbe- 
wußten Geschehen  erklärt  werden.  In  der  objektiv-realen  Sphäre  ist  die  X 
„Veränderung  der  Willensintensität  oder  Kraftäußerungsintensität".    Das  weilen 

I  die  unbestimmte,  die  [dee  | —  das  andere  Attribut  des  Absoluten  — )  die 
bestimmte  Zeitlichkeit.  Zeit  als  Synthese  gibt  es  nur  in  der  subjektiv-idealen 
Sphäre.    Auch  die  Zeit  ist  eine  Kategorie. 

Zu    den    „Kategorien    der    Sinnlichkeif4    (Qualität,    Quantität:    intens 

nsiv<  I  >.    -  Zeitlichkeit,  Räumlichkeit)  kommen  dio  „Kategorien  dee  Denk« 
hinzu:  l.  [Jrkategorie  der  Relation.    2.  K  eflektierenden  Denk. 

:;.  Kategorie  des   spekulativen   Denkens   (Kausalität,    Flnalität,  Substantialität). 
Das  Wahrgenommene  ist  ein  »»Kategoriengespinst".    Nicht  als  Begriffe,  nur  als 
„Kategorialfunktionen"  sind  die  Kategorien  apriorisch.    Sie  entwickeln  sich  aus 
Keimen    und   Anlagen    dee  Verstandes,    in    denen   sie   vorbereitet  liegen.    J< 
Kategorie  ist    eine  „unbewußte    [ntellektualfunktion    von    bestimmter  Art    und 
Wi  ise,  oder  eine   unbewußte   logische   Determination,   <lie   eine  bestimmte    B< 
sichung    setzt".      l»i-     Kategorien    sind    supraindividuelle    Betätigungi 
der   unpersönlichen  Vernunft    in   den    Individuen,   synthetische   Formen.     Ein 
Teil  der  Kategorien  gilt  für  die  subjektive,  objektive  und  metaphysische  Sphäre 
gleich.    l>i<-  transzendente  Kausalität   umfaßt  die  intra-,  interindividuelle, 
alle-  und  isotrope  Kausalität    „Ätiotrop"   ist  die  Kausalität,  welche  „innerhalb 
eim-  Individuum-  nicht   zwei  verschiedenartige  Substanzen,   sondern  bloß  iwei 
verschiedenartigi     Erscheinungsweisen    miteinander  verbindet".    Alle  Kausalität 
ist    innerhalb    des    Absoluten    intraindividuell:   ..Alle    Wechselwirkungen    der 
Individuen  untereinander   Bind   gesta  absoluti  per  individua."     Alle   psychische 
Kausalität  liegt  im  Unbewußten,  da  die  Bewußtseinsinhalte  als  -"lehr  rein  passiv, 
ohne  Kraft  Bind.    In  der  Bubjektiv-idealen    und   objektiv-realen  Sphäre  gibt 
nur    Pseudosubstanzen    (Materie,   Seel(       Eigentliche  Bubstanz    ist    nur  das 
lolute  als  „reinee  Subjekt   der  Tätigkeit",  als   immateriell«  unbe- 

wußtes, unpersönliches,  ewiges  Subjekt,  dessen  „funktionelle  Einschränkungen" 
die  Dinge  sind  und  das  in  allem  zweckmäßig  wirkt.  Der  Zweck  ist  ein  Welt- 
prinzip, eine  Kategorie,  das  ideelle  primum  movens.  Kausalität  und  Flnalität 
sind  nur  verschiedene  Aspekte  einer  Sach«  Kosmogonischer  Monismus 
Flnalität  bestimmt  das  Gesetz,  nach  welchem  di<-  Kausalität  wirkt,  sie  ist  eine 
I . •  _ i -« - 1 1  notwendige  Determination.  Der  Weltzweck  ist  di<  „log  ■'.-■  Verurteüu 
des  Antilogischen  als  solchen". 

Damit  kommen  wir  zur  Metaphysik  U.s,  eii      '  von  Voluntai 

mus  und  Logismus  /u  einem  „Panpneumatismus"  und   „konkret*      M 
Di«  absolute  Wirklichkeit  ist  Geist,  aber  (absolut    unbewußt«     i  H.  unl 

Bcheidcl    da«    physiologinch,    das    relativ    und    da  I  I 


Hartmann. 

physiologisch  Unbewußte  umfaßt  die  ruhenden  molekularen  Prädispositionen 
der  materiellen  Zentraloigane  des  Nervensystems,  beziehungsweise  bei  niederen 
üsinen    dos    Protoplasmas."     „Das   relativ   Unbewußte   sind   psychische 
Phänomene,  die  wohl  für  Individualbcwußtscine   niederer  Stufen  innerhalb  des 
iniamus  bewußl  sind,  für  das  oberste  Zentralbewußtsein  oder  Samtbewußt- 
sein des  Organismus  aber  unter  der  Schwelle  und  darum   unbewußt  bleiben.'' 
absolut    Unbewußte    ist    nur    durch    einen   Bückschluß    von    den    Er- 
scheinungen auf  das  ihnen  zugrundeliegende,  unmittelbar  nicht  erlebbare  geistige 
heben  zu  erkennen.     Es    wirkt   in    Natur   und  Geist  zweckmäßig  (wie   im 
Instinkt  usw.).     Es  ist  als  Einheit  das  „metaphysische  Wesen  mit  den  Attributen 
-    anbewußten   "Willens  und  der  unbewußten  Vorstellung",   der  gemeinsame 
Grund  von  Objekt  und  Subjekt,  Physischem  und  Psychischem.     Es  ist  Einheit 
ron  Logischem  und  Alogischem.   Der  Wille  setzt  das  „Daß"  der  Welt;  die  Idee, 
zu  welcher  das  Logische  gegenüber  dem  antilogisehen  Willen  wird,  das  „"Was" 
der  Welt     Die  Funktion  des  Willens  ist  „Übersetzung  des  Idealen  ins  Eeale"; 
nur  die  Wirkungen  und  Produkte  des  unbewußten  Willens   fallen  ins  Bewußt- 
sein.    Keine  geistige  Tätigkeit  als  solche  ist  bewußt.    Die  unbewußte  Vor- 
stellung ist  „ideale  Antizipation  eines  zu  realisierenden  Willenserfolges",  „logische 
Intellektualfunktion".      Durch    die    Idee    wird    die   Willensentfaltung   logisiert, 
sie  bekommt  ein  vernünftiges  Ziel,  welches  zur  Erlösung  des  Willens  vom  Sein, 
zur  Aufhebung  des  Antilogischen   führt.     Das  Unbewußte  ist  einfach  und  hat 
zugleich  die  Mannigfaltigkeit  der  Individuen  in  sich    („Konkreter  Monismus"). 
Als  das  Unbewußte  und  Überbewußte  ist  Gott  der  AVeit  immanent  und  unper- 
BÖnlich,  erst  in  den  Individuen  schafft   er  sich  ein   Bewußtsein,  das  im  Laufe 
Weltentwicklung  immer  stärker  wird  und  dann  durch  Einsicht  in  die  Un- 
scligkeif  des  Daseins  zur  Willensverneinung  und  zur  Erlösung  des  Absoluten 
führt,  wodurch  der  „Abfall"    wieder   gut   gemacht  wird,  durch  den   einst  der 
Wille  von  der  Potenz  zur  Aktualität  überging.     Die  Welt  ist  zwar,  da  sie  die 
Möglichkeit  der  Erlösung  in  sich  birgt,  die  durch  Hingabe  an  die  Zwecke  des 
lutea  erreicht   werden  kann,  die  beste  der  möglichen,  aber  doch  schlecht, 
\\«il  all»-  Dasein  als  solches  Unlust  und  Leid  bringt  (Verbindung  des  „eudämono- 
m •  1 1 •  •  Pessimismus  mit  dem  „teleologischen"  Optimismus). 
In  allem  wirkt  der  unbewußte  Wille  als  dynamisches  Prinzip  (Panpsychis- 
iind  zweckmäßig.    Die  Körper  sind  als  Stoffe  objektive  Erscheinungen 
and  bestehen  ans  dynamischen  Atomen  („Dynamiden")  als  Manifestationen  des 
All-Ein«  i  il-  nur    relativ   selbständige    Willenseinheiten.     An  sich  ist  die 

Kraft    5         d,  Willi-:  die  „Energie"  ist  etwas  Sekundäres.    Die  Lehre  von  der 
dem  „Wärmetod"  der  Welt  (Clausula  u.  a.),  spricht  für  die  Welt- 
I '     I  Organismen  sind  aus  Anorganischem  unter  dem  Einfluß  nicht- 
eckmäßig  wirkender  Kräfte   entstanden,   die  noch  jetzt   in  den 
Ordnend,  Uitend,   gestaltend    wirken    (Vitalisnius).     Die  Lebenskraft 
fikation  des  „Unbewußten"  and  dessen  Finalität.    Die  unbewußte 
uze  Eh  twickl  u  ng  der  Organismen,  bedingt  die  direkte 

>--iing.      Eine    ..unbewußte   Abäiidmnigslendeiiz"    besteht,    die 

nd   Intensität   beschrankt    i-t.     Die  natürliche  Ausl.se  ist  nur 


Hai:  im  ann. 

•  ■in  Hilfsmittel,  nicht  die  Ursache  der  Entwicklung,  sie  wirkt  nur  negativ, 
seitigt  nur  das  Unzweckmäßige;  der  Kampf  ums  Dasein  i-t  nur  ein  „Handlanj 
der  Idee". 

Die  Seele  ist  keine  einzelne  Substanz,  sondern  ,,die  Summe  der  auf  den 
betreffenden  Org  -  -  gerichteten  Tätigkeit  des  einen  Unbewußten".  Zu  der 
Mehrheit  von  Bewußtseinen  des  [ndividuums  kommt  <  1  i *  *  einheitliche  rätigkeit 
des  Unbewußten  als  „Zentralmonade"  hin/u.  Das  Ich  ist  nur  eine  Erscheinung 
der  Seele,  es  gehört  nur  rar  Bewußtseinsform.  Auch  dem  Leibe  liegt  das  ein- 
heitliche Unbewußte  zugrunde,  so  daß  Seele  und  Leib  „reelle  Teilfunktionen 
als  Glieder  derselben  absoluten  Funktion  des  absoluten  Subjekts"  sind,  l 
Parallelismus  zwischen  den  psychischen  und  physischen  Erscheinungen  ist  nur 
eine  „homologe  Korrespondenz"  als  Produkt  der  „interindividuellen  Wechsel- 
wirkung beider  Ejscheinungs»  iten  untereinander  innerhalb  desselben  [ndi- 
viduums". Das  Unbewußte  erscheint  zweifach:  al>  Bewußtseinsphanomen  und 
als  Bewegung,  die  einander  funktional  zugeordnet  sind,  auf  Basis  einer  Woche 
Wirkung,  wobei  die  Seele  die  Richtung  der  Bewegungen  ohne  Energiezuwachs 
zu  lenken  rennag  Das  Unbewußte  ist  der  Untergrund  des  Seelenlebens.  Alle 
Synthese  im  Geistigen,  alle  Denk-  und  Willensakte,  alle  aktiven  Apper- 
zeptionen Bind  unbewußt:  Bewußt  sind  nur  die  psychischen  Phänomene,  die 
psychischen  Akte  sind  absolut  unbewußt.  Absolute  Willensfreiheit  gibt 
nur  im  Absoluten;  der  Mensch  hat  nur  psychologische  Wahlfreiheit  1 N  r 
Motivation-  _  ist  unbewußt    Motiv  ist    nicht   das  Gefühl   selbst)  Bondern 

nur  die  Vorstellung  eines  künftig  zu  erlangenden   oder  abzuwehrenden  Gefühls 
r  auch  eine  Vorstellung  ohne  jede  Rücksicht  auf  Lust  und  Unlust,  lediglich 
nach  Maßgabe  des  <  'harakt-  re, 

l>ic  Ethik  H.-  i-t  ein  universalistischer  Evolutionismus.  Der Eudämonis- 
mus  ist  abzulehnen,  Glückseligkeit  ist  kein  Ziel  des  Handeln-  und  i-t  unerreich- 
bar. Die  Quelle  der  Moral  ist  die  Vernunft,  die  auch  Gesellschaft  ww<\  Becht 
rundet  Der  Fortschritt  des  sittlichen  Bewußtseins  hingt  von  der  Erkenntnis 
der  Zwecke  des  Weltprozesses  ab.  ..Das  reale  hasein  i>t  die  Inkarnation  der 
ttheit,  der  Weltprozefi  die  Passionsgeschichte  des  Qeischgewordenen  Gottes 
und  zugleich  der  Weg  zur  Erlösung  des  im  Fleische  Gekreuzigten;  die  Sittlich- 
keit aber  ist  die  littarbeil  an   der  Abkürzung  dieses    Leidens-   und  Erlösui 

In  der  Hingabe  des  [ndividuums  an  die  objektive  Teleologie  des  Welt- 
prozesses um  da  Wesensidentität  aller  Willen  besteht  die  wahre  Sittlichkeit. 
Wenn  auch  stets  ein  Oberschuß  der  Unlust  gegenüber  der  Lust  besteht,  wie 
die  ..A\io|o_;>       Wertlehre)  zeigt,  die  Welt  also  in  dieser  Hinsicht  minderwei 

ist  «loch  die  Hingabe  an  den   Eulturprozefl   und   ein   aktiv-produktives 
V(  rhaltea  zu  fordern,  weil  dann  die  Vernunft  die  Welt  zur  best  möglichen  macht, 

Absolute  ron  seiner  Qual  erlöst 

Die  Ästhetik  faßt  r.  II.  „konkret  idealistisch"  auf.  Die  Idee  wird  mit 
der  Form  im  Realen  erfaßt  Das  Schöne  ist  sinnlich  üsthetischer  Schein  in 
der   Sphäre   einer    idealen    Phlnomenalitit,    ein<     Erecheinuj  unbewußt 

I     pschen    im   Sinnlichen.     Der   ästhetisch     -        n   muß  dci  mit 

latent    in    sich   tragen,    um   al-    schön    zu   wirken.      Durch  die   Kunst    werden 


1 1  \  1: l'MANX  —  Hartsen. 


„ästhetische  Scheingefühle''  erweckt  und  das  Genießende  ist  hier  das  „Schein-Ich*'. 
Wohlgefallen  am  Schönen  ist  uninteressiert.    Das  imposant  Schöne  ist  das 
Erhabene.    Die   Lösung  dos  tragischen  Konfliktes  bestellt   in  der  Abkehr  des 
Willens  vom  Einzeldasein. 

Die  Religion  ist   eine  Beziehung  des   Menschen   auf  Gott.     Vorstellung, 

Gefühl  und  Wille  sind  an  der  Religion  beteiligt.  Alle  wahre  (Geistes-)  Religion 
beruht  auf  dem  Gefühl  des  Erlösungsbedürfnisses,  auf  dem  Verlangen  nach  Er- 
lösung vom  Übel,  auf  Erhebung  von  den  egoistischen  Zwecken  des  phänomenalen 
Individuums  zu  den  universalen  Zwecken  des  ihm  subsistierenden  Absoluten. 
Der  Theismus  ist  abzulehnen,  Gott  ist  unpersönlicher  Geist  ohne  Gegensatz, 
daher  auch  ohne  Bewußtsein ;  die  Welt  ist  die  Entfaltung  Gottes.  Eine 
individuelle  Unsterblichkeit  ist  nicht  anzunehmen. 

Anhänger  v.  H.s  sind  M.  Schneidewin,  L.  Ziegler,  A.  Drews, 
A.    Tauber t.  Venetianer  u.  a. 

Schriften  :  Über  die  dialektische  Methode,  18G8;  2.  A.  1910.  —  Philosophie  des  Un- 
bewußten, 1869;  11.  A.  1904.  —  Das  Ding  an  sich  und  seine  Beschaffenheit,  1871.  —  Ge- 
sammelte philos.  Abhandlungen  zur  Philos.  des  Unbewußten,  1872.  —  Das  Unbewußte  vom 
Standpunkt  der  Physiologie  u.  Deszendenztheorie,  1872 ;  2.  A.  1877.  —  Die  Selbstzersetzung  des 
Christentums  u.  die  Religion  der  Zukunft,  1874.  —  Wahrheit  und  Irrtum  im  Darwinismus, 
1875  —  Kritische  Grundlegung  des  transzendentalen  Realismus,  1875;  3.  A.  1886.  —  Ge- 
sammelte Studien  und  Aufsätze,  1876;  3.  A.  1888.  —  Phänomenologie  des  sittlichen 
Bewußtseins,  1879;  2.  A.  1886  (Das  sittliche  Bewußtsein).  —  Zur  Geschichte  und  Be- 
gründung des  Pessimismus,  1880;  2.  A.  1891.  —  Die  Krisis  des  Christentums,  1880, 
1888.   —  Religionsphilosophio,  1881—82  (Bd.  II:  Die  Eoligion  des  Geistes;  3.  A.  1907). 

—  Philosophische  Fragen  der  Gegenwart,   1885.  —   Der  Spiritismus,  1885;   2.  A.   1898. 

—  Das  Judentum,  1885.  —  Moderne  Probleme,  1886.  —  Ästhetik,  1886  —  87  (II:  Philo- 
sophie  des  Schönen).  —  Lotzes  Philosophie,   1888.  —  Kritische  Wanderungen  durch  die 

-ophie   der    Gegenwart,    1889.    —    Das  Grundproblem   der   Erkenntnistheorie,  1889. 

—  Kants  Erkenntnistheorie    und   Metaphysik,    1893.    —  Die   sozialen   Kernfragen,   1894. 

—  Katcgorienlehre,  1896.  —  Schellings  philosophisches  System,  1897.  —  Ethische 
Studien.  1898.  —  Geschichte  der  Metaphysik,  1899 — 1900.  —  Die  moderne  Psychologie, 
1901.  —  Die  Weltanschauung  der  modernen  Physik,  1902;  2.  A  1909.  —  Das  Christentum 
des  neuen  Testaments,  1905.  —  Das  Problem  des  Lebens,  1906.  —  System  der  Philosophie 

randriß,    1907  ff.:   Giundriß  der  Erkenntnielehre,  der  Naturphilos.,  der  Psychol.,  der 
Metaplns.,    der  Axiologie,   der  ethischen  Prinzipicnlehre  u.  a.  —  Zum  Begriff  des  Unbe- 
wußten,  Arch.   f.  system.  Philos.,  1900.   —    Der  Wertbegriff   und   der  Lustwert,  Zeitschr. 
philosoph.     Kritik,     1895.    —    Neukantianismus,     Schopenhauerianismus 
Inismas,   '.',.   A     1910,   u.  a.  —    Vgl.    O.  PLUMACHEE,    Der  Kampf  ums    ün- 
l(.    KÖBER,    Das  philos.  System  E.  v.  H.s,    1884.   —    A.  DKEWS, 
II  i  u,    1902;   2.   A.   1906.  —  Th.   KAPPSTEIN,  E.  v.   II,   1907.   — 

E         II.,  1903     Fromraani  Klassiker  d.  Philos.). 

H.-irtiiiiiiiii.    Franz.   =  Theosophischer  Standpunkt.  —  Schriften:  My- 

lagiscfl   wirkende  Kräfte,    1902.    —    Die  weiße  und  die  schwarze 
Was  ist  Theopophie?  1903,  u.  a. 

Harteen,  i      \.    geb    1838,  =   Die  Philosophie  basierl  nach  II.  auf  der 

im-,  dehnt,  aber  nicht  materiell. 


Hak  ihn  —  Hegel. 


Schriften:  Grundlegung  von   Ästhotik,  Moral  und  Erziehung,   1869.  —  Grund. 

der  Wissenschaft    des    Glücks,    1869.    —    Untersuchungen    über    Psychologie,    1869.    — 

Untersuchungen    über   Logik,   18C9.    —    (irundzüge   der    Logik,    1873.   —   Grundzüge    der 

Psychologie,   1874  ;     2.   Ä.   1877.    —     Grundriß    der    Philosophie,    1875.    —    Vermischte 

-che  Abhandlungen,    1876.  —   Die  Philosophie  al*  Wissenschaft,   1876,  u.  a. 

Hauptmann.  Carl.  geb.  ls~>b,  lebt  in  Schreiberhau.  =  Ähnliche  An- 
schauungen betrefni  <I<.t  Unterscheidung  (!••>  Physiologischen  and  Psychischen 
irie  bei  Avenarius. 

Schriften:   Die  Metaphysik  in  der  modernen    Physiologie,   1893. 

IlaillTail.     Baitholom.,     1812—1896.    —    Schriften:     De    la    philofc  ; 
s<olastique,    1850     —    Histoire  de  la  philosophie    scolastique,    1872  —  80.    —    Notices   et 
i-xtraits  de  quelques    manuscrits   latins   de  la  bibliothöque    nationale,   1800 — 93    (Quellen- 

■\vrrki,   u.   a. 

Havenronler.  Joh.  Ludwig,  gest.  1548  in  Straßburg,  Prof.  daselbst, 
spater  als  Arzt  tatig  1618.  =  Aristoteliker. 

Schriften:    Kommentare  zu   An- 

llaym.    Rudolf,  geb.    1821    in  Grünberg   L   SchL,    Prof.   In    Ball 
1901  in  St.  Anton  (Tirol  , 

■  :    I  ruerbaeh   u.  die  Philosophie,    1847.  —    Hegel  u.  seine  Zeit,   1S57    — 
-  hopenhaner,   l s r, 4 .  —    I > i . -  romaatieehe  Schale,  1870:  2.  A.  1906,  u.  a. 

Hehler«  (  arl,  geb.  1821  in  Bern,  Beil  L863 Prof. daselbst,  gestl888in  Bern. 

9    i.  ritt  eii :    Elemente   eiripr    peyeho  heiheitalehre,  1887    l'\ 

nninismu).  —  Philos.   AulViit/e,   1869. 

Hebraen»  b.  Leo  EL 
ll<*rioiiik<*r  b.  Kyrenaiker. 

Ilo^el.  Georg  Friedrich  Wilhelm,  geb.  27,  August  177<>  in  Stuttgart, 
studierte  in  Tübingen  Theologie  und  Philosophie,  war  erst  Hauslehrer  in 
Bern,  dann  in  Frankfurt  a.  M..  habilitierte  sich  ls"l  in  Jena,  wo  er  Mit  - 
herausgeber  des  „Kritischen  Journal  der  Philosophie'*  irnrde  und  «in«'  außer- 
ordentliche  Professur  erhielt,  die  er  l^1"»  aufgab.  1806—1808  ararer  Redakteur 
der  „Bamberger  Zeitung*',  lvi^  1  — ^ I * ">  Direktor  des  AgidiengyronasiumB  in  Nurn- 
_.  1816—1818  Prof.  in  Heidelberg,  von  da  an  Prof.  in  Berlin,  wo  er  <-in.' 
außerordentliche  Zahl  von  Hörern  hatte  und  als  „preußischer  Staatsphilosoph" 
galt.    Er  starb    an  der  Cholera    am  14.  November  1831  in  Berlin. 

II.  ist  <1<  i  bedeutendste  Philosoph  des  19.  Jahrhunderts.  Schwerfällig 
und    in   seiner    Ausdrucks?  ft    dunkel,    beweist    -r   doch    eine   gewall 

logisch-spekulative  Kraft,  mil  der  er  den  Erfahrungsinhall  aur  Einheit  einei 
-  ib-s  ;i h~.ll  n  1 1 - 1 1  I  (1  ra  I  ismui  eh  verarbeiten  sucht  Von  Heraklit, 
Plato,  Aristoteles,  dem  Neuplatoniamus,  Spinoza,  Leibnia,  Herder,  Kant.  Fichte 
und  Schelling  beeinflußt,  i-t  er  der  Begründer  einer  neuen  Weltanschauung 
nnd  Methodik  geworden,  des  Panlogismus,  der  ruh  piner  lo^iwhei 
lektischen")  Denkbewegung  den  Brkenntnisinhalt  ableitet  und  bejrreiflich  macht 
and  zugleich  in  der  Welt  »elbst  die  Entfaltung   einet  Denk« 

erblickt     Allen  S<  iendc  i-i  M  ktive 


Hegel. 

heinung)  einer  absoluten  Wirklichkeit,  welche  Idee,  Vernunft,  Denken  ist 
and  Bich  in  der  Natur  wie  im  Bewußtsein  entfaltet.  Aus  seiner  abstraktesten, 
allgemeinsten  Form  entwickelt  sieh  (logisch,  nicht  zeitlich)  das  Absolute  (das 
Weltsubjekt)  bis  zur  Stufe  des  selbstbewußten,  sein  Wesen  erfassenden  absoluten 
-  5,  Im  philosophischen  Erkennen  wiederholt  sich  der  Weltprozeß  und  so 
wird  durch  die  Spekulation  der  Vernunft  (das  absolute  Wissen)  der  Subjekti- 
vismus und  Relativismus  des  nur  auf  endliche,   „unwahre"   Seinsbestimmungen 

hüten  abstrakten  Standpunktes  der  Reflexion,  des  Verstandes  (vgl.  Ja- 
cobi,  Schelling)  überwunden  und  auch  der  Kritizismus  Kants  nur  als  Durch- 
gangsphase  anerkannt.  Das  Vertrauen  zur  konstruktiv -deduktiven  Macht 
-  spekulativen  Denkens  erscheint  bei  H.  in  seiner  höchsten  Potenz,  wenn 
Tl.  auch  den  nicht  zu  überwindenden  irrationalen  Eest  in  der  Natur  an- 
erkennt. 

Die  Philosophie  ist  formal  „denkende  Betrachtung  der  Gegenstände", 
material    ..Wissenschaft    des    Absoluten",     als    die    sich    denkende    Idee,    die 

ade  Wahrheit.  Das  Seiende  zu  begreifen  ist  die  Aufgabe  der  Philosophie. 
Sic  ist  ..zeitloses  Begreifen,  auch  der  Zeit  und  aller  Dinge  überhaupt,  nach 
ihrer  ewigen  Bestimmung",  sie  will  erkennen,  „was  unveränderlich,  ewig,  an 
und  für  sich  ist",   sie   will   den    Gedanken,   den  Begriff  mit  der  Wirklichkeit 

hnen.  Sie  zerfällt  in  Logik,  Natur-  und  Geistesphilosophie,  in- 
dem sie  zuerst  die  Idee,  das  Logische  an  sich  (als  reines  Denken,  als  Idealität, 
als  System  der  Kategorien),  dann  die  entäußerte,  objektivierte  Idee,  d.  h.  die 
Natur,  endlich  die  Idee  in  ihrem  Beisichsein,  ihrem  An  und  für  sich  als  Geist 
betrachtet  Die  Identität  von  Denken  und  Sein,  Natur  und  Geist,  darf  nicht 
wie  bei  Schelling  „aus  der  Pistole  geschossen"  sein,  sondern  muß  deduziert 
werden.  Das  Vernünftige  muß  als  wirklich,  das  Wirkliche  als  vernünftig  dar- 
getan werden,  wobei  nicht  alles  Zufällige  oder  Vorübergehende  als  „wirklich" 
(im  vollsten  Sinne)  zu  gelten  hat,  so  daß  es  natürlich  in  der  Erfahrung  auch 
Unvernünftiges  gibt,  das  zu  überwinden  ist. 

Die  Methode  der  H.schen  Philosophie  ist  die  dialektische  als  Gegen- 
stück zur  objektiven  Dialektik  des  Weltprozesses,  der  im  philosophischen 
Denken  zum  Bewußtsein  seiner  selbst  gelangt;  denn  das  Sein  selbst  ist  Denken, 
Denkentwicklung.  Der  „Widerspruch"  (Gegensatz)  ist  die  Triebkraft  dieser 
Denkbewegung,  die  im  Dreischritt  von  Thesis,  Antithesis,  Synthesis  (vgl. 
Fichte,    ferner  Kants  Antinomien,  Jleraklit)  erfolgt  und  zur  „Aufhebung"  des 

0  einem  höheren  Begriff  führt,  der  wieder  seinen  Gegensatz  hat  usw. 

1  zunächst   „an  sich",  in  der  Unmittelbarkeit  der  Potenz  zu  einem 
ideren  Bein  (wie  /..  B.  der  Keim  zu  einer  Pflanze),  dann  „für  sich",  als  Ein- 

BChliefllicfa    „an   und   für  sich/'  als    Konkret-Allgemeines,    als  Einheit  in 
Mannigfaltigkeit    Beiner    Bestimmungen,   als   objektiver   „Begriff",   der  zu- 
hält,   das   Wesen  des  Ding.-  bildet.      Indem    das    philosophische 
Belbstentfaltung    der    Idee   zum    Gegenstande  hat,    macht  es   den 
■lb-t  zum  Objekt;   das   System   des  Denkens  erzeugt  so  aus 
Erfahrung,  der  Panlogismus  wird  zu  einem  „Panempirismus" 
lektische  Denken  i-t  ein  „Totalitätsdenken"  (M.  Adler),  in  der 


Hegel. 

die  Tatsachen  selbst  zum  Ausdruck  kommen  Bollen.     I»  tai  I »rn k»-n 

„als  die  -i'-li  entwickelnde  Totalitat  Beinef  eigentümlichen  Bestimmungen  und 
I  U  setze,  die  es  sich  Belhet  gibt".  Die  Dialektik  entsteht  dadurch,  daß  das 
Denken  „sich  in  Widerspruche  verwickelt.  »I.  i.  sieh  in  die  feste  Nichtidentität 
der  Gedanken  verliert,  somit  sich  selbst  nicht  erreicht,  vielm.hr  in  Beinern 
_.  iit.il  befangen  bleibt".  AU  Verstand  muß  das  Denken  in  da-  Negative 
seiner  selbst,   in  den   Widerspruch    geraten".     I>ic   K  ien   des  Verstandes 

sind  als  -<»lche  beschränkt.'  Bedingungen,  Formen  des  Bedingten,  abstrakt, 
unwahr.  I  >a-  dialektische  Moment  ist  nun  ..das  e;_  3ichaufheben  solcher 
endlicher  Bestimmungen  und  ihr  I        -  hen  in  ihre  entgi  I  „Alles 

Endliche  i-t  dies,  sich  selbst  aufzuheben."  Durch  Negation  der  Negation 
wird  der  Widerspruch   beseitig  ;-'    /.    B.   da-   Nicht-   «li.     \  _   Hon   des 

Sein-,  mit  dem  zu-amnicii  <•-  im  „Werden"  aufgehoben  wird.  Diese  Dialektik 
i-t  .in  „Waltenlassen  der  Bache  selbst  oder  der  allgemeinen  Vernunft  in  ans,  die 
mit  dem  Wesen  der  Dinge  identisch  ist".  Das  Denken  selbst  löst  seine  eigenen 
Widersprüche  auf.  Dem  analog  ist  das  Absolute  die  eine  Idee,  die  als  urteilend 
sich  zum  System  der  bestimmten  Ideen  besondert,  die  wieder  in  die  eine  | 
zurückgehen.  Die  Idee  i-t  selbst  die  Dialektik,  eine  ewige  Schöpfung,  ewige 
Lebendigkeit,  ewigei   Geist,  ewiges  Anschauen  ihrer  selbst  im  andern. 

Die  w  .  itt  der  ..reinen  Idee",  der  [dee  als   solcher  i-t   die  Logik, 

die  zugleich  Erkenntnistheorie  und  Ontologie  (Metaphysik)  i-t.  da  das  Bein 
selb*  rift   i-t.     sie   enthalt    d.n    „Gedanken,   insofern    er   ebensosehr   die 

8  he  an  -i.h  selbst  ist",  sie  1-1  die  Wissenschaft  der  [dee  im  abstrakten 
Element  Denkens,   die   Wissenschaft    vom    I.  _   -    ron    der  Vernunft   als 

-..Icher.  \..n  d.r  Wahrheit  an  -i.h.  die  „Darstellung  Gottes,  wie  er  in  seinem 
ewigen    Wesen,    vor  <\>v    Erschaffung  d.r  Natur   und  eines  endlichen  I 
igt",   die   „Wissenschaft   d.r    Dinge   in   Gedanken   gefaßt".     Sie  zerfallt  in  die 
Lehre   rom    Sein    (vom   Gedanken   in  seiner   Unmittelbarkeit),  die  Lehre  vom 
W«  "  Gedanken  in  Beiner  Reflexion)   und   die    Lehre   vom   Begriff   und 

der  Id.-.-  .vom  Gedanken  in  Beinern  Beisichsein).    Oder  (in  der  „Enzyklopädie 
in  die   „objektive"    nnd   die   „subjektive"   Logik.     D  spekulativ«      Logik, 

welch.-  Form  nnd  Inhalt  des  Denkens  nicht  isoliert,  -teilt  die  innerliche  und 
apriorische    Notwendigkeit   d.r  Gedanken    und   damit    auch   der   Bachen   dar. 

I  -    wird    von    II.   betont,    der    Inhalt     d.r    Philosophie  Bei    kein   anderer  al-   ..der 

im  Gebiete  des  lebendigen  GK  -••-  ursprünglich  hervorgebrachte  nnd  sich  her- 
rorbringende,  zur  Welt,  äußeren  und  inneren  Welt  des  Bewußtseins  Im 

halt",  die  Wirklichkeit  im  Unterschiede  Ton  der  Erscheinung,  d.  h.  dem, 
was  „vorübergehend  und  bedeutungslos"  i-t.  Die  Übereinstimmung  mit  dei 
Wirklichk.it  nnd  Erfahrung  i-t  notwendig  trotz  all.-  Apriorismus  und  Ratio- 
nalismus.    1  »i-    spekulative  Logik  anerkennt  den  Inhalt  der  Erfahrung  und 

der  W  haft,  aber  Bie  bildet   sie  mit    weiteren    K 

und  um.      Das  Aufnehmen   des   ron  d.n  Wissenschaften   verarl*  Inhalt- 

durch   die    Philosophie  i-t   zugleich  ein   „Entwickeln  l1  -i.h 

selbst",  wodurch  »li.-   Philosophie  diesem   Inhalt.-  di<    1  des  Api 

und  die  Bewährung  di  1   Nbtv  \  >     \\ 


Hegel, 

der  Idee  st  System,  „weil  das  Wahre  als  konkret  nur  als  sich  in  sich  ent- 
faltend und  in  Einheit  zusammennehmend  und  haltend,  d.  i.  als  Totalität 
ist4".  Die  Idee  ist  ..das  Denken  nicht  als  formales,  sondern  als  die  sich  ent- 
wickelnde Totalität  seiner  eigentümlichen  Bestimmungen  und  Gesetze,  die  es 
weh  seihst  gibt,  nicht  schon  hat  und  in  sich  vorfindet".  Das  Denken  als 
Tätigkeil  ist  das  „tätige  Allgemeine",  dessen  Tat  eben  das  Allgemeine  ist;  es 
ist  von  der  Vorstellung  scharf  zu  unterscheiden.  Das  Allgemeine  als  Produkt 
der  Denktätigkeit  ist  die  Sache,  das  Wesentliche,  das  Wahre.  Nach  der  Sub- 
jektivität ist  das  Denken  das  Erzeugnis  des  Geistes  als  denkendes  Subjekt, 
ein  Akt  der  Freiheit.  Insofern  die  Gedanken  Ausdruck  der  Sachen  sind,  sind 
<ie  ..objektive  (Tedanken".  „Daß  Verstand,  Vernunft  in  der  Welt  ist,  sagt 
Ibe,  was  der  Ausdruck:  objektiver  Gedanke  enthält."  Der  objektive  Ge- 
danke bezeichnet  die  Wahrheit,  welche  „absolut  an  und  für  sich  ist".  Der 
Empirismus  ist  insoweit  berechtigt,  als  das,  was  wahr  ist,  „in  der  Wirklichkeit 
Bein  und  für  die  Wahrnehmung  da  sein  muß".  Der  Kritizismus  betont  mit 
Recht,  daß  es  die  Kategorien  sind,  wodurch  die  bloße  Wahrnehmung  zur 
Objektivität,  zur  Erfahrung  erhoben  wird.  Aber  wie  sie  der  Verstand  festhält, 
sind  die  Kategorien  „beschränkte  Bestimmungen,  Formen  des  Bedingten,  Ab- 
hängig n.  Vermittelten".  Die  Einseitigkeit  und  Beschränktheit  der  Verstandes- 
bestimmnngen  wird  nun  durch  die  Dialektik  überwunden  und  die  Kategorien 
werden  jetzt  zu  Momenten  der  Denkentwicklung  und  damit  zu  Formen  des 
Weltinhalts  selbst. 

Vom  reinen  Sein  geht  das  Denken  aus,  weil  jenes  sowohl  reiner  Gedanke 
als  das  unbestimmte  einfache  Unmittelbare  ist.     Das  Sein  schlägt  als  die  reine 
aktion,  als  das  absolut  Negative  (Inhaltslose)  in  das  Nichts  um.     Dieses 
i-t   dasselbe   wie   das    Sein    und  die  Wahrheit    beider;   deren   Einheit    ist   das 
W.  rden,   die  „Unruhe  in  sich".     Das  Sein  ist  das  Übergehen  in  nichts  und 
-   x  das   Übergehen   ins   Sein,  das  Werden  das  Resultat  von  Sein  und 

Nichts.     Alles  Sein  ist  Werden,  Prozeß.     Aus  dem  Sein   geht   das   Dasein 
hervor,    da-    bestimmte    Sein,    welches   seine    Qualität    hat,   deren   Sein    als 
solches  Ansichsein  ist.     Etwas  wird  ein  Anderes,  dieses  ist  selbst  wieder  ein 
Etwas,  das  ein  Anderes  wird,  und  so  fort;    dies  ergibt  die  („schlechte",  „nega- 
ünendlichkeit   als    bloße   Negation    des   Endlichen,    als  Progreß  ins 
etliche.      Indem   das    Etwas  in  seinem  Übergehen  in  Anderes  nur  mit  sieh 
leibet  zosammengeht,   entsteht  die   wahre   Unendlichkeit  und  das  Dasein 
wird    Pfirsichsein.      Die    Wahrheit   des    Endlichen  ist  seine  Idealität,   denn 
b  •    und    Wirkliehe   ;in    ihm   ist  das  Unendliche  (Absolute).    Das  auf- 
gehobene Fürsichsein  i-t  di»-  Quantität  als  reine  Quantität,  Quantum,  Grad. 
qualitative  Quantum    ist   das    Maß.      Das  Sein,    welches    aus    seiner    Cn- 
•  rkeit    zu    sieh    zurückgekehrt,     mit    sich    selbst    vermittelt    ist,    ist    das 
Bein   ak   Scheinen   in  sieh  selbst".     Als  Beziehung  auf  sich 
Identität    mit   rieh,  al-   Abstehen   -einer   von   sich    selbst  ist   es   Unter- 
it    heider  i~t   der  Grund      Aus  ihm  geht  die  Existenz  her- 
ide  ist  da-  Ding  mit  Eigenschaften;  es  zerfällt  in  Materie 
elbst    aufhebend    ist   die   Existenz    Erscheinung. 


Hegel. 

Das  Wesen  muß  erscheineD,  das  entwickelte  Scheinen  i-t  die  Erscheine 
I1  -  Wesen  ist  nicht  hinter  oder  jenseits  der  Erscheinung.  DL  Form  ist  dss 
„Gesetz  der  Erscheinung",  rie  Bchlägt  in  Inhalt  am  und  dieser  in  Form.  S 
ergibt  sich  das  Verhältnis.  Das  unmittelbare  Verhältnis  ist  das  des 
Ganzen  zu  den  Teilen.  Das  mit  Bich  identische  Ganze  ist  die  Kraft,  deren 
Äußerung  sie  selbst  zum  Ausdruck  bringt;  das  Auflere  ist  derselbe  Inhalt  «rie 
das    Innere.     Die  Identität   beider   ist   die  Wirklichkeit,   die   „unmittelbar 

ordene  Einheit  den  Wesens  und  der  Existenz".  Hierher  gehört  das  Sub- 
Btantialitätsvi  xhältnis.  Die  Bubstam  ist  die  „Totalität  der  Akzidenzen,  in 
denen  sie  sich  als  deren  absolute  Negativität,  d.  i.  als  absolute  Macht 
und  zugleich  als  den  Reichtum  alles  Inhalts  offenbart--.  I>ie  Bub- 
-tantialität  ist  die  „absolute  Formtätigkeit".  Die  Bubstanz  ist  Ursache  als 
die  nrsprüngliche  Bache  und  als  die  Wirkung  Betzend.  Dieses  Gesetztsein  ist 
die  Reflexion  der  UrBache  in  sich  seihst,  daher  i-t  die  Ursache  an  und  für 
sich  „causa  sui".  Die  Reihe  der  UrBachen  und  Wirkungen  geht  ins  Unend- 
liche. Dieser  Prozeß  ist  in  der  Wechselwirkung  aufgehoben,  zu  einem  in 
Bich  geschlossenen  Verhältnis  umgebogen.  Die  Wahrheit  der  Bubstanz  ist  der 
Begrifi   als   die  Wahrheit   des  Seins  und  des  Wesens;  das  Bein  ist  nur  ein 

Moment    des    Begriffs.    —    l><r   Übergang   v ler  Notwendigkeit  zur  Freiheit 

ist  dam  «n   und  damit  die  „subjektive"  Logik.    Der  Begrifi  ist   „das 

Freie   als   die   für   sich   seiende    substantielle   Macht   und   ist  Totalität".     Das 
1     [gehen  des  Begriffes  ist  nicht  mehr  Übergehen,   noch   Scheinen  in  Audi' 
sondern  (logische)  „Entwicklung".     Der   Begriff  tritt    aui   als  subjektiver  oder 
formeller  Begriff,    als   „Objektivität",    als   „Idee"     Subjekt  -  Objekt).     Der  B 
griff  ist  das   „schlechthin  Konkrete";    Allgemeinheit,    Besonderheit,    Einzelheit 
sind   in   ihm  rereinigt      Das  Bestimmen  des   Begriffes  ist  das  Urteil,  d.  h. 
der  „Begrifi   in   seiner  Besonderheit,  als  onterscheidende  Beziehung  Beiner 
Momente".     „Alle   Dinge  Bind  ein    Urteil,  d.  h.  sie  sind  ein/ein.-,   welche 
eine    Allgemeinheit   «>der  innere   Natur  in  sich    sind,   oder   ein    All_ 
meine-,  das  vereinzelt    ist     Die  Einheit  des  Begriffe  und  des  Urteils  ist 
der  Schluß.     Er  ist  das  Vernünftige:  Alles  ist   ein   Schluß,  alles   wird   mit 
sich  selbst   maPmmmgm«\flQ4wm,     Diese  Realisierung  des  Begriffs,   in  welcher 
da-  Allgemeine  diese  eine  in  sich  zurücl  ene  Totalität  ist   ist   das  Ob- 

jekt Dieses  tritt  aui  all  Mechanismus,  Chemismus,  Teleologie.  l 
/weck  ist  der  „in  freie  Existenz  getretene,  für-sich-seiende  Begrifi 
vermittelst  der  N<  gation  der  unmittelbaren  Objektivität".  Di<  Zweck- 
mäßigkeil ist  eine  innere.  Der  erreichte  Zweck  wird  Mittel  für  andere 
Zwecke.  Im  Zweck  vermittelt  sich  der  Begriff  mit  sich  selbst  -  Es  wird  so 
die  an  sich  seiende  Einheit  des  Subjektiven  und  Objektiven  als  für  sich  seiend 

.  t/t :   die   Idee,     Diese  ist  di<  lute  Einheit  des  Begi  Eis  und  der  Ob- 

jektivität".    D  lute  im  die  Id. ,•.     Alles  Wirklich.-,  sofern  es  <iu  Wall 

ist,  i-t  di.-  Idee  und  hat  seine  Wahrheit  nur  durch  die«        Das  etnceli 
im    irgend  eine  Beate  der   Id...-     Das    absolute  i-t   all    [det    nicht   bloß  die 
allgemeine  Substanz,  sondern  als  entwickelte  wahrhafte  Wirklichkeil  B        •  kt. 
i     Ist.     In.-    Id.-.-   im    di.-   Vernunft,   da-    Subjekt-»  Einheit 


II  Kl  i  EL. 

Ideellen    und    Reellen,    des    E  ml  liehen  und   Unendlichen,   der  Seele   und   des 
!         gj  sie  ist  ewige  Schöpfung,   welche  dies  alles  in  sieh  unterscheidet,  sie  ist 
ilich   ..Prozeß".     Die  unmittelbare  Idee  ist  das  Leben.     Der  Begriff  ist 
Seele  in  einem  Leibe  realisiert.      Der  Tod  der  nur  unmittelbaren  einzelnen 
Lebendigkeil    ist    das   Hervorgehen  des  Geistes.     Die  Idee  tritt  ferner  als  das 
Erkennen  auf.  als  theoretisches  Erkennen  und  als  Wollen,  als  Trieb,  sich  zu 
realisieren.     Die  absolute  Idee  ist  die   Einheit  der  subjektiven  und  der  ob- 
jektiven  Idee,  der  Begriff  der  Idee,    dem   die  Idee  als  solche  der  Gegenstand 
ist,  die  sieh  selbst  denkende  Idee.     Als  Form  ist  sie  die  Methode  ihres  Inhalts. 
Die  Wissenschaft  ist  die   reine   Idee,    für   welche   die   Idee   ist.    —    Die   an- 
schauende  Idee   ist    Natur.      „Als  Anschauen    aber  ist  die  Idee  in  einseitiger 
Bestimmung   der   Unmittelbarkeit    oder   Negation    durch   äußerliche   Eeflexion 
/t." 

S  ■  kommen  wir  zur  Naturphilosophie,  zur  denkenden,   begreifenden 
Betrachtung  der   Natur.     Die   Philosophie  muß  mit  der  Naturerfahrung  über- 
einstimmen,   ohne  in  bezug   auf  die  Notwendigkeit  ihres  Inhalts  sich  auf  die 
Erfahrung  zu  berufen.     Sie  betrachtet  diesen   Inhalt  „in  seiner  eigenen  imma- 
nenten   Notwendigkeit    nach  der  Selbstbestimmung  des  Begriffs''.      Die  Natur- 
philosophie  betrachtet,    „wie   die   Natur  an  ihr  selbst   dieser  Prozeß  ist,  zum 
zu  werden,   ihr  Anderssein   aufzuheben".      Sie  ist  die  „Wissenschaft  der 
in    ihrem   Anderssein".     Die   Natur   ist   das   „Aus-sich-heraustreten   der 
.  daher  zeigt  sie  in  ihrem  Dasein   keine  Freiheit,   sondern  Notwendigkeit 
und  Zufälligkeit.     An  sich,  in  der  Idee,  ist  sie  göttlich,    aber  wie  sie  ist,  ent- 
spricht  ihr  Sein  ihrem  Begriffe  nicht,   sie  ist   der   „unaufgelöste  Widerspruch", 
eine  Art  Abfall  der  Idee  von  sich  selbst.     „Die  Natur  ist  der  sich  entfremdete 
der   darin  nur  ausgelassen   ist."     „Von  der  Idee  entfremdet  ist  die 
Natur    nur    der   Leichnam    des    Verstandes."      Die  Natur  ist  ein   „System  von 
r\    „deren    eine   aus   der  andern  notwendig  hervorgeht  .  .  .  .,   aber  nicht 
-".   dal'»   die   ein*    aus    dci    andern   natürlich  erzeugt  würde,  sondern  in  der 
inneren,    den    Grund    der   Natur  ausmachenden  Idee".     Also  kein  eigentlicher 
lutionismus   in   der  Natur,    denn    die    „Metamorphose"    kommt    nur    dem 
Iffe    'und    Geiste)    zu,    dessen    Veränderung  allein    „Entwicklung"  ist.     Es 
hl   eine   „Ohnmacht  der  Natur,    den  Begriff  in  seiner  Ausführung   festzu- 
halten".     Die  Natur  i-t  an  sich   ein    „lebendiges  Ganzes".     Ihre  Bewegung  ist 
dal;  die   [dee   Bich   als   das   setze,   Avas   sie  an   sich   ist  (Potentialität- 
Aktualität)   oder    .dal'»  -i<-  aus  ihrer  Unmittelbarkeit  und  Äußerlichkeit,  welche 
Tod    ist,    in    sich    gehe,    um    zunächst  als   Lebendiges   zu  sein,   aber 
ich   diese   Bestimmtheit,    in    welcher  sie  nur  Leben  ist,   aufhebe  und 
E      lenz   d<  hervorbringe,   der  die  Wahrheit  und  der  End- 

v    Mir  und    dir-   wahre  Wirklichkeil  der  Idee  ist".     Die  Naturphilo- 
Mechanik,  Physik  und  Organik. 

gehört  die  Betrachtung  v?>n  Raum  und  Zeit.     Der   Baum 

Allgemeinheil    des    Außersichseins  der  Natur,  das  „ganz 

hi<'  Zeil    i-i   die   „negative   Einheil   des   Außersich- 

Etanm,  Am  „antre   ehaute  Werden".     Kaum  und 


FTegel.  241 

Zeit  Bind  AnschauungBformen.  Nur  das  Natürliche  ist  der  Zeit  unterworfen, 
der  Begrifl  Geist)  hingegen  ist  überzeitlich,  ist  die  „Macht  dei  /  •■•.  der 
Geist  ißt  ewig.    Die  Zeit  ist  ein  Produkt  des  Weltpro»  nicht  d< 

Faktor.  I  >i-  Zeil  selbst  ist  das  Werden,  das  „seiende  Abstrahieren".  Sic  i«t 
der  „aufgehobene  Raum".  Das  Vergehen  and  Bichwiedererzeugei]  des  Raums 
in  Zeit  und  der  Zeil  in  Kaum  ist  die  Bewegung.    Die  unmittelbar  identisch 

ende  Einheit  von  Kaum  und  Zeit  ist  die  Materie.  J>i-  Bubstanz  der 
Materie  ist  die  Schwere.  Dir  Einzelheiten  der  Mechanik  und  Physik  über- 
gehen  wir  hier.     Der  unendliche,   sich   Belbsi    anfachende    und   unterhaltende 

fi  ist  der  Organismus,  ah  geologischer,  vegetabilischer  und  anima- 
lischer Organismus.  In  letzterem  erhall  sich  <li<-  selbstische  Einheit.  Das 
Lebendige  ist  nur.  indem  es  sich  zu  dem  macht,  «ras  es  ist:  es  ist  „voraus- 
gehender Zweck,  der  selbst  nur  das  Resultat  ist".  Die  auf  bewußtlose  Weise 
wirkende-  Zwecktätigkeit  ist  der  Lnstinkt  Die  Natur  bildet  die  Organismen 
an  die  Umwelt  an,   schmiegt   rie  dieser  an.     Die  Qriangemessenheil   i 

da  zur  Allgerneinheil  ist  der  angeborene  Keim  des  Todes.  Durch  diesen 
wird   die    (Jnangemessenheil  hoben,   das   letzte   Auftofaichsetn  der  Natur 

fallt  weg,  der  in  ihr  nur  an  sich  seiend«  Begriff  ist  für  sich  geworden.  Aus 
dem  „Tode  des  Natürlichen"  geht  so  der  Geist  hervor  als  die  Wahrheit, 
das  Ziel  v-   tur,  das  „Bei-sich-selbst-eein'1  der  Edee,   die   ..unendliche  Sub- 

jektivität" derselben. 

Die  Philosophie  des  Geistes   ist   die   Wissenschaft  der  Edee,   die  aus 
ihrem    Anderssein    in   Bich   zurückkehrt         Sehen   in   der   „PhanomenoL 
wird  *  1  i « -  Entwicklung  des  G  on  seiner  niedrigsten  bis  zu  seiner  höchsten 

Bewufltseins8tufe  und  die  Notwendigkeit  seines  Portgangs  bis  nun  absoluten 
Standpunkt   dargestellt      Diese   Phänomenologie    bildet    auch   einen   Teil   der 

tesphilosophie    (in   der    „Enzyklopädie").      !»•     G  eschichts- 

philosophie  ist  die  Bauptleistung  Begels.  Der  Geist,  der  an  Bich  das  Prius 
der   Natur  ist,   macht    >'\>-h   Belbst    zu   dem.   iras   er   ist     6  I   tigkeit    i>t 

„Hinausgehen  über  die  Unmittelbarkeit,  da-  Negieren  derselben  und  Rückkehr 
in  sich".  Das  Wesen  des  i  -  ist  die  Freiheit,  Beine  Bestimmtheit  die 
Manifestation.     I  l.  subjektiver  Geist   (in  der   Form  de 

Eiehung  aui  Bich  selbst  .  2.  objektiver  Geist  i..in  der  Form  der  Realität  aU 
einer  von  ihn  rzubringenden   und  hervorgebrachten  Weh  .  .,   in    welcher 

die   Freiheit   als  rorhandene   Notwendigkeit    ist"),   '■'>.  absolut  in  an 

und  für  -  ender  und  ewig  sich  hervorbringender  Einheit  da  tivitüt 

l  ner    Identität   oder   seines  Begriffs  .    .   da   i 

inten    Wahrheit  Die    rerschiedenen    Stuten    d<      i  it    sind 

fen  seiner  Befreiung,  Beines  zu  sich  --  I  omens. 

D ■:    subjekt         Geist    Ist    a)  an  sich   oder   unmittelbar  als    - 
Natui  Vnthrop  b)  für  sich    und    vermittelt  als   Bewußtsein  (PI 

•i  der  in  sich   bestimmend     i  -  ir   sich     P 

D      y    ele   ist   die   „allg<  meine    I  mm  x 

Faches  ideelles  Lebei  i  |  1 1  i«  - 

nd<    w  ihili'  it  der  M   •         .     In  d<  -  i>t  der   i 


Hegel. 

meine  planetariscbe  Lohen  mit.  Die  Empfindung  ist  „die  Form 
lumpfen  Webena  des  Geistes  in  seiner  bewußt-  und  verstandlosen  Indivi- 
dualität, in  der  alle  Bestimmtheit  noch  unmittelbar  ist".  Das  Gedächtnis 
ist  der  „Mechanismus  der  Intelligenz",  die  Gewohnheit  der  „Mechanismus  des 
Selbstgefühls"  (Mechanisierung).  Seele  und  Leib  sind  an  sich  identisch. 
I>ic  Seele  ist  in  ihrer  Leiblichkeit  als  einzelnes  Subjekt  für  sich  und  die  Leib- 
lichkeit  ist  die  Äußerlichkeit,  das  Zeichen  der  Seele.  Das  Fürsichsem  der 
freien  Allgemeinheit  ist  das  Erwachen  der  Seele  zum  Ich  und  zum  Bewußt- 
sein. „Ich"  ist  die  unendliche  Beziehung  des  Geistes  auf  sich,  aber  als  sub- 
jektive, als  Gewißheit  seiner  selbst.  Der  Geist  ist  als  das  Ich  Wesen,  als 
Bewußtsein  aber  nur  das  Erscheinen  des  Geistes  (daher  die  „Phänomenologie'' 
des  Geistes).  Die  Stufen  des  Bewußtseins  sind:  Bewußtsein  überhaupt,  Selbst- 
bewußtsein, Vernunft  (Einheit  beider).  Das  sinnliche  Bewußtsein  ist  das 
reichste  an  Inhalt,  das  ärmste  an  Gedanken;  dann  folgen  das  Wahrnehmen 
und  der  Verstand.  In  Wirklichkeit  ist  alles  Bewußtsein  eines  anderen  Gegen- 
Btandes  zugleich  Selbstbewußtsein.  Dieses  tritt  auf  als  Begierde,  anerken- 
Dendes  Selbstbewußtsein,  allgemeines  Selbstbewußtsein.  Die  Vernunft  ist 
die  Identität  der  Subjektivität  und  Objektivität,  des  allgemeinen  Objekts  und 
.reinen  Ich"  (der  „reinen  Form").  Die  „wissende  Wahrheit"  ist.  der 
Geist  (im  engeren  Sinne),  dessen  Fortschreiten  Entwicklung  ist;  Ziel  des 
(ieistes  ist,  die  objektive  Erfüllung  und  damit  die  Freiheit  seines  Wissens 
hervorzubringen.  Der  Begriff  selbst  ist  der  Endzweck.  Der  Geist  ist  theo- 
retischer, praktischer  und  freier  Geist.  Der  theoretische  Geist  ist 
die  Intelligenz,  das  Wissen,  Erkennen.  Kein  Wille  ohne  Intelligenz,  keine 
Intelligenz  ohne  Willen.  Das  Erkennen  tritt  auf  als  Anschauung,  Vorstellung 
(„erinnerte  Anschauung"),  Denken.  Der  praktische  Geist,  die  Intelligenz 
-i<h  wissend  als  das  Bestimmende  des  Inhalts,  ist  Wille,  als  welcher  der 
in  Wirklichkeit  tritt.  Die  wahre  Freiheit  des  (denkenden)  Willens 
lai;  er  einen  allgemeinen  Inhalt  zu  seinen  Zwecken  hat.  Der  Wille  tritt 
aal  als  praktisches  Gefühl,  Trieb  und  Willkür  und  wird  endlich  zum  freien 
freien  Willen),  zum  Geist,  „der  sich  als  frei  weiß  und  sich  als  diesen 
-•inen  Gegenstand  will,  d.  i.  sein  Wesen  zur  Bestimmung  und  zum  Zwecke 
I  dies    <ler    „vernünftige  Wille".      Die  Idee  erscheint  hier  im  end- 

lichen    Willen,    der   die  Tätigkeit    ist,   sie  zu  entwickeln   und  ihren   sich  ent- 
faltenden Inhalt  zu   verwirklichen  —  als  objektiver  Geist. 

Im  objektiven  Geiste   erhalt  die  Freiheit,  zur  Wirklichkeit  einer  Welt 

Itet,    die    Form     der    Notwendigkeit    und    Macht.      Recht,    Moralität, 

lichkeil  sind    die   Formen    des    objektiven  Geistes.     Das  Recht  ist   das 

•in  der  Freiheit   im   Äußerlichen";    es    hat    nur   in  der  Gesellschaft  seine 

lichkeit,    i-t    die    Verwirklichung   der    Freiheit   in   der  Gesellschaft.     Das 

Leu  i-t  die  Negation  des  Rechts,  die  Strafe  die  Negation  dieser  Negation 

Recht  des  Verbrechers".    Die  Moralität  ist  die  subjektive 

Gesinnung,  de-  Charakters  usw.     Das  (inte  ist  dev 

neu  Willens;    a    ist   der   ;d>solute  Endzweck  der  Welt,  die 

Das  (  D    ist    der   Wille    des   (Juten.      Die   Sittlich- 


Segel. 

keif  i-t  das  objektivierte  Gute,  der  objektiu  rnünftige  Will«-.     D 

Gesetze  der  Sittlichkeit  sind  das  Vernünftige  selbst     D      Sittlichkeit    i-t   „die 
Idee  der  Freiheit,  als  das  lebendige  Gute".    Die  frei  sich  wissend«   3        mz. 
in  welcher  das  absolute  Sollen  ebensosehr  Bein   ist,   hat   als  Geisl  eines  Volkes 
Wirklichkeit,  der  sich  in  Personen  vereinzelt.  I  >i-  Bittlichkeil  i-t  „der  Lr<»ttli< -i    i 
als  inwohnend  dem  Selbstbewußtsein  in  dessen  wirklich«     I  wart   als  eines 

Volkes  and  «ler  Individuen  derselben".  In  sozialen  und  staatlichen  Gebilden 
ist  also  nach  Hjb  ethischem  „Uiuversalismus"  die  Sittlichkeit  verkörpert;  der 
Einzelne  ist  dem  Ganzen  untergeordnet.  Die  „sittliche  Substanz"  tritt  aul  als 
Familie,  als  bürgerliche  Gesellschaft  und  als  Staatsverfassung  d.  h.  als  ..der 
zu  einer  organischen  Wirklichkeil  entwickelte  Geist").  Der  Staat  i.-t  die 
„selbstbewußte  sittliche  Substanz",    ..der  •/ernünfl  ttliche   Wille,  der  sieb 

so  organisiert  hat".    Er  i-t    eine  Persönlichkeit,  ein    Individuum.     Die  i 
-preehen  die  ,JnhaltB-Bestimmungen   der  objektiven   Freiheit--    ans.     Die    Ver- 
i  i-t  die  „existierende  Gerechtigkeit";   Bie   ist    ein   Produkt   des   Volks« 
b  and  dessen  Geschichte,  aichts  »Künstliches.  —  Der  Voll  geht    in 

die  allgemeine  Weltgeschichte  aber,  deren  Begebenheiten  die  ..Dialektik 
der  besonderen  Volksgeister,  das  Weltgericht"  darstellt.  1  tte  Geschichte  ist 
..der  Weg  rar  Befreiung  der  geistigen  Substanz,  die  Tat.  wodurch  der  absolute 
Endzweck  <\<-v  Welt  sich  in  ihr  rollfuhrt,  der  nur  erst  an  sich  seiende  Geist 
h  zum  Bewußtsein  und  Selbstbewußtsein    und    damit    zur  Offenbarung   und 

Wirklichkeit   seines    an    und    Ihr    -ich    seienden    Wesens    bringt     und    sich    auch 

zum  äußerlich  allgemeinen,  zum  Weltgeist,  wird".    Die  ein/einen  .Momente 

und  Stuten  der  historischen    Entwicklung  Bind    die  Völkergeister,   deren    jeder 

seine  gana  besondere  Leistung  hat,  so  daß  Vernunft  in  d  hichte  herrscht. 

Der  Zweck  jedes  Volkes   liegt    in    -einer   Staatlichkeit.     Das    Selbstbewußtsein 

eines  besonderen  Volkes  isl  Träger  der  jedesmaligen  Entwicklungsstufe  des  all- 

:<  inen  G  Die  Wehgeschichte  i-t   der  „vernünftige,   ootwendige  Gang 

des  Weltgeistes",    sie  i-t   der  „Fortschritt    im    Bewußtsein   der    Freiheit".    I  - 

i-t  die  „List  der  Vernunft",  die  Interessen  and  Leidenschaften   der  Individuen 

tür  ihre  /wecke  arbeiten,  den  Willen   des  Weltgeistes  erfüllen  zu    lassen,   den 

Muden  da    „Heroen"    realisieren.     Die   erste   Stufe   d<      (       hichte   i-t    das 

Versenktsein  des  Geistes  in   die  Natürlichkeit",   die  zweite  das  „Heraustreten 

selben  in  das  Bewußtsein  -einer  Freiheit1*,  die  dritte  das  „Selbstbewußtsein 

und  Selbstgefühl  des  Wesens  der  i  :eit".     Bei   den   Orientalen    ist    eil 

l»'-i  den  liliechen  mehrere  frei,   bei   den   Germanen   (im  Christentum)   ist    der 

M     -  h  als  Mensch,  die  ganze  M>  aschheil  frei. 

Dei  absolute  Geisl  ist  der  sieb  als   solchen  wissend«   Geist,  d<     i       l  in 

-einer  absoluten    Wahrheit.   al-  an    und    tnr  -i<  h    seiende    und    Bicb    ewig    hefl 

bringende  Einheil  der  Objektivität  -  und  -einer  Ideal  aea 

Begriffs,     [n   der   Kunst,    Religion  and    Philosophie  stellt  h   aut 

schiedene  w  der  Anschauung,  in   der  Vorstellung,   im  Denken    dar. 

Die    \-thetik    igt   „Philosophie  der  Kunst"      Da    aTunsi   ist   die  »innli< 
Vorstellung   des  Absoluten    und    tritt    al-    klu  -ymlmlischi  intiwhc 

Knii-t  auf.     Kur  al-  den  Geisl    bedeutende    i'harakteriatiache,   sinnvoll«    N 


1 1  IGEL. 

form  ist    die    Wirklichkeit  durch  die  Kunst  nachzuahmen.     Die  Ästhetik   H.s 
ae  spekulativ-idealistische  Gehalts-Asthetik.    Das  Schöne  ist  das  „sinnliche 

inen  der  Idee".     Die  Gestalt  ist  hier  Zeichen,  unmittelbarer  Ausdruck  der 
[dee   des  Geistigen.     In  der  klassischen  Kunst  liegt  die  Vollendung;  der  Schön- 
heit, in  der  symbolischen  die  Erhabenheit;    hier   ist   die  der  Idee  angemessene 
altling  noch  nicht  gefunden.     Die  romantische  Kunst   stellt   das  Göttliche 
als  Innigkeit  in  der  Äußerlichkeit  dar. 

In  der  Religion  ist  der  Inhalt  der  Idee  als  absoluter  Geist  für  den  Geist. 
Religion  ist  das  ..Wissen  des  endlichen  Geistes  von  seinem  Wesen  als  ab- 
soluter Geist",  das   ..Selbstbewußtsein  Gottes"    im  Menschen,  die  vorstellungs- 
mafiige  (nicht  rein  begriffliche)   Erfassung   des   absoluten  Geistes,    der  sich  im 
Bewußtsein  des  Menschen  offenbart.    „Gott  ist  nur  Gott,  insofern  er  sich  selber 
weif):    Bein    Sichwissen    ist   ferner  sein    Selbstbewußtsein    im   Menschen."    Der 
Mensch  weiß   nur  von  Gott,   sofern   Gott   im   Menschen    von    sich   weiß.    Die 
Stufen  der  Religion  sind:   die  Naturreligion,  die  Religion  der  geistigen  Indivi- 
dualität, die  absolute  Religion.     Gott  ist  (analog  der  christlichen  Dreieinigkeit) 
ai  als  in  seiner  Manifestation  bei  sich  selbst  bleibender,  ewiger  Inhalt,  Gedanke 
(Gott  als  Vater),  b)   als  Unterscheidung  des    ewigen   Wesens  von   seiner  Mani- 
en in  Natur  und   endlichem  Geist  (Sohn);    c)    als   unendliche   Rückkehr 
und  Versöhnung   der  entäußerten  Welt   mit   dem    ewigen  Wesen.     Schöpfung, 
Siindcnfall,   Erlösung    sind    ewige  Prozesse,  welche    auf   dem   Standpunkte  der 
Vorstellung  zu   einmaligen    Vorgängen    werden   (Spekulative  Dogmendeutung). 
Gott  i-t  nicht  eins  mit  der  Welt,  sondern  die  Geisteseinheit,  die  die  Welt  ewig 
von  sich  unterscheidet.    (Idealistischer  Pantheismus  im  Gegensatze  zum  natura- 
hen   „Pantheismus".)    Das    „ontologische"   Argument    für   das    Sein   des 
sohlten  steht  in  Kraft. 
Die  Einheit  der  Kunst  und  Religion  ist  die  Philosophie,  deren  Definition 
wir  oben  anführten.    Sie  ist  „die  sich  denkende  Idee",  die  „wissende  Wahrheit", 
die  „sich  wissende  Vernunft",  die  v6t]oig  royoecog  des  Aristoteles.   In  der  Philo- 
BOpbie  wild  das  Absolute  durch  reines,  unsinnliches  Denken  erfaßt;  das  philo- 
-<>])hi-eiw    Denken    ist   geradezu   eine   Reproduktion    der   Dialektik   des   Welt- 
prozesses,   i"    dem   sich   Gott   offenbart,   das   Absolute  zu   sich   kommt.     Die 
chichte   der   Philosophie   wiederholt   die   Phasen   des  philosophischen 
Denkens.     I)i*-  Aufeinanderfolge  der  Systeme  der  Philosophie  ist  dieselbe  wie 
die  Aufeinanderfolge  in  der   Logischen  Ableitung  der  Begriffsbestimmungen  der 
Idee.     Die  letzte  Philosophie  ist  das  Resultat  aller  früheren,  die  als  aufgehobene 
Momente  in  ihr  erhalten  bleiben;  daher  ist  sie,  wenn  sie  wahrhafte  Philosophie 
die  entfaltetste,  reichste  und  konkreteste.    Die  Geschichte   der  Philosophie 
schichte  dee  Sichselbstfindens  des  Gedankens. 

die  Hegeische   Philosophie  lange  Zeit  eine  gewaltige  Herrschal'1 

eriet    sie    infolge  der    Reaktion    der   naturwissensehalt liehen, 

ii.  realistischen,  materialistischen  Tendenzen  schon  bald  nach  H.s 

und  wurde  sogar  vielfach  sehr  verachtet,   wo/u  auch  Schopen- 

haben.    Seit    einiger   Zeit    aber   hat   sie  (in   modi- 

ind  und  Amerika  eine  Erneuerung  gefunden  and  gegen- 


Hegel        Hegesi  ls  245 


wältig  ist  sie  auch  wieder  in   Deutschland  im  Emporkommen,   gani  lien 

vom  dem  Einflüsse,   den   sie   am4    viele   Philosophen   schon    geübt    hat  —  D 

_;m   der    Begebenen    Schnle    waren   die   Jahrbücher   für   wissenschaftliche 
Kritik"  (1827—47).   Nach  BLsTod«  ine  Spaltung  dei  Begelschen  Schule 

in  eine  „Rechte"  (orthodoi-theistiache),  gemäßigte  und  „linke"    Junghi  gelian« 
pantheistische  oder  geradezu   naturalistische  «in,  deren  Organ  die  „Hallischen 
Jahrbücher''   fl  waren.      Zur   „Rechten"    \>/.w.   zur   ...Mut'      gehören 

Gabler,  Göschel,    Binrichs,   Vatke,    Daub,   l£arhein<  aradi, 

K.  Rosenkranz,.!.  II.  Brdmann,  G    Biedermann,    \.  K.  Biedermann, 
K.  Fischer,  Schaller  u.  a.,  zur  „Linken"  Richter,  Rüge,  Bruno  Bau« 
1  >.  Fr   Straufl,  Feuerbach  u.a.    Von  Segel  beeinflußt  sind  C.  H.  Weisi 
Chalybaeua  u.   a..  auch    El   v.    Bartmann,    YVundt,    Cohen,    Köhler, 
Stirling,    Böijer,    Green,    Bradley,    Mc    I  rt,    Vera,    Ceretti, 

ata,  Fiorentino,  Croce,  lionrad,  Bolland,  Cieszkowski, 
B  elinskij,  Strachow,  Gogozkij,  Tschitscherin  und  viele  andere 
deutsche  und  ausländische  Philosophen  (vgl.  CFeberweg-Heinze,  Grundriß  der 
Geschichte  der  Philoßophie  IV".  L906). 

-    hrifton:   Das    Loben  Jeeu  (17(J5;    erschien    erst    I9u6|.   —   System  der  Sittlich- 
st 1893).   —  Differenz  des  Fiehteschen    und   Schellingschen  Systems   der 
Philosophie,    1801     (Schellingi    Identititalehre    wird    dem    ^sabjekttrea'4    Mealismus   als 
,,ubsolu*.>  gestellt).    —  Phinomeoologie   de«  1807;    lir-_r. 

von    u.    Lau  .      i      os.    Pihl.j    u.    Holland    L907.  Wissenschsft    dei    I. 

1812—16.   —   Enzyklopädie    der    phili  Ml     Wi--  n     im    Grumli  -  1 7  ; 

3.   A.   1830;   190Ö   (Philos.  Uibl.j,   1906.  —  Grundlinien  der   Philosophie 
I  t-,    1891 J    1908.    —     Vermischte   Schrillen,     183-1  f.    —    Die     VorlesOHges    über    die 
Nstarphilosophie,    über    die    Philosophie    der    Geschichte    (auch    in    der    l'niv.-Pibl.J,    über 
die  Ästhetik,   über   die  Philosophie   der  i    iau>h   1001  und,    hratf-   von  DlCjWS,   19< 

.!•■  dei  Philosophie,  dio  philosophische  Propädeutik,   die  Briefe   D.  a.  linden 

Qeeamtsaegabe  tos  ELe  Werken  (19  I  Vj     K.  fctOSKNXRe 

W    l.    Hegsle    Leben.    1844;   B    1870.  —    I:.   IIwm.    Begel  un.l  seiae  Zeit.   LI 
—  DlLTHEY,  Die  Jsgei  btc  H    .  1905.  —    II.  \<>in.,  11. i  theologische  Jogend- 

B    den    Headeehrifteo   der   kgL   Bibliothek   ta    Perlin,    1907.  K.   K<>-IIIV 

II. ,   lbTu.  -     I..  I    USD,    H.,    1883.  —  I\    Harth,    Dio    Qee  phie    11 

Begelii  K.  FlBCHER,  d.   Philosophie  VUL    —    \  i.i:  \ 

trodaet  ä  la  philos.  de  II..  1865.  —  Siiki.in«..  The  Beeret  ol  EL,    1898, 

in    H.-.    Philosophie,     1909       —    WENDELBAND,     D.  d. 

.i>ni  .    1910 

ll<'^«"-»ia«»  aue  Kyrene,  <-in   Vertreter  der  Schule  der  „Kyrenaikei 
<br    \,,n    Aristipp   begründeten    Lebensanschauunj  en    Beines    Pessimismus 

//  \o  der  zum  Tode  überredeude)  genannt.    ScineSchrifi  0 

!-t  oicht  erhalten. 

Den  Bedonismus,  d.  h.  don   Standpunkt,    daß  di<-    Lusl   da*    I! 
biegt  er  dabin  am,  dafi  er  die  Glückseligkeit    für  nicht   erreichb« 

I  ...■:•   .  K  ind  d<  i 

1 1 ■■  '.-•■    iel  daher,  mö  nden,  schm< 

frei   EU   -'in,    iiikI  dazu   i-t    rs    iK.twt  -mli- .  dir    Dil  I 


BEGESIAS   —    IlKINZK. 


Gleichgültigkeit    zu   behandeln    {xov  tf  aotpov    ov%     ovzco  TtXsovdasiv  er   zfj   t&v 

.     unrein  dte  sv  zjj    t&v   y.ay.Cor    tpvyjj,  teXog  xidnieror   xo    ///)    sjrutörcog  £,7)v 
■■.>,'>••  o  dt}  TtSQiyiveo&at   roTg  äöiaepogijoaoi   jregi  xä    jcoirjuxa  xfjg  rjdovf/^, 
Laert.   II,  95  f.).     Da    niemand   freiwillig   schlecht   ist,   sollen    wir   den 
schlecht   Bändelnden  nicht  hassen,  sondern  belehren. 

Dioobn.  Laert.  n,  94  ff.,  Rambach,  h.,  1771. 

II  eiber;;.  Joh.  Ludwig,  1701 — 1860,  Kopenhagen.  Er  schrieb  (dänisch) 
über  die  Freiheil  (1824),  über  den  Zufall  (1825)  u.  a.  und  war  Hegelianer. 

Heim,  Karl.  geb.  1874  in  Frauenzimmer,  Privatdozent  in  Halle  a.  S.  = 
H.  vertritt  einen  erkenntnistheoretischen  Idealismus,  nach  welchem  alles  als 
Bewußtseinsinhalt  gegeben  ist,  auch  die  Mehrzahl  fremder  (empirischer)  Ichs. 
Ich  ist  in  jedem  Falle  eine  „zusammengefaßte  Erlebnisweise".  Die  Unter- 
scheidung gehört  zum  Wesen  des  Bewußtseins  und  Denkens.  Raum,  Zeit  und 
Kategorien  sind  Formen  von  Bewußtseinsinhalten. 

Schriften:  Psychologismus  oder  Antipsychologismus,  1902.  —  Das  Weltbild  der 
Zukunft,   1904  (Energetismus). 

Heineccius  (Heinecke),  Joh.  Gottlieb,  1681—1741,  Prof.  in  Halle.  = 
Anhänger  Chr.  Wolffs. 

Schriften:  Elementa  philosophiae  rationalis  et  moralis,  1728.  —  Elementa  iuris 
gentium,   1738.  —  Opera,   1744—48,  1777. 

Heinrich.  Wladyslaw,  geb.  1S69,  Prof.  in  Krakau.  =  Von  Avenarius 
beeinflußt. 

Schriften:  Die  moderne  physiologische  Psychologie,  1895.  —  Zur  Prinzipienfrage 
der  Psychologie,   1899,  u.  a. 

Heinrich  von  Gent  (Henricus  Gandavensis;  nicht,  wie  er  früher  falsch- 
genannt  wurde,  H.  Goethals),  geb.  um  1217,   gest.   1293.    =    H.    ist    einer 
der  von  Plato  und  Augustin  besonders  beeinflußten  Scholastiker.    Im  göttlichen 
it   es  nur  Ideen  der  Arten  und  Gattungen,  nicht  eigene  Ideen  der  Indi- 
\    lii'ii   („individua  propriae  ideas  in  Deo  non  habent");  das  Individuelle  wird 
Gott    in    und    mit    den   Gattungen    erkannt.     Die    Matt^rie   der   sinnlichen 
Objekte  ist   etwas  Reales.    Der  menschliche   Wille  ist   absolut   frei,   dem  Ver- 
stände übergeordnet. 

hriften:  Qaodlibeta  theologica,   1518.    —  Summa  quaestionum,   1520.  —  Summa 
u'iae,    1520,    1G46.     -    Vgl.    K.  WERNER,    H.    v.    G-,     1878.  —  M.    DE  WULF, 
n  <le  la  philo«,  tcolastiqne  dans    les  Pays-Pas,    1895.  —  BAEUMKER,  Archiv  für 
Phil«         1892;  X,  1897.  —  Lichterfeld,  D.  Ethik  H.s,  1906. 

Ileimieli  von   Hessen,  lehne  in  Paris,  seit  L385  in  Wien,  gest.   1397. 
Vominalist. 

BAEUMKER,  Arch.  f.  Qetch.  d.  Philos.  X,  1897. 

Ilfilirotli,  Joh.  Christ.  A.  —   Schriften:    Psychologie    als  Selbsterkenntnis- 
].<\, r)<w\.  der  Störungen  des  Seelenlebens,  1818.  —  Ueber  die  Wahrheit, 
b  'l<r   Anthropologie   u.   ;i.      (Spiritualist.  Seelenbegrilf.) 

Helnse,  b.    L835    in    Prießnitz,   Prof.    in    Leipzig,    gest    L909. 

Bearbeiter  von   Ueberweg-Heinze,  Grundriß   «1er   Geschichte 


I  Ir.iNZK   -      I  I  BLMHOLTZ. 


der    Philosophie,    (9. —  1".  A..   1906  ff .).  =    Dualistisch-theistischei  Standpunkt, 
der  aber  di-   l  i       üvrtaf  der  historischen  Arbeiten  nicht  beeinträchtig 

Schriften:  Die  Lehre  vom  Logos  in  der  griechischen  Pbiloi  phie,  1872.  —  Zur 
Erkenntnislehre  der  Stoiker,  1880.  —  Über  d.  sittl.  Wort  d.  Wiaaea«  halt,  1883.  — 
Lrnst  Platner  als  Gegner  Kants,   1880.  —  Über  den   roöff  de-  <.ra-i.   1890.  —   ^ 

lesungen   Kants   über   Metaphysik,    1894.   —    I).  Kmlünionisnius  in   d.  Thilos.,  I8f 

—  Ethische  Werte  bei  Aristoteles,  ]  909,  u.  a.  —    Vgl.  ELEüTHKROPI  LOB,    M.  IL.  1 

lleiric  b.  Eric. 

Hckatoii  aus  Rhodos,  Stoiker,  Schiller  des  Panaitios,  Bchrieb  über  die 
Pflichten. 

Schriften:   Lanaetii   et  Hecatonis  libroruni   fragnienta,  ed.   Fowler,   1885. 

HeliiVrieli.   Adolf,   geb.   1813  in  Schaffhansen,    Prof.   in    Berlii 
I  daselbst  =  Von  Schleiermacher  beeinflußt, 

-  hriften:  Die  Metaphysik,  1846.  —  Der  Organismus  der  Wissenschaft  tt.  die 
Philos.  der  Geschichte,   1856.  —  Die  Schule  des   Willens,   1858. 

Ildiorinro^.  tfeuplatoniker,  Zeitgenosse  des  Proklos. 

Ilclloiihneh.  Lazarvon,  1827 — 1887 (Österreicher).  =  EL  isl  vonSchop 
hauer  beeinflußt,  befrachtet  aber  di<-  Realität  als  eine  Summe  individueller 
Willenseinheiten.  Im«-  8e<  Le  isl  ein  reales,  individuelles  Wesen,  etwas  Organi- 
siertes, ein  „Metaorganismus4',  der  in  einer  vier-  oder  nulldimensionalen  Sphäre 
unsterblich  i-t  und  rieh  aui  Grund  der  Erlebnisse  in  seiner  Verkörperung  ent- 
vrickelt. 

:    Der   Indhiduaüsinu*   im  Lirhte  dor  Biologie   und  l'hilosophie  der  Ge. 
t,   1878:   I.   A.    1887.   —  Die   Vorurteile   SSV  Man«  hheit,   1879  —  80;   3.   A.    1893.  — 
Aus    ilem    '1.  «iTies    Philosophen,     1881.    —    Die    neuesten    Kundgebungen    einer 

intelligiblen    Welt,    1881  Dl€    ftUgie  i.eburtu. 

—   Vgl    HÜBBE-ßCHLKIDEN,   11,    1891. 

Heller.  Theodor,  geb.  1869  in  Wien,  Direktor  der  Beilpädag.  Anstalt 
Wien-Grinjdng.    =  Schüler  Wundts. 

ftea:  Qrandriß  d.  Heilpidagogik,  1904.       Stadien  s.Blindenp  l,  a.  i 

llellpaeh.  Willy  (Pseudon.  Ernst  Gystrow),  geb.  1^77  in  <  >K  Dozent 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Karlsruhe.  =  Anhänger  Wundts  [Volunta- 
rismus, Apperzeptionslehre  usw.)  und  KraepeJins  (Chemische  Methode  der 
experimentellen  Psychologi 

B    ■  riftaa:  Dis  Qrenswisiei  «1er   \'~  -  Grundgedanke!: 

•:■  •     Piy<  I.  —     Difl    Boaiol«  '    (unter 

!'•...   l.    Syatrow).   —   Nervenleben    b.    Woltans«  feaaaag,    194 
deniea,  1907,  u.  a. 

1 1 clinlioh /..  Hermann  eon,  ^«L.  1821  in  Potsdam,  Prof.  dei  Physiolo 
in  Königsberg,  Bonn,  Heidelberg,  Berlin,  gest.  1895  in  Berlin. 

I  >.  r  berühmte  Naturforscher  isl  philosophisch  \"n  Kant  und  Schopenhauer 
beeinflußt.      D       I      ennen    bestehl    in   denkende]     Venu  S 

materialfl  und  fühii  tu   einer  symbolisch«      Erfa  Verhältnis  d<  r 

I  »in.  i  Verstellungen  von  di      I '      on  können  gar  nichts  and<  i 


Belmholtz  —   Belmont. 


als  Symbole,  natürlich  gegebene  Zeichen  für  die  Dinge,  welche  wir  zur  Rege- 
lung unserer  Bewegungen  und  Handlungen  benutzen  lernen.  Wenn  wir  jene 
richtig  zu  lesen  gelernt  haben,  so  sind  wir  imstande,  mit  ihrer  Hilfe 
unsere  Handinngen  so  einzurichten,  daß  dieselben  den  gewünschten  Erfolg 
haben,  d.  h.  daß  die  erwarteten  neuen  Sinnesempfindungen  eintreten"  (vgl.  da- 
mit die  „pragmatistißche"  Auffassung  der  Wahrheit  bei  James  u.  a.).  Zu  den 
Objekten  kommen  wir  (wie  nach  Schopenhauer)  durch  einen  nicht  zum  Be- 
wußtsein kommenden  Schluß  von  den  Empfindungen  auf  deren  Ursachen.     Das 

■/.  der  Kausalität  ist  hierbei  apriorisch,  ein  „aller  Erfahrung  voraus- 
gehendes (besetz  unseres  Denkens",  welches  durch  keine  Erfahrung  widerlegt 
werden  kann.  Das  Gesetz  der  „spezifischen  Sinnesenergien"  ist  dahin  einzu- 
schränken, daß  durch  die  Beschaffenheit  des  Sinnesapparats  nur  die  „Modalität" 
der  Empfindung  (Farbe,  Ton  usw.)  bedingt  ist,  während  die  „Qualität"  (Rot, 
Ton  C  usw.)  in  Beziehung  zum  Reiz  steht.  In  der  Natur  herrscht  ein  strenger 
M echanis  m  u s.   Endziel  der  Naturwissenschaft  ist  die  Auflösung  alles  (äußeren) 

aehens  in  Mechanik.    Alle  elementaren   Kräfte  sind  Bewegungskräfte  und 

&  iregung  ist  die  „Urveränderung,  welche  allen  anderen  Veränderungen 
in  der  Well  zugrunde  liegt".  Die  Kraft  ist  das  Gesetz  als  objektive  Macht, 
Kraft  und  Materie  sind  Abstraktionen  aus  einem  unteilbaren  Ganzen,  die  Materie 
wirkt  nur  durch  ihre  Kräfte.  Der  Vorrat  der  Kraft  oder  Energie  im  Weltall 
kann  weder  vermehrt  noch  vermindert  werden;  nur  die  „Erscheinungsformen" 
des  Energievorrats  können  wechseln  (Gesetz  der  Erhaltung  der  Kraft,  von  Joule, 
<  lolding,  Helmholtz,  R,  Mayer  aufgestellt).  Den  Mechanismus  kann  der  Mensch 
seinen  sittlichen  Zwecken  unterwerfen.  Die  Axiome  der  Mathematik  sind 
empirischen  Ursprungs.  Die  Arithmetik  ist  die  „folgerichtige  Anwendung  eines 
Z«i<hensvstems".    Empirischen  Ursprungs  sind  auch  die  geometrischen  Axiome; 

beziehen  sich  zugleich  auf  das  mechanische  Verhalten   der  festen  Körper 
Bewegungen.    Ein  „pseudosphärischer"  Raum  ist  denkbar  und   vorstellbar. 
In     der     Tonpsychologie     hat     H.     die     „Resonanzhypothese"     aufgestellt 
„Schneckenklaviatur*'  des  Gehörorganes,  Schwingungen  bestimmter  Fasern  bei  be- 
stimmten  einfachen  Klängen).    Die  Youngsche  Theorie  der  Farbenempfin- 
dungen,  wonach  jedes  Netzhautelement  dreier  Erregungen  fähig  ist,  denen  die 
Empfindungen    Kot.  Krim,  A'iolett  entsprechen,   hat   H.  adoptiert   und   weiter 
i  ■  führt. 

drifte*:   Ober  die  Erhaltung  der  Kraft,   1847.  —  Über  das  Sehen  des  Menschen,. 

—    Handbuch   der    physiologischen    Optik,    1859  ff.;    2.    A.    188G  ff.;   3.  A.   1909  f. 

—  Die    Lehre  ron    den    Tonempfindungen,    1863;    6.  A.   1896.  —  Die  Tatsachen    in    der 

Wthroebinang,    1879.    -       über   die   tatsächlichen   Grundlagen    der   Geometrie,    1868.   — 

md  Mr-HBcn,  Zeller-Festschrift,   1887.  —  Populäre    Vorlesungen,   1876.  —  Vorträge 

\.    |908.    —    Wiss.   Abhandl.,   1882  —  95.    —    Vgl.    L.     GOLDSCHMIDT, 

B         v.  i—  l.  Königsberger,   h.  v.  Heimholt/,   1902  f.  — 

«yehol.    Anschauungen,    1904. 

ll<-lmoiit.  Franz  Mercuriu«  van,  geb.  wahrscheinlich   in  Wilforden  L618 

führte  ein    unstete«   Leiten   und  starb   L699  in  Berlin. 

-'li'.!;i~tik.   aber   auch   der  mechanistischen   Welt- 


Helmont  —   IIi:i.vi:i  ii  s. 


anechauung  I»  Hobbes'  u.  a.,    und  ist   ?om  Platonismus,  def   Mystik, 

der  Kabbala  beeinflußt  Pn-  Körper  bestehen  nu  „Monaden"  oder  „Atomen". 
Die  Seele  herrsch.!  aber  eine  Vielheit  von  Monaden  im  Körper  („primarius 
Körpermonaden  können  vergeistigt  werden,  <i  i  I  kann  ani  die 
stiii'  des  Körpen  herabsinken;  Körper  and  Geist  smd  nur  graduell  verschieden. 
Die  Seelen  präexistieren  in  den  Eltern  and  machen  eine  Wanderung  durch. 

Schriften:  Opuscula  phüoeophica,    1G90. 

IkVImont.  Johann  Baptista  va  1577  in  Brüssel,   Btudierte  Mathe- 

matik, Botanik,  Medizin,  befand  Bich  viel  ani  Reisen,  gest.  1644  in  Vilvorden 
bei  Brüssel. 

II.  ist  besonders  von  Paracelsus  beeinflußt.    Die  Erkenntnis  der  Wahrheit 
seitens  des  Intellekt  jt   unter  dem  anmittelbaren  Einflüsse  Gottes,  deat 

anendlicher  Intellekt  die  Quelle  aller  endlichen  Intellekte  ist     In  den  1  > i i  _ 
wirken   innere   Kräfte.     IM--  Materie  tsl  der   „fluor  genericus  sive  generativus", 
die  Substanz  der  Dinge,  die  aber  nur  individualisiert  existiert.     In  allen  Dingen 

•  in  „prineipium  vitale  et  seminale",  eil  Itendes  Lebensprinzip.      Et 

dies  der   „Archeus"  (schon   bei    Paracelsns),  der  „generationis  faber  sc  recto 
die  „Lebensform",  die  ans  der  Verbindung  der  „aura  vitalis      i     enaluft)  mit 
•  In-  „in  analie"    dem  „Samenbild")  besteht,  nach  welchem  letzteren  i 

Archeus  zeugt  und  gestaltet.  I)i<-  erregende  Ursache  („causa  excitans",  Beiz), 
welche  die  in  der  Materie  schlummernden  Potenzen  erweckt  ist  das  „Ferment". 
Die    Teile    des    Organismus    besitzen    eig  ;  Die 

empfindend«  5  ist  eins  mit  dem  Archeus  des  Organismus,  der  aber  auch 
eine    ansterbliche    Vernunftseele     besitzt       Die    Elemente    der    1»  sind 

„Wasser"    und    ..Luft-:   Salz,   Schwefel    und    Quecksilber   (bei    Paracelsns   die 
Elemente)    bestehen    aus    Wasser.      Das    Luftförmige   nennt    zuerst   H. 
dem  er  den  „Blas"  (Antrieb)  koordiniert      Die    Dinge   Bind   durch   allgemeine 
£   mpathie  miteinander  verbunden    Magie).     Hingabe  an  den  göttlichen  Willen 
ist  da-  i  Ziel  des  menschlichen  Leiten-. 

hriften:    Archen«  Faber.   —   Caatae  et  initiao  rernra  natoraliam.  —    Parmtram 
ovtaa.   —    De  etanentis.    —    [migo  mentu.    —   Scdes  urimse.    —     Tn  tatw  de  sau 

!»•,«;{.    —    7gL    IIiwi  i:  u.   SlB]  SM 

1  .    vil     -      I'.   BTR1  \/.    Die    !  fie   de«   J    B.  r.  IL. 

hr.   f.    Philo«,   u.   philo«.    Kritik,   Bd.    II  •;  J.    B.   r.   EL,    1907. 

Hol  v<>tiii«*.    (laude    Adrien .    geb.    1715    in    Paris,    war   12  Jahre   h 
Generalpächter,   lebte  dann   als   Privatmann  in  Paris,   wo  »ein  Hauptwerk  ..!• 
['esprit"  1759  ani   Pariami  !  öffentlich  verbrannt  wun  1771. 

II.  ist   ein    Vertreter  der    französischen   Aufklärung.     Als  Philosoph  ist 
isualist    und    (Jtilitarist       Alle    Vorstellungen    entspringen    aus    der 
5    Deswahrnehmung.      Dai    henken    (Urteilen)   als    Vergleichen    von    I 

düngen   i-t   sinnlichen    Ursprungs    und    erfaßt    nur   die    Relati ai    dei    l1 

Den   Impuls  zum  Denken  geben  die  Gefühle.     I  ••  i   Mensch  ist  ein  hed  he* 

Wesen,    ei   strebt    oach   Last    und    nach    Vermeidung   von   Unlust,  in 

diesem    Sinne  der   Egoismus   die  Quelle  alles    Handelns  ist      Was  in  dei   phy- 


HELVETIUS    —    HJi.M.sTfiRHtnS. 

sischen    Weh    das   Bewegungsgesetz,    ist  in  der  geistigen  Welt  das  Interesse. 

tlichen   Handeln  liegt  aber  das  ,, wohlverstandene  Interesse"  („interet 

entendu")  zugrunde,  die  Verbindung  des  Eigenwohles  mit  der  Förderung 

resamtwohles.      Die  Leidenschaften  sind  nicht    zu   unterdrücken,   sondern 

zu  regeln  und  gemeinnützig  zu  machen.    Eine  Beschränkung  der  Arbeitszeit,  ein 

auf  Eigentum,  Verbreitung  von  Bildung  u.  dgl.  sind  soziale  Forderungen. 

S<  hriften:  De  Tesprit.  1758;   deutsch  1760.  —  Le  bonheur,  1772.  —  De  l'homme, 

de   ses   facultas    et    de    son    education,   1772;   deutsch    1794,    1877.    —   Le  vrai  sens  du 

BjBt&me    de    la    nature,    1774;    deutsch    1873.     —    Les    progres    de    la    raison    dans    la 

reeherche    do    vrai,    1775.    —    Oeuvres    complctes,    1776,    1784,    1795,    1818.    —    Vgl. 

W.   AlLND,  Das  ethische  System  des  H.,  1904. 

!l rm an.  C.  F.,  geb.  1839  in  Grünstadt  (Pfalz),  seit  1888  Prof.  d. 
Philos.  u.  Pädag.  in  Basel,  gest.  1902.  =  Aristotelisch-scholastischer  Stand- 
punkt. Mit  der  Passivität  der  Empfindungen  ist  das  Bewußtsein  der  Außen- 
welt unmittelbar  gegeben;  einer  „Projektion"  bedarf  es  nicht.  Die  primären 
Qualitäten  sind  objektiv.  Die  Seele  ist  ein  immaterielles,  mit  dem  Leibe  zur 
Einheit  verbundenes  Wesen. 

Schriften:  Die  Erscheinung  der  Dinge  in  der  Wahrnehmung,   1881. 

Heniert.  Paul  van,  1756 — 1825,  Prof.  in  Amsterdam.  =  Kantianer. 

Heiimiiiig.  Nicolaus,  geb.  1513  in  Embolds  (auf  Laaland),  Prof.  in 
Kopenhagen,  dann  Kanonikus  in  Roeskilde,  gest.  1600.  =  H.  gehört  zu  den 
Vertretern  des  Naturrechts.  Dieses  entspringt  der  Natur  des  Menschen,  der 
Vernunft  überhaupt  und  ist  göttlichen  Ursprungs. 

9    hriften:  De  lege  apodictica,  1577,  u.  a. 

Ilemsterlinis,  Franz,  geb.   1721  in  Franecker  als  Sohn  des  berühmten 
Philologen  Tiberius  H.,  studierte  in  Leyden,  wurde  Sekretär  der  Generalstaaten, 
1790  im  Haag. 
H..    der  von   Plato,    Locke,    Shaftesbury,    Leibniz  u.  a.   beeinflußt   ist,  be- 
kämpf!   den    Materialismus.      Die  Dinge  erkennen  wir  nur  in  ihren  Relationen 
zu  uii-,  Gottes   Dasein  aber  unmittelbar   durch  die  Vernunft  (vgl.  Jacobi,  den 
Verkehr   im    Hause  der  Fürstin   Gallitzin   —   beeinflußt  hat).     Geistige 
and  körperliche  Wesen  sind  ihrem  Wesen  nach  verschieden  (Dualismus).     Die 
ehl    nii t    dem    Leibe    in    Wechselwirkung.     Gott  ist  der  Schöpfer  der 
Welt.     l>i'    Schönheil  beruht  auf  dem  rechten  Verhältnis  eines  Gegenstandes 
/ur  S  it    der   Leichten    Übersichtlichkeit  des  Mannigfaltigen.     Schön  ist, 

ans   die   möglichste  Anzahl  von  Vorstellungen  in  der  kürzesten  Zeil  ver- 
Goethe  (Kampagne   in    Frankreich,   WW.  hrsg.  von  L.  Geiger, 
dahin  modifiziert  :  „Ich  aber  muß  sagen:  das  Schöne  sei,  wenn 
B    Lebendige  in  seiner  größten  Täiigkeit  und  Vollkommen- 
tvodurch  wir,  zur  Reproduktion  gereizt,   uns  gleichfalls  lebendig 

Tätigkeil    vernetzt    fühlen."       Dies   laute  aber  auf  dasselbe    was 

n 

Lettre»   «ur    le    d<-ir,    1770.    —    Lettre    «ur    l'liommo  et  ses  rapports, 
le  la  philoeophie,    1778.   —    AriBt^e  ou  de  la  dirimtä,    1779.  — 


HEM8TERHUI8    —    BeRAKUSTI 

Alexis  ou  «ur  Tage  d'or,  1787;  deutsch  von  Jacobi  1787.  —  Simon  ou  des  facultas  do 
l'ärae,  170i».  —  Oeuvres  philosophiques,  1792;  2.  ei.  18o9;  1846— 50  ;  den'-  t.  1782— 

—  Vgl.  E.   GSUIKEB,   F.   H.,   1866.   —   K.   Mr.Yl.k,   Da  Philosoph   I.    H.,   1893. 

Hon n in;;'.    L    pold  von,  geb.  1791  in  Gotha,    Prof.  in   Berlin,   red 
1827—47    die    Jahrbücher    für    wissenschaftliche     Kritik  = 

I  [egelianer. 

Schriften:  Das  Verhältnis  der  Philosophie  zu  den  exakten   Wi--ensi  haften,    1~ 

—  Über  Goethes  Farbenlehre,   1822.   —   Prinzipien  der  Ethik,   1824,  u.  a. 

Henri,   Victor,    Prof,   in   Pari-.    --  Schriften:   Über  die  Raumwahriichniui._'ei. 
des  Tastsinnes,   1898.    —    Abhandlungen    über    Muskelsinn    (Annee    psychol.,    18i>- 
chische  Arbeit      .        1891  .   Brsiefcmg  und  Qediehtaia  (1.  c.  1902),  u.  a. 

Henkel,  Paul.  Lr<-1>.  1800  in  Gr.  Rarthen,  Prot,  in  Erlangen. 

Wesentlich     Kantscher    Standpunkt     („Gesnmungsethik").      Das    Pflicht- 
bewußtsein  ist   etwas   Apriorisches.      l»;i-  Wesen  des  Sittlichen   besteh!  ..in  der 
mit  einein  Pflichtgebot  übereinstimmenden  Willensrichtung".   Die  Beurteiluj  \ 
norm   für  *  1  i •  -  Güte  einer  Handlung  liegt    nur   in  der  „pfüchtmäfiij  -in- 

nung".  Aber  oicht  /ur  Verwirklichung  einer  abstrakten  Pflicht,  sondern  einer 
individuell  bestimmten  Handlung  sind  wir  verpflichtet.  Das  Becht  ist  „ob- 
jektive Sittlichkeit*'  and  kümmert  sich  uichl  um  die  Gesinnung.  Eine  sittliche 
Handlung  bleibt  sittlich,  ,,wenn  auch  ein  Strom  von  Elend  und  Unlust  sich 
aus  ihr  ergeben  sollte,  und  eine  sittliche  wird  niemals  sittlich,  auch  wenn  der 
reichste  Erfolg  von  Lost  für  die  gesamte  Menschheit  ihre  notwendig  Folge 
war«      i  -  gen  (Jtilitarismus  and  Evolutionismi 

nrifte-  ;  es   Wiaaen   und  sfbisehSf    Handeln,   1889.   —  Carlyle,    1900.  — 

ll:i  iptproblenie   der   Ethik,    1903.   —    RoaMSia,    1907. 

II«'rakl«'i<l«'«»  Lembos,   um  150  v.  Chr.,  Verfasser  eines  Auszuges  ans 
den  />('"'  des  Batyroe  und  den    \uAo%ai  des  Botion.  =  II.  ist  Peripatetik« 

Vgl.   Ml  l.l.i. i:.   Fragment   bistor.  Graecae  111. 

Ilrrakh'ith"-*  der  Pontiker  (Ponti<  b.  in  Herakles  am  Pontes, 

Bchüler  Piatons.  =  II.  gehört  zu  «Im  Philosophen  der  alteren  Akademie,  ist 
aber  auch  vom  PythagoreismuE  beeinflußt  (so  in  der  Atomenlehre  von 
Ekphantos).  I>i«-  Erde  bewegt  sich  von  Westen  nach  Osten  am  ihn-  Achse. 
l>  9eeL  hat  schon  vor  der  Geburt  des  llenschen  in  ätherischer  Form 
existiert 

bi    —    Zell  er,    Philo«,    d.     Öl  II.    1.    —     K.     I1 

:•,!)■      1: 

Herakleito«   \<>n    l'.j.h«-.,^.  (llrraklit),   geb.  am  MO  \.  Chr.,  aus  einem 
vornehmen    Geschlechte,   von   aristokratischer   Gesinnung,    ein  der 

Ifengi    und  inj  oranktheit,  lebte   nach  der  Verbannui  I 

Hermodoros   einsam,   p->t.    um    180.      Wegen   d(  and    zuweilen 

i    seiner  (wohl  aphoristisch    gehaltenen  Lehren  erhielt   II.  den    I 
Hain,  n    „der  Dunkle'1  n   seiner  Schwermut  \vurd( 

über  Demokrit)  der  „weinende  Philosoph"   genannt.     Von  -■         -  ■ 

-ili<l    itwa    1  :  I 


Heraeleitos. 


H.  schließt  die  Reihe  der  älteren  „jonischen  Physiker"  ab.  Wie  diese 
;it  er  Dach  dem  Urprinzip  der  Dinge,  als  welches  er  das  ätherische,  bildende 
..Feiui--  findet,  und  wie  sie  ist  er  Hylozoist,  denn  das  „Feuer"  ist  zugleich 
lebendig,  beseelt,  ja  vernünftig,  die  Weltvernunft,  der  „Logos"  fioyos).  Zuerst 
erfaßt  H.  die  Idee  des  Werdens  als  solche,  insofern  ihm  das  ruhige 
Sein,  das  Beharren  als  Binnenschein,  die  beständige  Veränderung,  der  Wechsel. 
der  „Fluß"  des  Geschehens  als  das  Wahre  und  Wesentliche,  als  die  Wirklich- 
keit selbst  gilt.  H.  ist  Monist,  denn  die  Mannigfaltigkeit  der  Dinge  und  Ge- 
schehnisse  ist  nur  Ausdruck  einer  Welteinheit,  und  er  ist  Pantheist,  denn 
diese  Einheit,  das  Weltfeuer,  ist  zugleich  die  Gottheit.  Diese  Welt,  sagt  er, 
hat  weder  ein  Gott  noch  ein  Mensch  gemacht,  sondern  ewig  ist  sie  ein  lebendiges 
Feuer,  das  gesetzmäßig  sich  entzündet  und  verlöscht  {xoo^ov  xöv  8s  xbv  avtov 
axavtcov  otfre  Tic  Oecov  orxs  ärflgcüJicov  etiomjos,  all'  t)v  äei  xal  sativ  xal  eoxai 
cUi'faxw,  ä.-TTÖiieror  uhoa  xai  ajtooßewvfievov  fiexga).  Aus  Feuer  besteht 
alles,  in  Feuer  löst  sich  alles  auf.  Erde  und  Wasser  sind  Formen  (xgojzai)  des 
Feuers.  Einen  Doppelweg  des  Werdens  gibt  es,  den  Weg  nach  unten  (686c 
xara>),  wo  das  Feuer  in  Wasser  und  Erde  übergeht  und  damit  an  Lebendig- 
keit verliert,  und  den  Weg  nach  oben  (686g  ävco),  wo  alles  sich  in  Feuer  ura- 
-  t/t  —  so  aber,  daß  beide  Wege  eins  sind.  Immer  wieder  löst  sich  die  Welt 
in  das  Weltfeuer  auf  (exxvgcooig ;  vgl.  die  Stoiker;  auch  eine  „Wiederkunft  des 
Gleichen"  wird  hier  gelehrt). 

Die  Vielheit  der  Dinge   entsteht  durch  den  Kampf  (Streit),   den  „Vater 

der    Dinge"    (itöXspiog    Tiävxcov   fxkv  naxrjg    sott,    Jiavrcov   de   ßaodevg).      Das  Ver- 

schiedene,  Gegensätzliche  steht  aber  in  Harmonie  wie  die  des  Bogens  oder  der 

Leier  (tküäyt  00^.0  c  uouovlr)  6xa>ojieg  x6q~ov  xal  Xvgt]g).     Alles  in  der  Welt   geht 

inen    Gegensatz    über   und    alles    enthält  Gegensätze  in  sich  vereinigt: 

1  und  Tod,  Jugend  und  Alter  usw.;  Kaltes  wird  warm,  Warmes  kalt  usw. 

A.UB  allem  wird  alles.      Im  „Gegenlauf"  (evavxio8go[ua)  des  Geschehens  schlägt 

alles   in   sein   Gegenteil  um   (vgl.  HegeF,   mit  dem   es  identisch  ist  (tavr   sTvac 

£wv  xat   le&mjxoe  ■  .   .;    ylveodui  xe  ziävxa  xax    ivavxioxtjxa  .   .  .;  Jiavxa  .  .  .  fiexa- 

t'x'i'/.b  favxlov).     Alles  fließt  (Ttävxa  gsT),  nichts  beharrt,  nichts  „ist"  ab- 

Bolut,   -«indem    ist   nur    im    Werden  (ort  xävxa  xoygst  xal  ovÖev  f.isvei).      Da  sieh 

alles    fortwährend    verändert,    so  kann  man   nicht  zweimal  in  denselben  Fluß 

Nach  dem   Herakliter  Kratylos  auch  nicht  ein  einziges  Mal).    Aber 

das  Werden  i-t  ein  gesetzmäßiges,  streng  geregeltes.    Die  Sonne  wird  ihre 

oichl  überschreiten,  sonst  würden  die  Erinnyen,  welche  das  Recht  (dixij) 

«mutzen,  Leo.      Fi  also  auch  der  Auf-  und  Abbau  der  Welten  eine  Art 

Spiel    der    Gottheit     -<>  i-t   es    doch    ein    geregeltes  Spiel,    ohne    Willkür.      Das 

l  •  ">,)  m   zugleich  der  Logos,  die   Weltvernunft  und  das 

•/     v6(iog,  dlxij,   tiiiaou/ri/,   yvcofitj),    dem   sich  alles  fügen   muß.      Alles 

jeh",   dem   I  •  maß  {yiyvofiivcov  yäg  .xdvx<»v  xaxa  tov  X6yov)% 

innewohnt    und    dessen    die    Menge  der  .Menschen  sich  nicht 

U    alles    richtige    Denken    nur   ein     Denken  im   Sinne  der  All- 

Eolgeu  müssen  (del  inea&ai  t$  $w$  zovxhxt  t$  xotvtp). 

Menschen   ist    um   so  besser,    je  „trockener1'   (d.  h.  ieuer- 


Hr.kAKi.Ki  i«»-  -    Her bart. 


arn.  ist       3ii     -r  öd  Teil   des  Urteilen,    eine  Art   Ausdünstung  [&*a6 

///,/.  -    Weltfeuera     Feucht  zu  werden,   ist  der  Tod  d      -  Wahre 

Erkenntnis  ist  ohne  Denken,  Vernunft  nicht  möglich;  die  Sinne  ohne  I 
od  „schlechte  Zeugen44  [xaxo*  paprvpes  ioiaiv  >',•, 

ifrvzäs  >/<>yi,,v.     Blofie  Viehrisserei  ist   nutzlos  {xokv/iadüi  i 

btd&oxei).    Wir  erkennen  wahrhaft  dut  vermittelst  der  alL  o  Vernunft 

in  ans  [tov  /-'•■  voip  ol  noXL  Mop    t%ovie$ 

-  Denken  i-t  das  dem  l  einsame  [£wfo  imi  .-rüni  r,,  >r:  m<l 

dieses  ial  die  Quelle  der  Wahrheit     Für  das  Allgemeine  müssen  wir  kämpfen 
wie  die  >ta»lt  für  die  l  die  sich  ja  alle  ron  dem  einen  göttlichen  G 

nlhren;   für  das  Gesetz,  Volk  für  die  Stadtmauern  kämpf!  ouq 

rOftqt    .t'>/.u-    .    .    .:     nny^nilm     yni/      rür     dfjflOV     i'.txj     t in       VÖflOV     &XC0OX8Q     Xti%0 

Öberhebung  -'  zu  bekämpfen;   Eufrieden   ist   dut  der  dem  Gesetze  I 

horchende     Der   Charakter   des    Menschen   ist   Bein   Bchicksal    [iftos  arö 
daifuor).    Den  Menschen  erwartet  Dach  dem  Tode  Unverhofft  - 

Schriften:  Heracliti  Kphesii  reliquiae,  rec.  Bvwater,  1877.  —  EL  v.  Ep]  • 
griechi-h  und  deutsch  von  Diels,  1901;  I.  A.  1909.  —  Die  Briefe  led.  Wcsterniann, 
1857)  sind  uncht.  —  Vgl  DlKi  B,  \  '-okratiker  I.  —  SCHLEEEBMAGHEB,  EL  der 
Dunkle,  W\V.  Abt  III.  Bd.  II,  1838.  —  J.  BEBJfAY8,  lieraclitea,  1848.  —  F.  LäS- 
BALLB,  Di«  Philosophie  H.s  des  Dunklen,  1858.  —  Tr.n  H.Mi '  i.i XR,  Xeue  Studien  1, 
-    M.    K'uiiN,  Also  sprach  Herakleitos,    1907.  —  E.    I'n .i:ii»i:i:i  ER,  Die  Thilos. 

EL,    1886.    —    PBESSLEB,   I>.  meCsphya.   Anschauungen  H.s,   1908. 

ll<*rakl<'ito<-  der  Stoiker,    wahrscheinlich  anter  Augustns.  =   AJle- 

M\  thrlidrlltlll 

;.  riften:  AI]  Meiler.   1851. 

Ileruklooii.  Gnostiker,  Anhanger  des  Valentinus. 

.    LEP8IÜ8,    Dia   Zeil   de-   llaraos    und   det   Beratl«  hr.   I  wi 

Theo..  V  18t 

Heraklll       Herakleitos. 

ll<M-l>art.   Johann    Friedrich,  geb.    i.  Mai  1776  in  Oldenburg  alz  Sohn 
emeaJustu  itudierte  seit   1794  in  Jens  and  hörte  don  Fichte,  l 

all    Hauslehrer   nach   der   Schweiz  (Bern  .   wo    er   durch    Pestalozzi   ai 
wurde,    lebte   1800— 1808   in   Bremen,    habilitierte  rieh   1802  in   Göttingen   für 
Philosophie  und  P  '-..  wurde    1805  außerordentlicher  Professor  und    l 

ordentlicher    P  Königsberg.    Seit  1835   lebte  er    in    Göttingen    und 

dort    l  i.  August    1841.     II.    ist    ein   kritisch-systemaf  dem 

Kiehte  \      htcriihcil 

II.  bekämpft  den  ..Mil>j»kti\nr  Idealismus  Ficht  hr« 

BchellingE         rw«  kaitische  Aufsätze  hierüber  legt«    H.  in  -1  I 

!  and  bildet  anter  dem  Einflüsse  d<  i  B 

Leibnizschi    Monadologie  zu  einem   „Realisrai  indem 

Erscheinung   einer   Vielheit    \<-n    Dingen   aj  im- 

materiellen    R<  ah  n     i"  stimmt      In  erkennti 
zwischen  Empirismus  und  R 


BLerbart. 

als  denkende  Verarbeitung  xon  Erfahrungsinhalten  auffaßt.  In  der  Ethik 
bildet  er  die  Platonische  Ideenlehre  weiter.  In  der  Psychologie  hat  H.  neue 
Bahnen  eingeschlagen,  Mathematik  auf  das  seelische  Leben  angewendet  und  in 
mancher  Beziehung  der  modernen  Psychologie  vorgearbeitet;  als  Psycholog 
II.  [ntellektualist 

Die  Philosophie  ist  nach  H.  „Bearbeitung  der  Begriffe",  d.  h.  Läute- 
rung, Klärung  und  Vereinheitlichung  derselben  durch  das  Denken,  die  Ee- 
:i.  Die  Philosophie  geht  vom  unmittelbar  Gegebenen  —  den  Empfin- 
dungen und  deren  Formen  —  aus  und  übt  daran  Kritik,  wobei  sie  durch  die 
Skepsis  hindurchgeht.  Sie  zerfällt  in  die  Logik,  Metaphysik  (allgemeine 
und  angewandte)  und  Ästhetik,  deren  Anwendung  die  „praktischen"  Wissen - 
Schäften  ergibt. 

H.s  Logik  ist  formalistisch.  Sie  dient  der  Verdeutlichung  der  Begriff er 
betrachtet  die  „Deutlichkeit  in  Begriffen  und  die  daraus  entspringende  Zu- 
sammenstellung der  letzteren".  Von  der  Psychologie  ist  sie  scharf  unterschieden, 
denn  „sie  beschäftigt  sich  nicht  mit  dem  Aktus  des  Vorstellens  .  .  .,  sondern 
mit  dem.  was  vorgestellt  wird",  mit  „Verhältnissen  des  Gedachten".  Es  sollen 
lediglich  „diejenigen  Formen  der  möglichen  Verknüpfung  des  Gedachten  .  .  . 
nachgewiesen  werden,  wrelche  das  Gedachte  selbst  nach  seiner  Beschaffenheit 
zulaßt".  Begriff  ist  (logisch)  die  Vorstellung  „in  Hinsicht  dessen,  was  durch 
i  »rgestellt  wird",  „jedes  Gedachte,  bloß  seiner  Qualität  nach  betrachtet",  also 
mit  Abstraktion  von  der  psychologischen  Entstehung  der  Vorstellungen.  Auf 
die  Verhältnisse  der  Begriffsinhalte  zueinander  kommt  es  an  (disparate, 
konträre  usw.  Begriffe).  Peine  Begriffe  sind  „logische  Ideale".  Wir  denken 
sie  tatsächlich  nur  vermittelst  der  Urteile  auf  Grund  von  Allgemeinvorstellungen. 
!'  -  Urteil  ist  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  ein  Paar  sich  im  Denken  be- 
ender  Begriffe  eine  Verbindung  eingehen  können  oder  nicht;  durch  die 
Urteile  entstehen  erst  bestimmte  Begriffe. 

Di»    Metaphysik  ist  die  „Lehre   von  der  Begreiflichkeit  der  Erfahrung",. 

von    der   „Ergänzung  der  Begriffe".     Sie   bearbeitet  die   allgemeinen   Begriffe 

(wie  J  >i ii lt,  Kausalität  usw.)  so,  daß  sie  die  in  ihnen  liegenden  „Widersprüche" 

durch  die  „Methode   der  Beziehungen"  beseitigt.    „In  dem  Zusammen,  also  in 

den  Formen  des  Gegebenen,  wie  sie  durch  Begriffe  zunächst  gedacht  werden,, 

•  n    Widersprüche  stecken.     Die  Spekulation   wird   diese   Widersprüche  er- 

ii  und  rie  lösen,  indem  sie  die  Formen  ergänzt,  d.  h.  indem  sie  den  durch 

die    Erfahruj  gebotenen    Begriffen   diejenigen   Begriffe   hinzufügt,   worauf 

Iben    rieh    notwendig    beziehen."      Widerspruch    ist   Unmöglichkeit    eines 

Das  rieb  Widersprechende  kann  nicht  real  sein.    Die  Metaphysik 

'lt  in  allgemeine  M.   and   angewandte  M.  (Naturphilosophie,  Psycho- 

/>  Hallt    in    „Ontotogie**,    „Synechologie"    (Lehre    vom   Stetigen), 

scheinungglehn  .. 

hl  die  Metaphysik  nach  dem  Grunde  der  vorgefundenen  Wider- 

leitigt,  indem   rie  das,  was  als   Eines  nicht  gedacht  werden 

ron    Dingen   in    Beziehungen  zu  anderen  denkt  (Pluralis- 

II.  die  Erfahrung  mit  dem  Empfindungsmaterial  und 


Herb abt. 

den  Formen  der  Erfahrung.  Letztere  Bind  nicht  (wie  bei  Kann  apriorisch, 
sondern  gehen  psychologisch  aus  „Reihen"  hervor,  deren  Ordnungen  schon  mit 
den  Empfindungen   gegeben  sind.    Alles   in   Kaum  und  Zeil   Gh  als 

solches  nur  Erscheinung,  weist  aber  aui  ein  An  -ich  bin,  welches  mittelbar 
erkannt  wird.  Das  Sein  ist  „absolute  Position",  die  schon  mit  der  Empfindung 
da  ist,  da  uns  diese  zunächst  (durch  ihren  Zwang)  als  das  Beiende  erscheint, 
indem  wir  uns  aber  der  Subjektivität  der  Empfindung  bewuAl  werden,  de  als 
(objektiven)  „Schein"  erkennen,  der  doch,  um  da  zu  sein,  ein  wahres  Bein 
So  viel  Schein,  -<>  viel  Bindeutung  aum  Bein"  .  wird  die  Empfindung 
auf  ein  Ding  an  -ich.  die  Vielheit  der  Empfindungen  auf  eine  Vielheit 
-  ienden,  ein   System    realer   Wesen,    Monaden   („Realen")  Im    Sein 

di«    Anerkennung  des  ,,Nicht-Aufzuhebenden".     ..In   der  Empfindung   i-t 
die  absolute  Position  vorhanden,  ohne  dal'»  man  es  merkt.    Im  Denken  mufl 

erzeugt  werden  ans  der  Aufhebung  ihres  (  ls.--    Das  Zurückbleibende, 

nach  aufgehobenem  Sein,  i-i  Schein  und  dieser  weist  auf  ein  reales,  nicht  auf- 
hebbares Bein  hin.  „Objektiv11  ist  ein  solcher  Schein,  der  von  jedem  einzelnen 
objekt  ein  -  IuM  dem  Subjekte  darstellt.    Das  Sein  muß  ohn<   Negation 

und  Relation  -ein;  Beine  Qualität  ist  positiv,  einlach,  unveränderlich,  absolut, 
an   sich   unbekannt.     „Die   Qualität   de-    Beienden    ist    gänzlich    positiv   oder 
affirmativ,   ohne  Emmiachnng  Von   Negativem."    Jedes   „Reale"   hat   seine 
sondere  Qualität,  welch  Störungen"   erhalt,   wobei  nur   die  in   der 

„zufälligen  Ansicht14  bestehenden  Beziehungen  wechseln,  je  nach  dem  „Zu- 
sammen" «»de]-  „Nichtzusammen"  der  Realen. 

In  dem    Begriff    des    einen     Dinges    mit    vielen    Eigenschaften,    also   im    In- 

härenzverhältnis,  liegt  nach  11.  ein  Widerspruch.  Der  Widerspruch  löst  sich, 
wenn  da-  hin-  als  Komplex  von  „Realen"  gedacht  wird,  deren  „Zusammen" 
und  „Nichtzusainmen"  der  Erscheinung  der  Dinge  und  ihrer  Veränderungen  zü- 
nde liegt  Auch  im  Begriff  der  Veränderung  liegen  Widersprüche  (wie 
in  dem  der  Kausalität),  indem  wegen  der  veränderten  -Merkmale  die  Bubstani 
and'  der  beharrenden  dieselbe  Komplexion  sein  -oll.   Auch  hier  handelt 

•  -  sich  in  Wirklichkeit  um  ein  „Zusammen  mehrerer  Beienden",  um  Wesen,  die 
vermöge  d<       -      iingen"  und  „Selbsterhaltungen"  als  -ich  verändernde  I>  : 

heiiicn.    Kein    Ding   i-t  an  -ich  Bubstanx,   sondern  nur  im   Verhältnis  KU 
anderen,  im  „Zusammen,"  mit  diesen.    Da  die  „Störungen",  welche  die  Realen 

Irohen,  infolge  der  ..s.  Unterhaltung"  derselben  gar  nicht  erfolgen,  so  gibt 
an  -ich  kein  eigentliche!  Weiden  (Eleatismus).    „Die  Wesen  erhalten  sich  sei 

jede-   in    Beinen  D    Innern    und    nach    -einer  q    Qualität,  die 

Störung,  welche  erfolgen   würde,    wenn    die   1  ton  der  mehreren 

-ich  aufheben  könnten."     I  ••  i  Wechsel  von  Zusammen  und  Nichtauaammen  der 
Realen  ist  das  wahre   Geschehen,    welches    im    An    sich    des   peycholo^iseh-sub- 
tiven    l:        •       im  „intelligiblen  Raum"  erfolgt,  den  w  Eommen 

und   Gehen   der   Bubstanzen    unvermeidlich    hinzudenken",   für  die 
anderungen  intelligibler  Wesen  konstruieren.     Eine  h 
Raum"  nicht.    Das  »Aneinander*1  da   Realen   ergibi   di<  I  \lle 

l  st  relativ,  ist   Kühen  der  Wesen  in  !»• .  b  seibat    Reale  mit 


Berbakt. 

gleichartigen  Qualitäten  und  an  einem  Punkte  durchdringen  einander.  Die 
lohnte  M  aterie  ist  ..objektiver  Schein",  dem  eine  Summe  einander  partiell 
durchdringender  Kralen  entspricht,  deren  Innenvorgänge  in  äußerlichen  Ver- 
änderungen zur  Erscheinung  gelangt.  Den  inneren  Zuständen,  den  Selbst- 
erhaltungen gehören  gewisse  Raumbestimmungen  als  notwendige  Auffassungs- 
□  für  den  Zuschauer  zu,  die  eben,  weil  sie  nichts  Reales  sind,  nach  jenen 
inneren  Zuständen  sich  richten  müssen.  So  entsteht  die  Erscheinung  von 
Abstraktion  und  Repulsion,  deren  Gleichgewicht  ein  materielles  Element,  ein 
Atom  ergibt.  Je  nach  der  Art  und  Stärke  des  Gegensatzes  der  Elemente 
(starker,  schwacher,  gleicher,  ungleicher  Gegensatz)  entsteht  die  feste  Materie, 
der  Wärmestoff]  das  Elektrikum,  der  Äther. 

Die  Lebenskräfte  sind  nichts  Ursprüngliches,  sondern  das  Produkt  der 
Selbsterhaltungen  eines  Wesens,  die  „innere  Bildung"  der  einfachen  Wesen. 
Entstanden  sind  sie  nach  den  „Zweckbegriffen"  der  Vorsehung.  Die  Lebens- 
kräfte erscheinen  als  bewegende  Kräfte,  sind  aber  nicht  durch  physikaliseh- 
ehemische  Gesetze  zu  verstehen.  Ohne  Hilfe  der  Psychologie  gibt  es  keine 
Definition  des  Lebens.  Zwischen  den  inneren  Zuständen  des  einfachen  Wesens 
d  Hemmungen  ein  und  die  Zustände  eines  solchen  Wesens  haben  in 
anderen,  mit  denen  zusammen  es  den  Organismus  bildet,  gleichartige  Zustände 
zur  Folge  (Assimilation  usw.). 

Willersprüche  enthält  nach  H.  auch  der  Ichbegriff.  Das  Ich  soll  (als 
Subjekt-Objekt)  sich  vorstellen,  sein  sich  Vorstellen  vorstellen  und  so  fort  ins 
anendliche,  was  zu  einer  unendlichen  Reihe  führt,  bei  der  das  Ich  nicht  zu- 
stande kommt.  Ebenso  ist  das  Ich  als  einfacher  Träger  einer  Vielheit  von  Zu- 
ständen "in  Unwesen.  In  Wahrheit  nun  setzt  sich  das  Ich  nur  im  Zusammen 
mit  anderen  Wesen  und  ist  ein  „Mittelpunkt  wechselnder  Vorstellungen".  Das 
[ch  liegt  in  den  jeweilig  apperzipierenden  Vorstellungsmassen.  Unter  Apper- 
zeption  verstehi  II.  die  Aufnahme  und  Bearbeitung  anderer  durch  andere, 
neuer  durch  alte,  zuweilen  auch  alter  durch  neue.  Neue  Vorstellungen  werden 
rzipiert,  indem  „ältere  gleichartige  Vorstellungen  erwachen,  mit  jenen  ver- 
Bchmelzen  und  sie  in  ihre  Verbindungen  einführen". 

Damit  Bind  wir  bereits  bei  der  Psychologie  H.s  angelangt,  welche  er  als 

gewandte  Metaphysik"  betrachtet  und,  gegen  die  Vermögenspsychologie  und 

die  konstruktiv-dialektische  Methode,  mit  Anwendung  der  Mathematik  auf  Vor- 

•  der  inneren  Erfahrung  durchzuführen  sucht.  Als  „Ergänzung  der  innerlich 

ommeneo  Tatsachen"    überschreitet  sie  die  Erfahrung,  von  der  sie  aber 

,Lehre    von    den    inneren   Zuständen    einfacher  Wesen". 

»II  ihren  Stoff  Dicht  bloß  Bammeln,  Bondern  begreiflich  machen.    Die  Lehre 

-  elenvermögen"  macht  die  Psychologie  zur  Mythologie;  in  Wahrheit 

:     lenvermögen    nur   „Klassenbegriffe".     Di«1  inneren   Zustande  ^'^ 

■■•  rhaltungen"  Bind  „Vorstellungen"  (zu  denen  auch  die  Sinnes- 

aören);  Gefühle  und  Begehrungen  sind  nichts  neben  und  auller 

ur   „veränderliche   Zustande  derjenigen  Vorstellungen,  in 

■ ,,    (Intellektualismus).    Die  Seele  selbst  ist  eine  ein- 

terblichc  nz   deren  eigentliches  „Was"  unbekannt 


Bbrbabt. 

die  al>er  wegen  der  Einheit    des    Bewußtseins    als   Träger   desselben  inj 
Dommen  werden  muß.    Sie  ist   ohne  Teile  und  an   sich  ohne  Vielheil   in  ihn  1 
Qualität,  anch  ist  sie  nicht  tlich  irgendwo  im  Kann,         D     noch  mufl 

in  dem  Denken,  worin  sie  mit  anderen  Wesen  Eusammengefafif  wird,  in  den 
Kaum,  und  /.war  tür  jeden  Zeitpunkt  an  einen  bestimmten  Chi  gesetzt  werden. 
Dieser  Ort  ist  das  Einfache  im  Baume,  oder  das  Nichts  im  Raums,  ein  mathe- 
matischer Punkt  Die  Seele  ist  an  sich  auch  nicht  irgendwann,  muß  aber  im 
Denken  in  die  Zeil  gesetzt  werden.  Sie  hat  weder  Anlagen  noch 
weder  etwas  zu  empfangen,  noch  eu  produzieren.  Der  „Sitz"  der  Seele  im 
Organismus  ist  wechselnd;  manche  Tiere  haben  mehrere  Seelen.  Seele  und  Keil» 
als  Komplex  von  „Realen")  stehen  in  Wechselwirkung  miteinander,  wohn 
tische  Geschehen  durch  den  Leih  hald  gehemmt,  geschwächt,  bald  be- 
schleunigt, verstärkt   werden    kann44   (Physiologischer   Druck   -    physiologisch) 

l>i-    Vorstellungen  Bind   Ausdrucke   für  die   innere  Qualität   der  Se 
die  sich  drohende  Störungen   erhält.    An  sich  nicht   dynamisch,  werden 

eu  Kräften,  indem  <ie  einander  widerstehen;   dies  geschieht,  wenn   mehi 

Bammentreffen.     Vorstellungen  können  iiiemals  gani  anter- 
werden    durch  andere   nur  verdrängt,   gehemmt,   bleiben   aber   als 
Strebungen  erhalten.      1>;i~  Vorstellen  also  mufl  nachgeben,  ohne  vernichtet  eu 
werden.     Das  heifit,  da-   wirkliche   Vorstellen   verwandelt   sich  in  ein   Streben, 
rzustellen".    Sobald  das  Hindernis  weicht,  kann  die  Vorstellung  (auch  ohne 
Assoziation)  durch  ihr  eigenes  Streben  wieder  hervortreten  („fn 
Stellungen").     Unter   den   ..K.-teir-    nach  der    Semmung  sind   jene   Teil.-   der 
Vorstellung   eu    verstehen,    welche    anverdunkelt    bleiben.      Indem  gleichzeitig 
auftretende,  einander  partiell  oder  total  ei  tzte  Vorstellungen  einander 

„hemmen"  (schwächen,  verdunkeln,  ans  dem  Bewußtsein,  d.  b.  dem  aktuellen 
Erlebtwerden  und  dessen    Zussnimenhang,  verdrangen),   ist   eine  „Statik"   und 
liechanik"  des  Geiste«  möglich,  welche  Bieh  mit  der  Berechnm  Gleich- 

ind    der   „Bewegung*4   der    Vorstellungen   beschäftigt.      Im   Gleich- 
gewichte sind  Vorstellungen,  wenn  den   notwendigen  Hemmungen   unter  ihnen 
ade  Gei  scheuen  i-t:  die  fortgehende    Veränderung   ihres  Grades  von 

Verdunkelung  ist  ihre   !'••  *  ■.  mg.    Zu   bestimmen   ist   die  „Hemmungssumn 
und   das    „Hemmungsrerhältnis".      Entere   ist    „gleichsam   die   eu    verteilende 
Last,    welche    aus    den    Gegensätzen    der    Vorstellung    entspringt",    also    das 

lantnm  des  Vorstellens,  welches  von  den  einander  entgegenwirkenden  V 
Stellungen    rusammengenommen    mufl    gehemmt    werden".      Ü       II       .   . 
rhältnis  Verhältnis,   in  welchem  sich  die  HemmungBsumme  auf  die 

rstellungen   verteilt.      D*    Summe  sowohl  als  das  Verhältnis 
der  Hemmung  hängt   al>  von   der  Stärke  jeder   einseinen 
—  sie  leidet  die  Hemmung  im  umgekehrten  Verhältnis   ihrer  Stärkt-       und  von 
dem  Grade  d<      (  itzes    unter   je   srweien    Vorstellungen,   denn   mit    ihm 

steht    ihr«    Wirkung   aui    einander   im    geraden    Verhältnis."     Di«    Hemmui 
summe  ist  als   möglichst   Urin   anzunehmen.     I)        intueh>t<     ' 
dei  »Während  die  Hemmungssumme  -mkt.  ist  dem  rn 


Eerbart. 

hemmten  Quantum  derselben  in  jedem  Augenblick  das  Sinkende  pro- 
portional." Die  Art  und  Weise,  wie  Vorstellungen  aus  dem  Bewußtsein  ver- 
drängt und  doch  darin  wirksam  sind,  läßt  sich  so  ausdrücken:  sie  sind  auf 
der  ..mechanischen  Schwelle".  Unter  der  Schwelle  ist  eine  Vorstellung,  wenn 
>ic  nicht  aktuell  zu  werden  vermag. 

Her  (.Jrund,  weshalb  entgegengesetzte  Vorstellungen  einander  widerstehen. 
ist  die  Einheit  der  Seele,  aus  der  auch  die  Verbindung  der  Vorstellungen  zu 
erklären  ist.     Die  Verbindungen  sind  Komplexionen  (der  nicht  entgegengesetzten 

steillingen;  /..  B.  Ton  und  Farbe)  oder  Verschmelzungen.  Vorstellungsfolgen, 
deren  Glieder  einander  in  bestimmter  Ordnung  reproduzieren,  sind  „Keinen"  (z.  B. 
Kaum.  Zeit).  Diejenige  Reproduktion  ist  „unmittelbar",  welche  „durch  eigene 
Kraft  erfolgt,  sobald  die  Hindernisse  weichen"  (Begriff  der  „Wölbung"  und 
„Zuspitzung4').  Bei  der  „mittelbaren"  Reproduktion  dienen  Vorstellungen  als 
„Hilfen",  d.  h.  sie  unterstützen  einander  im  Tragen  der  Hemmung  und  im 
Verluste  derselben.  Das  Streben,  vorzustellen,  fällt  nicht  ins  Bewußtsein.  Von 
der  ..Apperzeption"  von  Vorstellungen  war  schon  oben  die  Rede,  ebenso  von 
den  Gefühlen  und  Begehrungen,  welche  H.  als  Zustände  der  Vorstellungen 
auffaßt.  Der  Wille  ist  eine  Begierde,  verbunden  mit  der  Voraussetzung  der 
Krlangung  des  Begehrten;  er  ist  das  „Inwendigste  im  Menschen  und  in  der 
I  resellschaft".     Das  Begehren   selbst  ist   das    „Hervortreten   einer  Vorstellung, 

ich  gegen  Hindernisse  aufarbeitet".  Der  Verstand  ist  die  Fähigkeit,  sich 
im  Denken  nach  der  Qualität  des  Gedachten  zu  richten;  die  Vernunft  ist 
das  Vernehmen  von  Gründen  und  Gegengründen;  beiden  liegen  Vorstellungs- 
reihen zugrunde.  Die  Freiheit  besteht  in  der  Herrschaft  der  stärksten  Vor- 
Btellnngsmassen,  in  der  Aktivität  des  Charakters. 

unter  ..Ästhetik"  versteht  H.  die  Wissenschaft  von  den  Begriffen,  mit 
Kelchen  Urteile  des  Beifalls  oder  Mißfallens  sich  verbinden;  sie  umfaßt  die 
Ethik  und  eigentliche  Ästhetik.  Die  Ethik  ist  „praktische  Philosophie"  (Lehre 
rom  Tun  und  Lassen),  Lehre  von  den  Billigungen  und  Mißbilligungen  („Ge- 
schmacksurteilen")  der  Willensverhältnisse,  die  unmittelbar  gefallen  oder  miß- 
fallen and  an  sich  (ohne  Beziehung  auf  das  Subjekt)  mit  Evidenz  gewertet 
ii  (Intuitionismus).  Das  Sittliche  ist  also  Gegenstand  absoluter  Wert- 
schätzung. Ans  den  ethischen  „Geschmacksurteilen"  über  Willensverhältnisse 
gehen  praktische,  ethische  Ideen  hervor,  welche  das  sittliche  Leben  leiten;  aus 

[deen  erst   entspringt    die   Pflicht.    Die  Ideen   sind   Musterbilder  des  sitt- 
lichen Willens,    Maßstäbe  zur  Beurteilung  des  Wertes  des  Wollens.    Die  fünf 
nnprangtichen  Ideen  Bind:  1.  die  Idee  der  inneren  Freiheit  (Übereinstimmung 
-  Willen-,  mit  der  eigenen  Beurteilung);  2.  Idee  der  Vollkommenheit  (Gefallen 
eren    neben    dem    Kleineren);    3.    Idee    des    Wohlwollens   (Harmonie 
enem    und    vorgestelltem    fremdem  Willen);   4.  Idee  des   Rechtes 
dem  „Mißfallen  am  Streit":  „Recht  ist  die  Einstimmung  mehrerer 
dacht,  'li<-   dem    Streite    vorbeuge";    der   Staat   ist  die  „Ge- 
Machi   geschützt '0;   5.    Wee  der   Billigkeit  (Vergeltung).     Die 
die  [deen  der  Rechtsgesellschaft,  des  Lohnsystems,  des 
Kultursystems,   der   beseelten  Gesellschaft.    Die  Ge- 


1  Iikiiai:  i  . 

Bellschafl  ist  \<>n  einem  gemeinsamen  Wollen  beseelt,   psychologische  Kr 
wirken  in  Ihr,  mit  Verhältnissen,  die  denen  zwischen  den  Vorstellungen  anal... 
Bind  (Statik  und  Dynamik  des  Staatei      Schwelle"   des  gesellschaftlichen   Ein- 
ilu--'  -  . 

Die    Ästhetik     ELb    im    engeren    Sinne    ist    „formalistisch",    d.   h. 
ästhetische  Gefallen  haftet  nach  ihrnichJ  am  Gehall  des  Wahrgenommenen  oder 
]  dargestellten,  sondern  an  der  „Form",  an  VorsteUungsverhältnis&en,  die  ;il-  solche 
unmittelbar  gefallen  (bezw.  mißfallen):  Barmonie,  Rhythmus,  Einheit  usw. 

Die  Pädagogik  \l.<  hat  bis  in  die  Gegenwart  hinein  außerordentliche 
Geltung  gehabt.  Sie  basiert  aui  der  Psychologie  and  erhalt  ihr  Ziel  durch  die 
Ethik.    I>m  Bedeutung  des  Im  rird  stark  betont    Zwischen  „Regienu 

[Tntenichl  und  ..Zucht--  wird  unterschieden. 

I)i<    Religion  entspringt   der   Bilfsbedürftigkeit   des  Menschen,  de  beruht 

aui  Demut  und  dankbarer  Verehrung.    Bie  ergänzt  und  Btützt  die  Sittlichkeit, 

trot  beruhigt.     Ein    eigentliches  Wissen    n>n    Gotl    ist    unmöglich, 

r   uir   müssen   die   Zweckmäßigkeit   in  der  Welt    aui    ••in«-    zwecksetzende, 

liehe  Intelligenz  beziehen. 

Berbart  hart.-  in  «Im  zweiten   Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  riele  Anhäi 
und  Nachfolger,  und  auch  jetzt  Süden  sich   ihrer,   besonders    unter  den  Päda- 
en  bo  manche.     Außer  in   L<ii>/.i<:   wurde  die   Herbartsche   Philosophie  be- 
Bonders  in  Osterreich  (auch   in   den  obersten  Klassen  der  Gymnasien)  gepüej 
durch  I".  Einer  und  H.  Bonitz  gefördert     I>;i-  <  »man  der  Berbartianer  war 
die  .«Zeitschrift    für  exakte   Philosoph  l     7."..   1883    96;  jetzt   ist  es  die 

Zeitschrift    für    Philosophie    und    Pädagogik",    1894 ff.     Von    Lazarus   und 

inthal,  die   von  Berbart  ausgingen,  wurde  (seit   L859)  die  »Zeitschrift  für 
Völkerpsychologie  und  Sprachwissenschaft'1  heran  en. 

Berbartianer  Bind    Drobisch,    Bartenstein,    Strümpell,    Zimmer- 
mann,   Thil<».   Ziller,    Flügel,    Rein,    < '.   S.    C      nelius,    Schillii 
Stiedenroth  (z.  Teil >,  Griepenkerl,  Bobrik,  Drbal,  Lott,  Volkmann, 
w  aiti    /.  Teil  ,  G.  A.  Lindner,  Nahlowsky,  Stoy ,  Wittstein  u.  a. 

hriften:     I  /.is    neueste   Schrift:     Wie    Gertrud    ihre    Kinder    lehrt 

•■  1,1-   I;  I,  A    L804.         De  Plstoaici  ijBteiiiatii  Fondemeato,  184 

—  AJlgemeiie    Pidagogik,    iso6;   auch   in    <1«t   i'niversalbibl.   —    l  ber   phi 

Studium,    18(>7.    —    Hauptpunk  :.\.sik.    1S08.   —   Hauptpunkte  der  Logik,    18 

—  Allgemeine    prskti  bot    l 
KSnigtbei             hii    L   —   Payehj      I  •  ••■  raehoag  über  die  Starke  i  benen    \ 

ang  aU  Funktion    ihr  Lbid.  —  Lehrbuch   zur    t&inleiteng  in  die 

I  i  B    A.   L888.  —  Lehrbu  b  wn  ?  I 

,1817.         De  -''■'■•  -.'.-:: 

—  Über   die   Möglichkeit   u.  Ligkeit,    Mathematik    luf    P  ■■isw— d< 

—  P  l      1  ii 

—  K  opidie    der    i  1.  A     1841.  De   prineipio 

.-i  medii,   L888.         '  mr,  \m  ■   !■ 

Idbl.    —    Zur    Lohre    \<»n     der     I  n dl  — 

Anahti-  he    Beb  BchtOBg 
■achangeo,  (leisere    philoe.    Schrift  Bist, 


Hebbart        Hebbebtz. 


-43.  —  Sämtliche  "Werke,  hrsg.  von  Hartenstein,  12  Bde.,  1850 — 52;  2.  Ä, 
I S  Bde.,  1 B83  —  93,  -  Sämtliche  Werke,  hrsg.  von  Kehrbach,  15  Bde.,  1887  ff.  —  Pädagogische 
Schritten,  hrsg.  von  Willmann,  2  Bde.,  1873-75;  2.  A.  1880.  —  Herbartsche  BeJiquien, 
hrsg.  von  Ziller,  187  1.  —  Ungedruckte  Briefe  von  u.  an  H.,  hrsg.  von  Zimmermann, 
1877.   —  Vgl.  DROBISCH,  Über   die    Fortbildung   der    Philosophie    durch  H.,  1876.  — 

Strümpell,   Die  Metaphysik  H.s,   1896.  —   W.  Kinkel,  J.   F.  H.,   1903.    — 

F.  FRANKE,    H.,   1909.    —    LlPPS,   Zur  H.schen  Ontologie,    1874.    —    E.  W  AGNER, 
Vollst.  Darstell,  d.   Lehre  H.s,  1896.  —  ZlECHNER,   H.s  Ästhetik,  1908. 

Herbert  von  Cherbury,  geb.  1581  in  Nordwales  (Montgomery Castle), 
studierte  in  <  Oxford,  führte  ein  unstetes  Leben,  trat  in  den  politischen  Kämpfen 
auf  die  Seite  des  Parlaments,  gest.  1648  in  London.  Er  schrieb  u.  a.  auch  eine 
Autobiographie,  hrsg.  1764,  1886. 

H.  ist  der  Begründer  des  englischen  Deismus,  des  Standpunktes  der 
..Xaturreligion".  Er  gründet  die  letztere  auf  den  „consensus  gentium",  die 
Übereinstimmung  der  Menschen,  die  auf  den  Besitz  allgemeiner  Begriffe,  „com- 
munes  notitiae"  hinweist,  in  welchen  sich  die  Grundwahrheiten  darstellen. 
Diese  Begriffe  sind  Bedingungen  der  Erfahrung,  also  eine  Art  A  priori.  Es 
gibt  einen  „instinetus  naturalis",  dem  allgemeine,  übereinstimmende  Begriffe 
entspringen.  Der  „Naturinstinkt"  ist  die  erste  der  seelischen  Fähigkeiten;  sie 
entfaltet  sich  allmählich  nach  den  Objekten  hin  und  hat  eine  antizipatorische 
Funktion.  Die  „notitiae  communes"  liegen  in  jedem  normalen  Menschen,  von 
der  Natur  uns  eingepflanzt  („restat,  ut  in  nobis  a  natura  describantur  et  ut, 
ista  lege,  explicentur  ....  notitiae  communes").  Es  gibt  vier  Arten  der  Wahr- 
heit: 1)  „veritas  rei"  als  Übereinstimmung  des  Dinges  mit  sich  selbst,  2)  „veritas 
apparentiae",  Übereinstimmung  der  Erscheinung  mit  dem  Ding,  3)  „veritas 
coneeptus",  Richtigkeit  der  Auffassung,  4)  „veritas  intellectus",  logische  Richtig- 
keit. Zu  den  allgemeinen  Wahrheiten  gehören  auch  die  sittlichen  Grundsätze 
und  endlich  die  religiösen  Grundwahrheiten,  die  durch  Aberglauben,  Priester- 
trug usw.  vielfach  entstellt  sind.  Die  natürliche  Religion  ist  in  der  mensch- 
uchen  Vernunft  gegründet  und  hat  fünf  Grundwahrheiten:  1.  Existenz  eines 

rten   Wesens.    1.  Verehrung  desselben.    3.  Tugend  und  Frömmigkeit  sind 

da  irichtigBte  Bestandteil  des  Kultus.   4.  Forderung  der  Reue  über  Vergehungen. 

Lim  und  Strafe  im  Jenseits.    Gott  hat  sich  auch  im  Universum  offenbart: 

alle  Offenbarung  hal  ihr  Kriterium  darin,  daß  sie   auf  Wahrheit  und  Sittlich- 

Bi  zug  hat. 

riften:  Tractatus  de  veritate,  1624,  1633.  —  De  causia  errorum,   1645,  1656. 
mligioD«    gsntfliam    errorumquo    apud    eos   causis,    1663,   u.  a.  —    Vgl.    CH.    l>K 
LT,   Lord   H,  1853.   -     ÖÜTTLEB,  Lord  H.  v.  Ch.,   1897. 

Berberts,  Richard,  geb.  L878  in  Cöln  a.  Rh.,  Prof.  in  Bern.  =?  Betreffs 

mußten  steht  II.  wesentlich  auf  dem  Standpunkte  B.  Erdmanns.     Den 

Reproduktionen    liegen    unbewußte    Bedingungen   zugrunde.      Der 

hichtlicherj     Entwicklung    des    Methodenproblems    legt   er    eine 

für  die  Gesamtentwicklung  der  Philosophie  bei. 

! ■■  * ■'"•     roin     Unbewußten  bei  Leibniz,    1905.    —    Bewußtsein    und 
nun   lietiiodenproblem  and  leiser  Ge«cbiehte,  1910,  u.  a. 


Bkbd] 

Herder,  Johann  Grottfried,   1744—1803,  der  bekannte   Dichter,  i-t  Mich 
als  FhfloBoph  von  Bedentung.    In   Königsberg  hörte  er   bei   Kam  Vorlesungen 
und  er  äußerte  sich  spater  sehr  günstig  ober  Kants  Wirken;  noch  später  aber 
trat  er  dem  Kritizismus  and  Apriorismus  Bchrofi  entgegen  und  kritisierte  di- 
nicht  ohne  Mi:  rinisse  in  Beiner  „Metakritik".    Er  nennt  Kante  kriti- 

I  Dtersuchungen  „öde  Wüsten  voll  leerer  Hirngeburten  im  anmaJ  Wort- 

oebel".    Von  Btarkem   Einflüsse  auf   11.  war  (neben  Jacobi)  Hamann,  insbe- 
Bondere  bezüglich  der  Weigerung,  Form  und   Inhalt  der  Erkenntnis  schar!  sn 
sondern,  und   auch   in   der  Betonung  der  Bedeutung   der   Sprache.     Im  Beiner 
Weltanschauung  ist   11.  wesentlich  ron  Bpinoza  und  Leibniz,  die  er  zu  verein, _ 
sucht,  beeinflußt,  auch  ron  Bonsscan  u.  a. 

Gegenüber  der  Zurückführung  der  Sprache  auf  die  göttliche  Schöpfung 
seitens  Sußmilchs  u.  a.  betont  H.  den  menschlichen  Ursprung  der  Sprache. 
Diese  tritt  zuerst  als  Ausdruck  von  Gefühlen  in  Tönen  auf.  welche  aber 
Besinnung,  Reflexion,  Apperzeption  interessierender  Merkmale  der  Dinge  /u 
Worten  macht,  so  dal»  die  Sprache  Ausdruck  und  Organ  des  Verstand 
Werkzeug  der  Vernunft  wird.  I>m  erste  Sprache  war  eine  Art  Poesie,  „Nach- 
ahmung der  tönenden,  handelnden,  sich  regenden  Natur-.  Erst  mit  dem  Sprechen 
entsteh!  dir  Vernunft 

Im  Erkennen  wirken  alle  Seelenvermögen  zusammen;  Sinnlichkeil  und 
Vernunft,  Denken  und  Wille  und  Gefühl  Ea  i-t  dir  eine,  einheitliche  Seele, 
welche  empfindet,  wahrnimmt,  denkt,  will  usw.  Ohne  Aufnahme  der  Beize, 
durch  welche  sich  uns  di«'  Welt  kundgibt,  gibt   es  keine   Erkenntnis;  au-  sich 

allein    heran-    kann    d.      -  -n     dicht     spinnen.     ..Wir    .1111)1111(1111    nur.    WM 

im-.  [■  Viv.n  uu-  geben;  danach  und  daraus  können  wir  auch  nur  denken." 
Die  Seele  weiß  nur,  „was  ihr  ron  innen  und  außen  ihr  Weltall  zuströmt  und 
der  Finger  Gottes  zuwinket".  Der  abstrakte  ..Km-mali-mu--  i-t  zu  bekämpfen, 
derein  Erkennen  rar  einem  Erkannten  annimmt  Es  gibt  keine  apriorischen 
Begriffe.  Der  Unterschied  zwischen  analytischen  and  synthetischen  Urteilen 
i-t  nur  relativ.  Anstatt  einer  anmöglichen  Kritik  der  reinen  Vernunft  i-t  eine 
„Physiologie  der  menschlichen  Erkenntniskrflfte"  zu  versuchen.  Ei  gibt  ohne 
Sprache  keine  Vernunft,  die  allerdings  wie  jene   nur  gewiss«      lierkmale"  der 

Dinge,   Dicht    deren    Innen-    erfaßt       Die    Sinne    geben    nicht    tOte    Materie    und 

die  Seele  kann  den  Empfindungen  Dicht  die  Form  geben,  die  ihr  gefallt. 
Ha  ii  in  und  Zeit  -ind  nicht  a  priori,  sondern  ErfabjiingBbegriffe.  Dei  Raum 
i-t   un-'  I  rfahrung    und  sie  i-t  mit    anserer  organisierten  Gestalt,   mit 

unserem  begrenzten  Dasein  dem  Verstände  ,,mitangeboren".  Die  Geometrie 
hitet  ihre  Axiome  Dicht  au-  dem   Kaum   her.  sondern   zieht  nur  auf  ihm  ihre 

Linien   und    Figuren.      Analoges  uilt    ron   der  Zeit    und  der   Arithmetik. 

Ebenso  sind  die  Kategorien  empirische  Begriffe,  durch   Abstraktion  i 
nden.     D  fi    der   Vernunft    i-t    da-    Sein,    welches    sich    durch 

Kraft  offenbart,  also  .»kräftiges  Dasein  zur  Fortdauer"  ist  Die  sjnti  Klasse 
der  Kategorien  i-t    Sein.   Dasein,  Kraft,  Hau-:  welchen   die  Nebenbegriffc 

Baumes  und  der  Zeit   benrorgehen.     Di    Kral       I    ls       Maß  d 

ii-    von    innen".     Im.     Kraft,   die  durch    sich        I    Kaum    und   7 


1  1  KRDER. 

ist  das  ..einzig  denkbare  energische  A  priori".  Eine  absolute  „Spon- 
taneität" des  Denkens  besteht  nicht,  ebensowenig  eine  rein  subjektive  Synthesis 
bjektivem  Wert.  ..Kein  Prius  ist  ohne  ein  Posterius,  kein  Verstand  ohne  ein 
standliches  denkbar:  kein  Nehmen  findet  statt  ohne  ein  Geben.  Du  kannst 
nicht  erkennen,  wo  nichts  zu  erkennen  ist;  du  kannst  in  dir  nichts  verbinden, 
wo  nicht  ein  von  der  Natur  Verbundenes  dasteht."  Die  Funktion  des  Ver- 
standes ist.  ..anerkennen,  "was  da  ist,  sofern  es  dir  verständlich  ist".  Der 
stand  liest  aus  und  versteht,  d.  h.  er  ergreift  der  gelesenen  Dinge  Be- 
deutung, durch  Auflösen  und  Verknüpfen.  Das  Urgesetz  des  Erkennens  ist 
die  Erkenntnis  der  Einheit  in  der  Vielheit.  Die  Kategorien  der  Eigenschaf ten : 
der  Identität.  Gattung,  Geschlecht,  Art  entspringen  daraus.  Die  Kategorien 
der  Kräfte  sind:  bestehend,  entgegenwirkend,  mitwirkend,  erwirkend;  die  des 
Maßes:  Punkt,  Moment;  unermessener  Raum,  unermessene  Zeit,  unermessene 
Kraft  Diesen  vier  Arten  der  Kategorien  entsprechen  vier  Wissenschaften: 
Ontologie,  Naturkunde,  Naturwissenschaft,  Mathematik;  die  Ontologie  ist 
..Philosophie  der  Verstandes-  und  Vernunftsprache".  Das  „Kategorisieren"  er- 
folgt ..durch  Erfassung,  Distribution  und  Komprehension  des  Gegebenen;  das 
Eine  wird  ein  Mehreres,  das  Mehrere  wieder  zu  Einem".  Die  Vernunft  ist 
nur  ein  ..anwendend-höherer  Verstand".  Sie  hat  die  Funktion,  „im  Unbedingten 
ia  Bedingte  anerkennend  zu  finden  und  festzustellen",  das  Unbedingte  auf  das 
Bedingte  anzuwenden. 

Die  Weltanschauung   H.s    ist  dynamisch,  organisch,   panpsychistisch,   pan- 

entheistisch.     Gott  ist  die  höchste,  ja  die  einzige  Substanz.     Die   Dinge   sind 

„modifizierte  Erscheinungen   göttlicher  Kräfte".      Während   Gott  ewig  ist,   ist 

die  AVeit  ein   System  vergänglicher  Dinge.    Die  Gottheit  ist   die  Urkraft,   die 

sich  in  unendlichen  Kräften  auf  unendliche  Weisen  offenbart.     Die  Dinge  sind 

„Ausdrücke  der  göttlichen  Kraft,  Hervorbringungen  einer  der  Welt  einwohnen - 

ewigen  Wirkung  Gottes".    Jedes  Geschöpf  hat  seine  eigene  Welt,   ist  eine 

Individualität.     An   sich   ist  die  Welt  ein   „Reich   immaterieller  Kräfte,   deren 

ohne  Verbindung  mit  anderen  ist".     Alle  Dinge  sind  und  leben  in  Gott, 

Wirkungs-  und  Denkkraft  zugleich  ist.     Gott  offenbart  sich  in  allem,  aber 

sonderer  .Modifikation.    Er  selbst  ist  die  „ewige,  unendliche  Wurzel  aller 

Dinge",  in  ihm  isl   weder  Kaum  noch  Zeit;  die  ganze  Welt    ist  sein  Ausdruck, 

eine  Erscheinung  Beiner  ewig  wirkenden  Kräfte.    Die  Gesetzlichkeit  und  Ordnung 

IVelf  i-t   Ausdruck  der  göttlichen  Macht  und  Vernunft.    Nichts  kann  völlig 

untergehen;  wem    es    auch    als    Erscheinung    verschwindet,    so    wirkt   es    doch 

;   fort.    Die  Grundgesetze  des  Geschehens  sind  Beharrung  (Selbsterhaltung), 

mg  mit  Gleichartigein,  Scheidung  von  Entgegengesetztem;  überall  gibt 

Die  Natur  dauert  in   „ewiger  Palingenesis"  und  ist  ewig  jung, 

immer  mehr  harmonisiert.    Im   I {eiche  Gottes  besteht  ein  „Fort- 

■    höhere    Daseinsformel]    treten  auf.    Alle  Materie  ist  belebt,  sie 

-  Lebendigen   Kräften.     Vom   Stein  bis  zum  Menschen  herauf 

I    -in  der  Organisation.    In  der  Natur  steht  nichts  still,  „alles 

Di(    Seele    ist   eine  individuelle  Kraft,   deren  Werk- 

1    Leib  ist     Nach    dem   Tode   wird   die   Seele   ein    neues 


Herdeb        Hl 


_ .-in  finden.     Was  wirkt,  wirkt  ewig;   irenx)  die  Bulle  vregföllt,  bo  bleibt  <li<- 
Kraft,  die  auch  schon  rot  dieser  Sülle  ezistiei 

Der  Zweck   unseres  jetzigen    Daseins  ist   aui    Bildung   der   Humanität 
richtet,  der  alle  niedrigen  Bedürfnisse  der  Erde  nur  dienen  sollen.    Die  Buna 
nitlit  ist    der  Grundbegriff    der    BjBchen   Geschichtsphilosophie,  irelche 
die  menschlich«   Geschichte  al>  Weiterentwicklung   der  Natur  und  als  bedingt 
durch  das  Naturmilieu  auffaßt  ,/<•  Menschengeschichte  ist  eine  reine 

Naturgeschichte   menschlicher  Kräfte*   Bandlungen   and  Triebe   nach  <  >rt    und 
/••it/-     In  der  Geschichte   herrscht  Gesetzlichkeit    des    Fortschrittes   und  die« 
zi.lt  aui  die  Berrschafl    von   Vernunft    und    Liebe,   Ruf    Humanität.    „Unat 
Vernunftfähigkeit  ><>11  sur  Vernunft,  unsere  feineren   Sinne  zur  Kunst,  ans« 
Triebe  zur  echten  Freiheit  und  Schöne,  onsere  B<  epkräfte  zur  Menschen- 

liebe gebildet  werden.14    Die  Erde  ist   ein  „Übungsplatz",  eine  „Vorbereitu] 
statte",  die  Humanität  ist  „Vorübung,  die  Knospe  za  einer  zukünftigen  Blum 
I)i.-  menschliche  Kultur  erwachst    nur   in  der  Gemeinschaft;   der  Mensch  wird 
•  in  ihr  und  durch  di<   M  i  Bchheil  ah  geschichtliches  Ganzes,  durch  Tradition. 
Erziehung,  Sprache  zum  wahren  Menschen.    ImV  Menschheil  schreitet,  trotzaller 
Rückschritte  im  Einzelnen,  ihrem  Ziele, der  höchsten  Humanität,  immer  mehr  zu. 

In  seiner  Ästhetik  („Kalligone")  tritt  H.  ebenfalls  als  Gregner  Kants  auf. 
Das  S  hone  ist  Dicht  interesselos.  Schönheit  i-t  das  „Gefühl  der  Vollkommen- 
heit eines  Dinges".  Die  höchste  Humanität  ist  die  ßeligion,  die  Mutter 
aller  Kultur,  aller  Wissenschaft;  die  reine  Religion  ist  Menschheitsreligion. 

Ohne  dafi  H.  eine  philosophische  Schule  begründet  hat,  wann  seine  Lehren 
doch  nicht  ohne  Kinflur.  (auf  Goethe,  Jacobi,   W.  v.  Humboldt,  Schelling  u. 
3    d  Humanismus  und  Kultur-Evolutionismus  findet   sich,  in   neuer   Form,  bei 
H._'l    u.   ;i.   und    in   der    modernen    Geschichtsphüosophie    and     Ekmoloj 
Bumboldt,  Comte,  Taine,  Wundt  n.  a.)  wieder. 

Philo*.  Si  hrifton:  Abhandlung  Über  den  Ursprung  der  Sprache,  1778;  2.  \. 
1 7 >> r* .  \ m  li  cino   Philosophie  der  Geschichte  der  Menschheit,  177  1.        Vom  Brkeanen 

und  Empfinden  der  menschlichen  Seele,   1778.  —   Ideen  zur  Philosophie   'I<t   Ges 

it.   L784  C  (Hsnptwork).        Gott,  1787;  2    I     1800    —   V<a  d.-r  cneni 
liehi  rbliehkeit,   1792  Briefe    sur    Beförderung   der    Eamaaitit,   I  i  — 

Ventand  und  Erfahrung,  Vernonfl  and  Bprache,  eine  Metakritik  zur  Kritik  der  reinen  Yernonft, 

19.  —    Kslligt  ».  .\  L809.   —    Werke,   L806  t,   1820 

Suphaa,   1877  £  —    Vgl.   Havm.   11.  1877—85.   -      Kiiimmwv    II  i   Pen 
m  Mwer  Wehansehaaiif ,  1892  H.  StEPHAJT,    II-  P 

Bibl.).  —  BlEOEL,   Haider  all   Philosoph,   L908  Ttmvukiv    B,    i.   I 

I  i/.   II.  als  P«y<  bolo*;,   i  • 

ii<rill<>»    \  oh    Kaith;i.         Schüler   di      S     Icera   Zenon.  Di< 

kenntnis  i-t  oach  ilim   Endzweck   da   Strebens,   die   änderet     i  id    nur 

Nebenxwi  i 

I» I.Ai  i:i.    \  II,    LI 

llriiii^.    I  .  Ewald,  der  berühmte  Phj  x     _«i-dort 

i.  Sachsen,  Prof.  in  I  ••  auch  für  die  Philosophie  von  Bedeutung         Nach 

II    i-t  d;i-     '  eine  allgemeine  I  hafl  der  organi*  h<      M  it<  rie. 


Hering        Hermolaus. 


B    h  ritten:   Über  das  Gedächtnis,  1873.  —   Über  Feehners  psyehophysisches  Gesetz, 
—    Zur   Lehre    vom   Lichtsinn,    1905  ff',    (neue    Theorie    d.    Farben  empfind.).    — 
Deutungen  des  psychophys.   Gesetzes,   1909,  u.  a. 

Hermann,  Conrad,  geb.  1818,  Prof.  in  Leipzig,  gest.  1897.  =  H.  betont 
den  Anschluß  der  Philosophie  an  die  Geschichte  der  Philosophie.  Der  Zweck 
der  Geschichte  ist  ..der  Begriff  oder  die  Idee  der  Freiheit  der  Menschen  in 
der  an  und  für  sich  unendlichen  Ausbildung  eines  Inhaltes". 

Schriften:  Grundriß  einer  allgemeinen  Ästhetik,  1857.  —  Gesch.  d.  Philos.,  1867. 

—  Philosophie  der  Geschichte,  1870.  —  Die  Sprachwissenschaft  nach  ihrem  Zusammen- 
hang mit  Logik,   menschlicher  Geistesbildung  und  Philosophie,  1875.   —   Ästhetik,   1875. 

—  Der  Gegensatz  des  Klassischen  und  des  Romantischen  in  der  neueren  Philosophie, 
1877.  -  Hegel  und  die  logische  Frage  der  Philosophie  in  der  Gegenwart,  1878.  — 
Vgl.   BrASCH,  Leipziger  Philosophen,   1894. 

Herniarchos.  Schüler  Epikurs.    Von  seinen  Schriften  ist  nichts  erhalten. 

Hermeias  aus  Alexandria,   Schüler  des  Neuplatonikers  Syrianos,    Ver- 
r  von  Kommentaren  zu  Piaton  (In  Piatonis  Phaedrum,  ed.  Couvreur,  1901). 

Hermes,  Georg,  1775—1831,  Prof.  der  Theologie  in  München  und  Bonn. 
=  H.,  von  Kant  beeinflußt,  vertritt  einen  theologischen  Rationalismus  (Her- 
mesianismus).    Anhänger  von  H.  sind  Esser,  Elvenich,  Biunde  u.  a. 

Schriften:   Philos.    Einleit.  in  d.  christkathol.  Theol.,  1819;    2.  A.   1831  f.,  u.  a. 

—  Vgl.   ESSER,  Denkschrift  auf  G.  H.,   1832. 

Hermes  Trismegistos.  Unter  diesem  Namen  (des  „dreimalgrößten 
Hermes")  traten  gegen  Ende  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr.  Schriften  von  syn- 
kretistischem,  dem  Neuplatonismus  verwandtem  Charakter  auf  (,, Hermetische 
Bücher"). 

Vgl.  STOBAEUS,  Ecloga  (Fragmente).  —  Ferner  Ausgaben  von  PARTHEY,  Poeman- 
der, de  potestate  ac  sapientia  divina,  1854  (deutsch  schon  1781).  —  MENARD,  H.  T., 
2.  ed.  1868.  —  W.  SCHULTZ,  Dokum.  d.  Gnosis,  1910.  —  Vgl.  PlETSCHMANN, 
H.   T,   1875. 

Ilermias,  christlicher  Apologet  (Lebenszeit  unbekannt,  zwischen  dem 
zweiten  und  sechsten  Jahrhundert),  verspottet  in  seiner  Schrift  „Verspottung 
der  heidnischen  Philosophen"  (griechisch  und  lateinisch.  1855)  die  Ansichten 
der  Phüoeophen  und  deren  Widersprüche. 

Ilcrmiiio*.    in    <\<~r    zweiten    Hälfte   des    zweiten   Jahrhunderts   v.   Chr. 
Peripatetiker.    Sehrieb  Kommentare  zu  Aristoteles. 
II     S<  HMJIH,    Do   H.  Peripatetico,   1907. 

II «»i -inipnoH    aus    Smyrna,    um  200  v.  Chr.,   Verfasser  biographischer 
Tl   ■    "7>r  <,<,<i  <■>>■.    ix, i   TIv&ayÖQOv,  mgi  'Aqiotot6Xovs  u.  a.). 

Herrn  od  oros   au-    Kphesos,    Freund   des   Heraklit.  —    Vgl.  ZELLER, 
i  •  de  H.  Platonli  ducipalo,  1859. 

II<'rino<Ior<»«>.  Schüler  Piatons,  schrieb  über  Piaton.  —  Vgl.  den  vorigen. 
Hcrmolaus  -.  liarbarus. 


Hermotimos        il< 


Herniotimos  \  on  Klazomenai,  angeblicher  Vorlaufet  des  Anaxa- 
goras  in  da  Lehre  vom  foi 

Vgl.   AJUBTOTELBS,   Metsphys,    1,   :;. 

ItVrrniaiui.    Wilhelm,   geb.    1846  in  Melkow,    Prof.  in  Marb  II. 

i<r    Schüler   Ritschis   und   betrachtet    wie   dieser   die   Religion   als  ron 

wissenschaftlicher  Erkenntnis  und  Metaphysik  Unabhängiges.     Dei  Glaube 
ruht  auf  Werturteilen  mit  besonderer  Kraft  der  Geltung,   bezogen  auf  hoch 
Bedürfnisse  and  Ziele  der  Persönlichkeit,  denen  sie  entsprechen. 

8    hriften:  Die  Metaphysik  in  der  Theologie,  1  876.  —  Die  Religion  in  ihrem  \ 
zum  Welterkesmea  u.  zur  Sitti  i<  Lkeit,  lb79.  —  Die  Gewißheit  dM  Glaubens,  2.  a.  1889,  u.a. 

I  loi'tlin^.  I  in  Darmstadt,  Prof.  in  München.  = 
Arntotelisch-teleologischer,  theistischer  Standpunkt. 

B    ii  ritten:    Materio  und  Form  und  die  Definition  der  Seele  bei   Aristoteles,    1871. 

—  Über    die    Grenzen    der    mechanischen    Xaturerklärun^,    1875.    —    Albertos    SfagBOS, 
50.    —    Aufsätze  und   Beden,    1884.    —    J.   Locke  u.  die  Schule  von  Cambridge,   1892. 

—  Naturrecht  und  Sozialpolitik,    18t»3.   —   Da9   Prinzip   des    Katholizismus   u     die 
Mhaf  ;.   a. 

Herta,  Heinrich,  1867  :     Prof.  in  Bonn,  berühmter  Physiker 

Zusammenhang  zwischen  Licht  und  Elektrizität). 

H.  i-r  ein«  der  aeo-mechan istischen    Physik,    für   welche 

die  mechanischen  Vorstellungen  Symbole  („Scheinbilder*4    der  Dinge  und  deren 

die  denknotwendigen  Folgen  dieser  Bilder  stets 
wieder  di<-  Kider  von  den  naturnotwendigen  Folgen  der  abgebildeten  Gej 
stände4'  sind.  Das  Grundgesetz  der  Mechanik  lautet:  „Jedes  freie  System  be- 
harrt  in  -ein.  in  Zustande  der  Buhe  oder  der  gleichförmigen  Bewegung  in  einer 
adesten  Bahn."  [nnere  Kräfte  gibt  es  nicht .  nur  verborgene  Massen  und 
!'••  a  Kinetische  Hu  ori( 

-    brifteo:  D.  Prinaipien  der  Mechanik,  is04  (Bd.  III  der  Gesammelten  Werk 

Hervicn  Natalis,  aus  Nedellec  in  der  Bretagne,  Dominikanermönch, 
hielt  Vorlesungen  in  Paris,  gest  1323  in  Sorbonne.  Anhänger  des  Thomas 
ron  Aquino. 

In    quatuor    Petri    Lombardi    sententiarum     rolOBU] 
1518  Vgl.    Um  i:i:  \i  r,   S  hl  V. 

II  oi/:.  Hans,  geb.  186Ö  in  Breslau,  lebt  daselbst  tischer  Standpunkt 

EUchtkrfifte  und  Energien  (Arbeitskräfte)  bewirken   in  ih r«  r  Kombination  d 
Weltganze."     1  >i<-  Organisation  beruht  auf  einer  oeuen  Gruppierung  ron  EUcht* 
ften;  diese  wirken  auch  im  Seelenleben,  teils  Bentripetal,  teils  abstoßend. 
Schriften:   J 

L<    II.     ]'■ 

Her/..  Marcus,  1749  -1808,    tot  in  Berlin.     Bekannt  durch  -eine 
Wechsel  mit   Kam.  der  ihm  wichtige  Mitteilungen  über  seine    arbeiten  machte* 

IM    <lfr    spekulatniM.     \\  ,1771     [StaadpSAlt 

I  '•  i 


ü(it>  Hessen  —  Heymans. 


lle**en.  Bergius,  Petersburg.  =  H.  steht  in  seinem  Denken  liickert  nahe 
(Erkenntnistheoretischer  Monismus,  Wertteleologische  Methode).  Das  Problem 
des  [ndividuellen  ist  (gegenüber  Kant)  zu  betonen,  indem  das  Individuelle 
ebenfalls  transzendental  begründet  wird.  Kausalität  ist  mit  Gesetzmäßigkeit 
nicht  identisch.  Es  gibt  eine  individuelle  Kausalität,  so  in  der  Geschichte. 
„Das  individuelle  Glied  einer  historischen  Entwicklungsreihe  wird  immer  als 
Wirkung  des  ihm  vorangehenden  Individuums  und  als  Ursache  des  darauf 
folgenden  individuellen  Gliedes  betrachtet.-'  Ziel  der  Geschichte  ist  die  „histo- 
rische Entwicklungsreihe". 

Schriftoir.  Individuelle  Kausalität.  Studien  zum  transzendentalen  Empirismus, 
Kantstudien   (Ergänzungsheft   15),   1909,   u.   a. 

Henßler.  Hans,  geb.  1855  in  Basel,  lebt  daselbst.  —  Schriften:  D. 
Kationalism.  d.   17.  Jahrh.   1885.  —  F.  Bacon,   1889. 

Ileydenreich,  Karl  Heinrich,  geb.  1764  in  Stolpen  (Sachsen),  seit 
1789  Prof.  in  Leipzig,  lebte  seit  1797  in  Burgwerben  bei  Weißenburg,  gest. 
1801.=  Kantianer. 

Schriften:  System  der  Ästhetik,  1790.  —  System  des  Naturrechts,  1794  —  95.  — 
Grundsätze  der  Kritik  des  Lächerlichen,  1797.  —  Betracht,  üh.  d.  Philos.  d.  natürl. 
Belig.,  1790  f.  —  Briefe  üb.  d.  Athoism.,  1796,  u.  a.  —  Vgl.  die  Heinze-Festschrift,  1905. 

Heyder,  Karl,  1812—1886,  Prof.  in  Erlangen.  =  Anhänger  Tren- 
delenburgs. 

Schriften:  Die  Aristotelische  und  Hegeische  Dialektik,  1845.  —  Die  Lehre  von 
den  Ideen,   1874. 

II «'>  man*.  Gerard.  geb.  1857  in  Fervverd  (Friesland),  Prof.  in  Groningen. 
H.s   Philosophie  basiert  auf  der  Psychologie.     So  vertritt  er  denn  eine 
psychologische  Logik  und  Erkenntnistheorie.   Die  Logik  fragt,  „wie  es  zugehe, 
daß  im  Bewußtsein  aus  gegebenen   einfacheren  neue  zusammengesetzte  Urteile 
entstehen;   sie  versucht  diesen  Prozeß   auf  allgemeine  und  allgemeinste  Gesetze 
zurückzuführen    und    unsere  Überzeugung,   daß  die  Ergebnisse  derselben  auch 
für   die    Wirklichkeit   gelten    müssen,    zu  erklären".     Die    Denkgesetze   haben 
tncharakter.     Wir  treten  mit  apriorischen  Voraussetzungen  an  das  Gegebene 
i   und  ergänzen   dieses.     Die  Metaphysik  ist  „angewandte  Erkenntnis- 
theorie"  und   hat    „die   für    unser  Denken   notwendigen  Grundlinien  des  Welt- 
bildes zu  bestimmen,  sofern  sich  dieselben   aus  den  Gesetzen  des  Denkens  ent- 
wickeln  lassen". 

I)i<-   metaphysische   Lehre    H.s    ist   ein    psychischer   Monismus.      Die 

Wirklichkeit   ist   primär   psychisch;    physisch  ist  sie  erst  sekundär,  als  Reihe 

icher    Wahrnehmungsinhalte    mit    eigener    Gesetzlichkeit.      Was   in    dem 

Subjekl  ein  psychischer  Vorgang  isi,  wird  von  einem  anderen  (bezw.  von 

ideellen  Beobachter)  als  Gehirnprozeß  wahrgenommen.     Die  Gehirn vor- 

istiereo  also  nur  als  Wahrnehmungsinhalte,    welche  durch  psychische 

•    in  einem  anderen  Wesen  reranlaßl  sind.     Die  Naturgesetze  beziehen 

ch   b  »glichen   Wahrnehmungen  der   Beziehungen  zwischen  den  psy 

welche  ihre  eigene  Gesetzlichkeit  haben.    Zwischen  beiden 


Hkym.w-        Bildebrand. 


Reihen  und  deren  Gesetzlichkeiten  besteht  ein  Parallelismui  rTausaliUU 
besteht  nur  innerhalb  jeder  Reihe.  Der  Panpsychismue  besteh!  zu  Recht, 
denn  wir  dürfen  annehmen,  dafi  <la-.  was  hinter  den  äußeren  Naturerschei- 
nungen steckt,  nur  der  Komplikation  nach  vom  menschlichen  Bewußtsein 
nnterschieden  ist 

8    hriften:     Gesetze     und    Elemente    de-    i  im  -nschaftlichen    Denkens,     1890 — 94: 
2.    190:».    —    Einführung    in   dl  \sik.    1905.    —    Zur    PanlleHmtufrage,    Zeit- 

für   Psychologie     <1.    Sinnesorgane,     Bd.     17  — 18.    —    Untersuchungen     übe: 
Hemmtwgen,   !.   e.   Bd.   21.  —  I\vchologie  der  Frau,   1910,  u.   a. 

Ilickock.   Laurens  P. .   1798-  1888,  amerikanischer  Philosoph.   —   Von 
Kant  beeinflußt. 

Schriften:  National   Paychology,   1848.  —   Empirie*]  Psychology,    1854.  —  Natio- 
nal  Cosmology,   1858.   —  Creator  aml   <  leations,   1872.  — ■  Collected   Works,    1875. 

Ili<-k».   <>.  Dawes,    Prof.  in  London.  ritten:   Die   Begriffe  r. 

BOB   und   Kovmenon   und   ihr   Verhältnis  zueinander  bei   Kant,    1897.    —     I  f  in 

.  Ltiea,    Proe.   of  Aristot.   Society,  Bf.   S.    1901,   u.   a. 

Ilierokl«"«.  um  die  lütte  des  2.  Jahrh.  n.  Chr..  Btoiker. 

Vgl     k.     PeABCBTBR,    B.    d.    Stoiker,     1901.    —     H.,    Ethische    Elementar!. 

nebst    den    bei    Stobaeus    erhaltenen    ethischen   Exzerpten   aus   11..    unter 
Mitwirkung   von    W.    Srhubart   bearbeitet    von    11.    \.    Arnim,    1906. 

II i<*rokl<"->.  um  490  o.  ehr.  in  Alexandrien,  Neuplatoniker. 

B     1.  ritten      Cummentar.    in   aurea    carnnna    Pythagori,    1583.    —    De  providenti 
..   —   Quae  supersunt,    1  >■:>:>,    1673. 

II  ioroin um  aus  Rhodos,  im  3.  Jahrh.  n.  Chr.,  Peripatetiker.        Nicht 
die  Lost,  sondern  <lii-  Schmerzlosigkeil  ist  <la-  höchste  Gut 

-     i. ritten:    1:  .     1.    Biller,    ÜB  !    >atura  philolog.  H.  Sauppiu  ..  b  lata.  1 880. 

EUketJM  aus  Byrakus,   Pythagoreex    Z  m    Platons).     Er  lehrte  die 

Achsendrehung  der  Erde  und  «l«-n   Stillstand  der   Fixsterne.     „Hyeetas  Byra- 
cnsius,   ut    ait    Theophrastus,   caelnm,   solem,   hinam,   Btellas,    Bupera   denique 
omnia    stare   censd    aeque   praeter   terram   rem  ullam  in  mundo  moreri:  quai 
cum  eireum  nem  se  summa  celeritate  conrertal  <t  torqueat,  eadem  effici  omnia 
quae  -i  stante  terra  caehim  moYeretur"  (Cicero,    \<a<l.  priori  II.    19, 

llilariu«*.    Bischof  ron   Poitiers,   um  350  n.  ehr.         Alles  Geschaffen! 
ist  körperlich,  auch  <li'   Seel<   des  Menschen. 

YgL  A.   BlCK,   Di«  Lehn  det  M.  r.  l',  Phil«  1900. 

II  ihh'iMTi   \  "ii    Larardin,   geb.   L067,    I  i   Toun  am 

1139      D      llim  früher  zugeschriebene    .traetatus  th<  -'    und   «Ü«    ..phil« »- 

ihia  moralis"  sind  nicht  von  ihm. 

fgt    11  m  1:1   \i 

llil<l<>iM-aii<l .  Adolf,  geb.  1847  in  Marburj  berühmter  Bildhan 
durch  Beine  Schrift  D  Problem  «I  Form  in  d.  bildenden  Kunst",  iv 
I      \  für  die    Uthetik  \<'ii   Beden  tun 


BlLLEBRAND    —   HiNTON. 


II  illchraiiri.  Franz, geb.  1863, Prof.  in  Innsbruck.  =  Anhänger  Brentanos. 
Per  Schlu  B  ist  „ein  durch  ein  oder  mehrere  Urteile  motiviertes  Urteil".  Es 
gibt  Syllogismen  mit  vier  Termini  (S,  M,  P,  p),  von  denen  zwei  einander 
kontradiktorisch  entgegengesetzt  sind;  die  Quaternio  terminorum  besteht  also 
zu  Rocht.  Die  Hypothese  ist  „ein  Urteil,  welches  wir  darum  für  wahr 
halten,  weil  wir  erkennen,  daß  ein  anderes  Urteil,  welches  uns  als  sicher  gilt, 
ans  ihm  mit  Notwendigkeit  oder  mit  Wahrscheinlichkeit  folgt". 

Schriften:  Die  neuen  Theorien  der  kategorischen  Schlüsse,  1891.  —  Zur  Lehre 
von  der  Hypothesenbildung,  1896.  —  Über  die  spezifische  Helligkeit  dor  Farben, 
Sitzungsberichte  der  Wiener  Akad.  1896.  —  Theorie  der  scheinbaren  Größe  beim  bino- 
kularen  Schon  :  Denkschrift,  der  Wiener  Akad.  Bd.   72,   1902,  u.  a. 

Hillehrand.  Josef,  geb.  1788  in  Großdüngen  bei  Hildesheim,  Prof.  in 
Beidelberg  (1818)  und  Gießen  (1822),  gest.  1871  in  Soden.  =  H.  ist  wesentlich 
von  Leibniz,  Jacobi  und  Hegel  beeinflußt.  Wie  dieser  geht  er  von  dem  Be- 
griff der  Identität  des  Denkens  und  Beins  aus  und  faßt  den  Weltprozeß  als 
dialektische  Entfaltung  der  Idee  auf.  Das  Absolute  ist  vollendete  Tätigkeit. 
Der  Geist  ist  Freiheit,  ..Selbsterfassung  und  Selbstsetzung  des  Seins",  ein  Pro- 
duzieren und  Erhalten,  Organisieren.  Nur  in  und  mit  der  lebendigen  (Selbst-) 
Individualisierung  gelangt  er  zur  konkret  erscheinenden  Wirklichkeit. 

Schriften:  Die  Anthropologie  als  Wissenschaft,  1822 — 23.  —  Lehrbuch  der  theo- 
retischen Philosophie,  1826.  —  Die  Philosophie  des  Geistes,  1835.  —  Der  Organismus 
der  philosophischen  Idee,   1842.   —  Universalphilos.  Prolegomena,   1830,  u.  a. 

Hinneberg,  Paul,  geb.  1862  in  Felchow,  Prof.  d.  Geschichte  in  Berlin. 
=  Kollektivistische  Geschichtsauffassung. 

Schriften:  D.  philos.   Grundlagen  d.  Geschichtswiss.   1888  u.  a. 

Mim  i<*li>.  Hermann  Friedrich  Wilhelm,  geb.  1794  in  Karlseck,  1819 
Privatdozent  in  Heidelberg,  1822  Prof.  in  Breslau,  1825  in  Halle,  gest.  1861  in 
Fried  richsroda. 

H.  ist  Hegelianer,  der  Hegeischen  „Rechten"  angehörend.  Was  am  Sein 
dal  Wahre  ist  und  die  eigenen  Bestimmungen  des  Denkens  sind  derselbe  In- 
halt, ab  welcher  Bein  und  Denken  übereinstimmen.  Im  Erfahren  ist  das  Sein 
alfl  Gedanken  dem  Denken  gegenständlich;  die  Gedanken  gehören  sowohl  den 
Dingen  als  dem  Denken  an  und  sind  das  Letzte,  wozu  es  im  Beobachten 
kommt,  das  Innen;  der  Dinge.  Das  Sein  erweist  sich  als  „das  Sein  des 
Denkens".      In  der  Logik    ., erzengt"   das  Denken   sich  selbst  und  ist  insofern 

etisch".     Gi  erzeugt   sich    selbst  den  Stoff  und   ist  sein  eigener  Stoff  (vgl. 

D  . 

r.  riften:    Ine  Religion   im   inneren  Verhältnis  zur  Wissenschaft,   1822     —    Grund- 

.  hie  der  Logik,    1826.  —  Genesis  des  Wissens  I,    1835.   —   Politische 

dichte  «1er   Hechts-  und  Staatsprinzipien   seit  der  Reformation, 

lljiiton.  Ji  '.'-  L875.        Standpunkt  ■/..  T.  ähnlich  me  Hodgeon. 

hii  dwelliog  Place,   18.09.  —  Life  in  Nature,  1862.  —  The 


lllNK.N  |I|  l:\HA  V.M. 


M\  storv  of  Pain.    1  ^»36-    —    Chapters    on  tho   Art  of  T\  ; :».    —    Philosoph)-  of 

Religion,  1881,  u.  a. 

llippa*o<»  aus  Rfetapont,  Im  5.  Jahrb.  v.  ehr.  AI-  das  Prinzip 
des  Dinge  betrachtet  er  irie  Heraklil  das  Feuer,  ans  dem  all«  b  eht  and 

worin  sich  alles  anfl 

Hippia«*   am   Elia,   um   130  v.  Chr.,    Sophist,   durch   Bein«     Kennti 
und  Beine   Rhetorik    bekannt        II.  unterscheidet   von  den  alL  i,  einen 

ttlichen  Ursprung  aufweisenden  rittlichen  Gesetzen  die  positiven  I 
h    ihm  oft   oichl   naturgemäß,   bei  verschieden«]   Völkern   verschieden   und 
wandelbar  sind.     Das  Gesetz  ist  ein  Tyrann,  denn  es  nötigt  die  Menschen  zu 
Naturwidrigem  \(f  81   v6f*os,    rvQQavoi  &p  i&v  äyögtoncov,   itoÄXa  Ttaga  typ  ipvtuv 
ßüxtnai,  Piaton,  Protagor.  337  D  , 

PULTON,   in  den   Dialogen:    Protagons,   llippias  maior  und   U.   minor;    ferner: 
DlEL8|  Fragmente  der  Vorsokratikrr   11. 

II  ipporiamo*   i  "ii   tfilet,  im  •">.  Jahrh.  \.  du-.,   hat  nach  Aristoteles 
Polit  II.  5)  als  erster  Privatmann  aber  die  Staatsverfassung  geschrieben.    Den 

teilte  er  in  <lr«-i  Abteilungen,  ebenso  das  Land  (Heiliges  Land.  l$gd\  Gh 
meinland,  8ijfiooia\  Privateigentum,  18 

Hlppokrate*.       Den     Namen     diesen     berühmten    Arztes    (.Mitte    des 
Jahrh.  v.  Chr.)  tragen  auch  verschiedene  (peeudohippokransche)  Schriften  | 

i.  a.  .  :     Vnii  Heraklit  beeinflufit. 

DlELS,   i  i tga m ■■■  •  ■     •      v-    raokratiker  1    —    l'vnv  Quellenstudien  m  Bei 
idohippokr.  Scbriftan,   i  xs i. 

IlippolytuM.  um  230  n.  Chr.,  Schüler  des  Lrenäns,  Presbyter  in  Koni, 
um  'S.v.)  nach  Sardinien  verbannt  l'.r  schrieb  a.  a.  ein  Bach  gegen  die 
Ketzereien  (xoi  Etefutatio   omnium   haeresium, 

gefunden,    lv">i    bera  >en.         Nach  IL  lind  die  Lehren  der  Qnostiker 

nicht    aus  den   heiligen   Schriften,   Bondern  ans  ^-v    Philosophie  der  Griechen 
her  ngen.     Den    Logos   hat   Gott   als  den  Weltgedanken   ans  sich  selbst 

iigt  und  durch  ihn  ist  dann  die  Welt  ans  nie!  baffen  irorden. 

i;i  \~i  \.  ii  «i  B i  aoroFi  1 1 »s,  B  -   tri 

llippon  aus  Samos  "der  Rhegium,  im  vierten  Jahrh.  \.  Chr.  Nach 
11.  i-t  (wie  nach  Thaies)  das  Wassei  das  Prinzip  der  Dinge;  auch  die  Seele 
ist   „\\  .!--■  i ■'. 

Triften:   Fragmente  bei  Di«  m.  d    Voi  »i  L         \ 

in  ach-  r.    W*H  .     \  ■•■•     111.    IM 

Hu  ii.  1  l'    •  ni  an  der  l  niversität  Helsingf  ano- 

iseh-kiilttirgeschiehtliche  Ableitung  der  Kunst. 
..  nt  tea;  Orifia  of  An.   I'm^-j    iU 

lliriiliaym.    Ilienniymus.   geb.  163  [Yoppau,  Jvikar  d 

iii-.n-lrai.  n-  1079   in    Pl 

IL  ist  (wie  Pascal  n.  a.)   insofei        ^ke|»nk<r.   aL  -i    da-   \\ 

and  Offenbarung  ^erii  iL  unsicher  hinstellt.     \ 


HlRXHAYM    —    HOBBES. 

allem  zieht  er  gegen  die  Überhebung  und  Nichtigkeit  der  Wissenschaft  los. 
Er  erklärt  Ferner,  weder  die  Sinneswahrnehmung  noch  der  Intellekt  seien  zu- 
verlässig. Hingegen  gibt  es  ein  „inneres  Licht'',  welches  dem  Glauben  die 
Gewißheit  verleiht.  „Parum  igitur  in  scientiis  nostris  certitudinis  et  veritatis." 
Die  Tugend  ist  die  wahre  Weisheit. 

Schriften:  De  typho  goneris  humani,  1G7G    —    Vgl.  C.  S.  BARACH,  H.  H.,  1864, 

Hi*siiiaim.  Michael,  geb.  1752  in  Hermanstadt  (Siebenbürgen),  Prof.  in 
Göttingen,  gest  1784,  =  Von  Bonnet  beeinflußt.    Die  Assoziation  erfolgt  nach 
i-ten/  und  Ähnlichkeit. 
Schriften:  Geschichte  d.  Lehre  von  d.  Assoziat.  d.  Ideen,   17 76,  u.  a. 

Ilohhe*.  Thomas,  geb.  5.  April  1588  in  Malmesbury,  studierte  in  Oxford 

Aristotelische  Philosophie  und  wurde  von  dem  Nominalismus  des  Wilhelm  von 

im   beeinflußt.    1008  wurde  er  Erzieher  im  Hause  Cavendish  (des  späteren 

n    von    Devonshire)    und    reiste   als    solcher   in    Frankreich    und    Italien, 

Später  hielt   er   sich   öfters   in   Paris  auf,    wo  er  mit    Gassendi   und    Mersenne 

ehrte  und  seine  Hauptwerke  verfaßte.      H.  starb  am  4.  Dezember  1679  zu 

llardwicke,  im  Hause  des  Grafen  Devonshire. 

H.  tritt  der  Scholastik,  die  er  genau  kennen  gelernt  hatte,  entgegen  und 
stellt  eine  auf  Erfahrung,  exakter  Wissenschaft,  logischer  Ableitung  beruhende 
Philosophie  auf,  die  von  den  Ideen  und  Ergebnissen  von  F.  Bacon,  Kepler,  Galilei, 
Harvey  u.  a.  ausgeht.  Philosophie  und  Theologie  werden  scharf  auseinander- 
gehalten, wie  bei  Bacon,  und  es  Avird  wie  von  diesem  die  praktische  (dem 
Streben  nach  Macht  dienende)  Bedeutung  der  Philosophie  betont.  Zwar  huldigt 
II.  einem  gewissen  Phänomenalismus,  nach  welchem  der  (abstrakte)  Raum 
etwas  Ideelles  ist,  aber  innerhalb  desselben  vertritt  er  den  Naturalismus, 
M.  ihanismus,  ja  Materialismus,  überall  die  strenge  Gesetzlichkeit  des 
'  h  schehens  betonend.  In  seiner  Erkenntnislehre  verbindet  er  mit  dem  Empi- 
i  i  »ums,  ja  Sensualismus  einen  gewissen  Rationalismus  (unter  dem  Einfluß 
der  Mathematik,  Logik  und  Jurisprudenz). 

Die  Philosophie  ist  nach  H.   die  Erforschung  der  Wirkungen  aus  den 
lit-ji     und    der    l'rsachen    aus    den    Wirkungen    („effectuum    per   causas 
cognitas  \.  I  causarum  per  cognitos  effectus  brevissima  investigatio" ;  „effectuum 
sire    phaenomenoD    ex    coneeptis    eorum   causis   seu    generationibus,   et   rursus 
generationum    quae   esse   possunt,   ex  cognitis   effectibus  per  reetam  rationem 
acquisita  cognitio").      Der  /weck  der  Philosophie  ist,  daß  wir  uns  der  vorans- 
tellen Wirkungen  zu  unserem  Nutzen,   unserer  Macht  bedienen.    Da  alles 
Wirkliche    „Körper"    oder   Zustand    von    Körpern   ist,   so   ist  Gegenstand   der 
Philosophie   „corpus  omne,   cuius  generatio  aliqua  coneipi  potest".    Die  Philo- 
Bophie  gliedert  rieh  in  Natur-  und  G^sellschaftsphilosophie  (,,philosophia  natu- 
tiilosophia  civilis");  letztere  zerfällt  in  Ethik  und  Politik.     Die  „erste 
Phil«  et    mit    den   Grundbegriffen  (Kaum  und  Zeit,  Ding,  Ursache 

I)ie    Methode   der    Erkenntnis    ist    die  analytische,    verbunden 
.  tnethodus  resolutiva,  analytica  —  methodus  compositiva, 
§ynth(  ung  hat  die  Erkenntnis  in  der  Erfahrung  und  diese  in  der 


Hmi.i,  271 

Empfindung,  irdene  durch  äußere  Reize  —  vermittelst  einer  Reaktion  seitei 

<  Organismus  —am  wird.   Die  Erfahrung  isl  eine8umme  von  Vorstellt] 
Binnüchen  Urspru            hantasmatum  copia  orta  ex  multarum  rerum  sensiotribus") 
die  Erinnerung  an  eine  Vielheit  von  Dil  aemoria  multirum  rerum").    1» 
Empfindung  ist   eine   Reaktion  des  Organismus  auf  eine  äußei     Einwirkung 
(„Sene                       gani  Benaorii  conatn   ad  extra  qui   generatur  h   conatn   ab 
obiect            -  interna,  eoque  aliquamdiu  manente  per  reactionem  factum  phan- 

[ndem  die  Erregung  fortdauert  und  das  Bewußtsein,  empfunden  zu 
haben,  entsteht,  ergib!  -i<-li  das  Gedächtnis  („Sentire  se  sensisse  est  memi- 
\.~  gibt  nur  Berährung8as80ziationen  und  diese  Bind  mechanisch  eu 
erklären,  [ndem  wir  mit  den  Vorstellungen  Zeichen  (Worte)  verknüpfen  und 
dk  Namen  verbinden  und  trennen,  addieren  und  Bubtrahieren,  kommt  es  zum 
Denken,  welches  ein  Rechnen  ist  („Rationari  igitur  idem  est,  quod  adda 
ahstrahere,  v.l  ai  <\\n>  adiungat  bis  mulüplicare  et  dividere.  Computar 
plurium  rerum  BÜnul  additarum  Bummam  colligere  vi  ans  re  ab  alia  detraeta 
esiduum'  i.  Für  den  Weisen  Bind  die  Worte  bloße  Rechenpfennige, 
die  nur  für  den  Torrn  Gold  bedeuten  („Vocabuli  .  .  .  Bapientium  quidem  cal- 
culi  Bunt  quibus  computant").  Das  Ülgemeine  besteht  nur  in  der  Geltung 
eines  Namens  tür  eine  Klasse  ähnlicher  Dinge  (Nominalismus).  Ea  jd>t  in 
den  Dingen  selbst  nichts  allgemeines  [z.  V>.  keine  allgemeine  Materie,  nur 
einzelne  Körper). 

I >i<-  Qualitäten  der  Empfindung  i Farbe  usw.)  Bind  mir  subjektiv,  kommen 
nicht    den    Dingen    selbst    zn    („seemiog  and  apparitions  only"):   »Lux, 
calor,  Bonus  et  caet  qualitates,  quae  Benaibiles  vocari  solent,  obieeta  nun  sunt. 

entieritium  phantasmata."  Eigenschaften  der  Körper  Belbst  Bind  nur  Größe, 
Ausdehnung  und  Bewegung,  welche  beiden  Letzteren  aber  auch  zuweilen  als 
ideell  angesehen  werden.  Der  allgemeine  Kaum  als  solcher  jedenfalls  ist  etwas 
eine  Vorstellung  („imaginarium,  quia  merum  Phantasma0),  ein 
„Phantasma  rei  existentis,  quatenns  existentis,  i.  •  •..  oullo  alio  eius  rei  aeeidente 
considerato  praeterquam  quod  apparet  extra  imaginantem".  I  > i« -  Zeit  ist  ein 
Bild  der  Bewegung  (.,phantasma  motus").  I>ie  B<  w«  gung  ist  das 
Verlassen  eii  -  und  das  Einnehmen  eines  anderen.    Alles  NaAurgeschehen 

b!  in  Bewegungen  da  Körper  und  ihrer  Teilchen,   denn  alles   Wirkliche 
ist  körperlich  (bezw.  ein   natürlicher   oder   ein  künstlicher  Körper,   wi 
Staat  ist       Körper  ist   das  den   Raum   Erfüllende,  ans   kleinsten  ausgedehnten 
Teilchen  (Korpuskeln)  Bestehende.     Die   Materie   ist   dei   Körp  n   er  all- 

gemein gedacht  wird;  die  Potenz  zur  Empfindung  ist  ihr  eigen   bo  schon  Bacon). 

Bewegungen  liegen  auch  unseren  Empfindungen  zugrunde,  ebenso  uns« 

<  > <■  t  uli !<•  ii .  die  auf  einer  von  den  Sinnesorganen  cum  Herzen  dringenden 
i  ung  beruhen,  welche  die  Zirkulation  teils  begünstigt  Lusl  .  teils  hemmt 
(Unlust).  I  >:i~  B(  _  •  h  r •  •  1 1  i-t  ein  Strelwn,  das  aut  /ukiinfti  luiu-s 
-i-  li  richtet     I N  r  W  llle  ist  ein  der  t                                           s  das 

Kampf   der  Motive  sich  durchsetzend«    -  Da    ill<  blieh 

ln-tiniiiit    i-t.  s..  i-t    amli   da-    Wollen    -tn  Dal    Handeln   i-t 

nicht  der  Wille;  die  Menschen  haben  non  (pudern  vo\ 


272  HOBBES  Hor.llOUSE. 


quae  volunt  faciendi".     Frei  Lei  das  Handeln,  sofern  es  der  Natur  des  Menschen 
und  dem  Willen  entspringt. 

Von  Natur  aus  strebt  alles  nach  Selbsterhaltung  (vgl.  die  Stoa)  und 
Macht;  der  Egoismus  wurzelt  im  Wesen  der  Dinge.  Gut  ist  das  Erstrebte. 
Lasterregende  und  das  erste  Gut  ist  „sua  euique  conservatio"  (vgl.  Spinoza). 
Durch  Nützlichkeitserwägungen  führt  die  Selbstliebe  zur  Übereinkunft,  zum 
Staate  und  zur  Sittlichkeit  innerhalb  desselben.  Die  Ethik  ist  die  Lehre  von 
dem.  was  in  der  Erhaltung  und  Gesellschaft  der  Menschen  gut  und  schlecht  ist. 

Die  Rechts-  und  Staatsphilosophie  H.s  beruht  auf  einer  Art  Vertrags- 
theorie. Im  Naturzustande  strebt  jeder  nur  nach  Selbsterhaltung  und  Macht, 
jeder  ist  gleich  und  hat  ein  Recht  auf  alles.  Der  Mensch  ist  hier  dem 
Menschen  ein  Feind  („homo  homini  lupus)  und  es  besteht  der  Möglichkeit  oder 
Idee  nach  ein  Krieg  aller  gegen  alle  („bellum  omnium  contra  omnes",  De  cive 
1.  II  ff.;  Leviathan  II,  17).  Furcht  und  Vernunfterwägungen  führen  aber  aus 
einem  solchen  „ Status  hostilis"  heraus,  nicht  etwa  soziale  Triebe.  Durch  Verzicht 
der  Individuen  auf  ihre  absolute  Freiheit  entsteht  der  Staat,  der  politische 
Körper,  der  alles  verschlingende,  mit  einem  einheitlichen  Willen  begabte 
„Leviathan",  eine  Person  mit  absoluter  Macht.  „Civitas  persona  una  est,  cuius 
actionum  homines  magno  numero  per  pacta  mutua  uniuseuiusque  cum  unoquo- 
que  fecerunt  se  autores;  eo  fine,  ut  potentia  omnium  arbitrio  suo  ad  pacem  et 
communem  defensionem  uteretur"  (Leviathan  II,  17).  Der  Staat  dient  dem 
Schutze  und  Wohle  des  Volkes  („salus  populi  suprema  lex"),  muß  aber  zu 
diesem  Zwecke  die  absolute,  ungeteilte  Gewalt  der  Regierung  haben,  auch  über 
die  Religion  und  Kirche.  Erst  im  Staate  kommen  Kultur,  Recht  und  Sittlich- 
k .  i  t  zur  Entfaltung;  letztere  ist  also  durch  den  Staat  bedingt  (Autoritative 
Ethik).  Die  Strafe  dient  der  Abschreckung.  Die  beste  Verfassung  ist  die 
lute)  .Monarchie.  Die  Religion  muß  Staatsreligion  sein;  sie  ist  Furcht 
vor  unsichtbaren  Gewalten.  Die  Gottheiten  sind  ein  Produkt  der  Furcht  und 
_re  und  der  Unkenntnis  der  Ursachen  der  Dinge. 

hriften:    Elementa    philosophica    de   eive,    1642,    1647;    deutsch    1873.    —    De 

corpore  politico,   1650.    —    Human  nature,   1650.  —  Leviathan    or  the  mattor,  form   and 

autWity  of  government,  1651;  lateinisch   1668;  deutsch   1794 — 95    (Der  „Leviathan"  ist 

der    Staatsorganismus).    —    Quaestioncs    de    übertäte,   necessitate   et   casu,    1656.    —   De 

corpore.   1655  (englisch,    1668  lateinisch).  — De  homine,   1658  (englisch,  1668  lateinisch). 

—  The  Elements  of  Law,  Natural  and  Politic,  ed.  Tönnies,  1888.  —  Behemoth    or  the 

ParlUment,  ed.    Tonnies,    1889.    —    The  Life    of  Th.    H.,    1680.  —  Werke,    1668 

Uateüu- ■  i.  ,    1750    (englisch).    —    Opera    philosophica,    ed.    Molesworth,    5  Bde.,    1839 — 

45.   —   BsgUsh    Work*,    ed.     Molesworth,     10    Bde.,     1839—45.    —    Vgl.    TÖNNIICS,    H.s 

.    and    Lehre,   1896   (Frommans    Klassiker   d.  Philos.);  Viorteljahrsschr.  f.  wissensch. 

79      81;   Aroh.   f.   (Jeseh.    d.    Philos.,    1904.    —   G.   C.   ROBERTSON,  Hobbcs, 

M.    KÖHLEB,    11.,    1902.  LYON,   La  philos.  de  IL,   1893. 

IIoMmhi^«-.   L.    I.    geb.   L864,    Prof.    in    London.  =  H.  hat  zuerst  unter 

glischen    Philosophen    der  Neuzeit    ein   eigenes  Werk    über 

riafit    Li  isl  ein  Gegner  Greens,  vertritt  einen  empiristischen 

Sinnlich  wie  Mill  a.  tu)  und  nimmt   an,  dal)  in  der  Wahrnehmung 


HOBHOU8E  ll"li  BAI  I 

durch   welche  uns  die  Du..  ben  werden,  di<    E         ite  schon  miieuumd 

verbunden  Bind. 

Schriften:   The  Theory  of  Knowledge,   1896.    —    Some    Problems»    of    Coaosptisa, 
Mir.d   N.   8.    Vi,    lb97. 

Ilotl^oii.  Shadworth  JI..  _  !  ;i.  Boston,  englischer  Philosoph. 

Die  (immanente)  Metaphysik  muß  nach  H.  ani  einer  Analyc 
fahrung  beruhen.  Es  zeigt  sich  hierbei  der  Refleadonscharakter  des  Bewußt- 
seins als  Wissen  um  Objekte  durch  Rückgang  von  einer  gegenwärtigen  Wahr- 
nehmung zu  einem  (objektivierten)  ESrinnerungsinhalt  Die  Objektivität  ist 
also  kein  Ding  an  .sieh,  nichts  jenseits  des  Bewußtseins  Liegendes,  Bondern  ein 
zum   Bewußtsein  Gehöriges,   im   „primary  consciousn  Existenz 

ist    ..|>!-  in   consdousness",   phänomenal     Die    Dinge   Bind    phänomenal, 

iprfinglich  mit   der  Vorstellung   eins,   Wann   aber  von  dieser  als  Inhalt   (im 
»atz   /um    Bewußtseinsvi  unterschieden.    Der   „ordo  cognoscendi*4 

Bewußtseins  i-t  reflexiv,  der  „ordo  existendi*'  nach  vorwärts  gerichtet. 
Ein  unendliches  Bewußtsein  umfaß!  alle  Erfahrungsinhalte.  Die  physischen 
V  lind  nicht  Ursachen,  sondern   „reale  Bedingungen"  der  psychischen. 

i    erhaupl  ist  der  Begriff  der  Ursache  durch  den  der  „real  condition"  zu 
Das  1  lenken  i-t  durch  das  Streben  nach  geistiger  <  Ökonomie  (vgL  IIa 
h    Erlangui  ßtmöglicher    Wirkungen     mittelst     des    kleinsten    ELraft- 

aufwandes   bedingt:   MThe   fundamental  law   of  all  reasoning  considered  as  an 
action  is  the  law  of  parcimony,  because  il  is  the  practica]  law  of  all  voluntary 
rt  to  do  the  most    we  can    with  the  least   effort   we  can"  'Philo-.  ,,i  i;.  . 
Oection  I.  2 

:  Tim«  ind  Bpaee,    1865.   —    Tho   Tasorj   of  Practica,   I87u.   — 
Philoeophj  i  "ii.  1878.  —  The  Hetephyuc  of  Kxperieoee,  1898  (Hauptwerk).  — 

llethod  of  Philoeophj,   1882.  —  The  hro  Bnnini  of   Iteality,    1883.   —   Philoeophj 
85.   —  The  Unaeei   World,  1887  u.  -\ .  tsdlangen  im  ,,Min<l" 

i  \,   \  1.  \  111,  X,  M.  Mll.  \\  1)  u.  u.  —  VgL  L  DAüäIAC,  B.  il.,  L'ai.u.L-  philos, 

Iloem-W  r<>n>Li.  Josei  Maria,  177^-  1863,  Polnischer  Philosoph,  von 
Kant  beeinflußt,  der  vermittelst  der  Mathematik  die  Philosophie  auf  den  Stand- 
punkt   des   absoluten  Wissens   erheben    will   und  Bpäter  einen  ,,Mes8ianismus" 
vertritt,  die  Lehre  von  der  einstigen  Herrschaft  der  Vernunft  in  der  Welt 
ii  ritten:    Philosophie   critiqaa   deeooi  K.u.!.    1808.         Bept   i 

Uta,  1801  iheolae,    im  l    (1878;   est 

Pormolii  —  .         11  phie   o.   • 

Bl  KATY,    II.   W  ,   1844   (; 

II oilitauer.  Johann  Christoph,  geb.  1766  in  Bielefeld,   Prof.   in   Halle, 

.  dasei  bsl    1  v_7.   :  -    Kantiai 

Analytik    ■  :•  —    Nttl  I      ■     — 

äofugl  ■    '  i       —    Naturlt-Li  • 

18.  —   Unterauchu  i   <li<-   Krankheiten  doi 

UaopUnwt'ndaDgen    uuf  di( 

—    Über  die  -  ». 

1^ 


274  lloirmv.. 

HöÜ'iliii^.  Harald,  geb.  1843,  Prof.  in  Kopenhagen. 

H.  ist  teils  von  Kant  und  Schopenhauer,  teils  vom  englischen  Positivismus  und 
Evolutionismus  beeinflußt   Seine  (viel  gebrauchte)  Psychologie  steht  zwischen 
Lations-  und  Apperzeptionspsychologie  in  der  Mitte  und  hat  einen  voluntaristi- 
Bchen  Charakter.    Den  Elementen  des  Bewußtseins  geht  der  „Totalitätszusammen- 
hang" voraus  und  die  Synthese  gehört  zum  Wesen  des  Bewußtseins,  in  welchem 
9  Streben  nach  Einheit  auch  für  die  Erkenntnis  von  Bedeutung  ist.   Neben  der 
iation  ist  die  Aktivität   des  Bewußtseins  zu  beachten,   welche   im  Penken 
und    Wollen    zum    Ausdruck    kommt.      Gefühl    und    Trieb    sind    auch    in    der 
Assoziation  wirksam.     Das  direkte  Wiedererkennen  beruht  auf  einer  „Bekannt- 
heitsqualitat"    infolge   psychophysischer  Dispositionen.     „Das   Wiedererkennen 
(und  die  Bekanntheitsqualität)   entsprechen   der  Leichtigkeit,  mit  welcher  ver- 
möge  der  Disposition  des  Gehirns   die  Umlagerung  bei  Wiederholung  des  Ein- 
drucks geschieht''.     Der  Wille  ist  die  „fundamentalste  Form  des  Bewußtseins- 
lebens", die  synthetische  Kraft,  die  Aktivität  desselben ;  er  ist  primär,  unableitbar, 
indem  ein  Drang  nach  Bewegung  schon  aller  Wahrnehmung  vorausgeht.     Der 
Wille  ist  nicht  Gegenstand  der  Beobachtung,  da  er  sich  als  Voraussetzung  über 
\s  ganze  Bewußtseinsleben  erstreckt.    Die  Aufmerksamkeit  ist  durch  Interesse 
und  Willen  bedingt,  das  Denken  eine  aktive  Willensfunktion.    Das  Bewußtsein 
enthalt  eine  „zentrale  Richtung'',  ein  Wählen  gemäß  dem  Wesen  des  Ichs. 

Betreffs  des  Verhältnisses  von  Leib  und  Seele   vertritt  H.  die  Identitäts- 

i  ie  und  den  Parallelismus.  Die  Identitätslehre  ist  nach  H.  eine  Arbeits- 
hypothese. Jede  Reihe  des  Geschehens  ist  so  vollständig  und  kontinuierlich 
wie  möglich  zu  untersuchen.  Psychisches  und  Physisches  gehen  einander  als 
zwei  Äußerungsformen  eines  und  desselben  Wesens  parallel.  Die  physische 
Kausalkette  ist  lückenlos,  nirgends  wird  das  Energieprinzip  durchbrochen;  das 
Psychische  ist  mit  dem  Physischen  gleichzeitig. 

Es  gibt  nach  H.  vier  philosophische  Hauptprobleme:  I.  das  psychologische 
Problem  von  der  Xatur  des  Bewußtseinslebens;  IL  das  Problem  von  der 
Gültigkeit  der  Erkenntnis;  III.  das  Problem  von  der  Natur  des  Daseins; 
IV.  das  WVrtungsproblem.  Voraussetzung  des  Erkennens  ist  die  synthetische 
Tätigkeit  des  Bewußtseins,  die  Quelle  der  Kategorien.  Erste  Kategorie  ist  die 
Synthese  selbst,  zweite  die  Relation.  Gefunden  werden  die  Kategorien  durch 
„Analyse  der  Formen,  in  welchen  sich  der  Gedanke  unwillkürlich  in  Wechsel- 
wirkung mit  dem  Gegebenen  und  den  von  diesen  gestellten  Aufgaben  bringt" 
(Annalen  der  Naturphilos.  1898).  Das  Kontinuitätsprinzip  (Streben  nach  ein- 
heitlichem  Zusammenhang)  kommt  im  Kausalprinzip  zum  Ausdruck,  welches 
insofern  apriorisch  ist.  Die  Gesetze  des  Denkens  nötigen  zur  Annahme  eines 
an  sich,  welches  wir  aber  nur  so  erkennen,  wie  es  für  uns  ist.  Der 
'1.  den  wir  seitens  der  Dinge  erleben,  bedingt  die  Setzung  von 
Ol  erst  durch  das  Denken  ihre  Bestimmtheit  erhält. 

J<  ohle  entsprich!  ein  Wert,  d.  h.  etwas,  was  Befriedigung  herbei- 

!       irfnif  abhilft;  die  Rangfolge  der  Werte  bemißt  sich  nach 

1  Dai  Lebensgefühl,   das  intellektuelle,  das  ästhetische  und 

ühl    bekunden    verschiedene   Arten    von   Werten.    Die    Ethii 


Höffddi'G  —  Höfler. 


ELs  i-t  evolutionistisch,  teleologisch,  stark  sozial.    Die  Ethik  hat  zwei  A 
erstens    die   historisch-vergleichende,    zweitens    die    philosophische    de     P 
Schätzung    aoi    (nundlage    der   biologisch  •psychologisch —  alen    Natui 
Menschen.     Das   ethisch«  /   entsteht,   wenn   die    Lebensbedingungen   des 

umfassenderen  Ganzen  in  bestimmten  Qedanken  Formuliert  werden.  Möglichste 
Wohlfahrt  und  möglichste]  Portschritt  der  Gesellschaft  (als  Büttel  znr  Ent- 
wicklung der  [ndividuen)  ist  anzustreben  (Sozialendämonismus  .  Die  Sympathie- 
gefühle, welche  den  Ausgang  < l*-r  Moral  bilden,  sind  ebenso  ursprünglich  wie 
der  Egoismus;  auch  ist  das  Gesetz  der  ^Motivverschiebang"  von  Bedeutuni 
die  Entwicklung  des  Geistes  und  der  Sittlichkeit.  -    Der  Kern  der  Belij 

ler  Glaube  an   die  Erhaltung   des  Wertes".    Der  religiöse  Glaul 
Oben  von  einer  Festigkeit,  einer  Zuverlässigkeit,  einem  onunterbrocli 

Zusammenhange  in  dem  Grundverhaltnisse  des  Wertes  zur  Wirklichkeit    I>i<' 
religiösen  Gefühle  Bind  durch  das  Schicksal  der  Werte  im  Kampl   ame  D 

Mint.    Ein  ,,kosjnischee  Lebensgefühl''  besteht. 

-  hriften:     Die  Urundla?.  d.   humanen    Kthik,   1880.    —    Einleit.    in    d.    englische 
Philo-  Lantech   '-'•   A.    1893,  4.  A.  1908.  —  Ethische  Prinzij.ien- 

I,  1896.  —   I  ,    1895—96.  —  Ethik,   3.   A 
—    Eleligi  >nap]  Llosophie,    1902.   —   Philosophische    Probleme,    1903.    —   Moder 

Bophe:  rb.  d.  Gesch.  d.   m  Philo*.,    1907.    —    Arbeiten  über  Spinoza 

.   Darwia  (18891,  Kierkegaard  (Froatmaaa  Klassiker  der  Philos.).  —  Abhandle 
Lber  Wiedererkenaea,    Assoziation  u.  psychia  ho  Aktivität,    Vierteljahrsschr.  t'. 

,  —  14,   1889  —  9(1.   —    Ober  dai  Wiedererkennen,  Philo-.  Studien  Vlll.  — 
r   de  la  volon!'.    B ■■•. .   da  .-t  de   murale,   1904, 

lloftiiiaiui.    Franz,  1804—1881,    Prof.  in   Würzburg.   =    Bedeutende 
Anhängt  r  Baaders. 

-  hritten:   Rpekolativa  Eutwickloag  der  ewigea  Selhsterzeu^un<,'  Gottes,  aus  Baa 

\  orhalte  zur  spekulativen    Theologie    Baader-,    1^3f>.    —    I 
•  >philosophio   von   F.    Baader,    1837.   —    F.    \.    Baader  all    Begründer  di'r  Philo- 
sophie  der  Zukunft,    1886.    —   Theismus   und   Pantheismus,   1861.         Die  Weltalter,  I 
htrahlen  aus  Baaders   Werken,   1868.   -     Philoa.   Schriften,   lM's  tt.,  u.   a. 

Ilöfler.    Uois,  g<  i    L853  in  Kirchdorf  ftcod  in  Wien. 

II.  i>\  wesentlich  von  Meinung  beeinflußt  Gegenstand  der  Psj  chologiesind 
aaefa  ihm  die  psychischen  Erscheinungen,  welche  durch  innere  Wahrnehmung 
imit  Evidenz  »teilt  werden.  Seele  und  Leib  sind  verschieden  und  stehen 
miteinander  in  Wechselwirkung.  Die  intellektuellen  V  \  teilen 
und  Urteilen,  di<  l  emütec  Gefühle  und  Begehrungen.  Vom  psychischen 
Akt  ist  dessen  uimiit t«  Heu»  r  Inhalt  1 1 1 1<  1  x « •  i »  diesem  der  Gegenstand  (bezw.  das 
„Objektiv",  -.  Meinong)  an  unterscheiden.  l>.i~  I  rteü  ist  ein  Akt  des  An- 
arkennens  cxler  Verwerfens,  Oewiase  Urteile  werden  mit  Bvidem  ron  nni 
fällt.     \.-  gibt   apriorische    und    anmittelbar  evident*      I  rteüi    Im    Binne  der 

andsthi  oi  u      M-  im  i             d.  ■.     I »,  D                •    sind  solche 

Unmittelbar   evident                  Urteile,   deren  d    rnmöglichkeits-   und 

Notwendigkcitshe/.iehungen  zwischen  Urteilen  selbst    sind.     Die  Psychologie  i-t 

«in.    Grundlage  der  Philosophie,   da  ab  i  ■     ,.     tau      überall 


276  Höfler  —  Holbach. 


ostandstheoretisch"   vorgegangen,  d.  h.  das  Gegenständliche,    auf  welches 

psychische  Akte  gerichtet  sind,  untersucht  werden  muß,  so  ist  die  Philosophie 

nicht  ..psychologistisch.''  —  Eine    Philosophie    der    Physik   ist   notwendig  und 

zwar  auf  dem  Boden   des  Realismus   und   der   mechanischen  Naturauffassung 

:i  Mach.  u.  a.). 

Schriften:  Logik,  1890  (mit  Meinong).  —  Grundlehren  der  Logik,  1890,  1908. 
—  Psychische  Arbeit,  1893.  —  Psychologie,  1897.  —  Grundlehren  d.  Psychol.,  1897, 
7.  —  Die  metaphys  Theor.  von  Leib  u.  Seele,  1897.  —  Studien  zur  gegenwärtigen 
Philosophie  der  Mechanik,  1900.  —  Propäd.  Logik  u.  Psychol.,  1903.  —  Zur  gegen- 
wärtigen Naturphilosophie,  1904.  —  Sind  wir  Psychologisten  ?  Lesestücke  aus  philos. 
Klassikern,  1906.  —  Grundlehren  der  Logik  u.  Psychol.,  2.  A.,  1907.  —  Drei  Vorträge 
über  Mittelschulreform,   1909,  u.  a. 

lltfijer,  Benjamin,  1767 — 1812,  Prof.  in  Upsala.  =  Von  Fichte,  Schelling 
und  Hegel  beeinflußt.  Das  Absolute  ist  die  Einheit  von  Subjekt  und  Objekt. 
Die  Individuen  (Subjekte)  sind  nur  die  Selbsteinschränkungen,  durch  welche 
sich  das  Absolute  offenbart. 

Schriften:  Über  die  philosophische  Konstruktion,  1799;  deutsch  1801.  —  De 
■mate,  u.  a. 

Hol  ha  cli.  Paul  Heinrich  Dietrich,  Baron  von,  geb.  1723  in  Edesheim 
i  Pfalz),  in  Paris  erzogen,  wo  er  mit  d'Alembert,  Diderot,  Helvetius,  Grimm  u.  a. 
verkehrte  und  wo  seine  Salons  von  den  Freigeistern  aller  Art  besucht  wurden, 
gest.  1789. 

H.s  „Systeme  de  la  nature",  die  „ Bibel  des  Materialismus",  ist  das  System 
des  Materialismus  (Mechanismus,  Determinismus  und  Atheismus)  des  18.  Jahr- 
hunderts.    Es  übte  eine  große  Wirkung  aus,   vor  allem  in  Frankreich,  wo  die 
Anvhauungen  dieses  Systems  nur  die  von  vielen  Kreisen  gehegten  zum  Aus- 
druck brachten.     Holbachs  Lehre   ist  vor  allem  ein  System  des  Naturalismus. 
Die  Einbildungen  der  Metaphysik  sind  ohne  Wert,  nur  auf  die  Tatsachen  der 
Natur,  auf  Erfahrung  muß  sich  das  Erkennen,  die  Philosophie  stützen.    Es  gibt 
nichts  Übernatürliches,  alles  geschieht  natürlich,  im  Bereiche  des  Universums,  in 
«reichem  ein    streng   geschlossener  Kausalzusammenhang  herrscht  und  strenge 
tzlichkeit  und  Notwendigkeit,  ohne  Zweckursachen,  aber  auch  ohne  Zufall 
walten.     Die  Natur   ist   ungeschaffen,  ewig,  das  System  der  Körper  und  ihrer 
Sie  ist  „le  grand  tout  qui  r£sulte  de  Fassemblage  des  differentes 
matieres,  de  leur  differentes  eombinaisons,  et  des  differents  mouvements  quo 
royonfl  dans  l'univers".    Unbekannte  Kräfte  gibt  es  nicht,  nur  Anziehung 
and  Abetoßung  der  Atome,  auf  welchen  Kräften  die  Verbindung  und  Trennung 
*\<-r  Dinge   beruht     Alles  ist    tätig,    reagierend,   absolute   Ruhe   gibt   es   nicht. 
In  dem  ewigen  Werden  entsteht  aber  nichts  absolut  Neues  und  ebenso  wird 
Dichte  zu    Dichte.     Attraktion   und   Repulsion  treten  im  Anorganischen  wie  im 
Geistigen,  Sozialen  auf,  hier  als  Liebe  und  Haß,   Sympathie  und 
Antipathie.    Dai  Streben  nach  Selbsterhaltung  herrscht  überall,  sei  es  als  Trag- 
i     ah  Selbstliebe. 

in  Komples  ron  Bewegungen   und  mich  die  Seele  ist  eil! 
ches    Wesen",    identisch    mit  dem    Gehirn,   da   eine   immaterielle 


HOLBAGB   -     ll«"il  l'KIil.IN. 


-    lensubstanz  eine  reine  Fiktion   und  Verdoppel  Dae   i  he,  die 

Empfindung  und  das  auf  ihr  beruhende  Denken,   ist    nur  eine   Punktion  d 
I  lehirns,  von  dessen  Entwicklung  daa  psychische  Wachstum  und  der  psychische 
V.-rfall  abhängig  ist    Wie  alles  in  der  Well  ist  auch  der  Wille  des  Mi ■:.- -li»-n 
streng  determiniert,  onmittel bar  durch  dieliotiye  bestimmt.    ..La  rolonte*  .  .  . 
niVessairement  d£termin«v  pur  la  qualite*  bonne  ou  mauyaise  de  L'objet  on  du 
motu  .  .  .     Nouü   agissonfl   oeVessairement.      Notre   action   est    one   mite 
l'impulsion  que  nous  avons  regne  <1<'  oe  motif"   (Syst  de  la  oat  I    11).     Eine 
Verantwortlichkeil    besteht    gleichwohl;   die   Strafe    kann    die   Motivation 
onflnssen.    Der  Glaube  an  eine  Unsterblichkeit  ist   reine  Illusion,  die  Ereilich 
ihren  Nutzen  hatte.    F-  gibt  nur  ein  Fortleben  im  Andenken   der  Menschheit 
Auch  der  Glaube  an   einen   abernatürlichen   Gott   ist  eine   Qlusion,   aber   eine 
widerspruchsvolle   and   annfitze.     l>i«'   Moral  bedari    der    Religion   nicht   als 

Ihr  Prinzip  ist  der  Budamonismus,  der  Gesichtspunkt  der  Verbind* 
des  -    mit   der   Förderung    des   Wohles    der  anderen    und    der 

imtheit. 

B    briftei  B   de    la    nature    ou   des  lois    du    ruonde  physiche    et    du    mondo 

um:  .  1811  i  Hauptwerk,  mtei  dem  Namen  des  Sekretärs  der  bnniöcuchea  Akademie 

Mirabean   —  gett   1760  —  enehiaaen;  deutsch   1783.   1841).  —  Le  bon  »en.-.   1772.  — 
La  politiqae  naturelle,    177.).    —  ial,   1771;    deutseh     1898.    —    Elements  de 

la  iiimale  naiier—Us,   1776.  —   L'ithocratie,  1776. 

Holcoi.   Robert,   Dominikaner,    Lehrer  der  Theologie  in  Oxford 

Schriften  erschienen   1497.   =    11.  ist  von  Occam  beeinflußt,  N 
minalist     Fr  unterscheidet    von   der   „logica  naturalis"  die  „logica   fidei", 
daß  es  eine  doppelte  Wahrheit,  eine  philosophische  and  eine  theologische,  gibt 

HüMerlin.    Friedrieh,   1770^1843,  der  bekannte  Dichter,  mit   ScheOing 
und    Hegel   befreundet  Kantianer    als   Hörer  Pichtee),   dann  Verkünder 

eines  ästhetischen  Pantheismus  in  seinem  Roman  »Hyperion". 

-  inem    Pantheismufl   gibt    11.    folgenden    Ausdruck:    ..Fin<-   zu  <»-in    mit 
allem,  i  Leben  der  Gottheit,  das  ist  der  Himmel  des  Menschen,"    „Eine« 

n  -»in  mit  allem,   was  lebt,  in   -  3  wiederzukehren  ins 

All  der  Natur,   das   ist  der  Gipfel   d<      i     lanken    und   Freuden"   (Hyperion, 
l.   Buch).       Im«1   Lieb  r  Jahrtausende    voll    lebendiger    Menschen;    die 

Freundschaft    wird    sie    wiedei  d.      Von   Bvinderhannonie   sind   einst    die 

Volker  aue  en,  die    Harmonie  der  Geister  wird  der  Aman-  einer  neuen 

Weltgeschichte  »ein"   (L  c  2,  Buch).     Die  Dichtung  ist    \  und  Bude  der 

Philosophil        \\  .■    Minerva  aus  Jupiters  Haupt,  entspringt  r  Dich- 

tung  einei    unendlichen    göttlichen    Beins."      Das   in   »ich  unterschied«    i    Eine 
Heraklil  .    da-    W'.-m  tlt-r  Sehonlnit,    ist    auch    das   Wesen  des   All-  (ib. 

wird  nur  eine  Schönheit  -in:  und  Menschheit  und  Natur  wird 

in  rinr  allumta.-.nd.-  (iotth.-if   lilu.      ..Wir  trennen   OUS   OUT,   um   ii. 

zu  sein,  gottiich-friedlich  mit  allem,  mit  ans.  Wir  ■terben,  um  zu  l< 

I.   Buch)      Ewig   lebt  die  Seele  in  der  Welt 

..    SimÜi  i  ••     w"                        nid    in    dsf  „Golden«    1  — 

.1.   Kimiuk,   II.  ?|      KaBLOWJ     B  n  ■■'•■  ■. '.i-.'  i'.i'i  .-t.1.    l 


278  BOLLITSCHEB   —   HOPPE. 


Hollitsclier.  Jakob  J.,  lebt  in  Wien. 

Schriften:  Das  historische  Gesetz,  1901.  —  E.  Nietzsche,  1904.  —  Vom  Typus 
in  der  Kunst,  1905  (rs.  H.  Hollenhaag). 

Ilollmuiiii.  Samuel  Christian,  1696—1787,  Prof.  in  Wittenberg  und 
Göttingen.  =  Anhänger  Chr.  Wolffs. 

Schritten:  Institutiones  philosophiae,  1723.  —  Institutiones  pneumatologiae  et 
theologiae  naturalis,  1740.  —  Philosophia  prima,  174  7  (auch  historisch).  —  Institutiones 
philosophiao  naturalis,   1753  (auch  historisch),  u.  a. 

Home.  Henry,  geb.  1696  in  Kames  (Schottland),  wurde  Oberrichter  und 
Lord  Kames.  gest.  17S2  in  Edinburg. 

H.  wendet  auf  das  Ästhetische  die  psychologische  Analyse  an.  Gegen- 
stände können  uns  unmittelbar  durch  sich  selbst  oder  im  Hinblick  auf  einen 
Zweck  gefallen.  Die  eigene  Schönheit  („intrinsic  beauty")  ist  von  der  Schön- 
heit in  der  Beziehung  („relative  beauty")  zu  unterscheiden.  Erstere  wird  un- 
mittelbar empfunden,  letztere  erfordert  Verstand  und  Eeflexion.  „In  a  word, 
intrinsic  beauty  is  ultimate,  relative  beauty  is  that  of  means  relating  to  some 
good  er  purpose"  (Elem.  of  Critic.  I,  1  ff.).  Regelmäßigkeit  und  Einheit  er- 
leichtern die  Auffassung.  Auf  die  Güte  der  Handlungen  geht  der  moralische 
Sinn,  der  sich  auch  im  Gewissen  äußert. 

S  hriften:  Essays  on  the  principles  of  morality  and  natural  religion,  1751; 
deutsch  1768.  —  Elements  of  Criticism,  1762;  deutsch  1765.  —  Vgl.  TYTLER,  Me- 
moire of  the  life  and  writings  of  H.,  1307  —  10.  —  W.  NEUMANN,  Die  Bedeutung 
H.s  für  die  Ästhetik,  1894.  —  J.  NORDEN,  Die  Ethik  H.s,  1895.  —  BÜHLER, 
Studien  über  11    IL,   1905. 

Ilöiii^swald,  Richard,  geb.  1875  in  Ungarisch- Altenburg,  Privatdozent 
in  Breslau.  =  Kritizistischer  Standpunkt,  besonders  von  Riehl  beeinflußt.  Das 
analytisch-hypothetische  Verfahren  wird  von  H.  von  der  Induktion  unter- 
schieden und  für  die  Naturwissenschaft  betont. 

B<  hriften:  Zum  Begriff  d.  exakt.  Naturwiss.,  1899,  2.  A.  1900.  —  E.  Haeckel, 
Zur  Kritik  der  Machschcn  Philosophie,  1903.  —  Beiträge  zur  Erkenntnis- 
theorie und   Methodologie,   1906.  —   Vom  allgem.  System  d.  Wissensch.,   1907,  u.  a. 

floppe,  Reinhold,  1810 — 1900,  Prof.  der  Mathematik  in  Berlin. 

II.  i-t  von   Locke,  Berkeley,  Beneke  beeinflußt  und  vertritt  eine  Art  Idea- 

<      am   als  Vorstellungen,    also  nur  in  Beziehung  zu  Sub- 

i.     Die  Objektivität  ist.  eine  Leistung  des  Verstandes.     Alles  Objektive  ist 

ich  Bubjektiv,  im  Geiste,  dag  Subjektive  ist  zugleich  objektiv;   der  (legen- 

nnfi    überwunden    werden.     Das   gedachte   Sein  ist  ein    Sein   im    vollen 

sinn«-,  ideal  nnd  real  zugleich.     Das  lenken  ist  keine  Nachbildung  eines  Ding 

,Originalkonstruktionu.    „Ein  äußeres  Sein  gibt  es  mir,  sofern 

tue  intellektuellem   Grunde   Dach   außen  setzt"  (Vgl.  Eunze, 

DU  Zolänglichkeit  fies  Empirismus  in  der  Philosophie,   1852.  —  Kle- 
phie,   1877,  u.  a. 


EfOENKl  !  i:i:    —  HOTMAI 


IlonicftVi*.  Auf  in  Treptow  a.  Bega.  =   II  von 

Nietzsches  nachgelassenen  Werken. 

Schriften:  Nietzsche  als  Moralist  und  Schriftsteller.  1906,  —  D.  klau  Ideal, 
1906.  —  D.  Erzieh.  d.  nod.  Seele,   1906,  u.  a. 

HorneftVr.   Ernst,   geb.   1871    in   Stettin,   lebt  in  Lei]  Hera 

der  Zeitschrift  ..Di.-  Tat". 

II.  i-t  von  Nietzsche  beeinflußt,  geht  aber  über  ihn  zu  einem  ästhetischen 
Voluntarismus  and  Pantheismus  weiter.  Die  „Macht"  i-t  nur  da-  Ergebnis, 
nicht  der  Zweck  des  Willens.  Vielmehr  will  der  Wille  „sich  gestalten,  ßich 
zur  Form  bilden".  Du-  Entwicklung  gehl  aui  Einheit  des  Willens,  am  Glie- 
derung, Ordnung,  Form,  Schönheit.  Ihr  ..Wille  zur  Form"  ist  das  Agene  der 
\\'<  lt.  Nur  durch  Form,  durch  System  kann  uch  »1er  Wille  erlösen.  Kiu 
,,künstlerischer  Urtrieb",  ein  Wille  zur  Gestaltung,  zur  Harmonie,  zur  Verein- 
heitlichung ist  das  [>  ne  der  Welt 

S    hriften:    Nietzsches  Lehre    von    der  Wiederkunft,     1900.    —    Vor*: 

1900.    —   Das    kl—rieche    Ideal,     1906    (mit    seinem    Bruder    Angaat 
11     rneffei  :  Die  küi.  .'.     W*6gS  zum  Lehen,  1907,  u.  a. 

Ilorvath.  <  %  rill.  L804  1884,  Prot  in  Budapest  r_  n.  lehrte  .'ine,, 
[deal-Realismus,  den  er  „Konkretismus"  nannte. 

Vgl.   IfAOHBH  i  ii  .  C.    H.-   |  i.i.'  *.   Bjati  :   .      I9C 

HoiHic/.  <■.  Adolf,  geb.  183]  in  Ifarienwerdei  in  Jena. 

II.  betrachtet   als  Grundfaktor   des   Beelischen    Lebens  das  Gefühl.    Aus 

K   mplikationen   and   Steigerungen  desselben   entspringen   alle   Bewußtseinspro- 

l  ».t-  Gefühl  ist   Ausdruck  des  die   Erhaltung  und  Wohlfahrt   des  Ichs 

1   irdernden  oder  Hemmenden.     Audi  da-  Henken    beruht  aui  dem  Gefühle, 

■  -..  der  Wille.    Durch  i       I       ild  i-t  unser  Erkennen  bedingt  und  auch  die 

Anschauungs-  und  Denkformen  entstehen  aui  der  Grundlage  des  Gefühl&    Das 

Außending  existiert   unabhängig  von  uns  und  wird  als  «'in  „Quasi-Ich"  gesetzt 

und  aufgefaßt,  als  „Reflexbild  unseres  Ich". 

hriften:    Grondliniei  ik.    isgt.    —    Pi 

Analysen  auf  physiologischer  Srandlage,    1873     .     Hauptwerk  .  \ 

1-^75.    —    Nntnrgescbieht«    d  171      —     Zur    Bntwieklnn 

Will  .  B.   —    Koralis*  he   Bri  -.   u.  a. 

llo»(hi<->k> .  Ottokar,  -eii.  1847  in  Martinoves,  Prot  a.  d.  böhm.  (Jnir. 
in  Prag.        Herbartscher  Standpunkt. 

tnnstwsrk  Standpunkt 

formalen    tMhetik,    i>77.    -      Übei    ii«    Bed<  ttoi       ler  I 

die  illgemeine    \nti.rtik.   i.s*3.         Bei  und  h<">! 

Ilotlio.  Heinrich  Gustav,  1808— 1873    l'  B    lin.  : 

eintlullt. 

ten:   \  orstad  d  und   h  ..  a. 

llotiiiami    Hotomannus),  Frans,  152  i  II 

/u  den  „Monarchomachen",   welche  die  Volkssou  dem  !!■ 

UÜImT    Im  t.»n  •  II. 


28  Howisont  —  Hugo. 


II  on  ison.  G.  H.,  Prot,  an  der  Universität  California.  =  Vertreter  des 
„personalen  Idealismus"  (wie  Shirt  n.  a.). 

Schriften:   The  Limits  of  Evolution,   1901,  U.  a. 

Hrabaiins  Bfaurus  b.  Rabanus. 

llühl»o-S<*lilcideii.  Wilhelm,  geb.  1846  in  Hamburg,  Kolonialpoli- 
tiker in  Döhren,  Heransgeber  der  okkultistischen  Zeitschrift  „Sphinx'',  1886  ff. 

Schriften:  Das  Dasein  als  Lust,  Leid  und  Liebe,  1891.  —  Hellenbach,  1891, 
u.   a. 

II  aber,  Johannes,  geb.  1830  in  München,  Prof.  daselbst,  gest.  1879.  = 
H.  ist  ein  Gegner  des  Mechanismus  und  Materialismus  und  tritt  für  die 
Willensfreiheit  und  für  eine  teleologisch-ethische  Weltanschauung  theistischen 
( lharaktera  ein. 

Schriften:  Über  die  Willensfreiheit,  1858.  —  Die  Idee  der  Unsterblichkeit, 
1864.  —  Kleine  Schriften,  1871.  —  Die  Lehre  Darwins,  1871.  —  Zur  Kritik 
moderner  Schöpfungslehren,  1875.  —  Die  ethische  Frage,  1875.  —  Der  Pessimismus, 
1S76.  —  Die  Forschung  nach  der  Materie,  1877.  —  Das  Gedächtnis,  1878,  u.  a.  — 
Vgl.   ZlRXGIEBL,   J.   H.,    1881. 

Ilnet.  Pierre  Daniel,  geb.  1633  in  Caen  (Normandie),  Priester,  Bischof 
von  Arvanches,  gest.  1721  in  Paris.  =  H.,  der  von  Descartes  ausging,  ist  ein 
Skeptiker,  der  die  Relativität  der  menschlichen  Erkenntnis  und  die  Schwäche 
der  Vernunft  betont,  welche  zu  einer  Erfassung  des  Wesens  der  Dinge  nicht 
gelangt.    Ruhe  und  Sicherheit  gewährt  nur  der  religiöse  Glaube. 

Schriften:  Censura  philosophiae  Cartesianae,  1689.  —  Traite  philosophique  de  la 
faiblesae  de  l'eeprit  huraain,  1723;  deutsch  1724  (Hauptwerk),  u.  a.  —  Vgl.  BARACHr 
P.  D.  H.   als  Fhilosoph,   1862.  —  VOGEL,  H.s  sozialpolit.  Ansch.,   1901. 

II  afeland,  Georg,  1760—1817.  =  Kantscher  Standpunkt. 

3<  hriften:  Naturrecht,  1790. 

II n:; lies,  Henry,  geb.  1860  in  Hamburg,  Arzt  in  Bad  Soden.  =  Volun- 
tarist 

.riften:  Die  Mimik  des  Menschen,   1900.  —  Ideen  und  Ideale,  1908,  u.  a. 

Hngo  von  San <t  Victor,  geb.  1096,  Abt  des  Klosters  von  St.  Victor 
(Pai  '.  11  11. 

II.  gehört  y.n  den  orthodoxen  Mystikern,  welche  gegenüber  der  dialektischen 
Methode  d<r  Scholastik  die  geistige  Schauung  höchster  Wahrheiten  und  Wirk- 
lichkeiten  betonen,   wobei   aber  die  kirchliche  Lehre  das  Kriterium  der  Wahr- 
heit des  Schauens  abgibt     Gott   ist  über  alles  Sein  erhaben  und  schließt  es  in 
sich  ein.    Got(  ist  dreieinig,   Vernunft,  Weisheit  und  Liebe.     Der  Mensch  ist 
stimmt,    an    der   Seligkeit     Gottes   Anteil   zu    nehmen.      Zur   inneren 
erhebt  sich  der  Geist  über  die  Stufen  des  Denkens  (cogitatio) 
hdenkens  (meditatio)  zu  der  der   Kontemplation    (seitens   der   „intelli- 
ond    ES  Di*     Seele   ist    eine   immaterielle   belebende   Substanz 

■     .  mm  an-  .  .  .  minime  vero  corporea").     Die  Lebenskraft 


Hugo    -  Humboldt. 


i..vi-  vitali-")   hat    ihn-n   Sitz  im    Heizen,  die   V   I  Btellungskrafl    („via  animali---  i 
im  Gehirn.     Vgl.  Richard  von  St.  Victor. 

Sehriftea:   De  area  Noi:  mystiea.   —    De  arrha  mundi.  —    Eraditio  d  ■      i. — 

De  sacramentis  (Hauptwerk),  u.  a.    —    Opera,   1624,    1588,   1G4*   um! 

177.    —    ?gL   Hai  i:i:ai  .    Notieei  et  extmits  l89o  — 93.    —   A.   LlKB- 
WEB,    EL  -I.  Kll  -iN-rilX,  Die  Gotteslehre  de*«  II.  v.  Bt  V.. 

Mu.miin.  F.  A.  A.    geb.  l^_':i  in  Xhodnre,  Prolin  Paris,  spät«  ! 
=    IT.    ist    »-in    Vertreter    'I«'-    hranzÖBischen      bezw.   belgischen:     Universität 
zu    LöwenJ   „Ontologismus",    welcher   von    Piaton,    Augustinus,    Malebranche 
ausgehl  und  Dach  welchem  die  Ideen  Dicht  bloß  subjektive  Gedanken,  aondern 
Modi  des  göttlichen  Geistes,  also  objektiv*-  Wesenheiten  sind. 

riften:  Ontologio  ou  £tnde  des  lois  de  pensee,   185G — 57. 

Humboldt.  Wilhelm  ron,  I7f>7—ls: '».">.  der  berühmte  Sprachforscher  und 

Staatsmann,  kommt  in  mancherlei  Hinsicht  für  die  Geschichte  der  Philosophie 

Betracht     Zuerst   im   Bildung  der  Aufklarung  (Engel,  Nicolai  u.  a.) 

wachsen,   wurdi  Lter  mächtig  durch  Herder.   Kant.  Schiller,  Goethe, 

Fichte  u.  a.  beeinflußt   und  trat  als  Verkünder  einer  humanistischen  Weltan- 
schauung auf.     In  seiner  Jugendschrift:  „Ideen  zu  einem  Versuch,  die  Grenzen 

Wirksamkeit    <\<-±   Staates   zu    bestimmen'',   1792   (auch  in  der  Univ< 
bibliothek)  verlieht    II.  die  individualistische  Auffassung  des  Staates,  der  den 
Bürger   oichi  (auch   nicht    /u  dessen]  Wohle)   zu   bevormunden,  sondern    nur 
rechtlich  zu  schützen  hat. 

Hie  Sprache  i-t    nach  H.  der  Ausdruck  d  selbst   und  in  ü 

Entwicklung  von  der  Geistesentwicklung  abh  3     ist  kein  ferl  starres 

Gebilde,  sondern  Prozeß,   Wirksamkeit;  sie  ist  das  Organ  des  Geistes,  des  Ge- 
dankens, die  Arbeit    des  Geistes,   den  Laut  zum  Ausdruck  des  Gedankem 

I  zu  Diachen.  Entstanden  ist  die  Sprache  aus  der  Natur  des  M<  oschen, 
als  organischer  Ausdruck  derselben,  als  bedürfnisgemaßes  Produkt  Die  P 
gehl  der  Prosa  roran;  der  Mensch  ist  ein  singendes  Geschöpf,  aber  er  ver- 
bindet mit  den  Tönen  Gedanken.  Die  Wörter  Bind  ursprünglich  nicht  selb- 
ständig. Dai  Sprechen  i-t  ein  Anknüpfen  des  Empfundenen  an  die  [remeio- 
same  Natur  der  Menschheit,  die  jedem  innewohnt;  die  Sprache  verbindet 
also   Individuum  und  Gesamtheit     Sie  i-t  ein  Ausdruck  de-  Volksgeistes  und 

ich  »-ine  (, Weltansicht**.  Es  ;:il>t  auch  eine  innere  „Sprachform'*.  —  Die 
Ideen  sind  Formen  ron  relativer  [mmaterialit&t;  sie  wirken  als  Kräfte  in  den 
Individuen  und  gehen  zugleich  ron  einer  „Weltregierung*'  au-,  als  hisu  rieche 
Richtkrifte  Fungierend.  Das  Genie  i-t  etwas  Irrationales,  es  i-t  ein  Mensch, 
in  dem  nefa  eine  I«l..   geltend  macht     Hie  Richten  G    schient« 

Ziel  die  Humanität  i-r,  wird  durch  die  großen  Individuen,  welche  die  Zukunft 
antizipieren,  beeinfluJ  I      I »     isthetische  Harmonie  des  Binnlichen  und  < 
im  Menschen,  die  Idealisierung  da  N   tur  im  sinne  ihn     I       einstimraung  mit 

1  die  Entfaltung  edler  und  voller  Menschlichkei  ri  der 

II      sj tiefen. n   I [umanismus. 

nntn     und    Ihren     Kii 


Humboldt  —  Eume. 


l'ber  die  Verschiedenheit  dos  menschlichen  Sprachbaues  (auch  als  Einleitung  zu  dem 
Werk  über  die  Kawisprache),  1836,  u.  a.  —  Sprachphilos.  Werke,  1883.  —  Gesammelte 
Werke,  7  Bde.,  1841  ff.  —  Gesammelte  Schriften,  1903  ff.  —  Vgl.  STEINTHAL,  Die 
Sprachwissenschaft  11. b,  1848.  —  Haym,  W.  v.  H.,  1856.  —  E.  SPRANGER, 
W.  v.  H.  und  die  Humanitätsidee,  1909.  —  J.  SCHUBERT,  W.  v.  H.s  ausgewählte 
pbilos.  Schriften,   1910  (Philos.  Bibl.). 

II  u nie.  David,  geb.  26.  April  1711  in  Edinburg,  studierte  daselbst  Juris- 
prudenz]  lebte  1734 — 1737  in  Frankreich,  schrieb  dort  den  „Treatise",  und  kehrte 
dann  nach  Schottland  zurück,  wo  er  „Essays1'  veröffentlichte.  1745  war  er 
Gesellschafter  des  Lord  Annandale,  ging  1747  als  Sekretär  des  Generals  Sinclair 
Dach  Wien  und  Turin,  von  wo  er  1749  nach  Schottland  zurückkehrte,  nach- 
dem er  den  „Treatise"  umgearbeitet  und  aus  einem  Teil  davon  den  „En- 
quiry  verfaßt  hatte.  1752 — 1757  war  H.  Bibliothekar  in  Edinburg,  wo  er 
seine  , .Geschichte  Englands"  (1763)  herausgab.  Als  Sekretär  des  Grafen  von  Hert- 
ford  kam  H.  1763  nach  Paris  und  verkehrte  dort  mit  Rousseau  und  den 
Enzyklopädisten;  mit  Rousseau,  der  ihn  nach  England  begleitete,  befreundete 
er  sieh,  entzweite  sich  aber  bald  mit  ihm,  infolge  der  Empfindlichkeit  des 
Genfer  Philosophen.  1767  wurde  H.  Unterstaatssekretär,  aber  schon  nach  zwei 
Jahren  zog  er  sich  ins  Privatleben  zurück  (1769)  und  starb  am  25.  August 
1  770  in  Edinburg. 

II.  hat  Loekes  Empirismus  und  Berkeleys  Idealismus  zu  einem  Positivis- 
mus weitergebildet,  der  insofern  „Skeptizismus"  ist,  als  er  die  Möglichkeit 
metaphysischer  Erkenntnis  bestreitet  und  auch  innerhalb  der  Wissenschaft 
(mit  Ausnahme  der  Mathematik)  keine  apriorische,  von  vornherein  absolut  ge- 
Erkenntnis anerkennt.  H.  analysiert  die  Erkenntnis,  besonders  die  fun- 
damentalen Begriffe  der  Kausalität  und  der  Substanz,  und  kommt  hierbei  zu 
dem  Ergebnis,  daß  nichts  als  real  anzunehmen  ist,  was  nicht  auf  äußere  oder 
innen-  Erfahrung  —  auf  „Eindrücke"  beider  —  sich  gründet  und  daß  sichere 
Erkenntnis  nicht  weiter  reicht  als  Erfahrung,  also  nicht  ins  Transzendente, 
ii  Existenz  auch  feststehen.  Im  ganzen  steht  H.  auf  dem  Boden  des 
Phänomenalismiis  und  Psychologismus.  H.  vertritt,  wie  er  sagt,  einen  „mil- 
deren", „akademischen"  Skeptizismus,  der  alles  die  Erfahrung  Übersteigende 
als  müßig  und  unwißbar  zurückweist  und  auf  die  Erfahrung  und  die  prak- 
tische Beherrschung  der  Natur  verweist.     Die  letzten  Ursachen  der  Dinge  sind 

tennbar. 

Eine  genaue  Zergliederung  der  Kräfte  und  Fähigkeiten  des  Verstandes 
i-t  notwendig.  Der  Ursprung  unserer  Begriffe  ist  zu  ermitteln,  die  „secrets 
BpringB  and   principles"    des   Verstandes   sind  aufzudecken,   damit   die  Grund- 

i  und  Grenzen  unserer  Erkenntnis  gefunden  werden.  Überall  ist  nach 
dem  primären  Erlebnis  („impression")  zu  suchen,  aus  dem  ein  Begriff  hervor- 

:  findet  Bich  kein  solches  Erlebnis,  dann  handelt  es  sich  um  einen  Schein- 
ndrücke  (Impressionen)  und  Ideen  (Vorstellungen,  Begriffe)  als 
machen  den  Bestand  des  geistigen  Lebens  aus.  Unter  „Ein- 
druck" (impression)  rersteht  EL  jedes  primäre  Erlebnis  wie  Empfindung,  Ge- 
I.-    gibt    einfache    und   zusammengesetzte,   ursprüngliche   und 


IIi-mi  :. 

reflektive   Eindrücke.     Au-  Eindrücken  Btammen   alle  Vorstellungen  und  I 
griffe   (ideas  .     die   von   jenen    nur    durch   ihre    gering«        i      haftigkeit    und 
Frische  unterschieden  Bind.     Die  [deen  sind   ..taint  images  .    Kopien  der  Ein- 
drücke    Die  Vorstellungen  verbinden  sich  gemäfl  ihrer  Assoziation,  einer  Art 
„Anziehung   in   der   geistigen    W.i'-.     Die    Assoziation   ist  das  Prinzip  i 

■  ii  Ubergangee  von  einer  rdee  zur  andern"  und  das  verknüpfende 
Band  der  [deen.  Sie  erfolgt  nach  Ähnlichkeit,  raum-zeitlicher  Berührung 
(contiguity),  Kausalität,  Ein  BegrifJ  entsteht,  indem  mir  einer  Vorstellung 
eine  Gewohnheit  Bich  verwindet,  ahnliche  Vorstellungen  zu  reproduzieren:  In 
Qominalistischer  Weise  erklärt  II..  eine  Einzdvorstellung  werde  zu  einer  allj 
meinen  nur  durch  ihre  Verbindung  mit  einem  allgemeinen  Ausdruck.  ! 
Denken  besteht  in  einem  Verbinden  und  Vergleichen  von  [deen,  im  Auf- 
finden  der    Beziehungen    zweier   Objekte;   es  ist   nicht   schöpferisch,   nur   zu- 

>amnien-etxeiid. 

Eine   apriorische  Erkenntnis  von  Tatsachen   ist   unmöglich,   alle  Tat- 
benerkenntnis ist  empirisch,  durch  Erfahrung  bedingt    Hingegen  gibt  es  eine 
apriorische,  unmittelbare,  von  der   Existenz  des   Beurteilten   ganz  unabhäng 
Beurteilung  von  Relationen   (vgl.  Meinong).     „S  \rt   Bind  durch 

die  rein«  1  gkeit  des  Denkens  zu  entdecken,  ohne  von  irgend  einem  Dasein 
in  der  Welt  abhängig  zu  Bein.  Wenn  es  auch  niemals  einen  Kn  -  'der  ein 
eieck  in  der  Natur  gegeben  hatte,  so  würden  doch  die  von  Euklid  demon- 
strierten Wahrheiten  für  immer  ihre  Gewißheit  und  Evidenz  behalten" 
(Enquir.  [V  So  ist  die  Mathematik  eine  demonstrativ-apriorische,  analy- 
tische, deduktive  Wissenschaft,  denn  sie  hat  es  our  mit  einer  Art  der 
Relationen,  nicht  mit  wirklichen  Dingen  zu  tun,  und  bo  ist  hier  die  Vernunft 
imstande,  apriorisch  und  apodiktisch  zu  schließen.  Ähnlichkeit,  Widerstreit, 
Qualitätsgrade,  Quantität  und  Zahl  werden  durch  reines  Denken  festgestellt 
und  haben  absolute  <  reu  ißheit. 

Tatsachen  hingegen  sind  nicht  durch  reines  Denken  zu  erkennen,  auch 
bleibt  das  Gegenteil  jeder  Tatsache  immer  möglich.  Tatsachen  Bind  nur  durch 
Erfahrung  erkennbar.  Worin  besteht  nun  diese  Erfahrung?  In  einer 
Folgerung  von  Tataachen  ans  anderen  am  Leitfaden  der  Kausalität.  Welchen 
I  rsprung  und  Geltungswert  hat  nun  das  Kausalprinzip?  Nach  11.  ist  die 
ursächliche  Verbindung  weder  aus  reiner  Vernunft  noch  aus  der  objektiven 
fahrung  zu  entnehmen.  Wir  Bind  nicht  imstande,  a  priori  eine  bestimmte 
Wirkung  aus  dem  Begrift  ein«  I  he  abzuleiten,  mit  absoluter  Notwei 
und  Evidenz  darzutun,  daß  und  warum,  weil  A  auftritt,  B  mit  ihm  verknüpft 
sein  muß.    Die  Regelmäßigkeit  und  Gleichförmigkeit  des  bis!  i 

beweisl  ni«ht.  daß  sie  auch  in  Zukunft  Btatthaben  muß,  wenn  i 
warten;  sie  ist  niehi  logisch  begründet.    I»;i-  Prinzip  unsei  alen  Krki 

i-t  nicht   die  Vernunft,   sondern   die  Gewohnheit,   di<  Führerin   im 

menschlich!  3i<    allein   gestaltet    unser     I  rfahi  nutzbringend. 

I    i    „natürlicher    Instinkt"    treibt    um   zum    Glauben    an    konstant 

rknüpfung  und  Gesetzmäßigkeit;  er  ist  notwendig  I  -  Mensel 

i-t  biolog  isch  i « ec  I  Wii  sind   in   all  !'• 


HüME. 

obachtung  und  Erfahrung  angewiesen,  welcher  wir  die  einzelnen,  speziellen 
setze  entnehmen.  Aber  die  Erfahrung  —  äußere  und  innere  —  zeigt  uns 
nichts  von  einer  Kraft,  von  einem  inneren  Bande,  welches  notwendig  die  Wirkung 
aus  der  Ursache  hervorgehen  läßt;  ein  besonderer  „Eindruck"  der  Ursächlich- 
keit, ein  Kausalerlebnis  findet  sieh  nirgends.  Erst  in  der  subjektiven  Verbindung 
der  Wahrnehmungen  und  Vorstellungen  liegt  das  Kausale  und  dieses  ist,  rein 
empirisch  genommen,  nur  ein  regelmäßiges  Aufeinanderfolgen  von  Er- 
eignissen, nichts  mehr.  Die  Art  und  Weise,  wie  und  wodurch  etwas  wirkt,  ist 
uns  völlig  unbekannt.  Wir  kennen  nur  —  auch  bei  unseren  Willensakten  — 
eine  Aufeinanderfolge,  erkennen  nicht  ein  Bewirken.  Die  Kraft,  durch  die 
etwas  erfolgt,  ist  überall  verborgen,  gegeben  ist  nur  eine  mehr  oder  weniger 
konstante  Beziehung  zwischen  Vorgängen.  Wir  kennen  Zusammenhänge 
iconjunction),  aber  keine  innere  Verknüpfung  (connexion).  Das  Plus,  den 
inneren  Zusammenhang,  das  „Durch",  die  notwendige  Verknüpfung  legen  wir 
selbst  in  die  Objekte  hinein.  So  ist  die  Kausalität  rein  subjektiven,  psychologi- 
schen Ursprungs,  ein  Produkt  der  Gewohnheit,  indem  auf  Grund  wiederholter, 
konstanter  Assoziation  zwischen  zwei  Vorstellungen  A  und  B  das  Auftreten 
der  einen  ein  Gefühl  subjektiver  Notwendigkeit  erzeugt,  zur  anderen  überzugehen, 
sie  zu  erwarten.  Erst  dieses  Überzeugungsgefühl,  dieser  feste  „Glaube" 
(belief),  die  Vorstellung  B  werde  wieder  auftreten,  macht  aus  dem  post  hoc  ein 
propter  hoc,  welches  letztere  nichts  objektiv  Erfahrbares  ist.  Der  „Glaube", 
auf  den  sich  H.  beruft,  ist  ein  lebhaftes,  intensives  Überzeugungsgefühl,  das 
sich  an  Vorstellungen  und  deren  Ablauf  knüpft,  nicht  etwa  eine  bloße  Ver- 
mutung. Ungeachtet  dieses  subjektiven  Ursprungs  des  Kausalprinzips  aus 
Assoziation,  Gewohnheit  und  „Glauben"  können  und  müssen  wir  es  doch  für 
Krfahrungsobjekte   gebrauchen,   auch   zu   immer   allgemeineren    Ursachen   und 

zen  aufsteigen,  ohne  aber  über  metaphysische,  transzendente  „Ursachen" 
und  Kräfte  das  Geringste  ausmachen  zu  können  (Positivismus).  Der  einzige 
unmittelbare  Nutzen  der  Wissenschaften  besteht  darin,  „uns  die  Beherrschung 
und  Regelung  künftiger  Ereignisse  durch  ihre  Ursachen  zu  lehren"  (Aktivismus). 

Hag  auch  eine  Realität  außer  uns  bestehen,  so  ist  doch  auch  der  Ursprung 
des  Ding-  und  Objektsbegriffs  ein  subjektiv-psychologischer.  Gegeben 
sind    nur    „Perzeptionen"    (Wahrnehmungsinhalte)    in    bestimmter   Verbindung 

aach  Berkeley).  Die  Einbildungskraft  erst  macht  daraus  dauernde  und 
selbständige  Dinge,  auf  Grund  der  Konstanz  (constancy)  und  des  Zusammenhanges 
(coherence)  der  W'Mhrnehmungskomplexe.  Da  der  Geist  „einmal  im  Zuge  ist, 
in  d(  QStänden  auf  Grund  der  Beobachtung  Gleichförmigkeit  anzunehmen, 

ihm  natürlich,  damit  fortzufahren,  so  lange,  bis  er  die  Gleichförmig- 
keit  in  eine  möglichst  vollkommene   verwandelt  hat.     Zu  diesem  Zweck  genügt 

die  einfache  Annahme  der  dauernden  Existenz  der  Gegenstände".    Aus  der 

Ähnlichkeit    eou    Wahrnehmungen    macht  die  Einbildungskraft   eine    Identität 

und  beseitigl  die  scheinbare  Int  erbrechung  der  Wahrnehmung  durch 

dauernden  Dinges.    So  ist  auch  der   Begrif  der   Substanz 

och  für  die  inner«-  Erfahrung  aufrecht  erhielt)  eine  Fiktion  der 

i  für  <ü'-  er  ein  Prinzip  der  Vereinheitlichung  und  Verbindung 


II  I    MI  . 

ist    Die  Idee  der  Substanz   ist    nur   „ein  Zusammen   einfacher   VorBteüunjj 
(collectioD  of  simple  tdeas),   die  durch   Eänbilduugskraft  (imagination)  vereinigt 
(united)  worden  sind,  und  einen  besonderen  Namen  erhalten  haben".    1>     1 
zeptionen  bedürfen   aber  keiner  Bubstanz  all  Trag  existieren   selbständig 

in  ihn-n  Komplexen,  Auch  die  Seele  oder  das  Ich  ist  keine  Substanz, 
Bondern  ein  Bündel  fortwährend  irechselnder  Vorstellungen  und  Gefühle 
burkDe  oi  pereeptions  in  a  perpetual  flux  and  movement'').  Es  iet  dies  der 
„aktualistische"  Seelenbegriff.  Diese  „skeptischon''  Betrachtungen  über  I1 
Bubstanz,  Ich  finden  mch  im  „Treatise",  Dicht  mehr  im  „Enquiry."  Von 
Wichtigkeit  ist,  dafi  II.  dort,  wo  er  eine  Logische  Grundlage  fundamentaler 
Begriffe  wie  Kausalität  und  Ding  nicht  findet,  doch  die  biologische  Not- 
wendigkeit und  Nützlichkeit  ihres  Gebrauchs  betont  (vgL  Mach  u.  a.i. 

I'ni'  r  ,,Moralphi]oeophie"   versteht    II.  die   Wissenschaft   von  der  mensch- 
lichen   Natur,    die    Geisteswissenschaft     überhaupt.      In    ausführlicher    W* 
untersucht  er  dk  Affekte,  Neigungen  und  Leidenschaften  und   betont,  dafi  die 
Vernunft  für  sich  allein  nicht   das  Bandeln  bestimmen   kann:  jedes   Motiv  ist 
ein  Gefühl  oder  Affekt    Auch  das  Wollen  ist  eine  Wirkung  des  Gefühls.     Die 

ihcit  des  Menschen  ist  nur  die  Freiheit  zn  handeln,  die  Fähigkeit   willens- 

näfl  tätig  zn  -«in  |  r  of  acting  or  not  actu  -  rdii  b  I  •  the  deter- 

mination  of  the  will").  Gleiche  Motive  fähren  zu  gleichen  Akten:  die  Ver- 
knüpfung  zwischen  Motiv  und  Bandlung  ist  eine  regelmäßige  und  gleichförm 
der  Willeist  durch  [Imstande,  Motive,  Charakter  bestimmt  Die  Quelle  der 
Moral  ist  die  Sympathie  als  die  Fähigkeit,  sich  in  die  Gemütslage  anderer 
hineinzuversetzen.  Di<  sozialen  Gefühle  sind  ebenso  ursprünglich  wie  die 
selbstischen.    Die  Tugend  ist  ein*  I         schafl  oder  Handlung,  welche 

in  dem  unbeteiligten  Zuschauer  ein  Gefühl  des  Beifallc  „whatever  mental 

action  <>r  quality  gives  to  a  Bpectator  the  pleasing  sentiment  ««t  approbatio] 
I »a>  sittlich  Rechte  wird  unmittelbar  wahrgenommen,  gefühlt  und  beurteilt 
bezieht  sich  in  erster  Linie  auf  das  Gesamtini 

Von  Bedeutung  i-t  auch  die  Eteligionsphilosophie  Humes.    Er  leitet 
die  Religion  an  -      i  um  da-  Leben,  aus  Hoffnung,  Furcht  und  Schrecken 

und  dem  Anthropomorphismus  ai».  welche  zuerst  /um  Poly-,  dann  /um  Mono- 
theismus führt.     I  ••  ■   Mensch  hat  einen  Hau-,  an  eine   unsichtbare  intelligente 
Macht  zu  glauben.    Den  Glauben   an    Wunder   kritisiert    ll.   -'hart,   mit  dem 
Hinweise  darauf,   dafi   jedes  Wunder   «ine    Verletzung  von   Naturgesetzen 
deutet,  rfahrung   widerspricht    und   nicht  ist    In 

religiösen  Dingen  verbleibt  II    (gegenüber  dem  Deismus)  in  skeptischer  Haiti 
Eine  Unsterblichkeit   der  Seele  ist   zweifelhaft    „Un&       I  mpfindui 
vor  der  Zusammensetzung  des  K  irpers  scheint  für  die  natürliche  Vernunft  einen 
/         nd  nach  der  Auflösung  zu  beweisen." 
Von   II.  unmittelbar  beeinflußt   ist    Ad.  Smith.    Teilweise  ein«    I: 

i  •  tuen  bedeutet  die  Schot  tiscl      -        '      Beid  \       II. 

aus  Beinern    „dogmatischen  Schlummei  eckt    »in  ien 

/  s,    Kant,    def  aber  an  die  Stelle  der  p  In-n  «he  truns/eiideiitnl- 

ische   Wurzel  der  Erkenntnis  sucht.     Weitergebildet    wuj 


11  IM  F.   —    HUSSERL. 


idealistische  Positivismus  von  J.  St.  Mill  u.  a.,  teilweise  auch  von  E.  Mach  u.a., 
so  daß  von  einem  „Neu-Humismus''  geredet  werden  kann. 

Si  hriften:  Treatise  on  human  nature,  1739 — 40,  1874;  I,  deutsch  von  Lipps 
•J.  A.  1904;  11,  1906.  —  Enquiry  concerning  human  understanding,  1748;  deutsch 
1755,  1793,  18G9  (Kirchmann),  1893  (Nathanson)  und  in  der  Philos.  Bibliothek,  neu  von 
K.  Richter.  —  Enquiry  concerning  the  principles  of  morals,  1751;  1902;  1908;  deutsch 
von  Masaryk,  1883.  —  The  natural  history  of  religion,  1755;  deutsch  1909  (Anfänge 
u.  Entwicklung  der  Religion).  —  Essays  and  treatises,  1770  (enthält  u.  a.  die  Essays 
von  1741).  —  Dialogues  concerning  natural  religion,  1779;  deutsch  1781.  —  Essays  on 
suicide  and  the  immortality  of  soul,  1783,  1789  (Drei  Dialoge  über  natürliche  Religion, 
über  Selbstmord  und  Unsterblichkeit,  deutsch  von  Paulsen,  3.  A.  1905).  —  Works,  1827, 
1836,  1856,  1874,  1898  (von  Green  und  Grose).  —  Selbstbiographie,  1777.  —  Vgl.  JODL, 
H.s  Lehre  von  der  Erkenntnis,  1871;  Leben  und  Philosophie  D.  H.s,  1872.  — 
A.  MeTNONG,  Hume-Studien,  187  7  —  1882.  —  W.  KNIGHT,  Hume,  1886.  —  GlZYCKI. 
Die  Ethik  D.  H.s,   1878.  —  HEDVALL,  H.s  Erkenntnistheor.,   1900- 

Hnsserl,  Edmund,  geb.  1859  in  Proßnitz  (Mähren),  Prof.  in  Göttingen. 
H.,  einer  der  Hauptvertreter  der  „reinen",  antipsychologistischen  Logik 
(von  Plato,  Leibniz,  Kant,  Herbart,  Bolzano  u.  a.  beeinflußt)  ist  von  Brentano 
ausgegangen  und  war  also  erst  „Psychologist".  In  der  „Philosophie  der 
Arithmetik4-  untersucht  H.  fundamentale  Begriffe  wie  Einheit,  Vielheit,  Allheit. 
Etwas  und  Eins,  Vielheit  und  Anzahl  sind  Kategorien,  Relationsbegriffe.  Die 
zeitliche  Sukzession  ist  nur  für  die  Entstehung  der  Zahlvorstellungen  unerläß- 
lich, ohne  daß  die  zeitliche  Ordnung  in  den  Inhalt  des  Zahlbegriffs  selbst  ein- 
geht. Die  Zahl  ist  nicht  ein  Teil  des  psychischen  Erlebnisses,  sondern  eine 
zeitlose  „ideale  Spezies,  die  im  Sinne  der  Arithmetik  schlechthin  eine  ist,, 
in  welchen  Akten  sie  auch  gegenständlich  werden  mag". 

Die    reine    Logik    ist    eine    formale,     apriorische,     demonstrative,     von 
der     Psychologie     unabhängige     Wissenschaft,     welche     die     Grundlage     der 
i schaftlichen     Erkenntnis    liefert.       Sie    hat    es    nicht    mit    den    Denk- 
akt cn    der    Subjekte  zu  tun,   sondern   mit  den  „objektiven  Geltungseinheiten", 
«Ich      idealen     Bedeutungen      derselben,      mit     „idealen      Möglichkeiten' % 
(reiche    zeitlos,    unabhängig    vom    wirklichen    Denken    gelten.      Der    „Idealis- 
ist jene  Form  der  Erkenntnistheorie,    „welche  das  Ideale  als  Bedingung 
Möglichkeit  objektiver  Erkenntnis  überhaupt  anerkennt  und  nicht  psycho- 
tisch   \vi  -deutet".      Der   Logik    geht   zur    eindeutigen    Bestimmung   ihrer 
tffe  und  Ausdrücke  die  deskriptive  „Phänomenologie"  voran,  welche  zeigt. 
die  logischen   Begriffe  wirklich  bedeuten,  auf  welche  Inhalte  sie  sich  be- 
i.      Die    Ausdrücke    haben    außer   ihrer   „kundgebenden"   Funktion    eine 
Die   objektiv-ideale   „Bedeutung  an  sich"  (vgl.  Bolzano)   ist   vom 
subjektiven  Bedeutungsakte  zu  unterscheiden.    Ebenso  ist  das  ideale  (leiten  der 
Wahrheit    vorn    psychologische]]    Sein    des   Gedachten   und  Denkens    zu    unter- 
i':i.     Dieses  objektive  Sein  isl  das  Korrelat  zur  „Evidenz",  dem  „Erlebnis 
Wahrheit*'.       Du    Erlebnis   der   Zusammenstimmung    zwischen    der 
ungund  dei  bärtigen,  Erlebten,  das  sie  meint, zwischen  dem  erlebten 

der  .'.  e  und  dem  erlebten    Sachverhalt  ist   die  Evidenz,  und 

/  mmung  die  Wahrheit/'    Die  Erlebnisse  sind   reale 


Ilr  — i  j:i.  —   Hi  xi. i:v. 


Einzelheiten,  zeitlich  bestimmt,  werdend  und  vergehend.  l)i<-  Wahrheit  i 
ist  ewig,  sie  ist  „eine  Idee  and  als  solche  überzeitlich",  ein 
im  anzeitlichen  Reiche  da  [deenu.  „Was  wahr  ist,  ist  absolut,  ist  An  sich4 
wahr:  die  Wahrheil  ist  identisch  eine.'4  Der  Charakter  der  Wahrheil  kommt 
nicht  dem  flüchtigen  Erkenntaisphanomen  zn,  Bondern  dem  „identischen  In- 
halte desselben,  dem  Idealen  oder  Allgemeinen".  Die  Wahrheil  ist  die  „rolle 
Übereinstimmung  zwischen  Qemeintem  and  Gregebenem  als  solchem".  1'.-  _i i l » t 
„individuelle"  und  .  .lt» -i  1«  r«  1 1»  ■  •  Wahrheiten.  Das  Ich  schwebt  nicht  über  den 
Erlebnissen,  sondern  i»t  identisch  mit  ihrer  eigenen  Verknüpfungseinheit;  es  ist 
eine  einheitliche   Iuh..  ntheit":   Die  Dinge  sind  die  „durch  eine  Kausal« 

tzlichkeit  einheitlich  omspannten  Konkreta". 

BLa  „Logische  UnterBuchungen"   haben    nicht    geringen    Einfluß  ausgeübt, 

t  auch   scharfe  Gegnerschaft    (Jerusalem,   Pallgyi,    Bfaticeric'  u.  a.) 
henrorgerufen. 

Schritt:. :    Philosophie    «1er    Arithmetik    1.     L891.    —    Logische    Unterauchui.. 
1.   Prolegomena  zur  reinen  Loj^ik,   11.    Inter-U' hungen    zur    Phänomenologie    und    Theorie 
0 — Ol.     —     An  hiv     t  .it.     l'hilos.     IX.     —     Philos.     Mo: 

i'-     l.ui.   Studien  zur  elementaren  Lugik),  u.  a. 

llut<'li<'«*oii.   Praii  .   1684   in   Irland,   wurde    17-".*    Professor  der 

Iforalphilosophie  in  Glasgow,  gest.  1717. 

H.  geht  ron  Locke  and  Shaftesbury  aus.    E2r  unterscheidet  ron  den  I 
schaften  die  Neigungen,  die  ..ruh  mütsbewegungea  und  ron  den  selb- 

stischen   dir  wohlwoUenden   Willensregungen  i.,animi    rirtutee  praeeipuas 
benerolot  voluntatu  motus").    Ei  gibt  «inen  „moralischen  Sinn"  ab  Sinn  für 

Rechte  and  Unrechte,  welches  anmittelbar  erfaßt    und  gebilligt   <>d<T  miß- 
billigt wird  :i  et  honesti  sem   -       ,laudi  .'t  ntuperii  sensus").    11    rertritt 

i  einen  „emotionalen  Intuitioniamus".     Gebilligt   wird  besonden  das  aK 
meine    Wohlwollen,   das    Streben    nach   allgemeiner  Glückseligkeit.    Auch   die 
B    hönheit    gefallt    unmittelbar,   ohne    Rücksicht    auf    Mutzen,    besonden  die 
Harmonie,  dir  Einheit  in  «Irr  Mannigfaltigkeit. 

-     hriften.     Inquiry     into    tho     oritfin    of    cur    ideas    of    beaut\    and    \irtne,     IT 
deutv  t.    L762.  BtflftJ   "ii   tho  nature  and  o.nduct  of  tlie  paaaions  and 

deutfleh    17üi>.    —    Philoaophiae    monilis    institutio    eonpSttdisiis,    174.").    —    A  tytt 
nmrul    philoaophj,    17"..      II  .  .;  -  '.crk);    dootaeh    roi     L<-*in^',    1756.    —    Wurk^-.    177"_'.    — 

In.   FoWLEB,  Saaftttbarj  at.d  Hateheaos,  i88u.  —  W.  EL  SCOTT,  1    EL,  I  • 

llii\l<\v.    [homaf   Henry,  geb.   1826   in  Ealing,   Proi    in   London, 

S   •        :    her  und  Philosoph. 
H.  hat  ak  einer  der  ersten  den   Brolutionismui  besw.    Darwinismui  \.  r- 
nten.    &  ist  in  erkenntnisth  her  Beziehui  eist  ondAgnostik« 

I)i«>»r    An-dru-'k    stauunt    direkt    \<>n    ihm   (Nineteentb  OentuT)    XXV,    L( 
Unser    I  rkenntnis  ist  aui  du  aen  der  Erfahrung  beschrankt,  aoi  Inhalte 

im«-,  r.«   i;.  ..  :,-.    Zwar  ist   all.-  Natürliche  als  materiell  aufzufassen   und 

da-   IVvchisihr  ist   in  Lr«\\  i— .  r   Hin-i<ht   .in.'   Begleiterscheinung   physiologischer 
\  '■■  [    Materie    und    Krall    lind     Uni    DUT    als    <.lijrkti\<     r,.u  ul'.t-rin»- 
inlialn  ■  n   den   Vore  teil  linken   von  I>im  - ->  amdi  ur-prui 


:>v  Hüxley  —  Jacobi. 


liehe  Be/.iehuiigsvorstellungen.    Der  sittliche  Fortschritt  liegt  im  Kampfe  gegen 
die  Natur,  nicht  im  Waltenlassen  der  .Naturbedingungen. 

Schriften:  Mans  Place  in  Nature,  3.  ed.  1864;  deutsch  1863.  —  Lay  Sermons, 
1S70;  deutsch  1877.  —  Critiques  et  Adresses,  1873.  —  American  Adresses,  1877.  — 
Hume,  1879.  —  Science  and  Culture,  1882.  —  Essays,  1892.  —  Evolution  and  Ethics, 
1893.  —  Collected  Essays,  1893—94.  —    Scientific  Memoirs,   1898—1901. 

Hypatia.  Tochter  des  Mathematikers  Theon  in  Alexandria,  Verfasserin 
mathematischer  Schriften  (nicht  erhalten)  und  Lehrerin  neuplatonischer  Ideen. 
Im  Jahre  415  wurde  sie  von  Christen  ermordet.  Ihr  Schüler  Avar  der  spätere 
Bischof  Synesios. 

Vgl.  R.  Hoche,  H.,  Philol.  XV,  1860.  —  W.  A.  Meyer,  H.,  1886. 

Hyslop,  James  Hervey,  geb.  1854  in  Xenia  (Ohio),  früher  Prof.  an  der 
Columbia-Universität  in  New  York.  =  H.  hat  sich  den  „ okkulten"  Phäno- 
menen der  Psychologie  und  dem  Spiritismus  zugewandt. 

Schriften:  Elements  of  Logic,  1894.  —  Problems  of  Philosophy,  1906.  —  Science 
and  a  futur  Life.  —  Probleme  der  Seelenforschung,   1909,  u.  a. 


I,     J  • 


Jacob  s.  Jakob. 

Jacobi,  Friedrich  Heinrich,   geb.  1743  in  Düsseldorf,  wurde  zum  Kauf- 
mann   erzogen,  beschäftigte   sich   in   Genf   mit   den   Schriften   Rousseaus  und 
Bonnets,  übernahm   in    Düsseldorf   das    Geschäft   seines  Vaters,  wurde  später 
Kammerrat  in  Jülischen  Diensten  und  lebte,  literarisch  tätig  und  gesellig,  auf 
seinem  Landsitze  in  Pempelfort  (Briefwechsel  mit  Lavater,  Mendelssohn,  Goethe, 
Hamann,  Herder  u.  a.).    1794  übersiedelte  er  nach  Holstein,  1805  nach  München, 
er  1807  Präsident  der  Akademie  der  Wissenschaften  wurde  und  1819  starb. 
J.  ist  kein  systematischer  Denker,  sondern   seine  Ideen  sind,  wie  er  selbst 
sagt,  Ausdruck  seines   persönlichen    Lebens,  seiner  geistigen  Kämpfe  und    Be- 
strebungen.   Auf  der  einen  Seite   machen  sich   in  ihm   die   Forderungen   des 
geltend,  auf  der  andern  die  des  Gemütes.    Er  muß  die  Konsequenz 
abstrakten    Verstandesstandpunktes,     der    nach    ihm    zum    Mechanismus, 
rialismus,  Atheismus  führt,  anerkennen,  aber  er  fühlt  sich  doch  von  ihnen 
stoßen  und  ist  zwar   mit   dem  Verstände  ein   „Heide",    mit   dem  Herzen 
ein  Christ,  von  der  Gewißheit   der   Existenz   Gottes,   der  Unsterblichkeit, 
der  Willensfreiheit    durchdrungen.    So  verficht   er  gegenüber   der   Aufklärung 
und  der  „VeiBtandesphilosophie"   unter  dem  Einfluß  von   Rousseau,  Hamann, 
du   Hechte  des  G<  t ühls  und  begründet  er  eine  „Glaubensphilosophie", 
*uui  Teil  in    I  mmung    mit    Kant,   aber   im   Gegensatz  zu   dem  „Formalis- 

i   .1.    kann    der    Verstand    nie   zum    Unbedingten   gelangen;  geht  die 

reiterter  Ventand  auf  das  Übersinnliche,  Unendliche,  so  macht 

Endlichen.     Sie    findet   immer  nur   wieder  Bedingtes  und    Be- 

wird  ihr  zu  einem  Notwendigen,  Gesetzlichen,  Determinierten, 


.1  \«  OBJ. 

zu  einem  Mechanismus   ohn<    Freiheit,  zu   eu  talismus,   dem   oichts  >i«li 

entziehen  kann.  Von  diesem  Standpunkte  mu  ist  der  ,8pinozi8mu8'4  das  ein 
konsequente  System.  K-  ist  notwendig  atheistisch,  denn  einen  (J<»tt  kann  man 
nicht  beweisen,  weil  jeder  Beweis  einen  Grnnd,  also  eine  Bedingung  angibt  und 
Gott  zu  einem  Bedingten  macht  Eine  mittelbare,  demonstrative  Erkenntnis 
des  unbedingten,  ein  rerstandesmäßiges  Begreifen  desselben  ist  unmöglich. 
Auch  <1<t  Kautschs  Kritizismus  ist  unzulänglich  and  durch  seinen  Pormalismus 

abstoßend.      Zwar    hat     Kant     Recht,    wenn    BT    die    Vcrstandcs-Erkenntni^    aiil 

mögliche  Erfahrung  emschrankl  and  das  Transzendente  als  anbeweisbar  !»••- 
stimmt,  aber  die  blofl  praktische  Postulierung  des  übersinnlichen  (Gott,  Frei- 
heit) genügt  nicht.  Auch  enthalt  der  Kritizismus  Widersprüche,  indem  er  ein 
„Ding  an  nch"  annimmt,  welches  der  Grund  onserer  Empfindungen  tat,  ans 
•i/it-rf.  während  doch  oach  Kant  selbst  die  Kausalität  out  eine  auf  1  i 
Bcheinungen  anwendbare  Kategorie  ist  Das  Ding  an  rieh  kann  daher  als 
solches  nicht  auf  uns  wirken  und  ebensowenig  kann  die  Erscheinung  -  eine 
Vorstellung  —  die  Ursache  ron  Vorstellungen  überhaupt  Bein.  Ohne  die  V 
aussetzung  ron   Dingen  an   Bich  kommt    man    nicht   in  das   Kantsche  System 

hinein,  mit  ihr  kann  man  nicht  dann  bleiben  fWW.  II.  901  ff.).  —  Die  Außen- 
welt ist  ans  wie  das  Ich  anmittelbar,  ohne  Reflexion,  ohne  Dazwischentreten 
von  Vorstellungen  oder  Schlüssen,  rein  durch  „objektiven  Glauben",  durch 
eine  Art  „Offenbai  en  (vgL  Reid).    Die  Dinge  und  ihre  Form  (Baum, 

Zeit  und  K  gind  /war  nur  endliche,   bedingte  Seinsweisen,  aber  mehr 

Erscheinungen. 

Auf. »r  der  mittelbaren  Verstand«  serkenntnis  gibt  es  oach  J.  eine  anmittel- 

•    Erkenntnis,  die  J.  als  „Glaube44  (im  sinne  von  Humes   „belief"),  „Sinn", 

Anschauung,    Gefühl,   Bpater   als    „Vernunft"   (im   engeren    Sinne)    bezeichnet. 

Dasein  enthüllen  und  offenbaren"   ist   der  Zweck   wahrer  Erkenntnis  und  der 

Glaube    erfaß!    omnittelbar-lebendig   das    Wirkliche,   auch  das    Übersinnliche, 

»ttliche  mit  höchster  Sicherheit     Mit  Geistesblick  erfassen   wir  das  Ideal. 

and  Göttliche,  das  sich  ans   wie  die   Natur   unmittelbar   offenbart    und  ohne 

-   wir  nicht   sein   können,  denn  der  Mensch   kann   sich  sclb-t    nur  zugleich   mit 

'i  finden.     Der  Glaube  an  Gott  ist  ans  angeboren;  aber  beweisen  L&ßt   -ich 

D  I      ttes   nicht,  auch   wäre   ein   (J..tt.    der    gewußt    werden    könnte,   | 

kein  Gott,  der  als  unbedingtes  notwendig  anbegrifflich  ist,  aber  in  anserem 
II«!  en  gefühlt  wird.    Gott  ist    Geis*    und    Persönlichkeit,  selbstbewußt,   ab 

weltlich,   wund'  (i..tt    Lebt    in   OUS    und    wir    in   ihm       Wahre    Religion    i-i 

Christentum.  Unmittelbar  bewußt  sind  wir  ans  auch  in  anserem  Handeln  und 
Wirken  onserer  Willensfreiheit  and  Unsterblichkeit  Das  Prinzip  der 
Sittlichkeit    igt    die   Liebe    nun    Guten,    nicht    die    Vernunft,    welche    der 

Individualität    nicht  ll    wird. 

Wenn  such  J.   keine  eigentliche   Schule    begründet    hat.   -••   hatte   ,t    .1...  h 
eon    Anhängern  und   übte  außerdem  einen  gewissen  Einfluß  aal  die 

knlati.pii     tUl         \  f  1 1 1 . 1 1 1  _-  •  i     .1-     .-ind      Wi/enmanii.     .1       Sei  l\.|| 

.    Weiiier.  .1.  Salat,   \.  II.  Clodiui    I.  in*  illon;  rwiachen  Kant  und 
.'.  \ ermitteln  i  i   .  -    Bouterwek,  Calker,  Buabediseen  o 

Iß 


.1  .w  oiu  —  Jäger. 


hriften:  Die  philosophischen  Romane:  „Allwills  Briefsammlung",  1774  und 
..Woldeniar",  17  79.  —  Über  die  Lehre  Spinozas,  1785  (handelt  über  Lessings  „Spinozis- 
mus",  welchen  Mendelssohn  bestritt,  worauf  J.  replizierte).  —  Über  eine  Vernunft,  die 
keine  ist  (gegen  die  Berliner  Aufklärer).  —  David  Hume  über  den  Glauben,  oder  Idealis- 
mus und  Realismus,  1786.  —  Brief  an  Fichte,  1799.  —  Über  das  Unternehmen  des 
Kritizismus,  die  Vernunft  zu  Verstand  zu  bringen,  1801.  —  Von  den  göttlichen  Dingen, 
1811  (gegen  Schelling).  —  Werke,  1812 — 25.  —  Briefwechsel,  hrsg.  von  F.  v.  Roth, 
_27.  —  Vgl.  E.  ZlRXGIEBL,  F.  H.  J.s  Leben,  Dicht,  und  Denken,  1867.  — 
Harms.  Über  die  Lebre  von  F.  H.  J.,  1876.  —  LEVY-BRUHL,  La  philosophie  de 
J,  1894.  —  Krill.MANX,  Die  Erkenntnislehre  F.  H.  J.s,  1906.  —  Fr.  A.  SCHMID, 
Fr.    11.   J.,    1'.' 

Jacob  11«  de  Viterbo,  lehrte  an  der  Sorbonne  in  Paris  und  starb  1308 
als  Erzbischof  von  Neapel.  =  Schüler  des  Aegydius  von  Colon  na,  Anhänger 
des  Thomas  von  Aquino. 

Schriften:  Commentarii  in  IV   libros  Sententiarum.  —  Quodlibota,  u.  a. 

Jacoby«  Günther,  geb.  1881  in  Königsberg,  Privatdozent  in  Greifswald. 

Der  Sinn  des  „Pragmatismus"  ist  es,  Wissenschaftslehre  zu  sein.  Für  den 
P.  ist  eine  Philosophie  um  so  wertvoller,  je  wertvoller  ihr  Zweck  ist  und  je 
vollkommener  sie  diesen  Zweck  erreicht.  Der  Sinn  des  Pragmatismus  ist  „Um- 
setzung in  Tat".  Der  Streit  um  die  Wahrheit  ist  nicht  die  Hauptsache.  Die 
Hauptsache  ist  die  Umgestaltung  des  philosophischen  Wissenschaftsbetriebes. 
Pragmatisch  ist  die  Bildung  unserer  Aussagen  mit  Rücksicht  auf  die  Ver- 
wendung, deren  sie  fähig  sind.  Das  Wesentliche  der  Wahrheit  liegt  darin,  daß  sie 
ans  ..auf  Verhaltungsweisen  führt".  „Die  Abbildung,  die  Übereinstimmung 
mit  den  Ereignissen  ist  nur  ein  Mittel  zu  diesem  letzteren  Zweck."  Aber 
Wahrheit  selbst  bedeutet  nicht  das  Hinführen,  sondern  die  Beziehung  zu  einem 
Tatbestand.  Der  Wert  einer  Wahrheit  besteht  darin,  was  ich  mit  ihr  anfangen 
kann ;  die  Wahrheit  an  sich  selbst  hat  keinen  Wert.  Die  wahrsten  Urteile 
Bind  uns  aber  die  unentbehrlichsten.  Die  Bewahrheitung  nach  der  Zukunft 
ist  die  eigentlich  pragmatistische.  „Jede  Wahrheit,  wenn  wir  sie  bilden,  bilden 
wir  sie  mit  Rücksicht  auf  eine  tatkräftige  Verwendung  in  der  Zukunft."  Der 
Sinn  aller  Wissenschaften  ist  es,  „Einschub  zu  sein  zwischen  einer  Handlung 
und  ihrem  Anreiz;  hinüber  zu  führen  von  einer  vielleicht  noch  unvollkommenen 
des  Bandeins  zu  der  vollkommeneren  Weise".  Vor  diesen  Endzweck 
schiebt  sich  aber   eine   Menge   vorläufiger   Mittelzwecke.    In  der   Wissenschaft 

in  die  Verrichtung  einer  Wahrheit,  zunächst  wenigstens,  im  Weiterführen 
zu  neuen  Wahrheiten. 

hriften:    Herder«   Kalligone  und  ihr  Verbältniß  zu  Kants  Kritik  der   Urteilskraft, 
Herden  und   Kants  Ästhetik,    1907.  —  Der  Pragmatismus,   1909. 

J&ger*    Gustar,    geb.     1832    in     Bürg,    lebt    in    Stuttgart.    =    Anhänger 

Die   Dsnriaeehe  Theorie   u.  ihre  Stellung  zur  Moral  und  lteligion,  1869. 
—   In  Soeben   Dirwfai  contra  Wigand,   1874.  —  Die  Entdeckung  der  Seele-,  1879;  3.  A. 

»Duflettfä))  u.  a. 


.1  \GER  IaMI.i.I«  HOS. 


Jäjior.    Hermann,  geb.  1856  in  Darmstadt,  Geh.  Schulrat  in  QffenbeclL 
=  Das  Gefühl  der  ästhetischen  Lost,  des  Schönfindens,  begleitet  die  Betätig 
der  seelischen  j/Vorratskräfte";  das  Gefühl  der  ästhetischen  Unit  Häßlich- 

finden-,  stellt   sich  ein   bei   Miiinan-|.nirhiiahuir  WOB   ,.Krhaluni">krätt.-ir-  il.u-t- 
i.    Das  schöne  Kunstwerk  ist  ewe  „Objektivierung  des  wahren  Menschen4*. 
Einheitliche  Verknüpfung  einer  Mannigfaltigkeit  ist  das  Gemeinsame  in  Kunst, 
Moral  und  Wissenschaft 

hriften:  Das  Prinzip    des    kleinsten    Kraftmal Ist    in    der    Ästhetik,    VieitoKs] 
schrift   für  WIM OTmch     Philo«.    V.     —     l)ie     gemeinsame     Wurzel    der     Kun-t,     Moral    und 

wlMSMehaft,  ic»'  l 

Jahn.    Max,   geh    L853   in   Ronneburg,   Schuldirektorin  Leipzig.   —   Die 
Psychologie   rocht    zunächst  die  Erscheinungen   unserer   inneren   Natur,   dann 
den  gesetzmäßigen  Verlan!  derselben,   zuletzt  die  Grundlage  oder  das  Bub 
der  Erscheinungen.     J.  Btehl   Herbart  nah»',  berücksichtigt  aber  auch  die  exp 
rimcntelle  Psycholog 

8    |  riften:   Die  Zeituihiiltnissc  des  Vorstellens,    1881.  —   Psychologie   als    Grund- 
mhlfl  dir    l'a'laL'ogik,    1897;    5.    A.    1907.    —     Ethik    Ali    ürundwis-mschaft    der 
',.    u.   a 

Jakob  Jacob),  Ludwig  Heinrich,  geb.  1759  in  Wettin,  1780  Prof.  in 
Hall«.  1^17  in  Charkow,  1809  Mitglied  der  Gesetzkommiasion  in  St  Petersburg, 
im»;  wieder  Prof.  in  Haue,  gest  1827.  Kantianer.  l>i-'  psychischen  und 
physischen  Phänomene  haben  swei  rerschiedene  Ursachen.  Du-  Physische  ist 
nur  eine  Bedingung  des  Auftretens  des  Psychischen,  nicht  dessen  Ursache.  Eb 
-ihr  eine  besondere  psychische  Kausalität  (Über  die  Grenzen  der  Physiologie 
und  der  philosophischen  Anthropologie;  Einleitung  zur  Übersetzung  des  Haupt- 
werkes ?OH  <  'aiiani-. 

hriften:    Prolegumena   zur   praktisi  hen   Philosophie,    1787.   —    (irundri  1 .   der  all- 

.- .Tu.iTi.'n    Logik,    1788.    —    Kritische    Anfangsgründe    zur   allgemeinen   Metaphysik.    1788. 

—    Grundrili     der    Krfahrurigsseelenlehrc,    1791  ;    4.     A.     1810.   —    Philosophische    Sitten- 

1794.    —    Thilo-     i:.-.  htslehre,    1795.    —     Allgemeine    Religionslehre.    1797.    — 

llandw.rtcihurli,    1 71*7    i  Auszug  aus   Baylej.    —     Bswsil   f.   d.    rfmtwrhl .    1790.   — 

Ober  -1  t.  d.   Dasein  Gottes,  I.   A.    1798. 

lamhliclio*.  der  Begründer  der  lyrischen  Schule  des  Keuplatonismus, 
aus  Chalkifl  (Cölesyrien),  Schüler  d.-**  Anatolios  und  <l«-s  I\irj>hyri«»s  in  Rosa, 
-r:liii  in  Syrien  am  390  a.  Chr.  Kr  war  bei  seinen  Anhängern  als  Wundertiter 
rerehrt  und  hatte  den  Rffnamff  »der  Göttlich 

I..  dar  <ln  Lahreo  der  Neapythagonei  und  besonders  die  des  Plotin 
weiterbildet,  ist  ein  philosophisch-theosophiscfaer  Auadeuter  des  Polytheismus 
und   legt  Gewicht    aoi    Symbolik,   Zahlenrnystik    und   Theurgi« 

Lehre  ist,   wir  du-  Plotins,  ein    Enianationsayati an.     I  I  Plotins 

hinaiiH  liegt   noeli    da-    unaussj>rechliehc    Prinzip    (i  Ans 

diescni  ersten    hI>.t-.  i. ml.  n   lunm    gehl   das  a  diesem 

die   intelligible   Well   der   Ideen  intellektuelle 

Welt  da  Zar  intelli^iblen  W<  h  . •>  hön  n  \ 

ur  mttll.ktu.il.         I  ,.-.         Kimft    und 


292  rAMBLiCHOS  —  James. 

Demiuig.  Es  emanieren  dann  das  Seelische,  zuerst  die  überweltliche  Seele,  dann 
zwei  innerwelt  liehe  Seelen  und  die  Natur.  Die  menschliehe  Seele  hat  einen 
Atherleib  und  ist  nebst  diesem  unsterblich.  Eine  Menge  Seelen  von  Göttern. 
Dämonen  usw.  wirken  in  der  Welt,  welche  reich  an  Wunder  ist.  Zahlen  sind 
Symbole  verborgener  Wahrheiten  und  Verhältnisse. 

Schüler  I.s  sind  Theodoros  von  Asine,  Sopatros  aus  Apameia. 
Dexippos,    Aidesios,    Chrysanthios,    Eunapios,    Kaiser   Julian  u.  a. 

Schriften:  Kommentare  zu  Piaton  und  Aristoteles  (nicht  erhalten).  —  Xa/.Sa'i'y.ij 
Ty/.etor(iTtj  ftro/.oyid  (bei  Damaskios  zum  Teil  angeführt).  —  De  mysteriis  Aegyptiorum 
(wohl  nicht  tob  1  selbst,  sondern  aus  seiner  Schule),  1483,  1678,  1857.  —  Ilegi  tov 
JJrOayogiy.or  fit'or  (De  vita  Pythagorica,  1816,  1851).  —  Aoyog  TTOOToe^riy.og  eig 
7  i/.oooq  tar  (Adhortatio  ad  philosophiam,  1813,  1888).  —  ITsgl  tfjg  y.oivijg  uadr]- 
fjuxtixrjg  ijutntjiAijQ,  1781  (bei  Villoison,  Anecdota  Graeca  II).  —  IJygi  t>~/z  Xiy.oiuc/<>r 
ägcihitjTiyfjc  eioay&yiJG  (In  Nicomachi  arithmet.  introd.),  1894.  —  (-)eokoyovutr<i  r/yc 
äQr&fujTixijs  (Theologumena  arithmeticae),  1817.  Diese  Schriften  bildeten  Teile  einer 
twvaycoyi)  r«5v  JJvOayogficor  öoyßärcov.  —  Vgl.  EüNAPIOS,  Vitae  sophistarum  (1849). 

James,  William,  geb.  1S42  in  New  York,  Prof.  an  der  Harvard-Uni- 
versität, gest.  1910;  der  bedeutendste  (amerikanische)  Vertreter  der  modernen 
introspektiven  Psychologie  und  des  Pragmatismus. 

J.  (der  philosophisch  von  Lotze,  Eenouvier  u.  a.  beeinflußt  ist)  ist  ein 
Gegner  der  das  Bewußtsein  als  eine  Summe  psychischer  Elemente  auffassenden 
„atomistischen"  Psychologie  und  des  Assoziationismus.  Die  Psychologie  ist 
die  Lehre  vom  seelischen  Leben  und  dessen  Bedingungen.  Das  Seelische  ist 
genau  zu  beschreiben  und  zu  analysieren,  aber  auch  in  seiner  Bedingtheit  durch 
physiologische  Vorgänge  zu  erforschen.  Auch  ist  der  biologische,  immanent- 
teleologische  Charakter  der  psychischen  Vorgänge  zu  beachten.  Wenn  auch 
<li<  Metaphysik  zur  Annahme  einer  unsterblichen  Seelensubstanz,  die  mit  dem 
Leibe  in  Wechselwirkung  steht,  gelangen  kann,  so  hat  doch  die  Psychologie 
sich  auf  den  Zusammenhang  (Parallelismus)  der  psychischen  Vorgänge  mit  den 
physiologischen  zu  beschränken  und  das  Seelische  als  Prozeß  (Aktualismus) 
aufzufassen. 

Das  Bewußtsein  (welches  keine  Teile  hat,  nicht  aus  psychischen  Atomen 
besteht)  hat  vier  Eigenschaften:  „1)  Jeder  .Zustand*  tritt  auf,  mit  dem  An- 
spruch, Teil  eines  persönlichen  Bewußtseins  zu  sein."  „2)  Innerhalb  jedes  per- 
BÖnlicheD  Bewußtseins  wechseln  die  Zustände  fortwährend."  ..3)  Jedes  persön- 
liche Bewußtsein  ist  merklich  kontinuierlich."  4)  Das  Bewußtsein  ist  durch 
sein  Interesse  auswählend  (selektiv),  es  wählt  unter  den  Reizen  und  Gegen- 
ständen. Es  besteht  nicht  ans  unverbundenen  Gliedern,  sondern  „fließt",  ist 
ein  „Strom"  (stream  of  consciousness)  mit  konstanteren,  „substanzartigen" 
Etahesb ilen  und  „transitiven"  Bewegungss teilen.  Das  Bewußtsein  des  ein  Bild 
umgebenden  ,, Hofes"  (halo)  von  Relationen  ist  dessen  psychischer  „Oberton-, 
dessen  „Franse"  (fringe;  relation-fringes).     Das  Bewußtsein  ist  nie  rein  passiv, 

lern  reaktiv  oder  aktiv,  so  besonders  in  der  Aufmerksamkeit,  im  Denken 
und  Wollen.     Den    Empfindungen    ist   ein   Ausdehnungsgefühl  („original 

atioo    o\    space")    eigen    (ein    „dement   ot    voluminonsnees").     Der    Zeil- 


Ja 

-      ...     g  liegt  p]  die    Arbeit  hintproaesses    t..th«-  faature 

«•f  the  brain  pr      --         _■  Lssoziation  findet  nicht  zwii 

-t»llllli_  -    ■ll'l'TIl 

Ursache  der  Ast  wohnheit,  die  Grund« 

und  d«--  Leben?  und  Erlebens,  und  auch  da.»  Int  •  hier  ron  Bedenti 

Aufmerksamkeit  hat  eine   ,,aelektr?eA   Punktion  und  eine  Tendern  zur 
Fok  disi<  :    •  _       -      iber,  dafi  d       ■  rngehaltenen    I 
Band  '  •:•  b  Bewi 
Anfmerkaamkeitaaiistrengung  ist  daf  w  -  Willens.     1> 

Befehl,   ein    EntBcheidi  eine   Zuathnn  Dthche 

Willenselement  (»the  denn  wnl  or  n  -  hat  tru-   ad   -hall  •    - 

Tm  ein!  _     i    liegt   nur  eine   „kinasthetische'    Vorstellung    des 

m  Geschehenden,  ein   ..antixij  -   I..  ;  !  las    rieh  in 

\\  irklic •:.  ..ideon.  r"    Vr<  m  B  .      D 

N      ur  nach  ..impulsiv  und  h.   Im  bolleren  Willen  kommt  nun 

B  •  wirkliehen    sollen, 

hinzu.      1  >:•     \  _  und  nicht   I     -  -  hon 

Fo  .  ade   ras  er   Art.    welcbe    direkt    durch 

stimmte  Wahrm-hmum:»  n  a     .  n.     „Wir  sind  traurig.  w»-il  wir  weh» 

_    weS  wir  zue  .  erschi  ireü  uir  zittern."     „Ohne  die  kör] 

lnh      /   -  lie   auf  die  Wahrnehm     _  .   würde  da  re   rein 

iiitelh'kturll«-n  rharakt'  en."    In.  -  Bein  bt  die  funktionelle 

:itität   das   esni  ö         -      auftretende    denk«  ode   Subjekte, 

i,   ah       -.  mtlich  iheit    in    dersell 

■and,  bilden  einen  roll*  jj       für  alle  Krfa.hr 

icher  Einheit   und   Identität,   die   wir  tatsächlich    machen".     Es    «steht 
die  M  -  ten    und  unterbewuil  -ublimi- 

nak  ii ■  .     Kiiit-    Unsterblichkeit    der    Seele,   ein    Fortwirken   derselben    ist 
durchaus  möglich. 

J.  bekennt  rkenntniathe  h  zum  aktiren  ^radikaleo  Empiris- 

mus", nach  welchem  nur  d.  n  und  wahr  ist,  was  sieh  in  irgendwelchen  E 

fahrungen  bewährt     Auch  für  die  apriorisch-idealen  Relationen  i 

Art    mufi   die    Erfahrung   die    Verifikation    liefern.     Für    den 
-  den  Empirismus"  sind  d  loten  Wesenheit 

rn    ..unveränderlich«    I  1  i 

Pluralismus     Bind  •  Ann..  der  Welt, 

küchkeil  möglich,    und  ebei  teht  für  Ihn  Viel- 

heit   vi»n    W  da-    l'nivi  /.ii-amuxii- "  "       1 

Welt  nur  durch  die  Verbindungen  der  Dinge,  nicht  als  r 
i    I  Entwicklung  der  dm 

I  >■  !»a  t  i  -  rn  u-       _..  I '•  :i  .In.  C.fi    £  I 

virtritt.  Verlan,  nilosophi  ur  wirklichen  Well  menschlicher  Lebend 

.  inji  hersN  llt.  1'rteile  v 


29 l  James. 

Streit  müßig,  das  Problem  hinfällig.  Der  Pragmatismus  wendet  sich  dem 
Handeln  zu,  ist  also  aktivistisch.  Für  ihn  sind  Theorien  nur  „Werkzeuge", 
deren  Wert  in  ihrer  Leistung  („power  to  work")  liegt.  Indem  die  Theorien  zu 
neuen  Wahrheiten  und  zu  zweckmäßigem  Verhalten  führen,  unsere  Erkenntnis 
uud  unser  Leben  zweckvoll  beeinflussen,  sind  sie  pragmatistisch  „wahr",  d.  h. 
gut,  wertvoll,  brauchbar,  lebensfördernd.  Nach  der  „instrumentalen"  Wahrheits- 
theorie bedeutet  die  Wahrheit  der  Ideen  deren  „Arbeitswert".  Das  Wahre 
ist  das,  was  uns  „auf  dem  Wege  des  Denkens  vorwärts  bringt",  was  uns  von 
einem  Teile  der  Erfahrung  zu  anderen  führt,  was  sich  intellektuell  als  gut  er- 
weist, was  „uns  am  besten  führt,  was  für  jeden  Teil  des  Lebens  am  besten 
paßt,  was  sich  mit  der  Gesamtheit  der  Erfahrungen  am  besten  vereinigen  läßt". 
Wahre  Vorstellungen  sind  solche,  die  wir  verifizieren  können;  in  der  Bewahr- 
heitung, in  ihrer  sich  Geltend-Machung  selbst  ersteht  und  besteht  die  Wahrheit, 
die  also  wie  die  Wirklichkeit  nichts  Fertiges  ist.  Mit  der  Wirklichkeit  „über- 
einstimmen" wird  jede  Idee,  die  uns  dazu  verhilft,  „logisch  oder  praktisch  mit 
einer  bestimmten  Wirklichkeit  und  dem,  was  zu  ihr  gehört,  zu  operieren". 

Diesen  Pragmatismus  wendet  nun  J.  besonders  auf  die  Religion  an,  auch 
hier  den  Intellektualismus  und  Rationalismus  bekämpfend  und  sich  für  die 
Rechte  des  persönlichen  Erlebens  und  Fühlens  einsetzend.  Der  Glaube  (belief) 
ist  der  Wirklichkeitssinn  (sense  of  reality).  Ein  „Wille  zum  Glauben",  ein 
Glaubensbedürfnis  besteht.  „Wir  fordern  eine  Beschaffenheit  des  Universums, 
zu  der  unsere  Gefühlserregungen  und  Betätigungstriebe  passen."  Der  Glaube 
ist  eine  Bereitwilligkeit  zum  Handeln,  auch  wo  der  Ausgang  nicht  im  voraus 
garantiert  wird;  ein  Wagemut  ist  damit  verbunden,  der  auf  Erfolg  hofft,  den 
erst  die  Erfahrung  bewähren  kann.  Jeder  Glaube,  der  uns  wahrhaft  befriedigt, 
unser  Leben  fördert,  sich  in  der  Erfahrung  und  im  Handeln  bewährt,  ist  be- 
rechtigt, wertvoll.  Der  Glaube  an  eine  unsichtbare  Ordnung,  an  ein  göttliches, 
geistiges,  ewiges  Sein  ist  nicht  auszurotten;  er  selbst  ist  ein  Faktor  der  Ver- 
geistigung der  Welt.  Haben  wir  doch,  gemäß  dem  „Meliorismus",  die  Kraft, 
die  Welt  zu  verbessern,  die  noch  keineswegs  abgeschlossen,  sondern  im  Werden 
begriffen  ist.  Die  Religion  untersucht  J.  psychologisch  in  allen  ihren  Formen, 
auch  in  ihren  pathologischen.  Die  Wurzel  der  Religion  (=  die  Gesamtreaktion 
eines  Menschen  auf  das  Leben,  „a  mans  total  reaction  upon  life")  ist  das 
Gefühl.  Insbesondere  durch  seine  unterbewußten  Erlebnisse  (die  des  „sublimi- 
nalen  Ich")  steht  der  Mensch  in  Beziehung  zur  übersinnlichen  Welt,  zum 
Göttlichen.  Die  mystischen  Erlebnisse,  ja  auch  die  pathologischen  Visionen  usw. 
haben  für  den  Erlebenden  vollen  Wirklichkeits-  und  Wirkungswert,  ja  sie  können 
trotz  ihrer  Abnormität  ebensogut  auf  eine  Realität  außer  ihnen  hinweisen. 
Mindestens  aber  können  religiöse  Erlebnisse  auf  pragmatistische  Wahrheit  An- 
spruch machen,  wenn  sie  sich  eben  im  Leben  bewähren.  Die  Religion  ist 
..wahr",  wenn  sie  förderlich  ist.  Verschiedene  Arten  der  Religion  sind  möglich; 
gefordert  wird  nur,  daß  die  Kraft  jenseits  des  Menschen  eine  andere  und 
weitere  Ist  als  unser  bewußtes  Ich.  Es  braucht  diese  Kraft  nicht  unendlich 
and  nieht  vereinzelt  zu  sein,  eine  Vielheit  von  Ichen  (Geistern)  könnte  existieren, 
SO  daß  eine  Arl   ..Polytheismus"  gültig  wäre.    Die  Idee  eines  „spirituel  universe" 


James  —  Jäsche.  295 


aber  gehört  zu  jeder  Religion,  ebenso  die  Empfindung,  daß  wir  vom  Übel  er- 
löst werden,  indem  wir  mit  den  höheren  Mächten  in  Verbindung  treten. 

Während  die  Psychologie  vom  freien  Willen  abstrahiert,  postuliert  die 
Ethik  die  Willensfreiheit.  Diese  bedeutet  pragmatistisch  soviel,  „daß  in 
unserer  Welt  Neues  entsteht",  daß  die  Zukunft  nicht  eine  bloße  Wiederholung 
und  Nachahmung  der  Vergangenheit  sein  wird;  vielleicht  ist  die  Natur  nur 
annäherungsweise  gleichförmig.  Die  Wirklichkeit  verändert  sich,  sie  ist  nicht 
durch  die  früheren  Zustände  eindeutig  festgelegt.  Von  verschiedenen  Alter- 
nativen, zu  handeln,  ist  nicht  bloß  eine  möglich.  Das  Weltganze  wird  nicht 
durch  einen  Teil  desselben  gänzlich  bestimmt. 

Schriften:  The  Feeling  of  Effort,   1880.  —   What  is  an  Emotion,  Mind  IX,  1884. 

—  The  Physical  Basis  of  Emotion,  Psychol.  Review  I,  1899.  —  Principles  of  Psycho- 
logy,  1890.  —  Briefer  Course,  1892:  deutsch  (Psychologie)  1909.  —  Will  to  believe, 
1897;  deutsch  1899.  —  Human  Iramortality,  1898.  —  Talks  to  Teachers,  1899;  deutsch 
1900.    —   The  Varieties  of  Religious  Experience,   1902;    deutsch  von  AYohbermin,   1907. 

—  Pragmatism,  1907 ;  deutsch  von  W.  Jerusalem,  1908.  —  The  Pragmatist  account 
of  truth,  Philos.  Rev.  XVII  1908  u.  andere  Abhandlungen.  —  A  Pluralistic  Universe, 
1909;  deutsche  Übersetzung  in  Vorbereitung.  —  The  Meaning  of  Truth,  1909.  —  Vgl. 
HÖFFDIXG,  Moderne  Philosophen,  1905,  sowie  Aufsätze  von  GOLDSTEIX,  JERUSA- 
LEM u.  a. 

Janet,  Paul,  1823—1899,  Prof.  in  Straßburg,  dann  in  Paris  (Sorbonne). 
;=  J.  bekämpft  den  Materialismus  und  den  biologischen  Mechanismus.  Materie 
ohne  Kraft  ist  eine  Abstraktion.  Aus  der  Materie  kann  man  nur  etwas  er- 
klären, wenn  man  schon  Kraft  und  Geist  in  sie  hineingelegt  hat.  Ein  die 
Tatsachen  der  Naturwissenschaften  berücksichtigender  Spiritualismus,  welcher 
die  Geltung  von  Zweckursachen  im  Leben  und  Geiste  anerkennt,  ist  der 
richtige  Standpunkt.  Die  Seele  ist.  eine  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung 
stehende  immaterielle  Kraft. 

Schriften:  Histoire  de  la  philosophie  morale  et  politique,  1858;  3.  ed.  1887.  — 
Le  materialisnie  contemporain  en  Allemagne,  1864;  deutsch  186G.  —  Elements  de 
morale,  1869.  —  La  morale,  1874.  —  Les  causes  finales,  187  7.  —  La  philosophie 
francaise,   1879.  —  Principes  de  metaphysique  et  de  psychologie,  1897,  u.  a. 

Janet,  Pierre,  geb.  1859,  Prof.  in  Paris.  =  J.  hat  besonders  die  Er- 
scheinungen des  psychischen  „Automatismus",  des  ohne  Leitung  des  Ober- 
bewußtseins  sich  Vollziehens  psychischer  und  psychomotorischer  Akte  er- 
forscht. 

Schriften:  L'autoroatisme  psychologique,  1889.  —  Xevroses  et  idees  fixes, 
1898,  u.  a. 

Jäsche,  E.  -  Schriften:  Das  Grundgesetz  der  Wissenschaft,  1886.  — 
Grundz.  e.  allgem.  AVeltansch.,  1897.  —  Werden,  Sein  u.  Erscheinungsweise  d.  Bewußt- 
seins,  1887. 

Jäsclie,  Gottlieb  Benjamin,  geb.  17C2  in  Wartenberg  (Schlesien),  war 
Privatdozent  in  Königsberg  (von  1799  an)  und  (von  1802  an)  Prof.  in  Dorpat, 
gest.  1842.  =  Im  Auftrage  von  Kant  hat  .1.   dessen  Vorlesungen    über  Logis 

herausgegeben  (1800). 


296  J  Äsche  —  Jerusalem. 

Schriften:  Über  reinen  Naturalismus,  1790.  —  Versuch  eines  faßlichen  Grund- 
risses der  Rechts-  und  Pflichtenlehre,  1796.  (In  diesen  Schriften  ist  J.  strenger  Kan- 
tianer. Später  wurde  er  von  Jacobi  und  Fries  beeinflußt.)  —  Grundlinien  der  Moral- 
philosophie, 1804.  —  Grundlinien  der  Ethik,  1824.  —  Kurze  Darstellung  der  philos. 
Religionslehre,  1825.  —  Der  Pantheismus  nach  seinen  verschiedenen  Hauptformen,  182G 
— 32  (gegen  den  Pantheismus). 

Jastrow,  Joseph,   geb.   1863  in  Warschau,   Prof.   an  der   Universität   in 

Wisconsin.  =  Vertreter  der  experimentellen  Psychologie. 

Schriften  :  The  Time-Relations  of  Mental  Phenomena,  1870.  —  Psychology  of 
Intention,  Psychol.  Review  IV,  1898.  —  Fact  and  Fable  in  Psychology,  1901.  —  The 
Study  of  Religion,   1901.  —  La  subconscience,  1908,  u.   a. 

Jaures,  Jean,  geb.  1859  in  Castres.  =  Von  Kant  beeinflußter  Sozialist. 
Schriften:    De  la  realite  du  monde   sensible.    —   Idealisme  et  materialisme   dans 
la  conception  de  l'histoire  (mit  T.  Lafargue)  u.   a. 

Ibn  Badschah  s.  Avempace. 

Ibn  Gebirol  s.  Avicebron. 

Ibn  Roschd  s.  Averroes. 

Ibn  Sina  s.  Avicenna. 

Ibn  Topbail  s.  Abubacer. 

Idaios  von  Himera  hat  (nach  Sextus  Empiricus,  Adv.  Mathein.  IXT 
360)  wie  Anaximenes  die  Luft  als  Prinzip  der  Dinge  bestimmt. 

Jean  Panl  s.  Richter. 
Jebnda  ha-Levi  s.  Juda. 

Jenisch,  Daniel,  1762—1804,  Prediger,  dann  Gymnasialprofessor  in 
Berlin.  =  Gegner  Kants,  von  Jacobi  beeinflußt. 

Schriften:  Über  Grund  und  Wert  der  Entdeckungen  Kants  in  der  Metaphysik, 
Moral  und  Ästhetik,  1796.  —  Kritik  des  idealistischen  Religions-  und  Moralsystems, 
1804. 

Jentsch,  Carl,  geb.  1833  in  Landshut,  lebt  in  Neiße.  =  Sozialpolitischer 
Standpunkt,  Gegner  des  Selektionismus. 

Schriften:  Geschichtsphilos.  Gedanken,  1892;  2.  A.  1903.  —  Weder  Kommunis- 
mus noch  Kapitalismus,  1893.  —  Neue  Ziele,  neue  Wege,  1894.  —  A.  Smith,  1905.  — 
Sozialauslese,   1898.  —  Christentum  u.  Kirche,   1908,  u.  a. 

Jerusalem ,  Karl  Wilhelm,  Sohn  des  bekannten  Theologen  J.,  gest., 
1772  (durch  Selbstmord,  Vorbild  von  Goethes  „Werter").  Aus  seinem  Nach- 
lasse wurden  „Philosophische  Aufsätze"  (1776)  herausgegeben  (Über  Entstehung 
der  Sprache,  über  Freiheit,  u.  a.). 

Jerusalem,  Wilhelm,  geb.  1854  in  Drenic,  Reg.-Rat,  Privatdozent  und 
emer.  Gymnasialprofessor  in  Wien. 

J.  verlangt  von  der  Philosophie,  sie' solle  wie  die  Wissenschaft  akti- 
vistisch  sein,  dem  Leben  dienen  und  in  kritischer  Weise  —  als  kritischer 
Empirismus  und  kritischer  Realismus  —  der  Auffassung  des  gesunden  Menschen- 


Jerusalem.  297 

Verstandes  gerecht  werden.  Die  Metaphysik  ist  durchaus  zulässig.  J.  ist  ein 
entschiedener  Gegner  der  Richtung  Brentanos,  ferner  des  erkenntnistheoretischen 
Idealismus  (u.  Apriorismus)  und  der  „reinen"  Logik.  Er  bekennt  sich  zum  Psycho- 
logismus und  betont  überall  das  Genetische,  so  daß  seine  Philosophie  —  trotz 
ihrem  Dualismus  und  Theismus  —  einen  evolutionis tischen  Charakter  hat. 
Dies  zeigt  sich  zunächst  in  seiner  Psychologie.  Die  psychischen  Vorgänge 
sind  ein  reines,  substratloses  Geschehen  (Aktualismus),  welches  mit  dem  phy- 
sischen in  Wechselwirkung  steht.  Die  biologische  Auffassung  des  Seelen- 
lebens berücksichtigt  überall  die  Bedeutung  der  psychischen  Vorgänge  für  die 
Lebenserhaltung,  so  in  der  Theorie  der  Aufmerksamkeit,  der  Gefühle,  der 
..typischen  Vorstellung"  usw.  Die  Psychologie  muß  die  Rolle  von  Gefühl  und 
AVillen  beachten,  also  voluntaristisch  (im  weiteren  Sinne)  sein.  Neben  der 
Assoziation  ist  die  Aktivität  des  Denkens  und  Wollen s  zu  berücksichtigen. 
J.  nähert  sich  in  psychologischer  Beziehung  besonders  Ebbinghaus,  Höffding 
und  Wundt. 

Die  Logik  faßt  J.  (gegen  Husserl,  Cohen  u.  a.)  psychologisch,  biologisch, 
genetisch,  empiristisch,  pragmatisch  auf.  Die  Aufgabe  der  Logik  ist  die  „Er- 
forschung der  allgemeinen  Bedingungen  objektiver  Gewißheit  und  Wahrschein- 
lichkeit". Sie  hat  zu  untersuchen,  „wieviel  allgemeine  und  bewährte  Erfahrung 
in  jeder  einzelnen  Erfahrung  enthalten  ist"'.  Sie  hat  keine  apriorischen  Ge- 
setze aufzustellen,  denn  nur  das  in  der  Erfahrung  Bewährte  hat  logische 
Gültigkeit.  Auch  die  Denkgesetze  sind  empirischen  Ursprungs.  Eine  wichtige 
Rolle  spielt  (wie  nach  Mach)  das  Prinzip  der  Denkökonomie.  Absolute  Wahr- 
heiten, ..Wahrheiten  an  sich"  gibt  es  nicht,  Wahrheit  selbst  ist  schon  eine 
Beziehung  zwischen  zwei  Seiten  des  Urteils.  L^rsprünglich  ist  ein  Urteil  wahr, 
wenn  es  „zweckentsprechende  Maßnahmen  zur  Folge  hat".  Wahrheit  heißt 
hier  also  „Förderlichkeit  der  Maßnahmen".  Die  Überzeugung  befestigt  sich 
(beim  „Urteilen  auf  Vorrat"),  daß  die  Verwertbarkeit  der  Urteile  wächst,  je 
mehr  sie  den  Tatsachen  entsprechen,  d.  h.  wenn  die  in  ihnen  vorgenommene 
Formung  und  Objektivierung  den  wirklichen  Vorgängen  so  entspricht ,  daß 
Voraussagen,  die  sich  auf  diese  Urteile  stützen,  tatsächlich  eintreffen.  J.  be- 
kennt sich  ausdrücklich  zum  Pragmatismus  (vgl.  James).  Daneben  ist 
auch  der  soziale  Faktor  der  Wahrheit  und  des  Erkennens  zu  berücksichtigen 
(„Soziale  Verdichtung"  usw.). 

J.  gibt  eine  „Introjektionstheorie"  des  Urteils.  Das  Urteil  ist  keine 
Assoziation,  sondern  ein  abschließender  Akt,  dessen  Funktion  ein  Gliedern. 
Formen,  Objektivieren  ist,  eine  Deutung  des  Wahrgenommenen  nach  unseren 
eigenen  Willenserlebnissen  (vgl.  G.  Gerber).  Im  Urteil  wird  der  Vorstellungs- 
inhalt „als  etwas  Selbständiges,  von  mir  unabhängig  Existierendes*'  hingestellt: 
er  wird  zu  einem  „Kraftzentruni",  welches  nach  Analogie  unserer  eigenen 
Willenshandlungen  wirksam  ist.  Die  Urteilsfunktion  ist  die  sprachlich  formu- 
lierte „fundamentale  Apperzeption",  vermöge  der  wir  unseren  eigenen  Willen 
in  die  Dinge  hineinlegen  und  sie  als  Subjekte  wie  wir  deuten.  Aus  der  Lrteils- 
funktion gehen  unsere  Denkmittel  und  Erkenntnisformen  hervor,  immer  aber 
auf  Grund  der  Erfahrung,    auf    der    sogar    die    Mathematik    beruht.      In    sym- 


298  Jerusalem  —  Jevoxs. 


bolischer  Weise  erkennen  wir  vermittelst  des  Urteils  die  Eigenschaften  und 
Relationen  der  Dinge  selbst,  die  nicht  bloß  Erscheinungen  sind,  sondern  un- 
abhängig von  uns  existieren.  Der  Idealismus  ist  eine  „Hypertrophie"  des  Er- 
kenntnistriebes, der,  aus  biologischen  Wurzeln  erwachsend,  zum  funktionellen 
Bedürfnis  wird;  er  ist  unhaltbar,  schon  wegen  der  Unmöglichkeit,  das  fremde 
Ich  und  Bewußtsein  als  Inhalt  meines,  des  Erkennenden,  Bewußtseins  anzu- 
sehen (gegen  K.  Heim  u.  a.). 

Die  Ethik  muß  die  Entwicklung  der  sittlichen  Anschauungen  unter- 
suchen, ferner  psychologische  Analyse  treiben  und  endlich  Normen  aufstellen 
(als  „Philosophie  des  Wollens").  Die  moralische  Beurteilung  ist  „die  Wert- 
schätzung einer  sozial  bedeutsamen  Leistung",  wobei  allmählich  die  Gesinnung 
in  den  Vordergrund  rückt,  Der  Gesamtwille  hat  die  Förderung  des  Gemein- 
wesens zum  Ziel.  Neben  dem  „sozialen"  gibt  es  ein  „individuelles"  Gewissen: 
ersteres  geht  auf  die  „Menschenpflicht",  letzteres  auf  die  „Menschenwürde". 
Gegenstand  der  Soziologie  ist  „die  zur  Einheit  zusammengeschlossene  Menschen- 
gruppe". Die  Ästhetik  muß  genetisch  und  biologisch  sein.  Das  ästhetische 
Genießen  ist  eine  Art  von  „Funktionslust",  d.  h.  „eine  Freude,  die  aus  der 
Betätigung  verschiedener  psychischer  Funktionen  hervorgeht".  Schön  ist  alles, 
was  unsere  ästhetische  Funktionslust  auszulösen  geeignet  ist  (vgl.  Döring). 
Oft  ist  die  Schönheit  nicht  bloß  Ursache,  sondern  Wirkung  der  Liebe  zum 
Gegenstand.  Wie  alles  Erkennen  und  Deuten  beruht  auch  die  Religion  auf 
der  Urteilsfunktion  und  fundamentalen  Apperzeption,  und  zwar  in  deren  An- 
wendung auf  das  Weltganze.  Gott  wird  uns  dann  zum  Subjekt,  dessen  Prä- 
dikat die  Welt  ist,  zum  unendlichen  AVillen,  dessen  Kraftäußerung  eine  konstante 
ist.  „Dieser  mächtige  Wille  ist  der  Urgrund  für  Materie  und  Geist,  die  Natur- 
gesetze sind  seine  Gesetze,  er  hat  sie  gegeben,  wie  der  Psalmist  sagt,  und  er 
selbst  bricht  sie  nicht." 

Schriften:  Zur  Reform  des  Unterrichts  in  der  philos.  Propädeutik,  1885.  — 
Über  psychol.  Sprachbetrachtung,  1886.  —  Laura  Bridgman,  1890;  2.  A.  1891.  — 
Grillparzers  Welt-  und  Lebensnnsehauung,  1891.  —  Die  Urteilsfunktion,  1895.  —  Die 
Psychologie  im  Dienste  der  Grammatik  und  Interpretation,  1896.  —  Glaube  und  Urteil, 
Yierleljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  Ed.  18.  —  Über  psychol.  u.  log.  Urteilstheorien, 
1.  c.  Bd.  21.  —  Ein  Beispiel  von  Assoziation  durch  unbewußte  Mittelglieder,  Philos. 
Studien,  Bd.  X.  —  Die  Aufgaben  des  Mittelschullehrers,  1903;  2.  A.  1911.  —  Lehr- 
buch der  Psychologie,  4.  A.  1907.  —  Einleitung  in  die  Philosophie,  4.  A.  1909.  — 
Gedanken  und  Denker,    1905.    —   Der  kritische   Idealismus   und  die  reine  Logik,   1905. 

—  Kants  Bedeutung  für  die  Gegenwart,   1904.    —  Wege  u.  Ziele  d.  Ästhetik,   1906.  — 
Unsere  Mittelschule,    1907.    —     Soziologie    des    Erkennens,    Zukunft  Nr.   33,   1909,  u.  a. 

—  Vgl.   L.  EGGER,   D.  Problem   d.   Urteilsfunktion,    1896  —  98. 

Jensen,    Paul  Wilhelm.    —    Hegelianer.    —    Schriften:    Beiträge  zur  Er- 
kenntnis des  psychischen  Lebens,   1831.   —  Versuch  einer  wissenschaftl.  Begründung  der 
rchologie,  1855. 

Jevons,     W.    Stanley,     geb.    1835    in    Liverpool,     Prof.    in    Manchester 

und    London,    gest.    1882.    =    J.    ist    ein    Schüler    Booles    und  Vertreter  der 
„symbolischen*'  Logik.      Die  Logik  ist  die  „Wissenschaft  von  den  notwendigen 


Jevons  —  Jodl.  299 


Formen  des  Denkens".  J.  vertritt  die  Identitätstheorie  des  Urteils;  dieses  be- 
steht in  der  Vergleichung  zweier  Vorstellungen  oder  Begriffe.  ..Propositions 
may  assert  an  identity  of  time,  space,  manner,  quantity,  degree,  or  any  other 
oircumstance  in  which  things  may  agree  or  differ.'*  Der  Schluß  beruht  auf 
der  „Substitution  des  Ähnlichen'*'  (Substitution  of  similars). 

Schriften:  Pure  Logic,  1864.  —  The  Substitution  of  Similars,  1869.  —  Ele- 
mentar} Lessons  in  Logic,  1870:  deutsch  1906.  —  Primer  of  Logic,  1878.  —  The 
Principles  of  Science,  2.  ed.  1877.  —  Studies  in  Deductive  Logic,  1880.  —  Methods 
of  Social  Reform,   1883. 

Jezirab  s.  Kabbala. 

Hierin;;.  Rudolf  von,  geb.  181S  in  Aurich,  Prof.  in  Göitingen.  gest.  1892. 

J.s  Rechtslehre  ist  sozial-teleo  logisch  („utilitaristisch"):  Der  Zweck 
ist  der  Quell  des  Rechtes.  Das  Recht  ist  ..das  System  der  durch  Zwang  ge- 
sicherten sozialen  Zwecke".  Es  ist  „disziplinierte  Gewalt-'.  Es  gibt  kein 
Xaturrecht.  alles  Recht  ist  durch  den  Staat  bedingt,  durch  die  „Organisation 
<les  sozialen  Zwanges11.  Der  Staat  ist  die  Gesellschaft  selber  als  Inhaberin  der 
organisierten  Zwangsgewalt.  Endzweck  von  Recht  und  Staat  ist  die  „Her- 
stellung und  Sicherung  der  Lebensbedingungen  der  Gesellschaft".  Um  sein 
Recht  zu  kämpfen  ist  Pflicht  (wie  schon  Kant.  Fichte  u.  a.).  Die  Sitte  ist 
die  „im  Leben  des  Volkes  sich  bildende  verpflichtende  Gewohnheit".  Sie  ent- 
halt das  Moment  des  sozial  Verpflichtenden,  ist  die  als  richtig  und  notwendig- 
erprobte  Ordnung  des  Volkslebens.  Auch  die  Sittlichkeit  hat  sozialen  Ur- 
sprung und  Zweck;  sie  ist  der  ..Egoismus  der  Gesellschaft",  ihre  Normen  sind 
„gesellschaftliche  Imperative"  und  haben  die  Wohlfahrt  der  Gesellschaft  zum 
Zweck  (Sozial-Utilitarismus). 

Schriften:  Der  Geist  des  römischen  Rechts,  6.  A.  1894  f.  —  Der  Zweck  im 
Recht.   1877  f.:  4.  A.   1894—95.  —  Der  Kampf  ums  Eecht,   1872,  1910. 

Jodl.  Friedrich,  geb.  1849  in  München,  1885  Prof.  in  Prag,  1896  in  Wien. 

J..  der  von  J.  St.  Mill,  Spencer,  Feuerbach.  Comte  beeinflußt  ist,  vertritt 
den  Positivismus  in  dem  Sinne,  daß  wir  nach  ihm  nur  soweit  erkennen 
können,  als  die  Erfahrung  reicht,  also  nicht  das  Transzendente,  so  daß  Meta- 
physik als  Wissenschaft  nicht  möglich  ist.  Mit  diesem  Positivismus,  den  ,T. 
auch  in  der  Ethik  festhält,  verbindet  sich  ein  praktisch-sittlicher  I de  alism  us  . 
der  an  eine  Verwirklichung  menschlicher  Ideale  glaubt  (ähnlich  Feuerbach, 
Comte).  In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  steht  .7.  zum  Teil  A.  Riehl 
nahe;  er  ist  kritischer  Realist,  hält  unsere  Anschauungs-  und  Denkformen 
für  bedingt  durch  die  Verhältnisse  der  Dinge  selbst,  welche  uns  im  Physischen 
wie  im  Psychischen  erscheinen. 

Die  Ethik  muß  nach  Jodl  unabhängig  von  Religion.  Metaphysik  und 
Politik  begründet  werden.  Es  ist  dies  im  Sinne  der  „Gesellschaft  für  ethische 
Kultur"  gesprochen,  zu  deren  energischen  Vorkämpfern  J.  gehört.  Der  Be- 
griff der  Humanität,  welcher  eine  Erweiterung  des  Ichs  zum  Selbst  der  Mensch- 
heit fordert,  tritt  hier  in  den  Vordergrund  und  macht  alle  Appellationen  an 
transzendente    Machte    und    an    ein  Jenseits    unnötig,   ohne  daß   jemandem  der 


300  Jodl. 

Glaube,  der  ihn  befriedigt,  genommen  werden  soll.  Die  Ethik  der  Wissen- 
schaft hat  zwei  Hauptaufgaben  :  erstens  die  Beantwortung  der  Frage,  was  ist 
sittlich,  das  Sittliche?  zweitens,  wie  entsteht  das  Sittliche?  Normen  sind 
durch  Idealisierung  der  sittlichen  Erfahrung  zu  gewinnen.  Das  Sittliche  ist 
einer  beständigen  Entwicklung  unterworfen,  das  bleibende  Wesen  dieser  aber 
ist  die  ..Abhängigkeit  von  einem  höheren  überpersönlichen  Willen"  (der  Ge- 
sellschaft, der  Menschheit). 

Die  Psychologie  J.s  ist  evolutionis tisch,  introspektiv  mit  Berücksichti- 
gung des  Physiologischen  und  besonders  des  Biologischen;  sie  steht  zwischen 
Asso/.iations-  und  Apperzeptionspsychologie  in  der  Mitte  und  ist  nicht  intellek- 
tualistisch,  sieht  vielmehr  im  Fühlen  und  Streben  einen  ursprünglichen  Faktor 
alles  Bewußtseins.  Wichtig  ist  bei  J.  die  Unterscheidung  zwischen  primären, 
sekundären  und  tertiären  Bewußtseinszuständen  (so  z.  B.  betreffs  des  Ichs).  Die 
P-yrhologie  ist  „die  Wissenschaft  von  den  Formen  und  Naturgesetzen  des 
normalen  Verlaufs  der  Bewußtseinserscheinungen,  welche  im  menschlich-tierischen 
<  Organismus  mit  den  Vorgängen  des  Lebens  und  der  Anpassung  des  Organis- 
mus an  die  ihn  umgebenden  Medien  verbunden  sind,  und  deren  Gesamtheit 
wir  als  seelische  (psychische)  Funktionen  oder  Prozesse  bezeichnen".  Alle 
psychischen  Vorgänge  sind  Bewußtseinsvorgänge,  ein  Unbewußtes  gibt  es  nur 
als  physiologisches,  als  „Zerebration".  Das  Bewußtsein  ist  eine  intermittierende 
Punktion  des  Lebens;  sein  allgemeinstes  Merkmal  ist  „die  Innerlichkeit  eines 
lebenden  Wesens,  welches  sich  in  der  Entgegensetzung  von  Objekt  und  Sub- 
jekt  oder  eines  Inhalts  und  des  auffassenden  Wesens  oder  seiner  Tätigkeit 
kundgibt."  Träger  des  Bewußtseins  ist  nicht  eine  immaterielle  Seele,  sondern 
der  lebende  Organismus. 

J.   ist  ein   Anhänger  der  Identitätstheorie   und   des    psychophysischen 
Parallelis mu8.    Das  Psychische  ist  das  innere,  subjektive  Erleben,  Selbstwahr- 
Dehmen  eines  neurologischen  Prozesses,  also  nicht  jedes  physischen  Geschehens; 
denn  das  Bewußtsein  tritt  nur  da  auf,  wo  die  Organisation  eines  Weltkörpers  die 
Bedingungen  dazu  geschaffen  hat  (doch  ist  J.  nicht  Materialist,  sondern  dürfte, 
d;i  er  das  ..Streben"  als  ein  Letztes,  Unableitbares  ansieht,  dem  Voluntarismus 
nahe    Btehen,    etwa   wie  Ribot).     Die  Theorie   der  psychophysischen  Wechsel- 
wirkung   widerspricht   den  Tatsachen    wie  den  methodischen  Grundforderungen 
des   Naturerkennens.      Psychisches   und    Physiologisches    sind  in  Wahrheit  nur 
Ausdrücke  für  denselben  Vorgang  in  verschiedenen  Sprachen.     Im  Bewußtsein, 
in  der  8elbetwahrnehmung  haben  wir  unmittelbar  das  Psychische  selbst;   von 
außen  gesehen,    finden    wir  nur  organische  Materie  mit  Bewegung,  an  die  sich 
immer    wieder    mir    Bewegung    schließt.      Der   Gesamtkomplex  der  durch  das 
Lei,,,,    und    seine    Reize    ausgelösten    zerebralen    Vorgänge   eines    Individuums 
id    vou    diesem    zugleich    als  Subjekt  in    innerer  Wahrnehmung   erlebt.     Die 
I   der  einheitliche  Zusammenhang  des  psychischen  Erlebens   selbst,   die 
Ubensfunktion  eines  Organismus.  —  Die  Einzelheiten  der  J.schen  Psychologie, 
welche   reich  an    Analysen    und    genetischen    Erklärungen   (z.  B.  des  Gefühls- 
können  hier  oichi  zur  Darstellung  gelangen.. 
kkriften:     Loben    und    Philosophie  1).  Humes,    1872.    —    Die    Kulturgeschichts- 


.TODL   —   JofiL.  H01 

Schreibung,  1878.  —  On  the  Origin  and  Import  of  the  ldea  of  Causality,  Monist  VI 
—  Geschichte  der  Ethik  in  der  neuern  Philosophie,  1882  f.;  2.  A.  1906  f.  —  Volks- 
wirtschaftslehre und  Ethik,  1886.  —  Religion,  Moral  und  Schule,  1892.  —  Über  das 
Wesen  des  Xaturrechts,  1893.  —  Wesen  und  Ziele  der  ethischen  Bewegung,  1893.  — 
Was  heißt  ethische  Kultur:  1894.  —  Lehrbuch  der  Psychologie,  1896;  3.  A.  1909.  — 
Über  das  Wesen  und  die  Aufgabe  der  ethischen  Gesellschaft,  1903.  —  Ludwig  Feuer- 
bach, 1904  (Frommana  Klassiker  der  Philos.).  —  Was  heißt  Bildung:  1909.  —  Aus 
der  Werkstatt  der  Philosophie,   1911.  u.  a. 

Joel.  Karl,  geb.  1864  in  Hirschberg,  Prof.  in  Basel. 

J.,  der  als  Historiker  der  Philosophie  Hervorragendes  geleistet  hat,  ist  in 
seinem  eigenen  Denken  durch  die  Mystik  und  Romantik  beeinflußt  und  zeigt 
manche  Verwandtschaft  mit  Anschauungen,  wie  sie  Kant,  Fichte,  Scheüing, 
Nietzsche,  Bergson  u.  a.  hegen,  indem  er  eine  aktivistische  Lebensauf- 
fassung vertritt.  Die  Naturphilosophie  stammt  nach  J.  nicht  aus  dem 
Mythus,  Bondern  aus  der  Mystik,  aus  dem  Gefühl.  „Man  entdeckte  die  Natur, 
indem  man  Gott  in  ihr  suchte."  Das  Gefühl  ist  werdende,  undifferenzierte 
Erkenntnis;  es  schlägt  die  Brücken  zwischen  Subjekt  und  Objekt.  Alle  Mystik 
stammt  ans  einem  gesteigerten  Lebensgefühl,  aus  dem  ., Totalgefühl",  dem  Ge- 
fühl des  Unendlichen,  in  welchem  Gott  und  AVeit  eins  sind,  alles  ein  Leben, 
eine  Seele,  Gott  selbst  ist. 

Die  Kausalität  ist  nach  J.  nicht  etwas,  was  an  sich  besteht;  zu  Ursache 
und  Wirkung  wird  ein  Geschehen  erst  in  bezug  auf  unsere  Zwecke.  Der 
Kausalsatz  verurteilt  die  Welt  nicht  zur  ewigen  Gebundenheit  und  Unfreiheit. 
Der  Mechanismus  und  Determinismus  ist  etwas  Sekundäres;  die  Kausalität 
gilt,  aber  nur  als  Erkenntnisgesetz.  An  sich  ist  die  Welt  weder  frei  noch 
notwendig.  Freiheit  und  Notwendigkeit  gelten  nicht  als  Tatsachen,  sondern 
als  Werte,  als  praktische  Begriffe.  Die  Materialität  und  der  Mechanismus  der 
Welt  besteht  nur  in  bezug  auf  die  Zwecke  unseres  Handelns,  stehen  im 
Dienste  desselben.  „Weil  wir  wirken  wollen,  Wirkungen  suchen,  müssen  wir 
Ursachen  sitzen.  Der  Wille  setzt  Zwecke,  und  damit  ist  die  Kausalität  ge- 
geben." Teleologie  und  Mechanismus  bedingen  sich  gegenseitig ;  der  Mecha- 
nist erklärt  aus  Bütteln,  der  Teleologe  aus  Zwecken.  Ohne  „Perspektive" 
gibt  es  keine  Kausalität,  die  also  schon  durch  den  Willen  (zum  Wirken)  be- 
dingt ist  .Wir  ers!  machen  die  Dinge  zu  alledem.  Und  darum  Bage  ich,  die 
Kausalität  ist  praktisch";  sie  isl  eine  Sache  des  Betrachtene  and  des  Wirkens. 
Die  Theorie  Belbsl  isl  praktisch,  die  Kausalität  ein  Anthropomorphismus.  Die 
Kausalität  liegt  im  Denken  und  im  Willen.  ..Durch  den  Willen  allein  .  .  . 
wird  die  Spannung  erlebt  zwischen  Ursache  nnd  Wirkung."  „Unser  Wille  ist 
das  Freie,  das  Selbständige,  Wirksame  in  uns.  dosen  Wesen  es  ist,  Wirkungen 
zu  setzen,  also  Abhängiges,  Bedingtes,  Notwendiges  hervorzubringen.  Der 
Wille  kann  gar  aichta  anderes  als  causa  Bein.  Er  ist  das  Aktive  als  solches, 
das  als  seine  Folie,  sein  Gegenüber,  seüi  Objekt  das  Passive  fordert,  das  Ab- 
hängige.•■  ...\u-  unserer  Freiheit,  d.  li.  aus  unserem  Willen  Betzen  wir  Not 
wendigkeiten."  »Wir  wollen  wirken  und  damit  werden  die  Erscheinungen 
Passiva  für  unsere  Aktionen.     Wir  Fühlen  uns  als  Subjekt,  Person j  Kraft,  und 


JofiL  —  Johannes. 

•       -  : 


dadurch  werden  sie  Objekte,  Dinge,  Stoffe.''  Nach  der  von  uns  erlebten  Frei- 
heit und  Notwendigkeit  deuten  wir  die  Objekte.  Das  Körperliche  ist  das 
Beharreode,  der  Geist  (das  Bewußtsein)  ist  „das  Variierende,  Individuali- 
sierende". 

Freie  und  gebundene,  gehemmte,  erstarrte,  mechanisierte,  einseitig  ge- 
wordene Aktivität  —  das  ist's,  was  den  Determinismus  und  Indeterminismus 
zu  höherer  Einheit  verbindet,  die  Bindung  des  Willens  anerkennen  und  ihn 
doch  als  seinem  Wesen  nach  frei  bestimmen  läßt.  „Die  Kausalität  fordert  die 
Freiheit"  Leiden  ist  nur  gehemmtes  Wirken.  Das  Ich,  das  Subjekt,  der 
Wille  ist  das  Freie  als  solche;  Motive  sind  schon  Momente  des  Wollens, 
durch  die  er  sich  selbst  determiniert,  bindet.  Das  Unfreie  ist  das  Willenlose, 
ist  Willenseinseitigkeit,  Willenshemmung.  Die  Gesetze  sind  nicht  selbständige 
.Mächte,  sondern  Ausdruck  unseres  Handelns.  Die  Freiheit  lebt  nur  in  immer 
neuen  Akten  der  Befreiung,  durch  „Überwindung  der  Konstanz".  Sie  ist  zu- 
gleich (innere)  Notwendigkeit  als  Eigengesetzlichkeit.  „In  Freiheit  dem  Ganzen 
dit-nen,  das  ist  das  Höchste." 

Schriften:  Zur  Erkenntnis  der  geistigen  Entwicklung  u.  d.  schriftstellerischen 
Motive  Piatons,  1887.  —  Zur  Gesch.  d.  Zahlprinzipien  in  d-  Griech.  Philos.,  1890.  — 
D.  Zukunft  d.  Philosophie,  1893.  —  Der  echte  und  der  Xenophontische  Sokrates,  1893 
— 1901.  —  Philosophenwege.  1901.  —  Der  Ursprung  der  Naturphilosophie  aus  dem 
Geiste  der  Mystik,  1906.  —  Nietzsche  und  die  Romantik,  1905.  —  Der  freie  Wille, 
1908,  u.  a. 

Johannes  Avendeath  s.  Avendeath. 

Johannes  Capreolus,  geb.  1380  in  Kodez,  Dominikaner,  studierte 
und  lehrte  in  Paris,  lebte  seit  1426  in  Eodez.  wo  er  1444  starb.  =  Hauptver- 
teidiger  des  Thomismus  im  15.  Jahrhundert. 

Schriften:  Commentarii  in  IV  lihros  sententiarum,  1483.  —  Dcfensiones  theo- 
logiae  divi  Thomae,  neu  herausgegeben  1899.  —  Vgl.  Pegtjes,  Revue  thomiste  1899 
—  1900. 

Johannes  Oharlier  s.  Gerson. 

Johannes  Damascenus,  geb.  in  Damaskus,  Mönch,  gest.  um  754.  = 
.1..  dessen  Werk  auf  die  Scholastiker  von  Einfluß  war  und  das  noch  heute 
im  Morgenlande  geschätzt  wird,  gibt  in  seinem  Werke  eine  Darstellung  der 
Dogmen  des  Christentums,  wobei  er  von  der  Aristotelischen  Logik  und  Onto- 
logie  (  k  brauch  macht. 

Schriften:  Sein  Hauptwerk  ist  „Quelle  der  Erkenntnis"  (nrjyrj  yvdiöscog).  — 
J.   Damasceni  Opera,   1577,   1712,   1748.  —  Vgl.  J.  LANGEN,  J.  v.  Damascus,  1879. 

Johannes  Duns  Scotus  s.  Duns  Scotus. 
Johannes  Fidanza  s.  Bonaventura. 
Johannes  Sispanns  s.  Avendeath. 

Johannes   Jtalus,  gegen    Ende  des  11.  Jahrh.  in  Byzanz,  Nachfolger 
Michael  I 'sei  los. 

ifton:     Kommentare  zu  Schriften  des  Aristoteles.    —   Vgl.  PRANTL,    Gesch. 
der  Logik  IK  S01  f. 


Johannes,  303 

Johannes  Philoponos  (Grammaticus)  aus  Alexandrien ,  um  550, 
Schüler  des  Neuplatonikers  Ammonius  Hermiae,  zur  Partei  der  Monophysiten 
gehörend.  =  P.  verbindet  Platonische  mit  Aristotelischen  Anschauungen.  Die 
Ideen  faßt  er  als  schöpferische  Gedanken  Gottes  auf,  welche  als  Urbilder  vor 
ihren  Abbildern  existieren.  Anderseits  lehrt  er  die  Substantialität  der  Indi- 
viduen; durch  die  Anwendung  dieser  Lehre  auf  die  Dreieinigkeit  zog  er  sich 
den  Vorwurf  des  Tritheismus  zu.  Die  Wiederbringung  der  Dinge  ist  eine 
Neuschöpfung. 

Schriften:  Kommentare  zu  Aristoteles  (vgl.  die  Kommentaren- Ausgabe  der  Ber- 
liner Akademie,  1887  ff.).  —  Adversus  Procli  Diadochi  pro  aeternitate  mundi  argumenta, 
1535,   1557,   1899.  —  De  opificio  mundi,  ed.  Keichardt,   1897. 

Johannes  Saresberiensis  (von  Salesbury),  geb.  um  1110 — 1120, 
studierte  in  Frankreich,  wo  er  ein  Schüler  Abälards,  des  Wilhelm  von  Conches. 
des  Gilbert  de  la  Porree  u.  a.  war,  wurde  Sekretär  des  Erzbischofs  Theobakl 
von  Canterbury,  1176  Bischof  von  Chartres,  gest.  1180. 

J.s  Schrift  „Metalogicus"  ist  wichtig  wegen  der  Angaben  über  die  zeit- 
genössische Logik,  namentlich  über  den  Universalienstreit.  J.  selbst  neigt  am 
meisten  der  gemäßigt  realistischen  Ansicht  zu,  wonach  die  Universalien  (Gattung, 
Art)  den  Dingen  selbst  als  Formen  oder  Qualitäten  immanent  sind  und  durch 
den  abstrahierenden  Verstand  herausgehoben  werden.  Auf  Spitzfindigkeiten 
kommt  es  nach  J.  nicht  an,  er  betont  den  praktisch-ethischen  Zweck  der  Philo- 
sophie (Wahrheit  und  Gottesliebe).    Gott  lebt  in  uns  und  erleuchtet  uns. 

Schriften:  Policraticus  sive  de  nugis  curialium  et  vestigiis  philosophorum  (um 
1160  entstanden),  1513,  1909.  —  Metalogicus,  1610.  —  Entheticus,  1843.  —  Opera,  1848. 
-  Migne,  Patrolog.  Bd.  199.  —  Vgl.  C.  SCHAARSCHMIDT,  J.  S.,  1862.  —  PräNTL. 
Gesch.  d.  Lo^ik  II. 

Johannes  Scotus  (der  Schotte)  Eriugena  (der  Irländer),  ein  in  Irland 
(welches  damals  „Scotia  maiort'  hieß)  um  810  geborener  Schotte,  studierte  in 
Irland,  verstand  lateinisch  und  griechisch,  ging  (um  840)  an  den  Hof  Karls 
des  Kahlen  von  Frankreich  nach  Paris,  wo  er  Lehrer  an  der  Hofschule  wurde 
und  die  Schriften  des  Dionysius  Areopagita  (Pseudo-Dionysius)  und  dessen 
Kommentators  Maximus  Confessor  ins  Lateinische  übersetzte.  Gegen  den  Mönch 
Gottschalk  schrieb  er  eine  Abhandlung  „De  divina  praedestinatione",  wegen 
welcher  er  als  Ketzer  verdächtigt  wurde.    Er  starb  um  877. 

,T.  ist  in  seinen  Lehren  wesentlich  durch  Dionysius  Areopagita  und  Maxim ua 
Confessor  beeinflußt,  damit  also  auch  von  Plato,  dem  Neuplatonismus,  Augustinus, 
zum  Teil  auch  von  Aristoteles.  Seine  Lehre  ist  der  Versuch  einer  Verschmelzung 
des  neuplatonischen  Emanationssystems  mit  dem  christlichen  Schöpfungs- 
gedanken und  der  Trinitätslehre,  wobei  eine  Art  Panentheismus,  in  welchem 
Mystik  und  Dialektik  vereinigt  sind,  herauskommt.  Die  Autorität  der  Heiligen 
Schrift  und  die  der  Kirchenväter  ist  ihm  maßgebend,  weil  er  hier  <ine  Offen- 
barung der  Vernunft  sieht,  die  bei  Widersprüchen  stets  den  Vorrang  hat;  denn 
die  Autorität  erfließt  aus  der  Vernunft,  nicht  umgekehrt.  Wahre  Philosophie 
und  wahre  Religion  sind  identisch  (,,veram  esse  philosophiam  veram  religionem"). 
Die  Philosophie  ist  „sapientiae  Studium"  und   zerfällt  in   praktische,  physische, 


Johannes. 

theologische,  logische  Wissenschaft.  Wie  Pseudo-Dionysius  unterscheidet  J. 
positive  und  negative  Theologie;  letztere  hat  den  Vorrang,  da  Gott  über  alles, 
was  man  von  ihm  aussagen  kann,  erhaben  ist. 

Das  Allgemeine  ist  nach  J.  real,  als  Idee  vor  den  Dingen  und  als  Essenz 
in  den  Dingen.  Die  Dialektik  als  die  Lehre  von  den  allgemeinen  Begriffen 
und  Wesenheiten  geht  von  den  Gattungen  zu  den  Arten  und  von  diesen  wieder 
/u  den  Gattungen  („ars  illa,  quae  dividit  genera  in  species  et  species  in  genera 
resolvit").  Die  Kategorien  stehen  untereinander  in  Beziehung,  wobei  die 
Substanz  (ovoca)  die  Grundlage  der  anderen  ist.  Keine  Kategorie  vermag  das 
Wesen  Gottes  auszudrücken.  Zur  Erkenntnis  gelangt  man  durch  vier  Methoden: 
Einteilung  {diaiQeTixrf),  Definition  (ögiOTixrj),  Beweis  (äjiodetxTixrj),  Analyse 
{avahnatrj).  Unter  „Analyse"  versteht  J.  auch  den  Prozeß  („processio")  der  Ent- 
faltung der  Welt  aus  Gott  mittels  der  Ideen. 

Es  gibt  eine  vierfache  Natur,  wobei  J.  unter  „natura"  sowohl  das  Ge- 
schaffene als  auch  das  Schöpferische  versteht:  1.  die  schaffende,  nicht  ge- 
schaffene Natur  („quae  creat  et  non  creatur"),  2.  die  geschaffene  und  schaffende, 
3.  die  geschaffene,  nicht  schaffende,  4.  die  nicht  geschaffene  und  nicht 
schaffende  (De  div.  nat.  I,  1).  Die  erste  und  die  letzte  Natur  sind  eins,  näm- 
lich Gott  als  Ursprung  und  als  Ziel  des  Seins.  Die  zweite  Natur  ist  der  In- 
begriff der  Ideen  in  Gott  als  Urbilder  der  Dinge,  die  dritte  die  raum-zeitliche 
Welt. 

Die  oberste  Natur  ist  Gott  als  Urgrund  der  Dinge,  die  aus  ihm  emanieren 
und  wieder  zu  ihm  zurückstreben.  Gott  ist  das  Wesen  (essentia),  die  Subsistenz, 
das  wahre  Sein  der  Dinge,  er  ist  alles  („omnia  universaliter  est")  und  doch 
nichts  von  allem,  sondern  über  das  Sein  erhaben  („super  ipsum  esse"),  die 
Einheit  des  Alls,  die  Gesamtheit  desselben  („universitas",  xo  näv,  „totum  omnium", 
, .omnia  in  omnibus"),  aber  zugleich  einfach,  unvermischt,  in  jedem  Dinge  ganz 
(„tota  enim  in  singulis  est  in  se  ipsa"),  immanent  und  transzendent.  Gott  ist 
in  allem,  alles  ist  in  und  aus  Gott,  der  sich  in  den  Dingen  manifestiert  und 
sie  doch  überragt  („In  Deo  immutabiliter  et  essen tialiter  sunt  omnia."  „Nam 
-I  «reatura  in  Deo  est  subsistens,  et  Deus  in  creatura  mirabili  et  ineffabili  modo 
<reatur,  se  ipsum  manifestans").  Gott,  der  eins  und  dreieinig  ist  (seine  Weis- 
heit ist  der  Sohn,  sein  Leben  der  heilige  Geist),  ist  der  Urgrund  der  Dinge 
(„principalifi  causa  omnium,  quae  ex  ipso  et  per  ipsum  facta  sunt"),  Ursache,  Mittel 
and  Zweck  zugleich.  Gott  weiß  sich  nicht  durch  Begriffe,  sondern  nichtwissend, 
weil  er  überseiend  {vTiegovatog)  ist.  („Nescit  igitur,  quid  ipse  est,  h.  e.  nescit 
se  <)in(l  esse".)  Gott  manifestiert  sich  in  seiner  Schöpfung,  ja  er  ist  nicht  vor 
dieser  („Dens  non  erat  prius,  quam  omnia  faceret"). 

All»-    Geschaffene   ist   eine    Selbstoffenbarung   Gottes,    eine  Theophanie 

Ulis  visibilis  et  invisibilis  creatura   theophania,  i.  e.  divina  apparitio  potest 

appellari").    Durch  die  Theophanien  wird  die  Existenz  Gottes  von  uns  erkannt. 

affl  alles  und  wird  dadurch  in  allem  („ipse  facit  omnia  et  fit  in  omni- 

I  Verborgenheit  hervortretend.    Gott  war  ewig  Schöpfer  („semper 

lie  Zeit  ist  erst  mit  der  Welt  entstanden.   Unmittelbar  geht  aus  Gott 

die  Well  der  Ideen  hervor,  die  intelligible,  ewiggeschaffene,  übersinnliche  Welt 


Johannes  —  Johnson.  305 


I  ..mundus  intelligibilis").  Die  Ideen  sind  die  schöpferischen  Urbilder  und 
Urgründe  der  Dinge  („causae  primordiales",  jiQcotörvjia  y.al  jigoogiofiaza,  fteTa 
OeUfiaxa,  „exempla"),  die  Formen,  welche  die  unwandelbaren  Gründe  der  Dinge 
(„immutabiles  rationes")  enthalten.  Die  Einheit  der  Ideen  ist  der  Logos.  Durch 
seinen  Willen  und  sein  Behauen  erschafft  nun  Gott  die  raum-zeitliche  Welt 
als  Abbild  der  Idealwelt  aus  Nichts  oder  aus  seinem  Wesen  heraus.  Er  selbst 
manifestiert  sich  in  der  Welt,  die  aus  ihm  vermittelst  der  Ideen  ewig  hervor- 
geht (processio)  und  in  der  er  ebenso  ist,  wie  sie  in  ihm  („Per  nihilum  .  .  .  intelligo 
ineffabilem  et  incomprehensibilem  divinae  naturae  inaccessibilemque  claritatem"). 
Gott  ist  in  die  Welt  hinabgestiegen  („per  condescensionem  quandam  ineffabilem 
in  ea,  quae  sunt,  prodit"),  hört  aber  nicht  auf,  über  alles  erhaben  zu  sein 
(„tarnen  super  omnia  esse  non  desinit").  Die  Körper  bestehen  aus  Form  und 
Materie,  bezw.  aus  vier  Elementen.  Sie  sind  (wie  nach  Gregor  von  Nyssa)  aus 
Intelligiblem,  aus  immateriellen  Qualitäten  zusammengesetzt  („ex  .  .  .  qualitatibus 
copulatis  corpora  sensibilia  conficiuntur" :  ..materies  ...  ex  incorporeis  quali- 
tatibus copulatur").  Der  Mensch  ist  ein  Mikrokosmus,  gleichsam  die  Zu- 
sammenfassung von  allem  („homo  veluti  omnium  conclusio").  Die  Seele  ist 
eine  einfache,  sich  selbst  denkende  Substanz,  welche  den  Körper  durchdringt, 
der  ihr  Abbild  ist.  Die  Seele  bewegt  den  Leib  und  ist  ganz  in  allen  ihren 
Funktionen.  Die  Erkenntnis  schwingt  sich  von  der  sinnlichen  Wahrnehmung 
über  die  Erfassung  der  Ideen  durch  die  Vernunft  zur  Schauung  Gottes  in  seiner 
Theophanie.  Das  Böse  existiert  nicht  in  Gott,  es  ist  unnatürlich,  beruht  nur 
auf  einer  Verkehrtheit  des  freien  Willens,  einer  Privation  des  Guten. 

Vermittelst  des  Logos  kommt  der  Mensch  zur  Vergottung  (decoaig,  dei- 
ficatio),  zur  Vereinigung  mit  Gott,  die  im  weiteren  Sinne  die  ganze  Welt  er- 
faßt, welche  zu  Gott,  ihrem  Quell,  zurückstrebt,  um  ewig  in  ihm  zu  ruhen  und 
mit  seinem  Wesen  eins  zu  sein.  Dann  wird  Gott  wahrhaft  alles  sein  („eritque 
tunc  Deus  omnia  in  omnibus",  ., omnia  convertentur  in  Deum").  Die  Rück- 
kehr in  Gott  erfolgt  auf  verschiedenen  Stufen  bis  zur  völligen  Ruhe  der  Well 
in  Gott. 

Die  Lehre  des  J.  S..   die   von  der  Kirche  verdammt  wurde,  hat  u.  a.  Da 
vid  von  Dinant  und  Arnalrich  von  Bennes  beeinflußt,   aber  auch  sonst  Einfluß 
ausgeübt. 

Schriften:  De  divina  praedestinatione,  1650.  — De  divisione  naturae  (Hauptwerk), 
1681,  1838,  18 53  (Migne  Patrolog.  Bd.  122),  deutsch  von  Noack,  1870  f.  (Philos.  Bibl.). 
—  Kommentar  zu  Martianus  Capella,  bei  Haureau,  Notices  et  extraits,  18C2.  —  Vgl. 
J.  HUBER,  J.  S.  E.,   18G1.  —  Trantl,  Gesch.  d.  Logik  II.  —  NOACK,  J.  S.  E.,  1876. 

Johannes  Stobaeus  s.  Stobaeus. 

Johnson,  Samuel,  amerikanischer  Philosoph,  1696 — 1772.  =  J.  ist  von 
Berkeley  beeinflußt;  die  Körper  bestehen  nach  ihm  aus  Vorstellun£sinhalten. 
Die  Aktivität  des  Bewußtseins  konstituiert  das  Ich.  Die  Ethik  .1.-  ist  « ■udü- 
monistisch. 

Schriften:   Introdm ■tion  to   the  Study  of  Philosoph}-,  1723.  —   A  System  of  Mora- 
lity,  1746.  —  p:iementa  philouophica,  1752;    2.  ed.   1754.  —  Vgl.  E.  E.  Beardsu^ 
S.  J.,    1874. 

I •:  i  .->  1  e  r ,   Philosophen-Lexikon.  '_''  I 


Jonische  —  Irenaeus. 


Ionische  Naturphilosophen  („Physiologen"):  Die  älteren  ionischen 
Naturphilosophen  sind  Thaies,  Anaximander,  Anaximenes,  Heraklit. 
Sie  lehrten  im  7.  und  6.  Jahrh.  v.  Chr.  und  sie  forschten  alle  nach  dem  Prinzip 
{olqzv)  der  Dinge,  das  sie  in  irgend  einer  Substanz  (Wasser,  Unbegrenztes,  Luft, 
Feuer)  erblicken.     Sie  sind  Hylozoisten  (der  Stoff  ist  von  Natur  aus  belebt). 

Vgl.  DlELS,  Fragmente  der  Vorsokratiker.   —  ZELLER,  Philos.  d.  Griechen,  I. 

Joscellinus  (Gauslenus),  als  Bischof  von  Soissons  1151  gest.  Ob  er  (wie 
H.  Ritter  meint)  der  Verfasser  der  (von  Cousin  fälschlich  dem  Abälard  zu- 
geschriebenen) Schrift  „De  generibus  et  speciebus"  ist  (Oeuvres  ined.  d'Abael. 
S.  507  ff.),  ist  fraglich. 

Josef  Ibn  Zaddik,  jüdischer  Philosoph,  der  um  1140  eine  Schrift 
„Mikrokosmus''  verfaßte,  in  welcher  er  sich  vom  Neuplatonismus  beeinflußt 
zeigt  und  die  Unerkennbarkeit  des  Wesen  Gottes  betont. 

Vgl.  D.  KAUFMANN,  Geschichte  der  Attributenlehre  in  der  jüd.  Religionsphilos. 
des  Mittelalters,  1877.  —  M.  DOCTOR,  Die  Philosophie  des  J.,  Beiträge  zur  Gesch.  d. 
Mittelalters,  hrsg.  von  Bäumker  u.  Hertling,  II,  2,   1895. 

JouftVoy.  Theodore  Simon,  geb.  1796  in  Pontets,  1817—20  Professor  an 
der  Ecole  Normale  in  Paris,  hielt  eine  Zeitlang  Privatvorlesungen,  wurde  dann 
Professor  an  der  Sorbonne,  später  am  College  de  France,  gest.  1842. 

J.,  der  von  Cousin  ausgegangen,  von  der  Schottischen  Schule  und 
von  Maine  de  Biran  beeinflußt  ist,  vertritt  (wie  Koyer-Collard)  eine  Eich- 
tung  der  Philosophie,  welche  auf  der  Psychologie  beruht.  Die  psychischen 
Vorgänge  sind  von  den  physischen  scharf  unterschieden ,  sie  enthalten 
mehr  als  bloße  Phänomene  und  deren  Relationen,  nämlich  das  Ich  als 
wahre  Ursache  des  Handelns,  als  Prinzip  der  Aktivität  des  Denkens  und 
Wollene.  Die  Psychologie  ist  die  Wissenschaft  vom  Ich  („du  principe  in- 
telligence  de  Fhomme,  du  moi").  Das  Ich  ist  ein  reales,  durch  seine  Aktivität 
sich  bekundendes  Wesen.  Die  Seele  ist  einheitlich,  obzwar  sie  sechs  Grund- 
lähigkeiten  besitzt  (Neigungen,  Wille,  Bewegung,  Ausdruck,  Empfindung  bzw. 
Gefühl,  Denken).  Jedes  Wesen  hat  sein  besonderes  Ziel.  Die  Sittlichkeit  be- 
steht in  der  Erfüllung  des  menschlichen  Zweckes  (Nouv.  Melanges,  S.  281  ff.). 
I  >a-  Schöne  ist  der  Ausdruck  des  Unsichtbaren  durch  das  Sichtbare. 

riften:    Übersetzung   von   Dugald    Stewarts    Moralphilosophie    mit    Einleitung, 

und  der  Werke  Reids,  ebenfalls  mit  Einleitung,  1835.  —  Les  sentiments   du  beau 

et  du  sublime,   1816.  —  Cours   de   droit   naturel,    1834 — 35;   4.    ed.   1866.  —  Melanges 

philosophiques,  1833;  4.  ed.   1866.  —   Nouveaux    melanges  philosophiques,    1842;    3.  ed. 

i   (hrsg.  von  Damiron).  —  Cours  d'esthetique,  1843;  3.   ed.  1875.  —  Correspondance, 
ron  A.  Lair,   1901.  —  Vgl.  Olle-Laprtjne,  Th.  J.,   1899. 

Lrenaens,  geb.  140  n.  Chr.  in  Kleinasien,  Bischof  von  Lyon  und  Vienne, 

2.  =  I.,  dessen  Hauptbedeutung  eine  theologische  ist,  bekämpft  den 

/    tun-  und  betont  die  Einheit  des  höchsten  Gottes  mit  dem  Weltschöpfer. 

I  in  Gottvater  seinen  Ursprung,  ist  aber  gleich  ihm  ewig.    Die  Seele 

Sündenfalls)  nicht   von  Natur,  sondern   nur  durch  den  Willen 

rblich. 


Irexaeus  —  Juda.  3U< 


Schriften:  "E/.sy/og  xai  dvatQOJir]  zfjg  y>evöo)vi\uov  yvcooecog,  u.  a.  —  Opera, 
1526  u.  ö.,  1849 — 53,  auch  bei  Migne,  Patrologiae  cursus.  —  Vgl.  BÖHRIXGER,  Die  Kirche 
Christi   I   1,  2.  A.   1861.   —  KUNZE,  D.  Gotteslehre  des  1,   1891. 

li'Oii*,  D.  =  Evolutionistischer  Standpunkt.  —  Schriften:  A  Study  in  the 
Psychol.  of  Ethics,   1903,  u.  a. 

Irwin;;.  Karl  Franz  von,  geb.  1728  in  Berlin,  Oberkonsistorialrat,  gest. 
1801.  =  Von  Bonnet  beeinflußt,  führt  I.  alle  Erkenntnis  auf  äußere  und  innere 
Erfahrung  zurück;  er  betont  wie  dieser  die  Funktion  der  Aufmerksamkeit  und 
die  Aktivität  der  Seele,  und  unterscheidet  (wie  Sulzer)  Empfindungen  imd  Ge- 
fühle.    Die  Sprache  erst  schafft  den  Verstand;   Begriffe  sind  eigentlich  Worte. 

Schriften:  Erfahrungen  und  Untersuchungen  über  den  Menschen,  1772 — 85  (Haupt- 
werk). —  Über  die  Lehrmethoden  in  der  Philosophie,  1773.  —  Über  den  Ursprung  der 
Erkenntnis,  der  Wahrheit  und  der  Wissenschaft,  1781.  —  Fragmente  der  Xaturmoral,  1782. 

Isaak  Israeli,  jüdischer  Arzt  und  Philosoph,  um  900.  =  Annahme  von 
vi.  i   Elementen. 

Schriften:  Das  Buch  über  die  Elemente,  hrsg.  von  S.  Fried,  1901.  —  Vgl. 
Ni:i  MAKK,  Gesch.  d.  jüdiscLen  Philos.  des  Mittelalters  I  1,  1907,  S.  414  ff. 

Isaak  von  Stella  (Stellensis),  Abt  von  Stella  (bei  Poitiers)  in  den  Jahren 
1147 — 1169,  verfaßte  Schriften  mystischer  Richtung,  lehrt  ähnlich  wie  die 
<  .rat  in  von  St.  Victor. 

Vgl.  XOACK,  Philos. -geschichtliches  Lexikon,  S.  457. 

I  sei  in.  Isaak,  geb.  1728  in  Basel,  gest.  1782.  =  I.  betrachtet  als  psychischen 
Paktor  der  I  ^schichte  den  Trieb  nach  Erreichung  eines  angemessenen  Zustandes. 

Schriften:  Über  d.  Gesch.  d.  Menschheit,  1768.  —  Gesch.  d.  Menschh.,  1791.  — 
Vgl.    MIA8KOWSKI,  I.  I.,   1875. 

Iäidoros,  ein  Sohn  des  Gnostikers  Basilides,  mit  dessen  Lehren  er  über- 
einstimmt (Fragmente  bei  Eusebius).  =  Die  Tugend  besteht  in  der  Ausmerzung 
aller  Spuren  des  sinnlichen  Lebens. 

Isidoros    aus    Alexandrien.    Schüler    des    Proklos,    Nachfolger    des 

Marinos.  =   Xeuplatoniker. 

Isidoros  aus  Gaza,  Xeuplatoniker,  wanderte  um  531  mit  sechs  anderen 
Neuplatonikern,  die  infolge  des  Verbotes  des  Kaisers  Justinian  nicht  mehr 
Lehren  durften,  nach  Persien  aus,  von  wo  sie  aber  alle  bald  zurückkehrten. 

Isidorns  Hispalensis  (von  Sevilla),  seit  G0O  Bischof  von  Sevilla,  gest. 

6.    =   Durch    seine,    längere   Zeit   viel    benutzten    Schriften    war   er  auf  das 
wissenschaftliche  Studium  von  Einfluß;  philosophisch  ist  er  ohne  Bedeutung. 

Schriften:  Originum  sive  Etymologarum  libri  XX,  1472,  1833.  —  De  natura 
rerum,  1857.  —  Opera,  1580,  1797 — 1803,  aui  h  bei  Ifigne,  Patrologiae  cursus.  —  Vgl. 
l'i:  w  1  1..  Ge»ch.  .1.   Logik  11. 

Israeli  s.  Isaak   Israeli. 

.Inda  (Jehuda  ben  Samuel)  ha-Levi.  geb.  um  l»1^»  in  Kastilicn,  jüdischer 
Ar/t  und  religiöser  Dichter,  ein  (Jegner  der  griechischen  Philosophie,    aber  ein 

20 


Juda  —  Justin  rs. 


Schätzer  der  Kabbala  und  Mystik  und  energisch  für  die  jüdische  Religion  ein- 

tivrend. 

Schriften:  Khozari  (Khuzari,  nach  dem  Khazaren-König  Bulan,  der  zum  Juden- 
tum übertrat),  um  1140  arabisch  verfaßt,  1167  durch  Jehuda  ben  Tibbon  ins  Hebräische 
übersetzt,  gedruckt  1506,  1841  iT.  (mit  deutscher  Übersetzung,  2.  A.  1869).  —  Vgl. 
D.   KviFMANN,  J.  H.,    1877. 

Jlltlri.  C.  H.   =  Schüler  Wundts.  —  Schriften:  Genetic  Psychol.,  1905  u.  a. 

Juliaiius  Apostata,  römischer  Kaiser,  geb.  331  n.  Chr.,  von  361  bis  363 
Kaiser,  Schüler  des  Neuplatonikers  lamblich,  Gegner  des  Christentums  und 
glühender  Verehrer  des  Heidentums,  das  er  wiederherstellen  wollte,  zeigt  sich 
in  seinen  Schlitten  als  Neuplatoniker. 

Schriften:  Opera,  1583  u.  ö.,  1863  (französisch),  1875.  —  Contra  Christianos 
quae  supersunt,  1880.  —  Epistolae,  1828.  —  Philos.  Werke,  1908  (Philos.  Bibl.).  — 
Vfjl.  D.  Fr.  StrAUSS,  J.  d.  Abtrünnige,  1847.  —  G.  MAU,  Die  Religionsphilos. 
Kaiser  Julians,    1906,   1908. 

Jnimiu*.  Joachim,  aus  Lübeck,  1587 — :1657,  Rektor  des  Hamburger 
<  i\  ninasiums.  =  J.,  der  wohl  von  F.  Bacon  beeinflußt  ist,  betont  den  Wert  der 
Erfahrung  für  die  Naturwissenschaft  und  Philosophie,  und  die  Bedeutung  der 
Mathematik.  Nicht  die  Zweckursachen,  sondern  die  Kausalzusammenhänge 
sind  zu  erforschen.  Die  Körper  bestehen  aus  Atomen;  von  den  physischen  sind 
die  seelischen  Substanzen  zu  unterscheiden. 

Schriften:  Logica  Hamburgiensis,  1638.  —  Doxoscopiae  physicae  minoris,  1662. 
-   Vgl.   GüHRAUER,  J.  J.,   1851.    —  E.    WOHLWILL,    J.   J  ,    1888. 

Juni;  in  an  ii.   Josef,  geb.  1830  in  Münster,    1858  Prof.  für  Liturgik  im 

theologischen  Konvikt  an  der  Universität  Innsbruck,  gest.  1885  daselbst.  = 
Thomistische  Grundlage. 

Schriften:   Ästhetik,  3.  A.   1886. 

.1  u^liiiiis.  Flavius,  als  Sohn  griechischer  Eltern  zwischen  100  und  110 
ii.  Chr.  in  Flavia  Neapolis  (Nablus)  in  Palästina  geboren,  studierte  griechische 
Philosophie,  wurde,  durch  einen  Greis  bekehrt,  Christ,  wirkte  als  Verteidiger 
(Apologet)  des  Christentums  und  starb  um  164-166  den  Märtyrertod. 

J.  ist  der  bedeutendste  der  christlichen  Apologeten.    Er  ist  mit  der  Plato- 
hen,   Aristotelischen    und  Stoischen   Philosophie   vertraut  und  von  ihr  be- 
einflußt    Von    Bedeutung   ist  namentlich   seine   Lehre  vom  Logos,   die  ihm 
dazu  dient,  die  christlichen  Wahrheiten  als  schon  vor  Christus  bekannt  gewesene 
hinzustellen;  alle   welche  dem  Logos  gemäß  lebten,  sind  „Christen",  und  der 
„aamenhafte  Logos"  (Xöyog  (megpauxtig)  ist  allen  Menschen  inne  und  eingeboren 
lupvtov  navcl  yevet  är&Qcbjtcöv  ojzEQfAa  rov  Xoyov,  Apol.  11,8).     Auch  die 
annteu    „Atheisten",    welche   dem   Logos   gemäß   lebten,   waren    Christen 
/  Ihx'n.nnr    xov    löyov   rov  üeov  peTEGy?'    xal   oi  [xeta   Xoyov   ßicboavtsg 
■>,i.  xqv  äfooi  tvo/Mö-drjoav,  Apol.  II,  83).    Auch   haben  die  griechi- 
ophen  (Heraklit,  Plato  u.  a.)  ihre  Lehren   aus  Moses  und  den  Pro- 
töpft.    Kurz,  alle  wahre  Philosophie  ist  Christentum,  wenn 
.einen    Offenbarung    vermittelst    des   Logos   die   besondere 


Justin  us  —  Kabbala.  309 


christliche  Offenbarung  zu  unterscheiden  ist.  Das  Gottesbewußtsein  ist  nach 
J.  angeboren.  Gott  ist  unnennbar,  ungeworden,  ewig,  unbewegt,  jenseits  der 
Himmel.  Aus  sich  hat  er  eine  Vernunftkraft  (dvvcuuv  loyixrjv)  erzeugt,  den 
Logos,  seinen  Sohn,  der  nebst  dem  heiligen  Geist  mit  ihm  eins  ist  und  durch 
den  er  die  Welt  geschaffen  hat  (6  Xoyog  .igo  rcör  notrjf*ax<ov  y.al  ovnov  xai 
yervdtfievog  Ott  tijv  äoyjjv  dt  avzov  ^ärru  sxttae  xai  ixöoftrjoe,  Apol.  II,  6).  Die 
Unsterblichkeit  der  menschlichen  Seele  betrachtet  J.  wie  andere  Apologeten  als 
Geschenk  der  göttlichen  Gnade.  Auf  die  erste  Auferstehung  folgt  das  tausend- 
jährige Reich  Christi,  dann  erfolgt  erst  die  allgemeine  Auferstehung  und  das 
jüngste  Gericht. 

Schriften:  Eine  größere  und  eine  kleinere  Apologie,  und  ein  „Dialog  mit  dem 
Juden  Trvphon";  vielleicht  echt  sind  auch  zisoi  uovagyiag  und  negl  ät-aoräoeiog.  (Die 
„Cohortatio  ad  Graecos"  ist  nicht  von  J.  selbst.)  —  Opera,  1551,  1592  u.  ö.,  1875  ff. 
(ed.  Otto),  auch  bei  Migne,  Patrologiae  cursus.  —  Vgl.  K.  SEMISCH,  J.,  1840—42.  — 
B.  Al'BE,  S.  Justin  Philosophe  et  Martyr,  1861.  —  WlXDISCH,  Die  Theodizee  d. 
christl.  Apologeten  J.,  1906. 

Juvalta.  Erminio,  geb.  1862,  Redakteur  der  ..Bivista  iilosofica."  = 
Krin/i-ti-chi  t  Standpunkt. 

.Schriften:  Prolegomeni  a  una  morale  distinta  alla  metafisica,  19()1.  —  La  dottrina 
delle  due  etiche  di  H.  Spencer  e  la  morale  come  scienza,   1904,  u.  a. 

Izoulet.  Jean.  =  I.  faßt  die   Solidarität   als   soziale  Grundtatsache  auf; 
die    Gesellschaft    ist    ein    Organismus    mit    Arbeitsteilung    und    Zielstrebigkeit. 
-     le  und  Vernunft  sind  ein  Produkt  der  Gesellschaft. 
riften:   La  eitf  moderne,   1894;  6.  ed.   1901. 


K. 


Kabbala  (Kabbalah,  Überlieferung),  jüdische  Geheimlehre  und  Mystik, 
enthalt  Kiemente,  die  bis  in  die  vorchristliche  Zeit  reichen  (Spekulationen  über 
die  Engel,  den  Thron  Gottes,  den  „Schnee"  um  denselben,  den  .,Metathron'-  usw.), 
i-t  aber  erst  infolge  des  Einflusses  des  Neuplatonismus  und  der  pythagoreisierenden 
Zahlensymbolik  und  nicht  vor  dem  9.  Jahrhundert  entstanden  (das  Buch  Jezxrah 
=  Buch  der  Schöpfung),  im  Buche  Sohar  (Zohar,  Glanz)  um  1300  wohl  durch 
den  spanischen  Juden  Moseh  ben  Schein  Tob  de  Leon  (auf  Grundlage  von 
Lehren  Isaaks  des  Blinden,  seiner  Schüler  und  verschiedener  Gegner  des  Mai- 
monides)  zusammengefaßt  und  von  anderen  kommentiert  und  fortgesetzt  (Isaak 
Luria,  gest.  L572;  Horwitz.  gest.  1622).  Das  Buch  Jezirah  erschien  hebräisch 
1562,  lateinisch  L642,  deutsch  1894.  Das  Buch  Sohar  erschien  1558,  1561 '. 
l^.'js  ii.  5.,  lateinisch  1684.     Artis  Cabbalisticae  -criptores.  1587. 

Die  Kabbala  weist  die  Ginflüsse  der  griecbisch-alexandrinischen  Philo- 
sophie, des  Neuplatonismus,  tfeupythagoreismus  und  Gnostizismus  auf. 
Ihre  Lehre  ist  eine  emanatistische:  Die  geistige  und  die  Binnliche  Welt 
geht  durch  Ausstrahlung  an-  dein  göttlichen  lauen  hervor,  durch  eine  An 
Selbstschöpfung,    Seibetoffenbarung    desselben.    Gott    ist    das    Unendliche,  da- 


310  Kabbala  —  Kalthoff. 


„En-Soph",  das  unbegrenzte,  eigenschaftslose  „Nichts",  das  anfangs  alles  war, 
das  Urlicht,  das  alles  erfüllte,  das  Verborgene,  der  „Alte  der  Tage".  Um  sich 
zu  offenbaren,  setzt  er  die  Welt  aus  sich  heraus;  sie  geht  aus  ihm  hervor,  in- 
dem sich  das  Urlicht  gestaltet  und  nicht  gestaltet,  indem  es  in  alles  hinein- 
strahlt und  doch  eins  bleibt.  Es  beschränkt  sich  selbst;  dadurch  entsteht  ein 
Leerer  Raum,  in  welchen  das  Urlicht  die  Welt  (bzw.  die  Welten)  hineinstrahlt. 
Die  Vermittlung  zwischen  Gott  und  der  sinnlichen  Welt  bilden  die  geistigen 
Kräfte,  welche  von  Gott  ausstrahlen,  bzw.  aus  dem  „Adam  Kadmon'-,  dem 
himmlischen  Urmenschen  und  Urbild  des  irdischen  Menschen,  dem  Sohne 
Gottes.  Es  gibt  zehn  solcher  Kräfte  oder  Urzahlen,  „Sephiroth",  Lichtkreise, 
welche  durch  die  Selbstbeschränkung  des  göttlichen  Lichtes  entstehen;  die  drei 
ersten  Sephiroth  sind  „Krone",  „Weisheit"  und  „Verstand"  {loyog).  Die 
Sephiroth  bilden  zusammen  die  Welt  „Aziluth"  (Azilah),  die  auch  als  der  Körper 

\dam  Kadmon  bezeichnet  wird.  Die  anderen  aus  dem  Ensoph  emanieren- 
den Welten  sind  „Beriah"  (die  Welt  der,  als  Geister  gedachten,  Ideen),  „Jezirah" 
(die  Welt  der  Seelen),  „Asijjah"  (die  Welt  der  Sinneswesen).  Der  Mensch  ge- 
hört den  drei  letzten  Welten  zugleich  an,  der  zweiten  durch  die  Vernunftseele 

liama),  welche  unsterblich  ist,  der  dritten  durch  den  Geist  (ruach),  der 
vierten  durch  den  Lebenshauch  (nephesch).  Es  gibt  eine  Präexistenz  und  eine 
S     len  Wanderung. 

Die  Kabbala  hat  auch  auf  eine  Eeihe  christlicher  Philosophen  einen  Ein- 
fluß ausgeübt,  so  auf  Eaymundus  Lullus,  die  Grafen  Pico  von  Mirandola, 
Marsilius  Ficinus,  Keuchlin,  Agrippa  von  Nettesheim,  Paracelsus,  H.  More, 
St.  Martin  u.  a. 

Vgl.  A.  FraxCK.  Systeme  de  la  Kabbale,  1842;  deutsch,  1844.  —  Ad.  JELLINEK, 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Kabbala,  1852.  —  Auswahl  kabbalistischer  Mystik,  1858. 
—  NeüMABK,  Gesch.  d.  jüdischen  Philos.  1,   1. 

Kattun.  Julius  Wilhelm  M.,  geb.  1848  in  Loit,  Prof.  der  Theologie  in 
Berlin.  =  K.  steht  in  seinen  Anschauungen  über  das  Wesen  der  Eeligion 
Ritsch!  nah'',  also  auf  ethisch-idealistischem  Boden,  auf  dem  der  Glaube  von 
der,  die  höchsten  Wahrheiten  und  Werte  nicht  erfassenden,  wissenschaftlichen 
Erkenntnis  Bcharf  geschieden  wird. 

Schriften:  Das  Wesen  der  christlichen  Religion,  2.  A.  1888.  —  Die  Wahrheit 
der  christlichen  Religion,  1889.  —  Glaube  und  Dogma,  3.  A.  1889.  —  Das  Christen- 
tum u.  die  Philosophie,  3.  A.  1896.  —  D.  ethische  Wert  d.  Wissenschaft,  1906.  — 
l)rci   akad.  Roden,   1908,  u.  a. 

Kallia>.  Sophist,  Zeitgenosse  des  Sokrates,  stand  in  seinen  Anschau- 
ungen dem   Protagoras  nahe. 

KaUlkles,  ein  Sophist,  welcher  (nach  Plato  im  „Gorgias")  die  Macht 
Quelle  de*  Rechtes  bestimmt  und  das  Ausleben  des  Mächtigen  (auch  im 
-.Mit  heißt. 

Kalllioff,     \.,    geb.   L850  in   Barmen,   war  Pastor  in  Bremen,   gest.   1906 
--     K.    verbindet    das    modern     aufgefaßte    Christentum    mit    einer 
Weltanschauung. 


Kalthoff  —  Kant.  313 


Schriften:  Das  Christusproblem;  Die  Entstehung  des  Christentums;  Zarathustra- 
predigten.  —  Religiöse  "Weltansch.,  1903.  —  D.  Religion  d.  Modernen,  1905,  u.  a. 

Kant,  Immanuel,  geb.  22.  April  1724  in  Königsberg  als  Sohn  eines 
Sattlermeisters,  dessen  Familie  (früher  wohl  Cant)  wahrscheinlich  aus  Schottland 
stammt.  Er  wurde  streng  religiös,  im  Geiste  des  Pietismus  erzogen.  Er  be- 
suchte 1732 — 1740  das  Collegium  Fridericianum  mit  bestem  Erfolge  und  bezog 
dann  die  Königsberger  Universität,  wo  er  (1740—46)  Philosophie,  Mathematik, 
Physik  und  Theologie  studierte  und  besonders  von  Martin  Knutzen  beeinflußt 
wurde  (Bekanntschaft  mit  den  Lehren  Newtons).  Von  1746  bis  1755  war  K. 
Hauslehrer,  zuletzt  im  Hause  des  Grafen  Keyserling  in  Kautenburg.  Im  Jahre 
1755  habilitierte  sich  K.  in  Königsberg,  wo  er  über  Mathematik  und  Physik, 
dann  über  Logik,  Metaphysik,  Moralphilosophie,  auch  über  physische  Geographie, 
Anthropologie  u.  a.  las.  Seine  Vorträge  waren  sehr  anregend,  so  daß  er  durch 
sie  einen  großen  Ruf  hatte.  Trotzdem  und  trotz  seiner  Arbeiten  bewarb  er  sich 
mehrmals  vergeblich  um  eine  Professur,  die  er  erst  nach  fünfzehnjährigem 
Warten,  1770  erhielt,  nachdem  er  seit  1766  eine  bescheidene  Stelle  als  Unter- 
bibliothekar bekleidet  hatte.  Infolge  Altersschwäche,  die  immer  mehr  zunahm 
und  Kant  schließlich  des  Gedächtnisses  beraubte,  gab  er  1706  seine  Vor- 
lesungen auf. 

Unter  dem  neuen  Ministerium  Wollner  kam  ihm  infolge  des  Erscheinens 
seiner  ,. Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  bloßen  Vernunft"  (1793)  eine 
Kabinetteordre  zu  (1794).  welche  ihm  die  Veröffentlichung  weiterer  Schriften 
über  Religion  verbot.  Kant,  dessen  Maxime  es  war,  nur  Wahres  zu  sagen,  aber 
nicht  verpflichtet  zu  sein,  alles  Wahre,  was  man  denke,  auch  öffentlich  sagen 
zu  müssen,  unterwarf  sich,  ohne  aber  das  Geringste  zu  widerrufen.  Am 
12.  Februar  1804  starb  Kant,  der  Zeit  seines  Lebens  nicht  aus  dem  Bannkreise 
von  Königsberg  herausgekommen  war  und  doch  von  der  Welt  die  anschaulichste 
Vorstellung  hatte.  Er  wurde  feierlich  zu  Grabe  getragen  und  erhielt  einen 
Denkstein,  später  ein  Denkmal  in  Königsberg  (von  Rauch).  Sein  Ruhm  war 
damals  schon  lange  weil  verbreitet,  nachdem  es  kurze  Zeit  nach  dem  Erscheinen 
der  ..Kritik  der  reinen  Vernunft"  (17Ö1)  nicht  an  Zurückhaltung  oder  Miß- 
verständnissen seitens  der  Leser  gefehlt  hatte.  Trotzdem  meinte  Kant,  er  sei 
mit  seinen  Schlitten  um  ein  Jahrhundert  zu  früh  gekommen,  man  werde  sie 
erst  nach  hundert  Jahren  recht  verstehen,  sie  neu  studieren  und  gelten  lassen. 
In  der  Tat  ist  seit  Ende  der  50er  und  Anfang  der  60er  Jahre  *.\(^  19.  Jahr- 
hunderts, wo  der  Ruf  ,. Zurück  zu  Kant"  erscholl,  der  Kantsche  „Kritizismus" 
immer  mehr  in  den  Vordergrund  getreten,  ja  es  ist  eine  eigene  ..Kantphilo- 
logie"  entstanden,  Ferner  eine  eigene  „Kantgesellschaft"  und  auch  eine  eigene 
Zeitschrift  („Kant-Studien",  herausgegeben  von  Vaihinger  und  Br.  Bauch)  für 
das  Studium  Kant-  und  für  Arbeiten,  die  im  Geiste  der  philosophischen  Kritik 
-'■halten  sind.  Anläßlich  des  hundertjährigen  Jubiläums  der  ..Kritik  der 
reinen  Vernunft",  1881,  Bind  viele  Schriften  aber  Kam  erschienen,  ebenso 
gelegentlich  der  Feier  des  hundertsten  Todestages  Kants.  1904. 

Kant-  Charakter  zeichnet  sich  durch  größte  Lauterkeil  der  Gesinnung, 
Btrengste  Wahrhaftigkeil   and   Pflichttreue,  <lie  sogar  bis  zur  Pedanterie  geht, 


812  Kant. 

gas.  Obzwar  Kant  das  Sittliche  „rigoris tisch"  auffaßt,  den  Neigungen  wenig 
Einfluß  auf  das  Handeln  einräumt,  war  er  doch  kein  „Mucker",  sondern  heiter 
und  gesellig  (Freundschaft  mit  Hamann,  Motherby,  Hippel  u.  a.).  Kant  war 
«>ine  tief  religiöse  Natur,  stand  aber  nicht  im  Banne  theologischer  Dogmatik. 
In  politischer  Beziehung  verbindet  Kant  einen  starken  Liberalismus  —  er 
sympathisierte  z.  B.  mit  der  französischen  Revolution  —  mit  gewissen  konser- 
vativen Tendenzen,  die  ihm  zum  Teil  sein  (auch  in  der  Ethik  sich  äußerndes) 
Preußentum  eingab. 

K.  ist  der  Begründer  des  Kritizismus.  Aber  er  ist  nicht  gleich  zu 
diesem  Standpunkte  gelangt,  sondern  stand  erst  im  Banne  der  Leibniz- Wolffschen 
Philosophie  und  ihres  Rationalismus,  sowie  später  unter  dem  Einflüsse  der 
Newtonschen  Lehren,  Lamberts,  Rousseaus,  Shaftesburys  und  des  Empirismus  und 
Skeptizismus,  bis  er  endlich  —  nachdem  auch  Leibniz'  „Nouveaux  essais"  auf  ihn 
eingewirkt  —  von  Hume  aus  dem  „dogmatischen  Schlummer"  erweckt  wurde 
und  zum  Kritizismus  überging,  der  schon  in  den  „Träumen  eines  Geistersehers" 
(1766)  anklingt,  in  der  Schrift  „De  mundi  sensibilis  usw."  (1770)  weiter  aus- 
gebildet wird  und  in  der  „Kritik  der  reinen  Vernunft"  gipfelt.  Der  Kritizismus 
bedeutet  eine  Synthese  von  Rationalismus,  Empirismus  und  Skeptizismus  zu 
einem  neuen,  allen  Momenten  dieser  drei  Geistesrichtungen  gerecht  werdenden 
Standpunkte.  Über  die  Entwicklung  des  Kantschen  Denkens  vgl.  Vaihinger, 
Kommentar  zu  Kant  I;  B.  Erdmann,  Paulsen,  Adickes,  Riehl  u.  a. 

Schriften:  Gesamtausgabe  von  Hartenstein,  10  Bde.,  1838 — 39:  neue  Aus- 
gabe, 8  Bde.,  1867—69;  von  Rosenkranz  und  Schubert,  12  Bde.,  1838-42;  von 
Kirchmann  (Philos.  Bibl.),  1868  ff.,  jetzt  ganz  neu  von  verschiedenen  Heraus- 
gebern, endlich  von  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin  (vollständigste 
Ausgabe  mit  den  Vorlesungen  zu  „Reflexionen",  Briefen;  noch  nicht  vollendet). 
-  Vermischte  Schriften,  1799.  --  Kleinere  Schriften,  1800. 

Die  wichtigeren  Arbeiten  Kants  bis  zum  Erscheinen  der  Ver- 
nunftkritik sind: 

*  "danken  von  der  wahren  Schätzung  der  lebendigen  Kräfte.  1747  (Ver- 
mittlung zwischen  der  Kartesianischen  und  Leibnizschen  Auffassung).  —  All- 
gemeine Naturgeschichte  und  Theorie  des  Himmels,  1755.  Hier  verbindet  K. 
die  mechanistische  Naturerklärung  mit  der  teleologischen  so,  daß  die  Kräfte. 
die  Gott  in  die  Materie  hineingelegt  hat,  von  selbst  zu  geordneten,  zweck- 
mäßigen Zuständen  führen.  Durch  Ballung  der  Materie  sind  die  Himmels- 
körper entstanden  (vgl.  die  Theorie  von  Laplace,  Exposition  du  Systeme  du 
monde,  1709).  —  Es  sei  hier  gleich  bemerkt,  daß  K.  auch  zu  den  Vorläufern 
der  Entwicklungstheorie  zu  zählen  ist,  indem  er  hypothetisch  von  einer  Ver- 
wandtschaft der  Lebensformen  „in  der  Erzeugung  von  einer  gemeinschaftlichen 
Drm  spricht  (Krit.  d.  Urteilskraft,  §  80).  --  Meditationum  quarundam  de 

inta  delineatio,  1755  (Doktor-Dissertation).  —  Principiorum  primorum 

Ltionis    metaphysicae    nova   dilueidatio,    1755    (Habilitationsschrift).      Teil- 

Leibnizscher  Grundlage,    doch   nimmt  K.   eine  Wechselwirkung  der 

and  Körper   an.     Oberstes  Denkgesetz  ist  der  Satz  der  Identität,    Ge- 

K.  auf  den  -atz   des  „bestimmenden  Grundes"  (ratio  determinans): 


Kant.  313 

..Nihil  est  verum  sine  ratione  determinante".  Zu  unterscheiden  sind  Seins-  und 
Erkenntnisgrund.  Die  Quantität  der  absoluten  Realität  in  der  Welt  bleibt 
konstant  (1.  c.  sct.  II,  prop.  X).  —  Metaphxsicae  cum  geometria  iunctae  usus 
in  philosophia  naturali,  cuius  specimen  I.  continet  monadologiam  physicam. 
1  756.  K.  nimmt  hier  physische  Monaden  als  Kraftzentren  an,  welche  undurch- 
dringlich sind  und  abstoßende  (elastische)  und  anziehende  Kräfte  haben,  durch 
die  sie  den  Raum  erfüllen.  —  Neue  Anmerkungen  zur  Erläuterung  der  Theorie 
der  Winde.  1756  (bedeutsam).  —  Neuer  Lehrbegriff  der  Bewegung  und  Ruhe,  17."jS 
(Relativität  der  Bewegung).  —  Versuch  einiger  Betrachtungen  über  den  Optimis- 
mus, 1759  (Die  Welt  ist  die  beste  der  möglichen).  :-  Die  falsche  Spitzfindigkeit 
der  vier  syllogistischen  Figuren,  1762  (Nur  die  erste  Schlußfigur  ist  natürlich). 
—  Versuch,  den  Begriff  der  negativen  Größen  in  die  Welt  Weisheit  einzuführen. 
1763.  K.  unterscheidet  logischen  Gegensatz  (auf  Widerspruch  der  Gedanken 
beruhend)  und  realen  Gegensatz  (Widerstreit  von  Kräften  und  anderen  Prädi- 
katen, die  beide  —  nur  nach  entgegengesetzter  Richtung  —  positiv  sein 
können).  —  Der  einzig  mögliche  Beweisgrund  zu  einer  Demonstration  des  Da- 
m  ins  Gottes.  1763.  K.  bestimmt  hier  schon  das  Dasein  als  absolute  Position 
eines  Dinges,  nicht  Prädikat  eines  solchen  und  glaubt  Gott  aus  der  Unmög- 
lichkeit, daß  nichts  existiert,  and  ans  der  Notwendigkeit,  daß  etwas  existiert, 
als  seiend  erweisen  zu  können.  —  Untersuchung  über  die  Deutlichkeit  der 
Grundsätze  der  natürlichen  Theologie  und  der  Moral,  1764  (Preisschrift  der 
Berliner  Akademie,  K.  erhielt  nur  das  Akzessit,  Mendelssohn  für  seine  Arbeit 
den  eisten  Preis).  Hier  zeigt  sich  wieder  der  Einfluß  Newtons,  dessen  Methode 
K.  für  die  Philosophie  empfiehlt,  deren  analytisches  Verfahren  von  der  synthe- 
tischen Methode  der  Mathematik  zu  unterscheiden  ist.  in  den  Äußerungen 
über  Ethik    ist   k\  von   den  Engländern  (Hutcheson  u.  a.J  beeinflußt.  Beob- 

achtungen  über  das  Gefühl  des  Schönen  und  Erhabenen,  17C>4  (Einfluß  Shaftes- 
burys  und  Burkes;  Gcfühlsmoral). 

Träume  eines  Geistersehers,  erläutert  durch  Träume  der  Metaphysik,  1766 
Diese,  teilweise  ironisierende  Schrift  knüpft  an  die  Visionen  und  die  Geister- 
theoiie  Swedenborgs  an  und  zeigt,  zu  welchen  Ergebnissen  eine  alle  Erfahrung 
überschreitende  Spekulation  gelangen  kann,  ohne  logischen  Widerspruch,  aber 
auch  ohne  jede  wirkliche  objektive  Grundlage.  Eine  Metaphysik  als  vermeint- 
liche Wissenschaft  vom  Übersinnlichen  enthält  lauter  Fiktionen  und  reizt  zum 
Skeptizismus.  Hingegen  wird  hier  schon  die  Metaphysik  mit  Einschränkung 
auf  die  Grenzen  unserer  Erfahrung,  also  kritisch,  aufgefaßt.  ..1  >cr  au« Irre  Vor- 
teil ist  der  Natur  des  menschlichen  Verstandes  mehr  angemessen  und  besteht 
darin:  einzusehen,  ob  die  Aufgabe  aus  demjenigen,  was  man  wissen  kann,  auch 
bestimmt  sei,  und  welches  Verhältnis  die  Frage  zu  den  Erfahrungsbegriffen 
habe,  darauf  sich  alle  unsere  Erteile  jederzeit  Btötzen  müssen,  [n sofern  ist  die 
Metaphysik  eine  Wissenschaft  von  den  Grenzen  der  menschlichen  Ver- 
nunft." K.  meint,  „daß  die  verschiedenen  Erscheinungen  des  Leiten-  in  der 
Natur  und  deren  Gesetze  alles  seien,  was  ans  zu  erkennen  vergönnt  ist,  das 
Prinzipium  dieses  Lebens  aber  .  .  .  niemals  positiv  könne  gedacht  werden,  weil 
keine  Data  hierzu  in  unseren  gesamten  Empfindungen   anzutreffen  sind".     1 


314  Kant. 

Geltung  der  sittlichen  Gesetze  ist  unabhängig  von  der  Metaphysik.  —  Von 
dem  ersten  Grunde  des  Unterschiedes  der  Gegenden  im  Räume,  1768  (Existenz 
eines  absoluten  Raumes,  auf  den  die  Lage  bezogen  wird). 

De  mundi  sensibilis  atque  intelligibilis  forma  et  prineipiis,  1770  (Professurs- 
schrift). Hier  nähert  sich  K.  schon  erheblich  dem  Standpunkt  der  Vernunft- 
kritik, doch  anerkennt  er  noch  eine  Erkenntnis  der  Dinge  an  sich  durch  den 
Verstand  und  hält  nur  die  räum -zeitlichen  Wahrnehmungsdinge  für  Er- 
scheinungen. Die  Sinnlichkeit  hat  es  mit  Phänomenen,  der  Intellekt  mit  den 
Noumena,  den  intelligiblen  Wesen  zu  tun.  Form  und  Materie  der  Erkenntnis 
werden  (wie  bei  Tetens  und  Lambert)  unterschieden  (1.  c.  §  13  ff.).  Die  Materie 
der  Sinneserkenntnis  ist  die  Mannigfaltigkeit  der  Empfindungen,  die  Formen 
jener  sind  Raum  und  Zeit,  welche  „reine  Anschauungen",  subjektive  Ver- 
knüpf ungs  weisen  seitens  des  Geistes  sind,  nicht  empirische,  von  den  Dingen 
abstrahierte  Begriffe,  denn  die  Möglichkeit  äußerer  Wahrnehmungen  setzt  schon 
den  Raum  voraus.  Die  Raumvorstellung  ist  eine  „reine  Anschauung"  („intuitus 
purus"),  nichts  Objektives  („non  est  aliquid  obiecti  et  realis  entis  vel  affectionis"), 
sondern  etwas  Imaginäres  („imaginarium"),  Subjektives,  Ideelles  („subiectivum 
er  ideale  e  natura  mentis  stabili  lege  proficiscens"),  aber  dennoch  in  bezug  auf 
-  mögliche  Wahrnehmungsobjekt  wahr  („verissimum");  analog  die  Zeit. 
Die  Formen  des  Verstandes  sind  nicht  angeborene  Begriffe,  sondern  ursprüng- 
liche Beziehungsformen  (Substanz,  Ursache,  Notwendigkeit  usw.),  welche  gesetz- 
lich aus  der  Seele  bei  Gelegenheit  der  Erfahrung  entspringen  („in  ipsa  natura 
intellectus  puri,  non  tamquam  coneeptus  connati,  sed  e  legibus  mentis  insitis  .  .  . 
abstracti,  adeoque  acquisiti")-  Die  Wechselwirkung  der  Dinge  ist  durch  die 
göttliche  Einheit  vermittelt. 

Schriften  aus  der  endgültigen  kritischen  Periode:  Kritik  der 
reinen  Vernunft,  1781 ;  2.  teilweise  veränderte  Auflage  1786  (Stärkere  Betonung  des 
Ding  an  sich).    Ausgaben  der  Kr.  d.  r.  V.  von  B.  Erdmann,  5.  A.  1900;  Adickes, 
:   Vorländer  1899  (mit  Register);  Kehrbach  (Univ.-Bibl.,  nach  ihr  wird  oft 
zitiert);    Valentiner   (Philos.   Bibl.).  —  Prolegomena   zu   einer   jeden    künftigen 
Metaphysik,    die    als    Wissenschaft   wird    auftreten    können,    1783    (durch   die 
osion    der    Kr.   d.   r.   V.    seitens    Garve-Feder,    1782,    veranlaßt);    wie    die 
andereii    kritischen  Hauptwerke  auch  in  der  Univ.-Bibl.    —    Idee  zu  einer  all- 
gemeinen Geschichte  in  weltbürgerlicher  Absicht,  1784.  —  Was  ist  Aufklärung? 
\     ist    „der  Ausgang  des  Menschen   aus   seiner  selbstverschuldeten  Un- 
mündigkeit"). —  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten,  1785.  —  Metaphysische 
Anfangsgründe   der    Naturwissenschaft,   1786;   herausg.   von   Höfler,   1900.  — 
Was   heißt,   sich    im    Denken  orientieren?    1786   (Es  heißt,  „sich,  bei  der  Unzu- 
rlichkeil    der   objektiven   Prinzipien   der  Vernunft,   im  Fürwahrhalten  nach 
einem  subjektiven   Prinzip  derselben  bestimmen",   d.  h.  auf  Grund  theoretisch- 
praktischer  „Bedürfnisse"  der  Vernunft  etwas  annehmen).  —  Über  den  Gebrauch 
i    Prinzipien    in    der  Philosophie,  1788.    —   Kritik  der  praktischen 
innft,    1,  Kritik    der    l'rteilskraft,  1790.   —   Über  eine  Entdeckung, 

der   alle   neue   Kritik   der  reinen  Vernunft   durch  eine  ältere  entbehrlich 
werden  soll.  1790:   auch  in:    Kleinere  Schriften  zur  Lodk  und  Meta- 


K  \  \  i . 

physik,  Philos.  Bibl.    Gegei     I.  I     er  das  •  n   all«-!-   philo«. 

Versuche  in  der  Theodizee,  1791.         Welches  -i n«  1  die  wirklichen  Fortsehnt 
die  die  Metaphysik   seit    LeibiüV  und    Woiffs  Zeiten   gemacht  hat:   1804    (KL 
Bchrift  /.  I..  il  M.  .  I'i«-  Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  blofie    V 

aunft,    1793.  I  ber   Philosophie  überhaupt,   lT'.M.  Zum  i  I  rieden, 

17'.'.").     -  Zn  Sömmering  über  das  Organ  der  Seele,  1796.        Von  einem  neuer- 
dings erhobenen  vornehmen  Tone  in  der  Philosophie,  179      i  Gefühls- 
philosophie).          Metaphysische    Anfangsgründe    der    Rechtslehre,   1797;    Meta- 
physisch«   An!:.              de  der  Tugendlehre,  1797  (Zusammen  =  Metaphysik  der 
Sitten.  :   i                  Der  St                Fakultäten;    Von  der   Macht  d<     i        üts, 
durch   den   Mafien    V   raati   Beiner  krankhaften  Gefühle  Meister  eu  Bein,  ! 
Anthropologie  in  pragmatischer  Hinsicht,  1798.        Logik,  hrsg.  von  Jäsche, 
von  Kinkel,    Philos.  Bibl.,  1904  (Nach  Vorlesung«              Physische 
_  r;i)»lii<-.  hrsg.  von  Hink,  lv              -    Pädagogik,  hrsg.  ron  Hink:.  1" 
l       rgan^           den  metaphysischen  Anfangsgründen  der   Naturwissenschaft   eui 
Physik,  teilweise  hrsg.  von  ßeicke  (Altpreuß.  Monatsschj 
lesungen  iil»  r  « 1  i •  -  j»hil"-.  Religionslehre,  hrsg.  von  Pölitz,  1817.  lesungen 
di<    Metaphysik,                 n  Pölitz,   1821;    vgL    Beinze,  Vorlec  Kants 
■    Metaphysik  aus  «lr<-i  -                 1894.        Reflexionen  Kants  sur  kritischen 
l»hie,  hrs§    von  r>.  Brdmann,  1                      Lose  Blätter  aus  Kant-  Nach- 
laß, ung.  von  Etekke 

l  rkenntnislehr<  I1  Standpunkt,  den  K.  gegenüber  dem  Rationalis- 
mus eil  dem  Empirismus  anderseits  einnimmt,  ist  <I<t  des  K  ritizismus. 
I  mentc  und  Tendenzen  verbinden  sich  hier  eu  etwas  Neuem, 
dem  Rationalismus,  der  bei  K.  nun  Teil  stark  hervortritt,  wird  das  \ 
handensein  absolut  und  notwendig  I  riffe  und  lTrteile,  <li<  aus 
reiner  Vernunft  entspringen,  angenommen:  es  gibt  Erkenntniselemente,  <Ii«-  unab- 
li  :i  :  on  der  Erfahrung  gelten.  \  gen  über  dem  Ontologismus  der 
rationalistischen  Metaphysik  behauptet  K.,  dafi  auch  «li»-  ans  reiner  Vernunft 
stammenden  Erkenntniselemente  nur  für  mögliche  Erfahrung,  also  niu 

I  überhaupt  reicht,  Geltung  haben,  also  Dicht  aber  alle  Erfahrt] 

hinaus,  nicht  für  das  Transzendente,  nicht  für  das  „Ding  an  sich",  «reiches  ui 
kennbar  ist  and  bleibt.    Erkenntnis    bezieht  sich,   auch  da,  sro  ii<    „api 
Nahrung  und  deren  Objekte;   such   das  Rationale  dient  nur  d- 
arbeitung    de«  Krfahrungsinaterials    und    das  Apriorische   ist   Bedii 

Innerhalb  I  nschaftlicher  Erkenntnis   gibt  i 

K  _•  .■:.:,■  ^keptizismuH  unbedingt    jul  I 

kenntnis,    über   'lt<-  Erfahrung    hinaus   ab  i     letzlichkeil  un-. 

die  hii  Stoft   mehr  hat      I 

i  \..in   I  bersinnlichen,  von  den  Dingen  an  «ich  und  ihr«  n  I 

itn-ii    i-i    niehl    tnöglieh.     l>a    wii 
können,    so    i-t  dn  I)  nus  und    - 

i  ilcibt  ri.it/  tni  den  (auf  Moi  i  i  I  au  l»en 

>  Ich  I  'im 

i  ii  Im-  n  V  I  ' 


3  IG  Kant. 

physik,  welches  jederzeit  den  Angriffen  des  Skeptizismus  ausgesetzt  ist,  gibt  K. 
völlig  preis,   um  aber  zugleich  den  Skeptizismus  in  seine  Schranken  zu  weisen. 

Unter  dem  Dogmatismus  der  Metaphysik  versteht  K.  ,,das  allgemeine 
Zutrauen  zu  ihren  Prinzipien  ohne  vorhergehende  Kritik  des  Vernunfts- 
vermögens  selbst,  bloß  um  ihres  Gelingens  willen".  Dogmatismus  ist  die  „An- 
maßung, mit  einer  reinen  Erkenntnis  aus  Begriffen  (den  philosophischen)  nach 
Prinzipien,  so  wie  sie  die  Vernunft  längst  im  Gebrauche  hat,  ohne  Erkundigung 
der  Art  und  des  Rechts,  wodurch  sie  dazu  gelangt  ist,  allein  fortzukommen". 
Dogmatismus  ist  also  das  dogmatische  Verfahren  der  reinen  Vernunft,  ohne 
vorangehende  Kritik  ihres  eigenen  Vermögens."  Auf  das  Stadium 
des  Dogmatismus  und  des  Skeptizismus  folgt  das  Stadium  der  Kritik,  welche 
die  Erkenntnisfähigkeit  der  reinen  Vernunft  prüft  und  zugleich  eine  Theorie 
der  Erfahrung  gibt.  Die  „Kritik  der  reinen  Vernunft"  ist  eine  Kritik  „des 
Vernunftgebrauchs  überhaupt,  in  Ansehung  aller  Erkenntnisse,  zu  denen  sie, 
unabhängig  von  der  Erfahrung,  streben  mag,  mithin  die  Entscheidung 
der  Möglichkeit  einer  Metaphysik  überhaupt  und  die  Bestimmung  sowohl  der 
Quellen  als  des  Umfanges  und  der  Grenzen  derselben,  alles  aber  aus  Prinzipien". 
I  >ie  Kritik  will  also  feststellen,  was  die  Vernunft  bezw.  das  apriorische  Erkennen 
aus  sich  heraus  zu  leisten  vermag,  wras  es  zustande  bringt,  worauf  es  sich  erstreckt. 
Die  Bedingungen  der  Erkenntnis,  die  Quellen  derselben  in  der  Gesetzlichkeit 
der  Vernunft  sind  zu  suchen  und  es  ist  zu  zeigen,  welches  der  einheitliche 
Zusammenhang  dieser  Erkenntnisbedingungen  ist,  welche  die  „Möglichkeit"  der 
Erfahrung  und  ihrer  Objekte  enthalten. 

Denn  der  „Kopernikanische  Standpunkt"  in  der  Erkenntnistheorie  be- 
deutet eine  Umkehrung  des  früheren  Standpunktes.  „Bisher  nahm  man  an, 
alle  unsere  Erkenntnis  müsse  sich  nach  den  Gegenständen  richten;  aber 
alle  Versuche,  über  sie  a  priori  etwas  durch  Begriffe  auszumachen,  wodurch 
nnsere  Erkenntnis  erweitert  würde,  gingen  unter  dieser  Voraussetzung  zu- 
nichte. Man  versuche  es  daher  einmal,  ob  wir  nicht  in  den  Aufgaben 
der  Metaphysik  damit  besser  fortkommen,  daß  wir  annehmen,  die  Gegen- 
stände müssen  sich  nach  unserer  Erkenntnis  richten,  welches  so  schon 
r  mit  der  verlangten  Möglichkeit  einer  Erkenntnis  derselben  a  priori 
zusammenstimmt,   die   über  Gegenstände,  ehe  sie  uns  gegeben  werden,    etwas 

letzen  soll".  Es  ist  eben  zu  beachten,  daß  wir  von  Dingen  nur  das  a  priori, 
unabhängig  von  t\ev  Erfahrung  erkennen,  was  wir  „selbst  in  sie  legen".  Die 
Kritik  leistet  mm  zweierlei:  erstens  beschneidet  sie  dem  Dogmatismus  gänzlich 

Flügel  betreffe  der  Erkenntnis  des  Übersinnlichen;   zweitens  grenzt  sie  das 
Gebiet  ab,  auf  dem  si<-here,  objektive,  allgemeingültige  Erkenntnis  möglich  ist. 
Frachtbare  Heiland   <\c,r  Erfahrung  ist  die  wahre  Domäne  der  Erkenntnis 
in.'/.,  ja  wegen  der  Grundlage  derselben  in  der  reinen  Vernunft. 

Kritik    der    reinen    Vernunft    ist    die    „notwendige    vorläufige    Ver- 

taltung    zur    Beförderung   einer    gründlichen  Metaphysik   als  Wissenschaft". 

•^' '  IbI  aber  keine  vermeintliche  Wissenschaft  vom  Transzendenten 

ndern    „das    System    aller    Prinzipien    der  reinen    theoretischen    Ver- 

System     der      ., reinen     theoretischen     Philosophie",     die 


Kam.  317 

„Wissenschaft  von  den  Gesetzen  der  reinen  Vernunft".  Sie  fei  Dicht  trans- 
zendent, sondern  das  System  des  Transzendentalen,  also  „Transzendental- 
philosophie".  Transzendental  ist  aber  die  Erkenntnis  nicht  des  jenseits 
aller  Erfahrung  Liegenden  (Transzendenten),  sondern  des  vor  der  Erfahrung 
Gültigen,  sie  Konstituierenden,  Apriorischen,  sofern  es  zugleich  die  Möglichkeil 
enthält,  sieh  auf  Erfahrung  und  Erfahrungsobjekte  zu  beziehen.  Transzen- 
dental ist  die  Erkenntnis,  wie  etwas  apriorisch  und  doch  objektiv  Bein  kann. 
also  jene  Erkenntnis,  „dadurch  wir  erkennen,  daß  und  wie  gewisse  Vorstel- 
lungen .  .  .  lediglich  a  priori  angewandt  werden  oder  möglich  seien-.  ..Ein 
transzendentales  Prinzip  ist  dasjenige,  durch  welches  die  allgemeine  Bedingung 
;i  priori  vorgestellt  wird,  unter  der  allein  Dinge  Objekte  unserer  Erkenntnis 
überhaupt  werden  können/' 

Die  Met  hode  der  Vernunftkritik  ist  (wenn  auch  nicht  frei  von  allem  „Psycho- 
logismus")  nicht  genetisch-psychologisch  (wie  bei  Locke,  Condillac  u.  a»),  sondern 
transzendental,  insofern  nicht  gefragt  wird,  wie  die  Erkenntnis  sich  im  sub- 
jektiven, individuellen  Bewußtsein  zeitlieh  entwickfit,  sondern  welches  die  Be- 
dingungen der  Anwendung  apriorischer  Begriffe  und  Urteile  auf  die  Erfahrung 
oder  wie  rem.'  Mathematik,  reine  Naturwissenschaft  und  „Metaphysik"  möglich 
sind.  Dali  ea  allgemeingültige,  streng  notwendige,  von  der  Erfahrung  unab- 
hängige Wahrheiten,  also  reine  Wissenschaft  gibt,  setzt  Kant  auf  Grundlage  der 

Ifathematik  nsw.  voran-:  w  ie  solche  Begriffe  und  Urteile  apriorisch  und  doch 
objekth  gültig  sein,  wie  sie  nicht  aus  der  Erfahrung  stammen  und  doch  für 
die  Erfahrung  gelten    können,   dies   will  Kant  begreiflieh   machen.     Unter  der 

reinen  Vernunft"  versteht  K.  das  Vermögen  apriorischer  Erkenntnis.  Vernunft 
im  engeren  Sinne  igt  das  „Vermögen  der  Prinzipien". 

Die  ..Kritik  der  reinen  Vernunft"  gliedert  sich  in  die  „transzendentale 
Elementarlehre4'  und  die  „transzendentale  Methodenlehre'  ;  erstere  zerfällt  in 
die  „transzendentale  Ästhetik"  und  „transzendentale  Logik",  welche  wiederum 
in  die  „transzendentale  Analytik"  und  „transzendentale  Dialektik"  zerfällt.  Die 
„transzendentale  Ästhetik"  ist  die  Wissenschaft  von  den  „Prinzipien  der  Sinn- 
lichkeit". Die  Frage:  wie  ist  reine  Mathematik  möglich,  beantwortet  Bie  durch 
ihre  Bestimmung  von  Raum  und  Zeit  als  apriorischer  AnschauungBformen.  Die 
„transzendentale  Logik"  hat  es  mit  den  apriorischen  Denkformen  oder  Kategorien 
als  Bedingungen  der  reinen  Naturwissenschaft  zu  tun.  Als  „transzendentale 
Analytik"  befaßt  sie  rieh  mit  den  Prinzipien,  ohne  welche  überall  kein  Gegen- 
stand gedacht    werden   kann:  alfl   „transzendentale   Dialektik"    ist    sie  eine   Kritik 

des  Scheins,  als  ob  unsere  Vernunft  über  die  Erfahrung  hinaus  könnte. 

Erkenntnis  \<>n  Gegenständlichem   ist    nach    K.   nur   „in  dem  Ganzen  aller 
möglichen  Erfahrung"  möglich.    Alle  Erkenntnis  beginnt  bei  der  Erfahrm 
und  endet  bei  ihr,  aber  nicht  alles  an  der  Erkenntnis  stamm!  aus  der  Erfahrung, 
die  Erfahrung  selbst  ist  mehr  als  blofie  Wahrnehmung,  mehr  als  bloß  ein  ron 
außen  <  legebenes,  Bie  ist  schon  ein  Werk  des  Intellekts  und  durch  die  Formen  d< 
selben    bedingt     Die    Erfahrung   selbst    besteht    in    den    „synthetischen    Vi 
knüpfungen  der  Erscheinungen  in  einem  Bewußtsein,  -«'fern  dieselbe  notwendig 
i-f.     Durch  Analyse  der  Erfahrungserken  ntnis  findet   man  das  rein  Empirische 


Kant.  

in  ihr  und  das,  was  „Zutat"  unseres  Geistes  ist.  „Wenn  aber  gleich  alle 
unsere  Erkenntnis  mit  der  Erfahrung  anhebt,  so  entspringt  sie  darum  doch 
nicht  eben  alle  aus  der  Erfahrung.  Denn  es  könnte  wohl  sein,  daß  selbst 
unsere  Erfahrungserkenntnis  ein  Zusammengesetztes  aus  dem  sei,  was  wir  durch 
Eindrücke  empfangen,  und  dem,  was  unser  eigenes  Erkenntnisvermögen  (durch 
sinnliche  Eindrücke  bloß  veranlaßt)  aus  sich  selbst  hergibt,  welchen  Zusatz 
wir  von  jenem  Grundstoffe  nicht  eher  unterscheiden,  als  bis  lange  Übung  uns 
darauf  aufmerksam  und  zur  Absonderung  desselben  geschickt  gemacht  hat." 
„Erfahrung  ist  ohne  Zweifel  das  erste  Produkt,  welches  unser  Verstand  hervor- 
bringt, indem  er  den  rohen  Stoff  sinnlicher  Empfindungen  bearbeitet."  K. 
unterscheidet  also  Stoff  und  Form  der  Erscheinung.  Die  Form  ist  dasjenige, 
was  macht,  „daß  das  Mannigfaltige  der  Erscheinung  in  gewissen  Verhältnissen 
geordnet  angeschauet  wird".  Die  Form  liegt  a  priori  in  uns,  sie  geht  (logisch) 
allen  sinnlichen  Eindrücken  vorher,  sie  bringt  Einheit  und  Ordnung  in  das 
Empfindungsmaterial  (Formen  der  Sinnlichkeit)  und  die  Anschauungsmannig- 
faltigkeit (Formen  des  Denkens).  Die  Erfahrung  enthält  nämlich  außer  der 
Anschauung  der  Sinne,  wodurch  etwas  gegeben  wird,  noch  einen  Begriff  von 
einem  Gegenstande  als  Bedingung  a  priori  der  (objektiven)  Erfahrungserkenntnis. 
Die  Erfahrung  nun  „lehrt  mich  zwar,  was  da  sei  und  wie  es  sei,  niemals 
aber,  daß  es  notwendigerweise  so  und  nicht  anders  sein  müsse1'.  Sie  gibt  daher 
ihren  Urteilen  keine  wahre,  strenge,  sondern  nur  „komparative"  Allgemeinheit 
(durch  Induktion),  keine  Apodiktizität,  keine  unbedingte  Notwendigkeit.  All- 
gemeinheit und  Notwendigkeit  kommen  zu:  erstens  in  strenger  Weise  den 
analytischen  Urteilen,  welche  nur  „Erläuterungsurteile"  sind,  d.  h.  im  Prädikate 
nur  etwas,  was  schon  im  Subjekt  liegt,  aussagen  und  auf  dem  Prinzip  des 
zu  vermeidenden  Widerspruchs  beruhen  (z.  B.  alle  Körper  sind  ausgedehnt); 
zweitens  (in  komparativer  Weise)  den  synthetischen  Urteilen  („Erweiterungs- 
arteilen") a  posteriori,  welche  auf  Grund  der  Erfahrung  ein  neues  Prädikat  mit 
dem  Subjekt  verbinden  (z.  B.  alle  Körper  sind  schwer).  Es  gibt  aber,  drittens, 
auch  synthetische  Urteile  a  priori,  welche  unabhängig  von  aller  Er- 
fahrung mit  strenger  Allgemeinheit  und  Notwendigkeit  etwas  von  einem  Subjekt 
aussagen.  Unter  dem  Apriorischen  im  engeren  Sinne  versteht  K.  nicht  wie  andere 
Autoren  Erkenntnis  aus  den  Ursachen  oder  aus  Begriffen  oder  durch  Schluß- 
folgerung, auch  nicht  das  psychologisch  Angeborene,  sondern  das  von  aller 
Erfahrung  schlechthin  Unabhängige  und  dabei  doch  absolut  Gewisse,  Not- 
wendige,  Allgemeingültige,  weil  rein  in  der  Vernunft  Wurzelnde.  „Solche  all- 
gemeine Erkenntnisse  nun,  die  zugleich  den  Charakter  der  inneren  Not- 
wendigkeit haben,  müssen,  von  der  Erfahrung  unabhängig,  vor  sich  selbst 
klar    und    gewiß    sein;    man   nennt   sie   daher   Erkenntnisse  a  priori,   da   im 

Qtei]  das,  was  lediglich  von  der  Erfahrung  erborgt  ist,  nur  a  posteriori 
oder  empirisch  erkannt  wird."  Die  Apriorität  der  Urteile  kündigt  sich  von 
selbst  durch  das  Bewußtsein  ihrer  Notwendigkeit   an  und  bezieht  sich  nur  auf 

Pormale  der  Erkenntnis,  nicht  auf  deren  Stoff  oder  deren  Einzelheiten. 

Apriorische  hegt  in  der  „formalen  Beschaffenheit  des  Subjekts",  wobei 
..Subjekt,"    nicht   das    individuelle   Bewußtsein    als  solches,    sondern    das 


Kam.  319 

allen  Individuen  gemeinsame,  insofern  iiberindividnelle  Geistige  oder  das  Er- 
kennen in  Abstraktion  vom  zufalligen  Erleben  verstanden  wird.  A  priori 
ist,  was  wir  in  die  Dinge  hineinlegen,  was  in  unserem  Erkennen  ..niemals 
weggelassen-1  werden  kann,  was  der  formenden  Tätigkeil  des  Geistes  ent- 
springt, in  ihm  bereit  liegt  und.  bei  Gelegenheil  der  Empfindung,  als  1 
gesetzlichkeit  des  Anschauens  und  Denkens  funktioniert.  Kein  Bind  jene 
apriorischen  Erkenntnisse,  denen  gar  nichts  Empirisches  beigemischl  ist.  die 
vielmehr  selbst  Bedingungen  der  Erfahrung  sind. 

Wie  -und  nun  synthetische  Erteile  a  priori  möglich?  Wie  können  wira  priori, 
unabhängig  von  der  Erfahrung,  dabei  notwendig  und  allgemeingültig  etwas  von 
möglichen  Erfahrungsobjekten  aussagen,  wie  dies  nach  K.  in  der  (reinem 
Mathematik.  N a t ur wissen  schaff  und  SIetaphysik  geschieht'.'  Woraui 
stützt  sich  eine  solche  apriorische  Erkenntnis,  welches  ist  ihre  Grundlage,  wo- 
durch Lei  sie  ermöglicht?  Die  Antwort  lautet:  solche  Erteile  sind  möglich, 
weil  die  Bedingungen  der  Möglichkeit  der  Erfahrung  zugleich  die  Bedingungen 

Möglichkeit    der   Erfahrungsobjekte   sind,   weil  diese   Letzteren    nicht 

an   sich    Bind,    deren  Übereinstimmung    mit    der   Gesetzlichkeit    unseres 

I  leistes  rätselhaft  wäre,  sondern  synthet  i-che  Produkte  des  Bewußtseins 

die  in  einein  „Ding  an  sich"  ihren  „Grund"  halten,  als  solche  Synthesen 

aber  nur  für  ein  „Bewußtsein  überhaupt"  Sinn  und  Existenz  |  ..empirische  Realität") 

halien  (Transzendentaler  [dealismus).    Weil  die  Dinge  als  Erscheinungen 

hon   durch   die    Formen   des   Bewußtseins   bedingt    sind,    -eben  diese 

Formen,  obwohl,  ja  gerade   weil  sie   nur  „subjektiv"  Bind,  b  priori    für   alles 

Objektive,  das  durch  sie  erst  konstituiert  wird. 

Die  Erteile  der  reinen  Mathematik  zunächst  Bind  nach  K.  (im  Gegensatz 
zu  Huniei  synthetisch  und  apriorisch,  weil  streng  allgemein  und  notwendig. 
Die  mathematischen  Axiome  „gelten  als  Kegeln,  unter  denen  überhaupt  Er- 
fahrungen möglich  Bind,  und  belehren  uns  vor  denselben  und  nicht  durch  die- 
selben". Die  mathematische  Erkenntnis  ist  Vernunfterkenntnis  aus  der  „Kon- 
struktion der  Begriffe".  Nicht  auf  die  Erfahrung,  >ondern  auf  die  Handlung 
der  Konstruktion  in   der   reinen    Anschauung  kommt  es  an;  wir  schaffen   die 

ostände  in  Kaum  und  Zeit  selbst  durch  „gleichförmige  Bynthesis".  Der 
Satz  5  12  /..  K.  ist  kein  analytischer  Satz.  Der  Begriff  der  Bumme  von  neben 
and  tum  enthalt  nur  „die  Vereinigung  beider  Zahlen  in  «ine  ein/ige.  wodurch 
ganz  und  gar  nicht  gedacht  wird,  welche-  diese  einzige  Zahl  sei,  die  beides 
zusammenfaßt".  Die  zwölf  ist  durch  Analyse  in  dem  Begriff  der  Summe  nicht 
zu  finden.  ..Man  muri  über  diese  Begriffe  hinan--,  heu,  indem  man  die  An- 
schauung zu  Hilfe  nimmt,  die  einem  von  beiden  korrespondiert,  oder  .  .  .  tun! 
Punkte  und  so  nach  und  nach  die  Einheiten  d.r  in  der  Anschauui  benen 

fünf  zu  dem  Begriffe  der  sieben  hinzutut.'4   Ebenso  wenig  ist  irgend  ein  Qrund- 

-:it/  der  reinen  Qe nie  analytisch.    Dafl   die  gerade   Linie  zwischen   zween 

Punkten  die  kürzeste  sei.  ist  ein  synthetischer  Satz,    heim  mein   Begriff  vom 
Geraden  enthält    nicht-   von  Grölte,  sondern   nur  eine   Qualität     Her   b 
des  Kürzesten  kommt  also  gänzlich  hinzu  und  kann  durch  keine  Zergliederung 

aus  dem    Begriffe   der   geraden    [ini  en    werden        \n-chauuug    muf.    SSM 


320  Kant. 

hier  zu  Hilfe  genommen    werden,   vermittelst   deren  allein   die  Synthesis   mög- 
lich ist." 

Die  Apriorität  dieser  Urteile  nun  begründet  K„  indem  er  dartut,  daß 
Kaum  und  Zeit,  auf  die  sich  die  Mathematik  stützt,  Formen  der  Anschauung 
{..reine  Anschauungen*')  sind,  welche  die  apriorischen  Bedingungen  der  Existenz 
von  Gegenständen  für  uns  sind.  Unter  der  „Form"  der  Sinnlichkeit  versteht 
K.  „das,  worinnen  sich  die  Empfindungen  ordnen",  was  also  nicht  selbst 
Empfindung  sein  kann.  Die  Anschauungsformen  sind  nicht  angeboren,  sondern 
..ursprünglich  erworben".  Angeboren  ist  nur  der  ., erste  formale  Grund"  der 
Möglichkeit  der  Anschauungsformen. 

Der  Raum  ist  die  Form  des  „äußeren  Sinnes",  kein  aus  der  Er- 
fahrung abstrahierter  Begriff,  sondern  eine  „reine  Anschauung".  K.  argu- 
mentiert wie  folgt:  „1.  Der  Raum  ist  kein  empirischer  Begriff,  der  von 
äußeren  Begriffen  abgezogen  worden.  Denn  damit  gewisse  Empfindungen 
auf  etwas  außer  mir  bezogen  werden  (d.  i.  auf  etwas  in  einem  anderen 
Orte  des  Raumes,  als  darinnen  ich  mich  befinde),  ingleichen  damit  ich  sie  als 
außer  (und  neben)  einander  .  .  .  vorstellen  könne,  dazu  muß  die  Vor- 
stellung des  Raumes  schon  zugrunde  liegen.  Demnach  kann  die  Vorstellung 
des  Raumes  nicht  aus  den  Verhältnissen  der  äußeren  Erscheinung  durch  Er- 
fahrung erborgt  sein,  sondern  diese  äußere  Erfahrung  ist  selbst  nur  durch  ge- 
dachte Vorstellung  allererst  möglich."  „2.  Der  Raum  ist  eine  notwendige  Vor- 
stellung a  priori,  die  allen  äußeren  Anschauungen  zugrunde  liegt.  Man  kann 
-ich  niemals  eine  Vorstellung  davon  machen,  daß  kein  Raum  sei,  ob  man  sich 
gleich  ganz  wohl  denken  kann,  daß  keine  Gegenstände  darin  angetroffen  werden." 
\uf  diese  Notwendigkeit  a  priori  gründet  sich  die  apodiktische  Gewißheit 
aller  geometrischen  Grundsätze  und  die  Möglichkeit  ihrer  Grundsätze  a  priori." 
\.  „Der  Raum  ist  kein  aiskursiver,  oder,  wie  man  sagt,  allgemeiner  Begriff 
von  Verhältnissen  der  Dinge  überhaupt,  sondern  eine  reine  Anschauung.  Denn 
erstlieh  kann  man  sich  nur  einen  einigen  Raum  vorstellen,  und  wenn  man  von 
vielen  Räumen  redet,  so  verstehet  man  darunter  nur  Teile  eines  und  desselben 
alleinigen  Raumes.  Diese  Teile  können  auch  nicht  vor  dem  einigen  allbe- 
enden llaume  gleichsam  als  dessen  Bestandteile  .  .  .  vorhergehen,  sondern 
mir  in  ihm  gedacht  werden."  „5.  Der  Raum  wird  als  eine  unendliche  Größe 
ben  vorbestellt." 

Damit 'in  der  Geometrie  apriorische    Sätze  möglich  sind,    muß   der   Raum 

rünglich     Anschauung,     nicht    bloßer     Begriff    sein.      Diese    Anschauung 

muß    ferner    apriorisch    sein.     Wie    kann    nun    eine    solche   Anschauung    dem 

Objekte    selbst    vorangehen?      „Offenbar    nicht    anders,    als    sofern    sie    bloß) 

Subjekte,  als    die    formale  Beschaffenheit   desselben,   von   Objekten   affiziert 

zu  werden  und  dadurch  unmittelbare   Vorstellung  derselben,  d.  i.   Anschauung 

zu  bekommen,  ihren  Sitz  hat,  also  nur  als  Form  des  äußeren  Sinnes  überhaupt." 

Die  Apriorität  dee  Baumes  schließt  nun  nach  K.  auch  dessen  „Subjektivität" 

(bzw.    Erfahrungs-Immanenz   im   Gegensatz   zum   Transzendenten)   ein,  freilich 

flieht    die    individuelle    Subjektivität   der   Empfindungsqualitäten,    sondern    die 

»jektivitiit.  die  eine  Alltremeingültigkcit  und  insofern  eine  Objektivität 


Kam.  321 

(ein  vom  Eänzelwahrnefaiiien   Onahhängigsein)    des    Raumes    nicht    ausschließt. 
Der  Kaum  Btellet  gar   keine   \ '.'.-•  ischaft    irgend   einiger   Dinge  an  -i<h,  oder 
sie  in  ihrem  Verhältnis  aufeinander  vor,  d.  L  keine  Bestimmung  derselben,  die 
an  Gegenständen  selbst  haftete,   and  welche  bliebe,  wenn  man  auch  von  allen 
subjektiven  Bedingnngen   der   Anschanong  abstrahierte.     Denn  weder  absolu 
Doch  rtlat i \ -    Bestimmungen   können   vor  dem  Dasein  der   Dinge,   welchen 
zukommen,   mithin    oichl   a  i >n< »i*i  angeschauet   werden.11    Der   Kaum    ist    also 
kein  Ding  an  Bich,  auch    keine   Eigenschaft   desselben,   auch   keine    Beriehi 
zwischen  Dingen  an  Bich,  Bondern  die  Form  der  ,.Krscheinun<z  äußerer  sinne", 
d.  h.  der  Dinge,  \\\>-  sie  in  Beziehung  /.um  äußeren  Sinne  Bich  allgemein  dar- 

len  müssen.  ..I><t  Kaum  i-t  nichts  anderes  als  nur  die  Form  aller  i 
Bcheinungen  äußerer  Sinne,  d.  i.  die  Bubjektive  Bedingung  der  Sinnlichkeit, 
anter  der  allein  uns  äußere  Anschauung  möglich  ist."  Wir  können  nur  vom 
-  ndpunkte  eines  Menschen  (bzw.  eines  analogen  Wesens)  vom  Kaum,  von 
•  lim .11  Dingen,  von  Bewegung,  von  Körperlichkeit  a.  dgL  reden.  „Gehen 
wir  von  der  subjektiven  Bedingung  ab,  unter  welcher  wir  allein  äußere  An- 
schauung   bekommen    können   .  .  ..  so   bedeutet   die   Vorstellung   des    Baumes 

Dichte.    Dies«  Prädikat  wird   den    Dingen    nur  insofern   beigelegt,  als 

uns  erscheinen,   d.  i.    Gegenstände    der   Sinnlichkeit    sind.'4      Der    Kaum    hat 

„empirif  alität",  d.  h.  er  ist  die  Form  aller  nur  denkbaren  äußeren  EIrfahrung, 

gleich  aber  „transzendentale  Idealität",    d.  h.   er  ist  nur  auf  Erscheinungen, 

nicht   auf  das    In'irj   an   -ich  welches    nicht    raumlich   i-t.    wenn    es    auch    den 

Grund  zn  unseren  (so  und  so  bestimmten)    RaumvorBtellungen   (bzw.   zu  deren 
Anwendung)  enthalt        bezüglich. 

Ai  erhält   es  Bich    mit   der   Zeit,   der   Form   des   „inneren  Sini 

(mittelbar  auch  der  äußeren  sinn.'.      I>p    Erfahrung  ist  Dicht   die  Quelle  der 
Zeitanschauung,   sondern   setzt    diese   schon    voraus.      Die  Zeit  ist  eine 

>ße  ohne  Teile,  nur  mit  Grenzen.    Die  Zeit  ist  keine  Bestimmung  der  Dinge  an 
sich,  als   welche  Bie  nicht   die  Grundlage  apriorisch«      5  Arithmetik)  sein 

könnte.     „Die  Zeit   ist   nicht-  anderes,   als  die  Form  des  inneren  sinn.-,  d.  i. 
des  Anschauens  ui  elbst  und  unseres  inneren  Zustandes.*'     Sie  ist  weiter 

<li<-  „formale  Bedingung  aller  Erscheinungen   überhaupt*'.     Alle    Erscheinunf 
Bind  in  •!•■[•  Zeit,    insofern  ist  die  Zeit  objektiv,  d.  b.  empirisch   real;    nie  kann 
un»  tili  •  stand  in  der  Erfahrung  n  werden,  der  nicht  unter  dir  | 

dingmng  der  Zeit   gehörte.     Betreffs  der  inneren  Erfahrung  hat  die  /■  it  . -ul>- 
!:         •      als  Erlebnisform  i-t  -i-'  wirklich,   nicht   ein   Schein.     „Wenn 
aber  ich  selbsl   oder  ein   ander  Wesen   mich,  ohne  diese  Bedingung  Sinn- 

lichkeit  anschauen   könnt«-.   so  würden   eben   dieselben    Bestimmungen,   die 
uns  jetzt  al-  Veränderungen   vorstellen,   eine   Erkenntnis  geben,  in  welcher  die 
Vorstellung,    mithin    die   Veränderung  gar   nicht    vorkäme        \      -    h 
also  keine  Zeit,   keine   Sukzession,   k<inr  Veränderung,   und  der  „innere  Silin*4 
Beigt  onser    Ich    ni.ht  wi<  -ich  i-t.   -..ndrrn   nur  als  Erscheint 

der  Körpei   ist. 

I  rseheinung   i-t   aber  vom   Schein  l  racheinunj 

da-    l'  Objekt  der  sinnlichen     Inschauui  D        im 

■_'l 


322  Kant. 

Verhältnisse  zum  Subjekt.  Erscheinungen  als  solche  sind  „Vorstellungen,  die 
nach  empirischen  Gesetzen  zusammenhängen"  und  „Gründe"  haben,  die  nicht 
selbst  Erscheinungen  sind.  Der  Satz:  die  Körper  sind  Erscheinungen,  heißt 
also  nicht  etwa,  die  Körper  scheinen  bloß  außer  mir  oder  außer  einander  zu 
sein ;  sie  sind  es  -wirklich  (in  aller  möglichen  und  allgemeinen  Erfahrung), 
wenn  auch  nicht  ohne  Beziehung  zum  Erfahren  überhaupt.  „Ein  Ding  an 
sich"  muß  es  geben,  denn  sonst  wäre  Erscheinung  ohne  etwas,  was  da  er- 
scheint. Die  Dinge  an  sich  sind  nicht  Gegenstand  unserer  Erkenntnis,  aber 
sie  geben  den  Stoff  zu  empirischen  Anschauungen,  indem  sie  uns  „affizieren", 
d.  h.  den  Grund  zu  unserem  Empfinden  und  Wahrnehmen  enthalten  (was 
noch  nicht  die  Kategorie  der  Kausalität  im  engeren  Sinne  erfordert).  Die 
Dinge  sind  nicht  an  sich  das,  als  was  wir  sie  anschauen;  was  sie  unabhängig 
von  unseren  Anschauungen  sind,  wissen  wir  nicht. 

Aber  auch  nicht,  was  sie  unabhängig  von  den  Formen  unseres  Denkens 
(den  „Kategorien")  sind,  denn  auch  diese  sind  nicht  Bestimmungen  der  Dinge 
an  sich,  sondern  Einheitssynthesen  des  Denkens,  des  Intellekts,  wie  er  sich 
allgemein  in  aller  Erfahrung  und  namentlich  in  der  Wissenschaft  betätigt.  — 
Anschauung  und  Denken,  Sinnlichkeit  und  Verstand  sind,  wenn 
sie  auch  nur  zusammen  zur  Erkenntnis  führen  und  vielleicht  sogar  eine  ge- 
meinsame Wurzel  haben,  scharf  zu  sondern.  Die  Sinnlichkeit  ist  rein  rezeptiv, 
der  Verstand  aktiv.  Unter  der  „Sinnlichkeit"  versteht  K.  die  Fähigkeit 
(„Rezeptivität"),  „Vorstellungen  durch  die  Art,  wie  wir  von  Gegenständen 
affiziert  werden,  zu  bekommen".  „Vermittelst  der  Sinnlichkeit  also  werden 
uns  Gegenstände  gegeben,  und  sie  allein  liefert  uns  Anschauungen;  durch  den 
Verstand  aber  werden  sie  gedacht,  und  von  ihnen  entspringen  Begriffe." 
.Vlies  Denken  aber  muß  sich  direkt  oder  indirekt  auf  mögliche  Anschauung 
beziehen,  sonst  ist  es  leer:  „Gedanken  ohne  Inhalt  sind  leer,  Anschauungen 
ohne  Begriffe  sind  blind."  Der  Verstand  vermag  nichts  anzuschauen,  die  Sinne 
vermögen  nichts  zu  denken;  nur  aus  ihrer  Vereinigung  kann  Erkenntnis  ent- 
springen. Die  Anschauung  beruht  auf  „Affektion",  der  Begriff  aber  (die 
„Einheit  des  Bewußtseins  verbundener  Vorstellungen")  auf  „Funktionen"  des 
Verstandes.  Dieser  hat  „Spontaneität",  d.  h.  das  Vermögen,  „ Vorstellungen 
selbst  hervorzubringen";  er  ist  das  „Vermögen  zu  urteilen",  das  „Vermögen 
der  Kegeln".  Die  Funktion  des  Denkens  ist  die  Vereinigung  von  Vorstellungen 
in  einem  Bewußtsein,  zugleich  Beziehung  gegebener  Anschauungen  auf  einen 
ostand.  „Realisierte  logische  Funktionen"  sind  nun  die  Kategorien,  die 
.illgemeinsten  Formen  der  gedanklich  bestimmten  Erscheinungen. 

Die    Kategorien    oder    „reinen    Verstand esbegriffe"    entnimmt    K.    den 
logischen   Urteilsformen,  in  denen  sie  sich  entfalten.      Sie  sind  nicht  Prädikate 
der  Dinge  an  sich,  sondern  Begriffe  von  je  einer  Art  „reiner  Synthese"  seitens 
durch    welche  er  Anschauungsinhalte   formt,    ordnet   und   ob- 
jektiviert. Sie  sind  also  nicht  angeborene  Begriffe,  sondern  ursprüngliche  Syn- 
en,  vermittelst  Funktionen,  die  erst  bei  Gelegenheit  der  Anschauung  wirk- 
rerden.      Diese  Funktion  aber  isl  nach  K.  dieselbe  Funktion,  welche  den 
biedeneo    Vorstellungen  in  einem  Urteile  Einheit  gibt.     So  viele  logische 


Kam. 

Funktionen  in  allen  möglichen    Urteilen,  so  viele   Kategorien    gibt    es,    nämlich 
genau   zwölf:    1.  Der  Quantität  nach:   Einheit,  Vielheit,   Allheit.    2.  Der  Qua- 
lität  nach:   Realität,   Negation,   Limitation.     3.  Der    Relation   Dach:    Inhärenz 
und  Suhsistenz  (Substanz  und  Akzidenz),   Kausalität  und  Dependenz  (Ursache 
und  Wirkung),  Gemeinschaft  (Wechselwirkung).     4.  Der  Modalität   nach:  M 
lichkeit    und    Unmöglichkeit,    Dasein    und    Nichtsein,    Notwendigkeit    und    Zu- 
fälligkeit.    Als  Quelle  der  Kategorien  ist  der  Verstand  „reiner"  Verstand:    die 
Kategorien    Bind    die  wahren  „Stammbegriffe"  des  reinen  Verstandes.      Es  gibt 
ferner  „Prädikabilien",  reine,  aber  (aus  den  Kategorien,  l'rädikainent«  in  «hon  ab- 
geleitete Verstandesbegriffe  (Kraft,  Handlung.  Leiden,  Widerstand  nsw.).  —  In  der 
Tafel   der    Kategorien   entspringt    überall   die  dritte  Kategorie   aus  der  Verbin- 
dung   der    zweiten   mit  der  ersten.      Die    ..mathematischen"    Kategorien    gehen 
auf  Gegenstände   der   Anschauung,   die   „dynamischen"    auf  die    Existenz   der 
Gegenstände.      Im  allgemeinen  sind  die  Kategorien  Denkformen,    welche   einen 
.«•n-tand    überhaupt    bestimmen.     Sir   ermöglichen,   konstituieren   objektive 
Erfahrung  und  Erfahrungsobjekte,  indem  sie  erst  die  Mannigfaltigkeit  der  An- 
schauungen  auf  feste  Einheiten  und  Zusammenhänge  allgemeingültig  beziehen 
lassen.   I  mV  „transzendentale  Deduktion"  der  Kategorien  rechtfertigt  die  apriorische 
Geltung  derselben  für  alle  mögliehe  Erfahrung  durch  den  Nachwei-,  dafi  durch 
sie  allein    Erfahrung   in   begrifflicher   Form   möglich  ist,  dafi  ßie  also   Bedin- 
gungen solcher  Erfahrung  Bind   und  daß  es  ohne  sie  keine  Erfahrunge 
objekte    (d.  h.    wirkende    Dinge    in    gesetzlichen     Relationen)    geben     kann. 
Der    Begriff  der  Kausalität  z.  B.   isl  ein  apriorischer  Verstandesbegriff,  der 
3t    feste  Ordnung   in   die  Erscheinungen    bringt.      Es   ist    nur  dadurch,    „dafi 
wir  die  Folge  der  Erscheinungen,    mithin   alle    Veränderung   dem    Gesetze  der 
Kausalität  unterwerfen",  Erfahrung  möglich.    So  ergibt  sich  a  priori  das  Gesetz : 
Alles,   was   geschieht,    setzt   etwas   voraus,   worauf   es   nach  einer   Begel   folgt. 
Aber  die  einzelnen  Kausalverbindungen  und  Gesetze    können  nur  auf  Grund 
denkender    Verarbeitung  der   Erfahrung   —  also  nicht    rein   apriorisch  — 
runden  werden.    Im  Gegensatze  zu  Eume  aber  schreibt  K.  der  Kausalität  (wie 
allen    Kategorien)    strenge   Notwendigkeit   zu,    sie   hat    nicht    eine   biologisch- 
psychologische, sondern  eine  transzendental-logische  (aber  nicht  Eormal-l< 

Wurzel. 

Zu  betonen  ist,  dafi  die  Kategorien  nur  Ehrkenntnis  verschaffen,  w< 
auf  mögliche  Anschauung  sich  beziehen,  ohne  welche  Bie  absolut  leer  sind. 
Sie  gelten  nur  für  Gegenstände  möglicher  Erfahrung,  dienen  gleichsam  nur. 
..Kr-*  h<inuuL:<'ii  zu  buchstabieren,  um  sie  als  Erfahrung  lesen  zu  können".  „Unsere 
sinnliche  and  empirische  Anschauung  kann  ihnen  allein  Sinn  und  Bedeutung 
rerachaffen."  Was  der  Verstand  aus  rieh  selbst  schöpft,  hat  er  dennoch  nur 
/imi  ErfahrungBgebrauch.  Die  Kategorien  bedürfen  daher  „Bestimmungen 
ihrer  Anwendung  aui  Sinnlichkeit  überhaupt",  der  „transzendentalen  Schema) 
welche  die  Kategorien  ..realisieren"  und  aui  die  Sinnlichkeif  ,jestringieren". 
Indem  das  Schemi  sowohl  mit  der  Kategorie  als  mit  der  Anschauung  etwas 
gemein  hat,  ermöglicht  es  die  Anwendung  jener  aui  diese.  Das  transzendentale 
-  h.-ma  ist  „die  reine  Synthesis,  die  die  rein(    Kategorie  ausdrückt,  und  ist  ein 

21* 


324  Kant. 

transzendentales  Produkt  der  Einbildungskraft".  Die  Verbindung  zwischen 
Kategorie  und  Anschauung  stellt  die  transzendentale  Zeitbestimmung  her. 
Die  Schemate  sind  nichts  als  „Zeitbestimmungen  a  priori  nach  Kegeln,  und 
diese  gehen  nach  der  Ordnung  der  Kategorien  auf  die  Zeitreihe,  den  Zeit- 
inhalt, die  Zeitordnung,  den  Zeitinbegriff  in  Ansehung  aller  mög- 
lichen Gegenstände".  Das  Schema  der  Größe  ist  die  Zahl,  das  der  Eealität 
die  stetige  Erzeugung  des  Inhalts  in  der  Zeit;  das  Schema  der  Substanz  ist 
die  Beharrlichkeit  des  Realen  in  der  Zeit,  usw.  Was  also  in  der  Kategorie 
abstrakt  gedacht  ist,  wird  durch  den  „Schematismus"  als  formal-anschauliche 
Relation  gesetzt.  —  Die  Gesetzmäßigkeit,  die  wir  in  den  Dingen  anschauen 
und  erfahren,  ist  also  schon  durch  die  Funktionen  unseres  Verstandes  bedingt. 
Dieser  ist  „selbst  die  Gesetzgebung  für  die  Natur,  d.  h.  ohne  Verstand  würde 
es  überall  nicht  Natur,  d.  h.  synthetische  Einheit  des  Mannigfaltigen  der 
Erscheinungen  geben".  Der  Verstand  ist  der  „Quell  der  Gesetze  der  Natur", 
ohne  daß  aber  die  empirischen,  einzelnen  Gesetze  als  solche  aus  dem  reinen 
Verstände  entspringen.  Die  Frage:  Wie  ist  reine  Naturwissenschaft  möglich? 
beantwortet  sich  also  wie  folgt:  Sie  ist  möglich,  weil  die  Begriffe  und  Grund- 
sätze, welche  in  ihr  a  priori  verwendet  werden,  erst  Natur  (als  objektive  Er- 
scheinung) konstituieren,  herstellen. 

Die  apriorischen  Grundsätze  sind  die  Regeln  des  Gebrauchs  der  Kate- 
gorien, aus  deren  Abstraktion  sie  gewonnen  werden.  Sie  sind  die  obersten 
Regeln  und  Bedingungen  der  synthetischen  Urteile,  zugleich  allgemeine  Ge- 
setze der  Natur,  welche  a  priori  erkannt  werden  können,  sie  erst  machen  ein 
..Xatursystem"  aus.  Alles,  was  uns  als  Gegenstand  vorkommen  kann,  steht 
notwendig  unter  Regeln,  weil  ohne  solche  überhaupt  keine  gegenständliche 
Erkenntnis  möglich  ist.  Die  Regelmäßigkeit  der  Natur  legen  wir  selbst  — 
aber  methodisch,  allgemeingültig,  durch  das  Erkenntnisziel  genötigt  —  in  sie 
hinein.  Die  mathematischen  Grundsätze  gehen  nur  auf  die  ■  Anschauung 
und  sind  unmittelbar  evident,  die  dynamischen  gehen  auf  das  Dasein  über- 
haupt und  sind  mittelbar  evident.  Das  Prinzip  der  Axiome  der  An- 
schauung  ist:  „Alle  Erscheinungen  sind  ihrer  Anschauung  nach  extensive 
Größen.4'  Das  Prinzip  der  Analogien  der  Erfahrung  (nach  welchen  aus 
Wahrnehmungen  Einheit  der  Erfahrung  entspringen  soll)  ist:  „Alle  Erfahrungen 
stehen,  ihrem  Dasein  nach,  a  priori  unter  Regeln  der  Bestimmung  ihres  Ver- 
bältnissea  untereinander  in  der  Zeit."  Darin  liegen  die  Grundsätze  der  Sub- 
stanz, der  Kausalität,  der  Gemeinschaft  (Wechselwirkung).  Die  Postulate 
empirischen  Denkens  überhaupt  sind:  „1.  Was  mit  den  formalen 
Bedingungen  der  Krfahrung  (der  Anschauung  und  den  Begriffen  nach)  über- 
einkommt, ist  möglich."  „2.  Was  mit  den  materiellen  Bedingungen  der 
Erfahrung  (der  Empfindung)  zusammenhängt,  ist  wirklich."  „3.  Dessen 
Zusammenhang  mit  dem  Wirklichen  nach  allgemeinen  Bedingungen  der  Er- 
ta}ir  timml  ist,   ist  (existiert)  notwendig."     Vermittelst  dieser  Grund- 

können    wir  a  priori    über   das    Allgemein-Formale    aller   Erscheinungen 
len.      Die  Realität  dieser  aber   \>\    ebenso  groß  für  die  innere  wie  für  die 
Innung;    das    empirische    Ich    ist   ebenso    unmittelbar    gegeben 


Kant.  325 

wie    der   Körper,    ja  die   innere    Erfahrung   ist    sogar    ohne    die    äußere   nicht 
möglich. 

Großes  Gewicht  legt  K.  auf  den  Begriff  der  Synthese.  Durch  eine 
solche  kommt  erst  alle  Verbindung  in  den  Erscheinungen  zustande,  die  niemals 
von  selbst  oder  von  außen  gegeben  ist..  Synthesis  ist  die  Handlung,  „ver- 
schiedene Vorstellungen  zueinander  hinzuzutun  und  ihre  Mannigfaltigkeit  in 
einer  Erkenntnis  zu  begreifen".  Sie  sammelt  erst  „Elemente  zu  Erkennt- 
nissen". Zunächst  ist  sie  die  Wirkung  der  „Einbildungskraft",  „einer  blinden, 
obgleich  unentbehrlichen  Funktion  der  Seele,  ohne  die  wir  überall  gar  keine 
Erkenntnis  haben  würden,  der  wir  uns  aber  selten  nur  einmal  bewußt  sind  \ 
Die  transzendentale,  reine,  produktive  Einbildungskraft  geht  auf  die  „Ver- 
bindung des  Mannigfaltigen  a  priori"  und  vermittelt  zwischen  Sinnlichkeit  und 
Verstand,  indem  sie  Vorstellungen  den  Kategorien  gemäß  verbindet.  Die 
..reine  Synthesis"  aber,  allgemein  gedacht,  gibt  den  reinen  Verstandesbegrif f ; 
die  Kategorien  sind  geradezu  „Arten  der  synthetischen  Einheit  der  Apper- 
zeption". Die  erste  Synthesis  der  produktiven  Einbildungskraft  ist  die  „Syn- 
thesis der  Apprehension",  das  „Durchlaufen  der  Mannigfaltigkeit  und  dann 
die  Zusammennehmung  derselben".  Dazu  kommt  die  Synthesis  der  „Repro- 
duktion" und  die  der  „Rekognition",  der  Identifizierung  des  Jetzigen  mit 
Früherem.  Ohne  diese  Synthesen  ist  Einheit  und  Zusammenhang  des  ßewußt- 
seins  nicht  möglich. 

Die  Einheit  der  transzendentalen  Apperzeption  ist  die  oberste 
Bedingung  alles  Denkens  und  aller  Kategorien,  ja  auch  der  Einheit  von  Raum 
und  Zeit.  Die  Einheit,  welche  der  Gegenstand  notwendig  macht,  die  ihn  kon- 
stituiert, ist  die  „Einheit  des  Bewußtseins  in  der  Synthesis  des  Mannigfaltigen 
der  Vorstellungen".  Xichts  kann  Objekt  der  Erfahrung  werden,  was  nicht 
den  Bedingungen  dieser  formalen  Einheit  genügt,  nicht  zur  Einheit  des  reinen 
Selbstbewußtseins  zusammengeht.  Es  können  keine  Erkenntnisse  stattfinden, 
keine  Synthesen  derselben  zur  Einheit  ohne  „diejenige  Einheit  des  Bewußt- 
seins, welche  vor  allen  Datis  der  Anschauungen  vorhergeht  und  worauf  in 
Beziehung  alle  Vorstellung  von  Gegenständen  möglich  ist"'.  „Dieses  reine, 
ursprüngliche,  unwandelbare  Bewußtsein  will  ich  nun  die  transzendentale 
Apperzeption  nennen"  (im  Unterschiede  von  der  empirischen  Apperzeption, 
dem  wandelbaren  inhaltlichen  Ichbewußtsein).  Die  Einheit  und  Identität,  um 
die  es  sich  hier  handelt,  ist  die  des  Ich  überhaupt,  nicht  des  jeweilig  auf- 
tretenden (empirischen)  Ichbewußtseins.  Der  Ausdruck  der  Apperzeption  i>t 
das  „Ich  denke",  das  alle  unsere  Vorstellungen  muß  begleiten  können  (als 
logische  Möglichkeit) ;  dieses  „Ich  denke"  ist  „in  allem  Bewußtsein  ein  und 
dasselbe".  Die  Identität  des  reinen  Selbstbewußtseins  ist  eine  „notwendige 
Bedingung  der  Möglichkeit  aller  Vorstellungen".  Das  „stehende  und  bleibende 
Ich"  der  reinen  Apperzeption  macht  das  Korrelat  aller  unserer  Vorstellungen 
aus;  alles  Bewußtsein  gehört  zu  einer  „allbefassenden  reinen  Apperzeption". 
Die  transzendentale  Einheit  der  Apperzeption  macht  aus  allen  möglichen  Er- 
scheinungen,  die  in  einer  Erfahrung  sein  können,  einen  gesetzmäßigen  Zu- 
sammenhang,   indem    die   reine    Apperzeption    ein    Prinzip    der    synthetischen 


Kant. 

Einheit  des  Mannigfaltigen  an  die  Hand  gibt.  ,,Es  werden  also  soviel  Begriffe 
a  priori  im  Verstände  liegen,  worunter  die  Gegenstände,  die  den  Sinnen  ge- 
geben werden,  stehen  müssen,  als  es  Arten  der  Zusammensetzung  (Synthesis) 
mit  Bewußtsein,  d.  i.  als  es  Arten  der  synthetischen  Einheit  der  Apperzeption 
des  in  der  Anschauung  gegebenen  Mannigfaltigen  gibt"  (Kleine  Sehr.  IIP, 
S.  97). 

Anschauungs-  und  Denkformen  als  allgemeingültige  Ordnungen,  in  welche 
die  Data  der  Sinne  bezogen  werden,  konstituieren  das  Objektive.  Urteile 
sind  nach  K.  objektiv,  wenn  sie  „in  einem  Bewußtsein  überhaupt,  d.  i.  darin 
notwendig  vereinigt  werden".  Das  Objektive  ist  also  zwar  das  vom  psychischen 
Erleben  des  Individuums  Unabhängige ,  diesem  gegenständlich  Entgegen- 
tretende, aber  nicht  das  absolut  Transzendente,  nicht  das  Ding  an  sich, 
welches    unerkennbar  ist,   nie   selbst    Objekt    wird.      Objekt  ist  das,    in  dessen 

iff  das  Mannigfaltige  einer  gegebenen  Anschauung  vereinigt  ist;  die  Ein- 
heit des  Bewußtseins  allein  macht  die  Beziehung  der  Vorstellung  auf  einen 
Gegenstand  aus,  die  objektive  Einheit  ist  durch  die  Einheit  der  transzenden- 
talen Apperzeption  bedingt,  ja  nur  das  Korrelat,  der  Ausdruck  derselben:  Wir 
erkennen  den  Gegenstand,  wenn  wir  in  dem  Mannigfaltigen  der  Anschauung 
synthetische  Einheit  bewirkt  haben.  Der  Begriff  vom  Gegenstande  ist  nichts 
als  der  Begriff  der  „Einheit  der  Regel",  nach  welcher  das  Mannigfaltige  ver- 
bunden wird.  Die  Beziehung  auf  einen  „transzendentalen  Gegenstand",  d.  h. 
die  objektive  Realität  unserer  empirischen  Erkenntnis  beruht  auf  dem  Gesetze, 
daß  alle  Erscheinungen,  sofern  uns  durch  sie  Gegenstände  gegeben  werden 
sollen,  unter  apriorischen  Regeln  der  synthetischen  Einheit  derselben  stehen 
müssen.  „Wenn  wir  untersuchen,  was  denn  die  Beziehung  auf  einen 
Gegenstand  unseren  Vorstellungen  für  eine  neue  Beschaffenheit  gebe,  und 
welches  die  Dignität  sei,  die  sie  dadurch  erhalten,  so  finden  wir.  daß  sie 
nichts  weiter  tut,  als  die  Verbindung  der  Vorstellungen  auf  eine  gewisse 
Art  notwendig  zu  machen  und  sie  einer  Regel  zu  unterwerfen."  Der  Gegen- 
stand ist  etwas,  „was  dawider  ist,  daß  unsere  Erkenntnisse  nicht  aufs  Gerate- 
wohl oder  beliebig,    sondern  a  priori   auf  gewisse  Weise   bestimmt   seien",    also 

nach  einer  Regel  zu  einer  festen,  allgemeingültig  gedachten  Einheit,  zu 
einem  Inhalt  des  „Bewußtseins  überhaupt"  Verknüpfte  und  vom  subjektiven 
Ablaut  der  Vorstellungen  wohl  Unterschiedene  (z.  B.  das  Ding  „Sonne"  mit 
dem,  was  wesentlich  zu  ihm  gehört,  im  Unterschied  von  den  einzelnen  Wahr- 
nehmungen, welche  dieses  Ding  in  uns  auslöst).  Der  Gegenstand  einer  Wahr- 
nehmung heißl  Erscheinung,  und  Erscheinungen  (Phänomene)  sind  die  ein- 
'  ■_■<  nstände  unserer  Vorstellungen  und  selbst  nur  gesetzmäßig  verknüpfte 
(mögliche)  „Vorstellungen",  die  selbst  wieder  ihren  Gegenstand  haben.  Dieser 
„transzendentale  I  regenstand"  kann  nicht  mehr  angeschaut  werden,  er  ist  nicht 

irisch,  ein  X,  wovon  wir  nichts  wissen  können;  er  kann  nur  als  „Korre- 
latum  der  Einheil  der  Apperzeption"  dienen. 

führt    zum    Grenzbegriff   des    Xoumenon.     „Erscheinungen,  sofern 

ade    Dach   der    Einheit  der  Kategorien   gedacht  werden,  heißen 

Phänomena.      Wenn   ich   aber  Dinge  annehme,  die  bloß  Gegenstände  des  Ver- 


K  | 

hl,   als  solche,   ein«  r    \ 
liehen  im  intuitu  int«  i 

S  oumena    (intellipbili;  I  i      N  dao 

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intellektuellen    Anschai  reinen    Veratandi 

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I  nur  riii   .  i  iren; 

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Ethik,  welche  den  M<  o«  h<  n  ah 
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wir  alao  auch   nichti  ron  der  B 
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328  Kant. 

aber  unschädlich  machen  und  begründen  kann.  Eine  Selbsterkenntnis  der 
reinen  Vernunft  ist  das  beste  Mittel  gegen  die  Verwirrungen  und  Widersprüche, 
in  welche  sie  gerät,  „wenn  sie  ihre  Bestimmung  mißdeutet  und  dasjenige 
transzendenterweise  aufs  Objekt  an  sich  bezieht,  was  nur  ihr  eigenes  Subjekt 
und  die  Leitung  desselben  in  allem  immanenten  Gebrauche  angeht".  „Imma- 
nent" bedeutet  hier:  innerhalb  des  Bereiches  möglicher  Erfahrung  und  mög- 
lichen Denkens  bleibend.  Die  Vernunft  (im  engeren  Sinne)  ist  nun  das 
..Vermögen  der  Prinzipien",  der  systematischen  Einheit  der  Verstandes  begriff  e, 
das  Vermögen,  zu  schließen,  vom  Allgemeinen  das  Besondere  abzuleiten,  das 
Unbedingte  zum  Bedingten  zu  suchen,  also  alles  unter  eine  höchste  Einheit 
des  Denkens  zu  bringen.  Die  Vernunft  geht  nicht  direkt  auf  Erfahrung  oder 
Gegenstände  dieser,  sondern  auf  den  Verstand,  um  dessen  Urteilen  apriorische 
Einheit  durch  Begriffe  zu  geben  („Vernunfteinheit").  Sie  hat  „zu  dem  be- 
dingten Erkenntnisse  des  Verstandes  das  Unbedingte  zu  finden,  womit  die 
Einheit  desselben  vollendet  wird",  also  die  Verstandeserkenntnisse  zu  höchster 
Synthese  zusammenzufassen. 

Wie  die  Kategorien  mit  den  Urteilen,  so  hängen  mit  den  verschiedenen 
Arten  der  (Vernunft-)Schlüsse  die  reinen  Vernunftbegriffe  oder  Ideen  zu- 
sammen. Sie  sind  Begriffe,  denen  in  der  Erfahrung  kein  Gegenstand  gegeben 
werden  kann.  Die  „transzendentalen  Ideen"  betrachten  alle  Erfahrungserkennt- 
nis als  „bestimmt  durch  eine  absolute  Totalität  der  Bedingungen".  „Sie  sind 
nicht  willkürlich  erdichtet,  sondern  durch  die  Natur  der  Vernunft  selbst  auf- 
gegeben und  beziehen  sich  daher  notwendigerweise  auf  den  ganzen  Verstandes- 
gebrauch. Sie  sind  endlich  transzendent  und  übersteigen  die  Grenze  aller  Er- 
fahrung." Daher  sind  sie  nicht  wie  die  Kategorien  „konstitutiv",  d.  h.  nicht 
Bedingungen  von  Gegenständen,  sondern  nur  „regulativ",  die  Richtung  des- 
Denkens, der  Einheitssetzung  bestimmend  und  nur  dann,  wenn  sie  als  metho- 
dische Regeln  des  Fortgangs  im  Denken  gebraucht  werden,  nicht  als  Begriffe 
von  Dingen  und  deren  Verhältnissen,  werden  sie  frei  von  dialektischem  Schein: 
..Der  Grundsatz  der  Vernunft  ...  ist  eigentlich  nur  eine  Regel,  welche  in 
der  Reihe  der  Bedingungen  gegebener  Erscheinungen  einen  Regressus  gebietet, 
dem  es  niemals  erlaubt  ist,  bei  einem  schlechthin  Unbedingten  stehen  zu 
bleiben.  Er  ist  also  kein  Prinzipium  der  Möglichkeit  der  Erfahrung  und  der 
empirischen  Erkenntnis  der  Gegenstände  der  Sinne."  Auch  die  Ideen  also 
führen  nicht  wirklich  ins  Transzendente,  sie  regeln  nur  den  immanenten  Ver- 
standesgebrauch, geben  ihm  nur  die  Richtung  auf's  Unbedingte,  Unendliche, 
nicht  dieses  selbst  als  abgeschlossene  Einheit.  —  Die  Vernunftschlüsse  gliedern 
sich  in  kategorische,  hypothetische  und  disjunktive.  Die  darauf  gegründeten 
Vernunftbegriffe  (Ideen)  sind:  das  Unbedingte  der  kategorischen  Synthesis  in 
äubjekl  (Seele),  das  Unbedingte  der  hypothetischen  Synthesis  der  Glieder 
B  ihe  (Welt),  das  Unbedingte  der  disjunktiven  Synthesis  zu  einem  System 
Die  dialektischen  Vernunftschlüsse,  die  sich  darauf  beziehen,  sind  die 
gischen  Paralogismen,  die  kosmologi sehen  Antinomien  und  die 
Da    ein  Gott  es. 

U),:  -dentalen  Paralogismen  sind  Eehlschlüsse  betreffs  der  Natur 


Kant.  329 

der  Seele,  welche  auf  Grund  der  psychologischen  Identität  und  logischen  Ein- 
heit des  Subjekts  als  eine  einfache,  immaterielle,  unvergängliche  Substanz  be- 
stimmt wird,  ohne  daß  diese  Eigenschaften  aus  jener  Identität  und  Einheit 
folgen.  In  Wahrheit  wird  das  Ich.  das  Subjekt  des  Denkens  nur  als  ein  X  ge- 
dacht, welches  nur  durch  seine  Prädikate,  die  Vorstellungen  erkannt  wird,  nie- 
mals aber  abgesondert  von  diesen ;  schon  deshalb  nicht,  weil  durch  die  Form  des 
..inneren  Sinnes'"  das  Ich  nur  als  Erscheinung,  nicht  als  Ding  an  sich  erfaßt 
werden  kann,  also  nur  so,  wie  es  den  inneren  Sinn  „affiziert",  nicht  als  reines, 
übersinnliches  Wesen.  Denn  daß  das  Ich  in  seinem  Denken  und  Wollen  als 
Aktionsprinzip  auftritt  und  sich  als  mehr  als  Erscheinung  existierend  weiß, 
genügt  noch  nicht  zur  Erkenntnis  des  Ichs  an  sich;  Erkenntnis  ohne  An- 
schauung ist  ja,  nach  Kant,  unmöglich.  Das  Ich  ist  also  stets  nur  Subjekt, 
nie  Prädikat,  aber  nicht  eine  Substanz  jenseits  des  Bewußtseins,  von  der  wir 
nichts  wissen.  Ebenso  ist  die  Einheit  des  Bewußtseins  noch  keine  Erkenntnis 
der  Einfachheit  des  Subjekts.  Logische  Einheit  des  Subjekts  ist  nicht  reale, 
substantielle  Einfachheit.  Ferner  bedeutet  die  Identität  der  Persönlichkeit  in 
ihren  Erlebnissen  als  Konstanz  des  Ichbewußtseins  nicht  die  numerische  Identität 
einer  einfachen  Seele.  Daß  ich  endlich  als  psychologisch-logisches  Subjekt 
von  meinem  Körper  mich  unterscheide,  weist  noch  nicht  auf  die  Möglichkeit 
einer  leibfreien  Existenz  der  Seele  hin,  deren  Unsterblichkeit  theoretisch  nicht 
zu  erweisen  ist.  Im  Bewußtsein  ist  alles  in  kontinuierlichem  Flusse,  von  einer 
einfachen,  unveränderlichen  Seelensubstanz  findet  sich  hier  nichts.  Doch  kann 
man  sich  die  Seele  so  denken,  als  ob  sie  einfach  wäre,  also  in  regulativer 
Hinsicht.  Das  (empirische^  Ich  ist  nicht  das  Ding  an  sich,  sondern  Erscheinung 
desselben  wie  der  Körper;  das  beiden  zugrunde  liegende  Ding  an  sich  ist  weder 
Materie  noch  ein  denkendes  Wesen.  Es  ist  aber  möglich,  daß  dasjenige,  welches 
uns  als  ausgedehnt  erscheint,  für  sich  selbst  vorstellend,  denkend  ist.  So 
würde  ,,eben  dasselbe,  was  in  einer  Beziehung  körperlich  heißt,  in  einer  anderen 
zugleich  ein  denkendes  Wesen  sein,  dessen  Gedanken  wir  zwar  nicht,  aber 
doch  die  Zeichen  derselben  in  der  Erscheinung  anschauen  können"  (Annäherung 
an  Leibniz;  vgl.  die  Identitätstheorie  Schellings,  Schopenhauers,  Fechners, 
Wundts  u.  a.).  Das  Etwas,  was  den  äußeren  Erscheinungen  zugrunde  liegt, 
könnte  zugleich  das  Subjekt  der  Gedanken  sein. 

Die  vier  kosmologischen  Ideen  sind:  1.  Die  absolute  Vollständigkeit 
der  Zusammensetzung  des  gegebenen  Ganzen  aller  Erscheinungen;  2.  die  ab- 
solute Vollständigkeit  der  Teilung  eines  gegebenen  Ganzen  in  der  Erscheinung ; 

3.  die  absolute  Vollständigkeit  der   Entstehung   einer  Erscheinung  überhaupt; 

4.  die  absolute  Vollständigkeit  der  Abhängigkeit  des  Daseins  des  Veränder- 
lichen in  der  Erscheinung.  Gemäß  dem  Grundsatze:  „Wenn  das  Bedingte 
gegeben  ist,  so  ist  auch  die  ganze  Summe  der  Bedingungen,  mithin  das  schlecht- 
hin Unbedingte,  gegeben"  entstehen  vier  Antinomien,  d.  h.  ,. Widersprüche, 
in  die  sich  die  Vernunft  bei  ihrem  Streben,  das  Unbedingte  zu  denken,  mit 
Xotwendigkcii  verwickelt,  Widersprüche  der  Vernunft  mit  sich  selbst".  Sie 
beruhen  auf  einer  ..natürlichen  Täuschung",  weil  die  Idee  der  absoluten 
Totalität,  welche  nur  als  eine  Bedingung    der  Dinge  an  sich   gilt,  auf  Erschci- 


330  Kant. 

nungen  angewandt  wird.  Jede  Antinomie  besteht  aus  einer  „Thesis"  und 
..Antithesis".  Beide  sind  nach  K.  in  den  ersten  zwei  („mathematischen") 
Antinomien  falsch,  weil  Raum,  Zeit,  Einfachheit  und  Zusammengesetztheit 
nicht  Bestimmungen  von  Dingen  an  sich  sind.  Es  gilt  nur  das  regulative 
Prinzip,  nirgends  eine  Grenze  (nach  oben  oder  nach  unten)  anzunehmen,  soweit 
wir  auch  in  der  Reihe  der  empirischen  Bedingungen  gekommen  sind.  Also 
weder  die  Thesis:  die  Welt  ist  veränderlich  und  zeitlich  begrenzt,  noch  die 
Antithesis:  die  Welt  ist  unendlich;  weder  die  Thesis:  die  Dinge  bestehen  aus 
einfachen  Teilen,  noch  die  Antithesis:  es  gibt  nichts  Einfaches,  sind  richtig. 
Als  bloße  Erscheinung  kann  die  Welt  weder  ein  an  sich  unendliches  noch  ein  an 
sich  endliches  Ganzes  sein,  da  sie  nur  „im  empirischen  Regressus  der  Reihe  der 
Erscheinungen",  nicht  als  abgeschlossene  Totalität  gegeben  ist.  Ebenso  ist  die 
Menge  der  Teile  in  einer  gegebenen  Erscheinung  an  sich  weder  endlich  noch 
unendlich.  Der  Raum  besteht  nicht  aus  unendlich  vielen  Teilen,  er  ist  nur 
ins  Unendliche  teilbar,  ebenso  wie  wir  die  Grenzen  von  Raum  und  Zeit  immer 
weiterhinausrücken  können.  —  Die  beiden  letzten  („dynamischen") 
Antinomien  lösen  sich  so,  daß  die  Thesis  für  das  Ding  an  sich,  die  Anti- 
thesis für  die  Erscheinungen  gilt.  Also:  im  Reiche  des  Ding  an  sich  (des 
Intelligiblen,  Nournenalen)  herrscht  Freiheit  („Kausalität  durch  Freiheit"),  in 
der  Natur  hingegen  ist  alles  (auch  das  Handeln  des  Menschen)  streng  und 
ausnahmslos  gesetzlich,  bedingt,  notwendig.  Ferner  gibt  es  in  der  Erscheinungs- 
welt  kein  Absolutes,  keine  „schlechthin  notwendiges  Wesen",  wohl  aber  jenseits 
der  Erscheinungen  überhaupt.  Die  Antinomien  setzen  den  transzendentalen 
Idealismus  voraus,  sind  aber  auch  eine  Stütze  für  denselben,  wie  später  be- 
sonders Fries  betont. 

Das  transzendentale   Ideal   ist   „theologischer"  Art,    es  ist  Gott    als 
Inbegriff  aller  Vollkommenheit.     In   rein   theoretischer  Hinsicht  ist  Gott  kein 
nstand  der  Erkenntnis,  kein  als  existierend  zu  erweisendes  Wesen,  sondern 
ein  „bloßes,    aber  doch  fehlerfreies  Ideal,    ein  Begriff,    welcher    die  ganze 
menschliche  Erkenntnis  schließt  und  krönet,  dessen  objektive  Realität  auf  diesem 
Wege    zwar   nicht   bewiesen,    aber   auch   nicht  widerlegt   werden  kann".      Die 
Ideale  der  Vernunft   sind   also  nicht  Hirngespinste,   sondern   sie  beziehen  sich 
auf   etwa-,    von    dem   man   (zu  ethischen  Zwecken)    glauben    kann,    daß    ihnen 
(Gott,  Unsterblichkeit,  Freiheit)  etwas  entspricht,    aber  die   „Beweise"   für  das 
ii  Gottes  beweisen  nicht,  was  sie  wollen.     Das  ontologische  Argument, 
welches    an-    dein   bloßen   Begriffe   Gottes    dessen  Existenz  erschließt,    ist  hin- 
fällig,   denn    die   anbedingte  Notwendigkeit   der  Urteile   ist  nicht  die  absolute 
Notwendigkeit  der  Dinge  und   wenn  ich  in  einem  Satze  Subjekt  und  Prädikat 
aufhebe,   so   besteht    kein   Widerspruch.     Denn  Existenz   ist  kein  Prädikat  von 
Dingen     unter    anderen    Prädikaten,    sondern    die    „absolute    Position"    eines 
Dinges    oder    gewisser    Bestimmungen    desselben,    wodurch    an    diesen    nichts 
ändert  wird:   hundert   wirkliche  Taler  enthalten  nicht  das  Mindeste  mehr  als 
hundert    mögliche.     Wo   alle    Beziehung   zu    möglicher   Erfahrung    fehlt,    da 
können   wir   nicht   da-    Dasein    eines  Gegenstandes  erweisen.     Aus  dem   bloßen 
folgt    noch    keinerlei  Existenz,    wir    müssen    aus    ihm    herausgehen,  uro 


Kant. 

dem   Gegenstände  Erkenntnis   zu   erteilen.     .  anständen    der  Sinne 

schient  dies  durch  den  Znsammenhang  mit  irgend  einer  meiner  Wahrnehmung 
uadi  empirischen  Gesetzen;  aber  für  Objekte  des  reinen  Denkens  ist  ganz  und 
gar  kein  Mittel,  ihr  Dasein  zu  erkennen."  Ebenso  anhaltbar  Lei  das  kosmo- 
unent,  welch»-  ans  der  Existenz  der  Dinge  auf  ein  schlechter- 
dings notwendiges  Wesen  schließt  Das  teleologische  (physikotheologische) 
Argument  i>t  ebenfalls  kein  Beweis,  wir  können  ans  aur  die  Well  so  betrachten, 
als  ob  Bie  von  einer  „verständigen  Weltursache"  herrühre,  deren  Erkenntnis 
alter  völlig  unmöglich  ist  Kur/,  hinsichtlich  der  Existenz  Gottes  Laßt  Bich 
nichts  beweisen,  weder  tür  noch  gegen  diese,  so  dal»  mit  dem  Dogmatismus 
auch  der  Skeptizismus  weichen  muß,  denn  nicht-  steht  einem  vernünftig 
Glauben  im  Wege.  Was  als  Erkenntnis  der  theoretischen  Vernunft  nicht 
möglich  i-t.  das  rechtfertigt  Kant  als  „Postulate"  der  praktischen  Vernunft,  der 
Ethik.  Die  Fragen:  Was  kann  ich  wissen?  Was  soll  ich  tun?  Was  darf  ich 
hoffen?  finden  so  ihre  Erledigung  (s.  onten  . 

Die  Metaphysik  ist  also  nach  K.  als  Wissenschaft  vom  Transzendenten, 
jenseits  aller  Erfahrung  Liegenden,  an  sich  Seienden  unmöglich.  Möglich  (und 
notwendig)  isl  sie  nur  als  kritische  Metaphysik,  als  Transzendentalphilosophie, 
als  Systematik  der  apriorischen  Begriffe  und  Grundsätze,  als  Wissenschaft  von 
den  „obersten  Prinzipien  de-  Verstandesgebrauchs".  Sie  gliedert  Bich  in 
„Metaphysik  der  Natur-  (Naturphilosophie)  und  „Metaphysik  der  Sitten" 
Ethik,  Rechtsphilosophie).  1  >i<-  Philosophie  überhaupt  ist  „Vernunfterkennt- 
nis aus  bloßen  Begriffen"  als  „Schulbegriff'),  oder  als  VVeltbegrifl  Wissen- 
schaft von  der  „Beziehung  aller  Erkenntnis  aui  die  wesentlichen  Zwecke  der 
menschlichen  Vernunft".        Die  (gewöhnliche,  nicht  „transzendentall  _  1  k 

i-t  eine  von  allen  Objekten  abstrahierende  I>i-zij>lin  von  der  „bloßen  Form  des 
Denkens  überhaupt",  ein  „Kanon  des  Verstandes  und  der  Vernunft,  aber  nur 
in  Ansehung  des  Formalen  ihre-  Gebrauchs,  der  Inhalt  mag  -ein,  welcher  er 
wolle--.  Die  empirische  Psychologie  gehört  zur  „angewandten  Philosophie", 
nicht  zur  „Metaphysik"  und  auch  nicht  zur  Naturwissenschaft;  denn  sie  kann. 

nach    K..    nie  exakt    werden,    weil    Mathematik    auf   die   Phänomene    de-    inneren 

nicht    anwendbar    i-t.     sie    kann    niemals   mehr   als   eine   historische, 
möglichst    systematische   „Naturlehre  des    inneren    sinne-,   d.  h.   eine    Natur- 
ihreibui  9        .  aber  nicht  Seelen  Wissenschaft,  ja  nicht  einmal  psycho- 

logische Experimentallehre  werden".  Bie  i-t  Anthropologie  Kenntnis  des 
Iffenschei  Gegenstand   des   inneren  sinne-.     Die  „physiologische"  Anthro- 

poloj  :.i    aui   die   Erforschung   dessen,    was  die  Natur   an-  dem  Menschen 

macht,  di--  „pragmatische'1  aui  da-,   was  er  als  frei  handelnd  n  aus  -ich 

!it    oder   machen    kann    und    -oll.     In  der   „pragmatischen    Anthro- 
pologie''   finden     -ich    mancherlei    gute    psychologische    Beobachtuii  eine 

Einteilung   der  Affekte  (athenische1  isthenisch        Vffekfc 

n.  dgL 

Naturphilosophie.     K.-  Naturphilosophie  will  k-  i  ■    \\  i--<  n-chatt   von 
Dingen    an   Bich   -ein.   sondern  von  objektiven   Phänomenen,  d.  h.  von  der 
und    Weise     wie    die   Wirklichkeit    sich    allgci  darstellt    und    denken 


Kant. 

laßt.  Die  Grundkräfte,  auf  welche  die  Erscheinungen  zurückgeführt  werden, 
sind  und  bleiben  Relationen  innerhalb  möglicher  Erfahrung  auf  Grund  aprio- 
rischer Voraussetzungen.  Keine  Naturerkenntnis  hat  es  nur  mit  a  priori  be- 
stimmbaren Naturgesetzen  zu  tun.  In  jeder  besonderen  Naturlehre  aber  ist 
nur  soviel  eigentliche  Wissenschaft,  als  in  ihr  Mathematik  anzutreffen  ist. 
Unter  Natur  ist  das  „Ganze  aller  Erscheinungen,  d.  i.  die  Sinnenwelt,  mit 
Ausschließung  aller  nicht  sinnlichen  Objekte"  zu  verstehen.  Natur  ist  die 
„Existenz  der  Dinge  unter  Gesetzen".  In  der  körperlichen  Natur  ist  alles  auf 
die  Gesetzmäßigkeit  der  Materie,  ihrer  Kräfte  und  Bewegungen  zurückzuführen 
(Mechanistisch-dynamische  Naturauffassung).  Die  Materie  ist  (dynamisch) 
..das  Bewegliche,  sofern  es  einen  Raum  erfüllt",  d.  h.  sofern  es  anderem  Beweg- 
lichen widersteht  durch  eine  besondere  „bewegende  Kraft".  Sie  erfüllt  ihre 
Bäume  durch  abstoßende,  „repulsive  Kräfte  aller  ihrer  Teile",  durch  eine  ihr 
eigene  „Ausdehnungskraft,  die  einen  bestimmten  Grad  hat",  so  daß  alle  Materie 
elastisch  ist.  Dazu  kommt  noch  die  Anziehungskraft,  welche  im  Konflikt  mit 
der  Repulsion  die  Materie  als  einen  „bestimmten  Grad  der  Erfüllung  des 
Raumes"  möglich  macht.  Die  Materie  ist  ins  Unendliche  teilbar,  besteht  also 
Dicht  aus  Atomen.  Bei  allen  Veränderungen  bleibt  die  Quantität  der  Materie 
„im  Ganzen  dieselbe,  unvermehrt  und  unvermindert".  Die  Materie  ist  kein 
Ding  an  sich,  sondern  Phänomen  bzw.  die  Anwendung  der  Kategorie  der 
Substanz  auf  den  Inhalt  der  äußeren  Wahrnehmung.  Alle  Bewegung  der 
Materie  ist  relativ;  die  Bewegung  überhaupt  ist  ein  gemischter,  kein  rein 
apriorischer  Begriff,  nur  ein  „sinnlich  bedingter  Begriff  a  priori"  und  natürlich 
ebenso  phänomenal  wie  die  Materie.  Das  Ding  an  sich  ist  nicht  ausgedehnt, 
nicht  materiell,  nicht  bewegt,  sondern  nur  der  verborgene  „Grund"  der  Raum- 
dinge und  deren  Bewegungen,  die  erst  und  nur  in  Beziehung  zu  einer  mög- 
lichen Erfahrung  als  solche  erscheinen.  —  Vgl.  unten  „Kants  Teleologie". 

Ethik.  Kants  Ethik  ist  formalistisch,  apriorisch,  Gesinnungsethik,  Ver- 
nunftmoral, rigoristisch.  Die  Ethik  ist  die  „formale  Philosophie,  wrelche  sich 
mit  den  Gesetzen  der  Freiheit  beschäftigt".  Sie  hat  einen  empirischen  und 
rationalen  Teil.  Als  reine  Ethik  (,,Metaphysik  der  Sitten")  soll  sie  „die  Idee 
und  die  Prinzipien  eines  möglichen  reinen  Willens  untersuchen"  und  Kritik 
der  praktischen  Vernunft  sein,  denn  reiner  Wille  ist  nach  K.  mit  der 
„praktischen  Vernunft"  identisch.  Die  Vernunft  ist  praktisch,  sofern  sie  den 
Willen  bestimmt;  am  Ende  gibt  es  nur  eine  Vernunft,  die  bloß  in  der  An- 
wendung verschieden  ist.  Die  Kritik  der  praktischen  Vernunft  hat  nun  die 
Aufgabe,  „die  empirisch-bedingte  Vernunft  von  der  Anmaßung  abzuhalten, 
ausschließungsweiße  (\c\i  Bestimmungsgrund  des  Willens  allein  abgeben  zu 
wollen",  und  die  Wirksamkeit  und  Forderung  der  reinen  praktischen  Vernunft, 
des  reinen  Willens,  damit  also  das  Prinzip  reiner  Sittlichkeit  zu  demonstrieren. 
;  apriorische  Gesetz  des  sittlichen  Willens  als  die  Grundlage  des  sittlichen 
Handeine  und  der  Beurteilung  desselben  soll  als  wirksam  und  gültig,  als  alle 
anderen  Moralprinzipien  ausschließend  erwiesen  werden. 

Beine  Vernunft  i-t  für  Bich  allein  praktisch  und  gibt  dem  Menschen  ein 
fcz,  das  Bittengesetz.     Sittlich  ist  nur,  was  der  Forderung  des 


Kant.  333 

der  Vernunft  entspringenden  Sittengesetzes  gemäß  ist,  vorausgesetzt,  daß  es 
nur  aus  Achtung  vor  demselben,  nicht  aus  Eigennutz.  Neigung  u.  dgl.  erfolgt. 
Als  „eudämonistisch"  bestimmt  K.  alles  Handeln,  welches  um  irgendwelcher 
..materialer'  Zwecke  (Glückseligkeit,  soziale  Wohlfahrt,  Vervollkommnung  usw.) 
erfolgt.  Das  Sittliche  bestimmt  er  rein  formalistisch,  indem  er  betont:  „In  der 
Unabhängigkeit  .  .  .  von  aller  Materie  des  Gesetzes  (nämlich  einem  begehrten 
Objekte)  und  zugleich  doch  Bestimmung  der  Willkür  durch  die  bloße  all- 
gemeine gesetzgebende  Form,  deren  eine  Maxime  fähig  sein  muß,  besteht  das 
alleinige  Prinzip  der  Sittlichkeit/'  Der  „Rigorismus"  K.s  besteht  darin,  daß  er 
erstens  von  allem  Erfolg  des  Handelns  absieht  und  nur  auf  die  Gesinnung 
«haut,  zweitens  aber  die  sittliche  Gesinnung  unabhängig  von  allen  Neigungen 
rein  in  dem  Willen  zur  Pflichterfüllung  erblickt.  „Das  Wesentliche 
alles  sittlichen  Wertes  der  Handlungen  kommt  darauf  an,  daß  das  moralische 
Gesetz  unmittelbar  den  Willen  bestimmt.'-  Es  genügt  nicht,  daß  eine  Hand- 
lung pflichtmäßig  ist.  also  „Legalität"'  hat,  sie  muß  —  um  sittlich  zu  sein 
auch  „Moralitäf  haben,  d.  h.  unbeeinflußt  von  Neigungen  u.  dgl..  ja  möglichst 
frei  von  solchen  und  ..mit  Abweisung  aller  derselben,  sofern  sie  jenem  Gesetze 
zuwider  sein  könnten",  rein  aus  Achtung  (die  später  zum  Wohlgefallen  werden 
kann)  vor  dem  Sittengesetze  erfolgen.    K.s  Ethik  ist  in  erster  Linie  Pflichten moral. 

Die  Sittlichkeit  des  Menschen  ist  nicht  von  außen  bedingt,  aber  auch  nicht 
durch  innere  Triebe.  Affekte  u.  dgl.  begründet,  sie  beruht  nicht  auf  der 
..Heteronomie  der  Willkür".  Diese  entsteht,  wenn  der  Wille  das  Sittengesetz 
nicht  rein  aus  sieh  Belbst,  sondern  aus  seiner  Beziehung  zu  Objekten,  die  ihn 
erregen,  entnimmt.  Die  reine  praktische  Vernunft,  der  reine  Wille  aber  ist 
autonom,  frei,  sei!  gebend.     Die  Autonomie  des  Willens  bedeutet,  daß 

dieser  Bich  selbst,  unabhängig  von  allen  Gegenstanden  <\v^  Wollens,  allen 
Zwecken,  -'in  Gesetz  ist.  Die  Würde  *\r>  Menschen  liegt  in  dieser  sittlichen 
Autonomie.  Sittlich  i>t  nur  jene  Handlung,  bei  der  sich  der  Wille  durch  Beine 
Maxime  selbst  als  allgemein  gesetzgebend  betrachten  kann;  unsittlich  sind  alle 
Maximen,  die  mit  dieser  Gesetzgebung  nicht  zusammen  bestehen  können.  Die 
Möglichkeit,  ein  allgemeinem  (iesetz  de-  Willens  und  Sandeine 
zu  können,  i-t  also  nach  K.  das  Kriterium  der  Sittlichkeit  (Formalismus): 
„Das  Prinzip  der  Autonomie  i-t  also:  nicht  anders  zu  wählen,  als  so.  daß  die 
Maximen  Beiner  Wahl  in  demselben  Wollen  zugleich  als  allgemeint  -  ( 
mit  begriffen  seien. ■• 

So  gelangt  IL  zum  kategorischen  [mperatn  als  dem  obersten  ethischen 
Grundsatze  der  Beurteilung  des  Handelns.  „Imperativ''  i-i  die  „Vorstellung 
eine«,  objektiven  Prinzips,  so  wie  es  für  einen  Willen  nötig  ist".  „Hypothetisch" 
n  Imperativ,  der  etwas  um  eines  bestimmten  /wecke-  willen  gebietet 
(Klugheitsregeln),  „kategorisch"  aber  ein  solcher,  der  imbedingl  gebietet,  als 
absolutes  Sollen,  ohne  Rücksicht  auf  „materiale"  Motive,  auf  Zwecke,  rein  nur, 
weil  der  sittliche  Wille  selbst  es  verlangt,  der  Bich  nur  -<>  realisieren  kann.  ->- 
dafl  die  Sittlichkeit  Selbstzweck  i-t.  Der  kategorische  [mperatn  lautet  nun: 
„Handle  so,  dafl  die  Maxime  deines  Willens  jederzeit  zugleich  als  Prinzip  einer 
allgemeinen  (  elten  könne."    Oder  auch:  „Handle  nach  derjenigen 


334  Kant.  

Maxime,  durch  die  du  zugleich  wollen  kannst,  daß  sie  ein  allgemeines  Gesetz 
werde"  (vgl.  schon  Paley,  Princ.  of  Mor.  and  Polit.  Philos.,  1786).  Oder  endlich, 
da  der  Mensch  als  sittliches  Vernunftwesen  Selbstzweck  ist:  „Handle  so,  daß 
du  die  Menschheit  sowohl  in  deiner  Person  als  in  der  Person  eines  jeden  andern 
jederzeit  zugleich  als  Zweck,  niemals  bloß  als  Mittel  brauchst."  Sittlich  ist 
also  das  einheitliche,  allgemeingültige  Wollen,  der  Wille  zum  Allgemeingültigen 
im  Handeln  und  Verhalten,  das  dem  reinen  Willen  überhaupt  Gemäße,  ihn 
Konstituierende,  der  gute  Wille. 

Sittlich  handeln  heißt  nach  K.,  so  handeln,  wie  es  unserer  Würde  als 
freie  Vernunftwesen,  als  Mitglieder  eines  geistigen  „Reichs  der  Zwecke"  an- 
gemessen ist.  Sittlichkeit  besteht  in  der  „Beziehung  aller  Handlung  auf  die 
Gesetzgebung,  dadurch  allein  ein  Reich  der  Zwecke  möglich  ist".  Alle  Maximen 
sollen  zu  einem  möglichen  Reich  der  Zwecke  zusammenstimmen,  ein  Reich 
neben  und  über  der  Natur  konstituieren,  eine  Welt  der  Aktivität,  Freiheit, 
Vernünftigkeit.  Jedes  Wesen  muß  so  handeln,  „als  ob  es  durch  seine  Maximen 
jederzeit  ein  gesetzgebendes  Glied  im  allgemeinen  Reiche  der  Zwecke  wäre". 
Die  „intelligible  Welt",  die  theoretisch  nicht  erfaßbar  ist,  hat  ethische  Be- 
deutung, indem  sich  der  Mensch  als  Intelligenz  und  Wille  als  zur  „Verstandes- 
welt" gehörig  ansehen  muß,  unter  Gesetzen,  die  bloß  in  der  Vernunft,  im 
Willen  gegründet  sind.  Das  sittliche  Wollen  ist  ein  Wollen  als  Glied  einer 
in  teilig iblen  Welt,  d.  h.  eines  Ganzen  vernünftiger  Wesen  als  Dinge  an  sich 
selbst,  als  Idee  eines  solchen,  dem  wir  uns  nur  durch  unsere  Freiheit  ein- 
gliedern. So  rückt  unsere  freie  Pflichterfüllung  in  ein  neues  Licht,  denn 
sie  macht  uns  zu  Bürgern  eines  höheren  Reiches,  als  welche  wir  (als  intelligible 
Wesen)  uns  selbst  (als  Sinneswesen)  die  Pflicht  auferlegen.  So  kann  denn 
Kant  begeistert  ausrufen:  „Pflicht!  Du  erhabener  großer  Name,  der  du  nichts 
Beliebtes,  was  Einschmeiehelung  bei  sich  führt,  in  dir  fassest,  sondern  Unter- 
werfung verlangst,  doch  auch  nichts  drohest,  was  natürliche  Abneigung  im 
Gemüte  erregte  und  schreckte,  um  den  Willen  zu  bewegen,  sondern  bloß  ein 
''-'[/  aufstellst,  welches  von  selbst  im  Gemüt  Eingang  findet."  Der  bestirnte 
Himmel  über  uns  und  das  moralische  Gesetz  in  uns  reizen  stets  zu  neuer 
Bewunderung. 

Die  praktische  Vernunft  hat  den  „Primat",  den  Vorrang  vor  der  theoreti- 
9chen,  indem  sie  die  nicht  erkennbaren  Gegenstände  der  letzteren,  wie  Frei- 
heit, Unsterblichkeit,  Gott  als  Objekte  des  Glaubens  rechtfertigen  kann. 
Diese  Objekte  sind  Postulate  der  praktischen  Vernunft;  sie  sind  nicht- 
beweisbare Annahmen,  die  um  des  Praktischen.  Sittlichen  willen  notwendig 
sind.  „Wenn  es  nun  Pflicht  ist,  zu  einem  gewissen  Zweck  (dem  höchsten 
hinzuwirken,  so  muß  ich  auch  berechtigt  sein,  anzunehmen:  daß  die 
Bedingungen   da  sind,    unter  denen   allein   diese  Leistung  der  Pflicht  möglich 

obzwar    dieselben    übersinnlich    sind  und   wir  (in    theoretischer  Rücksicht) 
kein  Erkennen  derselben   zu  erlangen   vermögend  sind."     Das  Postulat  ist  ein 

munftglaube"   der  ebenso  sicher  ist  wie  das  Wissen,  weil  er  mit  dem  Sitt- 
lichen fest   verwebt  ist. 

Postulat    ist  zunächst  die  Willensfreiheit.    Abgesehen  von 


Kant.  335 

der  psychologischen  Freiheit,  welche  nach  K.  nur  ein  innerer  Determinismus, 
ein  Bedingtsein  des  Handelns  durch  Triebfedern,  nur  die  „Freiheit  eines 
Bratenwenders"  ist,  muß  es  eine  absolute  Freiheit  als  Autonomie  dea  Willens 
geben,  soll  dieser  sittlich  sein  können  (Das  Kantsche:  „Ich  kann,  denn  ich 
soll"  wird  hier  gerechtfertigt).  Die  sittliche  Freiheit  ist  die  Unabhängigkeit 
von  allem  Naturgesetzlichen,  auch  von  der  psychologischen  Gesetzlichkeil . 
die  Fähigkeit  des  Vernunftwillens,  rein  sich  aus  sich  selbst  zu  bestimmen,  sich 
selbst  das  Gesetz  zu  geben,  also  „einen  Zustand  von  selbst  anzufangen''.  Eine 
solche  Freiheit  ist  kein  Gegenstand  sinnlicher  Erfahrung,  muß  aber  ethisch 
gefordert  werden.  Wie  ist  sie  möglich,  wenn  die  Kausalität  alles  Natur- 
geschehen bedingt?  Durch  die  Unterscheidung  zweier  Arten  von  Kausalitäten, 
einer  phänomenalen  und  einer  intelligiblen  („causa  noumenon").  Die  Wirkung 
kann  nach  K.  „in  Anschauung  ihrer  intelligiblen  Ursache  als  frei",  in  An- 
sehung der  Erscheinungen  als  Erfolg  aus  denselben  als  notwendig  angesehen 
werden.  Das  Handeln  ist  als  Erscheinung  determiniert,  naturgesetzlich  be- 
stimmt, Wirkung  und  Ursache  von  anderen  Handlungen  und  Vorgängen ;  zu- 
gleich aber  liegen  ihr  freie  Ursachen,  autonome  Willensentscheidungen  zugrunde. 
„Alle  Handlungen  vernünftiger  Wesen,  sofern  sie  Erscheinungen  sind,  stehen 
unter  der  Naturnotwendigkeit;  eben  dieselben  Handlungen  aber,  bloß  respektive 
auf  das  vernünftige  Subjekt  und  dessen  Vermögen,  nach  bloßer  Vernunft  zu 
handeln,  sind  frei."  Ein  jedes  Wesen,  das  nicht  anders  als  unter  der  Idee  der 
Freiheit  handeln  kann,  ist  praktisch  wirklich  frei.  Der  „empirische  Charakter" 
des  Menschen  ist  vom  „intelligiblen  Charakter"  desselben  zu  unterscheiden. 
In  der  Erscheinung  sind  alle  Handlungen  durch  die  Natur  und  durch  den 
empirischen  Charakter  SO  determiniert,  daß  sie  im  Prinzip  voraussagbar  sein 
können.  Insofern  aber  das  Wollen  ein  Ausfluß  des  intelligiblen  Charakters 
[des  dem  Mensehen  zugrunde  liegenden  Intelligiblen,  Noumenalen)  ist,  ist  es 
frei  (vgl.  Schelling,  Schopenhauer). 

Die  Unsterblichkeit,  die  keinen  Gegenstand  theoretischer  Erkenntnis 
bildet,  ist  ebenfalls  ein  praktisches  Postulat.  Der  Mensch  kann  in  dieser  Welt 
der  Glückseligkeit,  deren  er  sich  würdig  gemacht,  nicht  völlig  teilhaftig  werden, 
i  -  1 1 1 1 1 1  >  daher  eine  Welt,  einen  Zustand  geben,  wo  das  „Wohlbefinden  des 
Geschöpfs  dem  W< »hl verhalten  desselben  adäquat  sein  wird".  Die  völlige  An- 
gemessenheit  des  Willens  zum  moralischen  Gesetze  („die  Heiligkeit")  ist  nur 
..in  einem  ins  Unendliche  gehenden  Progressus"  zu  erreichen  und  dieser  Fort- 
schritt  ist  nur  möglich  „unter  Voraussetzung  einer  ins  Unendliche  fortdauern- 
den Existenz  und  Persönlichkeit".  —  Endlich  ist  das  Dasein  Gottes  ein 
solches  Postulat  (Ethiko-theologisches  Argument,  „Moral-Beweis").  Intimi  das 
moralische  Gesetz  uns  einen  Endzweck,  das  höchste  Gut,  bestimmt  und  dieses 
die  Glückseligkeit  als  Mitbedingung  fordert,  müssen  wir  einen  moralischen 
Weltgrund,  der  das  rechte  Verhältnis  /wischen  Sittlichkeit  and  Glückseligkeit 
herateilt,  postulieren.  Dieser  Weltgrund  muß  als  höchste  [ntelligens  und 
höchster  Wille  gedacht  werden,  als  ewig,  allmachtig,  allwissend  usw.,  kurz  als 
höchste  Persönlichkeit  (Ethischer  Theismus). 

Rechts-    und  (Jes.-hich  ts  philosophi  e.     Während    die    „Tugendlehre" 


336  Kant. 

(der  zweite  Teil  der  Metaphysik  der  Sitten)  die  Lehre  von  den  Pflichten,  die 
nicht  unter  äußeren  Gesetzen  stehen  (Tugendpflichten),  ist,  hat  es  die  Rechts- 
lehre mit  den  Rechtspflichten,  d.  h.  mit  den  aus  äußerer  Gesetzgebung  ent- 
springenden Pflichten  zu  tun.  Die  Tugend  ist  eine  Willensfertigkeit,  die 
„moralische  Stärke  des  Willens  in  Befolgung  seiner  Pflicht".  Die  Tugend- 
pflichten gehen  auf  eigene  Vollkommenheit  und  fremde  Glückseligkeit,  ohne  daß 
aber  das  Kriterium  des  Sittlichen  selbst  ein  eudämonistisches  ist.  Das  Recht 
aber  sieht  von  der  Gesinnung,  dem  Moralischen  ganz  ab.  Es  ist  der  „Inbegriff 
der  Bedingungen,  unter  denen  die  Willkür  des  einen  mit  der  Willkür  des 
andern  nach  einem  allgemeinen  Gesetze  der  Freiheit  zusammen  vereinigt 
werden  kann".  Das  strikte  Recht  ist  die  „Möglichkeit  eines  mit  jedermanns 
Freiheit  nach  allgemeinen  Gesetzen  zusammenstimmenden  durchgängigen 
wechselseitigen  Zwanges".  Die  Strafe  dient  der  Vergeltung.  Der  Staat  be- 
ruht auf  einem  „ursprünglichen  Vertrag"  (als  „Idee  der  Vernunft")  und  ist 
die  ..Vereinigung  einer  Menge  von  Menschen  unter  Rechtsgesetzen".  Das  Wohl 
desselben  besteht  im  Zustand  größter  Übereinstimmung  der  Verfassung  mit 
Rechtsprinzipien.  K.  faßt  also  den  Staat  wesentlich  als  Rechtsstaat  auf.  Der 
Staat  hat  drei  Gewalten:  Herrschergewalt  (Gesetzgebung),  vollziehende  Gewalt 
(Regierung),  richterliche  Gewalt.  Der  Herrscher  hat  lauter  Rechte,  keine 
(Rechts-)  Pflichten  und  es  gibt  auch  kein  Recht  des  Aufstandes  (obzwar  K.  von 
der  Souveränität  des  Volkes  ausgeht).  Daß  auch  in  dem  Verhältnis  der  Staaten 
zueinander  das  Recht  herrsche,  ist  das  Ziel  der  Geschichte,  deren  höchstes  Ideal 
«las  Aufhören  des  Krieges,  der  „ewige  Friede"  auf  Grundlage  eines  Völkerbundes 
ist.  In  jener  Formulierung  des  kategorischen  Imperativs,  weiche  den  Mensch  als 
Zweck,  nicht  als  bloßes  Mittel  zu  behandeln  gebietet,  liegt  die  Grundlage  zu 
einer  sozial-teleologischen  Ethik,  wenn  auch  nicht  gerade  zum  „Sozialismus". 

In  der  Geschichte  kommen  die  menschlichen  Kultur- Anlagen  zur  Ent- 
faltung, was  nur  in  der  Gesellschaft  möglich  ist.  Eine  „ungesellige  Gesellig- 
keit", 'in  Streit  zwischen  individuellen  und  sozialen  Neigungen  besteht,  bis 
schließlich  ans  der  Zwangsgesellschaft  ein  innerlich  verbundenes,  moralisches 
Ganzes  mit  einer  vollkommenen  Verfassung  ersteht.  Der  „Antagonismus",  von 
dem  K.  spricht,  ergibt  sich  aus  der  Neigung  des  Menschen  einerseits  zur 
gesellschaftung,    anderseits   zur   Vereinzelung.      Endziel  der  Geschichte   ist 

iheil  unter  äußeren  Gesetzen",  eine  „vollkommen  gerechte  bürgerliche 
Verfassung",  verbunden  mit  Herrschaft  der  Vernunft. 

Die  Kritik  der  Urteilskraft.  Nach  K.  liegt  zwischen  Verstand  und 
Vernunft  die  „Urteilskraft",  welche  zwischen  dem  Übersinnlichen  und  Sinn- 
lichen, [ntelligiblen  und  Empirischen,  Naturgesetzlichen  vermittelt.  Auch  die 
I  rteilskrafl  enthält  ein  ..Prinzip  a  priori",  sie  ist  eine  Quelle  nicht-empirischer 
I  rteile.  I  rteilskrafl  ist  „das  Vermögen,  unter  Regeln  zu  subsumieren"  und 
als  „bestimmende''  und  „reflektierende"  Urteilskraft  auf.  „Urteilskraft 
das  Vermögen,  das  Besondere  als  enthalten  unter  dem  Allgemeinen 
zu  denken,  [sl  das  Allgemeine  (die  Regel,  das  Prinzip,  das  Gesetz)  gegeben, 
lii  Urteilskraft,  welche  das  Besondere  darunter  subsumiert  .  .  .,  be- 
id.     [sl  aber  nur  das   Besondere   gegeben,   wozu   sie   das  Allgemeine 


Kant.  337 

finden  soll,   so  ist  die  Urteilskraft  bloß    reflektierend.''     Die   reflektierende 
Urteilskraft  ist  teils  ästhetische,  teils  teleologische  Urteilskraft,  je  nach- 
dem  sie  es    (in  regulativer,   nicht   konstitutiver  Weise)   mit    subjektiv-formaler 
oder  aber  mit.  objektiv-materialer  Zweckmäßigkeit  zu  tun  hat.     Der  bestimmen- 
den Urteilskraft  ist  das  Gesetz  a  priori  vorgeschrieben,  die  reflektierende  aber 
bedarf  eines  Prinzips,    durch  welches   sie    die  Natur    zwar   nicht    erklärt,   aber 
doch  deutet.     Dieses  Prinzip  verlangt,  daß  die  besonderen  Gesetze  der  Natur, 
die  nicht  apriorisch  erkannt  werden,  in  bezug  auf  das  ihnen  unbestimmt  Ge- 
lassene  so  zu  einer  Einheit   verbunden  gedacht  werden,   als  ob   ein   höherer 
Verstand  sie  gegeben  hätte,  um  ein  System  der  Erfahrung  möglich  zu  machen. 
<Vgl.  Über  Philosophie  überhaupt.)     Durch  diese  Einheit  in  der  Vielheit   be- 
ßonderer  Gesetze,  durch  diese  innere  Verbindung  derselben  —  die  nicht  erkannt 
werden  kann,  aber  als  Regulativ  für  die  Forschung  dient  —  wird  der  Aprioris- 
mus  der  reinen  Vernunft  ergänzt.     Zugleich  wird  der  Einfluß  der  Freiheit  (des 
Intelligiblen)  auf  die  Natur  durch  den  Gedanken  der  Einheit  des  beiden  Zu- 
grundeliegenden   begreiflich   gemacht.     Die   Natur   muß    „so   gedacht   werden 
können,  daß  die   Gesetzmäßigkeit    ihrer  Form  wenigstens  zur  Möglichkeit  der 
in  ihr  zu  bewirkenden  Zwecke  nach   Freiheitsgesetzen  zusammenstimme".     Die 
Urteilskraft  vermittelt  also  zwischen  „Xaturbegriffen"  und  „Freiheitsbegriffen'-. 
Kants   Teleologie.      Wir    lassen    die    Betrachtung    der    „teleologischen" 
Urteilskraft  jener  der  „ästhetischen"  vorangehen,  befassen  uns   also  zuerst   mit 
der  „materialen"   Zweckmäßigkeit.     Die    „transzendentale"   Zweckmäßigkeit   ist 
uns  schon  bekannt,  sie  besteht  in  der  Zusammenstimmung  der  Mannigfaltigkeil 
empirischer  Naturgesetze   zur   Einheit    vermittelst    der  Urteilskraft,    welche  be- 
müht ist,  bei  aller  „Spezifikation"  überall  die  Übergänge,  die  Verwandtschaft,  die 
höhere  Gattung,  das  Gemeinsame,  Einheitliche  zu  finden,  kurz  eine  einheitliche 
stetige  Ordnung  der  Natur  selbst  methodisch  herzustellen;  soweit  sich  die  Natur 
diesem  Willen  zur  Einheit  und  Ordnung  fügt,  besteht  eben  die  transzendentale, 
„idealische"   Zweckmäßigkeit,   ist  die  Natur  unserem  Erkenntnisvermögen   ., an- 
gemessen".   Diese  Angemessenheit,  die  auch  im  Ästhetischen  besteht,  begründet 
hier  die  subjektiv-formale,  im  Intellektuellen  die  objektiv-formale  Zweckmäßig- 
keit, von  der  endlich  die   objektiv-reale  (materiale)  Zweckmäßigkeit    zu    unter- 
scheiden ist.  welche  die  Dinge  selbst  betrifft.    „Objektiv"  heißt  aber  hier  nicht 
transzendent,  sondern  nur  allgemeingültig  für  alle  Deutung  der  Erscheinungen. 
Der  Zweck  ist  ein  Begriff  der  Urteilskraft,  keine  Kategorie  des  Verstandes, 
denn  er  ist   uiehl  im  Objekte,  sondern   lediglich  im  Subjekte,    in   dessen  Ver- 
mögen zu  reflektieren,  zu  suchen.    Den  Zweck  legen  wir  in  die  Dinge  hinein,  er 
ist  k.iu  konstitutiver  Bestandteil  der  Erkenntnis  des  Gegenstandes.    K-  ist  aber 
wohl   zwischen    äußerer  Zweckmäßigkeit,   „Zuträglichkeit"  oder    „Nutzbarkeit" 
ihr  andere-  (z.  B.  der  Dinge  für  den  Menschen)  and  „innerer  Zweckmäßigkeit0 
zu  unterscheiden.    Die  äußere,  relative  Zweckmäßigkeil   (d.  h.  daß  etwas   um 
des  Vorteils  eines  andern  willen  da  ist)  ist  nicht  das,  was  wir  der  Natur  zu- 
muten dürfen.    Es  handelt   rieh   vielmehr  um   die  Zweckmäßigkeil    der  Dinge 
—  lbst,  wobei  Zweck  deren  „BegrifJ   von  einem   Objekt,  sofern   er  zugleich  den 
Grund   der   Wirklichkeit    dieses  Objekte   enthält",   also  das  ideale    Priua   des 

Bisler,  Philosophen-Lexikon.  22 


Kant. 

Dinges,  das  sich  in  ihm  verwirklicht  hat,  bedeutet.  Bei  einem  Dinge  als 
..Natur/weck"  ist  die  Beziehung  der  Teile  und  des  Ganzen  das  Wesentliche, 
wonach  die  Teile  ihrer  Existenz  und  Form  nach  durch  das  Ganze  bedingt  sind 
und  dieses  wiederum  durch  die  Wechselwirkung  der  Teile. 

Naturzwecke  sind  nur  die  Organismen,  bei  denen  dieses  Verhältnis  statt- 
hat; in  ihnen  ist  ein  Teil  durch  den  anderen  und  zugleich  um  des  anderen 
(und  des  Ganzen)  willen  da.  Die  Natur  organisiert  sich  hier  selbst  durch  eine 
, .bildende  Kraft"  (die  aber  nicht  als  Seele  u.  dgl.  gedacht  werden  darf).  Ein 
organisiertes  Naturprodukt  ist  also  „das,  in  welchem  alles  Zweck  und  wechsel- 
seitig auch  Mittel  ist'.  „Nichts  ist  in  ihm  umsonst,  zwecklos,  oder  einem 
blinden  Naturmechanismus  zuzuschreiben."  Rein  mechanisch,  d.  h.  ohne 
teleologische  Beurteilung,  läßt  sich  das  Organische  nicht  verstehen,  der  „Newton 
des  Grashalmes",  der  das  Wachstum  des  Grases  bloß  mechanisch  zu  erklären  vermag, 
ist  noch  nicht  da.  Aber  die  teleologische  Interpretation  schließt  die  mechanisch- 
kausale Erklärung  nirgend  aus,  wenn  auch  diese  allein  im  Organischen  nicht 
ausreicht  und  die  heuristische  Funktion  der  Zweckidee  unentbehrlich  ist. 
Mechanismus  und  Teleologie  schließen  einander  nicht  aus,  die  Antinomie 
zwischen  beiden  besteht  nicht  zu  Kecht,  ist  lösbar.  Das  Prinzip  des  Mechanismus 
besagt  nur,  wir  sollen  soweit  als  wir  nur  können,  nach  dem  Mechanischen 
torschen,  sonst  gibt  es  keine  eigentliche  Naturerkenntnis.  Dieses  hindert  nicht, 
bei  einigen  Naturformen  (Organismen)  und  schließlich  bei  der  ganzen  Natur 
die  Zweckbetrachtung  heranbringen,  wobei  wir  aber  nicht  den  bloß  regulativen 
Charakter  des  Zweckbegriffs  vergessen  dürfen,  vermittelst  dessen  wir  die  Natur 
nach  Analogie  mit  unserer  Zwecktätigkeit  deuten,  ohne  sie  dadurch  allein  zu 
erklären.  Jedenfalls  ist  der  Zweck  „ein  Prinzip  mehr,  die  Erscheinungen  .  .  . 
unter  Regeln  zu  bringen,  wo  die  Gesetze  der  Kausalität  nach  dem  bloßen 
Mechanismus  derselben  nicht  zulangen".  Denn  wir  führen  einen  teleologischen 
Grund  an,  wo  wir  einem  Begriff  vom  Objekt,  als  ob  er  in  der  Natur  (nicht  in 
uns)  gelegen  wäre,  Kausalität  zuschreiben,  ohne  aber  absichtlich-wirkende  Ursachen, 
die  wir  nur  Vernunftwesen  zuschreiben,  in  die  Natur  als  solche  hineinzulegen. 
I  od  wenn  wir  die  Zweckmäßigkeit  der  Natur  auf  einen  „obersten  Verstand" 
zurückführen,  so  ist  das  zwar  eine  berechtigte  Maxime,  aber  keine  objektive 
Erkenntnis.  Was  den  Unterschied  zwischen  Mechanismus  und  Teleologie  be- 
trifft, so  ist  es  möglich,  daß  „in  dem  uns  unbekannten  inneren  Grunde  der 
Natur  selbst  die  physisch-mechanische  und  die  Zweckverbindung  an  denselben 
Dingen  in  einem  Prinzip  zusammenhängen  mögen". 

Ästhetik.     Als  einer  der  ersten  deutschen   Philosophen   unterscheidet  K. 
Bcharl  zwischen  Erkenntnis  und  Gefühl.   Das  Gefühl  ist  das  „Subjektive"  im 

ii  Silin*,  es  bezieht  sich  nicht  auf  das  Objekt,  sondern  auf  den  Zustand 

i  -  Subjekt«,  es  kann  durch  Erkenntnis  bewirkt   werden,   ist   aber  nicht  selbst 

Enenntois.     Auf  die  gefühlte  Zweckmäßigkeit  nun  bezieht  sich  die  „ästhetische 

I  rteüskraft".     Die  Ästhetik  kann,  nach  K.,  mit  einer  psychologisch-empirischen 

i'ion  anfangen,  aber  sie  selbst  ist  eine  kritische  Wissenschaft,  welche 
nach  dern  apriorischen  Prinzip  der  Allgemeinheit  ästhetischer  Urteile  fragt, 
■reiches  si<   zur  Wertung   der  ästhetischen   Urteile  braucht.    Eine  „Deduktion" 


Kant.  339 

(Legitimation)  der  reinen  ästhetischen  Urteile  ist  nötig.  Das  ästhetische  Urteil 
(Geschmacksurteil)  hat  zum  Gegenstand  das  Gefühl,  welches  das  , .harmonische 
Spiel  der  beiden  Erkenntnisvermögen  der  Urteilskraft,  Einbildungskraft  und 
Verstand,  im  Subjekte  bewirkt*',  also  die  subjektive  Zweckmäßigkeit,  die  unmittel- 
bar (ohne  Begriff)  lustvoll  empfunden  wird.  In  der  ästhetischen  Urteilskraft 
liegt  ein  apriorisches  Prinzip  der  Beurteilung,  das  hier  auf  die  subjektive  und 
formale  Zweckmäßigkeit  geht  und  subjektive  Allgemeingültigkeit  be- 
ansprucht. Das  ästhetische  Urteil  fordert  diese  nicht  absolut,  erwartet  aber  die 
Einstimmung  jedermanns  mit  dem  eigenen  Geschmack.  Die  Schönheit  ist  die 
Form  der  Zweckmäßigkeit  eines  Gegenstandes,  sofern  sie  ohne  Vorstellung 
eines  Zweckes  an  ihm  wahrgenommen  wird,  nämlich  die  Angemessenheit  zu 
unserem  Bewußtsein  in  der  unmittelbaren  Auffassung.  Das  Wohlgef allen , 
welches  das  Geschraacksurteil  bestimmt,  ist  „ohne  alles  Interesse",  d.  h.  ohne 
Bezug  auf  das  Begehren  und  unabhängig  von  der  realen  Existenz  des  Wohl- 
gefallenden; hingegen  ist  die  Lust  am  Angenehmen,  an  dem,  „was  den  Sinnen 
in  der  Empfindung  gefällt",  mit  Interesse  verbunden,  ebenso  das  Wohlgefallen 
am  Guten,  an  dem,  „was  vermittelst  der  Vernunft  durch  den  bloßen  Begriff 
gefällt".  Ästhetischer  Geschmack  ist  das  „Beurteilungsvermögen  eines 
Gegenstandes  oder  einer  Vorstellungsart  durch  ein  Wohlgefallen  oder  Miß- 
fallen, ohne  alles  Interesse''.  Der  Gegenstand  eines  solchen  Wohl- 
gefallens heißt  schön.  Das  Schöne  ist  „das,  was  ohne  Begriffe,  als  Objekt 
eines  allgemeinen  Wohlgefallens  vorgestellt  wird".  Das  Schöne  bezieht  sich 
nicht  auf  die  individuelle  Neigung  des  Subjekts  und  muß  daher  „einen  Grund 
des  Wohlgefallens  für  jedermann"  enthalten;  daher  haben  wir  Grund  „jeder- 
mann ein  ähnliches  Wohlgefallen  zuzumuten".  Was  bloß  einem  Einzelnen 
gefällt,  kann  angenehm  sein  (z.  B.  eine  besondere  Farbe,  ein  einzelner  Ton 
n.  dgl.),  aber  nicht  schön.  Das  Geschmacksurteil  setzt  „universale  Regeln" 
voraus,  wenn  auch  die  Allgemeinheit  hier  „subjektiv"  (d.  h.  als  allgemein- 
subjektive Reaktion  auf  den  schönen  Gegenstand)  ist,  nicht  auf  einem  Begriffe, 
sondern  auf  einem  Gefühl  beruht  und  als  „Gemeingültigkeit"  zu  bezeichnen  ist. 
Der  Gemütszustand  in  dem  „freien  Spiele  der  Einbildungskraft  und  des  Ver- 
standes" ist  die  Bedingung  und  Grundlage  dieser  Allgemeinheit,  eine  „Zweck- 
mäßigkeit ohne  Zweck".  Nur  dann,  wenn  diese  Zweckmäßigkeit  der  Form  ohne 
„Reiz"  oder  „Rührung"  zum  Ausdruck  kommt,  ist  das  Geschmacksurteil  „rein". 
Mit  der  Erkenntnis  der  Vollkommenheit  eines  Gegenstandes  hat  das  ästhetische 
Urteil  nichts  zu  tun  (gegen  Lcibniz,  Baumgarten  u.  a.) ;  es  kommt  nur  auf  die 
(durch  den  Gegenstand  veranlaßte)  „Einhelligkeit  im  Spiele  der  Gemütskräfte"  an. 
Es  gibt  zweierlei  Arten  von  Schönheit:  „Freie"  Schönheit  und  „bloß 
anhängende"  Schönheit.  „Die  erstere  setzt  keinen  Begriff  von  dem  voraus, 
was  der  Gegenstand  sein  soll;  die  zweite  setzt  einen  solchen  und  die  Voll- 
kommenheit des  Gegenstandes  nach  demselben  voraus"  (die  Schönheit  einer 
Blume  —  die  Schönheit  eines  Gebäudes).  Nur  das  Geschmacksurteil.  dessen 
Gegenstand  die  freie  Schönheit  ist,  ist  rein.  Begriffliche  Gesehmacksregeln 
gibt  es  nicht.     Das  Urbild  des  Geschmacks  ist   eine   „bloße   Idee,  die  jeder   in 

sieh  selbst  hervorbringen  muß",  ein  „Ideal  der  Einbildungskraft".    Der  „Gemein- 

)) 


340  Kant. 

sinn-,  an  den  wir  in  unseren  Geschmacksnrteilen  appellieren  und  der  „exempla- 
rische Gültigkeit-  besitzt,  ist  eine  „bloße  idealische  Norm",  die  wir  a  priori 
voraussetzen.  Das  Schöne  ist  insofern  der  Gegenstand  eines  „notwendigen" 
Wohlgefallens. 

Das  Erhabene  findet  sich  im  Gegensatz  zum   Schönen  auch  am  Form- 
losen, Unbegrenzten.     Es  führt  ferner  eine   „Bewegung  des  Gemüts"  mit  sich. 
Erhaben  ist,  „was  schlechthin  groß  ißt",  „was  über  alle  Vergleichung  groß  ist". 
Die  Erweiterung  der  Einbildungskraft  ins  Große  ist  hier  das  Gefallende,  indem 
die  „Unangemessenheit  unseres  Vermögens  der  Größenschätzung"   das   Gefühl 
eines  „übersinnlichen  Vermögens  in  uns"  erweckt.     So   ist  erhaben,   „was  auch 
nur  denken  zu  können,  ein  Vermögen   des  Gemütes   beweiset,   das   jeden  Maß- 
stab der  Sinne  übertrifft".     Die   Urteilskraft  bezieht  hier  die  Einbildungskraft 
auf  die  Vernunft  und  das  Übersinnliche,  Unendliche.    Erhaben  wrirkt  die  Natur 
in  jenen  Erscheinungen,  deren   Anschauung   „die  Idee   ihrer  Unendlichkeit  bei 
sich  führt",  die  also  den  Begriff  der  Natur  auf  ein  „übersinnliches  Substrat"  führen, 
welches    uns   in    eine   erhabene   Gemütsstimmung   versetzt.     Die  Überlegenheit 
unserer  das  Unendliche  denken  könnenden  Vernunft   über  das  Gewaltigste  der 
Natur  ist  der  Grund  dieser  Gemütsstimmung.    Das  Gefühl  des  Erhabenen  ist  „ein 
Gefühl  der  Unlust  aus  der  Unangemessenheit  der  Einbildungskraft  in  der  ästhe- 
tischen Größenschätzung  für  die  durch  die  Vernunft,  und  eine  dabei  zugleich  er- 
weckte Lust  aus  der  Übereinstimmung  eben  dieses  Urteils  der  Unangemessenheit  des 
größten  sinnlichen  Vermögens  zu  Vernunftideen".     Im   Gefühl   des  Erhabenen 
fühlen  wir  uns  zugleich  abgestoßen  und  angezogen.     Je  nachdem   die  Gemüts- 
bewegung auf  das  Erkenntnis-  oder  auf  das  Begehrungsvermögen  bezogen  wird, 
liegt   das    „mathematisch"   Erhabene    (das    Große   der   Anschauung)   oder   das 
..dynamisch"  Erhabene  vor.     Dynamisch-erhaben  ist  die  Natur  als  „Macht,  die 
über  uns  keine  Gewalt  hat",   der  wir   uns  als  Vernunftwesen  überlegen  fühlen. 
.Die  eigene  Erhabenheit  unserer  Menschlichkeit  und  deren  Bestimmung  kommt 
uns  hier  /.um  Bewußtsein,  trotz  aller  physischen  Ohnmacht  würd  unsere  ureigene, 
höchste   Kraft   wachgerufen.     Das    Erhabene   läßt   uns   die   Natur    selbst    als 
„Darstellung  von  etwas  Übersinnlichem"  denken.    Damit  ist  eine  Annäherung 
an  das  Moralische  gegeben.  —  Das  Komische    erweckt    Lachen   und   dieses 
ist  „ein  Affekt  aus  der  plötzlichen  Verwandlung   einer   gespannten  Erwartung 
in  nichts". 

I.  gibt  keine  Wissenschaft  des  Schönen,  nur  Kritik  desselben  und  schöne 
Kunst.  Von  der  mechanischen  ist  die  ästhetische  Kunst  zu  unterscheiden  und 
diese  i-t  entweder  „angenehme"  oder  „schöne"  Kunst.  „Das  erste  ist  sie,  wenn 
da  Zweck  derselben  ist,  daß  die  Lust  die  Vorstellungen  als  bloße  Empfin- 
dungen, das  zweite,  daß  sie  dieselben  als  Erkenntnisarten  begleite",  sich 
an  die  Urteilskraft  knüpft.  Schöne  Kunst  ist  „eine  Vorstellungsart,  die  für 
»ich  zweckmäßig  ist,  und  obgleich  ohne  Zweck,  dennoch  die  Kultur  der 

•    zur  geselligen  Mitteilung  befördert".     Die  schöne  Kunst  ist  eine 
Kl"  zugleich  Natur   zu   sein   scheint.     „An    einem    Produkte   der 

-'honen  Kxm&i  muß  man   sich    bewußt    werden,    daß   es   Kunst   sei  und  nicht 
ur,  aber  doch  muß  die  Zweckmäßigkeit,  in  der  Form  desselben  von  allem 


Kaxt.  341 

Zwange  -willkürlicher  Regeln  so  frei  scheinen,  als  ob  es  ein  Produkt  der  bloßen 
Natur  sei."  Begriffliche  Kunstregeln  gibt  es  nicht,  sondern  schöne  Kunst  ist 
Kunst  des  Genies.  Dieses  ist  „das  Talent  (die  Naturgabe),  welches  der  Kunst 
die  Regel  gibt"  oder  die  „angeborene  Gemütsanlage  (ingenium),  durch  welche 
die  Xatur  der  Kunst  die  Regel  gibt".  Es  besteht  das  Genie  auch  in  dem 
glücklichen  Verhältnis,  „zu  einem  gegebenen  Begriff  Ideen  aufzufinden  und 
anderseits  zu  diesen  den  Ausdruck  zu  treffen".  Schönheit  ist  „Ausdruck 
ästhetischer  Ideen".  Eine  ästhetische  Idee  ist  aber  „diejenige  Vorstellung 
der  Einbildungskraft,  die  viel  zu  denken  veranlaßt,  ohne  daß  ihr  doch  irgend 
ein  bestimmter  Gedanke,  d.  i.  Begriff  adäquat  sein  kann",  im  Gegensatze  zur 
Vernunftidee,  der  keine  Anschauung  adäquat  sein  kann.  Die  ästhetische  Idee 
ist  eine  „inexponible"  Vorstellung  der  Einbildungskraft,  die  Vernunftidee  ein 
.jndemonstrabler"  Begriff.  Genie  ist  geradezu  „das  Vermögen  ästhetischer 
Ideen".  Die  Schönheit  ist  letzten  Endes  das  „Symbol  des  Sittlichguten",  der 
Geschmack  im  Grunde  ein  „Beurteilsvermögen  der  Versinnlichung  sittlicher 
Ideen". 

Religionsphilosophie.  Bei  K.  steht  die  Religion  in  enger  Beziehung 
zur  Ethik.  Religion  ist  ihm  die  „Erkenntnis  unserer  Pflichten  als  göttlicher 
Gebote",  derjenige  Glaube,  „der  das  Wesentliche  aller  Verehrung  Gottes  in  die 
Moralität  der  Menschen  setzt".  Sie  ist  nicht  der  Inbegriff  gewisser  Lehren  als 
göttlicher  Offenbarungen,  nicht  Theologie,  sondern  der  Inbegriff  aller  Pflichten 
als  göttlicher  Gebote  und  die  Maxime,  sie  als  solche  zu  befolgen.  In  ethischer 
Hinsicht  gibt  es  nur  eine  Religion,  wenn  auch  der  „statutarische"  Offen- 
barungsglauben verschieden  ist.  Betreffs  der  rein  sittlichen  Gesetze  kann  jeder 
aus  eigener  Vernunft  den  Willen  Gottes,  der  seiner  Religion  zugrunde  liegt, 
erkennen.  „Denn  eigentlich  entspringt  der  Begriff  von  der  Gottheit  nur  aus 
dem  Bewußtsein  dieser  Gesetze  und  dem  Vernunftbedürfnisse,  eine  Macht  anzu- 
nehmen, welche  diesen  den  ganzen  in  einer  Welt  möglichen,  zum  sittlichen 
Endzweck  zusammenstimmenden  Effekt  verschaffen  kann.  Der  Begriff  eines 
nach  bloßen  rein  moralischen  Gesetzen  bestimmten  göttlichen  Willens  läßt  uns 
nur  einen  Gott,  also  auch  nur  eine  Religion  denken,  die  rein  moralisch  ist." 
Der  „Afterdienst"  des  statutarischen  Glaubens  und  Kultus,  sofern  dieser  vom 
Sittlichen  absieht  und  zum  Formalismus  und  Aberglauben  führt,  ist  abzulehnen. 
Christus  ist  die  Idee  des  Gott  wohlgefälligen  Menschen,  der  sittlich- vollkommenen 
Menschheit,  und  der  Glaube  an  einen  solchen  Christus  ist  notwendig.  Die 
„unsichtbare  Kirche"'  ist  die  Idee  der  Vereinigung  der  Sittlichen  unter  der  gött- 
lichen Weltregiei  ung,  des  Reiches  Gottes.  —  Im  Menschen  existiert  ein  „radikales 
Böses",  eine  Widerspenstigkeit  der  sinnlichen  Triebe  gegen  das  Sittengesetz,  es 
beruht  auf  dem  natürlichen  Egoismus,  ist  unausrottbar,  eine  „angeborene 
Schuld"  und  muß  durch  das  Sittengesetz,  die  Stimme  des  Übersinnlichen  in 
uns,  immer  wieder  bekämpft  werden,  indem  es  sich  Achtung  erzwingt.  —  In- 
dem Kant  in  der  Religionsphilosophie  wie  auch  sonst  die  Aufklärung,  das 
freie  Denken  und  Kritisieren  verficht,  überwindet  er  zugleich  den  einseitigen 
Rationalismus  der  Aufklärung,  indem  er  (z.  Teil  durch  Rousseau  beeinflußt) 
die  Rechte  des  Gemüts  und  des  Glaubens  verteidigt,   also   bei   aller  „intellek- 


r>42  .Kant. 

tualistischen"  Methode  nicht  bloßer  Intellektualist  ist.  Überall  ist  es  ihm 
endlich  um  die  Festhaltung  der  inneren  Freiheit  des  Geistes  zu  tun 
gegenüber  der  „Natur"  außer  und  in  uns,  aber  einer  sich  selbst  bindenden, 
autonomen,  gesetzlichen  Freiheit,  Sein  „Subjektivismus"  des  Tuns  steht  in 
keinem  Gegensatze  zur  Objektivität  des  Produkts  der  Tat,  ja  er  dient  ihm 
geradezu  zur  Begründung  der  apriorischen  Gesetzlichkeit  des  Objektiven,  welches 
durch  das  „Subjektive"  (des  Bewußtseins  überhaupt,  nicht  des  Individuums  als 
solchen)  bedingt  ist. 

Kants  Lehren  wurden  in  verschiedener  Weise  aufgefaßt  und  weitergebildet, 
teils  in  noch  idealistischerer,  teils  in  mehr  realistischer  Weise,  je  nachdem  das 
„Ding  an  sich"  aufgefaßt  oder  gar  gestrichen  wurde,  ferner  bald  mehr  psycho- 
logisch, bald  rein  transzendental-logisch.  In  verschiedene  Sprachen  wurden 
Werke  Kants  übersetzt  und  bei  allen  Nationen  gab  und  gibt  es  viele  Kantianer 
und  Halb-Kantianer  oder  „Kritizisten"  im  weiteren  Sinne  (vgl.  Ueberweg-Heinze, 
Grundriß  der  Geschichte  der  Philos.  III  und  IV).  Sehr  bald  fanden  sich  auch 
Gegner  des  Kantschen  Apriorismus  oder  Kritizismus  oder  Idealismus,  wie 
A.  Weishaupt,  Feder,  Garve,  Eberhard,  Tiedemann,  Herder,  G.  E. 
Schulze  (Aenesidemus  -  Schulze),  zum  Teil  Platner,  Jacobi,  Hamann, 
ßardili,  Bouterwek,  B.  Stattler  u.  a.  Anhänger  Kants  aus  älterer  Zeit  sind 
J.  Schultz,  Chr.  E.  Schmid,  Reinhold,  Beck,  Heydenreich,  Krug, 
Hoffbauer,  Jakob,  Meilin,  Bendavid,  Maaß,  Tieftrunk,  Tenne- 
mann. Buhle,  A.  Feuerbach,  Kiesewetter,  Abicht,  Fries,  Salomon 
Maimon  (teilweise),  Schiller  u.  a.  Beinhold,  Beck,  Fries,  Schiller  u.  a. 
bildeten  Kants  Lehren  weiter,  ebenso  Fichte,  Schopenhauer  u.  a.,  während 
Herbart,  Beneke,  Trendelenburg  u.  a.  zum  Teil  in  Gegensatz  zu  Kant 
traten.  Seit  dem  Anfang  der  Sechziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  erschallte 
wiederholt  der  Ruf:  Zurück  zu  Kant,  und  es  traten  „Neukantianer"  verschiedenen 
Charakters  auf,  wie  F.  A.  Lange,  J.  B.  Meyer,  Helmhol tz,  Fr.  Schultze, 
Cornelius  u.  a.,  die  den  Kritizismus  mehr  psychologisch  auffassen;  ferner 
< ).  Liebmann,  Cohen,  Natorp,  Windelband,  Volkelt,  Riehl,  Vor- 
der, Staudinger,  Bernstein ,  Menzer,  Cassir er,  W.  Kinkel,  Stad- 
ler,  A.  Krause,  E.König,  Lasswitz,  Vaihinger,  B.  Bauch,  Medicus, 
I-.  Goldschmidt,  Reicke,  Marcus,  W.  Tobias,  Lorm,  Falkenberg, 
iquoin,  E.  Arnoldt,  B.  Erdmann,  Kern,  A.  Messer,  M.  Adler, 
Stammler,  Hönigswald,  J.  Cohn,  Eisler  u.  a.  Von  Kant  beeinflußt 
-iud  Lotze,  Fechner,  Paulsen,  Simmel,  Wundt,  die  Immanenzphilo- 
Bophen  (Schuppe,  F.  ('.  Schmidt  u.  a.),  die  Theologen  Ritschi,  Lipsius, 
H  •  r  r  um  n  n  11.  ;i..  die  Ausländer  Renouvier,  Lachelier,  Green,  Testa, 
Cantoni,  Tocco  u.  a.  Ein  Teil  der  Kritizisten  nähert  sich  Fichte  (Windel- 
band,  Rickert,  Palckenberg,  Münsterberg,  teilweise  Cohen  u.  a.),  ein  anderer 
Green  11.  a.)  oder  Fries  (Nelson,  Ewald,  J.  Schultz  u.  a.)  oder 
Leibniz  und  Lotze  (F.  Erhardt,  Külpe,  Wundt  u.  a.). 

Die    Literatur    über    Kant     füllt    eine    ganze    Bibliothek.       Vgl.    Ueberweg-Heinze, 

!r.    .1.    Gencb.    .1.    J'hilos.    JIli°,    316  ff.    u.    die    „Kantstudien".      Vgl.    BOROWSKI, 

Darstellung    de-    Lebens    und    Charakters  I.  Kants,    1804;    JACHMANX,   I.    K.;     \V.\- 


Kant.  343 

SlANSKI,  I.  K.  (zusammen  1904  neu  herausgegeben).  —  \\\  SCHUBE&T,  K.s  Bio- 
graphie, in  WW.  von  Rosenkranz  u.  Schubert,  XI,  2,  1842.  —  K.  FlSCHPIK,  K.s  Leben 
u.  die  Grundlagen  seiner  Lehre,  1860;  Gesch.  der  neueren  Philos.  111.  —  K.RONEN- 
BERG,  Kant,  1896;  4.  A.  1910.  —  PAULSEN,  Kant,  1898;  4.  A.  1904  (Frommans 
Klassiker  der  Philos.;  Betonung  der  metaphysischen  Tendenzen  bei  Kant).  —  Th.  RlJYS- 
BEN,  Kant,   1900.  —    H.  St.    ChambeRLAIN.    I.    Kant,   1905.    —    KÜLPE,    I.    Kant, 

1906.  —  LTPHUES,  K.  u.  s.  Vorgänger,  1906.  —  E.  ÄRXOLDT,  Gesammelte  Schriften, 
1907  ff.  (Kritische  Exkurse  im  Gebiet  der  Kant-Forschung  u.  a.).  —  VAIHINGER, 
Kommentar  zur  Kritik  der  reinen  Vernunft,  1881  ff.  —  COHEN.  Kommentar,  1909  (Philos. 
Bibl.).  —  SlKMEL,  Kant,  2.  A.  1905.  —  B.  BaüCH,  K.,  1911.  —  Über  K.s  Erkenntnis- 
lehrc:  MeLLTN,  Marginalien  u.  Register  zu  K.s  Kritik  des  Erkenntnisvermögens,  1794 
— 95;  hrsg.  von  L.  Goldschmidt,  1900—02.  —  Enzyklopäd.  Wörterbuch  der  kritischen 
Philosophie,  1797 — 1803.  —  LlEBMAXN,  Kant  u.  die  Epigonen,  1865.  —  TREXDELEX- 
BURG,  Über  eine  Lücke  in  Kants  Beweis  von  der  ausschließenden  Subjektivität  des 
Raumes  und  der  Zeit,  in:  Histor.  Beiträge  zur  Philosophie  111,  1867.  —  Kuno  Fischer 
und  sein  Kant  1869.  —  K.  FlSCHER,  Anti-Trendelenburg,  1870  (Leugnung  der  von 
T.   behaupteten  „Linke").  —  COHEX,  Kants  Theorie  der  Erfahrung,   1871;   2.   A.   1885. 

—  IaIEHL,  Der  philos.  Kritizismus,  1876  —  87;  1,  2.  A.  1908.  —  LAAS,  Kants  Ana- 
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in  der  Kantschen  Philosophie,  1876.  —  B.  Erdma.W,  Kants  Kritizismus,  1878.  — 
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L'PHÜES,  Kant  u.  seine  Vorgänger,  1906.  —  AMKHEIX,  K.s  Lehre  vom  Bewußtsein 
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Naturphilosophie:  L.  Be^DAVID,  Vorlesungen  über  die  met.  Anfangsgründe  der  Xatur- 
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Naturphilosophie,  1894.  —  HÖELER  (s.  oben).  —  Über  Kants  Ethik:  H.  COHEN» 
Kants  Begründung  der  Ethik,  1877;  2.  A.  1910.  —  K.  VORLÄNDER,  Die  Kantische 
Begründung  des  Moralprinzips,  1889;  Der  Formalismus  der  K. sehen  Ethik,  1893.  — 
1'.  MeNZER,  Der  Entwicklungsgang  der  K. sehen  Ethik,  1897;  K.s  Lehre  von  d.  Entwickl. 
in  Natur  u.  Geschichte,  1911.  —  K.  Schmidt,  Beiträge  zur  Entwicklung  der  K. sehen 
Ethik,  1900.  —  A.  MESSER,  K.s  Ethik,  1904.  —  L)ELBOS,  La  philos.  pratique  de  K., 
1905.  —  übet  K.^  Religionsphilosophie:  PÜNJER,  Die  Religionslehre  Kant?,  1874.  — 
A.  SCHWEITZER,  Die  Religionsphilos.  Kants,  1899.  —  E.  SÄNGER,  K.s  Lehre  vom 
Glauben,  1903.  —  Rechts-,  Staats-  und  Geschichtsphilosophie:  VORLÄNDER,  K.  u.  der 
Sozialismus,  190(>:  K.  u.  Marx,  1911.  —  KALISCHER,  K.s  Staatsphilosophir,  1904.  — 
MEJ'l«  I  -.  K.  i,.  Kanke,  Kantstudien  VIII:  K.s  Philos.  d.  Gesch.,  1901.  —  Ästhetik 
und  Teleologie:  STADLER,  K.s  Teleologie,  1874.  —  COHEN,  K.s  Bekundung  der 
Ästhetik,    1889.  —    KÜHNEMANN,    K.s  und  Schillers   Begrfindnng   der  Ästhetik,    1S95. 

—  Goldfriedrich,  k.s  Ästhetik,  1895.  —    Weissfeld,   k.«  Gesciischaftsichrc, 

1907.  —  O.  SCHLAPP,  Kant<  Lehre  vom  Genie,  1901.  —  C.  v.  BrOCKDORFF, 
K.«  Teleologie,  1898.  —  J.  B.  MEYER,  K.s  Psychologie,  1870:  ferner  Schriften  von 
REICKE,    Al'l«  RES,    LlBBMANN    u    a. 

Kleinere   Allhandlungen   über   Kant    erschienen    1904    WD    COHEN,     FaLCKENBERG, 

Freudenthal,  Jerusalem,  Külpe,  Liebmann,  Windelband  b,  ■.,  such  in 

■der  ,,Uevue  de  M.'taphys.  et  de  Morale",  12.  innee,  Nr-  3.  --  Zu  K.-  Gediohtnil 
1"  kbdr.   aus  den   Kantstudien   IX).   —   Zur   Erinnerung  an   I.    K..    \hhandl.    hl 

fOB    d.    Unit.    Königsberg,    1904.   —    ROSENKRANZ,     Gesch.    d.    Klatschen    Thilos.,    1>4(>. 


"M 1  Kaxtokowicz   —  Karneades. 


Iiantorowicz9  H.  N.,  geb.  1877  in  Posen,  Dozent  an  der  Universität 
in  Freiburg  (Pseud.  Gn.  Flavius,  als  welcher  er  für  die  Freirechtstheorie  ein- 
trat). =  Gegenüber  Stammler  betont  K.  die  geschichtlich-realistische  Methode 
und  die  Existenz  nur  relativer,  historisch  bedingter  Eechtsideale. 

Schriften:  Archiv  f.  Rechts-  und  Wirtschaftsphilos.  II,  1908.  —  Der  Kampf  um 
d.  Rechtswissenseh.,   1906,  u.  a. 

Kapp.  Christian,  geb.  1798  in  Bayreuth,  Prof.  in  Erlangen  und  Heidel- 
berg, gest.  1874  in  Heidelberg. 

K.  ist  ein  Gegner  Schellings  und  verbindet  Fichtesche  mit  Hegeischen 
Anschauungen.  Die  Philosophie  ist  ihm  die  Wissenschaft  des  Alls;  alle  Wissen- 
schaft ist  der  ganze  wirkliche  Geist  selbst,  wie  er  sich  und  die  Welt  selbst- 
bewußt erfaßt.  —  Auch  die  Brüder  K.s,  Ernst  und  Alexander  Kapp  waren 
wissenschaftlich  tätig;  ersterer  verfaßte  eine  „Philosophische  oder  vergleichende 
allgemeine  Erdkunde",  1845  (2.  A.  1868),  letzterer  eine  „Gymnasialpädagogik". 
1841.  Der  Vetter  Chr.  K.s,  Friedrich  K.,  verfaßte  ,,Der  wissenschaft- 
liche Schulunterricht  als  ein  Ganzes",  1834,  und  „Hegel  als  Gymnasial- 
direktor", 1835. 

Schriften:  Christus  und  die  Weltgeschichte,  1823.  —  Einleitung  in  die  Philo- 
sophie, 1825.  —  Das  konkrete  Allgemeine  der  Weltgeschichte,  1826.  —  Über  den  Ur- 
sprung der  Menschen  und  "Völker,  1829.  —  Schelling  und  die  Offenbarung,  1842.  — 
F.  W.  J.  Schelling,  1843,  u.  a.  —  Vgl.  L.  FEUERBACH,  Chr.  K.,  1839.  —  A.  KAPP, 
Briefwechsel  zwischen  L.  Feuerbach  und  Chr.   K.,  1876. 

Karejew,  N.,  geb.  1850,  Prof.  in  Warschau,  dann  in  St.  Petersburg. 
Sein  Hauptwerk  (Die  Grundfragen  der  Philosophie  der  Geschichte,  russisch) 
erschien  1883—90;  2.  A.  1887.  =  K.  ist  Evolutionist  und  basiert  die  Geschichts- 
philosophie auf  Biologie,  Völkerpsychologie  usw.  Die  Philosophie  der 
Geschichte  hat  nach  dem  Sinn  der  Veränderungen  im  Leben  der  Menschheit 
zu  -liehen.     Ein  Fortschritt  zu  immer  größerer  Solidarität  besteht. 

Karneades  von  Kyrene,  lebte  zwischen  214  und  129  v.  Chr.  Mit  dem 
Stoiker  Diogenes  und  dem  Peripatetiker  Kritolaos  kam  er  als  athenischer  Ge- 
sandter um  156  v.  Chr.  nach  Kom.     Schriften  von  ihm  sind  nicht  vorhanden. 

K.  ist  der  Stifter  der  dritten  Akademie  und  vertritt  einen  gemäßigten 
Skeptizismus,  indem  er  vor  allem  die  Stoische  Philosophie  bekämpft.  Die 
Argumente  für  das  Dasein  eines  Gottes  sind  unhaltbar,  wenn  es  auch  für  die 
Praxis  von  Nutzen  ist,  an  die  Götter  zu  glauben.  Ein  festes  Kriterium  der 
Wahrheil  existiert  nicht  und  die  Beweisführung  ist  ohne  feste  Grundlage,  da 
8i€  ins  Unendliche  führt;  die  „kataleptische''  Vorstellung  (s.  Stoiker)  verbürgt 
nicht  die  Wahrheit.  Eine  völlige  Urteilsenthaltung  aber  würde  das  Handeln  be- 
einträchtigen; dieses  bedarf  der  Wahrscheinlichkeitsannahmen.  Drei  Grade 
der  Wahrscheinlichkeit  gibt  es:  1.  Die  Vorstellung,  Meinung  ist  schlechthin 
wahrscheinlich  (jiidavr/);  2.  sie  ist  in  Beziehung  zu  anderen  Vorstellungen  wahr- 

inlich  und  widerspruchslos  (jiiOavi]  xal  djTsoiozarog);  3.  sie  ist  zugleich  er- 
härtet \:r.  y.a'i  d.  y.al  7teQicodevfiivr] ;  Sext.  Empir.,  adv.  Mathem.  VII,  166). 

Vgl.  DlOG.  Lakkt.  LV,  62  ff.  —  CICERO,  Tuscul.  disput,  Academ.,  De  natur.  Deor. 
PUfi    F.MPIR.,  Adv.  Mathem.    —    R.    RICHTER,  Gesch.  d.  Skeptizismus  I. 


Karpe  —  Kaiiimaxx.  345 


Karpe.  Franz  Samuel,  geb.  1741  in  Laibach.  Prof.  in  Wien,  gest.  1806 
daselbst.  =  Eklektiker,  Gegner  Kants. 

Schriften:  Darstellung  der  Philosophie  ohne  Beinamen,  1802 — 4.  —  Institutiones 
philos.  dogmaticae.   1804.    —  Inst,   philos.  moralis,   1805. 

K.arpok.rates  aus  Alexandrien,  um  130  n.  Chr.  =  K.  ist  ein  von  Plato 
beeinflußter  Gnostiker.  Nach  ihm  ist  das  Urprinzip  der  „ungewordene  Vater", 
aus  dem  Geister  hervorgegangen  sind,  die  sich  gegen  Gott  empörten.  Die 
menschlichen  Seelen  haben  im  Zustande  der  Präexistenz  das  Ewige  ge- 
schaut und  können  sich  daran  erinnern  (Anamnese).  Während  die  sündigen 
Seelen  Metempsychosen  durchmachen,  nach  dem  Tode  verschiedene  Leiber  ein- 
nehmen müssen  und  erst  nach  vielen  Bußen  zu  Gott  eingehen,  vereinigen  sich 
die  guten  Seelen  gleich  nach  dem  Tode  mit  Gott.  Gut  oder  böse  ist  nur  die 
Gesinnung,  die  Werke  als  solche  sind  gleichgültig  und  können  nicht  beflecken. 
Von  den  Anhängern  des  K.  (sein  Sohn  Epiphanes,  eine  gewisse  Ma reell  in a 
u.  a.)  wurde  der  Kommunismus  vertreten. 

Vgl.  die  im  Artikel  ,, Gnostiker"  aufgezählten  Schriften. 

KüMlorf.  Otto  (Pseud.  O.  Kado),  geb.  1880  in  Weltzin,  Prof.  in  Graz. 
=  K.  vertritt  einen  idealistischen  Monismus. 

Schriften:  Ziel  u.  Wege  moderner  Weltansch.  1908.  —  Entwicklung,  1909. 

Kassowitz,  Max,  geb.  1842  in  Preßburg,  Prof.  d.  Medizin  in  Wien.  == 
Mechanistisch-biologischer  Standpunkt.  Nach  seiner  „metabolischen"  Lebens- 
theorie besteht  die  Wirkung  der  Lebensreize  in  einem  Zerfall  der  labilen 
chemischen  Einheiten  der  lebenden  Substanz.  Bezüglich  der  Entwicklung  der 
Arten  ist  K.  Xeo-Lamarckist.  Das  Psychische  ist  eine  Funktion  dee  Orga- 
nismus als  Ganzen  („funktionaler  Dualismus"). 

Schriften:  Allgemeine  Biologie,   1898  if.  —   Welt,  Leben,  Seele,  1908,  u.  a. 

Kastil,  Alfred,  geb.  1874  in  Graz,  Prof.  in  Innsbruck.  =  Anhänger 
Brentanos. 

Schriften:  Die  Frage  nach  der  Erkenntnis  des  Guten  bei  Aristoteles  und  Thomas. 
1900.  —  Zur  Lehre  von  der  Willensfreiheit  in  der  Xikomachischen  Ethik,  1901.  — 
Studien  z.  neueren  Erkenntnistheor.  1.     Descartes,   1909. 

Kauf  man ii.  David,  geb.  1852  in  Kojetein,  Prof.  in  Budapest,  gest.  1899. 

Scfrriften:  Gesch.  d.  Attributenlehre  in  d.  jüd.  Keligionsphilo.«.,  1877.  —  Die 
Sinne,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Physiol.  u.  Psychol.  im  Mittelalter,  1884.  —  Abhandl.  im 
„Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.",  u.  a. 

Kaufmann,  Nikolaus,  geb.  1852  in  Sursee  (Schweiz),  Kanonikus  und 
Lyzealprofessor  in  Luzern.  =  Scholastischer  Standpunkt  (Teleologie). 

Schriften:  Die  teleologische  Naturphilos.  des  Aristoteles,  1883;  2.  A.  1893.  — 
Die  Bedeutung  d.  Philosophie  in  d.  Gegenwart,  1889.  —  Das  Kausalitätsprinzip,  1891. 
—  Elcmento  d.  aristotel.  Ontologie,  1896.  —  Christliche  Moral  u.  moderno  itheistta  he 
Ethik,   1898.  —  La  finalite  dans  l'ordre  moral,   1899,  u.   a. 

Kanff'maim.  Max.  war  Herausgeber  der  „Zeitschrift  für  immanente 
Philosophie",  gest.  is'»»;.  =  K..  der  von  Berkeley  und  Hnme  beeinfluß!  ist, 
ist   ein    Vertreter   der   idealistischen    „Immanenzphilosophie".     l>as   „Ding   an 


346  Kauffmann  —  Reibet,. 


sich"  ist  rein  hypothetisch,  hat  keine  wirkliche  Existenz.  Das  Wirkliche, 
der  Unterschied  von  Subjekt  und  Objekt  fällt  in  das  Bewußtsein  selbst. 
Die  einzige  Existenzweise  der  Objekte  ist  deren  „Gegenwart  im  Bewußtsein". 
Objekt  sein  heißt  Inhalt  des  Subjekts,  der  höchsten  „Form"  des  Bewußtseins 
sein.  Das  Subjekt  ist  nicht  ein  dem  Objekte  Entgegengesetztes,  sondern  die 
„oberste  Einheiteform  aller  Objekte  überhaupt",  die  „anschauliche  Einheit  der 
räumlichen  und  der  zeitlichen  Welt". 

Schriften:  Immanente  Philosophie  I,  1893.  —  Fundamente  der  Erkenntnistheorie 
u.  Wissenschaftslehre,  1890. 

Kaulich,  Wilhelm,  geb.  in  Weckelsdorf  (Böhmen),  Prof.  in  Graz,  gest. 
1880.  =  Anhänger  Günthers. 

Schriften:  Über  d.  Freih.  d.  Menschen,  1866.  —  Über  die  Möglichkeit,  die 
Grenze  und  das  Ziel  des  Wissens,  2.  A.  1870.  —  Handbuch  der  Logik,  1869.  — 
Handbuch  der  Psychologie,  1870.  —  System  der  Metaphysik,  1874.  —  System  der 
Ethik     1877.    —    Geschichte    der    scholastischen  Philosophie  I,   1863,  u.  a. 

Kantsky,  Karl,  geb.  1854  in  Prag,  Redakteur  und  Herausgeber  der 
Neuen  Zeit'1,  Berlin.  =  K.  ist  der  Hauptvertreter  des  orthodoxen  Marxismus. 

Schriften:  K.  Marx'  ökonomische  Lehren,  1887;  8.  Aufl.  1903.  —  Das  Erfurter 
Programm,  1892.  —  Bernstein  und  das  Sozialdemokrat.  Programm,  1899  (Gegen  den 
sozialistischen   „Revisionismus").  —    Grundsätze  u.    Forder.    d.    Sozialismus,    5.    A.    1899. 

Ethik  und  materialistische    Geschichtsauffassung,    1906.    —    Die   histor.  Leistung  von 

K.  Marx,  1908,  u.  a.     Viele  Artikel  in  der  „Neuen  Zeit". 

Kayserlingk,  Hermann  von,  geb.  1793  in  Halle,  Privatdozent  in 
Heidelberg  und  Berlin. 

Schriften:  Vergleich  zwischen  Eichtes  System    und   dem  Systeme  Herbarts,  1817. 

—  Metaphysik,  1818,  u.  a.  (Herbartscher  Standpunkt).  —  Die  Wissenschaft  vom  Menschen- 
geiete  oder  Psychologie,  1829  (von  Hegel  beeinflußt).  —  Glaubensbekenntnisse  eines 
Philosophen,   1833.  —  Denkwürdigkeiten  eines  Philosophen,  1839,  u.  a. 

Kayßler,  Adalbert,  1769—1821,  Prof.  in  Breslau.  =  Anhänger  Schellings. 

Schriften:  Über  die  Natur  u.  Bestimmung  des  menschlichen  Geistes,  1804.  — 
Beiträge  zur  krit.  Geschichte  der  neueren  Philosophie,  1806.  —  Einleitung  in  das 
Studium  der  Philosophie,   1812.  —  Grundsätze  der  theoret.   u.  prakt.  Philosophie,   1812. 

—  Begriff  der  Ethik  als  Wissenschaft,   1816,  u.  a. 

lieckermann,  Bartholomäus,  geb.  1573  in  Danzig,  Gymnasialprofessor 
in  Danzig,  gest.  1609.  =  Von  Melanchthon  und  Petrus  Kamus  beeinflußt. 

Schriften:  Praecognita  logicae,  1599.  —  Systema  logicae,  1600.  —  Systema 
ethicutn,   1G10.   —   Opera,   1614. 

Keibel.  Martin,  geb.  1863.  =  K.  ist  besonders  von  Laas  und  Schubert- 
ä  Idern  beeinflußt.  Er  ist  ein  Anhänger  der  „Immanenzphilosophie"  und  er- 
kenn! als  solcher  kein  Ding  an  sich,  nur  eine  „ideale  Erfahrung"  gegenüber 
dem  einzelnen,  tatsächlichen  Erleben  an.  Es  gibt  kein  Bewußtseinstranszendentes, 
ein  wiche*  nehmen  wir  nur  an,  wenn  wir  die  „stets  gegebenen  Beziehungen 
des  Objekts  zum  Subjekt"  übersehen.  Die  Religion  ist  nicht  auf  bloße  Ethik 
zurückzuführen  oder  durch  solche  zu  ersetzen,  sie  ist  eine  selbständige  Geistes- 
macht. 


Kübel  —  Kern.  347 

Schriften:  Wert  und  Ursprung  der  philos.  Transzendenz,  1886.  —  Die  Keligion 
u.  ihr  Recht  gegenüber  dem  modernen  Moralismus,  1896.  —  Die  Abbildungstheorie, 
Zeitschr.  f.  human.  Philos.  III,   1898. 

Relsos  s.  Celsus. 

Kepler,  Johannes,  der  berühmte  Astronom,  1571 — 1630,  ist  nicht  bloß 
durch  seine  fundamentalen  Beiträge  zur  heliozentrischen  Weltanschauung, 
sondern  auch  durch  seine  zielbewußte  Methode  des  Forschens  und  durch  ver- 
schiedene methodologisch-erkenntnistheoretische  Bemerkungen  in  philosophischer 
Hinsicht  bedeutsam. 

K.,  der  vom  Pythagoreismus.  von  Plato,  Proklos  u.  a.  beeinflußt  ist,  und 
der  auch  ästhetische  Voraussetzungen  an  die  Natur  heranbringt,  geht  in  seinen 
Untersuchungen  induktiv  vor,  wobei  er  aber  die  „Hypothese"  (im  Platonischen 
Sinne)  als  Voraussetzung  einer  befriedigenden  Erklärung  der  Phänomene  ge- 
braucht. Die  wahren  Ursachen  des  Geschehens  werden  nicht  passiv  in  uns 
aufgenommen,  sondern  der  Geist  wird  durch  die  "Wahrnehmung  nur  zur  Ent- 
faltung der  in  ihm  schlummernden  Ideen  angeregt  (Piatos  „Anamnesis";.  Die 
intellektuellen  Harmonien,  die  wir  in  der  Natur  finden,  sind  in  unserem  Geiste 
bereits  vorgebildet.  Die  geometrischen  Gebilde  sind  als  solche  Erzeugnisse  des 
<  Geistes  selbst  und  zugleich  für  die  Dinge  gültig.  Wo  Materie,  da  ist  auch 
Mathematik,  alles  hat  Teil  an  der  Quantität  und  nur  die  quantitative  Er- 
kenntnis ist  wahre  Erkenntnis :  „Mundus  participat  quantitate,  et  mens  hominis 
(res  supramundana  in  mundo)  nihil  rectius  intelligit  quam  ipsas  quantitates, 
quibus  percipiendis  factus  videri  potest"  (Epistol.  d.  harmon.,  Opp.  V,  28).  Die 
Quantität  ist  das  primäre  Attribut  der  Substanz  („primarium  accidens  sub- 
stantiaea).  K.,  der  früher  noch  Planetenseelen  angenommen  hatte,  führt  später 
die  Bewegungen  der  Planeten  auf  materielle  Kräfte  zurück  und  betrachtet  die 
Weltordnung  nach  der  Analogie  eines  göttlichen  Uhrwerks.  .Vis  ein  harmonisches 
< ranzes  ist  das  Universuni  begrenzt,  nicht  unendlich. 

Schriften:  Apologia  Tychonis  contra  Ursum,  1597.  —  Astronomia  nova,  1609.  — 
Mysterium  cosmographicum,  1596.  —  Harmonice  mundi,  1619,  ii.  a.  —  Opera,  ed. 
Frisch,  1857—71.  —  Vgl.  SlGWART,  Kleine  Schriften  I.  —  EuCKEN,  K.  als  Philo- 
soph, Philos.  Monatshefte.  1878.  —  CASSIRER,  Das  Erkenntnisproblera  1.  — 
J.  SCHMIDT,  K.s  Erkenntnis-  u.   Methodenlehre,   1903. 

Kerintlios  s.  Cerinthus. 

Kern.  Berthold,  geb.  1848  in  Münsterberg,  Generalarzt  u.  Prof.  an  der 
Kaiser  Wilhelms-Akademie  in  Berlin. 

K.  vertritt  zunächst  den  ..kritischen  Idealismus'-  z.  T.  in  einer  Hegel,  Cohen 
u.  a.  sich  nähernden  Weise.  Das  Denken  ist  das  logische  A  priori  der  Erkennt- 
nis, alle  Erkenntnisformen  sind  Denkformen,  alle  Erkenntnisgegenstände  Denk- 
inhalte, wobei  aber  hier  unter  Denken  ein  überindividueller  Prozel»,  eine  Selbst- 
bewegung  der  Denkinhalte  selbst  verstanden  wird.  Alle  Erkenntnis  isl 
Denkerwerb,  auch  die  Empfindung  ist  ein  solcher,  einerseits  vom  Gegenstande, 
anderseits  von  der  Tätigkeit  des  Geistes  abhängig.  Die  Empfindung  ist  bereits 
«in  ..verwickelte'-  Ergebnis   des   Denkens",   <iu  automatisch  gewordenes  und  er- 


Kern. 

erbtes  Urteil  Der  Subjektivismus  und  Psychologismus  ist  abzulehnen;  es  gibt 
apriorisch  bedingte,  allgemeingültige,  objektive  Erkenntnis.  Wir  bilden  die 
Begriffe  Kaum  und  Zeit  in  unserem  Denken,  weil  der  Gegenstand  der  Erkennt- 
ois  es  so  erfordert.  Raum  und  Zeit  sind  „logische  Methoden  der  Ordnung 
und  Veranschaulichung  unseres  Empfindungsinhaltes",  zugleich  aber  „Grund- 
Lagen  unseres  reflektierenden  Denkens"  und  Eigenschaften  der  Erfahrungs- 
objekte. Unsere  Bewußtseinsvorgänge,  welche  wir  unmittelbar  erleben,  bleiben 
das  „An  sich",  dem   die  Außenwelt  als  „räumlich  verarbeiteter  Erlebnisinhalt" 

i  übertritt.  Die  Arerdoppelung  des  Erfahrungsinhalts,  die  Scheidung  zwischen 
Erscheinung  und  einem  unbekannten  „Ding  an  sich"  ist  abzulehnen.  Erkenntnis 
ist  einheitlich  geordnete  Beschreibung  des  als  Denkinhalt  Gegebenen;  also  nicht 
auf  ein  Ding  an  sich  bezogen.  Denken  und  Objekt  stehen  einander  nicht  fremd 
gegenüber,  sondern  beide  bedingen  einander  wechselseitig;  steigende  Anpassung 
an  die  objektive  Wirklichkeit  ist  das  Erkenntnisziel.  Das  einheitliche  P>kenntnis- 
mittel  ist  der  „Begriff",  vom  klarsten  und  umfassendsten  Denkbegriff  bis  herab 
zum  bloßen  „Begriffsdifferential"  (Empfindung,  Gefühlsempfindung  usw.).  Der 
Raum  ist  der  Kern  des  ganzen  physischen  Begriffssystems.  Mittels  seiner 
entäußern  wir  uns  des  Inhalts  unserer  Vorstellungen  und  geben  ihm,  unter 
Mitwirkung  des  Substanzbegriffes,  ein  selbständiges  Dasein. 

Daraus  ergibt  sich  die  richtige  Auffassung  von  Leib  und  Seele,  von  physisch 
und  psychisch,  Geist  und  Materie.  Eine  Wechselwirkung  zwischen  Psychischem 
und  Physischem  besteht  nicht,  weil  die  notwendigen  und  bewährten  Grundsätze 
der  geschlossenen  Naturkausalität  und  der  Erhaltung  der  Energie'  sowie  die 
schließliche  Identität  beider  Geschehensreihen  eine  solche  verbieten.  Das 
physische  Sein  ist  nur  das  verräumlichte  Sein  dessen,  was  in  seiner  unräum- 
lichen Form  psychisch  ist.     „Wir   haben  hiernach  nicht   zwei  in  Wirklichkeit 

hiedene  Vorgangsgattungen,  sondern  nur  ein  und  denselben  realen 
<irundvorgang  vor  uns,  den  wir  im  Rahmen  objektiver  Naturbetrachtung 
in  räumlich-stoffliche  Begriffe  fassen  und  als  nervösen  Gehirnprozeß  durch- 
forsche]] und  begreifen,  im  subjektiven  Erleben  dagegen  auf  unser  raumlos- 
einheitliches  Ichbewußtsein  beziehen,  als  dessen  Inhalt  begreifen  und  in  imma- 
terielle psychische  Begriffe  fassen."  Der  lebende  Körper  ist  die  stofflich 
gedachte  Seele,  der  Wille  (der  Intensitätswert  der  Gefühlsbetonung)  das  Korrelat, 
nicht  die  Ursache  der  Handlung.    Das  organische  Leben  ist  als  räumliches 

liehen  ebenso  mechanisch-gesetzlich  wie  das  Anorganische. 

Das  Sein  ist  in  seiner  Unmittelbarkeit  objektives  („noetisches")  Denken, 
..aktive  Belbstentwicklung,  die  ein  Gedankeninhalt  aus  sich  selbst  heraus  ein- 
geht", i  in  „Denkgewebe"  (Objektiver  Idealismus).  Die  Dinge  sind  „Teilinhalte 
an  der  [nhaltsfülle  der  Weltidee".    Ebenso  ist  das  Ich  ein  Denkgebilde  und 

bewußte  (logische)  Denken  nur  eine  Entwicklungsform  des  Weltdenkens. 
Die  Welt  ist  „Einheitsdenken",  dessen  Inhalte  (die  Dinge)  vom  erkennenden 
Subjekt  unabhängig    sind,    indem    das  „Weltdenken"  über   den   Gegensatz  von 

ekt    und  Objekt,    über    Raum    und   Zeit    erhaben   ist.    Die  Natur   ist   ein 

■  linin    der  Weltidee,    welche   reiner    Prozeß,    nicht   starres   Sein    ist;    alle 
ialität    ist     erst    ein    Erzeugnis    des    Denkens    (Aktualismus).     In   den 


Kern  —  Kierkegaard.  349 


Relationen   liegt   das   Wesen  der  Erkenntnis,   aber  ebenso  auch  das  Wesen  der 
Welt  als  eines  einheitlichen  Zusammenhanges  von  Geschehnissen. 

Schriften:  Das  Wesen  des  Seelen-  u.  Geisteslebens,  2.  A.  1907.  —  Das  Problem  des 
Lebens,   1909.   —   Das  Erkenntnisproblem,  1910.  —  Weltansch.  u.  Welterkenntnis,   1911. 

Kesselmeyer,  P.  A.,  Verfasser  (anonym)  eines  im  Sinne  des  hylozoisti- 
schen  Monismus  gehaltenen  Werkes:  Der  ewige  allgegenwärtige  und  all  voll- 
kommene Stoff,  der  einzige  mögliche  Urgrund  alles  Seins  und  Daseins,  von 
einem  freien  Wandersmann,  1895 — 97. 

Key,  Ellen,  geb.  1849  in  Sundsholm,  schwedische  Essayistin.  =  Monistisch- 
evolutionistischer,  die  Individualität  betonender  Standpunkt. 

Schriften  (deutsch):  Über  Liebe  und  Ehe,  1906.  —  Welt  und  Seele,  1906.  — 
Der  Lebensglaube,   1906.  —  Essays,   1907.   —  Das  Jahrhundert  des  Kindes,  1903,  u.  a. 

Keyserling;,  Hermann,  Graf  von,  geb.  1880  in  Koenno  (Livland), 
lebt  in  Rayküll  bei  Rappel  (Estland).  =  Von  Plato,  Kant  und  der  Ro- 
mantik beeinflußter  Vertreter  einer  idealistischen,  teleologisch-organischen 
Weltanschauung  (ähnlich  wie  H.  St.  Chamberlain).  In  der  Welt  besteht  ein 
Analogon  mathematischer  Verhältnisse.  Das  Ich  ist  das  „Gesetz  des  Menschen- 
geistes, seine  platonische  Idee".  Es  gehört  zum  ideal-formalen  Zusammenhang, 
den  es  außer  sich  schaffen  muß,  um  die  Welt  zu  verstehen.  Die  Idee  über- 
haupt ist  das  Gesetz  der  Erscheinung.  Die  Kraft  ist  die  „Möglichkeit  zu 
Bewegungen",  eine  Potenz,  deren  Wesen  in  der  Kontinuität  liegt.  Nach  K. 
erschöpft  sich  das  Lebensprinzip  nicht  in  der  raum-zeitlichen  Individualexistenz. 
Unsterblich  ist  das  unpersönliche,  überpersönliche,  ewige  Leben,  die  allem 
.zugrunde  hegende  göttliche  Kraft. 

Schriften:  Das  Gefüge  der  Welt,  1906.  —  Unsterblichkeit,  1907;  2.  A.  1911.  — 
Individuum  und  Zeitgeist,  1909.  —  Schopenhauer  als  Yerbilder,  1910.  —  Prolegoraena 
zur  Naturphilosophie,   1910. 

Kidd9  Benjamin,  geb.  1858.  =  Evolutionistischer  Soziologe,  Darwinist. 
Im  Gegensatz  zu  Buckle  ist  ihm  nicht  der  Intellekt,  sondern  die  der  Sittlichkeit 
dienende  Religion  das  Prinzip  des  Fortschritts,  der  ein  ethischer  ist. 

Schriften:  Social  Evolution,  1894,  1902  (auch  deutsch).  —  Principl.  of  Western 
Civil  isation,   1902. 

Kierkegaard,  Soeren,  dänischer  Theologe  und  Philosoph,  geb.  1813  in 
Kopenhagen,  gest.  1855  daselbst. 

K.,  dessen  Persönlichkeit  manche  Verwandtschaft  mit  Hamann,  Jean  Paul 
und  Nietzsche  aufweist,  war  eine  Mischung  von  Schwermut,  Angst,  Zerissenheit 
und  Heiterkeit,  Lebensfreude,  Ironie;  Depression  und  Erregung  wechselten  in 
ihm  oft  jäh  ab.  Sein  Gefühlsleben  kommt  in  seiner  Philosophie  treu  zum 
Ausdruck :  Nichts  Festes,  Objektives,  Abgeschlossenes  anerkennt  er,  sondern  nur 
subjektive  und  nur  als  solche  gewisse  Wahrheit,  werdende  Existenz,  sprunghafte 
Entwicklung,  Bezogenheit  des  Logischen  auf  das  Subjektive,  Persönliche,  auf 
das  Leben,  wodurch  er  auch  zum  Teil  mit  „Pragmatisten"  wie  James  u.  a. 
Analogien  aufweist.  Auf  die  Geistesentwicklung  in  Dänemark  und  Norwegen 
hat  K.  einen  großen  Einfluß  ausgeübt. 


Kierkegaard  —  Kilwardby. 


Das  Wesentliche  ist  für  K.  nicht  abstrakte  Erkenntnis  eines  Objektiven  r 
denn  über  das  ewige  Streben  nach  Wahrheit  können  wir  nicht  hinaus.  Die 
\V:ihrheit  ist  subjektiv,  ist  das  für  die  Persönlichkeit  Geltende,  so  daß  man 
auch  sagen  kann:  die  Subjektivität  ist  die  Wahrheit.  Diese  ist  ein  Wagstück, 
Sache  des  Glaubens,  des  persönlichen  Gefühls,  der  Leidenschaft,  des  Interesses. 
Auch  das  Sein  ist  im  Werden,  ist  nicht  abgeschlossen  (vgl.  James,  F.  C.  S. 
Schiller).  Was  zu  wissen  not  tut,  ist  das  Ethische  und  Eeligiöse,  die  rechte 
Art  zu  handeln  und  das  rechte  Verhältnis  zu  Gott.  Die  geistige  Entwicklung 
weist  verschiedene  Stadien  auf,  ist  aber  nicht  stetig;  von  einem  Stadium  zum 
andern  kommt  man  durch  einen  „Sprung"  oder  „Ruck".  Es  gibt  ein  ästheti- 
sches, ethisches  und  religiöses  Stadium.  In  dem  ersteren  herrscht  das  Genießen,, 
das  Spiel  der  Phantasie,  im  zweiten  der  Ernst  des  Lebens  mit  „Entschluß' 
und  „Wiederholung".  Der  religiöse  Zustand  enthält  Angst,  Spannung,  Leiden, 
weil  das  Absolute  „grausam"  ist,  indem  es  von  uns  alles,  uns  ganz  verlangt. 
Die  Angst  ist  aber  etwas  Süßes;  Gott  selbst  stellt  sich  K.  als  in  „Trauer 
thronend"  vor.  Aber  von  dem  Urchristentum  mit  seiner  weltfremden  Lebens- 
und Gottesauffassung  ist  in  dem  heutigen ,  kirchlichen  Christentum  nichts 
mehr  zu  finden. 

Schriften,    auch  ins  Deutsche   übersetzt:   Entweder  —  Oder  (1843),  1885;  2.  A. 

1904.  —  Stadien  auf  dem  Lebenswege  (1845),  1886,  1889.  —  Furcht  und  Beben  (1843),. 
1882.  —  Begriff  der  Angst  (1884);  Philosophische  Bissen  (2.  A.  1865),  deutsch  von 
Schrempf  (Zur  Philosophie  der  Sünde,  der  Bekehrung  und  des  Glaubens,  1890).  —  Ein- 
übung im  Christentum  (1850),  1878.  —  Der  Augenblick,  1910.  —  Schriften,  deutsch 
von  Schrempf  und  Dorner,  1896.  —  Werke  (dänisch),  1900  f.  —  Tagebücher  (deutsch),. 

1905.  —  Vgl.  HÖFFDING,  S.  K.,  2.  A.  1902  (Frommanns  Klassiker  der  Philos.).  — 
MOKRAD,  S.  K.,  1909.  —  NlEDEKMEYER,  K.  und  die  Romantik,  1909. 

Kiesewetter,  Job.  Gottfried  Karl  Christian,  geb.  1766  in  Berlin,  Prof. 
am  medizinisch  -  chirurgischen  Kollegium,  gest.  1819.  =  Popularisierender 
Kantianer. 

Schriften:  Über  den  ersten  Grundsatz  der  Moralphilosophie,  1788—90;  2.  A. 
1790  f.  —  Grundriß  der  reinen  allgemeinen  Logik,  1791,  1826.  —  Kompend.  d.  allg. 
Log.,  1796.  —  Prüfung  der  Herderschen  Metakritik,  1799—1800.  —  Kurzer  Abriß 
der  Erfahrungsseelenlehre,  1806.  —  Darstellung  der  wichtigsten  Wahrheiten  der  kriti- 
f>'  hen  Philosophie,  1824,  u.  a. 

Kiesow,  Friedrich,  geb.  1858  in  Bruel,  Prof.  in  Turin.  =  Schüler 
Wundts. 

Schriften:  Beiträge  zur  physiolog.  Psychologie  des  Geschmacksinnes,  Philos.  Stu- 
dien Bd.  IX,  X,  XII;  1894.  —  Untersuchungen  über  Temperaturernpfindungen,  Philos. 
Stud.  XI,  u.  a. 

Kilwardby,  Robert,  Dominikaner,  seit  1272  Erzbischof  von  Canterbury, 

1279  in  Viterbo.    =   Gegner  des  Thomas  von  Aquino,  Anhänger  des  heil. 

istirms.     Die   einheitliche  Seele   des  Menschen    besteht  nach   ihm  aus  drei 

Qtlich  vcr^hiedenen  Teilen,   der  vegetativen,    sensitiven   und  intellektuellen 

Seele 

Schriften:  Kommentare  zu  Aristoteles  und  andere  unveröffentliche  Werke.  —  Vgl. 


KlLWABDBY   —   Kiikiimaw. 

IL   DE   WULF,    Histoire  de  la  philo«,   mfrliüvale  (deutsch  in   Vorbereit.).    —    L.    BAI 
Dom.   Guiulissalinus,   1903. 

Kinkel.  Walther,  geb.  1871  in  Hagen  i.  Westf.,  Prüf,  in  Gießen.  = 
Anhänger  Cohens. 

S    driften:    Beiträge    zur  Theorie   des   Urteils    und  des  Schlusses,    1898.    —     1 
trag»-  z.    Krkenntniskrit.,   1900.    —    Geschichte  der   Philosophie,   1906   ff.    —    Der  flunia- 
nitäts^edanke,   19u8. 

Kinkel.  .1..  L764  -1845.  -  Anhänger  des  Kritizismus,  vertritt  einen 
identitatsphfloeophischen  Standpunkt. 

Schritten:  Le  dualisme  de  la  raison  humaine,  18')0  — 52,  u.  a.  —  Vgl.  VAN  DES 
WV(  K.  .1.    K  .   •_'.   A.    1864. 

KirililiotT.  (r.  ]{.  v.,  geb.  L824,  Prof.  in  Heidelberg  and  Berlin, 
gest.  1887,  der  berühmte  Physiker  „Vorlesungen  Biber  mathematische  Phy- 
sik'4 I,  1  ^7»'».  Vorrede),  i-t  philosophisch  namentlich  durch  seine  Auffassung 
der  ..Erklärung"  von  Bedeutung.  Die  Aufgabe  der  Mechanik  besteht  nach 
ihm  darin,  „die  in  der  Natur  vor  sich  gehenden  Bewegungen  eu  beschreiben 
und  /war  vollständig  und  aut  die  einfachste  Weise  eu  beschreiben",  d.  h.  anzu- 
geben, welches  die  stattfindenden  Erscheinungen  Bind,  nicht  aber  reib 
l  raschen  eu  Buchen.    Die  Kraft  i-t  nur  ein  Belationsbegriff. 

Kii  (liiiiann.  Julius  Heinrieb  von.  -'-1).  1S02.  (ieriehtspräsident,  verlor 
iregen  radikaler  Anschauungen  sein  Amt,  -est.  is^4  in  llerlin. 

K.  i-t  ein  Gegner  des  Idealismus  wie  des  Materialismus,  des  Apriorismus 
wie  des  Sensualismus.  Sein  Standpunkt  i-t  der  des  .^Realismus**  und  rationalen 
Empirismus.  I>ie  Philosophie  ist  diejenige  Wissenschaft,  welche  die  höchsten 
Begriffe  und  Gesetze  des  Sein-  und  des  Wissens  eu  ihrem  Gegenstande  hat 
Erkannt  wird  das  Sein  nicht  durch  rein«-  Denken,  sondern  durch  die  Wahr- 
nehmung vermittelst  des  die  Widersprüche  der  Vorstellungen  entfernenden 
Denkens,  Wissen  und  Sein  Bind  ihrem  Inhalte  oach  identisch,  nur  der  Form 
nach  verschieden.  „Im  Gegenstand  i-t  der  Inhalt  in  der  Seins-Form  befallt. 
in  der  Vorstellung  in  der  Wissens -Form."     I>a-  B  besteht  außerhalb 

des  Wissens  and  der  Wahrnehmung,  unabhängig  von  ihr,  und  das  sich  Wider- 
sprechende kann  nieht  «,,in  oder  al-  eines  gedacht  werden  das  sind  die 
Fundamentalsätze  des  ..Keali-inus".  All«-  Wahrnehmungsvorstellnngen 
haben  miteinander  gemein,  ..dal',  sie   1.  ihren  Inhalt   als  ebnen  seienden  setzen, 

dafl  -!••  das  Seiende   außerhalb  der  Wahrnehmung    Betzen.    i.  dar.  sie  den 
Inhalt  der  Wahrnehmung  als  gegeben  und  nicht  von  der  wahrnehmenden  Sei 
erzeugt   annehmen    und    1.  dar.   sie   diesen  Inhalt  als  einen   einigen   setzen,  in 
dem  die  Unterschiede  erst  als  das  Spätere  hervortreten".     Den   (legenstand  der 
inneren    ,tSelb8twahrnehmungf4    bilden    die    „seienden    Zustände"    d<  nen 

Seele,  deren  Gefühle  und  Begehrungen.  l>;i-  Denken  ist  Vorstellen,  sondern- 
des,  verbindendes,  beziehendes  Denken.  Den  Begriffen  entspricht  je  ein 
Stück  der  Wirklichkeit    Dfc    Beziehungen  hi  Bind  nieht    BQdst  von 

endem,  sondern  nur  ideell.    Etein  subjektiv  sind  d     Gefühl«     sie  Bind  i 
Ziele  de**  H  Ti  iebfedern  des  Willi 


Kirchmann  —  Kirchner. 


Die  Ethik  K.s  ist  „heteronom"  und  „autoritativ",  auf  das  Gefühl  der 
..Achtung"'  begründet.  Die  sittlichen  Gefühle  sind  Achtungsgefühle.  Das 
Gefühl  der  Achtung  knüpft  sich  an  die  Vorstellung  eines  Gebotes  und  entsteht 
nur  ..gegenüber  einer  Macht  und  Kraft,  in  Vergleich,  mit  welcher  die  Kraft 
des  einzelnen  Menschen  verschwindet",  also  einer  Autorität  gegenüber.  Das 
Sittliche  ist  ein  Gebotenes,  das  für  den  Menschen  gilt,  nur  weil  es  von  der 
Autorität  geboten  ist,  für  die  es  selbst  kein  Sittliches  gibt.  Das  Sittliche  ist 
historisch  geworden  und  ändert  sich  mit  der  Macht,  den  Motiven  der  Autori- 
täten. —  Auch  die  Ästhetik  gründet  K.  auf  das  Gefühl.  Das  Schöne  ist 
das  idealisierte,  sinnlich  angenehme  Bild  eines  seelenvollen  Realen. 

Von  Kirchmann  beeinflußt  ist  H.  Wolf  f. 

Schriften:  Die  Philosophie  des  Wissens,  1864  (Hauptschrift).  —  Die  Lehre  vom 
Vorstellen,  1864.  —  Über  die  Unsterblichkeit,  1865.  —  Die  Lehre  vom  Wissen,  4.  A. 
1886.  —  Ästhetik,  1868.  —  Die  Grundbegriffe  des  Rechts  und  der  Moral,  2.  A.   1873. 

—  Über  die  Prinzipien  des  Eealismus,  1875.  —   Die  Bedeutung   der  Philosophie,   1876. 

—  Über  den  Kommunismus  in  der  Natur,  3.  A.  1880.  —  Über  die  Wahrscheinlichkeit. 
1880.  —  Katechismus  der  Philosophie,  3.  A.  1888,  u.  a.  —  Ferner  verschiedene  Über- 
setzungen in  der  von  K.  (1868)  begründeten  „Philos.  Bibliothek".  —  Vgl.  LASSOX 
und  MEIXEKE,  J.  H.  v.  K.,  1885.  —  E.  V.  HARTMANN,  J.  H.  v.  K.s  erk.  Realis- 
mus,  1875. 

Kirchner,  Friedrich,  1848 — 1900,  Gymnasial-Prof.  in  Berlin. 

K.  ist  hauptsächlich  von  Leibniz  und  Frohschammer  beeinflußt.  Sein 
Standpunkt  ist  der  des  „empirisch-rationalen"  Ideal-Realismus,  nach  welchem 
das  Materielle  Erscheinung  eines  Geistigen  ist.  Gott  ist  lebendig-tätiger  Geist, 
absolute  Vernunft,  ewig,  allgegenwärtig,  allmächtig.  Absoluter  Zweck  ist  die 
Existenz  des  Universums,  in  welchem  eine  alle  Einzelwesen  durchdringende  und 
leitende  Vernunft  waltet.  Gott  ist  zugleich  der  „lebendige  Hüter  der  Moral''. 
Er  ist  das  „Gesamtleben  des  Allwirklichen".  Die  Außenwelt  ist  ebenso  real 
wie  unser  Ich.  Raum  und  Zeit  sind  apriorische  Vorstellungen,  zugleich  aber 
„objektive  Verhältnisse  der  Dinge  selbst".  Die  Atome  sind  „Kraftzentren  von 
unendlich   kleiner  Ausdehnung",    weiche    in   ihrer  Wechselwirkung   Stoff,    Be- 

ing,  Raum  und  Zeit  konstituieren.  Der  Kausalnexus  schließt  die  Teleologie 
in  rieh  als  Idee  einer  „universalen  Ordnung,  in  welcher  jedes  Ding  seine,  durch 
die  Idee  des  Ganzen  ihm  angewiesene  Stelle  einnimmt".    Jedes  Ding  ist  Selbst- 

k   ttnd   Mittel    zu    höheren  Zwecken.     Leib   und  Seele   sind  nur  „die  Sub- 

jekte    verschiedener    Erscheinungsweisen     desselben    Individuums",    wobei    die 

mit  dem  Leibe    zugleich   entsteht   und  sich  entwickelt,    aber  vom  Leibe 

ihieden  ist.     Die  Willenshandlungen  sind   stets  bestimmt  durch  psychische 

ichen,  aber  nicht  schon  in  ihnen  enthalten  (wie  Wundt).  Das  Gute  (Sitt- 
liche) besteht  in  der  Verwirklichung  der  Idee  des  Menschen   und  damit  in  der 

aßten  und  freien  Aufrechterhaltung  der  göttlichen  Weltordnung.  Das 
höchste  Gul  ist  sittliche  Vollkommenheit.  Das  Sittliche  ist,  objektiv,  das  in 
den  Gemeinschaften  sich  darstellende  Vernünftige. 

Schriften:    Über  Freiheit   des  Willens,   1874.  —  Leibniz'    Psychologie,  1876.  — 

Hauptpunkte    der    Metaphysik,  1879.    —    Über   die   Notwendigkeit   einer   metaphys. 


Kau  hm  i:  —  Klein. 


(jruiulla-e   für  die   Ethik,   1881.    —    Über    die  Grundprinzipien   des    Weltprozetse»,   188'J. 

Über  den   Zweck  de«  Daseins,   1883.  —  Der  Spiritismus.   188:;.   —    Diitetik  d.  Geilte«, 

1884.   —  ien   Zufall,    I8b7.   —   Schematismus  d.   Philos.,   1888.  —   Über  die  T 

..«,   1890.  —   Über  das  Gedächtnis,   1892.  —  Der  Wt^MMM  Glück,    L896.   —   Kate<  I 
der  Psychologie,  2.  A.  1896.  —   Katechismus  der  Ethik,  2.  A.  1898.   —   Katechismus 
der  Logik,   3.   A.    1900.  —    Wörterbuch  der  philos.   Grundb«  \     1907,  u.  u. 

KI<kaiilli<"->    BDI     \>>os    (iii    I:  .  ( 'hr.  hau 

Schüler  Zenooi  und  verdiente  rieh  des  Nachts  durch  Ieigkneien  und  Waaear- 

gen  seinen  Lebensunternelt    Kr  vraide  der  Nachfolger  Zenem  im  Lehramf 

und    ^<>11   durch  Bdbatmard  gestorben    sein.    Von  seinen  sahlreichen  Schriften 

sind  ans  Fragmente  erhalten. 

Kl.  ist  •  - i 1 1  Hanptrero  Btoa  (über  deren  Lehren  s.  Btoii 

[).     PhikMophie   ghedeai    er   in    Dialektik,    EUietorik,    Ethik,   Politik.    Phj 
Theologie.     Im-    Vbntelln  leichl   er  mit  dem   Abdruck   einee   Siegels   in 

Wachs.    D     S         i-f  ein  durch  den  ganzen  Leib  verbreitetes  „Pneuina"  und 
überdauert  den  Tod  bis  cnm  Weltenbrande  (der  Zem 

der  vielnai  rechende,  der  Lenker  der  Welt,  der  aD  /müßig 

leitet;  wir  M«ii-<h«ti  sind  ans  ihm,  »l»-r  Weltvernunft,  die  aDes  erfüllt  und 
B  se  /uni  ( taten  vrend< 

KvStot   Mavdx  i  e  tdtl, 

•y.    .    .    . 

■ 


ioti  uiy.'  deaair. 

I I.NKS     Kai  Kill-.    VII.     —     SrOBASUB,  1     (HjBUMt  auf  Zfl 

—  M«»hmki.  k   .  1814.        l'i  LBSOH,  hsfasli  tri  .         iad  KL.  is9i.  —  .1.    m; 

im   veteruiu    fragnu'tita    1. 

Klearclio*   ;iu-    ^.i.i  (auf   Kyproa),   ein  Schüler  des  Aristoteles.     \ 
seinen  Bchriften  sind  nur  Fragmente  erhalten« 

IC   Wl  II  k.   i 

Klein,  i  Michael,  geb.  1776  in  Alit/ln-im  (Bayern  .    Prof.  in  w 

gast  i 
Anhai         -  der   in   der   letztgenannten  Schrifl  vom  Pantheisn 

in kt    and   suf   K  \  iulx*n"  zurückgeht     In  da 

1 1     Erkenntnis   von  Wahrheiten   ohi  vi  ü 

sind  Worte  ohne  Sinn,   eitle   '  prüche."     D  ktierendi     \ 

in  einer  endlosen   I  on    Endlichkeiten   i 

■  halten    wcnlrii.     I  h<-    VtTiiuiift     1. 
Den     Fluß    von    VcräntliTni  n    indl.---    \V<  •  n    und 

such!  ein    i 
nur  ttteaes   gilt    dir  sin  I:  und  die  Erkern  Wahrbi 

I  •  !    ih.it  im  Wissen 

*  ••  i-i.        II, 


;M  Klein  —  Knapp. 


Strebens,  Avelches  nur  durch  das  Absolute,  Unbedingte  befriedigt  wird.  Den 
osatz  des  Unendlichen  und  Endlichen,  des  Denkens  und  Seins  zur  har- 
monischen Einheit  des  Wissens  zu  bringen,  ist  das  Ziel  alles  wahren  Philo- 
sophierens. Die  apriorischen  Begriffe  (Kategorien)  sind  nur  Begriffe  der  all- 
gemeinen, notwendigen  Relationen  der  Erscheinungen,  der  endlichen  Dinge; 
sie  dürfen  nicht  auf  das  Unendliche  übertragen  werden.  Unsere  Vernunft  aber 
will  wissen,  was  an  sich  wahr,  gut  und  schön  ist. 

Schriften:  Beiträge  zum  Studium  der  Philosophie  als  Wissenschaft  des  Alls,  1805. 
—  Yerstandeslehre,  1810  (2.  A. :  Anschauungs-  und  Denklehre,  1818).  —  Versuch,  die 
Ethik  als  Wissenschaft  zu  begründen,  1811.  —  Darstellung  der  philosophischen  Religions- 
und Sittenlehre,  1818. 

"KJeinpeter,  Hans,  geb.  1869  zu  Friedland  (Mähren),  Gymnasialprofessor 
in  Gmunden  (Österreich).  =  Standpunkt  Machs  und  anderer  idealistischer 
Positivisten  (Prinzip  der  Denkökonomie,  Psychologismus  usw.).  Erfahrung  ist 
„Beobachtung  von  Empfindungen  bzw.  Empfindungsgruppen",  Denken  aktive 
Verarbeitung  der  Empfindungen. 

Schriften:  Die  Entwicklung  des  Raum-  und  Zeitbegriffes  in  der  neueren  Mechanik 
und  Mathematik,  Archiv  f.  systemat.  Philos.  IV,  1898;  vgl.  V.:  Kant  u.  die  naturwissensch. 
Erkenntniskritik  der  Gegenwart,  Kantstudien  VIII,  1903.  —  Erkenntnislehre  u.  Natur- 
wissenschaft, 1899.  —  Die  Erkenntnistheorie  der  Naturwissenschaft  der  Gegenwartr 
1905,  u.  a. 

li  leitomaelios  aus  Karthago,  seit  129  v.  Chr.  Nachfolger  des  Karneades 
in  Athen;  er  gehört  der  dritten  „Akademie"  an  (Gemäßigter  Skeptizismus). 
Vgl.  Diog.  Laert.  IV,  67. 

Kleinen*  s.  Clemens. 

Klemm,  O.,  Privatdozent  in  Leipzig.  =  Schüler  Wundts. 

Schriften:   G.  B.  Vico,  1906.  —  Lokalisation  von  Sinneseindrücken,  1909,  u.  a. 

Kleohnlos,  Tyrann  von  Lindos  (auf  Rhodos),  wird  bei  Plato  („Prota- 
goras")  als  einer  der  „sieben  Weisen"  Griechenlands  genannt.  Anderwärts 
werden  ihm  verschiedene  Lebensregeln  zugeschrieben,  wie:  Maßhalten  ist  das 
Beste,  Nichts  mit  Gewalt  usw. 

Kleomedes,  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.,  Astronom  und  Philosoph  (Stoiker). 
Schriften:    Kvalixi)   deiogia   [xetso)Q(x>v,    hrsg.    von    H.  Ziegler,  1891.    —    Vgl. 
EL  ZlEGLEE,  De  vita  et  scriptis  &.,  1878. 

Kleutgen,  Josef,  kathol.  Priester,  gest.  1883.  =  Verteidiger  der 
Scholastik. 

Schriften:  Die  Philosophie  der  Vorzeit,   1878  f. 

Knapp,  Ludwig,  geb.  1821  in  Darmstadt,  1848  Privatdozent  an  der 
Fakultät  in  Heidelberg,  gest.  1858  in  Darmstadt. 

K.  ist  ein  von  L.  Feuerbach  beeinflußter,  aber  in  vielem  selbständiger  Philo- 
soph. Er  lehrt  im  Sinne  des  Positivismus,  Empirismus,  Naturalismus  und  Psycho- 
togbrnug.  Von  dem  reinen,  der  Wirklichkeit  gerecht  werdenden  Denken  unter- 
scheidet <;r  das  phantastisch-spekulative  Denken,  welches  theoretische  Wünschen 
dient,    rieh    von   der  Wirklichkeit  entfernt,   Abstraktionen   und   Fiktionen  für 


Knapp  —  Kneib.  355 


Wirklichkeiten  nimmt.  Die  Philosophie  hat  das  Denken  von  solchen  Irrtümern 
zu  befreien  und  die  „Einheit  von  Naturgesetz  und  Denkprozeß"  darzulegen. 
Durch  Aufzeigen  der  subjektiven  Quellen  der  Denkphantasmen  werden  diese 
eliminiert.  Das  Einheitsstreben  des  Denkens  muß  sich  auf  den  objektiven  Zu- 
sammenhang richten,  muß  die  Sinnlichkeit  und  Erfahrung  zur  Grundlage  haben. 
Apriorische  Gedanken  gibt  es  nicht,  auch  ist,  wie  die  Erfahrung,  das  Wissen 
nie  abgeschlossen.  Die  Denkgesetze  sind  psychologische  Gesetze  und  haben 
wie  alles  Psychische  eine  physiologische  Grundlage,  so  daß  das  Denken  ein 
Xaturprozeß  ist.  Das  Geistige  ist  vom  Materiellen  abhängig,  eine  immaterielle 
Seelensubstanz  ist  ein  Unding.  Das  Ich  ist  der  Leib  als  Träger  der  Empfin- 
dungen oder  der  ideelle  wandelbare  Schwerpunkt  einer  Vielheit  von  Zuständen. 
Die  Seele  besteht  nur  aus  den  einzelnen  Bewußtseinserscheinungen,  welche  der 
Stoffwechsel  im  lebenden  Nerv  produziert.  Wie  das  Anorganische  ist  das 
Organische  ein  Mechanismus.  Das  Denken  kann  auch  unbewußt  erfolgen,  das 
Bewußtsein  ist  nur  eine  Begleiterscheinung.  Das  Begehren  wird  stets  durch 
Gefühle  ausgelöst,  und  diese  sind  im  Grunde  Tastempfindungen,  die  von 
Muskelspannungen  ausgehen.  Im  Wollen  und  Handeln  kommt  das  „muskel- 
erregende Denken"  zur  Geltung. 

Dieses  Denken  betätigt  sich  praktisch,  im  Rechte  und  in  der  Sittlich- 
keit. Die  Weltgeschichte  ist  ein  notwendiger  Xaturprozeß,  in  welchem  sich 
das  muskelerregende  Denken  die  Gegenstände,  die  Natur  unterwirft  und  das 
erkennende  Denken  zu  sozial  zweckmäßigen  Institutionen  führt.  Die  muskulär 
erzwungene  Unterwerfung  der  Natur  unter  die  menschliche  Gattung  ist  die 
Volkswirtschaft,  die  des  Menschen  unter  seine  Gattung  die  in  Moral  und  Recht 
sich  gliedernde  Sittlichkeit.  Diese  besteht  in  der  Triebeinschränkung  durch 
die  Vorstellung  der  sozialen  Gesamtheit,  durch  das  ,. Gattungsinteresse'4.  Sitt- 
lich ist  nur,  was  „dem  vorgestellten,  also  wirklichen  oder  vermeintlichen 
Gattungsinteresse  angepaßt"  ist.  Auf  die  Gattungswohlfahrt,  den  „Gesellschafts- 
wert" kommt  es  hier  an,  nicht  etwa  auf  phantastische,  transzendente  Zwecke. 
Die  sittlich  zwingenden  Affekte  bilden  das  Gewissen.  Die  Rechtsphilosophie  ist 
die  „Darlegung  der  philosophischen  Erkenntnis  des  Rechts"  und  die  „Erkenntnis 
der  Rechtsphantasmen".  Das  Recht  ist  die  gewaltsame  Unterwerfung  des 
Menschen  unter  das  vorgestellte  Gattungsinteresse.  Ist  dieselbe  dem  Denken 
der  Individuen  und  Völker  gemäß,  dann  sind  diese  frei.  Die  Erkenntnis  der 
wahren  Natur  des  Rechts  ist  die  Grundlage  der  Politik. 

Schriften:  System  der  Rechtsphilosophie,   1857. 

Rnauer,  Vincenz,  1828—1894,  Privatdozent  in  Wien.  =  Anhänger 
Günthers,  später  Hamerlings. 

Schriften:  Geschichte  der  Philosophie,  1876;  7.  A.  1901.  —  Die  Hauptprobleme 
der  Philosophie,   1892.  —  Grundl.  z.  Aristotol.-Thomist.  Psychol.,   1885. 

Kneib,  Philipp,  geb.  1870  in  Zornheim,  Prof.  in  Würzburg.  =  Dualist  i- 
BCher  Standpunkt. 

Schriften:  D.  Willensfreih.,  1898  (Indetennin.).  —  D.  Unsterbl.  d.  Seele,  1900. 
—  Wissen  u.  Glauben,   1902;  2.  A.   1905.  —  D.  Beweise  f.   d.  Unsterbl.,  1903,  u.  a. 

23* 


356  Knoodt  —  Kohler, 


Kuoodt.  Peter,  1811—1889,  Prof.  in  Bonn.  =  Anhänger  Günthers. 

Schriften:  Günther  und  Clemens,  1853  f.  —  A.  Günther,  1881,  u.  a.  (Vgl. 
Günther.) 

li  nutzen.  Martin",  geb.  1713  in  Königsberg,  Prof.  daselbst  (Kants 
Lehrer),  gest.  1751.  =  Anhänger  Chr.  Wolffs,  auch  mit  den  Lehren  Newtons 
vertraut,  Aus  der  Einheit  des  Selbstbewußtseins  schloß  er  auf  die  Immateria- 
lität  der  Seele  und  die  Unsterblichkeit  dieser  (dagegen  Kant). 

Schriften:  Von  der  immateriellen  Natur  der  Seele,  1744.  —  Elementa  philo- 
sophiae  rationalis  seu  logicae,  1747.  —  Systema  causarum  efficientium,  1745,  u.  a.  — 
Vgl.  B.  ERDMANN,  M.  Kn.  und  seine  Zeit,  1876. 

Köber,  Raphael  von,  Prof.  in  Tokio.  =  Anhänger  E.  von  Hartmanns. 
Schriften:     Schopenhauers  Erlösungslehre,    1882.    —    Das  philosophische  System 
E.  v.  Hartmanns,  1884.  —  Eepetitor.  d.  Gesch.  d.  Philos.,  1890,  u.  a. 

Koch,  Emil,  geb.  1872,  Gymnasiallehrer  in  Köln.  =  Das  Bewußtsein 
der  Wirklichkeit  entsteht  gegenüber  dem  Etwas  der  Wort-Wahrnehmung  (oder 
-Vorstellung),  welches  die  Stellung  eines  „Ausdrucks",  einer  „Bezeichnung"  der 
Wirklichkeit  einnimmt.  In  dieser  Gegenüberstellung  ersteht  das  Bewußtsein 
der  Transzendenz,  das  den  einfachen  Vorstellungen  als  solchen  fehlt. 

Schriften:  Das  Bewußtsein  der  Transzendenz,  1896.  —  Die  Psychologie  in  der 
Religionswissenschaft,  1897,  u.  a. 

liocli.  J.  L.  A.,  geb.  1841  in  Laichingen,  Direktor  der  Staatsirrenanstalt 
Zwiefalten.  =  K.  vertritt  eine  dualistische,  theis  tische,  teleologische  Weltan- 
schauung. Sein  Begriff  der  „psychopathischen  Minderwertigkeit"  (im  Unter- 
schiede vom  ausgesprochen  neurotisch  Psychotischen)  hat  Verbreitung  ge- 
funden. 

Schriften:  Erkenntnistheoretische  Untersuchungen,  1883.  —  Grundriß  der  Philo- 
sophie, 1884;  2.  A.  1885.  —  Die  Wirklichkeit  und  ihre  Erkenntnis,  1886.  —  Die 
psychopathischen  Minderwertigkeiten,  1891  f.  —  Leitfaden  der  Psychiatrie,  2.  A. 
1889  f.,  u.  a. 

liodis«  Josepha,  geb.  1865,  Polin.  =  Standpunkt  von  Avenarius. 

Schriften:  Zur  Analyse  des  Apperzeptionshegriffes,  1893.  —  Der  Empfindungs- 
begriff,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  Bd.  21,  1897.  —  Philos.  Studien,  1903 
(letzteres  polnisch). 

Köhler,  Josef,  geb.  1849  in  Offen  bürg,  seit  1888  Prof.  der  Jurisprudenz 
in  Berlin.     Herausgeber  der  „Zeitschrift  für  vergleichende  Rechtswissenschaft", 

„Archiv  für  Rechts-  und  Wirtschaftsphilosophie". 

I  .  gründet  die  Rechtsphilosophie  auf  die  vergleichende  Rechtswissenschaft. 
Di'-  l:"-ht-philosophie  zeigt,  wie  „in  jedem  Stadium  der  Menschheit  bestimmte 
Rechteirjetitute  die  in  den  Völkern  enthaltenen  Entwicklungsideale  ver- 
körperten". Die  Rechtsordnung  ist  in  stetem  Flusse;  sie  ist  eine  „durch  die 
soziale  Natur  des  Menschen  in  sozialer  Weise  gegebene  Zwangsordnung  der 
menschlichen  Lebensverhältnisse".  Aufgabe  des  Rechts  ist  nicht  die  Förderung 
des  Glückes  (gegen  den  Eudämonismusj,  sondern  die  Ermöglichung  und  Fur- 
ier Kultur  zum   Gedeihen  der  Menschheitszwecke.     K.,  der  sich  als 


Köhler  —  Koxg-fu-tse.  357 

Neo-Hegelianer   bekennt,   vertritt    einen   idealistischen   Evolutionismus  (Kultur 
als  Entwicklungsziel). 

Schriften:  Das  Recht  als  Kulturerscheinung,  1885.  —  Das  Recht  als  Lebens- 
element  der  Völker,  1887.  —  Das  Wesen  der  Strafe,  1888.  —  Rechtsvergl.  Studien, 
1889.  —  Zur  Urgesch.  d.  Ehe,  1897.  —  Einführung  in  die  Rechtswissenschaft,  1901; 
3.  A.  1908.  —  Lehrbuch  der  Rechtsphilosophie,  1909.  —  Archiv  f.  Rechts-  u.  Wirt- 
schaft sphilos.  I  ff.,  u.  a. 

K oh ii stamm.  Oskar,  geb.  1871  in  Pfungstadt  bei  Darmstadt,  Arzt  in 
Königstein  im  Taunus. 

K.  ist  ein  Vertreter  der  .,Psychobiologie"  (Ausdruck  von  ihm),  der  psycho- 
logischen Richtung  der  Biologie  und  der  biologischen  Begründung  des 
Psychischen.  Alles  Leben  ist  durch  zwei  Formen  ausgezeichnet,  durch  die 
Zwecktätigkeit  oder  „Teleoklise"  und  die  Ausdruckstätigkeit  oder  „Expressi- 
vität".  Die  Reize  werden  vom  gesunden  Organismus  bestmöglich  verwertet 
(„optimale  Reizverwertung'').  Das  ästhetische  Objekt  ist  das  Äquivalent  einer 
Ausdrucksbewegung,  das  ästhetische  Erlebnis  Ausdruck  und  Symbol  von  Ge- 
fühlen. Die  Kunst  ist  „Ausdruckstätigkeit",  welche  zu  selbständiger  und  ver- 
ständlicher Erscheinung  gelangt.  „Kunst  schaffen  ist  das  Spiel  in  der  Aus- 
druckstätigkeit". 

Schriften:  Intelligenz  u.  Anpassung,  Annal.  d.  Naturphilos.,  1903.  —  Grundlinien 
einer  biologischen  Psychologie,  1903.  —  Die  biologische  Sonderstellung  der  Ausdrucks- 
bewegungen, Journal  f.  Psychol.  u.  Neurologie,  Bd.  7,  1906.  —  Kunst  als  Ausdrucks- 
tätigkeit, 1907.  —  Biologische  Weltanschauung,  Zeitschr.  f.  den  Ausbau  d.  Entwicklungs- 
lehre, I,  1907.  —  Psychologische  Grundbegriffe,  Zeitschr.  f.  den  Ausbau  d.  Entwickl. 
II,  1908,  u.  a. 

Koigen,  David,  geb.  1877  in  Wachniati  (Rußland),  lebt  in  Berlin.  = 
Sozialist.  Eine  soziale  Identitätslehre  ist  nötig,  eine  Lehre  vom  „einheitlichen 
Kulturakt",  der  alle  Tätigkeitsarten  zu  einem  organischen  Ganzen  verbindet. 
In  der  Geschichte  wird  das  Werden  zu  Willensrichtungen  und  Zwecktätig- 
keiten, welche  die  Kulturakte  konstituieren. 

Schriften:  Zur  Vorgeschichte  des  moderneu  philosoph.  Sozialismus  in  Deutsch- 
land, 1901.  —  Gesch.  d.  Philos.  u.  Sozialphilos.  des  Junghegelianismus,  1901.  —  Die 
Kulturanschauung  des  Sozialismus,    1903.  —  Ideen  zur  Philos.  d.  Kultur,  I,   1910,  u.  a. 

Rolbenlieyer,  Erwin  Guido,  geb.  1878,  lebt  in  Wien. 
Schriften:    G.    Bruno,    1903.    —    D.  sensorielle    Theorie   d.    optisch.    Kaumempf., 
1905.  —  Amor  Dei,  ein  Spinoza-Roman,   1908. 

Kolotes  aus  Lampsakos,  Schüler  des  Epikur,  Verfasser  riner  verloren 
gegangenen  Schrift. 

Vgl.   W.  CRÖNERT,  K.   u.  Menedemos,  1906. 

Koltan.  Julius,  lebt  in  Basel.  —  K.  vertritt  einen  realistischm  „Subfltanz- 
monismus",  nach  welchem  die  eine  Wirklichkeit  sich  in  zwei  EracheinnngsweiseD 
äußert.     Alles  Sein  ist  psycho-physisch.     Gott  ist  eins  mit  dem  Weltall 

Schriften:  Haeckels  Monismus.  —   J.   Reinkes  dualistische   Weltansicht,   1908. 

Koiif-fu-tsse  s.  Coofucius. 


König  —  Köstlin. 


Koni«;.  Edmund,  geb.  1858  in  Westgreußen  (Thür.),  Gymnasialprof.  in 
Sondershausen. 

K.  ist  von  Kant  und  Wundt  beeinflußt,  Er  betont  die  überindividuelle, 
apriorische  Grundlage  der  Erkenntnis.  Das  Objektive  fällt  nicht  in  die  psycho- 
logische Reihe.  Die  Objekte  gehören  vielmehr  dem  „denkenden  Bewußtsein"  an, 
welches  zur  Ergänzung  des  Wahrgenommenen  durch  ein  jeweilig  nicht  Wahr- 
genommenes genötigt  ist.  „Das,  was  dem  transzendentalen  Bewußtsein 
immanent  ist,  und  das  ist  das  Gegebene  nach  Inhalt  und  Form,  ist  für  das 
empirische  Denken  trän s subjektiv,  ist  ihm  als  ein  Fremdes  gegeben,  ist 
ihm  objektiv,  denn  es  ist  von  ihm  selbst  unabhängig."  Die  „Transzendenz"  ist 
schließlich  nur  ein  Ausdruck  für  die  Inkongruenz  zwischen  dem  tatsächlichen 
Inhalt  und  dem  Ideal  der  Erkenntnis.  Die  volle,  wahre  Wirklichkeit  ist  ein 
Idealbegriff.  Zwischen  Psychischem  und  Physischem  besteht  ein  Parallelismus, 
keine  Wechselwirkung. 

Schriften:  Die  Entwicklung  des  Kausalproblems  von  Cartesius  bis  Kant,  1888. 
—  Die  Entwicklung  des  Kausalproblems  in  der  Philosophie  seit  Kant,  1890.  —  Über 
die  letzten  Fragen  der  Erkenntnistheorie,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik,  Bd.  103 
— 104,  1894.  —  Über  Naturzwecke,  Philos.  Stud.  XIX,  1902.  —  Die  Lehre  vom 
psycbophys.  Parallelismus  und  ihre  Gegner,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik, 
116.  Bd.  —  W.  Wundt,  seine  Philos.  u.  Psychologie,  1901;  3.  A.  1909  (Frommanns 
Klassiker  d.  Philosophie).  —  Kant  u.  d.  Naturwissensch.,  1907,  u.  a. 

Koppelmann,  AVilhelm,  geb.  1860  in  Schüttorf,  Privatdozent  u.  Gym- 
nasialprof. in  Münster.  =  K.  erblickt  in  der  „Wahrhaftigkeit"  den  ethischen 
Grundbegriff. 

Schriften:  Kants  Lehre  vom  kategor.  Imper.,  1888.  —  Kant  u.  d.  Grundlage 
d.  christl.  Eelig.,  1890.  —  Die  Sittenlehre  Jesu,  1896;  2.  A.  1906.  —  Kritik  des  sitt- 
lichen Bewußtseins,  1904.  —  Die  Ethik  Kants,  1907,  u.  a. 

Koppen,  Friedrich,  geb.  1775  in  Lübeck,  Prof.  in  Landshut  und  Er- 
langen, gest.  1858  in  Erlangen.  =  Anhänger  Jacobis.  Zu  den  ewigen  Wahr- 
heiten gehört  die  von  uns  unmittelbar  erlebte,  aber  unbegreifliche  Freiheit. 
Durch  seine  absolute  Freiheit  ist  Gott,  der  Weltschöpfer,  der  Urheber  der 
Naturnotwendigkeit  geworden. 

Schriften:  Über  die  Offenbarung,  1797.  —  Schillings  Lehre,  1804.  —  Darstellung 
des  Wesens  der  Philosophie,  1810.  —  Philosophie  des  Christentums,  1813  f.  —  Politik, 
1818.  —  Kechtslehre,  1819,  u.   a. 

Koslow,  A.,  1831-1901,  Prof.  in  Moskau  (1876—87).  ==  Von  Leibniz 
and  Teichmüller  beeinflußter  Vertreter  eines  pluralistischen  Panpsychis- 
iuus.  Der  Begriff  des  Seins  entstammt  dem  Ich-Bewußtsein  und  wird  auf  die 
Außendinge   übertragen.     Die  räumliche    Welt   ist   ein    Zeichensystem,    dessen 

An  sicli  ist. 

Schriften   (russisch):  Die  Philosophie  als  Wissenschaft,  1872.  —  Philos.   Studien, 
— 80.  —  Der  Ursprung  der  Kantschen  Theorie  des  Raumes  u.  der  Zeit,  1884,  u.  a. 

KSsttin,  Karl,  geb.  1819  in  Urach,  seit  1857  a.  o.,  seit  1863  o.  Prof.  in 
Tübil  1S94.  =  K.,  als  Theologe  ein   Vertreter  der  Tübinger  Schule, 


Köstlix  —  Kraepelix.  3.">9 


ist  von  Hegel  ausgegangen,  nimmt  aber  als  Ästhetiker,  als  welcher  er  auf  das 
konkrete  Geistesleben  des  Menschen  verweist,  einen  zwischen  Gehalts-  und 
Form- Ästhetik  vermittelnden  Standpunkt  ein.  Zum  Ästhetischen  gehört  außer 
einem  anregenden  Gehalt  eine  leicht  anschauüche  Form.  Die  Ethik  hat  eine 
empirische  Grundlage,  ist  Philosophie  des  Wollens  und  Handelns. 

Schriften:  Hegel,  1870.  —  Ästhetik,  1863 — 69.  —  Über  den  Schönheitsbegriff, 
1878.  —  Geschichte  der  Ethik  I,   1887.  —  Prolegomena  zur  Ästhetik,   1889,  u.  a. 

Köteles,  Samuel,  Prof.  in  Maros-Yäsärhely  (Ungarn).  =  K.  ist  Anhänger 
des  Kritizismus  und  „Harmonismus". 

Schriften:  Ethik,   1817.    —    Logik,    3.  A.   1829.    —    Philos.    Enzyklopädie,  1829. 

—  Philos.  Anthropologie,   1839  u.  a.  (ungarisch). 

Kowalewski,  Arnold,  geb.  1873  in  Sallewen,  Privatdozent  in  Königs- 
berg. =  K.  treibt  Psychologie  der  Philosophie  und  hat  Enqueten  über  den 
Pessimismus  gemacht,  die  für  den  „Erinnerungsoptimismus"  (Überwiegen  der 
Lusterinnerungen)  zu  sprechen  scheinen. 

Schriften:  Krit.  Analyse  von  A.  Colliers  Clavis  universalis,  1897.  —  D.  Philos. 
d.  Bewußts.  von  F.  Michelis,  1897.  —  Über  d.  Kausalitätsproblem,  1898.  —  Prodromos 
einer  Kritik  der  erkenntnistheoret.  Vernunft,  1898.  —  Kants  Stellung  zum  Problem  einer 
Außenweltexistenz,  1904.  —  Studien  zur  Psychologie  des  Pessimismus,  1904.  — 
A.  Schopenhauer  u.   seine  Weltanschauung,   1908,  u.  a. 

Kozlow  S.  Koslow. 

KrafiY-Ebing,  Richard  v.,  geb.  1840  in  Mannheim,  1889  Prof.  in  Wien, 
gest.  1902. 

Schriften:  Grundz.  d.  Kriminalpsychol.,  3.  A.  1899.  —  Lehrbuch  d.  Psychiatrie, 
7.  A.   1903.  —  Psychopathia  sexualis,   13.  A.   1907,  u.  a. 

Kralik.  Richard  v. ,  geb.  1852  in  Eleonorenhain,  lebt  in  Wien.  = 
Theistisch-teleologischer  Standpunkt. 

Schriften:  Weltschönheit,  1893.  —  Weltgerechtigkeit,   1894.  —  Weltwissen,   1895. 

—  Philos.   u.  Leben,  1906.  —  Kulturfragen,   1907.  —  Gibt  es  ein  Jenseitsr   1907,  u.  a. 

Kranial*.  J.  C.  Udalrich,  geb.  1848.  =  Die  Seele  identifiziert  K.  mit 
dem  Äther. 

Schriften:  Das  Problem  der  Materie,   1871.    —    Die  Hypothese    der  Seele,   1878. 

Krantor  aus  Soloi,  war  in  Athen  Schüler  des  Xenokrai<  >  und  Polemon. 
Er  schrieb  einen  Kommentar  zu  Piatons  „Timaeus",  eine  Trostschrift  über  dir 
Trauer  {xegt  ner&ovg),  von  Cicero  nachgeahmt.  =  K.  ist  ein  Vertreter  der 
„älteren  Akademie",  also  der  Platonischen  Schule.  Der  Tod  gilt  ihm  als  l'bcr- 
gang  in  ein  besseres  Dasein  und  von  den  Gütern  des  Lebens  hält  er  die  Tugend 
für  <la>  höchste.  Die  Affekte  sind  nicht  zu  unterdrücken,  sondern  nur  zu  be- 
schränken  (gegen  die  Stoa). 

\  -      F.   Kayser,  De  C,   1881. 

Kraepelin,  Emil,  geb.  185(5  in  Neustrelitz,  Prof.  der  Psychiatrie  in 
Heidelberg   und  München,   --    K.  basiert   die   Psychiatrie  auf  die  Psychologie. 


3i>0  Kraepelin  —  Krause. 


In  diese  hat  er  die  chemisch-experimentelle  Methode   eingeführt   (Einfluß   von 
Nervinen  usw.  auf  das  Psychische). 

Schriften:  Psychologische  Arbeiten,  1895  f.  —  Psychiatrie,  7.  A.  1903  f.  —  Über 
geistige  Arbeit,  1903.  —  Über  Ermüdungsmessungen,  Arch.  f.  d.  gesamte  Psychologie  I. 
—  Zur  Kenntnis  der  psychol.  Methoden,  Philos.  Stud.  II.  —  Über  die  Beeinflussung  ein- 
facher psychischer  Vorgänge  durch  einige  Arzneimittel,  1892.  —  Die  Arbeitskurve, 
1902,  u.  a. 

';-.  Krapotkin  s.  Kropotkin. 

Krates  von  Athen,  Schüler  Polemons,  um  270  v.  Chr.,  Vertreter  der 
„älteren  Akademie". 

Vgl.  ZELLER,  Philos.  der  Griechen  II,  1. 

Krates  von  Mallos  (Kilikien),  Schüler  des  Stoikers  Diogenes  von 
Babylon  ien. 

Vgl.  K.  W^CHSMUTH,  De  Cratete  M.,  1860. 

Krates  von  Theben,  um  320  v.  Chr.,  Schüler  des  Kynikers  Diogenes  von 
Sinope,  Gatte  der  Hipparchia,  welche  (wie  ihr  Bruder  Metrokies)  ebenfalls 
Anhänger  des  Kynismus  war. 

Vgl.  DlOG.  LAERT.  VI.  —  DlELS,  Poet,  philos.  fragmenta,  S.  217  ff. 

Kratippos  aus  Mytilene,  lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des  1.  Jahrh. 
v.  Chr.  in  Athen.  =  Peripatetiker. 

Kratylos,  Lehrer  Piatons  (vgl.  den  Dialog  „Kratylos"),  Anhänger  des 
Heraklit.  =  Nach  K.  kann  man  auch  nicht  einmal  in  denselben  Fluß  steigen  T 
da  er  keinen  Moment  sich  gleich  bleibt. 

Vgl.  DlELS,  Fragmente  der  Vorsokratiker  I. 

Kraus,  Christian  Jacob,  geb.  1753  in  Osterode  (Harz),  Schüler  und 
Freund  Kants,  1781  Prof.  der  praktischen  Philosophie  und  Kameralwissenschaften. 
in  Königsberg,  gest.  daselbst  1807.  =  Von  Hume,  Smith  und  Kant  beein- 
flußt, zum  Skeptizismus  geneigt. 

Schriften:  Staatswirtschaft,  hrsg.  1808—11.  —  Vermischte  Schriften,  1808 — 13. 
—  Vgl.  VOIGT,  Das  Leben  des  Prof.  K.,  1819. 

Kraus,  Oscar,  geb.  1872  in  Prag,  Prof.  daselbst.  =  Anhänger  Brentanos. 

Schriften:  Das  Bedürfnis,  1894.  —  Zur  Theorie  des  Wertes.  Eine  Bentham- 
studie,  1902.  —  Rechtsphilosophie  u.  Jurisprudenz,  Zeitschr.  f.  d.  gesamte  Strafrechts- 
wisscnschaft,  Bd.  23,  1902.  —  Die  Lehre  von  Lob,  Lohn,  Tadel  und  Strafe  bei  Aristo- 
teles,  1905,  u.  a. 

Krause,  Albrecht,  1838—1903,  Pastor  in  Hamburg.  =  Kantianer,  der 
eine  Logik  dos  Gefühles  als  transzendentale  Begründung  der  subjektiven  und 
einzelnen  synthetischen  Urteile  a  priori  zu  geben  sucht. 

Schritten:  Die  Gesetze  des  menschlichen  Herzens,  wissenschaftlich  dargestellt  als 
die  formale  Logik  des  reinen  Gefühls,  1876.  —  Kant  und  Helmholtz,  1878.  —  Populäre 
Darstellung  von  I.  Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft,  2.  A.  1882.  —  Kant  wider 
K.  Fischer,   1887,  u.  a. 

Krause,    Karl    Christian    Friedrich,    geb.    6.   Mai    1781    in   Eisenberg 


Krause.  361 

fS.-  Alten  bürg)  als  Sohn  eines  Lehrers.  Er  besuchte  die  Schulen  zu  Donndorf 
und  Altenburg,  studierte  1797 — 1800  in  Jena  Theologie,  Mathematik  und  Philo- 
sophie (unter  Fichte  und  Schelling),  habilitierte  sich  1802  in  Jena,  wurde  1805 
in  Dresden,  wo  er  einer  Freimaurerloge  beitrat,  Lehrer  an  der  Ingenieur- 
akademie. 1814  habilitierte  er  sich  in  Berlin,  da  er  aber  keine  Professur  erhielt, 
ging  er  Avieder  nach  Dresden,  wo  er  schriftstellerisch  tätig  war.  1824  habilitierte 
er  sich  in  Göttingen,  wo  er,  wie  auch  früher,  Privatunterricht  gab,  da  er  für 
eine  zahlreiche  Familie  zu  sorgen  hatte.  1830  wurde  gegen  ihn  wegen  seiner 
Lehre  vom  „Menschheitsbunde"  eine  Untersuchung  eingeleitet,  worauf  er  1831 
nach  München  ging,  wo  seine  Bemühung,  sich  zu  habilitieren,  auf  den  Wider- 
stand Schellings  stieß.  Am  27.  September  1832  starb  K.  an  einem  Schlaganfall. 
K.  war  eine  milde,  sittlich  hochstehende,  von  Liebe  zu  Gott,  zum  All  und  zur 
Menschheit  beseelte  Natur. 

K.  ist  der  Begründer  eines  Systems  des  Panentheismus  (der  „All-in-Gott- 
Lehre"),  welcher  den  Gegensatz  von  Pantheismus  und  Theismus  überwinden 
soll.  Beeinflußt  ist  er,  außer  von  älteren  Philosophen,  besonders  von  Kant, 
dann  von  Fichte,  Schelling  und  Hegel.  Besonders  nahe  steht  er  Schelling, 
dessen  Pantheismus  er  aber  nicht  akzeptiert  und  in  dessen  Schule  er  schon, 
wie  er  erklärt,  mit  eigenen  Ideen  gekommen  ist;  Schellingianer  will  er  keines- 
falls sein,  wenn  auch  von  Schelling  der  beste  Weg  zu  seiner  eigenen  Philosophie 
führt.  Durch  seine  neuen,  rein  deutsch  sein  sollenden  terminologischen  Wendungen 
hat  K.  der  Verbreitung  seiner  Schriften  sehr  geschadet,  obzwar  er  im  Auslande 
(besonders  Spanien)  durch  seine  Schüler  bis  heute  in  Geltung  steht.  Er  ge- 
braucht Ausdrücke  wie:  „Orwesen",  „Omwesen",  „Or-om-Wesenlebverhaltheit", 
„Vereinselbganzweseninnesein",  „Satzheit"  u.  a.  Dabei  ist  sein  System  durch 
Tiefe  und  Denkenergie  ausgezeichnet  und  wird  heute  wieder  mehr  beachtet. 
Das  Systematische  spielt  in  der  organischen  Weltanschauung  K.s  eine  große 
Rolle.  Der  aufsteigende,  subjektive,  analytische  Lehrgang  führt  von  der 
, .Schauung"  des  menschlichen  Ich  zur  Schauung  Gottes,  der  absteigende, 
objektive,  synthetische  Lehrgang   von   der  Erkenntnis  Gottes  zum  Besondern. 

Das  Ich  ist  etwas  unmittelbar  Gewisses  und  Wirkliches,  es  ist  ein  „Selbst- 
wesen", ein  Verein wesen  von  Leib  und  Geist,  deren  Gegensatz  im  „Ur-Ich" 
überwunden  ist,  Der  Leib  gehört  zur  Natur,  der  Geist  bildet  mit  den  fremden 
Geistern  das  Geisterreich.  Die  Verschiedenheit  und  die  Wechselwirkung  von 
Natur  und  Geist,  die  in  der  Menschheit  vereinigt  sind,  sowie  die  Endlichkeit 
beider  weist  auf  ein  Unendliches,  Höheres,  Übergeordnetes  hin,  auf  Gott  oder 
„Wesen"  schlechthin,  welches  vermöge  unmittelbarer  Offenbarung  von  uns  geistig 
erfaßt  wird  („Wesenschauung"). 

Gott  oder  „Wesen"  ist  an  sich,  als  „Orwesen",  über  allen  Gegensatz  von 
Natur  und  Geist  erhaben,  das  „ungegenheitliche"  Wesen,  welches  als  „Urwesen" 
außer-  und  überweltlich  ist,  die  Welt  aber  in  sich  befaßt,  indem  es  sie  zugleich 
durchdringt,  in  ihr  sich  selbst  „darlebt"  (Panentheismus).  „In  sich"  ist  Gott 
,, Vereinwesen",  welches  Natur  und  Geist  enthält.  Gott  ist  das  „eine  Wesen, 
das  an  und  in  sich  und  durch  sich  auch  alles  ist,  was  ist,  in  dem  wir  alle 
sind".     „Alles  ist   und  lebt  in,    mit   und    durch   Gott.     Kein    Wesen    ist    Gott. 


362  Krause. 

außer  allein  Gott  .  .  .  Die  Welt  ist  nicht  außer  Gott,  denn  er  ist  alles,  was 
ist  :  sie  ist  ebensowenig  Gott  selbst,  sondern  in  und  durch  Gott.  Was  Gott  in 
ewiger  Folge,  ohne  Zeit  und  über  alle  Zeit  schuf,  das  offenbart,  in  ewigem 
Bestehen  zeitewig  lebend,  das  ihm  von  Gott  urangestammte  Wesentliche  in 
stetig  neuer  Gestaltung."  Gott  ist  selbstbewußte  Persönlichkeit,  unendliche 
Weisheit,  Liebe,  Wille,  frei  schaffend  und  sich  selbst  offenbarend,  in  der  Welt 
seine  Zwecke  verwirklichend.  Aus  dem  Begriff  des  „Wesens"  entwickelt  K. 
den  Gliedbau  der  Kategorien  als  Prädikate  der  Gottheit  wie  der  Welt,  des 
Wesens  überhaupt,  als  Grundgedanken  der  Erkenntnis  des  Seins  (also  von 
objektiver  Gültigkeit).  Es  sind  dies:  Wesenheit,  Einheit,  Selbstheit,  Ganzheit, 
ferner  Yereinheit,  Eichtheit,  Faßheit,  Satzheit  usw.  Die  göttliche  Idee  enthält 
alle  besonderen  Ideen  in  sich,  welche  die  Dinge  zu  verwirklichen  streben. 
Die  Ideenwelt  ist  eine  „ewige  und  freie  Wiederholung  des  ganzen  Weltbaues 
innerhalb  der  Vernunft".  —  K.  unterscheidet  „historische",  kritische  und  trans- 
zendentale (philosophische)  Logik.  Die  Logik  ist  gehaltige  Erkenntnislehre. 
Das  Denken  ist  ein  „Wissenmachen".  Die  Welt  der  Vernunfttätigkeit  ist  die 
Welt  des  gedachten  a  priori.  Alle  Denkgesetze  sind  im  Grunde  nur  eines  und 
dieses  ist  das  Gesetz  des  Seins  selbst,  ein  Gesetz  der  „Weltschönheit".  Er- 
kennen ist  ein  Schauen,  Vereinigung  von  Schauendem  und  Geschautem. 

In  dem  „Wesengliedbau"  der  Welt  offenbart  sich  Gott;  sie  ist  daher 
gottähnlich.  Sie  besteht  aus  dem  „Leibwesen"  oder  der  Natur  und  dem  „Geist- 
wesen", der  Vernunft.  Die  Natur  ist  ein  organisches  Ganzes,  ein  einheitliches, 
zusammenhängendes  Leben,  das  sich  in  einer  Mannigfaltigkeit  von  Kräften 
entfaltet  (Dynamismus).  In  der  Natur  werden  die  göttlichen  Zwecke  mit 
strenger  Naturgesetzlichkeit  verwirklicht;  die  Natur  überhaupt  ist  auf  den 
Geist  angelegt,  für  diesen  bestimmt.  Der  Geist  ist  von  der  Natur  unter- 
schieden, ein  selbständiges  Grundwesen  in  Gott,  in  dem  die  Einzelgeister  ent- 
halten sind  und  ein  unendliches  „Geisterreich"  bilden.  Jeder  Geist  ist  ein 
„selbständiges,  in  sich  selbst  urkräftiges  Wesen,  als  ein  Teil  der  einen  Kraft 
der  Vernunft",  immateriell,  wenn  auch  immer  mit  einem  Leib  verbunden,  und 
unsterblich. 

Das  „Vereinwesen"  von  Natur  und  Geist,  das  Reich  der  Geister  ist  die 
Menschheit  im  weiteren  Sinne  (als  kosmische  „Menschheit",  von  der  die 
irdische  nur  ein  Teil  ist),  die  „Allmenschheit".  Alle  Menschen  sind  ursprüng- 
lich ein  Wesen,  ein  Organismus.  „Die  Menschheit  des  Weltalls  ist  ein 
organisches  Wesen  in  Gott,  als  das  eine  Vereinwesen  der  Vernunft  und  der 
Natur,  von  Gott  ewig  geschaffen."    Die   Bestimmung   des   Menschen   ist,    daß 

ine  eigene  [dee  in  der  Zeit  verwirklicht  als  ein  Individuum,  daß  er  ein 
voller  Mensch  werde  und  das  göttliche  Leben  in  der  Gesellschaft  zur  Er- 
scheinung bringe.  Die  Menschen  sollen  ihre  Idee  als  Allmenschheit  durch 
einen  Menschheitbund  verwirklichen,  indem  sie  sich  immer  mehr  zu  einer 
senden  Gemeinschaft  zum  Zwecke  der  Förderung  des  rein  und 
allgemein    Menschlichen    vereinigen    („Urlebcnbund    der     Menschheit").      Die 

chichte  überhaupt  zeigt  eine  Offenbarung  Gottes  in   der  Zeit,   eine  Aus- 
wirkung der  [deen.     Das   Ziel   der  Geschichte   ist  das  Gott-ähnlich-werden  der 


K 

Menschheit.     Ei    gibt    historische  i  u  und  tei     Kindb 

l:         i      isenalter).        Ihre  kann  « 1  i •  -  Menschheit  mir  in  dec 

iillrii.     i  u.-lch«'  ili.-    I  lai  inonic  all«*   I  .•   m  na  in 

ilun    wiü,   i-t    der   Grund   da  baft    .1         1     »ellscha 

-    im   Wechselleben    mehrerer   W< 
Selbstzweck.     K.    unterscheidet    „Grund 
K-ns^rsrllM-luittfii :  l'aiuili«. Freandfchmrebund,  rk- 

iellschaften    \  I      ellschaften;  rgL  Tonniei 

Dil    I:.  chtsphilosophie  ist  di<      Erkennti 
in  reiner  Vernunft,  als  Wahrheit4'.    Sie   hangt    eng   mit  der  Ethik  and 

allgemeinen    Weltanschauung    K.~  zusammen.     Das 
durch    Freiheil    herzustellenden    Bedii  <l«-r    Vernunftbcstimmung 

..<|t-r   Gliedban   aller   zeitlich    freien   Lebensbedingnisc  inneren   Belbleb 

1  and    in    und   durch    sclbi^«>   au<h    <1  -  ind 

-   aller  Wesen    in    I  allgemein   (als   göttlich«     '  die 

„allgemeine   wesentliche   Form  <1-  l?ni>>r  alUr   \V<  all«-,   nach 

welcher    in    dei    1  haft    aller     Wesen     edea    einzelne    in    seiner    eigenen 

ir  rollendet  und  die  Harmonie  aller  wirklich  ist  und  wirkt".    Di<    Menschen 
:  dazu  bestimmt  :u  einem      1.'    htsbund"   zu    rereu  D 

elcher   für   *  1  i  *  -   Herstellung    des  Rechtei    all 
von  ihm  sei  rkannl  1 

vorwaltenden  Zwtvk  wirksam  \- 

1»     Ethil      ä  K-   betont     11      Kant    and    Fichte)   den    reinen 

Willen    zun  x  1  •  ■    Bittenlehre   i-t   d      I 

Willen,  sofern  er  dai  Leben  im  £inn<    des  .1  ntlichen      G 

I  hier,    «i      '  Gut  um    ■  !■        1 

11  \\  -  -.-n    •    -    Menschen   entspricht  ttlich  < ; u t« 

M  als  Mi   1-  b(  11  1  >ai zult   ••  nde  und  der 

.M  Grund-    and    Urwille     „Wolle  du  telbst    und   tu<    dai    G 

bei    willen    und   freiwil  <lu 

lieh.       I-  -•imiiM-  «li«  h    selbst    /nr  Herstellunj      Dai  rein 

und  allein,  wolle  und  tue  mit  Kreiheil  dai  1  I 

Ich,  all  l:.iii/<-  Ich  rieb  »<-ll>>.t  bestimmend,  der   seinem  W< 
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1  • 


364  Krause  —  Kreibig. 


ist  die  ..im  Endlichen  erscheinende  Göttlichkeit  oder  Gottähnlichkeit".  Schön 
ist,  was  Einheit  und  in  dieser  Vielheit  und  Harmonie  hat,  was  ferner  „Vernunft, 
Verstand  und  Phantasie  in  einem  ihren  Gesetzen  gemäßen,  entsprechenden 
Spiele  der  Tätigkeit  befriedigend  beschäftigt".  Die  Kunst  ist  werktätige  Lebens- 
kraft, welche  Individuelles  nach  Ideen  bildet,  gottähnlich,  d.  h.  schön  gestaltet. 
Das  Leben  selbst  ist  ein  Kunstwerk. 

Schüler  K.s  sind  Ahrens,  Tiberghien,  Lindemann,  Hohlfeld, 
von  Leonhardi,  Altmeyer,  Oppermann,  Röder,  Mönnich,  Bouchitte, 
Schliephake,  der  Spanier  del  Rio  u.  a. 

Schriften:  K.  hat  außerordentlich  viel  Schriften  verfaßt,  von  denen  er  aber  [nur 
einen  Teil  selbst  herausgegeben  hat;  sein  Nachlaß  ist  noch  immer  nicht  ganz  erschöpft, 
obschon  zahlreiche  Publikationen  aus  demselben  vorliegen.  —  Grundlage  des  Naturrechts, 
1803.  Grundriß  der  historischen  Logik,  1803.  —  Entwurf  des  Systems  der  Philo- 
sophie I,  1804.  —  System  der  Sittenlehre  I,  1810;  2.  A.  1887.  —  Das  Urbild  der 
Menschheit,  1811 ;  3.  A.  1903  (herausgegeb.  von  P.  Hohlfeld,  dem  Editor  noch  vieler 
anderer  Schriften  K.s).  —  Abriß  des  Systems  der  Philosophie  I,  1825.  —  Abriß  des 
Systems  des  Logik,  1825;  2.  A.  1828.  —  Abriß  des  Systems  der  Rechtsphilosophie, 
1828.  —  Vorlesungen  über  das  System  der  Philosophie,  1828;  2.  A.  1869,  1889  (eines 
der  Hauptwerke).  —  Vorlesungen  über  die  Grundwahrheiten  der  Wissenschaft,  1829; 
2.  A.  1868 — 69  (ebenfalls).  —  Aus  dem  Nachlaß:  Die  Lehre  vom  Erkennen  und  von 
der  Erkenntnis,  1836  (hrsg.  von  H.  K.  v.  Leonhardi).  —  Vorlesungen  über  die  psychische 
Anthropologie,  1848,  1905.  —  Die  absolute  Religionsphilosophie,  1834—43.  —  Abriß  der 
Ästhetik,  1837.  —  Geist  der  Geschichte  der  Menschheit,  1843;  2.  A.  (Lebenslehre  und 
Philos.  der  Geschichte),  1904.  —  Das  System  der  Rechtsphilosophie,  1874  (hrsg.  von 
Röder).  —  Vorlesungen  über  Ästhetik,  1882.  —  System  der  Ästhetik,  1882.  —  Vor- 
lesungen über  synthetische  Logik,  1884.  —  Einleitung  in  die  Wissenschaftslehre,  1884. 
—  Vorlesungen  über  angewandte  Philosophie  der  Geschichte,  1885.  —  Reine  allgemeine 
Vernunft-Wissenschaft,  1886.  —  Abriß  des  Systems  der  Philosophie,  1886.  —  System 
der  Sittenlehre,  1886.  —  Philos.  Abhandlungen,  1889.  —  Abriß  der  Philos.  der  Ge- 
schichte, 1889.  —  Anschauungen  und  Entwürfe  zur  Höherbildung  des  MenschheitlebensT 
1890 — 1902.  —  Anfangsgründe  der  Erkenntnislehre,  1892.  —  Anleitung  zur  Natur- 
philosophie, 1894.  —  Grundriß  der  historischen  Logik,  2.  A.  1896.  —  Vorlesungen 
über  Naturrecht,  1892.  —  Der  Menschheitbund,  1900.  —  Briefwechsel,  hrsg.  von  Hohl- 
feld und  Wünsche,  1903,  1907,  u.  a.  —  Vgl.  P.  HOHLFELD,  Die  Krausesche  Philo- 
sophie, 1879.  —  EüCKEN,  Zur  Erinnerung  an  K.,  1881.  —  Br.  MARTIN,  K.  Chr. 
lr.  Krauses  Leben,  Lehre  und  Bedeutung,  1881,  1885.  —  H.  V.  LEONHARDI,  K.s 
Leben  und  Lehre,  1902.  —  K.  Chr.  Fr.  Krause  als  philos.  Denker,  1903.  —  WETTLEY, 
D.  Ethik  K.s,  1907.  —  Th.  SCHNEIDER,  K.  als  Geschichtsphilosoph,  1907. 

Kreibig,  Josef  Klemens,  geb.  18G3  in  Wien,  Begierungsrat,  Privatdozent 
in   W'iiM. 

K.  ist  von  Brentano  und  jetzt  noch  mehr  von  Meinong  beeinflußt,  verbindet 
aber  damit  (von  Mach  u.  a.  beeinflußt)  eine  biologisch- voluntaristische  Be- 
trachtungsweise psychologischer  Vorgänge.  So  bestimmt  er  die  Aufmerksam- 
keit ata  „ein  Wollen,  das  darauf  gerichtet  ist,  einen  äußeren  Eindruck  oder 
eine  reproduzierte  Vorstellung,  beziehungsweise  bestimmte  Einzelheiten  darin 
klar  iind  deutlich  bewußt  zu  machen".  Die  Triebfedern  des  Willens  sind  die 
hie,  welche  eine  Förderung  oder  Hemmung  der  Bewußtseinstätigkeit  be- 


Kreibig.  365 

deuten.  Der  Wert  ist  eine  „gefühlsmäßige  Bedeutung",  nämlich  „die  Be- 
deutung, welche  ein  Empfindungs-  oder  Denkinhalt  vermöge  des  mit  ihm 
unmittelbar  oder  assoziativ  verbundenen  aktuellen  oder  dispositionellen  Gefühles 
für  ein  Subjekt  hat".  Eigen-  und  Wirkungswert  sind  zu  unterscheiden,  ferner 
die  drei  Wertgebiete  der  „Autopathik",  „Heteropathik",  „Ergopathik".  Die 
Heteropathik  ist  die  Lehre  von  der  Bewertung  nach  den  Gegensätzen  gut  und 
schlecht,  bezogen  auf  ein  fremdes  Subjekt.  Die  Ethik  ist  ein  Teil  der  Hetero- 
pathik, sie  ist  „die  Lehre  von  der  Bewertung  menschlicher  Gesinnungen  nach 
den  Gegensätzen  gut  und  böse".  Sittlich  gut  ist  eine  Gesinnung,  welche 
darauf  gerichtet  ist,  fremde  Lust  auszulösen  oder  fremde  Unlust  zu  unter- 
drücken. Die  „Timologie"  (Werttheorie)  hat  anzugeben,  „was  Wert  ist,  welche 
Klassen  der  Wertungen  zu  unterscheiden  sind  und  welche  Gesichtspunkte  die 
Rangordnung  der  Wertrealisierungen  bestimmen". 

Das  Kunstschaffen  beginnt  mit  dem  „Stadium  der  ^Konzeption',  kul- 
miniert in  der  Tätigkeit  der  .Komposition'  und  findet  durch  ein  Verfahren  der 
,Koadaption'  seinen  Abschluß".  Das  Wesen  des  Kunstschaffens  hegt  in  einer 
„außergewöhnlichen  Potenzierung  der  Leistungen  der  Phantasie  im  Hervor- 
bringen von  Gestaltqualitäten  mit  Schönheitswert". 

In  der  Logik  verbindet  K.  den  biologisch-psychologischen  mit  dem  Wert- 
Gesichtspunkt  und  mit  der  „Gegenstandstheorie"  Meinongs.  Die  psychologischen, 
rein  logischen  und  erkenntnistheoretischen  Bestandteile  der  intellektuellen 
Funktionen  sollen  zur  scharfen  Sonderung  gelangen.  Von  den  Denk  Verrichtungen 
ist  ein  Teil  auf  die  ,. Inhalte",  ein  anderer  auf  die  „Gegenstände"  gerichtet; 
zur  ersteren  Grundart  gehören  die  „Erneuerungsfunktionen"  (Reproduzieren, 
Phantasieren)  und  die  „Verarbeitungsfunktionen"  (Trennen,  Verbinden),  zu  den 
zweiten  die  LTrteils-  und  die  Schlußfunktion.  Der  Funktionsverlauf  der  ersten 
Funktionsreihe  ist  durch  einen  intellektuellen  und  einen  emotionalen  Faktor 
bestimmt;  der  erstere  entscheidet,  welche  Inhalte  überhaupt  erneuerungs-,  bezw. 
verarbeitungsfähig  sind,  der  letztere  setzt  den  Grund,  warum  in  einem  ge- 
gebenen Zeitpunkte  gerade  dieser  Inhalt  und  kein  anderer  erneuert  oder  ver- 
arbeitet wird.  Das  biologische  Fundament  des  Denkens  ist  zu  beachten.  Die 
reine  Logik  ist  ein  Ideal,  „das  sich  von  der  Denkpsychologie  durch  prinzipielles 
Absehen  vom  Subjekt  und  von  der  Wirklichkeit  der  Denkerlebnisse  unter- 
scheidet und  anderseits  durch  den  Wertgesichtspunkt  des  Erkenntnismaxi  muma 
in  das  Gebiet  der  praktischen  Wissenschaften  eingeht".  Die  reine  Logik  ist 
nicht  normativ,  wenn  sie  auch  den  Wertgesichtspunkt  berücksichtigt. 

Der  Begriff  ist  psychologisch  eine  „un anschauliche  Vorstellung  mit 
repräsentativem  Charakter",  logisch  eine  „Vorstellung  mit  repräsentativem 
Charakter,  deren  Inhalt  durch  die  relative  Konstanz  der  Bestandteile  ausge- 
zeichnet ist".  Wissenschaftlichen  Begriffen  ist  ferner  die  „denkökonomische 
Auswahl  der  besondern  Merkmale,  welche  in  den  Inhalt  aufgenommen  Bind", 
eigentümlich.  Das  Urteil  ist  psychologisch  der  Akt,  durch  den  „ein  be- 
stimmter Tatbestand  als  objektiv  vorhanden"  gedacht  wird,  logisch  ein  Satz, 
durch  den  ein  solcher  Tatbestand  als  objektiv  vorhanden  ausgedrückt  wird 
Tatbestandstheorie").     Das  Schließe  n    ist    kein  bloßes    l'rteil.    sondern    eine 


366  Kreibig  —  Kries. 

eigene  Bewußtseinsfunktion,  nämlich  (psychologisch),  „das  Für  wahrhalten  eines 
Urteils  mit  dem  Bewußtsein,  daß  dieses  Fürwahrhalten  von  dem  Fürwahr- 
halten anderer  Urteile  bedingt  ist".  Logisch  ist  der  Schluß  „eine  Abfolge  von 
Urteilssätzen,  bei  denen  das  Wahr-  oder  Wahrscheinlichsein  eines  Urteilssatzes  durch 
das  Wahr-  oder  Wahrscheinlichsein  anderer  Urteilssätze  bedingt  ist".  Wie  alles 
Denken  ist  das  Schließen  eine  Anpassung  an  die  Gegenstände.  Die  Erkennt- 
nis der  äußeren  Eealität  ist  eine  indirekte,  vermittelst  der  Phänomene  (der 
funktional  zugeordneten  psychischen  Zeichen  der  Realität);  hingegen  wird  die 
innere  Realität  des  Geistigen,  bei  welcher  Wahrnehmungsgegenstand  und  real 
Existierendes  zusammenfallen,  direkt  erkannt. 

Schriften:  Epikur,  1886.  —  Geschichte  und  Kritik  des  ethischen  Skeptizismus, 
1896.  —  Die  Aufmerksamkeit,  1897.  —  Krapotkins  Morallehre,  2.  A.  1899.  —  Die 
fünf  Sinne  des  Menschen,  1901;  2.  A.  1908.  —  Psychol.  Grundlegung  eines  Systems 
der  Werttheorie,  1902.  —  Über  den  Begriff  „Sinnestäuschung",  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos. 
Krit.  120.  Bd.,  1902.  —  Über  die  Natur  der  Begriffe,  Wissensch.  Beilage  zum  16.  Jahres- 
bericht der  Philos.  Gesellsch.  Wien,  1903.  —  Die  intellektuellen  Funktionen,  1909.  — 
Beitrag  zur  Psychologie  des  Kunstschaffens,  Zeitschr.  f.  Ästhetik,  IV,  1909,  u.  a. 

Krejci,  Franz,  geb.  1858,  Prof.  in  Prag.  =  Von  Wundt  beeinflußt. 

Schriften  (böhmisch):  Je  eine  Psychologie  (1896,  1902—1904).  —  Logik  (1898). 
—  Arbeiten  über  Assoziation  (1897).  —  Psychologische  Evolution  (1900).  —  Kunst  und 
Entwicklang  (1900),  u.  a. 

Kremer,  Josef,  geb.  1806,  1847  Prof.  in  Krakau,  gest.  daselbst  1875.  == 
Theismus  auf  Hegelscher  Grundlage.  Die  „Idee"  kommt  nur  als  absolute 
Persönlichkeit  zu  sich  selbst. 

Schriften  (polnisch):  System  der  Philosophie,  1849  ff.  —  Briefe  aus  Krakaur 
1843  f.,  u.  a. 

Kreskas,  Chasdai  ben  Abraham,  geb.  um  1340,  gest.  um  1410,  lebte  in 
Barcelona  und  Saragossa. 

Schriften:  Or  adonaü  (Licht  des  Herrn),  von  Spinoza  gekannt  (Deterministische 
Vorsehungslehre,  Seligkeit  als  Liebe  zu  Gott,  u.  a.).  —  Vgl.  M.  JOEL,  Don  Chasdai 
Crescas  religionsphilos.  Lehren,  1866. 

liries,  Joh.  von,  geb.  1853  in  Boggenhausen  i.  Westpr.,  Prof.  in  Frei- 
burg i.  B.  —  Im  Urteil  wird  nach  K.  eine  Anzahl  von  Begriffen  zusammen- 
gedacht mit  einem  Geltungsbewußtsein.  Es  gibt  Eealurteile  und  Beziehungs- 
urteile. Die  Assoziation  der  Vorstellungen  erklärt  K.  physiologisch  (Erregung 
des  gemeinsamen  Gebietes,  in  welches  verschiedenartige  Erregungen  einstrahlen,, 
zu  einem  Gesamtzustand).  Von  K.  liegen  wichtige  Untersuchungen  zur  Psycho- 
Phygiologie  der  Sinnesorgane  vor. 

Schriften:  Die  Gesichtsempfindung,  1882. — Das  Prinzip  der  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung, 1886.  —  Über  den  Begriff  der  objektiven  Möglichkeit,  1888.  —  Zur  Psycho- 
logie der  Urteile,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  Bd.  23,  1899.  —  Über  die 
materielle  Grundlage  der  Bewußtaeinserscheinungen,  1901.  —  Krit.  Bemerkungen  zur 
Farbentheorie,  ZeiUchr.  f.  Psychol.  d.  Sinnesorgane,  19.  Bd.  —  Abhandl.  z.  Physiol.  d. 
Gesichtsempf.,   1897  —  99,  u.  a. 


Kritias  —  Kronecker.  367 


liritia*  von  Athen,  einer  der  dreißig  „Tyrannen"  in  Athen,  verkehrte 
vorher  mit  Sokrates,  war  aber  seinem  Denken  nach  ein  Sophist.  =  Nach  K. 
ist  der  Glaube  an  die  Götter  die  Erfindung  eines  Staatsmannes  zum  Zwecke 
der  Abhaltimg  der  Menschen  vor  heimlicher  Missetat  {oi  Tta/.aiol  vouoßhai  kxioy.o- 
.toY  ziru  xcöv  avdocontvcov  y.ax  o  od  co  aar  cor  y.al  duaorrjuarcov  en'/.aoar  rov  dsov,  i\~rsg 
rov  ut/deva  "/.ddoa  rov  ^h)oiov  ädixeiv,  ei'/.aßovuevov  zijv  v.to  tcov  fietov  ztuoogtav, 
Sext.  Empir.  adv.  Mathem.  IX,  54).  Das  Blut  ist  der  Sitz  des  Empfindens, 
die  Seele  (Aristoteles,  de  anima  I,  2). 

Schriften:  Eine  Tragödie  „Sisyphos"  (bei  XäUCK,  Fragm.  tragoed.  Graec.)  u.  a. 

—  Vgl.  X.  BACH,  Criticae  Atheniensis  tyranni  carminum  aliorumque  ingenii  monumen- 
torum  quae  supersunt,  1827. 

Kritolaos  gehörte  mit  dem  Stoiker  Diogenes  und  dem  Akademiker 
Karneades  zur  Athenischen  Gesandtschaft,  welche  um  156  v.  Chr.  nach  Born 
kam.  K.  hielt  dort  beifälüg  aufgenommene  Vorträge.  =  Peripatetiker,  der 
gegen  die  Stoiker  die  Ewigkeit  der  Welt  verficht,  die  Seele  aber  als  mit  dem 
., Äther',  der  den  Leib  zusammenhält,  verbunden  annimmt. 

Iiroell,  Hermann,  geb.  1832  in  Lahr  (Baden),  Geheimer  Sanitätsrat  in  Straß- 
burg. =  K.  sucht  den  Kantschen  Apriorismus  psycho-physiologisch  zu  begründen. 
Die  Seele  definiert  er  als  „  Inbegriff  der  in  sich  geschlossenen  Einheit  sämtlicher 
durch  die  Arbeit  der  Reflexbögen  zustande  kommender  Erscheinungsformen". 

Schriften:  Der  Aufbau  der  menschlichen  Seele,  1900.  —  Die  Seele  im  Lichte 
des  Monismus,  1902. 

Eroman,  Kristian,  geb.  1846,  Prof.  in  Kopenhagen. 

In  der  Psychologie  ist  K.  Anhänger  des  Assoziationismus  und  Gegner  des 
p>ychophysi<chen  Parallelismus.  Die  Seele  ist  eine  substantielle  Einheit,  die 
mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung  steht.  Das  Gefühl  ist  ein  unmittelbarer 
Wertmesser  der  Vorstellungsveränderung  in  bezug  auf  Förderlichkeit  oder  Be- 
einträchtigung der  Selbstbehauptung  des  Ich.  Das  Wollen  ist  ein  Streben,, 
den  durch  die  Lnlustgefühle  bezeichneten  Zwiespalt  des  Subjekts  aufzuheben 
oder  die  durch  die  Lustgefühle  bezeichnete  Selbstübereinstimmung  zu  erhalten. 

—  Die  formalen  Wissenschaften  (Logik,  Mathematik,  Mechanik)  haben,  sofern 
sie  es  mit  Erzeugnissen  des  Denkens  selbst  zu  tun  haben,  apriorische  Grund- 
lagen. Die  Annahme,  daß  alles  Geschehen  durch  ein  bestimmtes  anderes  kausal 
bedingt  ist,  leitet  K.  aus  dem  Selbsterhaltungstriebe  ab,  der  den 
Menschen  nötigt,  die  Welt,  mit  der  er  kämpft,  durch  das  gleichmäßige  Ver- 
halten der  Dinge  zu  begreifen  (Unsere  Xaturerk.  S.  23,  452). 

Schriften:  Unsere  Naturerkenntnis,  1883  (deutsch).  —  Kurzgefaßte  Logik  und 
Psychologie,  1890  (deutsch).  —  Ethik,  1905  (deutsch).  —  Über  Wesen  und  Bedeutung 
der  Philosophie,  Yierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  Bd.  9,  u.  a. 

Kronecker,  Leopold,  1823—1891,  Prof.  in  Berlin,  hervorragender 
Mathematiker.  =  Das  Zählen  bestimmt  K.  als  ein  Beilegen  von  Ordnungs- 
zahlen (Der  Begriff  der  Anzahl  als  Grundlage). 

Schriften:  Über  d.  Zahlbegriff,  Zeller-Festschrift,  1887;  Crelles  Journal, 
Bd.  101.  u.  a. 


368  Kronen  berg  —  Krug. 


Kronenberg,  Moritz,  geb.  1865  in  Vlotho,  lebt  in  Berlin.  ==  Kritisch- 
idealistischer  Standpunkt. 

Schritten:  Herders  Philos.,  1889.  —  Kant,  3.  A.  1905.  —  Moderne  Philosophen, 
1899.  —  Nietzsche  u.  s.  Herrenmoral,  1901.  —  Ethische  Präludien,  1905.  —  Gesch. 
d.   deutschen  Idealismus  I,  1909. 

Kropotkin  (Krapotkin),  Fürst  Peter,  geb.  1842  in  Moskau,  Vertreter 
des  kommunistischen  Anarchismus,  der  eine  auf  Brüderlichkeit  und  Freiheit 
basierende,  des  Staatszwanges  ermangelnde  Gesellschaftsordnung  anstrebt.  = 
Das  Prinzip  des  Daseinskampfes  herrscht  nicht  allgemein,  es  besteht  schon 
auf  niedrigsten  Entwicklungsstufen  der  „Mutualismus",  die  gegenseitige  Unter- 
stützung der  Lebewesen. 

Schriften:  Paroles  d'un  revolte,  1885.  —  Gegenseitige  Hilfe  in  der  Entwicklung, 
1904  (deutsch).  —  Moderne  Wissenschaft  u.  Anarchismus,  1904,  u.  a. 

Krag ,  Wilhelm  Traugott,  geb.  1770  in  Radis  (bei  Wittenberg),  1805 
Prof.  in  Königsberg,  1809  in  Leipzig,  gest.  1842. 

K.,  der  alle  Gebiete  der  Philosophie  mit  Berücksichtigung  des  „gesunden 
Menschenverstandes"  und  im  Sinne  eines  gemäßigten  rationalistischen  Liberalis- 
mus bearbeitete,  ist  wesentlich  von  Kant  beeinflußt,  zum  Teil  auch  von  Fichte 
und  Schelling,  die  er  früher  (in  den  zwei  ersten  Schriften)  angriff.  Die  Philosophie 
beruht  auf  intellektueller  Selbstschauung,  sie  ist  eine  Art  von  „Beschauung 
seiner  selbst",  die  Wissenschaft  von  der  „ursprünglichen  Gesetzmäßigkeit  der 
gesamten  Tätigkeit  unseres  Geistes  oder  von  der  Urform  des  Ich".  Die  Philo- 
sophie ist  ,,Ur Wissenschaft"  und  hat  ein  praktisches  Ziel,  „nämlich  Friede  in 
und  mit  sich  selbst,  Harmonie  im  Denken  wie  im  Wollen,  im  Erkennen  wie 
im  Handeln".  Die  obersten  Gesetze  des  Denkens  und  Erkennens  sind  Gesetze 
der  Tätigkeit  des  „reinen"  oder  „absoluten"  Ich,  welches  eins  ist  mit  der 
„reinen  Menschheit".  Die  apriorischen  Formen  sind  keine  bereitstehenden 
„Fachwerke",  sondern  gesetzmäßige  Handlungsweisen  des  Subjekts;  a  priori 
ist  das  „Ursprüngliche  im  Ich,  welches  Bedingung  aller  Erfahrung  ist". 
Käumlichkeit  und  Zeitlichkeit  sind  „Kategorien  der  Sinnlichkeit".  Die  „Kate- 
gorien des  Verstandes"  sind  transzendentale  Begriffe,  welche  die  „ursprüng- 
liche Denkform  selbst"  ausdrücken.  Die  Realität  (das  Sein)  ist  die  „Ur- 
kategorie". 

Nach  dem  „transzendentalen  Synthetismus"  sind  Ideales  und  Reales, 
Wissen  und  Sein,  Subjektives  und  Objektives  „ursprünglich  gesetzt  und  ver- 
knüpft"; das  Denken  ist  nicht  aus  dem  Sein,  dieses  nicht  aus  dem  Denken 
ableitbar.  Im  Ich  sind  Wissen  und  Sein  synthetisch  geeint  und  von  dieser 
Einigung  muß  die  Philosophie  ausgehen.  Im  Ich  liegt  die  Quelle  aller  Mate- 
rialprinzipien der  philosophischen  Erkenntnis  und  diese  Prinzipien  drücken 
..Tatsachen  des  Bewußtseins"  aus.  Die  allgemeinste  Bewußtseinstatsache  ist: 
„Ich  bin  tätig".  Das  oberste  Formalprinzip  ist:  „Ich  suche  absolute  Harmonie 
in  aller  meiner  Tätigkeit'*.  Da  das  Subjekt  nicht  anders  erkennen  kann,  als  es 
r  ursprünglichen  Handlungsweise  (der  Urform  des  Ich)  gemäß  ist,  so  muß 
ndem  es  einen  Gegenstand   auffaßt,  den  ihm  dargebotenen  Erkenntnisstoff 


Krug  —  Kühnemann.  369 


nach  seiner  eigentümlichen  Tätigkeitsart  gestalten  und  dadurch  Erkenntnis  er- 
zeugen. Das  .,Ding  an  sich"  ist  unerkennbar,  ist  ein  Grenzbegriff:  die  Dinge 
„affiziereir'  uns  nur  als  erkennbare  Gegenstände,  nicht  als  Dinge  an  sich.  Im 
übrigen  stimmt  K.  ziemlich  mit  Kant  überein. 

Schriften:  Briefe  über  die  Wissenschaftslehre,  1800.  —  Briefe  über  den  neuesten 
Idealismus  1801.  —  Entwurf  eines  Organons  der  Philosophie,  1801.  —  Kalliope,  1805. 
—  Geschmackslehre,  1810.  —  Dikaologie,  1817.  —  System  der  praktischen  Philosophie, 
1817  —  19.  —  Fundamentalphilosophie,  1818;  3.  A.  1827.  —  Handbuch  der  Philo- 
sophie, 1820;  3.  A.  1828.  —  Logik,  3.  A.  1827;  4.  A.  1833.  —  Grundlage  zu  einer 
neuen  Theorie  der  Gefühle,  1823.  —  Allgemeines  Handwörterbuch  der  philos.  Wissen- 
schaften, 1827—34;  2.  A.  1832—38.  —  Beiträge  zur  Geschichte  der  Philosophie  des 
neunzehnten  Jahrhunderts,  1835  —  38.  —  Pisteologie,  1825.  —  Gesammelte  Schriften, 
1830—41.  —  Meine  Lebensreise,  1826;  2.  A.  1842. 

Krueger,  Felix,  geb.  1874  in  Posen,  Prof.  in  Halle.  =  K.  ist  ein  Schüler 
Wundts.  Die  Psychologie  ist  ihm  eine  Grundlage  der  Philosophie.  Wert- 
voll ist,  „was  ich  relativ  konstant  begehre,  worauf  sich  unter  gewissen 
psychischen  Bedingungen,  d.  h.  beim  Gegebensein  bestimmter  Teilinhalte, 
regelmäßig  mein  Streben  richtet-'.  Werte  sind  Dispositionen  zu  bestimmten 
Wertungen.  Das  absolut  Wertvolle  ist  die  psychische  Fähigkeit  des  Wertes 
selbst.  Das  ethische  Ideal  ist,  in  möglichst  hohem  Maße  ein  wertender  Mensch 
zu  sein.  Die  sittliche  Aufgabe  ist,  ,,eine  immer  größere  Mannigfaltigkeit  von 
Begehrungsmöglichkeiten  immer  einheitlicher  zu  verknüpfen". 

Schriften:  Ist  Philosophie  ohne  Psychologie  möglich?  1896.  —  Der  Begriff  des 
absolut  Wertvollen  als  Grundbegriff  der  Moralphilosophie,  1898.  —  Die  Theorie  der 
Konsonanz,  Psychol.  Studien  I,  1906.  —  Differenztöne  und  Konsonanz,  Arch.  f.  d.  ge- 
samte Psychologie  I — II,  1903.  —  Zur  Theorie  der  Kombinationstöne,  1901.  —  Das 
Bewußtsein  der  Konsonanz,  1903.  —  Beziehung,  d.  experiment.  Phonetik  zur  Psychol. 
1907,   u.  a. 

Kuhlenbeck,  Ludwig,  geb.  1857  in  Osnabrück,  Prof.  des  deutschen 
Hechts  in  Lausanne.  =  K.,  der  auch  als  Übersetzer  G.  Brunos  bekannt  ist, 
vertritt  selbst  den  Monismus  und  in  praktischer  Beziehung  einen  Sozial- 
Ari>tokratismus,  eine  (von  Gobineau,  Nietzsche  u.  a.  beeinflußte)  heroisch-ästhe- 
tische Weltanschauung. 

Schriften:  G.  Bruno,  1888.  —  Spaziergänge  e.  Wahrheitssuchers  im  Reiche  der 
Mystik,  1890.  —  G.  Brunos  Einfluß  auf  Goethe  u.  Schiller,  1906.  —  Der  Schuldbegriff 
als  Einheit  von  Wille  und  Vorstellung,  1892.  —  Natürliche  Grundlagen  des  Rechts  und 
der  Politik,  1904.  —  Das  Evangelium  der  Kasse,  1905.  —  Im  Hochland  d.  Gedanken- 
welt,  1904  (Hauptwerk),  u.  a. 

Ivulm.  Johannes  v.,  1806 — 1887,  Prof.  der  Theologie  in  Tübingen.  =  Von 
Jacobi  beeinflußter  Thcist. 

Schriften:  über  Prinzip  und  Methode  der  spekulativen  Theologie.  1840.  — 
Katholische  Dogmatik,   1846  ff.,  u.  a. 

Kühnemann,  Eugen,  geb.  1868  in  Hannover,  Prof.  in  Breslau.  = 
Neukantianer,  transzendentaler  Standpunkt  der  Erkenntnislehre. 

Schriften:  Herders  Persönlichkeit  in  seiner  Weltanschauung,  1893.  —  Herders 
Leben,  1895.  —  Grundlehren  der  Philosophie,   1899,  u.  a. 

E  isl er,  Philosophen-Loxikon.  2  I 


37<  I  Külpe. 

Riilpe.  Oswald,  geb.  1862  in  Candau,  Prof.,  früher  in  Würzburg,  jetzt 
in  Bonn. 

K.  ist  in  psychologischer  Beziehung  zum  Teil  von  Wundt,  Avenarius  u.  a.  beein- 
flußt, entscheidet  sich  aber  weder  für  den  Intellektualismus  noch  für  den  Volun- 
tarismus, ferner  erklärt  er  sich  für  die  Annahme  einer  substantiellen  Seele  und 
deren  Wechselwirkung  mit  dem  Leibe,  also  für  den  Dualismus,  der  keines- 
wegs noch  widerlegt,  sondern  möglich  ist.  Die  Psychologie  ist  die  „Wissen- 
schaft von  den  Erlebnissen  in  deren  Abhängigkeit  von  erlebenden  Individuen'' 
(vgl.  Avenarius).  „Gegenstand  der  Psychologie  ist  dasjenige  in  und  an  der 
vollen  Erfahrung  eines  Individuums,  das  von  ihm  selbst  abhängig  ist."  Die 
gewöhnlich  als  „Assoziation''  bezeichnete  Verbindung  ist  nach  K.  eine  „empi- 
risch motivierte  Reproduktion".  Empfindungen,  die  einmal  im  Bewußtsein  zu- 
sammen waren,  begründen  eine  Tendenz  zur  Reproduktion  der  einen  durch  die 
andere.  Das  Gefühl  ist  eine  Reaktionsweise  der  „Apperzeption"  (im  Sinne 
Wundts)  auf  die  Empfindungen  und  Vorstellungen;  es  ist  von  der  Empfindung- 
verschieden .  läßt  sich  nicht  für  sich  reproduzieren,  ist  nicht  vorstellbar.  Er- 
regung und  Spannimg  sind  keine  Gefühle  (Ein  Beitrag  zur  Gefühlslehre,  Be- 
richt über  den  III.  internat.  Kongreß  f.  Philos.  1909,  S.  546  ff.).  Einen 
besonderen,  spezifischen  Wahlakt  gibt  es  nach  K.  nicht;  der  Wille  führt  auf 
das  Erstreben  eines  Vorstellungsinhaltes  zurück  und  das  Streben  selbst  ist  ein 
Komplex  von  Spannungs-  und  Gelenkempfindungen.  Die  Seele  ist  eine  Sub- 
stanz als  einheitliches  Subjekt  der  Erlebnisse.  Eine  Umsetzung  psychischer  in 
physische  Energie  bei  schließlicher  Ausgleichung  der  Differenz  hielt  K.  früher 
für  möglich  (vgl.  Stumpf).  Der  „Parallelismus"  ist  nur  als  Arbeitsprinzip  zu 
akzeptieren. 

Die  Philosophie  hat  eine  dreifache  Aufgabe:  die  wissenschaftliche  Aus- 
bildung einer  Weltansicht,  die  Untersuchung  der  Voraussetzungen  aller  Wissen- 
schaft, die  Vorbereitung  neuer  Einzelwissenschaften.  Die  Erkenntnistheorie  ist 
die   Lehre   von   den   Grundbegriffen  und   Grundsätzen  als  den  materialen  Vor- 

tzungen  aller  besonderen  Wissenschaften.  Die  Logik  ist  nicht  psycho- 
logisch aufzufassen,  sondern  eine  normative  Wissenschaft  (gegen  den  Psycho- 
logismus). In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  ist  K.  ein  gemäßigter 
Rationalist,  welcher  die  Bedeutung  des  Denkens  für  das  Erkennen 
betont,  und  kritischer  Realist  (gegen  Mach  u.  a.).  Es  gibt  eine  vom 
Bewußtsein  unabhängige  Realität,  welche  Gegenstand  der  Naturwissen- 
schaft ist.  Eine  kritische  Metaphysik  ist  möglich.  Die  Ethik 
hat   eine    empirisch-genetische   und    eine   apriorisch-normative    Aufgabe.      Der 

atwille  ist  eine  reale  sittliche  Macht  (Verbindung  von  Universalismus  und 
sozialem  Utilitarismus).  Die  Ästhetik  hat  K.  durch  experimentell-psycho- 
logische Arbeiten  gefördert.  Die  Einfühlung  ist  kein  notwendiger  Faktor  des 
Ästhetischen.  Die  ästhetischen  Gefühle  knüpfen  sich  an  die  bloße  Beschaffen- 
heit des  Vorstellungsinhalts  (Kontemplationswerte). 

nriften:  Die  Lehre  vom  Willen  in  der  neueren  Psychologie,  Philos.  Stud.  V,  1888. 
—  Zur  Theorie  der  sinnlichen  Gefühle,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  Bd.  11  — 
12.     —    Über   den    assoziativen    Faktor    des   ästhetischen    Eindrucks,    Vierteljahrsschr.    f. 


irr         l.\ 

wi*-  —   Grni  h  Bin    i 

rhMatoUea  •  BiaWIng  ii  die  PI 

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—    Über  »li-  80    uml  r.   f. 

1 1 y j-n<<t i*.iiiu-    V1L    —    BrktastBMll  1    Natur 

.1. 

K  > m.    \.  I  in  Zürich, 

ndelenburg    and    v.  it ritt    einen    atheistischen    Monismus",   d.   I. 
Panentheismus,   sowii  rganisch-l  sehe  NVeJtanschanung.      D 

hat     Selbstbew«  Spontaneität,     selbständig«      Realität,     -i<'    wirkt     nach 

Zwecken    und    gestaltet    ihren    Leib   von   innen  aus  zielstrebig;  >  I  >i<    menschliche 

.ritten:     Hegels   Dialektik,    1849.    —    Die  Weltaaacataongea    ur.<l    < I . ■  r - 
M-  •  •   Problei 

Die   Tin-nicbiichc  Seele,   i  10,   a.  a. 

Kj  nil%«T    I  die  Anhänger  des  6 

weichet  mnaaiai]  Irhrt«-  und  d<  uiidsatz  dir  Hedürft 

l"-iU'kiit    und    die    ■■  imkeit    d  .  •  md    ist       Besonder!    bei   den 

späteren    Kritikern    art<  --    Prinzip  oft  m  schamlose  Hinwcp^'tzm 

ü  und    Instand      i  tue,     Kyniker  sind   Diogenes   von  8in< 

m   Theben    und   seine   Gattin    Bipp  e*i     deren    Bruder 

Bion  von   Borysthenea,    Teles,    Dion  von  Prnaa,    Oinomai 
P  otens  ii. 

DlO€      l.\ii:i.    VI  IfüLLACB,  l'-i 

.  .  und  die  K  jraiker,   I  - 

Kj  r«*iiaik«'r    I  di<     \                        -              Schulen     \ri- 

iti]                                   «reicher  in    Athet              bedonisi                     I           um 

Prm/ip    nehmende    Philosophie  begründete.      Zu    den    Kyrenaikem    p 

und  deren  Sohn,    der  jungen1   Aristippos,    Antipai  K 

rheodon             kthei       1 1  ■  \  n  n  i  k            Buttern e rot  u. 

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1    BCfl    i|<  f.  n    und     unnPii     W 


372  La  as. 

Logik  zur  Grundlage,  er  fußt  auf  Erfahrung  und  verlangt  Verifikation  durch 
dieselbe.  Die  scholastische  Methode,  der  Absolutismus  und  Rationalismus,  der 
Indeterminismus  und  Supranaturalismus  (die  Transzendenz)  des  „Piatonismus" 
sind  abzulehnen.  Der  „Korrelativismus"  betont  die  untrennbare  Zusammen- 
gehörigkeit von  Objekt  und  Subjekt,  Sein  und  Bewußtsein,  Natur  und 
Geist.  Objekt  und  Subjekt  bestehen  nur  in  Wechselbeziehung;  Objekte  gibt 
es  nur  als  Inhalte  des  individuellen  oder  des  Bewußtseins  überhaupt  (Wahr- 
nehmungs-  und  begriffliche  Objekte),  Subjekte  nur  als  Beziehungszentren. 
Beide  „stehen  und  fallen  miteinander".  Die  Objekte  sind  zwar  nicht  „in 
uns",  wohl  aber  nur  „in  Beziehung  zu  uns,  die  wir  in  Beziehung  zu  ihnen 
sind".  Die  (unmittelbar-gegebene)  Außenwelt  ist  nichts  weiter  als  ein  „Inbe- 
griff von  Empfindungs- Wirklichkeiten  und  -Möglichkeiten".  Parallel  und 
korrelativ  entsteht  mit  dem  Bewußtsein  des  Ich  in  allen  Fällen,  wo  die 
Willensregungen  Widerstand  erleiden ,  die  Vorstellung  einer  uns  bindenden 
Gewalt.  Die  Wahrnehmungsinhalte  selbst  werden  als  das  fremde  Agens  auf- 
gefaßt. Dem  persistent  werdenden  Subjekt  legen  sich  Gruppen  von  Empfin- 
dungen als  ein  Äußeres  gegenüber,  das  außer  seiner  Macht  steht  und  darum 
außer  ihm  ist.  Die  Existenz  des  Objektes  außerhalb  der  Wahrnehmung  kann 
nur  bedeuten,  daß  auch  in  der  Zwischenzeit  dies  und  das  hätte  wahrgenommen 
und  in  objektive  Vorstellungen  hätte  reduziert  werden  können. 

Alles  Denken  und  Erkennen  ist  nur  logische  Verarbeitung  von  Er- 
fahrungsmaterial  und  bezieht  sich  stets  auf  Wahrnehmungsdaten  oder  Auslegen 
von  solchen  (Atome  u.  dgl.).  Alle  Erkenntnis  ist  relativ  und  besteht  in  der 
„Heraussonderung  des  objektiv  Zusammengehörigen  aus  dem  subjektiv  Zu- 
sammengesetzten". Die  Argumente  für  die  Apriorität  der  Anschauungs-  und 
Denkformen  sind  nicht  stichhaltig.  „Beine"  Verstandesbegriffe  sind  Undinge; 
es  ist  undenkbar,  daß  ein  Inhalt  in  eine  ihm  absolut  fremde  Form  eingehen 
soll.  Es  müssen  vielmehr  in  den  Empfindungsdaten  selbst  zwingende  Motive 
zur  Bildung  der  Kategorien  liegen.  „A  priori"  ist  nur  das  Bewußtsein  als 
solches  überhaupt,  nichts  Einzelnes.  Auf  „transformierte  Empfindungen" 
führen  alle  Begriffe,  die  also  insgesamt  empirischer  Art  sind. 

Die  positivistische  Ethik  enthält  sich  aller  metaphysischen  Spekulationen, 
sie  wurzelt  im  Diesseits  und  untersucht  den  Ursprung  der  sittlichen  Gebote, 
den  sie  in  Forderungen  der  sozialen  Umwelt  findet.  Die  Sittlichkeit  ist 
„anthroponom",  ein  soziales  Produkt,  aus  Bedürfnissen,  Interessen  entspringend 
und  auf  Erfahrungen  beruhend.  Endziel  des  sittlichen  Handelns  ist  der 
völlig  humanisierte  Mensch.  Die  objektiven  Güter  (wie  die  Kultur,  der  soziale 
Friede  u.  a.)  sind  das  Maß  für  den  Wert  der  Pflichten  und  Rechte  der  Indi- 
viduen im  Hinblicke  auf  das  Interesse  der  Gesamtheit.  Höchstes  Gut  ist  „die 
möglichste  Schmerzlosigkeit  und  der  höchste  Überschuß  von  Lust  und  Unlust 
für  alle  fühlenden  Wesen". 

Schriften:  Kants  Analogien  der  Erfahrung,  1876.  —  Idealismus  und  Positivismus, 
8  Teile,  1879—84  (Hauptwerk).  —  Die  Kausalität  des  Ich,  Vierteljahrsschr.  f.  wiesen- 
■cbaftl.  Philo*.,  Bd.  4,  1880.  —  Vergeltung  und  Zurechnung,  Vierteljahrsschr.  f.  wiss. 
Philo«.,  Bd.  5  f.,  1882  f.  —  Literarischer  Nachlaß,  hrsg.  von  Kerry,  1887,  u.  a.  —  Vgl. 


1.  \  \ LA«  HEMER. 


R.   IIam-<h.    I  ron    EL  L ,    1908  KOHX,    I 

i:.  I..,    1907. 

l.al><M»       \   tker. 

Kaliriola.    LntoniOj  Prolin  Rom.  =    L.  der  erat  von 

dann  von  Herbart  beeinflußt  war,  Bteht  auf  dem  Standpunkt  des  (modifiziert 
Marxismus,  des  „historischen  Materialismus  , 

:.;•    ;..     Murale  e  Religiono,    L87S.     —     Del    concetto   della   liberta.  1878.    — 

1   problemi  della  lilosofia  «lella  storia,    1887.    —    Del  socialismo,   1889.    —    >■  mo 

alla                  'ic   mater                                  ria,    189G  f.;   fran.                 B97,  19<  -  -nie 
ntiloaophie,    1899.   —   Del  roaterialiamo  ston               :.  u.  a. 

I.a  liiiiyrro  -    Bruyere,  La. 

I,a<'li<kli<kr.  Jü  1832  in  Fontainebleau,   Prof.  an  der  Ecole  x 

male  Superieure 

1...  der  besondere  durch   Leibniz,    Kant.   RaTaisson   beeinflufit    ist,   ist 

ruiuln-  des  kritisch      S(    -Spiritualismus  in  Frankreich.     I>  Kau- 

salität   um:  lichkeil   der   Erscheinungen  -"II   hier  mit   der  Annahme  der 

Finalität,    Aktivität,    Freiheit    verbunden    werden   (Synthese    von   Mechanismus 
und 

l  •  ••  [nduktion  ist  das  Verfahren,  vermittelsl  dessen  wir  zur  Erkenntnis 
«l.r  Gesetze  dea  ratsachen  aufsteigen.  Welches  sind  die  Grundlagen  der  In- 
duktion Di(  Antwort  lautet:  die  apriorischen  Forderungen  der  Kausalität  and 
der  Finalität,  das  Kausal-  and  besonders  das  Zweckprinzip.  Nach  dem  einen 
Prinzip  bilden  die  Erscheinungen  Reihen,  in  welchen  di 
gehenden  das  Sachfolgende  determiniert;  Dach  dem  zweiten  Prinzip  bild 
diese    Reüu      S  Bteme,   in  welchen  die  Idee  des  Ganzen  die  Existenz  der  Teile 

itimmt      Dl    Kausalität    ist    eine    Bedingung    onserer    Erkenntnis 
-teilt  nur  einen  äußeren  Zusammenhang  unter  den  Erscheinungen  her.    Denken 
und    Sem   und   innerhalb    der   phänomenalen    Welt    nur   awei    Ausdrücke    für 
die    universale    und   en         Notwendigkeit.      In    der    Natur   i-t    zunächst    alles 
mechanisch  zu  erklären,   alles  i-t  kausal   bestimmt,   auch   das    Leben   und   das 

schliche    Handeln 

I  >ie  kausalen  Reihen  selbst    aber  erhalten    ihre   innere    Einheil    erst   durch 
das  Ci  Zwecke«    der  1         tat),  welches  also  die  letzte  Grundlage  dei 

[nduktion    ist     Es    Fordert    eine   ..Harmonie  im  Zusammen  der   PI 
Die«     harmonifi  b<     I  inheit    i-t    Bedingui  Denkens  di 

Realitäten;  dies<    (und  Gruppen  von  solchen)  können  nur  dann  zur  Kml 
fallt    werden,    wenn    sie    harmonisch    sind.        Di<  Ein! 

Lur  war  die  rem   intterliche   Einb  i    absoluten    Mai 

sweitc   hinweg«  n    i-t    die   inn<  i  Mann 

der  I    ■     •  in  in  »ein«  alle   üb  usdrückt    und   enthält      A 

d.  i  Einklang  all«  r  Teile  d<  r  \  itui   I  ann  nur  au-  « I •  r    \    ■ 

keit    jedei    '"in    <  tanzen    b<  rrühren  :    dah<  x 

izen     dem     -  |  und 

kür/    die  Natur   mnfl  d<  n    I  ' 


3,4  Lachelier. 


scheinung  existiert,  sofern  sie  eine  Ursache  und  sofern  sie  einen  Zweck  hat. 
„So  hat  die  Natur  zwei  Seinsweisen,  die  auf  den  beiden  den  Erscheinungen 
vom  Denken  auferlegten  Gesetzen  beruhen:  eine  abstrakte  Existenz,  identisch 
mit  der  Wissenschaft,  deren  Gegenstand  sie  ist,  mit  dem  notwendigen  Gesetz 
der  bewirkenden  Ursachen  als  Basis;  und  eine  konkrete  Existenz,  identisch 
mit  dem,  was  wir  die  ästhetische  Funktion  des  Denkens  nennen  könnten,  mit 
dem  kontingenten  Gesetz  der  Zweckursachen  als  Grundlage."  Die  Finalität 
der  Natur  konzentriert  sich  in  einer  Vielheit  gesonderter  Systeme,  zu 
welchen  wir  selbst  als  Individuen  gehören.  Die  Zweckeinheit  jedes  Wesens 
ist  das  wahre  „Nournenon,  dessen  bloße  Manifestationen  die  Phänomene  sind". 
Während  die  mechanische  Erklärung  ins  Unendliche  führt,  gibt  die  finale  dem 
Denken  einen  Haltepunkt.  So  werden  die  Zwecke  zu  den  wahren  Gründen 
der  Dinge.  „Materie  und  Ursachen  sind  nur  eine  notwendige  Hypothese  oder 
besser  ein  unentbehrliches  Symbol,  mittels  dessen  wir  in  Zeit  und  Raum  das 
projizieren,  was  an  sich  beiden  überlegen  ist."  Das  Urgesetz  des  Seins  ist  die 
„Harmonie".  Die  universelle  Kontingenz  ist  die  Seele  der  Natur;  sie  ist  in 
Wahrheit  eine  teleologische  und  Willensnotwendigkeit. 

Eine  auf  ein  Ziel  gerichtete  Spontaneität  ist  eine  Tendenz,  und  eine  Ten- 
denz, welche  eine  Bewegung  zur  Folge  hat,  ist  eine  Kraft.  Jede  Erscheinung 
ist  die  Entfaltung  und  Äußerung  einer  Kraft,  der  „Tendenz  einer  Bewegung 
nach  einem  Ziele".  Die  Finalität  verwirklicht  sich  in  der  Tendenz  zur  Be- 
wegung. Jedes  Wesen  ist  eine  Kraft,  eine  immer  mehr  zum  Selbstbewußtsein 
gelangende  Idee.  Das  Leben  ist  „die  dynamische  Einheit  des  Gesamtorganis- 
mus" und  bedarf  daher  keiner  besonderen  „Lebenskraft",  da  die  „Kraft" 
innerlich  Leben  ist  und  erst  aus  sich  die  niederen  Kräfte  entläßt.  Die  Seele 
ist  die  dynamische  Einheit  des  Erlebens.  Die  Freiheit  ist  eine  ursprüng- 
liche Tatsache.  „Das  Wunder  der  Natur  in  und  außer  uns  ist  die  Erzeugung 
der  Idee,  und  diese  Erzeugung  ist  frei  im  strengsten  Sinne  des  Wortes,  denn 
jede  Idee  ist  an  sich  unabhängig  von  der  ihr  vorhergehenden  und  entsteht, 
wie  eine  AVeit,  aus  nichts."  Die  Natur  wirkt  schöpferisch.  Unsere  Freiheit 
ist  die  der  „Erfindung",  zugleich  ist  sie  das  Bewußtsein  der  Notwendigkeit, 
vermöge  deren  ein  von  uns  erfaßtes  Ziel  die  Existenz  der  Mittel  determiniert. 
Die  wahre  Philosophie  der  Natur  ist  „ein  spiritualistischer  Realismus,  für  den 
jedes  Wesen  eine  Kraft  und  jede  Kraft  ein  Gedanke  ist,  der  nach  einem  immer 
vollkommeneren  Bewußtsein  seiner  selbst  strebt". 

In  der  Abhandlung  „Psychologie  und  Metaphysik"  (deutsch  190S)  sucht 
L.  auf  Grundlage  einer  „reflexiven  Analyse"  des  Bewußtseins  synthetisch  den 
geistigen  Organismus  und  das  Reale  abzuleiten.  Der  Versuch  Cousins  und 
Kin*  r  Schule,  die  Geistigkeit  und  Freiheit  in  uns,  die  Vernunft  in  und  außer 
im-  (hu zutun,  muß  auf  neue  Weise,  den  Ergebnissen  der  positiven,  empirischen 
chafl  Rechnung  tragend,  unternommen  werden.  Zunächst  läßt  sich 
i.  daß  das  Bewußtsein  eine  Realität  ist;  die  Illusion  des  Bewußtseins 
licht  einmal  möglich.  Das  Bewußtsein  kann  nicht  auf  bloße  Aus- 
dehnung u.  dgL  zurückgeführt  werden,  denn  die  Ausdehnung  selbst  kann 
oichl  an  Bicfa  existieren.      Denn  sie  hat  keine  einfachen  Teile  (weil  ins  Unend- 


llban  und  ihre  Reahtit  mußte,   wenn  sie  <in.-  solche  hu'  solcher 

Teile  Bein.     . ß '■■   bcwlcihl  also  nur   inneriimlb  denn    nur   1. 

kann  -i«'  das  -in.  I  Irn    gegeben  ist 

und   durch   dieselben   geteilt,   nicht   gebildet    werden    kann."     War.-  dii 
dehnung   allein    im    Bewußtsein,   dam  »•>    nicht.-   in   ihr.    wss  hier  keilen 

könnte«    Die  Teilung  ist  nur  hier  durch  etwas  anderes  möglich  und  die 

Empfindung   [Sinnesqualität),    durch    <  1  i •  -   allein   die   Anadehnunf  ert 

1»      Empfindung  mufl  aber,   damit    da-    Bewnßtseiiiesubjekl    sich   schart    rosn 

rufiteeinsobjekl  unterscheidet,  mehr  enthalten  als  die  Sinnesqualit&t,  näm- 
lich etwas  Affektives.  Da-  Gefühl  aber  schließt  als  Antesedens  -  »en 
♦•in  und  wir  finden    n:  r  wir  Empfindung   -ind.    al-    Wille,   der  nicht 

unmittelbar   n-  ädert    bewußt   i-t.   weil  er  die  Urbedingung  de«  Bewnßt- 

isinhaltei  Voluntarismus).     „Der   Will-    i-t  das    !'■  nsip   und  das  i 

borgene  [nnere  alles  Beienden."  Im  Menschen  reflektiert  er  sich  selbst  und 
fixiert  seine  Empfindungen  als  Außenwelt  Im  Willen  i-t  da-  I  <•  h  Subjekt) 
selbst    im    Gegensatz    zur    Aulienwrlt  n    (als    ..L<l)«-n-u  illr");    <li- -   - 

denn  rt   /um  W«  Willens,   „sich  selbst  zu  wollen  und  l  • 

lost  sn  - in".      Wir  -ind  frei  in  unserem  Sein    und  determii 
in  unseren  Daseinsweisen  (i       £     openhau« 

I  s  besteht  al-<»  in  uns  ein  „intellektuelles  Bewußtsein'*,  welches  dein  sinn- 
lichen Bewiißtseinsinhalt  erst  den  Stempel  des  Objektivität  aufdrückt;   mir  als 

Lrenständi  eolnten    Bewußl  sind  diese   Inhalte  r.al.   mehr  als 

subjektir.     I1      Tief«  B   rpei     die   dritfc     Dünen«         und   an*  was 

„Wahrnehmung  innt    wird,  i-t   schon   <!a-    Werk   des    Denkena      I 

Denken   rerwandelt   subjektive  Zustände  in  V<  und    I1  welche  ..an 

sich",    d.   h.   allgemeu  bestehen,   es   ist    das   Bewußtsein   der   Wahr) 

««di-r   d<      -  i       eitstände.        I '.-    gibt    tiir    uns    k«-in    Sein    ohne    die 

Funkt  [)        .  welrhr-  di.-       -         rrkmnt   und  l>ejaht;    <•-  gibt   kein 

k'ii  in  uns.  da-  nicht  die  Erkenntnis  und  Anerkennung  einet  Beins 
-   für  um  Seiende  i-t    ..da-,    \\a>    wir    gcinfiCi    den    i  en   der    Natur  und 

rahrnehmen    und    einpfinden    sollen"    (vgL    Lippe      R 
n.  i  -  intellektuelle   Bewußtsein    enthüll    \«-r  aller  Erfahr 

Hernien,    cm    id<  S-hr    als    l'rbild    und    Mal',    des    realen    & 

I »  ■  -••    I « 1  ■ .    i-t    k.-in    I'  ondern    die   ».apriorische   Wahrheit    all 

nicht  dinglich  .  indem  di«    I  li       welche    uns   zur    Beurteil 

•  m  n    dient,    erzeugl    sich    seil  »»intellektuelle«    -        -t    und 

lebendig«    I1  >■  D       I  ondament   alles  Seins   is  absoluU    - 

\ktiiali-mn-,  Munal  Wundl 

I  mV  !<!■  -  Wahrheit  •  bi  h  selbst  ; 

nlwr   dasselbe   seist    di<     I  *■  -<h«'n  I         •     iboJ   dieser 

rzcugunp   i-t   die  Zeit    mit    ihrem    um-ndln  I  •       I 

Linie  cum  Symbol  hat.     Soll  das  £  1 

Inhalt,    rm    .- 

;  i  •     um  -(.  nun   konl  ■ 

I  »•  •  •      -vmIIi    wird   durch   Anwendung    ai  '     ■  A 


376  Lachklier  —  Ladd. 

dehnung  zielstrebiger  Lebenswille.  Dreidimensionale  Ausdehnung  (Objekt), 
individuelle  Eeflexion  (Subjekt)  und  Vernunft  sind  die  Elemente  des  intellek- 
tuellen Bewußtseins,  das  sich  und  seinen  Inhalt  frei  setzt,  verwirklicht  und 
anerkennt.  Das  Ich  ist  an  sich  mehr  als  Lebenswille,  es  ist  „der  absolute 
Akt,  mittels  dessen  die  Idee  des  Seins  in  ihrer  dritten  Form  ihre  eigene 
Wahrheit  bejaht".  Das  Sein  ist  an  sich  Freiheit  und  Aktivität ;  wir  sind  so, 
wie  wir  uns  setzen.  Damit  ist  die  „Selbstableitung  und  Selbsterzeugung"  des 
Denkens  und  Seins  zu  Ende.  Das  Verhältnis  von  Psychologie  und  Metaphysik 
ist  nun  klar:  „Die  Psychologie  hat  zum  Gegenstande  das  sinnliche  Be- 
wußtsein, sie  erkennt  vom  Denken  nur  das  Licht,  welches  dieses  auf  die 
Empfindung  wirft;  die  Wissenschaft  des  Denkens  an  sich,  des  Lichtes  an 
seiner  Quelle,  das  ist  die  Metaphysik." 

Von  L.  sind  beeinflußt:  Liard,  Boutroux  u.  a. 

Schriften:  De  natura  syllogismi,  1871.  —  Du  fondement  de  l'induetion,  1871; 
deutsch  1908  (nehst  „Psychologie  und  Metaphysik").  —  Etüde  sur  la  theorie  du  syllo- 
gisme,  Rev.  philos.,  1876.  —  Psychologie  et  Metaphysique,  1885.  —  Vgl.  G.  NOELy 
La  philosophie  de  L,  Rev.  de  Met.  et  de  Morale,  1898. 

Lacombe,  Paul.  =  Vertreter  der  gemäßigt-kollektivistischen  Geschichts- 
auffassung. Die  Geschichte  hat  es  mit  allgemeinen  Tatsachen  (Institutionen)  zu 
tun  und  erklärt  durch  psychologische  Motive  (Bedürfnisse)  als  Kräfte. 

Schriften:  De  lTiistoire  consideree  comme  science,  1894  (deutsch  in  Vorbereitung). 
—  Revue  de  synthese  historique  III,  1901.  —  La  psychol.  des  individus  et  des  societes 
selon  Taine,  1906,  u.  a. 

Lactantilis,  Lucius  Caecilius  Firmianus,  geb.  um  250,  Lehrer  der 
Khetorik  in  Nikomedien,  Erzieher  des  Prinzen  Crispus  am  Hofe  Constantins. 
gest.  nach  325. 

L.  ist  einer  der  lateinischen  Kirchenlehrer,  welche  bei  aller  Verachtung 
der  heidnischen  Philosophie  doch  aus  dieser  (Cicero,  Seneca  u.  a.)  schöpfen, 
um  der  Theologie  eine  feste  logische  Grundlage  in  manchen  Punkten  zu  geben. 
Die  Philosophie  ist  nach  L.  keine  Weisheit,  da  wir  ohne  die  göttliche  Hilfe 
kein  Wissen  erlangen  können,  indem  wir  nicht  die  Ursachen  der  Dinge  er- 
kennen. Erst  die  Offenbarung  befähigt  zur  Verwertung  einzelner  philosophischer 
Lehren  und  verbindet  Wissen  und  Religion.  L.  zeigt,  daß  eine  Vorsehung  be- 
stehen müsse,  durch  die  alles  geleitet  wird,  daß  Gott  als  der  vollkommene 
ewige  Geist  („aeterna  mens")  eins  sein  muß  („Deus  vero,  si  perfectus  est,  ut 
debet,  non  potest  esse  nisi  unus,  ut  in  eo  sint  omnia"),  daß  die  Seele 
unsterblich  ist,  daß  diese  Unsterblichkeit  durch  die  Tugend  als  höchstes  Gut 
gefordert  wird,  daß  in  der  rechten  Gesinnung  und  Pflichterfüllung  die  Tugend 
besteht. 

Schriften;  Institutionea  divinae.     Epitome   divinarum    institutionum,  u.  a.     Opera, 

,.  1842-44,  1844  (bei  Migne),  1890—97.  —  Vgl.  HEINIG,  Die  Ethik  des  L., 
1887.  -      MARBACH,  Die  Psychologie  des  F.  L.,   1889.  —  PlCHON,  L,    1903. 

Ladd.  Trumbull,  geb.  1842  in  Painesville,  Prof.  an  der  Yale-Univer- 

Bität  (Amerika).  =  L.,  der  Lotze  nahe  steht,  lehrt  einen  „religiösen  Monismus"  auf 
dualistischer  Grundlage  (Spiritualismus).   Alles  Sein  ist  Fürsich-Sein,  geistig;  Gott 


I.\i'i'        Lamarck. 


ist  unendlicher  Geist,  in  dem  die  Einzelgeister  enthalten  sind.  von  denen  die 
Naturobjekte  unabhängig  sind,  so  daß  in  jeder  objektiven  Erkenntnis  ein  Hin- 
weis aufs  Transzendente  besteht.  Die  Seele  steht  mit  dem  Leibe  in  Wechsel- 
wirkung.   Der  Kern  des  Seelenlebens  ist  die  Aktivität,  der  Wille. 

Schriften:  Elements  of  Physiological  Psychology,  1887.  —  Introduction  to  Philo- 
soph)-, 1890.  —  Psychology,  descriptive  and  explanatory,  1894.  —  The  Philosophy  of 
Mind,  1895.  —  Philosophy  of  Knowledge,  1897.  —  A  Theory  of  Keality.  1899.  — 
Philosophy  of  Conduct,  1902.  —  Philosophy  of  Religion,  1906.  —  Knowledge,  Life  and 
Reason,   1909,  u.  a. 

Laf'fitte.  Pierre,  geb.  1823  in  Beguey,  gest.  1903  in  Pari-.  =  Schüler 
Comtes,  Oberhaupt   der  positivistischen  Religion. 

Schriften:  Les  grands  types  de  l'humaniti',  1895.  —  Cours  de  philosophie 
premiere,  1889  f. 

L.a  Forge  s.  Fo 

fiakydes  aus  Kyrene,  Schüler  und  (241  v.  Chr.)  Nachfolger  des  Aka- 
demikers Arkesilaos,  gest.  215  v.  dir. 

Vgl.   DlOO.    LAERT.   IV,   59— Gl. 

Lalande.  Andre.  Prof.  in  Paris.  =  L.  untersucht  die  Wirkung  der  Dissolution 
(Auflösung)  auf  allen  Entwicklungsgebieten.  Die  Dissolution  ist  der  Gegensatz 
zur  Evolution,  die  Umkehrung  derselben  („toute  B^rie  de  changements  de  & 
contraire  a  ceuz  qui  constituent  Involution").  Alle  (auch  die  geistige  und  sozial»') 
Entwicklung  ist  mit  einer  „dissolution  egale  et  de  Bens  contraire'4  verbunden, 
welche  schließlich  alles  Sein  zur  Ruhe  i\c<  harmonischen  Gleichgewichts  bring 

hriften:  La  dissolution  opposeV  a  lVvolution,  1899  —  Prßcis  raison  tu'  de  moralo 
pratique,  19<>7,  u.  a.  —  Mitherausgeber  des  „Vocabulaire  techn.  et  orit.  de  philo?.". 
1902   tf.   —   Prieifl  raisonno  de  morale  pratique,   1909. 

I  -alleniaiidet.  Jean,  geb.  1595  in  Besancon,  Franziskaner  und  Professor 
in  Wien,  gest  1647  in  Prag. 

Schriften:  Decieiones  philosophicao,    1644— 4f>    (Vermittlung    BWitchOD   Thomismofl 

und  Skotismufi).   —   Cursus  theologious,   1656. 

I.alo.  Charles.  —  Schriften:    Les  sentinients  esthetiques.  L'Esthätiqnfl  e.\- 

perimeDtale  coniemporsine,   iftes,  p.  a. 

I.ainai'ck.  Jean  Bapt.  de,  1744—1829,  Prot,  am  Jardin  des  Plantes  in 
Pari-,  der  berühmte  französische  Naturforscher. 

L.  ist  der  bedeutendste  Evolutionist  vor  Darwin.  Die  höheren  Arten 
stammen  nach  ihm  von  niederen  ab  und  zwar  ist  die  Entwicklung  und  Um- 
wandlung durch  die  direkte  Wirkung  der  äußeren  Lebensbedingungen  und 
durch  Kreuzung,  besonders   aber  durch    Bedürfnis,    Übung    Gewohnheit), 

brauch  und  Nichtgebrauch  der  Organe,  bedingt.    Durch  die  Übui 
werden  die  Organe  verändert  und  zweckmäßig;    Bedürfnisse  geben  den  Impuls 
zur  Übung.       Die  partielle  Bedeutung  des  Lamarekismus  hat  Darwin  anerkannt, 
der  aber  die  natürliche  Auslese  in   <\>'u    Vordergrund   stellt.     Lamarckisten 
und  Neo-Lamarckisten  (die  teilweise  auch  Anhänger  der  Psycho-Bioloj 
sind)   sind:    Boveri,    Bunge,    Cope,    Wettstein,    Dekker,    Dacqui 


378  Lamarck  —  Lamennais. 


Le  Dantec,  Delpino,  Vignoli,  Pauly,  France,  A.  Wagner,  Kohn- 
stamm,  z.  T.  Wundt  u.  a. 

Schriften:  Philosophie  zoologique,  1809,  1873;  deutsch  1875,  1903,  1909,  u.  a. 
—  Vgl.  Leiber,  L.,  1910. 

Lambert,  Johann  Heinrich,  geb.  1728  in  Mühlhausen,  1748  ff.  Haus- 
lehrer in  Chur  und  dann  auf  Reisen,  1760  Mitglied  der  Akademie  in  München, 
seit  1764  in  Berlin,  Mitglied  der  Akademie  daselbst,  gest.  1777.  Von  Kant, 
mit  dem  er  in  Briefwechsel  stand  und  mit  dem  er  manches  gemein  hat,  wurde 
er  eine  Zeitlang  außerordentlich  geschätzt. 

L.  (der  auch  als  Physiker  von  Bedeutung  ist;  Photometer)  sucht  den 
Rationalismus  (Chr.  Wolff)  und  Empirismus  (Locke)  zu  einer  neuen  Synthese 
zu  bringen,  wie  sie  aber  erst  Kant  gelungen  ist.  Das  „neue  Organon"  umfaßt 
vier  Wissenschaf ten :  1.  „Dianoiologie",  die  Lehre  von  den  Gesetzen  des  Ver- 
standes, 2.  „Alethiologie",  die  Lehre  von  den  einfachsten  Grundbegriffen  und 
deren  Verbindungen  sowie  vom  Kriterium  der  Wahrheit,  3.  „Semiotik"  (Philo- 
sophische Sprachlehre),  die  Lehre  von  der  Bezeichnung  der  Gedanken,  4.  „Phä- 
nomenologie"', die  Lehre  vom  Schein.  Die  Schlußformen  symbolisiert  L.  durch 
Linien.  Die  obersten  Denkgesetze  sind  der  Satz  des  Widerspruches  und  der 
Satz  des  Grundes.  Diese  Sätze  sind  auch  die  allgemeinsten  Kriterien  der 
Wahrheit.  Die  ewigen  Wahrheiten  weisen  auf  eine  ewige  Intelligenz  hin 
(Architektonik  §  299).  Betreffs  des  Urteils  vertritt  L.  die  „Inhaltstheorie"  der 
Identität;  das  Urteil  ist  die  Verbindung  oder  Trennung  zweier  Begriffe.  Form 
und  Inhalt  der  Erkenntnis  werden  unterschieden.  Die  Formen  des  Denkens 
sind  auch  Formen  des  Seins.  Absolut  a  priori  ist  nur  das,  „wobei  wir  der 
Erfahrung  vollends  nichts  zu  danken  haben".  Der  physische  Schein,  wo  die 
Sache  wirklich  da  ist,  die  den  Schein  erregt,  wird  vom  „ idealischen"  (psychi- 
schen, moralischen)  Schein  unterschieden.  Die  Absonderung  der  Wahrheit  vom 
Schein  kommt  dem  Verstand  zu.  Der  subjektive  Teil  des  Scheins  ist  die 
„Parallaxe".  Die  Triebfedern  des  Willens  lassen  sich  wie  Kräfte  messen, 
eine  „Agathometrie"  ist  möglich. 

Schriften:  Kosmologische  Briefe,  1761  (Von  Newton  beeinflußt).  —  Neues 
Organon,  1764  (Hauptwerk).  —  Anlage  zur  Architektonik,  1771.  —  Logische  und  philo- 
sophische Abhandlungen,  hrsg.  von  Bernoulli,  1782.  —  Briefwechsel,  1781  f.  —  Vgl. 
1).  Huber,  J.  h.  L.,  1829.   —  J.  Lepsius,  J.  H.  L.,   1881.   —    O.   Baensch, 

J.  H.  L.s  Philosophie  u.  seine  Stellung  zu  Kant,   1902. 

Lambert  von  Auxerre,  Dominikaner,  um  1250.  Eine  „Summa 
Lamberti"  (Manuskript  in  Paris)  wird  ihm  zugeschrieben. 

Lamennais ,  Robert  de,  geb.  1782  in  St.  Malo,  wurde  katholischer 
i'h'i.  trat  für  die  Freiheit  der  Kirche  und  für  ein  demokratisches  Papst- 
tum   ein    (vgl.   seine   Zeitschrift   „L'Avenir").     Nachdem   seine   „Paroles   d'un 

ant"  (1834)  den  schon  begonnenen  Bruch  mit  der  Kirche  vollendet  hatten, 
wandte  sich  L.  einem  philosophischen  Rationalismus  zu  und  verkündete  das 
Evangelium  der  Freiheit  und  Brüderlichkeit.    Er  starb  1854. 

L.  ist  ein  Vertreter  der  „reaktionären"  (den  Sensualismus  u.  dgl.  bekämpfen- 


Lamennais  —  La  Mettbie.  "'.(.) 


den)  französischen  Philosophie  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts,  und 
zwar  des  katholischen  „Traditionalisnius",  der  aber  von  der  Kirche  verdammt 
wurde.  Beeinflußt  ist  L.  von  Plato.  Plotin,  Leibniz  u.  a.  ,, Skeptiker'  ist  er 
nur  gegenüber  den  von  den  Intentionen  der  allgemeinen  Vernunft  wegführen- 
den Philosophemen,  nicht  aber  in  beziig  auf  alles  Erkennen.  Die  allgemein«' 
Manschen  Vernunft  ist  die  Quelle  von  Wahrheiten,  welche  die  Kirche  uns  auf- 
zeigt. Später  geht  L.  vom  Begriffe  des  unendlichen  Seins  aus.  Gott  muß,  um 
zu  sein,  Kraft  sein,  um  etwas  Bestimmtes  zu  sein,  eine  Form  (Geist)  und  außer- 
dem Leben  oder  Liebe  sein.  In  Gott  besteht  ein  Prinzip  der  Trennung  und 
Vielheit.  Das  Endliche  geht  durch  Schöpfung  aus  Gott  hervor.  Das  Prinzip 
des  L^nterschiedes,  die  Schranke  des  Geistes  ist  die  Materie,  das  Unendliche, 
in  allem  Wirksame  ist  der  Geist.  Alles  Endliche  besteht  aus  Materie  und 
Geist,  welch  letzterer  samt  der  Freiheit  auf  den  höheren  Seinsstufen  herrscht. 
Die  Körper  haben  sich  aus  dem  Äther  entfaltet.  Die  Schöpfung  ist  eine  Hin- 
gabe des  Unendlichen,  ein  Opfer  desselben;  alles  nährt  sich  von  Gott. 

Schriften:  Essai  sur  l'indifference  en  matiere  de  religion,  1817  ff.  —  De  la 
religion,  1825  f.  —  Essai  (Tun  Systeme  philos.  cathol.,  1830  f.,  1906.  —  Paroles  d'un 
croyant,  1834,  1890;  deutsch  1843.  —  Livre  du  peuple,  1837.  —  Esquisse  d'une  Philoso- 
phie, 1837 — 41,  1863:  deutsch  1841.  —  Oeuvres  completes,  1836  —  37.  —  Gesammelte 
Werke,  1844.  —  Vgl.  P.  JANET,  La  philosophie  de  L.,  1890.  —  ROU88EL,  L., 
1893. 

La  Mettrie  (Lamettrie),  Julien  Offroy  de,  geb.  1709  in  St  Malo,  studierte 
Medizin  iauch,  1733,  bei  Boerhave  in  Leyden,  von  dem  er  beeinflußt  wurde  , 
war  seit  1734  schriftstellerisch  tätig,  ging  1742  nach  Paris,  wurde  Arzt  bei  den 
Garden,  machte  einige  Feldzüge  mit  und  wurde  anläßlich  eines  Fiebers  auf 
die  große  Abhängigkeit  des  Denkens  vom  Körper  aufmerksam.  Streitigkeiten  mit 
.»einen  ärztlichen  Kollegen  zogen  ihm  Verfolgungen  zu.  seine  Schriften  erregten 
Ärgernis.  In  Leyden,  wohin  sich  L.  begeben  hatte,  verfaßte  er  seine  Haupt  - 
Bchrifl  ..I/homme  machine".  1748  berief  ihn  Friedrich  der  Große  nach  Berlin 
als  Vorleser  und  Mitglied  der  Akademie;  1751   starb  er  in  Berlin. 

L.,  der  von  Boerhave,  Descartes,  Locke  u.  a.  beeinflußt  ist,  verficht  den 
anthropologischen  Materialismus,  zugleich  den  Atheismus,  Sensualismus 
und  Hedonismus.  Die  Ursachen  des  Lebens  sind  nach  ihm  rein  körperlicher 
Art;  das  Organische  geht  aus  dem  Anorganischen  hervor.  Das  Geistige  wiederum 
ist  vom  Organismus  durchaus  abhängig.  Seele  und  Leib  bestehen  nur  zu- 
>ainmen,  entere  wächst  mit  dem  Leibe  und  nimmt  mit  ihm  ab.  1mV  Empfin- 
dung ist  eine  Funktion  der  Materie  Mit  ArnobittS  nimmt  L.  an.  dafi  ein  ein- 
sam aufwachsender  Mensch  ohne  Erziehung  geistig  leer  sei.  Aus  Empfindungen 
stammt  alles  Denken   und  Wollen.   —  Der   Mensch    ist    'ine   sein-   zusammen - 

tzte  „Maschine".  Der  menschliche  Körper  ist  ..eine  Maschine,  die  ihre  Federn 
selbst  aufzieht--.  Die  psychischen  Zustände  Bind  von  den  physiologischen  und 
pathologischen  Prozessen  abhängig,  wie  L.  an  vielen  Beispielen  dartut  Je 
ißer  das  Gehirn  bei  den  Tieren,  je  feiner  es  organisiert  i-t.  desto  höher  Bteht 
das  Seelenleben.  Die  Gedankt n  entwickeln  sich  mit  den  Organen.  Das  Gehirn 
hat  „seine   Denkmuskeln,  wie  das   Bein  seine  Gehmuskeln".    Der   Mensch   ist 


380  La  Mettrie  —  Lamy. 


eine  ..Vereinigung  von  Triebfedern,  die  sich  gegenseitig  aufziehen".  Die  Seele 
ist  ..nur  ein  Bewegungsprinzip  oder  ein  empfindlicher  materieller  Teil  des 
Gehirns".  Bewegung  und  Empfindung  erregen  sich  wechselseitig.  Freilich  ist 
uns  die  Natur  der  Bewegung  ebenso  unbekannt  wie  die  der  Materie,  aber  daß 
der  Mensch  eine  organisierte  Maschine  ist,  steht  fest,  wie  dies  von  den  Tieren 
schon  Descartes  erkannt  hat.  Was  mit  der  Maschine  nach  dem  Tode  geschieht,. 
wissen  wir  nicht;  eine  „ unsterbliche  Maschine"  ist  möglich.  Im  Universum 
gibt  es  nur  „eine  einzige,  verschieden  modifizierte  Substanz". 

Der  Atheismus  ist  nicht  nur  möglich,  sondern  wohltätig;  ein  Staat  von 
Atheisten  würde  der  glücklichste  sein.  Das  Wesen  der  Sittlichkeit  liegt  darin, 
den  anderen  nicht  das  zuzufügen,  was  sie  uns  nicht  tun  sollen.  Nach  Lust 
und  Genuß  strebt  alles  von  Natur,  nach  sinnlichem  oder  geistigem  Genuß. 

Schritten:  Histoire  naturelle  de  l'äme,  1745.  —  L'homrae  machine,  1748;  deutsch 
von  Brahn,  1909  (Philos.  Bibl.).  —  L'homme  plante,  1748.  —  Reflexions  sur  l'origine 
des  animaux,  1750.  —  L'art  de  jouir,  1751.  —  Yenus  metaphysique  ou  essai  sur 
l'origine  de  l'ärae  humaine,  1751.  —  Oeuvres  philosophiques,  1751,  1774,  1796.  — 
Vgl.  F.  A.  LANGE,  Geschichte  des  Materialismus.  —  PORITZKY,  L.,   1900. 

Lamprecht.,  Karl,  geb.  1856  in  Jessen,  Prof.  der  Geschichte  in  Leipzig, 
hat  auch  Schriften  über  historische  Methodologie  und  zur  Geschichtsphilosophie 
verfaßt. 

L.  ist  der  Hauptvertreter  der  deutschen  „kollektivistischen"  Geschichts- 
schreibung. Die  historischen  Zustände  sind  sozialpsychische  Erscheinungen, 
welche  verobjektiviert  sind.  Es  besteht  das  Gesetz  der  „sozialpsychischen  Lebens- 
entfaltung in  einer  Reihe  von  Kulturstufen".  Gemäß  der  „Kultlirgeschichts- 
schreibung" bildet  das  Politische  einen  Teil  des  Kulturgeschehens.  Die  Wirt- 
schaftsentwicklung ist  nicht  die  Ursache,  aber  ein  wichtiger  Faktor  der 
Geschichte.  Die  Geschichte  ist  darzustellen  nach  „Perioden  einer  inneren 
höchsten  Wandlung  der  nationalen  Psyche,  nach  Zeitaltern  des  symbolischen, 
typischen,  konventionellen,  individuellen  und  subjektiven  Seelenlebens",  also 
nach  „Kulturzeitaltern"  mit  überwiegendem  seelischen  Habitus  („Dominante",. 
„Diapason").  Die  Geschichte  ist  „angewandte  Psychologie'*  mit  besonderen 
Entwicklungsgesetzen.  Individuen  und  Masse  wirken  zusammen.  Die  „Heroen" 
sind  nur  „Führer  nach  entwicklungsgeschichtlich  nahe  gelegten,  eben  heran- 
nahenden Zielen  einer  immanenten  Entfaltung". 

Schriften:  Alte  und  neue  Richtungen  in  der  Geschichtswissenschaft,  1896.  — 
Die  kulturhistorische  Methode,  1900.  —  Der  Begriff  der  Geschichte,  1903.  —  Moderne 
Geschichtswissenschaft,  1905;   2.  A.   1909,  u.  a. 

Lamy,  Bernard,    1640 — 1715.  =  Anhänger  Descartes'  und  Malebranches. 

Lamy,  Dorn  Francois,  1636 — 1711,  Benediktiner.  =  Anhänger  von  Des- 
cartes  und  Malebranche,  ( l-egner  der  Leibnizschen  Lehre  von  der  prästabilierten 
Hai  tnonu . 

Schriften:  De  la  connaissance  de  soi  meme,  1694 — 98.  —  Premiers  elemcnts  ou 
entrees  aux  connaissances  solides,  1706.  —  Lettrcs  philosophiques,  1703.  —  Nouvel 
atheisme  renvorn'',   1703  (gegen  Spinoza),  u.  a. 


Laxdauer  —  Lange.  381 


Landauer,  Gustav,  geb.  1870  in  Karlsruhe. 

Von  F.  Mauthner  beeinflußt,  von  dessen  Skeptizismus  er  zur  Mystik,  zum 
Panpsychismus  übergeht.  Die  Welt  ist  eine  „unendlich  komplizierte  Kreuzung 
psychischer  Herrschaf tssyteme"  (vgl.  Nietzsche).  Der  Kaum  ist  rein  subjektiv, 
■die  Zeit  ist  als  „Form  unserer  Ichgefühle"  ebenfalls  subjektiv,  zugleich  aber, 
da  das  Wirkliche  selbst  subjektiv,  psychisch  ist,  real.  Die  körperliche  Welt  ist 
eine  „Metapher  unserer  Sinne",  ein  „Symbol,  ein  Zeichen  für  etwas,  das  gleicher 
Art  ist  mit  unserem  Seelenleben".  Das  Individuum  ist  „das  Aufblitzen  des 
Seelenstroms",  ein  Glied  des  „Seelenflutens'',  das  man  Welt  nennt.  Körper 
und  Geist  sind  innerlich  „Seelemveise".  Das  gemeinsame  Ich  der  Individuen 
ist  des  unendliche  All  mit  seinem  steten  AVerden  und  an  sich  rein  intensiven 
Zuständen. 

Schriften:   Skepsis  und  Mystik,    1903,   u.  a. 

Landesmaim  s.  Lorm. 

Landry,  Adolphe.  =  Xach  L.  ist  die  Moral  die  praktische  Vernunft, 
-welche  die  Gefühle  richtig  wertet. 

Schriften:  Principes  de  morale  rationelle,  1906. 

Lanei'.  Paul.  =  L.  lehrt  einen  „pluristischen  Positivismus".  Es  gibt  nur 
„Vorkommnisse  und  Erlebnisse  der  Lebewesen".  Die  Vorkommnisse  befinden 
sich  in  einem  kontinuierlichen  Zusammenhange  und  Werden ;  sie  werden  an 
Leitfaden  des  Ichgefühls  gereiht.  Die  Einzeldinge  sind  nur  Komplexe  von 
Eigenschaften.  Im  Organischen  gibt  es  keine  Zielstrebigkeit,  wohl  aber  „Form- 
prinzipien". 

Schriften:  Plurismus  oder  Monismus,  1905.   —  Kalla,   1909. 

Lang,  A.  —  Schriften:  Das  Kausalproblem  I:  Gesch.  d.  Kausalprobl.,  1904. 
—  Aphorist.  Betracht,  über  d.  Kausalproblem,   1909. 

Lange.  Carl  Georg,  geb.  1834  in  Kopenhagen,  Prof.  der  Pathologie,  da- 
selbst gest.  1900.  =  Physiologische  Theorie  des  Psychischen;  die  Affekte  erklärt 
L.  (wie  eine  Zeitlang  James)  aus  organischen  (vasomotorischen)  Zuständen. 

Schriften:  Über  Gemütsbewegungen,  1887;  2.  A.  1910.  — -  Sinnesgenüsse  und 
Kunstgenuß,   1903. 

Lange,  Friedrich  Albert,  geb.  1828  in  Wald  (bei  Solingen),  1852  Gymnasial- 
lehrer in  Köln  und  Duisburg,  1855  Privatdozent  in  Bonn,  ging  1806  nach  der 
Schweiz,  wurde  1870  Professor  in  Zürich,  1872  in  Marburg,  gest.  1875. 

L..  dessen  ..Geschichte  des  Materialismus"  von  großer  Wirkung  war,  in 
welcher  einerseits  die  relative  Berechtigung  des  (kritisch-methodischen)  ..Mate- 
rialismus'- (bezw.  Mechanismus),  anderseits  dessen  Unzulänglichkeil  als  Welt- 
anschauung betont  wird,  gehört  zu  den  ersten,  welche  im  Beginn  des  dritten 
Drittels  des  19.  Jahrhunderts  auf  Kant  zurückgingen.  Sein  Standpunkt  Lsl  der 
d«s  kritische n  Idealismus.  Die  Aprioritätslehre  laßt  er  (analog  wie 
Schopenhauer,  Helmholtz  u.  a.)  zum  Teil  psychologisch,  ja  psyehophysisch  auf; 
gefanden  wird  das  A  priori  durch  Induktion,  nicht  apriorisch.  Die  Au- 
schauungs-  und  Denkformen  sind  durch  die  „psychophysische  Organisation0 
bedingt.    „Die  psychophysische  Einrichtung,  vermöge  welcher  wir  genötigt  sind, 


Lange. 

die  Dinge  nach  Baum  und  Zeit  anzuschauen,  ist  jedenfalls  vor  aller  Erfahrung 
gegeben."  Die  Bedingungen  der  Erfahrung  aufzusuchen,  ist  der  Zweck  der 
Vernunftkritik.  Nicht  Begriffe  sind  vor  der  Erfahrung  vorhanden,  sondern  nur 
„solche  Einrichtungen,  durch  welche  die  Einwirkungen  der  Außenwelt  sofort 
nach  der  Regel  jener  Begriffe  verbunden  und  geordnet  werden".  Kants  „reine- 
Vernunft"  läßt  sich  in  Physiologie  übersetzen.  Die  Kategorien  sind  von  Kant 
nicht  wahrhaft  aus  einem  Prinzip  abgeleitet  worden.  Nur  wenn  wir  die  ein- 
fachen und  notwendigen  Elemente  alles  Urteilens  hätten,  könnten  wir  die 
wahren  Kategorien  erhalten.  Der  „synthetische,  schaffende  Faktor"  unserer 
Erkenntnis  erstreckt  sich  bis  in  die  ersten  Sinneseindrücke  hinein.  Das  Wesen 
dieses  Aktes  ist  „stets  gerichtet  auf  die  Erzeugung  der  Einheit,  der  Harmonie, 
der  vollkommenen  Form";  es  ist  dasselbe  Prinzip,  welches  im  Ästhetischen  und 
Ethischen  wirksam  ist. 

Die  Wirklichkeit  ist  der  „Inbegriff  der  notwendigen,  durch  Sinneszwang 
gegebenen  Erscheinungen".  Die  Welt  ist  unsere  Vorstellung,  „ein  Produkt  der 
Organisation  der  Gattung  in  den  allgemeinen  und  notwendigen  Grundzügen 
aller  Erfahrung",  die  „Erscheinung  für  die  Gattung".  Das  „Ding  an  sich"  ist 
nur  ein  „Grenzbegriff"  von  rein  negativer  Bedeutung,  es  ist  absolut  unerkenn- 
bar, ja  sein  Begriff  ist  nur  „die  letzte  Ausgeburt  eines  von  unserer  Organisation 
bedingten  Gegensatzes,  von  dem  wir  nicht  wissen,  ob  er  außerhalb  unserer  Er- 
fahrung irgend  eine  Bedeutung  hat".  Objekte  gibt  es  nur  in  Beziehung  zu 
einem  Subjekt,  nur  als  Erscheinungen ;  auch  die  Sinneswerkzeuge  und .  das 
Gehirn  sind  als  solche  nur  Erscheinungen,  Vorstellungen.  Empfindungen  sind 
unmittelbare,  Atombewegungen  vermittelte,  gedachte  Erscheinungen.  Das  Natur- 
erkennen ist  eben  nur  ein  „Analogon  des  wahren  Erkennens,  ein  Mittel,  uns  zu 
orientieren".  Die  ganze  Erscheinungswelt  als  solche  ist  durch  unsere  Organi- 
sation bedingt,  sie  ist  allgemeingültig-objektiv,  aber  nicht  unabhängige,  absolute, 
letzte  Wirklichkeit. 

Eine  Metaphysik  als  Wissenschaft  ist  unmöglich,  hingegen  ist  sie  als 
„Begriffsdichtung"  von  Wert.  Die  Ideen  der  Vernunft  sind  der  Ausdruck 
der  in  unserer  vernünftigen  Organisation  liegenden  „Einheitsbestrebungen". 
Sie  haben  keinerlei  theoretische  Geltung  im  Gebiete  des  auf  die  Außenwelt  ge- 
richteten Erkennens,  sind  aber  keine  Hirngespinste,  sondern  „in  der  Natur- 
anlage des  Menschen  begründet"  und  nützlich  für  die  Ethik  und  Religion.  Die 
Begriffsdichtung  der  Spekulation  ist  individuell  bedingt,  ohne  den  Zwang  der 
Erfahrungsprinzipien.  Die  Einheitssynthese  folgt  ästhetischen  Prinzipien,  geht 
auf  ein  harmonisches  Weltbild.  Der  Mensch  bedarf  der  „Ergänzung  der  Wirk- 
lichkeit durch  eine  von  ihm  selbst  geschaffene  Idealwelt"  (vgl.  Fr.  Schiller). 
Die  Metaphysik  hat  die  Welt  des  Seienden  mit  der  „Welt  der  Werte"  in  Ver- 
bindung zu  bringen  und  wird  so  ethisch  wirken.  Der  Kern  der  Religion  liegt 
in  der  „Erhebung  der  Gemüter  über  das  Wirkliche  und  in  der  Erschaffung 
einer  Heimat  der  Geister".  Der  göttliche  Wille  wird  als  das  wahre  Wesen 
•neu  Willens  erkannt. 

Der   Materialismus    nun     ist    eine    „vortreffliche   Maxime   der  Natur- 

iiung",  er  gilt  allgemein  für   das  Gebiet  der  Erscheinungswelt,  ohne  aber 


Lange.  383 

eine  Weltanschauung  sein  zu  können,  da  er  einseitig-abstrakt  ist,  nur  eine 
Seite  der  Dinge  berücksichtigt  und  da  das  Bewußtsein  nicht  aus  Physischem 
abzuleiten  ist.  Nur  vom  Standpunkt  der  äußeren  Erfahrung  ist  alles  materiell, 
gibt  es  nur  Bewegung.  Hier  aber  muß  alles,  was  Gegenstand  der  äußeren  Er- 
fahrung ist,  als  materiell-mechanisch  gedacht  werden,  die  Erscheinungsreihe  ist 
geschlossen,  nirgends  dürfen  nicht-physische  Faktoren  eingesetzt  werden.  Da- 
her ist  auch  eine  Wechselwirkung  zwischen  Psychischem  und  Physischem  nicht 
möglich,  nur  ein  Parallelismus  auf  Grund  der  Identität  des  beiden  Er- 
scheinungsreihen Zugrundeliegenden.  Eine  substantielle  Seele  gibt  es  für  die 
Psychologie  nicht  (..Psychologie  ohne  Seele",  Aktualismus).  Die  Physiologie 
aber  muß  .,die  physische  Kausalreihe  ohne  irgendwelche  Berücksichtigung  des 
sogenannten  Bewußtseins  durch  das  Hirn  hindurch  bis  zu  der  ersten  Ver- 
anlassung der  ganzen  .  .  .  Bewegung  zurückverfolgen".  Eben  der  subjektive 
Zustand  des  empfindenden  Individuums  ist  zugleich  für  die  äußere  Beobachtung 
ein  objektiver  Molekularvorgang.  Rein  physiologisch  betrachtet  sind  die  mensch- 
lichen Handlungen  automatische  Bewegungsprozesse;  das  Psychische  ist  nicht 
die  Ursache,  sondern  die  andere  Betrachtungsweise  dieser  Prozesse.  Die  Be- 
wegungen aber  sind,  als  solche  nur  Erscheinungen,  die  Materie  ist  nur  als  Objekt 
des  Bewußtseins  real;  was  ihr  an  sich  zugrunde  liegt,  wissen  wir  nicht,  und  so 
ist  der  Materialismus  als  endgültige  Weltanschauung  unhaltbar. 

In  der  „Arbeiterfrage"  nimmt  L.  einen  sozialen  Standpunkt  ein.  Die 
egoistische  Konkurrenz  unter  den  Menschen  wird  immer  mehr  durch  Vernunft 
und  Sittlichkeit  beschränkt  und  gemildert  werden. 

Schriften:  Die  Grundlegung  der  mathematischen  Psychologie,  1865.  —  Die 
Arbeiterfrage,  1865;  5.  A.  1894.  —  Geschichte  des  Materialismus,  1866;  7.  A.,  hrsg. 
von  H.  Cohen,  1902  (Ausgaben  auch  in  der  Univ.-Bibl.  und  bei  Kröner).  —  Neue  Bei- 
träge zur  Geschichte  des  Materialismus,  1867.  —  Logische  Studien,  1877;  2.  A.  1894. 
—  Vgl.  VAIH1NGER,  Hartmann,  Dühring  und  Lange,  1876.  —  O.  A.  ELLISEX, 
F    A.  L  ,  1891. 

Lange,  Johann  Joachim,  1670 — 1744,  Prof.  der  Theologie  in  Halle, 
Gegner  Chr.  Wolffs,  dessen  Landesverweisung  durch  ihn  veranlaßt  war,  Ver- 
fasser einer  theosophischen  Schrift  „Conspectus  de  medicina  mentis'\ 

Lange,  Karl,  geb.  1849,  Schulinspektor  in  Dresden.  =  Von  Herbart  be- 
einflußt. 

Schriften:  Über  Apperzeption,  1879;   10.  A.  1909.  —  T.  Ziller,   1884,  u.   a. 

Lange,  Konrad,  geb.  1855  in  Göttingen,  Prof.  in  Tübingen. 

L.  ist  ein  Gegner  aller  ,, metaphysisch-transzendentalen"  Ästhetik,  aber  auch 
die  Einfühlungs-  und  Assoziationstheorie  bekämpft  er.  Der  Kern  des  Ästhe- 
tischen ist  die  „bewußte  Selbsttäuschung"  (Illusionstheorie).  „Die  ästhetische 
Lust  beruht  lediglich  auf  der  Stärke  und  Lebhaftigkeit  der  Illusion."  Der 
ästhetische  Genuß  ist  die  Folge  des  Schwankens  zwischen  Wirklichkeits-  und 
Scheinbewußtsein  („Schaukeltheorie'').  Das  Schöne  ist  das,  „was  Menschen 
mit  richtiger  und  intensiver  Naturanschauung  in  Illusion  versetzt".  Die  Kunst 
hat  sich  aus  dem  Spiel  entwickelt,  sie   trägt   zur  Erweiterung  und  Vertiefung 


Lange  —  La  Rochefoucauld. 


unseres  geistigen  und   körperlichen    Lebens    und    dadurch    zur  Erhaltung  und 
Vervollkommnung  der  Gattung  bei. 

Schriften:  Gedanken  zu  einer  Ästhetik  auf  entwicklungsgeschichtlicher  Grundlage, 
Zeitschr.  f.  Psychol.  der  Sinnesorgane,  Bd.  14.  —  Die  bewußte  Selbsttäuschung,  1895. 
—  Das  Wesen  der  Kunst,  1902;  2.  A.  1908.  —  Über  die  Methode  der  Kunstphilosophie, 
Zeitschr.  f.  Psychol.  der  Sinnesorgane,  1904.  —  D.  Wesen  d.  künstler.  Erziehung,  1902,  u.  a. 

Lange,  Ludwig,  geb.  1863  in  Gießen.  =  Standpunkt  der  experimentellen 
Psychologie  Wundts. 

Schriften:  Die  geschichtliche  Entwicklung  des  Bewegungsbegriffes,  Philos.  Stud.  III, 
1886.  —  Der  Bewegungsbegriff,  1886.  —  Neue  Experimente  über  den  Vorgang  der  ein- 
fachen Reaktion  auf  Sinneseindrücke,  Philos.  Stud.  IV.  —  Über  das  Maßprinzip  der 
Psychophysik,  Philos.  Stud.  X,  u.  a. 

Langenbeck,  Hermann.  =  Standpunkt  Lotzes. 

S  chrift  en :   Das  Geistige  nach  seinem  ersten  Unterschiede  vom  Psychischen,  1864,  u.  a. 

Langer,  P.,  geb.  1851  in  Oppeln,  Realschuldirektor  in  Ohrdruf. 

Schriften:  Die  Grundlagen  der  Psychophysik,  1876.  —  Psychophysische  Streit- 
fragen, 1893. 

Languet,  Henry  (Pseud.  „Junius  Brutus"),  1518—1581.  ==  H.  gehört  zu 
den  „Monarchomachen",  den  Verfechtern  der  Volkssouveränität  auch  dem 
Herrscher  gegenüber. 

Schriften:  Vindiciae  contra  tyrannos,  1597. 

Lao-tse,  chinesischer  Philosoph,  geb.  604  v.  Chr.  im  Dorfe  Kü-dschcu, 
Geschichtsschreiber  des  Staatsarchivs,  soll  später  nach  Westen  gewandert  und 
dort  verschollen  sein.  =  Nach  L.  ist  der  Urgrund  der  Dinge  das  „Tao"  (Weg, 
Vernunft),  zugleich  Weg  und  Ziel  des  Handelns.  Anfangs  war  es  allein,  die 
Welt  ist  aus  ihm  emaniert,  wobei  es  selbst  unwandelbar  und  unvergänglich 
bleibt,  immateriell,  eigentlich  nicht-seiend,  unerkennbar.  Außer  dem  Tao  ist 
alles  nichtig,  die  Sinnenwelt  als  solche  ist  wertlos,  die  ewige  Ruhe  im  Tao  ist 
das  höchste  Ziel. 

Schriften:  Taöte-king;  deutsch  von  V.  v.  Strauß,   1870;  von  C.  W.  Noack,   1888. 

Laplace,  P.  S.,  1749—1827,  der  berühmte  Astronom,  ist  philosophisch 
durch  seine  „Exposition  du  Systeme  du  monde"  (1796),  mit  ihrer  bekannten 
Theorie  der  Weltentstehung  (vgl.  Kant)  von  Bedeutung,  ferner  durch  den 
„Laplaceschen  Geist",  welcher  aus  einer  gegebenen  Weltformel  alle  künftigen 
\\'<  ltzustände  erkennen  könnte. 

Schriften:  Mecanique  Celeste,  1799  ff.  —  Essai  philos.  sur  les  probabilites,  1814; 
deutsch   1819. 

Lapoiige,  G.  Vacher  de.  =  Vertreter  der  anthropologisch-darwinistischen 
Soziologie  (Betonung  der  Rasse  und  der  Selektion,  Überlegenheit  des  lang- 
schadeligen,  blonden  Ariers). 

Schriften:  Les  selections  sociales,  1896.  —  L'Aryen,  1899.  —  Kace  et  milieu 
■ocial,  1909,  u.  a. 

.La  Rochefoucauld,  Franyois  von,  1613—1680.  =  Moralist,  nach 
welchem   der  Egoismus  die  Quelle  alles  Handelns  ist.     Unsere  Tugenden  sind 

nur  Ausfluß  des  Interesse-  oder  gar  verkappte  Laster  (..vices  d£guise*s"). 


I.A     KM«   H;  II.  Las  M 

;.  ritten:      Ketlexions     ou    sentences    et    maximes    raoralea,     1 »:  • 
deutsch   1906   und  in  der   l'niv.-Bibl.  —  Oeuvre«,   1818,   1868- 

I  ,ai  oini^niore.  Pierre,  geb.  1756  in  Lävignac,  Prof .  in  Pari«  (1810-  I 

L.  geht  aber  den  Sensualismus  des   ls.  Jahrhui»  ..  B 

Aktivität  da   -        hinan-,  welche  die  Quelle  der  Begriffe  ist     Durch  - 
ae  Tai  -  irtivit.'  propre1*)   bemeisten   di  9ch   das  Empfindui 

material.    1  >ic  Sinj  erhalten  >i<h   bei   der  Bildung  dei 

aktiv,  rein  passiv  sind  nur  di.-  Siimesemdr&cke.     Die  Seele  ist 
modifu  K'ratt  („une  foroe  .  .  .  <jui  se  modifie  eüe-meme")«     I1 

ndtätigkeil    („Toperation    Eondamentale,   la    heulte*    premiere,    de    laquelle 
derivent  toutes  les  autres  Eacultes")  ist   die   Aufmerksamkeit  i..la  con© 

tion  de  1'activite"  de  L'ime  bot  an  objet"),  welche  die  Vorstellungen  kl 
macht  and  einzelne  heraushebt  Durch  deren  Wirkung  entstehen  VorsteUuj 
und  D  -  Bewußtsein  der  Tätigkeil   der  Seele   hat    mit  den   Empfin- 

dungen nichts  gemein,   ist   eru       -  Außer  den    Einzelvorstelluj 

haben   wir  Beziehungsempfindungi         -     tunent-rapport"),   aus   welchen  durch 
Aufmerksamkeit     und     Vergleichung    die     Relationsbegriffe    hervorgehen, 
lonc  L'activite*  (jui  fait  eclore  lea  gennea  qim  la  natuiv  a  d.'|>ns»'s  dan-  !•■ 
timent"  (Lecons,  T.  II.  p.  103),    Vergleichen   und  überlegen  (raisonn* 
durch  welche  dir  gnaam mengesetzten  und  einfacht     !•  Si  werden, 

1  nur  verschiedene  Arten  der  Aufmerksamkeit  („diverse«  manJ  donner 

ntion").    I>i.-  Id.  .   (Vorstellu  die  von  anderen  Empfin- 

dung Empfindung   („le  sentimenl  demele*  d'avec  d'aul 

Lesqueb   il  se  trouvail  confondu  i-t    „im    rapjM.rt  de  distii 

1'  -   Denken   analysiert,   isoliert,   vergleicht,   ordnet  usw.     Im.-    Ideen    sind   ab 
|:  i    Urteile    besondei  (mit    nur   einem    bestimmt 

das    urteil    im    engeren   Sinne    i-t   di     Erfasc  eina    Bi 

h    i  /\\<-i  deutlichen  und   gesonderten  Gliedern   („pereeption  du  rapport 
l  ein  1  rteil  „par  Bentiment"  (Gefühlsurteü),  „par  idees"   und  „pai 

mation'     Bai         I'      lletl  Denkens  isl   von   der  Sprache  abhüiif  . 

ichkunst  i,.l";irt  de  parier").     Da    menschliche  Geist   ist   „toul 
-  l'artifiec  du  1  In  der  Verbindung  der  Vorstellungen   und  in 

1  sich  die 

mnement"      1 1  h  ren  ist  die  Richtung  d<  i   - 

•  in    Bedürfnis    l  hende.      Sind     mehrer     !'■• 

banden,  so  kommt  ei  ram  Vorziehen,  rar  W  ■  h  1  und  damit  zur  psych«»! 
ethischen  Willensfreiheit     Diese  ist    ..!<•  pom 

loir,  apres  d&iberation",   nicht    als    blinde,  grundl«       w    ; 
opfern  rtige  J  l  archl  roi  ' 

| 

I.  \MI.    Ls 

aheil  ein 


386  Lasaulx  —  Lasson. 


Schriften:  Neuer  Versuch  einer  allein  auf  die  Wahrheiten  der  Tatsachen  ge- 
gründeten Philosophie  der  Geschichte,   1857.  —  Philosophie   der   schönen  Künste,  1860. 

Lask,  Emil,  geb.  1875  in  Wadowice  (Österreich),  Prof.  in  Heidelberg.  == 
Standpunkt  des  kritischen  Idealismus.  Nach  L.  sind  „Erkennen  als  subjektives 
Korrelat  des  objektiven  Wahrheitsgeltens  und  ethische  Hingabe  an  die  Wissen- 
schaft voneinander  zu  scheiden"  (gegen  den  Primat  des  Ethischen  in  der  Logik). 

Schriften:  Fichtes  Idealismus  u.  d.  Geschichte,  1902.  —  ßechtsphilosophie,  in:  Die 
Philosophie  im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Windelband  u.  1905.  —  Gibt  es 
einen  „Primat  der  praktischen  Vernunft"  in  der  Logik?  Bericht  über  den  III.  intern.  Kon- 
greß f.  Philos.,  1909,  S.  671  ff.  —  D.  Logik  d.  Philos.  u.  d.  Kategorienlehre,  1911,  u.  a. 

Lassalle,  Ferdinand,  geb.  1825  in  Breslau,  gest.  1864  in  Eigi  im  Duell. 
=  L„  der  bekannte  Sozialist,  der  für  Produktiv- Assoziationen  der  Arbeiter  mit 
^taatskredit  und  für  das  allgemeine  Wahlrecht  eintrat,  ist  in  der  Idee  seines- 
nationalen Sozialismus  von  Fichte  beeinflußt,  sonst  aber  Hegelianer.  Als  solcher 
unterscheidet  er  von  der  sinnlichen  individuellen  Existenz  das  Allgemein-Ideelle 
der  Dinge,  wie  es  die  Sprache  zum  Ausdruck  bringt.  Die  Rechtsformen  sind 
historisch  und  national  bedingt. 

Schriften:  Die  Philosophie  Herakleitos'  des  Dunkeln  von  Ephesos,  1858  (L.  findet 
bei  Heraklit  schon  den  Keim  der  Hegeischen  Dialektik).  —  Das  System  der  erworbenen 
Rechte,  186  t;  2.  A.  1880.  —  Die  Wissenschaft  und  die  Arbeiter,  1863.  —  Eeden  und 
Schriften,  1891—94.  —  Gesamtwerke,  5  Bde.,  1899  ff.  —  Vgl.   OXCKEN,  L. 

Las§on,  Adolf,  geb.  1832  in  Altstrelitz,  Gymnasialprofessor  und  Honorar- 
professor in  Berlin. 

L.  vertritt  einen  (durch  Aristotelische  u.  a.  Elemente)  modifizierten  Hegelianis- 
mus. Der  empirische  Inhalt  der  Erkenntnis  läßt  sich  nicht  aus  dem  reinen 
Denken  ableiten,  aber  dieses  selbst  ist  die  apriorische  Grundlage  des  Erkennens,. 
es  setzt  nichts  als  sich  selbst  voraus,  um  gültig  zu  sein  und  sucht  im  Seienden 
überall  die  immanente  Vernunft.  Das  Wesen  der  Dinge  ist  der  sich  in  der 
Natur  veräußerlichende,  objektivierende  Geist,  dessen  höchste  Form  Gott  ist* 
die  Individuen  bilden  zusammen  ein  „Reich  der  Zwecke".  —  Im  Recht  und  in 

Sittlichkeit  wie  in  der  Religion  manifestiert  sich  die  praktische  Vernunft. 
Die  Rechtsphilosophie  ist  die  „Wissenschaft  von  dem  Gerechten,  wie  es  im 
Rechten  immanent  ist".  Ein  Naturrecht  gibt  es  nicht,  sondern  im  positiven 
Recht  selbst  ist  die  Rechtsvernunft  aufzusuchen. 

Die  Welt  ist  eine  „Welt  von  Gedanken".  Das  wahrhaft  Seiende  muß  die 
Natur  des  Begriffs  an  sich  tragen.  Die  „Ideen"  schweben  nicht  über  den 
Dingen,  sondern  sie  sind  „die  Dinge  selber,  Substanz,  Wesen  und  Begriff  der 
Dinge  und  darum  zugleich  ihre  Wahrheit  und  Wirklichkeit".  Die  Sinnlichkeit 
ist  bloß  der  Anfang  des  Daseins  der  Dinge.  Die  Materie  strebt  überall  nach 
bestimmten  Formen  aus  inneren  Antrieben,  der  „Begriff"  herrscht  auch  in  ihr. 
Die  Materie  ist  „an  sich  seelenhaft",  nicht  schon  beseelt,  aber  beseelbar.  Die 
..Form"  ist  das  in  den  stofflichen  Veränderungen  wirksame  Gesetz,  das  ge- 
staltende Prinzip,  der  „eigentliche  Leib".  Das  Seiende  am  organischen  Leibe  ist 
., Gesetz    seiner   Entwicklung".      Der   Leib   ist    an    sich    ein    „System    von 


LA860H  —  Lasswitz.  387 


ideellen  Beziehungen-'.    Die  „Farm"  nur  macht  ihn  zu  einem  identischen;  sie 

die  ..Substanz  des  Leibes",  das  Stoffliche  am  Leibe  ist  nur  Akzidenz,  Mittel 
zum  Zwecke  der  Formerhaltung.  Der  Leib  ist  an  sich  kein  Ding,  Bondezn 
ein  Vorgang,  ein  sich  Aufbauen.  Der  Leib  ist  „ßeelenerscheinung",  „Erzeugnis 
der  Seele".  „Die  schöpferische,  die  bildende  Einheit  ist  die  Seele,  und  der 
Leib  die  durch  sie  gestaltete  ausgebreitete  Mannigfaltigkeit.  Mag  man  den 
Körper  der  Physiologie  überlassen  —  der  Leib  gehört  in  die  Psychologie.- •  Die 
materielle  Körperlichkeit  mit  ihrer  lebendigen  Bewegung  ist  ,,die  Erscheinung 
der  beseelten  Leiblichkeit,  die  das  Selbst  zu  ihrem  Einheitsbande  hat  und  deren 

tnsäußerungen  die  Verwirklichung  des  Selbstes  bilden".  Alle  inneren 
Tätigkeiten  haben  am  Leibe  „ein  Gegenbild  und  eine  Äußerung".  Der  Leib 
ist  in  jedem  Momente  der  „Niederschlag  des  gesamten  Inhalts  aller  onserei 
Erlebnisse".  Alles  ist  in  ihm  aufbewahrt  (Gedächtnis).  Das  Ich  oder  Selbst 
ist  kein  Selbst  ohne  den  Leib,  der  Leib  ist  nur  als  Leib  dieses  Selbstes;  ans 
Leib  und  Selbst  besteht  der  Mensch.  Die  Seele  ist  „gestaltende  Form,  Einheit, 
Macht  der  Selbsterhaltung  und  der  Erhaltung  der  Gattung,  Entelechie,  innerer 
Zweck".  Der  eigentliche,  innere  Leib  ist  die  Seele  selbst  (Identität  bei  y.t- 
»ehiedener  Kr-<luinungsweise);  die  Seele  ist  das  Wesen,  der  Leib  dessen  Er- 
-«•heinung,  der  Ausdruck  der  Seele,  da-  „äußerlich  geworden ••  Gedächtnis  der 
i  vgl.  ßergson).    Das  Allgemeingültige  im  Denken,   Fühlen   und  Wollen 

der  Geist.  Leib,  Selbst,  Seele  Bind  Vorstufen  und  Mittel  für  den  Geist 
alfl  den  /weck  und  das  Zi.l  der  Entwicklung. 

Schriften:  Fichte  im  Verhältnis  zu  Kirche  und  Staat,  18G3.  —  Meister  Eckhart, 
1868.  —  Das  Kulturideal  und  der  Krieg,  1868.  —  De  causis  finalibus,  1876.  —  Über 
Gegenstand  und  Behandlungsart  der  Eeligionsphilosophie,  1879.  —  System  der  Rechts- 
philosophie, 1882.  —  Entwicklung  des  religiösen  Bewußtseins  der  Menschheit,  1883.  — 
Der  Satz  vom  Widerspruch,  1886.  —  Vorbemerkungen  zur  Erkenntnistheorie,  Philos. 
Monatshefte,  1889.  —  Zeitliches  und  Zeitloses,  1890.  —  Das  Gedächtnis,  1894.  —  Der 
Leib,   1898,  u.  a. 

I.allwitz.   Kunl,   geb.    1S4n   in    Breslau,   Gymnasialp]  ha, 

.  1910. 

L  Bteht  auf  dem  Standpunkte  des  kritischen  Idealismus,  den  er  mit  dem 
Panpsychismns  Fechnen  verbindet,  mit    Pesthaltung  der  rein  physischen    Be- 

btungsweise  der  <  Organismen  (als „Gefüge")  vom  Standpunkte  der  äußeren  Er- 
fahrung den  Vitalismus).  Die  Objekte  Bind  Dicht  fertige  Dinj  lern 
Bestimmungen,  wodurch  Di  setzmäAij  stellt  werden,  Zusammenhä 
in  gesetzmäßiger  Einheit  Die  Wirklichkeil  ist  nichts  fori  i  sondern 
•  in  denkend  eu  Erzeugendes,  wobei  der  Inhalt  des  subjektiven  Erlebens  nien 
der  Weltinnall  ist,  nur  ein  „inangelhaft  bestimmbares  Bruchstück  des  Ganzen", 
apriorische  Gesetze  ermöglichen  erst  die  Natur  als  solch/  I  -  nicht  die 
einzige  Realität,  es  Lril»t  Bedingungen  anderer  Wirklichkeiten,  einer  „Well  der 
Werte",  einer  sittlichen  Welt  mit  dem  „Grundgeseti  da  Freiheit'.    AI-  Einzel- 

-II  Bind  wir  ein  Teil  der  Natur  and  zugleich  Glieder 
enthalten  im  anendlichen  göttlichen  Geiste. 

D      Dinge   als   Objekte    und    all    Vorstellungen    sind    nur    rerschiedi 


38S  Lasswitz  —  Lautere  Brüder, 


Gruppierungen  und  Bezüge  derselben  Elemente.  Die  allgemeinen  Gesetze  des 
Weltinhalts  sind  zugleich  die  Gesetze  des  Bewußtseins,  indem  die  Erkenntnis 
zugleich  mit  dem  objektiven  Gegenstand  die  subjektive  Vorstellung  erzeugt. 
Seelen  sind  „Einheiten,  deren  Inhalt  in  Form  der  Bewußtheit  als  Selbst- 
erlebnis auftritt".  „Was  eine  Einheit  darstellt,  das  erlebt  sich  in  dieser  Einheit 
in  der  Form  des  Psychischen;  ihr  gegenüber  ist  alles  andere  ein  Physisches." 
Es  ist  nur  eines,  das  eben  erst  wird,  indem  es  in  dieser  doppelten  Beziehung 
auftritt.  Es  gibt  Planetenseelen,  eine  „Erdseele"  (vgl.  Fechner);  der  „Geist  der 
Menschheit"  hat  Selbstbewußtsein  und  gliedert  sich  dem  Allgeist  ein. 

Schriften:  Atomistik  und  Kritizismus,  1878.  —  Natur  u.  Mensch,  1878.  —  Die 
Lehre  Kants  von  der  Idealität  der  Raumes  und  der  Zeit,  1883.  —  Geschichte  der 
Atomistik  vom  Mittelalter  bis  Newton,  1889 — 90.  —  Von  der  psychophys.  Energie  und 
ihren  Faktoren,  Archiv  f.  systemat.  Philos.,  1895.  —  Über  moderne  Energetik,  Philos. 
Monatshefte,  1893.  —  Wirklichkeiten,  1900;  2.  A.  1903;  3.  A.  1908.  —  Religion  und 
Naturwissenschaft,  1904.  —  Seelen    und    Ziele,    1908.    —   G.  Th.  Fechner,    2.  A.  1901. 

—  Auf  zwei  Planeten  (Roman)  u.  a. 

Lanrie,  Simon  S.  (Pseud.  Scotus  Novanticus),  geb.  1823  iii  Edinburgh, 
Prof.  daselbst,  gest.  1909. 

L.  ist  besonders  von  Martineau  beeinflußt,  Während  im  Zustande  des 
Gefühls  noch  keine  Unterscheidung  von  Subjekt  und  Objekt  besteht,  wird  im 
Menschen  das  Subjekt  sich  seiner  als  Aktivität  gegenüber  Objekten  bewußt, 
Alles  Erkennen  ist  durch  einen  Wahrnehmungs-  oder  Denkwillen  bedingt ; 
die  Wahrnehmung  selbst  beruht  schon  auf  einem  „dialektischen"  Prozeß,  auf 
einer  Kritik  der  Empfindungen  seitens  des  aktiven  Subjekts.  Denken  und 
Sein  entsprechen  einander,  in  beiden  manifestiert  sich  ein  Vernunftwille 
(,.will-reason"),  der  auch  die  Quelle  des  Sittlichen  ist.  Das  absolute  Sein  ist 
also  geistig;  im  göttlichen  Geiste  sind  die  Einzelgeister  enthalten  („Monistischer 
Pluralismus"). 

Schriften:  Philosopby  of  Ethics,  1866.  —  Metaphysica,  nova  et  vestuta,  a  return 
to  dualism,  1884;  2.  ed.   1889.  —  Ethica,  or  the  Ethics  of  Reason,  1885;  2.  ed.  1891. 

—  Institutes  of  Education,  2.  ed.  1899.  —  Vgl.  REMACLE,  La  philosophie  de  S.  L.,  1909. 

Lautere  Brüder  (Ichwän  es  safä,  Brüder  der  Reinheit),  ein  arabischer 
Geheimbund,  aus  dem  im  10. — 11.  Jahrhundert  eine  Enzyklopädie  von  51  Büchern 
hervorging. 

Der  Standpunkt  der  L.  B.  ist  ein  Eklektizismus  mit  starkem  neupythago- 
reisch-neuplatonischen    Einschlag    und   im   Einzelnen   mit   Aristotelischen   An- 
schauungen.     Die  Weltanschauung   ist  hier  die  des  Emanationssystems.     Aus 
göttlichen  Einheit  geht  der  Geist,   aus  diesem  die  Weltseele  hervor,  usw. 
bis  zu  den   stofflichen   Dingen,    wobei   jede   Emanationsstufe   einer   Zahl  ent- 
spricht.    Die  Zahlen  sind  die  Urbilder  der  Dinge,   die   zusammen   ein   harmo- 
nisches,   überall   zusammenhängendes    System    bilden.     Die  Natur  ist  eine  von 
en  Kräften  der  Allseele,    die   von   derselben  in  alle  Körper   unter  dem  Monde 
a1   is1  und  alle  ihre  Teile  durchdringt.     Sie  ist  ein  Engel  Gottes,  eine 
Dienerin   desselben,   denn  Gott  wirkt  nicht  direkt.     Die  Welt  ist  ein  Organis- 
ein  „Mensch  im  Großen".     Die  Allmaterie  ist  der  absolute  Körper,  aus 


Lautere  Brüder  —  Lazarus.  389 

dem  die  Gesamtheit  der  Welt  stammt.    Die  (vier)  Elemente  Bind   Naturkörper, 
ii   denen   einer    in    den    andern   sich  verwandelt    (z.  B.  die  Luft    in    Wasser). 
Die  von  der  Materie  freien  Formen    sind    ewige   Substanzen;    /.n   ihnen   gehört 
die  menschliche  Seele,  die  nicht  getrennt  von  der  Allseele  besteht 

Vgl.  F.  DlETERICI,  Die  Philosophie  der  Araber  im  X.  Jahrhundert,  1865  ff.  — 
Die  Abhandlungen  der  Ichwän  es  safä,  1883  ff. 

Law,  Edmund.  1703—1787. 

L.  bildet  im  Anschluß  an  die  Unendlichkeitslehre  Lockes  die  Theorie  von 
Raum  und  Zeit  (gegen  Newton,  Clarke  u.  a.)  im  idealistischen  Sinne  weiter. 
In  der  Erkenntnis  kommt  es  nur  auf  die  Beziehungen  zwischen  den  Vor- 
stellungen selbst  an.  Unendlich  sind  Raum  und  Zeit,  weil  die  Fähigkeit  des 
Intellekts  (Zählen)  ins  Unendliche  geht,  weil  jene  nichts  an  sich  Seiendes  sind 
(..because  they  have  not  real  existent  nature  at  all").  Alle  „relative  ideas" 
Bind  nur  Ideen  in  menschlichen  Geistern  (,, ideas  only  in  mens  mind")  ohne 
„externa]  archetypes".  Das  ideale  Universum  hat  in  unserem  Geist  einen 
idealen  Ort,  wo  die  Raumvorstellung  ein  Maß  für  die  Relationen  der  Dinge 
abgibt.  Die  Quelle  der  Raum-  und  Zeitvorstellung  ist  die  Einbildungskraft, 
die  Assoziation. 

Schriften:  An  enquiry  into  the  ideas  of  space,  tirae,  immensity  and  eternity, 
1734.  —  An  Essay  in  Bthicc,  177  7.  —  Vgl.  CASSIRER,  Das  Erkenntnisproblem 
11,  368  ff. 

Lawrow,  Peter,  1823 — 190),  war  Offizier;  russischer  Geschichtsphilo- 
Boph.  =  L.  Btehl  auf  dem  Standpunkt  des  Positivismus,  Relativismus  and 
„Subjektivismus",  insofern  nach  ihm  das  An  sich  der  Dinge  unbekannt  i-t. 
wir  nur  Erscheinungen  kennen  und  das  Ich  (die  Summe  der  individuellen 
Subjekte)  das  Agens  der  Gesellschaft  und  der  Geschichte  ist.  Strenge  histo- 
rische Gesetze  gibt  es  nicht.  In  der  Geschichte  sind  Bedürfnisse,  Triebe. 
Willensakte  wirksam,  ebenso  Ziele,  Ideen,  Ideale.  Die  grollen  Persönlich- 
keiten verwirklichen  soziale  [nteressen.  Ein  uberindividueller  Gesamtgeist 
steht  nicht 

Schriften:  Historische  Briefe  (deutsch),  1901.  —  Russische  Schriften :  Die  Auf- 
gabe des  Positivismus,  1868.  —  Umrisse  des  systematischen  Wissens,  1871 — 73.  — 
Versuch  eines  Gedankens  der  Neuzeit,   1886  lt.,  u.  a. 

Lazarus,  Moritz,  geb.  1884  in  Filehne,  Prof.  in  Bern,  dann  an  der 
Kriegsakademie  in  Berlin,  seit  is7:i  Honorarprofessor  an  der  Berliner  Univer- 
sität, gest  1908  in  Meran. 

I...  der  von  Herbart  ausgegangen  ist,  aber  in  vielem  von  ihm  abweicht, 
l-i.  mit  Steinthal,  ein  Begründer  der  Völkerpsychologie.  Diese  i-t  dir 
„Psychologie  des  gesellschaftlichen  Menschen  oder  der  menschlichen  Gesell- 
schaft", sie  hat  eine  Erkenntnis  des  „Volksgeietes"  ra  erstreben,  i-t  die 
„Wissenschaft  vom  Volksgeiste",  von  diu  „Elementen  und  Qesetsen  des 
ätigen  Völkerlebens".  Sie  hat  es  mit  den  Gesetzen  des  menschlichen  Zu- 
sammenlebens sowie  mit  dm  Gebilden  desselben  (Recht,  Bitte,  Sprache  am 
eu  tun.  dann   aber  auch  mit  der  Psychologie  der  Einzelvölker.     Der   Voll 


390  Lazarus  —  Le  Bon. 


geist  ist  zwar  kein  metaphysisches  Wesen,  keine  Persönlichkeit  außerhalb  der 
Einzelgeister,  aber  als  das  Gemeinsame  der  Tätigkeiten  dieser,  als  Produkt 
ihrer  Wechselbeziehungen  hat  er  volle  Realität;  er  beherrscht  das  geistige 
Leben  der  Individuen  und  diese  sind  von  ihm  abhängig,  wirken  im  Sinne  des 
Gesamtgeistes,  der  in  den  Persönlichkeiten  selbst  tätig  ist.  Die  Gebilde  des 
„objektiven  Geistes"  (des  bleibenden  Resultates  geistiger  Prozesse)  treten  dem 
Einzelnen  als  selbständige  Mächte  entgegen.  In  der  Geschichte  wirken  vor 
allem  psychische  Kräfte  und  Ideen  als  Ziele  des  Willens.  Die  Ideen  (z.  B. 
die  sittlichen)  sind  reale  Mächte,  produktive  Kräfte.  Die  Geschichte  zeigt  eine 
immer  umfassendere  Entwicklung  der  Humanitätsidee.  Eine  Kontinuität 
der  Kultur  besteht,  und  durch  psychische  „Verdichtung"  und  „Übertragung" 
wird  der  Fortschritt  beschleunigt. 

Unter  der  „Apperzeption"  versteht  L.  die  Reaktion  der  „vom  Inhalt  be- 
reits erfüllten,  durch  die  früheren  Prozesse  seiner  Erzeugung  ausgebil- 
deten Seele".  Die  Sprache  ist  ein  natürliches,  soziales  Erzeugnis.  Die 
Sprachlaute  sind  zunächst  Erfolge  von,  durch  Empfindungen  und  Vorstellungen 
veranlaßten,  Reflexbewegungen.  Die  Sprachgenossen  verbinden  mit  der 
gleichen  Anschauung  den  gleichen  Laut.  Das  Wort  ist  Zeichen  der  Sache, 
zugleich  aber  Ausdruck  und  Erscheinung  der  subjektiven  Auffassung.  „Innere 
Sprachform"  ist  die  Beziehung  der  vielseitigen  Sache  zum  Menschen ,  ver- 
mittelt durch  die  Sprache. 

Schriften:  Die  sittliche  Berechtigung  Preußens  in  Deutschland,  1850.  —  Über 
den  Begriff  und  die  Möglichkeit  einer  Völkerpsychologie,  in:  Deutsches  Museum,  hrsg. 
von  Prutz  und  Wolfsohn,  1851.  —  Das  Leben  der  Seele,  1856  f.;  3.  A.  1883  ff.  (Haupt- 
werk). —  Über  den  Ursprung  der  Sitten,  1860;  2.  A.  1867.  —  Begriff  und  Methode 
der  Völkerpsychologie,  Zeitschr.  f.  Völkerpsychol.  I,  1860.  —  Über  die  Ideen  in  der 
Geschichte,  1863;  2.  A.  1872.  —  Zur  Lehre  von  den  Sinnestäuschungen,  1867.  — 
Ideale  Fragen,  1878;  3.  A.  1885.  —  Über  die  Eeize  des  Spiels,  1884  (das  Spiel  dient 
der  „Erholung").  —  Die  Ethik  des  Judentums,  1898.  —  Lebenserinnerungen,  1906, 
u.  a.  —  Vgl.  A.  LEICHT,  L.,  der  Begründer  der  Völkerpsychologie,  1904. 

Le  Bon,  Gustave,  Paris. 

Nach  L.  sind  die  Massen  keine  Kulturerzeuger,  sie  wirken  nur  negativ, 
sind  impulsiv,  suggerierbar,  intolerant,  konservativ,  unterliegen  dem  Einflüsse 
ihrer  Führer  usw.  Es  gibt  homogene  und  heterogene  Massen.  Das  In- 
stinktive, Triebartige,  Unbewußte,  Alogische  kommt  in  jeder  Massenseele  zur 
Geltung;  die  Individualität  der  Mitglieder  der  Masse  tritt  zurück.  Eine  ein- 
heitliche, neue  Psyche,   die  „ Massen seele",   bildet  sich  („loi  de  Punite  mentale 

faules")-  „Die  bewußte  Persönlichkeit  schwindet,  die  Gefühle  und  Ge- 
danken aller  Einheiten  sind  nach  derselben  Eichtung  orientiert.  Es  bildet  sich 
eine  Kollektivseele." 

Die   Materie  ist  nach  L.   ein    Kraftreservoir    („un   simple   reservoir   des 

forces"),  eine  relativ  stabile  Energieform;  sie  besteht  aus  Atomen,  die  mit  sehr 

großer   Geschwindigkeit   sich   bewegen.     Allmählich  wandelt  sich  die  Materie 

durch  Dissoziation   der  Atome  in  reine  Energie  um,  so  daß  sie  also  nicht  im- 

rtörbar  ist;  die  Masse  ist  nur  das  Maß  der  Trägheit. 


Le  Box  —  Le  Grand.  391 


Schriften:     L'homrae  et  les  societcs,    1878.    —    Les   loia  psychologiques  de  l'evo- 
lution  des  peuples,   1894.    —   Psychologie  des  foules,    1895;    deutsch   1907.    —    Psy. 
logie   du   socialisme,    1902.    —    L'evolution  de  la  niatiere,    18.  ed.    —    L'evolution    de  la 
force,   10.  ed.,  u.  a. 

Lechalas,  (Georges.  —  Schriften:  Etüde  sur  l'espace  et  le  terups.  —  Etudes 
esthetiques,  1902. 

JLeelair.  Anton  v. ,  geb.  1848  in  Verona,  Schulrat,  einer.  Gymnasial- 
professor in  Wien. 

L.  vertritt  den  Standpunkt  des  erkennt Distheoretischen  Monismus  (Idealis- 
mus) und  gehört  zu  den  ,,Immanenzphilosophen,\  Denken  und  Sein  sind 
keine  absoluten  Gegensätze,  sondern  Korrelate,  zwei  Ausdrüeke  für  dasselbe 
Gegebene.  Denken  ist  ,,das  Haben  der  Bewußtseinsdata  unter  Gesichtspunkten 
der  Tätigkeit-',  Sein  ist  der  ,, Bewußtseinsinhalt,  an  dem  wir  uns  überhaupt 
erst  einer  Tätigkeit  bewußt  werdend  „Sein"  ist  nur  der  „höchste  Gattungs- 
begriff all«-  desjenigen,  was  Bewußtseinsdatum  ist  oder  sein  kann'*.  Denken 
i-t  <t«t<  ..Denken  eines  Sein'-,  Sein  stets  ,. gedachtes  Sein'-.  Aber  es  gibt  \.i- 
Bchiedene  Arten  dieses  Seins  und  somit  verschiedene  „Wirklichkeitsgrade4'. 
Die  psychischen  Tatsachen  verlauten  nur  zeitlich  und  zeigen  uns  die  Zustand, 
und  Veränderungen  unseres  Bewußtseins  in  ihrer  unmittelbaren  Wirklichkeit. 
Vorstellungs-Akt  und  Vorstellungs-Inhalt  sind  zu  unterscheiden.  —  Die  Logik 
beschäftigt  Bich  mit  den  ..Normalgesetzen  des  Denkens".  „Richtigkeit-  i<t 
ein«-  formale  Eigenschaft  des  Denkens,  ..Wahrheit--  (und  Evidenz)  eine  mate- 
riale  Eigenschaft  des  Denkproduktes.  Die  obersten  Relationsbegritte  (Gleich- 
heit, Ähnlichkeit,  Kraft,  Ursache,  Einheit  u.  a.)  Bind  Begriffe,  die  nur  die 
Denktätigkeit  seilet  zum  Inhalt  haben;  die  Funktion  dieser  Begriffe  i-t  dem 
«lenkenden  Geiste  eingeboren. 

Schriften:  Kritische  Beiträge  zur  Kategorienlehre  Kants,  1877.  —  Der  -Realis- 
mus der  modernen  Naturwissenschaft  im  Lichte  der  von  Berkeley  und  Kant  angebahnten 
Erkenntniskritik,  1879.  —  Beiträge  zu  einer  monistischen  Erkenntnistheorie,  1882.  — 
Lehrbuch  der  allgemeinen   Logik,  1894;  3.  A.   1903  (mit  G.  A.  Lindner). 

I^eHere«  Albert,  Prof.  in  Bern.  =  nationalistischer  Standpunkt. 

S    hrifton:  Essai  ci it.  sur  le  doit  d'aftirmer.  —  La  morale  rationelle,    19! 

L«e  Conte,   Josef,     1«823 — 1901.   =   Amerikanischer   Evolutionist      N 
Lamarekist.     I>ie  menschliche  Entwicklung  ist  ein  Sireben  Dach  einer  höheren 

Stufe,   Dach  einem    Ideal. 

Schriften:     Religion    and    Science,     1873.     —     Evolution    in    Beligioiu    Thon 
1887.    —    Monist   1,   Q, 

I,e  l>ant<'<-  i.  Dam 

L.C   Ft'VI'l1    B.    laber. 

Ii<kf«'vr<'.  Qi  irges,  Prot  in  Lille.  =  Rationalistischer  Standpunkt 

hriften:  Obligation  moralo  et  idealisme,    1895,   u.  a. 

Ii<»  <«i'iiii<l.  Antoine,  Prof.  in  Douai,  lebte  später  in  England,  gest.  um 
17"".  =  Anhanget  I  toscai  V 


392  Le  Grand  —  Leibniz. 


Schriften:  Le  sage  stoique,  1662.  —  Institutio  philosophiae,  1672.  —  Disser- 
tatio  de  carentia  sensus  et  cognitionis  in  bonis,   1679,  u.  a. 

Lehmann,  Alfred,  geb.  1858  in  Kopenhagen,  Prof.  daselbst.  =  Das 
Wiedererkennen  beruht  nach  L.  auf  Assoziation  und  Assimilation  (gegen  Höff- 
ding).  Die  psychischen  Gesetze  sind  Spezialfälle  der  Energiegesetze.  Das  Gefühl 
der  Lust  ist  die  Folge  davon,  daß  das  Gehirn  während  seiner  Arbeit  keine 
größere  Energiemenge  verbraucht,  als  die  Ernährungstätigkeit  ersetzen  kann. 

Schriften:  Die  Hypnose,  1890.  —  Über  Wiedererkennen,  Philos.  Stud.  V,  VII. 
—  Die  Hauptgesetze  des  menschlichen  Gefühlslebens,  1892;  2.  A.  1908.  —  Aberglaube 
and  Zauberei,  1898.  —  Die  körperlichen  Äußerungen  psychischer  Zustände,  1899  ff.  — 
Lehrbuch  der  psychologischen  Methodik,  1906,  u.  a. 

Lehmann .  Rudolf ,  geb.  1855  in  Crefeld ,  Prof.  an  der  Akademie  in 
Posen.  =  Die  Psychologie  der  Metaphysik  untersucht,  „welche  psychischen 
Faktoren  sind  für  das  Wesen  und  die  Entwicklung  des  metaphysischen 
Denkens  überhaupt  die  maßgebenden".  Bedingt  ist  die  Metaphysik  durch  Ge- 
fühlsimpulse und  intellektuelle  Motive,  welche  zu  Analogien  führen. 

Schriften:  Schopenhauer.  Ein  Beitrag  zur  Psychologie  der  Metaphysik,  1894.  — 
Zur  Psychologie  der  Metaphysik,  Archiv  f.  systemat.  Philos.  II,  1898.  —  Lehrbuch  der 
philosophischen  Propädeutik,  1905;  2.  A.  1907.  —  Wege  und  Ziele  der  philos.  Pro- 
pädeutik,  1905.  —  Kants  Lehre  vom  Ding  an  sich,  1878,  u.  a. 

Lehmen,  Alfons,  geb.  1847,  Jesuitenpater  in  Valkenburg.  =  Thomisti- 
scher  Standpunkt. 

Schriften:  Lehrbuch  der  Philosophie  auf  Aristotelisch- scholastischer  Grundlage, 
1899  f.;  3.  A.   1909  f. 

Leibniz,  Gottfried  Wilhelm,  geb.  1.  Juli  (21.  Juni  alten  Stils)  1646  in 
Leipzig  als  Sohn  des  Juristen  und  Professors  der  Moralphilosophie  Friedrich 
L.  Er  besuchte  die  Leipziger  Nicolaischule  und  (1661)  Universität,  wo  er  Jus, 
Philosophie  (bei  Jacob  Thomasius),  Naturwissenschaft  usw.  hörte  und  sich  mit 
Piaton,  Aristoteles,  Plotin,  den  Scholastikern,  aber  auch  mit  Descartes  be- 
schäftigte. Einige  Zeit  studierte  er  in  Jena,  wo  er  den  Mathematiker  E.  Weigel 
hörte.  Seine  Magister-Dissertation  „De  principio  individui"  (1663)  verficht  den 
„Nominalismus",  die  Lehre  von  der  alleinigen  Kealität  des  Individuellen.  In 
der  Schrift  „De  arte  combinatoria"  (1666)  knüpft  er  an  die  Bestrebungen  des. 
Raimundus  Lullus  an.  Dem  erst  Zwanzigjährigen  wurde  das  juristische  Dok- 
torat in  Leipzig  vorläufig  verweigert,  er  erhielt  es  aber  in  Altorf  (1666)  mit  der 
Abhandlung  „De  casibus  perplexis  in  iure",  ja  sogar  eine  Professur  ward  ihm 
angeboten,  die  er  ausschlug.  Kurze  Zeit  hielt  er  sich  in  Nürnberg  auf,  wo  er 
mit  Alchimisten  verkehrte  und  den  Freiherrn  von  Boineburg,  den  früheren 
kurmainzischen  Minister,  kennen  lernte,  der  ihn  nach  Mainz  zu  gehen  veran- 
lagte,   wo   L.   dem   Kurfürsten   die   Abhandlung    „Nova   methodus   discendae 

ndaeque   iurisprudentiae"    (1667)   widmete.      Er  schrieb   ferner   gegen   den 

Atheismus  (1669)  und  gab  die  Schrift  des  Nizolius  (1553)  „De  veris  principiis 

et  vera  ratione  philosophandi"    neu   heraus   (1670).     Boineburgs  Bestrebungen 

i      Wiedervereinigung     der     Protestanten     mit     den     Katholiken 

n;thm  L.  auf. 


Leibbiz. 

1672  reiste  L.  nach  Paris,  wo  er  mit  Huygens,  Bdalebranche  u.  a.  verkeil 
and   durch   eine   Denkschrift    Ludwig  XIV.   zur   Eroberung   Ägyptens  zu 
-Timmen    suchte,    um    ihn    von    Holland    und    Deutschland    abzulenken.      Li 
hielt  er  sich  in  London  auf.    wo  er  mit  Newton,    Boyle  u.  a.  verkehrte,    dann 
Lebte  er,  bi-  wieder  in  Paris.     1676  ernannte  ihn  der  Herzi  Braun- 

-(•li\\ci<:-Lüneburg    und   Hannover    zum    Bibliothekar    in    Hannover;    auf    der 

9e  dahin  kam  er  mit  Bpinozt  zusammen.      In  Hannover  achrieb  I..  die  l 
schichte  des  Braunschweigischen  Fürstenhauses.    1678  wurde  er  Heirat,  -| 

heimer  Justizrat     Eine  Reise  (1687—90)  brachte  ihn  (1688)  nach  Wien  und 
nach  Rom.     In  unermüdlicher  Weise   war  L.   täti<:.   schriftstellerisch   (auch   in 

r  Unzahl  von  Brieten  an  viele  Gelehrte  seiner  Zeit),  als  Philosoph,  i 
Bchichtschreiber,  Jurist,  Politiker.  An  den  Verhandlungen  betreffs  der  Ver- 
einigung der  Lutheraner  und  der  Reformierten  (1697  tt.i  beteiligte  er  sich, 
ohne  dal)  diese  Bestrebungen  von  Erfolg  gekrönt  waren.  Die  Begründung  da 
Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  durch  Friedrich  I.  hat  L.  (durch  Ver- 
mittlung  seiner  Schülerin,  der  Königin  Sophie  Charlotte,  Tochter  der  Gemahlin 
Ernst  Augusts  von  Braunschweig,  Sophie)  angeregt.  Ende  1712  bis  1711  Lebt« 
L  in  Wien,  wo  er  zum  Reichshofrat   ernannl  wurde,  nachdem  er  schon  frühei 

lel1  worden  war:   hier  verfaßte  er  auch  (1714)  für  den   Prinzen  Bugen  die 
Principe-  de  la  oature  et  de  la  graee".     In  den  Letzten  Jahren  Beines  Leb 
stand    er    im     Briefwechsel    mit    Clarke.      Nachdem    L..    der    Literarisch    in 
größtem  Ansehen  Btand,  zuletzt  beim  Braunschweiger  Hot  in  Ungnade  gefallen 
war,  starb  er  am  11.  November  L716. 

-  im  in  Charakter  nach  war  L.  eine  durchaus  konziliante  Natur,  die  in  allen 
Gegensätzen  das  Gemeinsame,  Einigende  sah  und  philosophisch  „fast  nichts  vi 
wart",  was  ihm  fon  mancher  Seite  den  Vorwurf  des  „Eklektizismus"  zuzog,  obwohl 
er  in  Wahrheil  ein  sehr  origineller,  wenn  auch  synthetischer  Kopl  war.  Seine 
Frömmigkeit  war  eine  tiefe,  innerliche  und  hinderte  ihn  nicht,  der  Wissen- 
schaft  zu   geben,   «ras   ihr  gebührt,  d.  h.  die  Geschlossenheil  and  Btrenj 

lichkeit  des  Naturgeschehens  zu  betonen.  Der  Sinn  für  Ordnung,  Har- 
monie der  Lebensverhältnisse  war  bei  ihm  Btark  ausgebildet;  das  juristische 
Ordnungs-Element  kommt  selbst  in  Beiner  Metaphysik  zum  Ausdruck.  Daß 
L.  ein  Polyhistor  ersten  Ranges   war,   ist   allgemein   bekannt.     Ebenso,   daß  et 

Leicht  von  Newton  beeinflußt)  einer  der  Begründer  der  Differentialrechnung 
<  1 7 7 ♦  > ;   zuerst    publiziert    1684:    „Nova   methodus  pro  maximis  et  minimis",  in 
den  „Acts  eroditorum")  war.     Das  Prinzip  des  Unendlichkleinen  und  das  Sl 
keitsprinzip  hat    L   auch    metaphysisefa    verwertet.     Auch  die   Physik  hat    L 
durch  seine  Theorie  der  Kran  gefördert. 

In  seinem  philosophischen   Denken  ist  L.  ron   verschiedenst     -        beein- 
flußt,   insbesondere   von   Plato,   Aristoteles,    notin,   von    Augustinus,    ron    <l<r 

»lastik,  ron  Descart  lendi,  den  Okkasionalisten,  Spinoza,   von  F.  M. 

bJelmont,   <;.  Bruno,   Glisson  d.  a.      Di    Vereiniguj  [ualitativen 

mit  «1er  quantitativen,  der  teleologischen  mit  da  mechanistisi  hen 
Weltanschauung  tat   das  Ziel  Denkens.     In   Leibniaena  monadol 

.•in    pluralistischem!  Spiritualismus   wird  die  Welt   (mit   Di 


394  Leibniz. 

u.  a.)  als  ein  riesiger,  in  sich  geschlossener  Mechanismus  aufgefaßt,  zugleich 
aber  (mit  Aristoteles  u.  a.)  als  ein  System  lebendiger,  von  innen  heraus  wirk- 
samer und  sich  zielstrebig  entfaltender  Wesen.  Von  der  Scholastik  ging  L.  zu 
Descartes'  Lehren  über,  aus  diesen  aber,  dem  „Vorzimmer  der  Wahrheit",  fand 
er  den  Weg  zur  dynamisch-teleologischen  Weltanschauung,  welche  die 
„Formen"  der  Scholastiker  und  die  „Entelechien"  wieder  zur  Geltung  bringen 
soll.  Unter  dem  Einflüsse  seiner  mathematischen  und  physikalischen  Ein- 
sichten kam  L.  allmählich  zum  Ausbau  seiner  Monadenlehre  (von  1686  an; 
den  Ausdruck  „Monade",  der  schon  in  ähnlichem  Sinne  bei  G.  Bruno  vor- 
kommt, gebraucht  L.  erst  seit  1697 ;  von  der  „prästabilierten  Harmonie"  spricht 
L.  zuerst  in  einem  Briefe  an  Basnage  de  Beauval,  Januar  1696;  der  Ausdruck 
stammt,  nach  Bayle,  von  F.  Lamy). 

Eine  fundamentale  Rolle  spielt  im  Systeme  Leibnizens  der  Substanz- 
begriff  in  Vereinigung  mit  dem  Begriff  der  Kraft.  Gegen  die  Atomistik  (der 
L.  sich  anfangs  zuwandte)  ist  mit  Descartes  zu  betonen,  daß  alles  Ausgedehnte 
sich  immer  weiter  zerlegen  läßt,  so  daß  es  keine  materiellen  Atome  geben 
kann.  Aber  Descartes'  rein  geometrisch-kinetische  Bestimmung  der  materiellen 
Substanz  ist  unzureichend,  gibt  nicht  das  Wesentliche  und  Wirksame  an  ihr 
wieder.  Daher  ist  auch  die  Formel  m  .  v  (Bewegungsgröße)  als  Kraftmaß  ab- 
zulehnen, welches  vielmehr  als  m  .  v2  ist  (also  „energetisch"  zu  bestimmen  ist); 
auch  erhält  sich  nicht  bloß  die  Summe  der  Kraft  im  Universum,  sondern 
auch  die  Richtung  der  Kraft.  Die  Körper  sind  zusammengesetzt,  sie  sind 
„Aggregate",  nichts  Einheitliches,  Einfaches;  sie  fordern  das  Einfache  als 
Element,  sie,  die  „Substantiate"  bestehen  aus  den  einfachen  Substanzen.  Die 
Substanz  nun  ist  ein  Kraftwesen  (ein  „etre  capable  d'action"),  ein  unzerstör- 
bares, von  Gott  geschaffenes,  aber  dann  ewiges  Wesen.  Die  Substanzen,  aus 
denen  die  Körper  bestehen,  sind  nicht  materielle,  sondern  seelenartige  und 
-seelische  Atome,  „metaphysische  Punkte",  denn  das  Vorbild  des  Seins  ist  das 
Ich,  die  Seele  des  Erkennenden,  die  sich  selbst  als  Substanz  und  Kraft  erfaßt. 
Die  Kraft  also  ist  das  Konstituierende  der  Substanz,  diese  ist  ein  ewig  Wirk- 
sames. Die  Kraft  ist  das  ,, Aktionsprinzip",  sie  macht  die  Dinge  zur  Aktion 
und  Reaktion,  zum  Widerstände  fähig,  ist  kein  leeres  Vermögen,  sondern  ein 
Mittleres,  zwischen  dem  Vermögen  zu  wirken  und  dem  Wirken  selbst,  eine 
„Entelechie",  ein  Streben,  das  nur  (wie  der  gespannte  Bogen)  der  Beseitigung 
eines  Hindernisses  bedarf,  um  von  selbst  in  Wirksamkeit  überzugehen.  Sie  ist 
etwas  Seelisches,  ein  Streben,  von  einem  Zustand  (Vorstellung)  zum  andern 
überzugehen.  Die  „aktive"  Kraft  ist  die  Tendenz  zur  Aktion,  die  „passive" 
Kraft  ist  die  Widerstandskraft  (die  dvzirvjcia  der  Stoiker),  die  „primäre 
Materie"  der  Dinge,  während  die  Körperlichkeit  als  ausgedehnte  Masse  schon 
das  (erscheinende)  Produkt  der  Aggregierung  von  primären  Kräften  ist.  Die 
„toten"  Kräfte  entstehen  aus  den  „lebendigen".  Die  Körper  sind  an  sich 
Komplexe  einfacher  Substanzen  und  Kräfte,  bestehen  also  aus  immateriellen 
Elementen,  die  nur  in  ihrer  Vereinigung  und  in  Beziehung  zur  Sinneswahr- 
nehmnng  als  materiell  erscheinen,  so  daß  die  Körper  als  solche  nur  „wohlge- 
gründete   Erscheinungen"    (phaenomena  bene  fundata)  sind  (Objektiver  Phäno- 


Leibhtz. 

menalismus,   Ideal-Realismus).     Denn  die  Sinnesqualitäten  (Farbe,  Ton  im 
als  solche  iowie  die  räumliche  Ausdehnung  sind  nur  subjektiv  (ideell). 

Die  einfachen  Substanzen   nennt  L.  Monaden.     D    -    sind  unkörperli« 
onausgedehnte,    einlache,    nur    qualitativ-graduell    verschiedene,     vorsteUend- 
bende  Einheiten,  die  „wahren  Atome  der  Natur",   ohne   Teile.     Das   Ein- 
fache   kann    nicht   ausgedehnt    sein,    daher  Bind  die  Monaden  unaUBgedehnt, 
sind  .. metaphysische  Punkte--  (points  mätaphyajqnes,  points  de  Bubstana 
einfache,   unteilbare  Wesen   sind   die  .Monaden  von  außen  nicht  direkt  beein- 
flußbar, es  kann  niehtB  in  sie  hineinkommen,  sie  „haben  keine  Fenster'*.    Alles 
Geschehen  in  ihnen  ist  innerliche,  spontane  Veränderung,  psychische  Entwick- 
lung,  Entfaltung    dessen,   was    in   den   Monaden   von    (Jrbeginn    ai 
Hervorgehen   eine-    [nnenzustandes   ans   dem    andern    nach   dem   <> 
Stetigkeil    i.Jex   oontinuatLonis    seriei    Buarum    operationum"      so   daß   die 
Gegenwart    mit   der  Zukunft)  die  sie  potentiell  enthält,  schwanger  gehl    „Tout 
sent   .'-tat   d'une   Bubstance  simple   est    naturellement   nne  Buite  de  son  etat 

•'•dam.   teUement    que  Le  present  y  est   gros  de  L'avenir").     Die   Monaden 
sind    n  glich,    können  nur  durch  Bchöpfung   anlangen   und  enden:   -ie 

emanieren   aus  der  obersten   Monade    der  „monas  monadun        i  sind 

Ausstrahlungen  der  Gottheil  (^fulgurations  contmudles";  Annäherung  an  den 
Pantheismus  bezw.  an  den  Emanatismus  und  Panentheismus).  \'.~  gibt  eine 
Unendlichkeit  von  Monaden  und  alle  sind  voneinander  verschieden, 
„Prinzip  der  Identität  des  NichtzuunterBcheidenden"  (prineipium  identitatis 
indiscernibilium)  verlangt,  wonach  ewei  nicht  anterschiedene  Dinge  nur  ein 
Ding  waren.  Das  Btetigkeitsprinzip  alter  fördert,  dafl  alle  möglichen  I 
gange  zwischen  niederen  und  höheren  Monaden  bestehen,  dafi  nirgends  eine 
Lücke,  nirgends  sin  Sprung  vorkommt  An  >i<-h  haben  die  Monaden  nur 
psychische    I  hatten.    Vorstellungen    („perceptionB"),  d.  h.    Darstellungen 

einer    Mannigfaltigkeit     fön     Itdialteii    in    einem    einheitlichen    Zustande,     ond 

Streben  („tendance"),  von  einem  Zustande  cum  andern  aberzugehen.  Alles  ist 
also  an  sich  beseelt  und  lebendig,  es  gibt  nichts  Totes  Panpsychismus),  alle 
Monaden  sind  unserem  Lnnensein  analog  (sie  haben  „quelque  chose  d'analogique 
an  Bentiment  et  ;i  L'app6tit",  sie  rind  „Seelen"  im  weiteren  sinn.- .  Vom 
dumpfesten,  nur  momentanen  i,.(nnne  eiiim  corpus  est  mens  momentan« 
Empfinden  bis  cur  höchsten  Klarheitsstufades  Bewußtseins  führen  nnzäbJ 
i  Selbstbewußtsein    und    „Apperzeption"    kommt    nur   den   höhei 

Monaden,   den    menschlichen    und   noch   höheren    Seelen     G    Jtern)    zu.     i 
Körpermonaden  („monades  simples1',  ..tont  nues**)   leben  in  einer  Art  dum] 
Schlafes,   so  auch   noch   in   den    Pflanzen.     Aber  alle  Monaden   haben    1' 
ceptionen   und   Strebungen,  durch   welche  sie  ineinander  in  Beziehung   stehen. 
Und  alles  besteht  aus  Monaden,   i  l   man  auch  du    Dingi   teilt    alles  ist 

innerlich   gleichsam   organisch,    lebendig,    wie  die   Fisch«  I 

tummeln.     Die  Monaden    Bind    „lebende    -  n    de>    l'niver-ntns-'     ..mir 

vivants  de  l'un  konzentrierte  Welten",    •  •    Weit   für  sich", 

Ob    -ic    allein    da    wäre     und   doch   da-   All    in    irgendeinen     I  innerlieh    d 

stellend  und  vorstellend,   jede  von    ihrem   besondern  <  punkte   („point 


3i)(3  Leibniz. 

vue"),  so  daß  man  aus  jeder  Monade  das  All  erkennen  könnte.  Alle  Monaden 
stellen  das  ganze  Universum  vor,  aber  hinsichtlich  des  Bewußtseinsgrades,  mit 
dem  sie  dies  tun,  sind  sie  verschieden.  Die  höchste  Monade  ist  Gott,  welcher 
..actus  purus",  reine  Wirksamkeit  ohne  Leiden  ist;  er  ist  die  urspüng- 
liche  Monade  („monas  seu  substantia  simplex",  „monade  primitive")?  der 
Schöpfer  aller  übrigen  Monaden,  der  Ort  der  ewigen  Wahrheiten,  der  Bau- 
meister der  Natur,  der  Monarch  im  Beiche  der  Geister,  der  Stifter  der  Welt- 
harmonie. 

Die  Monaden  können  einander  nicht  unmittelbar  beeinflussen,  gleichwohl 
stehen  sie  in  geregelten  und  geordneten  Beziehungen  zueinander  und  es  sieht 
alles  so  aus,  als  ob  eine  direkte  Wechselwirkung  bestände.  Aber  in  Wahrheit 
ist  die  Kausalität  zwischen  den  Monaden  eine  indirekte,  vermittelte,  eine  von 
Gott  ein  für  allemal  hergestellte,  vorausbestimmte,  „prästabilierte"  Harmonie 
(„harmonia  praestabilita",  „harmonie  pr£etablie",  „harmonie  universelle",  „con- 
sentement  preetabli",  „accord",  „concomitance",  „rapport  mutuel  regle*  par 
avance").  Die  Zustände  der  Monaden  „passen"  jeweilig  genau  zueinander, 
entsprechen  einander,  denn  die  Monaden  stellen  alle  dasselbe  Universum  vor, 
stammen  alle  von  einem  Prinzip  (Gott)  und  sind  alle  von  Gott  so  eingerichtet^ 
daß  die  Zustände  in  jeder  Monade  „mit  Kücksicht"  auf  die  in  anderen 
Monaden  ablaufen.  .,Car  chacune  de  ces  ämes  (Monaden)  exprimant  ä  sa 
maniere  ce  qui  se  passe  au  dehors  et  ne  pouvant  avoir  aucune  influence  des 
etres  particuliers  ou  plutöt  devant  tirer  cette  expression  du  propre  fond  de  sa 
nature,  il  faut  necessairement  que  chacune  ait  recue  cette  nature  d'une  cause 
universelle,  dont  ces  etres  dependent  tous  et  qui  fasse  que  Fun  soit  parfaite- 
ment  d'accord  et  correspondant  avec  l'autre,  ce  qui  ne  se  peut  sans  une  con- 
naissance  et  puissance  infinie"  (Nouv.  Ess.  IV,  §  11).  Der  Einfluß  einer 
Monade  ist  nur  ein  idealer,  sofern  in  den  Ideen  Gottes  jede  Monade  mit 
Grund  fordert,  daß  Gott  bei  der  ursprünglichen  Weltordnung  auch  sie  berück- 
sichtigt und  den  anderen  angepaßt  hat:  „Sed  in  substantiis  simplicibus  in- 
fluxus  unius  monadis  in  alteram  tantum  idealis  esse  potest  .  .  .,  quatenus  in 
ideis  Dei  unaquaeque  monas  cum  ratione  postulat,  ut  Dens  ordinans  caeteras 
in  principio  rerum  ipsius  quoque  rationem  habeat."  Indem  Gott  zwei  Sub- 
stanzen miteiander  vergleicht,  findet  er  in  der  einen  Gründe,  die  ihn  ver- 
pflichten, eine  der  andern  anzupassen :  „Deus  enim  duas  substantias  simplices 
(i.  e.  monades)  inter  se  comparans,  in  una  qualibet  rationes  deprehendit,  quibus 
ubligatur  (i.  e.  determinatur  ex  principio  melioris)  unam  aptare  alteri."  Jede 
Monade  hat  Bezüge  (respectus),  durch  die  alle  anderen  Monaden  „ausgedrückt" 
werden  („exprimuntur").  Nach  Maßgabe  ihrer  Vollkommenheit,  d.  h.  Tätig- 
keit des  mehr  oder  weniger  klaren  Vorstellens,  ist  eine  Monade  die  ideale 
„Ursache"  für  die  Zustände  einer  anderen,  in  deren  „verworrenen"  Vor- 
stellungen das  Leiden  dieser  Monade  besteht  („Creatura  dicitur  agere  extra  se, 
'juatenus  habet  perfectionem,  et  pati  ab  alia,  quatenus  est  imperfecta.  Ita 
monadi  actionem  tribuimus,  quatenus  habet  pereeptiones  distinetas,  et  passiones, 
quatenus  confugaa  habet"). 

Die   prästabilierte  Harmonie   gilt   nun    auch   für   das   Verhältnis   von 


Li:ii;Niz. 

L< ib  und  Seele.     Was  nun  zunächst  die  Organismen  betrifft,  bo  isi  rwai 
nach  L.  aUea  Leben  Im  Ghrunde  seelisches  Leben,   gleichwohl   aber  isi  er  nicht 
(empirischer)     „Vitalist",     er    snerkennl     keine     besonderen     Lebenskräi 
„plastisch!    Naturen"    u.  dgL  II.  Ifore,   Ondworth  u.  a. 

Prinzip  der  Physik",   wonach   ..ein    Körper   niemals  eine  andere   Änderung  in 
seiner   Bewegung   erfährt,   sie  dnrch  einen   anderen  in  Bewegung  befindlichen 
Körper,  der  ihn  stößt-,   darf  nirgends  verletzt    werden.     Kraft    and   Richl 
erhalten  rieh  konstant,  können  daher  nicht  beeinflußt  werden,     i  i  tuschen 

K  rper   sind   bis  in   ihre  kleinsten   Teilchen    organisch;   die  Organismen   Bind 
„natürliche   Automaten",    „göttliche   Maschinen",    deren    kleinste    Teile    noch 
Maschinen   sind.     Der  Organismus  der  Tiere  ist    ein  Mechanismus,   dar   eine 
•liehe    Präforination    voraussetzt;    was  aus  ihr  folgt      st  rein   natürlich  und 
gänzlich    mechanisch,    wenn    such    innerlieh,    an    sieh    alles    im    <  Organismus 
psychisch  ist    Die  Organismen  Bind  unvergänglich,  der  Tod  bedeutet  nur  eine 
„Involution",  eine   Reduzierung    des    Leibes   der  Organismen,   wie  deren   Ent- 
rang   eine    „Evolution"    ans    priformierten    Keimen   ist     Was  <\<u   Körpei 
znin  Organismus  macht,   i-t  seine   „herrschende"    .Monade.   Beine   r,Entelechie" 
oder   Seele;   der  Organismue  ist   in  beständigem   Fluß,  aber  er  verändert  sich 
S    le  ihre  Organe  nie  auf  einmal  verliert. 
Dii    Seele   im   engeren    sinne   ist    eine   „herrschende"   Monade   mit  V 
Stellung,   [Jnterscheidi]        i      lächtnis;   di(     3  i  wenn    sie    V 

Dunft  hat,  d.  li.  der  ewigen  Wahrheiten  teilhaftig  ist,  wodurch  Bie  ein  Eben- 
bild  Qottes  ist  \h<  Tiere  haben  nur  ein  „analogon  rationis",  ihr  Denken  i-t 
rein  assoziativ  und  triebartig,  ohni  Di(    Verbindung  von  Seele  und 

I.  ib  nun  beruht  aut  prastabilierter  Harmonie.  Eine  Wechselwirkung  zwischen 
beiden  ist  nicht  möglich,  schon  deshalb  nicht,  weil  di<  S  nicht  1)1«'!'.  die 
Bewegungen,  sondern  auch  nicht  die  Richtung  der  Körperbewegungen  tu 
Mildern    vermag  D  Zwischen    Psychischein    und    Physischem 

besteht  nach  L  folgendes  Verhältnis:  erstens  sind  alle  physischen  Voi 
I  scheinungen  psychischer  Kräfte;  /weiten-  geht  dem  inneren  Zusammen- 
hange in  ei  -  nmonade  ein  innerer  Zusammenhang  (und  dessen  mechanische 
l  heinung)  im  Leibe  (Monadenkomplex)  paralleL  I  leide  Eteihen  Bind  einandei 
ordnet,  dafi  ohne  direkten  Einfluß,  ohne  Durchbrechung  des  Zu- 
-ainmenhan-e«.  jed  i.  in-  die  psychischen  Zustände  von  den  genau  ent- 
Bprechenden    physischen    Vorgängen      I  nl    und    umgekehrt    h 

Bind.     &    i    und  Leib  gleichen  zwei  Ihren,   die  Gott  bo  eingei 
ihr  Gang  für  Immer  ein  übereinstimmender  bleibt  (vgL  Bchon  Geulii 
immerwährenden   Eingreifen  <•  eines  Wund' 

Okkasionalisten       1'      Beel    folgt    ihren    eigene]     i 

■  n    und   beide  passen    zu-ainnieii.    ob/.w  nd,    all 

.-Inder.-  Paktor  nichl  I  i      Zustände  der  £ 

ihrem    Innern    und   sind   doch   den    physichen    I  Moment    k< 

form.     „Les   ftn  isenl  s<  Ion  li  -  I  nales  p  im» 

et    1 1 1< ►> «  1 1 ~.      I..-    cor|»-    .i-i--eni     selon    l<  tos    OU    d 

mouvements.     Rl  lei  deui  «onl    harmonique 


Leibxiz. 

..Dieu  a  cree  d'abord  Tarne  de  teile  sorte,  que  pour  Tordinaire  il  n*a 
in  de  ces  changernents,  et  ce  qui  arrive  a  Tarne,  lui  nait  de  son  propre 
tonds.  saus  qu'elle  se  doive  accomoder  au  corps  dans  la  suite,  non  plus  que  le 
corps  a  Täme.  Chaquun  suivant  ses  lois,  et  Tun  agissant  librement,  Tautre 
saus  choix ,  se  rencontrent  Tun  avec  Tautre  dans  les  meines  phenomenes" 
(Werke,  ed.  Gerhardt  IL  58).  Hier  wird  also  der  psychophysisehe  „Parallelis- 
mus" (Ausdruck  von  L.  selbst  gebraucht)  gelehrt,  auf  Basis  des  anthropologi- 
schen Dualismus,  aber  ontologischen  Monismus  (Spiritualismus). 

Indem  alles  Mechanische  Erscheinung  eines  Psychischen,  Zielstrebigen  ist, 
indem  ferner  der  Mechanismus  des  organischen  Körpers  mit  dem  Zweck- 
zusammenhang in  der  Seelenmonade  übereinstimmt,  indem  endlich  noch  eine 
Harmonie  zwischem  dem  Reich  der  Natur  und  dem  „Eeich  der  Gnade" 
besteht,  vermöge  welcher  die  Dinge  und  Handlungen  zum  entsprechenden  Zu- 
stande, zum  Heile,  zum  Glück  (bezw.  zur  Strafe)  führen,  so  daß  alles  in  der 
Welt  aufs  schönste,  beste,  gerechteste  geordnet  ist,  dient  aller  Mechanismus 
der  Teleologie,  indem  er  Ausdruck,  Mittel  und  Folge  der  Finalität  ist.  Alles 
geht  in  der  Welt  streng  mechanisch  zu,  aber  zugleich  teleologisch :  die  Quelle  des- 
Mechanischen  selbst  ist  das  Teleologische  („la  source  de  la  mecanique  est  dans 
la  nietaphysique''),  denn  die  Ordnung  des  Mechanischen  ist  eine  zweckvolle 
Einrichtung  des  Universums  durch  die  Urmonade.  „Je  me  flatte  d'avoir 
pt-netre  Tharmonie  des  differents  regnes  et  d'avoir  vu,  que  les  deux  partis  ont 
raison,  pour  rien  qu'ils  ne  se  choquent  point;  que  tout  se  fait  mecaniquement 
et  metaphysiquement  en  meine  temps  dans  les  jmenomenes  de  la  nature" 
iGerh.  III,  607).  In  den  allgemeinen  Bewegungsgesetzen  selbst  ist  die  gött- 
liche Weisheit  erkennbar.  Die  Prinzipien  der  Physik  und  Mechanik  gelten 
allgemein  und  ausnahmslos,  aber  sie  bedürfen  zu  ihrer  Begründung  des  Hin- 
-  -  auf  die  höchste  Intelligenz  und  deren  zweckvolle  Wahl  unter  den  mög- 
lichen Ordnungen  und  Gesetzlichkeiten.  Der  Zweckbegriff  hat  bei  L.  sowohl 
..konstitutive'"  als  regulativ -heuristische  Bedeutung,  er  soll  nach  ihm  auch  zur 
Auffindung  neuer  natürlicher  („idealer")  Kausalzusammenhänge  führen.  Neben 
dem  Prinzip  der  Notwendigkeit  besteht  ein  „Prinzip  der  Angemessenheit'', 
d.  h.  der  von  der  göttlichen  Weisheit  getroffenen  Wahl  in  der  Natur  (z.  B. 
daß  jede  Wirkung  auf  dem  einfachsten  und  bestimmtesten  Wege  herbeigeführt 
'.vird). 

Die  ganze  Welt   ist  nach  L.  möglichst  zweckmäßig  eingerichtet,  d.  h.  so 
zweckmäßig,   als  es  das  Zusammensein  der  Dinge  (ihre   „Kompossibilität'-)  er- 
ht.    Die  Natur  stimmt  harmonisch  mit  geistigen  und  sittlichen  Zwecken 
zusammen ;  es  besteht  eine  Harmonie  zwischem  dem  Reich  der  Natur  („regnum 
physicum  naturae")   und    dem    „Reich  der   Gnade"  („regnum  morale  gratiae"). 
.  h.  zwischen  Gott  als  Weltbaumeister  („architectus  machinae")  und  Gott  als 
rch   des   Gottesstaates    („monarcha   civitatis   divinae").      Schließlich  muß, 
-    Weltlaufes    selbst,    alles    zum    Guten    ausschlagen,  auch   das  Übel 
".     L.  gibt  eine  Rechtfertigung  Gottes  wegen  der  in  der  Welt  be- 
iden Übel,   eine   Theodizee,  welche  die  Welt  als  die  beste  der  mög- 
lichen  dartul    Optimismus).     Gott,  als  das  Vollkommenste,  konnte  nur  das 


Li  .11. m/. 

wählen    und    verwirklichen.     Wäre  die  Well  nicht  <! 
mögliche,  so  hätte  Gott  eine  vollkommenere  nicht  erkennen  oder  nicht  schaffen 
i  aichl  trollen  können,  im  den  göttlichen  Attributen  der  Allweisheit,  All- 
macht,  Allgüte    widerspricht     ..II  y  ■  ratnnt  de  rerta  et  de  bonhenr  qull 

rible."    I>a-  physische  l  bei    Schmers)  dient  der  Strafe  und  Beei 
moralische  Übel  (die  Band«  d  Produkt  der  Willensfreiheit   and  1 1  •  1 1  t . -  nur 

Kosten  dieser   vermieden    werden   können,   dm  metaphysisch  nht 

r  Endlichkeit  der  W<  hört  zur  Wcltordnung,  war  in  der  Bph 

der  W'ahrlifit.ii  eine  Möglichkeit,  die  Gott  fei  wirklichen   m 

einem  endlichen  Wesen  nicht  slle  Vollkommenheiten  konnte.    Des  i 

n    Vollkommenheit  des  Weltganzen  bei,   dient  der  Harmoni« 
selben;  außerdem  ist  daa  Böse  nichts  PositiTes,  sondern  nur  ein«     Bei 
,  — 
Für  di    Psyi  h<  I  >gie  ist    L  in  verschiedener    Hinskhl    von    B 

S    durch  die  Auffassung  der  Beek  alt  eines  die  Welt   „spiegeln- 
durch  den  Begriff  der  inneren, 
psychische  Kausalität),  durch  die  Betonung  i       alossenheit  der 

psychischen  K»ih»*  and  der  inneren  Aktivität  des  Geic        9  Die  1 

üon")  im  weitesten  Sinne  ist  die   Darstellung  einer  Vielh 
in  einer  Einheit     „une  multitude  dans  l'unit.         Die  unbewußte  (oder  anl 

\  orsteüm  wird  <lur<!   - 

mit  anderen  bewußt,  spperzeptibeL     Das  Bewußtsein  im 
Apperzeption    sla  r,connaissance  reflexive  de  oet  «'tat  interieur"       I1 

mit  Aufmerksamkeit  und  Gedächtnis  verbunden«  imt 

nur   höheren    Monaden  zu,      Di  die  Reflexion  an  das  Ich  denken   i 
die   Apperzeption   die   Erhebung  einer  Vorstellun  Selbstbewußtsein, 

aktiv.,  selbstbewußte  Erleben  eines  Inhalts.     Das  Unbewußte  (Unterbewul 

It  in  der  LkSchen  Monadologie  ein«  Rolle.     I  ■•  |.  :         un- 

endlichen Inhalt-  der  Seeli     Monad<     besteht   ins  unmerkli.hen  („insensible« 
für  lieh  all« -in     wie  die  Elem<  be  der  einzelnen  Wnp-n  .!•  -  n 

nicht  h<  Per»  ptionen.     Aus  ihnen  bestehen  auch  die  Empfind 

der  Sinne,  welche  klar  all  Komplexe,  verworren  den  Teilen  nach  sind 

cluns   l'a--.  ■mblajje.   muis  eonfus.*  dans   I.  -   pari:.-'.      D       ?     nlichkeil 

iniiniti.  teilen,   Refl 

fühl   der  J         ist    «li.-    Empfindung    der   VoUkommenheJ 
1  »■  i   Will.   ;  -  h  dem,   was   man    für  gut  halt      I 

mm  ■  dann    Leitung  <!•-  Willem  durch  di<    v.  •       ••       \ 

Eureichenden   Qrund,   also  such   das    Handeln   and   Wollen.     D 
Will  nur    bli 

nicht,    inklinimn    nur   i  ..im-h 

1  \\  nhl 

i  rundet 

I    Wille  immer  <l<n   starken 

Die  Erkenn!         eh  i  I  : 


400  Leibxiz. 

(zum  Teil  gemäßigten)  Rationalismus  (verbunden  mit  Ansätzen  zum  Kriti- 
zismus). Angeborene  Begriffe  als  fertige  Gebilde  gibt  es  nicht,  aber  gegen  den 
Empirismus  Lockes  wird  betont,  daß  zwar  alles  (elementare)  Vorstellen  aus 
den  Sinnen  stamme,  nicht  aber  der  Intellekt  selbst  („excipe  intellectum"), 
der  sich  selbst  angeboren  ist.  Die  Seele  gleicht  bei  ihrer  Geburt  nicht  einer 
, .tabula  rasa"  (gegen  Locke),  sondern  eher  einem  Marmorblocke,  dessen  Adern 
die  künftige  Statue  schon  prädeterminieren.  Es  gibt  angeborene  Anlagen 
(„Dispositionen"),  die  nur  der  Erfahrung  zur  Entwicklung  und  Betätigung  be- 
würfen, dann  aber  in  einer  dem  Intellekt  selbsteigenen,  ursprünglichen,  not- 
wendigen und  allgemeinen  Weise  funktionieren.  „C'est  ainsi  que  les  idees 
-et  les  verites  nous  sont  innees,  comme  des  inclinations,  des  dispositions,  des 
halitudes  ou  des  virtualites  naturelles."  Die  angeborenen  Wahrheiten  sind 
potentiell  in  uns  („implicitement  dans  l'esprit"),  sie  sind  „virtuell"  angeboren, 
nur  Entfaltungen  des  im  Geiste  Angelegten :  „Dans  ce  sens  on  doit  dire  que 
toute  rarithmetique  et  toute  la  geometrie  sont  innees  et  sont  en  nous  d'une 
maniere  virtuelle,  en  sorte  qu'on  les  y  peut  trouver  en  considerant  attentive- 
ment  et  rangeant  ce  qu'on  a  dejä  dans  l'esprit."  Auch  wenn  diese  Wahrheiten 
-erst  spät  zum  Bewußtsein  kommen,  so  bleiben  sie  doch  „angeboren" ;  sie  sind 
unmittelbar  evident,  leuchten  ein,  sobald  man  sie  erfaßt.  Sie  stammen  nicht 
aus  den  Sinnen,  denn  diese  lehren  nie,  was  notwendig  ist  (vgl.  Kant).  Ja,  alle 
Begriffe  als  solche  entquellen  dem  Intellekte  selbst,  die  Sinne  sind  nur  Ge- 
legenheitsursachen der  Entwicklung  der  Begriffe  im  Bewußtsein. 

Es  gibt  aber  auch  apriorische,  „ewige"  und  notwendige  Wahrheiten, 
Vernunft  Wahrheiten  („verites  eternelles",  „verites  de  raison"),  die  von  den  tat- 
sächlichen, „zufälligen",  empirischen  Wahrheiten  („verites  de  fait")  zu  unter- 
scheiden sind,  indem  sie  im  reinen  Denken  selbst  ihre  Quelle  haben  („vient  du  seul 
entendement"),  zeitlos  gelten  und  absolut  sicher  sind  („certitude  immanquable 
et  perpetuelle") ;  ihr  Gegensatz  ist  denkunmöglich,  während  die  empirischen 
Wahrheiten  nicht  denknotwendig  sind.  „II  y  a  aussi  deux  sortes  de  verites, 
Celles  de  raisonnement  et  Celles  de  fait.  Les  verites  de  raison  sont  necessaires 
et  leur  oppose  est  impossible,  et  Celles  de  fait  sont  contingentes  et  leur  oppose 
est  possible."  Es  gibt  auch  „gemischte"  Wahrheiten.  Im  göttlichen  Geiste 
sind  „ewige  Wahrheiten",  die  vom  Willen  Gottes  unabhängig  sind  und  die 
Urbilder  (Ideen)  der  Dinge  darstellen ;  Gott  ist  die  letzte  Quelle  der  Wahr- 
heiten, der  Ort  derselben  (vgl.  Augustinus). 

Angeborene,  notwendige  Wahrheiten  sind  die  Axiome  der  Mathematik, 
die  wir  vermittelst  des  „natürlichen  Lichtes"  (vgl.  Descartes)  einsehen  und  aus 
dem  gewinnen,  was  potentiell  in  unserem  Geiste  liegt.  Die  Mathematik  ist 
nicht  bloß  Größenlehre,  sondern  „Kombinatorik",  Vernunftwissenschaft.  Auch 
die  Logik  will  L.  als  „ars  combinatoria"  durchgeführt  wissen,  als  „charac- 
teristiea  universalis",  welche  aus  einfachsten  Begriffen  und  Urteilen  durch 
logischen  Kalkül  vermittelst  Zeichen  Wahrheiten  ableitet.  Die  obersten 
[>'  "■  sind  der  Satz  des  Widerspruches   (nebst  dem  der  Identität)  und 

der  Satz  des  „zureichenden  Grundes",  der  für  empirische,  zufällige  Wahr- 
heiten oj|r.  welche  alle  zu  ihrer  Gültigkeit  der  Angabe  eines  Grundes  bedürfen 


Leiüxiz.  401 

(,, raison    süffisante,    pour  qu'une  chose  existe,   qu'un   evenement  arrive,   qu'une 
verite  ait  lieu"). 

Die  Erkenntnis  ist  dunkel  oder  klar,  die  klare  Erkenntnis  deutlich  oder 
verworren  (confusa),  die  deutliche  Erkenntnis  adäquat  oder  inadäquat,  sym- 
bolisch oder  intuitiv.  Verworren  ist  jene  Erkenntnis,  welche  zur  deutlichen 
Unterscheidung  der  Merkmale  eines  Dinges  nicht  ausreicht.  Verworren  (aber 
dabei  klar)  sind  die  Sinnesempfindungen,  welche  einfach  sind,  weil  wir  die 
Elemente,  aus  denen  sie  sich  zusammensetzen,  nicht  unterscheiden.  Das  Kar- 
tesianische  Kriterium  der  Wahrheit,  die  „Klarheit  und  Deutlichkeit",  reicht 
nicht  aus,  die  Wahrheit  muß  hier  auch  schon  als  möglich  vorausgesetzt  wer- 
den, Widerspruchslosigkeit  und  Denkrichtigkeit  muß  hinzukommen.  Die 
Realität  eines  Phänomens  beurteilen  wir  nach  der  Lebhaftigkeit,  Vielfältig- 
keit und  Harmonie  desselben,  ferner  nach  seiner  Übereinstimmung  mit  den 
vorhergehenden  Phänomenen  und  aus  der  Möglichkeit,  zukünftige  Phänomene 
aus  früheren  vorauszusagen.  „Absolute''  Realität  („realite  absolu")  haben  nur 
die  Monaden,  die  Körper  als  solche  sind  objektive  Erscheinungen  („phae- 
nomena  realia").  Die  Sinnesqualitäten  als  solche  sind  subjektiv,  ideell  sind 
auch  Raum  und  Zeit  als  solche,  aber  es  entsprechen  ihnen  Ordnungen  der 
Monaden.  Der  Raum  existiert  nicht  unabhängig  von  den  Dingen  (gegen 
Newton  und  Clarke),  er  ist  nur  eine  Relation,  die  „Ordnung  des  Zugleichseil  iß " 
(„ordre  de  coexistence"),  eine  „Ordnung  von  Situationen",  etwas  Ideelles.  Außer- 
halb der  Welt  gibt  es  keinen  Raum ;  ein  leerer  Raum  ist  eine  unnötige  An- 
mahme.  Die  Bewegung  ist  die  Erscheinung  einer  Beziehung  zwischen 
Kräften;  wirklich  ist  jene  Bewegung,  welcher  ein  Kraftimpuls  im  Körper  zu- 
grunde liegt.  Wie  der  Raum  ist  auch  die  Zeit  nur  eine  „ideale  Möglichkeit" 
(„simple  possibilite  ideale"),  die  Ordnung  der  unbeständigen  Möglichkeiten 
(l'ordre  des  possibilites  inconsistentes"),  die  „Ordnung  des  nicht  zugleich 
Existierenden"  und  das  Maß  der  Bewegung.  Die  Dauer  ist  die  Größe  der 
v^eit.  Die  Zahl  ist  eine  virtuell  angeborene,  adäquate  Idee,  die  aber  erst  an 
Beispielen  erprobt  wird.  Der  Begriff  der  Substanz  (und  des  Seins)  hat  seine 
Quelle  und  sein  Vorbild  im  Ich  und  in  dessen  permanenter  Identität.  Unsere 
gesamte  empirische  Erkenntnis  beruht  auf  der  Verarbeitung  des  Sinnesmaterials 
durch  das  Denken  und  ist  eine  symbolisch-phänomenale  Erfassung  von 
.Relationen  der  Monaden. 

Das  Ästhetische  erklärt  L.  als  Lust  an  harmonischen  Verhältnissen, 
welche  wir  unbewußt  zählen  und  vergleichen;  das  Schöne  ist  ein  sinnlich  er- 
faßtes Vollkommenes,  Zweckmäßiges.  —  Die  Glückseligkeit  bestimmt  L. 
als  beständige  Freude;  sie  besteht  im  tugendhaften  Leben  und  in  der  Liebe  zu 
Gott,  welche  uns  am  meisten  beseligt.  Liebe  im  allgemeinen  ist  „ein  ßich- 
erfreuen  an  des  anderen  Glück".  Die  Sittlichkeit  beruht  auf  einem  gene- 
rellen Instinkt  und  besteht  in  der  Liebe  zu  Gott  und  im  Bandeln  gemäß  dein 
mutmaßlichen  göttlichen  Willen.  Die 'Tugenden  Führen  zur  Vollkommenheit; 
sie  Bind  feste  Gemütsdispoeitionen.  —  Das  Recht  Ist  eine  „moralisch«  Macht". 
Drei*Stufen  des  natürlichen  Rechts  gibt  es:  L.  das  Btrenge  Recht  („ins  Btric- 
tum"),   welches  erzwingbar  ist   und  der  Wahrung  des   Friedens  dient   (als  aus- 

Eislor.  Philoftophcon-Lexiknn.  26 


402  Leibniz. 

gleichende  Gerechtigkeit),  mit  dem  Grundsatz:  „Neminem  laedere".  2.  Die 
Billigkeit  („aequitas")  oder  Liebe  („Caritas"),  deren  austeilende  Gerechtigkeit 
auf  Harmonie  und  Glück  gerichtet  ist:  „Suum  cuique  tribuere".  3.  Die  Pietät 
(„pietas")  oder  Redlichkeit  („probitas"):  „Honeste  vivere'\  Die  allgemeine  Ge- 
rechtigkeit gehört  zu  den  ewigen  Wahrheiten.  —  Unterordnung  unter  den 
Willen  Gottes  bildet  das  Wesen  der  Religion.  Aus  dem  Begriffe  des  voll- 
kommensten Wesens,  wenn  er  widerspruchslos  ist,  seine  Möglichkeit  feststeht 
und  er  einen  zureichenden  Grund  hat,  folgt  die  Existenz  Gottes  (Ontologisches 
Argument).  Dazu  kommen  der  kosmologische  Beweis  und  das  Argument  aus 
der  Zufälligkeit  (Kontingenz)  der  Welt  und  aus  deren  Zweckmäßigkeit. 
Alles  in  der  Welt  muß  so  sein,  wie  es  ist,  aber  daß  das  Ganze  so  und  über- 
haupt existiert,  kann  nur  in  einem  außerweltlichen,  allweisen,  allmächtigen 
Wesen  seinen  Grund  haben,  welches  alles  in  Übereinstimmung  miteinander 
geschaffen  und  geordnet  hat. 

Leibniz  hat  —  besonders  in  der  Systematisierung  und  teilweisen  Modi- 
fikation seiner  Lehren  durch  Chr.  Wolff  („Leibniz- Wolf f sehe  Philosophie") 
—  viele  Anhänger,  aber  auch  manche  Gegner  gehabt.  Zu  den  ersteren 
gehören  Hansch,  Eberhard,  Baumgarten  u.  a.;  zu  den  letzteren 
de  Crousaz,  L.  Euler  u.  a.  Von  Einfluß  ward  L.  auch  auf  Kant,  ferner 
auf  Herder,  Lessing,  Fichte,  Schelling,  Hegel,  Herbart,  Beneke, 
J.  H.  Fichte,  Lotze,  Carriere,  Teichmüller,  Koslow,  Wundt, 
Lachelier,  Petöcz,  Durdik,  F.  C.  S.  Schiller,  Kirchner,  Busse, 
Ed.  v.  Hartmann,  Wartenberg,  Spicker,  Droßbach,  Wyneken, 
H.  Wolff,  Renouvier  u.  a.  Ein  ,.Neo-Leibnizianismus"  zeigt  sich  auch 
zum  Teil  in  der  Naturphilosophie  (Dynamisch-energetische  Naturauffassung) 
und  in  der  Logik  (Bolzanö,  Husserl,  Russell,  Couturat  u.  a.). 

Schriften:  Außer  den  bereits  genannten:  De  vita  beata.  —  Meditationes  de 
cognitione,  veritate  et  ideis,  1664.  —  Codex  iuris  gentium,  1693.  —  Discours  de  meta- 
physique,  1686.  —  Systeme  nouveau  de  la  nature,  1695.  —  De  rerum  originatione 
radicali,  1697.  —  De  ipsa  natura,  1698.  —  Considerations  sur  la  doctrine  d'un  esprit 
universel.  —  Nouveaux  essais  sur  l'entendement,  1704  (erst  1765  gedruckt).  —  Conside- 
rations sur  le  principe  de  la  vie  et  sur  les  natures  plastiques,  1705.  —  Essais  de 
Theodicee,  1710  (gegen  Bayle,  auf  Grund  der  Gespräche  mit  Sophie  Charlotte).  —  La 
Monadologie.  —  Principes  de  la  nature  et  de  la  gräce,  u.  a.  Ferner  viele  wichtige 
Briefe,  mathematische,  historische,  theologische,  juridische  u.  a.  Arbeiten.  —  Gesamt- 
auegaben: Raspe,  1765;  deutsch  1778—80.  —  Dutens,  1768.  —  Guhrauer,  1838  —  40 
(Deutsche  Schriften;.  —  J.  E.  Erdmann,  1840  (viel  benutzt).  —  Pertz,  1843  ff.  (be- 
sonders die  mathematischen  Schriften,  auch  von  Gerhardt,  1849  ff.).  —  Klopp,  1864  ff. 
Gerhardt,  7  Bde.,  1875  ff.  (bisher  größte  Ausgabe).  —  Janet,  1900.  —  Buchenau 
(Hauptschriften,  2  Bde.,  1904  f.,  Philos.  Bibl.).  —  In  Hannover  sind  noch  viele  unge- 
druckte  Handschriften.  —  Vgl.  die  Biographien  von  GUHRAUER  (1842  f.)  und 
E.  PfLEIDEBEB  (1870),  femer  K.  FlSCHER,  Geschichte  der  neueren  Philos.  II.  — 
L.  FeüEÄBACH,  Darstellung,  Entwicklung  und  Kritik  der  L.schen  Philosophie,  2.  A. 
1844.  —  KIRCHNER,  L.,  1877.  —  L.  STEIN,  L.  und  Spinoza,  1890;  Arch.  f.  Gesch. 
d.  Philos.  I,  1887.  —  E.  CASSIRER,  L.s  System,  1902.  —  COUTURAT,  La  logique 
de  L.,   1902;    Oeuvres  et  fragmens  inedits,  o.  J.    —    P.  RiTTER,    Neue    Leibniz-Funde, 


Leibniz        Leonhakdi.  41  •:; 


1904,  —    FOUCHEB  DE  CaBEEL,    La  philos.  de  L.,   1905.    —    K\J;iix.   D.  Philo*,  d. 
jungen   L.,   1909. 

I  <  i-htmi  .  J.  A.,  amerikanischer  Philosoph.  =  Idealistischer  Stand- 
punkt. 

Schriften:  Fichtcs  (Jonception  of  God,  Philos.  Review  V,  1896.  —  Typical  Modern 
Conceptions  of  God,   1901,  u.   a. 

Leint,  Louis-Francois,  geb.  L804  in  Gy,  Mitglied  der  Akademie  gest.  lv77 
in   Paris.  =  Intelligenz  und  Wille  sind  im  Schlafe  nicht  ganz  aufgehoben. 

Schriften:  Memoire  sur  le  sommeil,  les  songes  et  le  somnambulisme,  1852.  — 
Physiologie  de  la  pensee,  2.  ed.   1862,  u.  a. 

Lenioine,  J.  A.  Felix,  1824 — 1874,  Prof.  in  Nancy,  Bordeaux,  seit 
an  der  Ecole  Normale  in  Paris.  =   Anhänger  des   Vitalismus,   aber  nicht    des 
„Animismus"  Btahls. 

S  hriften:  Quid  sit  materia  apud  Leibnitiuin,  1847.  —  Charles  Bonnet,  1850. 
—  Uu  sommeil,  1855.  —  L'äme  et  le  corps,  1862.  —  Le  vitalisme  et  l'animisrae  de 
Stahl,   1864.  —  De  la  physiognomie  et  de  la  parole,   1865,  u.  a. 

Leo  Hebiaens,    geb.   um    1 100  in  Lissabon,  gest.  zwischen   1520   und 
i.    ein    (vielleicht   später   zum    Christentum    übergetretener)   portugiesischer 
Jude  (Juda  Abarbanel?).  =  Vom  Platonismns  beeinflußt,  preist  L.  die  geistige 
Liebe  eu  Gotl  (vgL  Bpinoza). 

ii  ritten:    Dialoge  über  die  Liebe  (italienisch   1535,     1541;    auch   hebräisch).  — 
Vgl.   15.  ZlMMELS,  L.  H.,  1886,   1892. 

Leon.  Xavicr.  Prof.  in  Paria  (Sorbonne).  Begründer  der  „Revue  de 
m&aphysique  et  de  morale''  (1893  ff.). 

hriften:     La    philosophie    de    Fichte,     1902.     —     Revue   de    mötaphysiqoe     V 
Xll,    ii.    a. 

I  «'onardo  da  Vinci.,  1452-  1519,  der  berühmte  .Maler,  war  auch  ein 
hervorragender  Mathematiker  und  Naturforscher  und  ist  auch  philosophisch 
von  Bedeutung  (vgl.  die  „Manuscrits",  6  Bde.,  hrsg.  1880 — 91). 

L.    schreibt    /war    den     hingen    ein    Streben    nach   Selbsterhaltung    und  den 

Elementen  eine  Tendenz  zur  Vereinigung  mit  dem  All  zu,  aber  Eugleich  betont 
er  die  mathematisch-ineehanische  (Jeset/.lichkeit  des  Naturgeschehens.  Die 
Mechanik  ist  das  ..Paradies  der  mathematischen  Wissenschaften".  BJräfte  sind 
an  materielle  Bedingungen  gebunden,  die  physischen  Vorgange  sind  Bewegungen 
in  itrengern  KansalzuBamnifnhangft.  Erfahrung  isl  die  Grundlage  des  w 
aber  die  Vernunft  betätigt  Bich  an  ihr  und  entdeckt  (durch  das  Experiment 
inittelti  die  Draschen  der  Erscheinungen.  Zugleich  hat  die  Phantasie  eine 
■ntizipetorisehe  Punktion  im  Entwerfen  innerer  Bilder. 

Vgl.  PKANII.,  L  da  V.  in  philM.  Beziehung,  Bayerisch«  Akad.  d.  Wissen*,  h., 
1885.   —    Soi.MI,   Studi   sulla  tilosoha  d.    L   da   \  ..    L8N  CASBULKB,    Dm    BrkSBSt- 

iroblea   1,  147  fl  M.   SBBSFELD,   L  ii  v..   |.  A.   LMM.         J,   Piiaow.  I* 

pkikMopbifl  d«  L  da  \ .,   l '.'  l  '. 

I  ooniiaidi.  Hermann  Karl  ron,  geb    1809  in  Frankfurt  a.  M.   Schi 


404  Leonhak  di  —  Lesage. 


gersohn  Chr.  Krauses   und   Anhänger  desselben,   Prof.  in  Prag,  Begründer  des 
ersten  Philosophen-Kongresses  (1868  in  Prag),  gest.  1875. 

Schriften:  Die  neue  Zeit  (Zeitschrift  1870  ff.).  —  Der  Philosophenkongreß  als 
Versöhnungsrat,  1869.  —  Sätze  aus  der  theoretischen  und  praktischen  Philosophie.  — 
Erneute  Verminftkritik,  1869,  u.  a.  (vgl.  Krause). 

Leronx,  Pierre,  geb.  1798  [in  Paris,  eine  Zeitlang  Buchdrucker  und 
Korrektor,  dann  Redakteur  des  „Globe"  (seit  1831  Organ  des  Saint-Simonis- 
mus),  der  „Encyclopedie  nouvelle",  der  „Revue  independante",  der  „Revue 
sociale",  1848—49  Abgeordneter,  gest.  1871. 

L.,  der  von  Saint-Simon  beeinflußt  ist,  vertritt  einen  idealistischen  „Sozia- 
lismus" (der  Ausdruck  S.  stammt  von  L.).  Das  Christentum  ist  auf  Erden 
in  der  Gesellschaft  zu  realisieren,  wie  auch  Gott  in  der  Welt  selbst  sich  be- 
tätigt, sie  mit  seiner  Weisheit  und  Liebe  erfüllt.  Die  Unsterblichkeit  besteht 
im  Fortleben  oder  Wiedergeborenwerden  in  den  künftigen  Generationen  ohne 
Identität  der  Person  und  ohne  Erinnerung.  Die  Dreiheit  des  Christentums  ist 
das  Wesen  des  menschlichen  Geistes  als  Empfindung,  Gefühl  und  Erkenntnis. 
In  der  Gesellschaft  entspricht  diesen  Momenten  die  Dreiheit  von  Eigentum, 
Familie  und  Staat.  Die  Menschheit  ist  eine  (in  Gott  ewig  lebende)  reale  Ein- 
heit, an  welcher  jedes  menschliche  Individuum  Teil  hat.  Die  menschliche 
Solidarität  beruht  auf  der  Gleichheit,  gemäß  welcher  jedem  Menschen  ein 
seinen  Fähigkeiten,  Bedürfnissen  und  seiner  Arbeit  gemäßer  Anteil  an  Gütern 
gebührt, 

Schriften:  Refutation  de  l'eclecticisme,  1839.  —  De  l'humanite,  de  son  principe 
et  de  son  avenir,  1840;  2.  ed.  1845.  —  D'une  religion  nationale,  1846.  —  De  l'hu- 
manite, 1848.  —  Du  christianisrae,  1848.  —  De  l'egalite,  1848,  u.  a.  —  Vgl.  P.  F. 
Thomas,  P.  L.,  1902. 

Leroy,  Georges,  geb.  1723  in  Paris,  Oberaufseher  der  Jagden  in  Ver- 
sailles, Mitarbeiter  an  der  „Encyclopedie",  gest.  1789.  =  Von  Condillac  und 
Robinet  beeinflußt.  Die  „Lettres"  enthalten  Ansätze  zu  einer  vergleichenden 
Psychologie. 

Schriften:  Exames  des  critiques  du  livre  de  l'esprit,  1760.  —  Reflexions  sur 
la  Jalousie,  1772.  —  Lettres  philosophiques  sur  les  animaux,  1781,  1862  (Hauptwerk); 
deutsch  1807.  —  Vgl.  M.  MARX,  Ch.  G.  L.,   1898. 

Le  Roy,  Alfonse,  1822—1896,  Prof.  in  Lüttich.  =  Von  Kant  beein- 
flußter Spiritualist. 

L<e  Roy,  Eduard.  =  Wie  Poincare,  Duhem  u.  a.  vertritt  L.  einen 
(pragmatistischen)  „Xeo-Positivismus",  nach  welchem  die  Theorien  und  Gesetze, 
ja  auch  die  Tatsachen  der  Wissenschaft,  Produkte  geistiger  Verarbeitung  eines 
Rohmaterials  sind,  wobei  eine  gewisse  Auswahl,  Willkür,  Konvention  zur 
Geltung  kommt. 

Schriften:  Dogme  et  critique,  1907.  —  Abhandlungen  in  der  „Revue  de  meta- 
phys.  et  de  inorale"  VII  ff. 

"besage,  geb.  1724  in  Genf,  gest.  1803.  =  L.  erklärt  die  Gravitation  aus 
dem  Stoße  der  im  liaum  überall  verbreiteten  Korpuskeln. 


Lesage  —  Lessing.  405 


Schriften:  Phyaique  meoanique,  1818,  u.  a.  —  Vgl.  W.  Stosz,  Lesage  als  Vor- 
kämpfer der  Atomistik,   1884. 

Leser,  Hermann,  geb.  1873  in  Weimar,  Prof.  in  Erlangen.  =  L.  ver- 
ficht die  Berechtigung  der  transzendentalen  Methode  in  der  Erkenntnistheorie, 
nur  muß  sie  durch  die  Berücksichtigung  der  ^kulturhistorischen  Erfahrung" 
\  ertieft  "werden. 

Schriften:  Zur  Methode  der  kritischen  Erkenntnistheorie,  1900.  —  Das  Wahr- 
heitsproblem unter  kulturphilosophischem  Gesichtspunkte,  1901.  —  Grundcharakter  und 
Grundprobleme  der  Euckenschen  Philos.,  1907,  u.  a. 

Lessewioz,  W.  W.,  L837 — 1905.  =  Positivistischer  Standpunkt  (ähnlich 
wie  Göring  u.  a.j. 

Schriften:  Die  Philosophie  der  Geschichte,  1869.  —  Briefe  über  die  wissensch. 
Philos.,   1878,   u.  a.   (russisch). 

Lessing,  Gotthold  Ephraim,  1729 — 1781,  kommt  in  mancherlei  Hinsicht 
auch  für  die  Geschichte  der  Philosophie  in  Betracht.  In  Leipzig  wurde  er  mit 
der  Wolfischen  Philosophie  bekannt,  später  studierte  er  u.  a.  Spinoza  und 
Leibniz.  Von  den  Aufklärern  und  Popiüarphilosophen  seiner  Zeit  war  es  be- 
Bonders  Mendelssohn,  mit  dem  er  verkehrte. 

L.  ist  insofern  ein  Vertreter  der  deutschen  Aufklärung,  als  er  mit  großem 
Freimut  sich  auf  den  Standpunkt  der  Vernunft  stellt,  nichts  ohne  Kritik  hin- 
nimmt und  auch  in  der  Theologie  den  religiös-ethischen  Gehalt  des  Christen- 
tums vom  Historisch-Dogmatischen  wohl  zu  unterscheiden  weiß.  In  seinen 
philosophischen  Anschauungen  ist  L.  nicht,  wie  Jacobi  meinte  (und  Mendels- 
sohn heftig  bestritt),  „Spinozist",  wenn  er  auch  in  mancher  Beziehung  (Einheit 
des  Alls,  Determinismus,  Toleranz  u.  a.)  von  Spinoza  beeinflußt  ist.  In  erster 
Linie  steht  L.  auf  dem  Boden  der  Leibnizschen  Weltanschauung,  die  er  zu 
einer  Art   Panentheismus  weiterbildet. 

L.  ist  ein  entschiedener  Vertreter  des  Individualismus  (Pluralismus), 
und  zwar  einer  M onadologie,  also  „Panpsychist" :  „Jedes  Btäubchen  dei  Materie 
kann  einer  Seele  zu  einem  Sinn  dienen.  Das  ist,  die  ganze  materielle  Well  ist 
bis  in  ihre  kleinsten  Teile  U-seelt"  (in  der  Abhandlung:  ..Daß  mehr  als  fünf 
Sinne  für  den  Manschen  sein  können").  Die  Vielheit  der  Dinge  aber  wird  von 
der  Einheit  <;<>ttes  umspannt,  indem  alles  Seiende  in  Gott  existiert  (Über  die 
Wirklichkeit  der  Dinge  außer  Gott).  Ausdehnung  und  Bewegung  einerseitB 
and  Gedanke  anderseits  sind  „in  einer  höheren  Kraft  gegründet,  die  noch  lange 
nicht  damit  erschöpft  ist-.  „Sie  muß  unendlich  vortrefflicher  -ein  als  diese  oder 
jene  Wirkung;  und  so  kann  es  auch  eine  An  des  Genusses  für  aie  geben,  der 
nicht  allein  alle  Begriffe  übersteigt,  sondern  völlig  außer  dem  Begriffe  liegt" 
(Gespräch  mil  Jacobi).  Im  , .Christentum  der  Vernunft"  entwickell  I.  Beinen 
christlichen  Panentheismus  weiter.  Gott,  das  vollkommenste  Wesen,  hat  -ich 
v«.n  Ewigkeit  her  nur  mit  der  Betrachtung  des  Vollkommensten,   also  mit  sich 

selbst  beschäftigen  kö in.    Was   Gott  vorstellt,  das  schafft    er  auch,     indem 

•  r  -ich  in  aller  -einer  Vollkommenheil  dachte,  schuf  er  Bich  damit  ein  ebenso 
vollkommenes  Wesen,  den  „Sohn  Gott",  welcherGotl  selbst  oder  ein  „identisches 
Bild"  Gottes  ist  hie  Harmonie,  welche  zwischen  beiden  i-t.  i-t  der  h.  Geist  [ndem 


406  Lessing. 

ferner  Gott  seine  Vollkommenheiten  zerteilt  dachte,  schuf  er  Wesen,  deren  In- 
begriff die  Welt  ist.  In  der  Welt  ist  nirgends  ein  Sprung,  eine  stetige  Stufen- 
folge von  „einfachen  Wesen"  existiert.  Da  jedes  von  diesen  Wesen  etwas  hat, 
was  die  anderen  nicht  haben,  so  besteht  zwischen  ihnen  eine  Harmonie.  Diese 
Wesen  (Monaden)  sind  „gleichsam  eingeschränkte  Götter"  mit  verschiedenen 
Graden  des  Bewußtseins.  Jene  Wesen,  welche  sich  ihrer  Vollkommenheiten 
bewußt  sind,  sind  moralische  Wesen  und  folgen  einem  „aus  ihrer  eigenen  Natur 
entnommenen"  Sittengesetze:  „Handle  deinen  individualischen  Vollkommen- 
heiten gemäß".  Die  beste  positive  Religion  ist  die,  welche  die  wenigsten 
konventionellen  Zusätze  zur  natürlichen  Religion  enthält.  Ob  Christus  mehr 
als  Mensch  gewesen,  ist  ein  Problem.  „Daß  er  wahrer  Mensch  gewesen,  wenn 
er  es  überhaupt  gewesen;  daß  er  nie  aufgehört  hat,  Mensch  zu  sein;  das  ist 
ausgemacht."  Folglich  sind  die  Religion  Christi  und  die  christliche  Religion 
zwei  ganz  verschiedene  Dinge.  Der  Buchstabe  ist  nicht  der  Geist,  und  die 
Bibel  ist  nicht  die  Religion,  sie  enthält  mehr  als  diese  und  ist  insofern  nicht 
unfehlbar.  Aus  ihrer  „inneren  Wahrheit"  müssen  die  Überlieferungen  erklärt 
Averden.    Das  Christentum  war,  ehe  Evangelisten  und  Apostel  geschrieben  hatten. 

Seine  (von  Augustinus  beeinflußte)  Geschichtsphilosophie  gibt  L.  be- 
sonders in  der  „Erziehung  des  Menschengeschlechts" ;  die  Gespräche  „Ernst  und 
Falk"  enthalten  den  Gedanken,  daß  der  Staat  dem  Wohle  der  Individuen  dienen 
soll,  daß  nicht  die  Individuen  für  den  Staat  da  sind.  Was  die  Erziehung  bei 
dem  einzelnen  Menschen  ist,  ist  die  Offenbarimg  beim  ganzen  Menschen- 
geschlechte,  nämlich  fortwährende  Erziehung  des  Menschengeschlechts,  die  ihm 
nichts  gibt,  was  er  nicht  auch  aus  sich  selbst  haben  könnte,  nur  daß  sie  es 
ihm  früher  gibt.  Eine  gewisse  Stufenfolge  weist  diese  göttliche  Leitung  des 
Menschengeschlechts  auf,  die  von  Polytheismus  und  niederster  Moral  zu  höheren 
Formen  der  Religion  und  Sittlichkeit  führt.  Der  Monotheismus  des  Judentums 
ward  vom  Christentum  abgelöst.  Die  Zeit  der  Vollendung  aber  wird  erst 
kommen,  wo  der  Mensch  „das  Gute  tun  wird,  weil  es  das  Gute  ist",  die  Zeit 
eines  „neuen  ewigen  Evangeliums",  das  dritte  Zeitalter.  Eben  die  Bahn  aber, 
auf  welcher  das  Menschengeschlecht  zur  Vollkommenheit  gelangt,  muß  jeder 
einzelne  Mensch  erst  durchlaufen  haben.  Es  ist  möglich,  daß  jeder  Mensch 
mehrmals  auf  der  Welt  gewesen  ist.  „Warum  sollte  ich  nicht  so  oft  wieder- 
kommen, als  ich  neue  Kenntnisse,  neue  Fertigkeiten  zu  erlangen  geschickt  bin." 
Eine  Erinnerung  an  frühere  Zustände  ist  nicht  nötig. 

L.s  Bedeutung  als  Ästhetiker  ist  groß,  doch  weniger  in  philosophischer 
Umsicht.  Hier  sei  angeführt,  daß  L.  unter  dem  Schönen  die  „undeutliche 
Vorstellung  einer  Vollkommenheit,  in  welcher  der  Begriff  der  Einheit  der  klarste 
ist",  versteht  (Bemerkungen  über  Burkes  philos.  Untersuchungen,  1758),  ferner 
dii  Forderung,  daß  ein  Kunstwerk  ein  „untadelhaftes  Ganzes"  bilde,  daß  die 
Dichtkunst  moralisch  nütze  und  zugleich  ergötze.     Die  Bedeutung  des  Genies, 

,Mustergeistes",  dessen  glücklicher  Geschmack  der  Geschmack  der  Welt 

rird  betont.  Die  tragische  „Katharsis"  faßt  L.  als  Umwandlung  der  Affekte 
in  „tugendhafte  Fertigkeiten"  auf. 

Schrillen:   Das  Christentum  der  Vomunft,  1753.  —  Pope    ein   Metaphysiker   (mit 


Lesseng  —  Lkw  es.  -l'». 


Mendelssohn),  1 7 ö 5 .  —  Über  die  Wirklichkeit  der  Dinge  außer  Gott,  1 703.  —  Ham- 
burgische  Dramaturgie,   1767 — 69.  —  Ernst  und  Falk,   1778 — 80.  —  Die  Religion  Christi. 

—  Die  Erziehung  des  Menschengeschlechts,  1780.  —  Gespräch  mit  Jacobi  über  Spinoza, 
1785,  u.  a.  —  Auch  gab  L.  die  „Fragmente  eines  Ungenannten"  (Reimarus)  heraus.  —  VgL 
die  Hempelschc  Ausgabe  der  Werke  L.s ;  ferner:  E.  SCHMIDT,  L.,  2.  A.  1900.  — 
DlLTHET,  in:  Das  Erlebnis  u.  die  Dichtung,  2.  A.  1907.  —  WlTTK,  L.  u.  Haider, 
1880.  —  SCHREMPF,  L.,  1906  (Klassiker  der  Philos  I.  —  P.  LOEENTZ,  L.i  Philo- 
sophie,  1909   (Philos.  Bibl.). 

Leasing.  Theodor,  geb.  1^72  in  Hannover,  Dozent  daselbst.  =  Nach  I... 
der  sich  zum  „Aktivismus"  bekennt,  kann  dio  Philosophie  ihr  Lebensrechl  ßich 
nur  als  ..Philosophie  der  Tat",  als  „praktische  Wissenschaft  des  Glückes  und 
der  Eugenese",  erstrecken. 

Schriften:   Die  Erkenntnislehre  A.  Spirs,  1898.  —  Schopenhauer,  Wagner,  Nietze 
1906.  —   Hypnose  u.  Suggestion,   1907.  —    Wertaxiomatik.  Anh.   f.   nystem.    Thilos.   Xll, 
—    Philos.   als   Tat,   Arch.   I   syst.   Philos.    XV,    1909,   u.   a. 

Leukippos  von  Abdera  (oder  von  Milet),  (angeblichen  älterer  Zeitgen* 

Demokrit,  mit  diesem  Begründer  der  Atomistik  (vgl.  Demokritos). 
Vgl.    DlELS,   Fragmente  der  Vorsokratiker  1.  —   E.  ROHDE,    Jahrb.    f.    Philos.    u. 
Pädagogik,  Bd    123,   1881     —  ZELLER.  Arch.   f.  Gesch.  d.  Philos.  XV,   1902. 

I,e  Yayei\,  Francois  de  la  Mothe,  geb.  1588  in  Pari-.  Staatsrat,  Erzieher 
Ludwigs  XIV.,  gest.  1672.  =  Le   V.  gehört   za   jenen   Skeptikern,   welch.-  die 
Unsicherheit  theoretischer  and  Bittlich-religiöser  Urteile  der  Gewißheit  der  - 
offenbarten  Religion  gegenüberstellen. 

Schriften:  Cinq  dialogues,  1671:  deutsch  1716.  —  Vgl.  ETIENKE,  Essai  sur  la 
Mothe  Le   V.,   184t» 

■jewl  ben  Gerson  (Gersonides),  franzosischer  Jude,  peb.  1288  in  Bagnols, 
gest.  um  1344,  Verfasser  von  Kommentaren  zu  Averroes  u.  a.  und  einer 
selbständigen  Arbeil  „Milhamoth  Adonai"  (Kriege  des  Herrn,  1560,  1866).  = 
Von  Averroes  beeinflußter  Aristoteliker,  Gegner  der  Lehre  von  der  Schöpfung 
aus  Nichts. 

Vgl.  Bf.  JofiL,  L.  ben  <;..  1 802.  —   Praktl,  Gesch.  d.  Logik  11. 

I.c'vy-Rrnlil.  Lucien,  geb.  ls~>.   in  Paria,   Prot,  in  Paris  (Sorbonne). 
Vi.h  L.,  der  von  Durkheün  beeinflußt  Ist,  ist  kein.'  Wissenschaft  normativ,  also 
auch  nicht  die  Moralwissenschaft,  welche  soziologischen  Charakter  hat  und  eine 
rein  objektive,  induktive  Methode  befolgt 

h  ritten:   L"i<lr<'  de   responsabilit^,   1884.   —   La   philo«,   de    Jaoobi,    1894.   —    La 
Philosophie  d'A.  Comte,  l.  id.    1906.  —  La  rnorale  et  la  ■cienc«  doi  noeon,  B.  td.  l  I 

—  1  :i  rnorale  icieatifique,  1907.  —  Les  fonetion«  meatalet  dai 

1  mi'.i,   b.   a. 

I.«mv«»^.  I  Henry,  geb.  1817  in  London,  gest.  iv 

L.  ist  ein  von  Comte  und  Spencer  beeinflußter  evolutioni» tischer  Positivist, 
der  aber  eine  empirische,  positive  Metaphysik  für  möglich  hält,   in  weichet  das 
„Metempirische",  über  die  Erfahrung  hinan-  Liegende,  vom  Empirischen  an 
schieden  wird.     Das  ^Metempiriache"  ist  das  außerhalb  der  Grenzen   mögliche] 
Erfahrung    Liegend«       whatever  liee  beyond   the  limii-  ol  posaibli   experieno 


408  Lewes  —  Lichtenberg. 


Physik  und  Metaphysik  haben  es  mit  Dingen  und  deren  Relationen  zu  tun, 
sofern  sie  erkennbar  und  ein  Bestandteil  unserer  Welt  sind ;  alles  Unerkennbare 
ist  zu  eliminieren:  ,,The  scientific  canon  of  excluding  from  calculation  all  in- 
caculable  data  places  Metaphysics  on  the  same  level  with  Physics."  In  den 
Erscheinungen,  die  den  Gegenstand  der  Erkenntnis  bilden,  manifestiert  sich  das 
Absolute.  Das  Absolute  ist  nicht  eine  unerkennbare  Kraft,  denn  Kraft  ist  uns 
in  der  inneren  Erfahrung  durchaus  bekannt.  Objekte  sind  stets  in  Beziehung 
zu  einem  Subjekt  gegeben,  ein  unwahrgenommenes  Objekt  ist  eine  Abstraktion 
vom  Subjekt ;  das  „Ding  an  sich"  ist  ein  „metaphysischer  Fetisch".  Die  Dinge 
sind,  was  sie  in  ihren  Relationen  sind.  Psychisches  und  Physisches  sind  die 
beiden  Aspekte  eines  und  desselben  Wesens,  stehen  daher  nicht  in  Wechselwirkung, 
sondern  laufen  einander  parallel;  die  Seele  ist  keine  Substanz,  sondern  der  Zu- 
sammenhang des  Erlebens  selbst.  Das  Bewußtsein  ist  ein  Epiphänomen  des 
Nervenprozesses.  Bewußtsein  ist  etwas  Unableitbares,  das  Unbewußte  nichts 
als  der  Nervenprozeß ;  neben  dem  Oberbewußtsein  gibt  es  im  Organismus  niedere 
Bewußtseine.  Durch  Übung  werden  willkürliche  Handlungen  zu  unbewußten 
Vorgängen  mechanisiert.  Das  Seelenleben  der  Individuen  ist  vom  sozialen 
Milieu  abhängig,  seinem  Gefühlsleben  wie  seinem  Intellekt  nach:  „The  intellect 
and  the  conscience  are  social  functions ;  and  their  special  manifestations  are 
rigorously  determined  by  social  statics."  Wie  Spencer  erklärt  L.  das  Apriorische 
der  Erkenntnis  für  instinktiv  gewordene,  ererbte  Gattungserfahrimg. 

Schriften:  Biographical  History  of  Philosophy,  1845 — 46,  letzte  Auflage  1880; 
deutsch  1871 — 76.  —  Corates'  Philosophy  of  the  Positive  Sciences,  1853.  —  Physiol. 
of  Common  Life,  1860;  deutsch  1860.  —  Aristotle,  1864;  deutsch  1866.  —  The- 
Physical  Basis  of  Mind,  1877.  —  Problems  of  Life  and  Mind,  1872—79  (Hauptwerk). 
—  The  Study  of  Psychology,  1879.  —  Consciousness  and  Unconsciousness,  Mind  IIr 
1877,  u.  a.   —   Vgl.  L.  CarrATJ,  La  philosophie  de  L.,  Kevue  philos.  II,  1876. 

l,iur<I.  Louis,  geb.  1846  in  Folaise,  Prof.  in  Paris  (Sorbonne).  =  Kriti- 
zistischer  Standpunkt  (gegen  den  Positivismus).  Nach  L.  ist  nur  eine  ethische 
Metaphysik  möglich,  welche  das  Absolute  als  das  Gute  bestimmt,  das  die 
Ursache  aller  Vollkommenheit  und  aller  Daseinsformen  ist.  Das  Ich  ist  ein- 
heitliche Aktivität,  welche  alle  ihre  Zustände  beherrscht. 

Schriften:  Les  Logiciens  anglais  contemporains,  1878;  deutsch,  2.  A.  1883.  — 
Des  definitions  g^ometr.  et  des  defin.  empir.  —  Descartes,  2.  ed.  1903.  —  La  science- 
positive  et  la  metaphysique,  5.  ed.   1907;  deutsch  von  F.  u.  G.  Valyi,  1910. 

Liberatore,  Matthias.  =  Thomistischer  Standpunkt. 

Schriften:    Institutiones    philosophicae,    1851.    —  Trattato    della    conoscenza    in— 
Male,    1855,    1873.    —    Ethica   et    ius   naturale,    1858.    —    Compendium   logicae   et 
metaphysicae,  1868. 

Lichtenberg,  Georg  Christoph,  geb.  1742  in  Ober-Ramstadt  (bei  Darm- 
Stadt),  Prof.  der  Mathematik  und  Physik  in  Göttingen,  gest.  1799. 

L.  ist  ein   Vertreter   der    deutschen  Aufklärung,    der   besonders   von   Kant 

ilufit   ist.     Er  ist  ein  Gegner  alles  Dualismus:  er  meint,  ein  tieferes  Studium 

der  Natur  werde  zum  , geläuterten  Spinozismus"  führen.    Leib  und  Seele,  Gott 

und  Well  Bind  nur  Abstraktionen  von  einer  einzigen  Wirklichkeit.   Von  der  Materie 


L»  HTENBERG    —    LlEBMANN. 


kennen  wir  nicht-   als  Kräfte,   die  trag«     Basis   ist    bloß  Eürngespinst  (vgL  die 
modernen  Energetiker:  Ostwald  u.  a.).    Alles,  was  ist,  ist  eins.    Unsere  Erkenntnis 
ist  ein  Produkt   der   Reaktion   des  Subjekts   auf  die   Einwirkungen  der  l>ii 
deren  empirische  Existenz  ebenso  gewiß  ist  wie  die  unsrige.    Aber  ob  die  1> 
mehr  sind  als  unsere  Vorstellungen,   können    wir  nicht    wissen,   denn  daß  wir 
Ursachen  unserer  Empfindungen  denken  müssen,  isl   eine  rein  subjektiv«    N 
wendigkeit.     Aus   uns   heraus  können   wir  nicht.     Wie   die  Sache  auch    steht, 
wir  sind  und  bleiben  Idealisten,  denn  alles   kann    uns  nur  durch   unsere   Vor- 
stellung gegeben  werden.    ..Zu  glauben,  daß  diese  Vorstellungen  und  Empfin- 
dungen durch  äußere  Gegenstände  veranlaßt   werden,   ist  ja   wieder  eine  Vor- 
stellung.     Der    Idealismus    ist     ganz    unmöglich     zu    widerlegen."      „Am 
Gegenstände  zuerkennen,  isl  ein  Widerspruch;  es  ist  dem  Menschen  unmöglich, 
aus  sich  herauszugehen.     Wenn  wir  glauben,  wir  Bähen  Gegenstände,   so  sehen 
wir  bloß  uns."     Aber  auch  ein  Ich  außer  dem  Bewußtsein  erfassen   wir  nichl 

-  tl    „ich  denke"    sollte    man    sagen,    „es  denkt".     I>a-    Ich    anzunehmen,  zu 
postulieren,  ist  „praktisches  Bedürfnis". 

S    hriften:    l  her  die  Physiognomik  wider  die  Physiognomien,   17  78.  —  Vermischte 
riften,  9  Bdc,   I8i>u  tt'.;  8  lUie.,  1844 — 53.    Bemerkungen  vermischten  Inhalts  (Mc 
Volksbücher).     —     Vgl,    JÖRDEN8,     L.s    Ideen,     Maximen     und    Einfülle,    1827 — 29.    — 
1\  SCHAEFER,    L.  all   1'  —      \     Nr.i.MvNN.    L    ala    Philosoph,    Kant- 

stodien  IV,  lfi 

IJ<*litenl>c»r£<ki'.  Henri,  geb.  L870  in  Straßburg,  Prof.  in  Paris, 
hriften:   Wagner  poöte  et  pensenr,  1898,  5.  ed.  1910.  —  Heine  pensenr,  i  l 

—  La  philosophi  t/sche,    L898,    l.    ed.    1908;    deatsefa    1899;    2.    A.    1900.  — 
F.  Nietzsche,  4.  ed.   1908,  u.  u. 

I.i<'lit<kiifel*.  Johann  von,  geb.  1 793,  Prof.  in  Wien,  gest  lst'«*-»  in  Kronstadt. 

L..  der  von  Jacobi  beeinflußt  ist,   lehrt  einen  „unterordnenden   Dualismus" 
des  Übersinnlichen  und  Sinnlichen,  Übernatürlichen  und  Natürlichen,  Geistig 
und  Körperlichen,  Moralischen  imd  Physischen.    Die  Philosophie  ist  die„Wis» 
schaff  des  Übersinnlichen  aus  der  Vernunft".     Die  Seele  isl   der  menschliche 
Geist  als  eine  vom  Leibe  /war  nicht  der  Form,  aber  der  Wesenheil   nach  v< 
Bchiedene  Substanz,  welche  dem  Leibe  als  ihrem  W<  rkzeuge  real  übergeordnet 
isl   ein    „Vernunftwesen",   eine   „übersinnliche   Substanz",   immateriell, 
einfach,   unsterblich.   —   Die    Logik    ist    die    Wissenschaft    von    der   „Gesetz- 
mäßigkeit   des   Gedachten",   eine    formale    Wissenschaft      Das    Urteil    ist    die 
„unmittelbare    Begriffsbestimmung".      Die   Wissenschaften    gliedert    L    in 
Vernunftwissenschaft  (Philosophie),  Pormal  Wissenschaft,    Naturwissenschaft  und 
1        hieht-w  issenschaft. 

ii  ritten:   Grundriß  d  —  Qrandlin.  d 

i.         Lehrb.  d.  I-<>s^ik .   L842.  —   Lehrbuch  der  Pi  -  Lehrbuch  d 

1846*—   Lehrhnch  der  Moralphilosophi 

situng  iii  die  Philosophie,  ■>     \    is»'>:{.  --    Metaphysik  dei 

Uolmiaiui.  <  »ii..    geb.  lsl"  in   Löwent»         ^chlesiei       Prof.     i     Sti 

.  seit  L882  in  Jena. 

L  gehört    zu    den    Neukantianern,    ist    aber    auch    \<>n    Plato,     \ 


41«  >  Liebmann. 


Spinoza,  Leibniz  u.  a.  beeinflußt  und  wird  auch  zu  den  „Halbkantianern"  gerechnet. 
In  seiner  ersten  Schrift  „Kant  und  die  Epigonen"  (1865)  wird  wiederholt  ge- 
fordert, es  müsse  „auf  Kant  zurückgegangen"  werden.  Wenn  auch  Einzelheiten 
der  Kantschen  Vernunftkritik  nicht  haltbar  sind,  so  ist  nach  L.  die  Trans- 
zendentalphilosophie, der  kritische  Idealismus  und  Phänomen alismus  bleibend. 
Das  „Ding  an  sich"  freilich  ist  ein  „Unding",  ein  „hölzernes  Eisen",  Dinge 
gibt  es  nur  als  Erscheinungen,  wenn  auch  den  Objekten  ein  x,  dem  Subjekte 
ein  y  an  sich  zugrunde  liegt.  Die  Außenwelt  als  solche  ist  ein  durch  die 
apriorischen  Anschauungs-  und  Denkformen  bedingtes  „kephalozentrisches 
Phänomen".  Erst  durch  „Translokation"  der  Empfindungen  in  den  Baum  und 
durch  unbewußte  Beziehung  derselben  auf  eine  Ursache  ersteht  die  Welt  äußerer 
Objekte.  Die  Außenwelt  ist  als  solche  „nur  ein  Phänomen  innerhalb  unserer 
wahrnehmenden  Intelligenz  und  daher  den  Gesetzen  derselben  unterworfen". 
Aber  die  Ordnung  der  Wirklichkeit  selbst  zwingt  uns,  die  Dinge  und 
ihre  Verhältnisse  in  bestimmter  Weise  aufzufassen,  und  zwar  so,  wie  es  jede 
uns  gleichartige  Intelligenz  tut. 

Es  gibt  verschiedene  Arten  und  Schichten  des  A  priori:  relative  Apriorität 
haben  auch  die  Sinnesqualitäten.  Apriorität  ist  aber  nicht  psychologische 
Subjektivität,  sondern  das  A  priori  ist  „metakosmisch",  das  Gesetz  für  jede 
Intelligenz,  das  streng  Allgemeine  und  Notwendige,  die  Grundform  und  Norm 
des  Erkennens,  das  logische  Prius  von  Körper  und  Seele,  das  Transzendentale. 
Eine  „reine"  Erfahrung  wäre  nur  ein  Chaos  von  Eindrücken,  keine  Erkenntnis. 
Eine  sokhe  ist  nicht  ohne  Anwendung  von  Interpolationsmaximen  mög- 
lich, durch  wTelche  das  lückenhafte  Wahrnehmungsmaterial  zu  einem  zusammen- 
hängenden Erfahrungsbestand  durch  Einschaltung  der  fehlenden  Zwischenglieder 
ergänzt  wird,  und  zwar  durch  das  Prinzip  der  realen  Identität,  der  Kontinuität 
der  Existenz,  der  Kausalität,  der  Kontinuität  des  Geschehens.  Kaum  und 
Zeit  sind  ideell  (subjektiv),  ein  Produkt  unserer  Intelligenz,  apriorische  An- 
schauungsformen. Von  der  logischen  Notwendigkeit  ist  die  „Anschauungs- 
notwendigkeit"  des  euklidischen  Raumes  und  der  auf  ihm  basierenden  geome- 
trischen Axiome  zu  unterscheiden.  Der  gesehene  Raum  ist  nur  ein  Bewußtseins- 
phänomen, aber  in  der  absoluten  Weltordnung  besteht  ein  Grund  für  die  Be- 
stimmtheit unserer  Raumvorstellungen.  Ebenso  für  die  Zeitvorstellung,  die 
durch  das  identische  Ich  bedingt  ist.  Möglich  ist  die  Existenz  einer  unend- 
lichen „absoluten  Intelligenz",  welche  über  Raum  und  Zeit  erhaben  ist  und 
den  Grund  des  Seins  darstellt.     Erkennbar  ist  sie  aber  nicht. 

Alle  Metaphysik  kann  nur  hypothetische,  kritische  Metaphysik 
sein,  welche  den  Weltzusammenhang  von  unserem  Standpunkt  aus  erfaßt,  als 
..hypothetische  Erörterung  menschlicher  Vorstellungen  über  Wesen,  Grund  und 
Zusammenhang  der  Dinge".  Das  Universum  läßt  eine  Ideen -Ordnung  er- 
kennen. Die  Ideen,  die  unveränderlichen  Grundlagen  der  Entwicklung,  sind 
Komplikationen",  denen  gemäß  bei  einem  bestimmten  Zustand  der 
.Materie  ein  Mensch  oder  ein  Individuum  entspringen  muß.  Im  Organismus 
tritt  zum  Mechanismus  und  Chemismus  ein  „rätselhaftes  Plus"  hinzu.  Eine 
„Entelechie"  ist  hier  unentbehrlich,  der  „idiotypische"  Charakter  des   Organis- 


Liebmanx  —  Linde.  in 


mus  nötigt  zur  Annahme  einer  solchen.  ,,Das  organische  Leben  ist  mehr  als 
ungebundenes  Spiel  physikalischer  und  chemischer  Prozesse.''  Ein  „gestalt- 
bildender Faktor",  der  die  Kräfte  der  anorganischen  Natur  als  Büttel  und 
Werkzeug  braucht,  ist  anzunehmen.  Der  Mechanismus  schließt  die  Teleologie 
oichl  ans;  der  Zweck  ist  zwar  kein  konstitutiver  Begriff,  keine  Kategorie,  aber 
doch  eine  vernunftnotwendige  Betrachtungsweise.  —  Das  Bewußtsein  ist  eine 
UrtatBache,  das  Psychische  nicht  aus  dem  Physischen  abzuleiten.  Gegen  einen 
Btrengen  peychophysischen  Parallelismus  sprechen  die  Einheit  des  Ichs,  die 
Freiheit  des  Denkens,  der  logische  Charakter  des  Geisteslebens,  während  im 
Physischen  alles  mechanisch,  nach  physikalisch-chemischen  Gesetzen  erfolgt. 
In  der  Natur  muß  es  aber  eine  objektive  Vernunft  (eine  .,Logik  der  Tatsachen") 
geben.  —  Im  menschlichen  Leben  wirken  Werturteile  als  Wirklichkeits- 
faktoren. Der  Wert  ist  eine  Relation  des  Objekts  zum  urteilenden  Subjekt, 
vermöge  «reicher  es  anderen  Objekten  derselben  Gattung  vorgezogen  wird.  Da- 
da und  Nein,  als  ursprüngliche  Funktionen  des  Subjekts,  Betzl  die  Wert«-. 
Objektive  Werte  sind  ..objektivierte  Bejahungen".  Ethik  und  Ästhetik  sind 
Normwissenschaften,  gehen  auf  das  Sollen,  auf  objektive  Werte.  Die  sittlichen 
[deale  haben  absoluten  Wert,  sie  sind  Selbstzweck. 

Schriften:  Kant  und  die  Epigonen,  1865.  —  Über  den  individuellen  Beweis  für 
die  Freiheit  des  Willens,  1868.  —  Über  den  objektiven  Anblick,  1869.  —  Zur  AnaJysü 
der  Wirklichkeit,  1876;  4.  A.  1911.  —  Über  philos.  Tradition,  1883.  —  Gedanken  und 
Tatsachen,  1882  tf.  (2.  A.  1904).  —  Die  Klimax  der  Theorien,  1884.  —  Weltwanderun-. 
philo*.  Gedichte,  1899.  —  Vgl.  Y.UHINUER  und  BAUCH,  Zum  70.  Geburtstag  0.  1. .-. 
Festschrift  der   Kantstudien,   1910  (verschiedene  Mitarbeiter). 

Lignac,  de,  Joseph  Adrien,  Abbe',  Oratorianer,  gest.  1 7 * >J  in  Paris.  = 
Anhänger  Malebranchee 

Schriften:  Elements  de  metaphysique,  175.'?.  —  Examen  sörieux  et  eomiqoe  des 
di-' ours  «ur  l'esprit,    1759    (gegen   Helvetius).   —  Le  temoignage    du    Pens    intime,    1T6(». 

I  ili<  nf^hl.  Paul  von.  geb.  1820  in  Bialystock,  Senator  in  Petersburg,  gest 
1903.  L  isl  ein  l [auptrertreter  der  ^rganisistischen"  Soziologie.  Die  l 
Bellschaft  ist  ''in  realer  Organismus  eigener  Art.  dessen  Zellen  die  Individuen 
sind.  11-  gibt  «ine  soziale  Zwischenzellensubstanz,  ein  soziales  Nervensystem  usw., 
auch  treten  im  sozialen  Organismus  pathologische  EEemmungs-  und  Rück- 
bildungserscheinungen  auf.  Das  biogenetische  Grundgesetz  hat  auch  sozio- 
logische Bedeutung.  Im  Verlaufe  des  Portschritts  tritt  der  physische  Faktor 
der  Entwicklung  gegenüber  den  geistigen  Tendenzen  in  den  Hintergrund. 

Schritten:  <  icdanken  über  die  Sozialwissenschaft  der  Zukunft.  ."»  Bde.,  IST.'!  tl. 
—  La  pathologie  sociale,  1896.  —  Zur  Verteidigung  der  organischen  Methode  in  der 
Soziologie,   1898. 

LHJeqTlsl,  Bfraim,  Privatdozent  in  Göteborg,  Verfasser  schwedischer 
Schriften  über  F.  Bacon  (1894),  die  Sophistik  (189  spezifische 

Sinnesenergien  i  L899),  n.  a. 

IJiido.  Ernsti  geb.  is,'^i  in  Gotha,  Lehrer  daselbst,  Herausgeber  der 
„Allgemeinen  Deutschen  Lehrerzeituni 


412  Linde  —  Lipps. 


Schriften:  Persönlichkeitspädagogik,  2.  A.  1905.  —  Religion  u.  Kunst,  1905.  — 
Natur  u.  Geist  als  Grundschema  d.  Welterklär.,   1907,  u.  a. 

Lindemann,  Heinrich  Simon,  geb.  1807  in  Landau,  seit  1847  Prof.  in 
München,  gest.  1855.  =  Anhänger  Chr.  Krauses.  Er  faßt  das  menschliche  Ich 
als  Ebenbild  der  göttlichen  Persönlichkeit  auf. 

Schriften:  Die  Lehre  vom  Menschen  oder  Anthropologie,  1844.  —  üenklehre  oder 
Logik,  1846.  —  Grundriß  zu  den  Vorlesungen  über  Anthropologie,   1848,  u.  a. 

Lindner,  Ernst  Otto,  geb.  1820,  Redakteur  der  „Vossischen  Zeitung",. 
gest.  1867.  Verfasser  der  Schrift  „Zur  Tonkunst",  1864  und  von  Abhandlungen, 
über  Schopenhauers  Philosophie.  =  Anhänger  Schopenhauers. 

Vgl.  NOACK,  Philosophie-geschichtliches  Lexikon,  S.   558  f. 

läiidiier,  Gustav  Adolf,  1828—1887,  Prof.  in  Prag.  =  Herbartianer. 

Schriften:  Lehrbuch  der  formalen  Logik,  1861  ;  6.  A.  1885  (später  mit  Leclair, 
3.  A.  1903).  —  Einleitung  in  das  Studium  der  Philosophie,  1866.  —  Lehrbuch  der 
empirischen  Psychologie,  10.  A.  1891.  —  Das  Problem  des  Glücks,  1868.  —  Ideen  zur 
Psychologie  der  Gesellschaft,   1871.  —  Über  latente  Vorstellungen,   18  75. 

liindner,  Theodor,  geb.  1843  in  Breslau,  Prof.  der  Geschichte  in  Halle 
a.  S.  =  Geschichte  ist  „in  menschlicher  Gemeinschaft  Geschehenes".  Sie  weist 
Beharrung  und  Veränderung,  Kontinuität  und  Variation  auf.  Ideen  wirken  in 
der  Geschichte  als  Wirkungen  von  Bedürfnissen. 

Schriften:  Goschichtsphilosophie,  1901;   2.  A.   1904,  u.  a. 

Lipps,  Gottlob  Friedrich,  geb.  1865  in  Albersweiler,  Prof.  in  Leipzig.  == 
L.,  ein  Schüler  Wundts,  zeigt  in  dem  letztgenannten  Werk  das  Entstehen  der 
kritischen  Weltanschauung  infolge  des  Ge  wahr  werden  s  der  Widersprüche,  die 
mit  der  Mythenbildung  verknüpft  sind. 

Schriften:  D.  log.  Grundlagen  d.  mathem.  Funktionsbegriffs,  1888.  —  Grundriß 
der  Psychophysik,  1899;  3.  A.  1908.  —  Untersuchungsn  über  die  Grundlagen  der  Mathe- 
matik, Philos.  Stud.  IX— XII.  —  Die  Theorie  der  Kollektivgegenstände,  1902.  —  Die 
Maßmethoden  der  experimentellen  Psychologie,  1904.  —  Die  psychischen  Maßmethoden, 
1906.  —  Mythenbildung  u.  Erkenntnis,  1907.  —  Grundriß  d.  Psychophysik,  3.  A.  1908. 
—  Weltansch.  u.  Bildungsideal,   1911,  u.  a. 

Lipps,  Theodor,  geb.  1851  in  W allhalben,  seit  1894  ord.  Prof.  in  München. 
L.  ist  einer  der  Hauptvertretcr  des  Psycholog ismus,  aber  nicht  im 
Sinne  des  Empirismus,  Subjektivismus  oder  Relativismus,  sondern  in  Ver- 
bindung mit  dem  Geiste  des  Kantschen  Kritizismus  und  einem  objektiven  Idealis- 
mus; L.  ist  auch  von  Hume,  Herbart,  Fechner,  Wundt  u.  a.  beeinflußt,  geht  aber 
jetzl  über  den  Psychologismus  hinaus.  Die  Philosophie  ist  nach  L.  „Geistes- 
nschaft  oder  Wissenschaft  der  inneren  Erfahrung"'.  Logik,  Ethik  und 
Ästhetik    haben    die    Psychologie    zur   Grundlage,    sind    zum    Teil    angewandte 

■ 

Die  Logik  ist  eine   „psychologische   Disziplin";   die   „reine"  Logik   ist  die 

Wissenschaft  von  den  Gesetzen  des  überindividuellen  Denkens,  von  den  Vernunft- 

zen.      Überhaupt    betont    L.    (in    seinen    späteren    Arbeiten)    das   über- 

individuelle    Denken    und   Werten    sowie    die    Notwendigkeit    einer    „reinen 


Lipps.  413 

Bewußtseinswissenschaft"  im  Unterschiede  von  der  individuelle]]  Psycholog 
Ferner  den  „FordernngBcharakter"  des* objektiv  Gedachten  und  Gewerteten. 
Die  Objektivität  der  Gegenstände  gibt  sich  in  „Forderungen"  seitens  derselben 
an  unsere  Apperzeption,  unser  Urteilen  und  Werten  kund;  diese  Forderungen 
sind  überindividuell,  im  Transzendenten  begründet  (vgl.  Bickerts  „transzendentes 
Sollen").  So  liegt  im  Objektivitätsbewußtsein  zunächst  das  Gefühl  der 
erzeptiven  <  Jebundenheit",  jedes  Erlebnis  ist  nicht  nur  subjektiv,  sondern 
auch  objektiv  bedingt;  es  gibt  eine  objektiv  gerichtete,  reine  Gegenstands- 
apperzeption. ..Gegenständ.--  Bind  nicht  ,, Inhalte'',  nicht  in  mir,  sondern  für 
mich,  sie  Btehen  meinen  psychischen  „Akten"  gegenüber.  Nicht  der  unmittel- 
bare Bewußtseinsinhalt  ist  der  Gegenstand,  sondern  das  damil  „Gemeinte",  das, 
worauf  ich  in  meiner  Vorstellung  ziele,  ein  Jenseitiges  für  mein  Wahrnehmen, 
das  eine  Forderung  an  dasselbe  stellt.  Solche  Forderungen  enthalten  auch 
alle  objektiven  B «■  1  b rionen.  Relationen  sind  „Apperzeptionserlebnisse"  oder 
„Weisen,  wie  Gegenständliches  in  meinem  Apperzipieren  und  durch  dasselbe 
aufeinander  bezogen  erscheint'-.  Jede  Relation  schließt  eine  Frage  an  das 
Gegenständliche  und  dessen  Antwort  ein.  Die  objektive  Relation  i<t  die  wechs 
seit  j      -  reiche  der   apperzipierte   Gegenstand    vermöge    welcher  ihm 

anhaftender  Bestimmtheiten  sich  gibt,  d.  h.  die  er  auf  Grund  dieser  Bestimmt- 
heiten vom  Apperzipierenden  fordert  Die  Logischen  Relationen  sind  Relationen 
der  Logischen  Zusammengehörigkeit.  Apriorische  Relationen  sind  ..durch 
die  bloße  Qualität  der  *  stände  gegeben,  in  ihr  begründet"  (vgL  lieinoi 

A  priori  ist  vor  allem  die  Natur  und  Gesetzmäßigkeit  des  Geistes  selbst.  Es 
gibt  Stufen  der  Apriorität;  rein  a  priori  sind  die  Urteile  über  die  Zeit,  nicht 
alter  die  über  den  Raum.  I>a-  Denken  ist  objektiv  bedingte-  Vorstellen  und 
Apperzipieren;  die  Kategorien  (Denkformen)  Bind  Apperzeptionsformen,  die, 
subjektiv  entspringend,  doch  objektive  überindividuelle  Geltung  haben.  Im 
Denken  schließt  Bich  ein  Komplex  von  Vorstellungsinhalten  zur  Einheit  des 
Dinges  zusammen,  welch.-  als  wirkendes  Wesen  gilt;  die  Ding«  Bind  über- 
individuell, aber  (als  Raumdinge)  nicht  transzendent  Alle  Einheit  besteht 
in  der  „Einheit  des  zusammenfassenden  Denkens".  Die  „Einheitsapperzeption" 
ist  eine  ursprüngliche  Tendenz  der  Seele, 

.Mit  dem  allen  haben  wir  auch  psychologische  Anschauungen  Ls  berührt 
Di(  Psychologie  will  L.  nicht  als  physiologische,  Bondern  zunächst  als  reine 
Psychologie  behandeln,  al>  Wissenschaft  vom  individuellen  Bewußtsein,  von  der 
le  und  den  Beelischen  „Erscheinungen",  vom  „Vorkommen  von  Bewußtseins- 
erlebnissen in  Individuen".  Die  psychischen  V  i  e  sind  zu  beschreiben, 
zu  analysieren  und  begrifflich  zu  bestimmen.  Die  innere  Wahrnehmung  ist 
eine  „Rückschau",  ein  „Wiedererleben  in  der  Gegenwart".  Der  Gegenstand 
der  inneren  Wahrnehmung  hat  absolute  Realität  Di<  psychischen  Akt«-  sind 
unbewußt,  bewußt  sind  nur  die  Inhalte.  Ein  Bewußtseins  Vorgang  bedarf  zu 
seiner  Entstehung  des  Zuflusses  psychischer  Krafi  nach  Maßgabe  Beiner  psj 
sehen  Energie.  Die  psychischen  rDispoeiti «n"  Bind  unbewußte  seelische  Zu- 
stände; -i<  erzeugen  Vorstellungen,  indem  nie  von  anderen  zur  Tätigkeil  en 
irerden.     Die    Assoziationen   (Beziehungen  zwischen  Vorstcllu  und  der 


41-4  Li  PPS. 

Ausdruck  und  die  unmittelbare  Betätigung  der  Einheit  des  Geistes.  Die 
Assoziationsgesetze  (der  Ähnlichkeit  und  Gleichzeitigkeit)  sind  „Gesetze  der 
Vervollständigung"  zur  Einheit.  Eine  Perseverationstendenz,  d.  h.  eine  Tendenz 
der  Beharrung  der  Seele  in  der  Betätigungsweise,  in  der  sie  begriffen  ist,  be- 
steht. Die  Reproduktion  ist  „Tendenz  des  vollen  Erlebens",  Tendenz  der  „Treue 
gegen  mich  selbst''. 

Jedes  psychische  Geschehen  hat  den  Charakter  des  Streben  s.  Streben 
ist  das  „innere  Zielen  oder  Gerichtetsein",  es  besteht  in  einem  psychischen 
Geschehen,  in  dessen  Natur  es  liegt,  in  irgendwelcher  Weise  fortzugehen,  und 
dem  dabei  eine  Hemmung  begegnet.  Es  gibt  aktives  und  passives  Streben, 
„mein"  Streben  und  Streben  „in  mir".  Das  Gesetz  der  psychischen  Stauung 
besagt,  daß  die  Quantität  eines  psychischen  Geschehens  sich  steigert,  wenn  es 
in  seinem  natürlichen  Fortgang  gehemmt  wird.  Psychische  Absorption  ist 
sowohl  die  aktive  Tendenz,  alle  psychische  Kraft  durch  einen  psychischen  Vor- 
gang zu  absorbieren,  in  sich  zu  vereinigen,  als  auch  die  passive  Tendenz,  wo- 
nach jeder  psychische  Vorgang  durch  das  gleichzeitige  psychische  Geschehen 
absorbiert  zu  werden  strebt.  Die  Gefühle  sind  Ich-Erlebnisse,  Symptome  der 
Weisen,  wie  psychische  Vorgänge  zum  Zusammenhang  des  seelischen  Lebens 
sich  verhalten  oder  stellen,  wie  sie  sich  in  ihn  einfügen.  Das  Wollen  ist 
„das  Streben,  daß  etwas  geschehe  durch  mich,  durch  mein  Zutun".  —  Eine 
fundamentale  Rolle  spielt  bei  L.  (ähnlich  wie  bei  Wundt)  die  Apperzeption. 
Wir  apperzipieren,  indem  wir  „Inhalte  uns  aneignen,  d.  h.  sie  zu  unserem 
Selbstgefühl  in  Beziehung  bringen  oder  in  das  System  unseres  Selbstbewußtseins 
einordnen"  (vgl.  Leibniz).  Apperzeption  ist  die  „Heraushebung  des  apperzipierten 
Gegenstandes  aus  dem  allgemeinen  Lebenszusammenhang".  Aktiv  ist  sie,  so- 
fern sie  von  einem  positiven  Wertinteresse  getragen  wird.  Objektiv  bedingt  ist 
sie,  als  Forderung  des  Gegenstandes,  als  Erfüllung  des  Rechtsanspruchs  des- 
selben (s.  oben).  Das  „Webersche  Gesetz"  ist  nach  L.  (wie  nach  Wundt)  ein 
Apperzeptionsgesetz.  Bezüglich  der  Raum  Vorstellung  vertritt  L.  eine  Ver- 
^(•hmelzungstheorie.  Der  Raum  ist  psychologisch,  „die  Form,  in  welcher  gleich- 
zeitige Gesichts-  und  Tastinhalte  geordnet  erscheinen".  Auch  die  Zeit  Vor- 
stellung beruht  auf  einer  extensiven  Verschmelzung.  Es  besteht  ein  Fortgang 
des  psychischen  Geschehens  und  ein  Sichverweben  der  Momentanerlebnisse  zu 
einem  einheitlichen  Zusammenhange;  die  Stadien  dieser  Assimilation  sind 
„Temporalzeichen". 

Das  Ich  ist  nicht  der  bloße  aktuelle  Bewußtseinszusammenhang,  sondern 
das  diesen  Erzeugende,  im  Gefühl  unmittelbar  seiner  Wirklichkeit  Bewußte. 
Das  Ich  ist  (psychologisch)  der  „Zusammenhang  von  Möglichkeiten  eines 
Bewußtseinslebens".  Die  Momentan-Iche  verdichten  sich  zur  einheitlichen  Ge- 
samtpersönlichkeit. Das  reale  Ich  ist  die  Seele  selbst,  als  „An  sich"  des  Gehirns. 
Das  Ich  ist  nicht  Erscheinung,  sondern  Manifestation  des  Weltbewußtseins,  das 
einheitlich  und  dabei  in  einer  Vielheit  von  Punkten  Ich  ist,  als  das  „Welt-Ich". 
Das  reale  ich  ist  dieses  „transzendente  Welt-Ich"  an  einem  bestimmten  Punkt, 
in  dieser  individuellen  Eingeengtheit,  Beschränktheit  und  Unvollkommenheit. 
Ohne  Substrat  ist  nur  das  göttliche   Welt-Ich    selbst,  in  dem  alles  Psychische 


Lrppß.  415 

geschieht;  es   ist   aktualer  Zweclraisainmeuhang,   voluntaristiBch-teleologiBch  zu 
n  stimmen. 

Damit  Bind  wir  bei  der  Metaphysik  von  L.  angelangt  Das  göttliche 
Allbewußtsein  umfaßt  nach  ihm  die  individuellen  Subjekte  und  die  objektiven 
Inhalte  derselben.  I>i<-  Wirklichkeil  isi  an  sich  Geist,  dieser  ist  das  W«  - 
<lcr  Xatur.  sie  ist  Beine  Entfaltung  („absoluter  Idealismus").  Die  Seelen  >in<  1 
Konzentrationen  des  in  allem  tätigen  Welt-Ich;  der  Mechanismus  isi  die  Er- 
scheinung eines  universellen  Zweckzusainmenhanges.  1  >a<  Bewußtsein  macht 
den  eigentlichen  Sinn  der  Worte  Kraft,  Energie  usw.  aus.  .. I >i«  Welt,  die 
unseren  Sinnen  sich  darstellt,  isi  dann  die  Sprache,  in  welcher  die  Wirklichkeit 
zu  unseren  Sinnen  und  durch  diese  hindurch  zu  unserem  individuellen  Bewußt- 
sein redet,  und  die  Welt  der  Naturwissenschaft,  ihre  .Xatur'.  ist  die  W< 
wie  die  Gesetzmäßigkeit  dieses  Wirklichen  in  der  räumlichen  Sprache  der 
Naturwissenschaft  sich  ausnimmt  und  soweit  es  in  dieser  Sprache  darstellbar 
i-t."  l>i«  Körperlichkeit  der  Dinge  ist  erst  dadurch  gegeben,  dafi  wir  das 
Unmittelbare  der  äußeren  Erscheinung  zu  einer  Welt  quantitativer  Relationen 
..Hindenken",  zu  allgemeingültigen,  objektiven  Erscheinungen.  „Das  Gegebene 
wird  umgedacht,  bis  es  der  Gesetzmäßigkeit  des  Geistes  sich  fügt."  1> 
..Natur-  als  Bolche  ersteht  so  erat  als  kausal-materieller  Zusammenhang,  als 
ietzmäßig  geordnetes  Ganzes  von  lauter  Beziehungen,  als  einheitlich«-  System 
setzmäßiger  Abhängigkeitsbeziehungen  zwischen  räumlichen,  zeitlichen  und 
Zahlbestimmungen,  als  Erscheinungswelt.    Die  Kritik   und  Theorie  der  aatur- 

nschaftlichen  Erkenntnis  i-t  die  Naturphilosophie. 

Den  l  _  zur  Ethik  bildet  die  Werttheorie  .  die  als  ..reine  Wert- 

lehre"  auszubauen  i-t.  Das  Werten  ist  das  Bewußtsein  von  der  Weise,  wie  ein 
Erlebnis  zu  meiner  seelischen  Xatur  oder  einem  Zug  innerhalb  derselben  -ich 
verhält.  Bedingung  des  Wertbewußtseins  ist  die  „Wertapperzeption''.  Ein  Ding 
hat  einen  Wert,  sofern  es  die  Eignung  hat,  ein  Wertgefähl  zu  erzeugen;  objektiv 
i»t  die  Wertung,  wenn  sie  durch  den  Gegenstand  selbst  „gefordert"  ist  und 
au<h  da-  Gesetz  des  (reinen)  leh  sie  fordert    Objektiv-absolut  i-t  der  Wert  für 

„ideale  fch",  der  Wert  des  ganzen,  idealen    Ich  selbst,  der  sittliche  Wert. 

Ihr  Ethik  von  L.  ist  idealistisch-formale  Persönlichkeits-  und  Gesinntu 
ethik,  die  an   Kant   orientiert    i-t.      Di.-    . .  M . » 1 1 1 .  1 1 1 ;  1 1 1  j  >  •  r  -  -  - 1 1 1  i  o  h  k  t  •  i  1 1  ■  i  i  • '    verdichten 

-ich  zu  ein.r  einheitlichen  GesamtperBÖnlichkeit,  deren  Gesetz  für  da-  sittliche 
Handeln  bestimmend  wird  (Autonomie,  auf  Grundlage  'ine-  Autodeterrninismus, 
einer  psychologisch-ethischen  Willensfreiheit  als  Bestimmung  de-  Wollens  durch 
die  Persönlichkeit),  sittlicher  Wert  i-t  ,,PerBÖntichkeitBwert"j  Wert,  den  die 
Persönlichkeit  selbst  hat.  Sittlichkeit  i-t  Freiheit  im  sinne  der  „freien  Übt 
einstimmnng  mit  einem  eigenen    inneren   I  daß   da»   sittlich« 

Bewußtsein  die  unmittelbarste  Offenbarung  d  liehen  Weltbewußtseüii  in 

ans  i-t.    Der  sittliche  Wert   unseres    Tun-  wird   nur  durch  du-  Gesinnw 

stimmt    und  durch    da-    Gewisses    nnmittelliar    beurteilt;    sittlich    richtig    i>t   ein 

Willensentscheid,  gegen  den  auch  ein  »vollkommen  erieuehtetei  Gewissen  keine 
Einsprache  erheben    könnte.     Dia  obersten   Sittenregeln   sind:  „Vernähe  dich 

jederzeit  -<>.  daß  du  hinsichtlich   dieses   deines   inner«  ii    Verhaltens   dir  seil 


416  Lipps. 

treu  bleiben  kannst."  Verhalte  dich  so,  daß  du  bei  gleichen  Gründen  stets  das 
Gleiche  wollen  kannst.  Verhalte  dich  in  allgemeingültiger  Weise  (vgl.  Kant). 
Strebe  danach,  daß  du  lebend  und  miterlebend  die  Menschheit  in  dir  ver- 
wirklichst. Der  ethisch  bedingte  Eudämonismus  fordert:  „Fördere,  wie  in  dir, 
so  auch  in  anderen  als  Basis  alles  sittlich  wertvollen  Glückes  das  Gute  oder 
den  Wert  der  Persönlichkeit."  Das  Wollen  aus  Pflicht  ist  das  „rein  objektiv 
bedingte  Wollen. ''  Das  Pflichtbewußtsein  ist  eins  mit  dem  Bewußtsein  des 
Sollens,  des  „Strebens  mit  dem  Charakter  der  Objektivität",  welches  als  „kate- 
gorisches Sollen"  die  Forderung  des  idealen  Ichs  ist. 

Die  Ästhetik  baut  L.  auf  psychologischer  Grundlage  auf.  Die  Ästhetik 
ist  „Wissenschaft  vom  Schönen;  implizite  auch  vom  Häßlichen".  Sie  ist  „an- 
gewandte Psychologie"  und  hat  die  einzelnen  Bedingungen  des  Ästhetischen 
aufzusuchen.  Das  Schöne  ist  ein  ästhetisch  Wertvolles,  das  zugleich  ein  ethisch 
Wertvolles  ist,  insofern  es  die  Menschlichkeit  fördert.  Form  und  Inhalt,  des 
Kunstwerkes  smd  untrennbare  Seiten  derselben  Sache.  Grundlage  des  Ästhe- 
tischen ist  die  vollkommene  Einheitsapperzeption  mit  „monarchischer  Unter- 
ordnung". Nur  ein  einziges  Interesse  ist  hier  rege,  das  Interesse  an  der  Be- 
trachtung. Das  Wesen  des  Ästhetischen  liegt  im  Mitleben  mit  den  ästhetischen 
Objekten,  in  der  ästhetischen  „Sympathie",  die  auf  der  ästhetischen  „Einfühlung" 
beruht,  durch  die  wir  das  Objekt  beseelen,  unser  Ich  hineinlegen,  gleichsam 
selbst  zur  Seele  des  Objekts  werden,  dessen  Leben  und  Streben  mitleben,  indem 
wir  es  als  etwas  Äußeres  unmittelbar  wahrzunehmen  glauben,  wobei  verschiedene 
Arten  der  Einfühlung  (z.  B.  die  „Stimmungseinfühlung")  zu  unterscheiden  sind. 
So  ist  aller  ästhetische  Genuß  „Genuß  des  objektivierten  eigenen,  in  der  Be- 
trachtung des  Objekts  bereicherten,  ausgeweiteten,  über  sich  selbst,  d.  h.  über 
das  alltägliche  oder  das  reale  Ich  hinausgehobenen  Ichs".  Schönheit  ist  „die 
in  der  Betrachtung  eines  Objekts  gefühlte  und  daran  fühlbar  gebundene  freie 
Lebensbejahung",  während  das  Häßliche  eine  Lebensverneinung  in  sich  schließt. 
Objektiv  ist  Schönheit  die  von  dem  Objekt  geforderte  Wertung.  In  der  Kunst 
handelt  es  sich  um  ästhetischen  Schein,  um  eine  Loslösung  des  Objekts  aus 
der  Wirklichkeit.  Das  Ziel  der  Kunst  ist  letzten  Endes,  „Leben  in  eine  sinn- 
liche Erscheinung"  zu  bannen  und  es  darin  unmittelbar  zu  erleben.  Erhaben 
is1  dasjenige,  in  welchem  ich  selbst  mich  innerlich  groß  fühle.  Beim 
Tragischen  bewirkt  das  Leiden,  daß  uns  das  Menschliche  im  Individuum 
näher  tritt,  in  seinem  Werte  von  uns  voller  verspürt  wird.  Komisch  ist,  was 
den  Anspruch  erhebt,  ein  Großes  oder  Bewußtsames  zu  sein,  um  dann  plötzlich 
als  ein  Nichts  zu  erscheinen.  Das  Gefühl  des  Humors  ist  eine  Verbindung 
von  Ernst  und  Anteilnahme  mit  dem  Lächerlichen. 

Schriften:  Grundtatsachen  des  Seelenlebens,  1883.  —  Psychologische  Studien, 
1885;  2.  A.  1905.  —  Der  Streit  über  die  Tragödie,  1891.  —  Ästhetische  Faktoren  der 
Raumanschauung,  1891.  —  Grundzüge  der  Logik,  1893.  —  Zur  Psychologie  der  Sug- 
gestion, 1897.  —  Raumästhetik  und  geometrische  Täuschungen,  1897.  —  Komik  und 
Humor,  1898.  —  Die  ethischen  Grundfragen,  1899;  2.  A.  1905.  —  Über  psychische 
Absorption,  1901.  —  Psychologie,  Wissenschaft  und  Leben,  1901.  —  Selbstbewußt- 
sein, Empfindung  und  Gefühl,   1901.  —  Einheiten   und  Relationen,  1902.  —  Vom  Fühlen, 


Lirrs  —  LiTTiti':.  417 


Wollen  u.  Denken,  1902;  2.  A.  1907.  —  Ästhetik,  1903—06.  —  Leitfaden  d.  Psychologie, 
1903;  3.  A.  1909.  —  Ästhetik,  in:  Kultur  dor  Gegenwart  I,  G.  —  Bewußtsein  u.  Gegenstände 
u.  a.  (Psych.  Unt.  I,  4),  1907.  —  Inhalt  u.  Gegenstand,  1905. —  Naturwissenschaft  u.  Welt- 
anschauung,   2.    A.    1907.    —  Philosophie  und  Wirklichkeit,    1908.    —    Xaturphilosoj 
in:  Die  Philos.  im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Windelband,  11,   '_'.  A.    1 
—  Die  soziologische  Grundfrage,  1907.  —  Die  Erscheinungen  (Psychol.  Untersuchung 
1907.   —   Abhandlungen:   Zur  Psychologie  dor  Kausalität,  Zeitschr.  f.  Psychol.  d.   Sinnes- 
organe   I.    —  Psychische    Vorgänge   und    psychische    Kausalität,    Z.    f.  Psychol.   XXV.   — 
Zur  Lehre  von  den  Gefühlen,  Z.  f.  Psychol.   VIII,  u.  a.  (vgl.  Home),  u.  a. 

Lipsins,  Justus   (Joost  Lippe     geb.   1547   bei   Brüssel,   Prof.  in  Löwen, 

.  I»i06.  =  Erneuerer  des  Stoizismus. 

Schriften:  De  constantia,  1584;  deutsch  1802.  —  Manuductio  ad  Stoicam  philo- 
sophiara,  1604.  —  Physiologiae  Stoicae  libri  III,  1610.  —  Opera,  1637,  1675,  u.  a.  — 
Vgl.  A.  STEUER,  Die  Philosophie  des  J.  L.,  1901.  —  M.  PF.  WULF,  Hist.  de  la  phil. 
*n   Belgique,   191t». 

WA pfttaa ,    Richard   Adalbert,    geb.  1830  in  Gera,    Prof.  der  Theologie  in 
Leipzig,  Wien,  Kiel  und  Jena,  gest.  1S92.  =  L.  ist  von  Kant  und  F.  A.  Lange 
beeinflußt      Die   Religion    wurzelt    in    der   festen    subjektiven    Gewißheit 
Glaubens.     Si<    ist   „das  Verhältnis,  in  welchem  das  Selbstbewußtsein  und  das 
Weltbewnßtsein   des   Menschen  zu  seinem  Bewußtsein,   jene   beiden   aber 

durch  Vermittlung  von  diesem  zueinander  Bteben".  Religion  ist  Erhebung  zur 
Freiheit  in  Gott,  zur  Lebensgemeinschaft  mit  ihm.  1mV  Wirklichkeit  i<t  nur 
symbolisch  erkennbar,  da  die  Kategorien  des  Denkens  nur  für  die  Erfahrungs- 
welt gelten.  Die  Wissenschaft  kann  daher  dem  religiösen  Glauben  keinen 
Abbruch  tun. 

S    hriften:    Lehrbuch    der    evangelisch-protestantischen    Dogniatik,    S.   A     L893.  — 
Philosophie    und    Religion,    1885.    —    Die    Hauptpunkte    der    christlichen    Glaul" 
2.   A.   1891,  ii.  s. 

EAsxt,  Franz  \mii.  geb.  ls"»i  in  Wien,  Prof.  des  Strafrechts  in  Berlin, 
Mitbegründer  der  ..Internationalen  kriminalistischen  Vereinigung".  =  Sozio- 
logische Rechts-  und  Btraftheorie.  ImV  Strafe  ist  eine  Reaktion  der  Gesell- 
schaft gegen  die  Verbrecher,  d.  h.  die  -<>zial  nicht  Angepaßten  und  dient  auch 
zur  Anpassung  dieser  an  das  soziale  Lehen. 

8     hriften:     Lehrt),    d.    deutschen    Strat'rechN    1881,    1907.  Der  Zwe« ikgedanke 

in  stratVe.  tat,  188t.  —  Da«  Völkerrecht,  1898.  —  Strafrechtliche  Aufsätze  und  Vorn 
1878     L968.  —  D.  strafrecht  d.  Oegeewtrt,  1894,  u.  a. 

IJttio.  Emile  geb.  1801  in  Paris,  gest  1881  daselbst. 

L  ist  ein  Anhänger  des  Poeitivismus  Qomtes,  aber  mir  der  ersten  Phase 
desselben.  Die  Annahme  einer  übernatürlichen,  göttlichen  Intelligenz  ist  ab- 
raweiaen  (gegen  Milk  I>ie  psychischen  Vorgänge  sind  als  Uehirnproze^e  zu 
studieren  (ebenfallf  Milk.     I>ie  organisierte  Materie  hat  die  Bigenscfa 

sich  oach  Zwecken  /u  gestalten. 

Schriften:     Analyse  rat  Ifl   0OOT«    dfl  '•  '•  De    1» 

philo«,   posit,    is.j:..    —    appHeet   de    la    phdloi    p  —    Pteolei   dk 

hie   peeitrft,    II  '>.    —    a.    < 

k  >n. 


418  Littre  —  Locke. 


—  A.  Comte  et  St.  Mill,  1866.  —  La  science  au  point  de  vue  philosophique,  1873; 
3.  ed.  1877.  —  Fragmens  de  philos.  positive  et  de  sociologie  contemporaine,  1876.  — 
Etudes  sur  les  progres  du  poßitivisme,  1883.  —  Revue  positive,  1867  ff.  (vgl.  1870).  — 
Vgl.  CARO,  L.  et  le  positivisme,  1883. 

JLot'ke.  John,  geb.  als  Sohn  eines  Juristen  am  29.  August  1632  in 
Wrington  bei  Bristol.  Er  studierte  in  Westminster  und  in  Oxford,  beschäftigte 
sich  viel  mit  Naturwissenschaft  und  Medizin,  lernte  die  Schriften  der  Scho- 
lastiker kennen,  die  ihn  nicht  befriedigten,  und  wurde  auch  mit  den  Lehren 
Descartes'  bekannt.  1658  erwarb  L.  den  Doktorgrad.  1667  lernte  er  Lord 
Anthony  Ashley  (später  Graf  von  Shaftesbury)  kennen,  in  dessen  Hause  er 
vielfach  lebte.  Den  Grafen  von  Northumberland  begleitete  er  auf  einer  Heise 
nach  Frankreich.  Nachdem  1672  Graf  Shaftesbury  Lordkanzler  geworden, 
wurde  L.  Sekretär  einer  Handelskommission ,  verlor  aber  sehr  bald  diese 
Stelle,  da  sein  Gönner  Shaftesbury  in  Ungnade  fiel.  1675  ging  L.  nach 
Frankreich,  wo  er  sich  mit  Lord  Herbert  (später  Graf  Pembrock)  befreundete. 
1679  kehrte  L.  nach  England  zurück,  verlor  eine  neu  erhaltene  Stelle  bald 
wieder  und  ging  mit  Shaftesbury  1683  nach  Holland  (Amsterdam,  Utrecht. 
Cleve,  Amsterdam).  1688,  nach  der  englischen  Revolution,  -welche  Wilhelm 
von  Oranien  auf  den  englischen  Thron  brachte,  erhielt  L.  in  England  eine 
höhere  Beamtenstelle.  Die  schon  1685  begonnenen  ,, Briefe  über  die  Toleranz" 
wurden  fortgesetzt.  Das  schon  1670  entworfene,  1687  beendete  Hauptwerk  ,,Über  den 
menschlichen  Verstand",  erschien  1689 — 90,  nachdem  vorher  ein  von  L.  verfaßter 
Auszug  von  Leclerc  ins  Französische  übersetzt  worden  war.  L.,  dessen  körper- 
liche Schwäche  in  den  letzten  Jahren  sehr  zunahm,  lebte  zuletzt  in  Oates 
(Essex)  im  Hause  des  Francis  Masham  und  starb  hier  am  28.  Oktober  1704. 
Von  Natur  sehr  nüchtern  und  besonnen,  war  L.  zugleich  ein  höchst  frei- 
mütiger, ehrlicher,  offener  Charakter,  dessen  tiefe  Frömmigkeit  und  theolo- 
gische Glaubensfestigkeit  nicht  verhindert  hat,  daß  L.  in  gewisser  Hinsicht 
einer  der  Begründer  des  Deismus  geworden  ist  und  durch  seinen  Empirismus 
an  der  Entwicklung  der  Aufklärungsphilosophie,  besonders  in  Frankreich 
(Condillac  u.  a.),  seinen  Anteil  hat. 

L.,  der  Begründer  des  neueren  erkenntnistheoretischen  Empirismus- 
( —  den  methodologischen  Empirismus  hat  zum  Teil  F.  Bacon  begründet  — ),  hat 
die  erste  systematische  Erkenntnistheorie  verfaßt.  Wenn  er  auch  vielfach  die 
Erkenntnis  psychologisch  ableitet,  so  steht  er  doch  auch  der  eigentlichen  er- 
kenntniskritischen Methode  nicht  fern,  wie  dies  besonders  Riehl  gezeigt  hat. 
L.  will  die  Art  und  Weise,  wie  der  Verstand  zu  seinen  Begriffen  von  Dingen 
gelangt,  erklären,  den  Grad  der  Gewißheit  unserer  Erkenntnis  bestimmen,  die 
Grenzen  zwischen  Meinung  und  Wissen  festsetzen  und  die  Grundsätze  unter- 
suchen, nach  welchen  wir  da,  wo  keine  gewisse  Erkenntnis  stattfindet,  unseren 
Beifall  und  unsere  Überzeugung  bestimmen  sollen.  Es  ist  festzustellen,  wie 
weit  das  Vermögen  des  Verstandes  reicht  und  welche  Gegenstände  in  seinen 
Bereich  fallen.  Zu  erforschen  ist  also  der  „Ursprung,  die  Gewißheit  und  die 
Ausdehnung  des  menschlichen  Wissens,  sowie  die  Grundlagen  und  Abstufungen, 

1  üaubens,  der  Meinung  und  Zustimmung". 


La  kk.  419 

Zunächst   bekämpft  L.   die  Lehre  von  den    angeborenen   Begriffen  und 
Grundsätzen    (gegen    Herbert   von    Cherbury,   Descartes    u.    a.i.    um    dann    zu 

gen,    wie   nach   seiner  Ansicht    unsere  Begriffe   wirklich  zustande  kommen. 
Die  vorgebliche  Allgemeinheit    von    Begriffen    und    Grundsätzen    beweist    noch 
keineswegs  deren    Angeborensein,   aber  diese  Allgemeinheit  des  „Angeborenen' 
besteht  gar  nicht,  was  besonders  die  ethischen  Grundsätze  dartun.      Nicht  ein- 
mal   die   logischen    Denkgesetze    (Satz  der  Identität  und    des    Widersprach 
sind  angeboren.     Diese  wie  die  mathematischen  Grundsätze   Bind  Kindern  und 
ungebildeten   unbekannt.     Daß   sie   etwa   unbewußt    von    Anfang   an   in   der 
-     le  liegen,  ist  undenkbar,  alle  Vorstellung  ist  als  solche  bewußt.      Die   bloße 
Fähigkeit    aber    hat    die    Seele  zu  allen  Arten  der  Erkenntnis,    und  das  A: 
borensein    des    Strebens  nach    Lust    und    des    Widerstrebens   gegen  Unlust  be- 
deutet noch  keine  Annahme  angeborener  Begriffe  oder  LTrteile  ;  der  gleichar 
Inhalt  solcher  erklärt  sich,    soweit  es  aich  um  Moral  handelt,   aus  Überlegung, 
Erziehung.  Verkehr  u.  dgl.    Der  Einsicht  in  die  vorgeblich  angeborenen  Wahr- 
heiten gehen  viele  Einzelerkenntnisse  voran.    Kurz,  es  gibt  keinerlei  angeborene 
Ideen,    auch   die   Gott  lliing    ist    nicht    angeboren,    wie  sie  denn    auch 

manchen  Völkern  fehlt. 

Woher    hat    nun    der    Verstand    Beine    Ideen    (ideas),    Bewußtseinsinhalte 

rhatsoever  is  the  objeet  of  the  understanding,   when  a  man   thinks")?     IhV 
einfachen    Ideen    Bind   schlechthin   gegeben,   werden  in  der  Seele  passiv  era 

-    le  schöpft  alle  ihre  Erkenntnis  aus  gegebenen  Vorstellungen  und  deren 
Verbindung  und   Verarbeitung  durch  das  Denken.     Di<    -        -leicht  bei  der 
Geburt   einem  weißen,   unbeschriebenen   Papier  (,, white  paper",    ..tabula 
auf  dem  erst   die  Erfahrung  ihre  Bchriftzeichen   anbringt.     Die  Erfahr 
tot  die  Quelle  aller  Erkenntnis,   eine  vorempirische  Erkenntnis   existiert    nicht, 

auch  das  nicht  Erfahrbare  (Gott,  Seel<  l  wird  nur  auf  Grund  der  Erfahr 

genommen.     Die   Erfahrung   ist    aber   eine   zweifache:    äußere   Erfahr 
(durch    Sinneswahrnehmu]  nsation"),    und    innere    Erfahrung    (durch 

Reflexion ,     „reflection")     der    Tätigkeiten     und    Zustände    der    Seele    selbst 
hinken.   Wollen.  Gefühle  usw.).     Nichte  ist  im  Verstände,  was  nicht  vom 
sinnlich  oder  als  Erlebnis  gegeben  ist  :    Nihil  est  in  intellectu,  quod  non  fueril 
prius  in  sensu.      Die  einfachen  Vorstellungen    entstehe!]    vermittelst   eine-  oder 
mehrerer  Sinne  (z,  B.  die  Raumvorstellung)  oder  durch  die  Reflexion  "der  ver- 

mittelst   der  Sinn.'  und  der   Reflexion  i..nii.\ed  ideal 

Was  nun  die   Vorstellungen   i\<v   Sinneserkenntnis  ausmacht,  so  sind  die 
Empfindungen  von  Licht.  Ton,  Geschmack,  Geruch,  Wärme,  Kälte, 

Glatte  u.  dgl.   nicht    Kopien   objektiver  Eigenschaften,   sondern   nur  subjekti 
psychische  Zustände,  die  durch  den  Anstoß  der  Körper   vermittelst  det   - 
im  Gehirn   und   in   d<      -  werden.     Di<  ntsprechen    in   den 

rpern   selbst    nur   Fähigkeiten,   in  uns  Empfindungen  auszulösen.    Von  den 
Farben,  Tönen    usw.   ah   sekundär«  sind   die  prim  pri- 

niary  i  oder  arBprünglichen  (original  Qualität  en  ra  unterscheiden  bon  die 

Scholastik,  dann,  anders,  Demokrit.  (ialibi.  1 1 . » 1 » 1 .  t  -  - .  l1  .    Während 

jene  vom  Subjekte  abhängig  sind  und  außerhalb  desselben  nicht  bestehen,  kommen 


420  Locke. 

letztere  den  Dingen  selbst,  unabhängig  von  uns  zu  und  die  Vorstellungen 
dieser  Qualitäten  sind  ihnen  durchaus  ähnlich:  „The  ideas  of  primary  qualities 
of  bodies  are  resemblances  of  them  and  their  patterns  do  really  exist  in  the 
body  themselves."  Die  primären  Qualitäten  (Dichte,  Ausdehnung,  Bewegung, 
Ruhe,  Größe,  Lage)  sind  von  den  Körpern  und  deren  kleinsten  Teilchen  ganz 
untrennbar  (inseparable),  sie  konstituieren  die  Natur  derselben.  Eine  dritte 
Klasse  von  Qualitäten  besteht  in  den  Kräften,  vermittelst  welcher  die  Körper 
einander  und  uns  modifizieren.  Die  Lehre  L.s  von  der  Subjektivität  der 
(sekundären)  Sinnesqualitäten  ist  von  großer  Bedeutung  geworden  und  hat 
schon  durch  Berkeley  eine  Weiterbildung  erfahren. 

Durch  die  Reflexion  erkennt  der  Geist  seine  eigenen  Tätigkeiten  und 
Zustände.  Eine  Psychologie  des  „inneren  Sinnes"  („internal  sense")  wird  da- 
mit inauguriert.  Das  Gedächtnis  beruht  auf  einem  Behaltungsvermögen 
(„retention"),  welches  physiologisch  beeinflußt  ist.  L.  gehört  auch  zu  den  Be- 
gründern der  neueren  Assoziationslehre  („association  of  ideas").  Er  kennt 
nur  Berührungsassoziationen  und  erklärt  sie  auch  physiologisch  durch  Be- 
wegungsreihen der  „Lebensgeister"  in  den  Nerven.  Der  Begriff  der  „Bahnung" 
findet  sich  schon  hier;  durch  das  häufige  Betreten  eines  Weges,  den  die 
Lebensgeister  (feinste  materielle  Teilchen)  nehmen,  wird  er  zu  einem  glatten 
Pfade.  Das  Denken  ist  eine  verbindende,  trennende,  vergleichende,  verallge- 
meinernde, abstrahierende  Tätigkeit,  welche  von  der  willkürlichen  Aufmerk- 
samkeit geleitet  wird.  Da  das  Denken  des  Menschen  selbsttätig  das  Erfah- 
rungsmaterial verarbeitet,  der  Intellekt  also  ein  fundamentaler  Erkenntnisfaktor 
ist,  so  erhält  L.s  Erkenntnislehre  auch  einen  rationalistischen  Einschlag,  der 
sie  jedenfalls  vom  sensualistischen  Empirismus  abrückt.  Abstrakte  Be- 
griffe hat  der  Mensch  vor  den  Tieren  voraus.  Die  Abstraktion  besteht  in 
der  gesonderten  Auffassung  mit  Absehen  von  anderen  Dingen  und  den  Neben  - 
umständen  zeitlich-räumlicher  Art.  Die  Begriffe  sind  Zusammenfassungen 
einer  Klasse  von  Vorstellungen  unter  einem  allgemeinen  Namen  (Nominalis- 
mus); aber  es  entspricht  ihnen  die  Ähnlichkeit  einer  Reihe  von  Dingen.  Die 
Allgemeinheit  selbst  gehört  nicht  den  Dingen  an,  sie  besteht  nur  in  der  Fähig- 
keit des  Geistes,  vieles  Einzelne  unter  einem  generellen  Namen  zusammenzu- 
fassen. Das  Ich  besteht  psychologisch  in  dem  stetigen,  mit  sich  identischen 
Bewußtsein.  Die  Identität  des  Menschen  besteht  in  der  Teilnahme  an  dem- 
selben stetig  fortgesetzten  Leben.  Das  Selbstbewußtsein  ist  intuitiv  gewiß, 
wählend  die  Natur  der  Seele  hypothetisch  ist. 

Die  zusammengesetzten  Ideen  stellen  entweder  Modi  oder  Substanzen 
oder  Relationen  vor.  Die  „modi"  („modes")  sind  zusammengesetzte  Ideen, 
welche  nichts  selbständig  Existierendes,  sondern  von  Dingen  Abhängiges  dar- 
stellen (z.  B.  Dankbarkeit).  Einfache  oder  reine  Modi  („simple  modes")  sind 
jene  Modi,  deren  Elemente  gleichartig  und   die  nur  Modifikationen  einer  und 

Lben  einfachen  Vorstellung  sind  (z.  B.  ein  Dutzend);  die  gemischten  Modi 
(,,mixed  modes")  bestehen  aus  Vorstellungen  verschiedener  Art  (z.  B.  Schön- 
heit).  Zu  den  reinen  Modis  gehören  Raum,  Zeit,  Vermögen  usw.  Die  Raum - 
Vorstellung   wird  durch  den  Gesichts-  und  Tastsinn  erlangt,     Die  Tatsache 


Locke.  421 

der  Bewegung  beweist  die  Existenz  eines  leeren  Raumes.  Die  Zeit  ist  die 
Auffassung  der  Dauer  als  abgesteckt  nach  gewissen  Perioden  und  durch  ge- 
wisse Maße  und  Haltepunkte  bezeichnet.  Die  Vorstellung  der  Dauer  hat  ihre 
Grundlage  in  der  Wahrnehmung  des  Vorstellungsverlaufes.  Die  Idee  der 
l'n endlich keit  beruht  auf  der  Konstanz  unseres  Vermögens  des  Zählens, 
der  unbegrenzten  Erweiterung  von  Raum  und  Zeit  im  Denken,  also  auf  dem 
endlosen  Fortgang  des  Geistes  ohne  Abschluß.  Den  Begriff  des  Vermögens 
oder  der  Kraft  („power')  gewinnen  wir  auf  Grund  der  Erfahrung,  daß  wir 
wollend  Körper  bewegen,  unseren  Vorstellungs verlauf  ändern  können  und  daß 
die  Körper  wirken  und  Wirkungen  erfahren.  Die  klarste  Idee  einer  tätigen 
Kraft  gibt  uns  die  innere  Erfahrung  unserer  Willenskraft.  Der  Begriff  der 
Kausalität  ist  ein  aus  der  Vergleichung  mehrerer  Dinge,  deren  eines  als 
kraftbegabt,  als  „Ursache''  aufgefaßt  wird,  entspringender  Relationsbegriff. 
Ursache  ist,  was  macht,  daß  etwas  anderes  zu  sein  beginnt.  Die  Substanz 
wird  nirgends  erfahren,  sondern  nur  zu  konstanten  Komplexen  von  Qualitäten 
hinzugedacht  als  unbekanntes  Substrat  („unknown  substratum").  Wir  ver- 
muten, daß  stets  miteinander  verknüpfte  Vorstellungen  einem  Dinge  ange- 
hören und  belegen  den  Komplex  mit  einem  Namen.  „Aus  Unachtsamkeit 
spricht  man  nachher  davon  und  behandelt  das  wie  eine  Vorstellung,  was  in 
Wahrheit  eine  Verbindung  vieler  Vorstellungen  ist,  und  weil,  wie  gesagt,  man 
sich  nicht  vorstellen  kann,  wie  diese  einfachen  Vorstellungen  für  sich  bestehen 
(subsist)  können,  so  gewöhnt  man  sich  daran,  ein  Unterliegendes  anzunehmen 
(suppose),  in  dem  sie  bestehen  und  von  dem  sie  ausgehen  (result).  Dieses 
Unterliegende  nennt  man  deshalb  die  Substanz"  (vgl.  Berkeley,  Hume, 
St.  Mill,  Mach).  Das  Etwas,  welches  die  Qualitäten  trägt  und  zusammenhält, 
wird  nur  verworren  gedacht,  ist  ohne  rechten  Erkenntniswert.  Wir  wissen 
weder,  was  die  körperliche,  noch  was  die  geistige  Substanz  an  sich  ist  (vgl. 
Kant).  Eine  immaterielle  Substanz  (Seele)  existiert  wohl  sicher,  aber  es  ist 
denkbar,  daß  Gott  die  Materie  selbst  denkfähig  geschaffen  hat. 

Im  dritten  Buche  des  „Essay"  befaßt  sich  L.  eingehend  mit  der  Bedeutung 
der  Sprache  für  das  Erkennen  und  mit  den  durch  Mißbrauch  der  Worte 
verursachten  Irrtümern.  Inwiefern  die  Worte  als  Bezeichnungen  begrifflicher 
Zusammenfassungen  dienen,  ist  uns  bereits  bekannt.  Die  Worte  im  allge- 
meinen sind  Zeichen  für  Vorstellungen  und  Dinge.  Von  dem  realen  Wesen, 
der  inneren  Konstitution  des  Dinges,  die  uns  vielfach  entgeht,  ist  das  Nominal- 
en des  von  uns  Gedachten ,  Definierten  und  Klassifizierten  zu  unter- 
scheiden. Nur  bei  den  einfachen  Vorstellungen  sind  Nominal-  und  Real- 
wesen eins. 

Das  vierte  und  letzte  Buch  enthält  die  Lehre  vom  Wissen,  von  der  Ge- 
wißheit und  Wahrheit.  Erkenntnis  (Wissen)  ist  nach  L.  die  Erfassung 
(perception)  der  Verbindung  (connexion)  und  Übereinstimmung  (agreement) 
oder  des  Widerstreites  (repugnancy)  unter  den  Vorstellungen.  Es  gibt  drei 
Arten  des  Wissens:  intuitive,  demonstrative  und  sinnliche  („sensitive")  Er- 
kenntnis. Die  intuitive  Erkenntnis  ist  evident  (ein  „clear  light"),  unabweisbar 
(irresistible),  unmittelbar,  ohne  Vermittlung  anderer  Vorstellungen  als  das  Em- 


422  Locke. 

gesehene  (z.  B.  daß  drei  mehr  ist  als  zwei).  Intuitiv  gewiß  ist  die  Existenz 
des  Selbstbewußtseins,  des  eigenen  Seins.  Demonstrativ  ist  die  mathema- 
tische, auch  die  ethische  Erkenntnis;  die  Gewißheit  ist  hier  ebenfalls  absolut, 
aber  durch  Vorstellungen  vermittelt.  Das  sinnliche  Wissen  hat  nur  den 
Charakter  der  Wahrscheinlichkeit.  Wahrheit  kommt  eigentlich  nicht  den 
Vorstellungen,  sondern  den  Urteilen  und  Sätzen  zu  und  ist  Übereinstimmung  der 
tredanklich-sprachlichen  Verbindung  oder  Trennung  mit  der  Zusammenstimmung 
oder  Nicht-Zusammenstimmung  der  Dinge  untereinander  („Truth  .  .  .  seems 
to  me  in  the  proper  import  of  the  word  to  signify  nothing  but  the  joining  or 
separating  of  signs,  as  the  things  signified  by  them  do  agree  or  disagree  one 
with  another").  Reale  und  bloße  Wort-Wahrheit  ist  zu  unterscheiden.  Die 
..ewigen"  Wahrheiten  sind  notwendig  wahr,  nicht  weil  sie  angeboren  sind, 
sondern  weil  sie,  wenn  einmal  aus  allgemeinen  Vorstellungen  gewonnen,  immer 

wahr  bleiben. 

Daß  L.  keine  angeborenen  sittlichen  Ideen  anerkennt,  wissen  wir  be- 
reits. Die  sittlichen  Grundsätze  sind  sicher,  bedürfen  aber  der  Demonstration, 
sind  ihrer  ebenso  fähig  wie  die  Mathematik.  Die  Ethik  ist  die  Wissenschaft, 
welche  „die  Regeln  und  den  Anhalt  für  die  menschlichen  Handlungen,  die 
zur  Glückseligkeit  führen,  sowie  die  Mittel,  sie  zu  erlangen,  aufsucht".  Was 
die  Lust  in  uns  zu  erwecken  oder  zu  steigern  oder  die  Unlust  zu  mindern 
vermag,  ist  ein  Gut.  das  Gegenteil  ein  Übel.  Sittlich  gut  ist  die  Handlung, 
welche  mit  dem  göttlichen  und  sozialen  Gesetz  übereinstimmt.  Tugend  und 
Laster  beziehen  sich  auf  Handlungen,  die  durch  ihre  Natur  recht  bezw.  un- 
recht sind;  als  Tugend  gilt  das  jeweilig  als  preiswürdig  Betrachtete,  eine 
gewisse  Relativität  der  Wertungen  besteht  hier  je  nach  den  Völkern  und 
Zeiten,  wenn  auch  der  Gehorsam  gegen  das  göttliche  Gesetz  die  Norm  ist. 
Die  Willensfreiheit  faßt  L.  im  Sinne  des  psychologischen  Determinismus 
auf,  als  Wahlfähigkeit  und  Handlungsfreiheit,  als  Vermögen,  Handlungen  zu 
beginnen  oder  zu  unterlassen,  zu  denken  oder  nicht  zu  denken.  Freiheit  ist 
Macht,  zu  tun,  was  man  will;  eines  oder  das  andere  aber  muß  gewollt 
werden.  Das  Motiv  für  die  Änderung  eines  Zustandes  ist  ein  Zustand  des 
Unbehagens  (uneasiness).  Der  stärkste  Gefühlsimpuls  setzt  sich  schließlich 
durch. 

Was  die  Rechts-  und  Staat sphilosophie  L.s  anbelangt,  so  ist  dieser 
ein  Gegner  des  (z.  B.  durch  Filmer  vertretenen)  Absolutismus.  Im  Naturzu- 
stände, in  welchem  nur  das  Naturgesetz  („law  of  nature")  und  das  Gesetz  der 
Vernunft  die  Freiheit  einschränkt,  besteht  nicht  Willkür  und  nicht  (wie 
Hobbes  meint)  ein  allgemeiner  Kriegszustand.  Ein  Staat  mit  Richter  und 
Herrscher  entsteht  zur  Erreichung  größerer  Sicherheit  und  Zuträglichkeit. 
l);i~  Volk  hat  Souveränität;  es  übt  die  gesetzgebende  Gewalt  durch  eine 
Körperschaft  aus,  denn  die  Freiheit  des  Naturzustandes  wird  im  Staate  nicht 
aufgegeben.  Die  Teilung  der  Gewalt  gliedert  diese  in  legislative,  exekutive  und 
föderative  Gewalt.  Das  höchste  Gesetz  ist  das  öffentliche  Wohl.  Der  Staat 
hat  es  nur  mit  der  Sicherheit  und  dem  äußeren  Wohle  des  Volkes  zu  tun,  um 
die   Seelen   kümmert  er  sich  nicht,   so  daß  die  Kirche  dem  Staate  gegenüber 


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442  Lombroso  —  Lorm. 


u.  Bekämpf,  d.  Verbrechens,  1902.  —  Genie  u.  Irrsinn,  Univ.-Bibl.  —  Stud.  über  Genie 
u.  Entartung,   Univ.-Bibl.,  u.  a. 

Longinos.  Dionysius  Cassius  aus  Athen,  213 — 273  n.  Chr.,  Gramma- 
tiker, Schüler  des  Ammonios  Sakkas,  Lehrer  der  Königin  Zenobia,  unter  Kaiser 
Aurelian  hingerichtet.  =  L.  weicht  in  manchem  von  Plotin  ab,  mit  dem  er 
den  Neuplatonismus  gemein  hat.  So  bezüglich  der  Ekstase,  die  er  nicht  an- 
erkennt, ferner  betreffs  der  Ideen,  die  nach  ihm  außerhalb  des  Geistes  (vovg) 
existieren,  den  L.  vom  „Einen"  nicht  geschieden  wissen  will. 

Schriften:  Von  seinen  philosophischen  Schriften  sind  nur  Fragmente  erhalten. 
Vgl.  Zeller,  Philos.  d.  Griechen  III,  2.  —  D.  Kuhnken,  De  vita  et  scriptis  Longini,. 
1776,  —  Die  Schrift  „jzsqi  vxpovg"  (über  das  Erhabene),  welche  eine  Reihe  feiner  Be- 
merkungen enthält,  ist  dem  Longin  fälschlich  zugeschrieben  worden  (Ausgaben  1737r 
1867,   1887  u.  ö\). 

Lo Olli  ans,  Charles,  1816—1899,  Prof.  in  Lüttich.  =  L.  vertritt  einen 
psychologisch  fundierten  Spiritualismus. 

Schriften:  Du  progres  en  philos.,  1838.  —  De  la  connaissance  de  soi-meme, 
1880. 

Lopaliu.  L.,  geb.  1855,  Prof.  in  Moskau.  =  Von  Ssolowjow  beeinflußt, 
lehrt  einen  konkreten  Spiritualismus. 

Schriften:  Positive  Aufgaben  der  Philosophie,  1886 — 91.  —  Die  Frage  der 
Willensfreiheit,  1889,  u.  a.  (russisch). 

Lorin.  Hieronymus  (Pseudon.  für  Heinrich  Landesmann),  geb.  1821  in 
Xikolsburg,  lebte  in  Brunn,  war  taub  und  blind,  gest.  1902,  bekannter  Dichter, 
der  auch  als  Philosoph  gewirkt  hat. 

L.  steht  auf  dem  Boden  der  Kantschen  Philosophie,  des  kritischen  Idealis- 
mus, welcher  alle  transzendente  Metaphysik  ausschließt,  da  das  Ding  an  sich 
absolut  unerkennbar  ist.  Daraus  folgt  der  „wissenschaftliche  Pessimismus" 
nämlich  die  Einsicht,  „daß  es  unmöglich  ist,  mittels  der  endlichen  Beschaffen- 
heit unserer  Natur  Anschluß  über  den  Ursprung  und  Zweck  des  Daseins  zu 
erlangen".  Dieser  Pessimismus  ist  von  allem  Stimmungspessimismus  zu  unter- 
scheiden. Was  zum  wissenschaftlichen  Pessimismus  führt,  ist  die  „Einkerkerung 
des  Erkennens  in  die  subjektiven  apriorischen  Geistes-  und  Sinnestätigkeiten 
des  Menschen,  wodurch  die  brennende  Begier  nach  Erkennen  der  Wahrheit 
zum  Schmerz  gesteigert  und  zur  Hoffnungslosigkeit  verurteilt  ist".  Gegen- 
über dem  Verstände  haben  aber  auch  Vernunft,  Phantasie  und  Gemüt  ihre 
JJechte.  Und  so  entsteht  ein  „grundloser  Optimismus"  als  Freude,  „daß  der 
Endlichkeit  die  Unendlichkeit,  wenn  auch  nur  als  Sehnsucht,  gegenübersteht, 
eine  Freude,  die,  selbst  aus  dem  Unendlichen  stammend,  keine  Erklärung, 
kein  erkennbares  Motiv  hat".  Dieser  Optimismus  ist  auch  eine  Quelle  der 
Sittlichkeit. 

Schriften:  Philosophisch -kritische  Streifzüge,  1873.  —  Naturgenuß.  Philosophie 
der  Jahreszeiten,  1876;  3.  A.  1901.  —  Natur  und  Geist,  1884.  —  Der  grundlose 
Optimismus,  1897  (Hauptwerk).  —  Vgl.  JERUSALEM,  Gedanken  und  Denker,. 
S.   L54  ff. 


3ITJ8   —    LiOTZE. 


LiO^Mll*»,  Johann  Christian,  geb.  1743  in    1.  Prof.  in   Erfui 

1813.  =   L.  untersucht  die  Beziehungen   des  as  zu  d<      I      rirn- 

prozessen.      Die   „Wahrheit"   ist   nichts   Metaph]  lutea,   nur   eine 

I : « lü t i< . 1 1  auf  den,  «Irr  denkt".      Psychologisch  ist  Bie  das   „angenehme  Gefühl 

der  Zusarnmenstimmung  der  Schwingungen  der  Fibern  im  Gehirne". 

9    hriften:    Physische    Ursachen    des  Wahren,    1775  (gegen  Basedow).    —    Unter- 
richt   der  gesunden  Vernunft,    177G — 77.    —    Etwas    über    Kantsche  Philosophie  in  Hin- 
sicht des  Beweises  für  das  Dasein  Gottes,  1789  (gegen  Kant).  —   Neues  philooophii 
allgemeines  Keal-Lexikon,  4  Bde.,   1803,  u.  a 

l,o*skij,  Nikolaus,  Stabsarzt  in  Petersburg. 

L.  ist  Volnntarist.  erinnert  teilweise  an  Lipps.     Es  gibt  ursprüngliche  und 
auch  »abgenötigte"   Strebungen.     Die  Lusl  zeigt  die  Richtung 
Willens  an.     Das   Ich  ist  das  SyBtem  „mein«       3t  die  Eänheil  der- 

selben, eine  geistige  Bubstanz.  Der  Wille  ist  „die  Aktivität  des  Bewußtseins, 
welche  darin  besteht,  dafi  jeder  unmittelbar  als  .mein-  empfundene  Bewußt- 
Beinszustand  durch  .meint-  Strebungen  verursacht  wird,  und  welche  Bich  für 
das  handelnde  Subjekt  im  Gefühl  der  Aktivita!  ausspricht".  Der  Wille  ist  die 
„Kausalität  des  Bewußtseins".  Jeder  Bewußtsernszustand ,  der  als  „mein" 
empfunden  wird,  ist  ein  WDlensakt. 

9    hriften   (deutsch):    (jrundlehren  der  Psychologie,   1904.   —   Eine   WillenstKeorie 
vom  voluntaristischen  Standpunkt,  Zeitschr.   f.  Psychol.  d.  Sinnesorgane,  1902,  u.  a. 

Lott,    Franz   Karl.  geb.  Ibu7   in  Wien,   1842  Privatdozent  in  Götting 
-  Prof.  daselbst,   » it  1849  in  Wie  L874.   =   L  vertritt    einen  modi- 

fizierten   Herbartianismus,   indem  er  die  „Realen",   die  einfachen   Wesen,   aus 
welchen  die  Welt  an  sich  besteht,  als  Zustande  oder   Betätigungen  Gottes, 
persönlich   gedachten    Absoluten   auffaßt,   innerhalb    dessen    nur  die  Wechsel- 
irirkung  zwischen  den  Realen  möglich  ist. 

9    1. ritten:    Herbarti  de  animi  immortalitate  doetrina,    1842.   —  Zur  Logik,    : 
Metaphysik,  1880  od  Th.   Vogt).  —  Vgl.  Tu.   VOGT,   1.    K.  Lott, 

[iitifi    Etadoll    Hermann,    geb.  21.  Mai   1817  in   Bautzen,   studierte  in 
Medizin   und    Philosophie  (bei  C«  H«  Weisse),  habilitierte  Bich  1S.19  in 
Leipzig,  wind.-  1842  Philosophie-Professor  daselbst,   lMi  in  Göttingen,  i^vi  in 
Berlin,  \\'>  et  am  l.  Juli  lssl  starb. 

L.  ist    «in   etwas   vorsichtiger,    besonnener    Denker,    der   mit    rollet    An- 
erkennung   der    Ergebnisse    und    Prinzipien   der    Naturwissenschaft    den    A 
i>li<-k    ins    Metaphysische    und    mit    dem     Realismus    det    Wissenschaft    den 
metaphysischen   und  ethisch-religiösen   Idealismus  (bezw.  Spiritualismi 
verbindet,  für  den  der  Mechanismus  det  Natur  das  Symbol  und  Mittel  für  einen 
universalen    Zweckfusammfnhang    ist    („T<  ischer    [dealismus"    mit    d< 

Grundsatz:      Nur  die  Einsicht  in  das,   was  sein   soll,    wird    uns   auch  i 

nen  m  das,   »ras  ist    .     Beeinflußt  ist   I...   der   in   -m-i    Hinsicht    Leibnix 
mit    Spinoza    verbindet,   außer   von   diesen   beiden  noch  von   H erhärte     1 
mus",    ferner  von   Kant.    Ficht     Hegel  n.  a.     Zu  vollem    \  h  sind 

ton    I.  n    philosophischen    Elemente    nicht    überall    gekommen, 


126  Lotze. 

fehlt  nicht  an  Schwankungen  und  Unentschiedenheiten.  Eine  Synthese  von 
Theismus  und  Pantheismus,  Dualismus  (Pluralismus)  und  Monismus,  Mecha- 
nismus und  Teleologie,  durch  welche  der  dogmatische  Naturalismus  überwun- 
den werden  soll,  ist  das  Ziel  des  L.schen  Denkens,  welches  auf  wissenschaft- 
licher Basis,  nicht  aprioristisch-konstruktiv,  sich  gestaltet,  aber  vielfach 
ethisch-ästhetischen  Gesichtspunkten  folgt.  Die  Philosophie  hat  zum 
Gegenstande  die  Begriffe,  welche  in  den  Einzelwissenschaften  wie  im  Leben 
als  Prinzipien  der  Beurteilung  der  Dinge  und  der  Handlungen  gelten.  Ihr 
Ziel  ist  eine  Weltanschauung,  welche  dem  Leben  dient,  es  besser  ertragen  hilft 
und  ihm  Ziele  gibt. 

In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  modifiziert  L.  den  Kantschen 
Idealismus  nach  Leibniz  und  Herbart  hin  (Idealrealismus),  auch  den  Aprioris- 
mus  Kants  legt  er  sich  in  seiner  Weise  zurecht.  Erst  nach  Abschluß  der 
Denkarbeit,  nicht  von  vornherein,  stimmt  unsere  Erkenntnis  mit  dem  Ver- 
halten der  Dinge  überein,  das  wir  aber,  wenn  es  auch  unsere  Erkenntnistätig- 
keit beeinflußt,  nicht  so  erfassen,  wie  es  an  sich  ist.  Das  Ding  an  sich  ist 
unerkennbar,  wir  erkennen  nur  die  Verhältnisse  der  Dinge  und  zwar  in  sym- 
bolischer Weise.  Die  Erscheinungen  sind  nicht  das  einzig  Existierende,  sondern 
sie  setzen  ein  Sein  voraus,  in  dessen  „inneren  Verhältnissen"  die  „bestimmen- 
den Gründe'1  für  die  Form  des  Erscheinens  liegen  (Objektiver  Phänomenalis- 
mus, Ideal-Realismus).  In  der  Erkenntnis  wirken  Denken  und  Erfahrung 
zusammen,  ebenso  Subjekt  und  Objekt,  indem  die  in  der  Erfahrung  gegebenen 
Eindrücke  seitens  der  Dinge  nur  die  Gelegenheitsursachen  zur  Entfaltung  der 
Erkenntnistätigkeit  aus  dem  Wesen  des  Geistes  selbst  abgeben.  Die  Empfin- 
dungen sind  nicht  Abbilder  objektiver  Eigenschaften,  sondern  subjektive  Er- 
scheinungen in  uns  als  Folge  von  äußeren  Reizen  und  durch  diese  ausgelöst. 
Die  Anschauungsformen  (Raum  und  Zeit)  sind  als  solche  ebenfalls  sub- 
jektiv, sie  entspringen  aus  der  Gesetzmäßigkeit  des  Vorstellens,  haben  aber  einen 
Grund  in  den  Verhältnissen  der  Dinge  selbst  (vgl.  Leibniz,  Herbart).  Die 
räum-  und  zeitlosen  Eindrücke  übersetzt  das  vereinigende  und  beziehende  Tun 
des  Geistes  in  eine  eigene  neue  Sprache;  die  Seele  selbst  produziert  unbewußt 
(aber  notwendig,  durch  die  Empfindungen  selbst  gereizt)  die  Raum-  und  Zeit- 
anschauung,  erstere  vermittelst  der  „Lokalzeichen".  Angeboren  ist  keine  Er- 
kenntnis, es  gibt  keinen  ursprünglich  bewußten  Besitz  des  Geistes  vor  aller 
Erfahrung.  Die  Anschauungsformen  und  die  Kategorien  (Kausalität  usw.) 
sind  in  keinem  anderen  Sinne  „angeboren",  als  daß  „in  der  ursprünglichen 
Natur  des  Geistes  ein  Zug  liegt,  der  ihn  nötigt,  unter  den  Anregungen  der 
Erfahrung  unvermeidlich  diese  Auffassungsweisen  des  Erkennens  auszubilden". 
Der  Gedanke  einer  notwendigen  Verbindung  zwischen  den  Vorstellungen  ist 
eine  „Forderung"  des  Geistes,  der  einen  „Drang"  zur  Erzeugung  eines  solchen 
Zusammenhanges  hat.  Der  Geist  ist  eine  Einheit  und  strebt  das  Mannigfaltige 
der  Eindrücke  im  Sinne  eines  „zusammenhängenden  Ganzen  zu  deuten  und  es 
in  das  Bild  einer  Welt  zu  verwandeln  .  .,  in  deren  innerlicher  Verknüpfung  er 
den  Widerschein  seiner  eigenen  Einheit  findet". 

1>;i-    I) Mi ken    ist    eine   selbständige,    aktive   Geistestätigkeit,    eine    „fort- 


LiOTZE. 

wählende  Kritik,   welche  der   Geist  an  dem  Material   des  Vorstellungsverlaun- 
ausübt",  indem  er  die  Vorstellungen  trennt,  deren  Verknüpfung  sich  nicht  auf 
ein  in  der  Natur  ihrer  Inhalte  liegendes  Keeht  der  Verbindung  gründet.      1  >a- 
•hieht  im  Urteil,   welches   zugleich    das    Subjekt    als    selbständiges    Ding 
auffaßt,  als  Träger  von  Eigenschaften.     Die  sichtende,  kritische  Tätigkeil 
Denkens   durchdringt   die   ganze  sinnliche  Weltauffsssung,   welch. •  Bchon  k 
gorial  verarbeitet    ins  Bewußtsein  tritt,    als   ein    innerlich   zusammenhängend.-- 
Ganzes.     Die  logischen   Denkformen    sind    formal    und  real   zugleich,   nämlich 
jene   subjektiven    Verknüpfungsweisen    unserer  Gedanken,   die   uns   aotwen 
sind,    wenn    wir    durch    Denken    die    objektive    Wahrheit    erkennen    wollen. 
Die   Kategorien    (Kausalität    usw.)    sind    oberste   Voraussetzungen,    die    wii 
an    die    Erfahrung    (bei    Gelegenheit    derselben)    heranbringen,    Forderim, 
unseres    Emheitstrebens    (vgl.    Eisler,    Einführung    in    die    Erkenntnistheorie, 
7.      Die    Vernunft    ist    auf  Einheit    unserer    Weltauffassung,    auf    Ab- 
schluß  der    Erfahrung    gerichtet;    Bie    ist    eine   eigene   Form    des    beziehenden 
Denkens   (vgl.   YVundt).      Die    Ideen    sind    ursprüngliche    Einheiten    in    den 
Dingen,  ihr  Wesen,   ihr  Daseinsgrund,   der   beständige  Sinn    veränderlicher  G 
stalten.     Nur  da-  ist,    „was  in   dem   vernünftigen  Zusammenhange  der  ewig 
Ideen  -eine  Stelle  hat".    Alles  Endliche  hat  -einen  Grund  im  göttlichen  Ideen- 
zusammen hange ;  es  i-t  seine  Bestimmung,  eine  Idee  zu  realisieren. 

S  i  kommen  wir  zur  Metaphysik    Lotset  mit   ihrer   b  sehen  Welt- 

anschauung.   „Sein"  heifit  nach  L.  ..in  Beziehung  stehen",  ein  beziehungs] 
Sein  i-t  undenkbar.     Diese  Beziehungen  sind  das,   was  das  Dasein  der  I> 
ausmacht,  wenn  wir  -ie  nicht  wahrnehmen.     Den  räumlichen  Beziehungen,  die 
nur  Erscheinung   sind,  entsprechen   nun   anräumliche   Verhältnisse  der  Du 
eine  Wechselwirkung  der  Elemente  derselben,  die  uns  als  bin    •    B  riehung  er- 
scheint      Die    r.al.n     Elemente    der    Dinge     Bind     Monaden     i..iinräumlidi. 
Atome"),    einfache   Wesen    mit    inneren   Zustanden,   rein   qualitativen    Eigen- 
schaften, ohne  raumliche  Größe  und  Gestalt,  also  an  sich  immateriell  and  • 
in  ihrer  Verbindung  die  Erscheinung  der  Körperlichkeit,  der  Materie  bewirkend 
(vgl.  Leibniz).     Die  Materie  hat  ein  „doppeltes  Dasein":  äußerlich  mit  den  be- 
kannten Eigenschaften  des  körperlichen    E  sich  verhaltend,  innerlich  voa 
Regsamkeit"    belebt.     Alle   Wirklichkeit    i-t    schließlich    Fürsich- 
■  im  weit. -ten  sinne,   d.  h.  sie  hat  eine  Innerlichkeit,  die  aller- 
dings  erst    in   den    höhen       S    len-)   Monaden    zu    eigentlichem    psychischen 
Leben    und    llcw  ußtsein   erwächst,   BO  daß  die   Unterscheidung    von   Geist   und 
Körper,  Seele  und   Leib  voll   berechtigt    bleibt     Die  Monaden   sind   einfa 
Bubstanzen  mit  inneren  Zuständen,   vermittelst    welcher  sie  die  Welt    gpiegeln, 
N  daß  kein  Teil  •!      3      kI.h  unbelebt  und  iinb.-e.lt  ist  (Dies«     Pa   :-     his- 
nm--  uir.l  v..n  L.  später  abgeschwächt).     1»:    i  e  der  physischen  E 
nungen  gehen  ans  der  Natur  d.r              n  K.g-amkeit  der  Dinge  hervor.     I1 

len-  und  ab.-r  ein.-  besondere  Art  von  Monaden,  nämlich  jene,  wel<  I 
Monadenkompl  d  Leib.-  beherrschen. 

!»!•  i    Bind    s  n  bi 1  a  n  /.ii .    Dicht    al-   starr    Wesen,    Rondern 

weil  sie  sich  so  rerhalten,  wie  -ie  -in.!,  al-  permanente,  sich  selbst  erhalte 


428  Lotze. 

Einheiten  und  Kräfte.  Die  Monaden  sind  aber  nicht  absolut  selbständige  und 
voneinander  getrennte  Individuen,  sondern  haben  ihre  Gemeinschaft  im  gött- 
lichen Absoluten,  ihrem  Urgründe,  aus  und  in  dem  sie  sind  und  durch  dessen' 
Einheit  ihre  Wechselwirkung  erst  ermöglicht  wird.  Die  Monaden  sind 
„Akte,  Modifikationen,  Zustände  oder  Teile"  des  Absoluten,  des  allein  absolut 
Seienden  und  Wirkenden.  Eine  Wechselwirkung  ist  nur  möglich,  wenn  das- 
jenige, was  dem  einen  Wesen  zustößt,  unmittelbar  auch  ein  Zustand  des. 
anderen  Wesens  ist ;  eine  Übertragung  von  Zuständen  ist  nicht  möglich.  „Nur 
wenn  die  einzelnen  Dinge  nicht  selbständig  oder  verlassen  im  Leeren  schwim- 
men, über  das  keine  Beziehung  hinüberreichen  kann,  nur  wenn  sie  alle,  indem 
sie  endliche  Einzelheiten  sind,  doch  zugleich  nur  Teile  einer  einzigen,  sie  alle 
umfassenden,  innerlich  in  sich  hegenden  unendlichen  Substanz  sind,  ist  ihre 
Wechselwirkung  aufeinander  oder  das,  was  wir  so  nennen,  möglich."  Die 
Dinge  wirken  aufeinander  durch  Vermittlung  der  Zustände  des  Absoluten,  die 
zugleich  die  der  Dinge  selbst  sind,  indem  das  Unendliche  in  den  Dingen  seine 
stets  gleiche,  mit  sich  identische  Natur  notwendig  in  zusammenpassenden 
Formen  ausprägt. 

An  sich  wirkt  nur  ein  innerer  Zustand  eines  Dinges  auf  die  innere  Natur 
des  anderen  und  dies  erscheint  als  räumliche  Bewegung,  als  Mechanismus. 
Diese  „schrankenlose  Gültigkeit  des  Mechanismus"  ist  ein  Postulat  des  das 
Erfahrungsmaterial  konsequent  verarbeitenden  Denkens.  Nirgend  in  der  Natur 
besteht  eine  Ausnahme,  nirgend  geschieht  etwas  ohne  Vermittlung  des- 
Mechanismus,  des  gesetzlichen  Zusammenhanges  von  Bewegungen.  Aber  der 
Mechanismus  ist  nicht  das  Letzte,  Absolute,  er  ist  nur  Erscheinung  einer 
geistigen  Begsamkeit  und  Wechselwirkung  und  Mittel  zur  Realisierung  von 
Ideen  und  Zwecken,  deren  Zusammenhang  in  Gott  ewig  hergestellt  ist.  So 
ist  die  Teleologie  die  Grundlage  und  metaphysische  Voraussetzung  der 
Kausalität  und  des  Mechanismus,  dieser  eine  notwendige  Bedingung  der 
Zw  eck  Verwirklichung,  die  nie  von  selbst,  mit  eigenen  Kräften,  sondern  nur 
vermittelst  der  Kräfte  der  Dinge  und  der  kausalen  Zusammenhänge  dieser  und 
deren  Zustände  erfolgt.  Aber  dennoch  ist  der  Zweck  das  Höchste,  der  tiefste 
Grund  für  jedes  Geschehen;  alles  Sein  und  Geschehen  ist  ein  Glied  im  univer- 
salen Zweckzusammenhang,  hat  darin  seine  Bestimmung,  seine  Rolle,  trägt  in 
h.-iner  Weise  dazu  bei.  Das  Sollen,  das  Gute,  das  Zweckvolle  hat  so  das 
logische  Prius  vor  dem  Sein,  bestimmt  das  Sein,  das  Geschehen,  die  Entwick- 
lung, ohne  daß   der  Kausalnexus  durchbrochen  wird,  ja  nur  vermittelst  dieses 

xus  selbst.  Eine  Idee,  ein  Plan,  ein  Zweck  verwirklicht  sich  nur,  wenn  die 
-  ffe  durch  eine  ursprüngliche  Anordnung  ihrer  Verhältnisse  von 
selbst  genötigt  sind,  durch  ihre  Kräfte  nach  den  allgemeinen  Gesetzen  des 
Xaturlaufes  das  hervorzubringen,  was  der  Zweck  gebietet,  der  so  nur  eine 
:  -'heinbare  Macht"  ausübt. 

ist  es  verständlich,  daß  L.  trotz  seines  „Spiritualismus"  den  Begriff  der 
Lebenskraft  ablehnt  und  das  Leben,  so  sehr  es  auch  Zwecken  dient  und 
zweckgemäß    ist,    kausal-mechanisch    erklärt    wissen    will.      Gewiß    sind    die 

bensvorgänge  wie  alle  Xaturprozesse  an  sich  psychische  (oder  doch  „innere") 


LOTZE. 

Zustände  und  die  Bewegungen  als  Bolche  nur  Encbeiniingen,  aber  der  Mecha- 
nismus besteht  im   Organischen   gerade  bo  wie  im  Anorganiacben   und  die  I. 
klärnng   von    Lebensprozeseen    ans   der   Formnng   dee    Ol    iniamus   durch   die 
8    le  kann   —  mag  sie  auch   wenigstens  Kur  die  Anfing  Lnismui  be- 

Bteben   —  «renig    nützen.     Woher  die  Zweckmäßigkeil  dez  Organismen  Beibat 

rührt;  ial  eine  metaphysische  Präge,  aber  auf  Grund  der  zweckmäßig 
Komplexion  des  Organismus  Bind  alle  (physischen)  Prozesse  in  ihm  mechanisch 
(physikalisch-chemisch),  ohne  Berufung  aui  eine  „Lebenskraft'4  «»der  eine 
S  ele"  an  erklären,  wenn  auch  zu  beachten  iat,  dar»  der  Organiamus  eine 
Fenn  und  Wechselwirkung  der  Teile  aufweist,  die  ihn  unseren 
Maschinen  überlegen  macht.  Von  der  bestimmten  Form,  zu  welcher  die 
Teile  des  Organiamus  vereinigl  sind,  hängen  die  Lebenaeracheinungen  al>:  d 
Form  iat  bo  geartet,  dal'»  Bie  viel  mehr  als  die  äußeren  Reize  wirkt,  nämlich 
hemmend,  steigernd,  mindernd,  verteilend,  regulierend.  Das  Leben  iat  eine 
Funktion  von  Elementen  mit  ,,zusammenstimmender  Wirksamkeit". 

I1     8(  Ble   ial    nach  L.   eine  immateriell. •  Bubstanz,  d.  h.  ein  einheitliches, 
Wirkung«  b,  in  ihren  inneren  Zuständen  ßich  erhaltendes  und  entfalten« 

sie  zur  Einheit   zusammenfassendes,   anräumliches,   übersinnliches  Wesen,   aber 
nicht    ein   Btarres    Atom;   denn    Substanz  iat  sie  nur  als    „relativ   featstehendei 
Mittelpunkt    ankommender   und   ausgehender  Wirkungen1'.     Die  Einheit 
Bewußtseins,   die   nicht    Resultante  einer  Vielheit    von  Zuständen    Bein    kann. 
fordert    die    Annahme    einer    (in    ihrem   Wirken    unmittelhai 
!■  siechen  Vorgang«    Bind   nur  Bedingungen,    nicht    die   zureichenden   l 

hen  der   Empfindungen  na?  können    nicht   in  Bolche   innere   Zuatände 

übergehen,    welche  vielmehr  die   Regsamkeit  eine-  besonderen  Prinzipe  voraus- 
Schon   daß    wir    uns    überhaupt  deinen"    können,    b  ein 

solches  Prinzip.  Ein  Wesen,  dem  etwas  erscheinen  kann,  muß  „in  einer  voll- 
kommenen Unteilbarkeit  Beiner  Natur  als  Eines  das  liannigfaltij  -  nes 
zusammenfassen  können".     Die  Annahme  eines  [nnenseins  der  Atome  macht  den 

Begriff  einer  bes len      3         nicht    überflüssig,    denn  von  selbst   können  die 

Empfindungen  der  Atome  nicht  zn  einer  gemeinsamen  Geaamtempfindung  zu- 

tnenfließen.      Leih   und    Seele  sind    nicht   qualitativ,   aber   aumerisch 
schieden;  immer  bleibt  „die  eine  und  individuelle  herrschend     -        in  voll 
den  gleichartigen  aber  dienenden   Monaden   gegenüberstehen,   dei 
verbundene  M-    _•    den  lebendigen  Körper  bildet        3<   le  und  I  — 

vermittelst    des    Gehirns    —    in    Wechselwirkung.      I1       I  keil 

beider  ist  kein  Bindernis  dafür,  da  Wirken  our  Auslösung  von  Zuständen 

eine-  1  )i  iilT'-  ist,   die   aus   « 1»  --«  n  eigenen   Natur  in  spezifisch  «■  -i-h  - 

hüten.     Überdies  wirkt  die  Bede  nicht  aui  den  k  sofern        S\ 

sondern  Bofern  er  selbst  au-  (seelenarl  iui  die  innej 

Zustände  dieser;   und   der  Körper  wirkt  aui  die  Seele  nicht  als  Stoff,  - 
durch  Bein  [nneneein,  »"  daß  bei  Lotze  dl    „paychopl  '■'■        elwirkn 

im  Gründe  nur  eine  payeho-peychiseba  Wechselwirkung  i-t.  die  dann  all 
phyaio-phyaische    erscheint     (Annäherung    an    die    ideali«*!  <\\>-- 

uamustheoi  I  Leib    und    -  Die   £  findet    in 


430  Lotze. 

ihrem  Leibe  einen  Mechanismus  vor,  dessen  Ablauf  streng  naturgesetz- 
lich abläuft,  dessen  sie  sich  zu  ihren  Zwecken  bedienen  kann,  ohne 
aus  sich  allein  heraus  den  zweckmäßigen  Zusammenhang  der  Bewegungen 
zu  verursachen.  Der  „Seelensitz"  ist  nichts  als  der  Punkt  oder  Ort,  bis 
zu  welchem  alle  Einwirkungen  sich  fortpflanzen  und  von  welchem  sie  aus- 
gehen. Die  höheren  geistigen  Tätigkeiten  des  beziehenden  Denkens  und  der 
sittlichen  Beurteilung  haben  kein  besonderes  körperliches  Organ.  Die  Sub- 
stantialität  der  Seele  involviert  noch  nicht  deren  Unsterblichkeit.  „Nichts 
berechtigt  uns  zu  der  Annahme,  was  einmal  sei,  müsse  notwendig  immer  sein." 
Aber  sicher  ist  dies:  „Das  wird  ewig  dauern,  was  um  seines  Wertes  und  seines 
Sinnes  willen  ein  beständiges  Glied  der  Weltordnung  sein  muß;  das  alles  wird 
zugrunde  gehen,  dem  dieser  erhaltende  Wert  gebricht."  Entstanden  ist  die 
Seele  als  Entwicklung  des  Unendlichen  selbst  mit  der  Entwicklung  des  orga- 
nischen Keimes,  welche  das  Absolute  dahin  erregt,  „aus  sich  selbst  die  Seele 
hinzu  zu  erzeugen,  die  dem  werdenden  Organismus  gebührt". 

Die  Psychologie  L.s  berücksichtigt  überall  die  physiologischen  Bedin- 
gungen des  Seelischen.  Sie  forscht  nach  den  Bedingungen  und  Kräften,  welche 
die  seelischen  Vorgänge  auslösen  und  nach  dem  Zusammenhange  derselben. 
Die  „Seelen vermögen"  (Vorstellen,  Fühlen,  Wollen)  sind  nur  Außerungsweisen 
der  einheitlichen  Seele,  Möglichkeiten  in  ihr,  die  erst  durch  Beize  aktualisiert 
werden.  Das  Bewußtsein  ist  kein  Raum,  innerhalb  dessen  etwas  geschieht, 
sondern  ein  alles  Psychische  durchdringendes  unmittelbares  Wissen,  ohne 
welches  vom  Psychischen  gar  nicht  die  Rede  sein  könnte.  Die  Empfindung 
ist  eine  subjektive  Reaktion  der  Seele  auf  äußere  Reize.  Das  Gefühl  mißt 
die  augenblickliche  Übereinstimmung  zwischen  Reiz  und  Nervenfunktion,  die 
Übereinstimmung  oder  den  Widerstreit,  in  welchen  sich  die  Erregungen  der 
Nerven  mit  den  Bedingungen  unseres  Lebens  befinden.  Das  Wollen  enthält 
ein  nicht  ableitbares  Element  geistiger  Regsamkeit;  es  ist  vom  Triebe  (dem 
„Innewerden  eines  Getriebenwerdens")  verschieden.  Für  den  Willen  charakte- 
ristisch ist  das  Element  der  Billigung,  der  Zulassung  oder  Absicht,  die  „Ent- 
scheidung über  einen  gegebenen  Tatbestand".  Der  Wille  kann  nur  jene  inneren 
Zustände  erzeugen,  welche  der  Naturlauf  zu  Anfangspunkten  der  Wirkung 
nach  außen  bestimmt  hat.  Frei  ist  der  Wille  seinem  Entschluß  nach,  in  der 
Wahl  zwischen  den  Motiven,  denen  er  nicht  nachgeben  muß,  in  der  Einleitung 
neuer  Anfänge,  die  in  dem  früheren  Geschehen  keine  Begründung  finden,  die 
aber,  nachdem  sie  einmal  in  den  Zusammenhang  der  Wirklichkeit  eingetreten 
Bind,  jene  Folgen  nach  sich  ziehen,  die  ihnen  in  ihrer  jetzigen  Verknüpfung 
mit  der  übrigen  Welt  nach  allgemeinen  Gesetzen  gehören.  Jede  Ursache  hat  ihre 
Wirkung,  aber  nicht  jedes  Geschehen  ist  eine  bloße  Wirkung,  es  gibt  auch  ein 
'ii-prüngliches  Geschehen.  „Der  Anfänge,  deren  Ursprung  nicht  in  ihm  selbst 
enthalten  ist,  kann  der  Weltlauf  in  jedem  Augenblicke  unzählige  haben,  aber 
'•n  notwendige  Fortsetzung  nicht  in  ihm  anzutreffen  wäre."  Das 
Ich  ist  (als  Ichheit,  Subjektivität)  etwas  Ursprüngliches,  dessen  unmittelbares 
Mir  sich-Sein  von  allem  anderen,  auch  vom  eigenen  Leibe  unterschieden  wird;, 
auch  das  Ich  nur  in  Beziehung  auf  das  Nicht-Ich  denkbar  ist,   so  ist  es- 


LoTZE. 

doch  für  sich  allein  erlebbar,  so  abhängig  der  Inhalt  des  [che  von  Silieren 
und  inneren  Reizen  ist.     Das  Selbstbewußtsein  entwickelt  sich  aU  leutung 

eines  Selbstgefühls'',  indem  das  Bild  unseres  Ichs  immer  klarer  und  reicher 
wird.  Die  Tätigkeit  der  Phantasie  ist  es,  da>  Wirkliche  aufl  Beiner  eigenen 
Schönheit  wie  aus  einer  wirkenden  Kraft  nachzuschaffen.  Dieser  Tätigkeit 
entsprechen  die  Versuche  der  Vernunft,  aus  der  Welt  der  Werte  die  Welt 
der  Formen  zu  deuten,  wobei  die  Ideal-'  \ <  r<ehiedener  Zeiten  verschieden 
ausfallen. 

Die  praktische  Philosophie  gründet  sich  als  Ethik   aui   sittliche  Ideen 
und  Ideale,    welche  zwar  im  Einzelnen   relativ  sind,   einer   Entwicklung   unter- 

_-  n.  überall  aber  unabhängig  von  der  Erfahrung  gelten  und  unbedingt  ver- 
pflichten. Was  auch  irgendwo  und  irgendwann  der  Inhalt  der  sittlichen  Ideale 
war.  Bteta  empfand  man  es  als  Pflicht,  diesen  Inhalt  durch  Taten  zu  verwirk- 
lichen und  stets  wurden  die  sittlichen  Grundsätze  als  Ansprüche  eines  „wert- 
empfindenden Gefühls*'  gebilligt.  Die  „wertempfindende  Vernunft"'  \\< 
Denkbare  ab.  solange  es  nicht  durch  die  innere  Würde  seines  Inhalt-  zugleich 
die  Anerkennung  seiner  Gültigkeit  in  der  Welt  erringt.  Von  der  raumzeit- 
lichen Existenz  i>t  das  zeitlose  Gelten  der  (theoretischen,  Logischen  und 
praktischen)  Werte  scharf  zu  unterscheiden.  Werte  an  rrich,  d.  h.  ohne  !■  • 
ziehung  aufs  Gefühl,  gibt  es  nicht,  aber  doch  objektive,  von  aller  Willkür 
unabhängige  Werte,  welche,  soweit  sie  sittlicher  Art  sind,  vom  Gewissen  gebil 

rden.  (int  Bind  die  Formen  des  Willens  und  Handeln-,  dir  da-  Gewissen 
billigt  und  gebietet.  Angeboren  i-t  nur  der  Keim  zum  (inten,  nicht  der  In- 
halt des  Gewissens.  Gemäß  der  idealistischen  Ethik  Lot/»-  (die  einen  Bozialen 
Eudämonismu-  einschließt)  besteht  die  „unvertilgbare  Idee  eines  verbindlichen 
Bollens,  die  unsere  Tätigkeit  und  unsere  Gefühle  begleitet".  Inhaltlich  ist  das 
(inte  ein  Zweckvolles,  Förderliches,  /.um  Glücke  der  Individuen  und  der  I 
samtheil  Beitraf  Das  Pflichtmäßige  entspricht  nicht  bloß  unserer  Natur. 

idern   auch   unserer    Bestimmung,  am  Weltzweck  mitzuarbeiten. 
höchste  Gut  verwirklichen  zu  hellen.     Der   liensch,   da-   hoch* 
Bchöpf,  ist  ein  Mikrokosmos,   der  in  immer  weitergehender  Vervollkommnt 
und  in  Gemeinschaft  mit  <»iiir.--lfi.hen  durch  -eine  aktive  Kulturtätigkeit  und 
Sittlichkeit  an  der  Schaffung  einer   Idealwelt,   in  welcher  alle-   Wertvolle 
halten   bhibt.   arbeitet     Dies  i-t  da-  Ziel  der  Geschichte,  des   Reicl 
Persönlichkeit  und  der  Freiheit,  des  Wirkens  der  Individualitat  (ohj 

I  »a-  «inte  i-t  der  Grund  des   Seins.      1  >a-    höchste   Gut    als    Grund 
Wirklichen  wie  des   Reiche«  der  Werte  und  «1er  [deen    und  «1- -    B 
ewigen  Wahrheiten  i-t  da-  Absolute,   Gott     Gott  i-t  der  Weltgrund  und  die 
Weltsubetanz,   aber  er  i-t   nicht   bloß  der  gemeinsame  GrundqueU  -    len 

und   der   Auiieiiwelt,   er   i-t    bewußte    Persönlichkeit,    i-t    ein    leb 

lex  alle-  Bein  entquillt,  da-  um  de-  (inten,  de«   E        tuenden 
i.  Hat...   Fichte).    Gott    i-t    „lebendige,   lieh   selbst    besitzende   und 
nießende   [chheit",    in  em   Sinnt  uberpersönlich.     D      i       ter  und 

die  Außendinge  haben   in  diesem,   den   Weltmechaniamus  und  die  Geechi« 


432  Lotze  —  Löwenthal. 


als  Mittel  zur  Realisierung  des  Weltplanes  sich  entfalten  lassenden  lebendigen 
Gott  ihre  Einheit.  Gott  existiert  notwendig.  „Wäre  das  Größte  nicht,  so 
wäre  das  Größte  nicht,  und  es  ist  ja  unmöglich,  daß  das  Größte  von  allem 
Denkbaren  nicht  wäre." 

Die  Anschauungen  L.s  über  das  Schöne  sind  im  Sinne  einer  idealisti- 
schen Gehaltsästhetik  gehalten,  welche  auch  die  Lust  an  formalen  Ver- 
hältnissen und  an  bestimmten  Eindrücken  (Farben  usw.)  berücksichtigt  und 
auch  das  Phänomen  der  ästhetischen  „Einfühlung"  beachtet.  Schönheit  besteht 
-da,  ..wo  eine  Übereinstimmung,  die  nicht  allgemein  stattzufinden  braucht,  in 
einzelnen  begünstigten  Erscheinungen  zwischen  dem,  was  sie  der  Idee  nach 
sein  sollen,  und  dem  stattfindet,  wozu  die  Notwendigkeit  des  Mechanismus  sie 
macht".  Das  Ästhetische  ist  objektiv  gegründet.  Die  Kraft  der  Phantasie 
besteht  darin,  „die  Welt  der  Werte  in  die  Welt  der  Formen  zu  kleiden 
oder  aus  der  Verhüllung  der  Form  das  in  ihr  enthaltene  Glück  herauszu- 
fühlen". 

Von  Lotze  sind  viele  Denker  mehr  oder  weniger  beeinflußt,  besonders 
H.  Sommer,  W.  Hollenberg,  Teichmüller,  Class,  E.  Pfleiderer, 
L.  Busse,  H.  Langenbeck,  F.  Erhardt,  Wentscher,  M.  Warten- 
berg, R.  v.  Wiehert.  R.  Falckenberg,  C.  Stumpf  u.  a.,  zum  Teil 
auch  E.  Tiele,  J.  Baumann,  G.  Glogau,  H.  Siebeck,  James,  F.  C.  S. 
Schiller,  Ladd  u.  a. 

Schriften:  Metaphysik,  1841.  —  Logik,  1843.  —  Der  Begriff  der  Schönheit, 
1845.  —  Allgemeine  Physiologie,  1851.  —  Medizinische  Psychologie,  1852,  2.  A. 
1896.  —  Artikel  „Lebenskraft"  in  Wagners  Handwörterbuch  der  Physiologie.  — 
Streitschriften,  1857.  —  Mikrokosmus,  Ideen  zur  Naturgeschichte  und  Geschichte  der 
Menschheit,  1856  —  64;  5.  A.  1896  ff.  (Hauptwerk);  Auswahl  von  0.  Pächter,  1909.  — 
Geschichte  der  Ästhetik  in  Deutschland,  1868.  —  System  der  Philosophie:  I.  Logik, 
1874;  2.  A.  1881;  II.  Metaphysik,  1879.  —  Diktate  aus  Lotzes  Vorlesungen,  hrsg. 
von  Kehnisch,  8  Bde.:  Logik,  Metaphysik,  Naturphilosophie,  Psychologie,  praktische 
Philosophie,  Religionsphilosophie,  Ästhetik,  Geschichte  der  Philosophie  seit  Kant 
(1881  ff.).  —  Kleine  Schriften,  1885  —  91.  —  Vgl.  E.  PFLEIDERER,  L.s  philos.  Weltan- 
schauung, 1882  ;  2.  A.  1884.  —  O.  ÖASPARI,  H.  L.,  1883;  2.  A.  1894.  —  E.  VON 
HARTMANN,  L.s  Philosophie,  1888.  —  R.  FALCKENBERG,  H.  L.,  I,  1901  (From- 
mans  Klassiker  der  Philosophie). 

Löwe,  Joh.  Heinrich,  geb.  1808,  Prof.  in  Prag,  gest.  1892.  =  Anhänger 
Günthers.  Die  Logik  gründet  sich  auf  das  Ich  und  dessen  freitätiges  Denken. 
Die  Denkgesetze  sind  Postulate. 

Schriften:  Lehrbuch  der  Logik,  1881.  —  Die  spekulative  Idee  der  Freiheit, 
1890  (Indeterminismus).  —  D.  Kampf  zwischen  Real.  u.  Nominal.,  1876. 

Eiöwenthal,  Eduard,  geb.  1836  in  Ernsbach,  Schriftsteller  in  Berlin. 

L.  wirkte  schon  früh  für  die  Friedensidee  und  begründete  1907  ein  „Zen- 
tralinstitut für  Gedankenstatistik  und  menschliche  Wissenserweiterung",  1908 
ein  „Universal-Archiv  für  Wissenschaft  und  Literatur". 

L..  der  eine  dogmenfreie,  das  Übersinnliche  ausschließende,  wissenschaft- 
Jk-hf;  „Religion"  („Cogitantentum")  lehrt  und  eine  Gemeinde  der  „Cogitanten" 


LOWES  1I1AI.    -       Lu<  KA.  | 


ins  Leben  rief,   welche  auch  im   Sinne  des   Weltfriedens   wirkt,    vertritt    einen 
1  <-itivistiseh.-naturali-ti-<-hrn    Monismus.      Der  absolut    neutrale    Weltäther  ist 
die   eine,    ewige    Ursubstanz    mit    der    Eigenschaft    der   Elastizität,   mit    V 
dichtungen  and  Verdünnungen,  Anziehungen  and  Ahstoßungen.    Erst  in  derV 
dicht ungsform  der  Elektronen  wird  der  Weltäther  beweglich«      I)a-  Leben  ent- 
steht   durch   den    Eintritt   eint-    Fixsterns   in  dir   Peripherie  eines   kosmischen 
Kebelkomplexes    und    zwar   in   der   Form    eine-    blitzartigen    Explosio] 
(„Fulguiogenesis"  .  als  Ergebnis  entropistischer  Prozesse.    Die  Einzelorganismen 
sind  „Reflexgebilde*1  ein»-  ..><>nn«nor<_ranismus".    Anf  der  Grundlage  des  überall 
verbreiteten  Weltäthers  als  Haiipt-LebensHcnniit   entsteht  das  „ätherische  I<h- 
im    menschlichen    ( taganismus    als    Fortsetzung   des    „fleischlichen"    Ich-:    das 
ätherische   Ich  gelangt   nach   dem  Tode  zur  selbständigen   Weiterexistenz   und 
bewahrt  die  Erinnerung  an  das  Leben. 

S    triften:    System   und  Geschichte  des  Naturalismus,   18G1;   6.   A.   1897.  —  Eine 
Religion  ohne  Bekenntnis,    1865.    —    Le  cogitantisme  ou  la  religion    scientitiijue,    1886. 

—  Cogitantentum  als  Staats-  und  Weltreligion,  1892.  —  Gesch.  d  Philos ,  1896.  — 
Der  Bankrott  der  Darwin-Häckelschen  Entwicklungstheorie,  1900.  —  D.  relig.  Beweg,  im 
1!'  Jahrh.,  1900.  —  Die  neue  Lehre,  1901.  —  Die  Fulgurogenesis,  1902.  —  Organische 
Neubildung  und  Regeneration,   1903.    —     Wahrer  Monismus  und  Scheinmonismus,    1907. 

—  Neues  System  der  Soziologie,  1908.  —  Moderne  Philosophen,  1909.  —  Mein  Lebens- 
werk,  1910,  u.  a. 

Lnhac.  E..  Paris.  =  Von  Bergson  beeinflußt. 

-    briften:    Psychologie  rationelle,  1904,  u.  a. 

l.llbbfM'k.    Sir  . lohn.    _  1   in   London.    =    L.   hat    wichtige    Einzel- 

ontersuchungen    zur    vergleichenden    Psychologi  .    Ethnologie    und   Sozio! 

efert     Betreffs  der  Entwicklung  der  Ehe  gehört   er  zu  den  Vertretern  der 
Lehre  von  der  ^Promiskuität",  dem   angeregelten  Geschlechtsverkehr  sie  V 
stufe  der  Ehe  bei  den  primitivsten  Völkern. 

Schritten:     l'rehistoric    Times.     1865;     .r>     ed.     1890.    —     Origin  ol    (_'i\  iüsati^n, 

1870;    deutsi  h    1^7">.    —    Ameisen,    Bienen    und    We-j>en,    1883.    —     Die  Sinne    und 

geistige   Leben  der  Tiere,    1*89.    —    Tbe  l'leasures  of  Life,    4.   ed.    1899  (auch    deir 
3.  Ä.   1891).  u.  a. 

i  nhlin*»ki.  Bamuel,  geb.  1868  in  Johannisburg,  lebte  in   Weimai 
1910.  =  L.  Mitritt  einen  modifizierten  Eantisnismus.     Das  Dingansich  i-t  die 
ae   Menschheit''   sie   zu   verwirklichende  [dee.     Die  Menschheitsidee  i-t  du 
llysterium  des  Lebens,  die  Quelle  des  Apriorischen.     Die  Religion  i-t  die  I 
wifiheit,  «laii  etwas  da  sein  muß,  da-  alle  Gegensätze  und  Abgründe  überbrückt, 
da-  Gefühl  des  vertrauensvollen  „Und  doch'1  i-t  für  Bie  charakteristiach. 

B     hrit'ten:       Vom     unbekannten     flott,    o.    J.     -        Die     Hanunitit     :i 

7.  u.  a. 

L*MMW,     Annaeus,  d.    Chr.,     N 

Btoil 

F.    <  >|    |  ||  .     I.  ,    1-.H8. 

I.urkn.   Emil,  gehi  1877  in   Wim.    l.l>t    rl  aar  Inst  —    I..    i-t   rc     K 
i  •■  r .  E*hD  -  ph< :.  : 


434  LüCKA  —   LüCRETIUS. 


beeinflußt  und  ein  Gegner  des  psychologischen  Atomismus  und  der  Asso- 
ziationspsychologie. Von  der  mechanischen  ist  die  aktive,  teleologische 
Phantasie  zu  unterscheiden;  die  Richtung  der  Phantasie  wird  durch  das 
Gefühl  bestimmt. 

Schriften:  Das  Erkenntnisproblem  und  Machs  ,Analyse  der  Empfindungen',  Kant- 
etudien  VIII,  1903.  —  0.  Weininger,  1905.  —  Wissensch.  Beilage  der  Philos.  Gesell- 
schaft in  Wien,   1907.  —   Die  Phantasie,   1908,  u.  a. 

Lucretius  Carus,  Titus,  geb.  99  v.  Chr.,  römischer  Ritter,  gest.  55 
v.  Chr.  (angeblich  durch  Selbstmord). 

L.  hat  die  Lehren  Epikurs  systematisch  verarbeitet  und  im  Dienste  der 
Aufklärung  gegenüber  Aberglauben,  Furcht  vor  den  Göttern  und  dem  Jenseits 
verwendet.  Eine  streng  naturalistisch-mechanistische  Weltanschauung  wird  in 
seinem  Lehrgedichte  geboten.  Die  Religion  hat  schädliche  Folgen,  die  Furcht 
vor  den  Göttern  schreckt  und  beunruhigt  den  Menschen.  Entstanden  ist  der 
Glaube  an  die  Götter  aus  den  Visionen  des  Traumes  und  aus  Unkenntnis  der 
Ursachen  der  Naturordnung.  Die  Philosophie  zeigt,  daß  die  Götter  den  Lauf 
der  Welt  nicht  beeinflussen  und  daß  der  Mensch  weder  vor  ihnen  noch  vor 
Höllenstrafen  Furcht  zu  hegen  braucht,  da  die  Seele  mit  dem  Leibe  vergeht. 
Der  Grundsatz  der  Kausalität  ist  das  oberste  Prinzip  alles  Geschehen: 
Nichts  wird  aus  nichts  und  zu  nichts;  denn  sonst  könnte  aus  allem  alles  ent- 
stehen („Nullam  rem  e  nilo  gigni."  „Haud  igitur  redit  ad  nilum  res  ulla,  sed 
omnes  discidio  redeunt  in  corpora  materiai.").  In  der  Welt  entsteht  nichts 
absolut  Neues  und  nichts  schwindet  dahin  (Erhaltung  der  Materie:  „Nam 
neque  adaugescit  quicquam  neque  deperit  inde").  Alle  Veränderung  ist  Ver- 
bindung und  Trennung  der  Atome,  Bewegung  derselben  im  leeren  Räume, 
der  unendlich  ist  und  unzählige  Welten  birgt.  Die  Atome  sind  unendlich  an 
Zahl  und  haben  verschiedene  Form;  sie  verbinden  sich  nach  verschiedenen 
Verhältnissen  miteinander.  Die  Bewegung  der  Atome,  die  senkrecht  im 
Räume  fallen,  weicht  ein  wenig  von  der  geraden  Richtung  ab  („decellere 
paulum'');  dadurch  entsteht  der  Stoß  der  Atome  aneinander,  die  Bildung  der 
Körper  und  Welten,  dadurch  ist  auch  die  Willensfreiheit  des  Menschen  er- 
möglicht. Empfindung  haben  nur  bestimmte  Komplexe  bestimmter  Formen 
von  Atomen.  Aus  den  feinsten,  beweglichsten,  runden,  glatten  Atomen  besteht 
die  Seele,  welche  durch  den  Körper  verbreitet  ist;  der  feinste  Teil  der  Seele 
ist  der  „Geist"  (Verstand)  mit  dem  Sitze  in  der  Brust.  Im  Tode  löst  sich  die 
^eele  in  ihre  Atome  auf;  da  das  Ich  dann  nicht  mehr  da  ist,  kann  der  Tod 
für  dasselbe  gleichgültig  sein.  Die  Sinnesempfindung  beruht  auf  leichten  und 
dünnen  Bildern,  die  sich  von  den  Dingen  ablösen  und  die  Sinnesorgane  reizen. 
Von  den  Organismen  haben  sich  jene  erhalten,  welche  nützliche  Eigen- 
schaften wie  List,  Stärke  oder  Schnelligkeit  besaßen,  während  die  Mißge- 
burten zugrunde  gingen  (vgl.  Darwin).  Allmählich  erst  sind  die  Menschen  zur 
Kultur  und  sozialen  Ordnung  aufgestiegen.  Die  wahre  Frömmigkeit  besteht 
nicht  im  Kultus,  sondern  darin,  „beruhigt  im  Geist  hinschauen  zu  können 
auf  alles". 


Lr<  BETIU8  LUQÜET. 


Scliriften:  L.  ißt  Verfasser  eines  philosophischen  Lehrgedichtes  „De  rerum 
natura44;  hrsg.  1850,  1886  (Bernays)  u.  ö. ;  deutsch  (von  Knebel)  in  der  Univers.- 
Bibliothek.    —    Vgl.    ('.    Martha,   Le  poi:me  de   Lucröoe,    4.  -'<!.    1885.  MÜL880V, 

L  .    1910. 

Lukas,  Franz,  geb.  1853  in  Frank-ta.lt  (Mahren),  emer.  Gymnasialprot 
daselbst 

Schriften:  Die  Methode  der  Einteilung  bei  riaton,  1888.  —  Die  Grundbegriffe 
in  den  Kosmogonieen  der  alten  Völker,  1893  —  Lehrbuch  d.  Psychol.  (mit  G.  Lindneri , 
1!""..   1905.  —  Psychol.  der  niedersten  Tiere,   1905. 

LukianoB  (Lacian)  von  Samosata  (Syrien),  geb.  um  125  n.  Chr.,  g 

um  200.    =   Der  bekannte  Rhetor  und    satirische    Schriftsteller    verspottet    in 

•  n  Schriften   -owohl  den   Aberglauben   als  die  Dogmen  und  Uberhebn]  . 
der    Philosophen,    alles   zum    Zwecke   einer    freien,    verständigen,    glücklichen 
Lebensanschanung.    Am  meisten  Bympathisierl  er  mit  Bpikur  und  Pinto. 

Schriften:  hrsg.  von  Bekker,   1853;  deutsch  von  Wieland,   1788.  —    Vgl.  J.  B 
\  \\-,   I..   und   .li.-   Kyniker,   1879.   —  R.   HELM,  L.  und  Menipp,   1906. 

I.nllns  (Lnllins),    Baymnndos,    geb.  1235  in   Palma  (auf   Ifajorca),   als 
Jüngling   sehr  ausschweifend,  dann   fromm  und  mit  Visionen  begabt,  Franzis- 
kaner,   reiste   wiederholl    nach   Afrika,    um   die   Mauren    zu   bekehren 
1315. 

L.,  der  auch  dir  Kabbais  an  Beinen  Spekulationen    heranzieht,   will   die 
Logik    reformieren,    indem  er  <li.'  „große  Kunst11  (an  magna)  der   Brfinduj 
Findung   von    Wahrheiten    durch   medianische    Kombination   elementarer 
ritt«'  lehrt,  aus   welcher  Bich   eine   „scientia  generalie  ben  boIL     1' 

ofie  Kunst"  i-t  eine  Anleitung  tax  Erfindung  dessen,  was  sich  von  jedem 
and  Bagen  läi'.t  und  wie  jede  wissenschaftliche  Aufgabe  /u  lösen  i-t. 
Die  allgemeinsten  Begriffe,  ferner  die  universalen  Prädikat.-  der  Dinge  werden 
:iut  rieben)  übereinander  angebrachten,  konzentrischen,  um  einen  gemeinsamen 
Mittelpunkt  drehbaren  Kreisen  verzeichnet;  durch  Drehung  der  Kreise  erhalt 
man  alle  möglichen  Begriffskombinationen  betrefft  einee  '  ••  enstandes.  Der 
:.  'halt  allgemeine  Fragen    Was?  Wovon?  Warum?  Wann?  osi 

der  Schlüsse]   der   Erfindung    („clavia   inventionis").      Diese   „Lullie 
Kunst"  hatte  in  dei   Folge  viele  Anhanger,   darunter  Arnoldus  de  Vil 
Igrippa,  <i.  Bruno,  Leibnii  u.  a.     Die  Lehre  von  den  „doppelten  Wahr- 
heiten''   wird   von    L  bekämpft,  Qlaube  und  Vernunft   1.-  h  in  Einklang 
bringet       <-..tt  hat  die  Weif   nach  den  in  ihm  liegenden  [deen  au-  Nichte 

laffen    und   den    Dil  ne   erhaltende   Kraft   verliehen,    i 

kenntnis  ist  der  (.rund  sein«     Dr<  einigkeil  [vgl    !• 

Schriften:    Optra,    I69S,    ISO»,    1711  it.    188  HBLFF1     ICH,    I     I.  . 

l'i:  w  i  i  .   '..-  |,   ,1.    Logik,   111. 

Luqnet,  '         ••>   Henri,   Prof,  in    Paris.         Aul  »,   lehrt 

eine  immanent  Bche  l'-\ i  hol« >gie. 

a.  ». 


430  LÜTGENAU   —   MAACK. 


Lütgenail,  Franz,  geb.  1857  in  Rheindorf,  studierte  in  Münster,  Berlin 
und  Bonn.  =  Evolutionistischer  Standpunkt. 
Schriften:  Darwin  und  der  Staat,  1905. 

Luther.  Martin,  1483—1546.  =  L.,  der  die  Scholastik  besonders 
durch  die  Schriften  des  G.  Biel  (Nominalist)  kennen  lernte,  will 
weder  von  ihr  noch  gar  von  Aristoteles,  der  „Wehr  der  Papisten"  etwas 
wissen,  neigt  vielmehr  eher  zur  Mystik  (Eckhart)  und  hält  die  philo- 
sophierende Vernunft  für  ungeeignet,  die  Grundlage  der  Theologie,  in 
welcher  die  Bibel  und  der  Glaube  neben  dem  gesunden  Menschenverstand 
herrschen  sollen,  zu  bilden.  Daß  etwas  philosophisch  falsch,  theologisch  aber 
wahr  sein  könne  („Doppelte  Wahrheit"),  ist  nach  L.  ganz  wohl  möglich.  Be- 
treffs der  Willensfreiheit  verbindet  L.  die  Annahme  der  psychologisch-ethischen 
Wahlfreiheit  mit  der  strengen  Determiniertheit  alles  Geschehens,  Handelns 
und  Wollens  durch  die  göttliche  Vorsehung  („omnia,  quae  fiunt,  etsi  nobis 
videntur  mutabiliter  et  contingenter  fieri,  re  vera  tarnen  fieri  necessario  et  im- 
mutabiliter,  si  Dei  voluntatem  spectes"). 

Schriften:  Werke,  1539  ff.,  1729  ff.,  1740  ff.,  1820  ff.,  1883  ff.  —  Vgl.  CAR- 
RIERE,  Die  philos.  Weltanschauung  der  Eeformationszeit,  2.  A.  1887.  —  H.  HERING, 
Die  Mystik  L.s,  1879.  —  F.  BAHLOW,  Ls  Stellung  zur  Philosophie,  1891.  — 
M.  STAUB,  Die  Willensfreiheit  bei  L.  und  Zwingli,  1894.  —  BAUCH,  Luther  und 
Kant,  1904. 

Iiütoslawski,  Wincenty,  polnischer  Philosoph.  =  Mystischer  Stand- 
punkt; besonders  als  Plato- Forscher  bekannt. 

Schriften:  Seelenmacht  (polnisch).  —  The  Origin  and  Growth  of  Piatos  Logic, 
1897.  —  Kant  in  Spanien,  Kantstud.  I,   1896,  u.  a. 

Lykon  aus  Troas,  hörte  den  Aristoteliker  Straton,  dessen  Nachfolger  als 
Haupt  der  peripatetischen  Schule  er  269 — 226  v.  Chr.  war. 
Vgl.  Diog.  Laert.  V,  36  ff. 
Lykophron,  Rhetor  und  Sophist  aus  der  Schule  des  Gorgias. 

Lyon,  Georges,  Rektor  der  Akademie  in  Lille. 

Schriften:  La  philos.  de  Hobbes,  1893.  —  L'idealisme  en  Angleterre  au 
XVIIIe  siecle,  u.  a. 

Lysis  aus  Tarent,  Lehrer  des  Epaminondas  (um  400  v.  Chr.).  Pytha- 
goreer. 

Vgl.  Diog.  Laert.  Vlll,  7. 


M. 

Maack.  Ferdinand,  geb.  1861  in  Husum,  Arzt  in  Hamburg.  = 
Okkultist,  lehrt  eine  „Dynamosophie' '. 

Schriften:  Analyse  des  Antispiritismus,  1884.  —  Prälimin.  zum  Versuch  einer 
Philosophie  des  Gemüts,  1885.  —  Geeinte  Gegensätze,  1894.  —  Die  "Weisheit  von  der 
Weltkraft,  1896.  —  Beiträge  zum  Neo-Okkultismus,  1897.  —  Wissensch.  Zeitschr.  f. 
Xenologie,   1899  ff.  —  Bibliographia  Xenologica,  1903  ff.,  u.  a. 


MAAB6         Ma«  b. 


Maas*.  .Ttihaim  Gebhard  Ehrenreich,  geb.  176(3  u    Krottendorl  bei  Hall 
Ma.lt.  Prot,  in  Halle,  gest.  1823. 

IL  ist  von  Kant  beeinflußt    Die  Einbildungskraft  irirkl  schon 
Bildung   des   Binnesmaterials    mit     Bie  ist  das   tätigt    Vermögen,    welches   die 
IN-   des   Mannigfaltigen    im    Objekt   auffaßt,    gegeneinander  hält    und  »<>  in 
ihrer    Beziehung    aufeinander   ronteilt.      Das  oberste  Gesetz  der   (Einbildung 
kraft   ist:   ..Mit  jeder  gegebenen   Vorstellung  können  sich  in  der  Einbildni 
kraft  alle,   aber  auch  nur  diejenigen  unmittelbar  vergesellschaften,  die  mit  der 
_-!mii«ii    Bchon   einma]   zusammen    gewesen    Bind.*4     Die   Association   beruh! 
alsoaui  der  Koexistenz  der  Vorstellungen.   DerAttfkt  i-t  ein  „Zustand,  wo  eine 
starke  innere  Empfindung  existiert";  die  Leidenschaft   ist  eine  Btarke  sinn- 
liche  Begierde.     Die  Lo^rik  i>t   dir   „Wissenschaft   von  den  Regeln  der  Form 
des  Denkens".     I>i>'   „reine"    Logik    betrachtet    das    „Denken    abgesondert,  an 
und  für  sich4',  dir  angewandte  da-  Denken  in  gewissen,  bestimmten  denkenden 
Wesen. 

Schriften:     Versuch   über  die  Einbildungskraft,     1792.     —     (inindril.    «1. 
179.J:    1     A     1899.  Venaeb   über  die  Leidenschaften,    18«  »5 — 07.    —    Grundriß  des 

irrechts,    lsns  \  ersuch    über   difl   < . ctiih le,    1811,   u.   a. 

Malily.  Gabriel  Bonnot  de  (Bruder  Condillacs),  geb.  1709  in  Grenoble, 
Abbe*  und  Schriftsteller,  gest.  17s:;  in  Pari-.  =  Bf,  vertritt  sozialistische  An- 
Behauungen ani  Grundlage  des  Prinzips  der  Gleichheit.  Wenn  auch  die  Güter- 
leinschaff  jetzt  nicht  möglieb  ist,  bo  mufi  doch  alles  geschehen,  (ras  den 
schädlichen  Folgen  der  Ungleichheit  wehrt  (Luxusgesetze,  kleine  Testa- 
mente 08 

S    hriften:    Kntretien  de  Phocion    sur   le  rapport    de    la  morale  et  de  la  poliÜqoe, 
1703.  —  Principes  de  la  16gi*lation,   1 7 7 ß .    —    Principe»  de  moralo.    1784.    —    <>eu 
1794,   u.  a. 

NfCoAk  s.  ( toeh. 
JI'Ta^art  b.  Taggart 

.Mach.    Ernst,    geb.  1838  in  Turas,   Pro!  der  Physik  in  Prag,   dann 
Prof.  der  Philosophie  in  Wien,  Beil   1908  pensioniert 

.M.  will  nicht  systematischer  Philosoph,  sondern    Erkenntnispsycholog,  Me- 
thodolog  und   Kritiker  sein.     ESa  ist   ihm  am  einen  einheitlichen    Forschu 
Btandpankl    ra    tan.     In   seinen    Anschauungen  r   Verwandtschaft    mii 

rkeley,   Elnme,    Mill.  Oomte,    ^venarius,   Nietzsche,   teilweise  auch  mit  Kant, 

•  ii  Aphorismus  und  ..hin-  an  sich"  er  aber  ablehnt,   um  einem  (zum   i 
Bensualistisch    gefärbten     Empirismus    und    (idealistisch«  itivism 

n   huldigen,    der  alles     lfeta«piryaische",     i    alle   hypothetischen    Zutat« 

Denkens   rur   reinen    Erfahrung    ausschalten    irüX      Di     Insicht,   frei 

BJCU     allinahli«  h     Hahn      bricht,     dal',     difl     W  :—  n-  halt     -:-  h     SUt     difl     übersieht- 

liche  Darstellung  des  ratsachlichen  n  beschranken  habe   führt  I  '»»r 

Ausscheidung    aller    muffigen,    durch    die    Erfahrung    nicht  kontrolliei 

Annahmen .    rot    aUem    d<  .  ben    (im    K  5  I 

„hypoth  Wissen«  hatt  i-t  da-  Ideal. 


438  Mach. 

Die  Wissenschaft  ist  biologisch-praktischen  Bedürfnissen  entsprungen 
und  dient  noch  jetzt  der  Erhaltung  des  Lebens  und  der  Beherrschung  der 
Natur,  und  aus  dieser  Tendenz  ist  alles  Erkennen  zu  verstehen  und  zu  regeln 
(Erkenntnistheoretischer  Biologismus  und  Psychologisrnus).  Nicht  unbekannte 
Wesenheiten,  sondern  das  Gegebene,  Unmittelbare,  Erlebbare  will  die  Wissen- 
schaft erfassen,  es  in  seinen  relativ  konstanten  Zusammenhängen  und  Abfolgen 
möglichst  exakt  beschreiben.  Die  Wissenschaft  entsteht  durch  einen  „An- 
passungsprozeß der  Gedanken  an  ein  bestimmtes  Erfahrungsgebiet",  sie  hat 
teilweise  vorhegende  Tatsachen  in  Gedanken  zu  ergänzen.  „Die  Abbildung 
der  Tatsachen  in  Gedanken,  oder  die  Anpassung  der  Gedanken  an  die  Tat- 
sachen ermöglicht  dem  Denken,  nur  teilweise  beobachtete  Tatsachen  gedanklich 
zu  ergänzen,  soweit  die  Ergänzung  durch  den  beobachteten  Teil  bestimmt  ist." 
Die  methodische  Anpassung  modifiziert  beständig  die  Denkgewohnheiten.  Die 
Anpassung  der  Gedanken  aneinander  ergibt  die  Theorie.  M.  faßt  also  die 
Gedanken  und  Erkenntnisfunktionen  als  Lebensfunktionen  auf.  Beherrscht 
werden  dieselben  durch  das  biologisch-psychologische  Prinzip  der  Denk- 
ökonomie  (vgl.  Avenarius),  der  sparsameren,  ökonomischen  Verwertung  der 
geistigen  Kräfte.  „Die  Methoden,  durch  welche  das  Wissen  beschafft  wird, 
sind  ökonomischer  Natur."  Das  Ziel  der  Naturwissenschaft  bei  der  Zusammen- 
fassung und  Darstellung  ihrer  Ergebnisse  ist  der  sparsamste,  einfachste  begriff- 
liche Ausdruck.  Es  ist  die  Aufgabe  der  Physik,  die  gleichartigen  Elemente 
der  Naturvorgänge  aufzusuchen,  wodurch  die  „sparsamste,  kürzeste  Beschreibung 
und  Mitteilung"  ermöglicht  wird.  Die  Wissenschaft  kann  so  „als  eine  Minimum- 
aufgabe angesehen  werden,  welche  darin  besteht,  möglichst  vollständig  die 
Tatsachen  mit  dem  geringsten  Gedankenaufwand  darzustellen".  Durch 
die  Denkökonomie  als  Ideal  erfolgt  ein  Ordnen,  Harmonisieren,  Organisieren 
der  Gedanken,  ein  Herausheben  des  "Wesentlichen  im  Begriff  und  Urteil.  So 
kommt  es  auf  die  aktive  Geistesarbeit  an  und  hier  unterscheidet  sich  M.s  Lehre 
scharf  von  allem  passivistischen  Sensualismus. 

Im  Übrigen  betont  M.  aber,  alle  Erkenntnis  bestehe  in  der  bloßen  Be- 
schreibung derTatsachen,d.h.  der  Erlebnisse  und  deren  funktionalen 
Abhängigkeiten  und  Zusammenhänge  selbst,  ohne  Zugrundelegung 
nicht  erlebbarer  Faktoren,  die  „an  sich"  existieren  (vgl.  Comte,  Kirchhoff  u.  a.). 
Die  hypothetischen  „Denkzutaten"  sind  möglichst  zu  „ehminieren",  höchstens 
können  sie  als  praktische  Abbreviaturen  für  empirische  Komplexe  und  Zu- 
sammenhänge selbst  dienen,  ohne  daß  ihnen  (Kausalität,  Substanz,  Kraft  u.  dgl.) 
etwas  außer  diesen  Zusammenhängen  und  Relationen  entspricht.  Der  Begriff 
der  Ursache  hat  nach  M.  „einen  starken  Zug  von  Fetischismus",  er  stammt 
von  „amnestischen  Vorstellungen,  ist  anthropomorph.  Er  muß  wissenschaftlich 
durch  den  Funktionsbegriff  ersetzt  werden,  d.  h.  durch  den  Begriff  der 
funktionalen  „Abhängigkeit"  der  Erscheinungen  und  ihrer  Merkmale  vonein- 
ander. Die  Wissenschaft  hat  diese  Abhängigkeiten,  die  regelmäßigen  Zusammen- 
hänge der  Erlebnisse  zu  beschreiben  und  denkökonomisch  zu  formulieren,  in 
Gleichungen,  welche  der  Physik  das  Rekurrieren  auf  hypothetisch-mechanische 
(atomistische)  Vorgänge  unnötig  machen  (Begriffliche,  unanschauliche „phänomeno- 


Ma.  ff. 

Logische14  Physik,  ohne  mechanische  Modelle  .    Isolierte  Ursachen  and  Wirkun. 

in  der  Natur  nicht.  Dm  Gleiche  wiederholt  rieh  nur  in  der  Abstraktion, 
die  Natur  selbst  ist  mir  einmal  da.  Eine  absolute  Beständigkeit  Lril>t  et  nicht 
und  so  i-t  der  rohe  ßubstanzbegrifl  zn  eliminieren.     I'  nur 

ein  „Gedankensymbol"  für  gesetzmäflige  Zusammenhänge  von  Elementen,  in 
denen  nur  das  „Verbindui  ■/•■   'Im-   Best&i  Einei       I 

»heinnngen  gibt  ee  nicht.    „Das  Ding,   der    Körper,  die   Materie   i-t   oicl 
anfiel  «lern  Zusammenhang   der    Farben,   Töne   usw..   anfier  den    sog« »nannl 

Mrrknialt'ii.-- 

Dai  »Ding  an  sich"  ist  nach  M.  ♦■in«- Fiktion,  eine  Dlnsion.     Ding« 
haupt  sind   Dichte   als    Namen    tiir   denkökonomische   Znaanunerdassangen  zu- 
Bammengehöriger   Erlebnisse,   für  relativ  konstante  Gruppen    von   „Element 
des  E<rleben8  (Farben,  Töne,  Drückt-  nur.).    l>i<-  vermeintlichen  festen  Einheiten 

K"  »i-j  >»-r*-  und  „Ich*  rind  nur  „Notbehelfe  nur  vorläufigen  Orientierung  and 
für  bestimmte   praktische  Zwecke",   „provisorische  Fiktionen".     Körper   - 

Bündel   gesetzmäßig   zuaammenhängender  Reaktionen",  „Elementenkomple] 
Summen  von  Tast-  und  Lichtempfindungen,  die  an  dieselben  Kaum-  und  Zeit- 
empfindnngen  geknüpft  rind.    Nicht  die  Körper  erzeugen  Elmpfmdungen,  sondern 
Etapffadungskomplexe  bilden   die  Körper.     I>i»'  „Elemente"   rind  die   Bestand- 
teile, ans  denen  sowohl  die  <>hjrkt«'  ab  auch   die  Subjekte  bestehen,  die  i 
nirgends  isolieri  eren,  sondern  (vielleicht  weiter  zerleg  Dem  kontinuier- 

lichen Strom  des  Werdens  angehören  (Monismus  da  Ge«  hehens).  „Empfin- 
dungen" Bind  die  Elemente,  Bofern  Bie  von  einem  Organismus  abhangig  sind; 
an  rieh  Bind  nie  weder  bewufit  noch  anbewufit,  weder  psychisch  noch  physisch. 
Kin  absolut  nsatz  zwischen    Vorstellung    and   Objekt   besteht    nicht; 

Wahrnehmungsinhalte  selbst   sind  <li<-  Dinge.    Die  natürliche,  naiv-realistü 
Auffassung  hat  Anspruch  ani  höchste  Wertschätzung  (vgl.  Bergson). 

I>i<-  Bcheinbare  Beständigkeit  des   I<'h   besteht    nur   in   dessen   Kontinu 
und    langsamen    Änderung.    Zwischen    Ich    und   'W* - 1 r   herrscht    kein  absolt 
G        »atz,  diet  Irenze  zu  ischen  beiden  i-t  anbestimmt  und  rerschiebhar. 
nur  eine  denkökonomische,  praktische  Einheit,  eine  stärker  zusammenhat  e 

])])«•  von  Elementen,    srelche    mit   anderen  Gruppen  dieser  Art  Bchv 
zusammenhängt".     ]■]-  i-t  zuhöchst  di<     G     untheit  der  miteinander  zusanun 

den  Vorstellungen41  und  omfafit  ichliefilich  die  Welt,  da  es  ein  is 
[ch  nicht  gibt.    „Nicht  da-  I « -li  i-t  das  Prini  odern  die   Elemente  (Emp- 

findungen).    Die  Elemente  1  >i  1< !•  -i i   dai    [eh.     Ich  empfinde   Grün,   will   sag 
dafi  das  Element  .«.nur  in  einem  ge*  issen    Komplex    von   and< 

I  tnpMndungi      Erinnerungen)  vorkommt"     „Aus  den  Empfind  in 

Subjekt  auf,  welches  dann  allerdingi  wiedei  aul  di<   Empfind 
i » i  das  Bubstantielle  [ch  rettungslos  in  gfälll 

krit  all  die  der  „Elemente"  der  Welt   und  die  d<  N 

kommen. 

l.in.    Wesens t ei »■hiedfiihail  iwiaehen  dem  Psychi^-hm  und   l'ln 
■•■In  nicht,  beide  hauen  rieh  ans  .  '  u'  "lir 

ichiedene   Arten   der  Verbindo  '      *ind    l 


440  Mach. 

Töne.  Lust  usw.)  in  ihrer  Abhängigkeit  von  organischen  Elementenkomplexen 
(Sinneswerkzeuge,  Gehirn).  In  der  sinnlichen  Sphäre  des  Bewußtseins  ist  jedes 
Objekt  zugleich  physisch  und  psychisch.  Im  engeren  Sinne  ist  psychisch  da» 
„nur  einem  unmittelbar  Gegebene,  allen  anderen  aber  nur  durch  Analogie 
Erschließbare".  Die  Psychologie  beruht  auf  Physiologie  und  Biologie,  sie  hat 
es  mit  der  Abhängigkeit  der  Erlebnisse  vom  erlebenden  Individuum  zu  tun  (vgl. 
Avenarius,  Külpe  u.  a.).  Auf  Empfindungen  sind  nicht  bloß  die  Vorstellungen, 
sondern  auch  die  Gefühle  zurückzuführen.  Der  Will  e  ist  nichts  anderes  als  „die 
Gesamtheit  der  teilweise  bewußten  und  mit  Voraussicht  des  Erfolges  verbundenen 
Bedingungen  einer  Bewegung"  oder  eine  besondere  Form  des  Eingreifens  der 
temporär  erworbenen  Assoziationen  in  den  voraus  gebildeten  festen  Mechanis- 
mus des  Leibes.  Einen  Ausblick  in  eine  voluntaristische  Metaphysik  könnte 
die  Bemerkung  M.s  bedeuten,  „daß  unser  Hunger  nicht  sehr  wesentlich  ver- 
schieden ist  von  dem  Streben  der  Schwefelsäure  nach  Zink,  und  unser  Wille 
nicht  so  sehr  verschieden  von  dem  Druck  des  Steines  auf  die  Unterlage  ist, 
als  es  gegenwärtig  den  Anschein  hat". 

Betreffs  der  Raumvorstellung  vertritt  M.  den  Nativismus.     Der  Wille, 
Blickbewegungen    auszuführen,    ist   die   Raumempfindung   selbst.    Der   (einem 
biologischen  Bedürfnis  entsprungenen,   der   richtigen    Leitung  der   erhaltungs- 
gemäßen Bedingungen  dienenden)  Raumwahrnehmung  entspricht  ein  bestimmter 
Xervenprozeß.     Jeder  Empfindung    kommt  durch  das  gereizte  Nervenelement 
ein  Ort  zu;  der  physiologische  Raum  ist   angeboren.     Er  ist  ein   „System  von 
abgestuften  Organempfindungen"  als  ein  „bleibendes  Register"  zur  Einordnung 
der  Sinnesempfindungen.    Als  fertiges  Gebilde    aber   ist   der  Raum    empirisch 
erworben.     Die   geometrischen    Begriffe   entwickeln    sich    durch   Idealisierung- 
physikalischer  Raumerfahrungen.    Auch  die  Zeit  vor  Stellung  enthält  etwas 
Ursprüngliches,  da  es  eine  spezifische  „Zeitempfindung"  gibt.     Wahrscheinlich 
hängt  sie  mit  der  notwendig  an  das  Bewußtsein   geknüpften  organischen  Kon- 
sumtion  zusammen,    so   daß   wir   die    „Arbeit   der   Aufmerksamkeit"    als   Zeit 
empfinden.      Die    Bewegungsempfindungen    haben    wichtige    Funktionen;    alle 
Bewegung  ist  relativ.     Die  Rechnungsoperationen  haben  den  Zweck,  das  direkte 
Zählen  zu  ersparen.    Jede  Zahl  besteht   in  der  Ausführung  einer  Operation; 
Zahlen  sind   „Begriffe,    durch   welche   wir  Gruppen   von   gleichen  Gliedern  in 
bezug   auf   ihren    Gehalt   bestimmen    und   von    einander   unterscheiden".     Die 
mathematischen  Sätze  drücken  immer  „Äquivalenzen  von  Ordnungstätigkeiten" 
aus.   Die  Geometrie  beschäftigt  sich  mit  Idealen,  welche  durch  Schematisierung 
"ii  Erfahrungsobjekten  entstanden  sind.     Die  metageometrischen  Begriffe  sind 
(  j<  dankenexperimente. 

•Schriften:  Einleitung  in  die  Helmholtzsche  Musiktheorie,  1866.  —  D.  Gesch. 
"■  die  Wurzel  des  Satzes  von  der  Erhalt,  der  Arbeit,  1872;  2.  A.  1909.  —  Grund- 
linien der  Lehre  von  den  Bewegungserapfindungen,  1875.  —  Über  Umbildung  und  An- 
passung im  naturwissenschaftlichen  Denken,  1883.  —  Die  Mechanik  in  ihrer  Entwick- 
lung, 6.  A.  1908.  —  Die  Prinzipien  der  Wärmelehre,  1896;  2.  A.  1900.  —  Über 
das  Prinzip  der  Vergleichung  in  der  Physik,  1894.  —  Populärwissenschaftliche  Vor- 
lesungen,  1896;  4.   A.   1910.    —    Beiträge  zur  Analyse    der   Empfindungen,   1886;    5.  A* 


Mach  —  Maeterlinck.  411 


1906.  —  Die  Ähnlichkeit  und  die  Analogie  als  Leitmotive  der  Forschung.  Annalen  d. 
Xaturphilos.  I,  1902.  —  Erkenntnis  und  Irrtum,  2.  A.  1906.  —  Sinnl.  Elemente  u. 
naturwiss.  Begriffe,  Arch.  f.  Physiol.,  1911,  u.  a.  —  Vgl.  E.  LüCKA,  Kantstudien  VI  11, 
1903.  —  Th.  BEER,  Die  Weltanschauung  eines  modernen  Naturforschers,  1903.  — 
R.  HÖNIGSWAJLD,  Zur  Kritik  der  Machschen  Philosophie,  1903.  —  B.  Ili  i.i.  M .- 
Philos.,   1907.  —   F.  REIXHOLD,  M.s  Erkenntnistheorie,   1908. 

Mach,  Franz,  geb.  1845  in  Deutsch-Horschowitz.  Gymnasialprofessor  a.  1). 

in  Tetschen.  =  Synthese  des  Aristotelismus  mit  modernen  Anschauungen. 

Schritten:  Die  Willensfreiheit  des  Menschen,  1887;  2.  A.  1894  (Indetermi- 
nistisch).  —  Das  Religions-  und  Weltproblem,  2.  A.  1904.  —  Reden  u.  Abhandl., 
1908,  u    a. 

Ma<*hiavelli.  Niccolo,  geb.  1409  in  Florenz,  Sekretär  des  Rate-  dei  Zehn 
und  Gesandter,  gest.  1527. 

M.  betont,  daß  in  jedem  Staate  und  in  jedem  Volke  dieselben  Neigungen 
und  "Wünsche  herrschen,  so  daß  der  Historiker  aus  der  Vergangenheit  die  Zu- 
kunft entnehmen  kann.  In  der  Politik  kommt  es  darauf  an,  mit  allen  Mittel  n 
die  Macht  und  Wohlfahrt  des  Staates  zu  sichern,  herzustellen,  zu  fördern, 
unbekümmert  um  moralische  Skrupel  und  eventuell,  "wenn  verderbte  Zustände 
herrschen,  auch  durch  einen  kraftvoll,  ja  tyrannisch  auftretenden   Pursten.    M. 

aber  keineswegs  «'in  Anhanger  des  monarchischen  Prinzips,  sondern 
Republikaner. 

9  hriften:  lstorie  Fiorentine,  1532;  deutsch  1846.  —  Diacorn  sopra  la  prima 
decado  di  Tito  Livio,  1532;  deutsch  1871.  —  11  Principe,  1532;  deutsch  1580,  1868 
(Hauptwerk).  —  Werke,  1531—32;  deutsch  1832—41.  —  Vgl.  VlI.LARI,  N.  M.,  1877  ff. : 
tatsch  1877  ff.   —  R.  Fester,  M.,  iooo. 

]?Iaok,  Josef,  geb.  1875  in  Ludenhausen  (Oberbayern).  =  Für  den  In- 
determinismus  (die  Freiheit  als  unmittelbare,  nicht  rein  logisch  deduzierbare 
Tatsache). 

3    hriften:  Das    spezilisch    Menschliche,     1904.    —    Kritik    der    Freiheitstheorien, 

Mackeiizic.  J.   S.  =    Idealistischer  Slandtpunkt.  —  Schriften:  Ootlinai 
i   Metaphyric»,  1908.         Abhandlangen  im  „Mind"   1902,   1904   o.  ■ 

Mackiiitosh«  James,  geb.  1764  in  Schottland.  Ar/t  in  London,  Bpater 
Advokat,  gest.  1832.  =  Vertreter  der  Schottischen  Schule:  Gegner  der  egoisti- 
schen Moral,  der  die  [Jnabhangigkeil  des  Sittlichen  vom  Nutzen  betont. 

Schriften:   Essays  in  der    »Edinburgh    Review"    ;  Melanies   philosophiqasa, 
—  Dissertation  on  tho  progress  of  the  othical  philosophy,  1830,  4.  ed.   1872;   Eraniöauch 
18*4, 

1la«'i»ol>illM.  Aurelius,  im  ersten  Drittel  de-  f>.  Jahrhundert»  n.  Chr.  = 
V. >ii    PlatOD    und    I*l. »1  in    1  »•■.  in 1 1  ul'.t . 

i.rifton:    Kommentar   zu   Ciotrot    „Smuniiini   Bcipioi  'urnalia 

liar.lt,   18C8,   189:5). 

Maeterlinck.  Maurice,  geb.  1862  in  Grand  Belgien),  der  bekannte 
Dichter,  ist  als   philosophischer   Denker   ein    Mystiker,    der  die   Bedeutung  <: 


442  Maeterlinck  —  Maimon. 


Instinktiven,  des  Gefühls,  des  Unbewußten  betont.  Wir  haben  ein  „Gefühl  des 
Unendlichen"  und  fühlen  uns  als  Teil  des  Alls,  des  universalen  Lebens  un- 
sterblich. 

Prosa-Schriften:  Weisheit  u.  Schicksal,  1899;  4.  A.  1902.  —  Das  Leben  der 
Bienen,  1901.  —  Von  der  inneren  Schönheit;  Auszüge  u.  Essays,  hrsg.  von  M.  Kühn, 
1909.  —  Der  Schatz  der  Armen,  2.  A.  1902.  —  Die  Intelligenz  der  Blumen,  2.  A. 
1907.  u.  a. 

Magnenns,  Johannes  Chrysostomus,  geb.  in  Luxeil,  Arzt,  dann  Prof. 
•der  Philosophie  in  Pavia  (17.  Jahrhund.).  =  Atomistiker. 

Schriften:  Democritus  reviviscens  sive  de  atomis,   1646,  u.  ö. 

Maier.  Heinrich,  geb.  1867  in  Heidenheim,  Prof.  in  Tübingen,  von  Sig- 
wart  beeinflußt. 

Xach  M.  ist  es  die  Aufgabe  einer  Psychologie  des  „emotionalen  Denkens" 
(der  Logik  des  Gefühls  und  des  Willens),  „die  in  den  emotionalen  Vorstellungen 
wirksamen  logischen  Funktionen  aufzusuchen  und  das  Wesen  und  die  haupt- 
sächlichsten Betätigungen  des  emotionalen  Denkens  psychologisch  zu  be- 
stimmen". Das  ganze  Gebiet  des  Geisteslebens  -wird  hierbei  gestreift.  Unter 
„Emotionalsätzen"  (Gefühls-,  Wunsch-,  Willenssätzen)  versteht  M.  LTrteile. 
welche  sich  unmittelbar  auf  Gemütszustände  beziehen,  solche  zum  Ausdruck 
bringen.  Elementare  Urteilsakte  sind  schon  in  den  Vorstellungen  enthalten. 
Im  emotionalen  Denken  werden  Gefühls-  oder  Begehrungsprozessen  ent- 
stammende Vorstellungsdaten  zu  Objekten  gestaltet,  bei  denen  die  Hinweise 
auf  Erfahrung  fehlen.  Überhaupt  ist  das  Denken  voluntaris  tisch  aufzufassen, 
es  wird  durch  Gefühle,  Strebungen,  Interessen  geleitet.  Das  Wollen  ist  der 
Kern  des  Bewußtseins.  Alle  psychischen  Vorgänge  sind  ein  Wollen,  dessen 
Zentrum  der  „Wille  zur  Selbstbehauptung"  ist.  Ein  Willensvorgang  entsteht, 
wenn  durch  einen  Beiz  im  „Ichwillen"  aus  einer  in  diesem  angelegten  Willens- 
disposition eine  ,, Begehrungstendenz"  ausgelöst  wird.  Der  Ichwille  wählt  unter 
konkurrierenden  Motiven  und  Zwecken  solche  aus,  die  seiner  Richtung  am 
besten  entsprechen  („volitives  Denken"). 

Schriften:  Psychologie  des  emotionalen  Denkens,  1908.  —  An  d.  Grenze  d. 
Philos.,  1909.  —  Logik  u.  Erkenntnistheorie,  1900  (Sigwart-Festschrift).  —  Die  Syl'o- 
gistik  d.  Aristoteles,  1896  f.   —  D.  Bedeut.  d.  Erkenntnistheor.  Kants,  1897,  u.  a. 

^laimoii.  Salomon,  geb.  1754  in  Neschwitz  (Litthauen)  als  Sohn  eines 
polnischen  Rabbiners,  schon  als  Knabe  talmudisch  geschult,  mit  dreizehn  Jahren 
schon  Familienvater.  Er  lernte  deutsch,  verließ  seine  Familie,  ging  ohne  alle 
Mittel  nach  Berlin,  wo  er  unter  der  Leitung  Mendelssohns  Philosophie  studierte, 
bald  aber  ein  unstetes  Vagantenleben  führte  (Holland,  Hamburg).  Als  Er- 
wachsener besuchte  er  noch  das  Gymnasium  in  Altona,  ging  dann  wieder  nach 
Bf-rlin,  Breslau,  mit  der  Abfassung  wissenschaftlicher  Lehrbücher  in  hebräischer 
Sprache  beschäftigt.  In  Berlin  studierte  M.  Kants  „Kritik  der  reinen  Vernunft" 
und  verfaßte  einen  „Versuch  über  die  Transzendentalphilosophie"  (1790)  und 
in  der  Folge  weitere  philosophische  Schriften.     Von  Kant,  Fichte  und  Schelling 


Maimon. 

wurde  er  aU  scharfsinniger  Denker  geschätzt.    Zuletzt  Lebte  er  auf  einem  Gute 
'trafen  Kaikreuth  bei  Freistadt  (Schlesien),  wo  er  1800  stark 
AI.  nennt  seinen,  teilweise  im  Sinne  Kant-,  teilweise  gegen  ihn  gerichti 
Standpunkt  den  eines  ..empirischen  Skeptikers-',  der  ihn  in  mancher  Beziehi 
Hume,  in  anderer  Fichte  nähert    M.  tadelt  an  Kant,   daß  er   nicht   die  / 
Stämme  der  Erkenntnis,  Sinnlichkeit  und  Verstand  aus  einer  Wurzel  herleite, 
dieM.  im  Bewußtsein  überhaupt,  welch«-  das  „Denken    im  weitesten  Bin 
die  Synthese  eine-  Mannigfaltigen  zur  Einheit  ist.  findet.    Nicht  blofi  die  Form, 
auch  der  Stoff  der  Erkenntnis  isl  nicht  von  anfien  gegeben,  sondern  liegt  in  uns 
selbst,  als  etwas  Irrationales,  dem  bewußten  Denken  Vorangehend.-,  tls  Grenze 
oder  „Differential"  des  Bewußtseins.     Das  „Ding  an  Bich"    isl   ein  Unding,  die 
„Affektion"    seitens    der    Dinge   fällt    in    das   Bewußtsein    selbst    (Idealismus). 
A  priori  ist  (gegenüber  der  Empfindungsmannigfaltigkeit)  die  Form  oder  I 
dingnng  aller  besondern  Erkenntnis,  die  Bedingung,  unter  der  allein  das  Mai 
faltige  der  Empfindungen  gegeben  werden  kann.    A  priori  sind  also  die   An- 
Bchauungsformen  (Raum  und  Zeit),  als  Formen  von  Einheitsynthesen.     I' 
Raum  ist  aber  nicht  bloß  eine  (nur  als  endlich  vorstellbarei  Anschauung,  Bond 
auch  ein  allgemeiner  Begriff.     Ebenso   verhält   es  sieh  mit  der  Zeit    Die  LTn- 
endlichkeitsbegriffe  sind  „bloße  Ideen,  die  keine  Objekte,  sondern  das  Entstehen 
der  Objekte  vorstellen",  „Grenzbegriffe".     Die  Sinnlichkeil   liefert    uns   die 
Objekte  als  Produkte  unseres  Denken-  (als  Einheitsfunktion',  welches  sich  dann 
der   Regeln   der  Erzeugung   bewußt    und   damit    zum   Verstände   wird:   die 
Sinnlichkeit  ist  also  nur  der  unvollständige  Verstand. 

Da-  Grundgesetz  de- objektiven  Denkens  ist  der  „Satz  der  Bestimmbarkeit" 
(als  Art  des  Satzes  vom  Grunde).     Beziehungsformen   des  Denkens   sind   auch 
die  Kategorien,  die  nach  M.    nur   Formen   des   Satzes  der    Bestimmbarkeil 
sind.  Anwendungen  des  Logischen  auf  die  Objekte.    Die  Kausalität  ist  keine 
Kategorie,  sie   gilt    nicht   einmal    für  die   Dinge   als   Erscheinungen,  hat  b 
subjektive  ( reitung  [(Wahrscheinlichkeit  ■.  beruht  aui   Gewohnheil   (vgl.  Hu 
Die  Ideen  Bind  nicht  Vernunftgebilde,  sondern  entspringen  der  EinbUdui 
kraft.     Die  Vernunft    kann   kein«'   Vorstellung    des   unbedingten   erzeugen;  die 
Kantschen  ..Antinomien'-  beruhen  in  Wahrheit  aui  einem  Widerstreit  der  \ 
nunft  mit  der  Einbildungskraft  (nicht  mit   sich  Belbet).     Die   Ideen  haben  nm 
subjektive  Gültigkeit,  so  auch  die  religiös«     [dee,  welche   das   9 
l     hster  Vollkommenheit   fordert    Gott  dar!   nicht   anthropomorph  vorgestellt 
werden;    H.   lehn    die    Existent   einer   „Weltseele".    In   ethischer    Hinsicht 
tadelt  M.  Kam-  schroffe  A  Mahnung  ;l||t^  Eudamonismus,  di 
das  Motiv  nnseres  Handelns  ist  und  als  geistig«  Genufi  keines« 
ist.     Das  Motiv   des  sittlichen    Handeln-   ist    das  lustvolle  Gefühl  der  eigenen 
Würde. 

-    i.  ritten    Verweb  über  di  satalphilosop]  I 

n   rttrbeea,  1791.  -     streifereien  bs  der  Pht 

grosse  der  Pailowpl  rem 

Tieuon  Logik  seet  Theorie  dea  Deafaaa,  1794    Elsaptwerk)  —  Kril 
BMraeasssaseli  8.  J.  Woi 


444  Maimon  —  Maine. 


Maimoniana,  1813.  —  J.  H.  WlTTE,  S.  M.,  1876.    —    BüBIN,  Die  Erkenntnistheorie 
M.s,   1897.  —  GOTTSELIG,  Die  Logik  S.  M.s,  1908. 

.Haimonides,  Aloses  ben  Maimun,  (Sohn  des  Richters  Maimon,  Maimiini), 
geb.  1135  in  Cordova,  studierte  gründlich  den  Talmud  und  arabische  Philo- 
sophie, ging  mit  seiner  Familie  (wegen  der  Vertreibung  der  Juden  aus  Spanien, 
1164)  nach  Fez,  dann  (1165)  nach  Ägypten  (Fostat),  wo  er  Philosophie  lehrt« 
und  als  Arzt  wirkte  (Leibarzt  Saladins  und  seines  Sohnes).  Er  starb  1204  in 
Fostat  (AltKahiro). 

M.  ist  der  bedeutendste  jüdische  Philosoph  des  Mittelalters,  wenigstens 
nach  der  Wirkung  seines  (rationalistisch  gerichteten)  Denkens  auf  das  Juden- 
tum. Er  steht  auf  dem  Boden  des  strengen  Glaubens,  fordert  aber  vielfach 
allegorische  Deutung  der  Bibel,  damit  überall  der  Vernunftgehalt  derselben  zur 
Geltung  komme. 

In  weltlichen  Dingen  hält  M.  den  Aristoteles  für  die  größte  Autorität  und 
stimmt  auch  meistens  in  seinen  Anschauungen  mit  ihm  überein.  Er  bekämpft 
aber  die  Lehre  von  der  Ewigkeit  der  Welt  und  der  Materie,  welche  Gott  aus 
Xichts  geschaffen  hat.  Gott  selbst  ist  unerkennbar,  über  alle  Prädikate  er- 
haben, jedenfalls  aber  immateriell,  geistig,  allmächtig  und  allweise.  Die  Existenz 
Gottes  ist  durch  den  ontologischen,  kosmologischen  und  teleologischen  Beweis 
festzustellen.  Die  Welt  ist  zweckmäßig  eingerichtet,  aber  nur  beim  Menschen 
bezieht  sich  die  göttliche  Vorsehung  auf  Einzelheiten.  Die  Vorsehung  verhindert 
nicht  die  psychologisch-ethische  Willensfreiheit  des  Menschen,  dessen  Seele  ein 
substantielles,  immaterielles  Formprinzip  und  unsterblich  ist.  Es  gibt  fünf 
Seelenkräfte,  deren  höchste  die  vernünftige  ist.  Die  Tugend  besteht  im  Ein- 
halten der  rechten  Mitte  zwischen  zwei  Extremen ;  wie  Aristoteles  unterscheidet 
M.  ethische  und  dianoetische  (intellektuelle)  Tugenden.  Höchstes  Gut  ist  Er- 
kenntnis, insbesondere  Erkenntnis  Gottes. 

Schriften:  Moreh  Xebüchim  (Leitung  des  Zweifelnden,  hebräische  Übersetzung  — 
durch  Samuel  ibn  Tibbon  —  des  arabischen  Originals  „Dalälat  al  Hä'irin"),  1551  u.  ö.f 
lateinisch  1520,  deutsch  1838,  arabisch  und  französisch,  hrsg.  von  S.  Munk  (Le  guide 
des  egares),  1856 — 66.  mit  Kommentaren,  1875  (Hauptwerk).  —  Vocabularium  logicac, 
1550,  1846.  —  Einleitung  zum  rabbinischen  Traktat  „Aboth"  (Schemonah  feraquim),. 
deutsch  1832  (Ethik).  —  Vgl.  A.  GEIGER,  M.,  1850.  —  M.  JOEL,  Die  Religions- 
philosophie des  Moses  ben  Maimon,  1860.  —  M.  ElSLER,  Vorlesungen  über  die  jüdischen 
Philosophen  des  Mittelalters  II,  1870.  —  J.  MÜNZ,  D.  Religionsphilos.  des  M.,  1887.  — 
GuTTMAXX,  Das  Verhältnis  des  Thomas  von  Aquino  zum  Judentum,  1891.  —  Neü- 
MARK,  Geschichte  der  jüdischen  Philosophie,  1908  f.  —  COHEN,  Charakteristik  der 
Ethik  Maimunis,   1908. 

Maine,  Sir  Henry  James  Sumner,  1822 — 1888,  Prof.  der  Jurisprudenz  in 
Oxford  und  Cambridge.  =  Gegenüber  Bachofen,  M'Lennan,  Morgan  u.  a.  be- 
trachtet M.  das  Vaterrecht  als  das  Ursprüngliche,  auch  betont  er  die  Bedeutung 
der  Dorfgemein  schatten   für  die  Entwicklung  der  Staaten  und  des  Eigentums. 

Schriften:  Ancient  Law,  1861;  11.  ed.  1890.  —  Village  Communities,  1871; 
5.  ed.  1890.  —  Early  History  of  Institutions,  1875;  4.  ed.  1890.  —  Dissertations  on 
Early  Law  and  Custom,   1883,   1890,  u.  a. 


Maine  de  Biran.  440 


Maine  de  Siran.    Francois  Pierre  Gauthier,   geb.  176G  in  Grateloup 

(Bergerac),  diente  in  der  Leibgarde,  war  während  der  Revolution  l'rätektur-Rat. 
nach  der  Restauration  Abgeordneter  und  Staatsrat,  gest.  1824. 

In  seinen  ersten  Arbeiten  untersucht  M.  den  Einfluß  der  Gewohnheil 
auf  das  Denken.  Er  unterscheidet  passive  und  aktive  Gewohnheiten  und  for- 
muliert als  Grundgesetz  der  Gewöhnung,  daß  sie  die  Sinnesempfindung  (Sensa- 
tion) schwächt  und  die  Wahrnehmung  (perception)  verstärkt,  welche  letztere  (wie 
nach  Reid)  aktiver  Art  und  an  die  Bewegung  des  Organes  selbst    geknüpft   ist 

In  seiner  zweiten  Periode  führt  M.  die  Lehre  Destutt  de  Tracys  von  der 
Kraftanstrengung  des  wollenden  Ichs  gegenüber  dem  Widerstände  des  Objektes 
veiter.  Das  aktive,  freie,  sich  selbst  unmittelbar  als  einheitliches  Wesen,  Kraft 
und  Ursache,  als  tätiges  Agens  erfassende  Ich  ist  die  Quelle  und  das  Muster 
unserer  Grundbegriffe  (Kausalität,  Kraft,  Substanz,  Einheit  usw.),  welche 
Kategorien  weder  aus  der  Empfindung  stammen,  noch  dem  reinen  Denken  an- 
gehören, noch  apriorische  Formen  sind.  Sie  stammen  vielmehr  aus  der 
inneren  Erfahrung  des  Seins  und  Wirkens  des  aktiven,  wollenden  Ich-. 
welches  in  seinem  Willen  sich  als  seiend  erfaßt  (,,Volo,  ergo  sum").  Dies  - 
ist  etwas  ganz  anderes  als  ein  Komplex  von  Empfindungen,  es  kann  durch  die 
Qualitäten  und  Relationen  äußerer  Erscheinungen  nicht  beschrieben  werden, 
sondern  ist  ein  reales,  wahrhaft  ursächlich  sich  verhaltendes  Subjekt  im  Gegen- 
sätze zu  den  Objekten  (und  seinem  eigenen  Leibe).  Das  aktive,  reine  Ich  (,,moi 
noumenal")  ist  eine  „überorganische  Kraft"  in  Beziehung  zu  einem  Widerstände 
(,,une  force  hvperorganique  naturellement  en  rapport  avec  une  resistante  vivant- 
eine  tätige  Kraft  („une  force  agissante"),  die  sich  unmittelbar  erfaßt  („apper- 
ception  interne  immediate  ou  conscience  d'une  force,  qui  est  moi"),  mi  Gegen- 
satz zu  allem  Objekte  („par  son  Opposition  ä  tont  ce  qui  est  appelle"  chose  ou 
objet").  Das  Charakteristische  der  Ichtätigkeit  ist  die  Willensanstrengung 
(effort  vouhr  .  welche  von  der  .Muskelkontraktion  zu  unterscheiden  ist.  In 
dem  Bewußtsein  dieser  Anstrengung  hat  der  Begriff  der  Lisa  che  (der  Kau- 
salität) Beine  Quelle,  ebenso  der  Begriff  der  Kraft.  Aus  der  Erfahrung  des 
(erlebten)  Widerstandes  Btammt  alle  Materie  der  Erfahrung,  bo  auch  der  B 
griff  der  Substanz  (als  Begriff  eines  „absoluten  oder  möglichen  Widerstand« 

Die  Außenwelt  besteht  in  den  Beziehungen  der  Dinge  zu  uns,  indem 
die  Dinge  Belbst  Kräfte  sind.  Durch  die  Hemmung,  die  unsere  Willens- 
anstrengung erfährt,  werden  wir  uns  zugleich  unseres  [chs  und  des  Nicht-Ich, 
der  Objekte  bewußt  Da-  Ich  projiziert  das  als  passh  Empfundene  außer  eich 
und  Bchreibt  es  anderen  Wesen  zu,  indem  es  Fühlt,  daß  das,  was  ihm  Wider- 
stand leistet,  nicht  Bein  eigener  Wille  ist.  „Lorsque  le  mouvement  est  .... 
arrele*  ou  empfiehl,  llndhridu  Ben!  ou  apereoit  bien  unmädiatement  que  ee  n  ■ 
pas  bs  volonte*,  qui  L'arrtte  on  Le  Buspend,  et  c'est  lä  ce  qui  le  conduit  i  attrüraer, 
par  une  premiere  induetion,  oet  emp&chemenl  ä  une  cause  uon  moi  oppose  i  m 
volonte".  Die  Einbildungskraft  (imagination)  hüllt  dann  die  vom  [oh  gesetzte 
Ursache  des  empfundenen  Widerstandes  in  die  Vorstellung  der  taktUen  Aus- 
dehnung, die  uns  als  Erkennungszeichen  eines  Dinges  dient 

-    hriften:    Die    meisten    seiner    Schriften    wiinlon    or-<t    na.  h   seinem   Tode   her 


446  Maine  de  Biran  —  Maistre. 

gegeben:  Oeuvres  philosophiques  de  M.  de  B.,  publiees  par  V.  Cousin,  4  Bde.,  1841.  — 
Oeuvres  inedites  de  M.  de  B.,  publiees  par  E.  Naville,  4  Bde.,  1859.  —  Science  et 
Psychologie,  publiee  par  A.  Bertrand,  1887.  —  Drei  Entwicklungsperioden  sind  bei  M. 
zu  unterscheiden:  1.  Ausgang  von  Locke,  Condillac,  Reid  u.  a.:  Sur  Pinfluence  de  l'habi- 
tude  ä  la  facolte  de  penser,  1802.  —  Memoire  sur  l'habitude,  1803.  —  Memoire  sur  la 
decomposition  de  la  faculte  de  penser,  1805  (von  Leibniz  beeinflußt).  —  2.  Persönlich- 
keits-Standpunkt: Rapport  du  physique  et  du  moral,  1811  verfaßt.  —  Essai  sur  les 
fondements  de  la  psychologie,  1813 — 22  verfaßt  (Hauptschrift).  —  3.  Mystische  Periode: 
Xouveaux  essais  d'anthropologie  (unvollendet).  —  De  l'apperception  immediate.  Conside- 
rations  sur  les  principes  d'une  division  des  faits  psychologiques  et  physiologiques.  — 
Vgl.  Naville,  M.,  1857.  —  Marilier,  M.,  1893.  —  A.  Kühtmann,  M.,  1901. 
—  A.  LANG,  M.  und  die  neuere  Philosophie.  —  TlSSERAND,  L'anthropol.  de  M.  de 
B.,  1909. 

Mainländer,  Philipp  (Pseudonym  für  Philipp  Batz),  geb.  1841  in 
Offenbach  a.  M.,  Kaufmann  in  Offenbach  und  Berlin,  endete  1876  durch  Selbst- 
mord. 

M.  ist  wesentlich  von  Schopenhauer  beeinflußt.  In  der  Erkenntnislehre  ist 
er  Apriorist  und  Idealist,  in  der  Metaphysik  lehrt  er  einen  pessimistischen 
Voluntarismus,  der  auch  Elemente  des  Buddhismus  und  des  reinen  Christen- 
tums enthalten  soll,  welches  letztere  als  „Atheismus"  aufgefaßt  wird,  für  den 
Gott  „gestorben"  ist.  Die  Welt  ist  eine  Vielheit  von  Willenseinheiten  als  Bruch- 
stücke des  zersplitterten  einen  Willens,  der  Gottheit,  durch  deren  Tod  die 
Welt  entstand,  in  welcher  der  Wille  zum  Sein  immer  mehr  erlischt,  so  daß  Gott, 
das  „Überseiende"  zum  Nichtsein  und  dadurch  alles  erlöst  wird.  Gott  war  Über- 
sein,  ein  Überwesen,  übergeistig.  Er  erkannte,  daß  er  nur  durch  das  Werden 
der  Vielheit  aus  dem  Übersein  in  das  Nichtsein  treten  könne.  So  hat  er  sich 
zu  einer  Welt  der  Vielheit  zersplittert.  „Gott  ist  gestorben,  und  sein  Tod  war 
das  Leben  der  Welt."  Die  Einzelwesen  haben  das  Streben  nach  dem  Nicht- 
sein; in  diesem  Streben  hindern  sie  sich  gegenseitig,  kämpfen  miteinander  und 
schwächen  ihre  Kraft,  wodurch  das  Ziel  der  Welt,  das  Nichtsein  allmählich 
erreicht  wird.  Das  Sein  ist  „reiner  Wille  zum  Tode",  das  Leben  nur  ein 
Mittel  dazu. 

Schriften:  Die  Philosophie  der  Erlösung,  1876;  1894.  —  Vgl.  S.  RUBINSTEIN, 
Ein  individualistischer  Pessimist,   1894. 

Maistre9  Joseph  Marie  de,  geb.  1754  in  Chambery  (Savoyen),  Bot- 
schafter in  St.  Petersburg  1803—17,  gest.  1821  in  Turin. 

de  M.,  der  Begründer  des  neuern  Ultramontanismus,  gehört  der  französischen 
„theologischen"  Schule  an,  welche  die  Reaktion  gegen  die  Aufklärung,  den 
Sensualismus  und  Materialismus  des  18.  Jahrhunderts,  aber  auch  gegen  die 
hauungen  der  großen  Revolution  darstellt.  Die  absolute  Herrschaft  ge- 
bührt der  Kirche  und  dem  Papste.  Die  Übel  der  Welt  sind  Strafen  Gottes; 
Krieg.  Inquisition,  Todesstrafe  u.  dgl.  sind  Mittel  der  Sühne  und  Züchtigung. 
Die  gottlose  und  völlig  falsche  Aufklärung  hat  in  Bacon  ihren  geistigen 
Stammvater. 

Schriften:  Soirees  de  St.  Petersbourg,  1821.  —   Essai  sur  la  philosophie  de  Bacon, 


Mai- iiu-:  —  MALEBRAX<  hi:.  447 


lb26.  —  Du  Pape,   1829.    —    Oeuvres  cunipletbs,   1884—87,   u.  a.   —    Vgl.    PAULH 
J.  de  M.    et  sa  philosophie,  1893. 

Malapert.  P.,  Prof.  in  Paris.  —  Schriften:   Lecons    de  philosophie.     ! 
—   Les  elements  du  caractere,  2.   ed.   1906,  u.  a. 

Malebranche,  Nicolas,  geb.  1638  in  Paris,  Mitglied  der  K  ion 

des  Oratoriums,  gest.  1715,  angeblich  infolge  der  Aufregung,   in   die  ihn  seine 
Unterredung  mit  Berkeley  versetzte. 

-M.,  der  von  Augustinus  beeinflußt  ist,  geht  in  seinem,  auf  Versöhnung  von 
Philosophie  und  Religion  bedachten,  zur  Mystik  neigenden  Philosophieren  von 
Lehren  Descartes  aus  und  bildet  zunächst  dessen  Auffassung  des  Verhältnis* 
von  Geist    und    Körper    im    Sinne    des   Okkasionalism  us    weiter.     Die    1 
eines  endlichen   Geistes  zeigt  nichts  davon,   daß  er  einen  Korper  zu  beweg 

E  :  auch  kann  der  Körper  nicht  auf  den  Geist  einwirken,    .  »1   auch 

keine  direkte  Kausalität  von  Körper  zu  Körper,  sondern  jedes  Ges  heben 

QUT  Anlaß  (..oeeasio")  für   das  Auftreten  eines  anderen,    wobei  tue  einzige 

wahre  Ursache  und  Kraft  Gott  ist:   ..II   n'y  a  donc  qu'un  Beul  vrai  Dien 

et  qu'une  Beule  cause,  qui  soit  veritablemenl  cause,  et  Ton  nedoit  pas  B'imaginer 

que  ce  qui  precede  um   effet   en   soit   la  v£ritable  cause"!    Gott  wirkt  in  allem 

durch  Gelegenheitsursachen   (Anlasse):    „Omnis   actio  proprie  tali>  L  e,  omnia 

nio   virium   oon  ad  creaturas,  sed  ad  solum  Deum  pertinet     Deus  autem 

per  cntia  creata  oon   agit   oisi  es  Bystemate  quodam  causarum  occasionalium.41 

,Deus   Bolus  v<  it  eorum  omnium  quae  sunt  vel  Hunt;   creaturae 

autem  non  Bunt   oisi  causae  occasionales."    Gott    wirkt   aber   nur   gemäfl   den 

allgemeinen  Gesetzen    -  Wes<  iu>  universalibus  aeternae 

&entiae").    Die  Dinge  wirken  nur  vermittelst  Gott  iconcursu  Dei 

M.  baut  nun  diese  Lehre  /u  einem  Panentheismus  auf,  oach  welchem 

die  Welt  in  Gott  ist  und  wir  alles  vermittelst  der  tdeen  in  Gott  erkennen.    S 

wie  es  kein  Wirken  ohne  Gott  gibt,  bo  vermag  der  Geist  nicht  ohne  Erleuchtung 

durch  Gott  zu  erkennen,   der  auch  die  Zustande  des   Bewußtseins   mit   denen 

Körpers  in  Übereinstimmung  bringt    I>i»-  Erkenntnis  ist  kein  Produkt  der 

E    me,  denn  diese,  di<-  cur  Lebenserhaltung  da  Bind,  sind  nur  subjektive  Aut- 

mngen  der  Beziehungen  des  All-  der  Dinge  zu  uns  („relationes  umus  cuius- 

demque  extensionis   roß   infiniti  ad  Dostrum  intellectum").    Die  Empfindungen 

:  nur  Anlässe  zur  wahren  Erkenntnis,  diese  erfolgt   durch  die   Ideen, 
immittelbaren  ( Objekte  des  (  im  immediatum  mentis  ipsi  proximum, 

dum  aliquid  percipit").    Gegenstand  der  tdeen  ist  die  Ausdehnung  des  unend- 
lichen, [ntelligiblen,  Unveränderlichen,  aus  dessen  Anschauung  wir  alle 
und  innere  Erkenntnis  gewinnen,  die,   da  das  Unendliche  Gott  ist,  in  G 

in  omnium  idearum  est  •  \t<  ds  nflniti,  intelligibilis,  inimu« 

tabüis  et  incommensurabUiS)   n   suius  intuitu   formamus,  quidquid  adsptcimus 

intra  sive  extra   DOS.      Vere  itaque  6t    nun  -ine  lundameiitu  a>serimu>.  haue 

intuitionem  .  .  .  fieri  in  ip  In  den    \n-«  ihauunj  [daen  in  Gott 

besteht  das  Wissen. 

In  ( »..tt  sind  alle  endlii  hen  Geist« 


448  Malebranche  —  Mamiant. 

enthalten;  Gott  ist  der  „Ort  der  Geister"  („lieu  des  esprits"),  die  „intelligible 
Welt",  in  welcher  diese  leben  und  schauen.  Gott  ist  mit  allen  Geistern  innig 
verbunden  („intime  unitus"),  als  das  „Leben  aller  Geister"  („anima  omnium 
spirituum").  Er  erkennt  in  sich  alle  Dinge,  indem  er  seine  Vollkommenheiten 
(Ideen)  schaut,  welche  die  Urbilder  der  Dinge  sind.  Gott  ist  alles,  weil  er 
unendlich  ist.  alles  umfaßt.  Die  Seelen  schaut  Gott  unmittelbar,  die  Körper 
aber  vermittelst  ihrer  Ideen  in  ihm  („per  imagines  seu  ideas  in  ipso  Deo"),  als 
Modifikationen  des  Unendlichen.  Unser  Erkennen  ist  ein  Teilhaben  am  gött- 
lichen Schauen  („participatio  substantiae  divinae"),  wir  erkennen  die  Dinge  in 
Gott,  in  dem  deren  Ideen  enthalten  sind,  die  wir  als  allgemeine  Bestimmtheiten 
a  priori,  vor  der  Erfahrung  erfassen:  „Spiritus  creati,  quaecunque  vident  et 
cognoscunt,  in  Deo  cognoscunt,  in  quo  continentur  .  .  .:  unde  etiam  liquet, 
quomodo  possideamus  quandam  notitiam  generalem  (anticipatam)  de  omnibus 
entibus ,  antequam  adhuc  eorundem  experientiam  fecerimus."  Unsere  Seele 
selbst  erkennen  wir,  wenn  auch  nicht  adäquat,  unmittelbar  durch  die  innere 
Wahrnehmung  ihrer  Tätigkeiten ;  fremde  Seelen  per  analogiam.  Notwendige 
Wahrheiten  sind  die  durch  ihre  Natur  unveränderlichen  und  die  durch  den 
göttlichen  Willen  gesetzten  Wahrheiten,  alle  anderen  sind  „kontingentu.  Not- 
wendig sind  die  mathematischen,  logisch-metaphysischen,  moralischen  Wahr- 
heiten. 

Wie  unser  Erkennen  ist  auch  unser  Wille  auf  Gott  gerichtet  und  wir 
wollen  einen  Teil  dessen,  was  Gott  will.  Aller  Wille  ist  auf  das  höchste  Gut 
gerichtet,  auch  noch  der  verirrte  Wille.  In  der  bewußten  und  ständigen  Liebe 
zu  Gott  und  dessen  Weltordnung,  in  der  richtigen  Schätzung  der  Dinge  besteht 
die  Tugend  („virtus  consistit  in  amore  habituali  et  praedominante  ordinis  immu- 
tabilis  ex  cognitione  Dei  intellectuali  procedente";  vgl.  Spinoza).  Das  Höchste 
ist  die  Vereinigung  mit  Gott;  durch  Überwindung  der  Sinnlichkeit  und  der 
Fesseln  des  Leibes  nähert  man  sich  ihr,  aber  erst  der  Tod  kann  sie  ganz 
bringen. 

Anhänger  M.s  sind  B.  Laray,  F.  Lamy,  Thomassin,  de  Mairan, 
de  Lanion,  Lefort  de  Moriniere,  Fenelon  u.  a.  Ähnlich  lehrt  Gio- 
venale.    Von  M.  beeinflußt  ist  Collier,  teilweise  auch  Berkeley. 

Schriften:  De  la  recherche  de  ]a  verite,  1675,  1712,  1880;  lateinisch  1685; 
deutsch  1776 — 80  (Hauptwerk).  —  Conversations  metaphysiques  et  chretiennes,  1677. 
Traue"  de  la  nature  et  de  la  grace,  1680.  —  Traite  de  la  morale,    1684;    deutsch  1831. 

—  Meditations  metaphysiques  et  chretiennes,  1684.  —  Entretiens  sur  la  metaphysique  et 
«ur  la  religion,  1688.  —  Traite  de  l'amour  de  Dieu,  1697.  -*  Oeuvres,  1712,  1842, 
1853  f.,  1859—1871.  —  Vgl.  Olle-LaprUNE,  La  philosophie  de  M.,  1870—72.  — 
A.  KELLER,  Das  Kausalitätsproblem  bei  M.  und  Hume,  1899.  —  NOVARO,  D.  Philos. 
des  M.,   1893. 

llally,  Ernst,  Gymnasialprofessor  in  Graz.  =  Anhänger  Meinongs. 
Schriften:  Mitarbeiter  an  den  „Untersuchungen  zur  Gegen standstheorie  und  Psycho- 
logie" von  Meinong,  1904.  —  Bericht  über  den  III.  intern.  Kongreß  für  Philos.,    1909. 

—  Elemente  der  Gegenstandstheorie,  1908  (mit  Ameseder). 

llamiani.  Terenzio,   geb.  1799  in   Pesaro,    mehrmals  Minister,    Prof.  in 


Mamiani   —   Maxi. 


Turin.    gest.    1885    in    Rom.     Rft.il  ,  I 

delle  scuole  italian« 

M..   der  anfangs    tob  Gaüuppi   beeinflußl    war.    bild  oreu 

l:  Mnini-  und  Giobertis  zu  einer  idealistischen  Philosophil 
Geltung    an    den    Universitäten    erhielt     I>a-    höchste    Prinzip,    «reiche«    allen 
anderen    Grundbegriffen    rorausgeht,    ist    das   der    Identität,    «reicht 

utet     Dieses  wird  durch  •-■ 
unmittelbar  erfaßt  und  ist  die  Grundlage  aller  Wahrheit  und  alles 
E    ras.     I  >.i-  Absolute   tritt    in  eine   Reihe  von  Ideen  auseinander,  dii 
viele   QOtwendige  Wahrheiten    bedeuten    und  Bedingungen   der  Erkenntnis  i 
I1    _    sind,  dei  stenz  anmittelbar   mit  der  des  [eh  durch  die  Hemmi 

die   dieses  erleidet,   erfahren    wird.     Die  Erkenntnis   ist   das   Produkt   des  Zu- 
menwirkens   der   Dinge    and   <!»■-    Bewußtseins,    in    welchem   das   Absolute 
wirksam  ist 

3    K  ritte  ti:    Dei     rinnovameiito    della    tilosotia    italiana,    18:54.    —    Dell'  ontolo_* 
met"do,    1841.    —    Dialoghi   di  prima,    1846.    —    Confessioni    di   un   tu 

i  •  :  a  della   n  io  stato,   1868.    —    Compendio  e  sinte«i  della   ; 

tilusotin  .    a.    —   Vgl.   L.   PEBBI,   Balls   ritai   i   Ig   opere  <li  r.  M.  Kr 

ital. 

ilHii<l<kvillck.  Bernard  de,  aus  einer  französischen  Familie,  geb.  um  1670 
in  Dordrecht  (Holland),  lebte  als  Ar/t  und  Batirischer  Schriftsteller  in  London, 

»rben  1 7:;."»  daselbst 

In  der  „Bienenfabel"  erzihlt  Bf.,  wie  in  ein. -in  Bienenstaat  alles  auft 
florierte,  obwohl  Eigennutz  und  Laster  genug  herrschten.    Als  an  Stell« 
Uneigennützigkeil    und   reine  Tugend  mm   Prinzip  erhoben   werden 

-  it  in  Verfall.     M.  will  wohl  nichts  andere-  al>  dartun.  dafl  die  natfiiiichen 
Triebfedern  des  menschlichen  Handeine  stischer  \n  Bind  und 

durch  -ie.   durch  Eugennutz,    Ehrgeiz,    Habsucht     Eitelkeit    usw.  die  Menschen 
nicht  bloß  rieh,  Boodern  auch  die  Gesellschaft  fördern. 

Bckriftei  i    b    ■    •  :    ll  -.   ^>^  pru  -    msde   pobli«    b<  7 1 4 . 

6.  ed.   17  :74>'  (Hauptwerk).    —    [sqsirj   int<>   !. 

osefalneM  ol  laity,    L7SS.    —    A    letter  to  I>i«»n,    L78S  I 

ireh  nd  tjotar sjnsnt,  L7SO;  Fm 

—  Vgl    P.  8  \km  \w    i.     :■    m    tnd  dk 

no ,  i 

Muni     llanes),   ein    persische]    Ma.  i    am  218  i    i 

,vAposti  I  .1.  iu     an  R       n  und  in  •  i 

triften    eine    Verbindung    ran    /  on    und   ehi 

wurde  um  •        Von    -  in«  n   I 

K  rchenv&ten  :■  •  -  ■  ■      \  igustinus,  d(  i 

dann  i 

I  >i«   Lehn    M       it  ein  phanta  thwiem 

um  ,.  ii  ili-iu  Ki  u  In  tu  und  di  in  ind  des 

I  I  >i.    \\ .  || 

l'nneii 


450  Mani  —  Marbe. 


zwischen  den  Prinzipien  des  Guten  und  denen  des  Bösen  erfüllt.  Es  gibt  nach 
M.  eine  alles  belebende  Weltseele  und  im  Menschen  zwei  Seelen:  eine  gute 
Lichtseele  und  eine  böse  Leibesseele,  die  miteinander  kämpfen.  Asketische 
Überwindung  des  niederen  Prinzips  im  Menschen  ist  das  sittliche  Endziel. 

Vgl.  G.  FLÜGEL,  Mani  und  seine  Lehre,  1862.  —  A.  GEYLER,  Das  System  des 
Manichäismus,   1875.  —  KESSLER,  M.,  1889. 

Mann.  Abbe*,  englischer  Abstammung,  lebte  in  Paris,  dann  in  Nieuport, 
Brüssel,  Prag,  wo  er  1809  starb.  =  Nach  M.  ist  das  All  ein  System  vollkom- 
mener Beziehungen  und  universeller  Harmonie,  an  dessen  Spitze  Gott  steht. 

Schriften:   Principes  metaphysiques  des  etres  et  des  connaissances,  1807. 

Hansel  9  Henry  Longueville,  geb.  1820  in  Cosgrove,  Professor  der 
Theologie  in  Oxford,  gest.  1871. 

M.  ist  der  bedeutendste  Anhänger  von  W.  Hamilton,  aber  auch  durch  die 
ältere  Schottische  Schule  und  durch  Kant  unmittelbar  beeinflußt.  Das  Ab- 
solute ist  nicht  erkennbar,  jeder  Versuch,  es  begrifflich  zu  bestimmen,  führt 
zu  Widersprüchen;  das  Denken  reicht  an  die  letzte  Wirklichkeit  nicht  heran. 
Dem  (auf  ethischer  Grundlage  erwachsenden)  Glauben  an  einen  persönlichen, 
dreieinigen  Gott  ist  durch  das  Denken  nicht  beizukommen,  er  ist  durchaus- 
berechtigt. An  jeder  Erkenntnis  sind  Anschauung  und  Denken  beteiligt.  Der 
Stoff  der  Erkenntnis  stammt  aus  äußerer  und  innerer  Anschauung.  Die 
äußere  Wahrnehmung  stellt  uns  nur  Phänomene  dar,  deren  An  sich  nicht 
positiv  bestimmbar  ist,  wenn  auch  die  Außendinge  unmittelbar  auf  Grund  des 
"Widerstandes,  den  das  Ich  in  seinen  Bewegungen  erleidet,  als  existierend  er- 
faßt werden.  Eaum  und  Zeit  sind  apriorische  Anschauungsformen,  auf 
welchen  die  Notwendigkeit  der  mathematischen  Sätze  beruht.  Apriorisch  ist 
ferner  das  allgemeine  Kausalprinzip.  Unser  eigenes  Ich  erfassen  wir  un- 
mittelbar als  Realität,  als  Substanz,  und  deuten  nach  ihm  auch  die  Außen- 
dinge. Ebenso  erleben  wir  die  Kraft  unmittelbar  in  unseren  Willenshand- 
limgen,  die  auch  zur  Unterscheidung  des  permanenten  Subjekts  von  seinen 
Modifikationen  die  Handhabe  geben. 

Schriften:  Proiegomena  Logicae,  1851.  —  Man's  Conception  of  Eternity,  1854. 
—  Psychology,  the  Test  of  Moral  and  Metaphysical  Philosophy,  1855.  —  Metaphysics, 
1860.  —  The  Limits  of  Pteligious  Thought,  1858;  3.  ed.  1867.  —  Philosophy  of  the 
Conditioned,  1866.  —  Letters,  Lectures  and  Keviews,  1873,  u.  a. 

llanfovaiii,  geb.  1860,  Prof.  in  Pavia.  =  Von  Wundt  beeinflußt. 
Schriften:  Manuale  di  psicologia  fisiologica,   1896,  u.  a. 

llarbaeli.  Gotthard  Oswald,  1810—1890,  seit  1845  Prof.  in  Leipzig.  = 
Anhänger  Hegels. 

Schriften:  Lehrbuch  der  Geschichte  der  Philosophie,   1838 — 41,  u.  a. 

Marbe,  Karl,  geb.  1869  in  Paris,  Prof.  in  Würzburg. 

Nach  M.  beschäftigt  sich  die  Logik  mit  den  Methoden  zur  Gewinnung 
gültiger  Beziehungen  und  mit  dem  Ausdruck  dieser  Beziehungen  im  Urteil. 
Die  reine  Logik  ist  die  Lehre  von  der  Gewinnung  gültiger  Beziehungen,  soweit 


Marp.f,  —    .Mau«  i  -  Ai  ki.i.ii  s. 

unabhängig  von  der  Erfahrung  möglich  ist.  Das  Urteil  ist  der  Name  für 
„alle  Erlebnisse  überhaupt,  auf  «reiche  die  Merkmale  richtig  oder  falsch  .  .  . 
eine  sinngemäße  Anwendung  finden".    Die  Richtigkeil   des   In.-.  ht   in 

der  Uberefostimmung   von  Bedentnng   and   Urteils^  md,   der   Merkmals- 

beziehung mit  der  tatsächlich  gültig«  n   Beziehung.     Ein  „Beziehungsurteü"  i-t 
•■in  Urteil,  durch  welches  das  Vorhandensein  einer  gült  iehung  behaupte! 

oder  geleugnet  wird. 

S    hriften:    Zur  Lehre  von  d.  <jesi<  -htsempfind.,   1893.    —    Natur; 
Wahrscheinlichkeitslehre,  1899.  —  Experimentell-psychologische  Unttnaekongmi  i i > - 
Urteil,   1901.    —   Beiträge    zur  Logik  and  ihren  GreniwiMenachlftai ,    Vierteljahr«-- 
für  wissensch.  Philosophie  Bd.    80,    1  :    Bd.   34,   1910,   u.   a. 

>Iarehe«*ini«   <-..   geb.  1868  in  Noventa-Vincentina,   Prof.  in  Padua.  = 
Anhänger  Ardigös,  idealistischer  Positivist. 

B    hriften:   Saggio  sulla  naturale  Units  del   pensiero,   1895.   —   La  crisi  dt 
vismo  e  il  problema  filosofico,   1898.    —    La  teoria  dell1  utile,   1900.    —    II   - 
nella  conoscenca  e  nella  morale,   1901.  —  11  dominio  dello  spirito,   1909.  Lc   ftnsioni 

dell1  anima,  1905.  —    L'imaginazione  creatri.  e,    1905,   u.a. 

Marri.  Johannes  Marcus  von  Kronland,  geb.  1595  in  Landskron  (Böhm« 
der  Medizin  in  Prag,  gest.  1667  daselbst.   =  M.  trägt  eine  eigenartige,  von 
Plato,  der  Stoa,  Paracelsus  u.a.   beeinflußte  [deenlehre  vor     Die  [deen   Bind 

1  schaffen  und  wirken  in  den  Dingen  als  zweckmäßig  bildende 

staltende  Kräfte  und  Keimkräfte  (,4deae  Beminales''). 

B<  hriften:  Idearum  operatricimn   idea,   1635.  —    Philoaophil 
—   Vgl.  GüHBAUEB,  Zeitachr.   für  Philosophie  u.  philos.   Kritik,    \XI,    Lf 

llarHami*    Martianus)  Capeila.  geb.   in   Madaura,   verfaßte  am 
eine  Schrift    aber  die  Bieben  „freien  Künste"  („Satirikon"),  eine  im  Mittelalter 
del  benutete  wissenschaftliche  Enzyklopädie, 

hriften:   Satiriker.,   hr-g.   roi  irdt,    L866.    —    Vgl.    PRANT] 

<ler   Logik    1 

>lar<ion    Markion) aus  Binope,  Sohn  eines  Bischofs,  der  ihn  w 
Inl.hr.ii  exkommunizierte,  ging  anter  Antoninus  Pius   Dach  Born,   « 
seine  Lehn  □  eine  eigi  oe  Gemeinde  fand  (1  1 1  n.  Chr.),  gest  am  17".        M. 
<  Inostiker,  der  das  |  Paulinische)  ( Ihristentum  Bchrofl  vom  Judentum  untei 
als  Religion  der  Liebe  gegenüber  der  i  Der  böch 

von  dem  bten  Judengott,  dem  Weite  woh]  /n  i 

1       tt     bat     EU    Bekämpfung    ■!<•>    Srhi'ijitVp-     in 

&     Knechtschaft  üitinomismus)  und  den  Übeln  der  Welt  Chi 

i  .nult.  « I .  I  •  il)  um    Seht  in  war  (D  Di« 

Lehre  des  M.  bat   Apelles  weitergebildet. 

1 1 1 1  '.i  \  i  i 

Mi  WBOOM,   M 

^lllKllo. 

im.)  \|  and  tr  bßtaben-  und  / 

Miiimii»      \  in  clin»  '  )>r. 


452  Marcus  Aurelius  —  Mariana. 

Verfasser  einer  philosophischen  Schrift  „Selbstbetrachtungen"  (Tcov  slg  eavxov 
ßiß/.ia),  In  se  ipsum,  1652,  1882  u.  ö.,  deutsch  1866,  1903  (Kiefer),  in  der  Uni- 
vers.-Biblioth. 

M.,  der  wesentlich  von  Epiktet  beeinflußt  ist,  äußert  in  aphoristischer 
Form  Gedanken,  die  den  Geist  des  Stoizismus  atmen.  Eine  tiefe  Frömmigkeit 
durchzieht  das  Ganze,  der  Glaube  an  einen  gütigen,  liebenden  Vater  und  an 
eine  alles  umfassende  Vorsehung  wird  von  M.  als  unentbehrlich  gepriesen.  In 
der  Welt  ist  alles  beseelt  und  die  menschliche  Seele  ist  ein  Ausfluß  der  Welt- 
seele, in  die  sie  nach  dem  Tode  eingeht,  ihre  schlechte  Hülle,  den  Leib  ver- 
lierend. Die  Weltseele  durchdringt  alles  (kv  £coor  6  xöafAog  [uav  ovolav  y.al 
yjvxtyv  iiiav  ijze%ov)  und  ist  das  Unsterbliche  in  den  Einzelseelen.  Die  Seele 
durchdringt  ihren  Leib  ganz.  In  der  Welt  geschieht  alles  notwendig  und 
gesetzlich,  gemäß  der  in  ihr  waltenden  göttlichen  Vernunft  und  Vorsehung. 
Der  Weise  schickt  sich  in  den  Weltlauf  und  will  nichts,  als  was  die  Vernunft 
will;  er  ist  mit  dem  Gegebenen  zufrieden,  macht  sich  von  Äußerlichkeiten  un- 
abhängig, ist  innerlich  frei,  lauter,  ruhig,  zufrieden  in  sich  selbst,  die  Götter 
fürchtend,  gerecht  und  menschenfreundlich  gesinnt. 

Vgl.  FESSLER,  M.  A.,  3.  A.  1799.  —  ZELLER,  M.  A.,  in:  Vorträge  und  Abhand- 
lungen,  1865. 

Marcus,  Ernst,  geb.  1856  in  Kamen,  lebt  in  Essen.  =  Kantianer. 

Schriften:  Das  Fundament  der  Sittlichkeit,  1899.  —  Kants  Revolutionsprinzip, 
1902.  —  Das  Erkenntnisproblem,  1905.  —  Die  Elementarlehre  zur  allgemeinen  Logik, 
1906.  —  Das  Gesetz  der  Vernunft,  1907,  u.  a.  —  Vgl.  GAQUOIN,  Die  transzendentale 
Harmonie  bei  E.   M.,   1907. 

Marcus,  Hugo,  geb.  1880  in  Posen,  lebt  in  Berlin.  =  Nach  der  Lehre 
des  „Monopluralismus"  ist  „alle  Vielheit  zugleich  Einheit,  alle  Einheit  zugleich 
Vielheit'1.  „Die  Einheit  verwischt  die  Vielheit  nicht,  die  Vielheit  zwingt  die 
Einheit  nicht  zur  Selbstaufgabe,  sondern  beide  zusammen  bilden  die  Dinge,  und 
die  W7elt  ist  nicht  monistisch,  sie  ist  aber  auch  nicht  pluralistisch:  die  Welt 
ist  ein  Kompromiß,  ist  Einheit  und  Vielheit  zugleich,  monopluralistisch." 

Schriften:  Meditationen,  1904.  —  Musikästhet.  Probleme,  1906.  —  Die  Philo- 
sophie des  Monopluralismus,   1907. 

Mares,  Franz,  geb.  1857,  Prof.  in  Prag.  =  Gegner  des  Naturalismus 
und  Materialismus;  Standpunkt  des  Kritizismus. 

Schriften:  Idealismus  und  Realismus,  1901.  —  Prinzipien  der  theoretischen  Er- 
kenntnis und  des  sittlichen  Handelns,   1902,  u.  a.   (böhmisch). 

Marheineke,  Philipp,  geb.  1780  in  Hildesheim.  Prof.  der  Theologie  in 
Erlangen,  Heidelberg  und  Berlin,  gest.  1846.  =  Spekulativer  Theismus. 

Schriften:  Christliche  Symbolik,  1810 — 14.  —  Die  Grundlehren  der  christlichen 
Dogmatik,  1819  (Einfluß  Schellings),  2.  A.  1827  (Hegelscher  Einfluß).  —  Vorlesungen 
über  christliche  Dogmatik,   1847—49.  —  System    der  theologischen  Moral,  1847,  u.  a. 

tfariana,    Juan,    1536—1623,   Jesuit,   Historiker.   =    M.   ist   einer  der 


Mariaxa  —  Martin  ak.  453 


..Monarchomachen'\  welche  ein  gewisses  Maß  der  Volkssouveranität  gegenüber 
dem  Herrscher  lehren. 

Schriften:   De  rege  et  regis  institutione,   1598,  u.  a. 

Mariano.  Raffaele,  geb.  1840  in  Capua,   Prof.  der  Kirchengeschichte  in 

Neapel.  =  Hegelianer. 

Schriften:  La  philos.  conterapor.  en  Italie,  1868.  —  L'individuo  e  lo  Stato, 
1876.  —  Filos.  della  religione,  1887,  u.  a. 

Jlarinos   ans   Flavia   Xeapolis   (Sichern),    Schüler   und   Nachfolg 

Proklos  in  Athen  (5.  Jahrh.),  Verfasser  einer  Biographie  des  Proklos  (Vita 
Prodi,  1700,  in  der  Ausgabe  des  Diog.  Laertius  von  Cobet,  1850).  =  Nenpla- 
toniker,  der  die  Mathematik  sehr  schätzt. 

3Iarioii9  Henri.  1845— 1896.  =  Psychologisch-ethischer  Standpunkt. 
Schriften:    De  la  solidarite  morale,    1880;    6.  ed.    1907.    —    Leoons  de  Psyehol., 
1899,  u.  a. 

Marias  Victoriiius,  Rhetor  und  Grammatiker  in  Rom  (um  350  n.  Chr.). 
=  M.,  von  dem  Augustinus  beeinflußt  worden  ist  (Prädestinationslehre),  ist 
wesentlich  Xeuplatoniker  (später  Christ  geworden);  in  logischen  Dingen  hält  er 
sich  an  Aristoteles  und  die  Stoa.  Der  Kategorie  der  Substanz  stellt  er  die 
iKun  übrigen  (Aristotelischen)  Kategorien  als  Akzidentien  gegenüber.  Gott 
enthält  alles  Sein  in  sich,  der  Logos  ist  der  mit  Wille  und  Intellekt  begabte 
Weltschöpfer. 

Schriften:  Übersetzung  der  „Einleitung"  (eloaycoy/j)  des  Porphyrius  ins  Lateinische. 
Abhandlungen  über  die  Definition,  Kommentare  zu  Ciceros  Topik  u.  a.  Opera,  bei 
Migne,  Patrologiae  cursus  VIII.  —  Vgl.  GEIGER,  M.  V.,  1888.  —  Harna«  k. 
Dogmengeschichte  III. 

Hai  -hall.  H.  R.  =  Evolutionistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Aesthetic  Principles,  1895.  —  Instinct  and  Reason,  1898.  —  Geist 
und  Seele,   1906,  u.  a. 

Mar  Silin»  Ficinus  s.  Ficinus. 

Mai'silins   von  Inghen   (de  Inghen),   studierte  in  Paris.    Rektor  daselbst 

(1367 — 71),  dann  in  Heidelberg,  gest.  1396.  =  M.  ist  zum  Teil  von  Thomas  von 
Aquino  beeinflußt,  teilweise  aber  neigt  er  Occam  und  dem  Nominalismus  zu. 

Schriften:  Quaestiones  supra  quatuor  libros  sententiarum,  1501.  —  Vgl,  I'K.WN.. 
Geschichte  der  Logik  IV.  —  StÖCKL,  Geschichte  «ler  Philosophie  des  Mittelalters   IL. 

Martiann*  Capella  s.  Marrianus. 

Martin,  de  Saint  b.  Baint-Martin. 

Martinak.  Eduard,  geb.  1859  in  Warasdin,  Prot  in  Gras.  =   Auhät 
BleinongE 

Schriften:    Lockes    Lehre    von    den    Vorstellungen,    1887.    —    Die    1. 
1894.    —    Zur  Begriffsbestimmung    der  intellektuellen   Gefühle  und   dos  lal 
—  Zur  Psychologie  des  Sprachlebcns,   1898.    —    I  Offoeh«   Int.'mi.  hungen    zur  Be- 

deutungslehre,  1901,  u.  a. 


454  Martineau. 


Martineau.  Harriet,  1802 — 1876.  =  Positivistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Übersetzung  von  Comtes  „Cours"  ins  Englische,  1853.  —  Letters  on 
the  Laws  of  Mans  Nature  and  Development,  1851.  —  Biographical  Sketches,  1869.  — 
Autobiography,  1877.  —  Vgl.  MlLLER,  H.  M.,  1884. 

Martineau,  James,  geb.  1805  in  Norwich,  Prof.  in  Manchester,  dann 
(1853—75)  in  London,  gest.  daselbst  1900. 

M.  vertritt  einen  kritischen  Realismus  und  eine  dynamisch-thei- 
s tische  Weltanschauung,  einen  „Dualismus"  zwischen  Mensch  und  Gott,  von 
welchem  die  Welt  zwar  beständig  abhängig,  aber  verschieden  ist.  Die  materielle 
Welt  besteht  aus  Kräften,  welche  der  göttliche  Geist  durch  seinen  Willen  in 
den  Raum  versetzt.  Den  Widerstand  der  fremden  Kräfte  erfährt  das  er- 
kennende Subjekt  und  faßt  ihn  als  Äußerung  einer  seiner  eigenen  analogen 
Tätigkeit  auf  (vgl.  Wundt  u.  a.).  Das  Noumenon  ist  Kraft.  Jede  wahre 
Ursache,  die  wir  a  priori  als  Quelle  einer  Wirkung  setzen  müssen,  ist  nicht, 
wie  die  Wirkung,  ein  Phänomen,  sondern  ein  Noumenon,  eine  Kraft,  etwas 
Metaphysisches,  während  die  Naturwissenschaft  als  solche  es  nur  mit  der 
gesetzlichen  Aufeinanderfolge  von  Erscheinungen  zu  tun  hat.  Da  aber  die 
Kraft  nur  durch  einen  entscheidenden,  auswählenden  Willen  ausgelöst  werden 
kann,  so  stammt  jedes  Phänomen  von  einem  Willen  her.  Die  Außenwelt  ist 
die  Manifestation  des  göttlichen  Willens.  Gott  ist  Persönlichkeit,  über  die 
Welt  erhaben  und  zugleich  derselben  immanent.  Die  Religion  ist  die  unent- 
behrliche Stütze  der  Moral. 

Die  Erkenntnis  bestimmt  M.  als  Funktion  des  Denkens.  Sie  beginnt  mit 
der  Analyse  der  Gesamtkomplexe  in  deren  Elemente  und  ist  ein  Urteil,  welches 
Verhältnisse  der  Wirklichkeit  wiedergibt.  Die  erkenntnispsychologische  Analyse 
führt  schließlich  zu  selbstgewissen  Intuitionen,  denen  zu  vertrauen  wir  nicht 
umhin  können.  Raum  und  Zeit  sind  apriorische  Anschauungsformen,  haben 
aber  objektive  Gültigkeit,  ja  der  Raum  hat  sogar  metaphysische  Bedeutung. 

Eine  Grundlage  der  Ethik  ist  die  Willensfreiheit.  Der  Wille  ist  eine 
Ursache,  welche  zwischen  möglichen  Richtungen  entscheidet,  zugunsten  eines 
Phänomens  gegenüber  einem  anderen  („which  terminates  the  balance  of  possi- 
bilities  in  favour  of  this  phaenomenon  rather  then  that").  Die  Willenshand- 
lung ist  zwar  von  Motiven  und  vom  Charakter  des  Wollenden  abhängig,  aber 
nicht  dadurch  streng  determiniert;  das  noumenale  Ich  wählt  frei  zwischen  den 
Motiven  und  konnte  anders  handeln,  als  es  handelte.  Die  Ethik  M.s  ist  eine 
„idio-psychologische",  intuitionistische  Gesinnungsmoral,  ein  System  von  Normen 
für  ein  bestimmtes  Ziel  („system  of  rules  directed  upon  an  end").  Das  sittliche 
Urteil  bezieht  sich  auf  die  inneren  Triebfedern  einer  Handlung  („inner  spring 
of  an  action-').  Wir  haben  das  intuitive,  sichere  Bewußtsein  einer  Wertskala 
unserer  Maximen,  zwischen  denen  wir  wählen  („that  we  are  sensible  of  a 
gratuated  scale  of  excellence  among  our  natural  principles")-  Unmittelbar 
beurteilen  wir  von  zwei  Motiven  eines  als  wertvoller  denn  das  andere.  Gut  ist 
eine  Handlung,  die  gegenüber  einem  niederen  einem  höheren,  wertvolleren 
Motiv  entspringt.  Dem  höheren  Motiv  zu  folgen,  gebietet  das  Gewissen, 
Avelehes  sich  als  Äußerung  des  göttlichen  Willens .  autoritativ  geltend  macht. 


V 

Martixeau  —  Marty. 


Von  Martineau  beeinflußt  sind  Cobbe,  W.  B.  Carpenter,  Upton  u.  a. 

-  hriften:  The  Rational  of  Religious  Inquiry,  1S36.  —  Endeavours  after  the 
Christian  Life,  1843 — 47.  —  Studies  of  Christianity,  1S58.  —  Essays,  1868.  —  Moden. 
teiiaHsm,  1876.  —  The  Relation  between  Ethics  and  Religion,  1881.  —  A  Study 
of  Spinoza,  1S82.  —  Types  of  Ethical  Theory.  1S82:  3.  ed.  1891.  —  A  Study  of 
Religion,  1SS8:  -J.  ed.  1889.  —  Essays,  Reviews  and  Addresses,  1890—91,  u.  a.  — 
Vgl.  WlLKIX>OX.  J.  M.s  Ethik,  1898.  —  J.  ÖBUMMOND  and  C.  B.  ÜFTON,  The 
Life  and  Letters  of  J.  M..  1902.  —  (_).  PbICE,  J.  M.s  Religionsphilosophie,  1902.  — 
H.  JONES.  The  Philosophy  of  M.,   1905. 

Martini.    Cornelius,  aus  Antwerpen,  1567—1621,  Prof.  in  Helmstedt  = 

Aristoteliker,  Gegner  des  Raums  (Antiramist). 

Schriften:  Tractatus  de  analysi  logica,  1594.  —  Commentarius  logicus  contra 
Ramistas,  1623.  —  Coramentatio  de  doctTina  metaphysua.  1623.  —  Metaphysica. 
163S,   u.  a. 

Martini.    Jacob,     1570 — 1649,    Prof.    in    Wittenberg.    =    Gregner 

Kam  us. 

Schriften:  Miscellanearura  disputationuni  libri  quatuor,  1608.  —  Partitiones  et 
quaestiones  metaphysicae,   1615. 

Martins.  Götz,   geb.    1S-V>  in  Erxleben,   Prof.  in  Kiel.   Herausgeber  der 

,. Beitrage  zur  Psychologie  und  Physiologie-"  (1896  ff.  i.  =  Experimentell-psycho- 
logische Arbeiten  im  Sinne  Wundts. 

Schriften:  Über  die  Ziele  und  Ergebnisse  der  experimentellen  Psychologie,  1888. 
—  Über  die  muskuläre  Reaktion  und  die  Aufmerksamkeit,  Philosophische  Studien, 
TL   —  Zur  Lehre  vom   Urteil,   1S7  7.  u.  a. 

Marty.  Anton,  geb.  1*47  in  Schwyz,  Prof.  in  P 

M.  ist  Anhänger  Brentanos   und   schätzt    wie  dieser  den   Aristoteles   sehr. 
Dil    Philosophie  beruht  auf  (deskriptiver)  Psychologie   und  ist  jenes   Wissens- 
gebiet, welches  ..die  Psychologie   und  alle  mit  der  psychischen  Forschung  Dach 
dem  Prinzip  der  Arbeitsteilung  innigst  zu  verbindenden  Disziplinen'4  umfaßt.  - 
1 i  r  Entstehung  der  Sprache  liegt  das  Mitteilungsbedürfnis  engrunde.  —  Die 
psychischen    Akte   haben    ein    intentionalee  Objekt,    einen  ..immanenten  Gegen- 
d".    ..Der  immanente  Gegenstand  existiert,   so  oft  der  betreffende   Bewufit- 
isinhalt    wirklieh   ist      Denn  es   gibt  kein  Bewußtsein   ohne  ein  immanentes 
ekt;   das  eine  ist  ein   Korrelat  des  andern.      Der   G  -  nstand   schlecht? 
B  _    ....  kann  existieren   oder   auch    nicht    existieren."      Die    Vorstelli 
eines  Qualitatenkomplexee  ist  das  Resultat  einer  vor  aller  Reflexion  vollzogenen 

Die  Impersonalien  (es  blitzt  usw.)  sind  subjektlose  Sätze,  in  ^  •  •  1  * ! ; 
der  ganze  Inhalt  d<  i    \   --  _■   einfach  „anerkannt"  oder  „verworfen"  wird,  also 
a  blitzt  =  Blitz  ist).    „Existenz"  bedeutet,  kes 

wahren  anerkennenden  Urteils  Bein  können".      Existierend  heifit  alles,   was  mit 
Recht    anerkannt    werden    kann,   auch   wenn  es  kein  reales  Bein  ist.     Der  Ei 

zbegrifi  gehört  zu  den  „dogiora,  d.  h.  zu  den  Prädikaten,  welche  sowohl 
Realem    tli     Nicht-Realem    zukommen    köniu  Dafl    man    die    Existi 

einen      I         istande    mit     riecht     a  kann.  -        I 

Bchaffenheit. 


456  Marty  —  Marx. 


Schriften:  Der  Ursprung  der  Sprache,  1875.  —  Über  subjektlose  Sätze  und  da» 
Verhältnis  der  Grammatik  zur  Logik  und  Psychologie,  "Vierteljahrsschrift  für  wissen- 
schaftliche Philosophie,  8.  Bd.,  1884,  18.— 19.  Bd.,  1894—95.  —  Über  Sprachreflex, 
Nativismus  und  absichtliche  Sprachbildung,  1.  c.  Bd.  8  (1884)  ff.  —  Was  ist  Philo- 
sophie? 1897.  —  Die  Frage  nach  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  Farbensinns, 
1879.  —  Über  das  Verhältnis  von  Grammatik  und  Logik,  Symbolae  Pragenses,  1893. 
—  Über  Annahmen,  1905.  —  Untersuchungen  zur  Sprachphilosophie  und  Grammatik, 
I,   1908.  —  Zur  Sprachphilos.,  1910,  u.  a. 

Marvin,  Walter  T.,  amerikanischer  Philosoph.  =  Nach  M.  ist  alle 
Realität  der  Objekte  Erfahrungs Wirklichkeit.  Die  mechanistisch-atomistische 
Theorie  allein  macht  den  objektiven  Erfahrungszusammenhang  verständlich. 

Schriften:  Die  Gültigkeit  unserer  Erkenntnis  der  objektiven  Welt,  1899.  —  An 
Introduction  to  Systematic  Philosophy,  1903,  u.  a. 

Marx,  Karl,  geb.  5.  Mai  1818  in  Trier,  studierte  Jurisprudenz,  National- 
ökonomie, Philosophie,  promovierte  1841  in  Berlin,  begründete  1843  mit  A.  Rüge 
in  Paris  die  „Deutsch-französischen  Jahrbücher",  ging  nach  Belgien,  wo  er 
ausgewiesen  wurde,  dann  wieder  nach  Frankreich,  wo  ihm  dasselbe  widerfuhr, 
lebte  dann  in  London,  gest.  14.  März  1883  daselbst. 

M.,  der  Begründer  des  „wissenschaftlichen"  Sozialismus  (gegenüber  den 
„ideologischen"  Utopien  älterer  Lehren)  ist  von  Hegels  Begriff  des  dialektischen 
Prozesses,  von  L.  Feuerbachs  Radikalismus  und  Positivismus,  sowie  von  fran- 
zösischen Denkern  beeinflußt.  Der  Hegeische  Gedanke,  daß  alles  Sein  ein 
„Prozeß"  ist,  eine  dialektische  Selbstbewegung,  ist  ihm  sympathisch.  Nur  hat 
Hegel  die  Dinge  auf  den  Kopf  gestellt,  indem  er  alles  aus  Ideen  ableitet.  Die 
richtige  Methode  ist,  die  naturnotwendige,  gesetzliche  Entwicklung  der  Dinge 
und  Verhältnisse  selbst  zu  untersuchen  und  den  realen  treibenden  Kräften  der 
historisch-sozialen  Entwicklung,  die  in  den  Köpfen  der  Handelnden  zu  Motiven 
werden,  nachzugehen.  Wenn  diese  „materialistische"  Geschichtsauffassung,  die 
gleich  zur  „ökonomischen"  wird,  alle  Geschichte,  alles  Geistesleben,  alle  Kultur 
aus  dem  Wirken  natürlicher  Mächte  ableitet,  so  darf  nicht  vergessen  werden, 
daß  M.  zu  diesen  Mächten  auch  die  menschlichen  Kräfte  und  Strebungen 
rechnet,  welche  innerhalb  des  Ablaufes  der  Ereignisse  auch  eine  dynamisch- 
aktive Rolle  spielen,  so  wenig  sie  imstande  sind,  den  (aus  der  Natur  dieser 
und  anderer  Kräfte  notwendig  resultierenden)  Lauf  der  Dinge  abzuändern. 
Zwar  nicht  der  Wille,  aber  alle  Willkür  ist  hier  ausgeschaltet. 

Ohne  ihren  Willen  gehen  die  Menschen  soziale  Verhältnisse  ein,  welche 
zugleich  ökonomische  Verhältnisse  sind,  indem  die  Gesellschaft  eine  ökono- 
mische Struktur  besitzt,  in  die  wir  hineingeboren  werden.  Die  technisch  be- 
dingten Produktionsverhältnisse  bilden  nun  die  „reale  Basis,  worauf  sich  ein 
juristischer  und  politischer  Überbau  erhebt,  und  welcher  bestimmte  gesell- 
schaftliche Bewußtseinsformen  entsprechen".  .,Die  Produktionsweise  des 
materiellen  Lebens  bedingt  den  sozialen,  politischen  und  geistigen  Lebens- 
prozeß überhaupt.  Es  ist  nicht  das  Bewußtsein  der  Menschen,  das  ihr  Sein, 
sondern  umgekehrt  ihr  gesellschaftliches  Sein,  das  ihr  Bewußtsein  bestimmt." 
..Mit    der    Erwerbung    neuer    Produktionskräfte    verändern    die    Menschen    ihre 


Marx  —  Masabyk.  457 


Produktionsweise,  und  mit  der  Veränderung  der  Produktionsweise,  der  Art, 
ihren  Lebensunterhalt  zu  gewinnen,  verändern  sie  alle  ihre  gesellschaftlichen 
Verhältnisse."  Die  ökonomischen  Faktoren  sind  also  die  letzten  und  eigent- 
lich wirksamen  Agentien  der  Geschichte,  die  anderen,  „ideologischen"  GebUd« 
(Religion  usw.),  wirken  auch  mit,  ja  sie  wirken  sogar  auf  die  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  zurück,  aber  sie  wirken  nicht  primär,  sondern  nur  als  Refl< 
Abhängige  des  Ökonomischen  und  des  von  diesem  bedingten  Sozialen  (z.  B.  di  1 
Klassenverhältnisse).  Die  Entwicklung  der  Gesellschaft  vollzieht  sich  nun 
daß  der  ökonomische  Untergrund,  der  sich  verändert  hat,  mit  dem  überlebten 
juristischen  und  ideologischen  überbau  in  Widerspruch  gerät,  der  zu  ein«  i 
sozialen  Veränderung  führt,  wobei  es  zu  Klassenkämpfen  kommt.  Der  Wider- 
spruch zwischen  der  sozialisierten,  kollektiven  Produktionsweise  des  Groß- 
betriebes und  der  individualistischen,  „anarchischen"  Rechts-  und  Eigentum- 
Ordnung,  die  das  Kapital  in  den  Händen  weniger  Kapitalsmagnaten  anhäuft 
und  immer  mehr  Proletarier  schafft,  dieser  Widerspruch  sprengt  endlich  die 
kapitalistische  Hülle,  welche  die  Produktion  fesselt.  Die  „Expropriateure",  die 
..Ausbeuter"  des  „Mehrwertes"  (=  unbezahlte  Arbeitszeit),  den  die  Arbeiter 
schaffen,  werden  jetzt  selbst  expropriiert,  das  Eigentum  an  Produktionsmitteln 
wird  kollektiv,  die  Gesellschaft  wird  sozialistisch,  der  nur  dem  Klasseninten  ss 
dienende  Staat  hört  auf  und  es  herrscht  jetzt  die  Vereinigung  produktiver 
Menschen.  Diese  Gesellschaftsordnung  kommt  „von  selbst",  d.  h.  infolge  der 
lii-torisch-sozialen  Triebkräfte;  sie  kommt,  wenn  die  Verhältnisse  es  fordern, 
höchstens  können  wir  die  Entwicklung  beschleunigen. 

Den     Marxismus     vertreten     (außer     M.s     Mitarbeiter     Fr.     Engels 
Kautsky,     Bebel,     F.    Mehring,     Bernstein     (Revisionist),     Cunow, 
C.  Schmidt,    M.  Adler,    O.  Bauer,    Woltmann   (zum  Teil),    Lafargue 
(Schwiegersohn  M.s),  Lab riola,  Plechanow,  Loria,  Kelle-Krausz  u.  a. 

Schriften:    Die    heilige    Familie    (mit  F.  Engels),   1845    (gpgen  Bruno  Bauer).  — 
Misere  de  la  philosophie,    1847;    deutsch    1855,    3.   A.    1895.    —    Manifest  der  kommu- 
nistischen   Partei,    1847.     —    Zar  Kritik    der   politischen  Ökonomie,   1859;   2.  Ä.   19<»7. 
—   Das  Kapital,  1.  Bd.,   1867,  4.  A.    1892;  II.  Bd  ,  1885,  2.    A.   1893;  111.  Bd..   1*94; 
3  Bde.,    2.-5.  A.,    1903  f.     —     Theorie    über    den    Mehrwert,    1905.    —    F.    Mehring, 
Aus    dem    literarischen   Nachlaß    von  K.  M.,  F.  Engels    und  F.  Lassalle,    194 
1'.    Barth,    Die    Geschichtsphilosophie    Hegels    und    der    Hegelianer   bis    auf  Marx   and 
Hartmann,   1890.    —  KAUTSKY,   K.   M.s  ökonomische  Lehren,    1887.   —  L.   WEBYHO, 
M.    als    Philosoph,    1894.    —    PLECHANOW,    Beiträge    zur    Geschichte    dea     Muten 
mus,   1896.   —   A.  V.  WeNCKSTEBN,   Id.,   1896.    —    L.    \V<  >l.  I  M.\  \  \  .    I1   I    blal   n-ehe 
Materialismus,   1899.   —   M.VSARYK,    Die  philosophischen   und  soziologischen  Grundla. 
des  Marxismus,   1899.   —   OTTOMAB  LORENZ,  Die  materialistische  Geschichtsaut: 
1897.    —    WEKENGBÜN,    Das  Ende    des    Marxismus,   2.   A.    1900.    —    ÜAX    Am 
M.    als    Denker,    1908.    —    ll.\MM.\CHER,    Das    philosophisch-ökonomi- 
Marxisnuis,    1909.   -     (   HAKAHOFF,   Das  System  ile-  Marxismus,    1910.   —    GOLDSCHKID 
(s.  d.).  —   VORLÄNDER,    Kant  u.   Marx,   1911, 

Jlasaryk,  Thomas Garrigue,  geb.  1850,  Prot  in  Plag.    -   M.  ist  ein  V 
tretet  da  Positivismut     Ei  unterscheidet  (wi<  tat)  abstrakte  und  konbn 

Wissenschaften,   welchen  letzteren  di<  <w  <wh  unterordnen  müssen.    1» 


458  Masaryk  —  Maiithner. 


materialistische  Geschichtsauffassung  bekämpft  M.  unter  Hinweis  auf  die  Be- 
deutung und  Wirksamkeit  der  Ideen,  des  Geistigen. 

Schriften:  Der  Selbstmord  als  soziale  Massenerscheinung,  1881.  —  Die  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung und  die  Humesche  Skepsis,  1883.  —  Grundzüge  einer  konkreten 
Logik,  1887.  —  Die  philosophischen  und  soziologischen  Grundlagen  des  Marxismus, 
1899.  —  D.  Ideale  d.  Humanität,  1902,  und  böhmische  Schriften. 

Masci,  Filippo,  geb.  1844  in  Francavilla,  Prof.  in  Neapel,  gest.  1901.  == 
Standpunkt  des  Kritizismus  und  eines  evolutionistischen  Monismus  dynamischer 
Art.    Materie  und  Geist  bilden  eine  Einheit  in  zwei  Erscheinungsformen. 

Schriften:    Le  forme  dell'  intuizione,   1881.  —  Coscienza,  volontä,  libertä,  1884. 

—  Psicologia  religiosa,  1886.  —  Sul  senso  del  tempo,  1890.  —  Logica,  1899.  — 
L'idealismo  indeterminista,  1899.  —  Questione  logiche,  1900.  —  II  materialismo  psico- 
fisico  e  la  dottrina  del  parallelisrao,  1901.  —  Elementi  di  filosofia,   1899  ff. 

llassias«  Nicolas  de,  1764—1848.  =  Eklektiker,  Gegner  des  Sensua- 
lismus. 

Schriften:  Rapport  de  la  nature  ä  l'homme,  1821 — 22.  —  Probleme  de  l'esprit 
humain,   1825.   —  Principes  de  la  philosophie  psycho-physiologique,   1827,  u.  a. 

Matzat.     Heinrich,     1846—1908.    =    Darwinistischer     Standpunkt    der 

Soziologie. 

Schriften:  Philosophie  der  Anpassung,   1909,  u.  a. 

llaudsley,  Henry,  geb.  1835  in  Korne  (Yorkshire),  Prof.  in  London.  = 
Physiologische  Erklärung  des  Seelenlebens;  das  Bewußtsein  ist  nur  ein  „Epi- 
phänomen"  der  Gehirnprozesse. 

Schriften:  Physiology  and  Pathology  of  Mind,  1867;  deutsch  1870.  —  Respon- 
sibility  in  Mental  Disease,  1874.  —  Body  and  Will,  1883.  —  Pathology  of  Mind,   1879. 

—  Life  in  Mind  and  Conduct,   1902. 

3Iaupertais,  Pierre  Louis  Moreau  de,  geb.  1698  in  St.  Malo,  seit  1746 
Präsident  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin,  gest.  1759. 

M.,  als  Mathematiker  und  Physiker  bedeutend,  ist  als  Philosoph  Hylozoist, 
d.  h.  er  schreibt  allen  Elementen  der  Materie  Empfindung  („Sensation  et  per- 
ception")  zu.  Von  ihm  stammt  das  Gesetz  des  kleinsten  Kraftaufwandes  („loi 
de  la  moindre  action"),  wonach  bei  allen  Naturveränderungen  das  ökonomische 
Prinzip  der  kleinsten  Wirkung  („minima  quantitas  actionis")  herrscht.  Schon 
vor  Bentham  unternimmt  M.  einen  Lust-  und  Unlust-Kalkül,  wobei  er  die 
Unlust  als  überwiegend  findet  und  den  Vorzug  der  geistigen  Lust  betont, 
Gott  ist  der  erste  Beweger  der  Dinge  und  überweltlich.  Die  Wissenschaft 
aber  muß  alle  Vorgänge  aus  ihren  nächsten  Ursachen  erklären. 

Schriften:  Venus  physique,  1747.  —  Essai  de  philosopbie  morale,  1749.  — 
Systeme  de  la  nature,  1751.  —  Essai  de  cosmologie,  1751.  —  Lettres  philosophiques, 
1752.   —  Oeuvres,  1752,  1756,  1768.  —   Vgl.  Du  BoiS-REYMOND,  M.,  1893. 

Hanthner,  Fritz,  geb.  1849  in  Horitz  (Böhmen),  bekannter  Roman- 
schriftsteller und  Kritiker,  lebt  jetzt  in  Freiburg  i.  B. 

M.  vertritt  einen  sprachkritischen  Skeptizismus  (vgl.  Gorgias,  Nietzsche 
«u.  a.j  verbunden   mit  einer   evolutionistischen   Auffassung  des   Erkennens    und 


Mauthxee  —  Mayer.  459 


Seelenlebens.  Die  Sprache  ist  wohl  ein  sozial  brauchbares  Mitteilungsmittel 
und  ein  Mittel  des  künstlerischen  Ausdrucks,  aber  nicht  ein  Erkenntnismittel. 
Vielmehr  verfälscht  sie  die  Erkenntnis  durch  das  Anthropomorphe  und  Meta- 
phorische der  Worte  und  Begriffe,  und  durch  die  Hypostasierung  abstrakter 
Begriffsinhalte  zu  Realitäten.  Die  Sprache  bewirkt  in  den  Wissenschaften 
einen  ,, Wortfetischismus".  Die  Worte  sind  „unbrauchbare  Werkzeuge".  Die 
Abstrakta  der  Sprache  haben  keine  Wirklichkeit,  die  letzten  Wirklichkeiten 
sind  Individualitäten,  Empfindungen,  Anschauungsinhalte.  Das  Denken  ist 
aber  ohne  Sprache  nicht  möglich,  es  gibt  nur  Denken  plus  Lautzeichen.  Be- 
griff und  Wort  sind  so  gut  wie  identisch,  nämlich  das  „Gedächtnis  assimilierter 
Wahrnehmungen",  die  „Erinnerung  oder  die  Bereitschaft  einer  Nervenbahn, 
einer  ähnlichen  Vorstellung  zu  dienen".  Eine  Metaphysik  ist  unmöglich, 
Philosophie  kann  nichts  weiter  sein  als  „kritische  Aufmerksamkeit  auf  die 
Sprache".  Das  höchste  Ziel  wäre  Befreiung  von  der  Sprache,  reine  Schauung 
der  Wirklichkeit.  Unsere  Erkenntnis  ist  subjektiv  und  relativ,  sie  dient  biolo- 
gischen Zwecken,  nicht  der  adäquaten  Erfassung  der  Dinge;  unsere  Sinne  sind 
„Zufallssinne". 

Von  M.  beeinflußt  ist  G.  Landauer. 

Schriften:  Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache,  3  Bde.,  1901  ff.;  I,  2.  A. 
1909.  —  Aristoteles,  1904.  —  Wörterbuch  der  Philosophie,  1909  f.  —  Spinoza,  1906. 
—  Die  Sprache,  1907,  u.  a. 

Hanxion,  M.,  Prof.  in  Poitiers. 

Schriften:  Essai  sur  les  elements  et  l'evolution  de  la  raoralite,  1904,  u.  a. 

Jlaximos  von  Tyros,  um  150  n.  Chr.,  Rhetor  und  philosophischer 
Eklektiker.  =  Xach  M.  ist  Gott  ein  überweltliches,  geistiges  Wesen  und  die 
AVeit  eine  Harmonie.  Die  menschliche  Seele  ist  göttlichen  Ursprungs  und  er- 
hält nach  dem  Tode  wieder  die  Schauung  Gottes. 

Schriften:  Dissertationes,  ed.  Reiske,  1774—75;  deutsch  1764.  —  Vgl.  H.  Ho- 
BEIN,  De  M.  T.,   1895. 

Haximns  Confessor,  580—662,  Mönch,  Abt,  Gegner  der  Monothe- 
leten.  =  M.  ist  besonders  von  Gregor  von  Xyssa  beeinflußt  und  betont  den 
Gedanken  der  Einigung  des  Menschen  und  alles  Geschaffenen  mit  Gott  und 
■dem  Logos,  dem  Endziele  aller  Schöpfung. 

Schriften:  Opera,  1675,  1857. 

Mayer,  Adolf,  geb.  1843  in  Oldenburg.  Prof.  in  Heidelberg. 

M.  (der  zuletzt  sich  vom  Materialismus  losgesagt  hat)  vertrat  eine  moni- 
stisch-materialistische Weltanschauung,  wonach  Körper  und  Kraft  eins  sind, 
das  Leben  aber  besonderen  organischen  Spannkräften  entspringt,  deren  Eigen- 
tümlichkeiten von  der  besonderen  Form  und  Zusammensetzung  der  lebendigen 
Gebilde  abhängen.  Die  psychischen  Funktionen  sind  Leistungen  organische] 
Gebilde.  Die  Anschauungsformen,  Kaum  und  Zeit,  sind  angeborene  Fähig- 
keiten der  Erkenntnisorgane,  apriorische  Formen,  „angeborene  Energien", 
ebenso  die  Kausalität.  Die  Erkenntnis  ist  relativ,  geht  nicht  auf  das  Ding 
an  sich. 


460  Mayer  —  Meenen. 


Schriften:  Zur  Seelenfrage,  1866.  —  Die  Lehre  von  der  Erkenntnis  vom  phy- 
siologischen Standpunkt,  1874.  —  Der  Kampf  um  das  Dasein  der  Seele,  1879.  —  Die 
monistische  Erkenntnislehre,  1882.  —  Los  vom  Materialismus,  1906.  —  Nietzsche, 
1907. 

Hayer,  Julius  Eobert  von,  geb.  1814  in  Heilbronn,  Arzt,  gest.  daselbst 
1878. 

M.,  der  Entdecker  des  mechanischen  Äquivalents  der  Wärme  (allerdings 
erst  später  genauer  bestimmt),  die  nichts  anderes  ist  als  Bewegung,  hat  (neben 
Colding,  Joule,  Helmholtz)  das  große  Prinzip  der  Erhaltung  der  Energie 
(bei  M.  „Kraft"),  das  er  für  apriorisch  (als  Anwendung  des  Kausalgesetzes) 
hält,  aufgestellt.  Es  gibt  eigentlich  nur  eine  Kraft,  welche  „unzerstörlich''  ist 
und  nur  ihre  Form  wechselt.  „Im  ewigen  Wechsel  kreist  dieselbe  in  der  toten 
wie  in  der  lebenden  Natur.''  Kraft  kann  weder  aus  nichts  entstehen,  noch  zu 
nichts  werden,  die  Menge  der  Kraft  in  der  Welt  ist  konstant. 

Schriften:  Bemerkungen  über  die  Kräfte  der  unbelebten  Natur,  1842.  —  Die 
organische  Bewegung  in  ihrem  Zusammenhange  mit  dem  Stoffwechsel,  1845.  —  Be- 
merkungen über  das  mechanische  Äquivalent  der  Wärme,  1850.  —  Die  Mechanik  der 
Wärme,  1867;  3.  A.  1893.  —  Naturwiss.  Vorträge,  1871.  —  Kleinere  Schriften  und 
Briefe,  1893.  —  Über  die  Erhaltung  der  Energie,  hrsg.  1889.  —  Vgl.  E.  DÜHRING, 
R.  M.,  1880 — 95.  —  A.  RlEHL,  R.  M.s  Entdeckung  und  Beweis  des  Energieprinzips, 
Sigwart-Festschrift,   1900. 

May i'onis  s.  Franciscus. 

3Iazolinus9  Silvester  de  Prieria,  gest.  1523,  Dominikaner,  Gegner 
Luthers.  =  Thomist,  aber  bezüglich  der  „Universalien"  zum  Nominalismus 
neigend. 

Schriften:  Compendium  dialecticae,  1496.  —  Apologia,   1499. 

Mechanik,  Max,  geb.  1863  in  Kurland.  =  M.  lehrt  einen  „Dynamo- 
zoismus".  Die  Welt  ist  Erscheinung  einer  mit  Bewußtsein,  Denken,  Fühlen 
und  Wollen  begabten  Kraft,  die  mit  dem  Willen  in  uns  wesensgleich  ist.  Das 
Ich  ist  ein  Strahl  oder  Eeflex  der  Universalkraft,  des  göttlichen  Weltgeistes, 
der  in  uns  die  Vorstellungen  der  Außenwelt  produziert. 

Schriften:   Mareiana,   1909. 

3fedicns,  Fritz,  geb.  1876  in  Stadtlauringen,  Universitätsprof.  in  Halle. 
=  Standpunkt  des  transzendentalen  Idealismus. 

Schriften:  Die  beiden  Prinzipien  der  philos.  Beurteilung.  —  Kants  Philos.  der 
Geschichte,  1902.  —  Kants  transzend.  Ästhetik  und  die  nicht-euklid.  Geometrie,  1898. 
—  Kant  u.  Ranke,  Kantstudien,  VIII,   1904.  —   J.  G.  Fichte,  1905,  u.  a. 

üledveczlty  s.  Bären bach. 

Meenen,  P.  F.  van,  1772—1858.  =  Gegner  des  Sensualismus,  von  Reid, 
Cousin  u.  a.  beeinflußt.  Ursprüngliche  Wahrheiten  entspringen  dem  inneren 
Sinn. 

Schriften:  Lettre  ä  M.  Haumont  sur  la  philos.,  1840,  u.  a.  —  Vgl.  M.  DE 
WULF,  Histoire  de  la  philos.  en  Belgique,  p.  273  ff. 


Megaeikee  —  Meixoxg.  4(>l 


Jlegariker:  die  Anhänger  der  von  Enkleides  aus  Megara  begrün- 
deten Eiehtung.  Wegen  ihrer  Dialektik  werden  sie  auch  „Eristiker"  genannt. 
Zu  ihnen  gehören  Eubulides,  Alexinos,  Diodoros  Kronos,  Stilpon, 
Ichthyas,  Thrasymachos,  Kleinomachos,  Pasikles,  Apollonios 
aus  Kyrene  u.  a. 

Tgl.  DlOG.  LAEET.  IL  —  F.  DEYCKS,  De  megaricorum  doctrina,  1827.  — 
HALLET,  Histoire  de  l'ecole  de  Megäre,  1845.  —  HAETEXSTEIX,  Historisch-philos. 
Abhandlungen,  1870. 

Mehinel,  Gottlieb  Ernst  August,  geb.  1761  in  Winzingerode  (Thüringen), 
Prof.  in  Erlangen,  gest.  1840.  =  Von  Kant  und  Fichte  beeinflußt. 

Schriften:  Theorie  des  Vorstellungsvermögens,  1797.  —  Versuch  einer  voll- 
ständigen analytischen  Denklehre,  1803.  —  Über  das  Verhältnis  der  Philosophie  zur 
Religion,   1805.  —  Lehrbuch  der  Sittenlehre,   1811.  —  Reine  Sittenlehre,   1814. 

31elll'illt;".  G.  —  Schriften:  Philos.-krit.  Grundsätze  d.  Selbsterkenntnis  oder 
d.   Seelenlehre,   1857.  —  Philos.-krit.  Grunds,  d.  Selbstvollend.  (Geschichtsphilos.),  1877. 

]tleier,  Georg  Friedrich,  geb.  1718  in  Ammendorf,  Prof.  in  Halle,  gest. 
1777.  =  M.,  der  in  seiner  Psychologie  auch  von  Locke  beeinflußt  ist,  hat 
durch  seine  Vorlesungen  und  seine  zahlreichen,  viel  benutzten  (zum  Teil  auch 
von  Kant  herangezogenen)  Lehrbücher  die  Wolffsche  Philosophie  weit  ver- 
breitet. In  der  Ästhetik  schließt  er  sich  an  Baumgarten  an  und  kämpft  (mit 
den  ,. Schweizern-')  gegen  Gottsched. 

Schriften:  Beweis  der  vorherbestimmten  Harmonie,  1743.  —  Gedanken  vom  Zu- 
stande der  Seelen  nach  dem  Tode,  1746.  —  Anfangsgründe  aller  schönen  Wissen- 
schaften, 1748  —  50;  2.  A.  1754.  —  Vernunftlehre,  1752.  —  Auszug  aus  der  Vernunft- 
lehre, 1752.  —  Philosophische  Sittenlehre,  1753 — 61.  —  Metaphysik,  1755—59.  — 
Theoretische  Lehre  von  den  Gemütsbewegungen,  1759.  —  Versuch  eines  neuen  Lehr- 
gebäudes von  den  Seelen  der  Tiere,  1756.  —  Versuch  einer  allgemeinen  Auslegekunst, 
1756.  —  Vgl.  S.  G.  LAXGE,  M.s  Leben,  1778.  —  D.  SPITZEE,  Darstell,  u.  Krit.  d. 
Tierpsychologie  G.  F.  M.s,   1903 

Meiners,  Christoph,  geb.  1747  in  Otterndorf  (Hannover),  Prof.  in 
Göttingen,  gest.  1810.  Mit  Feder  Herausgeber  der  ,,Philos.  Bibliothek- 
(1788—91).  z=  M.  gehört  zu  den  aufklärerischen  Philosophen,  welche  die  Psycho- 
logie als  Grundlage  der  Philosophie  betrachten.  Wie  Feder  bekämpft  er  die 
Lehre  von  den  angeborenen  Begriffen  (auch  ein  Gegner  Kants  ist  er),  nimmt 
aber  angeborene  Triebe  an.     In  der  Ethik  ist  er  Eudämonist. 

Schriften:  Grundriß  der  Seelenlehre,  1786.  —  Grundriß  der  Ethik.  1801.  — 
Untersuchungen  über  die  Denk-  und  Willenskräfte,   1806,  u.  a. 

Meinong,  Alexius  von  Handschuchsheim,  geb.  1853  in  Lemberg,  Prot, 
in  Graz,   Begründer  des   ersten  psychologischen   Instituts  in  Österreich  (1894). 

ÄL,  der  von  Brentano  ausgegangen  ist,  aber  dann  eine  eigene  Schule  be- 
gründet hat,  galt  erst  als  Vertreter  des  Psychologismns,  ist  aber  jetzt,  obwohl 
er  immer  noch  der  Psychologie  eine  fundamentale  Bedeutung  beimißt,  durch 
seine  „gegenstandstheoretische"  Betrachtungsweise  der  Erkenntnis  über  den 
Psychologismus  hinaus  zu  einer  Art  des  Objektivismus  (und  Apriorismus,   aber 


462  Meinong. 

nicht  im  Kantschen  Sinne)  fortgeschritten.  Die  Erkenntnistheorie  basiert  zwar 
auf  Psychologie,  ist  aber  kein  Teil  derselben  und  ebenso  ist  die  Logik  nicht 
bloße  Psychologie,  wenn  sie  auch  eine  psychologische  Seite  hat.  Beide  Disziplinen 
sind  auch  „gegenstandstheoretisch"  zu  fundieren. 

Unter  der  Gegenstandstheorie  versteht  M.  die  Theorie  dessen,  was  „aus 
der  Natur  eines  Gegenstandes,  also  a  priori,  in  betreff  dieses  Gegenstandes  erkannt 
werden  kann".  Sie  ist  die  Lehre  vom  Gegenständlichen  überhaupt,  von  den 
Gegenständen  der  Empfindungen,  Vorstellungen,  Begriffe  und  der  Urteile,  von 
den  Objekten  und  „Objektiven".  Es  gibt  eine  allgemeine  und  besondere 
Gegenstandstheorie  (für  die  Mathematik,  Psychologie,  Logik  usw.).  Auch  mit 
nicht  existierenden  und  unmöglichen  Gegenständen  hat  sie  es  zu  tun,  denn 
ihre  Betrachtungsweise  ist  „daseinsfrei",  abstrakt,  um  die  Kealität  des  Gegen- 
ständlichen ist  sie  nicht  bekümmert.  Die  Relationen  der  Gegenstände  (Gleich- 
heit, Verschiedenheit,  Zählbarkeit  usw.),  welche  a  priori,  unmittelbar  und 
notwendig,  mit  Evidenz  an  ihnen  einleuchten,  fallen  der  Gegenstandstheorie 
zu  (vgl.  schon  Leibniz,  Hume,  Wolff  u.  a.).  Unabhängig  von  der  Erfahrung 
lassen  sich  aus  der  Einsicht  in  die  Merkmale  und  Relationen  der  Denkobjekte, 
auch  solcher,  denen  nichts  Reales  entspricht,  Erkenntnisse  allgemeiner 
und  spezieller  Art  gewinnen.  Die  gegenstandstheoretische  Betrachtungs- 
weise ist  daher  für  alle  Wissenschaften  fruchtbar.  „Gegenständlichkeit" 
ist  die  Fähigkeit  der  Vorstellung,  Grundlage  zu  einer  affirmativen  An- 
nahme abzugeben.  Die  Vorstellung  hat  einen  „Inhalt"  und  ist  auf  einen 
Gegenstand  gerichtet,  der  aber  nicht  reale  Existenz  haben  muß  (z.  B.  das  runde 
Viereck).  Die  „Gegenstände"  zerfallen  in  „Objekte"'  und  „Objektive"  (Urteils- 
gegenstände), d.  h.  gemeinte  Sachverhalte  (z.  B.  die  Erde  existiert,  die  Erde  ist 
ein  Planet),  und  zwar  Seins-  und  Soseins-Objektive,  auf  welche  die  Prädikate: 
wahr,  falsch  usw.  Anwendung  finden.  „Wahr"  ist  ein  Urteil,  sofern  es  ein 
seiendes  Objektiv  erfaßt,  ein  Urteil,  dessen  Objekt  eine  Tatsache  ist;  nicht  der 
Urteilsakt  ist  wahr,  sondern  der  Urteilsgegenstand,  das  „Objektiv".  Gegenstände 
, .höherer  Ordnung"  sind  die  Relationen  und  Komplexionen;  sie  sind  „Superiora", 
die  durch  „Inferiora"  fundiert  sind.  Die  „Gestaltqualitäten"  z.  B.  (vgl.  Ehren- 
fels) sind  nach  M.  „fundierte  Gegenstände".  Die  verglichenen  Vorstellungs- 
inhalte sind  das  „fundamentum  relationis".  Zu  unterscheiden  sind  Vergleichungs- 
und Verträglichkeitsrelationen.  Apriorische  Relationen  (z.  B.  Weiß  ist  nicht 
Schwarz)  werden  daseinsfrei  mit  Evidenz  erfaßt;  apriorische  Erkenntnisse  sind 
„in  der  Natur  ihrer  Gegenstände  begründet,  haben  Evidenz  für  Gewißheit  und 
gelten  mit  Notwendigkeit  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  ihre  Objekte  existieren 
oder  nicht".  Die  Erkenntnis  ist  ein  Urteil,  das  von  innen  heraus  wahr  istr 
d.  h.  das  ein  Seiendes  objektiv  erfaßt;  sie  ist  eine  „Doppeltatsache".  Die  Er- 
fahrung als  Wahrnehmung  ist  nicht  bloß  Vorstellung,  sondern  ein  Existential- 
urteil  mit  positivem  Objektiv,  realen  Objekten  und  Evidenz  ohne  Notwendigkeit. 
Der  Gegenstand  der  inneren  Wahrnehmung  ist  unmittelbar  ein  real  Existierendes. 
Die  Metaphysik  beruht  auf  Erfahrung,  über  die  sie  aber  hinausgeht. 

Die  psychischen  Grundvorgänge  sind  nach  M.  Vorstellen,  Urteilen,  Fühlen, 
hren.     Für   das    Gefühl    ist  die   Vorstellung   eine   psychologische  Voraus- 


Meinono. 

Setzung,  das  Urteil  nicht  selten  eine  Mit-Voranssetzung.     Es  j^ribt  Voretellungs- 

und  Urteilsgefühle.    Das  Urteil  hat  nicht  nur  eine  „thetische"  Funktion  (Seins- 
urteil).  sondern  auch  eine  synthetische  Funktion,    welche  das  So-e  uint. 

Jedem  Urteil  kommt  eine  Überzeugtheit,  ein  Glaube  an  dessen  Wahrheil  zu. 
Ein  Zwischengebiet  zwischen  Vorstellung  und  Urteil  ist  das  Gebiet  der  An- 
nahmen. „ Annahme  ist  Urteil  ohne  Überzeugung.- ■  „Urteil  ist  Annahme 
unter  Hinzutritt  der  Überzeugung."  Die  „Annahmen"  spielen  ein^  große  RoUe 
in  den  Tätigkeiten  der  Phantasie,  des  Spieles,  der  Kunst,  der  Hypothese,  der 
wissenschaftlichen  Fiktionen  usw.,  auch  gegenüber  unanschaulichen  <  - 
stünden.  Die  Annahmen  vertreten  Urteile,  sind  „Phantasieurteile",  analog  «Im 
..Phantasiegefühlen"  und  „Phantasiebegehrungen". 

Die  „Urteilsgefühle"  sind  entweder  „Wissensgefühle",  die  sich  an  den  Urteils- 
akt knüpfen,  oder  Gefühle,  die  sich  auf  ein  „Objektiv"  beziehen.  ..\V  ertgefü  h  1  e". 
Diese  entspringen  einem  Urteil  über  Existenz  oder  Xichtexistenz  eines  Objektes. 
„Werthaltung"  ist  „Existenzgefühl",  nämlich  „das  durch  die  Überzeuguni:-  vom 
Dasein  oder  Xichtdasein  eines  Objekts  ausgelöste  Gefühl".  Das  „Bewerten"  ist 
das  Werturteil.  Das  „Werten"  ist  das  Verhalten  desjenigen,  der  auf  die  An- 
nahme von  der  Existenz  eines  Objektes  mit  dem  Phantasiegefühl  reagiert.  Ein 
Gegenstand  hat  AVert,  „sofern  er  die  Fähigkeit  besitzt,  für  den  ausreichend 
Orientierten,  falls  dieser  normal  veranlagt  ist,  die  tatsächliche  Grundlage  für 
ein  Wertgefühl  abzugeben".  Jeder  "Wert  schließt  die  Beziehung  auf  ein  Subjekt 
ein,  aber  es  gibt  wahre,  objektiv  fundierte,  und  eingebildete  Werte.  Die  Wert- 
theorie ist  auch  die  Grundlage  der  Ethik,  welche  normativ  ist,  es  mit  dem 
zu  tun  hat,  wie  die  Menschen  ein  Tun  und  Lassen  werthalten.  Das  eigentlich 
W '•  rtgehaltene  ist  hier  die  Gesinnung,  aber  auch  der  Erfolg  ist  von  Wert. 
Sittliches  Wertobjekt  ist  „der  durch  die  betreffende  Wollung  betätigte  unper- 
sönliche Anteil  am  Wohl  und  Wehe  der  Mitmenschen". 

Schüler  Meinongs  sind  Martinak,  Witasek,  Zindler,  V.  Benussi, 
II.  Ameseder,  W.  Frankl,  E.  Mally,  Et.  Baxinger,  W.  v.  Biel  u.a., 
v.m  ihm  beeinflußt  sind  auch  Höfler,  Ehrenfels,  Kreibig,  Oelzelt- 
N  ewin  ,  H.  Pichle  r  u.  a. 

-    hriften:   Hunie-Studien :  L  Zur  Geschichte  und    Kritik  de«  modernen  Nomi 
mos,    1877.     II.  Zur  Relationstheorie,   1882.   —   Über  philosophis 

—  Zur  erkenntnistheoretischen  Würdigung  des  Gedächtnisses,  Vierteljahre  hr.  f. 

».,   10.   Bd.,   1886.  —   Phantasievorstellung    und    Phantasie    Zeit-.-hr.     Bl    1 
B.   Kritik,    Bd.   95,    1889.    —    Zur    Psychologie    der    Komplexionei)    und    B 
hr.  f.  Psychol.  der  Sinnesorgane  II,   1891.  —  Beiträge  rar  Theorie  der  | 
Analyse,  ib.   VI.   Ib93.  —  Psychologisch-ethische  Untersu«  Innigen  zur  W  <i 

—  Über  Werthaitung    und    Wert,    Anhiv    tür    systemet    Philo«,    1.    1895.    — 

Webencheo  Gesetzes,  ZeiUchr.   tur   Psycho!,   d.   Sinnesorgane,    \i. 

—  Ol  -nstände   höherer   Ordnung,   ib.   \M  m  und  V 

\1V.    1900.   —    Über  Annahmen,    1902;    I.    A.    19 10.    -    l'ntersu, ■hungei.  zur  I I 
standetbeorie  und  Psychologie,    1904.  —   ürteilsgefcJ 

Grundlagen    unseres    Wissens,    1906.    —  Hang   d« 

der  Wissens  '  '"'7,  u.  a. 


4(U  Melanchthon  —  Melissos. 


Hclaiiehtlioiu  Philipp,  geb.  1497  in  Bretten  (Pfalz),  studierte  in  Heidel- 
berg und  Tübingen;  seit  1518  Professor  in  Wittenberg,  gest.  1560.  Der  be- 
rühmte ,,praeceptor  Germaniae"  verfaßte  eine  Reihe  philosophischer  Lehr- 
bücher, die  auf  deutschen  Schulen  lange  Zeit  gebraucht  wurden. 

M.  geht  wesentlich  auf  Aristoteles  zurück,  dessen  Lehren  er  aber  im  Sinne 
des  Christentums  sowie  teilweise  unter  dem  Einflüsse  Piatos,  Ciceros  u.  a. 
modifiziert,  Die  Offenbarung  ist  in  jedem  Falle  die  höchste  Erkenntnisquelle, 
der  oberste  Maßstab  der  Wahrheitsbeurteilung.  M.s  Dialektik  (Logik  und 
Erkenntnislehre)  will  eine  Kunst  des  Lehrens  („ars  et  via  docendi")  sein,  die 
sich  besonders  mit  der  Definition,  Einteilung  und  Argumentation  befaßt.  In 
der  Kategorienlehre  folgt  M.  dem  Aristoteles.  Betreffs  der  „Universalien'' 
(Gattungsbegriffe)  ist  M.  Nominalist ;  in  Wirklichkeit  gibt  es  nichts  Allgemeines, 
nur  Einzelnes,  die  Art  oder  Gattung  ist  nur  ein  allgemeiner  Name.  Es  gibt 
nach  M.  angeborene  Begriffe  und  Grundsätze  (logischer,  mathematischer,  aber 
auch  ethischer  und  religiöser  Art).  Die  Prinzipien  der  Dinge  sind  Materie, 
Form  und  ..Beraubung",  oder  Gott,  Materie  und  Ideen,  welche  letztere  er  mit 
den  ,, Formen"  identifiziert. 

Die  „Physik"  des  M.  ist  im  wesentlichen  aristotelisch.  Nur  bekämpft  M. 
die  Lehre  von  der  Ewigkeit  der  Welt,  auch  glaubt  er  an  ein  Durchbrechen 
der  Naturordnung  durch  Gott.  Er  hält  an  der  geozentrischen  Weltauffassung 
fest  und  bezeichnet  die  Kopernikanische  Lehre  als  widersinnig  und  verdammens- 
wert.  Vom  Einfluß  der  Gestirne  auf  den  Menschen  ist  M.  überzeugt.  In 
seiner  Psychologie  definiert  er  die  Seele  als  „Entelechie"  (oder  wie  M.,  im 
Gegensatze  zu  Amerbach  u.  a.  schreibt,  ,,Endelechie")  des  Organismus.  Es  gibt 
eine  vegetative,  sensitive  und  rationale  Seele,  welche  letztere  unsterblich  ist.  Der 
Wille  ist  frei.  Die  Ethik  begründet  M.,  soweit  er  sie  nicht  aristotelisch  faßt, 
theologisch:  Das  Sittliche  ist  der  göttliche  Wille  („voluntas  Dei  semper  volens 
recta",  „norma  in  mente  divina").  Das  natürliche  Recht  ist  dem  Menschen 
von  Gott  eingepflanzt,  es  ist  in  den  zehn  Geboten  niedergelegt,  ist  unveränder- 
lich.    Von  Gott  ist  auch  die  Staatsgewalt  eingesetzt. 

Den  von  Melanchthon  ausgehenden  Aristotelismus  vertreten  im  16.  und  in 
der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhundert  viele  deutsche  Gelehrten  und  Lehrer, 
nie:  J.  Camerarius,  J.  Schegk,  J.  Sturm,  D.  Stahl,  Chr.  Scheibel, 
( '.  Martini,  H.  Conring,  J.  Thomasius  u.  a. 

Schriften  (außer  Koramentaren):  Compendiaria  dialectices  ratio,  1520  (neue  Auf- 
lagen: 1527,  1529  u.  ö\).  —  Loci  theologici,  1522.  —  Comraentarius  de  anima,  1540 
(nebst:  Liber  de  anima).  —  Ethicae  doctrinae  elementa,  1530.  —  Philosophiae  moralis 
epitome,  1537.  —  Initia  doctrinae  physicae,  1549.  —  Declamationes,  1544  ff.  —  Opera, 
1562  —  64,  1834  ff.  (besonders  Bd.  XIII  u.  XVI).  —  Vgl.  LüTHARDT,  M.s  Arbeiten 
im  Gebiete  der  Moral,  1885.  —  H.  MAIER,  M.  als  Philosoph,  Archiv  f.  Gesch.  d. 
Philos.  X— XI,  1897—98.  —  An  der  Grenze  der  Philos.,  1909.  —  J.  RUMP,  M.s 
Psychologie,   1900.  —  KÖLTZSCH,  M.s  philos.  Ethik,   1889. 

^Ielissos  aus  Samos,  um  die  Mitte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  Staatsmann 
und  Feldherr,  Verfasser  einer  Schrift  „Über  die  Natur  oder  über  das  Seiende", 


Mki.i—o-  —  Mendelssohn. 

von  der  sich  Fragmente  bei  Simplicius  finden  (vgl.  auch  die  peeudo-aristotelische 
Schritt  ,,De  Melisso,  Xenophane,  Gorgia". 

Bf.  schließt  die  Eeihe  der  „Eleaten"  ab,  indem  er  die  Ewigkeit,  Unendlich- 
keit, Einheit,  Un Veränderlichkeit  des  Seienden  logisch  darzulegen  sucht.  1 
Seiende  ist  ewig  (ungeworden),  da  aus  Nichts  nichts  werden  kann,  alles  ander«- 
aber,  was  dem  Seienden  vorangehen  könnte,  schon  ein  Sein  ist.  Ebenso  kann 
das  Seiende  nicht  vergehen,  da  es  nicht  zu  nichts  werden  kann.  Das  Seiende 
ist  daher  unendlich  (ä^eigor  zb  öbtav);  als  unendlich  ist  es  notwendig  eins,  da 
es  sonst  durch  ein  anderes  Sein  begrenzt,  also  endlich  wäre,  ferner  ist  es  unver- 
änderlich und  unbewegt,  unteilbar,  unkörperlich  (oä/tia  inj  e%eiv).  Die  Vielheit 
veränderlicher  Dinge  ist  nur  Sinnenschein. 

Vgl.  A.  PABST,  De  Melissi  Samii  fragmentis,   1889. 

Moll  in.  Georg  Samuel  Albert,  geb.    1755  in   Halle,    Prediger  und  Kon- 

sistorialrat  in  Magdeburg,  gest.  1825.  =  Kantianer,  dessen  Arbeiten  noch  heute 
brauchbar  sind. 

Schriften:  Marginalien  und  Register  zu  Kants  Kritik  der  Erkenntnisvermögen, 
1794 — 95;  hrsg.  von  L.  Goldschmidt,  1900 — 02.  —  Enzyklopädisches  Wörterbuch  der 
kritischen  Philosophie,  6  Bde.,  1797 — 1803.  —  Die  Kunstsprache  d.  kritisch.  Philosophie, 
1798  (Anhang  dazu:   1800).  —  Allgemeines  Wörterbuch  der  Philosophie,   1805 — 07. 

Mendelssohn.  Moses  (ursprünglich  Moses  Dessau),  geb.  1721)  in  Dessau 
als  Sohn  eines  jüdischen  Lehrers,  kam  als  Knabe  nach  Berlin,  wo  er  in  großer 
Dürftigkeit  lebte,  mit  seiner  Selbstausbildung  beschäftigt.  Von  Philosophen 
las  er  (außer  Mainion  ides)  Locke,  Cicero,  dann  —  nachdem  er  Hauslehrer  und 
spater  Buchhalter  bei  dem  Seiden  Warenfabrikanten  Bernhard  geworden  war  — 
Spinoza,  Leibniz,  Wolff,  Baiimgarten,  Shaftesbnrv  u.  a.  Nach  dem  Tode  seine- 
Chefs  wurde  Bf.  Teilhaber,  dann  Leiter  des  Handlnngshauses.  1754  wurde  ei 
mit  Lessing  bekannt,  der  ihm  bekanntlich  im  ,, Nathan"  ein  Denkmal  gesetzt 
hat.  Durch  Lessings  Vermittlung  wurde  M.  Mitarbeiter  an  der  von  Nicolai 
herausgegebenen  „Bibliothek  der  schönen  Wissenschaften".  Die  Berliner 
Akademie  erwählte  ihn  1771  zu  ihrem  Mitgliede,  aber  Friedrich  der  Große  strich 
ihn.  der  bei  aller  Aufklärnngsphilosophie  durchaus  Jude  geblieben,  aus  der  I.  - 
Der  schwächliche,  bucklige  Bfann,  ein  lauterer  Charakter,  starb  am  4.  Januar  l. 

M.  —  dessen  Bedeutung  für  das  deutsche  Judentum  hier  nicht  in  Betracht 
kommt  —  gehört  zn  den  bedeutendsten  Vertretern  der  deutschen  Aufklarun 
Philosophie.  Die  Philosophie  soll  na<h  ihm  dem  Leiten,  der  Glückseligkeit 
dienen  and  den  Weisungen  des  gesunden  Menschenverstandes  folgen.  Von  der 
Metaphysik  ist  M.,  der  besonders  ?on  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie, 
aber  auch  von  Locke.  Shaftesbury  n.  a.  beeinflußt  ist,  überzeugt,  daß  sie  an 
Gewißheit,  Evidenz,  wenn  auch  nicht  an  Klarheit,  der  Metaphysik  gleichkomme. 
Die  metaphysischen  Wahrheiten  sind  „zwar  derselben  Gewißheit,  aber  nicht 
derselben  Faßlichkeit  fähig  .  .  .  als  die  geometrischen  Wahrheiten*4.  Bi  uil»i 
drei  Erkenn tnisarten:  die  anschauende  Erkenntnis  der  Inneren  Erfahrung,  die 
demonstrative  Vernunfterkenntnis,  die  äußere  Erkenntnis,  deren  Gegenstand, 
die  Außenwelt,  eine  ron  nns  unabhängij     Realitäl  hat:  „fi  h  selbst  nicht 

- lor ,  Philosophen-Lexikon. 


466  Mendelssohn  —  Menedemos. 

bloß  ein  abwechselnder  Gedanke,  sondern  ein  denkendes  Wesen  bin,  das  Fort- 
dauer hat,  so  läßt  sich  auch  von  verschiedenen  Vorstellungen  denken,  daß  sie 
nicht  bloß  Vorstellungen  in  uns  oder  Abänderungen  unseres  Denkvermögens- 
sind,  sondern  auch  äußerlichen,  von  uns  unterschiedenen  Dingen,  als  ihrem 
Vorwurfe,  zukommen".  Das  Dasein  Gottes  sucht  M.  namentlich  durch  das 
ontologische  Argument  zu  beweisen,  indem  er  aus  der  Möglichkeit  des  voll- 
kommensten Wesens,  welche  feststeht,  die  Wirklichkeit  desselben  folgert,  da  die 
bloße  Möglichkeit  (als  Abhängigkeit  von  anderem)  dem  Begriffe  des  voll- 
kommensten Wesen  widerstreite.  Die  Seele  ist  immateriell  und  einfach,  sie 
steht  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung.  Die  Unsterblichkeit  der  Seele 
sucht  M.  (im  „Phädon")  auf  verschiedene  Weise  zu  beweisen,  vor  allem  durch 
die  Behauptung,  ein  einfaches  Wesen  könne  nicht  durch  Auflösung  in  Teile 
untergehen  (dagegen  wendet  sich  später  Kant)  und  durch  den  Hinweis  darauf, 
daß  die  vernünftigen  Wesen,  welche  nach  Vollkommenheit  streben  und  der 
Endzweck  der  Welt  sind,  nicht  an  ihrer  Bestimmung  gehindert  sein  können.. 
Für  die  Psychologie  hat  M.  insbesondere  dadurch  Bedeutung,  daß  er  (wie 
Sulzer  und  Tetens)  das  Gefühl  (als  Empfindungs-  oder  „Billigungsvermögen") 
als  selbständigen  seelischen  Zustand  zwischen  Erkenntnis-  und  Begehrungs- 
vermögen auffaßt.  Auf  dem  Gebiete  der  Ästhetik,  die  er  psychologisch  be- 
gründet, hat  M.  manche  gute  Bemerkungen  gemacht.  Das  Gefühl  der  Schön- 
heit beruht  auf  der  „undeutlichen  Vorstellung  einer  Vollkommenheit"  und  setzt 
„Einheit  im  Mannigfaltigen"  voraus.  Das  Streben  nach  Vollkommenheit  ist 
der  Grimdtrieb  der  menschlichen  Natur  und  auf  ihm  beruht  auch  die  Ethik7 
deren  oberstes  Prinzip  lautet:  „Mache  deinen  und  deines  Nächsten  inneren  und 
äußeren  Zustand,  in  gehöriger  Proportion,  so  vollkommen,  als  du  kannst.'^ 
Denkfreiheit  und  Toleranz  gegen  alle  Religionen  ist  zu  fordern. 

Schriften:  Philosophische  Gespräche,  1755.  —  Briefe  über  die  Empfindungen,. 
1755.  —  Betrachtungen  über  die  Quellen  und  die  Verbindungen  der  schönen  Künste  und 
Wissenschaften,  1757.  —  Über  die  Evidenz  in  den  metaphysischen  Wissenschaften,  1764;. 
2.  A.  1786  (gekrönte  Preisschrift  der  Berliner  Akademie).  —  Schreiben  an  Lavater, 
1770  (Erwiderung  auf  das  Ansinnen  Lavaters,  M.  solle  entweder  Bonnets  Kechtfertigung 
des  Christentums  widerlegen  oder  aber  Christ  werden).  —  Jerusalem  oder  über  religiöse 
Macht  und  Judentum,  1783  —  Morgenstunden  oder  Vorlesungen  über  das  Dasein  Gottes, 
1785.  —  Mendelssohn  an  die  Freunde  Lessings,  1786  (gegen  Jacobis  Behauptung  des 
„Spinozismus"  Lessings).  —  Werke,  1761,  1777,  1789,  1838,  1843—44  (7  Bde.),  1849 
(12  Bde.),  1880.  —  Vgl.  KAYSERLING,  M.s  philos.  und  religiöse  Grundsätze,  1856; 
M.  M.,  1862,  2.  A.  1888;  M.  M.,  Ungedrucktes  und  Unbekanntes  von  ihm  und  über 
ihn,  2.  A.  1888.  —  SANDER,  D.  Keligionsphilos.  M.s,  1894. 

Menedemos  aus  Eretria,  gest.  um  278  v.  Chr.,  mit  seinem  Freunde 
Asklepiades  Anhänger  Piatons,  des  Megariker  Stilpon,  später  von  Schülern  des 
Phädon  aus  Elis,  Begründer  der  Eretrischen  Schule.  =  M.  ist  als  Vertreter 
der  Dialektik  („Eristik")  bekannt,  als  welcher  er  verschiedene  logische  Paradoxe 
aufstellte.  Es  gibt  nach  ihm  nur  eine  Tugend,  nämlich  die  vernünftige  Einsicht 
verbunden  mit  rechtem  Willen. 

Vgl.  Diog.  Laert.  II,  125  ff. 


Menger  —  Merkel.  167 


Menger,  Anton,  geb.  1841  in  Maniow.   Prot  der  Jurisprudenz  in  Wien, 

^est.  1906.  =   M.  lehrt  einen    ..Reehtssozialismus"  mit    dem    „Arbeitsstaat'1  als 
Prinzip.      Nach  Bf.   sind   alle   bisherigen   Rechtsordnung  m    au-    llachtverhält- 

nissen  entstanden   und  es  handelt   sich  nun    darum,    gegenüber  dem  individua- 
hen   Maehtstaat   den    Staat  der  sozialen    Macht,    den    Völksstaat   zur  Ent- 
wicklung und  rechtlichen   Ausgestaltung  zu  bringen.     Die  Sittlichkeil  beri 

«in  ., Reflex  der  geltenden  Machtordnung-'. 

Schriften:  D.  bürg.  Recht  u.  d.  besitzlosen  Klassen,  1890.  —  D.  Recht  auf  d. 
vollen  Arbeitsertrag,  2.  A.  1891.  —  Neue  Staatslehre,  1903.  —  Neue  Sittenlehre, 
1905,  u.  a. 

Gieriger,  Karl.  geb.  1840  in  Neu-Sandez,  <  mer.  Prof.  der  Nationalökonomie 
in  Wien.  =  M.  ist  »in  Vertreter  der  „abstrakten''  Richtung  der  Nationalökonomie. 
Den  Wert  bestimmter,  im  Sinne  der  ,,(4renznutzentheorie\  als  ..dir  Bedeutung, 
welche  konkrete  Güter  oder  Güterquantitäten  für  uns  dadurch  erlangen,  daß 
wir  in  der  Befriedigung  unserer  Bedürfnisse  -von  der  Verfügung  ober  dieselben 
abhängig  zu  sein  uns  bewußt   sind". 

Schriften:  Grunds,  d.  Volkswirtschaftslehre,  1871. —  Untersuch,  über  d.  Methode 
d.  Sozialwiss.,  1883.  —  D.  Irrtümer  d.  Historismus  in  d.  deutschen  Xationalök..  1884. 
—  Zur   Kritik  d.  polit.  Ökonomie,   1887,   u.  a. 

Menippo*  aus  Gadara,  um  280  v.  ehr..  Cyniker,  Verfasser  von  Satiren. 

Vgl.  R.  HELM,   Lucian  und  Menipp,   1906. 

Mentz,  Paul,  geb.  1869  in  Danzig,  Privatdozent  in  Lei)    _ 

Schriften:  Zur  Psychologie  der  Farbenempfindungen,   1898,  u.  a. 

Menzer,  Paul,   [  in    Berlin,  Prof.   in    Halle.    =    Kritizistischer 

Standpunkt. 

Schriften:  Der  Entwicklungsgang  der  Kantschen  Ethik,  1897.  —  Abhandl.  in  den 
kantstudien  1897  f.  —  Philos.  Lesebuch  (mit  Dessoin.  _'.  \.  1905.  —  Kants  Lehre  von 
<1.  Entwickl.  in  Natur  u.  Geschichte,  1911,  u.  a. 

Jlercier,  Desirä,  geb.  1S">1  in  Brame-l'Allend,  Enbischoi  von  Mecheln. 
=  Neothomistischer  Standpunkt,   mit    Berücksichtigung   moderner    Ergebnisse 

der   PsycholOf 

Schriften:  Les  origines  de    la   psychologio   contemporaino,    L897.  P 

deutsch   19ii6  f.   —  Cours  de  philos.,  u. 

.Merian.  Hans  Bernhard,  geb.  1723  in  Liesta!  (Schweiz),  seil  r. 

Berliner  Akademie,  deren    Mitglied  ex  seil   L748  n  7.  =  Eklek- 

tischer  Standpunkt  (gegen  Ihm,  einigung  des   Standpunktes  Chr.  Wolffa 

mit  dem  ^chologischen  Empirismus). 

B  hriften  (in  den  ,,Mriuoir.-s''  «lor  BerL  Akad.)  :  Sur  l'appen -Option  de  »a  propre 
existern  o,  1749.  —  Sur  l'appon  Option  considereo  relativoniont  aux  id£e«,  1749.  -  >ur 
D,  la  puissance  et  la    liberte,    1750.   —   Sur    lo    principe    des    indiscernable«, 

ir  le  sens  moral,   1758.   —  Sur  le  d<*ir,  17  uiame  de  1>.  Humo. 

L793,    i.  a. 

Herkel«  Julius.  =  Nach  dem  „Merkelsch« 
absoluten  [Jnterschieden    mehrere]   Eli  Wahl    großer  Lnterralk  än- 

dernd gleich  merkliche  Empfindung  le. 


46S  Merkel  —  Messer. 


Schriften:  Die  Abhängigkeit  zwischen  Reiz  und  Empfindung,  Philos.  Studien 
(hrsg.  von  Wundt)  IV,  V,  X.  —  Theoretische  und  experimentelle  Begründung  der  Fehler- 
methoden, Philos.  Stud.  VII.  —  Die  Methode  der  mittleren  Fehler,  Philos.  Stud.  IX.  — 
Das  psychophysische  Grundgesetz  in  bezug  auf  Schallstärken,  Philos.  Stud.  IV.  —  D. 
zeitlichen  Verhältn.  d.  Willenstät.,   1883. 

Jlersenne,  Maria,  geb.  1588  in  Oize  (Le  Maine),  Kollege  Descartes  in 
La  Fleche,  Franziskaner,  mit  Descartes  sehr  befreundet,  gest.  1647  in  Paris. 
=  Anhänger  Descartes',  von  Gassendi  beeinflußt,  Gegner  des  Skeptizismus. 
M.  unterscheidet  (1636)  zwischen  den  subjektiven  Empfindungen  und  den  realen 
Eigenschaften  der  Körper. 

Schriften:  L'impiete  des  D6istes,  1624.  —  La  verite  des  sciences  contre  les 
Sceptiques  et  les  Pyrrhoniens,   1630.  —  Harmonie  universelle,  1636. 

besser,  August,  geb.  1867  in  Mainz,  Prof.  in  Gießen. 

M.  vertritt  einen  rationalistisch  gefärbten  Kritizismus  (ähnlich  wie  Külpe) 
und  kritischen  Kealismus.  Vom  Denkerlebnis  ist  der  Denkinhalt  zu  unter- 
scheiden. Für  die  Logik  sind  die  Denkinhalte  „gleichsam  völlig  losgelöst  von 
denkenden  Individuen  vorhanden".  „Solche  Denkinhalte  (Begriffe,  Urteile, 
Schlüsse)  sind  ihr  ganz  zeitlose,  ideale  Gebilde."  Für  viele  erkenntnistheoretische 
Betrachtungen  ist  die  Auseinanderhaltung  von  Inhalt  und  Gegenstand  des 
Denkens  von  größter  Wichtigkeit.  Die  Wahrheit  bezieht  sich  nicht  auf  das 
Denkgeschehen,  sondern  auf  Denkinhalte.  Gegenstände  des  Denkens  können 
auch  Werte  sein,  die  aber  nicht  außer  aller  Beziehung  zu  bewertenden  Subjekten 
existieren.  Die  „Erfahrung"  ist  ein  Zusammengesetztes  aus  Empfindungen  (und 
ihren  Reproduktionen)  und  objektivierenden  Funktionen,  und  das  „Denkeft" 
enthält  auch  anschauliche  Bestandteile  (Empfindungen,  Wort-  und  Sachvor- 
stellungen). Hinsichtlich  der  Formalwissenschaften  (Logik,  Mathematik)  hat 
der  Rationalismus  recht,  ihre  Sätze  gelten  streng  a  priori,  haben  ihren  Ursprung 
im  Denken,  hinsichtlich  der  Realwissenschaften  gilt  der  Empirismus.  Zugleich 
aber  gibt  es  apriorische  Bedingungen  der  Erfahrung  selbst,  die  aber  nicht 
logischer  Art  sind  (relatives  A  priori).  Eine  Metaphysik  ist  nur  als  empirische 
Metaphysik  möglich.  Für  den  durchaus  berechtigten  „kritischen  Realismus" 
gibt  es  eine  von  uns  unabhängige  Wirklichkeit  und  es  ist  ferner  die  raum- 
zeitliche Anordnung  der  Empfindungen  und  die  Anwendung  von  Begriffen  wie 
Ding  und  Eigenschaft,  Ursache  usw.  nicht  rein  subjektiv,  sondern  sie  steht  „in 
gesetzmäßiger  Beziehung  zu  objektiven  Reizen,  ihren  Eigenschaften  und  Ver- 
hältnissen". Unsere  Erkenntnis  geht  auf  die  Dinge  an  sich,  nicht  auf  Be- 
wuntseinserscheinungen.  Die  „Synthesis"  der  vermeintlichen  „synthetischen 
Urteile  a  priori"  liegt  nicht  in  den  Sätzen  selbst,  welche  vielmehr  analytisch 
sind,  sondern  in  den  Zahlenkombinationen  und  in  der  Konstruktion  der  geo- 
metrischen Gebilde.  Die  obersten  Sätze  der  Naturwissenschaft  (wie  das  Kausal- 
und  Substanzprinzip)  sind  relativ  a  priori,  Voraussetzungen,  die  in  der  Er- 
fahrung sich  stets  bewährt  haben  und  auf  deren  weitere  Bewährung  wir 
vertrauen  können. 

Schriften:  Kants  Ethik,  1904.  —  Experimentell-psychol.  Untersuchungen  über  das 
Denken,    Archiv    f.    die  gesamte   Psychologie,    VIII,  1906.    —   Empfindung   und   Denken, 


Messer  —  Meumaxn. 


1908.  —  Einführung  in  die  Erkenntnistheorie,   1909.    —    D.    Problem    d.    Willenstreih., 
1911,  u.   a. 

Messer,  Max,  geb.  ls-~>  in  Wien,  lebt  daselbst.  =  Pantheistischer  Stand- 
pnnkt. 

Schriften:  Die  moderne  Seele,   1899;  3.  A.   1902.  —  M.  Stirner,   1906,  o. 

tfetrodoros  von  Chios,  Schüler  des  Demokrit  im  5.  Jahrb..  v.  Chr., 
Verfasser  einer  Schrift  xegt  tpvaecog.  Er  gelangt  zu  einer  skeptischen  Auffassung 
der  Erkenntnis,  indem  er  erklärt,  daß  wir  nichts  wissen,  auch  nicht  einmal.  ««I» 
wir  etwas  wissen  oder  nicht. 

Metrodoros  von  Lampsakos,  Schüler  des  Anazagoras.  =  II.  ist  als 
allegorischer  Ausleger  der  Mythen  der  Homerischen  Dichtung  bekannt 

Vgl.  Diels,  Vorsokratiker  1. 

Metrodui'ON  von  Lampsakos,  bedeutendster  unmittelbarer  Schuler  des 
Epikur,  starb  noch  vor  Epikur.  Fragmente  Beiner  Schritten  bei  Plutarch, 
<  llemens,  Seneca. 

Vgl.  DlOG.  LtAfiBT.  X,  -J4.  —  DüENINGj  De  It.  Bpicnrei  Tita  et  ecriptis,  acced. 
fragmenta,  1870. 

HetrokleN,  Bruder  der  Hipparchia  und.  wie  diese,  Anhänger  des 
Kynismus. 

Vgl.  Diog.  LaEbt,  vi. 

Jlettrie,  de  la.  b.  La  Mettrie. 

.Tleumaiiii,  Ernst,  geb.  1862,  Prot,  in  Leipzig,  Herausgeber  des  „Archiv 
tiir  die  gesamte  Psychologie"  und  der  „Zeitschrift  rar  experimentelle  Pft 

M.  ist  namentlich  durch  Beine  Arbeiten  aui  ezperimentell-psychologischem 
(Zeitsinn,  Gedächtnis  u.  a.)  und  -pädagogischem  Gebiete  bekannt.  Bezüglich 
der  Apper»  sptionslehre  u.  a  Punkte  geht  er  von  Wundl  aus,  dessen  Voluntaris- 
mus er  aber  nicht  akzeptiert.  Die  Intelligenz  ist  das  Primäre,  aie  ist  Be- 
dingung des  Willens,   der  ohne   intellektuelle   Elemente   nicht    möglich   ist 

ibt  „Intelligenzformen  des  Willens"  und  „Willensformen  der  Intelligenz". 
Intelligenz  im  engeren  sinne  ist  „Urteilsfähigkeit",  Selbständigkeit  des  Urteils. 
Der  Wille  ist  «in  Übergehen  von  Vorstellungen  in  Handlungen,  ein  „Über- 
gehen von  beurteilten  Zielvorstelliingen  und  ihrer  Zustimmung  in  Handlungen". 

Inder  Ästhetik  nmi;   die   psychologisch-subjektive  durch  di<  tive 

Ifethode  ergänzt  werden.    „In  dem  ästhetischen  TatBachengebiet    haben   wiz  es 
nicht  blofl  mit  einer  besonderen  Art  von  Bewußtseinsvi  q  zu  tun,  wie  die 

psychologische   Asthetii    annimmt,   Bondern    mit    einem   eigenartigen 
halten  des  Menschen  zur  Welt,  das  nach  seiner  subjektiven  und  objekt 
Seite  hin  .  .  .  gewürdigt  irerden  muß."   Zu  antersuchen  Bind:  l.  das  Verhalten 
isthetitoh    genießenden    Menschen,   2.   das    Verhalten   <!•  tiM-h-pro- 

dnkti\en  Mm-,  h.  n.  dei   Künstlers,    '••  die   Kunstprodukte,    t.   die  ästhetische 
Kultur.     Die   meisten   da   bestehenden    ästhetischen   Theorien   Bind   einseitig, 
int  einen  beim  ästhetischen  Gefallen  mitwirkenden  [eilvorgang  hin. 
Die  Kunst  ist  vom  Spiel  zu  unterscheiden,  sie  Ist  Darstellen  und  Bilden,  nicht 


470  Meumann  —  Michael. 


Nachahmung,  nicht  Gefühlsausdruck,  sondern  „äußere  Darstellung  einer  durch 
eine  Persönlichkeit  in  individueller  und  anschaulicher  Weise  verarbeiteten 
Wirklichkeit,  in  einem  Werk,  mit  anschaulichen  Mitteln  .  .  .;  in  einem  Werke 
ferner,  das  nur  dem  persönlichen  Zwecke  des  Künstlers  dient:  der  vollkommene 
Ausdruck  seiner  inneren  Erlebnisse  zu  sein,  dessen  Zweck  daher  in  ihm  selbst 
liegt". 

Schriften:    Untersuchungen    zur   Psychologie   und    Ästhetik   des   Rhythmus,    1894. 

—  Beiträge  zur  Psychologie  des  Zeitsinnes,  Philos.  Stud.  VIII.  —  Über  Zeitausfüllung, 
Philos.  Stud.  XII,  1896.  —  D.  Entsteh,  d.  ersten  Wortbedeut.  beim  Kinde,  1902,  2.  A. 
1908.  —  Über  einige  Grundfragen  d.  Psychol.  d.  Übungsphänomene,  1904  (mit  E.  Ebert). 

—  Die   Sprache  des   Kindes,  1903.  —  Über  Ökonomie  und  Technik  des  Lernens,  1903. 

—  Vorlesungen  zur  Einführung  in  die  experimentelle  Pädagogik,  1907.  —  Intelligenz 
und  Wille,  1907.  —  Ökonomie  und  Technik  des  Gedächtnisses,  1908.  —  Einführung 
in  die  Ästhetik  der  Gegenwart,  1908.  —  Das  System  der  Ästhetik,  1910.  —  Assoziations- 
experimente, 1907,  u.  a. 

Meyer,  Jürgen  Bona,  geb.  1829  in  Hamburg,  seit  1868  Prof.  in  Bonn, 
gest.  1897. 

J.  B.  Meyer  bildet  im  Anschluß  an  Fries  den  Kantschen  Kritizismus  nach 
der  psychologisch-empirischen  Seite  weiter.  Kant  habe  das  A  priori  nicht 
wieder  a  priori,  sondern  durch  empirische  Analyse  des  Bewußtseins  gefunden. 
Alles  Wissen  hat  den  Glauben  (an  die  Aussagen  der  Sinne,  den  Fortbestand 
der  Naturgesetze  usw.)  zur  Grundlage.  Gegenüber  Herbart  verteidigt  M.  die 
Berechtigung  des  Begriffes  der  Seelenvermögen.  Gegenüber  dem  Materialismus 
betont  er  die  Verschiedenheit  des  Psychischen  und  des  Physischen. 

Schriften:  Zum  Streit  über  Leib  und  Seele,  1856.  —  Die  Idee  der  Seelen- 
wanderung, 1861.  —  Über  Fichtes  Eeden  an  die  deutsche  Nation,  1862.  —  Kants 
Psychologie,  1869.  —  Philosophische  Zeitfragen,  1870;  2.  A.  1874.  —  Schopenhauer, 
1871;  2.  A.  1874.  —  Weltelend  und  Weltschmerz,  1872.  —  Zum  Bildungsgang  unserer 
Zeit,  1875.  —  Leitfaden  zur  Geschichte  der  Philosophie,  1882.  —  Probleme  der  Lebens- 
weisheit, 1887,  u.  a. 

Meyerson,  E.,  Prof.  in  Paris.  =  M.  basiert  den  Realismus  auf  das 
Prinzip  der  Identität,  welches  uns  konstante,  dauernde  Dinge  annehmen  läßt. 
Der  idealistische  Positivismus  ist  unhaltbar. 

Schriften:  Identite  et  realite,  1908,  u.  a. 

illeynert,  Theodor,  1833—1892,  Prof.  der  Medizin  in  Wien.  =  M.,  dessen 
Unterscheidung  des  „primären"  und  „sekundären"  Ich  von  Wichtigkeit  ist, 
bekennt  sich  zum  erkenntnistheoretischen  Idealismus. 

Schriften:  Zur  Mechanik  des  Gehirnbaues,   1874.  —  Gehirn  und  Gesittung,  u.  a. 

Michael  Psellos,  geb.  1020  in  Byzanz,  lehrte  dort  Theologie,  Philo- 
sophie und  Rhetorik.  =  Die  lange  Zeit  dem  Psellos  zugeschriebene  Logik: 
Svvoytis  elg  rrjv  "AQtototsXovg  Xoyixrjv  sTtiaxrjfjL^v  (gedruckt  1597),  in  welcher  sich 
Memorialworte   für   die   Schlußmodi    finden,    deckt    sich   inhaltlich    mit   den 

nmulae  logicales"  des  Petrus  Hispanus  und  dürfte  eine  Übersetzung  dieses 

:es  sein  (nicht  umgekehrt  das  Original  zu  einer  lateinischen  Übersetzung). 

Schriften:  Kommentare  zu  Plato  (1854),    Aristoteles  und  Porphyr    (1503,   1532). 


Ml<  HAEL    —    MlLHAULD.  471 


—   Ferner    Arbeiten    über   die    Meinungen    der    Philosophen    von    der   Seele    (161  - 
ftfigne,  Bd.    122. 

.Michael    Bcoti  >.    1190,  besonders   als    üb 

unl  arabischer  Kommentare  de»elben  bekannt. 

Vgl.   L.  BAUR,  Dominicus  Gundissalinus,   1903. 

MichaiI<Swsky,  X..  1S43 — 19<  >'►.  Verfasser  soziologische]   A  »handlung 

(russisch,  1879tt.;  deutsche  Auswahl  in  Vorbereitung).  =  M.  l-t   Poaitivißl  und 
lutionisl  und  Anhänger  dir  „subjektiven  Methode"  Lawrows. 

Jliclialtsoliew,  Dimitri,  geb.  1881   in  Losengrad,  Dozent  in  Sofia.  = 
M.  ist  ein  Schüler  Rehmkes,  der  den  Psychologismus  und  erkenntnistheoretischei] 
JDualismus"  aller  Art  bekämpft     Die    Wirklichkeit    ist    Inhalt    de-    göttlicl 
Bewußtseins.    Wahrheit  und  Wirklichkeit  sind  ein-. 

S    hriften:  Philosophische  Studien,   1909,  u.  a. 

Miehelet,  Karl  Ludwig,  geb.   1801   in  Berlin,   seit    1829    Prof.   daselbst, 
gesl    L8  M.  gehört  zu  den    treuesten    Anhängem   Hegels,  dessen    Lehren 

er  in  selbständiger  und  klarer  Form  dargestellt  hat.  Logik,  Natur-  und  Geistes- 
philosophie  Btellen  die  absolute  Vernunft   in  ihrer  Reinheit,   ihrer  äußeren  I 

Bcheinung  und  ihrer   Rückkehr  zu  sich  dar. 

3(  hriften:    D.   Ethik  d.   Aristoteles,    1827.    —    System   der  philosophischen    M 

nthropologie  und  Psychologie,    184(».    —   Vorlesungen  über  '.  ilichkeit 

Gottes  und  die   Unsterblichkeit    der  Seele,   1841.  —  Gesch.  d.  letzt.  o  d.    Philo*. 

in  Deutschland.  1837 — 38.  —  Schellinu'  u.  Hegel,  1839.  —  Entwicklungsgeschichte  de: 
neuesten  deutschen  Philosophie,  1843.  —  Die  Epiphanie  der  ewig6n  Persönlichkeit  des 
deistes,  1844  —  52.  —  Esquisse  de  Logique,  1856.  —  Die  Gcschi»  1» te  der  Menschheit  in 
ihrem  Entwickln:  ron  1775  bis  auf  die  neu  '  —  6U.  —  Xaturrecht 

oder   Rechtsphilosophie,    18G6.  —  Segel,  der  unwiderlegto   W'eltphilosoph,  1870.  —   U' 
und    der    Empirismus,    1873.    —    I > :x -    System  der    Philosophie    als    exakter   V. 
I^7G  ff.  —   Wahrheit  aus   meinem  Leben,    1885.  —  Der  Gedenk«    Zeitschrift,  18G<>—  7 

Michcli*.    Friedrich,    lsr>  -85,    l'roi.    in    Paderborn    und    Braunsb 
ter  Pfarrer  der  altkatholischen  Gemeinde  in  Freiburg  i.  Br.  =  Scholastischer 

Standpunkt. 

8    hriften:    Der   kirchlicho  Standpunkt  der  Naturforst  hung,  1855.  —  Der  Mater. 
moi    all    K   hlerglaabe,    185G.    —    Kritik   der   Gflntherschen    Philosophie 

ichte   iler   Philosophie,    L865.   —   Die    Philosophie    des    Bewa  .  ." .  A 

darwinismas,   L886,  n.  ■. 

^likloHich.  M..  L813    91,    Prot   in    Wien.  Sprachforsche] 
!.)  betreffs  der  Urteilstheorie. 

riften:    Subjektlose 

lliririleton  b.  Richard  von  M. 

II  illiauhl.  < taston,  Prof,  ii    ■ 
M.  iteht  in  Beinen  Ansichten  Poincari   und  dem   I': 
■•  wohl  eine  mathematisch-logische  Gewißheit,   di< 

,ti\   ist.     1  >ie  logis<  h(    <  U  w  i  Ihi  il    bei  ahl    aui    dem   ä 
Widerspruche«  und  hat  nicht*  mit  der  Wirklichkeit  tu  tun.    Die  mathem 


4.2  MlLHAULD   —   MlLL. 


Gewißheit  ist  ebenfalls  subjektiver  Art,  da  sie  auf  Schöpfungen  des  Geistes  zu 
Zwecken  der  Exaktheit  beruht,  auf  (empirisch  beeinflußten)  fiktiven  Begriffen 
oder  Symbolen  von  Selektionswert,  welche  die  Wissenschaft  fördern.  Die  Wirk- 
lichkeit selbst  enthält  nicht  die  festen  Relationen  und  den  Determinismus  der 
Wissenschaft. 

Schriften:  Essai  sur  les  conditions  et  les  limites  de  la  certitude  logique,  1894; 
2.  6d.  1898.  —  Le  Kationnel,  1898.  —  Le  positivisme  et  les  progres  de  l'esprit, 
1902.  —  La  connaissance  mathematique  et  l'idalisme  transcendental,  Revue  de  met.  et  de 
morale  XII,  1904,  u.  a. 

Mill9  James,  geb.  1773  in  einem  schottischen  Dorfe,  studierte  in  Edin- 
burg  Theologie,  ging  dann  nach  London,  wo  er  unterrichtete  und  schrift- 
stellerisch tätig  war;  nach  Erscheinen  seiner  „History  of  British  India"  (1818) 
wurde  er  (1819)  bei  der  Regierung  der  ostindischen  Kompagnie  (India  House 
in  London)  angestellt.    Er  starb  1836. 

M.,  der  an  Hartley  und  Hume,  zum  Teil  auch  an  Reid  und  Th.  Brown 
anknüpft,  gehört  zu  den  Hauptvertretern  der  englischen  Assoziations- 
psychologie. Das  Seelische  besteht  nach  M.  aus  Elementen,  denen  die 
Eigenschaft  zukommt,  sich  miteinander  zu  komplexen,  aber  oft  —  bei  Ver- 
schmelzungen —  einfach  erscheinenden  Gebilden  zu  vereinigen.  Die  Asso- 
ziation ist  der  Grundprozeß  des  psychischen  Geschehens.  Es  besteht  ein 
Gesetz  der  untrennbaren  Verbindung  („law  of  inseparable  association")  oder  der 
Häufigkeit  („law  of  frequency").  Assoziationsfaktoren  sind  die  Lebhaftigkeit 
der  Eindrücke,  die  Häufigkeit  der  Wiederholung  und  das  Interesse.  Aus  der 
Berührungsassoziation  sind  alle  anderen  Arten  der  Assoziation  zu  erklären. 
Auf  Assoziation  beruht  alles  Denken  und  Wollen,  letzteres  auf  der  Assoziation 
einer  Handlung  mit  einem  Lustgefühl.  Auch  der  Begriff  der  Kausalität  be- 
ruht auf  Assoziation,  auf  regelmäßiger  Sukzession  von  Vorstellungen.  In 
ethischer  Hinsicht  schließt  sich  M.  dem  Utilitarismus  Benthams  an. 

Schriften:  Elements  of  Political  Economy,  1821.  —  Analysis  of  the  Phenomena 
of  the  Human  Mind,  1829,  1869,  1878  (hrsg.  von  J.  St.  Mill).  —  A  Fragment  on 
Mackintosh,  1835.  —  The  Principles  of  Toleration,  1837.  —  Vgl.  A.  BAIN,  J.  Mill, 
2.  ed.   1887. 

Mill.  John  Stuart,  als  Sohn  von  James  M.  geb.  20.  Mai  1806  in  London, 
erhielt  schon  als  kleines  Kind  von  seinem  Vater  eine  humanistische  Bildung. 
Einen  großen  Eindruck  machte  auf  den  Jüngling  die  Lektüre  von  Benthams 
Schrift  über  die  Gesetzgebung;  er  begründete  eine  „utilitarische  Gesellschaft", 
in  welcher  alle  vierzehn  Tage  Vorträge  über  Utilitarismus  gehalten  wurden. 
1823  wurde  M.  Sekretär  im  „India  House",  wo  er  später  eine  hohe  Stellung 
einnahm.  Daneben  war  er  schriftstellerisch  tätig.  Nachdem  er  eine  Zeitlang 
in  Avignon  gelebt  hatte,  war  er  (1866—68)  Parlamentsmitglied,  worauf  er  wieder 
in  Avignon  lebte,  wo  er  am  3.  Mai  1873  starb. 

M.  ist  der  Hauptvertreter  des  modernen  Empirismus,  Psychologis- 
mus und  idealistischen  (vom  Comteschen  verschiedenen)  Positivismus. 
Seine  Lehren  sind  eine  Weiterbildung  der  Ansichten  Bacons,  Berkeleys,  Humes, 
James  Mills  u.  a.;  auch   von   der  Scholastik  ist  M.,    im   formalen   Teile   seiner 


MlLL. 

Logik,  beeinflußt.  Die  Assoziationspsychologie  wird  von  Bf.  akzeptiert;  nie 
Beil)  Vater,  James  Mill,  betrachtet  er  die  psychischen  Vorgänge  alfl  Synthesen 
einfacher  Elemente  (durch  eine  Art  „psychischer  Chemie")  und  die  Assoziation 
gilt  ihm  als  ein  Grundgesetz  analog  der  Gravitation. 

Die  Logik  ist  nach  B£  eine  Technik  des  Denkens  und  Forschens,  vor» 
weise  ist  sie  Methoden  lehre.     Sie   ist    des   Näheren  „die  Wissenschaft    von    tU-u. 
Verstandesoperationen,  welche  zur  Schätzung  der  Evidenz  dienen".    Sie  hat 
nicht  mit  den  Wahrnehmungen,   sondern    mit    Folgerungen,   mit    Urteilen    und 
Schlüssen    zu    tun    und    will   diese   auf   eine   sichere   Grundlage    stellen.     Er- 
fahrung und  Induktion  sind  nun    nach    Mill    die  Grundlage    aller   una 
Folgerungen.     Alles  Erkennen  geht   von   einzelnen  Tatsachen   aus  und   besteht 
zunächst  in  einem  Folgern  von  P^inzelnem   auf   anderes  Einzelnes,   in  einer  In- 
duktion „per  enumerationem  simplicem".    Diese  Induktion   folgert    auf  Grund- 
lage der  Erfahrung  und  Assoziation,  was  für  eine  Reihe  von  Fällen  gilt,  werde 
auch  für  neue,    ähnliche    Fälle    gelten.     Es    besteht    eine    „natürliche    Neigung 
des  Geistes,  -'ine  Erfahrungen   zu   generalisieren",    und    die    Induktion    beruht 
schließlich  aui  der  Voraussetzung  der  Gleichförmigkeit   der   Natur     ..uni- 
Eormity  of  nature").    Diese  Voraussetzung  wird,   als  Annahme  der  Unabänder- 
lichkeit der  Sukzession  zweier  Vorgänge,   zum  Kausalgesetz,    welches    Bei 
die  allgemein -tr.  sicherste  Induktion  ist  und  erst   den  übrigen  Induktionen 

glichst»  Sicherheil  (Wahrscheinlichkeit)  gewahrt  Jede  Induktion  läßt  -ich 
in  der  Form  ein--  Syllogismus  darstellen,  dessen  <>l>er-atz  die  Voraussetzung 
der  Gleichförmigkeil  der  Natur  i-t.  Jede  vollbegrundete  induktive  Generalisation 
i-t  ein  Naturgesetz,  d.  li.  ein  regelmäßiger  Zusammenhang  von  Tatsachen, 
der  empirisch  begründet  ist  und  größte  Wahrscheinlichkeit  halten  kann,  ohne 
aber  absolut  denknotwendig  zu  sein,  so  daß  das  Ausbleiben  eine-  solchen  Zu- 
sammenhanges  wenn  auch  höchst  unwahrscheinlich,  immerhin  nicht  unmöglich 
i-t.    Dir  „Ursachen*',  die  wir  erkennen,  Bind  nur  die  Summen  der  positiven  und 

tiven  Bedingungen  von  Vorgängen. 

1  >;i-  deduktive  Verfahren   besteht   aus  drei  Operationen:  der  Induktion, 
d.  in  Syllogismus,  welcher  aus  Gesetzen  Einzelfälle  ableitet,  und  der  Verifikation. 

Da  im  Syllogismus  der  Obersatz  das  zu  Krwei-ende  (die  Konklusion  vor- 
wegnimmt, i-t  er,  im  üblichen  sinne  aufgefaßt,  eine  ..petita»  prineipii''.  In 
Wahrheit  i-t  er  aber  ein  Schluß  vom  Besonderen  aufs  Besondere.  Dei  all| 
meine  Obersati  i-t  ein  Register  der  vollzogenen  Folgerungen  vom  Besonderen 
aufs  Besondere,  eine  abgekürzte  Formel  zu  weiteren  Folgerungen.  Betrefft 
Urteils  vertritt  M.  die  [dentitätBtheorie  des  Inhalt-.  Für  jedes  Urteil  i-t  der 
„Glaube"  (belief]  an  einen  Zusammenhang  von  Vorstellungen  wesentlich;  dir 
Sit/  druckt  den  Glauben   aus,  daß  das   Prädikat   ein    Name   desselben  Düu 

i-t.   wovon   da-  Subjekt   «in    Name   i-i. 

I'     von  M.  formulierten  exakten    Fors    i         imethoden  sind:   l.   ML« 
thode  der  Übereinstimmung       Hethod   i  ement")«   „Wenn  alle 

obachteten  Fälle  einer  zu  eriorschenden    Naturerscheinung  nur  einen  einzig) 
Umstand  gemein    haben,  so  i-t   diesei    I  instand,  in   welchem  aDein  all«-  Fälle 
übereinstimmen,    der   betreffenden    Erscheinui  entlieh,   entw<  :       I 


474  Mill. 

oder  Wirkimg  derselben."  —  2.  Methode  der  Unterscheidung  (Differenz- 
methode,  „Method  of  difference") :  „Wenn  ein  Fall,  in  welchem  die  zu  er- 
forschende Naturerscheinung  eintritt,  und  ein  Fall,  in  welchem  sie  nicht  eintritt, 
alle  Umstände  gemein  haben  mit  Ausnahme  eines  einzigen,  der  nur  im  ersten 
Falle  vorkommt,  so  ist  dieser  Umstand,  wodurch  allein  die  beiden  Fälle  sich 
unterscheiden,  der  betreffenden  Naturerscheinung  wesentlich."  —  3.  Methode 
•der  Beste  (Bückstände,  ,,Method  of  residues"):  „Wenn  man  von  einem  Teile 
einer  Erscheinung  durch  schon  gemachte  Induktion  weiß,  daß  er  Wirkung  eines 
bestimmten  Umstandes  ist,  so  schließt  man,  daß  der  übrige  Teil  (Bückstand  oder 
Best)  der  Erscheinung  durch  die  restierenden  Umstände  bedingt  ist."  — 
4.  Methode  der  sich  begleitenden  Veränderungen  („Method  of  con- 
comitant  variations"):  „Wenn  eine  Erscheinung  sich  verändert,  so  oft  eine  andere 
in  einer  eigentümlichen  Weise  sich  verändert,  so  ist  sie  entweder  Ursache  oder 
Wirkung  der  anderen  oder  ist  durch  irgend  einen  Kausalnexus  damit  ver- 
knüpft." 

Seinem  strengen  Empirismus  getreu  negiert  M.  die  Existenz  irgendwelcher 
apriorischer  Erkenntnisse.  Alle  Erkenntnis  stammt  aus  der  äußeren  oder 
inneren  Erfahrung,  entsteht  durch  Wahrnehmung,  Induktion,  Abstraktion  und 
Assoziation.  Die  Axiome  der  Mathematik  sind  gleichfalls  empirische,  induktiv 
gewonnene  Wahrheiten,  Generalisationen  aus  der  Erfahrung;  ihre  Gewißheit 
beruht  auf  ihrer  Einfachheit,  auf  der  Möglichkeit,  sie  jederzeit  in  der  Erfahrung 
verifizieren  zu  können,  und  auf  der  Festigkeit  der  Assoziation.  Die  mathe- 
matischen Gebilde  werden  durch  Abstraktion  gewonnen,  in  der  Wirklichkeit 
selbst  gibt  es  keine  genauen  Gegenstücke  zu  ihnen.  Die  Zahl  entsteht  durch 
Abstraktion  von  Gruppen  gleichartiger  Objekte.  In  der  „Examination"  leitet 
M.  den  Glauben  an  die  Existenz  dauernder  Objekte  aus  Erwartung  und 
Assoziation  ab.  Die  Vorstellung  eines  außer  uns  Existierenden  schließt  außer 
der  aktuellen  Wahrnehmung  eine  Summe  von  „Wahrnehmungsmöglichkeiten" 
{„possibilities  of  Sensation")  ein,  die  sich  durch  größere  Konstanz  auszeichnen, 
allgemein  zugänglich  sind,  beharren,  auch  wenn  wir  die  Dinge  nicht  aktuell 
wahrnehmen.  Vermittelst  des  Kausalbegriffes  beziehen  wir  die  einzelnen 
Empfindungen  auf  solche  permanente  Gruppen  von  Wahrnehmungsmögiichkeiten 
als  Ursachen  der  Empfindungen,  die  sich  aber  nur  in  Empfindungskomplexen 
darstellen.  Indem  wir  diese  Wahrnehmungsgrundlage  der  Dinge  vergessen, 
halten  wir  sie  für  außerhalb  alles  Bewußtseins  existierende  Substanzen,  was  sie 
aber  nicht  sind  (Phänomenalismus).  Ebenso  ist  das  Ich  nicht  eine  Substanz 
außerhalb  alles  Bewußtseins,  sondern  nur  die  Summe  aufeinanderfolgender  Er- 
lebnisse, eine  (relativ)  konstante  Möglichkeit  von  Gefühlen  („permanent  possi- 
bility  of  feeling").  Freilich  ist  es  schwer  zu  begreifen,  wie  eine  Reihe  von 
Gefühlen  sich  ihrer  selbst  bewußt  werden  könne. 

Die  Wissenschaften  gliedern  sich  nach  M.  in  Natur-  und  Geisteswissen- 
schaften. In  den  letzteren  sind  dieselben  Methoden  anwendbar  wie  in  den 
Naturwissenschaften,  es  gibt  hier  ebenfalls  empirische  Gesetze.  Die  Gesetz- 
mäßigkeit und  Xolwendigkeit  von  Willenshandlungen  bedeutet  aber  nicht 
-Zwang  u.  dg].,   sondern    nur   die  Erwartung   konstanter  Sukzession,    wobei  der 


Mill  —  Mixucius  Felix.  475 

Charakter  des  Wollenden  selbst  ein  Faktor  des  Geschehens  ist.  Die  drei 
fundamentalen  Geisteswissenschaften,  welche M.  unterscheidet,  sind:  Psychologie, 
Ethologie  und  Soziologie.  Unter  „Ethologie*'  versteht  M.  die  Lehre  von  der 
Charakterbildung. 

Die  Ethik  31.s  ist  ein  (altruistischer)  Utilitarismus.  Höchstes  Streben»- 
ziel  ist  die  Glückseligkeit,  alles  Begehren  geht  auf  das  Lust  volle,  alles  Unlust- 
volle  wird  verabscheut.  Die  Triebfeder  alles  Handelns  ist  also  eudämonistischcr 
Art.  Aber  es  kommt  nicht  bloß  auf  die  Menge,  sondern  auch  auf  die  Qualität 
des  Glückes,  der  Lust  an,  es  gibt  niedere  und  höhere  Werte;  letztere  knüpfen 
sich  an  geistige  Güter.  Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  durch  Assoziation 
Güter,  die  ursprünglich  nur  Mittel  waren,  zu  Zwecken,  zu  Eigenwerten  werden  ; 
dies  gilt  namentlich  von  der  Sittlichkeit,  der  Tugend,  die  übrigens  auch  auf 
ursprünglichen  sozialen  Gefühlen  beruht.  So  sucht  M.  den  Egoismus  abzu- 
wehren.    In   seiner  Nationalökonomie   betont   M.    den    sozialen   Gesichtspunkt. 

Das  Wesen  der  Religion  ist  nach  M.  die  „starke  und  konzentrierte 
Richtung  unserer  inneren  Regungen  und  Wünsche  auf  einen  idealen  Gegen- 
stand von  anerkannt  höchster  Vortrefflichkeit,  und  welcher  mit  Recht  über 
allen  Gegenständen  unserer  selbstsüchtigen  Wünsche  steht".  Auch  eine  von 
sozialen  und  sittlichen  Gefühlen  beseelte  Menschheitsreligion  kann  ihren  Zweck 
erfüllen.  Der  Theismus  ist  eine  mögliche  Weltanschauung,  aber  Gott  kann 
nicht  als  allmächtig  gedacht  werden,  die  Unvollkommenheit  der  Welt  steht 
dem  entgegen. 

Schriften:  A  System  of  Logic,  Ratiocinative  and  Inductive,  1843,  9.  ed.  1875; 
deutsch  von  J.  Schiel,  1849,  4.  A.  1874;.  von  Gomperz  1882  (Hauptwerk).  —  Essays 
on  some  Unsettled  Questions  of  Political  Economy,  1844,  2.  ed.  1874.  —  Principles  of 
Political  Economy,  1848.  —  On  Liberty,  1859  (deutsch  in  der  Universalbibl.).  — 
Dissertations  and  Discussions,  4  Bde.,  1859,  1867,  1874.  —  Utilitarianism,  1863; 
deutsch  1869.  —  Examination  of  Sir  William  Hamiltons  Philosophy,  1865;  deutsch  1908 
(ein  Hauptwerk).  —  Auguste  Comte  and  Positivism,  1865;  deutsch  1874.  —  The 
Subjection  of  Women,  1869  (deutsch:  Die  Hörigkeit  der  Frau).  —  Autobiography,  1873; 
deutsch  1874.  —  Three  Essays  on  Religion;  Nature,  the  Utility  of  Religion  and  Theism. 
1874  (auch  deutsch).  —  Werke,  deutsch  von  Th.  u.  E.  Gomperz,  1869  fl'.  —  Vgl. 
COURTXEY,  Metaphysics  of  J.  St.  Mill,  1879;  Life  of  J.  St.  Mill,  1889.  — 
CH.  DOUGLAS,  J.  St.  Mill,  1895;  deutsch  1897.  —  Levy-Bruhl,  Lettres  inedite> 
de  J.  St.  Mill  ä  Ä.  Comte,  1899.  —  S.  SAEXGER,  J.  St  Mill,  1901  (Frommanns 
Klassiker  der  Philosophie).  —  THIEME,  M.s  Sozialethik,  1910. 

Miimcins  Felix,  wahrscheinlich  um  160 — 180  n.  Chr.,  römischer  Sach- 
walter, philosophisch  geschult,  wirkte  als  christlicher  Apologet  in  seiner  Schrift 
„Oetavius"  (1560  u.  ö.,  1886,  deutsch  von  Hagen,  1890). 

M.  gehört  zu  den  ersten  lateinischen  Autoren,  welche  das  Christen  tu  in 
verteidigen.  Die  Schrift  „Oetavius"  hat  ihren  Titel  nach  einem  Christen 
gleichen  Namens,  der  in  der  Unterredung  mit  seinen  Freunden  Mumcius  und 
Caecilius,  einem  Epikureer,  das  Wesen  und  den  Wert  des  Christentums  er- 
örtert und  den  Heiden  Caecilius  im  Wesentlichen  überzeugt,  Die  Götter  der 
Heiden  sind  nach  31.  nur  vergötterte  Menschen,  auch  Dämonen  verführten  die 
Heiden  zum  Aberglauben.    Gott  ist  der  Vater  aller  Dinge,  er  ist    einheitlich, 


476  ATintjcius  Felix  —  Moleschott. 

unendlich,  ewig,  vor  der  Welt  (,,ante  mundum  sibi  ipse  fuit  pro  mundo"),  all- 
mächtig und  alles  leitend  („qui  universa,  quaecunque  sunt,  verbo  iubet,  ratione 
dispensat,  virtute  consumit").  Er  ist  unsichtbar,  über  alle  Sinneswahrnehmung 
erhaben,  nur  sich  selbst  völlig  bekannt  („soli  sibi  tantus,  quantus  est,  notus"). 
Vgl.  E.  KÜHN,  Der  Octavius  des  M.  F.,  1882. 

Mirandola  s.  Pico. 

>liraband.  Jean  Baptiste  de,  geb.  1675  in  Paris,  seit  1742  Sekretär  der 
Akademie,  gest.  1760.  =  Das  unter  dem  Namen  M.s  erschienene  „Systeme  de 
la  nature"  rührt  von  Holbach  her. 

Schriften:  Sentiments  des  philosophes  sur  la  nature  de  l'äme,  1743.  —  Le 
monde,  1751,  u.  a. 

Jlirbt,  Ernst  Siegmund,  1799 — 1809,  Prof.  in  Jena.  =  Anhänger  von 
Fries. 

Schriften:  Was  heißt  Philosophieren  und  was  ist  Philosophie?  1839.  —  Kant 
und  seine  Nachfolger  I,  1841. 

Mnesarchos,  um  100  v.  Chr.,  Nachfolger  des  Panaitios  in  Athen, 
Stoiker. 

Hist*h9  Georg,  geb.  1878,  Privatdozent  in  Berlin. 
Schriften:  Zur  Entsteh,  d.  französ.  Positivismus,   1900,  u.  a. 

^tlöbius,  Paul  Julius,  1853—1907,  Psychiater  in  Leipzig.  =  Anhänger 
Fechners.  Das  Physische  ist  die  Außenseite  einer  Wirklichkeit,  die  an  sich 
psychisch  ist  und  mit  der  das  menschliche  Seelenleben  in  Verbindung  steht. 

Schriften:  Vermischte  Aufsätze,  1898.  —  Über  Schopenhauer,  1899.  —  Über  die 
Anlage  zur  Mathematik,  1900.  —  Über  den  physiologischen  Schwachsinn  des  Weibes, 
1900;  9.  A.  1908  (Unter  „physiologischem  Schwachsinn"  versteht  M.  die  durch  den 
Gescblechtscharakter  der  Frau  bedingten  Schwächen  des  weiblichen  Geistes).  —  Über 
Kunst  und  Künstler,  1901.  —  Stachyologie,  1901.  —  Das  Pathologische  bei  Nietzsche, 
1902.  —  Die  Hoffnungslosigkeit  aller  Psychologie,  1906.  —  Ausgewählte  Werke, 
8  Bde.,  1904  (Über  Eousseau,  Goethe,  Gall  u.  a.).  —  Vgl.  LORENZ,  M.  als  Philosoph, 
1900. 

Jloderatns  aus  Gades,  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  Fragmente  seiner 
Schriften  finden  sich  bei  Stobaeus  (Eclogae),  Porphyr  (Vita  Pythagor.)  und 
Simplicius.  =  Neupythagoreer.  Nach  ihm  ist  die  Eins  das  Symbol  der  Einheit 
und  Gleichheit,  die  Ursache  der  Harmonie  der  Dinge;  die  Zwei  hingegen  ist 
das  Zeichen  der  Ungleichheit,  der  Trennung  und  Veränderung.  Die  Zahl  über- 
haupt ist  ein  Komplex  von  Einheiten  {ovotrjua  /lovädcov). 

Moleschott,  Jakob,  geb.  1822  in  Herzogenbusch,  Professor  der  Physio- 
logie  in  Zürich  (seit  1856),  Turin  (seit  1861)  und  in  Rom  (seit  1879),  gest.  1895 
in   Rom. 

M..  der  von  Feuerbach  beeinflußt  ist,  vertritt  nebst  einem  Empirismus  den 
Mechanismus  und  Materialismus,  zu  dessen  bedeutendsten  Verkündern  er  gehört. 
Alle  Erkenntnis  beruht  auf  Erfahrung,  auf  denkender  Zusammenfassung  der 
Sinneswahmehmungen.     Alles  Sein    ist  ein  Sein  durch  Eigenschaften  und  jede 


MOLEBCHOTT   —  MONBODDO. 

Eigenschaft  besteht   mir  durch  ein  Verhältnis.    Die  Scheidewand  zwischen  den 

Dingen  als  Erscheinungen  und  dein  Ding  an  .-ich  soll,  Dach  M..  dadurch  durch- 
brochen werden.    Ein  Gegenstand   i>t  nur  durch  -  ine   Beziehung  eh  anderen 
Gegenständen.    Haben    wir  alle  Eigenschaften  der  Dinge  erkannt,   die  auf  - 
entwickelten  Sinne  »inen  Eindruck  zu  machen  vermögen,  dann  haben  wir  auch 
das  Wesen  der  Dinge  erfaßt. 

Alles  Xaturgeschehen  besteht  in  Bewegung  der  Grundstoffe,  l>i«'  l'nv.-r- 
änderlichkeit  de-  BtoffvorratB  begründet  die  Ewigkeit  (\r>  Kreislaufes,  denn  der 
Stoff  ist  unsterblich.  Die  Bewegungsfähigkeit  i>t  eine  der  allgemeinsten  Eigen- 
schaften de-  stcttes.  Die  Kraft  ist  „kein  stoßender  ( ;<>tt.  kein  von  da  s 
liehen  Grundlage  getrenntes  Wesen  der  Dinge.  Sie  ist  des  Stoffes  unzertrenn- 
liche, ihm  von  Ewigkeit  innewohnende  Eigenschaft".  Überall  gilt  der  Satz: 
..Kein  Stoff  ohne  Kraft.  Aber  auch  keine  Kraft  ohne  Btoff."  Überall  Bind 
die  Eigenschaften  de-  Stoffes  dieselben,  daher  gibt  es  keine  besondere  Lebens- 
kraft. Die  Organismen  sind  aus  dem  Anorganischen  hervorgegangen  und 
nur  kompliziertere  Stofformen.  Auch  die  psychischen  Vorgänge  Bind  an 
den  Stoff  gebunden;  ohne  Gehirn,  ohne  Phosphor  in  diesem  kein  Gedanke. 
Das  Denken  ist  eine  Gehirnbewegung,  eine  „Umsetzung  des  Hirnstoffes",  eine 
„unzertrennliche  Eigenschaft  des  Gehirns".    In  der  Weh  ist  alles  stn  setz- 

lich  bestimmt.    So   auch   der  Wille,   der    „notwendige    Au-tlui'»   eine-   durch 
äußere  Einwirkungen  bedingten  Zustandes  des  I  lehirns". 

Schriften:    Physiologie    des    Stoffwechsels,   1851.    —     Der    Kreislauf   des    Le 
1852,  5.  A.    187G  — 85   (Hauptwerk).  —  Die   Einheit  des  Lehens,    I8r,4,  u.  a. 

-Molitor.  Franz  Josef,  geb.  1799  in  OberurseL,  eine  Zeitlang  Gymnasial- 
lehrer in   Frankfurt  a.  M..   dann   als  Schiiftstellei  und  durch  Unterredung  mit 

.-einen  zahlreichen     Besuchern    wirksam,    gest.  18G0   in   Frankfurt   a.  M.    =    M.. 
der   zuerst   von    Schelling,    Götres,    F,  v.  Schlegel   beeinflnßt   wurde.   Btehl   in 
seinem  Hauptwerke  ^Philosophie  der  Geschichte"  unter  dem  Rinflnsse  Baai 
und  der  ECabbala,  welche  letztere  ihm  geeignet   erscheint,   eine  Vertiefung    des 
Christentums  im  sinne  einer  höheren  Mystik  zu  bewirken. 

S<  hriften:  Ideen  zu  einer  künftigen  Dynamik  der  Geschichte,  1805.  —  Der 
Wendepunkt  des  Antiken  und  Modernen  oder  Versuch,  den  Realismus  mit  dem  Idealis- 
mus zu  vorsühnen,   1805.  —  Philosophie  der  Geschichte,   1827 — 5.'i 

llombort.  Alfred,  geb.  ls7_.  lebt  in  Seidelberg.  =  Pantheistischer 
1  lichter. 

S<  hriften:   Der  Glühende,  I.  A.    190t.     -  —    Der 

Denker.    L901.  —   Die  Blüte  des  Chaos,   1905.   —   Der  .'>,  u.  a. 

Monhodrio.  Lord  James  Burnet,  1714  L790.  =  In  -einer  Sprach- 
Philosophie  i..<m,  theOrigin  and  r            oi  Languaf  •  M.  dem  Ursprung 

der  Bprache  Dach,   irobei  er  den  Anteil  der  Reflexion,  aber  auch 
Moment  betont. 

B    hriften:    Ob    U  il    und    l'rogres!.    of    Un^ia^e .    1773— 8'J:    dtCBMl   (im 

Aus/.u^i    17.S4  —  85.     -    Ancie        M  niTornals.    17  7 


478  Mongre  —  Montaigne. 


llongre,  Paul  (Pseudonym  für  Felix  Hausdorff,  Prof.  der  Mathematik 
in  Leipzig,  geb.  1868  in  Breslau). 

M.  ist  von  Nietzsche  beeinflußt.  Dessen  Lehre  von  der  „ewigen  Wieder- 
kunft" hält  er  für  schlecht  begründet,  er  selbst  nimmt  aber  doch  die  „Möglich- 
keit einer  identischen  Reproduktion  jeder  einzelnen  Zeitstrecke"  an.  Die  Welt 
unserer  Erfahrung  ist  nicht  die  volle  Wirklichkeit,  sondern  nur  eine  der  mög- 
lichen Welten,  ein  von  unserem  Bewußtsein  vollzogener  „Ausschnitt  aus  dem 
gesetzlosen  Chaos".  Das  Chaos  der  Möglichkeit  enthält  eine  unzählbare  Menge 
kosmischer  Welten,  deren  jede  ihren  Inhabern  als  einzige  und  ausschließlich 
reale  erscheint.  Aus  dem  Chaos  scheidet  unser  Bewußtsein  unsern  Kosmos  als 
bestimmten  Weltzustand  aus. 

Schriften:  Sant-Uario,  Gedanken  aus  der  Landschaft  Zarathustras,  1897.  —  Das 
Chaos  in  kosmischer  Auslese,  1898.  —  Ekstasen,  1900. 

Moiiracl.  Markus  Jakob,  1816 — 1897,  Prof.  in  Christiania.  =  M. 
ist  wesentlich  von  Hegel  beeinflußt,  neigt  aber  zugleich  einem  mystisch  auf- 
gefaßten Christentum  zu.  Das  Wirkliche  ist  die  Idee,  welche  in  Natur  und 
im  Geiste  erscheint,  sich  offenbart.  Das  Absolute,  Gott  ist  Persönlichkeit,  die 
sich  zunächst  dem  Glauben  offenbart,  der  das  Wissen  antizipiert. 

Schriften:  Philosophische  Propädeutik,  1849;  4.  A.  1882.  —  Psychologie,  1850; 
5.  A.  1892.  —  Ethik,  1851;  4.  A.  1885.  —  Logik,  1881.  —  Ästhetik,  1889—90.  — 
Glaube  und  Wissen,  1892,  u.  a.  (alle  norwegisch).  —  Denkrichtungen  d.  neueren  Zeitr 
1879.  —  Die  Mysterien  d.  Christentums,  1896.  —  Die  menschl.  Willensfreih.  u.  d.  Böse,. 
1898.  —  Vgl.  Arch.  f.  syst.  Philos.  II. 

Montaigne,  Michel  de,  geb.  1533  im  Perigord,  erhielt  eine  gute  Er- 
ziehung, war  eine  Zeitlang  Maire  und  Parlamentsrat  in  Bordeaux,  später  lebte 
er  als  Schloßherr  seinen  literarischen  Neigungen  und  unternahm  wiederholt 
größere  Reisen,  die  er  in  einem  Tagebuch  („Journal  de  Voyage",  1906)  schilderte. 
Er  starb  1592,  als  ein  Mann,  der  das  Leben  von  seinen  besten  Seiten  zu  nehmen 
wußte,  über  große  Menschenkenntnis  verfügte  und  in  hohem  Maße  geist- 
reich war. 

M.s  „Essays"  gehören  zu  den  besten  Produkten  der  Weltliteratur.  Sie- 
enthalten eine  Menge  geistvoller  und  treffender  Bemerkungen  in  psychologischer 
Hinsicht  und  in  bezug  auf  „Lebensphilosophie",  ohne  aber  ein  geschlossenes 
philosophisches  Lehrgebäude  darzustellen.  Ein  gewisser  Eklektizismus  zeigt 
sich  hier  (vgl.  besonders  das  12.  Kapitel  des  2.  Buches :  „Rettung  des  Raymond 
von  Sabunde"),  eine  Mischung  von  metaphysischem  Skeptizismus,  für  den  die 
immer  wiederkehrende  Formel  „Que  sais-je"  charakteristisch  ist,  und  (epikureisch 
anmutendem)  Eudämonismus  verbunden  mit  einem  Verweisen  auf  die  gegebene 
Welt  des  Menschen,  auf  das  Leben.  Selbsterkenntnis  tut  not.  „Ich  studiere 
mich  selbst  mehr  als  irgend  einen  anderen  Gegenstand;  das  ist  meine  Meta- 
physik, das  ist  meine  Physik."  Auch  auf  die  Natur,  das  Naturgemäße  weist 
M.  hin.  Natürlich  und  vernünftig  leben  ist  die  Hauptsache.  Das  Ziel  alles 
Strebens  ist  die  Glückseligkeit.  Das  natürliche  und  glückliche  ist  zugleich  das. 
sittliche  Leben,  welches  Maß  und  Harmonie  zeigen  muß.  Alle  sittlichen 
ind  aus  Gewohnheiten  hervorgegangen,  sind  relativ,   wechseln  mit  den. 


Montaigne  —  Montesquieu. 


Zeiten  und  Völkern.    Relativ  sind  auch  die  Schönheitebegriffe  der  vena  neu 

Völker.     M.  betont   schon  den  Einfluß  des  Xaturmilieu  auf  die  Gewohnheiten 
und  Eigenschaften  der  Menschen.    Energisch  windet  Bich  M.  gegen  den  Dünkel 
des  Menschen,  als  ob  er  durch   sein  Wissen   die  Tiere  so  außerordentlich  über- 
treffe.     Unsere   Urteile    über   die    Dinge   sind    alle   relativ:    weder    durch  die 
Sinne  noch  durch  den  Verstand  können  wir  Sicheres  über  das  Wesen  dei 
entscheiden.    Gottes  Wesen  können  wir  nicht  erfassen.    Die  Ding«-  Btellen  Bich 
uns   nicht   in    ihrem  eigenen  Wesen   dar.    Unsere  Urteile   wechseln  BO  oft, 
hängen  von  physischen  und  leiblichen  Zuständen  und  verschiedenen  Umstanden 
ab.   sie  sind  unzuverlässig.     Die  Philosophen    sind   untereinander    aneinig    und 
auch  sonst  macht  eine  Theorie  der  anderen  Platz.     „Nur  Gott  allein  kann  Bich 
Belbst    denken    und    seine    Werke    erklären. ••     Nur   die  Offenbarung   führt   u    - 
auch  wo  ihre  Sätze  widervernünftig  sind,  auf   den   rechten  Weg  des  Glaubens. 
Nur  Gott  hat   wahres  Sein,   die  endlichen  Dinge  sind  in  beständigem  Werd 
begriffen. 

Schriften:  Übersetzung  der  „Theologia  naturalis"  des  Kaymund  von  Sa''unde, 
1569,  1589.  —  Essais,  1580,  1593  u.  ö.,  1872  (ed.  Courbet  et  Koyer) ;  deir 
1797—1801  (7  Bde.),  1908  f.  (hrsg.  von  Flake  und  Weigand,  8  Bde.),  1908  f.  (von 
Vollgraff).  —  Ausgewählte  Essays,  von  E.  Kühn  (5  Bde.),  1900.  —  Vgl.  P.  SlAlTKK. 
IL,  1895  (französisch).  —  G.  GüIZOT,  M.,  1899.  —  E.  KÜHN,  Die  Bedeutung  M- 
für  unsere  Zeit,   1904.   —  R.  RICHTER,  Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie  11.   1 

—  Worte  M.s,  hrsg.   von  H.  ROCK,  o.  J. 

Montesquieu,  Charles  de  Secondat.  Baron   de  la  Brede  et  de  M<>: 
quieu,  geb.  1689  zu  Brede  (bei  Bordeaux),  Rat  und  später  Präsident  des  Parla- 
ments  (Gerichtshof)   in  Bordeaux  (bis  1726),   dann   auf   Reisen  (England)    und 
schriftstellerisch  tätig,  gest.  1755  in  Pari-. 

Bf.,  der  von  Descartes  beeinflußt  ist,  hat  durch  Beine  Bchrift  „Vom  Geist 
der  <  resetze"  Btarke  Wirkungen  ausgeübt.  Das  Vorbild  der  guten  Verfassung 
eines  Staates  —  die  im  übrigen  sieh  dem  besondem  Volksgeist   anpassen   muß 

—  ist  die  englische  konstitutionelle  Monarchie  mit  ihrer  Trennung  da 
lativen.  exekutiven  und  richterlichen  Gewalt  und  ihrem  Zweikammersystem. 
Politische  Freiheit  gedeiht  am  besten  in  einer  konstitutionellen  Bionarchie. 
Zugleich  binden  -ich  bei  Bf.  geachichtspbilosophische  [deen  von  fundamentaler 
Bedeutung.  Kr  hat  /..  B.  schon  denBegrifi  des  „Volksgeistes"  (^'espril  •_■'  te*ral 
d'une  nati(»ir-i.  Dieser  Volksgeist  ist  bedingt  durch  das  Milieu  (besondi 
Klimai.  Von  diesem  sind  auch  die  sozialen  Einrichtungen  und  G  ib- 
hängig.    Auch   von   der  Art    der  Lebensfürsorge   usw.   Bind   di<    i               md 

—  iikturen  der  sozialen  Vereanigungen  ahhän- i-.    Dafür  erbringt  er  eine  M 

von  Beispielen.    G  iberhaupt   entspringen  dem  Wesen  der  Di  ip- 

po3 •  ui   derivent   de   la    oature  des  eh  \|!'    ' ' 

ihr.    < .  ach   die  geistigen    Wesen.     II    ist    1 1 

Unverbrüchlichkeit    der    Natu]  thne    deshalb    die    Willensfreiheit    tu 

leugnen.    Die  Sittlichkeit  und  Gerechtigkeit   beruht  auf  dem  srohlTerstandenen 
[nteresse,  welches  di<    Richtung  aui  di    i       mtheit  nimmt. 

-   porsane«,   1 7 ü  1 .  —  Com  -  »ur  les  cause»  do  la  grandeur 


480  Montesquieu  —  Morelly. 

des  Romains  et  de  leur  decadence,  1734.  —  De  l'esprit  des  lois,  1748  (Hauptwerk); 
deutsch  in  der  Universalbibl.  —  Oeuvres,  1767,  1788  f.,  1870  f.  —  Pensees  et  frag- 
ments  inedits,  1899—1901.  —  Vgl.  A.  SOREL,  M.,   1888;  deutsch  1896. 

llont^omery,  Ed.  =  M.  ist  Panpsychist  und  Vertreter  eines  Psycho- 
Titalismus. 

Schriften:  The  Vitality  and  Organisation  of  Protoplasma,  1904.  —  To  be  alive 
"what  is  itr  Monist  V.  —  Psychical  Monism,  Mind  II,  1892.  —  Philosoph.  Problems, 
u.  a. 

Jloore,  George  Edward.  =  M.  lehrt  eine  Art  Begriffsrealismus,  nach 
welchem  das  Seiende  aus  objektiven  Begriffen  besteht,  zu  denen  auch  die 
Existenz  gehört.  Die  Wahrheit  hat  vor  dieser  das  logische  Prius.  Etwas 
Ursprüngliches  ist  auch  der  Begriffsinhalt  „gut"  (gegen  den  Hedonismus). 

Schriften:  Principia  Ethica,  1903.  —  Abhandlungen  im  „Mind"  (N.  S.  VII, 
VIII,  IX),  u.  a. 

Moore,  Thomas  s.  Monis. 

]?lore9  Henry,  geb.  1614  zu  Grantham  (Lincolnshire),  Universitäts-Lehrer 
in  Cambridge,  mit  Cudworth  befreundet,  gest.  1687  in  Cambridge. 

M.  ist  ein  Vertreter  der  Cambridger  platonisierenden  Philosophen,  welcher 
neuplatonische  Anschauungen  unter  dem  Einflüsse  der  Kabbala  verarbeitet. 
Die  streng  mechanistische  Naturauffassung  Descartes  bestreitet  er.  Die  Körper 
bestehen  aus  homogenen ,  ausgedehnten  und  zugleich  beseelten  Einheiten, 
„Monaden"  (,,monades").  In  den  niederen  Wesen  sind  es  „keimkräftige 
Formen",  in  den  Tieren  und  beim  Menschen  Seelen,  wovon  die  Körper  durch- 
drungen werden.  Die  gesamte  Materie  beherrscht  ein  seelisches  Prinzip 
(„principium  hylarchicnm"),  der  allgemeine  Naturgeist  („spiritus  naturae")  oder 
die  Weltseele,  die  aber  nicht  Gott  selbst  ist,  nur  dessen  Werkzeug.  Imma- 
teriell ist  auch  der  einheitliche,  unbewegliche,  unzerstörbare,  unendliche  Raum. 
Dieser  Raum  ist  etwas  Reales,  ja  Göttliches  („reale  saltem,  si  non  divinum), 
als  Vorstellung  und  Ausdruck  der  Allgegenwart  göttlicher  Wirksamkeit  („rudior 
quaedam  vnoyqacpr],  i.  e.  confusior  quaedam  et  generalior  repraesentatio  omni- 
praesentis  essentiae").  Ahnliche  Anschauungen  finden  sich  bei  Clarke  und 
Newton. 

Schriften:  Enchiridion  metaphysicum,  Enchiridion  ethicum,  1668.  —  Briefwechsel 
mit  Descartes  (in  der  Descartes- Ausgabe  von  Cousin)  u.  a.  Opera  omnia,  1769.  —  Vgl. 
R.  WARD,  The  life  of  the  learned  and  pious  Dr.  H.  More,  1710. 

Morelly,  Abbe,  wirkte  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  =  M„  der 
wohl  von  Plato  beeinflußt  ist,  stellt  ein  sozialistisch-kommunistisches  Ideal  auf. 
Die  Quelle  aller  Mißstände  in  der  Gesellschaft  ist  der  Eigennutz,  welcher 
gegen  die  Naturordnung  ist.  In  einer  den  Kräften  und  Bedürfnissen  der 
Menschen  Rechnung  tragenden  Gesellschaft  darf  es  kein  Privateigentum  an 
den  Produktionsmitteln  geben.  Jeder  arbeitet  für  die  Gesamtheit  nach  seiner 
Kraft  und  erhält  einen  Anteil  des  Gesamtertrages  nach  seinen  Bedürfnissen. 

Schriften:  Essai  sur  l'esprit  humain,  1745.  —  Essai  sur  le  coeur  humain,  1745. 
—  Physique  de  la  beauti,  1748.  —  Le  code  de  la  nature,  1755;   2.  öd.  1760;    deutsch 


MORELLY   —   MOS]  481 


1846  (Hauptwerk).  —  Diese  Schrift  erschien  anonym  und  wurde  (bis  1847)  für  ein  Werk 
Diderots  gehalten. 

Morgan,  C.  L.,  amerikanischer  vergleichender  Psycholog.  =  Monistisch- 

•evolutionistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Habit  and  Instinct,  1896;  deutsch  1909.  —  Animal  Life  and  Intel- 
ligence,  1890 — 91.  —  Introduction  to  Comparative  Psychology,  2.  ed.  1903.  —  The 
Law  of  Psychogenesis,  Mind  N.  S.  I,  1892.  —  Three  Aspects  of  Monism,  Monist  IV, 
1903.  —  Psychol.  for  Teachers,  1906,  u.  a. 

Morgan,  Lewis  Henry,  1818 — 1881,  amerikanischer  Anthropolog  und 
Soziolog.  =  Nach  M.  ist  die  patriarchalische  Gesellschaftsorganisation  aus  der 
„matriarchalischen"  Gentilgenossenschaft  hervorgegangen. 

Schriften:  Ancient  Society,  1877;  deutsch  („Die  Urgesellschaft")  1891.  —  Rares 
and  Peoples,  1890. 

^loriniere«  Claude  Lefort  de,  Verfasser  einer  Schrift  „De  la  science 
qui  est  en  Dieu'*,  1718.  =  Anhänger  Malebranch.es,  Gegner  Leibniz'. 

Moritz«  Karl  Philipp,  geb.  1757  in  Hameln,  gest.  1793  in  Berlin  al> 
Professor,  Verfasser  des  psychologisch-biographischen  Romans  „Anton  Reiser" 
(1785—90)  und  Herausgeber  des  „Magazins  für  Erfahrungsseelenkunde".  1783 — 93, 
sowie  verschiedener  psychologischer  und  ästhetischer  Schriften  (Beiträge  zur 
Philos.  d.  Lebens,  2.  A.  1781;  Über  die  bildende  Nachahm.  d.  Schönen,  1788, 
2.  A.  1888). 

Vgl.  DESSOIR,  K.  Ph.  M.  als  Ästhetiker,  1889. 

]VIor$elli9  Emilio,  geb.  1852.    =    M.  ist  Positivist   und  evolutionistischei 

Monist. 

Schriften:  L'anima  funzione  biologica  del  corpo,  1886.  —  Le  ultimo  fasi  del- 
l'evoluzionismo,  1889.  —  L'evoluzionisrao  raonistico,  1889.  —  Elementi  di  soeiologia 
generale,   1898.  —  Introduzione  alla  filosofia  modema,  1908,  u.  a. 

Mortagne  s.  Walther  von  M. 

Moni*»  (Moore),  Thomas,  geb.  1480  in  London,  unter  Heinrich  VIII. 
Lordkanzler,  starb  (wegen  seines  Einspruches  gegen  die  Ehescheidung  des 
Königs)  auf  dem  Schafi'ot,  1535.  Er  ist  der  Verfasser  der  ersten  „Utopie"  als 
„ßtaatsroman":  „De  optimo  reipublicae  statu  deque  nova  insula  CTtopia",  1516 
u.  .'..,  1869;  deutsch  1846,  auch  in  der  UniversalbibL  (Opera.  L689).  =  In 
der  „Utopia"  (Name  einer  fingierten  Insel)  schildert  M.,  unter  dem  Einflüsse 
der  Platonischen  „Republik'',  einen  Idealstaat  mit  einer  kommunistischen 
Verfassung  und  Religionsfreiheit.  Hier  ist  jede  Art  der  Ausbeutung  verbannt, 
das  Gesamtwohl  ist  das  Ziel  alles  Handeln-.  Alles  gehört  allen,  alle  sind 
reich. 

Vgl.  g.  Th.  Kudhart,  Th.  m.,  1829.  —  Tu.  Ziegler,  Th.  IL,  IC 

Jlose*  ben  Maimon  s.  Bfaimonides. 

Moae*  ben  Josua  von  Narbonne  (Meister  Vidal),  gest.  13'       v 
von  Kommentaren    zu    Abhandlungen    des   Averroee,    nun  „Moreh    Nebuchim" 
des  Blaimonides  u.  a. 

i     -irr.  Philosophen-Lexikon.  '•! 


482  Mosso  —  MÜLLER. 


31  osso,  Angelo,   geb.  1846  in  Chieri,    Prof.   der  Physiologie  in  Turin.  = 
Mossos  Arbeiten  bringen  wichtige  psychophysiologische  Einzelheiten. 
Schriften:  Über  die  Furcht,  1889.  —  Die  Ermüdung,  1902,  u.  a. 

^lotukallimuii.  Lehrer  des  Kalam,  des  Wortes,  Dogmatiker,  Name 
orthodoxer  arabischer  Philosophen.  Zu  ihnen  gehören  besonders  die  Aschariten. 
=  Die  M.  (Aschariten)  nehmen  un ausgedehnte,  punktuelle,  von  Gott  geschaffene 
Atome  an,  die  sich  im  leeren  Kaume  bewegen.  Die  Zeit  besteht  aus  unteil- 
baren Momenten,  also  auch  aus  einer  Art  von  Atomen.  Das  eigentlich 
Wirkende  in  allem  ist  Gott,  so  daß  eine  Art  Okkasionalismus  gelehrt  wird: 
„Nullum  corpus  inveniri,  quod  actionem  aliquam  habeat,  verum  ultimum  tan- 
tum  agens  Deum."  Die  Bewegungen  der  Körper  sind  „Akzidentien",  die  von 
Gott  beständig  geschaffen  werden. 

Schriften:  Vgl.  SCHMÖLDER,  Documenta  philosophiae  Arabum,  1836;  Essai  sur 
les  ecoles  philosophiques  chez  les  Arabes,  1842.  —  DE  BOER,  Geschichte  der  Philo- 
sophie im  Islam,  1901. 

Muff,  Christian,  geb.  1841  in  Treffurt,  .Rektor  der  Landesschule  Pforta. 
=  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Idealismus,  1890;  4.  A.  1907.  —  Das  Schöne,  1888,  u.  a. 

Mnftelmaniu  Leo,  geb.  1881  in  Eostock,  lebt  in  Berlin. 

Schriften:  D.  Problem  d.  Willensfreiheit,  1902  (historisch.,  psychol. Determinismus). 

Mühry,  Adalbert  Adolf,  1810—1888,  lebte  seit  1854  in  Göttingen, 
Klimatolog.  =  Teleologischer,  idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Kritik  und  kurze  Darlegung  der  exakten  Naturphilosophie,  5.  A.  1882. 

lluirliead.  J.  H.  =  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  The  Elements  of  Ethics,  1892;  2.  ed.  1894.  —  Abhandlungen  im 
„Mind"   1896,   1897,  u.  a. 

Müller,  Georg  Elias,  geb.  1850  in  Grimma,  seit  1881  Prof.  in  Göttingen. 
=  Betreffs  der  Aufmerksamkeit  vertritt  M.  die  „Unterstützungstheorie",  wonach 
die  Aufmerksamkeit  physiologisch  in  einer  günstigeren  Stimmung  der  betreffenden 
Hirnzentren  besteht.  Das  Webersche  Gesetz  deutet  er  physiologisch  (Ver- 
hältnis der  Nervenprozesse  zu  den  äußeren  Eeizen). 

Schriften:  Zur  Theorie  der  sinnlichen  Aufmerksamkeit,  1873.  —  Zur  Grund- 
legung der  Psychophysik,  1879.  —  Theorie  der  Muskelkontraktion,  1891,  u.  a.  —  Mit 
Pilzecker:  Experimentelle  Beiträge  zur  Lehre  vom  Gedächtnisse,  Zeitschrift  für  Psychol. 
der  Sinnesorgane,  Ergänzungsband  I,  1900.  —  Mit  Schumann:  Experim.  Beitr.  zur 
Untersuch,  des  Gedächtnisses,  Z.  f.  Psych.  VI.  —  Zur  Analyse  der  Unterschiedsempfind- 
lichkeit (mit  L.  J.  Martin),  1899.  —  D.  Gesichtspunkte  u.  d.  Tatsachen  d.  psychophys. 
Methodik,  1903. 

3Iüller9  Johannes,  der  berühmte  Physiolog,  geb.  1801  in  Koblenz,  seit 
1833  Prof.  in  Berlin,  gest.  1858  daselbst.  =  M.  ist  der  Begründer  der  Lehre 
von  den  spezifischen  Sinnesenergien,  nach  welcher  jeder  Sinnesnerv  in  apriori- 
scher, angeborener  Weise  auf  jeden  Reiz  immer  mit  seiner  ureigenen  Empfin- 
dungsqualität reagiert,  woraus  die  vollständige  Subjektivität  der  Sinnesqualitäten 
(Farbe,   Ton  usw.)   folgt.     In  Kantianisierender  Weise  erklärt  M.  die  Empfin- 


MÜLLER. 

(Immen   für  Zeichen  von    an  sieh   unbekannten    Voi  Theorie   der 

spezifischen   Energien    wurde    von    Heimholt/,    Wandt  u.  a.  w<  ildel    und 

-  extrem  subjektivistischen  Charakters  entkleidet    Bf.  ist  Doch  Anhänger  der 

Theorie  einer  ., Lebenskraft ". 

Schriften:  Zur  vergleichenden  Physiologie  des  Gesichtssinnes,  1826.  —  Über  die 
phantast.  Gesichtserscheinungen,  1826.  —  Handbuch  der  Physiologie  des  Menschen, 
1833—40;  4.  Ä.   1841—44,  u.  a.   —   Vgl.  DU  Bois-ReYMOXD,  J.  IL,   1860. 

Müller,  Josef,  geb.  1S55  in  Bamberg,  lebt  in  Unterbrunn.  Herai  _ 
der  „Renaissance"  (1900— 19U7).  =  M.  vertritt  einen  modifizierten  aristotelisch- 
scholastischen Standpunkt,  welcher  von  der  Einheit,  Identität  und  Realität  des 
Ichbewußtseins  ausgeht.  Die  Seele  ist  das  gestaltende,  substantielle,  immate- 
rielle Formprinzip  des  Organismus  und  steht  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung. 
Gott  ist  theistisch  aufzufassen,  die  Ethik  nicht  von  der  Religion  zu  trennen. 

Schriften:  J.  Paul,  1894.  —  Die  Seelenlehre  Jean  Pauls,  1894.  —  Das  Wesen 
des  Humors,  1895.  —  Eine  Philosophie  des  Schönen  in  Natur  und  Kunst,  1897.  — 
System  der  Philosophie,  1898.  —  Reformkatholizismus,  1899.  —  J.  Paul-Studien,  1899. 
—  Moralphilos.  Vorträge,  1904,  u.  a. 

Müller,  .Max.  u;eb.  1823  in  Dessau,  seit  1854  Prof.  der  Philologie  in 
Oxford,  gest.  1900,  durch  seine  sprach-  und  religionswissenschaftlichen  Arbeiten 
berühmt,  Übersetzer  indischer  theologisch-philosophischer  Schriften  (z.  B.  der 
Tpanishads.  1884,  der  Vedischen  Hymnen,  1891). 

M..  der  u.  a.  für  die  Religionswissenschaft  durch  seinen  Begriff 
„Henotheismus"  (Annahme  eines  Gottes  als  Stammesgott  ohne  Leugnung 
fremder  Götter)  von  Bedeutung  ist,  definiert  die  Religion  als  die  Wahr- 
nehmung des  Unendlichen.  Der  Mensch  empfindet  den  „Druck  des  unend- 
lichen". Jede  Wahrnehmung  des  Endlichen  ist  von  der  Fühlung  des  Unend- 
lichen begleitet.  ..Dem  Menschen  muß  alles,  \«>n  dem  Beine  Sinne  kein  Ende 
sehen  und  keine  Grenzen  bestimmen  können,  als  im  rollen  sinne  des  Wortes 
endlos  und  grenzenlos  erscheinen.'*  Das  Bewußtsein  der  Grenze  involviert  das 
Bewußtsein  von  etwas  jenseits  der  Grenze  Liegenden.  Alle  Religion  beginnt 
mit  der  Xatnrverehrung  (Naturismus)  und  erhebt  Bich  von  der  Stute  der 
physischen  zur  anthropologischen  und  psychologischen   Religion. 

Die  Sprache  hat  ihren  Ursprung  in  Lauten,  welche  besonders  bei  gemein- 
samer Arbeit  („clamor  concomitans<r)   ausgestoßen    wurden,   erst    interjektiona] 
waren  und  dann  so  Begriffszeichen  wurden.    Die  Urworte  Bind  ihrer  Bedeutung 
oach  schon  Satze.    Die  Sprache   ist    eine   Bedingung  des   Denkens:     K 
Vernunft  ohne  Sprache.'4     Denken  ist  geradezu  Bprache, 

hriftcn:   Essays,   1869—76  (deutsch).    —    Bit  md 

Qrowtfa  of  Religion,   1878;  2.  ed.   1882;    de  ibtf    den    Qnprag  und 

die    Entwicklung    der    Religion),     1880;    I.    A.    1881 

deutsch    (Dm  Denken    im    Lichte    der    Sprache)    1888.    —    OÜford-VockaugM:    Natural 
•;  deutsch   1890.   —   Physical   Religion, 
ü   Koligion,   1891;   deutsch   1894.    —    ] 
b    1895.  —   Einleitung  in  die  :.swissenschaft,   1874,  u.  a. 


484  MÜLLER-LYEPv   —   MÜXsTERBERG. 


3IülIer-Iiyer,  Franz,  geb.  1887  in  Baden-Baden.  =  M.  vertritt  einen 
aktivistischen,  evolutionis tischen  Positivismus,  dessen  Endziel  die  Tat,  die  Ver- 
vollkommnung des  menschlichen  Lebens  im  Sinne  des  „Sozialindividualismus" 
ist,  eine  „euphoristische"  Philosophie.  Unter  „Euphorie"  versteht  M.  die  „Ver- 
bindung von  subjektiver  Glückseligkeit  und  objektiver  Vollkommenheit  des 
Lebens".  Das  Ziel  des  sittlichen  Handelns  wird  eudämonistisch,  aber  nicht 
hedonistisch-egoistisch  bestimmt.  Die  Lösung  der  großen  Menschheitsprobleme 
obliegt  der  Soziologie.  Die  höchste  Phase  der  Menschheitsentwicklung  ist  die 
der  aktiven  „Kulturbeherrschung". 

Schriften:  Physiologische  Studien  über  Psychophysik,  1886.  —  Psychophysische 
Untersuchungen,  1889.  —  Optische  Urteilsanschauungen,  1889.  —  Etüde  sur  la  Per- 
ceptibilite  differentielle,  1891.  —  Die  Entwicklungsstufen  der  Menschheit  (auf  8  Bde. 
berechnet).  I.  Die  Entwicklungsstufen  der  Menschheit,  1910.  II.  Phasen  der  Kultur 
und  Kichtungslinien  des  Fortschritts,   1908. 

Hüllner*  Laurenz,  geb.  1847  in  Großgrillowitz ,  Prof.  der  Philosophie 
(früher  der  katholischen  Theologie)  in  Wien. 

Schriften:  Eosenkrantz'  Philosophie,  1877.  —  Über  die  Bedeutung  Galileis  für 
die  Philosophie,   1894.  —  Literarische  und  kunstkritische  Studien,   1895,  u.  a. 

Hundt,  Theodor,  1808—1861,  Prof.  in  Berlin.  =  Von  Hegel  be- 
einflußt. 

Schriften:  Ästhetik,  1845;  2.  A.   1868. 

Jlünch.  Wilhelm,  geb.  1843  in  Schwalbach,  Prof.  in  Berlin. 
Schriften:    Neue   pädagog.  Beiträge,    2.  A.   1896.    —    Zukunfts-Pädagogik,    2.  A. 
1908.  —  Kultur  und  Erziehung,   1909,   u.  a. 

Münsterberg,    Hugo,  geb.  1863   in   Danzig,    Prof.   an   der   Harvard- 

University   in   Cambridge   (Vereinigte   Staaten),    1911    Direktor   des   Amerika- 
Instituts  in  Berlin. 

M.,  der  früher  Anhänger  der  Assoziationspsychologie  war  und  dem 
„psychophysischen  Materialismus"  insofern  nahe  stand,  als  er  die  Abhängig- 
keit der  psychischen  Vorgänge  von  den  Gehirnprozessen  betonte  und  die 
Existenz  einer  psychologischen  Kausalität,  selbständiger  Kausalverbindungen 
im  Psychischen  bestritt,  nennt  jetzt  seinen  psychologischen  Standpunkt 
„Aktionstheorie"  und  verbindet  mit  der  —  nur  als  abstrakte  Betrachtungsweise 
gültigen  —  psychophysiologischen  Auffassung  einen  an  Fichte  orientierten, 
voluntaristischen  Idealismus.  —  Vom  psychophysischen  Standpunkt  ist 
der  Wille  nach  M.  keine  eigene  Bewußtseinstätigkeit,  sondern  ein  Empfindungs- 
komplex, wie  überhaupt  alle  psychischen  Gebilde  aus  Empfindungen  als  ihren 
letzten  Elementen  aufzubauen  sind.  Der  Wille  ist  nichts  als  die  von  asso- 
ziierten Kopfmuskel-Spannungsempfindungen  häufig  begleitete  Wahrnehmung 
eines  durch  eigene  Körperbewegung  erreichten  Effektes  mit  vorhergehender 
Vorstellung  desselben.  Psychophysisch  ist  die  Willenshandlung,  der  äußerlich 
eine  Bewegung  parallel  geht  (als  ihre  Außenseite),  determiniert.  Der  Paralle- 
lismus   zwischen    dem    Physiologischen    und    Psychischen   ist  ein   universaler, 


MÜN8TEBBER6. 


gibt    kein    seelisch.-    G  Beliehen,    das    nicht    Bein    physiologisch! 

•k  hat. 

Die  Aktionstheorie  soll  von  der  Assoziationstheorie  die  Konsequenz 
psychophysischen  Parallelismus,  von  «Irr  (abzulehnenden)  Apperzeptions- 
theorie  (Wundts)  die  Berücksichtigung  der  aktiven  Seite  d<  s 
der  Aufmerksamkeit*-  und  Hemmungserscheinungen  herübernehmen.  6 
trachtet  die  Bewegungsantriebe  selbst  als  Bestandteil''  des  psychophysischen 
Pnvcsses.  Die  Aktionstheorie  verlangt,  ..daß  jeder  Bewußtseinsinhall  Begleit- 
erscheinung eines  nicht  nur  sensorischen,  sondern  Bensorisch-motorischen  Vor- 
gangs ist  und  somit   von   den   vorhandenen  Dispositionen  zur  Handlung  eben- 

hr  abhängt  wie  von  peripheren  und  assoziativen  Zuführungen".  Sie  bes 
allgemein.  ..daß  jede  Empfindung  und  somit  jedes  Element  des  Bewußtseins- 
inhaltes dem  Übergang  von  Erregung  zu  Entladung  im  Rindengebiet  zu. 
ordnet  ist.  und  zwar  derart,  daß  die  Qualität  der  Empfindung  von  der  räum- 
lichen Lage  der  Entladungsbahn  und  die  Lebhaftigkeit  der  Empfindung  von 
der  Stärke  der  Entladung  abhängt".  Die  Psychologie  muß  darnach  streben, 
jedes  psychische  Gebilde  als  Verbindung  von  Empfindungen  aufzufassen, 
weil  die  Empfindung  derjenige  einfachste  Bestandteil  der  Vorstellung  ist.  der 
noch  in  eindeutigem   Verhältnis  zu    Bestandteilen    des    Wahrnebmungsobjei 

eht  Die  psychischen  Zusammenhange  Bind  Abhängige  von  physiologischen 
Zusammenhängen. 

Da-  Psychische  überhaupt  ist  das,  was  nur  einem  Subjekt  erfahrbar 
ist.  Es  ist,  als  Gegenstand  der  Psychologie,  nichts  absolut  Wirkliches,  Dicht 
das  konkrete,  wirkende,  zielstrebige  Geistige,  Bondern  ein  abstraktes,  künst- 
liches, unwirksames  (inkausales)  Gebilde,  dasjenige,  was  von  der  Gesamtheil 
des  aen    übrig   bleibt,    nachdem    alles    Wirkliche    herausgelöst    ist,   das 

nicht  Objektivierbare  am  Gegebenen.      Der  Gegenstand  der  Psychologie  ist  ein 
Abstraktionsprodukt    wie    der    der    Naturwissenschaft,    etwas    vom    „stellu 
nehmenden"   Subjekt   Loagelöe  daß  die  Psychologie   nicht  zu  den  „sub- 

jektivierenden"  Geisteswissenschaften,  sondern  zu  den  „objektivierend 
Wissenschaften  gehört  Die  psychischen  Objekte  Bind  „lediglich  Für  den  I 
-ritt    und    niemals    für    das    wirkliche    Erlebnis  i  n".     Die   Einheil    i 

rtigen  Lebens  ist  nicht  der  Zusammenhang  psychologischer  Objekte,  der  aus 
d.-r  kausal-physiologischen   Koexistenz    und    Bukzession    der    Nervenerregunj 
tu  erklären  ist    l1  ds  K.  alit.it  ist  im  konkret-lebendigen  Wollen. 

Werten    und    Wirken,    als   Tätigkeil    „stellungnehmender"    Subjekt«  «n. 

Während  das  psychophyBische  Subjekt  das  objektivierte  Ich  in  der  Zeit  ist,  ist 

daS      aktuelle.      Wellende      >ul.|ekl       /eil!  %\      nicht     111    <1<  V      '/.'  H        -'hd-Il, 

zeitsetzend  und  unsterblich  i       :  ist  Wille,   d      l  ben  ein 

-  stem    von    Woiiun-eii.     Di    -  ist  di    8        Q  individueller  Wollungen, 

das  in  der  gesamten    Reihe   wirkliche]    Wollungen   sich   auslebt    and   doch   in 
jedem  neuen  Akt  sich  mit  dem  gesamten  System  identisch  letzt     Die  aktuelle 
narrend,  einheitlich,  selbstbewußt,  ansterblich,  I 
Mit  den  Akten  und   Beziehungen   der   itellungnehmendei     -      ekte   hf 
ei   di«    Geisteswiss«  iften   zn    tun.      Hier   gibt   es   k.m.    kausale  Ei 


480  MÜNSTERBERG. 


klänmg,  sondern  nur  Deutung  und  Wertbeurteilung.  Es  ist  die  Aufgabe  der 
Geschichte,  die  Wesen  so  aufzufassen,  daß  „ein  geschlossener  Zusammen- 
hang aller  Wesen  durch  Willensidentitäten"  möglich  wird.  Die  Welt  der 
Geschichte  ist  nur  teleologisch  zu  erfassen,  als  eine  Welt  der  wollenden  Wesen 
unter  dem  Gesichtspunkte  der  Identität. 

Der  Wille  zur  objektiven  Erkenntnis  fordert  für  die  Naturwissenschaft  die 
Objektivierung  durch  Loslösung  der  Erlebnisinhalte  vom  Subjekt ,  die  Ge- 
staltung dieser  zu  quantitativen  Kelationen,  zu  einer  streng  kausal-gesetzlich 
determinierten  Welt,  in  der  auch  der  Wille  nicht  mehr  eine  freie  Potenz,  son- 
dern ein  determinierter  Vorgang  ist.  „Es  muß  uns  logisch  wertvoll  sein,  die 
Welt  als  wertfrei  zu  denken,  und  unser  freier  Wille  entscheidet,  daß  wir  die 
ursprünglich  als  Willensmotiv  erlebte  Wirklichkeit  in  ein  Universum  verwan- 
deln, in  dem  wir  selbst  nur  ein  winziger  unfreier  Teil  und  unser  Wille  ein 
notwendig  ablaufender  Vorgang  ist."  Während  wir  in  unmittelbarer  Wirklich- 
keit stellungnehmende  Subjekte,  Willenseinheiten,  und  die  Dinge  Inhalte,  Ziel- 
punkte, Zwecke  und  Mittel  des  Willens  sind,  werden  sie  für  den  Standpunkt 
naturwissenschaftlicher  Erkenntnis  zu  wertfreien,  abstrakten,  kausal  zusammen- 
hängenden Objekten.  „Nicht  vorgefundene  Tatsachen  und  daraus  abgeleitete 
Kausalgesetze  sind  die  Wirklichkeit,  sondern  Zielsetzungen  und  Postulate 
stehen  am  Anfang."  „Die  wirklichen  Objekte  sind  gültig  und  wertvoll,  die 
abgelösten  Objekte,  die  physischen  und  die  psychischen,  existieren." 

Die  Voraussetzung  einer  objektiven  Welt  ist  der  wertende  Wille,  der 
„Wille  zur  Welt",  welcher  absolut  unabhängig  von  aller  Subjektivität  gilt,  den 
Grundwert  bildet,  aus  dem  sich  alle  anderen  Werte  ergeben.  Die  Bewertung 
geht  dem  Sein  voran.  Der  Wert,  der  die  Existenz  setzt,  ist  ein  „Daseins- 
wert". Soll  das  Erlebnis  mehr  als  ein  Traum  sein,  so  muß  gefordert  werden, 
„daß  jedes  Einzelne  über  das  gegenwärtige  Erleben  hinaus  sich  erhält  und  so- 
mit in  einer  anderen  Erfahrung  wiederkehrt".  —  Alles  Bewerten  setzt  einen 
Willen  voraus,  der  Stellung  nimmt  und  Befriedigung  findet.  Aber  diese  Be- 
friedigung ist  nicht  mit  dem  Lustgefühl  zu  verwechseln,  und  es  gibt  ferner 
unbedingte,  absolute  Werte,  die  zwar  nicht  außerhalb  jedes  Bewußtseins 
liegen,  aber  von  allem  Wollen  der  Menschen  unabhängig  sind,  weil  sie  für 
jedes  Geisteswesen  gültig  sind,  das  mit  uns  unsere  Welt  teilt.  Absolut  wert- 
voll ist  schließlich  das,  was  dem  Willen  des  „Über-Ich"  gemäß  ist.  —  Aus  dem 
Grundwert  nun.  der  sich  aus  der  Existenz  einer  Welt  ergibt,  ergeben  sich  die 
übrigen  absoluten  Werte,  die  ein  geschlossenes  System  bilden.  Es  gibt:  Werte 
der  Erhaltung,  der  Übereinstimmung,  der  Betätigung,  der  Vollendung.  Weiter 
sind  zu  unterscheiden:  Daseins-,  Einheits-,  Entwicklungs-,  Gotteswerte;  Werte 
des  Zusammenhangs,  der  Schönheit,  der  Leistung,  der  Weltanschauung.  Alle 
Arten  der  Werte  hängen  logisch-teleologisch  miteinander  zusammen  und  treten 
in  verschiedener  Form  der  Bewußtheit  auf  (Lebens-,  Kulturwerte). 

Der  Wille  zur  Welt  ist  „Wille  zur  identischen  Verwirklichung  unserer 
Erlebnisse",  als  die  Tathandlung,  die  eine  von  den  einzelnen  Subjekten  unab- 
hängige, allgemeingültige,  beharrende  Welt  setzt.  Sich  selbst  behauptende 
Einheit  ist  der  Kern  des  Seins.      Das  Absolute  ist  ein  Streben,   das  sich  selbst 


.    MÜXSTEBBEBG   —  MüSSCHESBBOEK.  487 

Inhalt  ist  und  das  seinen  Inhalt  festzuhalten  strebt.     Sobald  das  „Grund-Ich" 
oder  „Über-Ich"   (vgl.  Fichte)   in  sich   ein   begrenztes,    persönliches   Ich   - 
muß  sein  ungeschiedener  Inhalt  sich  in  Ich,  Mit-Ich,  Nicht-Ich  sondern.     Das 
Über-Ich  ist  „Wille  zum  festhaltenden  Ineinssetzen'\  es  ist  kein  Ding,  sondern 
Tat,  Wirksamkeit,    Leben  (Aktualismus).     Die  ganze  Fülle  der  Erfahrui  _  - 
werte   geht   aus   der   Besonderun^-   des    Urstrebens  zu  einem  begrenzten    I<h 
hervor.     „Durch   seine  eigene  Tat   verwirklicht  so  das  Uretreben  sich  stetig  in 
den  reinen  Werten  des  logischen,  ästhetischen,  ethischen  und  religiösen  Lebens. 
Das  Über-Ich  trägt  also  die  Erfahrungswelt    und   betätigt   sich  in  ihr.--      Alles 
ierf  Willenstat,    ein    Sichselbsten tf alten    des    Wollens.     „Das    an    sich    zeitlose 
Streben    sondert  sich  in  eine  unendliche  Reihe  von   Strebungseinheiten."     Die 
raumzeitliche  Natur  hat  als  solche  nur  für  die  Individuen  Wirklichkeit.      l>i.' 
Natur    isl    als    Gegenstand   der   Daseins-    und    Zusammenhangserkenntni- 
„erstaiTtes    Wollen",    ein   Wollen,    das  nicht  über  sich   hinaus  will.      J>;i-   I   I 
erweitert  sich  durch  eigene  Tat  zum  Über-Ich.      In   der   verschmelzenden    All- 
heit  der  Werte  finden   wir  in   uns   selbst   das   göttliche  Über-Ich,   in  welchem 
aller   Gegensatz    aufgehoben   wird   und   alles   sich   zur   Einheit    verknüpft    — 
Sittliche   Lebensaufgabe  ist  es,  schlechthin   gültig  reine  Werte  durch  unsere 
Tat  zu  verwirklichen.     Selbsttreue  ist  das  einzige  sittliche  Gebot. 

Schriften:  Die  Lehre  von  der  natürlichen  Anpassung  in  ihrer  Entwicklung,   1885. 

—  Die  Willenshandlung,    1888.    —    Der  Ursprung  der  Sittlichkeit,    1889.    —    Be 

zur  experimentellen  Psychologie,  1889  —  92.  —  Aufgaben  und  Methoden  der  Psycho- 
logie,   1891.    —    Grundzüge  der  Psychologie,    I:    Die  Prinzipien  der  Psychologie,   1900. 

—  Philosophie  der  Werte,  1908.  —  Psychology  and  Life,  1899.  —  The  Etemal  Yalue«, 
1909.  —  Psychol.  and  Crime,  1909.  —  Science  and  Idealism,  1906.  —  Eternal  Life, 
1905.  —  Harvard  Psychol.  Studies,  1903—06.  —  Essays  in  Psychology,   190s,   u.  a 

llünz,  Bernhard,  geb.  1850  in  Wien,  lebt  daselbst.  =  Von  Frohschammer 
el  a.  beeinflußt. 

8    hriften:    Die   Keime  der  Erkenntnistheorie  in  der   ronephistMChen  Philosophie, 
1880.  —  Die  Erkenntnis-  und  Sensationstheorie  des  Protagoras,   1880.  —  Die  vorsoknt- 
tische  Ethik,   1882.    —    Protagoras  und  kein   Ende,   1883.    —    Lebens-    und    Weltti 
1894.    —    J.  Frohschammer,    1895.    —    Briefe  von   und  über  t-rohschammer,   1897.    — 
M.   Lazarus,   1900,  u.  a. 

llnxoiiiiis   Rnfns   aus    Volsinii,    lehrte  (zuersl    unter   \  □   Rom 

Philosophie.  Zu  Beinen  Schülern  gehön  Epiktet  Ein  anderer  Schüler,  Poilio, 
hat  die  V  des  M.  in  griechischer  Sprache  aufgi   eichnel    und  aus  d 

hat  wohl  Stobaeus  Beine  Berichte  entnommen.  =  M.  isl  ein  Stoiker  von  be- 
sondere lauterer  Gesinnung.  Die  Philosophie  isl  ein  Mitte)  zur  Tugend  und 
bedarf  keiner  Spitzfindigkeiten.  Lust  und  Unlust  vergehen,  das  Gute  und 
Schlechte  aber  bleibt  bestehen. 

Schriften:  C.  Musonii  reliquiae,  ed.   Hense,    19< 

MuMlieabroek*    Peter  van,    1602—1761,  •   Prof.  in  Leiden, 

Physiker. 

Schriften:    Elements   phjtioe«,    1^  1747 

i.  naturalem,   1 78t,  u.  a. 


488  Mussmann  —  Nahlowsky. 

^Inssmann,  Johann  Georg,  gest.  1833  als  Professor  in  Halle.  =  Zuerst 
eifriger  Anhänger  Hegels,  dann  etwas  freier  denkend. 

Schriften:  Lehrbuch  der  Seelenwissenschaft,  1827.  —  Grundlinien  der  Logik 
und  Dialektik,  1828.  —  Grundriß  der  allgemeinen  Geschichte  der  christlichen  Philo- 
sophie, 1830. 

Jlutschelle,  Sebastian,  geb.  1749  in  Allertshausen  (Bayern),  katho- 
lischer Pfarrer,  gest.  1800  als  geistlicher  Eat  in  Freisingen.  =-  Anhänger 
Kants. 

Schriften:  Über  das  Sittlich-Gute,  1788.  —  Kritische  Beiträge  zur"Metaphysikr 
in  einer  Prüfung  der  Stattlerschen  an  tikan  tischen  Lehre.  Vermischte  Schriften;, 
1794 — 98;  2.  A.  1799.  —  Versuch  einer  solchen  faßlichen  Darstellung  der  Kantschen 
Lehre,  daß  hieraus  das  Brauchbare  und  Wichtige  derselben  für  die  Welt  einleuchten 
möge  (fortgesetzt  von  Thanner),  1799—1805.  —  Vgl.  K.  WEILLER,  S.  M.s  Leben^ 
1803. 


HS. 


Xaassener  (vom  hebräischen  „nahas",  Schlange)  oder  Ophiten,  Mit- 
glieder einer  alten  gnostischen  Sekte,  welche  den  Schlangengeist,  der  als  ein 
böses  Wesen  galt,  zugleich  als  gutes  und  weises  Wesen  verehrten.  Ihre  und 
der  Peraten,  einer  verwandten  Sekte,  Lehren  sind  durch  Irenaeus,  Hippo- 
lytos  u.  a.  überliefert.  =  Die  Ophiten  bezeichnen  sich  selbst  als  „Gnostiker". 
indem  sie  von  der  Erkenntnis  des  Menschen  zur  Erkenntnis  Gottes  fort- 
schreiten wollen  {o.QX'h  TsXsicooscog  yvcöoig  ävd Qocmov ,  fieov  de  yvwaig  äjii]QUö/Li£vr/ 
re/.sicootg).  Von  dem  göttlichen  Urvater  wird  der  Sohn  der  Sophia,  Jaldabaoth 
als  der  Deminrg  unterschieden,  welcher  selbst  der  höchste  Gott  sein  will.  Von 
ihm  wird  einerseits  der  böse  Schlangengeist,  anderseits  der  mannweibliche  Ur- 
mensch (Adam)  erzeugt,  der  vom  göttlichen  Geiste  beseelt  ist.  Den  Menschen 
verkündete  später  Christus  den  göttlichen  Charakter. 

Vgl.  A.  KÖNIG,  Über  die  Ophiten,  1889.  —  W.  SCHULTZ,  Dokumente  der 
Gnosis,  1910. 

Nahlowsky,  Josef  W„  war  Prof.  der  Philosophie  in  Graz. 

X.  ist  Anhänger  Herbarts.  Gefühl  und  Streben  sind  nur  „besondere 
Modifikationen,  die  sich  mit  den  Vorstellungen,  bei  ihrem  Zusammentreffen  im 
Bewußtsein,  ereignen".  Das  Gefühl  ist  das  unmittelbare  Innewerden  der  Hem- 
mung oder  Förderung  unter  den  eben  im  Bewußtsein  vorhandenen  Vor- 
stellungen oder  das  „unmittelbare  Bewußtsein  der  momentanen  Steigerung 
oder  Herabstimmung  der  eigenen  psychischen  Lebenstätigkeit".  Der  „Ton"' 
der  Empfindung  ist  vom  Gefühl  zu  unterscheiden.  Die  „gemischten"  Gefühle 
sind  Gefühlsoszillationen.  —  Im  Ästhetischen  gehören  Form  und  Inhalt  zu- 
sammen. —  Die  Gesellschaft  bildet  insofern  eine  „Kollektiv-Persönlichkeit", 
als  sie  ein  gemeinsames  Ziel  zu  erreichen  strebt.  Der  Staat  ist  ein  geistiger 
Organismus,  eine  Gesamtpersönlichkeit. 

Schriften:    Das  Gefühlsleben,  1862;    2.  A.  1884;    3.  A.  1907.    —  Die  ethischen 


Xahlowsky  —  Natobp. 


Ideen,  1865;  2.  A.  1904.  —  Grundzü^e  zur  Lehre  \un  der  Gesellschaft  und  dem  Staate, 
1865.  —  Allgemeine  praktische  Philosophie,   1870;  '6.  A.   l9o;j,  u.  a. 

Xatorp,  Paul,  geb.  1854  in  Düsseldorf,  Univ. -Prot,  in  Marburg. 

X.    ist    einer    der     Hauptvertreter    des     Neukantianismus     („Marl 
Schule")   in  der   Form    des    „methodischen  Idealismus"  (vgl.  Cohen);    auch  i-t 
er  in   manchem  von  Plato  beeinflußt. 

Die  Psychologie  hat  nach  X.   die  Aufgabe,   aus    den   Objekten,   welch« 
durch   Verarbeitung    der   subjektiven   Erscheinungen   zu   allgemeingültigen  Zu- 
sammenhängen entstanden   sind,   die  ursprüngliche  subjektive   Erscheinung  zu 
rekonstruieren,    also    die    „Zurückleitung    der   bis    zu    einem    gewissen    Punkte 
durchgefühlten  Konstruktion  des  Gegenstandes  bis  auf  die  letzten  erreichbaren 
subjektiven  Quellen  im  unmittelharen   Bewußtsein,  von  denen  sie  ausgegangen 
war,  gleichsam   durch  Umkehrung  jenes  ganzen  Prozesses  der  Objektivierung" 
Vom  Bewußtseinsinhalt   ist   die   Bewußtheit   als    „Beziehung  auf  das  [ch"   zu 
unterscheiden,  so  aber,    daß  beide  nur  eine  auf  zwei  Weisen  ausgedrückte  Tat- 
sache  bezeichnen.     Die  begrifflich   herausgehobene    Bewußtheit  allein  ist  leer, 
es  i-t  daran  nichts  zu  beschreiben,  sie  ist  etwas  Unableitbares.    Eine  besondere 
l>-yrhologische  Kausalität  existiert  nicht.     Das  Denken  ist  aktive  Bewußtseins- 
tätigkeit     Der   Wille    ist   „Zielsetzung,    Vorsatz  einer  Idee,  d.  h.    eines    I 
sollten".      Alle  Tendenz  ist  „Tendenz  zur  Einheit''.      Verstand   und  Wille  sind 
zwei    Richtungen    desselben    Bewußtseins.      Das  oberste  Prinzip  des  Willens 
die    „formale    Einheit    der    Idee,    nämlich    das    unbedingt    Gesetzliche-.      1 
Stufen    der    Aktivität    sind:    Trieb,     Wille,    Vernunftwille.      Der    Wille    selbst 
entscheidet    auf  Grund   des   Urteils   durch   eigene   Gesetzliehkeit.      Das   Natur- 
gesetz  läßt   das  ., Urteil  des  Willens  frei",   richtend  i>t   dann  das  „Gesetz  der 
Idee  . 

Logik  und  Erkenntnistheorie  sind  von  der  Psychologie  unabhang 
1»;.  Denkgesetze  sind  nicht  Naturgesetze,  auch  nicht  psychologische  oder 
teleologische  Gesetze,  sondern  sie  besagen:  Wenn  man  so  und  -<»  denkt.  so 
denkt  man  Wahres.  Die  apriorische  Gewißheit  gründet  Bich  liier  rein  aui  den 
Inhalt  des  Gedachten,  ohne  Rücksicht  auf  den  psychologischen  Denkvoll- 
zug. l>ii'  Erkenntnis  (d.  h.  die  ..Ordnung  der  Erscheinungen  unter  Gesetzen*') 
hat  apriorische  Grundlagen,  reine  Setzungen,  Methoden  de-  Denkens, 
Ideen.  ..Die  Idee  sagt  das  Ziel,  den  anendlich  fernen  Tunkt,  der  die  Rieh tnj 
des  Weges  der  Erfahrung  bestimmt;  denn  sie  sagt  das  Gesetz  ihre-  Ver- 
fahrens.«    Durch   da-   Grundgesetz   des    Bewußtseins   ist   „Einheit  unbedingt 

■nlert.  Die  Kategorien  sind  Formen  des  Gedachten,  <\<\-  Erkenntnis- 
inhalte, logische  Voraussetzungen  und  Grundlagen  der  Erfahrui 
und  des  exakten  Wissens,  ha-  l'iteil  i-t  nicht  »ine  Zusammensetzung  von 
Begriffen,  sondern  «'in  „Bestimmen",  mit  dem  erst  Begriffe  erstehen.  Die 
Mathematik  hat  Logische  Grundlagen,  i-t  logisch  bedingt,  nicht  empirisch. 
Am  Leitfaden  der  apriorischen  Denkeinstellung  auf  anbedingte  Einheil  . 
staltet  die  Wissenschaft  methodisch  in  einem  nie  heemligten  rr../«— .  dir  Welt 
der  Objekte     Erscheinungen);    das  „Ding  an  sich"   i-t   nur  ein  Grenzbtyrifl 


490  Natorp. 

ein  nie  erreichtes  Ideal  einer  Totalerkenntnis.  Objekte  sind  die  „Konstanten 
der  Erkenntnis",  gesetzmäßige  Zusammenhänge  von  Inhalten,  auf  die  wir  zu- 
verlässig rechnen  können,  nicht  transzendente  Dinge.  Der  Gegenstand  der 
Erkenntnis  ist  ein  x,  nie  Datum,  stets  Problem.  „Der  Gegenstand  ist  nicht 
gegeben,  sondern  vielmehr  aufgegeben ;  aller  Begriff  vom  Gegenstand  .  .  .  muß 
erst  sich  aufbauen  aus  den  Grundfaktoren  der  Erkenntnis  selbst,  bis  zurück  zu 
den  schlechthin  fundamentalen." 

Die  Ethik  behandelt  N.  formal  nach  deduktiv-kritischer  Methode,  inhalt- 
lich im  Geiste  Kants,  aber  mit  Modifikationen  unter  dem  Einfluß  Piatos  und 
mir  größerer  Betonung  der  sozialen  Seite  des  Ethischen.  Die  „Söfcial- 
pädagogik",  in  welcher  N.  Ethik,  Pädagogik  und  Sozialphilosophie  vereinigt, 
ist  „Theorie  der  Willensbildung"  auf  der  Grundlage  der  Gemeinschaft  und 
hat  zum  Problem  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Erziehung  und  Gemein- 
schaft. Sie  betrachtet  die  Erziehung  als  bedingt  durch  das  Gemeinschafts- 
leben und  als  bedingend  für  dieses.  „Durch  Arbeit  und  Willensregelung  zum 
Vernunftgesetz  muß  auch  die  Gemeinschaft  fortschreiten."  Der  Mensch  wird 
zum  Menschen  allein  durch  menschliche  Gemeinschaft.  Jede  menschliche  Ge- 
meinschaft ist  Willensgemeinschaft.  Die  Materie  der  sozialen  Eegelung  sind 
die  „sozialen  Arbeitstriebe"  (nicht  wie  bei  Stammler,  von  dem  N.  hier  beein- 
flußt ist,  die  Wirtschaft).  Das  Richtmaß  für  die  soziale  Regelung  gibt  die 
soziale  Vernunft  ab.  Es  gibt  so  eine  soziale  Teleologie.  Die  drei  Grund- 
klassen sozialer  Tätigkeit  sind:  Arbeit,  Willensregelung,  vernünftige  Kritik. 
Sozialer  Endzweck  ist  ein  Leben,  in  dem  die  Vernunft  herrscht,  fortschreitende 
Vereinheitlichung  zur  vollen  Befreiung  der  Individualitäten. 

Wenn  auch  das  Wollen  des  Guten  individuell  ist,  so  ist  doch  das  Gute 
selbst  überindividuell,  das  sittliche  Bewußtsein  kann  sich  nur  in  der  Gemein- 
schaft bilden.  Sittliches  Bewußtsein  ist  Gemeinschaftsbewußtsein.  Sittlich- 
keit besteht  im  vernünftigen  Wollen,  im  Wollen  der  Einheit  menschlicher 
Zwecke  und  allseitiger  Entfaltung  des  Menschenwesens.  Die  Sittlichkeit  des 
Individuums  ist  die  Tugend,  welche  verschiedene  Seiten  und  Richtungen  hat; 
ihre  ursprünglich  zu  unterscheidenden  Seiten  sind  die  Kardinaltugenden.  Tugend 
im  allgemeinen  ist  „die  rechte,  ihrem  eigenen  Gesetz  gemäße  Beschaffenheit 
menschlicher  Tätigkeit".  Die  Kardinaltugenden  sind:  Wahrheit  (Tugend  der 
Vernunft),  Tapferkeit  oder  sittliche  Tatkraft  (Tugend  des  Willens),  Reinheit 
oder  Maß  (Tugend  des  Trieblebens),  Gerechtigkeit  (=  der  Inbegriff  der  drei 
anderen  Tugenden  im  Verhältnis  zur  Gemeinschaft).  Die  Tugenden  der  Ge- 
meinschaft sind  Anwendungen  der  individuellen  Tugenden  auf  das  Gemein- 
schaftsleben. Die  soziale  Tugend  besteht  im  normalen  Verhältnis  der  drei 
Gnindfaktoren  der  wirtschaftlichen,  regierenden,  bildenden  Tätigkeit. 

Die  Religion  beruht  auf  dem  Gefühl,  der  Grundlage  von  Erkenntnis, 
Wille  und  Phantasie,  dem  objektlosen  Bewußtsein.  Die  Unendlichkeit  des 
Gefühls  wird  in  der  Religion  zum  Gefühl  der  Unendlichkeit  und  Ewigkeit, 
hat  aber  keinen  Gegenstand.  Das  Unbedingte  ist  nirgends  als  Gegenstand 
gegeben,  nur  als  Willensziel,  als  unbedingtes  Seinsollendes  liegt  es  vor  uns,  als 
das    Unwandelbare,   Ewige,   absolut   Gültige.     Der  Kern   der  Religion   ist  die 


Natorp  —  Xki>. 

Idee     des     Menschentums     auf     Grundlage     des     sittlichen     Gen 
irußtseins,    wobei    der    symbolische    Werl    positiv-religiöeer    VorstelliiDgei]   er- 
halten bleibt. 

Schriften:    Descartes'    Erkenntnistheorie,    1882.    —    Forschungen    zur   Geschi 
dea    Krkenntnisproblems    im    Altertum,    1884.    —    Einleitung    in    die    Psychologie    nach 
kritischer  Methode,   1888.    —    Über    die    logischen    Grundlagen  der  neueren  Mathematik, 
Archiv    für    systemat.    Philos.,    Yll.    —    Die  Ethica  des  Demokritos,   1893.    —    I: 
innerhalb    der   Grenzen    der    Humanität,    1894;    2.  A.   1908.    —     Pestalozzis  Ideen    über 
Arbeilerbildung    und    soziale    Frage,     1894.     —     Piatos   Staat    und    die    Idee  der  B 
pädagogik,   1895.    —    Grundlinien  einer  Theorie  der  Willensbildung,    Archiv    für    t) 
Philosophie   1 — III,    1895 — 97.    —    Ilerbart,  Pestalozzi    und    die    heutigen  Aufgaben    der 
Erziehungslehre,    1899.    —    Sozialpädagogik,    1898;    2.  A.   1904;    3.  A.   1909.  —  Piatos 
Ideenlehre,    1903    (N.    faßt    die    „Ideen"    nicht   als    metaphysische  Wesenheiten,   sondern 
als    apriorische    Denkgebilde,    als    „Grundlagen"    der    Erkenntnis  auf).  —    Philosopi 
Propädeutik,    1903;    3.    A.    1909.    —    Allgemeine    Psychologie,    1904;    2.    A.    1910.    — 
Logik,   19<>4.  —  Allgemeine  Pädagogik,  1905.    —   Pestalozzi,    Leben  und  Wirken,   19oä. 

—  Jemand  und  Ich,   ein    Gespräch   über    Monismus,    Ethik   und    Christentum,    190G.    — 

melte  Abhandlungen  zur  Sozialpädagogik,  1907.  —  Philosophie  und  Pädagogik, 
1909.  —  Die  logischen  Grundlagen  der  exakten  Wissenschaften,  1910.  —  Philosophie, 
1911,  u.  a. 

Naaslphanes^  Anhänger  des  Demokrit  und  Lehrer  Epikurs. 
BüDHAUS,  Rheinisches  Museum,  1893. 

Aaville.  Ernest,  geb.  1816  in  Chancy,  Prof.  in  Genf. 

\.  vertritt  einen  christlich  orientierten  Spiritualismus,  mit  Annahme  eines 
■  liehen  Gottes,  «'hier  immateriellen  Seele,  einer  Willensfreiheil  und  Un- 
sterblichkeit Die  Wissenschaften  teilt  N.  so  ein:  Theorematique,  Bistoire, 
Canonique    Gesetzes-,  Geschieh ts- ,   N'ormwissenschaften).     Unter  „Nomol 

•  In  N.  die  abstrakt«    G  -  tzeswissenschaft 

Schriften:  Le  probleme  du  mal,  18G8  ;  deutsch  1871.  —  La  vie  eternclle,  15.&L  1  - 

—  Le  christianisme,  1878.  —  La  logiquo  de  l'hypothcse,  1880.  —  La  physique  moderne, 

2.  t'.l.    1890.    —    Le  libre  arbitre,    1890;    2.    ed.    1898.    —    La  didinition 
Philosophie,  1894.  —    L'ordro  de  la  nature  materielle,    1895.  —  Los  phüoaop] 
tives,  1899.  —  Nouvelle    Classification    des  :     —    Le 

atürmativi'-,    1909,    u.   a. 

\pcb.  Johann,  1767—1843,   kurze  Zeil    Prof.  in  Bonn   und   Main/,  dann 
Bürgermeister  und  Landtagt  rdneter. 

B    h  ritten:   Byatcaa   der  kritischen    Philosophie,    auf 
gTÜndet,    179ä  —  96    (von    Keinhold    und    Tetens  beeinflußt),    —    Wniu:.  \  ernunft 

oder  Rechtfertigung  des  Glaubens,   1797  (von  Jaeobi   und   B  iflttßtj.  - 

-  hriften,    1817— 21,   0 

Neeti  von  Esenbeck,  Christian  Gottfried,   geb.  1776  bei  en- 

wald),  war  kurze  Zeit  Arzt,   L817   Profeatoi   den  Botanik   ü    I  tui  in 

Bonn,    1830   in   Breslau.     Infolge   Beinei     reilnahme   an   di 
wurde  er  L862  -eine-  Ann.-   entsetzt.     Er  atarl 

Schellings.    I  >ie  Naturphilosophie    ist  .<.  trukubn  der  Natur  aus  ihren  .. . 

idealen  Formen  der  Substanz,  dei    Ki   ft    und  »1er  D  -  «li«- 


^-  Xees  —  Neüdecker. 


Aufgabe,  „den  Organismus  der  Natur  aus  der  unbedingten  Evolution  der  an 
sich  identischen,  ideal  aber  entgegengesetzten  Ideen  der  Substanz  und  der 
Kraft  zur  Anschauung  zu  bringen". 

Schriften:  System  der  spekulativen  Philosophie  I:  Naturphilosophie,  1841.  — 
Allgemeine  Formenlehre  der  Natur,  1852. 

STeliä,  Corneille  Francois  de,  1736—1798,  Bischof  von  Antwerpen.  =  Die 
oberste  Einheit  ist  Gott.  Außer  ihr  gibt  es  Geister  (Monaden)  und  Vor- 
stellungen dieser,  die  durch  eine  Gesamtkraft  ausgelöst  werden. 

Schriften:  Fragments  sur  les  principes  du  vrai  bonheur,  1760.  —  L'Aveugle  de 
la  montagne,  1795,  1837. 

Nelson,  Leonard,  geb.  1882  in  Berlin,  Privatdozent  in  Göttingen. 

N.  gehört  zur  neuen  Fries-Schule,  die  in  Fries  denjenigen  Denker  er- 
blickt, welcher  den  Kantschen  Kritizismus  richtig  fortgeführt  hat.  Nach  N. 
ist  das  Problem  einer  „Erkenntnistheorie"  ein  unlösbares  Scheinproblem.  Wird 
alles  Erkennen  als  Urteil  bestimmt,  so  muß  ins  Unendliche  ein  Beweis  für  die 
Gültigkeit  des  Urteils  gesucht  werden.  Die  Kritik  ist  „Wissenschaft  aus  innerer 
Erfahrung".  Die  Deduktion  der  metaphysischen  Grundsätze  ist  ein  Geschäft 
der  Psychologie.  Diese  findet  in  der  Vernunft,  deren  „Selbstvertrauen"  zur 
Wahrheit  ihrer  unmittelbaren  Erkenntnis  das  Letzte  ist,  die  apriorischen  Be- 
dingungen der  Erkenntnis,  wobei  aber  der  logische  Kechtsnachweis  der  meta- 
physischen Urteile  aus  den  Gründen  ihrer  Möglichkeit  durch  „regressives" 
Verfahren  (Kückgang  zu  den  Prinzipien]  schon  vorausgesetzt  wird,  also  nicht 
selbst  Sache  psychologischer  Aufzeigung  ist.  Die  Theorie  der  Vernunft  enthält 
die  Elemente  zur  Ableitung  sämtlicher  reiner  Vernunfterkenntnisse.  Es  gibt 
eine  nicht-anschauliche  unmittelbare  Erkenntnis  der  Vernunft,  welche  im  Urteil 
nur  formuliert  wird,  nicht  aber  selbst  ein  Keflexionsprodukt  ist. 

Schriften:  Die  kritische  Methode  und  das  Verhältnis  der  Psychologie  zur  Philo- 
sophie, 1904  (1.  Heft  der  „Abhandlungen  der  Fries-Schule").  —  J.  F.  Fries  und  seine 
jüngsten  Kritiker  (im  2.  Heft  der  „Abh.  d.  Fr.-Sch.").  —  Bemerkungen  über  die  Nicht- 
Euklidische  Geometrie  und  den  Ursprung  der  mathematischen  Gewißheit  (ibid.).  —  Ist 
metaphysikfreie  Naturwissenschaft  möglich?  1908.  —  Die  wissenschaftliche  und  ästhetische 
Naturbetrachtung,  1908.  —  Über  das  sogenannte  Erkenntnisproblem,  1908.  —  Unters, 
über  d.  Entwickl.  d.  Kantschen  Erkenntnistheor.,   1909,  u.  a. 

Yeinesius,  um  400  n.  Chr.,  Bischof  von  Emesa.  =  In  seinen  psycho- 
logischen Anschauungen  ist  N.  besonders  von  Plato,  aber  auch  von  Aristoteles, 
Galenus  u.  a.  beeinflußt.  Die  Seele  des  Menschen  ist  eine  unkörperliche,  sich 
selbst  bewegende  Substanz  (ovoia  avxoreXrjg  docofxarog),  ganz  in  allen  Teilen  ihres 
Leibes,  ewig,  schon  vor  dem  Leibe  existierend  (Präexistenz,  aber  keine  Seelen- 
wanderung). Der  Wille  ist  frei,  er  ist  selbständig  und  kann  sich  entscheiden, 
wofür  er  will  (Freiheit  des  £99'  fjfuv  und  avzek~ovoiov). 

Schriften:  liegt  cpvaecog  ävAgcbnov  (De  natura  hominis),  1802,  1865,  1887, 
deutsch   1819.  —  Vgl.  DOMANSKI,  Die  Psychologie  des  N.,   1900. 

Nettesheini  s.  Agrippa. 

Xeudecker,  G.,  geb.  1840,  Privatdozent  in  Würzburg.  =  Von  Deutinger 
beeinflußt.     Das  Selbstbewußtsein  ist  die  Quelle  aller  Gewißheit. 


Neudeceeb  —  Neupythagoreer.  493 

Schriften:  Der  Philosoph  Deutinger,  1877.  —  Das  Grundproblem  der  Erkenntnis- 
theorie, 1881.  —  Grundlegung  der  reinen  Logik,  1882. 

Veufichteaner  s.  Fichte. 

Neuhegelianer  s.  Hegel. 

Neukantianer :  die  Erneuerer  des  Kantschen  Kritizismus  und  Idealis- 
mus, die  zum  Teil  auch  auf  Fichte  u.  a.  zurückgehen.     Vgl.  Kant. 

Xeuniark,  David,  geb.  186G  in  Szczerzec  (Österr.),  Prof.  am  Hebrew 
Union-College,  Cincinnati.  =  Anhänger  Cohens. 

Schriften:  Die  Freiheitslehre  bei  Kant  u.  Schopenhauer,  1896.  —  Geschichte  der 
jüdischen  Philosophie,  1907  ff.  —  J.  Hallevis  Philosophy,  1908.  —  Crescas  and  Spinoza, 
1908,  u.  a. 

Xeuplatoniker  heißen  jene  Philosophen,  welche  Lehren  Piatons  in 
Verbindung  mit  solchen  der  Pythagoreer,  des  Aristoteles,  der  Stoiker  unter  dem 
Einflüsse  orientalischer  Spekulationen  zu  einer  theosophischen  Emanationslehre 
verarbeiten,  wobei  sie  der  Volksreligion  Konzessionen  machen  und  Askese, 
Exstase,  Theurgie  u.  dgl.  als  Mittel  zur  Verbindung  mit  dem  Göttlichen  ver- 
wenden. Der  Begründer  des  Neuplatonismus  ist  Ammonius  Sakkas,  der 
bedeutendste  Vertreter  desselben  Plotinos.  Beide,  nebst  Origen es  dem  Neu- 
platoniker,  Erennios,  Longinos  gehören  zur  alexandrinisch -römischen 
Schule.  Die  syrische  Schule  begründet  Iamblichos,  zu  dessen  Schülern 
Theodoros  von  Asine,  Maxiraos,  Priskos,  Eusebios,  Sopatros, 
Eunapios,  Dexippos,  Julianus  Apostata  gehören.  Der  athenischen 
Schule  gehören  an:  Plutarchos  von  Athen,  Syrianos,  Hie rokles,  Proklos, 
der  Hauptvertreter  dieser  Richtung,  und  dessen  Schüler  Marino s,  Am- 
monios,  Zenodotos,  Isidoros,  Hegios,  Damaskios  u.  a.  Vom 
Neuplatonismus  beeinflußt  sind  Jus  tinus, Clemens,  Origenes,  A  ugust  in  us 
u.  a.,  ferner  besonders  Pseudo-Dionysius  (Dionysius  Areopagita),  Maxi  m  u s , 
Johannes  Scotus  Eriugena,  Alfarabi,  Averroes,  Ibn  Gebirol 
(Avicebron).  M.  Ficinus,  Xicol.  Cusanus,  Johann  Pico  von  Miran- 
dola.  G.  Bruno,  Schelling  u.  a. 

Vgl.  ZELLER,  Die  Philosophie  der  Griechen  III,  2*.  —  E.  VäCHEBOT,  Histoire 
eritiqoe  de  l'ecole  d'Alexandrie,  1846—51.  —  Th.  WHITTAKER,  The  Neo-Platonists, 
1901.  —  Hai:n  \<  K,  Lehrb.  d.  Dogmengesch.  I,  3.  A.  1894.  —  HASSE,  Von  Plotin 
zu  Goethe,  1909. 

Neupythagoreer  heißen  jene  Philosophen,  welche  (zum  Teil  mit  Be- 
rufung auf  angebliche  Schriften  älterer  Pythagoreer)  eine  mystisch.'  Zahlen- 
Bpekulation  zur  Grundlage  einer  theosophischen  Weltanschauung  machten. 
welche  (außer  orientalischen  Einflüssen)  Elemente  dea  Pythagordsmus,  der 
Platonischen,  AristoteUschen  und  Stoischen  Philosophie  enthält.  Neupythag 
sind  Nigidiua  Figulus,  Mode  rat  us  aus  Gades,  Nikomachos  aus  < 
A  polloii  ios  von  Tvana,   PhilostratOB  U.  a. 

Vgl.  ZELLER,  Die  Philosophie  der  Griechen    111.  8«.  —  Mit  LA*  H,  Fl  U. 

—  H.  JÜLG,   Neupytl  -in-  Stadien,   L892.  VÄCHEBOT,    B 

d'Alexandrie,   1846  f. 


494  Newman  —  Nicolai. 


Newman,  Francis  William,  1805—1897.  =  Theistischer  Standpunkt. 
Die  Religion  entspringt  dem  Verlangen  der  Seele  nach  Gemeinschaft  mit  Gott. 

Schriften:  The  Soul,  her  sorrows  and  her  aspirations,  1849;  9.  ed.  1882;  deutsch 
1850.  —  Phases  of  Faith,  1850;  2.  ed.  1853.  —  Theism,  doctrinal  and  practical, 
1858.  —  Life  after  Death,  1886;  2.  ed.  1887.  —  Miscellanies,   1869—89. 

Newman,  John  Henry,  1801 — 1890,  Bruder  des  vorigen,  seit  1845 
Katholik,  seit  1879  Kardinal.  =  Theistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Development  of  Doctrine,  1870.  —  Grammar  of  Assent,  1870  f.  — 
Works,  1870—79,  u.  a. 

Newton,  Isaak,  1642 — 1727,  der  berühmte  Mathematiker  und  Physiker, 
ist  auch  für  die  Philosophiegeschichte  von  Bedeutung. 

N.,  der  neben  Leibniz  der  Erfinder  der  Differentialrechnung  (Methode  der 
„Fluxionen")  ist  und  durch  seine  Gravitationstheorie  die  Mechanik  des  Himmels 
in  universaler  Weise  begründet  hat,  betont,  gegenüber  den  „verborgenen  Quali- 
täten" und  „substantialen  Formen"  früherer  Forscher,  die  Notwendigkeit  einer 
streng  mechanisch-mathematischen,  quantitativen  Naturerklärung, 
welche  sich  unnötiger  Hypothesen  enthält  („hypotheses  non  fingo")  und  sich 
vor  allem  der  analytisch-regressiven  Methode,  welche  von  den  Wirkungen  zu 
den  Ursachen  zurückgeht,  bedient.  In  der  Physik  hat  die  Metaphysik  nichts 
zu  tun,  so  sehr  im  Übrigen  N.  einer  theistischen  Weltanschauung  zuneigt. 
Nicht  von  Hypothesen,  sondern  von  den  Erscheinungen  selbst  ist  auszugehen^ 
um  die  Naturkräfte  („vires  naturae")  zu  erforschen  und  durch  diese  die  übrigen 
Phänomene  zu  erklären.  Kaum  und  Zeit  sind  nach  N.  etwas  Objektives.  Der 
Kaum  ist  absolut,  homogen,  unbeweglich:  „Spatium  absolutum,  natura  sua 
sine  relatione  ad  externum  quodvis,  semper  manet  similare  et  immobile''.  Es 
gibt  eine  absolute  Bewegung  im  leeren  Raum.  Ebenso  ist  von  der  relativen 
die  absolute  Zeit  zu  unterscheiden:  „Tempus  absolutum,  verum  et  mathe- 
maticum  in  re  et  natura  sua  sine  relatione  ad  externum  quodvis,  aequabiliter 
fluit  atque  nomine  dicitur  duratio".  Metaphysisch  erblickt  N.  (wie  H.  More) 
im  Raum  das  „Sensorium"  Gottes,  in  dem  alle  Dinge  von  Gott  wahrgenommen 
werden. 

Zu  den  Anhängern  N.s  gehören  Clarke,  Rogerus  Cotes  u.a.,  auch 
M.  K nutzen,  ein  Lehrer  Kants,  welcher  letztere  zwar  die  absolute  Wirklich- 
keit von  Raum,  Zeit  usw.  bestreitet,  aber  die  „empirische  Realität"  der  Natur 
im  Sinne  der  Newtonschen  quantitativ-mechanischen  Auffassung  auf  feste, 
apriorische  Grundlagen  stellt. 

Schriften:  Naturalis  philosophiae  principia  mathematica,  1687,  1713,  1726,  1878 
u.  5.;  deutsch  1872.  —  Treatise  of  Optic,  1704,  1717.  —  Arithmetica  universalis, 
1707.  —  Opera  omnia,  1779—86;  Opuscula,  1774.  —  Vgl.  BREWSTER,  N.,  1832, 
1893;  deutsch  1833.  —  K.  DlETERICH,  Kant  und  N.,  1877.  —  ROSENBERGER, 
I.  N.  u.  seine  physikalischen  Prinzipien,  1893.  —  BLOCH,  La  philos.  de  N.,  1908. 

Nicolai,  Christoph  Friedrich,  1733—1811,  der  bekannte  Berliner  Auf- 
klärer, Herausgeber  (mit  Mendelssohn  und  Lessing)  der  „Bibliothek  der  schönen 
Wissenschaften  und  freien  Künste",  1757—58,   ferner  der  „Briefe,  die  neueste 


Nicolai  —  Nicolaus.  49J> 


Literatur  betreffend"',  1759  —  65,  der  „Allgemeinen  deutschen  Bibliothek" 
1765—92,  und  der  „Neuen  allgemeinen  deutschen  Bibliothek'',  1793 — 1805.  = 
X..  der  um  die  Aufklärung  große  Verdienste  hat,  aber  gar  zu  dünkelhaft  ver- 
fuhr und  schließlich  sich  überlebte,  verspottet  auch  das  Treiben  der  Kant  jünger 
mit  ihrer  apriorischen  oder,  wie  X.  sagt,  „vorn  vorn  igen ';  Philosophie,  die  -ich 
auf  unbedingt  gültige  Sätze  stützt,  die  es  vielleicht  gar  nicht  gibt. 

Schriften    (satirische     Komane):    „Das     Leben    und    die     Meinungen    des     Herrn 
Sebaldus  Xothanker",    1773    (gegen    die   protestantische    Orthodoxie   und   Heuchelei 
„Leben    und    Meinungen    Serapronius    Gundiberts",    1798    (gegen    Fichte;    Gegenschrift: 
,,F.  Nicolais  Leben  und  sonderbare  Meinungen",  1801),    u.    a.    —    Vgl.    GÖCKING,    N.s 
Leben  u.  literar.  Nachlaß,  1820. 

Nicolaus  Cusanus  (von  Cusa),  eigentlich  Xicolaus  Chrypfffl  (Krebs), 
geb.  1401  in  Kues  an  der  Mosel,  als  Sohn  eines  Winzers,  besuchte  die  Schule 
der  ..Brüder  des  gemeinsamen  Lebens"  in  Deventer,  studierte  dann  in  Padua 
Jus.  Mathematik  und  Physik,  trat  in  den  Augustinerorden  und  bekleidete  ver- 
schiedene geistliche  Ämter.  1432 — 37  lebte  er  in  Basel,  wo  er  sich  am  Konzil 
beteiligte.  Er  schrieb  dort  „De  concordantia  catholica",  ferner  „über  die  Ver- 
besserung des  Kalenders"  (1436),  in  welchem  er  der  Gregorianischen  Beform 
vorgreift.  Als  Probst  des  Klosters  der  Kanoniker  in  Münster-Mainfeld  (Eifel) 
vollendete  er  (1440)  sein  Hauptwerk  „De  docta  ignorantia".  1448  wurde  er 
Kardinal,  1450  Bischof  von  Brixen  (Tirol),  mit  dem  Auftrage,  die  K 
Deutschlands  zu  reformieren.  Er  starb  auf  einer  Reise  in  Todi  am  11.  August 
1464. 

X'.,  der  zu  den  bedeutendsten  deutschen  Philosophen  gehört,  repräsentiert 
einen  Übergang  von  der  scholastischen  zur  neueren  Philosophie.  Durch  den 
Pythagoreismus,  Plato  und  den  Xeuplatonismus  beeinflußt,  wird  er  durch  Beine 
Betonung  der  Zahl  und  des  Quantitativen  (auch  durch  seine  Annahme  der 
Kugelgestalt  und  Achsendrehung  der  Erde)  zu  einem  Vorläufer  der  neueren, 
quantitativ-mechanistischen  Xaturauffassung,  so  sehr  er  auch  durch  seine 
metaphysische  Weltanschauung,  für  welche  die  Welt  ein  in  allen  Teilen  be- 
seeltes Ganzes  ist.  vom  Mechanismus  sich  entfernt  und  sieh  der  Mystik  des 
N«  uplatonismus ,  aber  auch  Eckharte  u.  a.  nähert.  Mit  Eckhan  hat  er  den. 
man  könnte  sagen,  ..christlichen  Pantheismus"  gemein,  welcher  neben  der 
Transzendenz  die  Immanenz  Gottes  in  der  Welt  betont.  Als  Mathematiker  ist 
X\  besonders  dadurch  von  Bedeutung,  dafi  er  schon  das  Unendlich  Kleine 
in  seiner  Bedeutung  für  die  Erkenntnis  erkennt.  Von  der  absoluten  Unendlich- 
keit Gottes  unterscheidet  er  die  kontrahierte  Unendlichkeit,  die  Grenzen- 
losigkeit der  W'-It  in  Raum  und  Zeit,  wodurch  er  sich  ebenfalls  von  der 
mittelalterlichen  Denkweise  abwendet 

Das  Erkennen   ist   nach  X.  ein   sich-Ausgleichen    der  Diu 
Intellekts    ,taasimilare'4)   und   ein    Messen   derselben  an   <i  neu    Einheit, 

i..\;mi  mens  est  viva  mensura.  quae  mens  rando  alia  sui  capacitatem  attünj 
In  un-  liegen  (potentiell)    Begriffe,   vermittelst    deren    wir  bei  Gelegenheit  der 
Wahrnehmung  die  Dinge  erkennen,  «leren    Urbilder    [deen)  in  Gott   sind    Je 
mehr  sich  die   Erkenntnis  der   mathematischen    Einsicht   nähert  d 


49(1  Nicolais. 

■wisser  ist  sie.  Die  Begriffe  gehen  aus  unserem  Geiste  hervor,  entfalten  sich 
aus  ihm,  wobei  die  Zahl  das  wichtigste  Erkenntnismittel  ist,  wie  die  gött- 
liche Zahl  als  Urbild  der  mathematischen  Zahl  und  der  Dinge,  Der  Mensch, 
der  ein  Mikrokosmus,  eine  Welt  im  Kleinen  ist,  hat  einen  Intellekt,  der 
ein  Bild  des  göttlichen  Geistes  ist.  „Omnia  in  Deo  sunt,  sed  ibi  rerum  exem- 
plaria,  omnia  in  nostra  mente,  sed  hie  rerum  similitudines."  „Divina  mens 
coneipiendo  creat,  nostra  coneipiendo  assimilat  notiones  seu  intellectuales  faciendo 
visiones.  Divina  mens  est  vis  entificativa,  nostra  mens  est  vis  assimilativa." 
Alles  Erkennen  ist  nur  eine  Annäherung  an  das  absolute  Wissen,  nur  eine 
„Konjektur",  eine  nur  symbolische  und  relative,  das  Absolute  nicht  als  solches 
erfassende  Erkenntnis.  Je  mehr  wir  beachten,  daß  wir  betreffs  des  Absoluten 
nichts  Positives  wissen  und  daß  wir,  indem  wir  Gott  im  Geiste  schauen, 
«ein  Wesen  doch  nicht  begreifen,  desto  mehr  wissen  wir  („Et  tanto  quis  doctior 
erit,  quanto  se  magis  seiverit  ignorantiam").  Diese  „gewußte  Unwissenheit" 
(„doeta  ignorantia";  der  Begriff  schon  bei  Augustinus,  Bonaventura  u.  a.)  liegt 
im  geistigen  Schauen,  in  der  intellektuellen  Anschauung  („speculatio",  „visio 
sine  comprehensione"),  mit  der  wir  das  über  alle  Gegensätze  und  Unterschiede, 
alle  begrifflichen  Einzelbestimmungen  hinaus  liegende  Absolute  erfassen. 
(„Supra  igitur  nostram  apprehensionem  in  quadam  ignorantia  nos  doctos  esse 
convenit."  „Ad  hoc  duetus  sum,  ut  incomprehensibilia  incomprehensibiliter 
amplecterer  in  doeta  ignorantia.")  Die  niederste  Stufe  der  Erkenntnis  ist 
elie  sinnliche  (sensus),  dann  kommt  der  unterscheidende  Verstand  (ratio),  dann 
<lie  synthetische  Erkenntnis  des  Intellekts  (intellectus)  und  endlich  die  „visio 
intellectualis",  welche  schon  mystischer  Art  ist. 

Gott  ist  nichts  von  allen  endlichen  Prädikaten,  während  er  anderseits 
alles  ist.  Er  ist  absolute  Einheit,  ohne  Anderheit.  Die  Einheit  Gottes  ist 
Dreieinigkeit.  Gott  ist,  als  über  den  Gegensatz  von  Subjekt  und  Objekt, 
Denkendem  und  Gedachtem  erhaben,  eigentlich  nur  negativ  bestimmbar,  unbe- 
greiflich, unaussprechlich,  überseiend,  unendlich,  der  Grund  von  allem.  Gott 
ist  in  allem  und  alles  ist  in  ihm  („omnia  sunt  in  eo"),  er  ist  alles  in  allem 
{„quodlibet  in  quolibet"),  das  Wesen  der  Wesen  („essentia  omnium  essentiarum"), 
der  Weltgrund  („ratio  totius  universi")  und  das  Weltziel,  das  Zentrum  der 
Welt  („centrum  mundi")  und  zugleich  die  unendliche  Peripherie  („infinita 
circumferentia")  derselben.  Er  ist  das  absolute  Maximum,  das  Größte,  All- 
Umfassende  und  zugleich  das  Minimum,  das  Kleinste,  in  allem  Seiende,  er  ist 
die  Einheit  der  Gegensätze  („eoineidentia  oppositorum"),  das  Zusammen- 
fallen des  Größten  und  Kleinsten  („eoineidentia  maximi  cum  minimo"),  wobei 
alle  Verschiedenheiten  in  der  Einheit  des  göttlichen  Schauens  aufgehoben  sind 
(„in  divina  complicatione  omnia  absque  differentia  eoineidunt").  Gott  ist  das 
absolute  Können  („possest").  Aus  dem  Wirkenkönnen  Gottes  geht  das 
Werdenkönnen  hervor  und  bildet  die  Materie  der  Dinge. 

Die  Welt  (das  Universum)  ist  eine  Entfaltung  („explicatio")  Gottes,  indem 
sie  das  in  Gott  in  einer  Komplikation  Vereinigte  („Deus  complicite  est  omnia", 
„complicatio  omnium")  als  Vielheit  von  Dingen  enthält.  Sie  ist  ein  Abbild 
Gottes  und  seiner  Dreieinigkeit,   ein   beseeltes   Ganzes,    eine   gegliederte,   voll- 


Nicolaus  —  Nie  ole. 


lcommene  Einheit,  unbegrenzt,  von  Gottes  Wirken  erfüllt,  bo  daß  alles  in  allein 
ist  und  jedes  Ding-  eine  Art  Spiegelung  und  Konzentration,  „Kontraktion44 
Alls  ist    also  eine  Art  Monade;  vgl.  Bruno,  Leibniz):  „Omnes  creaturae  Bpecnla 

contractiora  et  differenter  eurva,  inter  quae  intellectuales  naturae  viva.  clariora 
atque  rectiora  specula."  Die  geistigen  Wesen,  zu  welchen  auch  die  Menschen 
(durch  ihre  vernünftigen  Seelen)  gehören,  spiegeln,  jeder  ein  Mikrokosmus 
(,,paiYU8  mnndus"),  das  All  klarer  und  richtiger,  als  „Maß"  der  Dinge.  D 
Mensch  gehört  zur  mittleren  Welt,  neben  der  es  eine  sinnliche  (körperliche) 
und  rein  geistige  Welt  gibt.  Wie  die  Linie  ist  auch  der  Körper  die  Entfaltung 
<\e<  Punktes  (..evolutio  pnncti")  in  dessen  Bewegung.  Die  Zahlen  sind  die 
Tubilder  der  Dinge,  nach  mathematischen  Verhältnissen  entfaltet  sich  die 
Welt  aus  Gott;  die  Welt  ist  schön  geordnet  und  eine  gute  Welt  (Optimismus  . 
Die  Selbstvervollkommnung  ist  das  Ziel  des  sittlichen  Handelns,  die  Liebe  zu 
Gott  und  die  selige  Vereinigung  mit  ihm  das  höchste  Gut.  Mit  großer  Toleranz 
findet  X.  in  allen  Religionen  einen  Wahrheitsgehalt:  auch  ist  er  für  kirchliche 
Reformen  durch  den  Papst. 

Anhänger  des  X.  von  Cusa  sind  Jacob us   Faber,  Bovillus  (Bouill 
von  Einfluß  ward  X.  besonders  auf  Giordano  Bruno. 

Schriften  (philosophische):  De  docta  ignorantia,  1440.  —  Apologia  doctae  igno- 
rantiae,  1449.  —  De  coniecturis.  —  De  quaerendo  Deura.  —  De  filiatione  Dei.  —  De 
genesi.  —  De  sapientia.  —  De  niente.  —  De  visione  Dei.  —  De  beryllo.  —  De  possest. 
—  De  venatione  eapientiae.  —  De  apice  theoriae.  —  De  ludo  globi  u.  a.  —  Opera, 
1514,  1565;  deutsch  in  Auswahl  (von  Scharptf),  1862.  —  Vgl.  FALGKENBEBG,  Grund- 
züge der  Philosophie  des  N.  Cusanus,  1880.  —  J.  ÜEBIXGER,  Die  Philosophie  des 
X.  C,  1881;  Die  philos.  Schriften  des  N.  C,  Zeitschrift  f.  Philosophie,  1893  —  95;  Der 
Begriff  „docta  ignorantia"  in  seiner  geschichtlichen  Entwicklung,  Archiv  für  Geschichte 
<ler  Philosophie  VIII.  —  GrÜXIXG,  Wesen  und  Aufgabe  des  Erkenncns  nach  X.  C, 
1902.   —  .SCHAEFER,  Des  N.  v.  C.  Lehre  vom  Kosmos,   1887. 

\  icolaus  d'Oresnie  (Oresmius),  geb.  in  Caen,  gest.  13S2  in  Lisieux 
als  Bischof.  =  X.,  der  auch  für  die  Nationalökonomie  von  Bedeutung  ist  (durch 
Beine  Schrift  „De  mutatione  monetarum"),  ist   Nominal  ist    Von   ihm  isl  auch 

der  ..algorithmus  proportionunv  eingeführt,  eine  Rechnungsart,  wobei  teilweise 
schon  Buchstaben  als  Zahlen  dienen  (vgl.  Lasswitz,  Geschichte  der  Ato- 
mistik I.  281). 

V.   Mki'XIER,  Essai  sur  la  vie  et  les  ouvrages  de  X.  d'Orosme,   LS 

Mcolauw    von    Autricuria   (Autiv   eourt),    ein   Nominalist,  der    I 
von   der  Pariser   Dniversitai   zum    Widerrui    Beiner    Qomiualistisch-skeptischen 
Lehren  (z,  B.  von  der   Ewigkeil    der  Welt;   alles   Naturgeschehen   isl  Verbin- 
dung und  Trennung  der  Atome)  genötigt  wurde. 

Vgl.  M.   DE    Will.    Histoire  de  la  philos.  medievale.  —   L.vrri 
X    v.  A  ,   1905. 

Nicole,    Pierre,   geb.    1626    in   Chan  in    Tan-.     Mii 

Arnauld  (s.  d.i   rerfafite   ex  die  Logik    ww  Port   Royal,   ..1/art  d<    pem 
(1662). 

-    hriften:    Essais    de    morale.    1G71-74  ll  morale».    II 

-  le  r .  Plülotophai-Lexikon. 


498  Nicolettus  —  Nietzsche. 

Xicolettus.  Paulus  (Venetus),  gest.  1428  in  Padua.  =  Scholastiker. 
Schriften:    Summa  philoeophiae  naturalis,  1491.  —  Logica  parva;    Logica  magna. 
Dubia   circa  philosophiam,  1493,  u.  a. 

Niethammer,  Friedrich  Immanuel,  geb.  1766  in  Beilstein  (Württemberg),. 
Prof.  in  Jena,  gest.  1848  in  München  als  Studien-  und  Oberkon sistorialrat 
(seit  1807).  Herausgeber  des  „Philosophischen  Journal",  1795—98  (seit  1797 
mit  Fichte,  der  dort  seinen  Aufsatz  veröffentlichte,  welcher  ihm  die  Be- 
schuldigung des  Atheismus  zuzog).  =  N.  war  erst  Kantianer,  seit  1792  aber 
Anhänger  Fichtes. 

Schriften:  Ableitung  des  moralischen  Gesetzes  aus  der  Form  der  reinen  Vernunft,. 
1793.  —  Über  Religion  als  Wissenschaft,  1795.  —  Versuch  einer  Begründung  des  ver- 
nunftmäßigen Offenbarungsglaubens,  1798.  —  Der  Streit  des  Philanthropismus  und 
Humanismus,  1808. 

Nietzsche,  Friedrich  Wilhelm,  geb.  15.  Oktober  1844  in  Röcken  bei 
Lützen  als  Sohn  eines  protestantischen  Pfarrers  (gest.  1849  an  den  Folgen  einer 
Gehirnerschütterung  durch  einen  Sturz).  1850  übersiedelte  die  Familie  nach 
Naumburg  a.  S.,  wo  N.  von  seiner  Mutter  erzogen  wurde.  1858 — 64  war  er  in 
der  Schule  zu  Pforta.  Als  Primaner  verfaßte  er  schon  eine  Arbeit  über 
Theognis,  der  das  Gute  dem  Vornehmen,  das  Schlechte  dem  Plebeischen  gleich- 
setzt. N.  studierte  dann  zwei  Semester  in  Bonn,  hierauf  in  Leipzig  Philologie, 
besonders  durch  Ritschel  gefördert.  Als  Student  zeigte  er  seine  ausgezeichnete 
Begabung  durch  zwei  Arbeiten:  Zur  Geschichte  der  Theognideschen  Spruch- 
sammlung (Rhein.  Museum,  XXII)  und:  De  fontibus  Diog.  Laertis  (Rh.  Mus., 
XXIII).  In  Leipzig  machte  die  Lektüre  Schopenhauers  auf  ihn  einen  außer- 
ordentlichen Eindruck,  dem  nur  noch  die  Bekanntschaft  mit  der  Musik 
R.  Wagners  gleichkam.  Der  24  jährige  Mann  wurde,  noch  bevor  er  promoviert 
hatte,  zum  außerordentlichen  Professor  in  Basel  ernannt,  wo  er  seit  1869  wirkte 
und  1870  schon  ordentlicher  Professor  wurde.  Den  Krieg  von  1870/71  machte 
er  als  Krankenpfleger  mit  und  zog  sich  hierbei  die  Keime  zu  seinen  Leiden 
(Kopfschmerzen,  Magenbeschwerden,  Schlaflosigkeit  usw.)  zu,  die  auch  durch  Über- 
arbeitung verursacht  wurden.  1879  gab  er  seine  Professur  auf  und  führte  nun 
(1879—89)  ein  Wanderleben,  die  Sommermonate  im  Engadin  (besonders  Sils- 
Maria),  den  Winter  meist  an  der  Riviera  verbringend.  Die  Freundschaft  mit 
R.  Wagner,  mit  dem  er  (in  Triebschen  am  Vierwaldstätter  See)  verkehrt  und 
dessen  Intentionen  er  begeistert  zugestimmt  hatte,  hörte  (seit  1874)  auf,  als  N. 
einsah,  daß  seine  eigene  optimistische,  das  Leben  bejahende  Weltanschauung 
von  derjenigen  Wagners  sich  weit  entferne.  Seit  1871  trat  N.  mit  einer  Reihe 
kulturphilosophischer  Schriften  auf,  die  allerdings  bei  den  Philologen  Kopfschütteln 
erregten.  Als  N.  gar  in  seinen  späteren  Arbeiten  höchst  radikale,  ganz  unge- 
wohnte Anschauungen  gegen  die  herkömmliche  Moral,  das  Christentum  usw.  vor- 
trug, fielen  auch  seine  besten  Freunde  (zu  denen  E.  Rhode,  F.  Overbeck,  Malvida 
von  Meysenbug,  Lou  Andreas-Salome,  P.  Ree,  J.  Burckhardt  u.  a.  gehörten)  ab  und 
N.  fühlte  sich  höchst  einsam  und  unverstanden,  da  er  nirgends  beachtet  wurde. 
seit  1888,   nachdem  G.  Brandes   in  Kopenhagen   mit   Erfolg  Vorlesungen 


Nietzsche.  499 

über  N.  gehalten  hatte,  begann  die  Würdigung  Nietzsches  immer  mehr  zu 
wachsen,  bis  sie  teilweise  zu  einer  überschwenglichen  Verehrung  und  zu  einer 
Modesache  wurde.  Im  Januar  1889  brach  bei  N.  eine  Geisteskrankheit  aus 
er  erlitt  in  Turin  einen  paralytischen  Anfall,  verbrachte  kurze  Zeit  im  psy- 
chiatrischen Institut  Jena,  dann  wurde  er  (1890—97)  von  seiner  Mutter  in 
Naumburg,  schließlich  von  seiner  Schwester,  Elisabeth  Förster-Nietzsche  in  Wei- 
mar gepflegt,  wo  er,  nach  jahrelanger  völliger  Geistesumnachtung,  am  2.7».  August 
1900  starb  und  wo  sich  jetzt  ein  „Nietzsche-Archiv"  befindet. 

Die  Schriften  N.s  verraten  zwar  vielfach  die  hohe  Erregbarkeit  des  Nerven- 
systems N.s.  dessen  Leiden  auf  die  Art  und  das  Tempo  seines  Arbeitens  von 
Einfluß  waren,  aber  man  kann  doch  nicht  sagen,  daß  sie  nur  Produkte  eines 
Geisteskranken  sind,  mögen  auch  Vorzeichen  der  Geisteskrankheit  schon  früher 
oder  später  aufgetreten  sein.  Seinem  Charakter  nach  war  N.  eine  vornehme, 
feinsinnige,  in  keiner  Weise  harte  Natur;  nur  gegen  sich  selbst  war  er  hart, 
seine  Leiden  stachelten  ihn  nur  desto  mehr  zum  Schaffen  an,  zum  kraftvollen 
Aushalten  und  Wirken.  Die  Schwächen ,  die  er  an  sich  wahrnahm ,  sollten 
ihn  nicht  herunterziehen,  und  sein  Ideal  ist  denn  auch  der  starke  Mensch,  der 
rücksichtslos  seinen  Weg  geht,  die  Schmerzen  des  Lebens  kennt  und  empfindet, 
das  Leben  selbst  aber  nur  um  so  stärker  und  freudiger  bejaht,  wie  es  auch 
kommen  mag  („amor  fati").  In  seinem  Denken  ist  N.  in  hohem  Maße  persön- 
lich; dieses  Denken  ist  impulsiv,  affektvoll,  zielstrebig,  vom  Willen  bewegt  Et 
ist  vielfach  einseitig  und  teilweise  auch  widerspruchsvoll,  nicht  sehr  systematisch, 
aber  doch  durch  die  Einheit  der  Persönlichkeit  einheitlich,  auch  wo  sich  die 
Persönlichkeit  N.s  selbst  wandelt.  Die  Kraft  schärfster  und  feinster  psycho- 
logischer  Analyse  macht  sich  in  allen  Schriften  N.s  geltend.  Dazu  kommt 
die  kraftvolle,  plastische,  bilderreiche,  allen  Nuancen  des  Denkens  und  Wertens 
folgende,  oft  künstlerisch  vollendete  Sprache.  N.  ist  eben  nicht  bloß  Denker, 
sondern  auch  Künstler,  Dichter,  und  dazu  noch  ein  eifervoller  Prophet  and 
Reformator,  der  den  Menschen  neue  Ziele  setzt,  neue  Werte  weist.  Die  Philo- 
sophie faßt  er  aktivistisch  auf.  Der  Philosoph  strebt  nach  einheitlichem 
Beherrschen  der  Welt.  Die  Philosophen  sind  „Befehlende  und  I 
sie  haben  die  „Rangordnung  der  Werte"  zu  bestimmen. 

Wenn  N. auch  nicht  zu  den  Btreng  systematischen  Philosophen  gehört,  sodarl 
doch  der  meist  aphoristische  Charakter  seiner  Schriften  nicht  zu  dem  Glauben 
verführen,  als  ob  hier  eine  einheitliche  Lebens-  und  Weltanschauung  ganz  fehlte 
Drei  Perioden  lassen  sich  in  N.s  Denken  unterscheiden:  eine  noch  ankritische 
roluntaristische,  dann  —  als  Reaktion  gegen  den  Einflufl  Schopenhauer!  und 
Wagners  —  eine  mteUektualistisch-positiTistische,  endlich,  mit  Erhebung  des 
ersten  Standpunkt.-  ant  eine  höhere  Stufe,  .in  durch  Sk.pn-  und  Kritik  hindurch- 

Eigener  optimistischer,  erolutionistisch<  r,  indiridualistischei 
Voluntarismus  auf  biologisch-idealistischer  Grundlage  (im  weiteren  Sinne). 
Stets   aber   ist  sein  Denken  ant   di.    Fra      Dach  der  Steigerung     Hebung  des 
menschlich-kulturellen   Lebens,   der  Lebenskultur  gerichtet,   stets  bleflri   \ 
ein   Lebens-  und   Culturphilosoph,   den.   es   um   die   Gewinnui 
starken  Menschlichkeil  zu  tun  i-t.  *  mehr  dm  v 


500  Nietzsche. 


liehkeit  betont.  Kritik  und  Skepsis,  Abwendung  von  bestehenden  Idealen  und 
Werten,  der  „Nihilismus"  und  „Immoralismus"  N.s,  sind  nicht  Selbstzweck, 
sondern  nur  Mittel  zur  Freimachung  der  Bahn  zu  höheren  Zielen  und  Werten, 
wie  er  sie  auffaßt.  Selbst  die  scharfe  Bekämpfung  der  transzendenten  Metaphysik 
im  Sinne  der  Annahme  und  Wertung  eines  Jenseits  der  Erscheinungen,  einer 
„Hinterwelt",  verhindert  nicht,  daß  N.  schließlich  selbst  zum  Metaphysiker 
wird,  nur  daß  seine  Metaphysik  auf  positivistisch-psychologischer  Grundlage 
ruht.  Beeinflußt  ist  N.  von  verschiedenen  Denkern,  so  von  Heraklit,  Empe- 
dokles,  den  Sophisten,  den  Stoikern,  von  Spinoza  und  Hobbes,  von  Schopenhauer, 
Renan,  Spencer,  Darwin,  F.  A.  Lange  u.  a.  Stirner,  mit  dem  N.  manches  (aber  nicht 
viel)  gemein  hat,  kannte  er,  ebenso  Guyau  (vgl.  die  Randbemerkungen  N.s  in 
der  deutschen  Ausgabe  von  ,,Esquisse  d'une  morale",  „Sittlichkeit  ohne  Pflicht", 
1909).  In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  zeigt  N.  manche  Verwandtschaft 
mit  Mach  und  den  „Pragmatisten",  die  er  aber  nicht  kannte,  auch  mit  Berg- 
son,  Vaihinger  u.  a. 

Im  Folgenden  heben  wir  aus  der  Fülle  der  N.schen  Gedanken  nur  die 
philosophisch  bedeutsamen  heraus.  Die  erste  Periode  N.s  zeigt  ihn  unter  dem 
Einflüsse  Schopenhauers  und  Wagners,  sowie  der  griechischen  Kultur.  Um 
das  Kulturproblem  dreht  sich  hier  alles.  Die  Kultur  selbst  definiert  er 
als  „Einheit  des  künstlerischen  Stiles  in  allen  Lebensäußerungen  eines  Volkes", 
er  faßt  sie  also  wesentlich  von  ihrer  ästhetischen  Seite  auf  (Asthetizismus"). 
Als  Grundtriebe  der  griechischen  Kultur,  die  ihm  als  Ideal  vorschwebt,  findet 
er  das  „Dionysische"  und  „Apollinische"  (als  „Kunsttriebe  der  Natur").  Das 
Dionysische  ist  orgiastischer  Art,  eine  Art  Rauschzustand,  ein  Hinausgehen 
über  alle  Grenzen  und  sich  eins  Fühlen  mit  dem  All,  mit  dem  einen  Willen 
zum  Leben;  das  Apollinische  liegt  in  der  maßvollen  Begrenzung,  in  der  Form, 
in  der  Welt  der  Bilder,  der  Vorstellungen.  N.  zeigt  nun,  wie  in  der  griechischen 
Tragödie,  die  aus  der  Musik  hervorgeht,  beide  Elemente  sich  vereinigen.  Die 
griechische  Tragödie  ist  der  dionysische  Chor,  der  sich  in  einer  apollinischen 
Bilderwelt  entladet;  sie  stellt  „das  Zerbrechen  des  Individuums  und  sein  Eins- 
werden mit  dem  Ursein"  dar.  Im  „tragischen"  Zeitalter  der  Griechen  stand 
auch  die  Philosophie  (Heraklit  u.  a.)  am  höchsten.  Dann  aber  bricht  die  Zeit 
der  Reflexion  und  Nüchternheit  herein,  das  Dionysische  tritt  ganz  zurück. 
Diese  kraftlose  Reflexionsphilosophie  vertritt  besonders  Sokrates.  Den  Begriff 
des  „Dionysischen"  nimmt  N.  in  seiner  dritten  Periode  wieder  auf  und  er- 
weitert ihn;  es  ist  ihm  der  das  Leben  in  allen  seinen  Leiden  und  Furchtbar- 
keiten leidenschaftlich-freudig  bejahende  Wille.  N.  bekämpft  dann  den  Mangel 
an  Kultur,  den  ihm  der  Zeitgeist  offenbart,  er  zieht  gegen  das  „Bildungs- 
philisterium"  los,  wie  es  sich  nach  ihm  etwa  in  der  Schrift  „Der  alte  und  der 
neue  Glaube"  von  D.  Fr.  Strauß  zeigt,  er  warnt  vor  den  Gefahren  eines  alle 
Initiative  und  Tatkraft  schwächenden  Historismus  und  weist  endlich  auf 
Schopenhauer  und  R.  Wagner  als  Erzieher  zu  wahrer  Kultur  hin,  für  welche 
die  Erzeugung  des  Genies  die  Hauptsache  ist.  Der  aristokratische  Indivi- 
dualismus N.s,  der  sich  immer  mehr  zu  einem  „aristokratischen  Radikalismus" 
ausbildete,  macht  sich  schon  hier  geltend. 


Nietzsche.  501 

Dieser  Individualismus  nimmt  nun  —  nachdem  N.  in  Beiner  „zweiten 
Periode"  das  Apollinische,  Intellektuelle,  Aufklärerische,  kurz  die  Leistung  des  be- 
sonnenen, wissenschaftlichen  Denkens,  welches  sich  von  den  Illusionen  und  Irr- 
tümern der  Religion,  Metaphysik  usw.  entfernt,  aui  den  Thron  erhoben,  den 
,. freien  Geist*',  der  rücksichtslos  nur  um  die  Wahrheil  bekümmert  ist,  als  [deal 
aufgestellt  und  (von  Ree  beeinflußt)  das  Sittliche  utilitaristisch  (als  ans  der 
Wertung  sozial  nützlicher  Folgen  entspringend)  erklärt  hatte —  eine  ethische 
Form  an,  wobei  das  „Dionysische''  wieder  hervortritt,  der  Intellektualismus 
einem  zielbewußten  Voluntarismus  Platz  macht.  Dieser  Voluntarismus,  der  uns 
unten  weiterbeschäftigen  wird,  ist  optimistisch:  höchstes  Ziel  all«  -  Handelns 
und  Wollens  ist  das  Leben,  bzw.,  wie  N.  gegen  Schopenhauer  erklärt,  nicht 
das  Dasein  als  solches,  welches  man  ja  nicht  erst  zu  erstreben  braucht,  Bondern 
das  starke  Leben,  die  Lebenssteigerung,  die  Macht,  so  daß  der  Lebenswille 
„Wille  zur  Macht"  ist  (vgl.  Hobbes,  Spinoza).  Die  Macht  (der  Kraftüberschuß) 
ist  nun  nach  N.  der  höchste  Wert  und  der  oberste  Wertmaßstab,  an  dem 
alle  anderen  Werte  gemessen  werden  (vgl.  Richter,  Fr.  X.,  2.  A.,  S.  199  ff.). 

Wenn  nun  N.  sich  einen  „Immoralisten''  nennt,  die  bestehende  Moral 
„umwerten"  will,  so  hat  dies  seinen  Grund  darin,  daß  er  die  Frage:  was  i-t 
gut  oder  schlecht,  sittlich  oder  nicht?  auf  Basis  eines  anderen  Wertsystems 
beantwortet.  Kr  hat  eine  andere  Auffassung  über  den  Sinn  des  Lebens  und  des 
„Guten"  und  glaubt  diese  Auffassung  auch  historisch  begründen  zu  können. 
So  -teilt  er  „Herrenmoral"  und  ..Sklavenmoral''  einander  gegenüber,  die  ver- 
schiedenen Wurzeln  entspringen.  „Gut"  bedeutet  ursprünglich  die  Wertsetzung 
der  Herrschenden,  Mächtigen,  Vornehmen,  welche  sieh  und  ihr  Handeln  hoch 
einschätzten.  Während  hier  „schlecht"  da-  Verhalten  der  Niedrigen,  „Schlichten'1 
Schwachen  usw.  ist,  bedeutet  hier  gm  soviel  wie  vornehm,  edel,  mächtig,  stark, 
schön  n.  dgl.  Wenn  die  Herrschenden  es  Bind,  die  den  Begrifi  „gut"  be- 
stimmen, sind  es  die  ,, erhobenen  stolzen  Zustände  der  Seele,  welche  als 
Auszeichnende  und  die  Bangordnung  Bestimmende  empfunden  werden".  Aber 
es  hat  einen  „Sklavenaufetand  in  der  Moral''  gegeben.  Die  an  Zahl  überleg 
und  durch  ihre  Schlauheit  siegenden  Niedrigen,  Schwachen,  Degenerierten 
nehmen  dadurch  Rache  an  den  Starken,  dal',  sie,  voll  .,re-sentimenf.  gerade 
in  aristokratischen  sinne  Gute  als  „bös"  werten  und  dem  ihr  „Gutes" 
gegenüberstellen,  nämlich  den  Wert  ihrer  „Tugenden":  Demut,  .Mitleid.  Gehor- 
sam, Entsagung  usw.  Diese  Umwertung  i-t  besonders  Beitens  der  Juden  (im 
Christentum)  erfolgt  und  mm  versteht  man.  warum  N.  mit 
Hasse  gegen  da-  Christentum  loszieht,  von  dem  er  meint,  es  habe  mit  seiner 
.Moral  allem  Starken.  Lebensvollen  entgegengewirkt  Nun  -ilt  es,  die  christ- 
liche Umwertung  der  ursprünglichen  Werte  selbst  umzuwerten  und  das  [deal 
i^t  jetzt  für  V  der  starke,  kraftvolle,  an  Leib  und  S  esunde  mal  tücl 

Mensch,  der  ein    robustes  Gewissen    und   eine  an-  P       alichkeit  hat, 

der  in,  Dienste  des  Willen-  zur  .Macht   -  als  Wille  zu  kraftvollem,  immer  mehr 
-nh  steigerndem,  immer  böher  steigendem  Leben  aufgefaßt  —  keine  klein li 
Rücksichten  (er,  auch  nicht   am  Mitmenschen)  kennt,  der  aber  b 
iai-t  und  dem  Genuß  buldigl    N.  Ist  wild    Hedonist  noch   I  röhn« 


502  Nietzsche. 


liehen  Sinne,  sondern  seine  Ethik  hat  bei  aller  Betonung  der  Persönlichkeit 
ein  objektives  und  universales  Ziel),  sondern  hart  auch  gegen  sich  selbst  sein 
kann,  der  unentwegt  sein  Ziel  verfolgende,  sich  disziplinierende,  in  der  Zucht 
habende  Mensch.  Nicht  schwächliche  Moral  soll  herrschen,  sondern  Tugend 
im  alten  Sinne  (dget^,  virtus,  Mannhaftigkeit),  „moralinfreie"  Tugend,  d.  h.  ein 
Verhalten  im  Sinn  möglichster  Lebenssteigerung,  nicht  Handeln  aus  Schwäche, 
aus  Wertungen,  wie  sie  der  entartete  Mensch  (der  „Dekadente")  vollzieht. 
„Alles  ist  erlaubt"  —  soweit  es  dem  Leben  dient,  lebenerhaltend,  lebenfördernd 
ist;  was  so  ist  und  wirkt,  steht  „jenseits  von  Gut  und  Böse".  „Was  ist  gut? 
Alles,  was  das  Gefühl  der  Macht,  den  Willen  zur  Macht,  die  Macht  selbst  im 
Menschen  erhöht.  Was  ist  schlecht?  Alles,  was  aus  Schwäche  stammt."  Der 
Idealismus  N.s  hat  „robustere  Ideale"  als  die  altruistische  Mitleidsmoral,  die 
nach  ihm  nur  die  Entarteten,  Schwächlichen  erhält  und  der  Menschheit 
schadet,  die  Kasse  verdirbt.  „Die  Schwachen  und  Mißratenen  sollen  zugrunde 
gehen;  erster  Satz  unserer  Menschenliebe,  und  man  soll  ihnen  noch  dazu 
helfen." 

Aber  nicht  jeder  kann  sich  auf  eine  solche  Höhe  stellen,  nicht  jeder  ver- 
trägt die  starke  Luft,  die  hier  weht.  Die  Massen  sollen  nur  ihre  Herden  - 
tugenden  behalten,  sie  sind  zum  Gehorchen  da,  haben  keine  Selbständigkeit 
und  würden  nur,  wenn  sie  ihre  altruistisch-sozialen  Tugenden  aufgäben,  das 
Letzte  verlieren,  was  an  ihnen  Gutes  ist.  Eine  Rangordnung  zwischen  Mensch 
und  Mensch  muß  es  geben,  ein  „Pathos  der  Distanz"  zwischen  Herren-  und 
Sklavennaturen,  zwischen  den  Starken ,  Vornehmen  und  den  gewöhnlichen 
Herdenmenschen.  N.  ist  schroffster  Gegner  aller  „Gleichmacherei",  alles 
Sozialismus.  Das  Ziel  der  Menschheit  liegt  ihm  in  ihren  „höchsten  Exemplaren", 
die  Masse  und  deren  Kultur  ist  nur  da,  um  dem  Wirken  der  großen  Persön- 
lichkeiten den  Boden  zu  bereiten  (Vgl.  Carlyle,  Renan  u.  a.). 

Das  Ideal  des  kraftvollen,  freien,  sich  selbst  zur  Quelle  aller  Zielsetzungen, 
Wertungen  und  Gesetze  machenden,  über  alles  Niedrige,  Gemeine,  Schwache 
erhabenen,  das  Ziel  der  Lebens-  und  Machtsteigerung,  um  alle  Leiden  und 
Schmerzen  unbekümmert,  in  freudigem  Kampfe  verfolgenden  Menschen  be- 
zeichnet N.  als  Übermensch.  Er  versteht  darunter  zuerst  eine  neue  Art 
(„Überart")  als  Ganzes,  die  sich  durch  Züchtung  wird  entwickeln  lassen,  dann 
aber  immer  mehr  einzelne  Persönlichkeiten,  wie  sie  dereinst  kommen  werden 
und  zu  denen  es  schon  wiederholt  Ansätze  gegeben  hat  (z.  B.  Napoleon,  diese 
„Synthesis  von  Unmensch  und  Übermensch"),  endlich  ein  Ideal.  Jedenfalls  ist 
es  das  Lebenswerk  der  Menschheit,  an  der  Züchtung  des  Übermenschen  zu 
arbeiten,  dieser  soll  auch  die  Ehe  dienen  als  ein  sich  „Hinaufpflanzen".  „Der 
Mensch  ist  etwas,  das  überwunden  werden  soll."  „Alle  Wesen  bisher  schufen 
etwas  über  sich  hinaus."  „Der  Übermensch  ist  der  Sinn  der  Erde."  „Der 
Mensch  ist  ein  Seil,  geknüpft  zwischen  Tier  und  Übermensch."  Der  Mensch  ist 
„ein  Übergang  und  ein  Untergang".  „Tot  sind  alle  Götter,  nun  wollen  wir, 
daß  der  Übermensch  lebe."  Von  der  Ansicht,  daß  eine  natürliche  Höher- 
entwicklung des  Menschen  besteht,  ja  daß  überhaupt  die  Entwicklung  der 
Arten  eine  Höherentwicklung  ist,  hat  sich  N.  immer  mehr  entfernt. 


Nietzsche.  503 

Die  Begriffe  „Leben"   und   „Macht",  die  obersten  Werte  X>,   beherrschen 

mich  seine  Erkenntnislehre,  welche  einen  skeptisch-positivistischen,  bio- 
logisch-idealistischen, perspektivischen  Charakter  hat.  X.  betont,  die  Er- 
kenntnis stehe  ganz  im  Dienste  des  Lebens,  des  Machtwillens;  absolute 
Wahrheiten  zu  geben,  die  Wirklichkeit  treu  zu  erfassen,  dazu  ist  sie  nicht 
geeignet.  Alle  möglichen  Irrtümer  sind  in  der  Sprache  verdichtet,  wel 
durchaus  metaphorisch  ist,  so  daß  unsere  Vernunft  nichts  als  „Sprach-Meta- 
phvsik"  ist.  Wir  denken  über  die  Dinge  in  lauter  Metaphern,  „fetischistisch" 
legen  in  die  Dinge  menschliche  Eigenheiten  und  Werte  hinein,  „verfälschen" 
die  Wirklichkeit.  Vom  grob  Anthropomorphischen  können  wir  uns  nur  durch 
Aufzeigung  der  subjektiven  Zutaten,  durch  „Entmenschung"  der  Natur  befreien. 
Die  Erkenntnis  arbeitet  im  Dienste  des  „Willens  zur  Macht'',  ist  Verarbeitung 
von  Erlebnissen  zum  Zweck  der  Beherrschung  der  Tatsachen,  der  Lebens- 
erhaltung, der  Orientierung,  und  zu  diesem  Zwecke  denken  wir  die  Dinge  - 
wie  dies  unseren  biologischen  Bedürfnissen  angemessen  ist.  Die  Formen  uns. 
Denkens,  die  Kategorien  (Substanz,  Kausalität,  Zweck  usw.)  sind  rein 
subjektiv,  rein  biologisch-psychologischen  Ursprungs.  Sie  haben  sich  durch 
ihre  Nützlichkeit  bewährt,  sind  biologisch  zweckmäßig,  sind  einverleibte  Irr- 
tümer, welche  gelten,  weil  sie  nützlich  sind.  Erst  fingieren  wir  ein  „Ich"  als 
Träger  unserer  psychischen  Zustände,  dann  projizieren  wir  es  auf  die  Außen- 
welt, die  uns  nun  als  eine  Summe  von  Substanzen,  „Tätern"  usw.  erscheint. 
Wir  machen,  weil  dies  für  uns  zweckmäßig  ist,  aus  dem  Flusse  des  Geschehen-, 
dem  ewigen  Werden  eine  Welt  des  Seins,  des  Beharrens,  welches  nur  Schein 
ist  (vgl.  Heraklit).  Eine  solche  Welt  entspricht  unserem  Verlangen  nach  einer 
Welt  des  Bleibenden,  der  unser  Wille  zur  Macht  mehr  gewachsen  ist,  einer 
bestimmten  Perspektive  („Perspektivismus").  Hinter  allem  Denken  Blecken 
eben  Triebe,  Instinkte,  Wertungen,  das  Denken  ist  Willensprodukt,  die  Denk- 
gesetze, die  logischen  Gebilde  gelten  nur  für  eine  fingierte,  tiir  eine  von 
uns  „logisierte"  Welt.  Unsere  „Wahrheiten''  sind  eingewurzelte,  als  nützlich 
bewährte  Irrtümer  der  Gattung.  „Die  Verirrung  der  Philosophie  ruht  darauf, 
<lal>  man.  statt  in  der  Logik  und  den  Vernunftkategorien  Mittel  zu  sehen  zum 
Zurechtmachen  der  Welt  zu  Nützlichkeits-Zwecken  (also,  , prinzipiell'  zu  einer 
nützlichen  Fälschung),  in  ihnen  das  Kriterium  der  Wahrheit,  resp. 
Realität  zu  haben  glaubt.  Da-  »Kriterium  der  Wahrheit-  war  in  der  Tal 
bloß  die  biologische  Nützlichkeil  •■ine-  solchen  Systems  prin- 
zipieller Fälschung.''     Es  gibt  an  sieh  keine  Wahrheit. 

[sl   die  Wahrheit    als    solche  schon   wertvoll?    fragt    N.     Nein,    lautet    die 

Antwort,  nur  soweit  sie  lebenerhaltend  i-t.  Auch  „mische"  Urteile  sind  wert- 
voll, wenn  sie  nützlich  Bind.  ..I>i«'  Falschheil  ein«-  Urteils  i-t  uns  noch  kein 
Einwand  gegen  ein  UrteiL"  Gerade  die  „falschesten  urteile*,  wie  die  synthe- 
tischen Urteile  a  priori  [die  gar  nicht  tiir  das  Wirkliche  selbst  gelten),  sind 
uns  die  unentbehrlichsten.  Wahrheit  existiert  nur  in  bezug  ani  «wertende 
Subjekte.  ..Woran  ich  ingrunde  gehe,  da-  i-t  tiir  mich  nicht  wahr,  das 
heifit,  es  ist  eine  falsche  Relation  meines  Wesens  zu  anderen  Dingen."  Gattun 
mäßige  Wahrheiten  entstehen  durch   Konrention,  Indem   fixiert   wir  all 


504  Nietzsche. 


Wahrheit  gelten  soll ;  „wahr"  ist  nun  ein  Satz,  der  für  die  Dinge  die  allgemein 
eingeführten  Namen  gebraucht,  der  aber  im  Verhältnis  zur  Wirklichkeit  selbst 
„falsch"  sein  kann,  da  er  nur  relativ,  für  unsere  Auffassung  und  Zurecht- 
legimg der  Dinge  gilt.  So  hat  z.  B.  der  Begriff  der  „Ursache"  etwas  „Feti- 
schistisches" (vgl.  Mill,  Mach),  wir  übertragen  das  Verhältnis  zwischen  Wollen 
und  Tun  auf  die  Dinge,  ohne  Kausalität  wirklich  zu  erleben,  denn  nicht  wir 
sind  tätig,  sondern  es  wirkt  in  uns.  Es  gibt  an  sich  keine  Ursachen,  keine  Gesetze, 
keinen  Zwang;  nur  ein  kontinuierlicher  Fluß  des  Geschehens  besteht  (vgl.  Bergson). 
Die  mechanistische  Weltanschauung  zeigt  uns  nur  „Folgen",  und  diese 
nur  in  der  Sprache  unserer  Empfindungen.  Stoff,  Stoß,  Druck,  Atom  usw. 
sind  nicht  Tatsachen,  sondern  Interpretationen.  „Die  Mechanik  als  eine  Lehre 
der  Bewegung  ist  bereits  eine  Übersetzung  in  die  Sinnensprache  des  Menschen." 
„Die  mechanische  Welt  ist  so  imaginiert,  wie  das  Auge  und  das  Getast  sich 
allein  eine  Welt  vorstellen."  Der  Mechanismus  ist  nur  eine  „Zeichensprache 
für  die  interne  Tatsachen-Welt  kämpfender  und  überwindender  Willensquant a". 
So  kommt  N.  schließlich  über  den  Phänomenalismus  hinaus  zu  einer 
dynamisch-voluntaristischen  Metaphysik.  Das  Wesen  aller  Kraft  ist 
Wille  zur  Macht.  Die  Dinge  sind  „dynamische  Quanta,  in  einem  Spannungs- 
verhältnis zu  allen  anderen  dynamischen  Quanten",  sie  bestehen  aus  „Herr- 
schaftsgebilden", aus  „Willenspunktationen,  die  beständig  ihre  Macht  mehren 
oder  verlieren".  Die  universale  Tendenz  der  Dinge  ist  Streben  nach  „Akku- 
mulation der  Kraft",  nach  Aneignung  von  Macht,  Mehrwerden,  Stärkerwerden. 
„Der  Grad  von  Widerstand  und  der  Grad  von  Übermacht  —  darum  handelt 
es  sich  bei  allem  Geschehen."  Die  Wirklichkeitselemente  verbinden  sich,  indem 
sie  miteinander  um  die  Macht  „konspirieren",  wo  keines  das  andere  unter- 
werfen kann.  In  allen  ist  der  Machtwille  das  Treibende;  im  Anorganischen 
und  im  Organischen  wie  im  Geistigen,  wo  das  Bewußtsein  nur  die  Oberfläche., 
etwas  „Hinzugefügtes"  (vgl.  Eibot)  ist.  Die  Welt  besteht  aus  einer  Vielheit 
von  Willenseinheiten,  die  aber  nicht  selbständige  Substanzen  sind,  sondern 
Knotenpunkte  im  Werden.  Die  Welt  ist  eine  „dionysische  Welt  des  Ewig-sich- 
selber-schaffens,  des  Ewig-sich-selber-zerstörens",  ein  ewiges  Werden,  ein 
Kämpfen  und  Streben  ohne  Rast  und  Ruh,  ohne  Ende,  ohne  Ziel.  „Hätte  die 
Welt  ein  Ziel,  so  müßte  es  erreicht  sein."  N.  lehrt  (wie  schon  Heraklit,  die 
Pythagoreer,  die  Stoiker  u.  a.)  eine  „ewige  Wiederkunft",  die  ihm  ein  Ersatz 
für  alles  Jenseits,  alle  Unsterblichkeit  ist  und  deren  Idee  zugleich  züchtend 
wirkt,  indem  sie  nur  von  jenen  leicht  ertragen  wird,  die  da  stark  sein  wollen. 
So  sehr  bejaht  Nietzsche  das  Leben,  daß  er  es,  das  Schwindende,  für  alle  Ewigkeit 
haben  will,  und  dazu  muß  es  ewig  wiederkehren  mit  allen  Dingen,  Zuständen, 
Ereignissen,  allen  Freuden  und  Leiden.  Die  Welt  ist  ein  Kreislauf,  der  sich 
unendlich  oft  wiederholt  hat  und  der  immer  wieder  sein  Spiel  spielt.  Die  Zeit 
zwar  ist  unendlich,  aber  nicht  die  Kraft  in  ihr,  so  daß  nur  eine  endliche  Zahl 
möglicher  Kombinationen  besteht.  „In  einer  unendlichen  Zeit  würde  jede 
mögliche  Kombination  irgendwann  einmal  erreicht  sein;  mehr  noch:  sie  würde 
unendliche  Male  erreicht  sein."  Genau  dasselbe  kehrt  immer  wieder;  im  Werden 
erhält  sich  das  Sein. 


NlETZft  BS. 

Was  die  Welt  ist,  sagt    V  zusammenfassend:  „Diese  Welt:  ein  Ungeheuer 
von    Kraft,   ohne  Anfang,   ohne   Ende,   eine  herne   i  ron    Bj 

welche  nicht  größer,  nicht  kleiner  wird,  die  sich  nichl  verbraucht,  sondern  nur 
«rändelt  ....  nichts  Unendlich-Ausgedehntes,  Bondern  als  bestimmte  Kraft 

einem  bestimmten  Raum  eingelegt,  und  nicht  einem  Baum,  der  irgendwo  .!■ 
wäre,  vielmehr  ale  Kraft    überall,   als   Spiel   von  Kräften   und  Kraftwellen  zu- 
gleich  Eins  und   Vieles,    hier    sich    häutend    und    zugleich    dort    -ich    mindernd, 
ein  Meer  in  sich  selber  stürmender  und   Outender  Kräfte,   ewig   sich  wandelnd, 
ewig  zurücklaufend,   mit  ungeheueren  Jahren   der  Wiederkehr  ....  sich  Bei 
bejahend    noch    in    dieser   Gleichheit    seiner    Bahnen    und   Jahre,    sich    - 

end.  als  das,    was    ewig   wiederkommen  mufi,    als   ein    Werden,   das   kein 
Sattwerden,  keinen  Überdruß,  keine  Müdigkeit  kennt  — :  diese  meine  diony- 
sische   Welt    des    Ewig-äch-selber-schaffens,    des    Ewig-sich-eelber-zersto] 
diese  Geheimnis-Well  der  doppelten  Wollüste,  dies  mein  J<\  n  Gut  und 

Böse*,  ohne  Ziel,    wenn    nicht    im    (ilück    des    Kreises   ein  Ziel  liegt,  ...:<: 
m  ei  in-  Welt.  —  wer  ist  hell  genug  da/u,  sie  zu  schauen,  ohne  Bich   Blindheit 
zu  wünschen?  .  .  .    Und  wer  das  vermöchte,  müßte  er  dann  nicht  Doch  mehr 
tun?    Dem  rEUng  der  Ringe'  sich  -eil» er  anyerloben?    .Mit  dem  Gelöbnis  der 

e  ien    Wiederkunft?    Mit    dem   Bing   der   ewigen    Selbst-Segnung,    Sei 
bejahung?      Mit     dem     Willen    zum     Wieder-und-noch-ein-Mal- Wollen.'      Zum 
Zurückwollen  aller  Dinge,  die  je  gewesen  Bind?    Zum  Binaus-Wollen,  zu  allem. 
was  je  sein  muß?"     Diese  heroische  Weltanschauung,  die  Dicht  einer  mystischen 
Frömmigkeit  entbehrt,  ist  atheistisch,  kennt  keinen  Gott.    „Gab  ter, 

wie  könnte  ich  es  ertragen,  kein  Gott  zu  Bein 

Von    N.    beeinflußt     sind     R,    Steiner.      K.     Hörnet  ter,      Mauthn« 

<-.  Landauer,  G.  Naumann.  Zerbst,  Gallwitz,  1'.  M"n_  Seil- 
Liere,  Gaultier  u.  a.;  überaus  groß  war  der  Einfluß  N.-  aui  die  Bchöne 
Literatur,  auf  den  Zeitgeist  aberhaupt 

Schriften:  Die  Geburt  der  Tragödie  aus  dem  Geiste  der  Mu>ik,    lbT'J.  —  Li 
gemäße  Betrachtungen,   1873 — 76  (1873:  1).   Fr.  Strauß,   der  Bekenner    und  der  Sehrift- 
steller;   1874:   Vom   Nutzen   und   Nachteil  der    1  Rix    da-    Lehen; 

hauer  als  Erzieher;   1876:   R.   Wagner  in  Bayreuth).  —  Menschliches.  AHzun. 
Hin   Buch   für  fr-  ->r,    1878  —  80.   —    Morgenröte,    ii. "danken    üher   non 

urteile,   1881.  —  Die    fröhliche   fl  Laaenaehaft,    1883.    —     Als.,    •praeh    Zarathusti 
—  91.  —  Jenseits    von     Gut   und   Böee,     1*86.    —    Zur    Genealogie  — 

Der  Im.:    Wagner,   1888.   —    Die   Qötsendimmenmg    oder   wie    man    mit  dem    I 
philosophiert,  1888.  —  N.  contra  Wagner.  —   Der  AntichrUt         8( 
samtauBgahe  von  F.   Koegel,   1.  Abt.   1895).  —  V.  Abteil.,    hreg,  «.   A.   1! 

u.  a.,  enthält  auch   die   Schrift    ,,I>or   Wille  zur  Macht"    (dai 
Beee    hoeno,    1908.  Besaaunelte    v«. 

FÖB8TKE-NnrrZ8CH  Uhen    F.    N.«,    lb'».ri—  1904.    —    K\ 

fcuurang  f.  N>.    1891t    —    A.    Kii:iii.  mmaaa  Klaestt 

der  Philosophie).—    II.   LlGHTENBEBGEB,  v>  I 

1900.         1'..  blORNEFFXB,    Vortrag«  aber  \.    I90J      -    Rn».    l 

enlnistheorie  und  Hei  IAv  u  i»  -In    Zu 

i  ii:.    I      \  K  vi  i  ii«. I  r.    F.  N.,  1900.    -      II .    V  UHIXG1  I      x 


506  Nietzsche  —  Niphus. 


soph,  1902;  4.  Ä.  1908.  —  F.  ORESTANO,  Le  idee  fondamentali  di  F.  N.,  1903.  — 
E.  PvICHTER,  F.  N.,  1903;  2.  A.  1909.  —  A.  DREWS,  N.s  Philosophie,  1904.  — 
MÖBIUS,  N.,  1904.  —  R.  OEHLER,  N.  und  die  Vorsokratiker,  1904.  —  K.  JOEL, 
N.    und   die   Romantik,    1905.   —   E.  SEILLIERE,   Apollon  ou  Dionysos,  1905;    deutsch 

1906.  —  Grützmacher,  N.,  1910.  —  Bernouilli,  f.  Overbeck  u.  F.  N.,  1908. 

Xieuweiiliuys.  Jakob,  1777—1857.  =  Von  Hermes  und  Chr.  Krause 
beeinflußt. 

Schriften:  Elementa  metaphysices  I,  1833. 

Nigidins  Figulus.  P.,  gest.  45  v.  Chr.,  ein  Freund  Ciceros,  nach 
Cicero  der  erste  Neupythagoreer. 

Vgl.  N.  Nigidii  Figuli  operura  reliquiae,  ed.  A.  Swoboda,   1889. 

Nigrinos9  nach  dem  gleichnamigen  Dialog  des  Lukianos  ein  im  2.  Jahrh. 
in  Rom  lebender  Platoniker. 

Nikephorus  Blemniydes«  lebte  um  die  Mitte  des  13.  Jahrh.  als 
Mönch  in  Byzanz. 

Schriften:  'Emrojuf]  koyixfjg,  hrsg.  1605  und  bei  Migne,  Patrologiae  cursus  142; 
ferner  1784  nebst:  'Ejcirofxrj  yvoixtjg.  —  Aöyog  tzsqI  \pvyr\g,  u.  a. 

Xikolaos  von  Damaskus,  geb.  um  64  v.  Chr.,  lebte  zuerst  am  Hofe 
des  Herodes,  dann  in  Rom,  Peripatetiker.  Von  seiner  Schrift:  ITsgl  'Aqigxo- 
rs/.ovc  (pdoooq?iag  existieren  nur  Fragmente. 

Vgl.  C.  Trieber,  De  N.  D.,  1867. 

Nikolaus  Kabbasilas,  um  1250  Bischof  von  Thessalonich,  Verfasser 
der  Schrift:  ITeqI  xfjg  ev  Xqiotco  'Qoofjg,  welche  einen  mystischen  Charakter  hat 
und  die  gute  Gesinnung  betont. 

Vgl.  W.  GASS,  Die  Mystik  des  N.  K.,  1849,  1899. 

Nikomachos:  1.  Vater,  2.  Sohn  des  Aristoteles. 

Xikomaclios  aus  Geras a  (Arabien),  um  150  n.  Chr.  =  N.  ist  ein 
Neupythagoreer,  nach  welchem  die  Zahlen  die  Urbilder  der  Dinge  im  göttlichen 
Geiste  sind.     Die  Zahl  definiert  er  als  bestimmte  Menge  (jikrjftog  wqio^isvov). 

Schriften:  ^AQL'dfj.rjxtKfjg  ßißh'a  ovo,  1538.  —  Institutio  arithmetica,  1817.  — 
Vgl.  ZELLER,  Philosophie  der  Griechen  III,  2.  —  Seoloyov^sva  aQidprjTixä,  Auszüge 
dieser  Schrift  des  N.  (?)  von  Photios. 

Niphus  (Nifo),  Augustinus  (Suessanus,  weil  von  einem  Bürger  aus  Suessa 
erzogen),  geb.  1473,  lehrte  seit  1492  in  verschiedenen  Städten  Italiens  (Padua, 
Bologna,  Salerno,  Rom)  Philosophie,  wirkte  auch  als  Arzt  und  Astrolog,  gest. 
1546  in  Rom,  wo  er  bei  Leo  X.  in  Gunst  gestanden.  =  N.,  ein  Schüler  des 
Nicoletti  Vernias,  lehrte  anfangs  im  Sinne  des  Averroismus  die  Einheit  des 
Intellekts  in  allen  Menschen,  neigte  aber  später  scholastisch-platonischen  An- 
schauungen zu. 

Schriften:  De  intellectu  et  daemonibus,  1503.  —  De  inünitate  primi  motoris, 
1504.  —  De  immortalitate  animae  contra  Pomponatium,  1521  (im  Auftrag  des  Papstes 
Leo  X.  verfaßt).  —  Dialectica  ludicra,  1521.  —  De  pulchro  et  amore,  1539,  u.  a.  — 
Opera,    1559.   —  Opuscula  moralia  et  politica,   1645. 


NlT»  HE   —    NOLRE. 


Xitsche,  Adolf,  g  0  in  Innsbruck,  Landeaschulinspektor. 

Schriften:    Versuch    einer  einheitl.  Lehre  von  den  Gefühlen,   1886.    —    Lehr 
der  Logik,  1890. 

Xizolins.   Marius,   geb.   14(.»s   in    Bersello,   lehrte   in    Parma,   später   in 

Sabbioneta,  wo  er  157H  starb. 

X.  ist  ein  Gegner  des  Aristoteles  und  der  aristotelischen  Scholastik,  sowie 

der  Metaphysik,  der  er  die  Rhetorik  entgegenstellt.  Bezüglich  der  Universellen- 
frage  vertritt  er  den  Nominalismus.  Das  Allgemeine  ist  nur  ein  Kollektiv- 
name,  die  „Komprehension"  einer  Vielheit  ähnlicher  Dinge  durch  einen  I 
akt  („Nostra  universa,  ut  sunt  a  natura  facta  sine  ulla  abstzactione,  nihil 
aliud  esse  dicimus,  nisi  omnia  singularia  nnius  cuiuslibet  generi-  simul  com- 
pivhensa*').  Realität  haben  nur  die  Einzeldinge,  nicht  die  Qattnngen.  Von 
der  'Wahrnehmung  geht  alle  Erkenntnis  aus.  Erfahrung  und  Induktion  Bind 
ihre  Grundlagen. 

Schriften:  Thesaurus  Ciceronianus,  Antibarbarus  philosophicus:  De  veris  principiis 
et  vera  ratione  philosophandi  contra  pseudophilosophos,  1553,  neu  herausgegeben  von 
Leibniz,   1671.  —  Vgl.   M.   GtLOSSNER,  X.  v.  Cusa  und  M.  Nizolius,   1891. 

Xoaek,  Ludwig,  1819  —  188."),  Prof.  und  Bibliothekar  in  Gießen.  Heraus- 
geber der  ..Jahrbücher  für  spekulative  Philosophie'',  184G — 48  und  der  Zeit- 
schrift „Psyche",  ls~>s — 63.  —  Von  Hegel  beeinflußt.  Die  [des  der  Religion 
i-i  i ins  mit  der  Idee  der  Menschheit  als  freien  Selbstbewußtseins  in  Gott 

Schriften:    Der   Keligionsbegrifl    Hegels,    1845.    —    Mythologie    und   Offenbar 
1845  f.  —    Spekulative  Religionswissenschaft,   1847.    —    Das   Buch   der   Religion,    1- 

—  Die  Theologie  als  Religionsphilosophie,   1852.   —  Die   christliche    Mystik    des  Mittel- 
alters,  1853.  —  Propädeutik  d.  Philos.,  1854.  —  Geschichte  der  Freidenker,  1853  — 

—  Kants  Auferstehung  aus  seinem  Grabe,    1862.    —    Philosophiegeschichtliches    I 
1879,  u.  a. 

Koire,   Ludwig,   geb.    L829,   seit    L848  Gymnasiallehrer   in   Main/.  _ 

N.    lebii    (ähnlich   wie   L.   Geiger   u.   a.)    einen    hylozoistischen,    peycho- 
physischen    Monismus.     Von   Schopenhauer   beeinflußt,   erklärt    V:    ..All»-. 
\\a-  im-  von  außen    als    Krati    erscheint,   i-t    innerlich    Will./-     l»i«     Dingi 
stehen  für  uns  au-  Atomen   und  diese  haben  zwei  areprünglich    I 

:  Daseinsweisen:  Bewegung  and  Empfindung.    Aus  diesen  Eigenschaften  sind 
unsere    AnschauungBformen    (Kaum    und   Zeit)  abstrahiert      Die   menschli 
Vernunft  i-i  durch  allmähliche  Entwicklung  der  inneren  Eügenschafl  der  I1 
l>i-  heraui  cum  Blenschengeisl  entstanden.    Au-  der  inneren  Erfahrung  stammt 
der    Begriff   der   nTausalitit,   den    wir    auf   die   Außendinge   ubertra  D 

Bprache  l«'it.-t  \.  sus  der  Erleichterung  her,  welche  da-  Ausstoßen  von  i 
bei  Erregung  der  sinne  und  bei  (besondem  gemeinsamer]  Huakelarbi  Ltet 

al-  Eteaktion  gegen  die  innere,  durch  die   Muskelaiwtrengui  ll1«' 

Störung. 

-     hrifu-i.       I':'-    Welt    als     B  ung    isi  Urundla/ 

zeitgemäßen     Philosophie.     1875.  D«     nionint 

PhüOSO]  n  utiiI   Lazarus  GeifSi  —   l>»e 


508  Noire  —  Novicow. 


Doppelnatur  der  Kausalität,  1876.  —  Einleitung  und  Begründung  einer  monistischen 
Erkenntnistheorie,  1877.  —  Aphorismen  zur  monistischen  Philosophie,  1877.  —  Der 
Ursprung  der  Sprache,  1877.  — Das  Werkzeug  und  seine  Bedeutung  für  die  Entwicklungs- 
geschichte der  Menschheit,  1880.  —  Die  Lehre  Kants  und  der  Ursprung  der  Vernunft, 
1882.  —  Logos,  Ursprung  und   Wesen  der  Begriffe,  1885,  u.  a. 

Xordan,  Max,  geb.  1849  in  Budapest,  Arzt  in  Paris.  =  Evolutionistischer 
Standpunkt;  in  bezug  auf  die  Lehre  vom  Genie  und  Verbrecher  ist  N.  von 
Lombroso  beeinflußt. 

Schriften:  Paradoxe,  8.  A.  1903.  —  Die  konventionellen  Lügen  der  Kultur- 
menschheit, 1883  u.  ö.  (1908).  —  Entartung,  3.  A.  1906.  —  Von  Kunst  u.  Künstlern, 
1905.  —  Der  Sinn  der  Geschichte,  1909,  u.  a. 

Norris,  John,  1657 — 1711,  seit  1691  Eektor  in  Bemerton. 

N.  ist  ein  Gegner  Lockes  und  ein  von  H.  More  beeinflußter  Anhänger 
Malebranches,  der  für  N.  der  „Galilei  der  intellektuellen  Welt"  ist  (vgl.  Cas- 
sirer,  Das  Erkenntnisproblem  II,  302  ff.).  Es  gibt  nach  N.  absolut  gültige 
und  notwendige  Wahrheiten,  denen  eine  ideale  Welt  entspricht,  die  unsere 
Vernunft  nicht  erschafft,  sondern  nur  nachbildet  („to  affirm  that  there  are 
eternal  truths  imports  as  much  as  that  there  are  eternal  habitudes  and 
relations,  that  never  were  made  by  any  understanding  or  will,  nor  can  ever 
be  unmade  by  them,  but  have  a  certain  stated  and  unalterable  order"). 

Schriften:  Letters  concerning  the  love  of  God,  1695.  —  An  Account  of  reason 
and  faith  in  relation  to  the  mysteriös  of  Christianity,  1697.  —  An  Essay  towards  the 
theory  of  the  ideal  or  intelligible  world,  1701  —  1704  (Hauptwerk),  u.  a. 

Norström,  Vitalis,  Prof.  in  Göteborg.  =  Idealistischer  Standpunkt. 
Schriften:    Naturzusammenhang  und  Freiheit,   1895.  —    Der  Kadikalismus,  1898, 
u.  a.  (schwedisch). 

Notker  LalM'O.  geb.  um  952,  gest.  1022,  Mönch  und  Lehrer  im 
Kloster  zu  St.  Gallen.  Er  übersetzte  Schriften  des  Aristoteles,  des  Boethius, 
des  Martianus  Capeila  u.  a.  und  verfaßte  Abhandlungen  logischen,  rhetorischen 
und  anderen  Inhalts. 

Vgl.  P.  PIPER,  Schriften  N.s  und  seiner  Schule,   1882  f. 

Novalis  s.  Hardenberg. 

Novicow,  Jacques,  französisch  schreibender  russischer  Soziolog.  =  N.  ist 
ein  Anhänger  der  organisch-psychologischen  Richtung  der  Soziologie.  Er  ist 
Evolutionist,  aber  ein  Gegner  des  sozialen  und  soziologischen  Selektionis- 
mus; er  betont  das  Assoziationsprinzip  und  die  Idee  der  Menschheitsver- 
brüderung. 

hriften:  Essai  de  notation  sociologique,  1897.  —  Conscience  et  volonte 
sociales,  1897.  —  Les  gaspillages  des  societes  modernes,  2.  6d.  1899.  —  La  theorie 
organique  des  societes,  1899.  —  L'avenir  de  la  race  blanche,  2.  ed.  1902.  —  Les 
lüttes  entre  societes  humaines,  3.  ed.  1904.  —  La  justice  et  l'expansion  de  la  vie, 
1905;  deutsch  von  A.  Fried,  1907.  —  Le  probleme  de  la  misere,  1908;  deutsch  von 
A.  Fried,  1909.  —  La  critique  du  darwinisme  social,  1910,  u.  a. 


Nowitzki  —Och  am. 


Xowitzky,  <>.,  180G— 18&i,  Prof.  in  Kiew.  =  Von  Kant.  Pichte  iL  a. 
beeinflußt. 

Schriften:   Über  die  Vernunft,   1840.  —  Logik,   1841   (ru  ..  a 

Xumeilios  aus  Apamea  (Syrien),  in  der  /.weiten  Hälfte  des  -'•  .Jahrh. 
q.  Chr.      Von    seinen    Schriften    [liegt   r<3»  IHdjwvog  abtogQrJTwi  kw, 

r,]:  "~>t    'Axadrj/Muxcov  tiqoq   Tl/idxcova   dicureaaecog,   Kommentar  zu    Piatons 
Timaeus)  sind  nur  Brachstücke  überliefert  (bei  Origenes,  Eusebius  a.  a 
Mullach,  Fragmenta,  III,  L868, 

X.  gehört  zu  den  eklektischen  Piatonikern,  indem  er  pythagoreische  An- 
schaunngen  mit  Lehren  Platos,  den  er  einen  „attisch  redenden  M<  *  a  nennt, 
verbindet  Er  unterscheidet  vom  höchsten  Gott,  welcher  Prinzip  des  Beins, 
reiner  Geist  (ror-i.   an   sich   gut   und   seiend   ist  (6  dsbg  6  yuv  nqünoi 

.  den  zweiten  Gott  [6  dsvcsgog  &eog),  den  Demiurgen,  das  Prinzip  des  Wi 
den-  iscog  &QZV)    UI1(1    von    diesem    die   Welt    als  den    ..dritten  Gott".     Da 

Demiarg  hat  Anteil  am  ersten  Gott;  er  schaut  auf  die  Ideen,  die  Urbilder 
der  Dinge  und  bildet  diese  nach  jenen.  Die  Seele  hat  schon  vor  der  Geburt 
prüexistiert  und  ist  durch  ihre  Schuld  in  den  Leib   heia  n:    Dach   ihn  i 

Läuterung  vereinigt  sie  sich  nach  dem  Tode  wieder  mit  der  Gottheit. 

7gl.    F.    T HEDINGA,    De    X.,     1875.    —    B.    DOMAXSKI,     Die    Psy<  hu!.  . 
Xumenios,   1900. 

Xüsslein,   Franz  Anton,  geb.  1770  in  Bamberg,   gest  L832  als  Direktor 

Lyzeums  in  Dillingen.  =  Von  Sehelling  beeinflußter  Fklektiker  aut  katho- 
lischer Grundlaf 

Schriften:  Lehrbuch  der  Kunstwissenschaft,  1819.  —  Grundlinien  der  allgemeinen 
Psychologie,  1821.  —  Über  das  Wesen  der  Vernunft,  1822.  —  Grundlinien  der  Logik, 
1824.  —  Grundlinien  der  Ethik,   1829.  —  Lehrbuch  der  Metaphysik,   183G  —  37. 

XÜHsIein.  Georg,  Bruder  des  vorigen,  gel».  3 7* »< v  in  Bamberg,  L793  Prot. 
in  Bamberg,  gest  1842  als  Domkapitular  in  Bamberg.  =  Von  Kant  beein- 
flußter Eklektiker. 

Schriften:    Ober  den    Unterschied  des  Erkennens  a  priori  und  a  posteriori,    l> 
—   I  bar  die  Freiheit  des  Willens,   1797.    —   (her  die  Unat  keil  der  men- 

B,   1799.    —    Thesen  aus  der  ganzen  Philosophie,   1803.    —    Vemeh  einer   t. 
Darstellung   der    allgemeinen    Verstandeswissensihaft.    1801.    —    Kritik  der  t 
pichten   der   Logik,   1802,   u.   a. 

NyMtas,  Axel,  1821     1899,  Prot  in  Land.  =  Anhangei   B  ströme, 

Schriften:    Die   philosophische    Forschung  ia  Beawi  E  iDr- 

Lundorts,   1873  ff.  (schwedisch),  u.  a. 


O. 

0<<aiii.  Wilhelm   von,  geb.  1270  an  Oocam  (Grafschaft  -  I 

land)    Pranriskaner,    in   Oxford    Schüler  dei    Don     S    tos,    lehrte   in    P 
nahm  in    3  zwischen    Papel   bV  VIII.  and  Philipp  d< 


510  Occam. 

für  letzteren  und  die  Staatsgewalt  Partei,  mußte  fliehen  (1328)  und  wurde 
von  Ludwig  von  Bayern  beschützt;  er  starb  1347  in  München.  Wegen 
seiner  dialektischen  Gewandtheit  erhielt  er  den  Beinamen  „doctor  invincibilis", 
wegen  seiner  Erneuerung  des  Nominalismus  den  Beinamen  „venerabilis  in- 
ceptor". 

Occam  ist  der  bedeutendste  Vertreter  des  Nominalismus  und  einer  der 
bedeutendsten  Denker  des  Mittelalters  überhaupt.  Gegenüber  der  kirchlichen 
Lehre  ist  er  durchaus  fügsam,  scheidet  aber  Glaube  und  Wissen  scharf,  indem 
es  nach  ihm  nicht  möglich  ist,  Gott  intuitiv  zu  erkennen  oder  sein  Dasein 
unwiderlegbar  zu  beweisen.  Eine  Theologie  als  rationelle  Wissenschaft  ist 
nicht  möglich.  An  Gott  muß  einfach  geglaubt  werden  und  es  muß  der  Wille 
zum  Glauben  bestehen.  Von  Occam  und  seinen  Anhängern  wird  die  Lehre 
von  der  zweifachen  Wahrheit  —  einer  philosophischen  und  einer  theologischen, 
die  einander  widersprechen  können  —  erneuert. 

Die  Logik  ist  nach  0.  eine  „praktische"  Wissenschaft,  eine  Leitung  des 
Denkens  und  Erkennens.  Sie  hat  es  mit  Zeichen  zu  tun  („intentionibus,  quae 
vere  opera  nostra  sunt"),  nämlich  mit  Begriffen  (Satzelementen,  „termini")  und 
deren  Verbindungen  (Urteil,  Schluß,  Beweis).  Die  Begriffe  sind  Zeichen  für 
je  eine  Klasse  von  Dingen,  die  der  Begriff  vertritt;  die  Wörter  sind  willkür- 
lich gebildete  Zeichen.  Das  Allgemeine  ist  weder  ein  Ding  noch  Teil  eines 
solchen,  es  existiert  als  Allgemeines  (Gattung)  weder  außerhalb  der  Dinge 
noch  in  den  Dingen.  „Entia  praeter  necessitatem  non  sunt  multiplicanda"  — 
die  Annahme,  daß  das  begrifflich-sprachlich  Allgemeine  auch  real  („subiective") 
und  nicht  nur  als  Denkinhalt  („obiective")  besteht,  ist  unnütz  und  wider- 
spruchsvoll. Das  Allgemeine  liegt  nur  in  der  Repräsentation  ähnlicher  Dinge 
durch  einen  Begriff  und  Ausdruck  („terminus",  Terminismus,  Konzeptualis- 
mus),  der  die  betreffende  Klasse  von  Dingen  vertritt  („supponit").  Das  Allge- 
meine ist  eine  Einheit  nur  logisch-sprachlich  und  bezieht  sich  (durch  „signi- 
ficatio")  auf  eine  Vielheit  von  Individuen  („conceptus  mentis,  signifcans 
univoce  plura  singularia"),  deren  Ähnlichkeit  das  Fundament  des  Allgemein- 
begriffs ist  (die  Uni  versahen  sind  „ficta  quibus  in  esse  reali  correspondent  vel 
correspondere  possunt  consimüia").  Alles  Reale  ist  durch  sich  selbst  indivi- 
duell („quaelibet  res,  eo  ipso  quod  est,  est  haec  res",  „omnis  res  positiva  extra 
animam  eo  ipso  est  singularis").  Die  Abstraktion  erfolgt  auf  Grund  ähn- 
licher Vorstellungen  von  selbst,  ohne  aktive  Willens-  und  Denktätigkeit  („uni- 
versalia  et  intentiones  secundae  causantur  naturaliter  sine  omni  activitate  in- 
tellectus  et  voluntatis").  Nominalistisch  faßt  O.  auch  die  Ideenlehre  auf.  Die 
Ideen,  die  Urbilder  der  Dinge  haben  in  Gott  nur  ein  Sein  als  Denkinhalt, 
nicht  als  Teile  des  göttlichen  Wesens  und  es  gibt  ferner  nur  Ideen  von  Einzel- 
dingen („ideae  .  .  sunt  singularium  et  non  specierum"). 

Mit  der  Wahrnehmung  des  Einzelnen  beginnt  alle  Erkenntnis.  Aus 
der  Wahrnehmung  geht  die  Erinnerung,  aus  dieser  die  Erfahrung  hervor,  ver- 
möge welcher  das  begriffliche  Wissen  entsteht.  Auf  äußerer  und  innerer 
Erfahrung   beruht   alle   Erkenntnis    („omnis   cognitio  intellectiva  praesupponit 

Bsario    imaginationem   sensitivam    tarn    sensus   exterioris   quam    interioris")* 


I  U  <  am         <  »ELZEL1  -N'iwiN.  ."»11 


Zwischen   intuitiver  und   abstraktiver  Erkenntnis   ist   zu   unterscheiden. 

Die  intuitive  (anschauliche)  Erkenntnis  ist  eine  solche,   durch  die  man   i 
kann,   ob  ein   Ding  ist  oder   nicht   ist,   und   ob   und  wie  es  zu  einem   mdern 
Ding  in  Beziehung  steht   I  ..notitia  intuinva  rä  est  talis   notitia,   vi  cidtu  potesl 
sciri,  utnim  res  sit  vel  non  Bit'*);    der  Intellekt   formuliert   dann  diese  Einsicht 
in  einem  Urteil   („ita  quod  statiin   iudicans    intellectus   ren  ridentei 

cludit,  eam  esse"),   so  daß  sich  an  den  Akt  der  Erfassung  bos    apprehen- 

sivus")  des  Objekts  die  Urteilsfunktion  (., actus  iudicatiYUs'*)  anschließt,  «reiche 
»in  Akt  der  Zustimmung  oder  Ablehnung  ist  (,,assentit  \ ••!  dissentit").  Die 
Dinge  der  Außenwelt  nehmen  wir  ohne  Vermittlung  ron  „speciea  Lntelli- 
gibiles",  von  geistigen  Bildern  der  Dinge  in  der  Seele,  wahr,  sondern  unsere 
Vorstellungen  beziehen  sich  direkt  auf  die  Dinge,  nicht  als  Bilder,  sondern  nur 
als  (natürliche)  Zeichen  derselben,  die  ihnen  ebensowenig  ähnlieh  zu 
brauchenj  wie  der  Rauch  dem  Feuer.  Die  sicherste  Erkenntnis  ist  nicht  die 
äußere,  sondern  die  innere  Wahrnehmung,  denn  Gegenstand  die  Tätigkeiten 
und  Zustände  (nicht  aber  das  Wesen)  der  Seele  sind.  Die  Wahrnehmim. 
seelischen  Zustande  ist  eine  unmittelbare,  nicht  sinnliche.  Die  empfindende 
►Seele  ist  ausgedehnt,  eine  „Form"  des  Leibes,  die  geistige  Seele  eine  rom 
Leibe  trennbare  Substanz,  die  in  jedem  Teile  ganz  ist.  Vernunft  und  Wille 
sind  nicht  zwei  Teile  der  Seele,  sondern  nur  eine  Kraft  mit  verschiedenen 
Funktionen  („uns  Tantum  res  secundum  diversa  officis  distincte  significata")« 
Ebenso  haben  der  tätige  und  leitende  Verstand  eine  WurzeL 

Die    Sittlichkeit     führt    ( ).    auf    den   Willen    Gottes    zurück,    der    auch 
andere  sittliche  Werte  hätte   setzen   können.     Denn  Gott    vermag   alles,   iraa 
nicht   in  sich  widerspruchsvoll  i-t.      Die  Dinge   sind    gut,    weil    Gott    sie  wollte 
Duns  Scotus). 

Von  Occam  beeinflußte  Nominalisten  sind  Robert  Bolcot,  Nicolaui 
von  A  u  t  rieuria.  Nicolas  d'Oresme,  Johann  Buridan.  Ifarsiliufl 
von  [nghen,    Pierre  d'Ailly,    Gabriel    Biel   u.  a,      Bei   Occam    finden 

Sich  schon   Keime    zum    späteren  englischen    Empirismus  und  dessen    Lehre  von 
der  Subjektivität   der  Sinne-.jualitäten. 

9    hriften:     (Jumllibeta  septem,   1487,    1491.   —    Summa  totiu»  logieM  »ive  traeta- 
tuß  logices,    1488,    1561.   —    Quaestiones  in  libros  Physicorum,   1491,    1606. 
tioncs  et  decisiones  in  quatuor  libros  sontentiarum,  149ö.   —   Rzpontio  aurea  raper 
artem    veterem,    videlicet    in    Porphyrii    ptaedksMlia    et  amenta, 

—   ('entilo(|uium   thologkum,   14HG.  —    ?gL    K.    \\  n:\ii:.    Di«    S 
Mittelalter»,    1884.    —    Sn.i;i:<  K,    Oj    Krkennti. 
\.   1897. 

o<lioi  ou  i</..  Julian.  =  Positivist 

B    hriften:  La  mt-thode  dans  !'•  B,   u.  • 

Oetaeli-Hewte,   Anton     geb.  1864   in   Wien,   leb*   in  W  \ 

Heu  influßt,  mit  agnosti»  h<  r   I  • 

i.  ritten:    Dii    l'nlünbtrk.  ^83.    —  .ren  de« 

Glauben*,  1885.   -         ■   nustaslaiflntsIlmitnB,  ISO.    —  Üb«r  onea, 

1892.   —    Kosmodi.  >1  \V<.»halb  da»  Problem  »Irr  Will  «»«frei 


512  Oelzelt-Newin  —  Oetinger. 

ist,  1900.  —  Kleinere  philosophische  Schriften,  1902.  —  Die  Hypothese  eines  Seelen- 
lebens der  Pflanzen,  Zeitschrift  für  den  Ausbau  der  Entwicklungslehre  I,  1907.  —  Be- 
obachtungen über  das  Leben  der  Protozoen,  Zeitschrift  für  Psychol.  der  Sinnesorgane, 
Bd.  41,   u.  a. 

Oersted,  Haus  Christian,  1777—1851,  der  Entdecker  des  Elektromagne- 
tismus (Däne),  Prof.  in  Kopenhagen. 

Oersted  gehört  zu  den  Anhängern  der  Schellingschen  Naturphilosophie. 
Die  Körper  sind  nach  ihm  krafterfüllte  Räume.  Nirgends  gibt  es  absolute 
Ruhe,  alles  ist  wirksam  und  entwickelt  sich.  Die  verschiedenen  Kräfte  sind 
Modifikationen  einer  einheitlichen  Kraft.  Zeit  und  Raum  sind  notwendige 
Formen  der  Sinnlichkeit,  „Endlichkeitstheorien".  Die  Welt  und  der  Menschen- 
geist sind  nach  denselben  Gesetzen  hervorgebracht.  „Wären  unsere  Vernunft- 
gesetze nicht  in  der  Natur,  würden  wir  vergebens  streben,  sie  ihr  aufzudringen ; 
wären  die  Naturgesetze  nicht  in  unserer  Vernunft,  würden  wir  sie  nicht 
fassen."  Wir  sind  „selbstlebende,  selbstbewußte  Gottesgedanken".  Natur- 
gesetze sind  „Naturgedanken",  „Gottesgedanken".  Das  Wesen  eines  Dinges 
ist  dessen  lebende,  verwirklichte  Idee;  jedes  Individuum  ist  eine  eigentümliche 
Ausführung  der  Grundidee  des  Gegenstandes.  Die  Unendlichkeit  der  Idee  ist 
inbegriffen  in  einer  wirkenden  Idee,  einer  unendlich  lebenden  Vernunft. 
„Das  Körperliche  und  das  Geistige  sind  ungetrennt  vereint  in  dem  wirksamen 
Gottesgedanken,  dessen  Werk  jedes  Ding  ist."  Durch  sein  Selbstbewußtsein 
ist  der  Mensch  frei. 

Schriften  (deutsch):  Der  Geist  in  der  Natur,  1850  (dänisch  1849 — 50);  6.  A. 
1874.  —  Neue  Beiträge  zu  dem  Geist  in  der  Natur,  1851.  —  Die  Naturwissenschaft  in 
ihrem  Verhältnis  zur  Dichtkunst  und  Religion,  1850.  —  Die  Naturwissenschaft  und  die 
Geistesbildung,  1850,  u.  a.  —  Gesammelte  Schriften,  deutsch  von  Kannegießer,  6  Bde., 
1851—53. 

Oesterreicli,  Traugott  Konstantin,  geb.  1880  in  Stettin,  seit  1910  Privat- 
dozent der  Philosophie  in  Tübingen.  =  Von  Paulsen  beeinflußt. 

Schriften:  Kant  und  die  Metaphysik,  1906.  —  Die  Erfahrung  des  Göttlichen  als 
das  Grundproblem  der  Beligionsphilosophie ,  1909.  —  Die  Phänomenologie  des  Ich, 
1910  f.  —  Die  Entfremdung  der  Wahrnehmungswelt  und  die  Depersonalisation  in  der 
Psychasthenie,  1910.  —  Die  deutsche  Philosophie  in  der  zweiten  Hälfte  des  neunzehnten 
Jahrhunderts,  1910.  —  Das  Selbstbewußtsein  und  seine  Störungen,  1911,  u.  a. 

Oetinger,  Friedrich  Christoph,  geb.  1702  in  Göppingen  (Württemberg), 
gest.  1782  als  Prälat  in  Murrhardt.  =  Von  Malebranche,  J.  Böhme,  der  Kab- 
bala.  Swedenborg  u.  a.  beeinflußter  Theosoph  und  Mystiker.  Er  betont  die 
Zusammengehörigkeit  von  Geist  und  Materie,  Licht  und  Finsternis  und  den 
Primat  des  Lebens,  welches  dem  Denken  und  Sein  vorangeht,  für  den  Ver- 
stand aber  dunkel  ist,  während  es  dem  „sensus  communis"  klar  ist.  In  jedem 
Dinge  ist  ein  „spiritus  rector"  (Lebensgeist).  Der  erste  Trieb  der  Seele  ist  der 
Wille  zur  Selbstoffenbarung,  der  dem  Verstände  vorangeht  (vgl.  Noack,  Phi- 
losophiegeschichtliches Lexikon,  S.  640  ff.). 

Schriften:  Die  Philosophie  der  Alten,  1762.  —  Metaphysik  in  Konnexion  mit 
der   Chemie,    1771.    —   Gedanken   von   den   Fähigkeiten  zu  empfinden   und  zu  erkennen, 


I  lETIXGEB   —  OKEN. 


1775.    —    Selbstbiographie,    hrsg.    von    Haniberger,    1845.    —    Schriften,    hrsg.    1858  ti., 
ti.  a.  —    Vgl.  AüBERLEN,  Die  Theosophie  Oe.s,  1848. 

Offner,  Max,  geb.  1864  in  Augsburg,  Gymnasialprofessor  in  München. 

O.  ist  besonders  von  Lipps  beeinflußt.  Freiheit  des  Willens  ist  nach 
O.  jener  Zustand,  in  dem  der  Mensch  so  und  nicht  anders  will,  als  es  in 
seiner  Xatur,  in  seiner  wahren  Persönlichkeit  liegt.  Die  Zurechnung  ist 
der  Zustand,  in  welchem  sich  ein  Mensch  so  betätigen  kann,  wie  es  in  seinem 
Charakter  liegt.  Es  gibt  äußerliche,  psychologische,  sittliche  und  strafrecht- 
liche Zurechnung.  Die  Verantwortlichkeit  ist  die  Möglichkeit,  daß  ein 
."Mensch  genötigt  wird,  den  Nachweis  zu  liefern,  daß  seine  Handlung  gewiss 
von  ihm  freiwillig  oder  gezwungen  anerkannten  Forderungen  nicht  wider- 
spricht. —  Die  Assoziation  ist  eine  Teilbedingung  für  die  Reproduktion, 
oämlich  die  „Disposition  zur  Weiterleitung  der  psychophysischen  Erregung  von 
einer  Vorstellungsdisposition  zu  einer  anderen  Vorstellungsdisposition",  eine 
„Weiterleitungsdisposition".  Leistungsfähiger  ist  die  Assoziation  in  der 
Richtung  auf  jene  Stelle  hin,  deren  Erregung  bei  der  Entstehung  der  As* 
ziation  ceteris  paribus  ihren  Höhepunkt  noch  nicht  erreicht  hatte.  Es  gibt 
wohl  auch  ,, freisteigende  Vorstellungen"  (s.  Herbart).  Für  die  Bildung  psy- 
chischer Dispositionen  ist  die  „Perseveration"  (Ausdruck  von  Müller  und  Pilx- 
ecker),  das  unter  der  Bewußtseinsschwelle  sich  vollziehende  Ab-  oder  An- 
klingen psychischer  Vorgänge,  bedeutsam. 

Schriften:  Über  die  Grundformen  der  Yorstellungsverbindung,  Philos.  Monats- 
hefte, 1892.  —  Die  Psychologie  Ch.  Bonnets,  1893.  —  Die  Willensfreiheit,  1903.  — 
Zurechnung  und  Verantwortung,  1904.  —  Das  Gedächtnis,  1909.  —  Über  geistige  Er- 
müdung,  1909. 

Oinomaos   aus  Gadara,    lebte   unter   Eadrian.     Kyniker,    Gregner 
Orakelwesens   und    des   Aberglaubens,    lehrte   die   Willensfreiheit.     Von   seiner 
Schrift:   Tor\x(üv  qpcoga  sind   Fragmente  (bei  Eusebiuß,  praepar.  evangel.  V*  er- 
halten. 

Vgl.  Th.  8AARMANN,   De  Oenomao  Gadareno,   1887. 

Oischinger,    J.  N.  P.,    geb.   1817  zu   Wittmannsberg ,  zu 

München.  =  Gegner  Günthers,  Theist. 

Schriften:  Grundzügo  zum  System  der  christlichen  Philosophie,  8.  A.  1858.  — 
Die  Günthersche  Philosophie,  1852.  —  Spekulat.  Entwickl.  der  Huptsyitemfl  dar  neuem 
Philo«.,  1853  f. 

Oken  (ursprünglich  Oekenfuß),  Lorenz,  geb.  1771)  bei  Offenburg  (Bad 
Beil    1807  Prof.  der  Natarwissenschaften   in  Jena,   Beil    is-s  in   München,   seil 

•  in  Zürich,  gest.  daselbst  1851. 

<  >.  ist  der  bedeutendste  Vertreter  der  Naturphilosophie  aus  der  Schule 
S  hellings.  Trotz  manches  Phantastischen  enthalten  -•■in--  Schriften  \ 
eu  Bp&teren,  noch  heute  gültigen  Theorien.  Schon  in  der  Schrill  über  die 
Zeugung  lehrt  <>..  dafi  alle  organischen  Wesen  aus  „Bläschen"  oder  „Zellen" 
entstehen  und  bestehen.  „Diese  Bläschen  roeinielt  und  in  ihrem  nraprü 
lichm  Entstehen  betrachtet  sind  die  infusorial«  Masse  oder  der  Ursen!  im,  woraus 
sich  alle  größeren  Organismen    gestalten."     Die  Zeugung  besteht  in  dem  Z 

Eisler ,  Phllosophon-Lexikon. 


514  Oken. 

fallen  des  Organismus  in  Zellen  („Infusorien"),  w eiche  den  Leib  verlassen  und 
eine  neue  Hülle  aufsuchen.  In  der  Schrift  über  das  Universum  betrachtet  O. 
die  Simiesobjekte  als  Verlängerungen  der  Sinnesorgane  und  die  Welt  als  durch 
die  Sinne  verbunden,  so  daß  Welt  und  Organismus  einerlei  sind.  Das  Univer- 
sum erscheint  sich  selbst  und  ist  insofern  ein  Ich. 

Die  ganze  Philosophie  ist  nach  O.  Naturphilosophie.  Diese  ist  die 
„Wissenschaft  von  der  ewigen  Verwandlung  Gottes  in  die  Welt",  von  der  Ent- 
stehung der  Welt  als  Vielheit  von  Erscheinungen  durch  das  Heraustreten  der 
Idee  aus  sich  selbst,  durch  ihr  Realwerden.  Die  Naturphilosophie  zeigt  die 
Welt  in  ihrer  Entwicklung  bis  herauf  zum  Menschen  als  Entfaltung  und  Er- 
scheinung der  „mathematischen  Ideen".  Die  Naturphilosophie  ist  demnach 
die  „Darstellung  der  Erscheinungen  im  Bewußtsein".  Sie  hat  zu  zeigen,  „wie 
das  Materiale  und  zwar  nach  welchen  Gesetzen  dasselbe  entstehe",  sie  hat  „die 
ersten  Entwicklungsmomente  der  Welt  vom  Nichts  an  darzustellen",  sie  ist 
„Schöpfungsgeschichte",  „Genesis".  Natur  und  Geist  gehen  einander  parallel  r. 
die  Natur  ist  die  Darstellung  der  einzelnen  Tätigkeiten  des  Geistes,  das  Tier- 
reich nichts  als  der  „auseinandergelegte  Mensch". 

Die  Naturphilosophie  ist  nur  Wissenschaft,  wenn  sie  mathematisierbar  ist. 
Die  höchste  mathematische  Idee  ist  das  Zero  (Null),  so  daß  die  Mathematik 
aus  dem  Nichts  entspringt.  Der  erste  Akt  des  Realwerden  ist  ein  Entstehen 
von  Vielem;  alle  Realität  kann  sich  nur  in  der  Vielheit  offenbaren.  Das 
Reale  ist  nur  das  zersplitterte,  endlich  gewordene  Ideale.  „Reales  imd  Ideales 
sind  eins  und  dasselbe,  nur  unter  zweierlei  Formen.  Das  letztere  ist  dasselbe 
unter  einer  unbestimmten,  ewigen,  einfachen  Form;  das  Reale  ist  aber  das- 
selbe, jedoch  unter  der  Form  der  Vielheit,"  Realwerden  heißt,  als  Bestimmt- 
werden, Endlichwerden,  „Extensivwerden  der  Idee",  so  daß  alles  „identisch" 
ist.  Alle  Dinge  sind  Formen  der  absoluten  Einheit  (Monas).  Diese,  das  Ab- 
solute, ist  ewig,  unterliegt  keinen  Zeit-  und  Raumbestimmungen,  ist  weder 
endlich  noch  unendlich,  weder  ruhend  noch  bewegt.  Das  Ewige  ist  „das 
Nichts  der  Natur",  aus  dem  alles  Einzelne  hervorgeht.  Das  Ewige  wird  real 
durch  „Selbstentzweiung".  Das  -f-  oder  —  oder  die  Zahlen  sind  Akte,  Reali- 
täten. „Alles,  was  real,  was  poniert  ist,  was  endlich  ist,  ist  ans  Zahlen  ge- 
worden; oder  strenger:  alles  Reale  ist  schlechterdings  nichts  anderes  als  eine 
Zahl."  Die  Dinge  sind  die  Zahlen  selbst,  nämlich  die  Akte  des  Ewigen, 
welches  das  Wesen  in  den  Zahlen,  das  Reale  ist,  da  alles  Einzelne  nichts  für 
sich  ist.  Die  Fortdauer  des  Seins  ist  ein  fortdauerndes  Setzen  des  Ewigen 
oder  des  Nichts,  ein  unaufhörliches  Realwerden  dessen,  was  nicht  ist.  Es 
existiert  wahrhaft  nur  das  Ewige,  die  einzelnen  Dinge  haben  als  solche  nur 
eine  „Trugexistenz".  Das  Absolute  (Ewige)  muß  unaufhörlich  ponieren  und 
diese  Position  zurücknehmen,  so  daß  in  ihm  zwei  Richtungen  bestehen. 
Indem  das  Absolute  sich  setzt,  erscheint  es  sich  selbst  und  alles  Einzelne  ist 
nichts  als  eine  „Selbsterscheinung".  Das  Selbsterscheinen  des  Uraktes  ist 
Selbstbewußtsein  und  das  ewige  Selbstbewußtsein  ist  Gott,  mit  dessen  Vor- 
stellungen die  Welt  entsteht  als  „Gottes  Sprache",  als  Inbegriff  göttlicher  Ge- 
danken,  so  daß  die  Naturphilosophie   eine   „göttliche  Logik"  ist.     Das  Leben 


<  )KKN. 

Gottes    besteht   darin.    ..»ich  ewig  selbst  zu  erscheinen  .  .  ..   ewig  sich  eh  ent- 
eil und  doch  eins  zu  bleiben".      Durch  die   „Urdreiheitr'  Einzelne 
hervorgebracht. 

Die  Uridee  ist  die  Position  schlechthin,  der  Bchwebende,  ruhende  Punkt 
im  All.  um  den  sich  alles  dreht,  von  dem  alles  ausgeht,  die  „Urkraft".  Sie 
wirkt  nur  durch  ihr  Setzen  und  durch  dieses  entsteht  Sukzession  Die  Zeil 
ist  nichts  als  die  „ewige  Wiederholung  des  Ponierens  des  Ewigen",  dag 
„Wechseln  der  Dinge",  eine  „Aktion  der  Urkraft",  Gottes  Denken.  Die  /  Li 
ist  die  „Urpolarität",  deren  Resultat  die  „Urbewegung'*  ist.  Aller  Bewegung 
liegt  ..polare  Spannung"  zugrunde,  eine  rein  mechanische  Bewegung  gibt  es 
nicht.  Die  Welt  ist  „das  in  Bewegung  übergegangen» •  Denken  Glottes".  Die 
Grbewegung  ist  nur  im  Kreise  möglich,  weil  sie  alles  ausfüllt;  sie  ist  Leben- 
Bewegung  im  Kreise.  Ohne  Leben  gibt  es  kein  Sein;  das  Leben  ist  etwas 
Ursprüngliches,  nur  das  Nichts  ist  tot,  alles  ist  lebendig.  Die  Well  erhält 
sich,  wie  ein  Organismus,  nur  durch  ihr  Leben.  Wahrhaft  Lebendig  ist,  was 
im  Einzelnen  das  Ewige  darstellt.  Je  mehr  ein  Ding  von  dem  Mannigfaltigen 
des  Alls  in  sich  aufgenommen  hat.  desto  belebter  ist  es,  desto  ähnlicher  ist  es 
dem  Ewigen.  Die  Krone  der  Welt  ist  der  Mensch,  die  Idee  Gottes,  in  der 
sich  Gott  ganz  zum  Objekt  wird;  er  ist  „Gott  vorgestellt  von  Gott  in  der 
1'nendlichkeit  der  Zeit",  der  „ganz  erschienene  Gott".  Als  Urbild  Gottes  it 
der  Mensch  frei,  als  Abbild  der  Welt  unfrei;  im  Entschluß  ist  er  tn-i.  in  der 
Ausführung  unfrei. 

Ein  Naturding  ist  „eine  sich  bewegende  Zahl".  Die  erste  Bewegung  der 
Zahlen  ist  die  Bewegung  der  Urzahl  oder  des  Uraktes,  die  Ausbreitung  in  die 
Vielheit,  wodurch  nicht  bloß  ein  Nacheinander,  sondern  auch  ein  Nebenein- 
ander gesetzt  ist.  Die  ponierte,  stehengebliebene  Zeit  ist  der  Baum.  Er  ist 
ruhende  Zeit",  die  Zeit  der  „bewegte,  aktiv. •  Kaum".  Der  Kaum  ist  au- 
der  Zeit  entstanden;  wie  sie  ist  er  eine  „Form  Gottes".  Zeit  und  Kaum  sind 
der  erscheinende  [Trakt,  es  gibt  daher  keinen  leeren  Kaum,  kein»'  Leere  Zeit 
Ein  Raum,  welcher  einen  andern  ausschließt,  ist  Materie.  Der  Kaum  selbst 
ist  ausgedehnte  oder  geformte  Kraft  und  die  Materie  ist  nur  „eine  Sphäre 
?on  Zentralaktionen,  die  Schwere".  Alles  ist  als  Erscheinung  materiell.  Di 
ürmaterie  oder  der  Äther  ist  die  anmittelbare  Position  Gottes,  welche  das 
ganze  Universum  ausfüllt,  die  erste  Bealwerdung  Gottes,  der  „göttliche  1 
aus  dem  eilet  entstanden  ist     Er  hat  kein  Leben,   ist  aber  das  Substrat  d«-s 

as.    Die  Weltkörper  sind  „geronnener  Äther".    Lieht  ist  „Atherspann 
Wärme  ist  bewegter  Äther.     I>i'-  einzelnen  Stoffe  sind  Atherverdichtungen,  die 
Materie  Oberhaupt  ist  „verdichteter  Äther".    Alles  ist  nur  „erkältet 
Feuer"  und  alles  wird  wieder  bu  Feuer  (vgL  Beraklit). 

Ein  Organismus  ist  ein  individueller,  durch  sich  »elbs  ter  und 

ter    Körper,   dessen    Selbsterregung  Leben  beut  aaip  dei  I 

ist   der  Galvanismus.     I>i«'   organischen    Dinge    sind    „sich    ■ 
Zahlen",  die  anorganischen  sind  „Bruche".     All«  0  8  blefan 

ui.  h.  oxydiertem,  [rewassertetfl  Kohlenstoß    entstanden;  dieser    I  rscbJeüi 
der  Edeerschleim     I  rzeugunj        Da    Hei  ichleim  wird  noch  Immer  durch  das 


516  Oken  —  Opitz. 


Licht  erzeugt.  Die  Einzelorganismen  sind  nur  Pole  des  „Weltorganismus". 
Der  Mensch  ist  nicht  erschaffen,  sondern  entwickelt  worden.  So  wie  der 
Menschenleib  sich  aus  Schleimmasse  gebildet  hat,  so  muß  der  Menschengeist 
eine  Gliederung  der  primitiven  Empfindung  sein.  Der  Mensch  ist  das  „All- 
sinntier", der  universale  Geist,  das  ganze  Ebenbild  der  Welt.  Er  drückt  das 
letzte  Ziel  des  Willens  der  Natur  aus :  „Das  Ziel  der  Natur  ist,  im  Menschen 
wieder  in  sich  zurückzukehren." 

Schriften:  Übersicht  des  Grundrisses  des  Systems  der  Naturphilosophie,  1803.  — 
Die  Zeugung,  1805.  —  Abriß  des  Systems  der  Biologie,  1805.  —  Über  die  Bedeutung 
der  Schädelknochen,  1807.  —  Über  das  Universum  als  Fortsetzung  des  Sinnensystems, 
1808.  —  Lehrbuch  der  Naturphilosophie,  1809—11,  3  Bde.,  2.  A.  1831  (1  Bd.), 
3.  A.  1843  (1  Bd.).  —  Isis  1817  ff.  (Zeitschrift).  —  Allgemeine  Naturgeschichte,  1833 
—  41,  u.  a.  —  Vgl.  ECKER,  L.  0„  1880.  —  C.  GÜTTLER,  L.  Oken  und  sein  Ver- 
hältnis zur  modernen  Entwicklungslehre,  1884.  —  HÜBKEft,  O.s  Naturphilos.,  1909. 

Oldendorp,  Johann,  1480 — 1561,  Prof.  in  Marburg.  =  Naturrechts- 
lehrer, welcher  das  natürliche  Recht  aus  der  göttlichen  Offenbarung  (Dekalog) 
ableitet. 

Schriften:  Elao.y(ayrj  sive  elementaris  introductio  iuris  naturalis  gentium  et 
civilis,  1539. 

Olle-Ijaprune,  Leon.  =  Nach  O.  hängt  alle  Philosophie  vom  Glauben 
ab,  der  mit  der  Vernunft  eins  ist,  deren  Prinzipien  feststehen,  aber  nicht  allein 
genügen.  Ein  Glaube  liegt  in  jeder  moralischen  Gewißheit,  und  dieser  Glaube 
ist  von  dem  religiösen  nicht  wesentlich  verschieden.  Die  Philosophie  muß 
christlich  sein. 

Schriften:  La  certitude  morale,  1880.  —  La  raison  et  le  rationalisme,  1906.  — 
Croyance  religieuse  et  croyance  intellectuelle,    1908.  —  La  philos.  de  Malebranche,  u.  a. 

Olympiodoros :  1.  Neuplatoniker  aus  der  Schule  des  Jamblichos, 
2.  Neuplatoniker  im  6.  Jahrhundert  n.  Chr.,  Verfasser  von  Kommentaren  zu 
Plato  und  einer  Schrift  des  Aristoteles  (Meteorologica). 

Ölzelt  s.  Oelzelt. 

Onesiltritos,  ein  Kyniker,  zur  Zeit  Alexanders  des  Großen.  —  Vgl. 
Diog.  Laert.  VI. 

Opliiten  s.  Naassener. 

Opitz.  H.  G.,  geb.  1846  in  Netzschkau  i.  V.,  Hof  rat,  Treuen  i.  V. 

Nach  O.  ist  die  Philosophie  oder  „Seinswissenschaft"  die  Ur-  und  Grund- 
wissenschaft, die  Wissenschaft  vom  Ich.  Sie  ist  zunächst  „Erscheinungs- 
lehre", welche  in  Erkenntnis-  und  Willenslehre  zerfällt,  ferner  „Wesenslehre" 
(Metaphysik).  Die  Philosophie  beruht  auf  innerer  Erfahrung.  O.  sondert  die  ge- 
samten Seelentätigkeiten  nach  der  Form  der  Gebundenheit  (an  den  Erhaltungs- 
und Fortpflanzungstrieb)  und  nach  der  Form  der  Freiheit  und  unterscheidet 
scharf  zwischen  Verstand  und  Vernunft.  Letztere  ist  „der  von  den  Fesseln 
des  Erhaltungs-  und  Fortpflanzungstriebes  befreite,  seinem  Erkennens-  und 
Willenstricbe  nach  ins  Unendliche  gehende  Verstand".  Das  Bewußtsein  ist 
dif:  innere  Wahrnehmung,   die  „Ver-Ichung"  der  Lebewesen,    eine  Abzweigung 


Opitz  —  Okigenes.  517 


des  göttlichen  ,, Allbewußtseins".  Aus  dem  Bewußtsein  hat  sich  das  freie 
„Vernunft-Ich"  entwickelt,  welches  in  Ich- Vorstellungen  besteht,  es  ist  das 
Subjekt,  dessen  Objekt  das  „Verstandes-Ich"  ist,  das  reine,  transzendentale, 
universelle,  absolute  Ich.  So  ist  der  Mensch,  der  Besitzer  eines  Selbstbewußt- 
seins, den  Tieren  gegenüber  etwas  Neues.  Das  Ichbewußtsein  ist  das  A  priori 
der  Erkenntnis.  Das  Ich  weiß  sich  als  Substanz,  als  die  ..einheitliche, 
dauernde,  zusammenfassende  Unterlage  aller  unserer  Erkenntnis-  und  Willens- 
tätigkeiten". Apriorisch,  angeboren  ist  auch  das  Freiheitsbewußtsein  und 
das  Bewußtsein  der  Unvergänglichkeit  des  Ich.  Dieses  bringt  auf  die  Welt 
auch  ein  Bild  von  der  Welt  mit.  Raum  und  Zeit  sind  Formen  unserer 
Ordnung  der  Dinge.  Der  „evolution istische  Monismus"  O.s  faßt  Gott  als  alles 
erschaffenden,  erhaltenden  und  umfassenden  Urwillen  auf. 

Schriften:  Grundriß  einer  Seinswissenschaft,  3  Bde.,  1897 — 1904.  —  Auf  dem 
Wege  zu  Gott,  1907.  —  Die  Moderne  auf  dem  Kriegspfad  gegen  Gott,  1909.  —  Die 
Philosophie  der  Zukunft,  1911. 

Oppenheim,  Heinrich  Bernhard,  1819 — 1880.  —  Schriften:  System  des 
Völkerrechts,  1845.  —  Philosophie  des  Rechts  und  der  Gesellschaft,  1850.  —  Der 
Katheder-Sozialismus,  1875  (der  Ausdruck  ,, Katheder-Sozialismus"  wird  hier  zum  ersten- 
mal gebraucht). 

Oppenlieimer,  Franz,  Groß-Lichterfelde  bei  Berlin,  geb.  1864  in  Berlin, 
Privatdozent  der  Nationalökonomie  in  Berlin.  =  Von  Gumplowicz  beeinflußt, 
lehrt  einen  „liberalen  Sozialismus"  (Theorie  der  „Siedlungsgenossenschaft"). 

Schriften:  Großgrundeigentum  und  soziale  Frage,  1898.  —  Nationalökonomie, 
Soziologie,  Anthropologie.  Zeitschrift  für  Sozialwissenschaft  111.  —  Der  Staat, 
1907.  —  Theor.  d.  rein.  u.  polit.  Oekonomie,  2.   A.   1911,  u.  a. 

Opzoomer,  Cornelis  Willem,  geb.  1821  in  Rotterdam.  1 84 G  Prof.  in 
Utrecht,  gest.  1892  in  Osterbeck.  =  Zuerst  von  Chr.  Krause  beeinflußt,  dann 
gemäßigter  Empirist  und  Positivist,  welcher  das  Gebiet  der  Wissenschaft  von 
.Metaphysik  freihalten  will  und  es  von  dem  des  Glaubens  scharf  scheidet. 

Schriften:  Der  Weg  der  Wissenschaft,  1852  (deutsch).  —  Handbuch  der  Logik, 
deutsch  1852;  neue  Auflage  (holländisch)  1863,  1867.  —  Die  Wahrheit,  1859  (hollän- 
disch).   —   Kleine  Schriften,   1886—1887  (holländisch),  u.  a. 

Oiano«  Paolo,  geb.  1875,  Prof.  in  Rom.  =  Anhänger  Labriolas. 
Schriften:    11  precursore  italiano  di  Marx,   1899.    —    Psicologia  sociale,   1902.  — 
1  patriarchi  del  socialismo,  1904,  u    a. 

Orestano,  Francesco,  geb.  1873  in  Alia.  Prof.  in  Rom.  =  ( ).  zeigt  die 
m<  t aphysischen  Elemente  aller  Erkenntnis,  mich  der  wissenschaftlichen  auf. 
Der  Grundwert  ist  nach  ihm  das  Leben. 

Schriften:  Der  Tugendbegriff  bei  Kant,  1901.  —  Lo  idee  fondamentali  di 
r".   Nietzsche,   1903.  —  I.'originalitä  di   Kant,    1905.  —   1  valori  umani,    1807,  u.  a. 

Origene*  ans  Alexandrien,  Nenplatoniker,  Schüler  des  taunonitu  Sakkas, 

=  o.  betont  die  Identität  von  Deminrg  (Geist)  und  Gott 

Schriften:     UeQt    h<unur<<>v.    —  "Ort    ftdrc  <■.    \. 

BEIGL,  Der  Bericht  des  Porphyrio«  übet  •    18*6. 


518  Okigenes. 

Origenes  der  Kirchenvater,  geb.  185  n.  Chr.  in  Ägypten  (Alexandrien?), 
Schüler  des  Clemens  in  der  Katechetenschule  zu  Alexandrien,  las  die  Werke 
des  Piaton,  verschiedener  Stoiker  und  Neuplatoniker,  hörte  wohl  auch  Am- 
monius  Sakkas.  Er  unterrichtete  an  der  Katechetenschule,  wurde  der  Ketzerei 
bezichtigt  und  lebte  seit  232  in  Caesarea  als  Presbyter.  Er  starb  254  in 
Tyrus. 

O.  ist  der  erste  Systematiker  des  Christentums,  dessen  Dogmen  er  in  philo- 
sophischer Weise,  als  ein  von  Philo,  den  Neuplatonikern  u.  a.  beeinflußter 
Vertreter  einer  christlich-kirchlichen  Gnosis  deutet  und  einheitlich  ableitet. 
Die  Objekte  der  in  der  Schrift  „Von  den  Prinzipien"  niedergelegten  Erörterungen 
sind  Gott,  Welt,  Freiheit  und  Offenbarung. 

Gott  ist  nach  O.  nicht  —  wie  bei  den  „häretischen"  Gnostikern  —  ein 
vom  Weltschöpfer  des  Alten  Testaments  verschiedenes  Wesen,  sondern  iden- 
tisch mit  diesem  Gott,  dem  Vater  Christi.  Gott  ist  unkörperlich,  rein 
geistig,  einfach,  eine  Einheit,  unveränderlich,  überseiend,  übergeistig,  allmächtig, 
allweise,  allgütig,  die  Quelle  alles  Guten  („Non  corpus  aliquod  aut  in  corpore 
esse  putandus  est  Deus,  sed  intellectualis  natura  simplex,  nihil  in  se  adiunc- 
tionis  admittens,  ita  ut  nee  maius  aliquid  nee  inferius  habere  credatur,  sed  ut 
sie  ex  omni  parte  monas  et  ut  ita  dicam  sväg  et  mens  ac  fons  ex  quo  initium 
totius  intellectualis  naturae  vel  mentis  est").  Er  allein  erkennt  sich,  wie  er 
ist.  Ewig  wie  der  Vater  ist  der  Logos,  der  Sohn  Gottes,  der  im  Gottvater 
(seinem  „Orte")  ist,  von  ihm  abhängig  und  von  ihn  als  Vernunftkraft  aus- 
gehend, gleichen  Wesens  (öfxoovoiog)  wie  der  Vater,  aber  diesem  doch  unter- 
geordnet, der  „zweite  Gott"  {ßsvxsqog  deög).  Vom  Logos  empfängt  der  heilige 
Geist  seine  Vernunft  und  Weisheit.  Der  Logos  ist  die  „Idee  der  Ideen"  (tdea 
Zdewv),  der  Inbegriff  der  Ideen  {pvotr^ta  -&scoQ^f.idrcov  iv  avzcp),  der  Demiurg, 
durch  den  Gott  alles  erschaffen  hat,  zugleich  das  Prinzip  der  Welterlösung. 

Die  Schöpfung  der  Welten  —  der  jetzigen  Welt  sind  schon  viele  voran- 
gegangen und  es  werden  ihr  noch  viele  folgen  —  ist  eine  ewige,  zeitlose,  da 
Gott  als  unveränderliches  Wesen  nicht  zu  irgendeiner  Zeit  etwas  neuangefangen 
haben  kann  und  da  Gott  sich  immer  betätigen  mußte.  Ein  Produkt  der  gött- 
lichen Schöpferkraft  ist  auch  die  Materie.  Diese  ist  qualitätslos,  aber  fähig, 
qualitative  Bestimmtheiten  anzunehmen  und  existiert  de  facto  nur  mit  irgend- 
welchen Qualitäten.  Ewig  in  Gott  waren  alle  Geister  oder  Seelen,  die  einst 
alle  gleichwertig  waren.  Durch  ihre  Willensfreiheit  haben  die  Seelen  schon 
im  Zustande  der  Präexistenz  sich  für  das  Gute  oder  Böse  entschieden.  Die 
Geister,  welche  das  letztere  taten  und  so  von  Gott  abfielen,  wurden  Seelen,  die 
durch  leibliche  Hüllen  gefesselt  sind  und  deren  Zustände  ihr  Korrelat  in  be- 
stimmten Körperverfassungen  erhalten  haben.  Das  Böse  aber  ist  nichts  Wesen- 
haftes, nichts  Ursprüngliches  und  Positives,  sondern  nur  ein  Mangel  des  Guten, 
eine  „Beraubung"  („privatio")  und  schlägt  schließlich  ins  Gute  um. 

O.  lehrt  nämlich  eine  Wiederbringung  aller  Dinge,  eine  „Apokatastasis" 

(aTToy.ardoTaoig,   £7iav6(>da>oig),    eine   Aufrichtung   alles    von    Gott  Abgefallenen, 

eine   Vergottung   aller   Geister,   eine   Erlösung   aller   Seelen,    auch   der    bösen 

ter,  auch  des  Satans.    Durch  den  Logos  erlöst,  vereinigt  sich  alles  wieder 


Obigenbs  —  Ostwald.  519 


mit  Gott,  welcher  dereinst  alles  in  allem  sein  wird.  Alle  Geister  werden  dann 
als  Gottessöhne  Gott  so  erkennen,  wie  es  der  Logos  vermag:,  und  das  Böse 
wird  aufgehoben  sein. 

Als  „Origenisten"  gelten  Basilius  der  Große,  Gregor  von  Nyssa  und 
Gregor  von  Nazianz.  Die  spekulativen  Elemente  des  Systems  des  Origenef 
sind  von  der  christlichen  Orthodoxie  nicht  rezipiert  worden. 

Schriften:  Von  den  zahlreichen  Schriften  des  0.  kommt  für  die  Philosophie  be- 
sonders das  Werk:  IJsgl  dg/cbv  (De  principiis),  1836,  in  Betracht.  —  Ferner:  Contra 
Celsum,  1876;  deutsch  1745.  —  Werke,  1733—59,  1780-94,  1831—47,  1856,  1899, 
auch  in  Mignes  Patrologiae  Cursus  (Bd.  XI— XVII).  —  Vgl.  REDEPEXNING,  Origenes, 
1841  —  46.  —  J.  DENIS,  De  la  philosophie  d'Origene,   1884. 

Ormond.  A.  T.,  Prof.  an  der  Princeton-Universität  (Verein.  Stauten  i.  = 
Von  Kant,  Lotze,  Mc  Cosh  u.  a.  beeinflußt. 

Schriften:  Basal  Concepts  in  Philosophy,  1894.  —  Foundations  of  Knowledge, 
1900.  —  Concepts  of  Philosophy,  1906,  u.  a. 

Orphiker:  religiös-philosophische  Dichter,  die  ihren  Xamen  von  Orpheus, 
der  Sage  nach  der  Stifter  des  thrakischen  Dionysos-Dienstes,  haben.  Dem 
Orpheus  selbst  wurden  durch  Onomakritos  (unter  den  Pisistratiden,  G.  Jahrh.) 
u.  a.  kosmogonische  Dichtungen  untergeschoben.  Diese  Dichtungen  stammen 
aber  meist  aus  späterer  Zeit,  mögen  sie  auch  zum  Teil  Elemente  älterer  An- 
schauungen enthalten.  Die  Orphiker  hatten  Mysterien  und  Kultvereinigungen, 
in  welchen  Dionysos  zugleich  als  lebensbejahender  Xaturgott  und  als  mit  Hades, 
dem  Todesgott  identisch  galt,  so  daß  in  die  heitere  Weltanschauung  der 
Griechen  düstere  Elemente  hineinkommen,  worauf  besonders  Burckhardt,  Khode 
und  Nietzsche  aufmerksam  gemacht  haben.  In  den  allegorisch-mystischen 
Betrachtungen  der  Orphiker  sind  von  Bedeutung  die  Bilder  des  Mantel-  (Welt- 
niantel),  des  Netzes  u.  a.,  welche  die  Weltschöpfung  symbolisieren.  Al<  l'r- 
wesen  gelten  die  Nacht  (w£)  und  der  Himmel  (ovoarög),  auch  die  Zeil  und 
<!a-  Chaos. 

Vgl.  Orphica,  hrsg.  von  G.  Hermann,  1805,  E.  Abel,   1885;  deutsch  von  Yoß,    lSuü. 
—  LOBECK,    De  carminibus  Orphicis.    1824;    Äglaopharaus,   1829.     —     <  >.    Ki:i:x,    Dfl 
Orphei.  Epimenidis,    Pherecydis  theogoniis    quaestiones,    1888.    —    E.   BOHDE,     1 
3.   A.    1903. 

Örsted  s.  Oersted. 

Ossip-Loni'ie.  —  Schriften:  Pensees  de  Tolstoi,  8.  ed.  1902.  —  Xouvelle« 
pena.  de  T.,  1903.  —  La  philos.  de  T.,  3.  ed.  1908.  —  La  philos.  sociale  dans  le 
theätre  d'lbsen,  1900.  —  La  philos.  russe  contemporaiiv,  2.  6öL  1905.  —  La  psychol. 
des  romanciers  rus.ses,   1905.  —  Croyanco  religieuse  et  er.   intolleetuelle,    1908,  u.   a. 

<K(wal(l.  Wilhelm,  geb.  185:;  in  Riga,  früher  (seil  188  Prof.  det  physi- 
kalischen Chemie  in  Leipzig,  lebt  jetzt  in  GroÄ-Bothen  bei  Leipzig.  Hermusgeber 
der  „Annalen  der  Naturphilosophie*',  1901  ff. .  der  „Klassiker  der  exakten 
Wissenschaften". 

( ).  ist  der  Begründer  der  energetischen  Weltanschauung,  durch  die 
erden  wissenschaftlichen  Materialismus   überwinden  will.    Unter  dem  letzteren 


520  Ost  wald. 

versteht  er  die  Annahme,  daß  es  hinter  den  energetischen  Vorgängen  und  Zu- 
ständen noch  einen  besonderen  Träger,  die  Materie,  gibt  und  daß  alle  physi- 
kalischen Vorgänge  sich  auf  mechanische,  auf  das  Spiel  von  Atomen  zurück- 
führen lassen  können  und  müssen.  Nach  0.  hat  aber  die  Wissenschaft  in  rein 
empirisch-positiver  Weise  die  Tatsachen  zu  beschreiben  und  keine  Hypothesen 
einzuführen,  welche  über  alle  Erfahrungsmöglichkeit  hinausgehen,  was  nicht 
vorläufige  Annahmen  („Protothesen")  und  „Interpolationen"  (Ausfüllen  von 
Erfahrungslücken)  ausschließt.  Anschauliche  Hypothesen  und  physikalische 
,, Bilder"  sind  nicht  zu  verwenden,  also  ist  der  Atombegriff  abzulehnen.  Ferner 
gibt  es  physikalische  Prozesse  (Licht,  Elektrizität  u.  a.),  die  nicht  auf  mecha- 
nische Vorgänge  (Druck  und  Stoß)  zurückführbar  sind.  Kurz,  die  Physik 
muß  sich  mit  der  Darstellung  der  funktionalen  Zusammenhänge  der  physikali- 
schen Vorgänge  selbst  begnügen  und  diese  Vorgänge  sind  nichts  als  ver- 
schiedene, spezifische  Formen  der  Energie. 

Die  Energie  ist  das  Gemeinsame  aller  Phänomene,  die  wahre  „Substanz" 
der  Dinge,  die  nicht  wiederum  eines  Trägers  bedarf,  da  sie  selbst  das  Wirkliche 
ist.  Energie  ist  eine  gewisse  Größe  von  immaterieller  Beschaffenheit,  die  bei 
allen  Vorgängen  ihren  Wert  beibehält,  während  ihre  Erscheinungsformen 
wechseln  (Konstanz  der  Energie).  Energie  ist  „Arbeit,  oder  alles,  was  aus 
Arbeit  entsteht  und  sich  in  Arbeit  umwandeln  läßt".  Alles,  was  wir  von  der 
Außenwelt  wissen,  können  wir  in  der  Gestalt  von  Aussagen  über  vorhandene 
Energien  darstellen.  „Wir  fragen  nicht  mehr  nach  den  Kräften,  die  wir  nicht 
nachweisen  können  .  .  .,  sondern  wir  fragen,  wenn  wir  einen  Vorgang  beurteilen 
w ollen,  nach  der  Art  und  Menge  der  aus-  und  eintretenden  Energien."  Eine 
selbständige  Materie  gibt  es  nicht.  Was  wir  Materie  nennen,  reduziert  sich 
in  Wahrheit  auf  einen  Energiekomplex,  eine  „räumlich  zusammengesetzte 
Gruppe  verschiedener  Energien".  Der  Begriff  der  Materie  beruht  nur  darauf, 
daß  eine  Anzahl  von  Eigenschaften  wie  Masse,  Gewicht,  Volum,  Gestalt  und 
Farbe  dauernd  örtlich  beisammen  bleibt  und  sich  zum  Teil  nicht  oder  nur 
wenig  ändert.  In  demjenigen,  was  wir  „Materie"  nennen,  stecken  lauter  Sek- 
tionen energetischer  Art,  nämlich  „die  Masse,  d.  h.  die  Kapazität  für 
Bewegungsenergie,  ferner  die  Raumerfüllung  oder  die  Volumenenergie,  weiter 
das  Gewicht  oder  die-  in  der  allgemeinen  Schwere  zutage  tretende  Art  von 
Lagenenergie,  und  endlich  die  chemischen  Eigenschaften,  d.  h.  die  chemische 
Energie".  Was  wir  bei  der  Betastung  erfahren,  sind  die  räumlichen  Verhält- 
nisse der  Volum-  und  Formenenergie.  Die  chemischen  Elemente,  aus  welchen 
die  Körper  bestehen,  sind  aus  ihren  Verbindungen  in  unveränderlicher  Menge 
wieder  zu  gewinnen  („Gesetz  der  Erhaltung  der  Elemente").  Geschehen  kann 
überall  etwas  nur  dann,  wo  „nichtkompensierte  Intensitätsunterschiede"  vor- 
handen sind.  Alles  Geschehen  ist  entweder  Wanderung  der  Energie  im  Raum 
oder  Umsetzung  verschiedener  Energieformen  ineinander,  wobei  das  Gesetz 
der  Erhaltung  der  Energie  und  das  Entropiegesetz  gültig  sind. 

Auch  das  Leben  ist  energetisch  aufzufassen.  Das  Kennzeichen  des  Lebens 
ist  der  „Energiestrom".  Die  Organismen  sind  „stationäre  Gebilde",  durch  die 
ein  dauernder  Strom  verschiedener  Energien  geht  und  bei  denen  „katalytische" 


IWALD. 

Prozesse  von  Bedeutung  sind.  Die  Organismen  haben  die  Fähigkeit  der  .Selbst- 
erhaltung,  sie  können  sich  der  Energievorräte,  deren  sie  bedürfen,  selbsttätig 
bemächtigen.  Anpassung  und  Vererbung  beruhen  (wie  nach  Hering.  Mach, 
£einon  u.  a.)  auf  dem  organischen  „Gedächtnis".  Auch  das  Psychische  ist 
an  Energieumsetzungen  gebunden;  es  besteht  eine  Verknüpfung  zwischen 
geistiger  Arbeit  und  Energieverbrauch.  Es  ist  zu  vermuten,  daf'>  es  Bich  bei 
den  geistigen  Vorgängen  um  die  Entstehung  und  Umwandlung  einer  besonderen 
Energie  handelt,  welche  etwa  aus  chemischer  Energie  hervorgeht.  Geistige 
Energie  ist  (unbewußte  und  bewußte)  „Nervenenergie"  und  „Gehirnenergie". 
Die  subjektiv  bekannten  Bewußtseinserscheinungen  sind  wohl  „Wirkungen  oder 
Eigenschaften  der  Nervenenergie".  Das  Bewußtsein  ist  eine  Funktion  dei 
Nervenenergie  des  Zentralorgans;  die  mit  Bewußtsein  verbundene  Energie  ist 
die  höchste  und  seltenste  Energieart.  O.  zeigt  dann  im  Einzelnen,  wie 
Empfindung,  Denken,  Wollen  usw.  energetisch  aufzufassen  sind,  wobei  er  im 
^inne  des  Darwinistischen  Evolutionismus  das  auf  Kampf  und  Dasein, 
Selektion,  Anpassung,  Vererbung  beruhende  Teleologische  bio-psychi»  ler 
Funktionen  berücksichtigt. 

In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  ist  O.  Positivist,  evolutionist  i- 
Bcher  Empirist,  Relativist  und  insofern  „Pragmatist"  (oder  ., Aktivist"  i.  als  er 
die  praktische,  der  Beherrschung  der  Natur  dienende  Rolle  des  Denkens  und 
der  Wissenschaft  betont.  Das  Comtesche  ,,voir  pour  prevoir"  ist  auch  seine 
Devise:  „Die  Aufgabe  der  Voraussicht  unserer  Zukunft  haben  wir  als  das  all- 
gemeinste Mittel  zur  Sicherung  unseres  eigenen  Lebens  und  des  Lebens  ui 
Gattung  erkannt."  Ein  Absolutes  ist  uns  nicht  gegeben;  stets  handelt  es  Bich 
bei  unseren  Annahmen,  welche  die  zweckmäßigste  und  angemessenste  i>t.  Aut 
Erfahrung  muß  sich  alles  Denken  stützen,  an  der  Erfahrung  muß  es  stets 
geprüft  werden  und  es  muß  so  lange  berichtigt  werden,  bis  es  mit  der  Er- 
fahrung übereinstimmt.  Apriorische  Annahmen  sind  unzulässig.  Was  wir 
als  apriorisch  ansehen,  das  sind  „durch  lange  Entwickelung  erworbene  und 
durch  Vererbung  gefestigte  Denkmethoden,  die  unter  anderen  Umständen 
wohl  auch  anders  hätten  ausfallen  können",  durch  Gattimgserfahrungen  fest- 
gelegte,  durch  ihre  Zweckmäßigkeit  gesieherte  Normen,  nach  denen  wir  unsere 
Erfahrungen  regeln  (Annalen  der  Naturphilos.,  1902).  Da>  Wesentliche  aller 
Erfahrung  ist  die  Fähigkeit,  durch  Vcrgleichung  und  Gedächtnis  die  Zukunft 
.'•rauszusehen  und  dadurch  zweckmäßig  zu  handeln.  Ererbte  Vorstellungen 
Bind  Raum.  Zeit  und  Kausalität.  Der  Kaum  i»t  eine  Btetige  Mannigfaltigkeit ; 
die  Raumvorstellung  entsteht  auf  Grund  der  gleichzeitigen  Reizung  der  ver- 
schiedenen Körperteile  des  Subjekts.  Die  Annahme,  dal',  der  Kaum  überall 
stetig  ist,  beruht  auf  einer  „Interpolation".  Eine  solche  findet  auch  bei  der 
Zeit  statt,  deren  llegrift  wie  der  des  Raumes  ins  der  Erfahrung  abstrahiert  ist 
Auch  die  Mathematik  ist  empirisch  fundiert,  nur  dafl  ihre  Erfahrung 
aber  der  anderer  Naturwissenschaften  häufiger,  zugänglicher  ist  Die  Mathe- 
matik enthält  synthetische  Sitae  und  die  Abstraktionen  unterliegen  hier  einer 
denkökonomischen  Auswahl  (TgL  Die  Kultur  der  Gegenwart,  I.  Alu..  \\t\.  \\  . 
Die  Naturphilosophie,  welche   alle  diese  Erörterungen   in  sich  I» 


522  Ostwald  —  Otto. 


ist  eine  „Zusammenfassung   und  Vereinheitlichung   unseres   gesamten  Wissens 
von  der  Natur",  also  keine  Metaphysik. 

Energetisch  ist  nach  O.  auch  die  Kulturwissenschaft  und  Soziologie  zu 
begründen.  Die  Grundformel  ist  hier:  Nutzenergie  =  Güteverhältnis  X  Roh- 
energie. Denn  die  Kulturarbeit  ist  die  Bemühung,  „einerseits  die  Menge 
der  verfügbaren  Rohenergie  tunlichst  zu  vermehren ,  anderseits  das  Güte- 
verhältnis ihrer  Umwandlung  in  Nutzenergie  zu  verbessern".  Kulturell  ist  es, 
möglichst  wenig  Energie,  die  dem  Leben  dienen  kann,  zu  vergeuden;  davon 
hängen  Wirtschaft,  Recht,  Sittlichkeit  usw.  ab.  Der  Mensch  vermag  die  Um- 
welt sich  anzupassen  und  seinen  Energiebesitz  immer  weiter  auszudehnen;  er 
versteht  es,  seine  Zwecke  auch  mittels  solcher  Energien  zu  erfüllen,  die  nicht 
aus  seinem  Körper  herrühren,  sondern  der  Außenwelt  entnommen  sind.  Die 
Gesellschaft  ist  durch  gemeinsame  Arbeit  zu  einem  gleichen  Ziele  charak- 
terisiert. Sie  ist  ein  Kulturfaktor,  da  sie  das  Güteverhältnis  bei  der  Umwand- 
lung der  Rohenergien  für  menschliche  Zwecke  verbessert,  und  zwar  durch  das 
Prinzip  der  Ordnung,  durch  „Funktionsteilung"  und  „Funktionsvermittelung". 
Ein  Vorzug  der  Gesellschaft  ist  die  Ansammlung  von  Erfahrungen,  welche  über 
die  Leistungsfähigkeit  und  die  Lebensdauer  des  Einzelnen  wreit  hinausgehen, 
und  die  Objektivierung  der  Erfahrung  durch  Herstellung  und  Mitteilung 
allgemeiner  Begriffe.  Durch  eine  „Weltsprache"  werden  einst  die  geistigen 
Schöpfungen  der  gesamten  Menschheit  jedem  Einzelnen  zugänglich  gemacht 
werden.  Ein  soziales  Produkt  ist  die  Wissenschaft,  die  „Technik  des 
systematischen  Voraussagens  oder  Prophezeiens".  Aller  Fortschritt  im  Einzelnen 
aber  wird  durch  große  Männer  bewirkt,  deren  Analyse  0.  „Psychographie" 
nennt. 

Schriften:  Lehrbuch  der  allgemeinen  Chemie,  1885  ff.;  2.  A.  1891  ff.  —  Grund- 
riß der  allgemeinen  Chemie,  1889;  3.  A.  1899.  —  Die  wissensch.  Grundlagen  d.  analyt. 
Chemie,  1894.  —  Die  Energie  und  ihre  Wandlungen,  1888.  —  Die  Überwindung  des 
-wissenschaftlichen   Materialismus,    1895.    —    Vorlesungen    über   Naturphilosophie,     1901; 

2.  A.  1902;  3.  A.  1905  (Hauptwerk).  —  Vorträge  und  Abhandlungen.  —  Die  Energien, 
1908.  —  Grundriß  der  Naturphilosophie,  1908  (Universalbibl.).  —  Energetische  Grund- 
lagen der  Kulturwissenschaft,  1908.  —  Große  Männer,  1909.  —  Die  Forderung  des 
Tages,   1909.  —  Verschiedene  Abhandlungen  in  den  „Annalen"  u.  a. 

Oswald,  James,  schottischer  Geistlicher,  gest.  1793.  ==  Von  Reid  beein- 
flußter Vertreter  der  Schottischen  Schule,  welcher  die  Religion  durch  Berufung 
auf  den  „common  sense"  zu  sichern  sucht. 

Schriften:  An  appeal  in  common  sense  in  behalf  of  religion,  1766 — 72;  deutsch 
1774. 

Ötinger  s.  Oetinger. 

Öttingen,  Alexander  von,  geb.  1827  in  Livland,  seit  1856  Prof.  der 
Theologie  in  Dorpat. 

Schriften:  Die  Moralstatistik  in  ihrer  Bedeutung  für  eine  Sozialethik,  1869 — 74; 

3.  A.  1882,  u.  a. 

Otto,  Rudolf,  geb.  1869  in  Peine,  Prof.  der  Theologie  in  Göttingen.  == 
Theistisch-teleologischer,  idealistischer  Standpunkt,  von  Fries  beeinflußt. 


Otto  —  Palagyi. 


Schriften:  Naturalist,  u.  religiöse  Weltansicht,  1904.  —  Goethe  u.  Darwin,  1909. 
—  Kantisch-Friessche  Eeligionsphilos.,  1909.  —  Darwinismus  und  Religion,   1910. 

Owen,  Robert,  geb.  1771  in  Xewtown,  Fabrikant,  gründete  in  New-Lanark 
eine  Arbeiterkolonie  mit  Selbstverwaltung  auf  kommunistischer  Produktion-- 
und  Enverbsgrundlage.  Während  diese  Vereinigimg  erfolgreich  war,  mißlangen 
die  von  O.  in  Amerika  gemachten  sozialistischen  Versuche.  O.  starb  1858.  = 
O.  betrachtet  den  Menschen  als  Produkt  seiner  ererbten  Organisation  und  der 
Umwelt  und  verlangt  eine  natürliche  Gesellschaftsordnung  mit  gemeinsamer 
Produktion  und  Güterverteilung. 

Schriften:  A  new  view  of  society,  1812  f.  —  Outlines  of  the  rational  systeni 
of  society,  1839.  —  The  book  of  the  new  moral  world,  1820,  1836;  deutsch  1840.  — 
Life  of  R.  0.,  1857.  —  Vgl.  SARGAXT,  R.  0.,  1860.  —  H.  SIMON,  R.  0..  1905. 


P. 


Pabst,    Johann    Heinrich,    geb.    1785    zu    Linda,   kam    1807   als    Doctor 
der  Medizin    nach  Wien,   wo  er   als    Privatlehrer   und    Schriftsteller   lebte   und 
1838  starb.  =  Anhänger  Günthers,    mit   dem   zusammen    er   die  „Januskö] 
herausgab. 

Schriften:  Der  Mensch  und  seine  Geschichte,    1830.  —  Gibt    es  eine  Philosophie 
des  positiven  Christentums?  1832,  u.  a. 

Paehymeres  s.  Georgios  P. 

Palagyi,  Melchior,   geb.  1859  in  Paks,    Gymnasialprofessor  und   Privat- 
dozent in  Klausenburg  (Ungarn). 

P.  ist  ein  (von  Plato,  Leibniz  u.  a.  beeinflußter)  Gegner  des  ..logischen 
Dualismus'',  des  Sensualismus  und  Psychologismus,  aber  auch  des  extremen 
Antipeychologismns,  wie  ihn  Bolzano,  Husserl  u.  a.  vertreten.  Logik  und 
Psychologie  bedingen  sich  wechselseitig.  Die  Logik  hat  die  Aufgabe,  „durch 
die  Untersuchung  der  Erkenntnistätigkeit  selbst  unser  Wissen  von  der  Wahrheil 
zu  befördern".  Die  ,, monistische'*  Logik  ist  „dynamische  Urteilslogik".  Qu 
Ziel  is1  die  eine  Wahrheit.  Die  Wahrheit  läßt  sich  oichl  vom  Denken  ab- 
trennen; ist  aber  nicht  vergänglich  wie  das  Phänomen  des  Denkaktes  und  dei 
Impressionen.  .,Die  Tatsache  vergeht,  ihre  Wahrheit  aber  besteht."  Es  ist 
nämlich  jedes  Urteil  ein  „Ewigkeiteerlebnis",  alle  wahren  Urteile  Bind  für  die 
Ewigkeit  gefällt.  Dies  bedeutet,  daß  der  Tatsache  im  Reiche  alles  Geecheh 
eine  unverrückbare,  ewige  Stellung  zukommt.  Der  Unterschied  zwischen 
aposteriorischen  und  apriorischen  Urteilen  wird  dadurch  nichtig,  ebenso  die 
Kantsche  Unterscheidung  zwischen  Form  und  Inhalt  der  Erkenntnis.  Uns 
Erkenntnis  hat  es  stete  mit  dem  „Unvergänglichen  in  dem  Wechsel  aller  I 
Bcheinungen"  zu  tun,  ist  ein  „Erfassen  des  Ewigen  im  Vergänglichen". 

P.  unterscheidet  von  den  physischen  die  (nicht  rein  mechanisch  erklirbai 
„vitalen''  Vorgänge,  zu  denen  auch  die  Empfindungen  n.  dgL  („Impressionen") 
gehören,  und   von  diesen   die   eigentlich   psychischen,   geistigen    „Akte"    Wille, 
Denken    osw.).      Wahrend   die   vitalen    Vorgänge   fließend    sind,    besteht    eine 


524  Palagyi  —  Panaitios. 


„Intermittenz"  der  geistigen  Akte,  deren  Bedeutung  in  ihrem  außerräumlichen 
und  außerzeitlichen  Sinn  besteht.  Zwei  geistige  Akte,  die  durch  einen  Lebens- 
vorgang  verbunden  sind,  heißen  geistiger  „Pulsschlag"  und  es  ist  eine  „Puls- 
lehre des  menschlichen  Bewußtseins"  notwendig,  da  unsere  Welt  vom  Be- 
wußtseinspuls abhängig  ist.  Jede  Impression  besteht  aus  grenzenlos  vielen 
zeitlichen  Abschnitten,  ist  unerschöpflich ;  was  wir  aus  dem  Eindruck  schöpfen, 
ist  immer  nur  eine  Erinnerung  an  den  Eindruck.  Der  Kontinuität  des  Ge- 
schehens kann  unser  diskontinuierliches  Bewußtsein  nicht  nachkommen.  Die 
menschliche  Phantasie  ist  „Bewegungsphantasie",  d.  h.  die  Fähigkeit,  sich  von 
dem  einen  Ort  an  den  andern  zu  versetzen,  ohne  die  Bewegung  in  Wirklich- 
keit produzieren  zu  können.  Durch  diesen  Prozeß  schafft  man  sich  in  der 
Einbildung  alle  gewünschten  Empfindungen  und  Gefühle  herbei.  Die  Rolle 
der  Gefühle  und  des  Willens  als  Antrieb  zur  Erkenntnis  wird  von  P.  be- 
rücksichtigt. 

P.  betont  die  Einheit  von  Zeit  und  Raum.  Er  spricht  vom  „fließenden 
Raum"  als  einem  sich  in  der  Zeit  stetig  erneuernden  Raum.  Der  Zeitpunkt 
entfaltet  sich  in  allen  Raumpunkten  zum  unendlichen  Weltenraum;  er  ist  die 
Einheit  des  letzteren,  dieser  die  Entfaltung  des  Zeitpunktes.  Der  Zeitstrom  ist 
die  endlose  Entfaltung  eines  Raumpunktes.  Der  sich  stets  erneuernde  Raum 
begreift  schon  die  Zeit  in  sich.  Raum  und  Zeit  bilden  eine  „einheitliche 
Doppelordnung  der  Erscheinungswelt".  Nach  dieser  „dynamischen"  Raum- 
theorie erneuert  sich  also  der  Raum  in  jedem  Augenblicke  der  Zeit.  Absolute 
Ruhe  gibt  es  nicht.  Die  Qualitäten  erhalten  den  Charakter  der  „rhythmischen 
Wiederholung". 

Schriften:  Neue  Theorie  von  Raum  und  Zeit,  1901.  —  Kant  und  Bolzano,  1902. 
—  Der  Streit  der  Psychologisten  und  Formalisten  in  der  modernen  Logik,  1902.  —  Die 
Logik    auf  dem  Scheidewege,   1903.   —    Die  Phantasie,   Jahrb.   für  moderne   Menschen, 

1908.  —  Naturphilosophische  Vorlesungen  über  die  Grundprobleme  des  Bewußtseins  und 
des  Lebens,  1908,  u.  a.   —   Vgl.  TJPHTJES,  Zur  Krisis  in  der  Logik,  1903. 

Palante,  Georges.    =    Soziolog.   —   Schriften:   Precis  de  sociologie,  4.  ed. 

1909.  —  Combat  pour  l'individu,  1904.   —  La  sensibilite  individualiste,  1909,  u.  a. 

Paley,  William,  geb.  1743  in  Peterborough,  Prof.  der  Theologie  in 
Cambridge,  gest.  1805.  =  P.  verbindet  die  autoritative  (heteronome)  Ethik  mit 
dem  Eudämonismus.  Den  Grund  der  sittlichen  Verpflichtung  findet  er  im 
göttlichen  Willen,  im  Befehl  eines  Höheren  überhaupt.  Als  Motiv  des  Handelns 
kann  aber  nur  die  Rücksicht  auf  Lust  oder  Unlust  genügend  stark  Avirken  und 
so  kann  nichts  zur  Pflicht  gemacht  werden,  was  uns  schädigt.  Alles,  was  im 
Ganzen  nützlich  ist,  ist  recht  und  auch  der  Inhalt  des  göttlichen  Willens  ist 
mir  das  der  allgemeinen  Glückseligkeit  Dienende. 

Schriften:  Principles  of  moral  and  political  philosophy,  1785;  deutsch  1788.  — 
Natural  Theology,  1802;  deutsch  1823.  —  Works,  1825,  u.  a. 

Pampliilos,  Platoniker  in  Samos,  den  Epikur  hörte. 

Panaitios  von  Rhodos,  geb.  um  180  v.  Chr.,  Schüler  des  Antipater  von 
Tarsos,  lebte  längere  Zeit  in   Rom,  wo  er   Scipio  Africanus,   Laelius  u.  a.  für 


Paxaitios  —  Paracelsi-.  525 

die  Stoische  Philosophie  gewann,    lehrte  seit  129  in   Athen,    wo  er  um   110  v. 
Chr.  starb. 

P.  ist  ein  Stoiker,  der  auch  von  Plato,  Aristoteles  u.  a.  beeinflußt  ist  und 
in  manchem  von  der  Stoa  abwich.  So  ist  er  ein  Gegner  der  Lehre  von  der 
Ekpyrosis,  der  Weltverbrennung  und  der  Unsterblichkeitsannahme,  es  gibt  nach 
ihm  nicht  acht,  nur  sechs  Seelenkräfte,  ferner  mildert  er  die  Strenge  der 
Stoischen  Ethik  dahin,  daß  er  für  die  Durchschnittsmenschen  das  sittliche 
Ideal  weniger  anspannte,  die  Apathie  verwarf,  und  auch  die  äußeren  Güter  als 
erstrebenswert  zuließ.  Auch  war  er  ein  Gegner  des  religiösen  Aberglaubens. 
—  Seine  Schriften  (xsgi  xov  xa&rjxovtog,  .Tfo<  xgovoiag  u.  a.)  sind  verloren  _ 
gangen.  Ciceros  ,.De  officiis"  lehnt  sich  an  die  Schrift  des  P.  über  die 
Pflicht  an. 

Vgl.  Panaetii  et  Hecatonis  librorum  fragmenta,  ed.  Fowler,  1885.  —  A.  Schmekel, 
Die  Philosophie  der  mittleren  Stoa,   1892. 

Papini.  Giovanni,  geb.  1881,  Herausgeber  der  Zeitschrift  „Leonardo" 
(vgl.  darin:  „Introduzione  al  Pragmatismo",  1907  u.  a.).  =  Pragmatist. 

Paracelsus,  (Philippus)  Aureolus  Theophrastus  Bombastus  (von  Hohen - 
heim-Paracelsus),  geb.  1493  in  Einsiedeln  (Schweiz),  als  Sohn  eines  Arztes, 
wurde  Doktor  der  Medizin,  unternahm  viele  Eeisen.  war  1520 — 27  Professor  in 
Basel,  führte  dann  ein  unstetes  Leben  und  starb  1541  in  Salzburg.  Wenn  er  auch 
von  einer  gewissen  Charlatanerie  nicht  freizusprechen  ist,  ist  doch  sein  Charakter 
nicht  so  schwarz  gewesen,  wie  man  es  vielfach  geglaubt  hat.  Durch  seine 
Bekämpfung  veralteter  Heilmethoden  und  der  Autorität  des  Galen  und  Avi- 
cenna  und  durch  seine  Auffassung  der  Krankheit  als  Wirkung  von  dem 
Organismus  feindlichen  Prinzipien,  gegen  welche  die  Lebenskraft  zu  stärken  ist, 
hat  P.  große  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Medizin.  Diese  ist  ihm  die 
höchste  Wissenschaft  und  hat  vier  Säulen:  die  Philosophie,  die  Astronomie, 
die  Alchymie  und  die  Theologie,  da  der  Mensch  verschiedenen  Welten  angehört. 

Das  Erkennen  muß  sich  (durch  das  „ natürliche  Licht  geleitet")  an  die 
(methodische)  Erfahrung  halten,  die  aber  von  P.  schließlich  im  Sinne  einer 
dynamisch-organisch-panpsychistischen  Naturphilosophie  gedeutet 
wird.  Die  Philosophie  ist  nichts  anderes  als  die  „unsichtige  Natur-  und 
hat  die  Natur  zu  ihrem  Objekt,  den  Mikrokosmus  (den  Menschen)  und  den 
Makrokosmus,  die  wechselseitig  auseinander  zu  erklären  sind.  Der  Mensch  ist 
ein  Auszug,  die  ,, Quintessenz"  aller  Wesen  und  Kräfte,  in  ihm  ist  der  Mikrokos- 
mus enthalten  und  er  in  diesem.  Der  Mensch  i-t  ein  Bild  des  Alls.  Erkannt 
wird  die  Natur  nur  durch  Vereinigung  von  Experiment  und  Spekulation,  durch 
stige  Verarbeitung  der  Erfahnu 

Hervorgegangen  sind  alle  Dinge  aus  der  Ursubstanz  (dem  ..limu---  oder 
..limbn-  mundi",  dem  ..m\ -tenmn  magnum",  „yliaster"  oder  „hyaster"),  '" 
welcher  die  Keime  zu  allem  lagen.  Zuerst  schieden  sich  hieraus  die  riei 
Element.-  (Feuer,  Wasser,  Knie,  Luft),  dann  aus  dem  Feuer  die  Gestirne,  an- 
der Luft  die  Elementargeister,  aus  der  Erde  („ümus  terrae")  die  anorganischen 
und  organischen  Wesen,     Diese   Entwicklung   fand    unter  der  Einwirkung 


526  Paracelsus  —  Parmenides. 

göttlichen  Geistes  statt.  Alle  Welten  und  Dinge  stehen  in  einer  wechsel- 
seitigen Harmonie  und  Sympathie,  beeinflussen  einander.  Die  Elemente  der 
Dinge  bestehen  aus  den  Substanzen  Mercur  (Quecksilber),  Sal  (Salz)  und 
Sulphur  (Schwefel)  bzw.  aus  Stoffen  mit  Eigenschaften,  welche  denen  der 
genannten  Substanzen  analog  sind.  Jeder  sichtbare  Körper  ist  die  Hülle  eines 
unsichtbaren,  „astralischen"  Leibes,  eines  „Geistes"  („spiritus"),  der  ihn  beseelt 
(Panpsychismus).  Die  geistige  Naturkraft  in  den  Elementen  heißt  „Vulcanus'', 
der  „Geist"  in  den  Körpern  aber  „Archeus".  Dieser  wirkt  in  den  Dingen  als 
gestaltende  und  erhaltende  Kraft  unbewußt  zweckmäßig  und  ist  im  Menschen 
die  Lebenskraft,  welche  in  den  Organen  tätig  ist  und  im  Magen  wie  ein 
Chemiker  sich  verhält.  Diesen  Archeus  im  Kampf  gegen  die  Krankheit  zu 
stärken,  ist  die  Aufgabe  der  Medizin.  Außer  dem  vergänglichen  Körper  und 
(dem  ätherartig  zu  denkenden)  „Geist"  besitzt  der  Mensch  auch  eine  unsterbliche 
Seele,  die  aus  der  „dealischen"  Welt  stammt.  Durch  die  Taufe  wird  im 
Menschen  ein  himmlischer  Leib  erzeugt,  der  in  der  Auferstehung  zur  vollendeten 
Existenz  gelangt. 

Zu  den  Anhängern  des  P.  gehören  A.  Bodenstein,  O.  Cr  oll,  G.  Dorn 
und  andere  Ärzte,  ferner  sind  von  ihm  beeinflußt:  E.  Fludd,  J.  B.  van 
Helmont  u.  a„  auch  Goethe  (vgl.  „Faust"). 

Schriften:  Paramirum.  Paragranum  (hrsg.  von  Strunz,  1903).  —  Phiiosophia 
magna.     De    fundamento    sapientiae.     Liber   Azoth.     De   iraaginibus   u.   a.   Werke,    1658. 

—  Rixner  und  Siber,  Leben  und  Lehrmeinungen  berühmter  Physiker  des  16.  und 
17.  Jahrhunderts  I,  1819.  —  Vgl.  J.  HARTMANS,  Grundriß  der  Lehren  des  P.,  1898. 

—  F.  STRUNZ,  Th.  P„  1903.  —  SUDHOFF,  Versuch  einer  Kritik  der  Paracelsischen 
Schriften,  1894—99. 

Pareto9  Vilfredo.  =  Mechanisch-ökonomische  Eichtung  der  Soziologie. 
Die  Sozialwissenschaft  ist  die  Wissenschaft  der  Interferenzen  zwischen  den 
verschiedenen  sozialen  Phänomenen  und  dem  Einflüsse  der  Umwelt  und  der 
Rasse  auf  diese  Phänomene.    Die  psychischen  Faktoren  sind  zu  berücksichtigen. 

Schriften:  Cours  d'economie  politique,  1896  f.  —  II  compito  della  sociologia.  Fra 
le  scienze  sociali,  Riv.  Ital.  di  Sociol.,  1897.  —  I  problemi  della  sociologia,  1.  c. 
1899,  u.  a. 

Parker,  Samuel,  geb.  1640  in  Northampton,  gest.  1688  als  Bischof  von 
Oxford.  =  P„  der  von  Plato  und  Aristoteles  beeinflußt  ist,  bekämpft  die 
mechanistisch-atomistische Physik  und  ist  entschiedener  Te leolog.  Die  Zweck- 
mäßigkeit der  Dinge  gilt  ihm  als  Beweis  für  das  Dasein  Gottes,  der  alles  leitet, 
ohne  daß  dadurch  die  menschliche  Willensfreiheit  beeinträchtigt  wird,  da  Gott 
die  freien  Willensakte  als  solche  voraussieht. 

Schriften:  Tentamina  physico-theologica  de  Deo,  1669,   1673,  u.  a. 

Parmenides  aus  Elea,  geb.  um  540  v.  Chr.,  Schüler  des  Xenophanes, 
verfaßte  um  480  v.  Chr.  ein  philosophisches  Lehrgedicht  (jisqi  (pvoea>g),  von 
dem  viele  Verse  erhalten  sind. 

P.  ist  der  Hauptvertreter  der  Eleatischen  (s.  d.)  Richtung,  er  hat  die  von 
Xenophanes  eingeleitete  Weltanschauung  spekulativ  begründet.   Er  unterscheidet 


Parmenides  —  Parodi.  527 


schroff  zwischen  Sinne swahrne hm ung  und  Vernunft  (Denken);  erstere 
hat  die  nur  scheinhafte  Welt  der  Vielheit  und  des  Werdens,  letztere  aber  das 
allein  wahrhafte  und  reale  einheitliche  Sein  zum  Gegenstande.  Dem 
Sinnentrug  ist  die  begriffliche  Erkenntnis  (xgTvai  de  loytp)  entgegenzusetzen,  die 
Einsicht:  Xur  das  Sein  ist,  das  Nichtseiende  ist  nicht  (fj  /xkv  6'jtcog  eoztv  xe  xai 
&>g  ovx  egti  fit)  sivai  .  .  .).  Das  Nichtseiende  läßt  sich  nicht  denken,  nicht  er- 
kennen, nicht  benennen  (ovxs  yäg  äv  yvottjg  xö  ye  fiij  iov  .  .  .).  P.  lehrt  die 
Identität  von  Denken  (Gedachtsein)  und  Sein  in  dem  Sinne,  daß  nicht  bloß 
das  Seiende  ein  Denkendes  ist,  sondern  daß  das  Gedachte,  der  Gegenstand  der 
Vernunft  das  Seiende  ist  (xö  yäg  avxö  voetv  ioxiv  xe  xai  sivai.  —  xavxor  (V  ioxi 
voeTv  xe  xai  ovvexev  ioxi  vöt]/.ia).  Denn  das  Denken  ist  ohne  ein  Sein,  welches 
gedacht  wird,  kein  Denken. 

Es  gibt  also  kein  Werden,  nur  das  Sein.  Dieses  kann  nicht  entstanden 
sein,  weder  aus  dem  (nicht  existierenden)  Nichtsein  noch  aus  dem  Seienden, 
das  es  ja  selbst  ist  (txtj  ziöüev  avg~r}§iv;  ovx3  ex  /nt]  ö'vxog  iäoco  |  cpäoßai  o  ovde 
voei'  ov  yäg  cpaxov  ovds  vor\xov  \  ioxiv  ojxcog  ovx  ioxi  .  .  .).  Das  Seiende  i-t 
denknotwendig,  es  kann  als  nichtseiend  gar  nicht  gedacht  werden.  Es  kann 
nicht  entstehen,  nicht  vergehen;  es  ist  ewig,  unzerstörbar,  einheitlich,  ein  Ganzes, 
eingeboren ,  unveränderlich ,  stetig  zusammenhängend  (cbg  äyivrjxov  eov  xai 
avoj'/.Edgov  ioxiv  \  ov/.ov  fiovvoysvsg  xe  xai  äxgsfikg  ?}<5'  olxe/.eoxov  \  ovde  .tot'  >)v 
ovo*  k'oxai,  exeI  vvv  i'oxiv  6/uov  Tiav  \  k'v,  ovvsyjg).  Es  ist  unteilbar  und  homogen 
(ovok  Siatgsxov  ioxiv,  exeI  jxuv  ioxiv  o/uoiov),  sich  selbst  gleich  (xavxöv  r  ir  ravtqi 
je  uevov  xad3  lavxo  xe  xsixai),  unbewegt  (äxivrjxov),  unbedürftig  (om  emdevig). 
Das  Seiende  ist  das  All  ($  nart  6vof.i  ioxiv).  Es  gleicht  einer  wohlgernndeten 
Kugel,  indem  es  in  sich  selbst  begrenzt  ist  (avxäg  ixsi  xsTgag  TWfiazov  T!--Ty).Fo- 
[xerov  ioxi  |  Tiävxoßsv  svxvxAov  ocpaigrjg  iva/u'yxiov  öyxo)  \  uioooflEr  (oonn/.t^; 
navixi).  Alles  Werden,  alle  Bewegung,  alle  Vielheit  ist  nur  Schein,  wahrhaft 
besteht  nur  das  unveränderliche,  stets  mit  sich  identische  Sein,  welches  zugleich 
denkt  (Pantheismus). 

Nur  dies  ist  wahre  Erkenntnis.  Aber  P.  will  im  zweiten  Teil  seines  Lehr- 
gedichtes auch  zeigen,  wie  man  sich  die  Welt  vom  Standpunkt  der  Sinnes- 
wahrnehmung  und  einer  auf  ihr  beruhenden  „Meinung"  (öö^a)  vorstellen  kann. 
Er  unterscheidet  hier  zwei  Prinzipien  oder  Gegensätze,  die  überall  miteinander 
gemischt  sind:  Warmes  und  Lichtes  —  Kaltes  und  Dunkles.  Das  Licht.  da< 
ätherische  Feuer  (aldigiov  jevg)  ist  die  positive  Kraft  in  allem,  analog  dem 
,. Seienden"  ist  es  stets  sich  selbst  gleich.  Gemischt  wird  alles  durch  dir  Gott- 
heil „Dämon''),  die  alles  beherrscht  {h  de  fteaat  xovxcov  Aaifjuov,  >)  ncWta  xvßsQvä) 
und  von  den  Göttern  als  ersten  den  „Eros"  hervorgehen  ließ  - nganuna 
"Egojza  i)eöjv  fxrjxioaxo  xävxow). 

Schriften:  Das  Lehrgedicht  iuqI  (pvoeoog,  griechisch  und  deutsch  von  11.  Diels, 
1897.  —  Vgl.  A.  DÖRING.  Das  Weltsystem  des  P.,  Zeitschrift  für  Philosophie  u.  philo*. 
Kritik,  Bd.   104. 

Parodi,  1).,  Prof.  am  Lycee  Michelet,  Paris.  =  Bodolog.  Standpunkt 

Schriften:  Le  probleme  moral  et  la  pensee  conteniporaine,   1909,  u.  a. 


528  Pascal. 

Pascal,  Blaise,  geb.  1623  in  Clermont.  zeigte  schon  als  Kind  ein  außer- 
ordentliches mathematisches  Talent,  wie  er  denn  später  auf  dem  Gebiete  der 
Mathematik  wie  auf  dem  der  Physik  Bedeutendes  leistete.  Nach  Errettung 
aus  einer  Lebensgefahr  (1654)  änderte  sich  P.s  geistiger  Habitus;  er  litt  an 
einer  störenden  Halluzination,  trieb  Askese  und  ergab  sich  der  Frömmigkeit. 
Durch  Vermittlung  seiner  Schwester  trat  er  mit  den  Jansenisten  von  Port- 
Eoyal  in  Verbindung  und  schrieb  unter  dem  Einflüsse  Arnaulds  seine  be- 
rühmten „Briefe  aus  der  Provinz",  die  gegen  die  probabilistische  Moral  der 
Jesuiten  gerichtet  waren  und  große  Wirkungen  übten.    P.  starb  1662  in  Paris. 

P.  gehört  zu  jenen  Geistern,  welche  die  Schwäche  der  auf  sich  selbst  ge- 
stellten menschlichen  Erkenntnis  gegenüber  dem  das  Gemüt  ergreifenden,  mit 
lebendiger  Gewißheit  ausgestatteten  Glauben  betonen.  Er  ist  keineswegs 
Skeptiker  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes,  denn  innerhalb  der  Erfahrung 
anerkennt  er  die  Möglichkeit  einer  Erkenntnis  auf  mathematischer  Grundlage, 
geleitet  durch  das  „natürliche  Licht"  und  auf  Grund  fester  Prinzipien  (Axiome), 
welche  im  beweisbar,  aber  klar  (also  gleichsam  apriorisch)  sind  (vgl.  Kant):  „Car 
la  connaissance  des  premiers  principes,  comme  par  exemple,  qu'il  y  a  espace, 
temps,  mouvement,  nombre,  matiere,  est  aussi  ferme  qu'aucune  de  Celles  que  nos 
raisonnements  nous  donnent."  Wir  besitzen  die  Idee  der  Wahrheit,  die  den 
eigentlichen  Skeptizismus  („Pyrrhonismus")  unmöglich  macht,  anderseits  ist 
aber  auch  aller  „Dogmatismus"  unbeweisbar :  „La  nature  confond  les  Pyrrhoniens 
et  la  raison  confond  les  dogmatistes ;  nous  avons  une  impuissance  a  prouver 
invincible  a  tout  le  dogmatisme;  nous  avons  une  idee  de  la  verite  invincible  ä 
tout  le  Pyrrhonisme."  Der  Mensch  ist  ein  gebrechliches  Wesen,  er  ist  elend 
und  nur  dadurch  groß,  daß  er  von  seinem  Elend  wissen  kann,  daß  er  die  Kraft 
hat  zu  denken.  Wir  suchen  die  Wahrheit  und  finden  nur  Ungewißheit, 
streben  nach  Glück  und  treffen  nur  auf  Elend.  Der  Mensch  ist  ein  Zwischen- 
ding zwischen  nichts  und  allem  („un  milieu  entre  rien  et  tout").  Er  erkennt 
nicht  das  Prinzip  noch  das  Ziel  der  Dinge.  Die  Sinne  vermögen  keine  Extreme 
zu  gewahren,  diese  sind  für  uns  nicht  da.  Wir  stecken  voller  Irrtümer.  Sinne 
und  Vernunft  betrügen  einander  gegenseitig  („Les  deux  principes  de  verite,  la 
raison  et  les  sens  .  .  .  s'abusent  reciproquement  Tun  l'autre").  Dazu  kommt 
noch  der  Einfluß  der  Leidenschaften,  welche  die  Erkenntnis  verfälschen. 
Schließlich  kommen  die  großen  Geister  zur  Einsicht,  daß  sie  nichts  wissen. 

Aber  wo  der  Verstand  uns  im  Stiche  läßt,  da  spricht  das  Gemüt:  „Le 
coeur  a  ses  raisons  que  la  raison  ne  connait  pas."  Das  religiöse  Gefühl  hat 
seine  Wahrheit,  unabhängig  vom  Verstandes  wissen.  Der  Mensch,  der  so  elend 
ist,  findet  nur  in  Gott  und  im  Glauben  an  Gott  und  Unsterblichkeit  Kühe, 
Frieden  und  Glück.  Die  Vernunft  unterwirft  sich  hierin  ganz  dem  Glauben: 
„Humiliez-vous,  raison  impuissante."  „II  n'y  a  rien  de  si  conforme  ä  la  raison 
que  le  d^saveu  de  la  raison  dans  les  choses  qui  sont  de  foi."  Daß  Gott  existiert 
und  daß  es  eine  Unsterblichkeit  gibt,  läßt  sich  freilich  nicht  beweisen.  Aber 
wir  fühlen  und  glauben  es  und  man  kann  ruhig  wetten,  daß  wir  recht  haben, 
da  wir  dabei  nichts  verlieren,  nur  alles  gewinnen  können:    „Pesons  le  gain  et 


Pascal  —  Patritius.  529 


la  perte  en  prenant  le   parti   de  croire  que  Dieu   est     Si   vous   gagnez,  vous 
gagnez  tout;  si  vous  perdez,  vous  ne  perdez  rien." 

Schriften:  Entretien  avec  Savi  sur  Epictete  et  Montaigne,  1G54.  —  L'art  de 
persuader,  1657.  —  Lettres  provinciales,  1657,  1872,  1892;  deutsch  1830.  —  Pensees 
8ur  la  religion,  1669,  1697,  nebst  Fragmenten  und  Briefen  hrsg.  von  Cousin,  1844,  u.  ö.; 
deutsch  1777,  1865,  1891.  —  Oeuvres,  1779,  1819,  1870,  1880  f.  —  Vgl.  H.  BeüGHLDT, 
P.s  Leben  und  der  Geist  seiner  Schriften,  1840.  —  DUF.YDORFF,  F.,  sein  Leben  und 
seine  Kämpfe,  1870.  —  E.  DROZ,  Etüde  sur  le  seepticisme  de  P.,  1866.  —  KÖSTER, 
Die  Ethik  P.s,   1908.  —  GlRAXD,  P.,  1910. 

Pasikles  aus  Rhodos,  Neffe  des  Eudemos   und  Schüler  des  Aristoteles. 

Er   soll   einen    Teil    (Buch  II   oder  I)   der  Aristotelischen   Metaphysik   verfaßt 
haben. 

Pas  toi'.  Willy,  geb.  1867  in  Berlin.  =  Anhänger  Fechners. 

Schriften:  Natur  und  Geist,  1901.  —  Im  Geiste  Fechners.  1901.  —  Lebensgesch. 
<l.  Erde,  1903.  —  Das  lebendige  All.  —  G.  Th.  Fechner  und  die  Weltanschauung  der 
Alleinslehre,  1904,  u.  a. 

Patrist iker:  die  ..patres  ecclesiasticr  (Kirchenväter),  im  weiteren  Sinne, 
-die  Begründer  der  christlichen  Dogmatik,  unter  dem  Einfluß  griechischer 
Philosophie  (Plato.  Aristoteles,  Philo,  Xeuplatonismus,  Stoa).  Zu  ihnen  ge- 
hören die  Apostolischen  Väter,  die  Apologeten  (s.  d.j,  Irenaens, 
Hippolytus,  Minucius  Felix,  Tatian,  Tertullian,  Cyprian,  Atha- 
nasius,  Clemens,  Origenes,  Arnobius,  Lactantius,  Gregor  von 
Nyssa,  Basilius  der  Große,  Gregor  von  Xazianz,  Augustinus, 
Ambrosius,  Xemesius,  Synesius,  Aeneas  von  Gaza,  Maximus 
Oonfessor  u.  a. 

Schriften:  Patrologiae  cursus  completus,  ed.  J.  P.  Migne,  1.  Griechische  Kirchen- 
väter, 162  Bde.,  1857  ff.;  11.  Latein.  Kirchenväter,  221  Bde.,  1840  ff.  —  Fortsetzung 
von  floroy.  1879  ff.  —  Samml.  der  griech.  christl.  Schriftsteller  der  ersten  drei  Jahr- 
hunderte, 1897  ff.  —  Bibliothek  der  Kirchenväter,  10  Bde.,  hrsg.  von  Rösler  1776  ff. 
(Auszüge).  —  Bibliothek  der  Kirchenväter  (Auswahl,  deutsch),  1869  ff.  —  Vgl.  Hl'BER, 
1).  Philos.  d.  Kirchenväter,  1859.  —  StÖCKL,  Gesch.  d.  Philos.  d.  patrist.  Zeit,  1859. 
—  RITTER,  Gesch.  d.  christl.  Philos.,  1858  f.  —  HARNACK.  Lehrb.  d.  Dogmen- 
geschichte,  4.  A.   1909  f.  —   BARDEXHEWER,  Patrologie,  2.  A.   1901. 

Patritins  (Patrizzi),  Franciscus,  geb.  1529  in  Clissa  (Dalmatien,  damals 
unter  Venetianischer  Herrschaft),  führte  erst  ein  unstetes  Leben,  war  1571» — 93 
Lehrer  der  platonischen  Philosophie  in  Ferrara.  seit  1593  in  Rom,  wo  er  1507 
starb. 

P.  bekämpf!  in  schroffster  Weise  den  Arißtotelismus  und  verbindet  neu- 
platonische  Anschauungen  mit  der  Naturphilosophie  des  Telesius  zu  einet 
mystisch  gehaltenen  Eni  an  ationsl  ehre  mit  dem  ..Licht«-  als  Prinzip.  Dm 
Licht  i-t  (iottrs  Sinnbild,  es  erleuchtet  alle  Baume,  ergieß!  sich  überall  hin. 
erhält,  formt  und  belebt  alles  und  bleibt  selbst  eines  und  unwandelbar.  l>a- 
göttliehe  Urprinzip  ist  das  All -Kim-  i..un-«>iiini;r-i.  '"  dem  der  Potent  alles 
enthalten  ist,  da-  neb  selbst  zur  Dreiheil  ron  Vater,  Sohn  und  hi-ili. 
(liebe)  expliziert  und  ans  dem  alles  Bein  bis  herab  tum  körperlichen  bei 

iler,  Philosophen-Lexikon.  34 


530  Patritius  —  Paulsen. 


geht.  Aus  der  Weltseele  gehen  die  einzelnen  Seelen  hervor  und  zwar  ist  in 
der  Xatur  alles  voll  Leben  und  Seele  (Panpsychismus).  Die  Körper  sind 
Verdichtungen  der  Flüssigkeit,  welche  den  Weltraum  erfüllt,  und  werden  von 
der  Wärme  belebt.  Im  Universum  besteht  eine  allgemeine  Harmonie  und 
Sympathie  der  Dinge. 

Schriften:  Discussiones  peripateticae,  1571 — 81,  1581.  —  Nova  de  universis- 
philosophia,  1591,  1593,  1611  (I.  Panaugia;  II.  Panarchia;  III.  Pampsychia;  IV.  Pan- 
kosmia).  Auszug  daraus  bei  Kixner  und  Siber,  Leben  und  Meinungen  berühmter 
Physiker  im  16.  u.   17.  Jahrhundert,   1819  ff.,  IV.  Heft. 

Pauer,  Emil,  ungarischer  Philosoph,  von  Wundt  beeinflußt.  Verfasser 
ungarischer  Schriften  über  Determinismus  (2.  A.  1899),  Ethik  (1899),  Psycho- 
logie und  Logik  (1900,  1902)  u.  a. 

Paul,  Jean  s.  Richter. 

Paul  hau,  Frederique.  ==  Von  Ribot  beeinflußt.  Der  Geist  ist  synthetische 
Tätigkeit  („activite*  synthetique")  als  Funktion  des  Zentralnervensystems.  Der 
Wille  ist  kein  besonderer  Volitions- Vorgang,  sondern  die  Verbindung  einer 
Vorstellung  mit  der  Tendenz  zu  einer  Handlung  (,,la  representation  prepon- 
derante,  presque  exclusive  d'un  acte,  representation  accompagnee  d'une  tendance 
preponderante  a  accomplir  cet  acte").  P.  ist  Anhänger  des  psychophysischen 
Parallelismus. 

Schriften:  L'activite  mentale,  1889.  —  Les  caracteres,  1894;  3  ed.  1909.  — 
Les  mensonges  du  caractere,  1905.  —  Physiologie  de  l'esprit,  4.  ed.  o.  J.  —  Les  pheno- 
menes  affectives,  2.  ed.  1901.  —  Le  mensonge  de  l'art,  1907  (gegen  die  Ableitung  der 
Kunst  aus  dem  Spiel).  —  La  fonction  de  la  memoire  et  le  souvenir  affectif,  1904.  — 
L'abstraction,  Revue  philos.  27  —  28.  —  La  logique  de  la  contradiction,  1911.  —  La 
raorale  de  l'ironie,   1909.  —  Psychol.  de  l'invention,  1900,  u.  a. 

Panlsen.  Friedrich,  geb.  1846  in  Langenhorn,  Prof.  in  Berlin,  gest. 
1908. 

P.  ist  von  Kant,  Schopenhauer,  Wundt  u.  a.  und  besonders  von  Fechner 
beeinflußt,  in  dessen  Geiste  er  einen  idealistischen  Monismus  (objektiven 
Idealismus)  lehrt,  welcher  die  materielle  Seite  der  Wirklichkeit  als  Erscheinung 
des  psychischen  Innenseins  derselben  betrachtet  und  den  geschlossenen  Kausal- 
zusammenhang des  mechanischen  Geschehens  als  Ausdruck  und  Mittel  eines 
an  sich  teleologischen  Zusammenhanges  deutet,  wodurch  auch  den  Ansprüchen 
des  Gemütes  Rechnung  getragen  wird,  wie  P.  überhaupt  Wissen  und  Glauben 
zu  versöhnen  sucht.  —  Die  Philosophie  definiert  P.  als  „Inbegriff  aller 
wissenschaftlichen  Erkenntnis",  die  Einheit  dieser  ihrer  Form  und  ihrem  Inhalte 
nach.  In  erkenntnistheoretischer  Beziehung  modifiziert  P.  den  Kantschen 
Kritizismus  nach  der  psychologisch-genetischen  Richtung  hin,  ohne  die  Apriorität 
der  Anschauungsformen  zu  bestreiten;  die  Kategorien  sind  ebenfalls  apriorisch, 
aber  zugleich  Entwicklungsprodukte.  Daß  Kant  ernsthafter  Metaphysiker  war, 
betont  P.  gegenüber  anderen  Auffassungen.  Jedenfalls  ist  nach  P.  eine 
Metaphysik  möglich  und  notwendig;  sie  hat  die  äußere  und  besonders  die 
innere  Erfahrung  zur  Grundlage   und  ist  „idealistisch-monistisch".     Sie  ist  zu- 


Paulsen. 

gleich  panpsyehistisch,  denn  für  den  objektiven  Idealismus  hat 

eines    „universellen   and  tosmischen   Wirklichkeitsprinzipe'4   ni 
sind  alle  I )ii  'lr. 

Gem&fl  dem   Prinzip  des   universalen  Parallel  -  Wirk! 

iwei  8eiten:  von  außen,  mit  den  sinn«  .  .,.  i,n 

Sdbstbewiißtsein  ist  es  Beelisch.    „D  perliche  ist  Ere  neu   mg 

-•■•■li-.-}i-_  L.ben-.  dieses  i<t  «las  .  deutlich  oder  an  ach  Wirkl. 

-    körperiichi    B       m    ist  Träger   odea    In  ■•   eines  [nnenl(  las  Welt- 

system selbe*    ist  Leib  oder  ßrecheinunj    l         1,     Di«    Wirklichkeit  ist  nm 
geben  ,.in   Gestalt    von    peychophysiseben  Systemen,   die  sich  in  koordin 
physischen    and    psychischen,   sinnlich    irahrnehmbaren    and   durch  das  inter- 
pretierende Denken    hinzugedachten    V  a    betätigen   od« 
nnd  die  luletBl  im  Universum  ru  einem  einheitlichen  psycbophysischei    - 
1   sind".      I>i«    materielle  Well  ist  )r£rscheini] 

n  AU-Lebem  lLs  Verwirklichung  eines  einheitlichen  Sinnes, 

als  Betätigung   eines  Ideen    verwirklichenden  Willens   so   deuten 
Der  Ken  -  elischen  ist  der  (konkrete,  bestimmt  gerichtet«     Will«    Volun- 

tarismus).    \ll-    Kraft    ist    Tendenz,    unbewußter   Wille.     Das    Psychii  b 
Anorganischen  ist  anbewußt  und  mechanisiert 

oe  substantielle  Seele  als  beharrendes  Wesen,  sls 
gibt  es  nicht.    In   aktaalistischer  Weise   1-1    dj     -         vielmehr  sls   „di 
Bewußtsein    sur   Einheit    susainmengeraßte    Vielheit    seelischer    Erlebni» 

mmen.    Soll  ein   „Träger*4   für  das  Seelen)  efunden  werden,  so  muH 

man  iim  „nicht  m  einem  isolierten,  starren  Wirklkbkätsklötschen  bu< 
man  ,absolul  setz?,  sondern  in  dem  nmfanorndcfi  Ganzen,  ans  dem,  an  dem  and 
in  dem  es  ist       Da«  . ■:.-.-  sehe  Äquivalent  des  Seelenlebens  ist  das  ganze  leib- 
liche Leben.    Zwischen  Psychischem   und  Physischem   besteht    kein«    W« 
«airkung,  sondern  Parallelismus  (bzw.  Identität).     Unsterblich   ist  die  - 
im  Sinne  Fechi 

Di«    niederen    Bewußtseinseinheiten    sind    in    böheren,   alle   schließlich 
göttlichen    \  II-.  1-1    i„-.-Ji|(,— m.     I>i,    Kin/eldimre   haben  nicht  absolute  - 
ständigkeit,  sie  haba      D    ein  und  Wesen  in  dem  All-Kimn.  •. 
minder  selbständige  Glieder  sie  sind".     Di«    Kansalzusaminenh 
bole  von  Willen*  ■  n   und  damit  von  Zweckzusam 

N  sind  die  „allgemeinen  Ersehen 

I«  1    Nattu  laut  Darsteli  inneren,  tel< 

aller  Momente   in   der   --.itli.!». n    \\  t  Wicklung    fiii 

Kenntnis".     I      N  1 

Wirklichkeit    ist    Enwheinu 
1 1  •  er»  lle   Wechsdwvirunsj    in  d«  1    K 

teleologin«  hi 
buli  in  ■  ! 

in    '  in»  in     K  -    kons  I  :•■>  n      M 

.    \    ■  ■ .. 

In   d<r   absolut«  illl«     ^ 


532  Paulsen  —  Pauly. 


Die  Ethik  P.s  ist  „teleologisch"  und  „energetisch"  (perfektionistisch). 
Die  Ethik  ist  eine  auf  Anthropologie,  Psychologie  und  Soziologie  basierende 
„Theorie  der  Lebenskunst".  Sie  hat  Anleitung  zu  geben,  die  Aufgaben  des 
Lebens  so  zu  lösen,  daß  dasselbe  die  reichste,  schönste,  vollkommenste  Ent- 
faltung erreicht.  Sie  ist  die  „Wissenschaft  von  den  Gütern,  die  dem  Leben 
absoluten  Wert  geben,  und  von  den  Normen  und  Kräften  des  Wollens  und 
Handelns,    worauf   deren    Verwirklichung   beruht"   (Kultur  d.  Gegenwart  I  6, 

5.  283).  Die  Ethik  gewinnt  ihre  Normen  aus  dem  objektiven  Sittengesetz  des 
sozialen  Ganzen,  sie  ist  „sozialteleologisch".  Dem  „Energismus"  gemäß  ist  das 
höchste  Gut  nicht  in  subjektive  Gefühlserregungen,  sondern  in  einen  objektiven 
Lebensinhalt  oder,  da  Leben  Betätigung  ist,  in  eine  bestimmte  Art  der  Lebens- 
betätigung  zu  setzen.  Zum  guten  Handeln  gehört  sowohl  gewissenhaftes  als 
richtiges  Handeln.  Ethisches  Endziel  ist  „persönliche  Wesens  Vollendung  und 
vollendete  Lebensbetätigung  des  Einzelnen  und  der  Gesamtheit".  Höchstes 
Gut  ist  „ein  vollkommenes  Menschenleben,  d.  h.  ein  Leben,  das  zur  vollen 
Entfaltung  und  Betätigung  aller  menschlichen  Anlagen  und  Kräfte  führt,  zu- 
meist der  höchsten,  der  geistig-sittlichen  Kräfte  der  vernünftigen  Persönlichkeit". 
Die  Tugenden  sind  „habituelle  Willensrichtungen  und  Verhaltungs weisen,  welche 
die  Wohlfahrt  des  Eigenlebens  und  des  Gesamtlebens  zu  fördern  tendieren". 
Die  Pflicht  ist  das  „Gefühl  der  Verbindlichkeit,  immer  und  überall  so  zu 
handeln,  wie  es  durch  die  objektive  Sittlichkeit  gefordert  wird". 

Schriften:  Über  das  Verhältnis  der  Philosophie  zur  Wissenschaft,  Vierteljabrsschr. 
f.  wissensch.  Philos.  I,  1877.  —  Über  den  Begriff  der  Substantialität,  1.  c.  I,  1877.  — 
Was  uns  Kant  sein  kann?  1.  c.  1881.  —  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  auf  den 
deutschen  Schulen  und  Universitäten,  1885;    2.  A.  1895.    —    System    der  Ethik,  1899; 

6.  A.  1903;  7.  u.  8.  A.  1906.  —  Einleitung  in  die  Philosophie,  1892;  21.  A.  1909 
(neben  der  Ethik  das  Hauptwerk  P.s).  —  I.  Kant,  1898;  4.  A.  1904  (Frommans 
Klassiker  der  Philos.).  —  Schopenhauer,  Hamlet,  Mephistopheles.  Drei  Aufsätze  zur 
Naturgeschichte  des  Pessimismus,  1900;  2.A.  1911.  —  Kants  Verhältnis  zur  Metaphysik,  Kant- 
studien IV,  1900.  —  Philosophia  militans,  2.  A.  1901.  —  Noch  ein  Wort  zur  Theorie 
des  Parallel ismus,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik,  115.  Bd.  —  Parallelismus  und 
Wechselwirkung,  1.  c.  123.  Bd.  —  Die  Zukunftsaufgaben  der  Philosophie,  Kultur  der 
Gegenwart  I,  6.  —  Zur  Ethik  und  Politik,   1905.  —  Aus  meinem  Leben,  1909,  u.  a. 

Paulsen,  Johannes,  geb.  1884  in  Flensburg.  =  Kritizistischer  Standpunkt. 
Schriften:  Das  Problem  der  Empfindung,  1907,  u.  a. 

l*anly.  August,  geb.  1850  in  München,  Prof.  der  angewandten  Zoologie 
daselbst. 

P.  ist  einer  der  Haupt  Vertreter  des  Neolamarckismus  (der  Psychobiologie 
Kohnstamms),  den  er  zu  einer  Theorie  der  aktiven  Entstehung  der  Zweck- 
mäßigkeiten der  organischen  Körper  ausgebildet  hat.  Der  elementare  Vorgang 
dabei  ist  der  psychologisch  analysierbare  „teleologische  Akt",  das  Analogon  der 
bewußten  Handlung.  Er  wird  erregt  durch  Reize.  Als  primärer  ursächlicher 
Faktor  erscheint  im  teleologischen  Akt  die  Begehrung  (Bedürfnis),  psychologisch 
charakterisiert  durch  Sensibilität,  aus  welcher  durch  Steigerung  alle  übrigen 
psychischen  Phasen,  wie  Vorstellung,  Urteil,  Wille  hervorgehen.    Der  Vorgang 


Pauly  —  Peirce.  ö33 


ist  ein  energetischer,  der  nur  vermittelst  psychologischer  Begriffe  beschrieben 
werden  kann.  Mit  dem  Befriedigungsstreben  der  Begehrung  tritt  die  Empfin- 
dung der  Wirkung  der  Qualitäten  von  Mitteln  in  Verbindung,  die  durch  Er- 
fahrung gewonnen  worden  ist,  und  bestimmt  deren  Verwertung  durch  ihre 
wahrgenommene  Zulänglichkeit.  Daher  die  Bezeichnung  „Urteilendes  Prinzip'', 
Urteil  im  weitesten  Sinn  genommen.  P.  verwirft  die  Selektion  und  den  dua- 
listischen Vitalismus.     Seine  Teleologie  ist  eine  „Auto-Teleologie". 

Schriften:  Wahres  und  Falsches  an  Darwins  Lehren,  1902.  —  Aphorismen, 
1905.  —  Darwinismus  und  Lamarekismus,  1905.  —  Die  Anwendung  des  Zweckbegriffs, 
Zeitschrift  f.  d.  Ausbau  d.  Entwickelungslehre  I,  1907,  u.  a. 

I*ayot9  Jules.  —  Schriften:  De  la  croyance,  1896;  2.  ed.  1905.  —  L'edu- 
cation  de  la  volonte,  32.  ed.  1909;  deutsch  1901.  —  L'education  du  caractere,  Kevue 
philos.,  48.   Bd.,  u.  a. 

Pawlicki,  Stefan,  geb.  1839,  Prof.  in  Krakau.  —  Spiritualist  auf  christ- 
licher Grundlage.  Verfasser  polnischer  Schriften  über  Philosophie,  Geschichte 
der  griechischen  Philosophie  u.  a. 

I*earson,  K.,  geb.  1857.  =  Evolutionistischer  Positivist.  Er  betont  (wie 
Mach  u.  a.)  das  Prinzip  der  Denkökonomie  und  setzt  die  Aufgabe  der  Wissen- 
schaft in  die  Beschreibung  gesetzmäßiger  Zusammenhänge. 

Schriften:  Ethic  of  Freethougbt,  1888.  —  The  Chances  of  Death  and  Other 
Studies  of  Evolution,  1896.  —  Grammar  of  Science,  1892;  2.  ed.  1900.  —  Nature  and 
mature,  1910. 

JPeip,  Albert,  war  Prof.  in  Göttingen,  vertrat  den  Standpunkt  des  christ- 
lich-spekulativen Theismus. 

Schriften:  Die  Wissenschaft  und  das  geschichtliche  Christentum,  1853.  —  Der 
Beweis  des  Christentums,  1856.  —  Christosophie,  1858.  —  J.  Böhme,  1860.  —  Reli- 
gionsphilosophie, 1879,  u.  a. 

Peipers9  Ed.  Ph.,  Anhänger  Hegels. 

Schriften:  System  der  gesamten  Naturwissenschaften  nach  monodynamischem 
Prinzip,  1840 — 41.  —  Die  positive  Dialektik,  1845. 

I*eirce9  C.  S.,  Prof.  an  der  John  Hopkins  Universität  (Verein.  Staaten). 

P.  nannte  seinen  logischen  Standpunkt  zuerst  „Pragmatismus"  (Populär 
Science  Monthly  XII,  1878;  Eevue  philos.  1878—79).  Der  Sinn  eines  Begriffs 
besteht  hiernach  in  dessen  praktischen  Konsequenzen  („that  the  whole  ,meaning" 
of  a  coneeption  expresses  itself  in  practical  consequences").  Die  Überzeugungen 
sind  Regeln  für  unser  Handeln.  Später  (vgl.  „Monist"  XV,  1905)  betont  er  die  rein 
logische  (nicht  biologische  oder  im  gewöhnlichen  Sinne  praktische)  Bedeutung 
des  durch  begriffliche  Symbole  bedingten  Verhaltens  und  anerkennt  (mit 
Rüssel  u.  a.)  eine  absolute  Relationen  formulierende  symbolische  Logik.  Seinen 
jetzigen  Standpunkt ,  der  vom  älteren  immer  noch  das  Moment  der  Aktivität 
und  Zielstrebigkeit  beibehält,  nennt  P.  ,,Pragmaticism".  „The  entire  intellec- 
tual  purport  of  any  symbol  consists  in  the  total  of  all  general  modes  of  rational 
conduet  wrhich,  conditionally  upon  all  the  possible  different  circumstances  and 
desires,  would  ensue  upon  the  aeeeptance  of  the  symbol". 


534  Peirce  —  Perty. 


Schriften:  Studies  in  Logic,  1883.  —  How  to  make  ideas  clear,  Populär  Science 
Monthly,  1878  (französisch  in  der  Rev.  philos.   1879).  —  Monist,  1896,  1905,  u.  a. 

Penzig,  Kudolf,  geb.  1855  in  Samitz,  Dozent  an  der  freien  Hochschule 
in  Berlin.     Herausgeber  der  „Ethischen  Kultur". 

Schriften:  Schopenhauer  und  die  menschliche  Willensfreiheit,  1879.  —  Laien- 
predigten von  neuem  Menschentum,  1905.  —  Ohne  Kirche,  1907,  u.  a. 

Peraten  s.  Ophiten. 

Perez,  Bernard,  Vertreter  der  Kinderpsychologie. 

Schriften:  Le  caractere  de  l'enfant.  —  Les  trois  premieres  annees  de  l'enfant,  5.  ed. 
1896.  —  L'enfant  de  trois  ä  sept  ans,  4.  ed.  1907.  —  L'education  morale,  4.  ed. 
1901,  u.  a. 

Peregrinos  Proteus,  Kyniker  aus  der  Zeit  des  Antoninus  Pins,  eine 
schwärmerische  Gauklernatur ,  soll  sich  in  einen  brennenden  Scheiterhaufen 
gestürzt  haben,  um  auf  besondere  Weise  aus  der  Welt  zu  scheiden. 

Vgl.  LUKIAN",  ITsgl  tfjg  IIsQeyQivov  TeXsvTrjg.  —  ZELLER,  Philos.  der  Griechen 
II,  1;  III. 

Periandros,  Tyrann  von  Korinth,  um  600  v.  Chr.,  auch  als  einer  der 
„sieben  Weisen"  Griechenlands  genannt,  dem  verschiedene  Aussprüche  zuge- 
schrieben werden  (Schweigen  ist  gut;  Im  Glücke  sei  maßvoll,  im  Unglück 
besonnen;  Hasse  Übermut;  Beneide  keinen  u.  a.). 

Peripatetiker  s.  Aristoteliker. 

Perkmann,  Josef,  geb.  1862,  Gymnasialprofessor  in  Wien. 
Schriften:  Die  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Pädagogik,  2.  A.  1907.  —  Der 
Begriff  des  Charakters  bei  Piaton  und  Aristoteles,  1909,  u.  a. 

Persaios  aus  Kition,  Schüler  Zenons,  lebte  (um  270  v.  Chr.)  am  Hofe 
des  makedonischen  Königs  Antigonos.  Stoiker,  dessen  Schriften  nicht  er- 
halten sind. 

Persius,  Aulus,  34—62  n.  Chr.,  Satiriker,  Schüler  des  L.  Annaeus 
Cornutus  und  Anhänger  des  ethischen  Stoizismus. 

Perty,  Maximilian,  geb.  1804  in  Ohrnhau,  Prof.  in  Bern,  gest.  1884  daselbst. 
—  P.  vertritt  einen  spiritistischen  Mystizismus.  Nach  P.  ist  Gott  selbstbewußter 
Geist,  dessen  planmäßig  geordnetes  Werk  die  Welt  ist.  Diese  und  jedes  Wesen 
in  ihr  strebt  nach  einem  unbewußten  Ideal,  einem  Ziele.  Die  Welt  ist  ein  Mittel 
zur  Verwirklichung  sittlicher  Ziele.  Die  Seele  ist  ein  „einheitliches,  immaterielles 
Prinzip",  eine  Substanz.  Das  Idealbild  des  Menschen  war  von  Anfang  im 
göttlichen  Geiste,  aus  dem  der  Mensch  hervorgegangen  ist  und  an  dem  er 
einen  gewissen  Anteil  hat:  Zu  den  „mystischen  Tatsachen"  gehört  die  „magische" 
Wahrnehmung  aus  der  Ferne,  „durch  erweiterte  Wirksamkeit  der  individuellen 
Seele  oder  durch  Einwirkung  fremder  Intelligenzen".  Die  Seele  ist  unsterblich 
und  zwar  wird  sich  der  künftige  Zustand  eines  jeden  nach  seiner  Natur  be- 
stimmen. Spiritistische  Materialisationen  von  Geistern  bestehen.  „Durch  die 
magischen  Kräfte  des  Menschengeistes,  überhaupt  der  Geister,  stehen  dieselben 
mit  dem  Innersten  der  Welt  in  Beziehung." 


Perty  —  Peters.  535 


Schriften:  Allgemeine  Naturgeschichte,  1837 — 44.  —  Anthropologische  Vorträge, 
1863.  —  Über  das  Seelenleben  der  Tiere,  1865;  2.  A.  1875.  —  Die  Natur  im  Lichte 
philosophischer  Anschauung,  1869.  —  Blicke  in  das  verborgene  Leben  der  Menschen- 
geister, 1872.  —  Die  mystischen  Erscheinungen  der  menschlichen  Natur,  2.  A.  1872. 
—  Die  Anthropologie,  1873  —  74.  —  Der  jetzige  Spiritualismus,  1877.  —  Die  sichtbare 
und  die  unsichtbare  Welt,  1881.  —  Ohne  die  mystischen  Tatsachen  keine  Psychologie, 
1883.  —  Erinnerungen,   1879,  u.   a. 

Pesch,  Christian,  geb.  1853,  Jesuit,  Prof.  in  Valkenburg.  =  Katholisch- 
scholastischer Standpunkt. 

Schriften:  Der  Gottesbegriff  in  den  heidnischen  Eeligionen  des  Altertums,  1885. 
Christliche  Staatslehre,  1887,  u.  a. 

Pescb9  Tilmann,  geb.  1836,  Jesuit,  Prof.  in  Valkenburg,  gest.  1899.  = 
Katholisch-scholastischer  (dualistischer,  theistischer,  teleologischer)  Standpunkt. 

Schriften:  Institutiones  philosophiae  naturalis,  1880;  2.  A.  1897.  —  Das  Welt- 
phänomen, 1881.  —  Die  großen  Welträtsel,  1883—84;  3.  A.  1907.  —  Seele  und  Leib 
als  zwei  Bestandteile  der  einen  Menschensubstanz,  1893.  —  Institutiones  logicales, 
1888 — 90.   —   Institutiones  psychologicae,   1896—97,  u.  a. 

Pestalozzi.  Johann  Heinrich,  geb.  1746  in  Zürich,  gest.  1827  in  Brugg, 
der  berühmte  Pädagog,  ist  von  Kousseau,  Kant  u.  a.  beeinflußt  und  hat  selbst  auf 
verschiedene  Philosophen  (Fichte,  Herbart  u.  a.)  Einfluß  gehabt.  Wesentlich 
für  P.s  Lehren  ist  die  Betonung  der  Anschauung  (und  des  Formalen  an  ihr), 
der  Entfaltung  der  eigenen  Kräfte  der  Zöglinge,  der  Ausbildung  des  Mensch- 
lichen in  jedem  u.  a. 

Schriften:  Lienhardt  und  Gertrud,  1781 — 89.  —  Christoph  u.  Else,  1782.  — 
Nachforschungen  über  d.  Gang  d.  Natur  in  d.  Entwickl.  d.  Menschengeschi.,  1797  (von 
Fichte  beeinflußt).  —  Wie  Gertrud  ihre  Kinder  lehrt,  1801.  —  Buch  der  Mütter,  1803, 
u.  a.  —  Sämtl.  Schriften,  15  Bde.,  1819—26;  18  Bde.,  1881;  12  Bde.,  1898  ff.  — 
Vgl.  SEYFFARTH,  P.,  6.  A.  1876.  —  SCHNEIDER,  Kousseau  u.  Pv  5.  A.  1895.  — 
NaTOBP,  P-,  1909.  —  HeUBAUM,  P.,  1910.  —  ROTHENBERGER,  P.  als  Philosoph, 
1898. 

Peter  von  Ailly  s.  Ailly. 

Peters,  Carl,  geb.  1856.  lebt  in  London,  als  Afrikareisender  bekannt.  = 
Von  Darwin,  Kant,  Schopenhauer  und  E.  v.  Hartmann  beeinflußt.  Das  Wirk- 
liche ist  vorstellender  Wille,  alle  Kraft  ist  Wille,  überall,  im  Anorganischen 
wie  im  Organischen  herrscht  ein  Streben.  „Was  seelisch,  von  innen  angesehen, 
auf  der  einen  Seite  ist,  stellt  sich,  von  außen  betrachtet,  als  mechanisch  dar." 
Was  wir  als  „Stoff"  ansehen,  ist  an  sich  eine  Summe  von  Energiezentren,  alle 
wesensgleich  mit  uns  selbst.  Das  Belebende  im  organischen  Leben  der  Erde 
stammt  von  der  Sonne,  deren  Energie-Anspannung  auf  die  Erde  wirkt.  Aus 
■diesem  Lebensstrom  steigt  alles  individuelle  Sein  empor,  um  wieder  dahin  zu- 
zückzusinken.  „Aus  der  Kontinuität  dieser  Lebenswelle  erklärt  sich  das 
instinktive  Gefühl  von  der  Unzerstörbarkeit  unseres  Wesens  an  sich.'-  Aller 
Materie  liegen  „wollende  Atome'".  ..beseelte  Ichs"  zugrunde.  In  diesen  indivi- 
dualisiert sich  vermittelst  des  Leeren  Kaunies  der  göttliche  Weltwille,  der  plan- 


536  Peters  —  Petrus  Aureolus. 


voll  durch  das  All  strömt   und  es  mit  Sehnsucht  nach  Vereinigung  mit  dem 
All-Einen  erfüllt. 

Schriften:  Wissenswelt  und  Weltwille,  1883.  —  Sonne  und  Seele,   1903. 

Petersen,  Julius,  geb.  1835  in  Landau  (Pfalz),  Reichsgerichtsrat  a.  D.r 
München.  =  P.  vertritt  den  psychologischen  Determinismus. 

Schriften:  Willensfreiheit,  Moral,  Strafrecht,  1905.  —  Kausalität,  Determinismus 
u.  Fatalismus,   1909. 

I*etöcz,  Michael.  =  Von  Leibniz  beeinflußt.  Die  Dinge  bestehen  aus- 
Seelen (Monaden),  welche  in  dem  Organismen  zu  bewußten  Geistern  werden. 

Schriften:  Ansicht  der  Welt;  ein  Versuch,  die  höchste  Aufgabe  der  Philosophie 
zu  lösen,  1838,  u.  a. 

Petrarca,  Francesco,  1304 — 1374,  der  berühmte  Dichter,  zeigt  in  seinen 
philosophischen  Abhandlungen  eine  Neigung  zu  Stoischer  Ethik  mit  ihrem 
Ideal  der  Ataraxie. 

Schriften:  De  conteraptu  mundi,  1342.  —  Secretum  suum.  De  remediis  utriusque 
fortunae.  De  vita  solitaria.  De  republica  administranda,  u.  a.  —  Vgl.  G.  KoERTIX<t^ 
P.s  Leben  und  Werke,  1878. 

Petrone,  J.,  geb.  1870,  Prof.  in  Neapel.  =  Vertritt  einen  kritischen 
Idealismus,  spiritualistischen  Monismus  und  kritischen  Indeterminismus. 

Schriften:  La  filosofia  del  diritto,  1896.  —  II  valore  ed  i  limiti  di  una  psicoge- 
nesi  della  morale,  1896.  —  I  limiti  del  determinismo  scientifico,  1900;  2.  ed.  1903.  — 
II  problema  della  morale,  1901,  u.  a. 

PetronieTics,  Bronislav,  Prof.  in  Sophia.  =  P.  vertritt  einen  „ abso- 
luten Kationalismus",  der  aber  in  der  unmittelbaren  Erfahrung  selbst  Be- 
dingungen einer  die  Erfahrung  überschreitenden  Erkenntnis  findet.  Die  un- 
mittelbare Erfahrung  als  Inbegriff  von  Bewußtseinsinhalten  hat  absolute 
Realität.  Die  erste  Tatsache  der  unmittelbaren  Erfahrung  ist  das  Zerfallen 
des  Bewußtseins  in  Subjekt  und  Objekt,  welche  unmittelbar  zusammengehören. 
Die  quantitativ-qualitative  Wirklichkeit  ist  ein  „zeitlos-beständiges  Produkt  der 
absoluten  Substanz".  Die  Negation  (A  ist  nicht  B)  ist  das  Welt-  und  Indi- 
vidualitätsprinzip, als  realer  Trennungsakt  im  Sein.  P.  ist  gegen  den  Infinitis- 
mus und  für  den  „Finitismus".  Die  Zeit  ist  nach  unten  endlich,  nach  der 
Zukunft  potentiell  unendlich,  d.  h.  unbestimmt  endlich.  Auch  der  Raum  ist 
in  diesem  Sinne  endlich.  Die  Welt  ist  endlich  und  diskontinuierlich,  nur 
durch  Relationen  verbunden.  Das  wahrhaft  Unendliche  ist  die  qualitätslose., 
unendliche  Substanz,  welche  der  wandelbaren  Erscheinungswelt  als  absolut 
Unwandelbares  zugrunde  liegt. 

Schriften:  Der  ontolog.  Beweis  für  das  Dasein  des  Absoluten,  1897.  —  Der  Satz 
vom  Grunde,  1898.  —  Prinzipien  der  Erkenntnislehre,  1900.  —  Prinzipien  der  Meta- 
physik I,  1904.  —  Die  typischen  Geometrien  und  das  Unendliche,  1907. 

Petrus  Anreolns  (Pierre  Aureol),  mit  dem  Ehrennamen  „doctor 
fecundus",  geb.  in  Verberie  an  der  Oise,  Franziskaner,  gest.  um  1322  als  Erz- 
bischof von  Aix. 

P.  ist  ein   Scholastiker,   der   durch   seinen  Konzeptualismus  ein  Vor- 


Petrus  Aureolus  —  Petzoldt.  53; 


ganger  des  Wilhelm  von  Occam  ist.  Es  gibt  nach  ihm  in  Wirklichheit  nur 
Einzeldinge,  das  Allgemeine  ist  nur  ein  Abstraktionsgebilde,  ein  Begriff  („est 
fabricata  per  intellectum  nee  est  aliud  nisi  coneeptus").  Es  bedarf  nicht  der 
Annahme  von  „species  intelligibiles"  oder  „formae  speculares",  wir  nehmen  die 
Dinge  direkt  wahr  (gegen  Duns  Scotus).  ,,Unde  patet,  quomodo  res  ipsae 
conspiciuntur  in  mente,  et  illud,  quod  intuemur,  non  est  forma  alia  speeularis, 
sed  ipsamet  res,  habens  esse  apparens,  et  hoc  est  mentis  coneeptus  sive  notitia 
obiectiva."     Die  Ideenlehre  bekämpft  P. 

Schriften:  Commentarii  in  quatuor  libros  sententiarum,  1596,  1605.  —  Vgl. 
PRAXTL,  Geechichte  der  Logik  III. 

Petrus  de  Alliaco  s.  Ailly.    . 

Petrus  llispanus.  geb.  1226,  entweder  identisch  mit  dem  1277  ver- 
storbenen Papst  Johann  XXI.,  oder  in  Navarra  gestorben.  Während  lange  Zeit 
seine  „Summulae  logicales"  als  Übersetzung  eines  Werkes  von  Michael  Psellos 
(s.  d.)  galten,  sind  sie  nach  der  jetzigen  Auffassung  wohl  ein  Originalwerk.  Dieses 
ist  ein  Kompendium  der  Logik,  welches  in  sieben  Teile  zerfällt:  1.  De  enunciatione 
(Vom  Urteil),  2.  De  universalibus  (Von  den  Allgemeinbegriffen,  den  „quinque 
voces"  der  „Isagoge"  des  Porphyrius).  3.  De  praedicamentis  (Von  den  Kate- 
gorien). 4.  De  syllogismo  (Von  den  Schlüssen).  5.  De  locis  dialecticis  (Topik). 
6.  De  fallaciis  (Von  den  Trugschlüssen).  7.  De  terminorum  proprietatibus  (Von 
den  „Suppositionen'",  „exponiblen  Schlüssen"  u.  a.).  Das  Werk  des  P.  wurde 
im  Mittelalter  viel  benutzt. 

Schriften:  Summulae  logicales,  1480  u.  ö.  —  Vgl.  Prantl,  M.  Psellus  u. 
P.  Hispanus,  1867.  —  A.  STAPPER,  Die  Summulae  logicales  des  P.  H.  und  ihr  Ver- 
hältnis zu  Michael  Psellus,  Festschrift  zum  Jubiläum  des  deutschen  Campo  Santo  in 
Rom,   1896. 

Petras  Lombardus  (von  Xovara in  Oberitalien),  „magister  sententiarum", 

lehrte  in  Paris,  wo  er  als  Bischof  1164  starb.  Von  Abälard  beeinflußt,  ver- 
faßte er  ein  theologisches  Lehrbuch,  welches  lange  Zeit  das  Grundbuch  des 
theologischen  Unterrichts  und  Studiums  war. 

Schriften:  Libri  quatuor  sententiarum,  1477,  1516  u.  ö.;  auch  bei  Migner 
Patrolog.  Bd.  192.  —  Vgl.  ESPEXBERGER,   Die  Philosophie  des  P.  L.,   1901. 

Petrus  Pictaviensis  (Peter  von  Poitiers),  Kanzler  der  Universität  in 
Paris,  gest.  1205,  Schüler  des  Petrus  Lombardus,  Verfasser  eines  Kommentare 
zu  den  ,. Sentenzen"  des  P.  Lombardus  (bei  Migne,  Patrolog.  Bd.  211). 

Petrus  Ramus  s.  Raums. 

Petrus  Tartaretus,  lebte  im  15.  Jahrh.,  Anhänger  des  Duns  Scotus,. 
Gegner  des  Xominalismus.  Bei  P.  findet  sich  wohl  zuerst  die  „Eselsbrücke'' 
(pons  asinorum)  genannte  logische  Figur  (vgl.  Prantl,  Geschichte  der  Logik 
IV,  206). 

Schriften:  Kommentare  zu  Aristoteles  (1494  u.  ö.)  und  Petrus  Hispanus- 
(1494  u.  ö.). 

Petzoldt,  Josef,  geb.  1862  in  Altenburg,  Dozent  an  der  technischen. 
Hochschule,  Berlin.  Gymnasialprofessor. 


.538  Petzoldt  —  Pfeifer. 


P.  ist  von  E.  Avenarius  beeinflußt  und  vertritt  wie  dieser  einen  „empirio- 
kritischen"  Positivismus,  der  mit  dem  Standpunkt  E.  Machs  verwandt  ist.  Er 
hetont  aber  nicht  so  sehr  das  Prinzip  der  „Denkökonomie"  als  das  der 
,, Stabilität"  (vgl.  Fechner),  wonach  alle  Entwicklung  (auch  die  geistige)  in  der 
Richtung  auf  eine  immer  vollständigere  Verwendung  der  Kräfte  für  stationäre 
Systeme  fortschreitet;  größte  Stabilität  bedeutet  stets  auch  größte  Ausnutzung 
der  Kräfte.  Das  Denken  strebt  nach  einem  „Dauerzustand".  An  die  Stelle  der 
Kausalität  setzt  P.  das  „Gesetz  der  Eindeutigkeit",  welches  es  ermöglicht,  für 
einen  Vorgang  Bestimmungsmittel  zu  finden,  durch  die  er  allein  festgelegt  wird. 
Psychisches  und  Physisches  sind  zwei  Auffassungsweisen  eines  und  desselben 
Inhalts;  psychisch  ist  die  Welt,  sofern  sie  wahrgenommen  wird,  physisch  als 
eindeutiger  Zusammenhang  der  Elemente.  Eine  Welt  an  sich  gibt  es  nicht, 
nur  eine  Welt  für  uns.  „Ihre  Elemente  sind  nicht  Atome  oder  sonstige  abso- 
lute Existenzen,  sondern  Farben-,  Ton-,  Druck-,  Raum-,  Zeit-  usw.  ,Empfin- 
■dungen'."  Aber  die  Dinge  sind  nicht  bloß  subjektiv,  nicht  bloß  Bewußtseins- 
•erscheinungen.  Vielmehr  „müssen  wir  die  aus  jenen  Elementen  zusammen- 
gesetzten Bestandteile  unserer  Umgebung  in  derselben  Weise  wie  während  der 
Wahrnehmung  fortexistierend  denken,  auch  wenn  wir  sie  nicht  mehr  wahr- 
nehmen". „Das  zuletzt  Gegebene  ...  ist  weder  Erscheinung  noch  Ding  an 
«ich,  weder  der  Sinnlichkeit  noch  dem  Verstände  Gegebenes,  weder  Bewußtsein 
noch  Bewußtseinsinhalt,  weder  Bewußtes  noch  Unbewußtes,  weder  Inneres  noch 
Äußeres,  weder  Materielles  noch  Immaterielles,  weder  Physisches  noch  Psychisches, 
weder  Stoff  noch  Geist."  Diese  Gegensätze  differenzieren  sich  erst  in  gegen- 
seitiger .unauflöslicher  Beziehung  auf  dem  Grunde  der  „einen  einheitlichen 
Urerfahrung".  Es  gibt  keine  absoluten  Substanzen,  nur  relativ  konstante 
Qualitätenkomplexe.  Alles  Sein  ist  ein  Werden.  —  Der  ethische  Imperativ 
lautet  nach  P.:  „Wir  sollen  durch  alle  unsere  Handlungen,  durch  all  unser 
Tun  und  Denken  so  viel  wie  möglich  den  aus  der  Natur  der  Menschen  und 
ihrer  Umgebung  fließenden  einstigen  Dauerzustand  verwirklichen  helfen." 

Schriften:  Maxima,  Minima  und  Ökonomie,  1891.  —  Einführung  in  die  Philo- 
sophie der  reinen  Erfahrung,  1900—04  (Hauptwerk).  —  Die  Notwendigkeit  und  All- 
gemeinheit des  psychophys.  Parallelismus.  —  Archiv  f.  systemat.  Philos.  VIII,  1902.  — 
Das  Weltproblem,  1906,  u.  a. 

Pfänder,  Alexander,  geb.  1870,  Prof.  in  München.  =  P.  vertritt  den 
Standpunkt  einer  Wechselwirkung  zwischen  Psychischem  und  Physischem. 
Das  Bewußtsein  des  Willens  ist  ein  Spezialfall  des  Bewußtseins  des  Strebens. 
Das  „Willensgefühl",  das  Gefühl  der  Spannung,  der  Bemühung,  des  Drängens, 
des  Strebens  ist  etwas  Ursprüngliches.  Das  Wollen  ist  das  siegreiche  Streben, 
welches  das  Ich  zu  dem  seinigen  gemacht  hat. 

Schriften:  Das  Bewußtsein  des  Wollen s,  Zeitschrift  für  Psychologie  der  Sinnes- 
organe XVII.  —  Phänomenologie  des  Willens,  1900.  —  Einführung  in  die  Psychologie, 
1904. 

Pfeifer,  Franz  Xaver,  geb.  1829,  Prof.  des  Lyzeums  in  Dillingen.  = 
Katholisch-scholastischer  Standpunkt. 


Pfeifen  —  Pfleiderek.  539 


Schriften:  Harmonische  Beziehungen  zwischen  Scholastik  und  moderner  Natur- 
wissenschaft, 1881.  —  Der  goldene  Schnitt,   1885. 

Pflanm,  Christoph  David,  geb.  1874,  Psycholog,  Verfasser  von  Ab- 
handlungen über  Aufgabe  und  Begriff  der  Völkerpsychologie  (Polit.-Anthropol. 
Eevue  III),  Aufgabe  der  wissenschaftlichen  Ästhetik  (Arch.  f.  systemat.  Philos.), 
Die  individuelle  und  soziale  Seite  des  seelischen  Lebens,  1906,  u.  a. 

Pfleicterer,  Edmund,  geb.  1842  in  Stetten,  Prof.  in  Kiel  und  (seit  1877) 
in  Tübingen,  gest.  1902.  =  P..  der  Lotze  nahe  steht,  vertritt  einen  idealistischen 
Evolutionismus  und  einen  eudämonistisch  (aber  nicht  egoistisch)  gefärbten 
ethischen  Idealismus,   der  die  freudige  Hingabe  an  die  Menschheitsziele  betont. 

Schriften:  G.  W.  Leibniz,  1870.  —  Die  Aufgabe  der  Philosophie  in  unserer 
Zeit,  1874.  —  Empirismus  und  Skepsis  in  D.  Humes  Philosophie,  1874.  —  Der  moderne 
Pessimismus,  1875.  —  Die  Idee  eines  goldenen  Zeitalters,  1877.  —  Die  Philosophie 
und  das  Leben,  1878.  —  Zur  Ehrenrettung  des  Eudämonismus,  1879.  —  Eudämonismus 
und  Egoismus,  1880.  —  Kantscher  Kritizismus  und  englische  Philosophie,  1881.  — 
A.  Geulincx,  1882.  —  Leibniz  und  Geulincx,  1884.  —  Lotzes  philosophische  Welt- 
anschauung, 1882  ;  2.  A.  1884.  —  Die  Philosophie  des  Heraklit  von  Ephesus,  1886.  — 
Zur  Lösung  der  platonischen  Frage,  1888.  —  Sokrates  und  Plato,  1896.  —  Zur  Frage 
der  Kausalität,  1897. 

Piieiderer,  Otto,  geb.  1839  in  Stetten  bei  Cannstatt,  seit  1875  Prof.  der 
Theologie  in  Berlin,  gest.  1908. 

P.  ist  von  Hegel  beeinflußt,  weist  aber  auch  mit  Lotze  Verwandtschaft 
auf.  Die  Erkenntnis  ist  nach  ihm  die  Verknüpfimg  von  Erfahrungsstoff  nach 
einer  apriorischen  Gesetzlichkeit  des  Geistes.  Die  Dinge  bestehen  aus  Monaden, 
aus  seelenartigen  Kräften,  die  wir  nach  Analogie  unseres  Ichs  auffassen  und 
die  in  den  Organismen  mit  der  Seelenmonade  in  Wechselwirkung  stehen. 
Gott  ist,  wie  P.  im  Sinne  des  Panentheismus  bestimmt,  absoluter  persönlicher 
Geist,  welcher  die  Welt  in  sich  befaßt,  indem  er  sich  zugleich  von  ihr  unter- 
scheidet, als  „Urkraft"  und  „Urdenken".  Die  Welt  ist  die  Entfaltung  des 
göttlichen  Denkens.  Der  Begriff  Gottes  ist  sowohl  eine  theoretische  Voraus- 
setzung als  ein  praktisches  Postulat.  Die  Religion  ist  nicht  Welterklärung, 
sondern  das  Gefühl  innigster  Einheit  mit  Gott;  sie  will  das  Verhältnis  des 
fühlenden  und  wollenden  Ichs  zur  Welt  richtig  stellen,  indem  sie  das  mensch- 
liche Leben  unmittelbar  auf  die  weltbeherrschende  Macht  bezieht  und  es  so  er- 
hebt. Die  Religionsphilosophie  ist  die  „zusammenhängende  wissenschaft- 
liche Erforschung  und  Erkenntnis  des  Ganzen  von  Erscheinungen  .  .  .,  welche 
im  Leben  der  Menschheit  die  Religion  ausmachen".  Mittels  dei  vergleichenden 
Methode  findet  sie  eine  Gesetzmäßigkeit  der  religiösen  Entwicklung  und  voll- 
zieht eine  Scheidung  zwischen  dem  Zeitlich-Vergänglichen  und  dein  Ewigkeits- 
gehalt der  Religion. 

Schriften:  Die  Religion,  ihr  Wesen  und  ihre  Geschichte,  1869;  2.  A.  1878.  — 
Moral  und  Keligion,  1872.  —  Rcligionsphilosophie  auf  geschichtlicher  Grundlage,  1878; 
Ü.  A.  1896  (Bd.  I:  Geschichte  der  Religionsphilosophie).  —  Grundriß  der  christlichen 
Glaubens-   und  Sittenlehre,    1880.   —    Die   Entwicklang  der  protestantischen  Theologie  in 


540  Pfleiderer  —  Pherekydes. 


Deutschland   seit  Kant  u.  in  Großbritannien  seit  1825,  1891.  —   Keligion  u.  Keligionen, 
1895. 

Pflüger,  Ed.  Friedr.  Wilh.,  geb.  1829  in  Hanau,  Prof.  in  Bonn,  gest.  1910. 

Der  bekannte  Physiolog  ist  durch  seine  Schrift  ,,Die  teleologische 
Mechanik  der  lebendigen  Natur",  1875;  2.  A.  1877  für  die  Philosophie  von 
Bedeutung.  P.  erklärt,  daß  die  Lebensfaktoren  durch  das  Prinzip  der  „zweck- 
mäßigen Sicherung  der  Existenz''  beherrscht  werden.  Im  Organismus  wirkt 
etwas  Psychisches  zweckmäßig ,  aber  die  wirksamen  Kräfte  der  lebendigen 
Organe  sind  an  die  organische  Materie  selbst  gebunden,  also  nicht  Betätigungen 
besonderer  Lebensprinzipien.  Das  „Gesetz  der  teleologischen  Mechanik"  („teleo- 
logisches Kausalgesetz")  lautet :  „Die  Ursache  jeden  Bedürfnisses  eines  lebendigen 
Wesens  ist  zugleich  die  Ursache  der  Befriedigung  des  Bedürfnisses."  „Die 
Mechanik  ist  im  Tiere  so  eingerichtet,  daß  jede  Ursache  eines  Bedürfnisses, 
die  ja  in  einer  stofflichen  oder  funktionellen  Änderung  der  lebendigen  Materie 
besteht,  gerade  durch  diese  Änderung  den  bestimmten  Zapfen  bewegt,  der  die 
richtige,  d.  h.  das  Bedürfnis  befriedigende  Melodie  auslöst."  Das  hindert  nicht 
das  Vorkommen  an  Störungen  und  Unzweckmäßigkeiten.  Außer  den  bewußten 
psychischen  Funktionen  des  Gehirns  gibt  es  nach  P.  auch  eine  unbewußt 
wirkende  „Rückenmarksseele".  Die  Fähigkeit  der  zweckmäßigen  Reaktion  muß 
schon  die  erste  lebendige  Materie  (die  sich  aus  der  Urmaterie  entwickelt  hat> 
besessen  haben. 

Pfordten,  Otto  von  der,  geb.  1861  in  Frankfurt  a.  M.,  Privatdozent  in 
Straßburg.  =  Nach  P.  zeigt  das  Werden  und  unser  erfolgreiches  Eingreifen 
in  dasselbe,  daß  der  Phänomenalismus  Unrecht  hat,  daß  vielmehr  ein  „Kon- 
formismus" richtig  ist,  wonach  es  „eine  Außenwelt  gibt,  die  wir  erkennen, 
und  daß  unsere  Begriffe  in  einer  bestimmten,  gesicherten  Beziehung  zu 
dem  nach  wie  vor  unbekannten  Wesen  der  Erscheinungswelt  stehen".  Wir 
erkennen  das  Sein  in  „Konformitäten".  Denken  ist  nicht  gleich  Sein,  aber  das 
in  Normen  Gedachte  muß  dem  wahren  Wesen  konform  sein;  das  gilt  auch 
von  der  Wertung. 

Schriften:  Versuch  einer  Theorie  von  Urteil  und  Begriff,  1906.  —  Vorfragen  der 
Naturphilosophie,  1907.  —  Konformismus  als  Erkenntnisart  des  Normalen  (Bericht  über 
<len  III.  int.  Kongreß  f.  Philos.  1909).  —  Konformismus,  1910,  u.  a. 

Phaidon  aus  Elis,  ein  Schüler  des  Sokrates,  der  ihn  aus  der  Sklaverei, 
in  die  er  durch  Kriegsgefangenschaft  geraten  war,  loskaufen  ließ.  Er  gründete 
in  Elis  eine  philosophische  Schule  („Elische  Schule"),  deren  Lehren  mit  denen 
der  Eretrischen  (s.  d.)  verwandt  waren.  Betreffs  der  (nicht  erhaltenen)  Dialoge 
des  P.  vgl.  Diog.  Laert.  II,  105. 

IMiai di'os  (Phaedrus),  Epikureer,  um  90  v.  Chr.  Lehrer  Ciceros,  dann  in 
Athen. 

Pfialeas  aus  Chalkedon,  Pythagoreer,  der  die  Gleichheit  des  Eigentums 
der  Bürger  forderte  (l'oag  elvai  zag  xztjoeig  xwv  Tiohzwv,  Aristoteles,  Polit.  II,  7). 

Pherekydes   von    Syros,    lebte   im  6.  Jahrhundert   v.  Chr.,   Verfasser 


Phebektdeb  —  Philola.  541 

einer   Kosmo-   und   Theogonie.    von    welcher  Fragmente   existieren.      AU    I 
prinzipiell   nennt    er   Zeus.    Chrono«,    Erde  (Xdovlr),    Ir/}.     Chrono«    erzeuf 
Feuer,  Wind  und  Wasser  und  Zeus  sehnt  ans  -einem  Mantel  die  Welt.    Auch 
die   Seelenwanderung    soll  P.   gelehrt    haben    (?).      Die    Schrift    des    P.    hiefl 
^Emä/ivzog"  oder  ,JIsvz£/dvzog"  (vgl.  Diog.  Laert.  I,  119:  Diels,  Fragmente  der 
Vorsokratiker  Ii. 

Vgl.    DlELS,    Archiv    f.    Gesch.    d.    Philos.    1.;     Zur   Pentomychos    des   P.,    Bei 
Akad.  der  Wissensch.  in  Berlin,   1897.    —    KERN,    De  Orphei,    Epimenidos,    Phero 
theo^oniis,   1888. 

Pbilippos  au-  Opus  (in  Lokrisi.   ein  Schüler  Piatons,  Herausgeber  der 

Platonischen  Schrift  „Jo/zoi"    und    wahrscheinlich  Verfasser  der  Pseudoplatoni- 
Bcherj  Schrifl  „Ejpmomis". 

Philo  b.  Philon. 

Philodemos  von  Gadara  (Cölesyrien),  lebte  um  60  w.  Chr.  in  Koni, 
Epikureer.  Ein  Teil  seiner  Schriften  wurde  in  Herculanuni  gefunden.  —  in  der 
Schrifl  negt  oijfteüov  xcu  arjfieMoascov  gibt  P.  schon  eine  Theorie  des  Induktion-- 
und    Analogieschlusses,    wie    sie    der   Lehrer    des   P.,    der    Epikureer    Zenon, 

vortrug. 

VgL    Herculani-rw.    volum.  I,    III— VI,   IX— XI,    1793—1855;    Philodemi    xegt  xa- 
y.Hnv.  nuji   6gyrjq  u.  a.,  1861   ff.;    De    ira    ed.  Goraperz,    1864:    Academicorum  philon. - 
phorom  index   Herculanensis,  ed.  S.  Mekler,  1902  (Reste  der  ovrva§tS   ''-""'  (piXoawpca 
—  Th.  GOMPEBZ,  Herkulaniache  Studien,   1865  —  66  (über  die  Schrift:    tuqI  mj/Asfar 
xcu  OTjfieu&oatov  u.  a.).  —  W.  Sc  hni:ii>i.\vin.  Studia  Philodemca,   190 

I*liilolao>.  Zeitgenosse  des  Sokrates,  gilt  als  der  erste  Pythagoreer,  der 
die  Lehren  des  Pythagoreismus  schriftlich  fixiert  hat.  Von  seiner  Schritt  : 
7uql  tpvatog  sind  Fragmente  erhalten,  von  denen  ahn-  nur  ein  Teil  echt  ist 
(Nach  Kose  und  ('.  Schaarschmidl  ist  das  Ganze  unecht). 

Nach  P.  ist  das  Wesen  der  Dinge  die  Zahl;  diese  ist  kenntnisspendend 
tür  alles  an  allen  Dingen,  die  Bedingung  aller  Erkennbarkeil  und  Bestimmtheil 
der  Dinge.  Die  Zahlen  bestehen  alle  aus  Bwei  Prinzipien:  dem  Unbegrenzten 
und  dem  Begrenzten,  welche  dem  Geraden  und  Ungeraden  entsprechen.  V 
blinden  wird  alles  durch  die  Harmonie  als  Einheil  alles  Mannigfaltigen  und 
Gegensätzlichen.  l>ie  Wurzel  aller  Zahlen  ist  die  Eins.  Die  Eigenschaften  der 
Dinge  beruhen  aui  Zahlen,  so  die  Beseeltheit  ant  der  Sechszahl,  die  Vernunft 
aui  der  Sieben  zahl,  usw.     I>i<-    Elemente:    Erde,    Feuer,    Luft,    W  A.thei 

(das    fünfte    Element)    haben    in    ihren    Teilen    die   Gestall    der   regelmäßigen 
metrischen  Körper  (Kubus,  Tetraeder  usw.).    In  der  Mitte  der  Welt  befindet 
si.-h  das  Zentralfeuer,   der  „Herd"  i.;nrmi   des   aiu     im   dieses    Feuer   dreht 
si<h  die  Erde  mit  der  | unsichtb 

ii-    tpaaiv    'l'i/.i'i/.ttny .    ol    dt    'Ixtrav    Zvg  D 

VIII,  85).     Der  Körper  ist  ein  Kerkei  da   Seele. 

Vgl.  ,\.  BÖGKHi  P.  a«i  Pythagoraaw  i     n  .  I     -•  n  \  w:-«  hmim.  Die 

ebliche    Bchril  dei    l'..    L864.     —     Zi  i  n  hen    I*.  — 

DIEL8,    Prägnante  d«r  Vonokratikst  i.    —     l:.   NKWBOLD,  P      kicah    t    6 
Philo«.  XII. 


Philox. 

Pbilon  aus  Athen.  Schüler  des  Pyrrhon  im  3.  Jahrhundert  v.  Chr.. 
Skeptiker. 

Pbilon   der  Jude  (Philo  Judaeus),   geb.  um  25  v.  Chr.  in  Alexandrien, 

aus  vornehmer  (vielleicht  priesterlicher)  Familie,  war  40  n.  Chr.  mit  seinem 
Bruder,  dem  „Alabarchen"  der  Alexandrinischen  Juden,  als  Gesandter  in 
Rom.  um  beim  Kaiser  (Caligula)  Schutz  für  die  angegriffenen  Alexandrinischen 
Juden  zu  erbitten;  4:2  n.  Chr.  wurde  er  mit  der  Tempelsteuer  nach  Jerusalem 
S  sandt     Das  Jahr  -eines  Todes  ist  unbekannt. 

P.  ist  der  Hauptvertreter  derjenigen  philosophischen  Weltanschauung, 
welche  durch  eine  Synthese  griechischer  Philosophie  mit  dem  jüdischen  Mo- 
nismus entstand.  Am  meisten  ist  er  von  Plato  und  der  Stoa  beeinflußt, 
aber  auch  vom  Pythagoreismus  und  anderen  philosophischen  Richtungen  hat 
n-  Einwirkungen  erfahren.  Die  Bibel  deutet  er  in  allegorischer  Weise, 
ohne  aber  deshalb  dem  buchstäblichen  Sinn  Abbruch  zu  tun  oder  die  Satzungen 
der  Religion  abzulehnen.  Er  ist  mit  großer  spekulativer  Kraft  bemüht,  dem 
Monotheismus  ein  philosophisch-universelles  Gepräge  zu  geben  und  er  sucht 
die  Transzendenz  und  Persönlichkeit  Gottes  mit  der  Immanenz  des  göttlichen 
Wirkens    in    der   Welt    zu    vereinbaren,    wobei    ihm    der    Stoische    Begriff   des 

_  'S-.  der  als  Kraft  gedachten  Weltvernunft,  als  Vermittlung  zwischen  der 
Gottheil   und  der  Welt  dient. 

Bei  aller  Festhaltung  der  Persönlichkeit  Gottes  verwirft  P.  doch  jeglichen 
Anthropomorphismus .  den  er  höchstens  als  symbolisch-allegorisch  zulässig 
findet  Gottes  ureigenes  Wesen  ist  unerkennbar,  kein  Name  kann  dieses 
Wesen  bezeichnen,  es  ist  über  alle  Prädikate  erhaben,  ist  reines  Sein  (to  b*v)t 
allgemeinste  und  Höchste,  das  sogar  noch  über  das  Gute  (mit  dem  es 
Plato  identifiziert  hatte)  erhaben  ist.  Gott  ist  scharf  von  der  Welt  unter- 
schieden, nichts  von  allem  Weltlichen  ist  in  ihm.  seine  Reinheit  wird  durch 
nichts  getrübt.  Gott  ist  das  einzige  wahrhaft  Seiende,  Ewige,  einheitlich,  ein- 
lach, einzig  [6  (fodg  uövoc  iou  xai  fr,  ov  ovyy.otua,  gvoic  cLtÄj)),  rein  (f/.n-ßrga 
Qvotc\  -ich  selbst  genügend,  absolut  (ro  yäo  ov  f,  Sv  roTtr,  oi-yj  .tooc  ti).  all- 
st iend,  mit  seinen  Kräften  das  All  erfüllend,  der  Ort  aller  Dinge,  der  All- 
umfasser  und  Allwissende,  er  ist  leidlos  und  selig.  Gott  ist  jenseits  der  Welt, 
die  er  mit  seiner  Kraft  durchdringt,  über  Kaum  und  Zeit  erhaben,  ungeworden 
und  unwandelbar.     Kr  ist  immateriell  und  frei. 

/wischen    Gott   und  Welt  vermittelt  der  Logos  (koyog).  d.  h.  die  ewig  bei 

Gott  wohnende  göttliche  Vernunftkraft,    der    ..erste  Sohn"  Gottes  (xgamfyoros). 

In-    ..zweite   Gotf  s    ih-öc).   der    „Schatten"    Gottes   {ocia    deov),    der 

Paraklet.    der    Mittler    zwischen    Gott    und    Mensch.      Der  IvOgos  ist  das  Wort 

und   der   Gedanke  {iwout)   Gottes,    sein    schöpferisches   Denken. 

Q    Kraft    die    Welt    erschaffen    hat.    sie    durchdringt    und  gesetzmäßig  zu- 

lenhält     Der   Logos  ist  der  Ort  der  intelligiblen    Welt    der    Ideen   (o  ex 

■■  xöouoc),    der    Urbilder    der    sinnlichen    Dinge.      Die   Ideen    sind  Ge- 

:.<     Yernunftkräfte.    zugleich    relativ  selbständige,    tätige. 

-  n.  die  in  der  Bibel  als  Engel  bezeichnet  sind.      Mittels  dieser  im- 


Phii.'-n. 

materiellen  Kräfte  erschuf  und  gestält        I     ü  di<    D    e        \k  aocopdxou;  b\ 

'-')•,    top  etvfiow   oropa  tu  föaeu,    xart^g^i 
xovoctP    '/.aßeTr  ftOQUtpr).      Der  I.  gos  isl  die  o  ei  wird   ?OD   p.   bald 

mir   der   „Weisheit"   {ao*pia\   identifiziert,    bald    wird    di»-<-   als    „Muttei 
Log-os  bezeichnet.     Nach  dem  Vorbild  der  Stoa   unterscheidet  P.  im  Menschen 
wie  im  All  einen  inneren  [Idyog  irdidöetog)  und  einen  zum  Ausdruck  gebrachl 
gos  ('/.6yog  *Qo<poQixi 
Vermittelst   des   Logos  hat  Gott  aus  Güte  die  Welt,   den    jung«  £ohn 

-    geschaffen,  und  zwar  aus  der  nicht  wahrhaft  seienden,  dunklen,  gestalt- 
und  eigenschaftslosen    ■"■/-•  inwirkBamen  >ten  (rexpor),  unreinen 

.Materie.     Die  geschaffenen   Dinge,    welche    durch 

tens  der  göttlichen  Vernunftkraft  entstanden  sind,  sind  Abbilder  der  Id- 
die  das  Wirksame  in  ihnen  sind.      Die   Weh   ist   im    Gegen*  Gott    nicht 

unendlich.     In  ihr  ist  alles   zahlenmäßig   geordnet    und   bannonisch-g   -      lieh 
verbunden;    in   optimistischer  Weise   gibt  P.   (ähnlich  wie  die  Stoa)   eine  Tb 
dizee.   welche  das  Übel  nur  als  Nebenwirkung  des  Guten  oder  als  Mittel  dazu 
oder  als  bloßen  Schein  darstellt. 

Di*-  Seele  de-  Menschen  ist  ein  an  einen  Leib   gebundener  Geist, 

üger    Teil   (Xoyiouxdr)   unsterblich   ist.   wobei   aber   die  noch    nicht   - 
läuterten    Seelen    eine   Metempsychose  durchmachen  müssen.      1 
ein  Ebenbild  Gottes.     Die  Tugend   besteht  nun  darin,  dem  gottlichen  Urbild 
eu  folgen  (exeay  i.    es  nachzuahmen   (fUfuZo&at  Gott  zu 'dienen 

i1  -  Höchste  und  der  Gipfel  der  Glü<  it    ist  die  V« 

einigung  mir  Gott   im  unmittelbaren  Behauen  Gottes,   im  Zustande  mystischer 
Begei<t»-rui  .  .  wo  der  Mensch  sein  Ich  aufgibt   und  eine  Wohnstäl 

Gottes  wird.       h        Kraft  und  Liebe  ihn  befreit  und  beseligt. 

Die  philosophische  (nicht  immer  eindeutige)  Lehn-  rem   Logos  ist  für 
Christentom    von    größter    Bedeutung    geworden,    du    schon    das    Evangelium 
Johannis   darani    tuiit    i..Im   Anfang  war  der   Logos   und  der   Logos 

t  und  Gott  war  der  Logos.*4     ..A  lurch  ihn  geworden.")  —  nur  dafl 

was    v.-.n    höchster    Wichtigkeit   istj    ron    der   Fleischwerdung  des    Los.  - 
spricht  —  und  da  ferner  die  orthodox«    l       na  (Cl        -    '  Phnom« 

Lehi  •  :zt. 

3    : .  r.ften:    Von    I\>  Schriften    Bind   die   Juristen   erhalten   il>e   mundi   oi 
allegor.;    De  Tita  Mona;     Do  <  heruhim;     Do    vita    Abraham i ;     De  caritate;     l»e 
u.  a.).      Opera,     174  2.     1828—30,     1851  —  53;    hrsg.    Ton   L.    Cohn    und    P,    U 
1896  ff.  (Editio  maior  und  minor).    —    Werke,    deutsch  von  L.  Cohn,  1. 
lonea,    ed.   Tis.  hendorf,     1868.    —    Neu  entdeckte   Fragmer.' 
1891.    —    VgL    M.   WOLFF,    Die  Philoniache  Philosophie,    I.    V.    II 
Die  Lehre  vom   Logo«,          .1.   Lkvii.lk,    Le  logos  d'aj  •••    ' 

vi».  Philo  Judaeua,   1888.   —  A  i:\im.   w  :<:ienstudi<-  G,    Fi     " 

Philon  und  Plotin.    IS 

IMiilon    roi     I  in    Thessalien       -  und     S 

IQeitomachos  in  Athen,    kam  wihn  ifesn  ■ithridatisohen  K 

.  (  hr.     I 


544  Philon  —  Pico. 


nichts  erhalten.  =  P.  ist  der  Stifter  der  vierten  Akademie;  sein  Skeptizismus 
sehließt  nicht  alle  Erkenntnis  und  Evidenz  aus.  Als  Ziel  des  Handelns  be- 
zeichnet er  die  Glückseligkeit. 

Vgl.  C.  F.  Herkmann,  De  Philone  Larissaeo,  1851,  1855. 

Phil oni des:  1.  aus  Theben,  Stoiker.  —  2.  Epikureer,  um  160  v.  Chr. 
Pliiloponos  s.  Johannes. 

Philostratos9  Flavius,  lebte  im  dritten  Jahrh.  n.  Chr.  in  Athen,  dann 
In  Rom,  verfaßte  im  Auftrage  der  Kaiserin  Julia  Domna  eine  (romanhafte) 
Biographie  des  Apollonius  von  Tyana,  in  welcher  der  Neupythagoreismus  ver- 
herrlicht wird. 

Schriften:  Vita  Apollonii  u.  a.,  1709,  1848,  1870—1871;  deutsch  von  Baltzer, 
1883. 

Phokylides,  Gnomiker  aus  dem  6.  Jahrh.  v.  Chr.  Dem  Phokylides 
wurde  im  letzten  vorchristlichen  Jahrhundert  ein  moralphilosophisches  Lehr- 
gedicht alexandrinisch-jüdischer  Provenienz  zugeschrieben. 

Vgl.  J.  BERNAYS,  Über  das  pseudo-phokylideische  Gedicht,  1856. 

Pliotios.  Patriarch  von  Konstantinopel,  gest.  891,  verfaßte  u.  a.  ein 
durch  seine  Auszüge  aus  griechischen  Schriften  wertvolles  Werk  „Myrobiblion" 
(Bibliotheca,  ed.  Bekker,  1824)  sowie  ein  „Lexikon'-  (ed.  Naber,  1864—1865; 
Peitzenstein,  1907). 

Piat9  C,  Prof.  am  Institut  catholique,  Paris. 

Schriften:  L'intellect  actif.  —  L'idee  ou  critique  du  Kantisme,  2.  ed.  1901.  —  La 
murale  du  bonheur,   1909,  u.  a. 

Picavet,  F.,  französischer  Historiker  der  Philosophie. 
Schriften:  Les  ideologues,  1891.   —  Esquisee  d'une  histoire  generale  et  comparee 
des  philosophes  medievales,  1905,  u.  a. 

Piccolomini,   Alessandro,  geb.  1508  in  Siena,  lehrte  in  Padua  und  in 

Pvom,  gest.  1578.  =  Aristoteliker. 

Schriften:    L'instrumento  della  filosofia,    1551.    —    Filosofia  naturale,    1551 — 54. 

—  Filosofia  morale,  1560. 

Piccolomini,  Francesco,  Neffe  des  vorigen,  geb.  1520  in  Siena,  lehrte 
in  Padua,  gest.  1604.  ==  Aristoteliker,  Anhänger  des  Zimara  (gest.  1532)  und 
Gegner  des  Zabarella. 

Schriften:  Universa  philosophia  de  moribus,  1583.  —  Libri  de  scientia  naturae 
quinque  partibus,   1597,  u.  a. 

Pichler,  Hans,  geb.  1882  in  Leipzig,  lebt  in  Wien.  =  Anhänger  Meinongs. 
Schriften:    Transzendentale  Apercus,   1908.    —    Über  die  Arten   des    Seins,    1908. 

—  Über  die  Erkennbarkeit  der  Gegenstände,  1909.  —  Über  Chr.  WolfFs  Ontologie, 
1910,  a.  a. 

Pico,  Johann,  Graf  von  Mirandola,  geb.  1463  auf  dem  Schlosse  seiner 
Eltern,  studierte  in  Bologna,  hielt  sich  dann  in  verschiedenen  Städten  auf, 
studierte  seit  1482,    durch  Marsilius  Ficinus  angeregt,    die   Schriften   Piatons, 


Pico  —  Pictox. 

stellte  1486  900  Thesen  auf  und  lud  zur  Disputation  darüber,   die  aber  nicht 

stattfand,  viele  Gelehrte  ein.     Er  starb  1494  in  Florenz. 

P.,  der  eine  merkwürdige  Mischung  von  Tiefsinn    und    Phantasterei   dar- 
stellt,  ist  ein  von  Plato,    Aristoteles,    dem  Neupiaton ismus,    Dionysius  An 
pagita,   von    der   Kabbala,    von   Nicolaus   Cusanus  u.  a.  beeinflußter  Mystiker. 
Das  Höchste  ist  ihm  die  Erkenntnis  Gottes,  dessen  Behauung  in  der  Ekst   - 
die  größte  Seligkeit  bringt.     Gottes  Wesen  ist  unbestimmbar,  nur  nichtwissend, 
negativ    können    wir   etwas    über   dasselbe   aussagen    (vgl.   Nicolaufl    Cosan    - 
Gott  ist  überseiend,    vollkommen,    einfach,   einheitlich,   er  ist   nichts  Einzeln«-, 
sondern  alles  („Dens  omnia  est"),  das  Prinzip  aller  Dinge  („prineipium  omniura"), 
die  Fülle  des  Seins  („plenitudo  ipsius  esse"),  in  allem  wirkend. 

Der  Welten  gibt  es  drei:  übersinnliche  (Engelwelt),  himmlische,  sublu- 
narische  Welt;  letztere  ist  aus  der  nicht  geschaffenen  Materie  gebildet  In 
dieser  liegt  der  Grund  zur  Vielheit  und  Verschiedenheit  der  Dinge  C.radix 
omnis  quae  in  rebus  multitudinis  est").  In  der  Engelwelt  sind  neun  Ord- 
nungen von  Engeln,  d.  h.  reinen  Geistern.  Unvergänglich  wie  diese  ist  auch 
die  himmlische  Welt,  die  sich  im  Kreise  bewegt.  Der  Himmel  ist  belebt 
durch  eine  vernünftige  Weltseele  („adiecit  igitur  Dens  coelesti  machinae  vivam 
sabstantiam  et  rationalem,  partieipem  intellectus").  Die  irdische  Welt  i-t  ein 
Abbild  der  himmlischen.  Der  Mensch  hat  als  Mikrokosmus  alle  Naturen  in 
sich  („trium  .  .  .  complexus  et  colligatio",  „quod  hominis  subsiantia  omnium 
in  se  naturarum  substantias  et  totius  universitatis  plenitudinem  re  ipea  com- 
plectitur").  Zwischen  dem  Leib  und  der  vernünftigen,  immateriellen  Seele  isl 
das  Band  („vinculnm")  der  „Geist"  („Spiritus",  ..corpusculum  spirituale")  als 
feinste,  lichtartige  Substanz  („tenuissimum  corpus  et  invisibile,  Lad  calorique 
illi  sidereo  maxime  Cognition").  Die  Seele  ist  eine  sich  selbst  bewegende  Sub- 
stanz, unsterblich;  sie  vermag  das  [ntelligible  zu  (.lenken  und  ihr  Wille  i-t 
frei.  Böchstee  Ziel  und  höchstes  Glück  ist  die  Bückkehr  zum  göttlicher 
Urgrund  („felicitatem  ego  sie  definio:  reditum  unius  cuiusque  rei  ad  säum 
prineipium"),  Vergottung  (..ille  erimus  ipse,  qui  fecil  nos").  Voraussetzung 
dazu  ist  die  Reinigung  der  Serie. 

Schriften:    Heptaplus.     Conclusiones    philoaophicae  (i486).  —    Apologia.     Di-  < 
et  uno.     De    hominis    dignitate.     In    Astrologiam    libri    XII    u.  a.      Opera,    149G.     1 
1601.    —    Ausgewählte  Schriften,    hrsg.  von  Liebert,   1905.    —    Vgl.  G.    DRETDORFF, 
Dm  System  des  J.  P.,  1858. 

Pico,   Johann    Franz,    Gral    von   Afirandola,    Nett«    und   Anhang 

vorigen,  gest.    1533. 

Schriften:    De    studio   divinae    et    humanae    sapiontiae.       Exanirn    duitrinao    ri 
tatis  gentilium.     De  praonotionibus  u.  a.     Opera    (zusammen    mit    denen    .-«eines    Oheinn), 
1571. 

I'icfoii.   .1.   Allanson.    -    Pantheistischei    Standpunkt,   ron   Bpen 

eintlili;i. 

Schriften:    Tkt  Hystary    ..f   Matter,    !v7;;     - 

l'.M.l. 

i    iler,  PhUocophen-1 


546  Pierre  —  Pistis  Sophia. 


Pierre  d'Ailly  s.  Ailly. 

Pierre  d'Aureole  s.  Petrus  Aureolus. 

Pierre  de  la  ßamee  s.  Ramus. 

Pikier,  Julius,  geb.  1864  in  Temesvär,  Prof.  in  Budapest. 

P.  ist  ein  Gegner  des  Naturrechts  und  begründet  das  Recht  aus  der 
Zweckmäßigkeit  desselben.  Als  Psycholog  faßt  er  das  Seelische  als  Funktion 
des  Nervensystems  mit  energetischem  Werte  auf.  Beherrscht  wird  es  vom 
Prinzip  der  Gegensätzlichkeit,  wonach  jeder  Aktion  eine  Hemmung 
gegenübersteht.  Jedes  bewußte  Erlebnis  ist  Besiegung  einer  Gegentendenz. 
Jede  Vorstellung  ist  eine  gehemmte  Tendenz  zum  Erleben.  Allem  Streben 
liegt  die  Hemmung  einer  Wirklichkeitstendenz  durch  die  Gegentendenz  zu- 
grunde. Wir  streben  nur  dann,  wenn  die  Überzeugung  von  der  Wirklichkeit 
des  in  seiner  Wirklichkeit  gehemmten  Gegenstandes  für  uns  ein  größeres  In- 
teresse, einen  größeren  Wert  besitzt  als  die  gegenteilige  Überzeugung.  Das 
Interesse  ist  so  eine  „überzeugungsbewirkende  Kraft",  eine  Energie.  Aus 
diesem  subjektiven  Faktor  gehen  auch  (wie  aus  dem  objektiven)  allgemein- 
gültige Wahrheiten  hervor.  Überzeugung  und  Gegenüberzeugung  sind,  einander 
komplementär  hemmend,  stets  gleichzeitig  da. 

Schriften:  Einleitung  in  die  Kechtsphilosophie,  1892  (ungarisch).  —  The  Genesis 
of  the  Cognition  of  Physical  Keality,  Mind  XV.  —  Das  Grundgesetz  alles  neuropsychi- 
schen Lebens,  1900.  —  Physik  des  Seelenlebens,  1901.  —  Beschreibung  und  Ein- 
schränkung, Vierteljahrsschrift  für  wissensch.  Philos.,  1907.  —  Das  Beharren  und  die 
Gegensätzlichkeit  des  Erlebens,  1908.  —  Das  Gegensätzlichkeitsprinzip,  Bericht  über 
den  III.  intern.  Kongreß  für  Philos.,  1909.  —  Die  Funktion  des  Interesses  beim  Streben 
und  die  pragmatische  Streitfrage,  1.  c.  1909.  —  Die  Stelle  des  Bewußtseins  in  der 
Natur,  1910. 

Pillon.  Francois,  geb.  1830,  Paris.  =  Anhänger  Eenouviers,  Herausgeber 
der  „Annee  philosophique"  (1890  ff.). 

Schriften:  La  philosophie  de  Secretan,  1898.  —  La  premiere  preuve  cartesienne 
de  l'existence  de  Dieu,  L'annee  philos.  I,  1890.  —  L'evolution  historique  de  l'atomisme,. 
1.  c.  II,  1891.  —  L'evolution  historique  de  Pidealisme,  1.  c.  III— VII,  1892  ff.  —  La 
critique  de  Bayle,  1.  c.  VIII— XIV,  1898  ff.,  u.  a. 

Pini,  Ermenegildo,  geb.  1739  in  Mailand,  gest.  1825  daselbst.  =  Meta- 
physiker  auf  christlicher  Grundlage,  Gegner  des  Sensualismus. 
Schriften:  Protologia,  1803,  u,  a. 

Pioger,  Jules.  —  Mechanistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Le  monde  physique,  1892.  —  La  vie  et  la  pensee,  1893. 

Pistis  Sopliia  heißt  eine  im  Jahre  1851  aus  einer  koptischen  Hand- 
schrift herausgegebene  gnostische  Schrift  (Pistis  Sophia,  ed.  A.  Petermann, 
1853).  Auf  Grundlage  der  Lehren  des  Valentinus  wird  das  Leiden  der  Pistis 
Sophia  (eines  weiblichen  „Äons"),   ihr  Fall  und  ihre  Erlösung  durch  Christus 

hildert. 

Vgl.  K.  KÖSTLIN,  Das  gnostische  System  des  Buches  Ilioxig  Zocpia,  Theol.  Jahr- 
bücher, 1854. 


Pitakos  —  Planck. 


Pittakos,    Tyrann  von  Mytilene  (Lesbos),   wird    als  einer   der  „sieben 

Weisen'*  Griechenlands   genannt.     Eine  Reihe  gnoniischer  Ausspruch»     w 
ihm  zugeschrieben  (Erkenne  die  rechte  Zeit;  Gebrauche  da-  Nötige;  u.  i 

Planck,  Karl  Christian,  geb.  1819  in  Stuttgart,  wurde  1856  r  in 

Ulm,  1869  in  Blaubeuren,  1879  in  Maulbronn  (Seminar). 

R.  der  von  Hegel  beeinflußt  ist,  lehrt  einen  „Realismus',  der  aber  im 
Gegensatze  zum  Materialismus,  Atomismus,  Darwinismus  steht,  indem  er  auf 
das  innere  Wesen  von  Natur  und  Geist  geht.  Die  Grundform  der  ganzen 
Wirklichkeit  ist  die  ,, innere  Beherrschung  der  Teile  durch  eine  zusammen- 
fassende Einheit  des  Ganzen  oder  innere  Konzentrierung  zu  hervorbringender 
Gesamttätigkeit".  Erst  in  unbewußt-unfreier  Daseinsweise  bestehend,  entwickelt 
sieh  die  Wirklichkeit  schließlich  zu  bewußt-freiem  Sein  und  sittlicher  Ordnung. 
..Ineinander  wirkende  Konzentrierung  ist  es,  innerlich  zentral 
samttätigkeit,  welche  ebenso  schon  im  Anfang  vor  allem  individuellen  Sein 
das  All  zusammenfaßt  zu  selbstlos  universeller  Einheit  im  glühend  warmen 
und  lichten  Zentrum,  wie  sie  weiterhin,  im  organischen  Leben,  als  individuell 
begrenzte  selbständige  Zentrumsform  wirkt  und  endlich  in  erneuter  Weise  räch 
wieder  erhebt  als  innerlich  universelle  Fanheit  in  der  freien  Klarheit  des  er- 
kennenden Geistes  und  seiner  selbstlos  sittlichen  Ordnung."  Aus  dem  inner- 
lichen Entwicklungsstreben  der  „Zentrumseinheit"  sind  die  individuellen  Stoffe 
hervorgegangen  und  in  ihr  hat  auch  das  Organische  und  das  Geistige  -einen 
Ursprung.  Auch  das  Wesen  des  Geistes  ist  ., innerlich  universelle  Konzentrie- 
rung und  Tätigkeit".  Realität  gibt  es  nur  im  „ Zusammen  eines  Aufierein- 
ander".  Indem  alles  synthetisch  zusammengehalten  wird,  ist  es  wahr,  dafl 
(rott  die  Liebe  und  diese  der  schaffende  Grund  der  Welt  ist.  Die  zentrale 
Einheil  ist  zugleich  das  Sondernde,  das  die  vielen  Mittelpunkte  schafft.  Die 
Wirklichkeit  ist  als  solche  das  Gegenteil  der  bloßen  Gedankeneinheit,  Bie  ist 
der  „stetige  reine  unterschied".  Zeit  und  Kaum  (Ausdehnung)  Bind  die  allge- 
meinsten Grundformen  alles  Wirklichen,  alles  Wirken,  alle  Intensität  ist  ..in- 
einander wirkende  Einheit  eines  Btetig  Unterschiedenen,  ausgedehnten".  D  - 
reine  Wirken  ist  ..rein  selbstlose  innere  Einheil  mit  dem  Ganzen,  reine  Kon- 
zentrierung". 

Der  Geis!  ist  nicht  eine  besondere  Bubstanz,  Bondern  wie  alle  Stofflich- 
keit in  ihrer  Grundform  nur  reines  Wirken  ist,  so  ist  der  Geist  nur  die  kon- 
sequente selbständige  individuelle  Vollendung  der  zentralen  Einheit;  nur  - 
reine  Qnterscheidungs-  und  Zuaammenfassungsform  ist  ansinnlich.  Innere 
reine  Zusammenfassung  ist  das  Wesen  des  Geistes;  dieser  ist  nur  „als  innere 
Einheil  der  Ausdehnung  selbst  (oder  einer  Leiblichkeit)",  nicht  all  unter- 
schiedslose Einfachheit  möglich  (vgl.  Segels  [dentitätastandpunkt).  Das  Denken 
vereinigt  Empfänglichkeil  und  Selbsttätigkeit  Ei  ist  bewußteste  Scheidung 
zwischen  Subjekt    und   Gegenstand.      Der  Entwicklung  der  Denkformeo, 

der  Kategorien,  besteht  dann,  dafi  das  Objekt  immer  vollständiger  nach  seinem 
vorausgesetzten  Sein  dem  henken  gegenübergestellt  und  all  ein  vom  henken 
Unabhängiges    Wirklich«  cht  wird.     Das  Real«    liegi   also  über  das  bloi 


548  Planck  —  Platner. 


Logische  ganz  hinaus,  ist  das  Gegenteil  der  bloßen  logischen  Einheit,  ist  Natur, 
die  vom  Anfang  im  Geiste  und  im  Sittlichen  ihr  Ziel  hat.  Das  logische 
Kausalgesetz  ist  eine  Anwendung  des  Identitätsprinzips  auf  alles,  was  als  wirk- 
lich gesetzt  werden  muß.  Alles  Wirkliche  ist  in  diesem  Sinne  notwendig,  ohne 
deshalb  mechanisch  gezwungen  zu  sein.  Vielmehr  ist  rein  ineinander  wirkende 
konzentrierte  Hervorbringung,  „schaffende  reine  Zweckmäßigkeit"  die  Grund- 
form alles  Wirkens,  deren  höchste  Entwicklungsstufe  die  geistig  freie  Selbst- 
bestimmung, der  freie  Wille  ist,  welcher  geistig  sittliche  Notwendigkeit  ein- 
schließt. Das  höchste  Ziel,  das  Sittliche  liegt  im  „Wollen  des  Universellen 
und  seiner  ewigen  Ordnung".  „Peines  selbstloses  lichtes  Wirken  ist  dem 
Ursprung  nach  alles,  im  selbstlos  lichten  Wollen  und  Wirken  der  ewigen  Ge- 
samtordnung ist  auch  dein  Ziel,  o  Mensch."  Dann  bedarf  es  keines  Glaubens 
an  eine  persönliche  Unsterblichkeit;  ist  ja  doch  Individualität  als  Fürsich- 
bestehen ein  „kaltes  und  dunkles  Eigendasein".  Eine  in  sich  selbst  ewige  und 
unsterbliche  Persönlichkeit  ist  der  reinste  Widerspruch. 

Schriften:  Die  AV eltalter,  1851.  —  Katechismus  des  Hechts  oder  Grundzüge 
einer  Neubildung  der  Gesellschaft  und  des  Staates,  1852.  —  Grundzüge  einer  genetischen 
Naturwissenschaft,  1862.  —  Grundlinien  einer  Wissenschaft  der  Natur,  1864.  —  Grund- 
zügo  der  organischen  Naturansicht,  1869.  —  Seele  und  Geist,  1871.  —  Wahrheit  und 
Falschheit  des  Darwinismus,  1872.  —  Grundriß  der  Logik,  1873.  —  Anthropologie 
und  Psychologie,  1874.  —  Logisches  Kausalgesetz  und  natürliche  Zwecktätigkeit,  1877. 
—  Testament  eines  Deutschen.  Philosophie  der  Natur  und  der  Menschheit,  1881 
(Hauptwerk),  u.  a.  —  Vgl.  ÜMFRIED,  K.  Chr.  Planck,  1880.  —  H.  PLANCK,  Die 
Grundlagen  des  natürlichen  Monismus  bei  K.  Chr.  P.,  Arierteljahrsschr.  für  wissensch. 
Philos.,  1905  f. 

Planck.  Max,  geb.  1858  in  Kiel,  Prof.  in  Berlin.  =  Vertreter  der  in- 
duktiven,, „relativistischen"  Physik. 

Schriften:  Das  Prinzip  der  Erhaltung  der  Energie,  1887;  2.  A.  1908.  —  Das 
Bewegungsgesetz  der  Welt,  1908.  —  Über  das  Prinzip  der  Relativität,  1909.  —  Die 
Einheit  des  physikalischen  Weltbildes,  1909,  u.  a. 

Plate,  Ludwig,  geb.  1862  in  Bremen,  Prof.  in  Jena.  =  Darwinist,  Monist. 
Schriften:    Die  Abstammungslehre,  1901.  —   Selektionsprinzip  und  Probleme  der 
Artbildung,  3.  A.  1908,  u.  a. 

Platner,  Ernst,  geb.  1744  in  Leipzig,  wurde  Doktor  der  Philosophie  und 
der  Medizin,  1770  außerordentlicher,  1780  ordentlicher  Professor  der  Medizin 
in  Leipzig,  später  dort  auch  Professor  der  Philosophie,  gest.  1818. 

P.  ist  ein  von  Leibniz,  später  auch  zum  Teil  von  Kant  (dessen  Gegner  er 
im  übrigen  ist)  beeinflußter  Aufklärungsphilosoph.  Die  Erkenntnis  faßt  er  wie 
Leibniz  auf  und  wie  dieser  hält  er  das  Körperliche  für  die  Erscheinung  im- 
materieller Kräfte  (Monaden).  Die  Substanz  definiert  er  als  „beharrliches, 
selbständiges  Ding,  welches  stets  dasselbige  bleibt".  Sie  ist  eine  Kraft,  ein 
, .System  unzertrennlich  verbundener,  einer  Grundkraft  untergeordneter  Kräfte''. 
Eine  Substanz  ist  auch  die  Seele  als  eine  „Vorstellungskraft".  An  Stelle  der 
Leibnizschen  prästabilierten  Harmonie  nimmt  P.  eine  Wechselwirkung  zwischen 
und  Leib  an.  Die  Seele  ist  stets  mit  einem  feinen  Organismus  (einem 
Atherleib)  verbunden,   der   auch   den  Tod  überdauert.    Der   Wille   ist   deter- 


PLATNEB   -      PLATOK, 


miniert;  er  ist  ein  Teil  der  Vorstellungskraft  Das  Willi 
äußert  >ieh  „in  einem  Bestreben  <I«t  8eele  und  in  einer  damit  verbundenen 
Anstrengung  der  Werkzeuge  der  Phantasie,  [deen  zu  beleben  oder  zu  ver- 
nichten ....  je  nachdem  sie  in  der  Vorhersehun.tr  »in  angenehmes  oder  un- 
angenehmes Verhältnis  haben  zu  dem  selbsteigenen  Zustand".  Freiheit  ist 
identisch  mit  Willkür  und  Selbständigkeit,  Selbsttätigkeit  Der  Endzweck  alles 
Handelns  ist  die  Glückseligkeit;  die  Tugend,  das  „Wollen  des  Guten", 
ist  «in  Mittel  zur  Erreichung  der  Glückseligkeit  Die  Existenz  Gottes  wird 
durch  das  teleologische  Argument  bewiesen. 

In  der  zweiten  und  dritten  Auflage  seiner   „Philosophischen  Aphorismen'* 
und  in  Beinern  „Lehrbuch  der  Logik  und  Metaphysik"  nimmt  P.  Stellu 
Kant,  von  dem  er  teilweise  beeinflußt  ist     Die  Philosophie  als   Metaphysik 
definiert  er  als  ., Inbegriff  vernunftmäßiger,  d.  h.  von  Erfahrung  unabhän. 
auf  reine  Begriffe  und  Grundsätze  gestellter  Resultate  ober  die  Welt  and  das 
bliche  Verhältnis  'in    der    Welt".     Die    reine    Logik    lallt    sich    mit    der 
1  -ychologischen   sehr   wohl    verbinden,    die    Logik    ist    ..eine    pragmatisch) 
schichte    des    menschlichen    Erkenntnisvermögens".      Die    Wahrnehmung    des 
Gegenstandes   entsteht  vielleicht   dadurch,  daß   das  Vorstellungsvermögen    aus 
dem  in  den  Eindrücken  gegebenen  Stoffe  mit  Hinzusetzung  Beiner  Form  Bilder 
schafft,   welche  das  Verhältnis  der  Dinge   an    Bich   zum  Vorstellungsvern 
anzeigen.    Das   allgemeine   Bewußtsein:    Ich   bin,    ist    ..a  priori    das  Bedingnis 
alles   Vorstellens,    Denkens   und   geistigen    Daseins".     Die   Kategorien  Bind: 
Substanz  und    Akzidens.   Eigenschaft   (Quantität    und    Qualität,    Realität)  and 
Verhältnis,  Einheit  und  Vielheit,  Ursache  (Kraft,  Existenz  usw.)  und  Wirkung. 
Mit  Baum  und  Zeit  zusammen   sind  die  Kategorien   die   „Formen  aller 
liehen  Gegenstände  sinnlicher  Erfahrung1',  davon  getrennt  sind  sie  die  „Formen 
einer  von  der  Vernunft    gedachten    aichtsinnlichen   Erfahrung".    Als    An 
Bind  diese  Denkformen  angeboren.    Die  Formen  der  Erkenntnis  sind  subjektiv 
und  zugleich  objektiv,  d.  h.  durch  die  Dinge  selbst  mit  bestimmt     W 
nichts  in  den  Dingen   an   sich   den  Formen    u  Vorstellungen   entspricht, 

bo  ist  kein  Qrund  da,   warum    man   jetzt    Substanz  denkt  und   nicht  Akzidens 
■der  Ursache  usw.    Kaut-    ^Antinomie  der  Vernunft"  ist  in  Wahrheit   am 
Streit  der  Vernunft  mit  der  Phantasie.    Auch  Kaum  und  Zeil  Bind  ai  . 
subjektiv  und  objektiv  id.  h.  durch  die  Dinge  veranlaßt)  zugleich. 

hriften:   Anthropologie,    1772 — 74.    —    Philosophische    Aphorismen,    17, 
I.    A.    1784;   3.   A.    1793  —  1800.   —  (Jesprüch    über    den    Athoicin 

Logik   und   Metaphysik,   1795.   —   Vgl.    M.    Hi.iN/i      B.  KanU, 

—    A.    WREBCHNER,    B.    1'.    und   Kants   Kritik   der   reinen    \  ernunft,    181 

l'laton.  -';'    128  oder  ;■_'.   r.  ehr.  in  Athen   (oder   I 
ariston  ans  dem  Geschlechte  des  Kodros  und  der  Periktiom  I  unilie, 

Vorfahr  mit  Solon  renrandt  war,    ursprünglich  soU  d«    St    •    Piatons 
AxistoUes    nach  dem  Großvater)  gewesen   sein,   ubei  schon   al      I  il   er 

i ,,  Beiner  breiten,  gedrungenen  K  Itj  den  Samen  Piaton  erhalten 

haben.     Der    Knabe   und   Jüngling    wurde    in    da    I       omatik,    M  -      und 
Gymnastik  nuten  auch  bet  h  r.  in  jungen  Jahren  mit  dran 


550  Platon. 

Versuchen,  die  er  aber  später  aufgab.  Durch  Kratylos  wurde  er  mit  den 
Lehren  Heraklits  bekannt  gemacht.  Etwa  in  seinem  zwanzigsten  Lebensjahre 
lernte  er  Sokrates  kennen,  dessen  Schüler  er  Jahre  lang  war  und  von  dem  er 
die  größten  Eindrücke  empfing.  Nach  dem  Tode  des  Sokrates  hielt  er  sich 
einige  Zeit  bei  Eukleides  in  Megara  auf  und  unternahm  dann  größere  Keisen 
bis  nach  Unteritalien,  wo  er  durch  Archytas  von  Tarent  und  Timaios  aus 
Lokri  den  Pythagoreismus  in  dessen  theoretisch-praktischer  Gestalt  kennen 
lernte,  und  nach  Sizilien.  Hier,  in  Syrakus,  befreundete  er  sich  mit  Dion,  dem 
Schwager  des  Tyrannen  Dionysios  der  ältere.  Gegen  P.  mißtrauisch  geworden, 
soll  ihn  Dionysios  als  Kriegsgefangenen  in  Aigina  haben  verkaufen  lassen  und 
Annikeris  soll  ihn  dann  losgekauft  haben.  Um  387  v.  Chr.  begründete  er  in 
einem  nach  dem  Heros  Akademos  genannten  Garten  eine  philosophische  Schule, 
in  welcher  er  viele  Jahre  lehrte,  dem  politischen  Leben  ganz  abgekehrt  und 
unverheiratet  bleibend.  Doch  reiste  er  noch  zweimal  (367  und  361  v.  Chr.) 
nach  Syrakus,  das  einemal,  um  den  jüngeren  Dionysios  zur  Einführung  einer 
Verfassung  zu  bestimmen,  was  ihm  nicht  gelang,  das  anderemal,  um  Dionysios 
mit  Dion  zu  versöhnen.  P.  starb  hochbetagt  in  Athen,  im  Jahre  348  oder 
347  v.  Chr. 

Schriften:  Unter  dem  Namen  Piatons  sind  uns  36  Schriften  überliefert, 
von  denen  aber  die  Kritik  einen  Teil  als  unecht,  manche  als  zweifelhaft  dar- 
getan hat.  Mit  Ausnahme  der  Briefe  sind  diese  Schriften  in  Dialogform  ver- 
faßt, welche  P.  zum  Teil  in  außerordentlich  künstlerischer  Weise  gehandhabt 
hat.  Diese  36  Schriften  hat  der  Platoniker  Thrasyllos  in  neun  Tetralogien 
zusammengestellt:  I.  Eutyphron,  Apologie,  Kriton,  Phaidon.  IL  Kratylos, 
Theaitetos,  Sophistes,  Politikos.  III.  Parmenides,  Philebos,  Symposion,  Phaidros. 
IV.  Alkibiades  I,  Alkibiades  II,  Hipparchos,  Anterastai.  V.  Theages,  Char- 
mides,  Laches,  Lysis.  VI.  Euthydemos,  Protagoras.  Gorgias,  Menon. 
VII.  Hippias  maior,  Hippias  minor,  Jon,  Menexenos.  VIII.  Kleitophon,  Politeia 
(Eepublik),  Timaios,  Kritias.  IX.  Minos,  Nomoi  (Leges,  Gesetze),  Epinomis, 
Briefe.  Davon  sind  sicher  unecht:  Minos,  Epinomis,  Alkibiades  II,  Theages, 
Anterastai,  Kleitophon,  Hipparch;  zweifelhaft  sind  Alkibiades  I,  auch  wohl 
noch  Hippias  maior  und  Jon. 

Vgl.  UebERWEG-Heinze,  Grundr.  d.  Gesch.  d.  Philos.  I10,  S.   140. 

Was  die  Abfassungszeit  und  Anordnung  der  Schriften  Piatons  anbelangt, 
wurden  verschiedene  Theorien  aufgestellt.  So  von  Schleiermacher,  der  eine 
didaktische  Ordnung  seitens  Piatons  voraussetzt  und  elementarische,  vermittelnde 
und  konstruktive  Dialoge  unterscheidet,  von  K.  F.  Hermann,  welcher  drei 
Schriftstellerperioden  bei  P.  unterscheidet  und  die  Entwicklung  des  Platonischen 
Denkens  betont,  ferner  von  Steinhart,  Susemihl,  Munk,  Grote, 
Immisch  u.  a.  Von  verschiedener  Seite,  Dillenberger,  v.  Arnim  u.  a., 
besonders  aber  von  Lutoslawski,  wurde  auf  Grund  sprachlicher  Kennzeichen 
f<  ^brauch  oder  Nichtgebrauch  bestimmter  Wörter  und  Wendungen)  mit  ziem- 
lichem  Erfolge  Ordnung  und  Zusammenhang  in  die  Schriften  P.s  zu  bringen 
gesucht. 

Der  Gegenstand   der  Dialoge  (deren  Anordnung  hier  konform   mit  der  in 


Pl.A  l'.V 

i  eberweg-Heänze,   Grandr.  I1".  143  iL  ist]  ist :   1.   Apolog&i      Vertektign 
Sokratee  und  Idealisierung  desselben).    2.  Kriton   (Über  die   BocMialtung  der 
Gesetze).    3.  Laches  (Über  die  Tapferkeit).    4.  Charmidee  (Über  die  <-„,,. t 
5.  Euthyphron  (Über  die  Frömmigkeit).    6.  Eippias  mal       I  *  8cl 

7.  Hippias  minor  (Über  die  Lüge  und  das  [Jnrechttaii  .   B,  Jod  (Über  die  K\ 
des    Rhapsoden).     9.   Protagons   (Gegensatz   zwischen    dem    Belatiyismus   dei 
Sophisten  und   dem  Sokratischen   Btandpunkl   fester  Begriffe,   insbesondi 
Lehrbarkeit  der  Tugend).    10.  Gorgias  (Gegensatz  der  dialektisch^Mphistischen 
Rhetorik  und  der  egoistischen  sophistischen  Moral  einerseits,   und  des   sittli 
jx)litischen   Standpunktes  des  Sokrates).    11.  Menon  (Lehrbarkeil   d 
das  Lernen  als  Wiedererinnerong  an  das  im  Zustand  der  Präexistenz  Geschaut 
12.  Menexenos  (Über   Khetorik).    13.  Euthydemos  (über  sophistische   Eristik). 
1  ;.  Kratylos  (Über  die  Sprache,  die  von   IM.  sowohl  als   etwas  Natürliches  irie 
auch  als  etwas  Künstliches  aufgefaßt  wird).    15.  Lysis  (Über  dir  Freundschaft). 
IC».   Symposion    (Gastmahl;    Über   die    Liebe    im    sinne    des    philosophischen 
Strebens  nach  dem  Wahren,  Guten  und  Schönen,  nach  der  Idee;   Mythus  ?om 
Eros  als  Kind  des  Reichtums,  des  Besitzes  und  der  Armut,  woraus  das  Streben 
oacfa  dem  Besitz  des  Guten  und  Schönen  abgeleitet  wird).     17.  Phaidon  (Über 
die  Unsterblichkeit).    18.  Politeia  (Staat),  enthalt   Pj  Dialektik,   Ethik.  Staats- 
philosophie,  Bebildert  den  Idealstaat.     19.  Phaidros     [deenlehre  in  Verbindi 
mit  einem  Mythus  über  die  Schau  der  Ideen,  besonders  der  [de  3  honen) 

20.  Theaitetc«  (Theorie  der  Wahrnehmung    und   des  Wissens).    21.  Parmenides 
i  ber  die  [deenlehre  und  über  die  Einheit,  Bedenken  gegen  die  Pannenideische 
Lehre,  aber  auch  gegen  manche-  in  der  [deenlehre).    22.  Sophistes  (Auffassung 
der  Ideen  als  lebendig  nnd  beseelt;   über  das  Nlchtseiende  und  das  ..Ander. 

.    Politikos  (Der  Begrifi  des   guten  Staatsmannes).    24   Philebos  (Über  das 
Gute  und  die  Lust,   sekundäre  Stellung   der   Letzteren,   die  aber,   als   „reine*1 
Lust,    nicht    abzuweisen     ist).     25.    Umaios    (Naturphilosophie,     Lein. 
Demiurgen,   ron   der  Weltseele  usw.,    mythische    Darstellungsweise   der   [de* 
lehre:   die    Ideeii    als   göttliche  Wesen).    28.  Kritias   (Bericht    über   dei     S 
„Atlantis").    l'7.    Nomoi   (Übei    den   zweitbesten,   d.  h.   der   historischen    Ent- 
iricklung    und   den    realen  Verhaltnissen   mein-   Rechnung    tragende!    S         als 
Mischung  aus  Monarchie  und  Demokratie). 

l>ie   Weike    I' .-   < i  ■seh  i<  roea  i    zuerst    lateinisch    (Übersetzung    von    Marsilius 
i    'ious),  L483    34,  griechisch  zuerst   1513,  dann  besonders  l"-.s  in  d 
des  FL  Stephanus,  deren  Seitenzahlen  in  den  meisten  neueren  Aus 
sind   und   nach  welchen  /inert  wird.     Weitei  !^sl 

1833  tt..  1861—53,  1861  tt..  L875  it..  18  ' 

Teubner.    Deutsch   (    arsetzungen  erschienen  ron  Sehleiermacher,  I 

•i..  ron  II.  M  nller,  is  >•■  tt    n  il  i  inli  I  8   £ 

Einzelwerke  in  der  „Phflos.  Bibliothek",  i  und  Knnkhardi      N 

iiber  Piaton:  A  i  ist  oteles,  I  >i...  Laertius  i 

mann    Geschichte  und   -     I  m  der  piaton inohen  l'hili  11    H 

Platonische  Studien,  \    '  H        Btei       -  I 

Geschichte   des    Piatonismus.    1864.      G.   < 


552  Platon. 

Lutoslawsky,  On  the  Origin  and  Groivth  of  Piatos  Logic,  1897;  P.s  Logic, 
1898.  Windelband,  Piaton,  1900;  3.  A.  1901  (Frommans  Klassiker  der 
Philosophie).  W.  Pater,  Plato  und  der  Piatonismus,  1904.  A.  Riehl, 
Plato,  1905.  C.  Eitter,  P.s  Dialoge,  1909;  P.,  1910;  Neue  Untersuch,  über 
P..  1910.  H.  Cohen,  Die  platonische  Ideenlehre,  Zeitschr.  f.  Völkerpsychol. 
IV,  1866.  Natorp,  P.s  Ideenlehre,  1903.  D.  Peipers,  P.s  Erkenntnisth.,  1874. 
E.  Pfleiderer,  Sokrates  u.  P.,  1896.  Baeumker,  Das  Problem  der  Materie, 
S.  110  ff.  J.  Steg  er,  Platonische  Studien  III:  Die  platonische  Psychologie, 
1872.  A.  B.  Cook,  The  Metaphysical  Basis  of  P.'s  Ethic,  1895.  O.  Apelt, 
Der  Wert  des  Lebens  nach  P.,  1907.  K.  F.  Hermann,  Die  historischen 
Elemente  des  platonischen  Staatsideals,  Ges.  Abhandl.  1848.  Zell  er,  Vorträge 
und  Abhandlungen  I,  1865.  Hildenbrand,  Geschichte  und  System  der 
Eechts-  und  Staatsphilosophie  I,  1860.  R.  Pohl  mann,  Geschichte  des  antiken 
Kommunismus  und  Sozialismus  I,  1893.  Natorp,  P.s  Staat  und  die  Idee  der 
Sozialpädagogik,  1895.  A.  Mazarakis,  Die  platonische  Pädagogik,  1900. 
J.  Walter,  Geschichte  der  Ästhetik  im  Altertum,  S.  168  ff.  A.  Rüge,  Die 
plat.  Ästhetik,  1832.    Ast,  Lexicon  Platonicum,  1835—38;  2.  A.  1908. 

Piaton  gehört  zu  den  größten  Philosophen  aller  Zeiten.  Er  ist  der  Be- 
gründer des  (objektiven)  Idealismus,  jener  Welt-  und  Lebensanschauung, 
für  welche  die  höchsten  Werte  nicht  im  Gebiet  des  sinnlich-empirisch  Wirk- 
lichen, überhaupt  nicht  im  „Gegebenen"  der  Erfahrung,  sondern  in  obersten 
Zielpunkten  des  Schauens,  Denkens  und  Strebens,  im  Idealen,  in  einem  Zu- 
sammenhang von  „Ideen'-,  von  Ur-  und  Musterbildern  des  Wirklichen  liegen. 
Eine  künstlerische  und  bei  allem  wissenschaftlichen  Triebe  zugleich  tief  religiöse 
Natur,  mißt  Piaton  das  Gegebene  stets  an  idealen  Maßstäben  und  strebt  er 
stets  hinaus  über  das  Gegebene  zu  jenen  Regionen,  „wo  die  reinen  Formen 
wohnen1',  zu  einer  Lichtwelt  des  reinen  Seins,  zum  Reiche  des  Wahren,  Guten 
und  Schönen  an  sich,  als  dessen  Bürger  er  sich  fühlt  und  nach  dem  ihn  die 
Sehnsucht  hintreibt.  In  diesem  Reiche  sucht  er  zugleich  die  Grundlage  für 
die  Erkenntnis  der  Erfahrungswirklichkeit;  logische  und  metaphysische  Prinzipien 
gehen  so  in  Eins  zusammen.  Fragen  wir  nach  den  Einflüssen,  welche  P.  er- 
fahren hat,  so  ist  hier  vor  allem  die  Methode  der  Sokratischen  Dialektik  und 
die  Sokratische  Wertung  der  streng  begrifflichen  Erkenntnis,  sowie  auch  die 
ethische  Richtung  des  Sokratischen  Denkens  zu  nennen,  ferner  Heraklit,  dessen 
Theorie  des  Werdens  Piaton  für  die  Sinnendinge  annimmt,  dann  die  Eleaten, 
deren  Lehre  vom  unveränderlichen  Sein  des  wahrhaft  Wirklichen  bei  P.  in 
modifizierter  Form  (Anerkennung  der  Realität  der  Vielheit)  auftritt  und  end- 
lich besonders  der  Pythagoreismus  in  theoretisch-praktischer  Beziehung,  in  Ver- 
bindung mit  „orphischen"  u.  a.  Mysterien. 

Die  (durch  das  „Staunen"  über  die  Dinge  ausgelöste)  Philosophie  ist 
nach  P.  der  Erwerb  des  Wissens  (xxfjois  *:jztorrjfA,r],  Euthyd.  288  D).  Philosophen 
sind  weder  die  absolut  Wissenden  noch  die  Nichtwissenden,  sondern  die  in 
der  Mitte  zwischen  beiden  Stehenden.  Es  sind  dies  diejenigen,  die  nach  der 
Erfassung  des  wahrhaft  Seienden  streben  (rovg  uqo.  k'xaorov  ro  ov  dojiaCo/uevovg 
(fi/.ooörporq  y./.^xiov,  Republ.  VI,  480  B).    Die  philosophische  Methode  ist  die 


Platoh. 

Dialektik,  das  Verfahren,  durch  Analyse  und  Synthese  der  Begriffe,  durch 
logische  Induktion,  durch  Fortgang  des  Denkens  von  niederen,  spezielleren 
sä  höheren,  allgemeineren  Begriffen,  vom  Bedingten  zun)  Unbedingten  [awn6- 
i'ßfTor)  und  von  diesem  wieder  zum  Bedingten  das  Allgemeine  im  Einzelnen 
und  das  Einzelne  aus  dem  Allgemeinen  zu  begreifen  Das  Höchste  in  der 
Dialektik  ist  die  Erfassung  der  Ideen  durch  „Zusammenschauen"  des  Gemein- 
samen einer  Vielheit  zur  Einheit  des  Gedachten  [sis  "<«»•  re  Idecu 
äyeiv  zu  .-ro/./.a/t'/  dieosragfieva,   Phaedr.  2H5).     Die  Dialektik    ist    die   Erkenntnis 

-  ienden,    Wahren,   in   der  Erscheinungen  Flucht    Bich  gleich   Bleibenden 
i.-jKji  T()  ur  y.ui  tu  ovtcog  xcu   io  xaxa   tavrov  <ul   ,-rer/  vxos,    Phileb.  57  E.  58 
Der   vom   Eros    („platonischer   Liebe")    getriebene    Dialektiker    will    Erkennt     - 
des  Seienden  um  ihrer  selbst  willen,  er  sucht  das  Wesen  der  Dinge  [top  16 
^y.üniov  XafjißavoYta  rijfs  ovoi'ag,  Republ.  543  B), 

In  seiner  Erkennt  nislehre  ist  P.  Rationalist,  da  nach  ihm  die  Wahr- 
heit nur  durch  die  Vernunft,  das  reine  Denken  gefunden  werden  kann.  Die 
Sinneswahrnehmung  hat  nicht  das  wahrhaft  Seiende  zum  Objekt,  ihre  Gegen- 
stände Bind  die  im  stetem  Werden  begriffenen  Dinge,  die  nur  Erscheinungen 
(Abbilder)  der  wahren  Wirklichkeit  sind.  Die  sinnliche  Erkenntnis  ist  nur 
„Meinung"  [döi-a  aus  nlaxig  und  ebeaota  bestehend  .  unterschieden  von  der 
wahren  Erkenntnis  [vorjaig,  in  biäroia  und  r.7tr,T>'/it>i  zerfallend.  RepubL  V,  176  t.. 
VII,  533  f.;  Theaet.  210  A).  Eine  Mittelstellung  nimmt  die  mathematische 
Erkenntnis  ein  (die  niederste  Art  der  whjoie),  indem  die  Gegenstande  dersel 
in  der  Mitte  stehen  zwischen  den  Binnendingen  und  den  Urbildern  derselben, 
RepubL  VI,  511  D;  Tim.  27;  Phileb.  5»;  ff.).  Die  Mathematik  isl  eine  Be- 
tätigung des  Denkens  an  anschaulichen  Inhalten  und  operierl  an  der  Hand 
von  Voraussetzungen  (vno&eoeis).  P.  betont  den  Wert  der  mathematischen 
Erkenntnis,  die  am  besten  zur  Dialektik  vorbereitet  Die  reine  Erkenntnis  ist 
die  völlig  nnsinnliche  Erfassung  des  wahrhaft  und  unveränderlich,  an  sich 
Beienden,  des  Allgemeinen,  Typischen  durch  reines  (schauendes)  Denken  (o 
<V  avjtjg  i)  'i'r/i/  tu  xoivd  ftoi  tpaivstat  jttgt  n>-  uaxontXv).     Die  Erfahrung 

gibt  nur  die  Gelegenheit  zur  geistigen  Behau  des  Seienden,  rar  Wieder- 
erinnerung, Anamnese  {dvdfivffaie)  an  die  Urbilder  der  Dinge,  welche  die 
£    le  (im  Zustande  der  Präexistenz)  im  überhimmlischen  Orte  dereinst  unmittel- 

geschaut    hat    (rovxo  <v-    law  äväpvtfote  ixttoov,  &  wo*' 

rihinu     ,h,~>    XCU    bneQldoÜaa     >'i     irr   tirui   </  utitr    y.nl    &V\ 

'"""-.   Phaed.   249  C;   >]<<"    ij    uäihjoic  oix  <</./.<>  u   >, 

Phaed.  72  E).    Alles  Lernen  ist   also  nur  die  Auffrischung   700   Spuren  eti 

latenten,  potentiell  angeborenen  Wissens,  dessen   Maßstäbe  a  priori  an  1 

Eahrung  herangebracht    werden,   ~<>  dal)   wir   im   Vorhinein 

Normen   und    Werte   rar    Beurteilung    des   G 

toü  ;■' 1   06 

xat  .''"//1.   yevöfievoi  0$  udw  ■>■  xat   u 

im  tu  rd  totaßta,  Phaed.  75  C;  Ueno        \  • 

l>a-  wahrhaft    Seiende,    im  Untersch                                   •  >>    Sinn« 

im  mit  nun  P.  1  d .  ■  -            der   ■                                1        nstnnd 


554  Platon. 

des  reinen  Gattimgsbegriffs ;  denn  daß  der  Begriff  ein  Korrelat  in  der  Wirklich- 
keit hat,  daß  es  von  einem  Nicht-Seienden  keinen  Begriff   geben  kann,  davon 
ist  P,  überzeugt  (Begriffsrealismus).     Kein  logisch  genommen,  ist  die  Idee  der 
gedanklich    (und   in   geistiger    Anschauung)    festgehaltene    Typus,    als    dessen 
Modifikationen  und  Einzelfälle  die  unter  einen  Begriff  fallenden,  einen  gemein- 
samen Namen  besitzenden  Dinge  oder  Eigenschaften  erscheinen,  das  rein  begriff- 
liche Wesen  je  einer  Klasse  von  Gegenständen,  an  welchem  sie  alle  teilhaben 
(z.  B.  die  Löwenheit,  die  Menschheit,  der  Mensch  an  sich).     Diese  begriffliche 
Wesenheit   wird  für  P.   zur  Norm,    an  welcher  er  die   Einzeldinge   mißt,    zum 
Urbild  einer  Klasse  von  solchen,  zu  einem  unabhängig  vom  Erkennen,   an  und 
für  sich  bestehenden  Seienden,    später   sogar   zu  einem    lebendigen,    beseelten 
Wesen,  so  daß  der  Fortgang  von  einer  logischen  zu  einer  metaphysischen   und 
schließlich    mystisch-mythischen    Auffassung    der   Ideen    seitens    P.s    klar   ist. 
Die  Ideen  sind  reine  Denkobjekte,   „Noumena"  (voov/ueva),  feste,  stets  mit  sich 
identische  Typen,   sinnlich  nicht  erfaßbar  (zag  eT  av  lösag  vosToßac  fiev,  ogäodat 
(V  oi'.    Rep.  VI.  507  B;    voov/nEva  jliövov,   Tim.  51  D),    ungeworden    und    unver- 
gänglich (äy  empor  %al  äväiledgov,  Tim.  52  A),   ewig,   räum-   und  zeitlos,   allem 
Werden  entzogen.   Sie  sind  in  einem  ., überhimmlischen"  Orte  {vjzsgovgaviqj  zojzqj)  ; 
getrennt  (xcoglg)  von  den  Dingen  bestehen  sie  an  und  für  sich  (avzo  xa&  avzo 
(jls&  avxov,  Sympos.  211  B).      Sie   sind   die   Ur-  und   Musterbilder  der  Dinge, 
die  Vollkommenheitstypen  derselben  (jzagadeiyfxaza)-,  die  Einzeldinge  selbst  sind 
schattenhafte  Nachahmungen    (/M/urj/Liaza),    Abbilder    (eidwla),    Gleichnisse,   Er- 
scheinungen   der    Ideen    (rä   f,iev   ei'öi]    zavza    wojisg   jzagadsiy/uaza   iotdvai   ev   xfj 
(fi'of-L.  zä  de  älla  zovzoig  eoixevai  xal  eivai  ö/uoioiftaza).      Die  Einzeldinge  haben 
an  den  Ideen  Teil  (ixezkyovoiv;   Methexis,  /ueßec'ig,  Parmen.  132  D),  diese  haben 
Gemeinschaft    (y.oivojvia)    mit    ihnen,    sind    in    ihnen    gegenwärtig     (jiagovoia, 
Parousie,  Phaed.  100  D).     Ideen  gibt  es  von  allem,  was  unter  einen  Gattungs- 
begriff   fällt    und    einen    gemeinsamen  Namen    hat,    von    Natur-  und  Kunst- 
objekten, von  guten  und  schlechten,  schönen  und  häßlichen  Dingen,  auch  von 
Eigenschaften    (elöog   ydg  jzov   zi   ev  exaozov    sicbtia/ier    zideodai   jcsgl   exaoza   zä 
TTo'ü.d,  olg  zavzov  ovo/ua  sTttcpegofxEv,  Rep.  569  A ;  Theaet.  186  A ;  vgl.  aber  Aristo- 
teles, Met.  XI,  3,  wonach  P.  später  nur  Ideen  von  Naturobjekten  angenommen 
hat).      Das  Verhältnis  der  Ideen  zueinander    (Über-    und    Unterordnung)    ent- 
spricht dem  logischen  Verhältnisse  der  Begriffe.     Später  schreibt  P.  den  Ideen 
"Wirksamkeit,  Leben,  Beseeltheit,  Vernunft  zu,  sie  werden  zu  Ursachen,  welche 
den  Dingen  ihr  Wesen  geben,   ja  sogar  zu  „Göttern"   (Timaeus;   vgl.  Theaet., 
Phaed.,  Phileb.,  Sophist.  248).     Schließlich  hat  P.  (pythagoreisierend)  die  Ideen 
als   i ideale)  Zahlen  aufgefaßt,    die  aus  dem   Einen  (IV)  als  der  Grenze  (jisgag) 
und    dem    Unbegrenzten    (äxeigov)    entstanden    sind     (Aristoteles,    Met.   I,    6; 
XIV.  1).     Auch   bezeichnet  P.   das   ä.ieigov  als  das  Nichtseiende  (/ui]  öv),  das 
erst  durch   das   negag   Form,  Bestimmtheit,   Ordnung  bekommt  (zum  Ttemgao- 
inror,  zur  oiöla  wird,  Phileb.  16  D,  24).     Die  Erkenntnis   der  Ideen   schildert 
P.  auch  als  eine  Auffahrt  der  Seele  zu  dem  überhimmlischen  Ort,   dem  Silz^ 
der  Ideen  (Phaedr.  247  f.). 

Die  höchste  Erkenntnis   {idyiozov  fid-thjfta)  ist   die  Erfassung  der  höchsten 


Platok. 

Idee,   der   Idee  des   Guten  (Rep.  506  A  ff.).     Die    [dee   des   Gutes    ist   die 
oberste  Norm  des  Wahren   und  des  Schönen,    der   Grund   der   Wahrheil 
Erkennens  und   der   Erkennbarkeit   (tovto  xoiror  t'>   ji,y  iXyfoiaw  .nu, .'■/,„■    roifc 

•■r/fony.oinrots    XCU    V<ß    ytyVCOOXOm    Tity    Dvrniuv    abfodldov    7/  ov    Idiav 

slvai,  alxlav  L-TiOT)'jutjg  oioar  xcu  äXfffoiag,    Rep.  506  Ei.      l>a-  Gute  Btehl   höhe! 
(jbtexctra)   als   das   Sein;    indem   dieses    besser   ist   als  das   Nichts,   hat    i  - 
Guten  seinen  Grund  (Phaed.  '.'7  C;  Ethischer  [dealismus).     I>a-  Gute  setzt  du 
Bein,    ist   die    Bedingung    und    Ursache    der    Existenz   (xcu    rot$   ytyvoooxofi 

TnitTV    />/,     m'nny    n-     ytyvcOOXeO&CU    tp&rCU     VJfO    XOV    nynitnr     rnianrru.    u'/.i.n    XCU     ro 

elvcU  m  y.ai  rijr  ovaiav  vn    ixeivov  avxoTg  ngooeivcu,  <><  x 

d/./.'  ett  isiixetra  tT^  ovoiag  Jtgeaßsiq  xcu  dwcuut  vneQ&zovros,  Kcj».  509  I>  .      Die 
Idee  des  Guten    (das  Gute  an  sieht  ist  eins   mit  der  göttlichen  Vernunft 
(Philel).  22),   mit   dem    Demiurgen,   welcher  gemäß  den  Ideen  alles  aufs 
gestaltet  hat  (duxxoofxatv  n&vxa  xai  btineXovfjuwos,   Phaedr.  246  £;  Tim.  28  ff.). 
Gott  kann   nicht  die   Ursache  dee  Bösen  Bein  (Rep.  37'.»  (">:  dieses  hat  -einen 
Grund  im  Widerstände  der  Materie,   des   Formlosen.    Unbestimmten,  Ung 
neten  (Theaet  776  A,    Polit.  269  D.   Tim.  47  E,  CSE)   oder,   wie  P.  späte] 
klärt ,    in    der    „bösen    Weltseele",    die   er  der  guten    gegenüberstellt    1 1 

I.  . 

Wir  kommen  damit  zu  P.s  Naturphilosophie.  Bier  kommen  pytha- 
goreische u.  a.  Einflüsse  zur  Geltung,  hier  tritt  die  Phantasie  in  Tätigkeit  um! 
auch  der  Mythus  spielt  eine  Rolle.  P.  selbst  betont,  in  der  Naturfrage  handle 
es  sich,  weil  hier  die  Welt  des  Werdens  in  Frage  kommt,  nicht  mehr  um 
reine-  and  absolut  gewisses,  adäquates  Denken,  sondern  um  hlofle  Wahrschein- 
lichkeit, Glauben  (xünts)  und  Analogie  (im  Unterschiede  von  den  <\n 
/.<>•■<,!    gibt    es   hier    nur    einen    ebcöta    uvfhv,    Tim.  !.   Parmenides).      1  N  a 

göttliche  Demiurg,  der  Vater  der  Welt   {xaxtjQ  rodcU  roü  navtfc,    Tun 
hat  aus  Güte,  gemäß  der  ewig  Beienden  [dealweit,  die  dingliche  Welt  aus  da 
Materie  gestaltet.    Zugleich  mit  der  Welt  ist  erst  die  Zeit,  das  BiM  der  ! 
keit.  entstanden  (Tim.  3707.,  38A  t..    17  Bf.).     Die  Welt  ist  als  Gau» 
vortreffliches  Gebilde,  ein  Bild  des  Schöpfers  ein   Mensch 

im  Großen  (paxj  ein  sichtbarer  Gott  in  nie  altern 

rollkommen             w  xcu  äy^gcov  y.<ü  ävoow),   Lebendiges,    beseeltes,   *ei 
nunftbegabtes   Wesen   [C :l"iv/."y  frrov*  «,   Tim.  30A  ,     Bw    ist    ein    Bild 

1  tottheil  [bIxoov  r< 
Tim.  92).    P.  ist  also  Optimist    Die    Form   der   Welt    ist    die   sphärisch 
Bewegung  derselben  die  kreisförmige.     Das  Prinzip  der  Welth  und  des 

Leben-  ist  die  Weltseele,   welche  der   Demiurg  rot  dem  (gestaltet       K 
der  Web  geschaffen.     Sie  enthalt  als   Zentrum  der  Welt,   welche  sie  durch- 
dringt, die  Elemente  aller  Dinge  und  erkennt  alles,  dai  S       de  und  i 
dende,   indem  sie  am  einem  unteilbaren    and  einem  Tetlh  iteht,  sJi 

Dritte-,  neben  dem  Ewigen  und  Wandelbar 

&ta     tavx6i    i  ' 

•  B 


550  Platon. 

Tim.  35  f.).  Das  Identische  (zavzov),  Eine  und  das  „Andere"  (vxäz€oov),  Mannig- 
faltige liegt  in  ihr  vereinigt. 

Die  Materie,  aus  der  die  Welt  gestaltet  ist,  fällt  bei  P.  so  ziemlich  mit 
dem  leeren  Raum  zusammen.  Sie  wird  von  P.  mit  dem  Stoffe  {%Xfj),  den  die 
Handwerker  gestalten,  verglichen.  Sie  ist  gestaltlos  (ä[*oQ<pov),  ohne  Qualitäten, 
aber  gestaltbar,  form  empfänglich  (ds^afxsvtj,  jzavdsxk,  ix/uaysTov),  in  ihr  ent- 
stehen die  Körper  (er  Jj  yiyvszai;  Tim.  50  C,  D,  51  A).  Sie  ist  der  Schoß  und 
die  Stätte  des  Werdens  (jzäoqg  efvat  yeveoecog  vjtoöox^v  avzo,  olov  Tidiqvip>,  Tim. 
49  A;  edgav  de  naqeiov  Soa  e%ei  ysveoiv  jtäoiv).  Sie  ist  ein  Drittes  (zgizov 
ysvog)  neben  den  Ideen  und  den  Dingen,  ein  relativ  Nichtseiendes  (jirj  öv,  Tim. 
48  E),  weil  Unbestimmtes,  nur  Bestimmbares,  eine  Art  Raum  (yevog  xfjg  x<*>Qa$, 
Tim.  52  A).  Die  Materie  ist  sinnlich  nicht  wahrnehmbar,  aber  auch  nicht 
Gegenstand  eines  positiven  Begriffes,  sondern  nur  durch  einen  „unechten 
Schluß''  (Xoyiopü  nvi  vo&cp,  ,uoyig  mozöv,  Tim.  52  A  f.)  erfaßbar.  Die  vier 
Grundformen  der  Materie  (Elemente,  ozoixsTa)  sind  Feuer,  Luft,  Wasser  und 
Erde;  sie  können  sich  ineinander  umwandeln  (mit  Ausnahme  der  Erde,  Tim. 
54  E),  auch  stehen  sie  in  bestimmten  Proportionen  zueinander.  Sie  bestehen 
aus  regelmäßigen  Körpern,  die  aus  kleinen  rechtwinkligen  Dreiecken  (gleichsam 
geometrischen  Atomen)  bestehen  (Tim.  53  C).  Die  Erde  ruht  im  Mittelpunkt 
der  Welt,  um  eine  Spille  sich  windend,  um  welche  sich  das  Firmament  und 
die  Planeten  bewegen.  Was  das  Geschehen  in  der  Welt  betrifft,  so  faßt  P. 
die  Materie  als  dasjenige  auf,  was  der  Zweckmäßigkeit  und  Ordnung  des  Ge- 
schehens Hemmungen  bereitet.  Die  ersten  Ursachen  {ahim  jigönai)  sind 
die  zweckmäßig  gestaltenden  Ideen;  sekundäre  oder  Mit-Ursachen  (alztai  8ev- 
tsgai,  i-vvaiTiai)  sind  die  blinden,  mechanischen  Einwirkungen  des  Materiellen 
als  solchen  (Tim.  46  C  f.,  69  A;  Phaed.  79  B  f.).  Daß  alles  Geschehen  eine 
Ursache  hat,  betont  P.  ausdrücklich  (ävayxcuov  sivai  jiävza  zu  yiyvöfisra  Sia 
xivu  ulziav  yiyvEöftai,  Phileb.  76  E). 

Als  Psycholog  ist  P.  Dualist,  indem  nach  ihm  der  Mensch  aus  einem 
materiellen  Leibe  und  einer  immateriellen  Seele  besteht,  welche  zugleich  (schon 
in  den  Pflanzen  und  Tieren)  das  Lebensprinzip  ist  (al'ztöv  sozi  zov  'Qijv,  avzcö, 
xtjv  zov  avanvEiv  bvvayuv  jzaoexov  xc"  avmpvxov,  Cratyl.  399  D).  Wie  die  Welt- 
seele enthält  auch  die  menschliche  Seele  ein  Unteilbares  und  ein  Teilbares. 
Sie  ist  unbewegt,  bewegt  aber  sich  selbst  (avzoxlvrjzov)  und  ihren  Leib  (Theaet. 
35  A;  Phaed.  245).  Der  Leib  ist  der  Kerker  der  Seele  (Cratyl.  400;  Phaedr. 
247  C,  250),  das  Zeichen  derselben  (orjpa  y>v%fjg),  ihr  Fahrzeug  (oxwa),  das  sie 
wie  ein  Steuermann  lenkt  (Tim.  41  E).  Im  Menschen  gibt  es  drei  Arten  (sidrj) 
oder  Teile  (/tipi)  der  Seele:  im  Haupte  die  göttliche  Vernunftseele  (loyioxixöv, 
vor/zixöv),  in  der  Brust  das  „Mutartige"  (Ov/wsideg ,  -dvftixov,  der  Affekt  be- 
herrschende, Triebe  hemmende  Wille),  im  Unterleibe  das  Begehrliche  (sm&vftq- 
rty.ov,  Begierde,  Trieb;  Rep.  439  B,  441  E;  Phaedr.  246;  Tim.  69  E,  77  B).  Die 
Vernunftseele  hat  gleichsam  die  beiden  niederen  Seelenkräfte  zum  Doppel- 
gespann, welches  sie  leitet.  Schon  vor  dem  irdischen  Leben  hat  die  Seele 
existiert  (Präexistenz),  im  Reiche  der  Ideen,  an  die  sie  sich  jetzt  erinnert 
(Phaed.  72  E;  Phaedr.  247);  auch  gibt  es  wahrscheinlich  eine  Seelen  Wanderung 


I'I.ATON. 

(Tim.  49  E  f .,  !'2  Bi.    Jedenfalls  ist   die  Seele  unsterblich,  was   P.  aui  ?er- 
schiedene  Weise  zu   beweisen  Bucht   (Der  Seele  als  Prinzip  des  Lebens  wider- 
spricht  das  Nichtsein,  ihn   Verwandtschafl  mit  den  ewigen  Ideen,  die  Art 
Erkennen-  u.  a.  zwingen  zur  Annahme  der  Unsterblichkeit;  Phaedr.  '2\~>;   Rep. 
Phaed.  62  f.;  Phaedr.  346  C  f.;  MenoSO  t.:  Tim.  69).  -  Die  Empfindung 
(Sinneswahrnehmnng)  entsteht  nach  P.  infolge  einer  Erschütterung  (oetoftöe)  im 
Organismus  (Phileb.  34).    Das  Denken  ist  eine  selbständige  Tätigkeit  der  3 
Belbet  iTheaet.  18."»  D).    I>a~  Gedächtnis  (ftvtjfiti)  ist  ein  Aufbewahren  der  Wahr- 
nehmung (oooTjjgta  aio&qoems,  Phileb.  34  B);  die  Seele  gleichl  einer  Wache 
(xfjQtvov  ixftaysZov),  welche  die  Eindrücke  behalt  (Theaet.  191  C),     Die  bewußte 
Erinnerung         uvijaig)    ist    ein    rein  seelischer  Prozeß.    Das  Gefühl  der  Lust 
beruht    aui  einer   Förderung  der  Seele  (to  tiXijqovo&cu  rdw»  tpvoei  jiqooijx 
fort,  Rep.  585  1 1 

Die  Ethik   I'.-   ist   zunächst  (im  Anschlüsse  an  Sokrates)  eudämonistisch, 
im  „Protagons*    Bogar  mit   hedonistischem  Charakter,  da  hier  von  einer  1.  al 
und  Unlust-Bilanz  heim  Handeln  (v<rl.  Henthami  die  Bede  ist  (Prot  A  t.  . 

I>a-  Gute  ist  hin-  eins  mit  dem  Nützlichen  (L  c  323  I>.  353  C).  später  betont 
P.  den  sekundären  Charakter  der  Lust)  den  Vorzug  der  geistigen  Lust  und 
den  Wert  der  Verbindung  von  Lust  (tjdortlj)  und  Einsieht  m,.  <..,,-,, r,,.-.  in  welche; 

ein  (Jnt  Liegt  (Phileb.).     I>ie  Glückseligkeit   fevdcu/wria)    ist  der  ! 

Guten    und   Schönen   fevdaifwras    —    rovs    r&yafä    y.<ü    xaXat    xexxtjft 
Bymp  (''.  der  Kalokagathie  fxcdop  xcu  &ya06v  elrau).    Die  Glückseligkeit 

i-t  also  durch  die  sittlichkeil  bestimmt,  die  Ausübung  der  Tugend  ist  an  Bich 
Belbst  ein  Gut.  Die  Tugend  ist  die  Tüchtigkeit  der  Seele  zu  dem  ihr  eigenen 
Werke,  zu  ihren  Leistungen  im  Denken.  Wollen  usw.  (Bep.  353;  Tim,  si  l 
Je  nach  den  Teilen  der  Seele  unterscheidet  P.  rerschiedene  (Kardinal-)  Tt 
den,  jii  Mumente  der  einen  Tugend:  Weisheit  !<•>•'.  i"  .  die  Tugend  des  ver- 
nünftig-erkennenden  Seelenteils;  Tapferkeit  (ärdgeia),  die  Tugend  des  ...Mnt- 
o",  welche  das  Bessere  mutig  festhält  und  verteidigt  ;  Besonnenheit 
(aaxpQ  die  Tugend  der  Konkordanz  zwischen  allen  Seelenteilen;  Gerechtig- 

öixatoovnj),   die  allgemeine  lugend,   welche   in   dei   richtigen  Betätigung 
aller  Seelenteile  liegt    Bep.  141  Ef.)     Die  Gerechtigkeit  äußert  Bich  auch  g< 

den  Bütmenschen  und  es  gilt  der  Satz,  daß  Uhrechttun  Bchlechter  ist  als 
Unrecht  leiden.  Wie  P.  die  gesamte  Tugendlehre  auch  Bozialethisch 
weitet,  ist  aus  -einer  Btaatslehre  zu  ersehen.  Von  dieser  ganzen,  aui  das 
[rdische  gerichteten  Ethik  unterscheidet  sieh  die  asketische,  der  Well  i 
wandte  und  Gott  zugewandte  Richtung  des  durch  den  Pythagoreismus  beein- 
flußten Platonischen  Denkens.  Das  höchste  Ziel  wird  jetzt  die  Weltflucht, 
die  Läuterung  dei  Seele  durch  Unterdrückung  der  Sinnlichkeit  und  Rrhebung 
znni  Guten,  durch  möglichjec   I       werden  vom  Leibe,  der  uns  fesw 

/>int  <r  ■■  rdytora,  Theat.  I  .1.  Phaed    67  A),     I 

kommt   es  zur   Verähnliehung    mit   Gott,   Boweit  eine  solche  möglich  ist 

1 1 
einei    Heiligung  dei   H  Daß  die  1«!  Guten  da*  II 


558  Platon. 

selbst  ist,  daß  das  Ideale  überall  das  An  sich,  die  Grundlage  des  Realen  ist, 
durch  das  es  hindurchscheint,  wissen  wir  bereits. 

Der  ethische  Idealismus  P.s  kommt  auch  in  seiner  Staats-  und  Gesell- 
schaf tsphilosophie  (welche  zugleich  „Sozialpädagogik"  ist)  zur  Geltung. 
Die  Harmonie  des  Kosmos  und  die  Harmonie  der  Seele  soll  auch  im  Ideal- 
staate verwirklicht  werden,  in  welchem  alle  Bürger  und  Stände  ihr  Wohl 
fördern,  indem  sie  dem  Ganzen  dienen,  sich  ihm  harmonisch  einfügen.  Der 
-Staat  ist  eine  Art  Organismus,  ist  gleichsam  der  Mensch  im  Großen. 
Sein  Ursprung  Hegt  in  menschlichen  Bedürfnissen  (jioi^osi  de  avxr\vy 
wc  k'oixsv,  f)  rjfiexsoa  %Qeia.  Rep.  369  C),  im  Bedürfnis  nach  sozialem  An- 
schluß (ejisiörj  zvyxävei  rjfxwv  exaarog  ovx  avrdQxrjg,  dXXd  jioXXöyv  ivder/g,  Rep. 
369  B,  369  C).  Im  Staate  herrscht  zweckmäßig  das  Prinzip  der  Arbeits- 
teilung (Rep.  394  E)  und  es  besteht  hier  (im  Idealstaat)  eine  Ständegliederung 
gemäß  den  Seelenteilen  und  Tugenden  des  Menschen  (Vorbild  späterer  Hier- 
archien, besonders  der  kirchlichen  mit  ihrer  Scheidung  von  Priestern  und 
Laien).  Der  Zweck  des  Staates,  dem  sich  alles  unterordnen  muß,  ist  die 
Realisierung  der  Idee  des  Guten  und  die  Erziehung  der  Bürger  dazu.  Im 
Idealstaate  gibt  es  drei  Stände:  Herrscher  (entsprechend  der  Tugend  der 
Weisheit),  Wächter  (yvXaxeg)  oder  Krieger  (entsprechend  der  Tugend  der 
Tapferkeit),  Bauer  und  Handwerker  (entsprechend  der  Tugend  des  besonnenen 
Maßes  und  des  Gehorsams)  (Rep.  368  f.,  427  D  ff.).  Die  Herrscher  sollen  Meise 
sein,  philosophieren,  der  Erkenntnis  der  Ideen  leben  oder  es  sollen  die  Weisen, 
Philosophen  Herrscher  sein  (Rep.  473  C  f.).  Die  Herrschenden  im  Idealstaat 
bedürfen  keiner  sie  bindenden  Gesetze,  sie  lassen  sich  nur  durch  Rücksicht  auf 
das  Gute  leiten.  Sie  und  die  „Wächter"  sollen,  um  allen  egoistischen  Tendenzen 
zu  steuern,  keine  Sonderfamilien  und  kein  Privateigentum  haben.  Es  besteht 
hier  Weibergemeinschaft,  die  hier  erzeugten  Kinder  kennen  ihre  Eltern  nicht 
und  werden  (mit  Auslese  der  Lebenstüchtigen:  Vorbild  bei  den  Spartanern) 
auferzogen  (Rep.  460  f.).  Auch  bestimmt  der  Staat,  wer  von  der  neuen  Gene- 
ration in  die  oberen  Stände  einzugliedern  ist;  nur  die  Tüchtigsten  werden  der 
Klasse  der  Herrschenden  eingereiht.  Zur  Regierung  des  Staates  gelangen  sie, 
nachdem  sie  in  Musik  und  Gymnastik,  dann  in  der  Mathematik  und  anderen 
Wissenschaften,  endlich  in  der  Dialektik  unterwiesen  worden  sind  und  ver- 
schiedene Amter  bekleidet  haben.  Die  Mädchen  erhalten  dieselbe  Erziehung 
wie  die  Knaben  und  Jünglinge  (ei  äga  zaTg  yvvcug'lv  im  ravzä  xQ^^^eda  xai 
xolg  dvdgdoc  ravzä  xai  ötdaxreov  avtäg,  Rep.  451  E;  455  C).  —  Die  Grundzüge 
einer  den  realen,  historisch  gewordenen  Verhältnissen  in  höherem  Maße  Rech- 
nung tragenden  Staatsverfassung,  in  welcher  alles  Gesetzen  unterworfen  ist  und 
keinerlei  Kommunismus  besteht,  gibt  P.  in  der  späteren  Schrift  „N6[j.oi"  (die 
Gesetze). 

Die  Kunst  soll  nach  P.  im  Idealstaat  nur  soweit  ihre  Pflege  haben,  als 
sie  das  Gute  nachbildet,  also  sittlichen  Charakter  hat.  Das  Minderwertige  der 
Kunst  liegt  nach  P.  darin,  daß  sie  eine  Nachahmung  (fil^rjoig)  von  bloßen 
Nachahmungen  der  Ideen,  nämlich  von  den  sinnlichen  Erscheinungen  ist.  Das 
S  c  h  ö  d  e  beruht  formal  auf  der  Wirkung  des  Maßes  (negag)  im  Unbestimmten, 


Plato  —   l'i  i  - 


am  der   Wahrnehmung   des   Harmonischen   und  Symi 

r.ruinroiai,   Welches    1 1 1 1 1 1 1  i  V  t  •  •  1  i  »;ir  llfl  SOlcfa 

onprüngliche,  eigentümliche  <  Gefühl) 
(Fhileb.  51;  Tim.).    Zugleich  ist  P.  der  Begründ« 
ästhetik,   indem   er   als   eine   der   höchteu    [deen    <li<'    [d< 
Schöne  in  -  nmmt,   irelche  durch  dai  Binnliche  am  klarsten  bind 

scheint  und  i       -     •    zum  Aufschwung,   zui    Entfall     \     brei    I   "    In    pleich- 
gam,  -  i    sieh  n  dem  die  Di   gi    teflnehi 

schön    sii 

rov,  Sympos.  211). 

1  >•  r   PlatonJamus  mit   seinem    Rationalismus   und  !'-•  ilismue    H 

iner  Unterschetdunf  dealen  rem   em] 

Sein,  Beu  Her  Dinge  auf  <Ia-  Gufc     lietapl         her  and  •  - t  1 1 

Idealismus),  seine]   \    £img  zur  Transzendenz,  zum  Aufstieg  von  der  Erfahrung 
/u  einer  höheren,   wertvolleren   oberempirischen   Wirklichkeit,   ist   für  <li< 
wicklung  des  philosophische]]  Denkens,  ja  auch  für  die  i^ui/«'  Kultur 
•..'ii  hoher  Bedeutung  geworden,  nmaomehr,  :il-  im  Christentum  sich  rerwi 
Elemente  Geltung  ma^htpn  oder  gar  Platonische  Anschauungen  «lin-kt  hinein- 

r M-ittT  wurden, 

l'laionikoi-:    Schüler  und  Anhanger  Piatons,  bzw. 
Lehren,    Hierher  gehören:  die  \  c  «Irr  Akademie    s.d.),  die  eklekti- 

sche ii  ii m«  1  i  d  den   Platoniker    Eudon  eios   1 1 

rhrasyllos,  Theon  tue  Bmyrna,  Plutarch  aus  Chlrones    Ifai 

•  "ii  Tyros,    Lpuleius  ron  Ifadaura,  Albinos,   Alkii 9      erui     Kal- 

risios  Tauros,  Attik         Galenus,   Kelsos,    Numenios,  u.  a.     I 

Neuplatoniker   -.  «I   i   rgL   auch   Philon.     Im   Mittelalter  kämpft  <l«r 
Platonismus   mit    dem  ArisGotelismus   am  «Ii»-  Herrschaft,   wo) 

.Munt.   -..  bei  den  Patristikern,   besonders   bei   Clem 
tinus,   ferner   bei    Pseudo-Dionysius,   Jon,    8 
Briugena,  dann  bei  Bemigius  von  Auzem     Bernhard  and  Thiei 
Chartres,    Wilhelm   ton  Oonch  Ibertus  Porretanus,   Johann 

Balisbury,   Alam  [nsnlis,    Bonaventura    and 

[bn   Oebirol  I m    Bi  naisf  / 

i  Plel  hon     B        irion     Ifarsilius  Ficinus,    P 
r  a  n  «lol  a,  Leo  H'  •  ■    bei  den  im 

i.   v..ii  Gambrid  3.  Pai  Ph.  Oali      HM  EL  ( 

Lei i»m iz,  Kant,  J 

rinl*hott'-l,<')«'iiiH'.    I 

'.  Work   nnd    ftndlü  —    Lsti 

L  a. 

PleMtliiK.  I  .  V.   I  I   ihn 

hv   Philo*o|  I 


560  Plessing  —  Plotinos. 


1783.  —  Osiris  und  Sokrates,  1783.  —  Philos.  Untersuchungen  über  die  Denkart, 
Theologie  u.  Philosophie  der  ältesten  Völker,  1785.  —  Versuche  zur  Aufklärung  der 
Philosophie  des  ältesten  Altertums,  1788 — 90. 

Plethon,  Georgios  Gemistos  (d.  h.  der  ,, Vollgewichtige",  welchen  Namen 
er  in  den  gleichbedeutenden,  an  Piaton  anklingenden  Namen  „Plethon''  änderte), 
geb.  1389  in  Konstant  in  opel,  hielt  (seit  1438)  in  Florenz  Vorträge  über  die 
Platonische  Philosophie,  durch  die  er  Cosmo  von  Medici  zur  Gründung  der 
Florentinischen  Akademie  veranlaß te,  gest.  1464.  =  P.  ist  einer  der  bedeutendsten 
Erneuerer  des  Studiums  der  Platonischen  Philosophie.  Den  Aristotelismus 
bekämpft  er  energisch  in  mehreren  Streitschriften.  Er  selbst  ist  in  seinen  An- 
schauungen wesentlich  Neuplatoniker.  Von  dem  göttlichen  Einen  emanieren 
nach  ihm  die  (als  geistige  Wesen  gedachten)  Ideen  und  von  diesen  die  Seelen, 
während  die  Materie  von  Gott  geschaffen  ist. 

Schriften:  Über  den  Unterschied  zwischen  der  Platonischen  und  Aristotelischen 
Philosophie  (griechisch  um  1440  verfaßt,  nebst  lateinischer  Übersetzung  1532,  1574  er- 
schienen). —  Über  das  Schicksal.  Kompendium  Zoroastischer  und  Platonischer  Lehr- 
sätze (griech.  u.  latein.  1722,  1824).  —  Erklärung  der  vier  Tugenden  (mit  latein.  Über- 
setzung 1552).  —  Vgl.  W.  GASS,  Gennadius  und  Pletho,  1844.  —  Fß.  SCHULTZE, 
O.  G.  Plethon,  1871. 

Plinius  der  ältere  (C.  Plinius  Secundus),  23 — 79  n.  Chr.,  der  bekannte 
Verfasser  einer  umfassenden  „historia  naturalis"  (deutsch  1880),  äußert  philo- 
sophische Anschauungen  im  Sinne  des  Stoizismus,  eines  naturalistischen  Pan- 
theismus, für  den  die  (vernünftig-gesetzliche)  Natur,  das  Universum  selbst  die 
Gottheit  ist.  Eine  individuelle  Unsterblichkeit  gibt  es  nicht,  der  Glaube  daran 
ist  töricht. 

Plotinos.  geb.  204  oder  205  v.  Chr.  in  Lykopolis  (Ägypten),  hörte  in 
Alexandrien  bei  verschiedenen  Lehrern,  von  denen  ihm  erst  Ammonios  Sakkas 
zusagte.  Philosophie,  nahm  242  am  Kriegszuge  des  Kaisers  Gordianus  gegen 
die  Perser  teil,  lehrte  seit  244  in  Rom  Philosophie,  wo  er  Schüler  fand  (darunter 
den  Kaiser  Gallienus,  den  er  zur  Gründung  einer  Philosophenstadt  „Platonopolis" 
in  Campanien  zu  bestimmen  suchte),  ging  268  nach  Campanien,  wo  er  269  (oder 
270)  starb.  Er  führte  ein  streng  sittliches,  asketisches  Leben  und  war  so  sehr  auf 
Vergeistigung  seines  Ichs  bedacht,  daß  er  sich  (nach  Porphyr)  schämte,  einen 
Leib  zu  haben,  und  seine  Eltern  nicht  nennen  wollte.  Er  soll  viermal  den 
Zustand  mystischer  Ekstase  erlebt  haben.  Was  die  Kraft  des  spekulativen 
Denkens  anbelangt,  gehört  P.  zu  den  bedeutendsten  Philosophen.  Er  lehrte 
lange  Zeit  nur  mündlich,  dann  schrieb  er  ein  Werk  in  54  Abhandlungen, 
welches  sein  Schüler  Porphyrios  in  6  Abteilungen  zu  je  9  Abhandlungen 
ordnete,  wonach  das  Werk  den  Titel  „Enneaden"  führt. 

Die  erste  „Enneade"  enthält  Ausführungen  meist  ethischen  Inhalts,  auch 
über  die  Dialektik  und  das  Schöne;  die  zweite  bezieht  sich  meist  auf  Natur- 
philosophie (Über  den  Himmel,  die  Materie,  Potentialität  u.  a.);  die  dritte  hat 
den  Kosmos  zum  Gegenstand  (Schicksal,  Vorsehung,  Liebe,  Zeit  und  Ewigkeit, 

!  u.  a.);  die  vierte  handelt  von  der  Seele  und  deren  Funktionen  (Empfindung, 
Erinnerung,  Unsterblichkeit  u.  a.);  die  fünfte  vom  Geiste,  vom  Tntelligiblen  und 


Ilektuelli 

K.i'-  _  ■::■       ' 
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itoUlf ,  rirr  Htm,  rtw  11       r.  -   m-  und  anderer  Lehrvn    virl.  I'hilon    IMutarrh 

raensten 

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562  Plotinos. 

V,  9,  8).  Zugleich  sind  die  Ideen  (auch  von  Einzeldingen,  V,  9, 12)  gestaltende 
geistige  Kräfte  (voT,  voegal  övvd/ueig,  IV,  8,  3).  Die  Gesamtheit  der  Ideen  bildet 
das  Urbild  der  sinnlichen,  eine  intelligible  Welt  (xoafxog  vorjtög),  die  voller 
Leben,  raumlos,  allgegenwärtig,  ein  „zweiter  Gott"  ist  (V,  2,  3;  V,  9,  9;  V,  9, 
13)  und  alles  das,  was  in  der  Sinnenwelt  als  Vielheit  und  Veränderung  auf- 
tritt, zur  Einheit  verbindet  (IV,  1).  In  der  Welt  der  Ideen  gibt  es  Form 
d-iOQCfrj)  und  Materie  (/xoQcpovfxevov ,  vir}  r)  zr)v  /uog<pr)v  dsxo^evrj  xol  del  xo  vjio- 
xsiuerov,  IV,  4,  4),  welche  letztere  aber  von  der  sinnlichen  Materie  wohl  zu 
unterscheiden  ist,  welche  nur  das  Abbild  ((.ufArj^a)  jener  ist.  Überhaupt  unter- 
scheidet P.  die  intelligiblen  von  den  sinnlichen  Kategorien,  welche  letztere 
nur  Analoga  jener  sind  (dvakoyla  xal  öficow/xta,  VI,  1  ff. ;  ö'v,  oräotg,  xivrjaig, 
Tai'Torrjg,  ersgotrjg). 

Das  Erzeugnis  des  Geistes  (\pvyr\v  yevva  vovg,  V,  1,  7)  ist  die  Seele,  das 
Mittlere  zwischen  der  Ideal-  und  der  Sinnenwelt,  beiden  zugewandt,  immer 
noch  göttlicher  Art,  wenn  auch  geringer  als  der  Geist.  Alles  ist  beseelt, 
lebendig,  die  Weltseele  durchdringt  alles,  wirkt  in  allem  und  die  Einzelseelen 
entsprießen  ihr  (IV,  3,  4  ff.).  Die  Seele  ist  kein  Körper,  keine  Harmonie 
u.  dgl.,  sondern  eine  immaterielle  Substanz  IV,  2,  1),  vom  Leibe  trennbar  (IV, 

3,  20),  an  sich  einfach,  ungeteilt,  ganz,  nur  in  bezug  auf  ihren  Leib  geteilt 
(IV,  2,  1;  IV,  9,  2  ff.),  ganz  in  jedem  Teile  des  Leibes,  wobei  das  Gehirn  der 
Ausgangspunkt  ihrer  Tätigkeit  ist  (IV,  3,  23;  IV,  8,  8).  Sie  ist  nicht  eigent- 
lich im  Körper,  sondern  dieser  in  ihr  als  ihr  Organ  (IV,  3,  22  ff.),  dem  sie 
erst  seine  Funktionen  ermöglicht.  Die  Seele  gestaltet  sich  selbst  ihren  Leib, 
der  ohne  sie  kein  solcher  ist  (ocof.iarog  [a,ev  /xr)  övxog  ovo'  dv  jigoelftot  ipvxr).  III, 

4,  9) ;  sie  ist  das  Prinzip  des  Lebens  und  der  Empfindung  in  den  Pflanzen  und 
Tieren.  Sie  ist  unsterblich  und  hat  schon  präexistiert  (IV,  3,  5  ff.). 
Die  einheitliche  Seele  hat  eine  Mehrheit  von  Teilen,  Formen  Kräften  (dwä/usig). 
Die  Wahrnehmung  ist  eine  Funktion  der  Seele  (IV,  5,  1)  und  geht  direkt 
auf  die  Dinge,  ohne  Aufnahme  von  ,,Bilderchen"  u.  dgl.  (IV,  6,  1).  Dem 
Denken  liegt  schon  ein  Streben  zugrunde  (V,  6,  5).  Die  Seele  erkennt  das 
Übersinnliche,  indem  sie  das  in  ihr  potentiell  Ruhende  entfaltet  und  bewußt 
macht  (IV,  6,  1).  Das  Bewußtsein  (ovveoig)  ist  eine  reflexive  Tätigkeit 
(owaiodtjoi  g ;  draxä/xTirovrog  rov  vor)piaxog ;  dvaxolovd'eXv) ,  es  gleicht  einem 
Spiegel  (I,  4,  1).  Das  Selbstbewußtsein  (ovvaio&rjoig  avxfjg)  ist  eine  Hin- 
wendung (^exaßoXr))  des  Geistes  zu  sich  selbst  (IV,  4:  V,  1,  4).  Das  Gefühl 
ist  die  Empfindung  einer  Vollkommenheit  oder  Un Vollkommenheit  des  Leibes 
(IV,  4,  10).  Der  Wille,  welcher  der  eigenen  Natur  der  Seele  entspringt,  nicht 
von  außen  gezwungen  ist  (III,  2,  10),  ist  frei,  sofern  die  Seele  der  Vernunft 
folgt  (III,  19;  III,  2,  10).  „Ohne  Körper  ist  sie  [in  der  intelligiblen  Welt,  von 
der  sie  in  den  Körper  herabgestiegen  ist]  ihre  eigenste  Herrin,  frei  und  außer- 
halb der  kosmischen  Ursache;  aus  ihrer  Bahn  in  den  Körper  hinabgezogen,  ist 
sie  nicht  mehr  in  allen  Stücken  ihre  eigene  Herrin,  da  sie  ja  mit  anderen 
Dingen  zu  einer  Ordnung  verbunden  ist"  (III,  1,  8;  vgl.  Kant,  Schelling, 
Schopenhauer  u.  a.). 

Das    letzte  und  geringste  Erzeugnis  in  der  Stufenfolge  der  Emanationen, 


Plotin  563 

der  volle  Gegensatz  zum  , .Einen"  (I,  8,  7)  ist  die  Materie  (vXtj),  deren  Begriff 
(wie  nach  Plato)  ein  „unechter"  ist.  Daß  eine  Materie  bestehen  muß,  folgert 
P.  aus  dem  Ineinander-Übergehen  der  Elemente,  welches  ein  bleibendes,  unbe- 
stimmtes Substrat  erfordert  (II,  416).  Die  Materie  ist  die  „Tiefe"  der  Dinge 
(ßüOog  ey.doxovj,  ohne  qualitative  Bestimmtheit  (cbcsigöv),  formlos,  aber  formbar, 
eine  ,, Beraubung"  (ozsgrjoigj,  ein  Xichtseiendes  (fxrj  ö'v),  ein  Böses  (xaxöv,  äjtov- 
oia  ayadov ;  II,  4,  3  ff.;  III,  6,  6  ff.;  I,  8,  7).  Gestaltet  wird  sie  durch  geistige 
Formkräfte  (/.oyoi,  voegal  dvvätueig),  welche  zweckmäßig  wirken,  indem  bei  aller 
Gegensätzlichkeit  des  Geschehens  die  Vernunft  in  den  Dingen  alles  zur  Har- 
monie zusammenführt  (III,  2,  16).  Das  Böse  ist  nicht  im  Seienden  als 
solchen,  sondern  stammt  aus  der  „alten  Natur",  der  Materie  (I,  8,  3;  I,  7),  und 
das  Böse  der  Seele  beruht  darauf,  daß  sie  ihrer  göttlichen  Herkunft  vergißt 
(V.  1).  P.  gibt  (ähnlich  wie  die  Stoa)  eine  Theodizee  im  optimistischen 
Sinne,  indem  er  zeitigt,  daß  alles  der  Vernunft  entspricht,  daß  eine  möglichste 
Mannigfaltigkeit  notwendig  ist,  daß  das  Schlechte  für  das  Ganze  gut  sein  kann 
usw.  (III,  2,  8  ff. ;  IV,  16).  In  der  schönen  Harmonie  des  Alls  löst  sich  alles. 
Überall  waltet  die  Vorsehung,  aber  überall  verschieden,  den  Dingen  gemäß 
(III,  3,  5). 

Das  individuelle,  leibliche  Sein  der  Seele  ist  nach  P.  durch  eine  Art  Abfall 
bedingt.  Es  gilt  nun,  sich  von  den  Banden  des  Leibes,  der  Sinnlichkeit  frei 
zu  machen,  die  Seele  zu  läutern  (xäüagotg,  I,  2,  3),  zu  heben,  indem  sie  sich 
dem  Geistigen,  Guten,  Göttlichen  zuwendet.  Die  Tugend,  welche  ein  ver- 
nunftgemäßes Handeln  (bcatetv  löyov,  III,  6,  2)  ist,  ist  bürgerliche,  reinigende 
und  vergöttlichende  Tugend.  Letztere  besteht  in  der  Verähnlichung  mit  Gott 
(ouoiojoig,  deo)  o/ioicodfjvai,  I,  2,  1  ff.;  V,  8,  11).  Das  Streben  nach  Vergottung 
ist  die  höchste  der  Tugenden.  Das  höchste  Ziel  aller  Dinge  liegt  im  Schauen, 
das  Handeln  ist  nur  ein  abgeschwächtes  Schauen  und  das  Denken  als  Be- 
wegung des  Geistes  nicht  so  vollkommen  wie  das  ruhige,  selige  Schauen  der 
göttlichen  Einheit.  Im  Zustande  der  Ekstase  (k'y.oraoig) ,  ruht  die  Seele, 
noch  über  das  Schauen  hinausgehend,  mit  Vereinfachung  und  Hingabe  ihrer 
selbst  ((L-r/.cooig,  VI,  9,  11)  in  Gott,  der  unmittelbar  erfaßt,  „berührt"  wird  (aqrij). 
Dann  weiß  die  Seele  nichts  mehr  von  sich,  sondern  ist  durch  ihre  eigene  Ein- 
heit eins  mit  dem  Einen.  Göttlichen  geworden  (VI.  9.  7:  9,  11;  7,  25).  Dann 
schaut  sie  „die  Quelle  des  Lebens,  die  Quelle  des  Intellekts,  das  Prinzip  des 
>.  i.nden,  den  Grund  des  Guten,  die  Wurzel  der  Seele".  Dann  i-i  sie  dort, 
wo  das  wahre  Leben  ist,  das  Leben  als  geistige  Tätigkeit,  von  dem  -ich  das 
irdische  Dasein  entfernt  hat.  Dort  sind  wir  # selbst  Gott  geworden,  vorläufig 
nur  für  kurze  Zeit  (in  der  Ekstase),  einst  aber  dauernd.  „Und  so  ist  das 
Leben  der  Götter,  der  göttlichen  und  glückseligen  Menschen  eine  Befreiung 
von  allen  Erdenfesseln,  ein  Leben  ohne  irdisch.-  Lustgefühl,  »ine  Flucht  des 
einzig  Einen  zum  einzig  Einen." 

Göttlich  ist  nach  P.  auch  das  Schöne  an  sich,  das  intelligible  Unschöne 
iV.  8,  l  tt.;  VI.  2,  ls).  In  der  Natur  ist  das  Urbild  der  sichtbaren  Schönheit, 
ebenso  in  der  Seele.  Das  Schöne  ist  „das  an  der  [dee  gleichsam  Hervor- 
strahlende"  (VI,  2    18).     Das  Schöne   liegt    nicht   im   Stoffe,   sondern    in   der 


564  •      Plotinos  —  Ploucquet. 


Idee,  wonach  der  Stoff  gestaltet  wird,  also  in  etwas  Geistigem.  Die  Künste 
ahmen  nicht  bloß  die  sinnlichen  Erscheinungen  nach,  sondern  steigen  auf  zu 
den  Ideen  ßöyot),  aus  denen  die  Natur  stammt  und  fügen  dem  Mangelhaften 
(aus  der  in  der  Künstlerseele  wohnenden  Idee)  etwas  hinzu  (ov%  anl&g  xo 
ogwusvov  jLiijuovvTcu  al  rsyvai,  6.XX'  avaxqkyovoiv  ejii  xovg  Xoyovg,  sg~  a>v  f]  <pvoig' 
eha  y.al  TtoXkä  nag  avxcöv  noiovaiv.  Kai  nQoondsaoi  yäg  oxco  xi  eXXemei,  d>g 
h/ovoai  xö  xäXXog,  V,  8,  1;  ästhetischer  Idealismus,  Gehaltsästhetik).  „Wenn 
nun  .  .  .  die  sinnliche  Wahrnehmung  die  den  Körpern  innewohnende  Idee  er- 
blickt, wie  sie  die  gegenüberstehende  gestaltlose  Natur  bewältigt  und  zur  Einheit 
verbindet  .  .  .,  so  faßt  sie  jenes  Vielfache  zu  einer  Totalität  zusammen,  hebt 
es  empor  und  setzt  es  in  Verbindung  mit  der  bereits  vorhandenen  ungeteilten 
Idee  im  Innern  und  führt  es  ihr  als  etwas  Übereinstimmendes,  Verwandtes 
und  Befreundetes  zu"  (I,  6,  3). 

Schüler  P.s  sind  Amelios,  Porphyrios  u.  a.  (vgl.  Neuplatoniker). 

Schriften:  Enneaden,  das  Werk  erschien  zuerst  lateinisch  (in  der  Übersetzung  des 
M.  Ficinus)  1492,  dann  griechisch  und  lateinisch  1580,  1615,  1835,  1855,  1856  ; 
griechisch  (ed.  H.  F.  Müller),  1878—80,  (ed.  Volkmann),  1883—84;  deutsch  (von 
Müller),  1878—80;  Auswahl  von  Kiefer,  1905.  —  Vgl.  PORPHYRIOS,  Vita  Plotini, 
in  der  Ausgabe  der  Enneaden  (ed.  Müller,  1878)  und  bei  Diog.  Laertius  (ed.  Cobet, 
1850).  —  C.  H.  KIRCHNER,  Die  Philosophie  des  P.,  1854.  —  A.  ElCHTER,  Neu- 
platonische  Studien,  1864 — 67.  —  A.  DREWS,  P.  und  der  Untergang  der  antiken 
Weltanschauung,  1907.  —  K.  HORST,  P.s  Ästhetik,  1905.  —  FALTER,  Philon  u. 
Plotin,  1906. 

Ploetz.  Alfred,  geb.  1860  in  Swinemünde,  lebt  in  München.  Heraus- 
geber des  „Archiv  f.  Kassen-  u.  Gesellschaftsbiologie".  =  P.  ist  ein  energischer 
Verfechter  der  Rassenhygiene. 

Schriften:  Grundlinien  einer  Rassenhygiene,  1895.  —  Ableit.  ein.  Rassenhygiene 
u.  ihrer  Beziehungen  zur  Ethik,  Vierteljahrsschrift  f.  wiss.  Philos.  Bd.  19,  1895.  — 
Die  Begriffe,  Rasse  u.  Gesellschaft,  Archiv  f.  Rassen-  u.  Gesellsch.,  1904.  —  Ziele  u. 
Aufgaben  d.  Rassenhygiene,   1911,  u.  a. 

Ploncquet,  Gottfried,  geb.  1716  in  Stuttgart,  wurde  1748  Mitglied  der 
Berliner  Akademie,  1750  Prof.  in  Tübingen,  wo  er  1790  starb.  =  P.  ist  ein 
Vertreter  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie  (Monadologie  usw.)  —  Am  Selb- 
ständigsten ist  P.  als  Logiker.  Nach  dem  Vorgange  von  Leibniz  betrachtet  er 
das  Denken  als  eine  Art  Kechnen  und  spricht  von  einem  „logischen  Kalkül". 
Das  Urteil  definiert  er  als  ßegriffsvergleichung,  als  Einsicht  in  die  Identität 
von  Subjekt  und  Prädikat  (Identitätstheorie  des  Umfangs,  aber  auch  des  In- 
halts).   Die  Schlußmodi  veranschaulicht  P.  durch  Vierecke. 

Schriften:  Primaria  monadologiae  capita,  1748.  —  Principia  de  substantiis  et 
phaenomenis,  accedit  methodus  calculandi  in  logicis,  1753;  2.  A.  1764.  —  Fundamenta 
philosophiae  speculativae,  1759.  —  Methodus  tarn  demonstrandi  recte  omnes  syllogismorum, 
species  quam  vitia  formae  detegendi,  1763.  —  Untersuchung  und  Abänderung  der  logi- 
kalischen  Konstruktionen  Herrn  Prof.  Lamberts,  1765.  —  Sammlung  von  Schriften, 
■welche  den  logischen  Kalkül  des  Herrn  Prof.  P.  betreffen,  hrsg.  von  A.  F.  Bock,  1766, 
1773.  —  Institution  es  philosophiae  theoreticae,  1772.  —  Commentationes  selectiores 
philosopbicae,  1781.  —  Der  Pessimismus  in  Vergangenheit  und  Gegenwart,  1884;  2.  A. 


Ploucquet  —  Poingase.     '  565 

1888.    —     Vgl.  BOKNSTETN,    G.  P.s    Erkenntnisth.    u.  Met.,    1892.    —    Ami:.  Q.  P.s 
Leben  u.  Lehren,  1909. 

Plnniacher,  Olga.  =  Anhäugerin  der  Philosophie  E.  v.  Hartmanns. 

Schriften:  Zwei  Individualisten  der  Schopenhauerschen  Schule,  1881.  —  Der 
Kampf  ums  Unbewußte,   1881;  2.  A.   1891. 

I'lutarclio*    von   Athen,    Sohn   des    Nestorios,   geb.  um  350  n.  Chr.. 

um  433,   lehrte  in  Athen   neuplatonische  Philosophie,   wobei  er  Gott  (das 

„Eine'').   Geist    i^rct,    Seele,    Form    und  Materie  der  Körper  unterschied,  den 

Himmelskörpern  Empfindung  zuschrieb  und  die  Phantasie   als  eigene  ßeelen- 

tätigkeit  bestimmte.     Von  seinen  Schriften  ist  nichts  mehr  erhalten. 

Plntarclio*  von  (haironea,  geb.  um  50  Q.  Chr.,  Schüler  des  Peri- 
patetikers  Ammonios  aus  Alexandrien,  der  in  Athen  lehrte,  gest.  um  125  n.  Chr. 

in  Chaironea. 

P.  gehör!  zu  den  eklektischen  (bzw.  pythagoreisierenden)  Piatonikern,  er  be- 
kämpft die  Stoische  Philosophie,  nicht  ohne  in  manchem  sich  ihr  zu  nähern. 
Er  betont  besonders  die  Reinheit   des   sittlichen  Lebens  und  die  Religion  stellt 

br  hoch.  Gott  ist  seinem  innersten  Wesen  nach  unbekannt,  er  ist  un- 
sichtbar, einheitlich,  das  Seiende,  Ewige,  der  Quell  alles  Guten.  Die  Welt  ist 
<-in  Teil  oder  Ausfluß  Gottes.  Den  Dingen  liegen  ewige  Urbilder,  [deen 
zugrunde,  welche  zugleich  Zahlen  sind.  Die  Einheit  (povag)  als  Formprinzip  mir 
der  unbegrenzten  Zweiheil  (dväe  adqurtog)  erzeugt  die  Welt  Den  Gegensatz  zur 
Form  bildet  die  Materie,  der  Sitz  der  bösen  Weltseele  (vgl.  schon  Piaton), 
deren  Wirkung  die  Vielheit  und  Unvollkommenheit  der  Dinge  ist,  während  die 
[deen  die  Materie  zum  Guten  gestalten.  Der  Mensch  besteht  aus  G 
Seele  und  Leib;  die  Seele  ist  unsterblich.  Die  Willensfreiheil  ist  mit  dem 
Walten  des  Schicksals  vereinbar.  P.  glaubt  in  polytheistischer  Weise  auch  an 
die  Existenz  vmii  Untergöttern  und  Dämonen. 

Schriften:  B(öi  naQaXXijXoi  (vitae  parallelae).  Moralia,  1509,  1795,  188b — 96; 
deutsch  1783—1800,  1845—60,  1892—94.  —  De  Stoicorum  repugnantiis  (zweifelhaft). 
—  Die  Schrift:  De  physicis  philosophorum  decretis  =.  Placita  philosophorum  ist  un- 
echt. —  Vgl.  R.  Yoi.KMANX,  Leben,  Schriften  u.  Philosophie  des  1\.  1869;  _'  A. 
1872. 

I'oiiicai'«'.  Henri,  geb.  1857  in  Nancy,  Prof.  in  Paris. 

P.   isl    ein   Vertreter   des   kritischen    Positivisnius   und   Relativismus  (bzw. 
Pragmatismus).     Die  Axiome  der  Wissenschaften  sind   nach   ihm   weder  Er- 
fahrungBsatze  Doch  apriorische  Wahrheiten,  sondern  u<  beruhen  aui  Convention, 
welche  Bie  im  Kampfe  der  [deen  als  bequemste,  einfachste,  am  besten  d< 
tahn.  echt    werdende   ausgewählt    hat     Di«    Axiome  der  Geometrie  sind 

bequeme    Definiti in   („däfinitions   dlguisees"),    welch,     als   solche   etwas 

Willkürliches   enthalten,   wenn   sie  auch   an   den   Bats   des    Widerspruchi 
bunden   und   durch  die    Daten    dei    Erfahrung  geleitet    sind.     Die  Buklidache 
(Geometrie  ist  Dicht  wahrer,  nur  einfacher,  bequemer,  vorteilhafter,  als  die  nicht- 
euklidische.   Ähnlich'-   gilt    von   «Ich    Axiomen  der  Mechanik.      i      mit   des 

entions;    ootre  choix,    parmi   toutes   let  Convention»   |». » — il»li—  lid.'- 


566  POINCARE  —  POLYXENOS. 


par  des  faits  experimentaux ;  mais  il  reste  libre  et  n'est  limite*  que  par  la 
necessite"  d'eviter  toute  contradiction."  Wenn  aber  auch  das  Hypothetische 
und  Willkürliche  in  der  Wissenschaft  von  fundamentaler  Bedeutung  ist,  so  ist 
die  Wissenschaft  doch  nicht  absolut  subjektiv,  sondern  die  Art  und  Weise,  wie 
•wir  die  Erfahrung  denkend  verarbeiten. 

Schriften:  La  science  et  l'hypothese,  1902;  deutsch  2.  A.  1906.  —  La  valeur 
de  la  science,  14.  &l. ;  deutsch  1906.  —  Science  et  methode,  9.  ed.  (deutsch  in  Vor- 
bereitung). Les  mathemat.  et  la  Logique,  Rev.  de  met.  XIII,  1905.  —  L'evolution  des 
lois,  Rivista  di  scienza,  1911.  —  Die  neue  Mechanik,  1911,  u.  a.  —  Vgl.  E.  LEBON, 
H.  P.,  1910. 

Poiret,  Pierre,  geb.  1646  in  Metz,  lebte  mehrere  Jahre  in  Holland  und 
Hamburg,  dann  dauernd  in  Holland,  starb  1719  in  Khynsburg  bei  Leyden.  = 
P.,  der  erst  Kartesianer  war,  wurde  später  zum  Teil  ein  Anhänger  J.  Böhmes. 
Er  unterscheidet  drei  Arten  von  Wahrheiten:  reale  geistige,  reale  sinnliche, 
unreale  oder  bildliche  Wahrheiten,  ferner  drei  Geisteskräfte:  passiver  Intellekt, 
passive  Sinnestätigkeit,  aktiver  Intellekt  (Vernunft),  und  drei  Arten  von  geistigem 
,, Licht":  göttliches,  natürliches  und  Licht  der  Vernunft.  Das  Höchste  ist  die 
mystische  Vereinigung  mit  Gott. 

Schriften:  Cogitationes  rationales  de  Deo,  anima  et  malo,  1677.  —  Idea  theo- 
logiae  Christianae  iuxta  principia  Jacobi  Bohemi,  1687.  —  L'economie  divine  ou  Systeme 
universel  et  demontre  des  ceuvres  et  des  desseins  de  Dieu  envers  les  hommes,  1687.'  — 
Principes  de  religion,  1688.  —  De  eruditione  solida,  1692.  —  Fides  et  ratio  collatae, 
1707  (gegen  Locke).  —  Opera  posthuma,  1721.  —  Vgl.  J.  W.  FLEISCHER,  P.  P.  als 
Philosoph,   1894. 

Polemon  aus  Athen  soll  durch  die  Wirkung  des  Xenokrates  einem  aus- 
schweifenden Leben  entzogen  und  der  Philosophie  zugewandt  worden  sein.  Er 
war  (314 — 270  v.  Chr.)  das  Haupt  der  älteren  Akademie.  Von  seinen  Schriften 
ist  nichts  erhalten.  P.  legte  den  Wert  auf  die  sittliche  Praxis  gegenüber  der 
Dialektik  (Diog.  Laert.  IV,  18).  Das  naturgemäße  Leben  ist  die  Tugend 
(Cicero,  Acad.  pr.  II,  43).    Von  P.  ist  Zenon  der  Stoiker  beeinflußt. 

Vgl.  Th.  GOMPERZ,  Die  herkulanische  Biographie  des  P.,  Zeller-Festschrift,  1887. 

Politianns,  Angelus  (Angelo  Poliziano),  1454 — 1494,  hielt  in  Florenz 
Vorlesungen  über  Aristoteles  und  übersetzte  Schriften  Piatons  und  Epiktets. 
=  Eklektiker.     (Panepistemon,  1491 ;  Opera  omnia,  1498.) 

Pollack,  Walther.  =  Voluntaristischer  Erkenntnisstandpunkt. 
Schriften:  Philos.  Grundlagen  d.  wissensch.  Forschung,  1907. 

Polos  aus  Agrigent,  Rhetor,  Schüler  des  Gorgias.  Wie  Kallikles  und 
Thrasymachos  hält  er  das  Recht  für  eine  dem  Nutzen  der  Mächtigen  dienende 
Institution  (vgl.  Piaton,  Gorgias  466  B,  471  A,  483  ß,  491  E). 

Polyainos  aus  Lampsakus,  Epikureer  (3.  Jahrh.  v.  Chr.). 

Polystratos,   Epikureer.     IIsqI  aköyov  xaxaqpovrjoecog,  Hercul.  IV,  1832. 

Polyxenos,  Sophist,  Zeitgenosse  des  Piaton  und  Gegner  der  Ideenlehre. 
Vgl.  BAEüMKEE,  Rhein.  Museum,  N.  F.  Bd.  34,  1879. 


POMPOXATIUS   —   PORPHYRI"  567 

Pompoiiatins  ,    Petrus    (Pietro   Pomponazzi),    geb.   1462    in   Mantua, 

lehrte  seit  1495  in  Padua,  dann  in  Bologna,  gest.  1525  in  Bologna.  =  Ei  be- 
kämpft den  Averroismus  und  gehört  zu  den  ,.Alexandrini-!rii--  (b.  d.),  welche 
den  , .aktiven  Intellekt1'  des  Aristoteles  für  allein  ewig,  die  individuelle]]  Seelen 
aber  für  sterblich  erklären  (wobei  P.  der  Lehre  von  der  zweifachen  Weisheit 
huldigt  und  den  christlichen  Glauben  an  die  Unsterblichkeit  aufrecht  erhält). 
Als  eine  „Form"  muß,  der  Vernunft  gemäß,  die  Seele  mit  dem  Leibe  ver- 
gehen (..mihi  itaque  videtur,  nullas  rationes  naturales  adduci  posse  cogentes, 
animam  esse  imniortalem").  Das  Denken  ist  an  Vorstellungen  und  damit  an 
den  Leib,  welcher  Eindrücke  empfängt,  gebunden.  Zur  Tugend  bedaii  es 
nicht  des  Glaubens  an  die  Unsterblichkeit,  da  sie  um  ihrer  selbst  willen  zu 
üben  ist,  den  Menschen  selig  macht.    Der  Wille  ist  determiniert. 

Schriften:  De  imraortalitate  animae,  1516,  1791.  —  Apologia,  1517.  —  Defen- 
sorium,  1519.  —  De  fato,  libero  arbitrio,  de  praedestinatione  et  de  Providentia,  1520, 
15G7.  —  De  naturalium  effectuum  admirandorum  causis,  1520.  —  De  nutritione  et 
augmentatione,  1521.  —  Opera,  15G7.  —  Vgl.  G.  SPICKER,  P.,  1868.  —  L.  FERRL 
La  psicologia  di  P.,  1877. 

Popper,  Josef,  geb.  1S38  in  Kolin,   Ingenieur,  lebt  in  Wien.    =    P.  ist 

ein  positivistischer  Denker,  Realist,  Individualist.  Für  fundamente  Bedürfnisse 
fordert  er  in  der  Gesellschaft  das  „Prinzip  der  garantierten  Individualität". 
Das  Recht  zu  leben  ist  für  jedes  Individuum  anzuerkennen,  ohne  Bangunter- 
schied;  niemand  darf  geopfert  werden,  auch  nicht  der  Gesamtheit. 

Schriften  (unter  dem  Namen  „Lynkeus"):  Das  Recht  zu  leben  u.  die  Pflicht  zu 
sterben,  1878;  3.  A.  1903.  —  Phantasien  eines  Realisten,  1899;  10.  A.  1901.  — 
Fundament  eines  neuen  Staatsrechts,  1905.  —  Voltaire,  1905.  —  Das  Individuum  und 
die  Bewertung  menschlicher  Existenzen,   1911,  u.  a. 

Pordajje.    John,    geb.  1625  in  London,    Pfarrer,    gest.  L698   in    London. 

=  Anhänger  J.   Böhmes  und  seines  ethischen  Dualismus. 

Schriften:  Metaphysica  vera  et  divina:  deutsch  1725.  —  Theologia  mystica,  1098. 
—   Sophia,   1G99. 

PorphyrioH  (ursprünglich  Bialchus),  geb.  232  (oder  233)  n.  Chr.  in 
Batanea  (Syrien;  oder  in  Tvrnsi,  eine  Zeitlang  Schüler  des  Longinofl  in  Athen, 
dann  des  Plotin  in  Rom  (seit  262),  Lebte  mehrere  Jahre  in  Sizilien,  gest.  um 
304  in  Born. 

P.  ist  der  bedeutendste  der  unmittelbaren  Schüler  Plotins,  dessen  Schriften 
ordnet  and  hen  en  und  dessen  Lehren  er  klar  dargestellt  bat    Die 

Earmonie   der    Lehren    Piatos   und    des   Aristoteles    bat    er   in   einer   eig 
Schrifl  betont.    Seine  „Einleitung  zu  den  K 

ist     als    Ausgangspunkt    des    scholastischen    Universalienstreites    von    größter 
her  Bedeutui  orden     Den    zwöli   Aristotelischen  rien  Bind 

nach  P.    tiint   Grundbegriffe,    „Prfidikabilien"    [die    „quinque  roranzu- 

schicken:  Gattin  BoffA  Unterschied  (dta<i  I 

Zustand   (ovfißeßtjxfc).     Er  fragt   dann,   ob  diese  allgemeinsten  Bestimmui 
außer  dem  Denken  oder  nur  in  ihm,  ob  sie  außerhalb  der  Einzeldinge  sind  oder 
nicht.    (In   der   I  tzung  des  Boethius:  rabsistant   Blve  in  -<>Ii-  nudis 


5(38  Porphyeios  —  Posch. 


intellectibus  posita  sint,  sive  subsistentia  corporalia  an  incorporalia,  et  utrum 
separata  a  sensilibus  an  insensilibns  posita  et  circa  haec  consistentia".)  Xach 
P.  sind  die  Gattungen  etwas  Reales. 

In  metaphysischer  Beziehung  ist  P.  Neuplatoniker.  Aus  dem  göttlichen 
Einen  gehen  der  Geist  und  die  Seele  und  aus  dieser  die  Materie  hervor,  die 
aber  niemals  ohne  Form  -war,  so  daß  die  Welt  ewig  ist.  Die  Einzelseelen  sind 
aus  der  Weltseele  hervorgegangen.  Die  Seele  ist  ein  immaterielles,  unvergängliches 
Wesen  iStob.  Ecl.  I,  818).  Die  Seele  erkennt  vermittelst  der  ihr  eigenen  Ver- 
nimftkeime.  Das  Böse  beruht  auf  der  niederen  Begierde  der  Seele  selbst.  Die 
Tugend  höchster  Art  ist  die  asketische  Peinigung  und  Vergeistigung  der  Seele. 
Magie,  Theurgie  u.  dgl.  ist  wertlos. 

Schriften:  Yita  Plotini  (vgl.  Plotinos).  Vita  Pythagorae,  1630,  1815—16,  1850 
(Anhang  zu  Diog.  Laert.,  ed.  Cobet).  —  'A(poQf,iai  n:gog  rä  voijrd,  1907  (Sententiae 
ad  intelligibilia  ducentes,  Teubner).  —  De  diis  daemonibus,  1857  (In  der  Ausgabe  von: 
Janiblichos,  de  mysteriis).  —  'Ecoaycoyij  eig  tag  xarijyogtag  (de  quinque  vocibus  sive  in 
Categor.  Aristotelis  introductio),  1543,  1836  (Bd.  IV  der  Berliner  Aristoteles-Ausgabe). 
—  Epistola  ad  Marcellam,  1816,  1831.  —  De  philosophia  ex  oraculis  haurienda,  1856 
(Fragment).  —  De  abstinentia  ab  usu  animalium,  1548,  1767;  deutsch  1869.  —  De 
abstinentia  et  de  antro  nympharuro,  1858,  1886.  —  Die  Schrift:  Katä  Xqioxiuvcöv 
(Gegen  die  Christen)  ist  verloren  gegangen,  ebenso  die  Gegenschriften  von  Apollinaris, 
Eusebios,    Methodios.    —    Vgl.  BOUILLET,    Porphyre,  1864.  —   KLEFFNER,  P.,    1896. 

Porretanus  s.  Gilbert, 

Porta,  Giambattista,  1540 — 1615,  Neapel,  als  Physiker  bedeutend. 
Schriften:    Magia  naturalis,  1589.    —    De  humana  pbysiognomia,  1593.    —    Phy- 
siognomia  coelestis,  1603. 

Porta,  Simon,  gest.  1555.  =  Einer  der  „Alexandrinisten",  welcher  (wie 
Pomponatius)  die  Unsterblichkeit  der  individuellen  Seele  bestritt. 

Schriften:  De  rerum  naturalibus  principiis;  De  anima   et  mente  humana,   1551. 

Porter,  Xoah,  1811—1892.  =  Anhänger  W.  Hamiltons. 

Schriften:  The  Human  Intellect,  1872.  —  Elements  of  Moral   Science,   1885. 

Portig,  Gustav,  geb.  1858  in  Leipzig,  früher  Prof.  in  Hamburg,  Hofrat, 
lebt  jetzt  in  Stuttgart.  =  Schüler  C.  H.  Weisses,  vertritt  eine  besondere  Art 
des  Dualismus  (die  Zweiheit  als  universales  Prinzip)  und  den  Theismus. 

Schriften:  Keligion  und  Kunst,  1879—80.  —  Angewandte  Ästhetik,  1887.  — 
Das  Weltgesetz  des  kleinsten  Kraftaufwandes  in  den  Reichen  der  Natur,  1903  —  04 
(Hauptwerk).  —  Die  Grundzüge  der  monistischen  und  dualistischen  Weltanschauung, 
1904,  u.  a. 

Posada,  Adolfo,  Prof.  in  Oviedo.  =  Soziolog;  Herausgeber  der  „Revista 
de  Derecho  y  Sociologia". 

Schriften:  Principios  de  sociologia,  1908,  u.  a. 

Posch,   Eugen,  geb.   1859  in   Preßbnrg,   Gymnasialprof.  in  Budapest.  = 
P.  schrieb  (ungarisch)  die  „Theorie  der  Zeit",  1896—97.    Die  Zeit  ist  subjektiv. 
aber  objektiv  bedingt;   sie  ist  keine  apriorische  Form  (vgl.  Yierteljahrsschrift  f. 
b.  Philo*.  Bd.  23—24,  1899—1900). 


P08EEDONI08   —    1JRATT. 


Poseidonios  (Posidonius)  aus  Apameia  (Syrien),   Schüler  dv>  Stoikers 

Panaitios,  lehrte  in  Ehodos,  avo  ihn  Cicero  hörte,  gest.  um  51  v.  Chr..  war 
durch  seine  Gelehrsamkeit  berühmt.  Er  ist  ein  Stoiker,  der  manches  von 
Plato  und  Aristoteles  entlehnt,  so  von  ersterem  die  Lehre  vom  „Mutartigen" 
und  vom  Begehrnngsvermögen  (üofioeiöeg  und  bti&vßrjrixov). 

Schriften  (nur  Fragmente  vorhanden):  Tleol  Oecöv,  neol  (iavrixrjgi  txsqi 
Ttegi   y.öouov,   xQOToexxrs.ög  u.  a.    —    Vgl.    ClCERO,    De  ofliciis;    Tuscul.  disput.  u.  a. 
Ferner:  Posidonii  Rhodii  reliquiae  doctrinae,  1810.  —  SCHMEKEL,  Die  Philosophie  der 
mittleren  Stoa,  1892. 

Post,  Albert  Hermann,  geb.  1839  in  Bremen,  gest.  1895  daselbst.  = 
Ein  Begründer  der  vergleichenden  Rechtswissenschaft. 

Schriften:    Die  Unsterblichkeitsfrage,  1872.    —   Der  Ursprung  des  Hechts,   1876. 

—  Das  Naturgesetz  des  Rechts,  1867.  —  Bausteine  f.  eine  allg.  Rechtswissensch.,   1880  f. 

—  Die  Grundlagen  des  Rechts,  1884.  —  Grundr.  d.  ethnolog.  Jurisprudenz,  1894  t. 
u.  a.   —   Vgl.  ACHELIS,  A.  H.  Post,   1896. 

Potonie,  Henri,  geb.  1857  in  Berlin,  Prof.  an  der  Bergakademie  in 
Berlin.  =  Von  Spencer  und  Avenarius  beeinflußt.  Die  Entstehung  der  Denk- 
formen erklärt  er  evolutionistisch  durch  das  Prinzip  der  Auslese:  ..('her  die 
Entstehung  der  Denkformen,  Xaturwissensch.  Wochenschrift  II,  1891. 

Potanion  von  Alexandria,  lebte  zur  Zeit  des  Augustus.   =  Er  vereinig! 
bewußt-eklektisch  Lehren  des  Piaton,  Aristoteles  und  der  Stoa.    P.  unterscheide! 
zwei  Kriterien  der  Wahrheit:  das  „Hegemonikon",  d.  h.   den   Geist,  von   dem 
da-  Urteil  ausgeht,  und  die  genaue  Vorstellung,   auf  die  sich  das  Urteil  stützt 
f%6    ii.' i-    e&g    vrp     ov  yr/verai  r\    y.oiatg,    rovzeori    xo  •qyef.iovixöv    xo    de    tag    bt    ovy 
olor  xrp  dxQißeardrrjv  cpavxaoiav,  Diog.  Laert.,  Prooem.  21).    Vier  Prinzipien  der 
Dinge  gibt  es:  Stoff,  Tätiges,  Qualität  und  Ort  (oqx&s  xe  x&v  §X<ov  xijv 
xai  tÖ  notovv,  noifarjxa  te  xcu  x6novi  ib.).    Zweck  des  Handelns  ist  ein  sittliches 
und    zugleich    glückliches    Leben    (xf/.og    br   elvat   i<p    8   ndvxa  &va<peQsxcu  -"< 
xaxit  Ttäaav  ägerrp  xeXeiav,  ovx  ävev  x&v  xov  oco/naxog  xaxa  tpvatv  y.<ü  x&v  ?x\ 
ib.).     Die  Schrift  des  1'.:  Irm/eccooig,  ist  nicht  erhalten. 

Vgl.   ZELLER,  Philos.  d.  Griechen  III,   1. 

Prantl,   Karl  v..   geb.    1820  in  Lands!.  Prof.  in  München, 

i.  1888  in  Oberstdorf.  =  Besonder-  als  Historiker  der  Philosophie  hervor- 
ragend. Er  selbe!  \ertritt  einen  objektiven  Idealismus  auf  Grund  der  subjek- 
tiven  Bewnfitseinsfnnktionen,  Ideen  und  Ideale.    Denken  und  Sprechen  sind  eins. 

9<  hriften:    Aristoteles  über  d.  Farben,  1849.  —   Di«-   Bedeot  «1.   Logik,   Ibi'J.  — 
Die  gegenwärtige  Aufgabe  der  Pbilosupbie,  1852.    —    Die  geechicfctlieheii   Vorstufen 
ntmeren  Rcchtsphilos.,   1848.  —  Geschichto  d.   Logik  im   Abendlamle,    1 
IM.   II,   2.   A.   1885.    —    Kefornigedanken  zur    Logik,  Sitzungsber.  dl  ..id., 

1875.  —    Galiloi  u.  Kepler  als  Logiker,    1875.    —    Verstehen  und  Beurteilt-!.,   1n77.  — 
Über  die  Berechtigung    des  Optimismus,    1880.    —    Zur   KlUftftHtlUfnge,    Sit/,  d.   M. 
1883,   u.   u. 

Pratt.  .1.  I*.  —  Schriften:  iieligiou*  Belief,  1907. 

Prn. 


570  Peel  —  Priestley. 


Prel,  Karl  du,  geb.  1839  in  Landshut,  lebte  in  München,  gest.  1899.  =  Von 
Kant.  Schopenhauer,  E.  v.  Hartmann  beeinflußt,  will  du  Prel  die  evolutionistische 
Xaturauffassung  (Anwendung  des  Selektionsprinzips  auf  das  Kosmische)  mit 
dem  Okkultismus  und  Spiritismus  verbinden.  Die  Seele  organisiert  ihren  Leib 
und  ist  selbst  organisiert  (Atherleib).  Das  Hirnbewußtsein  ist  nur  ein  Teil- 
bewußtsein des  Subjekts.  Daneben  gibt  es  ein  unterschwelliges  Bewußtsein. 
Der  Mensch  ist  die  Erscheinung  oder  Verkörperung  eines  „transzendentalen 
individuellen  Subjekts",  dessen  Wirken  in  die  sinnliche  Welt  hineinragt,  so  daß 
der  Mensch  ein  Doppelleben  führt.  Das  transzendentale  Subjekt  existiert  schon 
vor  der  Geburt  und  ist  unsterblich.  „Das  transzendentale  Subjekt  läßt  im 
Tode  seine  irdische  Erscheinungsform  fallen,  kann  aber  damit  nicht  selbst  ver- 
schwinden." 

Schriften:  Der  Kampf  ums  Dasein  am  Himmel,  1874;  3.  A. :  Entwicklungs- 
geschichte des  Weltalls,  1882.  —  Die  Philosophie  der  Mystik,  1884;  2.  A.  1910.  — 
J.  Kerner  u.  die  Seherin  von  Prevorst,  1886.  —  Die  Mystik  der  Griechen  und  Römer, 
1889.  —  Monistische  Seelenlehre,  1887.  —  I.  Kants  Vorlesungen  über  Psychologie, 
1889.    —    Studien   auf   dem  Gebiete   der  Geheim  Wissenschaften,  1890 — 91;  2.  A.  1904. 

—  Der  Spiritismus,  1893.  —  Die  Entdeckung  der  Seele  durch  die  Geheimwissen- 
schaften, 1893 — 94;  2.  A.  1910.  —  Die  Magie  als  Naturwissenschaft,  1899.  —  Der 
Tod,  das  Jenseits,  das  Leben  im  Jenseits,  3.  A.  1901.  —  Ausgewählte  Schriften,   1900  f. 

F*revost,  Pierre,  geb.  1751  in  Genf,  lebte  einige  Zeit  in  Berlin,  seit  1784 
Prof.  in  Genf.  =  Nähert  sich  der  schottischen  Schule  (Dugald  Stewart)  und 
Bonn  et. 

Schriften:    Sur  l'intluence  des  signes  relativement  ä  la  formation  des  idees,  1800. 

—  Quelques  remarques  sur  l'äme  humaine,  1802.  —  Essais  de  philosophie,   1804. 

Preyer,  Wilhelm,  geb.  1841  bei  Manchester,  1869  Prof.  d.  Physiologie 
in  Jena,  seit  1888  in  Berlin,  gest.  1897  in  Wiesbaden.  =  P.  hat  u.  a.  die 
Kindespsychologie  gefördert.  Betreffs  des  Ursprungs  der  Organismen  lehrt  er 
die  Entstehung  derselben  aus  der  organischen  feurigflüssigen  Masse  der  Erde, 
deren  Schlacken  das  Anorganische  ist. 

Schriften:  Die  fünf  Sinne  des  Menschen,  1870.  —  Über  die  Erforschung  des 
Lebens,  1873.  —  Über  die  Grenzen  der  Wahrnehmung,  1876.  —  Elemente  der  reinen 
Empfindungslehre,  1877.  —  Naturwissensch.  Tatsachen  u.  Probleme,  1880.  —  Elemente 
der  allgemeinen  Physiologie,  1883.  —  Biolog.  Zeitfragen,  2.  A.  1889.  —  Darwin,  1896. 

—  Die  geist.  Entwick.  in  d.  ersten  Kindheit,  1883.  —  Der  Hypnotismus,  1890.  —  Die 
Seele  des  Kindes,  5.  A.  1900;  7.  A.  1908,  u.  a. 

Price,  Eichard,  geb.  1723  in  Tynton,  gest.  1791.  =  Gegner  des  Empiris- 
mus und  der  Lehre  vom  „moral  sense".  P.  ist  Rationalist,  auch  in  der  Ethik. 
Der  Verstand  ist  die  Quelle  ursprünglicher  Begriffe,  zu  denen  auch  Raum, 
Zeit  und  Kausalität  gehören,  ebenso  der  Begriff  des  Guten  und  Bösen. 

Schriften:    A  Pteview  of  the  prineipal  questions  and  difficulties  in  morals,   1758. 

—  Letters  in  materialism  and  philosophical  necessily,   1778  (gegen  Priestley). 

I*rierias  s.  Mazolinus. 

Priestley,  Josef,  der  Entdecker  des  Sauerstoffs,  geb.  1733  in  Fieldhead 


Priestley  —  Proiuk.»-.  571 


bei  Leeds  (Yorkshire^,  Prediger  der  Dissidentengemeinde  in  Birmingham,  seit 
1794  in  Nordamerika  (Pennsylvanien,  Philadelphia),  gest.  1804. 

P.  verbindet  mit  dem  Theismus,  den  er  rationalistisch  begründet,  einen 
psychophysischen  Materialismus  und  Determinismus.  Die  psychischen 
Vorgänge  sind  nach  ihm  Funktionen  der  Gehirnprozesse,  die  Psychologie  isl  nur 
ein  Teil  der  Physiologie,  für  welche  die  Seele  eins  mit  dem  Gehirn  ist.  während 
sie  für  die  Metaphysik  und  Religion  eine  unsterbliche  Substanz  ist.  Wie  jei  - 
Geschehen  in  der  Welt  ist  auch  der  menschliche  Wille  determiniert;  die  i ab- 
solute) Willensfreiheit  ist  eine  Illusion,  frei  ist  das  Handeln,  nicht  das  Wollen, 
und  auch  dies  nur  sofern  es  ein  Ausfluß  des  menschlichen  Wesens  ist,  welches 
unter  bestimmten  Umständen  nicht  anders  handeln  kann,  als  es  der  Fall  isl 
(„Withoot  a  miracle  or  the  Intervention  of  some  foreign  cause  no  volition  oi 
action  of  any  man  eould  have  been  otherwise  than  it  has  been"). 

Schriften:  An  examination  of  Dr.  Reid's  Inquiry  into  the  human  mind,  1774. 
—  Hartley's  Theory  of  Human  Mind,  1775.  —  Disquisitions  relating  to  matter  and 
Bpirit,  1777.  —  The  Doctrine  of  philosophical  Necossity,  1777.  —  Free  Discussions  of 
tho  Doctrines  of  Materialism,  1778.  —  Letters  to  a  philosophical  unbeliever,  1780; 
deutsch  1782  (Kritik  Humes).  —  Additional  letters,  1781 — 87.  —  A  Continuation  of 
the  letters,  1794.  —  Vgl.  J.  CARRY,  The  Life  of  J.  F.,  1804. 

Prinee  •  Morton,  amerikanischer  Philosoph.  =  P.  vertritt  den  Pan- 
psychismus. 

Schriften:  The  Nature  of  Mind  and  Human  Automatism,  1885.  —  The  Dissociation 
of  a  Fersonality,   1906  f.,  u.  a. 

Priskianos  (Priscianus)  aus  Lydien,   einer  der   Neuplatoniker,    welche 

bald  nach  der   Schließung  der  philosophischen  Schule  in  Athen  durch  Kaiser 
Justinian  (529)  nach  Persien   auswanderten.     Er  schrieb:  Mexdg>Qaais  t&v  <-> 
(pQ&orov  JieQt  aio&qoeoag,  1541.     Solutiones  eorum,  de  quibus  dubitavil  Chosi 
Persarum    res    (in:    Supplement  um    Aristotelicum    II:    Prisciani    Lydii    quae 

am,  1886). 

Priskos  (Priscus)  aus  Moloseia  fEpirus),  gest.  um  396  n.  Chr..  Anhang 
dee  Jamblichos. 

Prodikos  aus   Ken-,   älterer  Zeitj  dea  Sokrates,  ein  durch  g 

(zum  l«il  prunkvollen)  moralischen  Vorträge  und  durch  seine  Unterscheidung 
von  Synonymen  bekannter  Sophist,  als  dessen  Schüler  Bich  Bokrates  nennt. 
In  einer  Schrift:  "Qqcu  (Die  Unrein,  welche  Kenophon  nachgebildet  hat,  erzählt 
P.  die  Sage  von  Herkules  am  Scheid  ler  üch  hier  für  den  harten,  aber 

rar  Unsterblichkeil  führenden  Weg  derTugend  entschließt     Die  Religion  führt 
er  aut   das  Gefühl  der   Dankbarkeit    zurück,    aui    Verehrung   von    nützlichen 
Naturgebildei]  (Sonne,    Brot,   Erde,    Wassei  usw.).     Den  Tod  soll  !'..  für  etwas 
nicht   eu   Fürchtend«   erklärt    halten:    für  die    Lebenden  ist  er  nicht  da, 
auch  nicht  für  die  Toten,  die  nicht-  empfinden. 

\.'..   Iur.i.-.  PragmeBti  da  Vanokntikei  11.      ■    WelCKKB,    p  .    Bktia    Mu-eum 
1,  i s.i:i.   —    M.  lhiN/i:.    l  '..'i-  P..  Mhafl  dar  ü  — 

.P>il.    I  »or   |  btfl   urul   «ler   KtBOphoatil  11.    I. 


572  Proklos. 

Proklos  9  geb.  410  n.  Chr.  in  Byzanz,  erzogen  zu  Xanthos  in  Lykien 
(daher  ..der  Lykier"),  Schüler  der  Neuplatoniker  Olympiodoros,  Plutarch  von 
Athen  und  Syrianos,  lehrte  (seit  etwa  450)  in  Athen,  wo  er  485  starb.  Er  ist 
ein  tiefer  und  scharfer  Denker  von  großer  dialektischer  Kraft,  zugleich  aber 
dem  Wunderglauben,  der  Theurgie,  Magie  u.  dgl.  zugeneigt.  P.,  der  ein 
außerordentlich  fruchtbarer  Schriftsteller  von  großer  Gelehrsamkeit  war,  ist 
der  Systematiker  des  späteren  Neuplatonismus,  gewissermaßen  auch  der  „Scho- 
lastiker" desselben. 

P.  treibt  die  Transzendenz  des  Gottesbegriffes  noch  weiter  als  Plotin  und 
Jamblich,  auch  schiebt  er  noch  mehr  Mittelwesen  zwischen  dem  göttlichen 
Urwesen  und  den  Sinnendingen  ein.  Dieses  Urwesen  ist  seinem  Wesen  nach 
nicht  erkennbar  und  sagbar,  es  ist  der  Urgrund  des  Seins  und  des  Guten, 
nicht  bloß  Eines,  sondern  auch  noch  über  die  Einheit  erhaben,  überseiend 
(dvaaicog  ai'ziov).  Die  Emanation  der  Wesen  aus  dem  Absoluten  und  ausein- 
ander faßt  P.  als  eine  Art  dialektischen  Prozeß  auf,  als  „triadische"  Entwick- 
lung; aus  der  Ursache,  in  der  das  Erzeugte  vermöge  seiner  Ähnlichkeit  ver- 
harrt (tiovrj),  tritt  es  infolge  seiner  Anderheit,  Unähnlichkeit  heraus  (jigöoSog) 
und  wendet  sich  ihm  dann  wieder  zu  (ijitorgoqp^),  indem  es  sich  mit  ihm  ver- 
ähnlicht.  Dieser  Dreischritt  wiederholt  sich  so  lange,  bis  das  niederste  Gebilde 
(die  Materie)  erzeugt  ist,  also  mit  abnehmender  Vollkommenheit  der  Erzeug- 
nisse. Aus  der  Ureinheit  gehen  die  Henaden  (ivädsg),  die  göttlichen  Ein- 
heiten hervor,  die  miteinander  verknüpft  sind  und  verschiedenen  Eang  haben. 
Die  Henaden  sind  noch  überseiend  und  übergeistig.  Aus  ihnen  emaniert  die 
Trias  (Dreiheit)  der  intelligiblen  (vorjröv),  intelligibel-intellektuellen  (vorjxöv 
äjua  xai  voegov)  und  intellektuellen  (voeqöv)  Welt  (Theol.  Piaton.  III,  24), 
entsprechend  den  Begriffen  Güte  und  Sein  (ovoia),  Kraft  und  Leben  (Coorj) 
und  Denken  oder  Wissen.  Die  beiden  ersten  Welten  gliedern  sich  wieder 
triadisch  (Grenze,  jzsqcis ;  Unbegrenztes,  äjieigov;  Gemischtes,  [zig~z6v  usw.;  drei 
Triaden:  der  gedachte,  der  gedachte  und  denkende,  der  denkende  Gott).  Auf 
der  Grenze  beruht  alle  Vereinigung,  auf  dem  Unbegrenzten  alle  Vielheit.  Die 
intellektuelle  Welt  (vovg)  gliedert  sich  in  sieben  „Hebdomaden''  (Siebenheiten), 
deren  Glieder  ebenfalls  Gottheiten  sind.  Die  Ideen  (Idsat)  gehören  dem 
Intelligiblen  an. 

Die  Seele  geht  aus  dem  Intellektuellen  hervor.  Sie  ist  ewig,  unkörper- 
lich und  ungeteilt  (jtäv  ro  tiqos  eavro,  sjiiotqejitixov  äocb/uatöv  iotiv),  lebendig, 
unsterblich,  sie  hat  Teil  an  der  göttlichen  Einheit  und  Vernunft  und  erkennt 
die  Dinge  vermöge  der  ihr  innewohnenden  Prinzipien  derselben ;  sie  kann  sich 
zur  Anschauung  der  göttlichen  Henaden  und  der  Ureinheit  selbst  erheben. 
Die  Materie  ist  unproduktiv,  leidend,  sie  wird  durch  geistige  Formen  (loyoi) 
gestaltet, 

Schüler  des  P.  sind  Marinos,  As  klepiodotos.  Ammonios,  Zeno- 
dotos,  Isidoros  aus  Alexandria,  Hegias,  Hermeias,  Damaskios. 

Schriften:  Erhalten  sind:  In  Piatonis  Tiraaeum  Commentarius,  1534,  1847, 
1903—06.  —  In  Piatonis  rem  publicam,  1899—1901.  —  In  Theologiam  Piatonis,  1618. 
—  Ex'jerpta  ex  Prodi    echoliis  in  Piatonis  Cratylum,    1820,    1908.    —    In  Piatonis  Par- 


KI.«»>    —    Pi 

menidein,     ls4<>.     —     [■    jriniuni  tarii.     1873     — 

Institutio  Theologica,    15- 

sobsistentia,  u.  a.    —    0|  V.  Com 

—    Vgl      Makim  ».    Vita    Prodi,    17'  itgabe    de«    Diog.    La.  r!     *on 

\.  r.i  ton,  p .  i84o. 

I^i-ola^oi-ii^      ■-  Abdem     ilt<  i  -  um 

\ .  <  hr.    geboil  I  v   1 1 i ♦  - 1  r    -i<h    in 

und  Unteritaliem  toi  und  NNar  wiederholt  in  Athen,  \\"  I 

mit   ihm   v.rkt'hrlni.      Fiir   Minen   l '  1 1 1  «ii  i«  h  t   erhielt   .  ■ 

trichtliche    ll  inen  -"II  er  der  Breie  gewesen  Bein,  der 

kl&i  gendeine  ihm  rt  1  reden,  and  -<>ll  <\     I 

rang  einer  Seche  dnreh  die  Redekunst 
heben.     Wegen  einer  Schrift  in  welcher  er  erklärt«-,    »t  \u-- 

dei  i   nicht,   <•  en  oder  nicht,   <li.   Seche  sei  dunkel,       -  l 

he  zu  dii         I  Irkenntnis    nicht    am 

klagt   und  : 1 1 1  —  Afh 
beni  h  S     lien  ertrank  i  r. 

r.   iet    der   bedeutendste  dei  sehen    Sophisten.     I  ■  t  in 

.ii    Untersuchungen    bewußt    vom    menechlichen    Subjekt   aus    und   . 
u  einem  Subjektivismus    nnd    Relativismus,   wol 
Beraklit    ineofern    beeinflußt    ist,   all  auch  er  alles  als  werdend,   fl 

-  \i.  Emptr.,   l'\ rrhon.  Hypot    l  D 

Wahrheit   i*r   nach    P.  etwas  Relati 

l    ip.    \.i\.  Ifathem.  VII    80),    Wir  erkennen  di«    D      e   nicht  mr 

rn  nur  -«'.  wi<   Bie  In  Beziehung  ans  er» 

Sext    r.nip..    Pj  rrh.    Hypot     I     217),      D 
Mensch   ist   dei   Mal    illei    Ding«     dei  wienden, 

!nhn.  daß   Bie   nicht    *ii 

I  '  I  I  \      "il  ;     l'l.r 

152       I  i  Ii  Pinto    hier   nicht   der  Mensch 

U   [ndiriduum  rerstanden   werden 

■ 
I  (  I  I  inn    w  iinl.     I' 

Wahl  I  is   individuelle   Antta- 

•  In  it.   un<  ilL''  in.  ii  mir  BO*< 

Individuen    mit  r  in    ihi 

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574  Protagoras  —  Ptolemaios. 


aus  dem  Zusammentreffen  der  äußeren  mit  der  vom  Sinnesorgan  ausgehenden 
Bewegung  (vgl.  Plat.  Theaet.  152  ff.).  Das  Denken  beruht  auf  der  Wahr- 
nehmung. Ob  P.  die  Seele  als  bloßen  Inbegriff  der  Erlebnisse  (/uqdkv  slvai 
ii'i'/^v  jiaga  rag  alodrjOEig,  Diog.  Laert.  IX,  51),  also  „aktualistisch"  bestimmt 
hat,  ist  nicht  sicher.  Auf  die  Ethik  hat  P.  den  Subjektivismus  wohl  nicht 
ausgedehnt ;  hier  fordert  er  Allgemeingültigkeit,  wenn  er  auch  vielleicht  die 
Relativität  des  Rechtes  lehrt  (Plat.  Theaet.  167  C). 

Schriften:  Solche  zählt  Diogenes  Laertius  (IX,  55)  auf:  jieqI  sqiozcxcöv,  jteqI 
tcov  lua^rj/iidrcov.  jtsqi  Jtokitsiag,  jceqi  agsrcöv,  dvzikoyiai  u.  a.,  wobei  letztere  Schrift 
vielleicht  eins  ist  mit  der  Schrift:  KaxaßaklovxEg  (oder  ^AXrjfteia).  —  Vgl.  DlELS, 
Fragmente  der  Vorsokratiker  II.  —  NATORP,  Forschungen  zur  Geschichte  des  Er- 
kenntnisproblems, 1884.  —  W.  JERUSALEM,  Zur  Deutung  des  Homo-mensura-Satzes, 
Eranos  Vindobonensis,  1893.  —  F.  C.  S.  SCHILLER,  Studies  in  Humanism,  1907.  — 
GOMPERZ,  Griech.  Denker,  3.  A.  1911.  —  A.  ÜARPF,  Die  Ethik  des  P.,  1884. 

Proudhon,  Pierre  Joseph,  geb.  1809  bei  Besancon,  wurde  Buchdrucker, 
war  als  solcher  publizistisch  tätig,  auch  als  Handlungsgehilfe.  1848  gab  er 
den  „ Repräsentant  du  peuple"  heraus  und  gehörte  der  konstituierenden  Ver- 
sammlung an.  1849  wurde  er  wegen  Beleidigung  des  Präsidenten  der  Republik 
zu  einer  Gefängnisstrafe  verurteilt.  Einer  nochmaligen  Bestrafung  entzog  er 
sich  durch  die  Flucht  nach  Brüssel,  von  wo  er  1860  nach  Paris  zurückkehrte; 
hier  starb  er  1865. 

P.  gehört  zu  den  Sozialisten,  welche,  ohne  den  Kommunismus  zu  lehren, 
die  Übelstände  der  privatrechtlichen  Gesellschaftsordnung  bekämpfen.  Als 
Geschichtsphilosoph  ist  P.  von  Hegel  beeinflußt.  Die  Geschichte  wird  von 
dem  Prinzip  des  Gegensatzes  beherrscht,  insbesondere  die  Geschichte  der  Wirt- 
schaft, in  welcher  mit  logischer  Notwendigkeit  die  Gegensätze  auseinander 
hervorgehen.  Aller  Fortschritt  beruht  nach  P.  auf  einer  Negation.  Das  auf 
Ausbeutung  beruhende  Eigentum  (besonders  an  Boden)  ist  Diebstahl  („La  pro- 
priete  c?est  le  vol").  Geld  und  Zins  sind  von  Übel,  ebenso  die  Zwangsgewalt 
des  Staates  (Anarchismus).  Das  Richtige  ist  nach  P.  der  wirtschaftliche 
Mntualismus  (Organisation  des  Tausches,  Vorstufe  zur  modernen  Idee  der  Pro- 
duktivgenossenschaft). 

Schriften:  Qu'est  ce  que  la  propriete?  1841.  —  De  la  creation  de  l'ordre  dans 
l'humanite,  1843.  —  Systeme  des  contradictions  economiques  ou  philosophie  de  la 
misere,  1846;  deutsch  1847.  —  Le  droit  au  travail,  1849.  —  La  revolution  sociale, 
1852;  deutsch  1852.  —  Philosophie  du  progres,  1853.  —  De  la  justice  dans  la  revo- 
lution et  dans  l'eglise,  1858,  u.  a.  —  Oeuvres,  35  Bde.  —  Vgl.  A.  MÜLBERGER, 
P.,  1899.  —  DlEHL,  P.,   1888—96. 

Prndhomme,  Sully  s.  Sully. 
Psellos  s.  Michael. 

Ptolemaios:  1.  zwei  Epikureer  aus  Alexandrien;  2.  Peripatetiker ; 
3.  Skeptiker;    4.  der  berühmte  Astronom  ;     5.  Gnostiker   aus   der   Schule   des 

Valentinus. 


Pufexdorf  —  Pyrrhon.  575 


Pufendorf,  Samuel  von,  geb.  1032  bei  Chemnitz,  1661  Prof.  des 
Naturrechts  in  Heidelberg,  1672  in  Lund,  gest.  1694  in  Berlin.  =  P.,  der  be- 
rühmte Xaturreehtler ,  ist  von  Grotius  und  Hobbes  beeinflußt.  Das  Recht 
beruht  auf  dem  Geselhgkeitsbedürfnis  des  Menschen,  welches  mit  dem  Selbst- 
erhaltungstrieb zusammenhängt.  Das  Xaturrecht,  welches  durch  das  Licht 
der  Vernunft  erkannt  werden  kann,  ist  das  Gesetz,  welches  mit  der  vernünf- 
tigen Natur  des  Menschen  übereinstimmt  und  Bedingung  einer  friedlichen. 
Gesellschaft  ist.  Der  (nur  fiktive)  „Naturzustand"  ist  kein  Krieg  aller  gegen 
alle,  aber  er  wäre  ein  Zustand  der  Unsicherheit,  dem  der  Mensch  durch  den 
schützenden  Staat  entgeht  (Vertragstheorie).  Der  Staat  ist  eine  „persona 
moralis"  mit  einem  Willen.    Die  Strafe  dient  der  Abschreckung. 

Schriften:  De  statu  reipublicae  Germanicae,  1667  (unter  dem  Pseudonym:  Seve- 
rinus  a  Monzambano;  deutsch  1870).  —  De  iure  naturae  et  gentium,  1672.  —  De  officio 
hominis  et  civis,   1673. 

Plilleyn  (Pullus),  Eobert,  Engländer,  lehrte  in  Paris  und  Oxford,  gest. 
1150  in  Eom.  =  Anhänger  Abälards,  Verfasser  von  „Sententiarum  libri  octo", 
1655  (auch  bei  Migne,  Patrolog.). 

Pünjer,  Bernhard,  1850 — 1885,  war  Prof.  der  Theologie  in  Jena.  =  Er 
bekennt  sich  zum  theistischen,  idealistischen  Monismus,  unterscheidet  gegen- 
ständliches und  zuständliches  Bewußtsein.  In  der  Religion  wirken  Gefühle, 
Wille  und  Denken  zusammen,  wobei  das  Gefühl  den  Ausgangspunkt  bildet. 
Die  Religionsphilosophie  betrachtet  die  Religion  im  Zusammenhang  mit  allen 
übrigen  Erscheinungen  des  Geisteslebens  und  allem  sonstigen  Dasein. 

Schriften:  Die  Religionslehre  Kants,  1874.  —  Geschichte  der  christlichen  Reli- 
gionsphilosophie seit  der  Reformation,  1880  f.  —  Grundriß  der  Religionsphilosophie, 
1886.  —  Religionsphilosophie  auf  modern  ■wissenschaftlicher  Grundlage,   1886. 

Purkynje,  Johann,  1787—1869,  Prof.  in  Breslau  und  Prag,  der  bekannte 
böhmische  Physiolog.  als  Philosoph  von  Schelling  beeinflußt.  Er  schrieb  u.  a. : 
Beobachtungen  und  Versuche  zur  Physiologie  der  Sinne,  2.  A.  1825  (,.Pur- 
kynjesches  Phänomen"). 

Pyrrhon  (Pyrron,  TIvqqcov)  aus  Elis,  geb.  um  360  v.  Chr.,  gest.  um 
270  v.  Chr.  Die  Angabe,  daß  er  ein  Schüler  des  Megarikers  Bryson  war,  ist 
nicht  erhärtet.  Von  Demokrit  ist  P.  beeinflußt.  Er  begleitete  den  Demo- 
kriteer  Anaxarchos  (aus  dem  Gefolge  Alexanders  des  Großen)  nach  Asien  und 
lebte  später  in  Elis.  Schriften  sind  von  ihm  nicht  vorhanden,  seine  Lehren 
sind  nur  aus  Berichten  von  Skeptikern,  wie  Timon,  Sextus  Empiricus  bekannt. 
P.  ist  der  Begründer  der  älteren  skeptischen  Schule,  deren  Mitglieder  -ich 
nach  ihm  „Pyrrhoniker"  (JIvQgcoveioi)  nannten.  Nach  P.  ist  nichts  in  Wahr- 
heit und  Wirklichkeit  schön  oder  gerecht,  sondern  nur  in  Beziehung  au!  uns, 
durch  Satzung  (ovökv  yäo  s<paaxsv  ovrs  xcdov  otV  aio/nor  ovve  üixatov  tnh 
abixov  xai  6/nouog  f.xi  xävxov  fMjdsv  elvat  tfj  äArjöeüf,  vöfup  dt  xat  8&81  ndvta 
xovg  av0(,d).-jov;  .toüttsiv,  Diog.  Laert.  IX,  61).  An  sich  ist  nichts  wahrer,  als 
etwas  anderes  (ov  uä/./.or).  Wir  können  die  Dinge  nicht  erkennen,  wie  sie 
selbst    sind,   sondern    nur,    wie  si« ■  ans  erscheinen  ;    wir   können  nichts  Sicheres 


576  Pyrrhon  —  Pythagoras. 

behaupten  (ovöev  oglCw),  stets  nur  sagen,  etwas  scheint  so  {boxet).  Die  Er- 
scheinung wird  nicht  geleugnet,  sondern  nur  erklärt,  man  wisse  nicht,  wie  das 
Ding  selbst  beschaffen  sei  (xal  yäo  xo  (paivofxsvov  Tiftsjueda,  ov%  d>g  xai  roiovrov 
6'r,  Diog.  Laert.  IX,  104).  Die  Wahrheit  ist  unerfaßbar  (äxatalrjyjta).  Jedem 
Grunde  läßt  sich  (wie  Timon  erklärt)  ein  Gegengrund  entgegensetzen,  dies 
führt  zum  Gleichgewicht  der  Gründe  (iooo-dsvsia  rwv  Xoycov)  und  zur  Urteils- 
enthaltung  (ejioxr/),  mit  welcher  der  Gleichmut  und  die  Gemütsruhe  (äta- 
ga&a,  cbia&Bia)  verbunden  ist,  das  höchste  Gut,  neben  welchem  alles  andere 
gleichgültig  ist. 

Schüler  P.s  sind  Philon  von  Athen,  Nausiphanes  von  Teos,  Timon  von 
Phlius. 

Vgl.  NATORP,  Forschungen  zur  Geschichte  des  Erkenntnisproblems.  —  V.  BRO- 
CHARD,  Les  sceptiques  grecs,  1887.  —  E.  RICHTER,  Der  Skeptizismus  in  der  Philo- 
sophie I,  1904.  —  A.  GOEDECKEMEYER,  Geschichte  des  griechischen  Skeptizismus, 
1905. 

Pythagoras  von  Samos,  geb.  um  570  v.  Chr.  als  Sohn  des  Kauf- 
mannes Mnesarchos.  Über  sein  Leben  sind  viele  Legenden,  aber  wenig  sichere 
Angaben  vorhanden.  Ob  er  in  Ägypten  gewesen,  ist  unsicher,  jedenfalls  aber 
hat  er  von  Ägyptischer  Wissenschaft  (Mathematik)  profitiert.  Er  soll  Schüler 
des  Pherekydes  und  des  Anaximander  gewesen  sein,  auch  soll  er  in  die  del- 
phischen Mysterien  eingeweiht  worden  sein.  Um  530  v.  Chr.  wanderte  P. 
nach  Kroton  in  Unteritalien  aus,  wo  er  der  Partei  der  Aristokraten  beitrat 
und  einen  Bund  gründete,  der  mit  wissenschaftlichen  und  religiösen  auch 
ethische  und  politische  Zwecke  verfolgte.  Die  Mitglieder  dieses  Bundes  mußten 
ein  streng  geordnetes  Leben  führen,  mäßig  sein,  unbedingt  sich  der  Autorität 
des  Meisters  unterwerfen  (avtög  ecpa),  Schweigen  (besonders  nach  außen)  üben ; 
unbedingte  Treue  gegeneinander  bewähren  (geheime  Erkennungszeichen  usw.). 
Sie  lebten  zusammen  (gemeinsame  Mahlzeiten  usw.)  und  bildeten  eine  feste 
Organisation,  welche  auch  eine  Macht  im  Staate  bedeutete.  Die  Eeaktion 
blieb  in  Kroton  nicht  aus;  ein  Aufstand  der  demokratischen  Partei  (unter 
Kylon)  brach  aus  und  Pythagoras  mußte  nach  Metapont  auswandern,  wo  er 
bald  darauf  gestorben  sein  soll.  Auch  die  in  anderen  Städten  lebenden  Pytha- 
goreer  erlitten  Verfolgungen;  in  Kroton  wurden  sie  später  überfallen  und 
kamen  fast  alle  in  ihrem,  von  den  Angreifern  angezündeten  Versammlungs- 
hause  um.  Des  P.'  Persönlichkeit  wirkte  in  solchem  Maße,  daß  er  geradezu 
als  göttliches  Wesen  angestaunt  wurde.  Auch  durch  sein  Wissen  war  er  be- 
rühmt. Zugeschrieben  wird  ihm  der  „Pythagoreische  Lehrsatz",  die  Kenntnis 
der  regelmäßigen  Vierecke?  der  regelmäßigen  Körper,  des  „goldenen  Schnittes", 
der  Begriff  der  Primzahlen,  die  Kenntnis  der  akustisch-musikalischen  Schwin- 
gungsverhältnisse. Geschrieben  hat  P.  nichts,  auch  ist  es  ganz  unsicher,  wie- 
viel von  den  theoretischen  Lehren  des  „Pythagoreismus",  die  er  begründet  hat, 
ihm  selbst  zuzuschreiben  sind.  Ja,  vieles,  was  als  pythagoreisch  ausgegeben 
wurde,  stammt  nicht  einmal  von  Schülern  des  Pythagoras.  Dieser  soll  sich 
zuerst  einen  <pä6oo<pog  genannt  und  die  Welt  zuerst  als  Kosmos  (Koo/wg)  be- 
zeichnet haben. 


Pythagora?.  577 


Der  Pythagoreismus  bestimmt  als  Prinzip  der  Dinge  nicht  einen  Stoff 
oder  eine  Kraft,  sondern  etwas  Formales.  Er  arbeitet  der  neueren  quantitativen 
Nätui  Auffassung  dadurch  vor,  daß  er,  allerdings  in  metaphysischer  Weise,  die 
Zahl  zum  Wesen  der  Dinge  macht,  wobei  unter  „Zahl"  etwas  Objektives  zu 
denken  ist,  eine  wohl  geometrisch  vorgestellte  bestimmte  Verbindung  der  Einheit. 
Nach  Aristoteles  kamen  die  Pythagoreer  zu  einer  solchen  Anschauung  durch 
ihre  Vertrautheit  mit  der  Mathematik,  deren  Ordnungsverhältnisse  sie  in  den 
Dingen  realisiert  fanden,  welche  ihnen  als  Abbilder  oder  Nachahmungen  der 
Zahlen  und  deren  Elemente  erschienen.  Sie  nahmen  an,  die  Elemente  der 
Zahlen  seien  zugleich  die  Elemente  der  Dinge,  und  die  Welt  selbst  sei  Har- 
monie und  Zahl  (xäg  xovxov  dg/dg  xcov  ovrcov  dg/dg  corjürjoav  stvai  Ttavrmv' 
srcsi  ös  xovxov  01  dgißfioi  cpvosi  tzqcoxoi,  sv  8s  roTg  ägi&/iiotg  iööxovv  dswgslv 
6/toidjuaxa  xoklä  xoig  ovoi  xai  yiyvo/Lisvoig,  (.lälXov  7]  sv  zivgi  xai  yfj  xai  vöaxc.  — 
hi  8s  rcöy  ägjLiovitov  sv  dgiß/uoTg  ogcörrsg  xä  rräßi]  xai  xovg  Xöyovg '  01  87  dgiduoi 
zxdoijg  xfjg  (pvoscog  Ttgoixoi,  xä  xcöv  dgißficöv  öxoi%sTa  xcöv  ovxcov  oxoc/sia  Tcävxtov 
vrcs'/.aßov  scvai,  xai  xov  ö/.ov  ovgavov  äg/iioviav  sivai  xai  dgid/uöv,  Aristot.  Met. 
I,  5).  Die  Prinzipien  oder  Elemente  der  Zahlen  (und  damit  der  Dinge)  sind 
das  Gerade  und  Ungerade  (ägxiov  xai  Ttsgixxöv)  oder  das  Unbegrenzte  (das 
Gerade  als  unendlich  teilbar)  imd  Begrenzte  (äjxsigov,  jisnsgaG/usvov) ;  aus  ihnen 
bestehen  alle  Dinge.  Die  Zahl  ist  die  Substanz  der  Dinge.  Die  Urzahl,  aus 
der  alle  anderen  hervorgehen,  ist  die  Einheit  (juovdg).  Die  Vier  ist  der  Körper, 
auch  hat  sie  besondere  Bedeutung,  ebenso  die  Zehnzahl  (Tetraktys).  Die 
Sechs  ist  die  Zahl  der  Beseeltheit,  die  Neim  die  Zahl  der  Gerechtigkeit,  wie 
überhaupt  die  Tugenden  auf  Zahlen  zurückgeführt  werden.  Manche  Pytha- 
goreer geben  eine  Liste  von  zehn  Gegensätzen:  Grenze  und  Unbegrenztes; 
Ungerades  und  Gerades ;  Eins  und  Vieles ;  Eechtes  und  Lüikes ;  Männliches 
und  Weibliches;  Kuhendes  und  Bewegendes;  Gerades  und  Krummes;  Licht 
und  Finsternis;  Gutes  und  Böses;  Quadrat  und  Rechteck  (Aristot.  Met. 
I,  5). 

Gemäß  der  pythagoreischen  Kosmologie  befindet  sich  in  der  Mitte  des 
Universums  das  Weltfeuer,  der  „Herd"  des  Alls  (die  eEoxia).  Um  dieses 
Zentralfeuer  bewegen  sich  die  zehn  Himmelskörper,  darunter  die  Erde  mit  der 
Gegenerde  (ärxiydoir),  wie  dies  Hiketas  (s.  d.),  Ekphantos  u.  a.  lehrten.  Be- 
kannt ist  ferner  die  pythagoreische  Lehre  von  der  Sphären harmonie,  d.  h. 
von  den  Klängen  der  bewegten  Himmelskörper  in  bestimmten  Intervallen, 
welche  Harmonie  aber  wegen  der  fortgesetzten  Einwirkung  auf  unser  Ohr  von 
uns  nicht  vernommen  wird  (Aristot.  De  caelo  II,  9).  Die  Zahl  der  Körper- 
elemente betragt  fünf:  Feuer  (Tetraeder),  Erde  (Kubus),  Luft  (Oktaeder), 
Wasser  (Ikosaeder),  Äther  (Dodekaeder;  Stob.  Eclog.  I,  26).  Die  Seele  soll 
von  den  Pythagoreern  als  „Harmonie"  bestimmt  worden  sein  {ägfwviav 
xiva  avxtjv  Uyovoi,  Arist.  De  anim.  I,  4).  Von  anderen  sei  die  Seele  mit  den 
Sonnenstäubchen  oder  auch  mit  dem.  was  diese  bewegt,  identifiziert  worden 
(y'ff aoav  yäg  tiveg  avxwv  y*vzVv  sJra.i  t<\  h>  r<j>  &&Qi  :>otunn.,  m  fV  n,  tavxa 
xirovv,  1.  c.  I,  2).  Der  Leib  ist  ein  Kerker  der  Seele.  Zu  ihrer  Läuterung 
machen   die  Seelen  eine   Seelenwanderung    durch  (ixgi(p&8Toat  >Y  avxrjv 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  •'>< 


578  Pythagoras  —  Quinet. 


yf]g  .-T/.üZeo&at  iv  xcö  äsgi  6/xoiav  r(5  ocb/uau,  Diog.  L.  VIII,  31).  Auch  eine 
Wiederkunft  des  Gleichen  sollen  die  Pythagoreer  (wie  Heraklit  und 
später  die  Stoiker;  vgl.  Nietzsche)  gelehrt  haben;  alle  Dinge  und  alle  Indivi- 
duen kehren  immer  wieder  (vgl.  Diels,  Fragm.  d.  Vorsokratiker  I,  238).  Die 
Ethik  der  Pythagoreer  betont  die  Beherrschung  der  Begierden,  die  Reinheit 
von  Leib  und  Seele,  die  Frömmigkeit  des  Lebenswandels. 

Als  Pythagoreer  sind  zu  nennen:  Alkmaion,  Eurytos,  Hippodamos 
aus  Milet,  Epicharmos  u.  a.,  besonders  Philolaos  (s.  d.). 

Vgl.  DlELS,  Fragmente  der  Yorsokrat.  I,  dazu  die  Biographien  des  P.  von  POR- 
PHYRIOS  und  JAMBLICHOS  (1910;  beide  zusammen  in  der  Ausgabe  des  Diog.  Laertius 
von  Cobet,  1850;  viel  Legendäres).  —  A.  KOTHEKBÜCHER,  Das  System  der  Pytha- 
goreer, 1867.  —  CHAIGNET,  Pythagore  et  la  philosophie  Pythagoricienne,  1875.  — 
W.  BAUER,  Der  ältere  Pythagoreismus,  1897.  —  W.  SCHULTZ,  Archiv  für  Gesch. 
der  Philos,  Bd.  21,  1908.  —  GOMPERZ,  Griech.  Denker  I. 


a- 


Qnadratus  (Koögärog)  von  Athen,  ältester  christlicher  Apologet,  unter 
Hadrian,  dem  er  eine  Verteidigungsschrift  betreffs  des  Christentums  übergab; 
diese  Schrift  ist  nicht  erhalten. 

Quesnay,  Francois,  1694 — 1774,  Prof.  der  Chirurgie.  ==  Q.  ist  der 
Hauptvertreter  des  „Physiokratismus",  jener  Bichtung,  welche  den  Nachdruck 
auf  die  Landwirtschaft  legt  und  (wie  dann  A.  Smith)  die  Freiheit  der  in- 
dustriellen Tätigkeit  verlangt  („Laisser  faire,  laisser  passer*'). 

Schriften:  La  physiocratie ,  1767 — 1768,  u.  a.  —  Oeuvres  economiques  et 
philosophiques,   1888. 

Quetelet,  Adolphe,  1796 — 1874,  war  seit  1841  Direktor  des  Statistischen 
Amtes  in  Brüssel.  —  Nach  Q.  wird  die  Gesellschaft  von  festen  Gesetzen  be- 
herrscht, es  waltet  in  ihr  das  „Gesetz  der  großen  Zahl",  welches  eine  Regel- 
mäßigkeit sozialer  Erscheinungen  (Selbstmord,  Eheschließung  u.  a.)  erkennen 
läßt,  die  aus  bestimmten  sozialen  Verhältnissen  folgen.  Die  Sozialwissenschaft 
hat  es  mit  dem  „mittleren  Menschen"  („homme  moyen")  zu  tun. 

Schriften:  Sur  l'homme,  1835,  1869;  deutsch  1838.  —  Lettres  sur  la  theorie  des 
probabilites,  1846.  —  Du  Systeme  social,  1848;  deutsch  1856  (Zur  Naturgeschichte 
der  Gesellschaft,  übers,  von  K.  Adler).  —  Physique  social,  1869.  —  L'anthropometrie, 
1871. 

tfcneyrat,  Fr.,  Prof.  in  Mauriac.  =  Hervorragender  Kinderpsycholog. 

Schriften:  L'imagination  et  ses  varietes  chez  l'enfant,  4.  ed.  1908.  —  L'ab- 
straction.  2.  6d.  1907.  —  Les  caracteres,  3.  ed.  1907.  —  La  logique  chez  l'onfant, 
3.  ed.  1907.  —  Les  jeux  des  enfants,  2.  6d.  1908.  —  La  curiositS,  1910,  u.  a.  (zum 
Teil  auch  deutsch  erschienen). 

ifcniiiet.  Edgar,  1803—1875.  =   Q.  betont  den  menschlichen  Fortschritt. 
Schriften:  La  creation,  1870;  deutsch  1871.    —   L'esprit  nouveau,   1874,  u.  a.  — 
Oeuvres  corapletes,  28  Bde.,  1857 — 79. 


Rabanus  —  Ramt>.  579 


It. 


Rabanus  (Hraban)  Manrns,  geb.  776  in  Mainz,  Abt  von  Fulda, 
dann  Erzbischof  von  Mainz,  gest.  856.  =  Der  um  das  Schulwesen  hochver- 
diente Geistliche  kommt  für  die  Philosophie  durch  seine  Schriften:  De  in- 
stitutione  clericorum,  und:  De  universo,  in  Betracht. 

Schriften:  Opera,  6  Bde.,  1627.  —  Über  „Pseudo-Rabanus"  vgl.  COUSIN, 
Oeuvres  in&lits  d'Abelard. 

Kalms,  Leonhard,  geb.  1835  in  Nürnberg,  war  Lyzealprofessor  in  Er- 
langen. =  R.  steht  auf  theistisch-christlichem  Standpunkte. 

Schriften:  Lehrbuch  der  Logik,  1863.  —  Logik  und  Metaphysik  1,  1868.  — 
Philosophie  und  Theologie,  1876.  —  Neueste  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Logik, 
1880.  —  Lehrbuch  zur  Einleitung  in  die  Philosophie:  I.  Grundriß  der  Geschichte  der 
Philosophie;  II.  Logik  und  System  der  Wissenschaften  (mit  historischer  Entwicklung), 
1895,  u.  a. 

Radenhausen,  Christian,  geb.  1813  in  Friedrichstadt,  gest.  1897  in  Ham- 
burg. =  R.  vertritt  einen  naturalistischen,  evolutionistischen  Monismus  auf  empi- 
rischer Grundlage,  mit  Ausschluß  alles  Transzendentalen  und  Supranaturalen. 

Schriften:  Isis,  der  Mensch  und  die  Welt,  1863;  4.  A.  1886.  —  Osiris,  Welt- 
gesetze in  der  Erdgeschichte,  1874  f.  —  Mikrokosmos,  1877.  —  Christentum  ist  Heiden- 
tum, 1881,  u.  a. 

Kanin**,  Petrus  (Pierre  de  la  Eamee),  geb.  1515  in  einem  Dorfe  in  Ver- 
mandois,  studierte  in  Paris,  lehrte  hier  Philosophie  und  Rhetorik,  trat  1562 
zum  Calvinismus  über,  lebte  dann  einige  Jahre  in  Deutschland  (Heidelberg) 
und  in  der  Schweiz;  1572  wurde  er  (vielleicht  auf  Betreiben  seines  Gegners 
J.  Charpentier)  ermordet. 

R.,  der  von  L.  Vives  n.  a.  beeinflußt  und  der  durch  das  Studium  Piatons, 
Ciceros  und  Quintilians  angeregt  ist,  bekämpft  aufs  heftigste  den  Aristoteles 
und  besonders  dessen  Logik,  welche  der  natürlichen  Logik  entgegengesetzt 
sei.  Er  selbst  will  die  Logik  (in  Verbindung  mit  der  Rhetorik)  reformieren, 
sie  von  scholastischen  Dunkelheiten  und  Subtilitäten  befreien.  Die  Logik  ist 
Dialektik,  eine  „ars  disserendi",  Kunst  des  Vernunftgebrauchs  beim  Disputieren 
(„Dialectica  virtus  est  disserendi,  quod  vi  nominis  intelligitur :  öia/Jyen&ai  enim 
er  disserere  unum  idemque  valent,  idque  est  disputare,  disceptare  atque  omnino 
ratione  uti").  Der  erste  Teil  der  Logik  ist  die  „Erfindungslehre"  (de  inven- 
tione;  inventio  argumentorum) ;  sie  handelt  von  der  Aufsuchung  der  Gründe, 
aus  denen  sich  eine  Frage  beantworten  läßt  (vom  Begriff  und  der  Definition). 
Der  zweite  Teil  („Secunda  Petri")  handelt  vom  „Urteil",  vom  Beweis  für  einen 
Satz.  Beweisgründe  lassen  sich  aus  den  Gemeinplätzen  („loci  communes")  ent- 
aehmen.  Das  l "it.il  hat  drei  Btufen:  Syllogismus,  Methode  und  System,  Aut- 
i  den  Ideen  und  zu  Gott 

Line  Zeitlang  standen  sieb  „Bamisten"  und  „Anti-Ramisten"  gegenüber. 
Zu  den  ersteren  gehören:  J.  Sturm,   Th.  Freigius,    F.  Fabricius,  Scri- 


5S0  Eamus  —  Ratzenhofer. 


bonius,  Talaeus,  W.  Temple  u.  a.,  zu  den  letzteren:  Carpentarius, 
Frischlin,  Martini,  Schegk,  Scherb,  Sepulveda,  Scaliger  u.  a., 
„Senii-Ramisten"  sind  Alstedt,  Goclenius  u.  a. 

Schriften:  Animadversiones  in  dialecticam  Aristotelis,  1543.  —  Institutiones 
dialecticae,  1543  (Hauptwerk).  —  Scholarum  physicarum  libri  VIII,  1565.  —  Scholarum. 
metaphysicarum  libri  XIV,  1566,  u.  a.  —  Vgl.  Ch.  WADDINGTON,  De  P.  Kami  vita, 
scriptis,  philosophia,  1849;  Ramus,   1855. 

Ranschblirg,  Paul,  geb.  1870  in  Györ,  Privatdozent  in  Budapest,  Leiter 
des  staatlichen  psychologischen  Laboratoriums.  =  Experimenteller  Psycholog. 

Schriften:  Die  Entwicklung  und  Funktion  der  Kindesseele,  1904  (ungar.).  — 
Über  Hemmung  gleichzeitiger  Iteizwirkungen,  Zeitschr.  für  Psychol.  der  Sinnesorgane, 
Bd.  30,  1902.  —  Über  die  Bedeutung  der  Ähnlichkeit  beim  Lernen,  Behalten  und 
Beproduzieren,  Journal  für  Psychologie  und  Neurologie  I,  1905.  —  Das  kranke  Ge- 
dächtnis, 1911,  u.  a. 

Rashdall,  Hastings,  geb.  1858,  Theolog,  Prof.  in  Oxford. 

E.  ist  ein  Vertreter  des  voluntaristischen  „persönlichen  Idealismus"1  (von 
Lotze  u.  a.  beeinflußt).  Die  (körperlichen)  Dinge  existieren  nur  für  Subjekte 
(„for  mind,  not  for  themselves").  Die  Wirklichkeit  ist  Für  sich-Sein,  sie  be- 
steht aus  persönlichen,  d.  h.  bewußten,  aktiven,  wollenden  Wesen  („a  person 
is  a  conscious,  permanent,  self-distinguishing,  individual,  active  being").  Gott 
ist  ein  die  Welt  denkendes,  wollendes  Wesen.  Er  ist  die  Ursache  der  von  den 
Individuen  unabhängigen  Erfahrungsinhalte.  Weder  der  Pluralismus  noch 
der  Monismus  (als  Singularismus)  sind  im  Kechte.  Die  Individuen  sind  von 
Gott  abhängig  und  Gott  ist  von  ihnen  nur  sofern  getrennt,  als  er  von  seiner 
eigenen  ewigen  Natur  geschieden  ist  („self-hmitation").  Das  All  ist  ein  Geist, 
welcher  viele  Geister  erzeugt  („one  mind  who  gives  rise  to  many"),  eine  „Ge- 
meinschaft von  Personen''  („a  Community  of  persons").  Das  Absolute  besteht 
aus  Gott  und  den  Seelen  nebst  deren  Erfahrungsinhalten  („the  absolute  .  .  . 
consists  of  God  and  the  souls,  including,  of  course,  all  that  God  and  those 
souls  know  of  experience"),  aus  einer  „Gesellschaft"  („a  society  which  includes 
God  and  all  other  spirits"). 

Schriften:  Personality,  Human  and  Divine  (in:  Personal  Idealism ,  ed.  by 
H.  Sturt,  1902,  S.   369  ff.).  —  The  Theory  of  Good  and  Evil,  1907. 

Ratzenbofer9  Gustav,  geb.  1842  in  Wien,  gest.  als  Feldmarschall- 
Leutnant  1904. 

R.,  der  besonders  als  Soziolog  bekannt  ist.  vertritt  einen  „positiven  Monis- 
mus", welcher  die  Einheit  der  Weltgesetzlichkeit  betont.  Überall,  im  Phy- 
sischen wie  im  Psychischen  besteht  Selbsterhaltung,  Anziehung  und  Abstoßung. 
Die  Dinge  sind  Teile  und  Manifestationen  der  göttlichen  „Urkraft",  die  ein 
„A  übe  wußtsein"  besitzt;  die  Materie  ist  Produkt  der  Kraft  (Dynamismus). 
Daa  angeborene,  „inhärente"  Interesse  bestimmt  alle  Lebensfunktion en,  auch 
die  sozialen  und  sittlichen  Handlungen,  bei  denen  es  aber  auf  die  Harmonie 
von  Individual-  und  Sozialinteressen  ankommt.  Als  Soziolog  ist  R.  von  Gum- 
plowicz  beeinflußt.  Die  Soziologie  erforscht  die  Gesetzmäßigkeit  des  gesell- 
schaftlichen Lebens.    Die  Gesellschaft  geht  dem  Individuum  voran,  indem  das 


Ratzexhofer  —  Eavaissox-Molliex.  581 

inhärente  Interesse  soziale  Verbände  stiftet,  welche  als  Gruppen    miteinander 
kämpfen. 

Schriften:  Wesen  und  Zweck  der  Politik,  1893.  —  Die  soziologische  Erkennt- 
nis, 1898.  —  Der  positive  Monismus,  1899.  —  Positive  Ethik,  1901.  —  Die  Kritik 
des  Intellekts,  1902.  —  Soziologie,  1907.  —  Vgl.  GüAMZOW,  Gustav  R.  und  seine 
Philosophie,  1904.  —  G.  RATZEXHOFER  (junior),  Archiv  für  Rechts-  und  Wirtschafts- 
philosophie IV. 

Ran,  Albrecht,  geb.  1843  in  Ansbach,  lebt  in  München.  =  Kritizistischer 

Standpunkt. 

Schriften:  L.  Feuerbachs  Philosophie,  1882.  —  Empfinden  und  Denken,  1896. 
—  Das  Wesen  des  menschl.  Verstandes,  1900.  —  Der  moderne  Panpsychismus,  1901, 
n.  a. 

Itanil.  Frederic.  geb.  1861  in  St.  Martin -le-Vinoux.  Prof.  in  Paris,  gest. 
1908.  =  Von  Kant  beeinflußt,  vertritt  E.  eine  idealistische  Ethik,  welche  aber 
betreffs  der  Findung  der  idealen  Normen  auf  die  sittliche  Erfahrung  verweist. 

Schriften:  L'experience  moral,  1903;  2.  ed.  1909.  —  De  la  methode  dans  la 
Psychologie  du  sentiraent,  1899.  —  Fragments  de  philos.  morale,  Rev.  de  m6t.  et  de 
raorale.  XIX,  1911. 

Ramveiilioif,  L.  W.  E.,  1828—1889,  Prof.  in  Leyden.  =  Von  Kant 
beeinflußt.  Die  Keligion  besteht  im  Bewußtsein  persönlicher  Beziehung  zu 
einer  höheren  Macht  und  im  Gefühl  der  Achtung  vor  dieser. 

Schriften:  Religionsphilosophie,  deutsch   1889;  2.   A.   1894. 

Ka\  aisson-llollieii.  Felix,  geb.  1813  in  Namur,  1831)  Professor 
in  Beiines,  1853  Generalinspektor  der  „Instruction  superieure",  gest.  1900  in 
Paris. 

K.  ist  von  Aristoteles,  Plotin,  Leibniz,  Kant,  Schelling,  M.  de  Biran  u.  a. 
beeinflußt  und  lehrt  einen  „spiritualistischen  Realismus".  Er  ist  ein  Gegner 
des  Sensualismus  und  des  Positivismus.  Schon  in  der  Assoziation  der  Vor- 
stellungen wirkt  die  Vernunft  als  Einheitsprinzip,  der  „reine  Geist,  welcher 
ganz  Tätigkeit  und  eben  dadurch  vollendete  Einheit,  ganz  Dauer  und  Er- 
innerung ist,  der  immer  allem  und  sich  selbst  gegenwärtig  ist"  (Die  französ. 
Philos.,  S.  173 ;  vgl.  Bergson).  Das  oberste  A  priori  unseres  Geistes  ist  das 
„Bedürfnis  nach  Abgeschlossenheit  und  Vollendung".  Diesem  Bedürfnis  ent- 
springen die  Kategorien  (Ursache,  Ziel  usw.).  Durch  innere  Intuition  finden 
wir  in  uns  als  Triebfeder  des  ganzen  Seelenlebens  das  Denken  oder  die  . 
Tätigkeit,  welche  sich  aus  einem  Zustande  der  Zerstreutheit  wieder  sammelt 
und  durch  einen  Prozeß  der  Wiedervereinigung  zur  Einheil  eines  Bewußtseins 
aktuell  wird  als  ein  „schöpferisches  Prinzip". 

Die  Methode  der  Metaphysik  liegt  nun  ..in  dem  anmittelbaren  Bewußtsein, 
in  der  Reflexion  auf  uns  selbst  und  dadurch  auf  das  Absolute,  an  dem  wir 
Teil  hallen".  Nach  dem  Vorbild  unserer  inneren  Organisation  verstehen  wii 
alle  belebten  Dinge,  nämlich  als  Wesen  mit  einem  Prinzip  der  Selbsttätigkeit, 
ja  alle  Dinge,  denn  die  „Kraft"  isl  ein  Gegenstück  des  WoUens  and  Denk, 
ein  Analogem  unserer  Aktivität  and  Zielstrebigkeit      Nur  scheinbar  beherrscht 


582  Ravaisson-Mollien  —  Read. 

ein  not  wendiges  Verhängnis  die  Welt,  das  Wahre  ist  die  Spontaneität  und 
Freiheit.  Alles  beruht  auf  der  „Entfaltung  eines  Strebens  zur  Vollkommen- 
heit, zum  Guten  und  Schönen",  alles  gehorcht  mit  freiem  Willen  einer  gött- 
lichen Vorsehung.  „Alles  ist  gesetzlich  und  gleichförmig  und  doch  in  seinem 
tiefsten  Grunde  ein  Wollen."  In  Gott  ist  der  Wille  identisch  mit  der  Liebe. 
Im  Körper,  der  (wie  Leibniz  sagt)  ein  momentaner  Geist  ist,  ist  ein  unbewußtes 
Streben.  Die  Natur  ist  gleichsam  eine  „Refraktion  des  Geistes".  Alles  Sein 
ist  Denken  und  damit  Wille.  Die  Materie  ist  nur  die  tiefste  Stufe,  der 
„Schatten"  des  Seins.  Die  wahre  Existenz  ist  die  geistige:  sein  heißt  leben, 
leben  heißt  denken  und  wollen.  Die  Freiheit  ist  das  letzte  Prinzip  der  Dinge. 
Alles  endliche  Sein  ist  das  Resultat  einer  freien  Willensbestimmung,  durch 
welche  das  Absolute  seine  allmächtige  Wirkungsfähigkeit  beschränkt  hat. 

Schriften:  Essai  sur  la  metaphysique  d'Aristote,  1837 — 46.  —  De  l'habitude, 
1838;  auch  in  Kev.  de  m6t.  et  de  mor.,  1894.  —  Eapport  sur  le  stoicieme,  1851. 
—  La  Philosophie  en  France  au  XIXe  siecle,  1868;  3.  ed.  1889;  deutsch  1889  (Haupt- 
schrift). —  Morale  et  metaphysique,  Eev.  de  met.  et  de  mor.,  1893.  —  Testament 
philosophique,  1.  c,  1901.  —  Vgl.  BOUTROUX,  La  philos.  de  F.  ß.,  Rev.  de  met., 
1900.  —  BERGSON,  Notice  sur  la  vie  et  les  ceuvres  de  F.  B.,  in:  Sciences  et  trav. 
de  l'Acad.  des  scienc.  raoral.  et  polit.,  1904,  I. 

Raymundus  Lullus  s.  Lullus. 

Raymond  von  Sabunde,  geb.  in  Barcelona,  Arzt  und  Theolog,  Lehrer 
der  Theologie  in  Toulouse  (um  1430),  gest.  daselbst  1437. 

R.  nimmt  eine  Mittelstellung  zwischen  Scholastik  und  Mystik  ein.  Die  religiöse 
Offenbarung  und  die  Offenbarung  Gottes  in  der  Natur  stehen  miteinander  in  Ein- 
klang („Duo  videlicet  sunt  libri  nobis  dati  a  Deo,  liber  universitatis  creaturarum 
sive  liber  naturae  et  alius  liber  S.  cripturae").  Jedes  Geschöpf  ist  gleichsam  ein 
von  Gott  geschriebener  Buchstabe  („quaedam  littera  digito  Dei  scripta'').  Es 
gibt  nach  R.  vier  Stufen  von  Wesen:  die  bloß  seienden,  die  lebenden,  die 
empfindenden  und  die  vernünftigen  und  frei  wollenden  Wesen.  Die  sicherste 
Erkenntnis,  die  Wurzel  aller  andern  ist  die  Selbsterkenntnis.  Die  Existenz 
Gottes  sucht  R.  auf  verschiedene  Weise  zu  beweisen,  auch  durch  ein  mora- 
lisches Argument,  dem  zufolge  Gott  als  höchster  Richter  und  Vergelter 
existieren  muß.  Gott,  der  uns  liebt  und  von  uns  erkannt  werden  will,  zu 
lieben,  in  Gott  „hineinzuwachsen1',  ist  das  Höchste.  Gott  ist  allmächtig, 
kann  aber  nichts  anderes  wollen ,  als  was  ihm  ziemt  („nisi  quae  ipsum 
deceant"). 

Schriften:  Theologia  naturalis,  1487,  1496  u.  ö . ;  von  Montaigne  ins  Französische 
übersetzt,  1569;  1852.  —  De  natura  et  obligatione  hominis  dialogi,  1501,  1568  (Aus- 
zug aus  dem  Vorigen).  —  Vgl.  MONTAIGNE,  Essais  II,  12.  —  M.  HüTTLER,  Die 
Religionsphilosophie  des  ß.  v.  S.,  1851.  —  J.  SCHENDERLEIN,  Die  philos.  Ansichten 
des  B.  v.  S.,  1898. 

Read,  Carveth,  geb.  1848  in  Falmouth,  Prof.  in  London.  =  Von  J.  St. 
Mills  Logik  beeinflußt,  als  Metaphysiker  objektiver  Idealist,  nach  welchem  die 
Körper  Erscheinungen  bewußter  Wesen  sind. 


Read  —  Rehmke.  583 


Schriften:  On  the  Theory  of  Logic,  1878.  —  Logic,  1898;  3.  ed.  1906.  —  The 
Metaphysics  of  Nature,   1905;  2.  ed.   1908.  —  Natural  and  Social  Morals,  1909. 

Ree,  Paul,  geb.  1849  in  Bartelshagen,  gest.  1901,  gehörte  eine  Zeitlang 
zu  den  Freunden  Nietzsches. 

R.  leitet  die  Moral  utilitaristisch  ab.  Er  unterscheidet  in  der  Entwicklung 
der  Kultur  die  Periode  der  Rache,  die  der  Strafe  seitens  der  Gemeinschaft,  die 
der  Moral,  welche  Verbote  vorfindet,  deren  Sinn  nicht  mehr  bekannt  ist  und 
die  nun  um  ihrer  selbst  willen  gelten.  Das  Gewissen  ist  als  tadelndes  und 
lobendes  Bewußtsein  sozial  schädlicher  und  nützlicher,  verpönter  und  ge- 
billigter Handlungen  entstanden,  es  entspringt  aus  der  Autorität  sozialer  und 
religiöser  Mächte. 

Schriften:  Der  Ursprung  der  moralischen  Empfindungen,  1875.  —  Psycholog. 
Beobachtungen,  1875.  —  Die  Entstehung  des  Gewissens,  1885.  —  Die  Illusion  der 
Willensfreiheit,  1885.  —  Philosophie,  1903. 

Regis,  Pierre  Sylvain,  geb.  1632,  gest.  in  Paris  1707.  =  Kartesianer,  be- 
sonders in  physikalischer  Hinsicht. 

Schriften:  Cours  entier  de  la  philosophie,  1690,  1691.  —  L'usage  de  la  raison 
et  de  la  foi,  1704. 

Rehmke,  Johannes,  geb.  1848  in  Elmshorn,  Prof.  in  Greifswald. 

R.  steht  durch  seinen  erkenntnistheoretischen  Monismus  den  Ver- 
tretern der  , .immanenten  Philosophie''  (Schuppe  u.  a.)  nahe.  Er  ist  ein  Ver- 
treter des  objektiven  Idealismus  und  ein  Gegner  des  ,, Phänomenalis- 
mus'' im  Sinne  einer  die  Außendinge  zu  Erscheinungen  unbekannter  Wesen 
herabsetzenden  Lehre.  Es  gibt  vielmehr  nur  eine  Welt  des  Gegebenen,  und 
dieses  Gegebene  existiert,  unabhängig  von  jedem  Einzelsubjekt,  als  Inhalt  eines 
allumfassenden,  universalen,  göttlichen  Bewußtseins.  Die  „Grundwissenschaft-' 
setzt  nur  das  Gegebene  und  dessen  allgemeinste  Bestimmungen  voraus.  Die 
dualistische  Spaltung  der  Welt  in  zwei  Wirklichkeiten  absolut  verschiedener  Art 
ist  abzulehnen.  Es  gibt  nur  einerlei  Art  von  Sein  und  dieses  ist  Bewußt-Sein. 
Außen-  und  Innenwelt  gehören  untrennbar  zusammen,  sie  sind  Ab- 
straktionen aus  einer  einzigen  Welt,  beide  mit  gleicher  Unmittelbarkeit  und 
Gewißheit  gegeben.  Die  Wahrnehmungsinhalte  sind  nicht  Bilder  der  Dinge, 
sondern  selbst  die  Außendinge,  das  „Andere"  des  Ich;  sie  sind  aber  nicht  eins 
mit  den  momentanen  individuellen  Vorstellungen,  sondern  mit  den  begriff- 
lich bestimmten,  quantitativ  fixierten  Zusammenhängen,  welche  aber 
nicht  außerhalb  des  „Bewußtseins  überhaupt"  bestehen.  Außen-  und  Innen- 
welt, Nicht-Ich  und  Ich,  anschauliches  und  nichtanschauliches  Sein,  sind  In- 
halt der  Seele,  welche  letztere,  ohne  selbst  ein  Ding  zu  sein,  die  Dinge 
„hat",  unmittelbar  von  ihnen  weiß.  Die  Außenwelt  steht  also  wohl  dem  ein- 
zelnen Ich,  nicht  aber  der  Seele  überhaupt  gegenüber.  Außenwelt  und  Innen- 
welt sind  „die  beiden  abstrakten  Stücke  einer  Welt,  welche  die  Seele  hat". 
Das  Sein  der  Seele  ist  dadurch  bedingt,  daß  sie  eine  Welt  hat,  welche  teils 
an-  Dingen,  teils  aus  Vorgestelltem,  sowie  Gefühlen  und  Strebungen  besteht. 
Das    Ding  ist  die   „Einheit   von    Dingaugenblicken   im   Nacheinander".     Raum 


584  Rehmke. 

und  Zeit  sind  Bestandteile  der  Dinge  selbst.  Die  Dinge  stehen  in  Wechsel- 
wirkung miteinander,  sind  Glieder  eines  Wirkungszusammenhanges.  Jede 
Veränderung  ist  nur  der  Wechsel  von  „Besonderheiten"  einer  „Bestimmt- 
heit" des  veränderlichen  Einzelwesens,  nicht  Auftreten  neuer  Bestimmtheiten 
(„Satz  der  Veränderung"). 

Die  Seele  kann  eine  Welt  nur  haben,  weil  sie  immateriell,  kein 
„Ding",  keine  Substanz  ist,  sondern  „konkretes  Bewußtsein".  Als  immaterielles 
Einzelwesen  ist  sie  unräumlich,  sie  ist  nicht  irgendwo.  Unter  den  Dingen  ist 
eines  besonders  eng  mit  ihr  verbunden,  es  ist  dies  ihr  Leib,  auf  den  sie  wirkt, 
wobei  aber  die  Wirkung  stets  nur  eine  (nicht  quantitative)  „qualitative  Ener- 
gieveränderung" ist.  (Weder  Parallelismus  noch  „Wechselwirkung",  sondern 
„einfacher  ursächlicher  Zusammenhang"  zwischen  Seele  und  Leib;  „Wirken 
des  Leibes  auf  die  Seele  und  Wirken  der  Seele  auf  den  Leib".)  Individuell 
ist  die  Seele  durch  ihre  Bestimmtheiten,  Besonderheiten  und  in  Beziehung  zu 
ihrem  Leib;  ihrem  Gattungswesen  nach  ist  sie  identisch  mit  den  anderen  Seelen. 
Das  Bewußtseinssubjekt  ist  ursprünglich,  einzig,  ewig  unveränderlich,  über- 
räumlich und  überzeitlich,  in  allen  identisch,  es  ist  das  „einheitstiftende 
Moment  des  Augenblicks-Bewußtseins",  das  „Grundmoment"  des  Bewußtseins, 
während  die  übrigen  Momente  (Empfindungen,  Vorstellungen,  Gefühle  usw.) 
„Bestimmtheitsbesonderheiten"  des  Bewußtseins  (nicht  selbständige  psychische 
„Vorgänge")  darstellen.  Das  Bewußtsein  ist  weder  eine  Eigenschaft  der 
Vorstellungen,  noch  eine  Tätigkeit  des  Geistes,  noch  das  Gemeinsame  der 
psychischen  Erlebnisse;  B.  ist  kein  Gattungs-  sondern  ein  Beziehungsbegriff, 
ein  Ausdruck  für  das  Verhältnis  der  Inhalte  zur  Seele,  bzw.  für  diese  selbst, 
also  dann  identisch  mit  „Geist".  „Seele"  ist  dann  „ein  Bewußtsein,  das  in 
stetiger  Wirkenseinheit  mit  einem  Leibe  sich  findet".  Ein  „unbewußter  Geist" 
ist  ein  Widerspruch.  Außer  dem  „gegenständlichen"  ist  die  Seele  zugleich 
immer  „zuständliches"  Bewußtsein,  nämlich  „Fühlen".  Das  Gefühl  ist  eine 
Bestimmtheitsbesonderheit  des  Fühlens  (Lust  und  Unlust).  Gefühle  werden 
vom  „Gegenständlichen",  auch  von  Körperempfindungen  begleitet;  die  Inten- 
sität letzterer  ist.  bei  den  Affekten  groß.  Der  Gemütszustand  ist  die 
„augenblickliche  Beschaffenheit  der  Seele,  die  sich  als  das  Zusammen  von  be- 
sonderem Gefühl  und  besonderem  Gegenständlichen  erweist".  Ein  „ursäch- 
liches" Bewußtsein  ist  das  Wissen  um  die  Bedingtheit  von  Erlebnissen  durch 
die  wollende  Seele,  ohne  daß  aber  das  „Bewußtsein"  selbst  eine  Tätigkeit  ist 
oder  gar  selbst  entstehen  kann.  Das  Wollen  ist  der  Kern  des  Seelenindivi- 
duums, es  ist  eine  besondere  Bewußtseinsbestimmtheit  neben  der  gegenständ- 
lichen und  zuständlichen  (Gefühl).  Die  „wirkende  Augenblickseinheit  der 
Seele"  ist  immer  ein  Wille.  Das  Denken  ist  nicht  mit  dem  Denkwillen  zu 
verwechseln,  es  ist  keine  „Tätigkeit".  Denken  ist,  psychologisch,  Unterscheiden 
und  Vereinen,  logisch  „Bestimmen".  Urteilen  heißt,  über  Gegebenes  ent- 
scheiden,  „Gegebenes  durch  Gegebenes  bestimmen  oder  begreifen".  Begriffe 
gibt  es  nur  im  Urteil,  als  Allgemeines,  wodurch  ein  konkretes  Gegebenes  be- 
stimmt wird. 

Triften:  Philosophie  des  Weltschmerzes,  1876.  —  Die  Welt  als  Wahrnehmung 


Eehmke  —  Eeid.  585 


nnd  Begriff',  1880.  —  Der  Pessimismus  und  die  Sittenlehre,  1882.  —  Physiologie  und 
Kantianismus,  1883.  —  Unsere  Gewißheit  von  der  Außenwelt,  1894.  —  Lehrbuch  der 
allgemeinen  Psychologie,  1894;  2.  A.  1905.  —  Grundriß  der  Geschichte  der  Philo- 
sophie, 1896.  —  Zur  Lehre  vom  Gemüt,  1897;  2.  A.  1911.  —  Außenwelt,  Innenwelt, 
Leib  und  Seele,  1898.  —  Trieb  und  "Wille  im  menschlichen  Handeln,  1899.  —  Die 
Seele  des  Menschen,  1902;  2.  A.  1905.  —  Wechselwirkung  oder  Parallelismus,  1902 
(Haym-Festschrift).  —  Philosophie  als  Grundwissenschaft,  1910. 

Reich.  Emil,  geb.  1864  in  Koritschan  (Mähren),  Prof.  in  Wien.  =  E. 
ist  in  erster  Linie  Ästhetiker;  er  betont  die  soziologische  Betrachtungsweise 
des  Ästhetischen  und  der  Kunst,  die  soziale  Bedingtheit  und  Wirksamkeit  der 
letzteren.    Er  ist  ein  Gegner  des  ,,1'art  pour  l'art"-Prinzipes. 

Schriften:  Schopenhauer  als  Philosoph  der  Tragödie,  1888.  —  Gravina,  1890. 
—  Grillparzers  Kunstphilos.,  1890;  G.s  Dramen,  6.  A.  1908.  —  H.  Ibsens  Dramen, 
6.  A.   1908.  —   Kunst   und  Moral,   1901.  —  Aus  Leben  und  Dichtung,  1911,  u.  a. 

Reichliii-Melflegg,  Karl  Alexander,  geb.  1801,  Prof.  in  Heidelberg, 
gest.  1877.  =  Besonders  von  Kant  beeinflußt. 

Schriften:  Psychologie,  1837 — 38.  —  System  der  Logik,  1870.  —  Das  Leben 
eines  ehemaligen  römisch-katholischen  Priesters,   1874  (Selbstbiographie). 

Reid.  Thomas,  geb.  1710  in  Strachan  (Schottland),  studierte  Theologie, 
war  eine  Zeitlang  Pfarrer,  1752 — 63  Prof.  in  Aberdeen,  1763 — 87  in  Glasgow, 
gest.  1796. 

E.  ist  der  Hauptvertreter  der  „ Schottischen  Schule".  Von  Locke,  Berkeley 
und  Hume  in  manchem  beeinflußt,  bekämpft  er  den  Empirismus  des  ersteren, 
den  Immaterialismus  (Idealismus)  des,  zweiten  und  den  Skeptizismus  des 
dritten  und  stellt  dem  allen  ein  System  des  theoretisch-praktischen  Intuitio- 
nismus gegenüber,  dem  gemäß  durch  innere  Erfahrung  das  Allgemeingültige 
und  Denknotwendige,  wie  es  sich  schon  im  gesunden  Menschenver- 
stand, im  „Common  sense"  findet,  aufgesucht  wird.  Damit  verbindet  E. 
und  die  schottische  Schule  überhaupt  eine  „Vermögenspsychologie"  nebst  einer 
Analyse  der  inneren  Erfahrung. 

Gemäß  dem  rationalistischen  Intuitionismus  E.s  gibt  es  allgemein- 
gültige Prinzipien  des  gesunden  Menschenverstandes  („principles  of  com- 
mon sense"),  die  den  Wert  sicherer  Axiome,  sclbst-evidenter  Wahrheiten 
(„self-evident  truths")  haben,  die  also  feste  Grundlagen  alles  Erkennens 
und  Handelns,  nicht  aus  der  Erfahrung  abzuleiten  und  auch  nicht  zu  be- 
zweifeln sind.  Diese  Wahrheiten  sind  unbeweisbar,  bedürfen  keines  Beweises, 
leuchten  allgemein  und  unmittelbar  ein,  sind  streng  notwendig,  ihr  Gegenteil 
ist  undenkbar.  Daß  sie  nicht  aus  der  Erfahrung  stammen,  begründet  B.  (wie 
später  Kant)  durch  den  Hinweis  darauf,  daß  die  Erfahrung  uns  nicht  sagt, 
was  notwendig  ist  („experience  informs  us  only  of  what  is,  or  has  been,  not 
of  what  must  be").  Auf  ersten  Prinzipien  („first  principles")  beruht  alles 
Denken.  Die  Gültigkeit  dieser  Grundsätze  hat  ihren  Grund  darin,  daß  wir 
kraft  unserer  ,, Natur"  genötigt  sind,  sie  anzuerkennen,  ihnen  Glauben 
(„belief")  zu  schenken  (,.that,  by  the  Constitution  of  our  nature,  we  are  under 
a  necessity  of  assenting  to  thenri. 


580  Reid  —  Reimarus. 


Zweierlei  (theoretische)  Prinzipien  unterscheidet  R. :  1.  Axiome  der  not- 
wendigen Wahrheiten,  d.  h.  metaphysische,  mathematische,  logische,  ethische, 
ästhetische  Axiome.  Metaphysische  Prinzipien  sind  der  Satz  der  (materiellen 
und  immateriellen)  Substanz  („that  the  qualities  which  we  perceive  by  our 
senses  must  have  a  subject,  which  we  call  body,  and  that  the  thonghts  we 
are  conscious  of,  must  have  a  subject,  which  we  call  mind")  und  der  Satz  der 
Kausalität  („that  whatever  begins  to  exist,  must  have  a  cause  which  pro- 
duced  it").  2.  Axiome  der  zufälligen  (kontingenten)  oder  Tatsachen-Wahr- 
heiten. Zu  diesen  (zwölf)  Prinzipien  gehört  der  Satz,  daß  ich  existiere,  da  ich 
denke,  daß  das  Erinnerte  wirklich  war,  daß  die  Gegenstände  der  Wahrnehmung 
existieren,  daß  wir  über  unsere  Handlungen  eine  gewisse  Macht  haben,  usw. 
Endlich  gibt  es  praktisch-sittliche  Axiome. 

Die  Ansicht  (Lockes  u.  a.),  daß  uns  nicht  die  Dinge  selbst,  sondern  nur 
deren  Vorstellungen  gegeben  seien  (das  „ideal  System"),  bekämpft  R.  Die 
Dinge  nehmen  wir  unmittelbar  wahr,  wir  sind  von  ihrer  Existenz  unmittelbar 
überzeugt ;  die  Wahrnehmung  enthält  schon  ein  (Existential-)Urteil ,  einen 
„Glauben"  (belief).  Unsere  Wahrnehmungen  sind  auf  Gegenstände  außer  uns 
gerichtet  („perceptions  have  always  an  external  object").  Wir  beziehen  un- 
mittelbar unsere  Sinnesempfindungen  auf  die  (primären)  Qualitäten  der  Dinge, 
iils  Wirkungen  dieser,  wobei  die  Empfindungen  Zeichen  der  objektiven  Qua- 
litäten sind.  Die  Seele  ist  nach  R.  immateriell;  ihre  Vermögen  („powers") 
sind  Verstandes-  und  Willensfähigkeiten. 

Schriften:  Inquiry  into  the  Human  Mind,  1764;  deutsch  1782.  —  On  the  in- 
tellectual  Powers  of  Man,  1785.  —  On  the  Active  Powers  of  Man,  1788  (beide  zusammen 
unter  dem  Titel:  Essay  on  the  Powers  of  the  Human  Mind).  —  Works,  1804,  1827, 
1863,   1828—36  (franz.  hrsg.  von  Royer-Collard). 

Reiff,  Jacob  Friedrich,  geb.  1810,  Prof.  in  Tübingen,  gest.  1879.  =  Von 
Hegel  und  (später)  von  Fichte  beeinflußt.     Theist. 

Schriften:  Der  Anfang  der  Philos.,  1841.  —  Das  System  der  Willensbestim- 
mungen.  1842.  —  Über  einige  Punkte  d.  Philos.,  1843. 

Reimarns,  Hermann  Samuel,  geb.  1694  in  Hamburg,  seit  1727  Gym- 
nasialprof.  in  Hamburg,  gest.  daselbst  1768. 

R.  ist  ein  Aufklärer  und  Deist,  der  von  Spinoza,  den  englischen  Deisten 
und  wesentlich  von  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie  beeinflußt  ist.  Aller- 
dings nimmt  er  keine  prästabilierte  Harmonie,  sondern  eine  Wechselwirkung 
zwischen  den  Dingen  und  zwischen  Leib  und  Seele  an.  Die  Seele  ist  als  ein 
einfaches  Wesen  unsterblich.  Den  Materialismus  und  Atheismus  bekämpft  R. 
Die  Existenz  Gottes  erhellt  durch  seine  Offenbarung  in  der  Natur,  aus  der 
durr-hgehenden  Zweckmäßigkeit  der  Welt  und  aus  ihrer  „Kontingenz" 
(Zufälligkeit).  Im  Kleinsten  waltet  die  göttliche  Vorsehung,  welche  von  An- 
fang an  die  Welt  erfüllt.  Die  Schöpfung  der  Welt  ist  das  einzige  Wunder, 
anderer  bedarf  es  nicht.  So  bekämpft  R.  zugunsten  der  „natürlichen"  Ver- 
nunft-Religion den  Wunderglauben  der  positiven  Offenbarungs-Religion,  mit 
^•harter  Kritik  der  biblischen  Schriften. 


RkTMARUB   —  RSOTHOL]  . 

Schriften:     AbLandlungen     von     den     vornelimsU-n     Wahrheiten     <!er     natürlichen 
Keligionen,  1754;  C.  A.   1791.    —    VernunftleLre,   1756;    5.   A.    1790.   —   B  ^en 

über  die  Kunsttriebe  der  Tiere,  1762;  4.  A.  1798  (gehört  zu  den  Anfügen  einer 
brauchbaren  Tierpsychologie).  —  Apologie  oder  Schutzbrief  für  die  vernünftigen  Ver- 
ehrer Gottes,  1767  beendigt,  erst  1814  von  R.s  Sohn  der  Hamburger  Bibliothek  als 
Manuskript    übergeben,     nachdem    Lessing     1774 — 1777    Teile    daraus    unter  |  itel 

..NVolftenbüttler   Fragmente    eines    Ungenannten"    vernrtentlicht    hatte.    —    Vgl.   D.    ] 
Straf—,  H.  S.  Reimarus,  1862;    2.  A.   1877.    —     I:.  SCHETTLER,    Die   -  des 

Philosophen  R.  zur  Religion,   19» »4. 

Roimarn*.  J.  A.  EL,  Sohn  des  Vorigen,  geb.  1729  in  Hamburg,    1 
daselbst,  gest.  1814  in  Ranzau. 

Schriften:    Über   die   Gründe   der   menschlichen    Erkenntnis   und   der   natürlichen 
Religion,  1787.   —   Betrachtungen   über  die  Unmögl.  körperl.  Gedächtniseindrikke.    1  ' 
(Göttin^er  „Magazin  für  Wissenschaften  und  Literatur"). 

Kein.   Wilhelm,    j_r»l>.  Is47  in  Eisenach,    Prot,  in  Jena.    Herausgeber  <1«t 
^^Zeitschrift  für  Philosophie  und  Pädagogik".  =  Von  Herbari  beeinflußt, 

-    triften:    Pädagogik  im  Grundriß,   1890;   2.   A.   1903.    —    Pädagogik  in  system. 
Darstellung,  1902.  —  Grundriß  der  Ethik,   1902.  —  Enzyklop.  Handbuch  de-  rik, 

2.  A..  10  Bde.,  1904  it..  n.  a. 

Reinliold.   Ernst,   geb.    1793   in   Jena   als   Sohn   K.  L  Reinholds, 
Prof.  in  Jena,  gest.  daselbst   LS 

\\.  steh!   wesentlich   auf  dem    Boden  der  Kantschen  Philosophie,  ist   aber 
auch  von  anderen    Denkern    beeinflußt.     Er  vertritt    einen    „Ideal-Realismus" 
und    ..-]>fkulativrii   Theismus".     Die   Philosophie   bestimmt  er  als  „die  wies* 
schaftliche   Entwicklung   des   organisch  verbundenen  Ganzen  der  wesentlichen, 
zufolge  des  Wesens  der  Bfenschheit   Btreng  notwendigen  und   allgemeinen  I 
kenntnisbegriffe   der   menschlichen    Intelligenz".      Dies«    Begriffe   erfassen 
objektiv  Notwendige  und  Allgemeine  und  die  Einheil  des  Weltganzen   und 
Weltgrundes.     Es  sind  „Uiirversalbegriffe".     Das  Philosophieren  ist  das  Streben 
oach  einer  „wissenschaftlichen,  systematischen  Ausbildung  der  Erkenntnis  aller 
für  d;i>  menschliche  Bewußtsein  als  solches  schlechthin  aotwendigen  and  allf 
meingültigen   Wahrheiten".      Die  „transzendentale  Forschung4'  gehl  in  Anw 
dun--  des  analytischen   oder  i  Weges  von  der  Beobachtung  der    I 

oeu  des  Bewußtseins   zurück    zu   dm    Bedingungen   dieser,   so  d 

aotwendigen    .Moni,  nie   und   Gesetze    i\< ■-    allgemeinen    Kntfalhi  _e-   un-< 

Intelligenz1'  enthüllt    I>i<-  synthetisch-progressive  Methode  tührt  zur  Erklärt] 
der    Dinge   aus   den   allgemeinen    Gründen,    Verhältnissen    und   Gesetzen  d 
selben.     Es  ist  ferner  auch  zu  zeigen,    „daß  in  dn  Ordnung   des   Weltalls  die 
cu  .        i    Stimmungen  des  göttlichen  allbewußt      Di    •      -  and  allverraögenden 
\\    '  »eh   auasprechen    und  daß  die  Totalität  d«  Weltalls  in  d      I 

tphare  des  lebendigen   und   persönlichen    Urwi  enthalten    iat".      I1 

tische    Philosophie    leite!    die    Normen   der  Geninnung  und  de«   Handelns 

aniversellen    Ordnung    dei    U  und   Zwecke  dei   W 

leitet    „aus   den   lel  Gründen  des  Seins  und  aus  dem  ergründeten  w 

der  menschliehen   Nntui  di<    idealen  Gnu  i      litliehkeit,  der  Sittli 


588  Eeinhold. 


keit  und  der  Eeligiosität  ab".  —  Die  menschliche  Seele  ist  nach  R.  unsterb- 
lich und  besitzt  einen  feineren  Organismus ,  der  von  den  Erdenbanden  frei 
wird.  Alles  Wirken  und  Leiden  in  der  Welt  wird  durch  die  „ideale  Bedeutung 
des  Zweckmäßigen  oder,  was  dasselbe  sagt,  des  in  der  Welt  darzustellenden 
Guten''  geleitet  und  bestimmt.  —  Die  allgemeine  logische  Form  des  Denkens 
ist  das  Urteil,  das  „Unterscheiden  und  Verknüpfen  einer  subjizierten  und 
einer  prädizierten  Vorstellung".  Begriffe  sind  Bestandteile  des  Urteils,  die 
„möglichen  Subjekte  erst  noch  zu  fällender  Urteile".  Ein  Urteil  ist  schon 
in  der  Wahrnehmung  enthalten.  —  Das  oberste  praktische  Vernunft- 
ideal ist  die  Idee  der  „harmonischen  Ausbildung  des  geistigen  Lebens  der 
Menschheit". 

Schriften:  Versuch  einer  Begründung  und  neuen  Darstellung  der  logischen  Formen, 
1819.  —  Erkenntnis-  und  Denklehre,  1825.  —  Die  Logik  oder  allgemeine  Denkforraen- 
lehre,  1826.  —  Handbuch  der  allgemeinen  Geschichte  der  Philosophie  für  alle  wissen- 
schaftlich Gebildete,  1828  —  1830;  5.  A.  1858.  —  Theorie  des  menschlichen  Erkenntnis- 
vermögens und  Metaphysik,  1832,  1834.  —  Lehrbuch  der  philosophisch-propädeutischen 
Psychologie  und  der  formalen  Logik,  1835.  —  Die  Wissenschaften  der  praktischen 
Philosophie  im  Grundrisse,  1837.  —  Grundzüge  des  Systems  der  Erkenntnislehre  und 
Denklehre,  1843.  —  Geschichte  der  Philosophie  nach  den  Hauptmomenten  ihrer  Ent- 
wicklung, 1836  ff.  —  Das  Wesen  der  Keligion  und  sein  Ausdruck  im  evangelischen 
Christentume,  1846. 

Roiiiliold.  Karl  Leonhard,  geb.  1758  in  Wien,  bei  den  Jesuiten  er- 
zogen, studierte  Theologie  und  Philosophie,  Lehrer  am  Barnabitenkollegium  in 
Wien,  ging  1783  nach  Leipzig,  1784  nach  Weimar,  wo  er  Mitarbeiter  am 
„Deutschen  Merkur"  und  Wielands  Freund,  später  auch  dessen  Schwiegersohn 
wurde.  Er  studierte  eifrig  Kant  (seit  1785)  und  trat  aufs  eifrigste  für  die 
Kantsche  Philosophie  ein,  die  er,  1787  Prof.  in  Jena  geworden,  daselbst  zur 
Herrschaft  brachte.     1793  wurde  er  Prof.  in  Kiel,  wo  er  1823  starb. 

R.,  eine  sehr  bewegliche  Denkernatur,  will  die  Kantsche  Lehre  von  der 
Unerkennbarkeit  des  Dinges  an  sich  usw.  auf  eine  ganz  sichere  Basis  stellen 
und  zugleich  die  gemeinsame  Wurzel  von  Sinnlichkeit  und  Verstand  suchen. 
Die  „Elementarphilosophie"  findet  den  obersten,  absolut  gewissen,  die  Grund- 
lage aller  anderen  philosophischen  Erkenntnis  bildenden  Grundsatz  im  „Satz 
des  Bewußtseins",  die  Grundbedingung  alles  Erkennens  im  „Vorstellungsver- 
mögen".  Das  Bewußtsein  besteht  im  „Bezogenwerden  der  bloßen  Vor- 
stellung auf  das  Objekt  und  Subjekt",  und  der  fundamentale  „Satz  des 
Bewußtseins"  lautet:  „Im  Bewußtsein  wird  die  Vorstellung  vom  Vorstellenden 
und  Vorgestellten  unterschieden  und  auf  beides  bezogen."  Daß  Vorstel- 
lungen existieren,  daß  vorgestellt  wird,  ist  das  Sicherste,  Allgemeinste  der 
Erkenntnis.  Vorstellen  heißt  aber,  „einen  Stoff  zur  Vorstellung  empfangen 
(nicht  geben)  und  ihm  die  Form  der  Vorstellung  erteilen".  Die  Vorstellung 
enthält  also  Stoff  und  Form,  ersteren  als  das  gegebene  Mannigfaltige, 
letztere  als  die  einheitliche  Synthese  des  Mannigfaltigen  durch  das  Subjekt. 
Formen  der  Vorstellung  sind  vor  jeder  Einzelvorstellung  im  Subjekt 
nclf.t:     sie    sind    a    priori,     sofern    sie    „notwendige   Bestandteile   jeder 


Reixhold  —  Beutele. 


Vorstellung    sind,    die,    als   Vermögen,    vor  aller   Vorstellung  im  erkennenden 
Subjekte  anzutreffen  sind".      Die  Vorstellungen    dieser    apriorischen    Formen 
Bind  erat  aus  ihnen  gewonnen.     Den    apriorischen    Formen    entspricht    als    1 
dingung  der  Zeit- und  Raumanschauung  das  Mannigfaltige  als  „Stofi  a  priori". 

Die  Kategorien  sind  „bestimmte  Formen  der  Zusammenfassung  in  objektiver 
Einheit1',  sie  beruhen  auf  „Handlungsweisen  des  Verstandes".  Die  Vor- 
stellung des  Gegenstandes  entsteht  durch  Verbindung  des  in  der  An- 
Behauung vorkommenden  Mannigfaltigen.  Die  Vorstellung  kann  nicht  ganz 
auf  das  Subjekt  bezogen  werden,  weil  etwas  in  ihr  vorkommt,  das  nicht  durch 
die  Handlungen  des  Bewußtseins  entstanden  ist.  Subjekt  ist  „das,  was  Bich 
bewußt  ist*'.     Unbewußte  Vorstellungen  gibt  es  nicht. 

Später  wandte  sich  II.  nacheinander   den   Anschauungen  Ficht  es,    Bardilis, 
Jacobis  zu. 

Schriften:  Briefe  über  die  Kantsche  Philosophie,  1786  —  87  (im  „Deutschen 
Merkur"),  2.  A.  1790 — 92.  —  Versuch  einer  neuen  Theorie  des  menschlichen  Vor- 
stellungsvermögens,  1789  (Hauptwerk).  —  Beiträge  zur  Berichtigung  bisheriger  Mißver- 
ständnisse der  Philosophie,  1790 — 94.  —  Über  das  Fundament  des  philos.  Wissens, 
1791.  —  Auswahl  vermischter  Schriften,  1796  (Wendung  zu  Pichte).  —  Beiträge  zur 
leichteren  Übersicht  des  Zustandes  der  Philosophie,  1801  (mit  Bardili).  —  Grundlegung 
einer  Synonymik  für  den  allgemeinen  Sprachgebrauch  in  den  philos.  Wissenschaften, 
1812  (Wendung  zu  Jacobi).  —  Menschliches  Erkenntnisvermögen  aus  dem  Gesichts- 
punkt des  durch  die  Wortsprache  vermittelten  Zusammenhangs  zwischen  der  Sinnlichkeit 
und  dem  Denkvermögen,  1816.  —  Die  alte  Frage,  was  ist  Wahrheit.-  1820.  —  Vgl. 
R.s  Leben  und  literarisches  Wirken,  nebst  einer  Auswahl  von  Briefen  Kant?,  Pi<  I 
Jacobis  u.  a.  an  ihn,  1825. 

Reiniiij^er,  Robert,  geb.  1864  in  Linz,  Privatdozent  in  Wien.  =  Kritbristischer 
Standpunkt  Nach  EL  ist  in  Kants  Lehre  vom  inneren  Sinn  das  gemeint,  was 
das  Bewußtsein  von  innen  affiziert,  die  Tätigkeit  der  Seele,  von  der  wir  sinn- 
liche Abbilder  in  der  Zeit  bekommen.  Dadurch,  daß  nach  Kant  die  Zeit- 
anschauung  zugleich  die  Form  des  inneren  und  äußeren  Sinnes  ist.  wird  dir 
Vorstellung  der  Körper  zm  Modifikation  (\r<  inneren  sinne-  und  der  trans- 
zendentale geht  in  den  empirischen  [dealismus  aber.  In  Wahrheit  ist  aber  die 
Zeitordnung  der  objektiven  Erscheinungen  unabhängig  von  der  Subjektivität 
-  inneren  Sinnes,  vom  empirische]]  Ech  und  dessen  subjektiver  Zeitform. 
Die  Kausalität  hat  in  der  inneren  Erfahrung  des  wirkenden  Wbllens  ihr 
Urbild. 

8<  hriften:     Kants    Lohro    vom    inneren    Sinn.     1900.    —    Dil    R 
Hunie.    Kantstinlion   VI,   1901.  —  Philosophie  ddi    Erkennen»,    1911. 

lieinke,  Johannes,  geb.  L849  in  Ziethen,  Prof.  der  Botanik  in  Kiel 
l;..  ein  heftigei  Gregner  des  naturalistischen  Monismus,  neigt  zum  Dualismus 
und  Theismus  und  ist  als  Naturphilosoph  Vitalist  Bin  Gegner  der  Selek- 
tionstheorie, ist  EL  doch  Evolutionist,  faßt  aber  die  Entwicklung  teleologisch 
auf  und  lehrt  eine  Erschaffung  der  organischen  Elemente  durch  Gott  D 
w.-it  igt  ihrem  Prinzip  nach  „Tat",  Produkt  « 1  •  - 1  B  erkrafl  einer  göttlichen 
Intelligenz        '  -     ibol    füi    di<    „Summe  jener  intelligenten  und 


590  Reinke  —  Renan. 


gestaltenden  Kräfte,  die  transzendent  und  immanent  zugleich  sind,  aus  der 
Transzendenz  die  Immanenz  erzeugend".  Außer  den  Energien  gibt  es  in  den 
Organismen  „Dominanten",  d.  h.  richtende  Triebkräfte,  welche  eine  Art  Beseelung, 
Durchgeistigung  der  materiellen  Substanz  bewirken.  Es  gibt  „Arbeits-"  und 
„Gestaltungsdominanten".  Sie  sind  „überenergetische"  Richtkräfte,  die  bilden- 
den, aufbauenden  Kräfte  des  Organismus,  in  welchem  es  außerdem  die  von  der 
Struktur  abhängigen  „Systemkräfte"  („Formkräfte")  und  endlich  die  „Seelen- 
kräfte" gibt.  Die  Dominanten,  wie  die  anderen  nichtenergetischen  Kräfte, 
leisten  keine  mechanische  Arbeit,  sondern  lenken  und  beherrschen  den  Energie- 
strom im  Organismus.  Die  Dominanten  sind  „formgebende,  gestaltbildende 
Kräfte,  die  innerhalb  des  Organismus  wirksam  sind  und  ...  in  ihrer  Wirk- 
samkeit nur  mit  der  des  Technikers  oder  Künstlers  verglichen  werden  können". 
Die  Finalität  ist  nach  R.  ein  Denk-  und  Seinsprinzip,  so  daß  es  (wie  nach 
v.  Baer  u.  a.)  eine  Zielstrebigkeit  gibt.  Seele  und  Leib  stehen  in  Wechsel- 
wirkung. 

Schriften:  Morpholog.  Abhandlungen,  1872.  —  Lehrbuch  der  Botanik,  1880.  — 
Die  Welt  als  Tat,  1899;  4.  A.  1905.  —  Einleitung  in  die  theoret.  Biologie,  1901.  — 
Philosophie  der  Botanik,  1905.  —  Die  Natur  und  Wir,  1907.  —  Haeckels  Monismus 
und  seine  Freunde,  1907.  —  Naturwissenschaft!.  Vorträge,  1908.  —  Neues  vom  Haecke- 
Hsmus,  1908.  —  Bousseaus  Glaubensbekenntnis  des  savoyischen  Vikars,  1908,  u.  a.  — 
Vgl.  KOLTAN,  J.  B.s  dualist.  Weltansicht,  1908. 

Remigius,  ein  Mönch  aus  dem  Kloster  in  Auxerre,  später  in  Reims, 
dann  in  Paris  als  Lehrer  der  freien  Künste  tätig,  gest.  um  908.  —  Die 
Gattung  definiert  er,  im  Sinne  des  Begriffs-Realismus,  als  Komplex  der  Arten 
(„complexio,  id  est  collectio  et  comprehensio  multarum  formarum"). 

Schriften:  Kommentar  zu  Marcianus  Capella  (nach  Joh.  Scotus),  bei  Haur6au, 
Hist.  de  la  philos.  scolast.  I;  Notices  et  extraits  de  manuscrits  XX,  2. 

Remnsat,  de,  Charles  Francois  Maria,  1797 — 1875,  Paris,  war  184Ö 
Minister.  =  Von  Cousin  beeinflußt. 

Schriften:  Über  Abälard  (1845),  Anselm  (1854),  F.  Bacon  (1858),  Hobbes 
(1861),  u.  a.  —  Essais  de  philosophie,  1842.  —  De  la  philos.  allemande,  1845.  — 
Histoire  de  la  philos.  en  Angleterro  depuis  Bacon  jusqu'  ä  Locke,  1875. 

Renan,  Ernest,  geb.  1823  in  Treguier  (Bretagne),  studierte  Theologie, 
entfernte  sich  aber  vom  Katholizismus.  Er  erhielt  1851  eine  Stelle  in  der 
Pariser  Bibliotheque  Nationale,  1862  wurde  er  Prof.  des  Hebräischen  am  College 
de  France;  infolge  jener  Arbeiten  („Leben  Jesu"),  in  welchen  er  das  rein 
Menschliche  des  Christentums  und  der  Person  Jesu  betonte,  wurde  er  von 
klerikaler  Seite  angefeindet.    Er  starb  1892. 

R.j  dessen  Arbeiten  vor  allem  schriftstellerisch  hervorragend  sind,  ist  ein 
Positivist,  der  auch  vom   Idealismus  (Kant,  Schelling,  Hegel  u.  a.)  beeinflußt 

Eine  Metaphysik  hält  er  für  unmöglich  und  er  betont  die  Eelativität  der 
Erkenntnis.  Die  stetige  Entwicklung  der  Welt  aus  einfachen  Zuständen  führt 
schließlir-h    zum    Auftreten    des    menschlichen    Geistes,   wobei   R.  die   Zeit   als 

Fizienten,  als  Faktor  der  Entwicklung  auffaßt  und  einen  Trieb  zum  Leben 


Kenax  —  Bevouyieb.  591 


und  zur  Höherentwicklung   annimmt.     Das  Bedürfnis,  der  Trieb  gestall 

_an,    leitet    die    Entwicklung,    die    beim    Menschen   dem   Ideal   zustrebt;    die 
Idee  belebt  alles.     Gott  offenbart   sich  in  der  gi  schichtlichen  Entwick- 

lung, i<t  das  Ziel  derselben.     Die  ^eele  ist   keine   Bubstanz,   sie   lebl   in  ihren 

Wirkungen  fort.  „Das  menschliche  Leben  zeichnet  wie  eine  Zirkelspitze 
durch  seine  moralische  Kehrseite  eine  kleine  Furche  in  den  Schoß  der  Unend- 
lichkeit1'  ( vgl.    Fechner).     „In   dem    Gedächtnisse   Gottes    Bind   die    Menschen 

unsterblich. ••  Die  Ethik  K.s  ist  individualistisch-aristokratisch  (vgl.  Nietzsche). 
,,Der  Zweck,  den  die  Welt  verfolgt,  liegt  .  .  .  darin:  Götter,  höhere  Wesen  zu 
schaffen,  welchen  die  übrigen  bewußten  Wesen  Verehrung  erweisen,  und  denen 
zu  dienen  sie  glücklich  sein  sollen."  Der  Zweck  der  Menschheit  ist  die  ..Her- 
vorbringung großer  Männer".  Die  Blasse  arbeitet,  einige  erfüllen  für  sie  die 
höheren  Funktionen  des  Lebens. 

Schriften  (philosophische):  Averroee  et  l'Averroisme,  1852;  3.  ed.  löö'J.  — 
Essais  de  raorale  et  de  critique,  1859;  3.  M.  1867.  —  Questions  contemporaines,  1868. 
—  Dialogues  et  fragmenta  philosophiques,  1876;  deutsch  1877.  —  L'avenir  de  la 
tcience,  1890.  —  Examen  du  conscience  philos.,  Revue  des  deux  mondes,  1889.  —  Vgl. 
S.  PAWLICKI,  Leben  und  Schriften  R.s,  1894.  —  K.  PLATZHOFF,  E.  R.,  seine  Ent- 
wicklung und   Weltanschauung,  1900.  —  ALLIER,  La  philos.  d'  E.  R.,  2.  id.   1903. 

Reimer,  Hugo,  geb.  187G  in  Polkwitz,  lebt  in  Charlottenbnrg,  Herans- 
geber der  Philos.  Wochenschrift,  1900 — 08.  =  Kantianer. 

v  hriften:  lienekes  Erkenntnistheorie,  1902.  —  Das  Wesen  der  Philosophie  und 
der  Kultur,   1905.   —  Absolute,  kritische  und  relative  Philosophie,  u.  a. 

Renouvier,    Charles,    geb.    1.   Januar    1818   in    Montpellier,    Btudi< 
.Mathematik,  Philosophie,  Nationalökonomie,    vertrat   in  verschiedene!]  Schriften 
(Manuel  republicain  de  lliomme  el  «lu  citoyen,  1848;    Le  gouvernement  dir 

I    demokratische  Anschauungen  und  war  wissenschaftlich-publizistisch  täti:_r. 
Ki  starb  1.  September  1903  in  Prades. 

R.,  einer  der  bedeutendsten    französischen   Denker  des    19.  Jahrhundi 
ist  wesentlich  von  Kant,  aber  auch  von  Comte,   Eamilton,  Leibnil  u.  a.  beein- 
lluilt    und    vertritt    (zuersl  w<  s)   einen   phanomenalistischen    N"< 

kritizismus,  welcher  kein  Ding  an  sich,  kein  „Noumenon",  nur  Vorstellu 
zusammenhange,  «reiche  die  Objekte  selbst  Bind,  anerkennt  Hierin  und  in 
verschiedenen  anderen  Punkten  weicht  EL  von  Kanl  ab.  I  len  Erkenntnis 
hat  es  nur  mit  Erscheinungen,  mit  Bewußtseinsinhalten  zu  tun:  Objekt 
und  Subjekt  Bind  nur  zwei  Faktoren  rinn  einheitlichen  Wirklichkeit.  Ferner 
nur  mit  Relationen,  da  ein  Absolutes  undenkbar  i-t.  Der  Gedanke  < 
soluten    und   des    Unendlichen    als   Vollendet  imdurchruhrbar.      I 

thematisch    Unendliche   bezieht    sich   nur  aut  das  Mögliche,  ist  mir 
definite,   our  eine  Grenze.      Bin   realisien  udliches   ist  ein  Widerspruch. 

Nach  dem     i  dei  Quantität1'   ist  alles  als  unterschieden  eine  bestimn 

endliche  Zahl.     Das  Unendliche  liegt  nicht  im  Wirkliehen,  welches  endl 
Kaum  und  Zeit  als  indefinit  teilbar  sind  daher  nichts  Wirkliches,  Absolut 
um  Formen  des  Bewußtseins      In  den    Antinomien    B  ede    11: 

räumlich   und  seitlich  endlich  und  i-t  ihrem 


592  Rexouvier. 


nach  nichts  Notwendiges.  Die  Zeit  läuft  zwar  unbestimmt  weiter,  aber  es  hat 
einen  Anfang  der  Phänomene  gegeben.  Ebenso  eine  erste  Ursache,  ja  man 
nimmt  (wie  R.  zuerst  lehrt)  am  besten  mehrere  schöpferische  Ursachen  gött- 
licher Art  an,  die  vielleicht  von  einer  obersten  Kraft  beherrscht  werden  (eine 
Art  Polytheismus). 

Das  Seiende  besteht  nach  R.  aus  gesetzmäßigen  Relationen  von  (allge- 
meinen,  intersubjektiven)  Vorstellungsinhalten.  Alle  Dinge  (Körper  und 
Seelen)  sind  gesetzmäßige  Reihen  von  Phänomenen,  nicht  einfache,  absolute 
Wesenheiten.  Die  feste  Bestimmtheit  objektiver  Erfahrung  beruht  auf  aprio- 
rischen Denkformen,  den  Kategorien,  deren  R.  neun  Grundformen  an- 
nimmt: Relation,  Zahl,  Lage,  Sukzession,  Qualität,  Werden,  Kausalität,  Zweck, 
Persönlichkeit;  Raum  und  Zeit  sind  Besonderungen  der  Kategorien  der  Lage 
und  Sukzession.  Zu  jeder  Kategorie  gehört  eine  These,  Antithese,  Synthese 
(z.  B.  zur  Relation :  Unterscheidung,  Gleichsetzung,  Bestimmung ;  zur  Zahl : 
Einheit.  Mehrheit,  Gesamtheit).  Die  Kategorien  sind  nicht  aufeinander  zurück- 
führbar. Die  oberste  Kategorie  ist  die  der  Relation  ( —  die  Kategorien  sind 
„differents  modes  de  relation"  — ),  wobei  R.  noch  im  besonderen  statische  und 
dynamische  Relationen  (bzw.  Kategorien)  unterscheidet.  Alles  Erfahrbare 
unterliegt  den  Kategorien,  den  allgemeinen  Begriffen  allgemeiner  Beziehungen 
als  Grundlagen  der  Vorstellung  und  des  Denkens  („notions  abstraites  expri- 
mant  des  relations  d'ordre  general").  Jede  Kategorie  bedeutet  eine  gewisse 
Identität  und  eine  bestimmte  Differenz,  deren  Synthese  sie  ist. 

Die  Kausalität  als  Wirken  hat  ihr  Vorbild  in  dem  Verhältnis  von 
Wille  und  Bewegung.  Dieses  Verhältnis  übertragen  wir  auf  die  Objekte, 
welche  so  alle  zu  Kräften,  strebenden  Bewußtseinseinheiten  werden,  die  durch 
eine  Art  „prästabilierte  Harmonie"  miteinander  verbunden  sind.  Die  „Persön- 
lichkeit" im  weitem  Sinn  ist  eine  auf  alle  Wesen  sich  erstreckende  Kategorie, 
so  daß  R.  den  Personalismus  vertritt.  Dieser  wird  bei  ihm  später  zu  einer 
Monadologie,  nach  welcher  die  (aus  Kraftatomen  diskontinuierlich  zusam- 
mengesetzte) Materie  für  sich  selbst  eine  Summe  von  einfachen  Substanzen 
ohne  Teile,  ohne  Ausdehnung  und  Gestalt  ist.  Die  Monaden  haben  ein  Selbst- 
bewußtsein, sind  vorstellend  und  innerlich  tätig,  Prinzipien  ihres  eigenen 
Werdens.  Es  gibt  „dienende"  (monades  servantes)  und  zentrale,  herrschende 
Monaden.  Seele  ist  das  Gesetz  der  Persönlichkeit  in  der  Form  individueller 
Organisation. 

Die  Wirklichkeit  ist  eine  werdende,  sich  selbst  erzeugende  Ordnung,  in 
welcher  Zwecke  als  Ziele  des  Strebens  realisiert  werden,  so  daß  die  Ent- 
wicklung zielstrebig  ist.  In  der  Welt  der  Phänomene  selbst  herrscht  nach  R. 
(der  hierin  von  Lequier  beeinflußt  ist)    bei  aller   Gesetzlichkeit  der  Reihen  des 

hehens  Freiheit  als  Fähigkeit  des  Beginnens  neuer  Reihen.  Verschiedene 
Möglichkeiten  des  Geschehens  bestehen,  die  Wirkung  ist  in  der  Ursache  noch 
nicht  enthalten,  die  Zukunft  ist  durch  die  Vergangenheit  und  Gegenwart  nicht 
streng  determiniert  (vgl.  James).  Die  Freiheit  erleben  wir  in  unserem  eigenen 
Wollen,  Denken,  Glauben.  Wir  und  alle  höheren  Monaden  können  uns  frei 
zum    Handeln    bestimmen,    neue   Folgen   einleiten   („le  pouvoir  de  donner  des 


Rexouvier  —  Kethwi-(  h.  593 

commencements  a  des  series  de  phenomenes  relativement  et  partielieinent  inde% 
pendants  de  leur  propres  etats  antecedens").  Die  Freiheit  bewährt  sich  durch 
die  freie  Tat  selbst  und  ist  ein  ethisches  Postulat.  Im  Willen  motiviert  ßich 
die  Vorstellung  selbst  durch  freie  Wahl.  Der  Wille  selbst  enthält  dafl 
Moment  der  Zustimmung  (consentement),  er  ist  die  Funktion  der  Fixierung 
oder  Hemmung  der  Vorstellungen  im  Bewußtsein  („d'appeller  ou  de  maintenir 
dans  la  conscience,  ou  d'eloigner  de  la  conscience  les  idees  de  toute  natin 
Aber  auch  in  der  Natur  besteht  ein  gewisses  Maß  von  Freiheit .(contingence). 
Frei  ist  vor  allem  Gott,  der  Urgrund  der  Vorstellungen  und  Gesetze  ihrer 
Verbindungen,  in  seinem  Schatten,  welches  durch  die  Idee  des  Guten  und  der 
Gerechtigkeit  geleitet  wird.  Eine  Unsterblichkeit  ist  im  Sinne  eina 
Weiterentwicklung  der  psychischen  Kräfte  in  neuen  Organisationen,  also  al- 
eine Art  Metempsychose,  anzunehmen.  Die  Menschheit  hat  schon  in  gewissem 
Sinne  vor  ihrer  irdischen  Daseinsform  existiert.  Die  Welt  wurde  als  voll- 
kommener Organismus  geschaffen,  dessen  Elemente  freie  Wesen  waren.  Durch 
ihren  egoistischen  Kampf  miteinander  erfolgte  der  Abfall  von  Gott  und  ent- 
stand das  Übel,  das  Böse,  gegen  das  nun  die  Freiheit  des  sittlichen  Menschen 
h  wendet,  um  zur  einstigen  Solidarität  und  Einheit  zu  kommen  und 
{vielleicht  nicht  mehr  auf  Erden)  eine  neue,  vollkommene  Menschheit  zu 
erzeugen. 

Die  Ethik  R.>  ist  idealistisch.  Den  kategorischen  Imperativ  biegt  EL  in«* 
Soziale  um,  da  er  nach  ihm  nur  in  der  Gemeinschaft  zur  Geltung  kommt. 
Die  Pflicht  überhaupt  ist  etwas  absolut  Gültiges,  ihr  besonderer  Inhalt  aber 
sozial  und  historisch  bedingt.  Die  sittlichen  Begriffe  sind  rationale  Formen. 
feste  Normen  des  Handelns.  Die  Solidarität  der  Menschen  ist  eine  Bedingt 
ihrer  Personalität.  Tn  bezug  auf  den  geschichtlichen  Fortschritt  denkt 
R.  pessimistisch;  jener  findet  nur  partiell  und  nicht  notwendig  >tatt. 

Schriften:  Manuel  de  philosophie  moderne,   1842.   —    Manuel  de  philo»,  ancienne. 
1844.    —    Essais    de   critique    generale    (Hauptwerk),    1854  —  1864;    2.  ed.   1875—1896 
(Bd.  IV:  lntroduction  ä  la  philos.  de  l'histoire;    die   übrigen  Bände    enthalten  die  Lo^rik 
und  Erkenntnislehre,  die  Psychologie,  die  Naturphilosophie).   —   I.a  science  de   la  morale, 
1869;    2.  ed.    1908.    —    Uchronie,    l'utopie  dans  l'histoire.   1896;    2.  ed.    1901.    —    1-  - 
quisse    d'une    Classification    systematique    des    doctrines    philosophiques,    1885 — 86.   —     I 
philos.    analytique    de    l'histoire,    1896  —  97.    —    La  nouvello  Monadologie    (mit   I.     1 
1899.  —  Les  dilerames  de  la  Metaphys.  pure,   1900.  —  V.  Hugo,   le  philosophe,   1" 
—  Histoire  et  Solution  des  problemes  metaphys.,    1901.    —   Le  personnalisme,    1902.  — 
D.rniers    entretiens,     1905.     —     Abhandlungen   in   der   „Aun.'e   philos":     1868    (L'infini), 
1890.   1891,   1895  (Doute  ou  croyance),   1896,   1897   i  De  Lids«  de   Diso),    1898  (Prin.  ije 
de  relativite),   1899  (La  personnalite).  —    Abhandlungen   in  der  von    K      ls7'_'— 89)  her- 
ausgegebenen   „Critique    philosophique"     unter    dem    Titel.     Les    labyrinthe*    de    la  meta- 
l'l.ysique    (1874—84).    —     Vgl.     M.    A--iii.li,    K. ,     I  9tnd      IXU       — 

JaXSSENB,    La    N- 'oeriticisme    de    Ch.   lt.,    1901.    —    S&AJLLE8,   U   philo«,   de  (i.    I  . 

ItciliwUeh.  Ernst,  geb.  L86S  in  Berlin,  l<l>t  daselbst 

hriften:   Die   PtWgBJtj  im  Weltraum.  '9.   —   AufsäUe  u.   Tl 

M  i.riften,    1899.   —    I>  '    d--r   Definition    f.   d.    monist.  .    1880,   u.  a. 

-  !(<r.    I'hi 


594  Eeuchlin  —  Ribot. 

Renclilin.  Johannes,  geb.  1455  in  Pforzheim,  Prof.  in  Ingolstadt  und 
Tübingen,  gest.  1522.  =  Der  berühmte  Humanist  und  Bekämpfer  der  „Dunkel- 
männer" wurde  durch  Pico  von  Mirandola  in  Florenz  (1498)  zum  Studium  de& 
Neuplatonismus  und  der  Kabbala  angeregt.  Im  Anschluß  an  Nicolaus  Cusanus 
spricht  er  von  der  Koinzidenz  der  Gegensätze  des  Verstandes  im  höheren  Be- 
wußtsein („In  mente  datur  coincidere  contraria  et  contradictoria ,  quae  in 
ratione  longissime  separantur").  Den  Aristotelismus  bekämpft  E.,  während  er 
für  den  Neuplatonismus  (bzw.  Neupythagoreismus)  und  die  Kabbala  eintritt, 
deren  Buchstaben-Mystik  und  Sephiroth-Lehre  er  akzeptiert. 

Schriften  (philos.):  De  verbo  mirifico,  1494,  1514.  —  De  arte  cabbalistica,  1517r 
1530.   —  Vgl.  Meyerhoff,  J.  R.  u.  seine  Zeit,  1830.  —  L.  Geiger,  J.  R.,  1871. 

Reusch,  Johann  Peter,  geb.  1691  in  Almersbach,  Prof.  in  Jena,  gest. 
1754.  =  Anhänger  von  Leibniz  und  Wolff,  aber  Gegner  der  Lehre  von  der 
prästabilierten  Harmonie. 

Schriften:  Via  ad  perfectiones  intellectus,  1728.  —  Systema  logicum,  1734.  — 
Systema  metaphysicum,  1735. 

Rey,  Abel,  Prof.  in  Dijon. 

R.  ist  ein  Gegner  des  subjektivistischen,  rein  phänomenalisti sehen  Positi- 
vismus. Die  Theorien  der  Physik  haben  objektiven  Wert  (gegen  Poincare, 
Duhem  u.  a.).  Die  mechanistische  Auffassung  der  physikalischen  Vorgänge 
ist  berechtigt.  Die  Wissenschaft  ist  ein  gemeinsames  Produkt  der  mensch- 
lichen Gesellschaft,  sie  ist  nicht  von  individuellen,  sondern  von  menschlich 
notwendigen  und  allgemeinen  Bedingungen,  der  geistigen  Struktur  der  Gattung, 
abhängig.  Objektive  Erfahrung  und  Denken  bedingen  sich  wechselseitig.  Die 
Erfahrung  ist  ein  System  von  Relationen,  ebenso  das  Erfahrungsobjekt  selbst. 
Unsere  Erkenntnis  ist  das  Produkt  einer  allmählichen  Anpassung  unseres 
Geistes  an  die  empirische  Wirklichkeit.  Die  Kategorien  haben  eine  —  bio- 
logisch-psychologische, soziale  —  Entwicklung  durchgemacht,  wurden  immer 
geschmeidiger,  um  den  Forderungen  der  Erfahrung  ohne  Zutaten  zu  genügen. 
Die  Wissenschaft  in  ihrer  höchsten  Form,  d.  h.  jene,  welche  „die  Erfahrung 
in  einem  rationalen  System  absorbiert  und  die  sinnheh-empirische  Anschauung 
durch  die  logische  Organisation  vollendet",  gibt  ein  der  Wirklichkeit  äquiva- 
lentes System  (Rationaler  Positivismus,  Experimentalismus). 

Schriften:  La  theorie  de  la  physique,  1906;  deutsch  1908.  —  La  philosophie 
moderne,  1908,  u.  a. 

Reynaud,  Jean,  geb.  1806,  Bergwerks-Ingenieur,  1849 — 54  Mitglied  des 
Staatsrates,  gest.  1863.  =  R.  wendet  die  Idee  des  Fortschritts  metaphysisch 
an.  Der  Mensch  hat  schon  in  einem  vor  irdischen  Zustande  existiert  und 
wird   in    anderen   AVeiten   weiter   existieren.      Rein    immaterielle   Geister  gibt 

cht. 

Schriften:  Ciel  et  terre,  1854;  4  ed.  1864,  u.  a.  —  Vgl.  RAVAISSON,  Die 
französische  Philosophie,  1889,  S.  45  ff. 

Ribot,  Theodule,  geb.  1839  in  Guingamp,  Prof.  in  Paris,  Herausgeber 
der  ..Revue  philosophique"  (1876  ff.). 


Btbot.  595 

EL,  wohl  der  bedeutendste  französische  Psycholog  des  19.  Jahrhunderts  be- 
trachtet die  Psychologie  als  eine  von  der  Philosophie  unabhängige,  empi- 
rische Wissenschaft ,  welche  zu  Methoden  die  innere ,  subjektive  und  die 
objektiv-vergleichende  Beobachtung  hat.  Die  Psychologie  hat  zum  Gegenstände 
nicht  unbekannte  Seelenkräfte,  sondern  die  psychischen  Erscheinungen  Belbel 
ßowie  deren  unmittelbaren  Ursachen  und  Gesetze.  Hierbei  berücksichtigt  EL 
vielfach  die  physiologische  und  biologische  Seite  des  Seelenlebens  und  zieht 
auch  das  Pathologische  stark  heran.  Die  Bewußtseinsvorgänge  bestimmt 
EL  als  abhängig  von  den  physiologischen,  als  Begleiterscheinungen  von  Nerven- 
prozessen.  Das  Bewußtsein  ist  zu  dem  eigentlich  wirksamen  Geschehe]]  nur 
hinzugefügt  („surajout^"),  es  ist  ein  Epiphänomen.  Der  Xervenvorgang  ist 
die  aktive  Grundlage  des  Bewußtseins,  dieses  letztere  ergänzt  ihn,  ohne  ihn  zu 
konstituieren  („L'activite'  nerveuse  est  beaueoup  plus  etendue  que  l'activite' 
psychique:  la  conscience  est  donc  quelque  chose  de  Burajoutä",  Malad,  de  la 
personnaL,  1.  ed.,  p.  6).  Es  gibt  ferner  kein  absolutes  Bewußtsein,  sondern 
nur  eine  Reihe  von  Bewußtseinszuständen.  In  seinen  letzten  Arbeiten  be- 
trachtet R.  mehr  die  aktive  Seite  des  Bewußtseins  selbst.  Unbewußte  psy- 
chische Vorgänge  gibt  es  nicht,  unbewußt  können  nur  die  „Zerebrationeir 
bleiben.  Der  Reflexvorgang  ist  der  Typus  des  Nervenprozesses  und  die  Basis 
aller  psychischen  Tätigkeit  Psychisches  und  Physisches  sind  nur  die  1><  iden 
Seiten  eines  Geschehens  und  gehen  einander  parallel. 

In  einer  Reihe  von  Monographien  hat  R.  Analysen  von  psychischen 
Grnndtatsachen  gegeben.  Die  Assoziationen,  die  allen  Formen  der  c 
Verbindungen  zugrunde  liegen,  beruhen  auf  Berührung  oder  Ähnlichkeit.  Das 
Gedächtnis  ist  ein  allgemeines  biologisches,  organisches  Phänomen  („mit 
biologique").  Eh  ißt  ein  [nbegrifü  „dynamischer''  Assoziationen  von  größerer 
oder  geringerer    Stabilität    als    Produkt    der    Übung  semble    d'association 

dynamiques")    und    ist    physiologisch    bedingt     Die    Erinnerung    ist    eine 
».Lokalisierung  in  der  Zeit-.    Das  Gesetz  des  Vei  ib  ,  Regressions- 

■    ..l«.i  de  regression  on  de  Eversion")  besagt:  das   \  u  geht    vom 

■eii  zum  Alteren,  mehr  Eingewurzelten,  daher  erst  später  aus  der  Erinne- 
rung Schwindenden;  ferner  werden  erst  Vorstellungen,  dann  Gefühle,  endlich 
Bandlungen  an.      Bb  gibt  temporäre  und   periodische,   progressive  und 

angeborene    Amnesien.      Das  V<  ist    eine    Bedingung   der   Erinnerung; 

swischen   den    psychischen    Zuständen    besteht   ein   Kampf  um  die  Herrschaft 
(ygL  Herbart).     Die  Erblichkeif  ist  eine  Art  Gattungsgedächtnis ;   eine  Ver- 
erbung   erworbener    psychischer    Eigenschaften    besteht       Ei    gib    auch    ein 
1    d&chtnifl  |  für  <  befähle  a.  dgl.). 

Die    Aufmerksamkeit     enthält    etwi      M  torisches,    eine    Hemmt 

i..;ni'f'i    der   .Muskel.       -        ist    ein    ;iut     <l;i       Motorisch«     über-  \th-kt- 

sustand,  der  in  Gefühlen  und  Btrebtmgen  wurzelt,  eine  einseitige  Konzentration, 
ein  „Monoideismus1'  („monoidewn*    intellectuel  avec  adaptation  -|M>m 
artiflcielle  de  limlividir-i.     Die   willkürliche  Aufmerksamkeil    ist    von   einem 
AnstrengungsgefühJ   begleitet     I  ,sentiment")  ist  eine  organische 

Tendenz,  ein  Zeichen  für  gewisse  Strebungen,   die  befriedigt   oder   unl 


596  Eibot  —  Richard. 


sind,  physiologisch  ein  Zeichen  für  eine  Förderung  oder  Störung  in  den 
Organen.  Die  Lust  ist  die  Begleiterscheinung  der  „dynamogenen"  Wirkung 
der  Empfindung,  der  Erhöhung  der  Vitalität.  Die  Gefühle  haben  ihre  eigene 
Logik.  Die  Affekte  faßt  R.  ähnlich  wie  James  (s.  d.)  und  Lange  auf.  Die 
Leidenschaft  („passion")  ist  ein  fest  gewordener  Affekt  („emotion  devenue 
fixe'').  Allen  psychischen  Vorgängen  liegen  Strebungen  zugrunde  (Wendung 
zum  Voluntarismus).  Jeder  Bewußtseinszustand  intellektueller  Art  hat  eine 
„ideomotorische"  Tendenz,  enthält  ein  mit  der  Vorstellung  verbundenes  Be- 
wegungsstreben. Der  Wille  (im  engeren  Sinne)  aber  ist  keine  Ursache,  nichts 
Aktives,  sondern  nur  der  Ausdruck  einer  Aktivität,  die  der  Wille  bejaht  oder 
verneint:  „Das  wahre  Geheimnis  des  Handelns  liegt  in  dem  natürlichen 
Streben  der  Gefühle  und  Vorstellungen,  sich  in  Bewegungen  umzusetzen." 
Der  Wille  ist  ein  „abschließender"  Zustand,  welcher  aus  der  Koordination  von 
Zuständen  hervorgeht,  deren  Zusammenwirken  eine  Handlung  oder  eine  Hem- 
mung herbeiführt.  Jeder  Willensvorgang  enthält  zweierlei:  erstens  das  wir- 
kungslose Bewußtsein  „ich  will",  zweitens  einen  psychophysischen  Mechanismus, 
der  allein  wirksam  ist.  Die  Krankheiten  des  Willens  („Abulie"  usw.)  analy- 
siert R.  genau.  Das  Denken  ist  schon  der  Beginn  eines  motorischen  Pro- 
zesses. Im  Denken  betätigt  sich  schon  die  schöpferische  Einbildungskraft, 
welche  hier  die  Analogie  verwertet.  Die  allgemeinen  Vorstellungen  entstehen 
aus  einer  Verschmelzung  von  Bildern.  Die  Phantasie  beruht  auf  der  Ten- 
denz der  Vorstellungen  nach  Objektivierung,  sowie  auf  der  Vereinigung  von 
Assoziation  und  Dissoziation.  Das  Gefühl  ist  in  ihr  wirksam,  ebenso  das  Be- 
dürfnis; beide  wirken  schöpferisch,  inspirierend.  Das  Ästhetische  ist  eine 
Form  des  Spiels  und  beruht  (wie  nach  Spencer)  auf  einem  Überschuß  an 
Energie  („superflu  de  vie"),  auf  Funktionslust. 

Das  Ich,  die  Persönlichkeit  ist  ein  Komplex  psychischer  Elemente, 
eine  Resultante  aus  der  Leibesbeschaffenheit  und  den  Strebungen  und  Ge- 
fühlen, die  mit  dieser  verbunden  sind,  wozu  noch  die  Erinnerung  kommt.  Die 
Identität  des  Ich  hat  ihre  organische  Grundlage,  ebenso  die  Zersetzung  der 
Persönlichkeit  (Doppel-Ich,  Alteration  der  Persönlichkeit). 

Schriften:  La  psychologie  anglaise  contemporaine,  1879;  La  psychol.  allemande 
contempor.,  1879;  5.  ed.  1900;  deutsch  1881.  —  L'heredite  psychologique,  1873; 
5.  ed.  1898;  deutsch  1876.  —  Les  maladies  de  la  memoire,  1881;  16.  6d.  1904.  — 
Les  maladies  de  la  volonte,  1883;  25.  ed.  1909.  —  Les  maladies  de  la  personnalite,  1885; 
14.  ed.  1908.  —  Psychologie  de  l'attention,  1888;  11.  ed.  1908;  deutsch  1908.  — 
La  psychol.  des  sentiments,  1896;  7.  ed.  1908;  deutsch  1903.  —  L'evolution  des  idees 
generales,  1897;  2.  6d.  1903.  —  Essai  sur  l'imagination  creatrice,  1900;  2.  ed.  1905; 
deutsch  1902.  —  La  logique  des  sentiments,  1905;  3.  6d.  1908.  —  Essai  sur  les  pas- 
sions,  1908.  —  Problemes  de  psychol.  affective,  1909.  —  Abhandlungen  in  der  „Revue 
philos."  (1892:  Über  die  Charaktere;  1894:  Affektives  Gedächtnis;  1896:  Allgemeine 
Vorstellungen,  u.  a.).  —   Vgl.  S.  KltATJSS,  Th.  R.'s  Psychologie,  1905. 

Richard,    Gaston,    Prof.  in   Bordeaux.    =    Idealistisch-evolutionistischer 

Soziolog. 


Rl<  SABD  —    \U(  HET. 


Schriftea:  Socialisiue  et  Science  sociale,  3.  ed.  —  L'idee  d'üvolution  dans  la 
nature  et  dans  l'histoire,  1903.  —    La  ferame  dans  l'histoire,   1909,  u.  a. 

Richard  von  Middletown  (Ricardu-  de  M<diavillai,  Franzi-kancr. 
gest.  mn  1300  in  Oxford.  =  R.  ist  mehr  von  Dun-  Scotus  all  von  Thomas 
?OD  Aijiiino  beeinflußt.  Das  Allgemein«'  ist  in  den  Individuen  nicht  aktuell, 
in  Gott  ist  es  nur  als  Gedachtes.  Die  Materie  ist  nicht  das  Prinzip  der  Indi- 
viduation.  Die  Glaubenswahrheiten  sind  nicht  philosophisch  zu  begründen. 
In  ideeller  Weise  ist  die  Weit  ewig. 

Schriften:  Coramentar.  in  qnatuor  libr.  Sentent.,  1489,  1591.  —  Uuodlibeta, 
1507,  1529.  —  Vgl.  R.  SEEBERG,  Studien  zur  Geschichte  der  Theologie  und  Kirche 
V,  1900. 

Richard  von  St.  Victor,   ein   Schotte,    Schüler   und    Nachfolger 

i  von   >t.  Victor  is.  d.).    Prior  und  Lehrer  im  Kloster  St.  Victor  in  Paris, 

.   117:;. 

I!.  ist  wie  Hugo  von  St.  Victor  ein  Vertreter  der  orthodoxen  Mystik. 
J hrei  Arten  der  Erkenntnis  unterscheidet  er:   Denken  bzw.  Vorstellen 

Nachdenken  (meditatio)  bzw.  begriffliches  VerBtandesdenken,  Kontem- 
plation (contemplatio),  d.  h.  geistige  Behauung  durch  den  Intellekt,  der  das 
Übersinnliche  unmittelbar  und  einheitlich  erfaßt  („Contemplationem  dieimus, 
[uando  veritatem  -ine  aliquo  involucro  umbrarum  vel  animi  in  sua  puritate 
videmus").  Es  gibt  Bechs  Stufen  der  Kontemplation:  Die  erste  beruht  aui 
der  bildlichen  Einbildungskraft  (imaginatio),  vermöge  der  wir  die  göttliche 
Kraft  und  (iüt.-  bewundern;  die  /.weite  wendet  Bich  dem  Qrunde  und  7. 
der  Welt  zu;  die  dritte  erhebt  Bich  schon  zum  Himmlischen,  aber  noch  ver- 
mittelst der  Einbildun^-kratt ;  auf  der  vierten  Stute  erfaßt  die  Vernunft  rein 
durch  sich  seihst  das  Übersinnliche  and  Göttliche;  die  fünfte  Stufe  üben 
schon  die  Vernunft,  und  auf  der  sechsten,  welche  außer  der  Vernunft  („supra 
rationem  et  praeter  rationem")  liegt,  erfaßt  der  <;<'i-t  die  göttlichen  Mysterien. 
Es  ntt  dann  der  Zustand  der  mystischen  Ekstase  und  Erleuchtung  ein.  in 
«reichem  dir  Geist,  sich  selbst  entfremdend  („alienatio  mentis"),   eins  mit  dem 

»stand  des  Schauens  \\  Ird. 

8    hriften:    Do  trinitate.      De  externiinationo  et  pruniotiune  boai.       De  statu  i 
hominis.      Do  (juatuor    gradibus    violentao  raditJOBS    hominis   inte- 

ii<>ris.       De  praeparatione    animi  ad   <  ontemplationcni    (=   Di*  arca   m\»\  Dt 

«.ontemplatioriis.     Opera,   1506,   1518,  M  ralog.   Bd.  194.   —     >        In     ELHAXDT, 

>:.  \.    i.  J.   Riytbrook,   1838.  —   Kai  \  \>  h.  r.M.  .los  Hugo  nd   B 

Itichort.    Hani    geb.  1869        (    ilin     Realschuldirektor  in  Pleschen.  = 

Von  Kant  und  Schopenhauer  beeinflußt. 

-    I  riften:    Hagelt   Roligionsphi  —  Kant,  ptahiasr, 

1*06.    _    Philo« 

Itit-hot.  ( hartes,  n  Paris.  —  1' 

S  •  Da  MMnaambal  I 

telKgeaco,   1884.  —   i  ..  ». 


598  RICHTER. 

Ricbter9  Friedrich,  geb.  1802  in  Magdeburg.  =  Anhänger  Hegels.  R. 
ist  ein  Gegner  der  Lehre  von  der  persönlichen  Unsterblichkeit;  nur  in  seinem 
Wirken  lebt  der  Mensch  fort. 

Schriften:  Die  Lehre  von  den  letzten  Dingen,  1833 — 44.  —  Die  neue  Unsterb- 
lichkeitslehre, 1833.  —  Die  Geheimlehre  der  neueren  Philosophie,  1833.  —  Der  Gott 
der  Wirklichkeit,  1854,  u.  a. 

Richter.  Friedrich  (Jean  Paul),  1763—1825,  der  berühmte  Dichter, 
ist  in  seinen  philosophischen  Anschauungen  von  Platner,  Herder,  Jacobi  be- 
einflußt, in  ethischer  Hinsicht  auch  von  Kant,  dessen  (und  Fichtes)  erkenntnis- 
theoretischen Idealismus  er  aber  ablehnt.  Im  Sinne  Jacobis  lehrt  er  ein 
unmittelbares  geistiges  Erfassen  des  Göttlichen  (des  „Ur-Ich  und  Ur-Du  zu- 
gleich") und  die  Inferiorität  der  Verstandeserkenntnis.  Wie  Herder  spricht 
R.  schon  von  der  „Einfühlung":  „Unser  Vermögen,  uns  etwas  Lebloses  exi- 
stierend, d.  h.  lebend  zu  denken,  verknüpft  mit  unserer  Angewöhnung  an  ein 
ewiges  Personifizieren  der  ganzen  Schöpfung  . . ."  (Quintus  Fixlein,  S.  208,  Univ.- 
Bibl.).  Das  Wesen  des  Genies  liegt  in  der  „Besonnenheit",  im  Gleichgewicht, 
welches  der  Künstler  mitten  in  der  schöpferischen  Erregung  bewahrt.  Das 
Komische  besteht  im  „unendlichen  Kontrast  zwischen  der  Vernunft  und  der 
ganzen  Endlichkeit".  Lächerlich  ist  das  Unverständige,  sofern  es  sinnlich  an- 
geschaut wird.    In  der  „Levana"  gibt  R.  eine  wertvolle  Erziehungslehre. 

Schriften:  Werke,  Hempelsche  Sammlung,  1879,  auch  in  Auswahl  (von  Frege). 
—  Vgl.  P.  NEKRLICH,  Jean  Paul,  1889.  —  J.  MÜLLER,  Die  Seelenlehre  J.  P.s, 
1894;  J.  P.  und  seine  Bedeutung  für  die  Gegenwart,  1894;  J.  P.s  Philos.  Entwick- 
lungsgang, Arch.  f.  Geschichte  der  Philos.;  J.  P.-Studien,  1900.  —  W.  HOPPE,  Das 
Verhältnis  J.  P.s  zur  Philos.  seiner  Zeit,   1901. 

Richter,  Raoul,  geb.  1871  in  Berlin,  Prof.  in  Leipzig. 

R.  ist  von  Kant,  Schopenhauer,  Nietzsche  beeinflußt,  im  wesentlichen  aber 
ein  Schüler  Wundts,  dessen  Voluntarismus  und  evolutionistischen  Idealismus 
er  teilt.  Die  tiefere  Einsicht  in  das  Wesen  des  Skeptizismus  führt  zur  Über- 
windung desselben.  Bei  einem  weiteren  und  entsprechenden,  kritischen  Wahr- 
heits-  und  Wirklichkeitsbegriff  fallen  alle  skeptischen  Bedenken  weg,  die  nur 
auf  der  Stufe  einer  dogmatisch-realistischen  Weltanschauung  sich  ergeben. 
Das  Berechtigte  im  Skeptizismus  bleibt  bestehen,  so  die  Relativität  der  Er- 
kenntnis (aber  nicht  der  a  priori  geltenden  logischen  Grundsätze).  Verschie- 
dene Grade  der  Gewißheit  und  Wahrscheinlichkeit  sind  zu  unterscheiden. 
Wahrheit  ist  die  „Eigenschaft  eines  Urteils,  allgemein  mit  dem  Beurteilten, 
näher  mit  Erfahrung  und  Denken  sich  in  Übereinstimmung  zu  befinden". 
Eine  von  allem  Bewußtsein  unabhängige,  absolute  Wahrheit  ist  ein  Unding. 
Es  gibt  nur  relative  Wahrheit,  „nur  Wahrheit  für  jemand",  wohl  aber  allge- 
meine, objektive  Wahrheit  (Allgemeingültigkeit).  Relativ  ist  auch  aller  Wert, 
da  er  stets  ein  fühlendes  und  wollendes  Wesen  voraussetzt,  der  ihn  als  Zweck 
begehrt,  dessen  gewolltes  Ziel  er  ist.  Doch  gibt  es  allgemeingültige  Werte 
und  eine  Logik  der  Werte  ist  möglich,  welche  Unterwerte  nach  einem  Ober- 
oder Grundwert  abschätzt  und  anordnet.  Die  Festhaltung  des  Oberwertes  ist 
für  die  Sittlichkeit    charakteristisch.      Gott  ist  die    „lebendige   überpersön- 


Richter  —  Rtckert.  599 


liehe  Weltapperzeption",  vielleicht  „ein  sich  entwickelnder,  ein  werdender 
Gott".  „Alle  seine  Organe  und  seine  vornehmsten  Organe,  die  Menschen, 
wirken  an  seinem  Aufbau  und  ewigen  Wachstum  mit." 

Schriften:  Schopenhauers  Verhältnis  zu  Kant,  1893.  —  Friedrich  Nietzsche, 
1903;  2.  A.  1909.  —  Der  Skeptizismus  in  der  Philosophie,  1904—08.  —  Philosophie 
und  Religion,   1905.  —  Einführung  in  die  Philosophie,   1907,  u.  a. 

Rickert,  Heinrich,  geb.  1863  in  Danzig,  Prof.  in  Freiburg  i.  Br. 

R.,  der  besonders  von  Fichte,  direkt  von  Windelband  beeinflußt  ist,  ver- 
tritt einen  Idealismus,  der  aber  nicht  psychologisch-subjektivistisch  sein 
will,  sondern  überindividuelle,  von  den  psychologischen  Subjekten  unabhängige 
theoretische  und  praktische,  absolute  Werte  anerkennt.  Kritisch  ist  „das 
Verfahren,  welches  zwischen  wertvollen  und  wertlosen  Zielen  der  Erkenntnis 
scheidet  und  mit  Rücksicht  auf  sie  die  Geltung  der  zu  ihrer  Erreichung  not- 
wendigen Erkenntnismittel  begründet'*'.  Das  Wert-  und  Willensmoment  spielt 
schon  im  Erkennen  eine  fundamentale  Rolle.  Dieses  ist  ein  Urteil  und  ist 
durch  das  Gefühl  bestimmt,  daß  das  Urteil  wertvoll  ist,  gefällt  werden  soll. 
Erkennen  ist  Bejahen  oder  Verneinen,  Stellungnahme  seitens  des  Subjektes. 
Im  Urteil  steckt  „ein  praktisches  Verhalten,  das  in  der  Bejahung  etwas  billigt 
oder  anerkennt".  Es  enthält  die  Stellungnahme  zu  einem  Werte.  Zustimmung 
oder  Abweisung.  Die  praktische  Vernunft  hat  auch  im  Erkennen  den 
Primat.  Der  Erkenntnis  liegt  der  „Wille  zur  Wahrheit"  zugrunde.  Die 
AVahrheit  selbst  ist  ein  Wert,  der  in  einer  absolut  gültigen  Urteilsnotwendig- 
keit gegeben  ist,  in  der  Anerkennung  des  Sollens  sich  bekundet.  Dem  Wahr- 
heitswillen, der  etwas  Logisches  ist,  geht  noch  etwas  Überlogisches  voran,  der 
sittliche  Wille  (Primat  der  praktischen  Vernunft). 

Das  Subjekt  der  Erkenntnis  ist  nicht  das  psychophysische  oder  psycho- 
logische Individuum,  sondern  das  Bewußtsein  überhaupt  als  abstraktes,  begriff- 
liches „erkenntnistheoretisches"  Subjekt.  Dieses  ist  ein  „namenloses,  allge- 
meines, unpersönliches  Bewußtsein  .  .  .,  das  einzige,  das  niemals  Objekt, 
Bewußtseinsinhalt  werden  kann".  Es  ist  die  transzendentale  Voraussetzung 
des  objektiven  Erkennens,  das  Korrelat  zu  den  Objekten,  zu  denen  sowohl  die 
Dinge  der  Außenwelt  als  die  psychophysischen  Subjekte  gehören;  sie  alle  sind 
Inhalt  des  „Bewußtseins  überhaupt".  Der  Gegenstand  der  Erkenntnis 
ist  nicht  ein  transzendentes  Sein,  wohl  aber  ein  „transzendentes  Sollen",  nach 
welchem  sich  das  Erkennen  zu  richten  hat.  Das  Transzendente  ist  nicht  vor- 
stellbar, nur  denkbar,  es  kommt  für  ims  nur  als  „Norm  des  Bejahens  und 
Verneinens"  in  Frage.  Das  transzendente  Sollen  normiert  die  richtige,  dem 
Erkenntniszwecke  gemäße,  objektive  Ordnung  des  Bewußtseinsinhalts,  welche 
nicht  gegeben,  sondern  „aufgegeben"  ist.  „Das  angeblich  transzendent  seiende 
Ding  ist  eine  transzendente  Norm  oder  Regel  der  Vorstcllungsverknüpfung, 
die  Anerkennung  fordert."  Der  letzte  Grund  alles  immanenten  Seins  (als  Be- 
wußtseinsinhalt, zu  dem  das  Physische  wir  das  Psychische  gehört  •  liegt  in 
einem  „transzendenten  Ideal,  das  das  erkennende  Subjekt  zu  verwirklichen 
hat"  (vgl.  Fichte). 


600  RlCKERT. 

Die  Einseitigkeiten  des  Objektivismus  wie  des  Subjektivismus  sind 
zu  vermeiden.  Die  wirklichen  Subjekte  sind  ebenso  wirklich  wie  die  Objekte,, 
nämlich  als  immanente  Realitäten,  also  weder  als  Dinge  an  sich  noch  als  Er- 
scheinungen. Auch  der  Voluntarismus  und  Aktivismus  darf  nicht  einseitig 
werden,  er  muß  die  Werte  des  Willens  und  die  Güter,  welche  die  Tat  hervor- 
bringt, kennen.  Die  Geltung  des  Wertes  bleibt  das  Primäre,  Wille  und  Tat 
kommen  später,  setzen  das  „Reich  der  Wertgeltungen"  voraus.  Außer  den  zu 
erkennenden  Wirklichkeiten  gibt  es  Werte,  deren  Geltung  wir  (philosophisch) 
verstehen  wollen.  Werte  sind  für  uns  immer  mit  Wertungen  verbunden,  aber 
nicht  identisch  mit  ihnen;  sie  können  gelten,  ohne  daß  ein  Akt  der  Wertung 
vorhanden  ist,  also  absolut  (auch  theoretische  Werte,  Wahrheiten).  Die  Werte 
selbst  sind  „weder  im  Gebiet  der  Objekte  noch  in  dem  der  Subjekte  zu  finden, 
sondern  sie  bilden  ein  Reich  für  sich,  das  jenseits  von  Subjekt  und  Ob- 
jekt liegt".  Der  Wirklichkeit  gegenüber  und  der  objektivierenden  Behand- 
lung der  Wertungen  tritt  die  Philosophie  als  Wertwissenschaft  gegenüber, 
welche  als  „reine  Wertlehre"  zu  einem  System  der  Werte  gelangen  will  und 
schließlich  nach  einem  dritten  Reich,  der  „Einheit  von  Wert  und  Wirklich- 
keit" sucht.  Der  Sinn  der  Wertung  ist  „die  dem  wertenden  Akte  inne- 
wohnende Bedeutung  für  den  Wert"  und  insofern  die  Verbindung  und  Einheit 
der  beiden  Reiche,  so  daß  das  dritte  Reich  das  des  Sinnes  ist,  welcher  ge- 
deutet wird.  Dieser  (immanente)  Sinn  kann  nur  vom  Werte  aus  gedeutet 
werden  und  ist  nicht  objektivierbar,  auch  nicht  als  psychisches  Sein.  Die 
Sinndeutung  ist  das  „Erfassen  eines  Subjektaktes  mit  Rücksicht  auf  seine  Be- 
deutung für  den  Wert".  Die  Welt  ist  aus  den  Reichen  der  Wirklichkeit,  der 
Werte  und  des  Sinnes  zusammengesetzt. 

In  Weiterführung  einer  Auffassung  Windelbands  gliedert  R.  die  Wissen- 
schaften in  Natur-  und  Geschichtswissenschaften  (bzw.  historische  „Kultur- 
wissenschaften"). Die  Naturwissenschaft,  zu  welcher  auch  die  Psychologie, 
Soziologie  u.  dgl.  gehört,  will  die  Unendlichkeit  der  unmittelbaren,  anschau- 
lichen Wirklichkeit  durch  allgemeine  Begriffe  und  Gesetze,  mit  Abstraktion 
vom  Individuellen,  überwinden.  „Naturwissenschaftlich"  sind  im  weitesten 
Sinne  Begriffe,  für  deren  Bildung  nur  das  an  allen  Individuen  einer  bestimmten 
Gruppe  sich  Findende  in  Betracht  kommt.  Das  Endziel  der  Naturwissenschaft 
ist  die  Auflösung  der  Wirklichkeit  in  eine  Summe  abstrakter,  möglichst 
quantitativ  bestimmbarer  Gesetzlichkeiten.  Das  Allgemeine,  Gesetzliche  ist 
hier  Endziel,  während  es  in  den  historischen  Wissenschaften  nur  Mittel  ist. 
Es  kann  jedes  Wirkliche  sowohl  naturgesetzlich  als  auch  historisch  untersucht 
werden,  es  gibt  also  eine  historische  Betrachtungsweise  von  Naturvorgängen 
(Entwicklungsgeschichte)  und  eine  naturwissenschaftliche  Untersuchung  geistiger 
Prozesse,  kultureller  Objekte.  Natur  bedeutet  eben  zweierlei:  einmal  „die 
Wirklichkeit  mit  Rücksicht  auf  ihren  gesetzmäßigen  Zusammenhang",  dann, 
sachlich,  „die  Wirklichkeit  abgesehen  von  allen  Wertbeziehungen  im  Gegen- 
satz zur  Kultur".  Die  historischen  Wissenschaften  bilden  Begriffe  mit 
individuellem  Inhalt,  haben  zum  Objekt  das  konkret  Wirkliche  als  Einmaliges, 
Individuelles,     als    einmaligen    Zusammenhang    von    Vorgängen     („historische 


RlCKERT   —   RlEHL.  602 


Kausalität");  die  Generalisation  ist  hier  nur  ein  Durchgangsstadium,  das  Ziel 
der  historischen  Darstellung  ist  nie  das  Allgemeine,  Gesetzliche,  and  das- 
eigentlich  Historische  läßt  sich  nicht  naturgesetzlich  (auch  nicht  soziologisch) 
erfassen.  Die  historische,  „teleologische"  Begriffsbildung  bezieht  die  Individuen, 
das  Individuelle  der  Geschichte  auf  ,, Kulturwerte"  (Religion,  Kunst  usw.)r 
welche  als  Auswahlprinzipien  dienen  („Wertbeziehung").  Der  subjektiven 
Wertung  hat  sich  der  Historiker  zu  enthalten.  Die  Geschichtsphilosophie  erst 
bezieht  die  Geschichte  auf  einen  überhistorischen,  überzeitlichen  Wert  und 
findet  in  der  Geschichte  etwa  eine  Entwicklung  zur  Freiheit.  Die  Geistes- 
wissenschaften sind  wesentlich  „Kulturwissenschaften",  insbesondere  „historische 
Kulturwissenschaften"  (z.  B.  die  historische  Psychologie,  während  die  gewöhn- 
liche Psychologie  eine  Naturwissenschaft  ist). 

Von  R.  beeinflußt  sind  B.  Christiansen,  S.  Hessen,  G.  Mehlis, 
J.  Cohn  u.  a. 

Schriften:  Zur  Lehre  von  der  Definition,  1888.  —  Der  Gegenstand  der  Er- 
kenntnis, 1892;  2.  A.  1904.  —  Die  Grenze  der  naturwissensch.  BegriffshilduDg,  1896 
— 1902.  —  Kulturwissenschaft  und  Naturwissenschaft,  1899;  2.  A.  1910.  —  Fichtes 
Atheismusstreit  und  die  Kantsche  Philosophie,  1899.  —  Psychophys.  Kausalität  und 
psychophys.  Parallelismus,  1900  (Sigwart-Festschrift).  —  Zur  Theorie  der  naturwissen- 
schaftl.  Begriffsbildung,  Yiertelj ahrsschr.  für  wissensch.  Philos.  Bd.  18.  —  Die  Philos. 
im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Windelband,  II.  —  Zwei  Wege  zur  Er- 
kenntnistheorie, Kantstudien,  Bd.  XIV,  1909.  —  Vom  Begriff  der  Philosophie,  in:  Lo- 
gos, hrsg.  von  Mehlis,  Bd.  1,  1910. 

Ridiger  s.  Rüdiger. 

Kiehl,  Aloys,  geb.  1844  in  Bozen,  1873  Prof.  in  Graz,  1883  in  Frei- 
burg i.  Br.,  dann  in  Kiel  und  Halle,  jetzt  Prof.  in  Berlin. 

R.  vertritt  einen  Kritizismus  mit  einer  Wendung  zum  Positivismus  und 
mit  Betonung  des  empirisch-objektiven  Faktors  der  Erkenntnis,  ferner  einen 
„philosophischen  Monismus"  (im  Gegensatz  zum  naturalistischen  Monismus). 

Die  Philosophie  ist  nach  R.  „allgemeine  Wissenschafts-  und  praktische 
Weisheitlehre".  Als  Wissenschaft  ist  sie  „Wissenschaft  und  Kritik  der  Er- 
kenntnis", deren  Gegenstand  die  Erfahrung  als  solche  ist.  Außerdem  gibt  es  eine 
Philosophie  als  „Kunst  der  Geistesführung",  „Teleologie  der  menschlichen 
Vernunft".  Eine  Metaphysik  ist  nur  als  kritische  Disziplin,  als  Theorie  der 
Grenzbegriffe  der  Erfahrung,  als  „System  der  Erkenntnisprinzipien",  also  nur 
im  Sinne  Kants,  berechtigt.  Das  Transzendente  ist  nicht  Gegenstand  der  Er- 
kenntnis. Was  die  Logik  und  Erkenntnistheorie  betrifft,  ist  R.  ein  Gegner  des 
Psychologismus.  Die  Logik  ist  weder  Normwissenschaft  noch  Kunstlehre, 
sondern  „die  Wissenschaft  von  den  einfachsten  Verhältnissen  der  Objekte  des 
Denkens  und  eine  Art  Metaphysik  der  Erkenntnis".  Sie  ist  „Analysis  des 
Gedachten  durch  das  Prinzip  der  Identität". 

Die  Erkenntnistheorie  ist  die  „Theorie  der  allgemeinen  Erfahrung". 
Sie  prüft  die  Quellen  unseres  Wissens  und  stellt  den  Grund  seiner  Berechtigung 
fest.  Sie  hat  zu  zeigen,  „welche  reale  Bedeutung  der  Empfindung,  den  Ver- 
hältnissen der  Empfindungen  und  dem  Schema  ihrer  Auffassung  in  Raum  und 


002  ElEHL. 

Zeit  zukomme,  wie  aus  denselben  unreflektierten  Urteilsakten,  durch  welche 
gegenständliche  Wahrnehmungen  erzeugt  werden,  die  allgemeinen  apper- 
zipierenden  Vorstellungen  (Kategorien)  entspringen".  Die  kritische  Methode 
"besteht  in  der  prinzipiellen  Scheidung  des  ideellen  Erkenntnisfaktors  vom 
empirischen.  Alle  Erkenntnis  ist  durch  die  apriorische  Gesetzmäßigkeit  des 
Bewußtseins  bedingt,  beruht  auf  logischer  Verarbeitung  des  Erfahrungsinhalts 
und  ist  dadurch  möglich,  daß  zwischen  den  Erkenntnisformen  und  den  Grund- 
verhältnissen der  Wirklichkeit  eine  Kongruenz  besteht,  so  aber,  daß  nur  die 
Grenzen  der  Dinge,  nicht  deren  An  sich  erkannt  werden.  Die  Formen  der 
Anschauung  und  des  Denkens  sind  Bedingungen  objektiver  Erfahrung  und 
zugleich  der  Erfahrungsobjekte.  In  diesen  Formen  bekundet  sich  das  oberste 
A  priori,  die  Identität  des  Selbstbewußtseins,  so  daß  jede  Vorstellung  ein 
Produkt  der  besonderen  Erfahrungen  in  die  Gesetze  der  allgemeinen,  der  Be- 
wußtseinseinheit ist.  Das  Identitätsbewußtsein  ist  die  Quelle  der  apriorischen 
Begriffe.  „Nichts  kann  erfahren  werden,  was  nicht  zu  einem  Bewußtsein  ver- 
einigt gedacht  werden  kann."  Um  das  Gleiche  als  Gleiches  zu  erkennen,  ist 
erforderlich,  daß  die  Erkenntnistätigkeit  selber  gleichförmig  ist,  daß  das  Be- 
wußtsein sich  als  dasselbe  weiß  und  erhält.  Es  ist  aber  die  formale  Einheit 
des  reinen  Ichs  oder  Subjekts  vom  empirischen  Ich  zu  unterscheiden;  nur  der 
bloße  Gedanke  „Ich",  der  Begriff  des  Subjektseins,  ist  immer  und  überall  der- 
selbe Gedanke,  „die  nämliche  Form  des  Bewußtseins  überhaupt". 

Die  Anschauungsformen    (Raum   und   Zeit)   sind    „empirische  Grenz- 
begriffe,  deren    Inhalt   in    gleichem    Grade   für   das   Bewußtsein,   wie   für  die 
Wirklichkeit  selber  gültig  ist".    Der  Kaum  hat  seine  empirische  Grundlage  in 
der   Koexistenz    der   Empfindungen,    während    seine    logischen   Eigenschaften 
(Gleichartigkeit  und  Stetigkeit)  aus  der  Identität  des  Selbstbewußtseins  stammen. 
Als   Fundamentalbegriff   ist   der  Raum   einzig   in   seiner  Art.    Die  Zeitvor- 
stellung   entsteht   aus   der   Verbindung   der  Identität  des  Selbstbewußtseins 
mit   der  Sukzession   der  Erscheinungen;    das   Ich   hält   seine  Identität   in  der 
Folge  der  Vorstellungen  fest  und  hat  so  das  Bewußtsein   der  Dauer.    Raum 
und  Zeit  enthalten  sowohl  empirische,  als  apriorische  (ideelle,  logische)  Elemente. 
Die  Kategorien  sind  die   „allgemeinen  apperzipierenden  Vorstellungen",  die 
allgemeinen  Formen   des  Apperzipierens,  Begriffe  von  Synthesen.     Sie  sind  die 
„durch  Reflexion   bewußt  gewordene  Gesetzlichkeit  des  Denkens",  entspringen 
aus  der  formalen  Einheit  des  Bewußtseins,  aus   dem  Prinzip  der  „Einheit  und 
Erhaltung   des  Bewußtseins   überhaupt".    Sie  verwirklichen   sich   nur  am   Ge- 
gebenen,  Anschaulichen.     „Kategorien  entstehen,  indem  Gegenstände   der  An- 
schauung  durch   eine   oder   die   andere   logische   Funktion    bestimmt   gedacht 
werden.    Kategorien  sind  logische  Funktionen  in  deren  bestimmter  Anwendung, 
in  Anwendung  auf  Anschauung."    So  ist  die  Kausalität  die  Anwendung  des 
Satzes   vom  Grunde   auf   die  zeitlichen  Veränderungen  der  Erscheinungen,  so 
aber,   daß   die   Vorstellung    des   Bewirkens   aus   dem   Bewußtsein    der  eigenen 
Willenstätigkeit  stammt.     Substanz  ist   das  Wirkliche  rücksichtlich  der  Un- 
veränderlichkeit  seines  Quantums. 

Bezüglich  der  Objekte  der  Erfahrung  gilt  der  Satz:  Cogito,   ergo  sum  et 


RlEHL.  1)03 

est.  „Indem  ich  mir  meines  eigenen  Daseins  bewußt  werde,  werde  ich  mir 
unter  einem  des  Daseins  von  etwas  bewußt,  was  ich  nicht  bin.'-  Der  Inhalt 
der  Empfindung  ist  objektiv,  ihre  Gefühlsseite  subjektiv.  „Durch  das 
Gefühl,  womit  sie  das  Bewußtsein  erregt,  gibt  sich  die  Empfindung  als  etwas 
kund,  das  nicht  ausschließlich  aus  uns  stammt. "  Das  ursprüngliche  Bewußtsein 
ist  indifferent,  kennt  weder  ein  Selbst  noch  ein  Objekt;  beide  scheiden  sich 
erst  aus  ihm  aus.  Wir  erfahren  durch  den  Zwang  des  Empfindens,  daß  das 
Bewußtsein  durch  eine  Wirklichkeit  begrenzt  wird,  die  es  nicht  selber  i-t. 
Durch  die  Empfindung  von  Widerstand  werden  wir  der  Existenz  anderer 
Körper  inne;  zugleich  mit  dem  Gefühle  unseres  Strebens  erlangen  wir  die 
Empfindung  der  Grenzen,  welche  diesem  Streben  von  außen  gesetzt  werden. 
Der  Gedanke  der  stetigen  Existenz  der  Objekte  entsteht  dann  durch  Über- 
tragung unseres  Ichbewußtseins  auf  die  Dinge.  Indem  dieser  Gedanke  seine 
volle  Überzeugung  durch  den  Denkverkehr  mit  den  Mitmenschen  erhält,  ist  die 
Erkenntnis  der  Außenwelt  in  letzter  Instanz  ein  „soziales  Produkt".  Für  unser 
Bewußtsein  vertritt  schließlich  ein  Begriff  die  Stelle  des  Gegenstandes.  Die 
Außendinge  sind,  ebenso  wie  die  empirischen  Ichs,  Erscheinungen  eines 
Ding  an  sich.  Die  Materie  ist  räumlich-dynamische  Erscheinung,  kein  Ding 
an  sich,  nur  ein  Denkmittel.  Der  Begriff  des  Atoms  ist  nur  ein  Erzeugnis 
der  Methode,  ein  „Rechenpfennig",  nichts  Reales,  ein  Gedankending.  Die 
raumzeitliche,  kausalmechanische  Auf fassungs weise  der  Natur  ist  berechtigt, 
notwendig,  muß  konsequent  sein.  Aber  sie  ist  einseitig,  abstrakt,  gilt  nur  für 
die  Objekte  der  äußeren  Erfahrung  als  solche,  nur  als  Symbol  für  das  Wirk- 
liche. Körperlichkeit,  Bewegung,  Energie  —  alles  ist  als  solches  Erscheinung. 
Das  Psychische  (Bewußtsein)  ist  etwas  Spezifisches,  nichts  Materielles, 
auch  nicht  „Energie",  denn  es  hat  keine  Größe;  es  ist  das  „nichtenergetische 
Geschehen  in  der  Natur".  Psychisches  und  Physisches  sind  Erscheinungen  oder 
Betrachtungsweisen  eines  Identischen.  Und  zwar  ist  der  Panpsychismus 
abzulehnen,  im  Anorganischen  hat  das  Physische  kein  BewnJBtseinskorrelat;  ein 
solches  tritt  erst  in  den  Organismen  auf,  aber  nicht  als  Wirkung  des  Physischen. 
Zwischen  Psychischem  und  Physischem  besteht  ein  Parallelismus,  wobei 
aber  beide  Reihen  des  Geschehens  niemals  zugleich  der  Erfahrung  eines  und 
desselben  Subjektes  angehören.  „Die  Welt  ist  nur  einmal  da;  aber  sie  i-t 
dem  objektiven,  auf  die  äußeren  Dinge  bezogenen  Bewußtseil]  als  Zusammen- 
hang  quantitativer  physischer  Vorgänge  und  Dinge  gegeben,  während  ein  Teil 
derselben  Welt  einem  bestimmten  organischen  Individuum  als  Beine  bewußten 
Funktionen  und  deren  Zusammenhang  gegeben  i<t.  Diese  Auffassung 
Verhältnisses  des  I'-vchischen  und  des  Physischen  nenne  ich  den  philosophi- 
sches Monismus/'  „Dasselbe,  was  vom  Standpunkt  des  Ich  ein  Empfin- 
dungsprozefl  i-t.  i-t  von  dem  des  Nicht-Ich  ein  cerebraler  Vorgang/'  ..Wenn 
wir  .  .  .  ragen,  daß  den  Empfindungen  Bewegungen  entsprechen,  >«>  1-1  d 
so  /w  verstehen,  daß  ihnen  Vi  entsprechen,  welche  den  äußeren  sinnen, 

Tastsinn  and  Gesicht,  als  Bewegungen  erscheinen  und  in  der  Vorstellungsweise 
dieser  Sinne   als  Bewegung  dacht    werden    müssen.    Audi   die  Bewegung 

fällt  Doch  in  die  ErBcheinungswelt  hinein.    Der  Wille  bewegt   die  Gliedmaßen 


604  RlEHL  —  RlEMANN. 


nicht  als  Bewußtseinsvorgang,  sondern  als  Gehirnprozeß,  denn  die  Reihe  des 
Physischen  ist  geschlossen  und  kann  durch  keine  physischen  Ursachen  durch- 
brochen werden.  Eine  Freiheit  des  Willens  als  gesetzloses  Vermögen  würde 
die  Naturgesetzlichkeit  aufheben.  Freiheit  ist  nur  Unabhängigkeit  des  Willens 
von  der  Nötigung  durch  unmittelbare  sinnliche  Antriebe. 

Die  Quintessenz  der  R.schen  Weltanschauung  liegt  in  folgendem:  „Es  ist 
dieselbe  Wirklichkeit,  aus  der  unsere  Sinne  stammen  und  die  Dinge,  die  auf 
unsere  Sinne  wirken.  Die  nämliche  schaffende  Macht,  die  schon  in  den  ein- 
fachsten Dingen  am  Werke  ist,  setzt  ihr  Werk  in  uns,  durch  uns  fort.  Sie  ist 
die  gemeinsame  Quelle  von  Natur  und  Verstand.  Sie  hat  den  Dingen  ihre 
begriffliche  Form  gegeben  und  uns  das  Vermögen,  zu  begreifen.  So  stiftete 
sie  zwischen  der  Natur  und  Denkgesetzen  jene  Harmonie,  welche  im  einzelnen 
zu  vernehmen,  Ziel  und  Lohn  aller  Forschung  ist.  Aber  nur  bis  zur  Voraus- 
setzung dieser  Einheit  dringt  unser  Denken.  Sie  selbst  in  ihrem  Wesen  bleibt 
transzendent.  Das  Geheimnis  des  Daseins  ist  durch  das  Denken  nicht  zu  er- 
gründen; das  Prinzip  des  Daseins  geht  dem  Denken  voran:  erst  Sein,  dann 
Denken." 

Das  Wirkliche  wird  aber  nicht  bloß  mit  dem  Verstände  erfaßt,  es  wird 
auch  mit  dem  Gemüte  erlebt,  durch  das  Gefühl  geschätzt,  vom  Willen  erstrebt. 
So  entspringen  Ideen  oder  Werte,  wobei  das  Werturteil  immer  auch  praktisch 
ist,  zum  Schaffen  und  Nachschaffen  antreibt.  ,,Aus  Werten  erwächst,  auf 
Werten  beruht  unser  geistiges  Leben."  Die  Probleme  der  Lebensanschauung 
sind  Wertprobleme.  Werte  haben  eine  objektive  Grundlage,  sie  werden  nicht 
erfunden,  sondern  entdeckt.  Wert  und  Zweck  haben  in  der  Wissenschaft 
keinen  Platz,  wohl  aber  in  der  Philosophie  als  Kunst  der  Geistesführung.  Die 
Ideen  sind  „Willensaufgaben",  sie  gehen  auf  das  Schaffen  von  Realitäten,  die 
noch  nicht  sind.| 

Die  Ethik  R.s  ist  jener  Kants  verwandt.  Das  Sittengesetz  ist  das  „uni- 
verselle Gesetz  aller  vernünftigen  Naturen",  es  hat  „kosmische  Tragweite". 
Ethisch  ist  nur  die  Entscheidung,  die  mit  unserem  ganzen  Willen  überein- 
stimmt; sie  ist  zugleich  die  Entscheidung,  die  jedes  vernünftige  Wesen  in 
gleicher  Weise  treffen  würde,  das  unter  den  nämlichen  Umständen  zu  handeln 
hätte. 

Schriften:  Realistische  Grundzüge,  1870  (Vermittlung  zwischen  Herbart  und 
Kant).  —   Moral  und  Dogma,  1871.    —    Über  Begriff  und  Form  der  Philosophie,  1872. 

—  Kauealität  und  Identität,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  1877.  —  Der  philos. 
Kritizismus  u.  seine  Bedeutung  für  die  positive  Wissensch.,  1876 — 87;  Bd.  I.  2.  A. 
1908  (Hauptwerk).  —  Über  wissenschaftliche  u.  nicht  wissenschaftliche  Philosophie, 
1883.  —  Lessing,  1882.  —  G.  Bruno,  2.  A.  1900.  —  Beiträge  zur  Logik,  1892.  — 
F.  Nietzsche,  1897;  5.  A.  1909.  —  R.  Haym,  1902.  —  Zur  Einführung  in  d.  Philos. 
d.  Gegenwart,  1903;  3.  A.  1908.  —  1.  Kant,  1904.  —  H.  v.  Helmholtz  u.  Kant,   1904. 

—  Plato,  1905.  —  Logik  u.  Erkenntnistheorie,  Kultur  d.  Gegenw.  I,  6,  u.  a. 

Riemann,  G.  F.  Bernhard,  1826—1866,  Mathematiker,  Prof.  in  Göttingen. 
=  Nach   R.    ist    der    Raum    nur    ein    Spezialfall    einer    dreifach    ausgedehnten 


Riemanx  —  Ritschi..  605 


Größe.     Seine   besonderen   Eigenschaften    sind   nur   empirisch  festgestellt    und 
haben  nur  empirische  Gewißheit. 

Schriften:  Gesammelte  mathematische  Werke,  1876,  1902.  —  Über  die  Hypo- 
thesen, welche  der  Geometrie  zugrunde  liegen,  Abhandl.  d.  Kgl.  Gesellsch.  der  Wissensch. 
zu  Göttingen  XIII,  1867. 

Rignano,  Eugenio.  =  Xeolamarekistischer,  aktiv-evolutionistischer  Stand- 
punkt (Theorie  der  „Zentroepigenese"). 

Schriften:  Über  die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften,  1907,  u.  a. 

Rindfleisch,  Eduard,  geb.  1836  in  Köthen,  Prof.  der  Medizin  in  Würz- 
burg. =  Xeo-Vitalistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Ärztliche  Philosophie,  1888,  u.  a. 

Rio.  Julian  Sanz  del,  geb.  1814,  studierte  1844—50  in  Deutschland, 
durch  Roeder  und  Leonhardi  für  die  Philosophie  Chr.  Krauses  gewonnen,  die 
er  in  Spanien  zu  höchster  Geltung  brachte,  gest.  als  Professor  in  Madrid  1869. 
=  Schüler  del  Rios  sind  Fr.  Canalejas,  N.  Salmeron,  U.  G.  Serrano, 
F.  de  Castro,  F.  Giner  de  los  Rios,  M.  Sales  y  Ferre  u.  a. 

Schriften:  Sistema  de  la  filosofia,  1860.  —  El  ideal  de  la  hamanidad,  1860.  — 
Doctrinal  de  Logica,  1863.  —  Lecciones  sobre  el  sistema  de  la  filosofia,  1868.  — 
Analisis  del  pensamiento  racional,   1877,  u.  a. 

Riteliie.  D.  G.  =  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Darwin  and  Hegel,  1894.  —  The  Relation  of  Logic  to  Psychol., 
Phil.  Review,  V,  1896.  —  The  One  and  the  Many,  Mind  N.  S.  VII,  1898.  —  Philoso- 
phical  Studies,  1905. 

Ritschl,  Albrecht,  geb.  1822  in  Stettin,  Prof.  der  Theoloirie  in  Konn 
und  (seit  1864)  in  Göttingen,  gest.  daselbst  1889. 

R.,  der  von  Kant,  Schleiermacher,  Lotze  beeinflußt  ist,  hat  eine  eigen«.' 
theologische  Schule  begründet.  Die  Religion  ist  unabhängig  von  aller  Meta- 
physik, wohl  aber  zieht  die  Theologie  die  Erkenntnistheorie  heran,  die  R.  im 
Sinne  Lotzes  darlegt.  In  der  Erkenntnis  spielen  schon  Werturteile  eine  Rolle, 
aber  erst  in  der  Ethik  und  noch  mehr  in  der  Religion  kommt  es  zu  selb- 
ständigen Werturteilen.  Diese  beziehen  sich  in  der  Religion  aut  die  Stellung 
des  Menschen  zur  Welt  und  rufen  Gefühle  heru>r,  „in  denen  der  Mensch  ent- 
weder seine  durch  Gottes  Hilfe  bewirkte  Herrschaft  über  die  WYlt  genii 
oder  die  Hilfe  Gottes  zu  jenem  Zweck  schmerzlich  entbehr?'.  Glauben  um! 
Wissen  >in<l  zweierlei;  der  Glaube  beruht  auf  praktisch-subjektivem,  innerlichem 
Erleben  der  religiösen  Wahrheiten.  Die  Religion,  welche  der  Ohnmacht  des 
eigenen  Könnens  entspringt,  ist  „Leben  im  heiligen  Geist 

Schüler  Ritschls   Bind   W.  Herrmann,   .1.  Kaitun,    II.  Schultz  iL  i 
Vgl.  die  Zeitschrift  l  Theol.  n.  Kirche,  1891  tt. 

Schriften:  Die  christliche  Lehre  von  der  Rechtfertigung  u.  Versöhnung,  1870  f.; 
4.  A.  1895—1903.  —  Theologie  u.  Metaphysik,  1881;  2.  A.  1887.  —  Gesammelte 
Aufsätze,   1893—96,  u.  a.   —    W..  < ).    RrT»  EL,    Li  Lehen,   189'J   f. 

Ititsrlil.  Otto,  geb.  1860  m  Bonn,   Prof.  der  proteet  Theologie  in  Bonn. 


606  RlTSCHL   —   ROBERTY. 


==  Von  A.  Ritschi  beeinflußt.  Werturteile  sind  nach  R.  Urteile  über  einen 
Tatbestand,  die  von  einem  Gefühlston  begleitet  sind. 

Schriften:  Schleiermachers  Stellung  zum  Christentum,  1888.  —  Ritschis  Leben, 
1892—96.  —  Nietzsches  Welt-  u.  Lebensansch.,  1896;  2.  A.  1889.  —  Die  Kausal- 
betrachtung in  den  Geisteswissenschaften,  1901.  —  Wissenschaftl.  Ethik  u.  moral.  Ge- 
setzgebung, 1903.  —  Über  Werturteile,  1895,  u.  a. 

Ritter.  Heinrich,  geb.  1791  in  Zerbst,  1833  Prof.  in  Kiel,  1837  in  Göt- 
tingen, gest.  daselbst  1869.  =  R.,  der  besonders  als  Historiker  bekannt  ist, 
gehört  zu  den  Schülern  Schleiermachers,  dessen  Lehren  er  im  Sinne  eines 
wimdergläubigen  christlichen  Theismus  weiterbildet.  Gott  hat  die  Welt  aus 
Nichts  geschaffen.  Die  menschliche  Seele  ist  unsterblich.  Die  Welt  ist 
schlechthin  gut. 

Schriften:  Über  die  Bildung  des  Philosophen  durch  die  Geschichte  der  Philo- 
sophie, 1817.  —  Geschichte  der  jonischen  Philosophie,  1821.  —  Gesch.  d.  pythagorei- 
schen Philos.,  1826.    —    Geschichte    der   Philosophie,    12  Bde.,   1829 — 53  (Hauptwerk). 

—  Versuch  zur  Verständigung  über  die  neueste  deutsche  Philos.  seit  Kant,  1853.  — 
Die  christliche  Philosophie,  1858 — 59.  —  Vorlesungen  zur  Einleit.  in  die  Logik,  1823. 
Abriß  d.  philos.  Logik,  1824;  2.  A.  1829.  —  Die  Halbkantianer  und  der  Pantheismus, 
1827.  —  Über  d.  Verhältnis  d.  Philos.  zum  Leben  überhaupt,  1855.  —  Über  d.  Er- 
kenntnis Gottes  in  der  Welt,  1836.  —  Kleine  philos.  Schriften,  1839 — 40.  —  System 
der  Logik  u.  Metaphysik,  1856.  —  Über  das  Böse,  1869;  2.  A.  1867.  —  Enzyklopädie 
d.  philos.  Wissenschaften,  1862  —  64.  —  E.  Renan,  1865.  —   Unsterblichkeit,  2.  A.  1866. 

—  Philos.  Paradoxe,  1867. 

Rixner,  Thaddäus  Anselm,  geb.  1766  in  Tegemsee,  gest.  1838  in  München. 
=  Von  Schelling,  später  von  Hegel  beeinflußt. 

Schriften:  Aphorismen  aus  der  Philosophie,  1809;  2.  A.  (A.  d.  gesamten  Philos.), 
1818.  —  Leben  u.  Meinungen  berühmter  Physiker  am  Ende  des  16.  u.  zu  Anfang  des 
17.  Jahrh.,  7  Hefte  (Auszüge),  1819—23  (mit  Siber).  —  Handbuch  d.  Geschichte  d. 
Philosophie.  1822  f.;  2.  A.  1829  mit  Supplement  von  Gumposch  (1850).  —  Geschichte 
d.  Philos.  bei  den  Katholiken  in  Altbayern,  1835. 

Robert  Capito  (Greathead)  s.  Dreadhead. 

Robert  Pulleyn  s.  Pulleyn. 

Robert  von  Melun,  Scholastiker,  gest.  gegen  Ende  des  12.  Jahrh.  == 
Vertreter  des  Begriffs-Eealismus. 

Schriften:  Summa  theologiae  (Quaestiones  de  divina  pagina).  —  Vgl.  HaureAU, 
Philos.  scolastique.  —  DE  WULF,  Hist.  de  la  philos.  mddievale. 

Roberty,  Eugene  de,  geb.  1843  in  Rußland,  Prof.  am  College  libre  des 
nces  sociales  in  Paris. 

R.  vertritt  eine  Art  Positivismus,  geht  aber  dann  zu  einem  metaphysischen 
Monismus  (Psychismus)  auf  evolutionistischer  Grundlage  über.  Er  ist  besonders 
als  Soziolog  tätig.  Die  apriorischen  Anschauungs-  oder  Denkformen  sind  ein 
Produkt  der  Sozialität,  der  ständigen  Wechselwirkung  der  Geister.  Das 
A  priori  ist  eine  Form  der  Kollektiverfahrung  („experience  collective") ,  eine 
sozialindividuelle  Erfahrung  („expenence  socio-individuelle").  Die  Gesellschaft 
entsteht    durch  den    kollektiven  „Psychismus",  durch  Vereinigung  psychischer 


Roberty  —  Robin  et.  60  ? 


Energie.  Gefühle  und  Strebungen  sind  die  sozialen  Kräfte;  die  Finalität  ist 
eine  Eigenschaft  des  Sozialen.  Moral  und  Gesellschaft  haben  eine  bio-psychische 
Grundlage. 

Schriften:  La  sociologie,  1880.  —  L'inconnaissable,  1889.  —  La  recherche  de 
l'unite,  1893.  —  Nouveau  programme  de  sociologie,  1904.  —  L'Agnosticisme.  Le 
psychisme  social,  1896.  —  Les  fondements  de  l'Ethique,  1898.  —  Constitution  de 
TEthique,  1901.  —  F.  Nietzsche,  3.  ed.  1903.  —  Sociologie  de  l'action,  1908.  — 
Energetique  et  sociologie,  Rev.  philos.   1909.  —  La  philos.  du  siecle  u.  a. 

Robinet«  Jean  Baptiste,  geb.  1735  in  Reimes,  verließ  bald  den  Jesuiten- 
orden, in  den  er  eingetreten  war,  und  war  schriftstellerisch  tätig.  In  Amster- 
dam gab  er  sein  Hauptwerk  „De  la  nature"  zuerst  anonym  heraus  (1761). 
177s  kehrte  er  nach  Paris  zurück,  wo  er  königlicher  Zensor  wurde.  Zu  Beginn 
der  Revolution  ging  R.  nach  Rennes,  wo  er  1820  starb. 

R.,  der  von  Locke,  Condillac,  Leibniz,  Buffon  u.  a.  beeinflußt  ist.  vertritt 
eine  organische,  hylozoistische  Weltanschauung.  In  erkennt nistheoreti- 
scher  Beziehung  ist  er  (sensualistischer)  Empirist;  alle  Erkenntnis  geht  aus 
der  Sinnesempfindung  hervor.  Das  Sein,  die  Existenz  bestimmt  er  als  bloße 
Position,  als  Gegensetzung  zum  Nichts  („Opposition  au  n£ant'').  Das  innerste 
Wesen  der  Dinge  ist  unbekannt,  wir  erkennen  nur  die  Erscheinungen  der 
Dinge  (,.nos  sens  n'atteignent  que  les  apparences  et  les  formes  exterieures, 
l'interieur  des  substances  nous  sera  toujours  inconnu'*).  Auch  von  unserer 
Seele  kennen  wir  nicht  die  Substanz,  nur  ihre  Fähigkeiten.  Die  Kausalität 
des  Geschehens  nehmen  wir  nicht  wahr  („La  causalite  nous  echappe:  nous  ne 
voyons  pas  cette  Energie  interieure  en  vertu  de  quoi  un  phenomene  se  fait 
accompagner  d'un  autre.  Peut-etre  aussi  n'y  a-t-il  rien  de  tel  dans  la  nature"). 
Auch  das  Wesen  Gottes  ist  unerkennbar,  wenn  wir  auch  wissen,  daß  Gott 
der  Schöpfer  der  Welt  ist,  die  er  ewig  erhält,  während  er  selbst  zeitlos  ist 
Aller  Anthropomorphismus  ist  aus  dem  Gottesbegriffe  auszuschließen.  Die 
Substanz  der  Welt  bleibt  bei  aller  Formänderung  unverändert. 

Die  Welt  besteht  aus  organischen  Keimen,  die  eine  Entwicklung 
kraft  („force  evolutive")  haben,  vermöge  der  sich  alles  einheitlich  und  Btetig 
entfaltet  hat  („tout  n'est  qu'un  deVeloppement").  Das  Leben  ist  etwa-  Ur- 
sprüngliches und  Allgemeines  (Panvitalismus),  alles  ist  in  Beinen  Elementen 
lebendig,  organisch.  Die  Materie  besteht  aus  organischen  Keimen  („germes"), 
die  alle  verschieden  sind  und  alle  empfindungsfähig  sind.  Audi  die  Mineralien, 
ja  auch  die  Weltkörper  sind  „animalisch".  Das  Gesetz  der  Stetigkeil  herrschl 
in  der  Natur  (vgl  Leibniz).  in  welcher  eine  kontinuierliche  Stufenfolge  von  den 
niedersten  bis  zu  den  höchsten  Wesen  führt.  Alle  Wesen  sind  Variationen 
eines  Urtypus  („prototype"),  deren  Endziel  die  Bildung  des  Menschen  Bind, 
«steht  in  der  Natur  eine  „Progression",  wonach  zuerst  die  einfacheren, 
dann  erst  die  komplizierteren  Formen  entstehen.  I»i-  psychischen  Vorgänge 
erklärt  R.  aus  ihrer  Abhängigkeit  von  den  Punktionen  der  (sensitiven,  intellek- 
tuellen und  Yolitivriii  „Hirnfibern"  und  deren  Schwingungen.  Mit  Hutcheson 
nimmt  K.  einen  moralischen  sinn  an.  der  das  Gute  und  Wi^-  unmittelbar 
empfindet    Gut   ist  jede  Handlung,   die  das  (allgemeine)  Wohl   fördert     Di< 


'608  ROBINET  —  ROMAGNOSI. 


Übel  in  der  Welt  sind  notwendig,  weil  die  Dinge  endlich  sind.  Zwischen  den 
Gütern  und  Übeln  besteht  Gleichtgewicht  im  Ganzen  (Kompensationstheorie). 
Über  das  Dasein  des  Bösen  muß  man  sich  durch  den  Genuß  des  Guten  trösten. 
Schriften:  De  la  nature,  I:  1761;  2.  ed.  1763;  3.  ed.  1766;  II:  1763,  III  u. 
IV:  1766;  deutsch  1764  (Hauptwerk).  —  Considerations  philos.  sur  la  gradation  naturelle 
des  formes  de  l'etre,  1768.  —  Paralleles  de  la  condition  et  des  facultes  de  l'homrae 
avec  celles  des  autres  animaux,  trad.  de  l'Anglais,  1769.  —  Les  vertus,  reflexions 
morales  en  vers,  1814,  u.  a.  —  Vgl.  K.  ROSENKRANZ,  K.,  in  der  Zeitschrift:  Der 
Gedanke  I,  1861.  —  R.  ALBERT,  Die  Philosophie  R.s,  1903.      " 

Rochefoucauld,  Francois  de  la,  1613—1680,  Moralist.  =  Alle  Hand- 
lungen haben  egoistische  Motive. 

Schriften:  Reflexions  ou  sentences  et  maximes  morales,  1665,  1825  u.  ö. ;  deutsch 
in  der  Univ.-Bibl.  Oeuvres,  1818,  1868  ff.  —  Vgl.  RAHSTEDE,  Studien  zu  Roche- 
foucaulds  Leben  und  Werken. 

Kocholl.  Rudolf,  geb.  1822  in  Rhoden,  Kirchenrat  in  Düsseldorf,  gest. 
1905.  =  Die  Geschichte  ist  „der  von  seiner  eigensten  Bestimmung  abgefallene 
und  endlich  zu  sich  selbst  gekommene  Mensch",  Der  Zweck  herrscht  in 
der  Geschichte. 

Schriften:  Philosophie  der  Geschichte,  1878  f.;  2.  A.  1911. 

Rolide.  Erwin,  geb.  1845  in  Hamburg,  seit  1886  Prof.  in  Heidelberg, 
gest.  1898;  gehörte  zu  Nietzsches  Freunden,  Philolog. 

Schriften:  Psyche  Seelenkult.  u.  Unsterblichkeitsglaube  der  Griechen,  1890; 
4.  A.  1907.  —  Kleine  Schriften,  2.  A.  1902. 

Rohmer,  Friedrich,  geb.  1814,  gest.  1856  in  München. 

R.  will  Theismus  und  Pantheismus  in  einer  höheren  Synthese  vereinigen. 
Das  Weltall  ist  die  Verbindung  von  Makrokosmos  und  Mikrokosmos,  besteht  aus 
der  ursprünglichen,  unendlichen  Einheit  und  aus  den  abgeleiteten,  endlichen 
Existenzen,  aus  dem  einen  Gott  und  der  Vielheit  göttlicher  Geschöpfe.  Gott 
ist  unendliches,  vollkommenes,  selbstbewußtes  Leben.  Das  Universum  ist  der 
Körper  Gottes,  in  Gott  geworden,  nicht  erst  geschaffen,  die  Hülle  des  göttlichen 
Geistes,  der  in  ewiger  Entwicklung  sich  befindet  und  zu  dessen  Bestandteilen 
Raum  und  Zeit  gehören.  Geschaffen  sind  nur  die  einzelnen  Wesen.  Der 
Mensch  ist  eine  besondere  Idee  Gottes  und  ist  in  der  göttlichen  Erinnerung 
unsterblich,  aus  der  er  wieder  verkörpert  wird. 

Schriften:  Speculationis  initium  et  finis,  1835.  —  Kritik  des  Gottesbegriffs,  1856. 

—  Gott  u.  seine  Schöpfung,  1857.  —  Der  natürliche  Weg  des  Menschen  zu  Gott,  1858. 

—  Wissenschaft  u.  Leben,  1871  ff.  (I:  Die  Wissenschaft  von  Gott).  —  Vgl.  H.  STAEPS, 
Über  F.  R.s  „Wissenschaft  von  Gott",  1897.  —  BLUNTSCHLI  u.  SEGERLEN,  Leben 
u.  wissensch.  Entwickl.  F.  R.s,  1892. 

Rokitansky,  Karl  von,  1804—1878,  Prof.  der  pathologischen  Anatomie 
in  Wien.  =  Von  Kant  beeinflußt,  erkenntnistheoretischer  Idealist.  (Der  selb- 
ständige Wert  des  Wissens,  2.  A.  1869.) 

Romagnosi,  Giovanni  Domenico,  geb.  1761  in  Salsomaggiore,  Prof.  des 
oft.   Rechts  in  Parma,    Mailand,    Pavia,   Korfu,   gest.  in  Korfu  1835.    =    Von 


RoMAGXOSI  —   RöRARIO.  609 


Condillac  u.  a.  beeinflußt,  vertritt  R.  einen  Empirismus,  nimmt  aber  einen 
logischen  Sinn  an,  durch  welchen  die  Empfindungen  besondert  und  verknüpft 
werden.  Zweck  des  Sittlichen  ist  die  Vervollkommnung  des  Menschen  in  der 
Gesellschaft,  von  der  er  beeinflußt  ist.  Die  Gefühls-  wird  zur  Vernunftmoral. 
Schriften:  Genesi  del  diritto  penale,  1791.  —  Introduzione  allo  studio  del 
diritto   publico   universale,    1805.    —    Principii   della   scienza    del  diritto  naturale.  1820. 

—  Della  supreraa  econoraia  dell'  uraano  sapere,  1829.  —  Della  natura  e  dei  fattori 
dell'  incivilimento,  1832.  —  Elementi  di  filosofia,  1821  u.  a.  —  Opere,  1832 — 35, 
1836  —  45.  —  Appunti  e  pensieri  inediti,  1873.  —  Vgl.  BARTOLOMEI,  Del  significato 
e  del  valore  delle  dottrine  di  E.,  1901.     Vgl.  FULCI,  D.  Ethik  d    Positivism.,  1910. 

Romanos.  G.  J.,  geb.  1848  in  Kingston  (Kanada),  gest.  1894  in  Oxford 
als  Prof.  daselbst.  =  R.  wendet  den  Evolutionismus  (Selektionstheorie)  auf  die 
vergleichende  Psychologie  an.  Die  Instinkte  der  Tiere  sind  durch  Mechanisierung 
von  Bewußtseinsvorgängen  entstanden.  Von  Clifford  (s.  d.)  beeinflußt,  betrachtet 
R.  die  Welt  als  aus  einem  „geistigen  Stoffe"  bestehend;  das  Materielle  ist  nur 
eine  Seite  des  Wirklichen,  der  objektive  Ausdruck  eines  geistigen  Seins.  Das 
Innensein  des  Alls  ist  der  überpersönliche  Weltgeist  (das  „world-eject"). 

Schriften:    A  Candid    Examination    of   Theism,   1878  (noch  gegen  den  Theismus). 

—  Mental  Evolution,    1878.    —    The    Scientific   Evidences    of   Organic    Evolution,   1882. 

—  Darwins  Work  in  Zoology  and  Psychology,  1882.  —  Animal  Intelligence,  1882.  — 
Mental  Evolution  in  Animals,  1883;  deutsch  1885.  —  Darwin  and  after  Darwin, 
1892—97;  deutsch  1892  (nur  Bd  II).  —  Mental  Evolution  in  Man,  1888;  deutsch 
1893.  —  An  Examination  of  Weismannism,  1S94.  —  The  World  as  an  Eject,  in:  Mind 
and  Motion  and  Monism,  1895.  —  Thoughts  on  Religion,  1896.  —  Essays,  1897.  — 
Vgl.   E.  ROMAXES,  Life  and  Letters  of  G.  J.   Korn.,  1896. 

Romano  J.  P.,  war  Pfarrer  in  der  Schweiz.  =  Von  Schleiermacher 
beeinflußt. 

Schriften:  Über  Willensfreiheit  und  Determinismus,  1835.  —  System  der  natür- 
lichen Theologie,  1841.  —  Der  neueste  Pantheismus,  1848.  —  Über  wichtige  Fragen 
der  Religion,  1870,  u.  a. 

Roniundt,  Heinrich,  geb.  1845  in  Freiburg  in  Hannover,  lebt  in  Dresden. 
=  Von  Kant  beeinflußt.  Die  apriorischen  Sätze  müssen  durch  die  Erfahrung 
bestätigt  werden,  um  gültig  zu  sein.  Die  sittlich  sich  betätigende  Menschheil 
wird  einst  einen  Gottesstaat,  ein  Reich  der  Humanität  begründen. 

Schriften:  Antaeus,  1881.  —  Vernunft  als  Christentum,  1882.  —  Die  Herstellung 
der  Lehre  Jesu  durch  Kants  Reform  der  Philosophie,  1883.  —  Grundlegung  zur  Reform 
der  Philosophie,  1885.  —  Die  Vollendung  des  Sokrates,  1885.  —  Ein  neuer  Paulus, 
1886.  —  Die  drei  Fragen  Kants,  1887.  —  Ein  Hand  der  Geister  [nämlich  die  Geographie 
als  Weltkunde],  1895.  —  Eine  Gesellschaft  auf  dem  Lande,  Unterhalt,  über  Schönheit 
u.  Kunst,  1897.  —  Der  Piatonismus  in  Kants  Kritik  d.  l'iteilskrat't,  1901.  —  Kants 
philos.  Religionslehre,  1902.  —  Kirchen  u.  Kirchs  nach  Kants  philos.  Religionslehre, 
1903.  —  Kants  Wiederlegung  des  Idealismus,  1904.  —  Kants  Krit.  d.  reinen  Vernunft, 
1905.  —  Der  Professorenkant,   1906,  u.  a. 

Korario.  Girolamo  (Borarius),  Jurist,  rerfafite  \:,\\  \u  FrianJ  ein.  erst 
1645  veröffentlichtes,  Buch  über  Tierpsychologie:  Quod  snimtlia  l>rut a  aaepe 
ratione  ntantnr  melius  homine  (von  Leibnil  zitiert 

I      -lor,   Phi 


610  ROSCELINUS   —   EOSENKRAXTZ. 


Roseelinus  (oder  Rucelinus),  geb.  in  Compiegne,  studierte  in  Soissons 
und  Reims,  lehrte  als  Kanonikus  in  verschiedenen  Städten  (Lehrer  Abälards), 
1092  mußte  er  auf  dem  Konzil  zu  Soissons  seinen  „Tritheisnius"  widerrufen. 
Außer  einem  Briefe  an  Abälard  (vgl.  die  Abälard-Ausgabe  von  Cousin  II)  gibt 
es  von  ihm  keine  Schriften. 

R.  ist  einer  der  Begründer  des  mittelalterlichen  Nominalismus,  nach 
welchem  es  in  Wirklichkeit  nur  Individuen  gibt;  das  Allgemeine,  die  Gattimg 
ist  kein  Ding,  sondern  die  Zusammenfassung  gleichartiger  Dinge  durch  einen 
gemeinsamen  Namen.  Nach  Anselms  Bericht  (De  fide  trinit.  2)  hätten  die 
Nominalisten  das  Universale  für  einen  bloßen  „flatus  vocis"  gehalten.  Der 
,. Tritheisrnus"  ergibt  sich  daraus,  daß  die  drei  göttlichen  Personen  im  Sinne 
des  Nominalismus  drei  Individuen,  drei  Substanzen  sein  müssen.  Wie  die 
Gattung  ist  nach  dem  Nominalismus  auch  der  Teil  als  solcher  nur  eine  Ab- 
straktion, ein  Zerlegungsprodukt  („nullam  rem,  sed  solam  vocem  partes  habere"). 

Vgl.  PlCAVET,  R.,  1911. 

Rose,  Ferdinand,  geb.  1815  in  Lübeck,  gest.  1859.  =  Von  Hegel  und 
Schelling  beeinflußt.  In  Religion,  Staat  usw.  objektiviert  sich  das  Bewußtsein 
und  das  Bedürfnis  des  Geistes. 

Schriften:  Über  die  Erkenntnisweise  des  Absoluten,  1841.  —  Über  die  Kunst 
zu  philosophieren,  1847.  —  Die  Ideen  von  den  göttlichen  Dingen,  1847.  —  Die 
Psychologie  als  Einleitung  in  die  Individualitätsphilosophie,  1856. 

Ein  Schüler  R.s  ist  E.  Schär  er:  Beiträge  zur  Erkenntnis  des  Wesens  der  Philo- 
sophie, 1846.  —  Über  den  Standpunkt  u.  die  Aufgabe  der  Philosophie,   1846. 

Rosenkrantz,  Wilhelm,  geb.  1821  in  München,  1853  Ministerial- 
sekretär,  1867  Oberappellationsgerichtsrat  in  München,  gest.  1874  n  Gries  bei 
Bozen. 

R.  bildet  die  letzte  „positive"  Phase  der  Schellin gschen  Philosophie  weiter, 
wobei  er  auf  katholisch-theistischem  Standpunkte  steht.  Die  Philosophie 
hat  als  allgemeine  Wissenschaft  die  Aufgabe,  „alle  übrigen  Wissenschaften 
unter  sich  zur  Einheit  zu  verbinden".  Die  „Wissenschaft  des  Wissens"  ist 
„Analytik"  und  „Synthetik"  des  Wissens.  Von  der  äußeren  und  inneren  Er- 
fahrung ist  zur  obersten  Einheit  aufzusteigen,  aus  der  dann  das  Besondere  ab- 
geleitet wird.  Das  Wissen  ist  die  „Einheit  des  Subjekts  und  Objekts  in  der 
Vorstellung",  vollendetes  Erkennen.  Zum  vollständigen  Begreifen  der  Dinge 
gehört,  daß  wir  sie  in  die  Elemente  unseres  Denkens  auflösen  und  mittels 
dieser  den  nämlichen  Vorgang,  durch  welchen  die  Dinge  außer  uns  entstanden 
sind,  durch  unsere  eigene  Denktätigkeit  in  uns  wiederholen.  Subjekt  und 
Objekt  sind  notwendige  Voraussetzungen  des  Wissens.  Im  Subjekt  liegt  der 
erste  Grund  alles  Wissens,  welcher  im  menschlichen  Bewußtsein  niemals  Objekt 
werden  kann.  Die  Kategorien  haben  objektive  Gültigkeit.  Die  Einheit  von 
Denken  und  Sein,  der  absolute  Grund  von  allem  Seienden  ist  Gott,  der 
göttliche  Wille. 

hriften:  Wissenschaft  des   Wissens,   1866 — 68  (Hauptwerk).    —    Prinzipien  der 
Theologie,  1875.   —   Prinzipien  der  Naturwissenschaft,  1875.  —  Philosophie    der  Liebe, 


ROSEXKRAXTZ  —   ROSMINI-ßKRBATI.  611 

bei:    Entleutner,     Naturwissensch.,    Xaturphilos.    u.     Philos.    d.    Liebe,    1877.     —    Vgl. 
L.  MÜLLNER,  K.s  Philosophie,   187  7.  —  HAYD,  Zeitschr.  f.  Philos.,  1897—98. 

Rosenkranz,  Karl,  geb.  1805  in  Magdeburg,  1831  Prof.  in  Königsberg, 
gest.  1879  daselbst. 

R.  gehört  zur  „mittleren"  Richtung  der  Hegeischen  Schule,  weicht  aber 
in  manchem  von  Hegel  ab.  Die  ,, Wissenschaft  der  logischen  Idee"  zerfällt  in 
Metaphysik,  Logik  und  Ideenlehre.  Die  Metaphysik  gliedert  sich  in  Ontologie. 
Ätiologie,  Teleologie.  Die  Ideenlehre  handelt  vom  Prinzip,  von  der  Methode, 
vom  System.  Denken  und  Sein  haben  ihre  Einheit  in  der  Idee,  der  Einheit 
des  Begriffs  und  seiner  Realität.  Sie  ist  das  „absolute  Prinzip,  welches  sich 
die  ihm  immanente  Form  als  Methode  zur  Einheit  aller  seiner  notwendigen 
Bestimmungen  entwickelt,  ein  System".  Die  Idee  ist  .,das  absolute,  von  nichts 
anderem  abhängige,  in  sich  unbedingte  Sein".  Die  Idee  entfaltet  sich  in 
Natur  und  Geist.  Dieser  ist  das  „Für-sich-sein  der  Idee  als  Idee",  die  sich 
wissende  und  wollende  Idee,  das  Prius  der  Xatur  und  der  Vernunft.  Der  ob- 
jektive Geist  ist  der  Geist,  der  seine  Freiheit  als  eine  objektive  Welt  hervor- 
bringt; der  absolute  Geist  ist  „der  Geist,  der  sich  selbst  als  den  absoluten 
Inhalt  in  der  diesem  Inhalt  kongruenten  absoluten  Form  weiß".  Die  Natur 
ist  das  System,  worin  sich  das  Denken  als  Sein  setzt.  Die  Psychologie  gliedert 
R.  in  Anthropologie.  Phänomenologie  und  Pneumatologie. 

Schriften:  De  Spinozae  philosophia,  1828.  —  Die  Naturreligion,  1831.  —  Enzy- 
klop.  d.  theolog.  Wissenschaft,  1831;  2.  A.  1845.  —  Das  Verdienst  der  Doutschen  um 
die  Philos.  d.  Geschichte,   1835.  —  Kritik  der  Schleiermacherschen  Glaubenslehre,   1836. 

—  Psychologie,  1837;  3.  A.  1863.  —  Geschichte  der  Kantschen  Philosophie,  1840.  — 
Kritische  Erläuterungen  des  Hegeischen  Systems,  1840.  —  Studien,  1839 — 48.  —  Über 
Schelling  und  Hegel,  1843.  —  Schelling,  1843.  —  Hegels  Leben,  1844.  —  Kritik  der 
Prinzipien  der  Straußschen  Glaubenslehre,  1844;  2.  A.  1864.  —  Goethe  u.  seine  Werke, 
1847;  2  A.  1856.  —  Die  Pädagogik  als  System,  1848.  —  System  der  Wissenschaft, 
1850.  —  Meine  Reform  der  Hegeischen  Philosophie,  1852.  —  Ästhetik  des  Häßlichen 
1853.  —  Apologie  Hegels  gegen  Hayru,  1858.  —  Die  Wissenschaft  iler  logischen  Idee, 
1858 — 59  (Hauptwerk).    —    Epilegmnena,   1862.    —   Diderots  Leben    und   Werke,   1866. 

—  Hegels  Naturphilosophie,   1868.  —   Hegel    als    deutscher  Xationalphilosoph,    187»». 
Erläuterungen    zu    Hegels    Enzyklop.    d.  Philos.,   1878  (Philos.  Bibl.).    —    Neue  Studien, 
1875   ff.    —    Vgl.    QuÄBICKER,   K.   R.,    1879. 

Ro*niini-Serbati,  Antonio,  geb.  1797  in  ßoveredo  bei  Trient,  studierte 
in   rrienf    und  Padua,   wurde    1831    katholischei  Priester,   wurde   «regen  seiner 
philos.  Anschauungen   von  den  Jesuiten,   wegen   seiner  politischen  Reform-Idee 
von  österreichischer  Seite  angegriffen,   lebte  seif   isi"  in  seiner  Villa  in  S 
(am  Lago  maggiore),  gest.  daselbst  1855. 

l:..  der  von  Plato,  Thomas,  Descartes,  Leibniz,  Kam.  Schelling,  H'_'l 
beeinflußt    ist,    lehrt   einen    E&eal-Idealismus,   den  er  Beiner   Methode  nach 

ajang  vom  denkenden  Ich)  als  „Psychologismus"  bezeichnet   (Nuovi 
g  1465  ff.).     Die  Erkenntnis  des  Wirklichen   ist   nach  II.   durch   die   [deen  be- 
dingt.    I>i<-    universalste,    oberste,    arsprünglichste    Idee    ist    <li«-    angeborene, 
apriorische  Idee  des  Seins,  des  hen  Seins    „essere  possibile").    Sie  geht 


612  Rosmini-Serbati  —  Rothe. 


allem  Urteilen  voraus,  ist  nichts  Sinnliches  („non  e  un  immagine  sensibile"), 
bedarf  keiner  andern  Idee  zu  ihrer  Erfassung,  wird  unmittelbar  durch  geistige 
Anschauung  erfaßt.  Die  Seinsidee  wird  in  allem  gedacht,  sie  geht  allem  Er- 
kenntnisinhalte als  dessen  apriorische  Form  vorher,  kommt  an  ihm  zur  Ent- 
faltung (in  den  reinen  und  unreinen  Ideen,  „idee  pure"  und  „non  pure"). 
Alle  erworbenen  Ideen  gehen  aus  der  angeborenen  Seins-Idee  hervor.  Die 
reinen  Ideen  sind:  Einheit,  Zahl,  Substanz,  Ursache,  Notwendigkeit,  Wahr- 
heit, Gerechtigkeit,  Schönheit.  Die  unreinen  Ideen  (Geist,  Körper,  Raum,  Zeit, 
Bewegung  usw.)  sind  ein  Produkt  von  Vernunft  und  Erfahrung.  Die  Objekte 
der  Außenwelt  werden  (vermittelst  des  Grund-  und  Lebensgefühls)  von  uns 
auf  Grund  dessen,  was  wir  von  ihnen  erleiden,  als  vorhanden  beurteilt  (Als 
„fatti  passivi"  setzen  die  Empfindungen  eine  „causa  diversa  a  noi"  voraus). 
Geist  und  Körper  hängen  auf  unbegreifliche  Weise  zusammen.  Das  Dasein 
Gottes  wird  apriorisch  erkannt,  indem  wir  in  der  Idee  des  Seins  eine  Wirkung 
erfassen,  die  nicht  von  uns  herrühren  kann,  sondern  auf  eine  absolute  Wirk- 
lichkeit hinweist.  Die  Sittlichkeit  besteht  in  der  Behandlung  jedes  Dinges 
nach  seinem  Wirklichkeitswerte.  Das  Ziel  der  Geschichte  ist  die  Realisierung 
der  Idee  der  Menschheit.  Vier  Epochen  gibt  es:  Epoche  der  Erhaltung  und 
Sicherung,  der  Machtvermehrung,  des  Strebens  nach  nationalem  Wohlstande, 
des  Strebens  nach  Genüssen.  Die  soziale  Mission  der  Kirche  wird  von  R. 
betont. 

Anhänger  R.s  sind  A.  Manzoni,  N.  Tommaseo,  M.  Minghetti, 
V.  Garelli,  R.  Bonghi,  G.  Allievo,  A.  Moglia  u.  a.,  zum  Teil  Mami- 
ani  u.  a. 

Schriften:  Saggio  sulla  felicita,  1822.  —  Dell'  educazione  cristiana,  1823.  — 
Opuscoli  filosofici,  1827 — 28.  —  Nuovo  saggio  sull'  origine  delle  idee,  1830;  5.  ed. 
1851  (Hauptwerk).  —  Principii  di  scienza  morale,  1831 — 37.  —  L'antropologia  in 
servizio  della  morale,  1838,  1847.  —  Filosofia  del  diritto,  1839—41,  1865—67.  — 
La  societa  e  il  suo  fine,  1838.  —  Opuscoli  morali,  1841.  —  Trattato  della  coscienza 
morale,  1844.  —  Psicologia,  1858,  1887.  —  Introduzione  alla  filosofia,  1850.  —  Logica, 
1854.  —  Teosofia,  1859.  —  Saggio  storico-critico  sulle  categorie  e  la  dialettica,  1883. 
—  Anthropologia  sopranaturale,  1884,  u.  a.  —  Vgl.  F.  PAOLI,  Memorie  della  vita  di 
A.  R.,  1880  —  84  (mit  Bibliographie).  —  R.  WERNER,  Die  italien.  Philos.  d.  19.  Jahrh. 
I:  R.  u.  seine  Schule,  1884.  —  ORESTANO,  R.,   1908.  —  PALHORIES,  R,  1909. 

Rossi,  Pasquale,  geb.  1867  in  Cosenza,  gest.  1905.  =  Sozialpsycholog, 
der  sich  besonders  mit  der  Kollektivseele  beschäftigt. 

Schriften:  L'anima  della  folla,  1898.  —  Psicologia  collettiva,  1900.  —  Sociologia 
e  Psicologia  collett.,  1908,  u.  a. 

Roth,  Eduard,  geb.  1807  in  Hanau,  Prof.  in  Heidelberg,  gest.  1858. 
Schriften:    Geschichte    unserer    abendländischen    Philosophie,    1846 — 58;    2.   A. 
1862. 

Rothe,  Richard,  geb.  1799  in  Posen,  Prof.  in  Bonn  und  Heidelberg, 
gest.  1864.  =  Von  Hegel  und  Schleiermacher  beeinflußt.  Die  ewige  Schöpfung 
ist  eine  Vergeistigung  des  Seins.  Das  Ethische  ist  eine  Form  desselben 
Prozesses. 


Rothe    -   Rousseau.  613 


Schriften:  Theologische  Ethik,  1845—48;  2.  A.  1867  ff.  —  Dogmatik,  1870 
—  Theolog.  Enzyklopädie,  1880,  u.  a.  —  Vgl.  H.  J.  HOLTZMAXX,  R.  R.s  philos. 
System,  1898  '^Theorie,  daß  die  ältere  griechische  Philosophie  aus  religiösen  Doktrinen 
der  Ägypter  hervorgegangen  sei). 

Rousseau,  Jean  Jacques,  geb.  1712  in  Genf,  gest.  1778  in  Ermenon- 
ville  bei  Paris. 

R..  dessen  Hauptbedeutung  auf  literarisch-kulturellem  Gebiete  liegt,  und 
dessen  politische  Anschauungen  in  der  französischen  Revolution  (Robespierre) 
zur  Geltung  gekommen  sind,  gehört  teils  der  Aufklärung  an,  teils  ist  er  ein 
Gegner  derselben,  nämlich  des  in  ihr  liegenden  Intellektualismus  und  Rationa- 
lismus. Diesem  gegenüber  betont  er  das  Recht  des  Gefühls,  die  Ansprüche 
des  Gemütes  und  des  schlichten,  natürlichen  Menschenverstandes.  Er  ist  ein 
Lobpreiser  des  Natürlichen.  Die  Preisaufgabe  der  Akademie  zu  Dijon  be- 
antwortet er  dahin,  daß  die  Wissen  schaffen  und  Künste  zur  Verbesserung  der 
Sitten  gar  nichts  beigetragen  haben.  Die  Kultur  mit  ihrer  Künstlichkeit  und 
Unnatur  hat  den  Menschen  verdorben,  der  mit  guten  Anlagen  aus  der  Natur 
hervorgegangen  ist:  „Tout  est  bien  sortant  des  mains  de  l'auteur  des  choses, 
tout  degenere  entre  les  mains  de  l'homme".  Das  Ideal  ist,  sich  dem  Natur- 
zustände möglichst  zu  nähern,  alles  fernzuhalten,  was  den  Menschen  verbildet 
Unter  dem  Einfluß  Lockes  stellt  R.  im  „Emil''  sein  Erziehungsideal  auf: 
naturgemäße  Entfaltung  der  Anlagen  des  Individuums,  Fernhalten  von  allein 
Zwang,  von  allem,  was  die  von  Natur  gut  gerichteten  Kräfte  der  Individualität 
hemmen  oder  verbilden  kann. 

Im  vierten  Buche  des  „Emil*'  bringt  R.  seine  de  istische  Weltanschauung 
zum  Ausdruck.  Die  immer  weitergehende  ursächliche  Reihe  «1er  Bewegungen 
in  der  Xatur  weist  schließlich  auf  einen  Willen  bin,  der  alles  bewegt,  und  die 
Materie  verrät  durch  ihre  Gesetze  eine  Weltintelligenz,  „Ich  glaube  also,  daß 
ein  Wille  das  Weltall  bewegt  und  die  Xatur  beseelt."  ..Weist  die  bei 
Materie  einen  Willen  nach,  so  deutet  die  nach  bestimmten  Gesetzen  U 
Materie  auf  einen  Verstand  hin.'1  Gottes  Wesen  erkennen  wir  nicht,  aber 
seine  Existenz  gibt  sich  uns  im  Gemiite  kund.  „Ich  glaube  demnach,  daß  die 
Welt  von  einem  mächtigen  und  weisen  Willen  regiert  wird:  ich  Bebe  es  oder 
empfinde  es  vielmehr."  Gott  ist  das  Wesen,  welches  das  Weltall  bewegt  und 
alle  Dinge  ordnet.  Gott  hat  Macht.  Willen  und  Güte.  Der  Kultus  der  I 
heit  ist  mir  von  der  Natur  selbe!  eingegeben,  er  entspringt  Gefühlen  der  Liebe 
und  Dankbarkeit,  sieher  steht  auch  meine  Willensfreiheit  als  Freiheit, 
das  zu  wollen,  was  mir  heilsam  ist  Der  Mensch  ist  in  seinen  Handlungen 
frei  und  von  einer  immateriellen  Seele  beseelt,  welche  unsterblich  ist. 
Gott  ist  die  absolute  Anschauung,  er  rieht  alles,  was  ist  und  sein  kann  in 
Einem.  Je  weniger  ich  Gott  begreife,  desto  mehr  bete  ich  ihn  an.  Alles,  von 
dem  mir  mein  Gefühl  sagt,  dafl  es  gut  1-1  ist  auch  wirklieh  gut  Das 
Gewissen  ist  die  Stimme  der  Seele,  es  täuscht  uns  niemals,  [n  der  Tiefe 
•  in  angeborenes  Prinzip  der  Gerechtigkeit  und  Tugend,  ein 
fühl    für   das   Gute,    welches    unabhängig    von    der    Vernunft 


014  Rousseau  —  Royce. 


ist.  Das  alles  sind  Grundsätze  der  natürlichen  Religion.  Gott  ver- 
langt als  Kultus  nur  den  Dienst  des  Herzens.  Es  gibt  keine  Religion, 
die  von  den  Pflichten  der  Moral  entbindet,  diese  macht  das  eigentliche  Wesen 
der  Religion  aus.  Von  zwei  Extremen  muß  man  sich  fernhalten:  „Die  hoch- 
mütige Philosophie  führt  zur  Freigeisterei,  wie  blinde  Frömmigkeit  zum  Fana- 
tismus'*. Darauf  kommt  es  an,  daß  der  Mensch  hienieden  seine  Pflichten 
erfüllt  (vgl.  Kant). 

Im  „Contrat  social"  zeigt  R.,  wie  die  Unmöglichkeit  der  Erhaltung  des 
Naturzustandes  zu  einem  (stillschweigenden,  fiktiven)  Gesellschaftsvertrage 
führt,  durch  welchen  die  Gesamtheit  der  Wollenden  ihre  Freiheit  auf  einen 
Gesamtwillen  (volonte  generale")  überträgt.  Die  persönliche  Freiheit  ordnet 
sich  so  der  Gemeinschaft  unter  (einem  „corps  moral  et  collectif"),  dem  Staate 
als  dem  Organe  des  Volkswillens,  der  allen  gleiche  Rechte  gewähren  muß. 
Das  Wohl  der  Individuen  ist  der  Zweck  der  Gesellschaft;  Freiheit  und  Gleich- 
heit sind  der  Zweck  staatlicher  Gesetzgebung.  Die  Souveränität,  die  legislative 
Gewalt  gehört  dem  Volke,  welches  der  Regierung  die  exekutive  Gewalt 
verleiht. 

Der  Einfluß  R.s  war  ein  nachhaltiger.  In  Deutschland  haben  von  ihm 
Herder,  Hamann,  Goethe,  Kant,  Schiller  u.  a.  Einwirkungen  er- 
fahren. 

Schriften:  Discours  sur  les  sciences  et  les  arts,  1749  (Preisschrift).  —  Discours 
sur  l'origine  et  les  fondements  de  l'inegalite  parmi  les  hommes,  1753,  1755.  —  La 
nouvelle  Heloise,  1761.  —  Emile  ou  sur  l'education,    1762;   deutsch   in   der  TJniv.-Bibl. 

—  Du  contrat  social,  1762.  —  Confessions,  1782  u.  ö. ;  deutsch  1907,  u.  a.  —  Oeuvres, 
1764,  1782,  1818—20,  1868.  —  Werke,  1840—41;  Ausgewählte  Werke,  deutsch  von 
Heusinger,  1897.  —  Vgl.  BROCKERHOFF,  R.,  1863-74.    —    J.  MORLEY,  R.,  1873. 

—  HÖFFDING,  R.  u.  seine  Philosophie,  1897;  3.  A.  1905  (Froninianns  Klassik,  d. 
Philos.).  —  F.  HAGMANN,  R.s  Sozialphilosophie,  1898.  —  F.  MACDONALD,  R , 
1906. 

Roux.  Wilhelm,  geb.  1855  in  Jena,  Prof.  in   Halle  a.  S.    =   R.  ist  der 

Begründer  der  „Entwicklungsmechanik",  der  Lehre  von  der  Bedingtheit  der 
Formbildung  der  Organismen  durch  mechanische  Faktoren,  des  Begriffs  der 
„Kampf  der  Teile"  im  Organismus  und  der  „funktionellen  Anpassung",  deren 
Folge  eine  Harmonie  der  Körperelemente  ist. 

Schriften:  Der  Kampf  der  Teile  im  Organismus,  1881.  —  Entwicklungsmechanik, 
1890.  —  Gesammelte  Abhandl.  1895-  —  Die  Entwicklungsmechanik,  1905.  —  Zeit- 
schrift „Archiv  f.  Entwicklungsmechanik",  u.  a. 

Royce,  Josiah,  geb.  1855,  Prof.  an  der  Harvard-Universität,  Cambridge 
(Ver.  Staat.). 

R.  lehrt  einen  objektiven  Idealismus  und  logischen  Voluntarismus, 
den  er  als  „absoluten  Pragmatismus"  bezeichnet.  Letzterem  zufolge  hat  der 
Pragmatismus  (Instrumentalismusj  darin  Recht,  daß  unsere  Begriffe  Kontrol- 
mittel  der  Erfahrung  sind,  aber  Wahrheit  läßt  sich  nicht  bloß  in  Ausdrücken 

•  nlicher  Erfahrung  unseres  Erfolges  bei  dieser  Kontrolle  definieren.  Die 
Wahrheit  ist  „instrumental",  sofern  sie  ein  Mittel  zur  Erreichung  des  Zieles 


k"\ 


allec  in. ii-'  hli'hin   Wollene  i-i.  Logik 

the  will-i:   ee  gibt    keinen    reinen    Verstand,    1'  '!•--    H 

d«-l  !••    "t    b  ti i M 1   eine    [dee   i-'    • 

he   Wahrheil    i-t    relativ,    onteriii 
Im   sind     i  I        !  rkenntniswille   i-t    denelbe    in    mm-    tlk 

1 1 1  M-ri n*li\ iilMell  i    eioe   Wahrheit,  irelche   unter   Indifiduellei    I 

«tendiert.     Wir   wollen   '!.i-   Ewige,    haben  du  Ziel,    nun    I 

M  ,  mal',    /m    _:<M;iIt»ii.       I»  .ut.-M     W*;i}irli*-iT . 

reine    Form    dee    Willens    („pai  <»'    willing       erb 

b   allen    Bemühi  :.:■    Geaeta     ra    verletzen 

trMth        Di    Wirklichkeil  i-r  Reihe'  !:•    h  der   \\ 

ihn   oi  appreciatiofi  "t   vslnee 
Willens  („onr  irhole  «rill   embodied"       Das    Außenweltsbewußtsein 
den  Fakt 

diatischen  (spiritual  physii  ELs 

w  irklichkeit    d  I  .-in.--   absolut« 

lid.        ■  bem   alle    Individuell    t ■ni^»-<  hl«»--« n    lind.     D 

indiridnellei  Leben    «reichet  I  rwirklichl  ful- 

fill;  absolute!?   final  form").     Dieses  zeitlich    •  i 

i-t         •       res  <U<-  i  £>i<    menschliche  Willensfreiheil  i-r  in  der  I 

sohlten  -  All    i-  w  -  Itordnung,   im 

das  1*1*1    k  ihn      ei  Wirklichk«  sondern   übenrund 

l1     -  ttlichkeil  bestehl   im   der  freien,  aktiv«      11 
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610  ROYER-COLLARD   —   RüGE. 

sicli  das  Ich  als  aktiv,  als  ein  Wirkendes,  als  Ursache;  das  Denken  ist 
Willenstätigkeit.  Die  Allgemeinheit  und  Notwendigkeit  des  Wirkens  (das 
Kausalprinzip)  wird  nicht  erfahren,  ist  ein  Denkprinzip. 

Schriften:  Fragments  philosophiques,  in  Jouffroys  Übersetzung  der  Werke  Reids 
(Oeuvres  de  Tb..  Keid,  1828—35,  III— IV).  —  Vgl.  De  Barante,  R.,  1862.  — 
AntONESCTJ,  R.  als  Philosoph,   1904. 

Rubinstein,  Susanna,  geb.  1847  in  Czernowitz. 

Schriften:  Die  sensoriellen  u.  sensitiven  Sinne,  1874.  —  Psychol.-ästhet.  Essays, 
1878 — 84.  —  Aus  der  Innenwelt,  1888.  —  Zur  Natur  der  Bewegungen,  1890.  —  Aus 
dunklem  Grunde,  1892.  —  Ein  Individualist.  Pessimist  (Mainländer),  1894.  —  Eine 
Trias  von  Willensmetaphysikern,   1896.  —   Psychol.-ästhet.  Fragmente,  1902,  u.  a. 

Rüdiger  (Eidiger),  Andreas,  geb.  1673  in  Rochlitz,  Arzt  und  Privat- 
dozent der  Philosophie  in  Halle,  gest.  1731  in  Leipzig. 

R.  ist  ein  eklektisch  denkender  Gegner  der  Wolffschen  Philosophie.  Er 
bekämpft  die  Anwendung  der  mathematischen  Methode  auf  die  Philo- 
sophie; erstere  hat  es  nur  mit  dem  Möglichen  zu  tun,  die  Philosophie  zeigt, 
durch  Wahrscheinlichkeitsgründe,  wie  etwas  Mögliches  wirklich  sein  kann. 
Die  Wahrheit  definiert  R.  als  Übereinstimmung  der  Sache  mit  dem  Denken 
(„convenientia  rei  cum  intellectu")  bzw.  der  Begriffe  mit  den  Wahrnehmungen. 
In  der  Physik  zeigt  sich  R.  einerseits  von  Descartes,  anderseits  von  H.  More 
und  R.  Fludd  beeinflußt.  Als  Prinzipien  der  Dinge  bestimmt  er  Luft,  Äther 
und  Geist.  Die  Seele  ist  geistig  und  einfach,  aber  doch  ausgedehnt  und  in- 
sofern materiell.  Es  gibt  im  Menschen  mehrere  Seelen.  Seele  und  Leib 
stehen  miteinander  in  Wechselwirkung.  In  der  Ethik  ist  R.  besonders  von 
Chr.  Thomasius  beeinflußt.  Das  Sittengesetz  führt  er  auf  den  göttlichen 
Willen  zurück. 

Von  R.  ist  Crusius  beeinflußt. 

Schriften:  Disputatio  de  eo,  quod  omnes  ideae  oriuntur  a  sensione,  1704  (Enipi- 
ristiscb).  —  De  sensu  veri  et  falsi,  1709,  1722.  —  Philosophia  synthetica,  1707  (= 
Institutiones  eruditionis).  —  Physica  divina,  1716.  —  Philosophia  pragmatica,  1723.  — 
Wolffens  Meinung  vom  Wesen  der  Seele,  1727.  —  Anweisung  zur  Zufriedenheit  der 
menscbl.  Seele,  1721,  1726.  —  Vgl.  W.  CARLS,  R.s  Moralphilosophie,   1894. 

Ruf us  s.  Musonius. 

Rüge,  Arnold,  geb.  1802,  1832-41  Privatdozent  in  Halle,  gest.  1880  in 
England.  Mit  Th.  Echtermeyer  Begründer  der  „Hallischen  Jahrbücher4' 
(1838  ff.,  1841 — 43:  Deutsche  Jahrbücher),  das  Organ  der  Hegeischen  Linken, 
zu  deren  Vertretern  R.  gehört. 

Schriften:  Die  platonische  Ästhetik,  1832.  —  Neue  Vorschule  der  Ästhetik, 
1837.  —  Anekdota  zur  neuesten  deutschen  Philosophie  u.  Publizistik,  1843.  —  Deutsch- 
französ.  Jahrbücher,  1844  (mit  K.  Marx).  —  Gesammelte  Schriften,  10  Bde.,  1846—48. 
—  Aus  früherer  Zeit,  1862—67.  —  Keden  über  die  Religion,  1868,  1874.  —  Unser 
System,  hrsg.  von  Grevo,  1903. 

Rüge,  Arnold,  Privatdozent  in  Heidelberg,  Herausgeber  des  „Jahrbuch 
der  Philosophie".  1910  ff.  =  Kritizistischer  Standpunkt. 

Sc)i ritten:  Das  Problem  der  Freiheit  in  Kants  Erkenntnistheorie,  1909  u.  a. 


Rülf  —  Kunze.  61  i 


Külf.  [saak,  geb.  1831,  emer.  Rabbiner  in  Bonn. 

R.  lehrt  einen  theistischen  Monismus.    I  >i.  G  Dualismei 

von  Stoff  und  Kraft,  Leib  und  &  I     tt  und  Welt  sind  zur  Einheit  ZU 

binden.  Stoff  und  Kraft  sind  eins,  d.  h.  es  gibt  keine  Stoffe,  Bondern  nur 
Kräfte,  welche  im  Stoffe  zur  Ruhe  kommen  Dynamiamns).  Der  Körper 
ist  bloß  ., verwirklichte  Kraft".  Die  Atome  Bind  Kraftpunkte,  in  denen  sich 
die  Allkraft  zusammenfaßt  Die  Anlage  zu  Leben  und  Seele  war  schon  im 
ersten  Atom  vorhanden,  aber  die  Seele  Belbst  noch  nicht.  Alles  i-t  Kraft, 
also  auch  der  Geist;  dieser  ist  die  bewußte  Kraft,  dir  Kraft  des  Bewußt« 
die  ..all'-  St-in  EU  Bewußtsein  verklärende  und  in  ihrem  Bewußtsein  an  und 
für  -ich  seiend«'  Kraft".    Der  Geist  bleibt  ewig  als  d  rtbewußte  freie  und 

ansterbliche  Wesen.  Dir  Kran  wechselt,  aber  sie  Btirbt  nicht.  Dir  Welt  i-t 
dir  ..sinnfällig«-  Offenbarung  <;<>ttes".  Das  All  ist  nicht  Gott;  <.<.tt  i-t  das 
All.  die  Allkraft,  die  Allwirksamkeit  in  jedem  Punkte,  da-  „allgemeine  Wesen*', 
der  absoluti  Allgeist,  Allbewußtsein).     Alle  Schöpfung  Ist   Entwickli 

alle  Entwicklung  fortlaufende  Schöpfung  des  Weltall- .  welche-  zweck- 
mäßig i-t. 

Schriften:     Der  Einheitsgedanke,   1880.    —    Wissens»  halt  dos   Weltgedaiiki-ns  und 
der  Gedankenwelt,    1888.    —    Wissens»  halt    der    Krafteinheit    (Dynsmo-MoBUBiiii 
—    Wissenschaft    der    (jeisteseinheit,    1897.    —     V,  aft    der 

M   •  isnius),   1903   (zusammen:    System  einer  Denen   Metaphysik). 

Kümcliii.    Gustav,    geb.    1848   in    Nürtingen,    Prof.  in    Freiburg  i.  I 

=  Die  Bozialen     I  Bind  nur  eine  „besonder*    Art  der  psychi- 

schen".    Minen  „Volksgeist"  gibt  es  nicht. 

-    h  rifton:   Reden   und   Aufsitze,    1875—18" 

Kunze.  I  1852  in  Woltersdorf,  Prof.  der  protestant.   Theo!. 

in  Berlin. 

Et.    vertritt    eine    „glottologische"    Philosophie,    «reiche    den    Einfluß 

lui  das  Denken,   Wollen  und  Handeln   betont   (Glottologik,  Glotto- 
psychik,  Glottoethik).     Das   Denken  Bteht   unter  dem   Einflrj  -  Metapho- 

iien  der  Sprache,  aber  dies   berechtigt   nicht  (wie  etwa  nach  I".  Mauthi 
zur  Skepsis,  denn    ..da-  problem-f« »rinuliereiide  Leistungsvermögen  d      £       he 
reicht  nicht  wesentlich  «reiter  als  ihre  Fähigkeit,  rar  Lösung  der  Probleme  I 
cutragen".     Von  der  Sprache  ist  auch  die  R<  I  gion  abhanf  thropom« 

phismus),  deren  Wesen  psychologisch  erhellt  werden  muß. 

Die  Metaphysik    bestimmt  R.  all  die  Lehre   v.»u   den    allgemeinsten  I 
griffen    und    Verhältnissen    des    Idealen    und    Realen.      I  »■  i     ^prachki 
Dualismus",   der   den    i  itz   von    Subjekt    und   Objekt 

Idealim  und  Realem  immer  wieder  herrorbringt,  ist  mit  einem  metaphysischen 
M    ii  i-  in  u-   rereinbar.       J(  Denkobjeki 

t  bei  d<  inkenbildung       I1      l      i  ft    ist    Bteti  aktiv    und    pati 

gleich;    das    Reale  .  .  .  ist  h    Produzent    d<  den.    und    i 

bewuflt  schaffende  i  l     sofern  man  ron  ihm  reden   darl  des 

dukt  in  V       •  Gott 


618  Kunze  —  Russell. 


ist  der  Schöpfer  der  (aus  Energien  bestehenden)  Materie.      Alles  Geschehen  ist 
kausal  und  zugleich  zielstrebig. 

Schriften:  Schleiermachers  Glaubenslehre,  1883 — 84.  —  Studien  zur  vergleichen- 
den Religionswissenschaft.  I.  Sprache  und  Religion,  1889;  II.  Psychologie  des  Unsterb- 
lichkeitsglaubens, 1884.  —  Praktische  Ethik,  1891.  —  Religionsphilosophie,  1901.  — 
Metaphysik,  1905. 

Kunze.  Max,  geb.  1849  in  Woltersdorf,  Dozent  an  der  Humboldt-Aka- 
demie in  Berlin.  =  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Kants  Kritik  an  Humes  Skeptizismns,  1880.  —  Kants  Bedeutung, 
1881.  —  Hegel  und  F.  v.  Baader,  1892,  u.  a. 

Rlisbroek  (Ruusbroec,  Ruysbroek),  Johannes,  Doctor  exstaticus,  geb. 
1293  in  Rusbroek,  Weltpriester,  Prior  im  Kloster  Grünthal  bei  Brüssel,  gest. 
1381.  =  R.  ist  ein  Mystiker  aus  der  Schule  Eckharts.  Er  unterscheidet  ema- 
nierende und  hineinziehende  Eigenschaften  Gottes,  der  Einheit  von  Vater, 
Sohn  (Wahrheit)  und  Liebe.  In  der  Kontemplation  wendet  sich  unser  Geist 
dem  göttlichen  Licht  zu,  mit  dem  er  sich  vereinigt. 

Schriften:  Opera,  1552;  deutsch  1701;  1858  ff.  (Auswahl);  1907  (Auswahl  von 
Suter).  —  Oeuvres  choisies,  1869.  —  Vgl.  ENGELHARDT,  Richard  von  St.  Victor  und 
R.,   1838.  —  A.  VAN  OTTERLOO,  R.,   1896. 

Rnskin.  John,  1819—1900,  Prof.  der  schönen  Künste  in  Oxford. 

Der  berühmte  Kunsttheoretiker  erklärt  die  Schönheit  für  eine  Manifestation 
des  schöpferischen  Weltgeistes ,  die  in  bestimmten  Typen  zum  Ausdruck 
kommt.  R.  betont,  die  Kunst  eines  Landes  sei  die  „Summe  seiner  gesell- 
schaftlichen und  politischen  Tugenden",  die  „Summe  seiner  ethischen  Kräfte". 
„Edle  Kunst  kann  nur  von  edlen  Menschen  kommen."  Die  Künste  stärken 
die  religiösen  Empfindungen  des  Menschen,  vervollkommnen  seinen  ethischen 
Zustand  und  bringen  ihm  materiellen  Nutzen.  Die  Schönheit  der  erreichten 
Kunst  ist  der  Gradmesser  für  die  moralische  Reinheit  und  Größe  der  Gemüts- 
bewegung, der  sie  entspringt.  Die  Kunst  darf  nie  um  ihrer  selbst  willen  da 
sein,  sie  muß  ein  Mittel  zur  Erkenntnis  oder  Schmuck  zur  Erhöhung  des 
Lebens  sein.  Das  Höchste,  was  die  Kunst  vermag,  ist  die  wahrhaftige  Dar- 
stellung eines  edlen  Menschen. 

Schriften:  Unto  this  last,  Essays  on  the  first  principles  of  Political  Econoray, 
1862.  —  Lectures  on  Art,  1870;  deutsch  in  der  Univ.-Bibl.  Praeterita,  1886.  — 
Modern  Painters,  1843 — 60.  —  The  Stones  of  Venice,  1851 — 53,  u.  a.  —  Ausgewählte 
Werke,  15  Bde.,  1900—06.  —  Vgl.  R.  DE  La  SlZERANNE,  R.,  1899  (englisch; 
auch  französ.,  in  der  Rev.  des  Deux  Mondes).  —  CLAUS,  Die  Ethik  J.  R.s,  1908. 

Rnsselk  H.  Bertrand,  geb.  1872,  Prof.  in  London. 

R  ist  (wie  die  auf  Intentionen  Leibniz'  zurückkommenden  Boole,  Schröder, 
Peano,  Peirce  u.  a.)  ein  Vertreter  der  mathematischen,  „symbolischen"  Logik  (bzw. 
der  rein  logisch-deduktiven  Auffassung  der  Mathematik).  Die  Logik  ist  der  all- 
gemeine und  grundlegende  Teil  der  Mathematik,  diese  die  Anwendung  der  apriori- 
schen, evidenten  logischen  Prinzipien  auf  besondere  Prinzipien.  Es  gibt  absolute 
he  Relationen,  die  mathematisch  formulierbar  sind.     Die  reine  Mathe- 


Russell  —  Sabatier.  619 


matik  ist  die  Gesamtheit  der  Urteile  von  der  Form :  Aus  p  folgt  q,  d.  h.  die  Gesamt- 
heit rein  formaler  Abhängigkeitsbeziehungen.  Die  Theoreme  sind  hier  zeitlos, 
absolut,  objektiv  wahr.  Die  Urteile  der  Mathematik  stützen  sich  auf  neun  un- 
definierbare Begriffe  und  zwanzig  unbeweisbare  Grundsätze.  Die  Logik  beruht 
auf  dem  ,,Urteilskalkül;',  wobei  ein  Urteil  das  ist,  was  sich  selbst  einschließt. 
Die  Abhängigkeit  zweier  Urteile  (p,  q)  wird  so  formuliert:  p  sq  (wenn  p  wahr 
ist.  ist  auch  q  wahr).  Das  erste  Axiom  des  Relationen  kalk  üls  ist:  Wenn 
E  eine  Beziehung  ist,  so  ist  xßy  ein  Urteil  für  alle  Werte  von  x  und  y. 
Der  Begriff  der  Zahl  hängt  nicht  vom  Akte  des  Zählens  ab,  welches  jenen 
schon  voraussetzt. 

Schriften:  Critical  Exposition  of  thc  Philosophy  of  Leibniz,  1900;  französisch 
1908.  —  The  Principles  of  Matheraatics,  1903  f.  —  Essai  sur  les  fondements  de  la 
geometrie,  1901.  —  La  theorie  des  types  logiques,  Revue  de  Met.  XVIII.  1910; 
vgl.  XIX,   1911.  —  Philosophical  Essays,   1910,  u.  a. 

Ruysbroek  s.  Rusbroek. 

Rnyssen,  Theodore,  Prof.  in  Bordeaux. 

Schriften:  L'i'volution  psychologique  du  jugement.   —  Kant.    1900,  u.   a. 


s. 

Saadja  ben  Joseph  al  Fajjumi,  geb.  um  892  in  Fajjum  (Ägypten). 
Vorsteher  der  jüdischen  hohen  Schule  in  Sora  am  Euphrat,  gest.  942.  =  9 
der  von  den  arabischen  Mutaziliten  beeinflußt  ist,  bekämpft  die  Atomisten, 
Emanatisten,  Skeptiker  und  die  christlichen  Anschauungen  von  Gott,  des-m 
Einheit  in  der  Mehrheit  seiner  Attribute  er  betont.  Die  Welt  hat  Gott  aus 
Nichts  geschaffen.  Die  Seele  ist  unsterblich  und  wird  mit  ihrem  Leibe  auf- 
erstehen.    Der  menschliche  Wille  ist  frei. 

Hauptschrift:  Sefer  ha-emunoth  oder  Emunoth  we-Deoth  (Glaubens-  und  Ver- 
nunftgesetze oder:  Von  den  Religionen  und  Dogmen),  aus  dem  Arabischen  durch  Jehuda 
ben  Tibbon  ins  Hebräische  übersetzt  (1186),  deutsch  1845,  1879.  —  Vgl.  S.  MiNK, 
Notice  sur  Saadia,   1838.  —  .T.  FÜRST,  Glaubenslehre  und  Philosophie  des  S.,   18 

Sabatier •  Armand.  Prof.  in  Montpellier,  gest.  1911.  =  Völunta- 
ristischer  Standpunkt.  Da-  Wesen  der  Dinge  ist  Kraft.  Anstrengung,  Streben 
(„effort"). 

Schriften:    Essai  sur  la  vie  et  la  mort,   1894.    —    Essai  sur  l'immortali; 
—  La  philosophie  de  l'effort,   1903;  2.  ed.   1908,  u.  a. 

Sabatier,  Auguste,  geb.  1839  in  Vallon,  Prot,  der  protestantischen  Theo- 
logie in  Paris,  gest  daselbst  1901.  =  s.  i-t  als  Eteligionsphilosoph  ron  Kant 
und  Bchleiennacbei  beeinflußt  Die  Anfinge  dei  Religion  und  Furcht  und 
Hoffnung;  das  Gefühl  der  Not  als  eine  Form  des  Erhaltungstriebes  seitigt  die 
Religion.  Diese  enthält  ein  passives  Element,  «la-  Gefühl  der  Ahhlngigb 
und  ein  aktive-,  da-  Gefühl  des  Vertrauens  und  der  Liebe.  Religion  besteht 
,.in  einer  bewußten  im«!  gewollten  Gemeinschaft   und  Beziehung,   in  welche  dir 


620  Sabatier  —  Saint-Simon. 

Seele  in  ihrer  Not  mit  der  geheimnisvollen  Macht  eintritt,  von  der  sie  das 
Gefühl  hat,  daß  sie  selber  und  ihr  Schicksal  von  ihr  abhängt".  Alle  Offen- 
barung und  aller  Glaube  ist  innerlicher,  geistiger  Art  („Symbolofideismus1'). 
Gott,  der  Weltgrund,  ändert  nicht  die  Ordnung  der  Welt,  in  welcher  alles 
gesetzmäßig  zugeht. 

Schriften:  Esquisse  d'une  philosophie  de  la  religion  d'apres  la  psychologie  et 
l'histoire,  1897;  deutsch  1898  (Hauptwerk).  —  Les  religions  d'autorite'  et  la  religion 
de  l'esprit,  1902,  u.  a.  —  Vgl.  J.  MlCHALCESCTJ,  Darstellung  und  Kritik  der  Reli- 
gionephilosophie  S.s,   1903. 

Sabunde  s.  Baymund. 

Sauer.  Johann  Michael,  1751—1832,  Prof.  der  katholischen  Theologie  in 
Dillingen,  Ingolstadt,  Landshut,  1829  Bischof,  gest.  1832  in  Eegensburg.  = 
Ethiker. 

Schriften:  Sämtliche  Werke,  40  Bde.,  1830—42.  —  Vgl.  KLOTZ,  J.  M.  S.  als 
Moralphilosoph,  1909. 

Saiiit-JLambert.  Jean  Francois  de,  geb.  1716  in  Nancy,  gest.  1803  in 
Paris.  =  Materialist,  Moralist. 

Schriften:  Oeuvres  philosophiques,  5  Bde.,  1801  (Catßchisme  universelle, 
1798  f.). 

Samt-Martin,  Louis  Claude  de,  geb.  1743  in  Amboise,  gest.  1804  in 
Aunay  bei  Chatillon. 

S.-M.  ist  ein  schwärmerischer  Mystiker  und  Theosoph,  der  von  älteren 
Mystikern,  der  Kabbala,  J.  Böhme,  Swedenborg  u.  a.  beeinflußt  ist  und  viele 
Verehrer  fand,  u.  a.  auch  Baader  beeinflußte.  Der  menschliche  Geist  ist  nach 
diesem  „Divinisten"  der  Spiegel  der  Welt.  Gott  schuf  die  Wesen,  um  in  ihnen 
ein  Bildnis  seiner  eigenen  Selbsterzeugung  zu  haben.  Der  Mensch  muß  in 
Gott  leben,  sich  in  ihm  wieder  erneuern,  in  ihm  allein  kann  Gott  wohnen  und 
sich  manifestieren.  Der  Mensch  ist  dazu  bestimmt,  Gott  fortzusetzen,  der 
sich  durch  seine  Nachbildungen  erkennbar  macht,  während  die  Natur  stumm 
bleibt. 

Schriften:  Des  erreurs  et  de  la  verite,  1775.  —  Tableau  naturel  des  rapports 
qui  existent  entre  Dieu,  l'homme  et  l'univers,  1782.  —  L'homme  de  desir,  1790; 
deutsch  1813.  —  Ecce  horao,  1792;  deutsch  1819.  —  Lettre  ä  un  ami,  1795.  — 
Eclair  sur  l'association  humaine,  1797.  —  Le  nouvel  homme,  1796.  —  De  l'esprit  des 
choses,  1800;  deutsch  1811 — 12.  —  Le  niinistere  de  l'homme  esprit,  1802;  deutsch 
1845  (Hauptwerk).  —  Theorie  de  la  pensee,  1806.  —  Oeuvres  posthuraes,  1807; 
deutsch  (Bd.  I),  1837.  —  Des  nombres,  1843.  —  Vgl.  BAADER,  Werke,  Bd.  XII, 
1860.  —  E.  Car.0,  Essai  sur  la  vie  et  la  doctrine  de  St.  Martin  le  philosophe  in- 
cormu,   1852.   —   CLAASSEN,  L.  v.   S.,   1891. 

Saiiit-Siiiion,  Claude  Henri,  comte  de,  geb.  1760  in  Paris,  gest.  da- 
selbst 1825. 

St. -Simon,  der  von  d'Alembert  beeinflußt  ist  und  dessen  Schüler  A.  Comte 
war,  ist  einer  der  Hauptvertreter  des  idealistischen  („utopischen")  Sozialis- 
mus.    Die  Wissenschaft  ist,    aktivistisch,    auf  den  Menschen  und  die  sozialen 


Saint-Simon  —  Salter.  621 


Verhältnisse  anzuwenden;  letztere  sind  zu  vervollkommnen,  und  zwar  sollen 
in  der  neuen  Gesellschaft  die  Gelehrten  und  Industriellen  regieren,  aber  nur 
im  Interesse  der  Gesamtheit  der  Arbeitenden.  Der  Staat  ist  auf  dem  Prinzip 
der .  Arbeitsorganisation  aufzubauen ,  in  welcher  jeder  nach  seinen  Fähig- 
keiten und  nach  seiner  Arbeit  entlohnt  wird.  Das  Christentum,  seines  trans- 
zendent-mystischen Kerns  entkleidet,  wird  nur  durch  seinen  sozial-ethischen 
Gehalt  wirken. 

Anhänger  St.-S.s  (St.-Simonisten)  sind  Bazard,  Enfantin,  M.  Che- 
val  i  er,  Bai  11  y  u.  a. 

Schriften:  Introduction  aux  travaux  scientiiiques  du  XIX©  siöcle,  1807.  —  Reor- 
ganisation de  la  societe  europeenne,  1814.  —  L'organisateur,  1819  — 1820.  —  Du 
Systeme  industriel,  1821.  —  Catechisme  des  industriels,  1823.  —  Le  nouveau  christia- 
nisme,  1825,  u.  a.  —  St. -Simon  et  d'Enfantin,  Oeuvres,  47  Bde.,  1868 — 80.  —  Vgl. 
Ml'CKLE,  fl.  de  St.-Simon,  1908.  —  WeisexgrÜX,  Die  sozialwissenschaftliche  Idee 
St.-S.s,  1896. 

Saisset.  Emile  Edmund,  geb.  1814  in  Montpellier,  seit  1850  Prof.  in 
Paris,  gest.  daselbst  1863.  =  Schüler  Cousins,  Spiritualist. 

Schriften:  Essai  de  la  philosophie  et  de  la  religion  au  19me  siecle,  1843.  — 
Discours  sur  la  philosophie  de  Leibniz,  1857.  —  Essai  de  philos.  religieuse,  1859; 
3.  ed.  1862.  —  Melanges  d'histoire,  de  morale  et  de  critique,  1859.  —  Precurseurs  et 
disciples  de  Deecartes,  1862.  —  L'äme  ot  la  vie,  1863.  —  Le  scepticisme,  1865; 
2.  id.   1867. 

Salat,  Jakob,  geb.  1766  in  Abbtsgemünd,  Prof.  der  Theologie  in  Lands- 
hut, dann  in  München,  gest.  daselbst  1851.  =  Von  Kant  und  besonders  von 
Jacobi  beeinflußt,  Gegner  Schellings  und  Hegels  sowie  des  Obskurantismus. 

Schriften:  Der  Geist  der  allerneuesten  Philosophie  der  Herren  Schelling,  Hegel 
und  Compagnie,  1803  f.  (mit  C.  v.  Weiller  und  B.  Schneider).  —  Moralphilosophie, 
1809  :  3.  A.  1821.  —  Grundlinien  d.  Moralphilosophie,  1827.  —  Lehrbuch  der  höheren 
Seelenkunde,  1820;  2.  A.  1826.  —  Grundlinien  der  psychischen  Anthropologie, 
1827,  u.  a. 

Säle*  (Delisle  de),  Jean  Baptiste,  geb.  L743  in  Lyon.  gest.  in  Pari-.  = 
Eklektiker,  von  Descartes,  Locke,  Helvetius  u.  a.  beeinflußt 

Schriften:  Philosophie  de  la  nature,  1770;  7.  6d.  1804.  —  Philosophie  du  W>n- 
heur,  1796  (Ableitung  der  Moral  aus  der  Selbstliebe).  —  Memoire  en  faveur  de  Dicu, 
1802  (Theodizee),  u.  a. 

Salluwtio*.  4.  Jahrh.,  Jugendfreund  des  Kaisers  Julian,  bekleidete 
unter  ihm  verschiedene  Ämter.  =  Neuplatoniker,  Verfassei  einer  Schrift  „De 
diis  e1  mundo"  (1638,  L821). 

Salmeroii.    Nicolas,    Prof.   in  Madrid.    =    Schüler  del   Rice,    Vertn 
eines  positivistischei]  Monismus. 

Schriften:    Las  leyes  de  la  historia,    1864.    —    Ooscepto  de  la  meta 
Priocipioi  analiticos  de  la  idea  del   tienipo,   187:*. 

Salt«»i%  William  ftlackintire,  amerikanischer  Ethiker,  positiver  Stand- 
punkt. 

ritten:    Kthical   Beligion,   "-'    ed.    1881» ;  dental,   um  Gizycki,   1885. 


622  Sanchez  —  Savigny. 


Sanchez  (Sanctius),  Franz,  geb.  1552  in  Bracara  (Portugal)  oder  Tuy 
(an  der  portugies.  Grenze)  als  Sohn  eines  jüdischen  Arztes,  Arzt  in  Mont- 
pellier, dann  auch  Lehrer  der  Philosophie  und  Medizin  in  Toulouse,  gest.  da- 
selbst 1632.  =  S.  gehört  zu  den  Skeptikern,  welche  alle  Gewißheit  in  den 
(christlichen)  Glauben  und  in  die  Offenbarung  verlegen,  während  sie  die  Mög- 
lichkeit einer  wissenschaftlich-spekulativen  Erkenntnis  leugnen.  S.  wendet  sich 
gegen  den  Aberglauben  wie  auch  gegen  die  Autoritäten  und  die  Dialektik. 
Er  erklärt,  nichts  könne  man  wissen,  nicht  einmal  dies,  daß  man  nichts  weiß. 
Verschiedene  Gründe  machen  die  vollkommene  Erkenntnis  der  Dinge  unmög- 
lich: die  Unendlichkeit  dieser,  ihr  Zusammenhang  mit  anderen,  ihr  Werden 
wie  ihre  beständige  Dauer  u.  a.  Die  Gattungen  sind  nichts  Reales  (Nomina- 
lismus). 

Schriften:  Tractatus  de  multum  nobili  et  prima  universali  seientia,  quod  nihil 
scitur,  1581.  —  Tractatus  philosophici,  1649.  —  Vgl.  L.  GEKK.RATH,  F.  S.,  1860. 

Sanctis,  Sancte  de,  geb.  1863,  Prof.  in  Rom.  =  Psycholog. 
Schriften:     I   sogni,     1899;    deutsch    (Die   Träume)     1901.    —    Die   Mimik   des 
Denkens,  1907,  u.  a. 

Sanseverino9  Gaetano,  geb.  1811,  gest.  1865  in  Neapel.  =  Vertreter 
des  Thomismus. 

Schriften:  Philosophia  christiana,  1863;  9.  ed.  1894.  —  I  principali  sistemi 
della  filos.,  2.  ed.   1858. 

Santayaua,    George,   geb.   1863  in  Madrid,   Prof.  an  der  Harvard-Uni- 
versität. =  S.  steht  dem  Pragmatismus  nahe,  ist  aber  Realist. 
Schriften:  The  Sense  of  Beauty,   1896.  —  Life  of  Eeason,  u.  a. 

Sanz  del  Rio  s.  Rio. 

Sarlo,  Francesco  de,  geb.  1864,  Prof.  in  Florenz.  =  Von  Kant,  Leib- 
niz,  Lotze,  Wundt  beeinflußt.  Kritizistischer  und  voluntaristischer  Stand- 
punkt. 

Schriften:  Studi  sul  darwinismo,  1887.  —  Lo  studio  dei  sentimenti  nella  psico- 
logia  inglese  contemporanea,  1892.  —  Saggi  di  filosofia,  1896—97.  —  Metafisica,  1898. 
11  concetto  doli'  anima,  1900.  —  1  dati  della  esperienza,  1903.  —  Studi  sulla  filosofia 
contemporanea,  1901.  —  Ricerche  di  Psicologia  II,  1905.  —  Principii  di  scienza  etica, 
1909  (mit  G.  Calö).  —  La  patologia  mentale,  1909. 

Saturninus  (Satornil)  aus  Antiochia,  Gnostiker  zur  Zeit  Hadrians.  = 
Er  lehrt  einen  Dualismus,  nach  welchem  dem  unbekannten  höchsten  Gott  der 
Satan  und  sein  Reich  gegenübersteht.  Von  dem  obersten,  ewigen,  immateriellen 
Gott  unterscheidet  S.  den  Judengott,  welcher  die  Welt  erschaffen  hat;  er 
bildet  mit  den  anderen  Planetengeistern  das  niedere  Äonen-Reich.  Christus  ist 
der  Aon  „vovg"  (Geist),  der  in  einem  Scheinleibe  erschienen  ist  (Doketismus). 
Vgl.  die  im  Artikel  .,Gnostiker"  verzeichneten  Schriften. 

Savigny,  Friedrich  Karl  von,  1779—1861,  zuletzt  Prof.  in  Berlin,  war 
Justizminister,  Romanist.  Seine  Schrift:  Vom  Beruf  unserer  Zeit  für  Gesetz- 
gebung und  Rechtswissenschaft,  1814,  3.  A.  1840,  ist  für  die  Geschichte  der 
Rechtsphilosophie   bedeutsam.     In   dieser  Schrift   vertritt,  aber   in  gemäßigter 


Savigny  —  Schaden.  623 

Weise,  S.  den  Stand  der  historischen  Rechtsschule.     Den  Staat  faßt  er  als  die 
organische  Erscheinung  des  Volkes  auf. 

Savoiiarola,  1452 — 1498,  der  berühmte  Reformator,  ist  philosophisch 
hauptsächlich  Aristoteliker,  aber  auch  von  Plato  beeinflußt. 

Schriften:  Compendium  logices,  1497,  1534.  —  Compendium  totius  philosophiae, 
1542.  —  Vgl.  GLOSSNER,  S.  als  Apologet  u.  Philosoph,   1898. 

Scaliger,  Julius  Cäsar,  1884—1558,  Schüler  des  Pomponatius,  Gegner 
des  Card  an  us. 

Schriften:  Exercitationes  exotericae,   1557. 

Seliaai'^ohniidt,  Carl,  geb.  1822  in  Berlin,  Prof.  in  Bonn,  gest.  1910, 
war  eine  Zeitlang  Herausgeber  der  „Philos.  Monatshefte".  =  S.  vertritt  einen 
erkenntnis-theoretischen  Realismus.  Das  Bewußtsein  der  relativen  Hemmung, 
welches  unsere  Anstrengung  erfährt,  verschafft  uns  die  Überzeugung  einer 
fremden  Realität  (Philos.  Monatshefte,  Bd.  14). 

Schriften:  Descartes  u.  Spinoza,  1850.  —  Der  Entwicklungsgang  d.  neuen  Speku- 
lation als  Einleitung  in  d.  Philos.  der  Geschichte,  1857.  —  Die  Religion,  1907.  —  Zur 
Widerlegung  des  Determinismus,  Philos.  Monatsh.,   1884. 

Sch ad.  Johann  Baptist,  geb.  1758  in  Mürsbach.  verließ  als  Vierzigjähriger 
das  Kloster  zu  Banz,  habilitierte  sich  1799  in  Jena  für  Philosophie;  1802  wurde 
er  hier  Professor,  1804—17  in  Charkow,  dann  wieder  in  Jena,  gest.  daselbst 
1834.  =  Anhänger  J.  G.  Fichtes,  später  mit  Annäherung  an  Schelling. 

Schriften:  Gemeinfaßliche  Darstellung  des  Fichteschen  Systems,  1799  —  1802.  — 
Der  Geist  der  Philosophie  unserer  Zeit,  1800.  —  Grundriß  der  Wissensehaftslehre,  1800. 
—  Neuer  Grundriß  der  transzendentalen  Logik  u.  der  Metaphysik,  1801.  —  Die  absolute 
Harmonie  des  Fichteschen  Systems  mit  der  Religion,  1802.  —  System  der  Natur-  und 
Transzendentalphilosophie,   1804-5,  u.  a.   —    Vgl.  SCHAD,  Lebensgeschichte,   1828. 

Schaden.  Emil  August  von,  geb.  1814  in  München,  studierte  die  Rechts- 
wissenschaften, habilitierte  sich  1839  in  Erlangen  für  Philosophie,  wurde  16 
aulJerordentl.  Professor,  gest.  1852  in  Nürnberg.  =  S.,  der  sich  selbst  als  den 
„Magus  aus  Buden"  bezeichnete,  ist  von  Böhme,  Hamann.  St.  Martin  und  be- 
sonders Baader  beeinflußt  und  ein  Gegner  Hegels.  Das  All  Eafit  er  als  ein- 
heitlichen Organismus  auf.  Die  Zweckmäßigkeit  weist  auf  einen  „teleologischen 
Weltbaumeister"  hin.  Das  Sein  ist  der  Trieb  zur  Existenz  als  Ausgedehntes, 
eine  Kraft,  eine  Tendenz,  welche  den  unendlichen  Kaum  erfüllt,  wobei  sich  die 
Ausdehnung  atomisiert  und  die  Atome  einander  hemmen.  Gott  ist  persön- 
licher Geist,  zu  dem  das  Bein  Bich  intensivieren  muß. 

hrit'ten:    System   der  positiven  Logik,  1841.  —   Orion  oder  über    den    Bau 
Himmels,    1842   (dagegen    schrieb    Apelt:   Anti-Orion,    1843).  —  Vorlesungen    über  aka- 
demisches   Leben     und    Studium,    184Ö.   —    l'ber    den    Uegonsatz    des    theistischen    und 
pentheistischen  Standpunkts,   1848.    —    Über    die  Hauptfrage    dl  ..logie,    1849.   — 

Baaders  Tagebücher    (Bd.    XI    der  Werke  B.s)    mit    Einleitung,    1850       Darstellung  des 
Standpunktes  S.s).  —    f%    THEBUßCH,  Erinnerungen  tu   i:.  \.  v.  8.,   1853.  —  NOACK, 
•  itbtl.   Lexikon,  B.  761 


{Y24  Schäffle  —  Scheffle  r. 


Si'Iiält'le«  Albert,  geb.  1831  in  Nürtingen,  1871  österr.  Minister,  gest.  in 
Stuttgart  1908. 

S.  ist  als  Soziolog  einer  der  Hauptvertreter  der  organisch-psycholo- 
gischen Richtung.  Die  Gesellschaft  ist  ein  psychologischer  Organismus,  der 
aus  Personen  und  Gütern  besteht.  Der  Staat  ist  eine  Gesamtpersönlich- 
keit. Die  Gesellschaft  ist  die  Verkörperung  des  Gesamtbewußtseins,  ein  psy- 
chischer Zusammenhang  von  Individuen  mit  geistigen  und  materiellen  Gütern 
und  einem  Territorium.  Es  gibt  ein  kollektives  Denken,  Fühlen  und  Wollen, 
einen  Volksgeist,  eine  soziale  Bewußtseinsschwelle,  eine  „soziale  Psychophysik" 
usw.  Kampf  ums  Dasein,  Auslese,  Anpassung  usw.  sind  in  der  Gesellschaft 
wirksam.  Die  Soziologie  umfaßt  die  Morphologie,  Physiologie,  Psychologie  der 
Gesellschaft.     Im  übrigen  ist  S.  Staatssozialist. 

Schriften:  Bau  und  Leben  des  sozialen  Körpers,  1875  ff.;  2.  A.  1896.  —  Das 
gesellschaftliche  System  der  menschlichen  Wissenschaft,  1878.  —  Die  Quintessenz  des 
Sozialismus,  1879;  13.  A.  1891.  —  Die  Aussichtslosigkeit  der  Sozialdemokratie,  4.  A. 
1893.  —  Gesammelte  Aufsätze,  1885.  —  Kern-  und  Zeitfragen,  1901.  —  Abriß  der 
Soziologie,   1906. 

Sollaller,  Julius,  geb.  1810  in  Magdeburg,  Prof.  in  Halle,  gest.  1868.  = 
Hegelianer.  Seele  und  Leib  sind  Formen  eines  Identischen;  die  Seele  ist  die 
Subjektivität,  die  Einheit  des  Organismus.  „Der  Leib  selbst  als  tätiges,  sich 
zusammenschließendes,  sich  idealisierendes  Ganzes  ist  die  Seele."  Gott  ist  als 
persönlich  zu  denken. 

Schriften:  Die  Philosophie  unserer  Zeit,  1837.  —  Der  historische  Christus  und 
die  Philosophie,  1838.  —  Geschichte  der  Naturphilos.  von  Baco  bis  auf  unsere  Zeit, 
1841  —  46.  —  Vorlesungen  über  Schleiermacher,  1844.  —  Darstellung  und  Kritik  der 
Philosophie  L.    Feuerbachs,  1847.  —  Die  Phrenologie,  1851.  —  Seele  und  Leib,  1855. 

—  Psychologie    I   (Das   Seelenleben  des  Menschen),  1860,  u.  a. 

Schallmayei*.  Wilhelm,  geb.  1857  in  Mindelheim,  Arzt  in  München.  = 
Vertreter  der  biologischen,  darwinistischen  Richtung  der  Soziologie  (Selektionis- 
mus) und  der  ,, Eugenik".  „Je  strenger  die  Auslese,  desto  größer  der  Fort- 
schritt". 

Schriften:  Deszendenztheorie,  1901.  —  Vererbung  und  Auslese  im  Lebenslauf 
der  Völker,  1903;  2.  A.  1910.  —  Beiträge  zur  Nationalbiologie,  1905.  —  Der  Krieg 
als  Züchter,  Arch.  f.  Hassen-  und  Gesellschaftsbiologie,  1908.  —  Eugenik,  Zeitschr.  f. 
Sozialwissensch.,   1908,  u.  a. 

Schasler,  Max,  geb.  1819  in  Deutsch-Krone,   lebte  in  Berlin  und  Jena, 
in  Jena   1903.  =  S.  ist  Hegelianer.     Das   Schöne  ist  eine   raum-zeitliche 
Darstellung  von  Ideen.     Es  gibt  Raum-  und  Zeitkünste. 

Schriften:  Die  Elemente  der  philos.  Sprachwissenschaft  W.  v.  Humboldts,  1847. 

—  Hegel;  1870;  2.  A.  1873.  —  Ästhetik  als  Philosophie  des  Schönen  und  der  Kunst  I:  Ge- 
schichte der  Ästhetik,  1871  —  72.  —  Das  System  der  Künste,  2.  A.  1885.  —  Grund- 
züge der  Ästhetik,  1886.  —  Anthropogonie,  1888.  —  Ausgewählte  Sammlung  gemein- 
verständlicher Abhandlungen,   1901. 

Seheffler,  Hermann,  geb.  1820  in  Braunschweig,  gest.  1903. 
Schriften:     Körper  und  Geist,   1862.    —    Die  Naturgesetze,    1876-83.    —  Die 


SCHEFFLER  —  SC'HELLIXG.  625 

Welt  nach  menschl.  Auffassung,  1885.  —  Die  erkennbaren  und  unerkennbaren  Weltyer- 
raögen,  1900,  u.  a. 

Schegk,  Jacob,  1511—1587,  Prof.  in  Tübingen.  =  Aristoteliker,  Gegner 
des  Ramus.  —  Vgl.  Sigwart,  Kleine  Schriften  I:  Ein  Collegium  logicum  im 
XVI.  Jahrhundert,  1890. 

Scheler,  Max,  geb.  1871,  Privatdozent  in  Jena.  =  Schüler  Euckens.  Die 

psychologische  sowie  die  transzendentale  Methode  der  Erkenntnistheorie  sind  ein- 
seitig. Eine  Deduktion  als  systematische  Ableitung  der  apriorischen  Prinzipien  für 
alle  mögliche  Erfahrung  ist  undurchführbar.  Die  „noologische"  Methode  geht 
von  der  „Arbeitewelt",  den  gemeinsam  anerkannten  Werkzusammenhängen  der 
menschlichen  Kultur  aus  und  begreift  die  Erkenntnisgebilde  als  Erzeugnisse  des 
geschichtlich  sich  entfaltenden  Geistes,  in  dessen  Organisation  das  Apriorische 
angelegt  ist. 

Schriften:  Beiträge  zur  Feststellung  der  Beziehungen  zwischen  den  logischen  u. 
ethischen  Prinzipien,  1899.  —  Die  transzendentale  und  die  psychologische  Methode, 
1900,  u.  a. 

Schell,  Hermann,  geb.  1850  in  Freiburg  i.  Br.,  Prof.  d.  kathol.Theol.  in  Würz- 
burg, gest.  1906.  Vertreter  des  Reformkatholizismus  (Modernismus),  dessen  Schriften 
auf  den  Index  gesetzt  wurden.  =  S.  steht  im  wesentlichen  auf  scholastischem  Boden 
und  ist,  obwohl  er  manche  Konzessionen  an  die  Strenge  des  naturwissenschaft- 
lichen Gesetzesbegriffes  und  an  den  Entwicklungsgedanken  macht,  doch  Dnalist, 
Theist,  Teleologe.  Alles  ist  im  Naturlauf  mechanisch  verknüpft,  zugleich  aber 
auch  teleologisch,  angefangen  von  der  Wesenanlage  der  Urelemente  bis  zu  den 
Gesetzen,  welche  ihre  Wechselbeziehungen  in  allgemeinen  Formen  zum  Aus- 
druck bringen.  Die  Teleologie  bedeutet  aber  keine  willkürlichen  Eingriffe  in 
den  Kausalzusammenhang,  sondern  „planmäßige  Konstitution  der  Elemente  und 
planmäßige  Zusammenordnung  der  Massen,  Massenteilchen,  Atome". 

Schriften:  Die  Einheit  des  Seelenlebens  aas  den  Prinzipien  der  Aristotelischen 
Philosophie  entnommen.  —  Die  göttliche  Wahrheit  des  Christentums,  1. ;  Gott  und  Geist, 
1895 — 9G.  —  Theologie  u.  Universität,  2.  A.  1899.  —  Der  Katholizismus  als  Prinzip 
des  Fortschritts,  7.  A.  1899.  —  Das  Problem  des  Geistes,  2.  A.  1897.  —  Religion  u. 
Offenbarung,  1901.  —  Der  Gottesglaube  und  die  naturwissenschaftliche  Welterkenntni-. 
1904,   u.  a.  —  Kleine  Schriften,  hrsg.   1908.   —  Vgl.  KlEFL,  H.  S.,  2.  A.   1907. 

Selielling,  Friedrich  Wilhelm  Joseph  (von),  geb.  27.  Januar  177"  in 
Leonberg  (Württemberg)  als  Sohn  eines  Geistlichen,  war  1790  Student  im  theo- 
logischen Seminar  zu  Tübingen,  wo  er  mit  Hölderlin  und  Hegel  Freund-«  halt 
schloß  und  mit  ihnen  Plato,  Leibniz  und  Kant  studierte.  1792  promovierte  er 
mit  einer  lateinischen  Abhandlung  über  den  Ursprung  des  Bösen  in  der 
Menschenwelt.  Von  1794  an  betätigte  sich  Seh.  schriftstellerisch  auf  philo- 
sophischem Gebiete.  In  Leipzig,  wo  er  Hofmeister  zweier  junger  Edelleute  war. 
studierte  er  (1796-97)  auch  Naturwissenschal t  und  .Mathematik.  1798  erhielt 
er  durch  Goethes  Vermittlung  eine  Professur  in  Jena.  Hier  verkehrte  er  mit 
Goethe,  Schiller.  Fichte,  ferner  mit  den  Romantikern  i.\.  \V.  Schlegel  o.  a.), 
von  denen  er  beeinflußt  wurde  und   die  er  selbst  beeinflußte.     1803  ging  Seh. 

E  isler,  Philosophen-Lexikon.  I1  ' 


626  SCHELLING. 

als  Professor  nach  Würzburg,  1806  nach  München,  wo  er  Mitglied  der  Akademie 
und  Direktor  der  Kunstakademie  wurde.  1820—26  dozierte  er  in  Erlangen,  1827 
wurde  er  Professor  an  der  neuen  Münchener  Universität.  Seit  1813  hatte  Seh. 
fast  nichts  mehr  geschrieben ,  während  er  vorher  viel  veröffentlicht  hatte ; 
eine  Wandlung  vollzog  sich  in  ihm.  1841  berief  ihn  Friedrich  Wilhelm  IV.  als 
Professor  nach  Berlin,  wo  er  den  Hegelianismus  durch  eine  christliche  Philosophie 
beseitigen  sollte.  Aber  der  Erfolg,  den  Seh.  früher  gehabt  hatte,  blieb  nun 
aus,  die  „positive"  Philosophie  Sch.s  fand  keine  rechte  Beachtung.  Dies  und 
ein  zu  seinen  Ungunsten  ausgefallener  Prozeß  mit  dem  Theologen  Paulus  bewog 
Schelling  zum  Rücktritte  von  der  Lehrtätigkeit.  Am  20.  Dezember  1854 
starb  Seh.  im  Bade  Ragaz  (Schweiz). 

Seh.,  der  schon  als  Knabe  eine  große  Begabung  zeigte,  war  eine  künst- 
lerisch-religiös, spekulativ  veranlagte  Natur,  voll  Phantasie,  verbunden  mit  oft 
außerordentlicher  Gestaltungskraft,  die  sich  vielfach  in  einer  schönen  Schreibweise 
Ausdruck  verschafft.  Was  ihm  aber  fehlte,  war  die  Fähigkeit  des  strengen  und 
straffen,  zähen,  systematischen  Denkens.  Er  war  für  Anregungen  sehr  empfäng- 
lich, ließ  sich  durch  Ideen  leicht  enthusiasmieren,  und  machte,  unter  dem 
Einflüsse  fremder  Gedankenelemente,  immer  wieder  Ansätze  zur  Neuge- 
staltung seiner  Anschauungen.  So  lassen  sich  bei  ihm  mehrere  (etwa  vier) 
Perioden  unterscheiden,  in  welchen  er  sich  zunächst  von  Kant  und  Fichte,  dann 
auch  von  Herder,  Goethe,  Spinoza,  Leibniz,  Bruno,  von  Plato,  Plotin,  J.  Böhme, 
von  verschiedenen  Theosophen  (darunter  Baader),  auch  von  der  Gnostik  und 
Scholastik  (auch  zum  Teil  in  der  Methode  der  Darstellung)  beeinflussen  ließ.  Stets 
verriet  Seh.  eine  große  Kühnheit  des  Denkens  und  der  Phantasie,  der  speku- 
lativen Anschauung  und  Konstruktion,  die  neben  vielem  Abstrusem  und  Wirrem 
viele  originelle  und  dabei  fruchtbare  Elemente  birgt.  Nachdem  der  Aufschwung 
der  empirisch-realistischen  Denkweise  lange  Zeit  die  Schellingsche  Philosophie 
ganz  zurückgedrängt  hatte,  kommt  man  heute  wieder  öfters  auf  Schelling 
zurück. 

Die  Weltanschauung  Sch.s  hat  sich  im  Laufe  der  Zeit  verschiedentlich  ge- 
staltet, sie  hat  eine  Entwicklung  durchgemacht.  Aber  der  Kern  derselben 
bleibt  doch  schließlich  die  Verschmelzung  des  Idealismus  mit  dem  Spinozismus 
(bzw.  dem  Emanatismus)  zu  einem  Identitätssystem,  welches  objektiver 
Idealismus  oder  (wie  Seh.  selbst  sagt)  „Ideal-Realismus"  ist.  Bleibend  ist 
auch  bei  allen  Wandlungen  Sch.s  der  Charakter  seiner  Philosophie  als  einer 
o r g an i sehen  Weltanschauung,  nach  welcher  das  All  ein  innerlich-lebendiger, 
einheitlicher  Zusammenhang  ist,  der  in  jedem  Teil  zum  Ausdruck  kommt  und 
in  den  sich  jeder  Teil,  jedes  Ding  und  Geschehen  einreiht. 

Der  Gedanke  des  Absoluten  ist  der  Leitgedanke  Sch.s,  d.  h.  der  Ge- 
danke der  allem  Denken  und  Sein  zugrunde  liegenden  unbedingten  Einheit 
als  Gegenstand  des  absolu  ten  (über  alles  Endliche  hinausgehenden)  Wissens. 
Die    Philosophie   ist   eine  „absolute   Wissenschaft",    ist    „Wissenschaft   des 

luten".  Sie  ist  Streben,  am  „Urwissen"  teilzunehmen,  geht  auf  das  einzig 
Walire  und  (wahrhaft)  Wirkliche,  Seiende:  Das  Ganze,  Eine,  Unendliche,  die 
Totalität,   wie  die  Vernunft  sie  erfaßt  (vgl.  Spinoza:    „sub  specie  aeternitatis"). 


SCHELLING.  627 


„Der  Standpunkt  der  Philosophie  ist  der  Standpunkt  der  Vernunft,  ihre  Er- 
kenntnis ist  eine  Erkenntnis  der  Dinge,  wie  sie  an  sich  sind,  d.  h.  wie  sie  in  der 
Vernunft  sind.  Es  ist  die  Natur  der  Philosophie,  alles  Nacheinander  und  Außerein- 
ander,  allen  Unterschied  der  Zeit  und  überhaupt  jeden,  welchen  die  bloße  Einbil- 
dungskraft in  das  Denken  einmischt,  völlig  aufzuheben/'  Nach  einem  obersten 
Prinzip  ist  zu  suchen.  Dieses  findet  Seh.  zunächst  (mit  Fichte)  im  absoluten 
Ich,  in  welchem  Setzen  und  Gesetztes  zusammenfallen.  Subjekt  und  Objekt 
setzen  ein  solches  Ich  als  Identitätsprinzip  zusammen.  Das  absolute  Ich  ist 
das,  was  „ schlechterdings  niemals  Objekt  werden  kann  (Vom  Ich,  S.  12).  Es 
bringt  sich  durch  absolute  Kausalität  denkend  hervor,  enthält  alles  Sein,  alle 
Realität,  da  es  wie  seine  Attribute  unendlich  ist,  ist  die  einzige  Substanz,  die 
„immanente"  Ursache  alles  dessen,  was  ist.  Seine  Form  ist  die  Identität.  N  ur 
das  Ich  verleiht  allem,  was  ist,  Einheit  und  Beharrlichkeit.  Das  absolute  Ich 
wird  durch  intellektuelle  Anschauung  erfaßt.  Sie  ist  ein  Vermögen, 
uns  selbst  unter  der  Form  der  Ewigkeit  anzuschauen,  in  uns  das  Ewige,  Ab- 
solute zu  erfassen.  Diese  Anschauung  ist  der  Punkt,  „wo  das  Wissen  um  das 
Ansohlte  und  das  Absolute  selbst  eins  ist.  Vermittelst  der  intellektuellen  An- 
schauung schaut  sich  der  Geist  unmittelbar  als  produzierend  an.  Das  (absolute) 
Ich  produziert  (unbewußt,  vermittelst  der  produktiven  Einbildungskraft)  das 
Objekt,  ein  „Ding  an  sich"  gibt  es  nicht  (Zur  Erläuter.  d.  Idealism.  der 
Wissenschaftslehre).  Die  Natur  ist  ein  Produkt  des  unendlichen  Geistes,  der 
im  Raum,  Zeit  und  Materie  seine  eigenen  Gebilde  anschaut.  Diese  Gedanken 
führt  Seh.  in  den  „Ideen  zu  einer  Philosophie  der  Natur"  (1797;  2.  A.  1S03) 
weiter  aus,  an  welche  sich  die  Schriften  „Von  der  Weltseele"  und  „Erster 
Entwurf  eines  Systems  der  Naturphilosophie"  mit  „Einleitung  zu  seinem  Ent- 
wurf eines  Systems  der  Naturphilos."  anschlössen. 

Damit  ist  Seh.  in  seine  naturphilosophische  Periode  eingetreten.  Die 
Naturphilosophie  Sch.s  tritt  der  empirischen,  quantitativ-mechanistischen  Erkennt- 
nisweise der  Natur  gegenüber  als  „spekulative  Physik"  auf  dynamischer  Grund- 
lage, methodisch  als  „höhere  Erkenntnis"  der  Natur  auf .  Die  Naturphilosophie 
betrachtet  die  Natur,  wie  sie  in  Gott  ist,  sie  erhebt  sieh  über  die  einzelnen 
Erscheinungen  und  Produkte  zur  Idee  dessen,  worin  sie  eins  sind  und  aus  dem 
Bie  als  gemeinschaftlichem  Quell  hervorgehen.  Der  Zweck  der  Naturphilosophie 
ist  nicht  Anwendung  der  Philosophie  auf  Naturwissenschaft,  sondern,  „die 
Naturwissenschaft  selbst  erst  philosophisch  entstehen  eh  lassen".  In 
apriorisch-konstruktiver  Weise  werden  die  Naturphanomene  gedeutet  1' 
Tendenz  aller  Naturwissenschaft  ist  hierbei,  wie  Bch.  Bpäter  bemerkt,  „von  der 
Natur  aufs  [ntelligente  zu  kommen",  die  Natur  in  [ntelligenz  aufzulösen.  Di 
Natur  ist  nach  Seh.  der  „sichtbare  Geist",  unbewußte  [ntelligenz,  die  erst  im 
Menschen  Bich  ganz  cum  Objekt  wird.  In  «Irr  Natur,  der  einen  Beite  des  „Ab- 
soluten", ist  das  ganze  Absolute  erkennbar.  Bie  ist  die  „Hülle,  in  welche  der 
Akt  des  ewigen  Prodnzierens  sich  kleidet".  Dieses  ewig«  Handeln  des  Ab- 
soluten, [dentischen  hat  zwei  Seiten,  eine  reale  und  ideale  Di<  real«  3eite 
jenes  ewigen  Handelns  wird  offenbar  in  der  Natur:  die  Natur  an  Bich  oder 
die  ewige  Natur  ist  eben  der  in  das  Objektive  geborene  Geist,  das  in  die  Form 


628  SCHELLING. 


eingeführte  Wesen  Gottes."  Die  erscheinende  Natur  ist  das  Symbol  oder  der 
Leib  der  schaffenden  Natur.  In  den  ersten  naturphilosophischen  Schriften  führt 
Seh.  zunächst  alle  Naturphänomene  auf  anziehende  und  abstoßende  Kräfte 
zurück;  auch  betont  er  die  Duplizität  und  Polarität  der  Erscheinungen.  Das 
Ursprüngliche  in  der  Natur  ist  das  Leben,  die  Welt  ist  ein  Allorganismus, 
dessen  Prinzip  die  Weltseele  ist,  welche  die  „Kontinuität  der  anorganischen 
und  der  organischen  Welt  unterhält  und  die  ganze  Natur  zu  einem  allgemeinen 
Organismus  verknüpft"  (Einfluß  von  Piatons  „Timaeus"  und  von  Hölderlin).  Die 
Natur  ist  in  ihren  ursprünglichen  Produktionen  organisch,  wirkt  mit  blinder, 
bewußtloser  Intelligenz,  die  identisch  ist  mit  dem  bewußten  Geist.  Der 
Charakter  der  Natur  ist  Produktivität,  die  aber  zugleich  gehemmt  und  so 
Anschauungsobjekt  wird.  Sie  kann  aber  als  unendlich  nie  ganz  zur  Ruhe  kommen 
und  so  besteht  überall  „der  Trieb  einer  unendlichen  Entwicklung".  Jede  ursprüng- 
liche Aktion  ist  individuell,  ist  eine  „Naturmonade".  Alle  Materie  ist  ein  „be- 
stimmter Grad  von  Aktion",  ihre  Qualitäten  sind  Aktionen  und  der  erfüllte 
Baum  ist  das  „Phänomen  eines  Strebens".  In  der  Natur  herrscht  das  Prinzip 
der  „Steigerung",  ein  „Trieb  und  Drang  nach  immer  höherem  Leben".  Die 
Stufenfolge  aller  organischen  Wesen  hat  sich  durch  „allmähliche  Entwicklung 
einer  und  derselben  Organisation"  herausgebildet.  Das  Individuum  ist  hier 
nur  Mittel,  Zweck  ist  die  Gattung.  Die  unorganischen,  toten  und  bewußtlosen 
Gebilde  sind  nur  mißlungene  Versuche  der  Natur,  sich  selbst  zu  reflektieren, 
nur  eine  „unreife  Intelligenz".  In  der  Welt  steckt  ein  „Kiesengeist",  der  „ver- 
steinert" ist,  aber  nach  Bewußtsein  ringt;  im  Menschen  findet  er  sich,  sich 
selbst  entfremdet,  und  könnte  doch  zu  sich  selber  sagen,  er  sei  der  Geist,  der  sich 
in  allem  bewegt.  In  allem  ist  nur  eine  Kraft,  ein  Wechselspiel  und  Leben 
(vgl.  Goethe,  G.  Bruno). 

Das  Gegenstück  zur  Naturphilosophie  ist  die  T  r  a  n  s  z  e  n  d  e  n  t  a  1  p  h  i  1  o  s  o  p  h  i  e ; 
läßt  erstere  das  Ideelle  aus  dem  Realen  entspringen,  so  leitet  die  letztere  das 
Reale,  die  Natur  aus  dem  Produzieren,  dem  schöpferischen  Handeln  des  Geistes 
ab.  Das  Ideelle  oder  Subjektive  und  das  Reale  (Reelle)  oder  Objektive  sind 
die  beiden  „Pole"  des  Absoluten  und  die  Transzendentalphilosophie  hat  nun 
die  Aufgabe,  „vom  Subjektiven  als  vom  Ersten  und  Absoluten  auszugehen  und 
das  Objektive  aus  ihm  entstehen  zu  lassen".  Alles  Wissen  beruht  auf  der 
„Übereinstimmung  eines  Objektiven  mit  einem  Subjektiven".  Diese  Überein- 
stimmung ist  zu  erklären  und  zwar  hier  vom  Subjektiven  aus.  Die  trans- 
zendentale Betrachtungsart  erblickt  das  Angeschaute  nur  durch  den  Akt  des 
Anschauens,  geht  auf  das  geistige  Produzieren  des  Objektiven,  auf  das  „Handeln" 
Li  -  Geistes,  auf  das  „sich  selbst  Objekt-werden  des  Subjektiven",  auf  das 
..Wissen  überhaupt".  Die  Tran szen den talphilosophie  zerfällt  in  theoretische,  prak- 
tische und  in  die  Philosophie  der  Kunst,  Das  höchste  Problem  der  Trans- 
zendentalphilosophie ist:  Wie  können  die  Vorstellungen  zugleich  als  sich 
richtend  nach  den  Gegenständen  und  die  Gegenstände  als  sich  richtend  nach 
Vorstellungen  gedacht  werden?  Nur  dadurch,  daß  zwischen  beiden 
n  eine  neue  „vorherbestimmte  Harmonie"  besteht,  und  diese  selbst  ist 
Dicht  denkbar,  wenn  nicht  „die  Tätigkeit,  durch  welche  die  objektive  Welt  pro- 


8<  m.i.i.iN 

duziert  ist,    nreprünglich  identisch   i-t  mit  der,    welche  im  Wollen  rieh  fcußi 
und  iiiiiu«kt'hrt •■.     I > i *  eit,  welche  im  freien  Handeln  mit  Bewußtsein  j 

duktiv  ist,  muß  im  „Produzieren  der  Welt"  ohne Bewußtsein produktiv  sein.  I 
N;itur  als  <  famoses  i-t  zweckmäßig,  ohne  zweckmäßig  erklärbar  eü  Bein  and  die 
Philosophie  der  Naturzwecke,  dieTeleologie,  i-t  der  \'<  \<  inigungspunkt  der  tl. 
retischen    und    praktischen    Philof  der    im    [ch    die    Kunstphilosophie 

entspricht. 

I  »:•  th<  erotische  Philosophie  erfaßt,  wie  alle  transzendentale  Betrachtung 
durch  den  „inneren  sinn'-  das  „Handeln  der  Intelligenz  nach  bestimmten Geeet 
sie  reflektiert  dieses  Handeln  in  „inteüektuell<  hauung",  einer  Art  ästhe- 

tischen sinn.-.    I>i<-  [dentitäl  des  Denkens  und  des    Objekts,   welch 
wird,  findet  >i<li  im  absoluten  Ich,  in  dem,  was  sieh  selbst  zum  Objekt  macht 

r  kein  Objekt,  keine  Bache,  kein  Ding  i-t.  Bondern  eins  i-t  mit  dem  Denken 
selbst,  „reiner  Akt",  „reines  Tun".  Es  i-t  intellektuelle  Anschauung,  weil  es 
durch  da-  Wissen    von  sich  Belbst   erst  entsteht,  „Subjekl  —  Objekt"  i-t.     Das 

,•■     [ch   i-t    nichts  [ndividuelles,    Bondern  der  Akt  des  „Selbstbewußt» 
überhaupt".     I>;i-   reine  Selbstbewußtsein  i-t  ein  Akt.  der  außerhalb  aller  Zeit 
_'  und   alle  Zeit   erst  konstituiert.    Es  ist  nicht,   weil  es  das  Bein  selbei 

gibt   allen    Dingen  das  Dasein,   tragt   sich  Bei  heint  objektiv  als 

ewige  Werden,   subjektiv   als  das   „unendliche  Produzieren",    i  --it. 

das  Bein   aber   nur   di<  gehobene    Freiheit*',    Ausdruck   ein*  turnten 

Freiheit,  m  eie  Tätigkeit,  die  im  W  seit  wird.    Durch  den  ..al>- 

Boluten  Akt"   d.-s  reinen  Selbstbewußtseins  i-t   das  I < - 1 1   und   alles  für  das  [ch 

setzt  in  einer  ,,absoluten  Bynthesis".     I>a-  Ich  schaut  sei  n<   !'•• 
heil    als   Aifektion   ein«-    Xi<ht-I<h   an.    es    cinj»t  intlrt.     I  »•  r    Qrund    aller 
Realität    der  Erkenntnis   i-t    der   von   der  Anschauung    anabhängige  Grund 
der  Begrenztheit  der  [ch-Tätigkeit     Die    Anschauung   schafft  aus    I 
und  Leiden  ein  gemeinschaftliches  Produkt,  zu  dem  auch    Kaum  und  /..  it  als 
Formen  der  Objekte  gehören.  I>i<-  (produktive)  Anschauung  i-t  schon  intellektuell, 
der  erste  ><-britt  des  [chs  zur  [ntelligenz.     In  der  Anschauung   i-t  der  « 
stand  selbst  unmittelbar  gegenwartig,  er  wird  niehl  rschlossm.    I)      l     ht- 

hl  /.    B.  i-t   eins  mit  dem  Sehen,  ist   das   ursprüngliche  Sehen   -  De\ 

Ausdruck  des  Gleichgewichtes  ent£  I        leeiten  des  G< 

sie    Materie,    die    aus    (Expansiv-    und    Attraktiv       Kräften    besteht.      Di< 
Momente  in  der  Konstruktion  der  M  oteprechen  den  Akten  der  Int- 

sind  eigentlich  drei  Momente  in  d»-r  <  htr   <1.  -  Srlb-tU-wn 

..alli-   Kraft  I  uns   zuletzt   auf  bekomm« 

i  I  •    \I.m  :  .     ist    in    der   I  Geist"  (H  i  im 

» rleichgewicht     Beil         I  iler    „««rl 

•  kt   i-t   nur  ..\\\  ■  rte"  Zeit.     D  •        K  ur- 

-p!  i  Relation  ist,  sind    Bai    lunj  durch  w<  l<  be  i 

die  « >b  ■  Ibst   entstehi  o".     Die  £  h  die  Fü  .• 

barrende  in  d<  i  /.<  it,     I 
Zeit   der   „I  eine  Rieht 

dahei    sind     wenn    einmal  n    ihn    kommt,    all«     Kichtungci    in  ihm. 


630  SCHELLING 


Das  Universum  entsteht  dem  Ich  vermöge  des  ursprünglichen  Streites  (der 
Duplizität)  des  Selbstbewußtseins,  welches  selbst  zur  Intelligenz  sich  entfaltet,, 
die  durch  ihre  früheren  Akte  sich  selbst  bindet.  Sie  muß  sich  selbst  in  der 
Sukzession  ihrer  Vorstellungen  anschauen,  insofern  diese  in  sich  selbst  zurück- 
läuft und  diese  in  sich  selbst  zurückkehrende  Sukzession  ist  —  fixiert  —  die  O  r  - 
ganisation,  die  „erstarrte  Sukzession",  eine  „Anschauungsart  der  Intelligenz". 
Bedingung  des  Selbstbewußtseins  ist,  daß  ich  eine  Tätigkeit  von  Intelligenzen 
außer  mir  anschaue,  weil  es  Bedingung  ist,  daß  meine  Tätigkeit  sich  auf  ein 
bestimmtes  Objekt  richte.  Nur  dadurch,  daß  Intelligenzen  außer  mir  sind,  wird 
mir  die  Welt  überhaupt  objektiv.  Daß  Objekte  wirklich  außer  mir  existieren,  da- 
von kann  ich  nur  dadurch  überzeugt  werden,  daß  sie  von  Intelligenzen  außer  mir 
angeschaut  werden.  „Für  das  Individuum  sind  die  anderen  Intelligenzen  gleich- 
sam die  ewigen  Träger  des  Universums."  Die  gemeinschaftliche  Welt  der 
Intelligenzen  ist  das  Urbild,  dessen  Übereinstimmung  mit  meinen  Vor- 
stellungen allein  Wahrheit  ist. 

Damit  sind  wir  schon  in  der  praktischen  Philosophie,  wo  das  Ich  als  be- 
wußt tätig,  als  wollend  auftritt.  Die  Wechselwirkung  zwischen  Intelligenzen 
ist  Bedingung  der  Freiheit.  Die  Einschränkung  der  Tätigkeit  eines  jeden 
behufs  der  Freiheit  gewährleistet  das  Eecht  als  ein  höheres  Naturgesetz. 
Die  Geschichte  ist  ein  sukzessives  Eealisieren  eines  Ideals;  den  Vernunft- 
wesen ist  die  universelle  rechtliche  Verfassung  als  Problem  gegeben.  Die 
moralische  Weltordnung  ist  als  Wirkung  aller  Intelligenzen,  sofern  sie  eine 
solche  Ordnung  wollen,  zu  erzeugen.  In  der  Geschichte  wird  die  Rechtsver- 
verfassung allmählich  verwirklicht,  welche  Freiheit  und  Notwendigkeit  ver- 
bindet. In  ihr  offenbart  sich  das  Absolute,  die  „absolute  Identität",  das  „ewig 
Unbewußte"  als  die  ewige  Sonne  im  Reich  der  Geister,  die  „unsichtbare  Wurzel, 
wovon  alle  Intelligenzen  nur  die  Potenzen  sind,  der  Grund  der  Harmonie 
zwischen  dem  Objektiven  und  dem  Subjektiven.  In  der  Geschichte  ist  ein 
Geist,  der  in  allen  dichtet,  durch  jede  Intelligenz  handelt.  „Die  Geschichte 
als  Ganzes  ist  eine  fortgehende  allmählich  sich  enthüllende  Offenbarung  des 
Absoluten."  „Der  Mensch  führt  durch  seine  Geschichte  einen  fortgehenden 
Beweis  von  dem  Dasein  Gottes."  Gott  ist  nie,  wenn  Sein  das  ist,  was  in  der 
objektiven  Welt  sich  darstellt;  wäre  er,  so  wären  wir  nicht,  aber  er  offenbart 
sich  fortwährend.  Drei  Perioden  gibt  es  da:  die  tragische,  wo  das  Herrschende 
als  Schicksal,  als  blinde  Macht  auftritt;  die  Periode  der  Offenbarung  des  Ab- 
soluten als  Naturgesetz,  das  die  Freiheit  zwingt,  einem  Naturplan  zu  dienen; 
die  Periode  der  Vorsehung.  „Wann  diese  Periode  beginnen  werde,  wissen  wir 
nicht  zu  sagen.  Aber  wenn  diese  Periode  sein  wird,  dann  wird  auch  Gott 
sein." 

Was  in  der  Erscheinung  der  Freiheit  und  in  der  Anschauung  des  Natur- 
produkts getrennt  existiert,  nämlich  Identität  des  Bewußten  und  Bewußtlosen 
im  Ich  und  Bewußtsein  dieser  Identität,  fällt  im  Kunstprodukt  zusammen. 
I  >er  Grundcharakter  desselben  ist  eine  „bewußtlose  Unendlichkeit",  welche  ganz 
zu  entwickeln  kein  endlicher  Verstand  fähig  ist.  Jede  ästhetische  Produktion 
geht   aus    vom    Gefühl    eines   unendlichen  Widerspruches,    welches   durch  das 


><  HELLING. 

Kunstwerk   befriedigt    wird.     In   diesem   Bind  die   beiden   Tätigkeiten,   irel 
zuerst   getrennt    «raren,    vereinigt    und   es    und    so   durch  das   Kunstwerk  ein 
„Unendliches  endlich   dargestellt,   worin   die  Schönheit  [dealistu 

Gehaltsästhetik).    Kunst   and   Wissenschaft  haben  dieselbe  Am.  ein 

sie  gibt  es  nur  in  der  Kunst  Di>-  Kunst  ist  die  Objektivität  der  intellek- 
tuellen Anschauung  selbst;  durch  de  wird  ein  iinendlich  osatz  in  einem 
endlichen  Produkt  aufgehoben.  Die  Kunst  ist  das  „einzige  and  wahre  und 
ewige  Organen  zugleich  und  Dokument  der  Piiilosophie",  sie  ist  das  II-!. 
w-il  sie  ..da-  AJlerheüigste  gleichsam  öffnet,  wo  in  ewiger  und  ursprunglicher 
Vereinigung  gleichsam  in  einer  Flamme  brennt,  was  in  der  Natur  und  Geschichte 
sondert  i-t  und  was  im  Leben  und  Handeln  ebenso  wie  im  Denken  i 
..  fliehen   muß".    Die  Natur  selbst   ist  ein   „Gedicht".    Die  Phil  ist 

von    der   P<  lOTen    und    kehrt    in  sie  zurück.      I  >a>  Ziel  der  Kunst   ist 

„Vernichtung  dee  Stoffes  durch  Vollendung  der  Form".  Die  absolute  Schön- 
heil   ist   die  urbildliehe  Schönheit   der  Idee.     Das  Erhabene  ist  die  Einbildung 

Unendlichen  ins  Bildliche.  Das  Tragische  liegt  dort,  wo  der  Seid,  der 
durch  Verhängnis  schuldig  wird,  im  Momente  des  größten  Leidens  rar  höchsten 
Befreiung  gelangt 

Den  Standpunkt  der  Ldentit&tsphilosophie  formuliert  besonders  die 
Darstellung  meines  Systems"  1801).  Das  Absolute,  die  „absolute  Vernunft*', 
in  der  wir  alles  erkennen,  wie  es  an  Bich  ist,  die  in  allem  eins  und  identisch 
ist,  der  gemeinsame  Grund  von  Natur  und  G  an  sich  die  „Indifferenz" 

von  Subjekt  und  Objekt,  [deellem  und  Reellem,  das,  «ras  ra  beiden  Gegen- 
sätzen die  Möglichkeit  bat,  an  Meli  aber  aber  allen  Gegensatz  und  Unterschied 
erhaben  ist  Da-  Absolute  ist  die  Lebendig«  Identität  des  Subjektiven  und 
<  objektiven,  „eine  Identität",  das  „gleiche  West  □  d<  a  Subjektiven  und  <  Objektiven". 
tt  und  das  Universum  sind  nur  „verschiedene  Ansichten  eines  und 

(iott     ist    das    l'niversuni    von    der  Seite    der   Identität    betrachtet,    er    ist    al 

weil  er  das  allein  Reale  ist    All«  rn  es  wahrhaft  ist,   ist  das  Ab-. .Int.. 

die   absolute   Identität.    Das  Einzelne,    Endliche   hat    als   solches   kein  wahres 
-     i;  alles  ist  die  Unendlichkeit  selbst,   ist  in  seiner  Art  unendlich.     I1 
solute  tritt  in  swei  „Pole"  [8ubjekt — Objekt,  [deeUes  und  Reelles 

daß  aut  den    verschiedenen  Seinsstufen  der  eine  oder  der  Pol 

überwiegt.  Die  verschiedenen  Seinsstufen  nennt  g  b.  Pot<  uzen,  die  im  Ab- 
soluten  alle   zugleich   sind.    Sie   sind   bestimmte  quantitative   Diffei 

Subjektivität     und    Objektivität.      El    gibt     Natur-    und    <  1' 

Naturpoteni  (A)  i-t  die  Schwere,  du-  rw(  U     \  In.  die  dril 

anismus.     I'      M   terie  i-t    ein   unendlich.        \|  in.    i-t 

eine  Form  des  Lichts.     Der  chemische  Prozefi  i-t  identisch  mit  dem  Galvan 
um-.     I  >i-   <  Qualitäten   der  Mal  K  In  den 

-in.ii  besteht  k.-in.  i 

In  „Bruno"  (1  ü  tnmenfallen  da   ' 

oluten  Einheit,  aus  der  all«-  h<  t  und  in  die  alles  surückkehrl     \ 

diesem    zeitlos  n  Pein   im  Abeolub  1 1 

(wie  nach  Plat  i  ihende  Bild  d- 


SCHELLING. 


des  Bild  des  unendlichen  Denkens.  Die  Seele  ist  die  Potenz  dessen,  was  im 
Leibe  verwirklicht  ist,  der  „unmittelbare  Begriff  des  Leibes".  Seele  und  Leib 
sind  der  zweifache  Gedanke  derselben  Wesenheit  (Identitätsstandpunkt).  Den 
Momenten  des  Psychischen  entsprechen  solche  des  Physischen,  zwischen  ihnen, 
die  ja  nur  „ideell"  entgegengesetzt  ist,  besteht  ein  Parallelismus,  eine  Harmonie, 
wie  auch  allem  Subjektiven  ein  Objektives  in  der  Natur  entspricht. 

In  den  „Vorlesungen  über  die  Methode  des  akadem.  Studiums"  (1803), 
einer  gemeinverständlich  gehaltenen  Schrift,  spricht  Seh.  von  den  im  Absoluten 
enthaltenen  Ideen.  Sie  sind  die  „einzigen  Mittler,  wodurch  die  besonderen 
Dinge  in  Gott  sein  können".  Sie  sind  „Monaden",  „lebendig",  sind  gleich 
Gott  produktiv  und  bilden  ihre  Wesenheit  in  das  Besondere  hinein,  sie  ver- 
halten sich  wie  die  „Seelen  der  Dinge".  Die  Ideen  sind  die  „Wesenheiten  der 
Dinge  als  gegründet  in  der  Ewigkeit  Gottes",  die  ewigen  Urbilder  der  Dinge  in 
der  Vernunftanschauung.  Die  Philosophie  ist  die  „Wissenschaft  der  Ideen", 
„unmittelbare  Darstellung  und  Wissenschaft  des  Urwissens  selbst".  In  der 
Natur  wird  Gott  gleichsam  exoterisch,  sie  ist  die  reale  Seite  des  Absoluten, 
„nur  ein  Moment  oder  Durchgangspunkt  in  dem  ewigen  Akt  der  Einbildung 
der  Identität  in  die  Differenz".  Die  ideale  oder  geistige  Welt  ist  die  Einheit, 
wodurch  die  Dinge  in  die  Identität  als  ihr  Zentrum  zurückgehen  und  im 
Unendlichen  sind.  In  der  idealen  Welt,  besonders  in  der  Geschichte,  legt  das 
Göttliche  die  Hülle  ab,  sie  ist  „das  laut  gewordene  Mysterium  des  göttlichen 
Reiches".  Die  Individuen  sind  hier  „Werkzeuge  einer  ewigen  Ordnung  der 
Dinge".  Die  Geschichte  ist  der  „große  Spiegel  des  Weltgeistes",  das  „ewige 
Gedicht  des  göttlichen  Verstandes".  Das  Christentum  faßt  die  Geschichte 
als  Vorsehung  auf.  Die  Dreieinigkeit  bedeutet  philosophisch,  „daß  der  ewige, 
aus  dem  Wesen  des  Vaters  aller  Dinge  geborene  Sohn  Gottes  das  Endliche 
selbst  ist,  wie  es  in  der  ewigen  Anschauung  Gottes  ist".  Die  Menschwerdung 
Gottes  ist  eine  Menschwerdung  von  Ewigkeit;  der  Mensch  Christus  ist  in  der 
Erscheinung  nur  der  Gipfel. 

Immer  mehr  nun  bewegt  sich  das  Denken  Sch.s  in  theosophisch-mystischen 
Bahnen.  In  der  Schrift  „Philosophie  und  Religion"  (1804)  lehrt  er  einen 
„Abfall"  der  Dinge  vom  Absoluten,  welcher  ewig  und  außerweltlich  ist;  in  der 
lehheit  kommt  es  zur  Rückkehr  zum  Absoluten,  zur  Versöhnung  mit  diesem. 
Die  Idee  der  Seele  ist  in  Gott  ewig.  Die  Schrift  „Darstellung  des  wahren 
Verhältnisses  der  Naturphilosophie  zur  verbesserten  Fichteschen  Lehre"  (1806) 
bringt  die  Lehre  von  der  „Kopula",  vom  „absoluten  Bande",  welches  Unend- 
liches und  Endliches  verbindet,  und  die  unendliche  Liebe  Gottes  zu  sich  selbst 
ist.  Den  theosophischen  Standpunkt  stellt  vollends  die  Schrift  „Über  das 
n  der  menschlichen  Freiheit"  (1809)  dar,  die  auf  J.  Böhme  zurückgeht.  In 
Gott  ist  ein  „Urgrund"  oder  „Ungrund"  ein  Grund  seiner  Existenz,  die  Natur 
in  Gott,  aus  der  die  Dinge  werden.  Der  Ungrund  (die  Indifferenz)  ist  nicht 
selbst  Gott,  sondern  die  Grundlage  des  Seienden,  des  Unvollkommenen,  Bösen, 
-hnsucht"  in  Gott,  dem  dunklen,  verstandlosen  Willen  gehen  die 
endlichen  Dinge  hervor.  „Wollen  ist  Ursein";  auf  dieses  allein  passen  alle 
Prädikate  desselben:    Grundlosigkeit,  Ewigkeit,   Unabhängigkeit   von  der  Zeit, 


-«  HELLING. 


Selbstbejahung.    Das    unbegrenzte    Sein    in    Gott    ist   das   durch   Bein    bin 
Wollen   Gesetzte;   das   „blind  Seiende"    ist   Wille,   der   in  der  Natur  herrscht 
_i.  Schopenhauer).    Der  Eigenwille  jeder  Kreatur  ordnet   Bicfa  dem  Verstand 
als  Universahvillen  unter.     Im  Menschen   « ■rln.-llr   rieb  das  finster«    Prinzip,  - 
Wille  kann  die  Einheit  mit  dem  Göttlichen   finden,   das    Böse    das  ani  einem 
all    beruht,    lassen,    auch   die    Natur   erli  .  Bartmann).     Di« 

Freiheit  hat  der  Mensch  im  Zustande  der  Präexistenz,  wo  er  seinen  Charakter 
frei  bestimmt  hat.   von  dem  er  jetzt  determiniert  ist    ..Die  Tat,  wodurch  - 
Leben    in    der   Zeit    bestimmt   ist,    gehört    selbst    nicht    der  Zeit,    sondern   der 
Ewigkeit   an;    sie   geht  dem   Leben    auch    nicht   der  Zeit    nach  voran.  Bondern 
durch  die  Zeit    hindurch  (unergriffen    von  ihn    als   eine   der    Natur   Dach  eu 
Tat.--     Durch   sein   vorzeitliches    „Sei  n",   Bein   ..l'r-   und   Grandwollt 

sind  die  Handinngen  des  Manschen  notwendig  bestimmt   (vgl.  Kant.  Seh  | 
hauei  . 

Diese  theosophische  Richtung  hält  Seh.  auch   in   Beiner  positiven  Philo- 
sophie bei,   welche  die  [dentitatslehre  ergänzen   soll.    Während  die  „ne§ 
Philosophie,  die  apriorische  Vernunftwissenschaft)  nur  das  begrifflich  bestimmte 
Was   der  Dinge   erfaßt,  geht  die   „positive1'  Philosophie   (als   metaphysischer, 
mystischer  „Empirismus")  auf  das  Daß  der  Dinge,  die  Existenz,  die  Lebend 
konkrete  Wirklichkeit    selbst,    aut    das   „Positive",    d.  h.,  das.    traf  I   wird. 

auf   das   rein    logisch,   durch  reine  Vernunft   nicht   zu  Erfassende,   irrationale. 
Di    positive  Philosophie  fährt  zur  Erkenntnis  Gottes  ani  Grund  der  Erfahr 
Beines  Wirkens,  wie  sie  in  Mythologie  und  Religion  (Offenbarung)  vorli« 
Im  sinne  eines  Gnostizismus  faßt  Seh.  Mythologie  und  Offenbarung  als  \Wlt- 
prozease  auf ,  die,   anabhängig  vom   menschlichen  Bewußtsein,  rieh  in  ihm 
Bpielen.     Der  mythologische  Prozeß  ist  zugleich  ein  theogonischer  Prozeß,  durch 
welchen  Gott  im  Bewußtsein  erzeugt  wird,  vollendet  in  der  christlichen  Offen- 
barung  und  Geiatesreligion.      In  Gott  -  drei  Potenzen   (das  unmittelbt 
Beinkönnen  oder  der  bewußtlose  Wille,   das  ins  Bein    übergehende  Beinköni 
oder  der  besonnene  Wille,  and  das  zwischen  beiden  als  Geist  Schwebende).    Gott 
ist  lebendige  Einheit    von    Kräften,    Persönlichkeit,   er   bat    ..drei    Angesichte" 
(Vater,  Bonn,  Geist).    Gott  ist  „überseiend",  der  ..Herr  des  Beins".  — 

Anhänger  Schellings  "der  ?on  ihm  mehr  oder  weniger  beeinflußt  sind: 
Oken,  Bteffens,  Bchelver,  Schubert,  Ast,  Klein.  Sehad,  Blasche, 
rroxlei    J.  J.  Wagner,  Rixner,  V  !    enbeck,  Eschenn 

3tutz  ms  n  n  .  B  ardaefa  .  K.  I ..  I  1 1  B  '1 

\.    i  Sibb(    ii.    Buabedissen,    Windischmann,    II.    B( 

L'Bchmid,  C.  Frants,  K.  Ph.  Fischer    «'.ll.  W  Wirth,   llnan- 

dorf,    Bteffensen,    1'.  J.  Stahl  o.  a,      Von  Seh.    beeinflußt    Bind    Hegel, 
Bchleiermachei      «  b.    Krause,     Baader,    Schopenhauei       I  ouain, 
W.  Rosen krantz,    Deuting«        -        I  •  i     I     r.  Hartmann,    Fechi 
W  undt,  0.  B rs an,  Bei        n  a.  a. 

i  .    '  Anti<iuii»«i!iii  ll  :indi 

piiiii,    lT'.cj. 

Wi  .  Dfl     Mit'  .'.intrum     cpi«to!»run» 


634  Schelling  —  Schellwien. 


emendatore,   1795.  —  Über  die  Möglichkeit  einer  Form  der  Philosophie  überhaupt,  1795. 

—  Vom  Ich  als  Prinzip  der  Philosophie,  1795;  1809  (in  den  „Philos.  Schriften").  — 
Philos.  Briefe  über  Dogmatismus  u.  Kritizismus,  1796  (Niethammers  „Philos.  Journal"), 
1809.  —  Allgemeine  Übersicht  der  neuesten  philos.  Literatur,  1797;  1809  (unter  dem 
Titel:  Abhandlungen  zur  Erläuterung  des  Idealismus  der  Wissenschaftslehre).  —  Ideen 
zu  einer  Philosophie  der  Natur,  1797;  2.  A.  1803.  —  Von  der  Weltseele,  1798;  2.  A. 
1806;  3.  A.  1809.  —  Erster  Entwurf  eines  Systems  der  Naturphilosophie,  1799.  — 
Einleitung  zu  seinem  Entwurf  eines  Systems  der  Naturphilosophie,  1799.  —  System 
des  transzendentalen  Idealismus,  1800.  —  Zeitschrift  für  spekulative  Physik,  1800—01, 
(Darstellung  meines  Systems,  im  II.  Bd.  enthalten).  —  Bruno  oder  über  das  natürliche 
und  göttliche  Prinzip  der  Dinge,  1802;  2.  A.  1834,  1842.  —  Clara  od.  der  Zusammenhang 
der  Natur  mit  der  Geisterwelt,  2.  A.  1865.  —  Neue  Zeitschrift  f.  spekul.  Physik,  1802. 

—  Kritisches  Journal  der  Philosophie,  1802—03  (mit  Hegel).  —  Vorlesungen  über  die 
Methode  des  akademischen  Studiums,  1803;  3.  A.  1830,  neue  Auflage  1907.  —  Philo- 
sophie und  Keligion,  1804.  —  Darlegung  des  wahren  Verhältnisses  der  Naturphilos.  zur 
verbesserten  Fichteschen  Lehre,  1806.  —  Aufsätze  in  den  „Jahrbüchern  der  Medizin" 
(1806 — 08).    —    Über    das    Verhältnis   der  bildenden  Künste  zu  der  Natur,  1807,  1825. 

—  Philos.  Schriften,  1809.  —  Philos.  Untersuchungen  über  das  Wesen  der  menschlichen 
Freiheit,  1809,   1834.  —  Denkmal  der  Schrift  Jacobis  von  den  göttlichen  Dingen,  1812. 

—  Über  die  Gottheiten  von  Samothrake,  1815.  —  Zur  Geschichte  d.  neuern  Philosophie, 
WW.  I,  Bd.  X;  auch  in  der  „Philos.  Bibl."  (hrsg.  von  Drews).  Einleit.  in  die  My- 
thologie; Philosophie  der  Mythologie;  Philos.  der  Offenbarung  (WW.  II,  Bd.  XE — XIV) 
u.  a.  —  Sämtliche  Werke,  2  Abteilungen,  14  (10  -{-  4)  Bde.,  1856  ff.  —  Werke  in 
Auswahl,  hrsg.  von  O.  Weiss,  3  Bde.,  1908.  —  Aus  Schellings  Leben,  in  Briefen,  hrsg. 
von  J.  L.  Plitt,  1775—1803,  1869—70.  —  Vgl.  ROSENKEANZ,  Seh.,  1843.  — 
No^CK,  Seh.  u.  d.  Philos.  d.  Romantik,  1859.  —  K.  FlSCHER,  Gesch.  d.  neuern 
Philos.  VI.  —  K.  FRANTZ,  Sch.s  positive  Philosophie,  1879—80.  —  E.  V.  HART- 
MANS, Sch.s  philos.  System,  1897.  —  O.  BRAUN,  Sch.s  geistige  Wandlungen,  1906; 
S.  als  Persönlichkeit,  1909.  —  M.  ADAM,  Sch.s  Kunstphilosophie,  1907.  —  E.  FüCHS, 
Schöpferisches  Handeln  (Anthologie),  1907.  —  MEHLIS,  S.s  Geschichtsphilos.,  1906. 

Schellver,  Franz  Josef,  geb.  1778  in  Osnabrück,  seit  1807  Prof.  der 
Medizin  in  Heidelberg,  gest.  daselbst  1832.  =  Von  Schelling  beeinflußter 
Xnturphilosoph. 

Schriften:  Elementarlehre  der  organischen  Natur  I,  1808.  —  Zeitschrift  für 
organische  Physik,  1803.  —  Philosophie  der  Medizin,  1809.  —  Von  den  Geheimnissen 
des  Lebens,  1814.  —  Von  den  sieben  Formen  des  Lebens,  1817. 

Sdiellwien,  Robert,  geb.  1821  in  Danzig,  gest.  1900  in  Quedlinburg. 

Seh.  lehrt  einen,  von  Fichte  und  Schopenhauer  beeinflußten,  voluntaristi- 
schen  Idealismus  und  ist  ein  Gegner  des  Darwinismus.  Das  Wissen  ist  nach 
Seh.  ,, absolutes,  schlechthin  auf  sich  und  in  sich  beruhendes  Leben".  Der 
Quellpunkt  des  Wissens,  die  Ichheit,  ist  die  Ursache  alles  Gewußten.  Das 
menschliche  Wissen  ist  zuerst  unbewußtes  Einzelwesen,  zugleich  aber  hat  es 
dag  Vermögen,  dies  Unbewußtsein  zu  verneinen.  Der  Wille  ist  die  „der 
Natur  urschöpferisch  voranstehende  Lebensgrundmacht",  das  „Vermögen, 
allen  mannigfaltigen  Inhalt  des  Bewußtseins  in  sich  aufzuheben  und  der  ab- 
solut« M  -r  Tum  Bestimmung  zu  unterwerfen".  Allen  Dingen  ist  die  schöpferische 
rrkraft.    der  „Allwille",   in    beschränkter    Weise    immanent.      Der    Mensch    ist 


Schellwien  —  Schiller.  635 

Einzelwesen  und  Allkraft  zugleich;  in  seinem  Erkennen  verhält  er  sich  nach- 
schöpferisch. Der  Erkenn tniswille  ist  der  Grund  der  Erfahrung,  der  unbewußte 
Erbauer  der  Erfahrungswelt;  er  ist  eine  Offenbarung  des  Allwissens  im  Menschen, 
in  dem  er  sich  wie  in  den  anderen  Wesen  selbst  verwirklicht. 

Schriften:  Sein  und  Bewußtsein,  1863.  —  M.  Stirner  u.  Fr.  Nietzsche,  1892.  — 
Der  Geist  d.  neueren  Philosophie,  1895 — 96.  —  Der  Darwinismus,  1896.  —  Nietzsche 
u.  seine  "Weltanschauung,  1897.  —  Der  Wille,  die  Lebensgrundmacht,  1898.  —  Philo- 
sophie und  Leben,  1898.  —  Wille  u.  Erkenntnis,   1899,  u.  a. 

Schemaim.  Karl  Ludwig,  geb.  1852  in  CÖln.  Prof.  in  Freiburg  i.  B. 
=  Anhänger  Gobineaus;  Herausgeber  der  Schriften  desselben. 

Schriften:  K.  Wagner,  1878.  —  Gobineaus  Rassenwerk,   1910,  u.  a. 

Scherer,  Christoph,  geb.  1871  in  Schweinfurt,  Dozent  in  Würzburg.  = 
Theistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Das  Tier  in  der  Philos.  des  H.  S.  Reirnarus,  1898.  —  Der  biologisch- 
psychol.  Gottesbeweis  bei  E.,  1898.  —  Die  Gotteslehre  bei  J.  H.  v.  Fichte,  1902.  — 
Sittlichkeit  und  Recht,  1904. 

Schiller,  Friedrich,  1759—1805,  der  klassische  Dichter  hat  sich  auch  als 
philosophischer  Denker  ausgezeichnet.  Auf  der  Karlsschule  las  er  Shaftesbury, 
Rousseau,  Lessing,  Garve  u.  a.  und  wurde  durch  seinen  Lehrer  Abel  mit  der 
Leibniz-Wolffschen  Philosophie  vertraut,  wie  dies  die  „Philosophischen  Briefe" 
(1786)  zeigen.  Einen  starken  Eindruck  machte  dann  (seit  1787,  1791)  Kant 
auf  ihn,  auf  dessen  Wegen  er,  aber  mit  selbständigen  Anschauungen  (besonders 
auf  dem  Gebiete  der  Ästhetik)  im  Einzelnen,  wandelte.  Ohne  ein  systema- 
tischer Philosoph  zu  sein ,  hat  Seh.  in  Poesie  und  Prosa  eine  ausgeprägt 
idealistische  Weltanschauung,  Grundzüge  einer  Kultur philosophie  dar- 
gelegt. 

Aus  seiner  Leibniz-Wolffschen  Periode  sei  erwähnt,  daß  Seh.  (in  seiner 
Dissertation :  Zusammenhang  der  tierischen  Natur  des  Menschen  mit  seiner 
geistigen,  1780)  einen  Parallelismus  zwischen  psychischen  und  physiologischen 
Vorgängen  annimmt.  „Die  Tätigkeiten  des  Körpers  entsprechen  den  Tätig- 
keiten des  Geistes."  In  den  „Philosophischen  Briefen"  gibt  Seh.  seiner  spiri- 
tualistisch-optimistischen  Weltanschauung  beredten  Ausdruck.  „Das  Universum 
ist  ein  Gedanke  Gottes."  „Wo  ich  einen  Körper  entdecke,  da  ahne  ich  einen 
Geist."  Alle  Geister  werden  von  Vollkommenheit  angezogen,  alle  streben  nach 
dem  Zustand  der  höchsten  freien  Äußerung  ihrer  Kräfte.  Die  Natur  ist  ..ein 
unendlich  geteilter  Gott".  Das  göttüche  Ich  hat  sich  in  zahllose  empfindende 
Substanzen  gebrochen:  „Freudlos  war  der  große  Weltenmeister,  |  Fühlte 
Mangel,  darum  schuf  er  Geister,  |  Sel'ge  Spiegel  seiner  Seligkeit.  Fand  das 
höchste  Wesen  schon  kein  Gleiches,  |  Aus  dem  Kelch  des  ganzen  Wesen- 
reiches    |    Schäumt  ihm  die  L'nendlichkeit." 

Die  Ethik  Kants  mit  ihrer  Forderung  sittlicher  Autonomie  billigt  Bch. 
durchaus,  nur  will  er  den  „Rigorismus-  dahin  mildern,  daß  in  der  „schönen 
Seele"  an  Stelle  der  strengen  Herrschaft  der  Pflicht  im  Kampf  mit  der  Sinn- 
lichkeit das  sittlich«'  Sein  der  Persönlichkeil  mit  ihrer  Neigung  /um  Sittlichen 


636  Schiller. 


tritt.  In  der  schönen  Seele  harmonieren  Pflicht  und  Neigung,  Sinnlichkeit 
und  Vernunft,  als  sittliche  Anmut,  welche  die  sittliche  Würde  ergänzt. 
Bei  der  schönen  Seele  sind  eigentlich  nicht  die  einzelnen  Handlungen  sittlich, 
sondern  der  ganze  Charakter.  Erst  wenn  die  sittliche  Denkart  dem  Menschen 
zur  Natur  geworden  ist,  ist  sie  geborgen;  dann  bedarf  es  nicht  mehr  der  „im- 
perativen Form"  des  Sittlichen.  Sind  Anmut  und  Würde  in  derselben  Person 
vereinigt,  so  ist  der  Ausdruck  der  Menschheit  in  ihr  vollendet. 

Der  Mensch  befindet  sich  zunächst  in  einem  „Notstaat",  mit  dem  er  als 
moralische  Person  nicht  zufrieden  sein  kann;  er  will  den  Naturstaat  in  einen 
sittlichen  verwandeln.  Jeder  Mensch  trägt,  der  Anlage  und  Bestimmung  nach, 
einen  ,, reinen  idealischen  Menschen  in  sich,  mit  dessen  unveränderlicher  Ein- 
heit in  allen  seinen  Abwechselungen  übereinzustimmen,  die  große  Aufgabe 
seines  Daseins  ist".  Dieser  reine  Mensch  wird  durch  den  Staat  repräsentiert, 
die  objektive  Form,  in  der  sich  die  Mannigfaltigkeit  der  Subjekte  zu  ver- 
einigen trachtet.  Der  Mensch  in  der  Zeit  soll  sich  zum  „Menschen  in  der 
Idee"  veredeln.  Bei  dem  Volke,  das  fähig  sein  soll,  den  Staat  der  Not  mit 
dem  Staat  der  Freiheit  zu  vertauschen,  muß  „Totalität  des  Charakters"  vor- 
handen sein,  Harmonie  der  Triebe  und  Kräfte.  Dazu  ist  ästhetische  Kultur 
notwendig.  Durch  sie  werden  der  sinnliche  „Sachtrieb"  und  der  „Formtrieb", 
der  aus  der  vernünftigen  Natur  des  Menschen  entspringt  und  gesetzgebend 
auftritt,  alles  zu  einer  „Ideeneinheit"  erhebt,  in  der  Einheit  des  Spieltriebes 
verbunden,  der  den  Menschen  zum  vollen  Menschen,  zur  Einheit  von  Sinnlich- 
keit und  Vernunft  macht.  Der  Gegenstand  des  Sachtriebes  ist  das  Leben,  der 
Gegenstand  des  Formtriebes  die  Gestalt,  der  des  Spieltriebes  die  „lebende  Ge- 
stalt", in  der  die  Schönheit  besteht.  Die  Schönheit  ist  ein  Spiel  und  der 
Mensch  „ist  nur  da  ganz  Mensch,  wo  er  spielt"  (Das  Spielen  führt  Seh.,  wie 
später  Spencer,  auf  überschüssige  Kraft  zurück).  Im  Schönen  stimmen  Sinn- 
lichkeit und  Vernunft  zusammen,  das  Schöne  vermittelt  zwischen  Natur  und 
Sittlichkeit  und  erhebt  den  Menschen  auf  die  höchste  Stufe,  die  er  im  „ästhe- 
tischen Staat"  (im  Unterschiede  vom  dynamischen  Rechtsstaat  und  vom  mora- 
lischen Staat)  einnimmt.  Die  Schönheit  ist  „die  Bürgerin  zweier  Welten", 
indem  die  Vernunft  das  Sinnliche  übersinnlich  behandelt,  es  zum  Ausdruck 
einer  Idee  macht.  Schönheit  ist,  kurz  gesagt,  „Freiheit  in  der  Erscheinung", 
Ausdruck  selbständigen  Lebens.  Der  ästhetische  Sinn  sucht  in  der  Form  ein 
„freies  Vergnügen",  schaut  uninteressiert  an  (vgl.  Kant).  Es  handelt  sich  hier 
um  den  ästhetischen  Schein,  der  weder  Realität  vertreten  will,  noch  von  der- 
selben vertreten  zu  werden  braucht.  Das  Gefühl  des  Erhabenen  ist  eine 
Zusammensetzung  von  Wehsein  und  Frohsein.  Es  besteht  aus  dem  Gefühl 
unserer  Ohnmacht  und  Bewegung,  einen  Gegenstand  zu  umfassen,  und  aus 
dem  Gefühl  unserer  Übermacht,  welche  vor  keinen  Grenzen  erschrickt  und 
dasjenige  sich  geistig  unterwirft,  dem  unsere  sinnlichen  Kräfte  unterliegen;  es 
hafft  uns  einen  Ausgang  aus  der  sinnlichen  Welt. 


Au-  den  Gedichten  Sch.s  führen  wir  folgendes  an 


Schiller,  637 

Wirke  Gutes,  du  nährst  der  Menschheit  göttliche  Pflanze, 
Bilde  Schönes,  du  streust  Keime  der  göttlichen  aus. 


Der  Mensch  ist  frei  geschaffen,  ist  frei,  Hoch  über  der  Zeit  und  dem  Räume  webt 

Und  würd'  er  in  Ketten  geboren.  —  Lebendig  der  höchste  Gedanke, 

Und  die  Tugend,  sie  ist  kein  leerer  Schall.  —  Und  ob  alles  in  ewigem  Wechsel  kreist, 

Und  ein  Gott  ist,  ein  heiliger  Wille  lebt,  Es  beharrt  im  Wechsel  ein  ruhiger  Geist. 
Wie  auch  der  menschliche  wanke; 


Des  Gesetzes  strenge  Fessel  bindet  Mit  des  Menschen  Widerstand  verschwindet 

Nur  den  Sklavensinn,  der  es  verschmäht;  Auch  des  Gottes  Majestät. 


Aber  in  den  heiteren  Kegionen, 
Wo  die  reinen  Formen  wohnen  ; 


Es  ist  dennoch  das  Schöne,  das  Wahre! 
Es  ist  nicht  draußen,  da  sucht  es  der  Tor ; 
Es  ist  in  dir,  du  bringst  es  ewig  hervor. 


Schriften  (philosophisch-ästhetische):  Philos.  Briefe,  1786.  —  Über  den  Grund 
unseres  Vergnügens  an  tragischen  Gegenständen,  1792.  —  Über  die  tragische  Kunst, 
1792.  —  Über  Anmut  und  Würde,  1793.  —  Über  naive  und  sentimentalische  Dichtung, 
1796.  —  Briefe  über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschengeschlechts,  1795.  —  'S  om 
Erhabenen.  Werke,  hrsg.  von  Goedecke,  1867  —  76.  —  Philos.  Schriften,  hrsg.  von 
Kühnemann  (Philos.  Bibl),  2.  A.  1910.  —  Vgl.  K.  FISCHER,  Schiller  als  Philosoph, 
1858;  2.  A.  1892.  Schiller-Schriften,  2.  A.  1891—92.  —  E.  TOMASCHEK,  Seh.  und 
Kant,  1857.  —  ÜEBERWEG,  Seh.  als  Historiker  u.  Philosoph,  1884.  —  K.  BERGER, 
Die  Entwicklung  der  Sch.schen  Ästhetik,  1893.  —  GEYER,  Sch.s  ästhetisch -sittliche 
Weltanschauung,  1898.  —  KÜHNEMAXX,  Kants  und  Sch.s  Begründung  der  Ästhetik, 
1895.  —  P.  FRIEDRICH,  Seh.  und  der  Neuidealismus,  1909.  —  Vgl.  Seh.  als  Philo- 
soph und  seine  Beziehungen  zu  Kant,  hrsg.  von  Vaihinger  und  Bauch,   1905. 

Schiller.  F.  C.  S.,  geb.  1864,  Prof.  in  Oxford. 

Seh.  ist.  wie  James  u.  a.,  ein  Vertreter  des  Pragmatismus,  mit  dem  er 
den  Humanismus  verbindet.  Zugleich  ist  er  Anhänger  eines  metaphysischen, 
spiritualistisch  gefärbten  Pluralismus. 

Denken  und  Erkennen  sind  voluntaristisch-teleologisch  zu  be- 
stimmen. Das  Denken  ist  willensgemäß  und  zweckbestimmt  („purposively 
initiated  and  directed"),  es  dient  theoretisch-praktischen  Bedürfnissen,  insbe- 
sondere der  Herstellung  von  Harmonie  in  den  Erlebnissen,  in  der  Erfahrung. 
Bedürfnisse,  Willensziele  bestimmen  die  Erkenntnis,  sind  deren  Voraussetzungen, 
die  hier  in  biologisch-psychischen  Funktionen  liegen.  Die  Zentralfunktion 
unseres  Geistes  ist  Wille  und  „selektive  Aufmerksamkeit".  Die  Axiome  des 
Denkens  sind  weder  empirische  Abstraktionsprodukte  noch  apriorische  Wahr- 
heiten, sondern  Postulate,  die  einer  Selektion  unterlegen  sind  und  sich  be- 
währt haben.  Notwendig  und  allgemeingültig  sind  sie  nur,  weil  wir  sie  als  Denk- 
mittel brauchen  und  wollen,  nicht  schon  an  sich.     Die  Axiome  entstehen  durch 


638  Schiller. 

einen  Prozeß  des  Experimentieren  s,  welches  sie  als  geeignet  zeigt,  die  Welt 
unseren  Wünschen  konform  zu  gestalten.  Erkennen  ist  aktive  Gestaltung 
seitens  menschlicher  Personen,  und  es  gibt  keine  von  dieser  Gestaltung  unab- 
hängige Wahrheit  und  Wirklichkeit.  Der  „Humanismus"  lehrt,  daß  der 
Mensch  eine  Welt  menschlicher  Erfahrung  mit  menschlichen  Denkmitteln  zu 
begreifen  strebt.  Der  Mensch  ist  das  Maß  der  Dinge,  darin  hat  Protagoras 
Recht,  Alle  Wahrheit  ist  relative,  menschliche  Wahrheit,  nichts  Absolutes. 
Wahrheiten  sind  Handlungsregeln  („rules  for  actions"),  ihre  Bedeutung  liegt 
in  ihrer  Anwendung  und  ist  von  einem  Zweck  abhängig,  im  Hinblick  auf 
den  (etwa  auf  Harmonie  der  Erfahrung)  sie  gelten.  Wahrheiten  müssen  sich 
betätigen  und  damit  praktisch  werden  (Aktivistischer,  instrumentaler  Wahr- 
heitsbegriff). Wahrheit  beurteilt  sich  nach  ihrer  Zweckgemäßheit  („conducive- 
ness  to  our  ends").  Wahr  ist,  was  für  den  Aufbau  einer  Wissenschaft  nützlich 
ist  („what  is  useful  in  building  up  a  science").  Die  Konsequenz  der  Urteile 
für  menschliche  Interessen  und  Zwecke,  für  die  „Praxis",  ist  das  Kriterium 
der  Wahrheit,  die  nur  als  Ideal  absolut  sein  kann.  Der  Anspruch  auf  Wahr- 
heit, den  die  individuell  gefällten  Urteile  machen,  muß  sich  erst  bewähren, 
dann  erst  entstehen  allgemeine,  gattungsmäßige  Wahrheiten.  Die  Wahrheit 
ist  nichts  Gegebenes,  sie  entsteht,  wird  erzeugt,  entwickelt  sich;  alte  Wahrheiten 
machen  neuen  Platz,  die  sich  besser  bewährten. 

Auch  die  Wirklichkeit  ist  nicht  ein-  für  allemal  gegeben,  sie  ist  ein  stetig 
Werdendes.  Die  Individuen  konstruieren  ihre  Welt  durch  wiederholte  Ver- 
suche (,,by  experimenting  or  making  trial").  Die  Wirklichkeit  ist  wesentlich 
Stoff,  aus  dem  wir  sie  gestalten  („essentialy  vty,  it  is  what  we  make  of  it"). 
Sie  ist  plastisch,  nach  unseren  Bedürfnissen  gestaltbar  („plastic,  and  may  be 
moulded  by  our  wishes").  Wissenschaftliche  Tatsachen  sind  nichts  von  uns 
unabhängig  Gegebenes;  eine  Auswahl  seitens  des  Interesses  hebt  erst  solche 
Tatsachen  aus  einem  Chaos  heraus.  Der  Weltprozeß  schreitet  noch  immer 
fort,  die  Wirklichkeit  ist  unvollständig,  kann  vervollkommnet,  durch  Neues 
bereichert  werden  (vgl.  James).  Die  Metaphysik  muß  anthropomorphisch, 
individualistisch,  pluralistisch  sein.  Die  Welt  besteht  an  sich  aus  Monaden, 
an  deren  Spitze  die  göttliche  Persönlichkeit  steht,  deren  Wesen  die  unver- 
änderliche Tätigkeit  (ivegyeia  axivfjolag,  wie  Aristoteles  sagt)  ist.  Gottes  aktiv- 
unbewegtes Leben  ist  zeitlose  Ewigkeit,  reinste  Seligkeit,  ein  Bewußtsein  mit 
ewigem  Inhalt.  Die  materielle  Welt  ist  ein  Produkt  der  Wechselwirkung 
zwischen  dem  göttlichen  Geist  und  den  Monaden.  Die  Zeit  entsteht  erst  mit 
dem  Weltprozeß,  der  nicht  unendlich  ist,  sondern  absolute  Harmonie  der  Indi- 
viduen zum  Endziel  hat,  so  daß  die  Einheit  nicht  der  Anfang,  sondern  das 
Ende  des  Geschehens  ist  (wie  James). 

hriften:     Riddles    of    the    Sphinx.      A    Study    in   the    Philosophy   of  Evolution 

nter   dem   Pseudonym    „A   Troglodyte"),     1891;     3.  ed.    1910.    —    Humanism,    1903; 

tudie«  in  Humanism,   1907  (Auswahl  aus  beiden,    deutsch  1911).  —  Axiomes  as  Postu- 

e«,   1902    (bei  Sturt,  Personal  Idealism ;   deutsch  in  der  genannten  Auswahl).  —  Plato 

Protagora»,  1907.    —    The  Metaphysics    of   the  Time-Process,    Mind,    1895.   —   Der 


S<  mi.i.i:i:     -   B<  HLEGEL. 


rationalistische  Wahrheitsbegriff,    Verhandl.  des  III.  Intern.   Kongr.  für  Philos.   1908.   — 
Error,   1911,  u.  a. 

Schilling.  Gustav,  geb.  1S15  in  Köthen,  Beil  1846  Prof.  in  Gießen,  _ 
daselbst  1872.  =  Anhänger  Herbarts, 

Schriften:    Leibniz    als    Denker,    1846.    —    Lehrbuch  der  Psychologie.    1851.    — 
Die  verschiedenen  Grundansichten  vom   Wesen  des  Geistes,    1863.    —    Beiträge    zur 
:  hte  und  Kritik  des  Materialismus,   1863. 

Schlegel,  Friedrich,  geb.  L772  in  Hannover,  gest.  ls2'.i  in  Dresden,  der 
berühmte  Romantiker,  1796  Privatdozent  in  Jena,   1799  in  Berlin,   1800  wi< 
als    Dozent    in    Jena,    wo   er    mit    seinem    Bruder   August    das    lrAthenaeum" 
(17'.»^— 1800)    herausgab    und    bis    1802    verweilte,    hielt    dann    Vorlesungen    in 
Dresden    und    Paris,   trat   zum   Katholizismus   über,   hielt   in   Wien    Vortrag« 
später  in  Druden,  wo  er  1829  starb. 

8.  ist  ah  philosophischer  Denker  (außer  von  Goethe)   zunächst  von  Fichte 
jiilni'.t.  dessen  Idealismus  er  aber  im  Sinne  eines  ästhetischen    Indivi- 
dualismus  (Asthetizismus)   modifiziert.      Das  absolute  Ich  ist  vom  endlichen 
[ch    nicht  zu  scheiden.      Dieses,    das    empirische    Subjekt,    das    Iranstierische 

lie  insbesondere,  ist  der  freie  Schöpfer  seiner  Phantasiegebilde,  über  dii 
rieh   in   romantischer    Ironie   selbst    hinwegsetzen    kann,   »ich   immer   wieder 
selbst  aberwindend  (vgL  Nietzsche).     In  der    .Ironie--  erhebt  Bich  das  [ch  i 
alles   Bedingte,    auch    aber  die  eigene   Kunst,   Tugend  oder  Genialität,   es  gibt 
sich  keiner  Sache  so  hin.  daß  es   diese   Eingabe   ernst    nehmen   würde.      I 
[ch  kennt  kein  anderes  Gesetz  als  das  seines  wechselnden  Willens,  es  laßt  sich 
innerlich  nicht  binden,  ist  schrankenlos.     Der  wahre  Mensch  ist  der  Künstler; 
in  ihm,  dem  Genie    spricht  die  Gottheit     Wahre  lugend  i-t  Genialität.     Für 
das  Genie  tritt  der  Genuß  an  die  Stelle  der  Arbeit. 

Später  in  den  „Philosophischen   Vorlesungen"    1804—1806),   rückt   S.  von 
diesem    Subjektivismus  ab    und    wendet    Bich   einem    ^von   Schelling,    Böhme, 
der  u.  a.  beeinflußten)  pantheistischen  Idealismus  zu,  nach  welchem 
das   „Welt-Ich"  die  einzige  Realität  ist.     In    seiner  Bpiritualistischen   „Philo- 
sophie des    Lebens4'  betrachtet  Seh.  das  Wissen  als  höheres  BrtahrungBwise 
welches   aui   der  Offenbarung  Gottes  in  der  Natur  und  im  Gewissen  beruht 
Das  Unendliche  ist  werdend,  i-t  Leben.      Raum  und   Zeit   sind    Produl 
ttlichen  Seins.     l>i<   Gesetze  der  Natur  halten  ihren  Grund  in  einer 
luten   göttlichen    Willkür".     Die    W<  bichte   deutet  S.  thet 

zwischen    Sündenfall    und    Erlösung    eingeschlossen.      .1 

l  und  der  <  "  *  ni<  htsa  hu  ib      -•     -     i  in    rückwärt 

od<  r  Propb 
bviftas  I 

—    Philo«.    \  n    au«   d« 

langes  Iber  Philo«,  di 

. 
;         fFstke,  10  II  v\  m. 

Die  roii  Li  !:•  H,  -    1-1  11 


6&0  Schleiden  —  Schleiermacher. 

Schleiden,  Matthias  Jakob,  geb.  1804  in  Hamburg,  1839  Prof.  in  Jena, 
1863  in  Dorpat,  seit  1864  in  Dresden,  gest.  1881  in  Wiesbaden.  =  Anhänger 
von  Fries,  der  scharf  zwischen  der  Natur,  ihrer  Gesetzlichkeit  und  Determiniert- 
heit und  der  freien  Geisteswelt  unterscheidet. 

Schriften:  Studien,  2.  A.  1857.  —  Enzyklopädie  der  theoret.  Naturwissenschaften, 
1850.  —  Zur  Theorie  des  Erkennens  durch  den  Gesichtssinn,  1861.  —  Über  den  Mate- 
rialismus der  neuern  deutschen  Naturwissenschaft,  1863,  u.  a. 

Schleiermaclier,  Friedrich  Ernst  Daniel,  geb.  21.  November  1768  in 
Breslau  als  Sohn  eines  reformierten  Geistlichen,  auf  dem  Gymnasium  der 
Brüdergemeinde  zu  Niesky  herangebildet,  studierte  auch  in  deren  Seminar  zu 
Barby  Theologie,  trat  aber  1787  aus  der  Gemeinde  aus  und  ging  nach  Halle, 
wo  er  Theologie  und  Philosophie  studierte.  1790—93  war  er  Hauslehrer  im 
Hause  des  Grafen  Dohna-Schlobitten  zu  Finkenstein,  1794-96  Hilfsprediger 
in  Landsberg  a.  d.  Warthe,  1796—1802  Prediger  an  der  Charite  in  Berlin, 
1802—04  Hofprediger  in  Stolpe,  1804  wurde  er  a.  o.  Professor  in  Halle:  er 
ging  aber  1807  nach  Berlin,  wo  er  1809  Prediger  an  der  Dreifaltigkeitskirche 
und  1810  Professor  der  Theologie  (aber  verbunden  mit  philosophischen  Vor- 
lesungen), 1811  Mitglied,  1814  Sekretär  der  Akademie  der  Wissenschaften 
Avurde  und  wo  er  am  12.  Februar  1834  starb. 

Als  Denker  ist  Schi,  eine  allen  Extremen  abgeneigte,  zur  Synthese  ge- 
neigte, tief  religiöse  Natur,  von  Plato,  Spinoza,  Kant,  Fichte  und  Schelling 
beeinflußt;  namentlich  an  letzteren  knüpft  er  in  seinem  Systeme  des  „Ideal- 
Realismus"  an.  In  den  „Vertrauten  Briefen  über  die  Lucinde"  (1800  anonym 
erschienen)  nimmt  sich  S.  der  viel  geschmähten  Schrift  F.  v.  Schlegels  an  und 
betont  das  Verbundensein  von  Sinnlichkeit  und  Geistigkeit  in  der  Liebe,  in 
welcher  die  wahre  Unendlichkeit  liegt. 

In  seiner  Erkenntnis-  und  Seinslehre,  welche  er  als  „Dialektik" 
bezeichnet,  stellt  S.  eine  Synthese  von  Idealismus  und  Realismus  her.  Die 
Wissenschaften  überhaupt  gliedert  S.  in  Physik  (Naturphilosophie)  und 
Ethik  (Geistesphilosophie).  Die  Physik  ist  Naturkunde  und  Naturwissenschaft, 
die  Ethik  Geschichtskunde  und  Sittenlehre.  Die  Physik  stellt  das  Vernunft- 
werden der  Natur,  die  Ethik  das  Naturwerden  der  Vernunft  dar.  Die  Philo- 
sophie ist  Dialektik,  welche  die  Prinzipien  des  Philosophierens  enthält. 
Philosophieren  heißt,  den  „inneren  Zusammenhang  alles  Wissens  machen"; 
Philosophie  ist  das  „höchste  Denken  mit  dem  höchsten  Bewußtsein",  voll- 
kommene Entwicklung  des  Bewußtseins.  Die  Dialektik  ist  Kunstlehre  des 
Denkens,  Organon  des  Wissens,  d.  h.  der  Sitz  aller  Formeln  seiner  Kon- 
struktion, die  Kunst  des  Begründens,  die  Kunst  des  Symphilosophierens. 
Alles  Wissen  ist  nämlich  ein  gemeinschaftliches  Denken,  nicht  bloß  Überein- 
stimmung des  Denkens  mit  dem  Sein,  sondern  auch  der  Denkenden  unter- 
einander. Das  Wissen  ist  dasjenige  Denken,  welches  in  der  Identität  der 
Henkenden  Subjekte  gegründet  ist  und  zugleich  dem  Sein  entspricht.  Denken 
und  Sein  „korrespondieren"  miteinander;  das  Wissen  ist  ein  Denken,  „welches 
die  Beziehungen   eines  bestimmten   Seins   zur  Organisation  richtig  ausdrückt". 


x  BLEIEBMACHEB.  641 


Mit  der  Idee  des  Wissens  isl  gesetzt    „eine   Gemeinsamkeit  <l«_-r  Erfahrung  und 
eine  Gemeinsamkeit  der  Prinzipiell    unter  allen   mittelst  i  ntität  der  Ver- 

nunft und  der  Organisation  in  allen".     Erkenntnis  hl   dnrcfa  das   Zu- 

Bammenwirken  der  sinnlichen,  „organischen1'  Punktion  und  der  „intellektuelle 
Funktion  der  Vernunft     Durch  entere  wird  der  Btofl  des  W  .-n, 

durch  letztere  die  Form   derselben   erzeugt     ..In  allem  Denken  isl  die  V 
nunfttätigkeit  der  Quell  der  Einheit  und  Vielheit,  die  organische  Tätigkeit  i 
der  Quell  dei  Mannigfaltigkeit."     „Ohne  Einheil   und  Vielheil  ist  die  Main 
Ealtigkeit    unbestimmt;    ohne  Mannigfaltigkeit   ist   die   bestimmte  Einheit   und 
Vielheit    leer."      Durch   d  rfnetsein    des    geistigen    Lehen-    nach    anJ 

(dunh  die  Organisation)  kommt  das  Denken  zum  Gegenstand  oder  zu  Beinern 
Stoffe,  durch  .-••in.-  -ich  immer  gleiche  Tätigkeit  (Vernunft)  kommt  es  zu  Beiner 
Form.  Im  Erkennen  sind  Receptmtäi  und  Spontaneität  vereinigt  Ideales 
und  Reales  entsprechen  einander  (Logisch-ontologischer  Parallelismus).  „Di 
nun  dir  Vernunfttätigkeit  gegründet  i>t  im  Idealen,  dir  organische  aber  al- 
abhängig  von  den  Einwirkungen  der  Gegenstände  im  Realen:  -<>  i-t  das  Sein 
auf  ideale  Weia  ebenso  ge» -t/.t  wie  auf  reale,  und  ideales  und  reales  lauten 
parallel  nebeneinander  fort  als  modi  des  Sein--  (vgl.  Spinoza,  Schelling).  I1 
Anschauungsf  ormen,    Kaum  und   Zeit)   sind    rabjektiv   und   objektiv   zu- 

h      Sie  Bind  „die  An  zu  Bein  der  Dinge  Belbst,   uicht    nur   unserer  V 
Stellungen".      Der   Kaum   i>t   das    „Außereinander  des  Seins",    die   Zeit   das 
,.Aui'.'ivi!i;indei-  des  Tun-".     Die  Kategorien   Bind  als  Anlagen  dem 

ren,  entstehen  aus  der  Vernunft,  dem  „Orte"  der  Kategorien,  Bind  miI>- 
jektrv  und  objektiv  zugleich.  Das  Denken  hat  die  Form  des  Begriffs  und 
des  Urteils,  die  einander  wechselseitig   voraussetzen.    Da  I  entspricht 

dem  Fürsichseirj  der  Dinge,  den  „substantiellen    Formen",  da-  lrt.il  dem  Zu- 
sammensein, der  Wechselwirkung  der  Dinge,      Dem  hönerei  rieht 
das  Sein  als  Kraft,  dem  niederen  da-  Sein  als  Erscheint!        1 1 
Krall     äl   -ich   wirksam    beweisendes   Sein.     Dem   Urteil   entspricht    di<       l« 

be".     Jedes    Bein    ist    frei   als  Kraft,   aber  der   Notwendigkeit    unl 
worfen,  Bofern  es  im  Zusammenhang   mit    anderen    betrachtet    wird, 
des  Willens  i>t   innere,   geistige    Determination,   Entwicklung    au-   rieh   sei 
Das    Selbstbewußtsein    i-t    der    Punkt,    in  welchem    Denken  und  Sein  un- 
mittelbar identisch  Bind.     Di«-  Seele  ist  die  Einheil  des  Ich  in  besug  aal  den 

inismus. 

Die  absolute  Kinlnit  des  Idealen  und  Realen  li<  Gott,  den  „trans- 

zendentalen  Grund"    ran    beiden,   den  wir  nur  in  der  an  [denttl 

Denkens  und  WoOens,  im  Gefühl  haben.    Welt  und  I 

nicht  identisch.  Denn  Gotl  ist  Einheit  ohne  Vielheit,  die  Welt  Vielheit  ohne 
l  hh.it:  die  Welt  ist  ranm-zeitlich,  Gott  räum-  und  zeitlos  und  .1.  S  ition 
all.  tze.     Aber  die  Welt    ist   nicht   ohne  Gott,  <;«-n    Dicht   ohne 

Welt  zu  denken.     Gott  ist  die  „rolle  Einheit"  der  Well  I 

als  Absolutes  anpersönlich  und  uicht  außerhalb  der  W.U.  d     i 
keil  derselben  nicht  (durch  Wunder   durchbrechend. 

1 1 


642  SCHLEIERMACHER. 


Die  Religion  ist  nicht  intellektualistisch  zu  fassen,  nicht  als  Inbegriff 
von  Dogmen,  sondern  als  Anschauung  und  Gefühl,  wodurch  das  Unendliche 
im  Endlichen  selbst  erfaßt,  erlebt  wird.  Das  Wesen  der  Religion  ist  das 
„scMechthinnige  Abhängigkeitsgefühl",  in  welchem  wir  unser  Verhältnis  zum 
Unendlichen,  Ewigen  unmittelbar  erfassen.  Wir  betrachten  hier  alles  Endliche 
als  Darstellung  des  Unendlichen  und  handeln  hiernach,  tun  alles  mit  (nicht 
aus)  Religion.  Unser  Sein  und  Leben  fühlen  wir  als  ein  „Sein  und  Leben 
in  und  durch  Gott".  In  den  „Monologen"  betont  S.,  jeder  Mensch  solle  auf 
seine  Weise  die  Menschheit  und  deren  reines  Wesen  darstellen.  Die  Unsterb- 
lichkeit der  Religion  besteht  darin,  mitten  in  der  Ewigkeit  eins  zu  werden 
mit  dem  Unendlichen.  Doch  lehrt  S.  in  dem  Werke  „Der  christliche  Glaube", 
der  Glaube  an  die  ewige  Fortdauer  der  menschlichen  Persönlichkeit  sei  in  dem 
Glauben  an  die  Un Veränderlichkeit  der  Vereinigung  des  göttlichen  Wesens  mit 
der  menschlichen  Natur  in  Christi  Persönlichkeit  enthalten.  Die  christliche  Kirche 
beruht  auf  der  Idee  der  Erlösung  durch  Christus  und  auf  der  Forderung 
dauernder,  innerer  Frömmigkeit.  Religion  und  Philosophie  sind  einander 
koordiniert,  beide  sind  gleichberechtigt. 

Die  Ethik  S.s  ist,  bei  aller  Anerkennung  des  Wertes  der  Individualität, 
universalistisch,  sie  ist  ferner  idealistisch- teleologisch  und  dem  Kern  nach 
„Güterlehre".  Die  Ethik  ist  im  weiteren  Sinne  das  Erkennen  des  Wesens  der 
Vernunft,  eine  „beschauliche"  Wissenschaft,  nicht  eigentlich  normativ  oder 
doch  nicht  im  Gegensatz  zur  Naturwissenschaft ;  Sollen  und  Sein  sind  auf 
beiden  Gebieten  Asymptoten.  Die  Ethik  ist  der  Ausdruck  des  Handelns 
der  Vernunft  auf  die  Natur,  dessen  Erzeugnis  Einheit  von  Vernunft  und 
Natur  ist,  Ausdruck  des  immer  schon  angefangenen,  aber  nie  vollendeten 
Naturwerdens  der  Vernunft.  Sie  stellt  dar  ein  „potentiiertes  Hineinbilden  und 
ein  extensives  Verbreiten  der  Einigung  der  Vernunft  mit  der  Natur''.  Die 
Sätze  der  Sittenlehre  sind  keine  Gebote,  sondern  darstellend.  Die  Ethik 
gliedert  sich  in  Güterlehre,  Tugendlehre,  Pflichtlehre. 

Ein  Gut  ist  jedes  „Einssein  bestimmter  Seiten  von  Vernunft  und 
Natur".  Höchstes  Gut  ist  der  „organische  Zusammenhang  aller  Güter,  also 
das  ganze  sittliche  Sein  unter  dem  Begriff  des  Gutes  ausgedrückt",  die  „Gesamt- 
heit der  Wirkungen  der  menschlichen  Vernunft  in  aller  irdischen  Natur". 
Die  Vernunft  ist  als  Kraft  in  der  Natur  überall  „organisierende  („bildende") 
Tätigkeit",  ferner  ist  sie  „symbolisierend"  („bezeichnend"),  die  Vernunft  selbst 
erkennen  lassend.  Jedes  „Symbol",  d.  h.  Ineinander  von  Vernunft  und  Natur, 
ist  auch  „Organ"  der  Vernunft.  Ferner  ist  das  sittliche  Handeln  teils  ein  sich 
immer  und  überall  gleiches,  teils  ein  individuell  verschiedenes.  Das  Ziel  des 
sittlichen  Handelns  (der  „bildenden"  Tätigkeit)  ist,  „daß  die  ganze  menschliche 
Natur,  und  mittelst  ihrer  die  ganze  äußere,  in  den  Dienst  der  Vernunft  ge- 
bracht werde".  Alles,  was  in  der  Vernunft  ist,  soll  sein  Organ  in  der  Natur 
finden.  Die  Gebiete  des  sittlichen  Handelns  sind  Verkehr,  Eigentum,  Denken, 
Gefühl.  Ihnen  entsprechen  als  ethische  Verhätnisse  Recht,  Geselligkeit,  Glaube, 
Offenbarung  und  die  ethischen  Güter  oder  Organismen:  Staat,  Gesellschaft,. 
Schule,  Kirche.  Das  Höchste  ist  der  beständige  Kulturfortschritt  der  Menschheit. 


-      n.KII.KMAc  HER  —   BCEDfEKEL.  643 

Die  Tugend  ist  die  „Kraft  der  Venranft  in  der  Natur",  «li--  Kran,  ras  «reicher 
die  sittlichen  Handlangen   hervorgehen,  die  Vernunft    und  Sittlichkeil  im 
seinen  Menschen.    Als  „reiner  [dealgehall  des  Handelns'4  isl  - 
als    unter   die   Zeitform   gestellte    Vernunft    „Fertigkeit".     Als    ein    [nsichanf- 
nehmen   jst    die  Tugend    „erkennende",    als    Ausachhinstellen    „darstellende" 
Tugend,   «reiche  l  itze  sich  durchkreuzen.    ..1  nnnung  im  Erkennen 

ist  Weisheit;  die  Gesinnung  im  Darstellen  i>t  Liebe.  Das  Erkennen  unter  die 
Zeitform  gestellt,  isl  Besonnenheit;  das  Darsteilen  unter  die  Zeitform  gestellt, 
igt   Beharrlichkeit"   (Kardinaltugenden).     Die  Pflicht   ist   die  nun 

sittlichen  Ziele,  die  Sittlichkeit  als  in  dw  einzelnen  Tat  produzierende  -i<-h  ab- 
drückend. Es  gibt  Rechts-  und  Liebespflichten,  Berufs-  und  GK  ^pflichten. 
Allgemeine  Forderung  ist  :  Handle  in  jedem  Augenblick  mit  der  ganzen  sitt- 
lichen Kraft  und  die  ganze  sittlich«' Aufgabe  anstrebend.  Hierbei  ist  die  »■:. 
Individualität  zur  Geltung  zu  bringen.  „Die  sittliche  Idee  muß  sieh  bei  «*er- 
Bchiedenen    Menschen    mannigfaltig   aussprechen"  (Politik,   8.   I).     Der  Btaat 

ine  Art  Organismus;   er  besteht  da,    wo   er  ein  Gegensatz    von   Obrij 
und  Untertan    i-t.    Die   Kunst  enthält   die    Momente   der   B  mg   und 

Produktivität 

Vau  Schi  beeinflufil  sind  Brandis,  H.  Bitter,   Branifi  (teilweise  von 
orge,   Romang,  Rothe,  F.  Vorländer,  A.  Helfferich, 
Weißenborn,  K .  Bchwarz,  !•'.  Eberty,  CJeberweg,  Straufi  u.  a. 

-    hriften  die   Religion,     1799;    2.    A.   1806;    3.   A.    18X1;   4.   A     1881.   — 

Vertraute  Briefe  über  die  Lucinde,  1800.  —  Monologen,  1800  u.      .  -      od    in  der 

l'niv.-Hibl.  —  Predigten  1804 — 20.  —  Grundlinien  einer  Kritik  der  bisherigen  Sitten- 
lehre, 1803.  —  Platons  Werke,  deutsch  1804—28.  —  Dio  Weihi.a  S.  —  Der 

.iche  Glaube,     1821—  ZI;    2.   A.    1830—31.    —  Entwurf  eine-   Systems  der  Sitten- 
lehre,   1835.    —    Grundriß    der    t.hilos.    Ethik,     1841.    —    Dialektik,     1839;     L90 
Ästhetik,   1842.    —   Die  Lehre  vom   Staat.    L84Ö    —    Kr/iehungslehro,  1849.  —  P> 
logie,   1864.  —  Vorlesungen  über  das  Leben  Jesu.    1864.    — 

1839.    —   Kritiken,    philos.  Abhandlungen,   Reden   (8   Bde.),    1886,    188  .   u.   a.  — 

Abteilungen:  1.  Zur  Theologie,  II.  Predigten,  111.  Zur  Philosophie  und  ver- 
mischte Schriften,  1835—64.  —  Aus  Sch.g  Leben  in  Briefe»,  4  Bdfl  18.  — 
Werke,  Auswahl  von  O.  Braun.  —  V\  I  .  VORlJLNDEB,  3j  Bit*  :.  — 
W.  BENDER,  fU  philo«.  Sottedehre,  1868;  S.s  Theologie,  i>.  I>nrm:v, 
Da«  Leben  s.s  l,  1870.  —  C.  Ihr.r.i:.  1>.  Entwi.kl.  >l.  1  &,  1801« 
—    Mi  ii  t :  i .    S.-Stndien     I,     1907.    —     E.    CBAMaUBBEL,      La    pki 

s<*lilr*.iii^oi-.    Josef,    gob.    L832,    Prof.  an  der   li  ile  für    I 

kultur  in  Wim.  gest.  1901   in  B  -  B.  lehrt  i  .  vronaefa 

rie  die  Erscheinung  foo  v.  rdichteto  •  □  ist    i 

schöpferische  Drkraft,  «li.-  vom  abaoluten  Raum  ausgeht, 

B    hriften:    Bi  -,   dio   IiOhr©  von   der   .it.xoiut    I  tantiellen  Wi 

•räume»    und    der    im«     ihr     wirkenden     -  kraft, 

\     1901.    —    LI  «n.     Driafsad  tan  und  an 

da«   Volk. 

N<'IIIIM'k«'L    \  I    III  «  1«1. 


644  Schmekel  —  Schmidt. 


Schriften:  De  Ovidiana  Pythagorae  doctrinae  adumbratione.  1883.  —  D.  Philos. 
d.  mittleren  Stoa,  1892.  —  D.  wissenschaftl.  u.  posit.  Philos.  d.  Griechen  I,  1908. 

Schmitt.  Alois  von,  geb.  1825  in  Zaumberg,  Theolog.  Prof.  in  München, 
gest.  1910  daselbst.  =  Scholastischer  Standpunkt. 

Schriften:  Entwicklungsgesch.  d.  Hegeischen  Logik,  1858.  —  Erkenntnislehre, 
1890,  u    a. 

Schmid.  Carl  Christian  Erhard,  geb.  1761  in  Heilsberg,  1791  Prof.  in 
Gießen,  1793  in  Jena,  gest.  daselbst  1812.  =  Kantianer.  „Das  radikale  Böse" 
hat  meinen  Grund  schon  im  Ding  an  sich  („intelligibler  Fatalismus").  Die 
Psychologie  führt  nach  S.  die  psychischen  Vorgänge  auf  Gesetze  zurück  und 
betrachtet  sie  auch  in  ihrem  Verhältnis  zu  den  äußeren  Phänomenen. 

Schriften:  Kritik  der  reinen  Vernunft  im  Grundrisse,  1786.  —  Wörterbuch  zu 
leichterem  Gebrauch  der  Kantschen  Schriften,  1788.  —  Versuch  einer  Moralphilosophie, 
1790;  4.  A.  1802.  —  Grundriß  der  Moralphilos.,  1793.  —  Empirische  Psychologie, 
1791.  —  Psychol.  Magazin,  1796 — 97. —  Anthropologisches  Journal,  1803.  —  Physiologie, 
philosophisch  bearbeitet,  1798 — 1801.  —  Bruchstücke  aus  einer  Schrift  über  die  Philo- 
sophie und  ibre  Prinzipien,  1798  (in  Niethammers  „Philos.  Journal").  —  Philos.  Dog- 
matik,  1796.  —  Grundriß  der  Metaphysik,  1799.  —  Adiaphora,  1809.  —  Allgemeine 
Enzyklopädie  und  Methodologie  der  Wissenschaften,  1810. 

Sehnlich  Franz  Xaver,  geb.  1819  in  Schwarzenberg,  Prof.  in  Erlangen, 
gest.  1883  in  München.  =  Christlich-theistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Christliche  Religionsphilosophie,  1857.  —  Entwurf  eines  Systems  der 
Philosophie  auf  pneumatologischer  Grundlage,  1863 — 68,   u.  a. 

Schumi,  Leopold,  geb.  1808  in  Zürich,  wurde  1839  Prof.  der  kathol. 
Theol.  in  Gießen,  1850  Prof.  an  der  philos.  Fakultät,  gest.  1869  in  Gießen.  = 
S.  ist  (wie  Sengler,  K.  Ph.  Fischer,  Fortlage  u.  a.)  ein  Vertreter  des  spekulativen 
Theismus,  der  das  Moment  der  Aktivität  („Philosophie  der  Tat"),  der  Selbst- 
verwirklichung der  reinen  und  vollen  Menschlichkeit  betont  (System  des 
„Energismus"). 

Schriften:  Über  die  menschlicbe  Erkenntnis,  1844.  —  Der  Geist  des  Katholi- 
zismus, 1840—50.  —  Grundzüge  der  Einleit.  in  die  Philosophie,  1860.  —  Das  Gesetz 
der  Persönlichkeit,  1862  (Die  Persönlichkeit  durchläuft  die  Stufenfolge  der  physischen, 
juridisch-sittlichen  und  vollendeten  Person),  u.  a.  —  Vgl.  B.  SCHRÖDER  und 
F.  SCHWARZ,    L.  Sch.s  Leben  und  Denken,  1871. 

Schmidkunz,  Hans,  geb.  1863  in  Wien,  lebt  in  Berlin-Halensee,  be- 
sonders mit  der  Idee  einer  „Hochschulpädagogik"  beschäftigt.  =  Die  Abstraktion 
beruht  nach  S.  auf  Verstärkung  bestimmter  Vorstellungselemente  und 
Schwächung  anderer.  Analytische  und  synthetische  Phantasie  sind  zu 
unterscheiden.  Suggestion  ist  „Hervorruf ung  eines  Ereignisses  durch  die  Er- 
weckung seines  psychischen  Bildes". 

Schriften:  Analyt.  und  synthet.  Phantasie,  1889.  —  Über  die  Abstraktion,  1889. 
—  Psychologie  der  Suggestion,  1892.  —  Hypnotismus,  1892.  —  Die  Ausbildung  des 
Künstlers,  1907.  —  Einleit.  in  d.  akademische  Pädagogik,  1907.  —  Zeitschr.  f.  Hoch- 
schulpäd.,  a.  a. 

Schmidt,  Alexis,  geb.  1818,  gest.  1901  in  Berlin.  =  Hegelianer. 


S<  HM  IDT. 

Schriften:  Beleuchtung  der  neuen  Schellingschen  Lehre,   1843. 

Sclim  i dt,  Caspar  s.  Stirner. 

Schmidt,  Ferdinand  Jacob,  geb.  1800  in  Metlach,  Direktor  der  Mar- 
garetenschule  in  Berlin. 

S.,  der  von  Kant,  Hegel  u.  a.  beeinflußt  ist,  aiherl  sich  in  Beiner  idealisti- 
schen Erkenntnistheorie  dem  Iramanenzstandpunkt  Schuppes  u.a.  Kr  lehrt  einen 
..immanenten  Erfahrungsmonismus".  Der  Erfahrungszusammenhang  ist  der 
Ausgangspunkt  des  Erkennens.  Das  Gemeinsame  aller  Erfahrungsglied' 
das  „reine  Bewußtsein".  Die  konstitutiven  Bedingungen  der  Erfahrung  sind 
nnriindividuell,  stammen  aus  einer  allbefassenden  Erfahrungseinheit.  Er- 
fahrung selbst  ist  der  Inbegriff  der  einheitlichen  Verknüpfung  aller  Bewußt- 
seinsbestimmungen überhaupt.  Erkennen  heißt,  sich  der  konstituierenden  Be- 
dingungen der  Erfahrung  individuell  bewußt  werden.  Nicht  Erkenntnis-,  nur  Er- 
fahrungskritik ist  möglich.    S.  ist  auch  in  ethischer  Beziehung  objektiver  [dealist 

Schriften:  Herders  pantheistische  Weltanschauung,  1888.  —  Das  Lebensideal 
K.  Chr.  Plancks,  Grundzüge  der  konstitutiven  Erfahrungpphilosophie,  1901.  —  Zur 
Wiedergeburt  des  Idealismus,   1907,  u.  a. 

Schmidt«  Heinrich,  geb.  1S74  in  Heubach.  Biolog.  Jena.  =  Anhänger 
Häckels,  Monist  und  Evolutionist.  Das  Physische  ist  dir  Äußerung,  das 
1\\  einsehe  die  „Innerung"  des  Organismus. 

Schriften:  Der  Kampf  um  die  Welträtsel,  1900.  —  Häckels  biogenetisches 
Grundgesetz  u.  seine  Gegner,  1902.  —  Die  Urzeugung  u.  Prof.  Iteinke,  1903.  — 
Monismus  u.  Christentum,  1906.  —  Der  Monistenbund  im  preußischen  Herrenhaus, 
1907,   u.  a. 

Schmidt.  Wilhelm,  geb.  1839  in  Erfurt,  Prof.  der  Theologie  in  Breslau. 
=  Theist. 

Schriften:    Die    göttliche  Vorsehung  u.  das  Selbstloben  der  Welt,     1887.  —    ! 
Gewissen,     1888.    —    Der  Kampf    der   Weltanschauungen,    1904.   —   Der  Kampf    um   die 
sittliche    Welt,     1906.    —    Der  Kampf    um    den  Sinn    des  Lebens,     1907.    —  Dir 
schiedenen    Typen    der    religiösen  Erfahrung    u.    die     Psychologie,   1908.  —  Der   Kampf 
um  die  Seele,  1909,  u.  a. 

Schmidt.  Eugen  Beinrich,  geb.  1851  in  Znaim  (Mähren),  Lebt  in  Berlin. 

8.    lehrt    einen    idealistischen  Pantheismus,   den    <t   mit    dem  Gehalb 
Christentums    zn    vereinen   weifi;    er  neigt   ror  Mystik   and    vertritt  eine  aeaej 
„Gnosis".     Die  Erkenntnis  der  Beins-  and  Denkformen  entspringt  aus  intellek- 
tueller Anschauung,   in  der  sich   ans  die  konkrete,   anendliche  Einheit  des  Ab- 
soluten darstellt.    „Alles  iimii  als  vollwirkliches  Spiel  der  in  leben'  I  inheit 
sich    betätigenden  [Jrwirklichkeit    sich   darstellen,   die   wir  selbst    sind.--     1  >i< 
göttliche  Natur  des  Menschen  offenbart  >i<-h  uns  in  intellektueller  Anschauung. 
Alle  Wissenschaft  ist  in  der  Intuition   begründet     1mV   Denkformen  sind  „An- 
Bchauungsformen  höherer  Art",  höhere  Lebenswirklichkeiten,  welche  die  nied 
sinnlichen  umspannen,  „uniYersale  Variationsformen  der  Anschaue  Bild- 
lichen selbst,  die  das  Material  der  Empfindung  als  i             lifferentiales  Moment 
in    sich    begreifen".     Die   Bestimmung  der  Begriffe  liegt  in  der  „Vermittlung 
zweckmäl             irianten,    am    rotreffende  Nachbilder  d<     N   turerkennens  her- 


646  Schmidt  —  Schneider. 


zustellen".  Die  Funktion  des  Denkens  überhaupt  ist  das  „Variieren".  Das 
Ich  ist  der  „Inbegriff  der  individuellen  geistigen  Funktionssphäre".  Der 
Mensch  erkennt  sich  im  Lichte  des  universalen  Selbstbewußtseins.  Im  Innern 
des  Menschen  besteht  eine  positive  Unendlichkeit  des  Schauens,  die  höheren 
Lebens-  und  Denkformen  sind  „Unendlichkeitsfunktionen".  Schönheit  ist  ,,das 
im  Bilderschleier  sich  verhüllende  Menschenwesen",  das  Kunstwerk  „Symbol 
des  ganzen  vollen  Menschenlebens",  es  spiegelt  die  Idee  wieder.  Die  Kunst 
fördert  den  Keimungsprozeß  der  Menschheit. 

Schriften:  Das  Geheimnis  der  Hegeischen  Dialektik,  1888.  —  Michelet  und  das 
Geheimnis    der  Hegelschen  Dialektik,    1888.  —  Ibsen  als  psychologischer  Sophist,  1889. 

—  Die  Gottheit  Christi,  1892.  —  Das  Geheimnis  Christi,  1895.  —  Fr.  Nietzsche  an 
der  Grenzscheide  zweier  Weltalter,  1898.  —  Leo  Tolstoi  u.  s.  Bedeutung  für  unsere 
Kultur,  1901.  —  Die  Kulturbedingungen  der  christlichen  Dogmen  und  unsere  Zeit, 
1901.  —  Die  Gnosis,  1903  —  07.  —  Der  Idealstaat,  1904.  —  Kritik  der  Philosophie 
vom  Standpunkt  der  intuitiven  Erkenntnis,  1908.  —  Ibsen  als  Prophet,  1908.  —  Neue 
Horizonte,  1908.  —  Christus,   1908,  u.  a. 

Schmitz-Dumont,  Oskar.  =  Quantitativer  Standpunkt  der  Natur- 
philosophie auf  logischer  Grundlage.  Die  Mathematik  ist  eine  Anwendung  der 
Logik.  Das  Denkgesetz  des  Widerspruchs  zwingt  das  Bewußtsein,  die  Form 
des  Nach-  und  Auseinander  anzunehmen.  Die  Zeit  ist  die  Form  der  Folge 
verschiedener  Zustände. 

Schriften:  Die  Einheit  der  Naturkräfte,  1881.  —  Naturphilosophie  als  exakte 
Wissenschaft,  1895.  —  Zeit  u.  Raum,  1875.  —  Die  mathemat.  Elemente  der  Erkennt- 
nistheorie, 1878. 

Schnellen.  Wilhelm  von,  geb.  1863  in  Verden,  lebt  in  Freiburg  i.  B. 
=  Von  E.  v.  Hartmann  beeinflußt,  vertritt  den  Standpunkt  einer  dynamischen 
Physik  und  des  Vitalismus. 

Schriften:  Energetische  Weltanschauung?  1908  (gegen  Ostwald).  —  Zeitschr.  f.  d. 
Ausb.  d.  Entwickl.  1909,  u.  a.  (vgl.  Der  Monismus,  hrsg.  von  Drews). 

Schneid,  Matthias,  geb.  1840,  Domkapitular  in  Eichstätt.  =  Thomistischer 
Standpunkt. 

Schriften:    Naturphilosophie    im  Geist  des  heiligen  Thomas,    1873;    3.  A.  1890. 

—  Philos.  Lehre  von  Raum  und  Zeit,   1886. 

Schneider,    Ceslaus  M.,    geb.  1840,  Pfarrer  in  Floisdorf   bei  Commern, 

gest.  1908.  =  Thomistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Natur,  Vernunft,  Gott,  1883.  —  Das  Wissen  Gottes  nach  der  Lehre 
des  h.  Thomas  von  Aquino,  1884 — 86,  u.  a. 

Schneider,  G.  H.  =  Evolution  istischer  Standpunkt.  Der  Instinkt  ist 
das  „psychische  Streben  nach  Arterhaltung  ohne  Bewußtsein  des  Zweckes  von 
diesem  Streben''.  Es  gibt  Empfindungs-,  Wahrnehmungs-,  Vors tellungs triebe. 
Der  Wille  ist  zweckbewußter,  psychischer  Trieb.  Der  Wille  ist  determiniert, 
aber  relativ  frei  als  Fähigkeit,  die  einzelnen  Triebe  stets  einem  allgemeinen 
Zwecke  unterordnen  zu  können. 


Schneider  —  Schneidewix.  647 

Schriften:  Der  menschliche  Wille,  1882.  —  Der  tierische  Wille,  1890.  — 
Freud  und  Leid  des  Menschengeschlechts,   1883. 

Schneider,  Karl  Camillo,  geb.  1867  in  Pomsen  bei  Leipzig,  Prof.  der 
Zoologie  in  Wien.  =  Von  Aristoteles  u.  a.  beeinflußter  teleologischer  Stand- 
punkt. In  der  Entwicklung  herrscht  Zielstrebigkeit.  Das  Leben  ist  nur  vita- 
li>tisch  zu  erklären  (,.Euvitalismus").  Es  gibt  eine  eigene  , .vitale  Energie", 
mit  der  Empfindung,  Gefühl  und  Wille  verbunden  ist  (vgl.  Zeitschr.  für  den 
Ausbau  der  Entwicklungswissenschaft  1).  Das  Wirkliche  besteht  aus  Qualitäten 
(Farben,  Töne  usw.).  welche  objektiv  den  Raum  erfüllen  und  die  im  Geiste 
zeitlich  erstarren;  die  erstarrte  Zeit  ist  die  vierte  Dimension,  der  Geist  selbst 
die  vierdimensionale  Welt.  Die  Entwicklung  strebt  einer  maximalen  Bewußt- 
seinsentfaltung, der  völligen  Objektivierung  des  Ursubjekts  zu. 

Schriften:  Yitalismus,  1903.  —  Der  psychophys.  Parallelismus,  1905.  —  Ur- 
sprung und  Wesen  des  Menschen,  1908.  —  Vorlesungen  über  Tierpsychologie,  1909.  — 
Über  Deszendenztheorie,  1910,  u.  a. 

Sehneider,  Otto. 

Kantianer,  welcher  die  Erkenntnisformen  „transzendentalpsychologisch" 
auffaßt.  Transzendentalpsychologie  ist  die  Wissenschaft,  ,, welche  alle  durch 
Erfahrung  unmittelbar  gegebenen  und  nach  Ähnlichkeit  mit  dieser  Erfahrung 
wenigstens  mittelbar  vorstellbaren  seelischen  Zustände  des  Innewerdens  und 
Bewußtseins  daraufhin  prüft,  was  an  ihnen  apriorischer  und  was  aposteriorischer 
(empirischer)  Natur  ist".  Apriorisch  sind  die  Anschauungs-  und  Denkformen 
(Kategorien).  Die  Kategorie  (kategoriale  Funktion)  ist  eine  Geistestätigkeit, 
welche  das  klare  und  deutliche  Erfassen  und  Zusammenfassen  der  Mannig- 
faltigkeit erst  ermöglicht.  Es  gibt  subjektive  Kategorien  (Ding  und  Eigen- 
schaft, Einheit,  Vielheit  und  Allheit,  Identität  und  Verschiedenheit)  und  ob- 
jektive Kategorien  (Ursache  und  Wirkung,  Wirklichkeit  und  Nichtwirklichkeit). 

Schriften:    Transzendentalpsychologie,   1891. 

Schneider,    Wilhelm,   geb.    1847    in  Gerungen,   Bischof   in   Paderborn, 

gest.  1909.  =  Thomistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Das  andere  Leben,  1879;  9.  A.  1908.  —  Lebensweisheit,  1882.  — 
Die  Allgemeinheit  u.  Einheit  des  sittlichen  Bewußtseins,  1895.  —  Die  Sittlichkeit  im 
Lichte  der  Darwinschen  Entwicklungslehre,  1895.  —  Göttliche  Weltordnung  und  reli- 
gionslose Sittlichkeit,   1900,  u.   a. 

Sclineidewin,    Max,    geb.   1843   in  Göttingen,   Gymnaaialprofessor  in 

Bameln.  =  Teilweise  Anhänger  F..  v.  1 1;iri mann-.  Die  Unendlichkeit  ist  eine 
subjektive  Kategorie,  die  sich  auf  <la-  mögliche  Portschreiten  im  Denken  be- 
zieht Der  Raum  i-t  nur  in  diesem  Sinne  unendlich,  aber  nicht  als  anendlich 
gegeben. 

Schriften:     Die    kopornikanische     Wahrheit     u.    das    christliche    D  1  868.   — 

l>rri     populür-philos.     Essays,     1883.     —     D«T     W  utnlt-SnniTnri ><  ht>    Streit,    1887.    —    Das 

goldene   A  15  C    dei  Philosophie,    1891    (mit   stemlel).  —  Offenes  Briefen  B.  r.   Hart- 

niann,     1892.   —     I>ie    antike    Humanität,     1897.     —     Die    l Hemilu  hkeit   der   Welt.    u.   a. 


648  Scholastiker  —  Schöler. 

Scholastiker  („doctores  scholastici")  heißen  zuerst  die  Lehrer  der 
..sieben  freien  Künste",  dann  der  Theologie  und  Philosophie  des  christlichen 
Mittelalters  seit  dem  9.  Jahrhundert,  soweit  sie  mit  den  von  der  griechischen 
Philosophie  (besonders  der  Aristotelischen)  gelieferten  Denkmitteln  die  Kirchen- 
lehre logisch  zu  begründen  und  zu  befestigen  suchen.  Ihre  Methode  ist 
vorwiegend  definitorisch,  syllogistisch,  deduktiv,  ihr  Denken  bewegt  sich 
meist  im  Begrifflichen,  Abstrakten,  das  vielfach  vergegenständlicht  wird. 
Neben  den  christlichen  gibt  es  auch  arabische  und  jüdische  Scholastiker. 
Vertreter  der  Frühscholastik  und  ihrer  Neben  Strömungen  (9.. — 13  Jahrh.) 
sind  Eric  und  Remigius  von  Auxerre,  Gerbert,  Fulbert,  Berenger 
von  Tours  u.  a.,  ferner  der  Nominalist  Roscelinus  und  der  Begriff  s- 
Realist  Wilhelm  von  Champeaux  (Der  „Universalienstreit"  spielt  in 
der  Scholastik  eine  große  Rolle),  Anselm  von  Canterbury,  Abälard. 
Petrus  Lombardus,  die  platonisierenden  Scholastiker  Bernhard  und 
Thierry  von  Chartres,  Bernhard  von  Tours,  Wilhelm  von  Conches, 
Adelard  von  Bath  u.  a.,  dann  W alter  von  Mortagne,  Gilbertus Porre- 
tanus, Johannes  von  Salisbury,  Alanus  ab  insulis  u.  a.,  ferner 
Michael  Psellus,  Georgius  Pachymeres,  Gregorius  Palamas 
u.  a.,  die  Araber  Alkendi,  Alfarabi,  Avicenna,  Algazel,  Avempace, 
Abubacer,  Averroes  u.  a.,  die  Juden  Saadja,  Avicebron  (Ibn  Gebirol), 
Jehuda  ha-Levi,  Mai  mo  nid  es  u.  a.  Den  Höhepunkt  der  Scholastik  bedeuten 
(13. — 14.  Jahrh.)  Dominicus  Gundissalinus,  Alexander  von  Haies. 
Wilhelm  von  Auvergne,  Robert  Greathead,  Michael  Scotus  u.  a., 
besonders  aber  Albert  der  Große,  Thomas  von  Aquino  (s.d.),  Duns  Scotus, 
Wilhelm  von  Occam,  Roger  Bacon,  ferner  Heinrich  von  Gent, 
Richard  von  Middletown,  Siger  von  Brabant,  Petrus  Hispanus, 
Raymundus  Lullus  u.  a.  Vertreter  der  späteren  Scholastik  sind  Vasquez, 
Cajetanus,  Suarez,  Biel  u.  a.  (s.  unter  Thomas  die  Neoscholastiker). 

Vgl.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Philos.  d.  Mittelalters,  Texte  und  Untersuchungen, 
hrsg.  von  BäEUMKER,  1891  ff.  —  Les  philosophes  du  moyen-äge.  Textes  et  etudes, 
hrsg.  von  M.  DE  WüLF,  1902  ff.  —  HaTJREATJ,  Histoire  de  la  philos.  scolastique,1872  ff.; 
De  la    philos.  scolast,   1850;    Notices    et  extraits  de   quelques  manuscrits  latine,  1890  ff. 

—  PRANTL,  Gesch.  d.  Logik.  —  StÖCKL,  Gesch.  d.  Philos.  des  Mittelalters,  1864—66. 

—  M.  DE  WüLF,  Histoire  de  la  philos.  midievale,  1900;  4.  A.  deutsch  in  Vorbe- 
reitung; Histoire  de  la  philos.  scolast.  dans  les  Pays-Bas,  1895;  Hist.  de  la  philos.  en 
Belgique,  1910;  Introd.  ä  la  phil.  neo-scol.,  1904.  -  WlLLMANN,  Gesch.  d.  Idealis- 
mus II.  —  K.  WERNER,  F.  Suarez  u.  d.  Scholastik  der  letzten  Jahrhunderte,  1861; 
Die  Scholastik  des  späteren  Mittelalters,  1881  ff.  —  ENDRES,  Geschichte  der  mittelalterl. 
Philos.  im  christl.  Abendlande,  1908.  —  BÄEUMKER,  D.  europ.  Philos.  d.  Mittelalters 
'Kult.  d.  Geg.  I,  5). 

Schöler,  Heinrich  von,  geb.  1851  in  Bernau,  lebt  in  Leipzig.  =  Die 
Welträtsel  sind  durch  Wissenschaft  und  Religion  nicht  lösbar,  es  bleibt  immer 
ein  unerkennbarer  Rest  zurück  (Ding  an  sich).  Der  Monismus  ist  abzu- 
lehnen,    die    materielle   und    die   geistige  Welt   sind    zwei   verschiedene    Seins- 

■II  („Diplofamus"). 


Schöler  —  Schopenhauer. 


Schriften:  Kritik  der  wissenschaftlichen  Erkenntnis,  1898  —  Probleme,  kritische 
Studien  über  den  Monismus,  1900. 

Schölten,  Johann  Heinrich,  1811—1885,  Prof.  in  Leiden.  =  Seh.  ist 
ein  Anhänger  des  Indeterminismus. 

Schriften:  Geschichte  der  Religion  u.  Philosophie,  1868.  —  Der  freie  Wille, 
deutsch  1874,  u.  a. 

Scholz 9  Heinrich,  geb.  1884  in  Berlin,  Privatdozent  der  Religionsphilo- 
sophie in  Berlin.  =  Idealistisch-theistischer  Standpunkt. 

Schriften:    Christentum  u.  Wissenschaft  in  Schleiermachers    Glaubenslehre,    1 
—  Über  den   Pantheismus,  Preuß.  Jahrb.   1910.    —    Glaube  und  Unglaube  in  der   Welt- 
geschichte,  1911,  u.  a. 

Schopenhauer,  Arthur,  ist  geb.  am  22.  Februar  1788  in  Danzig  als  Sohn 
des  Bankiers  Heinrich  Floris  Seh.  und  der  Schriftstellerin  Johanna  Seh.  1793 
übersiedelte  die  Familie  nach  Hamburg.  Der  Knabe,  den  der  Vater  g 
dessen  Wunsch  zum  Kaufmannsstande  bestimmte,  machte  mit  seinen  Eltern 
längere  Reisen  nach  Frankreich  und  England,  wo  er  die  betreffenden  Sprachen 
sich  vollkommen  zu  eigen  machte.  Nachdem  Seh.  kurze  Zeit  im  Kontor  tätig 
gewesen,  starb  sein  Vater  und  nicht  lange  darauf  konnte  sich  nun  Seh.  dem 
Studium  widmen.  1809  ging  er  nach  Göttingen,  wo  er  Naturwissenschaften 
(Physiologie)  und  besonders  (unter  G.  E.  Schulze)  Philosophie  studierte.  Plato 
und  Kant  las.  1811  hörte  er  in  Berlin  Fichte,  dessen  Vorträge  ihn  aber  ab- 
Btießen.  1813  schrieb  Seh.  seine  Abhandlung  ..Über  die  vierfache  Würze)  des 
Satzes  vom  zureichenden  Grunde",  mit  der  er  in  Jena  (1813)  promoviert»'.  Den 
Winter  1813 — 14  verlebte  er  in  Weimar,  wo  er  mit  Goethe,  auf  den  er  «inen 
guten  Eindruck  machte,  verkehrte.  1814-18  lebte  er  in  Dresden,  wo  er  die 
(von  Goethe  beeinflußte)  Abhandlung  „Über  das  Sehen  und  die  Farben"  ver- 
öffentlichte (1816),  welche  eine  physiologische  Farbentheorie  enthält,  die  in 
mancher  Hinsicht  durch  spätere  Theorien  bestätigt  worden  ist.  1S18  gab  er 
sein  Hauptwerk  „Die  Welt  als  Wille  und  Vorstellung1'  heraus,  und  unternahm 
dann  eine  Reise  nach  Italien,  wo  er  sich  einem  freien  Lebensgenuß  hingab. 
i^L'<»  habilitierte  er  sich  in  Berlin,  wo  er  aber  keinen  Erfolg  hatte.  In  Berlin 
lebte  er,  mit  Ausnahme  der  Jahre  1822-25.  die  er  wieder  in  [tauen  verbrachte, 
bis  1831.  worauf  ihn  die  Choleravertrieb.  Nach  kurzem  Aufenthalte  in  Mannheim 
nahm  er  (1833)  dauernd  seinen  Wohnsitz  in  Frankfurt  a.  M..  WO  er  als  ein- 
samer Junggeselle  lebte,  ohne  gesellschaftlichen  Verkehr,  in  beständiger  hypo- 
chondrischer Angst  um  sein  Leben,  Beine  Sicherheit  und  Bein  '-••n  dem  Verlust 
-in.-  großen  Teiles  Beines  V«  Bam  behütet)  -  I  ig«  ntum,  verbittert  _ 

die  von  ihin  äußerst  geschmähten  „Univewitätsprofessoren",  von  denen  ex  Bich 
ziirückgeseizt,  totgeschwiegen  Bah,  und  gegen  das  Publikum,  das  seine  Schriften 
Dicht  las;  dabei  überzeugt,  eines  der  größten  philosophischen  Genies  aller 
Zeiten   zu  sein  und  Beinen  einstigen  Ruhm   voraussagend,  röffentlichte 

ex  die  Schrift  „Über  den  Willen  in  der  Natur",  1841  ,.l>i<-  beiden  Grund- 
probleme d»r  Bioral",  welche  ein.-  von  der  x  rwegischen  Sozietät  der  Wissen- 
schaften zu  Dxontheim  gekrönte  Preisschrift  enthalten,  1844  erschien  das 
Hauptwerk    Sch.a    in   zweiter  Auflage   und   Sand  nun  schon  mehr  Beachtung, 


650  Schopenhauer. 


besonders  seit  (von  1848  an)  Frauenstädt  sich  eifrigst  für  Sch.s  Lehren  einsetzte. 
1851  erschienen  die  „Parerga  und  Paralipomena",  1859  die  dritte  Auflage  des 
Hauptwerkes.  Am  21.  September  1860  starb  Seh.,  dessen  Schriften  nun  immer 
mehr  Verbreitung  fanden;  so  sehr,  daß  seit  den  70er  Jahren  des  19.  Jahr- 
hunderts Seh.  lange  Zeit  geradezu  Modephilosoph  war,  wozu  u.  a.  sein 
Pessimismus,  seine  geistreichen,  oft  witzigen  und  stets  anregenden  Bemerkungen, 
sein  außerordentlich  klarer,  lebendiger,  alles  Schwerfällige  vermeidende  Stil 
beigetragen  haben.  Die  Fachphilosophen  haben  sich  seitdem  vielfach  mit  ihm 
beschäftigt  und  Seh.  gehört  nun  in  der  Tat  zu  den  „Klassikern  der  Philo- 
sophie". —  Sch.s  Persönlichkeit  enthält  zwei  Seelen:  sie  ist  einerseits  von 
heftigen  sinnlichen  Trieben  beherrscht,  die  den  Menschen  das  Leben  kräftig 
bejahen  lassen;  anderseits  zeitigte  die  Erkenntnis  des  Leidens  in  der  Welt, 
der  Nichtigkeit  des  endlich-individuellen  Daseins  die  Abkehr  von  den  Lebens- 
trieben, die  Seh.,  wenn  schon  nicht  gleich  in  der  Praxis,  in  seinem  Denken 
überwand.  Zum  Pessimismus  brachte  Seh.  übrigens  schon  gewisse  Anlagen 
(eine  „Dyskolie")  mit,  insbesondere  ist  er  von  väterlicher  Seite  her  erblich 
belastet. 

Seh.,  der  erkenntnistheoretisch  die  Lehren  Kants  weiterbildet,  ist  von  der 
indischen  Vedanta-Philosophie,  Plato,  Spinoza,  J.  Böhme,  auch  von  Fichte, 
Schelling  u.  a.  beeinflußt,  begründet  aber  eine  neue  Weltanschauung  auf  idealisti- 
scher Grundlage,  einen  metaphysischen  Voluntarismus  mit  pessimistischem 
Charakter,  als  Gegensatz  zu  Hegels  optimistischem  Panlogismus.  Mit  Kant 
bestimmt  er  die  Außenwelt  als  solche,  die  Welt  der  Raumdinge  als  phänomenal, 
als  Erscheinung  eines  Dinges  an  sich.  Zugleich  aber  hält  er,  im  Gegensatz  zu 
Kant,  eine  Metaphysik  für  möglich,  die  —  auf  Grund  der  innern  Erfahrung  — 
das  Wesen  des  Ding  an  sich  selbst  zu  bestimmen  vermag. 

Die  Philosophie  ist  „Wissenschaft  in  Begriffen"  und  fußt  auf  lebendiger 
Anschauung  des  Weltinhaltes,  welchen  sie  begrifflich  darstellt,  als  eine  Art  der 
Kunst,  als  „Mittleres  von  Kunst  und  Wissenschaft,  oder  vielmehr  etwas,  das 
beide  vereinigt".  „Nur  in  Begriffen  (d.  h.  durch  die  Vernunft)  läßt  sich  das 
Ganze  übersehen,  und  das  Wesen  der  Welt  ...  in  Begriffen  auszudrücken  und 
so  die  Anschauung  an  einem  andern  Stoff  (den  Begriffen)  zu  wiederholen,  ist 
diejenige  Kunst,  welche  Philosophie  heißt."  Die  Aufgabe  der  Meta- 
physik ist  es  nicht,  die  Erfahrung  zu  überfliegen,  sondern  sie  von  Grund  aus 
zu  verstehen,  indem  äußere  und  innere  Erfahrung  die  Hauptquelle  der  Er- 
kenntnis ist.  Durch  „Zusammenbringen  der  äußern  mit  der  innern  Erfahrung" 
und  Verständnis  der  gesamten  Erfahrung,  Auffindung  des  Sinnes  und  Zu- 
sammenhanges dieser  sucht  die  Metaphysik  (der  Natur,  des  Schönen,  der 
Sitten)   das   Ding  an  sich  als  das  in  der  Erscheinung  sich   Darstellende  zu  er- 

n.  Der  metaphysische  Trieb  erwächst  aus  der  Verwunderung  des  Menschen 
über  sein  Dasein. 

Die  Erkenntnistheorie  Sch.s  bildet  zunächst  die  Aprioritätslehre  Kants 
in  psyehologisierender  Weise  weiter.  Die  Anschauungs-  und  Denkformen  sind 
apriorisch  und  subjektiv,  sie  gelten  nur  für  die  Welt  der  Erscheinungen,  die 

solche  keine  wahre  (absolute)  Wirklichkeit   hat,   sondern   eine   Art   Illusion 


SCHOPENHAUER.  651 


(„Schleier  der  Maya",  „Phantasmagorie",  ,,Gehirnphänoinen';)  ist  (Illusionismus  . 
Das  A  priori  ist  die  Art  und  Weise,  wie  der  Prozeß  objektiver  Apperzeption 
im  Gehirn  vollzogen  wird.  Kant  hat  die  „Kritik  der  Gehirnfunktionen"  ge- 
liefert. Das  Gemeinsame  aller  apriorischen  Formen  der  Erkenntnis  und  des 
Seins  enthält  der  Satz  vom  Grunde,  das  Grundgesetz  geistiger  Verarbeitung 
des  Erfahrungsmaterials,  der  allgemeinste  Ausdruck  für  die  Verbindung  und 
gegenseitige  Abhängigkeit,  für  die  apriorischen  Relationen  des  Erkenntnis- 
gehaltes.  „Alle  unsere  Vorstellungen  sind  Objekte  des  Subjekts,  und  alle  Ob- 
jekte des  Subjekts  sind  unsere  Vorstellungen.  Xun  aber  findet  sich,  daß  alle 
unsere  Vorstellungen  untereinander  in  einer  gesetzmäßigen  und  der  Form  nach 
a  priori  bestimmbaren  Verbindung  stehen,  vermöge  welcher  nichts  für  sich 
Bestehendes  und  Unabhängiges,  auch  nichts  Einzelnes  und  Abgerissenes  Objekt 
für  uns  werden  kann.  Diese  Verbindung  ist  es,  welche  der  Satz  vom  zureichen- 
den Grunde  in  seiner  Allgemeinheit  ausdrückt."  Dieser  Satz  gilt  a  priori,  aber 
nur  für  mögliche  Erfahrungen,  für  Erscheinungen,  für  Einzelnes,  nicht  für 
Ganze  des  Seins.  Je  nach  der  Art  der  Objekte  nimmt  der  Satz  verschiedene  Gestalten 
an,  er  hat  eine  „vierfache  Wurzel"  bezieht  sich  auf  das  Sein  und  Werden,  auf 
das  Erkennen  und  Handeln.  1.  Satz  vom  Grunde  des  Werdens:  „Alle  in  der 
Gesamt  Vorstellung,  welche  den  Komplex  der  erfahrungsmäßigen  Realität  aus- 
macht, sich  darstellenden  Objekte  sind  hinsichtlich  des  Ein-  und  Austrittes 
ihrer  Zustände,  mithin  in  der  Richtung  des  Laufes  der  Zeit,  durch  ihn  mitein- 
ander verknüpft."  „Wenn  ein  neuer  Zustand  eines  oder  mehrerer  realer  Objekte 
eintritt ,  so  muß  ihm  ein  anderer  vorhergegangen  sein ,  auf  welchen  der 
neue  regelmäßig,  d.  h.  allemal,  so  oft  der  erstere  da  ist,  folgt.  Ein  solches 
Folgen  heißt  Erfolgen  und  der  erstere  Zustand  ist  die  Ursache,  die  zweite 
die  Wirkung."  2.  Satz  vom  Grunde  des  Erkenne ns:  dieser  besagt,  „daß, 
wenn  ein  Urteil  eine  Erkenntnis  ausdrücken  soll,  es  einen  zureichenden  Grund 
haben  muß".  3.  Satz  vom  Grunde  des  Seins:  „Raum  und  Zeit  haben  die 
Beschaffenheit,  daß  alle  ihre  Teile  in  einem  Verhältnis  zueinander  stehen,  in 
Hinsicht  auf  welches  jeder  derselben  durch  einen  anderen  bestimmt  und  bedingt 
ist.  Im  Raum  heißt  dieses  Verhältnis  Lage,  in  der  Zeit  Folge."  4.  Satz 
vom  Grunde  des  Handelns  (Gesetz  der  Motivation):  „Bei  jedem  wahrgenom- 
menen Entschluß,  sowohl  anderer  als  unser,  halten  wir  uns  berechtigt,  EU 
fragen,  Warum?,  d.  h.  wir  setzen  als  notwendig  voran-,  es  sei  ihm  etwas  vor- 
hergegangen, daraus  er  erfolgt  ist  und  welches  wir  den  Grund,  genauer  das 
Motiv  der  jetzt  erfolgenden  Handlung  nennen." 

Die  Anschauungsformen,    Raum    und    Zeit,    sind    aprion><li->nb]Vkti\ , 
„selbsteigene  Formen  des  Intellekts".    Der  Kaum  ist  eine  „vor  aller  Erfahrt] 
dem  Intellekt  einwohnende  Form",   er  ist   ..a   priori   unmittelbar   anechaubar". 

Ebenso  die  Zeit,  die  ein  transzendental  [deales  ist  nur  im  erkei aden  Subjekt 

entspringt,  der  „bloßen  Vorstellung  und  ihrem  Apparat"  angehört  Die  Zeit 
ist  psychologisrli  „unser  eigener,  ungestört  fortschreitender,  mentaler  Prozeß,  die 
Form  unserer  Apperzeption".  Ebenso  phänomenal,  ideal  ist  die  Bewegung  als 
solche.  Die  mathematische  Erklärung  und  Gewißheit  hißt  auf  dem  Satz 
vom  Grunde  des  Sein-,  an!  Anschauung;  dir  Geometrie  auf  der  Relation  der 


052  Schopenhauer. 


Teile  des  Baumes,  die  Zahl  auf  dem  Nexus  der  Zeitteile.  Seh.  lehrt  ferner 
die  Intellektualität  der  Anschauung,  welche  schon  ein  unbewußtes  (kon- 
kretes) Denken  enthält,  schon  „Erkenntnis  der  Ursache  aus  der  Wirkung*'  ist. 
Die  Sinnesempfindung  bezieht  der  Verstand  mittels  des  Kausalprinzips  auf  ihre 
Ursache,  „welche  eben  dadurch  in  Raum  und  Zeit  .  .  .  sich  darstellt  als  Gegen- 
stand der  Erfahrung,  materielles  Objekt,  im  Raum  durch  alle  Zeit  beharrend, 
dennoch  aber  auch  als  solches  immer  noch  Vorstellung  bleibt,  wie  eben  Raum 
und  Zeit  selbst".  Zur  Anschauung  eines  Objekts  kommt  es  also  erst  durch 
eine  (unmittelbare,  nicht  begrifflich-logische)  Beziehung  der  Eindrücke  auf 
eine  in  den  Raum  versetzte  Ursache  (vgl.  Helmholtz,  Fick,  Zeller). 

Das  Denken  ist  wie  der  Intellekt  überhaupt  ein  „Akzidens  des  Willens", 
eine  Willensfunktion.  Der  Wille  ist  der  „Ursprung  und  Beherrscher'  des 
Intellekts,  er  ist  metaphysisch,  der  Intellekt  nur  seine  Erscheinung,  ,. Gehirn- 
phänomen" (wobei  das  Gehirn  selbst  die  Erscheinung  des  Willens  ist).  Der 
Wille  steckt  schon  hinter  den  Assoziationen  der  Vorstellungen,  er  bringt 
Einheit  in  sie.  Die  Denkgesetze  sind  „metalogische"  Wahrheiten,  d.  h. 
Bedingungen  aller  formalen  Wahrheit,  alles  Logischen.  Formal  wahr  ist  ein 
Urteil,  welches  dem  Satz  vom  Grunde  genügt,  materielle  Wahrheit  ist  die 
Übereinstimmung  zwischen  Urteil  und  Anschauung;  die  materielle  Wahrheit 
ist  entweder  empirische  oder  transzendentale  oder  metaphysische  Wahrheit. 
Von  den  zwölf  Kategorien  Kants,  deren  Zahl  einem  Hange  zur  architek- 
tonischen Symmetrie  entspringen,  sind  elf  zu  streichen.  Die  einzige  wirkliche 
Kategorie,  die  „Form  und  Funktion  des  reinen  Verstandes",  die  sich  nicht  weg- 
denken läßt,  ist  die  Kausalität.  Sie  ist  Bedingung  objektiver  Erfahrung,  schon 
in  der  Anschauung  wirksam.  „Ursache"  ist  niemals  ein  Ding,  stets  eine  Ver- 
änderung (aktualer  Kausalbegriff).  Die  Ursache  im  engeren  Sinne  ist  der  Zu- 
stand der  Materie,  der,  indem  er  einen  anderen  mit  Notwendigkeit  herbeiführt, 
selbst  eine  ebenso  große  Veränderung  erleidet,  wie  die  ist,  welche  er  verursacht 
(Gleichheit  von  Wirkung  und  Gegenwirkung).  Im  Organischen  treten  die  Ur- 
sachen als  Reize  (ohne  äquivalente  Gegenwirkung)  auf,  im  Handeln  als  Motive, 
welche  nur  unter  Voraussetzung  eines  inneren  Triebes  (des  Charakters)  wirken. 
„Bei  jedem  wahrgenommenen  Entschluß  sowohl  anderer  als  unser  selbst,  halten 
wir  uns  berechtigt,  zu  fragen:  Warum?  d.  h.  wir  setzen  als  notwendig  voraus, 
es  sei  ihm  etwas  vorhergegangen,  daraus  er  erfolgt  ist,  und  welches  wir  den 
Grund,  genauer  das  Motiv  der  jetzt  erfolgenden  Handlung  nennen."  Die  Ein- 
wirkung des  Motivs  wird  nicht  bloß  von  außen  und  mittelbar,  sondern  zugleich 
von  innen,  ganz  unmittelbar  erkannt.  „Hier  stehen  wir  gleichsam  hinter  den 
Kulissen  und  erfahren  das  Geheimnis,  wie,  dem  innersten  Wesen  nach,  die 
Ursache  die  Wirkung  herbeiführt:  denn  hier  erkennen  wir  auf  einem  ganz 
anderen  Wege,  daher  in  ganz  anderer  Art.  Hieraus  ergibt  sich  der  wichtige 
r^atz  :  die  Motivation  ist  die  Kausalität  von  innen  gesehen."  Die 
Materie  als  solche  (als  Erscheinung)  entsteht  aus  der  Vereinigung  von 
Raum  und  Zeit,  ist  wie  diese  „Vorstellung".  Ihrem  Charakter  nach  ist  sie 
„Wirken",  Kausalität,  die  „objektivierte,  d.  h.  nach  außen  projizierte  Verstandes- 
tunktion    der  Kausalität  selbst".     Die  Materie  manifestiert  sich  nur  durch  ihre 


Schopenhauer.  65:5 


Kräfte;  sie  selbst  als  Abstraktum  ist  form-  und  eigenschaftslos,  absolut  träge 
und  passiv,  das  unter  allem  Wechsel  der  Qualitäten  und  Formen  Beharrende. 
Die  Materie  ist  nicht  Gegenstand,  sondern  Bedingung  der  Erfahrung,  da- 
durch die  Formen  unseres  Intellekts  notwendig  herbeigeführte  bleibende  Sub- 
strat der  Vorgänge  im  Raum,  das  wir  nicht  mehr  wegdenken  können,  wenn 
sie  einmal  gesetzt  ist.  Alle  Materie  ist  „nur  für  den  Verstand,  durch  den 
Verstand,  im  Verstände",  kein  Ding  an  sich. 

Denn  wir  dürfen,  betont  Seh.,  niemals  vergessen :  die  Welt  raum-zeitlicher 
Objekte  ist  als  solche  nur  ideell,  phänomenal,  nur  unsere  Vorstellung  (d.  h. 
kategorial  verarbeiteter,  allgemeingültiger  Erfahrungsinhalt,  nicht  etwa  ein 
Phantasma).  Objekt,  Erscheinung  und  Vorstellung  sind  bei  Seh.  synonyme 
Begriffe:  „Erscheinung  heißt  Vorstellung  und  weiter  nichts:  alle  Vorstellung, 
welcher  Art  sie  auch  sei,  alles  Objekt  ist  Erscheinung."  Die  Welt  ist  Vor- 
stellung, d.  h.  sie  ist  nur  in  Beziehung  auf  wahrnehmende  Subjekte.  Ein  Ob- 
jekt an  sich  ist  ein  Unding.  Kein  Objekt  ohne  Subjekt,  kein  Subjekt 
ohne  Objekte,  beide  sind  Korrelate,  setzen  einander  voraus.  Unsere  Objekte 
sind  (als  solche)  Vorstellungen,  unsere  Vorstellungen  sind  selbst  die  Objekte, 
nicht  Bilder  solcher.  „Die  ganze  Welt  der  Objekte  ist  und  bleibt  Vorstellung, 
und  eben  deswegen  und  in  alle  Ewigkeit  durch  das  Subjekt  bedingt:  d.  h. 
sie  hat  transzendentale  Idealität."  Zugleich  hat  sie  empirische  Realität ;  das 
Objekt  ist  zwar  nicht  Ding  an  sich,  aber  es  ist  als  empirisches  Objekt  real. 
..Zwar  ist  der  Raum  nur  in  meinem  Kopf;  aber  empirisch  ist  mein  Kopf  im 
Raum."  Die  Vorstellung  ist  das  Ursprüngliche,  welches  in  Objekt  und  Sub- 
jekt zerfällt.  Das  Subjekt  ist  dasjenige,  was  alles  erkennt  und  von  keinem 
erkannt  wird.  Es  ist  der  „Träger  der  Welt",  die  Bedingung  alles  Erscheinen- 
den, alles  Objekts.  Das  empirische  Subjekt  ist  nur  Erscheinung,  durch  den 
Organismus  bedingt.  Das  „reine  Subjekt  des  Erkennens"  hingegen  wird  niemals 
Objekt,  ist  zeitlos,  überindividuell,  willenlos,  unerkennbar,  Korrelat  der  „Idö 
dem  Satz  vom  Grunde  nicht  unterworfen,  ewig.  Das  Subjekt  erkennt  sieh  nur  al- 
ein Wollendes,  nicht  als  ein  Erkennendes;  es  gibt  kein  Erkennen  des  Er- 
kennens. Das  Erkannte  in  uns  ist  nicht  das  Erkennende,  sondern  das 
Wollende.  „Wenn  wir  in  unser  Inneres  blicken,  finden  wir  uns  immer  als 
wollend."  Und  diese  Erkenntnis  wird  für  Seh.  zum  Schlüssel,  der  den  Zugs 
zum  „Ding  an  sich",  zur  Metaphysik  eröffnet.  Die  Welt  der  Objekte,  in  welcher 
Vorstellungen  nach  dem  Prinzip  des  Satz«-  70m  Grunde  verknüpft  sind  und 
wo  alle  Zergliederung  und  Verknüpfung  immer  wieder  nur  Vorstellungen,  Er- 
scheinungen findet  oder  setzt,  hat  außer  dieser  Außen-  noch  eine  Innenseite, 
die  dem,  was  wir  in  uns  als  Willen  finden,  analog  ist. 

Das  Ding  an  sich,  das  innerste  Wesen  der  Well  isl  Wille  (im  weitesten 
Sinne  als  Streben,  Trieb).  „Ding  an  sieh  .  .  .  ist  allein  der  Wille:  all  solcher 
isl  er  durchaus  nicht  Vorstellung,  Bondern  toto  genere  von  ihr  verschieden." 
Die  Vorstellung,  das  Objekt  isl  die  Erscheinung,  die  Sichtbarkeif  („Objektitä! 
des  Willens,  welcher  das  Innerste,  der  Kern  jede-  Hing«-  ist  und  in  jeder 
Naturkrai't  erscheint  Außer  dem  Willen  und  der  Vorstellung  wi  uns  gar  nicht- 
bekannt  noch  denkbar.  „Wenn  also  die  Körperwell  noch  etwa-  mehr  sein  soll,  als 


654  Schopenhauer. 


bloß  unsere  Vorstellung,  so  müssen  wir  sagen,  daß  sie  außer  der  Vorstellung, 
also  an  sich  und  ihrem  innigsten  Wesen  nach,  das  sei,  was  wir  in  uns  selbst 
unmittelbar  als  Willen  finden."  So  wie  unser  eigener  Leib  (als  Objekt- Vor- 
stellung) die  Objektität  unseres  Willens  ist,  so  sind  auch  die  übrigen  Körper 
als  Erscheinungen  eines  Willens  zu  deuten.  Nur  muß  beachtet  werden,  daß 
wir  durch  innere  Erfahrung  zwar  das  Wesen  des  Seins  erfassen,  nämlich  daß 
es  Wille  ist,  nicht  aber  adäquat  diesen  Willen  an  sich  erkennen,  weil  ja  unsere 
Anschauung  mit  der  subjektiven  Form  der  Zeit  und  der  Kausalität  behaftet 
ist.  An  sich  ist  der  „Wille"  (als  Grund  des  Wollens)  räum-  und  zeitlos,  grund- 
los, frei  von  aller  Vielheit,  einheitlich,  unteilbar,  ganz  in  jedem  Wesen.  Die 
Vielheit  der  Individuen  ist  nur  Erscheinung,  bedingt  durch  Kaum  und 
Zeit,  das  „principium  individuationis".  Die  Individuation  ist  nur  als  Vor- 
stellung, nicht  an  sich  vorhanden;  jedes  Individuum  als  solches  ist  nur  ein 
..kurzer  Traum"  des  Willens.  Der  Wille  hat  an  sich  weder  einen  Grund, 
noch  ursprünglich  ein  Ziel,  er  ist  nur  auf  sich  gerichtet,  ist  „endloses  Streben" 
ohne  Ziel,  ohne  Grenzen,  zunächst  „blinder  Drang  und  erkenntnisloses  Streben", 
eine  „finstere  treibende  Kraft"  (vgl.  Böhme,  Schelling).  Er  ist  „Wille  zum 
Leben",  zum  Dasein,  der  sich  in  den  Organismen,  im  Menschen  eine  Organi- 
sation schafft,  mit  der  nun  auf  einmal  einerseits  der  Intellekt,  anderseits  die 
Welt  als  Vorstellung  da  ist. 

Der  Wille  erscheint  in  jeder  Natur  kraft.  Kraft  ist  an  sich  Wille.  Die 
Kraft,  d.  h.  das,  was  einer  Ursache  immer  die  Wirksamkeit  verleiht,  ist  als 
solche  grundlos  und  ist  die  unmittelbare  Objektität  des  Willens.  Auf  der 
niedrigsten  Stufe  erscheint  der  Wille  als  allgemeine  Naturkraft,  als  Schwere, 
Undurchdringlichkeit  usw.,  dann  als  physikalische  Sonderkraft,  als  Elastizität, 
Magnetismus  usw.  Die  Materie  ist  ebenfalls  Erscheinung  des  Willens.  Eine 
höhere  Stufe  der  Objektivation  des  Willens  ist  der  Organismus.  In  ihm 
wirken  physikalische  und  chemische  Kräfte,  aber  was  diese  zusammenhält  und 
lenkt,  ist  die  „Lebenskraft",  welche  ihre  Wirkung  modifiziert.  Diese  Lebens- 
kraft ist  nun  an  sich  Wille.  Dieser  treibt  die  verschiedenen  Lebensformen 
nacheinander  hervor,  ohne  daß  aber  eine  Evolution  besteht.  Die  Zweckmäßig- 
keit der  Organismen  ist  eine  Folge  der  in  ihnen  sich  bekundenden  Einheit  des 
Willens  und  der  „Idee".  Durch  den  Organismus  erst  ist  der  Intellekt  ge- 
setzt, der  im  Menschen  zum  Bewußtsein  und  Selbstbewußtsein  aufsteigt.  Der 
Intellekt  ist  „Gehirn phänomen",  aber  das  Gehirn  ist  hier  selbst  als  Erscheinung 
des  Willens  gemeint,  so  daß  der  Intellekt  Willensfunktion  ist  und  als  solche 
denn  auch  zunächst  durchaus  im  Dienste  des  Lebens  und  der  Praxis  steht. 
Der  Materialismus  ist  einseitig,  wenn  er  auch  (Cabanis  u.  a.)  mit  Recht  die 
Bedingtheit  psychischer  Prozesse  durch  organische  betont;  er  ist  aber  die 
„Philosophie  des  bei  seiner  Rechnung  sich  selbst  vergessenden  Subjekts". 
Seele  und  Leib  sind  zwei  Wahrnehmungsweisen  einer  und  derselben 
Wirklichkeit,    die    einander    entsprechen,     so    daß    in  diesem     Sinne    Psychi- 

a  und  Physisches  einander  (ohne  Wechselwirkung)  parallel  gehen,  weil 
sie  ja  im  Grunde  identisch  sind.  Der  Leib  ist  die  Objektität,  der 
sichtbare   Ausdruck    des  Willens,    das  Auge    z.  B.    der  Ausdruck    des  Willens- 


Schopenhauer.  655 


zum  Sehen,  die  Genitalien  der  Ausdruck  des  Geschlecht -tri.  -l>s  usw.  Der 
Leib  nun  ist  uns  ..auf  zwei  ganz  verschiedene  Weisen  gegeben:  einmal 
als  Vorstellung  in  verständiger  Anschauung,  als  Objekt  unter  Objekten  und 
den  Gesetzen  dieser  unterworfen ;  sodann  aber  auch  zugleich  auf  eine  ganz 
andere  Weise,  nämlich  als  jenes  jedem  unmittelbar  Bekannte,  welches  das 
Wort,  „Wille",  bezeichnet".  Die  Aktion  des  Leibes,  die  äußere  Handlung 
nichts  anderes  als  der  objektivierte,  in  die  Anschauung  getreten*-  Akt 
des  Willens.  „Mein  Leib  und  mein  Wille  sind  eins",  der  ganze  Leib  ist  der 
„sichtbar  gewordene  Wille".  Die  Willenshandlung  geht  nicht  der  Bewegung  voran, 
sondern  ist  das  An  sich  derselben,  ist  mit  ihr  zugleich;  beide  sind  „eins  und 
dasselbe,  auf  doppelte  Weise  wahrgenommen;  was  nämlich  der  inneren  Wahr- 
nehmung (dem  Bewußtsein)  sich  als  wirklicher  Willensakt  kundgibt,  dasselbe 
stellt  sich  in  der  äußeren  Anschauung,  in  welcher  der  Leib  objektiv  dasteht, 
sofort  als  Aktion  desselben  dar".  Im  Psychischen  ist  der  Wille  das  Trei- 
bende, Leitende,  Einheit  Stiftende,  er  setzt  den  Intellekt  in  Bewegung,  sobald 
er  ihn  einmal  erzeugt  hat,  während  er  ursprünglich  unbewußter  Wille  ist.  Die 
Gefühle  sind  Willenszustände.  Der  Wille  ist  an  sich,  als  intelligibler 
Willenscharakter  frei,  als  empirisches  Wollen  und  Handeln  determiniert  (vgl. 
Kant,  Schelling).  Die  (transzendentale)  Freiheit  ist  Unabhängigkeit  des 
Willens  vom  Satz  vom  Grunde,  von  allen  Formen  der  Erscheinung.  Daß)  wir 
so  und  so  sind,  das  ist  schließlich  grundlos,  durch  nichts  determiniert  als  durch 
den  in  uns  erscheinenden  Urwillen  selbst,  der  unseren  unveränderlichen 
Charakter  bildet.  Aus  diesem  aber,  bzw.  aus  den  Motiven,  folgt  alles  mit 
psychologischer  Notwendigkeit;  die  Freiheit  liegt  im  Sein,  nicht  im  Handeln 
(„operari    sequitur    esse").     „Jeder  Mensch    handelt  nach  dem.    wie  er  ist.  und 

demgemäß  jedesmal  notwendige  Handlung  wird,  im  individuellen  Fall, 
allein  durch  die  Motive  bestimmt."  „Der  Mensch  tut  allezeit  nur.  was  er  will 
und  tut  es  doch  notwendig.  Das  liegt  aber  daran,  daß  er  schon  ist.  \\ 
will;  denn  aus  dem,  was  er  ist,  folgt  notwendig  alle-,  was  er  jedesmal  tut." 
Verantwortlich  ist  der  Mensch  durch  seinen  Charakter,  durch  Beine  transzenden- 
tale Freiheit,  vermöge  denen  alle  Taten  des  Menschen  Bein  Werk  sind.  — 
unsterblich  ist  nicht  das  empirische  Individuum  als  solches,  sondern  der 
zeitlose,  universale,  einheitliche  Wille  in  ihm,  der  da-  Wesen  ein.-  jeden  ra 
einem  unvergänglichen  macht. 

Der  einheitliche  Wille,  dessen  raum-zeitliche  Erscheinungen  die  Individuen 
sind,  objektiviert  -ich  aut  verschiedenen  Seinsstufen,  und  diese  nennt  Seh.  Ideen. 
Sie  sind  die  „Musterbilder"  der  Individuen,  die  „ewigen  Formen"  der  Dinge, 
zeit-  und  grundlos  wie  der  Wille  selbst,  ..nicht  selbst  in  Zeil  und  Kaum,  das 
Medium  der  Individuen,  eintretend,  sondern  feststehend,  keinem  Wechsel  unter- 
worfen, immer  seiend,  nngeworden".  IM«'  Eänzeldinge  -i n<  1  nur  getrübt«  I 
scheinungen  der  [deen,  die  in  ihnen  nicht  rein  mm  Ausdruck  kommen.  Die 
niedrigsten  Objektivationsstufen  des  Willens  Bind  die  allgemeinen  Naturki 
Die  Erkenntnis  der  [deen  erfolgt,  wenn  wir  nicht  mehr  die  Erscheinungen  am 
Leitfaden  des  Satcee  vom  Grunde  verfolgen,  nicht  nach  ihrem  Warum  usw, 
ragen,  sondern  nur  in  ruhiger  Kontemplation  aui  ihr  Was  Behauen,    Mit  dem 


656  Schopenhauer. 


Subjekt  ist  in  diesem  Moment  eine  Wandlung  erfolgt:  es  ist  nicht  begehrend, 
sondern  interesseloses,  unegoistisches,  reines,  allgemeines  Subjekt  des  Er- 
kennens.  Dies  ist  der  ästhetische  Zustand,  den  die  Kunst  vermittelt.  Sie 
geht  auf  die  Erfassung  der  Ideen  und  die  Mitteilung  dieser  Erkenntnis,  die  vom 
Willen  ganz  losgerissen  ist.  Die  Kunst  „wiederholt  die  durch  reine  Kontem- 
plation aufgefaßten  ewigen  Ideen,  das  Wesentliche  und  Bleibende  aller  Er- 
scheinungen der  Welt".  Sie  „reißt  das  Objekt  ihrer  Kontemplation  heraus  aus 
•dem  Strom  des  Weltlaufs  und  hat  es  isoliert  vor  sich :  und  dieses  Einzelne,  was 
in  jenem  Strom  ein  verschwindend  kleiner  Teil  war,  wird  ihr  ein  Repräsentant 
■des  Ganzen,  ein  Äquivalent  des  in  Raum  und  Zeit  unendlich  Vielen".  Schön 
ist  jedes  Ding  als  „Ausdruck  einer  Idee"  (spekulative  Gehaltsästhetik).  Die  ver- 
schiedenen Künste  unterscheiden  sich  durch  das  Material,  an  welchem  sie 
Ideen  zum  Ausdruck  bringt  (Bildende  Kunst,  Poesie,  Musik).  Zweck  der  schönen 
Baukunst  ist  die  „Verdeutlichung  der  Ojektivation  des  Willens  auf  der  nie- 
drigsten Stufe  seiner  Sichtbarkeit,  wo  er  sich  als  dumpfes,  erkenntnisloses,  gesetz- 
mäßiges Streben  der  Masse  zeigt  und  doch  schon  Selbstentzweiung  und  Kampf 
offenbart,  nämlich  durch  Schwere  und  Starrheit".  Das  Trauerspiel 
(Tragische)  zeigt  den  Willen  in  seinem  Zwiespalt  mit  sich  selbst  in  furchtbarer 
Größe  und  Deutlichkeit.  Eine  ganz  eigene  Stellung  nimmt  die  Musik  ein. 
Sie  ist  nicht  die  Abbildung  einer  Idee,  sondern  mehr,  nämlich  „eine  so  un- 
mittelbare Objekt! vation  und  Abbild  des  ganzen  Willens,  wie  die  Welt 
selbst  es  ist,  so  wie  die  Ideen  es  sind,  deren  vervielfältigte  Erscheinung  die 
Welt  der  einzelnen  Dinge  ausmacht".  Die  Musik  ist  also  das  unmittelbare 
Abbild,  der  Ausdruck  des  Willens  selbst  und  deshalb  von  so  mächtiger  Wir- 
kung. Im  Grundbaß  kommen  die  niedrigsten  Stufen  der  Willensobjektivation 
zum  Ausdruck,  in  der  Melodie  das  Leben  und  Streben  des  Menschen.  Das 
Genie  ist  „vollkommenste  Objektivität",  Vollkommenheit  und  Energie  der 
anschauenden  Erkenntnis,  der  Kontemplation  frei  vom  Dienste  des  Willens, 
die  Fähigkeit,  „klares  Weltauge"  zu  sein. 

Die  Kunst  befreit  uns  für  kurze  Zeit  von  der  Unruhe  des  Lebenswillens, 
sie  ist  ein  „Quietiv"  und  ein  Palliativ,  ein  Beruhigungsmittel,  welches  freilich 
nur  zeitweise  hilft.  Die  Unseligkeit  des  Lebenswillens  bleibt  bestehen.  Die 
Basis  alles  Wollens  ist  Bedürftigkeit,  Mangel,  Schmerz  oder  aber  Langeweile, 
zwischen  denen  das  Leben  wie  ein  Pendel  hin  und  her  schwingt.  Lust  ist  nur 
momentanes  Aufhören  von  Unlust,  alles  Glück  nur  negativer  Art,  jedes  Leben 
ein  Leiden.  Der  rastlos  strebende  Wille  ist  nie  zu  befriedigen.  „Denn  alles  Streben 
entspringt  aus  Mangel,  aus  Unzufriedenheit  mit  seinem  Zustande,  ist  also 
Leiden,  solange  es  nicht  befriedigt  ist;  keine  Befriedigung  aber  ist  dauernd, 
vielmehr  ist  sie  stets  nur  der  Anfangspunkt  eines  neuen  Strebens."  Das 
Streben  hat  kein  Ziel,  das  Leiden  kein  Maß;  die  Welt  ist  ein  „Jammertal". 
Daher  ist  der  Optimismus  eine  „wahrhaft  ruchlose  Denkungsart",  der  extremste 
Pessimismus  ist  gerechtfertigt.  Als  Erzeugnis  des  blinden  Willens  ist  die 
Welt  durchaus  schlecht,  eine  schlechtere  Welt  kann  es  gar  nicht  geben,  sie 
könnte  nicht  bestehen.  Die  Welt  selbst  ist  das  Weltgericht,  sie  leidet  an 
ihrem    eigenen  Willen,    aus    eigener  Schuld.    Je    mehr    die    Einsicht   in    das 


>«  U0PENHA1 


W<  -  Welt  erwacht,  also  je  höh 

Leiden,  ron  dem  zunächst  nur  die  Kunst  mü  Augenblick* 
Dieser  metaphysische  Peasimiamiifl  liegt  quo  auch  der  Et  hik  8 

fittleidsmoral,  erwachsend  ans  der  Einsicht   in  die  W 
itität  aller  Leidenden,  alle]  Wea  o,  durch  welche  Einsicht  der  urspri 
Ismus   überwunden   wird.     I>.i-   Mitleid  ist    das    Pundamenl    da    M 
echt   sittliche  Motiv,  die  „echte,  d.  h.  aneigennüt2  .1 
Her  freien  Gerechtigkeit  und  Menschenlieb  alischen  Wert  hat  am 

die   aus  Mitleid  geborene   Handlung.    Mitleid  ist  Teilnahme  am  I. 
Anderen.    Diesei    aber  ist   an   rieh  eine  mit  ans  tat  twam  asiu  —  d 

alles  tust  du.  wie  die  indische  Lehre  lautet).     Im  anderen   leiden    wii 
Hier  i-t  die  Scheidewand,  welche  die  Wesen  trennt,  aufgehoben  und  da-  \ 
ic-li  sermaßen    nun    Ich    geworden.      Ana    der  Durchschauuni  1 

BcheinungHcharaktera   der   Individualität    geht    dii    (         btigkeil   und  die  Güte 
1     rinnnng  hervor,  das  Mitleid,  die  reine  Lieb 

Indem  min  aber  der  Mensch  in  allen  Wesen  Bei  h  und  in  a! 

Leiden  -ei:  i  Leiden  erkennt.  Bchaudert  ihm  vor  allem  Leben  and 

rgL  Buddha).     I  »•  r  Wille  wendet  sich  du  aht 

das    (individuell-leibliche)    Leben    imi  awacher,   er   ist  durch   Erkenntnis 

hellsieht  trden  und  rerneint  das  Leben.    Selbstmord  nützt  nichts,  denn 

der  Tod  trifft  dann  nur  die  Erscheinung  des  Willens,  nicht  di  bst     Uin- 

en    erlöst    uns    immer   mehr  vom  Leben  die  Askese   in  allen  ihren  All 
(Armut,  Kasteiung,  Keuschheil  usw.),die  den  i.        -willen  abschwächt,  i 
K  Mimt  dann  der  Tod,  so  trifft  er  auf  einen  Bcho]  Willen. 

I'iir  den.  wehher  .-<•   endet,   hat   zugleich    die    Welt    geendet."     Für 
-ts  Nirwana  da-  Ni<ht-,  während  •  b  das  H 

nichts  i-t.    Die  Verneinung   des  Willen-   zum  Leben,    «! 
des  Willen-',  diese  jähe   Wendung   des  Wil 
der  (durch  Erkenntnis   geleitete)      Freiheit    des  Willens;  hier  i-t    i 
Tunkt,  wo  -eine  Freiheit  unmittelbar  in  die  Erscheinung  tritt. 

Anhang       -  tu    sind    mein    oder    weniga    I».    Aschei      I     du   M 
l     i  i     Lindni  •      I  i  uschinsk  i,   Tb-  B  f.  C.  B  Fi 

dt,     B  ichard     W  ;  I :       llndei       L     Bil  b  i 

<      Peteri      EL   E  P.  Deußen    u.   i 

Fort  II  el  lenbach .  *\u  l'n  1 .  \      ■      1 1 

I  II  ai  t  man  n  .    W  umlt.    I';i  ul-.  I       \  H 

Wurzel   de*   Satze«  Totu  IUI 
\     1864.    -      Cber  da 
18C9.  —   1»         ■  •.   A.    IUI.   — 

SB     in    der    Natu! 

r*rali|Hjm 

186'J.     —     Aua    dem     Kl  ■     zur     l.cU»iiaw«iahcr  ' 

Neue    ParalipoBataa; 
rlataask, 

Fraueni"  'jMrnriau. 


658  Schopenhauer  —  Schröder. 

Grisebach,  1888  (mit  Bibliographie).  —  Briefe,  1893  (hrsg.  von  Schemann),  1904  (hrsg. 
von  Grisebach,  Univ.-Bibl.).  —  Gespräche  u.  Selbstgespräche,  hrsg.  von  Grisebach,  1898; 
2.  Ä.  1902.  —  Sämtliche  Werke,  hrsg.  von  Frauenstädt,  6  Bde.,  1873 — 74  u.  ö.,  1907; 
hrsg.  v.  Grisebach,  6  Bde.  (Univ.-Bibl.);  1905  hrsg.  v.  E.  Steiner,  12  Bde.,  1894  f.; 
hrsg.  von  Deußen,  I,  1911.  —  Vgl.  LABAN,  Die  Schopenhauer-Literatur,  1880.  — 
FRAUENSTÄDT,  Briefe  über  die  Sch.sche  Philosophie,  1854;  Sch.-Lexikon,  1871.  — 
K.  SEYDEL,  Sch.s  System,  1857.  —  K.  HAYM,  A.  Seh.,  1864.  —  W.  GwiNNER. 
Sch.s  Leben,  1878.  —  VENETIANER,  Seh.  als  Scholastiker,  1873.  —  K.  KÖBER,  Die 
Philosophie  Sch.s,  1888.  —  HERTSLET,  Sch.-Kegister,  1891.  —  K.  FISCHER, 
A.  Seh.,  1893,  3.  A.  1908.  —  E.  LEHMANN,  S.,  1894.  —  GRISEBACH,  Seh.,  1897. 
—  AlÖBIUS,  Über  Seh.,  1899;  2.  A.  1904.  —  J.  VOLKELT,  A.  Seh.,  1900;  3.  A. 
1907  (Frommans  Klassiker  der  Philos.).  —  KOWALEWSKY,  Seh.  und  seine  Welt- 
anschauung, 1908.  —  BlBOT,  La  philos.  de  Schopenhauer,  12.  ed.  1909.  — 
BOSSERT,  S.,  1905.  —  ElCHERT,  Seh.,  1905.  —  SlMMEL,  Seh.  u.  Nietzsche,  1907.  — 
G.  FR.  WAGNER,  Enzyklopäd.  Register  zu  Sch.s  Werken,  1909.  —  EüYSSEN,  Seh.,  1911. 

Schoppe  (Scioppius),  Kaspar,  geb.  1576  in  Neumarkt  (Pfalz)  gest.  1649 
in  Padna.  =  Erneuerer  des  Stoizismus  in  der  Schrift:  Elementa  Stoicae 
philosophiae  moralis,  1608. 

Schottische  Schale:  die  von  Reid  begründete  Richtung  als  Reaktion 
gegen  den  Subjektivismus  Humes.  Sie  nimmt  den  Standpunkt  des  „common 
sense"  an  und  lehrt  die  Existenz  „selbstgewisser"  Wahrheiten.  Vertreter  der 
Schott.  Schule  sind  außer  Reid:  Dugald  Stewart,  Oswald,  Beattie, 
ferner  (in  anderer  Weise)  Th.  Brown,  W.  Hamilton,  Mc.  Cosh,  N.  Porter 
u.  a. 

Vgl.  H.  LAURIE,  Scottish,  Philos.   1902. 

Schrader,  Ernst,  geb.  1865  in  Halle,  Privatdozent  an  der  technischen 
Hochschule  in  Darmstadt. 

Schriften:  Die  bewußte  Beziehung  zwischen  Vorstellungen,  1893.  —  Skeptische 
Briefe,  1897.  —  Zur  Grundlegung  der  Psychol.  des  Urteils,  1903.  —  Elemente  der 
Psychol.  d.  Urteils,  1905  f.,  u.  a. 

Schrempf,  Christoph,  geb.  1860  in  Besigheim,  früher  protestantischer 
Pfarrer,  lebt  in  Stuttgart.  =  Freie,  ethisch-christliche  Weltanschauung. 

Schriften:  Die  christliche  Weltanschauung  u.  Kants  sittlicher  Glaube,  1891.  — 
Natürliches  Christentum,  1893.  —  Drei  religiöse  Beden,  1893.  —  Zur  Theorie  de& 
Geisteskampfes,  1897.  —  Goethes  Lebensanschauung,  1905—07.  —  Lessing  als  Philosoph, 
1906.  —  Über  Gemeinverständlichkeit  als  Aufgabe  der  Philosophie  u.  a.  —  S.  Kierke- 
gaard, 1907,  u.  a. 

Schrenck-tfotzing9  Albert  von,  geb.  1862  in  Oldenburg,  Arzt  in 
München. 

hriften:  Über  Suggestion  u.  suggestive  Zustände,  1893.  —  Die  Spaltung  der 
Persönlichkeit,  1896.  —  Richets  experimentelle  Studien  auf  dem  Gebiete  der  Gedanken- 
übertragung, 1891,  u.  a. 

Schröder,  Eduard   August,  geb.  1852  in  Teschen,  Direktor  der  Handels- 
schule  daselbst.  =  Standpunkt  des  Rechtssozialismus,  von  Menger  beeinflußt. 
Schriften:  Politische    Ökonomie,    3.    A.    1897.    —  Das  Recht  in  der  geschlecht- 


S<  HRÖDER   —   SCHUBERT-SOLDERX.  659 

liehen    Ordnung,  2.  A.  1896.  —  Das  Recht  der  Wirtschaft,    2.    A.    1904.  —  Das  Recht 
der  Freiheit,  1901.  —  Der  Völkergerichtshof,  1901,  u.  a. 

Schröder,  Ernst,  Prof.  der  Mathematik  an  der  technischen  Hochschule 
in  Karlsruhe.  =  Vertreter  der  symbolischen,  mathematischen  Logik. 

Schriften:  Der  Operationskreis  des  Logikalkalküls,  1877.  —  Über  das  Zeichen, 
1890.  —  Vorlesungen  über  die  Algebra  der  Logik,  1890  ff.  —  Abriß  der  Algebra  der 
Logik  I,  1909. 

Schröder,  J.  Fr.  Ludwig,  1779—1845,  Prof.  in  Utrecht.  =  Von  Kant, 
später  von  Schleiermacher  beeinflußt. 

Schriften:  Oratio  de  nostra  cognitione  animi,  1824.  —  Proeve  over  de  waarheid 
der  menschelijke  kennis,  u.  a. 

Schubert,  Gotthilf  Heinrich  von,  geb.  1780  in  Hohenstein,  1819  Prof. 
der  Naturgeschichte  in  Erlangen,  1827  in  München,  wo  er  1860  starb. 

Seh.,  eine  beschaulich-phantasievolle  Xatur,  ist  zuerst  von  Schilling,  später 
von  Böhme,  St. -Martin  und  anderen  Mystikern  beeinflußt.  In  seiner  ersten 
Schrift  lehrt  er  die  Existenz  eines  All-Lebens  und  erörtert  das  Verhältnis  des 
Männlichen  zum  Weiblichen  in  der  Natur.  Den  Traumgefühlen  spricht  er 
später  das  Moment  der  Vorahnung  zu.  Die  Seele  existiert  früher  als  der 
sichtbare  Leib,  sie  ist  eine  unzerstörbare  Einheit,  deren  Werkzeug  der  Leib  ist, 
den  sie  durchdringt;  sie  ist  der  Übergang  von  der  Materie  zum  Geist.  Die 
wahre  Xatur  der  Seele  besteht  im  „Verlangen  nach  dem  Ewigen''.  Alles  Or- 
ganische ist  beseelt,  aber  erst  das  Tier  empfindet,  hat  ein  zentrales  ,, Seelen- 
organ". 

Schriften  :  Ahndungen  einer  allgemeinen  Geschichte  des  Lebens,  1806—21.  — An- 
siehten[von  der  Nachtseite  der  Naturwissenschaften,  1808;  4.  A.  1840.  —  Die  Symbolik  des 
Traumes,  1814;  4.  A.  1862.  —  Die  Urwelt  und  die  Fixsterne,  1823;  2.  A.  1839.  — 
Geschichte  der  Seele,  1830;  5.  A.  1878  (Hauptwerk).  —  Geschichte  der  Natur,  1835  f. 
—  Lehrbuch  der  Menschen-  und  Seelenkunde,  1838;  2.  A.  1842.  —  Spiegel  d.  Natur, 
2.  A.  1854.  —  Altes  und  Neues  aus  dem  Gebiete  der  inneren  Seelenkunde,  1817 — 44; 
neue  Folge,  3.  A.  1856—59.  —  Die  Krankheiten  und  Störungen  der  menschlichen 
Seele,  1845.  —  Der  Erwerb  aus  einem  vergangenen  und  die  Erwartungen  von  einem 
künftigen  Leben,  1854—55.  —  Vermischte  Schriften  1857—60.  —  Vgl.  SCHNEIDER, 
'..   H.  v.  S,  1863. 

Schobert,  Johannes,  geb.  1866  in  Danzig,  lebt  in  Wilhelmshagen  bei 
Berlin. 

Schriften:  Die  philos.  Grundgedanken  in  Goethes  Wilhelm  Meister,  1896  — 
Hegels  Keligionsphilosophie,  1905.  —  Wilhelm  von  Humboldt,   1907,  u.  a. 

Selinbert-Soldern,  Richard  von,  geb.  1S52  in  Prag,  früher  a.  o. 
Professor  in  Leipzig,  jetzt  Gymnasialprofessor  in  Görz. 

S.  steht  auf  dem  Boden  der  Immanenzphilosop  hie,  die  er  im  Sinne 
eines  erkenntnistheoretischen  (aber  nicht  praktischen)  modifizierten  ..Solipsismus" 
formuliert  Der  Solipsismus  ist  theoretisch  unwiderlegbar,  da  auch  jedes  fremdes 
Ich  nur  als  mein  Bewußtseinsinhalt  gegeben  ist.  Das  Ich  ist  der  Zusammen- 
hang aller  Bewußtsemsinhalte,  aus  dessen  Geeamteusammhang  wir  nicht  heraus 
können;    mein    [eh   im  engeren  sinne   ist  aber   nur  ein  Teil  dieses  Zusammen- 

12 


660  SCHUBERT-SOLDERN   —   SCHULTZ. 

haiiges.  Das  Ich  ist  die  kontinuierliche,  zeitlich  einheitliche  Entwicklung  von 
Erlebnissen,  gebunden  an  einen  Leib;  zum  Ich  steht  alles  in  Beziehung.  Sein, 
Dasein  ist  identisch  mit  Bewußtsein,  Inhalt  eines  solchen  sein.  Die  Objekte 
sind  Teile  des  vorstellenden  Ichs.  Das  Ding  besteht  nicht  außerhalb  aller 
Denkbeziehungen,  sondern  „nur  aus  Wahrnehmungs-  und  Vorstellungsbe- 
ziehungen, die  in  einem  empirischen  Subjekt  zur  Einheit  verbunden  sind". 
Sittlich  ist  das  altruistische  Verhalten. 

Schriften:  Über  Transzendenz  des  Objekts  und  Subjekts,  1882.  —  Grundlagen 
einer  Erkenntnistheorie,  1887.  —  Koproduktion,  Gefühl  und  Wille,  1887.  —  Grundlagen 
zu  einer  Ethik,  1887.  —  Über  den  Begriff  der  allgemeinen  Bildung,  1896.  —  Das 
menschliche  Glück  und  die  soziale  Frage,  1896.  —  Die  menschliche  Erziehung,  1905. 
—  Der  Gegenstand  der  Psychologie,  Vierteljahrsschrift  f.  wissensch.  Philos.,  1884.  — 
Ursprung  u.  Elemente  der  Empfindung,  Zeitschr.  f.  imman.  Philos.  I,  1896.  —  Weitere 
Aufsätze:  Über  Erkenntnis  a  priori  und  a  posteriori,  1883.  —  Der  Begriff  des  Seins, 
1892.  —  Erkenntnistheoret.  Betrachtung  der  Elemente  der  Gesellschaft,  des  Staates  u. 
der  Geschichte.  Arch.  f.  Sozialwiss.,  1904,  u.  a. 

Schlichter.,  Josef,  geb.  1835  in  Boppen,  emer.  Prof.  in  Brixen.  =  Dua- 
listisch-teleologi  scher  Standpunkt. 

Schriften:  Der  Begriff  der  Seele  in  der  empirischen  Psychologie,  1895.  —  Erapir. 
Psychologie  vom  Standpunkte  seelischer  Zielstrebigkeit,  1897.  —  Kurzgefaßte  empir. 
Psychol.,   1900;  2.  A.   1902. 

Schultz,  Johannes,  geb.  1739  in  Mühlhausen  (Ostpreußen),  seit  1787 
Prof.  der  Mathematik  und  Hofprediger  in  Königsberg,  gest.  daselbst  1805.  = 
Anhänger  Kants. 

Schriften:  Betrachtungen  über  den  leeren  Kaum,  1758.  —  Erläuterungen  über 
des  Herrn  Professors  Kant  Kritik  der  reinen  Vernunft,  1784;  2.  A.  1907.  —  Prüfung 
der  Kantschen  Kritik  der  reinen  Vernunft,   1789—92. 

Schultz,  Julius,  geb.  1862  in  Göttingen,  lebt  in  Berlin. 

S.  verbindet  den  Kritizismus  mit  einer  biologisch-evolutionisti- 
schen  Erkenntnispsychologie.  Die  apriorischen  Erkenntniselemente  haben 
innerhalb  der  Erscheinungswelt  eine  Entwicklung.  Die  Anschauungsformen 
(Raum  und  Zeit)  sind  hier  ererbte  „angeborene  Gewohnheiten  der  Psyche". 
Die  Kategorien,  als  Tätigkeiten  der  Subjekte,  entwickeln  sich  innerhalb  der 
Erscheinung  trotz  ihrer  apriorischen  Gültigkeit.  Die  logischen  Axiome  sind 
„Forderungssätze,  Postulate",  deren  Denkzwang  sich  aus  ererbten  triebartig  ge- 
wordenen „Gewöhnungen  des  Assoziierens"  erklärt.  Es  gibt  für  das  Erkennen  drei 
Welten.  Die  erste  Welt  ist  die  von  der  Wissenschaft  objektiv  gemachte  Sinnenwelt, 
welche  durch  Verarbeitung  des  Phänomens  entsteht  und  auch  der  Schauplatz  des 
praktisch-ästhetischen  Erlebens  ist.  Die  zweite  Welt  ist  die  aus  logischen 
Zwecken  begrifflich  konstruierte,  mechanische  Welt,  ebenso  die  Welt  des  Psycho- 
logen. Wir  denken  uns  die  Dinge  (den  Aussagen  des  Tastsinnes  gemäß)  als  Atom- 
komplexe,  wo  in  Wahrheit  „psychoide  Zusammenhänge"  bestehen.  Diese 
zweite  Welt  ist  denkbezogen,  relativ.  Die  dritte  Welt  ist  das  „Erlebnis  des 
Erlebens  selber",  die  der  Kategorien  beraubte  momentane  Erlebniswelt,  welche 
unmittelbar  gewiß  ist,  aber  kein  Verstehen  und  keine  Wahrheit  bietet.  —  Das 


Schultz  —  Schulze.  661 


Universum  ist  die  Außenseite  der  Weltseele.  Der  „psychische  Zustand"  aller 
Materie  ist  Kraft;  das  Bewußtsein  ist  erst  eine  Funktion  des  Erinnerns.  Jedem 
psychischen  Elemente  entspricht  im  Physischen  eine  .  Beschleunigung.  Die 
psychische  Struktur  ist  imbewußt,  sie  spiegelt  sich  in  der  Taxis  des  Leibes; 
das  Innensein  des  Organismus  ist  eine  innige  Verbindimg  von  ,, Psychaden-'. 
Der  Vitalismus  widerspricht  dem  Grundsatze  der  Mechanik,  daß  nur  Zentral- 
kräfte wirken  sollen;  nur  eine  „Maschinen -Theorie"  des  Lebens  ist  möglich. 
Das  Wesen  des  Lebens  ist  „Streben  zur  Form",  „Typovergenz",  Konservierung 
einer  bestimmten  Struktur.  Das  Finale,  Teleologische  steckt  in  dieser  Struktur, 
das  Geschehen  selbst  ist  rein  kausal,  alle  Anpassung  selektorisch.  Von  Ewig- 
keit bestehen  die  ,, Biogene"  als  ,,Typovergenzmaschinen",  die  unter  geeigneten 
Bedingungen  zu  Organismen  werden. 

Schriften:  Psychologie  der  Axiome,  1899.   —  Über  genetische  Psychologie,  1902. 

—  Die    Bilder    der    Materie,    1905.    —    Die  drei    Welten  der   Erkenntnistheorie,  1907. 

—  Die  Maschinentheorie  des  Lebens,  1909,  u.  a. 

Schultz,  Wolfgang,  geb.  1881  in  Wien,  lebt  daselbst. 

Schriften:  Das  Farbenempfindungssystem  der  Hellenen,  1905.  —  Pythagoras  und 
Heraklit,  1906.  —  Altjonische  Mystik,  1907  (über  Zahlensymbolik  u.  a.).  —  Dokumente 
der  Gnosis,   1909,  u.  a. 

Schnitze,  Fritz,  geb.  1846  in  Celle  (Hannover),  seit  1876  Prof.  an  der 
technischen  Hochschule  in  Dresden,  gest.  1908. 

8.  verbindet  den  Kritizismus  und  (später)  eine  kritische  Metaphysik  mit 
dem  Evolutionismus.  Das  A  priori  ist  psychologisch  als  angeborene  Anlage, 
als  Disposition  vorhanden  und  wird  empirisch  entdeckt.  Der  Geist  hat  seine 
..Eigen formen",  die  Kategorien:  Raum  und  Zeit,  Kausalität  und  Empfindung, 
von  denen  die  drei  ersten  apriorisch-subjektiv  sind.  Die  Philosophie  der  Natur 
ist  ., Theorie  des  Wissens  von  der  Natur".  Die  Materie  besteht  aus  dyna- 
mischen Atomen.  Daneben  gibt  es  psychische  Monaden,  Psych  ad  en;  sie 
sind  die  psychischen  Kräfte,  aus  denen  sich  die  Organismen  zusammensetzen, 
unsterblich,  aber  ohne  Erinnerung  an  frühere  Existenzformen,  vervollkomm- 
nungsfähig. Die  Seele  ist  keine  Substanz,  wohl  aber  eine  „bewußte  Kraft, 
die  nur  in  der  Form  der  Individualität  existiert"  und  sich  als  Einheit  im 
Wechsel  ihrer  Zustände  empfindet.  Die  Völkerpsychologie  gehört  zur 
Kulturpsychologie  („Telopsychologie")  und  hat  es  mit  den  seelischen  Erschei- 
nungen zu  tun,  die  aus  der  Wechselwirkung  einer  durch  eine  staatliche  Org 
nisation  zusammengehaltenen  Mehrheit  von  Menschen  entspringen. 

Schriften:  Die  Tierseele,  1868.  —  Der  Fetischismus,  1871.  —  Geschichte 
der  Philos.  der  Renaissance  I,  1874.  —  Kant  und  Darwin,  1875.  —  Über  Bedeutung 
und  Aufgabe  einer  Philos.  der  Naturwiss.,  1877.  —  Die  Sprache  des  Kindes,  1880.  — 
Die  Grundgedanken  des  Materialismus,  1881.  —  Philosophie  der  Naturwissenschaften, 
1881  —  82.  —  Der  Spiritismus,  1883.  —  Vergleichende  Seelenkunde,  1892—97.  — 
Stammbaum  der  Philosophie,  1890;  2.  A.  1899.  —  Psychologie  der  Naturvölker,  1900. 
—    Grundlinien  der  Logik,  1902,  u.  a. 

Schlitze.  Gottlob   Ernst   (Aenesidemus-Schuke,  nach  seinem  Hauptwerk 


662  Schulze  —  Schumann. 


„Aenesidenius"  genannt),  geb.  1761  zu  Schloß  Heldrungen  in  Thüringen,  1788 
Prof.  in  Helmstädt,  1810  in  Göttingen,  gest.  daselbst  1833. 

S.  ist  einer  der  scharfsinnigsten  Gegner  Kants  gewesen.  In  seinem  „Aene- 
sidemus"  bekämpft  er  in  „skeptischer"  Weise  Kant  und  Reinhold.  Keinholds 
(s.  d.)  „Satz  des  Bewußtseins"  ist  kein  absoluter  und  oberster  Grundsatz;  die 
Beziehung  der  Vorstellung  auf  ein  Objekt  und  Subjekt  findet  während  des 
Vorstellens  nicht  statt,  sondern  ursprünglich  sind  Vorstellung  und  Objekt  eins, 
ihre  Trennung  ist  erst  das  Produkt  einer  Eeflexion.  Es  ist  ferner  nicht  be- 
wiesen, daß  außer  der  Form  nicht  auch  der  Stoff  der  Vorstellung  aus  dem 
Subjekte  stammen  kann.  Gegen  Kant  erklärt  S.,  die  Erkenntnis  des  Aprio- 
rischen sei,  da  sie  (nach  Kant)  nicht  durch  Erfahrung  erfolgen  könne,  über- 
haupt unmöglich.  Das  Bewußtsein  der  Notwendigkeit  ist  kein  unfehlbares 
Kennzeichen  des  apriorischen  Ursprunges  synthetischer  Sätze ;  auch  mit  der 
Sinneswahrnehmung,  die  uns  aufgezwungen  ist,  ist  eine  solche  Notwendigkeit 
verbunden.  Auch  macht  die  Ableitung  der  Notwendigkeit  und  Allgemein - 
gültigkeit  aus  unserem  Bewußtsein  das  Dasein  jener  nicht  begreiflicher  als 
ihre  Ableitung  von  Gegenständen  außer  uns.  Da  nach  Kant  das  Ding  an  sich 
unbekannt  ist,  so  ist  es  auch  nach  dem  unbekannt,  was  es  bewirken  und  nicht 
bewirken  kann.  Da  die  Kausalität  eine  bloße  subjektive  Denkform  sein  soll, 
die  nur  auf  Erscheinungen  anwendbar  ist,  so  kann  die  Empfindung  nicht 
durch  das  Ding  an  sich  bewirkt  werden.  Also  Kants  eigene  Resultate  heben  die 
Wahrheit  des  Satzes  von  der  Subjektivität  der  Kausalität  auf.  Weder  Humes 
Skeptizismus  noch  Berkeleys  Idealismus  sind  durch  Kant  widerlegt  worden; 
Kants  kritischer  Idealismus  ist  nur  ein  neuer  Dogmatismus.  Die  Vernunft- 
kritik erweist  alle  ihre  Ansprüche  „nur  durch  solche  Sätze,  die  Hume  für 
ungewiß  oder  gar  für  täuschend  hielt".  Der  „innere  Sinn"  existiert  nicht,  es 
gibt  nur  eine  unmittelbare  innere  Wahrnehmung,  die  mit  dem  Psychischen 
verbunden  ist.  „Die  Behauptung  aber,  daß  alles  Erkennen  und  das  Bewußt- 
sein davon  wieder  durch  ein  Vorstellen  desselben  vermittelt  und  bedingt  werde, 
ist  ungereimt.  Denn  alsdann  müßte  auch  zum  Bewußtsein  der  Vorstellung, 
die  das  Erkennen  vermitteln  soll,  abermals  eine  andere  Vorstellung  und  zum 
Bewußtsein  dieser  gleichfalls  eine  andere  und  so  ohne  Aufhören  fort,  mithin 
eine  Eeihe  von  Vorstellungen,  die  keinen  Anfang  hätte,  erforderlich  sein." 
Das  Selbstbewußtsein  ist  schon  ein  Erzeugnis  des  Seelenlebens.  —  Später  nähert 
sich  S.  Jacobi  und  Fries. 

Schriften:  Aenesidemus  oder  über  die  Fundamente  der  von  Professor  Reinhold 
^lieferten  Elementarphilosophie,  nebst  einer  Verteidigung  des  Skeptizismus  gegen  die 
Anmaßungen  der  Yemunftkritik,  1792;  2.  A.  1910.  —  Einige  Bemerkungen  über  Kants 
philos.  Religionslehre,  1795.  —  Grundriß  der  philos.  Wissenschaften,  1788  —  1790.  — 
Kritik  der  theoretischen  Philosophie,  1801.  —  Aphorismen  über  das  Absolute,  1803 
(In:  Neues  Museum  der  Philosophie).  —  Grundsätze  der  allgemeinen  Logik,  1810; 
3.  A.  1817.  —  Enzyklopädie  der  philos.  Wissenschaften,  1814;  3.  A.  1824.  —  Psy- 
chische Anthropologie,  1816;  2.  A.  1819.  —  Über  die  menschliche  Erkenntnis,  1832. 
—  Vgl.  WiEGERSHAUSEX,  Aenesidemus-Schulze,  1910. 

Schumann,  Friedrich,  geb.  1863,  Prof.  am  psychologischen  Institut  der 


&  Hr.MA.VN    —    X  HUPPE. 


Akademie  für  Sozial-  und  Handelswü  rften  in  Frankfurt  =  Experimen- 

teller  Psycholog,  Schüler  Stumpfe. 

Schriften:  Psychologische  Studien,  lfjo4  ff.  —    Über  die  Schätzung  kleiner  Zeit- 
größen,   Zeitschr.    für    Psychol.    der    Sinnesorgane,    4.    Bd.    —    Zur    Psvchol.    der   7. 
anschaunng,  1.  c.   17.  Bd.,  u.  a. 

Schuppe.  Wilhelm,  geb.  1836,  emer.  Prof.  in  Greifewald. 

-     ist    der    Hauptvertreter    der    von    Kant.    Berkeley    o.  a.    beeinflui 
(idealistischen)    [mmanenzphilosophie.     Für    diese    sind    „wirklich"    and 
„bewußt--.    ..<  >bjekt';    und    „Vorstellung'1    identisch,    aber    d 
wirklichen   Dinge  i-t    nicht  das   Subjekt,   sondern    das  Weltgan 
i-t    alles    Bein    dem    Bewußtsein    immanent,     allgemeiner    oder    individueller 
Bewnßtseinsmhalt,    Bewußt-sein,    ani    das    Ieh    oder    Subjekt    bezogen. 
gehört   zu   dem   Sein    selbst,    daß    es    in    sich    die   beiden    Bestandteile,   i 
[ch-Pnnkt    und   die   Objektenwelt    ...    in   dieser    Einheit    zeigt,    daß    ;• 
von    ihnen    ohne   das   andere   in  nicht-  verschwindet,   eines   mit   dem   andern 
„Kein    Gegenstand   außerhalb   des    Bewußtseins.1'       \.      G 

d   außerhalb  des   Bewußtseins  hi  nstand  gleichzeitig  denken 

und  nicht  denken."     Existenz  ist  Wahrnehmbarkeit   Dach  festen  I  q,  also 

mehr  als  momentane  Empfindung,   aber  doch  nicht   An  -       S  in.      Zum  Bein 

ort  die  absolut«  Liebkeit,    nach   welcher   allgemein    bestimmte   Wahr- 

DehmungBinhalte  auftreten  müssen;  aber  alles  Objekt-Sein  ist  ein  Bewußt-Sein, 
hat  das    fch   zum    Korrelat      Subjekt   und   Objekt   sind   an  trennbar:    ..K 
Wissen  von  anderem  ohne  Wissen  von  sich,  kein  Wissen  von  -ich  ohne  Wisf 
von  anderem."    Alles  Objektive  i-t  Bewußtseinsinhalt,  aber,  im  Unters  b 
von   den    individuell-subjektiven    Erlebnissen,    ist  es  an   das   „Gattung« 

Bewußtseins   geknüpft    und   bo   ist    das   raum-zeitliche   Geschehen    in 
Natur  und  das  fremde  Seelenleben   unabhängig    vom   individuellen    Ich.      I 

aktive  ist  Inhalt  des  (abstrakten,   Dicht  lert    existierenden    B<  h 

ii-  überhaupt,   dessen  Arten  die  Einzel-Ichs  sind.      Dieses   Ich, 
Wesen  im  ^ich-eeiner-bewußt-eein"    besteht,   ist  sras   nur  Subjekt    - 

im:  -■  -hatten  haben,  i nn  Tätigkeiten  ausüben  kann-.     F.-  kann  k«in  Sub- 

strat haben,  ist  „absoluter  Einheitspunkt",  unräumlich;  individuell  wird 
durch  den  Bewußtseinsinhalt,   der  das  empirische  I<h  darstellt,   nur  dadui 
daß   es  diesen    räumlich    und    zeitlich    bestimmten    Inhalt    hat 

hzeitig  ein  konkrete-  und  abstraktes;  let 
nnräumlich  und  nicht-zeitlich,  en  haupt"  llen 

[chs  gemeinsam  enthalten  all  allgemeines   Subjekt;   die   Außenwelt    neb« 

Objektiven    llaunie    und    der    objektiven   Zeit    -in«!,    al-    Inhalt 
I      \ni;t-ein-.    tiir    alle     Kin/el-ubjekte    identif 

Sinne   ein    individueller  Ausschnitt  h 

inhalt  i-t.     Wirklieb   i-t    nur.   WM   ..in  den  Xn-aniinenl. 

der  mit  Qualitäten  erfüllte   Kaum-  und  /enteil,  -..nrn  er  al 
seinsinhalt   ist  n  kann.      1  >>  -•  i  i 

I;    ili-niu-,    da    tur  ihn    dii     1  ' 

denk 


664  Schuppe  —  Schwab. 

Die  Psychologie  ist  die  Wissenschaft  vom  individuellen  Subjekt  und 
dessen  Erlebnissen.  Die  Seele  ist  keine  Substanz  hinter  dem  Bewußtsein, 
sondern  nur  „Substanz",  sofern  das  Ich  als  Subjekt  eine  solche  ist.  Die  Seele 
ist  nicht  ein  immaterielles  Konkretum  als  etwas  Selbständiges  gegenüber  den 
Körpern,  dem  Leibe,  sondern  es  gehört  zu  ihr  ein  (als  Leib  sich  darstellender) 
raum-zeitlicher  Bewußtseinsinhalt.  Die  Erkenntnistheorie  ist  nicht  Psycho- 
logie. Sie  fragt:  „Was  ist  das  Denken?  Was  ist  das  wirkliche  Sein,  welches 
sein  Objekt  werden  soll?"  Das  Denken  muß  in  seiner  Arbeit  belauscht  wer- 
den. Die  Logik  (zugleich  Erkenntnislehre)  lehrt  aber  nicht  eine  subjektive 
Verfahrungs weise  des  bloßen  Denkens  ohne  Objekte,  sondern  gibt  inhaltliche 
Erkenntnisse  vom  Seienden  überhaupt  und  seinen  obersten  Arten;  sie  ist  die 
„Wissenschaft  von  dem  objektiv  gültigen,  d.  i.  dem  aus  dem  Wesen  des  Be- 
wußtseins überhaupt  notwendigen  Denken,  d.  i.  von  dem  ins  Bewußtsein  auf- 
genommenen oder  bewußt  gewordenen  wirklichen  Sein".  Das  Denken  ist  ein 
Im-Bewußtsein-haben  ohne  subjektives  Tun;  es  besteht  im  Urteilen,  d.  h.  es 
nennt  die  Art  des  Zusammenseins  der  Daten.  Die  Kategorien  (Identität 
und  Kausalität)  bestehen  von  vornherein  nur  als  Bestimmungen  von  Gegebenem 
und  haben  daher  dieselbe  Objektivität  wie  dieses;  sie  gehören,  wie  die  An- 
schauungsformen (Raum  und  Zeit),  zum  Bewußtsein  überhaupt  und  kon- 
stituieren erst  die  wirkliche  Welt  als  den  notwendig  gemeinsamen  Teil  der 
Be  wn  ß  tseinsinhalte. 

Ethik  und  Rechtsphilosophie  setzen  einander  voraus;  beiden  liegt 
die  richtige  Wertschätzung  zugrunde.  Diese  beruht  auf  dem  Gefühle;  die 
Lust  hat  nicht  Wert,  sondern  ist  der  Wert  einer  Sache.  Das  absolut  Wert- 
volle ist  das  Bewußtsein.  Die  absolute  Wertschätzung  ist  die  „Lust  am  Be- 
wußtsein", an  der  bewußten  Existenz,  sie  ist  das  an  sich  Gute.  Das  Recht 
entspringt  aus  der  ursprünglichen  Wertschätzung  und  dem  aus  ihr  fließenden, 
auf  die  Selbstbejahung  aller  gerichteten  Willen. 

Schriften:  Das  menschliche  Denken,  1870.  —  Erkenntnistheoretische  Logik, 
18  78.  —  Grundzüge  der  Ethik  und  Rechtsphilosophie,  1882.  —  Das  metaphys.  Motiv 
und  die  Geschichte  der  Philosophie  im  Umrisse,  1882.  —  Der  Begriff  des  subjektiven 
Rechts,  1887.  —  Das  Gewohnheitsrecht,  1890.  —  Das  Recht  des  Besitzes,  1891.  — 
Grundriß  der  Erkenntnistheorie  und  Logik,  1894.  —  Begriff  und  Grenzen  der  Psycho- 
logie, Zeitschr.  für  immanente  Philos.  I,  1896.  —  Die  immanente  Philosophie,  1897. 
—  Der  Solipsismus,  1898.  —  Das  System  der  Wissenschaften  und  das  des  Seienden, 
1898.  —  Psychologismus  und  Norracharakter  der  Logik,  1901  (Archiv  für  systemat. 
Philos.  VII).  —  Was  ist  Bildung?  1900.  —  Der  Zusammenhang  von  Leib  und  Seele, 
1902,  u.  a. 

Schütz,  Ludwig,  geb.  1838,  Prof.  am  Priesterseminar  in  Trier.  =  Scho- 
llt i^cher  Standpunkt. 

Schriften:  Einleit.  in  die  Philosophie,  1879.  —  Lehrbuch  der  Ästhetik,  3.  A. 
1889.   —  Thomas-Lexikon,  2.  A.  1895. 

Schwab,    Johann   Christoph,    geb.   1743  in  Ilsfeld,   1778  Prof.  an  der 
Karlsschule  in  Stuttgart,  gest.  1821.  =   Anhänger  der  Leibniz-Wolffschen  Phi- 
'     irner  Kants. 


S<  hwai;  —   BCHWABZ. 


-  hriften:  Welche  Fortschritte  hat  die  Metaphysik  seit  I.eibnizens  und  Wolffs 
Zeiten  in  Deutschland  gemacht?  1796.  —  Neue  Gespräche  zwischen  Chr.  Woln*  und 
einem  Kantianer,  1798.  —  Acht  Briefe  über  einige  Widersprüche  und  Inkonsequenzen 
in  Kants  neuesten  Schriften,  1799.  —  Vcrgleichung  des  Kantschen  Moralprinzips  mit 
dem  Leibniz-Wolffschen,   1800.  —  Über  die  Wahrheit  der  Kantschen  Philosophie,   IS 

—  Von  den  dunklen   Vorstellungen ;    ein    Beitrag   zur    Lehre    vom   Ursprung  der  mensch- 
lichen Erkenntnis,   1813,  u.  a. 

Schwann.  Mathieu,  geb.   1859  in  lebt   in  Weiden  bei  Cöln. 

=  Von  Nietzsche  u.  a.  beeinflußt. 

Schriften:  Sophia.  Sprossen  zu  einer  Philosophie  des  Lebens,  1900.  —  Indi- 
viduum u.   Volksleben,  1895,  u.  a. 

Hcliwai'tzkopft',  Paul,  geb.  1849  in  Stettin,  Gymnasialprofessor  in 
Wernigerode.    =    S.  ist  von  Lotze  u.  a.  beeinflußt.     Die  Erkenntnis  geht  von 

inneren    Erfahrung   aus   und    führt   zu   einem    kritischen    Realismus,    nach 
welchem   die   Empfindungen   Zeichen    für   die   Dinge  an  Bich  sind.     Substanz 
und  Kausalität  werden  innerlich  erfahren.    Das  Selbst  erlebt  Bich  als  Substanz, 
als  innere  metaphysische  Einheit.     Die  Dinge  sind  ebenfalls  Einheiten,   die  in 
ihren    Komplexen    als    Körper   erscheinen.     Die  Einheit  des  Welt-Ichs 
ohJ    die   Eänzelsubjekte   wie   deren   außersubjektive    Well    und    faßt 
Dualismus  in  seiner  höheren  Einheit  zusammen.    Gott  ist  immanent  und  tra 
zendent    zugleich,    selbstbewußter,    persönlicher   Geist,    lebendige    Allursache 
Panentheismus).      Alle  Individuen   Bind  lebendig,    innerlich;   di<    5         isl  ein 
innerer  Mittelpunkt  des  : 

8  hriften:  Der  Ursprung  der  Sprache,   1875.  —   Die  Freiheit  dea   ^ 

—  Das  Leben  nach  dem  Tode,   2.  A.   1901.   —  Bowois  für  das  Dasein  Uutt-  — 
Das  Leben  als  Einzellcben  und  Gesamtleben,  1903.    —    Die  Weiterbildung  der  Religion, 
19o3.    —    Gott  in  uns  und  Gott  aulier  uns,    1905.    —    Was  ist  Denken.1.    L906.    — 
Wesen    der    Erkenntnis,    1909.    —    Lst    die  Seele    eiiu                       Zeitschrift 

Bd.    134.    —     Für   und   wider  den   Monismus,    Archiv    für    ijst  F  ,    Wll.    1911,   D.   a. 

Schwarz.  Heinrich.  =  Theistischer  Hegelianer. 

9  hriften:    Über  die  wesentlichsten   Forderungen  in  eine  >phie  dei 

•   und  deren  Vollziehung,  1846.   —   Gott,  Natur  und  U 
Theismus,  18 

Schwarz.  Hermann.  =  Hegelianer. 

1    :•■     :  Venacfa  ein<  ie  >ler  llnthenuitiki 

Schwär/:.   Hermann,  geb.    1864  in  Düren,   I *i •  > t .  in  Greifswald,  II 
Zeitschr.  t.  Philo*,  u.  philos.  Kritik-. 
der  /um   Teil    von   üphues   beeinflußt    ist .   lehn    einen    kritischen 

R<  alismus,     Dich    welchem    die    lMiie..-  »o  sein   können,  wie  wir  -ie  eik.ni 

richtetsein  der  W  ahrnefa  m  u  d  g  auf  1  B                     1 ra 

dea    I'-  w  ußta  ins    (  I 

Ausdruck,    durch    den  wir  uns  *  1 1 •  -  uluVkte   \<  tritt  ni«  ht  sei 

Bewußtsein.      Was   die   Qualitäten    dei  Ding<    .1                       haben 

rastwahrnehmt  r  den    übrigen;   es  (fehl  ni 


666  Schwarz  —  Schwegler. 


an,  jenen  objektive  Eealität  zuzuschreiben,  den  letzteren  aber  nicht.  Diese 
können  ganz  wohl  objektive  Korrelate  haben ;  die  vermeintlichen  Widersprüche 
zwischen  Sinnesdaten  bestehen  nicht.  „Nur  von  den  gesehenen  Farben,  den 
gehörten  Tönen  wird  notwendig  behauptet  werden  müssen,  daß  sie  durch  Ver- 
mittlung mechanischer  Korrelate  indirekt  durch  die  Organe  bedingt  sind.  Von 
ungesehenen  Farben,  ungehörten  Tönen  dagegen  kann  man  vielleicht  die  Exi- 
stenz bezweifeln,  ihre  ev.  Unabhängigkeit  von  irgend  welchen  Organen  würde 
als  ein  Widerspruch  nicht  gelten  können."  —  Die  Seele  ist  immateriell  und 
steht  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung. 

Die  Ethik  S.s  ist  idealistisch,  normativ  und  beruht  auf  der  Psychologie 
des  Willens.  Vom  Begehren  ist  der  eigentliche  Wille  zu  unterscheiden. 
Gefallen  und  Mißfallen  sind  von  den  Lust-  und  Unlustgefühlen  ver- 
schiedene, ursprüngliche  Willensregungen,  welche  Unterschiede  der  „Sättigung" 
zulassen.  Gefallen  ist  die  Reaktion  der  wollenden  Seele,  wenn  die  Gegen- 
stände, von  denen  sie  bewegt  wird,  genossen,  besessen,  verwirklicht  sind.  Nach 
dem  „Zentrierungsgesetz"  wirken  alle  Regungen  des  ungesättigten  Gefallens 
und  des  Mißfallens  zentrierend  auf  das  Vorstellen,  sie  haben  die  Tendenz, 
solche  Vorstellungen  um  sich  zu  scharen,  durch  deren  Inhalt  das  Gefallen 
mehr  und  mehr  gesättigt  wird.  Das  Vorziehen  (Lieberwollen,  Wählen)  ist 
ein  Urphänomen  mit  eigener  Gesetzlichkeit.  Dem  „voluntaristischen  Aprioris- 
mus''  gemäß  walten  im  Willensgebiet  nicht  die  apriorischen  Regeln  der  Ver- 
nunft, sondern  eigene  apriorische  Normen,  die  Normen  des  analytischen  und 
synthetischen  Vorziehens.  Analytisch  ist  das  Vorziehen,  wenn  es  sich  richtet 
„nach  dem  Verhältnis  von  solchem  Bessern  und  Schlechtem,  das  schon  vorher 
anderweitig  geprägt  ist".  Synthetisch  ist  dasjenige  Vorziehen,  das  „erst 
durch  einen  eigenen  Akt  anzeigt,  wo  in  einem  gegebenen  Falle  das  Bessere 
liegt".  Von  den  Naturgesetzen  des  Begehrens  sind  die  Normgesetze,  der 
„Normzwang"  des  Willens  zu  unterscheiden:  1.  „Das  Wollen  eigenen  Personen- 
werts steht  über  der  Rücksicht  auf  die  eigenen  Zustände."  2.  „Das  Wollen 
religiöser,  mitmenschlicher,  sozialer  und  ideeller  Fremdwerte  steht  über  dem 
Wollen  von  Eigenwerten"  (Personenwertmoral,  Fremdwertmoral).  Gewissen 
und  Pflichttrieb  sind  im  Menschen  ursprünglich  angelegt,  entwickeln  sich  aber 
psychologisch.  Die  sittlichen  Gefühle  sind  Sympathie  mit  selbstlosen  und 
Antipathie  gegen  egoistische  Handlungen. 

Schriften:  Das  Wahrnehmungsproblem  vom  Standpunkt  des  Physikers,  des  Phy- 
siologen und  des  Philosophen,  1892.  —  Was  will  der  kritische  Kealismus,  1894.  — 
Die  Umwälzung  der  Wahrnehmungshypothesen  durch  die  mechanische  Methode,  1895. 
—  Grundzüge  der  Ethik,  1896.  —  Psychologie  des  Willens  als  Grundlage  der  Ethik, 
1900.  —  Das  sittliche  Leben,  1901.  —  Glück  und  Sittlichkeit,  1902.  —  Der  Materia- 
lismus als  Weltanschauung  und   Geschichtsprinzip,  1905,  u.  a. 

Schwegler,  Albert,  geb.  1819  in  Michelbach  bei  Schwäbisch-Hall,  1848 
Prot  in  Tübingen,  gest.  daselbst  1857.  —  Anhänger  Hegels. 

Schriften:  Geschichte  der  Philosophie,  1847,  15.  A.  1891  (auch  in  der  Univ.- 
BibL;  viel  gelesen).  —  Geschichte  der  Griechischen  Philosophie,  hrsg.  1859;  3.  A. 
1882,  u.  a. 


Scotus  —  Seillieke.  667 


Scotus,  Duns  s.  Duns. 

Seotns,  Johannes  Eriugena  s.  Johannes. 

Seotn*.  Michael  s.  Michael. 

Scriptlire,  E.  W.,  geb.  1864  in  Mason.  =  Experimenteller  Psycholog, 
Schüler  Wundts. 

Schriften:  Über  den  assoziat.  Verlauf  der  Vorstellungen,  1891  (Philos.  Stud.). 
—  The  Problem  of  Psychology,  1891.  —  Elements  of  experimental  Phonetics,  1902, 
u.  a. 

Seailles,  Gabriel,  geb.  1852  in  Paris,  Prof.  in  Paris.  =  Nach  S.  ist  das 
Genie  nichts  Abnormes.  Im  künstlerischen  Genie  drängen  die  Vorstellungs- 
bilder  zur  darstellenden  Bewegimg.  Das  Streben  nach  Realisation  des  Ideals 
ist  allem  Seienden  immanent. 

Schriften:  Essai  sur  le  genie  dans  l'art,  1897;  deutsch  1904.  —  La  philosophie 
de  Ch.  Eenouyier,  1905,  u.  a. 

Secretan,  Charles,  geb.  1815  in  Lausanne,  Prof.  daselbst,  gest.  1895. 

S.  lehrt,  von  Kant,  Schelling  u.  a.  beeinflußt,  eine  Philosophie  der  Freiheit. 
Das  Absolute  ist  Geist,  -welcher  die  Welt  durch  freie  Tätigkeit  erzeugt  hat. 
Gott  ist  causa  siü,  Ursache  seiner  selbst,  Substanz,  Wille,  Vernunft  und  Liebe. 
Gott  ist  alles,  setzt  die  Welt  voraus,  die  er  schafft.  Die  Wesen  waren  ur- 
sprünglich reine  Geister,  erst  durch  ihren  Abfall  ist  die  Natur  entstanden. 
Der  Mensch  kann  aber  durch  seineWillensfreiheit  zu  Gott  zurückkehren. 
Die  Menschheit  ist  eine  Einheit,  ihre  Solidarität  untereinander  und  mit  Gott 
ist  das  Höchste. 

Schriften:  De  la  philosophie  de  Leibniz,  1840.  —  La  philosophie  de  la  liberte, 
1849;  8.  ed.  1879.  —  Eecherches  de  la  methode,  1857.  —  La  raison  et  le  christia- 
nisme,  1863.  —  Discours  laiques,  1877.  —  Principes  de  la  morale,  1883.  —  La  civi- 
lisation  et  la  croyance,  1887.  —  Etudes  sociales,  1889;  deutsch  1896.  —  "Essais  de 
philos.  et  de  litterature,  1896  u.  a.  —  Vgl.  H.  SECRETAX,  La  societe  et  la  morale, 
1897.  —  PlLLOX,  La  philos.  de  S.,  1898.  —  DUPROIX,  Ch.  S.  u.  seine  Beziehungen 
zur  Kantischen  Philosophie,  Kantstudien  VI,  1902. 

Seciuidas.  Rhetor  in  Athen,  unter  Hadrian.  =  Die  rrotuat  (Aus- 
sprüche), die  ihm  zugeschrieben  wurden,  sind  wohl  nicht  von  ihm.  auch  ent- 
halten sie  nichts  Neupythagoreisches. 

Schriften:  Secundi  sententiae,  ed.  Orelli,  in:  Opuscula  graecorum,  1819  —  21,  1. 

Sederbolm,  Karl,  1789—1867,  protestantischer  Pfarrer  in  Finland, 
dann  in  Moskau.  =  Gegner  Hegels,  theistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Der  geistige  Kosmos,  1859.  —  Ewige  Tatsachen,  Grundzüge  einer 
Einigung  des  Christentums  und  der  Philosophie,  1859.  —  Der  Urstoff  und  der  Welt- 
äther, 1864.  —  Zur  Religionsphilosophie,  1865 

Seiliiere 9  Baron  Ernest,  geb.  18(36.  =  S.  lehrt,  von  Nietzsche  beein- 
flußt, einen  rationellen  „Imperialismus",  nach  welchem  die  Macht  als  Mittel 
zum  Glück  ist.     Imperialismus  ist  das  ursprüngliche  Streben  der  menschlichen 


Seilliere  —  Seneca. 


Natur,   sich  eine   Zukunft  der  Buhe  und   des  Wohlbefindens  durch  rationelle 
Ausübung  und  Mehrung  ihrer  Macht  vorzubereiten. 

Schriften:  Le  mal  romantique,  1908  (Im  Koman  tischen  liegt  etwas  Krankhaftes). 
—  Philosophie  des  Imperialismus,  1905  ff.  —  Vgl.  E.  KKETZER,  Imperialismus  und 
Romantik,  1909. 

Seile,   Christian   Gottlieb,   geb.  1748  in  Stettin,   Direktor  der  Charite  in 

Berlin,  gest.  daselbst  1800.  =  Gegner  Kants,  Empirist. 

Schriften:  Urbegriffe  von  der  Beschaffenheit,  dem  Ursprünge  und  Endzwecke 
der  Natur,  1776.  —  Philos.  Gespräche,  1780.  —  Grundsätze  der  reinen  Philosophie, 
1788,  u.  a. 

Semon,  Eichard,  geb.  1859  in  Berlin,  Prof.  der  Anatomie  in  Jena,  seit 
1897  Privatgelehrter  in  München. 

Wie  schon  Hering,  Mach,  Haeckel,  Preyer  u.  a.  erblickt  S.  im  (unbewußten) 
Gedächtnis,  in  der  „Mneme"  eine  allgemeine  Eigenschaft  des  Organischen, 
durch  welche  er  die  Vererbung  (auch  erworbener  Eigenschaften)  u.  a.  erklärt. 
Viele  Lebenserscheinungen  beruhen  auf  dem  Nachwirken  früherer  Prozesse, 
deren  Spuren  („Engramme")  lebendig  („ekphoriert")  werden.  Die  Mneme  hat 
eine  physische  und  psychische  Seite.  Der  erste  mnemische  Hauptsatz  ist  der 
..Satz  der  Engraphie" :  „Alle  gleichzeitigen  Erregungen  innerhalb  eines  Orga- 
nismus bilden  einen  zusammenhängenden  simultanen  Erregungskomplex,  der 
als  solcher  engraphisch  wirkt,  das  heißt  einen  zusammenhängenden  und  in- 
sofern ein  Ganzes  bildenden  Engrammkomplex  zurückläßt/'  Der  zweite 
mnemische  Hauptsatz  ist  der  „Satz  der  Ekphorie":  „Ekphorisch  auf  einen 
simultanen  En grammkomplex  wirkt  die  partielle  Wiederkehr  derjenigen  ener- 
getischen Situation,  die  vormals  engraphisch  gewirkt  hat."  Die  Assoziation  ist 
der  Zusammenhang  der  einzelnen  Komponenten  eines  Engrammkomplexes  und 
ist  ein  Ergebnis  der  Engraphie;  es  gibt  eigentlich  nur  Simultan-Assoziationen. 
Die  physische  Erregung  und  ihre  Empfindung  sind  derselbe  Vorgang  von 
zwei  Seiten  betrachtet.  Bei  unmittelbarer  Betrachtung  (Introspektion)  achtet 
man  auf  den  direkt  gegebenen  Empfindungsinhalt  selbst,  bei  der  energetischen 
auf  ein  Produkt  der  Abstraktion  und  Kombination  sehr  vieler  mittelbar  ver- 
knüpfter Empfindungen. 

Schriften:  Die  Mneme  als  erhaltendes  Prinzip  im  Wechsel  des  organischen  Ge- 
schehens, 2.  A.  1908.  —  Die  mnemischen  Empfindungen,   1909,  u.  a. 

Seneca,  Lucius  Annäus,  geb.  um  3  n.  Chr.  in  Corduba  als  Sohn  des 
Rhetors  L.  Annäus  Seneca,  Erzieher  Neros,  später  bei  ihm  verdächtigt  und  ge- 
zwungen, sich  selbst  den  Tod  zu  geben  (65  n.  Chr.). 

8  ist  einer  der  bedeutendsten  römischen  Stoiker,  der  aber  in  manchem 
von  Plato,  den  Kynikern  und  Epikur  beeinflußt  ist.  Im  Gegensatze  zum 
älteren  Stoizismus  macht  er  Konzessionen  an  die  menschlichen  Schwächen  und 
meint,  die  Menschen  seien  schlecht  und  schwach  und  würden  es  immer  bleiben. 
s  le  Weltanschauung  ist  ganz  die  Stoische.  Gott  ist  die  alles  durch- 
dringende  Weltkraft,  die  erste  Ursache,  von  der  alle  anderen  abhängen  („prima 
ommium  causa,    ea    a  qua  ceterae  pendent").    Gott   ist  das  All,  ist  alles,  das 


- 


der  Dil  -  Wille  ist  das  \V< 

V  rnunft,    Schicksal    und   \  I  :  : 

(Ideen)   in   Bich,  welch  sind.    Die  man*  Uli-  ihe  Venia 

••in  Au-tlni;  des  göttlichen  „Pneoma",  im  I 

•  nach  dem  Tode  in  die  Buhe  ttlichen  - 

/„intus  er  i>t  uns  nahe,  wir  Leben  in  Gemeine  D 

Bomni 

Di(    Phil  —  phie  ist   S         n  nach  Weiahei  entiae  amoi 

gend    unabtrennbar;   sie   lehrt    das    Handeln 
ii* »ii  <li  •    K*         der  rechten  Lebensführung;  die  Ethik 

1 1  ■     I     gend    ist    <la-  eü  !.     1  »:i-  d(  -  M 

hte    Vernunft'  durch  die  i  '    itunmm  hl 

Datargem&fl  lebt    Einheit,  Harmonie,   K     seqneru  d  oütens  ii 

kommei  inalHas  et   tenor  ■  il 

ans  -ihr».    Wir  aoUeo  t)i-  Eoletzt  aut  onaerem  Poeten  ans  für 

für    <l:i-    allgemeine    Wohl    bemühen    un<l    auch    <!•  < l.-n    helfen.      D 

Menschen    Bind   sociale   Wesen,  sin«!    Verwandte,  sind  Glieder  • 

sen;   sie  Bollen   menschlich    -in.   aucl  -  Der  V 

ist    innerlich  frei,  >tark  and  grofi,   besonders  wenn  er  mit  dem  Unglück  rü 
1     ttheit  ähnlich.     Nicht  leben,  Bondern  gut  leben  ist  ein  Gut     Der  NV< 
lebt   nur  Bolanf  11.   nicht   solange  er  kann:  der  T<"1  macht   ik 

aller  Knechtschaft 

den    di     -         fälschlich    zu    einem    <  h: 
telalter  and  auch  noch  Bpater  \i«l   gelesen  und  hai 
ausgeübt. 

lonutii    naturalium    liKri    VII,    ed.     1  819.     —     I>ia:<v 

libr  :ontia;     <Io   oOBStaatia   aapiSBtil 

lati-  l    beata).    —    De    tnr 

entia;    de    beneti  i  Bpiat  ralaa    a«l 

r — 181 1,  184t— 4 
—   \  —  Saataataaa,  deatah 

h9.     — 
W.    RlBB»  k     9     :   :     I  >aa*ea-8tadien.  Ja 

S.  all  I  .  \     H  \ 

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lich-spekulal    •      i :  ' 

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670  Sennert  —  Sextier. 


„corpora  individuata")  und  zwar  gibt  es  vier  Arten  Elementaratome:  Feuer-, 
Wasser-,  Luft-  und  Erdatome.  Alle  Veränderung  bestellt  in  der  Bewegung 
der  Atome.  Gott  hat  die  Atome  so  gestaltet,  daß  sie  zusammenpassen.  In 
manchem  ist  S.  von  Paracelsus  beeinflußt. 

Schriften:  Hypomnemata  physica,  1636.  —  Epitome  scientiae  naturalis,  1618. 
—  Opera  1633,  1645,  1650  u.  ö.  —  Vgl.  LASSWITZ,  Geschichte  der  Atomistik  I  und 
Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  1879. 

Sergi9  Giuseppe,  geb.  1841  in  Messina,  Prof.  in  Kom.  =  Positivistischer 
Denker,  hauptsächlich  Psycholog  (physiologische  Eichtung).  Das  Psychische 
ist  ein  Epiphänomen  der  Nervenprozesse.  Psychisch  wird  ein  physiologischer 
Vorgang,  wenn  er  bewußt  wird.  Ursache  der  Affekte  sind  physiologische  Er- 
scheinungen (vgl.  James).  Lust  und  Unlust  sind  „Phänomene  der  Ernährungs- 
organe, deren  Funktionsstörungen  psychischen  Charakter  erhalten"  (Zeitschr. 
f.  Psychol.  d.  Sinnesorgane,  Bd.  14,  1897). 

Schriften:  Usiologia,  1868.  —  Vico,  1872.  —  Elementi  di  psicologia,  1879.  — 
La  psychologie  physiologique,  1888.  —  Psicologia  per  le  scuole,  1891.  —  Dolore  e 
piacere,  1894.  —  La  psiche  nei  fenomeni  della  vita,  1901.  —  L'evoluzione  umana  indi- 
viduale  e  soziale,  1903.  —  L'origine  dei  fenomeni  psichici,  1904,  u.  a. 

Setli,  Andrew,  geb.  1856  in  Edinburg,  Prof.  daselbst.  =  S.  polemisiert 
gegen  Greens  Hypostasierung  des  Bewußtseins  überhaupt  und  gegen  die  An- 
nahme eines  Denkens  an  sich.  Psychologie,  Epistemologie  (Erkenntnistheorie) 
und  Ontologie  sind  scharf  zu  unterscheiden. 

Schriften:  Hegeiianisra  and  Personality,  1887,  1893.  —  Man's  Place  in  the  Cos- 
mos,  1897.  —  Two  Lectures  on  Theism,  1897.  —  Abhandlungen  in  der  „Philos.  Eeview" 
(I,  1892;  II,  1893).  —  The  Philosophical  Eadicals,  and  other  Essays,  1907. 

Setli,  James,  geb.  1860  in  Edinburg,  Prof.  daselbst.  =  S.  nimmt  Kants 
Lehre  von  der  praktischen  Vernunft  an,  deren  Postulat  die  Willensfreiheit  ist. 
Sittliche  Aufgabe  ist  die  Realisation  des  Selbst,  der  Persönlichkeit  („self-reali- 
sation"). 

Schriften:  Freedom  as  Ethical  Postulate,  1891.  — A.  Study  of  Ethical  Principles, 
1894;  10.  ed.  1908. 

Severus,  eklektischer  Platoniker  des  2.  Jahrhunderts,  von  der  Stoa 
beeinflußt.  Die  Welt  ist  ewig,  die  Seele  ist  einfach  und  unkörperlich  wie  eine 
mathematische  Figur.  Ein  Fragment  der  Schrift  des  S.  (über  die  Seele)  ist 
bei  Eusebius  erhalten. 

Sextier:  Anhänger  einer  von  Q.  Sextius  (geb.  um  70  v.  Chr.)  begrün- 
deten eklektischen  Richtung  (Pythagoreische  und  Stoische  Elemente).  Zu  ihnen  ge- 
hören der  Sohn  des  Sextius,  ferner  Sotion  (Lehrer  Senecas)  von  Alexandrien, 
Cornelius  Celsus,  L.  Crassitius,  Papirius  Fabianus.  —  Die  Sextier 
leca  und  Stobaeus)  verlangen  Enthaltung  vom  Fleischgenuß  und  Selbst- 
prüfung,  sittliche  Kraft,  innere  Freiheit  u.  dgl.  Die  Seele  fassen  sie  als  un- 
körperlich  auf,  auch  sprechen  sie  von  der  Seelen  Wanderung. 

Vgl.  ZELLER,  Philos.  d.  Griechen  III,  1. 


ÖEXTU8  Empibicus  —  Seydj  G71 

Sextus   Enipiricu$,    ein    griechischer   („empirischer"    oder   „metho- 
discher'') Arzt,  lebte  um  200  n.  Chr.  in  Alexandrien  und  Athen. 

ein  Vertreter  der  Skeptizismus,  ist  durch  Beine  zwei  Schritten  die 
Hauptquelle  für  die  Kenntnis  der  antiken  Skepsis  (vgl.  Ainesidemos).  S.  nnti 
scheidet:  „Dogmatikeru,  welche  behaupten,  die  Wahrheit  zu  kennen:  ..Aka- 
demiker", welche  die  absolute  Unerkennbarkeit  der  Wahrheit  annehmen;  end- 
lich die  ..Skeptiker",  welche  betreffs  des  Wesens  der  Dinge  nicht-  entscheiden. 
Ein  Beweis  irgendeiner  Wahrheit  ist  nicht  möglich,  weil  jeder  Syllogismus 
ein  Zirkelschluß  ist,  indem  der  Obersatz,  auf  den  die  Folgerung  sich  >tützt.  zu 
-einer  Gültigkeit  schon  die  Wahrheit  der  Folgerung  voraussetzt;  ferner  gebe 
es  zu  jedem  Beweis  einen  Gegenbeweis  {looadevsia  xeov  /.öycoi>),  auch  führe  jeder 
Beweis  ins  Unendliche  (d  sie  äxeigov  ey.ßa/.lwv).  Gegen  die  Kausalität 
wird  betont,  die  Ursache  sei  ein  Kelationsbegrif f ;  da  aber  die  Relation  nur  im 
Denken  besteht,  so  hat  die  Ursache  keine  Existenz  (oi>z  v.-zdg/et).  Ferner  kann 
die  Ursache  weder  gleichzeitig  mit  der  Wirkung  sein,  da  sonst  kein  Erzeugung*- 
Verhältnis  bestände,  noch  kann  sie  ihr  vorangehen,  weil  ohne  die  Wirkung 
nichts  Ursache  sein  kann.  Jede  Kausalerklärnng  führt  zu  einer  Diallele. 
Gleichartiges  kann  weder  auf  Ungleichartiges  noch  auf  Ungleichartiges  wirken. 
u.  a.  Auch  die  Beweise  für  das  Dasein  Gottes  und  der  Vorsehung  sind  nicht 
stichhaltig;  besonders  die  Übel  in  der  Welt  widersprechen  der  Annahme  •  :■ 
Got I 

Schriften:     I7voocuyeioL    wtOTVJKOOSts    (Pyrrhoniaruni     institutionum    Jibri   tres), 
1718,    1842.    —    Pyrrhon.     Grundzüge,    1877—81     (Mit    Erläuterungen),    auch    in    der 
„Philos.  Bibl.".   —  Adversus  raathematicos  libri  XI  {Tlgo;  fHu'Jr/unuy.oi^),  1718,   1.^ 
—  Opera,    1718,    1842.    —     Vgl.    C.    HARTEN- HIN,    Zeits.hr.    f.     Philo?,    u.    philos. 
Kritik,  Bd.  93. 

Seydel,  Rudolf,   geb.  1S35  in  Dresden,    Lfi  in   Leipzig  da- 

selbst 1892. 

3    ist  ein  von  Schelling  und  besonders  von  C.  B.  Weisse  beeinflußt     \ 
treter  des   spekulativen  Theismus.    Durch  Intuition  erfassen  wir  Gott  als 
logische,  metaphysische  und   relif  eolute,  als  den  absoluten  Geist     i 

Religionsphilosophie  will  die  religiösen  Beelenznstände  unter  die  Be- 
leuchtnng  des  rationalen  Denkens  stell« -n  und  hat  /um  Gegenstände  die  ideale, 
vollendete  Religion,  ist  Wissenschaft  rom  Beligionsidea]  als  solchen.  I:  I  gion 
ist  ..Leben  in  Gott  und  ans  <i-.it  und  uui  Gottes  willen",  ani  Grund  eines  ein- 
heitlichen Willenstriebes,  sie  ist   das  Bachen  und   Gewinnen  der  Gottselig* 

ntrale  und  sieh  immer  wieder  zentralisierende  rolle*  tottesgemeu 
Ordnung  unter  das  Göttliche,     Verwirklicht  wird  das  i  Leben  in  den 

Formen   des  Wollens  und  Pühlens,  Erkennens  and   Bandeina.        In  erkennt- 
oistheoretischei  Beaehun|         B    britischi  it     Dai  W  isen    ist    ein  ..ln- 

mir-sein   d<  indes''.     D      Subjekt    ab  Wiseendei   ist  an  sich  Gott  im 

leh.     die    ..AllllM'.elirhkeit      |  I  I1  ..Wirken"     -eht     im     IlMieni    de]' 

Dil  »r  sich. 

t    der    Metaphysik    innerhalb  I  nie   d.    jonis, 

flylozoismus,   1860.  —   Schopent  -tem.    1857.  —    I  «nschaft    Ton 


0.2  Seydel  —  Shaftesbury. 

Wissen,  1866.  —  Die  Religion,  1872.  —  Ethik,  1874.  —  Religion  und  Wissenschaft, 
1887.  —  Der  Schlüssel  zum  objektiven  Erkennen,  1889.  —  Religionsphilosophie  im 
Umriß,  hrsg.  1893.  —  Der  sogen,  naive  Realismus,  Vierteljahrsschr.  für  wissensch. 
Philos.,  15  Bd.,  1891,  u.  a. 

Shaftesbury,  Anton  Ashley  Cooper,  Graf  von,  geb.  1671  in  London 
als  Enkel  des  Staatsmannes  S.,  nach  Lockes  pädagogischen  Grundsätzen  er- 
zogen, besuchte  1683—87  die  Schule  zu  Winchester,  ging  dann  auf  Reisen, 
war  1695—98  Mitglied  des  Unterhauses,  lebte  dann  in  Holland,  wo  er  mit 
Bayle  verkehrte.  1699  wurde  er  Graf  und  Mitglied  des  Oberhauses.  Er  starb 
1713  in  Neapel. 

S.,  dessen  Schriften  auch  literarisch  hervorragend  sind,  ist  der  bedeutendste 
der  englischen  Moralisten.  Von  Plato,  Aristoteles,  den  Stoikern  u.  a.  beein- 
flußt, begründet  er  eine  Ethik  auf  psychologischer  Grundlage  und  mit  Be- 
tonung der  Unabhängigkeit  der  Sittlichkeit  oder  Tugend  von  der  Beligion, 
Politik  usw.  Die  Tugend,  die  Liebe  zum  Guten  ist  etwas  durchaus  Selbständiges,  sie 
hat  eine  eigene  Quelle  und  ein  eigenes  Objekt.  Außer  den  „unnatürlichen"  Affekten 
(„affections")  oder  Neigungen,  wie  Bosheit,  Übermaß  an  egoistischen  Trieben, 
gibt  es  „natürliche"  Neigungen  sinnlicher  und  rationaler  Art.  Die  „sinnlichen" 
Neigungen  zerfallen  in  selbstische  („self-affections"),  idiopathische  Triebe, 
welche  auf  das  eigene  Ich  und  dessen  Leben  gerichtet  sind,  und  gesellige 
(„social-affections"),  sympathische  Neigungen,  deren  Gegenstand  das  Leben  der 
Gattung,  das  fremde  allgemeine  Wohl  ist.  Nun  gibt  es  aber  noch  rationale 
(Reflexions-)  Affekte,  Neigungen  auf  Grund  der  Vernunft.  Diese  Neigungen 
sind  Sympathien  (bzw.  Antipathien)  für  menschliche  Handlungen  und  die  Ge- 
sinnungen, aus  denen  sie  entspringen,  für  das  sittlich  Schöne  (bzw.  Häß- 
liche). Eine  natürliche  Neigung  für  sittlich-schönes,  richtiges  Wollen  und 
Handeln,  eine  angeborene  Abneigung  gegen  häßliches  Verhalten,  kurz  ein 
(durch  Übung  auszubildender)  moralischer  Sinn  („moral  sense")  besteht  („a 
real  antipathy  or  aversion  to  injustice,  a  natural  prevention  or  prepossession  of 
the  mind  in  favour  of  the  moral  distinction").  Das  Sittlich-Schöne.  Gute,  die  Tugend 
liegt  im  rechten  Verhältnis,  in  der  Harmonie  zwischen  selbstischen  und 
sozialen  Neigungen.  Das  Wohl  des  Systems,  dem  man  angehört,  zu  wollen 
und  zugleich  das  eigene  nicht  zu  vernachlässigen,  macht  uns  gut  und  glücklich. 
Das  Schöne  erzieht  zum  Guten  (vgl.  Schiller);  es  beruht  auf  der  Harmonie 
und  Anordnung,  die  wir  gewahren  und  die  uns  unmittelbar  gefällt. 

Die  Idee  der  Harmonie  überträgt  S.  auch  auf  das  Weltganze,  welches 
nach  ihm  zweckmäßig,  schön  und  gut  ist;  die  Übel  sind  nur  Dissonanzen, 
welche   zur  Schönheit  des  Ganzen  beitragen  (Optimismus;   vgl.   Leibniz,  der 

Theodizee  rühmt).  Gott  ist  der  in  allen  Dingen  wirkende  Weltgeist 
'Wendung  zum  Pantheismus). 

Schüler  S.s  sind  Butler,  Hutcheson  u.  a.,  von  ihm  beeinflußt  Leibniz, 
B  er  der,  Kant,  Schiller  u.  a. 

Schriften:  Characteristics  of  Men,  Manners,  Opinion,  Times,  1713,  1714  u.  ö\, 
18G9,  1900  (darunter:  A  Letter  concerniDg  Enthusiasm  ;  An  Inquiry  concerning  Virtue  and 
Merit;    The    Moralists,  u.  a.).    —  Thilos.    Werke,    deutsch    1776  f.,   z.   T.   auch    in   der 


Shaftesbury  —  Sidgwick.  673 


„Philos.  Bibl."  —  Several  letters,  1716.  —  Ein  Brief  über  den  Enthusiasmus,  1909. 
—  Die  Moralisten,  deutsch  von  K.  Wolff,  1910.  —  Vgl.  G.  v.  GlZYCKI,  Die  Philo- 
sophie S.s,  1876.  —  Th.  FOWLER,  S.  and  Hutcheson,  1882.  —  SPICKER,  Die 
Philos.  S.s,  1872.  —  SXERXBECK,   S.  über  Natur,  Gott  u.  Religion,   1904. 

Shnte.  Richard,  1849—1886,  Prof.  in  Bombay.  =  Relativistischer  Stand- 
punkt. Es  gibt  keine  denknotwendigen  Sätze,  keine  unveränderliche  Wahrheit, 
Wahrheit  ist  nur  Übereinstimmung  des  Denkens  mit  der  (bisherigen)  Erfahrung, 
das  Denken  nur  ein  Mittel  zur  biologischen  Anpassung.  Die  Kausalität  isl 
nur  von  subjektiver  Gültigkeit. 

Schriften:  A  Discourse  on  Truth,  1877;  deutsch  1883.  —  Vgl.  ÜPHUES,  R.  S.s 
Disc.  on  Truth,  1883. 

Sibbern,  Frederik  Christian,  1785—1872,  war  1S17— 66  Prof.  in  Kopen- 
hagen. =  Besonders  von  Schelling  beeinflußt,  Vertreter  einer  Identitäts- 
theorie bezüglich  des  Verhältnisses  des  Psychischen  zum  Physischen. 

Schriften:  (dänisch):  Psychologie  (1819  ff;  4.  A.  1862),  Logik  (1822;  3.  A. 
1866)  u.  a.  —  Deutsch:  Über  den  Begriff,  die  Natur  und  das  "Wesen  der  Philosophie, 
1843.  —  Spekulative  Kosmologie,   1846. 

Sieiliani.  Pietro,  1835—1886,  Prof.  in  Bologna.  =  Positivistische 
Richtung. 

Schriften:  Della  statistica,  1861.  —  Della  legge  storica,  1862.  —  II  rinnovaraento 
della  filosofia  positiva  italiana,  1871.  —  Prolegomena  alla  moderna  psicogenia,  1878.  — 
Socialisrao,    darwinismo    e  sociologia  moderna,    1879.    —  La  nuova  biologia,  1885,  u.  a. 

Sidgwick,  Alfred,  geb.  1850  in  Skipton,  lebt  in  Vellansagia  (Cormvall). 

=  Pragmatistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Fallacies,  1883.  —  Distinction  and  the  Criticism  of  Belief,  1892.  — 
The  Process  of  Argument,  1893.  —  The  Use  of  Words  in  Reasoning,  1901.  —  The 
Application  of  Logic,   1911.  —  Mind  XIV,  N.  S.,  u.   a. 

Sidgwick,  Henry,  geb.  1838  in  Skipton,  1859  Dozent,  1883—90  Pro- 
fessor in  Cambridge,  gest.  1900. 

S.s  Bedeutung  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Ethik.  In  kritischer  Weise 
sucht  erhier(von  J.  St.  Mill,  Butler,  Kant  u.  a.  ausgehend)  Intuitionismus  und 
Utilitarismus  zu  vereinigen.  Die  Aufgabe  der  Ethik  ist  die  Bestimmung 
dessen,  was  menschliche  Individuen  tun  sollen,  wobei  unsere  Ansicht  von  dein, 
was  sein  soll,  im  Einzelnen  von  unserer  Idee  von  dem,  was  ist,  abzuleiten  ist. 
Es  muß  ferner  das  Endziel  des  Handelns  gekannt  sein,  um  zu  bestimmen, 
welche  Handlungen  die  richtigen  Mittel  zu  dessen  Erreichung  sind.  Von 
Wichtigkeit  ist  besonders  die  Beziehung  zwischen  Interesse  und  Pflicht:  wie 
kann  man  auf  ,. hedonistischer"  Grundlage  pflichtmäßig,  aufopferungsvoll,  ge- 
meinnützig wollen  und  handeln?  Die  Notwendigkeit  einer  „fundamentalen 
ethischen  Intuition"  ergibt  sich  hier,  und  hier  ist  auch  der  Kantsche  [mperati? 
von  Wert,  in  der  Form,  „daß,  was  für  mich  recht  ist,  für  alle  Personen  in 
änhlichen  Verhältnissen  recht  sein  müsse".  Mit  Butler  anerkennt  S.  ferner  die 
Existenz  „uninteressierter"  Motive,  die  nicht  auf  die  eigene  Lust  des  Handeln- 
den   gerichtet    sind.    B.    nennt   sich   einen  „Utilitarier,    tbef    auf  intuitionaler 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  13 


074  Sidgwick  —  Siebeck. 


Basis".  Das  vernünftige  Verhalten  ist  das,  von  dem  wir  meinen,  daß  es  be- 
obachtet werden  soll.  Das,  was  getan  werden  soll,  ist  das  Gute,  Richtige,  das 
., Begehrenswerte",  welches  allgemeingültig  ist,  von  jedem  normal  Urteilenden 
anerkannt  wird.  Das  Begehrenswerte,  das  höchste  Gut  ist  nun  ein  bestimmter 
Bewußtseinszustand  mit  Einschluß  des  Bewußtseins  von  der  Tugend;  dieser 
Bewußtseinszustand  ist  Lust  oder  Glückseligkeit,  die  also  (nicht  das  allgemeine 
Motiv,  aber)  das  Endziel  des  richtigen  Handelns  ist,  aber  nicht  als  egoistische 
Lust,  sondern  als  allgemeiner  Zustand,,  als  möglichstes  Glück  aller  möglichen 
Menschen.  Es  gelten  hier  zwei  Sätze:  1.  Das  kleinere  gegenwärtige  Wohl  ist 
nicht  mehr  anzustreben  als  das  künftige  größere ;  2.  Das  Wohl  des  einen  In- 
dividuums ist  nicht  mehr  anzustreben  als  das  andere,  alle  sind  prinzipiell  als 
gleichberechtigt  anzusehen,  d.  h.  gleich  zu  behandeln  (Utilitarismus  =  univer- 
salistischer Hedonismus).  Das  Prinzip  des  universellen  Wohlwollens  legt 
jedem  das  Glück  aller  anderen  ebenso  nahe  wie  sein  eigenes.  —  Kants  Lehre 
von  der  Willensfreiheit  bestreitet  S.,  auch  betont  er  Kant,  Descartes  u.  a. 
gegenüber  die  Relativität  unserer  Erkenntnis  und  unserer  Wahrheits- 
kriterien. 

Schriften:  Mothods  of  Ethics,  1875;  6.  ed.  1901;  deutsch  1909  (Hauptwerk). 
—  History  of  Ethics,  1879;  4.  ed.  1896.  —  Principlea  of  Political  Econoray,  1883; 
3.  ed.  1902.  —  The  Scope  and  Method  of  Economic  Science,  1885.  —  The  Elements 
of  Politic,  1881.  —  Practical  Ethics,  1898.  —  Philosophy,  its  ecope  and  relations,  ed. 
hy  J.  Ward,  1902.  —  Lectures  on  the  Ethics  of  Green,  Spencer  and  Martineau,  ed.  by 
Jones,  1902.  —  Miscellaneous  Essays  and  Adresses,  1904.  —  The  Philosophy  of  Kant 
and  other  Lectures  and  Essays,  1905,  u.  a.  —  Abhandlungen  im  ,Mind<:  II.,  IV,  V,  YII, 
VIII,  IX;  New  Series:  III,  IX,  X.  —  Vgl.  BRADLEY,  Mr.  S.s  Hedonism,  1877.  — 
R.  MAGILL,  Der  rationale  Utilitarismus  S.s,  1899.  —  WlNTER,  S.s  Moralphilo- 
sophie, 1904. 

Sieb  eck,  Hermann,  geb.  1842  in  Eisleben,  1875  Prof.  in  Basel,  1883  in 
Gießen. 

S.,  der  von  Herbart  ausging,  ist  besonders  von  Kant,  Fichte,  Lotze  beein- 
flußt und  zeigt  in  mancher  Hinsicht  Verwandtschaft  mit  Eucken.  Die  Reli- 
gionsphilosophie ist  seine  Hauptleistung ;  sie  untersucht  das  Wesen  und 
die  Entwicklung  des  religiösen  Bewußtseins  und  den  Wahrheitsgehalt  der 
Religion.  Die  (reine)  Religion  definiert  S.  als  die  „Verstandes-  und  gefühlsmäßige, 
praktisch  wirksame  Überzeugung  von  dem  Dasein  Gottes  und  des  Überweltlichen 
und  in  Verbindung  hiermit  von  der  Möglichkeit  einer  Erlösung".  Diese  „Er- 
lösungsreligion" ist  die  oberste  Stufe  der  religiösen  Entwicklung,  die  mit  den 
Xaturreligionen  anfängt  und  zu  den  Gesetzes-  oder  Moralitätsreligionen  auf- 
steigt. Erst  in  der  Erlösungsreligion  erkennt  der  Mensch,  daß  die  Erhebung  über 
das  Xaturhafte,  in  letzter  Instanz  die  „geistige  Wesensbildung"  und  das  mit 
ihr  gesetzte  Verhältnis  zum  Göttlichen,  ein  mit  Freiheit  anzustrebendes  Ziel 
ist.  Die  Religion  hat  das  Überweltliche  zum  Gegenstand,  das  schon  im  Welt- 
lichen, Zeitlichen  sich  manifestiert  und  vom  Menschen  erlebt  und  erstrebt  wird- 
Der  Glaube  an  dieses  Überweltliche,  Göttliche  ist  eine  Tat  der  Freiheit, 
d.  h.  der  Fähigkeit,  auch  den  Naturhindernissen  gegenüber  eine  sittlich-geistige 


^IEBECK   —   SlEBERT.  675 


Aufgabe  anzuerkennen  und  sich  ihr  in  einem  Akte  der  Zustimmung  zu  unter- 
stellen. Das  Überweltliche,  Ewige  ist  nicht  sowohl  ein  Sein,  als  ein  Wert, 
der  Inbegriff  der  absoluten,  ewigen  Werte,  in  deren  Dienst  das  Werden,  das 
Weltgeschehen  steht.  Der  Inhalt  und  Zusammenhang  dieser  Werte  ist  das 
Gute  als  Ziel  des  Weltgeschehens;  die  raumzeitliche  Welt  ist  die  „Verwirk- 
lichung des  Guten,  d.  h.  des  Inbegriffes  oberster  Werte.  In  diesen  bekundet 
sich  das  in  der  Welt  und  ihrem  Zusammenhange  waltende,  persönlich-überper- 
sönliche göttliche  Wesen. 

Während  die  Naturentwicklung  eine  notwendige  ist,  herrscht  im  Geistigen 
eine  andere  Gesetzlichkeit,  welche  die  Fähigkeit  hat,  die  Widerstände  der 
Natur,  in  welchen  die  „Übeln"  liegen,  zu  überwinden.  Der  menschliche  Geist 
ist  des  Fortschritts  fähig  und  dazu  berufen,  aber  diese  Fähigkeit  bedeutet  eine 
Aufgabe,  die  der  Geist  je  nachdem  lösen  oder  verfehlen  kann  (Ethischer 
Idealismus).  Der  Fortschritt  ist  keine  naturgeschichtliche  Tatsache,  sondern 
eine  „ethische  Aufgabe'',  an  der  jeder  weiter  zu  arbeiten  hat.  Der  kategorische 
Imperativ  lautet  nach  S. :  „Handle  so,  daß  du  dir  bewußt  bleibst,  durch  das, 
was  du  tust,  zur  Verwirklichung  des  Guten  beitragen  zu  können  und  zu  sollen." 
Das  Sollen  herrscht  alle  geistige  Entwicklung,  deren  Ziel  die  „Hervor- 
bringung  eines  Werthaltigen"  parallel  mit  der  Wesensbildung  der  Persön- 
lichkeit ist.  Das  bewußte  Geistesleben  ist  fortdauernde  Überwindung  von 
Widerständen  (vgl.  Eucken).  In  der  historischen  Form  der  Entwicklung  ist 
em  Überzeitliches  beschlossen,  das  sich  in  ihr  verwirklicht,  und  zwar  znhöchst 
vermittelst  des  Willenslebens  von  Persönlichkeiten,  auf  welche  das  Sein  ange- 
legt ist  und  die  bewußt  an  der  Realisierung  des  göttlichen  Willens  mitarbeiten. 

Die  Ästhetik  S.s  vermittelt  zwischen  Form-  und  Gehaltsästhetik.  Die 
Form  beruht  auf  einer  bestimmten  Ordnung  der  Teile  oder  Merkmale  und  gibt 
sich  selbst  den  Inhalt.  Bei  der  ästhetischen  Anschauung  kommt  ein  Seelisches 
zu  sinnlichem  Ausdruck,  ein  Sinnliches  erweckt  die  Illusion  eines  individuell 
Charaktermäßigen  bzw.  den   Eindruck  einer  erscheinenden  Persönlichkeit. 

Schriften:  Das  Wesen  der  ästhetischen  Anschauung,  1875.  —  Das  Traumleben 
d.  Seele,  1877.  —  Über  das  Bewußtsein  als  Schranke  der  Naturerkenntnis,  1879.  — 
Über  Wesen  und  Ziel  des  wissenschaftlichen  Studiums,  1883.  —  Geschichte  der  Psycho- 
logie I,  1880  f.  —  Untersuchungen  zur  Philosophie  der  Griechen,  1873;  2.  A.  1888.  — 
Beiträge  zur  Entstehungsgeschichte  der  neueren  Psychologie,  1891.  —  Über  die  Lehre 
vom  genetischen  Fortschritt  der  Menschheit,  1892.  —  Lehrbuch  der  Religionsphilo- 
sophie, 1894.  —  *  Aristoteles,  1899;  2.  A.  1902.  —  Goethe  als  Denker,  1902.  —  Zur 
Religionsphilosophie,  1907.  —  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philo.«.  Krit.,  Bd.  94,  112;  Arch. 
f.  Gesch.  d.  Philos.  I  ff.  (Über  die  Psychologie  der  Scholastiker :  Duns  Scotus  u.  a.). 
—    Vgl.    GEISLER,    S.s.    Religionsphilos.,  1908. 

Siebert,  Otto,  geb.  18G9  in  Magdeburg,  Pastor  in  Fermersleben  bei 
Magdeburg.  =  Anhänger  Euckens. 

Schriften:  Die  Metaphysik  u.  Ethik  des  Pseudodionysius-Areopagita,  1894.  — 
Geschichte  der  neueren  deutschen  Philosophie  seit  Hegel,  1898;  2.  A.  1905.  —  Anthro- 
pologie u.  Religion,  1902.  —  Entwicklungsgeschichte  des  Menschengeschlechts,  1903.  — 
R.  Euckens  Welt-  u.  Lebensanschauung,  1904;  2.  A.  1910.  —  Der  Mensch  in  seiner 
Beziehung  auf  ein  göttliches  Prinzip,  1904.    —    Abriß    der    Geschichte    der    Philosophie. 

43* 


676  Siebert  —  Siger. 


1905;  2.  A.  1907.  —  Die  Religionsphilos.  in  Deutschland,  1906.  —  A  Schopenhauer, 
1906.  —  Das  Wiedererstarken  des  religiösen  Lebens,  1906.  —  R.  Eucken  u.  das 
Problem  der  Kultur,  1907,  u.  a. 

Siegel,  Carl,  geb.  1872  in  Wien,  Privatdozent  daselbst. 

Genetisch-kritizistischer  Standpunkt  auf  psychologischer  Grundlage  (Kriti- 
scher Empirismus),  verbunden  mit  kritischem  Eealismus.  Im  Erkennen  ist  die 
Analyse  der  primäre  Vorgang,  dem  erst  die  Synthese  folgt;  Trennen  und  Ver- 
binden sind  die  fundamentalen  Bewußtseinsakte.  Das  Denken  ist  eine  Willens- 
funktion, das  Urteil  ein  „theoretischer  Entschluß".  Das  allgemeine  A  priori  des 
Erkennens  ist  die  Apperzeptionseinheit  oder  die  Form  der  Kontinuität.  Dieses 
A  priori  liegt  in  den  Anschauungsformen  und  in  den  Kategorien,  die  sich  in 
Wechselwirkung  mit  der  Erfahrung  als  Denkmittel  zu  deren  Objektivierung 
entwickeln.  Der  Kausalbegriff  ist  ein  Komplement  des  Dingbegriffes,  ein  Aus- 
druck der  Eelativität  alles  Geschehens,  welches  ein  Grad  einer  ursprünglichen 
Gesamtheit  ist,  welche  Ursachen  und  Wirkung  verbindet.  Der  Kaum  ist  eine 
durch  die  Natur  des  menschlichen  Verstandes  mitbestimmte,  verstandesmäßige 
Form  der  empirisch  gegebenen  Anschauung.  Apriorisch  ist  nur  der  Anschauungs- 
raum, nicht  der  begriffliche  Raum;  ersterer  ist  weder  euklidisch  noch  nicht- 
euklidisch, letzterer  kann  als  Gedankliches  beides  sein.  —  Das  Organische  ist 
nicht  durch  eine  Lebenskraft  u.  dgl.,  aber  doch  vitalistisch  zu  erklären;  das 
organische  Geschehen  läßt  sich  nämlich  nicht  restlos  auf  mechanische  Gesetze 
zurückführen,  der  individual-historische  Faktor,  die  „Konstellation"  spielt  hier 
eine  Rolle. 

Schriften:  Die  Entwicklung  der  Raumvorstellung,  1899.  —  Zur  Psychol.  u. 
Theorie  der  Erkenntnis,  1903.  —  Herder  als  Philosoph,  1908.  —  Versuch  einer  empi- 
ristischen Darstellung  der  räumlichen  Grundbegriffe  u.  geometrischen  Grundbegriffe, 
Yierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  24.  Bd.  —  Naturgesetzlichkeit  u.  Vitalismus, 
Wissensch.  Beilage  der  Philos.  Gesellschaft  zu  Wien,  1910.  —  Zeitschr.  f.  Philos., 
1910.  —   Von  der  Natur   des  Denkens,    1911  (Progr.  d.  Wiener   Mädchen gymnas.),  u.  a. 

Siger  von  Brabant  (früher  fälschlich  mit  dem  Thomisten  Siger  von 
Courtrai  verwechselt),  lehrte  in  Paris,  wo  seine  Lehre  öfter  verdammt  wurde, 
gest.  um  1282  in  Orvieto  (wohl  von  seinem  Sekretär  ermordet).  =  S.  vertritt 
die  Grundsätze  des  Averroismus,  weswegen  er  1277  angeklagt  wurde.  Er 
lehrt,  auf  dem  Boden  der  zweifachen  (theologischen-philosophischen)  Wahrheit 
stehend,  die  Ewigkeit  der  bewegten  Materie  und  der  Intelligenzen,  ferner  die 
Determiniertheit  des  Willens  und  die  Identität  der  vernünftigen  Seele  in  allen 
Menschen  (Monopsychismus). 

Schriften:  De  anima  intellectiva  (Hauptwerk)  u.  a.,  hrsg.  von  Mandonnet,  1901. 
—  Vgl.  BaeumkeR,  Die  lmpossibilia  des  Siger  von  Brabant,  1898  (Beitr.  z.  Gesch. 
d.  Philos.  d.  Mittelalt.  II,  6);  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  XIDI,  1900.  —  P.  MANDONNET, 
Siger  de  B.  et  l'averroisme  latin  au  XIII  siecle,  1899;  2.  ed.  1910.  —  M.  DE  WüLF, 
Histoire  de  la  philos.  medievale.  —  BRUCKMÜLLER,  Untersuch,  über  S.s  Anima 
intellectiva,   1908.    —    BAEUMKER,  Zur  Beurteil.  S.s  von  Brabant,  1911. 

Siger  von  Courtrai,  geb.  vor  1288,  Dekan  in  Courtrai,  gest.  1341.  = 
Thomist.  —  Vgl.  NlGLIS,  S.  v.  C,  1903. 


SlGHELE   —    SlGWART.  677 


Sighele,  Scipio.  geb.  1868.  =  Sozialpsycholog,  Vertreter  der  Psychologie 
der  Massen. 

Schriften:  Psychologie  des  Auflaufes  und  der  Massenverbrechen,  1897  (La  foule 
criminelle,   2.  ed.   1901).  —  Psychologie  des  sectes,  1898. 

Sigwart,  Christoph  Wilhelm  von,  geb.  1789  in  Remmingsheim,  Prof.  in 
Tübingen,  gest.  1844  als  Prälat  in  Stuttgart.  =  Eklektiker. 

Schriften:  Üb.  d.  Zus.  d.  Spinozism.  mit  d.  Kartesian.  Philos.,  1816.  —  Vorles. 
üb.  d.  Logik,  1818;  3.  A.  1835.  —  Grdz.  d.  Anthropol.,  1827.  —  Das  Problem  von 
der  Freiheit  u.  Unfreiheit  des  menschlichen  "Willens,  1839.  —  Über  das  Problem 
des  Bösen  oder  die  Theodizee,  1840.  —  Der  Spinozismus,  1839.  —  Gesch.  d.  Philos., 
3  Bde.,  1854,  u.  a. 

Sigwart,  Christoph  von,  geb.  1830  in  Tübingen,  seit  1865  Prof.  in 
Tübingen,  gest.  1904. 

S.  ist  besonders  durch  seine  Logik  von  Bedeutung.  Die  Logik  fußt  auf 
der  Psychologie,  ist  selbst  aber  eine  normativ-teleologische  „Kunstlehre  des 
Denkens"  (eine  Art  „Ethik"  des  Denkens),  welche  die  „Kriterien  des  wahren 
Denkens"  feststellen  und  zu  allgemeingültigen  und  gewissen  Sätzen  führen 
soll.  Der  Hauptteil  der  Logik  ist  die  Methoden  lehre.  Diese  gibt  An- 
weisung zu  dem  Verfahren,  mittels  dessen  „von  einem  gegebenen  Zustande 
unseres  Vorstellens  und  Wissens  aus  durch  Anwendung  der  uns  von  Natur  zu 
Gebote  stehenden  Denktätigkeiten  der  Zweck,  den  das  menschliche  Denken 
sich  setzt,  in  vollkommener  Weise,  also  durch  vollkommen  bestimmte  Begriffe 
und  vollkommen  begründete  Urteile  erreicht  werden  könne".  Sie  hat  „die 
Tragweite,  die  Grenzen  der  Anwendung  und  die  Bedeutung"  der  Ergebnisse 
der  Forschungsmethoden  zu  bestimmen. 

Das  Denken  ist  jene  Geistestätigkeit,  deren  Zweck  Erkenntnis  des  Seien- 
den ist.  Das  Denken  entspringt  dem  „Denken-wollen"  und  will  notwendig 
und  allgemein  sein.  Die  Denkgesetze  sind  die  ersten  und  unmittelbaren 
Ergebnisse  einer  auf  die  Denktätigkeit  selbst  gerichteten,  sie  in  ihren  Grund- 
formen erfassenden  Reflexion.  Das  Identitätsprinzip  ist  die  Forderung  alles 
wahren  Urteilens,  da  die  Konstanz  unserer  einzelnen  Vorstellungsinhalte  eine 
Bedingung  alles  Denkens  ist.  Voraussetzung  der  Bildung  der  Begriffe  ist 
die  Analyse  der  Vorstellungen  in  einfache  Elemente  und  die  rekonstruierende 
Synthese  aus  diesen.  Die  obersten  Begriffe  (logischen  Kategorien)  sind:  Ding. 
Eigenschaft,  Tätigkeit  und  Beziehung.  Durch  das  Urteil  werden  zwei  Vor- 
stellungen „in  eins  gesetzt";  in  jedem  vollendeten  Urteil  liegt  das  Bewußtsein 
der  objektiven  Gültigkeit  dieser  Ineinssetzung,  beruhend  auf  der  Nol  wendigkeit 
derselben.  Die  einfachen  Urteile  zerfallen  in  erzählende  und  erklärende  Urteile, 
Die  Negation  richtet  sich  gegen  den  Versuch  einer  Synthese  im  Urteil,  sie  ist 
«in  Urteil  über  ein  Urteil,  das  nicht  vollzogen  werden  darf.  Im  hypothetischen 
Urteil  ist  das  Prädikat  die  notwendige  Folge.  Ein  Schließen  findet  du 
-tau.  wo  wir  zum  Glauben  an  die  Wahrheit  eines  Urteile  durch  den  (Hauben 
an  die  Wahrheit  eines  oder  mehrerer  anderer  Urteile  bestimmt  weiden.  Der 
Induktionsschluß  ist  eine  Umkehrung  des  Syllogismus;  ex  setzt  den  Trieb  nach 
Generalisation  jedes  Satzes  voraus.     Das   [nduktionsTerfahren  beruht  auf  den, 


678  SlGWART. 

Postulat,  „daß  das  Gegebene  notwendig  sei  und   als  nach  allgemeinen  Regeln 
aus  seinen  Gründen  hervorgehend  erkannt  werden  könne". 

Das  Denken  messen  wir  an  einem  Zwecke,  und  wir  sind  überzeugt,  daß  es 
dazu  da  ist,  die  Wahrheit  zu  finden.  Der  Denkende  muß  voraussetzen,  daß 
seine  eigene  geistige  Organisation  auf  Erkenntnis  der  Wahrheit  angelegt  ist 
und  daß  darum  auch  die  Natur  der  Dinge  darauf  angelegt  ist,  erkannt  zu 
werden.  Denken  und  Sein  müssen  einen  einheitlichen  Grund  haben.  Die 
Anschauungsformen  (Raum  und  Zeit)  sind  Produkte  der  notwendigen 
Verknüpfungstätigkeit  des  Bewußtseins  und  haben  eine  objektive  Grundlage. 
Die  Kategorien  enthalten  ebenfalls  einen  apriorischen  Faktor.  Der  Ding- 
Vorstellung  liegt  zuerst  die  einheitliche  Zusammenfassung  einer  im  Raum  ab- 
gegrenzten und  dauernden  Gestalt,  also  eine  räumliche  und  zeitliche  Synthese 
zugrunde.  Die  Annahme  einer  außer  uns  existierenden  Welt  ist  eine  durch 
„unbewußte  Denkprozesse"  erst  irgendwie  abgeleitete.  Die  Kontinuität  des 
Denkens  drängt  zur  Setzung  der  Substanz  als  strenger  fester  Einheit.  Die 
Kausalität  beruht  auf  der  Forderung,  „daß,  was  wir  als  seiend  denken,  aus 
einem  Realgrund  seines  Seins  und  So-Seins  als  notwendig  begriffen  werde". 
„Ursachen"  sind  die  Dinge  mit  ihren  Eigenschaften  oder  Kräften,  die  kraft- 
begabten Substanzen;  die  wechselnden  Verhältnisse  sind  nur  „Bedingungen". 
Das  metaphysische  Element,  das  „Wirken  eines  Dinges  auf  andere",  können 
wir  nicht  entbehren.  Ein  Musterfall  aller  Kausalität  sind  die  Wechselbeziehungen 
zwischen  uns  und  der  Außenwelt. 

Die  Ungleichartigkeit  des  Psychischen  und  Physischen  verhindert  eine 
Wechselwirkung  zwischen  beiden  ebensowenig  wie  das  Energiegesetz; 
der  psychophysische  Parallelismus  ist  „weder  durch  den  Begriff  der  Kausalität 
noch  das  Prinzip  der  Erhaltung  gefordert".  Die  Seele  ist  zwar  nicht  ab- 
solut einfach  und  unveränderlich,  aber  doch  Substanz  als  identisches, 
bleibendes,  tätiges  Subjekt  des  Bewußtseins,  „das  als  mit  sich  eins  bleibend 
den  gemeinsamen  Grund  der  in  der  Zeit  kontinuierlich  folgenden  Ver- 
änderungen bildet".  Es  gibt  nur  Einzelseelen,  die  von  der  Gemeinschaft,  in 
der  sie  leben,  abhängig  sind,  keinen  Gesamtgeist  u.  dgl.  Eine  teleologische 
Weltanschauung  ist  mit  der  kausalen  durchaus  vereinbar.  Während  man 
bei  der  kausalen  Betrachtung  von  der  Ursache  zur  Wirkung  (synthetisch) 
geht,  schreitet  man  bei  der  teleologischen  umgekehrt  (analytisch)  vor. 
Wenn  dieser  Erfolg  herauskommen  sollte ,  so  mußten  die  Ursachen  so 
und  so  beschaffen  sein.  „So  ist  die  teleologische  Betrachtung  eine  Aufforderung, 
die  kausalen  Beziehungen  nach  allen  Seiten  zu  verfolgen,  durch  welche  der 
Zweck  verwirklicht  wird.  Sie  hat  die  Bedeutung  eines  heuristischen 
Prinzips."  Hätten  wir  eine  durchgängige  Einsicht  in  den  Kausalzusammen- 
hang der  Welt,  so  würden  sich  die  kausale  und  teleologische  Betrachtungsweise 
vollkommen  decken  (vgl.  Kant,  Lotze,  Wundt  u.  a.).  S.  schließt  mit  dem 
Hinweise  auf  die  Möglichkeit  einer  (kritischen)  Metaphysik,  als  Wissenschaft, 
welche  „einerseits  die  letzten  Voraussetzungen,  von  denen  alles  plan- 
mäßige Denken  ausgeht,  anderseits  die  Resultate,  zu  denen  dieses  gelangt, 
in   einer  einheitlichen  Auffassung   von   dem   letzten   Grunde  des  Verhältnisses 


Sigwart  —  Simcox.  679 


der  subjektiven  Gesetze  und  Ideale  des  Denkens  und  Wollens  zu  dem  objektiven 
Inhalte  der  Erkenntnis  zusammenzubringen  hat''.  Ihr  höchstes  Problem  ist  die 
Bestimmung  des  „Verhältnisses,  in  welchem  die  Notwendigkeit  als  Leit- 
faden aller  Erkenntnis  des  Seienden  zu  der  Freiheit  steht,  welche  das  sub- 
jektive Postulat  des  bewußten  Wollens  ist". 

Aufgabe  der  Ethik  ist  es,  einen  allumfassenden,  in  sich  einstimmenden 
Zweck  so  zu  konstruieren,  daß  seine  Erreichung  von  den  gegebenen  Bedingungen 
aus  möglich  ist.  Der  Formalismus  in  der  Ethik  ist  undurchführbar.  Die 
Ethik  S.s  ist  eudäinonistisch,  aber  mit  Betonung  auch  der  sozialen  Ethik  und 
des  Altruismus. 

Schriften:  U.  Zwingli,  1855.  —  Logik,  1873  f.;  2.  A.  1889—93;  3.  A.  1904. 
—  Beiträge  zur  Lehre  vom  hypothetischen  Urteil,  1879.  —  Kleine  Schriften,  1881; 
2.  A.  1889;  3.  A.  1904.  —  Vorfragen  der  Ethik,  in  der  Zeller-Eestschrift,  1886.  — 
Ein  Collegium  logicum  im  16.  Jahrh.,  1890.  —  Die  Impersonalien,  1888.  —  Vgl. 
J.  ENGEL,    S.s   Lehre   vom  "Wesen  des  Erkennens,  1908. 

Silesins,  Angelus  (Johann  Scheffler),  geb.  1624  in  Breslau,  fürstbischöf- 
licher Bat,  gest.  1677  in  Breslau,  der  bekannte  Dichter,  ist  Anhänger  einer 
christlich-pantheisierenden  (von  Eckhart  beeinflußten)  Mystik,  nach  welcher 
Gott  und  Mensch  einander  bedingen,  nicht  ohne  einander  ihr  Wesen  und  Sein 
haben.     Aus  seinem  „Cherubinischen  Wandersmann"  sei  angeführt: 

Ich  weiß,  daß  ohne  mich  Gott  nicht  ein  Nun  kann  leben ; 
Werd'  ich  zu  nicht,  er  muß  vor  Not  den  Geist  aufgeben. 


Ich  bin  so  groß  als  Gott,  er  ist  als  ich  so  klein; 
Er  kann  nicht  über  mich,  ich  unter  ihm  nicht  sein. 
Gott  ist  in  mir  das  Feu'r,  und  ich  in  ihm  der  Schein 
Sind  wir  einander  nicht  ganz  inniglich  gemein? 


Ich  selbst  bin  Ewigkeit,  wenn  ich  die  Zeit  verlasse, 
Und  mich  in  Gott  und  Gott  in  mich  zusammenfasse. 


Der  ungewordene  Gott  wird  mitten  in  der  Zeit, 
Was  er  nie  ist  gewest  in  aller  Ewigkeit. 


Die  Kreaturen  sind  des  ew'gen  Wortes  Stimme, 

Es  singt  und  klingt  sich  selbst  in  Anmut  und  im  Grimme. 
Schriften:  Der  cherubinische  Wandersmann,  hrsg.  von  Hartleben.  —  Vgl.  F.  Kern, 
J.  Schetflers  Cherub.   Wand.,   1866.    —    MAHN,    Die    Mystik  des  A.  Silesius,   1892.   — 
SELTMAXX,  A.  S.  u    seine  Mystik,  1896. 

Simcox,  Edith  J.,  geb.  1844,  gest.  1901.  =  Evolutionistischer  Stand- 
punkt. Der  Mensch  ist  ein  Glied  der  Natur,  sein  Denken,  Fühlen  und  Wollen 
ein  Produkt  der  Naturentwicklung.  Das  Gute  besteht  in  der  Vervollkommnung 
(Perfektionismus). 

Schriften:  Natural  Law,  An  Essay  in  Ethics,   1877. 


680  SlMMEL. 

Himmel.  Georg,  geb.  1858  in  Berlin,  Prof.  daselbst. 
S.  verbindet  die  psychologisch- genetische,  evolutionistische  mit  einer 
logisch-idealistischen,  an  Kant  und  Hegel  orientierten,  vielfach  „dialekti- 
schen" Betrachtungs-  und  Denkweise.  Das  Erkennen  enthält  apriorische  Fak- 
toren, die  aber  (als  Kategorien)  eine  Entwicklung  durchmachen,  nicht  unverändert 
bleiben.  Alle  Formen  und  Methoden  des  Erkennens  haben  sich  im  Verlaufe 
der  menschlichen  Geistesgeschichte  entwickelt  und  entwickeln  sich  weiter,  so 
aber,  daß  das  Erkennen  eine  formende,  gesetzgebende  Aktivität  des  Geistes 
bleibt,  welche  aus  dem  Chaos  der  Erlebnisse  erst  einen  sinnvollen,  verständ- 
lichen, einheitlichen  Zusammenhang  gestaltet.  Die  Kategorien  usav.  stammen 
aus  „der  dem  Geiste  eigenen  Fähigkeit,  zu  verbinden,  zu  vereinheitlichen", 
können  aber  als  historische  Gebilde  die  Totalität  der  Weltinhalte  nie  völlig- 
adäquat  aufnehmen.  Das  Ich  hat  die  Funktion  der  Einheitsetzung,  das 
Streben  zur  Einheit.  Die  Wahrheit  ist,  rein  logisch,  etwas  Zeitloses,  Abso- 
lutes, vom  subjektiven  Denken  Unabhängiges,  sie  gehört  dem  „dritten  Beich", 
dem  „Reich  der  ideellen  Inhalte"  an;  diese  Inhalte  sind  wahr,  gleichviel  ob  sie 
gedacht  werden  oder  nicht.  Das  Geistige  bildet  inhaltlich  einen  geschlossenen 
Zusammenhang,  den  unser  individuelles  Denken  unvollkommen  nachzeichnet. 
Die  ideellen  Inhalte  sind  nicht,  sie  gelten,  sie  sind  nicht  mit  den  psychologischen 
Vorgängen  zu  verwechseln.  Anderseits  hat  die  Wahrheit  auch  eine  biologisch- 
evolutionistische  Seite.  Wahr  sind  hier  jene  Vorstellungen,  die,  als  reale 
Kräfte  in  uns  wirksam,  „uns  zu  nützlichem  Verhalten  veranlassen"  (vgl.  James). 
Durch  Selektion  haben  sich  bestimmte  Vorstellungen  als  wahr  erhalten,  näm- 
lich jene,  „die  sich  als  Motive  des  zweckmäßigen,  leben  fördernden  Handelns 
erwiesen  haben"  (vgl.  Nietzsche).  „Die  Nützlichkeit  des  Erkennens  erzeugt  zu- 
gleich für  uns  die  Gegenstände  des  Erkennens."  Es  gibt  so  viele  prinzipielle 
„Wahrheiten",  als  es  verschiedene  Organisationen  und  Lebensanforderungen 
gibt.    Das  Objektive  und  Wahre  bedeutet  die  „gattungsmäßige  Vorstellung". 

Auch  in  der  Ethik  verbindet  S.  die  genetisch-relativistische  Betrachtungs- 
weise betreffs  der  empirischen  Einzeltatsachen  mit  einem  gewissen  Apriorismus 
und  Idealismus.  So  ist  das  Sollen  etwas  Ursprüngliches  und  Objektives,  als 
eine  Forderung,  die  mit  der  Sache  selbst  gegeben  ist,  als  ein  „in  dem  Ver- 
hältnis von  Seele  und  Welt  präformiertes  Sollen,  das  einer  besonderen,  aber 
nicht  weniger  übersubjektiven  Logik  unterliegt,  wie  das  Sein".  Unser  Bewußt- 
sein empfindet  Forderungen  an  sich,  die  es  durch  den  Willen  realisieren  kann. 
Das  Sollen  schlechthin  ist  eine  „Urtatsache",  eine  „ursprüngliche  Kategorie", 
mag  auch  der  Inhalt  des  Sollens  noch  so  wechseln  und  sozial-historisch  bedingt 
sein.  Tatsächlich  sind  es  immer  „historische  Zustände  der  Gattung,  die  in  dem 
Einzelnen  zu  triebhaftem  Sollen  werden".  Der  „Wille  der  Gattung"  kommt 
in  uns  zum  Ausdruck,  kündigt  sich  imperativisch  an.  Ein  ungeheurer  Teil 
der  an  uns  gestellten  Ansprüche  ist  sozialen  Inhalts,  ohne  daß  dadurch  die 
Unbedingtheit  des  idealen  Sollens  überhaupt,  die  „innere  Logik  ideeller  An- 
sprüche" beeinträchtigt  wird.  Das  sittlich  Gute  besteht  nicht  im  Anstreben 
Kicks  u.  dgl.  (gegen  den  Eudämonismus),  sondern  es  ist  eine  „unmittel- 
bare Qualität  und  Lebensform  des  Willensprozesses".    Etwas  ist  gut,  weil  und 


SlMMEL.  681 

wofern  es  Inhalt  eines  an  sich  guten  Willens  ist.  Die  moralischen  Imperative 
sind  „Ausmündungen,  Ausformungen,  Substantialisierungen  des  guten  Willens". 
Die  Sittlichkeit  liegt  nicht  im  Material  des  Willens,  sondern  in  diesem  selbst,, 
in  dessen  Funktion.  Das  Ideal  des  sittlichen  Verhaltens  liegt  im  Unendlichen. 
Das  Sollen  kann  sich  an  den  verschiedensten  Inhalten  verwirklichen;  die  Ein- 
heit des  Zieles  ist  nicht  notwendig,  es  genügt  die  Einheit  der  psychologisch- 
ethischen Funktion,  die  den  Zweck  trägt.  Ursprünglich  ist  das  sozial  Erforderte 
die  Norm  des  Verhaltens  der  Einzelnen.  Den  „kategorischen  Imperativ"  Kants 
kritisiert  S.  nach  der  Richtung  der  Versöhnung  des  Individualismus  mit  der 
Allgemeinheit  des  Handelns.  Das  Gewissen  ist  nach  S.  gleichsam  ein  „rück- 
wärts gewandter  Instinkt";  es  ist  die  Lust  oder  Unlust  der  Gattung  über  die 
Tat,  die  in  uns  zum  Ausdruck  kommt.  Der  Altruismus  ist  ebenso  primär 
wie  der  Egoismus,  er  ist  „Gruppenegoismus",  ein  vererbter  Instinkt.  Sehr  oft 
„machen  die  Motivierungen  unserer  Handlungen  ...  an  Punkten  Halt,  die 
völlig  und  definitiv  außerhalb  unser  selbst  liegen".  Auch  enthält  das  Ich  noch 
eine  Fülle  von  Motiven  außer  dem  „Glück".  —  Die  Freiheit  des  Willens 
bedeutet,  daß  sich  der  Charakter  des  Ich  ungehindert  im  Wollen  ausprägen 
kann,  das  Vermögen,  das  für  uns  wertvolle  Wollen  realisieren  zu  können.  Frei- 
heit ist  „Selbstbestimmung",  sie  ist  zugleich,  weil  das  Ich  nur  so  sein  kann,, 
wie  es  ist,  Notwendigkeit.  Die  Verantwortlichkeit  ist  nicht  aus  der 
Willensfreiheit  abzuleiten,  sondern  umgekehrt:  „Derjenige  ist  frei,  den  man 
mit  Erfolg  verantwortlich  machen  kann."  Zurechnungsfähig  ist  jemand,  wenn 
die  strafende  Eeaktion  auf  seine  Tat  bei  ihm  den  Zweck  der  Strafe  erreicht. 

Die  Grundfrage  der  Geschichtsphilosophie  ist  die:  wie  ist  Geschichte 
möglich?  Geschichte  ist  nur  durch  Kategorien,  apriorische  Verbindungsformen 
möglich,  sie  ist  kategorial  verbreitete  Wirklichkeit  und  daher  hat  die  Geschichts- 
philosophie die  „Aprioritäten  festzustellen  und  zu  erörtern,  durch  welche  aus 
dem  Erleben  .  .  .  Geschichte  als  Wissenschaft  wird".  Die  Kompliziertheit  des 
historischen  Geschehens  gestattet  nicht  die  Aufstellung  eigener  historischer 
Gesetze,  wenn  auch  das  Historische  auf  (biologisch-psychologischen)  Gesetz- 
mäßigkeiten beruht.  Das  ganze  Spiel  der  Geschichte  ist  die  Folge,  Erscheinung 
oder  Synthese  dieser  primären  Gesetzmäßigkeiten,  geht  aber  nicht  aus  einem 
besonderen  Gesetz  hervor. 

Die  Soziologie  ist  die  „Wissenschaft  vom  Gesellschaftlichen  als  solchen, 
von  den  Formen  der  Vergesellschaftung,  von  den  Beziehungsformen  der 
Menschen  zueinander".  Die  Soziologie  ist  keine  Universalwissenschaft  vom 
Menschen  u.  dgl.,  sondern  eine  besondere  Methode;  sie  abstrahiert  vom  Inhalt 
des  Gesellschaftlichen,  achtet  nur  auf  dieses,  wie  der  Mathematiker  etwa  nur 
auf  die  geometrische  Form,  nicht  auf  das  Material  der  Körper  achtet.  Die 
Soziologie  hat  die  „Kräfte,  Beziehungen  und  Formen  zum  Gegenstand,  durch 
die  die  Menschen  sich  vergesellschaften",  sie  ist  die  „Lehre  von  dem  Gesell- 
schaft-Sein der  Menschheit".  „Gesellschaft  im  weitesten  Sinne  ist  offenbar  da 
vorhanden,  wo  mehrere  Individuen  in  Wechselwirkung  treten.  Die  besonderen 
Ursachen  und  Zwecke,  ohne  die  natürlich  nie  eine  Vergesellschaftung  erfolgt, 
bilden  gewissermaßen  den  Körper,  das  Material  des  sozialen  Prozesses ;  daß  der 


682  Simmel  —  Simon. 


Erfolg  dieser  Ursachen,  die  Förderung  dieser  Zwecke  gerade  eine  Wechsel- 
wirkung, eine  Vergesellschaftung  unter  den  Trägern  hervorruft,  das  ist  die 
Form,  in  die  jene  Inhalte  sich  kleiden."  Solche  Formen  sind  Über-  und 
Unterordnung,  Konkurrenz,  Arbeitsteilung  usw.;  wichtig  sind  besonders  auch 
die  kleinen,  flüchtigen  Wechselwirkungen  von  Person  zu  Person.  Die  sozialen 
Verbindungen  erwachsen  aus  bestimmten  Trieben  oder  Willenstendenzen  (Zielen), 
sind  etwas  Psychisches,  aber  nichts  Psychologisches,  denn  die  Soziologie  hat  es 
nicht  mit  psychologischen  Vorgängen,  sondern  mit  Inhalten  solcher  zu  tun, 
mit  Kombinationen  soziologischer  Kategorien,  mit  etwas  Sachlichem.  Es  gibt 
keinen  Gesamtgeist,  wohl  aber  eine  seelische  Beeinflussung  der  Individuen 
durch  ihre  Vergesellschaftung.  In  der  Gesellschaft  herrscht  Arbeitsteilung  und 
Differenzierung,  verbunden  mit  Integrierung,  indem  jede  Befreiung  zu  einer 
neuen  Bindung  führt.  Die  Eeligion  wurzelt  in  den  Gesamttendenzen  der 
Persönlichkeit  und  ihrer  Beziehung  zum  All. 

Schriften:  Das  Wesen  der  Materie  nach  Kants  physischer  Monadologie,  1881.  — 
Über  soziale  Differenzierung,  1890;  3.  A.  1906.  —  Einleit.  in  die  Moralwissenschaft, 
1892—93;  2.  A.  1904.  —  Die  Probleme  der  Geschichtsphilosophie,  1892;  2.  A.  1905; 
3.  A.  1907.  —  Fhilosophie  des  Geldes,  1900;  2.  A.  1907.  —  Vorlesungen  über  Kant, 
1904;  2.  A.  1905.  —  Die  Eeligion,  1906.  —  Schopenhauer  u.  Nietzsche,  1906.  — 
Soziologie,  1908.  —  Hauptprobleme  der  Philosophie,  1910.  —  Das  Problem  der  Sozio- 
logie, Schmollers  Jahrbücher,  Bd.  18,  1894.  —  Skizze  einer  Willenstheorie,  Zeitschr. 
f.  Psychol.  d.  Sinnesorgane,  Bd.  9.  —  Beitrag  zur  Erkenntnistheorie  der  Religion, 
Zeitschr.  f.  Philos.,  Bd.  118.  —  Über  eine  Beziehung  der  Solektionslehre  zur  Erkennt- 
nis, Archiv  f.  systemat.  Philos.,  1895.  —  Über  die  Grundfrage  des  Pessimismus, 
Zeitschr.  f.  Philos.,  Bd.  90.  —  Zur  Psychologie  der  Frau,  Zeitschr.  f.  Völkerpsychol., 
1890,  u.  a. 

Simiand,  Francois.  =  Anhänger  der  positiv-induktiven,  kausalen,  nicht 
normativen  soziologischen  Methode  Durkheims. 

Schriften:  Annee  sociologique,  V,  VI,  VII,  VIII,  IX,  X.  —  Revue  de  synthese 
historique,   1903.  —   Revue  de  metaphys.,  1899,  u.  a. 

Simmias  aus  Theben,  ein  in  Piatons  „Phaidon"  erwähnter  älterer  Pytha- 
goreer,  von  dessen  angeblichen  Schriften  nichts  erhalten  ist. 

Simon  (Collyns-Simon) ,  T.  =  Anhänger  Berkeleys,  eines  universalen 
Immaterialismus.  Subjekt  und  Objekt  sind  beide  unmittelbar  gegeben.  Gott 
ist  ein  übermenschliches  Ich  („superhuman  ego"). 

Schriften:  The  Nature  and  Elements  of  the  External  World.  Einleitung  zu  Berke- 
leys Principles,  1878,  u.  a. 

Simon,  Josef  Alexander,  geb.  1853,  Gymnasialprofessor  (Ungarn). 
Schriften:    Die  "Wissenschaft    der   Philosophie    als    das    System    der    Panaisthesis, 
1909  f.,  u.  a. 

Simon,  Jules  Francois,  geb.  1814  in  Lorient,  gest.  1896  in  Paris, 
3     itamann.  =  Spiritualist. 

Schriften:  Histoire  de  l'6cole  d'Alexandrie,  1844  f.  —  Le  devoir,  1854.  —  La 
liberte  de  consciencc,  1857.  —  V.  Cousin,  1887. 


Simos       Bnell. 


Simon,  Theodor,  geb.  L860  in  Frambach,  Konsistorialrat  in  Munster.  = 

Theistischer  Standpunkt. 

Schriften:    Darstellung    der    Seinslehre    Lotzes,    1893.     —     Leil»    u.    Seele 
Fechner  u.  Lotze,   1804.    —    Schopenhauer,  1894.    —    Der  Lo-  —    Christi,  u. 

moderne  Weltansch..   1903.  —  I.  Kant,  1904.  —  liuddha,   1908,  u.  a. 

Simplikios  (Simplieius)  aus  Kilikien.  l<lirt«-  in   Alexandlien   und  Ar! 
wanderte  nach  der  Schließung  der  Athenischen   Phflceophenachnle  durch  Joe 
nian     nach     Persien     aus,    gi  ).    =    Neuplatoniker,    als    Komm 

Aristotelischer  Schriften  bekannt,  die  er  aeuplatonisch  auffaßt, 

Schriften:    Commentar.    in    Aristotel.    categorias,    1499,    1551.    —    C.    in   Aristot. 
physica,  1526,  1882,   1895.  —  0.  in  Arist.  libros  de  coelo,  1526  u.  ö.,  1865.   1894.   — 
C.    in  Arist.  libros    de    aniraa,    1527,    1882.    —    Coram.  in  Epictetis    enchiridion. 
deutsch  1867.   —   Vgl.  die  Berliner  Aristoteles-Ausgabe. 

Small.  Albion  W.,  amerikanischer  So/.iolog.  =  Organisch-psychologischer 

-    .idpunkt.    —    Schriften:  Introduct.  to  tho  Study  of  Sociology.  —    General  Sa 
The  Significance  of  Sociology  for  Ethics,   1902,  u.  a. 

Smith.    Adam.   geb.   \~'2'.\  in  Killkardv  (Schottland),    studi 
logie,  dann  Philosophie  u.  a.,  1751   Prof.  in  Glasgow,  lebl  ak- 

reich,  dann  in  Edinburg,  wo  er  (als  Zollkommissar)  17'.»"  starb. 

8.,  der  hi«T  nicht  als  Xationalökonom  (Arbeitsteilung,  Indnslriali-mn- :  die 
Arbeil  als  Quelle  des  Nationalreichtums,  Freihandel,  ökonomischer  Liberalismus 
und    Individualismus),    sondern    als    Ethiker    in    Betracht    kommt,    bildet    die 

ahlsmoral    Bumes,   mit   dem   er  befreundet    war.   weiter     1  >i«-  Quelle  der 
sittlichen    Beurteilung   ist    die  Sympathie  („feUow-feeüng"),   das    Mitfühlen 

mit   den   Gefühlen    und    Eandlungen    anderer,    in    deren   ( ieist    wir  ans  ilfl   „uii- 

teiligte  Zuschauer"  hineinversetzen  (,.by  ooneeiving  vrhal  ire  ourselvee  shonld 
I  in  the  like  Bituation")  und  deren  Handlungen  wir  dann  billi 
billigen,  je   nach  deren   Verhältnis  zw  den   Motiven.    Gut  ist« 
wenn   sie  der   unbeteiligte   Zuschauer    auf  Grund    der   „Sympathie"    billig 

kann.      Handle    SO,    dal',    die    andern    Menschen    mit   dir  sympathisieren   köni* 

B    b  selbst   mufl  man   mit   den  Augen  eines  andern  unparteiischen  Zuschau 
■eben  und  beurteilen.     In  der  Achtung  v..r  diesen  Nonnen  besteht  das  Pt'li 

fühl;  die  Nennen  selbst  erscheinen  ab  I 
der  Religion). 

hrifton:     Thsorj     of    mural    «onliiu.M.-  — 

lrifjuirv   int«»  tho  nature  and  eaUMO»  of  the  wealth  of  BitioM,    17  7».;    4.   ed.    1 

.   L904  a.  '''.:   atatosk   1.774  -•• 

_  m  pailooophteoJ  *ul,j.  Works,  -   E«^ 

h    Mura!;  -     W.    II  V  —  IA«  II.    Mi    pfcttos. 

Qraadlagea   der   von   flaswsj   sad  8.  "'  m- 

l»     Bsdsataag  dar  ( 

Sih'II.  Christian  Wilhelm    geb.  1755  in  Psrhaanhanai 
ddirektor  in  Wt  ilbi  '■'•  l  K 

ininmuii    und    : 

Haupt]'. 


684  SNELL   —   SOKRATES. 


des    Geschmacks,    1795.    —    Handbuch   der    Philosophie,    1802   ff.    (mit    seinem   Bruder 
Daniel  Snell),  u.  a. 

Su oll,  Friedrich  Wilhelm  Daniel,  geb.  1761  in  Dachsenhausen,  seit  1790 
Prof.  in  Gießen,  gest.  daselbst  1827.  =  Popularisierender  Kantianer. 

Schriften:  Menon,  1789.  —  Darstellung  und  Erläuterung  der  Kantschen  Kritik 
der  Urteilskraft,  1791 — 92.  —  Über  philos.  Kritizismus,  1802.  —  Lehrbuch  für  den. 
ersten   Unterricht  in  der  Philosophie,   1794;   8.  A.   1832,  u.  a. 

Sniadecki,  Andreas,  1768 — 1838,  Physiker  und  Chemiker.  =  Zum  Teil 
Kantianer.  (Sein  Bruder  Jan  8.,  1754 — 1830,  war  Empirist,  Gegner  Kants.) 
Von  A.  S.  erschien  eine  ,, Theorie  der  organischen  Wesen"  (1804,  auch 
deutsch). 

Socolin,  Ilariu.  =  Standpunkt  der  Immanenzphilosophie  (vgl.  Schuppe 
u.  a.). 

Schriften:  Die  Grundprobleme  der  Philosophie,   1895,  u.  a. 

Sokrates,  der  Sohn  des  Bildhauers  Sophroniskos  und  der  Hebamme 
Phainarete,  ist  geb.  470  oder  469  v.  Chr.  Er  erhielt  die  übliche  Bildung, 
wurde  mit  Geometrie  und  mit  Astronomie  und  mit  mancher  Richtung  der 
Philosophie  (Anaxagoras  u.  a.)  bekannt,  hörte  auch  verschiedene  Sophisten ; 
auch  war  er  einige  Zeit  als  Bildhauer  tätig.  Er  nahm  an  drei  Feldzügen  teil 
und  kämpfte  bei  Potidäa  (wo  er  Alkibiades  rettete),  bei  Delion  und  bei  Am- 
phipolis,  stets  tapfer,  ruhig,  ausdauernd.  Ein  Staatsamt  bekleidete  er  nicht 
und  um  seinen  und  seiner  Familie  Unterhalt  war  er  wenig  bekümmert,  was 
ihm  seine  Frau  Xanthippe  verübelte,  die  übrigens  ihren  bösen  Kuf  nicht  ver- 
dient. S.  führte  das  Leben  eines  Philosophen  und  Jugendbildners,  ohne  aber 
gleich  den  Sophisten  Honorar  zu  nehmen.  Er  leitete  junge  Leute  zur  Weis- 
heit und  Tugend  an,  ging  zu  den  Vertretern  der  verschiedensten  Berufe,  lernte 
von  ihnen  und  suchte  auf  sie  aufklärend  einzuwirken,  indem  er  sein  eigenes 
Nichtwissen  eingestand  und  in  dialektischer  Weise,  in  der  Unterredung  über 
ein  Thema  aus  diesen  die  richtigen  Begriffe  hervorlockte,  nachdem  er  jene  — 
durch  die  Widersprüche,  in  die  er  sie  verwickelte  —  genötigt,  ihre  Ansichten 
zu  berichtigen  (Sokratisohe  „Ironie"  verbunden  mit  der  „Maieutik",  der  geistigen 
Entbindungskunst).  Seinem  Charakter  nach  war  S.  ein  Mann  von  höchster 
Lauterkeit  der  Gesinnung,  von  größter  Selbstbeherrschung  und  Bedürfnislosig- 
keit, tadelloser  Reinheit  des  Lebenswandels,  strengster  Gesetzestreue  und  wahrer 
Frömmigkeit.  Aber  dies  hinderte  nicht,  daß  S.  viele  Feinde  hatte,  teils  weil 
er  kein  Freund  der  Demokratie  (die  403  ans  Ruder  kam)  war,  teils  wegen 
seines  Einflusses  auf  die  Jugend,  teils  wegen  der  Mißdeutung,  welche  sein 
ganzes  Treiben  erfuhr.  Im  Jahre  399  v.  Chr.  klagten  ihn  Meletos,  Anytos- 
und  Lvkon  an,  daß  er  an  die  staatlich  anerkannten  Götter  nicht  glaube,  neue 
Gottheiten  einführe  und  die  Jugend  verderbe.  Er  wurde  zunächst  mit  einer 
geringen  Majorität,  dann  aber,  als  er  anstatt  eine  Strafe  für  sich  zu  bestimmen, 
sich  der  Speisung  im  Prytaneum  für  würdig  erklärte,  mit  einer  größeren  Stimmen- 
zahl verurteilt,  und  zwar  jetzt  zum  Gifttode,  den  er  auch,  jede  Aufforderung 
Beiner   Freunde   zur  Flucht   zurückweisend,   mit   erhabenster   Seelenruhe   erlitt 


■J>. 

(399  v.  Chr.      Q  schrieben  hat  S.  nichts;  Beine  Lehren  entnehmen  wir  aus  den 
Berichten  Piatons.    Xenophons,    Arisfc  nicht  imm< 

klares  Bild  herauskommt,  weil  einerseits  Xenophon  ein  Behr  nüchterner,  pfa 
sopbisch  wenig  befähigter  Kopf  ist,  anderseits  Plato  seinen  Lehrer  8okn 
vielfach  idealisiert  hat. 

8.  teilt  mit  den  Sophisten   den    Standpunkt    der   Abkehr    von  v^  itur- 

philosophie    und   der   Wendung   zum    menschlichen    Bnbjekl 
Selbsterkenntnis).     Aber  er  schlagt   neue  Bahnen  ein,   indem  er  dem  soph 
Bchen    Sensualismus    seinen    Intellektualismus  astellt    und    ihren 

Relativismus  bekämpft.  Es  iril>t  nach  ihm  ein  objektives,  allgemein- 
Ltiges  Wissen,  aber  es  ist  nicht  gegeben,  sondern  mm?  erarbeitet  werden, 
durch  methodisches  Denken.  So  schwankend  die  individuellen  Vai- 
hingen von  den  Dingen  sein  mögen,  der  richtig  gebildete  Begrifl 
auf  da-  Wesen  der  Dinge,  i-t  allgemeingültig,  konstant.  Durch  logische  In- 
duktion  (wie    Aristoteles   das    \Vrtahreu   nennt)   i-t   das    Wesen    der    Di 

•'  forty.  —  ti  f'y.noTov  ttrj)  zu  finden,  zu  definieren,  am  auf 

dem  Wege  des  Xu<ammendenkens.  der  Prüfung  (ighaotg),  welches  das  in  jedem 
schlummernde   Wissen   entlockt  i  xnl  xo  duzAeyeoöai  drofMto&rjrai 

awiArxaQ  xi  diaXiyortas  xaxä  j  Senoph.,  Men 

I\',  .">.  12;  S.  Bucht   ro  xai  x6  ÖQiteo&ai  xa 

Met.  XIII.  4;   htl  typ  wtööeoiv  htavijysv  av  it&vza  tdv  /.'■■•>>.    Xenoph.,   Memor. 
[V,  6,  13  f.). 

Das  begriffliche,  induktorisch-deflnitorische  Verfahren   wendet   nm    3 
sonders   auf   dem   Gebiete   der   Ethik  an.     Er  betrachtet,  „was   fromm,  « 

ttlos.  was  schön,  was  schimpflich,  was  recht,  was  nnrecht  *  Xenoph., 
Memor.  I.  1.  16).  Bedingung  des  guten  Bandeins  i-t  da-  Wissen,  die  Einsicht, 
so  dal)   Tugend    geradezu   ein    Wissen    ist 

....;-  ■  ro  eJrat '    htiax 

Eth.  Nicom.  VI,  13).     Di(   Tugend  ist  lehrbar,   i-t  die  Einsicht  in  da-  richti 
Verhalten;    niemand    handelt   Bchlechl    als   an-    Unwissenheit,    wer  dir 
Einsicht  hat.  handelt  auch  gut    Jede   Tugend  ist  ein  Wisi 

dtK<UOOVnp>   v.<v  rnnnr   <'<•  \  II. 

il   eins  mit  dem  wahrhaft  Nützlichen,  rJeflaan 
äxpiXtfior).     Unsere   Vernunfl   haben  \%  ir.  nm  /u  ermitteln,  w< 
jedes  Ding  nützlich  ist     Alle  wählen  dasjenige  aus,  ron  dem  n 

bnen  das  Ersprießlichste  ist;   daher  -ind  die,   welche   nicht    recht   handeln. 
weder  weise  noch  besonnen.     Wer  das  Schöne  and  <iut<-  kennt,   handelt 
danach,   und  mir  die   Weisen   tun  das  Schöne  and  G  rnuri-.-n   \ 

nicht,    und   selbst   wenn   sie  es  wollten,  würden  sie  Fehler  begeh 
1  >.i-  mit  der  Tugend  rerbundene  Glück  nun;  man  sich  -.li»-t  durch   i 
erwetben  •  I      S  Bollen  nur  jene  In  lehe  das  Herr- 

ii    rentehen,   io  wie  etwa  aui  dem  Schiffe  nur  der  Kundige  hen 
Plati 

I > i .  ttheit    i-t    die    das    Weltall    ordnende   um!  Eusama» 

haltend«  •  rnünftige  M  •  »«lein*  m   •  •      r 


6S6  SOKRATES    —   SOLGER. 


sich  entzieht,  so  unsichtbar  wie  unsere  Seele,  die  „Lenkerin  des  Körpers", 
ist,  die  „etwas  vom  Göttlichen  hat"  und  unsterblich  ist.  Auf  das  Dasein  einer 
Weltvernunft  weist  die  Zweckmäßigkeit  der  Dinge  hin  (Teleologie).  Die 
Menschen  haben  ihre  Organe  zu  ihrem  Nutzen  erhalten  und  diese  sind  höchst 
zweckmäßig  gestaltet  (Nutzen  der  Augenlider,  der  Zähne,  der  Triebe  usw.). 
Die  Weltvernunft  ordnet  eben  alles  so,  wie  es  ihr  gefällt,  denn  die  Gottheit 
ist  so  groß  und  gewaltig,  daß  sie  alles  zu  gleicher  Zeit  sieht,  hört,  überall 
gegenwärtig  ist  und  für  alles  zugleich  sorgt  (vgl.  Anaxagoras).  Wegen  des 
Menschen  haben  die  Götter  die  anderen  lebenden  Wesen  geschaffen.  Seiner 
Überzeugung,  daß  der  Mensch  einer  göttlichen  Leitung  unterstehe,  gibt  S. 
auch  durch  den  Hinweis  auf  das  „Daimonion"  (dslov  xi  xai  öai^oviov)  Aus- 
druck, auf  jene  innere  Stimme,  welche  ihn  von  dem  Unrechten  abhält  ((pcovrj 
xig  yiyvo/uevr]  ij,  oxav  ysvtjxai,  dsl  djtoxQSJiei  [ie  xovxov,  o  äv  />ie/.lco  jrgdxxscv,  jiqo- 
xoETiei  örj  ovjioxe,  Plato,  Apol.  31  D). 

Sokrates'  größter  Schüler  ist  Pia  ton.  Sokratiker  sind  Xenophon, 
Aischines,  angeblich  auch  ein  Schuster  Simon,  ferner  die  „einseitigen" 
Sokratiker  Eukleides  von  Megara  (s.  Megariker),  Phaidon  aus  Elis  (s.  Eli- 
sche  Schule),  Menedemos  und  Asklepiades  (s.  Eretrische  Schule),  Anti- 
sthenes  (s.  Kyniker),  Aristippos  (s.  Kyrenaiker)  u.  a. 

Vgl.  FOUILLEE,  La  philos.  de  S.,  1874.  —  JOEL,  Der  echte  und  der  xenophon- 
tische  S.,  1893—1901.  —  DÖRING,  Die  Lehre  des  S.  als  soziales  Reform systeru,  1895. 
—  E.  PFLEIDERER,  S.,  Plato  und  ihre  Schüler,  1896.  —  E.  KRALIK,  S.,  1899.  — 
C.  PlAT,  S.,  1900;  deutsch  1903.  —  G.  ZüCCANTE,  Intoino  alle  fonti  della  dottrina 
di  S.,   1902. 

Solger,  Karl  Wilhelm  Ferdinand,  geb.  1780  in  Schwedt  (Uckermark), 
1809  Privatdozent  in  Frankfurt  a.  O.,  1811  Prof.  in  Berlin,  gest.  daselbst 
1819. 

S.  ist  von  Spinoza,  Fichte  und  besonders  von  Schelling  beeinflußt.  Im 
Geiste  der  Komantik  betont  er  den  Wert  der  Phantasie,  der  Mystik  und 
Religion.  Die  Philosophie  ist  ihm  das  Denken  über  die  Offenbarung  des  Gött- 
lichen in  unserem  Bewußtsein.  Gott  offenbart  sich  uns  als  die  Einheit  der 
Gegensätze,  die  absolute  Identität.  Vermittelst  unseres  Selbstbewußtseins  er- 
kennen wir  das  göttliche  Selbstbewußtsein,  von  dem  das  individuelle  Sein  ein 
Moment  ist.  Philosophie  und  Religion  sind  eins.  Die  Welt  ist  das  Nichts,  in 
welches  das  göttliche  Wesen  sich  auflöst,  um  sich  dann  selbst  zu  offenbaren, 
indem  der  Schein,  das  Nichtige  im  reinen  Selbstbewußtsein  aufgehoben  wird. 
Religion,  Sittlichkeit  und  Kunst  sind  die  Tat  der  Selbstvernichtung  und 
."Selbstoffenbarung  des  göttlichen  Wesens,  welches  sich  selbst  opfert.  Im 
Schönen,  in  der  Kunst  (welche  stets  symbolisch  ist),  offenbart  sich  die  Idee, 
das  göttliche  Wesen  unmittelbar  durch  die  Phantasie.  Das  Wesen  der  Kunst 
bildet  die  künstlerische  Ironie  als  die  Verfassung  des  Gemüts,  worin  wir  er- 
kennen, daß  unsere  Wirklichkeit  nicht  sein  würde,  wenn  sie  nicht  Offenbarung 
der  Idee  wäre,  daß  aber  eben  darum  mit  dieser  Wirklichkeit  auch  die  Idee 
etwas  Nichtiges  wird  und  untergeht. 

Schriften:    Erwin,    vier    Gespräche    über    das    Schöne   und   die   Kunst,    1815.   — 


Solger  —  Sosigeneb. 


D.ilos.  Gesprächo,    1817.    —    Nachgelassene   Schriften  und  Briefwechsel,    182G.    —    \ 
Jeeungen  über  Ästhetik,   1829.   —  Vgl.   R.   BCQEDODT,  S.s  Philosophie,   1841. 

Sollier,  Paul,  geb.  1861  in  Bl£re,  Prof.  der  Physiologie  und  Psycho! 
in  BrnsseL 

Schriften:  Les  troubles  de  la  memoire,  1892.  —  Le  probleme  de  la  memoire, 
1900.  —  Psychologie  de  l'idiot  et  de  l'imbecile,  2.  ed.  1902.  —  Le  mecanisme  des 
eraotions,  1905.  —  Essai  critique  et  theorique  sur  l'association,  1907.  —  Le  d<>ute, 
1909,  u.  a. 

Solon,   gest.   569  v.  Chr.,   der   berühmte   Athenische  r,   wird 

unter  den  „sieben  Weisen*4  genannt.  Aussprüche,  die  ihm  Engeschrieben  wer- 
den:   Lüge  nicht!    Nichts  zu  viel!    ("  <r\     Borge  für  das  Gehörig 

data  (usAexa),  u.  a. 

Solowjew  s.  Ssolowjew. 

Somlo.  Felix,  geb.  1873  in  Preßburg,  Prof.  der  Rechtswissenschaft  in 
Klsnsenbnrg.  =  Nach  B.  führt  die  Suche  nach  dem  richtigen  Recht  zur  Er- 
forschung der  kausalen  Zusammenhange  des  Rechtes  mit  anderen  Erschei- 
nungen .  und  diese  Untersuchungen  nötigen  zur  Erforschung  der  Korrela- 
tionen der  sozialen  Erscheinungen.  Die  Richtigkeit  eines  Rechte  Demi 
nach  der  positiven  Mural. 

Schriften:  Das  Problem  der  Rechtsphilos.,  Bericht  über  den  11 L.  intern.  Kongreß 
für  Philos.,  1909.  —  Zur  Grund,  e.  beschreib.  Soziologie,  1909.  —  Der  Güterverkehr 
in  der  Urgesellschaft,   1909    —  Maßstäbe    zur  Bewertung  d.  Rechts,  Ar<  -  u. 

Wirtschaftsphilos.,   1910,  u.  a. 

Sommer,  Hugo,  geb.  1839  in  Wolfenbüttel,  Oberamtsrichter  In  Blank 
bürg  i.  H.,   gest.  1899  in  Blankenburg.    =    Anhang  Freiheit    ist 

selbsteigene    Entscheidnngsfähigkeil    gemafi   dem,    was    wir    als    wollenswi 
ansehen. 

-    hriften:    Über  das   Wesen  und  die  Bedeutung  der  menschlichen    Freiheit, 
J.   A.   1885.    —    Pessimismus  und  Sittlichkeit,   1882;   2.  A.   1883.  —    Di  MUÜtng 

unserer    Weltansdcht    durch    die    Erkenntnis   von  der  Idealität  des   Kauines  und  des  / 
1882.     —     Gewissen   und  moderne   Kultur,    1884.     —     Individualismus    oder     i  nu- 

nse?   1887   (gegen   Wundt) 

Sophisten:    Vertreter   einer   Bubjektivistisch-relativistischen    Denkwi 
in  theoretischer   und    teilweise   auch   in   ethisch-religiöser   Einsicht    Zu  ihnen 
gehören:    Protagoras,   Gorgias,    Bippias,  Prodi!        R     tias,  llr 
symachos,  Polos,  Euthydemos,  Antiphon  u.  a. 

Vgl.    Tu.    Fl  \<  K-BrKS  i  \  \<  >      Lei    -■  ;  I   -tos   grec»  et  Im  ;  •    •  — 

ZKLLEB,  Philo»,  der  Qrieeken,  l.  I.  If.  &  BUK,  Die  BepUetam,  1867.  —  <;<>m- 

ii.  BZ,  I  'i  H'  h    Deaker. 

BmMUc,  Samuel,  geb.  1615  bd  Uaee,  Arsl  1670  la  Paria.  -  An- 

banger  Gassendii  und  Gegner  Di      rtea,J  mm  Bkeptixismi 

B    I.  i  )  t  ten  :   Lettre«  et 

So^iK^ni»^.  IVrijmtetikei  ans  dar  Zeit  des  M        Lnrel  and  I  m, 

Vi  rraat)  r  ein<  -  Kommentare  tu  der     K 


6SS  Sotion  —  Spencer. 


Sotion.  Peripatetiker  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.,  Verfasser  der  Ataöoxai 
tcov  cfü.oGofpodv  (Nachfolger  der  Philosophen,  von  Diog.  Laertius  benutzt). 

Sotion  von  Alexandrien,  unter  Augustus  und  Tiberius,  Lehrer  des  Seneca, 
gehörte  der  Schule  der  Sextier  an. 

Souriau.  Paul,  Prof.  in  Paris.  =  Nach  S.  gibt  es  eine  objektive  Schön- 
heit, welche  in  der  Vollkommenheit  besteht. 

Schriften:    L'esthötique  du  mouvement,   1887.  —  La  Suggestion  dans  l'art,  1893. 

—  La  reverie  esthetique,   1906  (Das  Künstlerische  als  eine  Art  Traumzustand). 

Spann.  Othmar,  geb.  1878  in  Wien,  Prof.  an  der  technischen  Hochschule 
in  Brunn. 

Die  Soziologie  ist  von  der  Psychologie  abzugrenzen.  Jene  hat  es  mit 
„Objektivationssystemen"  zu  tun,  d.  h.  mit  Systemen  gleichartiger  Handlungen 
der  Individuen  und  der  sich  dabei  ergebenden  Verhältnisse.  Es  sind  „Systeme 
jener  ideellen  Handlungen,  die  prinzipiell  auf  dasselbe  Ziel  gerichtet  sind". 
Die  Soziologie  ist  die  „allgemeine  Theorie  des  Sozialen",  die  Wissenschaft  vom 
Wesen  des  sozialen  Ganzen  als  solchen.  Sie  hat  es  mit  Werttatsachen  und 
Zwecksetzungen  zu  tun,  aber  sie  fragt  immer  nur  nach  der  kausalen  Wirksam- 
keit der  Mittel  für  Zwecke,  nach  der  „Funktion"  der  Objektivationssysteme, 
nicht  nach  ethischer  Wertung  und  Normierung. 

Schriften:  Zur  Logik  der  sozialwissenschaftlichen  Begriffsbildung,  1905.  —  Zur 
Kritik  des  Gesellschaftsbegriffes  der  modernen  Soziologie,  1905.  —  Wirtschaft  und  Ge- 
sellschaft, 1907.  —  Der  logische  Aufbau  der  Nationalökonomie,  Tübinger  Zeitschr.  für 
die  gee.  Staatswissen  seh.  1908,  u.  a. 

Späth,  Hermann,  Pastor  und  Kircheninspektor  in  Breslau.  =  Theisti- 
scher  Standpunkt. 

Schriften:  Welt  und  Gott,  1867.  —  Die  drei  Grundideen  einer  gesunden  Welt- 
anschauung,  1877.  —  Theismus  und  Pantheismus,  1878. 

Spa venia.  Bertrando,  geb.  1817  in  Bomba,  1861  Prof.  in  Neapel,  gest. 
daselbst  1883.  =  Hegelianer. 

Schriften:  Introduzione  alle  lezioni  di  filosofia,  1862.  —  La  filosof.  di  Gioberti, 
1863.  —  Saggi  di  critica  filosofica,  politica  e  religiosa,  1867.  —  Principj  di  filos.,  1867. 

—  La  dottrina  della  conoscenza,  1869.  —  Idealismo  e  Realismo,   1874,  u.  a. 

Spencer,  Herbert,  geb.  27.  April  1820  in  Derby,  Autodidakt,  1837—45 
Eisenbahningenieur  in  London,  dann  nur  schriftstellerisch  tätig,  gest.  8.  De- 
zember 1903  in  Brighton. 

S.  verbindet  mit  einem  agnostischen  Standpunkt  in  der  Metaphysik  (Ein- 
fluß von  Hamilton  u.  a.),  beeinflußt  vom  Positivismus  Comtes  und  in  manchem 
mit  Schelling  verwandt,  einen  evolutionistischen  Monismus,  ja  er  ist 
geradezu  der  Begründer  der  evolutionistischen  Philosophie,  indem  er  die  Idee 
der  En  t wicklung   auf   das    gesamte   (physische,  psychische,  soziale,  ethische) 

liehen  anwendet,  in  allem  die  Momente  einer  einheitlichen  Evolution  er- 
blickt, ja  die  Entwicklung  selbst  zum  Urgesetz  alles  Werdens  macht. 

Unsere  Erkenntnis  (=  ein  „Klassifizieren")  ist  nach  S.  relativ,  hat  es  nur  mit 
Relativem  zu  tun  und  ist  symbolischer  Art,  da  die  Dinge,  mit  denen  sie  sich 
befaßt,  Erscheinungen,  Manifestationen  des  „Unerkennbaren"  („unknowable"),  des 


Spencer.  689 

Absoluten  sind.  Von  diesem  (göttlichen,  überpersönlichen)  Absoluten  haben 
wir  nur  ein  unbestimmtes  Bewußtsein  seines  Seins,  ohne  daß  wir  seine  Eigen- 
schaften kennen.  Das  Relative  fordert  ein  Absolutes  als  Unbedingtes,  Kon- 
stantes, Unendliches,  über  den  Gegensatz  von  Natur  und  Geist  Erhabenes.  Es 
ist  die  (absolute,  nicht  mit  der  phänomenalen,  psychischen  Kraftanstrengung  zu 
verwechselnde)  Kraft,  welche  sich  in  den  raum-zeitlich-dynamischen  Relationen 
der  Dinge  symbolisch  manifestiert  (,,inscrutable  power  manifested  to  us  trough 
all  phenomena").  ,,Das  Äußerste,  was  für  uns  möglich  ist,  ist  eine  Interpre- 
tation des  Weltprozesses,  wie  er  sich  unserem  beschränkten  Bewußtsein  dar- 
stellt .  .  .  Die  Interpretation  aller  Phänomene  in  Ausdrücken  von  Materie,  Be- 
wegung und  Kraft  ist  nur  eine  Zurückführung  unserer  verwickeltsten  Denk- 
symbole auf  die  einfachsten  Symbole"  (Standpunkt  des  kritischen  Realismus, 
„transfigured  Realism").  „Eine  Macht,  deren  Natur  uns  immer  unbegreiflich 
bleibt,  und  die  wir  weder  in  der  Zeit  noch  im  Raum  begrenzt  denken  können, 
wirkt  in  uns  gewisse  Wirkungen.  Diese  Wirkungen  haben  gewisse  Ähnlich- 
keiten unter  sich,  von  denen  wir  die  allgemeinsten  unter  dem  Namen  Materie,  Be- 
wegung und  Kraft  zusammenfassen,  und  zwischen  diesen  Wirkungen  bestehen 
gewisse  Ähnlichkeiten  der  Verknüpfung,  von  denen  wir  die  beständigsten  als 
Gesetze  von  höchster  Gewißheit  zusammenfassen." 

Die  Objekte  der  Außenwelt  sind  etwas  Relatives;  das  Ding  selbst  ist 
der  unbekannte  permanente  Nexus,  welcher  Erscheinungen  zusammenhält  („the 
unknown  permanent  nexus,  which  is  never  itself  a  phenomenon,  but  is  that 
which  holds  phenomena  together").  Das  Außenweltsbewußtsein  entsteht  auf 
Grundlage  der  Sonderung  der  lebhaften  Wahrnehmungsinhalte,  welche  von  uns 
unabhängig  sind,  von  den  blassen,  subjektiven  Vorstellungen.  Das  Dasein  der 
Dinge  ist  Fortdauer  („persistence")  der  Zusammenhänge  von  objektiven  Quali- 
täten im  Bewußtsein.  Diese  Zusammenhänge  stellen  wir  als  Kraftzentren  dar, 
indem  alle  Sinneswahrnehmung  schließlich  aus  Widerstands-  oder  Kraftempfin- 
dungen besteht:  Unsere  Erfahrungen  von  den  Dingen  sind  in  letzter  Instanz 
in  Zeichen  von  Widerständen  auflösbar.  Materie  und  Bewegung  sind  Kraft- 
äußerungen, Raum  und  Zeit  Formen  derselben;  das  Materielle  als  solches 
ist  nur  das  Symbol  der  an  sich  unbekannten  Kraftbetätigung,  empirisch  be- 
steht es  aus  Widerständen  im  Raum.  Die  Kraft  selbst  ist  konstant  und 
dauernd.  Die  Bewegung  erfolgt  stets  in  der  Richtung  des  geringsten  Wider- 
standes und  ist  stets  rhythmisch.  Die  Anschau  ungs-  und  Denk- 
formen  (Kategorien)  sind  gattungsmäßig  erworben,  eingeübt  und  als  Dispo- 
sition vererbt,  so  daß  sie  nun  als  notwendig  gelten.  S.  erklärt  sie  „als  apri- 
orisch für  das  Individuum,  aber  als  aposteriorisch  für  die  ganze  Reihe  von 
Individuen,  in  der  jenes  nur  das  letzte  Glied  bildet".  Der  Raum  ist  das  Ab- 
straktum  von  allen  Gleichzeitigkeiten  und  hat  nur  relative  Wirklichkeit.  Ei- 
lst „eine  Form,  die,  weil  sie  die  konstante  Größe  in  sämtlichen  in  der  Er- 
fahrung präsentierten  Eindrücken  und  daher  auch  in  allen  im  Denken  reprä- 
sentierten Eindrücken  bildet,  unabhängig  von  jedem  besonderen  Eindruck 
erscheint".     Ahnliches  gilt  von  der  Zeit. 

Die  Veränderungen    in  der  Natur   beruhen   auf  der  Erhaltung  der  Kraft 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  44 


690  Spencer. 

und  Materie  im  Wechsel  der  Energieumsetzuugen  und  der  Formen,  auf  einem 
beständigen  Werden,  einer  perpetuellen  Andersverteilung  der  Materie  und  Be- 
wegung, wobei  anziehende  und  abstoßende  Kräfte  ins  Spiel  treten  (mechanisch- 
dynamische Naturauffassung).  Evolution  und  Dissolution  (Auflösung) 
sind  die  Grundformen  aller  Entwicklung.  Diese  ist  überall  Übergang  von 
einem  aufgelösten  in  einen  konzentrierten,  von  diesem  dann  wieder  in  einen 
aufgelösten  Zustand.  Genauer  betrachtet,  ist  sie  Integration  (Ansammlung. 
Vereinigung)  von  Materie  mit  Dissipation  (Zerstreuung,  Ausbreitung) 
der  Bewegung,  worauf  dann  eine  Absorption  der  Bewegung  mit  Disinte- 
gration  der  Materie  folgt.  Alle  Entwicklung  ist  ferner  Übergang  von  einem 
homogenen  (gleichartigen)  in  einen  heterogenen  (ungleichartigen),  von 
einem  unbestimmteren  zu  einem  bestimmteren  Zustand  und  zu  Diffe- 
renzierungen, auf  welche  immer  höhere  Integrierungen  folgen.  Das  Ziel 
jedes  Entwicklungsprozesses  ist  ein  Zustand  des  Gleichgewichtes  zwischen 
den  Kräften,  denen  die  Teile  eines  Aggregats  ausgesetzt  sind,  und  den  Kräften,, 
die  diese  Teile  ihm  entgegensetzen.  Die  Evolution  geht  schließlich  in  Disso- 
lution über,  das  Aggregat  löst  sich  infolge  der  Vermehrung  der  Bewegung 
in  ihm  auf  (z.  B.  eine  Planetenmasse).  Der  Bhythmus  von  Entwicklung  und 
Auflösung  ist  ein  allgemeiner  und  ewiger;  jede  der  zwei  Phasen  des  Prozesses 
herrscht  bald  in  diesem,  bald  in  jenem  Teil  des  Raumes  und  die  Bewegung 
kommt  nie  zum  Stillstand.  Alle  diese  Entwicklungserscheinungen  sind  streng 
notwendig  und  gesetzlich,  nichts  kann  sich  ihnen  entziehen. 

So  waltet  die  Entwicklung  auch  im  Organischen,  aus  dem  sie  S.  ja  erst 
auf  das  Anorganische  übertragen  hat.  Infolge  der  größeren  Labilität  des  Or- 
ganischen macht  sich  hier  die  Differenzierung  (mit  Arbeitsteilung)  und  Inte- 
grierung besonders  bemerkbar.  Irgendwelcher  „Lebenskraft"  u.  dgl.  bedarf  es 
nicht,  das  organische  Leben  ist  rein  physikalisch-chemisch  zu  erklären;  das 
Organische  hat  sich  aus  dem  Anorganischen  entwickelt,  ist  nur  komplizierter 
als  dieses.  Das  Leben  ist  beständige  Anpassung  innerer  an  äußere  Verhält- 
nisse (,,correspondence  of  inner  and  outer  relations").  Es  gibt  (wie  S.  schon 
vor  Darwin  lehrte)  eine  Entwicklung  höherer  Arten  aus  niederen,  und  zwar  in- 
folge äußerer  (Milieu- Veränderungen)  und  innerer  Faktoren  (Gebrauch  und 
Nichtgebrauch  von  Organen,  funktionelle  Übung,  welche  die  Struktur  verändert,, 
die  dann  so  vererbt  wird,  Vererbung  direkt  erworbener  Eigenschaften),  durch 
direkte  (passive  und  aktive)  Anpassung. 

Auch  die  Psycholog i  e  S.s  ist  evolutionistisch,  zugleich  wird  hier  das 
biologische  Moment  stark  berücksichtigt.  Objektive  (physiologische)  und  sub- 
jektive Psychologie  sind  zu  unterscheiden.  Was  der  Geist  metaphysisch  (als 
Substanz)  ist,  läßt  S.  dahingestellt.  Empirisch  ist  die  Seele  nur  der  Inbe- 
griff von  Bewußtseinsvorgängen  eines  Individuums.  Psychisches  und  Physi- 
sind  die  beiden  Seiten  eines  einheitlichen  Vorganges,  welcher  subjektiv 
als  Empfindung,  objektiv  als  Nervenprozeß  erscheint,  die  einander  (ohne 
Wechselwirkung)  parallel  gehen  (Identitätsstandpunkt).  Im  Ganzen  vertritt 
S.  den  Standpunkt  der  („atomistischen")  Assoziationspsychologie.  Das  Be- 
wußtsein (welches  nicht  ohne  Veränderung  und  Unterschiede  auftritt),  ist  eins- 


Spencer.  691 

mit  dem  psychischen  Erleben  und  besteht  aus  absolut  einfachen  Teilen,  aus 
psychischen  Atomen  („units  of  feelings"),  Empfindungselementen,  die  zu  Ver- 
bindungen zusammentreten.  Durch  Differenzierung  und  Integrierung,  Anpassung, 
Vererbung  usw.  wird  im  Laufe  der  individuellen  und  der  Gattungsentwick- 
lung das  Seelenleben  immer  komplizierter,  reicher,  intensiver,  feiner,  leistungs- 
fähiger, immer  mehr  einheitlich  zusammenhängend.  Das  Assoziationsge- 
setz lautet:  „Wenn  irgend  zwei  psychische  Zustände  in  unmittelbarer  Aufein- 
anderfolge auftreten,  so  wird  eine  derartige  Wirkung  hervorgebracht,  daß, 
sobald  später  der  erste  Zustand  wiederkehrt,  eine  bestimmte  Tendenz  wirksam 
ist,  auch  den  zweiten  darauf  folgen  zu  lassen."  Die  Empfindungen 
(„feelings")  sind  die  psychischen  Elemente,  die  zueinander  in  Beziehung  stehen. 
Die  allgemeinste  Empfindung  ist  die  Muskel-  oder  Widerstandsempfindung. 
Die  Gefühle  (der  Lust  und  Unlust)  sind  Zeichen  von  Vorgängen,  die  für 
den  Organismus  nützlich  oder  schädlich  sind.  Das  Seelenleben  ist  auf  seinen 
untersten  Stufen  rein  triebhaft,  automatisch,  reflexmäßig.  Die  Instinkte  sind  zu- 
sammengesetzte Reflextätigkeiten,  teilweise  mit  rudimentärem  Bewußtsein;  sie 
sind  Produkte  wiederholter  Assoziationstendenzen  von  Generationen,  eine  Art  von 
„organisiertem  Gedächtnis".  Der  Wille  ist  aus  dem  Eefl ex  hervorgegangen,  in- 
dem der  Übergang  von  der  Vorstellung  zur  Bewegung  durch  den  Gegensatz 
anderer  Bewegungsvorstellungen  gehemmt,  verzögert  wird.  Das  Denken  und 
Erkennen  geht  auf  die  Ähnlichkeiten  der  Dinge,  so  daß  die  Erkenntnis  eine 
Identifikation  und  Klassifikation  ist.  Die  Erfahrungen  vieler  Generationen 
sind  in  uns  zu  psycho-physischen  Dispositionen  geworden. 

Mit  den  Gesetzen  der  „überorganischen"  Entwicklung  hat  es  die  Soziologie 
zu  tun,  welche  S.  auf  die  Biologie,  Psychologie  und  Völkerkunde  basiert.  Die 
Gesellschaft  wird  hier  nach  Analogie  des  biologischen  Organismus  als  eine 
Art  Organismus  aufgefaßt,  welcher  wächst,  sich  differenziert,  einheitlich  beein- 
flußt wird,  mit  Arbeitsteilung,  Vererbung,  Anpassung,  sozialen  Organen  und 
Geweben  (soziales  Ekto-,  Ento-,  Mesoderm;  Ernährungs-,  Verteilungs-,  Regu- 
lierungssystem ;  dem  Ektoderm  entspricht  z.  B.  die  Klasse  der  Krieger  und 
Richter,  dem  Mesoderm  die  kommerzielle,  dem  Entoderm  die  landwirtschaft- 
lich-industrielle Klasse,  dem  Nervensystem  die  regierende  Klasse).  Aber  die 
Gesellschaft  weist  dem  Einzelorganismus  gegenüber  auch  Verschiedenheiten  auf; 
so  hat  sie  besonders  kein  eigenes  Sensorium  und  Selbstbewußtsein,  sondern  das 
Bewußtsein  ist  auf  die  Einzelnen  verteilt.  Ferner  ist  die  soziale  Verbindung 
nicht  physischer  Art,  sondern  sie  beruht  auf  Sprache,  Schrift  u.  dgl.  Endlich 
dient  die  Gesellschaft  der  Wohlfahrt  der  Individuen,  diese  gehen  nicht  (wie  die 
Zellen  des  Einzelorganismus)  im  Ganzen  auf.  Im  Kampfe  ums  Dasein  hat 
sich  die  Gesellschaft  als  etwas  für  die  Individuen  Nützliches  bewährt.  Aus 
primitiven,  homogenen  Horden  haben  sich,  besonders  im  Kampfe  mit  anderen 
Horden,  Stämme,  aus  diesen  Völker  und  Staaten  gebildet.  Der  Fortschritt  in 
der  sozialen  Entwicklung  besteht  im  Übergang  vom  kriegerischen  zum  in- 
dustriellen Zustand  und  in  der  wachsenden  Freiheit  der  Individuen,  für  die 
der  Staat,  der  sie  nicht  bevormunden  darf,  da  ist  (Individualismus,  Liberalis- 
mus ;    gegen   den    Sozialismus    aller  Art).     Recht,  Eigentum,  Sitte  usw.  werden 

44* 


692  Spencer  —  Sperling. 


von  S.  in  ihrer  sozialen  Bedingtheit  untersucht.  Die  Religion  ist  aus  Ahnen- 
verehrung, aus  der  Furcht  vor  den  zu  versöhnenden  Geistern  der  Toten,  be- 
sonders der  mächtigen  Häuptlinge,  entstanden. 

Biologisch-soziologisch  fundiert  ist  die  Ethik  S.s.  Die  Ethik  ist  die 
„Wissenschaft  vom  guten  Handeln"  und  entscheidet,  „wie  und  warum  gewisse 
Handlungen  verderblich  und  gewisse  andere  wohltätig  sind".  Aus  den  Ge- 
setzen des  Lebens  und  den  Lebensbedingungen  ist  zu  bestimmen,  welche 
Arten  des  Handelns  notwendig  Glück  oder  Unglück  zu  bewirken  streben. 
Gut  (im  weitesten  Sinne)  ist  alles,  was  einem  Zwecke  angemessen  ist,  im 
engeren  Sinne  das  Handeln,  welches  am  meisten  das  Leben  fördert  (Ethischer  Evo- 
lutionismus). Gut  ist  das  Handeln,  wenn  es  die  größte  Summe  des  Lebens  für  die 
Menschen  überhaupt  erzeugt,  im  Sinne  der  Erhaltung  der  Einzelnen  und  der 
Art  wirkt  und  zugleich  mehr  Lust  als  Unlust  bewirkt  (Rationaler  Utilitaris- 
mus).  Die  sittlichen  Gefühle  sind  ererbt,  sind  das  Produkt  organisierter  Er- 
fahrungen vom  Nützlichen,  jetzt  aber  angeboren,  ursprünglich,  Der  Zwang  der 
Pflicht  („Kontrolle")  ist  so  zu  einem  spontanen  Pflichtgefühl  geworden.  Der 
Altruismus  ist  so  ursprünglich  wie  der  Egoismus.  Die  einzelnen  Formen  des 
Sittlichen  sind  relativ,  Entwicklungsprodukte. 

Das  Ästhetische  enthält  eine  Ablösung  von  der  bewußten  Aufgabe,  dem 
Leben  unmittelbar  zu  dienen.  Die  Kunst  entspringt  dem  Spiele,  welches 
als  Selbstzweck  unmittelbar  befriedigt  und  einem  Überschuß  an  organischer 
Energie  („overflow  of  energy")  entspringt,  welche  nach  funktioneller  Betätigung 
verlangt,  (vgl.  Schiller  u.  a.). 

Der  Einfluß  S.s  auf  die  moderne  Philosophie  war  ein  sehr  bedeutender, 
wenn  auch  nicht  sein  System  als  solches  ebensoviel  Anhang  fand.  Immerhin 
gibt  es  sehr  viele  Spencerianer,  besonders  in  England  und  Amerika. 

Schriften:  The  Proper  Sphere  of  Government,  1843.  —  Social  Statics,  1850; 
2.  ed.  1892.  —  A  System  of  Synthetic  Philosophy,  11  Bde.,  1862 — 1896,  auch  in  neuen 
Auflagen;  deutsch  von  B.  Vetter  und  V.  Carus,  1882  ff.  (Enthält:  First  Principles ; 
Principles  of  Biology;  Principles  of  Psychology;  Principles  of  Sociology,  Principles  of 
Ethics).  —  Descriptive  Sociology,  8  Bde.,  1837 — 87.  —  The  Classification  of  the 
Sciences,  1864;  3.  ed.  1871.  —  Education,  1861;  23.  ed.  1890;  deutsch  1874,  1889, 
1911.  —  Becents  discussions,  1871.  —  The  Study  of  Sociology,  1873;  18.  ed.  1878; 
deutsch  1875  ;  2.  A.  1896.  —  The  Man  versus  the  State,  1884.  —  The  Factors  of 
Organic  Evolution,  1887.  —  Essays,  1858—63;  5.  ed.  1891  (3  Bde.).  —  The  Inade- 
quacy  of  Natural  Selection,  1893.  —  A  Rejoinder  to  Prof.  Weismann,  1893.  —  Weis- 
mannism,  1894.  —  Various  Fragments,  1897.  —  Facts  and  Comments,  1902.  —  An 
Autobiography,  1904;  deutsch  1905,  u.  a.  —  Vgl.  F.  H.  COLLESTS,  An  Epitome  of  the 
Synthetic  Philosophy,  1889;  5.  ed.  1905,  auch  deutsch.  —  MlCHELET,  S.s  System  der 
Philos.,  1882.  —  E.  GROSSE,  H.  S.s  Lehre  von  dem  Unerkennbaren,  1890.  —  GAUPP, 
Die  Erkenntnislehre  H.  S.s,  1890;  H.  Spencer,  1897;  3.  A.  —  COLLEST,  Philosophy  of 
H.  Sp.,  1897;  französisch  1904.  —  HÄBERLIN,  S.s  Grundlagen  der  Philosophie,  1908. 
—  A.  HEIDT,  Philos.  Beiträge  aus  S.s  Autobiographie,  1908. 

Sperling,  Johann,  geb.  1603  in  Zeuchfeld,  Prof.  der  Physik  in  Witten- 
berg, gest.  1658.  =  Anhänger  D.  Sennerts. 

Schriften:  Anthropologia  physica  1647.  —  Institutiones  physicae,   1649. 


Speusippos  —  Spiess.  693 


Spensippos  aus  Athen,  Schwiegersohn  und  Nachfolger  Piatos,  Haupt 
der  ersten  Akademie  (347 — 339),  gest.  339. 

S.  weicht  in  verschiedener  Hinsicht  von  Piatos  Lehren  ab.  Die  Identi- 
fizierung des  Geistes  mit  dem  Einen  und  dem  Guten  billigt  er  nicht  {Znev- 
oin^og  rbv  vovv  ovxe  reo  evi  ovxe  xtZ  ayadeu  xbv  avxov,  lötoqpvfj  de).  Für  jede  Art 
des  Wesens,  für  die  Zahlen,  Größen,  die  Seele  nimmt  er  verschiedene  Prinzipien 
an  (dg/dg  ey.doxr\g  ovo  tag  äkXiiv  /ukv  dgißtua>r,  dlhiv  de  /ueye&cüv,  s'jtsira  xpv/f/g. 
Aristot.  Met.  VII,  2).  Die  Seele  ist  die  durch  die  Zahl  harmonisch  gestaltete 
Ausdehnung.  Gott  ist  die  alles  lenkende  Weltseele  („Deuni  vim  quandam  esse 
dicit,  qua  omnia  regantur,  eamque  animalem",  Cicero,  de  nat.  deor.  I,  13). 
Eine  Stufenfolge  von  Wesen  besteht.  Das  Beste,  Schönste,  kurz  das  Voll- 
kommene ist  nicht  der  Anfang,  sondern  der  Abschluß  des  Seins  (xo  ägioxov 
xai  xaXXiorov  firj  ev  dg/fj  elvai,  diu  xai  xwv  cpvrcöv  y.al  xeov  Coboov  rag  dg%äg 
aixia  tiev  elvai,  xo  de  y.a'/.ov  y.al  xo  xekeiov  ovx  ev  zoTg  ex  rovrcov,  Aristot.  Met. 
XII,  7).  Das  Gute  und  die  Glückseligkeit  besteht  in  der  Vollkommenheit  des 
naturgemäßen  Verhaltens  (rrjv  evdai/uovtav  (prjoiv  e'E,iv  elvai  xeleiav  ev  zocg  y.ard 
cpvoir  e/ovoir,  7)  e'g'ig  dyaficöv). 

Vgl.  EavAISSOX>  Speusippi  placita,   1838. 

Spicker,  Gideon,  geb.  1840  in  Eeichenau  (Baden),  Prof.  in  Münster  i.  W. 

S.  will  Philosophie  und  Religion  mit  einander  versöhnen,  ohne  daß  aber 
die  Philosophie  durch  die  Theologie  gefesselt  werden  darf.  Ein  neuer  Gottes- 
begriff muß  gefunden  werden,  der  die  Mängel  des  Pantheismus  und  Theis- 
mus vermeidet.  Gott  hat  Persönlichkeit,  Wissen,  Vernunft  und  Willen  in  be- 
zug  auf  die  Welt,  er  ist  Grund  und  Zweck  der  Welt,  Einheit  von  Geist  und 
Materie.  Die  Xatur  ist  nicht  Gott,  aber  göttlicher  Herkunft,  sie  ist  eine 
Schöpfung  aus  einer  in  Gott  potentiell  gelegenen  Materie.  —  Alles  Denken 
beruht  auf  einem  sinnlichen  Substrat,  geht  aber  darüber  hinaus,  so  daß  die 
Kategorien  metaphysische  Geltung  haben,  zum  Ding  an  sich  führen,  das 
aber  nicht  ganz  zu  ergründen  ist,  so  daß  alle  Philosophie  „Anthroposophie' 
bleibt.     Die  Methode  der  Philosophie  ist  die  „induktiv-kritische,',  wie  bei  Kant. 

Schriften:  Leben  und  Lehre  des  Petrus  Pomponatius,  1868.  —  Die  Philosophie 
des  Grafen  von  Shaftesbury,  1872.  —  Über  das  Verhältnis  der  Naturwissenschaften 
zur  Philosophie,  1874.  —  Kant,  Hume  und  Berkeley,  1875.  —  Lessings  Weltanschauung, 
1883.  —  Die  Ursachen  des  Verfalls  der  Philosophie  in  alter  und  neuer  Zeit,  1892.  — 
Der  Kampf  zweier  Weltanschauungen,  1898.  —  Versuch  eines  neuen  Gottesbegriffes, 
1901.  —  Vom  Kloster  ins  akademische  Lehramt,  Schicksale  eines  ehemaligen  Kapu- 
ziners,  1908. 

Spiess,  Gustav  Adolf,  geb.  1802  in  Duisburg,  Arzt,  gest.  1875  in  Frank- 
furt a.  M.  =  S.  lehrt  (ähnlich  wie  Bonnet)  die  Bildung  eines  „Keimes  höherer 
Ordnung"  im  Menschen,  der  nach  dem  Tode  desselben  in  anderen  Teilen  der 
Welt  zu  höherer  Entwicklung  gelangt. 

Schriften:  Physiologie  des  Nervensystems,  1844.  —  Über  die  Bedeutung  der 
Naturwissenschaften  für  unsere  Zeit,  1854.  —  Über  das  körperliche  Bedingtsein  der 
Seelentätigkeiten,   1854.  —  Über  die  Grenzen  der  Naturwissenschaft,   1863. 


694  Spiller  —  Spinoza. 


Spiller,  Philipp,  geb.  1800  in  Einsiedel  bei  Reichenberg  (Böhmen),  gest. 
1879  als  Prof.  der  Physik  in  Berlin.  =  Nach  dem  „Ätherismus"  ist  der  Äther 
als  das  universelle,  geistige  Kraftprinzip  Gott. 

Schriften:  Gott  im  Lichte  der  Naturwissenschaften,  1873.  —  Das  Naturerkennen, 
1873.  —  Die  Urkraft  des  Weltalls,  1876.  —  Das  Leben,  1878.  —  Die  Irrwege  der 
Naturphilosophie,  1878. 

Spinoza,  Benedictus  de,  oder  Baruch  Despinoza,  geb.  am  24.  No- 
vember 1632  in  Amsterdam  als  Sohn  jüdischer  Eltern,  die  aus  Portugal  nach 
Holland  ausgewandert  waren.  Er  besuchte  die  jüdische  Schule  und  studierte 
bald,  unter  der  Leitung  des  Saul  Levi  Morteira,  den  Talmud  nebst  den 
Schriften  des  Maimonides,  des  Gersonides  u.  a.,  ferner  die  Kabbala,  zwar  unbe- 
friedigt von  dem  allen,  aber  doch  nicht  ohne  einen  gewissen  Einfluß  durch 
dieses  Studium  zu  erfahren.  Von  dem  Arzte  und  Freidenker  Franz  van  den 
Enden  erhielt  er  Unterricht  im  Lateinischen,  auch  im  Griechischen,  welches 
letztere  er  aber  nur  unvollkommen  erlernte.  Er  studierte  auch  eine  Reihe 
scholastischer  Autoren  (Thomas  von  Aquino,  Heereboord  u.  a.),  las  auch  viel- 
leicht Giordano  Bruno  und  beschäftigte  sich  eifrig  mit  den  Schriften  Des- 
cartes'  und  mit  Naturwissenschaften.  Wegen  seiner  freien  Anschauungen  von 
der  Synagoge  zum  Widerruf  aufgefordert,  verweigerte  er  diesen,  ließ  sich  auch 
durch  nichts  bestechen  und  so  wurde  er  1656  wegen  seiner  „Irrlehren"  in  den 
großen  „Bann"  getan,  was  ihn  aber  nicht  bewog,  etwa  Christ  zu  werden. 
Nachdem  S.  (auf  den  ein  fanatischer  Jude  einen  Mordversuch  gemacht  haben 
soll)  1656 — 60  in  der  Nähe  von  Amsterdam  gelebt  hatte,  wurde  er,  als  Atheist 
verdächtigt,  ausgewiesen  und  lebte  nun  in  Rhynsburg,  mit  seinen  Freunden 
Simon  de  Vries  und  Ludwig  Meyer  in  Amsterdam  korrespondierend  und  philo- 
sophisch tätig.  Seinen  Lebensunterhalt  erwarb  er  sich  durch  Schleifen  optischer 
Gläser,  eine  Tätigkeit,  die  wohl  den  frühen  Tod  des  schwächlichen  Mannes 
beschleunigen  half.  1664 — 69  hielt  sich  S.  bei  Haag  (in  Voorburg),  von  1670 
an  in  Haag  auf,  zuerst  im  Hause  der  Witwe  van  Velden,  dann  bei  dem 
Maler  van  der  Spyck.  Die  heftigen  Angriffe,  die  sein  „theologisch-politischer 
Traktat''  erfuhr,  bestimmten  S.,  nichts  mehr  zu  veröffentlichen ;  wenn  auch  keines- 
wegs feig,  war  er  doch  keine  Kampfnatur,  die  Ruhe  des  Geistes  ging  ihm  über 
alles,  und  so  nahm  er  auch  eine  ihm  im  Jahre  1673  durch  Karl  Ludwig  von  der 
Pfalz  angebotene  Professur  in  Heidelberg  nicht  an ,  um  in  seinem  Philoso- 
phieren frei  und  unbeeinträchtigt  zu  sein.  Ein  Mann  von  den  geringsten  Bedürf- 
nissen, eine  echt  beschauliche,  abgeklärte  Natur,  ein  höchst  lauterer,  streng  sitt- 
licher, gütiger,  edler  Charakter  von  „grenzenloser  Uneigennützigkeit"  (Goethe), 
lebte  er  rein  der  philosophischen  Forschung,  zugleich  (wie  die  Rabbiner  des 
Mittelalters)  sein  Handwerk  ausübend  und  eine  kleine  Rente,  die  ihm  sein 
Freund  Simon  de  Vries  vermachte,  beziehend.  Am  21.  Februar  1677  starb  S. 
an  seiner  Schwindsucht.  Lange  Zeit  galt  er  als  verruchter  „Atheist",  wie  ein 
„toter  Hund"  wurde  er  behandelt,  bis  dann  seit  Lessing,  Herder,  Goethe, 
■^hleiermacher  das  Blatt  sich  wandte.  Spinozas  Charakter  und  Denken 
zu  größten  Ehren  kam  und  sein  Einfluß  auf  die  Philosophie  ein  außerordent- 
licher wurde,  so  daß  geradezu  ein  „Neo-Spinozismus"  entstand. 


Spixoza.  695 

S.  ist  der  Begründer  des  neueren  Pantheismus  als  System  einer 
Identitätsphilosophie,  eines  universalen  Monismus.  Ein  neues  System 
liegt  vor,  wenn  auch  Einflüsse  seitens  des  jüdischen  Einheitsgedankens,  der 
Stoa,  des  Neuplatonisrnus,  der  Scholastik  und  Mystik,  G.  Brunos  u.  a.  be- 
stehen, und  wenn  auch  S.  zunächst  an  Descartes  anknüpft.  In  erkenntnis- 
theoretischer Beziehung  ist  S.  Kationali  st,  der  sich  aber  schließlich  einer  ge- 
wissen Mystik  zuwendet  („intellektuelle  Gottesliebe"). 

Sein  System  gibt  S.  erst  in  der  nach  seinem  Tode  erschienenen  ..Ethik", 
welche  ihren  Namen  daher  hat,  daß  hier  die  rechte  Gestaltung  des  mensch- 
lichen Lebens  durch  Erkenntnis  das  Ziel  ist.  Der  Abfassung  der  „Ethik' 
{1662  ff.,  öfter  überarbeitet,  erst  in  drei,  dann  in  fünf  Büchern)  gingen  ver- 
schiedene Arbeiten  voraus,  die  schon  manches  aus  dem  Hauptwerk  vorweg- 
nehmen, zum  Teil  aber  mit  Modifikationen.  Der  „Tractatus  de  Deo  et  nomine 
•eiusque  felicitate"  ist  —  das  lateinische  Original  dürfte  verloren  sein  —  in 
holländischer  Übersetzung  erst  spät  gefunden  Avorden.  Hier  führt  S.  aus,  das 
Dasein  Gottes  gehöre  zu  seinem  Wesen  und  Gott  müsse,  wenn  der  Mensch 
«ine  Vorstellung  von  ihm  hat,  auch  wirklich  sein  (I,  1).  Gott  ist  das  Wesen, 
dem  alles  oder  unendliche  Attribute  beigelegt  werden,  von  welchen  jedes 
unendlich  und  vollkommen  ist;  das  All  muß  eben  alle  Attribute  haben.  Es 
gibt  keine  beschränkte  Substanz,  alle  Substanz  muß  in  ihrer  Art  unendlich 
vollkommen  sein ;  es  gibt  nicht  zwei  Substanzen,  eine  kann  die  andere  nicht 
hervorbringen.  In  dem  „unendlichen  Verstände  Gottes"  gibt  es  nichts,  als  was 
in  der  Natur  wirklich  ist.  Gott  hat  alles,  was  in  seinem  Denken  lag,  ge- 
schaffen. Denken  und  Ausdehnung  sind  die  uns  bekannten  Attribute  der 
göttlichen  Substanz,  welche  an  sich  unteilbar  ist  (Teile  sind  reine  Gedanken- 
•dinge).  Die  einzelnen  Dinge  sind  „Modi"  der  Substanz,  diese  ihr  Ursprung, 
von  dem  sie  abhängen.  Gott  ist  die  einzige,  ewige,  unendliche,  durch  sich 
selbst  bestehende  Substanz,  die  „immanente  Ursache"  der  Dinge.  Es  gibt  eine 
schaffende  und  eine  geschaffene  Natur;  erstere  ist  (wie  dies  schon  die 
Thomisten  sagen)  Gott.  Die  geschaffene  Natur  ist  ein  ,,Sohn,  Geschöpf  oder 
Produkt"  Gottes,  ebenso  wie  der  Intellekt,  der  von  Ewigkeit  her  geschaffen  ist 
und  ewig  unverändert  bleibt.  Der  Mensch  ist  keine  Substanz,  sondern  besteht 
aus  Modis  des  Denkens  und  der  Ausdehnung;  unsere  Seele  ist  nur  ein  Modus 
wie  unser  Körper.  Die  Erkenntnis  Gottes  geht  der  Erkenntnis  aller  anderen 
Dinge  voraus  und  die  höchste  Liebe  knüpft  sich  an  die  Erkenntnis  Gottes  als 
des  Vollkommensten.  Gott  ist  die  Wahrheit,  die  Wahrheit  ist  Gott  selbst.  In 
intellektualistischer  Weise  bestimmt  S.  den  Willen  als  Vermögen  der  Bejahung  oder 
Verneinung,  ob  etwas  gut  oder  schlecht  ist,  als  Idee,  als  Modus  des  „Denkens" 
{im  weitesten  Sinne),  als  Werk  des  Verstandes  (im  Unterschied  von  der  Be- 
gierde, vom  Trieb).  Es  gibt  keine  Freiheit  des  Willens.  Wir  sind  von  der 
Natur  abhängig,  sind  „Diener,  ja  Knechte  Gottes",  und  es  ist  dies  unsere  größte 
Vollkommenheit,  indem  wir  ein  Teil  des  Ganzen  sind  und  an  seinen  Werken 
mitwirken.  Darin,  daß  wir  Gott  alles  zuschreiben,  ihn  allein  lieben  und  uns  so 
ihm  ganz  opfern,  besteht  der  wahre  Gottesdienst  und  unsere  wahre  Glück- 
seligkeit.     Wenn    die    Seele    mit    Gott    sich   vereinigt    (in    der    Liebej,    dann 


696  Spinoza. 

muß  sie  mit  ihm   unveränderlich  bleiben,   d.  h.  dadurch  und  insofern  unsterb- 
lich sein. 

Im  „Tractatus  de  intellectus  emendatione"  betont  S.  den  Vorrang  der 
Spekulation,  der  Erkenntnis  des  Wahren  und  Göttlichen,  vor  allen  anderen, 
vergänglichen  und  unbefriedigenden  Gütern.  Nachdem  er  eingesehen,  daß  alles, 
was  sich  im  gewöhnlichen  Leben  bietet,  eitel  und  wertlos  ist,  und  daß  alles, 
wovor  er  sich  fürchtete,  nur  insofern  Gutes  oder  Schlimmes  enthielt,  als  die 
Seele  davon  bewegt  wurde,  beschloß  er,  an  die  Forschung  nach  einem  wahren 
und  beständigen  Gut  zu  gehen.  Ehre,  Eeichtum  und  Sinnenlust  gab  er  um 
der  Erkenntnis  willen  auf,  die  den  Menschen  vervollkommnet.  Als  Erkenntnis- 
arten  führt  hier  S.  an:  1.  das  Wissen  durch  Hörensagen  oder  ein  sonstiges 
Zeichen,  2.  das  Wissen  durch  vage,  rohe  Erfahrung,  3.  das  Wissen  durch 
(nicht-adäquates)  Erschließen  des  Wesens  einer  Sache  aus  einer  andern  Sache, 
4.  das  Wissen,  bei  dem  die  Sache  bloß  aus  ihrem  Wesen  oder  durch  die  Er- 
kenntnis ihrer  nächsten  Ursache  begriffen  wird.  Nur  die  vierte  Art  des 
Wissens  erfaßt  das  „adäquate  Wesen"  einer  Sache  ohne  Irrtum.  Die  wahre 
Idee  ist  verschieden  von  ihrem  Gegenstande  (ihrem  „Ideat"),  sie  ist  das  ideelle 
(bei  S.  „objektive")  Sein  des  Gegenstandes  und  als  solches  erkennbar.  Die 
Gewißheit  ist  die  Art,  wie  wir  das  wirkliche  Sein  empfinden.  Vor  allem  muß, 
damit  Gewißheit  möglich  ist,  in  uns  die  wahre  Idee  wie  ein  angeborenes- 
Werkzeug  vorhanden  sein,  das  als  Norm  dient.  Die  Wahrheit  offenbart  sich 
selbst  und  das  Falsche;  Ideen,  die  klar  und  deutlich  sind,  können  niemals 
falsch  sein  (vgl.  Descartes),  sie  stammen  „rein  aus  dem  Geiste",  nicht  aus  den 
zufälligen  Erregungen  des  Körpers.  Der  Verstand  denkt  mit  Evidenz  und 
notwendig  so,  wie  er  denkt;  ferner  erfaßt  er  die  Dinge  unter  dem  Gesichts- 
punkte der  Ewigkeit  und  Unendlichkeit,  d.  h.  er  achtet  weder  auf  die  Zahl 
noch  auf  die  Dauer.  Falschheit  und  Irrtum  beruhen  auf  einem  Mangel  der 
Ideen,  sind  nichts  Positives. 

Die  „Ethik",  das  Hauptwerk  S.s  ist  nach  geometrischer  Methode  („more 
geometrico"),  nach  dem  Vorbilde  des  synthetischen  Verfahrens  Euklids,  abge- 
faßt. An  die  „Definitionen"  der  Begriffe  schließen  sich  „Axiome"  (Grund- 
sätze) und  aus  beiden  werden  „Lehrsätze"  (propositiones)  abgeleitet,  auf  welche 
dann  „Korollarien"  (Zusätze)  und  „Schollen"  (Erläuterungen)  folgen.  In 
rationalistischer  Weise  leitet  S.  seine  Sätze  rein  begrifflich  ab,  in  der  Über- 
zeugung, daß  der  logischen  Folge  aus  ihren  Gründen  das  Folgen  der  Dinge 
aus  ihrem  Urgründe  entspricht.  Die  Kausalität  erhält  so  bei  ihm  einen 
m  athematisch-logischen  Charakter,  das  Sein  wird  völlig  logisiert. 

Das  erste  Buch  der  „Ethik"  enthält  die  allgemeine  Metaphysik.  Das 
Prinzip  aller  Dinge,  der  Urgrund  derselben,  ihre  immanente  Ursache,  ihre 
ihnen  innewohnende  Einheit  (die  nicht  die  Summe  der  Teile  ist.  sondern  etwas 
Ursprüngliches),  das  allein  wahrhaft  Seiende,  Ewige,  die  einzige  Substanz  ist 
Gott  oder  die  (schaffende)  Natur  („deus  sive  natura").  Gott  ist  das  Absolute,, 
dasjenige,   dessen  Wesen   die  Existenz  einschließt,   das,   was  nur  als  existierend 

cht  werden  kann,  der  Grund  seiner  selbst,  „causa  sui"  („per  causam  sui 
intelligo  id.  cuius  essen tia  involvit  existentiam  sive  id,  cuius  natura  non  potest 


Spinoza. 

concipi  nisi  existens").  Während  Descartes  zwar  schon  Gott  als  absolute  Sub- 
stanz bestimmte,  daneben  aber  doch  Geist  und  Körper  als  abhän<ri-r  Bubetanzen 
angesehen  hatte,  gibt  es  für  S.  nur  eine  einzige,  allen  Dingen  zugrunde- 
liegende Substanz,  Gott  oder  die  Natur.  „Substanz"  ist,  was  in  rieh  ist  und 
durch  sich  allein  begriffen  wird,  das  absolut  für  sich  allein,  ohne  Beziehung 
auf  etwas  anderes  Denkbare  („per  substantiam  intelligo  id,  quod  in  se  est  et 
per  se  coneipitur,  hoc  est  id.  cuius  coneeptus  non  indiget  coneeptu  alteriuß  rei, 
a  quo  formari  debeat").  Die  Substanz,  das  unendliche,  allgemeine  Sein,  gehl 
logisch  ihren  Besonderheiten  vorher  („substantia  prior  est  natura  suis  affectio- 
nibus"),  da  diese  ohne  sie  nicht  denkbar  sind.  Es  kann  nur  eine  Substanz 
geben;  weil  sie  unendlich  ist,  kann  eine  Substanz  nicht  die  andere  beschränken, 
auch  sie  nicht  hervorbringen.  Es  gehört  zum  Wesen  der  Substanz,  zu  existieren, 
und  zwar  als  unendlich  und  unteilbar  (,, substantia  absolute  infinite  est  tndivisi- 
bilis").  Gott  ist  die  einzige  Substanz  („propter  Deum  nulla  dari  neque  concipi 
potest  substantia"),  und  Gott  existiert  (als  das  „ens  absolute  infinitum")  not- 
wendig, seine  Existenz  ist  eins  mit  seinem  Wesen  („Dei  essentia  et  existentia 
nimm  et  idem  sunt").  Er  ist  die  aus  unendlichen  Attributen,  die  alle  sein 
Wesen  ausdrücken,  bestehende  Substanz  („substantiam  constantem  infinitis 
attributis,  quorum  unumquodque  aeternam  et  infinitem  essentiam  exprimit"), 
er  enthält  alles  und  alles  ist  in  ihm,  von  ihm  abhängig  („Quidquid  est  in  Deo 

et  nihil  sine  Deo  esse  neque  concipi  potest").  Gott  ist  die  immanente 
Ursache  der  Dinge,  er  verbleibt  mit  seinem  Wesen  in  ihnen  (..Dens  est  omnium 
rerum  causa  immanens,  non  vero  transiens").  Nichts  gibt  es  außerhalb  Gott 
Gott  ist  die  schaffende  Natur  (die  „natura  naturalis"),  sofern  er  freie  Ursache 
(eausa  libera)  von  allem  ist;  die  geschaffene  Natur  (..natura  naturata")  i>t  der 
Inbegriff  dessen,  was  aus  dem  Wesen  Gottes  und  seiner  Attribute  notwendig 
folgt  („omne,  quod  ex  necessitate  Dei  naturae  sive  unius  cuinsque  Dei  attri- 
butorum  sequitur"),  die  Summe  der  „Modi*-,  des  Einzelnen. 

Unter  Attribut  versteht  S.  das.  was  das  Denken  als  das  Wesen  dei 
-  -tanz  ausmachend  erfaßt  („per  attributum  intelligo  id,  quod  intellectus 
substantia  pereipit  tamquam  eiusdem  essentiae  constituens").  Je  mehr  etwas 
Realität  hat.  desto  mehr  Attribute  hat  es;  daher  bestehl  Gott  als  das  höchste 
Sein  aus  unendlich  vielen  Attributen,  die  alle  sein  Wesen  ausdrücken.  Von 
diesen  Attributen    erfassen    wir   aber   nur  zwei:    Ausdehnung  osio")  und 

Denken  (Bewußtsein.  Vorstellung,  „cogitatio").  .]cdv>  dieser  Attribute  i-t 
durch  sich  selbst  zu  denken,  dennoch  bleibt  die  Substanz  mir  ein  Wesen  mit 
/.wei    Seinsweisen   („quamvis  duo  attributa  realiter  distineta  eoneipiantur,  li 

uniim  sine  ope  alterius.  non  poesumus  tarnen  inde  concludere,  i|>-;i  duo 
entia  sive  duas  diversas  Bubstantias  constituere"  .  Jedes  Attribut  i-t  anendlich, 
unveränderlich   und  ewig   \\i-'  Gott   selbsl  („omnia  Dei  attributa  sunt  eterna' 

und  all«-.    was    ans    ihnen    folg  ■•  rt    ewig    und   unendlich.      Die  eine  Sub- 

Btanz  ist  also  sowohl  ausgedehnt  als  „denkend"  >.  da     Körper  und 

st  kein.'  Substanzen,  - lern  Seinsweisen  der  Substanz  sind. 

I  '.•   endlichen  Beeonderungen  oder  Zustände  der  Substanz  nennt  S.  Modi 

(„Per  modum  intelligo  Bubetantiae  sif<  rive  id  quod  in  alio  est,  per  quod 


698  Spinoza. 

etiam  concipitur').  Sie  sind  unselbständig,  inhärieren  der  Substanz,  sind 
■wechselnde  Zustände  der  Attribute,  aus  welchen  sie  erfolgen.  Aus  ihnen  be- 
stehen die  Einzeldinge  und  diese  sind  nichts  als  Zustände  der  göttlichen 
Attribute  und  damit  der  Substanz  selbst,  aber  nicht  etwa  Teile  dieser  („res 
particulares  nihil  sunt,  nisi  Dei  attributorum  affectiones,  sive  modi,  quibus  Dei 
attributa  certo  et  determinato  modo  exprimuntur").  Während  die  Körper  sowie 
ihre  Gestalten  und  Bewegungen  Modi  der  unendlichen  Ausdehnung  sind,  bedeuten 
die  Seelen  und  ihre  Vorstellungen,  Gedanken,  Wollungen  („singulares  cogita- 
tiones")  Modi  des  unendlichen  Denkens.  Die  einzelnen  Intellekte  konstituieren 
insgesamt  den  ewigen  und  unendlichen  Intellekt  Gottes  („mens  nostra,  quatenus 
intelligit,  aeternus  cogitandi  modus  est,  qui  alio  aeterno  cogitandi  modo  deter- 
minatur  et  hie  iterum  ab  alio  et  sie  in  infinitum,  ita  ut  omnes  simul  Dei 
aeternum  et  infinitum  intellectum  constituant").  Der  menschliche  Intellekt  ist 
ein  Teil  des  unendlichen  Intellekts.  Dieser  selbst  erfaßt  nichts  anderes  als  die 
göttlichen  Attribute  und  deren  Affektionen ;  Gott  denkt  Unendliches  auf  unend- 
liche Weisen,  er  hat  eine  Idee  von  sich  und  allem,  was  aus  ihm  folgt  („Deus 
enim  infinita  infinitis  modis  cogitare,  sive  ideam  suae  essentiae  et  omnium, 
quae  necessario  ex  ea  sequuntur,  formare  potest").  In  Gott  sind  ferner  Frei- 
heit und  Notwendigkeit  eins;  indem  Gott  seiner  Natur  gemäß  wirkt, 
handelt  er  frei,  d.  h.  durch  nichts  genötigt,  und  zugleich  notwendig  („Deus 
ex  solis  suae  naturae  legibus  et  a  nemine  coactus  agit",  „ex  sola  suae  neces- 
sitate").  Alles  folgt  mit  (logischer)  Notwendigkeit  aus  dem  Wesen  Gottes, 
nichts  konnte  daher  anders  werden,  als  es  der  Fall  ist  („res  nullo  alio  modo 
neque  alio  ordine  a  Deo  produci  potuerunt,  quam  produetae  sunt"),  alles  ist 
insofern  prädeterminiert  („quod  omnia  a  Deo  fuerint  praedeterminata")  und 
determiniert  („determinata  ...  ad  certo  modo  existendum  et  operandum").  In 
der  Welt  ist  alles  kausal  bedingt,  alles  geschieht  notwendig,  gesetzlich.  Gott 
wirkt  aber  so,  daß  er  nie  unmittelbar  eingreift,  sondern  daß  er  stets 
nur  durch  einen  bestimmten  Modus  Ursache  eines  andern  Modus  ist.  In  der 
Natur  geht  alles  streng  kausal-mechanisch  zu  (Korpuskulartheorie),  ohne 
Wirksamkeit  von  Zweckursachen,  welche  letztere  nur  Fiktionen  sind 
(„omnes  causas  finales  nihil  nisi  humana  esse  figmenta"). 

Im  zweiten  Buche  lehrt  nun  S.,  daß  eine  Kausalität  nur  innerhalb  jedes 
Attributes,  also  nur  innerhalb  jeder  Reihe  von  Modi  existiert,  nicht  aber  ein 
Kausalnexus  zwischen  den  Modis  verschiedener  Attribute.  Physisches  wirkt 
stets  nur  auf  Physisches,  Psychisches  nur  auf  Psychisches  oder  Körper  auf 
Körper,  Gedanken  auf  Gedanken  („Cuiuscunque  attributi  modi  Deum  quatenus 
tantum  sub  illo  attributo,  cuius  modi  sunt,  et  non  quatenus  sub  ullo  alio 
consideratur,  pro  causa  habent").  Zwischen  Körper  und  Geist  besteht  keine 
Wechselwirkung  („nee  corpus  mentem  ad  cogitandum,  nee  mens  corpus  ad 
motum  neque  ad  quietem  nee  ad  aliquid  .  .  .  aliud  determinare  potest").  Die 
(^•danken  (Vorstellungen  usw.)  haben  nur  Gott  als  denkendes  Wesen  („res 
cogitans"),  nicht  als  ausgedehnte  Substanz  zur  Ursache.  Vorstellung  und 
,  Bewußtsein  und  Sein,  Psychisches  und  Physisches  gehen  einander  als 
jweiaen  eines  und  desselben  Wesens  in  derselben  Ordnung  parallel,  ohne 


ZA. 

aufeinander    einzuwirken    (PsychophYBischer    Parallelismus    toi    Grund    einer 
[dentitatetheorie).    „Quod  Bubstantia  m- 

que  eei  substantia,  quae  iam   inb  hoc,  iam   sub  ill<»  attributo  oomprehenditur. 

etiam  modus  eortensionis  et  idea  illius  modi  eademque  es( 
modis  ezpreasa."     Eine  und  dieselbe  Ordnung  kommt  zweifach  nun  Ausdru 
objektiv  und   subjektiv,   real    und    ideell    <  ..•  >r»l<  >   et    OOnni  (nun    id- 

ac  ordo  et  connezio  rerum";   „quicquid   ez  infinite  Dei  oasi 
littr,  id  orane  ex  Dei  idea  eodein  ordine  eedemque  oonnezione  sequitur  in  D 
obiective").    Die  Verknüpfung   und  Ordnung   der  Dinge   hat    ihr  K  in 

der  Reihenfolge  «Irr  Vorstellungen,  insbesondere  entspricht  jedem  körperli«  b 
Zustand  ein  psychischer.    Allen  .Modi   der  Ausdehnung  entsprechen   Modi 
„Denkens",  alles  kommt  (in  Gott)  als  Sache  und  als  [de  „cuiua- 

cunque   rei  datur  aecessario  in    1><"  idea"),   so  dafi  in  diesem  Sinne  alles   in 
verschiedenem  Grade  beseelt  is(   („diversis  gradibus  animata").    Ein  und  d 
selbe  Individuum  isl  einerseits  Körper,  ander»        -   ele,     I1 
Bubi  Lktualismus),  sondern  das  Bewußtsein  des  <  Organismus   „idea  corpoz  - 

aus   den   Vorstellungen  des  Körpers  i..M'-a  corporis0     und   »einer  Affektioi 
durch  andere  Körper   bestehend,   also  etwas  Zusammen^  i  pluri 

ideis  composita").     Di    Seele  handelt  nach  bestimmten  Gesetzen  und  h- 

~ain   ein  .._  Automat--.     Das  Selbstbewußtsein    besteht    in   der  Cd 

-.   welche   in  Gott    mit  dem  G  aie  dieser  mit 

dem  Körper  („mentis  humanae  datur  etiam  in  I>«-"  idea  riv< 

metitis    idea    eodem    modo    unita    est    menti.    ae    ipM    mens  umta  est 
Dil  ..idea  m. nt-  ■  d  i    Form 

dei    Geistee    als    aolchen,   ohne    Beziehung   auf   dessen   Objekte  („forma   id< 
quatenus  haec  ut  modus  cogitandi  absque  relatione  ad  obiectum 
das  Wissen  um  dae  Wissen,   w&hrend   sonst   die  ?  li  nur  erkennt, 

ne  die  Vorstellungen  der  Affektionen  ihrei   I 

An   dies»-   Erörterungen    knüpfen  sich  psychologisch-erkenntnist 
Betrachtungen.    I>a-    menschliche  Denken   i-t    ein    Modus   des   menachlicli 
[ntellekts   und   damit    auch  tlicheu   Denkens      Wü    denken   nun    ■. 

mittelst  der  [deen  (logische  Vorstellungi  inken,  I 

nationes",  VorBtellungsbilder),  areiche  Gebilde  des  Denkens  selb 
Aktivität    entspring  onceptus   actionem   meotis   ezprünere    ridet 

ichon  Bejahung  oder  Vernei  mationem  an!  aegat 

. .  \dä.|uaf  (genau   entspr  sind  I     an,  welche  all    aferkn 

wahren    Idee    an    sich    haben    und    mit    ihn       I  rrinetimn 

(„conrenientia   ideae   '•um  IU0  id(  W  thi 

absolut  oder  adäquat  und  roUkomnx  d  ist,     i 
w  ahrhi  •    nicht,  ",; 

i  owie  das  Licht   lieh  selbst  und  di<    i 

un   habet   ideam, 

Uli*    sieilt     1 1 1 

Die  adäqu  '  ■  ■ 

in  nobia  est  il  I  '  aumana« 


Spinoza. 

est  adaequata").  Was  wir  in  Gott  erkennen  und  auf  Gott  beziehen,  ist  wahr. 
Von  der  sinnlich-empirischen  Erkenntnis  („opinio"  oder  „imaginatio")  unter- 
scheidet S.  die  Erkenntnis  der  Vernunft  („ratio")  und  die  geistige  Intuition  des 
Wesens  der  Dinge  („scientia  intuitiva).  Die  imaginative  (vorstellungsmäßige) 
Erkenntnis  erfaßt  die  Dinge  als  gesondert-einzelne  und  zufällige,  in  der  Zeit 
vergehende  (Die  Zeit  ist  nur  ein  „modus  cogitandi").  Die  Vernunft  erkennt 
durch  allgemeine  Begriffe  das  allgemeine,  konstante  Wesen  der  Dinge,  ihre 
Gesetzlichkeit  und  Notwendigkeit  („De  natura  rationis  non  est  res  ut  contin- 
gentes.  sed  ut  necessarias  contemplari" ;  „ut  in  se  sunt");  insofern  erkennt  sie 
die  Dinge  als  in  Gottes  ewigem  Wesen  wurzelnd,  in  einer  gewissen  Ewigkeits- 
form („sub  quadam  aeternitatis  specie").  Die  intuitive  Erkenntnis  geht  von 
der  adäquaten  Idee  des  Wesens  göttlicher  Attribute  zur  adäquaten  Erkenntnis 
des  Wesens  der  Dinge  („ab  adaequata  idea  essen tiae  formalis  quorundam  Dei 
attributorum  ad  adaequatam  cognitionem  essentiae  rerum").  Sie  erfaßt  die 
Dinge,  wie  sie  zeitlos  in  Gott  liegen  und  aus  dem  göttlichen  Wesen  folgen, 
in  ihrer  ewigen  Notwendigkeit  („sub  specie  aeternitatis":  „Res  duobus 
modis  a  nobis  ut  actuales  concipiuntur,  vel  quatenus  eadem  cum  relatione  ad 
certum  tempus  et  locum  existere,  vel  quatenus  ipsas  in  Deo  contineri  et 
ex  naturae  divinae  necessitate  consequi  concipimus.  Quae  autem  hoc  secundo 
modo  ut  verae  seu  reales  concipiuntur,  eas  sub  aeternitatis  specie  concipimus, 
et  earum  ideae  aeternam  et  infinitam  Dei  essentiam  involvunt"). 

Während  Descartes  den  Irrtum  auf  die  Willensfreiheit  zurückführt,  er- 
blickt S.  in  jenem  nur  einen  Mangel  des  Wahrheitsgehaltes,  eine  „Privation". 
Der  Wille  ist  vom  Intellekt  nicht  verschieden  („voluntas  et  intellectus  unum 
et  idem  est"),  das  Wollen  eine  Funktion  des  Intellekts,  insofern  Bejahung  und 
Verneinung  im  Gedanken  selbst  schon  liegt  („quam  idea,  quatenus  idea  est, 
involvit").  Auch  gibt  es  keinen  abstrakten,  allgemeinen  Willen,  nur  konkrete 
Wollungen  („singulares  volitiones"),  d.  h.  einzelne  Bejahungen  oder  Verneinungen. 
Gottes  Wille  und  Verstand  sind  eins.  Wie  aus  Gottes  Wesen  alles  notwendig 
folgt,  so  sind  auch  unsere  Willenshändlungen  teils  von  außen,  teils  von  innen 
(psychologisch)  determiniert,  eine  (absolute)  Willensfreiheit  besteht  nicht, 
beruht  auf  Einbildung.  Der  Wille  des  Menschen  ist  keine  freie,  sondern  eine 
notwendige  Ursache  („causa  necessaria"),  er  bedarf  einer  Ursache,  durch  die  er 
bestimmt  wird  und  die  selbst  wieder  ins  Unendliche  auf  Ursachen  zurückführt. 
Wir  dünken  uns  nur  frei,  weil  wir  uns  oft  der  Beweggründe  nicht  bewußt 
sind;  so  könnte  aber  auch  ein  geworfener  Stein  sich  für  frei  halten.  Doch 
leugnet  S.  weder  die  psychologische,  noch  die  ethische  Freiheit  als  Selbständig- 
keit. In  diesem  Sinne  ist  frei,  wer  sich  von  äußerem  Zwange  und  inneren 
Erregungen  unabhängig  macht,  wer  klar  und  deutlich  erkennt  und  dadurch 
aktiv  sich  verhält,  wer  seine  Affekte  beherrscht,  sich  durch  die  Vernunft  leiten 
laßt  („qui  ratione  ducitur"). 

Beherrschung  der  Affekte,  Streben  nach  Erhaltung  des  wahrhaft  mensch- 
lichen  Seins,  welches  in  der  Vernunft  liegt,  vernunftgemäßes  Handeln  —  darauf 
zielt  8.8  Ethik  hin,  welche  psychologisch  fundiert  ist  und  einen  teleologischen 
(eiicrgistisch-eudämonistischen)   Charakter   hat.    Ähnlich    wie  die  Stoa  geht  8. 


Spixoza.  701 

von  einer  Untersuchung  der  Affekte  (bzw.  Leidenschaften)  aus.  Der  Affekt 
ist  ein  „verworrenes  Bewußtsein"  („confusa  idea"),  dessen  Inhalt  eine  Affektion 
des  Körpers  ist,  durch  welche  dessen  Kraft  (Macht)  gesteigert  oder  geschwächt 
wird  („corporis  affectiones  quibus  ipsius  corporis  agendi  potentia  augetur  vel 
minuitur,  iuvatur  vel  coercetur,  et  simul  harum  affectionum  ideas").  Zugleich 
wird  durch  den  Affekt  der  Geist  gefördert  oder  gehemmt.  Wir  empfinden 
Lust  (Freude,  „laetitia"),  wenn  wir  zu  größerer  Vollkommenheit  („ad  maiorem 
perfectionem")  fortschreiten,  im  gegenteiligen  Falle  aber  Unlust  (Trauer, 
„tristitia").  Dazu  kommt  als  dritter  Grundaffekt  die  Begierde  („cupiditas"), 
der  mit  Bewußtsein  verbundene  Trieb  („appetitus  cum  eiusdem  conscientia"). 
Der  Selbsterhaltungstrieb  ist  jedem  Dinge  eigen  („unaquaeque  res,  quan- 
tum  in  se  est,  in  suo  esse  perseverare  conatur"),  konstituiert  dessen  innerstes 
Wesen  (Ansatz  zu  einem  Voluntarismus,  wie  er  schon  bei  den  Stoikern,  Tele- 
sius  u.  a.  bestand  und  von  Schopenhauer  u.  a.  weitergebildet  wurde).  Nach  Er- 
haltung der  eigenen  Kraft,  nach  Steigerung  der  Macht  (vgl.  schon  Hobbes)  zu 
streben,  ist  das  Natürliche,  Naturgemäße.  Was  unsere  Kraft  schwächt,  wo- 
durch Mir  leiden,  ist  daher  nicht  gut,  so  z.  B.  das  Mitleid  als  Affekt,  der 
(nur)  für  den  vernünftigen  Menschen  unnötig  ist  („commiseratio  in  nomine, 
qui  ex  ductu  rationis  vivit,  per  se  mala  et  inutilis  est") ;  er  wird  helfen,  ohne 
sich  zu  erregen,  aus  Vernunft  und  Menschlichkeit  (vgl.  Kant,  Nietzsche).  Auch 
die  Reue  ist  für  den  vernünftigen  Menschen  unnötig. 

Auf  das  Streben  bezieht  sich  das  Gute.  Gut  ist  etwas  nicht  an  sich, 
sondern  als  Objekt  eines  Begehrens  („quia  id  conamur,  volumus,  appetimus  atque 
cupimus");  das  Gute  liegt  nicht  schon  in  den  Dingen,  sondern  erst  und  nur  in 
uns,  es  ist  subjektiv  und  relativ  („bonum  et  malum  quod  attinet,  nihil 
etiam  positivum  in  rebus,  in  se  scilicet  consideratis,  iudicant,  nee  aliud  sunt 
praeter  cogitandi  modos  seu  notiones,  quas  formamus  ex  eo,  quod  res  ad  in- 
vicem  comparamus").  Gleichwohl  gibt  es  ein  allgemeines,  in  diesem  Sinne 
objektiv  Gutes,  nämlich  das  für  den  Menschen  wahrhaft  Nützliche 
(„utile"),  das  die  menschlich-vernünftige  Natur  Erhaltende  und 
Fördernde,  dem  Menschheitsideale  Dienende  („per  bonum  .  .  . 
intelligam  id,  quod  certo  seimus  medium  esse,  ut  ad  exemplar  humanae  naturae, 
quod  nobis  proponimus,  magis  magisque  accedamus" ;  idealistischer  Perfektionis- 
mus). Gut  ist,  was  unsere  Macht  steigert.  Die  Macht  unseres  Geistes  liegt 
nun  in  der  Vernunft,  im  wahren  Erkennen,  und  so  ist  gut,  was  unsere  Er- 
kenntnis fördert  („quod  ad  intelligendum  re  vera  conducit,  vel  quod  impedire 
potest,  quo  minus  intelligamus").  In  dem  Streben  nach  Erhaltung  und 
Förderimg  des  vernünftigen  Ichs  besteht  die  Tugend  („virtus  est  ipsa  human a 
potentia,  quae  sola  hominis  essentia  definitur,  hoc  est,  quae  solo  conatu,  quo 
homo  in  suo  esse  perseverare  conatur,  definitur").  Tugendhaft  handeln  ist  eins 
mit  dem  Handeln  gemäß  den  Gesetzen  der  eigenen  Natur  („ex  legibus  pro- 
priae  naturae  agere",  ethische  Autonomie),  d.  h.  mit  dem  vernünftigen  Handeln 
(„ex  ductu  rationis  agere").  Der  Sittliche  ist  aber  kein  reiner  Egoist,  sondern 
er  wünscht  das  Gute  auch  seinen  Mitmenschen;  zum  Nützlichen  gehört  auch 
alles,  was  zum  harmonischen  Gemeinschaftsleben  beiträgt  („quae  ad  hominum 


702  Spinoza. 

commimem  societatem  conducunt,  sive  quae  efficiunt.  ut  homines  concorditer 
vivant,  utilia  sunt").  Die  Tugend  selbst  ist  Glückseligkeit,  diese  ist  kein 
Lohn,  deren  jene  bedarf  („beatitudo  non  est  virtutis  praemium,  sed  ipsa 
virtus"). 

Affekte  können  (wie  schon  F.  Bacon  lehrt)  nur  durch  Affekte  bekämpft 
werden ,  nicht  durch  den  bloßen  Intellekt.  Soll  also  die  Vernunft  den 
Menschen  frei  machen,  ihn  von  der  Knechtschaft  („servitus"),  in  die  ihn  seine 
Affekte  versetzen,  erlösen,  so  muß  die  Erkenntnis  von  einem  Gefühl  begleitet 
sein,  welches  den  Affekten  entgegenwirkt.  Diese  Affekte,  welche  leidentliche 
Zustände  („passiones")  der  Seele  sind,  werden  durch  die  Erkenntnis,  daß  alles 
in  der  Welt  notwendig  aus  dem  Wesen  der  göttlichen  Natur  folgt,  überwunden, 
der  Geist  wird  Herr  über  sie,  wird  aktiv.  Die  klare  und  deutliche  Erkenntnis 
des  Bezogenseins  aller  Dinge  auf  Gott  als  deren  Einheit,  zu  der  auch  wir  ge- 
hören, zeitigt  ein  reines,  aktives  Gefühl  der  intellektuellen  Liebe  zu 
Gott  (,,amor  Dei  intellectualis") ,  die  das  höchste  Gut,  das  größte  Glück  be- 
deutet („summum  bonum  est,  quod  ex  dictamine  rationis  appetere  possumus"). 
Die  intellektuelle  Liebe  knüpft  sich  an  die  Betrachtung  der  Dinge  „sub  aeter- 
nitatis  specie",  an  die  Erkenntnis  Gottes,  sofern  er  ewig  ist  und  sofern  wir  in 
ihm  sind.  Diese  Liebe  ist  ewig,  ist  die  Liebe  Gottes  zu  sich  selbst  in  uns. 
(„amor  intellectualis  est  ipse  Dei  amor,  quo  Deus  se  ipsum  amat"),  ein  Teil 
der  unendlichen  Selbstliebe  Gottes  („pars  est  infiniti  amoris,  quo  Deus  se  ipsum 
amat").  Wer  Gott  liebt,  kann  nicht  verlangen,  daß  Gott  auch  ihn  (als 
Einzelnen)  liebt.  Aber  Gottes  Liebe  zu  sich  ist  zugleich  seine  Liebe  zu  den 
Menschen.  In  der  beständigen  und  ewigen  Liebe  zu  Gott  und  Gottes  Liebe 
zu  den  Menschen,  die  eins  sind,  besteht  unsere  höchste  Freiheit  und  Seligkeit 
(„salus  nostra  seu  beatitudo  seu  libertas").  Nichts  kann  diese  Liebe  vernichten. 
Sofern  wir  Geist  sind,  der  Gott  und  alles,  sich  inbegriffen,  in  ihm  erkennt, 
sind  wir  unsterblich,  d.  h.  zeitlos  ewig,  ohne  daß  wir  als  Individuen  mit 
Erinnerung  weiterleben.  Der  menschliche  Geist  geht  nicht  mit  dem  Körper 
unter,  sondern  das  Ewige  in  ihm  bleibt  bestehen  („eius  aliquid  remanet, 
quod  aeternum  est");  der  Geist  ist  ewig,  sofern  er  Ewiges  denkt,  an  diesem 
Teil  hat,  sofern  das  Wesen  des  ihm  zugehörigen  Körpers  in  Gott  ewig  zum 
Ausdruck  kommt  („in  Deo  datur  necessario  conceptus  seu  idea,  quae  corporis 
humani  essentiam  exprimit";  „est  .  .  .  haec  idea  .  .  .  certus  cogitandi  modus, 
qui  ad  mentis  essentiam  pertinet  quique  necessario  aeternus  est";  „sentimus  .  .  .. 
mentem  nostram,  quatenus  corporis  essentiam  sub  aeternitatis  specie  involvit, 
aeternam  esse  et  hanc  eius  existentiam  tempore  definiri  sive  per  durationem 
explieari  non  posse"). 

Die  Rechts-  und  Staatsphilosophie  S.s  findet  sich  besonders  im 
„Tractatus  theologico-politicus"  und  im  „Tractatus  politicus".  Im  ersteren 
fordert  S.  religiöse  Freiheit,  überhaupt  Gewissensfreiheit;  er  hält  Philosophie 
und  Glauben  scharf  auseinander,  insofern  beide  voneinander  unabhängig  sein 
tollen.  Die  Bibel  will  nicht  Erkenntnisse  vermitteln,  sondern  hat  rein  religiös- 
ethische Bedeutung.  Auch  ist  S.  schon  ein  Vorläufer  der  neueren  Bibel-Kritik. 
Während  S.   im    älteren  Traktat   die  reine  Demokratie  verficht,   plädiert  er  im 


-    CNOZjL 

späteren   für  eine  mehr  aristokratische  Form,  ohm  in  Anhänger  da 

Hobbes    verteidigten    Absolutismus   zu    -in.     !>;-•   Menschen    sind    wob    Natur 
Feinde  C,ex   natura  hostes"),   aber  die  Not   dea    Lebena   and    die    Furcht 
Einsamkeit    treibt  sie   zur   bürgerlich»!.  -tatum  «ivilnn  homines 

natura  appetere").    Daa  Xaturrecht   (.aus  natura«  -in-   mit  der  Macht 

Natur,  mit  dem,  was  die  Menschen  ihrer  Natur  gemäfi  tun,  die  von  Natur 
iel  Recht   zur  Existenz    und  Wirksamkeit  besitzen,    als    sie  <!;.    Macht 
dazu  haben.    Im  Staate,  der  durch  Vertrag  entsteht,  werden  die  Beriehu 
der  Menschen   zueinander   vernünftig   geregelt,  damit   Sicherheil    und   Frieden 
herrscht  und  die  Wohlfahrt  aller  gefördert  wird. 

Sjb   Lehren   fanden   zunächst   meist    heft  _      ■  ■   .  .!.   Thomasins, 

F.  Kappolt,  v.  Blyenburg,  J.  Musaeus,  J.  Vateler,  Poiret,  Bayle, 
Fenelon  H.  Horchius,  Kortholt,  G.  Wächter,  Leibniz  (der  B.  besacht 
hatte),  YVolff,  Jacobi  dessen  Streit  mit  Mendelssohn  über  den  „Spino&amua" 

Anla!)   zum   Wandel   in  den  Anschauungen  aber  B.  gaben)  u.  a.     An. 
sind  J.  Jellis,  Simon  de  Vries,  Gaffeler,  Leenhof f ,  Stosch, 

/.um  Teil  Tschirnhausen  u.  a.  Von  s.  beeinflußt  sind  in  verschiedenen] 
Mai'.»-  und  in  verschiedener   Weise    Leasing,    Herder,  Goethe,    Schl< 

macher,  Fichte,  Bchelling,  Hegel,  Schopenhauer  u.  a.  N  ~ j »in. >- 
rismuB")]  ferner  Fechn er,  E.  v.  Hartmann,  Wandt,  Bpencer,  Hickel, 

:del.  J.  Stern.  Spir  u.  a.,  auch  van  Vloten.   Land,   Betf  u.  a. 
S    hriften:     Renati     des    Cartes    Principiorum    philosophiae    pars    I    et    11.    more 
geometrico   domonstratae,    accesserunt    eiusdem    Cogitata  metaphysica,    1663.  —  Tractatus 
theologico-politicuB,    1670.    —    Opera   posthuma,    hrsg.    1677:    Ethiea,    ordine    g 
dernonstrata  ;    Tractatus   politicus;    Tractatus  de  intellectus  emendatione;    Epistolae ;   I 
pendiura    gramruaticae    linguae   Hebraeae.    —    De  Deo  et  homine  eiusque  felbitate,  hrsg. 
1852     (Rückübersetzung    aas    dem    Holländischen    ins    Latein  holländi- 

ihrsg.  von  van   Vloten),   1869  (hrsg.  von  Schaareehmidt) ;   deut.»<  1.   in   d<  Bibl.". 

'•■    A     1907.   —   Ad   B.  de  S.  opera  qtiae  supersunt  omnia  lapplamantam,    1. 
Opera,   1802—3,   1830,  1843—46,    :  I.   —   Best«   Angabe  von  van  Vloten  u.  Und, 

1882—83;   2.   A.    1895;  Ethica,   1905.   —Deutsch:    Ethik.   1737.    1741.  in   der  „1' 
Bibl.",    in    der  Univ. -Bibl."    (dort    au<h    der    „Theol.-polit     Traktat4',    „Verbesserung    de-« 
raenschl.  Verstandes",  Briefe).  —  Werkt«,  deutsch  von  B.  Auerbach,    1841,  LI 
der  „Philos.  Bibl.".   —   Biographien  von   .!.  OOU  i:i  I     — 

La  vie    et    l'esprit    de   B.,    1719     (wohl  toih  Laeat).          •'     FEE!  piniiiai.   Mi 

Lebensgeschichte    S.s,     1898.    —    Spinn  und     seine    Loire     ifOA    I.   — 

1hnin-Hoi:kou  -ki.    Dar  jai  Spiaoaa,     L910.  —   Miin-ma. 

B.   Ai  kki.a«  ii,   8.,  ein   hiat  \.  1*55.  —  B 

BETER,    amoi    D  :'.   —   Vgl.  ><  n  \  u><  iimii-i.    Dawartai  u    &  k  — 

I     I    LJfSEEE,   In.-   Lahr«  >.-.    l  -  7  7     —    FREUDENTHJ  .tstik, 

Zeller-  ift,   i>77.  .1.  ClIED,    8.,    1888.  -     \\      BöLTJ 

i  am-.    -..    1899.  K.    F»  in  l:.   W  vii. 

Ethik  .    1899.    -      A.    Win  v\  eltanscha  .  1 

BABDT,    DU  Philosophie  des  S.  im  [iekti  der  Kritik.  I  r.  \  . 

L'ber  ilie  neue:  8       ?ART,    D 

rioau»,    L889,    —     Ki:vkmii  .«*•!.     «I.    Bpinosiraiu  -i     — 

<  rEl  NW  AI  D,  bland,    LI 


704  Spir. 

Spir.  African,  geb.  1837  bei  Elisabethgrad  (Rußland),  erst  Seeoffizier, 
lebte  später  als  Schriftsteller  in  Genf,  gest.  daselbst  1890. 

S.  ist  von  Kant,  Spinoza,  Herbart,  Schopenhauer  u.  a.  beeinflußt. 
Sein  theoretischer  Hauptsatz  ist  der,  daß  „die  Data  der  Erfahrung  mit  dem 
logischen  Satze  der  Identität  nicht  übereinstimmen".  Dem  letzteren  zufolge 
ist  jeder  Gegenstand  in  seinem  eigenen  Wesen  mit  sich  selbst  identisch,  die  Er- 
fahrung dagegen  zeigt  uns  keinen  einzigen  Gegenstand,  der  mit  sich  selbst  voll- 
kommen identisch  wäre.  Der  Satz  der  Identität  ist  das  A  priori  des  Denkens, 
•er  ist  nicht  aus  der  Erfahrung  geschöpft.  Die  Erfahrung  zeigt  uns  die  Dinge 
nicht  so,  wie  sie  an  sich  sind,  sie  enthält  „Elemente,  welche  dem  Wesen  der 
Dinge  an  sich  fremd  sind".  Der  Satz  der  Identität  ist  unmittelbar  gewiß 
und  zugleich  ein  analytischer  und  synthetischer  Satz,  letzteres  eben  dadurch, 
daß  die  Data  der  Erfahrung  mit  ihm  nicht  übereinstimmen.  Durch  Zusammen- 
stellung des  Identitätssatzes  mit  den  Daten  der  Erfahrung,  die  demselben 
widerstreiten,  ergeben  sich  die  Grundsätze  von  der  Beharrlichkeit  der  Sub- 
stanz und  der  Satz  der  Kausalität.  Aus  der  Einsicht,  daß  die  Erfahrung 
uns  die  Dinge  nicht  so  zeigt,  wie  sie  an  sich  beschaffen  sind,  folgt,  daß  das 
Wesen  der  Dinge  an  sich,  das  Unbedingte,  den  zureichenden  Grund  der  er- 
fahrungsmäßigen Wirklichkeit  nicht  enthält ;  es  kann  daher  nicht  zur  Erklärung 
von  Natureinrichtungen  und  Naturereignissen  gebraucht  werden.  Erst  so  kann  der 
Streit  zwischen  Eeligion  und  Wissenschaft  beigelegt  werden,  beide  haben  ihr 
eigenes  Gebiet  und  können  auf  das  der  anderen  nicht  übergreifen.  Im  Unbe- 
dingten gibt  es  keinerlei  Veränderung,  keine  Relativität ;  es  ist  eine  beharrliche, 
ewige,  vollkommene  Substanz  ohne  Vielheit  (Eleatismus). 

Die  Substanz  der  Dinge  ist  Gott,  dem  ein  Selbstbewußtsein  nicht  zu- 
kommt, da  er  absolute  Identität,  also  über  den  Unterschied  von  Subjekt  und 
Objekt  erhaben  ist.  Gott  ist  das  „wahrhaft  höhere  Wesen  des  Menschen  selbst, 
sowie  aller  Dinge  überhaupt".  Die  Welt  ist  Erscheinung,  Entäußerung  des  Ab- 
soluten, nicht  das  Produkt  oder  die  Eolge  desselben.  Die  Natur  ist  als  solche 
etwas  „Abnormes",  Nichtsein- Sollendes,  etwas  mit  sich  Entzweites,  Werdendes, 
Unvollkommenes.  Gott  enthält  nicht  den  zureichenden  Grund  der  Natur  und 
der  Übel  in  ihr.  das  ist  das  Grunddogma  aller  Religion.  Gott  „wirkt"  nicht, 
ist  nicht  die  Ursache  der  Dinge,  sondern  das  „eigene  höhere  Wesen  der  Dinge 
selbst",  der  Grund  aller  idealen  Instinkte  und  Bestrebungen  unseres  Geistes". 
Gott  ist  das  Gute,  die  höchste  Norm.  Die  Individualität,  das  Ich  ist  (als  solches) 
Erscheinung,  nichts  Substantielles,  Identisches,  und  fühlt  diesen  Mangel  im 
Schmerz  und  in  der  Unlust.  Der  Endzweck  des  Willens  ist  „Erreichung  von 
Identität  mit  sich  selbst".  Das  höchste  Gut  ist  vollkommene  Identität  mit  sich 
selbst,  Überwindung  der  Individualität  und  des  Egoismus  durch  den  Willen 
zum  Höheren,  Göttlichen  in  uns. 

Schriften:  Die  Wahrheit,  1867.  '■ —  Andeutungen  zu  einem  widerspruchslosen 
Denken,    1868.  —  Forschungen  nach  der  Gewißheit  in  der  Erkenntnis  der  Wirklichkeit, 

1868.  —   Kurze    Darstellung    der    Grundzüge    einer    philosophischen    Anschauungsweise, 

1869.  —  Erörterung    einer  philosophischen  Grundansicht,    1869.    —  Denken  und  Wirk- 
lichkeit (Hauptwerk),  1873;  2.  A.   1877;  3.   1884  (4.  A.  nebst:  Moralität  und  Religion, 


Spir  —  Squillace.  703 


1874,  u.  a.,  als  Teile  von:  Gesammelte  Werke,  1908  f.).  —  Empirie  und  Philosophie, 
1876.  —  Vier  Grundfragen,  1880.  —  Studien,  1883.  —  Gesammelte  Schriften,  1883—85. 
Esquisses  de  philosophie  critique,  1877.  —  Nouvelles  esquisses  de  philos.  crit.,  1899, 
u.  a.  —  Vgl.  HüMANUS,  A.  S,   1892.  —  Th.  LESSING,  A.  S.s,  Erkenntnislehre,  1901. 

Spitta.  Heinrich,  geb.  1849  in  Neckarhalde,  Prof.  in  Tübingen.  =  Teil- 
weise von  Herbart  beeinflußt.  Die  Seele  ist  eine  immaterielle  Substanz,  die  das 
Äußere  verinnerlicht,  das  Gegebene  verarbeitet  und  auf  die  Außenwelt  einwirkt. 
Dem  unbedingten  Pflichtbewußtsein  entspricht  das  unbedingte  Rechtsbewußt - 
sein  (das  Bewußtsein  des  „Rechts  auf  Leben"). 

Schriften:  Die  Schlaf-  u.  Traurazustände  der  menschlichen  Seele,  1878;  3.  A.  1892. 
—  Die  Willensbestimmungen  u.  ihr  Verhältnis  zu  den  impulsiven  Handlungen,  1881 ;  2.  A. 
1892.  —  Einleitung  in  die  Psychologie  als  Wissenschaft,  1886.  —  Die  psychologische  For- 
schung u.  ihre  Aufgabe  in  der  Gegenwart,   1889.  —  Mein  Recht  auf  Leben,  1900,  u.  a. 

Spitzer,  Hugo,  geb.  1854  in  Einöde,  Prof.  in  Graz,  Ästhetiker.  =  Evo- 
lutionistisch-monistischer  Standpunkt  (Die  Materie  hat  ein  „ Innensein",  das 
sich  zum  Bewußtsein  entwickelt).  Die  Kunst  erregt  Anschauungs-  oder  emotio- 
nelle Funktionslust. 

Schriften:  Nominalismus  u.  Realismus  in  der  neuesten  deutschen  Philosophie, 
1876.  —  Ursprung  und  Bedeutung  des  Hylozoismus,  1881.  —  Das  "Verhältnis  der  Philo- 
sophie zu  den  organischen  Naturwissenschaften,  1883.  —  Beiträge  zur  Deszendenztheorie 
u.  zur  Methodologie  der  Naturwiss.,  1886.  —  Kritische  Studien  zur  Ästhetik  der  Gegen- 
wart, 1897.  —  Hermann  Hettners  kunstphilos.  Anfänge  u.  Literaturästhetik,  Unter- 
suchungen zur  Theorie  u.  Geschichte  der  Ästhetik  1,  1903.  —  Die  ästhetische  Lust  und 
der  Affekt  der  Freude.  —  Die  Verteilung  des  apollinischen  und  dionysischen  Moments  in 
den  Künsten  (Beides  in  der  Zeitschr.  f.  Ästhetik  L). 

Spitzner.  Alfred,  geb.  1865  in  Rothenkirchen  i.  V.,   Lehrer  in  Lei}> 
=  Vertreter  der  pädagogischen  Psychologie  und  Patholoüi«-. 

Schriften:  Natur  und  Yernunftgemäßheit  bei  Rousseau,  1892.  —  Die  wissensch. 
u.  prakt.  Bedeutung  der  Lehre  von  den  psychopathischen  Minderwertigkeiten,  1894.  — 
Geistige  Überanstreng,  in  den  Schulen,  1896.  —  Die  pädagogische  Pathologie,  1890;  3.  A. 
1899.  —  Psychogene  Störungen  der  Schulkinder,  1899,  u.  a. 

Spranger,   Eduard,  geb.  1882   in   Groß-Lichterfelde  bei  Berlin,  Pri\ 
dozent   an   der   Universität   Berlin,    lebt    in    Charlottenburg.    =    Idealistischer 

Standpunkt  der  Geschichtsauffassung. 

Schriften:    Die    Grundlagen    der  Geschichtswissenschaft .    1905.   —   W.    von    Hum- 
boldt u.  die  Humanitätsidee,   1909.  —  W.  v.  fl.  u.  die  Neubegrüml.  d.  humanist.  Bildur 
wesens,  1910,  u.  a. 

Sprayt,    Cornelius    Bellaar,    Prof.   in    Amsterdam,   gest.   1901.   =  Von 

Schopenhauer  beein f In  1 1 1 . 

Schriften    (holländisch):    Geschichte    der   Lehre    von    den     lageborM  !en, 

1879.  —  Logik,  hrsg.   1903.  —  Geschiedenis  der  Willi. egoerto,   1904,  u. 

Squillace.    Fausto,  Prof.  an  der  „Universite'  NouTclle*1  in  Brüssel,  Lebt 
in   Catanzaro.    =    Die  Gesellschaft    ist   «in   „natürliche«   System"    lociale]    B 
Ziehungen   zwischen  sozialen   Subjekten,    kein  Organismus.     Die  Soxioloj 
die  abstrakte,  allgemeine  Wissenschaft  von  der  menschlichen  Gesellschaft. 

Eisler,  Philosophcn-Loxikon. 


700  Squillace  —  Stahl. 


Schriften:  Sociologica  artistica,  1900.  —  Le  dottrine  sociologiche,  1903;  deutsch 
1911.  —  I  problemi  fondamentali  della  sociologia,  1907.  —  La  sociologia  (in  Vorbereit.). 
—  Dizionario  di  sociologia,  2.   ed.   1911. 

Ssolowjew,  Wladimir  Sergiewitsch,  geb.  1853  in  Moskau,  1875  Privat- 
dozent daselbst,  dann  als  Schriftsteller  tätig,  gest.  1900.  =  Mystiker,  nach 
welchem  das  Absolute  dasjenige  ist,  was  der  Außenwelt  und  dem  Denken  zu- 
grunde liegt. 

Schriften  (russisch):  1874,  1877,  1878—81,  1880,  1897,  1901  ff.  —  Vgl'.. 
TtJMAKKXN,  W.  S.  als  Philosoph,  1905.  —  W.  v.  USNADE,  W.  S.:  seine  Erkenntnis- 
theorie und  Metaphysik,  1909.  —  F.  StePPHTTHN,  W.  S.,  Zeitschr.  für  Philos.,. 
Bd.   138,  1910. 

Stadler,  August,  geb.  1850  in  Zürich,  Prof.  am  Polytechnikum,  gest.  1910. 

S.  ist  Kantianer.  Die  zentrale  Aufgabe  der  Erkenntniskritik  ist  es,  die 
Bedingungen  des  wissenschaftlichen  Für  wahrhalten  s  zu  ergründen,  und  dazu 
ist  der  Nachweis  der  Quellen  der  Erkenntnis  notwendig.  Auf  der  Annahme 
der  Möglichkeit  der  Erkenntnis  beruht  alles.  Erkenntnis  ist  aber  möglich,  weil 
sie  gewollt  wird.  „Das  Wollen  erzeugt  das  Fürwahrhalten  und  ist  sein  letzter 
Grund.  Die  kritische  Besinnung  besteht  in  dem  Nachdenken  über  das,  was- 
man  eigentlich  will,  wenn  man  erkennen  will,  und  die  Logik  ist  der  Nachweis 
der  Hypothesen,  die  durch  dieses  Wollen  notwendig  werden."  Denn,  sobald 
die  Vernunft  weiß,  was  sie  will,  wenn  sie  Erkenntnis  will,  weiß  sie  auch,  was 
sie  a  priori  voraussetzen  muß,  damit  Erkenntnis  möglich  sei.  Die  Frage  ist 
eine  Grundbedingung  der  Erfahrung;  aus  ihrer  Analyse  müssen  sich  die  Kate- 
gorien ergeben.  Die  Grundfragen  der  Erkenntnis  enthalten  die  „grundlegenden 
Hypothesen"  der  Erkenntnis,  nämlich  daß  „das"  „etwas  ist"  und  daß  „das" 
„wegen  etwas  sei".  Die  Frage  ist  das  „Postulat  der  Erkenntnis".  Als  Er- 
zeugnis des  Wollens  entwirft  sie  das  A  priori  der  Mathematik  und  Physik,  die 
Grundbedingungen  dieser;  nur  was  sich  ihnen  fügt,  ist  Erfahrung.  Der  Zweck 
ist  ein  regulativer  Begriff. 

Schriften:  Kants  Teleologie  u.  ihre  erkenntnistheoret.  Bedeutung.  1874.  —  Die 
Grundzüge  der  reinen  Erkenntnistheorie  in  der  Kantschen  Philosophie,  1876.  —  Kants 
Theorie  der  Materie,  1883.  —  Die  Frage  als  Prinzip  des  Erkennens,  Kantstudien, 
XIII,  1908. 

Stahl,  Friedrich  Julius,  geb.  1802  in  München,  1832  Prof.  in  Würzburg, 
1835  in  Erlangen,  1840  in  Berlin,  gest.  1861  im  Bade  Brückenau. 

8.,  der,  als  Jude  geboren,  zum  Protestantismus  übertrat,  begründet, 
von  Schelling  beeinflußt,  seine  konservativ-reaktionäre  Eechts-  und 
Staatsphilosophie  religiös-theistisch.  Die  Rechtsphilosophie  ist  die 
..Wissenschaft  des  Gerechten",  welche  Recht  und  Staat  mit  der  Gottheit 
in  Verbindung  setzt.  Das  Recht  ist  die  „Lebensordnung  des  Volkes 
und  bzw.  der  Gemeinschaft  der  Völker  zur  Erhaltung  von  Gottes  Welt- 
ordnung". Es  ist  „bestimmt  durch  Gottes  Gebote,  gegründet  auf  Gottes  Er- 
mächtigung". Der  Staat  ist  und  soll  ein  sittliches  Gemeinwesen  sein,  er  ist 
göttliche  Institution,  ebenso  die  Regierung,  welche  absolut  sein  muß:  „Autorität, 
nicht  Majorität". 


Stahl  —  Stammler. 


Schriften:  Philosophie  des  Rechts,  1830—37;  2.  A.  1845—47;  5.  A.  1878.  — 
Das  monarchische  Prinzip,  1845.  —  Der  christliche  Staat,  2.  A.  1858.  —  Fundamente 
einer  christlichen  Philosophie,  184C,  u.  a. 

Stahl,  Georg  Ernst,  geb.  1660  in  Ansbach,  1694  Prof.  der  Medizin  in 
Halle,  Arzt  und  Chemiker.  =  S.  vertritt  den  Standpunkt  des  „Animismuß" 
im  philosophischen  Sinne,  d.  h.  er  erklärt  das  Leben  aus  der  Tätigkeit  der 
Seele.  Die  (unbewußte)  Seele  („anima  inscia")  ist  die  Bildnerin  und  Lenkerin 
des  Leibes,  der  ihr  Organ  ist  („Corpus  hoc  verum  et  immediatum  animae 
organon'*;  „ anima  et  struit  sibi  corpus  et  regit  illud  ipsum"). 

Schriften:  Theoria  medica,  1707,  1831  f.  Disquis.  de  raechan.  et  organ.  diver- 
sitate.     De  scopo  et  fine  corpor.    De  temperamentis. 

Slallo.  John  Bernhard,  geb.  1823  in  Sierhausen  (Oldenburg),  lebte  seit 
1839  in  den  Vereinigten  Staaten,  seit  1872  in  Italien  als  Gesandter,  gest.  1900. 
=  Positivistisch-phänomenologischer  Standpunkt  (ähnlich  wie  Mach,  Pearson 
u.  a.).  Der  Raum  ist  ein  Abstraktionsgebilde,  etwas  Gedankliches;  empirisch 
ist  an  ihm  nur  die  begrenzte  Ausdehnung.  Den  Dogmatismus  der  (im  engeren 
Sinne)  mechanistischen  Xaturauffassung  bekämpft  S.,  ebenso  die  Atomistik. 

Schriften:  Die  Begriffe  und  Theorien  der  modernen  Physik,  deutsch  von  Kleiu- 
peter,  1901.  —  General  Principles  of  the  Philosoph)-  of  Xature.  —  Reden,  Abhand- 
lungen und  Briefe. 

Stammler,  Rudolf,  geb.  1856  in  Alsfeld,  Prof.  der  Rechtswissenschaft 
in  Halle  a.  S. 

S.s  Rechtsphilosophie  beruht  auf  Kantscher  Grundlage,  ihre  Methode  ist 
die  teleologisch-kritische.  indem  sie  für  das  Empirische  ein  objektives  Richt- 
maß aufstellt  und  die  grundlegende  Gesetzmäßigkeit  des  Bechtalebens  bestimmt 
Sie  ist  ein  Teil  der  „Orthosophie",  der  Erkenntnis  des  Sichtigen.  Bin  festes 
Xaturrecht  gibt  es  nicht,  auch  keine  konkreten  apriorischen  RechtBS&tze,  wohl 
aber  ein  im  positiven  Recht  gesetztes  oder  zu  setzendes  „richtiges"  Recht, 
Während  die  Wirtschaft  die  „Materie"  des  sozialen  Lebens  ist.  bildet  d 
,,Form"    das  Recht,    als   notwendige  Bedingung   gesetzmäßiger  .\  Itung 

des  sozialen  Lebens.  Das  Recht  ist  „die  ihrem  Sinuc  nach  nnverletzbai  gel- 
tende Zwangsregel  menschlichen  Zusammenlebens".  Es  ist  Beiner  Idee  nach 
ein  ..Zwangsversuch  zum  Richtigen".  Das  richtige  Recht  ist  jenes  Recht, 
welches  in  einer  besonderen  Lage  mit  dem  Grundgedanken  des  Rechte  über- 
haupt zusammenstimmt,  also  Dicht  ein  ideales  Recht  ..Ali-  Recht 
ist  ein  Versuch,  richtig«-  Kein  zu  Bein".  Die  [dee  des  richtigen  Rechts  ist 
die  Einheit  von  Einzelzwecken  uach  einem  Endzweck  der  Gesellschaft;  Beine 
Richtigkeit  besteht  in  der  „Übereinstimmung  mit  dem  Bozialen  Ideal-',  d.  h. 
mit  der  Idee  der  „Gemeinschaft  frei  wollender  Menschen". 

Die  Bozialphilosophie   untersucht,    unter   welcher  grundlegenden    formalen 

tzmäßigkeil  das  soziale  Leben  der  Menschheit  Bteht;  ihr  Ziel  ist  Er- 
kenntnis derjenige  i  Begriffe  und  Grundsätze,  die  für  alles  soziale  Leben  ein- 
heitlich gehen,  ihr  Objekt  di(  Gesetzmäßigkeif  des  sozialen  Lebens  der 
Menschen     als    solche".      -     al«     Leben    ist    ..ein    durch     äußerliche 


708  Stammler  —  Starbuck. 


bindende  Normen  (Recht,  Konvention)  geregeltes  Zusammenleben  von 
Menschen".  Die  Materie  desselben  ist  die  „Wirtschaft",  d.  h.  „das  auf 
Bedürfnisbefriedigung  gerichtete  menschliche  Zusammenwirken".  Die  Form 
der  Gesellschaft  ist  das  Eecht.  Der  „Monismus  des  sozialen  Lebens" 
sucht  die  Ursachen  und  Wirkungen  auf  sozialem  Gebiete  in  der  Einheit  des 
Ganzen  des  gesellschaftlichen  Lebens  der  Menschen  zu  erfassen.  Das  Wesen 
des  sozialen  Daseins  der  Menschen  liegt  im  Wollen  und  in  der  Verfolgung  von 
Zwecken.  Kichtig  ist  jener  Zweck,  der  in  der  Richtung  des  obersten  einheit- 
lichen Zweckes  liegt.  Dieser  Zweck,  das  soziale  Ideal,  ist  die  Gemeinschaft 
freiwollender  Menschen,  d.  h.  die  „Menschengemeinschaft,  in  der  ein  jeder  die 
objektiv  berechtigten  Zwecke  des  anderen  zu  den  seinigen  macht".  —  Gegner 
S.s  sind  M.  Weber,  Kantorowicz,  M.  Adler  u.  a. 

Schriften:  Die  Methode  der  geschichtl.  Kechtstheorie,  1888.  —  Theorie  des 
Anarchismus,  1894.  —  Wirtschaft  und  Eecht,  1896;  2.  A.  1906.  —  Die  Lehre  von 
dem  richtigen  Eechte,  1902  (beide  letzteren  sind  Hauptwerke).  —  Die  Gesetzmäßigkeit 
in  Kechtsordnung  und  Volkswirtschaft,  1902.  —  Die  Unbestimmtheit  des  Kechtsubjekts, 
1907,  u.  a. 

Stange.  Carl,  geb.  1870  in  Hamburg,  Professor  der  Theologie  in 
Greifswald. 

Die  Ethik  ist  nach  S.  nicht  eine  normative  Wissenschaft.  Sie  hat  das 
Sittliche  in  dessen  Faktoren  darzutun  und  ist  eine  auf  empirischer  Grundlage 
ruhende  spekulative  Wissenschaft.  Sie  sucht  den  Inhalt  des  Sittlichen,  die  all- 
gemeinen Merkmale  der  sittlichen  Handlungen,  die  Faktoren  des  sittlichen 
Inhalts,  die  Quelle  der  sittlichen  Urteile  sowie  die  Entstehungsgeschichte  des 
Sittlichen  zu  bestimmen.  Die  Sittlichkeit  beruht  auf  Autonomie,  auf  der  Norm 
der  Vernunft.  Sittlich  gut  ist  das  Pflichtgemäße,  d.  h.  das  der  Vernunft  Ge- 
mäße, wie  es  in  der  Gemeinschaft  erwächst.  Die  Pflicht  ist  eine  elementare 
sittliche  Norm,  die  „Vorstellung  eines  Seinsollenden  als  Motiv".  Nicht  Pflichten, 
nur  Motive   des  sittlichen  Handelns   können    miteinander  in  Konflikt  geraten. 

Schriften:  Die  christliche  Ethik  in  ihrem  Verhältnis  zur  modernen  Ethik, 
1892.  —  Einleitung  in  die  Ethik,  1900 — 1.  —  Der  Gedankengang  der  Kritik  der 
reinen  Vernunft,  1902;  3.  A.  1907.  —  Das  Problem  Tolstojs,  19  03.  —  Theolog.  Auf- 
sätze,  1905.  —  Grundriß  der  Religionsphilosophie,  1907,  u.  a. 

Stapnlensis  s.  Lefevre. 

Starhuck.  Edwin  Diller,  Prof.  in  Jowa  (Ver.  Staaten).  =  Vertreter  der 
Religionspsychologie  nach  induktiv-statistischer  Methode  (wie  Leuba  u.  a.) 
zwecks  Feststellung,  „welche  Grundzüge  im  religiösen  Wachstum  für  die  Men- 
schen im  allgemeinen  gültig  sind".  Untersucht  werden  besonders  die  während 
der  „Bekehrung",  d.  h.  des  Übergangs  von  Gleichgültigkeit  u.  dgl.  zu  geist- 
licher Erkenntnis  und  Tätigkeit  u.  dgl.  wirksamen  geistigen  und  geistlichen 
Vorgänge,  und  zwar  auf  Grund  selbstbiographischer  Berichte.  So  wurde  z.  B. 
ermittelt,  in  welchem  Lebensalter  die  „Bekehrung"  meist  auftritt,  welche  Er- 
fahrungen der  Bekehrung  vorangehen,  welche  Folgen  sie  hat  usw. 

Schriften:  The  Psychology  of  Religion,  1899;  2.  ed.  1901;  deutsch  1909.  — 
What  is  Religion?  1910.  —  The  Child   Mind  and  Child  Religion,   1909,  u.  a. 


Stab«  ke  —  Sn 


Stareke,  C.  N.,  dänischer  Soziolog.  —  Schriften:  L.  Feuerbach,  1885. 
—  Die  primitive  Familie,  1888.  —  Theoret.  Grundlagen  der  Ethik,  1889  (dänisch).  — 
La  methode  sociologique,  u.  a.   (llev.  int.  de  Sociologie). 

Staseas  aus  Neapel,  Peripatetiker  des  1.  Jahrhund.  \.  ein-.,  lehrte  in 
Rom. 

Stattler,  Benedikt,  geb.   1728  in   Kötzning,  Jesuit,    Prof.   in   Innsbruck, 

seit  1770  in  Ingolstadt,  lebte  später  in  München,   wo  er  i: 
Kants. 

Schriften:  Anti-Kant,  1788.  —  Wahres  Verhältnis  der  Kantschon  Philosophie 
zur  christlichen  Religion  und  Moral,  1794.  —  Ethica  cristiana  communis,  1791.  — 
Ethica  criBtiana  universalis,  1793.  —  Allgemeine  katholisch-christliche  Sittenlehre,  1790, 
u.  a.   —  Vgl.  G.   HUBER,  B.   St.  u.  sein  Anti-Kant,   1904. 

Standinger,  Franz,  geb.  1849   in  WallerBtätten,  Gynmasialprofessor  in 

1  )armstadt. 

3.  verbindet  mit  dem  Kantschen  Kritizismus  einen  (von  K.  Man  beein- 
flußten) ethischen  Sozialismus.    Oberstes  Sittengesetz  ist  die  Vernunftforderong 

durchgängigen  Zusammenhangs  aller  Zwecke.  Das  oberste  Ideal,  der  höchste 
Wert  ist  ein  vollkommenes  Gemeinschaftsleben;  was  zu  höherer  Gemeinschaft 
führt,  i-t  sittlich,  so  daß  ein  „Zielwille"  die  oberste  Instanz  bildet  Gesellschaft 
und  Gemeinschaft  sind  (wie  nach  Tönnies)  zu  unterscheiden;  Letzter 
da,  wo  Menschen  zu  einem  gemeinsamen  Ziele  instinktiv  oder  bewußt  zusammen- 
wirken.   Freiheit  ist  Bestimmung  des  Willens  durch  das  ßitt< 

Schriften:    Noumena,   1884.    —    Das  Sittengesetz,    I  A.    1807.    —    Sonst, 

Heut    und    Einst    in   Religion    und    Gesellschaft,    1889.    —    Ethik  und   Politik,   1899.   — 
Sprüche    der  Freiheit    wider    Nietzsche    u.    die    Herrenmoral,    1904.  Wirtschu:- 

Grundlagen  der  Moral,   1907. 

Stäudlin.   Karl  Friedrich,   geb.    L761   in   Stuttgart,   Beil    1/.  der 

Theologie  in  Göttingen,   gest.  daselbst    1826.    =    Erst    Anhänger  Kant-, 
Bupranaturalist. 

Schriften:  Geschichte  u.  Geist  des  Skeptizismus,   1794.    —    < 
u.  biblischen  Moral,   1805.    —    Geschichte    dor  christlichen   Moni« 
des  Rationalismus  u.  Supernaturalismus,    1  - 

Steffen,  Gustai   F.,  geb.  1864,  Prof.  in  Gothenbui 

S    hrifton:  Soziologie  (191<>,  Khwedioch),  o.  a. 

SteflVn*».  Henrik,  geb.  1773  in  Staranger    N  .  studierte  Medi 

und  Philosophie,   befreundete  rieh  (1796  in  Jena]   mit   Scheüing,   itudiertv 
Werner   in    l  Geologie,   wui  in   Balle,    1811   in  lireslau, 

spater   in   Berlin,   wo  er   1845  starb,   nachdem   er  schon  I  m  christlich- 

mystische  Den!  ingenommen  hatte. 

-    ist  wesentlich  \..n  Schellins  beeinflui  chichte  des   Menschen 

ein  Teil   der  Entwicklung  Uls.     D  I    findet    sich   selbst    in  der 

Natur.    Wahre   Erkenntnis  ist    nur  da,   \\  en   und  Sein   identisch   lind; 

für  dai  wahre  Erkennen  D  S  Bei 

In  der  Vernunft   erkennen    heißt  Einzelne  in  seinem    Wesen,  d.h.  in 


'l"  Steffens       Stein. 


der  Potenz  des  Ewigen,  erkennen*'.  Das  [dentische,  Absolute  erscheint  einer- 
seits als  der  „ewige  Leib",  das  körperliehe  Universum,  die  Natur,  anderseits 
als  „ewiger  Geist''  oder  beschichte.  „Die  Geschichte  ist  das  ewige  Vorbild  der 
Natur,  die  Natur  das  ewige  Abbild  und  Gleichnis  der  Geschichte.''  Die  wahre 
Natur  ist  im  Einzelnen  wie  im  Ganzen  absolut  organisiert.  Die  Natur  hat 
das  Streben  nach  immer  intensiverem  Individualisieren.  Das  Extrem  der 
Universalität  auf  der  Erde  ist  die  Masse,  das  der  Individualität  die  Seele.  Die 
Offenbarung  der  Liebe  ist  die  Geschichte.  Die  Natur  birgt  das  Geheimnis  der 
höheren  Natur  des  Menschen,  des  Geistigen  in  sich.  Gegenüber  dem  trennen- 
den Verstand  ist  das  Gefühl,  welches  uns  in  die  Fülle  der  Natur  versenkt, 
welches  das  quellende  Leben  der  Natur  als  das  eigene  uns  gibt,  das  Fundament 
der  (geologischen ,  physiologischen ,  psychologischen)  „Anthropologie".  Das 
<  ii  irrige  in  der  Natur  ist  ..innere  Agitation",  es  besteht  in  „Trieben"  der 
Dinge.  Ein  „Parallelismus  zwischen  dem  Äußern  der  Natur  und  dem  Innern 
des  Gtiste<"  besteht,  der  auf  die  Einheit  beider  deutet  (so  ist  z.  B.,  was  in 
der  Natur  das  Licht  ist,  im  geistigen  Leben  das  Bewußtsein).  —  Durch  die 
Sünde  des  Menschen  ist  die  Natur  verderbt  worden,  aber  durch  den  göttlichen 
Geist  (im  göttlichen  Menschen)  wird  sie  befreit,  erlöst. 

Schriften:  Beiträge  zur  inneren  Naturgeschichte  der  Erde,  1801.  —  Grundzüge 
der  philos.  Naturwissenschaft,  1806.  —  Über  die  Idee  der  Universitäten,  1809.  — 
Karikaturen  des  Heiligsten,  1810  —  12.  —  Anthropologie,  1823.  —  Wie  ich  wieder 
Lutheraner  ward,  1836.  —  Polemische  Blätter  zur  Beförderung  der  spekulativen  Physik, 
1829-35.  —  Christliche  Religionsphilosophie,  1839.  —  Was  ich  erlebte,  1840—45; 
2.  A.  1844—46.  —  Nachgelassene  Schriften,  1846.  —  Novellen,  1837—38.  —  Vgl. 
Zeitschr.  f.  spekul.  Physik  I,  H.   1  —  2. 

Steffensen,  Karl,  geb.  1816,  Prof.  in  Basel,  gest.  1888.  =  In  der  Ge- 
schichte kommt  es  auf  das  Individuelle  und  auf  ideale  Mächte  als  Manifesta- 
tionen Gottes  an. 

Schriften:  Gesammelte  Aufsätze,  hrsg.  1890.  —  Zur  Philosophie  d.  Geschichte, 
hrsg.   1894. 

Stein,    Karl   Heinrich  von,   geb.   1857   in  Coburg,    Prof.  in  Berlin,    gi 
1887  daselbst. 

Die  Ästhetik  ist  die  „Lehre  vom  Gefühl",  und  die  ,. Lehre  von  den 
Kunstwerken".  Sie  soll  das  Kunstwerk  mit  dem  gesamten  geistigen  Leben 
deutend  und  erklärend  in  Beziehung  setzen.  Das  Element  des  Ästhetischen  ist 
das  ..Verweilen  beim  Eindruck  als  solchen".  Der  ästhetische  Eindruck  besteht 
in  der  Fülle  normaler  Tätigkeit;  in  der  ungehinderten  Ausübung  der  (trieb- 
artigen) Einheitsfunktion  des  Bewußtseins  liegt  das  ästhetische  Wohlgefühl, 
welches  sich  an  das  „freie  Spiel  der  Vorstellungen  knüpft".  „Schön"  bedeutet 
ein  „Aufgehen  im  Schauen".  Die  Aufgabe  der  Kunst  ist  es,  eine  Sache  zu 
bedeutendem  Ausdruck  zu  bringen. 

Schriften:  Über  Wahrnehmung,  1877.  —  Die  Ideale  des  Materialismus,  1878.  — 
Giordano  Bruno,  2.  A.  1900.  —  Helden  u.  Welt,  1883.  —  Die  Entstehung  der  neueren 
Ästhetik,  1886.  —  Schiller  und  Goethe.  Vorlesungen  über  die  Ästhetik  der  deutschen 
Klassiker.    —    Vorlesungen  über  Ästhetik,    1897.    —    Die  Beziehungen    der  Sprache   zum 


Stein.  711 

philos.  Erkennen,  1883.  —  Der  Zusammenhang  zwischen  Boileau  u.  Descartes,  1884.  — 
Zur  Kultur  der  Seele,  hrsg.  von  Poske,  1906.  —  Vgl.  H.  BT.  CHAMBEBLAIN  u. 
F.  POSKE,  H.  v.  St.   u.  seine  Weltanschauung,   1903;  2.  A.   1905. 

Stein,  Lorenz  von.  geb.  1815  in  Eckernförde,  1855—85  Prof.  der  Staate- 
Wissenschaft  in  Wien.  gest.  1890  daselbst.  =  Von  Hegel  beeinflußt. 

Schriften:  System  der  Staatswissenschaft,  1852 — 56  (Bd.  II:  Gesellschaftslehre), 
u.  a.   —  Vgl.   GhÜNFELD,  Die  Gesellschaftslehre  von  L.  v.  8.,    1908. 

Stein,  Ludwig,  geb.  1859  in  Benye  (Ungarn),  war  lange  Prof.  in  Bern, 
lebt  jetzt  in  Berlin.  Herausgeber  des  „Arch.  f.  Geschichte  d.  Philosophie"  und 
des  ..Archiv  f.  systemat.  Philos/',  sowie  der  „Berner  Studien  zur  Philos.  u. 
ihrer  Geschichte". 

B.  vertritt  einen  (von  Kant.  Spencer  u.  a.  beeinflußten)  evolutionistischen 
Kritizismus,  mit  dem  er  einen  sozialen  Aktivismus  und  Optimismus  verbindet 
(Rechtssozialismus).  Soll  Kant  uns  fruchtbar  sein,  so  müssen  seine  Wahrheiten 
an  denen  Darwins  gemessen  werden.  ,.Der  Evolutionismus  muß  ganz  und  ohne 
Rest  in  den  Kritizismus  hineingebildet  werden."  Die  Anschauungsformen  und 
Kategorien  sind  für  das  Individuum  apriorisch,  von  der  Gattung  aber  erworben. 
Die  Kategorien  sind  ..ordnende,  vereinheitlichende  Funktionen''.  Der  Empiris- 
mus gilt  für  den  Naturmenschen,  der  Nativismus  für  den  Kulturmenschen; 
dieser  hat  in  sich  die  Dispositionen  zu  bestimmten  Vorstellungen  und  Vor- 
stellungsverbindungen. Die  Erkenntnisformen  haben  auch  biologische  Be- 
deutung. „Zeit,  Zahl,  Raum.  Kausalität,  wie  die  Verstandeskategorien  über- 
haupt, sind  nichts  anderes,  als  das  Alphabet,  welches  sich  die  Menschen  im 
Kampfe  ums  Dasein  als  Schutzmaßregeln  gebildet  haben,  um  erfolgreich  im 
Buche  der  Natur  lesen  zu  können."  Bezüglich  des  Wirklichkeitsproblems  er- 
klärt S.:  „Der  Dualismus  ist  eine  psychologische  Tatsache,  aber  der  Monismus 
ist  sein  zureichender  logischer  Grund.''  Der  Einheitstrieb  des  Denkens  - 
unaufhebbar.  Unsere  Ich-Einheit  ist  das  ewige  Modell  der  Einheit  des  Uni- 
versums.    Gott  ist  die  Energie  des  Alls  („energetischer  Pantheismus"). 

Die  Aufgabe  der  „Kulturphilosophie"  ist  es,  die  Kulturwerte  in  ihrem 
Entstehen  zu  schildern,  in  ihrem  Werdegang  zu  verfolgen  und  in  ihrer  Wirk- 
samkeit für  die  Gegenwart  zu  begreifen.  Als  Naturwesen  sind  wir  gebunden, 
als  Kulturwesen  sind  wir  frei.  In  der  Geschichte  wirken  psychische  Faktoren, 
und  es  besteht  hier  ein  „conatus",  eine  immanente  Zielstrebigkeit.  Nicht 
kausale,  strenge  Gesetze,  nur  Tendenzen  erkennen  wir  in  der  Geschichte. 
Die  Soziologie  ist  eine  philosophische  Wissenschaft  mit  psychogenetisch- 
hi-torischer  Methode  und  empirischen  Gesetzen  (Rhythmen  u.  dgl.) :  auch  das 
soziale  Sollen  hat  sie  zu  normieren.  Die  Gesellschaft  ist  kein  Organismus, 
sondern  eine  Organisation.  Ausfluß  einer  bestimmten  Zwecksetzung  mensch- 
licher Willensgemeinschaften . 

Schriften:     Die    Willensfreiheit,      1882.    —     Die    Psychologie    der    Stoa,     188 

—  Die    Erkenntnistheorie    der    Stoa,    1888.    —    Handschriftenfunde    in    Italien,     1SS0. 

—  Leibniz     und    Spinoza,     1889.    —    Antike    Vorläufer    des     Okkasionalismus ,     1SS9. 

—  Der  Humanist  Theodor  Gaza    als    Philosoph,   1889.    —    Leibniz    und    Spinoza,    1890. 

—  Nietzsches    Weltanschauung    und    ihre    Gefahren,    1893.    —    Das    Prinzip    der    Ent- 


,12  Stein  —  Steinmann. 


wicklung  in  der  Geistesgeschichte,  1895.  —  Die  soziale  Frage  im  Lichte  der  Philo- 
sophie, 1897;  2.  A.  1903.  —  Wesen  und  Aufgabe  der  Soziologie,  1898.  —  An  der 
Wende  des  Jahrhunderts,  Versuch  einer  Kulturphilosophie,  1900.  —  Der  Neo-Idealis- 
mus, 1903.  —  Der  Sinn  des  Daseins,  1904.  —  Der  soziale  Optimismus,  1905.  —  Die 
Anfänge  der  menschlichen  Kultur,  1906.  —  Philos.  Strömungen  der  Gegenwart,  1908. 
Dualismus  u.  Monismus,  1909.  —  Das  Problem  der  Geschichte,  Arch.  f.  system.  Philos. 
XIV,  1908.   —  Der  Pragmatismus,  1.  c.  XIV,  1908,  u.  a. 

Steinbart,  Gotthilf  Samuel,  geb.  1738  in  Züllichau,  Prof.  in  Frank- 
furt a.  M.,  gest.  1809.  =  Eudämonistischer  Standpunkt.  Die  Unsterblichkeit 
der  Seele  ist  ein  Postulat  der  Glückseligkeit;  eine  Art  Ätherleib  überdauert 
mit  der  Seele  das  Leben. 

Schriften:  System  der  reinen  Philosophie  oder  Glückseligkeitslehre  des  Christen- 
tums, 1788 — 80;  4.  A.  1794.  —  Philos.  Unterhaltungen  zur  weitern  Aufklärung  der 
Glückseligkeitslehre,  1782  f.  —  Anleitung  des  menschlichen  Verstandes  zu  möglichst 
vollkommener  Erkenntnis,  1780  (Sensualistisch).  —  Vgl.  R.  HlLDENBRAND,  S.,  1907. 

Steiner,  Rudolf,  geb.  1861  in  Kraljevic,  lebt  in  Berlin.  Herausgeber  der 
Zeitschrift  „Lucifer-Gnosis". 

S.,  der  erst  von  Häckel,  Nietzsche  u.  a.  beeinflußt  war  und  eine  indivi- 
dualistische Philosophie  der  Freiheit  vertrat,  nach  welcher  die  Sittlichkeit  in 
der  vollen  Entwicklung  der  menschlichen  Natur  besteht  und  das  menschliche 
Individuum  „Quell  aller  Sittlichkeit  und  Mittelpunkt  alles  Lebens"  ist,  ist  jetzt 
Mystiker  und  Theosoph.  Gott  ruht  in  den  Dingen,  da  er  sich  allem  hingegeben; 
der  Mensch  muß  ihn  schaffend  erlösen.  „Der  Mensch  blickt  nun  in  sich.  Als 
verborgene  Schöpferkraft,  noch  daseinlos,  pocht  das  Göttliche  in  seiner  Seele. 
In  dieser  Seele  ist  eine  Stätte,  in  der  der  verzauberte  Gott  wieder  aufleben 
kann.  Die  Seele  ist  die  Mutter,  die  den  Gott  aus  der  Natur  empfangen  kann. 
Lasse  die  Seele  sich  von  der  Natur  befruchten,  so  wird  sie  ein  Göttliches 
gebären.  Aus  der  Ehe  der  Seele  mit  der  Natur  wird  Gott  geboren.  Das  ist 
nun  kein  ,  verborgen  er'  Gott  mehr,  das  ist  ein  offenbarer  Gott."  „Die  mystische 
Erkenntnis  ist  damit  ein  wirklicher  Vorgang  im  Weltprozesse.  Sie  ist  eine 
Geburt  Gottes/' 

Schriften:  Goethes  naturwissenschaftliche  Schriften,  in  Kürschners  Deutsche  Nat.- 
Literatur,  1885/97.  —  Erkenntnistheorie,  1888.  —  Goethe  als  Vater  einer  neuen 
Ästhetik,  1889.  —  Wahrheit  und  Wissenschaft,  1892.  —  Philosophie  der  Freiheit, 
1804.  —  Friedrich  Nietzsche,  1895.  —  Goethes  Weltanschauung,  1897.  —  Häckel  und 
seine  Gegner,  1900.  —  Welt-  und  Lebensanschauungen  im  19.  Jahrhundert,  1900.  — 
Die  Mystik,  1901.  —  Das  Christentum  als  mystische  Tatsache,  1902.  —  Theosophie, 
1904,  u.  a. 

Steinmann,  Theophil,  geb.  1869  in  Oesel,  Lizentiat,  Dozent  am  theoL 
linar  in  Gnadenfeld.     Herausgeber  der  Zeitschrift  „Religion  u.  Geisteskultur" 
und    der   Sammlung    „Wege  zur  Philos.".    =   Religionsphilosoph   auf   psycho- 
logischer Grundlage. 

Schriften:  D.  Primat  d.  Keligion  im  geistigen  Leben  d.  Menschheit,  1899.  — 
D.  geist.  Oüenbarung  Gottes  in  d.  geschichtl.  Person  Jesu,  1903.  —  D.  religiöse  Un- 
«iterblichkeitsglaube,  1908,  u.  a. 


Steinthal  —  Stephen.  71 $ 


Stein  thal,  Heymann,  geb.  1823  in  Gröbzig,  1863  Prof.  in  Berlin,  gest. 
daselbst  1899. 

S.  ist  von  Herbart  ausgegangen  und  ist  mit  Lazarus  (s.  d.)  ein  Begründer 
der  Völkerpsychologie,  die  er  auch  „psychische  Ethnologie''  nennt.  Die 
Sprache  ist  ursprünglich  eine  Art  Keflexbewegung ;  die  Affektionen  der  Seele- 
setzen sich  reflexartig  in  Töne  um,  wobei  das  Sprechen  erleichternd,  befreiend 
wirkt.  Der  Urmensch  begleitete  in  größter  Lebhaftigkeit  alle  Wahrnehmungen,, 
die  er  hatte,  mit  Bewegungen,  mimischen  Stellungen,  Gebärden  und  besonderen 
Tönen.  Dazu  kommen  dann  Assoziation,  Apperzeption,  Onomatopöie,  soziale 
Resonanz.  Die  „innere  Sprachform''  bezieht  sich  auf  die  subjektive  Apperzep- 
tion der  Dinge;  die  Grammatik  ist  ursprünglich  rein  psychologisch,  nicht 
logisch  bedingt.  Das  einfache,  anschauliche  Denken  geht  der  Sprache  voran.. 
Die  Apperzeption  faßt  S.  ähnlich  wie  Herbart  auf,  er  unterscheidet  identi- 
fizierende, subsumierende,  harmonisierende,  disharmonisierende  Apperzeption 
und  stellt  die  apperzipierenden  als  apriorische  den  apperzipierten  als  aposteriori- 
schen gegenüber.  In  der  Ethik  betont  S.  den  absoluten  Wert  der  „objektiven" 
Gefühle.  Die  sittlichen  Ideen  sind  die  Idee  der  sittlichen  Persönlichkeit,  des 
Wohlwollens,  der  Vereinigung,  des  Rechts  und  der  Vollkommenheit. 

Schriften:  Die  Klassifikation  der  Sprachen,  1850.  —  Grammatik,  Logik  und 
Psychologie,  1855.  —  Der  Ursprung  der  Sprache,  1856;  3.  A.  1877.  —  Geschichte  der 
Sprachwissenschaft  bei  den  Griechen  u.  Römern,  1863—64;  2.  A.  1900.  —  Philologie,. 
Geschichte  u.  Psychologie  in  ihren  gegenseitigen  Beziehungen,  1864.  —  Abriß  der 
Sprachwissenschaften  I,  1871;  2.  A.  1881.  —  Mythos  u.  Religion,  1870.  —  Gesammelte- 
kleine Schriften  I,  1880.  —  Allgemeine  Ethik,  1886.  —  Zur  Bibel-  und  Religions- 
philosophie, 1890.  —  Vgl.  GloGAU,  S.s  psychol.  Formeln,  1876.  —  ACHELIS,  H.  St.r 
1898.  —  VAIHIXGEE,  D.  Philos.  des  Als  Ob,  1911   (von  S.  beeinflußt). 

Stelliiii,  Jacopo,  geb.  1699  in  Cividale  (Friaul),  1739  Prof.  in  Padua, 
gest.  daselbst  1770.  =  Von  Aristoteles,  Hobbes  und  Spinoza  beeinflußt.  Der 
Mensch  ist  ein  Teil  des  Universums  und  die  menschliche  Gesellschaft  unter- 
liegt den  Naturgesetzen.    Das  Lebensziel  ist  die  Glückseligkeit. 

Schriften:  Specimen  de  ortu  et  progressu  niorum  atque  opinionum  ad  mores 
pertinentium,  1740;  italienisch  1806.  —  Opera,  4  Bde.,  1778—79.  —  Opere  varie,  6  Bde.,. 
1781—84.  —  Vgl.  MäBIL,  Lettere  Stellinianae,  1811.  —  ARDY,  Di  alcune  intuizioni 
eociologiche  di  J.  St.,  1889.  —  LUZATTO,  L'opera  di  J.  St.,  1899,  u.  andere  Arbeiten 
über  St.  (1890,   1898).   —   SQUILLACE,  Die  soziolog.  Theorien,  1911,  S.  21   f. 

Stephen,  Leslie,  geb.  1832  in  Kensington,  gest.  1904  daselbst. 

S.  gehört  zu  den  Vertretern  der  evolutionistischen  Ethik.  Die  Gesell- 
schaft ist  nach  ihm  ein  Organismus,  dessen  Glieder  die  Individuen  sind.  Die 
relativ  konstanten  sozialen  Verhältnisse  bilden  das  soziale  Gewebe  („social 
tissue*').  Das  Gewissen  ist  die  infolge  Verinnerlichung  des  Sittlichen  im  Indi- 
viduum organisch  gewordene  Stimme  des  Eassengeistes  („public  spirit  of  raee").. 
Die  Sittlichkeit  ist  der  Inbegriff  des  die  gesellschaftliche  Gesundheit,  Lebens- 
kraft Fördernden,  das  System  der  Bedingungen  des  sozialen  Gedeihens  („a  State- 
ment of  the  conditions  or  of  a  part  of  the  conditions  to  the  vitality  of  the  social 
tissue").   Subjektiv  ist  die  Sittlichkeit  die  Sympathie  mit  dem  sozial  Förderlichem 


14  Stephen  —  Stern. 


Schriften:  Choice  of  Eepresentatives,  1867.  —  History  of  English  Thought  in 
the  18.  Century,  1876;  3.  ed.  1902.  —  Hours  in  a  Library,  1877—81;  2.  ed.  1892. 
—  Science  of  Ethics,  1882.  —  An  Agnostic's  Apology,  1893.  —  Social  Kights  and 
Duties,  1896.  —  Studies  of  a  Biographer,  1898.  —  The  English  Utilitarians,  1900, 
u.  a. 

Stern,  Jakob,  geb.  1843  in  Niederstetten,  lebt  in  Stuttgart.  =  Anhänger 
Spinozas  und  Sozialist. 

Schriften:  Die  Keligion  der  Zukunft,  1884;  3.  A.  1889.  —  A.  Schopenhauer, 
1888.  —  Thesen  über  d.  Sozialismus,  1889;  5.  A.  („Der  Zukunftsstaat")  1906.  — 
Bearbeitung  von  Schweglers  Gesch.  d.  Philos  ,  1889.  —  Die  Philosophie  Spinozas,  1890; 
2.  A.  1894.  —  Der  histor.  Materialismus,   1894.  —  Gott?,  1907,  u.  a. 

Stern,  L.  William,  geb.  1871  in  Berlin,  Prof.  in  Breslau.  Mitheraus- 
geber der  „Zeitschrift  für  angewandte  Psychologie".  Herausgeber  der  ,, Beiträge 
zur  Psychologie  der  Aussage",  1903  ff. 

Als  Psycholog  beschäftigt  sich  S.  besonders  mit  Individualpsychologie 
und  angewandter  Psychologie.  Die  Individual-  oder  Differentialpsy- 
chologie ist  die  „Lehre  von  der  differenzierten  Menschenseele",  die  es  mit 
den  Variationsformen  der  seelischen  Funktionen  bei  verschiedenen  Individuen 
zu  tun  hat.  Ihre  Aufgabe  ist:  „Auffindung  und  Beschreibung  der  wirklich 
vorhandenen  seelischen  Verschiedenheiten;  Nachweis  derselben  als  besonderer 
Erscheinungsformen  jener  allgemeinen  psychischen  Elemente,  Gesetze,  Funk- 
tionen und  Dispositionen,  die  uns  die  generelle  Psychologie  kennen  lehrt;  Ein- 
ordnung der  psychischen  Besonderheiten  in  Typen ;  Untersuchung,  wie  aus  dem 
Zusammentreffen  gewisser  einfacher  Typenformen  komplexere  Typen  entstehen : 
schließlich  Einblick  in  das  Wesen  der  Individualität,  indem  man  sie  als 
Kreuzungspunkt  verschiedener  Typen  betrachtet."  Die  Psychologie  über- 
haupt ist  „analysierende  und  isolierende  Betrachtung  seelischer  Phänomene"; 
dadurch  steht  sie  im  Widerstreit  zu  allen  Gebieten,  für  welche  seelisches  Da- 
sein als  individuelles  Ganzes,  d.  h.  in  der  Form  der  Persönlichkeit,  von  Be- 
deutung ist.  Die  Anwendung  der  Psychologie  reicht  aber  so  weit,  als  die 
„sachliche"  Betrachtungsweise  menschlichen  Geisteslebens  reicht.  Psychologie 
wird  zur  angewandten  Disziplin  als  Unterlage  der  psychologischen  Beurteilung 
(„Psychognostik")  und  als  Wegweisung  für  psychologische  Einwirkung  („Psycho- 
teehnik"),  welch  letztere  die  Hilfsmittel  zur  Förderung  wertvoller  Zwecke 
durch  geeignete  Handlungsweisen  liefert.  Die  Psychologie  der  Aussage  hat 
jene  Funktion  zum  Gegenstand,  welche  gegenwärtige  oder  vergangene  Wirklichkeit 
durch  menschliche  Bewußtseinstätigkeit  zur  Wiedergabe  zu  bringen  sucht. 
.Angestrebt  wird  die  Kenntnis  des  logischen  Wahrheitswertes  und  des  morali- 
schen Wahrhaftigkeitswertes  der  Aussagen,  die  Einsicht  in  die  Bedingungen, 
welche  diese  Werte  positiv  und  negativ  beeinflussen,  und  die  Eröffnung  von 
Wegen,  auf  welchen  sie  vervollkommnet  werden  können." 

Seine  Erkenntnistheorie  und  Weltanschauung  basiert  S.  auf  den  kriti- 
schen Personalismus  (Einfluß  von  Leibniz,  Kant,  Herbart,  Lotze,  Wundt 
u.  a..).  Die  Anschauungs-  und  Denkformen  sind  von  apriorischer  Geltung, 
miber  dem   , .Sachstandpunkt"  des  Impersonalismus,   der  als  Methode  be- 


Stern.  715 

rechtigt  und  konsequent  festzuhalten  ist,  leitet  der  „Personalismus"  das  Sach- 
liche, Quantitative,  Mechanische  letzten  Endes  aus  Aktionen  und  Eeaktionen 
von  ..Personen"  ab  und  betont  das  Qualitative,  Individuelle,  Formende,  Aktive, 
Zielstrebige  der  Wirklichkeit.  Die  Person  ist  „psychologisch  neutral",  d.  h. 
sie  erscheint  sowohl  physisch  als  psychisch.  Sie  ist  „ein  solches  Existierendes, 
das,  trotz  der  Vielheit  der  Teile,  eine  reale,  eigenartige  und  eigenwertige  Ein- 
heit bildet,  und  als  solche,  trotz  der  Vielheit  der  Teilfunktionen,  eine  einheit- 
liche, zielstrebige  Selbsttätigkeit  vollbringt".  Sie  ist  „unitas  multiplex",  ein 
Ganzes,  Einheit,  aktiv,  eigenartig;  die  Sache  hingegen  ist  ein  Aggregat, 
Quantität,  passiv,  mechanisch,  Fremdzweck.  Die  „Person"  hat  zwei  Daseins- 
stufen: als  „Person  an  sich"  (Stufe  der  bloßen  Selbsterhaltung)  und  als  „Person 
an  und  für  sich"  (Stufe  der  Selbstentfaltung).  Die  Teile  der  Personen  sind 
wieder  Personen.  Die  AVeit  ist  ein  Stufenbau  von  Personen,  alle  umschlossen 
von  der  göttlichen  All-Person.  Die  Person  ist  an  sich  metaphysisch  und  meta- 
psychisch. Das  Körperliche  ist  wie  das  Psychische  Erscheinung  von  Personen 
und  personalem  Wirken.  Die  Person  erscheint  als  Objekt  und  ist,  sofern  sie 
ihre  eigene  Einheit  erlebt,  ein  Ich  mit  Bewußtsem.  Zwischen  Physischem  und 
Psychischem  als  den  zwei  Seiten  der  Person  besteht  ein  Parallelismus,  ohne 
daß  überall  Bewußtsein  vorhanden  ist. 

Alles  Wirken,  welches  vom  Sach-Standpunkt  als  Summe  quantitativer  Rela- 
tionen sich  darstellt,  ist  an  sich  personal,  innerlich,  final,  so  aber,  daß  die 
Wirkungen  der  anderen  Faktoren  das  Resultat  beeinflussen.  Alle  Notwendig- 
keit, Kausalität,  Gesetzlichkeit  ist  für  den  Pantelismus  direkt  oder  indirekt  eine 
Funktion,  bzw.  ein  Niederschlag  teleologischen  Wirkens,  so  daß  das  Mechanische 
etwas  Sekundäres,  Abgeleitetes  ist  (ähnlich  u.  a.  schon  Eisler).  Alles  Geschehen  ist 
teleo-mechanisch.  „Die  Person  wirkt  als  Ganzes  auf  ihre  Teile,  zum  Zwecke 
des  Ganzen."  Das  Geschehen  ist  (wie  nach  Leibniz)  „vergangenheitsgesättigt  und 
zukunftsbedeutsam  zugleich",  es  ist  zielstrebig.  Der  „teleo-mechanische 
Parallelismus"  besagt:  „Was  von  oben,  d.  h.  vom  Standpunkt  des  Ganzen  aus 
persönlich  ist,  ist  von  unten,  d.  h.  vom  Standpunkt  der  Teile  aus  sächlich." 
Es  gibt  also  zu  jeder  personalen  Eigenart  ein  mechanisches  Äquivalent  und 
alles  Mechanische  hat  eine  teleologische  Bedeutung.  Den  Naturgesetzen  liegen 
„Selbsterhaltungen"  der  Personen  zugrunde.  Das  Gesetz  der  Erhaltung  der 
Energie  ist  eine  Ausstrahlung  der  „Selbsterhaltung  der  Allperson".  Der  Über- 
gang „latenter"  Personen  in  aktuelle  (die  „Aktualisation"  von  Personen:  hat 
ihr  Gegenstück  in  dem  umgekehrten  Prozeß  der  „Mechanisntion". 

Schriften:  Die  Analogie  im  volkstümlichen  Denken,  1893.  —  Psychologie  der 
Veränderungsauffassung,  1898.  —  Ideen  zu  einer  Psychologie  der  individuellen  Differenzen, 
1900.  —  Die  psychol.  Arbeit  des  19.  Jahrhunderts,  1900.  —  Zur  Psychologie  der 
Aussage,  1902.  —  Die  Aussage  als  geistige  Leistung  u.  als  Verhörsprodukt,  1903.  — 
Helen  Keller,  1905.  —  Person  u.  Sache  II,  1906.  —  Die  Kindersprache  (mit  Clara 
Stern),  1907.  —  Erinnerung  und  Aussage  in  der  ersten  Kindhoit  (mit  C.  S.),  1908, 
u.  a. 

Stern,  M.  L...  geb.  1844  in  Waag-Neustadtl,   Rabbiner  in  Trebitech,  _ 
1908  in  Wien. 


716  Stern. 

S.  vertritt  einen  (von  den  Eleaten,  Kant,  Herbart  n.  a.  beeinflußten)  Mo- 
nismus. Die  Anschauungsformen  (Raum  und  Zeit)  und  die  Kategorien  sind 
subjektiv,  das  An  sich  der  Dinge  ist  nicht  absolut  erkennbar.  Aber  die 
Erscheinungen  beruhen  auf  realen  Beziehungen  zwischen  den  Dingen  an  sich 
und  dem  Subjekt,  so  daß  jeder  Verschiedenheit  der  empirisch-phänomenalen 
Welt  eine  Verschiedenheit  im  An  sich  entspricht.  So  erkennen  wir  die  Dinge 
an  sich  in  symbolischer  Weise.  Die  Materie  ist  das  „Resultat  der  Be- 
ziehung des  Dinges  an  sich  ...  zu  unserem  Wahrnehmungsorgane".  Die  an 
sich  räum-,  zeit-  und  kausalitätslosen  Dinge  erscheinen  uns  raum-zeitlich-kausaL 
An  sich  gibt  es  kein  Werden,  Ursache  und  Wirkung  sind  hier  eins,  iden- 
tisch; hier  ist  die  Verursachung  als  Kombination  von  Ursachen,  die  in 
ihrer  Gesamtheit  mit  der  Wirkung  identisch  sind,  in  sie  eingehen,  zeitlos  auf- 
zufassen. Das  Sein  an  sich  ist  ohne  Werden,  ist  zeitlos,  erscheint  aber  als 
zeitlich.  „Alles  ist",  auch  das  Vergangene  und  Zukünftige  („Positiver  Pan- 
theismus").  Dem  Psychischen  und  dem  Physischen  hegt  ein  Identisches  zu- 
grunde, welches  ihre  Wechselwirkung  vermittelt.  Die  Gesetze  sind  ein  Aus- 
druck der  Beziehungen  der  Dinge  selbst,  keine  äußerlich  zwingenden  Mächte, 
so  daß  eine  Willensfreiheit  möglich  ist.  Die  Ethik  ist  nach  S.  die  Physik 
des  Wollens,  des  Geistigen.  Das  menschliche  Wollen  begehrt  Entwicklung  der 
Persönlichkeit,  ist  Streben  nach  Geistesinhalt.  Unsterblich  ist  die  Persönlich- 
keit als  unveränderlicher  Teil  im  Inhalt  der  allgemeinen  „Existenz",  im  All, 
in  Gott. 

Schriften:  Die  Lösung  der  sozialen  Frage.  —  Die  Philosophie  u.  Anthropogonie 
des  Prof.  Dr.  E.  Häckel,  1879.  —  Philosoph,  u.  naturwissenschaftlicher  Monismus, 
1885.  —  Monistische  Ethik,  1911,  u.  a.  —  Vgl.  V.  STERN,  Die  Philosophie  meines 
Vaters,  Arch.  f.  systemat.  Philos.  XVI,   1910. 

Stern,  Paul.  =  Als  Ästhetiker  ist  S.  ein  Anhänger  von  Lipps.  Er- 
kenntnistheoretisch vertritt  S.  den  kritischen  (methodischen)  Idealismus  im 
Sinne  Cohens  und  Natorps. 

Schriften:  Einfühlung  und  Assoziation  in  der  neuern  Ästhetik,  1898.  —  Das 
Problem  der  Gegebenheit,  Kritik  des  Psychologismus,  1903. 

Stern,  Wilhelm,  geb.  1844  in  Landsberg,  Arzt  in  Berlin.  =  Positivistisch- 
evolutionistischer  Standpunkt  („Kritischer  Positivismus").  Das  Wesen  von 
Materie  und  Geist  ist  unbekannt.  Das  Sittliche  ist  ein  „Trieb  zur  Erhaltung 
des  Psychischen  in  seinen  verschiedenen  Erscheinungsformen  durch  Abwehr 
aller  schädlichen  Eingriffe  in  dasselbe".  An  den  Sieg  über  die  schädlichen 
Eingriffe  der  objektiven  Außenwelt  ins  psychische  Leben  knüpft  sich  das  sitt- 
liche Lustgefühl.  Das  Mitleid  ist  „das  allmählich  im  Laufe  sehr  vieler  Jahr- 
tausende entstandene  verletzte  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  mit 
allen  anderen  beseelten  Wesen  gegenüber  den  schädlichen  Eingriffen  der  so- 
wohl unbeseelten  als  auch  beseelten  objektiven  Außenwelt  ins  psychische 
Leben". 

Anhänger  S.s  sind  seine  Söhne  B.  Stern  (Positivist.  Begründ.  d.  philos. 
>tiatrechts,  1905)  und  J.  Stern  (Kechtsphilos.  u.  Eechtswissenschaft,  1904, 
ii.   a.  . 


Sterx  —  Stieglitz.  717 


Schriften:  Kritische  Grundlegung  der  Ethik,  1897.  —  Allgemeine  Prinzipien 
der  Ethik,  1901.  —  Das  Wesen  des  Mitleids,  1903.  —  Der  Begriff  der  Handlung, 
1904. 

Stern,  William  s.  L.  William  S. 

Sterilberg,  Kurt,  geb.  1876  in  Limburg  a.  L.,  lebt  in  Berlin.  =  Kriti- 
scher Standpunkt. 

Schriften:  Gesch.  des  Kantschen  Denkens,   1909.  —   F.  Paulsen,   1908,  u.  a. 

Sternberg,  Theodor,  geb.  1878  in  Berlin,  Dozent  in  Lausanne. 
Schriften:   Allg.  Eechtslehre,   1904.  —  Charakterologie  als  Wiss.,   1907,  u.  a. 

Stendel,  Adolf,  geb.  1805,  gest.  1887  als  Obertribunalsprokurator.  = 
Ton  Spinoza  beeinflußt.  Die  eine,  allem  zugrunde  liegende  Substanz  ist  das 
„sich  in  der  Welt  diesseitig  auswirkende  und  differenzierende,  absolute,  Selbst- 
bewußtsein besitzende,  geistige  Prinzip,  Gott". 

Schriften:  Philosophie  im  Umriß,  1871  ff.  —  Kritik  der  Religion,  1881.  — 
Betrachtungen  üher  die  Rechtslehre,  1884.  —  Das  goldene  ABC  der  Philosophie,  hrsg. 
von   Schneide win,   1891. 

Stewart,  Dugald,  geb.  1753  in  Edinburg,  seit  1783  (bzw.  1785)  Prof. 
daselbst  (bis  1810),  gest.  1828  auf  seinem  Landsitze  Kinneilhouse. 

S.  ist,  wie  Eeid,  von  dem  er  beeinflußt  ist,  ein  Vertreter  der  ,, Schottischen 
Schule",  also  ein  Anhänger  der  Lehre  von  den  selbstgewissen  Grundsätzen  des 
„common  sense"  (s.  Eeid),  die  er  als  Grundgesetze  der  menschlichen  Über- 
zeugung („fundamental  laws  of  human  belief")  bezeichnet.  Die  Existenz  des 
Ich  ist  keine  Empfindungstatsache,  sondern  eine  Eingebung  („Suggestion"  i  des 
Verstandes;  das  Dasein  der  Objekte  der  Außenwelt  erhellt  aus  der  (von  unserem 
Willen  unabhängigen)  wiederholten  Wahrnehmung  desselben  Dinges  und  an- 
der Voraussetzung  einer  einheitlichen  und  festen  Naturordnung.  Aus  der  Vor- 
stellungsassoziation erklärt  S.  die  Gewohnheit.  Als  Ethiker  vertritt  S.  den 
(rationalistischen)  Intuitionismus;  die  sittlichen  Begriffe  sind  nrBprünglich 
durch  die  Vernunft  gegeben;  unabhängig  vom  Willen  Gottes  wie  von  mensch- 
liehen  Institutionen.  Sittlich  handeln ,  heißt  gemäß  der  Pflicht  handeln,  wie 
die  Vernunft,  das  Gewissen  sie  darstellt. 

Schriften:  Elements  of  the  philosophy  of  human  mind,  1792—1827,  1843,  1862, 
1867;  deutsch  I,  1794.  —  Outlines  of  the  moral  philosophy,  1793,  1863.  —  Philoso- 
phical  essays,  1810.  —  Philosophy  of  the  active  and  moral  powers  of  man,  1828.  — 
Collected  Works,  11   Bde.,  1854  ff. 

Stiedenroth,   Ernst,  geb.  1794  in  Hannover,   Dozent  in  Göttingen    und 
Berlin,  Prof.  in  Greifswald,  gest   1858   daselbst    =    Wesentlich  von    Berb 
beeinflußt. 

Schriften:  Nova  Spinozümi  delineatio,  1816.  —  Theorie  des  Wissens,  1819.  — 
Psychologie  zur  Erklärung  der  Seelenerschcinungen   1824 — 25. 

Stieglitz.  Theodor,  gel).  1840  in  Chiesch  (Böhmen  .  Gymnasialdirektoi 
i.  R.  in  Prachatitz.  =  Von  Schopenhauer  beeinflußt 

Schriften:  Grundsätze  der  hwtoruchtn  Entwicklung,  1881.  —  I  Wr  <1.  Urspr. 
d.  Sittlichen,   1894. 


718  Stilpon  —  Stikner. 


Stilpon  aus  Megara,  lehrte  erst  hier,  dann  um  (320  v.  Chr.)  in  Athen.  = 
S.  ist  ein  vom  Kynismus  beeinflußter  Vertreter  der  Megarischen  (s.  d.)  Schule. 
Er  ist  ein  Gegner  der  Ideenlehre  und  der  Realität  der  Gattungsbegriffe  (ävfjQsi 
y.al  rä  sl'dt],  Diog.  Laert.  II,  119)  und  behauptet  die  Möglichkeit  bloß  der 
identischen  Sätze  (vgl.  Antisthenes).  Das  höchste  Gut  ist  die  Apathie,  die 
Unempfindlichkeit  gegen  alles  und  die  Selbstgenügsamkeit  (Autarkie).  —  Einer 
der  Schüler  S.s  ist  Zenon  von  Kition. 

Schriften:  Nichts  erhalten.     Vgl.  Zell  er,  Philoa.  d.  Griechen. 

Stirner,  Max  (Pseudonym  für  Caspar  Schmidt),  geb.  25.  November  180Ö 
in  Baireuth,  Gymnasiallehrer,  dann  Lehrer  an  einer  Töchterschule  in  Berlin, 
wo  er  am  26.  Juni  1856  im  Elend  starb. 

S.  ist  besonders  von  Fichte  und  Feuerbach  beeinflußt  und  ein  Gegner  alles 
Universalismus  und  Objektivismus,  ein  Vertreter  des  radikalsten  Indi- 
vidualismus, dem  selbst  Feuerbachs  „Menschheit",  „der  Mensch"  etwas 
Imaginäres,  Unendliches  ist.  Alles  Allgemeine,  Abstrakte,  Ideenhafte,  Ideale 
ist  nichtig,  ein  bloßes  Gespenst,  eine  vom  Ich  gesetzte  Macht,  vor  der  es  sich 
beugt,  obwohl  alle  allgemeinen  Wesenheiten.  Werte  und  Zwecke  nur  seine  Ge- 
schöpfe sind.  Einzig  real  ist  nur  das  Ich,  das  Individuum  überhaupt  und 
Wert  hat  etwas  nur,  sofern  es  dem  Ich  dient,  zu  seiner  Befriedigung  beiträgt. 
Ich  bin  der  „Einzige"  und  alles,  worauf  ich  Anspruch  mache,  ist  mein  „Eigen- 
tum", ist  für  mich  da.  Gott,  Menschheit,  Gesellschaft,  Gesamtwohl,  Wahrheit 
usw.  —  das  alles  ist  nicht  meine  Sache.  „Das  Göttliche  ist  Gottes  Sache,  das 
Menschliche  Sache  des  Menschen.  Meine  Sache  ist  weder  das  Göttliche  noch 
das  Menschliche,  ist  nicht  das  Wahre,  Gute,  Rechte,  Freie  usw.,  sondern  allein 
das  Meinige  .  .  .  Mir  geht  nichts  über  mich."  Ich  bin  das  Absolute,  der  Voll- 
kommene, der  Einzige;  auf  mich  allein,  den  Vergänglichen,  den  ,, sterblichen 
Schöpfer  seiner,  der  sich  selbst  verzehrt",  also  auf  das  Nichts  stelle  ich  meine 
Sache.  Die  Welt  ist  mein  Geschöpf,  ist  ein  Spuk  wie  alles,  was  ich  nicht  an- 
erkenne, wie  z.  B.  der  Staat  und  seine  Sittlichkeit,  das  Wohl  der  Gesellschaft 
u.  dgl.  Keine  äußere  Norm  soll  gelten,  nur  als  „Verein  von  Egoisten"  ist  die  Ge- 
sellschaft anzuerkennen  und  nur  soweit,  als  sie  dem  Ich  genehm  sind,  Sittlichkeit, 
Altruismus,  Menschenliebe  (Egoismus  als  Grundlage  der  Moral).  Alles  ist  mir 
nur  Material,  das  ich  verbrauche,  auch  die  Wahrheit  dient  mir,  ist  an  sich 
nichts,  wertlos.  Das  freie  Ich,  welches  die  Welt  als  sein  Eigentum  erkannt  hat, 
tut  nichts  aus  Gesetzeszwang,  sondern  aus  dem  Verlangen  seines  Grundwillens 
heraus  („Anarchismus"). 

Auf  S.,  der  lange  Zeit  in  Vergessenheit  geraten  war,  hat  erst  E.  v.  Hart- 
mann aufmerksam  gemacht  und  andere,  wie  besonders  Mackay,  haben  auf 
die  Verwandtschaft  Nietzsches  mit  S.  (die  aber  nur  in  geringem  Maße  besteht) 
hingewiesen. 

Schriften:  Der  Einzige  und  sein  Eigentum,  1845;  3.  A.  1900;  auch  in  der  Uni- 
verfialbibl. — Geschichte  der  Reaktion,  1852.  —  Kleine  Schriften,  hrsg.  von  J.  H.  Mackay, 
1898.    —     Vgl.    J.    H.    Mackay,    M.    St.,    1898.    —    Ruest,    St.,    1906.    - 

M.   ME88EB,  M.  St.,   1907. 


Stöhr.  71(.> 


Stobaio*    Stobaeus),  Johannes    aus  Stobai  in  Makedonien),  im  5,  .lalirh. 
I  hr..  Neuplatoniker,  VerfaBeer  von  Exzerptenaanmilungen. 

-  hriften:   Florilegium,   lb;  -ö7.  —  Edogae  physicae  et  ethicae, 
1792  —  1801,   1850,   1860—64. 

Stock,  Otto,  geb.    1867,  Privatdozent  in  Greifswald,  gest  19  An- 

hänger Schupp  b. 

Schriften:  Lebenszweck  und  Lebensauffassung,   1897.    —   Fr.    v 

stöckl.  Albert,  geb.  Prof.  an  der  bischöflichen  Akademie  in  Eich- 

Btal  1S95.  =  Thomistischei  Btandpnnkt  (Theismus,  Teleologie  nsn 

-  hriften:   Lehrbuch  der  Philosophie,  7.    A.    1892;  8.   A.   1905  f.  —   Grund 
•ler    Philosophie,    1893.    —    Religionsphilos.,    2.  A.   1878.  —  Ästhetik,  3.    A.    1889,  — 
Lehrbuch  der  Geschichte  der  Philos. ,  3.  A.  1889.  —  Geschichte  der  christlichen 

1891.  —  Gesch.  der  Philos.  des  Mittelalters,  1864—66.  —  Gesch.  der  neueren  Philos.,  1883. 

Stöhr,  Adolf,  geb.  1855  in  Bt  Polten  (Österreich),  Prof.  in  Wien. 

Die  Logik  gründet  S.  auf  die  Psychologie  l>i-'  „Denkgrundgec 
drücken  die  Tatsache  der  Unterdrückung  der  Reproduktion  einer  Vorstellung 
durch  die  Apposition  von  A  zu  Nicht-A,  die  einen  Unsinn  ergibt, 
Der  Begrifl  ist  eine  „charakterisierte  Form  der  Reproduktionsbahn  von  einem 
B.  Begriffszentrum]  nach  vielen  A".  Er  entsteht  nicht  durch  Abstraktion, 
■  lern  durch  „Kontraktion"  von  Vorstellungen.  Das  sprachliche  Zeichen  t ür 
einen  Begriff  ist   der  Name  (vom  Wort  zu    unterscheiden);  ein  Wort  kann  zu- 

•h  ein  Name  sein  und  ein  Name  kann  aus  einem  einzigen  Worte  besteh 
dann  haften  die  Namen  nicht  direkt  am  Begriffszentrum,  sondern  an  je  einem 
Exemplare  des   (Jmfangs.     Die  Hypothese   ist   nach  B.  „eine  Vorstelluni 
bunden  mit   einem  Glauben,  einem  gewissen  Wahrheitsgrade,  dafl   i 
Btellte  auch  wirklich  Bei*'.   Neben  der  exakten  Forschung  ist  eine  ,^Hypothetik*" 
zulassig  und  nützlich.    Es  gibt  induzierte  und  konstruierte  Hypothesen. 

Zudenleta  ehört  die  Atomistik  der  mechanistischen  Naturaufi 

Uome  gibt   es  in   der  gemeinsamen  Außenwelt  (als  Erscheinung  der  absolut 
Wirklichkeit).     ImV  „Uratome"   Bind  weder  elastisch,  noch  hart,  noch  pla 
noch  schwer,  noch  undurchdringlich.  Sie  kommen  durch  e  ihrer  l 

zur  ieitigen  Durchdringung.   N"a<h  dem  ..i'r-t«»i  seh 

der   Bewegungsgröflen    und    Richtungen   statt,  so   dafl  es  nicht  rai    P 
Durchdringbarkeil  kommt.    Eine  kritisch-hypothetische  Metaphysik  ist  n 

h   8.   gibt    es    besonder    ^Biomoleküle*4  mit  der  Gnu  hau  di 

milation,  welche  bei  der  Weltbildung  rieh  molekularisierten. 

-     1, ritten:     I  mn.  Namen.    L889.    —    Zur    nat  «t.d- 

:.mken    II  lauer   ui.  I     — 

I>ie   \ 'ieldeuti^kcit   dti    1'rteiU,     18i«.r).    - 

iiumatik,    1898.   —    Sehst-  -kulare     I 

-    Zur  M    u.    de».  — 

: 

Darstellung, 

Lebens,   L909.   —   Lshrba  b  dar   I  HO. 


J  20  Stoiker. 

Stoiker:  die  nach  der  Stoa  poikile,  in  der  Zenon  von  Kiton  die 
Schule  begründete,  genannten  Philosophen,  deren  Lehren  von  Heraklit,  den 
Kynikern,  Aristotelikern  u.  a.  beeinflußt  sind,  deren  Philosophie  eine  praktisch- 
ethische Tendenz  hat  und  deren  Weltanschauung  ein  naturalistischer  Pantheis- 
mus, verbunden  mit  organisch-dynamischem  Materialismus  ist.  Zu  den  Stoikern 
gehören:  Zenon  von  Kition,  Kleanthes,  Chrysippus,  ferner  Persaios 
Ariston  von  Chios,  Herillos,  Zenon  aus  Tarsus,  Diogenes  der  Babylon ier, 
Antipater  von  Tarsus,  Boethus,  Panaitios,  Mnesarchos,  Dardanos, 
Posidonius,  Hekaton,  Scipio,  Cato  von  Utica,  Cicero  (zum  Teil), 
L.AnnaeusCornutus,  C.Musonius  Eufus,L.  Annaeus  Seneca,Epiktet, 
Arrianus,  Marcus  Aurelius  u.  a.  Der  ältere  Stoizismus  ist  strenger 
'(Rigorismus)  als  der  neuere. 

Die  Philosophie  ist  nach  den  Stoikern  das  Streben  nach  Weisheit,  nach 
Erkenntnis  des  Menschlichen  und  Göttlichen  und  zugleich  nach  Tugend  (xi]v 
(fi/.ooocptav  (paolv  emxrjdevGiv  sivai  oocpiag ,  xrjv  de  aocpiav  sjtioti]/m]v  dstwv  xe 
y.al  äv$Qcojitvcov  jigay/uäxcov ;  „Studium  sapientiae",  „sapientiae  amor  et  affectatio", 
„Studium  summae  virtutis").  Sie  gliedert  sich  in  Physik  (Naturphilosophie, 
Psychologie),  Ethik  und  Logik. 

Die  Logik  (Xoyixrj)  —  der  Ausdruck  stammt  von  den  Stoikern  —  besteht 
aus  Rhetorik  und  Dialektik  (grjxogixtj,  diaXexxixrf),  welch  letztere  zugleich  Er- 
kenntnislehre ist.  Die  eigentliche  Logik  der  Stoiker  ist  grammatisch-forma- 
listisch, sie  handelt  von  den  Aussageinhalten  (Xsxxä),  den  sprachlich  formulierten 
Gedanken,  welche  als  solche  nichts  Materielles  sind  („non  corpus  .  .  .  sed 
enuntiatum  quoddam").  Die  Schlüsse  teilen  die  S.  in  gültige  (ovvaxxtxoi)  und 
ungültige  (äovvaxxoi),  vollständige  und  unvollständige  ein ;  auch  die  hypothe- 
tischen Schlüsse  werden  hier  schon  behandelt.  Als  logische  Grundbegriffe 
(Kategorien)  nennen  die  S. :  Substanz  (vjtoxsifisvov),  Qualität  (jzoiöv),  Zustand 
(jiwg  l'zov),  Relation  (jzgög  xi  jtcog  e%ov) ;  oberste  Kategorie  ist  der  allen  gemein- 
same Begriff  der  Substanz. 

In  ihrer  Erkenntnislehre  verbinden  die  Stoiker  den  Sensualismus 
betreffs  des  Ursprungs  der  Erkenntnis  mit  einem  gewissen  Rationalismus 
betreffs  des  Wertes  des  begrifflichen  Denkens,  der  Vernunft.  Die  Empfindung 
oder  Wahrnehmung  (bzw.  die  Vorstellung,  cpavxaoid)  ist  eine  Art  Ab- 
druck der  Objekte  in  der  Seele  (xvjicootg  h  ipvxfj)  oder  (nach  Chrysippos)  eine 
Modifikation  der  Seele  (hsgoicooig  ipv%fjg),  ein  Zustand  (nädog)  derselben,  der 
auf  einer  Erregung  der  Sinnesorgane  durch  die  Dinge  beruht.  Die  Vorstellung 
bekundet  zugleich  sich  und  das  sie  verursachende  Objekt  (jidfiog  iv  xfj  rpvyjj 
ytyvo/xsvov,   ivdsixvv/uevov  iv  avxä>  xal  xo  jtsjioirjxög).      Bei   ihrer    Geburt    gleicht 

^•eele  einer  Art  tabula  rasa  (wojzeg  ydgxtjv  svsgyov  slg  djioygacprjv '  slg  xovxo 
fxtuv  Exäöxrjv  yägxr\v  xcöv  ivvotcöv  ivaiioygacpexcu).  Die  Wahrnehmung  lebt  in 
der  Erinnerung  wieder  auf  und  aus  Erinnerungen  entsteht  die  Erfahrung 
als  Inbegriff  gleichartiger  Vorstellungen  (ifj,ji€tgia  ydg  ioxi  xo  xcov  o/uoetdaiv 
<f(xvxaoiöiv  7i).rjßog)\   von  der  gemeinen  ist  die  methodische  Erfahrung  (i/ujieigia 

;nxr/)  zu  unterscheiden.  Aus  den  Wahrnehmungen  und  Erfahrungen  ent- 
springen die  Begriffe  (k'woiai)  teils  natürlich-psychologisch,  spontan  (<pvoixwg, 


nrf.-UTtyi^To,;,.     teil»     ukt  i  V-]  »lau  in  .> 

..aut  nsa  —  aal  conianctiooe  ....      v  ...  selbst,  iiaturf 

sehen  und  Völkern  entstehen  die  antizinatorischi  in— m««  Begriff) 

>/,.  praesumptiones;  uotvat  frraMu),  die  nun  Teil  als  Anlagen   ..• 
sind  (ifi<pvxoi  nun).,  Stoikern  • 

imines"  zu  „notiones  innatae-,  wie  die  Idee  der  (Gottheit,  der   [Jnsterblichki 
des  Guten.     Durch  die  Begri  rnonftm  Erkenntnis  dei  Zu- 

sammerihanges    der    Dinge    möglich.      Das    begrifflich-Allgemeine     di<     I 
aber  existiert   als   -«»ich.-   mir  ale   (bedanke  in   nna,   nicht  an  sich 

tega    was    Idiot    hpaaav,   — 

<>y,    Nominalismus  bsw.  Konzeptualismus).     In  der  sich* 
kenntnie   besteht  das   Wissen   [faiuntjfsup   < 

dpn  bx6  Idyov  xatdl^yfir).     Daher    legen    die    Btoiker   cum   erstenmal 

hohen  Werl  auf  das  Kriterium  der  Wahrheit.     Wahr  ist  ein  Urteil    • 
Vorstellung),  dem  ein    Wirkliches  entspricht,  das  aut  Anbi  \Virkli<  I 

:11t    wird.      Das  Urteil   enthält   eine   „Zustimmung'    [ovyxm 
der  Seele,   die  rieh  hier  aktiv  (wollend)  verhält,   bo  dal)  die  Zustimmung,  der 
Beifall  („adsensio")  schließlich  von    uns  abhängt   („in   aobis  positam  ei  rolun- 
tariam").    Die  meisten  Btoiker  geben  nun  als  Wahrheitskriterium  die  d 
Beifall  provozierende,  die  Beele  „packende'4  und  eugleich  durch  diese  dai  i 
jekt  „erfassende"  „kataleptische  Vorstellung         inaaia  uaxah  an,  irelche 

absolut  zuverlässig  ist,   wenn  rie  klar  [hat{  aa  xw  n  I  und  k< 

( h  geninstanz  vorliegt   (xQtxtJQtov  elvcu   riji  &1 

'    i-    :/(>)•  nur    unr^mi.    —    KOT.    '/uvt,   .   .   .   lOVXtOTt     IfJV     n. ' 

./niji,:    XCU    irn.Kiuyiiu.yii      I  i    .       I1        k:t  t  :i  I '  |  >t  i-r), 

unseren    Beifall    nach    rieh   (x  tk   tn 

gleichsam    nnseren    Denkwilleo      i     er   verschiedi    •     Dem 
Vorstellungen  vgL  Ueberweg-Heinze,  I.i. 

Die  Metaphysik    (bau     Naturphilosophie  und   Psycho 
i-t   nsooiatiaeh,   pantheis tisch,    DBaterialietiech,   dynamisch     wesentlicher  1 
Beraklits,  daneben  auch   Elemente  der   Aristotelischen  Weltanschauung       D 
beiden  Prinzipien  der  Dinge:    Lkt  n  und  Pas  an 

Ki.itr    und    -  miteinander   verbunden    und    nur    d«       G 

schieden,  da  alle  Kraft  nur  eine  feinere  materiell!    B 
an  rieh  rein  passiven,  rezeptiven,  ti  -  it.   Alles  Wirkl 

lieh  ' ' " 

Leidende"    ist   die   untatige   Bubstanz,    d 

Vernunft    in   ihr,    in    allem 

Ihm    e~.,     in    riTum 

quibui  omnia  Hant,  eanaam  et  materiam.     M  iacet    Inera, 

i   nem.»  noi 

quocumque  \  alt  1 1  durchdi  füllende,   in  all« 

irirkende,  m  allem  rieh  lelbal  gestalte  h  Mlbat 

uz  Ist  ein   Etherischer  -  i 


722  Stoiker. 

äv&oc  xal  rrdvr  sv  savxq}  jieqisxov).  Dieses  „Pneuma"  ist,  als  Einheit  vor  und 
in  der  aus  ihm  selbst  differenzierten,  gestalteten  Welt,  die  höchste  Gottheit, 
die,  an  sich  gestaltlos,  alle  Gestalten  annehmen  kann  und  bald  allein,  ohne 
eine  Welt  von  Einzeldingen,  bald  neben  und  in  diesen  ewig  besteht,  als  zweck- 
voll-vernünftige, zugleich  aber  streng  gesetzlich  wirkende  Weltseele,  welche 
das  All  zu  einem  Organismus  macht  (sv  £coov  6  xöo/uog  fiiav  ovoiav  xal  ipvxrjv 
lüav  ijiexov).  Gott  ist  ewig,  vernünftig,  vollkommen,  der  Demiurg  und  die 
Vorsehung  der  Welt,  der  Vater  aller  Dinge,  verschieden  benannt  nach  seinen 
verschiedenen  Kräften.  Gott  ist  die  Weltvernunft  (Xöyog),  die  eins  ist  mit 
dem  Schicksal  und  der  Vorsehung  (die  siftaQ/btsvr}  ist  der  Xöyog,  xaft3  6r 
6  x6o{tog  öis^aysxai ;  das  Schicksal  ist  der  Xöyog  xcov  sv  reo  xöojuoj  tiqovoio. 
dioixov/uevcov),  so  daß  in  der  Welt  alles  streng  notwendig  und  doch  zweckvoll 
zugeht.  Gestaltet  wird  der  Stoff  durch  die  Vernunftkeime  (samenhafte  Be- 
griffe, Xöyoi  ojisg/uaxtxoi),  welche  zur  zweckvollen  Entfaltung  treiben  (gleich 
den  „Formen"  des  Aristoteles).  Das  All  ist  vollkommen  (Optimismus),  die 
Übel  sind  für  das  Ganze  notwendig  oder  tragen  zur  Herstellung  des  Guten 
bei,  indem  das  Schlechte  zum  Guten  gelenkt  wird  (Theodizee;  vgl.  Leibniz. 
u.  a.). 

Das  All  (xb  näv)  besteht  aus  dem  unbegrenzten  leeren  Raum  und  der  be- 
grenzten Welt,  deren  Größe  stets  gleich  bleibt  und  welche  kugelförmige  Gestalt 
hat.  Sie  ist  ein  beseeltes,  vernünftiges  Wesen  (£coov  e[Atpv%ov  xal  Xoyixöv),  deren 
Substanz  das  göttliche  „Pneuma"  ist,  welches  allen  Dingen  die  Spannung 
(xövog)  gibt.  Das  Zentrum  der  Welt  (ihr  rjys/xovixöv)  ist  (nach  Kleanthes)  die 
Sonne.  Außerhalb  der  Welt  befindet  sich  der  leere  Raum  (rd  xsvöv  äjzsigov), 
welcher  unkörperlich  ist;  innerhalb  der  Welt  aber  gibt  es  kein  Leeres.  Un- 
körperlich ist  auch  die  Zeit,  die  Ausdehnung  der  Weltbewegung  (xöv  xqövov 
dooj/uarov,  diaoxr//Lia  ovxa  xfjg  xov  xöo/uov  xtvrjoeojg),  welche  unendlich  ist.  Die 
Welt  ist  eine  gegliederte  Einheit,  deren  Teile  alle  verschieden  sind  (vgl.  Leib- 
niz); alle  Dinge  stehen  miteinander  in  Wechselwirkung,  alles  ist  miteinander 
im  Zusammenhange  (ovfAnädsia  xcov  oXcov).  Immer  wieder,  periodisch,  entstehen 
und  vergehen  die  Welten,  sie  gehen  aus  dem  Urfeuer  hervor  und  wieder  in 
dasselbe  zurück  (Weltbrand,  ixjivgcooig),  worauf  in  den  neuen  Welten  immer 
wieder  ganz  dieselben  Dinge,  Menschen,  Verhältnisse  wiederkehren  (Wieder- 
kunft des  Gleichen,  Palingenesie,  wie  nach  Heraklit,  den  Pythagoreern,  später 
nach  Nietzsche).  Der  Stoff  der  Welt  besteht  aus  den  vier  Elementen  (Feuer, 
Erde,  Wasser,  Luft),  die  alle  aus  dem  Urfeuer  hervorgehen  und  ineinander  sich 
verwandeln  können  (z.  B.  Wasser  in  Erde  und  Luft).  Den  Körper  definieren 
die  S.  als  das  Dreidimensionale. 

Körperlich  ist  auch  die  Seele,  welche  den  Leib  gestaltet.  Sie  ist  ein 
Ausfluß  der  Allseele,  des  göttlichen  Pneuma,  ein  Teil  desselben  (xö  ovfAyvhg 
fffttv  nvEVfia),  der  den  ganzen  Leib  durchdringt  (jivsv/bia  ovfxcpvxov  f)[uv  ovvsxeg 
navxl  xoj  öüfxaxi  Öifjxov),  ein  ätherisches  Feuer,  das  den  Organismus  belebt  (dcä 
rrjv  ipvyjjv  ylvexai  xö  trjv).  Die  Seele  ist  körperlich,  sonst  könnte  sie  nicht 
wirken,  aber  sie  besteht  aus  einem  feineren  Pneuma  als  der  Leib,  den  sie  über- 
dauert (bis  zur  nächsten  Weltverbrennung:    Kleanthes;    nach  Chrysipp  nur  die 


Stoiker. 

Seele  des  Weisen),  um  dann  mit  ihrem  Leibe  wieder  zu  kommen.  Die  mensch- 
liche Seele  hat  acht  Teile  (oder  Vermögen):  die  fünf  Sinn«  .  die 
Sprachfähigkeit  {qxorrjTixor),  die  Zeugungsfähigkeit  (ajfegfiaxixör)  und  die  Denk- 
kraft,  das  Leitende,  „Hegemonikon"  {tjyefiorixör),  der  höchste  Teil  dei  Beele, 
welcher  in  der  Brust  seinen  Sitz  hat  und  die  Quelle  der  aktiven  Bewufitseins- 
vorgänge  ist.  Die  im  Menschen  wirksame  Vernunft  .  i  kommt 
in  der  Sprache  zum  Ausdruck  üoyog  7ioof{  ogiy.ög)  und  erkennt  die  Einheit  und 
den  gesetzlichen  Zusammenhang  des  Alls.  Das  Gefühl  der  Lust  ist  eine  Be- 
gleiterscheinung der  Übereinstimmung  einer  Tätigkeit  mit  unserem  \\ 
Unnatürliche,  leidentliche,  schädliche  Zustände  sind  die  Affekte  (bzw.  Leiden- 
schaften, naihj).  Der  Affekt  ist  etwas  Abnormales,  Aufregendes,  Urteils- 
widriges,  Vernunftloses  {ä/.oyog  xat  xaga  qntoiv  v'/'V-  ximjots  >)  '»>.">/  xieord- 
£ovoa.  —  xinjoiv  yv/rj?  ,-iaoä  qvoiv.  —  ,, perturbatio^,  „aversa  a  reeta  ratione 
contra  naturam  animi  commotio*').  Die  Grundaffekte  sind:  Freude  fädonfy 
Begierde  (exf&vftia),  Furcht  (cpößog),  Trauer  [Xvxtj).  Hingegen  sind  rechte  Ge- 
mütszustände {evjidde iai :  yaod,  evXdßeta,  ßovXrjatg).  Da  die  Affekte  gegen  die 
Natur  der  vernünftigen  Seele  sind,  ist  Leidenschaftslosigkeit,  Apathie 
Oeia).  Beherrschung  der  Affekte  notwendig.  Der  Mensch  besitzt  wie  jedes 
Lebewesen  einen  Selbsterhaltungstrieb  {jcq&xov  oixetbv  elvat  narti 
li/v  avtov  avaxaoir  xat  rip-  tavxrjg  owsidrjotr.  —  ri/t-  dt  BfHxmjv  "<j.">]''  tpaot  i& 
j;ioi'  loyeiv  hü  x6  xtjgeTv  eavxo).  Den  Willen  bestimmen  die  B.  als  das  ver- 
nünftige Begehren  {evkoyov  dge^ir).  ZNIir  drin  metaphysisch-k«  -  scheu 
Determinismus  vereinigen  sie  die  Annahme  der  psychologisch-ethischen 
Willensfreiheit.  Außer  demjenigen,  was  von  uns  anabhängig  ist  and  uns 
nötigt,  gibt  es  etwa-,  was  wir  —  als  geistig-aktive  Glieder  des  Alk  in  in 
Gewalt  haben,  was  bei  uns  steht  (ia?  '/."'>'•  •-'"  nostra  potestate").  Frei  ist 
vernünftig-einsichtsvoll  handelt,  seiner  Affekte  Herr  ist,  durch  nichts  sich  be- 
einträchtigen, erschüttern  lallt,  sondern  gelassen  rieh  in  den  Willen  des  Schick- 
sals,  der  Vorsehung  fügt  („dueunt  volentem  tata.  nolentem  trahunt",  Beneca), 
so  daß  wahrhaft  frei  nur  der  Weise  ist,  der  durch  Beine  Leidenscht 
keil  und  Seelengröße  kaum  der  Gottheil  nachsteht  Freilich  gibt  es  nur 
wenige  Weise,  meist  nur  Toren  und  Fortschreiten             xianovti 

Damit   sind   wir  schon  mitten  in  der   Ethik  der  Stoiker,    in   welcher  /'■ 
der  Pflichtbegrifj  eine  große  Rolle  spielt.     Das  Ziel  des  Handelns  ist  die  Glück- 
seligkeil (riXoe  64  tpaatv  tfyat  16  svdaifioveTr)  und  diese  besteht  in  i 
{fr  T<r>  xat"  a\  <;»•).     Diese  wiederum  besteht   im  richtigen,   d«  h.   natur- 

und  Vernunft-)  gern  äßen  Verhalten  (iv  xqi  '>"<■■ 

■v  u~>  xaxä  tpvotv  £ijv;    „congruere   natura.-,   cumque  es  convenienter   viv< 
Wir  müssen  so  leben,  wie  es  die  Natur  des  Alls  (der  Weltvernunft,  der.  Welt- 
Gesetzlichkeit)  l»/\\.  auch  die  Natur  nnsa      -    le  verlangt 
-"/;>•).     Als  em  Teil  der  Natur  -ollen  wir  dem  allgemeinen  G 
der   rechten    Vernunft  ehorchen.     Di<    I    send  ist  eine  geistige 

□Schaft    {diäöeoit      ri<    hat    keine  Grade    und  -  hl    zwischen  Tuj       I 

und  Laster  kein  Mittlen  I '  i    Lust  ist 

nicht  das  Ziel,  sondern  eine   I  olgi    da    I    gend,  welche  um  ihrer  selbst  willen 


724  Stoiker. 

zu  erstreben  ist  (avxrjv  di  avxrjv  elvou  atgexr/v).  Nur  die  Tugend  ist  ein  Gut 
{f.iövov  xo  xaXbv  ayaftov  slvai).  nur  das  Laster  ein  wahres  Übel,  alles  andere  ist 
indifferent,  ein  „Adiaphoron"  [döiäcpogov),  selbst  das  Leben,  welches  unter  Um- 
ständen freiwillig  aufgegeben  werden  darf.  Spätere  Stoiker  denken  gemäßigter 
und  bestimmen  außer  der  Tugend  manches  als  Vorzuziehendes  (jigorjyixeva)  und 
Abzulehnendes  (djiojigorjyfisva).  Wer  eine  Tugend  hat,  hat  auch  die  anderen, 
die  sich  aus  ihr  ergeben,  mit  ihr  verbunden  sind.  Die  Kardinal tugen den  sind 
Einsicht  ((pgdv?]oig),  Tapferkeit,  Besonnenheit,  Gerechtigkeit;  Haupttugend  ist 
die  Einsicht,  welche  den  anderen  zugrunde  liegt.  Die  Pflicht  ist  das  Ge- 
ziemende, das  Natur-  und  Vernunftgemäße  (xaxd  Xoyov.  —  ivsgyrj/ua  <5'  avxo 
elrai  xatg  xaxd  cpvoiv  xaxaoxevaCg  oixsTov.  —  xadrjxovxa  /usv  ovv  elvai  ö'oa  Xöyog 
atgsT  jioieiv).  Die  vollkommene  (xsXsiov)  Pflicht  (xaxögftcojua)  ist  die  bewußte 
gewollte,  der  rechten  Gesinnung  entspringende  Pflicht  (xaxogßcofiaxa  61  eivai  xä 
xax  agsxrjv  evegyr/fiaxa,  gegenüber  den  fieoa,  den  „mittleren"  Pflichten).  Neben 
der  Strenge  der  Forderungen,  die  von  der  Stoa  an  den  Weisen  gestellt  werden 
(Rigorismus)  ist  besonders  bemerkenswert  die  Wertschätzung  der  Menschen- 
liebe, die  durch  die  metaphysische  Zusammengehörigkeit  der  Menschen  be- 
gründet wird. 

Die  ganze  Welt  ist  eine  Gemeinschaft  der  Dinge,  Menschen  und  Götter 
und  so  betonen  die  Stoiker  den  sozialen  Gedanken.  Der  Stoiker  betrachtet 
(wie  der  Kyniker)  das  All,  die  ganze  Welt  als  sein  Vaterland  (Kosmopolitis- 
mus), ohne  aber  das  Wirken  im  Dienste  des  Staates  zu  perhorreszieren  (xoivij 
jiaxglg  ävdgdjjicov  djidrxcov  6  xöo/uog  ioxiv).  Der  Mensch  ist  von  Natur  (q>voei) 
zur  Gemeinschaft  bestimmt  (,,animal  sociale  communi  bono  genitum"),  er  kann 
nur  in  der  Gesellschaft  bestehen.  Wie  es  der  allen  immanenten  Vernunft 
gemäß  eigentlich  nur  einen  Staat  gibt,  so  besteht  auch  nur  ein  Recht,  welches 
göttlichen  Ursprungs  (ix  xov  Ai6g)  und  in  der  rechten  Vernunft  {pg-dog  Xöyog) 
gegründet  ist  (Idee  des  Naturrechts,  welches  von  den  Römern  rezipiert 
wurde  als  „ius  naturale",  „ius  gentium",  „quod  natura  omnia  animalia  docuit", 
„quod  naturalis  ratio  apud  omnes  homines  constituit"). 

Stoische  Anschauungen  finden  sich  (neben  anderen)  bei  Philo  Judaeus, 
im  Xeuplatonismus,  bei  verschiedenen  Patristikern  (Justin,  Tertullian, 
Clemens  Alexandrinus,  Lactantius  u.  a.);  durch  die  Lektüre  Ciceros  und 
Senecas  überdauerten  besonders  ethische  Lehren  der  Stoa  das  Altertum  und 
Mittelalter.  In  der  Renaissance  und  später  kommen  Stoische  Anschauungen 
stärker  zur  Geltung,  so  beiPetrarca,  Melanchthon,  Montaigne,  Charron, 
u.  a. ;  später  erneuern  und  erläutern  den  Stoizismus  Justus  Lipsius,  Sal- 
masius,  C.  Schoppe,  Th.  Gataker,  D.  Heinsius  u.  a.  Von  der  Stoa 
sind  beeinflußt  Hugo  Grotius,  G.  Bruno,  Spinoza,  Leibniz,  Kant, 
Nietzsche  u.  a. 

Schriften:  Vgl.  DIOGENES  LAERTIUS,  StOBAEUS,  ClCERO,  PLTJTARCH, 
GalEXO-,  HEXTUS  EMPIRICUS.  —  Vgl.  DlELS,  Doxographie.  —  J.  AB  ARNIM, 
Stoicoruro.  veterum  fragmenta,  1903  ff.  —  ZELLER,  Philos.  d.  Griechen  III.  — 
Friedemastn,  System  der  Stoischen  Philosophie,  1776.  —  WEYGOLDT,  Die  Philosophie 
der  Stoa,  1883.  —  P.  BARTH,  Die  Stoa,  1903;   2.  A.   1908  (Frommanns  Klassiker  der 


Stoiker  —  Stout. 


Philos.).  —  E.  HlRZEL,  Untersuchungen  zu  Ciceros  philos.  Schriften,  1877-83.  — 
A.  BONHÖFFER,  Epiktet  u.  die  Stoa,  1890;  Die  Ethik  des  Stoikers  Epiktet,  1894.  — 
SCHMEKEL,  Die  Philos.  d.  mittleren  Stoa,  1892.  —  PräXTL,  Gesch.  d.  Logik  1.  — 
:..  STEIN,  Die  Psychologie  der  Stoa,  2  Bde.  (Bd.  II:  Die  Erkenntnistheorie  der  Stoa), 
1886 — 88.  —  HeISTZE,  Die  Lehre  vom  Logos,  1872.  —  DYROFF,  Die  Ethik  der 
alten  Stoa,  1897.  —  A.  HAACKE,  Die  Gesellschaftslehre  der  Stoiker,  1887.  — 
H.  V.  ARNIM,  Die  Stoische  Lehre  von  Fatum  u  Willensfreiheit.  Jahresbericht  der 
philos.  Gesellsch.  in  Wien,   1901. 

Stoll,  Otto,  geb.  1849,  Prof.  in  Zürich.  =  Völkerpsycholog. 
Schriften:  Das  Geschlechtsleben    in    der  Völkerpsychologie,    1908.    —  Suggestion 
u.   Hypnotisraus  in  der  Völkerpsychologie,  2.  A.   1904,  u.  a. 

Stttlzle,  Eemigius,  geb.  1856  in  Ob  (Baden),  Prof.  in  Würzburg.  Heraus- 
geber der  ,, Studien  zur  Philosophie  und  Religion".  =  Aristotelisch-scholastischer, 
theisüsch-teleologischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  Lehre  vom  Unendlichen  bei  Aristoteles,  1882.  —  Abälards  1121 
verurteilter  traetatus  de  unitate  et  trinitate  divina  aufgefunden  und  hrsg.  1891.  — 
K.  E.  v.  Baer  und  s.  Weltanschauung,  1897.  —  A.  v.  Köllikers  Stellung  zur  Doszendenz- 
lehre,  1901.  —  E.  v.  Lasaulx,  1904.  —  K.  E.  v.  Baers  Schriften  ausgewählt  und  ein- 
geleitet, 1907.   —   H.  Schell,   1908. 

Störring,  Gustav,  geb.  1860,  Prof.  in  Zürich.  =  In  der  Psychologie  be- 
sonders von  Wundt  beeinflußt,  vertritt  S.  einen  kritischen  Rationalismus  und 
Realismus.  Raum  und  Zeit  haben  ein  Korrelat  im  Transzendenten.  Das  Ich 
ist  die  Gesamtheit  der  Erlebnisse  eines  Individuums.  Das  Urteil  ist  ein  Erlebnis, 
das  sich  mit  dem  Bewußtsein  der  Gültigkeit  verbindet.  Die  Logik  hat  es  mit 
dem  richtig  Gedachten  als  solchen  zu  tun.  Die  Moralpsychologie  ist  dir  Vor- 
halle der  Ethik. 

Schriften:  Mills  Theorie  über  den  Ursprung  des  Vulgärglaubens  an  die  Außen- 
welt, 1889.  —  Zur  Lehre  vom  Einfluß  der  Gefühle  auf  die  Vorstellungen,  1896.  — 
Zur  Lehre  von  den  Allgemeinbegriffen,  Philos.  Stud.  XX.  —  Die  Erkenntnistheorie  von 
Tetens,  1901.  —  Psychopathologie,  1900.  —  Moralphilos.  Streitfragen  1,  1903.  — 
Ethische  Grundfragen,  1906.   —   Einführ,   in  die  Erkenntnistheorie,   1909,  u.  a. 

Stosch  (Stossius),  Friedrich  Wilhelm,   geb.  1646  in  Berlin,  geat  daselbst 

1704    oder    1707.    =    Anhänger    Spinozas,    den    er   natnralistisrh-mattriali- 
auffaßt. 

Schriften:  Concordia  rationis  ?eu  harmonia  philos.  niorali«  et  religionis 
chri-tianae,   1692. 

Stout.    George    Fredrick,    geb.    1869    in    Bouth    Sbields,    I'  in   St 

Andrews.  =  Teilweise  von  Herbari  beeinflußt     Die  Psychologie  i-t  nach  B.  die 
Wisa enschaft  vom  seelischen  Prozeß  („science  ■>!   mental  process").     Die  B 
bzw.  das  Ich   ist  eine  Einheit,   di<'    rieb    mehr  oder  wenig  aktiv  (und  reaktiv) 
verhält     Die  Assoziation  beruht  auf  dem  Geseti  d<  til      When  pari  ol 

;i  comples  disposition  isexcited,  the  wh<>l<  teodi  t<>  !»<•  ezotted  in  Borna  mannet 
and  degree").  Aach  Empfindungen  können  rieh  aasoziieren.  Die  Apperzeption 
ist  ein  Strebungsprozeß   („conatwe  »   und    beruht  auf  Wechselwirkung 

zwischen  dm  Vorstellnngen  oder  Dispositionen,  ani  Einverleibung  eines  neuen 


726  Stout  —  Straton. 


Elements  in  das  seelische  System  („the  process  by  which  a  mental  System 
appropriates  a  new  dement,  or  otherwise  receives  a  fresh  determination").  Das 
Denken  ist  eine  aktive,  zielstrebige  Geistesfunktion.  Die  Gefühle  sind  an  die 
freie  oder  die  gehemmte  seelische  Entfaltung  geknüpft  (Lust  —  Unlust). 

Schriften:  The  Herbartian  Psychology,  Mind  XIII,  1888.  —  The  genesia  of  the 
Cognition  of  physical  Eeality,  Mind  XV,  1890.  —  Apperception  and  the  Movement  of 
Attention,  1.  c.  XVI.  —  Voluntary  Action,  L  c.  N.  S.  V,  1896.  —  Analytic  Psychology, 
1896,  1902.  —  A  Manual  of  Psychology,  1898,  1901.  —  The  Groundwork  of  Psycho- 
logy, 1903,  u.  a. 

$toy9  Karl  Volkmar,  geb.  1815  in  Pegau  (Sachsen),  1845  —  65  Prof.  in 
Jena,  1866  in  Heidelberg,  1874  wieder  in  Jena,  gest.  daselbst  1885.  =  An- 
hänger Herbarts,  welcher  philosophische,  historische  und  praktische  Päda- 
gogik unterscheidet. 

Schriften:  Schule  u.  Leben,  1844  f.  —  Enzyklopädie,  Methodologie  und  Literatur 

der  Pädagogik,  1861;    2.  A.  1878 Philos.  Propädeutik,  1869—70.    —    Im  Vorhofe 

der  Psychologie,  1870.  —  Psychol.  in  gedrängter  Darstellung,  1871.  —  Die  Idee  der 
Erziehungsanstalt,  1885,  u.  a.   —   Vgl.  VOLKMAR,  S.s  Leben  und  Wirken,   1885. 

Strachow,  N.  N.,  1828-  1896,  russischer  Philosoph.  =  Hegelianer. 
Schriften   (russisch):   1872,    1886  (Psychologie),  1887,   1895. 

Strada,  J.  (Pseudonym),  Verfasser  eines  „Essai  d'un  ultimum  organon", 
1865;  2.  ed.  1902,  und  von  „La  religion  de  la  science",  1902.  —  Vgl.  Ra- 
vaisson,  D.  französ.  Philos.,  S.  149  ff. 

Stiaszewski«  Moritz  von,  geb.  1848,  Prof.  in  Krakau.  =  Von  Lotze 
und  F.  A.  Lange  beeinflußter  Vertreter  einer  idealistischen  Metaphysik.  Das 
Zeitbewußtsein  ist  nach  ihm  „die  Spannung  zwischen  der  sich  soeben  voll- 
ziehenden Arbeit  im  Gehirn  und  in  den  Nerven  und  den  Nachklängen  aller 
früheren  Zerstörungen  und  Arbeiten,  welche  weiter  wirken  und  die  Unter- 
strömung unseres  gesamten  Lebens  bilden"  (Über  das  Zeitproblem,  Bericht 
über  den  III.  int.  Kongreß  f.  Philos.  1909). 

Schriften  (polnisch):  Gesch.  d.  oriental.  Philos.  u.  a. ;  deutsch:  Entwicklung  der 
philos.  Ideen  bei  den  Indern  und  Chinesen,  1887.  —  Über  d.  Bedeutung  der 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  oriental.  Philos.,  1895.  —  Ideen  zur  Philos.  der  Ge- 
schichte d.  Philos.,  1900.  —  Le  probleme  de  l'espace,  1904,  u.  a. 

Straton  aus  Lampsakos,  der  „Physiker"  (cpvoix6gu),  Schüler  des  Aristo- 
telikers  Theophrast,  dann  (seit  etwa  288  v.  Chr.)  18  Jahre  lang  Vorsteher  der 
peripatetischen  Schule  in  Athen,  wo  er  270  v.  Chr.  starb. 

S.,  der  auch  von  Demokrit  u.  a.  beeinflußt  ist,  bildet  die  Weltanschauung  des 
Aristoteles  zu  einem  entschiedenen  naturalistischen  Pantheismus  um. 
Alles  Wirken  geht  von  der  Natur  und  ihren  Kräften  aus,  alles  geschieht  auf 
natürliche  Weise  („omnia  esse  effecta  naturata" ;  „omnem  vim  divinam  in  natura 
sitam  esse  censet,  quae  causas  gignendi,  augendi,  minuendi  habeat,  sed  careat 
omni  sensu  et  figura",  Cicer.  de  natur.  deor.  I,  12,  35;  Acad.  prior.  II,  38, 
121).  Das  Göttliche  liegt  also  in  der  Natur  selbst.  Diese  wirkt  ohne  Bewußt- 
sein und  Zwecktätigkeit,  rein  mechanisch  (tov  xoofjtov  avzdv  ov  t,<x>ov  etvat). 
Einen  leeren  Raum  (mit  Atomen  in  ihm)  gibt  es  nur  innerhalb  der  Welt.    Die 


Straton  —  Strauss.  727 


Zeit  ist  das  Maß  der  Bewegung  und  Tätigkeit  (ro  ev  roTg  ngägeoi  jtooov.  — 
(äxoov  jiäorjs  xivrjoewg  y.al  /uövrjg).  Die  Seele  ist  in  ihren  Tätigkeiten  durch, 
den  Leib  bedingt,  außerhalb  dessen  es  keinen  Geist  gibt,  Die  psychischen 
Vorgänge  sind  „Bewegungen"  (xivrjoetg  .  .  .  slvai  zag  ivegysiag  xfjg  yjv%rjg).  Die 
von  der  Wahrnehmung  im  Haupte  zurückbleibende  Spur  (vxo/wvy)  wird  bei 
der  Beproduktion  der  Vorstellung  reaktiviert.  Das  Denken  ist  an  die  Wahr- 
nehmung gebunden. 

Vgl.  Diogenes  Laertius,  V.  -  Zeller,  Philos.  d.  Griechen  II,  2.  —  G.  Kodier, 
La  physique  de  S.,  1891.  —  DlELS,  Über  das  physikal.  System  des  S.,  Berlin. 
Akadem.,  1893. 

Stranss,  David  Friedrich,  geb.  27.  Januar  1808  in  Ludwigsburg,  studierte 
seit  1825  in  Tübingen  Theologie,  war  kurze  Zeit  Pfarrvikar,  hörte  den  Winter 
1831 — 32  in  Berlin  Schleiermacher,  wurde  1832  Bepetent  am  theologischen 
Seminar  in  Tübingen,  schrieb  unter  Einfluß  Hegels  „Das  Leben  Jesu"  (1835), 
was  ihm  seine  Stelle  kostete.  Nachdem  er  kurze  Zeit  Kektoratsverweser  am 
Lyzeum  in  Ludwigsburg  gewesen,  ging  er  1836  nach  Stuttgart.  1839  wurde  er 
zum  Professor  in  Zürich  ernannt,  aber  wegen  der  Unruhen,  die  dies  hervor- 
rief, gleich  pensioniert.  Er  lebte  von  nun  an  als  Schriftsteller,  war  1848 
Württemberger  Landtagsabgeordneter,  lebte  in  München,  Stuttgart,  Darmstadt 
und  anderen  Städten  und  starb  8.  Februar  1874  in  Ludwigsburg. 

S.,  der  von  Hegel  und  Schleiermacher  beeinflußt  ist,  gehört  zur  Hegel- 
schen  „Linken"  und  vertritt  zuletzt  einen  naturalistischen  Pantheismus 
auf  evolutionistischer  Grundlage  und  einiger  Neigung  zum  Materialismus, 
jedenfalls  aber  mit  Betonung  eines  strengen  Monismus.  —  In  seinem  ,, Leben 
Jesu",  welche  Schrift  viel  Aufsehen  machte,  und  in  der  „christlichen  Glaubens- 
lehre" (1840 — 41)  kritisiert  er  die  Evangelien  bzw.  die  Dogmen,  die  er  von 
allem  Mystischen.  Supranaturalen  und  allem  Wunderglauben  reinigen  will,  um 
Christus  rein  menschlich  und  das  Christentum  als  Idee  der  Gottmenschheit 
aufzufassen.  „Die  Menschheit  selbst  ist  die  Vereinigung  der  beiden  Naturen, 
der  menschgewordene  Gott."  Gott  ist  keine  Person  neben  oder  über  anderen 
Personen,  sondern  das  Unendliche,  die  Allpersönlichkeit,  die  sich  in  den  ein- 
zelnen Wesen  personifiziert,  das  unendliche  Sein  und  Leben  in  allem,  die  der 
Welt  immanente  Vernunft.  Die  Unsterblichkeit  liegt  nicht  im  Jenseits,  sondern 
ist  die  Kraft  des  Geistes,   sich  über  das  Endliche  hinweg  zur  Idee  zu  erheben. 

Die  Quintessenz  seiner  (auch  von  Feuerbach  beeinflußten)  Weltanschauung 
«nthält  S.s  viel  gelesene  Schrift  „Der  alte  und  der  neue  Glaube"  (1872).  Die 
Frage:  Sind  wir  noch  Christen?  beantwortet  er  verneinend.  Wir  glauben  nicht 
mehr  an  einen  jenseitigen  Gott  usw.,  sondern  an  die  Einheit  von  Gott  und 
Welt,  Geist  und  Körper,  an  die  Entwicklung  des  Höheren  aus  dem  Niederen, 
an  unsere  Zugehörigkeit  zu  dem  All,  von  dem  wir  uns  abhängig  fühlen  und 
in  dem  alles  streng  kausalgesetzlich  zugeht,  so  daß  auch  das  Zweckmäßige 
ohne  Zweckursachen  u.  dgl.  entsteht.  Das  Universum  ist  eine  Einheit  in  der 
Vielheit,  es  ist  die  Allmacht,  die  Urquelle  alles  Vernünftigen  und  Guten ;  die 
Welt  ist  auf  die  höchste  Vernunft  angelegt.  Das  Universum  ist  als  All-Einheit 
ewig,   ein    „unendlicher   Inbegriff    von    Welten    in    allen  Stadien    des  Werdens 


728  Strauss  —  Strecker. 


und  Vergehens,  und  eben  in  diesem  ewigen  Kreislauf  und  Wechsel  es  selbst,  in 
ewig  gleicher  absoluter  Lebensfülle  sich  erhaltend".  Für  dieses  Universum 
fordert  S.  „dieselbe  Pietät,  wie  der  Fromme  alten  Stils  für  seinen  Gott". 
„Unser  Gefühl  für  das  All  reagiert,  wenn  es  verletzt  wird,  geradezu  religiös." 
An  Stelle  des  alten  Kultus  tritt  die  Pflege  der  Kunst.  Die  Seele  ist  keine 
Substanz,  sondern  ein  und  dasselbe  Wesen  ist  zugleich  ausgedehnt  und  denkend. 
Im  Gehirn  wird  Bewegung  in  Empfindung  verwandelt  und  diese  setzt  sich  in 
Körperbewegung  um.  Materialismus  und  Idealismus  gehen  ineinander  über 
und  bilden  den  „Monismus",  welcher  die  „Gesamtheit  der  Erscheinungen  aus 
einem  einzigen  Prinzip"  zu  erklären  sucht. 

Das  Ergebnis  des  irdischen  Geschehens  ist  „teils  die  möglichst  reiche  Lebens- 
entfaltung und  Lebensbewegung  im  Allgemeinen,  teils  insbesondere  die  ringende, 
aufsteigende  und  mit  ihrem  Aufsteigen  selbst  über  den  einzelnen  Niedergang 
übergreifende  Richtung  dieser  Bewegung".  Der  Mensch  ist  „aus  den 
Tiefen  der  Natur  emporgestiegen".  Seine  moralischen  Eigenschaften  konnten 
sich  nur  in  der  Gesellschaft  entwickeln,  deren  Bedürfnisse  den  sittlichen  Normen 
zugrunde  liegen.  Alles  sittliche  Handeln  ist  „ein  Sichbestimmen  des  Einzelnen 
nach  der  Idee  der  Gattung".  Förderung  der  Menschlichkeit  in  sich  selbst  und 
bei  anderen  ist  Pflicht.  „Vergiß  in  keinem  Augenblick,  daß  du  Mensch  und 
kein  bloßes  Naturwesen  bist;  in  keinem  Augenblick,  daß  alle  anderen  gleich- 
falls Menschen,  d.  h.,  bei  aller  individuellen  Verschiedenheit,  dasselbe  was  du, 
mit  den  gleichen  Bedürfnissen  und  Ansprüchen  wie  du  sind  —  das  ist  der  In- 
begriff aller  Moral."  Der  Mensch  soll  die  Natur  außer  und  in  ihm  be- 
herrschen. 

Schriften:  Das  Leben  Jesu,  1835  —  36,  1838,  1840  u.  ö.(z.  P>.  1895).  —  Streitschriften, 
1837—38.  —  Zwei  friedliche  Blätter,  1839.  —  Charakteristiken  und  Kritiken,  1839; 
2.  A.  1844.  —  Die  christliche  Glaubenslehre,  1840 — 41.  —  Der  Romantiker  auf  dem 
Throne  der  Cäsaren  oder  Julian  der  Abtrünnige,  1847.  —  Chr.  Märklin,  1851.  — 
Ulrich  von  Hütten,  1858  —  60;  2.  A.  1871.  —  H.  S.  Reimarus,  1842.  —  Kleine 
Schriften,  1862  —  67.  —  Neue  Bearbeitung  des  Lebens  Jesu,  1864.  —  Die  Halben  und 
die  Ganzen,    1865.  —  Der  Christus    des  Glaubens   und   der  Jesus  der  Geschichte,  1865. 

—  Voltaire,  1870.  —  Der  alte  und  der  neue  Glaube.  Ein  Bekenntnis,  1872;  15.  A. 
1903;  auch  in  Kröners  Verlag.  —  Ein  Nachwort,  1873.  —  Gesammelte  Schriften,  12  Bde., 
1876—81.   —   Werke,  5  Bde.,  1895.  —  Ausgewählte  Briefe,  hrsg.  von  E.  Zeller,  1895. 

—  Vgl.  ZELLER,  D.  F.  S.,  1874.  —  A.  HAUSRATH,  D.  F.  S.  und  die  Theologie 
seiner  Zeit,  1876—78  —  KOHTJT,  S.  als  Denker  und  Erzieher,  1908.  —  Th.  ZlEG- 
LER,  D.  F.  S.,  1908  f.  —  A.  LEVY,  D.  F.  S.,  la  vie  et  l'oeuvre,  1909.  —  H.  MAIER,, 
in:  Bericht  über  den  111.  intern.   Kongr.  f.  Philos.,   1909. 

Strecker,  Reinhard,  geb.  1876  in  Berlin,  Oberlehrer  in  Bad  Nauheim.  = 
Evolutionistischer  Standpunkt  in  der  Ethik.  Die  Vernunft  ist  das  Mittel  zum 
Zweck  des  invidual-sozialen,  humanen,  kulturellen  Fortschritts.  Gut  ist  das 
Verhalten,  das  mit  Absicht  das  Leben  der  Menschheit  fördert. 

Schriften:  Der  ästhetische  Genuß  auf  Grund  der  ästhetischen  Apperzeption,   1901. 

—  Die  moralische  Phrase  im  Liberalismus,  1907.  —  Religion  u.  Politik  bei  Goethe,, 
1907.  —  Demokratie  und  Sozialismus,  1908.  —  Zur  Frauenbewegung,  1908.  —  Gott 
und  die  Kirche,  1908.  —  Kants  Ethik,  1909,  u.  a. 


-I  RBt  EBB   —    8l  i:r\/. 


Strecker,  Wilhelm.  =1  Materialist»  B       Ipunkt 

Schriften:   Welt  und   Menschheit,    1892. 

Stricker.  Balomon,  geb.  1834,  i  Wim.  =  -  •  ,!.,    l; 

oleben  und 
u.  a.'.     Die  Warte  nnd   „motorische  Vorstellungen". 

-  hriften:  Studien  über  das  Bewußtsein,   1879,  —  Stud 

1880.   —    Studien  über  die  Bewegungsvorstellungen,   1882.  — Studien  üb 

der    Vorstellungen,     1883.   —    Über    die    wahren     l'i>ai  hen,    1887.    —    Physiologie    de« 

-.    1884. 

Strong,   0.   A.  sb   Panpsychistischer,  identUttsthecsetischer  Standpunkt 
Allbeseelung,  «las  An  nch  des  Körpers  ist  h). 

Schriften:   Why  the  Mind  has  a  Body,    1903.  —   Leib  und  Seele, 

Strümpell.  Ladwij  1812  in  Schöppenetädt,  1844  Prot  in  I 

-7'.   in   I..  ipsdg,  gest.  daselbst  186 

8.    i-t  besonders    von    Leibniz,    Kant    ond    Herbart    beeinflußt    Kr  oi 
scheidet    theoretische  und   praktische  Philosophie,  deren  Einheil  <li<    & 
Philosophie  ist    Die  G  des  psychischen  Mechanismufl   sind:  <ia> 

Beharrung,   der  Kontinuität,  der  Ausschließung,   der   Reihenbildung.     I 
einheitliche  Zusammenhang  des   Psychischen   hat  Beinen  Grund  in  «Irr  Hin!. 
der  einfach*      9    lensubstanz.    Außer  dem    psychischen   Mechanismus  . 
ii".  |  wirkende  Kausalitäten^,  die  auf  Wertung  B. 

logische,    ethische    Kausalität).     I>i«'   Kausalität    überhaupt   ergibt   sich  a 
Anwendung  desfi       -  rom  Grunde  ani  Tataachen.    I>«r  wrah      §  Ei 

«-alitat.  -  ist  (1»t.    „daß  jede  Ti  ein  <Jli»-<l  im  intellektuelle] 

W'-lt  ist   und  sich  alt  Bolchee    begreifen    läßt",    s.   bat  such  die  ,.psycho- 
logifl  '■■■    Pädagogik44  (pädagogische    Psychologie    und   pä 
behandelt. 

-  h  riften:    De  methodo  pkilooophica,   1888.    —  I   Btfbsrl 

-  '4.      —      I>u>     Hauptpunkte     der     EL 
sumnii     Loni     lOtlOM     qualom      propoaait  Voracl   ll« 

Kthik,    184ä.    —     Entwurf    der    Logik,    1846. 

trag  der  Logik,   1858.  —    I  iu- 

salitätshogritt.  1871.  —  l1  he  Aafeinand«  •  'ur 

und     Kntstehur.g    der  Träume,     lh7  4.     —     l>i" 

denen  d.  — 

I 
tt.dpui.kte    der    <  |     PI  I    Bathol«. 

i  ho   Ahhar.dlur.K'ei  Ahl.andl.   MI  den. 

der    Kthik,    der    StaaUwi»«.,    <ler    Ästhetik  1H95.    —   Ahhandl.    tur 

.   u.   Ke  1.    1896.    — 

Abhandlungen    aui    dor    ')  .     prukt. 

H.  Bgbmidi 

Still ii/.  -ent    uii 

1 1<"  bschule  in  Wien. 

-  I:  mOtloBO,  —     Kitai  'uog    ood     Naturerkenntm« 


730  Strunz  —  Stumpf. 


Altertum,  1903.  —  Das  Werden  und  die  Lehre  Fr.  Nietzsches,  1904.  —  Über  antiken 
Dämonenglauben,  1905.  —  Die  Chemie  im  klass.  Altertum,  1905.  —  Die  Vorgeschichte 
der  Chemie  im  Altertum,  1905.  —  J.  B.  van  Helmont,  1907.  —  Paracelsus  in  Öster- 
reich, 1907.  —  Beiträge  zur  Geschichte  der  Naturwissenschaften,  1908.  —  Gesch.  der 
Naturwiss.  im  Mittelalter,  1910,  u.  a. 

Strnve,  Heinrich  von,  geb.  1841,  Prof.  in  Krakau. 

Schriften:  Krit.  Einleit.  in  die  Philos. ,  3.  A.  1903  (polnisch).  —  Gesch.  der 
Philos.  in  Polen  I,  1900  (polnisch).  —  Die  philos.  Literatur  der  Polen,  Philos.  Monats- 
hefte X,  1874.  —  Die  polnische  Literatur  zur  Gesch.  der  Philos.,  Arch.  f.  Gesch.  der 
Philos.  VIII,  1895.  —  Die  polnische  Philos.  der  letzten  zehn  Jahre,  1.  c.  XVIII— XIX,  u.  a. 

Slnmpf.  Carl,  geb.  1848  in  Wiesentheid  (Bayern),  Prof.  in  Berlin  (früher 
in  Würzburg,  Prag,  Halle,  München). 

S.,  der  von  F.  Brentano,  Lotze  u.  a.  beeinflußt  ist,  hat  sich  besonders  als 
Psycholog  hervorgetan.  Die  Konsonanz  der  Töne  faßt  er  als  Tonverschmel- 
zung verschiedener  Festigkeit  auf.  Bezüglich  der  Raum  vor  Stellung  ist  S. 
modifizierter  Nativist.  Unsere  Seele  hat  eine  besondere  Fähigkeit,  einen  „eigen- 
tümlichen angeborenen  Drang",  gerade  Raum  Vorstellungen  zu  bilden,  veranlaßt 
durch  psychische  Reize  („Theorie  der  psychischen  Reize").  Der  Raum  ist  nicht 
subjektiver  als  die  Sinnesqualitäten,  er  hat  ein  objektives  Korrelat.  Den 
Affekten  liegen  Urteile  zugrunde.  —  Das  Psychische  ist  vielleicht  eine 
Energie  eigener  Art,  die  ihr  mechanisches  Äquivalent  hat;  es  ist  möglich,  daß 
gewisse  psychische  Funktionen  mit  einem  fortwährenden  Verbrauch,  andere 
mit  einer  Erzeugung  physischer  Energie  verknüpft  sind.  Jedenfalls  verhindert 
•die  Ungleichartigkeit  des  Psychischen  und  Physischen  nicht  deren  Wechsel- 
wirkung. Wir  müssen  die  Welt  ,,in  allen  ihren  Teilen  als  ein  kausal  zu- 
sammenhängendes Ganzes  auffassen ,  worin  jedes  Wirkliche  seine  Arbeit  leistet, 
keines  von  der  allgemeinen  Wechselwirkung  ausgeschlossen  ist".  Die  Vielheit 
beruht  auf  einer  „transzendenten  Einheit",  die  Welt  ist  der  Organismus  schlecht- 
hin. Einer  im  ganzen  stetig  fortschreitenden  Entwicklung  auf  physischem 
Gebiet  ist  eine  unstetige  auf  psychischem  zugeordnet.  Es  besteht  in  der  Welt  ein 
„Entwicklungsplan",  ein  mechanisches  Verhältnis,  demzufolge  sich  die  Elemente 
zu  zweckmäßigen  Endgebilden  entwickeln  können  und  müssen. 

Von  der  Psychologie  ist  auch  die  Logik  abhängig.  S.  betont  ferner,  die 
Erscheinungen  von  Farben,  Tönen,  Gestaltungen  in  Raum  und  Zeit  sind  nicht  die 
physische  Welt  selbst,  noch  etwas  Psychisches  (vgl.  Brentano),  sondern  sie  sind 
„das  Material .  woraus  der  Physiker  schöpft ,  und  zugleich  der  Ausgangspunkt 
und  der  Nährstoff  des  Seelenlebens".  Die  „Phänomenologie"  ist  „eine  bis  zu 
den  letzten  Elementen  vordringende  Analyse  der  sinnlichen  Erscheinungen  in 
sich  selbst".  Dem  Geiste  kommt  der  Natur  gegenüber  Priorität  insofern  zu, 
als  uns  nur  Geistiges  unmittelbar  als  Realität  gegeben  ist,  während  die  äußere 
Wirklichkeit  erschlossen  ist  (Krit.  Realismus). 

Schriften:  Das  Verhältnis  des  platonischen  Gottes  zur  Idee  des  Guten,  1869.  — 
Über  d.  psychol.  Ursprung  d.  Raumvorstellung,  1873.  —  Tonpsychologie,  1883—90.  — 
Psychologie  und  Erkenntnistheorie,  1891.  —  Der  Begriff  der  mathematischen  Wahrschein- 
lichkeit,   1892.    —    Geschichte   des    Konsonanzbegriffes    I,   1897.  —  Die  pseudoaristotel. 


Stumpf  —  Btjabedisben.  731 


Probleme  über  Musik,  1897.  —  Beiträge  zur  Akustik  u.  Musikwissenschaft,  1898  ff.  — 
Über  den  Begriff  der  Gemütsbewegung,  1899. —  Methodik  der  Kinderpsychol.,  Zeitsch.  f. 
päd.  Psychol.  u.  Pathol.,  1900.  —  Tafeln  zur  Gesch.  d.  Philos.,  1900;  3.  A.  (mit  Menzer)  1910. 

—  Leib  und  Seele;  Der  Entwicklungsgedanke,  2.  A.  1903.  —  über  Gefühlsempfindungen, 
1906.  —  Erscheinungen  und  psychische  Funktionen,  1907.  —  Zur  Einteilung  der 
Wissenschaften,  1907.  —  Die  Wiedergeburt  der  Philosophie,  1908.  —  Vom  ethischen 
Skeptizismus,   1909.  —  Philos.  Reden  und  Vorträge,   1910,  u.  a. 

St ürkeii.  Xicolaus.  =  Theistischer  Standpunkt ;  die  Seele  ist  immateriell. 

Schriften:  Metaphysische  Essays,  1882. 

Sturm.   Johannes,    1507—1589,    Prof.    in    Straßburg.    =    Anhänger 
P.  Ramus. 

Sturm,  Johann  Christoph,  1635  —  1703,  Prof.  in  Altorf.  =  Kartesianer, 
Vertreter  einer  okkasionalistischen  Ansicht,  nach  welcher  in  den  Körpern  Gott 
durch  seinen  schöpferischen  Willen  fortwirkt. 

Schriften:  Idol  um  naturae,   1692. 

Sturt,  Henry,  Prof.  in  Oxford.  =  S.  vertritt  den  pragmatistischen.  die 
Bedeutung  von  Zweck,  Interesse,  Wille  für  die  Erkenntnis  betonenden  ..per- 
sonalen Idealismus"  („personal  idealism"),  welcher  im  Gegensatze  zum  „Abso- 
lutismus" (Green,  Bradley  u.  a.)  die  Realität  und  Aktivität  der  Individualität 
und  gegenüber  dem  Naturalismus  die  Geistigkeit  der  Welt  und  die  Willen  - 
heit  betont. 

Schriften:  Personal  Idealism  (mit  F.  C.  S.  Schiller,  Gibson,  Underhill,  Marett. 
F.  W.  Busseil,  Rashdall;  von  Sturt  selbst  darin:  Art  and  Personality),  1902.  —  Idola 
theatri,  1910,  u.  a. 

Stntzniaiin,  Johann  Josua,  geb.  1777  in  Friolsheim  (Württemberg     g   - 
1816  als  Privatdozent  und  Gymnasiallehrer  in  Erlangen.  =  Von  Bchelling  und 
Fichtes  späteren  Lehren  beeinflußt. 

Schriften:  Betrachtungen  über  Religion  und  Christentum,  1804.  —  Systematische 
Einleitung   in    die     Religionsphilosophie    I,   1804.  —  Philosophie  des  Universums,   1806. 

—  Philosophie  der  Geschichte  der  Menschheit,  1808.  —  Grundzüge  des  Standpunktes, 
Geistes  und  Gesetzes   der  universellen   Philosophie,   1811. 

Suabedissen,  David  Theodor  August,  geb.  177::  in  Hebungen  ff<  äsen  . 
1822  Prof.  in  Marburg,  gest.  daselbst  1835. 

S.  ist  von  Kant,  Reinhold,  Bchelling  beeinflußt.  l>i«-  Philosophie  ist  die  W  M 
schaft  vom  Leben  des  Menschen,  ihr  Kern  die  Selbsterkenntnis,  das  „BJchselhstklar- 
werden",  und  zwar  das  allgemeine,  historisch-sozial  gewordene  Bdhstbewufltoein. 
Der  Mensch  ist   Leben   und  dieses  ist   ein    von   sich  vrissendea  Leben.     Eh  ist 
,, Kraft   und    Wille",   enthält    „ursprüngliche    Bestrebungen   und    Bedürfe 
welche  fordern,  daß  ihnen  das  eigene  Dasein  entspreche,  und  ursprünglich 
setze  des  zeitlichen  Lebens  sind.  Das  Lebenist  „Trieb",  sofern  es  ihm  notwend 
sich  zu   erweisen.     Das    ursprüngliche    Bedürfnüi    und  Qeseti    der   Ifeni 
lebendigkeil    ist,    „einstimmig  zu  -«in     (Einheit  da  Individuums,  d«   * 
Behalt,  der  Menschen  im  Verhältnis  zur  Welt).   -  Die  Natur  ist  dai  „unendliche 
werdende   Bein",  ihr   tnnei  Werdeostrieb",  ihr  A.nßerai  dss  Gewordene. 

Kaum   und    Zeit   Bind   die  Wirklichkeiteweisen  und  Formen  der  Natur,  dii 


■32  SüABEDISSEN  —   SUAREZ. 


Organismus  im  weiteren  Sinne,  eine  gesetzliche  Ordnung  ist.  Das  Leben  ringt 
nach  Selbständigkeit,  Aktivität,  Freiheit  und  erreicht  sein  Ziel  im  Menschen.  Das 
Bedürfnis  des  Menschen  ist  es,  sich  in  der  äußeren  Wirklichkeit  seiner  selbst  und 
seines  ganzen  Gebietes  von  Grund  aus  zu  ermächtigen  und  damit  als  geistiges 
Leben  ganz  in  sein  Dasein  einzutreten.  Die  Seele  ist  die  „innere  Einheit  eines 
Lebendigen,  wenn  sie  eine  selbstsinnige  ist".  Der  Geist  ist  ihr  Wesen,  der 
Leib  ihre  natürliche  Lebendigkeitsweise  an  ihrer  Stelle  in  der  Welt;  sie  ist 
„der  in  einem  Leibe  wirkliche  Geist",  das  Wesen  des  Leibes,  der  von  ihr  seine 
Lebendigkeit  hat  und  ihr  Organ  ist.  Eine  Eeihe  guter  psychologischer  Er- 
örterungen findet  sich  bei  S.  Das  Urteil  z.  B.  bestimmt  er  als  „eine  Tätig- 
keit, welche  teilend  verbindet  und  verbindend  teilt".  ,, Durch  das  Zusammen- 
fassen und  das  Scheiden  des  Ungleichartigen  tritt  Ordnung  in  den  vorher 
chaotischen  Zustand  der  Vorstellungen;  darum  kann  alles  Urteilen  als  ein  Ord- 
nen begriffen  werden"  (D.  Grundz.  d.  Lehre  von  den  Menschen,  S.  1161).  Da 
auch  das  Denken  Leben  ist,  so  gilt  die  Urf orderung  dieses  auch  für  jenes,  und  so 
sucht  es  Einheit  in  der  Mannigfaltigkeit  („Einheitsbedürfnis").  Denken  und  Wollen 
bedingen  einander;  Theorie  und  Praxis  sollen  einander  durchdringen  zur  Ein- 
heit des  Lebens. 

Schriften:  Resultat  der  philos.  Forschungen  über  die  Natur  der  menschlichen 
Erkenntnis  von  Piaton  bis  Kant,  1808.  —  Über  die  innere  Wahrnehmung,  1808.  — 
Betrachtung  des  Menschen,  1815 — 18.  —  Philos.  der  Geschichte,  1821.  —  Zur  Einleit. 
in  die  Philos.,  1827.  —  Vom  Begriffe  der  Psychologie  u.  ihrem  Verhältnis  zu  den  ver- 
wandten Wissenschaften,  1829.  —  Grundzüge  der  Lehre  von  dem  Menschen,  1829.  — 
Grundzüge  der  philos.  Religionslehre,  1831. 

Suarez,  Franz,  geb.  1548  in  Granada,  Jesuit,  lehrte  an  verschiedenen 
Universitäten,  zuletzt  in  Coimbra,  gest.  1617  in  Lissabon. 

S.  ist  der  bedeutendste  und  gelehrteste  Spät- Scholastiker  und  hat  durch 
seine  Schriften  großen  Einfluß  ausgeübt.  In  seinen  Anschauungen  ist  er 
wesentlich  von  Thomas  von  Aquino  beeinflußt.  Die  Metaphysik  oder  „erste 
Philosophie"  handelt  vom  Seienden  als  solchen  („ens  quäle  ens  reale"),  von  dessen 
Zuständen  („passiones")  und  von  den  Urgründen  der  Dinge  („de  primis  rerum 
causis",  „de  universis  entibus").  Jedes  Seiende  ist  wahr,  eins,  gut  („omne  ens 
est  verum,  unum,  bonum");  dies  sind  die  „transzendentalen"  Merkmale. 
Wesenheit  („essentia")  und  Existenz  sind  zu  unterscheiden.  Die  Relationen 
haben  ein  Fundament  in  den  Dingen  (reale  und  rationale  Relationen),  ebenso 
die  Gattungseinheiten.  Die  „transzendentale  Wahrheit"  ist  die  Begreiflichkeit 
des  Wesens  („veritas  transcendentalis  significat  entitatem  rei,  connotando  cogni- 
tionem  seu  conceptum  intellectus,  cui  talis  entitas  conformatur  vel  in  quo 
talis  res  repraesentatur").  Die  logische  Wahrheit  ist  Übereinstimmung  des 
Dr-nkens  mit  dem  Sein.  Das  Gute  bedeutet  die  Vollkommenheit  des  Seienden 
(„bonitas  dicit  perfectionem  rei").  „Ursache"  ist  ein  Prinzip,  welches  einem 
andern  ein  Sein  einflößt  ( „principium  per  se  influens  esse  in  aliud").  Es  gibt 
innere  und  äußere,  wirkende,  Zweck-Ursachen  usw.  Die  Wirkung  der  Sache 
geschieht  um   etwas   andern  willen    („effectus    causae  efficientis  .  .  .  intrinsece 

"ilat,  ut  alicuius  gratia  fiat"). 


SüAREZ   —   PüLLY.  733 


Die  Materie  ist  das  Substrat  („subiectum  primum")  der  Veränderung, 
die  bleibende  Potentialität  der  Körper.    Der  Raum  ist  ein  Gedankending,  aber 

keine  Fiktion,  sondern  hat  in  einer  Daseinsweise  der  Körper  seine  Grundlage; 
er  ist  der  Abstand,  welcher  quantitative  Dimensionen  einschließt  (realer  —  imagi- 
närer Raum).  Die  Zeit  ist  nur  begrifflich  von  der  Bewegung  verschieden; 
sie  wird  durch  die  zählende  Tätigkeit  der  Seele  bestimmt.  Es  gibt  geistig.-  and 
materielle  Zeit;  reale  Zeit  ist  die  wahre  Dauer  der  Bewegung.  Die  Zahl 
eine  Kollektion  von  Akzidenzen  zur  Einheit,  aber  kein  bloßes  Denkgebilde.  Die 
Seele  ist  eine  immaterielle  Substanz,  die  ,, forma  substantialis"  des  organischen 
Leibes,  einfach,  unausgedehnt,  unsterblich.  Sie  besitzt  verschiedene  Vermögen 
{„potentiae"),  Operationen  (Äußerer  Sinn ,  innerer  Sinn  als  Gemeinsinn ,  I 
dächtnis  Phantasie  usw.,  potentieller  und  aktueller  Intellekt,  sinnliches  und 
geistiges  Begehren).  Die  Erkenntnis  erfolgt  durch  eine  Angleichung  („assimi- 
latio"),  wobei  der  Intellekt  auf  das  Übersinnliche  gerichtet  ist.  Der  Wille  ist 
frei,  weder  von  außen,  noch  innerlich  determiniert.  Gott  ist  die  erste,  ewige 
Ursache  und  der  Endzweck  von  allem,  reine  Wirklichkeit  ohne  Potentialität 
und  Materie  („actus  purus";  vgl.  Leibniz  . 

Schriften:  Die  wichtigsten  sind:  Disputationes  metaphysicae,  1597,  1600  u.  ö.  — 
De  aniraa.  De  legibus  u.  a.  —  Opera  23  Bde  ,  1632  ff.,  1740—51,  1856  ff.  (26  Bde.),  Aus- 
wahl bei  Migne,  Patrolog.,  1858.  —  Vgl.  K.  WERNER,  F.  S.  u.  die  Scholastik  der  letzten 
Jahrhunderte,  1861. 

Sully,  James,  geb.  1842  in  Bridgewater,  Prof.  in  London. 

S.  ist  als  Psycholog  hervorragend.  Die  Psychologie  ist  nach  ihm  die 
Wissenschaft,  welche  auf  eine  genaue  und  systematische  Beschreibung  der 
-'hiedenen  Vorgänge  oder  funktionellen  Betätigungen  unseres  Geistes  abzielt. 
Die  psychischen  Elemente  sind  die  Empfindungen,  die  einfachen  Gefühle,  die 
reflektorischen  und  Triebvorgänge.  Das  Grundgesetz  der  Assoziation  ist  die 
Verbindung  der  Vorstellung  durch  Kontiguität  in  Kaum  und  Zeit.  Die  Auf- 
merksamkeit ist  eine  aktive,  selektive  Tätigkeit,  welche  dazu  dient,  eine  Emp- 
findung im  Strom  des  Bewußtseins  /.um  hervortretenden,  obersten  Element  zu 
machen.  Die  Empfindungen  haben  eine  intellektuelle  und  eine  emotionelle 
Seite;  zu  ihren  Eigenschaften  gehören  Qualität,  Intensität.  Extensität  „mas- 
siveness  or  extensity").  Das  Gefühl  der  Lust  beruht  aul  Erhöhung  der  | 
einsehen  Funktion  durch  angemessene  Ausübung;  Gefühle  können  sich  asi 
ziieren,  auch  einander  reproduzieren.  Das  Streben  ist  die  aktive  Seite  des 
Seelischen;  das  Gefühl  ist  das  Dynamische  im  Wollen  und  die  Emotionen 
enthalten  ein  Willenselement  Das  Denken  wird  ursprün^ich  suent  durch  die 
Erregung  des  instinktiven  Btrebens  und  Widerstrebens  ausgelöst;  m  ist  eine 
aktive  <  teistestätigkeit. 

Schriften:  Sensation  und  Intuition,  1874.  —  Pentwlwii  ■  EtrtOTJ  and  a  Criti- 
<äsm,   1877.  —  lllusions,     1881.     —     The    Human    Muh!.  -    Outlines  of  Psyche'. 

1884;    1892.     —    The  Teachors    Bndbook    of   IV. 

1898.     —    Studios    of    Ohildhood,     I8t6  J     «leutsch    (UotSIMth.    über   <he    Kindheit,    1897; 
8.   A.   1905).    -     An  Essay   Dl    LlBghter,  (Easai  sur  le   rirc)    1904.    — 

Abhandlungen   im  „Muni"     1,    111.   IV,    \.    M.   \11,   \.   \lll.   X\  j,   u.  a. 


734  Sully-Prudhomme  —  Swedenborg. 

Sully-Priullioiiiiiie«  R.  F.  A.,  geb.  1839  in  Paris,  der  bekannte  Dichter, 
nimmt  als  Denker  einen  idealistisch-teleologischen  Standpunkt  ein. 

Schriften:  L'expression  dans  les  beaux-arts,  1883.  —  Psychologie  du  libre 
arbitre,  o.  J.  —  La  vraie  religion  selon  Pascal,  o.  J.  —  Que  sais-je?  1895.  — 
Le  probleme  des  causes  finales,  4.  ed.  1907  (mit  Ch.  Eichet).  —  Testament  poetique, 
1901,  1904.  —  Le  lien  sociale,  1909.  —  Vgl.  HEMON,  La  philos.  de  S.-P.,  1908. 

Snlzer,  Johann  Georg,  geb.  1720  in  Winterthur,  gest.  1779  in  Berlin,  wo  er 
Prof.  war.  =  S.  ist  ein  Anhänger  Chr.  Wolffs  (z.  ß.  in  der  Teleologie),  hat  aber  als 
Psycholog  und  Ästhetiker  eine  gewisse  Selbständigkeit.  Unter  den  „Empfindungen" 
versteht  er  die  lust-  und  unlustbetonten  verworrenen  Vorstellungen,  die  sich 
auf  unsern  eigenen  Zustand  beziehen ,  dessen  Förderung  oder  Schwächung  sie 
anzeigen;  so  stellt  S.  schon  die  Gefühle  zwischen  die  eigentlichen,  klaren  Vor- 
stellungen und  die  Begehrungen  (vgl.  Mendelssohn,  Tetens,  Kant).  Das  Schöne 
gefällt  uns  ohne  Rücksicht  auf  den  Wert  des  Stoffes,  „wegen  seiner  Form  und 
Gestalt,  die  sich  den  Sinnen  oder  der  Einbildungskraft  angenehm  darstellt". 
Schönheit  ist  Einheit  in  der  Mannigfaltigkeit,  sie  beruht  auf  der  Förderung 
des  Vorstellens  durch  die  einheitliche  Zusammenfassung  eines  Mannigfaltigen. 
Der  Zweck  des  Handelns  ist  die  (eigene  und  fremde)  Glückseligkeit  (Eudämo- 
nismus).    Die  Seele  des  Menschen  ist  (nebst  ihrem  Seelenleibe)  unsterblich. 

Schriften:  Gedanken   über   den  Ursprung   der  Wissenschaften    u.  schönen  Künste, 
1762.    —    Vermischte   philos.  Schriften,    1773-  85.  —  Allgemeine  Theorie  der  schönen 
Künste,  1771  —  74,  1778  ff.,   1786  ff.  —  Selbstbiographie,  1809.  —  Vgl.  PALME,  J.  G. 
S.s  Psychologie,  1905.  —  L.  HEYM,  Darstellung  und  Kritik  der  Ästhet.  Ansichten  S.s,., 
1894.  —  K.  GROSS,  S.s  Allgemeine  Theorie  der  schönen  Künste,  1905. 

Sufco  (Seuse),  Heinrich,  geb.  1300  in  Konstanz,  Dominikanermönch,, 
Wanderprediger,  gest.  1365  in  Ulm.  =  Von  Eckhart  beeinflußter  Mystiker. 
Gott  ist  das  „allige",  alle  Dinge  wirkende,  ewige,  unveränderliche  Wesen,  das 
in  allen  Dingen  und  zugleich  außer  ihnen  ist.  Gott  ist  dreifaltig;  aus  Gottes 
Sprechen  und  Gebären  entspringen  alle  Dinge.  Das  Höchste  ist  die  Ver- 
einigung der  Seele  mit  der  Gottheit,  in  der  sie  ruht  und  selig  ist. 

Schriften:  Werke,  1482,  1512  u.  ö.;  lateinisch  1555  u.  ö.  Deutsch,  hrsg.  1884 
und  von  Denifle,  I,  1880;  ausgewählt  von  W.  Oehl,  1910;  Ton  Bihlmeyer,  1907.  — 
Briefe,  hrsg.  von  Preger,  1867.  —  Vgl.  W.  VOLKMANN,  Der  Mystiker  H.  S.,  1869.  — 
Th.  JaGER,  H.  Seuse,   1893.    —  A.  PüMMERER,  Seuses  Büchlein  der  Wahrheit,  1908. 

Snpinski,  Josef,  1804 — 1896,  polnischer  Philosoph  und  Soziolog,  empi- 
rischer Standpunkt.     Hauptwerk  (polnisch),  1883. 

Su therlaiid,  Alexander,  englischer  Evolutionist. 

Schriften:  The  Origin  and  Growth  of  the  Moral  Instinct,  1898,  u.  a. 

Swedenborg  (urspr.  Swedberg),  Emanuel  von,  geb.  1688  in  Stockholm, 
studierte  Philologie,  Philosophie,  Mathematik  und  Naturwissenschaften,  auch 
Theologie,  wurde  1716  Assessor  des  Bergwerkskollegiums  in  Stockholm,  seit 
1747  pensioniert,  gest.  1772  auf  einer  Reise  in  London. 

S..  der  die  Fähigkeiten  eines  gründlichen,  exakten  Forschers  und  Erfinder» 
mit    mystisch-theosophischen    Neigungen    und    Anlage    zu   Visionen    verband. 


Swedenborg  —  Syxesios.  733 


hatte  als  Theosoph  viele  Anhänger  (Swedenborgianer),  besonders  in  England 
und  (jetzt  noch)  in  Amerika.  S.s  naturwissenschaftliche  Ergebnisse  (z.  B.  eine 
der  Kant-Laplaceschen  Theorie  ähnliche  Lehre)  werden  jetzt  erst,  wo  die 
schwedische  Akademie  der  Wissenschaften  Handschriften  S.s  in  Druck  legt, 
voll  bekannt  und  gewürdigt  werden.  Xach  S.  besteht  eine  „konstabilii 
Harmonie",  nach  welcher  alles  in  der  Welt  in  organischem  Zusammenhang 
steht.  Die  Welt  ist  ein  Stufenreich  substantialer  Punkte.  Die  Seele  gestaltet 
ihren  Leib.  Als  Theosoph  lehrt  S.  die  Existenz  eines  Geisterreiches,  das 
mit  dem  Menschen  schon  während  dessen  Leben  in  Verbindung  steht  und 
sich  ihm  (in  Visionen)  offenbart.  Himmel  und  Hölle  faßt  S.  geistig  auf.  — 
Kant  erklärt  in  seinen  „ Träumen  eines  Geistersehers"  die  Geisterlehre  S.s  für 
ein  bloßes  Hirngespinst  ohne  empirische  Grundlage. 

Schriften:  Opera  philosophica  et  niineralogica,  1734.  —  Oecononiia  regni  ani- 
malis,  1740  —  41.  —  Regnum  animale,  1744 — 45.  —  De  eultu  et  amore  Dei,  1740.  — 
Arcana  coelestia,  1749  —  1756;  deutsch  1842  —  70.  —  De  coelo  et  infemo,  1758;  deutsch 
1873.  —  De  nova  Hierosolyma  et  eius  doctrina,  1758;  deutsch  1860.  —  Apocalypsis 
explicata,   1761;  deutsch   1824 — 31.   —    Vera  christiana  religio,   1771;  deutsch  1855 — 58. 

—  Theol.  Werke,  1789.  —  Theol.  Schriften,  1904.  —  Werke,  hrsg.  von  der  Schwed, 
Äkad.  d.  Wiss.  (in  Vorbereitung).    —    Vgl.  BlCHER,   La   nouvolle  Jerusalem,  1832 — 35. 

—  TAFEL,  Sammlung  von  Urkunden  über  Swedenborgs  Leben  u.  Charakter,  1839 — 42; 
Abriß  von  S.s  Leben,  1845.  —  MATTER,  S.,  1863.  —  SCHLIEPER,  S.s  System  der 
Xaturphilos.,   1901. 

Switalski,  Wladislaus,  geb.  1875  in  Kankel,  Prof.  in  Brauns! 
Schriften:    Des    Chalcidius  Kommentar  zu  Piatos  Tiraaeus,   1899 — 1902.    —    Die- 
erkenntnistheor.  Bedeut.  des  Zitats,   1905.  —  Das  Leben  der  Seele,   1907,  u.  a. 

Swobodti.  Hermann,  geb.  1873  in  Wien,  Privatdozent  daselb.M. 

S.  ist  ein  Gegner  der  „atomistischen"  Psychologie  und  vortritt  eine 
biologisch  begründete,  , .organische"  Psychologie.  Die  Psychologie  muß  zur 
„Harmonielehre  des  Seelenlebens"  werden .  Das  psychische  Erlebnis  ist  eine 
in  sich  geschlossene  Gruppe  seelischer  Erscheinungen,  »'in  bestimmt  charakteri- 
Bierter  Ablauf,  ein  Zusammenhang;  die  Komplexe  gehen  ihren  Elementen  voran, 
sind  das  Primäre.  Wie  W.  Fliese  u.  a.  lehn  S.  eine  Periodizität  dea  Leb« 
besonders  auch  des  psychischen.  Rhythmisch-periodische  Phänomene  sind  hier  von 
Bedeutung.  Die  eine  (weibliche)  Periode  ist  die  28 tagige,  die  andere  männliche) 
die  23tägige;  auch  die  23-  und  18 stündige  Periode  und  deren  Vielfaches  sind 
wichtig.  Auf  eine  [nkubationsfrist  folgt  die  Klärung  und  Reife,  worauf  eine 
Vorstellung  zur  Reproduktion  gelangt.  Die  „freisteigenden"  Vorstellungen 
Herbarts  haben  also  eine  organische  Grundlage.  Der  gleiche  somatische  Zu- 
stand, wie  er  nach  Ablaut  einer  Periode  wiederkehrt  bringt  die  entsprechenden 
psychischen  Erlebnisse  wieder. 

Schriften:  Die  Perioden  des  mensch).  Organismus,  1904.  —  Studien  zur  Grund- 
legung der  Psychologie,  1905.  —  Die  gemeinm.  mehlig  u.  der  eigennützig© 
Forscher,  1906.  —  Harmonia  animae,  1907.  —  Verstehen  und  Hegreifen.  \  lerteljabrs- 
echrift  f.   wiss.   Philos.   27.   13d.    —   0.    Weininger,    1910,   u.   a. 

Syiic*io-.  geb.  0  d.  Chr.  in  Kyreni     Bischof  von  Ptolemaii 

..in   80. 


r36  Synesios  —  Taine. 


S.  ist  ein  Schüler  der  Philosophin  Hypatia  und  trotz  seines  Christentums 
wesentlich  Neuplatoniker.  Gott  ist  nach  ihm  die  Einheit  der  Einheiten 
{eroxrjxcov  ivag,  povädcov  juoväg  rs  jxgobxr),  „monas  monadum"),  die  sich  in  eine 
Dreiheit  göttlicher  Kräfte  auseinanderlegt,  welche  aus  ihrer  Mitte  entspringen. 
Gott  ist  die  Einheit  der  Gegensätze  (ajtXoxrjxag  äxQoxr/xcov  svcooaoa),  der  ,, Vor- 
vater" fjxQOTidxcoQ),  das  Eine  vor  dem  Einem  (sv  evög  txqöxsqov),  die  „Sonne  des 
Seins"  (ö'vxwv  ojxegjua),  eins  und  alles  (sv  xai  nävxa).  Die  Seele  existiert  schon 
vor  dem  Leibe  und  ist  unsterblich;  die  Auferstehung  des  Leibes  ist  nur  sym- 
bolisch aufzufassen.  An  den  Untergang  der  Welt  vermag  S.  nicht  zu  glauben. 
Der  Geist,  der  an  sich  unteilbar  ist,  ist  in  den  Stoff  herniedergestiegen  und 
waltet  in  der  Welt.  In  denen,  die  herabsanken,  wohnt  eine  Kraft,  die  sie  zum 
Himmel  ruft. 

Schriften:  Calvitii  encomium,  auch  deutsch,  1834.  —  Die  Ägypter  oder  über 
die  Vorsehung,  1835.  —  Hymnen,  1836,  1875.  —  Homilien;  Über  die  Träume  u.  a. 
Opera,  1553,  1612,  1631,  1633.  —  Vgl.  R.  VOLKMANN,  S.,  1869.  —  KLEFFNER, 
S.,  der  Philosoph  u.  Dichter,  1901.  —  U.  VON"  WlLLAMOWITZ-MOELLENDORFF, 
Die  Hymnen  des  Proklos  u.  Synesios,  1907. 

Syrianos  aus  Alexandrien,  Schüler  des  Plutarch  von  Athen  und  (seit 
431  n.  Chr.)  Nachfolger  desselben  in  Athen,  Lehrer  des  Proklos,  gest.  um  450. 
Er  betrachtet  die  Aristotelische  Philosophie  als  eine  Vorbereitung  für  die  neu- 
pythagoreisch-neuplatonische  Philosophie.  Er  unterscheidet  vom  „Einen"  das 
Intelligible,  den  „Geist",  der  die  Ideen  einschließt,  an  deren  Spitze  der  Demiurg 
steht.     Die  Ideen  sind  intellektuelle  Zahlen. 

Schriften:  Commentarii  in  libros  111.,  XIII.,  XIV.  metaphys.  Aristotel.,  1558; 
in  Metaphysica,  ed.  G.  Kroll,  1902.  —  Commentaria  in  Hermogenem.  1892  —  93.  — 
Vgl.  BACH,  De  Syriano  philosopho,  1862. 


M'  Taggart,  John,  geb.  1866,  Prof.  in  Cambridge.  =  Neo-Hegelianer. 

Schriften:  Studies  in  the  Hegelian  Dialectic,  1896.  —  The  Conception  of  Society 
as  an  Organism,  Intern.  Journ.  of  Ethics  VII,  1897.  —  Abhandlungen  über  Hegel  im 
„Mind"  (N.  S.  VI,  VIII,  IX,  XI).  -  Studies  in  Hegelian  Cosmology,  1901.  —  Vgl. 
GLOSSNER,  Jahrb.  f.  Philos.  u.  spekul.  Theol.  XII,  1898. 

Taine9  Hippolyte,  geb.  21.  April  1828  in  Vonziers,  Prof.  an  der  Ecole 
dos  Beaux-Arts,  gest.  5.  März  1893  in  Paris. 

T.  ist  der  bedeutendste  französische  Positivist  nach  Comte,  von  dem,  wie 
von  J.  St.  Mill  (aber  auch  von  der  Stoa,  von  Spinoza,  Herder,  Hegel  u.  a.) 
er  beeinflußt  ist.  Er  ist  Empirist,  gibt  aber  die  Möglichkeit  einer  (hypotheti- 
schen) Metaphysik  zu,  ja  huldigt  selbst  im  Grunde  einem  gewissen  Pantheis- 
mus. In  seiner  Erkenntnislehre,  die  einen  Teil  der  Psychologie  bildet,  betont 
er  die  strenge  Gesetzlichkeit  des  Geschehens,  die  Determiniertheit  aller 
physischen  und  psychischen  Vorgänge.  Alle  Erkenntnis  stammt  aus  der  Er- 
fahrung,  durch    welche   auch   die   (einen   analytischen   Charakter  habenden) 


Taixe  —  Tarde.  731 


Axiome  begründet  sind.  In  der  Wirklichkeit  existieren  nur  Einzeldinge  und 
deren  Beziehungen;  das  Abstrakte  ist  nichts  als  ein  Namen  für  gleichartige 
Vorstellungen  (Bilder).  Namen  sind  Zeichen  für  Bilder,  diese  sind  Zeichen 
für  Empfindungen.  Im  Sinne  der  „atomistischen"  Psychologie  faßt  T.  die 
lezteren  als  Komplexe,  Verschmelzungen  elementarer  Eindrücke  auf,  denen  kleinste 
Nervenbewegungen  zugeordnet  sind;  Physisches  und  Psychisches  sind  zwei 
Auffassungsweisen  eines  Identischen.  Die  Wahrnehmung  (Perzeption) 
ist  eine  Art  der  „Illusionen",  nämlich  eine  normale,  wahre  „Halluzination". 
Die  Objekte  der  Sinneswahrnehmung,  die  Dinge,  sind  Gruppen  konstanter 
Merkmale  („un  groupe  de  proprietes  comme  permanentes  et  stabiles"),  Komplexe 
von  Wahrnehmungsinhalten  (vgl.  Mill),  oder,  genauer,  Gruppen  von  bewegbaren 
Bewegern  („mobiles  moteurs"),  von  Bewegungstendenzen.  Das  Ich  ist  ebenfalls 
nur  ein  Zusammenhang  von  Erlebnissen,  eine  stetige  Keine  von  solchen,  bzw. 
von  konstanten  Möglichkeiten  solcher,  deren  Band  Assoziation  und  Gedächtnis 
bilden.     Der  Wille  ist  eine  von  außen  und  innen  determinierte  Tendenz. 

Das  gesamte  Geistesleben  ist  gesetzmäßig,  so  auch  die  Geschichte, 
deren  konstante  Faktoren  („forces  primordiales")  Rasse,  Milieu  und  Moment 
sind,  von  welchen  die  Individuen,  auch  die  Genies,  abhängig  sind.  Besonderes 
Gewicht  legt  T.  (wie  schon  Bodin,  Montesquieu,  Herder  u.  a.)  auf  das  Milieu, 
die  physische,  geistige  und  soziale  Umwelt  mit  ihren  Einflüssen.  .Rasse,  Milieu. 
Moment  bedingen  im  Schaffenden,  besonders  im  Künstler,  die  „faculte  mai- 
tresse",  von  der  seine  Schöpfungen  ihren  Charakter  haben  („L'ceuvre  d'art  est 
determinee  par  un  ensemble  qui  est  Petat  general  de  l'esprit  et  des  moeurs 
environnantes").  Der  Zweck  des  Kunstwerkes  ist,  einen  wesentlichen 
Charakter,  eine  Idee  deutlicher  und  vollständiger  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
als  es  die  wirklichen  Dinge  tun. 

Schriften:  De  personis  Platonicis,  1853.  —  Les  philosophes  franqais  du  XIXe 
siecle,  1856;  7.  ed.  1895.  —  Essais  de  critique  et  d'histoire,  1857.  —  Histoire  de  la 
litterature  anglaise,  1864;  10.  ed.  1901.  —  Les  origines  de  la  France  contemporaine, 
1876—93;  24.  ed.  1902;  deutsch  von  L.  Katscher.  —  Le  positivisme  anglais,  1864. 
—  Philosophie  de  l'art,  1865;  10.  ed.  1905;  deutsch,  2.  A.  1885:  von  E.  Hardt, 
1902  f.  —  De  l'ideal  dans  l'art,  1867.  —  De  l'intelligence,  1870;  7.  ed.  1885;  deutsch 
1880.  —  Notes  posthumes,  Rev.  philos.  1895.  —  Vie  et  correspondance,  1902  —  05.  — 
Vgl.  BARZELOTTI,  H.  T.,  1895;  französisch  1900.  —  V.  GlRAUD,  Essai  sur  T., 
2.  ed.  1903;  Bibliographie  crit.  de  T.,  1904.  —  L.  EGGER,  T.  u.  die  moderne  Sozio- 
logie I,  1905.  —  ZEITLER,  Die  Kunstphilos.  A.  T.s,  1901.  -  G.  Mendelssohx- 
BARTHOLDY,  H.  T.,  Sein  Leben  in  Briefen,  1911. 

Tannery,  Paul,  geb.  1843  in  Maates,  Ingenieur,  eine  Zeitlang  Prof.  am 
•College  de  France,  gest.  1904. 

Schriften:  Pour  l'histoire  de  la  science  hellenc,  1887.  —  La  georaetrie  grecque, 
1887.  —  La  correspondance  de  Descartes,  1893.  —  Recherches  sur  Thistoire  de 
l'astronomie  ancienne,   1893,  u.  a. 

Tarde,  Gabriel,  geb.  1843  in  Sarlat,  Richter,  seit  1899  Prof.  am  College 
de  France,  gest.  1904  in  Paris. 

T.  ist  einer  der  bedeutendsten  französischen  Soziologen.     Die  Soziologie 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  4( 


r38  Tarde  —  Tatianus. 


gründet  er  auf  die  „intermentaleu  (intersubjektive,  interpsychische)  Psychologie., 
das  soziale  Leben  ist  seinem  Wesen  nach  ein  geistiges  Geschehen  oder  durch 
solches  bedingt.  Es  gibt  keinen  Gesamtgeist,  sondern  nur  die  Wechselwirkung 
individueller  Geister.  Die  Grundfaktoren  des  sozialen  Lebens  sind  Er  f  in  d  un  g 
(invention)  und  Nachahmung  (imitation).  Die  soziale  Grundtatsache 
( ,,ph£nomene  social  el£mentaire")  ist  die  von  den  „Erfindern"  (genialen  Persön- 
lichkeiten) ausgehende  Suggestion,  vermöge  deren  die  Massen  jene  nachahmen, 
wiederholen  („Nachahmungsstrahlen",  „Interferenz"  solcher  u.  a.).  Zuerst  geht 
die  Nachahmung  einseitig  von  oben  nach  unten,  innen  nach  außen,  dann  wird 
sie  wechselseitig  und  geht  auch  nach  oben  (wirkt  etwa  auf  die  oberen  Klassen 
zurück).  Die  Gesellschaft  ist  eine  Vereinigung  einander  nachahmender  Menschen, 
deren  Motive  in  den  Anschauungen,  Überzeugungen  (croyances)  und  Begehrungen, 
Wünschen  (desirs)  bestehen.  Durch  das  Zusammenwirken  von  Erfindung  und 
Nachahmung  (,,la  societe"  c'est  l'imitation")  entstehen  die  sozialen  Gebilde  (z.  B. 
die  Sprache)  und  Werte.  Die  soziale  Logik  („logique  sociale")  ist  dem  Ge- 
sellschaftsleben immanent,  bestimmt  das  sozial  Zweckmäßige  durch  „teleologische 
Syllogismen"  (logische  Willensverknüpfungen,  Konsequenzen  aus  Überzeugungen 
und  Begehrungen)  und  „logische  Zweikämpfe"  („duels  logiques"),  die  schließlich 
alle  zur  sozialen  Harmonie  führen,  sowie  auch  in  der  Natur  die  Wiederholungen 
(r^petitions),  Oppositionen  (oppositions)  und  Anpassungen  (adaptations)  die  Har- 
monie, das  Gleichgewicht  zum  Endziel  haben.  Als  Metaphysiker  ist  T.  M  on ad  ol  o  g 
(Annahme  psychischer  Wirklichkeitselemente  mit  dynamischen  Beziehungen). 
Schriften:  La  criminalite  comparee,  1886.  —  Les  lois  de  l'imitation,  1890;  5.  exl. 

1907.  (Hauptwerk).  —  La  philos.  penale,  1890.  —  Les  transformations  du  droit,  1893  ;. 
6.  ed.  1909.  —  Logique  sociale,  1894;  3.  ed.  1904.  —  L'opposition  universelle,  1897. 
—  Etudes  de  psychol.   sociale,    1898.    —    Les   lois    sociales,   1898;  5.  ed.   1907;  deutsch 

1908.  —  Les  transformations  du  pouvoir,  1902.  —  Psychologie  economique,  1902.  — 
L'opinion  et  la  foule,  2.  6d.  1904  —  Fragments  d'histoire  future.  —  Essais  et  mölanges 
sociologiques,  1895.  —  Sur  l'idee  de  l'organisme  social,  1896.  —  Sociologie  elementaire,. 
Ann.  de  l'Inst.  intern,  de  Sociol.  L,  1898.  —  Vgl.  E.  WROBLESKA,  Arch.  f.  Gesch. 
der  Philos.  XI,  1896.  —  R.  WORMS ,  Philos.  des  sciences  sociales,  1904  f.  — 
D.  GUSTI,  G.  T.,  Schmollers  Jahrb.  1898,  S.  91  ff.  —  MATAGRIN,  La  psychol.  sociale 
de  T.,  1909. 

Tarozzi,  Giuseppe,  geb.  1866  in  Turin,  Prof.  in  Palermo.  =  Positivistisch- 
evolutionistischer  Standpunkt,  Humanitäts-Ethik. 

Schriften  :  L'evoluzionismo  monistico  e  le  ideo  forze  secondo  A.  fouillße,  1890.  — 
La  tradizione  platonica  nel  medio  evo,  1892.  —  Della  necessitä  nel  fatto  naturale  e 
umano,  1896  —  97.  —  Lezioni  di  filosofia.  Kiccrche  intorno  ai  fondamenti  della  certezza 
razionale,  1899.  —  La  virtü  contemporanea,  1900.  —  Idea  di  una  scienza  del  bene, 
1901,  u.  a. 

Tatiaiins  aus  Assyrien  (Syrien),  im  2.  Jahrhundert  n.   Chr.,  zuerst  Lehrer 

der  Philosophie  und  Rhetorik,  dann  Schüler  Justins  und  als  Christ  ein  heftiger 

f •)'   der  heidnischen   Philosophie   und  Kultur,   die  er  der  gröbsten  Unsitt- 

lichkeit  und  Niedrigkeit  zeiht,  ohne  sich  ihrem  Einflüsse  entziehen  zu  können;. 

christlicher  Apologet,  später  Gnostiker  (Sekte  der  Enthaltsamen,  „Enkratiten")> 


Taiia.M-   —   TaUKELLUS. 


=  Gott   ist  die  Weltvernunft,  die  durch  den  Logo«  weh  mitteilt  und 
risch  wirkt.  Durch  den  Sünden  fall  ist    die  Menschheit  verderbt,  iber  noch  im 
Besitz  der  Willensfreiheit«    Der  Mensch   besteht   uu  dem   I  -     • .  die 

an    sich   sterblich  ist,   und    dem    <■  fyia),  durch  den  <1      -  ihre 

Unsterblichkeit  erhalt 

Schriften:  Adyoe  XQog  "EXXtjvae  (Oratio  ad  Graecos),  1646,  17'".,  1881,  1H88; 
deutsch  1884.  —  Vgl.  DANIEL,  T.,  1837.  —  W.  BtKUKR,  Die  Gottes-  und  Logos- 
lehre des  T.,   1893.  —   C.    KlKlI.A,  T.s  sogen.  Apologie,   1900. 

Taubere,  Agnes,  die  erste  Gattin  E.  v.  Bartmanns.  =  Anhängerin  des 
1  [artmannschen  Pessimismus. 

Schriften:  Philosophie  gegen  naturwissensch.  Überhebung,  1872.  —  Der  Pessi- 
mismus u.  seine  Gegner,  1873. 

Tauler,  Johannes,  geb.  1300  in  Straßburg,  Dominikanermönch  und 
Wanderprediger,  gest.  1361  in  Straßburg.  =  Mystiker,  Schäler  Ekharts.    Gott 

hat  den  Dingen  ihr  Wesen  gegeben  und  sie  sind  in  ihm  beschlossen;  auch  die 
Seele  findet  sich  (in  der  mystischen  Ekstase]  in  Gott  ruhend,  der  in  ihr  spricht, 
sich   mit   ihr  rereinigt.    In  Gott  verliert  sich  die  Seele;  in  den  göttlichen 
grund  versunken,  weiß  sie  nichts  als  den  dreieinigen  Gott,  Wort  ist 

Sohn;   das  Erkennen  seiner  selbst  ist  das  Gebaren  Beines  Sohnes  in  d      I 
keit.  die  Liebe  zu  sich  ist  der  heilige  Geist. 

Schriften:  Predigten,  1498,  1521,  1543;  latoinisch,  1548:  SochdM 
1872.        Die  Schrift  „Von  der  Nachfolge  des  armen  Lebens  Christi" 
ist    nicht    von  T.    —    Vgl.    C     S<  UMIDT,    J.  T.,    1841.  —   F.    BlHBDTO,  J.   I.   B.  die 

Gottesfreunde,   1853.  —  PREGKR,  Gesch.  d.  de. 

Tanrellas,    Nicolras    (urspr.    Oechslein),    geb.    1547    in    Mömpelgard, 

studierte  Theologie,  Philosophie,  dann  .Medizin,   Prof.  der  Medizin  and  Physik 

Basel  und  Altorf,  gest  1606  in  Altorf. 

I.   ist  «in  Gegner  des  Aristotelismus  und  überhaupt  all«r  Autorität  in  der 

Philosophie,    die  rein  aus    der   Vernunft    zu    schöpfen    ist     Letztere  wird 

durch   <li<    Theologie    nur   ergänzt,   es  kann  aber  nie  eine  doppelte  Wahrheil 

i.   Die  Philosophie  definiert  ei  als  Erkenntnis  der  Dinge  durch  d 
boren e  Vernunftkrafi   („philosophin  est   rerum   divinarum    et   humanaruj 
innata  uobifl  intelh'gendi  vi.  certo  rationum  discursu  Requisits  notitia"     I 
erzeugt  selbsttätig die  Begi  ffi  linnlichen  Wahrnehmungen  Bind  nur   \' 

dazu.    Die  am    Atomen  zusammengesetzte  Well    ist  vom  dn  G  tt  in 

der  Zeit   ans  Nichts   geschaffen,  welcher  zunächst  L7rsach<  und 

die   Welt  ord  aet   hat,  dar.  Bie  von 

sich  entfaltet  (tgL  Leibniz,  der  T.  rühmt).     Di    Bndziel  ist  nicht  die  Erkennt- 
nis, sondern  die  liebe  Gott 

-    kriftsa:    Phi  «  phl       •rumn.hu»,    1671  i  Hauptwerk).    —  Preblsasta 

«is   Aristoto! i*   m- •  —    \\\>e*  twat',    Lftfl    <  gegen 

I  ;.o*sil|»imiM).  OoSMslogia  Urmologia,   1606.    —   Do  rerum 

aetemitat.«.     LI     I  I.eitmi.  I       \      SCHMIDT,  fl      I  . 


"40  Taurüs  —  Teichmüller. 


Tanrns.  Calvisius  aus  Berytos,  lehrte  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  in 
Athen,  wo  Aulus  Gellius  sein  Schüler  war.     Gegner  des  Stoizismus. 

Schriften:  Kommentare  zu  Piatons  „Gorgias"  und  „Timaios"  u.  a.  (nur  Fragmente 
erhalten).  —  Vgl.  BEZIER,  Le  philosophe  T.,  1868. 

Fans  eh  inski.  Hippolyt,  geb.  1839  in  Wien,  gest.  1905  daselbst.  = 
Anhänger  Schopenhauers. 

Schriften:  Der  Begriff,  1865.  —  Die  Botschaft  der  Wahrheit,  der  Freiheit  u. 
der  Liehe,  1868. 

Taute,  Georg  Friedrich ,  geb.  1806 ,  Prof.  in  Königsberg,  gest.  daselbst 
1862.  =  Gegner  des  „Spinozismus"  und  Pantheismus,  Anhänger  Herbarts. 

Schriften:  Der  Spinozismus  als  unendliches  Revolution sprinzip  und  sein  Gegensatz, 
1848.  —  Die  Religionsphilosophie  vom  Standpunkte  der  Philosophie  Herbarts,  1840 — 52. 

Taylor,    Alfred  Edward,    geb.  1869  in  St.  Andrews,  Prof.  in  Montreal. 

=  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  The  Problem  of  Conduct,  1901.  —  Elements  of  Metaphysics,  1903,  u.  a. 

Teicbmüller,  Gustav,  geb.  1832  in  Braunschweig,  1860  Privatdozent 
in  Göttingen,  1868  Prof.  in  Basel,  1871  in  Dorpat,  gestorben  daselbst  1888. 

T.  ist  besonders  von  Leibniz  u.  Lotze  beeinflußt.  Er  unterscheidet  drei  Geistes- 
funktionen :  Erkennen,  Begehren  und  Handeln,  und  unterscheidet  scharf  zwischen 
Bewußtsein  und  Erkenntnis,  wodurch  er  den  erkenntnistheoretischen  Idealismus 
zu  überwinden  glaubt.  Die  Erkenntnis  ist  teils  , spezifisch"  (ihre  Elemente 
sind  selbst  Erkenntnisse),  teils  „semiotisch",  indem  durch  Zeichen  Inhalte,  die 
nicht  durch  Erkenntnis  gegeben  sind  (z.  B.  Gefühle)  angedeutet  werden.  Jede 
empirische  Erkenntnis  enthält  ein  apriorisches  Element,  welches  aus  der  apri- 
orischen Geistestätigkeit  stammt,  durch  die  der  Erfahrungsinhalt  kategorial  ver- 
arbeitet wird.  Die  Erkenntnis  der  Natur  beruht  auf  einer  Projektion  der  Bestimmt- 
heiten des  Ichs,  welches  wir  als  unmittelbares,  einheitliches  Sein  erleben, 
auf  die  Außenwelt.  „Von  uns  selbst,  wo  alles  im  Bewußtsein  klar  ist,  geht  die 
Erkenntnis  der  Natur  aus;  denn  nichts  ist  uns  näher  als  wir  selbst,  da  wir 
die  ganze  Natur  erst  uns  gegenüber  erhalten,  wenn  wir  unsere  Anschauungen 
projizieren  oder  sie  aus  unseren  Begriffen  erschließen."  Das  Ich  ist  Substanz, 
Prototyp  des  Substanzbegriffes.  „Es  ist  das  unmittelbar  gegebene  Ichbe- 
wußtsein, welches  allmählich  zur  Selbsterkenntnis  kommt,  sich  selbst  dann  von 
dem  ideellen  Inhalt  der  Vorstellungen  unterscheidet  und  dadurch  sich  als  Sub- 
jekt dem  Objekt  projiziert  und  also  dem  Objekte  nach  Analogie  mit  sich  Sub- 
stantialität  zuschreibt."  Die  Wirklichkeit  besteht  aus  wirkenden  Substanzen, 
die  an  sich  immateriell,  Monaden  sind  (,, Personalismus").  Die  Typen  der 
Lebewesen  sind  ewig,  zeitlos-gleichbleibend  (gegen  den  Evolution ismus).  Die 
Seele  ist  eine  unsterbliche  Substanz.  Gott  faßt  T.  theistisch-christlich  auf. 
Die  Religion  sphilosophi  e  ist  der  Rückgang  auf  die  apriorische  Erkenntnis, 
durch  welche  die  Tätigkeiten  des  Geistes,  welche  alle  Religionen  hervorbringen 
und  im  Leben  erhalten,  bewußt  werden;  die  religiöse  Erkenntnis  ist  semiotisch. 

Schriften:  Aristotelische  Forschungen,  1859 — 73.  —  Studien  zur  Geschichte  der 
Begriffe,     1874—79.     —    Neue  Studien  zur  Gesch.  d.  Begriffe,    1876-79.  —  Über  die 


Teichmüller  —  Telesius.  711 


Unsterblichkeit  der  Seele,    1874;    2.    A.    1879.    —    Darwinismus  und  Philosophie,    1877. 

—  Über  das   Wesen  der  Liebe,    1879.    —    Chronologie  der  Platonischen  Dialoge,    1881. 

—  Zu  Piatons  Schriften,  1884.  —  Die  wirkliche  und  die  scheinbare  Welt,  1882.  — 
Religionsphilosophie,  1886.  —  Neue  Grundlegung  der  Psychol.  und  Logik,  hrsg.  1889 
u.  a.  —  Vgl.  AD.  MÜLLER,  Die  Metaphysik  T.s,  Ärch.  f.  syst.  Philos.  VI,  1900; 
Das  Wirkliche  in  der  Welt,  1899.  —  M.  RaüOVAXOVK  ,  Menschengeist  und  Gottheit, 
Darstellung  von  T.s  Religionsphilos.,   1903. 

Telesius  (Telesio),  Bernardinus.  geb.  1508  in  Cosenza,  studierte  in  Padua 
Philosophie,  Mathematik  und  Physik,  lebte  in  Cosenza,  ging  dann  nach  >'■ 
wo  er  die  naturwissenschaftliche  Academia  Telesiana  oder  Cosentina  begründete, 
die  bald  einging,  aber  viele  Nachahmungen  fand.     T.  starb  1588  in  Cosenza. 

T..  der  von  Parmenides,  der  Stoa  u.  a.  beeinflußt,  ist  ein  Gegner  des 
Ari-totelismus  und  der  Begründer  einer,  vielfach  an  antike  Lehren  er- 
innernden dynamischen  Naturphilosophie.  Diese  soll  auf  Erfahrung  beruhen, 
in  welcher  sich  alles  Schließen  (, anteiligere  ratione")  zu  bewähren  hat  ,  denn 
alle  Erkenntnis  beruht  schließlich  auf  der  Wahrnehmung.  AI-  Prinzipien  der 
Dinge  bestimmt  T.  zwei  unkörperliche  Kräfte:  Wärme  und  Kälte,  und  die 
Materie  („Tria  omnino  principia  rerum  omnium  ponenda  sunt.  ridelicet 

naturae  duae  calor  (videl.  solis)  et  frigus  (terrae);  tum  corpore«  molea  una"). 
Die  Wärme  geht  vom  Himmel  aus,  die  Kälte  von  der  Erde;  erstere  ist  das 
Prinzip  der  Bewegung,  Verdünnung,  Ausdehnung,  Belebung,  Letztere  der 
Grund  der  Starrheit  und  Ruhe  (,, calor  natura  sua  mobili>.  etüum  sssidue  molem 
quamcunque  subit,  laxat,  extenuat,  maximeque  mobilem  faeit ;  contra  vero  frigus 
natura  sua  immobile,  perpetuo  id  unum  agere  videtnr,  ut  molem  quam  subit, 
constringat,  denset  et  gravitatem  eidem  indarj.  Je  mehr  Wärme  in  einem 
Dinge,  desto  beweglicher  ist  es,  wie  die  Gestirne.  Wärme  und  Kälte  kämpfen 
miteinander,  wodurch  auch  Himmel  und  Erde  und  die  einzelnen  Dinge 
entstanden  sind  („e  terra  et  solis  calore  immutata  Sunt  omnia").  Dil  Materie 
„corporea  moles'-j  ist  die  passive,  träge  widerstehende  Substanz,  welche  durch 
Wärme  und  Kälte  ausgedehnt  und  zusamn  •  en,  verdünnt   und  verdichtet 

wird,  aber  in  allem  Wechsel  ihre  Quantität  konstant   behält  („Cum  nulla 
prorsu-  agendi  seseque  generandi  Eacultate  materia  ril  praedita  .  .  ..  molei  eins 
adeoque  et  mundi  magnitudo  nee  augeri  nee  minui  nsnuam  potest")«   l '■ 
Kaum   ist    ankörperlich,  wirkungslos,  bloße  Aufnahmsfähigkeit  (d«  ptor*4 

der  Dinge).     Die  Zeit   ist    das  Maß  der    Bewegung.     Die   Kräfte  der   D 
haben  ein  Streben  („appetitus"),  in  den  Dingen  selbst  steckt  Empfindui  ras"; 

Panpsychismus). 

In  den  Organismen  befindet  sieh  ein  durch  die  Warm,   snt  dem  Barnen 

gener  „Lebensgeist"  („spiritui  ■  semine  eduetue  i  tue  anünal 

in  den  Nerven  (insbesondere  im  Gehirn)  leinen  8iti  hat  und  im  ganzen  K 
tätig   ist    Der  Mensch  besitzt   sufierdem   eine  vom    Leibe    nnabh 
Qott    hinzugi  „forma    rapenddita"  ,  ansterblichi     -  lubstanttam, 

penitus  divinam  et  ab  ipso  immtwm  c*  pfindung  (ßinnes- 

wahrnehmung)  beruht  auf  des  Einwirkung  da   Dinge  sui  den  „Geist",  da  • 
Affektionen  Terspürt    „sensui      .      • -t  ramm   sctionuni  impuisionum 


742  Telesius  —  Tertullianus. 

atque  propriarum  Spiritus  passionum.  immutationum  ac  motuum  perceptio"). 
Dem  Geiste  kommt  auch  die  Erinnerung  und  das  anschauliche  Denken  zu, 
an  welches  der  Intellekt  (die  Tätigkeit  der  Seele)  gebunden  ist.  —  Das  End- 
ziel des  Geistes  ist  die  Selbsterhalt  ung;  der  Trieb  nach  ihr  kommt  allen 
Dingen  zu  (vgl.  die  Stoiker,  Hobbes,  Spinoza  u.  a.).  Was  der  Selbsterhaltung 
förderlich  ist,  erregt  Lust,  was  ihr  entgegen  ist,  Schmerz  (vgl.  Spinoza).  Im 
maßvollen ,  die  Affekte  beherrschenden  Handeln,  in  der  Selbsterhaltung  und 
Selbstvervollkommnung  besteht  die  Tugend  („Est  enim  virtutis  munus,  ut 
affectus  et  etiam  quae  iuxta  eos  eduntur  Operation  es,  prout  ad  spiritus  conser- 
vationem  et  perfectionem  intendendae  remittendaeve  sunt,  et  intendat  et 
remittat").  Alle  Tugenden  (Weisheit,  Tapferkeit,  Güte  usw.)  sind  nur  Seiten 
einer  und  derselben  Tugend. 

Von  Telesius  sind  beeinflußt  Campanel la,  F.  Bacon,  Hobbes, 
Spinoza  u.  a. 

Schriften:  De  rerum  natura  iuxta  propria  principia  (zwei  Bücher,  1565),  1586, 
1588  (Hauptwerk).  —  Abhandlungen,  1590.  —  Auszüge  aus  dem  Hauptwerk  bei  Kixner 
u.  Siber,  Leben  und  Lehrmein.  berühmter  Physiker,  H.  III.  —  Vgl.  FlORENTINO, 
B.  T.  (italienisch),  18  72-74.  —  L.  FerEI,  La  filos.  della  natura  e  le  dottrine  di 
B.  T.,   1873.  —  K.  HEILAND,  Erkenntnistheorie  u.  Ethik  des  B.  T.,  1891. 

Temple«  Sir  AVilliam,  1553  —  1626,  erst  Schüler,  dann  Gegner  Digbys, 
Anhänger  des  P.  ßamus. 

Schriften:  P.  Rami  dialecticae  libri  duo,  scholiis.G.  Tempelii,  1584,  1595,  u.  a. 

—  Vgl.  FretJDENTHAL,  Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  IV— V. 

Tennemann,  Wilhelm  Gottlieb,  geb.  1761  in  Kleinbrembach  (bei  Erfurt), 
1788  Privatdozent  in  Jena,  1798  Professor  daselbst,  1804  in  Marburg,  gest.  da- 
selbt  1819.  =  Anhänger  Kants. 

Schriften:  Die  Lehren  und  Meinungen  der  Sokratiker  von  der  Unsterblichkeit,  1791. 

—  System  der  Platonischen  Philosophie,  1792 — 95.  —  Gesch.  der  Philosophie,  11  Bde., 
1728 — 1819  (war  auf  13  Bde.  berechnet,  reicht  bis  Thomasius,  Quellenstudien).  — 
Grundriß  der  Gesch.  der  Philosophie,  1812;  4.  A.  von  A.  Wendt,  1829. 

Tepe,  Georg  =  Herbartianer. 

Schriften:  Die  praktischen  Ideen  nach  Herbart,  1861.  —  Über  Freiheit  und  Un- 
freiheit des  menschlichen  Wollens,  1861.  —  Schiller  u.  d.  praktischen  Ideen,  1863. 

Tertullianns9  Quintus  Septimius  Florens,  geb.  zwischen  150  u.  160  in 
Karthago,  Sachwalter  in  Rom,  erst  Heide,  dann  Christ,  als  welcher  er  (wie 
Tatian)  die  heidnische  Kultur  und  Philosophie  verachtet  und  haßt,  Presbyter  in 
Karthago,  dann  Mitglied  der  Sekte  der  Montanisten,  gest.  222. 

T.,  der  alle  Philosophie  als  Werk  der  Dämonen,  als  ketzerisch  bekämpft 
(„philosophis  —  patriarchis,  ut  ita  dixerim,  haereticorum")  und  den  christlichen 
Glauben  allein  schätzt,  ist  doch  selbst  so  sehr  von  der  griechischen  Philosophie, 
besonders  von  der  Stoa  beeinflußt,  daß  er  trotz  seines  Christentums  geradezu 
in  eine  Art  Materialismus  verfällt.  Das  Höchste  ist  das  Christentum, 
welches  alles  Forschen  unnötig  macht  und  begrenzt  („cum  credimus,  nihil 
desideramus  ultra  credere"),  da  es  die  Wahrheit  hat,  während  die  Philosophen 


Terttjlliantjs  —  Tessex-Wesierski.  743 


einander  widersprechen.  Die  Seele  ist  von  Natur  aus  christlich  („testimonium 
animae  naturaliter  christianae"),  sie  ist  vernünftig  und  hat  einen  unverlierbaren 
göttlichen  Keim  in  sich.  Mag  auch  diese  Wahrheit  zuweilen  unbegreiflich  sein 
(wie  etwa  die  Auferstehung  Christi),  so  ist  sie  doch,  gerade  weil  sie  (auf  natür- 
liche Weise)  unmöglich  ist,  zu  glauben  („credibile  est,  quia  ineptum  est", 
„eertum  est,  quia  impossibile  est",  De  carne  christi,  5;  daraus  ist  das  „credo, 
quia  absurdum"  entstanden,  das  nirgends  vorkommt). 

Im  Sinne  der  Stoiker  erklärt  T.,  alles  Wirkliche  sei  körperlich  (,,omne 
quod  est,  corpus  est  sui  generis  ;  nihil  est  incorporale,  nisi  quod  non  est"). 
So  ist  auch  die  Seele  körperlich,  denn  sonst  wäre  sie  nichts  („nihil  enim,  si 
non  corpus").  Sie  ist  eine  besondere  Art  des  Körpers  („corpus  sui  generis  in 
sua  effigie"),  ein  Geist-Stoff  („Pneuma"),  weil  sie  als  Hauch  („flatus")  atmet. 
Sie  ist  ausgedehnt,  fein,  einfach,  unteilbar,  unzerstörbar,  von  der  Gestalt  des 
Leibes,  den  sie  durchdringt,  von  Gott  eingeblasen  („Dei  flatu  natam"),  unsterb- 
lich. Die  Seele  jedes  Menschen  ist  ein  Zweig  („surculus")  der  Seele  Adams, 
von  dem  sie  die  Erbsünde  ererbt  hat.  Gemäß  seinem  Traduzianismus  lehrt 
S.  das  Hervorgehen  der  Seele  des  Kindes  aus  dem  Samen  des  Vaters  (wie 
ein  Sprößling,  „tradux"),  dessen  seelische  Eigenschaften  auf  das  Kind  über- 
gehen. Der  Intellekt  ist  der  Seele  eingeboren,  nicht  von  ihr  trennbar.  Der 
Wille  des  Menschen  ist  absolut  frei.  Körperlich  ist  nach  T.  auch  Gott,  der  ewig,  frei 
(„libertas,  non  necessitas  Deo  competit"),  vernünftig  und  gütig  ist  und  die  Weis- 
heit, denLogos,  als  seinen  Sohn  aus  sich  zeugt,  mittelst  dessen  er  aus  Güte  die  Welt 
aus  nichts  erschaffen  hat  und  zugleich  mit  ihr  erst  die  Zeit  (vgl.  Plato).  Die 
Welt  hat  Gott  nach  Ideen  geschaffen  („nihil  sine  exemplaribus  in  sua  dispositione 
molitus").  Der  sichtbare  Gott  ist  in  Christus,  aber  auch  in  der  Welt  überhaupt  er- 
schienen. In  der  Welt  ist  alles  gut  und  vernünftig  geordnet ;  sie  ist  da,  damit  sich 
Gott  offenbart,  damit  der  Mensch  Gott  erkennt  („mundum  homini,  non  sibi  fecit") 
und  sein  Heil  findet.  Den  Menschen  hat  Gott  nach  seinem  Ebenbilde  ge- 
schaffen. Der  Mensch  ist  mit  einem  freien  Willen  geschaffen  („liberum  et  sui  ar- 
bitrii  invenio  hominem  a  Deo  institutum"),  vermittelst  dessen  er  gut  handeln 
kann.  Die  schlechte  sinnliche  Natur  des  Menschen  ist  zu  unterdrücken,  das 
Ideal  ist  möglichste  Weltflucht  und  Askese.  Keuschheit  usw. 

Schriften:  Ad  martyres;  De  spectaculis;  De  idolatria;  Apologeticum ;  De  testimonio 
animae;  De  patientia;  De  oratione;  De  poenitentia;  Ad  uxorera  ;  De  cultu  feminarum; 
De  praescriptione;  De  Corona  militis ;  Contra  Gnosticos;  Virginibus  velandis;  Adversus 
Marcion em  ;  De  carne  Christi;  De  anima;  De  resurrectione  carnis;  Adversus  Praxeam,  u.  a. 
Opera  1539,  1635,  1770,  1839-41,  1854—58,  1890  ff.;  deutsch  1881.  —  Vgl. 
BITTER,  Gesch.  d.  Philos.,  V.  —  HESSELBERG,  T.b  Lehre,  I,  1848.  —  BONWETSCH 
Die  Geschichte  des  Montanismus,  1881.  —  HAUSCHILD,  T.b  Psychologie  und  Erkennt- 
nistheorie, 1880.  —  G.  LUDWIG,  T.s  Ethik,  1885.  —  J.  Stier,  Die  Gottes-  und 
Logoslehre  T.s,   1899. 

Tessen-Wesierski,  Franz  von,  geb.  1869  in  Berent,  Prof.  der  (kathol.) 
Theologie  in  Breslau. 

Schriften:  De  Magist.    Adamo  Bremensi,    1894.  —  Die  Grundlagen    des  Wunder- 


744  Tessen-Wesierski  —  Tetens. 

begriffes,  1899.  —    Der  Autoritätsbegriff   in   den  Hauptphasen    seiner  hist  Entwicklung, 
1907,  u.  a. 

Testa,  Alfonso,  geb.  1784  in  Piacenza,  gest.  1860.  =  Erst  Sensualist^ 
dann  Skeptiker,  endlich  (seit  1841)  Anhänger  Kants. 

Schriften:  Della  filosofia  dell'  affetto,  1829-34.  —  Filosofia  della  mente,  1836. 
—  Della  critica  della  ragion  pura  di  Kant,  1841  —  49,  u.  a.  —  Vgl.  CHEDARO,  A.  T.r 
1885  f. 

Tetens,  Johann  Nicolaus,  geb.  1736  zu  Tetenbüll,  seit  1763  Prof.  der 
Physik,  seit  1776  der  Philosophie  (und  der  Mathematik)  in  Kiel,  seit  1789 
Mitglied  des  Finanzkollegiums  in  Kopenhagen,  gest.  daselbst  1805. 

T.,  der  als  Metaphysiker  von  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie  beein- 
flußt ist,  in  deren  Sinne  er  die  Seele  als  immaterielle  Substanz  und  die 
Elemente  der  Dinge  ebenfalls  als  unkörperlich  auffaßt,  zeigt  sich  in  seiner 
Psychologie  (Einfluß  von  Locke,  Reid,  Bonnet  u.  a.)  und  Erkenntnislehre  ais- 
selbständiger Denker.  Als  Methode  der  Psychologie,  die  auf  Selbst- 
beobachtung zu  basieren  ist,  bestimmt  er:  „Die  Modifikationen  der  Seele  so 
nehmen,  wie  sie  durch  das  Selbstgefühl  erkannt  werden ;  diese  sorgfältig  wieder- 
holt und  mit  Abänderung  der  Umstände  gewahrnehmen,  beobachten,  ihre  Ent- 
stehungsart und  die  Wirkungsgesetze  der  Kräfte,  die  sie  hervorbringen,  be- 
merken ;  alsdann  die  Beobachtungen  vergleichen,  auflösen  und  daraus  die  ein- 
fachsten Vermögen  und  Wirkungsarten  und  deren  Beziehung  aufeinander  auf- 
suchen." T.  bekämpft  sowohl  die  reine  Assoziationspsychologie  als  die 
materialistisch-sensualistische  Richtung.  Den  Begriff  der  Disposition 
(..Spur'')  faßt  er  nicht  bloß  physiologisch,  sondern  auch  psychologisch  auf. 
Die  Seele  hat  eine  eigene  Wirksamkeit,  ist  nicht  bloß  rezeptiv,  sondern  auch 
aktiv,  sie  besitzt  ein  „Dichtungs vermögen",  mittelst  dessen  sie  aus  mehreren 
Empfindungen  oder  Vorstellungen  neue  einfache  Vorstellungen  herstellt  (vgl. 
Wundt:  schöpferische  Synthese).  Vorstellungen  des  äußeren  und  des  inneren 
Sinnes  werden  unterschieden.  Die  Assoziation  erfolgt  nach  Berührung  und 
Ähnlichkeit.  Durch  die  Aufmerksamkeit,  die  sich  auf  sie  lenkt,  steht  die 
Vorstellung  „abgesondert,  herausgehoben,  mit  mehrerer  und  mit  vorzüglicher 
Helligkeit  vor  uns".  Drei  Seelenfunktionen  gibt  es:  Verstand,  „Gefühl"  und 
Wille.  Das  Gefühl  der  Lust  und  Unlust  (als  Bestandteil  des  Gefühls  im 
weiteren  Sinne,  welches  auch  die  Empfindung  enthält)  nennt  T.  „Empfindnis".. 
In  den  lustvollen  Modifikationen  der  Seele  ist  ein  Gefühl  der  Stärke  und 
Kraft  der  Seele  vorhanden.  Das  Bewußtsein  ist  ein  Gewahrnehmen  (=  Apper- 
zeption); es  gibt  auch  Vorstellungen  ohne  Bewußtsein. 

Das  Denken  ist  das  „Erkennen  der  Verhältnisse  und  Beziehungen  in  den 
Dingen".  Die  „Denkkraft"  äußert  sich  als  Unterscheiden,  Gewahrnehmen,  Be- 
ziehen, Urteilen,  Schließen.  Es  gibt  ein  eigenes  „Gefühl  der  Beziehung',  ein 
Bemerken  des  Übergangs  von  einer  Vorstellung  zur  anderen.  Der  Begriff  der 
Relation  ist  „von  der  Denkkraft  hervorgebracht  und  ist  nichts  außer  dem 
ande,  sondern  ein  ens  rationis",  subjektiv;  aber  das  „fundamentum 
relationis"  kann  etwas  Objektives  sein  (eine  Art  der  „Mitwirklichkeit"  der  Dinge). 


Tetens  —  Thales.  745> 


Wichtig  ist  die  Unterscheidung  von  Form  und  Stoff  der  Erkenntnis  (Einfluß, 
seitens  Kants  Dissertation  von  1770);  letzterer  entstammt  der  Wahrnehmung,, 
erstere  der  Verstandes tätigkeit.  „Die  Form  der  Ideen  hängt  von  der  Denk- 
kraft ab."  Die  Form  ist  „ein  Werk  der  denkenden  Kraft",  so  daß  alle  Be- 
griffe „bearbeitete  Empfindungsvorstellungen"  sind.  Raum  und  Zeit  sind  „Ver- 
hältnisideen (Empfindungen,  in  ein  Ganzes  vereinigt).  An  der  völligen  Zurichtung 
dieser  Vorstellungen  hat  die  „Dichtkraft"  Anteil.  Aus  der  Verstandestätigkeit 
entspringen  auch  (formal)  die  Begriffe  der  Kausalität  usw.,  indem  der  Ver- 
stand Vorstellungen  nach  einem  „Denkungsgesetze"  verbindet  und  allgemeine 
Wahrheiten  erzeugt,  die  aller  Erfahrung  vorhergehen  (vgl.  Kants  „a  priori' % 
Im  Begriffe  der  Kausalität  übertragen  wir  das  am  Gefühle  unseres  eigenen 
Strebens  Gefundene  auf  die  Außendinge.  Aus  dem  Gegründetsein  einer  Vor- 
stellung in  einer  anderen,  aus  etwas  „Subjektivischen",  machen  wir  eine  „objek- 
tivische Abhängigkeit".  Drei  Arten  der  „einfachen  Verhältnisse"  („Denk- 
arten") unterscheidet  T. :  1.  entspringend  aus  der  Vergleichung  der  Vor- 
stellung (Identität  und  Diversität  und  ihre  Arten,  d.  h.  die  eigentlichen  Re- 
lationen); 2.  aus  dem  Zusammennehmen  und  Absondern,  Verbinden  und 
Trennen  der  Vorstellungen  (Zueinandersein,  Verbunden-  und  Getrenntsein,  Zu- 
gleichsein. Folge,  Ordnimg  und  alle  Arten  der  „Mit Wirklichkeit");  3.  die  Ver- 
hältnisse der  Dependenz,  Gegründetes  —  Grimd,  Wirkung  —  Ursache.  Die 
notwendigen  Wahrheiten  der  Vernunft  erzwingen  unseren  Beifall;  ihre 
subjektive  Notwendigkeit  wird  auf  die  Objekte  übertragen.  Die  Axiome  sind 
nicht  aus  der  Erfahrung  abstrahiert,  sondern  in  der  Natur  der  Denkkraft  gegründet. 
Die  Relativität  und  Subjektivität  der  Vorstellungen  (als  „Zeichen"  von  Eigen- 
schaften der  Dinge)  hindert  nicht  die  absolute  Notwendigkeit  ihrer 
Relationen  (Vorstellung  zu  Vorstellung  wie  Sache  zu  Sache).  Die  Objek- 
tivität einer  Sache  bedeutet,  daß  sie  allgemein  und  notwendig  so  erscheinen 
muß  („Ein  beständiger  Schein  ist  vor  uns  Realität" ;  T.  spricht  hier  von  den 
„Gesetzen  jeder  Denkkraft  überhaupt";  vgl.  Kants  „Bewußtsein  überhaupt"). 
Es  gibt  „Gesetze  jedweder  Denkkraft",  „Wahrheiten  für  jeden  Verstand",  „not- 
wendige Denkarten  jedweden  Verstandes".  Die  Objekte  sind  das,  was  wir 
als  Quellen  unserer  Empfindungen  setzen  und  was  wir  durch  letztere  nur  als- 
Erscheinungen  (Phänomene),  nicht  wie  sie  ihrem  Wesen  nach  sind,  erfassen 
(vgl.  Leibniz,  Kant).  —  Die  Freiheit  der  Seele  besteht  in  ihrer  Selbstmacht, 
in  ihrem  Vermögen,  anders  zu  handeln,  als  sie  es  tut,  so  aber,  daß  alle  Hand- 
lungen einen  zureichenden  Grund  haben.  Der  Mensch  ist  zur  Vervoll- 
kommnung bestimmt,  aber  die  Glückseligkeit  hängt  auch  von  äußeren 
Faktoren  ab. 

Schriften:  Über  nietaphys.  Wahrheiten,  1760.  —  Über  die  vorzüglichsten  Be- 
weise des  Daseins  Gottes,  1761.  —  Über  den  Ursprung  der  Sprache  und  Schrift,  1772. 
—  Über  die  allgemeine  spekulative  Philosophie,  1775.  —  Philos.  Versuche  über  die 
menschliche  Natur  und  ihre  Entwicklung,  1776-77  (Hauptwerk),  u.  a.  —  Vgl. 
G.  STÖRRING,  Die  Erkenntnistheorie  von  T.,  1901.  —  M.  SCHINZ,  Die  Moralphilos. 
von  T.,   1906.  —   W.  ÜBELE,  J.  X.  Tetens  (in  Vorbereitung). 

Thaies  von  Milet,  geb.   624  v.  Chr.,   gest.  um  548  v.  Chr.     Er  war  ein 


746  Thal  es  —  Themistios. 


für  seine  Zeit  hervorragender  Mathematiker  ( —  er  wird  als  Begründer  der  Geo- 
metrie in  Griechenland  genannt  — )  und  Astronom  (so  soll  er  die  Sonnen- 
finsternis von  585  v.  Chr.  vorausgesagt  haben),  auch  ein  tüchtiger  Politiker. 
Er  gilt  als  einer  der  „sieben  Weisen",  als  welchem  ihm  verschiedene  Aussprüche 
zugeschrieben  werden  (Erkenne  dich   selbst;  Unmäßigkeit  ist  schlecht,  u.  a.). 

Th.  ist  der  Begründer  der  jonischen  Naturphilosophie  {xoiavxr\g  o.qiy\- 
yög  cpdooo<piag,  sagt  Aristoteles)  und  damit  auch  der  griechischen  Philosophie 
überhaupt.  Als  das  Prinzip  der  Dinge,  als  dasjenige,  woraus  alles  geworden 
ist  und  wozu  es  wird,  bestimmt  er  das  Wasser  {dqx^v  x°v  navxbg  slvai  xal 
relog  xö  vöcoq.  —  viQ%i}v  Ss  xcov  jiävzcov  vdcog  vneoxrjoaxo,  Diog.  Laert.  I,  27). 
Aus  Wasser  und  zu  Wasser  wird  alles  (ig~  vdaxog  ydg  <prjoi  jxdvxa  elvau  xai  eig 
vöcog  Ttävxa  ävaXvsodai,  Stob.  Eclog.  I,  290).  Nach  Aristoteles  stellt  er  das 
„Wasser"  vielleicht  deshalb  als  Urstoff  auf,  weil  die  Nahrung  von  allem  und 
auch  der  Same  feucht  ist.  Die  Erde  schwimmt  auf  dem  Wasser.  T.  huldigt 
ferner  dem  Hylozoismus  (bzw.  „Hylopsychismus"),  der  Anschauung,  daß 
•der  Stoff  durch  sich  selbst  zugleich  beseelt  ist,  indem  er  erklärt  haben  soll, 
der  Magnet  ziehe  das  Eisen  an  und  sei  deshalb  beseelt  (xivrjxixöv  xi  zrjv  ipvxrjv 
v^o/.ajußdveiv,  sikeg  xov  Xtöov  xpvyjqv  s%siv,  oxi  xöv  otdsgov  xivel,  Aristot.,  De 
anim.  I,  2)  und  alles  sei  „voll  von  Göttern"  (jxdvxa  7ilr\gr)  fiecov  elvai).  In  allem 
ist  also  Leben  und  Seele  (vjieoxi]oaxo  xal  xov  xöo/uov  e/uxpv%ov  xai  öatjuövcov 
jikrjQt),  Diog.  Laert.  I,  27 ;  yvxqv  fisfxix^ai,  Aristot.,  De  anim.  I,  2). 

Ähnlich  wie  Thaies  lehrt  später  Hippon. 

Schriften:  Unbekannt.  —  Vgl.  DlELS,  Poet  philos.;  Fragmente  der  Vorsokratiker, 
I,  f.  —  DECKER,  De  Thalete  Milesio,  1865.  —  DÖRING,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos., 
Bd.,  109,   1902. 

Thanner,  Franz  Ignaz,  geb.  1770  in  Neumark  (Bayern),  1805  Prof.  in 
Landshut,  1808  in  Innsbruck,  1810  am  Lyzeum  in  Salzburg,  gest.  daselbst 
1825.  =  Anhänger  Kants  und  besonders  Schellings. 

Schriften:  Darstellung  der  Kantschen  Philosophie  (von  Mutschelle  begonnen). 
Der  Transzendental-Idealismus,  1805.  —  Versuch  einer  möglichst  faßlichen  Darstellung 
der  absoluten  Identitätslehre,  1810.  —  Lehrbuch  der  theoret.  Philosophie,  1811 — 12. 
—  Lehr-  und  Handbuch  der  praktischen  Philosophie,   1811. 

Thanlow,  Gustav,  geb.  1817,  Prof.  in  Kiel,  gest.  1883.  =  Hegelianer, 
mit  besonderer  Betonung  der  Pädagogik. 

Schriften:  Erhebung  der  Pädagogik  zur  philos.  Wissenschaft,  1845.  —  Hegels 
Ansichten  über  Erziehung  und  Unterricht,  1853 — 54.  —  Einleit.  in  d.  Philos.  und  Enzy- 
klopädie der  Philos.,  1862. 

Theano,  wird  als  Verwandte  (Gattin  oder  Tochter)  oder  Schülerin  des 
Pythagoras  genannt.  Unter  ihrem  Namen  bestanden  Gedichte,  Briefe  und  eine 
Schrift  über  die  Frömmigkeit,  welche  neupythagoreischen  Charakter  haben. 

Themistios,  Sohn  des  Philosophen  Eugenios,  lehrte  im  4.  Jahrh.  n. 
Chr.  in  Konstantinopel  und  anderen  Städten.  =  Eklektischer,  von  Plato  u.  a. 
beeinflußter  Peripatetiker. 

Schriften:  Paraphrases  Aristotelia  librorura,   1866.  —  Kommentare    zu  Aristoteles* 


Themistios  —  Theologie.  747 


De  anima,   1899,  zu  Analyt.  poster.  1900,  zur  Physik,  1900,  De  coelo,  1902,  1.  XII  der 
Metaphys.,  1903,  Parva  Naturalia,  1903.  —  Orationes,  1832.  —  Opera,  1534. 

Theodoret,  Bischof  von  Kyros  (Syrien),  gest.  457.  =  Christlicher 
Apologet,  von  Plato  beeinflußt,  Verfasser  der  Schrift  „De  curandis  Graecorum 
affectionibus". 

Theodoros  aus  Asine  Schüler  des  (Porphyr  und)  Jamblichos.  Das 
höchste  Seiende  ist  das  „Unaussprechliche",  welches  die  Ursache  des  Guten 
ist;  dann  folgen  das  Intelligible  (mit  Sein,  Denken  und  Leben),  das  Intellek- 
tuelle, das  Demiurgische,  das  Psychische,  das  Materielle. 

Schriften:  Über  die  Namen,  Kommentar  zum  Platonischen  „Tiraaeus"  (Steilen  bei 
Proklos),  zum  „Phaidon"  u.  a. 

Theodoros  der  Atheist  (ä&eog),  Schüler  des  Aristippos,  Kyrenaiker. 
Lust  und  Unlust  sind  im  Einzelnen  weder  gut  noch  schlecht  (/usaa  de  •qöovrfv 
y.al  tiovov).  Das  Endziel  des  Handelns  ist  vielmehr  die  aus  der  Einsicht  er- 
wachsende Freude  (xaQ<* ;  xelog  ö'  vjiskd/ußave  xagäv  xal  XvjirjV  xtjv  [xev  im  (pgo- 
vr'joec,  xt]v  d  exi  äcpQoovvy).  Freundschaft  und  Vaterland  sind  keine  Werte,  die 
Welt  ist  unser  Vaterland  (slvai  re  Tiatgiöa  xbv  xöo/uov).  Von  Natur  aus  seien 
Ehebruch,  Sakrileg  usw.  nicht  schändlich  (Diog.  Laert.  II,  98  ff.). 

Theodoros  Metochita,  lebte  um  1330  in  Konstantinopel.  =  Neu- 
platoniker. 

Schriften:  Paraphrasen  zu  Aristotelischen  Schriften,  Abhandlungen  über  Plato, 
u.  a.  —  Opera,  1559. 

Theodosios:  1.  Skeptiker  aus  der  Schule  des  Ainesidemos;  2.  Neu- 
platoniker. 

Theodotos:  1.  (Diodotos),  um  230  n.  Chr.,  Platoniker;  2.  Neupiaton iker, 
Gnostiker  im  6.  Jahrh.  n.  Chr. 

Theognis  aus  Megara,  wahrscheinlich  im  5.  Jahrh.  v.  Chr.,  oder  um 
500  v.  Chr.  Gnomen-Dichter,  Pessimist. 

Schriften:    hrsg.    von  Welcker    1826;    Ziegler  1880;    deutsch  1834,  1860,   1880. 

Theologie,  deutsche,  eine  von  Luther  aufgefundene  und  1516  heraus- 
gegebene Schrift  aus  dem  14.  Jahrhundert.  —  Der  Inhalt  dieser  Schrift  ist 
eine  an  Ekhart  orientierte  Mystik,  die  den  Weg  zum  Göttlichen,  Voll- 
kommenen, welches  das  Wesen  aller  Dinge  ist,  zeigt.  Das  Höchste  ist  die 
Liebe  zu  Gott,  in  dem  alles  andere  mit  geliebt  wird. 

Ausgaben:  1516,  1851  (2.  A.  1855;  4.  A.  1901).  —  Vgl.  REIFENßATH,  Die 
deutsche  Theologie,  1863.  —  MaüFF,  Der  religionsphilos.  Standpunkt  der  sog.  deutschen 
Theologie,  1890. 

Theologie,  pseudo-aristotelische,  eine  um  840  aus  dem  Griechischen 
ins  Arabische  übersetzte  und  lateinisch  verbreitete  Schrift,  deren  Inhalt  vielfach 
aus  Plotins  „Enneaden"  stammt.  Das  Prinzip  der  Gestaltung  und  Ordnung 
der  Dinge  als  Abbilder  der  Ideen  ist  die  Weltseele. 

Ausgaben:  Aristotelis  Stagiritae  theologia,  1519,  1572;  arabisch  1882;  deutsch, 
von  Dieterici,~  1883.  —  Vgl.  MüNK,  Melanges,  S.  249  ff. 


<4S  Theomnestos  —  Thiele. 

Theonmestos  :  1.  Platoniker,  um  40  v.  Chr.;  2.  Kyniker. 

Tlieon  von  Smyrna,  Platoniker  aus  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.,  Erklärer  der 
mathematischen  Lehren  Piatos. 

Schriften:   1644,  1827,  1849,   1878. 

Theophilus  von  Antiochien,  Bischof  von  Antiochien  um  180  n.  Chr.  = 
Nach  T.  ist  Gottes  Wesen  über  alle  Begriffe  erhaben ;  Gott  ist  ungeworden  und 
unveränderlich,  Einheit.  Den  Logos,  der  ewig  bei  Gott  war  (als  Xoyog  kvöiaftexog), 
als  dessen  Ratgeber  (ov/ußovXog),  hat  Gott  als  seinen  Erstgeborenen  aus  sich 
heraus  gesetzt  (iysvvrjos  TiQocpoQixöv)  und  durch  ihn  die  Welt  samt  der  Materie 
aus  Nichts  geschaffen,  damit  seine  Größe  erkannt  werde. 

Schriften:  Ad  Autolycum,  1546,  1861.  —  Andere  Schriften  (gegen  Marcion, 
gegen  Hermogenes  u.  a.)  sind  nicht  erhalten.  —  Vgl.  O.  GROSS,  Die  Weltanschauungs- 
lehre des  Th.,  1895;  Die  Gotteslehre  des  Th.,  1896. 

Theophrastos,  geb.  um  371  v.  Chr.  in  Eresos  (auf  Lesbos),  Nachfolger 
des  Aristoteles  in  der  peripatetischen  Schule,  gest.  um  288  v.  Chr. 

T.  ist  in  seinen  philosophischen  Anschauungen  Aristoteliker,  aber  mit  ge- 
wissen Modifikationen.  Er  ist,  wie  Aristoteles  der  Begründer  der  Zoologie,  der 
Begründer  der  Botanik,  auch  hat  er  die  physikalischen  Lehren  der  Philosophen 
dargestellt  und  kritisiert.  Die  Aristotelische  Logik  hat  T.  (nebst  Eudemos)  im 
Einzelnen  weitergebildet  (Hypothetische  Urteile  und  Schlüsse).  Das  Denken 
ist  eine  (unräumliche)  „Bewegung"  {xivr]oig,  Simplic.  Phys.  F.  225  a).  Der  Geist 
(vovg)  ist  einerseits  transzendenten  Ursprungs,  anderseits  ist  er  dem  Menschen 
eingeboren  {ovpcpvTog),  gehört  er  zur  Natur  der  Seele,  ist  er  ihr  immanent. 
Gott  ist  die  erste,  unbewegte  Ursache  der  Dinge.  Die  Tugend  ist  an  sich  wert- 
voll, aber  ohne  äußere  Güter  ist  die  Glückseligkeit  nicht  zu  erreichen.  Viel 
gelesen  und  wiederholt  nachgeahmt  sind  die  ethischen  Charakterschilderungen 
des  T. 

Schriften:  Von  den  zahlreichen  Schriften  des  T.  ist  das  Meiste  verloren  ge- 
gangen. Erhalten  sind  :  JJeqI  (pvzcöv  loxoQiag,  tieqi  (pvrcöv  ahicov  und  kleinere  natur- 
wissenschaftliche Schriften.  Metaphysik,  1890.  —  <Pvoixcöv  dög~ai,  Fragmente  daraus 
hei  Diels,  Doxogr.  Graeci.  'Hdixoi  ia.Qa.7ixy)QEg ,  Characteres,  1842,  1858,  1904,  1909 
u.  ö.;  deutsch  1790,  1811,  1897.  —  Opera,  1495—98,  1818  —  21,  1842,  1854,  1866. 
—  Vgl.  J.  BEKNAYS,  T.s  Schrift  über  Frömmigkeit,  1866. 

Thiele,  Günther,  geb.  1841  in  Eohnstedt,  1882  Prof.  in  Königsberg  und 
(seit  1898)  Dozent  in  Berlin,  gest.  1911. 

T.  ist  ein  von  Kant,  Hegel,  Lotze  beeinflußter  Vertreter  des  spekulativen 
Theismus.  Die  Erkenntnis  faßt  er  als  Verarbeitung  des  Empfindungs- 
materials durch  das  Denken  auf,  welches  in  fortschreitenden  apriorischen  Syn- 
thesen alles  vereinigt.  A  priori  bedeutet  also  soviel  wie:  durch  die  Gesetz- 
mäßigkeit des  Denkens,  durch  das  Wesen  des  Erkenntnisvermögens  bedingt.  Aus 
der  synthetischen  Funktion  des  Geistes  entspringen  die  Anschauungsformen 
(Pvaum  und  Zeit),  welche  vom  absoluten  Weltgrunde  abhängig,  also  objektiv 
bedingt  sind,  und  die  Kategorien.  Diesen  ist  das  „Nach-außen-sich-be- 
ziehen"   wesentlich,   sie  „meinen"  etwas  außer  sich,    beziehen  sich  auf  Anderes 


Thiele  —  Thoene.  749 


und  sind  objektiv  begründet.  Das  Ich  ist  kein  Denken,  sondern  „Selbstge- 
fühl'', das  „reine  Sich-selbst-fühlen  der  Seele",  das  Sichselbstwollen  derselben, 
Identität  vom  Wissen  und  realem  Sein.  Im  Fühlen  weiß  die  Seele  unmittel- 
bar von  sich,  hat  sie  ihr  „unwandelbares,  beharrliches,  stets  mit  sich  identisches 
Selbst"  gesichert.  Die  Seele  ist  eine  immaterielle  Substanz,  welche  unsterblich 
ist.  In  den  Funktionen  des  Ichs  manifestiert  sich  das  reine,  überzeitliche 
Ich,  welches  die  Unsterblichkeit  der  Seele  verbürgt,  die  in  jenem  ihren 
Lebensinhalt  haben  wird.  Dem  überzeitlichen  Ich  kommt  Wahlfreiheit 
und  Wille  zur  Freiheit  zu,  der  selbst  dem  Satze  vom  Grunde  untergeordnet 
ist.  —  Außen-  und  Innenwelt  sind  als  solche  Erscheinungen,  denen  aber 
einfache,  beharrliche  Substanzen,  die  in  Wechselwirkung  miteinander  stehen, 
zugrunde  liegen  (Monadologischer  Standpunkt).  Die  Dinge  sind  in  Gott  zur 
Einheit  vereinigt  (Panentheismus).  Gott  selbst  ist  absoluter  Weltgrund,  über- 
zeitliches, absolutes  Selbstbewußtsein,  das  absolute  Ich,  welches  die  Welt  ein- 
schließt und  überragt  und  in  welchem  der  mechanische  Kausalzusammenhang 
des  Geschehens  zugleich  ein  einheitlicher  Zweckzusammenhang  ist. 

Schriften:  Wie  sind  die  synthet.  Urteile  der  Mathematik  a  priori  möglich? 
1869.  —  Kants  intellektuelle  Anschauung  als  Grundbegriff  seines  Kritizismus,  1876.  — 
Grundriß  der  Logik  u.  Metaphysik,  1878.  —  Die  Philosophie  Kants,  1882  —  87.  — 
Philosophie  des  Selbstbewußtseins,  1895  (Hauptwerk).  —  Kosmogonie  u.  Eeligion,  1898. 
—  Philos.  Streifzüge  an  deutschen  Hochschulen  I:  J.  Bergmanns  objektiver  Idealismus 
1904.  —  Vgl.  H.  SCHWARZ,  Erkenntnistheoretisches  aus  der  Eeligionsphilosophie  T.s, 
Yierteljahrsschr.  f.  wissenschaftl.  Philosophie,  21.  Bd. 

Thierry  von  Chart  res,  Bruder  Bernhards  von  Ch.,  lehrte  um  1140 
in  Paris,  1141  Kanzler  in  Chartres,  gest.  um  1150.  =  Von  Plato,  dem  Neu- 
platonismus  und  Neupythagoreismus  beeinflußt.  Da  jede  Zweiheit,  Anderheit 
und  Veränderlichkeit  die  Einheit  voraussetzt,  so  existiert  die  (dreieinige)  Gottheit 
(„divinitas")  als  die  ewige  Einheit  („unitas"),  welche  aus  sich  den  Sohn  (die 
Weisheit)  erzeugt,  deren  Verbindung  mit  ihm  den  heil.  Geist  ergibt.  Die 
Schöpfung  der  Dinge  gleicht  der  Schöpfung  der  Zahlen  aus  der  Einheit. 

Schriften:  Kommentar  zum  Hexaemeron  (De  sex  dierum  operibus,  bei  Haureau, 
Notices  et  extraits),  1900,  I.  —  Heptateuchon  (Lehrbuch  der  „sieben  freien  Künste"  mit 
Auszügen),  bei  Clerval,  Les  ecoles  de  Chartres,  1895.  —  Vgl.  M.  DE  WULF,  Histoire 
de  philos.  medievale  (deutsche  Übersetzung  in  Vorbereitung). 

Thilo,  Christfried  Albert,  geb.  1813,  gest.  als  Oberkonsistorialrat  in 
Hannover.  =  Herbartianer,  welcher  die  Unabhängigkeit  der  Offenbarungssätze 
von  der  Philosophie  betont,  welche  letztere  aus  sich  allein  nicht  zur  Erkenntnis 
Gottes  und  des  Alls  zu  führen  vermag. 

Schriften:  Die  Wissenschaftlichkeit  der  modernen  spekul.  Theologie,  1851.  — 
Die  theologisierende  Rechts-  und  Staatslehre,  1861.  —  Über  Schopenhauers  ethischen 
Atheismus,    1868.    —   Pragmatische    Geschichte   der  Philosophie,    2.  A.   1880—81,    u.  a. 

Thoeiie.   Alois  Seraphin,    em.  Dozent  am  Lyzeum   zu  Neunkirchen.  = 

Dualistisch-theistischer  Standpunkt.  Das  Bewußtsein  ist  ein  in  Beziehung- 
Stehen  des  Psychischen  zum  Ich  oder  Geist,  dem  Träger,  der  Quelle  des 
Psychischen.    Das  Psychische    der  Tiere  ist  unbewußt,  ohne  Ich,  ohne  eigent- 


750  Thoene  —  Thomas. 


liehe  Seele.  Unbewußte  psychische  Vorgänge  gibt  es  auch  im  Menschen. 
Das  Wesen  des  Geistes  besteht  im  Beziehen  von  anderem  auf  sich.  Das 
Denken  ist  ein  Spezialfall  des  Wollens  („Denkwollen").  Der  Determinismus 
hebt  die  Verantwortlichkeit  nicht  auf,  die  sich  auf  das  wollende  Ich  bezieht. 
Zwischen  Geist  und  Materie  besteht  eine  Wechselwirkung. 

Schriften:  System*  der  Metaphysik,  1908.  —  Die  Mechanik  des  Seelenlebens, 
1911.  —  Geschichte  der  Urzeit,  1910. 

Thomas,  Karl,  gest.  1873.  =  Herbartianer.  —  Schriften:  Spinoza  als- 
Metaphysiker,  1840.  —  Spinozas  Individualismus  u.  Pantheismus,  1848.  —  Die  Theorie 
des  Verkehrs,  I:  Die  Grundbegriffe  der  Güterlehre,  1841.  —  Altes  und  Neues, 
1863,  u.  a. 

Thomas  von  Aquino  (Th.  Aquinas),  geb.  1225  oder  1227  als  Sohn 
des  Grafen  Landolf  von  Aquino  auf  dem  Schlosse  zu  Eoccasicca  bei  Aquino 
(im  Altertum  Arpinum).  Er  wurde  von  den  Benediktinern  des  Klosters  von 
Monte  Cassino  erzogen,  studierte  dann  in  Neapel,  wo  er  in  den  Dominikaner- 
orden eintrat,  dann  Philosophie  und  Theologie  in  Köln  und  Paris  (unter  Albertus 
Magnus),  wurde  1257  in  Paris  zum  Doktor  promoviert,  lehrte  in  Köln  und 
Bologna,  Rom,  Neapel  und  starb  auf  der  Eeise  nach  Lyon  im  Zisterzienser- 
kloster Fossanuova  bei  Terracina  am  7.  März  1274.  Der  „doctor  angelicus"  („uni- 
versalis") wurde  1286  von  den  Dominikanern  zum  offiziellen  Lehrer  des  Ordens 
(„doctor  ordinis")  ernannt  und  1323  von  Papst  Johann  XXII.  kanonisiert. 

T.,  der  Schüler  Alberts  des  Großen,  dessen  Gedanken  er  aufnimmt  und 
zum  Teil  weiterbildet,  ist  der  bedeutendste  christliche  Scholastiker,  derjenige, 
der  die  Lehren  der  christlichen  Kirche  am  systematischsten  mit  den  Grund- 
lehren der  Aristotelischen  Weltanschauung  verbunden  hat,  die  er  von  allem 
„Heidnischen"  reinigt,  mit  Bekämpfung  neuplatonisch-averroistischer  Anschau- 
ungen und  mit  scharfer  Scheidung  der  übernatürlichen  (aber  nicht  widerver- 
nünftigen) Offenbarungslehren  von  den  mittelst  der  natürlichen  Vernunft  zu 
beweisenden  philosophischen  Wahrheiten  (Keine  Lehre  von  der  „doppelten 
Wahrheit" :  „Ea  .  .  .  quae  ex  revelatione  divina  per  fidem  tenetur,  non  possunt 
naturali  cognitioni  esse  contraria").  Die  Dreieinigkeit,  die  zeitliche  Schöpfung 
der  Welt  u.  a.  sind  rein  philosophisch  nicht  zu  beweisen,  sondern  Offen- 
barungssätze, die  man  glauben  muß,  wobei  der  Wille  eine  Rolle  spielt,  der 
den  Intellekt  zur  Anerkennung  veranlaßt.  Beweisen  lassen  sich  nur  die  durch 
die  natürliche  Vernunft  begreiflichen  Vorstufen  des  Glaubens  („praeambula 
fidei"),  und  so  dient  die  Vernunft  dem  Glauben  („naturalis  ratio  subservit  fidei"), 
wie  die  Natur  die  Vorstufe  der  Gnade  ist  („gratia  naturam  non  tollit,  sed 
perficit").  In  intellektualistischer  Weise  betont  T.  die  Erkenntnis  als  obersten 
Lebenszweck,  der  namentlich  in  der  Erkenntnis  Gottes  liegt  („fere  totius  philo- 
sophiae  consideratio  ad  Dei  cognitionem  ordinatur").  Vom  Seienden  als  solchen 
handelt  die  Metaphysik  („de  ente  in  communi  et  de  ente  primo"),  welche 
aber  die  „Physik"  hinausgeht  („transphysica").  Die  Logik  handelt  von  den 
Gedankendingen  („entia  rationis"),  betrachtet  nur  die  „formalen  Prinzipien"  der 
Dinge   und  leitet  zum  richtigen  Denken  an.     Sie  besteht  aus  zwei  Teilen  („in- 


Thomas.  751 

ventiva"  und  ,,iudicativa")  und  ist  rein  oder  angewandt  („docens",  „utens").    Die 
Ethik  gehört  zur  praktischen  Wissenschaft  („scientia  practica"). 

In  seiner  Erkenntnislehre  knüpft  T.  wesentlich  an  Aristoteles  an,. 
wobei  er  aber  mit  Augustinus  die  Unleugbarkeit  einer  Wahrheit  überhaupt 
darlegt.  Erkenntnis  beruht  auf  einer  „Verähnlichung"  des  Erkennenden  mit 
dem  Erkannten  („omnis  cognitio  fit  per  assimilationem  cognoscentis  et  cogniti")r 
wobei  das  Erkannte  ideell  (als  „esse  intentionale")  im  Erkennenden  gemäß  der 
Weise  dieses  letzteren  ist  („cognitum  est  in  cognoscente  secundum  modum  co- 
gnoscentis"), so  daß  die  Seele  potentiell  und  ideell  alles,  der  „Ort  der  Formen" 
ist  (vgl.  Aristoteles).  Im  Erkennen  erfolgt  eine  Vereinigung  („unio")  des  Er- 
kannten mit  dem  Erkennenden,  von  dem  es  mittelst  einer  sinnlichen  oder  un- 
sinnlichen Form  („species  sensibilis",  „s.  intelligibilis"),  einer  psychischen 
Disposition,  erfaßt  wird.  Die  Sinne  nehmen  die  sinnlichen,  der  Intellekt 
die  intelligiblen  Formen  wahr.  Von  der  Sinneswahrnehmung,  welche  das 
Einzelne  erfaßt,  erhebt  sich  die  Erkenntnis  zur  Erfassung  des  Allgemeinen 
und  des  Wesens  der  Dinge  („omnis  nostra  cognitio  a  sensu  incipit,  qui 
singularium  est",  „cognitio  intellectiva  penetrat  usque  ad  essentiam  rei").  Zu- 
höchst  erkennen  wir  alles  in  Gott  („omnia  discimur  in  Deo  videre"),  in  den 
ewigen  Urgründen  der  Dinge  („in  rationibus  aeternis").  Sich  selbst  erkennt 
der  Geist  (ohne  Vermittlung  von  „species")  nicht  seinem  Wesen  nach,  sondern 
in  seinem  Denken  der  Objekte  („non  cognoscit  seipsum  per  suam  essentiam, 
sed  per  actum,  quo  intellectus  agens  abstrahit  a  sensibilibus  species  intelligibles"), 
also  reflexiv  („ex  hoc,  quod  apprehendit  alia,  devenit  in  suam  cognitionem", 
„intellectus  .  .  .  supera  se  ipsum  agendo  reflectitur").  Das  Denken  ist  eine 
unterscheidend-vergleichentie  Tätigkeit  der  Seele,  welche  selbst  keines  mate- 
riellen Organs  bedarf  („non  fit  per  aliquod  Organum  corporate"),  wenn  auch 
die  sinnlichen  Vorstellungen,  die  es  verarbeitet,  leiblich  bedingt  sind  („intellectus 
noster  secundum  statum  praesentem  nihil  intelligit  sine  phantasmate";  vgl. 
Aristoteles).  Der  tätige  Intellekt  („intellectus  agens")  abstrahiert  von  den 
Vorstellungen  die  geistigen  Formen  („abstrahiere  formam  a  materia  individuali") 
und  erzeugt  so  das  Abstrakte,  das  logisch  Allgemeine  als  solches  („formae 
fiunt  intellectae  in  actu  per  abstractionem" ;  „intellectus  agens  causat  univer- 
sale abstrahendo  a  materia";  „universale  fit  per  abstractionem  a  materia  indi- 
viduali").  Die  Erkenntnis  des  Einzelnen  geht  der  des  Allgemeinen  voran 
(„cognitio  singularium  est  prior  quoad  nos  quam  cognitio  universalium"),  aber 
das  eigentliche  Wissen  geht  auf  das  Allgemeine  („scientia  est  universalium", 
wie  bei  Aristoteles).  Der  Intellekt  erfaßt  („apprehendit")  das  den  Dingen 
immanente  Allgemeine,  Wesentliche  (die  „quidditas")  und  hebt  es  gesondert 
heraus,  ohne  daß  es  auch  real  gesondert  und  selbständig  existiert  („univer- 
saüa  .  .  .  non  sunt  res  subsistentes,  sed  habent  esse  solum  in  singularibus"; 
gemäßigter  „Realismus":  universalia  in  rebus).  Vor  den  Dingen  bestehen  die 
Universalien  nur  als  ewige  Urbilder  („formae  exemplares",  „rationes  rerunri, 
Ideen  im  göttlichen  Intellekt  („intellectus  aeternus";  „forma  in  mente  divina, 
ad  similitudinem  cuius  mundus  est  factus").  Es  gibt  nach  T.  keine  ange- 
borenen Begriffe   von   den  Dingen;    ohne   Wechselwirkung   von   Objekt   und 


752  Thomas. 

Subjekt  ist  Erkenntnis  nicht  möglich.  Doch  präexistieren  in  uns  gewisse 
Weisheitskeime  („semina  scientiarum"),  die  Anlagen  zu  gewissen  Begriffen 
(„primae  conceptiones") ;  dem  Intellekt  ist  sein  eigenes  Wesen  eingeboren 
-(„essentia  sua  .  .  .  innata";  vgl.  Leibniz).  Die  Wahrheit  ist  etwas  Ideelles, 
hat  aber  in  den  Dingen  ein  Fundament;  sie  ist  die  Übereinstimmung  von 
Denken  und  Sein  („adaequatio  intellectus  et  rei").  Die  Vernunftwahrheiten 
sind  im  göttlichen  Geiste  ewig,  der  die  Wahrheit  selbst  ist,  an  der  nicht  ge- 
zweifelt werden  kann.  Ein  Fundament  in  den  Dingen  haben  auch  die  Be- 
ziehungen der  Dinge  („relatio  fundatur  in  aliquo  sicut  in  causa"). 

Der  Ontologie  des  T.  gemäß  ist  alles  Seiende  eines,  wahr  und  gut 
(„unum,  verum,  bonum").  Die  konkreten  endlichen  Dinge,  Individuen,  Sub- 
stanzen („substantiae  primae")  bestehen  aus  Materie  und  Form.  Die  Materie 
ist  reine  Potenz  („potentia  pura"),  die  Möglichkeit  zu  etwas,  das  Substrat 
(„primum  subiectum"),  aus  dem  etwas  wird  („ex  quo  aliquid  fit").  Die 
primäre  Materie  („materie  prima")  ist  das  abstrakt  gedachte  Vermögen  der 
Aufnahme  von  Formen  überhaupt.  Das  Prinzip  der  Individuation 
(„principium  individuationis")  ist  die  Materie  durch  ihre  bestimmte  Größe 
(„quantitas  dimensiva"),  die  schon  von  einer  Form  gestaltete  Materie  („materia 
signata".  z.  B.  ein  Stück  Fleisch;  „dico  materiam  signatam.  quae  sub  certis 
dimensionibus  consideratur" ;  die  „materia  sensibus  signata"  ist  „individuationis 
et  singularitatis  principium";  „forniae  quae  sunt  receptibiles  in  materia  indivi- 
duantur  per  materiam  quae  non  potest  esse  in  alio").  Nur  die  immateriellen 
Formen  („formae  separatae")  individualisieren  sich  durch  sich  selbst  („se  ipsis 
individuantur").  Die  Form  im  (Sinne  des  Aristoteles)  ist  das,  wodurch  die 
Dinge  ihre  Wirklichkeit  haben  („actus,  per  res  actu'existunt",  „actus  primus") 
und  das  Prinzip  des  Wirkens  in  allem  („principium  agendi  in  unoquoque") ; 
sie  gibt  der  Materie  ihr  aktuales  Sein  („forma  dat  materiae  esse").  Während 
die  akzidentelle  Form  („f.  accidentalis")  die  Substanz  nur  äußerlich  bestimmt  (be- 
züglich des  „quäle  vel  quantum"),  ist  die  substantielle,  wesentliche  Form 
(„forma  substantialis,  essentiales")  der  Wesensgrund  des  Dinges.  Materielle 
Formen  („formae  materalis,  adhaerentes")  sind  die  mit  einem  Stoffe  verbundenen, 
in  einem  solchen  wirksamen  Formen;  hingegen  sind  die  getrennten,  subsistenten 
Formen  („f.  separatae,  subsistentes")  ein  immaterielles,  selbständiges  Sein.  Zu 
■den  letzteren  gehören  Gott,  die  Engel  und  die  menschlichen  Seelen. 

Das  Dasein  Gottes  ist,  sofern  Gott  die  Wahrheit  ist,  unbestreitbar.  Be- 
weisbar ist  die  Existenz  Gottes  nicht  a  priori  (aus  einer  Ursache),  sondern  nur 
a  posteriori,  aus  seinen  Wirkungen  erkennbar,  nämlich  als  die  erste,  unbeweg- 
liche, bewegende  Ursache  von  allem,  als  die  oberste  bewirkende  Ursache,  als 
das  absolut  Notwendige  („per  se  necesse  esse"),  als  das  Realste  und  Voll- 
kommenste, als  der  Endzweck  der  Dinge,  als  die  vernünftige  Vor- 
sehung. Gott  hat  „Aseität",  er  ist  von  nichts  als  sich  selbst  abhängig 
i,. prima  causa  essendi  non  habens  ab  alio  esse"),  einfach,  reine,  immaterielle 
W  irklichkeit  („actus  purus"),  zeitlos  („extra  ordinem  temporis"),  unend- 
lich, unveränderlich,  in  allem  als  Ursache  wirksam  („Deus  est  in  omnibus 
rebus,  sicut  agens   adest  ei,    in  quo  agit  intime"),   vernünftig  (denkend),  gütig 


Thomas. 

usw.     Gott   ist  dreieinig;    indem  er  sich  seihst  erkennt,  zeugl   <i 
bild,  den  Sohn,   und  die  Liebe  zwischen  Vater  and  Sohn  Lei  der  heilige  Geist 
Alles  außer  Gott   ist    von  Gott  aus   Nicht-    („es   nihilo")  geschaffen.     D 
Schöpfung    ist   ein    Hervorgehen   der   Dinge    au-    Gott    sla    der    allgemeinen 
Ursache   („causa   universalis"),    und    zwar   hat    Gott   von    verschiedenen    m 
liehen   Welten    die   beste    gewählt    (vgl.   Leibniz)    und    si  en,    um   in 

ihr   seine  Vollkommenheit    zu    offenbaren;    das   Böse   hat  Gott    nur  alfl   Mittel 
zur  Förderung  des  Guten  zugelassen.     Die  zeitliche  Entstehung  der  Weh  i-t 
ebensowenig   beweisbar    wie    deren  Ewigkeit,   sondern    ein    Glaubenssatz.      Di 
Erhaltung    der  Welt  ist   eine  ununterbrochene   Schöpfung    („creatio   continua  \ 
vgl.  Augustinus).     Die  Zeit    war    nicht  vor  der  Welt,    sondern  ist  mit  ihr 
schaffen;    sie  ist   die  Anzahl   der  Bewegung   nach  dem  Früheren  und  Späteren 
(..numerus   motus    seeundum  prius    et    posterius").      Immaterielle    geistige    I 
schöpfe  sind   außer  den    menschlichen    Seelen    die  (im   „empyreum",    in     der 
neunten  Himmelssphäre  befindlichen)  Engel,   zu  denen  auch  die  [ntellig 
gehören,   welche   die  Gestirne  bewegen   (Sphärentheorie,    geozentrische  Weltan- 
schauung). 

Die  Körper   sind   dreidimensionale  Substanzen  (die  „corporeitas"    i-t  eine 
„forma    accidentalis").     Die  Qualit  äten    der  Körper   sind   insgesamt    objektiv 
(wie  nach  Aristoteles),   Die  Kausalität  besteht  nicht  in  der  Überführung  einer 
Qualität  von  einem  Dinge  zum  anderen,  sondern  in  der  Aktualisierung  einer  1 
(„agens  naturale  non  traducens   propriam    formam    in   alterum   Bubiectum,   - 
reducens   subiectum   quod   patitur   potentia   in    actum").     Jede   Wirkung    hal 
eine  Ursache  („omnis  affectus  habet  causam"),  jedes  Bewegte  muß  von  einem 
anderen   bewegt  werden  („omne  .  .  .  quod    movetur,   oportet   ab   alio   m 
Die  Ursache    der  Ursachen    („causa   causarum")    ist    der    Zweck,    d.   h.    das- 
jenige, wonach  die   Ursache  strebt   (..hoc    dieimus  esse    finem,    in    quo    tendit 
impetus   agentis"),    indem   jedes    Agene    um   eines   Zieles,   eines   Guten   willen 
strebt  („omne  agens  agil  propter  bonunr').    Di«'  Zweckursache  („causa  final 
i-t    die   erste    der    Ursachen.      In    der    Natur    geschieht    Dichte    umsonst 
Aristoteles).     Das  Endziel  vmi  allem  („finis  rerum  omnium")  i-i  <;<>n. 

Die  Seele  ist  zugleich  «la-  Lebensprinzip  („prineipium  vitae*        8  un- 

körperlich,  aber  mit  dem  Leibe,  in  dem  sie  ganz  i-t.  natürlich  verei] 
nnio"),  so  besonders  zur  Einheil  des  Menschen.     Di«   Seel     il    wie  nach  \ 
J.I.-,   die    Entelechie    des    Organismus.     Die    menschliche,    vernünfl 
<..aninia  rationalis")  ist  eine  substantiale,  subsistierende,  einfache  „1  „forma 

per  .,.  subsistens",   „forma  Bive   Bubetantia  BÜnpl«  rms  sep 

v..in  Leibe  trennbar  und  zur  vegetativen  und  sensitiven  s-eie  hin/u^esehafl 
i~t,  so  aber,  dafl  dann  ein.-  einheitlich«  Seele  all«  Funkionen  ausübt,  wobei  d 
Intellekt  (Geisl  -  als  solcher  organlos  ist  Die  S  blich,  • 

Substanz    (lfintellectualifl    Bubetantia")    anzerstörbar    im.      I  die 

Averroistische  Lehre  von  der  Einh<  \\  d<     i  ten  Mem  !;• 

sich  T.  in  einer  eigenen  Schrift  (vgl.:  „cum  Intell« 

II...  non    im in    omnibus    •  i    inultip  i    multipltcationem 

animarum"),  ebenso  bekämpft  er  die  Lehre  von  der  P  -  Die 

-ler,    l'li 


.  54  Thomas. 

eine  Seelensubstanz  übt  verschiedene  Funktionen  („operationes")  aus,  hat 
verschiedene  Vermögen  („potentiae" :  vegetatives,  sensitives,  appetitives,  motives, 
intellektives  Vermögen).  Der  aktive  Intellekt  verarbeitet  die  Vorstellungen 
zu  begrifflichen  Gebilden  (s.  oben,  auch  über  Wahrnehmung  und  Erkenntnis). 
Die  Affekte  sind  nach  T.  Störungen  der  Seele,  Erregungen  des  sinnlichen 
Begehrens.  Das  Begehren  (Streben)  ist  eine  eigene  Funktion  der  Seele;  der 
Trieb  ist  das  niedere,  sinnliche  Begehren.  Der  Wille  im  engeren  Sinne  ist 
das  vernünftige  Streben  („appetitus  rationalis").  Intellekt  und  Wille  schließen 
einander  wechselseitig  ein,  bedingen  einander.  Der  Intellekt  leitet  den  Willen 
und  ist  insofern  das  Primäre  („intellectus  altior  et  prior  voluntate",  Intellek- 
tualismus); aber  der  Wille  bewegt  die  Vernunft  („movet  rationem")  und  hat. 
insofern  auch  den  Primat.  Frei  ist  der  Wille,  sofern  er  nur  innerlich  erregt 
wird  („moveri  voluntarie  est  moveri  ex  se,  id  est  a  principio  intrinseco").  In- 
dem der  Mensch  vernünftig  über  seine  Zwecke  urteilt  und  durch  seine  Einsicht 
den  Willen  erregen  (nicht  zwingen)  läßt,  ist  sein  Wille  frei  („intellectus  movet 
voluntatem  .  .  .  per  modum  finis").  Der  Wille  strebt  naturgemäß  nach  dem  Guten 
als  seinem  Endziele,  aber  in  der  Wahl  der  Mittel  ist  er  frei,  indeterminiert,, 
hat  er  seine  Neigung  in  der  Gewalt,  wird  er  nur  durch  sich  selbst  determiniert 
(„habet  in  potestate  ipsam  inclinationem",  „determinatur  a  se  ipsa" ;  „homo  est 
dominus  suorum  actuum  et  volendi  et  non  volendi  propter  deliberationem 
rationis  quae  potest  flecti").  Wille  und  Wahlfreiheit  („liberum  arbitrium") 
sind  geradezu  eins. 

DieEthi  k  des  T.  ist  aristotelisch-christlich.  Gut  ist,  allgemein,  was  einem  Wesen 
gemäß  ist  („quod  convenit  ei  secundum  suam  formam").  Sittlich  gut  ist,  was- 
dem  Wesen  des  Menschen  angemessen  ist ,  also  aus  der  Vernunft  entspringt. 
Die  Tugend  ist  eine  Geistesbeschaffenheit,  vermöge  welcher  wir  recht  leben,, 
eine  Vollkommenheit,  infolge  deren  wir  das  dem  göttlichen  Gesetz  Gemäße  tun,  das- 
eine  Bedingung  der  Seligkeit  ist.  Außer  den  philosophischen  (intellektuellen 
und  moralischen)  Tugenden  gibt  es  theologische,  uns  von  Gott  eingeflossene 
(„virtutes  infusae",  „ex  divino  munere  nobis  infunduntur")  Tugenden  (Glaube, 
Hoffnung,  Liebe).  Die  moralischen  Tugenden  bestehen  im  Einhalten  der  rechten 
Mitte.  Das  Gewissen  ist  eine  Anwendung  unseres  Wissens  auf  unsere  Hand- 
lungen („actus  quo  scientiam  ad  ea  quae  agimus  applicamus";  „consciencia 
antecedens  —  consequens").  Die  uns  zum  Guten  antreibende,  vor  dem  Wesen 
warnende  Seelenkraft  nennt  T.  (wie  schon  Albert  u.  a.)  „Synderesis".  Die 
höchste  Glückseligkeit  ist  die  Schauung  des  göttlichen  Wesens,  liegt  also  im 
Erkennen  („in  actu  intellectus"). 

Die  menschlichen  Gesetze  sind  Anwendungen  des  ewigen,  göttlichen 
Naturgesetzes  (als  „participatio  legis  aeternae  in  rationali  creatura"),  welches 
auf  das  allgemeine  Wohl  („bonum  commune")  geht.  Von  Natur  aus  ist  der 
Mensch  ein  soziales  Wesen  („naturaliter  homo  sociale");  dasjenige,  ohne 
welches  die  menschliche  Gesellschaft  sich  nicht  erhalten  kann,  ist  das  den 
Menschen  Naturgemäße  („naturaliter  convenientia").  Die  rechte  Regierung 
(„rectum  et  iustum   regimen")   hat   nur   das    allgemeine  Wohl  im  Auge;    am 


Thomas. 

stärksten  ist  sie  in  der  Hand  eines  Monarchen,  der  aber  nicht  die  Möglichkeit 
haben  darf,  sich  zum  Despoten  zu  machen. 

Auch  eine  Theorie  des  A  sthetisc  hen  gibt  T.,  die  zum  Teil  schon  an  Kant 
innert.    Zur  Schönheit  gehören  objektiv  Proportion  („integritas  uve  pr 
Konsonanz,  Klarheit   („pulchritudo  per   se").     Das  Schone    gefallt   durch 
selbst  und  unmittelbar,  in  ihm  ruht  das  Begehren  i..pulchniin  cmm  PP1®" 

hensio  placet",  „ad  rationem  pulchri  pertinet,  quod  in  eius  aspectu  m  titione 

quietetm  appetitus"). 

Nach  einiger  Zeit,  die  reich  war  an  Angriffen  (seitens  H.  Kilwanlhy, 
J.  Peckham,  Wilhelm  von  Laraarre  u.  a.)  gegen  Thomas  und  Beine  Anhänger,  kam 
der  Thomismus  zu  hoher  Geltung.  Im  Jahre  1567  wurde  T.  von  Papst  Pin-  Y. 
zum  fünften  Kirchenlehrer  erklärt,  und  1879  wurde  durch  Leo  XIII.  (Bolle 
..Aeterni  patris")  der  Thomismus  zur  allein  offiziellen  Kirchen-Philosophie  er- 
hoben. Anhänger  des  T.  sind:  Aegydius  von  Colonna,  Hervaens  Xatalis. 
Thomas,  Bradw  ardine,  Durand  von  St.  Pourcain,  Aegydius  von 
Lessines,  Bernardus  de  Trilia,  Johannes  Parisiensis,  Gottfried 
von  Fontaines,  Siger  von  Courtrai,  Petrus  Hispanns,  Dante  n.  a.. 
ferner  Heinrich  von  Gorkum,  Johannes  Versor,  Petras  N 
Lambertus  de  Monte,  Dominicus  de  Flandria,  Thomas  de  Vio 
iCajetanus),  Dominicus  Soto,  Toletus,  G.  Vasqnez,  Suarei  n.  a. 
—  Moderne  Thomisten ,  bzw.  „Xeothomisten"  oder  auch  „Neoscholastiker*4 
überhaupt,  sind  Stöckl,  Kleutgen,  Haffner,  Chr.  nnd  I.  Pesch, 
Y.  Cathrein,  O.  Willmann,  Gutberiet,  Beman,  Commer,  Feldner, 
Lehmen,  Frick,  v.  Hertling,  Glossner,  Baeomker,  Braig  u.a.. 
Karges,  Mercier,  de  Wulf,  E.  Plane  u.  a..  Newmtn,  Harper, 
Rickaby  u.  a.,  Liberatore,  Ventura,  Font  an  a.  Sansererino,  Bai  m  es 
u.  a.  Vgl.  die  ., Revue  Thomist.  ■■•.  „Revue  Deb-scolastique",  „Divus  Ihoi 
„Jahrb.  t.  Philos.  u.  spckul.  Theol.".  „Annalee  de  philos.  chr&ienne*',  ..Kiv.  di 
Bios,  neoeoolastica". 

Schriften:     Kommentare    zu   Aristoteles    und    zum    Liber    do    oau-i    :     Dl 

essentia;    De    principio     indhiduationis;     De    aeternitato     mundi .     I>e    Mtan     Btfc 
Quaeationes  quodlibetales;   De  ngfaaine    principom,   deut«.  h   1897,  u.  a.,  und  die   i 
.-hriften:    Summa  theologica   (Summa  thelopae),    l*<   I     1878,   1882,   1894;    <!• 
C.  M.    Schneider,   1891    f.  —   Summa  do  veritate  t'id.-i   esthoHsM  urama 

philosophica),  1878,   1892,  (1898),  Cunipcmlium  theo  rar  tu 

•  ntenzen  des  Petrus  Lombardus  u.  a.  —  Opera,  | 
26  l'.dc.j,  1876  (84  Bde.  ,  L889  tl.  (offiitoUi  Joi  RDAIV,  Ls  pail 

St.  Th,  1858.  —  K.  Wi :i:\i  k.  Tb.  m   A.,   L858  Ä  >HB4  n  wi  m  i  I 

Philos.  d.  Tb.,  kriti- l.  gewftrdigt,  1889        EüCKltf,  Di«  I 

8.    A.    1910.    —  GONZAJJEZ,   Di«   H'ilo«    *•»  1  P  \  i  m  \  n  n 

Staatslehre  de«    h.    II...     L8' 

|f,  >,  um  ii..  rpbilos.  In  Qetatedei  .•    :  CM.ßCHa    [DBB, 

Natur,    V,-niii.,ft.    Qotl  V.  Q]  MMH  II.    I 

der   the.-.vt.    Philo«,   auf  th  L    POBTMAW,    1»»-   Bjlta«   der 

Baums  im  I  \\  i  HO]  i  i:.  i'  ri|saf  b 

n  die  Tiium.v-  I        /.M\\'.  0     I  Matal  i  • 


756  Thomas  —  Thomasius. 


Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  XII,  1899.  —  M.  WlTTMANN,  Die  Stellung  des  h.  Th.  von 
Aqu.  zu  Avencebrol,  1900.  —  GüTTMANN,  Das  Verhältnis  des  Th.  von  A.  zum  Juden- 
tum, 1891.  —  N.  KAUFMANN,  Die  Erkenntnislehre  des  h.  Th.,  Philos.  Jahrb.  II,  1889. 
—  SCHÜTZ,  Thomas-Lexikon,  2.  A.  1895.  —  M.  DE  WULF,  Gesch.  der  raittelalterl. 
Philos.  (deutsch  in  Vorbereitung).  —  ENDRES,  Th.  v.  A.,  1910. 

Thomas  Bradwardine  s.  Bradwardine. 

Thomas  von  Cantimpre  (Cantimpratensis),  auch  Th.  Brabantinus  ge- 
nannt, lebte  im  13.  Jahrh.,  Schüler  Alberts  des  Großen,  Verfasser  von  Kommen- 
taren zu  Aristoteles  u.  a. 

Thomas  (Hamerken)  von  Kempen  (a  Kempis),  gest.  1471,  Mystiker, 
dessen  Schrift  „Von  der  Nachfolge  Christi"  viel  gelesen  wurde. 

Thomas  von  Straßburg  (Th.  ab  Argentina),  gest.  1357  als  General- 
prior des  Augustinerordens,  Schüler  des  Aegydius  von  Colonna.  =  Th.  ver- 
bindet mit  dem  Augustinismus  thomistische  Lehren. 

Schriften:  Commentarii  in  IV  libros  Sententiarum,   1585  u.  a. 

Thomasius,  Christian,  geb.  1655  in  Leipzig  als  Sohn  des  Jakob  Th., 
studierte  Jurisprudenz  und  Philosophie,  seit  1681  Dozent  in  Leipzig,  1690  (bzw. 
1694)  Prof.  in  Halle,  gest.  1728  daselbst. 

T.,  der,  wegen  des  Freimuts,  mit  dem  er  gegen  den  Aberglauben  (Hexen  - 
wesen)  und  für  die  Freiheit  der  Wissenschaft  und  des  Glaubens  eintrat,  viele 
Anfeindungen  erlitt,  und  der  zuerst  Vorlesungen  in  deutscher  Sprache  hielt, 
wie  er  zum  Teil  auch  deutsch  schrieb  (er  gab  die  erste  wissenschaftliche  Zeit- 
schrift in  deutscher  Sprache  heraus),  gehört  zu  den  Vorläufern  der  Aufklärung. 
Er  trennt  die  Philosophie  scharf  von  der  Theologie  und  bekämpft  die  aristo- 
telisch-scholastische Methode.  Während  die  Theologie  auf  der  Offenbarung  be- 
ruht und  der  ewigen  Seligkeit  dient,  hat  die  Philosophie  ihren  Ursprung  im 
Lichte  der  Vernunft  und  dient  der  irdischen  Wohlfahrt  des  Menschengeschlechts 
(„philosophia  intellectualis  instrumentalis  ex  lumine  rationis  Deum,  creaturas 
et  actiones  hominum  naturales  et  morales  considerans  et  in  earum  causas  in- 
quirens,  in  utilitatem  generis  humani").  Die  Logik  bedarf  einer  Reform.  Das 
Denken  ist  eine  innere  Bede,  eine  Art  Selbstgespräch;  als  Tätigkeit  ist  es  ein 
Unterscheiden  und  Ordnen  der  Empfindungen.  Die  gesunde  Vernunft  („sensus 
communis")  ist  das  Kriterium  der  Wahrheit.  Alle  Erkenntnis  beruht  auf  der 
Wahrnehmung.  Wir  erkennen  unmittelbar  nur  die  Wirkungen  der  Substanzen, 
nicht  diese  selbst.  Es  gibt  aber  außer  den  körperlichen  auch  geistige  Sub- 
stanzen (Seelen,  Naturgeister),  an  deren  Spitze  Gott  steht.  Die  Materie  besteht 
nicht  ohne  Kräfte,  ist  uns  nur  in  diesen  gegeben.  Der  Wille  ist  ein  verstandes- 
mäßiges Streben  und  ist  psychologisch  determiniert. 

In  seiner  praktischen  Philosophie  ist  Th.  von  Grotius,  Pufendorf  u.  a.  be- 
einflußt. Die  Jurisprudenz  ist  von  der  Theologie  unabhängig  zu  gestalten,  auch 
Recht  und  Moral  sind  unterschieden.  Das  Endziel  des  menschlichen  Handelns 
ist  die  Glückseligkeit,  der  auch  die  Ethik  dient.  Das  Prinzip  der  Sittlichkeit 
'des  „honestum")  besteht  in  der  Forderung:  Tue  dir  selbst  das,  wovon  du 
wünscht,  daß  andere  es  sich  selbst  tun,  weil  du  es  an  ihnen  löblich  findest.   Dazu 


THOMA-ir-   —  THOE&  B. 


kommen  das  Prinzip  der  Gerechtigkeit  (des  „iustunr')  und  das  der  Anständigkeit 
(des  „decorum")  als  Postulate  des  Naturrechts  und  der  Politik.  Das  Recht  Lei 
teils  Naturrecht,  teils  positives  Recht.    Ersteres  entspringt  (nach  der  früheren 

Anschauung  des   Th.)   aus   Gottes  Willen   („legum  omnium    foi 

divina");   es   ist   unveränderlich,  wie  der  Geselligkeitstrieb  des  Menschen,  dem 

es   dient.     Das   Recht  ist  eine  Bedingung  des  sozialen  Lebens  und  der  Glück- 
seligkeit  des  Menschen.  Das  Xaturrecht  hat  Gott  dem  Menschen  ine  Herz 
-'  hrieben ;  es  ist  bedürfnisgemäß  und  es  ist  durch  die  Vernunft  zu  finden.    1 
Staat  hat  bloß  Recht  und  Frieden  zu  wahren,  nicht  aber  das  Gewissen  zu 
Vormunden. 

Schriften:  In6titutiones  iurisprudentiae,  1688.  —  lntroductio  ad  philosophiam 
aulicam ,  1688,  1702.  —  Einleit.  zur  Vernunftlehre,  1691.  —  Einleit.  in  die  Sitten- 
lehre, 1692.  —  Historie  der  Weisheit  und  Torheit,  1693.  —  Ausübung  der  Sittenlehre, 
1696.  —  Versuch  vom  Wesen  des  menschlichen  Geistes,  1699.  —  lntroductio  in  philos. 
rationalem,  1701.  —  Ausübung  der  Vernunftlehre,  1710.  —  Fundamenta  iuris  naturae  et 
gentium  ex  sensu  communi  dedueta,  1705.  —  Kleine  deutsche  Schriften,  1894.  —  Vgl. 
FÜLLEBORN,  Beiträge  zur  Gesch.  d.  Philos.,  1791  —  99,  IV.  —  LUDEN,  Chr.  Th..  1- 
—  XlCOLADONl,  Chr.  Th.,   1888.   —   R.    KaySEB,  Chr.   Th.   u.   der  Pietismus,    19' 

I liomawins.  Jacob,  Vater  von  ehr.  Th.,  geb.  1622  in  Leipzig,  Professor 

und  Rektor  daselbst,  gest.  1684.    Zu  seinen  Schulen)  gehörte  Leibniz. 

Schriften:  Schediasma  historicum,  1665;  2.  A.  :  Origines  historiae  philosophiae 
et  ecclestiaticae ,  hrsg.  1699.  —  Exercitatio  de  Stoica  mundi  exustionc,  1072.  —  De 
doctoribus  scholasticis,   1676.  —   Erotemata  metaphysica,  hrsg.   IT 

Thomson,  Sir  William  (Lord  Kelvin),  geb.  1824,  Beil  L846  Prof.  der  Physik 
in  Glasgow,  gest.  1907.  =  Nach  Th.  besteht  die  Materie  ans  „Wirbelatomen4'. 

Schriften:  Populäre  Vorträge  und  Keden,  2.  A.  1891.  —  Treatise  ob  Natural 
Philos.   [mit  Tait),   1890  tf.,  u.  a.  (Lehre  von  der  Entropie). 

Tliorilri,  Thomas,  geb.  1759  in  Kongelf  (Schwedt  -  6,  all  Prol  der 

schwedischen  Literatur  und  Sprache  in  GretiswalcL  =  Von  i:  iseau,  Berder 
u.  a.  beeintlulit,  vertritt  Th.  einen  ästhetischen,  hylosoistischen  Pantheismus. 

Schriften:  Maximum  sive  Archimetria,    1799.  —  llarmonien,   17'.' I.   u.  a.   —    \ 
(  .II.U.K,  Th.,   1820. 

I  Ikm^<  li.  Berthold,  geb.  L862  in  Prag,  Advokat  in  Wien.     -  Nach  T. 

jede   Fra^e    nach    dem    Wesen   des    All-,  des   Beins,    nach  .-in, •in    An   -ich   nun. 

onbeantwortbar.    Alles  besteht    an-   Beziehungen   von    Elementen,  die  nur 
Glieder  dieser  Beziehungen  das   sind,  «ras  sie  sind.     Ds     P      bische  ist  eine 
den   übrigen  Vi  o  koordinierte,  eben-.»  real«-  Gruppe  von  Punktionen,  ein 

Teil  des  All-.  Das  [ch  i-t  ein  \,>n  der  taflenwelt  sich  tmterscheidender Kom- 
plex von  Beziehnngen.  [ndividnum  and  Gesellschaft  stehen  einander  nicht  als 
absolute   Einheiten  »ndern  sind    Komplexe  verschiedenen  Reich- 

tum-  der  Variation,  verschiedenen  Reichtums  des  Austausches,  verschiedener 
Einheit  der    Ausgleichungsvorj  [ndividnum    and    Gesellschaft   sind   nur 

beständig    «rechselnde,   sich  verändernd,-    „proportionale    Beziehungen". 

Einzelne  ist  ein  solches  nur  im  "\  b  um  Ariderem,  das  als   susam 

lieint.      I ),  :    i         atkomplex    i-t  n    „Vielt  VerhAltnuM 


75S  THORSCH  —  TlBERGHIEN 


zwischen  Einzelnen  und  Gemeinschaf t".  Jede  Gemeinschaft  ist  Gemeinschaft 
nur  in  Beziehung  auf  bestimmte  Elemente,  niemals  an  sich.  Alles  ist  Gemein- 
schaftswesen und  Einzelwesen  zugleich. 

Schriften:  Der  Einzelne  und  die  Gesellschaft,  2.  A.   1907. 

Thraiidoi  ff.  Karl  Friedrich  Eusebius,  geb.  1783  in  Berlin,  seit  1813 
Gymnasialprofessor  daselbst  (bis  1839),  gest.  1863. 

T.,  ein  Gegner  Hegels,  steht  auf  dem  Standpunkte  eines  christlichen  Theis- 
mus und  Supranaturalismus,  der  den  Gegensatz  von  Glauben  und  Wissen  über- 
winden will,  der  nur  ein  künstlicher  ist.  Die  übernatürliche,  göttliche  Einheit 
haben  wir  unmittelbar  durch  ihre  Offenbarung  als  Objekt  eines  ursprünglichen 
Bewußtseins.  Das  Gottesbewußtsein  ist  nicht  durch  die  Vernunft  bedingt, 
sondern  es  ist  die  Vernunft  umgekehrt  erst  durch  die  Erhebung  des  Menschen 
zum  Gottesbewußtsein  möglich,  als  „Vernehmen  des  Übernatürlichen",  welches 
den  ersten  Menschen  zuteil  ward.  —  In  seiner  Ästhetik,  auf  deren  Bedeutung 
E.  v.  Hartmann  aufmerksam  machte,  bestimmt  Th.  das  Schöne  als  das  Er- 
scheinen der  Form  des  Universums  in  einem  Bilde,  als  die  sich  selbst  er- 
fassende Liebe. 

Schriften:  Lehre  von  der  Weltanschauung  und  Kunst,  1827.  —  Wie  kann  der 
Supranaturalismus  sein  Recht  gegen  Hegel  behaupten?  1840.  —  Schelling  und  Hegel, 
1842.  —  Der  welthistor.  Zweifel,  1852.  —  Der  Mensch,  das  Ebenbild  des  dreieinigen 
Gottes,  1853.  —  Der  Teufel  kein  dogmatisches  Hirngespinst,  1853.  —  Theos,  nicht 
Kosmos,  1859;  2.  A.  1860.  —  33  Artikel  gegen  den  Grundirrtum  der  Zeit,  1858.  —  Was 
ist  Wahrheit?  1863,  u.  a.  (zum  Teil  ungedruckt).  —  Vgl.  E.  V.  HARTMANN,  Die 
deutsche  Ästhetik  seit  Kant,  und  Philos.  Monatshefte,  1886.  —  R.  O.  ANHUTH  (An- 
hänger Th.s),  Das  wahnsinnige  Bewußtsein  u.  die  unbewußte  Vorstellung,  1877.  — 
J.  V.  BlLLEWICZ,  Philos.  Monatshefte,  1886.  —  NoACK,  Philos.-gesch.  Lexikon, 
S.  888  f. 

Tlirasyllos  aus  Mendes  (Unterägypten),  Platoniker,  gest.  36  nach  Chr. 
in  Born.  =  Th.  teilte  die  Platonischen  Dialoge  in  neun  Tetralogien. 

Ttirasymachos,  Zeitgenosse  des  Sokrates,  Sophist.  =  Th.  betrachtet 
(nach  Plato,  Rep.  344  c)  das  Recht  als  das  dem  Stärkeren  Nützliche  (rö  ös- 
xaiov  ovx  aXlo  xi  rj    zö  zov  xQsirrovog  ^vfxcpEQov). 

Thiimmig,  Ludwig  Philipp,  geb.  1697  in  Culmbach,  Prof.  in  Halle,  mußte 
mit  Chr.  Wolff  Halle  verlassen,  lehrte  dann  in  Cassel  am  Collegium  Carolinum, 
gest.  1728.  =  Treuer  Anhänger  Wolffs. 

Schriften:  De  immortalitate  animae,  1721.  —  Institutiones  philosophiae  Wolffi- 
anae,  1721  —  26.  —  Meletemata  varii  et  rarioris  argumenti,   1727. 

Thnrot,  Francois,  geb.  1768  in  Issoudun,  seit  1811  Prof.  in  Paris,  gest. 
daselbst  1832.  =  Psychologisch-empirischer  Standpunkt. 
Schriften:  De  l'entendement  et  de  la  raison,  1830,  u.  a. 

Tibers  hien,  Guillaume,  geb.  1819,  Prof.  in  Brüssel,  gest.  1901.  =  An- 
hänger Chr.  Krauses. 

Schriften:  Theoriede  l'infini  1846.  —  Etudes  aur  la  religion,  1857.  —  Psycho- 
logie, 1862;  3.  ed.  1879.  —  Introduction  ä  la  philos.,  1868;  2.  ed.  1880.  —  Les 
commandements  de  l'humanit6,  1872,   u.  a.  —  Vgl.  ROUSSAUX,  Rev.  Neoscolast.,  1902. 


TlEDEMAXX    —   Tl>! 


Tiedeniann,  Dietrich,  geb.  1748  in  Bremervörde,  seil  1786  l'rof.  in 
Harburg,  trest.  daselbst  1803. 

T.  ist  besonders  von  Locke  und  Leibniz  beeinflußt.   Mit  it^t 

er   die  Existenz  angeborener  Ideen   und    leitet  er   die  ErkenntnH   mm  fcuii 

und   innerer   Erfahrung  ab;   mit    letzterem   sieht    er   im    Vorstellen  I       ud- 

funktion  der  Seele.    Diese,  die  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung  steht,  ist  i 
gedehnt   und  solid,  dennoch  aber  unkörperlich  und  unsterblich.     Kants  Kriti- 
zismus findet  T.  zu  dogmatisch. 

Schriften:  Versuch  einer  Erklärung  des  Ursprungs  der  Sprache,  1772.  —  Svstem 
der  Stoischen  Philosophie,  1776.  —  Untersuchungen  über  den  Menschen,  1777—7- 
(Hauptwerk).  —  Theaetet  oder  über  das  menschliche  Wissen,  1794  (gegen  Kant).  — 
Idealistische  Briefe,  1798.  —  Handbuch  der  Psychologie,  hrsg.  1 804.  —  Griechenlands 
erste  Philosophie,  1780.  —  Hermes  Trismegistos  Poemander,  1781.  —  Geist  der  speku- 
lativen Philosophie  von  Thaies  bis  Berkeley,  6  Bde.,  1791—97.  —  Vgl.  JAKOBSKÖTTBB, 
Die  Psychologie  D.  T.s,   1898. 

Tieftrunk,  Johann   Heinrich,  geb.   1760    in  St  ;   Rostock,  Prof.  in 

Halle  (seit   1792),  gest.  1837.  =  Kantianer,  der  in  Beinen  letzten  Schriften  ant 
Reinigung  der  deutschen  Sprache  von   Fremdwörtern  u.  a.  Gewicht      -  B, 

statt  Vernnnft:  Kmporkraft,  statt  reflektieren  :  bewiesen  usw.)  und  Btch  oft  einer 
grotesken  Darstellungsweise  befleißigt     Die  Religion    beruht   auf  Offenbarui 
welche  aber  in  einem  praktischen  Bedürfnis  wurzelt 

Schriften:    Versuch    einer    Kritik    der    Religion    und    aller    religiösen    Dogmatik, 
1790.    —    Die  Religion  der  Mündigen,   1799 — 1800.  —   Briefe  über  das  I) 
Freiheit   und    Unsterblichkeit,    1791.    —    Philos.   Untersuch,  über  da«  Privatrecl.' 
—    Philos.    Unters,    über    das    örtentl.    Recht,    1799.  —  Ph.   l'nt.  über  die  Tugendlc 
1805.    —    Das    Weltall    nach    menschlicher    Ansicht    1,     18S1.     —      Denklehr«»    in     rein 
deutschem     Gewände,     1825  —  27,     u.    a.     —     Vgl.    (I.    Kii:i/.      Die    Religioniphiloi. 
J.  EL  T.s,   1907. 

Tiele,  Cornelius  Petrus,   geb.  1830,   Prot  in  Leiden,  gm  -.  =  Nach 

T.  ist  dee  Wesen  der  Religion  fromme  Anbetung  jeder  Art. 

Schriften  (deutsch):   Einleit.  in  dio  Bahfi— WJMCTtch , ,  IBM— 1901.  —  Oxwai 

der  Religionswissenschaft,   1904.    —    Kompendium    «lor   Religi 

Till«»,    Alexander,   geb.    1866   in    Lauenstein,  Generalsekretär  da    S 
Industrie  in  St  Johann-Saarbrücken.  =  EYolutwnfetfech-s«-l«.-kii«Mii»ti-«<-h«-! 
ikratischer  Standpunkt 

Schriften:     Von   Darwin   bis   Nietzsche,    1896.    —    NatiunaWziali*'  I     ». 

I  imnioM  i.  von  Lokroti  Loeri,  Unteritalien),  Pyth 
und  Plato  (vgl.  des  letzteren  D  Eine  ihm  -     rift 

ober  die  Welteeele  ist   penpla tonischen  Ursprung«    ed.  J.  de  Oeldei  — 

Grammatiker  ans  dem    I.  Jahrh.   n.  dir..    v. -i  t:t — .-r  «-in.     i 
nischer  Ausdrücke  (erschienen  1754,  lö 

I  Imoki -in« »-  :  Name  eines  Epikureers  und  eii       S  r.  Kynil 

Timoii  ron  Phltns,  der  Sillo^raph  -•  r  von  - 

..  um  '■■  hr.,  borte  in  M<  S  rhon,   !•!.•• 

<  halki-.  wo  er  um  325   v.  <  In.  Btarb. 


"60  TlMON   —   TlTTEL. 


T.  ist  ein  Pyrrhoneer,  also  ein  Skeptiker  der  alten  Schule.  Er  verspottet 
die  dogmatischen  Philosophen  und  nimmt  einen  praktischen  Standpunkt  ein,, 
indem  er  als  Bedingung  der  Glückseligkeit  rät,  wir  sollten  sehen,  wie  die  Dinge 
(für  uns)  sind,  wie  wir  uns  ihnen  gegenüber  zu  verhalten  haben  und  was  für  Gewinn 
daraus  erwächst  (tiqcöxov  [xev,  SjioTa  Tiscpvxe  xä  Jigdy/uaxa'  Sevxsqov  di,  xiva  %qrj 
tqÖtiov  fjfAäg  Jigbg  avxä  diaxsio&ai'  xsksvxaiov  de,  xi  jisgieoxai  xoTg  ovxcog  e'xovoiv). 
Weder  Wahrnehmung  noch  Meinung  sind  wahr  oder  falsch;  daher  ist  auf 
beide  kein  Verlaß  (fxtjxs  jzioxsveiv  avxoTg  delv).  Wir  sollen  nichts  entscheiden 
{(.itjdev  oQi£etv),  uns  der  Aussage  über  das  Sein  enthalten  (acpaoia,  aQQeyla,, 
exoxtf);  denn  Sinne  und  Verstand  täuschen.  Nichts  ist  sicherer  (ovöev  fxäUov) 
als  sein  Gegenteil,  welches  ebenso  verteidigt  werden  kann  (laoo-deveia  xwv  Xöycov), 
also  schließlich  auch  das  Gegenteil  des  Skeptizismus.  Das  Scheinen  aber  ist 
nicht  zu  bezweifeln,  nur  das  Sein  (xo  [xelt  öxi  iaxl  yXvxv  ov  xifirj/ui  xo  ö'oxt 
(palvexai  6/zoXoycö).  Der  Urteilsenthaltung  folgt  wie  ein  Schatten  die  Gemüts- 
ruhe (äxaga^ia).  In  praktisch-sittlicher  Beziehung  hält  sich  der  Skeptiker  an 
das  Bedürfnisgemäße,  bzw.  an  die  Sitte. 

Schriften:  SiXXoc,  3  Bücher  (Fragmente  bei  Diog.  Laert.  IX  und  Sextus  Em- 
piricus)  u.  a.  —  Ygl.  DlELS,  Poetarum  philosophorum  fragmenta,  1901. 

Tindal«  Matthews,  geb.  1656  in  Beer-Ferri,  wurde  1685  Doktor  der 
Eechte,  gest.  1733. 

T.  ist  einer  der  Hauptvertreter  des  englischen  Deismus.  Die  natürliche 
Vernunftreligion  war  von  Anfang  an  vollkommen,  die  Offenbarung  hat  nichts 
an  ihr  geändert.  In  diesem  Sinne  ist  das  Christentum  so  alt  wie  die  Schöpfung 
des  Menschen.  Die  Gesetze  Gottes  haben  alle  das  Wohl  der  Geschöpfe  zum 
Ziele.  Gewissensfreiheit  ist  nicht  nur  zulässig,  sondern  geradezu  zur  rechten 
Einsicht  in  die  christliche  Religion  notwendig.  Aberglauben  ist  ebenso  zu  ver- 
meiden wie  Atheismus. 

Schriften:  Christianity  as  old  as  the  creation,  1730;  4.  ed.  1733;  deutsch 
(Beweis,  daß  das  Christentum  so  alt  ist  als  die  Welt),  1741.  —  Gegen  T.  schrieb- 
R.  BENTLEY,  (Phileleutherus  Lipsiensis,   1710). 

Tissot,  Claude  Joseph,  geb.  1801  in  Fourg,  Prof.  in  Dijon,  gest.  187t> 
daselbst.  =  „Amnestischer'  Standpunkt  (vgl.  G.  E.  Stahl  u.  a). 

Schriften:  Du  beau,  particulierement  en  litterature,  1830.  —  Ethique  ou  De  la 
fecience  des  mceurs,  1840.  —  L'animisme,  1865.  —  Introduction  philosophiques  ä  l'etud& 
du  droit  penal  et  de  la  reforme  penitentiaire,  1874.  —  Theodore  Jouffroy,  1875.  — 
Psychologie  comparee,  1878.  —  Pascal,  1869,  u.  a.  Übersetzer  Kants. 

Titchener,  Edward  Bradford,  amerikanischer  Psycholog,  experimentelle 
Richtung  (von  Wundt  beeinflußt). 

Schriften:  An  Outline  of  Psychology,  2.  ed.  1897.  —  Experimental  Psychol.,. 
1901—05.  —  A  Text-book  of  Psychol.,  1909  f.  —  Elementary  Psychol.  of  Feeling  and 
Attention,  1908.  —  Exper.  Psychol.  of  the  Thought  process,  1909.  —  Lehrbuch  der 
Psychologie,  deutsch  von  O.  Klemm,  1910,  u.  a. 

Tittel,  G.  A.,  1739-1816.  =  Eklektiker,  zum  Teil  Gegner  Kants. 

hriftcn:  Erläuterungen    der  theoret.  u.  praktisch.    Philos.,    1783 — 86.  —  Uber 
Kants  Moralreform,  1786.  —  Kantische  Denkformen  oder  Kategorien,  1787. 


Tobias  —  Tolam». 


Tobias,  Wilhelm,  geb.  1835  in  Königsberg.  =  Kantianer.  Die  Philo- 
sophie unterscheidet  sich  von  den  Einzel  Wissenschaften  dadurch,  dafl  ne  auf 
das  Psychische,  Subjektive  zurückgeht. 

Schriften:  Grenzen  der  Philosophie,  1875. 

Tocco,    Feiice,  geb.   1845   in  Catanzaro,    Prof.  in    Florenz.    =  Anhai  \ 

Kants. 

Schriften:    Lezioni    di    filosofia,    1869.    —   Pensieri    sulla    storia    della  I 
1877.    —     Picherche    platoniche,    1876.    —    Studi    Kantiani,    1880 — 81.    —    Lo    opore 
latine  di  G.  Bruno   eposte  e  confrontate  con  le  italiane,  1889.  —  Kant,  1899,  u. 
auch  die  „Kantstudien"). 

Toeohe-JIittler,  Theodor,  geb.  1837  in  Berlin,  lebt  dasei 
Schriften:    Sammlungen     von    Denksprüchen,     1894 — 1907    (111.    =    Stimmungs- 
uedanken  über  Kaum  und  Zeit.   1907),  u.  a. 

Tofail  s.  Abubacer. 

Toland,John,  geb.  1670 in  Redcastle  in  Irland,  trat  1(1^7  aus  der  katholischen 
Kirche  aus,  studierte  in  Glasgow  und  Edinburg,  dann  in  Leiden,  gab  l«'»'.)»;  die 
Schrift  „Christianity  not  mysterious"  heraus,  die  ihm  viele  Anfeindungen 
zutrug  (die  Schrift  wurde  von  Staats  wegen  verbrannt).  1701  verweilt. ■  T.  in 
Hannover,  dann,  1701  —  1702,  in  Berlin,  wo  ihm  die  Königen  Sophie  Charlotu 
freundlich  begegnete,  der  er  1701  seine  „Letten  t<>  Serena"  widmete.  17 
reiste  T.  nach  Deutschland  und  Holland.  Zuletzt  wohnte  er  in  Putney  bei 
London,  wo  er  1722  starb. 

T.,  der  von  Locke  u.  a.  beeinflußt  i>t.  i-t  der  bedeutendste  englische  Deist 
und  Freidenker  („Freethinker'i.  In  Beiner  ersten  Schrift  betont  er,  das 
Christentum  enthalte  weder  etwas  Widervernünftiges,  noch  auch  etwas  Ubi 
vernünftiges,  Unbegreifliches;  die  christlichen  Mysterien  Bind  nur  als  Symbole 
aufzufassen,  die  von  den  Kirchenväter]]  zu  etwa-  Geheimnisvollen  gemacht 
wurden.  Spater  wendet  sich  T.,  nicht  ohne  Beeinflussung  durch  Spinoza,  an 
dem  er  aber  Verschiedenes  aussetzt,  einer  Art  Pantheismus  zu  (er  Belbsl 

hnet    -ich  zuerst   als  „Pantheisten"),    Gott    i-t  die  All-Einheit,   au-  der  die 
Dingestammen;   er  i-t    ewig,    unendlich,  in   den  Dingen,   als   da-   Leben  d 
Alls,   wirksam.     Nirgends   gibt    es   absolute   Buhe,   sondern  die   B  i-t 

da-  Wesen  der   .Materie      Bewegung,    Kraft,   Materie   sind    nur   Betrachtung 
weisen  derselben  Substanz.     Die  Größe  der  Bewegung  im  All  i-t  konstant     l 
wirksame,  tätige  Materie  i-t  durch  ihre  Bewegung  die  Ursache  des  Lebens  und 
«le-  Bewußtseins,    welches  aber   nur  an  Gehirnprozesse  sich  knüpft,  Dicht  auch 
an  die  anorganische  Bewegung    gegen  Spinoza  .     In  der  Schrift  „Pantheisticon" 

-teilt   T.    die  Grundzüge  einer  Zukunftsreligion    mit   dem    Kuhn-  der   Wahrheit. 

Freiheit    und    Gesundheit    dar    (Kultus    der    „pantheistischen    Brüda  I 

Schriften  waren  von  bedeutendem  Einflüsse  aui  die  Aufklinu 
Schriften:  Chrisuaaitj  not  myi  >6.         1 

17h4.     —     Nazamiux,     171b.     —     Tai  u.     a.  V 

d.   BEBTHOLD,  J.  T.  b.  <l    Honinoiu  der  Gegenwart,  i 


762  Tolstoj  —  TÖNNIES. 


Tolstoj*     Graf    Lew    Nikolajewitsch,     geb.    1828    in    Jasnaja    Poljana, 

gest.  1910/ 

T.,  der  (besonders  für  Rußland)  eine  große  kulturelle  Bedeutung  hat,  ist  als 
Denker  von  Schopenhauer  und  Rousseau  beeinflußt  und  steht  in  seinen  aske- 
tischen, aller  äußeren  Kultur  abgewandten  Tendenz  dem  Urchristentum 
nahe,  dessen  Forderungen  er  gegenüber  der  orthodoxen  Kirche  und  dem 
Staate  (Gegen  den  Militärdienst,  Steuerleistung  usw.)  rücksichtslos  vertreten 
hat.  Die  Zivilisation  ist  von  Übel,  bringt  nur  Elend.  Zurück  zur  Natur,  zur 
einfachen  bäurischen  Lebensweise  und  Arbeit,  weg  mit  allen  Genüssen  der  Kultur, 
mit  allem  Gesetzeszwange,  mit  dem  Staat  usw.  Aber  der  „Anarchismus"  darf 
nicht  mit  Gewalt  durchgeführt  werden,  nur  eine  Art  passive  Resistenz  ist  zu 
üben,  sonst  aber  widerstehe  man  nicht  dem  Übel.  Die  wahre  Religion,  das 
echte  Christentum  ist  innerlicher,  das  ganze  Leben  erfüllender  Gottesglaube,  Ver- 
trauen zu  Gott,  der  in  uns  wohnt  und  unser  Heil  verbürgt.  „Die  wahre 
Religion  ist  eine  solche,  welche  im  Einklang  mit  der  Vernunft  und  mit  dem 
Wissen  des  Menschen  für  ihn  eine  Beziehung  mit  dem  ihn  umgebenden  Leben 
feststellt,  die  sein  Leben  mit  dieser  Unendlichkeit  verbindet  und  seine  Wirk- 
samkeit lenkt."  Das  christliche  Ideal  ist  die  Liebe  zu  Gott  und  zum  Nächsten, 
die  Verleugnung  des  Selbst  im  Dienste  Gottes  und  des  Nächsten,  die  Her- 
stellung des  Reiches  Gottes  auf  Erden.  Enthaltsamkeit  vom  Geschlechtlichen 
ist  möglichst  anzustreben.  Sollte  auch  infolgedessen  die  Menschheit  als  tierische 
Spezies  untergehen,  so  ist  dies  nur  wünschenswert,  wenn  nur  das  wahre  Leben 
nicht  aufhört,  das  Leben  der  in  Gott  geeinten  Wesen. 

Schriften:  Meine  Beichte;  Mein  Glaube;  Die  sexuelle  Frage;  Über  den  Sinn 
des  Lebens;  Die  Kreutzersonate ;  Kritik  der  dogmatischen  Theologie;  Über  die  Kunst; 
Was  ist  Kunst?  Muß  es  denn  so  sein  ?  Was  sollen  wir  also  tun  ?  Christliche  Lehre ;  Über  Gott  und 
Christentum;  Vernunft,  Glaube,  Gebet;  Zur  Arbeiterfrage;  Kurze  Auslegung  des  Evange- 
liums u.  a.  —  Gesammelte  Werke,  1891  ff.  —  Vgl.  OSSIP-LOURIE,  La  philos.  de  T., 
1899;  3.  *d.  1908;  PensSes  de  T.,  2.  ed.  1902;  Nouvelles  pensSes  de  T.,  1903.  — 
W.  BODE,  Die  Lehren  T.s,  1900.  —  E.  L.  AXELROD,  T.s  Weltanschauung,  1902.  — 
R.  ANTON,  T.s  soziale  Anschauungen,  1905.  —  STAUB,  T.s  Leben  u.  Werke. 

Toletus,  Franciscus,  geb.  1532  in  Cordova,  Jesuit,  lehrte  in  Rom  Philo- 
sophie, gest.  daselbst  1593.  =  Scholastiker. 

Schriften:  Introductio  in  Logicam,  1575.  —  Kommentare  zu  Schriften  des 
Aristoteles,  1573,  1576,   1579. 

Tttniiles,  Ferdinand,  geb.  1855  in  Hof  Rieg,  Kirchspiel  Oldenswort, 
Prof.  in  Kiel. 

T.  vertritt  einen  (von  Schopenhauer  beeinflußten)  kritischen  Voluntarismus 
(der  Ausdruck  stammt  von  T.,  Viertel] ahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  1883). 
Der  Wille  ist  das  Treibende  im  Psychischen,  auch  im  Denken.  Der  organische 
„Wesenwille"  ist  das  „psychische  Äquivalent  des  menschlichen  Leibes"  (Iden- 
titätsstandpunkt), das  „Prinzip  der  Einheit  des  Lebens".  „Alle  spezifisch 
menschlichen,  also  die  bewußten  und  gewöhnlich  willkürlich  genannten  Tätig- 
keiten sind  abzuleiten,  sofern  sie  dem  Wesenwillen  angehören,  aus  den  Eigen- 
schaften  desselben   und   aus  seinem  jedesmaligen  Erregungszustande."      Unter 


TÖHHIE8.  763 

sozialem  Willen  versteht  T.  den  für  eine  Mehrheit  von  Menschen  gültigen,  d.  h. 
ihren  Individual- Willen   in   gleichem  Sinne  bestimmenden  Willen,   insofern  als 
sie  selber  als  Subjekte  dieses  ihnen  gemeinsamen  und  sie  verbindenden  Will 
gedacht    werden.     Die   ursprüngliche   Anlage  des  Menschen  ist  sein  „Urwille'- 
(als  Wille  zum  Leben,  zur  Nahrung,  zur  Fortpflanzung).     Die  Empfindung 
die  subjektive  Seite   der  Bewegung.     Der  Organismus   selbst  ist  „ein  Komplex 
von  in  sich  einigen  Willen".     Wille  und  Körper  sind  also  identisch;    die  Seele 
wirkt  nicht  auf  den  Körper,  sondern  es  wirkt  „ideeller  Wille  auf  realen  Willen--. 
Durch   Erfahrung   entstandener  aktiver  Wille  als  Prinzip  des  Könnens  ist  I 
wohnheit;   in   ihr,   wie  im  Gestalten  (in  der   angeborenen  Lust   zu  etwas )  und 
im  Gedächtnis   (in  der  „Fähigkeit,  zweckmäßige  Tätigkeiten  zu    wiederhol» 
äußert   sich   der   Wesenwille.     Alles   Leben   und  Willen    ist    „Selbstbejahung-. 
Einerseits  ist  im  Willen  ein  Denken,  anderseits  im  Denken  der  Wille  enthalten 
(..Wesenwille"  —  „Willkür"). 

Auf  diese  Unterscheidung  von  organischen  „Wesen willen"  und  mechanischer 
„Willkür"    (in    Bedacht,    Belieben,    Begriff    oder    Bewußtheit    zum   Ausdruck 
kommend)  gründet  T.  seine  Sozialphilosophie  (beeinflußt  von  Comte,  Spem 
Marx,  Maine,  Gierke,  Schäffle  u.  a.),  seine  Unterscheidung  von  „Gemeinschaft 
und  „Gesellschaft".     Die  Grundlage  der  Gemeinschaft  bildet  der  natürlich--, 
organische  Wesenwille,  in  dem  die  Gefühle  überwiegen  und  ein  „Grundzweck-- 
herrscht.    Die  Gemeinschaft  ist  eine  ursprüngliche,  innere  Einheit,  ein  dauerndes 
und    echtes  Zusammenleben,    ein    „lebendiger  Organismus".     Dieser    urspri: 
liehe,   natürliche   Zustand  erhält  sich  trotz  der  Trennung  und  durch  diese  hin- 
durch.    „Gemeinschaftliches  Leben  ist  gegenseitiger  Besitz  und  Genuß  und 
ist  Besitz  und  Genuß  gemeinsamer  Güter."     Die  allgemeine  Wune]  d; 
Verhältnisses  ist  der  Zusammenhang  des  vegetativen  Lebens  durch  die  Geburt. 
Die  Gemeinschaft  des  Blutes  entwickelt   und  besondert  sich  zur  Gemeinschaft 
des  Ortes,  diese  zur  Gemeinschaft  des  Geistes  (Verwandtschaft,  Nachbarschaft, 
Freundschaft).     Gegenseitig-gemeinsame,    verbindende    Gesinnung    als    ein.. 
Wille   der   Gemeinschaft   ist   das    Verständnis.     Recht   der  Gemeinschaft    i-t 
alles,    was    dem  Sinne    eines   gemeinschaftlichen  Verhält]  em&fl  i-t.     Die 

Gemeinschaft,   in  welcher  der  kommunistische  Zustand  herrscht,  nimmt  ftui 
lieh  die  Formen  von  Haus,  Dorf,  Gau,  Land  an  (Familie,  Geschlecht,  Btamm, 
Volk). 

Die  „Willkür-,   als  künstliches  (iebilde  des  Denkens,   mit   der   Herrschaft 
von  gedanklich  erfaßten,  vorgefaßten  Zw  ecken  (und  ,yEndzweek<f),  liegt  der  G 
Seilschaft  zugrunde,   welche  im  Laufe  der  Geschichte  die  Gemeinschaft  n 
drangt  und  in  der  Großstadt,  im  Staat  usw.  cum  Ausdruck  gelangt    Sie  ist  »-in 
mechanischer,  individualistischer  T\ pus,  i dne  ideelle  Bildung,  ein  „mefihmnfai  I 
Aggregat  und  Artefakt".     Die  Gej  zwischen  Gemeinschaft  und  äußerlich 

durch  Interessen  und  Zwecke  rerbundei  Ischafl  durchziehen  das  ganze  soziale 

Leben.  E>  bietet  rieh  dar  „d<  i  naats  einer  Ordnung  des  Zusammenlebens, 
welche  insofern  als  aui  Übereinstimmung  der  Willen,  wesentlich  auf  Eintracht 
beruht  und.  durch  Bitte  und  Religion  znsgebÜdet,  reredelt  wird;  gegen  eine 
Ordnung   des  Zusammenlebens,   welche   insofern   als  aui   zusammentreffenden, 


70-4  Tönnies  —  Trendelenburg. 

vereinigten  Willküren,  auf  Konvention  gegründet  ist,  durch  politische  Gesetz- 
gebung ihre  Sicherung  und  durch  öffentliche  Meinung  ihre  ideelle  und  bewußte 
Erklärung,  Rechtfertigung  empfängt".  In  der  Gesellschaft  herrschen  Egoismus, 
Spannung,  Abgrenzung,  Ausschließung,  Kontrakt,  Profitsucht,  Privateigentum, 
Obligationsrecht,  Ausbeutung  u.  dgl.  und  sie  wird  pathologisch,  wenn  der  Rest  des 
Gemeinschaftslebens  zu  schwinden  droht.  Der  Gang  der  Geschichte  ist,  daß  die  ver- 
gangene Konstitution  der  Kultur  kommunistisch  war,  die  aktuelle  und  werdende 
sozialistisch  ist.  Individualismus  gibt  es  in  der  Geschichte  nur  als  Aus- 
fluß der  Gemeinschaft  und  durch  sie  bedingt  oder  als  Gesellschaft  hervor- 
bringend und  tragend.  Die  Geschichte  ist  Wissenschaft,  sofern  sie  die 
„Lebensgesetze  der  Menschheit"  entdeckt. 

Alle  Wissenschaft  ist  nach  T.  rationalistisch  und  empiristisch  zugleich.  Das 
wissen  schaftliche  Denken  will  Gleichheit  zum  Behuf  e  von  Messungen,  auch 
Ersparung  von  Gedankenarbeit.  Der  Geist  wird  aus  seinen  Keimen  und  ist 
mit  bestimmten  Anlagen  als  Kräften  und  Tendenzen  ausgestaltet;  sein  „innerer 
Gesamtzustand"  ist  das  absolute  A  priori  des  Erkennens. 

Schriften:  Gemeinschaft  und  Gesellschaft,  1887  (Hauptwerk);  2.  A.  1905.  — 
Hobbes'  Elements  of  law,  1889;  Hobbes'  Behemoth,  1889.  —  Ethische  Kultur  und  ihr 
Geleite,  1892.  —  Hobbes  Leben  u.  Lehre,  1896.  —  L'eVolution  sociale  en  Allemagne, 
1896,  1902.   —  Nietzsche-Kultus,    1897.    —    Grundtatsachen  des  sozialen  Lebens,  1897. 

—  Politik  und  Moral,    1901.  —  Philos.  Terminologie  in  psychol.-soziolog.  Ansicht,   1906. 

—  Die  Entwicklung  der  sozialen  Frage,  1907.  —  Das  Wesen  der  Soziologie,  Neue 
Zeit-  und  Streitfragen,  1907.  —  Die  Entwicklung  der  Soziologie  in  Deutschland  im 
19.  Jahrh.,  1908.  —  Zur  Einleitung  in  die  Soziologie,  Zeitschrift  f.  Philos.  u.  philos. 
Kritik,   115.  Bd.,  1899,  u.  a. 

Traut»,  Gottfried,  geb.  1869  in  Rielingshausen,  Lizentiat  und  Pfarrer  in 
Dortmund.  =  Sozialethischer  Standpunkt. 

Schriften:    Materialien  zum  Verständnis  u.  zur  Kritik  d.  kathol.  Sozialismus,  1902. 

—  Ethik  und  Kapitalismus,  1904;  2.  A.  1909.  —  Die  Gemeinschaft  bildende  Kraft  der 
Eeligion,  1904.  —  Aus  suchender  Seele,  1906,  u.  a. 

Trendelenburg,  Friedrich  Adolf,  geb.  1802  in  Eutin,  1833  a.  o.,  1837 
o.  Prof.  in  Berlin,  gest.  daselbst  1872. 

T.,  der  sowohl  als  Lehrer  wie  als  Schriftsteller  einen  großen  Einfluß  be- 
sonders auf  die  philosophiegeschichtliche  Arbeit  geübt  hat,  erneuert  in  seiner 
„organischen"  Weltanschauung  den  Aristotelismus,  zugleich  von  Plato 
Kant,  Hegel,  Schleiermacher  u.  a.  beeinflußt. 

Die  Philosophie  hat  nach  T.  „aus  dem  Ganzen  der  menschlichen  Er- 
kenntnis die  Prinzipien  der  Wissenschaften  zu  erörtern".  Sie  soll  nicht  immer 
wieder  von  vorn  anfangen,  sondern  geschichtlich  die  Probleme  aufnehmen  und 
weiterführen,  wobei  sie  ihr  Prinzip  in  der  „organischen"  Weltanschauung  findet, 
welche  im  Einzelnen  das  Allgemeine  erkennt  und  alles  als  Glied  eines  Organismus 
der  Wissenschaften  bestimmt,  um  dann  in  die  Metaphysik,  die  Wissen - 
Schaft  vom  Seienden  als  solchen,  zu  münden.  Die  Logik  muß  sich  sowohl 
vor  dem  Formalismus  als  auch  vor  der  konstruktiven  Dialektik,  welche  in 
Wahrheit   Anleihen   bei  der  Erfahrung  machen  muß,   hüten    (gegen  das  „reine 


Trexdelexburg. 


Denken'*   Hegels).     Erkenntnistheoretisch   wieder  ist  der  Subjektivismus    Kai 
abzulehnen;  Kant  hat  in  seinen  Beweisen  für  die  Subjektivität  der  Anschauung 
formen    übersehen,   daß   sie  subjektiv  und  objektiv  zugleich  sein  können,  Beine 
Beweise  haben  eine  „Lücke"  (vgl.  hingegen  K.  Fischer;   vgl.  Vaihinger,   Kant- 
Kommentar). 

Xach  T.  sind  Denken  und  Sein  zwar  nicht  identisch,  aber  da-  Denken 
weist  auf  das  Sein  hin,  das  es  begreifen  soll,  und  die  logischen  Formen  gehen 
den  realen  parallel,  entsprechen  ihnen,  so  daß  die  logische  Einheit  ein  „Gegen- 
bild" des  realen  Ganzen  ist.  Denken  und  Sein  haben  ein  Gemeinsames,  die  (im 
Aristotelischen  Sinne  zu  verstehende,  nicht  bloß  örtliche)  Bewegung.  Die 
„konstruktive  Bewegung"  ist  zunächst  das  A  priori  im  Denken  und  An- 
schauen, die  Bedingung  aller  Erfahrung,  die  „ursprüngliche  Tat"  des  Denkens, 
welcher  die  Formen  der  Erkenntnis  (Raum,  Zeit,  Materie,  Form,  Figur,  Zahl. 
Größe)  entspringen.  In  der  Anschauung  tritt  das  Denken  durch  die  Bewegung 
aus  sich  heraus,  indem  es  die  Anschauungsformen  (Raum  und  Zeit)  konstruiert, 
welche,  weit  entfernt  der  Bewegung  voranzugehen,  durch  diese  bedingt  sind.  Raum 
und  Zeit  sind  subjektiv-apriorisch,  aber  zugleich  auch  objektiv,  weil  die  I'.  - 
wegung  sie  auch  außer  uns  erzeugt.  Es  gibt  kein  Denken  ohne  ein  gegen- 
überstehendes Sein,  an  dem  es  arbeitet  und  das  es  nachbildet.  So  sind  denn 
auch  die  Denkformen,  die  Kategorien  objektiv.  Sie  entspringen  subjektiv 
aus  der  Reflexion  auf  die  Formen  der  Denkbewegung,  die  Bchon  die  An- 
schauung durchsetzen.  Sie  sind  „ebenso  objektive  als  subjektive  Grundbegriffe". 
„Reale"  Kategorien  sind  die  Formen,  durch  welche  das  Denken  das  Wesen 
der  Dinge  erfaßt  (Kausalität,  Substanz,  Quantität,  Qualität,  Maß,  Einheit.  Inhären/. 
Wechselwirkung):  „modale"  Kategorien  sind  die  Grundbegriffe,  welche  ersl  im  Akt 
unseres  Erkennens  entstehen,  indem  sie  dessen  Beziehungen  und  Stufen  bezeichnen. 
Eine  „ideale"  Kategorie  ist  der  Zweck.  Auch  unterscheidet  T.  Kategorien  aus 
der  Bewegung  und  aus  dem  Zweck,  welcher  ein  Prinzip  des  Geschehens  ist  1 1 
Materie,  die  wir  als  Träger  des  Naturgeschehens  setzen  müssen,  aber  uur  durch 
ihre  Bewegung  und  in  ihrem  Wirken  verstehen,  ist  objektive  Erscheinung.  I1 
Bewegung  ist  es,  was  die  Form  der  Dinge  erzeugt.  Die  Kräfte  der  Natur  sind 
aber  keine  blind-mechanischen  Kräfte,  sondern  sie  haben  ihre  Richtung  durch 
den  in  der  Natur  sich  äußernden  Gedanken  (Ideal-Realismus).  Für  die 
organische  Weltanschauung  herrscht  in  der  Welt,  deren  Teile  Ol 
zweckmäßigen  Gedankens  sind,  der  Zweck,  der  die  Kräfte  durchdringt  D 
Bewegung  ist  das  Fundament  des  Beins,  der  Zweck  dessen  Prinzip,  welches  die 
Well  regiert.  Das  Ganze,  welches  der  Zweck  anstrebt,  Btehl  ron  Anfang  da, 
geht  den  Teilen  voran,  so  dafl  die  Zukunft  auf  die  Gegenwart  wirkt  H 
von  Beiten  der  wirkenden  Ursache  das  Nachfolgende  und  Hervorgebrachte  ist, 
ist   im   Zwecke   das    Vorhergehende    und    Hervorbringende,      l  ist 

als  [dee,    Denken,  Gedanke   vor   den    Teilen    und    wirkt   Zweckini 

weit    dej  Zweck     in    der   Well    wirklich    -.wurden,    [flt    der    Gedanke    als  (irnnd 

vorangegangen.     Die  Kraft  Bteht  im  Dienste  des  Zweckes,  wird  ron  ihm  durch- 
drungen.   Der  Zweck  ist  (in  den  Lebeoden  Wesen)  der  „Mittelpunkt  der   i 
keif,  er  treibt  <ron  innen  zur  Punktion,  rai  Entwicklung,  «  c  Zweelq 


766  Trend elenburg. 


danke  den  Widerstand  des  Stoffes  überwindet  und  niedere  Zwecke  Mittel  zu 
höheren  werden,  was  eine  Unterordnung,  ein  System  von  Zwecken  (Zweckreihen) 
ergibt.  Während  im  Anorganischen  das  Zweckgeschehen  nur  angebahnt  ist,, 
verwirklicht  es  sich  von  innen  aus,  sich  individualisierend,  konzentrierend,  kon- 
vergierend, strebend  in  den  Organismen  als  Prinzip  des  Lebens,  welches  ziel- 
strebig und  durch  den  Gedanken  des  Ganzen,  der  organischen  Einheit  bedingt 
ist,  und  ebenso  im  Psychischen.  Die  Seele  ist  der  innere  Zweck  des  Or- 
ganischen, dessen  Entelechie  (vgl.  Aristoteles),  der  sich  verwirklichende  Zweck- 
gedanke, der  höher  steht  als  die  Substanz,  in  der  er  sich  verkörpert.  Der 
Geist  selbst  verwirklicht  Zwecke  und  erkennt  daraus  auch  die  Zwecktätigkeit 
in  der  Natur,  den  Zweck  als  die  „inwohnende,  gestaltende  Seele  der  Dinge". 
Alle  Gesetzlichkeit  ist  schon  eine  Folge  des  Zweckes,  ist  durch  ihn,  bzw.  den 
Zweckgedanken  gesetzt.  Der  Zweck  gibt  den  Ursachen  ihre  Eichtung,  unter- 
wirft sich  alles  Geschehen  als  Mittel,  ist  das  Prinzip  der  Ordnung.  Der  Zweck 
vereinigt  Freiheit  und  Notwendigkeit.  Frei  ist  der  Wille,  der  gegenüber  den 
Begierden  nach  dem  Guten  zu  streben,  dieses  zum  Motiv  zu  heben,  siegreich 
den  menschlichen  Zweck  zu  verfolgen  vermag. 

Der  Zweck  ist  auch  das  Prinzip  der  Ethik.  Die  Sittlichkeit  besteht  in 
der  Erfüllung  des  menschlichen  Zweckes,  in  der  Kealisierung  des  wahren, 
geistigen  Wesens  des  Menschen,  der  Mensch  sein  kann,  weil  er  es  sein  soll. 
Der  Einzelne  und  die  Gemeinschaft  sind  gut,  wenn  sie  ihre  Idee  verwirk- 
lichen, das  ihnen  Gemäße  anstreben,  sich  geistig  immer  mehr  entfalten.  Die 
Idee  der  Gemeinschaft  ist  für  die  Ethik  wesentlich,  da  der  Einzelne  nur  in 
der  Gemeinschaft  sein  Wesen  zu  verwirklichen  vermag.  Das  Recht  bestimmt 
T.  als  den  „Inbegriff  derjenigen  allgemeinen  Bestimmungen  des  Handelns,  durch 
welche  es  geschieht,  daß  das  sittliche  Ganze  und  seine  Gliederung  sich  erhalten 
und  weiter  bilden  kann".  Es  gibt  ein  „schlechthin  Gerechtes",  das  über  aller 
Voraussetzung  steht,  und  von  dem  bedingt  Gerechten  zu  unterscheiden  ist.  Die 
Idee  des  Staates  ist  die  „Verwirklichung  des  universalen  Menschen  in  der 
individuellen  Form  des  Volkes".  Schön  ist  das  in  der  Anschauung  erfaßte 
Gedankenvolle,  das  unmittelbar  gefällt,  weil  es  unserem  Wesen  gemäß  ist. 

Seine  Grundlage  hat  der  Zweck  im  schöpferischen  Denken  Gottes,  der 
alles  zeitlos  sieht.  Gott  ist  das  Unbedingte,  Unendliche,  über  alle  Kategorien 
Erhabene,  der  gemeinsame  Urgrund  von  endlichem  Denken  und  Sein,  absolute 
Intelligenz,  dessen  Abbild  die  Welt  ist,  die  aus  dem  Zwecke  frei  geschaffen  ist,. 
Gott  ist  zugleich  Wille  und  Liebe,  absolute  Persönlichkeit. 

Von  T.  beeinflußt  sind  C.  Heyder,  Kym  u.  a.,  zum  Teil  auch 
A.  Lasson  u.  a. 

Schriften:    Piatonis    de   ideis    et   numeris    doctrina  ex  Aristotele  illustrata,  1826. 

—  De  Aristotelis  categoriis,   1833.  —  Elementa  logices  Aristoteleae,   1836;  9.   A.   1892. 

—  Erläuterungen  dazu,  1842;  3.  A.  1876.  —  Logische  Untersuchungen,  1840;  3.  A. 
1870  (Hauptwerk).  —  Die  logische  Frage  in  Hegels  System,  1843.  —  Die  sittliche  Idee 
des  Kechts,  1849.  —  Über  Herbarts  Metaphysik,  1853.  —  Histor.  Beiträge  zur  Philo- 
sophie, I.  Geschichte  der  Kategorienlehre  1846;  II— III,  1855-67  (Abhandlungen).  — 
Naturrecht    auf  dem  Grunde  der  Ethik,    1860;    2.  A.   1868.  —  Lücken  im  Völkerrecht, 


Tkexdelexburg  —  Tröltsch.  767 


1870.  —  Kleine  Schriften,  1871.  —  Vgl  BONITZ,  Zur  Erinnerung  an  T.,  1872.  — 
BratüSCHECK,  F.  A.  T.,  1873.  —  B.  LlEBERMAXX,  Der  Zweckbegriff  bei  T.,  1889. 
—  G.  BUCHHOLZ,  Die  ethischen  Grundgedanken  T.s,  1904.  —  K.  FlsCHER,  Anti- 
Trendelenburg,   1870. 

Trentowskl,  1808—1869,  Pole,  war  Privatdozent  in  Freibnrg  i.  B.  = 
Von  Hegel  beeinflußt. 

Schriften:  Grundlage  der  universellen  Philosophie,  1837  (deutsch)  u.  a. 
(1873—81). 

Tresehow,  Niels,  geb.  1751  in  Drammen  (Norwegen),  Professor  in  Kopen- 
hagen und  in  Christiania,  gest.  1833.  =  Von  Kant  und  besonders  von 
Schelling  beeinflußter  Vertreter  einer  Identitätslehre,  nach  welcher  Geist  und 
Körper  zwei  Betrachtungsweisen  eines  Identischen  (Parallelismus)  und  die 
Einzeldinge  Erscheinungen  des  Unendlichen,  Einen,  Absoluten,  Vollkommenen 
sind.  Das  Wesen  der  Dinge  ist  ihre  Idee.  Der  Mensch  ist  ein  EntwicklungB- 
produkt.  wobei  T.  schon  das  ,, biogenetische  Grundgesetz"  vorwegnimmt. 

Schriften:  Über  die  Kantsche  Philosophie,  1798;  deutsch  1798  —  99.  —  Elemente 
der  Geschichtsphilos.,  1871  (dänisch).  —  Moral,  1811  (dänisch).  —  über  die  mensch- 
liche Natur,  1812  (dän.).  —  Logik,  1813  (dän.).  —  Ein  philos.  Testament,  1831—32 
(dän.),  u.  a. 

Trilia  s.  Bernhard  von  T. 

Trine,  Ralph  Waldo,  geb.  1866  in  Mount-Morris,  amerikanisches  [dealist, 

von  Fichte  beeinflußt,  betont  die  Wirkung  des  Geistes,  des  Willens  und  der 
Gedanken  auf  die  Lebensgestaltung. 

Schriften:  Charakterbildung  durch  Gedankenkräfte,  1906.  —  Das  Größte,  was 
wir  kennen,  1906.  —  In  Harmonie  mit  d.  Unendlichen  1907.  —  Was  alle  Welt  sucht, 
1906,  u.  a. 

Trojan o.  Paolo  Raffaele,  geb.  1863  in  Avellino,  Prof.  in  Turin,  =  Ver- 
treter des  empiristisch-phänomenalistischen  Idealismus  nnd  einer  teleol 
Ethik  („Humanismus**). 

Schriften:  Ethica,  1897.  —  La  storia  come  scienza  sociale,  1898.  —  Ricerche 
siatematicbe  per  una  filosofia  del  costume,  1900  —  01.  —  La  filosofia  morale,  19c.'.  — 
Le  basi  del  humanismo,  u.  a. 

Troizkij,  M.,  geb.  1835,  Prof.  in  Moskau,  gest  1899.  =  Poeitmst 

Schriften  (russisch):   Über  die  deutsche  Psychologie,  2.  A.   1883.  —    Di«  Wim 
schaff  Tom  Geist,  1882.  —  Logik,   1885—88. 

Tröltsch,    Ernst,    geb.    1865    in    An  Prof.    der   Theologie    in 

Heidelberg. 

T.  ist  von  Kam  und  den  naehkanKch.ii  [dealisten  beeinflußt  1  ta  l 
Leben  ist  oach  ihm  psychologisch  und  kritisch,  eriosnntnistheoretisch  tu  be- 
trachten ( l»i tüi  ksichtigung  des  religiösen  A  priori)  und  seinem  rollen  Qehalte 
oach  zu  würdigen.  Auch  geechichtsphilosophisch  ist  die  Religion  in  onter- 
suchen.  Nur  in  den  historischen  Religionen  pulsiert  die  produktta  Krall  der 
Religion.  Das  Christentum,  irelches  [mmanem  und  Transsendeni  reretnigt 
and  Mythus  and  Symbol  in  trennen  weift,  m\  die  höchste  Religionsstufe,  In 
seiner    Auffassung   der  Geschichte   teigt  T.   mit   Backen   Verwandtschaft,  mit 


768  Tröltsch  —  Troxler. 


dem  er  die  Selbständigkeit  des  Geisteslebens  betont.  Das  Ziel  der  Geschichts- 
wissenschaft ist  das  Verständnis  der  großen  Kreise  menschlicher  Gesittung. 
Das  Wesentliche  ist  hier,  methodisch,  die  Darstellung  des  Individuellen  und 
Besonderen,  das  eine  „aus  den  transzendenten  Tiefen  der  Geschichte  auf- 
tauchende Neuschöpfung"  ist.  In  diesen  individuellen  Bildungen  treten  „Werte 
von  gemeinsamer  Grundrichtung"  auf,  wobei  aber  der  absolute,  wandellose 
Wert  im  Jenseits  der  Geschichte  liegt.  Gemeinsame  Zielrichtungen  geben  der 
historischen  Betrachtung  feste  Maßstäbe;  der  höchste  Maßstab  liegt  aber  in 
einem  transzendenten  Ziele.  „Überall  hebt  sich  der  übersinnliche  und  über- 
weltliche Zweckuntergrund  des  Lebens  an  das  Licht  und  eröffnet  den  Kampf 
gegen  das  bloß  vorgefundene  natürliche  Leben"  (vgl.  Eucken). 

Schriften:  Geschichte  und  Metaphysik,  1888.  —  Die  wissenschaftliche  Lage  und 
ihre  Anforderungen  an  die  Theologie,  1900.  —  Die  Äbsolutheit  des  Christentums  u.  die 
Religionsgeschichte,  1902.  —  Das  Historische  in  Kants  Religionsphilos.,  1904.  — 
Politische  Ethik  u.  Christentum,  1904.  —  Psychol.  u.  Erkenntnistheorie  in  d.  Religions- 
wissenschaft, 1905.  —  Die  Bedeutung  der  Geschichte  in:  Moderne  Philosophie,  hrsg. 
Ton  Frischeisen-Köhler,  1907.  —  Religionsphilosophie  in:  Die  Philos.  zu  Beginn  des 
20.  Jahrh.  I,   1904. 

Troxler,  Ignaz  Paul  Vitalis,  geb.  1780  in  Luzern,  studierte  in  Jena 
{unter  Schelling  und  Hegel)  Philosophie  und  Medizin,  war  dann  als  Arzt  (in 
Luzern,  Münster,  zweimal  auch  in  Wien)  tätig,  schließlich  Professor  der  Philo- 
sophie in  Luzern  (1817),  Basel  (1830),  Bern  (1833—1850),  gest.  1866. 

T.  ist  in  seinen  ersten  Schriften  ein  Anhänger  Schellings,  über  den  er 
später,  unter  dem  Einfluß  von  Jacobi,  J.  J.  Wagner  u.  a.,  hinausgeht.  Die 
Philosophie  muß  nach  ihm  „Anthroposophie"  werden,  sie  ist  eine  „ob- 
jektivierte Anthropologie".  Sie  geht  aus  vom  „ursprünglichen  Menschen". 
Philosophie  ist  der  Trieb,  „die  eigene  menschliche  Natur,  in  welcher 
Gott  und  Welt  sich  einen,  zu  ergründen  und  zu  verklären".  Alle  Philo- 
sophie ist  das  „Innewerden  und  die  Offenbarung  des  Geistes  in  seinem 
eigenen  Bewußtsein".  Die  Philosophie  ist  „Geisteschemie  oder  Geistesphysik". 
Das  Erkennen  ist  ein  unmittelbares  (Intuition)  oder  mittelbares  (Reflexion), 
ersteres  sinnliche  oder  geistige  Anschauung  (der  Ideen),  welche  alles  Erkennen 
krönt.  Der  geistigen  Anschauung  offenbart  sich  das  Göttliche.  Die  Logik 
muß  auf  Anthropologie,  auf  der  „Physiologie  des  ganzen  menschlichen  Erkennt- 
nis Vermögens",  beruhen,  denn  alles  muß  der  Mensch  in  seiner  eigenen  Natur 
suchen.  Der  Mensch  ist  eine  Vierheit  von  Leib  (äußerer  und  innerer  oder 
Seelen-Leib)  und  Seele  (welche  Korrelate  sind),  Geist  und  Körper, 
welche  in  Wechselwirkung  stehen;  die  Einheit  des  Ichs  ist  das  Gemüt.  Die 
individuelle  Persönlichkeit  ist  unsterblich.  Das  seelische  Ich  des  Bewußtseins 
und  das  leibliche  Ich  des  Selbstgefühls  sind  nur  ein  Reflex  des  einigen  ewigen 
Selbst. 

Anhänger  T.s  war  der  Arzt  Werber  (Die  Lehre  von  der  menschlichen 
Erkenntnis,  1841;  Abhandlungen.  1871—73). 

Schriften:  Ideen  zur  Grundlage  der  Nosologie  und  Therapie,  1803.  —  Versuche 
in    der   organischen   Physik,   1804.  —   Grundriß   einer   Theorie   der   Medizin,    1805.    — 


TROXLER   —  T-<  HIKNHAI  ~1  v 


Über  das  Problem  des  Lebens,    1806.    —    Elemente   der   Biosophie,    1807.    —  Blicke  In 
das    Wesen    des  Menschen,    1812.  —    Philos.    Kechtslehre    der   Natur    und    des   Gesetzes, 
1820.   —  Xaturlehre  des  menschlichen   Erkennens  oder  Metaphysik,    1828.  —  Hand' 
der  Logik,    1829  —  1830.   —  Über    Philosophie,    183<>.   _  Vorlesungen    über    die    Philo- 
tophie,  als  Enzyklopädie  u.  Methodologie  der  philos.  Wissenschaften. 

—  Der  Atheismus  in  der  Politik  des   Zeitalters    und    der   Weg  zum   Heil,    1860.   

GAMPER,  T.   V.  Tr.s  Leben   und  Philosophie,   1907  (Berner  Studien ). 

Trüper,  Johann,   geb.   1835  in  Rekum,    Direktor  des   Erziehungshd 

auf  der  Sophienhöhe  bei  Jena.    Begründer  und   Mithera  der  „Zeitschr. 

für    Kinderforschumr-    und    der    „Beiträge    zur    Einderforschung    und    Heil- 
erziehung". 

Schriften:  Schule  und  soziale  Fragen  unserer  Zeit,  1890.  —  Psychopathische 
Minderwertigkeiten  im  Kindesalter,  1893.  —  Die  Anfänge  abnormer  Erscheinungen  im 
kindlichen  Seelenleben,  1902.  —  Psychopathische  Minderwertigkeiten  als  Ursache  von 
Gesetzesverletzungen  Jugendlicher,   1904,  u.  a. 

Tsoheu-tsi,  klassischer,  chinesischer  Philosoph,  der  in  monistischer 
Weise  aus  einer  obersten  Einheit  die  Vielheil    abzuleiten   Bucht     Komments 

T.B  ist  Tschu-hi  (1129—1200),  in  seiner  Schritt   „Sing-li". 

Tschirnhausen  (Tsehirnhau<i.  Walther  Ehrenfried,  Graf  von,  geb.  Li 
auf  dem  Schlosse  Kifllingswalde  (Oberlandt       Btudierte  in  Leiden  Mathematik 
und  Physik,    unternahm  große  Reisen,  verkehrte    mit  Leibniz,    Huyghens   und 
Spinoza,    lebte    dann    auf    seinem    Schiossi      Erfindung    von    Brennspiegeln), 

.  1708. 

T.   ist   von    Descartes,   Spinoza,    Leibniz   beeinflußt    Seine    „Medizin 

jtes"    wül  eine  Methodologie  des  Erkennens  und  der  \ 
„ars  inveniendi")  sein,  eine  „sachliche  Philosophie"  („philosophia  real 
aber  der  blaß  verbalen.    Alle  Erkenntnis  beruht  aul  Erfahrung  und  deren 
grifflichen  Verarbeitung,   Bunächsf    ani    innerer  Erfahrung,   aus   der  sich    \ 
feste   Grundtatsachen    ergeben:    1.    Wir   sind    uns   einer   Mannigfaltigkeit    \ 
Dingen   bewußt;   2.   wir  werden   von  einigen   Dingen  angenehm,    von  anderen 
anangenehm  afflziert,  wodurch  wir  den  Begrifl  des   Willens    and  d      i      nd- 
lage  der  Ethik  erhalten;  3.  wir  können  manches  gedanklich 
nicht,  wodurch  wir  den  Begrifl  des  Verstandes  und  die  Grundlage  rar  Unti 
Scheidung  zwischen   wahr  und   falsch  erhalten;    1.  das  Bewußtsein  k 
Dinge  als  Grundlage  der  empirischen    Wissenschaft     w 
erst    durch  die  Arbeil    des  logischen    Denkens   und   Lsi    npriorisch-lx 
demonstrativ-deduktiver  Art,  dir-   Methode  ist  die  mathen 
..mos   ^eometricus").     Durch   sichere   Erfahrungen    wird  : 

die  sinnlichen  Wahrnehmungen   und  Vorstellt  I 

Verstand    und  Einbildungskraft    („ims 
halten  werden.    W  ah  r  ist,  was  Bich 

was    unbegreifbar   ist     Alle  ürrtümer   entspringen  der   EtnbiMui 
dem  Verstände.     Die  Elemente  des  Mathematisch, n  -md  Punkte,  die  Elana 
des  Realen  dii    Mab  i  e  und  deren  B  Icher  du    \   -  l<  bn 

hingig    i-t.     Am   der    Ph  N      rwinaenschn  ihen    alle   empii 

Eis  ler 


770  Tschirnhausen  —  Turgot. 

Wissenschaften;  die  Physik  ist  eine  „göttliche"  Wissenschaft,  denn  die  Gesetze, 
mit  denen  sie  sich  beschäftigt,  rühren  von  Gott,  der  in  der  Welt  wirkt,  her. 
Die  Physik  ist  auch  für  die  Ethik  grundlegend,  indem  sie  uns  dadurch  von 
den  Leidenschaften  befreit,  daß  sie  uns  den  Ursprung  derselben  in  der  Ein- 
bildungskraft zeigt  und  uns  auf  unsere  Abhängigkeit  von  Gott  aufmerksam 
macht. 

Schriften:  Medicina  mentis  sive  artis  inveniendi  praecepta  generalia,  1687;  2.  A. 
1695;    3.  A.  1705.   —  Vgl.  WEISSENBORN,    Lebensbeschr.  des  E.  W.  v.  Tsch.,    1866. 

—  J.  VERWEYEN,  E.  W.  v.  Tsch.  als  Philosoph,  1906. 

Tschitscherin,  B.,  geb.  1828,  Prof.  des  Staatsrechts  in  Moskau,  gest.  1904. 
=  Anhänger  Hegels  und  seiner  Dialektik.  Die  Vernunft  erhebt  sich  zum  Ab- 
soluten, zu  Gott;  aus  ihr  entspringt  die  Sittlichkeit  als  Imperativ.  Die  Seele 
ist  unsterblich,  der  Wille  frei.  Die  Materie  ist  die  Neutralisation  der  potentiellen 
und  kinetischen  Energie;  Materie  und  Energie  sind  identisch. 

Schriften  (russisch):  Wissensch.  u.  Religion,  1879.  —  Der  Mystizism.  in  d. 
Wissenschaft,  1880.  —  Eigentum  u.  Staat,  1882  f.  —  Die  positive  Philos.,  1892.  — 
Grundlagen  der  Logik  u.  Metaphys.,  1894.  —   Philos.  Forschungen,  1895;  deutsch  1899. 

—  Rechtsphilos.,  1901,  u.  a. 

Tubero:  1.  Qu.  Aelius,  Schüler  des  Panaitios,  Stoiker;  2.  Lucius  Aelius, 
Zeitgenosse  Ciceros,  eklektischer  Anhänger  der  neueren  Akademie. 

Tacker,  Abraham  (Pseud.  E.  Search),  1705 — 1774.  =  Assoziations- 
psycholog. 

Schriften:  Light  of  Nature,  1768—78. 

Tuiiiarkiii,  Anna,  geb.  1875  in  Kischineff,  Prof.  in  Bern. 
Schriften:  Herder  und  Kant,  1896.  —  Spinoza,   1908,  u.  a. 

Türck,  Hermann,  geb.  1856  in  Georgenburg  (Rußland),  lebt  in  Weimar. 
=  Nach  T.  ist  ein  Gegenstand  schön,  weil  wir  ihn  lieben.  Genialität  ist 
Liebe,  höchste,  selbstlose  Objektivität  (vgl.  Schopenhauer),  Vertieftsein  in  das 
Erleben.  Der  geniale  Mensch  ist  der,  „in  dessen  Seele  das  mehr  oder  weniger 
klare  Bewußtsein  von  der  eigenen  überweltlichen  Existenz  lebt". 

Schriften:  Das  Wesen  des  Genies,  1888.  —  Hamlet  ein  Genie,  1888;  2.  A.  1902. 

—  Fr.  Nietzsche  u.  seine  philos.  Irrwege,  1891.  —  K.  Fischers  kritische  Methode,  1894. 
Meine  Erfahrungen   mit  K.  Fischer,    1895.  —  Der   geniale  Mensch,    1896;    6.  A.   1903. 

—  Eine  neue  Faust-Erklärung  1901;  4.  A.   1906,  u.  a. 

Turgot,  Anne  Robert  Jacques,  1727—1781,  der  berühmte  Staatsmann, 
Minister,  Anhänger  der  physiokratischen  Lehre  Quesnays.  =  T.  gehört  zu  den 
Mitarbeitern  der  „Encyclopedie"  (vgl.  „Existence")  und  ist  ein  Vorläufer  des 
Comteschen  Positivismus.  Der  menschliche  Geist  schreitet  naturgemäß  fort. 
Die  Erkenntnis  der  Natur  schreitet  von  mythologischen  zu  metaphysisch-ab- 
strakten und  von  diesen  zu  quantitativ-exakten  Erklärungen  vor  (vgl.  Comte): 
,,Quand  les  philosophes  eurent  reconnu  l'absurdite"  de  ces  fables,  sans  avoir 
neaumoins  de  vraies  lumieres  sur  l'histoire  naturelle,  ils  imaginerent  d'expliquer 
les  causes  des  phenomenes  par  des  expressions  abstraites  comme  essences  et 
facultas  .  .  .  Ce  ne  fut  que  bien  tard,  en  observant  Paction  mecanique  que  les 


TURGOT  —   TYLOB.  771 


corps    ont   les    un    rar   les   antres,    qu'on    tira    de    et  canique   d'autres 

hypoth- — .   que  les  mathematiques   purent  deVelopper  et  1  -  \;  renfier." 

Schriften:  Oeuvres,   1808—11  ;  1844.  —  Vgl.  ÜB80T,  T..  1861.  —  NeYXARCK, 

T.  et  ses  doctrines,   1885.  —  FkELBOGKN,   ^raith  und  T,   1892. 

Tarnbull,  George,  geb.  um  1690.  Prof.  in  Aberdeen,  gest  um  1772.  = 

Von  Shaftesbury  und  Hutscheson  beeinflußt. 

Schriften:  The  principles  of  raoral  philosophy,   174m. 

Twardowski,  Kasimir,  geb.  1866  in  Wien.  Prof.  in  Lemberg.  =   1 

ein  Schüler  F.  Brentanos.     Er  hat  besonders  den  Unterschied  von  „Inhalt"  und 
„Gegenstand"  der  Vorstellung  betont;  erstercr  ist  nur  das  Mitte]  zur  Erfassung 
des  Gegenstandes.     ..Sowohl,  wenn  der  Gegenstand  vorgestellt,  als  auch, 
er   beurteilt   wird,  tritt    ein   Drittes   neben  dem  psychischen  Akt   und   seinem 
Gegenstande  zutage,  was  gleichsam  ein  Zeichen  des  Gegenstandes  ist:  sein  psy- 
chisches  ,Bild',  insofern  er  vorgestellt  wird,  und  seine  Existenz,  insofern  er  be- 
urteilt wird.     Sowohl    vom  psychischen    ,Pild'    ei i  il>    such 
von  seiner    Existenz  sagt  man,  daß  jenes  vorgestellt,  diese  beurteil!  werde;  das 
eigentliche  Objekt   des  Vorstellens  und  Urteilen*  ist  aber  weder  das  psychische 
Bild   des   Gegenstandes,   noch   sein.-    Existenz,   sondern  da 
Dadurch,  da£  der  Gegenstand  zu  einem  vorstellenden  Wesen  in  Beziehung  tritt, 
hört  er  nicht  auf,  Gegenstand    zu  sein.    Es  gibt  keü               standalosen 
Stellungen.    Auch  die  allgemein«'  Vorstellung  hat  ihren  besonderen  -'and. 
V"ii    keinem    Gegenstande   (d.  h.   Babstantivisch   Genannten)  Lril»t   es  «-in. 
aqua te  Vorstellung ,   weil  die  Anzahl  der  Relationen  dir  Gegenstandsmerkmale 
anabsehbar  i-t. 

Schriften  (deutsch):  Meo  und  Pcrzeption,  1892.  —  Zur  Lehre  vom  Inhalt  ui.  . 
stand  der  Vorstellungen,    1894.   —   Das   Wesen    .  .  age    zum  Jal .: 

Wiener  philos.  Gesellsch.,   1903,  sowie  polnische  Schriften. 

Twesten,  August    Detlev  Christian,  geb.  1780  in  Gluckstadt,  Prof.  der 
Theologie  in  Kiel   und  (seil   1835)  in  Berlii  \^~>'>.  r_  Anhang       S    ileier- 

machers. 

B    hriften:    Logik,  1825.   —    Vorlesungen   über   <  ;itik   d.   tTtiigolüeh-lol 

Kirche,    1826—37    iBd.    I.    4.    A.     1838).     —     lirun.lr.   d.  analyt  ;.   u.   a.  — 

VgL   HriNKia,   A.  T..   1889. 

Twenton.    Karl,    geb.    1820  in    Kid,  Juri-'  .in.   =   Voll 

Comte  beeinflußter  positivistischer  Standpunkt 

hillaf    in   teil  i  liltnis   zur    Wissenschaft,    1863.    —    Ma 

1868,  u.'  a. 

Tylor,  Edward  Btu  i    mberwell,  Direktor  des  Unii 

Bitätsmuseuma  in   Oxford.   =   Der  berühmte  Anthropolog    bat    t-  den 

Ursprung  der    Religion   untersucht,    d  Qlaubeo  an   geistig    w     • : 

definierte,   Die  primitive  Religion    und   Weltanschannnf    ist  der  Animismus, 
d.  li.  der  Geister-Glaube,  nach  «reichem  alle  D  i        ■  rn  beseel! 

Die  Seele  stellt   sich  der  primitiv.    M  G  amen  u 


772  Tylor  —  Ueberweg. 


wie    auch  der   Deutung    des  Lebens   und  Todes:    Atem   und    Aufgeben   des- 
selben) als  einen  luftförmigen  Doppelgänger  des  Körpers  vor. 

Schriften:  Early  History  of  Mankind  and  of  Civilisation ,  1865;  3.  ed.  1878; 
deutsch  1866.  —  Primitive  Culture,  1871;  3.  ed.  1891;  deutsch  1873.  —  Anthropology, 
1881;  deutsch  1883,  u.  a. 

Tyndall,  John,  geb.  1820  in  Irland,  1853—87  Prof.  der  Physik  in  London, 
gest.  1893.  =  T.  ist  Hylozoist,  er  betrachtet  die  Materie  an  und  für  sich  als 
beseelt  und  potentiell  belebt. 

Schriften:  Fragments  of  Science,  1871;  6.  ed.  1879;  deutsch  1874;  2.  A. 
1898—99.  —  Belfast  Address,  1874.  —  Über  den  Materialismus  in  England,  1875.  — 
Natural  Philosophy,   1869.  —  New  Fragments,  1892;  deutsch  1895. 


u. 


Ubaghs,  Casimir,  geb.  1800  in  Berg  lez-Fauquement  (Belgien),  Prof.  in 
Löwen.  =  U.  vertritt  einen  „Semi-Traditionalismus".  Die  objektive  Idee  ist 
etwas  Göttliches,  Gott  selbst,  in  welchem  der  Geist  unmittelbar  objektive  Ideen 
schaut,  ewige  Wahrheiten  (Ontologismus). 

Schriften:  Logicae  seu  philosophiae  rationalis  elemeuta  1834;  6.  A.  1860.  — 
Ontologiae  sive  metaphys.  generalis  specimen,  1835;  5.  A.  1863.  —  Theodicaeae  seu 
theologiae  naturalis  elementa.  Antbropol.  philos.  elementa,  1848.  —  Essai  d'ideol.  on- 
tologique,  1860,  u.  a.    —    Vgl.  M.  DE  WüLF,    Hist.  de  philos.  en  Belgique,  p.  301  f. 

Überhörst,  Karl,  geb.  1847,  Prof.  in  Innsbruck,  gest.  1904.  =  Nach  Ü. 
erscheint  uns  komisch  „ein  Zeichen  einer  schlechten  Eigenschaft  einer  andern 
Person,  wenn  uns  an  uns  selbst  keines  ebenderselben  schlechten  Eigenschaft 
zum  Bewußtsein  kommt,  und  das  keine  heftigen  unangenehmen  Gefühle  in 
uns  hervorruft".  Die  Lust  am  Komischen  ist  die  Lust  daran,  daß  wir  die 
guten  Eigenschaften,  die  wir  an  der  fremden  Person  vermissen,  uns  selbst  bei- 
legen. Die  Aufmerksamkeit  bestimmt  Ü.  als  jene  vom  Willen  ausgehende 
Funktion  ,  welche  darauf  gerichtet  ist,  einen  gegebenen  Wahrnehmungs-  oder 
Gesamtinhalt  richtig  aufzufassen  (Arch.  f.  System.  Philos.  IV,  1898). 

Schriften:  Das  Komische,  1896 — 99.  —  Eine  neue  Theorie  der  Gesichtswahr- 
nehmung,  1896,  u.  a. 

tjfoerwasser,  Ferdinand,  geb.  1752  in  Meppen,  Prof.  in  Münster,  gest. 
1812  daselbst,  =  Von  Kant  beeinflußter  Psycholog. 

Schriften:  Empirische  Psychologie,  1787.  —  Über  das  Bogehrungsvermögen, 
1801,  u.  a. 

TJde,  Johann,  kathol.  Priester  in  Graz.  =  Dualistisch-teleologisch-theisti- 
scher  Standpunkt. 

Schriften:  Monist,  oder  teleolog.  Weltansch. ?  1907.  —  Der  Darwinismus,   1909. 

Ueberweg,  Friedrich,  geb.  1826  in  Leichlingen  bei  Solingen,  1852 
Privatdozent  in  Bonn,  1862  a.  o. ,  1867  o.  Professor  in  Königsberg,  gest. 
daselbst  1871. 


Ueberweg.  773 

Ueb.  ist  von  Beneke,  dann  von  Schleiermacher  und  Trendelenburg,  zuletzt 
von  Czolbe  beeinflußt.  Er  vertritt  einen  „Ideal -Realismus",  nach  welchem  die 
Wahrnehmungsinhalte  subjektive  Zeichen  der  realen  Vorgänge  sind.  Die  sinn- 
lichen Qualitäten  stehen  mit  bestimmten  Bewegungen  als  deren  Symbole  in 
einem  gesetzmäßigen  Zusammenhange.  Die  Anschauungsformen  (Raum 
und  Zeit)  sind  das  „gemeinsame  Resultat  subjektiver  imd  objektiver  Faktoren". 
Die  eigene  raum-zeitliche  Ordnung  der  Dinge  spiegelt  sich  in  den  Anschau- 
ungsformen ab.  Raum  und  Zeit  können  nicht  subjektiv  sein,  da  die  Emp- 
findungen auf  Bewegungen  beruhen.  Die  Gültigkeit  der  mathematisch-phy- 
sikalischen Gesetze  für  die  reale  Welt  setzt  die  Objektivität  von  Raum  und 
Zeit  voraus.  Die  Anschauungsformen  sind  nicht  apriorisch,  sondern  empirisch 
gewonnen,  die  geometrischen  Axiome  werden  durch  die  Erfahrung  in  ihren 
Konsequenzen  fortlaufend  bestätigt.  Die  Kategorien  sind  ebenfalls  weder 
apriorisch  noch  rein  subjektiv ;  das  Wesentliche  der  Dinge  wird  durch  die  Er- 
kenntnis des  Wesentlichen  in  uns  erkannt.  Die  Wahrnehmung  richtet  sich 
auf  ein  Objektives  außer  ihr,  nicht  auf  die  Empfindungen,  die  wir  erst  auf  ein 
Objekt  beziehen,  objektiv  deuten.  Die  innere  Wahrnehmung  bedarf  keiner 
subjektiven  Anschauungsform ,  sondern  erfaßt  ihren  Gegenstand,  das  Seelische, 
unmittelbar  und  real,  an  sich. 

Mit  der  auf  mittelbare  Erkenntnis  gerichteten  Tätigkeit,  dem  Denken,  be- 
faßt sich  die  Logik,  welche  die  Mitte  halten  soll  zwischen  der  formalistischen 
Logik  (Kant,  Herbart  u.  a.)  und  der  metaphysischen  Logik  (Hegel),  welche  die 
Denkformen  unmittelbar  als  Seinsformen  auffaßt,  statt  sie  (wie  Aristoteles, 
Schleiermacher,  Trendelenburg  u.  a.)  als  subjektive,  durch  die  Ordnung  der 
Dinge  mitbedingte  Korrelate  der  letzteren  zu  betrachten.  Die  Logik  ist  die 
„Wissenschaft  von  den  normalen  Gesetzen  der  menschlichen  Erkenntnis",  der 
„Inbegriff  der  Normen  und  als  Kunst  die  richtige  Anwendung  der  Normen,  denen 
die  subjektive  Erkenntnistätigkeit  sich  unterwerfen  muß,  um  ihr  Ziel  zu  erreichen, 
welches  in  der  Erhebung  des  Seins  zum  Bewußtsein,  in  der  Übereinstimmung  unserer 
subjektiven  Gedanken  mit  der  objektiven  Realität  hegt".  Das  Denken  spiegelt 
die  innere  Ordnung,  welche  der  äußeren  zugrunde  hegt.  Der  Begriff  ist  jene 
Vorstellung,  in  welcher  die  Gesamtheit  der  wesentlichen  Merkmale  der  be- 
treffenden  Objekte  vorgestellt  wird.  Das  Urteil  ist  das  Bewußtsein  über  die 
objektive  Gültigkeit  einer  subjektiven  Verbindung  von  Vorstellungen.  Der 
Schluß  ist  die  Ableitung  eines  Urteils  aus  irgendwelchen  gegebenen  Ele- 
menten. Die  Wahrheit  besteht  in  der  Übereinstimmung  des  Denkens  mit  dem 
Sein. 

In  seinem  (dem  Materialismus  sich  nähernden)  Entwürfe  einer  Psychologie 
faßt  Ueb.  die  Vorstellungen  selbst  als  ausgedehnt  auf,  die  in  der  ebenfalls 
ausgedehnten  Seele  sich  befinden;  die  Seele  reicht  soweit  wie  das  Universum. 
Alles  Seiende  ist  materiell.  Die  Körper  haben  „innere  Zustände",  welche  im 
Gehirn  als  Vorstellungen  auftreten.  Später  betrachtet  Ueb.  die  Materie  als  aus 
an  sich  existierenden  Empfindungsinhalten  bestehend,  welche  ausgedehnt  sind. 
In  bezug  auf  die  Weltordnung  ist  Ueb.  Teleolog. 

Die   sittliche  Norm  tritt  als  apodiktische  Forderung  auf   und  lautet: 


7,4  Ueberweg  —  Ulrici. 


„Trage  innerhalb  der  Grenzen  deiner  Befähigung  soviel,  wie  du  vermagst,  zur 
Lösung  der  Gesamtaufgabe  der  Menschheit  bei." 

Schriften:  Die  Entwicklung  des  Bewußtseins  durch  den  Lehrer  und  Erzieher, 
1853  (von  Beneke  beeinflußt).  —  System  der  Logik,  1857;  5.  A.,  hrsg.  von  J.  B.  Meyer, 
1882.  —  Untersuchungen  über  die  Echtheit  u.  Zeitfolge  Platonischer  Schriften  u.  über 
die  Hauptmomente  aus  Piatons  Leben,  1861  (Preisschrift).  —  Grundriß  der  Geschichte 
der  Philosophie,  1863 — 66;  von  der  4.-5.  Auflage  an  bearbeitet  von  M.  Heinze,  9.  u. 
10.  A.  1905  —  09  (I.  Bd.,  10.  A.  von  K.  Prächter).  —  Über  Idealismus,  Realismus  u. 
Idealrealismus,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik,  Bd.  34,  1859.  —  Ygl.  F.  A. 
LANGE,  Fr.  Ueb.,  1871:  Gesch.  d.  Materialismus  II.  —  M.  BRASCH,  Die  Welt-  und 
Lebensanschauung  Fr.  Ueb.s  in  seinen  gesammelten  philos. -krit.  Abhandlungen,   1889. 

Uebinger,    Johann,   geb.   1854  in  Kaltenengers,  Prof.  in  Freiburg  i.  B. 

Schriften:  Die  Philosophie  des  Nicolaus  Cusanus,  1881.  —  Die  Gotteslehre  des 
Nicolaus  Cusanus,  1888.  —  Die  philos.  Schriften  dos  Nicol.  Cusanus,  Zeitschr.  f.  Philos. 
u.  philos.  Kritik,  Bd.  103,  105,  107  (1893—95).  —  Die  mathematischen  Schriften  des 
Nicol.  Cus.,  Philos.  Jahrb.  VIII — X.  —  Der  Begriff  docta  ignorantia  in  seiner  geschieht!. 
Entwickl.,  Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  VIII,  u.  a. 

Uexkiill,  J.  von,  Biolog.  =  Nach  Uexk.  hat  jede  Organismenart  ihre 
eigene  Umwelt,  als  Korrelat  zur  Innenwelt. 

Schriften:  Umwelt  und  Innenwelt  der  Tiere,  1909,  u.  a. 

Ufer,  Christian,  geb.  1856,  Mittelschulrektor  in  Elberfeld.  Herausgeber 
der  „Internationalen  pädagogischen  Bibliothek",  Mitherausgeber  der  „Zeitschr. 
für  Kinderforschung  u.  Heilerziehung". 

Schriften:  Vorschule  der  Pädagogik  Herbarts,  1883;  9.  A.  1898.  —  Nervosität 
u.  Mädchenerziehung,   1890.  —  Geistesstörungen  in  der  Schule,  1891,  u.  a. 

Ulrich,  August  Heinrich,  geb.  1746  in  Eudolstadt,  Prof.  in  Jena,  gest. 
daselbst  1813.  =  Standpunkt  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie,  später,  ob- 
zwar  Gegner  Kants,  zum  Teil  von  diesem  beeinflußt. 

Schriften:  Umriß  zur  Anleitung  zu  den  philos.  Wissenschaften,  1772 — 76.  — 
Institutiones  logicae  et  metaphysicae,  1785.  —  Eleutheriologie  oder  über  die  Freiheit  u. 
Notwendigkeit,  1788.   —  Einleit.  in  die  Moral,   1789. 

Ulrich,  Georg,  geb.  1863  in  Berlin.  —  Schriften:  Gedanken  zur  Grund- 
legung eines  Systems  aller  Erfahrung,  1890.  —  Grundlegung  des  Systems  aller  mög- 
lichen Erfahrung,   1896.  —  Der  Begriff  des  Baumes,   1907. 

Ulrici,  Hermann,  geb.  1806  in  Pforten  (Niederlausitz),  seit  1834  Prof.  in 
Halle,  gest.  1884. 

U.  ist,  wie  J.  H.  Fichte  u.  a.,  ein  Gegner  Hegels  und  ein  Vertreter  des 
spekulativen  Theismus  (in  der  Form  des  Panentheismus)  auf  Grundlage  eines 
Ideal-Realismus,  welcher  Glauben  und  Wissen,  Natur  und  Geist,  Reales 
und  Ideales,  Gott  und  Welt  zu  verbinden  bemüht  ist.  Die  Erkenntnis  faßt 
U.  als  denkende  Verarbeitung  eines  von  außen  gegebenen  Stoffes  auf.  Das  Wesen 
bzw.  die  Bedingung  des  Bewußtseins  besteht  in  der  Tätigkeit  der  Unter- 
scheidung (des  Subjekts  von  den  Objekten,  dieser  voneinander  usw.).  Das 
Denken  ist  wesentlich  unterscheidende  Tätigkeit,  es  ist  „sich  in  sich  selbst 
unterscheidend".      Die   Denkgesetze    der  Identität    und    des   Widerspruchs 


Ulrki  —  Ukold.  775 


sowie  der  Kausalität   sind  Gesetze  der  nnterecheidenden  Tätigkeit    Aus  i 
entspringen  auch  die  Kategorien,  d.  h.  die  „an  sich  rein  logischen,  schl< 
hin    allgemeinen,   ideellen,   formellen   Begriffe*1,  welche  ..dir  allgemeine     I 
hungen  der  Unterschiedenheit  und  resp.  Gleichheit  da  (seienden  wie  gedachten) 
Objekte  ausdrücken--.    Sie  sind  Normen,   leitende  Gesichtspunkte  des  Denkens 
und  haben  objektive  wie  auch  transzendente  (metaphysische]  Gültigkeit    1 
Urkategorien  und  al)geleitete  Kategorien  (höchste  Sab  gorie  ist  das  „Denkt« 
ferner  ethische   Kategorien.     Ein  objektives  Korrelat    haben  auch  die  Anschau- 
ungsformen  Raum  und  Zeit.    Die  Kategorien  sind  ein  der  Denktätigkeit  imma- 
nentes A  priori,  welches  auf  das  Tatsächliche  angewendet  wird. 

Die  Dinge  bestehen  nach  U.  ans  Atomen,  welche  Kraftpunkte,  Wirkui 
Zentren  pind.  Die  M  aterie  ist  „Kraitaußerung",  Erscheinung  der  „einfachen  Zen- 
tral-und  Widerstandskräfte' der  Dinge,  kein  totes  Substrat,  Bondern  Widerstands- 
kraft. Die  Seele  ist  kein  Atom,  nicht  materiell,  aber  doch  in  gewissem  Sinne 
lieh",  als  ,, kontinuierliche,  in  sich  ungeteilte  Substanz,  ätherisches  Fluidum".  Sie  isl 
„eine  unlösbare,  zentralisierte  Einigung  von  Kräften",  die  von  einem  selbetan 
Zentrum  ausgehen  und    mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung  Btehen,  und  deren 
Grundkraft  „eine  Kraft    kontinuierlicher    Ausdehnung    und    Umschließung   ist, 
durch  welche  sie  die  den  Leib  bildenden  Atome  ergreift,  zusammenordnet,  durch- 
dringt''.   Die  Seele   ist  unsterblich;   auch   der   Spiritismus   wird    von  U.  nicht 
abgelehnt    Die   Ordnung   der   Welt   ist    eine   zweckmäßige,  sie   weist  anl  den 
Weltechöpfer  und  Weltordner,  mit  Gott    hin,  der  die  Welt  überragt  und  zu- 
gleich sie    einschließt    (Panentheismus)    als    geistige,    denkende,    Unterschiede 
setzende,  bewußte,  freie,  schöpferische,  ethisch  wirkende  Urkraft  und  „Prius  alles 
andern  Seins". 

Das  Sittengevc t z  ist  in  der  menschlichen  Natur  begründet  Em  ist  ein 
„Gesetz  der  Erhaltung  und  Förderung  des  Ganzen  durch  da-  Einzelne  und 
damit  des  Einzelnen  durch  das  Ganze".  Di<  Vernunft  bringt  die  ethischen 
Kategorien  zum  Bewußtsein  und  zur  allgemeinen  Anerkennm 

Schriften:    Über    Prinzip    und    Methode    der     Hl  1841       — 

Das  Grundprinzip  der  Philosophie,    1845—46.    —   Breien  der   Logik,    186S.    -     I 
dium    der    Logik,   1860;    >.   A.   1871.   —  Zur  1«>.    ■  Dez   P 

Strauß,    1873.  —  Abhandlungen  zur  Km.  oder  lagtwtadt«   A»tl..«tik.    1877,  — 

Glauben  und  Wiaeen,  1858.  —  Gott  and  die  Natur,   1861;  I.   A.    L86l 
Mensch:    I.  Leib  und    Soele,    186ß  ;    |.   A     1874;    11     Oraadattf«  der  prak- 
1872.    —    Der  «o^.  Bpiritiamai   aiae  w\ 

1879,  u.  a.  -  •  V(      1  .   GbI  mi-i  a  .  Zur   Brioaersag  an   H.    I'.. 
philo«..   Kritik,   IM.    108,    1894.   —   ><  hui  iki.i:.    I 

Unold  •  Johannes,   Lr''l>.    ls,;"    in    Memmingen,    Lehrer    an 
Handelsschule   in   München,    lütheraui  ;>>>*"' 

r.   rertritt    einen    kritischen,    peycho-physisclu  ismui    und   einen 

ethischen    Erolutioniamus,     Für  den  kritischen  Monismus  besteht    dh    i 

Well    darin,  dai;  die  Ursachen  und  Gesetze  der  Natur  onirei         l     Itnng 
haben,  also  auch  für  die  Lebewesen,  and  dafl  das  hol 
aus  dem  nieder         n  entwickelt  hat,  ohne  daß  Psychische  ein  Produal 


776  Unold  —  Uphues. 


der  Materie  ist.  Vielmehr  ist  es  im  Anorganischen,  in  dem  es  einst  auch 
lebendig  war,  jetzt  mechanisiert  und  nur  in  den  Organismen  aktuell.  Die 
Welt  ist  ,, Selbsttat",  als  stufenmäßige  Produktion  immanenter  geistiger  Kräfte, 
mit  einer  von  außen  und  innen  bedingten  Evolution.  Die  geistige,  soziale, 
ethische  Kultur  ist  eine  aktive,  bewußte  Weitergestaltung  des  von  der  Natur 
Angelegten  nach  bestimmten  Lebensgesetzen  immanent-teleologischer  Art.  Gut 
ist,  was  zur  Erhaltung  und  körperlich-geistigen  Vervollkommnung  der  Indivi- 
duen, der  Gesellschaft,  der  Nation,  der  Menschheit  unmittelbar  oder  mittelbar 
beiträgt.  Neben  der  Humanitätsidee  betont  U.  auch  den  Nationalitätsgedanken. 
Der  (hedonistische)  Eudämonismus  ist  (als  schwächend)  abzulehnen.  Es  kommt 
nicht  auf  das  Glück,  sondern  auf  die  „größte  Tüchtigkeit  oder  Leistungsfähig- 
keit der  größten  Zahl"  an. 

Schriften:  Grundlegung  für  eine  moderne  Lebensanschauung,  1896.  —  Aufgaben 
und  Ziele  des  Menschenlebens,  1899;  3.  A.  1909.  —  Die  höchsten  Kulturaufgaben  des 
modernen  Staates,  1902.  —  Organische  und  soziale  Lebensgesetze,  1906.  —  Monismus 
u.  Klerikalismus,  1907.  —  Der  Monismus  und  seine  Ideale,  1908.  —  Monismus  und 
Menschenleben,   1911,  u.  a. 

Upton9  Charles  Barnes,  geb.  1831  in  Portsea,  Prof.  in  Oxford.  =  Anhänger 
Martineaus  und  Lotzes,  lehrt  wie  dieser  eine  Monadologie. 

Schriften:  The  Place  of  a  Science  of  Theology,  1875.  —  The  present  Agno- 
sticism  and  the  Coming  Theology,  1879.  —  An  Examination  of  the  Doctrine  of  the 
Natural  Evolution  of  Mind  1883.  —  Can  Religion  dispense  with  God?  1886.  —  The 
Bases  of  Religious  Belief,  1894.  —  Dr.  Martineaus  Philosophy,  1905  u.  a. 

I  plines«  Goswin  K.,  geb.  1841  in  Brochherbeck,  Prof.  in  Halle  a.  S. 

U.  ist  auf  dem  Wege  erkenntnis-pychologischer  Untersuchungen  zum  Stand- 
punkt eines  (von  Eckhart,  Nicolaus  Cusanus,  Spinoza,  Plato,  Augustinus,  Kant 
u.  a.  beeinflußten)  objektiven  Idealismus  vorgedrungen,  der  einer  mystischen  Welt- 
anschauung nicht  fern  steht.  Die  Wahrnehmung  unterscheidet  U.  von  der 
Empfindung ;  während  letztere  subjektiv  ist,  ist  jene  die  Vergegenwärtigung  des 
Objekts,  des  Bewußtseinstranszendenten  in  Empfindungen,  also  „Gegenstands- 
bewußtsein". Später  aber  verlegt  U.  dieses,  das  Bewußtsein  der  Transzendenz 
(des  „Jenseits  des  Bewußtseins")  erst  in  das  Urteil.  Die  Objekte  werden  durch 
die  Vorstellungen  abgebildet,  wie  sie  unvorgestellt  sind,  sie  treten  in  der  Hülle 
von  Vorstellungen  auf,  sind  aber  von  ihnen  verschieden.  Das  ,, Gegen stands- 
bewußtsein",  welches  vom  „Zustandsbewußtsein"  zu  unterscheiden  ist,  besteht  in 
einer  „Vergegenwärtigung"  des  Transzendenten  im  Bewußtseinsinhalte ,  und 
zwar  durch  Wortvorstellungen  im  Urteil  und  in  dem  mit  diesem  verbundenen 
Wissen  um  Gegenstände.  Im  „Meinen  von  etwas",  „Dafürhalten"  des  Urteils 
liegt  das  eigentliche  Gegenstandsbewußtsein.  Inwiefern  aber  das  Transzendente 
adäquat  erkannt  wird,  bleibt  dahingestellt. 

Gegenüber  dem  Psychologismus  betont  U.  den  Unterschied  des  Erkannten 
und  Gedachten  vom  Erkennen  und  Denken  als  Bewußtseinstatsachen.  Gegen- 
stand der  Logik  ist  das  Denken,  das  seinen  Zweck  im  Erkennen  hat  und  ihm 
als  Mittel  dient,  so  daß  die  Logik  in  erster  Linie  Erkenntnislehre  ist.  Die 
Logik  darf  weder  sensualistisch-psychologistisch,  noch  formalistisch  sein,  sondern 


Ufhdi 

mnd  meUphymch  begründet  werden.    Die  Phil  ist  die  ,.\\ 

Wesen  da   Dinge  and    vom   System  der  Wahrheit".    I»:-    Wahrheit,« 

-  item  der  Wahrheiten,  ist  der  l  Land  der  Erkenntnis     Im  Erkann« 
haben   wir  nicht  ein   blödes  Bild   der  Wahr:  dem  die  Wahl 

diese   ist    in   Ihm   gegenwärtig  dei   Erkennet  m   W« 

Dinge.    Die  Wahrheit  ist  ein  metaphysischer  Begriff,     -  ind  sll- 

leingältig,    unabhängig   ron    ans,   die   wir   sie   in    Besiti   aeb 
zeitlos.    „Was  wahr  ist,  isl  nur  wahr.  weil  es  für  alle  Zeil  and  darum  I 
Ea  lt.  Nur  darum  gut  ei  auch  für  alle  Denkenden.   Wirklid 

mir,   weil  es  an  diesem  BwigkeitBcharakter  der   Wahrheil   keilnimmt." 
die  gliche  Tatsache  hat  ein  teutung,  ans  der  rieh  ihr  H< 

treten  in  der  Zeh  erklärt     Das  Gelten  steht  höher  als  das  i  n  and 

ding  Plato,    Lotse  o.  a.).    I>ü-  Wahrheit  gut,  auch  wenn  wir 

nicht   erkennen,  Bie  ist  ewig,  überzeitlich.    Im  Urteil  reichen  wir  in  Gedani 
in  die  äberaeitlich«  Welt,  die  für  alle  Denkenden  in  gleicher  W<  -•   _ilt. 

hinein   und  stehen   mit   ihr  im  Zusammeilhangi        I       -     Welt   i-t   i 

-  rtem  der  Wahrheit,  ••ine  rdeenwelt    Di  Wahrheit  i-t  .-in  < 

lafl  man  eigentlich  nicht  von  einer  einzelnen  Wahrheit  b]  kann.   1 1 

objektive  Grund  des  Wahrheit  a  i-t  das  göttlicl 

alle  Wahrheiten   überzeitlich  umfaßt,  die  ron  ihm  .  ■!.      M  •  & 

aberzeitlichen    Bewußtsein  ist    all.-  Wahrheit    ron   Ewigkeit   verband 
rindet  sich  in  seinem  Besitz,  i-t  in  ihm  rorhanden."     Wir  «rkti  •    dir- 

ht-it   nur  durch  „Erleuchtung"   (Inspiration),  <1.   h.  durch  ..T«-ü: 
aberzeitlichen    Bewußtsein'       U  •  I  i « -  li* -  <1< 

Geistesblick,  durch  Intuition,  die  vielfach  ein«    I     . 
Geistes"    erzeugt   die  gedanklichen    Einzelgebilde  zum   < 

indem   er   ne   sugleich   findet    und   entdeckt    Die    Wahrheil    und    i 
unserer  einzelnen  Urteile  bestimml  Bich  nachdem  .' 
Zuaammei  .  keil ).    I  »:•■  K  i  n  -in<l 

liehen   Verarbeitung  des  Binnesmaterials ,   irelche   ireit   0 

im  un«l  Zeit    Bind    Formal-,  Bubstani  and  Kausalität   l: 
Wirklichkeit  beruht  letzten  d  dem  wirklich«      I 

ong   and  Selbsteotaußeninj  Die  Außend 

danken    i  .  die   wir    na<  h.l.nk.n.     Im.    I»  en  uir  nur  .rar 

heinung   in    an  I  oihet   bestimm*  a.    D 

Stuft  nleta  r   zum    I  ler  ihr  I 

Entwicklung  nun  Vollkommenen,  welches  sich  durchsetz!  ist 

das   Bewußtsein   ron  der  Verbindung  mit  Gott  and  \  vm 

alles  Bein   and  slle  Wahrheit  ihren  Grund  hat  und  « 
empfangen  können. 

-    :  üiiiMi:     Di«    Bsform   Je«    meo» 

de«  S»ue*   Mftk  den  PUtoaiechen    Dialoge*  K 
Ot    Wwm  de«   Denken«    u         I         n,    1880.   —  lininü« 
lebr  i  »i.rnehmtaf  nd  Rrnp- 

*y    —   l 


778  Uphües  —  Vadala  Papale. 

—  Sokrates  u.  Pestalozzi,  1896.  —  Pädagogik  als  Bildungswissenschaft,  1899.  —  Ein- 
fuhr, in  d.  moderne  Logik  I. :  Grundzüge  der  Erkenntnistheorie,  1901.  —  Über  die 
Idee  einer  Philos.  d.  Christentums,  1901.  —  Religiöse  Vorträge,  1903.  —  Zur  Krisis 
in  der  Logik,  1903.  —  Vom  Lernen,  1903.  —  Vom  Bewußtsein,  1904.  —  Sokrates 
u.  Piaton,  1904.  —  Kant  u.  seine  Vorgänger,  1906.  —  Der  geschichtl.  Sokrates,  1908.  — 
Erkenntniskrit.    Logik,    1909.  —  Geschichte  der  Philosophie  als  Erkenntniskritik,   1909. 

—  Das  Bewußtsein  der  Transzendenz,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  21.  Bd.,  u.  a. 

—  Vgl.  die  Arbeiten  von   H.  SCHWARZ,  M.  PALAGYI  u.  a. 

Urban,  W.  M.  —  Schriften:  Valuation,  1909.  —  History  of  the  Principle 
of  suffic.  Beason,  1897,  u.  a. 

Utitz,  Emil,  geb.  1883  in  Prag,  Privatdozent  in  Eostock.  ==  U.  hält  die 
Lehren,  welche  in  den  Funktionsfreuden  den  Kern  ästhetischen  Genießens  er- 
blicken, für  irrig,  findet  aber  in  jenem  eine  „wichtige  ästhetische  Hilfsmacht, 
die  den  ästhetischen  Genuß  zu  bereichern  und  zu  vertiefen,  aber  auch  zu  ver- 
ringern, ja  aufzuheben  vermag". 

Schriften:  J.  J.  Wilhelm  Heinse  und  die  Ästhetik  zur  Zeit  der  deutschen  Auf- 
klärung, 1907.  —  Grundzüge  der  ästhet.  Farbenlehre,  1909.  —  Funktionsfreuden  im 
ästhet.  Verhalten,  Zeitsch.  f.  Ästhetik,  V.  —  Die  Funktionsfreuden  im  ästhet.  Verhalten, 
1911  (Historisch-kritisch). 

Üxküll  s.  Uexküll. 


V. 


Vaccaro,  Michelangelo,  geb.  1854  in  Casteltermini,  Prof.  der  Rechtsphilo- 
sophie in  Rom.  =  Vertreter  der  Darwinistischen  Soziologie.  In  der  Gesellschaft 
wirkt  der  Kampf  ums  Dasein  und  die  Selektion. 

Schriften:  La  lotta  per  l'esistenza  e  i  suoi  effetti  nell  umanitä,  1886.  —  Le 
basi  del  diritto  e  dello  Stato,  1893,  u.  a. 

Vacherot,  Etienne,  geb.  1809  in  Langres,  Prof.  an  der  Sorbonne,  gest. 
1897  in  Paris.  =  Von  Cousin,  Hegel,  Renan  u.  a.  beeinflußter  Vertreter  eines 
positivistisch  gefärbten  Spiritualismus.  Die  Metaphysik  (;,metaphysique  positive") 
ist  die  Wissenschaft  der  Prinzipien  des  Erkenn ens  und  Handelns,  die  Wissen- 
schaft von  der  Einheit,  vom  Ganzen.  Das  Unendliche,  Vollkommene  ist  ein 
Ideales,  kein  Reales ;  es  wird  nur  gedacht,  nicht  erkannt.  Gott  ist  also  ein 
oberstes  Einheits-Ideal,  insofern  die  Zweckursache  alles  Lebens,  aller  Harmonie 
aller  Einheit  der  Welt.     Die  Seele  ist  immateriell,  der  Wille  frei. 

Schriften:  Histoire  critique  de  l'äcole  d'Alexandrie,  1846 — 51.  —  La  mStaphy- 
sique  et  la  scionce,  1858;  2.  6d.  1863.  —  Essais  de  philos.  critique,  1864.  —  La 
religion,  1868.  —  La  science  et  la  conscience  1870.  —  Le  nouveau  spiritualisme,  1884, 
u.  a.  —  Vgl.  OLLE-LAPRUNE,  V.,  1898.  —  PARÖDI,  La  philos.  de  V.,  Revue  de 
met.  et  de  morale  VII,  1899. 

Vadala  Papale,  Giuseppe,  geb.  1854  in  Catania,  Prof.  der  Rechtsphilos. 
in  Catania.  =  Vertreter  der  Darwinistischen  Soziologie. 

Schriften:  Darwinismo  naturale  e  Darwinismo  sociale,  1880.  —  Progresso  e  para- 
sitismo,   1901.   —  La  Sociologia,  1883,  u.  a. 


Vaihutgeb        YaII.aij. 


Vaihiiiger.  Hans,  geb.    1862   in  Kehren,  Prof  in   Hall,    ufi     B 
da     Eantetudien",  Begründer  der  »JCantgesellschaft",  K 

In  da  „Philosophie  des  AU  ( >!>••   bezekhnel  V.  seine] 
u.  u.  beeinflußten)  Btandpankt  als   „idealistis<  Ja  ■     p  du" 
in  da  Hinsicht  in  die  „Notwendigkeil   bewußter  Fiktionen  ab  an 
Grandlagen    unsere«    wiaeenachafUichen    Forschens,    unser« 

na,  unseres  praktischen  Glaubens".     Die  biologisch-psycholt 
teleologisch-voluntaristiscrK    -        des  Erkennen*  wird  betont     i 
Dinge  zu  beherrschen,   müssen   wir  das   I  ene,  die  Empfindung 

verarbeiten.    Wir  Eae  us  „Dinge44,  als  Bubstanzen  mit  Eigenschaften  osw. 

auf  und  „verfälschen"  durch  diese  Fiktionen  das  Gegebene,  um  Beiner  Ha 
werden,  es  zu  ordnen  und  zu  beherrschen   v-l.  Nietzsche  .   Real  ist  cur  d     I 
änderliche  da  Koexistenz  und  Bukzession   des  l  aen.     ,,Wah 

VorsteüungsweM  nur  insofern,  als  sie  uns  erlaubt,  am  besten  die  Objektivität 
zu  berechnen  und  in  ihr  zu  handeln;   im  Übrigen  ist  Bie  rein  Bubjektiv,  i 
Im«-  I  sind   nur  ein    Mittel  zum   Handeln,  verschaffen  aber   k 

kenntnis  da  absoluten   Wirklichkeit,  welche  anerkennbar  ißt      1  >;.■   K 
sind   Fiktionen    von  theoretisch-praktischa   Nützlichkeit,   aba  ohne  Wirk 
keitswert,   also   rein   subjektiv,    nur   „praktisch"   notwendi 
sind  nur  „bequeme   Hilfsmittel,   um  die    BmpfmdungBmassen  zu   bewältig 
wurzeln  in  diesem  praktischen  Bedürfnis,  wobei  die  Zahl  und  - 
Beiben   durch   die   verschiedenen  Aufierungsformen 
denen  -i'-h  die  Psyche  mit  diesen  Formen  anpaJ 

denen   die  Geschehnisse   erfafil    werden   und   die   aus   da   inneren    Erfahrung 
stammen;   alle  Erkenntnis,  sofern  Bie  nicht  bloß  tatsächliche  Sukzessionen  and 

istenz    feststell!  .    ist    nur    analogisch,    beruht    auf    ..anal 
zrj.tion.ir-.     Dinge,    Kräfte  und    Ursachen    sind,    wi.-    das    „Ich"         ' 
Fiktionen.     Die»   überhaupt  sind  eine  „wissenschaftliche  Erdichti 
tischen  Zwecken44,    zweckmii  i  »i  1  < I« ■  der  EUnbUdungkrafl   zum  /. 

Erleichterung   des  wissenschaftlichen    Denkens.     Aul    dem    l'mw« 
tionen   und  Bemifikti  durch    willkürliche  Abweichung   von   d 

krii   und  durch  bewußte  Widersprüche,   durch  „legitimierte   I rrt n 
das  Denken  das  Gregebene   zu  beherrschen,   wobei  es  durch 

letzter    Operationen4'     seine    Fehler    k  um)    *-hl 

Fiktionen   eliminier4    oder   kritisch   all  lt.   ohi 

praktischen  Werl  v( 

triftet  Hart 

K ..rinii.i.tiir    M     KanU     Kritik     d.    ri'inrn    ' 
|  Bde.).  —  Kant«  W 
Kant     —  tran»*CDilentale  r     K«!.\ 

.iungg^oiifU    der  r>gen  über  .1« 

i:  -.    IM..     1878  Di 

I     \    BLabtmj 

\  ailiiti  .    ' 
Verl 


780  Vailati  —  Valla. 


Schriften:  II  metodo  deduttivo,  1898.  —  La  distinzione  tra  conoscere  e  volere, 
„Leonardo",  1905.  —  Pragmatismo  e  logica  matematica,  „Leonardo",  1906.  —  Scritti. 

Vaiseshika-Lehre :  Eine  Kichtung  der  indischen  Philosophie,  die  dem 
Kanada  zugeschrieben  wird  und  einen  atomistischen  Charakter  hat.  Als  Elemente 
der  Körper  werden  Erde,  Wasser,  Luft  und  Licht  genannt. 

\  aleiitiiius,  Gnostiker,  der  erst  (bis  gegen  135  n.  Chr.)  in  Alexandrien, 
dann  (bis  160  n.  Chr.)  in  Rom  lehrte  und  in  Cypern  starb.  Er  hatte  viele  An- 
hänger (Valentinianer:  Herakleon,  Ptolomaeus,  Secundus,  Marcus, 
Axioneikos,  Ardesianes  u.  a.). 

V.,  der  vom  Parsismus,  von  Plato,  dem  Neuplatonismus,  den  Ophiten  be- 
einflußt ist,  gehört  zu  den  bedeutendsten  der  „häretischen"  Gnostiker.  Nach 
seinem  Emanationssystem  ist  das  oberste  Wesen  der  göttliche  Vater  (jiax^g) 
oder  Vorvater  (jiQOJxäxcog),  die  ewige,  unendliche,  ungewordene  Einheit  ((xoväg 
dyevvrjxog),  die  ,, Urtiefe"  (ßv&og),  der  „vollkommene  Aon"  (xeleiog  alcov),  dem 
nach  manchen  Valentinianern  ein  weiblicher  Aon,  das  „Schweigen"  {piyi]  oder 
evvoia),  entspricht.  Der  Urvater  setzt  aus  Liebe  eine  Geisterwelt  aus  sich 
heraus,  dreißig  Äonen,  ewigwährende,  göttliche  Kräfte,  deren  Inbegriff  das 
,,Pleroma"  (jxXr/gco/Lia),  das  Reich  göttlich-geistiger  Fülle  und  Lebendigkeit  (im 
Gegensatz  zum  xsvco/ua,  der  stofflichen  Leere)  ist.  Die  zwei  ersten  Äonen  sind, 
der  eingeborene  Verstand  (vovg),  das  Prinzip  von  allem  (äg%r)v  xcöv  jtavxcov), 
und  die  Wahrheit  (äXtf-deia),  die  mit  der  Tiefe  und  dem  Schweigen  die  erste 
Vierheit  (xsxgaxxvg)  bilden.  Zur  zweiten  Vierheit  gehören  der  Gedanke  (Xoyog) 
und  das  Leben  (£corj),  der  Urmensch  (ävdgcojxog)  und  die  Gemeinde  (exxXiiola).  Aus 
dieser  Achtheit  (öydodg)  gehen  eine  Zehnheit  und  eine  Zwölfheit  von  Äonen  hervor, 
deren  letzter  die  „Weisheit"  (0099m)  ist.  Diese  begehrte  die  Vereinigung  mit 
dem  Urvater,  um  ihn  zu  erfassen  und  zeugte  einen  formlosen  Stoff,  worauf 
sie  durch  den  Äon  „Grenze"  (ögog)  gereinigt  und  ihres  Begehrens  und 
Leidens  ledig  wird.  Dieses  Begehren  wurde  von  der  Sophia  als  eine  niedere 
Weisheit,  Achamoth  (äxa/tcoft)  abgelöst  und  in  eine  niedere  Region  geschleudert. 
Die  körperliche  Welt  hat  der  aus  der  Achamoth  hervorgegangene  Demiurg  ge- 
schaffen. Eine  Emanation  von  „Verstand"  und  „Wahrheit"  ist  Christus,  ein 
anderes  Produkt  der  Äonen  der  himmlische  Jesus,  mit  dem  der  irdische  Jesus  sich 
verbindet.  Durch  Christus  findet  die  Erlösung  der  Weisheit  statt.  Die 
Menschen  zerfallen  in  „Hyliker"  (materielle  Menschen),  wie  die  meisten  Heiden, 
„Psychiker"  (seelische  Menschen),  wie  die  meisten  Juden,  und  „Pneumatiker" 
(Geistesmenschen),  d.  h.  wahrhaft  erkennende  und  erkenntnisgemäß  handelnde 
Menschen,   die  der  Werke   nicht  bedürfen  (die  Gnostiker).    Vgl.  Pistis  sophia. 

Schriften  nicht  erhalten.  Berichte  über  V.  und  die  Valentinianer  bei  Irenaeus, 
Tertullian,  Clemens  Alexandrinus  (vgl.  Gnostiker).  —  Vgl.  W.  SCHULTZ, 
Dokumente  der  Gnosis,  1910.  —  G.  HeiNRICI,  Die  Valentinianische  Gnosis  u.  d.  heil. 
Schrift,  1871.  —  R.  A.  LlPSIUS,  V.  u.  seine  Schule,  Jahrb.  für  Theol.,  1887. 

Valla,  Laurentius  (Lorenzo  della  Valle),  geb.  1407  in  Padua  (oder  Rom), 

1  157  in  Rom.  =  V.  ist  ein  Gegner  des  Aristoteles  und  der  Scholastik  und 

ein  Vertreter   des   Humanismus,    der  seine  logisch-rhetorischen   Vorbilder   aus 


V.U.I.A       -       N'ANMi 


Cicero  und  Qnintilian  schöpft    Kr  ist  an  Erneuerer  des  Epikm  B 

nismiis  und  ist  (wie  di    -  •.  Natur  nod  Gott  zu  ideni  I» 

Logik  ist  eine  ,,scientia  rationalis"  (und  jHrmoch 

Schriften:  De    donatione    Constantini,    IfttO.    —    De   Tolaptate   et    m  

De  libero  arbitrio,    1518.    —    Dialecticae    disputationes  contra  ä 
die  Aristotelische  Dialektik,   Kategorien-  und  Substanzenlehre  u 

—  Vgl.    J.     Vahi.i.X,     L.    V.,     1864;     2.    A.    1870.    -    Mol 
PRANTL.    Gesch.    d.  Logik    IV.  —  M.    v.     WOLFF,    L.    V.    1803.    -    \V    - 
L.   V.,   1896. 

Vail    Kiei'VÜt,   J.   J.  —  Schritten:   Psycho!,  humaine.  —  La  memoire,    1- 

—  Etudes  de  psychol.   1901.   —  La  psychol.  quantitative   1907,  u.  a. 

Van  llolmont  i.  Heknont 

\  aniiii.  Lucilio,   geb.   am   1585  in  Tanrisano,   Btadierte  in  Rom, 
nnd  anderen  Universitäten,  fahrte  ein  unstetes  I  ib  In  Toaloase  Prii 

anterricht;    1018  wurde  er  daaelbel   ab  Ketzer   and  ert  and 

\.  rbnumt. 

V..   der   von  Pomponatius,    I    esalpinus,    u.  a.   beeinfluß    ist,   lehrt 
nataralistischen    Pantheismus.      In    Beiner   erst      Schrift    bestimmt 
1 1    als    unendliches,   ewiges,    aberzeitliche«   Bein,   das   ans   rieh   h<  ram 
Well  geschaffen  hat  und  in  ihr  tätig  ist,  indem  er  alles  In  alles 
ernum    esse  adeoque  Deum 

»ichnet    er  die  Naf  d  r  als   die   Kraft  i  D 

selbst    '..natura    recte  et  i  ■      l  »■      -       divina  dicitur").     D 

ewig,    die   einheitliche   Materie   in    ihrer   Menge   i-t    i  i   nur   0 

I   innen    wechseln.     \h<-  Natur   k  rieh   durch    ihr«  K 

1     i  wirken    von   Geistern.     Der    Mensch    ist    ein    Mikrokosmos.     Di<    3 
die  Form  der  lebendigen  Bubstanz  and  darchdru 
Eörpi 

Schriften:   Aniphitl.e.itruin   Mt  —   I>e  admirandi«  natura« 

:.ae    deaeque    nx.rtalium    arcani*   üKri    1\.  \N  .    I>.    PsfcrmiBS,    Lebet 
ksale,    (                    utnl    M  1 7     Jahrhu: 

I  V  LI88E,  L.   V.,    1871     -    BAI  DOl  W,   HJ 

\  an  Meeaiefl        i 

\  annrrii'».    \  -      kholm.         V 

u.  a.   beeinflußt    und   rertritt    ein» 

en   Btandpunkt     I i  I»   ihm  l 

die  rein  aktual istische  £*eelentl 
dem  Bewußtsein,    sondern 

I I  nde    ui 
Ian/.lui-».-n-<  ■!  '• 
letztere    in    Natur-    und    • 

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iUntiani  Bjhwsd 


782  Vannerus  —  Vaknbüler. 

1890.  —  Das  Universum,  1893.  —  Beim  Studium  der  Philosophie  Wundts,  1896.  — 
Zur  theoret.  Philos.  Boströms,  1897.  —  Philosoph.  Umrisse,  1902.  —  Die  empir. 
Naturauffassung,  1902.  —  Erkenntnislehre,  1905.  —  Wissenschafts-Systematik,  1907.  — 
Zur  Philosophie  des  Geisteslebens,  1910,  u.  a. 

V  amii.  Icilio,  Prof.  in  Rom.  =  Nach  V.  ist  die  Soziologie  eins  mit  der 
Geschichtsphilosophie.  Die  Kultur  ist  das  Werk  eines  sich  selbst  verwirk- 
lichenden Gedankens. 

Schriften:  Primi  linee  di  un  programma  critico  di  sociologia,  1888.  —  II  pro- 
blema  della  filosofia  del  diritto,  1890.  —  La  teor.  sociol.  della  popolazione,  u.  a. 

Yarisco,  Bernardo,  geb.  1850,  Professor  in  Pavia.  =  V.  vertritt  einen 
kritischen  Idealismus,  nach  welchem  die  psychischen  Vorgänge  auf  Relationen 
zwischen  den  einzelnen  Wesen  beruhen,  deren  Innensein  in  psychischen  Vor- 
gängen besteht,  die  sowohl  durch  die  physischen  Vorgänge  als  durcheinander 
selbst  bestimmt  werden. 

Schriften:  Scienza  e  opinioni,  1901.  —  Le  mie  opinioni,  1903.  —  Introduzione 
alla  filosofia  naturale,  1903.  —  Studi  di  filosofia  naturale,  1903.  —  Corpo  et  anima,  1903. 
—  Forza  e  energia,  1904.  —  La  conoscenza,  1904.  —  Paralipomeni  alla  conoscenza, 
1905.  —  Abhandlungen  in  Eivista  di  filos.  1901,  1908,  Riv.  filos.  1902,  1906  ff.  —  Das 
Subjekt  und  die  Wirklichkeit,  Logos  I,  1911,  u.  a. 

Varnbüler,  Theodor  von,  geb.  1821  in  Wien.  =  Nach  V.  ist  die  Philosophie 
„die  Erkenntnis  der  Notwendigkeit,  kraft  deren  alles  so  geschehen  muß,  wie  es  ge- 
schieht, und  alle  Dinge  so  sein  müssen,  wie  sie  sind".  Ihre  Methode  ist  die  „Syn- 
thesis  a  priori",  die  Konstruktion  der  Begriffe  aus  den  Elementen  des  Seins.  Es 
gibt  keine  Axiome,  nur  korrekte  Grunddefinitionen,  aus  denen  sich  alles  be- 
weisen lassen  muß.  Das  Sein  ist  „das  Sichselbstgleichbleiben  eines  Etwas  in 
vielen  Momenten",  die  „Synthese  von  Einheit  und  Vielheit",  die  „Gleichung 
schlechtweg".  Jedes  Etwas  ist  „Inbeziehungstehen,  Relativität".  Das  wollende 
Sein  ist  Gott.  „Das  Sein  überhaupt  besteht  somit  darin,  das  Gott,  der  absolut 
Eine,  durch  die  ihm  innewohnende  Kraft  der  freien  Abstraktion  sich  selbst  in 
Vielen  wieder  erzeugt,  so  daß  er  in  allen  Vielen  immer  der  gleiche  bleibt." 
Der  eine  allmächtige  und  allwissende  Gott  ist  das  Ideal  alles  Seins.  Substanz, 
Aktualität  und  Form,  oder  Subjekt,  Begriff  und  Objekt  sind  die  Elemente  alles 
Seins.  In  der  Substanz  des  Seins  überhaupt  bilden  alle  Wesen  nur  ein 
einziges  Sein,  in  der  Form  aber  sind  es  viele  Wesen.  Die  Veränderung  der 
Beziehungen  der  Momente  des  Seins  ist  Bewegung;  das  Sein  kann  sich  nur 
durch  die  Bewegung  seiner  Substanzen  verwirklichen.  Das  Gegenwärtigsein 
eines  Wesens  in  einem  anderen  ist  das  Bewußtsein.  Wirkliches  Sein  ist  leben- 
diges Bewußtsein.  Das  allumfassende  Bewußtsein  ist  die  Vernunft,  außer  ihr 
gibt  es  kein  Sein.  Das  wirkliche  Sein  der  Vernunft  ist  Leben ;  alles  wirkliche 
Sein  ist  Leben,  nur  Leben  ist  wirkliches  Sein.  Durch  die  Gestaltung  und  Be- 
lebung des  Bewußtseins  in  der  Vernunft  erlangen  alle  Dinge  ihr  reales  Sein. 
Dem  ..Logos"    (der  Idee  jedes  Dinges)  in  allem  entspricht  eine  „Psyche",  die 

i  ranzes  die  Weltseele  („Physis")  ist.  Als  letztes  Produkt  der  „Potenzierung 
^eins    in    der  Vernunft"    entsteht   der    Mensch,    dieser   hat   (als   geistiger) 


Varxbüler  —  VAU  VENA  RGÜES. 


ein  der  Kausalität  nicht  unterworfenes  immaterielles  Leben,  er  ist  „indivi- 
dualisierte Vernunft",  Person.  Der  vollendete  Formbegriff  der  Vernunft  ist 
der  Logos  des  Gottmenschen,  dessen  „Momente"  die  Menschen  sind;  diese 
sind  wie  er  unsterblich,  erhalten  im  künftigen  Leben  einen  neuen  Körper. 

Schriften:  Acht  Aufsätze  zur  Apologie  der  menschl.  Vernunft,  J878.  —  Die 
Lehre  vom  Sein,  1883.  —  Der  Organismus  der  Allvernunft  u.  das  Leben  der  Menschheit 
in  ihm,   1891. 

Varro,  M.  Terentius,  lebte  115  v.  Chr.  —  25  v.  Chr.  in  Born,  Schüler 
des  Akademikers  Antiochos,  Freund  Ciceros.  =  V.  faßt  Gott  im  Sinne  des 
Stoizismus  als  Weltseele  auf.  Er  unterscheidet  die  mythisch-dichterische,  die 
bürgerlich-politische  und  die  „physische"  (natürliche),  philosophische  Religion. 
Wir  bedürfen  physischer  und  geistiger  Güter,  deren  höchstes  die  Tugend  ist, 
welche  die  Glückseligkeit  verleiht. 

Schriften:  Antiquitates  (41  Bücher).  —  Vgl.  L.  H.  KßAHXER,  De  Varronis 
philosophia,  1846.  —  E.  NORDEN,  Varroniana,  Rhein.  Museum  48,  1893. 

Vasquez,  1.  Gabriel,  gest.  1604,  Verfasser  von  „Disquisitiones  metaphy- 
sicae.  =  Thomist.  —  2.  Marsilius,  aus  Toledo,  Mitglied  des  Zisterzienserordens, 
lehrte  in  Rom,  Ferrara  und  Florenz,  gest.  1611  in  Florenz.  =  Thomist,  Ver- 
fasser von  Kommentaren  zu  Aristoteles.  —  3.  Ferdinand,  Jesuit,  gehört  zu  den 
„Monarchomachen"  (vgl.  Bellarmin  u.  a.). 

Vatke,  Wilhelm,  geb.  1806  in  Lehndorf  bei  Magdeburg,  Professor  der 
Theologie  in  Berlin,  gest.  daselbst  1882.  =  Anhänger  Hegels  (mit  Modifi- 
kationen), auch  von  Kant  beeinflußt;  er  betont  die  relative  Willensfreiheit  des 
Menschen,  die  im  Kampf  mit  dem  Bösen  erlangt  wird.  Die  Religion  ist  das 
Gefühl  der  göttlichen  Nähe  und  Gnade  in  der  Liebe. 

Schriften:  Die  biblische  Theologie  I,  1835.  —  Die  menschliche  Freiheit,  1841.  — 
Historische  kritische  Einleitung  ins  Alte  Testament,  hrsg.  1886.  —  Religionsphilosophie, 
hrsg.   1888.  —  Vgl.  S.  H.  BENECKE,  W.  V.,  1883. 

Vattel  (Wattel),  Emmerich  von,  geb.  1714  in  Couvet  (Schweiz),  lebte  als 
Diplomat  in  Dresden,  gest.  1766  in  Xeufchätel.  =  Anhänger  von  Leibniz  imd 
Chr.  Wolff. 

Schriften:  Defense  du  Systeme  Leibnitien  contre  les  objections  de  Mr.  de  Crousaz, 
1741.  —  Le  loisir  philosophique,  1745.  —  Droits  de  gens,  1758  ;  deutsch  1760.  — 
Questions  de  droit  naturel,  1762;  deutsch  1771. 

Yauvenargues,  Luc  de  Ciapier,  Marquis  de  V.,  geb.  1715  in  Aix, 
einige  Zeit  Offizier,  gest.  1747  in  Paris.  =  V.  (der  besonders  von  Schopenhauer 
oft  zitiert  wird)  ist  ein  Moralist,  der  wie  Pascal  einem  gewissen  Mystizismus 
zuneigt.  Unter  seinen  Reflexionen  findet  sich  manches  Bemerkenswerte,  wie: 
„Les  grandes  pens£es  viennent  du  coeur",  ,,La  raison  ne  connait  pas  les  intt'ivts 
du  coeur"  u.  a. 

Schriften:  Introduction  ä  la  connaissance  de'l'esprit  humain  (Anhang:  Retiexions 
et  maximes),  1746;  deutsch  von  Hafferberg,  1899.  —  Discours  sur  la  liberte;  Traue  sur 
le  libre  arbitre  (Für  die  Willensfreiheit),  deutsch  1902.  —  Betrachtungen  und  Maximen, 
deutsch    von  E.    Hardt,    1906.    —  Oeuvres,    1747,    1797,    1821,    1857,    1874  f.  —  Vgl. 


784  Vauvenargues  —  Vedische  Philos. 


HAFFERBERG,  Die  Philosophie  V.s,  1898.  —  C.  NEBEL,  V.s  Moralphilosophie,  1901. 
—  HeilMAKN",  V.  als  Moralphilosoph  u.  Kritiker,  1906. 

Vayer,  s.  Le  Vayer. 

"Veccliio,  Giorgio  del,  Professor  der  Bechtswissenschaft  an  der  Univer- 
sität Sassari,  Genua.  =  Das  Recht  ist  sowohl  eine  empirische  Tatsache  als 
etwas  Überempirisches  (es  hat  eine  „significato  iperfenomenico"),  sofern  es 
nämlich  eine  sittliche  Ordnung  herzustellen  strebt.  Die  Entwicklung  des 
Eechts  (dessen  Prinzip  ein  A  priori  enthält)  hat  die  Tendenz  zur  Bestätigung 
des  Naturrechts. 

Schriften:  Diritto  e  personalitä  umana,  1904.  —  L'etica  evoluzionista,  1904.  — 
Su  la  teoria  del  contratto  sociale,  1906.  —  II  concetto  del  diritto,  1906.  —  II  sentimento 
giuridico,  1908.  —  11  concetto  della  natura  e  il  principio  del  diritto,  1908,  u.  a. 

Vedische  Philosophie:  Die  Philosophie  der  Veden  (Veda  =  Wissen) 
mit  drei  Perioden:  1.  Alt  vedische  Periode  (Rigveda);  2.  Jungvedische  Periode 
(Upanishads  =  Geheimlehren) ;  3.  Nach  vedische  Periode  (Mimansa,  Vedanta,  Nyaya, 
Vaiseshika,  Sankhya,  Yoga).  Die  Vedanta-Philosophie  betrachtet  das  empirische 
Wissen  als  Nichtwissen.  Dem  wahren  Wissen  enthüllt  sich  die  Vielheit  der 
Dinge  und  Individuen  als  Schein,  als  Illusion  („Schleier  der  Maja").  In  Wahr- 
heit existiert  nur  das  Eine,  das  göttliche  Allwesen,  das  „Brahman";  die  Welt 
ist  nichtig,  wesenlos  (Akosmismus),  nicht  (wie  die  älteren  Veden  lehren)  eine 
Emanation  des  Göttlichen.  Das  „Brahman"  ist  ewiges,  unwandelbares,  reines 
Sein,  übersinnlich,  immateriell.  Die  Körperwelt  ist  ebenso  Schein  wie  die 
Welt  der  einzelnen  Ichs,  die  nur  in  der  Erscheinung  verschieden,  an  sich  aber 
eins,  das  göttliche  Selbst  („Atman")  sind  („Aham  Brahma  asmi";  „Tat  twam 
asi").  Hier  wird  also  ein  Monismus,  Pantheismus,  Idealismus  gelehrt.  Höchstes 
Ziel  ist  die,  alle  Seelenwanderung,  alle  Wiedergeburt  (mit  den  Folgen  des 
früheren  Lebens,  dem  „Karma")  aufhebende  Einswerdung  mit  dem  Einen. 

Aussprüche : 

Der  eine  bin  ich ;  was  da  ist,  ich  bin  es. 


Der  sich  zu  allen  Wesen  umgestaltet. 


Was  er  schuf,  nimmt  dann  zurück  er  wieder, 
Zur  Einheit  werdend  mit  des  Wesens  Wesen. 


Der  eine  Gott,  verhüllt  in  allen  Wesen, 

Durchdringend  alle,  aller  innere  Seele. 
Schriften:  Rig-Veda,  deutsch  von  Grassmann,  1876;  von  Ludwig,  1876—83.  — 
Oupnekhat,  lateinisch  von  Anquetil  Duperron,  1801;  deutsch  1882.  —  Kig-Veda,  hrsg. 
von  M.  Müller,  1869.  —  Vgl.  DEUSSEN,  Sechzig  Upanishads  des  Veda,  1897;  2.  A. 
1905.  —  Das  System  des  Vedanta;  2.  A.  1906.  —  Die  Sutras  des  Vedanta,  1887.  — 
Allgemeine  Geschichte  der  Philos.,  1894  ff.  —  Geheimlehre  des  Veda,  2.  A.  1907.  — 
Oldenberg,  Die  Religion  des  Veda,  1894;  Rig-Veda,  1888  f.  —  WALLESER,  Der 
ältere  Vedanta,   1910. 


Veitch  —  Verox.  785 


Veitcb,  John,  geb.  1829  in  Peebles,  Prof.  in  Glasgow,  gest.  1894.  =  An- 
hänger Hamiltons. 

Schriften:  Institutes  of  Logic,  1885.  —  Knowing  and  Being,  1889.  —  Dualism 
and  Monism,  hrsg.  1895.  —  Vgl.  BRYCE,  Alemoir  of  J.  V.,  1896. 

Venetianer,  Moritz  (M.  Anthropos),  früher  Gymnasialprof.  in  Char- 
lottenburg, lebt  in  Paris.  =  Anhänger  E.  v.  Hartmanns.  Das  Absolute  ist 
der  alles  Seiende  in  einem  Akte  wissende  „Allgeist".  Alle  Dinge  sind,  als 
Modifikationen  des  Allgeistes  und  von  ihm  erfüllt,  beseelt. 

Schriften:  Schopenhauer  als  Scholastiker,  1873.  —  Der  Allgeist,  Grundzüge  des 
Panpsychismus  im  Anschluß  an  die  Philosophie  des  Unbewußten,  1874. 

Venetus  s.  Zorzi. 

Venn,  John,  geb.  1834  in  Hüll,  Prof.  in  Cambridge.  =  Vertreter  der 
symbolischen  (mathematischen)  und  der  (von  J.  St.  Mill  beeinflußten)  induk- 
tiven Logik.  Das  Ziel  der  letzteren  ist  die  Erklärung  und  Systematisierung 
der  Tatsachen  der  Außen-  und  Innenwelt,  des  Denkens  („explaining  and  syste- 
matizing  the  facts  of  the  world  throughout  their  widest  possible  extent"). 

Schriften:  Symbolic  Logic,  1881.  —  The  Principles  of  Empirical  or  lnductive 
Logic,   1889. 

Ventura,  G.,  geb.  1792  in  Palermo,  gest.  1861  in  Versailles.  = 
Scholastischer  Standpunkt. 

Schriften:  De  methodo  philosophandi,  1828.  —  La  raison  philosophique  et  la 
raison  catholique,    1854.    —   La  tradition    et   les  semi-pelagiens  de  la  philosophie,  1854. 

—  De  la  vraio  et  de  la  fausse  philosophie,  1852.  —  Essai  sur  l'origine  des  idees,  1854. 

—  La  philosophie  chretienne,   1861,  u.  a. 

Vera,  Augusto,  geb.  1813  in  Amelia,  Prof.  in  Xeapel,  gest.  1885.  = 
Hegelianer. 

Schriften:  Indroduction  ä  la  philosophie  de  Hegel,  1855;  2.  ed  1864.  —  La 
Logique  de  Hegel,  1859.  —  Le  problenie  de  la  certitude,  1859.  —  L'hegelianisine  et  la 
philosophie,  1861.  —  Melanges  philosophiques,  1862.  —  Essais  de  philos.  hegelienne, 
1864.  —  Lezioni  sulla  filosofia  della  storia,  hrsg.  von  K.  Mariano,  1869.  —  Probleraa 
dell'  assoluto,  1872  ff.  —  Saggi  filosofici,  1885.  —  Piatone  e  l'immortal.  dell'  anima, 
1881.  —  Inquiry  into  specul.  and  exper.  Science,  1856.  —  An  Introduction  to  specul. 
Philos.  and  Logic,  1875,  u.  a.  —  Vgl.  MARIANO,  A.  V.,  1887. 

Vernias,  Nicoletta,  war  1471 — 99  Professor  in  Padua,  Anhänger  des 
averroistischen  Monopsychismus  (Lehre  von  der  Einheit  der  Vernunft  in  allen 
Seelen);  später  anerkannte  er  die  Unsterblichkeit  auch  der  Einzelseelen. 

Schriften:    Quaestio    an    dentur    universalia    realia;     De    unitate   intellectus,    u.  a. 

—  Vgl.  P.  E.AGXISCO,  N.  V.,  1891 ;  Documenti  inediti  e  rari  intorno  alla  vita  ed'  agli 
ecritti  di  N.  V.,  1891. 

Veron,  Eugene,  geb.  1825  in  Paris,  war  als  Journalist  tätig.  =  Nach 
V.  ist  die  Kunst  eine  natürliche  Eesultante  des  menschlichen  Organismus. 
Sie  entwickelt  sich  aus  der  Sprache  als  Ausdruck,  ist  der  Ausdruck  der 
menschlichen  Persönlichkeit  („l'expression  6mue  de  la  personnalite  humaine"), 
die    Äußerung    einer    Gemütsbewegung    (,,la   manifestation    d'une    emotion   se 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  50 


786  Veron  —  Verworn. 


traduisant  au  dehors").    Der  ästhetischen  Lust  liegt  die  Betätigung  der  Gehirn- 
energie zugrunde.  • 
Schriften:  L'esthetique,  3.  ed.  1890  (Hauptwerk).  —  La  raorale,  u.  a. 

Verweyen,  Johannes  Maria,  Privatdozent  in  Bonn. 

Schriften:  E.  W.  von  Tschirnhausen,  1906.  —  Die  Tat  im  Ganzen  der  Philo- 
sophie, 1908.  —  Das  Problem  der  Willensfreiheit  in  der  Scholastik,  1909.  —  Philo- 
sophie und  Theologie  im  Mittelalter,  1911,  u.  a. 

Verworn,  Max,  geb.  1863  in  Berlin,  Prof.  der  Physiologie  in  Göttingen. 
Herausgeber  der  „Zeitschr.  für  allgemeine  Physiologie". 

Nach  V.  heißt  Erkennen  nichts  anderes  als  „Erfahrungen  bilden".  Die 
einfachste  Erfahrung  besteht  in  der  sinnlichen  Empfindung.  Mittels  der 
Empfindungen  entstehen  die  Vorstellungen,  welche  ihre  eigenen  Rindensphären 
außerhalb  der  reinen  Empfindungssphären  haben  („Vorstellungsgebiete").  Die 
Vorstellungsassoziationen  unterliegen  einer  Selektion.  „Nur  Vorstellungsasso- 
ziationen, die  durch  die  sinnliche  Erfahrung  immer  wieder  bestätigt  werden, 
halten  sich  dauernd  lebensfähig  und  werden  weiter  gezüchtet."  Auf  der  Übung 
der  durch  Selektion  gezüchteten  Vorstellungsgänge  beruht  das  Gedächtnis.  Es 
werden  bestimmte  Assoziationswege  ausgeschliffen  und  so  entsteht  das  logische 
Denken.  Die  Anschauungsformen  Raum  und  Zeit  stammen  aus  der  Erfahrung. 
Gemäß  dem  „Konditionalismus"  ist  die  „Ursache"  ein  mystischer  Begriff  des 
primitiven  Denkens;  es  gibt  nur  funktionelle  „Bedingungen"  des  Geschehens, 
gesetzmäßige  Abhängigkeiten  nach  dem  Schema:  wenn  a  ist,  ist  b  (Positivistische 
Kausalauffassung;  vgl.  Mach,  Hodgson  u.  a.).  „Sind  sämtliche  Bedingungen,  von 
denen  ein  Vorgang  oder  Zustand  abhängig  ist,  ermittelt,  dann  ist  der  Vorgang 
oder  Zustand  eindeutig  bestimmt,  und  es  bleibt  nichts  mehr  an  ihm  zu  er- 
klären." Auch  das  „Ich"  ist  uns  nur  als  Produkt  der  Erfahrung  bekannt;  es 
ist  „der  Komplex  von  Dingen,  der  immer  dabei  ist,  was  auch  der  Mensch 
empfindet  und  denkt,  fühlt  oder  tut".  Das  primäre,  engere  Ich  ist  ein  „Apparat 
zur  Herstellung  von  Bewußtseinsvorgängen".  Die  Dinge  existieren  außerhalb 
meines  Ich,  auch  wenn  ich  sie  nicht  empfinde;  auch  mein  Ich  existiert  dann 
weiter.  Das  Ich  und  die  Dinge  sind  in  der  Welt,  ein  Teil  von  ihr.  Erkennen 
ist  ein  „Inbeziehungsetzen".  Indem  ich  es  zu  mir  in  Beziehung  setze,  kann 
ich  jegliches  Ding  erkennen;  der  Erkenntnisprozeß  hat  hier  keine  Grenze. 
Materie  (Atom  u.  dgl.)  kennen  wir  nur  als  System  von  Bedingungen  und  als 
Gedankenkonstruktionen.  Absolute,  unabhängige  Atome  kann  es  nicht  geben. 
Es  gibt  nicht  psychische  und  physische  Vorgänge  nebeneinander,  sondern  nur 
Eines.  Was  wir  bei  dem  anderen  sehen,  wenn  wir  die  Vorgänge  in  seinem 
Gehirn  analysieren,  während  er  eine  Empfindung  hat,  das  ist  seine  Empfindung; 
diese  ist  eindeutig  bestimmt  durch  ihren  spezifischen  Komplex  von  Bedingungen. 
Die  Entstehung  bestimmter  Bewußtseinsvorgänge  ist  bedingt  durch  bestimmte 
Vorgänge  in  den  Bestandteilen  der  Hirnrinde.  V.  vertritt  einen  „Psycho- 
monismus",  nach  welchem  die  Dinge  nur  als  „Inhalt  der  Psyche"  existieren. 
Die  Körper  bestehen  aus  Empfindungen. 

Schriften:   Psycho- physiologische   Protistenstudien,    1889.   —    Die    Bewegung    der 


VEBWOBH    —    VlI.KKANM. 


lebendigen    Substanz,     1892.    —    Allgemeine    Physiologie,     1895;    5.    A.     190'J.    —    Die 
Biogenhypothese,    1903.  —  Naturwissenschaft  und   Weltanschauung,    1904.    —    Prinzipien- 
fragen   in    d.  Naturwissenschaft,     1905.    —    Die    I  mg   des  Lebens,     1907.   - 
Mechanik    des  Geisteslebens,    1907;    I.    A.    1910.    —  Zur    Pgj   hol.    d.  primitiven    Kunst, 
19"7.   —  Die  Frage  nach  den   Grenzen  der  Erkenntnis,   1908,  u.  a. 

Veiter,  Benjamin,  geb.  1848  in  Osteri 
Prof.  am   Polytechnikum   in    Dreedei 
monistische!  Standpunkt.     I 

Schriften:  Die  moderne  Weltanschauung  und  der 

Yioo,  Giovanni   Battista    Giamhattu  N 

der  Rhetorik  in  Neapel,  gest.  1743. 

Y..  der  von  Plato.  Aristoteles,  dem  Neupiatonismus,  F.  B  i  intim. I 

gehör!  y.n  den  bedeutendsten  älteren  Vertretern  der  Geschieht sphilosophie 
and  Völkerpsychologie),  die  nach  ihm  eine  „Metaphysik  des  Mensch«  ogi  schA 
sein  soll.    Die  Geschieht«-   selbe  (richte  der  menschlichen    I 

„storia  dell'  idee  umane");  die  Prinzipien  der  Moral,  der  Politik,  dee  i: 
sind   die  wahren  Prinzipien  der  Geschichte,  in   welcher  sich  die  göttliche  Vor- 
sehung offenbart  und  welche  drei  Perioden  hal     Götter-,  J  M        hen- 
Alter.    Die  Entwicklung  der  Völker  ist  eine  einheitliche.    Interessen  and  Ti 
t ühren   zu   sozialen  Einrichtungen,   welche   wieder   neue  Bedürfnis« 
Die  Übereinstimmung  des  g<  samten  Menschenverstandes  der  Völker  ist  die  \\ 
hett,  ilcr  Geist  der  menschlichen  Gattung,  die  bezüglich  eu  «l  Grund- 
wahrheiten  übereinstimmend  denkt     Die   Bedeutui                          i 
für  den  Charakter  der  Völker   wird  von  V.  erkannt     Dm  Recht  Be- 
dingung der  ( tesellschaft 

Gott    isf    nach   V.  das   unendliche   Können  Kennen  (noacere)  und 

Wollen   (velle).     Die  Dinge   Bind  an  -i<-h  Kraftzentreo   all  Ausstrahlungen  der 
göttlichen  Kraft.    Das  Wesen  der  l  erkenn!  der  Mensch,  indem  er  aUea 

in  Gk>tl  schaut  (vgL  Malebrancli 

B    hriften:   De  antiqui-  I  orum  sapientia.   1  7  l  o    —   D«  saiftra  im 

et  fine  uno,  1720;  deut-  jui  est  de  constantia  iurisprudenti«,  L7ll. 

—   Princijd   di   una    scirnza    nunva    d'   intorno    alla    comm;.  ra    delle  nazi< 

|.  a.  L780;    B.  a.    1744,  181t,    LStl,  L86S£    a    ••  :   baaaMaal    i  :."..:.    '■•  ■■ 

Gruiidzii„'.-    einer    neuen    NN  BaaptWtrk),    u     a.    —    Opera,    1858-59; 

Oper«  1853  ;  0  \*St. 

K.    Wi  km  i:.    I  ■                                                              I  i  a  i     V. 

1893  (englis.-h).   —   <\M"M      S  .  I                 9       DKM,    G                     MS.   — 
k'i  imm,  Q,   B    V  .   1906.  -    <  k<><  r    l 

Victor     .  St  Victor. 
VlctorinuM  -    Marius  V. 
\  hlari,  Giovanni  =  Individualist» 

B    i.ntt.-n:    LlMÜfidaaÜMM    aalls  morali    del     aecolo    I    ■         '«»9.    — 

< i i    Kti  a.    1'* 

\  icrknmlt,    \  .1  I       in. 

Von  Wandt  beeinfluBl     I  nn-n  kmi-tn  <..->,iu.i 


78S  VlERKANDT  —  VlLLERS. 

und  die  Erhaltung  der  Kultur.  Die  Kulturgüter  sind  überindividuell,  Produkte 
des  Gesamtgeistes.  Die  Kultur  bestellt  aus  einem  „Inbegriff  fester  Formen", 
welche  der  Willkür  der  Einzelnen  entzogen  sind.  Der  Kulturwandel  ist  durch 
soziale  und  sachliche  Kräfte  bedingt ;  bei  den  letzteren  sind  die  trivialen  und 
idealen  Motive  zu  unterscheiden,  zu  den  ersteren  gehört  der  Einfluß  des  An- 
genehmen und  des  Nützlichen.  Stärker  als  die  sachlichen  sind  die  sozialen 
Motive.  Eine  hohe  Bedeutung  hat  für  die  Kulturentwicklung  das  Infinitesi- 
male, Kleine.  Der  Kulturwandel  ist  entweder  „endogen"  oder  „Akkulturation" 
(durch  Entlehnung),  stetig  oder  unstetig,  bewußt  oder  unbewußt.  Es  gibt  Halb- 
oder Vollkultur  (bzw.  Natur-  und  Kulturvölker).  Das  Wesen  der  Vollkultur 
liegt  im  „Überwiegen  der  willkürlichen  vor  den  unwillkürlichen  Willensakten". 
Ein  „ethelistischer"  (willensbestimmter)  und  „intellektueller"  Typus  der  Vollkultur 
ist  zu  unterscheiden. 

Schriften:  Naturvölker  und  Kulturvölker,  1896.  —  Die  Stetigkeit  im  Kultur- 
wandel, 1908.  —  Das  Kulturproblera,  Zeitsehr.  f.  Sozialwissensch.  III,  1899.  —  Philos. 
Studien  XX,  u.   a. 

Yignoli,  Tito,  geb.  1827  in  Rosignano,  Prof.  in  Mailand.  =  Vertreter  der 
vergleichenden  Psychologie,  evolutionistischer  Standpunkt.  Der  Mythus  beruht 
auf  einer  schon  ursprünglichen  Beseelung  der  Objekte  seitens  des  Menschen. 

Schriften:  Della  legge  fondamentale  dell'  intelligenza  nel  regno  animale,  1877. 
—  Era  nuova  del  pensiero,  1885.  —  Mito  e  scienza,  1879;  deutsch  1880.  —  Sul- 
l'origine  del  linguaggio  articolato,   1885,  u.  a. 

Villa,  Guido,  geb.  1867,  Prof.  in  Rom.  =  Von  Wundt  und  Hoff  ding  be- 
einflußt. Die  geistig-historischen  Tatsachen  sind  Werte,  die  gefühls-  und 
willensmäßig  bestimmt  sind  und  dem  „Gesetz  des  größten  Interesses"  unter- 
liegen.   Das  Denken  ist  eine  Willensfunktion  (Voluntarismus). 

Schriften:  Sülle  teorie  psicologiche  di  W.  Wundt,  1896.  —  La  psicologia  con- 
temporanea,  1889;  2.  ed.  1911;  Einleit.  in  d.  Psycho!,  d.  Gegenwart,  deutsch  von 
Pflaum,  1902;  ital.  2.  ed.  1910.  —  L'idealismo  moderno,  1905,  u.  a. 

Yillari,  Pasquale,  geb.  1827  in  Neapel,  Prof.  in  Pisa.  =  Positivistische 
Auffassung  der  Geschichte. 

Schriften  :  Scritti  pedagogici,  1868.  —  Arte,  storia  e  filosofia,  1889.  —  La 
storia  di  G.  Savonarola,  e  de'  suoi  terapi,  2,  ed.  1887;  deutsch  1868.  —  N.  Machia- 
velli  e  i  suoi  tempi,   1877  ff.;  deutsch  1877 — 83,  u.  a. 

\  illanme,  Pierre  (Peter),  geb.  1746  in  Berlin,  gest.  um  1806  auf  Fünen. 
=  Standpunkt  der  Leibniz-Wolffschen  Philosophie. 

Schriften:  Über  die  Kräfte  der  Seele,  1776.  —  Von  dem  Ursprünge  und  den 
Absichten  des  Übels,  1784  —  87.  —  Geschichte  des  Menschen,  3.  A.   1802,  u.  a. 

Villers,  Charles,  geb.  1765  in  Boulay,  eine  Zeitlang  Offizier,  studierte 
1797  in  Göttingen,  lebte  dann  in  Lübeck,  1811  —  14  Prof.  in  Göttingen,  gest. 
1815.  =  Anhänger  Kants. 

Schriften:  Philosophie  de  Kant,  1801.  —  Auszug  daraus  (für  Napoleon  verfaßt), 
mitgeteilt  von  K.  Vorländer  in  den  „Kantstudien",  III.  —  Essai  sur  l'esprit  et  l'influence 
de    la  reformation  de  Luther,  1804;  deutsch  1805.  —  Philos.  u.  histor.  Briefe  über  die 


Villers  —  Vi»  heb. 


Kirchenvereinigung,   1808,  u.  a.  —    Vgl.   RlNK,  Mancherlei  zur  8  r  metakri- 

tischen  Invasion,  1800.  —  G.  ULRICH,  (Jh.  de.   V.,   1899. 

Vinoenz  von  Beauvais  (Beüovacensis),  Dominikaner,  Lehrer  der8öhne 

Ludwigs  IX.  des  Heiligen,  gest.   um    1250.    =    Verfasser    der    □ 
Enzyklopädie  des  Mittelalters.    Betreffs  der  UniverBalien    vertritt    V.  einea 

mäßigten  „Realismus-. 

Schriften:  Tractatus  de  eruditione   filiorum  regalium;  deutsch  von  Schlosser,   1 
—    Speculum    quadruplex:    naturale,    doctrinale,    historiale,     raorale,    14  84,    15 
1G24    (Hauptwerk,    zum    Teil    von    anderen    Verfassern    bearbeitet).    —   Vgl.  A.   VOGEL, 
Über    V.    v.    B.,    1843.    —    PRANTL,    Gesch.    der    Log.    111.   —    BOUTAÄIC,   V.  de  B, 

1875.  —  R.  Friedrich,  V.  v.  B.  als  Pädagog,  1883. 

Vinci  s.  Leonardo. 

Virchow,  Rudolf,   1821 — 1903,  Prof.  in  Berlin,  der  berühmte  Begründer 

•  !•  r  ..Zellularpathologie".  =   V.  vertritt  als   Biolog  die  mechanistische  Ihi 
Die  Lebenskraft  ist  nichts  als  eine  den  Elementarstoffen  mitgeteilte  b\ 
rieh tung der  „vitalen  Einheiten"  (Oesamm.  Abhandl.  zur  wisBensch. Medizin  1. 1 
Exaktes  Wissen   und  religiöser  Glaube  Bind  schar!  zu  unterscheiden,  ohne  daß 

sie  einander  ausschließen. 

Schriften:    Vier    Reden   über    Leben    und    Kranksein,    1862.    —    Die    Einheitsbe- 
strebungen   in    der    wissensch.    Medizin,     1897.     —    Empirie    und    Transzendenz, 
f.    pathol.     Anatomie     u.     Physiologie    VII.     Gesammelte    Abhandlungen    zur 
Medizin,   185G.  —  Vgl.  RECHER,   EL  V..  I.   A.    L8 

Viseber,  Robert,  gel).   1847    in  Tübingen.   Pro!  der  Em  ichte  in 

Göttingen.  =  V.  betont  die  ästhetische  Einfühluj 

Schriften:   Über  das  optische  Furmgefühl,    1873.  -      Studien  zur   Kun»tge»chi. 
1886,  u.  a. 

Viseher,    Friedrich   Theodor,  in    Ludwigsburg,  itadierte   in 

Tübingen.  1837   s,  o.,  1844  o.   Prof.  dasell  in  Zürich,  seit  1886  wieder 

in  Tübingen  und  (im  Sommer)  in  Stuttgart,  gest  1887, 

V.  ist  besonders  ron  Hegel  beeinflußt,  über  den  er  tber  später  bina 
Jute  „Idee"   rerwirklichl  sich  Dach  V.  in  Kaum  and  Zeit    Di    N 
ist  der  Boden,  woraus  der  Qeisl  au  -  bönen  ist  „i  Philo- 

vuj.hic-.  es  ist    „die  Idee  in  der  Form  begrenzter  Erscheinung'',  ein  sinnlich 
Einzelnes  als  Ausdruck  der  Idee,    Die  Kunst  ist  die  subjektiv-objektive  Wir! 
keil  des  Schönen.   Das  Schöne  im  Widerstreit  seiner  Momente  ist  d 

isch   wird   das  einzelne  s«-hr.ii«-,  w.-im  .>  mit  .I.m  Al»-i.lutt-ii  dadurch  in 
Konflikt   gerät,  daß   es   Dicht  durch  Selbstaufopferung,  -.-ml. tu  durch  s 
sucht   mit   ihm   eins  werden    will    Das  wahrhaft  Erb  ri  das  Ti 

,das    Bild   d<  ichwindens   jeder  endhchi      i  lern   nnendli 

Geiste,  das  Bild  davon,  wie  kein  Mensch  schuldlos  bli  B  bkk- 

aal  an  dieser  Schuld  packt  und  ihm  dafür  Leiden  bi  bliche 

Größe  ror  d<  i    M  >  •      •  >-  huiml.t •■      l  and  die 

Kunst,  8.   180).     V.   unterscheidet  objektive   Kunst  (die  bilcV 
(Musik),  and  subjektiv-objektive  (Dichtkunst).    In  B  brift 


790  Vischee  —  Vloten. 


bestimmt  er  das  Schöne  mehr  empirisch-psychologisch  als  „ausdrucksvolle 
Form,  formgewordener  Ausdruck,  Einheit  von  Ausdruck  und  Harmonie",  und 
betont  das  unbewußte  „Einfühlen"  („Leihen",  „Unterlegen"). 

Schriften:  Über  das  Erhabene  und  Komische,  1837.  —  Kritische  Gänge,  1844  ff., 
1861  ff.  —  Ästhetik,  1846 — 58.  —  Über  das  Verhältnis  von  Inhalt  und  Form  in  der 
Kunst,  1858.  —  Auch  Einer,  1879  (Roman).  —  Mode  und  Cynismus,  3.  A.  1888.  — 
Altes  und  Neues,  1889.  —  Vorträge  für  das  deutsche  Volk;  hrsg.  von  seinem  Sohne 
E.  Vischer:  I.  Das  Schöne  und  die  Kunst,  1897;  II.  Shakespearevorträge,  1899  f., 
u.  a.  —  Vgl.  E.  V.  GÜNTHEET,  F.  Th.  V.,  1889.  —  M.  DlEZ,  F.  V.,  1889.  —  Th. 
ZlEGLEE,  F.  Th.  V.,  1893.  —  F.  EEICH,  Die  Kulturphilosophie  V.s,   1907. 

Vives,  Johannes  Ludovicus,  geb.  1492  in  Valencia,  studierte  daselbst 
und  in  Paris,  hielt  sich  u.  a.  in  Brügge  und  Löwen  auf,  von  1523  bis  1528 
jährlich  in  England ,  wo  er  Doktor  der  Rechte  wurde  und  Vorlesungen  hielt, 
gest.  um  1540  in  Brügge. 

V.  ist  einer  der  bedeutendsten  Gegner  der  Scholastik,  obwohl  er  in  meta- 
physischer Beziehung  stark  von  Aristoteles  beeinflußt  ist,  in  der  Ethik  hingegen 
von  Plato  und  der  Stoa,  während  er  in  der  Psychologie  eine  empirische  Methode 
anstrebt,  wie  er  auch  sonst  die  Wissenschaft  auf  Natur  und  Erfahrung  und 
auf  selbständiges  Denken  verweist.  In  mancher  Beziehung  ist  V.  ein  Vor- 
läufer von  Petrus  Ramus,  F.  Bacon,  Descartes. 

Die  Wissenschaften  seiner  Zeit  kritisiert  V.  scharf ,  indem  er  die  Gründe 
für  ihren  Verfall  analysiert.  In  metaphysischer  Beziehung  betont  V.  den  Be- 
griff Gottes  und  der  Schöpfung.  Die  Gottesbeweise  beurteilt  er  ziemlich  skep- 
tisch und  legt  mehr  auf  die  sittliche  Grundlage  des  Gottesbewußtseins  Wert. 
Die  Dialektik  (Logik)  ist  mit  der  Rhetorik  zu  verbinden  und  besonders  ist  die 
Lehre  von  der  Erfindung  und  vom  Urteil  zu  behandeln  (vgl.  Ramus),  auch  die 
Wahrscheinlichkeit  nicht  zu  vernachlässigen.  Die  Psychologie  hat  sich  nicht 
mit  dem  Wesen  der  Seele ,  sondern  mit  ihren  Eigenschaften  und  Funktionen 
zu  befassen,  also  auf  innerer  Beobachtung  zu  beruhen.  Keine  Erkenntnis  steht 
hoher  als  die  psychologische  (De  anima  et  vita,  praef.).  Die  Seele  ist  nach  V.  ein 
im  organischen  Körper  wohnendes  Agens  (,,animam  esse  agens  praecipuum, 
habitans  in  corpore  apto  ad  vitam").  Das  Gefühl  der  Lust  erklärt  V.  aus  der 
Angemessenheit  der  psychischen  Funktion  (vgl.  die  Lehre  von  den  Affekten, 
1.  c.  III,  146  ff). 

Schriften:  Sapiens,  1512.  —  Christi  triumphus,  1514.  —  Gegen  die  Pseudo- 
dialektiker,  1519.  —  De  initiis,  sectis  et  laudibus  philosophiae,  1518.  —  Satellitium 
animi,  1524.  —  De  diseiplinis,  1531  (mit:  De  prima  philosophia,  de  censura  veri,  de 
instrumento  probabilitatis  u.  a.,  1531).  —  De  anima  et  vita,  1539.  —  Opera,  1555; 
1782—90  (8  Bde.).  —  Dialoge,  deutsch  von  Brösing,  1897.  —  Vgl.  F.  A.  LANGE,  L.  V. 
(in:  Enzyklop.  d.  ges.  Erziehungs-  u.  Unterrichtswesens,  hrsg.  von  Schmid,  IX,  1869). 
B.  PADE,  Die  Afl'ektenlehre  d.  J.  L.  V.,  1894.  —  G.  HOPPE,  Die  Psychol.  des 
J.  L.  V.,  1902.  —  BONILLA  Y  SAN  MARTIN,  L.  V.  (spanisch),  1903.  —  KATER, 
Vives  u.  s.  Stellung  zu  Aristoteles,  1908. 

Yloten,  Jan  van,  geb.  1818,  1854—67  Prof.  in  Deventer,  gest.  1883  in 
Harlem.  =  Von  Spinoza  u.  a.  beeinflußt.  Herausgeber  der  besten  Spinoza- 
Ausgabe. 


Vloteh  —  V< 

Schriften:  Baruch  d'Espinoza,   1862;   I.  A.    1871.  —   Spinoza,   1880,  u.  a. 

Vogel,  August,  geb.  1842  in  Greifswald,  Bürgerschuldirektor  in  P 

Schriften:  Philos.  Repetitoriuni,   1873:  4.   A.   1898.  —  I  r  Pädagogik 

sie    Wissenschaft,    1877;    2.    A.    1903.    —  ^lop.    d.    l'ädag.,    1881.    — 

Systemat.    Darstellung  d.  Pädag.  Pestalozzis,   1886  ;  2.   A.   1892.  —   lierbart  oder   1 
iozzi,   1887;   2.    A.   1892.  —  Die  philos.  Grundlagen  der   Witten« 
1888;  3.  A.  1903.  —  Lebensprobleme  u.  Welträtsel,   1891.  —  Die  höchsten   I 
leuchtet  von  den  größten  Denkern  d.  Neuzeit,  1896.  —  Geschieht 

Yojltt,  J.  G.,  geb.  1843  in  Florenz,  Prof.  in  London. 

V.  lehrt  einen  psychophysischt-n  ..Kralmonisimi--  mit   einem  „pyknotifi  . 
Substanzbegriff   (s.    Haeckel),  wonach  allem   Geschehen   eine    eüu  j 
zugrunde  liegt,  deren  Spannungen  und  Verdichtungen  in  Unlust  und  Lust  zum 
Ausdruck   kommen.     Die  Substanz  ist   zugleich  Kraft,  „VeröUchtungss 
das  Streben  nach  dem   absoluten  Ruheszutande  ist  der  Weltzweck.     I» 
ist  ein*-  Ubergangsphase  im  allgemeinen  Verdichtung  -     1'.  ..   sie 

innere  Faktoren  Empfindung  und  Trieb  sind.  „Alles  organische  Geschehen  beruht 
auf  Reaktionen  der  der  Substanz  inhärenten  Empfindungswelt."    Ga  ist  ein« 
strebige  Tätigkeit  des    „Organintellekts",   der  mit  der  Entwickln] 
nismen  zunimmt.    ..Dem  Leben   liegen  zugrunde  die  Triebe    und   d< 
Intellekt,  der  in  der  Sinnesempfindung  das  mechanische  Weltgeschehen  anschaut, 
es    unter  dem   fortwährenden    Impulse  der  Triebe  durch   Versuchsreihen 
arbeitet,  um  die  Offenbarungsheide  für  die  Triebe  zn  schaffen,  d.  h.  di     1 
zu  befriedigen.0     Das  Gehirn   ist   ein   „Orientieruni  las  Henken 

durch  Gefühle  initiierte  Verarbeitu   _         Bmpfindungsmaterials. 

Schriften:    Das    Empfindongsprinsip    u.  d.  Bntitehai  Leben«,   1889.  —  Die 

Kraft.    1878.    —  Die  Geistestät.  d.   Menschen,   1-  V.    1889.   — 

gehen   der  Welt,    2.  A.   1901.  —   Welt-  and  Lebenjanccbenang  für  -las  Volk.      - 
(Sozialistischer  Standpunkt),   u.    a. 

Vogt.   Karl.   geb.    1817,   wurde   Wi.    Prot   in   Gießen,  war  18 
des   Parlament-,   lebte  dann   in    Bern    und   Nizza,   mirde    L852  Prof.  m  G 
daselbst   l  S 

V.  ist  einer  der  Banpiver  treter  des   Materialismus  im  19.  Jahrs 
Er  irendet  Bich  gegen  allen  Dualismus,  gegen  die  Annahme  einer  ii 
unsterblichen    Seelensubstani    und    betont    die    Abhängigkeit 
Funktionen  vom   Gehirn,   mit  dem   die  Se.if   zusammenfallt,  wel  i  mit 

dem  Tode  vergeht.  Gegenüber  den  spiritualistischei 
Physiologen  Rud.  Wagner  irendet  sieh  V.  in  schart 
„Köhlerglauben41    und   doppelte    Buchhaltung    von    Wissen   und    Glas 
spottend.    Kr  meint,   „dafl  die  Gedankt  <    in  demselben   Verhlltnii 

Gehirn  stehen,  irie  die  Galle  zu  da  der  der  Urio  zu  d<      x 

Verbrechen  betrachtet   V.  als  Ausfluß  einer  kranken  Ol  1 '•  •  M< 

i-t   vi. ii   den  anthropoiden  Affen  \\-  n  »U  di< 

Tieren. 

-    hriften:  PI 


792  Vogt  —  Volkelt. 


Schöpfung    des   Weltalls,    2.   A.    1858.    —    Köhlerglaube  und  Wissenschaft,  1854;  4.  A. 
1856.  —  Vorlesungen  über  den  Menschen,  1863,  u.  a. 

Vogt,  Theodor,  geb.  1835,  Prof.  in  Wien,  gest.  daselbst  1908.  =  Her- 
bartianer,  Vertreter  einer  formalistischen  Ästhetik. 

Schriften:  Form  und  Gehalt  in  der  Ästhetik,  1865,  u.  a. 

Vold9  J.  Mourly,  Prof.  in  Christiania.  =  Kritisch-idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:  A.  Krauses  Darstellung  der  Kantischen  Raumtheorie  u.  d.  Kantischen 
Lehre  von  den  Gegenständen,  1885.  —  Kants  Teleologie,  Philos.  Monatshefte,  1882.  — 
Einige  Experimente  über  Gesichtsbilder  im  Traum,  Zeitschr.  für  Psychol.  der  Sinnes- 
organe, 1896.  —  Über  Halluzinationen,  Zeitschr.  f.  Psychiatrie,  1900,  u.  Schriften  in 
norwegischer  Sprache.  —  Über  den  Traum  I,  1910  (deutsche  Übersetz.). 

Volkelt,  Johannes,  geb.  1848  in  Lipnik  (Galizien),  seit  1894  Prof.  in 
Leipzig. 

V.,  der  von  Kant,  Hegel,  Schopenhauer,  v.  Hartmann  beeinflußt  ist,  ver- 
tritt einen  kritischen  Ideal-Kealismu  s  sowie  eine  kritische  Meta- 
physik idealistisch-pantheistischen  Charakters. 

Die  Erkenntnistheorie  ist  nach  V.  die  Wissenschaft,  welche  sich  „die 
Möglichkeit  und  Berechtigung  des  Erkennens  in  seinem  vollen  Umfange  und 
von  Grund  aus"  zum  Problem  macht.  Sie  ist  die  „Theorie  der  Gewißheit" 
und  als  solche  voraussetzungslos.  Sie  beweist  nicht,  sondern  zeigt  das  im  Be- 
wußtsein Vorhandene  auf.  Sie  befolgt  die  „Methode  der  denkenden  Selbstbe- 
tätigung des  Bewußtseins",  und  will  das  Bewußtsein  dahin  führen,  daß  es  sich 
die  unmittelbar  in  ihm  enthaltenen  Kriterien  der  objektiven  Gewißheit  zum  Be- 
wußtsein bringt.  Das  Erkennen  ist  „logische  Bearbeitung  von  Erfahrungstat- 
sachen". Die  Gesetzmäßigkeit  des  Denkens  selbst  und  seiner  Funktionen  ist 
apriorisch,  nicht  durch  die  Erfahrung  gegeben  und  nicht  aus  ihr  entsprungen, 
sondern  ursprünglich  (erkenntnistheoretische  und  psychologische  Apriorität). 
Die  apriorischen  psychischen  Funktionen  sind  unbewußt  (vgl.  E.  von  Hart- 
mann). Das  Denken  ist  eine  subjektive  Tätigkeit,  aber  die  Form  der  Erfahrung 
berechtigt  uns,  die  Erfahrung  zu  transzendieren,  so  daß  die  Kategorien  „trans- 
subjektive" Geltung  haben,  Formen  des  unerfahrbaren  Erkenntnisgegenstandes 
sind,  welche  das  Denken  als  solche  fordert.  Denken  ist  eben  nicht  bloß  eine 
„Verknüpfung  der  Vorstellungen  mit  dem  Bewußtsein  der  logischen  und  sach- 
lichen Notwendigkeit",  sondern  ein  „Postulieren  transsubjektiver  Bestimmungen". 
Ein  sachlicher  überindividueller  Zwang,  eine  Gewißheit,  die  sich  als  „transsub- 
jektiver Befehl"  ankündigt,  liegt  im  Erkennen.  Hier  wirken  die  Selbstgewiß- 
heit des  Bewußtseins  und  die  Denknotwendigkeit  zusammen,  so  daß  das 
Denken  zuletzt  eine  („mystische")  „Glaubensgrundlage"  hat.  Alles,  was  außer- 
halb des  erkennenden  Bewußtseins  liegt,  ist  „transsubjektiv",  wird  durch  den 
Umstand,  daß  es  gedacht  wird,  keineswegs  immanent,  subjektiv.  „Indem  das 
Denken  transsubjektiv  gültige  Bestimmungen  ausspricht,  zieht  es  ja  nicht  das 
Transsubjektive  in  seinen  Bereich  herein:  es  fordert  nur,  daß  seine  subjek- 
tiven Verknüpfungen  für  das  Transsubjektive  gelten  .  .  Das  Denken  bleibt 
also  beim  Erkennen  des  Transsubjektiven  durchaus  in  und  bei  sich  selbst,  und 


V.-I  Kl.I.l. 

unbedingt   rai  ErUin 

I>i<-   Empfindm  in  Abbil 

h  den  Eindrnek  ck  -  Aul  •  owehhob  d.  „D 

1''  ■'•   •■  '  -    Inhalt-   ;n    am 

BewnAteeui  ipürt,  indem  b   spürt 

Am  Grund  der  Erfahrung  d<  -  I'- 

weit  Krifte  hinein,  die  aneerem  Willen  m  ad. 

1 1  •    lietaphyti 
Prinzipien    des    Wirklichen.    B  I  .■•     i 

Url  de,  die  <  tottheit     I  unendliche  All-] 

Snbetani  der  Welt",  der  Welt,  die  in  ilir  i-t,  immanent    Ii 
„Prinzip  .!  Uoo   und  Verkehra  - 1.  Böhj 

die  Well  in  der  Vernunft,  im  Sein -so  11  enden,  im  l 
i  leich  hat  d  Vi  rnüj  -       soll. mir    1' 

genteil    zu    schaffen  im    IrraJionellen     x 

N(  _ativ.ii.    und    «•-    tr. 

gleich!  dem   tragischen  Helden.  d»r  in  -< 
macht  zu  tun  1 
I  ».•    Ltthetik  behandelt  V.  all  psychologisch  Unrund,  t 

Norm*  issenschaft,   d<  reu    rJaupi 
individuell  aue  men  M« 

N   rmen"  besteht.    Schließlich   mu 

i     auslaufen    und     h 
Well     aut     Schönl) 

n,   uri.  ich  mit  -    nlichkeil  zusammen: 

und     I'  _>«-ui|)f'indiii  | 

Willen-,    mir    i-t    du  ser  hier  i 

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dem  <  i«  halt-    na<  h 
V,  mehr  als  £ 

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und   brij  "" 

Welt,  derei 

..      und 
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»Wir   müssen   den  r«r 

I 


794  Volkelt  —  Volkmann. 

Einheit  Schwierigkeiten  und  Hemmungen  entgegen,  welche  überwunden  werden 
müssen  und  insofern  auch  Unlust  bereiten  („herbe  Lust"),  so  ist  dies  das 
„Charakteristische".  Kommt  hingegen  der  Eindruck  der  organischen  Einheit 
leicht  und  mühelos  zustande,  so  liegt  „reine  Lust"  vor  und  wir  haben  das 
„Schöne"  vor  uns.  Es  gibt  ein  Inhaltsschönes,  Formschönes,  Gattungsschönes. 
Diese  ergeben  zusammen  das  „Idealschöne".  Der  Einfühlungsästhetik  gemäß 
wird  jede  Gestalt  als  „Ausdruck  seelischer  Kraftentfaltung"  angesehen.  Dies 
gilt  besonders  vom  Erhabenen,  dessen  Gehalt  im  Übermenschlichen,  Über- 
müßigen, Übermächtigen  liegt.  Indem  wir  den  übermächtigen  Gehalt  ein- 
fühlen, erleben  wir  zugleich  eine  Steigerung  unseres  Selbstgefühls.  Elemente 
des  Tragischen  sind  die  Lust  an  der  Erhebung,  die  Lust  des  Mitleids,  der 
starken  Erregung,  die  Lust  an  der  künstlerischen  Form.  Es  gibt  ein  Tragisches 
der  befreienden  und  der  niederdrückenden,  abbiegenden  und  der  erschöpfenden 
Art.  Eine  „Schuld"  ist  für  das  Tragische  nicht  wesentlich.  Das  Tragische 
spricht  zu  uns  von  dem  „Angelegtsein  der  Welt  auf  Zerrüttung  und  Vernich- 
tung des  außerordentlichen  Menschen".  Im  Tragischen  tritt  uns  die  Welt  nach 
ihrer  „rätselhaft  furchtbaren  Seite"  entgegen.  „Die  Größe  scheint  die  finstern 
Mächte  gleichsam  anzuziehen,  sie  heraufzubeschwören."  Eine  gewisse  pessi- 
mistische Grundstimmung  gehört  zum  Wesen  des  Tragischen.  Aber  indem  wir 
den  untergehenden  Helden  seine  Größe  bewähren  sehen,  fühlen  wir  uns  ge- 
kräftigt, befestigt,  wir  richten  uns  an  dem  Helden  empor.  Das  Komische  ent- 
hält subjektiv  das  Gefühl  der  Spannung,  der  Erleichterung  und  der  spielenden 
Überlegenheit. 

Schriften:  Pantheismus  und  Individualismus,  1871.  —  Das  Unbewußte  und  der 
Pessimismus,  1873.  —  Die  Traumphantasie,  1875.  —  Der  Symbolbegriff  in  der  neuesten 
Ästhetik,  1876.  —  J.  Kants  Erkenntnistheorie,  1879.  —  Über  d.  Möglichkeit  einer 
Metaphysik,  1884.  —  Erfahrung  und  Denken,  1886.  —  F.  Grillparzer  als  Dichter  des 
Tragischen,  1888.  —  Vorträge  zur  Einführ,  in  die  Philos.  der  Gegenwart,  1892.  — 
Ästhetische  Zeitfragen,  1895.  —  Ästhetik  des  Tragischen,  1897;  2.  A.  1906.  — 
A.  Schopenhauer,  1900;  2.  A.  1907.  (Frommanns  Klass.  d.  Philos.).  —  Die  Kunst 
des  Individualisieren  in  d.  Dichtung  Jean  Pauls,  Haym-Festschrift,  1902.  —  System 
der  Ästhetik  I,  1905;  II,  1910  (III.  Bd.  in  Vorbereitung).  —  Die  Quellen  der  mensch- 
lichen Gewißheit,  1906.  —  Zwischen  Dichtung  u.  Philosophie,  gesammelte  Aufsätze, 
1908.  —  Beiträge  zur  Analyse  des  Bewußtseins,  Zeitschr.  f.  Philos.  u.  philos.  Kritik, 
Bd.  112  u.  118  (vgl.  Bd.  102).  —  Erinnerungsgewißheit,  1.  c.  1908,  u.  andero  Abhandlungen 
(Psychol.  Streitfragen  1893;  Zur  Psychologie  d.  ästh.  Beseelung,  1899;  D.  ästh.  Gefühle; 
Der  ästh.  Wert  d.  niederen  Sinne,  1902;  Bedeut.  d.  niederen  Empfindungen  f.  d.  ästhet. 
Einfühlung,  1903;  Die  entwicklungsgeschichtl.  Betrachtungsweise  in  d.  Ästhetik,  1902; 
Die  tragische  Entladung  der  Affekte,  u.  a.). 

Volkmann,  Paul,  geb.  1856  in  Bladian,  Prof.  der  Physik  in  Königs- 
berg. 

Nach  V.,  der  einen  (von  Kant  u.  a.  beeinflußten)  Kritizismus  vertritt,  beruht 
alle  Erkenntnis  auf  einer  Wechselwirkung  zwischen  Subjekt  und  Objekt.  Die 
naturwissenschaftlichen  Theorien  sind  immer  nur  Bilder  der  Eigenart,  in  denen 
rieh  uns  die  Natur  offenbart  und  darstellt;  sie  haben  den  Wert  von  Arbeits- 
hypothesen  und  Arbeitstheorien,    dürfen   nicht   dogmatisch    aufgefaßt   werden. 


LKMA2TK   —   VOLNBT.  79? 


Erkenntnis  und  Irrtum  sind  vom  Standpunkte  der  Wissenschaft  nicht  absolute, 
sondern  relative  Begriffe.  ..Ihre  Aussagen  sind  stets  an  Voraussetzungen  ge- 
bunden, die  in  jedem  einzelnen  Falle  nur  immer  unvollkommen  zutage  treten 
werden  und  können."  Die  Kausalität  ist  durch  den  Begriff  der  ,, realen  Not- 
wendigkeit" zu  ersetzen.  Das  Verfahren,  jeden  Teil  eines  zusammengesetzten 
V  rgangee  für  sich  rein  in  seiner  Bedeutung  zu  bestimmen,  nennt  V.  ..Isolation". 
Induktion  und  Deduktion  erhalten  durch  die  ..Superposition"'  ihre  Richtuna. 
—  An  die  Stelle  des  Materialismus  tritt  jetzt  die  ..phänomenologische",  mathe- 
matische Physik,  welche  sich  möglichst  mit  der  Analyse  des  unmittelbar 
1  _  benen  begnügt,  imd  die  überflüssigen  Begriffe  des  Stoffes  und  der  Kraft 
eliminiert  i  Prinzip  der  Denkökonomie),  ohne  daß  wir  aber  imstande  sind,  von 
Elementen  der  Phantasie  gar  keinen  Gebrauch  zu  machen.  ,, Unsere  Sinne  und 
damit  unsere  Empfindungen  deuten  durchaus  auf  ein  lückenhaftes  Bild  der 
-  "ingebenden  Wirklichkeit,  welches  sieh  für  unser  Verständnis  nur  durch 
Elemente  unserer  Einbildungskraft,  unserer  Phantasie  zu  schließen  scheint."' 
Vom  Standpunkte  des  Naturforschers  ist  weder  der  Monismus  noch  der 
Dualismus  zu  akzeptieren.  V.  stellt  sich  das  Verhältnis  von  Leib  und  Seele 
analog  der  Verkettung  von  Raum  imd  Zeit  vor. 

-hriften:  Erkenntnistheoret.  Grundzüge  der  Naturwissenschaften,  1S96:  2.  A. 
1910.  —  Ein  f.  in  d.  Studium  d.  theoret.  Physik  mit  e.  Einleit.  in  d.  Theorie  d.  physikai. 
Erkenntnis.  1900.  —  Über  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  Denken  und  Sein,  1897. 
lie  Fragen  der  Existenz,  Eindeutigkeit  u.  Vieldeut,  der  Probleme,  Annal.  d.  Xatur- 
philos.  I.  —  Die  Subjektivität  der  physikai.  Erkenntnis,  1908.  —  Fähigkeiten  der 
Naturwissenschaften  und  Monismus  der  Gegenwart,  1909.  —  Die  materialist.  Epoche  des 
19.  Jahrh.  u.  die  phänomenologisch-monistische  Bewegung  d.  Gegenwart.  1909.  —  Die 
Eigenart  der  Natur  und  der  Eigensinn  des  Monismus,   1910,  u.  a. 

\  olkiiiann.    Wilhelm  Fridolin    von  Volkmar,    geb.    1822   in   Prag 
18E     Prof.   daselbst,   gest.    1S77.  =  Herbartianer.  besonders  als  Psycholog 
Bedeutung.     Die  Psychologie   hat  die  Aufgabe.   ..die   allgemeinen    Klassen  der 
psychischen  Phänomene   aus   den    empirisch  gegebenen  Vorstellungen  und  dem 
spekulativen  Begriffe  der  Vorstellung  nach  den  allgemeinen  Gesetzen 
Stellungslebens    zu    erklären-.      Die    Seele    ist    der    einfache    Träger   der    V   :- 
Stellungen,  gedacht  im  Zusammen  mit  anderen  einfachen  Wesen  \dcn  ..Realen"  . 

-    hriften:  Die  Lehre    von    den  Elementen   der  Psychol.,    1850.  —    Grundriß   der 
Psychologie,    1856.    —    Lehrbuch   der  Psychologie,   1875—76;    4.  A.   1894—95  (enthält 
auch  viel  Historische*'.   —  Die  Grundzüge    der  Aristotelischen    Psychol.,    1858.    — 
die  Prinzipien  und  Methoden  der  Psychologie,  Zeitschr.  f.  exakte  Phiios.  11,   1861. 

Volney    Oonstantin   Francoifl   de  Chase  i  b.   1757  in  < 

182     in   Paris.  =  Nach  V.   war  die  französische  Revolution  d 

irklichung   des  Ideals    der  Vernunftherrsrhatt.     Freiheit  :-  ihtigkeit 

Der  Mensch  ist  für  die  Gesellschaft  geschaffen,  die  rieht L  Selbst- 

liebe   (vgL  Helvetius»   ist  mit  dem    Sto       d    nach    Erhaltung  und   Förderung 

lemeinwohlefl  vereinbar.    Die  Basis  der  sozialen  Tagenden  aA  d 
keit.    Die  Hauptmaxime  ist:  Lebe  rar  deinen  Nächsten,  damit  rr  rar  dich  lebe. 
B    hriften:    Les    raines,    ou    meditation*    sur    les    re>olutinns   des    empires.    1791: 


:96  Volney  —  Voltaire. 


4.  W.  1808;  deutsch  1792,  1872  (auch  in  der  „Universalbibl.").  —  Catechisme  du 
oitoyen  francais,  1793;  2.  Aufl.:  Catechisme  de  la  loi  naturelle;  deutsch  auch  in  der 
„Universalbibl.",  Oeuvres  completes,  8  Bde.,  1821. 

Voltaire  (Francois  Marie  Arouet;  Voltaire  ist  ein  Anagramm  aus  Vol- 
taire le  jeune),  der  berühmte  französische  Aufklärer,  Streiter  für  die  Gerechtig- 
keit, Gegner  der  Kirche  („Ecrasez  l'infäme"),  geb.  1694  in  Paris,  gest.  daselbst 
1778,  lebte  eine  Zeitlang  (1726 — 29)  in  London,  wo  er  von  den  Deisten  (Tindal 
u.  a.)  und  von  der  Newtonschen  mechanistischen  Naturauffassung  beeinflußt 
wurde,  die  er  in  verschiedenen  Schriften  populär  darstellte. 

V.  ist  kein  sytematischer  Philosoph,  sondern  vor  allem  ein  Vorkämpfer  für 
eine  freie  Weltanschauung,  welche  Aberglauben,  Wunderglauben,  kurz  allen 
Supranaturalismus  ausschließt,  ohne  daß  er  aber  Atheist  ist  („Si  Dieu  n'existait 
pas,  il  faudrait  l'inventer;  mais  toute  la  nattire  nous  crie  qu'il  existe").  So 
skeptisch  sich  V.  in  vielen  Dingen  äußert,  so  wenig  er  an  die  Möglichkeit  einer 
Metaphysik  glaubt,  in  bezug  auf  den  Gottesbegriff  ist  er  ein  überzeugter  D  e  i  s  t, 
der  sich  des  kosmologischen,  teleologischen  und  moralischen  Gottesbeweises  be- 
dient (Tratte  de  metaphys.,  eh.  2).  Den  Leibnizschen  Optimismus  freilich  (den 
er  selbst  früher  teilte)  persifliert  er  schonungslos,  ohne  aber  Pessimist  zu  sein, 
da  er  an  einen  Fortschritt  glaubt.  In  seinen  philosophischen  Anschauungen 
ist  sich  V.  nicht  immer  gleich  geblieben,  dazu  war  er  viel  zu  viel  Skeptiker. 
So  läßt  er  denn  die  Annahme  einer  Seelensubstanz  („toutes  les  vraisemblances  sont 
contre  elles")  und  einer  absoluten  Willensfreiheit  fallen  und  hält  an  der  Annahme 
der  Unsterblichkeit  nur  aus  moralischen  Gründen  fest.  Er  nimmt  den  hypothe- 
tischen Gedanken  Lockes  (von  dem  er  auch  sonst  beeinflußt  ist)  ernst,  nämlich 
daß  Gott  der  Materie  die  Fähigkeit  des  Empfindens  ganz  wohl  habe  verleihen 
können.  Vermöge  der  ihm  von  Gott  verliehenen  Kraft  („principe  d'aetion")  ist 
der  lebende  Mensch  selbst  das  denkende  Wesen  („l'etre  reel  appele  homme 
comprend,  imagine,  se  souvient,  dösire,  veut,  se'meut;"  „il  y  a  pourtant  un 
principe  d'aetion  dans  l'homme.  Oui;  et  il  y  a  partout ;"  „nous  sommes  des 
machines  produites  .  .  .  par  l'eternel  geornetre"). 

Der  Geist  hat  keine  angeborenen  Begriffe  („qu'il  n'y  a  point  d'idees  innees 
dans  l'homme"),  sondern  schöpft  alles  aus  der  Erfahrung  und  aus  seinem 
Wesen.  Unsere  Vorstellungen  entspringen  aus  den  Empfindungen;  alle  Er- 
kenntnis entspringt  aus  der  Fähigkeit  der  Verbindung  und  Ordnung  („de 
composer  et  d'arranger")  unserer  Vorstellungen  („l'exp£rience,  appuy^e  du  raisonne- 
ment").  Die  Freiheit  des  Menschen  ist  nicht  Freiheit  des  Willens,  sondern  des 
Handelns  („pouvoir  d'agir").  Gott  ist  frei,  sofern  er  alles  denken  und  alles  tun 
kann,  was  er  will.  Der  Mensch  hat  die  beschränkte  Macht,  nach  der  Vernunft  und 
nach  seinem  Willen  zu  handeln,  wobei  die  einen  Menschen  freier  sind  als  die 
anderen.  Der  Wille  ist  durch  die  Ideen,  die  wir  haben,  insbesondere  die  Idee 
dessen,  was  uns  gut  erscheint,  determiniert,  wobei  Wille  und  Verstand  nur  Ab- 
straktionen sind.  Mein  Handeln  ist  frei,  wenn  es  willensgemäß  ist,  mein 
Wollen  aber  ist  notwendig  („Quand  je  peux  faire  ce  que  je  veux,  voilä  ma 
liberte;  mais  je  veux  necessaire  ce  que  je  veux",  Philos.  ignor.  XIII,  70;  „nous 


Voltaire  —  Vorländer.  797 


suivons  irresistiblement  notre  derniere  idee;:-  „tout  ce  qui  se  fait  est  absolument 
necessaire").     Die  Verantwortlichkeit  bleibt  deshalb  doch  bestehen. 

Wie  in  der  Natur  eine  universale  Gesetzlichkeit  besteht  (Gravitation  j,  so 
untersteht  auch  das  menschliche  Leben  allgemeinen  Bedingungen  (Bedeutung 
des  Milieu,  Konstanz  der  menschlichen  Xatur  verbunden  mit  Änderung  ihrer 
Gewohnheiten).  In  der  Geschichte  (der  Ausdruck  „philosophie  de  Fhistoire" 
stammt  von  V.)  wechseln  Fortschritt  und  Eückschritt  miteinander  ab.  Zu  be- 
rücksichtigen sind  die  Anschauungen  und  Sitten  der  Völker  (der  „esprit  des 
nations").  Ohne  Eigenliebe  kann  keine  Gesellschaft  entstehen  und  bestehen,  da 
sie  auf  wechselseitigen  Bedürfnissen  beruht  („c'est  l'amour  de  nous-memes  qui 
assiste  l'amour  des  autres;  c'est  par  nos  besoins  mutuels  que  nous  sommes 
utiles  au  genre  humain").  Die  Menschen  haben  alle  denselben  Sittlichkeitskern 
(„le  meme  fond  de  morale");  eine  grobe  Vorstellung  von  Recht  und  Unrecht,  die 
ihnen  notwendig,  Bedingung  jeder  Gesellschaft  ist.  Die  Idee  des  Rechten  ist  etwas 
Natürliches,  etwas  durch  Gefühl  und  Vernunft  allgemein  Erworbenes  („L'idee 
de  justice  me  parait  tellement  une  v^rite  du  premier  ordre,  a  laquelle  tout 
l'univers  donne  son  assentimemV').  Allgemeingültig  wie  die  Gravitation  ist 
auch  die  Moral;  die  Natur  bleibt  sich  stets  gleich,  wie  Newton  sagt,  ihre  Ge- 
setze (die  Gesetze  des  göttlichen  Mathematikers)  sind  unveränderlich  (,,lois 
invariables"). 

Schriften  (philos.) :  Lettres  sur  les  Anglais,  1728;  1734.  —  Elements  de  la 
philos.  de  Xewton,  1741.  —  La  metaphysique  de  Newton,  1740.  —  Reponse  au  Systeme 
de  la  nature,  1772.  —  Candide,  ou  sur  l'optimisme,  1757.  —  Essai  sur  les  moours 
et  l'esprit  des  nations,  1765.  —  Le  philosophe  ignorant,  1767  (Hauptschrift).  —  Traite 
de  metaphysique  (in:  Oeuvres,  1829,  Bd.  26).  —  Romans  philos.,  1787.  —  Dictionnaire 
philos.,  1816.  —  Dict.  philos.  portative.  Qucstions  sur  l'encyclopSdie,  1774 — 75.  — 
Recueil  des  lettres,  1775-78,  u.  a.  —  Oeuvres,  1768,  1773,  71  Bde.,  1784  —  90;  91  Bde., 
1785;  100  Bde.,  1791—92;  1829  ff.,  1846.  —  Vgl.  E.  BERSOT,  La  philos.  de  V., 
1848.  —  D.  FR.  STRAUSS,  V.,  1870;  4.  A.  1877  (auch  bei  Kroner).  —  J.  MORLEY, 
V.,  2.  ed.  1873.  —  Du  BoiS-REYMOXD,  V.  in  seiner  Beziehung  zur  Naturwissen- 
schaft, 1868.  —  HAISE,  V.s  Philosophie,  1906  —  ELLISSEN,  V.  als  Philosoph,  1904. 
G.  BRANDES,  V.  in  s.  Verhältnis  zu  Friedrich  dem  Großen  und  J.  J.  Rousseau,   1909. 

—  P.  Sakma>~X,    V.s    Geistesart   u.   Gedankenwelt,    1910;    V.    als    Philosoph,    Arch.  f. 
Gesch.  d.  Philos.,  Bd.   18.  —  J.  POPPER,  V.,   1905.  —  K.  SCHIRM  ACHER,   V. 

Vorforodt,  Gustav,  ev.  Pfarrer  in  Alt-Jeßnitz,  Mitherausgeber  der  „Zeit- 
schrift für  Religionspsychologie'1.  =  Religionspsychol«  • 

Schriften:  Prinzip  der  Ethik  u.  Religionsphilos.  Lotzes,  1891,  1893.  —  Psycho- 
logie des  Glaubens,   1895.  —  Beiträge  zur  relig.  Psychologie,   1904,  u.  a. 

Vorländer,  Franz,  geb.  1806  in  Röttchen,  Prof.  in  Marburg,  gest.  1SG7. 
=  Von  Schleiermacher  und  Hegel  beeinflußt. 

Schriften:  Grundlinien  einer  organischen  "Wissenschaft  der  menschlichen  Seele, 
1841.  —  Wissenschaft  der  Erkenntnis,  1847.  —  Schleiermachors  Sittenlehre,  1851.  — 
Geschichte  der  philos.  Moral-,  Rechts-   und  Sittenlehre  der  Engländer  u.  Franzosen,   1855. 

—  Evangolien  der  Wahrheit  und  Freiheit,   1865;  2.  A.   1871,  u.  a. 

Torländer,  Karl,  geb.  1860  in  Marburg,  Gymnasialprofessor  in  Solingen. 


798  Vorländer  —  Wagner. 

=  V.  verbindet  mit  dem  Entwicklimgsgedanken  und  einem  idealistisch-ethischen 
Sozialismus  den  Kantschen  Kritizismus  (im  Sinne  von  Cohen,  Natorp  u.  a.). 
Der  kategorische  Imperativ  ist  in  seiner  sozialen  Fassung  zu  betonen  (Behand- 
lung des  Menschen  als  Zweck).  Die  Ethik  ist  sozialethisch  zu  behandeln; 
ihre  oberste  Idee  ist  (wie  nach  Stammler)  die  Gemeinschaft  freiwollender 
Menschen. 

Schriften:  Ausgaben  von  Werken  Kants  (Kritik  der  reinen  Vernunft,  mit 
Kegister,  1899,  u.  a.).  —  Die  Kantsche  Begründung  des  Moralprinzips,  1889.  —  Der 
Formalismus  der  Kantschen  Ethik  in  seiner  Notwendigkeit  und  Fruchtbarkeit,  1893.  — 
Goethes  Verhältnis  zu  Kant  (Kantstudien  I  ff.).  —  Kant  und  der  Sozialismus,  1900.  — 
Die  neukantische  Bewegung  im  Sozialismus,  1902.  —  Gesch.  d.  Philos.  1903 ;  3.  A. 
1911.   —  Kant,  Schiller,  Goethe,  1907.  —  Marx  und  Kant,  1904;  1911,  u.  a. 

Vries,  Hugo  de,  geb.  1848  in  Haarlem,  Prof.  der  Botanik  in  Amsterdam. 
=  V.  ist  der  Begründer  der  (schon  von  Darwin,  Kölliker  u.  a.  angebahnten) 
Mutationslehre,  der  Lehre  von  den  sprungweisen  Abänderungen,  die  periodisch 
mit  Konstanzzeiten  wechseln  und  durch  deren  Fixierung  neue  Arten  plötzlich 
entstehen,  wobei  die  Selektion  nur  ausmerzend  wirkt. 

Schriften:  Die  Mutationstheorie,  1900  f.  —  Arten  und  Varietäten,  1906.  — 
Die  Mutationen,  1906.  —  Der  Mechanismus  des  Denkens,  deutsch  1907  (holländisch, 
3.   A.   1898),  u.  a. 


w. 


Waddingtoii,  Charles,  geb.  1819  in  Mailand,  1848  Prof.  in  Paris,  1856 
in  Straßburg,  später  wieder  in  Paris.  =  Spiritualistischer  Standpunkt.  Die  Urkraft 
unseres  seelischen  Seins,  die  Grundform  der  psychischen  Tätigkeit  ist  der  Wille, 
die  Kraft  der  freien  Selbstbestimmung.  Das  Selbstbewußtsein  ist  die  Quelle 
der  Kategorien. 

Schriften:  La  Psychologie  d'Aristote,  1848.  —  Bamus,  1855.  —  Essais  de 
Logique,  1858.  —  De  l'äme  humaine,  1863;  deutsch  1880.  —  Dieu  et  la  conscience, 
1872.  —  La  philos.  ancienne  et  la  critique  historique,   1904,  u.  a. 

Wagner,  Adolf,  Prof.  der  Botanik  in  Graz.  =  W.  ist  Neo-Lamarckist 
und  Vertreter  des  „Psychovitalismus",  nach  welchem  psychische  Faktoren  (Be- 
dürfnis, Streben)  das  Leben  regulieren  und  der  Entwicklung  (mit  aktiver  An- 
passung, Übung  usw.)  zugrunde  liegen. 

Schriften:  Grundprobleme  der  Naturwissenschaft,  1897.  —  Der  neue  Kurs  in 
der  Biologie,   1907.   —  Geschichte  des  Lamarekismus,  1909,  u.  a. 

Wagner,  Johann  Jacob,  geb.  1775  in  Ulm,  studierte  in  Jena  und 
Göttingen,  habilitierte  sich  in  Göttingen,  lebte  einige  Zeit  in  Nürnberg  und 
Salzburg,  wurde  1803  Prof.  in  Würzburg,  gest.  1841  in  Neu-Ulm. 

W.  gehört  zu  den  Anhängern  Schellings,  welche  dessen  Identitätslehre  und 
Methode  übernehmen,  sich  aber  gegen  die  spätere  theosophische  Phase  der 
Schellin gschen  Philosophie  wenden.  Das  Absolute,  erklärt  W.  gegen  Schilling, 
!^r    nicht  durch  intellektuelle  Anschauung  erkennbar,   sondern   ist  nur  anzuer- 


Wagner. 

kennen.     Die   mathematischen  Verhältnisse   identifiziert  W.   mit    den  logischen, 
so  daß  ihm  die  i philosophische i  Mathematik  zum  eigentlichen  Organ  der  Philo- 
sophie und  der  Erkenntnis  wird.     Das  D  oken  ist  eine  Arl  dee  I  i.  «Im.  n-.     1 
Gemeinsame  in  allem  ist   das  ..Leben-  der  Weltseele,   di<    1  od  Formen 

dieses  Wesens.     Das  Grundschema  alles  Beins   ist  die    „Tetrade"    ron  W« 
Gegensatz,    Vermittlung    und    Form.     Das    „Weltgesetz",    das    in    allen    i 
lebendig  ist  und  in  den  Kategorien  zum  Ausdruck  kommt,  ist  eii 
kehrender  Durchgang  des  Wesens  durch  den  Gegensatz  und 
in   die  Form   und  umgekehrt".     Das  „Organon*'   zerfällt  demnach  in  Ontol  . 
8   -tem  der  Kategorien),   Erkenntnissystem  (Nachbildung  der  objektiven  Welt- 
formen   im  Subjekt),    Sprachsystem,   Weltsystem   (mit   der  „Welttafel'4  .     Fd< 
setzt   die   Vernunft   da,   wo  sie  Totalität   in   einer  Einzelheit    setzt     1  >i<     b! 
sind  treibende  Kräfte  und  sofern  real.     Die  Idee  der  Ideen  ist  Gott. 

Schriften:  "Wörterbuch  der  platonischen  Philosophie,  1799.  —  Theorie  des  Lichts 
und  der  Wärme,  1802.  —  Philos.  der  Erziehungskunst,  1802.  —  Von  der  Natur  der 
Dinge,   1803.  —    Über  das  Lebensprinzip,    1803.  —  System  der  Idealphilosophie,    I8c4. 

—  Über  d.  Wesen  der  Philosophie,  1804.  —  Grundriß  d.  Staatswissenschaft,  1805.  — 
Ideen  zu  einer  Mythologie  der  alten  Welt,  1808.  —  Theodizee,  1809.  —  Mathematische 
Philos.,   1811.  —  Der    Staat,    1811.   —   Religion,   Wissenschaft,    Kunst  und  Staat,    1819. 

—  Organon  der  menschlichen  Erkenntnis,  1830;  1850  (Hauptsehrit't).  —  Kleine 
Schriften,  1839  —  47.  —  Nachgelassene  Schriften,  1852  —  57.  —  Lebensnachrichten  und 
Briefe,   1849;   1851.   —   Vgl.  L.  RABTJ8,  J.  J.   W.s  Leben,  Lehre  und  Bedeutaag, 

Wagner,  Moritz,  geb.  1813  in  Bayreuth,   Prot,  in  München, 
=  Evolutionist,   erklärt  die  Reinhaltung  der  selektiv   entstandenen  Arten   am 

ihrer    Abscheidung    voneinander    durch     Migration,     Wanderung 
theoi 

Schriften:    Die  Darwinsche    Theorie    und    das    Migrationsgesetz    der    Organi»! 
1868,  u.  a. 

Wagner,  Richard,  n  Odenhanaen  I  <  n.  l.l»t  in  Braun- 

schweig.  =   Iivlozoistiseh-voluntari-ti-ihrr  Standpunkt. 

Schriften:  Traum  und  Rausch,    1898.   —  Das  Evangelium  der   \ 

—  Äther    und  Wille,  oder  llaeckel  und  Schopenhauer,   1901,  u.  a. 

Wagner,    Richard,    der    berühmte    Dichter-Komponist,    geb.    181  I    in 
Leipzig,   gest.    L883   in    Venedig.   =    W.    ist    Kuersl    von  Ju 
Feuerbach,   ip&ter  aber   ron  Schopenhauer  beeinfluBt,   dem  ihm  seine   i 
Qeiateeentwicklung  zuführt.'.    Die  raum-reitliche  Weh  der  [ndiriduen   i*4  nur 
die  Erscheinung  des  Willens.    Die  Verneinm  hen  Willens  nun 

Dasein  i>t  das  Höchste,  der  Kern  der  wahren  Religion,  die  aui  Irl  om 

Weltleiden  zi.lt.     In  der   Kumt   erfährt    die  Religion    ihre   lebendi  m- 

liche   Darstellung,   und  diese   Kunst    das     Cl esamtkunatwerk")   dient    roi   I 
bebung   und  Veredelung  der  Nation,  d  lebhaft. 

Schriften:     Das    Kunstwerk    der    Zukunft,    lh.'.U.  Oper    und    I'ratn»,    1851.   — 

Kunst  und  Religion,  1880.  —  Das  Kunstwerk  der  Zukunft;  DteSNhS  Kuimt  und  deutiwhe 
Politik;  Hcethown  u.  n  und  Di.  Mir  —  Knt- 

würfc,  Gedaakea,  Prep*  HL        \  1 1  u  -i  ■■  .1  n. 


800  Wagner  —  Wähle. 


E.  W.  u.  Schopenhauer,  1878.  —  H.  DlNGER,  R.  W.s  geistige  Entwicklung  I:  Die  Welt- 
ansch.  R.  W.s,  1892.  —  H.  St.  ChamberlAIN,  R.  W.,  1895.  —  A.  DREWS,  Der 
Ideengehalt  von  R.  W.s  „Ring  der  Nibelungen",  1898.  —  LICHTENBERGER,  Wagner 
poite  et  penseur,  1898.  —  K.  ElCHTER,  Kunst  und  Philos.  bei  W.,  1906.  —  LÜCK, 
W.  u.  Feuerbach,  1905. 

Wagner,  Rudolf,  geb.  1805  in  Bayreuth,  seit  1840  Prof.  der  Physio- 
logie in  Göttingen,  gest.  1864.  =  Durch  seinen  Vortrag  über  „Menschen- 
schöpfung und  Seelensubstanz"  (1854)  gab  W.  den  Anlaß  zum  Materialismus- 
streit (vgl.  K.  Vogt).  Nach  W.  steht  der  Annahme  der  Abstammung  aller 
Menschen  von  einem  Paare  nichts  im  Wege.  Gegen  K.  Vogt  erklärt  er,  die 
Naturwissenschaft  könne  nicht  über  das  Wesen  der  Seele  urteilen.  In  einer 
zweiten  Abhandlung  („Über  Wissen  und  Glauben",  1854)  plädiert  W.  für  die 
Annahme  einer  seelischen  Substanz  ätherischer  Art,  die  nach  dem  Tode  einen 
anderen  Raum  einnimmt  und  einst  mit  einem  neuen  Leibe  zurückkehren  kann. 
Eine  Seelensubstanz  muß  aus  moralischen  Gründen  angenommen  werden.  Gegen 
W.  polemisierten  Lotze  und  K.  Vogt. 

Schriften:  Über  Menschenschöpfung  und  Seelensubstanz,  1854.  —  Über  Wissen 
und  Glauben  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Zukunft  der  Seelen,  1854.  —  Der 
Kampf  um  die  Seele,  1857.  —  Physiologie,  4.  A.  1855—57,  u.  a. 

Wähle,  Richard,  geb.  1857  in  Wien,  Prof.  in  Czernowitz. 

W.  steht  in  seinen  Anschauungen  z.  T.  Avenarius  und  Mach  nahe,  über  die 
■ei  aber  hinausgeht  (Einfluß  von  Spinoza,  Herbart).  Eine  Metaphysik  ist  un- 
möglich, da  es  ein  wahres  „Wissen"  überhaupt  nicht  gibt;  alles  Wissen  ist  nur 
Gegebensein  einer  Vorstellung  in  ihrer  Abhängigkeit  vom  Ich,  nicht  aber  Er- 
fassung einer  an  sich  existierenden  Wirklichkeit.  Gemäß  dem  „antisubjek- 
tivistischen  Produkt-Objektivismus"  gibt  es  keine  subjektiven,  wahren  Erkenntnis- 
akte, keinen  Gegensatz  von  Subjekt  und  Objekt,  Geist  und  Körper,  sondern  nur 
sachliche  „Vorkommnisse"  (Farben,  Töne  usw.)  in  Verbindung  mit  bestimmten 
anderen  (den  Nervenprozessen),  mit  denen  sie  zusammen  gegeben  sind.  Die 
Vorkommnisse  (Vorstellungsinhalte)  sind  Effekte  unbekannter  „Urfaktoren" 
Während  die  Vorgänge,  aus  denen  sowohl  die  Körper  wie  die  Ich-Ein- 
heiten sich  zusammensetzen,  ein  passives,  kraftloses  Geschehen  flächenhafter  Art 
sind,  sind  die  Urfaktoren  substantiell  und  kraftvoll  und  mit  „Selbstbehauptung" 
begabt ;  die  Urfaktoren  außer  und  in  uns  erzeugen  die  Vorkommnisse  und  deren 
gesetzmäßigen  Zusammenhang.  Die  Dinge  sind  als  Komplexe  von  Vorkommnissen 
nicht  Schein  oder  Erscheinung,  obwohl  sie  nur  in  Korrelation  zu  wahrnehmungs- 
fähigen Organismen  existieren.  Das  Ich  ist  weder  eine  Substanz  noch  eine 
Kraft,  überhaupt  nichts  Selbständiges,  Einfaches,  Aktives,  sondern  nur  ein 
Ausdruck  für  eine  gewisse  Sphäre  von  Vorkommnissen.  Das  Gehirn  ist  nicht 
Ursache  dieser,  sondern  das  „obligatorische  Mitvorkommnis"  aller  Objekt- 
Vorkommnisse.  Das  „Psychische"  besteht  nur  aus  „additiven  Reihen"  von 
primären  und  sekundären  Vorkommnissen  (Empfindungen,  Erinnerungsbildern), 
ohne  daß  es  psychische  Kräfte,  Akte,  Einheiten,  Apperzeptionsprozesse  u.  dgl. 
gibt    („Mosaikpsychologie").     „Es   gibt   im   psychischen  Leben   nichts   anderes 


Wähle  —  Walch.  801 


als  Reihen  von  primären  Vorkommnissen,  durchschossen  von  sekundären  Vor- 
kommnissen." Die  Psychologie  als  solche  ist  rein  beschreibend-analytisch; 
erklären  kann  sie  nur  durch  Beziehung  der  psychischen  Geschehnisse  auf 
physiologische  Prozesse.  Die  Gehirnprozesse  sind  Antezedentien  bzw.  Repräsen- 
tanten der  Bewußtseinsvorgänge,  und  zwar  entspricht  die  jeweilige  molekulare 
Modifikation  des  ganzen  spezifischen  Gehirngebietes  der  konkreten  Eigenart 
jeder  Vorstellung.  Die  Assoziation  ist  das  ursprüngliche  Bündnis  der  Vor- 
kommnisse; Vorstellungen  haben  eine  „sollizitierende*'  Kraft.  Es  assoziieren 
sich  auch  Vorstellungen  mit  Leibesstimmungen,  mit  bewußten  motorischen 
Akten  usw.  Der  Anteil  organischer  Empfindungen,  des  Motorischen  usw.  an 
den  intellektuellen,  Gefühls-  und  Willensprozessen  ist  zu  berücksichtigen.  Die 
Gefühle  sind  nur  „Körpererregungen  mit  dazu  gehörigen  Phantasien  und 
Ideen'-'.  Lust  ist  Elevatum.  Unlust  Depression  oder  Unruhe.  Die  sekundäre 
Form  der  Körperbewegung,  ihr  Erinnerungsbild,  nennt  W.  „Miniatur".  Der 
Wille  ist  nichts  als  die  „unter  Begleitung  von  Vorstellungen  nach  einer  Kon- 
kurrenz von  Reflexbewegungen  stabil  gewordene  Reflexbewegung''. 

Schriften:  Gehirn  und  Bewußtsein,  1885.  —  Die  Verteidigung  der  Willens- 
freiheit, 1887.  —  Die  geometrische  Methode  des  Spinoza,  1888.  —  Das  Verhältnis 
zwischen  Suhstanz  u.  Attributen  in  Spinozas  Ethik,  1888.  —  Die  Glückseligkeitslehre 
der  Ethik  des  Spinoza,  1889.  —  Das  Ganze  der  Philos.  u.  ihr  Ende,  1894; 
2.  A.  1896.  —  Geschichtl.  Überblick  über  d.  Entwickl.  d.  Philos.,  1894.  —  Kurze 
Erklär,  d.  Ethik  von  Spinoza  u.  Darstell.  d.  definit.  Philos.,  1899.  —  Ideen  zur  Organisat. 
d.  Erziehung  1901 ;  1906.  —  Vorschlag  einer  universellen  Mittelschule,  1906.  —  Über 
den  Mechanismus  des  geistigen  Lebens,  1906.  —  Abhandlungen:  Beschreib,  u.  Einteil.  d. 
Ideenassoziation  (Vierteljahrsschr.  f.  wissenschaftl.  Philos.,  Bd.  9,  1885),  Psychologie  d. 
Frage.     Die   Auflösung  des  Subjektivismus  (Ber.  üb.  d.  111.   int.  Kongr.  f.  Philos.),  u.  a. 

Waitz,  Theodor,  geb.  1821  in  Gotha  (Sohn  des  Verfassers  von  „Die  Haupt- 
lehren der  Logik".  1840,  des  Herbartianers  J.  H.  W.  Waitz),  1S48  a.  o..  18 
o.  Prof.  in  Marburg,  gest.  1884.  =  W.  ist  von  Herbart  beeinflußt,  akzepti 
aber  nicht  dessen  mathematische  Methode  und  weicht  auch  bodsI  von  ihm  ab. 
Die  Psychologie  ist  ihm  die  Grundlage  der  Philosophie,  sie  mufi  empirisch 
und  mit  Berücksichtigung  der  Physiologie  betrieben  werden,  [hre  Aufgabe  ist 
die  ,.Darstellung  des  notwendigen  Entwicklungsganges,  den  die  Weltansichl 
des  natürlichen  Menschen  nimmt  und  nehmen  muß".  Die  Vorstellungen  sind 
wirkliche  Selbsterhaltungen,  Veränderungen  der  Seele.  Der  Kern  dee  Selbst- 
bewußtseins ist  der  Wille. 

Schriften:  Ausgabe  des  „Organon"  des  Aristoteles,  1844  —  4»)  -  QiudltgUg 
der  Psychologie,  1846;  2.  A.  1877.  —  Lehrbuch  der  Psychologie  als  Naturwissenschaft. 
1849  (Hauptwerk).  —  Allgemeine  Pädagogik,  1852;  S.  A.  1*7.').  —  Der  Stand  der 
Parteien  auf  dem  Gebiete  der  Psychologie,  in:  Allgom.  Monatssehr.  f.  Wissensch.  u. 
Literatur,  1852—53.  —  Anthropologie  der  Naturvölker,  8  IWe.,  1859  ff.;  I.  A.  von 
Gerland,   1877  ff.      -   Vgl.   GEBHARDT,  Th.   W.s  pädag.  Grundanschauungen.    1 

Walch,  Johann  Georg,  geb.  1695  in  Meiningen,  1723  Prot  dsrTheolof 

in  Jena,    gest.   1775   als   Kirchenrat.    =   Eklektiker,    von    Chr.    Wollt.    BuddeUS, 
Rüdiger  beeinflußt. 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  ")1 


802  Walch  —  Ward. 


Schriften:  Parorga  academica,  1721.  —  Philos.  Lexikon,  1726;  3.  A.  1740; 
4.  A.  von  Hennings,  2  Bde.,  1775.  —  Einleit.  in  d.  Philos.,  1727;  lateinisch  1730. 

Wallace,  Alfred  Russell,  geb.  1822  in  Ush.  =  R.  stellte  gleichzeitig  mit 
Darwin  eine  selektionistische  Entwicklungstheorie  auf.  Der  geistige  Mensch 
aber  ist  nach  ihm  unmittelbar  von  Gott  geschaffen  und  verfügt  über  Willens- 
freiheit und  eine  unsterbliche  Seele.     Das  Wesen  der  Welt  ist  Wille. 

Schritten:  On  the  Geographical  Distribution  of  Aniraals,  deutsch  1876.  — 
Contributions  to  the  Theory  of  Natural  Selection,  1871.  —  Darwinism,  1889  (auch 
deutsch).  —  Mans  Place  in  the  Universe,  1903;  deutsch  1904.  —  The  World  of  Live,. 
1910,  u.  a. 

WaUace,  William,  geb.  1843,  Prof.  in  Oxford,  gest.  1897.  =  Neu- 
hegelianer und  kritischer  Idealist  im  Sinne  Greens.  Das  Absolute  ist  eine  ein- 
heitliche Erfahrungsgesamtheit. 

Schritten:  The  Logic  of  Hegel,  1873;  2.  ed.  1892  f.  —  Epicureanism,  1880.  — 
Kant,  1882.  —  The  Life  of  Schopenhauer,  1890.  —  Hegels  Philosophy  of  Mind,  1893» 
—  Lectures  and   Essays  on  Natural  Theology  and  Ethics,  hrsg.  von  E.  Caird,  1898. 

Wallaschek,  Richard,  geb.  1860  in  Brunn,  Prof.  in  Wien.  =  Genetisch- 
ethnologische Betrachtung  der  Kunstentstehung. 

Schriften:  Ideen  zur  praktischen  Philosophie,  1886.  —  Ästhetik  der  Tonkunst, 
1886.  —  Studien  zur  Eechtsphilos.,  1889.  —  Primitive  Music,  1893.  —  Anfänge  der 
Tonkunst,  1903.  —  Psychol.  u.  Pathologie  der  Vorstellung,  1905,  u.  a. 

Walter  von  Brügge,  Franziskaner,  Bischof  vcn  Poitiers  1279—1307. 
=  Nach  W.  ist  die  Erkenntnis  Produkt  der  Willenstätigkeit.  In  der  Materie 
gibt  es  „rationes  seminales".  Die  geistigen  Substanzen  bestehen  aus  Form  und 
Materie. 

Schriften:  Quaestiones  disputatae.  Kommentare  zu  den  ersten  zwei  Büchern 
der  „Sentenzen"  des  Petrus  Lombardus.  —  Vgl.  M.  DE  WüLF,  Histoire  de  la  philos„ 
en  Belgique,  p.  64  f. 

Walther  von  Mortaigne  (Mortagne),  geb.  Anfang  des  12.  Jahrh., 
gest.  1174  als  Bischof  von  Laon.  =  Vertreter  der  „Indifferenzlehre",  wonach 
dieselben  Gegenstände  je  nach  ihrer  Betrachtungsweise  teils  Individuen,  teils 
Arten  und  Gattungen  sind.  So  ist  z.  B.  Plato  zugleich  Individuum,  Art  (als 
Mensch),  Gattung  (als  Lebewesen),  höchste  Gattung  (als  Substanz;  Joh.  von 
Salisbury,  Metalog.  II,  17). 

Walther  von  St.  Victor.  Prior  im  Kloster  St.  Victor  in  Paris  im 
12.  Jahrh.,  Verfasser  einer  Schrift  „Contra  quatuor  labyrinthos  in  Gallia",  in 
welcher  er  die  Aristotelischen  Dialektiker  bekämpft. 

Ward,  James,  geb.  1843  in  Hüll,  seit  1897  Prof.  in  Cambridge. 

W.,  der  u.  a.  von  Herbart  beeinflußt  ist,  ist  ein  Gegner  des  Naturalismus. 
und  Materialismus  und  lehrt  einen  spiritualistischen,  voluntaristischen 
Monismus,  der  in  manchem  an  Wundt  erinnert.  In  erkenntnistheoretischer  Be- 
ziehung steht  W.  dem  Pragmatismus  nahe,  insofern  er  das  Denken  als  Willens- 
funktion  und  als  durch  Zwecke  und  Interesse  bestimmt  ansieht;  vermittelst 
einer  subjektiven  Selektion   bevorzugt  das  Bewußtsein  besondere  Inhalte.     Die 


Ward  —  Wartexberg.  803 


psychische  Grundtätigkeit  ist  das  Wollen  (Streben).  Die  äußere  Erfahrung 
ist  mit  der  innern  untrennbar  verbunden,  Objekt  und  Subjekt  sind  Gegensätze, 
die  in  das  Bewußtsein  selbst  fallen.  Unmittelbar  aufgefaßt  ist  die  Wirklichkeit 
qualitativ-psychischer  Art,  sie  besteht  aus  Individuen  mit  wirklich.!!  Aktionen 
und  Reaktionen,  mit  einem  zweckbestimmten  Streben  und  Wollen,  mit 
Vorstellungen,  die  unmittelbar  selbst  als  Objekte  aufgefaßt  und  durch  den 
..intersubjektiven''  Verkehr  zu  transsubjektiven,  aber  nicht  absolut  trans- 
zendenten Dingen  werden,  da  sie  ein  (mit  und  in  den  Individuen  gegebenes) 
Subjekt  voraussetzen.  Die  quantitativ-mechanistische  Naturauffassung  ist 
relativ  berechtigt  und  notwendig,  aber  doch  nur  eine  abstrakte,  einseitige, 
hypothetische  Weltauffassung,  die  metaphysisch  durch  eine  immanente  Teleologie 
und  einen  Voluntarismus  zu  ersetzen  ist,  welcher  in  aller  Kausalität  eine 
Analogie  zu  unserer  Willenswirksamkeit  erblickt  und  die  Wirklichkeit  aus 
psychischen  Einheiten  aufgebaut  denkt. 

Schriften:  Psychology,  Encycl.  Brit  IX  ed.  Supplement,  1.  c.  X.  ed.  —  Naturalism 
and  Agnosticism,  1899;  3.  ed.  1907  (Hauptwerk).  —  Abhandlungen:  A  General  Analysis 
of  Mind,  Journ.  of  Specul.  Philos.  XVI,  1882;  Objects  and  their  Interaction,  1.  c.  XYli, 
1883.  —  Psychologicäl  Principles,  Mind  VII,  1883;  XII,  1888.  —  The  Progress  of 
Philos.,  Mind  XV,  1890.  —  Assimilation  and  Association,  Mind,  X.  S.  II — III, 
1893—94.  —  The  Present  Problems  of  General  Psychol.,  Philos  Rev.  XIII,  1904. 
—  Mechanism  and  Morals,  Hibbert  Journal,  1905,  u.  a.  —  Über  Ward  vgL  Mind  XI 1  ; 
N.  S.  IX. 

Ward,  Lester  Frank,  geb.  1841  in  Joliet  (Illinois),  Geolog  und  Sooolog,  von 
Comte,  Spencer  u.  a.  beeinflußt.  Die  sozialen  Tatsachen  erklärt  er  aus  psychischen 
Kräften,  besonders  aus  Gefühlen,  Interessen,  Strebungen,  Bedürfnissen.  Das 
Streben  ist  die  psychische  Grundtätigkeit  (Voluntarismus)  und  damit  auch  die 
wahre  soziale  Kraft  („feeling  conative"  und  „inteüecl  telic"  als  primäre  Boziale 
Agentien).  Die  psychischen  Vorgänge  sind  zielstrebig,  zielen  aui  <ii<  Befriedigung 
von  Bedürfnissen,  teils  unmittelbar,  teils  vermittelst  des  Intellekts.  Die  soziale 
Statik  hat  es  mit  der  Bewirkung  eines  Gleichgewichtes  unter  den  Kräften 
der  menschlichen  Gasellschaft  zu  tun;  die  soziale  Dynamik  zieh  auf  die  Organi- 
sation der  Glückseligkeit  ab  In  der  Gesellschaft  i-t  auch  das  des 
kleinsten  Kraftmaßes  wirksam.  Die  sozialen  Kräfte  sind  teils  physischer,  teils 
geistiger  Art  (Sittlichkeit  usw.;.  Der  menschliche  < ; •  i-t  unterwirft  sich  aktiv 
die  Natur,  er  beherrscht  auch  die  Selektion  und  führt  die  Gesellschaft  dei 
Vervollkommnung  zu  („Sociocracy"),  deren  Mitteln  di.-  angewandte  Soziologie 
erforscht,  während  sieh  die  reine  Soziologie  mit  Ursprung,  Wesen  und  Ent- 
wicklung der  Gesell-ehatt  beschäftigt 

Schriften:  Dynamic  Sociology,  1888  E  —  Uutlinos  of  Bodology,  1898.  —  Tho 
psychic    Factors    of    Civilization.     189H.    —    Pure    Sc  f.    — 

Applied  Sociology,  1907.  —  Soziologie  von  heute.  11*04.  —  AbkamdlimgCi  im  „Miml'*, 
„Intern.  Journ.  of  Ethic»",  „Amer.   Journ.   of  Bodology". 

Warlonber^,  Mscislaw,  geb.   is,;s  in  Znin,  Prof.  in  Lemberg.  =   \ 
Sigwart,  Lotze  u.  a.  beeinflußter  Vertreter  einer  lionadologie  und  eines  Tunis- 
mus.  bekämpft  diu  Materialismus  mit  neuen  Argumenten. 


804  Wartenberg  —  Weber. 


Schriften:  Das  Problem  des  Wirkens,  1900.  —  Das  idealistische  Element  in  der 
Kritik  des  Materialismus,  1904.  —  Sigwarts  Theorie  der  Kausalität  im  Verhältnis  zur 
Kantschen,  Kantstudien  V,  u.  a. 

Wasmann,  Erich,  geb.  1859  in  Meran,  Jesuitenpater  in  Luxemburg- 
Stadt.  =  W.  verbindet  den  Theismus  und  die  Schöpfungslehre  mit  einer  evo- 
lutionistischen  Auffassung  der  Organismen  (den  Menschen  ausgenommen). 
Wichtig  sind  seine  Arbeiten  zur  Tierpsychologie. 

Schriften:  Zur  neuern  Geschichte  der  Entwicklungslehre  in  Deutschland,  1896. 
—  Instinkt  u.  Intelligenz  im  Tierreich,  1897;  3.  A.  1905.  —  Vergleichende  Studien 
über  das  Seelenleben  der  Ameisen  u.  der  höheren  Tiere,  1897;  2.  A.  1900.  —  Die 
psychischen  Fähigkeiten  der  Ameisen,  1899 ;  2.  A.  1908.  —  Die  moderne  Biologie  u. 
d.  Entwicklungstheorie,  1904;  3.  A.  1906.  —  Der  Ursprung  der  Sklaverei  bei  den 
Ameisen,  1905.  —  Der  Kampf  um  das  Entwicklungsproblem,  1907.  —  Parasitismus  u. 
Sklaverei  bei  Ameisen,  1908.  —  Entwicklungstheorie  u.  Monismus,  1911,  u.  a. 

Watson9  John,  geb.  1847  in  Glasgow,  Prof.  in  Kingston  (Canada).  = 
Nach  W.  ist  die  Wirklichkeit  an  sich  geistig,  vernünftig,  zweckmäßig. 

Schriften:  Kants  and  his  English  Critics,  1881.  —  Schellings  Transcendental 
Idealism,  2.  ed.  1902.  —  Hedonistic  Theories,  1895.  —  Christianity  and  Idealism, 
1897.  —  An  Outline  of  Philosophy,  1898.  —  Aniraal  Education,  1903  und  viele  Auf- 
sätze in  Zeitschriften  (The  Critical  Philos.  and  Idealism,  Phil.  Keview  I,  1892;  The 
Problem  of  Hegel,  1.  c.  III,  1894;  Self-Consciousness,  1.  c.  IV,  u.  a.). 

Wauters  (Valerius),  Cornelius,  1512—1578,  belgischer  Philosoph,  Ver- 
fasser einer  Naturphilosophie,  welche  viele  Auflagen  erlebte  („Physicae,  seu 
naturae  philosophiae  institutio";  vgl.  M.  de  Wulf,  Hist.  de  la  philos.  en 
Belgique,  p.  164  f.). 

Waxweiler,  Emile,  geb.  1867  in  Malines,  Direktor  des  Institut  Solvay 
u.  Prof.  an  der  Universite  libre  in  Brüssel.  —  W.  begründet  die  Soziologie 
in  energetischer  und  psychologischer  Weise.  Die  Soziologie  hat  es  mit  den 
Reaktionen  zu  tun,  welche  aus  der  Wechselwirkung  der  Individuen  derselben 
Art  entspringen,  d.  h.  mit  den  Äußerungen  der  „sozialen  Affinität",  mit  der 
,, sozialen  Synergie",  mit  den  menschlichen  Gruppen. 

Schriften:  Esquisse  d'une  sociologie,  1906.  —  Notes  sur  les  formules  d'intro- 
duetion  ä  l'energetique  physico-  et  psycho-sociologique,  u.  a. 

Weber,  Alfred,  geb.  1835  in  Straßburg,  emer.  Prof.  daselbst.  =  Idea- 
listischer Standpunkt. 

Schriften:  Examen  critique  de  la  philos.  religieuse  de  Schelling,  1860.  — 
Histoire  de  la  philos.  europeenne,  1872  ;  7.  6d.  1905.  —  Wille  zum  Leben  oder  Wille 
zum  Guten  ?  1882.  —  Keligion  als  Wille  zum  ewigen  Leben,  1888.  —  Aphorismen, 
1900,  u.  a. 

Weber,  Arthur,  geb.  1875  in  Zschauitz  bei  Rochlitz,  lebt  in  Leipzig.  = 
Theosoph. 

Schriften:  Die  theosoph.  Mission,  1900;  2.  A.  :  Die  material.  Weltansch.  ein 
überwundener  Standpunkt,  1902.  —  Die  Bewußtseinsreiche  im  Weltall,  1902.  —  Über  die 
Unsterblichkeit  d.  menschl.  Seele,  1902.  —  Kleines  Wörterbuch,  1906.  —  Vedanta- 
Philos.,   1903,  u.  a. 


Weber  —  Weidexbach.  805 


Weber,  Ernst  Heinrich,  geb.  1795  in  Wittenberg,  Prof.  der  Physiologie 
in  Leipzig,  gest.  1878.  =  W.  ist  für  die  Philosophie  von  Bedeutung  durch 
seine  Einführung  des  Experiments  in  die  Psychologie,  seine  Untersuchuiiuin 
über  den  Tastsinn  (Versuche  mit  dem  Tasterzirkel,  Lehre  von  den  , .Empfin- 
dungskreisen''  usw.)  und  seine  Formulierung  des  ,,Weberschen  Gesetz.  ■-•• 
(s.  Fechner). 

Schriften:  Kud.  Wagners  Handwörterbuch  d.  Physiol.  III,  Abt.  2,  S.  559  tf.  — 
Tastsinn  und  Geraeingefühl,  u.  a. 

Weber,   Josef,  geb.   1753  in  Rain,   seit   1790  Prof.  in   Dillingen  . 
1831  als  Generalvikar  in  Augsburg.  =  Vertreter  eines  aufgeklärten  Katholizis- 
mus, von  Kant,  Schelling,  Seneca  beeinflußt. 

Schriften:  Sätze  aus  der  theoret.  Philos.,  1785.  —  Charakter  der  Philos.,  1786. 
—  Leitfaden  zu  Vorlesungen  über  die  Vernunftlehre,  1788.  —  Versuch,  die  harten  Ur- 
teile über  die  Kantsche  Philosophie  zu  mildern,  1793;  2.  A.  1796.  —  Metaphysik  des 
Sinnlichen  und  Übersinnlichen,  1801.  —  Vom  Wissen,  1805.  —  Die  einzig  wahre 
Philos.,  nachgewiesen  in  den  "Werken  des  L.  A.  Seneca,  1807.  —  Über  das  Beste  und 
Höchste,   1807.  —  Philos.,  Keligion  u.  Christentum,   1808 — 11,  u.  a. 

Weber,  Louis.  =  W.  vertritt  einen  absoluten  Idealismus  verbunden  mit 
einer  positivistischen  Auffassung  der  Wissenschaft  als  solcher. 
Schriften:  Vers  le  positivisme  absolu  par  l'idealisme,  1903. 

Weber,  Max,  geb.  18b'4,  Prof.  der  Nationalökonomie  in  Heidelberg,  Mit- 
herausgeber des  „Archiv  für  Soziahvissenschaft''.  —  Von  Marx  beeinflußt. 
Gegner  der  teleologischen,  normativen  Methode,  betont  die  streng  beschreibe!  ul- 
explikative  und  historische  Methode  der  Sozialwissensehaften. 

Schriften:  Artikel  im  „Archiv  für  Sozialwiss."  (darunter  gegen  Stammler)  u.  a. 

Weber,  Theodor,  geb.  1826  in  Zülpich,  Prof.  in  Breslau,  dann  altkatho- 
!;-<  her  Bischof  in  Bonn,  gest.  1906  daselbst.  =  W.  ist  der  bedeutendste  Sehüler 
Günthers.  Wie  dieser  geht  W.  vom  eigene]]  Bewußtsein,  vom  ich  aus,  dessen  Be- 
ziehungen zu  allem  Seienden  aufgesucht  werden.  Geist  und  Natur,  die  im  ich 
vereint  sind,   bestehen   auch   außerhalb  dea    Menschen,    als   Schöpfungsgebilde 

Gottes. 

Schriften:  Schillers  metaphys.  Anschauungen  vom  Menschen,  1864.  —  Kant« 
Dualismus  von  Geist  und  Natur  und  der  des  positiven  Christentums,  1866.  —  Geschichte 
der  neuern  deutschen  Philosophie,  1873.  —  Zur  Kritik  der  Kantschen  Erkenntnistheorie, 
1882.  —  E.  du  Bois-Reymond,   1885.  —  Metaphysik,   1888  f.  (Hauptwerk),  u.  a. 

Wegelin,  s.  Beguelin.  —  Vgl.  Bock,  J.  Wcgelinals  Qeaehichtsthaoretiker, 

Weidenbach,  Paul  Oswald,  geb.  1876  in  Dresden  =  idealistischer 
Standpunkt  Das  Bein  (die  absolute  Wahrheit  .  »las  rollkommen«  l 
ist  mehr  als  das  Dasein  (unser  „Haben"),  es  ist  Ansicbsein,  Geforden 
„Möglichkeit",  Idee.  Diese  ist  Voraussetzung  alles  Daseins,  aller  Erfahrung ; 
letztere  ist ,, das  Besonderswerden  der  allgemeinen  [dee".  Das  Subjekt  ist  nichts 
Einzelnes,  Isoliertes,  nur  relath  selbständig.  Die  [des  \ •  muht,  t  die  Ver- 
einzelung. 


806  Weidenbach  —  Weinmann. 

Schriften:  Das  Sein  u.  seine  methodologisch-kritische  Bedeutung,  1900.  — 
Mensch  und  Wirklichkeit,  1907,  u.  a. 

Weigel,  Erhard,  geb.  1625  in  Weida,  seit  1653  Prof.  der  Mathematik  in 
Jena,  gest.  daselbst  1699.  —  Gegner  der  Scholastik,  der  die  mathematische 
Methode  auf  die  Logik  anwendet,  bzw.  das  Rechnen  als  logische  Tätigkeit  be- 
stimmt. Im  Wollen  unterscheidet  er  Denk-  und  Werk  willen.  Nur  Gott  ist 
ein  wahres  Wesen,  die  endlichen  Dinge  sind  an  sich  nichts.  Das  Nichts,  als 
Fähigkeit,  etwas  in  sich  haben  zu  können,  ist  der  Eaum.  Die  Zeit  ist  die 
Zahl  der  Änderungen.  —  Ein  Schüler  W.s  war  Leibniz;  von  ihm  beeinflußt 
sind  Chr.  Wolff  und  Rüdiger. 

Schriften:  Analysis  Aristotelica  ex  Euclide  restituta,  1658.  —  Idea  totius  encyclo- 
paediae,  1671.  —  Universi  corporis  pansophici  prodroraus  de  gradibus  humanae  cogni- 
tionis,  1672.  —  Universi  corporis  pansophici  caput  summura,  1673.  —  Metaphysica  pan- 
tologica,  1673.  —  Ethica  Euclidea,  1674.  —  Cosmologica,  1680.  —  Aretalogistica  oder 
der  Grund  aller  Tugenden,  1687.  —  Philos.  raathematica,  1693,  u.  a.  —  Vgl. 
FR.  BarthOLOMÄI,  E.    W.,  Zeitachr.  f.  exakte  Philos.  IX,   1871. 

Weigel,  Valentin,  geb.  1533  in  Hayna  bei  Dresden,  studierte  in  Leipzig 
und  Wittenberg,  wurde  1567  Pfarrer  in  Zschopau,  gest.  daselbst  nach  1594.  = 
W.,  von  Nicol.  Cusanus,  Paracelsus,  Schwenkfeld  u.  a.  beeinflußt,  ist  ein 
Mystiker  und  Theosoph,  der  eine  eigene  Sekte  (Weigelianer)  begründete.  Auf 
Selbsterkenntnis  gründet  sich  alle  Weisheit.  Der  Mensch  ist  ein  Mikrokosmus, 
dessen  ,, Geist"  aus  der  Gestirnwelt  stammt  und  nach  dem  Tode  dahin  zurück- 
geht, während  seine  immaterielle  Seele  unsterblich  ist.  Gott  liebt  sich  selbst 
und  ist  insofern  dreieinig.  Der  Mensch  muß  sich  selbst  absterben  und  Gott 
(Christus)  in  sich  leben  lassen. 

Schriften:  Libellus  de  vita  beata,  1906.  —  Erkenne  dich  selber,  1615,  u.  a.  — 
Vgl.  A.  ISRAEL,   V.  W.s  Leben  und  Schriften,  1889. 

Weiller,  Cajetan  von,  geb.  1762  in  München,  1799  Prof.  am  Lyzeum 
daselbst,  gest.  1806  als  Direktor  aller  Lehranstalten  Münchens.  =  Vertreter 
eines  aufgeklärten  Katholizismus,  Anhänger  Jacobis,  Gegner  Schellings  und 
Hegels. 

Schriften:  Über  die  gegenwärt.  u.  zukünft.  Menschheit  1799.  —  Der  Geist  der 
allerneuesten  Philosophie  der  Herren  Schelling,  Hegel  und  Compagnie,  1803.  —  Ideen 
zur  Geschichte  d.  Entwickl.  d.  relig.  Glaubens,  1808  —  15.  —  Grundlegung  zur  Psycho- 
logie, 1817.  —  Über  die  religiöse  Aufgabe  unserer  Zeit,  1819.  —  Über  Ethik  als  Dyna- 
mik, 1822.  —  Kleine  Schriften,  3  Bde.,   1823—25,  u.  a. 

Weininger,  Otto,  geb.  1880  in  Wien,  gest.  1903  daselbst.  =:  W.  ist  in 
seinen  erkenntnistheoretischen  Anschauungen  besonders  von  Kant  beeinflußt. 
Daneben  stellt  er  besonders  die  Lehre  von  der  (psychisch-physischen)  Bisexualität 

Menschen  auf,  so  daß  nach  ihm  in  jedem  Mann  auch  ein  bestimmtes  Maß 
des  weiblichen  Habitus  steckt. 

Schriften:  Geschlecht  und  Charakter,  2.  A.  1903,  11.  A.  1909.  —  Über  die 
letzten  Dinge,  1904.  —  Vgl.  SWOBODA,  0.   W.,  1911. 

Welnmann,  Rudolf.  =  W.  bekämpft  die  Lehre  von  den  spezifischen 
^innesenergien  in   bezug  auf  deren  subjektivistische  Begründung  und  verteidigt 


\Vf.inm.\xx  —  WraßMANK.  807 


den  kritischen    Realismus.     Unmittelbar  gegeben    ist    uns  die  Bewu 

Diese  aber  ist   als  ..Spiegelung   einer  objektiven,    von    uns    nnabhai ig 

renden  und  insofern  als  transzendent  zu  bezeichnenden  Außenweif4  nnfmf innen 

Die  Vorstellungen  werden  dann  zu  Zeichen  für  die   Ding 

Schriften:    Die   Lehre    von    den    spezif.    Sinnesenergien,  -    Wirklichk 

Standpunkt,  1896.  —  Zeitschr.  f.  Psycho),  d.  Sinnesorgane,    17.    Bd. 

Weis,    Ludwig,   geb.   1813   in  Zwei  brücken,   gest  1880  in   München.  = 

Gegner  des  Materialismus.     Thei-t. 

Schriften:    Anti-Materialismus,   1871   f.    —    Der  alte  und  der  neue  Glaube,   1- 
—   Idealrealismus  und  Materialismus,   1877.   —   Erkennen   und  Schauen  Gottes,   189b.   — 
Kant.    1903. 

WelseiigrüiK  Paul,  lebt  in  Wien.  :=   \V.,  der  vmi  Harne,  Mach  u.  a. 

beeinflußt  ist.  will  der  Erkenntnistheorie  einen  psychologischen  Überbau  geben 
(,, synthetisch  psychologischer"  Kritizismus).  Gegenüber  Biach  betont  \V.  die 
-.absolute   Kontinuität"    des    Ich.      Die  Einseitigkeit   der   materialistischen    I 

Schichtsauffassung  des  Marxismus  kritisiert   \V.  eingehend. 

Schriften:    Verschiedene    Geschichtsauffassungen,    1890.     —    Die   Entwicklungsge- 
setze   der  Menschheit,   1890.    —   Das  Problem,   1892.  —  Das   Wesen  der  sozialen  Frage, 
1900.    —    Das  Ende  des  Marxismus,  2.  A.   1900.    —    Der  neue   Kurs  in  der  l'hilosoj 
1905,   u.  a. 

Wei*liaiipt.    Adam,   geb.  17-ib.   Prof.  des  Kirchenrechte  in  [ngolata 
Stifter  des  Illuminatenorden-.  Beil   1785  in  Gotha,  gest.  1830.  =  Gegnei 
von    Locke,    Leibniz    u.   a.    beeinflußter   Vertreter   eines  [deal-Realismuci      l1 
3  ele  ist  immateriell.     Die    Materie    kann    nicht    denken;   ßie    ist    ein     \. 
kleinster  Teile,  das  sinnliche  Bild,   unter  welchem  mir  solche  erscheinen",  eine 
,;VorsteUungsart  der  Geeister",  hervorgerofen  durch  immaterielle  K 

Schriften:    Über    Material,    u.    Idealismus,    ;.-  \      1788.  -her 

d.  Kantschen   Begriffe    von    Zeit   und   Bann,   1787.   —   über  die  Gründe  u.  G  I  d. 

tnenschl.    Erkenntni-.    1788.    —  Ober   Wahrheit  u.  rittliehci  Vollkommenheit.    1796— 

\Y<'i<->mami.  August,   geb.   1834  in    Frankfurt  a.  M..  Prof.  d< 
in   Freiburg  L    B.         W.  ist   der  Hauptvertreter  dee     Neo-Danviniamui 
extremen   Belektionismua  (..Allmacht   der  Naturzüchtunj         Selektion 
eine  „Selbstregulierung  der  Art   im  Sinne  ihrer  Erhaltung;  ihr  Resultat 
im;,  ir   Anpassung  der   Art    an    ihre  Lebensbediugunj  -        I  die*«- 

sich  ändern,  ändert  auch  die  Naturzüchtung  ihre  Aaswahl,  denn  die  vorher  i 
Besten  waren,  sind  es  jetzt  nicht  mehr".    Nur  das  möglich*! 
das  minder  Oute  wird  immer  wieder  verworfen.   Es  gibt        h  \\ 
Germinal-,    Histonal-,    Kormalselektion;    besonden  wichtig    ist 
Selektion,  die   Auslese  der    »Determinanten"    und  „Biophoren"  im  K 
im    Kampfe   um   die    Ernähre  leiben.    Troti 

Selektion   erklärt   aber   W.  doch:     Da*  Belektionsprinzip  bell  >  ■    K 

ien  von  Lebenseinheitei  licht  du 

wohl   aber  bestimmt   es  die  Entwickli  mm,  wrl.-h. 

Anfang  bis  Ende,  denn  alles  an  den  I  wn  beruht  aui  Anpassung       l 


808  Weismann  —  Weisz. 


direkte  Vererbung  (funktionell)  erworbener  Eigenschaften  gibt  es  nach  W. 
nicht,  sondern  es  können  höchstens  äußere  Einflüsse  im  gleichen  Sinne  auf  das 
Keimplasma  wie  auf  das  Soma  einwirken,  auch  können  Giftstoffe  u.  dgl.  von  diesem 
in  jenes  überwandern ;  sonst  aber  übt  das  Soma  auf  das  Keimplasma  keinen 
Einfluß  aus,  der  zur  Variation  des  letzteren  führt.  Es  besteht  eine  „Kontinuität 
des  Keimplasmas",  eine  Vererbung  nur  von  Seiten  des  „Ahnenplasma",  wobei  die 
,,  Chromosomen"  (Idanten)  die  Träger  der  Vererbung  sind,  welche  wieder  aus 
„Iden"  (Anlagen-Komplexen)  bestehen.  Die  „Determinanten",  die  (aus  „Bio- 
phoren"  bestehenden)  Träger  der  Zelleigenschaften,  stehen  alle  zu  bestimmten 
Teilen  des  Lebewesens  in  Beziehung  (modifizierte  Präformationstheorie).  Die 
Variation  erfolgt  nur  im  Keimplasma,  nicht  durch  das  Milieu  —  das  aber,  wie 
W.  später  annimmt,  doch  das  Keimplasma  modifizieren  kann  —  und  nicht  durch 
funktionelle  Übung  (gegen  den  Lamarekismus).  —  W.s  Theorie  hat  auch  auf 
einen  Teil  der  Soziologen  Einfluß  ausgeübt  (Ammon,  Matzat,  Schallmayer  u.  a. ; 
gegen  W. :  Goldscheid  u.  a.). 

Schriften:  Die  Berechtigung  der  Darwinschen  Theorie,  1876.  —  Studien  zur 
Deszendenztheorie,  1878.  —  Über  die  Dauer  des  Lebens,  1882.  —  Vererbung,  1883. 
—  Leben  und  Tod,  1884.  —  Essays  upon  Heredity,  1889  —  92.  —  Aufsätze  über 
Vererbung  und  verwandte  biolog.  Probleme,  1892.  —  Das  Keimplasma,  1892.  —  Die 
Allmacht  der  Naturzüch tun g,  1893.  —  Äußere  Einflüsse  als  Entwicklungsreize,  1894.  — 
Neue  Gedanken  zur  Vererbungsfrage,  1895.  —  Germinal-Selektion,  1895.  —  Vorträge 
über  Deszendenztheorie,  1902.  1904.  —  The  Evolution  Theory,  1904.  —  Die  Selektions- 
theorie,  1909,  u.  a. 

Weiß,  Berthold,  geb.  1860  in  Wien,  lebt  in  Berlin.  =  Evolutionistisch- 
monistischer,  positivistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  ethische  Aufgabe  des  Menschen,  1890;  2.  A.  1893.  —  Grund- 
legung einer  Philos.  des  Geschehens,  1895.  —  Die  Zukunft  der  Menschheit,  1898.  — 
Ethische  Worte,  1902.  —  Gesetze  des  Geschehens,  Arch.  f.  systemat.  Philos.,  1903.  — 
Entwicklung,  Versuch  einer  einheitl.  Weltansch.,  1908,  u.  a. 

Weiß,  Bruno,  geb.  1852  in  Breslau,  Pastor  in  Bremen.  =  Gegner  des 
Haeckelschen  Monismus. 

Schriften:  Der  Humanismus  u.  U.  v.  Hütten,  1883.  —  Monismus,  Monistenbund, 
Radikalismus  u.  Christentum,  1907  ;  2.  A.   1908,  u.  a. 

Weiß,  Christian,  geb.  1774  in  Taucha  bei  Leipzig,  studierte  in  Leipzig, 
1801  a.  o.  Prof.,  1805  Direktor  des  Lyzeums  in  Fulda,  1808  Schuldirektor  in 
Naumburg,  1816  Schulrat  in  Merseburg,  gest.  daselbst  1853.  =  W.  ist  von 
Kant,  aber  auch  von  Fries  und  Jacobi  beeinflußt  und  vertritt  einen  übersinn- 
lichen Realismus.  Zugleich  entwirft  er  die  Grundzüge  einer  genetischen 
Psychologie,  welche  die  Tatsachen  des  innern  Lebens  nach  ihren  inneren 
Gründen  und  nach  ihrem  Zusammenhange  erforscht.  Die  (aus  einem  „Urzu- 
stand'' durch  „Zersetzung"  hervorgehenden)  „psychischen  Elemente",  die  Ur- 
bestandteile  der  psychischen  Kräfte,  sind  Trieb  (das  „Prinzip  der  Richtung") 
und  Sinn.  Aus  der  Verbindung  der  Elemente  gehen  erst  das  Vorstellungs-, 
Begehrungs-,  Gefühlsvermögen  hervor.  Entwicklungsstufen  des  Psychischen 
sind   Sinnlichkeit,   Verständigkeit,   Vernünftigkeit.     Ohne  Tendenz,  Trieb  sind 


Weisz  —  Wexbc 


keine  Vorstellungen  möglich.    Da*  Wesen  da  Sees    ist   Handlung,  die  „dyna- 
mische   Einheit    der   Element  Handlung"    ist    das    1» 
.sehen  ihrer   Kraft,   „Zustand"   von   seiten  der  SSefterfolhmg  durch  jene    Di 
Psychologie  hat  die  Beelischen  Sandlungen  nicht  blofi  tu  beeehrei  tdern 
auch  zu  analysieren;  dadurch  erhalt   man  „Momente*1  der   Handlungen  und  Zu- 
Btändi      -     Le  ist  der  ,. Fortgang  eines  Zeitlebens  Beben  dem  räumlich«     1 1 

ganischen  Wesens4'.   Wichtig  Bind  Fertigkeil  und  Gewöhnt 
Das  -eelische  Leben  „entwickelt"  sich  vom  „Urgefuhl'4  zu  imm< 
pliziertheit  und  Stärke.    Das  der  Gewöhnung"  hu.  hing 

des   Geistes   begründet   durch    ihr   biofies    Vollbrachtwerden    einen    Gl 
Fertigkeit,  sie  so,  wie  sie  da-  erstemal  geschah,zi]  einer  andern  Zeil  wieder  / 
lichten."    Das  Leben  ist  durch  psychische   Kräfte   erzeugt     Die  Kraft    ist  das 
Reale  aller   Erscheinung.     Existenz   ist    „Erscheinen   der    Krall    in   Zeil    und 
Raum".      Die  Wechselwirkung   zwischen    Geist    und    Materie   ist    in   Wahrheit 
eine   „Wechselwirkung  zwischen   Kraft  und  Kraft".     Bei  W.  finden  -ich 
interessante  Bemerkungen   aber  das  Wesen  der  Anschauung, 
der  Einbildungskratt,  der  fn  Stellungen  (durch  organisch*    R 

bes   u.   a.     Nach    W.    »„assimiliert    >ich    im   [eh   jede   Einwirkung 
außen   dem  durch  das  ganze  bisherige  Zeit  leiten  herbeigeführten  Totalsustand 
Subjekts"  ivgl.  Wundt).    Im  Wollen  entsteht  eine  neue  Art  <!•      !       ditat, 
•es  aut  sich  Belbst    I»;     9  ein  Individuum,  aber  nicht 

Substanz  im  gewöhnlichen,  atomistischen  sinne.    ..Zu  einem  Individuum 
die    Naturkraft    schon    durch    ihre    innere  Entgi  ung    und    I'. 

ohne  alle-  weitere  Bubstrat;  und  so  auch  die  6 

Schriften:    Resultate   der    kritischen    Philo«  —    Lehrt 

der    Logik,    nebst    einer    Kinleit.    zur     Philosophie     überhaupt,    löUl.     —     Winke 
eine    durchaus    praktische    Philosophie,     lbOl.   —    Lehrbuch  der   1 

1804.     —     UatsnaehOBgeB    Über    da.-    We-en     und    Wirkt!     der   Dfl  '''M-,    1  >  1  : 

(Hauptwerk).    —    Vom    lebendigen   I  SIS.  raad,    Wmm    umi    I 

des    roügiösen     Glaubens,  -     Betrachtugea    über    Rationalismus   und   ' 

barung,   184G. 

\Wi>*«'.   (  Ini-tiaii    Hermann,  geb.   180J    in    l  studierte  da 

wurde  a.  o.    Professor   in   Leipzig,  lebt  Privatm 

Leipzig,  winde  1847  o.  Prof.  in  Leipi 

W.   i-t  von   Segel  au  en,  hal   sich  aber  bald  ron  ihm  ei  und 

ist,  von  Bchelling,  J.  Böhme  u.  a.  beeinflußt,  gleich  J.  11.  I 
ii.   a..   zu    einem   spekuJatiT-christlichen  Tht-ismu» 

physik  ist    nach    \\  .  die  ..Wissenschaft    de*   reinen    l>ciik<  ii  i    II...U 

Panlogismus  betont   nun   W.,  dai  durch  d  Denken  nur. 

und  dessen    Formen,   d.   h.  bloße  Möglichkeit«  l  /nr 

Erfassung  der  Wirklichkeit  sinnliche  ui  Fahruni 

Metaphysik  zerfallt    in  die   Lehr-    ron     ä 
..  i..  h       on  der  Wirklichkeit   W 
Unter  den  k 
hat.  und  die  sie   n,  den  Weltinhall  :id  unwillkürlich  bii 


810  Weisse. 

trägt.  Sie  sind  die  Formen  alles  Daseienden,  haben  eine  von  aller  subjektiven 
menschlichen  Auffassung  unabhängige  Geltung,  als  Inbegriff  logischer  Mög- 
lichkeiten und  Notwendigkeiten.  Die  Kategorien tafel  lautet:  I.  Sein:  Kate- 
gorien der  Qualität  (Sein,  Dasein,  Unendlichkeit);  Kategorien  der  Quantität 
(Zahl,  Größe,  Verhältnis);  Kategorien  des  Maßes  (Individuum,  Art,  Gattung; 
spezifische  Größe,  Eegel,  Gesetz,  Form,  Inhalt).  II.  Wesen:  Identität,  Einheit, 
Zweiheit,  Gegensatz,  spezifische  Dreiheit;  Ausdehnung,  Ort,  Raum;  Schwere, 
Polarität,  Kohäsion,  Chemismus.  III.  Wirklichkeit:  Kategorien  der  Reflexion 
(Substantialität,  Möglichkeit,  Kausalität,  Wirklichkeit,  Wechselwirkung,  Not- 
wendigkeit). Kategorien  des  Zeitbegriffs  (Bewegung,  Dauer,  Zeit) ;  Kategorien 
der  Lebendigkeit  (Teleologie.  Organismus,  Leben,  Freiheit).  Raum,  Zahl,  Zeit 
sind  von  zentraler  Bedeutung  und  von  objektiver  (transzendenter)  Geltung.  Der 
Raum  ist  die  Urqualität  des  Seienden ,  durch  deren  Gesetztsein  das  Sein  zur 
Wesenheit,  das  Seiende  zu  Wesen  oder  Dingen  wird.  Im  Zeitbegriffe  ist  das 
Sein  zur  Absolutheit  des  absoluten  Prozesses  gesteigert.  Das  Umsetzen  der 
Zukunft  in  Vergangenheit  ist  das  unablässige  Tun  der  Zeit,  welche  die  „ab- 
solute Formbestimmung  alles  wahrhaft  Seienden"  ausmacht.  Nichts  ist  ferner 
wirklich,  was  nicht  in  einem  teleologischen  Prozesse  sein  Dasein  hat.  Die 
Zweckbeziehung  ist  die  Wahrheit  aller  Kausalbeziehung,  diese  selbst  ist  teleo- 
logisch. Die  Wirklichkeit  ist  „Ursächlichkeit",  besteht  im  „Prozeß  der 
Kausalreihe",  ist  das  Wirken  einer  Substanz  auf  die  andere.  „Wirklich  ist 
nur,  was  wirkt."  Die  wahre  Wirklichkeit  ist  die  kategorial  richtig  bestimmte, 
vernünftige  Wirklichkeit. 

Notwendigkeit  liegt  nur  im  Kategorialen,  Logischen.  Auch  Gottes  Wille, 
der  an  sich  frei  ist,  setzt  die  logischen  Möglichkeiten  voraus.  Die  Wirklich- 
keit selbst  aber  ist  ein  Produkt  freien  göttlichen  Schaffens  (auf  Grund  eines 
ewigen  Schauens  und  Gestaltens),  wobei  Gott  als  Dreieinigkeit  von  Vernunft, 
Gemüt  und  Wille,  als  „Ursubjekt",  lebendiger,  persönlicher  Gott  gedacht  ist, 
von  dem  die  Welt  abhängig  bleibt,  wenn  sie  auch  in  den  Individuen  und  Per- 
sönlichkeiten ihre  Selbständigkeit  hat.  Die  Persönlichkeit  ist  in  ihrem  Willen 
frei.  Das  Ziel  des  Kampfes  Gottes  mit  dem  Weltlichen  ist  die  Herstellung 
des  Reiches  Gottes,  wie  Jesus,  die  MenschAverdung  des  in  der  Welt  wirksamen 
Gottes,  es  verkündigt. 

Die  Ästhetik  definiert  W.  als  die  „Wissenschaft  von  der  Idee  der  Schön- 
heit". Schönheit  ist  Erscheinung  und  Form  der  Dinge.  Eine  Bedingung  des 
Komischen  ist  das  Häßliche,  das  ,, unmittelbare  Dasein  der  Schönheit",  das 
Schönheitsfeindliche.  Die  Komik  ist  das  „Lügenstrafen  einer  angepaßten 
Hoheit  und  Absolutheit". 

Schüler  W.s  sind  J.  G.  F.  Billroth,  R.  Seydel,  G.  Portig  u.  a. 

Schriften:  Über  den  gegenwärtigen  Standpunkt  der  philos.  Wissenschaften,  1829. 
-  System  der  Ästhetik,  1830.  —  Über  d.  Verhältnis  des  Publikums  zur  Philos.  in  d. 
Zeitpunkt  von  Hegels  Abscheiden,  1832.  —  Die  Idee  der  Gottheit,  1833.  —  Grundzüge 
der  Metaphysik,  1835.  —  Evangelische  Geschichte,  1838.  —  Die  Evangelienfrage,  1856. 
—  Das  philos.  Problem  der  Gegenwart,  1842.  —  In  welchem  Sinne  die  deutsche 
Philos.  jetzt  wieder  an  Kant  sich  zu  orientieren  hat,  1847.   —   Philos.  Dogmatik,  3  Bde. 


Weisse—  Wentscher.  811 


1855  —  62    (Hauptwerk).    —    Kleine    Schriften   zur   Ästhetik    u.  ästhet.   Kritik,  hrsg.  von 
R.    Seydel,    1867.    —    Psychol.    u.  Unsterblichkeitslehre,  hrsg.  von  ß.  Seydel,   1869.  — 
System  der  Ästhetik,  hrsg.  von  R.  Seydel,   1871   u.  a.  —  Verzeichnis  der  Schrift« 
in:  Zeitschr.  f.  Philos.  Bd.  55,   1869.  —  Vgl.  R.   SEYDEL,  C.   B.   W.,   1866. 

Weissenborn,  Georg,   geb.   1816  in  Varchenün,  1843  Privatdozent  in 

Halle,  1853  Prof.  in  Marburg,  gest.  daselbst  1874  =  Von  Hegel  und  b 
ders  von  Schleiermacher  beeinflußter  Theist,  Gegner  des  Pantheismus.  1  ta 
Absolute  ist  nach  W.  das  ., absolut  aktuelle  Selbstbewußtsein  der  vernüni 
Substanz".  Gott,  der  Persönlichkeit  ist,  unterscheidet  sich  von  der  Welt,  dein 
Produkte  seines  schöpferischen  Handelns,  durch  welches  die  Totalität  der 
Zwecke  des  Absoluten  realisiert  wird.  In  der  formellen  Unendlichkeit  dea  Ich, 
d.  h.  in  seiner  Allgemeinheit,  vermöge  deren  es  den  Gedanken  des  Absoluten 
zu  erreichen  vermag,  liegt  der  eigentliche  Grund  für  seine  Unsterblichkeit 

Schriften:  Vorlesungen  über  Schleiermachers  Dialektik  und  Dogmatil*.  1847  —  49. 
—  Logik  und  Metaphysik,  1850.  —  Vorlesungen  über  Pantheismus  und  Theis- 
mus,  1859. 

Wendt,   Amadeus,  geb.    1783  in   Leipzig,    1811    Prof   daselbst,  1829  in 

Göttingen.  =  Eklektiker. 

Schriften:  Grundl.  d.  philos.  Rechtslehre,  1811.  —  Keden  über  die  Religion, 
1813.  —  Philos.  der  Kunst,  1817.  —  Neubearbeitung  von  Tennemanns  „Grumir.  d. 
Gesch.  d.  Philos.",  u.  a. 

Wentscher,  Else,  lebt  in  Bonn.  =  [deal-realistischer  Standpunkt 
Lotze.  B.   Erdmann   u.   a.   beeinflußt).     Da-   Kausalitätsprinzip    ist  ein  auf  die 

'/.lichkeit  der  Erfahrung  gestütztes  Postulat     In  bezug  auf  dir  Will« 
theorie  nähert  sich   W.  am  meisten  E.  Bleumann,  betont  aber  viel  mehi 
Anteil   der   Gefühle   am    Zustandekommen    des    Willens.      Für    die    Richtung 
und  Stärke  unseres  Willen-   ist   vor  allen,  dir  Richtung  und  Kraft  bestimmter 
Gefühle  entscheidend.     Im  Wollen  liegt  ein  ,.in  unserer  tiefsten  Persönlichkeit 
gegründetes    Werten    und    Billigen,    Kämpfen    und    Entscheiden11    vor. 
Wollen  ist   eine  „Komplikation   unseres   Pühlene  und  VorsteU 
these"   von   (Weit-'   Gefühlen   und  darauf   gegründeten   Gefühlsantrieben   und 
von  Vorstellungen,  und  zugleich  etwa-  v         (wenn  auch  nichts  Element 
Eigentliche  Willensmotive  und  „motivierende  Faktoren"  (Temperament,  Stimmung  | 
sind  zu  unterscheiden.     Das  „Verlangen11  i-t  ein  nicht  freitet  ra  analysierendes 
Gefühlsmoment     Der   „Willensimpuls"   i-t    kein   Charakteristikum  der  eij 
Liehen    Willenshandlungen,   welch.-   vielmehr   darin   besteht,   dmi  da-    Wollen 
..eine  gebilligte   Entscheidung,  eine   gebilligt   Zieh  isl    l 

M.  Wentscher  u.  a.),    Vom  Willen  -cht  auch  die  rielbewe        I 
dankenverlaufs  au-,  wobei  aber  um  ntlichei  Penken  oft  durch 

liches  [nteresse  völlig  unwillkürlich  erregt  irird,  Der  Wille  ist  innerlich  (durch 
Wertgefühle,  Motive,  Charakter,  Persönlichkeit,  Vernuni 
-cii  determiniert,  aber  sittlich  frei,  autonom. 

B    hrifton:    PhiaoaMMÜismai    und     Kealiinr.  .  •     K .ii.-i 

i  Philosophie    L90S.   —   I>or  Will«,    1910,  ii.  a. 


812  Wentscher  —  Wenzig. 


Wentscher,  Max,  geb.  1862  in  Graudenz,  Prof.  in  Bonn. 

W.  ist  besonders  von  Lotze  beeinflußt.  Er  vertritt  einen  kri  tischen  Realis- 
nius,  nach  welchem  die  Körper  Erscheinungen  immaterieller  Substanzen  sind. 
Die  Seele  ist  eine  besondere  Substanz,  die  mit  dem  Leibe  in  Wechselwirkung 
steht.  Es  kann  durch  die  Seele  potentielle  Energie  ausgelöst  werden,  ohne  daß 
Energie  dabei  aufgewandt  wird.  Freies  Wollen  ist  nach  W.  ein  Wollen,  das 
ganz  aus  unserem  eigenen,  von  uns  selbst  gewollten  Wesen  hervorgeht,  wobei 
die  Entscheidung  nicht  im  Vorangegangenen  bedingt,  sondern  ein  neuer,  auto- 
nomer Akt  ist.  Freiheit  ist  „Fähigkeit,  mit  bewußter  Wahl  das  Ziel  zu  suchen, 
ein  eigenes,  selbständiges  Wesen  zu  begründen".  Doch  ist  Willensfreiheit  nicht 
motivloses,  zufälliges  Geschehen.  Die  Ethik  bestimmt  W.  als  Idealwissenschaft, 
welche  die  „möglichen  Ziele  menschlichen  Willens  und  Handelns"  zeigen  und 
Maßstäbe  für  deren  Wert  oder  Unwert  an  die  Hand  legen  soll.  Sie  ist  eine 
„auf  empirischer  Grundlage  ruhende  spekulative  Wissenschaft".  Sie  sucht  den 
Inhalt  des  Sittlichen  zu  bestimmen,  die  allgemeinen  Merkmale  der  als  sittlich 
beurteilten  Handlungen,  die  Faktoren  des  sittlichen  Inhalts,  die  Quelle  der 
sittlichen  Urteile  und  die  Entstehungsbedingungen  des  Sittlichen.  Der  gute 
Wille  ist  der  Wille  in  seiner  vollen  Autonomie.  Der  Wille  jedes  willensfähigen, 
denkenden  Wesens  ist  bestrebt,  sich  immer  mehr  zu  einem  vollendeten  eigenen, 
freien  Willen  dieses  Wesens  zu  entwickeln.  Das  in  sich  selbst  vollkommene, 
freie  Wollen  ist  das  sittlich  gute  Wollen.  Die  obersten  Imperative  lauten : 
1.  „Strebe  nach  höchster  Ausprägung  wahrhaft  eigenen  Wesens  und  fester 
Grundsätze  eines  vollendet  eigenen,  freien  Willens."  2.  „Mache  von  dieser 
Tätigkeit  freier  Betätigung  eigenen  Wesens  den  kraftvollsten  und  umfassendsten 
Gebrauch. " 

Schriften:  Lotzes  Gottesbegriff,  1893.  —  Phys.  u.  psych..  Kausalität  u.  d.  Prinzip 
d.  psychophys.  Parallelismus,  1896.  —  Über  den  Pessimismus  u.  seine  Wurzel,  1897. 
—  Zur  Theorie  des  Gewissens,  Arch.  f.  system.  Philos.  V.  —  Der  psychol.  Eealismus, 
Zeitschr.  für  Philos.  u.  philos.  Krit.  117.  Bd.  —  Ethik,  1902—05.  —  Einführ,  in  d. 
Philos.,  1906.  —  Das  Problem  d.  Lehrfreiheit,  1907,  u.  a. 

Wenzel,  Alfred,  geb.  1865  in  Danzig,  lebt  daselbst.  ==  Schüler  Wundts. 
Schriften:    Beiträge    z.    Logik   der   Sozialwirtschaflslehre,    1894.  —  Gemeinschaft 
und  Persönlichkeit,   1899.  —  Die  Weltansch.  Spinozas,  1907. 

Wenzig,  C,  Prof.  in  Breslau.  =  Von  Wundt  u.  a.  beeinflußter  Vertreter 
des  Voluntarismus.  Die  Philosophie  ist  „empirische  Analyse  unseres  Bewußt- 
seinsinhalts, d.  h.  Psychologie,  und  als  Logik,  Erkenntnistheorie  und  Meta- 
physik psychologische  Verdeutlichung  der  Grundvorstellungen  der  objektiven 
Wissenschaften".  Sie  untersucht  die  formalen  Voraussetzungen  des  Aufbaues 
jeder  Wissenschaft  in  historisch-psychologischer  Weise.  Das  Weltgeschehen  ist 
letzten  Endes  als  durch  einen  „teleologischen  Weltwillen"  bewirkt  zu  denken, 
als  Begründung  der  energetischen  Naturauffassung.  Die  Bewegung  ist  Er- 
echeinung  der  Kraft,  die  an  sich  Wille  ist.  Im  Organismus  macht  sich  das  Prinzip 
der  „Richtung"  der  Energien  geltend,  die  teleologisch  bestimmt  ist.  Das 
Wesen  des  Ichs  besteht  im  Willen. 

Schriften:  Die  Weltanschauungen  der  Gegenwart,  1907,  u.  a. 


Werder  —  Westermarck. 


Werder,   Karl,  geb.   1S06  in  Berlin.  1833  Prof.  daselbst,   gest  1803.  = 

Anhänger  Hegel-. 

Schriften:  De    Piatonis  Pannenide,    1834.  —  Logik  als  Kommentar  u.   ]!• 
zu  Hegels  Wissensch.  der  Logik,  1841;  4.  A.   1861. 

Werner,  Karl,   geb.  1821  in  Hafnerbach  (Nie.;. 
der  Kirchengeschichte    in  Wien  18S8   in   Wien.  =  Thomistischer  Stand- 

punkt. 

Schriften:  Der  heil.  Thomas  von  Aquino,  1858 — 59.  —  F.  Suarez  u.  d.  Scho- 
lastik d.  letzten  Jahrhunderte,  1861.  —  Gesch.  der  apologet.  u.  polem.  Literatur  d. 
christl.  Theol.,  1861—67.  —  Gesch.  d.  kathol.  Theologie,  1866  ;  2.  A.  1889.  — 
System  d.  christlichen  Ethik,  1850  —  52  ;  2.  A.   1888.  —  Spekulative  Anthropologie,   1870. 

—  Die  Kosmologie  u.  Naturlehre  des  scholast.  Mittelalters,  1874.  —  Beda  der  Ehr- 
würdige u.  s.  Zeit,  1875.  —  Alkuin  u.  s.  Jahrhundert,  1876.  —  Gerbert  von  Aurillac, 
1878. —  Die  Scholastik  d.  späteren  Mittelalters,  4  Bde.,  1881  —  87.  —  Die  Augustinische 
Psychologie,  1882.  —  Die  nominalisierende  Psychologie  d.  19.  Jahrhunderts,  1882.  — 
Die  italienische  Philosophie  des  19.  Jahrhund.,  5  Bde.,  1884 — 86,  u.  a. 

Werner,  Otto.  Pfarrer  in  Wolfsbehringen.  =  Teleologischer  Stand- 
punkt 

Schritten:  Die  Stellung  des  Menschen  in  der  beseelten  Schöpfung,  1895.  —  Die 
Menschheit,  1899.  —  Lebenszweck  und  Weltzweck,  1907.  —  Kraft  u.  Stoff,  Bewußtsein 
u.  Leben,   1909. 

Wernieke,  Alexander,  geb.  1S57  in  (iörlitz.  Prof.  an  der  techn.  Hoch- 
schule in   Braunselnveig.   =   Von  Kant  beeinflußter  kritizistischer  Standpunkt 
1  >a-    Ich  ist  die   „Formaleinheit"   seiner   Vorstellungen,    ubertl 
Identität  auf  das  Mannigfaltige,  welches  ihm  gegenübertritt,  and  erfaß!     - 
dem  Binster  der  [ch-Identität,  so  dafl  es  im  Gegebenen  ein  Reich  ron   Di 
sieht,  welche  „Formaleinheiten"  seiner  Znstande  sind. 

Schriften:  Die  Religion  des  Gewissens  als   Zukunftsideal,    lbT'J.    —    Phi 
deskriptive    Wissenschaft,    1882.     —     Grundz.    d.     Mechanik,     1883.    —    Grundlage    der 
Euklid.  Geometrie,   1887.  —   Gesammelte  Au  I  u.  kein   Ende- 

2.   A.   1907.  —   Kultur  u.  Schule,   1896.  —  Mieter  J.   Bohne,    1S98.   —   K.  WagMi 
Erzieher,    1899.    —   Weltwirtschaft    u.  Nationalerziehung,    1900.   —  Lehrb.  d.  Mechanik. 
4.    A.    1900 — 03.    —    Die    Theorie   d.    Gegenstandes    u.   d.    Lehre    vom   I)ii)Kr  an  sich    b^i 
J.    Kant,     1904.     —     Schiller    u.     d.     deutache    Idealismus,    1906.   —    Dio    Bc 
deutschen    Idealismus    durch    J.    Kant.   1910.   —   Aktivität  u.   Pattiritlft,    Viertafyahn 
f.  wiss.    Philos.,    1882.    —    Die  atfptotMcas  Funktion  d.   BswnßtMÜM,    1.  e.    1881 

—  Kants  krit.     Werdegang   als    Einführ,   in   il.    Krit.  d.    rcn.cn    Vernunft    1911,   u.   a. 

WVrtlieiiiM'r.  Emanuel,  geb.  184Ö  in  Budapest.  =  Monistischer  Stand- 
punkt 

Schriften:    Aphorismen,   u.  a. 

Wcrtlieliiicr,  Leo,  a.  Brunner. 

\V«'«xt€*rmar<'k,   Eduard,  geb.  is,'>-'  in  Belaii  Finland),  Pl 

Boaiologie  in  Helsingfors  und  an  der  1  London,  narnb  kaao- 

-    Bittlich  gut  ist  liberal]  das  losia]  Gebilligte  und  sittliche  Billigung 


814  Westermarck  —  Wiener. 

eine  Art  „vergeltenden  Wohlwollens".  Schlecht  ist  das,  worüber  sittliche  Ent- 
rüstung herrscht.  Die  Moral  beruht  also  auf  sittlichen  Gefühlen,  die  sozialen 
Ursprungs  sind.  „Die  Gesellschaft  ist  die  Wiege  des  sittlichen  Bewußtseins. 
Die  ersten  Sittenurteile  brachten  nicht  die  persönlichen  Gefühle  vereinzelter 
Individuen  zum  Ausdruck,  sondern  die  der  Gesamtheit.  Die  öffentliche  Ent- 
rüstung oder  Anerkennung  ist  das  Urbild  der  sittlichen  Mißbilligung  bzw. 
Billigung,  und  diese  öffentlichen  Gefühle  zeichnen  sich  durch  Allgemeinheit, 
persönliche  Uninteressiertheit  und  anscheinende  Unparteilichkeit  aus."  Die 
„Nützlichkeit"  ist  nur  von  sekundärer  Bedeutung.  An  einer  Fülle  von  ethno- 
logischen Beispielen  zeigt  W.  das  Konstante  und  Wechselnde  in  der  sittlichen 
Beurteilung. 

Schriften:  History  ot  Human  Manage,  1891;  deutsch  von  L.  Katscher.  — 
Origin  and  Development  of  the  Moral  Ideas,  2  Bde.,  1906 — 08;  Ursprung  u.  Ent- 
wickl.    der  Moralbegriffe,  deutsch  von  Katscher,  1907  —  09.  —  Sexualfragen,  1909,  u.  a. 

Weygandt,  Wilhelm ,  geb.  1870  in  Wiesbaden,  Prof.,  Direktor  der 
Staats-Irrenanstalt  Friedrichsberg  in  Hamburg.  =  Schüler  Wundts. 

Schriften:  Die  Entstehung  der  Träume,  1893.  —  Psychol.  Epidemien,  1904  — 
Über  Idiotie,  1905.  —  Forensische  Psychiatrie,  1908.  —  Beiträge  zur  Psychol.  d. 
Traumes,  Philos.  Stud.  XX,  u.  a. 

WeygOldt,  G.  P.  -  Schriften:  Zeno  [von  Cittium,  1872.  —  Kritik 
des  philos.  Pessimismus  der  neuesten  Zeit,  1875.  —  Darwinismus,  Religion,  Sittlich- 
keit,  1878.    —    Die  Philos.  der  Stoa,  1883.  —  Die  Platonische  Philos.,  1885,  u.  a. 

Whewell,  William,  geb.  1^94  in  Lancaster,  Prof.  in  Cambridge,  gest. 
1866.  =  Von  Kant  beeinflußt.  Die  Induktion  beruht  auf  Grundideen  („fun- 
damental ideas"),  welche  das  Denken  an  die  Erfahrung  heranbringt,  um  diese 
einheitlich-zusammenhängend  zu  gestalten.  Der  Erfahrung  von  Tatsachen 
liegen  schon  unbewußte  Schlüsse  zugrunde.  In  der  Ethik  steht  W.  auf  ,,in- 
tuitionistischem"  Standpunkte. 

Schriften:  History  of  the  Inductive  Sciences,  1837;  3.  ed.  1857;  deutsch  von 
Littrow,  1839—42.  —  Philos.  of  the  Inductive  Sciences,  1840;  2.  ed.  1847;  3.  ed.: 
History  of  Scientific  Ideas,  1858  —  61.  —  Elements  of  Morality,  1845,  1864.  —  Lectures 
on  Systematic  Morality,  1846.  —  Lectures  on  the  History  of  Moral  Philos.  in  England, 
1852;  3.  ed.  1862,  u.  a.  —  Vgl.  DOUGLAS,  Life  and  Select  Correspondence  of 
W.   W.,   1881. 

Whitney,  William  Dwight,  1827-1894,  Prof.  in  Newhaven,  Sprach- 
forscher. =  Die  Sprache  ist  nach  W.  ihrer  Entstehung  nach  ein  konventionelles 
Kunstprodukt. 

Schriften:  Language  and  ite  Study,  1867;  deutsch  1874.  —  The  Life  and  Growth 
of  Language,  1875;  deutsch  1876,  u.  a. 

Widemann,  P.  —  Schriften:  Bedingungen  der  Übereinstimmung  des  diskur- 
fciven  Erkennens  mit  dem  intuitiven,  1876.  —  Erkennen  und  Sein,  1885. 

Wiener,  Christian,  geb.  1826,  Prof.  in  Karlsruhe.  =  Mechanistisch-ato- 


Wiener  —  Wilhelm.  815 


mistische    Weltanschauung    (Atome    mit   RepuMonskräften,    Hervorgehen    des 
Geistigen  aus  dem  Materiellen  usw.). 

Schriften:  Grundzüge  der  Weltordnung,  1863;  2.  Ä.  1809.  —  Atomenlehre, 
1869.  —  Die  geistige  Welt  1869.  —  Begründ.  der  Sittenlehre  u.  ihre  geschichtl.  Ent- 
wicklung, 1879.  —  Die  Freiheit  des  Willens,   1891. 

Wiessner,  Alexander.  =  W.  vertritt  einen  eigenartigen  atomistisch-dvna- 
mischen  Standpunkt.  Wirklich  ist  nach  W.  nur  die  Kraft,  d.  h.  die  „Sub- 
stanz in  ihrer  eigenen  Äußerung-',  als  „Selbstdarstellung  in  allen  Graden".  Das 
Subjekt  aller  Dinge  ist  der  unendliche,  empfindend-wollende,  göttliche  Kaum, 
der  zugleich  die  Weltseele  ist.  Kraftäußerungen  dieser  sind  die  Atome.  Diese 
sind  unausgedehnt,  punktuell,  „gradlinige  Richtungsenergien"  von  verschiedener 
Richtung,  auf  deren  Kombination  die  Qualitäten  der  Dinge  beruhen.  Da 
Raum  ist  das  die  Atome  Verbindende,  ihr  „Aktorium".  Er  ist  „Uberallwoheit" ; 
die  Zeit  ist  ein  „stetiges  Jetzt".  Außer  den  Körperatomen  gibt  es  Ätheratome. 
Die  einzelne  Seele  ist  ein  Effekt  zerebraler  Aktionen,  die  das  Phänomen  des 
Bewußtseins  hervorbringen. 

Schriften:  Das  Atom  oder  das  Kraftelement  der  Richtung,  1875.  —  Vom  Punkt 
zum  Geist,   1877.  —  Die  wesenhafte  oder  absolute  Realität  des  Raumes,  1877. 

Wigand,  Albert,  1821-1886,  Prof.  der  Botanik  in  Marburg.  =  Be- 
deutendster Gegner  des  Darwinismus,  vertritt  eine  teleologische  Natnrauffassung 
(Betonung  der  Zähigkeit  der  organischen  Formen,  der  Unzulänglichkeil  des 
Daseinskampfes  und  der  Selektion,  der  Grenzen  der  Variabilität,  der  be- 
stimmten Richtung  der  Variationen,  welche  Wirkungen  eines  bereits  i  -  irnm- 
form  angelegten  Planes  sind). 

Schritten:  Über  Darwins  Hypothese  der  Pangenesis,  1870.  —  Die  Genealogie 
der  Urzellen,  1872  —  Der  Darwinismus  u.  d.  Naturforschung  Newtons  und  Csrifln, 
1873  ff.  —  Die  Alternative:  Teleologie  oder  Zufall,  1877.  —  Der  Darwinismus  ein 
Zeichen  der  Zeit,  1878.  —  Über  dio  Auflös.  der  Arten  durch  natürl.  Zuchtwahl,   1 8 7 *J ,  u.  a. 

Wilhelm  von  Auvergne,  geb.  in  Aurillac,  studierte  in  Pari-,  Lehrer 
der  Theologie,  1228  Bischof  daselbst,  gest.  L249.  =  W.  ist  in  vielein.  was  dem 
Glauben  nicht  widerstreitet,  Anhänger  des  Aristoteles,  teilweise  aber  auch  von 
Plato  (Timaeus,  Phaedon)  beeinflußt.  Es  gibt  nach  W.  erworbene  (Verstandes- 
und  empirische)  Erkenntnis,  ferner  auch  angeboren«'  Erkenntnis  („SCtentia 
inaata'').  Zur  letzteren  gehören  die  ersten,  durch  Bich  selbst  bekannten 
Wahrheiten.  Die  Erkenntnis  des  Übersinnlichen  erfolgt  durch  Erleuchtung 
(„illuminatio")    seitens   Gott,    der  die   ewig.-   Wahrh.it    ial  iguatinus). 

Die    Wahrheit    an    sieh    ist    Gott    als    Weltschöpfer.      Die    Schöpfung     ial 
ein  Akt   des   lebendigen    Wissens    and    des    freien   Willem  Gottes,     Im 
liehen   Intellekte   sind    die    Ideen,    die   vollkommenen    Urbilder    der    I' 
zu   einer   intelligiblen    Welt,  di  e   Sohn    im,   rereinigt    („intellectus  .  .  . 

divinus  plenus  rationum  vi\  eiitinm,  qoad  innndns  archetypUJ  omnium  n-niin 
ideas  ut  exemplaria  rontinebat").  1)ir  1(l"  "  »i*>gd»  ■* h  ;lU  inteüigibla 
Objekte  in  unserem  Geiste  ab  und  existieren  all  ünlveraalien  in  den  Dingen. 
Gott    Behaut    ewig    sich    selbst    und    all«-    /iigleieh    und    schafft   hiernach; 


816  Wilhelm. 

ewig  ist  nur  das  göttliche  Sein.  Die  Übel  in  der  Welt  sind  nur  Mittel  zum 
Guten  („media  conducentia  ad  bonum").  Der  Intellekt  gehört  zur  Seele  und 
diese  ist  eine  einfache  immaterielle,  vom  Leibe  unabhängige,  unsterbliche  Sub- 
stanz (,,substantia  spiritualis"),  zugleich  eine  Vollkommenheit  („perfectio")  des 
Organismus,  der  ihr  Instrument  ist.  Der  Wille  hat  die  Freiheit,  etwas  zu  tun 
oder  zu  unterlassen.  Bezüglich  einiger  psychologischer  Fragen  („innere  Sinne", 
Phantasie  u.  a.)  ist  W.  von  Avicenna  u.  a.,  betreffs  der  Unsterblichkeitslehre 
von  Domin.  Gundissalinus  abhängig. 

Schriften:  De  universo;  De  anima;  De  animae  immortalitate ;  De  veritate  u.  a. 
Opera,  1591,  1674.  —  Vgl.  K.  WERNER,  Die  Psychologie  des  W.  v.  A.,  1873.  = 
N.  VALOIS,  G.  d'Auvergne,  1880.  —  M.  BaüMG ARTNER,  Die  Erkenntnislehre  des 
W.  v.  A.,  1893.  —  St.  SCHINDELE,  Beitr.  zur  Metaphys.  des  W.  v.  A.,  1900. 

Wilhelm  von  Champeaux,  geb.  um  1070,  hatte  Manegold  von  Luten- 
bach,  Anselm  von  Laon,  Roscelin  zu  Lehrern,  lehrte  in  Paris,  wo  Abälard  sein 
Hörer  war,  wurde  1108  Chorherr  in  der  Abtei  von  St.  Victor,  wo  er  Vorträge 
hielt,  1113  Bischof  von  Chalons,  gest.  1121.  =  W.  vertritt  betreffs  der  Univer- 
salienfrage den  „Realismus".  Die  Universalien  (Gattungen)  bestehen  einheitlich- 
ganz, ungetrennt  in  den  zu  ihnen  gehörigen  Individuen  („erat  autem  in  ea 
sententia  de  communitate  universalium,  ut  eandem  essentialiter  rem  totam 
simul  singulis  suis  inesse  adstrueret  individuis,  quorum  quidem  nulla  esset  in 
essen tia  diversitas,  sed  sola  multitudine  accidentium  varietas",  Abälard,  Historia 
calamitatum,  C.  2).  Gegenüber  dem  Einwände  Abälards  ersetzte  W.  das 
^.essentialiter"  durch  „individualiter"  oder  durch  „indifferenter".  Die  Individuen 
sind  also  nach  W.  nur  durch  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Akzidentien  ver- 
schieden. 

Schriften-.  De  eucharistia;  De  origine  animae  (Kreatianismus)  u.  a.  —  Vgl. 
G.  LEFEVRE,  Les  variations  de  G.  de  Ch.  et  la  question  des  Universaux,  1898.  — 
MlCHAUD,  G.  de  Ch.,  2.  ed.  1868.  —  M.  DE  WULF,  Hist.  de  la  philos.  mediev. 

Wilhelm  von  Conches  (W.  Aneponymus),  geb.  1080,  lehrte  in  Paris, 
gest.  daselbst  1154.  =  Von  Plato  beeinflußter  Scholastiker.  Betreffs  der  Uni- 
versalien ist  er  „Realist".  Die  Weltseele  (die  eins  ist  mit  dem  heil.  Geiste)  ist 
der  Quell  alles  Lebens.  Die  Seele  des  Menschen  durchdringt  den  ganzen 
Körper.  W.  stellt  ferner  eine  Art  Atomistik  auf.  Die  vier  Elemente  (Erde, 
Luft,  Wasser,  Feuer)  bestehen  aus  rein  gedanklich  faßbaren  einfachen, 
kleinsten  Partikeln  („Elementa  ergo  sunt  simplae  et  minimae  particulae,  quibus 
haec  quattuor  constant  quae  videmus.  Haec  elementa  numquam  videntur,  sed 
ratione  divisionis  intelliguntur",  Elem.  philos.,  B.  1132  f.;  „Elementum  est,  quod 
in  constitutione  corporis  invenitur  primum,  in  resolutione  postremum").  In 
jedem  Elementarkörper  ist  etwas  von  der  Natur  der  übrigen  (vgl.  K.  Werner, 
Die  Kosmol.  u.  Naturlehre  d.  scholast.  Mittelalters,  1874). 

Schriften:  Philosophia.  Dragmaticon  philosophiae,  1583  (Dialogus  de  substantiis 
pliysicis).  —  Moralis  philosophia  de  honesto  et  utili.  —  Vgl.  HaüREAU,  Notices  et 
«xtraits,  1890,  I.  —  K.  WERNER  (s.  oben).  —  LASSWITZ,  Gesch.  d.  Atomistik  I.  — 
M.  DE  WULF,  Hist.  de  la  philos.  med. 


Wilhelm  —  W'illmaxx.  817 


Wilhelm    von     Lamarre,     Franziskaner.      Verfasser     einer     Schrift 
„Correctorium  fratris  Thomae"  (1284)  gegen  Thomas  von  Aqnino. 

Wilhelm  von  Occam  s.  Occam. 

Wilhelm  von  Shyreswood,   geb.  in  Durham,    lehrte   in   Park 
1249   als  Kanzler   in    Lincoln,   Verfasser   einer  Logik  nach   Art   d<      -        ren 
„Summulae  logicales"  des  Petrus  Hispanus  (Manuskript  in  Pari-  . 

Wille,  Bruno,  geb.  1860  in  Magdeburg,  lebt  in  Berlin. 

W.  ist  besonders  von  Fechner  beeinflußt,  also  Vertreter  eines  idealisti- 
schen (psychistischen)  Monismus,  den  er  mit  einem  freien  Christentum  \ 
bindet.  Im  „monistischen  Christentum"  liegt  die  Versöhnung  von  Wissenschaft 
und  Religion.  Das  ewige  Leben  ist  in  der  Richtung  auf  den  Idealmenschen 
{Christus)  zu  suchen.  „Der  Ich-Mensch  muß  am  Kreuze  absterben,  damit  das 
bessere  Selbst  frei  werde  und  zur  ewigen  Heimat  eingehe."  Das  Weltwesen  ist 
geistig;  es  bringt  die  sinnlichen  Erscheinungen  erst  in  sich  hervor.  Die  Welt 
ist  ein  „lebendiges  All",  durchaus  beseelt,  lebendig  (Panpsychismus).  Die  Welt 
ist  eine  „selbständige,  wachsende  Harmonie,  ein  lebendiges  Formwesen".  1 
All  ist  die  „umfassende  Seele"  (Allseele),  deren  „Sondertendenz"  die  Individua- 
lität ist.  Gott  ist  das  „universale  Ich",  dessen  Erlebnisse  die  Sonderwesen 
sind,  die  durch  Sympathie,  Liebe  verbunden  sind.  Die  Individuen  sind 
gleichsam  „Augen,  mit  denen  das  Eine  sich  betrachtet".  Von  Ewigkeit  her 
sind  wir  ein  „werdender  Gott",  wir  werden  im  All-Einen  erlöst,  welche-  al- 
Ideal,  als  „Keimkraft"  in  uns  wirkt.  Die  zeitliche  Entwicklung  i-t  üi 
zeitlich  eine  vollendete  Einheit.  Durch  unseren  „Tatenleib",  die  Projektion 
unserer  Individualität  in  das  Weltwirken  hinein,  sind  wir  unsterblich. 

Schriften:  Der  Phänomenalismus  des  Hobbes,  1888.  —  Der  Tod,  1889.  —  Dfta 
Leben  ohne  Gott,  1889.  —  Die  Beweise  vom  Dasein  Gottes,  1890.  —  Sittliche  Er- 
ziehung, 1890.  —  Die  Jugend,  1890  —  91.  —  Lehrb.  f.  d.  Jugendunterricht  freier  Ge- 
meinden, 1890  ff.  —  Atheistische  Sittlichkeit,  1892.  —  Philos.  der  Befreiung  dur.  h 
-das  reine  Mittel,  1892 — 94  (Standpunkt  des  „Edelanarchismus").  —  Die  freie  Jugend, 
189G.  —  Die  Religion  der  Freude,  1898.  —  Materie  nie  ohne  Geist.  1900.  —  Offen- 
barungen des  Wachholderbaumes,  1901  (philos.  Roman).  —  Die  Christusmvthe  als 
monist.  Weltanschauung,  1903.  —  Auferstehung,  1904.  —  Das  lebendig  Ali,  1906.  — 
Darwins    Weltanschauung,     1906.    —     Faustischer    Monismus    (in:    Der    M  rsg. 

von  Drews,   1907),  u.  a. 

Willems,  C,  Prof.,  geb.  1856  in  Balingen.  =  Thomiatischei  Standpunkt. 

Schriften:  Die  Erkenntnislehre  des  modernen  Idealismus,  1906.  —  lnstitutiones 
philosophicae,   1906.  —   Philosophia  moralis,   1908. 

Williams,  C.  M.  =  Erolutionutischer  Ethiker. 

Schriften:  A   Review  of  the  Systems  of  Ethics,    1898. 

Willmaiiii  Otto,  geb.  L839  in  Lissa,  Pro!  in  Prag,  leb!  jetzt  in  Salz- 
burg. =  Tbomifltischer  Standpunkt.    W.  rersteht  unter  dem  ,4dealiamui 

„Denkrichtuni:.  bei  welcher  mittelst  der  idealen  Prinzipien  «l.r  iri  \|     ,-. 

der  Form,  des  Zweckes,   d<     i       •/.-  das  Verhiltnii         I     ttlichen  nun  Kml- 

Ei s  1  e r ,  Philosophen- Lexikon . 


818  Willmann  —  Windelband. 

liehen,  des  Seins  zum  Erkennen,  der  natürlichen  zur  sittlichen  Welt  bestimmt 
wird".  Die  Ideen  bilden  ein  Mittelglied  zwischen  dem  Einen  und  dem  Vielen. 
Schriften:  Pädagog.  Vorträge,  1869;  4.  A.  1905.  —  Didaktik  als  Bildungslehre, 
1882—89;  4.  A.  1909.  —  Geschichte  des  Idealismus,  1894—97;  2.  A.  1907.  —  Die 
Erheb,  d.  Pädagogik  zur  Wissenschaft,  1898.  —  Philos.  Propädeutik:  I.  Logik,  1901; 
2.  A.  1908;  II.  Empir.  Psychol.,  1904;  2.  A.  1908.  —  Grundlinien  idealer  Welt- 
anschauung, 1905.  —  Die  wichtigsten  philos.  Fachausdrücke  in  historischer  Anordnung, 
1909,  u.  a. 

Willy,  Eudolf,  geb.  1855,  lebt  in  Mels  (St.  Gallen). 

W.  ist  wesentlich  von  Avenarius,  aber  auch  von  E.  Mach  u.  a.  beeinflußt. 
Er  nennt  seinen  positivistisch-immanenten  Standpunkt  „Primär- Monismus". 
Die  rGesamterfahrung"  ist  hiernach  ein  unmittelbar  gegebener  Zusammenhang 
von  Erlebnissen  der  Menschheit;  der  Inhalt  dieser  Erlebnisse,  die  als  solche 
genommen  „ästhetisch",  qualitativ  sind  und  erst  in  der  mathematisch-natur- 
wissenschaftlichen Betrachtungsweise  quantitativ-physikalisch  werden,  bildet  die 
Außenwelt.  Die  Grunderfahrung  als  Ganzes  ist  die  „Raumzeitlichkeit  als 
raumzeitliche  Sinnlichkeit".  Alles  ist  in  diesem  Sinne  sinnlich  und  ver- 
änderlich, alles  fließt,  es  gibt  kein  substantielles  Sein.  Die  Einzeldinge  sind 
Bestandteile  des  anschaulich  gegebenen  Allzusammenhanges.  Jede  einzelne 
menschliche  Persönlichkeit  ist  das  Weltganze  selbst  in  individuell  nuancierter 
Gestalt,  also  kein  absolut  selbständiges  Ich.  Ich  und  Außenwelt  sind  Korrelate, 
nicht  numerisch  voneinander  verschieden  (wie  Körper  von  Körper).  Die  Außen- 
welt ist  „unser  aller  Leib;  der  Leib  der  menschlichen  Gattung".  Sie  bedeutet 
insofern  „die  Einheit  und  den  Zusammenhang  der  Menschheit  bis  hinein  in  die 
fernsten  Zeiten  und  Räume".  Wir  selbst,  die  Menschheit  im  Großen,  sind  die 
Welt  als  Ganzes.  Es  gibt  kein  Äußeres  und  Inneres,  keinen  Geist  und  keinen 
Stoff,  sondern  alles  ist  nur  „die  einzige,  aber  vielfältig  (unendlich)  individuali- 
sierte lebendige  Menschheit".  Alles  ist  Erlebnis  dieser,  ist  eine  „bewegte 
lebendige  Menschengeschichte".  Die  Welt  ist  vorzugsweise  das  uns  allen  ge- 
meinsame Grunderlebnis;  wir  selbt  sind  ein  „individuell  begrenzter  Erlebnis- 
komplex".    Panpsychismus,    Pantheismus   und   Monadologie    sind   abzulehnen. 

Schriften:  F.  Nietzsche,  1904.  —  Gegen  die  Schulweisheit,  eine  Kritik  der 
Philosophie,  1905.  —  Die  Gesamterfahrung  vom  Gesichtspunkt  des  Primärmonisrnua 
1908.  —  Ideal  und  Leben,  1909.  —  Der  Empiriokritizismus,  Vierteljahrsschr.  f.  wiss. 
Philos.,  20.  Bd.,  1896.  —  Das  erkenntnistheoret.  Ich  und  der  natürl.  Weltbegriff,  1.  c. 
18.  B.,  1894    —  Die  Krisis  in  der  Psychologie,  1.  c.  1899. 

Windel  band,  Wilhelm,  geb.  1848  in  Potsdam,  1873  Privatdozent  in 
Leipzig,  1876  a.  o.  Prof.  in  Zürich,  1882  Prof.  in  Straßburg,  jetzt  Professor  in 
Heidelberg. 

W.,  der  von  Plato,  Kant,  Fichte  beeinflußt  ist,  vertritt  einen  teleo- 
logischen Kritizismus  mit  voluntaristischem  Gepräge.  Die  Begriffe  des 
Wertes,  des  Zweckes,  der  Norm  haben  hier  zentrale  Bedeutung.  Die  Philo- 
sophie ist  nach  W.  Wert  Wissenschaft,  „kritische  Wissenschaft  von  den  allge- 
meingültigen Werten".  Da  die  Werturteile  „Beurteilungen"  (Urteile  über  Ur- 
teile) sind,  so  bilden  Beurteilungen  das  Objekt  der  Philosophie.    Da  ferner  die 


Windelband.  819 


obersten  Werte  ein  Normsystem  bilden,  so  ist  die  Philosophie  die  „Wissenschaft 
vom  Normalbewußtsein",  welche  sich  in  Logik  (mit  Erkenntniskritik),  Ethik 
und  Ästhetik  gliedert.  Die  allgemeinen  Werte  sind  die  Wahrheit  im  Denken, 
die  Gutheit  im  Wollen  und  Handeln,  die  Schönheit  im  Fühlen. 

Die  kritische  Methode  setzt  die  Gültigkeit  oberster  Werte  als  Zwecke 
voraus.  Sie  ist  nicht  psychologisch-genetisch,  fragt  nicht  nach  der  zeitlichen 
Entstehung  der  Erkenntnis  usw.,  sondern  nach  dem  Werte,  nach  der  Be- 
deutung derselben.  Ihre  Voraussetzung  ist  der  Glaube  an  die  allgemeingültigen 
Zwecke  und  an  ihre  Fähigkeit,  im  empirischen  Bewußtsein  erkannt  zu  werden. 
Die  Geltung  der  Normen  ist  nur  teleologisch  zu  begründen.  Normen  sind 
„diejenigen  Formen  der  Verwirklichung  von  Naturgesetzen,  welche  unter  Vor- 
aussetzung des  Zweckes  der  Allgemeingültigkeit  gebildet  werden  sollen". 
Normen  sind  ., Regeln  der  Beurteilung",  Begeln  der  Feststellung  des  (theoretisch- 
praktischen) Wertes  eines  Inhalts.  Das  ideale  ., Normalbewußtsein"  ist  der 
oberste  Wertmaßstab,  die  apriorische  Bedingung  alles  Wertens,  das  Ideal  der 
Erkenntnis  und  des  Handelns.  Die  Besinnung  auf  die  einzelnen  Normen  er- 
folgt am  Leitfaden  der  Psychologie,  ihre  Begründung  und  Ableitung  aber  ist 
eine  teleologische.  Mit  unmittelbarer  Evidenz  knüpft  sich  an  das  Bewußtwerden 
der  Norm  eine  Art  psychologischer  Nötigung,  sie  zu  befolgen.  Der  Ablauf 
der  Vorstellungen  selbst  führt  zum  Bewußtsein  der  Normen,  und  nun  wird 
diese  „zu  einer  ordnenden  und  bestimmenden  Macht  in  dem  mechanischen  Ab- 
lauf selbst  und  führt  in  vollkommen  naturgesetzlicher  Weise  ihre  eigene 
Realisierung  herbei".  Wie  weit  die  tatsächliche  Anerkennung  aller  Axiome 
überhaupt  reicht,  ist  gleichgültig.  Sie  sind  „Normen,  welche  unter  der  Voraus- 
setzung gelten  sollen,  daß  das  Denken  den  Zweck,  wahr  zu  sein,  das  Wollen 
den  Zweck,  gut  zu  sein,  das  Fühlen  den  Zweck,  Schönheit  zu  erfassen,  in  all- 
gemein anzuerkennender  Weise  erfüllen  will".  Die  Anerkennung  der  Axiome 
ist  überall  durch  einen  Zweck  bedingt,  der  als  Ideal  vorausgesetzt  werden 
muß;  alle  Axiome  sind  „Mittel  zum  Zweck  der  Allgemeingültigkeit". 

Das-  gilt  alles  von  der  Erkenntnis  und  den  transzendentalen  Voraus- 
setzungen, ihren  obersten  Normen.  Die  Logik,  die  wesentlich  „Urteilslehre" 
und  von  psychologischen  Voraussetzungen  methodisch  unabhängig  ist,  bedeutet 
als  System  den  „Inbegriff  derjenigen  teleologisch  sich  entwickelten  Grundsätze, 
ohne  welche  es  kein  allgemeingültiges  Denken  würde  geben  können".  Die 
logischen  Regeln  sind  „notwendige  Mittel  des  Wahrheitstriebes"  und  haben 
teleologische  Notwendigkeit.  WTahrheit  ist  eben  „Normalität  des  Denkens". 
Wahrheit  ist  nicht  Übereinstimmung  des  Denkens  mit  der  Wirklichkeit  an 
sich,  sondern  „Übereinstimmung  der  Vorteilungen  untereinander,  der  sekun- 
dären mit  den  primären,  der  abstrakten  mit  den  konkreten,  der  hypothetischen 
mit  den  sensualen,  der  /Theorie'  mit  den  /Tatsachen' ".  Gegenüber  dem  Prag- 
matismus ist  nur  dies  zuzugeben,  daß  zunächst,  anfangs  der  Lebenswert  der 
Wahrheit  der  ist,  „daß  sie  eine  Eigenschaft  der  Vorstellungen  ist,  wodurch 
diese  zu  zweckmäßigen  Mitteln  für  unser  Handeln,  für  die  Befriedigung  unserer 
Bedürfnisse  werden".  Aber  vermöge  des  Gesetzes  der  Heterogonie  der  Zwecke 
wird   hier  das  Mittel   selbst  zum  Zweck   und  Wert,  es  entsteht  der  „Wille  zur 

52* 


820  Windelband. 


Wahrheit  um  ihrer  selbst  willen''.  Die  Brauchbarkeit  unserer  Vorstellungen  setzt 
deren  Wahrheit  voraus,  ist  aber  nicht  sie  selber.  Bejahung  und  Verneinung 
müssen  rein  sachlich  begründet  werden  (durch  „sachliche  Motivation").  Als 
Erkenntnisfunktion  ist  das  Urteil  („Bejahen  oder  Verneinen  vorgestellter  In- 
halte, ein  Aneignen  oder  Verwerfen",  vgl.  Brentano)  die  Betätigung  des  „Willens 
zur  Wahrheit".  Sein  Inhalt  aber  ist  erst  die  Wahrheit  selbst.  Der  „Satz" 
und  dessen  Geltung  muß  an  sich  als  völlig  unabhängig  vom  tatsächlichen 
Denken  behandelt  werden.  „Die  Wahrheit  an  sich  gilt  zeitlos:  unser  Erfassen 
der  Wahrheit  ist  ein  zeitlicher  Akt  des  Willens."  „Der  Sinn  der  Wahrheit 
steckt  in  ihrer  sachlichen  Geltung."  Im  Geistesleben  (schon  in  der  Assoziation 
der  Vorstellungen)  spielt  der  Wille  eine  große  Rolle.  Erkenntnis  ist  aktive, 
willensgemäße  Synthese  des  Erfahrungsmaterials  und  die  Methode  ist  ein  Werk- 
zeug dieser  Bearbeitung  seitens  des  Wahrheitswillens.  Ja,  schon  die  empirischen 
Gegenstände  sind  die  „Produkte  auswählender  und  synthetisch  neuschaffen- 
der Prozesse,  also  bereits  Ergebnisse  der  Methode",  Produkte  der  Synthese, 
Analyse,  logischen  Auswahl,  die  durch  das  Erkenntnisziel  bestimmt  ist;  eine 
Auswahl  aus  der  Totalität  des  Gegebenen  findet  statt  (quantitativer,  selektiver 
Begriff  der  Erscheinung).  Der  Wille  bestimmt,  ja  schafft  seine  Gegenstände, 
aber  die  Wahrheit  „stammt  nicht  aus  ihm,  sondern  aus  den  Sachen  selbst",  ist 
von  aller  Willkür  unabhängig.  —  Die  Anschauungs-  und  Denkformen  sind 
nach  W.  apriorisch,  wobei  die  Apriorität  rein  logisch  aufzufassen  ist.  Die 
Kategorien  sind  oberste  Einheitsbegriffe;  „konstituierende"  und  „reflektive" 
Kategorien  sind  zu  unterscheiden. 

Die  Kausalität  ist  nach  W.  der  Ausdruck  für  unser  Postulat  der  Er- 
fahrung; die  Notwendigkeit  des  Kausalverhältnisses  schließt  seine  Allgemein  - 
gültigkeit,  d.  h.  seine  Gesetzmäßigkeit  ein.  Die  Gesetze  des  Geschehens  be- 
stimmt die  urteilende  Vernunft.  Aus  allgemeinen  Naturgesetzen  allein  folgen 
noch  nicht  die  besonderen  Vorgänge,  und  in  keiner  Wirkung  stellt  sich  ein 
einzelnes  Gesetz  rein  dar.  Das  Individuelle  ist  etwas  Ursprüngliches,  es  hat 
eine  Wirklichkeit,  die  durch  Kombination  von  Allgemeinheiten  nicht  zu  er- 
schöpfen ist.  Die  Modifikationen,  Einzelfälle  des  Gesetzes  als  solche  sind  „zu- 
fällig", wobei  aber  der  Zufall  stets  nur  ein  „Prinzip  unserer  Betrachtung, 
nicht  ein  Prinzip  des  Geschehens",  ein  Abstraktionsgebilde  ist  (als  „räumlich- 
zeitliche Koinzidenz  von  Tatsachen,  zwischen  denen  kein  Verhältnis  der  Kau- 
salität stattfindet",  „Eintritt  unberechenbarer  Nebenbedingungen").  W.  unter- 
scheidet Gesetzes-  und  Ereigniswissenschaften.  Erstere  lehren,  „was 
immer  ist",  das  Allgemeine,  Konstante,  sich  Wiederholende,  Gesetzliche,  Ab- 
strakte; sie  sind  „nomothetisch".  Das  Erkenntnisziel  der  Naturwissenschaft 
z.  B.  bilden  mathematische  Formulierungen  von  Gesetzen  der  Bewegung ;  sie 
präpariert  ein  System  von  Konstruktionsbegriffen  heraus,  in  denen  sie  das 
Wesen  der  Dinge  erfassen  will.  Die  Ereignis  Wissenschaften  hingegen  sind 
historisch,  haben  es  mit  dem  Konkreten,  Einzelnen,  Einmaligen  zu  tun;  sie 
f-ind  „idiographisch".  Die  Geschichte  ist  eine  solche  Wissenschaft,  bedarf 
aber    auch    allgemeiner     Sätze    aus    nomothetischen    Disziplinen    (Psychologie, 


Windelband  —  Wirth.  821 


Soziologie  usw.).  Die  Auswahl  des  geschichtlichen  Materials  richtet  sich  nach 
dem  System  allgemeingültiger  Werte  (vgl.  Rickert). 

Die  Freiheit  des  Willens  ergibt  sich  aus  der  „Betrachtung  und  Beur- 
teilung der  Gegenstände  ohne  Rücksicht  auf  eine  Verursachtheit".  Die 
Wurzeln  der  Individualität  und  der  metaphysischen  Freiheit  sind  theoretisch 
nicht  erkennbar.  Ein  Handeln  ohne  Grund  existiert  aber  nicht.  Freiheit  ist 
zunächst  Fähigkeit  der  Selbstbetätigung.  Wahlfreiheit  ist  „Bestimmung  der 
Handlungen  durch  den  Charakter",  „Kausalität  der  Persönlichkeit  in  ihren 
Handlungen".  Die  Wahl  ist  immer  durch  das  Verhältnis  der  momentanen  zu 
den  konstanten  Motiven  des  Menschen  entschieden,  folgt  aus  dem  Zusammen- 
wirken seiner  gegenwärtigen  Lage  und  seines  dauernden  Wesens.  Die  scheinbar 
motivlose  Wahl  ist  ein  Verzicht  auf  dieselbe,  ein  passives  Geschehenlassen  des 
psychisch-physiologischen  Mechanismus.  Freiheit  ist  die  Fähigkeit,  eine  Ent- 
scheidung zwischen  den  Motiven  zu  treffen,  im  engeren  Sinne  aber  Autonomie 
der  Vernunft,  Herrschaft  des  Gewissens,  „Bestimmung  des  empirischen  Be- 
wußtseins durch  das  Normalbewußtsein". 

Das  sittliche  Ideal  ist  es,  daß  der  Zweckgedanke  sich  das  Zufällige 
unterwerfe.  Das  Pflichtbewußtsein  ist  apriorisch,  der  Inhalt  der  Pflicht  aber 
sozial  bedingt.  Der  Zweck  der  Gesellschaft  selbst  ist  übersozial,  ist  die 
., Schaffung  ihres  Kultursystems".  Das  Gewissen  setzt  die  metaphysische  Realität 
des  Xormalbewußtseins  als  des  Heiligen,  erlebt  als  transzendente  Wirklichkeit, 
voraus.  Religion  ist  „transzendentes  Leben",  Bewußtsein  der  Zugehörigkeit 
zu  einer  Welt  geistiger  Werte.  Gott  ist  die  Wirklichkeit  aller  Ideale  als  reales 
Xormbewußtsein  aufgefaßt. 

Schriften:  Die  Lehre  vom  Zufall,  1870.  —  Über  die  Gewißheit  der  Erkenntnis, 
1873.  —  Der  gegenwärt.  Stand  der  psychol.  Forschung,  1876.  —  Geschichte  der  neueren 
Philosophie,  1878—80;  4.  A.  1907.  —  Präludien,  1884;  3.  Ä.  1907.  —  Gesch.  der 
alten  Philosophie,  1888;  2.  A.  1894.  —  Fichtes  Idee  des  deutschen  Staates,  1890.  — 
Lehrbuch  der  Gesch.  der  Philos.,  1893;  5.  A.  1910.  —  Geschichte  U.Naturwissenschaft, 
1894;  3.  A.  1904.  —  Piaton,  1900;  4.  A.  1905.  —  über  Willensfreiheit,  1904; 
2.  A.  1905.  —  Die  Philos.  im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts  (mit  anderen),  2  Bde., 
1904—05;  2.  A.  1907  (von  Windelband  selbst:  Logik).  —  Kuno  Fischer,  1907.  —  Vom 
System  der  Kategorien,  1900  (Sigwart-Festschrift).  —  Die  Philos.  im  deutschen  Geistes- 
leben des  19.  Jahrhunderts,  1909.  —  Der  Wille  zur  Wahrheit,  1909.  —  Die  Er- 
neuerung des  Hegelianismus,  1910.  —  Über  den  Einfluß  des  Willens  auf  das  Denken, 
Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.,  2.  Bd.,  1878.  —  Beiträge  zur  Lehre  vom 
negativen    Urteil,    Zeller-Festschrift,    1884.    —    Nach   hundert  Jahren,    Kantstudien   IX, 

1904.    Kant  u.  s.  Weltanschauung,   1904.    —    Kulturphilosophie  und  transzendentaler 

Idealismus,   Logos  1,  1911,  u.  a. 

WindiscIiniRiin,  Karl  Josef  Hieronymus,  geb.  1775  in  Mainz,  1818 
Prof.  in  Bonn,  gest.  1839.  =  Anhänger  Schellings,  katholisierend. 

Schriften:  Begriff  der  Physik,  1802.  —  Ideen  zur  Physik,  1805.  —  Von  der 
Selbstvernichtung  der  Zeit  und  der  Hoffnung  auf  Wiedergeburt,  1807.  —  Kritische  Be- 
merkungen über  die  Schicksale  dor  Philos.  in  der  neueren  Zeit,  1825,  u.  a. 

Wirtb,  Johann  Ulrich,  geb.  1810  in  Dizingen  (Württemberg),  studierte 
in  Tübingen,   seit   1842  Stadtpfarrer  in  Winnenden,   gest.  daselbst  1879.  =  W. 


822  Wirth  —  Witte. 


ist  ein  von  Schelling  und  Schleiermacher  beeinflußter  Vertreter  des  speku- 
lativen Theismus.  Gott  ist  die  geistige  Einheit  aller  Welten,  die  absolute,  sich 
selbst  denkende  und  damit  die  Welt  schaffende  Vernunft.  Die  Welt  geht 
ewig  aus  Gott  hervor  und  in  Gott  zurück,  in  dem  alle  Seinsstufen  koexistieren. 
Die  Ethik  ist  die  „Wissenschaft  des  absoluten  Geistes  als  des  sein  absolutes 
Selbstbewußtsein  zu  seiner  ebenso  unendlichen  Realität  verwirklichenden 
Willens".  Das  Gute  ist  die  gewollte  reine  Einheit,  die  „reine,  unendliche  Einheit 
des  Willens".  Die  sittliche  Idee  als  absoluter  Weltzweck  ist  das  höchste  Gut. 
Schriften:  Theorie  des  Somnambulismus,  1836  (von  Hegel  beeinflußt).  —  System 
der  spekulativen  Ethik,  1841  f.  —  Die  spekulative  Idee  Gottes,  1845.  —  Philosophische 
Studien,  1851;  2.  A.  1854.  u.  a. 

Wirth,  Wilhelm,  geb.  1876  in  Wunsiedel,  lebt  in  Bayreuth.  =  Schüler 
Wundts,  Psycholog. 

Schriften:  Vorstellungs-  und  Gefühlskontrast,  1900.  —  Der  Fechner-Helmholtz- 
sche  Satz  über  negative  Nachbilder  und  seine  Analogien,  1900 — 03.  —  Theorie  des  Be- 
wußtseinsumfangs,  Philos.  Stud.  1902.  —  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Fsychophys. 
d.  Licht-  und  Farbenempfind.,  1905.  —  Die  experimentelle  Analyse  der  Bewußtseins- 
phänomene, 1908,  u.  a. 

Witasek,  Stephan,  geb.  1870,  Prof.  in  Graz,  =  W.  ist  ein  Schüler 
Meinongs.  Die  psychischen  Erlebnisse  sind  Vorgänge,  an  denen  Akt  und  In- 
halt zu  unterscheiden  sind.  Das  Fundament  des  Wertes  ist  das  Gefühl.  Die 
ästhetischen  Gefühle  sind  „Vorstellungsgefühle".  Der  ästhetische  Zustand 
des  Subjekts  ist  ein  Fühlen  zusammen  mit  einem  anschaulichen  Vorstellen. 
Die  in  der  Anschauung  zum  Ausdruck  gebrachten  Seelenregungen  erfreuen 
uns.  Das  Schöne  ist  „Inhaltsgefühl".  Die  Einfühlung  ist  nur  ein  Vorstellen 
von  Gefühlen. 

Schriften:  Physiologische  oder  experimentelle  Psychologie  an  Gymnasien  (mit 
Höfler),  1898.  —  Psychol.  Schulversuche  (mit  Höfler),  1900;  2.  A.  1903.  —  Grundzüge 
der  allgemeinen  Ästhetik,  1904.  —  Psychologisches  zur  ethischen  Erziehung,  1907.  — 
Grundlinien  der  Psychologie,  1908.  —  Psychol.  Analyse  der  ästhet.  Einfühlung,  Zeit- 
schrift f.  Psychol.  der  Sinnesorgane,  Bd.  25.  —  Beiträge  zur  Psychologie  der  Kom- 
plexionen, 1.  c.  Bd.  14.  —  Beiträge  zur  speziellen  Dispositionspsychol.,  Arch.  f.  system. 
Philos.  III.  —  Wert  und  Schönheit,  1.  c.  1902. 

Witelo,   polnischer  Naturforscher   und  Philosoph   im   13.  Jahrhundert, 
vom  Neuplatonismus  und  Avicenna  beeinflußt. 
Vgl.  Baeumker,  W.  1908.    • 

Witmer,  Lightner.  =  Schüler  Wundts. 

Schriften:  Zur  experiment.  Ästhetik  einfacher  räuml.  Formverhältnisse,  1893.  — 
Analytic  Psychology,  u.  a. 

Witte,  Johannes,  geb.  1846,  früher  Prof.  in  Bonn,  jetzt  Kreisschul- 
inspektor in  Ruhrort.  =  Von  Harms  beeinflußt.  Die  „Vernunftanschauung" 
geht  auf  das  Unbedingte,  Absolute  besonders  im  Sittlichen.  Die  Seele  ist  ein 
immaterielles  Wesen. 

Schriften:    Vorstudien    zur  Erkenntnis   dos    unfaßbaren    Seins,    1876.  —  Zur  Er- 


Witte  —  Woi  i 


kcnntnistheorie  und  Ethik,  1877.  —  Die  Philosophie  unserer  Dichterheroen  Lewing  und 
Herder,  1880.  —  Über  Freiheit  de»  Willens,  1882.  —  Grundzüge  der  Sittenlehre, 
1882.  —  Das  Wesen    der  Seele    im  Lichte   der  Philosophie  so;  1888.   —  Sinnen 

und    Denken,   1888,  u.  a. 

Wittätein,  Theodor,   Prot,   in   Hannover.  =  Anhang«    Bei  der 

aber  eine  neue  Theorie  der  VorsteUuiigBhemmung  aufstellt. 

Schriften:    Neue  Behandlung    des    raathematisch-paychol.    Problems    von    der    Be- 
wegung   einfacher  Vorstellungen,    1845.   —   Zur  Grundlegung  der    mathemat. 
Zeitschr.  f.  exakte  Philos.  VIII,   1869,  u.  a. 

Wize,   Kasimir  Filip,  geb.   1873  in  Miehorzewo  (Poeen).  =  Nach  W, 
die  Grundkateporie  die  Relation.    Die  Kategorien  der  Wahrnehmung  Uen 

in:  Qualität,  Quantität,  Aufeinanderfolge,  Aneinanderreihung;  ihre  Synthesi 

die  Kategorie  der  Tätigkeit.     Die  höchste  Kategorie   i-t    dir  Substanz.     1 
gibt  es  Kategorien   der  rein  erkennenden  Tätigkeit,  der  Modalität;    sie  gliedern 
sich  in   die  Kategorien  der  urteilenden   Tätigkeit,   der  Verbindung  der  I'r 
und    der    Voraussicht    oder  der   Schlüs-e.      Durch    Introjektion    übertragen    wir 
das    von   unserem  Ich  Erfahrene    auf  die  Objekte.     All«-    i-t    beseelt,    pc 
physisch;  es  gibt  ein  kosmisches  SelbstlebeiL     Die  Ästhetik  ist  Wissenschafts« 
lehre  des  Ästhetischen.    Schön  ist  „ein  aus  einem  freien,  spielenden  V 
halten  des  menschlichen  <  leistes  stammendes  Werturteil,    «relchea  sowohl 
,-iiudiehe'  als  auch  die  ,geistige'  ErscheinungBwell  nmfaflt". 

Schriften:  Über   den  Zusammenhang   von    Spiel,    Kun.-t  und  Sprache,   Zeitschr.  f 
Ästhetik  11.   —  Über  Kategorien,    Vierteljahrsschr.    f.    wissenschaftl.   Philos  ,  — 

Kants  Analytik    d.    Schönen.    —    In    der   Stunde    der   Gedanken,    19i>5.    —    K.  J.   Riedel 
u.  s.  Ästhetik,    1907.   —   Abr.  e.   Wissenschaftslohrc  d.   Ästhetik,    ISO*,   u.  a.  (auch   ; 
nische  Schriften). 

Wobbermin.  Ge  in  Stettin,  Prof.  der  Theol.  in  Bi 

=  BeligionspsychoL 

Schriften:  Dio  innere  Erfahrung,   1894.   —  QrudprobL  «ler  ipftsm.  1 
—  Theol.    u.    Metaphys.,    1901.    —    E.   iläckel    im    Kampf   fSgSl    >!  fftltSI 

1906.  —   Monismus  und  Monotheismus,   1911,   u.   a. 

Wolff  (Wolfius,    Welt).   Christian   (spater   Freiherr  \ 
Breslau  ek  ><>hn  eine-  Lohgerbers,  Boilfc   erat  Theologie  Btudiererj    \ 
aber  auf  Philosophie  and  Mathematik  (Jena,  Leip       und  habüid 
in  Leipzig.    Aut  eim-  Empfehlung   von  Leibnil  hin  wind. 
Mathematik  in  Halle,  wo  er  eher  euch  über  Philos«»). hi<  t. 

lieh  .  und  /war  m  deutscher  Bprache  und  mit 
niu-  zog  ilnn  die  Peindschafl  der  Pietisten  in,  und  er  wm 
durch  König   Friedrich  Wilhelm   I.  -eine-  Amt. 
strate  desG  PreoJen  bu  rerisnen     l 

triih.r  Lernten   irOfdefl   war.   wind-    hief  Prof.    und 

hin   verbreiteten   Bchriften   einen   groieo  Rui 

detniei.    .i.t/t   wandte  lieh  such  die  Stimmung   In  PreoJen  an  II. 

berief  ihn  nach  Hall.-  luril 

\\  .    i-t    k.ii. 


824  Wolff. 

aber  bei  alledem  ist  er  doch  ein  starker,  umfassender,  gründlicher  und  vielfach 
auch  scharfsinniger  Denker,  der  nicht  nur  das  Verdienst  hat,  die  deutsche 
philosophische  Terminologie  zum  großen  Teil  erst  geschaffen  und  den  streng 
logisch-systematischen  Aufbau  philosophischer  Gedanken  in  einer  Zeit 
beginnender  Verflachung  des  Denkens  kraftvoll  durchgeführt  zu  haben,  sondern 
der  auch  manche  neue  Distinktionen,  Gliederungen,  Begriffe,  Ideen  eingeführt 
hat.  Beeinflußt  ist  W.  wesentlich  durch  Leibniz,  aber  auch  von  Tschirnhausen, 
Descartes,  von  Aristoteles,  der  Scholastik  u.  a.  Kant  bezeichnet  ihn  als  den 
gewaltigsten  Vertreter  des  rationalistischen  Dogmatismus,  des  Ontolo- 
gismus,  des  Standpunktes  des  vollen,  ungebrochenen  Vertrauens  in  die  Macht  der 
Vernunft,  durch  reines  Denken  das  Wesen  des  absoluten  Seins  erkennen  zu 
können. 

Durch  seine  Betonung  der  Vernunft,  der  Notwendigkeit,  alles  vernünftig 
abzuleiten  und  begreiflich  zu  machen,  wie  auch  durch  das  Streben,  die  Philo- 
sophie für  das  Leben  brauchbar  zu  gestalten,  sie  zu  einem  Mittel  zur  Be- 
förderung menschlicher  Glückseligkeit  und  Vervollkommnung  zu  machen,  bereitet 
W.  schon  die  deutsche  „Aufklärung"  vor.  Nur  ist  die  Methode  seines  Denkens 
viel  strenger  als  die  der  „Popularphilosophen",  sie  ist,  wie  die  mathematische;, 
wesentlich  deduktiv-demonstrativ,  begründend-beweisend,  also  streng  logisch,, 
rational;  die  Empirie  dient  zum  Teil  als  Ausgangspunkt,  zum  Teil  als  Be- 
stätigung der  Existenz  des  gedanklich  Abgeleiteten,  das  durch  sich  allein  klar 
und  deutlich,  evident  ist.  Die  Philosophie  ist  ihrer  Methode  nach  Be- 
gründung der  Dinge  durch  „vernünftige  Gedanken",  sie  gibt  Kechenschaft  von. 
dem,  was  ist  oder  sein  kann,  den  Grund  des  Geschehens  und  Seins.  Sie  ist 
inhaltlich  die  „Wissenschaft  aller  möglichen  Dinge,  wie  und  warum  sie  mög- 
lich sind"  („seien tia  possibilium,  quatenus  esse  possunt";  „scientia  eorum  quae 
sunt  vel  fiunt,  quorumque  ratio  reddi  potest"),  wobei  unter  dem  „Möglichen" 
das  Widerspruchlose,  Denkbare  verstanden  wird.  Außer  der  propädeutischen 
Logik  besteht  die  Philosophie  aus  einem  theoretischen  und  einem  praktischen 
Teile.  Die  theoretische  Philosophie  oder  Metaphysik  besteht  aus  Onto- 
logie,  Kosmologie,  Psychologie  und  natürlicher  (rationeller)  Theo- 
logie. Die  praktische  Philosophie  besteht  aus  Ethik,  Ökonomik  und 
Politik. 

Die  Logik  will  W.  von  scholastischen  Subtilitäten  reinigen  und  praktisch 
brauchbar  gestalten  („lehrende"  —  „ausübende"  Logik).  Sie  hilft  uns  dazu? 
daß  wir  die  Kräfte  des  menschlichen  Verstandes  und  ihren  rechten  Gebrauch 
in  Erkenntnis  der  Wahrheit  erkennen  lernen.  An  der  Spitze  alles  Denkens 
steht  als  oberstes  Denkgesetz  der  Satz  des  Widerspruches  („es  kann 
etwas  nicht  zugleich  sein  und  auch  nicht  sein").  Aus  ihm  leitet  W.  den  Satz, 
des  zureichenden  Grundes  („alles,  was  ist,  hat  seinen  zureichenden  Grund, 
warum  es  vielmehr  ist  als  nicht  ist")  ab.  indem  er  meint:  „Da  .  .  .  unmöglich 
ist.  daß  aus  nichts  etwas  werden  kann,  so  muß  auch  alles,  was  ist,  seinen  zu- 
reichenden Grund  haben,  warum  es  ist."  W.  unterscheidet  Grund  des 
Werdens  („prineipium  fiendi"),  Seinsgrund  („prineipium  essendi")  und  Erkennt- 
nisgrund    (,.princ.  cognoscendi").    Die   Denkgesetze  und  alles,   was  aus   ihnen 


WOLFF. 

folgt,  gelten  .,a  priori",  d.  h.  ihre  Gewißheit  Btamml  nicht  au-  der  Erfahr 
sondern   liegt  im  Denken  Belbst     In  der  Dbereiiistiminu  als  mit 

dem  Gegenstande  liegt  die  Wahrheit;    wahr   i>t  u  in  es  m 

lieh   ist,   wir   mögen    es   erkennen    oder   nicht.    Unter   der  odental< 

Wahrheit  versteht  W.  die  „Ordnung  in  den  Veränderungen  da 
l'rteil  besteht  in  der  Verknüpfung  oder  Trennung  ron  Begriffen,  in  einer  Zu- 
oder  Aberkennung  (Attributionstheo: 

Die  Axiome  des  Denkens  sind  nach  W.   zugleich  Grundg 
stände  des  Denkens,  der  Dinge  und  gehören  bo  -hon  In  die  Ontolog 
„philosophia  prima",  den    ersten,  grundlegenden  Teil  der  Metaphysik.     S 
die  Wissenschaft  vom  Gegenstande  überhaupt  als  sohl.  .  ntia  entia  in  g 

seu   quatenus  ens  est").     Sie  handelt   vom  Ding  im  alL  n  und  den  all- 

neinen  Bestimmtheiten,  Merkmalen,  Eigenschaften  der  Dinge,    Dil 
stand,   „ens")  ist   „alles,  «ras  Bein  kann,  es  mag  wirklich  -»in  oder  nicht 
die  Gegenstandstheorie    Meinongs),   dasjenige,    was  die   Möglichkeil 
hat,  in  sich  widerspruchslos  ist,  das  Mögliche.     Unmögliche,  widerspruchsvolle 
hinge  sind   keine  Gegenstände   (sind   ein   „non-eus";   vgL  Mein 

Die  reale  Existenz  ist  die  Ergänzung  der  Möglichkeil  d<     -  omplera 

tum   possibilitatis").    Wirklich    ist    das   vollständig  bestimmte  Ding.     Wirklich 

was  im  Zusammenhange  der  Dil  rundet   ist.     Notwendig  ist, 

Gegenteil   unmöglich,   widerspruchsvoll    ist;    es   Lribt    eine   unbedingte  und 
dingte  Notwendigkeit,  ferner  eine  natürliche  (physische)  und  moralische,  endlich 
eine  geometrische  und  metaphysische   Notwendigkeit    Zufällig   („continj 
dessen  Gegenteil  keinen  Widerspruch  einschließt,  was  also  nichl 
Das  Wesen  („essentia'i   des    Dinges   isl    „dasjenige,  darinnen  der  I 
von  dem  übrigen  zu  rinden,  was  einem    Dinge  zukommt".     Ei   isl    •     g    ind 
notwendig  bo,  wrie  es  einmal  ist.    Was  durch  die  wesentlichen  Bestimmtn 

ssentialia")  dv>   Dinges  bedingt   ist,   bildet   dessen   konstante  I 
\  ttribute  <  „quae  per  essentialia  determinantur,  dieuntur  attributa       Di< 
das  Wesen    nicht   bedingten    aber  ihnen  nicht  widerstreitenden,  also 
Bestimmtheiten  Bind  die  Zustände     „modi").     Was  einem  I  rat  in  Hin- 

sicht aut  ein  ander,-  zukommt,  ist  eine  Relation,  und  die« 
selbst  keine  neue  Wirklichkeit  hinzu  („relatio nullam  entirealil 
hat  aber  in  den  Dingen  (den  „Relaten")  ein  „Fundament*'.   Ulg» 
Bind  Gleichheit  und  Verschiedenheit    Indem  die  Teile  ein« 
notwendig  auseinander  Bind,  ergibt  sich  die  A  n  §d<  b  d  l«r 

»cheinung  („phaenomenon'O  ist    Bie  entsteht  dadurch,  i 
befindliche  Teile  gleichsam  in  einem  vorstellen,  also  durch  Byntheei  ra 

diverss  adeoque  extra   m   Invicem  existentia  tanquam  in  um 
tamus,  ootio  extensionis  oritm 
Dingen.    Der    Kaum   ist  die  „Ordnung  der  D 
Bimultaneorum,   quatenus   scili 

d<  Bsen  .  was  aufeinander  fc4|  •  I  !ln«>  '"  •**• 

Zusan  letzte  besteht  aus  Einfa«  nein,  und  d 

talt  und  Größe,  unteilbar,   w  &■•■>  »,! 


826  Wolff. 

einfache  sein  und  diese  sind  die  wahren  Substanzen,  deren  Aggregate  die 
Dinge  sind.  Die  Substanz  ist  der  beharrende  und  zugleich  veränderliche 
Träger  der  Erscheinungen  („subiectum  perdurabile  et  modificabile",  „subiectum 
determinationum  intrinsecarum  constantium  atque  variabilium").  Die  Substanz 
wirkt  und  leidet  durch  die  Kraft,  die  den  Substanzen  eigen  ist.  Kraft  ist  die 
„Quelle  der  Veränderungen",  dasjenige,  „worinnen  der  Grund  von  der  Be- 
wegung zu  finden".  Die  Kraft  besteht  in  der  „festen  Bemühung,  etwas  zu  tun 
oder  den  Zustand  eines  Dinges  zu  ändern"  („in  continuo  agendi  conatu"). 

Damit  kommen  wir  zur  Kosmologie  (Naturphilosophie),  zur  Wissen- 
schaft von  der  physischen  Welt,  deren  Teilen  und  Veränderungen.  Die  Welt 
ist  die  Reihe  von  endlichen  Dingen  und  Vorgängen,  die  insgesamt  miteinander 
verknüpft  sind.  Die  Welt  ist  als  Ganzes  kontingent,  logisch  zufällig,  sie  ist 
nur  so,  weil  Gott  sie  so  geschaffen  hat,  nicht  durch  sich  selbst  notwendig.  In 
ihr  erfolgt  aber  alles  aus  zureichenden  Gründen,  also  streng  kausal,  gesetzlich, 
ohne  Durchbrechung  des  Zusammenhangs,  ohne  Zufall.  In  der  physischen 
Welt,  die  sich  mit  einem  Uhrwerk,  einer  Maschine  vergleichen  läßt,  erfolgt  alles 
mechanisch,  alles  Geschehen  ist  hier  der  Erscheinung  nach  materiell,  Bewegung. 
Die  Körper  haben  eine  bewegende  („vis  motrix")  und  eine  Beharrungs-Kraft 
(„vis  inertiae").  Die  Körper  sind  aber  als  solche  nur  Erscheinungen,  Aggre- 
gate der  einfachen,  unausgedehnten  Substanzen  (Monaden,  „atomi  naturae"). 
Diese  haben  nicht  alle  (wie  Leibniz  meint)  Vorstellungen,  sind  also  nicht  alle 
nur  eine  Art  von  Seele.  Aber  sie  haben  doch  alle  nur  innere,  qualitative  Eigen- 
schaften und  aktive  Kräfte,  durch  die  sie  alle  voneinander  verschieden  sind. 
Die  „prästabilierte  Harmonie"  Leibniz'  ist  als  Hypothese  nicht  unmöglich, 
aber  eine  Wechselwirkung  zwischen  den  Substanzen  ist  wahrscheinlicher,  ohne 
daß  hier  etwas  Sicheres  entschieden  wird. 

Die  Psychologie  definiert  W.  als  Wissenschaft  von  demjenigen,  was 
durch  die  menschliche  Seele  möglich  ist,  und  zwar  gibt  es  eine  „empirische" 
und  eine  „rationale"  Psychologie,  welche  durch  die  Ergebnisse  der  ersteren  be- 
stätigt werden  soll.  Die  Psychologie  W.s  ist  eine  intellektualistische  Ver- 
mögenpsychologie auf  spiritualistischer  Grundlage.  Die  Seele  ist  eine  vom 
Leibe  sowohl  numerisch  als  qualitativ  (durch  ihre  Vermögen)  verschiedene, 
einfache,  unvergängliche,  immaterielle  Substanz,  ein  Wesen,  „welches  sich  seiner 
und  anderer  Wesen  außer  ihm  bewußt  ist".  Einfach  („substantia  simplex")  muß 
sie  sein,  da  ein  zusammengesetztes  Wesen  nicht  zu  denken  vermag.  Seele  und 
Leib  stehen  miteinander  in  prästabilierter  Harmonie,  da  ihre  Veränderungen 
in  jenen  des  Universums  ihren  gemeinsamen  Grund  haben.  Die  Seele  besitzt 
eine  eigene  Kraft  („vi  quadam  praedita"),  und  strebt  beständig  nach  Ver- 
änderung ihres  Zustandes.  Diese  Kraft  ist  die  des  Vorstellens  des  Universums 
gemäß  der  Stellung  ihres  Organismus  und  den  Affektionen  der  Sinnesorgane, 
welchen  die  Empfindungen  entspringen.  Das  Grundvermögen  der  Seele  ist 
also  die  Vorstellungskraft  („vis  repraesentativa"),  aus  ihr  geht  aber  sofort 
das  Begehrungs vermögen  („appetitiva")  hervor  (neben  dem  Erkenntnisver- 
mögen, „cognoscitiva").  Das  Streben  geht  unmittelbar  auf  die  Vorstellungen,  hat 
aber  seine  Triebfedern    in  Lust   und  Unlust;  erstere  ist  ein  „Anschauen  der 


WOLFP. 

Vollkommenheit',  Icftatore  eine   ..a:  i  ■      ... 

beif.    Betrefft   der   A — liation   der   Vorstellungen  ~j.ri.-ln    R 

/  dei  ..Totalität-  (Reproduktion  einei  Eonrj  I 

Der  Verstand   ist   das   „Venu  .  ji,. 

Vernunft  die  Fälligkeit,  die  Verknüpfung  sllgemeiner  Wahre  -hen. 

„Bein"    ist    die    Vernunft  ...ratio  pura"}  trenn  das  Schließen  nur  a| 

enthält   Daf  Begehren  richte!  rieh  ad  d  er  Wille 

entspringt    ana    der    deutlichen    (nicht    blofl    nrn 
Gutes,     Er   besteht  in  einer  „Bemühung,  am 
bringen",  ist  die  Neigung  des  Gemutet  -    be  .   I 

(im  sinne  von  Leibnix]  besteht,  aber  kein  motirlosei  Wölk 
volitio  nee  rolitio  in  aoima  datur). 

Die  natürliche  Theo!  iVil  der  Metaphysik,  di 

und  dem   Ursprung  der   Creatoren  handelt.    Eu> 

-•    W.   durch   das   ontologische   und  best  lureh  d; 

iment  aus  der  Zufälligkeit  «Irr  Welt  >,.<■  eontingentaa  mundi";  vgl    1. 
< i-'tt  ist   ein  ron   der  Welt   rersch 

Grund  von  der  A\"irkli<lik*-i t  der  Welt   und  der  Beden  ra  finda  -•  da.«» 

notwendig,  durch  sich  selbsl  Bestehende,  Absolute,  einfach,  an 
endlich,  ewij  ständig.    Gott   hat  die  Welt  durch  seinen  Vernunft;. 

Willen   (nicht    durch   reine   Willkür)   erschaffen;    in  seinem  < 
Ideen  aller  Dinge  ewig  enthalten.     Die  Welt   ist  di< 
und  darin  iraren  unvermeidlich  oder  nützlich  (wie  Leibn 

W.  auf  die  Teleologie,   «reiche  die  Zu  W. 

in-   Einzelnste  und  oft  Kleinlichste  verfolgt,  wobei  er  die   I 
Eentrisch,  die   Einrichtungen   der  Welt    als    für  den   Menschen  bestimmt   und 
lerlich  beurteilt 

Die  Bthik   Wj  ist    Vernunftmoral   und  perfeki  :..     !• 

die  vi  baft  ron   der  natura  n  Leitung  der  Willenshandlangen. 

Nonnen  dafür -int  die  Vernunft;  wer  der  Vernunft 
keiner   Belohnungen   und    Strafen   al>   Triebfedern,   das   G 
selbst  all  wertvoll.    Gut  -  nm    und   onaern   Zustand   \ 

machet",  wobei  W.  unter  Vollkommenheit  di  mmensti  v 

faltigen"  i '       i       end   (che    rieh    selbst 

Fertigkeit,    ..-ich    and    andere   -.»   \«.llk  machen,   al  '»    unsere 

■  -chehen  kann':  <lannt    wird  dal   Dnaerei    N 

Vernunft   gehorcht,   wo 

1     dziel    di       !  Inen    in    der    M 

I  teil      II. 

sllsehaftlieh-staatliehc  Laban  ai  maßgebend. 

i      dar!  in   B  ar  das 

und  i  rat  erhält  ai 

«gleich    c..ttli,-h.     1  ■  N  hai    da* 

ntliehe  Wohl  /um 
Einfluß    W 


828  Wolff. 

die  „Leibniz-  Wolff  sehe"  Philosophie)  zählte  viele  Anhänger,  fand  aber  auch 
manche  Gegner.  Anhänger  W.s  sind  mehr  oder  weniger:  Thümmig,  Bil- 
f  inger,  A.  G.  Baumgarten,  Gottsched,  Formey  (Verfasser  von  „La  belle 
Wolffienne",  1741—53),  J.  G.  Keinbeck,  Heineccius,  M.  Knutzen,  Bau- 
meister, G.  Fr.  Meier  u.  a.  (vgl.  den  Artikel  „Leibniz"). 

Schriften:  Anfangsgründe  sämtlicher  mathematischer  Wissenschaften,  1710.  — 
Vernunft.  Gedanken  von  d.  Kräften  d.  mensch].  Verstandes,  1712;  9.  A.  1738,  neue  Aufl. 
1754.  —  Logik,  1727.  —  Verünft.  Gedanken  von  Gott,  der  Welt  und  der  Seele  des 
Menschen,  auch  allen  Dingen  überhaupt,  1719;  5.  A.  1732.  —  Vern.  Ged.  von  der 
Menschen  Tun  u.  Lassen  zur  Beförder.  ihrer  Glücksei.,  1720.  —  Vernunft.  Ged.  von  dem 
gesellschaftlichen  Leben  der  Menschen,  1721  ;  6.  A.  1747.  —  Vern.  Ged.  von  den  Wir- 
kungen der  Natur,  1723.  —  Vern.  Ged.  von  den  Absichten  der  natürl.  Dinge,  1723.  — 
Vern.  Ged.  von  den  Teilen  der  Menschen ,  Tiere  u.  Pflanzen.  Gesammelte  kleinere 
Schriften,  6  Bde.,  1736  —  40.  —  Philosophia  rationalis,  sive  Logica,  1728;   3.  ed.  1740. 

—  Philos.  prima  sive  Ontologia,  1730.  —  Cosmologia  generalis,  1731.  —  Psychologia 
empirica,  1732.  —  Psychol.  rationalis,  1734.  —  Theologia  naturalis,  1736 — 37.  — 
Philos.  practica,  1738  —  39.  — Jus  naturae,  1740 — 48.  —  Jus  gentium,  1750.  —  Philos. 
moralis  sive  Ethica,  1750 — 53.  —  Oeconomica,  1750.  —  Ratio  praelectionum  in 
Mathesin  et  philos.  univers.,   2.   ed.  1735.   —  Elementa  matheseos  universae,  1740 — 46. 

—  Selbstbiographie,  hrsg.  von  Wuttke,  1841.  —  Vgl.  LUDOVICI,  Über  die  W.sche 
Philos.,  1837—38.  —  F.  W.  KLUGE,  Chr.  v.  W.,  1831.  —  W.  ARNSBERGER,  Chr. 
W.s  Verhältnis  zu  Leibniz,  1897.  —  GELFERT,  Der  Pflichtbegriff  bei  W.,  1907.  — 
HEILEMANN,  Die  Gotteslehre  des  W.,  1907.  —  PlCHLER,  Über  Chr.  W.s  Ontologie, 
1910.  —  BAUMANN,  W.sche  Begriffsbestimmungen,  1910  (Philos.  Bibl.). 

Wolff,  Hermann,  geb.  1842,  Schuldirektor  und  Privatdozent  in  Leipzig, 
gest.  1896.  =  W.  ist  von  Leibniz,  Wundt,  Kirchmann,  v.  Hartmann  u,  a.  be- 
einflußt und  vertritt  einen  kritischen,  empirisch-psychischen  Realismus  und 
eine  Art  Monadenlehre  („Biontologie").  Die  Wirklichkeitselemente  nennt  W. 
,.Bionten".  Es  sind  „einfache  Lebenszentren"  mit  Streben,  Gefühl  und  Emp- 
findung. Das  Atom  ist  ein  Komplex  von  Bionten.  Diese  haben  alle  den 
,, Drang  zur  Entfaltung  der  in  ihnen  schlummernden  Anlagen''.  Die  Bionten 
sind  Geschöpfe  Gottes,  haben  aber  Selbständigkeit,  Aktivität,  Freiheit  und  sind 
unsterblich,  also  auch  die  Seele.  Die  Entwicklung  wird  von  psychischen 
Kräften  beherrscht  und  gipfelt  in  der  sittlichen  Entwicklung,  welche  das 
Wesen  des  Universums  konstituiert. 

Schriften:  Über  den  Zusammenhang  unserer  Vorstellungen  mit  Dingen  außer 
uns,  1874.  —  Spekulation  und  Philosophie,  1878.  —  Logik  u.  Sprachphilos.  1880.  — 
Gemüt  und  Charakter,  1882;  2.  A.  1883.  —  Handbuch  der  Logik,  1884.  —  Wegweiser 
für  das  Studium  der  Kantschen  Philosophie,  1884.  —  Koa/xog.  Die  Weltentwickl.  nach 
monistisch-psycholog.  Prinzipien,  2  Bde.,  1890  (Hauptwerk).  —  Handbuch  d.  Ethik, 
1890.  —   Neue  Kritik  der  reinen  Vernunft,  hrsg.  1897. 

Wolff,  Joh.  =  Nach  W.  wird  das  Objekt  der  Außenwelt  nicht  erschlossen, 
sondern  wahrgenommen.  Das  Wahrnehmungsobjekt  deutet  auf  ein  Ding  außer 
uns  hin,  dessen  selbständige  Existenz  höchste  Wahrscheinlichkeit  hat.  Die  Kate- 
gorien entspringen  aus  der  inneren  Erfahrung  von  Ich-Bestimmtheiten,  nach 
deren  Analogie  die  Objekte  aufgefaßt  werden. 


WOLFF   —    W 


Schriften:    Das  Bewußtsein  und  »ein  Objekt,  1889. 

Wolff,    Theodoi      \\  '.-Thüi-i- 
Berlin.    Herausgeber  da  „Krit  Stadien". 

Schriften:  Philosophie  der  Gesellschaft  1    h.iiwdualismuB  u.  Sozialiim  .  Lt. 

WoIlaMon.  William.  Lr.-b.  1659  in  der  I 
Zeitlang  an  9  aule  zu  Birmingham,  privati 

1724.    =    W.    ist    wesentlich  von  Clarke  beeinflu 
welche   der   (von  Gott   rerhehanen]   Natur  der    l1 
Ding  ist  so  zu  behandeln,  wie  es  ihm  gebührt,  <1.  h.  ea 
mäfl  zu  handeln,  denn  jedes  Uandelrj  i-t  Anadruck 
isl  also  die  Norm  des  Sittlichen  und  ungleich  die  Glück» 

Schriften:    The    Religioa  of  Xature.   L7t1   u    ...  Vgl.   I»i  ber   W* 

M.>ra:j.hilos.,   1801. 

Wolluy.  F.  =  W.  i-t  ein  Vertreter  des  Materialismus. 
i-t    nicht   d»  Bonderu  das   Nie]  1 1 

Stimme    der    BewußtseinBvi  sind    eine    Reihe    „fl 

Bcheinunj  d    Produkt   des   Znsammenwirk 

gebung,  unmittelbar   der  im  Körper  vereinigten  Kraft .     | 
glaube  fährt   rar  Entwertung  der  Wirklichkeit,  der  Theismus 
Wir  sind  jeder  ein  Teil  des  nach  ewi( 

und  haben   ans  dem  allgemeinen  Natui  \V.  i-- 

Anhänger  der  „Telepathie". 

-    r.  ritten      Freiheit    u.    Charakter,  "itfaden 

Materialismus,    1888.    —    I)ii>    Philo«,    im    Verh.    iu 
Apologie  des  Materialismus,  18'.' 
psycholog.  Traktat,    1^'J'J, 

Woltiiiami,  Ludwig,  geh.  ls7l  in  Solingen,  gesl  \V. 

den  Kaiitiani-inii-  mit  dem  Sozialismus     Harz    und  Evolutioi 
Die  biologische  Geschichte  der  Mensch«ur:i 

muß   biologisch-anthro] 
riumlichen,  seitlichen    and   physiologischen  Zusani 
oismen  sich  ergebenden  G  ^keiten  zur  I 

Erscheinungen  and  Veränderung  lictr.    l 

Ide.      I 
erblichen    Entartun<j   d.r   I  .   m&SSCfl   in 

dingungen  -  n  werden,  welch«    ■        \ 

ften  .     K  •••!••  d—  m   \ 

it'iUeins,    18'JS  Dil     Dtl  I 

Matarialioraa,  P  -ms»»»    l 

1  Italien. 

Uonnv     i 

,.lu-titut    InternatioDa]    de    * 

w 

i  iesfllwhnft    und   i  '  !   '" 


830  Worms    —  Wundt. 

aber  auch  Differenzen  („Les  analogies  .  .  .  nous  les  croyons  intimes,  evidem- 
ment;  mais  nous  sentons  que  les  differences  sont  considerables  egalement"). 
Die  Gesellschaften  sind  Überorganismen  („superorganismes"),  sie  entwickeln  sich 
wie  individuelle  Wesen  und  haben  ein  Selbstbewußtsein.  Jede  Gesellschaft 
ist  eine  Vereinigung  von  Lebewesen,  welche  ihre  Funktionen  gemeinsam 
ausüben. 

Schriften:  Organisme  et  societe,  1896.  —  Philos.  des  sciences  sociales,  3  Bde.r 
1904  ff.  —  Aufsätze  in  der  „Rev.  int.  de  sociol.". 

Wreschner,   Arthur,  Prof.  in  Zürich.  =   Experimenteller  Psycholog. 

Schriften:  E.  Platner  u.  Kants  Krit.  d.  rein.  Vernunft,  1893.  —  Zur  Psychol. 
der  Aussage,  Arch.  f.  d.  ges.  Psychol.,  1904.  —  Die  Reproduktion  u.  Assoziation  von 
Vorstellungen,  1907—09,  u.  a. 

Wronsky  s.  Hoene-Wronsky. 

Wulf, Maurice  de,  geb.  1867  inPoperinghe,Prof.  d.  Univers. Louvain  (Löwen), 
wohnt  in  Brüssel.  Herausgeber  der  Sammlung  „Les  philosophes  beiges",  Sekretär 
der  „Revue  neo-scolastique".  =  de  W.  ist  ein  Vertreter  der  neo-scholastischen 
Kichtung,  welche  die  Ergebnisse  der  modernen,  experimentalen  Wissenschaft 
(auch  der  Psychologie  und  Physiologie)  in  die  theistisch-teleologische  und 
spiritualistische,  christliche  Weltanschauung  hineinverarbeitet. 

Schriften:  La  valeur  esthetique  de  la  moralite"  dans  l'art,  1892.  —  Histoire  de 
Ja  philos.  scolastique  dans  les  Pays-Bas  et  la  Principaute  de  Liege,  1895.  —  Etudes  sur 
Henri  de  Gand,  1895.  —  Etudes  histor.  sur  l'Esthetique  de  S.  Thomas,  1896.  —  Qu'est 
ce  que  la  philos.  scolastique?  1899.  —  Le  traite  des  formes  de  Gilles  de  Lessine, 
1901.  —  Introduction  ä  la  philos.  neo-scolastique,  1904.  —  Etudes  sur  la  vie,  les 
ceuvres  et  l'influence  de  God.  de  Fontaines,  1904.  —  Les  quatres  preraiers  quodlibets  de 
G.  de  Fontaines,  o.  J.  —  Histoire  de  la  philos.  medievale,  1.  6d.  1900;  4.  ed.  1911  (im 
Druck);  deutsche  Ausgabe  in  Vorbereitung.  —  Precis  d'histoire  de  philos.,  2.  ed.  1900. 
—  Abhandlungen  in  der  „Revue  neo-scol."  (1904),  „Revue  philos."  (1902),  Arch.  f. 
Gesch.  d.  Philos.  (1896—97).  —  Notion  de  la  scolastique  medievale,  Revue  neo-scol. 
XVIII,  1911,  u.  a. 

Wundt,  Max  (Sohn  von  Wilh.  W.),  geb.  1879  in  Leipzig,  Privatdozent 
in  Straßburg. 

Schriften:  Der  Intellektualismus  in  d.  griech.  Ethik,  1907.  —  Geschichte  der 
griech.  Ethik,  1908  f.  —  Griech.  Weltanschauung,  1910,  u.  a. 

Wandt,  Wilhelm,  geb.  16.  August  1832  in  Neckarau  (Baden),  studierte  in 
Tübingen,  Heidelberg  und  Berlin  Naturwissenschaften  und  Philosophie.  1857 
habilitierte  er  sich  als  Dozent  der  Physiologie  in  Heidelberg,  wo  er  zugleich  als 
Assistent  von  Helmholtz  wirkte.  1864  wurde  er  Prof.  in  Heidelberg,  1874 
in  Zürich,  1875  in  Leipzig,  von  nun  an  als  Psycholog  und  Philosoph  tätig. 
Er  begründete  hier  (1879)  das  erste  Laboratorium  für  experimentelle  Psycho- 
logie, welches  seitdem  viele  Nachahmungen  fand.  Ferner  gab  er  die  „Philo- 
sophischen  Studien"  (1881—1904,  mit  Arbeiten  meist  von  Schülern  Wundts, 
zum  Teil  experimentalpsychologischen  Charakters),  denen  die  „Psychologischen 
Studien"  folgten,  heraus. 

W.  ist   durch  seine  psychologischen  Arbeiten  bahnbrechend  geworden  und 


Wuxdt.  831 

außerdem  einer  der  wenigen  großen  systematischen  Philosophen  in  der 
zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts.  Von  Leibniz  und  Kant  besonders,  aber 
auch  von  Spinoza,  Fichte,  Schelling,  Hegel,  Schopenhauer,  Herbart,  Fechner, 
Spencer  u.  a.  beeinflußt,  hat  er  ein  neues  System  aufgestellt,  welches  den  ver- 
schiedenen Seiten  des  Daseins  sowie  den  verschiedenen  möglichen  Betrachtungs- 
weisen desselben  .Rechnung  trägt  und  sich  auf  den  Ergebnissen  der  Natur-  und 
Geisteswissenschaft  aufbaut.  Wundts  Philosophie  ist  in  erkenntniskritischer 
Beziehung  ein  Ideal-Bealismus  (als  Ausbau  des  kritischen  Idealismus),  in 
metaphysischer  ein  logischer,  rationaler  Voluntarismus,  bzw.  ein  idealisti- 
scher Monismus  und  Evolutionismus,  der  sich  an  die  idealistischen 
Systeme  der  großen  nach-kantschen  Philosophen  angliedert,  ohne  den  kon- 
struktiv-aprioristischen  Aufbau  dieser  zu  teilen,  aber  mit  voller  Erneuerung 
ihres  metaphysisch-ethischen  Idealismus,  ihres  Grundgedankens,  daß 
das  Wesen  der  absoluten  Wirklichkeit  geistige  Entwicklung  ist,  deren 
Objektivation  die  materielle  Welt  und  das  Geschehen  in  ihr  ist. 

Die  Philosophie  geht  den  Einzelwissenschaften  nicht  voran,  sondern  führt 
deren  Arbeit  weiter  und  vollendet  sie,  wobei  sie  aber  ihre  selbständige  Funktion 
hat.  indem  sie  jedes  Problem  logisch  und  erkenntniskritisch  prüft  und  den 
wissenschaftlichen  Ergebnissen  höchste  Einheit  und  endgültige  systematische 
Ordnung  gibt,  denn  alles  Philosophieren  beruht  auf  einem  „Trieb  nach  Syste- 
matisierung des  Erkennens  und  seiner  Methoden".  Überall,  wo  sich  zwischen 
den  Auffassungen  auf  verschiedenen  Gebieten  ein  Widerspruch  herausstellt, 
hat  die  Philosophie  den  Grund  desselben  aufzuklären  und  dadurch  womöglich 
den  Widerspruch  zu  beseitigen.  Ihren  Inhalt  hat  die  Philosophie  mit  den  Wissen- 
schaften gemein,  ebenso  die  Methode,  aber  sie  nimmt  einen  andern  Standpunkt 
der  Betrachtung  ein,  geht  auf  den  Zusammenhang  der  Begriffe  und  Tatsachen. 
Kritisch  ist  sie,  sofern  sie  über  ihre  Voraussetzungen  und  Verfahrungsweisen 
Rechenschaft  gibt  und  die  logischen  Motive  des  Erkennens  nachweist.  Die 
Philosophie  ist  die  „allgemeine  Wissenschaft,  welche  die  durch  die  Einzel- 
wissenschaften vermittelten  allgemeinen  Erkenntnisse  zu  einem  widerspruchs- 
losen System  zu  vereinigen  hat".  Ihr  Zweck  ist  die  „Zusammenfassung  unserer 
Einzelerkenntnisse  zu  einer  die  Forderungen  des  Verstandes  und  die  Bedürf- 
nisse des  Gemütes  befriedigenden  Welt-  und  Lebensanschauung".  Die  Philo- 
sophie ist  eine  Geisteswissenschaft,  denn  sie  stützt  sich  vielfach  auf  psycho- 
logische Erfahrungen,  aber  sie  geht  durch  ihre  Kritik  und  Systematik  über  den 
Rahmen  der  Psychologie  hinaus  (ist  also  nicht  „psychologistisch"  im  subjekti- 
vistisch-empiristischen  Sinne).  Die  Philosophie  gliedert  sich  in  genetische 
(Erkenntnislehre  mit  Logik)  und  systematische  Philosophie  oder  „Prinzi- 
pienlehre", welche  wieder  in  allgemeine  (Metaphysik)  und  spezielle  Prinzipien- 
lehre zerfällt;  letztere  besteht  aus  der  Naturphilosophie  (Kosmologie,  Biologie, 
Anthropologie)  und  Geistesphilosophie  (Ethik,  Rechtsphilosophie  Ästhetik. 
Religionsphilosophie,  Geschichtsphilosophie). 

Die  empirische  Grundlage  aller  Geisteswissenschaften  und  damit  auch 
der  Philosophie  bietet  die  Psychologie,  die  bereits  die  Stellung  einer  Einzel- 
wissenschaft einnimmt.    W.  ist  der  Begründer  der  experimentellen  Psychologie, 


832  Wundt. 

•welche  über  die  Psychophysik  Fechners  und  die  physiologische  Psychologie 
Helmholtz',  Herings  u.  a.  hinausgeht,  indem  sie  alle  diese  Gebiete  einschließt. 
Die  „physiologische"  Psychologie  ist  nicht  eine  Art  Physiologie,  sondern  Psycho- 
logie, die  sich  physiologischer  Methoden  und  Ergebnisse  in  weitem  Umfange 
bedient  und  die  Beziehungen  des  psychischen  Geschehens  zu  den  physiologischen 
berücksichtigt.  Alle  Individualpsychologie  ist  ferner  experimentelle  Psychologie, 
indem  durch  das  experimentelle  Verfahren  eine  exakte  innere  Wahrnehmung, 
frei  von  den  schädlichen  Wirkungen  der  Absicht  des  Beobachtens  und  mit  der 
Möglichkeit  willkürlicher  Wiederholung,  Abänderung,  Isolierung  psychischer 
Reize  erst  ermöglicht  wird ;  das  Experiment  stellt  die  innere  Wahrnehmung 
unter  Kontrolle.  Die  experimentellen  Methoden  sind  Reiz-  oder  Eindrucksmethoden, 
Ausdrucksmethoden  und  Kombinationen  beider  (Reaktionsmethode).  Gemessen 
können  psychische  Inhalte  nur  aneinander  werden,  und  dies  nur  in  gewissen  Grenz- 
fällen (Gleichheit,  minimaler  Unterschied,  Unterschiedsgleichheit).  —  Die  Psycho- 
logie ist  die  Wissenschaft  von  der  „unmittelbaren  Erfahrung",  von  den  „geistigen 
Vorgängen  überhaupt".  „Das  unmittelbar  Wahrgenommene,  wie  es  abgesehen 
von  seiner  Beziehung  auf  ein  gegenüberstehendes  Objekt  uns  gegeben  ist,  bildet 
den  Inhalt  der  Psychologie."  Sie  untersucht  „den  gesamten  Inhalt  der  Er- 
fahrung in  seinen  Beziehungen  zum  Subjekt  und  in  den  ihm  von  diesem 
unmittelbar  beigelegten  Eigenschaften".  Ihre  Erkenntnis  weise  ist  eine  „unmittel- 
bare oder  anschauliche".  Da  sie  sich  aller  Abstraktionen  und  hypothetischen  Hilfs- 
begriffe der  Naturwissenschaft  enthält,  ist  sie  die  strenger  empirische  Wissen- 
schaft; sie  führt  die  psychischen  Vorgänge  auf  Begriffe  zurück,  die  dem 
Zusammenhang  dieser  Vorgänge  direkt  entnommen  sind  oder  sie  leitet  zusammen- 
gesetzte Vorgänge  aus  einfacheren  ab.  Aber  die  Teilinhalte,  welche  die  psycho- 
logische Analyse  isoliert,  kommen  nicht  selbständig,  sondern  eben  nur  als  Ver- 
bindungselemente vor,  und  nur  als  solche  sind  sie  real.  Die  Psychologie  hat 
drei  Aufgaben :  erstens  die  Analyse  der  zusammengesetzten  Vorgänge,  zweitens 
die  Nach  Weisung  der  Verbindungen,  welche  diese  eingehen,  drittens  die  Er- 
forschung der  Gesetze,  die  bei  der  Entstehung  solcher  Verbindungen  wirksam 
sind.  Die  allgemeine  Psychologie  gliedert  sich  in  Individualpsychologie, 
welche  die  typischen  Vorgänge  des  individuellen  Bewußtseins  untersucht,  und 
Völkerpsychologie  (s.  unten). 

Das  Psychische  ist  nicht  ein  Geschehen,  neben  dem  von  Anfang  selb- 
ständig das  Physische  herläuft,  sondern  das  Ursprüngliche  ist  die  einheitliche 
Gesamterfahrung,  und  „äußere"  und  „innere"  Erfahrung  sind  nur  verschiedene 
Gesichtspunkte,  die  wir  bei  der  Auffassung  und  Bearbeitung  jener  anwenden. 
Diese  Gesichtspunkte  werden  dadurch  nahe  gelegt,  „daß  sich  jede  Erfahrung 
unmittelbar  in  zwei  Faktoren  sondert:  in  einen  Inhalt,  der  uns  gegeben 
wird,  und  in  unsere  Auffassung  dieses  Inhalts".  „Wir  bezeichnen  den 
ersten  dieser  Faktoren  als  die  Objekte  der  Erfahrung,  den  zweiten  als 
das  erfahrende  Subjekt.  Daraus  entspringen  zwei  Richtungen  für  die  Be- 
arbeitung der  Erfahrung.  Die  eine  ist  die  der  Naturwissenschaft:  sie  be- 
trachtet die  Objekte  der  Erfahrung  in  ihrer  von  dem  Subjekt  unabhängig 
gedachten  Beschaffenheit.     Die  andere  ist  die  der  Psychologie."   Der  natur- 


Wundt.  833 

wissenschaftliche  Standpunkt  ist  der  der  „mittelbaren",  begrifflich  verarbeiteten, 
der  psychologische  der  der  unmittelbaren,  anschaulichen  Erfahrung,  der  Er- 
fassung der  Erlebnisse  als  solcher  (als  Empfindungen,  Vorstellungen  usw.,  nicht 
als  Dinge  mit  ihren  Eigenschaften  und  Kelationen).  Alles  Psychische  ist  als 
solches  (in  weitestem  Sinne)  bewußt,  ein  unbewußtes  Geistiges  ist  ein  Wider- 
spruch. Bewußtsein  bedeutet  nämlich  zunächst  nur,  daß  sich  innere  Zustände 
und  Vorgänge,  innere,  unmittelbare  Erfahrungen  finden,  also  das  „unmittelbare 
Gegebensein  unserer  inneren  Erlebnisse".  In  einem  engeren  Sinne  ist  es  die 
Verbindung,  der  Zusammenhang  der  Erlebnisse,  und  in  diesem  Sinne  kommt 
den  niedersten  Wesen  kein  Bewußtsein  (oder  nur  ein  ,, Momentanbewußt- 
sein'') zu. 

Betreffs  des  Psychischen   vertritt  W.  den  Standpunkt  der  Aktualitäts- 
theorie.    Hiernach  ist  jeder  psychische  Inhalt  ein  Vorgang,  alles  Psychische 
ist  Ereignis,   Geschehen,   nicht  ruhendes  Sein,   und   ferner   ist  es  nicht  bloße 
Erscheinung,  sondern  unmittelbare  Wirklichkeit.    Das  geistige  Leben  ist  „nicht 
eine  Verbindung  unveränderter  Objekte  und  wechselnder  Zustände,  sondern  in 
allen   seinen   Bestandteilen   Ereignis,    nicht   ruhendes  Sein,   sondern  Tätigkeit, 
nicht  Stillstand,   sondern  Entwicklung".    Das  Psychische  ist  ein  „fortwährend 
wechselndes  Geschehen  in  der  Zeit",  ein  „Zusammenhang  von  Vorgängen",  von 
„Prozessen".    Das  Wesen  der  Seele  liegt  im  Bewußtseinszusammenhange  selbst, 
nicht   in   einer  unbekannten  Substanz,   deren  Begriff  in  der  Psychologie  nicht 
bloß   überflüssig   ist,    sondern   auch  dem  psychischen  Geschehen  widerstreitet. 
Die  Seele  ist  einheitlich,   aber  nicht  einfach,   sie  ist  Subjekt,  aber  nicht  Sub- 
stanz;   „Träger"   der  Bewußtseinsvorgänge   ist   die  Tätigkeit  des  Wollens  und 
Denkens  selbst.    Die  Trennung  von  Handlung  und  Subjekt  ist  nur  ein  „Spiel 
mit   Reflexionsbegriffen".    Das   Bewußtsein   ist   durch   die  stetige  Verbindung 
seiner  Zustände   eine  ähnliche  Einheit  wie  der  Organismus,  und  dies  führt  zur 
Annahme,  daß  „was  wir  Seele  nennen,  das  innere  Sein  der  nämlichen  Einheit 
ist,  die  wir  äußerlich  als  den  zu  ihr  gehörigen  Leib  erkennen"  (Identitätsstand- 
punkt).     Der  Leib   als  Ganzes   ist   beseelt;   indem   sich  das  innere  Sein  aller 
Elemente  des  Leibes   in  Wechselwirkung  befindet,  entspricht  der  inneren  die 
äußere  Einheit  des  Ich.    Die  Seele  ist  das  Innensein  des  Organismus.    „Nicht 
als   einfaches   Sein,  sondern  als  das  entwickelte  Erzeugnis  zahlloser  Elemente 
ist  die  menschliche  Seele,  was  Leibniz  sie  nannte:   ein  Spiegel  der  Welt." 
Denn  das  Bewußtsein   bildet  den  „Knotenpunkt  im  Naturlauf,  in  welchem  die 
Welt  sich  auf  sich  selber  besinnt".    Seele  und  Leib  sind  also  nicht  zwei  Dinge, 
sondern  zwei  Daseins-  und  Betrachtungsweisen  eines  und  desselben  Wirklichen. 
Die  Seele   ist   die   „Entelechie"   des  Leibes,    nämlich   der   „gesamte  Zweckzu- 
sammenhang geistigen  Werdens  und  Geschehens,   der  uns  in  der  äußeren  Be- 
obachtung als   das  objektiv  zweckmäßige  Ganze  eines  lebenden  Körpers  ent- 
gegentritt". 

Während  die  physikalische  Kausalität  an  ein  hypothetisches  Substrat,  die 
Materie,  gebunden   ist,   herrscht  im  Seelischen  die  rein  aktuelle  Kausalität. 
Im  Physischen  waltet   das  Prinzip  der  Äquivalenz  von  Ursache  und  Wirkung, 
im  Psychischen   aber  ein  Gesetz  des  Wachstums  der  Werte,  des  „Wachs- 
Ei  s  1  e  r  ,  Philosophen-Lexikon.  Oo 


834  Wundt. 

tums  geistiger  Energie",  extensiv,  indem  die  Mannigfaltigkeit  der  geistigen  Ent- 
wicklungen fortwährend  sich  erweitert,  intensiv,  indem  die  entstehenden  Werte 
graduell  immer  mehr  zunehmen.  Bei  konstanter  Größe  der  Nervenenergie 
kann  die  zugeordnete  psychische  Energie,  die  ja  rein  qualitative  Wirkungs- 
fähigkeit ist,  zunehmen.  Das  Prinzip  schöpferischer  Synthese  beherrscht 
alle  geistigen  Bildungen  (als  Ausdruck  des  „Gesetzes  der  psychischen  Resul- 
tanten").  Durch  die  Wechselwirkung  der  psychischen  Elemente  entstehen  Ge- 
bilde mit  ganz  neuen  Eigenschaften  und  Werten.  Die  „Selbstschöpfung"  gehört 
zum  Wesen  aller  geistigen  Entwicklung. 

Zwischen  Psychischem  und  Physischem,  die  ja  nur  Daseinsweisen  einer  und 
derselben  Wirklichkeit  sind,  kann  es  (schon  ihrer  Ungleichartigkeit  wegen)  keine 
eigentliche  Wechselwirkung,  sondern  nur  einen  Parallelismus  geben  „als 
empirisches  Prinzip,  als  Koordination  der  äußeren  und  der  inneren  Erfahrungs- 
inhalte, der  mittelbaren  und  unmittelbaren  Erkenntnisweise,  so  daß  demgemäß 
jedem  elementaren  Vorgang  auf  psychischer  Seite  ein  solcher  auf  physischer 
entspricht".  Soweit  es  Objekte  gibt,  die  der  doppelten  Betrachtungsweise  unter- 
worfen sind,  fordert  das  Parallelprinzip  die  Koordination  des  Psychischen  und 
Physischen.  Von  dem  eigentlichen  Inhalte  der  psychischen  Verbindung  kann 
die  physiologische,  bei  der  ja  von  ersterem  abstrahiert  wird,  nichts  enthalten, 
ebensowenig  von  dem  Inhalt  der  Werte  und  Zwecke.  In  der  Praxis  ist  zu- 
weilen die  Substitution  psychischer  durch  physische  Zwischenglieder  notwendig, 
aber  in  Wirklichkeit  wirkt  Psychisches  nur  auf  Psychisches  und  Physisches 
nur  auf  Physisches,  bzw.  ein  und  derselbe  Ablauf  stellt  sich  einmal  als 
psychische,  das  anderemal  als  physische  Kausalität  dar.  Eine  psychophysische 
Wechselwirkung  anzunehmen  verbietet  vor  allem  das  „Prinzip  der  geschlossenen 
Naturkausalität",  welches  auch  die  Annahme  einer  Umwandlung  physischer 
in  psychische  Energie  ausschließt.  Die  physische  und  die  psychische  Reihe  ist 
jede  in  sich  geschlossen,  kann  nicht  durchbrochen  werden. 

Gegenüber  der  intellektualistischen  und  assoziationis tischen  ist  W.s  Psycho- 
logie eine  voluntaristische  Apperzeptionspsychologie,  welche  Ge- 
fühl und  Willen  als  primäre,  nicht  aus  Empfindung,  Vorstellung,  Denken  erst 
abgeleitete  Bewußtseinsvorgänge  auffaßt  und  die  Aktivität  des  Bewußtseins  im 
Denken  und  Wollen  zur  Geltung  bringt.  Von  Seelenvorgängen  u.  dgl.  ist  hier 
nicht  die  Rede,  ebensowenig  von  selbständigen  psychischen  Gebilden  die  sich 
von  selbst  miteinander  verbinden  und  wie  Kräfte  geberden.  Empfindung 
(Vorstellung),  Gefühl  und  Streben  sind  Momente  eines  einheitlichen  Prozesses,- 
der  ursprünglich  als  Trieb  auftritt,  sich  in  diese  Momente  differenziert  und 
einerseits  zu  eigentlichen  Willensakten  entwickelt,  anderseits  zu  automatischen 
und  Reflexhandlungen  sich  mechanisiert.  Voluntaristisch  ist  die  Psychologie, 
nicht  weil  sie  aus  einem  einfachen,  unbewußten  Willen  alles  ableitet,  sondern 
weil  die  Willensvorgänge  eine  für  die  Auffassung  aller  seelischen  Erlebnisse 
maßgebende  Bedeutung  haben.  „Die  voluntaristische  Psychologie  behauptet 
also  keineswegs,  daß  das  Wollen  die  einzige  reale  existierende  Form  des  psy- 
chischen Geschehens  sei,  sondern  sie  behauptet  nur,  daß  es  mit  den  ihm  eng 
verbundenen  Gefühlen  und  Affekten  einen  ebenso  unveräußerlichen  Bestandteil 


WlTNDT.  835 

der  psychologischen  Erfahrung  ausmache  wie  die  Empfindungen  und  Vor- 
stellungen, und  daß  nach  Analogie  des  Willens  Vorganges  alle  anderen 
psychischen  Prozesse  aufzufassen  sein :  als  ein  fortwährend  wechselndes  Geschehen 
in  der  Zeit,  nicht  als  eine  Summe  beharrender  Objekte.'-'  Die  Vorstellungen 
und  Gefühle  sind  Bestandteile  eines  vollständigen  Willensvorganges. 
Dieser  ist  nichts  Einfaches,  kein  Element  des  Bewußtseins,  wohl  aber  etwas 
Ursprüngliches,  Eigenartiges,  Spezifisches,  eine  nicht  weiter  ableitbare  Art  des 
psychischen  Ablaufs  und  Zusammenhanges,  ein  typischer  Vorgang,  eine  „ur- 
sprüngliche Energie  des  Bewußtseins"  (autogenetische  Willenstheorie).  Der 
Wille  steht  in  engster  Beziehung  zum  Gefühl  und  Affekt,  die  alle 
schon  ein  Streben  oder  Widerstreben  enthalten.  Das  Gefühl  kann  ebensogut 
als  der  Anfang  einer  Willenshandlung,  wie  umgekehrt  das  Wollen  als  ein  zu- 
sammengesetzter Gefühlsprozeß,  und  der  Affekt  als  ein  Übergang  zwischen 
beiden  betrachtet  werden.  Willenshandlungen  sind  , .durch  einen  Affekt  vorbe- 
reitete und  ihn  plötzlich  beendende  Veränderungen  der  Vorstellungs-  und 
Gefühlslage".  Äußere  und  innere,  einfache  und  zusammengesetzte  Willens- 
handlungen sind  zu  unterscheiden;  der  Trieb  ist  ein  einfacher,  eindeutig 
motivierter  Willensakt,  die  Willkür  ist  eine  mehrfach  motivierte,  aktive  Willens- 
tätigkeit (mit  einem  besonderen  „Tätigkeitsgefühl").  Durch  eine  „Mechanisierung" 
gehen  aus  zusammengesetzten  einfache,  und  aus  diesen  schließlich  reflexmäßige 
oder  automatische,  unbewußt  gewordene  Handlungen  hervor.  An  einer  voll- 
ständigen Willenshandlung  sind  stets  Empfindungen  (bzw.  Vorstellungen)  und 
Gefühle  als  Momente  beteiligt,  reine  Vorstellungen  und  Gefühle  sind  Grenz- 
fälle, Hemmungsprodukte  u.  dgl.  Auf  der  Einheit  des  Willens  beruht  die 
zentrale  Einheit  des  Bewußtseins  und  des  Selbstbewußtseins.  Das  Ich  ist  das 
Gefühl  des  Zusammenhangs  von  Erlebnissen  eines  Individuums.  Isoliert  ge- 
dacht von  den  Objekten  ist  es  Wille.  „Es  gibt  schlechterdings  nichts  außer 
dem  Menschen  noch  in  ihm,  was  er  voll  und  ganz  sein  eigen  nennen  könnte, 
ausgenommen  seinen  Willen."  Der  Wille  ist  der  Motor  des  Seelenlebens,  das 
Richtunggebende,  Fixierende,  Hemmende,  Ordnende;  das  Denken  ist  seine 
Funktion,  ist  innere  Willenshandlung.  Der  Wille  selbst  ist  der  Intellekt  und 
die  ganze  geistige  Entwicklung  wird  vom  Willen  in  seinen  verschiedenen 
Formen  beherrscht. 

Im  Psychischen  selbst  übt  der  Wille  eine  Fixierung,  Steigerung  und  eigene 
Ordnung  des  Bewußtseinsinhaltes  aus.  Seine  Funktion  ist  die  Apperzeption 
(vgl.  Leibniz).  Diese  besteht  in  dem  Auftreten  einer  klaren  Vorstellung,  in 
der  Hervorhebimg,  Bevorzugung  einer  solchen  gegenüber  dem  bloß  Perzipierten 
durch  die  Aufmerksamkeit  (d.  h.  die  „Gesamtheit  der  mit  der  Apperzeption 
von  Vorstellungen  verbundenen  subjektiven  Vorgänge").  Der  größte  Teil  der 
Vorstellungen  bleibt  im  Hintergrunde  des  Bewußtseins  oder  im  „inneren  Blick- 
feld", nur  ein  ganz  geringer  Teil  wird  jeweilig  in  den  „inneren  Blickpunkt" 
gehoben.  Passiv  ist  die  Apperzeption,  wenn  die  Richtung  der  Aufmerksam- 
keit nur  durch  die  zufällig  gegebenen  Reize  bestimmt  wird;  aktiv  ist  sie, 
wenn  die  Aufmerksamkeit  schon  auf  einen  erwarteten,  gesuchten  Inhalt  im  vor- 
hinein gerichtet  ist,   wobei   von  Anfang  an  ein  Tätigkeitsgefühl  auftritt.    Die 

53* 


836  Wundt. 

passive  Apperzeption  ist  eine  Trieb-,  die  aktive  eine  Willensfunktion,  eine 
Funktion  des  Ich  in  dessen  Totalität.  Die  Wirkung  der  Apperzeption  ist  ein 
bestimmtes  Maß  von  Klarheit  des  Apperzipierten  und  die  Hemmung  anderer 
Eindrücke.  Die  Assoziationen  sind  Verbindungen  von  Empfindungen  (nicht 
erst  fertigen  Vorstellungen)  bei  passivem  Zustande  der  Aufmerksamkeit,  sie 
sind  Äußerungen  eines  Triebes,  der  aber  infolge  der  Übung  mechanisiert  wird. 
Es  gibt  simultane  und  sukzessive  Assoziationen.  Jene  zerfallen  in  Assimi- 
lationen und  Komplikationen,  wozu  noch  die  assoziative  Verschmelzung  kommt. 
Die  sukzessiven  Assoziationen  gliedern  sich  in  Ähnlichkeits-  und  Berührungs- 
assoziationen. Aber  aus  der  Assoziation  allein  ist  das  seelische  Leben  nicht  zu 
erklären;  das  Auftreten  herrschender  Elemente  in  den  Verbindungen  kann  sie 
nicht  erklären.  Alle  höheren  geistigen  Vorgänge  und  Gebilde  (Urteilen, 
Schließen,  Beziehen,  Vergleichen,  Begriff  usw.)  sind  Funktionen  der  aktiven 
Apperzeption,  bzw.  Apperzeptionsverbindungen.  Hier  werden  durch  den 
Willen  nur  jene  Vorstellungselemente  zu  bewußter  Verbindung  gebracht,  welche 
dem  Zwecke  des  Denkens  (bzw.  der  Phantasie)  gemäß  erscheinen.  Das  Denken 
ist  die  Funktion  eines  regulierenden  Willens,  „der  die  Assoziationen  ermäßigt, 
indem  er  ihnen  entnimmt,  was  dem  Denken  für  seine  Zwecke  dienlich,  und 
zurückweist,  was  ihm  störend  ist".  Die  Apperzeption  hat  die  Bedeutung  einer 
„Einheitsfunktion";  sie  verbindet  getrennte  Vorstellungen  zu  neuen  einheit- 
lichen Gebilden  („apperzeptive  Synthese"),  gestaltet  das  Assoziationsmaterial  im 
Sinne  intellektueller  u.  a.  Zwecke.  Von  „Gesamt Vorstellungen"  geht  das  Urteil 
aus,  um  aus  ihnen  begriffliche  Bestandteile  auszuscheiden  und  diese  in  neue 
Beziehungen  zueinander  zu  setzen. 

Die  Völkerpsychologie  ist  nach  Wundt  nicht  etwa  eine  Anwendung 
der  Individualpsychologie  auf  soziale  Gemeinschaften,  sondern  das  Gebiet 
psychologischer  Untersuchungen,  welches  sich  auf  jene  psychischen  Vorgänge 
bezieht,  „die  vermöge  ihrer  Entstehungs-  und  Entwicklungsbedingungen  an 
geistige  Gemeinschaften  gebunden  sind".  Sie  hat  jene  psychischen  Vorgänge 
zum  Gegenstand,  „die  der  allgemeinen  Entwicklung  menschlicher  Gemein- 
schaften und  der  Entstehung  gemeinsamer  geistiger  Erzeugnisse  von  allgemein- 
gültigem Werte  zugrunde  liegen".  Sie  ist  eine  Lehre  von  der  Volksseele. 
Diese  ist  ein  Erzeugnis  der  Einzelseelen,  aus  denen  sie  sich  zusammensetzt, 
aber  diese  sind  nicht  minder  Erzeugnisse  der  Volksseele,  an  der  sie  teilnehmen. 
Sie  ist  kein  metaphysisches,  besonderes  Wesen,  sondern  ein  Erzeugnis  der 
Wechselwirkung  der  Individuen  und  ebenso  real  wie  diese  selbst,  in  und  mit 
denen  sie  existiert.  In  den  geistigen  Gesamtheiten  und  in  den  in  ihnen  hervor- 
tretenden Entwicklungen  von  Sprache,  Mythus  und  Sitte  bedeutet  das  Ge- 
s am tbe wußtsein  den  überindividuellen  Zusammenhang  von  Vorstellungen 
und  Gefühlen,  der  Gesamtwille  die  gemeinsamen  Willensrichtungen  in  ihrer 
Einheit.  Die  Anlagen  zu  den  geistigen  Erzeugnissen  des  Gesamtbewußtseins 
sind  schon  in  den  Individuen  vorhanden. 

Die  Erkenntnislehre  gliedert  sich  in  formale  Logik  und  reale  Erkennt- 
nislehre, welche  letztere  aus  der  Erkenntnistheorie  (allgemeine  Erkenntnis- 
theorie   und    Methodenlehre)     und     Erkenntnisgeschichte    besteht.      Die    Er- 


Wtjndt.  837 

kenntnistheorie  untersucht  die  logische  Entwicklung  des  Erkennens,  in- 
dem sie  die  Entstehung  der  wissen  schaftlichen  Begriffe  auf  Grundlage 
der  logischen  Denkgesetze  zergliedert;  als  allgemeine  Erkenntnistheorie 
untersucht  sie  die  Bedingungen,  Grenzen  und  Prinzipien  des  Erkennens 
überhaupt,  als  Methodenlehre,  die  bei  W.  in  umfassendster,  alle  Wissen- 
schaften berührender  Weise  durchgeführt  wird,  beschäftigt  sie  sich  mit  den 
besonderen  Gestaltungen  dieser  Prinzipien  in  den  Einzelwissenschaften.  Die 
Aufgabe  der  Erkenntnistheorie  ist  also  die  Darstellung  der  Begriffsbildung,  wie 
sie  nach  logischen  Motiven  innerhalb  der  Wissenschaft  stattgefunden  hat,  mit 
Elimination  aller  Irrungen  und  Umwege,  mit  Kritik  der  wissen  schaftlichen  Er- 
kenntnis. Die  Psychologie  ist  hier  überall  ein  Hilfsmittel,  welche  den  Tatbe- 
stand aufzeigt,  aber  Logik  und  Erkenntnistheorie  selbst  gehen  über  den  Um- 
kreis der  Psychologie  hinaus. 

Die  Logik,   eine  normative  Wissenschaft    wie   die  Ethik,   hat  „Rechen- 
schaft    zu    geben    von    denjenigen  Gesetzen   des  Denkens,  welche  bei  der  Er- 
forschung der  Wahrheit  wirksam  sind".     Sie  will  feststellen,  wie  der  Gedanken- 
lauf sich   vollziehen  soll,   damit  er  zu  richtigen  Erkenntnissen  führe,  sie  sucht 
die   allgemeingültigen  Kegeln   für   die  Denkmethodik.     Sie   scheidet   aus   den 
Vorstellungs  verbin  düngen  unseres  Bewußtseins  diejenigen  aus,  die  für  die  Ent- 
wicklung unseres  W7issens  einen   gesetzgebenden   Charakter   besitzen.     Sie  hat 
„das   werdende  Wissen   darzustellen,  die  Wege,  die  zu  ihm  führen,  und  die 
Hilfsmittel,    über  die  das  menschliche  Denken  verfügt".     Sie  bedarf  der  Er- 
kenntnistheorie zu   ihrer  Begründung  und  der  Methodenlehre  zu  ihrer  Voll- 
endung. —  Alles  Erkennen  ist  ein  Denken,  aber  nicht  alles  Denken  ist  em  Er- 
kennen,   es   kommt    nicht  immer  die  Realität   des   Gedachten   in   Frage.     Das 
Denken   ist   subjektive  Willenstätigkeit    und   wesentlich    beziehende  Tätigkeit. 
Seine  logischen  Merkmale  sind  Evidenz  und  Allgemeingültigkeit.     Beherrscht 
wird  es  als  Urteil  von  einem  Gesetz  der  „diskursiven  Gliederung",  vom  Gesetz 
der   „Dualität  der  logischen   Denkformen".    Das  Denken   setzt   schon  an  der 
Anschauung    ein    und    hat    die  Eigenschaft,    auf    alles    anwendbar    zu    sein, 
was  in  dasselbe  eingeht;  seine  Gesetze  gelten  daher  auch  für  alle  Denkobjekte. 
Zwischen  Denken  und  Sein  besteht  eine  „Konformität"  und  es  muß  ferner  an- 
genommen werden,  „daß  die  idealen  Prinzipien  in  der  objektiven  Realität  sich 
wieder  finden".     Die  Denkfunktionen   sind   die  Hilfsmittel,   mit  denen  wir  die 
realen  Beziehungen  der  Erkenntnisobjekte  symbolisch  nachbilden  („Ideal-Realis- 
mus").   Die  Dinge  liefern  selbst  den  Stoff  zum  Denken  (gegen  den  Subjektivis- 
mus).    Zum  „Erkennen"   wird  das  Denken  erst,   wenn  sich  mit  ihm  die  Über- 
zeugung   der   Wirklichkeit    der    Gedankeninhalte"    verbindet;    ursprünglich    id 
das   Denken    eins    mit    seinem    Gegenstande,    diese   Einheit    wird   aber   au 
löst  und  ist  nie  mehr  voll  zu  erreichen.    Es  ist  aber  ein  Postolal  der  „Begreif- 
lichkeit  der  Erfahrung",  daß  alles,   was  Gegenstand  unserer  Erkenntnis  wird, 
sich  in  einem  durchweg  begreiflichen  Zusammenhange  befinde.    Allee  Erkennen 
ist   daher   denkende  Verarbeitung    von  Erfahrungsinhalten,    iowohl 
die    Wahrnehmungs-,     als    die    Verstandes-     und    die    Vermin  Un- 
kenntnis (d.  h.  die  Erkenntnisweise  des  praktischen  Lebens,  der  Einzelwißsen- 


838  Wundt. 

schaft,  der  Philosophie).  Die  logischen  Denkgesetze  sind,  weil  sie  für  jeden 
Erfahrungsinhalt  gelten  müssen  und  diesen  voraussetzen,  zugleich  Erfahrungs- 
gesetze, ihrer  Geltung  nach  aber  a  priori.  Sie  sind  Normen,  Postulate,  die  das 
Denken  an  alle  seine  Inhalte  heranbringt.  Sie  sind  „Anschauungsgesetze",  die 
sich  überall  in  Vorstellungen  verwirklichen  und  durch  diese  ausgelöst  werden, 
und  „Begriffsgesetze",  kurz  sie  sind  die  „allgemeinsten  Gesetze,  die  unser  Denken 
bei  der  Verknüpf ung  der  empirischen  Tatsachen  befolgt".  Das  logische  Denken 
vereinigt  Freiheit  und  Notwendigkeit,  je  nachdem  es  Willensfunktion  und  zu- 
gleich logisch  bedingt  ist.  Wo  wir  nach  in  uns  selbst  gelegenen  Motiven  Be- 
griffe verbinden,  da  bestehen  diese  Motive  nur  in  den  Funktionen  der  Ver- 
gleichung,  die  als  dem  Denken  allgemein  zukommend  und  von  diesem  selbst 
als  die  ihm  notwendigen  Bedingungen  aufgefaßt  werden.  Das  „Prinzip  der 
allgemeinen  Verbindung  unserer  Denkakte"  ist  der  Satz  vom  Grunde,  der 
die  Sätze  der  Identität  und  des  Widerspruchs  voraussetzt.  Er  ist  das  „Grund- 
gesetz der  Abhängigkeit  unserer  Denkakte  voneinander",  kann  sich  aber  erst  an 
einem  empirischen  Inhalte  verwirklichen  und  bedarf  der  Anschauung  zu  seiner 
Anwendung,  ohne  selbst  ein  Erfahrungsprodukt  zu  sein;  vielmehr  bringt  er 
selbst  (als  ein  A  priori)  den  Zusammenhang  der  Erfahrungen  hervor.  Erkennen 
ist  begründendes  Denken,  welches  in  der  Vernunfterkenntnis  zu  umfassendsten 
Zusammenhängen  gelangt. 

Auf  der  Stufe  der  Wahrnehmungserkenntnis  hat  es  das  Denken  ursprüng- 
lich mit  dem  Vorstellungsobjekt  zu  tun,  welches  ein  Objekt  ist,  dem  nur 
die  ihm  in  der  Vorstellung  beigelegten  Merkmale  zukommen,  zu  welchen  Merk- 
malen es  auch  gehört,  Objekt  zu  sein.  Unsere  Vorstellungsinhalte  sind  ur- 
sprünglich zugleich  selbst  das  Objektive;  die  Objektivität  ist  ein  ursprüng- 
liches, nicht  erst  vom  Denken  erzeugtes  Merkmal  des  Gegebenen.  Psycho- 
logisch besteht  die  Wirklichkeit  des  Objekts  darin,  daß  es  „losgelöst  gedacht 
werden  kann  von  den  psychischen  Erlebnissen  des  Vorstellenden,  weil  es  sich 
einer  ganzen  Reihe  aufeinander  folgender  Vorgänge  gegenüber  als  ein  von 
diesen  unabhängiger  Gegenstand  behauptet".  Die  Vorstellungsinhalte  werden 
vom  natürlichen  Bewußtsein  den  (extramentalen)  Gegenständen,  auf  die  wir 
sie  beziehen,  identisch  gesetzt  und  erst  die  Reflexion  unterscheidet  den  Gegen- 
stand von  seinem  subjektiven  Bilde  und  trennt  das  ursprünglich  einheitliche 
Vorstellungsobjekt  in  Objekt  und  Vorstellung.  Subjekt  und  Objekt  entstehen 
gleichzeitig  durch  Aussonderung.  Nur  begrifflich  gehören  beide  zusammen, 
ursprünglich  und  unmittelbar  sind  die  Objekte  ohne  Beziehung  aufs  Ich  ge- 
geben (Kritischer  Realismus;  gegen  den  subjektiven  Idealismus  und  die 
Immanenzphilosophie).  Das  Denken  kann  nimmer  objektive  Realität  aus 
Elementen,  die  solche  noch  nicht  enthalten,  schaffen,  es  kann  sie  nur  bewahren 
oder  in  Frage  stellen.  Infolge  verschiedener  Umstände  erfolgt  nun  eine  Sub- 
jektivierung  zunächst  der  Sinnesqualitäten,  dann  auch  der  Anschauungs- 
formen, des  Raum-Zeitlichen  als  solchen.  Die  Objekte  gleichen  nun  nicht 
mehr  den  Vorstellungen,  sie  verlieren  die  Eigenschaft  der  Vorstellbarkeit,  können 
nur  noch  begrifflich-symbolisch  gedacht  werden,  während  das  Subjekt 
nach  wie  vor  sich  selbst  unmittelbar-anschaulich  erfaßt.    Das  Vorstellungsobjekt 


Wtisdt.  839 

hat  aufgehört,  reales  Subjekt  zu  sein  und  hat  nur  noch  die  Bedeutung  eines  sub- 
jektiven Symbols,  das  auf  einen  realen,  nur  begrifflich-mittelbar  zu  bestimmenden 
Gegenstand  (der  Naturwissenschaft,  Verstandeserkenntnis)  hinweist.  Doch 
stehen  die  Sinnesqualitäten  in  bestimmter  Beziehung  zu  den  sie  auslösen- 
den Reizen,  sie  sind  nicht  rein  subjektiv,  sind  durch  Anpassung  an  jene 
entstanden. 

Die  Anschauungsformen,  Raum  und  Zeit,  trennt  das  Denken  vom 
Inhalt  der  Anschauung,  wegen  der  besonderen  Konstanz  ihrer  allgemeinen 
Eigenschaften  und  wegen  der  unabhängigen  Variation  der  materialen  und 
formalen  Bestandteile  der  Wahrnehmung;  der  Wahrnehmungsstoff  kann  Bich 
verändern,  ohne  daß  die  räumlich-zeitliche  Form  sich  mit  ändert,  dagegen 
wird  jede  Veränderung  der  Form  von  einer  Veränderung  des  Stoffes  (der 
Empfindungen)  begleitet.  Auf  der  Konstanz  der  Anschauungsformen  beruht 
ihre  Allgemeingültigkeit  und  Notwendigkeit  wie  ihre  Objektivität.  A  priori 
sind  sie  nur,  sofern  kein  Inhalt  ohne  räumlich-zeitliche  Ordnung  denkbar 
und  das  Spezifische  an  ihnen  unableitbar  ist;  das  eigentliche  A  priori  dieser 
Formen  hegt  in  Denkfunktionen,  die  zu  ihrer  Sonderung  nötigen.  Sie  ent- 
stehen aber  weder  vor  noch  unabhängig  von  der  Wahrnehmung,  sondern  zu- 
gleich mit  ihr  als  Ordnung  des  Wahrnehmungsinhalts  selbst.  Auch  sind  rie 
nicht  bloß  „reine  Anschauungen",  sondern  zugleich  Begriffe.  Die  Zeit 
ist  die  ..Form,  in  der  uns  der  Zusammenhang  der  Bewußtseins vorga ni:-- 
gegeben  ist".  Psychologisch  ist  die  Vorstellung  der  Zeitdauer  eine  Funktion 
der  Größe  und  des  Wechsels  der  Aufmerksamkeitsspannung;  die  Zeit 
selbst  ist  psychologisch  ein  Verschmelzungsprodukt  von  qualitativen  und 
intensiven  Zeitzeichen.  Die  Raumvorstellnng  beruht  auf  der  Verschmelzung 
von  Empfindungsqualitäten,  qualitativen  Lokalzeichen  und  Bewegungsemptin- 
dungen.  Raum  und  Zeit  sind  als  Vorstellungen  subjektiv,  weisen  aber  auf 
begrifflich  bestimmbare  Ordnungen  des  Wirklichen  selbst  hin,  sind  also  objektiv 
bedingt.  Anwendungen  des  Satzes  vom  Grunde  auf  mathematische  Funda- 
men talbegriffe  sind  die  mathematischen  Axiome.  Die  Notwendigkeit  der 
mathematischen  Sätze  ergibt  sich  daraus,  daß  das  Denken  an  den  formalen 
Bestandteilen  der  Dinge  am  unmittelbarsten  und  einfachsten  sich  zu  betätigen 
vermag. 

Es  gibt  nach  W.  weder  reine  Erfahrung,  noch  reines  Denken.  I 
A  priori  der  Erkenntnis  liegt  nicht  in  bestimmten  Formen,  die  wir  durch 
reines  Denken  erzeugen,  sondern  in  der  allgemeinen  Gesetzmäßigkeil  da 
Denkens,  welches  in  Wechselwirkung  mit  der  Erfahrung  zur  Erkenntnis  wird 
In  uns  liegen  lediglich  die  „allgemeinen  Funktionen  des  logischen  Denken--. 
und  alle  Begriffe  sind  „gemeinsame  Erzeugnis ■  des  Denkens  und  der  Kitaln-iimr  . 
Die  logische  Verarbeitung  des  Erfahrungsinnalts  beginnt  mit  „Erfahrung 
griffen",  führt  dann  zu  „allgemeinsten  Begriffaklasser  I 

schafts-  und  Zustandsbegriffe,  die  logischen  Kategorien)   und   endlich  au 
strakten  Beziehungsbegriffen".     Die  reinen  Beziehungs-  oder  Verstände  s- 
begriffe   haben  Beziehungen  des   logischen   Denke,,-   selbel  nun  Inhalt.     St< 
sind     nicht     rein     apriorische    Kategorien,    sondern    die    „letzten    Stuten    jener 


840  WüNDT. 

logischen  Verarbeitung  des  Wahrnehmungsinhalts,  die  mit  den  empirischen 
Einzelbegriffen  begonnen  hat".  Aber  sie  sind  insofern  a  priori,  als  sie  in  der 
Gesetzmäßigkeit  und  Einheit  des  Denkens  vorgebildet  sind.  Sie  zerfallen  in 
„ reine  Formbegriffe"  (Einheit  und  Mannigfaltigkeit,  Qualität  und  Quantität, 
das  Einfache  und  Zusammengesetzte,  das  Einzelne  und  die  Vielheit,  Zahl, 
Funktion)  und  „reine  Wirklichkeitsbegriffe"  (Sein  und  Werden,  Substanz  und 
Kausalität,  Ursache  und  Wirkung,  Kraft,  Zweck). 

Die  Einheit  des  Bewußtseins  ist  die  letzte  Quelle  der  Einheitsvorstellung 
der  Dinge.  Die  Substanz,  die  Projektion  des  eigenen  Seins  auf  die  Welt  der 
Objekte,  setzt  aber  schon  eine  logische  Verarbeitung  der  Erfahrung  voraus, 
bei  welcher  die  Einfachheit,  Tätigkeit  und  Beharrlichkeit  des  apperzipierenden 
Ichs  zu  absoluten  Bestimmungen  der  Dinge  werden.  Einen  brauchbaren  Sub- 
stanzbegriff entwickeln  nur  die  Naturwissenschaften.  Die  Substanz  ist  hier 
notwendig,  die  Aufgabe,  die  Natur  als  ein  System  beharrender  Substanzelemente 
zu  begreifen,  ist  in  den  Bedingungen  der  Naturerkenntnis  eingeschlossen.  Da 
aber  stets  ein  Wechsel  in  den  Annahmen  der  Eigenschaften  der  materiellen 
Substanz  denkbar  ist,  so  behält  diese  insofern  einen  hypothetischen  Charakter. 
Hingegen  ist  die  innere  Kausalität  des  geistigen  Lebens  mit  dem  unveränder- 
lichen Beharren  einer  Substanz  überhaupt  nicht  vereinbar.  Die  Substanz  ist 
die  Form,  unter  der  unser  Denken  unter  dem  Antriebe  von  Erfahrungs- 
motiven  die  ihm  gegebenen  Objekte,  nicht  aber  sich  selbst,  die  Quelle 
des  Substanzbegriffes,  apperzipiert.  Die  Substanz  ist  nicht  ,,Ding  an 
sich"  wie  das  Subjekt,  sondern  das  Ding,  wie  es  von  uns  gedacht  wird; 
sie  hat  also  „objektive  Kealität".  Die  „Kraft"  ist  die  an  die  Substanz 
gebundene  Kausalität,  die  in  der  Naturwissenschaft  zu  einem  bloßen  Re- 
lation sbegriff  wird.  Die  Materie  wird  hier  als  das  System  der  Ausgangs- 
und Angriffspunkte  der  Kräfte  und  als  allgemeiner  Träger  der  Energie  gedacht 
(gegen  die  reine  Energetik).  Das  Kausalprinzip  selbst  stellt  die  Anwendung 
des  Satzes  vom  Grunde  auf  den  Erfahrungsinhalt  dar.  Es  ist  apriorisch,, 
sofern  es  auf  der  Gesetzmäßigkeit  des  Denkens  beruht,  empirisch  (ein  „Er- 
fahrungsgesetz"), sofern  es  Anschauungen  voraussetzt,  auf  die  es  anwendbar  ist 
und  sofern  es  für  alle  Erfahrung  gilt.  Es  hat  den  Charakter  eines  Postulates, 
dem  sich  die  Erfahrung  überall  fügt.  Je  nach  der  Art  der  Erfahrung  ist  die 
Kausalität  verschieden;  in  der  Naturwissenschaft  allein  ist  das  Prinzip  der 
Äquivalenz  von  Ursache  und  Wirkung  gefordert,  während  in  der  Psychologie 
die  aktuelle  Kausalität  (Ursachen-Vorgänge,  nicht  Substanzen)  rein  waltet  und 
mit  einem  Gesetz  des  Wachstums  geistiger  Energie  verbunden  ist.  Der  Zweck- 
be griff  ist  kein  Widerspruch  zur  Kausalität,  sondern  das  aktuelle,  subjektive, 
heuristische  Zweckprinzip  ist  nichts  als  das  regressive  Kausalprinzip  (Voraus- 
nahme der  Wirkung  als  zu  erreichender  Zweck  und  Aufsuchung  der  Be- 
dingungen als  Mittel  zur  Herbeiführung  dieses  Zweckes;  vgl.  Kant).  Ob- 
jektiv ist  der  Zweck  überall,  wo  Leben,  Wollen,  Handeln  besteht,  also  schon 
in  der  Biologie,  besonders  aber  in  den  Geisteswissenschaften,  wo  die  Zweck- 
vorstellung zur  Ursache,  die  durch  den  Willen  realisiert  wird,  sich  gestaltet 
(s.  unten). 


Wündt.  841 

Die  Metaphysik  geht  auf  die  Ergänzung  der  empirischen  Wirklichkeit 
durch  Aufsteigen  zu  Gründen,  die  nicht  gegeben  sind,  so,  „daß  sie  die  in  der 
Erfahrung  begonnene  Verbindung  nach  Grund  und  Folge  konsequent  und 
in  gleicher  Richtung  weiter  führt,  bis  die  Einheit  gewonnen  ist,  welche  es  uns 
möglich  macht,  die  ganze  Reihe  samt  den  Gliedern,  welche  der  Erfahrung  an- 
gehören, als  ein  Ganzes  zu  denken".  Ihre  Erkenntnis  ist  die  der  Vernunft, 
welche  die  Welt  nicht  bloß  begreifen,  sondern  ergründen  will,  indem  sie  die 
Erfahrung  in  idealer  Weise  ergänzt  und  Ideen  erzeugt,  die  „alle  Erfahrung 
umspannen  und  doch  keiner  Erfahrung  angehören"  (Fortgang  zum  Trans- 
zendenten). Die  Ideen  sind  „ergänzende  Gesichtspunkte  zur  Erfahrung".  Die 
Vernunft  erzeugt  in  ihrem  Einheitstrieb  drei  Arten  metaphysischer  Ideen: 
ontologische,  kosmologische  und  psychologische  Ideen,  die  alle  einen  Regreß 
zur  unendlichen  Totalität  und  zur  unteilbaren  Einheit  einschließen. 

Die  kosmologischen  Ideen  sind  die  Ideen  des  unendlichen  Raumes, 
der  unendlichen  Zeit,  der  unbegrenzten  Materie,  der  unaufhörlichen  Kausalität. 
Hier  gibt  W.  eine  Kritik  der  Kantschen  Antinomienlehre  und  kommt  zu  dem 
Ergebnis,  daß  die  Welt  ein  unendlich  Werdendes  ist,  und  daß  Raum  und  Zeit 
unendlich  sind  (vielleicht  auch  die  Materie).  Die  psychologischen  Ideen 
führen  zur  Bestimmung  der  Seele  als  „vorstellender  Wille".  Wir  leiden  von 
den  Vorstell imgen,  indem  sie  uns  ohne  unsere  eigene  Tätigkeit  gegeben  werden ; 
und  wir  selbst  sind  vorstellend  tätig,  indem  wir  uns  bewußt  sind,  Vorstellungen 
oder  Änderungen  an  solchen  zu  erzeugen.  Unserer  Tätigkeit  werden  wir  uns 
an  den  Widerständen,  die  sie  findet,  bewußt.  Diese  Tätigkeit  nun,  isoliert  ge- 
dacht von  den  sie  hemmenden  Objekten,  ist  Wollen,  bzw.  Apperzeption  in 
ihrer  reinen  Form  (als  Bedingung  aller  Erfahrung).  Der  „reine  Wille"  ist 
immerwährende  Tätigkeit  und  ist  eins  mit  der  Seele  in  deren  metaphysischen 
Bestimmung.  Der  Einzelwille  aber  ist  nichts  absolut  Selbständiges,  er  ist  keine 
abgeschlossene  Monade,  sondern  Glied  einer  Willensgemeinschaf  t,  mit  der 
er  in  Wechselwirkung  steht,  und  die  so  real  ist  wie  er.  Insbesondere  sind  alle 
Wirkungen  des  Gesamtwillens  ungleich  mächtiger  als  die  des  Individual- 
willens. 

Die  ontologischen  Ideen  gehen  davon  aus,  daß  das  Objekt  aus  einem 
unmittelbar  Gegebenen  durch  begriffliche  Verarbeitung  zu  einem  bloß  mittelbar 
Wirklichen,  zu  etwas,  was  nur  infolge  seiner  Wirkung  aui  unsere  vorstellende 
Tätigkeit  als  Objekt  gedacht  werden  kann,  geworden  ist.  Insofern  unser  Wille 
Wirkungen  erfährt,  leidet  er,  indem  ihn  dieses  Leiden  zur  vorstellenden  Tätig- 
keit anregt,  wird  er  aktiv.  Alle  Tätigkeit  kennen  wir  aber  qualitativ  nur  als 
unsere  Willenstätigkeit  und  dies  führt  zum  metaphysischen  Voluntarismus. 
„Sollen  wir  .  .  .  nicht  absolut  imaginäre  Tätigkeitsformen  annehmen,  die  sich 
in  unserem  Denken  doch  immer  wieder  in  ein  Wollen  umsetzen  müilt. 
können  wir  unser  eigenes  Erleiden  überall  nur  aui  ein  fremdes  Wollen, 
und  demnach  jenes  Wechselverhältnis  vod  Tun  und  Leiden,  das  jeder  vor- 
stellenden Tätigkeit  zugrunde  liegt,  aui  eine  Wechselwirkung  verschiedener 
Willen    zurückführen,    wobei    die   Wirkung    jedes    Willem    für    Bich    reines 


842  Wundt. 

Wollen  ist,  durch  die  Wechselwirkungen  aber  zum  wirklichen  oder  vor- 
stellenden Wollen  wird."  Es  zeigt  sich  so,  daß  das  eigenste  Sein  des 
einzelnen  Wesens  das  Wollen  ist,  und  daß  die  Vorstellung  „erst  aus  der  Ver- 
bindung der  wollenden  Subjekte  oder  aus  dem  Konflikt  der  verschiedenen 
Willenseinheiten  ihren  Ursprung  nimmt,  worauf  sie  dann  zugleich  das  Mittel 
wird,  das  höhere  Willenseinheiten  entstehen  läßt".  Die  Eealität  ist  an  sich 
eine  „unendliche  Totalität  individueller  Willenseinheiten".  Die  Welt  ist  eine 
Stufenfolge  von  Willenseinheiten,  die  aber  nicht  Substanzen,  sondern 
reine  Tätigkeit  sind.  Die  Welt  ist  „die  Gesamtheit  der  Willenstätigkeiten,  die 
durch  ihre  Wechselbestimmung,  die  vorstellende  Tätigkeit,  in  eine  Entwicklungs- 
reihe von  Willenseinheiten  verschiedenen  Umfangs  sich  ordnen".  Aber  unser 
Wille  ist  nur  ein  relativer  Individualwille,  er  ist  bereits  ein  Gesamtwille,  eine 
komplexe  Willenseinheit,  ein  Entwicklungsprodukt  niederer  Willenseinheiten, 
deren  Wechselwirkung  äußerlich  als  unser  Körper  erscheint.  Die  Seele  ist 
unser  „vorstellende  Wille".  Alle  Körper  sind  Objektivationen  von  Willensein- 
heiten, und  diese  sind  „nicht  tätige  Substanzen",  sondern  substanzer - 
zeugende  Tätigkeiten"  (Aktualismusj. 

Die  Vielheit  der  Einzelwillen  ist  aber  nicht  ohne  Totalität  denkbar,  als 
deren  Teilkräfte  und  dienende  Glieder  sie  erscheinen.  Die  Vernunfterkenntnis 
führt  zur  Überzeugung,  daß  „der  kosmische  Mechanismus  nur  die  äußere  Hülle 
ist,  hinter  der  sich  ein  geistiges  Wirken  und  Schaffen,  ein  Streben,  Fühlen 
und  Empfinden  verbirgt ,  dem  gleichend ,  das  wir  in  uns  selber  erleben"  (Pan- 
psychismus,  der  aber  nicht  in  hylozoistischer  Weise  empirisch-einzel wissen- 
schaftlich verwendet  werden  darf).  Die  Welt  ist  an  sich  psychische  Entwicklung. 
Die  Natur  ist  „Vorstufe  des  Geistes,  also  in  ihrem  eigenen  Sein  Selbstent- 
wicklung des  Geistes",  in  ihr  ist  das  Geistige  schon  angelegt.  Die  letzte  onto- 
logische  Ideeist  die  des  göttlichenWeltgrundes,  der  freiüch  nicht  „beweis- 
bar" ist,  aber  vorausgesetzt  werden  muß.  Die  Welt  ist  eine  Entfaltung  der 
Gottheit,  ist  in  Gott,  wie  Gott  in  ihr  ist.  Denn  der  Weltgrund  kann  nicht 
völlig  losgelöst  vom  Weltinhalt  gedacht  werden.  „Wie  vielmehr  überall  der 
Grund  in  der  Folge  nur  dadurch  wirksam  ist,  daß  er  selbst  in  sie  eingeht,  so 
ist  auch  die  Gottesidee  nur  durchführbar,  wenn  Gott  als  Weltwille,  die  Welt- 
en twicklung  als  Entfaltung  des  göttlichen  Willens  und  Wirkens  gedacht  wird." 
Damit  geht  die  Gottesidee  über  in  die  „Idee  eines  höchsten  Weltwillens,  an 
dem  die  Einzelwillen  teilnehmen  und  neben  dem  ihnen  doch  eine  eigene,  selb- 
ständige Wirkungssphäre  zukommt".  Durch  die  Idee  der  Unendlichkeit  Gottes 
wandelt  sich  das  sittliche  Ideal  in  eine  übersittliche  Idee  um,  die  als  der  letzte 
Grund  des  Sittlichen  gedacht  wird.  Gott  wird  dann  zum  „Übergeistigen",  zum 
absolut  Transzendenten,  zur  „transzendenten  Einheit  von  Natur  und  Geist". 
Betreffs  der  Unsterblichkeit  müssen  alle  egoistischen  Motive  zur  Annahme 
einer  persönlichen  Unsterblichkeit  abgelehnt  werden;  Mit  Eecht  wird  nur  ge- 
fordert, daß  alle  geistigen  Schöpfungen  einen  absoluten,  unzerstörbaren  Wert 
besitzen  und  daß  jede  geistige  Kraft  ihren  unvergänglichen  Wert  im  Werde- 
prozeß des  Geistes  behauptet. 


Wundt.  &43 

Die  Einzelheiten  der  Naturphilosophie  W.s  können  hier  nicht  dargelegt 
werden.  Es  sei  nur  bemerkt,  daß  W.  als  Physiker  Anhänger  einer  dynamischen 
Atomistik  und  der  Bestimmung  der  Kräfte  als  Zentralkräfte,  also  der  mecha- 
nistischen Xaturerklärung  ist.  Alle  objektiven  Relationen  der  Körper  als  solche 
sind  auf  raum-zeitliche  Veränderungen,  auf  Bewegungen  zurückzuführen,  ohne 
daß  die  Physik  sich  um  das  qualitative  Innensein  der  Dinge  zu  kümmern 
braucht.  Wohl  muß  die  Metaphysik  schon  dem  Unorganischen  die  Anlage 
zum  Psychischen,  den  niedersten  Wesen  schon  ein  „Momentanbewußtsein"  zu- 
erkennen, aber  vom  Standpunkt  der  äußern  Erfahrung  ist  stets  nur  von  raum- 
zeitlichen, kinetisch-energetischen  Relationen  die  Rede.  Die  physikalisch-che- 
mische, kausal-mechanische  Betrachtungsweise  muß  auch  in  der  Biologie 
konsequent  festgehalten  werden,  vitalistische  Annahmen  sind  hier  ganz  unzu- 
lässig. Wohl  aber  kann  und  muß  die  physikalisch-chemische  nicht  bloß  durch 
die  physiologische,  sondern  auch  durch  die  psycho-physische  ergänzt 
werden.  Die  Wurzel  alles  Seelischen,  der  Trieb  (das  Streben)  kommt  schon 
den  niedersten  Organismen  zu.  Der  Trieb  mechanisiert  sich  einerseits  zum 
Reflex,  anderseits  differenziert  er  sich  zum  aktiven  Willen.  Der  Wille  im 
allgemeinsten  Sinne  nimmt  alle  Lebensfunktionen  direkt  oder  indirekt  in  seine 
Dienste,  wirkt  im  Organismus  final,  zweckmäßig.  Er  ist  der  „Erzeuger  objek- 
tiver Xaturzwecke".  Er  schafft  sich  im  Organismus  das  Hilfsmittel  zur  Ver- 
wirklichung seiner  Zwecke,  das  Substrat  seiner  eigenen  Weiterentwicklung. 
Alle  Entwicklung  wird  vom  Willen  (Streben)  beherrscht;  die  Selektion  kann 
Zweckmäßiges  erhalten,  aber  nicht  schaffen.  Die  Willenstriebe  sind  das  primum 
movens,  sie  bringen,  durch  äußere  Bedingungen  veranlaßt,  Modifikationen  der 
Lebensweise  hervor,  die  sich  durch  Wiederkehr  der  nämlichen  Bedingungen, 
Übung,  Vererbung  befestigen.  Aber  die  „Zielstrebigkeit"  darf  nicht  mißver- 
standen werden,  die  schließlich  erreichten  Zwecke  sind  nicht  gleich  von  An  hin- 
an erstrebt  oder  gar  gewußt.  Der  objektiv  erreichte  Zweck  überschreitet  regel- 
mäßig das  ihm  vorausgehende  Zweckmotiv.  In  den  Wirkungen  von  Willens- 
akten  sind  stets  noch  Nebeneffekte  gegeben,  „die  in  den  vorausgehenden  Zweck- 
vorstellungen nicht  mitgedacht  waren,  die  aber  gleichwohl  in  neue  Motivreihen 
eingehen  und  auf  diese  Weise  entweder  die  bisherigen  Zwecke  umändern  oder 
neue  zu  ihnen  hinzufügen"  (Heterogonie  der  Zwecke).  So  wird  mit  einem 
Minimum  von  „Finalität"  (die,  in  anderer  Betrachtungsweise,  zugleich  Kausali- 
tät ist)  ein  Maximum  von  Zweckmäßigkeit  erreicht  (immanente  Teleol 
Daß  die  Tiere  als  „natürliche  Maschinen"  funktionieren,  ist  das  Produkl  einet 
langen  Entwicklung,  wobei  die  Mechanisierung  ursprünglich  mit  Bewußt»  in 
vollzogener  Willenshandlungen  eine  große  Rolle  spielt 

Im  eigentlichen  Geistesleben  nimmt  der  Wille  immer  komplizierten 
Formen  an,  er  wird  immer  aktiver,  zweckbewußter,  das  Bewußtsein  St- 
immer mehr,  die  Kontinuität  der  psychischen  Vorgänge  nimmt  m.  Im  indivi- 
duellen Organismus  sind  die  niederen  Bewufitseinseinheiten  des  Leibes  einem 
„Zentralbewußtsein"  untergeordnet,  welches  aus  ihrer  Wechselwirkung  entsteht 
und  mit  Selbstbewußtsein  verbunden  ist.  Da-  höhere  Geistesleben  ist  durch 
die  aktive  Apperzeption  und  durch  das  Eusammengesetste  Wollen  charakteri 


844  Wundt. 

Zwecksetzimg  und  Wertung  sind  hier  von  Bedeutung.  Der  Inhalt  der  Geist es- 
wissenschaften  besteht  in  den  aus  unmittelbaren  menschlichen  Erlebnissen 
hervorgehenden  Handlungen  und  ihren  Wirkungen;  sie  handeln  von  geistigen 
Vorgängen  und  geistigen  Erzeugnissen.  Die  drei  heuristischen  Prinzipien  der 
Geisteswissenschaften  sind  das  „Prinzip  der  subjektiven  Beurteilung",  das 
„Prinzip  der  Abhängigkeit  von  der  geistigen  Umgebung",  das  „Prinzip  der 
Naturbedingtheit  der  geistigen  Vorgänge".  —  Die  einzelnen  Geister  sind  Glieder 
eines  umfassenderen,  ebenso  realen  Gesamtgeistes,  mit  dem  sie  in  Wechsel- 
wirkung stehen  und  dessen  Erzeugnisse  (Kecht ,  Sitte  usw.)  ihnen  als  selbständige 
Mächte  entgegentreten.  Die  Gemeinschaft  der  Einzelnen  ist  so  ursprünglich  wie 
der  Einzelne  selbst,  der  sich  erst  aus  einem  Zustande  sozialer  Indifferenz  heraus 
individualisiert,  während  das  Sozialisierende  in  der  Gleichartigkeit  der  Eichtung 
der  Willenseinheiten  liegt.  Die  Gesellschaft  ist  ein  „kollektiver  Organismus" 
psychischer  Art,  eine  Organisation,  mit  ursprünglicher  Übereinstimmung  der 
Vorstellungen,  Gefühle  und  Willensrichtungen.  Sie  wird  zu  einer  „Gesamt- 
persönlichkeit", nur  daß  Selbstbewußtsein  und  Wille  auf  zahlreiche  Persönlich- 
keiten verteilt  sind.  Die  sozialen  Entwicklungsgesetze  sind  Besonderungen 
psychologischer  Gesetze.  In  den  „abwechselnden  Evolutionen  sozialer  Triebe 
zu  willkürlichen  Gesellschaftsakten  und  den  an  sie  sich  anschließenden  Invo- 
lutionen willkürlicher  Handlungen  einzelner  zu  sozialen  Trieben"  bekunden 
sich  allgemeine  Gesetze  der  Willensentwicklung.  Die  Soziologie  hat  zum 
Inhalt  „die  systematische  Untersuchung  der  Zustände  und  Gliederungen  der 
menschlichen  Gesellschaft,  ihrer  allgemeinen  Bedingungen  und  wechselseitigen 
Beziehungen".  —  Die  Geschichtswissenschaft  hat  es  nicht  mit  besonderen 
historischen  Gesetzen,  sondern  mit  den  inneren  Zusammenhängen  der  historischen 
Entwicklung  zu  tun,  die  Rolle  der  führenden  Geister  (in  Wechselwirkung  mit 
dem  Gesamtgeist)  ist  eine  bedeutsame.  In  der  Geschichte  walten  psychische 
Kräfte  (Willensmotive,  Willensakte)  und  die  historischen  Gesetze  sind  Anwen- 
dungen der  psychologischen  Prinzipien,  besonders  des  Prinzips  der  „Entwick- 
lung in  Gegensätzen".  Die  Bedeutung  der  geschichtlichen  Tatsachen  ist  nur 
nach  ihrem  objektiven  Wert  zu  bemessen,  der  ihnen  als  Lebensäußerungen  der 
sie  hervorbringenden  Volksgeister  zukommt. 

Die  Ethik  W.s  ist  idealistisch,  evolutionistisch,  universalistisch  („evolutio- 
nistischer  Universalismus").  Sie  ist  deskriptiv-genetisch  und  zugleich  kritisch- 
normativ. Ihre  Aufgabe  besteht  in  der  „Feststellung  der  Prinzipien,  auf  welche 
die  sittlichen  Tatsachen  zurückgeführt,  oder  als  deren  besondere,  durch  das 
Zusammentreffen  mit  gewissen  äußeren  Bedingungen  bestimmte  Anwendungen 
sie  betrachtet  werden  können".  Sie  hat  erstens  auf  der  gegebenen  Grundlage 
die  Prinzipien  zu  entwickeln,  auf  welchen  alle  sittlichen  Werturteile  beruhen 
und  dieselben  in  bezug  auf  ihren  Ursprung  und  ihren  wechselseitigen  Zu- 
sammenhang zu  prüfen,  ferner  hat  sie  die  Anwendungen  der  ethischen  Prin- 
zipien auf  die  Hauptgebiete  des  sittlichen  Lebens  zu  betrachten.  Die  Sitte 
der  Urzeit  (d.  h.  die  „Norm  des  willkürlichen  Handelns,  die  in  einer  Volks- 
oder Stammesgemeinschaft  sich  ausgebildet  hat"  und  die  vielfach  religiöse  Vor- 
stellungen  zur  Quelle   hat)  differenziert  sich  in  eigentliche  Sitte,  Sittlichkeit, 


Wuxdt.  845 

Eecht.  Wie  die  Sitte  ist  die  Sittlichkeit  ein  Produkt  des  Gesamtwillens, 
für  dessen  Entwicklung  die  „Heterogonie  der  Zwecke"  bedeutsam  ist.  Ehr- 
furchts-  und  Neigungsgefühle  sind  die  psychologischen  Grundraotive  der  sub- 
jektiven Sittlichkeit.  Den  individuellen  sind  die  sozialen,  diesen  die  humanen 
Zwecke  übergeordnet.  Der  letzte  Zweck  des  sittlichen  Strebens  wird  zu  einem 
idealen,  empirisch  nie  erreichten.  Der  nächste  Zweck  der  humanen  Sittlich- 
keit aber  ist  die  „fortschreitende  sittliche  Vervollkommnung  der  Menschheit". 
Der  sittliche  Endzweck  ist  die  „Herstellung  einer  allgemeinen  Willensge- 
meinschaft der  Menschheit,  als  der  Grundlage  für  die  möglichst  große 
Entfaltung  menschlicher  Geisteskräfte".  Es  kommt  nicht  auf  die  äußeren  Er- 
folge an,  auch  sind  eudämonistische  Zwecke  (Erreichung  von  Lust)  nicht 
sittliche  Zwecke;  auch  der  Altruismus  ist  nicht  Selbstzweck.  Es  kommt  viel- 
mehr auf  den  Willen  zur  Erzeugung  geistiger  Werte,  zur  Vervollkommnung 
der  Menschheit,  zur  Realisierung  ihrer  (und  der  sozialen)  Zwecke  an,  also  auf 
ein  dem  Gesamtwillen  gemäßes  Wollen  und  Handeln:  „Sittlich  ist  der 
Wille  dem  Effekt  nach,  solange  sein  Handeln  dem  Gesamtwillen  konform  ist, 
der  Gesinnung  nach,  solange  die  Motive,  die  ihn  bestimmen,  mit  den  Zwecken 
des  Gesamtwillens  übereinstimmen."  Das  Sittliche  besteht  in  der  geistigen, 
und  Willens- Entwicklung  selbst,  wobei  das  Glück  nur  ein  Neben  erfolg  ist. 
Sittlich  ist,  objektiv,  jede  Handlung,  die  an  der  Entfaltung  geistiger  Kräfte 
und  an  der  Vergeistigung  der  Natur  durch  ihre  Umwandlung  in  ein  „Substrat 
geistiger  Kräfte"  mithilft  (vgl.  Schleiermacher).  „Güter  rein  um  ihrer  selbst, 
nicht  um  äußerer  fremdartiger  Zwecke  willen  erstreben  und  zu  ihrer  Einü- 
bung mithelfen,  ist  sittliches  Leben."  Die  richtige  Gesinnung  äußert  sich 
in  der  Hingabe  an  die  Pflicht.  Dem  sittlichen  Zwecke  dient  auch  das  Recht 
des  Kulturstaates. 

Der  ästhetische  Wert  beruht  auf  objektiven  Bedingungen.  Das  ästhe- 
tisch Gefallende  ist  die  „vollkommene  Angemessenheit  der  Form  an  den  Inhalt-. 
Gegenstand  der  künstlerischen  Darstellung  ist  die  „ideale  Wirklichkeit",  der 
„bedeutsame  Lebensinhalt".  Aufgabe  der  Kunst  ist  es,  die  Wirklichkeit  in  da 
Fülle  ihrer  bedeutsamen  Formen  in  die  Sphäre  reiner  Betrachtung  zu  heben. 
Die  künstlerische  Phantasie  belebt  ihre  Gegenstände,  während  sie  Hfl 
schafft. 

W.  zählt  eine  große  Anzahl  von  Anhängern,  besonders  unter  den  experi- 
mentellen Psychologen  (vielfach  auch  in  Amerika),  aber  auch  eine  Reihe  von 
Philosophen  ist  von  ihm  mehr  oder  weniger  beeinflußt  Hierher  gehören 
Külpe  (teilweise  als  Psycholog,  nicht  als  Philosoph),  Menmann  (teflwi 
J.  Cohn  (als  Psycholog),  Kiesow,  Wirth,  Störring,  Brahn,  Titchoner, 
L.  Lange,  Marbe,  Th.  Heller,  Jerusalem  (zum  Teil  ilfl  Psycho! 
Krüger,    G.  F.  Lipps,    Hellpach,    Frit/  I.    König,    Wenzig, 

R.   Richter,    P.  Barth,  Rud.  Eisler,   A.  Sichler.   <;.   Villa,  Oredaro, 
Mantovani,  de  Sarlo,  E.  Pauer,  1».  Alexander.  Kozlowski  u.  a. 

Schriften:  Die  Lehre  von  der  Muskelbewegung,  1858.  —  Btitflgt  zur  Thoorio 
der  Sinneswahrnehmung,  1862.  —  Dio  physikal.  Axiome,  1866.  —  Lehrb.d.  Physiologe.  lSf.j  ; 
4.  A.   1878.   —  Vorles.  über  d.  Menschen-  u.  Tierseele,  1863;  5.  A.   1911.  —  llandbu.-h 


846  Wuxdt  —  Wyneken. 


der  medizin.  Physik,  1867.  —  Untersuch,  zur  Mechanik  der  Nerven  und  Nervenzentren, 
1871—76.  —  Grundzüge  der  physiolog.  Psychologie,  1873  f.;  5.  A.,  3  Bde.,  1902  ff.;  6.  A. 
1908  ff.  —  Über  d.  Aufgabe  d.  Philos.  in  d.  Gegenwart,  1874.  —  Der  Einfluß 
d.  Philos.  auf  d.  Erfahrungswissenschaften,  1876.  —  Logik,  1880 — 83;  3.  A., 
3  Bde.,  1906—08.  —  Essays,  1885;  2.  A.  1906.  —  Ethik,  1886;  3.  A.,  2  Bde., 
1903.  —  Zur  Moral  der  literar.  Kritik,  1887.  —  System  d.  Philos.,  1889;  3.  A., 
2  Bde.,  1907.  —  Hypnotismus  u.  Suggestion,  1892.  —  Grundriß  d.  Psychologie, 
1896;  9.  A.  1909.  —  Völkerpsychologie,  bisher  5  Bde.,  1.  u.  2.  A.,  1900  ff. 
(Sprache,  Kunst,  Mythus  u.  Beligion).  —  G.  Th.  Fechner,  1901.  —  Sprachgeschichte 
u.  Sprachpsychol. ,  1901.  —  Einleit.  in  d.  Psychologie,  1901;  5.  A.  1909.  — 
Naturwissenschaft  u.  Psychologie,  1903.  —  Prinzipien  der  mechan.  Naturlehre,  (2.  A. 
von  „Die  physik.  Axiome"),  1910.  —  Kleine  Schriften,  1910.  —  Probleme  der  Völker- 
psychologie, 1911.  —  Von  W.s  größeren  Abhandlungen  sind  zu  nennen:  Über  psychol. 
Methoden  (Philos.  Stud.  I).  —  Zur  Gesch.  u.  Theorie  d.  abstrakten  Begriffe  (Philos. 
Stud.  II).  —  Logische  Streitfragen  (Viertel jahrsschr.  f.  wiss.  Philos.,  1882).  —  Über 
d.  Einteil.  d.  Wissensch.  (Ph.  Stud.  V,  1889).  —  Zur  Lehre  von  den  Gemütsbew- 
(Ph.  Stud.  VI).  —  Bemerk,  zur  Assoziationslehre  (Ph.  Stud.  VII).  —  Bemerk,  zur 
Theorie  d.  Gefühle  (Ph.  St.  XV).  —  Über  psychische  Kausalität  u.  d.  Prinzip  d. 
psychophys.  Parallelismus  (Ph.  Stud.  X,  1894).  —  Über  die  Definition  der  Psychologie 
(Ph.  St.  XU).  —  Über  naiven  u.  krit.  Eealismus  (Ph.  St.  XII— XIII,  1896—97). 
—  Über  empir.  u.  metaphys.  Psychol.  (Arch.  f.  d.  ges.  Psychol.  II,  1902).  — 
Über  reine  u.  angewandte  Psychol.  (Psychol.  Stud.  V,  1909).  —  Logik  u.  Psychologie 
(1907).  —  Metaphysik  (Kultur  d.  Gegenwart  I,  VI,  1907),  u.  a.  —  Vgl.  KÖNIG, 
W.  als  Psycholog  u.  als  Philosoph,  3.  A.  1909.  —  ElSLER,  W.s  Philos.  u. 
Psychologie,  1902.  —  SKRIBANOWITZ,  W.s  Voluntarismus,  1906.  —  HEINZEL- 
MANN,  Der  Begriff  der  Seele  u.  d.  Idee  d.  Unsterbl.  bei  W.  Wundt,  1910.  — 
O.  CONRAD,  Die  Ethik  W.s,  1906.  —  P.  PETERSEN,  Der  Entwicklungsgedanke  in  d. 
Philos.  W.s,  1908.  —  SlCHLER,  Über  falsche  Interpretat.  d.  krit.  Realismus  W.s, 
Arch.  f.  system.  Philos.,  1907,  1908,  1911.  —  Festschrift,  W.  Wundt  z.  70.  Ge- 
burtstag überreicht  von  s.  Schülern,  2.  Bde.,  1902  (=  Philos.  Stud.  XIX — XX). 

Wyck,  B.  H.  C.  K.  van  der,  Prof.  in  Utrecht.  =  Vertritt  einen  idea- 
listischen Monismus,  wonach  das  Physische  die  Erscheinung  des  Psychischen 
ist  (vgl.  Fechner  u.  a.). 

Schriften  (holländisch):  Zielkunde,  1872.  —  Ursprung  und  Grenzen  der  Er- 
kenntnis, 1863  (1890),  u.  a. 

Wyneken,  Ernst  Friedrich,  geb.  1840  in  Bützfleth  bei  Stade,  evang. 
Pfarrer  in  Edesheim  (Hannover) ,  gest.  1905  in  Edesheim.  =  W.  ist  von  Lotze 
und  Waitz  beeinflußt  und  lehrt  die  Existenz  von  „Dynamomonaden".  Das 
Ding  an  sich  ist  uns  in  unserer  unteilbaren  Seele  unmittelbar  gegeben,  und  als 
Seele  ist  es  auch  die  Grundlage  der  übrigen  Dinge.  Die  Dinge  an  sich 
sind  Monaden,  seelische  Kräfte,  die  miteinander  in  Wechselwirkung  stehen 
(Überwältigtwerden,  Überwältigen,  Gleichgewicht  als  Zustände).  Im  Bewußt- 
sein ergibt  sich  (als  „Naturgesetz  der  Seele")  das  Fühlen  als  Überwältigtwerden 
durch  das  Objekt,  das  Wollen  als  Überwältigen  des  Objekts,  das  Erkennen  als 
Gleichgewicht. 

Schriften:    Das   Naturgesetz   der  Seele,    1869.   —  Die   weltgeschichtl.  Bedeutung 


Wyxeken  —  Xenophaxes.  M7 


des    modernen    Sozialismus,    1876.   —   Das   Ding   an    sich  u.  das  Naturgesetz  der  Seele, 
1901,  u.  a. 

Wyneken,  Karl,  geb.  1838  in  Emden,  Oberstleutnant  a.  D.,  Freiburg 
i.  B.  =  In  allen  Formen  der  Dinge  liegt  ein  rhythmischer  Bauplan,  ein  Ge- 
danke, den  W.  besonders  in  der  Ästhetik  durchführt. 

Schriften:  Der  Aufbau  der  Form  beim  natürlichen  Werden  u.  künstlerischen 
Schaffen,  1904—07. 

Wyttenbacli,  Daniel,  geb.  1746  in  Bern,  1771  Prof.  in  Amsterdam 
(am  ,,Athenaeumu),  1799  in  Leyden,  gest.  1820  in  Oegstgeest.  =  Anhänger  der 
Leibniz-Wolff sehen  Philosophie,  Gegner  Kants  und  der  Kantianer  (Polemik 
gegen  P.  van  Hemert). 

Schriften:  Logica;  Metaphysica  u.  a.  (in:  Opuscula  varii  argumenti),  2  Bde., 
1821. —  Disputatio  de  unitate  Dei,  1780.  —  Praecepta  philos.  logicae,  1782  (1794,  1821), 
u.  a.  —   Vgl.  PRAXTL,  D.  W.  als  Gegner  Kants,  1877. 


Xenarchos  aus  Seleukia,  Peripatetiker  um  den  Anfang  des  ersten 
Jahrh.  n.  Chr.,  lehrte  in  Alexandrien.  Athen,  Rom. 

Xenokrates  von  Chalkedon,  geb.  um  396  v.  Chr.,  hörte  in  Athen  Plato, 
imd  wurde  der  Nachfolger  des  Speusippos  in  der  Akademie,  von  339  bis  zu 
seinem  Tode  314  v.  Chr. 

X.  ist  ein  Platoniker,  der  auch  vom  Pythagoreismus  beeinflußt  und  religiös 
veranlagt  ist.  Die  Philosophie  teilt  er  in  Dialektik,  Physik  und  Ethik  ein 
(Sext.  Empir.  adv.  Math.  VII,  16).  Drei  Arten  der  Erkenntnis  (und  der 
Wesen)  unterscheidet  er:  die  Wahrnehmung,  die  es  mit  dem  Sinnlichen,  inner- 
halb des  Himmels  (rä  ivrög  ovgavov),  die  Vorstellung,  die  es  mit  dem  Himmel, 
und  das  Denken,  die  es  mit  dem  Intelligiblen,  außerhalb  des  Himmels  Li- 
den  (ra  EKxög  ovgavov)  zu  tun  hat.  Das  wahre  Wissen  gibt  uns  das  Denken. 
Die  Idee  ist  vorbildliche  Ursache  (ahla  xaoaberumixii  nur  y.<aü  g  i-mr  (Sei  m- 
veoxojxcov).  Die  Einheit  (fioväg)  bestimmt  X.  als  höchste  Gottheit,  als  Zeus, 
Vater,  Geist  (vovg);  neben  ihr  ist  die  Zweiheit  (öväg),  die  Welteeele 
rov  .-zavrog).  Göttlich  sind  auch  der  Himmel,  die  Gestirne,  außerdem  gibt  es 
Dämonen.  Die  Seele  ist  eine  sich  selbst  bewegende  Zahl  (dgityidc  'V  hnnoQ 
y.novfievog;  vgl.  Cicero,  Tusc.  disp.  I,  10).  Die  Körper  bestehen  uu  Atomen, 
die  aber  nicht  ohne  Teile  sind.  Das  höchste  Gut  ist  die  Tugend,  mit  dei 
das  Glück  verbunden  ist. 

Schriften:  Nichts  erhalten.  —  Vgl.  ZELLER,  Philos.  d.  Griechen  II,  1.  — 
R.  HEINZE,  Xenokrates,  Darstell,  d.  Lehren  u.  Samml.  der  Fragmente,   1892. 

Xenophanes  aus  Kolophon,  geb.  um  580  v.  Chr.,  lebte  ipitef  In  Kl'  a. 
wo  er  seine  Gedichte  vortrug,  gest.  um  470  v.  Chr. 

X.  ist  der  Begründer  des  EleatismüB  (s.  d.i.  Kr  b.käinptt  die  mthro- 
pomorphischen  Auffassungen  der  Gottheit  bei  den  Dichten  und  dm  Poljthei* 


84S  Xenophanes  —  Xenopol. 

mus  (die  Neger  stellen  sich  ihren  Gott  schwarz  vor,  die  Rinder  würden  sich 
ihn  als  Rind  vorstellen  usw.).  Energisch  tritt  X.  für  den  Monotheismus  in  der 
Form  des  Pantheismus  (eig  fteog,  ev  de  fteoToi  xai  dv&gcojtotoi  fxeyioxog,  ov 
xe  dsjuag  §vrjxoioiv  öfxouog  ov  xe  vorj/ua)  ein,  welcher  Gott,  das  Eine  mit  dem 
All  identifiziert  (IV  xai  ndv).  Das  Eine  ist  das  All,  das  All  ist  eine  göttliche 
Einheit  (IV  xo  ov  xai  Tiäv).  Das  Eine  ist  die  Gottheit  (eig  xbv  oXov  ovgavbv 
ajzoßXeyjag  xo  ev  eival  cprjoi  xbv  ftsov).  Gott  ist  nicht  grenzenlos  (als  von 
„runder"  Gestalt,  oqoaigoeidfj  ö'vxa),  aber  auch  durch  nichts  begrenzt,  er  ist 
unbewegt,  unveränderlich,  leidlos,  ungeworden  (djidvevde  tiovoio  vöov  cpgevi 
sidvxa  xgadaivei),  allwissend,  ganz  Auge,  ganz  Ohr,  ganz  Denken  (ovXog  ogä, 
ovXog  de  voeT,  ovXog  de  xdxovei,  Sext.  Empir.  adv.  Math.  IX,  144;  Diog.  Laert. 
IX,  19).  Gott  ist  ewig  (dtdiov),  einheitlich  (eva),  gleichartig  (opoiov),  weder  be- 
wegt, noch  ruhend  (ov  xe  tfge[j,ovvxa  ov  xe  xivtjxöv),  sich  selbst  gleich,  ganz, 
ungeteilt,  alles  durch  seinen  Geist  beherrschend.  Als  Elemente  nennt  X.  Erde 
und  Wasser,  aus  denen  alles  Endliche  geworden  ist.  Die  Gestirne  entstehen 
aus  brennenden  Wolken,  verlöschen  und  entzünden  sich  täglich.  Der  Mond 
ist  wie  unsere  Erde  bewohnt  (Cicero,  Acad.  II,  39).  Einst  ist  alles  Land  vom 
Meer  bedeckt  gewesen. 

Schriften:  Elegien  (nur  Fragmente  erhalten);  Spottgedichte  (ebenfalls);  liegt 
<pvoecog  (ebenfalls).  —  Fragmente  bei  DlELS,  Poet,  philos.  fragmenta ;  Fragmente  der 
Yorsokratiker.  —  F.  KERN,  Über  X.,  1874.  —  FREUDENTHAL,  Über  die  Theologie 
des  X.,  1886;  Tgl.  Arch.  f.  Gescb.  d.  Phil.  I. 

X.enopbon9  der  bekannte  athenische  Feldherr,  blühte  um  400  v.  Chr. 
=  X.  gehörte  zu  den  Schülern  des  Sokrates,  dessen  Leben  und  Lehren  er  in 
nüchterner,  den  utilitaristischen  Standpunkt  stark  betonender  Weise  dargestellt 
hat.  In  seiner  „Kyrupaedie",  einem  philosophischen  Staatsroman,  zeigt  X.,  wie 
ein  einsichtiger  Herrscher  regieren  muß. 

Schriften  (philos.) :  'Ajiofj,vr}/u,ovev[taxa  Scoxgdxovg  (Memorabilia) ;  in  der  Teub- 
nerschen  Sammlung,  dann  1889,  1902,  deutsch  1906  und  in  der  Universalbibliothek.  — 
^AnoXoylo.  Ztoxgdxovg  (Apologie),  1903.  —  Olxovofxixdg  (Oeconomicus),  bei  Teubner, 
dann  1895,  1906.  —  2v[atx6ölov,  bei  Teubner;  deutsch  in  der  Universalbibliothek.  — 
Kvgov  Jiaiöeia  (Kyrupaedie),  bei  Teubner,  dann  1873—86.  —  Opera,  1790  ff.,  1828  ff., 
1838,  1869  ff.  —  Vgl.  E.  ULLRICH,  Über  die  Xenophonliteratur  der  Jahre  1898  — 
1900,  Jahresberichte  des  philol.  Vereins  zu  Berlin,  30,  1904.  —  A.  KROHN,  Sokrates 
und  X.,  1874.  —  EDM.  LANGE,  X.,  1900.  —  JOEL,  Der  echte  und  der  xenophon- 
tische  Sokrates,  1893—1901. 

Xenopol,  Alexander-Demeter,  geb.  1847  in  Jassy,  seit  1883  Prof.  der 
Geschichte  daselbst.  =  Die  Geschichte  ist  nach  X.  die  Darstellung  der  geistigen 
Entwicklung,  deren  Grundelement  das  soziale  und  politische,  aber  durch  die 
intellektuellen  Prozesse  bestimmte  Element  ist.  Nur  die  statischen  Vorgänge 
lassen  sich  auf  Gesetze  bringen,  historisch-dynamische  Gesetze  lassen  sich 
nicht  aufstellen.  Die  Individualität  ist  nicht  restlos  aus  allgemeinen  Faktoren 
abzuleiten. 

Schriften:  Principes  fondamentaux  de  l'histoire,  1899;  2.  6d.  1908,  u.  a. 


Yoga  —  Zeising.  849 


Y. 

Yoga:  Xame  einer  der  sechs  indischen  philosophischen  Richtungen  (Er- 
lösung vom  Dasein,  mystische  Vereinigung  mit  der  Gottheit  durch  Askese 
usw.). 

Vgl.  The  Yoga,  1883.  —  D.  MARCUS,  Die  Yoga-Philosophie,   1886. 


z. 

Zabarella,  Giacomo  (Jakob),  geb.  1532  in  Padua,  1564  Prof.  in  Padua,  gest. 
«daselbst  1589.  =  Aristoteliker,  teilweise  „Averroist",  als  Psycholog  wesentlich 
aber  „Alexandrist''  (s.  d.).  Die  menschliche  Seele  ist  die  substantielle  Form 
des  Leibes.  Der  individuelle  Intellekt  wird  unsterblich  durch  die  Vervoll- 
kommnung, die  ihm  die  göttliche  Erleuchtung  gewährt.  Der  „tätige  Intellekt" 
ist  unsterblich.  Die  Form  ist  das  Prinzip  der  Individuation  der  Materie.  Ein 
■Gegner  Z.s  ist  besonders  F.  Piccolomini. 

Schriften:  Kommentare  zu  Aristoteles  (1582,  1604).  —  De  rebus  naturalibus, 
1589,  u.  a.  —  Opera  logica,  1578.  —  Opera  philosophica.  1623.  —  Vgl.  LABANCA, 
<5.  Z.,   1878.  —  P.  EAGNISCO,  G.  Z.,  1886. 

Zacharias  von  Mytilene,  um  536  Bischof  in  Mytilene.  =  Z.  bekämpft 
wie  Aneas  von  Gaza  die  Lehre  von  der  Ewigkeit  der  Welt,  u.  a. 

Schriften:  Ammonios  (Dialog).  —  Aeneas  Gaz.  et  Z.  Mityl.,  De  imniortal.  ani- 
mae,  ed.  C.  Barth,  1655;  ed.  Boissonade,  1836.  —  Zach,  episc.  Mityl.  aliorumque 
scripta,  ed.  Land,  1870. 

Zacharias,  Otto,  geb.  1846  in  Leipzig,  Prof.,  Direktor  der  Biologischen 
Station  in  Plön.  =  Darwinist. 

Schriften:  Zur  Entwicklungetheorie,  1876.  —  Darwin,  1882.  —  Gelöste  und 
ungelöste  Probleme  der  Naturforschung,  1885.  —  Katechismus  des  Darwinismus, 
1892,  u.  a. 

Zehnder,  Ludwig,  geb.  1854  in  Illnau-Zürich,   Prot,  in  Berlin.  =  L 
lutionist,  mechanistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Mechanik  des  Weltalls,  1897.  —  Die  Entstehung  des  Lebens,  1899 
—1901    (3  Bde.).  —  Das  Leben  im  Weltall,   1903. 

Zeising,  Adolf,  geb.  1810  in  Ballenstedt,  Gymnasislprot  in  Bernburg, 
lebte  später  in  Leipzig  nnd  München,  gest.  daselbel  1876.  =  Z.  i<t  besonden 
von  Hegel  beeinflußt.  Das  Schöne  ist  das  Bild  der  Well  im  (leiste,  das  Ab- 
solute in  der  Form  des  Scheines.  Schönheit  ist  „dir  alt  erscheinend  an- 
gefaßte Vollkommenheit''.  Z.  legt  großes  Gewiahl  auf  den  ästhetischen  Wart 
des  „goldenen  Schnittes"  (Teilung  einer  Strecke  in  der  Weise,  daß  der  kleinen 
Abschnitt  sich  zum  größeren,   wir  dieser  rar  Summe  der  beiden  sich  verhält; 

Eis! er,  Philosophen-Lexikon. 


850  Zeising  —  Zeller. 


x  :  y  =  y  :  x  +  y).       Dieses    Verhältnis   ist   nach    Z.    die    beste    Vermittlung 
zwischen  absoluter  Gleichheit  und  Verschiedenheit. 

Schriften:  Neue  Lehre  von  den  Proportionen  des  menschlichen  Körpers,  1854„ 
—  Ästhet.  Forschungen,  1885.  —  Die  Metamorphosen  der  menschl.  Gestalt,  1860.  — 
Religion  und  Wissenschaft,  Staat  und  Kirche,  1873. 

Zeller,  Eduard,  geb.  1814  in  Kleinbottwar  (Württemberg),  studierte  in 
Tübingen  und  Berlin,  1840  Privatdozent  in  Tübingen,  1847  Prof.  der  Theologie 
in  Bern,  1849  in  Marburg,  1862  Prof.  der  Philosophie  in  Heidelberg,  1872  in 
Berlin,  lebte  seit  1897  in  Stuttgart,  gest.  1908. 

Z.,  der  besonders  als  Historiker  bekannt  ist,  ging  von  Hegel  aus,  verwarf 
aber  bald  dessen  aprioristische  Weltkonstruktion  und  forderte  schon  1862  die 
Kückkehr  zum  Kritizismus  im  Geiste  Kants,  ohne  orthodoxer  Kantianer  zu 
werden.  Die  Philosophie  muß  auf  äußerer  und  innerer  Erfahrung  basieren 
und  Idealismus  und  Kealismus  vereinigen.  Sie  stellt  die  Grundbegriffe  der 
Wissenschaften  fest  und  bringt  den  Zusammenhang  der  Wissenschaften  zum 
Bewußtsein.  Die  Erkenntnistheorie  untersucht  die  Bedingungen,  an  welche 
die  Bildung  unserer  Vorstellungen  durch  die  Natur  unseres  Geistes  geknüpft 
ist,  und  bestimmt  hiernach,  ob  und  unter  welchen  Voraussetzungen  der  mensch- 
liche Geist  zur  Erkenntnis  der  Wahrheit  befähigt  ist.  Unsere  Vorstellungen 
sind  das  gemeinsame  Produkt  objektiver  Eindrücke  und  der  sie  verarbeitenden 
subjektiven  Tätigkeit,  wobei  das  Denken  die  allgemeinen  Gesetze  und  Gründe 
der  Dinge  entdeckt.  Raum,  Zeit  und  Zahl  sind  insofern  a  priori,  als  die 
Gesetze  der  Vorstellungsbildung  es  sind.  Das  Denken  stützt  sich  auf  den  Satz 
vom  Grunde  als  das  A  priori,  vermöge  dessen  wir  allen  Erfahrungsinhalt  in 
kausalen  Zusammenhang  bringen.  Zur  Unterscheidung  der  Objekte  von  uns 
berechtigt  nur  die  Konstanz  und  Wirkungsfähigkeit  des  Wahrgenommenen. 
Das  Außenweltsbewußtsein  besteht  in  einem  unbewußten  Schlüsse,  der  sich 
mit  der  Wahrnehmung  innigst  verknüpft.  Die  Natur  unseres  Denkens  nötigt 
uns,  nach  der  Ursache  der  Empfindungen  zu  fragen,  und  wir  müssen  diese 
Ursache  außer  uns  suchen,  da  die  Wahrnehmungen  von  unserer  Tätigkeit  nicht 
abhängen.  In  gewissem  Umfange  können  wir  das,  was  den  Dingen  selbst  zu- 
kommt, vom  Subjektiven  unterscheiden  und  so  mittelbar  (durch  Vergleichung, 
verifizierte  Annahmen)  die  Dinge  erkennen,  wie  sie  selbst  sind.  Die  Kausa- 
lität erleben  wir  unmittelbar  nur  in  unseren  eigenen  Willenshandlungen.  Die 
Einheit  des  Selbstbewußtseins  ist  nur  möglich,  wenn  ein  einheitliches  Wesen, 
die  Seele,  vorhanden  ist,  in  welchem  und  durch  welches  die  Einheitssynthese 
erfolgt.  Die  Welt  kann  nie  ohne  Leben  und  Vernunft  gewesen  sein,  „weil  die 
gleichen  Ursachen,  welche  das  Leben  und  die  Vernunft  jetzt  hervorbringen, 
schon  von  Ewigkeit  her  wirkten  und  sie  daher  immer  hervorgebracht  haben 
müssen".  Die  Welt  als  Ganzes  müssen  wir  als  das  Werk  der  absoluten 
Vernunft  betrachten,  die  mit  unbedingter  Notwendigkeit  wirkt.  „Aber  weil 
es  ein  und  dieselbe  Ursache  ist,  aus  der  alle  Wirkungen  in  letzter  Beziehung 
entspringen,  weil  #lle  Naturgesetze  nur  die  Art  und  Weise  bezeichnen,  die  diese 
Ursache,   der   Notwendigkeit  ihres    Wesens   entsprechend,    nach   verschiedenen 


Zeller  —  Zenon.  851 


Seiten  hin  wirkt,  muß  aus  der  Gesamtheit  dieser  Wirkungen  notwendig  ein  in 
allen  Teilen  zusammenstimmendes  Ganzes,  eine  in  ihrer  Art  vollkommene,  mit 
absoluter  Zweckmäßigkeit  eingerichtete  Welt  hervorgehen."  Das  Sittliche 
besteht  in  der  Herrschaft  des  Vernünftigen,  Geistigen  über  das  Sinnliche. 
Die  Keligion  ist  Bewußtsein  des  Göttlichen  nach  seiner  Beziehung  anfs 
Subjekt,  ., Leben  des  Subjekts  in  Gott".  Sie  hat  eine  empirische  Grundlage 
im  Gefühl,  ist  aus  Bedürfnissen,  aus  Furcht  und  Wunsch  entstanden  und 
dient  dem  Streben,  sich  durch  Verbindung  mit  der  Gottheit  Güter  zu  er- 
werben und  Übel  los  zu  werden.  Im  Denken  hat  sie  eine  apriorische  Grund- 
lage, darf  aber  nicht  rein  intellektualistisch  aufgefaßt  werden. 

Schriften:  Platonische  Studien,  1839.  —  Krit.  Eundschau  über  die  neuesten  Be- 
arbeit.  d.  christl.  Glaubenslehre,  Theol.  Jahrb.  1843  (vgl.  1842).  —  Die  Philosophie 
der  Griechen,  1844 — 52;  2.  A.  1855—68;  3.-5.  Ä.,  3  Teile  in  6  Bdn.,  1879—1909 
(Hauptwerk).  —  Das  theol.  System  Zwingiis,  1853.  —  Vorträge  und  Abhandlungen, 
1865;  2.  A.  1875;  2.  Samml.  1877;  3.  Samml.  1884  (Über  Bedeut.  u.  Aufgabe  der 
Erkenntnistheorie,  1862;  Über  die  Aufgabe  der  Philos.,  1868;  Über  teleol.  u.  mechan. 
Naturerklär.,  1876;  Über  das  Kantsche  Moralprinzip,  1879;  Über  Begriff  und  Begründ. 
der  sittl.  Gesetze,  1882;  Über  die  Gründe  unseres  Glaubens  an  die  Realität  der  Außen- 
welt, 1884,  u.  a.).  —  Gesch.  d.  deutschen  Philos.  seit  Leibniz,  1872;  2.  A.  1875.  — 
Staat  u.  Kirche,  1873.  —  Über  d.  Messung  psych.  Vorgänge,  1881.  —  D.  Fr.  Strauß, 
1874.  —  Friedrich  d.  Große  als  Philosoph,  1886.  —  Grundriß  d.  Gesch.  d.  griech. 
Philos.,  2.  A.  1886;  9.  A.  1908.  —  Kleine  Schriften  I,  1910,  u.  Abhandlungen  zur 
Gesch.  d.  Philos.  —  Erinnerungen  eines  Neunzigjährigen,  1908.  —  Vgl.  DlELS,  Gedächt- 
rede auf  Zeller,  1908. 

Zenker,  Ernst  Viktor,  geb.  1865  in  Postelberg  (Böhmen),  lebt  in  Wim. 
=  Evolutionistischer  Ethiker  und  Soziolog.  Gut  ist,  „waa  den  Bedingungen 
der  Sozialität  entspricht  und  ihre  natürliche  Entwicklung  fördert'-. 

Schriften:  Der  Anarchismus,  1895.  —  Die  Gesellschaft,  1899—1903.  —  Soziale 
Ethik,  1905,  u.  a. 

Zenodotos:   1.  Schüler  des  Diogenes  von  Seleukia.  Stoiker;   2.  Schüler 

des  Isidoros,  Neupiaton iker. 

Zenon  aus  Elea,  wirkte  als  Staatsmann  und  Philosoph  in  Elea  nun 
460  v.  Chr.),  wo  er  bei  einem  Aufstande  gegen  den  Tyrannen  von  Elea  ge- 
storben sein  soll. 

Z.,   den  Aristoteles  den   „Erfinder  der  Dialektik"  nennt,  sucht  die  Lehren 
des  Parmenides   von   der   Einheit   und   Beharrlichkeit,    UnTeränderlichkeM   des 
Seienden  indirekt,  durch  Aufzeigung  der  in  der  gegenteiligen  Annahme  Li« 
den  Widersprüche,  zu  erhärten.     Es  kann  keine   Vielheit    geben,    denn    das 
Viele  müßte  zugleich  unendlich  groß  und   unendlich  klein   (weil  au-  unendlich 
vielen   unendlich  kleinen   Teilen   bestehend),   begrenzt   und   zugleich  unbegrenzt 
sein.    Auch  der  Raum  kann  nichts  Wirkliches  Bein;  fei  all.-  Beiende  in  einem 
Raum,  dann  muß  auch  der  Raum  in  einem  Baum  sein   und   dies  führt  wi 
ins  Unendliche.     Vor  allem    aber   bekämpft    Z.   dir  Realität    der  Bewegung. 
Die  Bewegung  ist  unmöglich,   denn  das  Bewegte  bewegt  sich  weder  da.   i 
gerade   ist,    noch  da,    wo  es  nicht    (noch    und    schon    nicht     im    . 


852  Zenon. 

ol'i'  iv  o)  sott  Tojico  HivsTtai  ovT  ev  a>  fxij  k'ati,  Diog.  L.  IX,  72).  Vier  Argu- 
mente {Xöyoi)  bringt  Z.  vor:  Bewegung  kann  nicht  stattfinden  1.  wegen  der 
unendlichen  Zahl  von  Zwischenorten ,  die  das  Bewegte  durchlaufen  müßte ; 
2.  Achilleus  kann  die  Schildkröte  nicht  einholen,  weil  diese  ihren  Ort  schon 
verlassen  hat,  wenn  er  diesen  erreicht  hat;  3.  der  fliegende  Pfeil  ruht,  denn  er 
ist  in  jedem  Moment  nur  an  einem  Orte;  4.  der  halbe  Zeitabschnitt  ist  gleich 
dem  ganzen,  denn  der  nämliche  Punkt  durchläuft  (je  nach  der  Messung  an 
einem  Euhenden  oder  an  einem  Bewegten)  einen  gleichen  Weg  einmal  im 
halben,  dann  im  ganzen  Zeitabschnitt  („Stadion";  Aristot.  Phys.  VI,  9).  Daß 
die  Stetigkeit  der  Zeit  und  Bewegung  von  Z.  verkannt  wird,  bemerkt  schon 
Aristoteles  (vgl.  Bayle,  Spinoza,  Leibniz,  Hegel,  Mill,  Dühring,  Ueberweg, 
Kühnemann,  Bergson  u.  a.). 

Schriften:  Fgä/u/uata  (nicht  erhalten).  Fragmente  bei  DlELS,  Fragmente  der 
Vorsokrat.  I.  —  Vgl.  E.  WELLMANN,  Z.s  Beweise  gegen  die  Bewegung,  1870.  — 
DUN  AN,  Zenonis  Eleatici  argumenta,  1884.  —  PETRONIEVICS,  Arch.  f.  Gesch.  d. 
Philos.  XX,   1906. 

Zeil oii  aus  Kition  (Kypern),  der  Sohn  des  Kaufmanns  Mnaseas,  geb. 
um  340  v.  Chr.,  war  eine  Zeitlang  Kaufmann,  ging  um  315  v.  Chr.  nach 
Athen,  wo  er  Schüler  des  Kynikers  Krates,  des  Megarikers  Stilpon  und  der 
Akademiker  Xenokrates  und  Polemon  wurde,  später  (um  308)  in  der  „Stoa 
Poikile"  die  Stoische  Schule  (s.  d.)  gründete  und  nach  langer  Wirksamkeit 
durch  Selbstmord  geendigt  haben  soll.  In  Athen  stand  Z.  in  hohem  Ansehen, 
auch  Antigonos  von  Makedonien  ehrte  ihn  sehr.  Nach  seinem  Tode  errichteten 
ihm  die  Athener  eine  Ehrensäule.  =  Über  die  Lehren  Zenons  s.  den  Artikel 
„Stoiker".  Die  Volksreligion  deutete  Z.  allegorisch.  Die  Philosophie  hat  nach 
ihm  einen  praktisch-ethischen  Zweck  und  besteht  aus  Logik,  Physik  und  Ethik, 
die  Z.  mit  dem  Knochengerüst,  dem  Fleisch  und  Blut  und  der  Seele  ver- 
gleicht. Die  Vorstellung  bestimmt  er  als  Abdruck  in  der  Seele  (rvjKooig  iv 
tffvxfj).  Die  Wahrnehmung  vergleicht  er  mit  den  ausgestreckten  Fingern,  die 
Zustimmung  {ovyxaxddsoig)  mit  der  halbgeschlossenen  Hand,  die  Erfassung  des 
Gegenstandes  (xatätyxpig)  mit  der  Faust,  das  Wissen  mit  der  Ergreifung  der 
Faust  durch  die  andere  Hand  (vgl.  Diog.  L.  VII). 

Schriften:  üokizeia;  jregi  zov  xaxä  cpvoiv  ßiov;  tisqi  oQfifjg;  Jiegl  dvßgcojrov 
rpvoscog;  tisqI  itadwv ;  jisqi  xaftrjxovtog  u.  a.  Von  ihnen  sind  nur  Fragmente  er- 
halten. —  Vgl.  ARNIM,  Stoicorum  veterum  fragmenta  I,  1905.  —  ZELLER,  Philos.  d. 
Griechen  III.  —  Fragments  of  Zeno  and  Cleanthes,  hy  A.  C.  Pearson,  1891.  —  WEI- 
GOLDT,  Z.,  1872.  —  E.  WELLMANN,  Die  Philos.  des  Stoikers  Z.,  1873.  —  POP- 
PELREUTER,  Die  Erkenntnislehre  Z.s  u.  Kleanthes,  1891.  —  Th.  GOMPERZ,  Zur 
Chronologie  des  Stoikers  Z.,  1903. 

Zenon  aus  Sidon,  geb.  um  150  v.  Chr.,  Schüler  des  Apollodoros,  lehrte 
in  Athen,  wo  ihn  Cicero  hörte.  =  Epikureer. 

Zenon  aus  Tarsos,  Schüler  und  Nachfolger  des  Chrysippos.  =  Stoiker 
(aber  gegen  die  Lehre  vom  Weltbrande). 


Zerbst  —  Ziegler.  853 


Zerbst,  Max,  geb.  1863  in  Jena,  lebt  in  Argeisried  bei  München.  = 
Von  Nietzsche  beeinflußt. 

Schriften:  Philosophie  der  Freude,  1904.  —  Zu  Zarathustra,  1905.  —  Nietzsche 
der  Künstler,   1907.  —  Die  vierte  Dimension,   1907,  u.  a. 

Ziegler,  Heinrich  Ernst,  geb.  1858  in  Freiburg  i.  Br.,  Prof.  der  Zoologie 
in  Jena,  seit  1909  Prof.  in  Hohenheim.  Herausgeber  der  Sammlung  ..Natur 
und  Staat",  1903  ff.  (mit  Einleitung,  1903).  =  Darwinist,  auch  in  soziologischen 
Fragen  (Sozial-aristokratischer  Standpunkt). 

Schriften:  Die  Naturwissenschaft  und  die  sozialdemokratische  Theorie,  1894.  — 
Über  den  derzeit.  Stand  der  Deszendenzlehre,  1901.  —  Lehrb.  d.  vergleich.  Entwick- 
lungsgesch.  der  niederen  Wirbeltiere,  1902.  —  Der  Begriff  des  Instinktes  einst  und 
jetzt,  1904;  2.  A.  1910.  —  Die  Vererbungslehre  in  d.  Biologie,  1905.  —  Zoologisches 
Wörterbuch  (mit  andern),  1907  f.;   2.  A.   1911,  u.  a. 

Ziegler,  Joh.  Heinrich,  geb.  1857  in  Winterthur,  lebt  in  Kefikon.  = 
Nach  Z.  ist  es  möglich,  daß  die  Materie  die  Erscheinung  von  rotierenden 
Atherteilchen  (Elektronen)  ist.  Die  (selbstbewegten)  Uratome  haben  Kugelform. 
Kraft  ist  „Angreifbarkeit  in  aktivem  und  passivem  Sinne".  Die  „Natur"  ist 
die  Allmacht,  die  kollektive  Einheit,  Gott;  von  ihr  ist  die  Welt  als  Mannig- 
faltigkeit von  Zuständen  verschieden,  sie  ist  das  „Gebilde"  der  Natur,  das 
„Angesicht  Gottes".  Die  Einheiten  der  Urkraft  sind  „Lichtpunkte"  („ewiges 
Licht").  Unser  Seelenleben  beruht  auf  dem  Wechsel  und  den  Wirkungen 
äußerer  und  innerer  geistiger  Einflüsse,  d.  h.  „weltlicher,  vorübergehend  aus 
ewigem  Licht  gebildeter  Geister". 

Schriften:  Die  universelle  Weltformel,  1902  f.  —  Die  wahre  Einheit  von  Religion 
u.  Wissenschaft,  1904.  —  Konstitution  und  Komplemcntät  der  Elemente,  1908.  —  Die 
Struktur  der  Materie  und  das  Welträtsel,  1908,  u.  a. 

Ziegler,  Johannes,  geb.  1862  in  Göppingen  (Württemberg),  Überlehrer 
in  Cöln  a.  Eh. 

Schriften:  Das  Assoziationsprinzip  in  der  Ästhetik,  1900.  —  Das  Komische, 
1900,  u.  a. 

Ziegler,  Leopold,  geb.  1881  in  Karlsruhe,  lebt  daselbst.  =  Anhinge! 
E.  v.  Hartmanns.  Die  Kultur  ist  von  der  Zivilisation,  dem  praktischen  Ver- 
halten, als  Mittel  zur  Glückseligkeit  und  auf  Illusion  beruhend,  scharf  zu 
unterscheiden.  Sie  ist  „die  gemeinsame  Wirklichkeitsgestaltimg  dessen  im  I  ■■ 
wußtsein,  was  die  Natur  allenthalben  unbewußt  vollbringt:  die  Realisation 
des  objektiven  Gattungszweckes".  Die  Kultur  ist  „die  Gesamtheit  aller  Be- 
ziehungen des  Menschen  zum  objektiv  daseienden,  ewig  bewußtlosen  W.lt- 
geiste,  der  im  Menschen  zum  Bewußtsein  seines  eigenen  Willens  gelangt  and 
dessen  Richtung  der  Selbst-Befreiungsprozeß  des  unbewußten  göttlichen 
Wesens  im  menschlichen  Bewußtsein  und  Dasein  bedeutet".  Das  Problem  des 
Tragischen  ist  letzten  Endes  metaphysischer  Art.  Die  tragische  Schuld  ist 
die  „notwendige  Willensüberspannung  eines  individuell« m  Prinzips",  die  „Alo- 
gizität   des    immanenten    Willens",    die    „Verkehrung    einer  an   sich    Logischen 


854  Ziegler  —  Ziehen. 


Absicht  in  eine  überwiegend  alogische".-  Der  tragische  Tod  ist  nur  ein  Sym- 
bol, welches  die  Vernichtung  des  Individualwillens  ankündigt,  der  tragische 
Prozeß  die  „Überwindung  des  Willens  durch  die  Idee".  Das  Tragische  ist  ein 
Daseinsgesetz  von  kosmischer  Bedeutung. 

Schriften:  Zur  Metaphysik  des  Tragischen,  1902.  —  Das  Wesen  der  Kultur, 
1903.  —  Der  abendländische  Rationalismus  und  der  Eros,  1905. 

Ziegler,  Theobald,  geb.  1846  in  Göppingen  (Württemberg),  Prof.  in 
Straßburg  (seit  1886). 

Z.  vertritt  eine  Art  Positivismus.  Der  primäre,  allen  Bewußtseinsvor- 
gängen, auch  dem  Denken  und  Willen,  zugrunde  liegende  psychische  Zustand 
ist  das  Gefühl.  Die  Lust  ist  die  psychische  Seite  des  Lebens,  d.  h.  der  Be- 
tätigung des  Vermögens,  jedem  als  neu  auftretenden  Reiz  gegenüber  sich  selbst 
zu  behaupten.  Das  Gefühl  ist  das  psychische  Zeichen  für  den  Selbstbehaup- 
tungsakt. Es  zeigt  uns  den  Wert,  den  ein  Reiz  für  uns  hat  und  erzwingt 
demselben  durch  seine  Wertung  den  Eintritt  in  unser  Bewußtsein.  Der  Wille 
zeigt  sich  nur  als  Gefühl;  dieses  ist  primär,  das  Vorstellen  sekundär,  das 
Wollen  tertiär.  Das  Gefühl  ist  auch  das  Bestimmende  in  der  Assoziation. 
„Solche  Vorstellungen  werden  reproduziert,  welche  mit  unseren  jeweiligen 
Stimmungen  und  Gefühlen  harmonieren,  dadurch  selbst  Gefühlswert  erhalten 
und  durch  diesen  sich  eben  jetzt  den  Eintritt  in  das  Bewußtsein  erzwingen. 
Und  fürs  zweite:  „Was  einmal  zusammen  unser  Interesse  erregt  hat,  uns  an- 
genehm oder  unangenehm  war,  das  kehrt  auch  zusammen  wieder."  Die 
Willensfreiheit  besteht  nur  in  dem  Ausgehen  meiner  Handlungen  von  mir 
selbst.  Wir  handeln  stets  auf  Grund  der  stärksten  Motive;  der  Glaube,  wir 
hätten  auch  anders  handeln  können,  ist  eine  Illusion.  Das  Sittliche  ist  ein 
Entwicklungsprodukt,  es  ist  aus  Trieben  und  vernünftiger  Überlegung  hervor- 
gegangen und  ist  historisch-sozial  bedingt,  wechselnd.  Gut  ist,  was  der  Gesell- 
schaft und  zuhöchst  der  Menschheit  nützt  (Sozialteleologischer  Standpunkt). 
Bezüglich  der  Religion  denkt  Z.  ähnlich  wie  D.  Fr.  Strauß,  bezüglich  der 
sozialen  Frage,  die  nach  ihm  eine  ethische  Frage  ist,  ähnlich  wie  F.  A. 
Lange. 

Schriften:  In  Sachen  des  Straußschen  Buches:  Der  alte  und  der  neue  Glaube, 
1874.  —  Lehrb.  d.  Logik,  1876;  2.  Ä.  1881.  —  Republik  oder  Monarchie?  1877.  — 
Die  Ethik  der  Griechen  und  Römer,  1881.  —  Gesch.  d.  christl.  Ethik,  1886;  2.  A. 
1892.  —  Sittliches  Sein  und  sittliches  Werden,  1890.  —  Die  soziale  Frage  eine  sittl. 
Frage,  1891;  6.  A.  1899.  —  Religion  und  Religionen,  1893.  —  Das  Gefühl,  1893; 
4.  A.  1908.  —  Gesch.  der  Pädagogik,  1895  ;  2.  A.  1904.  —  Die  geistigen  u.  sozialen 
Strömungen  des  19.  Jahrhund.,  1899;  2.  A.  1901.  —  Glauben  u.  Wissen,  1899;  2.  A. 
1900.  —  Fr.  Nietzsche,  1900.  —  Allgem.  Pädagogik,  1901;  2.  A.  1905.  —  Schiller, 
1905.  —  D.  Fr.  Strauß,   1908  f.  —  Individualismus  u.  Sozialismus,   1899,  u.  a. 

Ziehen,  Theodor,  geb.  1862  in  Frankfurt  a.  M.,  Prof.  in  Berlin.  Her- 
ausgeber der  „Monatsschr.  f.  Psychol.  u.  Neurologie". 

Z.  ist  einer  der  bedeutendsten  Vertreter  der  physiologischen  Psychologie, 
die  bei   ihm  den   Charakter   der   Assoziationspsychologie  hat:    zugleich 


Ziehen  —  Zimmer.  855 


vertritt  er  eine  Art  Immanenzphilosophie  (ähnlich  wie  Verworn  u.  a.).  Die 
Assoziation  ist  der  „ Vorgang  der  Aneinanderreihung  der  Vorstellungen".  Ihr 
•Grundgesetz  lautet:  „Jede  Vorstellung  ruft  als  ihre  Nachfolgerin  entweder  eine 
Vorstellung  hervor,  welche  ihr  inhaltlich  ähnlich  ist,  oder  eine  Vorstellung, 
mit  welcher  sie  oft  gleichzeitig  aufgetreten  ist"  (innere  und  äußere  Assoziation). 
Die  Assoziation  beruht  wie  die  anderen  psychischen  Prozesse  auf  Vorgänge  in 
der  Hirnrinde  (Koordinationen,  Leitungsprozesse  u.  a.).  In  bestimmten  Gang- 
lienzellen-Gruppen werden  Erinnerungsbilder  deponiert  und  dies  ist  die  „Ke- 
tention".  Die  Erinnerungsbilder  sind  materielle  Veränderungen,  mit  denen 
psychische  Zustände  als  „Epiphänomen"  einhergehen.  Alles  Psychische  als 
solches  ist  bewußt,  unbewußt  können  nur  Gehirnprozesse  sein.  Auf  zusammen- 
gesetzten Assoziationen  beruht  alles  Denken;  die  „Apperzeption"  ist  ein  mysti- 
sches Seelen  vermögen.  Wir  müssen  denken,  wie  die  gerade  vorhandenen 
Assoziationen  es  bestimmen,  wrobei  der  Vorgang  von  Bewegungsempfindungen 
begleitet  ist.  Das  Urteil  besteht  nur  im  Hinzudenken  einer  „Beziehungsvor- 
stellung" zu  zwei  Vorstellungen.  Ein  besonderes  Willens  vermögen  gibt  es 
nicht;  das  Wollen  reduziert  sich  auf  Vorstellungen  intendierter  Bewegungen, 
begleitet  von  Gefühlstönen. 

Die  Objekte  sind  Empfindungskomplexe.  Jede  Empfindung  hat  einen 
„Reduktionsbestandteil"  und  die  „reduzierten  Empfindungen",  die  unabhängig 
vom  individuellen  Erleben  sind,  bilden  die  Dinge  der  Außenwelt. 

Schriften:  Physiolog.  Psychologie,  1891;  8.  A.  1908.  —  Psychiatrik,  1894; 
3.  A.  1907.  —  Psychophysiol.  Erkenntnistheorie,  1898;  2.  A.  1907.  —  Über  die  allge- 
meinen Beziehungen  zwischen  Gehirn-  und  Seelenleben,  1902.  —  Die  Geisteskrankheiten 
•des  Kindesalters,  1902—06.  —  Das  Gedächtnis,  1908.  —  Das  Verhältnis  der  Herbart- 
schen  Psychol.  zur  physiol.-experim.  Psychol.,  1900,  u.  a. 

Ziller,  Tuiskon,  geb.  1817  in  Wasungen,  1853  Privatdozent  in  Leipzig, 
1864  Prof.  der  Pädagogik  daselbst,  gest.  1882.  =  Herbartianer  (Begriff  der 
„Konzentration",  des  „Gesinnungsunterrichts",  „Gesinnungsstoffe";. 

Schriften:  Einleitung  in  die  allgemeine  Pädagogik,  1856;  2.  A.  1901.  —  Die 
Eegierung  der  Kinder,  1857;  2.  A.  1904.  —  Grundleg.  zur  Lehre  vom  erziehenden 
Unterricht,  1865.  —  Herbartsche  Reliquien,  1871.  —  Allgem.  philos.  Ethik,  1880; 
2.  A.   1886,  u.  a. 

Zimara.  Marcus  Antonius,  geb.  14t)0  in  Galatina  bei  Otranto,  leinte 
in   Padua   und   Rom   Philosophie,    gest.    in    Padua    1532.    =    Averroistischer 

Aristoteliker. 

Schriften:  Quaestio  de  movente  et  moto;  Quaestio  de  prineipio  individuationis, 
1505.  —  Tabula  dilueidationum  in  dieta  Aristotelis  et  Averrois,  1564.  —  Antrum 
magicorum,   1625. 

Zimmer,   Patritius  Benedict,    geb.  1752,    seit    L783   Pro!   in    Dillingen, 

1799  in  Ingolstadt,  dann  in  Landshut,  gest.  daselbst  1820.  =  Katholisierender 

Anhänger  Schellings. 

Schriften:     Philos.    Religionslehre,    1805.  —   Untersuchung  über  den  Begriff  und 

•die  Gesetze  der  Geschichte,  1817. 


866  Zm  mi:  b  mann  —  Zwanziger. 

Zimmermann,  Robert,  geb.  1824  in  Prag,  1849  Privatdozent  in  Wien,. 
1852  Prof.  in  Prag,  18G1  in  Wien,  gest.  daselbst  1898.  =  Herbartianer.  Das 
Ästhetische  liegt  blos  in  der  „Form",  nicht  im  Stoff.  Das  Einfache  erregt 
kein  ästhetisches  Gefallen  oder  Mißfallen.  In  seiner  „Anthroposophie"  ver- 
bindet Z.  die  Herbartsche  Realen-Lehre  mit  der  Atomistik  zu  einer  Art  Mona- 
dologie. 

Schriften:  Leibniz'  Monadologie,  1847.  —  Leibniz  und  Herbart,  1849.  —  Das 
Rechtsprinzip  bei  Leibniz,  1852.  —  Über  Leibniz'  Konzeptualismus,  1844.  —  Leibniz 
und  Lessing,  1855.  —  Philos.  Propädeutik  1852;  3.  A.  1867.  —  Über  das  Tragische 
und  die  Tragödie,  1856.  —  Geschichte  der  Ästhetik,  1858.  —  Schiller  als  Denker, 
1859.  —  Philos.  und  Erfahrung,  1861.  —  Allgemeine  Ästhetik,  1865.  —  Studien  und 
Kritiken  zur  Philos.  und  Ästhetik,  1870.  —  Kant  und  die  positive  Philos.,  1874.  — 
Die  Perioden  in  Herbarts  philosoph.  Geistesgang,  1876.  —  Anthroposophie  im  T'm- 
riß,  1882. 

Zöllner,  C.  F.,  geb.  1834  in  Berlin,  Prof.  der  Astrophysik  in  Leipzig,. 
gest.  daselbst  1882.  =  Auf  Grund  metageometrischer  Spekulationen  gelangt  Z. 
zu  einer  Art  Spiritismus  und  betrachtet  die  Körper  als  Schattenbilder  der  vier- 
dimensionalen  Welt  der  Dinge  an  sich.  Im  übrigen  ist  Z.  Hylozoist.  Die 
Atome  sind  beseelt.  Der  Übergang  von  potentieller  in  aktuelle  Energie  bereitet 
Lust,  das  Umgekehrte  Unlust. 

Schriften:  Über  die  Natar  der  Kometen,  3.  A.  1882.  —  Wissensch.  Abhand- 
lungen, 4  Bde.,  1878  f.    —    Prinzipien  einer  elektro-dynam.  Theorie  der  Materie,    1876. 

—  Die  transzendentale  Physik  u.  d.  sog.  Philos.,  1879.  —  Vgl.  M.  WlRTH,  F.  Zöllner, 
2.  A.  1882;  Z.s  Hypothese  intellig.  vierdimensionaler  Wesen,  1878.  —  (W.  ist  An- 
hänger Z.s). 

Zorzi,  Francesco  (Franciscus  Georgius  Venetus),  geb.  1460  in  Venedig, 
Franziskaner,  gest.  1540.  =  Z.  lehrt  im  Sinne  einer  pythagoreisierenden  Mystik. 
In  der  Welt  ist  alles  nach  Zahlen  geordnet  und  zwischen  den  irdischen  und 
himmlischen  Dingen  besteht  eine  Harmonie.  Gott,  die  Eins,  steigt  in  die 
Geschöpfe  herab  in  der  Harmonie  von  drei  Enneaden  (neun  Ordnungen  der 
Intelligenzen,  neun  Himmel,  neun  Arten  der  vergänglichen  Dinge).  Jede 
Enneade  besteht  aus  vier  Elementen,  welche  in  Gott  die  Ideen  der  Dinge,  in 
der  Natur  die  Samen  derselben  sind.  Der  xMensch  ist  ein  Mikrokosmus,  der 
alle  Enneaden  enthält.  Die  Welt  ist  ein  lebendes  Wesen  mit  einer  Seele.  Die 
menschliche  Seele  ist  eine  göttliche  Substanz,  die  alles  erkennen  kann,  weil  sie 
die  intelligiblen  Formen  der  Dinge  in  sich  hat.  Gott  ist  Geist,  und  in  der 
Ekstase  gelangt  die  Seele  zur  Vergottung. 

Schriften:  De  harmonia  mundi,  1525. 

Znccante,  Giuseppe,  Prof.  in  Mailand.  =  Z.  vertritt  einen  kritischen. 
Idealismus  in  Verbindung  mit  einer  empirisch  fundierten  Metaphysik. 

Schriften:    Saggi  filosofici,  1892.  —  Morale  ed  empiriemo,  1892.  —  La  dottrina 
della   coscienza  morale  nello  Spencer,   1896.  —  La  morale  utilitaria  dello  St.  Mill,  1899. 

—  Fra  il  pensiero  antico  e  il  moderno,  1905,  u.  a. 

Zwanziger,  Johann  Christian,  geb.  1723  in  Leutschau  (Ungarn),  Privat- 
dozent und  Lehrer  in  Leipzig,  gest.  daselbst  1808.  =  Anhänger  Kants. 


Zwanziger  —  Zwingli.  857 


riften:    Theorie  der  Stoiker   und  Akademiker   von    Perzeption  und  Probabilis- 
18.    —     koroniontar    über    Herrn    Prof.   Kants   Kritik  der  reinen   Vernunft,   1792. 
—    Kommentar  Mm  -itik  der   prakt.    Vernunft,    1794.   —   Unparteiische  Erläuterung 

über  die    Kantsche   Lehre   Ton   den   Ideen   und    Antinomien,    1797,  u.   a. 

Bwtogllj    l'lrich.    1  1,    der  berühmte  Theolog  und  Reformator. 

xi  '/..  isl  roo  den  Alten  (Flatoi     Cica       &     ca  a.  a.i  beeinflußt.     Er  vertritt 

Determinismus  und  den  Optimismus.     Alles  lebt  in 

hat  in  ihn.  8i  in. 

iae   tulei  ;     De   pro\  idontia ;    Apologetieus 

u.   a.      Opera.  V.  I  I  l  ER,    Das  theologische  System 

/.«,    I.v.3  W.   THOMAS,    DM    I  CÜGELGEN,   Die 

Kthu 


Nachträge  und  Ergänzungen.** 


A. 

lall.     \.      geb.  18»  v  3    hriften:     H.    Taine,    deutsch   1898. 

—    1!  d   Denker.    1906.    —    Zur   Frage  der  Hemmung    bei   der   Auf- 

fiaaiBg  gleicher  Reise,  Zeitact  .  u    a. 

\;u*.    k\.  geb.  18*  Die  Erwartung,  2.  A.  1911. 

thhotl.  rnas,  gel  in,   Proi 

Schriften:  —     KanU    lntroduction   to   Logic,    1886.   — 

BUaienu  of  Logic,  3.  ed.   1895,  u.  a. 

\Im-imIi  ntli. 

•cd:   Di»   Troblem  im  -,  1889. 

irh,    \  -ll'    «l.-r   „Beitrage   nu 

PfTchol. 

%4'h«'li». 

\rktrUnr<  in.  -   ritbibliothekai  in 

Stettin    —  A.  fahrt 

Schriften  orie  der  •  hen.   1 

Adam,  tor  der  üniverritäl  Nancy. 

•Mnent  eath/tique,  -   Ktudes  nur  les   prin<  ipaux 

lili.-L«-«.  I  tbingen. 

\«||«r.    |  (  •..luiiihia-riiiver-ität. 

%«ll«-r„  Max,   |  t.riften:  I.   Kant,   1904, 

%<flli«»«-ti.   P.  Beda  h  bdt,  Leb!  in  Stifl   ftfelten. 

Schriften:    Praefatione*    ad   artia    acholaaticae    int  er    Occidental  es    fata,    1898.    — 
Abhaa41aage«  im  im  . 

:  •    • :    -  führten  Verfasser 

enthalt*  '•"•   Autoren    usw.,   die   teflfl 

d»-r  irn  Laufe  d<  il   aU 

rjufy]]' h  • '-   h  .-.•.•,   i,  ••  .   •  i  •  •  r  u  ri  _-  '!•  -   Kahmens  entsprechen. 


860  Aegydius  —  Apel. 


Aegydins  (Gilles)  von  Lessines,  Schüler  Alberts  des  Großen, 
Dominikaner  im  Kloster  St.  Jacques  in  Paris.  =  Aeg.  ist  Thomist  und  ver- 
teidigt die  Lehre  von  der  Einheit  der  die  Individualität  eines  Wesens  be- 
dingenden Form. 

Schriften:  De  unitate  formae,  hrsg.  von  M.  de  Wulf,  1902. 

Aicher,  Severin,  geb.  1882  in  Mahlstetten,  Vikar  in  Stuttgart. 
Schriften:    Kants    Begriff    der    Erkenntnis,    verglichen   mit   dem    des    Aristoteles,, 

1907,  u.  a. 

Alemannia  Vittore.  geb.  1869  in  Florenz.  —  Schriften:  L'elemento  psi- 
chico,  1903.  —  P.  Ceretti,  1904.  —  Pensiero  e  azione,  Eiv.  di  filos.,  1905,  u.  a. 

Alexander 9  Bernät,  geb.  1850  in  Budapest. 

Alexander,  Samuel,  geb.  1859  in  Sidney,  Prof.  in  Manchester. 

iliotta.  Antonio,  geb.  1881  in  Palermo,  Privatdozent  in  Florenz. 

Schriften:  Scetticismo  antico  e  sc.  moderno,  1903.  —  La  creazione  nell'  arte  e- 
nella  natura,  1904.  —  Psicol.  della  credenza,  Eiv.  filos.,  1904.  —  La  misura  in  psicoL 
sperimentale,  1905,  u.  a. 

Allievo,  G.,  geb.  1830  in  San  Germano  Vercellese,  Prof.  in  Turin. 

Air  atz,  Sydney,  geb.  1868  in  London,  Prof.  in  Upsala. 

Ambrosi,  Luigi,  geb.  1870  in  Castro  dei  Volsci,  Privatdozent  in  Bom. 

Amnion,  Otto,  geb.  1842  in  Karlsruhe,  lebt  daselbst.  —  Schriften:  Der 
Darwinismus  und  die    Sozialdemokratie,    1891.    —   Die  natürl.   Auslese    beim    Menschen, 

1893.  —  Die  Gesellschaftsordnung,   3.  A.   1900.    —    Der  Ursprung  der  sozialen    Triebe,. 
Zeitschr.  f.  Sozialwiss.,  IV,  1901,  u.  a. 

\mrhein,    Hans,   geb.   1875  in  Hemer,  Seminar-Oberlehrer  in  Rheydt. 

=  Kritizistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Kants  Lehre  vom  Bewußtsein  überhaupt,  1908  (Das  „Bewußtsein  über- 
haupt" ist  ein  rein  transzendentallogischer,  weder  psychologischer  noch  metaphysischer 
Begriff). 

An  ei  Hon.  —  Schriften:  Kecherches  critiques  et  philosophiques  sur  l'ente- 
lechie  d'Aristote,  1804  f.  —  Zur  Vermittlung  der  Extreme  in  den  Meinungen,  1828 — 31. 

Andreas,  Lou,  geb.  Salome  (A.-Salome),  geb.  1861  in  Petersburg,  lebt 
in  Göttingen,  war  mit  Nietzsche  befreundet. 

Schriften:     Im    Kampf    um    Gott,    1885.    —    F.    Nietzsche    in    seinen    Werken, 

1894,  u.  a. 

An  gell,  James  Rowland,  geb.  1869  in  Burlington,  Prof.  in  Chicago. 
Schriften:  Psychology,  1905,  u.  a. 

Anselm  von  Canterbury.  —  Vgl.  J.  FISCHER,  Die  Erkenntnislehre  A.& 
ron  C,  1911. 

Apel,  Max,  geb.  1869  in  Berlin.  —  Schriften:  Krit.  Anmerk,  zu  Haeckel» 
,, Welträtsel ",    4.  A.  1905.    —    Kant,    1904.    —    Kommentar   zu    Kants    „Prolegomena", 

1908.  --  Haeckels  Weltanschauung,    1908.  —  Wie  studiert  man  Philosophie?    1911.  — 
Die  Grundbegriffe  der  Kritik  der  reinen  Vernunft,  1894. 


Apel  —  Auerbach.  861 


Apel,  Paul,  geb.  1872  in  Berlin.  —  Schriften:  Ich  und  das  All,  1907.  — 
Die  Macht  der  Seele,   1908.  —   Das  innere  Glück,  1909. 

Apelt,  E.  F.  —  Schriften:  Metaphysik,  hrsg.  von  R.  Otto,  1910  (Bibl.  der 
Gesamtliteratur). 

Apelt,  Otto,  geb.  1845  in  Jena,  Gymnasialdirektor  daselbst. 
Schriften:  Beiträge  zur  Gesch.  d.  griech.  Philos.,  1891.  —  Der  Wert  des  Lebens 
nach  Piaton,  1907,  u.  a. 

Ampere,  A.-M.  —   Vgl.  B.  LORENZ,  Die  Philosophie  A.-M.  A.s,  1908. 

Ardigo,  Prof.  in  Padua.  =  Nach  A.  ist  die  Erfahrung  die  Übersetzung 
■des  Rhythmus  des  Realen  in  ihren  eigenen  Rhythmus  und  ist  wahr  in  diesem 
Sinne,  als  Zeichen  für  die  objektiven  Tatsachen,  denen  sie  entspricht.  Die 
Anschauungs-  und  Denkformen  sind  organisch  gewordene  Rhythmen  der  Er- 
fahrung. Die  Wissenschaft  macht  Deutlichkeitsabschnitte  im  Kontinuum  der 
Realität  (Opere  filos.  VI). 

Vgl.  J.  BLUWSTEIN,  Die  Weltanschauung  R.  Ardigös,  1911. 

d'Argens,  Jean  Baptiste,  geb.  1704  in  Aix,  gest.  1771  bei  Toulon. 

Arleth,  Emil,  geb.  1856  in  Eperies,  gest.  1909. 

Arnim,  Hans  von,  geb.  1859  in  Freienwalde,  Prof.  der  klass.  Philologie 
in  Wien. 

Schriften:   Stoicorum  veterum  fragmenta,  1903  ff.,  u.  a. 

Arndt,  A.  =  A.  lehrt  einen  Monismus  des  Gesetzes.  Das  Weltgesetz 
ist  eins  mit  der  Liebe,  die  alles  verbindet. 

Schriften:  Betrachtungen  zu  einer  Erneuerung  uns.  Lebens,  1905.  —  Über  die 
Einheit  der  Gesetze,   1907. 

Arnold,  G.  F.  —  Schriften:  Psychology  applied  to  legal  evidence,  1906.  — 
Attention  and  Interest,  1910. 

Arrhenins,  Svante,  geb.  1859,  Prof.  in  Stockholm.  =  A.  vertritt  eine 
kosmozoische  Hypothese  vom  Ursprung  des  Lebens  (durch  Strahlungsdruck 
gelangten  Lebenskeime  auf  die  Erde). 

Schriften:  Das  Werden  der  Welten,  3.  A.  1908.  —  Die  Vorstellung  vom  Wandel 
4er  Zeiten,  1909. 

Aster,  E.  von.  =  Kritizistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Untersuch,  über  den  logischen  Gehalt  des  Kausalgesetzes,  1905.  — 
Über  Aufgabe  und  Methode  in  den  Beweisen  der  Analogien  der  Erfahrung  in  Kants 
Kritik  der  reinen  Vernunft,  Archiv  f.  Gesch.  der  Philos.  XVI,  1903.  —  L  Kant, 
1909,  u.  a. 

Astnraro,  Alfonso,  Dozent  in  Genua.  =  Schriften:  Clawif.  della  mo- 
rale,  1890.  —  Gli  ideali  del  positivismo,  1892.  —  I  ritmi,  sociali,  1894.  —  La 
sociologia,  1890.  —  Le  classif.  delle  scienze,  1898.  —  11  concetto  della  sociologia, 
1899.  u.  a. 

Auerbach,  Felix,  Prof.  der  Physik  in  Jena.  =  Nach  A.  wirkt  die 
organische  Entwicklung  der  Entropie  entgegen,  d.  h.  „ektropiflch". 


862  Auerbach  —  Baumgarten. 

Schriften:  Kanon  der  Physik,  1899.  —  Die  Weltherrin  und  ihr  Schatten.  — 
Grundbegriffe  der  modernen  Naturlehre,  3.  A.  1910,  u.  a. 

Augustinus.  —  Vgl.  H.  Becker,  a.,  1908.  —  J.  Mausbach,  Die  Ethik 

des  heiligen  Augustinus,   1909. 

Austin.  John,  geb.  1790  in  Creating  Mill,  Jurist,  1826—32  Prof.  in 
London,  gest.  1859.  =  Utilitarist. 

Schriften:  The  Province  of  Jurisprudence,  1832;  2.  ed.  1863.  —  Lectures  of 
Jurisprudence,  1861 — 63;  5.  ed.   1885. 

Azais.  Pierre  Hyacinthe,  geb.  1766  in  Sorreze,  gest.  1845  in  Paris. 

b. 

Baconthorp,  John,  geb.  in  Baconthorp. 

ßaenmker,  Clemens,  geb.  1853  in  Paderborn.  —  Schriften:  Aristoteles' 
Lehre  von  den  äußern  und  innern  Sinnesvermögen,  1877.  —  Traktat  gegen  die  Amal- 
ricianer,  1893.  —  Avencebrolis  Föns  vitae,  1895.  —  D.  europäische  Philos.  d.  Mittel- 
alters (Kultur  d.  Gegenw.  I,  5,  1907),  u.  a. 

Bagehot,  W.,  geb.  1826  in  Langport,  gest.  1877  in  London. 

Baill.  A.,  gest.  1903.  —  Schriften:  Autobiography,   1904. 

Baldinotti,  Cesare,  gest.  1820  als  Prof.  in  Padua. 

Bald  will.  James,  geb.  1861  in  Columbia.   —   Schriften:  Darwin  and  the 

Humanities,  1910. 

Balfonr,  A.  J.,  geb.  1848  in  Wittinghame.  —  Schriften:  A  Defense  of 
Philosophie  Doubt,   1879. 

Ballauf,  Friedrich,  geb.  1856  in  Varel,  Gymnasialprof.  in  Aurich. 
Schriften:    Die   psychol.    Grundlage   von    Herbarts   prakt.    Philos.,  1893.  —  Ent- 
stehung u.  Bedeut.  des  Gefühls,  1898,  u.  a. 

Bärenbach,  geb.  1855. 

ItarnL  Jules,  geb.  1818  in  Lille,  Prof.  in  Paris,  lebte  seit  1861  in  Genf, 
seit  1871  wieder  in  Paris,  gest.  1878  im  Seebad  Mers.  =  Von  Kant,  Cousin 
u.  a.  beeinflußt,  durch  seine  Übersetzung  Kants  u.  a.  von  Bedeutung. 

Schriften:  Artikel  „Kant"  in:  Dictionnaire  des  sciences  philos.,  hrsg.  von  Franck,, 
III,  u.  a.  —  Vgl.  O.  KARMIN,  J.  B.,  Bericht  über  d.  III.  int.  Kongreß  f.  Philos.,  1909. 

Barth9  P.,  geb.  1858  in  Baruthe  (Schlesien). 

Baach,  Bruno,  geb.  1877  in  Gr.  Nossen,  jetzt  Prof.  in  Jena. 
Schriften:  Studien   zur  Philos.    der   exakten  Wissenschaften,   1911.    —    Gesch.  d. 
Philosophie,  V:  I.  Kant,  1911. 

B  an  mann,  Julius.  —  Schriften:  Über  die  sogenannte  raathemat.  Methode 
in  der  Mathematik,   1910. 

Baumgarten,  A.,  —  Vgl.  Poppe,  a.  G.  b.,  1907.  —  E.  Bergmann,, 

D.  Begründ.  d.  deutschen  Ästhetik  durch  B.  und  G.  F.  Meier,   1910. 


Baumgartner  —  Belfort-Bax.  863 


Banmgartner,  Matthias,  geb.  1865  in  Schretzheim  bei  Dillingen,  Prof. 
in  Breslau.  =  Thomistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  Erkenntnislehre  d.  Wilhelm  von  Auvergne,  1893.  —  Die  Philos. 
d.  Alanus  de  Insulis,  1896,  u.  a. 

Banr.  Ludwig,  geb.  1871  in  Oberdettingen,  Prof.  der  kathol.  Theologie 
in  Tübingen.  =  Thomistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Domin.  Gundissalinus,   1903,  u.  a. 

Bantaill,  L.  —  Schriften:  Manuel  de  philos.  morale,  1866.  —  Experimental- 
Psychologie,  deutsch  1853. 

Bazaillas,  Albert,  Prof.  in  Paris.  =  Mit  Bergson  verwandt.  Die  Musik 
ist  eine  Manifestation  des  unbewußten  Geisteslebens. 

Schriften:    La  vie  personelle,  1905.  —  Musique  et  inconscience,   1907. 

Beccaria,  Cesare,  geb.  1738  in  Mailand,  gest.  1794  daselbst. 

Becher,  E.  =  „Mit  unserem  Seelenleben  steht  eine  Welt  materieller 
Dinge  an  sich  in  wechselseitigem  Wirkungszusammenhang.  Insofern  besteht 
die  Wechselwirkungshypothese  zu  Recht.  Das  Reale  an  sich  ruft  Sinnes- 
wahrnehmungen hervor,  die  zunächst  nur  vereinzelte  Dinge  an  sich  mani- 
festieren. Im  Prinzip  aber  könnten  alle  materiellen  Dinge  an  sich  (auch  die 
für  uns  unwahrnehmbaren)  und  die  seelischen  Vorgänge  sinnliche  Er- 
scheinungen hervorrufen.  Dadurch  tritt  neben  die  Wirklichkeit  an  sich  eine 
Welt  (prinzipiell  möglicher,  zum  Teil  lediglich  gedachter)  Erscheinungen,  die 
in  ihrem  Zusammenhang  den  der  Wirklichkeit  an  sich  abbilden,  eine  Parallele 
zu  ihm  darstellen.  Insofern  hätten  wir  einen  Parallelismus/'  (Gehirn  und 
Seele,  1911). 

Bechterew,  Wlad.  Michailowic  von,  geb.  1857  in  Wiatka,  Prof.  in 
St.  Petersburg. 

Beck,  Friedrich,  geb.  1864  in  Wien,  lebt  daselbst.  =  Evolutionistischer 
Standpunkt. 

Schriften:  Wollen  und  Sollen  des  Menschen,  1907. 

Beck,  Paul,  geb.  1870  in  Rosendorf,  Oberlehrer  in  Leipzig. 
Schriften:  Die  Nachahmung,  1904.  —  Die  Ekstase,   1906,  u.  a. 

Beetz,   Karl  Otto,   geb.   1859   in   Neustadt   a.   Rennsteig,    Bearksschul- 

inspektor  in  Gotha,  Herausgeber  der  „Pädag.  Warte". 

Schriften:  Einführ,  in  d.  mod.  Psychol.,   1900;  2.  A.  1907,  u.  a. 

Beiart,  Hans,  geb.  1856  in  Brugg  (Schweiz),  lebt  in  Freiburg  i.  Br.  = 
Von  R.    Wagner   und    Nietzsche   beeinflußt. 

Schriften  (philos.):  Wagner  in  Zürich,  1900—01.  —  Nietzsches  Ethik,  1902. 
—  Nietzsches  Metaphysik,  1904.  —  Haeckels  Naturphilosophie,  1905.  —  Nietzsche  u. 
Wagner,  1907.    —    Nietzsches  Leben,  1910,  u.  a. 

Belfort-Bax,  Ernest.  geb.  1854  in  Leamington.  =    Idealistisch-! 
listischer  Standpunkt. 

Schriften:  The  Problem  of  Keality,  1892. 


804  Belot  —  Bergson. 


Belot,  G.,  Prof.  in  Paris.  =  Positivistischer  Standpunkt. 
Schriften:  Etudes    sur  la    philos.    morale   du  XIXe    siecle,  1904.    —   Etudes  de 
morale  positive,  1907,  u.  a. 

Bender,  H.,  geb.  in  Luxemburg,  lebt  in  Eisenach. 
Schriften:  G.  Bruno,   1890. 

Benedikt,  Moriz,  geb.  1835  in  Eisenstadt,  Prof.   der  Medizin  in  Wien. 

Schriften:  Zur  Psychophysik  d.  Moral  u.  d.  Rechts,  1875.  —  Hypnotismus  und 
Suggestion.  1894.  —  D.  Seelenkunde  des  Menschen,  1895.  —  D.  biomechanische  Denken, 
1903.  —  Aus  meinem  Leben,   1906,  u.  a. 

Bentham,  George,  geb.  1800  in  Plymouth,  gest.  1884. 

Bergbohm,  Karl,  geb.  1841  in  Riga,  Prof.  in  Bonn. 

Bergemann,  P.,  geb.  1862  in  Löwenberg. 

Bergmann,  Hugo,  lebt  in  Prag.  =  Anhänger  Brentanos. 
Schriften:    Untersuch,  z.  Problem  d.  Evidenz  d.  innern  Wahrnehmung,    1908.  — 
Das  philos.  Werk  Bolzanos,  1909,  u.  a.  —  Vgl.  Arch.  f.  Kulturgesch.  IX,   1911. 

Bergson,  H.  =  Le  corps  conserve  des  habitudes  motrices  capables  de 
jouer  ä  nouveau  le  passe;  il  peut  reprendre  des  attitudes  oü  le  passe*  s'inserera 
.  .  .  mais  en  aucun  cas  le  cerveau  n'emmagasinera  des  Souvenirs  ou  des  images. 
—  C'est  vers  l'action  que  perception  et  memoire  sont  tourn£es,  c'est  cette 
action  que  le  corps  prepare.  —  .  .  Supposons  que  ma  perception  consciente  ait 
une  destination  toute  pratique,  qu'elle  dessine  simplement,  dans  Pensemble  des 
choses,  ce  qui  interesse  mon  action  possible  sur  elles:  je  comprends  que  tout 
le  reste  m'echappe,  et  que  tout  le  reste,  cependant,  soit  de  meme  nature  que 
ce  que  je  percois.  —  L'etat  cerebral  correspond  exactement  ä  la  perception. 
II  n'en  est  ni  la  cause,  ni  l'effet,  ni  en  aucun  sens  le  duplicat:  il  la  continue 
simplement,  la  perception  6tant  notre  action  virtuelle  et  l'etat  cebral  notre 
action  commencee.  — 

L'univers  matenel  lui-meme,  defini  comme  la  totalite  des  images,  est 
une  espece  de  conscience,  une  conscience  oü  tout  se  compense  et  se  neutralise.  — 

La  verite*  est  que  la  memoire  ne  consiste  pas  du  tout  dans  une  regression 
du  present  au  pass£,  mais  au  contraire  dans  un  progres  du  passe  au  present.  .  . 
Nous  partons  d'un  £tat  virtuel,  que  nous  conduisons  peu  ä  peu,  ä  travers 
une  serie  de  plans  de  conscience  differents,  jusqu'au  terme  oü  il  se  materia- 
lise  dans  une  perception  actuelle  .  .  .  Dans  cet  £tat  virtuel  consiste  le  souvenir 
pur.  —  .  .  Le  souvenir  pur  est  une  manifestation  spirituelle.  — 

.  .  .  notre  corps  —  la  pointe  mouvante  que  notre  passe*  pousse  ä  tout 
moment  dans  notre  avenir.  — 

L'esprit  emprunte  ä  la  matiere  les  perceptions  d'oü  il  tire  sa  nourriture, 
et  les  lui  rend  sous  forme  de  mouvement,  oü  il  a  imprime*  sa  liberte.  — 

Si  le  röle  le  plus  humble  de  Tesprit  est  de  lier  les  moments  successifs  de 
la  duree  des  choses  .  .  .,  on  concoit  une  infinite*  de  degres  entre  la  matiere  et 
l'esprit  pleinement  de>eloppe\ 


Bernheim  —  Bodnär.  865 


Bernheim,  Ernst,  geb.  1850  in  Hamburg,  Prof.  in  Greifswald. 
Schriften:  Geschichtsforschung  u.  Geschichtsphilosophie,   1880. 

Bernstein,  Ed.,  geb.  1850  in  Berlin. 

Bertling,  Oskar,  geb.  1845  in  Badersleben,  Prof.  und  ev.  Prediger  da- 
selbst. 

Schriften:     Philos.    Briefe,     1876.     —     Die    Erkennbarkeit    Gottes,     1885.    

Was  ist  Wahrheit?  1906.    —   Gesch.    d.  alten  Philos.    oder  Weg    d.  Erforsch,   der  Kau- 
salität, 1907.  —  D.  Johanneische  Logos,  1907,  u.  a. 

.Besant,  Annie,  geb.  1847.  —  Schriften:  Karma,  1899.  —  Uralte  Weisheit, 
2.  Ä.  1906.  —  Das  Denkvermögen,  2.  A.  1908.  —  Theosophie  u.  moderne  psychische 
Forschung,  1907,  u.  a. 

Besser,  L.,  Arzt  in  Bonn  =  Monistischer  Standpunkt. 
Schriften:     Das    der  Menschheit    Gemeinsame,  1895.  —  Unser   Leben    im  Lichte 
-der  Wissenschaft,  1903.  —  Seele  u.  Sittlichkeit,  1904,  u.  a. 

Biermann,  Eduard,  geb.  1878  in  Bremen,  Prof.  d.  Xationalök.  in 
Leipzig.  =  Von  Wundt  beeinflußt. 

Schriften:  Staat  u.  Wirtschaft  I,  1905.  —  Zur  Lehre  von  d.  Produktion,  1904. 
—  Anarchismus  u.  Kommunismus,   1906.  —  D.  Weltansch.  d.  Marxismus,   1908,  u.  a. 

Biese,  Alfred,  geb.  in  Putbus. 

Biese,  R>.  —  Schriften:  Grundzüge  moderner  Humanitätsbildung,  1886.  — 
Erkenntnisse  u.  Lebensweisheit  in  Aphorismen,  1904.  —  Kulturwissenschaftl.  Weltan- 
schauung,  1909. 

Bilharz,  A.,  geb.  in  Signiaringen. 

ßillia.  Lorenz  Michelangelo,  geb.  1860,  Prof.  in  Turin.  =  Idealistischer 
Standpunkt    (Einfluß  Kosminis). 

Schriften:  L'unitä  dello  scibile  e  la  filos.  della  morale,  1896.  —  Lezioni  di 
filoB.  della  morale,  1897.  —  Süll'  ipotes.  dell'  evoluzione,  1897,  u.  a. 

Binet,  Alfred,  geb.  in  Nizza,  gest.  1911.  —  Schriften:  L'ötude  experim. 
de   l'intelligence,  1907.   —  La  suggestibilite,   1907. 

Biunde,  geb.  1806  in  Borken,  Pfarrer  in  Saarburg,   gest.  1860  daselbst. 

Blaue,  E.,  geb.  1846  in  Tain  bei  Valence. 

Blanqui,  Louis,  geb.  1805  in  Puyet  Theniers,  gest.  1881  in  Paris. 

Blakey.  E.  —  Schriften:  History  of  the  Philosophy  of  Mind,  1848.  — 
History  of  Moral  Science,  2  ed.  1836. 

Blavatsky,  Helene  Petrowna,  geb.  1831  in  Jekaterinoslaw,  gest.  1891 
in  London. 

Schriften:  Isis,  1876;  deutsch  1907  f.  —  The  Secret  Doctrine,.  1888  ff.  deutsch. 
1897  —  1901.  —  The  Key  to  Theosophy,   1897;   deutsch  1907,  u.  a. 

Blondel,  Maurice,  Prof.  in  Aix. 
Bodnar,  geb.  1839  in  Xagy-Karoly. 

Eisler,  Philosophen-Lexikon.  ^O 


866  Böhm-Bawerk  —  Brasch. 


Böhm-Bawerk9  Eugen  von,  geb.  1851  in  Brunn,  seit  1881  Prof.  ch 
Nationalök.  in  Wien.  —  Vertreter  "der  „abstrakten",  psychologischen  Richtung 
der  Nationalökonomie   (Grenznutzentheorie  u.  a.). 

Schriften:  Kechte  u.  Verhältnisse  vom  Standpunkt  d.  volkswirtsch.  Güterlehre, 
1881.  —  Kapital  u.  Kapitalzins,  1884—89;  2.  A.  1900.  —  Grandzüge  d.  Theorie  d. 
wirtsch.  Güterwertes,  1886.  —  Posit.  Theor.  d.  Kapitals,  1889;  2.  A.  1902.  —  Zum 
Abschluß  d.   Marxschen  Systems,  1897,  u.  a. 

BÖImer,  A.  N.  —  Schriften:  Naturforschung  u.  Kulturleben,  3.  A.  1890. 
—  Leben  u.  Weben  der  Natur,  1874.  —  Monismus,   1889. 

JBoirac,  E.,  geb.  in  Guelma  (Algerien). 

Holland,  geb.  1854  in  Groningen. 

Bolliger,  Adolf,  geb.  1854  in  Holziken,  Pfarrer  in  Zürich. 
Schriften:  Das  Problem  der  Kausalität,  1878.  —  Anti-Kant,  1882,  u.  a. 

Boltzmann,  geb.  1844  in  Wien.  =  Nach  B.  sind  die  Atome  veran- 
schaulichende Denkmittel.  Den  Satz  der  Entropie  begründet  B.  durch  den 
Hinweis  darauf,  daß  die  Richtung  der  Energie  zur  Entropie  die  wahrschein- 
lichste aller  Richtungen  sei. 

Bolzano.  —  Vgl.  H.  BERGMANN,  B.s  Beiträge  zur  philos.  Grundlage  der 
Mathematik,   1909. 

Bon,  G.  L.,  geb.  1841  in  Nogent-le-Rotron  —  Schriften:  Les  opinion& 
et  les  croyances,   1911. 

Boole,  George,  geb.  1815  in  Lincoln,  gest.  1864  in  Cork. 

Bonhöffer,  Adolf,  geb.  1859  in  Eschelbach,  Prof.,  Bibliothekar  in 
Stuttgart. 

Schriften:  Epiktet  u.  d.  Stoa,  1890.  —  Die  Ethik  des  Stoikers  Epiktet,  1894,  u.a. 

Bosanquet9  B.  —  Schriften:  The  Philosoph ical  Theory  of  the  State,   1910^ 

Rom  <l<k<lll,  J.  —  Schriften:  Les  maitres  de  la  pensee  contemporaine,  5.  6ä. 
1907.  —  Socialistes  et  sociologues  2  ed.  1907.  —  Pragmatisme  et  modernisme,  1909.  — 
Le  probleme  de  la  mort,  4.  ed.  1904.  —  Le  probl.  de  la  vie,  1901. 

BontrOUX.  —  Vgl.  BOELITZ,  Kausalität  u.  Notwendigkeit  in  B.s  Lehre  von. 
d.  Kontingenz,   1907. 

Brahn,  Max,  Prof.  in  Leipzig.  =  Anhänger  Wundts. 
Schriften:  Exper.  Beiträge  zur  Gefühlslehre,  1901,  u.  a. 

Braid,  James,  geb.  1795  in  Schottland  (Grafschaft  Fife),  Arzt,  gest.  1860 
in  Manchester.  =  Hauptbegründer  des  neuern  Hypnotismus. 

Schriften:  Neurypnology,  1843.  —  Magic,  witchcraft,  animal  magnetism,  3.  ed. 
1852.  —  Observations  on  trance,   1850.  —  Der  Hypnotismus,  deutsch  von  Preyer,  1882^ 

—  Vgl.  PREYER,  D.  Entdeck,  d.  Hypnot,  1881. 

Braig,  geb.  in  Kanzach. 

Brascll,  Moritz.  —  Schriften:  Ges.  Essays  u.  Charakterköpfe  z.  Philos.  u~ 
Literat,   1885.  —  Die  Klassiker  d.  Philos.,    1884—85.  —  Deutsche  Philosophie,   1897~ 

—  Leipziger  Philosophen,  1894,  u.  a. 


Braux  —  Cantor.  867 


Braun,  Otto,  geb.  1885  in  Dorpat,  Privatdozent  in  Münster. 

Schriften:  Schellings  Vorlesungen  über  d.  Methode  d.  akad.  Studiums  (Neudruck 
1906).  —  Schelling  als  Persönlichkeit  (Auswahl,  1909).  —  E.  Euckens  Philosophie  u. 
d.  Bildungsproblem,  1909.  —  Schleiermachers  Werke  (Auswahl,  1910  ff.).  —  Zum 
Bildungsproblera,  1911.  —  Herders  Ideen  zur  Kulturphilosophie  (Auswahl,  1911.)  — 
Systeraat.  Studien  zur  Bedeutungsforschung  I,  1911.  —  Grundriß  der  Philosophie  des 
Schaffens,   1911. 

Broekdorff,  Cay  von,  Dozent  in  Kiel.  =  C.  vertritt  einen  objektiv- 
idealistischen Standpunkt.  Raum,  Zeit,  Substanz  und  Kausalität  sind  subjek- 
tiv-objektiv. 

Schriften:  D.  Studium  d.  Philos.,  1903.  —  Gesch.  d.  Philos.  u.  d.  Problem  ihrer 
Begreiflichkeit,  2.  A.  1908.  —  Die  wissenschaftliche  Selbsterkenntnis,  1908;  2.A.  1911,  u.a. 

Brown,  Peter,   seit  1709  Bischof  von  Cork  u.  Ross,  gest.  1735  in  Cork. 

Branner,  C.  =  Daß  alles  aus  „bewegten  Dingen"  (die  an  sich  Bewußt- 
sein haben)  besteht,  gilt  nur  für  die  dem  Leben  und  dessen  Zwecken  dienende 
Verstandeserkenntnis,  während  für  das  „geistige"'  Denken  die  Wirklichkeit  ein 
einheitliches,  ewiges  Sein  ist. 

ßrnnschwicg,  L£on.  geb.  1869  in  Paris. 

Bnbnoff.  Nicolai  von,  Privatdozent  in  Heidelberg.  —  Schriften:  Zeit- 
lichkeit und  Zeitlosigkeit,  1911,  u.  a. 

Bullinger,    Anton,   geb.    1831   in   Keimlingen,   Gymnasialprof.  a.  D.  in 

Dillingen,  =  Anhänger  Hegels. 

Schriften:  Aristotel.  Metaphysik,  1892.  —  D.  Christentum  im  Lichte  d.  deutsch 
Philos.,  1895.  —  Hegel'sche  Logik,  1900.  —  Hegels  Naturphilos.  1903.  —  Hegels 
Phaenom.  d.  Geistes,   1904.   —  Die  Quintessenz  d.  wahren  Philos.   1905,  u    a. 

Barthogge,  R.,  1638—1694,  Arzt  und  Philosoph,  lebte  in  Plvmouth. 

Butler-  Joseph,  geb.  1692  in  Wantage,  Bischof  von  Durham,  gest.  1752 
daselbst.  =  Anhänger  Shaftesburys,  Eudämonist. 

Schriften  :  Fifteen  Sermons,  upon  Human  Nature,  1726.  —  The  Analogy  of  Reli- 
gion, 1736.  —  Works,   1896. 

C. 

Caird,  Edward,  geb.  1835  in  Greenock. 

Calderwood,  Henry,  geb.  1830  in  Peebles,  gest.  1897  in  Edinburg. 

Cantoni,  gest.  1906. 

Cantor,  Georg,  geb.  1845  in  St.  Petersburg,  seit  1879  o.  Prof.  in  Halle. 
=  Begründer  der  Mannigfaltigkeitslehre  (Unterscheidung  von  Anzahl  und 
Mächtigkeit;  Begriff  der  „transfiniten"  Zahlen). 

Schriften:    Gesammelte  Abhandlungen,  1890  ff, 

Cantor,  Moritz,  geb.  1829  in  Mannheim,  war  seit  1S63  Prof.  der  Mathe- 
matik in  Heidelberg. 

Schriften:  Euklid  u.  sein  Jahrhundert,  1868.  —  Vorles.  üb.  Gesch.  d.  Mathe- 
matik. 3  Bde.,  1880  ff.;    2.-3.  A.,  4  Bde.,   1900  ff. 

55* 


868  Capelle  —  Chwolson. 


Capelle,  Willi,  geb.  1871  in  Hannover,  Gymnasial- Oberlehrer  in  Hamburg. 
Schriften:  De  Cynicorum  epistulis,   1896.  —  Die  Schrift  von  der  Welt,  1905,  u.  a. 

Capesins,  Josef,  geb.  1853  in  Probstdorf,  Seminardirektor  in  Hermann- 
stadt =  Herbartianer. 

Schriften:  Die  Metaphysik  Herbarts,  1878.  —  Abriß  der  Psychologie,  1900.  — 
Abriß  der  allgem.  Pädagogik,  1902,  u.  a. 

Carlyle.  —  Vgl.  Mark,  Th.  0.,  1876.  —  Flügel,  C.s  relig.  u.  sittl.  Welt- 

ansch.,  1887. 

Cartis,  Paul.  =  Mach  C.  ist  die  Philosophie  eine  „Philosophie  der  Form". 
„Alle  Wissenschaft  besteht  in  einer  Beschreibung  von  Formen  und  einem  Ver- 
folgen der  Umwandlung  von  Formen."  Die  Philosophie  als  Wissenschaft  (als 
Anwendung  von  Wahrheiten  =  ,,Pragmatologiea)  ist  das  Produkt  der  wissen- 
schaftlichen Entwicklung  der  Menschheit.  Allgemeinheit  und  Notwendigkeit 
sind  aus  den  Bedingungen  der  Konstruktion  reiner  Formen  abzuleiten.  Form 
ist  objektiv  und  subjektiv  zugleich.  Die  formalen  Wissenschaften  sind  Kon- 
struktionen des  reinen  Denkens,  im  Felde  einer  abstrakten  Leere  dargestellt. 
Die  reinen  Formen  an  und  für  sich  sind  „überwirklich",  die  Typen  aller  mög- 
lichen Einheiten,  die  Normen  des  Daseins.  Die  Kausalität  ist  das  , Gesetz  der 
Transformation  oder  Formveränderung".  Das  Sein  ist  von  innen  Subjektivität, 
Innerlichkeit,  von  außen  Objektivität.  Leben  und  Gefühl  ist  an  die  Wechsel- 
wirkung gewisser  Formen  gebunden.  Die  Seele  entsteht  erst  durch  „Koope- 
ration psychischer  Funktionen  in  organisierten  Lebewesen".  Sie  ist  „ein 
System  von  fühlenden  Symbolen".  Die  Seele  des  Menschen  ist  ein  Abbild  der 
Weltordnung.  Nach  dem  Tode  beharren  unsere  Taten  in  ihren  Wirkungen. 
Gott  ist  das  Ewige,  die  Norm  der  Wahrheit  und  Gerechtigkeit,  die  Welt- 
ordnung,  er  ist  überpersönlich,  das  bestimmende  Gesetz,  der  Nomos  über  der 
Natur  („Nomotheismus").  Die  Gesamtheit  der  idealen  Normen  der  Welt  ist 
der  Logos. 

Schriften  (Ergänzung):  The  Surd  of  Metaphysics;  The  Nature  of  the  State;  God; 
The  Foundation  of  Mathematics ;  Person  and  Personality;  Truth  on  Trial;  Ursache,  Grund 
u.  Zweck;  Philosophie  als  Wissenschaft,    1911,  u.  a. 

Cattell,  J.  M.,  geb.  1860  in  Easton. 

Ceretti,  1823—1884. 

Chauvin,  Et.   =    Schriften:    Lexicon  rationale  sive  thesaurus  philos.,  1692. 

Chevalier,  Ludwig,  geb.  1831  in  Wien,  war  Gymnasialdirektor  in  Prag. 

Schriften:  Die  Philos.  Schopenhauers,  1870.  —  Über  den  Unterricht  in  der 
philos.  Propädeutik,  1885 — 88.  —  Entstehen  und  Werden  des  Selbstbewußtseins,  1896 
—1901,  u.  a. 

Chiappelli,  A.  —  Schriften:  Dalla  critica  al  nuovo  idealismo,  1910. 

Christiansen,  Broder.  —  Schriften:  Das  Urteil  bei  Descartes.  —  Kant- 
kritik I.     Kritik  der  Kantschen  Erkenntnislehre,   1911. 

('hwolson,  Orestes,  geb.  1852. 


Classen  —  Dewey.  869 


Classen,  Johannes,  geb.  1864,  Prof.  in  Hamburg.  —  Schriften:  Natur- 
wissensch.  Erkenntnis  u.  der  Glaube  an  Gott,  1903.  —  Naturwissensch.  u.  Monismus, 
1908.  —  Vorlesungen  über  moderne  Naturphilosophen,  1908,  u.  a. 

Coit,  Stanton,  geb.  1857  in  Columbus  (Ohio). 

Collins,  Anthony,  engl.  Phil.,  geb.  1676  zu  Heston,  gest.  1729. 

Compayre,  Jules-Gabriel,  geb.  1843,  Generalinspektor  des  öff.  Unter- 
richts, Paris.  =  Vertreter  der  pädagogischen  und  der  Kinder-Psychologie. 

Schriften:  Psychologie  appliquee  ä  l'education,  1886,  1889  f.  —  L'e>olution  mo- 
rale  et  intellectuelle  de  l'enfant,  1893;  4.  ed.  1907.  —  L'adolescence,  2.  ed.  1909,  u.  a. 

Conta,  Basilius,  geb.  1846. 

Conti,  Augusto,  gest.  1905  in  Florenz. 

Cornelius,  H.  —  Schriften:  Einleit.  in  die  Philos.,  2.  Ä.   1911. 

Conrtney,  W.  L.  =  Kritizistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Studies  in  Philosophy,   1882.  —  Constructive  Ethics,   1895,  u.  a. 

Coward,  William,  gest.  1722. 

Credaro,  Luigi,  geb.  1860,  Prof.  in  Kom. 

Croce,  B.  =  Der  Wille  ist  schöpferisch,  jede  Handlung  bewirkt  etwas 
Neues.  Der  Willensakt  ist  notwendig  und  frei  zugleich.  —  Die  dialektische 
Methode  akzeptiert  O.  nicht. 

Schriften:  Filos.  della  pratica,   1904. 

Cyon,  E.  de,  geb.  1843  in  Telsch  (Rußland). 

». 

Damiani ,  Petrus,  geb.  1007  in  Eavenna,  gest.  1072.  =  Gegner  der 
„Dialektik". 

Schriften:  De  divina  omnipotentia.  —  De  perfectione  monachorum,  Migne,  Patrol. 
curs.  (lat.),  Bd.   145.  —  Vgl.  ENDRES,  P.  Damiani  u.  d.  weltl.  Wissenscb.,  1910. 

Damm,  Oskar  Friedrich,  geb.  1866,  lebt  in  Leipzig.  =  Von  Schopen- 
hauer beeinflußt. 

Schriften:  Schopenhauers  Ethik,  2.  Ä.  1898.  —  Schopenhauers  Hechts-  und 
Staatsphilos.,  1900.  —  Schopenhauer  als  Pädagoge,  1901.  —  Volkswirtschaftslehre  und 
Gesellschaftswissenschaft,  1908.   —  A.  Schopenhauer,   1909,  u.  a. 

Dante,  der  berühmte  Dichter,  vertritt  in  seiner  „Göttl.  Komödie"  tho- 
mistische  Anschauungen.  —  Vgl.  Delfe,  D.,  1869.  —  L.  Stfin,  D.  als  Sozial- 
philosoph, ^rch.  f.   Gesch.  d.  Phil.  X  f .  —  KELSEN,  Die  Staatslehre  D.s,  1905. 

Dantee,  Le.  —  Schriften:  La  stabilite"  de  la  vie,  1910  (Die  biol.  Vor- 
gänge sind  Dauervorgänge).  —  Le  chaos  et  l'harmonie  universelle,   1911. 

Delbos,  Vict,  geb.  1862.  Prof.  in  Paris.  —  Schriften:  La  philos.  pra- 
tique  de  Kant,  1905,  u.  a. 

Denssen.   —   Schriften:  Die  Philosophie  der  Griechen,   1911. 

Dewey.    —    Schriften:    The  Psycho!.  Standpoint,   Mind  XI,    1886.  -      Know- 


870  Dewey  —  Dippe. 


ledge  as  Idealisation,  Mind  XIII,    1887.  —  The  Influence  of  Darwin  on  Philosophy  and 
other  Essays  in  Contemporary  Thought,   1910. 

Dietzgen,  Josef,  gest.  1888.  =  Sozialistischer  Denker,  Vertreter 
eines  „dialektisch"  begründeten  Monismus.  Das  Universum  ist  ein  un- 
endlicher, ewiger  Prozeß,  es  ist  dialektisch  tätig,  entwickelt  sich  selbst, 
es  ist  das  Ding  an  sich,  die  Totalität  der  Erscheinungen,  welche  wir  zu 
erkennen,  zu  berechnen  vermögen.  Das  menschliche  Denken  ist  ein  Teil 
des  Universums;  das  Sein  schafft  das  Denken,  bildet  einen  Teil  desselben. 
Die  Materie  ist  die  sinnliche  Wirklichkeit.  Die  Natur  ist  die  Summe 
der  materiellen  und  geistigen  Erscheinungen ;  auch  die  geistigen  Vorgänge 
sind  ein  Stück  der  Wirklichkeit.  Die  Materie  kann  denken,  und  das 
Denken  materialisiert  sich  beständig.  Die  Seele  ist  eine  Wahrnehmung,  wird 
als  Prozeß  gefühlt,  ist  eine  Naturerscheinung.  Das  Ganze,  Eine  ist  in  allem 
enthalten.  Die  Wahrheit,  die  „universale  Natur"  geht  nicht  völlig  in  unser 
Denken  ein,  das  nur  ein  mehr  oder  weniger  treffendes  Bild  von  ihr  erreicht. 
—  Das  Denken  ist  eine  unmittelbare,  aposteriorische  Gehirntätigkeit,  deren 
Material  das  sinnlich  Wahrnehmbare  ist.  Denken  ist  ein  „Generalsinn,  welcher 
die  Botschaften  der  Spezialsinne  registriert,  gruppiert  und  systematisiert".  Es 
entwickelt  aus  dem  sinnlich  Gegebenen  das  allgemeine  und  einheitliche  Vor- 
stellungs-  und  Begriffsbild.  In  letzter  Linie  ist  es  der  Weltzusammenhang, 
welcher  mittels  des  Menschen  denkt.  Es  besteht  eine  Weltdialektik,  nach 
der  alle  Gegensätze  zugleich  koordinierte  Elemente  der  Wirklichkeit  sind,  in 
der  sie  zusammengefaßt  werden. 

Schriften:  Das  Wesen  d.  menschl.  Kopfarbeit.  Kleinere  philos.  Schriften.  Das 
Akquisit  der  Philosophie  u.  Briefe-  über  Logik.  Streifzüge  eines  Sozialisten  in  das  Ge- 
biet d.  Erkenntnistheorie.  Erkenntnis  u.  Wahrheit,  1908,  u.  a.  —  Vgl.  H.  ROLAND- 
HOLST,  .T.  D.s  Philos.,  1910.  —  UNTERMANN,  Dialektisches,  1908. 

Digby,  E.,  gest.  1592. 

Digby,  Kenelm,  geb.  1603  in  Gethurst,  gest.  1665  daselbst. 

IMlthey,  W.,  wrar  Dozent  in  Berlin,  Prof.  in  Basel,  Kiel,  Breslau,  seit  1882  in 
Berlin,  gest.  daselbst  1911.  =  Die  Kunst  ist  ein  Organ  des  Lebens  Verständnisses. 

Vgl.  Über  die  Mögl.  ein.  allg.  pädag.  Wiss.,  1888.  —  D.  Entsteh,  d.  Hermeneutik, 
Sigwart-Festschrift,  1900.  —  Die  Funktion  der  Anthropol.,  1904.  —  Der  Aufbau  der 
geschichtl.  Welt,  1910. 

Dinger,  Hugo,  geb.  1865  in  Coelln  bei  Meißen,  Prof.  in  Jena.  = 
Ästhetiker. 

Schriften:  E.  Wagners  geistige  Entwicklung,  1892.  —  D.Prinzip  d.  Entwicklung 
als  Grundprinzip  einer  Weltanschauung,   1896,  u.  a. 

Diogenes  von  Apollonia.  —  Vgl.  E.  Krause,  D.  von  A.,  1908—09. 

Dippe,  Alfred,  Prof.  in  Soest.  =  Dualistisch-teleologischer  Standpunkt 
(ähnlich  wie  Reinke  u.  a.). 

Schriften:  Untersuch,  über  die  Bedeutung  der  Denkform  Idee  in  der  Philos.  und 
Geschichte,  1893.  —  Der  Begriff  des  Schönen,  1899.  —  Atomismus,  Dynamismus  und 
Energetik,   1904.   —  Naturphilosophie,   1907,  u.  a. 


1  Uli  II.    —    El.EUTHEROPULOS.  871 


■MPPelf    I  in  Wittibreut,  kath.  Pfarrer  in  Dommeistadel. 

ijeteai.  Dantell.  der  Philos.  des  C.  Bovillus,  1864.  — 
Haadbec*   d.   Ästhetik,    1871.  —   Christliche  Geaellschaftslehre,   1873,  u.  a. 

Dlttrleh,  Ottmar,  geb.  L865  in  Wien,  Privatdozent  in  Leipzig. 

..ui/algo  der  Sprai  tapeychologie,    1903.  —  Die  Grenzen  der  Sprach- 
5.  —  Di  in  der  Qeecaichte,  1905,  u.  a. 

D#4«l-Fort,    \  -     ,  Prof.  der  Botanik  in  Zürich,  gest.  1908. 

=  Evolutronistisch-monistischer  Standpunkt. 

rifteii:   Bio]  :    paeatO,    1886.    —   Aus   Leben   und  Wissen,   1904  f.   —  Ent- 

i         oder,  1901.  —   K.  Ilaecke]  als  Erzieher,  1906,  u.  a. 

Ilöi-in-.    \.  —  B<  Briftea:  Die  Methode  der  Ästhetik,  Zeitschr.  f.  Ästhet.  IV. 

Dorncr.  —   Vgl.  Die   Bioheil  der  Wissenschaft,   1909. 

DragfcleejMOt  !>..  Prof.  in  Bukarest  =  Behriftea:  L'iadiridu  dans  le 
detenai  ial.  —  Lo  probleme  de  li  nee,  1907,  u.  a. 

IMnian.         Behriftea:  n  [dealiaaiea,   1910. 

Diiprat.  G.-L         Behriftea:  I.a  ■olidaritf  sociale,  1910. 

Dürr,  l'         I'  verbindet  den  Dualismus  Bchehens  mit  dem  Monis- 

mus der  Bubstam  und  lehrt  einen  partiellen  Parallelismus  (nicht  allem  Physi- 
schen entspricht  Psychisches).  Die  Ethik  ist  die  „Wissenschaft  von  den  Er- 
scheinun(  sittlichen  Lebens". 

v    briftea:   Erkenn"  HO. 

E. 

Kl»fkl.  Kaspar,  geb.  1595  in  Qiefien,  gest.  1664  als  Prot,  in  Marburg. 

Khci'liardt.    En  id.    Eumanus),  geb.  1843  in  Liebenwalde,  lebt 

in  Berlin.  =  Nach  K.  ist  die  Polarität  das  Grundphänomen  alles  Seins. 

Bi  briftea:  A.  Bpir,  1899.  Seele,  Bewußtsein,  Geist,  1896.  —  Die  Polarität 
als  Grundlago  einer  einheitl.   Lebensansch.,   1907,  u.  a. 

Kfkartit.  L.  =  Schriften:  Die  theistische  Begründ.  d.  Ästhetik,  1857.  — 
Vorschule  d.    Whetik,    1864  —  65. 

Eimer.  H.  Th.  =  E.  lehrt  das  Bestehen  einer  „Orthogenesis"',  einer 
Entwicklungstendenz  Dach  bestimmter  Richtung  als  Hauptursache  der  Trans- 
mutation; ihre  stellenweise  Unterbrechung,  ihr  zeitweiser  Stillstand  („Genepis- 
•  die  Hauptursache  der  Trennung  der  Organismenkette  in  Arten. 
Durch  Gebrauch  und  Nichtgebrauch  der  Teile  sowie  durch  Selektion  können 
bedeutende  Modifizierungen  stattfinden. 

Schriften:  Die  Entstehung  der  Arten,   1888. 

Eisler,  Julius,  geb.  1S5S  in  Malin  (Böhmen),  Advokat  in  Baden  bei  Wien. 

=  Evolutionistischor  Standpunkt. 

Schriften:  Ethik  u.  Politik,  1904.  —  Sittlichkeitslehre,  1905.  —  Grundleg.  der 
allgem.  Ästhetik,  1908.  —  Lehrbuch  d.  Philosophie,  1909,  u.  a. 

Elentlieropnlo-s  ,  A.  —  Schriften:  Philosophie.  Allgemeine  Welt- 
anschauung,  1911. 


872  Elsenhans  —  Fouillee. 


Flsenhans,  Theodor,  geb.  1862  in  Stuttgart,  Prof.  an  der  technischen 
Hochschule  in  Dresden. 

Emerson.  —  Vgl.  Dugard,  K.  W.  E.,  1908. 

Endres,  Josef,  geb.  1863  in  Untermeitingen,  Lyz.-Prof.  in  Regensburg. 
=  Katholischer  Standpunkt. 

Schriften  :  Leben  u.  Seelenlehre  des  Alex,  von  Haies,  1888.  —  Honorius  Augusto- 
dunensis,  1906.  —  Martin  Deutinger,  1906.  —  Gesch.  d.  mitt.  Philos.  im  christlichen 
Abendland,  1908.  —  Die  Dialektiker  u.  ihre  Gegner  im  11.  Jahrh.,  1906.  —  Petrus 
Damiani  u.  d.  weltl.  Wissensch.,  1910,  u.  a. 

Encken.  —  Vgl.  BOUTROUX  ,  B.  E.s  Kampf  um  einen  neuen  Idealis« 
mus,  1911. 

Enleiibnrg-,  F.  =  Vgl.  dessen  Abhandl.  über  den  Gesetzesbegriff  (Arch. 
für  Sozialwissensch.,  1911). 

Exner,  S.  =  E.  gibt  eine  Theorie  der  „Bahnung",  der  „Sensomobilität'V 
der  Gefühle,  der  Instinkte  u.  a.  —  Vgl.  Jerusalem,  Gedanken  und  Denker,, 
1905,  S.  212  ff. 

F. 

Falken  heim,  Hugo,  geb,  1866  in  Berlin,  lebt  in  München. 
Schriften:    D.  Entsteh,  d.  Kantschen  Ästhet.,  1889.    —   K.  Fischer  u.  d.  literar- 
histor.  Methode,   1902,  u.  a. 

Falter,  G.  =  Anhänger  Cohens. 

Schriften:  Die  Idee  bei  Philo  und  Plotin,  1908.  —  Die  Staatsideale  unserer 
Klassiker,  1911,  u.  a. 

Feuchtersieben,  Ernst  von,  geb.  1806  in  Wien,  Arzt,  seit  1844  Do- 
zent in  Wien,  gest.  daselbst  1849. 

Schriften  (philos.):  Lehrb.  d.  ärztlichen  Seelenkunde,  1845.  —  Zur  Diätetik  der 
Seele,  1838,  viele  Auflagen,  auch  in  der  Univ.-Bibl.  (enthält  eine  „Kalobiotik",  An- 
weisungen zu  harmonischer  Lebensführung).  —  Beitr.  z.  Literatur,  Kunst-  u.  Lebens- 
theorie, 1837—41.  —  Sämtl.  Werko,  7  Bde.,  1851-53.  —  Vgl.  M.  NECKER, 
E.  v.   F.  in:  Jahrb.  d.  Grillparzer-Gesellschaft  III,  1893. 

Fick,  A.,  geb.  1829  in  Cassel,  Prof.  in  Würzburg,  gest.  1901  in  Blanken- 
berghe. 

Flint,  Robert,  gest.  1911. 

Flournoy,  Th.  —  Schriften:  Beiträge  zur  Religionspsychologie,  1911. 

Focke,  Rudolf,  geb.  1852  in  Itzehoe,  Prof.  an  der  Akademie  Posen. 
Schriften:    ü.  Kausalitätsbegriff  bei  lichte,  1879.  —   Über  das  Wesen  der  Seele, 
1883,  u.  a. 

Fonsegrive,  George.  —  Schriften:  Essais  sur  la  connaissance,  1909. 

Förster,  Fr.  W.,  geb.  1869  in  Berlin,  Privatdozent  in  Zürich. 

Fouillee,  A.  —  Schriften:  La  pensee  et  les  nouvelles  ecoles  anti-intellectua- 
listes,   2.  ed.  1911.  —  La  neo-sophistique  pragmatiste,  Key.  philos.,  1911. 


Fowler  —  Germain.  $73 


Fowler,  Th.,  geb.  1832  in  Burthon-Stather,  Prof.  in  Oxford,  gest.  1904 
daselbst. 

Fracastoro,  G.,  geb.  1483  in  Verona,  gest.  1553  in  Incassi. 

Fräser,  A.  C,  geb.  1819  in  Ardchattan,  1856—91  Prof.  in  Edinburg. 

Frendenthal,  Jakob  (nicht  Julius),  geb.  1839  in  Bodenfelde. 
Schriften:    Über  den  Begriff  der  Phantasie  bei  Aristoteles,  1863. 

Frege,  Gottlob,  geb.  1848  in  Wismar,  Prof.  der  Mathematik  in  Jena. 

Schriften:    Begriffsschrift    1879.   —    Grundgesetze   der   Arithmetik,    1893 1903. 

—  Über  Sinn  und  Bedeutung,  Zeitschr.  f.  Philos.,  1892.  —  Über  Begriff  u.  Gegenstand 
Vierteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos.,   1892.  —  Funktion  u.  Begriff,   1891,  u.  a. 

Friedländer,  Salomo,  geb.  1871  in  Gollantsch,  lebt  in  Berlin.  =  Kri- 
tizistischer  Standpunkt. 

Schriften:     Die  Stellung  Schopenhauers  zu  Kant,    1902.    —   B.  Mayer,  1904.    

Schopenhauer,  1906.  —  Logik,  1907.  —  Psychologie,  1907.  —  J.  Paul  als  Denker, 
1907.  —  Nietzsche,  1908,  u.  a. 

Fries.  —  Vgl.  W.  MECHLER,  Die  Erkenntnislehre  bei  Fries,  1911. 

Fröhlich,  Jos.  Ans.  —   Schriften:  Die  Individualität,  1897. 

Füller  ton,  geb.  1859  in  Fathegart.  =  Nach  F.  ist  die  reale  Welt  „a 
construct  from  -what  is  thus  given",  eine  begriffliche  Welt,  deren  Symbol  das 
sinnlich  Gegebene  ist,  ebenso  wie  Baum  und  Zeit  („the  plan  of  the  world- 
system",  „the  plan  or  System  of  its  actual  and  theoretically  possible  relations 
and  changes"). 

Schriften:  Philos.  Reyiew,  1901. 

Gabryl,  Fr.,  Prof.  der  Theologie  in  Krakau.  =  Thomißtißcher  Stand- 
punkt. 

Schriften:  Naturphilosophie  (polnisch),  1911;  ferner  Arbeiten  über  Logik,  Meta- 
physik, Psychologie,  u.  -a. 

Gallwitz,   Hans,    geb.  1857   in    Blumberg,    Superintendent    in    Sal/a 
Nordhausen. 

Schriften:  Das  Problem  der  Ethik,  1891.  —  Fr.  Nietzsche,   1898,  u.  a. 

Gallon,  Francis,  geb.  1822  in  Dudleston,  gest.  1911. 

Gaultier,  A.  Jules  de,  geb.  1858  in  Paris.  —  Schriften:  La  actio«  uni- 
verselle, 1903.  —  Nietzeche  et  la  reforrae  philos.,  1904.  —  Les  raisona  de  L'idfaliame, 
1906. 

Germain,  Sophie,  geb.  1776  in  Paria,  gest.  183]  daselbst  =  Ihre  philo- 
sophische Hauptachrift  „Considenit.  generales  wir  L'&al  des  •  wurde 
zuerst  1833,  daun  von  Stupny  (mit  biographischer  Einleitnnj  li.i au- 
gegeben. 

Vgl.   JERUSALEM,  Gedanken  und  Denker,   1905,  S.  94  B 


8(4  Gilbert  —  Grimm. 


Gilbert,  Leo.  =  Nach  G.  ist  die  Welt  identisch  mit  dem  „Weltwirken, 
das  manchmal  zur  Materie  erstarrt'*',  sie  ist  „von  innen  nach  außen,  von  außen 
nach  innen  fließende  Kraft",  „nicht  Substanz,  sondern  Subflux."  Jedes  Stück 
Materie  ist  nach  innen  zugleich  potentielle  und  seelische  Arbeit  (Energie  und 
„Psychie").  Die  Welt  ist  eine  „unendliche  Arbeitskette",  die  sich  erhält. 
„Ruhe,  Gleichgewicht,  Energie,  Materie  sind  nur  Querschnitte,  die  wir  uns 
durch  die  ewige  Arbeitskette  hindurchgelegt  denken,  sind  Spezialfälle. "  „Ma- 
terie ist  Arbeit."  —  Wir  denken  in  Korrelaten  (Vereinigung  von  Identität 
und  Gegensätzlichkeit). 

Gloiiiier,  Michael,  geb.  1837  in  Neumarkt,  päpstlicher  Hausprälat  usw., 
lebt  in  München. 

Schriften:  Die  Lehre  des  heiligen  Thomas  vorn  Wesen  der  Gnade,  1871.  —  Der 
moderne  Idealismus,  1880.  —  Objekt.  Prinzip,  1880.  —  Das  Prinzip  der  Individuation, 
1887.  —  D.  mod.  Philos.,  1888.  —  N.  von  Cusa,  1891.  —  D.  spekul.  Gottesbegriff, 
1894.  —  Savonarola  als  Apologet  u.  Philosoph,  1898.  —  Katholizismus  und  moderne 
Kultur,  1902,  u.  a. 

Goetbe.    —    Vgl.  J.  COHN,    Das  Kantsche  Element  in  G.s  Weltansch.,  Schiller- 
Festschrift  der  „Kantstudien",   1905. 

Goldstern,  Julius.  =  G.  bekennt  sich  zum  „Irrationalismus",  der  die 
Wirklichkeit  (auch  die  geistige)  für  etwas  Werdendes,  immer  neu  sich  Be- 
reicherndes, in  absolute  Gesetze  nicht  Einfügbares,  als  unendlicher  Lebens- 
prozeß zu  Bestimmendes  auffaßt. 

Vgl.  Wandlungen  in  der  Philosophie  der  Gegenwart,  1911. 

Gomperz,  Theodor.  =  Empiristisch-positivistischer  Standpunkt. 
Schriften:  Griechische  Denker  I,  3.  A.   1911. 

G-örland,  Albert,  geb.  1869  in  Hamburg,  Prof.  am  Technikum  daselbst. 
=  Neukantianer. 

Schriften:  Aristoteles  u.  d.  Mathematik,  1899.  —  P.  Natorp  als  Pädagoge,  1904. 
—  Index  zu  H.  Cohens  Logik,  1906.  —  Der  Gottesbegriff  bei  Leibniz,  1906.  — 
Eousseau  als  Klassiker  der  Sozialpädagogik,  1906.  —  Aristoteles  u.  Kant,  1908.  —  Die 
Hypothese,  1912,  u.  a. 

Grabmann,  Martin,  geb.  1875  in  Winterzhofen,  Lyzealprof.  in  Eich- 
städt.  =  Katholischer  Standpunkt. 

Schriften:  D.  Genius  d.  Werke  d.  hl.  Thoraas  u.  d.  Gottesidee,  1899.  —  Die 
philos.  u.  theol.  Erkenntnislehre  des  Kard.  Matthäus  von  Aquasparta,  1906.  —  Gesch. 
d.  scholast.  Methode,   1910,  u.  a. 

Grapengießer,  K.,  geb.  1773,  gest.  1813  als  Prof.  in  Berlin. 

€rreathead9  Rob.,  geb.  um  1175  in  Strodbrook. 

Grelling,  K.  =  Anhänger  von  Fries.  —  Schriften:  D.  philos.  Grundlag. 
d.  Wahrscheinlichkeitsrechnung,  1910,  u.  a. 

Grillparzer,  F.  =  Über  die  Lebens-  und  Weltanschauung  des  öster- 
reichischen Dichters  vgl.  Jerusalem,  G.s  Welt-  u.  Lebensansch.,  1891. 

Grimm,  E.   —  Schriften:  Theorie  der  Religion,  1908. 


Groos  —  Hanxequix, 


875 


r    p  °vr?°^  ^  "~  SchrHten:    Untersuch,  über  den  Aufbau  der  Systeme,  ZeiUchr 
f.  Psychol.,  Bd.  49. 

Qrotenfelt,  A.,  geb.  1863  in  Helsingfors,  seit  1905  Prof.  daselbst 
Schriften:   Warum  vertrauen  wir  den  grundlegenden  Hypothesen  unseres  Denken.» 
Zeitsehr.  f.  Philos.  u.  phil.  Krit,  Bd.   108. 

Grün,  Karl,  geb.  1817  in  Lüdenscheid,  gest.  1887  in  Wien. 
Ginnwald,  Max,  geb.  1871  in  Zabrze,  Rabbiner  in  Wien. 
Schriften:    D.    Verh.    Malebranches   zu    Spinoza,    1892.  —  Spinoza  in  Deutsch- 
land, 1897,  u.  a. 

Gruyer,  Louis,  1778-1866,  belgischer  Philosoph.  =  Nach  G.  ist  der 
Substanzbegriff  ein  Vorurteil;  der  Körper  ist  nur  der  Inbegriff  seiner  Eigen- 
schaften.   Der  Wille  ist  determiniert. 

Schriften:  Essais  philosophiques,  1855. 

Gnmppenberg,  Hans  von,  geb.  1866  in  Landshut,  lebt  in  Bayern. 
Schriften:  Kritik  des  Wirklich-Seienden,   1892.  —  Grundlagen  der  wiss.  Philos., 
1903,  u.  a. 

Onttmann,  Jakob,  geb.  1845  in  ßeuthen,  Rabbiner  in  Breslau. 

Schriften:  De  Cartesii  Spinozaeque  philos.,  1868.  —  Die  Keligionsphilos.  des 
Abraham  ibn  Daud,  1879.  —  D.  Relig.  d.  Saadia,  1882.  —  Die  Philos.  des  Salomon 
ibn  Gabirol,  1889.  —  Das  Verh.  des  Thomas  von  Aquino  zum  Judentum,  1891.  —  Die 
Scholastik  des  13.  Jahrhund,  in  ihrer  Beziehung  zum  Judentum,  1902.  —  J.  Bodin,  1905. 

—  Der  Einfluß  d.  Maimonid.  Philos.  auf  das  christl.  Abendland,  1908,  u.  a. 

H. 

Häberlein,  P.   —  Schriften:   Wissenschaft  u.  Philosophie,   1910. 

Hagerström,  Axel,  Prof.  in  Upsala.  —  Schriften:  Aristoteles'  ethische 
Grundgedanken,    1893.    —   Unters,    über  d.  Mögl.  e.  empirist.  Ethik,   1895  (schwedisch). 

—  Kants    Ethik    im    Verhältnis     zu    seinen    erkenntnistheoret.    Grundgedanken,     1901 
{deutsch).  —  Staat  und  Recht,  1904  (schwedisch),  u.  a. 

Haldaiie,  Rieh.  Burton,  Yiscount,   geb.  1836,  seit    1906  Staatssekretär. 

=  Idealistischer  Standpunkt. 

Schriften:    Essays  in  philos.   Criticism,    1883  (mit  anderon).    —    The  Pathway 
Keality,  1903  f.   —  Deutschand  und  Großbritannien,   1911,  u.  a. 

Hamann.  —  Vgl.  R.  Ungeü,  H.  und  die  Aufklärung,   1011. 

Hammaeher,  Emil,  Privatdozent  in   Bonn.  =   Von    Kant    and  Segel 
beeinflußter   Standpunkt   des   objektiven    Idealismus.      Das  Absolute  ist   I 
Gott  hat  das  Selbstbewußtsein  aller  im  Kosmos  vorhandenen  Selbstbewußtseins- 
möglichkeiten. 

Schriften:    Kritik   des  Marxismus,    1910.    —   Die    Uedeut.  d.  PhJ  :ola    für 

die  Gegenwart,  u.  a. 

Hannequin,  geb.  1856  in  Pargrjy-sur-Saulx,  Prot',  in  Lyon,  gest  1 0 


876  Hannequin  —  Hilbert. 

in  Pargny.  =  H.  ist  von  Kant,   Renouvier  und  besonders  von  Leibniz  beein- 
flußt.    Raum  und  Zeit  haben  in  der  Realität  Analoga. 

Schriften:  Introduction  ä  l'etude  de  la  Psychologie,  1890.  —  Abhandlungen  in 
der  „Kevue  philos."  1885,  1888,  1890,  u.  a. 

Harrisoii,  F.,  geb.  1831  in  London.  —  Schriften:  Order  and  Progress 
1875.  —  National  and  Social  Problems,  1908. 

Hartmann,  Alma  v.  (Witwe  Ed.  v.  H.s),  geb.  1854  in  Bremen,  lebt 
in  Groß-Lichterfelde. 

Schriften:  Zurück  zum  Idealismus,  1902. 

Hartmann,  E.  v.  —  Vgl.  N.  E.  POHORILLES,  Entwickl.  u.  Kritik  d.  Er- 
kenntnistheorie E.  v.  Hartmanns,  1911. 

Hartmann,  Ludo  M.,  geb.  1865,  Privatdoz.  in  Wien,  Historiker.  = 
Positivistisch-sozialistischer  Standpunkt. 

Schriften:    Über  histor.  Entwickl.,  1900,  u.a. 

Hebbel 9  Fr.  =  Über  H.s.  pantheist.  Weltansch.  vgl.  Scheunert, 
Der  Pantragismus. 

Hegel.  =  Vgl-  [G.  LASSON,  Kreuz  u.  Eose,  Beiträge  zur  Hegelforschung, 
1.   Heft,   1909. 

Heinrich  von  Gent.  =  Nach  H.  ist  die  „species"  ein  Substitut  des 
Objekts,  von  dem  ein  Bildchen  durch  die  Luft  in  die  Sinnesorgane  dringt  und 
in  der  Seele  die  Wahrnehmung  auslöst.  Der  Primat  des  Willens  wird  von  H. 
betont.    Existenz  und  Wesen  sind  identisch. 

Heinroth,  J.  Chr.  Fr.  Aug.  von,  geb.  1773  in  Leipzig,  gest.  1843 
daselbst. 

Helfferich,  geb.  1813  in  Schaf  hausen,  Prof.  in  Berlin,  gest.  1894 
daselbst. 

Heller,  Theodor.  —  Schriften:   ÜberPsychol.  u.  Psychopathol.  d.  Kindes,  1911. 

Helm,  Georg,  geb.  1851  in  Dresden,  Prof.  an  der  technischen  Hoch- 
schule daselbst.  =  Energetiker. 

Schriften:  Die  Elemente  der  Mechanik,  1884.  —  Die  Lehre  von  der  Energie, 
historisch-kritisch,  1887.  —    Die  Energetik  u.  ihre  geschieht!.  Entwicklung,  1898,  u.  a. 

Hemsterlrays,  F.  —  Schriften:  Philos.  Schriften,  hrsg.  von  I.  Hilss,  1911. 

Ileus«!«»,  Phil.  Wilhelm  van,  geb.  1778  in  Rotterdam,  Prof.  in  Utrecht, 
gest.  1839.  =  Anhänger  eines  mit  dem  Christentum  vereinbaren  Piatonismus. 

Schriften:  De  Sokratische  school,  1834—39;  3.  A.  1860.  —  Brieven  over  den 
aard  en  de  strekking  van  het  hooger  onderwijs,    1829;  4.  A.   1857,  u.  a. 

Ilioks,  G.  D.,  geb.  1862  in  Shrewsbury,  Prof.  in  London. 

Hilbert,  David,   geb.    1862   in  Königsberg,    Prof.    der    Mathematik   in 

Göttingen. 

Schriften:  Grundlag.  der  Geometrie,   2.  A.   1909,  u.  a. 


Hirth  —  Jtelson.  877 


Hirth,  Georg,  geb.  1841  in  Gräfentonna,  lebt  in  München.  =  Von  II. 
stammt  der  Begriff  der  „Ektropie"  als  Gegensatz  zur  Entropie.  G.  gibt  auch 
eine  physiologische  Erklärung  des  Ästhetischen. 

Schriften:  Aufgaben  der  Kunstphysiologie,  1892.  —  Lokalisationspsychologie,  1894. 
—  Energetische  Epigenesis,  1897.  —  Wege  zur  Kunst,  1901.  —  Die  Ektropie  der  Keim- 
systeme,  1900,  u.   a. 

Hodgson.  =  Durch  das  Denken  kommt  Ordnung  und  Einheit  in  die 
Vorstellungen.  Kaum  und  Zeit  sind  ursprüngliche  Elemente  der  Bewußtseins- 
inhalte. Die  Materie  ist  innerlich  Kraft,  durch  welche  auch  das  Auftreten  der 
psychischen  Vorgänge  (ohne  Energieverbrauch)  bedingt  ist. 

Schriften:    Some  Cardinal  Points  of  Knowledge,   1911. 

HÖffding.  —  Schriften:  D.  menschl.  Gedanke,  1912. 

.Höfler«  —  Schriften:  Erkenntnisprobleme  u.  Erkenntnistheorie,  Zeitschr.  f. 
Philos.,  Bd.  137,  1910.  (Die  Evidenz  ist  ein  inneres  Kriterium  der  Wahrheit,  es  gibt 
•evident  wahre  und  evidenzlos  wahre  Urteile.) 

Hoppe,  J.  —  Schriften:  Die  Analogie.  —  Das  Entdecken  u.  Finden.  — 
D.  Erforschung  der  Gefühle  u.  moral.  Begriffe,   1876.  —  Die  Logik,   1869. 

Howison,  geb.  1834  in  Montgomery  County.  —  Schriften:  Philosoph}-, 
1906.  —  The  Conception  of  God,   1897. 

Husserl«  —  Schriften:  Philosophie  als  strenge  Wissenschaft,  in:  „Logos44,  1911. 

J. 

James«   —  Vgl.  Some  Problems  of  Philos.,  hrsg.   1911. 

Jelliiiek,  Georg,  geb.  1851  in  Leipzig,  seit  1891  Prof.  der  Rechtswissen- 
schaft in  Heidelberg,  gest.  1911.  =  Der  Staat  ist  nach  J.  die  mit  ursprüng- 
licher Herrschermacht  ausgestattete  Gebietskörperschaft,  er  ist  eine  Zweck- 
einheit Das  objektive  Recht  ist  die  „Summe  der  Erhaltungsbedingangeo  der 
Gesellschaft' ',  das  subjektive  Recht  ist  das  „ethische  Minimum". 

Schriften:  Die  sozialethische  Bedeut.  des  Rechts,  1898 ;  2.A.  1908.  —Allgemein« 
Staatslehre,  1900;   2.  A.   1905.  —  Ausgew.  Schriften  u.  Reden,   1911,  u.  a. 

Jerusalem,  W.  —  Schriften:  Vgl.  auch  Apriorismus  u.  Evolutioni^mii-, 
Ber.  üb.  d.  III.  int.  Kongr.  f.  Philos.   1909. 

Jessen,  P.  W.,  geb.  1824  in  Schleswig. 

Joachim,  H.  H.  =  Neo-Hegelianer.  Die  Wahrheit  ist  «in  ideal,  ein 
systematischer  Zusammenhang.  Die  Erfahrung  hat  in  diesem  I<iVal  Ihre  Wnr/rl. 
ohne  es  zu  erreichen. 

Schriften:  The  Nature  of  Truth,  u.  a. 

Jodl.  —    Schriften:    Wissenschaft    u.    Religion.    1900.    -    D«  M  »■  i 

Kulturprobleme  d.  Gegenwart,  1911.  —  Vgl.   W.   BÖB2TEB,   Pr.  Jodl,   IHM. 

Jndd,  C.  H.,  geb.  1873  in  Bareillie,  Prof.  an  der  Yal.-  l'i.i, 

Julian  u«.  —  Schriften:  Philos.  Werke,  deatech  roi   n.  kämm,   I 

Jtelson,  Gregor,  lebt  in  Berlin.  =    Antipejcho]  B  indpankt; 

die  Logik  ist  die  Lehre  von  den  Gegenständen. 


878  JZOULET   —   KOEBER. 


Schriften:  Zur  Gesch.  d.  psychophys.  Probl.  (Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  III).  — 
Rev.  do  met.,  1904,  u.  a. 

Jzoulet,  Jean,  geb.  1855,  Prof.  in  Paris. 

K. 

Kalthoff,  gest.  1906.  —  Schriften:    Vom  innern  Leben,  1907. 

Kant«  =  Zu  den  apriorischen  „Grundsätzen"  gehört  (als  zweiter)  auch 
das  Prinzip  der  ,, Antizipationen  der  Wahrnehmung":  „In  allen  Erscheinungen 
hat  das  Reale,  was  ein  Gegenstand  der  Empfindung  ist,  intensive  Größe,  d.  i. 
einen  Grad."  Alle  Erscheinungen  sind  kontinuierliche  Größen.  Zwischen 
Realität  und  Negation  ist  ein  kontinuierlicher  Zusammenhang  möglicher  Reali- 
täten und  möglicher  kleinerer  Wahrnehmungen.  Die  Kontinuität  der  Größen 
erkennen  wir  a  priori. 

Vgl.  AlCHER,  K.s.  Begriff  der  Erkenntnis  verglichen  mit  dem  des  Aristoteles, 
1907.  —  BrotheruS,  K.s.  Philos.  d.  Geschichte,  1905.  —  W.  ERNST,  Der  Zweck- 
begriff bei  K.  u.  s.  Verhältnis  zu  den  Kategorien,  1910.  —  EWALD,  K.s  Methodologie, 
1906;  K.s  krit.  Idealismus,  1908.  —  K.  FISCHER,  I.  Kant,  5.  A.  1909.  —  E.  FRANK, 
D.  Prinzip  d.  dialekt.  Synthesis  u.  d.  Kantsche  Philos.,  1911.  —  L.  GOLDSCHMIDT, 
Zur  Wiedererweck.  K'scher  Lehre,  1910.  —  E.  LAST,  Mehr  Licht!  Die  Haupt- 
sätze Kants  u.  Schopenhauers,  1880;  Realist,  u.  idealist.  Weltansch.,  1884.  —  ElSLER,. 
Worte  Kants,  1912. 

Kelsen,  Hans,  geb.  1881  in  Prag,  Privatdozent  (Staatsrecht)  in  Wien.  = 
K.  fordert  für  die  Bildung  der  juristischen  Grundbegriffe  eine  rein  formale 
imd  ausschließlich  normative  Methode.  Er  bekämpft  kritisch  die  unklare 
Verquickung  von  explikativer  und  normativer  Betrachtungsweise  und  die  daraus- 
entspringende  Fiktions-Technik  der  herrschenden  Rechtstheorie;  er  verfolgt, 
dabei  eine  antipsychologistische  Tendenz. 

Schriften:  Die  Staatslehre  des  Dante  Alighieri,  1905.  —  Hauptprobleme  der  Staats- 
rechtslehre, 1911.  —  Grenzen  zwischen  juristischer  und  soziologischer  Methode,  1911. 

Keyserling ,  H.  =  Nach  K.  ist  das  Erkennen  eine  Lebensfunktion,, 
eine  „zweckmäßige  Reaktion"  auf  die  Außenwelt.  Die  menschliche  Welt  ist  nur 
ein  durch  die  Erkenntnisformen  gestalteter  Teil  der  Wirklichkeit,  welche 
selbst  schöpferisches  Leben  ist  (vgl.  Bergson). 

Kinkel,   W.  —   Schriften:    Idealismus  und  Kealismus,  1911. 

Klemm,  O.  —  Schriften:  Gesch.  der  Psychol.,  1911. 

Klimke,  Friedrich  S.  J.,  Krakau.  =  Katholischer,  dualistischer  Stand- 
punkt. 

Schriften:  Der  Mensch,  1908.  —  Die  Hauptprobleme  der  Weltanschauung,  1911. 
—  Der  Monismus,  1911.  —  D.  Philos.  d.  Monismus,  Jahrb.  f.  Philos.  u.  spek.  Theol.,. 
1906.  —  Der  deutsche  Materialismusstreit   im   19.  Jahrh.,   1907,  u.  polnische    Schriften. 

Kniepf,  A.  —  Schriften:  Denken  u.  Weltanschauung.  —  Theorie  der  Geistes- 
werte,  1892.  —  Zehn  Thesen  zur  natürl.  Welt-  u.  Lebensanschauung,   1893. 

Roeber,  R.  v.,  geb.  1848  in  Nischnij-Nowgorod. 


Korleb       La  kv. 


Hobler,  J.   —    Schriften:  Das  Re.  ht,  1 
Kölliker,  Albert  von,  gest.  1905  in  Wurzbcu 

Koetlien,  Joh.  Jakob.    =.    Anhänger  LabluV. 

quaedam  metaphysicae   Wolfianae,   1 7 

König,  Edm.  —  Schriften:  Die  Materie,   1911. 

Köteles,  Samuel,   geb.   1770   in    Dj-Torda,    geet   L831 

Schriften   (ungarisch):  Die  Sympathie,   1826.    —    Moral  und 
Enzyklop.  d.  Philos.,   1829.  —   Philos.   Anthropol.   1839,  u.  a. 

Ko/Jowski,  W.  IL,    Prof.   in   Warschau.    =    Von    Wundl    beeinfl 
Das  Movens  der  (beschichte  i-r  der  Kampf  um  dir  sfenschheitsideale. 

Schriften:  Revue  philos.,   1904.   —   La    strueture   de  la  philos.  de  l'hiftoire,  Her. 
über  d.  III.  int.   Kongr.  f.  Philos.,   1909.  u.   a. 

Kratz.    Heinrich,  geb.  1836  in    HeduYsdorf.   I':  Pfarrer   lD     i 

Neuwied. 

Schriften:    Spinozas  Ansicht  üb.  d.  Zweckbegritf,   1871.    —    D.    Weltprob]     I.    \  . 
1892.  —  Pneumatologie,  1889.   —  D.  Freih.  d.  Menschen,   1889.  —  The 
Ästhetik,   1891.   —  Logik,   1891.    —   D.  Ausdruck  d.  Gefühle,   1892,  u.  a. 

Kreibig,  geb.   1863  in    Wien.  —  Schriften:   Über   Wahrnehmut.. 

Krestoff,  Kresto  K.,  Prof.  in  Sofia.  =  Von  Wandt  beeinfloi 

Schriften:   Lotzes  metaphys.  Seelen  begriff,    L890,  u.  a. 

Külitmaim.    Alfred,    Bremen.    =    Vbluntarist.    - 

Biran,   1902.  —  Zur  Ge«ch.  d.  Terrainismue,    1911. 

L. 

Ladenburg,  Albert,  gest.  1911  al-  Prof.  der  Chemie  in  Bi 
nistischer  Standpunkt. 

Schriften:   D.    Einfluß   d.  Naturwissenschaften  auf  d.    W.'ltai.Hchauui 

ljailiarck.   —  Vgl.   CLAUS,   L    als    Begründer   dor   Dewendenzlehre,    1888. 
Perrikr,  L.,  1893.  —  H.  STADLER,   Dia   B»twicklt»g»lehw    bu 

Stande,    1910 

Lang,  Ludwig  Albert,  geb.  L868,  Prof.  1  TheoL  in  - 

■  ..ao-tsze.  —  Vgl.  La  IJiich  v.  in  hdehatti  Wmt 

Lask,  K.  =  Nach  L  ist  die  Panarchie  6m  Logos,  du   Uli 
kategorialen  Form  eu  betonen.    Dl    Kategorien  lind  such  sul 
geistige  Material,  die  Philosophie  selbst,  snsuweodeo. 

Lavier,  -         >.  1853  in  Bdinburg,  gest  1. 

L*»  Grand,  Antoine,  geb.  am  1620  in  Douai, 

Itfinfjaipjpj    < ,,  1861  in  N 

mistischei  Standpunkt 

Schriften.    Ktude  nur   l'e«p 

Leeky,  William  Bdward  Bartpol  «Inda  i 

..intiiit it >iii-t i-tlur-  Standpunkt. 


SSO  Leighton  —  Mackenzie. 


Schriften:  History  of  the  rise  and  influenae  of  the  spirit  of  rationalism  in  Europe 
1870;  deutsch  1874,  u.  a. 

Leighton,  J.  A.,  geb.  1870  in  Orangeville. 

Levy,  A.,  Hamburg.  —  Schriften:  Die  dritte  Dimension,  1908.  —  Der 
Begriff,  Arch.  f.  system.  Philos.,  XVII.  Bd.,  1911.  —  Versuch  einer  Neubegründ.  d. 
Logik  (in  Vorbereitung). 

Liberatore,  Mathias,  geb.  1810  in  Salerno,  gest.  1892  in  Rom. 

Lignac,  de,  geb.  1710  in  Poitiers,  gest.  1762  in  Paris. 

Linde,  Ernst,  geb.  1864  in  Gotha,  Lehrer  daselbst.  —  Schriften:  Per- 
sönlichkeitspädagogik, 2.  A.,  1900.  —  Natur  und  Geist  als  Grundschema  der  Welt- 
erklärung, 1907. 

Lijiiiiaiiii,  Otto,  Privatdozent  in  Berlin,  Mitherausgeber  der  „Zeitschr. 
f.  angewandte  Psychologie".  =  Vertreter  der  angewandten  Psychologie. 

Schriften:  Grundriß  der  Psychol.  f.  Juristen,  1908.  —  Gr.  d.  Psychol.  f.  Päda- 
gogen, 1909.  —  Die  Wirkung  von  Suggestivfragen,   1908,  u.  a. 

Lotige,  Oliver,  geb.  1851  in  Penkhull. 

Lorenz,  Theodor,  geb.  1870  in  Erfurt.  —  Schriften:  Zur  Entwicklungs- 
gesch.  d.  Metaphysik  Schopenhauers,   1897,  u.  a. 

Losskij,  N.  P.,  Prof.  u.  Privatdozent  an  der  Universität  St.  Petersburg. 
=  L.  lehrt  einen  universalen,  mystischen  Empirismus.  Das  Urteil  stellt  objek- 
tive Beziehungen  fest. 

Schriften:  Die  Erkenntnistheorie  des  Intuitivismus,  1910. 

Lüdtke,  Franz,  geb.  1882  in  Bromberg,  Gymnasialoberlehrer  daselbst. 
=  Schüler  Eehmkes. 

Schriften:  Die  Seele  in  d.  heut.  Psychol.,  Philos.  Wochenschr.  V.  —  Krit.  Gesch. 
d.  Apperzeptionsbegriffe,  Zeitschr.  f.  Philos.,   1911,  u.  a. 

Luthardt,  C.  E.  —  Schriften:  Gesch.  d.  christl.  Ethik,  1888—92.  —  Die 
antike  Ethik,  1887.  —  Zur  Ethik,  1888.  —  Die  Lehre  vom  freien  Willen  u.  s.  Ver- 
hältnis zur  Gnade,  1863.  —  Die  moderne  Weltansch.  u.  ihre  praktischen  Konsequenzen, 
1880,  u.  a. 

Lyon,  Georges,  geb.  1853  in  Paris. 

M. 

Mach,  E.  —  Vgl.  H.  BüZELLO,  Krit.  Untersuch,  von  E.  Macha  Erkenntnis- 
theorie,  1911   (Gegen  M.). 

Mackay,  John  Henry,  geb.  1864  in  Greenock,  lebt  in  Berlin.  =  Von 
Stirner  beeinflußter  Individualist  („Edelanarchist"),  Herausgeber  von  Stirners 
Werken . 

Schriften:  M.  Stirner,   1898,  u.  a. 

Kackenzie,  geb.  1860  in  Glasgow,  Prof.  in  Oardiff.  —  Schriften:  Lec- 
tures  on  Humanism.,  1907.  —  Manuel  of  Ethics,  7.  ed.  1910.  —  Introd.  to  Social 
Philos.   2.  ed.   1895. 


Malthüs  —  Mehlis.  881 


Maltlms,  Thomas  Robert,  1766-1834,  Geistlicher.  =  Nach  M.  vermehrt 
sich  die  Bevölkerung  in  geometrischer,  während  die  Nahrungsmittel  nur  in 
arithmetischer  Progression  zunehmen,  so  daß  das  menschliche  Elend  nicht 
dauernd  zu  beseitigen  ist.  Dieser  „Malthusianismus"  hat  Ch.  Darwin  beein- 
flußt. Von  modernen  Soziologen  teilweise  akzeptiert,  wird  er  von  anderen 
bestritten. 

Schriften:    Essay  on  the  Principle   of  Population,  1890;   deutsch    1905.    Vgl. 

Schriften   von   L.    BRENTANO,   GOLDSCHEID,    OPPENHEIMER  U.  a. 

Manegold  von  Lauterbach  (2.  Hälfte  d.  11.  Jahrh.),  Gegner  der 
„Dialektiker''. 

Schriften:  Opusculum  contra  Wolfelum  Coloniensem.  —  Vgl.  ENDRES,  Die  Dia- 
lektiker u.  ihre  Gegner  im  11.  Jahrh.,  1906. 

Mannheimer,  Adolf,  Prof.  in  Frankfurt  a.  M.  —  Schriften:  Ge- 
schichte der  Philosophie,  1903. 

ülarkovie,  Franjo,  geb.  1845  in  Krizevac  (Kroatien),  Universitätsprofessor, 
Zagreb  (Agram),  seit  1909  pension.  =  Schüler  R.  Zimmermanns,  dessen  Be- 
stimmungen er  weiterbildet  und  kritisiert.  Markovic'  Ästhetik  strebt  eine  Ver- 
einigung der  formalistischen  (Herbart,  Zimmermann)  imd  der  idealistischen 
Ästhetik  (Pia ton,  Hegel)  an.  Sie  hat  zur  Voraussetzung  eine  Weltharmonie,  die 
einem  absoluten  Geiste  entspringt.  Fünf  Merkmale  des  Schönen  gibt  es:  1.  Die 
Form  des  Lebens,  der  Stärke,  der  Vollkommenheit.  2.  Die  Form  der  Har- 
monie (Einheit  in  der  Vielheit).  3.  Die  Form  der  individuellen  Charakte- 
ristik. 4.  Die  Form  des  harmonischen  Abschlusses  (Aussöhnung  der  zeitl.  und 
räuml.  Widersprüche).  5.  Die  Form  der  Regelmäßigkeit.  M.  eigen  ist  der 
Nachweis  des  Zusammenhanges  von  Struktur  und  Idee  im  Kunstwerk,  das 
Aufsuchen  einer  immanenten,  durch  Form  und  Zahl  Verhältnisse  ausdrückbann 
Gesetzmäßigkeit.  —  M.  hat  als  erster  eine  kroatische  Terminologie  für  alle 
philosophischen  Disziplinen  gebildet. 

Schriften  (kroatisch):  Entwicklung  und  System  der  allgemeinen  Ästhetik,  1903. 
—  Abhandlungen  im  „Rad",  Mitteilungen  der  südslawischen  Akademie  in  Zagreb: 
Ästhetische  Würdigung  von  Gundulic  Osman  (Rad  46,  47,  50,  52).  —  Die  philosoph. 
Tätigkeit  des  R.  S.  Boskovic  (87,  88,  90).  —  Der  ethische  Gehalt  unserer  Volkssprache 
(96).  —  Ein  Beitrag  über  die  Ästhetik  der  Ballade  und  Romanze  (138),  u.  a. 

Marx,  K.  —  Vgl.  M.s  Briefwechsel.  —  J.  PLENGE,  Marx  u.  Hegel,   1911. 

Manüiner,  F.  =  Herausgeber  der  „Bibliothek  der  Philosophen".    L 
in  Meersburg  a.  Bodensee. 

üfayr,  Richard,  geb.  1848  in  Sieghartskirchen,  Prof.  in  Wien. 

Schriften:  Die  philos.  Geschichtaauffass.  d.  Neuzeit,  187  7.  —  Voltaire -Studien, 
1879  —  82.  —  Zur  Beurteilung  Lessings,  u.  a. 

Mayreder,  Rosa,  geb.  1859  in  Wien,  lebt  daselbst.  --  Schriften:  Zur 
Kritik  der  Weiblichkeit,  1905,  u.  a. 

Mehlis,  Georg,  Privatdozent  in  Freiburg  i.  Br.    Berausgeber  d«    l 
=  Anhänger  Rickerts. 

Schriften:  Die  Geschichtsphil os.  Comtes,  1909  u.  a. 
Eis ler,  Philosophen-Lexikon.  J" 


MEHRING  —  MÜLLER. 


Mehring,  G.,  geb.  1802  in  Berlin,  gest.  1871  in  Posen. 
M  er  der.  —  Schriften:  Criteriologie  generale,  1911. 

Mesmer,  Franz  Anton  (Friedrich),  geb.  1733  in  Iznang  a.  Bodensee, 
wirkte  1771—78  in  Wien,  dann  in  Paris,  gest.  1815  in  Meersburg.  =  M.  ist 
der  Begründer  des  „Mesmerismus",    der  Lehre   vom  „tierischen  Magnetismus". 

Schriften:  De  planetarum  influxu,  1766.  —  Sendschreiben  an  e.  auswärt.  Arzt 
über  d.  Magnetkur,  1775.  —  Vgl.  J.  KERNER,  F.  A.  M.,  1856.  —  KlESEWETTER, 
M.s  Leben  u.  Lehre,  1893. 

UfetSChmkoir,  Elias,  Prof.  in  Paris.  —  Schriften:  Studien  über  d.  Natur 
des  Menschen,  1904;  2.  A.  1910.  —  Beiträge  zu  e.  Optimist.  Weltansch.,  1908. 

Menmann,  jetzt  Prof.  in  Hamburg. 

Meyer,  Theodor,  geb.  1821  in  Bünzen  (Schweiz),  Jesuit  in  Exaeten. 

Schriften:  Die  Grundsätze  d.  Sittlichkeit  u.  d.  Kechts,  1868.  —  Institutiones 
iuris  naturalis  seu  philos.  moralis,  1885;  2.  ed.  1906,  u.  a. 

Michelitscn,  Anton,  geb.  1865  in  Eibiswald,  Prof.  der  Theol.  in  Graz. 
Schriften:  Haeckelismus,  Hylomorphismus  u.  Naturwiss.,  1897.  —  Haeckelismus 
u.  Darwinismus,  1900,  u.  a. 

Milhaud,  Gaston,  geb.  1858  in  Nimes.  —  Schriften:  Nouvelles  6tudes 
sur  l'histoire    de  la  pensee    scientifique,  1911. 

llisch*  G.,  Prof.  in  Marburg.  =  Schüler  Diltheys. 

]Hyers,  Frederic  William  Henry,  geb.  1843  in  Duffield  (Derbishire),  gest. 
1901  in  Eom;  war  Mitbegründer  und  Präsident  der  „Society  for  Psychical 
Research".  =  Theorie  des  „subliminalen  Bewußtseins"  (vgl.  James). 

Schriften:  Phantasm  of  the  Living  (with  Gurney  and  Podmore,  1886).  — 
„Science  and  a  Future  Life",  1893.  —  Human  Personality  and  its  Surviva]  of  Bodily 
Death",  1901.  —  Essays  „Modern  and  Classical",  1883. 

Molenaar 9  Heinrich,  geb.  1870  in  Zweibrücken,  Realschulprof.  in 
Nürnberg.  Herausgeber  der  „Menschheitsziele".  =  Von  Comte  beeinflußter 
positivistischer,  evolutionistisch-mon istischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  Religion  der  Menschheit,  1901 — 03.  —  Positive  Weltanschauung, 
Vierteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos.,  1904  f.,  u.  a. 

Montgomery,  Edmund,  geb.  1835  in  Edinburg,  Prof.  in  Hempstead. 

Morgan,  C.  L.,  geb.  1852  in  London,   Prof.   in  Bristol. 
Schriften:  Studies  in  Visual  Sensation,  1901. 

Moriniere,  geb.  1698  in  Paris,  gest.  1768  daselbst. 

Mosso,  gest.  1910. 

Mnirliead.  John  Henry,  geb.  1835  in  Glasgow,  Prof.  in  Birmingham. 
Schriften:  Philos.  and  Lifo,  1908. 

Müller,  G.  E.  —  Schriften:  Zur  Analyse  d.  Gedächtnistät.  u.  d.  Vorstellungs- 
verlaufes 1,  1911. 


Müller  —  Nietzsche.  883 


Müller,  Johannes,  geb.  1864,  lebt  in  Mainberg  bei  Schonungen.  — 
Kulturphilosoph. 

Schriften:  Von  den  Quellen  des  Lebens,  2.  A.  1906.  —  Heraraungen  d.  Lebens, 
2.  A.  1908.  —  Vom  Leben  u.  Sterben,  1907.  —  Bausteine  f.  persönl.  Kultur,  1908. 
—  Blätter  zur  Pflege  d.  persönl.  Lebens,  1898  ff.,  u.  a. 

Müller-L,yer,  geb.  1857  (nicht  1887). 

MÜnsterberg.   —  Schriften:  Problems  of  To-day,  1910. 

Ulüiizer,  Kichard,  geb.  1864  in  Wien,  Advokat  daselbst.  =  M.  betont 
die  Bedeutung  des  Gefühls  für  das  Geistesleben. 

Schriften:  Bausteine  zu  e.  Lebensphilos.,  1905;  2.  A.  1909.  —  Aus  der  Welt 
der  Gefühle,  1907,  u.  a. 

Nahlowsky,  geb.  1812  in  Prag,  gest.  1885  in  Graz. 
Natorp.  —  Schriften:  Volkskultur  und  Persönlichkeitskultur,  1911. 

Naumann,  Friedrich,  geb.  1860  in  Störmthal,  lebt  in  Berlin.  Heraus- 
geber der  „Hilfe".  =  Sozial-liberaler  Standpunkt. 

Schriften:  Was  heißt  christlich-sozial?  1894—96.  —  Nationalsozialer  Katechismus, 
1898.  —  Nationale  Sozialpolitik,  1898.  —  Staat  u.  Familie,  1899.  —  Briefe  über  Re- 
ligion, 3.  A.  1904.  —  Die  Erneuerung  des  Liberalismus,  1906,  u.  a. 

Nietzsche.  =  „Es  gibt  kein  Gesetz:  jede  Macht  zieht  in  jedem  Augen- 
blick ihre  letzte  Konsequenz.  Gerade,  daß  es  kein  Anderskönnen  gibt,  daran  l 
beruht  die  Berechenbarkeit." 

„Die  absolute  Nezessität  des  gleichen  Geschehens  in  einem  Weltlauf,  wie 
in  allen  übrigen,  ist  in  Ewigkeit  nicht  ein  Determinismus  über  dem  Geschehen. 
sondern  bloß  der  Ausdruck  dessen,  daß  das  Unmögliche  nicht  möglich  ist ;  dafi 
eine  bestimmte  Kraft  nichts  anderes  sein  kann,  als  eben  diese  bestimmte 
Kraft." 

„Der  ,Geist'  ist  nur  ein  Merkmal  und  Werkzeug  im  Dienst  des  höheren 
Lebens,  der  Erhöhung  des  Lebens." 

„Lust  und  Unlust  sind  immer  Schlußphänomene,  keine  ,Ursach<ir.  ,,Lnst- 
und  Unlustgefühle  sind  Willens- Reaktionen." 

„Woran   mißt   sich   objektiv    der  Wert?      Allein  an   dem    Quantum 
steigerter  und  organisierter  Macht." 

„Alle  ,Zwecke',  ,Ziele'  und  ,Sinne'  sind  nur  AusdrurksweiM'n  und  Metamor- 
phosen des  einen  Willens,  der  allem  Geschehen  inhiiriert:  des  Willens  rar 
Macht." 

„Man  behauptet  die   wachsende  Entwicklung  der  Wesen.     Eb    fehll 
Fundament,   Jeder  Typus  hat  seine  Grenze:    über  diese  hinaus  gibt   es  keine 
Entwicklung."    „Der  Mensch  als  Gattung  ist   nichl    im  Fortschritt     Höhen 
Typen  werden  wohl  erreicht,  aber  sie  halten  sich  nicht'1 

„Wir  sind  mehr  als  das  Individuuni:  wir  sind  die  ganze  Kette  noch,  mit 

den  Aufgaben  aller  Zukünftc  der  Kette." 

56* 


884  Novicow  —  Petersen. 


„Die  Kunst  erinnert  uns  an  Zustände  des  animalischen  vigor ;  sie  ist 
einmal  ein  Überschuß  und  Ausströmen  von  blühender  Leiblichkeit  in  die 
Welt  der  Bilder  und  Wünsche;  anderseits  eine  Anreizung  der  animalischen 
Funktionen  durch  Bilder  und  Wünsche  des  gesteigerten  Lebens;  —  eine  Er- 
höhung des  Lebensgefühls,  ein  Stimulans  desselben." 

„Was  uns  instinktiv  widersteht,  ästhetisch,  ist  aus  allerlängster  Er- 
fahrung dem  Menschen  als  schädlich,  gefährlich,  mißtrauenverdienend  bewiesen. . . 
Insofern  steht  das  Schöne  innerhalb  der  allgemeinen  Kategorie  der  biolo- 
gischen Werte  des  Nützlichen,  Wohltätigen,  Leben-Steigernden :  doch  so,  daß 
eine  Menge  Beize,  die  ganz  von  ferne  an  nützliche  Dinge  und  Zustände  er- 
innern und  anknüpfen,  uns  das  Gefühl  des  Schönen,  d.  h.  der  Vermehrung 
von  Machtgefühl  geben." 

Vgl.  H.  BELART,  N.s  Leben,  1910. 

NoTicow,  J„  geb.  1849  in  Kadi-keni,  lebt  in  Odessa. 

o. 

Oettingen,  Alex,  von,  geb.  1827  in  Wissust  bei  Dorpat,  gest.  1905  in 
Dorpat. 

Olle-L-aprune,  Leon,  geb.  1839,  gest.  1898  in  Paris. 

Opitz,  Hugo,  geb.  1846  in  Schloß  Netzschkau. 

Ormond,  Alexander  Thomas,  geb.  1847,  Prof.  an  der  Princeton- 
Universität. 

Orestano«  —  Schriften:  La  scienza  de]  bene  e  del  male,  1911. 

Ott,  Emil,  geb.  1878  in  Pforzheim,  lebt  in  Heidelberg.  =  Idealistischer 
Standpunkt. 

Schriften:  Die  Religionsphilos.  Hegels,  1904. 

P. 

Pastor,  W.,  geb.  in  Burtscheid  (nicht  Berlin),  lebt  in  Berlin- Wilmers- 
dorf. 

Paulhan,  geb.  1856  in  Nimes. 

Peip,  Albert,  geb.  1830  in  Zirke,  Prof.  in  Göttingen. 

Peipers,  David,  geb.  1838  in  Frankfurt  a.  M.,  a.  o.  Univ.-Prof.,  Geh. 
Eeg.-Bat  in  Göttingen. 

Schriften:  Quaeetiones  criticae  de  Piatonis  Legibus,  1863.  —  Untersuchung  über 
das  System  Piatos,  1879.  —  Ontologia  Platonica,  1883.  —  Das  Protestant.  Bekenntnis. 
1897;  n.  A.  1899.  —  Ritter,  Über  das  Böse  u.  seine  Folgen,  1869.  —  Lotzes  Kleine 
Schriften,  III,  1885—91. 

Peirce,  geb.  1839  in  Cambridge. 

Perez,  B.,  geb.  1836  in  Tarbes. 

Peters,  C,  geb.  in  Neuhaus.  —  Vgl.  A.  Schopenhauer,  1878. 

Petersen,  Julius,  gest.  1909. 


Petronievics  —  Pürpus.  885 


Petronievics,  geb.  1875  in  Sorljaca,  Prof.  in  Belgrad. 

Schriften:  Abhandlungen  in:  Annalen  d.  Naturphilos.,  1905,  1911;  Zeitschr.  L 
Sinnespsychol.,  1908;  Arch.  f.  syst.  Philos.,  XII— III;  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Strafrechts- 
wiss.  XXVIII,  u.  a. 

Pfister,  Oskar,  geb.  1873,  Pfarrer  in  Zürich.  —  Schriften:  Die  Willens- 
freiheit, 1904. 

Pflügcr,  gest.  1910. 

Philipp,  S.,  geb.  1850  in  Sehloppe,  lebt  in  Kerlin.  —  Schriften:  übe* 
Trsprung  u.  Lebenserschein,  d.  tior.  Organismen,  1883.  —  Vier  skeptische  Thesen, 
1898.  —  Über  uns  Monschen,   1908. 

Piat,  Clodius,  geb.  1854.  —  Schriften:  Probl.  de  la  liberte,  1895.  —  La 
personne  humaine,  1897.  —  La  destinee  de  l'homrae,  1898. 

Picavet,  Franc.  Jos.,  geb.  1851  in  Petit-Fayt.  —  Schriften:  Les  ideol. 
franc,ais,  1890.  —  Mem.  sur  le  scepticisme,  1884.  —  Hist.  de  la  philos,   1888. 

Picton,  J.  A.,  geb.  1832,  gest.  1910. 

Pikler,  J.,  geb.  1864  in  Temesvär. 

Pillsbnry,  W.  B.  —  Schriften:  Attention,  1908.  —  Psychol.  of  Reasoniüg,  1910. 

Pollack,  Walter.  —  Schriften:  Ins  dunkle  Land  der  Philosophie  und 
Rechtswissenschaft,   1911. 

Pollock,  Frederick,  geb.  1845  in  London,  Prof.  der  Rechtswissenschaft 
in  London  und  Oxford. 

Schriften:  Essays  in  Jurisprudence  and  Ethics,  1882.  —  Introduction  to  the 
History  of  the  Science  of  Politics,  4.  ed.  1902  (deutsch  in  der  Universalbibl.).  —  Spi- 
noza, 2.  ed.  1899,  u.  a. 

Pope,  Alexander,  1688.— 1744,  der  bekannte  englische  Dichter,  verfaßte 
u.  a.  einen  „Essay  on  Criticism"  (1711,  Poetik)  und  einen  „Essay  on  Man" 
(1733,  1880;  deutsch  1822,  Theodizee).    Works,  1751  u.  ö.,  1871-89. 

Vgl.  LESSING,  P.  ein  Metaphysiker,  1755  (mit  Mendelssohn).  —  STEPHEN, 
A.  P.,  1880. 

Praechter,  Karl,  geb.  1858  in  Heidelberg,  Prof.  der  Philologie  in 
Halle  a.  S. 

Schriften:    Die   griech.-röm.   Popularphilos.   u.  d.  Erzieh.,  1886.    —    Cebetis  Ta- 
bula,   1893.    —    Hierokles    d.    Stoiker,    1901.    —    Bd.  I  der  11.  Aufl.    von    Uebei 
Heinze,  Grundr.  d.  Gesch.  d.  Philos. 

Preuß,  Wilhelm,  geb.  1843  in  Garistorf,  Oberlehrer  in  Elsfleth.  = 
Hylozoistischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  materielle  Bedeutung  des  Lebens  im  Universum,  1878.  —  l>io 
psych.  Bedeut.  des  Lebens,   1879.  —  Geist  und  Stofl,   1883;  2.  A.   1889,  u.  a. 

Purpns,  Wilhelm,  Prof.  u.  Rektor  am  Progymnasiuni  Weiflenbuig  i.  B. 

=  Hegelianer. 

Schriften:    Zur   Dialektik    des    Bewußtseins    nach    Hagel,    IWS. 
raanns  Kritik  d.  dialekt.  Methode   Hegels,    1911.   -    Die   Dialektik  d.  «nnl.  I      l 
bei  Hegel,  1905. 


886  Eehmke  —  Roeario. 


R. 

Kelllllke.  —  Schriften:  Zum  Lehrbegriff  des  Wirkens,  1902.  —  Welt  und 
Mensch,  1901. 

Reichenbacli9  Karl  von,  geb.  1788  in  Stuttgart,  gest.  1869  in  Leipzig. 
=  Lehre  vom  „Od"  (,,Od-Strahlen;<,  die  angeblich  von  Körpern  ausgehen). 

Schriften:  Odisch-magnet.  Briefe,  1852;  2.  A.  1856.  —  Der  sensitive  Mensch, 
1854.  —  Aphorismen  über  Sensitivität  und  Od,  1866.  —  Die  odischo  Lohe,  1866,  u.  a. 
—  Vgl.  SCHRÖTTER,  K.  v.  R.,  1869. 

Rey9  Abel.  —  Schriften:  Les  sciences  philosophiques,  1908. 
Riccardou,  A.,  Prof.  in  Paris.  —  Schriften:  De  l'Ideal,  1890. 
Rickert«  —  Vgl.  Lebenswerte  u.  Kulturwerte,  Logos  II,  1911. 

Riedel,  Friedrich  Justus,  geb.  1742  in  Vieselbach  bei  Erfurt,  1768  Prof. 
in  Erfurt,  1771  an  der  Kunstakademie  in  Wien,  gest.  1785.  =  R.  unterscheidet 
drei  Seelenkräfte:  Begehren,  Denken,  Gefallen.  Der  Mensch  hat  dreierlei  End- 
zwecke: das  Wahre,  Gute  und  Schöne.  Schön  ist,  „was  ohne  interessierte 
Absicht  sinnlich  gefallen  und  auch  dann  gefallen  kann,  wenn  wir  es  nicht 
besitzen". 

Schriften:  Theorie  der  schönen  Künste  und  Wissenschaften,  1767;  2.  A.  1774, 
u.  a.  —  Sämtliche  Schriften,  1786—87.  —  Vgl.  K.  F.  WlZE,  F.  J.  R.  und  seine 
Ästhetik,  1907. 

Rignano,  Eugenio,  Herausgeber  der  „Riv.  scient."  =  Neolamarckistischer 
Standpunkt  (Theorie  der  „Zentro-Epigenese"). 

Schriften:  Vererbung  erworbener  Eigenschaften,  1907,  u.  a. 

Rio,  Sanz  del,  geb.  1814,  gest.  1869  in  Madrid. 

Ritchie,  D.  G.  —  Schriften:  Philosophical  Studies,  1905. 

Rittelmeyer,  Friedrich,  geb.  1872  in  Dillingen,  Pfarrer  in  Nürnberg. 
Schriften:    F.  Nietzsche  u.  d.  Erkenntnisprobl.,   1903.   —    F.  Nietzsche    und   die 
Religion,  1904.  —  Tolstojs  religiöse  Botschaft,  1905,  u.  a. 

Rochefoucauld ,    La,  s.  La  Kochefoucauld  (der   zweite  Artikel   fällt 

weg). 

Rocholl,  Rudolf,  geb.  1822  in  Rhoden,  Kirchenrat,  gest.  1905  in 
Düsseldorf. 

Kolil and,  Waldemar  von,  geb.  1850  in  Riga,  Prof.  der  Rechtswissen- 
schaft in  Freiburg.  i.  ß.  =  Indeterministischer  Standpunkt. 

Schriften:  Die  Kausallehre  des  Strafrechts,  1903.  —  Willenstheorie  und  Vor- 
stellungstheorie im  Strafrecht,  1904.  —    Die  Willensfreiheit  u.  ihre  Gegner,  1905,  u.  a. 

Rollos,  Eugen,  geb.  1852  in  Düsseldorf,  kath.  Pfarrer  a.  D.,  Neuß. 

Schriften:  D.  aristot.  Auffassung  vom  Verh.  Gottes  zur  Welt,  1892.  —  D.  sub- 
stantiale  Form  u.  d.  Begriff  d.  Seele  bei  Aristot.,  1896.  —  Das  Wesen  d.  Seele,  1897. 
—   D.  Gottesbeweise  bei  Thomas  von  Aquino  u.  Aristoteles,  1896. 

Rorario,  Girolamo,  1485—1556. 


Roscelinus  —  Stricker.  887 


Roscelinus.  —  Daß  E.  nur  ein  „Pseudo-Xominalist  •  war,  erklären  A«ll- 
hoch,  de  Wulf  (Hist.  de  la  philos.  meU*,  S.  181). 

Rose,  Fritz,  geb.  1876  in  Cüln,  lebt  in  Weimar.  —  Schriften:  Di«  Lehre 
von  den  eingebor.  Ideeen,  1901.  —  J.  G.  Sulzer  als  Ästhet.,   1907. 

Rage,  A.  =  Das  von  R.  herausgegebene  Philosophische  Jahrbuch  führt 

den    Titel:     Die    Philosophie    der    Gegenwart.       Eine    international.     Jahres- 
iil  »ersieht. 

Rümelin,  Gustav,  geb.  1848  in  Nürtingen,  Prof.  in  Freiburj 
=  Die  Gesetze  der  Gesellschaft  und  Geschichte  sind  psychologische!  Art 

Schriften:  Reden  and  Aufsätze,  1875.     Neue  Folge,  1889.     Dritte  folge,  1894. 

Ruyssen,  Th.  —  Schriften:  Schopenhauer,  1911. 

S. 

Sabatier,  Armand,  gest.  1911.  —  Schriften:  Le  transformisme,  1886.  — 
Essai  sur  la  vie  et  la  mort,  1894.  —  Essai  sur  l'immortalite,   1896. 

Salvadori,  G.  —  Schriften:  Saggio  di  uno  studio  sui  sontimenti  morali, 
1903.  —  L'idea  del  diritto,  1904.  —  Das  Xaturrecht  und  der  Kntwicklungsgedanke, 
1905. 

Schlaf.    Johannes,    geb.    1802,    lebt   in    Weimar,    bekannter    Dicht 

Pantheistischer  Standpunkt. 

Schriften    (philos.):    Maeterlinck,    1906.    —    Kritik    d.    Taincsi.hen     Kunst].: 
1906.   —  Der  „Fall"  Nietzsche,  1907.  —   Religion  u.   Kosmos,   1911. 

Schmidt,  F.  J.  —  Schriften:  D.  philos.  Sinn,   191S 

Schneider.   (Jnstav,  geb.   1840  in   Gera,   Prof.   daselbi 
Schriften:    De  causa  finali  Aristotelea,  1865.  —  D.  Fiat«'!.   HeUphyt*,    l^v 
Hellen.   Welt-  und  Lebensansch.,  1893  —  96.    —    Die   Weitaus«. h    Fiatos,   1898.    —    I 
mentar    zu    Piatons    Apologie    und    Kriton,    2.   A     1906;     zu   F.s   Eathyphron,    '  I    - 
Phaedon,   19<>5.  —  Piatos  Philos.,   1907,  u.  a. 

Scailles«   (J.  —    Schriften:   Le»  aftirmat.  de  la  .  •  nodsne,    1911 

Sichele,  »Seipio,  geb.  181 

Spränget*,  Ed.,  jetzt  Prof.  in  Leipzig         Schüler  Dilth« 

Spinijc.  Dornelias  Bellaar,  geb.  1842  in  Rocken) 

Standinger,  F.  —  Schriften:    Vgl.  iaeh:   Zw   M 
■chang,  Her.  üb.  d.   111.   int.    Kongr.   f.   Phil,    19 

Slernherj;,   Theodor.  Iftes:    i 

Ethik,    1911. 

Strecker,  Wilhelm,  geb.  L862  in  Mannheim. 
Stricker.  Salomon,  g<  b.  W         N    tstadtl, 

logie  in  Wi<  >8  daeelb 


888  Taubert  —  Wreschner. 

t. 

Taubert,  Agnes,  gest.  1877.  —  Schriften:  Philosophie  gegen  naturwissen- 
schaftliche Überhebung,  1872. 

Thomas,  P.  Felix.  —  Schriften:  La  Suggestion,  son  role  dans  l'education, 
4.  ed.  1907.  —  Morale  et  education,  2.  ed.  1905.  —  P.  Leroux,  1904.  —  L'education 
des  sentiments,  5.  6d.  1910,  u.  a. 

Thomson,  J.  J.  —  Schriften:  Elektrizität  und  Materie,  1904.  —  Die 
Korpuskulartheorie  der  Materie,  1908. 

Titcnener,  geb.  1867  in  Chichester,  Prof.  an  der  Cornell-Universität. 
Tocco,  Feiice,  gest.  1911  in  Florenz. 

u. 

Ueberwasser,  F.  —  Schriften:  Anweis,  zum  regelraäß.  Studium  d.  enipir. 
Psychol.,  2.  A.  1794.  —  Über  das  Begehrungsvermögen,  1800. 

w. 

Wagner,  Adolf,  geb.  1835  in  Erlangen,  Prof.  der  Nationalökonomie 
in  Berlin. 

Schriften:  Die  Gesetzmäß.  in  den  scheinbar  willkürl.  menschl.  Handlungen,  1864. 
—  Hand-  u.  Lehrb.  d.  polit.  Ökonomie,  1904  ff. 

Wendland,  Paul,  geb.  1864  in  Hohn  stein  i.  Ostpr.,  Prof.  der  Philo- 
logie in  Breslau. 

Schriften:  Quaestiones  Musonianae,  1886.  —  Neu  entdeckte  Fragmente  Philos, 
1891.  —  Philos  Schrift  über  die  Vorsehung,  1892.  —  Beiträge  z.  Gesch.  der  griech. 
Philos.,  1898,  u.  a. 

Werner,  Otto,  geb.  1857,  Pfarrer  in  Wolfsbehringen. 

Whately,  Richard,  geb.  1787  in  London,  Erzbischof  von  Dublin,  gest. 
1863  daselbst. 

Wiener,  Christian,  geb.  1826  in  Darmstadt,  gest.  1896  in  Karlsruhe. 

Windelband.  —  Präludien,  4.  A-.,  2  Bde.,  1911. 

Wirth,  Joh.  Ulrich,  geb.  1810  in  Ditzingen,  gest.  1859  in  Weiblingen. 

Wirth,  Wilhelm.  —  Schriften:   Der  Fechner-Helmholtzsche  Satz,  1900. 

Witmer,  Lightner,  geb.  1867  in  Philadelphia. 

Wixe»  —  Schriften:  Eine  Einteil.  d.  philos.  Wissenschaft,  nach  Aristoteles' 
Prinzipien,  Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Philos.  Bd.  32,  und  polnische  Schriften  (in : 
Przeglad  Filozof.,  1911,  H.  3,  u.  a). 

Wobbermin.  ==  W.  betont  das  „transzendental-psychologische  Ver- 
fahren, welches  die  Motive  und  Tendenzen  der  Religionen  unter  dem  Gesichts- 
punkt des  Wahrheitsinteresses  vornimmt". 

Schriften:  Aufgabe  u.  Bedeut.  d.  Religionspsychol.,   1910. 

Wreschner,  Arthur,  geb.  1866  in  Breslau. 


Zeitleb  —  Zillma 


x. 

Zeitler,    Julius,    Leipzig,    Schüler   Wund!  9el  Nfotueh« 

Ästhetik,    1900.    —    Die    Kunstphilos.    von    H.    \ 
1900,  u.  a. 

Zillmann,  Paul,  geb.  1872  in  Dresden,  Prof.,  li  \ 

Metaphys.  Rundschau'',  lebt  in  Groß-Lichterfelde.  =  Okkult '- 
Schriften:   Aufsätze  in  der  „N.  Met.   Rundschaa<(, 


.»» .  ..|.> .  ««.  - 


Druckfehler : 

S.  208  (Goldscheidj :  statt  Soziol.  u.  Gesellschaften  -- 

Wissenschaft. 
S.  471:  statt  Milhauld  lies  Milhaud. 
S.  484:  13.  Zeile  von  oben:  lies  I.  Der  Sinn 
S.  536  (Peters):  statt  Wissenswelt  lies  Willens*  «'lt. 
S    551:  3.  Zeile  von  oben:  statt  o(oqxxjvvri 

39:  5.  Zeile  von  oben:  statt  buchten  lies  h  <"><•! 


Vom  Verfasser  des  „Philosophen -Lexikons"  sind  erschienen: 

Die  Weiterbildung  der  Kantschen  AprioritHtslehre.    Leipzig  1895. 

Grundlagen  der  Erkenntnistheorie.    Leipzig  1900. 

Das  Bewußtsein  der  Außenwelt.    Leipzig  1900. 

W.  Wundts  Psychologie  und  Philosophie.    Leipzig  1902. 

Nietzsches  Erkenntnistheorie  und  Metaphysik.    Leipzig  1902. 

Soziologie.     Leipzig  1903  (Holländisch,  1911). 

Kritische  Einführung  in  die  Philosophie.    Berlin  1905. 

Leib  und  Seele.    Leipzig  1906. 

Einführung  in  die  Erkenntnistheorie.    Leipzig  1907. 

Grundlagen  der  Philosophie  des  Geisteslebens.    Leipzig  1908. 

Das  Wirken  der  Seele.    Leipzig  1909. 

Geschichte  des  Monismus.    Leipzig  1910. 

Wörterbuch  der  philosophischen  Begriffe.    3.  Aufl.    Berlin  1910. 

Elemente  der  Logik.    2.  Aufl.     Eßlingen  1910. 

Geist  und  Körper.    Göttingen  1912. 

Worte  Kants.    Minden  1912. 


Verlag  der  Königl.  Hofbuchhandlung  von  E.  S.  Mittler  &  Sohn 

Berlin  SW  68 


Dr.  Rudolf  Eisler 

Kritische  Einführung: 
in  die  Philosophie 

=  TU  7,50,  gebunden  Jffl  8,50  ===== 

Das  Buch  will  nicht  bloß  eine  Einleitung  zur  Philosophie 
geben,  sondern  es  stellt  sich  die  Aufgabe,  „die  Grundprobleme 
der  Philosophie  selbst  vorzuführen  und  zugleich  eine  Art  philo- 
sophischer Enzyklopädie  zu  bieten".  Es  gibt  eine  Übersicht 
über  die  Mannigfaltigkeit  der  philosophischen  Grundlagen,  for- 
muliert sie,  zeigt  die  verschiedenen  Richtungen  der  Lösungs- 
versuche, kritisiert  diese  und  leitet  zur  selbständigen  Stellung- 
nahme an.  Kölnische  Volkszeitung. 


Verlag  der  Königl.  Hofbuchhandlung  von  E.  S.  Mittler  &  Sohn 

Berlin  SW  68 


Dr.  Rudolf  Eisler 

Wörterbuch  der 
philosophischen  Begriffe 

=  Dritte,  völlig  neu  bearbeitete  Auflage  = 

3  Bände  geheftet  M  35,—,  in  Halbfranz  gebunden  M  40,- 


Ein  erstklassiges  Nachschlagebuch,  das  alle  andern 
ähnlichen  Unternehmen  an  Zahl  der  bearbeiteten  Artikel 
sowie  an  Reichhaltigkeit  der  Anschlüsse  im  einzelnen,  weit 
übertrifft.  Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  keine  rein  chrono- 
logische, sondern  die  logisch -systematische  (klassifika- 
torische)  und  die  chronologisch-genetische  Dispositions- 
weise sind  nach  Möglichkeit  miteinander  kombiniert.  Die 
Definitionssammlungen  sind  nach  philosophischen  Rich- 
tungen gruppierte,  kritisch  durchgearbeitete  Zusammen- 
stellungen. Was  diese  Arbeit  allein  an  Zeit  und  Mühe  kostete, 
läßt  sich  kaum  absehen.  Berner  Bund. 

Als   modernstes  und   auf   lexikalischem   Gebiet    um 
fassendstes  Hilfsmittel  zum  Verständnis  der  philosophischen 
Ausdrucksweise     bietet     sich    ,,  Eislers    Wörterbuch"    dar.       Ein 
erwünschtes    Nachschlagewerk    —    für   den   Philosophen    kaum 
weniger  als  für  den  Studierenden.  Leipziger  Zeitung 

Es  ist  eines  von  jenen  Büchern,  die  neben  anderen  NX  örter- 
büchern  in  den  Handbibliotheken  unserer  Lehrerzimmer 
stehen  sollten.  Blätter  für  (iymnasialschulwesen. 


Verlag  der  König!.  Hofbuchhandlung  von  E.  S.  Mittler  &  Sohn 

Berlin  SW  68 

Friedrich  Ueberwegs 

Grundriß  der 

Geschichte  der  Philosophie 

fortgeführt  von  Max  Heinze 

Erster  Teil: 

Das  Altertum 

Zehute,  mit  Namen  und  Sachverzeichnis  versehene  Auflage 

bearbeitet  und  herausgegeben  von 

Dr.  Karl  Praechter 

ord.  Professor  der  klass.  Philosophie  an  der  Universität  zu  Halle  a,  S. 

M  9,—,  gebunden  M  11,— 
Zweiter  Teil: 

Die  mittlere  oder  die  patristische  und 
scholastische  Zeit 

Keimte,  neu  bearbeitete,  mit  einem  Philosophen-  und  Literaturen-  Reg  ister 
versehene  Auflage  herausgegeben  von 

Dr.  Max  Heinze 

ordentl.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Leipzig 

M  7,—,  gebunden  M  8,50 
Dritter  Teil: 

Die  Neuzeit  bis  zum  Ende  des  achtzehnten 

Jahrhunderts 

Zehnte,  mit  einem  Philosophen-  und  Literatoren-Register  versehene  Auflage 

bearbeitet  und     herausgegeben  von 

Dr.  Max  Heinze 

ordentl.  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Leipzig 

M  7,50,  gebunden  M  9,— 
Vierter  Teil: 

Das  neunzehnte  Jahrhundert 

Elfte,  mit  Namen-  und  Sachverzeichnis  versehene  Auflage 

bearbeitet  und  herausgegeben  von 

Privat-Dozent  Dr.  Georg  Misch 
(In  Vorbereitung.)    Etwa  M  12,—,  gebunden  M  14,— 


E.  S.  Mittler  &  Sohn,  »erlin  SW„  Kochstraße  68—71. 


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3 

43 


ler,  Rudolf, 
Philcsophen-Lexikon 


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